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Full text of "Handbuch der allgemeinen Staatskunde von Europa"

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I 


profc&sor  Karl  ficinridj  Kau 

PBK»1NT«0    TO    TM« 
UNIV«f«»ITV     OF     MIOHIOAN 

of  DcTKOrr 

tan 


HC 

.  S38 


/ÖIZ/^- 


Allgemeinen  Staatskande 


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▼  OD 


Europa 


▼OB 


Dr.  Friedrich  Wilhelm  Schubert^ 

ord.  Prof.  der  Gcfchichte  and  Stentflmsd«  an  der  Usirmilit 

u  Kdnigsber g« 


Ersten  Bandes   zweiter  Theil: 
Frankreich   und   das  Britische  Reich. 


Königaberg    1836, 

bei  den  Gebrudern  Bornträger. 


<' 


I 


Gcdraekt  ia  dar  pAtOBKBfefcai 
BacMwckerei  «a^Kdttljib.  hi  Pr. 


Vorrede. 


fVenn  eine  meljakrige  Arbeit y  die  mit  Liehe  und 
nnausgesetzter  Anstrengung  unternommen  und  fort- 
geßihrt  ist,  die  aber  nach  ihrem  ganzen  Charakter 
-j         einen  fast  unabsehbaren  Apparat  verlangt  und  die^ 
I         sen   taglich  zu  füllen  und   noch  zu  enceitem  be- 
fiehky   oder   die  unausbleibliche  Gefahr  trügerisch 
zweideutiger  Lüchen  androht  ^  ^—  wenn  eine  solche 
[!  Arbeit  gleich  beider  ersten  Entsendung  eines  Iheils 

)  ihrer  Besuhate  freundlichst  empfangen  und  mit  er- 

r  nnmtemdem  Beifalle  begrüsst  wird,  so  hat  sie  ihren 

I  erwünschtesten  Lohn  erreicht.  Sie  hat  dann  das  Feld 

ihrer  Wirhstmkeit  erlangt,  auf  dem  die  Ernte  ihr 
nicht  entgehen  wird,  wenn  die  Saat  selbst  eine  ge- 
deihliche ist.  Es  ist  mir  wahrlich  die  angenehmste 
laicht,  für  die  lebhafte  Theilnahme,  mit  welcher 
mir  sehr  ehrenwerthe  Männer  fn  Recensionen  und 


~\ 


IV  '  V  o  r  r  e  d  e.     ^ 

bri^ichen  Stittheilungen  den  ersten  Band  meiner 
Staatskunde  aufgenommen  haben^  hier  öffentlich  mei^ 
nen  Dank  auszusprechen,  freilich  nicht  ohne  den  ange- 
legentlichen Wunsch^  dass  die  Fortsetzung  des  Wer- 
kes  dem  gesteckten  Ziele  möglichst  nahe  kommen 
möge.  Der  von  mir  dargebotene  Plan  einer  histo- 
risch, durchgearbeiteten  Statistik  ist  als  ein  Be- 
dürfniss  der  Zeit  und  des  heutigen  Zustarfdes  der 
politischen  Literatur  erkannt  worden.  Sehie  Hauptab- 
sieht  bleibt  stets  dahin  gerichtet  y  die  wichtigsten 
Zustände  der  heutigen  Staaten  Europas  in  ihrer  po- 
litischen und  bürgerlichen  Entwickelung  durch  mög^ 
liehst  vollständige  und  deutliche  Bilder  zuvergegen- 
uärtiger^  .Das  nach  diesem  Plane  gegebene  Bftispiel  im 
Bussischen  Staath  ist  für  eine  ausreichende  Lösung 
dieser  Aufgabe  erachtet  worden.  Ich  hoffe  dass  der 
jetzt  erscheinende  zweite  Theil,  welcher  Frankreich 
und  Grossbritannien  liefert^  ein  noch  vollständigeres 
Bild  dieser  Staaten  vorführen  wirdy  nicht  etwa,  weil 
diesen  Beichen  ein  erweiterter  Plan  oder  ein  verstärk- 
ter Fleiss  zugewandt  wäre,  sondern  lediglich  aus 
dem  unschätzbaren  Grunde  ^,  weil  hiefür  schon  seit 
länger  als  einem.  Jahrhunderte  ein  reiches  Material 
aus  unerschöpflichen  Quellen  ztfliesst ,  deren  freier 
Gebrauch  nie  durch  den  Verschluss  einer  wenig  ge- 
kannten Sprache  gehemmt  ist,  wie  dies  allerdings 
bei  den  iteuesten  ofßciellen  und  halbofficiellen 
Quellen  für  die  Russische  Staatskunde  beklagt  wer* 
den  muss. 

Ueber  den  Zeitraum^  von  neun  Monaieny   der 
zwischen  der  Ausgabe  des  ersten  und  dieses  zweiten 


Voprtde«  ▼ 

Theiis  verfiBssen  iii^  dai^ich  dem  biUigen  Leser  wohl 
füclus  hinzt$8etzen^  wenn  er  sieht,  dass  dieser  Band  bei- 
■  ikiAe  dM  doppelte  Volum^$  des  ersten  umfasst,  und 

['  wenn  er  erföhrt,  dass  ich,  wn  den  schwierigen  Druck 

möglichst  rein  van  Sinn  störenden  Fehlem  zu  überlie- 
ftm,  zwei  €orrecturen  jedes  Bogehs  selbst  mache.  — 
Die  einheimische,  und  ausländische  Literatur  habe 
ich,  so  weit  es  möglich  war,  selbst  noch  aus  den 
letzten  Monaten  des  Jahres  1835  bei  'der  Durch- 
sich  der  einzelnen  Bogen  benutzt,  und  wo  sie  Be- 
reicherungen  gewährte,  nächgetragen.  Räumers  so 
eben  erschienene  Briefe  über  England,  denen  ich 
'für  einzelne  Zustände  dieses  Staates  gewiss  int  er- 
ressante  ^Notizen  verdanken  dürfte ,  habe  ick  aber 
nicht  mehr  bjenutzen  können,  da  sie  mir  erst  heute 
am  Schlüsse  des  letzten  Bogens  zugekommen  sind. 

Der  Druck  des,  dritten  Theiis,  welcher  Spa- 
nien:^ Portugal,  die  Staaten  Italiens,  die  Türkei 
und  Griechenland  enthalten  soll,  wird  ungesäumt  ange- 
fangen, doch  kann  ich  seihe  Ausgabe,  da  er  in  Bogen- 
zahl \iiesem  Theile  ziemlich  gleich  stehen  wird,  nicht 
vor  dem  September  versprechen.  —  Einen  von  meinem 
würdigen  Amtsgenossen,  dem  Professor  Hasse  in 
Leipzig,  in  seiner  Recension  über  meine  Staats- 
künde  ausgesprochenen  Wunsch,  dass  ich  neben  die-- 
ser  Darstellung  der  Staaten  Europas  zur  Vervoll- 
ständigung ein  ähnliches  Buch  über  die  Staaten  Arne- 
.  rikas  bearbeiten  sollte,  darf  ich  hier  flicht  ^völlig  un- 
berührt lassen.  Ich  bemerke  jedoch  nur,  dass  ichfa^t 
gleichzeitig  mit  meinen  Vorarbeiten  für  Europa  seit 


VI 


V  ö  r  r  t  d  e. 


zehn  Jahren  auch  für  Jie  bereits  enttackdien  Staaten 
Amerikas  sßtiel  statistische  Nachrichten  sammele, 
als  ich  ihrer  haUßuMfi  tserden  lann.  Ein  solches 
Buch  zu  bearbeiten,  hatte  ich  mir  selbst  schon 
zur  Aufgabe  gestellt,  aber  uann  ich  es  zur  of^ 
/entliehen  Bekanntmachung  reif  halten  werde,  kann 
ich  jetzt  noch  nicht  beHimmen.  *  —  Aber  eine' 
Bitte  —  und  eine  reckt  dringende  Bitte  an  meine 
Leser  darf  ich  mir  zum  Schlüsse  nicht  versagen, 
nämlich  abweichende  Ergebnisse  historischer,  po- 
litischer und  allgemeiner  statistischer  Forschungen, 
die  in  meinem  Buche  häufig  in  Folge  eigener, 
lange  und  mOhsam  wiederholter  Untersuchungen 
sich  vorfinden,  nicht  sofort  von  sich^  weisen 
zu  wollen,  weil  andere  ak  bekannte,  oder  auch 
neu  aus  dem  Ausland  hinüber  getragene  Ee-^ 
sultate  die  Sache  anders  darstellen.  Ich  fordere 
nicht  anmaassungsvoU  den  Uebertritt  zu  den  von 
mir  gefundenen  Ergebnissen,  ich  wünsche  nur  im6e- 
fangene  Prüfung  der  entgegenstehenden  Ansichten 
und  mtV  nicht  unbegründet  zuzumuthen,  dass  ich  et- 
was nicht  gewusst  oder  übersehen  habe,  was  ich 
gerade,  weil  ich  es  wusste,  eher  nicht  für  f actisch, 
oder  nicht  für  hinlänglich  begründet  erkannte ,  bei 
Seite  legen  müsste. 

Königsbergf  den  IL  Januar  1836. 


F.  W.  Schubert. 


Inhalt 


Frankreich Äg 

9«    L    AllgettidiitB  Quellen  imdHüIffmf Cltl(Ear- 
tta,  Büclier). 


A«  Gnuidiiiadit  dea  Fraittortielieii 
Staate»,  a  6-74. 
§w    Z    Uebenielit  dee  gegeavirti^  Landerbe- 

standeg  und  seines  aUmjÜiligen  Anwacbses       6—18 
fi.    3.    Politftdie  Eintheilang .    .    ^    .    .    .    .      18—25 

{•    4.    Physisehe    BesehaffeiAeit    des   Bedens, 
klimatisidieyerhiltnisse,  Gebirge»  Flüsse 
Canile»  Landstrauen,  Eisenbahnen,  BrOk* 
kenbau    •••••••...«•      25—41 

S«    5.    BeFölkeningtverbiltnisse ,    die    grossen 

Sttdte '  •    .    .      42—50 

fi«    6.    StammTenehiedenheit  der  Bevölkemng  ^     50—54 
9*    7*    Allgemeine  StitodererhUtnisse  •    •    .    •      54—61 


Till  Inhalt« 

8eitt 

$,    8.^    ReligfoniTcni^iedeDheit  und  aUgetoeine  ' 

kirchliche  Verh&itnitte  der  Bewohner    .      61—74 

B«  Die  Cultnr  des  Franzosischen 
Staates*)  S.  74-178. 

{•  D«  Die  verschiedenen  Zweige  der  ph  jiischen 
Cultur  (A.  Ackerbau  und  Gartenbau  S. 
76—82.  B.  Viehzucht,  S.  82—88.  C.  Sei* 
denbau  und  Bienenzucht,  S.  88.  D.  Font- 
sucht  und  Jagd,  S.  89—90.  E.  Fischerei,  • 
S,  90—92.  F.  Bergbau,  92—95.'    ,    .    .       74—95 

§.  10*  Die  Terschiedenen  Zweige  der  technischen 
Cultur.  Geschichtliche  Uebersicht  dersel- 
ben S,  95^— lOX  Die  einzeln.  Manufacturen 
in  ihrem  heutigen  Zustandet.  102—114.'     05—113 

%.  IL  Die  verschiedenen  Zweite  des  Handels. 
Der  innere  Verkehr.  S.  1 1 8 — 1 9.  Der  aus- 
wärtige  Handel,  Eln^rS.  119—22.  Aus- 
fuhr 122—27.  Die  letirten  J«hre  s.  1828, 
1 28—32.  Seehandel  und  Seehäfen  1 32—40    1 13—140 

i.  12.  (Im  Texte  ist  als  Druckfehler  11  zu 
streichen)^  •  Die  geistige  Cultur  in  ihren 
Unterrichtsanstalten,  Bibliothekenit  s.  w.     141—154 

9*  13.  Die  geistige  Cultur.  in  ihren  statistisch 
bemerkensw.erthen  Ergebnissen  für  den 
gesammten  Staat  Die  bildenden  und 
schönen  Künste  S.  150—63.  Die  Wissen- 
sehaften  S.  162—70.  Der  Buchhandel,  die 
ZeijHuigen  u.  gelehrt^  Vereine  S.  170-^78.    154^178 

.    »  •         :  .  .  ,   . 

C.   Die  Verfassung  *de^  FranzQ^- 
sehen  Staates.    &  178— 210.  .    . 
§•  14.    Die   Grundgesetze   der  Staatsverfassung.,    178—181 
9«  15.    Stastsfoniii«    Rechte  der  höchsten  Staafe-  ' 
gewalt  .  und  .  der    regierenden   Djiiiastie 


«)  Diese  Ueberschrift  ist  im  Texte  S.  74.. beim  Abdjniiok«  durch 
Versehen  weggeblieben. 


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^'  tdlt 

i.  13.    bie  gtitdis«  XoHiir  in  ikrm  itatiftifeli 

btinBrkflaMrettheii  CrgebBusen  für  des    . 

|{et«mmten   Staat     Die   bildandeii   tiod 

a^nen  Kftnste  025-^530.     Die  Wiaaen* 

•ehaften   530—634.      Der    BuebhandeK 

die    ZeitoDgen    und    geUbiten    Vereine 

535— 538 524— 53i 

C.  Die  Verfassung  Aes  Britischen 

Staates.    S.  539-578. 

$.14.     Die  Crmndgesetze   der  Staatsverfassung.     539— 54S 
Q.  15.     Staitsform.    Rechte  der  höehsten  Staats- 
gewalt   und    der    regierenden    Dynastie 
,  5^9—555.    Titel,  Wappen,  Hofstaat,  Or- 
den 555—560 548—560 

Q.  16.    Das  Parlament      Rechte    der  Stände. 

Die  Geschwomen  und  Widiier  -  Listen. 

Die  aächlichen  V|rhältDi8se  bei  den  Bilia.    560—577 
$.  17.    Voll  dem  iTerhiÜtnisse   der  Kbehe  lum 

Staate 577—578 

D.  Die  Verwaltung  des  Britischen 

Staates.  S.  679—682. 


« 


I;  Innere  Verhültniste. 

Q.  18.  Die  CetitralbehMen  des  Britischen  Staa« 
tes.  Das  Staatsministerium  579—589.  Der 
Geheime-Rath  589—590. 579-^90 

Q.  19.    Die  innere  Grafschafts-  undPoIisei-Ver* 

waltung  .    ............    .    590—600 

9.  20.    Die  Rechtspflege 600—^18 

9.  21.  Die  FinauETerwaltung.  Geschichte  der 
Staatsschuld  624 — 32.  Die  einaelnea 
Theile  des  Budgets  662.  Der  gegenwär* 
tige  Zustand  638—653. 618—653 

9*  22.  Die  Verwaltung  für  Landhemcund  See- 
macht Das  Laadheer  66a  Die  See- 
m4cht  666 654—672 


• 


» 


/XU 


kabalf. 


II.    Amirartig^  VorhilteiMC  6Ta-*82 

Q.  23.    Der  politbche  Verkehr   leg  DkMidien 

Retehi  mit  anderen  Staaten      •    •    •    •    072-^76 

S«  24.  Die  wichtigtten  noeh  ala  gfiltig  beete- 
henden  Staattvertrftge  und  BQndnitse 
Grtssbritannienf  nach  ihren  Hanptbe- 
siehungea 670— (182   ^ 


Inhalt  1% 

Seite 
182— 8&    Die  PankaaoM  &  ]8(^0a 

Die  Depjitirtenkammer  S.  190^-M.  Titel, 

Wappen,    Hofttaat,    Orden  196—203.       181—203 

§.  16*).  Von  den  Reehten  der  St^ndfu     Die  6^ 

•cliworoen  und  WäUer^Listen*    Die  De* 

panen^en^e*  und  Beiirkfr&tbe.    .    .    •    •    2P3-*209 

'S*  17>    Voii  dem  VerhiUtniMe  der  Kirdie  19»^ 

Staate » 200—210 

D>  Die  YerwaltoBg  des  Franzosi- 
schen Staates*    S.  210—288. 

L  Innere  Verhältnisse. 

9.  18.  Die  Centralbehörden  des  Framdsiseben 
Staates  S.  211—21.  Das  S^aa^iniste- 
riiMu  221.  Der  Geheinie->Raäi  221.  Der 
Staatsrath  S.  222—24.  Der  hohe  Rath 
des  Handels  und  der  Manufaeturen  S.  225.    210—225 

§•  10.    Die  innere  Departemental*  undPoU- 

sei-Verwältung     •  v •    «    225-^231 

§.  20.    Die  ReVibtspflege .    .    .    .    .    .    .    .  '/  231—241 

§•  21.  Die  Finai^erwaltung.  Hisforisehe  Ce- 
benidit  bis  auf  Napoleon  242-^248.  Die 
einselnen  Theile  4ea  Budgets  251—267* 
Der  gegenwärtige  S^ustand  257—260.    .    242—269 

9.  22.  Die  Veriraltnng  fi)r  I^dbeer  und  See* 
macht  Das  Landheer  270—280.  .(He 
Seemacht  280^28Z .    269—282 

IL  Auswirtige  Verhältnisse. 

9*  23.    Der  politisdie  Verkehr  Frankreichs   mit 

anderen  Staaten  . 282—285 

9«  24.  Die  wichtigsten  noch  als  gültig  bestehen- 
den Staatsrerträge  und  Bündnisse  Frank- 
reichs nach  ihren  Haaplbesiehungen  .    .    285-^288 

Das  Britische  Reich    .......   288—682 

9«  1-  Allgemeine  Quellen  u^d  ^ülfsmitte)  (Kar- 
ten, Bücher).    ..........    289—204 

*)  Kn  Texte  rerdrackt  {.14. 


-V 


In  halt«.  > 


f 


A.  Die  Gruttduiacht  des  Britischen  . 

;  Staates.    S.  294^405. 

t  ^  -  .  Seite 

9.    2.    Uebenioht  des  gegdnwirtigen  L&fiderbe- 

itandet  und  ieinei  allmähligen  Anwftchieg  294^309 

§.    3.    Politiache  Eintheilung  .    .  ^    .    .   \    .  309-^320 

{•    4.    Ph/iiiche  Beiehiffenheit  des  Bodens,  kli« 

aiBtiiehe   Verh&ltaisie,    Gebirge,   Flütee, 

Canftle,  Laindstraeeen,  Eisenbahnen,  Brük- 

kenbau .    .'   •  32#— 344 

9.    5.    Beyölkerungtverh&ltnisse ,     die    grotten 

St&dte 344—363 

9.    0*    StammTencbiedenheit  der  Bevölkerung  •  363 — ^367 

9.     7    Allgemeine  St&ndeverh&ltniMe  ....  367— 3S0^ 

$.    8.    Religionavertehiedenheit  und  allgemeine 

kirchlidie  Verh&ltnl||pte  der  Bewohner  ^  .  380—405 

B.  Die  Caltnf  des  Britischen  Staa-    ' 

tes.  6.  405-538. 

9.  0.  Die  verselii«denen  Zweige  der  pbyeitdien  "^ 
Caltur  (A.  Ackerbau  und  jGrartenban 
407—421.  B.  Viebiuefat  421—423.  C. 
Seidenbau  und  Bieneniuebt  423;  D. 
Forttsudit  und  Jagd  424.  £.  Fkclierei 
425.    F.  Bergbau  426— 431 405-431 

9.  10.    Die  Tersehledenen  Zwdge   der  teehni« 
•eben  Cultur.    petchicbtiicbe  Uebersicbt 
derselben  432—436.    Die  eiqzelncn  Ma- 
kiufactilren  in  ihrem  beutigen  Zustande 
/      437—463    .    .    .    .• .    432—463 

9*  11«    Die  Terschiedenen  Zweige  des  Handels«  ' 

Der    innere  Verkehr.    467—471.      Der 
auswärtige  Handel,   Einfuhr  474—479. 
Ausfuhr  480—482.      Die  letzten  Jahre    - 
seit    |828,     Seehandel    und    Seehäfen 
482—511 463—511        ^ 

9*  12.    Die  geistige  <^ultur  in  ihren  Unterriehts* 

anstalten,  Bibliotheken  u.  s.  w.     ^    r    *    -^11'*"^^ 


\ 


Frankreich. 


§.1. 

Allgemeine  Quellen  und  Hülfsmiitel. 

Die  betgeren  Landkarten.   —   Frankreick  hat  anter  allen 

SlaaCen  Europa*!    am  frühesten   eine  regelmäsaige  und  nnauage- 

aetsle  Sorgfalt  auf  die  genauere  Kenntnis^  aeines  Terraina  rer* 

^«aiH,  wenn  gleieh  aus  gam   natürlichen  Gründen    diejenigen 

Proräien,  welche  im  aeehstehrtten^  aiebsehntbn  und  aehtiehnten 

JM/^ffodene  ateta  den  Kampftchauplat^  darboten,   Toraugsweite 

maffordetnde  Veranlassung    dazu    Wurden.      Die   Akademie   der 

Wiaaenachaften  zu  Paris  wurde  schon  in  den  letzten  Jahren  der 

R^^'erung  Lndirigs  XIV.  der  Mittelpunkt  für  die  rerschiedenar* 

tin^  topographischen    Arbeiten  Frankreichs,    die   indess   sicher 

nicht  Ton  einem  so  glänzenden  Erfolge  gekrönt  gewesen  wären, 

wenn  nicht  das  Interesse  der  Einheit  und  die  anregendste  Auf* 

mncterung  zum  eoaseqnenten  Verfolgen  der  einmal  unternommr • 

nen   Arbeit  in    der  Familie  Cassini  ^ich    erhalten    hätte.      So 

entstand     durch     hundertdreizehnj&hrige     Arbeit    (1683 

-^1796)  6ie  carte  topographtque  de  la  ,  France ,  welche  in  183 

Slättern   aus   den  Händen   der    Cassinis,    des    Cassini    de 

Timrj,  leCanfus,  le  Montignj  iind  de  Perronnet  zu  Paria 

hervorgingen  und  den  Maasstab  Ton  Y^iifn-  haben.     Diese  Kar* 

t^n   bilden  bis  auf  die  heutige  Stunde  di^  Basis  für  den  bei  wei* 

fem  grdssten  Theil  der  Französischen  Kurten  und   dienten   zu* 

gleieh    als  Musterkarte  und  als  Maasstab  für  ähnliche  Arbeiten 

^  ScAoberi'sStiH^tiklL  | 


2  ^  Frankreich.  \ 

* 

der  Nftchbarl&nder,  wie  für  F«rrari'i  Karte  Ton  Belgien ,   Apt- 
jiian's  und  Bohnenberger^s  Karte  von^  Seh waben,  le' Cocq'i  Karte 
von  WestpbaleD,  wiewohl  diese  letzteren  bei  ganz  anderen  Fort- 
•cliritten   der   mathematischen    Wissenschaften    angefangen    und 
mitlviel    kräftigerer    Unterstützung    ausgeführt,    als   noch   aus- 
gezeichnetere Leistungen  dastehen.    Ein  ..verkleinertes   Bild   der 
Cassinischen  Karte,    das  aber   zugleich  Italien  enthielt,    lieferte 
Picquet,  Leipzig  1811  in  48  Blättern.  —7  Chanlaire  atlan  tut' 
Honal  de  Franotj  Paris  1810  in  110  Blättern,  -^-^^^^^    der    na- 
türlichen Grösse,  ist  eine  Arbeit  von  sehr  ungleichem  Werthe  der  ein- 
zelnen Sectionen,  je  nachdem  für  dieselben  bessere  oder  geringere 
Materialien  vorhanden  waren.  —  Donnet  carte  topographtque^  mi- 
neralogique  etstatistiquede  la  France^  reduitede  Cassini^  Paris  1817, 
25  Blätter  ^^^^^^  der  nat.  Gr.:  eine  auch  jetzt  noch  sehr  brauch- 
bare General -Karte,    die  für  ihren  Maasstab  das  vollständigste 
Material  gewährt  *K  —  Au  pich  et  Perrot,  nouvel  atlas  de  la 
France   aveo    de$   descriptions   htitortque$    et  Btättstiqueä,   im 
Maastabe  von  ^^^>^^^,  in  33  Lieferungen  mit  9S  Karten  und  1 10 
TabLeaus,  Paris  1823—26:  diese  saubere  und  genaue  Karte  ent- 
hält zugleich  auch  die  Kolonien.  —    Charles  und   Darmet 
atlas  geographique  ecclestaetique  et  adminietratif  de  la  France 
dremde  par  diociee,  jede  Diöcese  in  70  Blättern,  Paris  seit  1826, 
nur  eine  mittelmäisige  Arbeit;  es  waren  bis  1831  64  0iöeesen 
in    108    Blättern   erschienen,  die   erst   60   Departements  endiiel- 
ten.  -—  Drubena  carte  hydrographique  de  la  France  im  Maas- 
stab  von  ^Tn/irvTr»   ^^    ^^   Blättern,   Paris    1828^, eine   durchaus 
vorzügliche   und   in  Bezug   auf  die   Bewässerung   wichtige   Ar- 
beit: —  Als  ein  brauchbares  Hülfsblatt  für  dieselbe  kann  dienen 
Lapie  und  ^riia'  carte  routiire,  physique  et  administrative  de 

la  France,  im  Maasstobe  von  xy^Itw  ^•"*  ^^^*  —  -^''  ^^' 
ttenkartf  ist  die  vollständigste   Beautemps-Beaupre,   (der 


*)  Ueber  di^  älteren  General-  und  Specialk arten  Frankreichs 
bis  zum  Jahre  IB23,  vergl.  man  als  brauchbare  und  übersichtliche 
Zusaiamenstellung  C.  v.  Deckers  Verzeichniss  der  besseren  ge« 
stochenen  Karten  Frankreichs,  in  Deckers  Zeitschiifi  für  Kunstf 
Wissenschaft  und  Geschichte  des  Kriegs,  Jahrg.  18*24;  Heft  5.  u.  6« 
Für  die  neuesten  Karten  vergU besonders  Berghaus,  Geograph. 
Wegweiser  II.  S.  8I-8C5  116-26.  —  III.  S.  10^  318-195  IV. 
54^67,  86,  143—307,  216^3%  2ii^l%  wo  zugleich  auch  sehr  in- 
ier«s0Mitt  Documsnte  über  die  Cassiniscbe  Kart«  geliefert  sind. 


Frankreiclb  S 

* 

&  Ldtong  der  mit  der  Anfhihme  in  den  lehren  I6IA--23  be- 
tdiifligtcn  Merine-lDgeaieore  hatte)  It  PHoU  liran^M  ou  !•• 
citeM  ie  Frmum  farh  1829  in  82  Blätterm  Ali  Postkarte 
^nte  die  von  Viard  PariB  1830  in  ein^m  grotten  Folioblatl 
in  Haasstab  von  ^y^^^^^ 

.  Für  die  innere  Sehifffahrt  hat  Dnbrenaeine  mühtame 
aber  gelungeDe  Arbeit  geliefert^  in  der  Carte  de  la  navigatton 
de  la  F^ranee^  de  la'  Belgiqke^  de  la  Hollande  et  de  toute  la 
rive  gamche  du  Rhin,  Parle  1832  in  2  grossen  Folioblüttem.  — 
Posten  nnd  Schifffahrt  sind  verbundecr  in  A,  D.  Dufour^  carte 
adtmmetrative,  phyeique  et  reutihre  de  la  France  in  2  Blittem, 
im  Haasstabe  Ton  ^^^>^^^  Paris  1832. «—Für die  Militärrer. 
valtung:  A.  M.  Perrot  carte  militaire  de  la  France^  im 
^   Bfaasstab  von  ^^^^^^^  Paria  1833,  in  einem  Blatte.  — 

Unter  den  neuesten  in  Deutschland  erschienenen  JS^arten 
Frmnkreiehs  nimmt  die  erste  Stellei  ein»  die  ron  Weis  entwor- 
fene und  Ton  W  o  erl  ausgeführte  Karte,  velche  als  Atlae  de  SVance 
im  üaasstab  von  s^Virw  '^^  ^  Blättern  in  Freiburg  1830^31 
ersehienen  ist,  und  einen  Theil  ihrer  grossen  Karte  von  Europa 
bildet  — 

Für  Corsica  ^ichien  im  KriegsdepoC  1824  eine  genaue 
Karte,  die  iadess  für  die  Küsten  und  innere  Bewässerung  noch 
Terbesaert  durch  den  Blarine-Capitain  Hell,  in  dem  Maasstab  von 
^^^^j^  d.  nat  Chr.  als  carte  generale  de  File  de  Corse  su 
Paria  1831  in  einem  Blatte  herausgegeben  ist  —  Was  die  Co« 
lonien  anbetrifft^  so  besitien  wir  ein  ausgeieichnetes  Blatt  für  die 
Insel  Martinique  nach  den  Aufnahmen  ron  Monnier  und. 
le  Bourguignon-Duperre  in  den  Jahren  1824  und  25,  in 
dem  Maasstabe  Ten  ^^j-^^  Paris  1831  beim  allgemdnen  Ma- 
rine^D^ot  herausg^|;eben  %  •— 


^  Ton  der  grossartigen  neuen  ünlemehmung  des  l^'niiaösischen 
Geacraktabs,  eine  ▼öllständig  neu  entworfene  Specialkarte  des  Fraasö- 
fieelien  Stsates  inMl  Blattern  gr.  Fol.,  das  Blatt  zü  7  Frcs.,  im  Maasstab 
▼oa  Tsdsss  der  nat.Grdsse  nach  mehrjihrigen  neuen  trigonometrischen 
AnfiMlmen  nnd  den  genauesten  vorangegangenen  Specialarbeiten  im 
Blaasslab  von  laidd»  nhv  "»d  tufcsi  ao  liefern,  kann  ich  ans  ei- 
gener Aaelclit  aichi  sprechea^  abwohl  ichon  im  DecemberlSM 

1* 


4  Frankt'eich. 

Prudhomme,  dtetionnaire  univeriel  gti^graptnque  utattB* 
tique^  historique  et  politigue  de  la*  France,  Paria  1804 — 5,5vro/. 
4#o.  —  Her  hin  siatistique  generale  et  partieuliere  de.la  £\*aHc€ 
et  tien  ee»  colonieB,  Paris  1807  7  toi,  8vOyiiiiit  einem  Atlas  yod 
Chanlaire  in  102  Karten  im  Maasstabe  von  •^■^Qjfj^-^  jfkRch  den 
vorhandenen  Vorarbeiten  bald  vollständiger,  bald  dürftig.  Peu- 
c hei  et  Chanlaire  description  topographique  et  atatisliqus 
de  la  France^  Paris  1815  tu  52  cahiers  Ato,  enthält  zugleich 
eine  Erklärungs-Karte  von  jedem  Departement  —  Briand  de 
Vtr,ze,  dictionnaire  geographique,  statielique  et  commercial  de 
la  FVance  et  des  colonies,  Paris  1831,  8  vol,  8/o.  •—  Ch,  Men^ 
teile  geographie  de  la  France,  edit.  troisieme  revue  per  Dep- 
pingf  Paris  1821  Sto,  —  LG.  Fr.  Cannubieh  vollständige 
Erdbesehreibung  des  Königreichs  Frankreich;  Weimar  1820,  8t09 
bildet  zugleich  den  achten  Band  des  Weim^irischen  vollständigen 
Handbuchs  der  Erdbeschreibung  von  Gusparj,  Hassel  u.  s.  w.  — 

Bignon  expose  comparatif  de  Vetat  financier,  mililaire^ 
poliiique  et  morale  de  la  France  et  des  principales  puissances 
de  l'Europe  Paris  1814  8^o. —  Tahleau  statistique  de  la  France 
Parts  1820  8/0.—  Adr,  Balhi  la  monarchie  Francaise  comparee 
etCj  p0m~1828,  ein  Uebersichtsblatt — Sehr  wichtige  Specialsta- 
tistiken einzelner  Departements,  wie  Decrihier  de  Creissac 
description  statistique  du  departement  de  la  haute  Loire,  Paris 
]8ll4,  zumal  da  früher  uns  über  dieses  Bergdepartement  noch  alle  be- 
gründete Nachrichfen  fehlten,  dasselbe  auch  noch  nicht  im  Pom- 
c}i e t  und  Chanlaire  dargestellt  wur ;  Graf  Villeneuve  statis* 
tique  du  departement  des  houches  du  Rhone,  Paris  2  vah 
1825 — ^29,  und  sehr  viele  andere,  die  durch  ausführliche  Analjsen  in 
Ferussac  Bulletin  universel,  sect,  des  sciences  geographique  et 
statistiques  %  An  den  Jahrgängen  18j24— 31  uns  bekanntgeworden 
sind:  worauf  ich  im  Allgemeinen  hinweise,  aber  auch  zugleich  die  Be- 
merkung nicht  unterdrücke,  dass  diese  Abtheilung  des  Bulletin  seibat 


> 
die  erste  Lielerung,  1833  die  zweite  und  1834  die  dritte  Liefenmgy 
Zusammenbaus  24  Sectionen  bestehend  zu  Paris  herausgekommen 
sind.  Diese  enthalten  Tbeile  des  nördlichen  Frankieicbs  und  der 
nächsten  Umgebungen  von  Paris.  Vergl.  Francoenrs  höchst  günstiges 
Unheil  im  Geogr.  M  egv'.  IV.  S.  88  und  332-^35.  und  die  8  selbständisen 
Artikel  im  Bd.  V.  S.61, 145  u.  s.  w.  bis  S.  365  VI.  S.  183.  und  314. 

*)  Der  zweite  Supplementband  dieser  Abtheilong^  Paris  I8dO, 


Frankreicb*  6 

cignmfciiilche  Material  für  die  Franifttiselie  Staatikundo 

— -  F&r  Paris  «ind  ah  auigexeichnete  Arbeiten  tod  aU- 

Wertfae  far  die  Staatskuode  lu  lieachten:  Graf  CA«- 

kr^l^  rtek^rekgt  BtatiMtiquet  9urlmvüU  de  Paru  tt  le  Depmrte» 

wteut  de  la  Seme,  Paris  J82I  8/0.  Fortgetsong  dertelben  i»  der 

AmsgAe  wu  1823,  4to,  und  abermalige  Fortfetzung  bia  1824  ia 

4cr  AiMgabe  tob  1826,  verglicJiea  mit  Benoisten  de  ^haieau^ 

M  €  m/t  rtekerekee  $mr  les  consommatione  de  iout  genre  de  la  piUe 

de    PmHe  en   1817«  compareee  d  ce  qt^  ellee  e'taiemt  en   1789, 

2  petrt,  Pmrie  1821    uod   in    Beaiehuog.  auf   geacKiehtliche  Eint- 

widcelmig   mit   Dulaure  hUtorie  phyetque  et  wwrtde  de  Parie^ 

3«€  ediU  825.  10  ro/.,   einer  höchst  anziehendlsn  und  wichtiges 

Arbeit  ffir  die  Culturgescfaichte.  —  Für  Cornea  P,  Pomp  ei  etat 

aeiuei  de  la  Coree^  Parie  1821  und  Beau^momt^  observatione.  eur 

ia  Cene^  Parle  1822  8ro.  -^    Allgemeine   statistische   Notisen, 

namentlich  für  den  Zusammenhang  der  Verwaltung  und  die  Vet- 

thcilung    der    CeyÖlkerung   gewährt  der    jährlich    erscheinende 

Aimanac   Royal,  wie  derselbe  seit  1816  wieder  heisst,  in  der 

Kaisersei  t  auf  gleiche  Weise  als  Aimanac  Imperial  eingerichtet; 

femer  gehören  hieher  die  Annuatree  du  bureajt  de»  longttudeM,  die 

jährlich'  die  Resultate  aus  den  oniciellen  Bevöikerungslisteu  liefern. 

Unter  den  Reisebeschreibungen,  ('/e  von  diesem  Staate  han- 
deloy  behaupten  für  die  Staatskunde^  noch  jetzt  ihren  eigenthüm- 
licheti  Platz  A,  L,  Mulm  voyage  dane  lee  departement»  d^midi 
de  la  France^  Parte  4  voL^  Parie  1807-11,  8to  I.  A.  Schut- 
tes Briefeiölier  Frankreich  auf  einer  Fussreiseim  Jahre  1811,  Leipz. 
2  Thle.  rsio  8ro.;  A.  Herrm.  Niemeyer,  Beobachtungen  auf 
einer  Deportationsreise  nach  l^rankreich  im  Jahre  1807,  Halle 
1824  m«  Kpf./  ist  zugleich  der  vierte  Band  seiner  Beobachtungen 
auf  Reisen.  —  Ad,  Bianquiy  relation  d'un  voyage  au  midi  de 
la  France  pendant  Van  1828,  Parie  1829  8fo.  —  L.  Neige- 
baaer  Handbuch  für  Reisende  in  Frankreich,  Wien  1832  8vo, -^ 
Fr.  T.  Raumer'H  Briefe  aus  Paris  und  Frankreich  im  Jahre 
1830,  Leipzig  1831,  2  Bde.  8vo.  — # 


•  ftenutfgekommen,  ist  diesen  Specialstatistiken  ausschliesslich  gewid- 
metf  and  fährt  daher  aacb  den  foesondern  Titel  Renseignenens  sU- 
iMmqoteS  sur  ies  departemens  de  la  France. 


Frankreich. 


A.     Grundmacht  des^  Französischen  Staates. 


S-X 


Ton   dem*  g^egenwärtigen    Landerbestande    und 
^seinem   allmähligen  Anwachse« 


r.  Bru^,  et  M.  Guadetf  Atla9(  geographique  ^  higtorique, 
poKtigue  et  adminiiiratif  de  la  France^  compoee  de  48  cartee^ 
Bur  leequelleß  sont  traceee^  tirdee  et  examinees  leg  linuUSt  divi- 
9ion%  eccleetaetiqueBt  civiles,  mUitairee^  et  admimstrativee  de  la 
Usance  en  principalen  epoques  de  $on  htetoire  Juaqu'en  1820. 
Pard  820 — ^21.^  Liefrg.  Ein  hUtorisch-politiichei  Atlas,  der 
Ton,  481  ab  bei  jedem  denkwürdigen  Zeitabschnitte  der  Fransd- 
sischen  Gesehicbte,  oft  nacH  10  bis  20  Jahren,  oft  auch  erst 
nach  einem  Zeitraum  Ton  100  Jahren  und  darüber  .den  Umfang 
des  FranxÖsischen  Staates  und  die  verschiedene  Abgränarong  sei- 
ner Provinzen  im  Inneren,  genau  in  einer  besonderen  Karte 
darstellt  und  mit  den  liöthigen  historischen  und  statistischen  Be- 
merkungen erläutert  — 

Als  Frankreich  in  Europa  zuerst  in  der  zweiten  Hälfte  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts,  unter  der  Regierung  Ludwigs  XI.» 
einen  in  sich  mehr  abgerundeten  Staat  zeigte,  in  welchem  nach 
einem  beinahe  dreihundertjährigen  Kampfe  das  monarohisohe 
Princip  über  das  aristocratische  völlig  obgesiegt,  die  niäcbti* 
gen  früher  fast  selbständig  dastehenden  Kronvasalien  bis  auf 
*twei  «—  die  Herzoge  von  Burg^nd  und  Bretagne  —  ihre  Hoheita-  ^ 
rechte  eingebüsst  hatten,  fasste  der  Territorialumfang  dieses  Staa- 
tes noch  nicht  volle  6000  QM.,  auf  denen  damals  nach  einer 
ungefähren  zeitgemässen  Schätzung  gegen  10,000,000  Seelen 
leben  mochten.  Aber  es  zeigte  sich  bald,  dftss  in  diesem  Staate 
alle  Kräfte  auf  einen  Punkt  gerichtet  waren  und  zu  einem 
Zwecke  verwandt  wurden,  so  dass  mit  der  Steigerung  der  könig- 
liehen  Gewalt  auch  zugleich  der  Staatshaushalt  und  der  aUge*  * 
meine  Wohlstand  Frankreichs  in  einen  geordneteren  nnd  viMr* 


Frankreich.  7 

ihtilfcaftiii^it    ZttsCMi4    sich    Tertetze    Milien.      Hiefttr  hat  aber 

l««dwig  XL   bei   allen  aetnen   grossen   Feblem,   in   den    iwei 

«■4    swaasig   Jabren    seiner   Venraltnng    (1461—^3)   nnHlugbar 

viel  gcdMB,  inden  er  augleieb  mit  dem  Emporheben  der  inneren 

Tcrwmltug  seine  Anfmerksamkeit  aaeh  stets  gespannt  auf  seine 

■lA^tm  Naebbaren  richtete,   und  bei  seiner  gewandten  Leitung 

4cr  ans  wirtigen  Verhältnisse   darin  so  glücklich  war,    dass  der 

gefährlichste  Nebenbuhler   der  FransÖsischen  Macht,   Karl  der 

Kähne  Herzog  von  Burgund,  der  aber  gleic*«  ?itig  auch  als  äir 

Kr«oTasall  ihr  untergeordnet  stand,  seinem  eignen  Ehrgeiie  und 

4cr  Französischen   Politik   erlag.      Das   Hersogthum  Boorgogne 

wnide    1477  mit    der   Krone    Frankreich   vereinigt  und   gegen 

Dcatschland,   dessen   Herrscherhaus  Habsburg   die  Erbiuspritche 

Bnrgnnds  fBr  sich  vercheidigte/  siegreich  behauDtet. 

Karl  Vlll.  sein  Nachfolger  (1483 — 98),  weder  an  politischer 
Umsicht,  lioch  an  Gebtes-  und  Kbrperkraft  seinem  Vater  ihn> 
lidi,  wurde  doch  durch  seine  Rathgeber  auf  der  einmal  einge- 
schlagenen politischen  Laufbahn  dieses  Staates  erhalten»  und 
brachte  durch  die  erzwungene  Heirath  mit  Anna»  der  Erbtoch« 
ter  Tim  Bretagne  1491,  das  letzte  Französische  Kronlehn,  das 
Tcidke  und 'mächtige  Herzogthum  .Bretagne  als  unmittelbares  Ei- 
geathom  an  die  Krone  zurück,  ohne  dass  er  durch  den  übereilt 
angetretenen  und  ausgeführten  Zug  nach  Neapel  (1 494—95) 
Fnnkreichs  politisches  Ansehen  yermindert  hätte.  Nach  sei« 
Bern  kinderlosen  Tode  Übernahm  sein  Oheim  Ludwig  XIL 
<1498 — 1515)  den  Französischen  Staat  in  einem  Urninge  von 
7200  QH.,  mit  einer  Bevölkerung  von  etwa  12,000,000  Menschen. 
Dnrrh  ihn  wurde  das  Herzogthnm  Mailand  mit  einem  Flüchen- 
inhalte von  400  QM.  neu  erworben,  das  schon"-  damals  einer 
dberaus  starken  Bevölkerung  sich  erfreute:  abe»  der  zu  schwan- 
kende Besitz  dieses  reichen  Landes,  das  für  Frankreich  bald 
auf  immer  verloren  ging,  darf  als  Zuwachs  des  Staates  gar  nicht 
in  Anschlag  gebracht  werden.  Nur  die  aufgewandten  Kräfte  für 
seine  Behauptung  mAchten  es  vor  g^nz  Europa  sichtbar,  dass 
Frankreichs  coneentrir^  Staatsverwaltung  einer  dreimal  grösseren 
Macht  Widerstand  leisten  konnte  und  doch  nicht  zu  gleicher  Er 
sehdpfung  wie  diese  selbst  herabtank.  Denn  wenn  auch  die  Re* 
giemng  seines  Nachfolgers  Franz  L  (I515«-*47)  durch  die  fort- 
vAhiuidna  Kriege  mit  dem  ftbemüehtigen  Haust  Habsburg  nn^ 


8  Frankreich. 

dfisen  Verbündeten  die  innere  Entwiekelimg  det  Franidekehea 
Staates  allerdings  hinderte ^  som  Theil  auch  im  öftliehen  und 
•üdliehen  Frankreich  auf  längere  iSeit  den  WohUtand  de«  Vol- 
ke! zerstörte,  so  war  dafür  auch  das  politische  Ansehen  dieses 
Staates  gerettet,  und  die  Gefahr  der  mmsten  Eoropttisehen  Staa- 
ten vor  einer  drückenden  Prl^ponderans  des  Hauses  Habsbnrg 
durch  Frankreich  yermchtet 

Seit  dem  Zeitalter  des  Königs  Franz  I.  war  das  politische  Ge- 
wicht des  Französischen  Staates  und  des  Hauses  Habsburg  in  seinen 
beiden  Reichen  vor  den  übrigen  christlichen  Machten  Europas 
entschieden,  und  erst  am  Ende  des  sechszehnten  Jahrhunderts 
trat  England  durch  Elisabeths  bedeutende  Persönlichkeit .  mit 
sich  |;eltend  machendem  Einflüsse  zu  den  Mächten  des  ersten 
Ranges  hinzu.  Unter  König  Heinrich  II.  (1547—59)^  dem 
Sohne  und  Nachfolger  Franz s  I.,  nahm  Frankreichs  politische 
Gewalt  noch  ansehnlich  zu,  und  auch  sein  Länderbestand  wurde, 
zugleich  mit  stärkerer  Sicherung  der  östlichen  Gränze  gegen 
das  Deutsche  Reich,  durch  den  Erwerb  der  Bisthümer  Metz, 
Toul  und  Verdun,  also  durch  die  Einverleibung  der  Länder 
zwischen  der  Mosel  und  der  Maas,  die  ausserdem  durch  die 
Vogesen  und  Ardennen  umgarnt  sind,  1552  erweitert.  Dieses 
Reich  war  jetzt  gegen  7,500  QM.  gross,  wiewohl  die  Bevölke« 
Tung  bei  den  unaufhörlichen  Kriegen  und  damit  verbundenen 
Verheerungen  in  diesen  Zeiten  nicht  viel  über  die  frühere  An- 
gabe gestiegen  sein  konnte. '  Unter  den  drei  auf  einander  iti 
der  Regierung  folgenden  Söhnen  dieses  Königs,  Franz  IL 
(1559—60),  Carl  IX.  (1560—74)  und  Heinrieh  IIL  (1574—89) 
folgten  die  unglücklichen  Bürger-  und  Religionskriege,  unter 
welchen  Frankreich  nothwendig  einen  beträchtlichen  Theil  sei* 
nes  politischen  Gewichtes  und  die  in  dem  letzten  Jahrhunderte 
gemachten  Erwerbungen  an  Spanien  und  das  Deutsche  Reich 
wieder  hätte  einbüssen  müssen,  wenn  nicht  zu  gleicher  Zeit 
diese  beiden  Mächte  Rabsburg  eben  so  gefesselt  gewesen  wären, 
Spanien  durch  den  Niederläiidischen  Freiheitskrieg,  Oestreich 
durch  die  Türken  und  nicht  minder  durch  den  Mangel  an 
Energie  bei  seinen  Regenten,  die  bei  Rudolf  IL  sogar  in  ganz« 
liehe  Schlaffheit  ausartete. 

Inzwischen  begann  ein  neues  kräftiges  politisches  Leben  für 
den  Französischen   Staat  mit   der  Regierung    Heinriehs  IV. 


L 


Fr«nkr,cich.  9 

(I6M — •10X  «OM«  Vetters  dkr  Msten  Regenten  ms  dem  Hsmb 
f  sleisy  4cr  Kcm  Hans  Bonrbon   tor  Kdnigtkrone  erhob  und  4a- 
^■rdi  Vemdassmg  woHe,   4ass   dasselbe  jetst  den   Hetrseber- 
iktea  fir  Tier  Staaten  Earopas   besitst.      Onrch   seinen   lieber- 
tritt    ▼•n    der    Refornirten   svr  Rdmisdi  •  CatboUseben   Kiiebe 
(1593)»  Btillte  er  fiist  gamlieb  die  Innern  Unruhen  seines  Reiebs, 
and  dnrrh  die  Vereinig;iing  seines  kleinen  Reichs  Nararra  nnd  des 
Lande«  Beam  diesseits  der  P/renüen  (ron  72  QM.)  mit  der  Frans(toi- 
sehen  Krone,  wiewohl  der  fönnliche   Act   der  Vereinigung   erst 
mnter  seinem  Söhn  Ludwig  XIII.  1621  erfolgte,  entsog  er  minde- 
stens eine  gefahriiehe  Stütze  für  Parteinngen  und  Spaniens  Elin- 
■uscbang  in  die  FransÖsisehen  inneren  Streitigkeiten.    Die  poli- 
tisdie  Einsicht  dieses  geistreichen   und   Ton   kraftrollen  Rathge- 
bcm  luiterstütsten  Fürsten   machte   ihn  zum  Entseheider   in  den 
Kriegen    Spaniens    mit    dem    neuen   Frei^tnste   der  vereinigten 
Niederlande,  und  brachte  das  Herzogthum  Savojren  mit  dem  Ver- 
inste  seiner  westlichen^Besitzungen    an  Frankreich   Ton  77  QM. 
gsnx  in  die  politische  Abhängigkeit  von    dieser   Krone.      Unter 
ihsi /Wurden   snch   für  Frankreich   die   ersten    Ausser  -  Europäi- 
adMa    Erwerbungen    gemacht,    Indern    die    Französische   Flotte 
grosse  Strecken  von  Nordamerika ,   Acadien  und  die  beiden  €a- 
nadas,  «in  Territorium  von.  mehr  als    13,000  QM.»  aber  nur  mit 
sehr  schwacher  Bevölkerung,  in  den  Jahren   J. ^98— 608  in  Besitz 
nahm,  jedoch  anfänglich  nur   sehr  geringen    Vortheil   davon    sa 
ziehen    verstand.  ^-  In   Europa   war  nunmehr  die  Ländermasse 
anf  7901  QM.  angewachsen. 

Unter  der  folgenden  Regierung  Ludwig  XIII.  (I6I0 — 43) 
errang  Richelieus  Creist  und  rastlose  Spannung  der  Staats- 
kriüite  Frankreichs  für  diese  Macht  zuwiderholten  Malen  das  Ue- 
bergewicht  über  die  Häuser  EUibsburg,  indem  dieselbe  zur  Er- 
reichnng  dieses  Zweckes  mehr  Geld  als  Menschen  aufwandte, 
dadurch  aber  die  Vermehrung  der  Staatselbkünfte  als  die  höch- 
ste Aufgrabe  für  die  gesammte  Staatsverwaltung  aufstellte.  Für 
die  Vergrdsserung  4®s  Europäischen  Länderbestandes  wurden 
das  Herzo^um  Bar  und  die  €^biete  von  Perpignan  und  Casale, 
in  den  drei  verschiedensten  Richtungen  der  Französischen  Gränze; 
zosammen  gegen  70  QM.  1633  gewonnen,  wozu  noch  0  Jahre 
^iler  die  Herrschaft  Sedan,  von  dem  Herzogthunie  Bouillon 
ligvefvtea,   ni*  einem  Fläeheniahalte  von   18  QM.  hinzugefügt 


i 


10  Frankreich. 

irurde.  AU  die  eriten  Betitoungen  in  Weftindien  imrdea 
die  kleinea  Antillen  St  ChrUtoph,  Murtiaique  und  Guadeloupe 
zuiiuuiuen  49  QM«  1627  und  1633  in  Anspruch  genommen,  sowie  auf 
dem  Festlande  yon  Südamerika  durch  Bretignj  eine  Cölonie  in  Ca*  i 
yennt  1635  angelegt,  von  welcher  aus  nach  und  naea  Guiana  bis  su 
einer  Ausdehnung  ron  430  QM.  .erobert  wurde.  Ausserdem 
UMiehte  die  Französische  Regierung  damals  <1042)  den  Erwerb 
der  Insel  Bourbon  in  der  Nähe  der  Südwestküate  von  Afrika 
(112  QM.),  so  dass  Ludwig  XilL  als  Grundlage  für  die  glän- 
zende Regierung  seines  Sohnes  in  Europa  einen  Ländörbestand 
von  7,991  QM.  und  in  den  damals  freilich  noch  wenig  bedeu- 
tenden Colonien  von  mehr  als  13,600  QM.  hinteriiess. 

Bei  seinem V<^c^^olg^  Ludwig  XIV.  (1643-^715)  wollen 
wir  zwar  nicht  die  Eroberungen  anführen,  welche  das  ausge- 
zeichnete Waffeuglück  seiner  Heere  in  der  ersten  Hälfte  seiner- 
Regierung  zusammenbrachte,  die  er  aber  in  der  zweiten  Hälfte 
derselben  gegen  die  vereinten  Kräfte  von  halb  Europa  nicht  zu 
beh|tupten  vermochte:  aber  dennoch  erweiterte  er  durch  höchst 
vortheilhaft  gelegene  und  ihm  verbleibende  Erwerbungen  den  Fran- 
zösischen Staat.  Im  Westphäliachen  Frieden  (1638)  gewann  er  blei- 
bend, von  dem  Deutschen  Reiche  den  Elsass,  die  Landvogtei  über  die 
dortigen  zehn  Reichsstädte,  den  Sundgau  und  Breisaoh  nebst  seinem 
Gebiete,  zusammen  303  QM.,  in  dem  Pyrenäischen  Frieden  1659 
.von  Spanien  die  Grafschaften  Artois,  CharoUea,  Ronssillon  und 
einige  feste  Plätze  in  den  Landschaften  Flandern,  Namar  und 
Hennegau,  zusammen  234  QM.  Durch  Kauf  erwarb  er  1662 
das  geschleifte  Dünkirchen  und  Mardjrck  nebst  dem  Gebiete 
von  I  QM.,  und  im  Aachner  Frieden  IfitiS  rundete  er  abermals 
die  Gränze  seines  Staates  sehr  günstig  durch  die  E«inverleibung 
iiiniger^  festen  Plätze  nebst  ihren  Gebieten  in  den  Oestreichfichen 
Niederlanden  ab  (36  QM.).  Eine  gleich  vortheilhafte  Abrundung  ward 
dem  Französischen  Reiche  an  der  nordöstlichsten  Gränze  in  dem 
Nymm weger  Frieden  I67|-  zu  Theil,  der  überdies  auch  noch  die 
ganze  Grafschaft  Hochburgund  (Franche  Comte),  zusammen  einen 
Gewinn  von  490  QM.  einbrachte.  •  Mitten  im  Frieden  mit  dem 
Deutschen  Reiche  und  Spanien  erweiterte  er  aufs  neue  durch 
die  Reunionskammem  und  die  Ueberrumpelung  von  Strass- 
burg  168|^,  das  er  im  Waffenstillstands -Vertrage  zu  Regens- 
buig  1684  völlig  abgetreten  erhielt,  seinen  Länderbestand,  ttei- 


Frankreich*  11 

fsto  teft  Ktaflnai»  SraBkreielii  imwfntticli  aof  die  Deutfehta- 
ii^dt^cfilieiton  gaiu  «uterordentliek»  Teraioelite  fddoA  inir 
rft  ias  Sckhisavsttltat  der  beiden  fol^fMdeB  Kriege  (169O»-07 
■Ml  1702 — 14)  in  den  Rjtwieker,  Utreeliter  imd  Raatadter  Frie* 

die  VertiieidigaBg  dee  efcen  geachilderten  UnfMlg« 
Staates  feat  an  kakeo,  oad  durck  daa  Uebei]|^wieht  ia 
dm  Diplomatiaeheo  Uatarkaiidliuigea  wenigtcena  die  eng  ge- 
kafif ften  VerbindungeD  aeiacr  Feinde  für  daa  politia ehe  Inter- 
oae  Frankreieh^  anaehftdlieh  an  ataehen.  Selbst  nicht  ohne 
allen  Bcaen  Gewinn /schied  er  aua  deaa  Kan^pfe,  indem  er  die 
sves  Boeh  balbsoHFerainen  Enclarea  in  seinem  -Reiche  su  den 
Bcsttanngea  aeiner  Krone  fainanfügte,  das  Föratenthuu  Orange 
(IS^  QM.)  an  der  Rhone,  welches  das  Haus  Nassau  und 
daa  dam  erberecktigte  Kdnigreieh  Preusaen  iii  Frieden  au  Uivecht 
1713  ihai  überlaasen  hatten^^sowie  die  Chr^lschaft  Angoumais  (103 
QlfL}  1714,  wek^e  awaraohon  Frans  1. 1531  als  sein  Crbbesitatfauat 
BBit  Atr  Krone  tereioigt  hatte,  dann  aber  wieder  an  Nebenlinien 
fasgebea  worden  war.  Ausserdem  war  ron  Frankreich  noeh  in 
Frieden  an  Raitadt  1714  die  Festung  Landau  nebst  Gebiet 
rerken,  dagegen  aber  der  unbedeutende  Verluat  einiger  Alfen« 
Aller  il6  QH.)  an  Sarojren  gemacht  worden. 

Bie  Aidser  •  Enropiciaehen  Beaitiungen  werden  gfoiehfalla 
unter  dieser  Regiemog  nach  ihrem  Umfange  ausaererdentlick 
Tesgraeacrt,  wenn  gleieh  nur  die  Westindischen  einen  veikklt- 
nlaamisaig  betrilehtliehen  Wertk  för  die  Krone  erlangten.  Auf 
Marie  Galante  (1645),  Barthelemj  (164S),  Grenada  (1650)  und 
St.  Ibrtin  1678  wurden  Colonien  angelegt,  dadurch  aber  nur 
cta  Flaekeninkalt  ron  20  QM.  insgesammt  iii  Besita  genommen. 
Wieht%er  wurde  aber  die  Behauptung  der  ganaen  westlichen 
Halfie-iron  Hispaniola  oder  St  Domingo  als  Colonie  (524  QM.) 
um  Jshre  1665«  Daa  politische  Sjstem  der  Verwaltung  Lud- 
wigs XIV.  rief  Colberts  Marcantilsjstem  ins  Leben,  und  in 
Felge  desselben  ward  unter  Mitwirkung  dieses  Ministers  1664 
die  Frana5auehe  Ost-  und  Weat-lndisehe  Handels  -  Compagnie  er- 
rietet; welche  mit  der  Stiftung  der  Factorei  Chandernagor  1670 
anii  mit  der  Erwerbung  von  Pondicher/  (12.  QBL)  168J  die 
Fraaadsisckeii  Beaitpiagen  in  Ostindien  begründete.  In  Afrika 
vuidea  bocIe  firiber  auf  der  Westk&ste  am  Senegalflusse  1664 
yieiefffaieeqBgen  angelegtt  die  dabei  gdegene  Inael  Ooree 


I 


k 


12  Frankreich. 

1G77  auf  Kosten  der  Hollftnder  erobert^  sutammen  ehd  Gewinn 
Ton  26  QU.;  an  der  Os^üste  hatte  eine  Fransötisohe  Expe- 
dition 1665  auf  der  Insel  Madagasoar  das  Fort  Dauphin  erbaut» 
und  auf  der  Isle  de  France^  die  heute  zu  Tage  Mauritius -In- 
sel genannt  wird,  1712  die  erste  Niederlassung  gemacht.  — -  la 
Nordamerika  erklärten  sich  «die  Franzosen  in  den  Jahren  1648 
bis  67  als  Besitzer  der  ungeheuren  Flächen  am  Michigan  •  See 
und  der  daran  stossenden  nordwestlichen  Länder,  einem  sehi^ 
schwach  berölkerten  I^andstriche  yon  12,700  QM.»  darauf  1685 
ebenso  von  den  Gebietea  der,  Indianer  an  der  Mündung  des 
Missisippi  und  ron  Louisiana,  die  zusammen  zwar  einen  Fiäehen- 
inhalt  von  55,000  QM.  ausmachen,  aber  bei  der  fast  Töllig  man- 
'  gelnden  Bevölkerung  und  der  grossen  Ausdehnung  nur  als  ein 
bedeutungsloser  Gewinn  angemerkt  werden  könfien.  Pie  einsige  po- 
litische Wichtigkeit  desselben  trat  nur  auf  eine  zweideutige  Weise 
dadurch  hervor,  dass  diese  Länder  einen  Berührungspunkt  mit  dea 
auswärtigen  Besitzungen  anderer  Europäischen  Mächte  darboten. 
Den  vortheilhaftesten  Grewinn  unter  den  Amerikanischen  Besitzun- 
gen gewährte  der  Utrechter  Frieden  1713  in  der  Insel  CSap  Bre- 
ton (112  QM.),  die  darauf  Isle  Rojale  benannt  wurde  und  durch 
ihren  einträchtigen  Pelzhandel  und  sehr  ergiebige  FiBchereiea 
sich  auszeichnete:  sie  galt  beinahe  gleich  dem  Verluste  dea 
zwanzigmal  so  grossen,  aber  damals  Hnanciell  nicht  so  Tor^heil- 
haften  Acadien,  das  bei  diesem  Friedensschlüsse  die  Engländer 
bereits  zur  Sicherstellung  ihrer  damals  schon  blühenden  Nord- 
amerikanischen Colonieu  für  sich  gewannen,  — 

Auf  solche  Weiiie  eriangte  Ludwig  XV.  (1715  f  774),  der 
Urenkel  seines  unmittelbaren  Vorgängers,  ein  überaus  grosses 
und  angesehenes  Reich,  dessen  Länderbestand  in  der  Mitte  von 
Europa  9478  QM.  und  in  den  Übrigen  Erdtheilen  gegen  79,000 
QM.  betrug.  Ungeachtet  der  bis  dahin  über  zweihundert  Jahre 
fast  ununterbrochen  gefülirten  Kriege,  war  Frankreich  keiner 
der  benachbarten  Mächte  an  bereit  stehenden  Hülfsquellen  nach- 
zusetzen, und  zultlte  schon  in  Europa  eine  Bevölkerung  von  bei* 
nahe  23,000,000  Seelen.  Aber  unter  dieser  Regierung  wurden 
die  reichsten  Hülfsquellen  oftmals  mit  unverantwortlicher  Ver- 
schwendung vernichtet,  die  Verwaltung  ermangelte  aller  Festig- 
keit, und  nur  noch  in  der  ersten  Hälfte  derselben  erhielten  der 
Cardinal  Fleur  j  a^  Principal-Minister,  sowie  die  letzten  Feldherren 


'    ! 


^^  Frankreich.  IS 

* 

4cai  Zeitaltav  Lndwigf  XfV.  und  der  MtneluiU  ron  SmIi- 
,  eioer  d^    musfi^exeicbnetBten  Krieger  «einer  Zeit  den   der 
«ättixibeii  M&c^t  Frankreichs  gebührenden  politischen  Cinfiuss. 
Dibcr  fiel    auds     nur  in  diese  Zeit  Ludwigs  XVr  der  irichtige 
Enrob  des    I>eiitseli«n    Herzogthums   Lothringen  (328  QM.),  in- 
4ai  die  Wiencor  PrUliminsriMi  1735,  weiche  den  in  Italien  und  am 
ttdA  xa  Rüde    geführten  Polnischen   Thronfolgekrieg  beseitig- 
m,  de«i   FvaiizÖeisehen  Staate    die    Antwartschaft  auf  dieses 
MBticke  lättBd,    den  Geirass   desselben   aber  für  die   erste  2jeit 
itm   etttf ernte«    Polnischen   Könige  Stanislaus  Lesesinski ,   dem 
Schwi^eanrater  Ludwigs  XV.  auf  Lehensdauer  (f  1 7^)  gewährten. 
Ds^^c^en    &ajilc    Frankreich  in  den    späteren  allein   von  Weibern 
dUiangigen  Regierungsjahren  dieses  8chw«ichen' Fürsten  von  der 
Hike  einer  gebietenden,  in  den  wichHgsten  politischen  Angele- 
•eaheiteii  entsclieidenden  Macht,   xu  einer  überall  nachgebenden, 
selbsföndig  auftretenden  Politik  herab.    Daher  gab  es  seit 
nebenjährigen  Kriege  auf,  in  den  die  Verhältnisse  Ton  gani 
Earopa    bestimmenden   grossen   Bewegungen   die   erste  Rolle  va 
spielen  und  Hess   diese  Schwäche  am   deutlichsten  *  bei  Gelegen- 
heit d«gr  ersten  T^eilung  Ton   Polen   erkennen.^      Unter  solchen 
ÜBfeatäaden  konnten  neue  Erwerbungen  in  Europa  kaum  anders. 
als  anf   dem    Wege   friedlicher  Mittel  durch  Ankauf  oier  ,Aus- 
tacnsdi  geschehen,  wie  denn  dies  auch   bei  der  Besitznahme   der 
Insd  Corsica  <t78  QM.)  1769  und  einiger  Gränstheile  des  Uer- 
aegthoms  Savojen  (13  QM.)  zu  bemerken  ist 

Unter  den   auswärtigen   Besitzungen   bleiben   zwar   bei  der 

Kjone  die  Colonien  von  kleinerem  Umfange,  de* 

Werthinzwhchen  gerade  der  bedeutendere  war,  namentlich  in 

Ostindien,  wo  sie  noch  1722    den   wichtigen  Handelsplatz  Mähe 

(^  QM.)  auf  der  Küste  Matabar  und  1739  vom  Rajah  von  Tan- 

jore  Karikall  (Karikalla  =  schwarzer  Stein  oder  Fels)  mit  einem 

Gebiete  von  19^  QM.  erwarb.      Doch   hob  die  Regierang  1769 

die  Privilegien  uer  Ostindischen  Handels  -  Compagnie  auf,  indem 

sie  ihr  Vermögen  in  Landbesitz    und  Colonialwaaren  im  Werth 

von  35)783,000  Rthlr.  übernahm,  dagegen  aber  auch  zur  Befrie- 

diguy  ihrer  Schuldenlast  von  ^^075,000  Rthlr.  sich  verpflichtete  % 


*)  Di«.  onMr  Ludwig  X?I*  17g^2   mit  «inem  VeraiSgen  von 


14  FranlKreicb* 

Ueberdies  rerlor  Frankreieh  ^roh  den  tiebettjllirigeh  Land«  nnd 
Seekrieg  den  giiasten   Theil   leiifer  nngem<>«senen  Ländereien 
in  Nordamerika.      Im   ersten   Frinden   ron  Versailles    1763  trat 
es  an  ^pgland   beide   Canadas,"  tias    Gebiet  am    Michigan   und 
das  daran  stossende   nordwestiicbe  Gebiet  ab,   ferner    die   Insel 
Cap  Breton,  die  Fischerei  bei  der  Koste  ron  Newfoundland,  so* 
dann  in  Westindien  Grenada  mit  den  Grenadillen,  behielt  jedoch 
hier  die  seit  1756  in  Besitz  genommene  Insel   Lucio ,   und  end* 
lieh  in  Afrika  verlor  es  die  Colonien  am  Senegal  und  die  Insel 
€roree.     Ausserdem  überUess  es  noch  in  Falge  Rieses  Vertrags 
nach  Veriauf  von  6  Jahren   (1769)   an  Spanien  Louisiana   und 
Neu-OrleanSy  das  zwar  für  Frankreich  noch  immer  keinen  beson- 
deren Werth  gewonnen  hatte.      Dadurch   waren  -  bei   dem  Tode 
Ludwigs  XV.  die  aus wärHgen  Besitzungen  auf  ein  Fänf un  dzwan- 
zigtheii  ihres  früheren  sehr  grossen   doch  bedeotungslosen  Um- 
fangesy  auf  \9Qfi  QM.  gesohmolzen,   aber  der  Länderbestand   in 
Europa  auf  0,997  QM.   angewachsen ,   deren  Bevölkerung   schon 

dlamak  offtciell  anf  25,00(^000  Seelen  angegeben  wurde, 

« 

Unter  seinem  Enkel»  dem  nnglficldiehen  Ludwig  XVI.» 
(seit  dem  lOi  Mai  1774»)  der  Krone  durch  den  N'ationar-Convent 
am  21.  Sept  1792  für  verlustig  erklärt,  am;  21.. "^an.  1793  guillo- 
tinirt)  erlitt  der  L&nderbestand  Frankreichs  inEuropa  keine  Verände- 
rung ,  aber  das  Waffenglück  der  vereinigten  Französisch- Amerikani- 
schen Heeresmacht  im  Nordamerikanischen  Freiheitskriege  er- 
warb im  zweiten  Frieden  zu  Versailles  1783  die  Rückkehr  eini- 
ger früheren  nicht  unwesentlichen  Veriuste  unter  den  Colonien, 
doch  wollfen  wir  keinesweges  diese  Erwerbungen  vom  Stand- 
punkte der  allgemeinen  inneren  und  äusseren  Politik:  als 
einen  vortheilhaften  Ersatz  Frankreichs  für  seine  Theilnahme 
an  diesem  Kriege  ausgeben.  Dies  waren  die  Besitzungen  am  Senegal- 
Flusse,  die  Insel  Goree,  die  freie  Fischerei  bei  Newfoundland 
mit  «den  Inseln  St  Pierre  und  Miquelon.      Die  kleine  Antille 


10,000,000  I^thlr.  wieder  hergestellte  Ostindiscbe  Handelsgesellschaft 
konnte  bei  dem  bald  gestörten  Handel  Frankreichs  mit  Asien  und 
bei  dem  Verlaste  sammtlicher  dortigen  Kolonien  während  der  Re- 
volution nicht  mehr  zu  einem  selbständigen  Leben  sich  tmpoi  beben. 


« 

1 


Frankreick  IS 


St  ÜJBtkelMii^y  "vmm  4m.  KiaA  an  Schweres  Terkasft:  einig« 
Bcsitinngen  4cr  Alirikanisdben  GacUsdiftfl  in  den  Nord*  Afrika- 
mdMa  Rndbntmsten  sind  ab  rasch  Taribergekender  Elnrerk  kaam 
n  wvtdige«.  Der  Ceaammtkeatand  der  Kolonien  war  deninafk 
Wnn  AMbrmcii  der  Tranzinaeben  Rerolndte   wieder   aaf   1,024 


Die  Einciknngen  der  FransSaiacken Republik  wikrend  ikrer 

nr^lQllirigen  Dauer  (21.  Sept  1702.  —  18.  Mai   1804)  und  de« 

Franiftaiidien   Kaiaertkums    in    aeinen   seknjäkrigem    ratdosen 

El  okeiwnfjakaiapfe  *)  gekören  ailsacklieaslieli  dw  Cresekiekte  dieser 

Zeit,  da  daa  Kdnigreiek  Franjnreiek  bei  der  Wiederkersteliung 

der  B^mbons  durek  d«i  ersten  Pariser  Frieden  am  30.  Mai  1814 

die  altem  Grinsen   tobs  1.  Januar  1792  in  Betreff  seines 

Enrepkiscken  Besilkstandes  erkielt»  akonur  dasTonnals  paps^ 

lieke  Gebiet  Ton  Arignon  und  einige  Enelaven  in  d^n  ekema- 

ligen  KreisUnderfien  des  Deutsekea  Reieks  über  den  HniuM  quo 

mm  Anfang  der  Regierung  Ludwigs  XVI.  gewann.  Bei  den  Ausser- 

Earep&iseken  Besitsungen   wurde   aber  sogar  eine    betriebt- 

üdie  Einkusse  g^endie  VerkUtnisse  des  Jakres  1702  gemaeht, 

iadesi  daa  Frans5siseke  Domingo  siek  gleickfalis  inswiseken  an 

selbständigen   Staate  Hajti   umgestaltet  katte,   femer  die 

Tabago  und  St  Lucie,   ausserdem  die  Seekellen -Inseln 

Isle  de  Franee  oder  die  Mauritius  -insel  an  England  abge- 

treteo  wurden.  —  Ludwig  XVIlLy  der  Bruder  des  kingericktc- 

ten  Ludwigs  XVl.,  der  bereits  seit   dem   Tode   seines   in   der 

GeCangeosekaft  im  Temple   su  Paris   rerstorbenen  Neffen  Lud* 


*)  Aaf  der  höchste»  Stafe  seiner  Ausdebnung  betrug  1812  dai 
iraiaittelbare  Gebiet  des  Französischen  Kaiserthnms  nach  EinrerWi« 
hang  des  Königreich«  Holland  I4»00#  QM.  mit  4%500»009  Seelen, 
dazo  du  Königreich  Italien  iron  IlSO  QM.  mit  6,800,(K)0  Seelen» 
der  Rbeinbnnd  von  5^0  QM.  mit  i3,600>000  Seden»  die  Schweiz 
Ton  718  QM.  init  1,710,000  Seel.,  Neapel  von  1437  QM.mit  5,000,000 
SeeL  und  das  tlerzogtbum  Warschau  nebst  Danzig  vou  2810  QM. 
Bad  3,000,000  Seelen,  Also  disponirte  Napoleon  damals  unbe- 
4aigt  über  rolle  26^25  QM.,  die  mehr  als  7%500>000  Seelen  Bevöl- 
ikenu^  sabllen!  — 


1(  Frankreich. 

wigt  XVIL  8.  Juni  17{^,  den  köiHgliohc^  Titel  geführt  und 
den  mehrfachen  Anerbietungen  Ntl^oteons  sur  EntMgung  sei- 
ner Ansprüche  Trotz  geboten  hatte,  erhielt  die  Regierung  (1814 
f  16.  Sept  1824K  Derselbe  verlor  inzwischen  in  Folge  der 
Rückkehr  Napoleons  von  Elba  und  der  dadurch  nothwendip^ 
gewordenen  Wiederholung  der  vereinten  Anistrengungen  der  gros* 
sen  Machte  Europas ,  des  Deutschen  Bundes  und  des  König- 
reichs der  Niederlande  durch  den  zweiten  Pariser  Frieden  am 
20.  November  1815  an  Preussen  die  Gebiete  von  Saarlouis  und 
Saarbrück,  an  die  Niederlande  Marienbourg,  Philippeville  und 
deren  Gebiete,  an  Baiern  das  zur  Bundesfestung  für  den  Deut- 
schen Bund  bestinmite  Landau  nebst  Gebiet,  endlich  an  Sardi- 
nien das  sogenannte  Französische  Savojen  und  die  Oberhoheit 
über  das  kleine  halbsouveraine  Fürstenthum  Monaco.  Dadurch 
wurde  der  gesammte  Laiiderb^tand  Frankreichs  in  Europa,  nach 
Torangegangener  genaueren  Gränzbestimmung  und  mancher  Be- 
richtigung in  der  Landvermessung  auf  10,086^  QM.  (1816  gemein- 
hin auf  D,984  QM.  angegeben)  abgeschlossen,  Uitid  der  der  Aus- 
ser-Europäischen  Besitzungen  auf'657vQM.,  siehe  unten  §.11. 
Die  Bevölkerung  Frankreichs  in  Eluropa  wurde  1815  oCliciell 
aof  29^400,000)  J^öpfe  angegeben.  ^- 

Der  Umfang  des  Französischen  Staates  blieb  nun  unverän- 
dert, sowohl  unter  der  Regierung   Ludwigs  XVIU.,   als   auch 
unter  der   seines  Bruders   und   Nachfolgers  Carl   X.,   seit  dem 
16.  Sept  1824,  dessen  männliche  Descendenten  die  älter^  Linie 
der   Dynastie    Bourbon   fortsetzen  «sollten,   aber   am.  L   A:)gu8t 
1830  durch  die  Erklärung  der  versammelten  Deputirten   in  Ver«  * 
einigung  mit   der  Pariser  Municipalität   und   nachfolgender  Zu- 
stimmung der  Pairskammer  seiner  Rechte  auf  den  Französischen 
Thron  verlustig  gingen.  Carl  X.  gab  nuh  seine  Resignation  ein 
am  X  August  1830,   eben  so   sein  kinderloser   älterer  Sohn  der 
Hersog  von  Angoul^e,  aber  beide  nur  zu  Gunsten  ihrns  Neffen 
und  Grosssohnes,  Heinrich  von  Bordeaux,  des  einzigen  nach 
gebomen    Sohnes    des ^  1820  ermordeten  Herzogs   von   Berry, 
den  sie  Jamals,  10  Jahr  alt,   als  Heinrich  V.  zum  König  der 
Franzosen  proclamirten.    Inzwischen  wurde  der  am  7.  Aug.  für 
erledigt  erklärte'  Französische  Thron   durch  Wahl   einer   neuen 
Dynastie  besetzt,  indem  die  Deputirten -Kammer  sich  die  Rechte 
der  alleinigen  Volksrepraesentanten  aneignete,  das  Grundgesetz 


Frankreich.'  17 

icr  VerfaBBwng  tob  1814  abänderte  (s.  unten  §.  14),   und  Lud- 

irig  Pkilipp  L,  den  Hen<(g  von  Orieansy  und  dessen  Manns- 

ttsAHi   «Mf    den  seihen   berief,   worauf   ancb   nachträglieb ,   doch 

Bock  mn  deinmelben  Tage,  die  Majorität  der  venammeiten  Fran« 

einging. 


l^ndwig  Philipp  I.   bestieg   am  9.   Aug.    1830  in   Folge 
dieser  Wahl,  yerbunden  mit  der  Annahme  und  Beschwörung  der 
abg^nderten  Verfassung  den  Franii^sischen  Thron,  nicht  aber  we* 
gen  der  Verwandtschaft  mit  dem  entsetzten  königlichen  Hause,  die 
Ton  dem  Stammrater  seiner  Dynastie,  dem  Henoge  Philipp  L, 
de«  jüngeren  Sohne  Ludwigs  XllL  und  Bruder  Ludwigs  XIV. 
kerriihrte.      Dadurch   bKeb   jede  Streitfrage  *)  über  die  näheren 
A]is]iroche  der  Linien  Bourbon- Spanien,  Bourbon -Neapel,  Bour* 
bon-Lueea   beseitigt,    die  sämmtlich   ihre   Abstammung   aus  der 
«mittelbaren  Descendenz  Ludwigs  XIV.,   nämlich  von  dessen 
Enkel  König  ^Philipp  V.  von  Spanien  herleiten.  —  Der  Besitz- 
■tand  in  Europa  ist  bis  jetzt  unter  der  neuen  Dynastie,    die    in 
wenigen  Monaten   die  Anerkennung   bei   allen  Staaten  Europas 
«iangte,  völlig  unverändert  geblieben,  und  nur  die  Bevölkerung 
kat  durch    sich  .selbst   beträchtlich    zugenommen,    wie  Irir  §•  5. 
naher  nachweisen  werden.      Unter  den  auswärtigen  Besitzungen 
kemerken  wir  die  Erweiterung  derselben  in  AfiHka,   welche    der 
noch  von  der  vorigen  Dynastie,   in  den  beiden  letzten  Monaten 
ihrer  Verwaltung  unternommene  Zug  gegen  den  Raubstaat  Al^er 
eingeleitet  hat,  indem  nach  der  Besetzung  Algiers  am  5ten  JuU 
1830  und  der  Entfernung  des  Dejs  nach  Europa,  die  gegenwär- 
tige Regierung  durch  neue  Expeditionen  gegen  Constantine,  Oran 
nnd  Titterj  die  provisorische  Besitznahme  sicher  zu  stellen  suchte, 
nnd    durch  Europäische   Colonisirung   das   Land   sich   auf   die 
Daner  anzueignen  begann.      Von  Seiten   der   dabei  interessirten 
Mäekte  Europas  sind  inzwischen  noch  durch  keinä  Verhandlung 


^  Daher  blieb  aber  ftüch  die  so  vortheilhadt  sich  darbietende 
öffeDCHcfae  Besprechung  der  Zweifel  über  die  rechtmässige^  Gebart 
des  Herzogs  von  Bordeaux  von  Seiten  des  MinisterianiB  der  neuen 
Dynastie,  sowie  von  der  Partbei  des  Hauses  Orleans  Überhaupt 
darcfaaufl  unberücksichtigt. 

SehmherV*  StfttUtik  II.  ^ 


18  Frankreicb. 


• 


•der    VtTtng    Frankreichs   Besitumgeii    iii   «Kcveiit   Theile  von 
als  rechtmiUsig  anerkannt 


S.  3. 


Politische    Eintheilunfir. 

Frankreich  befand  sich  bis  zur  Revolution  für  das  gesammfe 
-  bürgerliche  Leben  und  die  verschiedenen  Zweige  der  Verwaltung 
nach  den  alten  Kronlehen  und  d^en  einzelnen  auf  Kosten  der  Nach- 
barstaaten genischten  Eroberungen    politisch  eingetheilt,   welche 
Provinzen  und  Landschaften,  wie  sie  seit  dem  sehnten  Jahrhun- 
derte allmählig   in  ihren  Grunzen  sich  festgestaltet  hatten,    in 
Rücksicht   ihrer  Grösse   sehr  verschieden,    oft   mannichfacli   in 
der  Begränzung  durchkreuzt  waren  und  dadurch  der  Verwaltung 
selbst  nicht  leicht  zu  beseitigende  Hindernisse  darboten.      Dies 
trat  um  so  einflussreicher  und  bedenklicher  hervor,   als  in  den 
beiden  dicht  aneinander  liegenden,   in  ihrer  gegenseitigen  Be« 
gränzung  vielfach  durchschluugenen  Provinzen  gerade   entgegen« 
gesetzte  Landes-Privilegien  und  andere  Herkommen   sich  erhal- 
teik  hatten.    Es  war  daher  im  Allgemeinen  als  ein  wahrer  Vor- 
dieil  für  die  Staatsverwaltung  zu  «betrachten,   wenn  er  auch  au* 
genblicklieh  bei  den  damaligen  Zuständen  der  Französischen  Re- 
volution  deih bestehenden  Verfassung   mehr  Schaden   als  Nutzen* 
brachte,  dass  nach    natürlichen  Gränzen  in  Rücksicht   des  Um- 
fangt und  der  Bevölkerung  gleichmässiger  gestellte  Landestheile 
in  den  Departements  am    13.   Januar   1.790   angeordnet  wurden, 
die  auch  bis  zum  26ten  Febr.  1700  bereits  83  an  der  Zahl  ein- 
geiichtet  waren  und  sich  jetzt  fast  unverändert  in  ihrer  ursprüngr- 
liehen  Begränzong  erhalten,  mit  Ausnahme  der  durch  die  Bestim- 
mungen des  zweiten  Pariser  Friedens  (§.  2.)  herbeigeführten  Ge- 
bietsverkleinerung*   Nur  durch  die  Einverieibung  des  Päpstlichen 
Gebiets  von  Avignon   aU  Departement  Vaucluse*),    ddfch   die 
Bildung  eines  neuen  Departements  Tarn  et  Garonne  und  durch 


*)  Bei  der  Bildung  dieses  Departements  wurden  wegen  des 
geringen  Umfaogs  der  vormaligen  Päpstlichen  Besitzungen  in  Frank- 
reich  allerdings  einige  Parcellen  der  beiden  benachbarten  Depts« 
Ditmt  und  Alpes  basses  dazn  genommen. 


Frankreich«  19 

£e  Trcttnm>y*«l€»  Depts.  Rhone  et  l^oire  in  zwei  li^ioB^r^  Dept, 

Wfiek  die  Zahl  derselben  bis  anf  86  vermehrt   Doch  sind  bis  sor 

hcmt^^en  Stunde  die  ^alten  Provinseintheilungen  nicht  nur  in  der 

histOTisclieii  Erinnerung  des  Volks  geblieben,  sondern  haben  auch 

Wi  dea  Verhftltnissen  der  phjsischen,  industriellen  und  eommer- 

öeUeQ  Cultar  ihre  Bedeutung  beibehalten;    nicht  minder  werden 

aber  auch    durch    besondre  Sitten    und  Dialecte   die  Cigenthüm- 

lidikeUeii     der     altabgegränzten    Landschaften     als    statistische 

Mcikwürdigkeit  noch  fSut  die  Zukunft  aufbewahrt 

Wir  gehen  daher,  bevor  wir  die  heutige  politische  Einthei* 
luoig  genau  naeh  ihrcipn  Flächeninhalte,  nach  ihrer  absoluten  und 
Tdadven  Bevölkerung  in  einem  übersichtlichen  Tableau  darbieten^ 
die  alte  Eintheilung  noch  namentlich  an,  und  bezeichnen  zugleich 
durch  die  Zahl  der  in  dieser  Reihefolge  geordneten  Departe« 
nents,  auf  welche  jene  Landschaften  wenigstens  nach  der  grds* 
•eren  Masse  ihres  Flächeninhalts  vertheilt  sind  »^Jedoch  mit  der 
ausdfückliehen  Bemerkung,  dass  dadurch  keinesweges  ganz  ge- 
Baa  die  Grunzen  derselben  bezeichnet  sind.  Aber  fOr  die  sta- 
tis&chen  Beziehungen  reicht  es  schon  aus,  wenn  auch  nur  im 
Allgemeinen  der  Umfang  der  alten  Landschaften  in.  Bezug  auf 
die  heutigen'  Departements  gekannt  wird.  Es  waren  34  ältere 
Provinzen,  von  denen  zwölf  den  Titel  Herzogthiimer,  dreizehn 
'den  der  Grafschaften  und  neun  den  von  Landschaften  oder  Herr- 
adiaften  führten.  Durch  die  Seine,  Garonne  und  Rhone  th^t 
stell  Frankreich  auf  eine  leicht  übersichtliche  Weise  nach  den 
Wel^egenden  in  vier  Haupttheile  ein.  Im  nordöstlichen 
Frankreich  befanden  sich  1)  das  Herzogthum  France  (l'hle 
de  Franoe),  jetzt  Dept  !,  2,  3,  4  und  5;  2)  die  Landschaft  Pi- 
esirdie  (Dept  6  und  ein  Theil  von  Dept  4 ;  3)  die  >jGrafschaft 
Artotz  (Dept  7.);  4)  die  Grafschaft  t'landerri'  (Dept  8);  5)  die 
Grafschaft  Chanipagne,  jetzt  Dept  9,  10,  11  und  12;  6)  das 
Herzogthum  Lothrin((en,  jetzt  Dept  13,  14,  15  und  IQr;  7)  die 
I^iid«eli)ift  Elsass,  Dept  17  und  18;  8)  Die  freie  Grafschaft 
la  Franche  Comte',  jetzt  Dept  19,  20  und  21,  und  0)  das  Her« 
sogthvas  Bourgogne,  Dept  22,  23,  24  und  25.— Im  nordwest« 
liehen  Frankreich  waren  10)  das  IlerzOgthum  Normandie, 
jetzt  Dept  26,  27,  28,  29  und  30;  11)  das  Herzogthun^^  Bre- 
^e,  jetxt  Dept  31,  33,  33,  34  und  35;  12)  die  Grafschaft 
Toanine  (Dept  36);   13)  das  Herzogthum  Orleannais»  Dept  37, 

4*' 


20  Frankreich. 

.  f 
38  und  39:  14)  die  Orafschnft  NiTvinais,  Dept  40;  15)  Das 
Henogt)ium  Bourbonnaii,  DepC  41;  16)  Das  Herz ogthum  Berry, 
Dept  42  und  43;  17)  Das  Herzogthum  Anjou,  Dept  44;  18)  die 
Grafschaft  Maine  nebst  la  Perche,  jetzt  Dept  45  und  46;  19) 
die  Landschaft  Marcbe,  Dept  47  und  die  Hülfte  von  Dept  48; 
20)  die  Grafschaft  Limo usin,  die  ,  andere  Hälfte  von  Dept  48 
und  49;  21)  Das  Herzogthum  Poitou»  jetxt  die  Depts.  50,  51 
und  52;  22)  die  Landschaft  Aunis,  der  kleinere  Theil  des 
Dept  53.  23)  die  Landschaft  Saintonge,  jetzt  der  grössere  Theil 
des  Dept  54^  24)  die  Landschaft  Angoumais,  jetzt  das  Dept  54; 

Im  südwestlichen  Frankreich  waren,  25)  das  Herzogthum 
Guienue,  jetzt  die  Depts.  55,  56,  57,  58  und  59;  26)  die  Landschaft 
Gascogne,  jetzt  die  Depts.  00;  61,  62,  die  Hülfte  von  Dept  63 
und  eia  geringer  Theil  des  Dept.  64;  27)  die  Landschaft  FoiK, 
welche  jetzt  den  grösseren  Theil  des  Dept  64nbildet;  28)  Na- 
varra  und  das  Land  Bearn,  jetzt  das  Dept  65;  29)  die  Graf- 
schaft Roussillon  (Dept  66);  30)  die  Landschaft  Languedoc, 
jetzt  die  Depts.  67,  68,  69,  die  zweite  Hälfte  von  Dept  63,  die 
Depts.  70,  71,  72,  73  und  Dept  74  zum  grössten  Theil;  30)  die 
Grafschaft  Auvergne,  jetzt  die  Depts.  75,  76  und  der  Rest  des 
Dept  74.  -~  Endlich  der  südöstliche  Theil  Frankreichs  wird 
gebildet  durch  31  die  Grafschaft  Lyonnais,  jetzt  die  Depts.  77 
und  78;  32)  das  Herzogthum  Dauphine,  jetzt  die  Dept  79,  80, 
81  und  ein  geringer  Theil  des  Depts.  82,  33)  die  Grafschaft 
Venaissin  nebst  dem  Gebiete  von  Avignon  macht  den.  grösseren 
Theil  des  Depts.  82  aus;  34|  die  Grafschaft  Provence  ist  in  die 
drei  Depti^.  82,  84  und  85  übergegangen.  Dazu  kömmt  noch  die 
Insel  Corsika,  welche  das  86te  Dept  gegenwärtig  bildet 

Bei  der  Reihenfolge  der  gegenwärtigen  Departements  nehmen 
wir  die  letzte  offieielle  Zählung  der  Bevölkerung  von  1831  zur  Grund- 
lage, weil  wir  diese  von  allen  Departements  kennen,  und  geben  den 
Flächeninhalt  zugleich  in  geographischen  QMeilen-  und  dem  jetzt 
gesetzlichen  Französischen  Flächenmaasse  der  Hectaren  an  *>. 


*)  1  Hectare  ist  =  3'^^^  Preilss.  Morgen;  also  10  Heclaren 
fast  genau  =  39|  Preuss.  Morgen.  Di^  geographische  QM.  ent- 
hält 21>490i  Preuss.  Morgen^  oder  6486*  Hectaren. 


F  raukreich. 


21 


A.    Nordöstliches  Frankreich. 
Departements         QM.      Hectarea      Ein^wphn, 


1.  Seine    .     .    . 

2.  Seine  et  Oise 

3.  Seine  et  Marne 

4.  Aisne    .    .    . 

5.  Oise     .    .     . 

6.  Somme      .     . 

7.  Pas  de  Calais 

8.  Nord     .    .    . 

9.  Ardennes  .  . 
10.  Marne  .  .  . 
J 1.  Aube     .     .     . 

12.  Marne  Haute  . 

13.  Vosges  (Vogesen) 

14.  Meurthe     .    . 

15.  Maas     .     .     . 

16.  Mosel   .     .     • 

1 7.  Nieder-Rhein 

18.  Ober-Rheia    . 
ID.  Doubs  .     .     . 

20.  Jura.     .    .     . 

21.  Saone  (Haute) 

22.  Saone  et  Loire 

23.  Cote  d'or  •     . 

24.  Yonne  .    .     . 

25.  Ain  .     .    .    . 


8/» 

104,^* 

108," 

I36,«* 

105,«« 

110,»o 

122,»« 

105/* 

93,** 

149,» 

111/5 

115/» 

107/' 

117/9 

1 10/« 

111/» 

75/» 

69/' 

99/« 

91/* 

93/« 

156/* 

159/» 

132/» 

106/' 


46,181 
575,042 
595,'980 
749,183 
581,424 
604,456 
669,688 
578,435 
513,015 
820,273 
610,608 
633,173 
587,955 
643,500 
604,439 
610,000 
417,500 
383,257 
547,360 
503,364 
515,000 
857,678 
876,956 
729,223 
594,822 


935,108 
448,180 
329,893 
513,000 
397,725 
543,704 
665,215 
989,938 
289.622 
337,076 
246,361 
249,827 
397,987 
415,586 
314,588 
417,003 
540,213 
424,258 
263,535 
312,504 
338,910 
523,970 
375,877 
352,487 
346,030 


Züiammen      2739/'  14,738,522     10,954,589 
B.    Das  Nordwestliche  Frankreich. 


26.  Seine  Inferieure 

27.  Eure     •    .     . 

28.  Orne    .     .     . 

29.  Calvados'  .     . 

30.  Manche     .    • 

31.  nie  et  VUaind 

32.  Cotes  du  Nord 

33.  Rnisterr^     . 

34.  Morbihan 


108,»» 
113," 
117,5» 
103,»» 
105,»» 
124,»» 
135/» 
126/' 
124,»* 


593,810 
623,283 
645,254 
570,4^.7 
577,178 
681,977 
744,073 
693,384 
681,704 


693,683 
424,248 
441,285 
494,702 
591,284 
547,052 
598,872 
524,396 
433,522 


Bew.  auf 
IQM. 

108,812 

4,309 

3,036 

'      3,753 

3,752 

4,942 

5,452 

0,388 

3,103 

2,254 

2,209 

2,163 

3,718 

3.543 

2,859 

3,717 

7,108  , 

16.675 

2,610    . 

3,409 

3,007 

3.352 

;i,349 

2,651 

3,245 


4,047 

6,413 
3,733 
3,752 
4,757 
5-ni9 
4,403 
4,419 
4,146 
3,487 


Frankreich« 


Departements         Q^H.      Hectaren      Einwohn. 


35.  Loire  Inferieure 

36.  Indre  et  Loire 

37.  Eure  et  Loire 

38.  Loiret  .     .     . 
30.  Loire  et  Cher 

40.  NiciTe  .     .     . 

41.  Allier   .     .     . 

42.  Cher     .     .     . 

43.  Indre    .     .     . 

44.  Maine  et  Loire 

45.  Majenne  .    . 

46.  Sal^the  ... 

47.  Creuse       .     . 
.48.  Vienne  Haute 

49.  Correze  ' .     , 

50.  Deux  Sevrea 

51.  Vendee      •    . 

52.  Vienne      •    . 

53.  C*  arertta  Inferieure  1 30,^ 
'54.  Charente.       .    .     I07,3i 


128,^« 
lll,w 
126,^ 
123,«* 
109,«» 
1Z5,»» 
I35,w 
134.8» 

127,88 

131 
94,5* 
116,5» 
105/* 
101,7» 
108,M 
lOÖ.w 
123,'« 
125,5» 


706,285 
612,679 
692,752 
675,191 
603,116 
686,619 
742,272 
740,125 
701,661 
718,807 
518,86^ 
639,276 
579,455 
568,078 
594»717 
585,273 
675,458 
689,083 
716,814 
588,803 


470,093 
297,016 
278,820 
305,276 
235,750 
282,521 
298,257 
256,059 
245,288 
467,871 
352;^6 
457,372 
265,384 
285,130 
294,834 
294,850 
330,350 
282,731 
445,249 
362,531 


Bew.  auf 
IQM. 
3,653 

2,663 

2,204 

2,482 

2.143 

2,284 

2,201 

1,897 

1,916 

3,582 

3,722 

3,920 

2,717 

2,807 

2,727 

2,767 

2,685 

2,252 

2,407 

3,377 


Zugammen  3532,^5  19,436,417     11,246,713  3,276 


C.    Das  südwestlicbe  Fr 
56.  Gironde    .    .    .     197,»»    1,082,552 


56.  Dordogne      .    . 

57.  Lot ,     .    •    •    . 

58.  Lot  et  Garonne 

59.  Aveyron    ... 

60.  Landes      •    •  ' . 

61.  Ober-Pjnrenäen  . 

62.  Gera     .... 

63.  l^am  et  Garonne 
64»  Ober-Gäronne    . 
65.  Arri^ge     •    .    . 
^Q.  Nieder-Pjrenäen 

67.  Ost-Pyrcnäcn    . 

68.  Aude     .... 

69.  Herault     .    .    . 


163,^ 
72," 

160," 

170,'* 

84,«» 

ll4,u 

64,»* 
117,^» 

96,5' 
137," 

75,^ 
115," 
125,0» 


898,374 

398,406 

528,753 

882,171 

900,534 

464,531 

623,096 

354,591 

642,533 

529,540 

755,950 

411,376 

631,667 

630,935 


amkreich. 

554,225 

482,750 

285,^27 

346,885 

359,056 

281,504 

233,031 

312,160 

242,509 

427,856 

253,121 

428,401 

157,052 

270,125 

346,207 


2,807 

2,952« 

3,934 

3,601 

2;230 

1,623 

2,759 

2,737 

3,731 

3,656 

2,621 

3,110 

2,091 

2,348 

2,760 


Frankreich. 


S3 


1            D«^i^rt«m»itU          QM« 

Hertaren 

Einwoha, 

BeV.aitf 
IQM. 

1           7a  Tmni     .     •     .     .     106,»* 

670,821 

335,844 

3,189 

'           71.  I.oser«       ...       02,** 

609,543 

140,347 

1,50a 

72.  Gard     .     •     .     .     109,^ 

699,723 

.357,383 

3,281 

560,004 

340,734 

8,407 

74.  Ober-Loire    .    .      90,^ 

495,784 

292,078 

3,244 

Zusammen  2329,^ 

12,976,084 

6,447,095 

2,766 

D.    Das  sdddBtliche  Frank 

reich. 

75.  Pnj  de  Dome  .     145,«» 

800,531 

673,106 

3,926 

76.  Cantal       .     .     .     104,<8 

574,081 

258,694 

2,473 

77.  Rhone       .    .    .      49,^^ 

270,423 

454,329 

9,^1 

78.  Loire    ....      90,** 

490,000 

.  391,216 

4,323 

79.  Wre     ....     163,*» 

841,230 

550,258 

3,589 

Sa  Ober-Alpen    .    .    100,^* 

653,090 

^  129,102 

1,278 

81.  Dröme      .    .    .     123,i> 

675,915 

299,556 

2,434 

82.  Vaaclose    ...      62,»' 

340,560 

239,113 

3,865 

83.  Rhone-Mündnngen  109,'» 

601^960 

369,473 

3,278 

84.  Nieder-Alpen      .     136,  >' 

740,895 

]66,«96 

1,155 

85.  Var       ....     132,«» 

729,628 

316,587 

2,387 

80.  CoTsica     .     .    .     177,«> 

974,741 

196,407 

1,098 

Zusammen  1485,»*    8,194^560       3,912,557 

Dasa  A,  B  und  C 

giebt   die  Haapts.     1 0,086, '«^  56,345,183     32,560,934 


2,637 


3,228 


Die  politisehe  Eintheilung  der  einselaen  Departements  ler* 
ftllt  wiedemm  in  Arrondissemens  und  Cantone.  Jede« 
Departement  besteht  aus  drei  bis  sieben  Arrondissementi  nach 
der  Versehicdenheit  der  Grösse  seines  Fl&eheninhalts  nnd  seiner 
Berdlkening :  davon  sind  nur  ausgenommen  die  beiden  kleinsten, 
das  Departement  der  Rhone,  welches  nicht  mehr  als  zwei  Arron- 
dissemens  hat,  und  das  der  Seine,  -welches  wegen  der  grossen 
Berölkernng  der  Hauptstadt  in  riersehn  Arrondissemens  abge- 
tbeOt  ist  Rechnen'  wir  dieses  letztere  nicht  mit,  so  kömmt  auf 
Jedes  AfTondissemens  ein  Fl&cheninhalt  ron  25  bis  36  QM-  vi^d 
eine   Berölkerung    von   50,000  bis    120,000  Seelen   *).      Jedes 


•)  Nur  das  Bept  du  Nord  hat  doch  bei  seiner  grossen  und  sehr 


\ 


24  Frankreich. 

Arronditsemenf  «rfftUt  wieder  in  techs  bis  zehn  Cantone^ 
die  bei  weitem  der  Mehrzahl  nach,  mit  einer  Bevölkerung  von 
10,000  Seelen  ungefähr,  einander  ziemlich  gleich  stehen.  Die 
C  an  tone  sind  die  unterste  Abtheilungsstufe  für  die  einzelnen 
Gemeinden  qder  Communen,  Ton  denen  jeder  Canton  in  man- 
nichfacher  Verschiedenheit  nach  der  Grösse  und  der  Entfernung, 
der  Gemeinden,  drei  bis  zehn,  bisweilen  auch  achtzehn  bis  vier- 
undzwanzig  zählt  Der  ganze  Staat  besitzt  362  Arrondiflsemeng, 
2842  Cantone  und  37,187  Gemeinden. 

Die  Ausser -Europäisohen  Besitzungen  Frankreichs  bestehen 

QM,       Bew. 
L  In  Asien  noch  aus  dem  Reste  der  vor- 
maligen so  hedeutenden  Ostindischen  Besitzun- 
gen, die  jedoch  noch  die  ältesten  Colonien   der 
Franzosen  festgehalten  haben. .  Es  sind  die  Ge- 
biete von  Fondioherj    in   Karnatik,  Karikal  in     24'        115,000 
Tanjore  und  Mah^  in  Malabar,  Handels  Comtoire 
zu  Yamaon  und  Chandernagor  in  Bengalen,  fer- 
ner zu  Patna,  Cassimbazar,  Balasore,  Dacca,  Su«  * 
rate  und  Siuthjia  in  Siam.   ^ 

U.  In  Afrika;  die  Niederlassungen  am  Se- 
negal, geschützt  durch  die  Insel  und  das  Fort 
S.  Louis  und  die  |nsel  Gor^e,  die  zur  Mascare- 
nisclien  Insel-Gruppe  gehörige  Isle  de  Bourbon,  54  125,000 
die  Insel  St.  Marie  bei  Madagascar  und  einige 
Handels-Comtoire   auf   der  letzteren  Insel. 

IIL  In  An^erika»  a)  In  Westindien  die  klei« 
nen  Antillen,  Martinique,  Guadeloupe,  St.  Mar- 
tin, Marie  Galande,  Desiderade  und  die  Insel- 
gruppe des  Saintes.  63^       263,000  < 

b)  In  Südamerika  ein  Theit  von  Guiana 
mit  der  Insel  Cajenne^  518         27,000 


dichten  Bevölkerung  von  969,938  Seelen,  obgleich  es  überdies  das  ein- 
zige Dept  Ist,  "welches  in  sieben  Arrondissemens  deshalb  getheüc 
M^urde,  Arrohdissemens mit  150>000 Seelen)  dagegen  die  Depts.  Corsica 
und  die  Nieder- Alpen,  von  denen  jedeüs  5  zählti  Arrondissemens 
mit  nicht  mehr  als  20>000  bis  3G>000  Seelen. 


•     Frankreich«  SS 

O  In  Nor4a»«rikft  Um  FMcherintelii  8t      7  000 

fitem  und  Bik|Beloa  ba  NewfomidlmiKt 

xusammea  667  QU      530,000 

Ueber  den  Besits  Ton  Algier^  kann  hier  ans  der  im  to« 
rigen  §.  mn^fuhrten  politischen  Rücksicht  noch  keine  Angabe 
angvfQkrt  w^erden.  Wie  sehr  nun  auch ^  diese  ansvärligen  Be- 
Btzuiigen  fvr  Frankreichs  Handel  und  Industrie  von  bedeutsa- 
flser  Wiehtigkeit  sich  zeigen,  so  leuchtet  doch  klar  henror,  dast 
sie  jetzt  kein  entscheidendes  Crewicht  mehr  auf  die  politische 
Madt  dieses  Staates  überhaupt  gewihren,  dass  also  Frankreicht 
und  Wirksamkeit  ausschliesslich  ron  seinem  Länderbe- 


stande in  Europa  abh&ngen.  Nach  diesem  aber  bildet  Frank* 
Teichs Flicheninhalt  noch  nicht  völlig  ein  Funfcehntheil  ron 
Eorepannd  onZweihundertund  viersigtheil  der  bewohnten 
Eide.  Dagegen  iit  seine  Berölkerung  bereits  ein  Siebendieil 
der  ron  Enropa  und  ein  Sieben  und  zwansig^eil  der  BevÖlke* 
mag  der  gesammten  Erde.  Was  die  fünf  Europäischen  Staaten 
rom  ersten  Range  insbesondere  anbetrifft,  so  ist  Frankreichs 
Flächeninhalt  nur  um  ein  Fünftheil  kleiner  als  das  Oestreichi« 
sehe  Kaiserthum  und  fast  gerade  das  doppelte  des  Brittischen 
Europas  und  des  Preussischen  Staates,  aber  es  ist  noch  nicht 
ein  Siebentheil  des  Europäischen  Russlands.  Seine  BeTÖlkerung 
steht  mit  der  von  Oestreich  gleich,  übertrifft  die  Brittische  nur 
■n  ein  Viertheil,  die  Preussische  dagegen  sehr  riel  um  das 
Doppelte,  und  erreicht  um  eben  so  viel  mehr  die  Hälfte  der  ge* 
saoifflten  Riusiachen  Bevölkerung.  -^ 


S*  4. 

Physische  Beschaffenheit^  klimatische  Verhältnisse, 

Land-  und  Wasserstrassen. 

Gtrault  de  Saint^Targeau  dictionnaire  de  geographie 
fkynquede  la  France^  Parit  1828  Svo.  StattMtiqup  det  r  out  et 


*)  Roset  (der  als  Capitain  im  Franzosischen  Geaeralstabe  bc 


26  Frani^reich. 

royafet  if  Firane^y  pubUe0  par  Padmm$iratiom  dem  pontm 
ei  ehau99ee9  et  dee  mtkety  Parte  4to  1824.*  die«  Werk  wurde 
durch  den  Director  dieses  Verwaltungssweiges,  Staatsrath  B  e  o  q  u  e  jr 
bekannt  gemacht  —  Ravinet  dicttonnair^  hydrograpkiqne^ 
Parte  1825  2  voL  Svo.  —  L.  Puteeant,  nowelle  deucription 
geoeeeirique  ds  la  Eramce;  prewi.  partie  1832  See  % 

iVankreich,  ein  wahrhaft  schönes  Land,  umspült  rou    zwei 
Meeren,  geschütst  durch  die  Pyrenäen,  Alpoi,   das  Jnrajgebii*g:e^ 
die  Vogeten  und   Ardennen,   durchschnitten  im  Iniieren    durdi 
eine  Menge  ron  Flüssen   und   schiffbaren  Bächen,   in    dem  ver- 
schiedenartigsten Wechsel  von  Bergland  und  Ebene ,   begabt  mit 
einer  reichen  Production  aller  nothwendigen  Bedürfnisse  des  Le- 
bens und  den  enrünsehtesten  Hnlfsmittein   für  ein  kräftiges  und 
ergötzliches  Dasein,  endlich  in  der  Mitte  des   bevölkertsten    und 
gebildetsten  Erdtheils   gelegen,   seheint   dadurch  schon  von    der 
Natur  selbst  für  den  Beruf  bestinunt  su  sein;  als  mächtiger  He- 
bel auf  die  allseitige  Entwickelung   der  Menschheit  steta^  einsa- 
wirken.  '  Erwägt  man  nun  noch  dabei,  dass  die  Bewohner  dieses 
so  glücklichen   ausgestatteten   Landes   lebhaft   und   empfänglieh 
für  alle  Eindrücke  sich  immer  zeigen,  dass  sie  bei  grosser  Tbä- 
tigkeit  doch  leicht  zu  behahdeln  sind,   dass  sie  mit  ihrem  uner- 
schöpflichen Frohsinn,  mit  ihrer  leichten  Gemüthsart  da«  Gross- 
artigste und  Beschwerlichste  su  unternehmen  und  auch    beharr- 
lich durchzuführen   vermögen,   so   kann   ihr  viel  entscheidender 
Einfluss  zwar  mannichfache  Verirrungen  veranlassen,  aber  nicht 
minder  treffliche  Endresultate    einer  heilsam  wirkenden    That- 
kraft  bewähren. 


dem  Expeditionsheere  angestellt  gewesen  war)  vöyAge  dans  la  re- 
gace  d'Alger  Paris  1833  3  vol.  8vo.  Dieses  sehr~  brauchbare  und 
belehrende  Buch  ist  zugleich  in  der  Absicht  geschrieben,  Erankreich 
eof  die  Bedeutsamkeit  dieser  Eroberung  aufmerksam  zu  machen. 

*)  Diese  höchst  wichtige  Arbeit  dient  zugleich  als  Comoientar 
über  die  Vermessongsarbeiten  für  die  S.  3  und  4  von  ^mir  ange« 
^  führte  neue  Specialkarte  Frankreichs.  Puissant,  Christ  im  Fran- 
zösischen Generalstabe,  Chef  der  ersten  Section  des  General  Krieg- 
depots and  Mitglied  der  Pariser  Academie  der  Wissenschaften  hat 
haoptsichlich  die  obeke  Leiiuag  dieser  Arbeiten  seit  1819  geführt. 


Frankfeich.  ^  17 

Das  Klimm  sMImIi  ton  den  Serennen  swiioiwn  41*  31' 
tti  &l^   n.  ^r.  ist  das  Nontitalienitthe^  wie  et  denn  fwUa3kmm^ 
Ecke  SttdfHiehte    nad    fiberhaapt  die  Vegeletion   der  Lembardei 
Wrrarlirmgt;  nelbeC  die  Neapolitanisehe  oder  Südspaniteke  Tenn 
pcnutar,    ^wie   sie  aoeh  in  dem  lehmalen  Klietenttreifen  von  6e* 
■■a  Vis  Nixsa  angetroffen   wird,   findet  eine   gleiche  Region   in 
4er  13nigegend  Ton  Hyeret,  fest  auch  noch  bei  Montpellier ,  Ni- 
■es  und   Gatte.     Dies^   Strich   Frankreich!  iat  Tor   deat  ran« 
ken  Nordwinde  geachötst,  der  Winter  beateht  in  der  R^el  hier 
nur  in  Schneegeetöber  und  endet  in  den  enten  Tagen  des  Fe> 
kimsTs;     allein    der    wüthende    Mistral    (NordwestWind)   bringt 
käalig  Gefahr  und  bisweilen  gar  einen  strengen  Winter,  wie  die 
T^n  1789  und  1823»  welche  die  Oliyen  bis  kor  Wunel  vertilg- 
ftee.      Die  Mittel  wärme  des   ganxen  Jahres   betr&gt  hier  -f"  14* 
ReauM.  —  Nördlich  von  den  Sevennen,  dann  an  beiden  Ufern  der 
Gifonde  bis  an  die  Loire,  ist  in  der  Mitte  Frankreichs  swischen 
45*  und  48*  n,  Br.  der  sogenannte  Garten  dieses  Landes,  nament* 
lick  um  Orleans  und  T^urs,  für  edle  BaumfirQchte  und  den  Ackerban 
das  Haoptland,  südlicher  dagegen  das  Vaterland  der  ausgeseichnet- 
FransÖsischen  Weine,  die  nicht  des  künstlichen  ckemischen  Pro- 
I,  wie  der  Champagner,  furihren  weit  gesuchten  )Verth  bedürfen. 
Dieser  Landstrich  ftndet  im  südlichen  Deutschland  und  am  Büt- 
teliiiein  nur  wenige  seines  Gleichen,   hat  eine  mittlere  Tempe- 
ratur des  Jahres  von  -|*  '2®  R«  Q>^<1  einen  Winter  ron  3  bis  4 
Monaten,  der  selten  Tor  den  ersten  Tagen  des  Man  aufhört  — 
Nördlich  von  der  Loire  und  der  Rhone  xwischen  48*  und  51*^ 
n.  Br^  wenn  wir  wenige  Cantonf  der  Bourgogne  und  der  Cham- 
pagne ausnehmen,  ist  im  Allgemeinen  das  Klima  übereinkommend 
nftit  dem  von  dem  südlichen  Belgien,  den  Main-,  Rhein-  und  Mittel- 
Elbe-Gegenden,  so  dass  der  Weinbau  swar  noch  überall  in  den;Land- 
schaften  südlich  von  Paris  ein  Hauptxweig  der  Landwirthschaft  bleibt, 
nördlich  ron  der  Hauptstadt  aber  die  Rebe  immer  spftrlicher  auf  Wein- 
bergen angepflanat  angetroffen  wird,  bis  sie  sich  in  der  Nord-Piear^ 
die,  Nomandie  und  der  Bretagne  gänslich  verliert    Die  mittlere 
Temf  eratur  ist  hier  des  Jahrs  -f-  81*  R.    D^r  Winter  ist  anhal- 
tend, Januar  und  Februar  gewöhnlich  sehr  kalt,  bis  sum  Belegen  der 
Bache    und  Flüsse   mit  Eis,  und  das  Frühlingswetter  tritt  selten 
for  Anfang    des  Aprils   ein.  —  Ganz  sterile  Sand-  und  Sumpfge- 
genden   werden    auf  ein    Achttheii    der    gesammten   Oberfllche 

berechnet,  nemlick  7|185,475  Bectareji  (1300*  QM.). 


96  FranJ^reicb« 

In  deo  DeparCemens  4er  NbrdkQsten  und  Finluterre  schreitea 
die  Flug-Sandhügel  mit  Jedem  Jahre  mehr  vor,  wie  ähnliche 
Erscheiniingen  in  Preussen  auf  der  ^uritchen  Nehrung,  der 
Küste  Samlands,  der  frischen  Nahrung  bemerkt  werden;  sie  ha- 
ben, bereits  seit  185  Jahren,  nachdem  man  genauere  Beobach- 
tungen darüber  aufgeseichnet  hat^  123  Quadratlieues  (beinahe 
31  QM.)  völlig  eingenommen. 

Die   Gebirge  des  FransÖsischen  Staates    haben  im^   Süden 
das  meiste  Terrain   für  sich   eingenomq^en   und  erreichen    auch 
hier  die  höchsten  Spitzen.     Die  Pyrenäen,   als  Wasserscheide 
und  politisohe  Grunze,  Spanien  vqn  Frankreich  trennend,  fallen 
nach  diesem  Lande  zu  schroff  ab  und  verlieren  sich  darauf  in 
sanfte  Hügelketten  bis  tat  Auvergne.     G^en  100  Pässe  {Ports 
oder  Cols  genannt)  führen  aus  Frankreich  den  Fussgänger   über 
die  Pjren&en  nach  Spanien,  aber  nur  9  sind  für  grössere  Trans- 
porte und  fahrbar,  die  beiden  Hauptstrassen  gehen  von  Bayonne 
über  Irun  nach  Vittoria  uiid  von  Perpignan  über  Junquera  nach 
Figueras,  und  in  den  mittleren  höheren  Pyrenäen  fehfen  die  Ueber- 
gangspllsse  fast  ganz.  Die  meisten  höchsten  Puncte  der  Pyrenäen 
fallen  gerade  auf  Frankreich,  aber  nicht  auf  den  Hauptkamm  des  Ge- 
birges, sondern  auf  einige  Nebenzüge.  Es  sind  für  Frankreich:  der 
Cylinder  des  Marbore  10,374  Pariser  Fuss,  der  Vignemale  10,326  P. 
F.9   der  Montealm  0,960  P.  F.,   der  Pic  de  Nontoulion  8,928  P. 
F.  und  der  Canigou  8604  P.  F.,  alle  über  die  Schneegränze,  die 
für  die  Pyrenäen  aber  erst  mit  8206'  beginne  —  Von  den  Al- 
pen bilden  den  Kamm  der  See-  oder Meeralpei) und  der C ot- 
tischen Alpen  die  Ostgränze  gegen  die  Sardinischen  Staaten: 
jene  flachen  sich  ab  bis  in  die  Nähe  von  Marseille,  nachdem  sie 
das  Vardepartement  parallel   mit  der  Küste  als  die  Bergketten 
des  Bfanres  und  Esterelle  durchzogen  haben.    Der  Hauptkamm 
der  Cottischen  Alpen   zieht  von  den  Quellen  des  Var  und 
der  Stura  über  den  Mont  Genevre  (11,0580  bis  zur  Rhone  Ifin, 
macht  den  grössten  Theil   des  Departements   der  Nieder-  und 
Ober- Alpen,  der  Drome  und  b^re  zu  reinen  Alpenlandschaften, 
tind  erhebt  sich  in  dem  Peltoux  de  Valouiise  zu  13,237  P.  F., 
In  dem  Jocelme  zu  13,022',  im  Ozon  zn  12,600^,  in.  den  *Golean 
de  la  Grave  zu   11,700^,   im    Col  de  Saix  zu  10,300^,   in  dem 
Muan  de  Bellone  zu  10,218'  und  im   Viso  de  Rintolae  zu  0312'. 
Der  wichtigste  Nebenzweig  ist  das  Leberon-  und  Lure-Gebirge 
zwischen  der  Durance  und  der  Drome,   welches  im  Ventoux  bii 


I. 


Frankreich.  29 

6227'  hoch  steigt  und  dann  steii  zum  Rhone^ale  abAUt  Abt 
die  urichHgsten  Uebergangspässe  sind  schon  seit  dem  Alterthume 
bekannt  *)  der  Pass  über  den  Mont  Cenis  in  Savojen,  welcher 
aus  dem  Thale  des  Are- Flusses ,  eines  Nebenflusses  der  Isere 
nach  Susa  fuhrt.  Durch  Napoleon  ist  dieser  Bergpass  zu  einer 
der  ausgezeichnetsteji  und  schönsten  Bergstrassen  gebildet,  die 
in  ihrem  höchsten  Puncto  6360^  über  das  Meer  sich  erhebt  und 
die  jetzt  jährlich  von  mehr  als  17,000  Fubrirerke  und  48,000 
Saumthieren  gebraucht  wird.  D^r'  Pass  über  den  Mont  Genevre 
steigt  auf  dem  höchsten  Punkte  zu  5810'  an  und  führt  vtfu  Bri- 
an^on  im  Duran^e- Thale  nach  Susa.  Der  etwas  südlicher  lie- 
gende Pass  über  den'  Mont  Viso  leitet  aus  dem  Duran^e-Thal 
zu  den  Quellen  des  Po.  —  Zwischen  den  Pyrenäen  und  den  Al- 
pen, und  den  drei  Hauptströmen  Frankreichs«  Garonne,  Rhone 
und  Loire,  jedoch  so^  dass  sie  selbst  die  Quellen  der  Loire  ent- 
halten, ziehen  die  Se  rennen,  welche  in  dem  Mont  Mezen  mit 
5400^  die  grösste  Höhe  erreichen  und  also  unter  der  Schnee- 
gränze  verbleiben.  Ein  nordöstlicher  Zweig  derselben  ist  das 
Rhonege1>irge,  welches  in  dem  Mont  Tarare  bis  zu  4350'  und 
in  dem  Pilat  bis  zu  3500^  ansteigt  und  sich  dann  in  den  Höhen 
des  Cote  d'Or  (1,700^)  und  in  die  Hochebene  von  Velajr,  Ge- 
TAudan  und  Vivarais  (bis  zu  einer  mittleren  Höhe  von  2B00*)  vor- 


'*')  G.  A.  de  Luc»  histoire  du  passage  des  Alpes  par  Hannibal 
avec  ane  carte,  Genf  1818  8V0.9  verbindet  die  Forschungen  der  Neueren 
und  genaue  Ortskenntniss  mit  den  Beschreibangen  in  den  Quellen  des 
Alterlhums.  Er  stützt  sich  hauptsächlich  auf  die  Untersuchungen 
des  Englischen  Generals  Melville,  der  mit  d^m  Polybius  in  der 
Hand  diese  Alpengegenden  bereist  hat.  De  Luc  hat  späterhin  rodi* 
rere  Erläuterungsschriften  über  einzelne  Angriffe  gegen  seine  Be- 
hauptungen in  der  zu  Genf  erscheinenden  Bibliotheqoe  universelle 
niedergelegt,  namentlich  seine  cinqoi^me  lettre  contenant  nouveäux 
eclaircissemens  sur  la  descente  des  Alpes  par  V  arme^  d'  Hannibal 
im  Julihefte  des  Jahrg.  1822.  VergU  damit  H.  L.  lYickham  et  J. 
H.  Crajner  a  dissertation  on  the  passage  of  Hannibal  over  the  Alps^ 
London  820,  th.  sec.  edit  Lond.  825  —  Critical  examination  of  Mr. 
lYhitackers  course  of  Hannibal  over  the  Alps  Lond.  825.  Svo.,  und 
Edinburgh  Review  825  Novemberheft  S.  163—91.  Zander,  der 
Heerzug  Haanibals  über  die  Alpen,  Hamburg  823  4to.y  erklärt  sich 
für  de  Luc's  Untersuchungen. 


,      4 


30  Frankreich. 

l&nft— 'Das  Geliirge  yon  Aurergn«,  mit  ausgebrannten  Vul- 
kanen dürchmengty  erhebt  sich  im  Cantal  zu  58D(/  und  in  dem 
Bergrücken  des  Puj  de  Ddme  zu  4500'  Höhe. 

Das  Jura -Gebirge  macht  die  östliche  Grenze  Frankreichs 
gegen  die  Schweiz,    gehört  aber   nur 'seinem   sanfteren   Abfalle 
nach  dem  Französischen  Staate  zu,  indem  es  den  grössten  Theil 
der  Departements  Ain,  Doubs  und  Jura  einnimmt     Seine  ht>ch- 
sten  Spitzen  sind  der  Pre  des  Marmiers  5300^,  der  Reculet  5280^ 
vnd  der  Grand  Colombiers,  5220'  alle  noch  mehr  als  200(y  unter 
der  Schneegränze.     Die  wichtigsten  Strassen   durch  das  Jurage- 
birge laufen  von  Lyon  über  Nantua  nach  Genf,   von  Ddle   am 
Doubs  über  Pelign/  nach  Genf,  und  von  Besan^on  über  Pontar- 
lier  nach  Lau^nne.  Sie  sind  oft  mit  s^hr  schwer  fahrbaren  Päs- 
sen durchschnitten,    die  gleichfalls  unter  Napoleons  Verwaltung 
durch  ganz  gesicherte  und  für  jeden  Transport  leicht  befahrbare 
Kunststrassen  für  den  Verkehr  noch  viel  zuganglicher  gemacht  sind. 
Als  ein  Nebenzug  des  Juras  durchzieht  das  Laumont-Gebirge 
(höchste  Spitze  2000^)  die  Thäler  des  Ain,  Doubs  und  der  Saone 
und  bildet  den  Uebergang  >zu  den  Vogesen  oder  dem  Wäsgau- 
Gebirge.      Dasselbe    enthUlt    die    Quellen    der    nordöstlichen 
und  nördlichen  dem  Rheine  oder  dem  Meere  unmittelbar  zuströ- 
menden Flüsse.   Durch  die  obere  Mosel  in  zwei  Hauptzüg^  nach 
Osten  und  Westen  getheilt,  hat  es  seine  höchsten  Gipfel  um  die 
Quellen  dieses  Flusses  selbst  im  Grand  Ventrou  auf  4314^,   Bal- 
lon de  Sulz  von  4415',  dem  Ballon  d'Alsace   von    3000'  und   inf 
Grand  Donnon  von  3100'  Höhe.      Nach  Deutschland   zu   fallen 
die  Vogesen  viel  steiler  ab  (bis  zu  dem  Donnersberge),  als  nach 
dem  inneren  Frankreich,  wo  sie  in  die  Lothringische  Hochebene 
swischen  SOO'  und  SOO',   in  die  Monts  des  Faucilles  und  in  die 
Hochebenen  von  Langres  zwischen  1500'  und  1  lOO'  und  in  die  wel- 
lenförmige westlichen  Th^ile   der  Champagne   und    der  Picardie 
sanft  auslaufen.     Im  Nordosten  schliessen  sich  endlich  an  diese 
der  Argonnerwald,   ein'  stark   mit  Wald   besetztes,   mehr  in 
dicht   auf  einander   gedrängten  Hügeln,    als   zu  hohen  Kuppen 
ansteigendes  Bergland,    das  nirgends  sich  über  1300'  Höhe  er- 
bebt, und  mit  denselben  zusammenhftngend   die    wenig   höheren, 
aber  viel  rauheren    Ardennen,   welche   die  Scheide   zwischen 
Belgien  and  Fnrfikreich  bilden  und   ihre   höchsten  Kuppen  zwi- 
schen 1500'  and  1800'   erheben.      Durch   die  Vogesen  fühh  auf 


FraDkreich.  Sl 

4cr  Hraftaftrmase  tob  Naacj  limdi  SCnsbvrg  dtr  Pan  tob'  Zt« 
Verm,  «af  4w  Stnsa*  tob  Nuicjr  amch  Basel  IDurt  das  Mo«eltbal 
kinmof,  nmA  dem  iddlieh«!  Fnuikreicb  kiB  geUagt  maB  diurek 
dsi  Tkal  des  DobIw  VBd  der  Saone.  Dareh  die  ArgonaeB  and 
ArdeiuieB  giebt  ea  rielfacke  Strastea,  die  bei  der  geriBgeni 
Stnlhett  der  Gebirge,  weBB  aaeb  mit  eiaiger  Bescb werde ,  doeb 
tckoB  seit  dem  Mittelalter  ab  rielfaeb  gebravcbte  Haadeltttrassea 
bestebea,  aad  bei  dem  TorhaadeaeB  Material  nad  dea  U&lfsquellea 
des  Staates  raseb  ia  Kuaststrassea  renraadelt  werdea  koaatea: 
so  die  Hsuptstrasse  yoa  Paris  aacb  Cola  aber  Rbeims,  Mesieres» 
RocToj,  TOB  Paru  aacb  Maias  über  Verdua  aad  Mets,  tob 
Nmncj  aaeh  Luxemburg  fiber  TbioBTills  uad  Mets.  NoebmüsseB 
die  Berge  Corsics^s  hier  abgesoadert  aagefiibrt  werdea,  da 
diese  gaase  lasel  als  eia  durcb  swei  Hauptgebirgssüge  dureb* 
schaitteaes  Berglaad  su^betraebtea  ist:  ibre  böcbstea  Berggipfel 
steigeo  im  Moate  rotoado  bis  über  die  Schaecgriase  su  0294'. 
und  im  Moateoro  bis  su  8 166'.  —  Die  Productioasfabigkeit  die- 
ser €iebirge  aa  Erzea  und  anderen  brauchbaren  Miaeraliea  ist 
an  uad  für  sieb  nicht  besonders  reich  su  neaaea,  uad  steht 
hiater  der  tob  Russlaad  uad  Deutschland  weit  surück^  wie  dies 
die  BäbereB  Angaben  in  {•  0.  ausweisen  werden. 

Die  HeilquelleB  der  Gebirge  Frahkreiehs  findeB  sieh 
Tonidimlich  la  Sfidwestea  Frankreichs,  in  den  Pyrenftea,  ia  doB 
SeTesaea  uad  im  Gebirge  tob  Auvergae.  Sie  sind  siemlichisabU 
reich,  aber  keines weges  tob  so  ausgeseiehaeter  Heilkraft,  dass 
sie  Ausliader  su  ihrem  Besueh  in  grösserer  Menge  einladen  soll- 
ten, oder  den  Franzosen  die  benachbarten  Heilquellen  DeutschlaiidB 
entbehtUcb  machea  köantea.  Die  berühmtestea  siad  die  Sebwe- 
felbkder  Plombieres,  Cauterets,  Bareges,  Bagaeres,  Aiz  (bei  wei- 
tem die  berühmtesten  diesseits  der  Rhone  und  ab  Aquae  Sexdae 
schon  im  Alterthume  vielfach  besucht),  Chaudes  Aignes,  Bbur- 
bonne  les  Bains  und  am  Montd'or*  Als  Trinkheilquellen 
sind  besonders  namhaft  su  machen  der  Sauerling  su  St.  Mjon, 
die  Stahl  Wasser  von  Bussaing,  Contrexeville  und  Cr&nsac,  die 
Bitterwasser  von  Baleirac  u.  s.  w.  Viel  besuchter  als  diese  Büder 
sind  die  Seebäder  an  den  Küsten  des  Mittelländischen* und  At- 
laotischen  Meeres,  so  wie  vorsugsweise  auch  am  Canal:  hier  ist 
aoch  vielfacher  Besuch  aus  dem  Auslande;  «ad  Boulegae,  Dieppe, 
Ksneille^  Cette  stehea  seboa  ia  der  Besiehuag  als  Seebäder  als 


\ 


/ 


33  Frankreich. 

« 

bedeutende  Hülftqaellen  für  den  FraniöMi chen  Nadonalreicbthum 
auf  einer  namhaften  Stufe.  — -  Blit  Landseen  und  Teichen 
ist  Frankreich  unter  allen  Staaten  Europa  am  kärglichsten  aus- 
gestattet, so  dass  hief  nur  die  Pjrenäische  Halbinsel  ihr  gleich- 
kömmt, aber  sie  nicht  Obertrifft:  es  rerliert  Frankreich  nicht  ^|^ 
seines  Flächeninhalts  auf  dieselben.  Der  grösste  ist  der  Grand- 
Heu  im  Arrondivsenient  von  Nantes,  2^  Lieues  *)  lang  und  2 
Lieues  breit,  der  durch  mehrere  Bftche  gebildet  wird  und  sich  ^ 
suletst  durch  die  Achenan  in  die  Loire  ergiesst.  Die  Lagu- 
nen oder  Strandieen  sind  vornehmlich  an  der  Küste  des  Aqui- 
tanischen  und  Mittelländischen  Meeres  (sie  heissen  Etangs) 
rusgedehnt,  oft  über  1  bis  4  Lieues  lang.  Ihres  starksalzigen 
Gehaltes  wegen  geben  sie  durch  den  Process  der  Verdunstung  / 
dea  Wassers  einen  reichlichen  Salsgewinn,  von  welchem  unten 
{•  9.  weiter  die  Rede  sein  wird. 

Die  Flussve/rbindung  des  Französischen  Staates  gehört 
XU  den  schon  ron  der  Natur  ausgezeichneteren,  da  die  Wasser- 
scheiden seiner  Gebirge  den  reichlichsten  Zufluss  ihrer  Gewässer 
an  Frankreich  selbst  spenden  und  auf  eine  so  vortheilhafte  Weise, 
dass  nach  allen  Richtungen  des  Reiehs,  ein  Hauf^uss  seine 
Ausmündung  nimmt  Die  Zahl  sämmtlicher  Flüsse  und  Bäche 
beträgt  gegen  6000,  von  welcher  108  mehr  oder  weniger  schiff- 
bar sind ;  nur  für  Flösse  brauchbar  sind  dieselben  auf  einer 
Strecke  Ton  1925'  g^üss.  Lieues,  Töllig  schiffbar  1877'  Lieues, 
wodurch  mit  den  vollendeten  schiffbaren  Canälen  von  398^^  Lieues 
und  den  noch  nicht  ganz  ausgeführten  von  558  L.  eine  Wasser- 
strasse von  4730*'  L.  oder  2838*^  Meilen  gebildet  wird.  —  Die 
Loire,  der  bedeutendste  Fluss  dieses  Staates,  entspringt  im 
Dept.   Ardecfae  in  den  Sevennen  am   Gerbier-le- Jou^t,  erlangt 

*)  Die  neue  Französische  Post-Lieue  Ist  nach  dem  D^dmalnaasSe 
vollkommen  übereinstinnmend  mit  4>000  Metres,  während  ein  Myria- 
'  mdtre  =  10,000  Metres,  den  ;&ehnten  Theil  des  Französischen  Grads 
(Degr<^.)  die  eigentliche  Meile  bildet.  Da  nun  2  Metres  =  1  Toise 
sind,  so  ist  eine  Lieue  =  2000  Toisen.  ^  Ein  Metre  ist  aber  etwas 
mehr  als  3  Berliner  Fuss,  nämlich  =  3^'  Fuss,  so  dass  also 
2  Lieues  um  124  Ruthen  grosser  sind,  als  eine  Preussiscbe  Meile, 
welche  genau  7532'  Metres  beträgt.  Davon  sind  jedoch  zu  unter- 
scheiden die  eigentlichen  Lieues,  von  welchen  25  auf  ^inen  Grad 
des  Meridians  gehen,  und  die  =  28^'  Lieues  de  Foste  gleich  kommen, 
nämlich  228^^  Toisen  gross  sind.  ~ 


Frankreich* 


33 


Fldflibarkei  beim  Dorfe  R^oumac  oicht  weit  von  Beawtoe, , 
Schiffbarkeit  bei  Roanne  im  Dept  der  Loire,  erreicht  bei  Tours 
schon  eine  Breite  von  500  Toiaen  und  mündet  sich  3350  Toisen 
breit  bei  St  Nazaire,  nachdem  schon  bis  Nantes  selbst  sehr  tief 
gehende  Seeschiffe  im  Frühjahr  und  sur  Herbstxeit  gelangen 
können ;  nur  im  Sommer  bei  grosser  EKtze  wird  sowohl  hier, 
als  auf  dem  noch  höher  liegenden  Theile  des  Flusses  durch 
Seichtigkeit  die  Schifffahrt  unterbrochen.  Dieser  Lauf  bildet 
eine  Länge  von  130  Meilen,  und  das  gesammte  Stromgebiet  der 
Loire  beträgt  nicht  weniger  als  den  vierten  Theil  von  ganz 
Frankreich.  Auf  der  rechten  Seite  si^nd  die  Nebenflüsse  der 
Loire  von  sehr  gennger  Bedeutung,  auf  der  linken  zeichnen  sich 
die  schiffbaren  Allier,  Cher,  Indre  und  Vienne  aus.  — Die  Ga- 
ron^e  nimmt  ihren  Ursprung  beim  Beginn  des  Spanischen  Aran- 
thales  fast  in  der  Mitte  der  Pjrenäen,  wird  schiffbar  bei  Cast- 
ros im  Dept.  der'Obergaronne,  nimmt  nach  ihrer  Vereinigung 
mit  der  Dordogne  bei  Bec  d'Ambez  den  Namen  Gironde,  bietet 
darauf  durch  eine  Menge  von  Inseln  und  davon  abhängenden  Un- 
tiefen eine  nur  beschwerliche  Schiffahrt  an,  erreicht  hei  Blaye 
bereits  eine  Breite  von  3000  Toisen,  erweitert  sich  dann  bis 
dicht  vor  ihrer  Ausmündung  ins  Aquitanische  Meer  bis  auf 
SOOOTjoisen,  und  strömt  endlich  zu  2000  Toisen  wieder  eingeengt 
in  dasselbe  ein.  Ihr  Lauf  beträgt  80  Meilen  und  ihr  Stromge- 
bief  ein  Siebentheil  von  Frankreich.  Dieser  Fluss  empfängt 
nur  auf  der  rechten  Seite  bedeutende  Nebenflüsse,  wie  die  schi^- 
baren  Arriege,  Tarn,  Avejron,  Lot  und  Dordogne:  auf  der  lin- 
ken Smtß  sind  d(e  Gers  und  Baiie  kaum  nennenswerth.  —  Die 
Seine  entspringt  auf  dem  Gebirge  Cote  d'or  zwischen  Chan- 
ceaux  und  Saint-Seine,  wird  schiffbar  nach  der  Aufnahme  der 
Aube  bei  dem  Dorfe ,  Marcilj,  erreicht  schon  ^bei  Paris  eine 
Breite  von  mehr  ab  50  Toisen,  trägt^  von  Ronen  ab  Seeschiffe 
nnd  mündet  sich  bei  Havre  le  Grace  fa^t  eine  Meile  breit.  Bei 
ihrem  geringen  Gefälle  ist  sie  ein  sanft  dahin  fliessender  Strom, 
dessen  Lauf  85  Meilen  Länge  und  dessen  Stromgebiet  noch  nich'  den 
achten  Theil  Frankreichs  beträgt  Sie  nimmt  auf  beiden  Seiten 
fär  den  inneren  Verkehr  wichtige  und  schiffbare  Nebenflüsse 
auf;  auf  der  Unken  die  Yonne  und  Eure,  auf  derv  rechten  die 
Aube,  Marne,  und  die  Oise  nach  ihrer  Vermischung '  mit  der 
Aisne.  / 

6rbubifrt'»StttUtik  U.  .        %' 


-.  f 


34  Frankreich. 

Die  übrigen  grösseren  Ströme  Frftnlorelcht  geboren  nur  xnr 
Hälfte  oder  noch  weniger  diesem  Staate   an,  oder   bilden   gar 
nur  >die  politische  Gränze,  wie    der  Rhein,  der  die  lU  und  Mo. 
sei  aus  Frankreich  aufnimmt,  die  letztere  aber  nur,  nachdem  er 
bereits  den  Französischen  Boden  rerlassen  hat.    Der  wichtigste 
unter  diesen  ist  unbezweifelt  die  Rhone,  die  bei  ihrem  Durch- 
drän^n  durch  das  Juragebirge  nicht  weit  von  Saint- Disier  in 
•das  Französische  Gebiet  eintritt,  gleich  schiffbar,  nach  der  Auf- 
nahme der   Saone  in  durchaus  südlicher  Richtung  dem  Mittel- 
ländischen Heere  zuströmt,  das  sie  in  vier  Mündungen  «rreich^ 
durch  welche  das  Sandküstenland,  dieCamargue,  gebildet  wird. 
Aber  bei  ihren  ^elfachen  Verlusten  des  Wassers  im  Augenblick 
ihrer  Ausmündung,  sind  die  natürlichen  Mündungen  selbst  jetzt 
versandet,'  und  werden  durch  die  beiden  Canäle  von  Beaucaire 
bis  zum  Etang  de  Thau  und  ;von  Arles  bis  zum  Meere  ersetzt. 
Dieser  Fhiss  hat  durch  Frankreich  e^en  Lauf  von  55  Meiben,  auf  wel- 
chem er  bei  einem  sehr  starken  Gefälle  sich  zwischen  derEinmiindung 
der  Saone  und  Avignon  zu  einem  ^er  reissendsten  Ströme  Europas  er- 
bebt Auf  beiden  Seiten  erhält  er  reichlich  zuströmendes  Wasser  dnrcli. 
die  Nebenflüsse,  auf  der  rechten  Seite  den  Aix,  die  sehr  bedentende 
Saone  mit  dem  Doubs,  die  Ard^che  und  den  Gard,  auf  der  linken  die 
Alpenströme;^  die  Is^re  und  Durance.  — -  Die  Scheide  empfangt  ih- 
ren Ursprung  auf  den  Martinsbergen  bei  Castßlet  im  Dept  der  Aisne, 
wird  bei  Cambraj  schiffbar  nnd  nimmt  noch,  ehe  sie  nach   Bel- 
gien übergeht,  die  schiffbare  Scarp^  au£ —  Die  Maas  entspringt 
auf  der  Hochebene  bei  Langres   beim  Dorfe  Meuse,  wird   bei 
Verdun   schiffbar,  und   geht  bei   Givet  nach   Belgien   über.  — 
Als  Küste nflüBse  haben  wahre  Bedeutsamkeit  für  den  iiineren 
Verkehr  unter  den  in  den  Canal  la  Manche  sich  ausmündenden,  die 
Somme  von  24  Meilen  und  die  Orne  von  18  Meilen  Länge;  unter 
den  in  das  Atlantische  Meer  ausströmenden  dieVilaine  von  27 
Meilen,  dieCharente  von  45  Meilen  und  der  A  d  o  u  r  mit  einem  Laufe 
von  44  Meilen ;  endlich  unter  den  Flüssen  des  Mittelländischen  Mee- 
res, dcrVar,  14 Meilen  lang,  als  Gränzfluss  gegen  Nizza;  der  Her- 
ault,  ein  Sevennenfluss  von  15  Meilen  und  der  Pjrrenäenfltiss,  die 
Aude,  von  30  Meilen  Lance,  oberhalb  Narbonne  sich  mündend.' 

Bei  einer  so  höchst  günstigen  Bewässerung  des  Landet  Ton 
Seiten  der  Natur  hat  aber  die  Regierung  keinesw^es  verabsäumt, 
noch  mehr    den  inneren   Verkehr  durch   eine    kräftige    Unteir- 


# 
\ 


I 


Fraokr^iciu  35 

lAtsimg  vi&niiOge  Canalbanten  «a  beleben »  wobei  wir  bis  auf 
iis  Zeitalter  Liidwtgt  XIV«  surfickgehen  müssen,  wiewohl  auch 
ütamca  YatcT  Ludwig  XIII,  schon  für  künstliche  Wasserrerbindung 
seines  Staates  (Canal  Briare)  gesorgt  hat  Denn  unter  den  Französi* 
sehen  Can&ien  nimmt  auch  jetzt  noch  den  ersten  Platz  ein  I)  der  Süd* 
Canal  (canal  duBIidi,  e.  Rojral),  der  gemeinhin  nach  seiner  Land- 
sdiaft  der  von  Languedoc  benannt  wird*),  und  welcher  von  Tou- 
louse über  Agde  in  die  Lagune  ron  Thau  übergeht  und  durch  diese 
TermÖge  des  Hafens  von  Cette  und  der  Garonne  daa  Atlantische 
mit  dem  fifittelVdndischen  Meere  verbindet.  Ricquet  hat  den 
Plan  zu  dieser  Verbindung  entworfen  und  durcli  das  Ministerium 
TonColbert  unterstützt,  wurde  der  Canal  in  den  Jahren  1666 — 81 
cffaut.  Ri^uet  selbst  war  vor  der  Vollendung  gestorben,  aber 
seine  Familie  erhielt  gegen  die  ihr  überlassene  Einnahme  die 
Aufsieht  über  denselben  und  die  Verbindlichkeit  ihn  zu  unter- 
ludten.  Handel,  Kunstfleiss  und  eine  anhaltende  Betriebsamkeit 
worden  dmth  diesen  Canal  erst  in  Languedoc  und  den  zunächst 
benadibarten  Landschaften  erweckt,  und  dadurch  blieb  der  Wohlstand 
för  dieselben  dauernd  befestigt  Die  ersten  Anlagen  in  den  Iah« 
Ten  1606 — 81  kosteten  ]7,500«000Livres;  seine  gesammte  Länge  ist 
227,547  Hetres  oder  56^  Lieues  d.  P.  (etwas  über  30  Meilen), 
mif  der  oberen  Fläche  ist  er  60^,  unten  32^  breit  und  überall  we- 
nigstens 6*  tief.  62  Schleusen  iind  au  seiner  Wasserbespeisung 
anf  ihm  erbaut,  72  Brücket  auf  den  Hauptlandstrassen  führen 
über  denselben,  und  5&  Wasserleitungen  heben  ihn  über  so  ^ele 
Bädie  und  andere  Undefen,  während  er  zwischen  Narbonne  und 
Beziars  über  550  Fuss  durch  den  Malpasberg  durchgeführt  ist 
Er  wird  hauptsächlich  durch  das  als  merkwürdiger  Kunstbau 
»ii^;ezeiehnete  Wasserbecken  von  StFerreol  gespeist;  Fahrzeuge 
■lit  einer  Tragbarkeit  bis  2000  Last  künnen  auf  diesem  Canal  ge- 
tamdit  werden  ^%  und  die  Lebhaftigkeit  des  Verkehr«  auf  dem 
«elbcai  ist  so  Stade,  dass  die  verhältnissmässig  nicht  sehr  bedeu* 


*y  Die  be^e  und  lehrreichste  Besehreibung  über  diesen^  Canal 
kit  der  General  Andreossy  geliefert»  bisloire  du  Canal  du  midi, 
Ptass  AB  YIU  iVdm  8vo. 

^)  Seit*  dem  Jahre  1821  wird  er  ^^  voif  Dampischiffen  be- 
Miren,  * 

3* 


9 


36  Frajikr^iclL 

Henden  Canalali^^abeii  }etst  jUirlich  über  1,000»000  Fm.  eintr^ 
gen,  wovon  jedoch  der  dritte  Theil  jäKxlich  an  Ünterhaltungsko-i. 
sten  yerbraucht  wird.   Nächst  diesem  Canale  sind  <Ho  wiohdlgst^a 
kjQnstllchen  Wassentrassen  unter  den  vielfachen  9^)    theils«  voll« 
.stiindig  aiisj;eCuhrteny  theiU  schon  lange  Zeit  im  Bau  bc^ffeneii: 

7)  Der  tüanal  des  Centrums  oder  der  von  CharoUais,  als 
Verbindung  zwischen  der  Xoire  und  Sadn^  yon  Digoin  bis  nach 
diAlons  unter  der  Regierung  Ludwigs  XVL  ausgeführt  und 
^91  eröffnet;  er  ist  116,812  Metres  lang<20»lieues.  Über  15' ML). 

3)  Der  Caual  d«  Monsieur  aor  VerUnduiig  der  Sadne» 
«iit  dem  Rhein  durch  den  Doubs,  und  zwar  so,  dass  er  die  Sadne 
^nit  dem  Doubs  ^mterhalb  Ddle  verbindet^  welcher  Theil  bereits  unter 
Napoleon  ausgeführt  und  1806  eröffnet  ist,  dann  den  Doubs  zur 
4Schiffahrt  gebraucht  bis  Vougeauconrt,  hier  aber  in  eine  neue 
Canalyerbindung  fiber  Mümpelgard^  Mühlhausen,  Neu -Breisach, 
/Grafenstadt  bis  ^in  ,den  111,  «inen  Nebenfluss  des /Rheins  geht, 
welche  unter  Ludwig  XVIII.  seit  182G  auageliihrt '  worden  ist 
Dazu  kömmt  nun  eine  directe  Verbindunir  zwischen  Mühlbausea 
«nd  Basel  und  Hüningen,  jnn*  Erleichterm^  des  Handelsverkehrs 
zwischen  Frankreich  upd  -der  Schweiz^  welche  unter  Cwl  X.  be- 
gonnen und  erst  unter  der  gegenwärtigen  Rc^erung  1833  für 
ifie  So&iffahrt  eröffnet  ist  Alle  drei  CanUle  zusammen  haben 
«ine  Länge  von  321,277  Hetves  (42,^  Meilen)«  — 

4)  Der  Canal  von  Bourgogpe,  als  Verbindung  derTpnne 
und  Sa6ne  und  .'dadurch  der  Seiie  mit  der  Rhone,  föngt  zu 
Hoche  an  der  Yonne  an  und  endigt  zu  S.  Jean-de-Losne  an  der 
Sa6ne,  nach  einem  Laufo  von  241,169  Metres  (32  Meilen).  Die- 
ser Canal  gehört  zu  den  wichtigsten  Wasserverbtndungen  Frank- 
rei^s,  4a  <er  drei  Hauptpunkte  der  Französischen  Industrie  und 
seiner  physischen  Cultur,  Paris,  Lyon  und  Strasburg  verbindet. 
Er  wurde  bereits  unter  Napoleon  entworfen,  unter  den  beiden 
darauf  folgenden  Regierungen  ausgeführt«  ist  aber  erst  1833  für 


*)  Eine  sehr  zweckmässige  Ud>ersicht  sämmtlicher  Canäle 
l^ranki^icbg  nach  Dabrena  i«t  in  Berghans  Oeogr.  Wegwcflser  IV. 
9.  143— 20$2  [geliefert  Vergl.  Balbi  Geographie  Paris  1839 
p.  lU-15. 

/ 


Frankreick.  3T 

f 

üe  SeUffkhit  geöffnet      Er  geht  in  der  Nahe  von  Fouiirf  30(O 
Metres  lang  durch  eine  imterurdisehe  Gallerie. 

5)  Der  Canat  von  Saint-QuentTn,  Vib  Verhindting"  sww 
sehen  der  Scheide  und  der  Oiie,  0lngt  bei  Cambrai  an  der 
Scheide   an,  geht  über  St.  Quentin   undt  endigt  zu  Chaunjr  ai^ 

•  der  Oite,  indem  die  letztere  HSllftQ  auch  als  ein  besonderer  Ca- 
Bai  (Canal  de  Crozat}  betrachtet  vird.  Seine  gesammte  Länge 
betrSgt  9S,3S0Metref  ( 12«  Meilen);  er  hat  zwei  unteriHische  Gallerien,^ 
die  Ton  Troncquoj  von  llOa  Hetres  und  die  von  Riqueval  von 
5677  Metret  LSnge.  Da  dieser  Canal  die  Verbindung  zwischen 
Paris  und  den  Französischen  Nordiwehftfen  machte  sa  ist  der^ 
Verkehr  sehr  lebhaft  auf  demselben  in  Waaren  aller  Art,  na*^ 
mentlich  in  Steinkohlen,  die  nach  Paris  verfUirt  werden. 

<Q  Der  Canal  der  Somme  verbindet  den  ob^n  Canal,. 
neiriidi  die  st&dliehe  Hälfte  oder  den  Canal  Crozat  von  St  Si*^^ 
»on  an  bis  zum  Seehafen  S.  Valeiy,  dem  Sornme-Thal  über 
Barn,  Peronne,  Amiene  und  Abbeville  folgend,  in  einer  Länge 
Ton  158,039  Metres  (21  Meilen).  Dieser  Canal  dient  gleich  dem 
Torigen  zqr  Beförderung  des  regsten  Verkehrs  zwischen  der^ 
Banptstadt  und  den  Nordseehäfen,  ausserdem  aber  aueh  noeb 
"sur  Entwässerung  der  Moräste  läng»  der  Sömme:  seine  Bedeute 
aamkeiC  wird  noch  in  einem  erhöhten  Grade  steigen ,  wenn  vdie 

*  Vertiefnngsarbdten  des  Hafens  S.  Valerj,   mit  denen  ,  man  jetrt; 
bes^äfligt  Ist^  erst  beend^  sein  werden. 

7)  Der  Canal  von  Briare,  der  älteste  unter  allen  Fhm-^ 
zdsischen,  da  er  bereits  in  dem  vorletzten  Regierungsjahre  Lud* 
wiga  XUL  1642  für  die  Schiffahrt  geöffnet  ist,  verbindet  die 
Loice  bei  Briare  mit  dem  Loing,  einem  NebenAusse  der  Seine, 
bei  Miontargis.  Er  ist  Sß^SOl  Metres  lang  (beinahe  7  Meilen), 
ted  dient  zum  Transport  von  rohen  Eirzeugnissen  der  physischen 
Cnltur  aller  Art  ana  den  Landschaften  der  oberen  Loire  nack 
Paris» 


8)  T3fft  Caval  der  Loing  setM;  d<en  vorijgen  bei 
Ibrt,  gabt  ttber  Nemours  und  endigt  bei  Mamers  an  der  Seine». 
Er  hat  ganw  den  Zweck  des  Canals  vqn^  Briare  und  fast  auek 
diesdba  Länge,  nämlieh  &S,»34  Metret. 


« 


I 


3S  ^      i        Frankrei  eh. 


/ 


^)  Der  Canal  i^on  OrleAns  ttt  ftb  eine  sweite  ForCteC* 
cung  des  Canali  von  Briare  zu  betrachten.  Indem  er  gleichfalls 
die  Loire  und  den  I^oing  verbindet,  bei  Combleux  an  der  Loijre 
seinen  Anfang  nim^it  und  bei  Buges  am  Canal  des  Loing  en- 
digt Er  wurde  bereits  unter  Ludwig  XiV.  erbaut,  schon  1692 
eröffnet  und  hat  eine  Länge  von  72,304  Metres  (beinahe  Ü\  Mei* 
len):  er  dient  vorsüglich  sur  Beförderung  der  Zufuhr  aus  deo 
Landschaften  der  unteren  Loire  nach 


10)  Der  Canal  der  lUe  und  Ranee,  unter  Kapoleon  1804 
angefangen,   aber  noch  Jetst  nicht  vollendet,   soll  eine  yerbin-  i 
düng  si|ischen  der  Rance  bei  Dinan  und  der  Vilaino  su  Rennet 
herstellen,   die  Bretagne  durchschi^eidend  von  la  Roche  Bemafd 
an  der  Yüaiiie  bis  sum  Hafen  St  Male,   indem  der  Nebenfluss 

^  der  Vilaine,  die  Ille,  einen  Theil  dieser  Verbindung  bilden  muss. 
Der  Zweck  dieses  Canals  beabsichtigt,  die  H&Cen  des  Atlanlisehen 
^Meeree  und  am  Canal  la  Manche  mit  den  inneren  Theilen  der  land- 
wirthschaftlich  reich  ausgestatteten  Bretagne  su  verknöpfen  und 
den  Absats  ihrer  Producte  su  befl^rdem.  Der  %anal  ist  im  Jahr 
1833  erst  fertig' geworden  und  hat  Jetit  eine  JJknge  von  80,706 
Metres  (fast  11  Meilen). 

11)  Der  Canal  von  Nantes  nach  Brest,  gemeinhin  der 
Canal  von  Bretagne  genannt  369,437  Metres  (49^'  Meilen)  lan^ 
geht  von  Nantes  bis  Chateaulin  an  der,Aune  ujid  bildet  im  Ver- 

'  ein  mit  dem  vorhergehenden  Canale  die  Verbindung  aller  See« 
häfen  der  Bretagne  und  \in  der  Manche,  indem  er  •  die  lioire  mit 
der  Vilaine,  diese  mit  dem  Blavet  und  diese  wiederum  mit  der 
Aune  verknüpf!,  die  sich  in  die  Rhode  von  Brest  ausmündet 
Er  ist  erst  1833  vollständig  für  die  Schiffahrt  eröffnet,*  und  wie 
er  schon  für  den  gewöhnlichen  Handelsverkehr  von  sehr  grossem- 
Nutsen  ersehet,  so  dürfte  seine  Bedeutsamkeit  doch  bei  jedem 
Seekriege  noch  viel  höher  steigen,  indem  er  auf  eine  so  swe<^- 
mllssige  Weise  ^\^  Verproviantirung  wichtiger  Seeh&fen  befördert 

12)  Der  Canal  von  Berrj  verbindet  die  Loire  mit  dem 
Cher,  wii  einer  Strecke  von  260,300  Metres*  (34|  Meilen),  von 
Rhimbe  bis  su  St  Agnan  am  Cher,  ist  1831  vollständig  ausge- 
führt worden,  und  dient  theils  die  Loire  herab  nach  Tours  und 
Nantes,  t|ieils  vermöge  des  Briare*Canals  naeh  Paris  Heia,  Stdn* 


t  'Fraakreich.  39 

koUoi  MH»  4en  reichept  Gruben  von  Commentrj  und  kindwirth- 
«cknfüiche  Produete  allef  Art  su  venekden^ 

'  m  DerCaAal  von  Nirernais^..  1 85,264 Metre«(a4<^^Mei* 
len>  lanf^«  verbindet  die  Loire  mit  der  Yonne,  einem  Nebenfhiste 
der  Seinem  indeBi  er  von  Decise  an  der  Loire  bis  Auxerre  an» 
der  Yenne  geht  Seit  1784  ange^emgen,.  ift  er  erat  1831  beendet 
und  für  die  SdiiflFahrt  erdflfhet  und  toll  vorsüglich  dasu  dienen«, 
den  AbsatE  von  Hola  aller  Art  ans  den  grossen  Forsten  dea 
MmsfUk  SU  bef  dtienu 

44)     Der  Canal  von   Oureq    verbindet  die   Seine  vpib 

Bassin  der  VUette  zu  Paris  mit  dem  Oureq  bei  Mareuil,  und  hat 

hanptsäehlick^dei^  Zweck,  Paris   auf  dem   rechten  Seineufer  mit 

dem.  Wasser  diesea  letsten  Flusses   zu  versorgen,    während  die 

Schiffahrt  auf  demselben  nur  sehr  untergeordnet  ist    Cr  speiset 

aach  sugleieh  die  Canäle  von  St  Denis  und  St  Martin  und  hat 

eiae  L&nge  von  03>022   Metres   (I2«7  Meilen)   lang.  —  Endlich 

gehört  noch  an  den  bedeutenderen  Wasserstrasssn  der  Cdnal  der 

I^^pinen  (Canal  des  Etangsi»   58,5QO  Metres  (7^^  Meilen)   lang, 

welche  noch  in  der  Verbindungslinie  zwischen  der  Garonne  und 

der  Rhone  liegt,  und  den  Sudcanal   bei   seinem  Eintritt   in  den 

JSftaag  Than  bis-  zum  Radelle  •  Canal  westlich   von  ,  Aiguesmottes 

nykrtr  und  dadarch  eine  beschleunigtere  Verbindung  zwischen 

dem  Hafen  Cette  und  den   Rhonegegenden  in   der  Nähe   von 

herbaiführt 


Mit  diesen  Cani^bauten  sind  die  seit  1822  begonnenen  Ei-' 
^enb ahnen  *)  zu  verbinden,  die  zum  Theil  einige  schon  im 
Ban  b^^fiffene  Wasserstrassen  verdrängt  haben.  Es  giebt  bis 
jetzt  4  fl^  die  ludustrie  und  den  Handelsverkehr  sehr  wichtige. 
Die  älteste  führt  von  der  höchst  lebhaften  Fabrikenstadt  St 
EtiesiDe  bia  Andresieux,  2J»825  Metres  (beinahe  3  Meilen)  lang, 
wurde  1822  angefangen  und  1817  beendigt:  sie  dient  zum  Trans- 
port der  Beigwerksproducte  im  Bezirke  von.  St  Etienne,  der 
diaeh  Pferdekraft  bewerkstelligt  wird.  Die  zweite  Ist  von 
St  Etienoe  nach  Lyon  auf  einer  Länge   von  56,805   Metres  i7^ 


•}  Ser^hans,  Geogr.  Wegw.  IV.  S.  208. 


40  Frankreich. 

Meilen)  Länge  geführt  und  in  den  Jahren  1620—31  erbaut  wor- 
den. Seit  dem  Januar  1)332  wird  sie  juit  Dampf  wagen  lum 
Transport  von  Waaren  und  Reiienden  befahren.  Die  dritte 
führt  \pn  Andresieux  nach  Roanne,  §7,445  Metres  (9  Meilen) 
lang,  seit  1828  erbaut  ab  Fortsetzung  der  ersten.  Die  vierte 
wurde  von  Epinae  naeh  dem  Canal  von  Burgund  auf  einer  Lunge 
von  28,000  Metres  (3J.  Meilen)  ausgeführt  und  Tonäglich  daxu 
bestimmt,  die  Steinkohlen  aus  dem  Gebiete  von  Epinae  auf  den 
Canal  von  fiurgund  durch  mit  Pferden  bespannte  Wagen 
zu  führen.  —  Zwei  neue  für  den  Verkehr  i^hr  wichl;jge  Eisen- 
bahnen die  eine  zwischen  Paris  und  dem  Hafen  Dieppe  auf  einer 
Länge  von  7^  Lieues,  die  andere  zwischen  Paris  und  St  6er* 
maio,  sollen  mit  diesem  Jahre  1835  angefuigen  werden. 

Die  Landstrassen  sind  seit  Napoleons  Verwaltung  in  den 
verschiedensten  Richtungen,  damals  mehr  tus  dem  Gesichts- 
punkte militärischer,  als  industrieller  und  commerzielier  Zwecke 
in  Kunststrassen  verwandelt  Unter  den  beiden  folgenden  Re« 
gierungen  Ludwigs  XVllI.  und  Carls  X.  sind  zwar  mehrere  neue 
Seiten-Chausseen  angelegt  und  auch  völlig  beendigt  worden,  aber 
nicht  mit  gleichem  Staatsaufwande  ist  für  die  Erhaltung  der  be* 
reits  bestehenden  grossen  Strassen  gesorgt  worden.  Dies  hat 
auf  ihre  fahrbare  Beschaffenheit  um  so  nachtheiliger  eingewirkt, 
als  die  Chausseen  in  Frankreich  ausschliesslich  auf  Staatskosten  wie- 
derhergestellt werden,  und  durch  die  Befreiung  derselben  von  allem 
Chausse^eld,  keine  Beiträge  von  den  Waarentransporten  in  die 
Staatskassen  dafür  .übergehen.  VlTelche  ausserordentliche  Sum- 
men aber  Napoleon  während  seiner  Kaiserregierung  bis  zu  dem 
Russischen  Kriege  (1804—12)  für  diesen  Zweig  der  Staatsver- 
waltung unausgesetzt  verwandte,  geht  aus  Fains  *}  Bericht  hervor. 
Es  kosteten  in  diesen  8  Jahren  die  Brückenbauten  30,650,000 
FrcB.,  die  Canäle  54,700^000  Frcs.,  die  Landstrassen  277,484,500 
Frcs.  **),  die  Seehäfen  117,328,000  Frcs.,  (darunter  wurden 
40,000,000  Frcs.  für  die  Eröffnung  der  Seheide  verwandt);  14,200,000 
Frca.  wurden  filr  Austro^cknung  sumpfiger  Gegenden,  149,108,550 


1 


*)  Manoscript  de  1812  en  2  vol,  Par.  undLpz.  18^»  L  p.67*-T7. 

**)    Die  Strassen  über  den  Simplon,  Cenis,  Genevre  und  die 
Comiche  kosteten  über  369000,000  Frei. 


I 


/ 


Frankreicb.  41 

Frt«.  fBr  Bffentliefie  OebAude  in  deh  Prorlmen   also   fiberliaupt 
645,000,000  Pres,  (über  100,000,000  Rthlr.  Pr.)  hergegeben:  dagegen 
f&r  seine  Palläste  nur  62,054,583  Pres,  und  lur  Wiederhentellung  von 
Paris  Ton  den  VerheerungeA  der  Revolution  und  sodann  au  «einer 
Verscbönening    102,421,000   Pres.  -^  Am   Ende   der  Regierung 
Ludwigs  XVIII.  (1824)  waren  in  Frankreich  überhaupt  nach  dem  Be- 
richte Becquej's  80l9Lieues  offene  Strassen,  wovon  3572  vollstän- 
d%  als  Kanststrassen  erbaut,  j&hrlich  8,147,621  Pres.  Unterhaltungs- 
kosten erforderten,  3587  Lieues  eincj  Hauptreparatur  bedurften,  die 
66,808,32  Pres,  verlangte,  und  ausserdem  860  Lieues  noch  im  Bau  been- 
digt werden  mussten,  mit  einem  Staatsaufwande  von  44,276,539  Pres. 
Die  Brücken  und  Wasserleitungen  erforderten  lur  jährlichen  Un- 
terhaltung  646,846  Fres.^  für  Hauptreparaturen  8,610,601  Pres., 
SU  ihrer  völligen,  Beendigung  7,420,24a  Pres.    Der  Jahrese(;at  für 
Strassen-  und  Brückenbau  wurde   für   1824  und   die  näehstea 
Jahre  auf  22,873,559   Pres,  jährlich   angeschlagen  ^   sollte   aber, 
wenn  die  vorgeschlagenen  Ausbauten  und  Hauptreparaturen  ganx 
beendigt  sein   würden,    auf   16,452,209   Pres,    ermässigt  werden 
küujfien.    Untbr  der  Regierung  Carls  X.  wurde   seit  1825  theils 
auf  Kosten  der  Begi«ning,  theils  als  Unternehmungen  durch  Privat- 
Compagnien,  nach  den  darüber  bekannt  gemachten  Ministerberich- 
ten, der  Bau  von  16  heuen  Kanälen  unternommen,  deren  Kosten  auf 
149,500,000  Pres,  berechnet  wurden  und   aaf  deron  Ausführung 
gleich    ]8^|.  30,500,000  Pres,  verwandt  waren.    Ausserdem  wur- 
den II  neue  grosse  Brücken  in  Stein  aufgeführt,  die  einen  Auf- 
wand von  5,768,000  Pres,  machten,   und   der  Hafen   von  Dfin- 
kirehen  nach  der  bereits  darüber  am  20.  Juni  1821  erlassenen 
Verordnung   für  mehr  als  3,000,000  Pres,    ausgebaut  -—    Aber 
der  sehr  verhachlässigte  Zustand  der  PranxÖsischen  Strassen,  in 
den  ^ersten  zehn  Jahren  nach  Napoleon,  machte  jährlich  grössere 
Anforderungen   an   das   Budget  und  vermehrte  gleichseitig    die 
Masse  der  Klagen  und  Beschwerden  über  den  durch  die  schlech- 
ten Strassen  gehemmten  Verkehr.    Die   ersten  beiden  Jahre  der 
Regierung  Ludwig  Philipps  Hessen  bei  den  schwierigen  Zustän- 
den* des  Pransösischen  Staates  überhaupt  wenig  sur  Abhülfe  der- 
selben thun,  jetst   aber  (1834)  hat   das  Budget  die  sehr  starke 
Summe  von  38,500,000  Pres.   (]0,395,OdO  Rthlr.)   als  jährlichen 
Aufwand  für  denselben  bestunmt,    bis  dass  die  Ausbauten  und 
Umbanton  der  Strassen  gänilich  beendigt  sein  wetden. 


/ 


/  "^ 


49  ^    Fraakreioh» 


S^S. 


Bevölkerunssveiiiältni  sse. 


Die  ersten  genaueren  Volkss&hlüngen  reichen«  m  Frankreich 
bis  auf  Colberts  Verwaltung,  wurden  abe^  dann  in  den  leisten 
Jahren  Ludwigs  XIV.  und  unter  seinem  Nachfolgi^r  wieder  sel- 
tener und  ungenauer  y  und  erlangten  erst  durch  Mo  he  au' s, 
Messance's  undExpillj's*)  Arbeiten*  neue  Anr^^ng,  die 
dann  nach  der  ersten  Feststellung  der  Verwaltung  während 
der  Revolution  in  dem  statistischen  £i|reaui  eine  ger^ekere 
ControUe  eilangten.  Wie  die  Bevölkerung  Frankreichs  im  Ali- 
gemeinen in  den  heutigen  Grunzen  von  \j6i  von  23,000,000,  bis 
25,000,000  8.  (1774)  sich  gehoben  hat,  1789  schon  über  26,000,000 
S.  stark  und  1815  auf  29,400,000  S.  ofßciell  berechnet  war, 
haben  wir  bereits  §.  I.  angegeben.  Im  Jahre*  1819  war  sie  nach 
dem  Almanac  Rojal'  ofUciell  30,415,191  S.,  1821  =  31,078,053 
S.;  1825  ='31,771,500  S.,  1826  =  31,851,540  S.,  dje  Zahlung 
von  J831,  die  vom  Isten  April  bis  zum  pecember  bewerkstelligt 
wurde,  gab  32,560,934  S.  (vergl.  §.  3.  S.  21—23),  endlich  die 
letzte  officieile  Angabe  von  der  GesammtbevÖlkerung  im 
December  1832  gewährt  eine  Summe  von.  32,665,07^  Seelen.—  In 
den  zehn  Jahren  ]8^|.  waren  überhaupt  geboren  0,656,355 
Kinder,  und  zwar  j^^  mehr  Knaben  als  Mädchen,  die  Zahl 
der  Gestorbenen  w^ar  7,724,278  Ind.,  also  der  absolute  Ueber- 
schuss  bestand  aus  J, 932,073  Ind.,  wie  denn  auch  diese  Differenz  nur 
mit  einer  sehr  geringen  Abweichung  zwischen  dei:  Bevölkerung 
der  Jahre  1817  und   1826  statt  fand.      Nehmen   wir  nun   noch 


*)  Mohean  recherches  et  considerations  sur  la  population  de 
la  Frai.ce,  Paris  1778«  3.  vol.  Svo.—  Deutsch  mit  Anmerk.  v.  S.  H. 
Ewald.  Gotha  I75&  *-  Messance  nouvelles  recherches  sur 
la  population  de  France,  I«you  1788  4to.  —  E  x  p  i  1 1  y  in  seinem  gros- 
sen dlctioonaire  historique  et  geogrspbique  6*  vol.  fol. 


Frankreich.  4S 

die  nicktten  (Unt  Jahre  1827—31  hinzn,  so  eriulten  wir  Ar 
fanfzehn  Jahre  18^|  I4»60S;581  Geburten  (und  swar  in  dem  Ver- 
hältnies der  Knaben  m  den  MM^^n  v>«  749:704^  oder  beinahe 
wie  17:110,  also  jährlich  im  Durchschnitt  073^77  Geburten 
Die  Zahl  der  TodesflÜIe  ist  11,768,615,  alsd  im  Durchschnitte 
781,567  jährlich.  Der  Ueberschuss  der  €ieburten  über  die  To- 
desfälle ist  mithia  in  den  fknisehn  JAhren  2,835,074  Ind.,  wie- 
derum mit  einer  sehr  geringen  Differens  swischen  dem  Stande  der  Be- 
T&lkomng  der  Jahre  1817  und  1831,  die  also  auf  einen  sehr  ge- 
ringst Wedisel  durch  Einwanderuog^  und  Auswanderung  und  ei- 
nen sehr  unbedeutenden  Zuwachs  dadurch  fär  den  gesammteQ 
Staat  hindeutet  — 

In  den  letiten  sehn  Jahren  1824  sind  aber  nur  .dureh- 
sdmittlich  geboren  jährjich  967,480  Ind.,  gestorben  781,480  Ind., 
also  war  der  jährliche  Zuwachs  der  Volksmenge  durch  Propaga- 
tion  durchschnittlich  186,O0o,  und  ]8||  susammen  1,860,000  Ind., 
das  ist  fast  genau  |.  Procent  jährliche  Vermehrung  bei  der, 
durchschnittlichen  Annahme  einer  Volksmenge  yon  32.000,000 
Seelen  ßlr  diese  2!^it  Wgr  erhalten  beinahe  dasselbe  Resulta', 
selbst  wenn  wir  das  durch  die  Cholera  in  Rttcksieht  der  Haupt- 
stadt und  einiger  änderet  Städte  des  nördlichen  Frankreichs  itiit 
Todesfällen  reicher  ausgestattete  Jahr  1832  för  sich  «Hein  be- 
traehten.  Es  wurden  fti  demselben  geboren  986,709  Kinder,  es 
stürben  802,761  Ind.,  also  blieb  ein  Ueberschuss  von  183,948, 
nicht  viel  weniger  als  |.  Procent  (genauer  ||)  der  damaligen  Be- 
Tälkemng.  Doch  ist  die  Zunahme  der  Bevölkerung  relativ  ge- 
iringer  in  dem  sweiten  Jahrzehend  seit  1814  als  in  dem  ersten; 
denn  schon  in  den  fnnlsehn  Jahren  18^f  erhöhte  der  grössere 
Ueberschuss  in  der  vermehrten  Bevölkerung  aus  den  ersten  fänf 
Jahnen  den  gesammten  Durchschnitt  auf  189,006  Ind.,  oder  etwas 
aber  I  Prozent,  in  den  sehn  ersten  Jahren  dieser  Periode  18^^ 
aber  auf  193,207  Ind.  jähiiich,  das  ist  etwas  über  ^«^  Procent 
der  durchschnittlichen  Bevölkerung  des  Staates  von  31,200,000 
Seelen  in  diesor  Zeit*). 


f 


*)  Bickes,  Bewegung  der  Bevölkerung  niefar.  Europ.  Staat.  9. 
(S3— 77  hat  eine  Periode  von  12  Jahren  1817—^  nach  allen  BeaiW- 
hnngen  durchmustert  und  sie  mit  den  aus  Mobeau  und  Dsipilly  be» 


44  Frankreich. 

Die  Kahl  der  ehelichen  Kinder  su  den  nnehelieheti  ver- 
hält sich  in  ganz  Frankreieh  wie  13  :  f*,'  denn  unter  den  in  d^n  Jahren 
18||  rorgekommenen  9,036,355  Gebarten  waren  8,983,308  eheliche 
tmd  673,047 uneheliche;  unter  den  l8Hyorgekonimenen  14,003,561 
Geburten  waren  13,579,030  eheliche  und  J, 024,551  uneheliche, 
also''  der  mittlere  Durchschnitt  im  Jahre  bei  973,577  Geburten 
905,269  eheliche  und  68,308  uneheliche:  dagegen  ih  Paris  durch* 
achnittlich  auf  9  eheliche  Geburten  4  uneheliche  und  in  den 
leisten  6  Jahren,  wenn  dies  frfiher  auch  selten  stattfand,  haben 
wir' auf  awei  eheliche  geradem  eine  nnehelirhe  ader  auch 
hech  ein  stiürkerea  Verhältniss  anzugeben,  wie  dies  sogleich  an- 
ten  bei  der  BerÖlkerung  von  Paris  n&her  nachgewiesen  wird.  — 
Die  Zahl  der  neu  geschlossenen  Ehen  war  in^den  fünfzehn 
Jahren  ]8|[  3,564,381,  also  durschnitilich  im  Jahre  237,625  Eh^n; 
dagegen  in  den  leMen  10  Jahren  18  J^  durchschnittlich  tiur  234,544 
Ehen.  Aua  diesen  Angaben  gewinnen  wir  folgende  allgemeine  Ergeb- 
nisse für  die  letztgenannte  Periode  von  fünfzehn  Jahren,  dasa 
auf  100  Todesfälle  127  Cjreburten,  oder  auf*  100  Geburten  hei- 
nahe 79  Todesfälle ' su  z!lhlen  sind;  das  giebt  zur  gesammten 
.Bevölkerung  ein  Verhältniss  von  einer  Ckburt  auf  32  Lebende  • 
und  von  einem  Todesfalle  auf  40  Lebende,  so  wie  auf  133  Le- 
bende eine  neue  Ehe  kömmt  -—  Die  eheliche  Fruchtbarkeit  ge- 
währte nach  Bickes  *)  in  der  Vergleichung  der  Geburten  su 
flllmmtlichen  Ehen  fQr  die  12  Jahre  184^4,149  Kinder  auf 
•ine  Ehe,  wobei  aber  nach  Abzug  der  unehelichen  Geburten 
nur  3,^'^  eheliche  auf  eine  Ehe  gerechnet  werden  dürfen;  def^ 
selbe  findet  das  Verhftltniss  der  Knaben  zu  den  Mädchen  in  die- 
ser  Periode  wie  106^^:  100,  also  beinahe  wie  16  zu  15.  —  Die 
Zahl  der  Taubstummen  betrug  1832  in  ganz  Frankreich 
20,189,  also  auf  1585  S.  ein  Ind« 

In  Bezug  auf  die  Vertheüung  der  Bevölkerung  nach  den 
Bewohnem  des  platten  Landes  und  der  Städte,  finden  wir  das 
Ergebniss,  dass  etwas  über  drei  Viertel  der  Einwohne^  ausser- 


kannten  Zahlen  von  1769^77  verglichen.  Doch  muss  bemerkt  wer- 
den, dass  die  Zählungen  in  Frankreich  nicht  nach  dem  Geschlechte 
und  die  Todesfalle  nicht  nach  den  Altersklassen  aufgeführt  werden: 
^her  hat  Bickes  hier  nur  nach  bekannten  Combi nationen  seine 
Rechnungen  fortsetzen  können,  um  mehrseitige  Resultate  zu  erlangen. 
*)  Beweg,  d.  Bevölk.  S.  75.  ' 


Frankrticli.  45 


UKW  4w  StiUt^-  tnd^  kuioJ»*  «^  Vitw^.i  U  den  Sttdloi  leiben, 
voivott  PtfTiB  m^oia  em  Fünfua4drei»tigtheii   beiiCit     Nfteh 
^Bcm.  Mimstemtbericlite  «nt  dem  Deeember  1830  betrug  bei  der 
iuellMt   ang^ebcoea  Geiaauntbe^ölkcniiig  von  3U84M11  See« 
ka  dio   l&ndliebe  BeyölkeniQg  24,184,208  Seeiea  in  37,187  be- 
■oAderea  Dorf-Communen  (mitbin  jede  diupebeebnicdieb  660  See- 
len)^ ^e  fttüdtitebe  7,661,203  Seelen,  veTon  Paris  neeh  des  Zftb- 
Jung  Ton  1827  890,431  Einw^  die  übrigen  1377  StMte  und  Fle- 
cken  0,770,772  Einw.  (mitbin  jede  dieser  CiMemvneB  durdisebnitt- 
fiek  mit  4917  Seelen)  siÜiUen.  Unter  den  1377  st&dtieeben  Com* 
— ■■■m^ii  waren  8$  Departementalhauptstädte  mit  dem  Sitn  einer 
Prikfeetar  und  272Arrondissementsliauptsäkdte  mit  dem  Sttn  einer 
Unterprftfiectur,  also  mit  Einsehlnss  von  Paris  362  St&dte,  die  l&mmt- 
liclimdkr  als  5000  Bewebner  besessen:  von  denfibiigen  1016  Ort- 
adtafl^  waren  540  kleine  Städte  und  476  Flecken«  DieiSesammtiahi 
der  städtiscbef  und  ländiicben  Communen  steigt  daber  gegenwirt^ 
nf  38,565.    Die  Zabl  der  Wobnbäuser  ward  in  dieser  Zeit  auf 
5^1,(XX>  bereebnet,  so  dass  mitbin  dorebsebnittüeb,  6  Mensebe« 
nof  ein  Haus  kamen,   die  der  Müblen  76,000,  der  Httttenwerke 
.    vnd  Fabriken  35,000,  der  Öffentiieben  Staats-  und  Oemeindebin* 
22fl00^  der  Kircben  und  Capellen,  56,000. 


Die  relative  Bevölkerung*)  erreiebt  im  Franaftsiseben 
Staate  in  Europa  in  keinem  Departement  mebr  die  Stufe  t»iner 
scbwaeben,  oder  sinkt  unter  1000  Seelen  auf  die  Quadi^at- 
metle.  Nur  20  Departements  befinden  sieb  in  der  mittleren 
Bevölkerung  xwiscben  1000  nnd  2400  Seelen  auf  einer  Qnadrat- 
metle,  davon  die  meisten  sehr  nabe  an  der  starken:  es  sind  im 
nordöstlicben  Frankreieb  4  Departements  Cote  d'or,  Mame,  Ambe 
und  Marne  Eüiute,  alle  noeb  tiber  2000  S.  auf  1  QJtf.,  im  nerd* 
westUcben  7  Departements  Nievre,  Vienne,  Eure  und  Loire,  Al- 
KeTt  Loire  und  Cber,  Cher,  Indre,  von  den^  nur  die  beiden 
letsteren  unter  2000  S.  auf  1  QM.  sinken;  im  sÜdwestlicben  5 
Depts.  Aude,  Avejrron,  Ost-Pjren&en,  Landes  und  Losere,  da- 
von gleichfalls  nur  die  beiden  letsteren  unter  2000  S.  auf  1  QM. ; 
endlieh  im  südöstlichen  Frankreieb  4  Dspts.,  welche,  ausser  dem 
Dept  Var,  überhaupt  als  die  am  schwl^hsten  bevölkerten  im  gan- 


^ 


*)  Vergl.  darüber  die  BesümmuBgen  Tbl  L  S.  78. 


48  «  Fraftkreicb. 

mm  Sttato  endi«tiH«»  ^«  Ut^.jU|iMi  mfi  1278  S.,  Niea«i^ 
'  Alpen  mit  1155  S.  nni  die  Intel  Conika  mit  1008  S.  s«f  1  ^ML 
(VeigL  S.  21-^23).  D«g^;eii  bew^cn  lidt  die  übrigen  M  De- 
ptftements  etentHeh  in  de«  Veriiükniltte  einer  itarken  Be- 
völkemngi  und  msaer  dem  Departement  der  Hauptstadt  erreiefaeii 
14  mdir  als  4000  Seelen  anf  1  QBL,  woron  6  Dept.  sieh  im 
nofddstüdien  Frankreieli  befinden,  in  aufsteigender  Folge  Seine 
et/Oise,  Somme,  Paa  de  Calais,  Ober^Rhein,  Nied^-Rbein, 
Nord,  die  beiden  lelirten  als  die  sUfks^n  mit  7108  und  «388  S.  auf 
1  QM.;  eben  so  6  Departemente  im  tiordwesttiebea  Frankreich, 
Finisterre,  liie  nnd  VUaine,  Cotea  da  Nord,  Calrados,  Blanche, 
Seine  Inferienre,  keine  ttber  7000  S.  auf  1  QM.;  endlich  2  De- 
partements im  sQdiistliehen  Frankrmeh  Loire  und  Rhone,  woron 
das  letstere  mit  0231  S.  auf  1  QBL  n&ebst  dem  Depigrteme^t  Nord 
nnd  dem  der  Havptstadt  (S.  21)  das  MaTimum  der  Bevölkerung 
Frankreiclis  tragen. 

Die  Haupt- Coneentralionspnnkte  der  Berdlkemng  in  den 
Haupt-  und  Handelsstädten  gewähren  0  grosse  Städte  mit 
mehr  als  60|,000  Einwohnern  und  ausserdem  28  grössere  Städte 
xwischen  50,000  und  20,000  Bewohnern.  Die  Bevölkenmg  von 
Paris  nahm  seit  dem  Zeitalter  Ludwigs  XIV.  *)  mit  Riesensehrit-  . 
ten  SU,  und  war  schon  gegen  das  Ende  seiner  Regierung  1710 
830,000  Seelen  stark.  Unter  Ludwig  XV.  wuchs  i^e  bis  auf 
7bOfiOO  S.  und  erreichte  das  Masimum  au  Anfang  der  Revolu- 
tion in  mehr  als  800,000  S.  Während  der  Revolution  Iheils 
durdi  die  Gräuelthaten  des  Terrorismus  und  der  naehfolgenden 
Anarchie,  theils  diurch  die  unausgesctxte  iTheilnahme  an  den  aus- 
wärtigen Kriegen  verminderte  sich  die  Bevölkerung  um  mehr  %ls 
150,000  Köpfe,  wie  denn  gerade  in  der  höchsten  Glansperiode 
Napoleons,1807  in  Paris  lyur  6^0,742  Einw.gteähit  wurden.  Nach 
der  Rüdckehr  der  Bourbons  aber  steigerte  sich  dieselbe  bald  wie- 
derum mit  rasohen  Fortschritten,  wohl  durch  den  Hofglans  und 
die  deshalb  hier  bleibend  angesiedelten  adelichen  Familien,  als 
^  anch  durch  vermdnte  Industrie,  am  meisten  aber  durch  die  mit 


*)  Nach  Dalaure  histoire  phys.  de  Paris  war  die  Bevölkerung 
von  Paris  um  das  Jahr  1300  =  49,700,  am  Ende  der  Re*gierung 
Fcaas's  L  1547  =:  M^OOO»  nu  Ende  des  Ministeriums  €k>lbert  um 
1680  =:  479,000  S. 


^   Fraakreicil»  47 

jedem  Jahre  melir  nnehiiieiide  Zahl    ^n  FrMul«««   Tonüglieh 
EBgl&nd«m,    «lie  «inen  daaemden  Aufenthalt  in  Paris  iriblten^ 
loi  Jahre  1818  war  die  Bevdlkening  bereits  717,212  Seelen,  wo- 
Ton  217,000  j»if  4em  reehten  Seinenfer  und  3420  aosierhalb  der 
Mauer  der  Stadt  in  26,801  Häusern  lebten.   Die  Bevölkerung  Ton 
1S27  haben  wir  bereits  eben  angeg;eben,  die  Zahl  derselben  dürfte 
überhaiipt  bis  jetat  als  das  Mazimnm  für  Paris  betraehtet  wer* 
den,  da  die  potitisehen  nnd  industriellen  Einwirkungen  derltero* 
hition  Ton.  1830  naehdieillgaaf  den  Beri^emngsstand,  namentüoh 
fto  den  Anüendialt  wohlhabender  Fremden  sieh  ge&ussert  haben«  Da- 
her war  die  Bevölkerung  im  Jahre  1832  auf  774,338  gesunken.  Die 
Zahl  der  Todesfiüle  in  dieser  Stadt  ist>aber  naeh  einem  mehr  als  hun. 
dcrt  jahrigen  Dorehsehnitte  grosser  als  die  der  Geburten ,  dahor  das 
frihere  ao  üb^rasehend  Aeigende  Waehsthnm  der  Bevölkerung 
la^Udi  desa  Uebersiedeln  der  nieht  daselbst  gdlKirenen  nnd  ans 
dem  ganaen  Staate  anströmenden  Volksmenge  anauschieiben  ist 
Denn  in  dem  Zeiträume  von  101  Jahren  1710—1810  starben  in 
Paris  1,035^70  Menaehen,  nnd  et  wmlen  nur  geboren  1,931,807 
Kinder,  (mithin  jahrKch  im  Durchsefanitt  10,128),  während  sehen 
in  den    ersten  79   Jahren  (1710—1789)   dieses  Zeitraumes    die 
Volksmenge  in  Paris  um  270,000  Individuen  gewachsen  war,  also 
dvrej^hnittlich  im  Jahre,  ausser  der  Elr^'änsung   deii  Verlustes 
dureh  den  Ueberschuss  der  Verstorbenen  rüber  die  Ge)>orenen,  um 
3418  Ind.     S^t  1816  hat  sich  dieses  Verhältnis  geändert,  nnd 
n  werden  durchschnittlich  im  Jahre  3000  Menschen  mehr  gebo- 
noy  als  Todesfälle  sidi  ereignen,   wie  denn  dieser  Ueberschuss 
m  deniünf  Jahren  1820^24  fär  die  Vmnehrung  der  Bevölke- 
nog  hfc   17,163   S.   (also  jähriich  im  mittleren  Verhältnisse  in 
34}3S.)  bestand*).  In  den  Jahren  1830  und  34,  wenn  wir  das  Cho- 
l«i-JahT  1832  ausnehmen,  wo  in  Paris  Oberhaupt  44,^3  Menschen 
■tsrbeoy  lind^  wir  ein  galiz  gleiches  Vcrhältniss  **).      Das  Ver* 


^)  Die  grdsstea  und  kleinsten  Differenien  waren 

1820  geboren  ai»858)  gestorben  23,464. 

1823 27,070; 34,333. 

1824 28,812      — 22,617. 

**)  Die^^össte  Differenz  ist  1834  >  wo  ^,130  geboren  wurden 
«Bd  21,177  starben^  die  kleinste  1833»  we  97|480,  Geburten  «ad 
3S,096  Todesfälle  statt  fatfden. 


48^  Frankreich. 

hUtntM  der.  ehelichen  Glehiinen  lu  den  unehelichen  schwankt 
im  achtsehnten '  Jahrhunderte  zwischen  3  und  4  su  1  in  dem 
gegenwärtigen  ging  et  von  dem  Minimum  im  Jahre  1800  juit 
6282  unehelichen  Kindern,  bis  auf  8982  im  Jahre  |8I5,  9236  im 
Jahre  1820,  10,221  im  Jahre  1824,  10,153  im  Jahre  1830  und 
9985  \im  Jahre  1834  über,  wodurch  dasselbe  auf  2  su  1,  biswei- 
lenibis  sehr  nahe  auf  3  su  2  surückgcführt  wurde  Die  Zahl 
der  jährlich  neu  abgeschlossenen  Ehen  schwankt  seit  1816  zwi- 
scheii  6500  und  8000  *). 

Lyon,   die  zweite  Stadt  in  Frankreich,  hatte  während  der 


*)  Das  Bftnimom  derselben  fand  statt  1831  =  G^|  das  Maxi- 
nam  1833^7938)  ein  MitteWerhaltnlss  ist  das  des  Jahres  I83a=: 
7123.  —  Als  interessante  statistische  Veriialtnisse  ^eser  unter  den 
Hauptpunkten    Europäischer  WeUbildung  beryorragendeB  Stadt  be- 
neiden wir  noch  einige  durch  Vergleichunit  mit  anderen  Hauptstäd- 
ten höchst  anziehende  Resultate.  Die  Zahl  der  Selbstmorde  schwankt 
seit  1816  zwischen  240  und  380>  sie  war  1818  =  241  >  18^1  =  348; 
1S23  =309,  wovon  stets  {  auf  Männer  kommen,  Nehmen  wir  das  mitt- 
lere Verhältniss  der  Selbstmorde  voirSlO  bei  der  mittleren  Bevölkerung 
von  750,000  S.  in  dieser  Zeit,  io  erhalten  wir  auf  2419  Bewohner  Jähr- 
lich einen  Selbstmord.  —  Nach  Benoistoh  de  ChateanneufiB  Berech- 
nungen nimmt  Paris  an  der  allgemeinen  Consnmtion  von  Brod  in  gann 
Frankreich  (nach  den  Steuer  -  Registern)  mit  ^V>  *■  der  allgemeipen 
Consumtion  von  Fleisch  mit  <r\,  von  Wein  mit  ^9  an  dem  Lottospiel 
aber  mit  vollen  t  AntheiL  Paris  gewährte  in  den  J*  18}^  an  Steuern 
dem  Staate  S1|000>000  Frcs.,  ,das  betrug  daamls  ih  des  gesammten 
Einkommens   des  Fransösischen  Staates,   und   zwar  S8  Millionen 
durdi  direcde,  19  Millionen  durch  indirecte  Steuern 9  16  Millionen 
durch  Enregistrements  und  Stempel -Gebühren ,  6  Millionen  durch 
Lotterien,  5ft  Millionen  durch  die  Spielhäuser  und  4  Millionen  durch 
die  Briefpost  —  Der  Flächeninhalt  von  Paris  ist  3449'^  Hectaren 
(13,376  QMorgen  Pr.)  bei  einer  Länge  der  äusseren  Boulevards  von 
^ehr  als  6}  Lieues;   auf  welchem  18*26  27,900  Wohnhäuser  (1817 
26,801  Häuser)  sUnden,  also  28  Menschen  auf  ein  Haus.    Die  Stadt 
Berfällt  in  12  Bezirke  (Mairies)  und  48  Vierteil  sie  hat  IlllStrasseni 
davon  120  Culs  de  Sac,  13  eingehegte  Plätze,  27  Gässchen,   129 
Durchgänge,  75  öffentliche  Plätze,  33  Quais,  16  Brikken  9  Boule- 
vards  auf  der  sädlicheui  13  Boulevards  auf  der  nördlichen  Seit^  210 
Brunnen  und  Wasserkünste  und  9800  Buden.  -«> 


\       ^  Frankreich.  49 

) 

Rerolütioii  antterordentlich  an  Bevdlkeiung  rerloren,  die  mu<^ 
«nter  der  kauerlichen  Regierung^  bei  dem  gtockenden  Absatz  in 
Seidenwaaren  in  dieser  auf  Industrie  begründeten  Stadt,  nicht 
nriir  va\  alten  Höhe  wieder  heraufgebracht  wurde.  Seit  IS  18 
ist  die  Bevölkerung  aber  wieder  jährlich  in  steigender  Zi^ahne 
]821  =  131,258S.;  1827=  145,675  S.^  Marseille  im  Mittelal- 
ter nnd  in  der  neueren  Zeit  bis  gegen  die  Mitte  des  achtsehn- 
ten  Jahrhunderts  ,  unbestritten  die  erste  Handelsstadt  des 
FransÖsischen  Staates,  darauf  ndt  Bordeaux  in  nebenbuhleri- 
schem iCarapfe,  wenn  gleich  in  gans  verschiedenen  Handelsrich« 
titngea  besehafttgt,  erreichte  doch  im  achtzehnten  Jahrhundert 
nach  nickt  völlig  100,000  Einwohner,  wiewohl  es  sich  nicht 
weit  davon  entfernt  hielt  Im  Jahre  1821  war  die  Bevölkerung 
J09477S.;  1827=:llö^43S%  — Bordeaux  hatte  in  der  Mitte  des 
ftektBehnten  Jabthimderts  nur  ^,000  Einwohner  und  ist  dann 
•ehr  raach  fortgeaefaritten ;  1821  besass  et  bereits  89,263  Ein* 
wehoer,  1827  =s  93,540.  -«-  Dasselbe  chronologische  Veri^itniss 
^krZanahme findet  aneh  bei  Ronen  statt;  diese  Stadt  silhlte  naeh 
der  officiellen  Angabe  von  1821  =:  86,736  E.  und  1827  =:  90,251  E. 
-—  Nantes  ist  in  der  Bevölkerung  sich  gleich  massiger  geblie- 
ben und  wächst  auch  jetzt  nur  in  aftchr  massiger  Progression ;  1821 
=  68,427  E.,  1827  =  71,940  £.  —  Lille  hatte  im  achtaehnten 
Jahrhundert  swiichen  30  und  36,000  E.,  ist  aber  durch  Industrie, 
nach  gestiegen,  J82i  =  64,291  E.;  1827  =  ^M^O  £•  — 
Totilcuse'a  Bevölkerung  bleibt  auf  derselben  Höhe;  1786)  = 
4S,€I00  E.;.  1821  =  52,328  E.;  1827  =  53,820  E.  Dasselbe 
gUt  von  Strasskurg;  1821  q=  49,680  E.;  1827  ==  49,708  E. 
In  sehr  raschem  Steigen  haben-  sugenommen  JMeti  1827  =: 
45,276  E.;  Amiens  1827  =  42,032  E.  ;  Orleans  1827  = 
40,340  E.;  Nismes  1827  =  39,068  E.;  Caen  1827  =  38,161  E. 

^  In  neunzehnten  Jahrhunderte  lebt  aber  Marseille  aicht 
mehr  ausschliesslich  vom  Handel,  den  es  früher  für  ganz  Sudenropa 
nls  der  Hanptplatz  nach  der  Levante^  führte.  Es  sucht  jetzt  auch 
einen  bedeutenden  Nahrongszwelg  In  den  Fabriken  und  im  Landbau, 
indem  es  den  bis  dhhin  für  unfruchtbar  gehaltenen  kahlen  felsigten 
Boden  der  Umgegend  dberraschend  schnell  za  einem  vfruchtreichen 
Ertrage  emporgebracht  ^at.  Vergl.  darüber  Thiers  le  midi  de  la 
France  ea  1S22,  Paris  18^  die  erste  Schrift,  welche  die  allgemeine 
Aufmerksamkeit  auf  diesen  sdtdem  als  Staatsmann  so  hodi  geMia* 
genen  Schriftsteller >j:ichtete. 

Schubert* 5  Stutlfltiltll.  4 


f 
50  Frankreich. 

und  vor  allen  die  aus  e^ner  kleinen  Ortsehafit  Überaus  schnell 
empor  gestiegene  Fabrikenstadt  £tienne  1827=37,031  E.  — Aus- 
serdem bemerken  wir  noch  die  Bevölkerung  sius  dem  Jahre 
1827  von  den  nachfolgenden  22  Städten,  die  zwischen  35,QOO 
und  20,000  Einwohnern  beträgt:  Montpellier  zz  35,842  L., 
Rheims  =  34,862  £.>  Toulon  =  30,171  E.,  Clermont- 
Ferrand  =  30,000  E.,  Angers  =:  29,978  E.,  Versailles  z=z 
29,791  E.,  Atignon  =  29,400  E.,  Rennes  ä  29,377  E., 
Nancy  =  29,122  E.,  Besannen  z=  28,795  E.,  Brest  = 
2M55  E.,  Limoges  =  25,612  E.,  Troyes  =  25,bÖ7  E., 
Montauban  =  25,466  E.,  Dünkirchen  =:  24,517  E.,  Dijon 
=  23,845  E.,  Aix  =  23,132  E.,  Arras  =  22,173  E.,  Greno- 
Me  =  22,149  E.,  Poitiers  =  21,562  E.,  H^vre  =  21,049 £., 
und  Tours  =  20,920  E. •>  — 

56.^ 

Stammvcirschiedenheit  der  Bevölkerung. 

MelangeM  sur  lei  languei,  dtalectea  et  patots^  Parts  1831. 

In  keinem  grossen  Staate  Europas  sind  die  verschiedenen 
massenweise  angesiedeltep  Völkerschaften  so  glücklich  in  ein- 
ander übergegangen,  wie  in  Frankreich:  sie  sind  in  Wahrheit 
nach  Charakter,  Sitten  und  Sprache  su  einem  Volke  zusammen- 
geschmolzen  y  wodurch  der  Verwaltung  in  allen  ihren  Zweigen 
die  möglichst  grösste  Ejrleichterung  zugeführt  worden  ist  Nur 
an  den  Gränzen  nach  Deutsdiiand,  Belgien  und  den  Pyrenäen 
ZM,  und  in  dem  Innern  der  Bretagne  macht  sich  eine  hervorra- 
gendere Volksverschiedenheit  bemerkbar,  die  jedoch  mehr  in  der 
Sprache,  als  in  den  eigenthümlichen  Landessitten  ihre  nachhal- 
tige^Begiündung  besitzt  Davon  sind  aber  in  allen  Beziehungen  ausge- 
nommen die  im  seohszehnten  und  siebzehnten  Jahrhunderte  dem  Deut- 
schen Reiche  entrissenen  Landschaften,  wo  allerdings  noch  auf 
einem  giossen  Theile  dieses  Gebietes  der  Deutsche  neben  dem 
Franzosen  in  det  Mehrzahl  sich  geltend  macht  —  Viet  Haupt- 
stämme bleiben  daher  nur  jetzt  im  eigentlichen  Frankreich  nach 

*)  So  eben  erhalte  ich  bei  der  Correctnr  dieses  gedruckten  Bp- 
gens  das  Octoberheft  von  Berghaus  Annalen  Jahrg.  1854»  welches 
einen  sehr  beachtenswerthen  Aufsatz  von  Bickes  über  Frankreichs 
Yolksvertheilung  in  Gemeinden  und  Städte  S.  1—93  enthält,  nach 
der  Zählung  von  1831,  und  eine  anziehende  Vergleichuog  mit  den 
hier  gelieferten  Angaben  verstattet. 


^  Frankreich«  61 

te  Spracbe  cu   nntencheideii»  sa  welchen   der  fünfte  nur   auf 
der  xuletzt  ^^ewonnenen  Insel  Conica  tritt. 

i)    1>«T    Fi^aniose.      Dieser  ist  keines weges  als  der  reine 
liacULomme  des  Deutschen  Franken  anznsehen,  sondern  er  ist  ein 
tos  dteaena  erobernden  Deutschen  Volke,  soirie  aus  anderen  Zireigen 
desselben  Stammes ,  den  unterjochten  €railiern  und  den  daselbst  be- 
reita    angesiedelten    Römern ,  ihireh  politische    Verbindung    und 
deren    lang   bestehende   Fortklaurr    innigst    yermischter    Stamm. 
Daher  ist  die  Sprache  dieses  Hischvolks  fast  zu  gleichen  Theilen 
ans  LAteinischcny   Gallischen   und  Deutschen  Wurzelwörtem  au- 
sammengesetzt;   es   ist  aber  gans  natürlich ,   wenn  bei  einer  sol- 
eben  Mischsprache  durch  Localverhältnisse  und  frühere  politische 
Zastilnde   rielfaohe  Localdialeete   sich  bilden,   und  daher   ganz 
der  linguistisdien  Erfahrung  gemäss,   wenn   man   in  Frankreich 
gegen  sid»zig  verschiedene  landschaftliche  Mundarten  unterschei- 
det,   unter   denen   am   meisten   die  Wallonische  oder  Flamändi« 
ache  abweicht,  wenn  sie   auch   die  Tochter   desselben  Ursprung« 
ist       Die  Gesammtzahl  der  Franzosen  betriigt  neun  2Uiidieile 
der  ganzen  Volksmasse,  über  2^,500,000  Köpfe. 

2)  Der  Breton  oder  Brejzard,  in  dem  grossten  Theile 
Bretagne  noch  jetzt  als  ein  Nachkomme  der  alten  Briten 
Schon  im  yierten  und  fünften  Jahrhunderte*)  fand 
ein  lebhaftes  Binwandem  aus  Britannien  nach  der  stammvenrandten 
nerdwestlichen  Landschaft  Galliens,  nach  Aremorica  statt,  indem 
die  anunterbrochenen  Unruhen  und  Bedrängnisse  des  Mutieriaa- 
des,  sowohl  von  Norden  her  durch  die  Pieton.und  Scoten,  aU 
aueh  von  der  See  durch  die  Sachsen,  Juten  und  Friesen  dazu  drun- 
gende  Veranlassung  gaben.  Naofi  der  Besetzung  des  Östlichen  undsüd- 
liehen  Britanniens  durch  die  Sachsen  vermehrten  sich  die  Einwände- 
ningen  in  Aremorica  so  ansehnlich,  dass  die  Uauptkraft  der  Briten 
endlidi  hier  diesseits  desCanals  sich  concentrirt^  und  darauf  von  hier 
ans  Veriuehe  zur  Eroberung  von  ganz  Britannien  gemacht  wurden. 
Durch  diese  Verstärkung  der  Bevölkerung  gelangte  aber  auch  Aremo- 
rica zu  genügenden  Kräfteif  für  die  Vortheidigung  seiner  Selbstiüidig« 
keit  gegen  dis  siegenden  Franken  in  Gallien  und  erhielt  sich  daher 

*)  Dam,  histoire  de  Bretagne  Paris  1826  3  vol.  8vo.,   von  mir 
ia  einer  Deutschen  Bearbeitung,  Leipz.  1831*3^1  2  Bde.  8vo.    mit 
Aamerkongen  herausgegeben,  in  welches  ich  auch  über  dieses  Verhalt- 
Mi  <ler  Auswanderang  Berichligaagen  hinaiug^fügt  habe.  vgl.  Bd.  |. 
m.  B.  S.  36-43. 

4" 


92 


Frankreich. 


tmtew  allen  Landschaften  Galliens  am  längsten  in  Unabhängig- 
keit  Als  es  endlich  der  Uebermacht  der  Franken  erlag,  behielt 
-es  seihe  eigenen  eingebom^n  Herzoge,  deren  Lfehnsrerhältniss  inzwi- 
«chen  stets  das  lockerste  gegen  die  Krone  Frankreichs  blieb.  Durch 
-die  mächtigen  Herzoge  der  Normandie  gewonnen,  wurde  die  Bretagne 
eine  Zeit  lang  mittelbares  Eigenthum.der  Krone  Englands,  als  diese 
von  jenen  Fürsten  getragen  wurde.  Dann  trat  die  Bretagne 
nach  vielfachen  Kämpfen  mit  das*  fierzogen  von  der  Normandie 
und  der  Krone  Frankreich  wieder  in  die  Reihe  der  unmittel- 
baren Kronlehen  der  letzteren,  und  erhielt  sich  als  solches  am 
längsten  in  diesem  Staate,  indem  es  erst  durch  die  Heirath  des 
Königs  Carl  Vlll.  mit  der  Erbtochter  Anna  von  Bretagne  (s. 
§•  1.)  in  die  engere  :iuimittelbare  Verbindung  mit  Frankreich  kai|i. 
Durch  diese  viele  Jahrhunderte  hindurch  erhaltene  strengere  Absonde- 
rung von  dem  übrigen  Frankreich,  haben  sich  aber  noch  sehr  bedeu- 
tende Reste  der  alten  Britischen  Sprache  unvermis^ht  bei  dem 
gemeinen  Mann  erhalten,  wenn  gleich  dieselben  jetzt  nur  als 
eine .  Beimischung  zur  Französischen  Sprache  in  dieser  Gegend 
gebraucht  werden.  Der  Breton  bildet  jetzt  ^j^  der^  Volksmasse^ 
gegen  1,050,000  Menschen.  -^ 

9  Der  Vaske,  oder,  wie  er  jetzt  in  Frankreich  genannt 
wird,  der  Gascogner,  liefert  noch  den  Kem.der  Bevölkerung  in  den 
Landschaften  der  West-Pyrenäen,  wo  er  seit  seiner  Auswande- 
rung aus  der  Pjnrenäischen  Eüilbinsel  im  sechsten  Jahrhunderte 
die  eigene  Grafschaft  Vasconia  (Gascogne)  gebildet  hatte.  Der. 
Vaske  hat  sich  als  Bewohner  einer  durch  Gebirge  und  Thäler 
durchschnittenen  Landschaft  in  seinen  Eigenthümlichkeiten  der 
Volkssitten  am  meisten  noch  erhalten,  seine  Sprache  ist  auch 
jetzt  nodi  ein  rohes  €remisch  aus  Vaskischen  und  Französischen 
Wörtern,  und  die  Beugung,  Verbindung  und  Aussprache  derselben 
trägt  eben  so  wenig,  einen  reinen  Tjpns  der  alten  Vaskischen  ^}, 
wie  der  Französischen  Sprache  an  sich.  Die  Gesammtzahl  dter 
Vasken  betrilgt  aber  jetzt  nnir  ^f^Mer  ganzen  Volksmasse  Frank- 
reichs, gegen  120,000  Köpfe. 

4)  D  er  D^nts  ch«,  z^igt  sich  noch  rein  erhalten  theils  als  Nach- 
komme der  AUemanneii  und  Burgunder  in  den  seit  den  Eroberungen 


*)  Vergl.  Wilh.  v.  Humboldt,  Prüfung  der  Untersuchungen 
über  dieUrbewcluierHispaniens^  vermittelfit  der  Vaskisdkcn  Sprache 
Berlin,  1821.  4to. 


Frankreich»  53 

^ 

H^inriclia  ILjgewonnenen  DetttsehenLandiehafteii  Lothringen,  El^^ 
Sfts%  der  Freigrmfechaft  (Fruiclie  Comte)  und  den  dicht  daran  etoaseii- 
den  €}egeDdeiH  ^ila  als  EinsÖgliog  durch  Kriegsdienst  und  lodu- 
strie,  Tonogsweise  in  d^  grösseren  Handels-  und  Fabrikstädten  an- 
gesiedelt In  Lothringen  und  Elsass  ist  aber  nicht  su  verkennen,  dass 
der  Deutsche  alljährlich  mehr  sich  in  dem  Franzosen  verliert  Die  Ge- 
«ammtsahl  der  reinen  Deutschen  ist  über  ein  Dreissigtheil  der  Volks- 
menge anzusehlagen,  gegen  1,200,000  Köpfe. 

•5)  Der  Italiener  ist  nur  in  Corsic&  kuf  heimischem  Boden» 
sonst  aber,  namentlich  im  Zweige  der  Savoyarden  *),  vielfach 
über  Frankreich  serstreut,  etwa  j||j.  der  Volksmenge  einneh- 
mend, gegen  300,000  Köpfe. 

Was  ausser  diesen  fünf  Volksstämmen  die  fibrige  Volksvenehie- 
ilenheit  vereinseit  wohnender  Stammgenossen  anbetrifft,  so  finden 
wir  auch  hier  den  Asiatischen  Handelsmann,  die^  Juden,  in  star- 
ker 2Uü,  aameqtlich  in  Paris,  Lyon,  Marseille,  Montpellier,  dem  El- 
sass, Lothringen  und  den  Fransöbischen  Niederlanden,  fiber  00,000 
Köpfe,  also  fastein  Fönfhundertdieil  der  Bevölkerung.  —  N  e  n  -G  r  i  e« 
chische  Colonien  sind  in  Corsica  angelegt,  namentlich  ans  der 
Völkersehafl  der  Mainotten.  «-  Die  Zigeuner,  über  das  gaqce 
mittlere  und  südliche  Europa  ausgebreitet,  sind  auch  in  Frank- 
reich jetzt  noch  geduldet,  ohne  feste  Wohnsitse  nachweisen  su 
dürfen:  wenn  ihre  Zahl  wohl  jetst  jährlich  mehr  sich  au  ver- 
mindern scheint,  vorsüglich  dadurch,  dass  der  ins  sesshafte  Le- 
ben übergegangene  Zigeuner  durch  Verheirathung  sich  den  übri- 
gen Fransosen  anschliesst,  so  werden  doch  immer  noch  gegen 
8000  Köpfe  gezählt  Diesen  anzureihen  sind  die  Cagots 
wahrscheinlich  Ueberbleibsel  von  den  zu  Anfang  dts  fünften 
Jahrhunderts  eingebrochenen  Alanen,  die  nach  ihrem  Üeber- 
gange  nach  der  Pjrrenäisehen  Büilbinsel,  hier  zurückgeblieben 
sind.  Sie  werden  vorzüglich  an  dem  Fusse  der  West-  und  Ost- 
Pfrenäen  angetroffen,  sind  wegen  ihres  Stumpfsinnes  und  vaga- 

*)  Leon  Faucher,  die  Savoyardencolonie  in  Paris,  v^l.  Ma- 
gazin für  die  Literatur  des  Ajislandes,  Nov.  1834»  nr.  140— 4L  In 
Paris  allein  leben  jetzt  stets  ^egen  28,000  Savojrarden,  die  eine 
höchst  merkwürdige  Verfassung  unter  sich  selbst  eingeführt  haben, 
aber  fast  ohne  Ausnahme  nach  vieljähagem  Aufenthalte  in  der 
Hauptstadt,  zuletzt  doch  mit  ihren  ersparten  Schätzen  nach  ihrem 
Vaterlande  zurückwandern.  *-  Verhaltnissmässig  leben  sie  in  eben  so 
starker  Zahl  in  Lyon  als  S^denarbeiter,  in  Marseille  ids  Lastträger. 


54  Frankreich« 

bondirenden  Lebeni  ttbel  berilchtig^  ioheioen  aber  auch  pfajtUibh 
durch  den  ihnen  fast  wie  eine  Verbannung  angewiesenen  Aufentkait 
in  schlecht  gelegenen,  sumpfigen  ThUiem  dem  Cretinismus  grossen« 
theils  rerfallen  ku  sein :  sie  betragen  jetzt  gegen  6000  Köpfe.  ^-  Aus- 
serdem müssen  die  seit  der  Revolution  und  Napoleon  zahlreich  in 
Fr^kreich  für  die  Lebensdauer  sich  aufhaltenden  Polen,  Spanier, 
Poifu^esen  hier  angeführt  werden,  da  sie  aus  dem  Stande  einer 
tempor&ren  Bevölkerung  sich  gänzliche  entfernt  haben. 

Allgemeine  Ständeverhältnisse. 

Die  Französische  Revolution  rief  in  diesem  Staate  den  ge« 
fährliche^  Versuch  hervor,  alle  bürgerliche  Verschiedenheil  der 
Stände  aufsuheben.  Er  b^ann  mit  den  Beschliissen  der  in  ihren 

^Folgen  so  unglücklichen  nächtlichen  Sitzung  yom  4ten  August  1789^ 
welche  die  Aufhebung  des  Lehnsjstems  und  der  Privilegien  '«n* 
befahlen,  und  Ludwig  XVI.  zu  der  zweideutigen  Ehre  eines  Wie- 
derherstellers der  Französischen  Freiheit  erhoben.  Ihnen  tblgte 
am  19ten  Juni  1790  die  Aufhebung  des  erblichen  Adels,  ;ler  ver- 
schiedenen Adels -Titel  der  Herzog&,  Fürsten,  Marquis,  Grafen, 
Vicomtes  und  Baronen,  so  wie  der  Wappen  und  Livreen,  die  als  die 

^  Wegräumung  aller  Sinnbilder  der  Knechtschaft  hocfak  gepriesen  wurde. 
Darauf  ward  am  27ten  December  1700  die  bürgerliche  Constitu- 
tion für  vollendet  erklärt,  nach  welcher  Frankreich  nur  einen 
Staiid  besass,  den  bourgeoi$  oder  citoyen^  und  auch  dem  Geistli» 
oben  die  Verpflichtung  auferlegt  wurde,  auf  diese  Verfassung  den  Eid 
zu  leisten,  um  dadurch  für  sich  selbst  des  Standes  eines xitoyen  theil- 
haftig  zu  werden.  Welche  politische  Umgestaltung  Frankreich  in 
dem  weiteren  Fortgange  der  Revolution  auch  erfuhr,  diese 
Grundlage  des  ßürgerthums  erhielt  sich  vier  zehn  Jahre  lang 
bis  zur  Wiedereinführung  der  Monarchie,  Es  war  daher  ganz 
consequent,  dass  in  einem  solchen  Staate  auch  am  30ten  Juli 
1791  alle  Ritterorden  und  äussere  Uecorationen  abgeschafft,  dass 
nach  einem  förmlichen  Beschlüsse  dar  legislativen  Versammlung  am 
19tenJuni  1792  die  öffentliche  Verbrennung  der  Adelsdiplomc  ver- 
langt, epdUch  dass  am  24ten  August  1 792  der  Ehrentitel  eines  Fran- 
zösischen Bürgers  als  edler  Lohn  jedem  Vertheidiger  der  politi- 
schen Freiheit  im  Auslande  bestimmt  wurde.  Der  Uebcrgang  zur 
Monarchie  und  die  Annäherung  der  so  ausserord^n^^h  Y^r^ö^- 


Frankreich« 


K 


MrtMiFruis5aiaeheo  Republik  an^ie  beiteheiiileii  8tMtea^Ear#p|M 
Toiik  «nteo  und  streiten  Range»  geschah  iohoo  durch  da«  Direetarium    ^ 
■Mkr  aber  noeh  dmrcb  die  Comolar-Verfaisiing,  bei  we)^er  die  Per- 
■Önliehkeit  des  erslen  Consnla  nicht  nur  bald  die  geeammte  Gewalt 
ones  T^llig  mnnmchr>nkten  Mpnarchan  aich  aneignete»  aondeni  aueh 
die  ersten  Chmn^dsfige  einer  neuen  StindeTersohiedenheit  akdie  noth- 
wcndige  Basis   einer  feat  su  gestaltenden  esbliehen  MonaAhie 
xta  legen  sich  bemühte.     Daan  diente  ror  allen  die  Sdlbiog  der 
l^renlegion   am    I9ten   Mai    1W2   (?ergl.  9.15)»  eine  unfehlbare 
Ankündigung  des   durch  lange  vorgearbeitete  politische  Vaassre- 
geln    am    ISten   Mai    1804    errichteten    Erb-Kaiserthums,    (bei^ 
*  -welchem   die   Sanction   durcB    das  Volk   in   den  Wahlversamm* 
langen  doch  nur  eine  leeie  Fdrmliehkeit  blieb)^  das  wiederum  als 
eine  kaum  su  vermeidende  Folge*  die  Wiederherstellung  des  HoT- 
C^eremoniells  y  der  Rangordoung  und  der  Chrenilmter  am  neuen 
kaiserlichen  Hofe. am  13ten  Juli  1804  nach  sich  sog.    Der  neue 
Adel   des  FransÖsisehen  Kauerthums   sollte   ab«r  rmsschiiessUch 
nur  Verdiens  tadei  sein,   wie  dieses  Erfordemiss  von   selbst 
aus  der  Errichtung  eines  röliig  neuen  Staatsgeb&udes  henrorgiog. 
Das  Verdienst  konnte  aber  in    vielfacher  Art  sich   bemerkbar 
machen,  entweder  in  unmittelbarem  Staatsdienste,  oder  duTsh  ge- 
wichtvolle Ausseichnungen-^in  den  Künsten  und  Wissenschaf teo, 
UQd  nach  gar  knrser  Zeit  whrde  als   ehrendes  Verdienst  aueh 
die  besondere   Anh&nglichkeit    gegen   die    regierende  Dynastie 
hinsugefügt^  welche  stets  der  vieldeutigsten  Interpretation  überlassen 
sn  werden  pfl^i^  Der  Adel  aber  wurde  darauf  wie  die  Dynastie  erb- 
lich, «nd  durdi  die  alten  Titel  eines  Heraogs,  Grafen  und  Barons 
unterschieden,  und  ausserdem   noch   der  persönliche  Adel  durch 
die  Ehrenlegion   eingeführt,   der  auf  der  untersten  Classe   den 
Titel  eines  Ritters   (Chevalier)   allmühlig   erwarb,   iHewohl  der 
staatsrechtlidi  ursprfingliche  membre  de  la  Ugion  eThonneur  war. 
Durch  das  Concordat  su  Paris,  bereits  während  der  Consularre- 
giemng  mit  Papst  Pius  VII.  am  15ten  Juli  1801  geschlossen,  war 
nicht  nur  liie  Römisch  •  Cadiolisei^  Kirche  als  die  der  gprossen 
Majorität  der  Fransosen   erklärt,   sondern  such  der  Stand  des 
Klerus   förmlich  wiederhergegtellt  worden,  wenn  gleich  er  unter 
Napoleon  in  beschränkter  Zurückgezogenheit  verblieb.    Diese  iicue 
Ständeverschiedenheit  erhielt  aber  nicht  minder  sehr  vielfaebe  Billi- 
f^nog  ron  Seiten  der  nach  Frankreich  schon  damals  suröekgekehrten 
;Eiaigrmn«eD,  und  Mitglieder  der  ältesten  Adelsgesohleohtcr Frank- 


56  Frankreich« 

.  reiehs  tth  rani  Jetit  begierig  nadi  den  ihnen*  gerne  bewiii%Cen 
neaen  Napoeloniseheii  Adelttttehi  sieh  drftngen,  ^       '     ' 

Aber  die  Reetauration  der  Bourbont  brachte  1814  dieM^r- 
saht  der  im  Autlande  mit  ihren  alten  Ansprüehen  und  Rechten 
2|irtiekgebliebenen  Emigranten  wieder  nach  Frankreich,  die  fast 
einstimmig,  wie  wunderbar  anch  diese  pelitiseh  •  psychologische 
Ersfheiniing  im  nennsebnten  Jahrhunderte  uns  entgegen  tritt; 
selbst  iinter  fünf  und  swanngj&hrigem  harten  Ungltteke  und 
Drucke  in  der  Fremde  noch  nicht  gelernt  hatten,  ansgeseichnete 
Anstrengung^  des  Geistes,  Vonüge  reich  begabter  Talente,  die 
ehnnbaftesten  Dienste  in  der  Militär^  und  Civil-Verwaltong,  die  dem 
Staate  mit  grosser  Anstrengung  und  Aufopferung  geleistet  waren,  hd- 
her  als  veijlÜiTte  Diplome  su  achten,  od<^  denselben  auch  nur  eihiger« 
maassen  ein  gleiches  Recht  einsur&umen.  Sie  yergassen  ttberdies, 
dass  *dte  Meisten  unter  ihnen  ihr  Vaterland  und  ihren  Kd« 
nig  in  einer  Zeit  aufgegeben  (hatten ,  wo  Unterthanenpflieht 
und -Vaterlafwisnoth  sie  noch  in  t^ankreidi  lange  surückhaiten 
mussten.  Staatsrechüieh  blieben  swar  allerdings  die  von  Napoleon 
bis  zum  Isten  April  1814  rerliehenen  Würden  und  Ehren  von 
der  k&niglielien  R^erung  anerkannlv  aber  nicht  minder  wurden 
auch  die  Beschlüsse  der.  Jahre  1790  und  17dl  als  ungtUdg  ange- 
sdien^  und  geradesn  durch  ein  königliches  Gesetst  aurückge- 
nommen,  indem  die  Verfassung  vom  4ten  Jun,  1814  im*  Art  71 
bestimmt,  dass  der. alte  Adel  wieder  seine  Titel  anneh* 
men  soU,  ^nd  dass  der  König  nach  Wilikühr  in  den  Adelstand 
erheben  kann,  sowie^  jede  andere  Titels-  und  Rang-Eriiöhung  erthei«' 
len,  ohne  jedoch  damit  eine  Befreiung  von  den  Lasten  und  Pflichten 
der  Gesellsohaft  an  verknüpfen.  Dadurch  erhielt  aber  Frankreich  in 
den  nächsten  Jahren  nach  der  Restauration  mittelbar  eine  grös- 
sere Verschiedenheit  der  St&nde,  als  irgend  ein  anderer 
Enropäiachcr  Staat,  weil  in  die  Stelle  des  alten  Adels  schön 
ein  neuer  eingetreten  war,  und  der  alte  snrückgekehrte  sich 
nicht  mit  dem  Napoleonischen  su  einem  gemeinsehafUichen  Gransen 
vereinigen  wollte,  leichte  Reibungen  und  Spaltungen  uber  auch  im 
Klerus  entstanden  waren.  Doch  konnte  diesnur  einen  temporären 
Uebelstand  hervorbringen,  da  dem  nirückgekehrten  Adel,  in  jenen 
dreisehn  Jahren  vor  dem  Haas  anr^enden  Entschädigungsge- 
setse  der  Emigranten  durch  eine  Milliarde  (1827),  das  Vermögen 
fehlte,  sein  Ansehen  und  s^ine  Ansprüche  su  behaupten,  und 
die  beiderseitigen  Kinder  der  alten  und  neuen  Hersoge,  Prinaen 


Frankreich»  87 

Hanpiie,  Gräfes,  VioMitM  und  BiNroneii  4m  VtamHigm  «id  den  Land* 
beutzihTer  Tim  unten  hernuf  gestiegenen  verdiontMi  Vifter  mit  den  al- 
ten Kamen  der  Mkma  AdebgeecUeekter  dnreh  ehetielie  Bündnisse 
gegenseitig  anstansehten,  nnd  so  gcigenseitig  sieb  sam  Gewinn  eines 
■»•thwendig  ersehetnendoi  Glanaes  TerlialluL  Bei  den  Cieni|i 
ging  dies  noeh  raseher  von  statten,  da  hier  der  neuere  bereitarillig  m 
seinen  eigenen  Vortheiien  den  bedentsaneren  Anspr&chen  Mer 
Mitglieder  des  ftUeren,  sonel  als  es  aar  dia  bestehende  Staats- 
renraltnng  Terstatten  wellte,  naehfolgte. 

Der  Adel  selbst  war  aber  dncch  die  Terfassnng  Ton  1814 
wieder  in  einen  hohen  nnd  niederen  staatsreehtiieb abgetheilt» 
iodem  jenem  erl)lieh  ein  Theil  der  gesetagebenden  Gewalt  in 
«ler  Pairäkammor  sugesiehert^  und  seine  Erhaltung  an  itie  Bil- 
duBg  Ton  Bl^^ofaten  geknüpüt  war,  so  di&ss  wie  in  England  nur 
der  'iltesle  Sohn  des  hohen  Adels  das  riter liehe  Hauptbesiti« 
chnm  nebst  Würde  und  Titel  erben,  die  Jungem  Sdhne  aber 
Ues  eadets)  dem  niederen  Adel  sofailen  sollten.  Der*  erbliehe  hohe 
Adel,  da  der  persönliehe  einseinen  Ersbischdfen  und  Biiehöfen 
si^etheilte,  weil  er  nicht  fortgesetit  wird,  hiei  su  keiner  Beaoli- 
taug  kdmmt,  aerfiel  wiederum  ia  Bersoge,  Martins,  Grafen,  Vi- 
comtes  und  Barone,  die  aber  eben  nur, dann  sum  hohen  Adel 
gehdrten,  «wenn  sie  durch  den  König  an  Mitgliedern  der  erbli- 
ehen Pairskanuaer  ernannt  waren  und  ein  Msjorat  f&r  immer 
mit  diesem  Titel  rerknipfen  konnten.  Das  Majorat  des  Hersogs 
war  auf  ein  Minimum  von  30^000  Pres,  jährlicher  EinkOnfto, 
das  des  Marqnis  auf  20,000  Pres.,  das  des  Grafen,  Vieomtes  und 
Barons  auf  10,000  Pres,  bestimmt  Auf  solche  Weise  siuommen-* 
gasetst,  bestand  der  hohe  Adel  in  dem  leisten  Regierungsjahre 
Ludwigs  XVUL  1824  aus  70  Hersogen,  Pririsen  und  pQrsten, 
62  Marquis,  118  Grafen,  12  Vieomtes  nnd  8  Baronen,  also  aus- 
270  mit  Erbrecht  dieser  Würden  aa^estatteten  Pamilien:  über* 
dies  gehdrten  demselben  ausser  den  4  Prinsen  ron  königlichem 
Geblfite  14  Erzbisehöfe  und  Bisehöfe  su«  Curl  X.  aber  machte 
▼on  den  früher  einigen  ausgeaeiehneten  Staatsbeamten,  bei  ihrer 
Erhebung  in  den  Pairsstand  Tcrgannten  Befreiung  von  der  Stif- 
tung ^tä  Majorats,  oder  von  der  denselben  ansnahsMwräe  in 
Udiereinstimmnng  mit  ihrem  Titel '  angewiesenen  ewigen  Rente 
ron  10,000,  20,000  Pres,  auf  da|  grosse^  Schuldbueh  des  Pransö- 
sisehen  Staats,  so  häufigex  Anwendung ,  dsas  dadurch  romamlich 
«  der  allgemeine  Haas  des  Pranaösischen  Volks  auf  die  Pairskam- 


\ 


\ 

« 

88  Frankreich. 

mm  gesogen  wnlrde;  t^ainetttlicli  wurden  idle  76  im  Norember 
1827  auf  einmal  creirte  Pairt>  um  die  verloren  gegangene  Majo- 
rität für  das  BGnisterinm  Vill^le  in  der  Pairtkammer  wieder  su 
erlangen,  Ton  der  Verbindlichkeit  zur  Stiftung  eines  Majorats 
ausgenommen.  Dadurch  stieg  die  Pairskammer  auf  346  Erb* 
Familien,  und  swar  77  Hersoge,  Prinzen  und  Fttrsten,  83  Mar- 
quis, 152  Grafen,  14  Vicomtes  und  20  Barone. 

Der  persönliche  Adel,  de^  für  jede  Gattung  des  Verdien- 
stes durch  die  Mi^iiedschaft  der  Ehrenlegion  ertheilt  wurde, 
hatte  inswischen  unter  der  königlichen  Regierung  auch  eine  we- 
sentliche Ab&ndemng  erfahren*  Denn  das  Gesets  vom  30.  Oc- 
tober  1814'setite  fest,  dass  der  Titel  Ritter  (Cheralier),  den  frü- 
her  jeder  Bentxer  führen  durfte,  nur  auf  diejenigen  Mitglieder 
der  Ehrenlegion  Übergehen  sollte,  welche  3000  Frcs.  jährliche 
Einkünfte  «aus  liegenden  Gründen  berassen,  oder  ein  eben  so 
starkes  Gehalt  oder  Pension  aus  Staats -viCässen  besögen,  dass 
ferner  die  dreimalige  Ertheilnng  dieses  Ordens  an  Vater,  Sohn 
und  Enkel  auf  Grund  ihrer  besonderen  Verdienste  bei  dieser 
Familie  zugleich  den  Adel  erb  lieh  machen  sollte.    * 

Bei  dem  Zutritt  zu  jedeni  Zweige  des  StaaMdienst^  in  allen 
C^sehäften  des  bürgerlichen  Lebens,  bei  dem  Erwerbe  jeder  Art 
des  Besitzthums,  bo  wie  namentlich,  ror  Gericht,  sollten  aber 
alle  Franzosen  in  ihren  gegenseitigen  Rechten  sich  röllig  gleich 
stehen  und  der  Adel  durchaus  auf  keine  besondere  Vorzüge 
Anspruch  machen  dürfen.  Aber  gerade  dieser  Haup^prund- 
zug  der  Französischen  Verfassung  von  1814,  der  wahres  Le- 
ben in  seiner  vollen  Bedeutsamkeit  unter  Napoleon  erlangt  hatte, 
wo  Talent,  Geschick  und  Eifer  sich  auszuzeichnen  rasch  zur  höch- 
sten Ehrenstufe  jedes  damit  begabte  Individuum  erhoben  hatten, 
wurde  von  Carl  X^  offenbar  vernachlässigt,  und  der  zurückgekehrte 
alte  Adel  mit  seinen  Anhängern  überall  hervorgezogen,  so  dass  ih- 
rem Einflüsse  der  wicht^ti^Theil  der  Staatsverwaltung'iiberlassen 
blieb.  Nicht  nur  bei  allen  Hofämtem,  wo  eine  besondere  Anhänglich- 
keit gegen  die  alt  bekanntet  Geschlechter  natürlich  f^ewesen  wäre, 
sondern  auch  bei  dem  wichtigsten  Theile  der  Militärbeamten,  bei 
den  diplomatischen  Missionen  und  den  obersten  Verwaltung^tellen 
wurde  dieser  llieil  des  Adels  in  den  Jahren  1824^^30  fast  aus- 
schliesslich zugelassen,  oder  doch  mindestens  zurückstossend  ge- 
gen im  Staatsdienste  ergraute  Männer,  deren  Verdienste  über 
allen  Zweifel  gestellt  waren,  bevorzugt     Selbst   das  ausgezeich- 


^  I 


\ 


Frankreich«  6t 

nete  MniiBtQKiuai  Maitigiiae  •  Roj,  das  w&hrend  •etner  kiinen 
Verwmltiing  diesem  Misibraiiebe  entgegen  arbeiten  wölke,  ec^ 
langte  deshalb  bei  Hofe  kein  Vertrauen,  und  musste  vor  deo 
Polignaes  xarücktreten,  obgleieh  es  allein  im  Stande  gewesea 
wäre,  Frankreich  von  dem  nachfolgenden  Unglücke  zu  retttik 
Wie  nun  selbst  durch  mittelbaren  Einfluss  die  Wahl  ddir  Volks- 
vertreter für  die  Deputirtenkammer  von  dem  bevorzugten 
Stande  abhiBgig  gemacht  werden  sollte,  stieg  das  hier  unnatür- 
lich gewordene  Verhältniss  awiscliea  Regierung  und  Volk  unter 
den  mannigfacha^n  Antrieben  von  Haas  und  Argwohn  zu 'einer 
aolchen  Spannung,  dass  eine  g&nzliche  Reaction  alif  dem  Wcf^ 
einer  neuep  Reirolution  befürchtet  werden  musst»,  wiewohl 
der  Sturz  der  erblichen  Pairskammer,  oder  was  dasselbe 
sagen  will,  de»  erblichen  hohen  Adels,  di^r  nothwendigea 
Stütze  eines  constitutionellen  Staates,  damals  kaum  geahnt  wer** 
den  konnte.  Zwar  liess  die  revidirte  Verfassung  Tom  7ten  Aur 
gust  1830  die  Erblidikeit  der  Pairskammer  noch  bestehen  und 
übertrug  dem  Könige  die  Befugniss,  nach  seinem  Willen  in  un? 
beschHbikter  Zahl  Pairs  auf  Lebensdauer,  oder  mit  Vererbung  ih» 
res  Rechts  zu  er^nnen  und  denselben  verschiedene  Würden 
und  Titel  zu  verleihen.  Aber  es  wurde  unter  den  vor  Uebertra* 
gttog  der  keniglichetv  Gewalt  auf  Ludwig  Philipp  Herzog  von 
Orleans  und  von  diesem  beschworenen  besonderen  Bestimmun* 
gen  ausdrücklich  vorbehalten,  in  der  Session  von  1831  das^Ge^^ 
setz  über  die  Poirie  einer  neuen  Prüfung  zu  unterwerfen.  Diese 
ist. auch  erfolgt  und  hat  das  Gesetz,  vom  298ten  December  1831 
hervorgerufen  *),  welches  die  erbliche  Pairie  oder  den  erblichen  hohen 
Adel  in  Frankreich  für  immer  aufhebt,  dem  Könige  das  Recht 
einräumt,  in  unbeschränkter  Zahl  auf  Lebenszeit  aus  näher  be- 
stimmten Notabilitäten  Pairs  zu  ernennen,  deren  Rang  nach  der 
Anclennität  ihrer  &nennung  folgt,  jedoch  mit  der  Beschränkung,  dass 
sie  keinen  Gehalt,  keine  Pension  noch  Dotation  mit  der  Pairswürde 
erhalten  und  anerkannte  Dienste  dem  Staate  bereits  geleistet  ha- 
ben mUssen.  Als  die  wahlfähigen  .  Notabilitäten,  aus  welchen 
der  König  ausschliesslich  seine  Wahl  zu  nehmen  hat,  werden 
der  Fraesident  der  Deputirtenkammer  und  anderer  gesetzgeben* 
der  Versammlungen  genannt,,  ferner  die  D'eputirten,  welche  Th^il 


«>    Pölitz,  Europäische  Verfass.  Bd.  U.  8.  116-17. 


60  Frankreich. 

an  drei  Legidatnren  genommen,  oder  eeclie  Jalire  sieh  in  Aus- 
Übung  befanden  haben,  die  Maraeh&lie  und  Admirille  Frank- 
reichs, die  General  •  Lieutenants  und  ViceadmirUle  nacb  iweijäb- 
rigem  Besitse  ihres  Grades,  die  Minister  mit  Portefeuille,  die 
Botschafter  nach  dreijähriger  und  die  bevollmächtigten  Minister 
und  Gesandten  nach  sechsjähriger  Ausübung  ihrer  Functionen, 
die  l^taatsräthe  nach  lehnjährigem  ordentlichem  Dienste,  die  Depar- 
ments-undSeepräfecten  nach  sehnjähriger  Amtsrerlraltung,  die  €rou- 
vemeure  der  Colonien  nach  fünfjähriger Amtsvenraltung,  die  Mit- 
glieder des  allgemeinen  Wahlconseils  nach  dreimaliger  und  die 
Praesidenten  der  Handelstribun äle  nach  viermaliger  Wahl  sur 
Präsidentschaft,  die  Maires  der  Städte  von  mehr  als  30,000  See- 
len nach  fünQähriger  Amts  Verwaltung,  die  Präsidenten  der  Cas- 
sations- und  Rechnungshöfe,  ^ie  Generalprocuratoren  und  Räthe 
bei  diesen  Behörden  nach  fünQähriger,  bei  den  königlichen  Ge- 
richtshöfen nach  zehnjähriger  Amtsverrichtung,  die  Präsidenten -der- 
selben dagegen  bereits  nach  fünfjähriger,  die  ordentlichen  Mitglieder 
derAcademien  des  Instituts,  die  durch  ein  besonderes  Gesets  mit 
einer  Nationalbelohnung  ausgezeichneten  Bürger,  endlich  die 
Grundbesitzer,  Chefs  von  Manufacturen,  Handels-  oder  Banquier- 
häusem,  welche  mindestens  3000  Frcs.  Steuern,  als  Deputirte 
oder  Richter  bei  Handelstribunälen,  angestellifc  oder  sechs  Jahre 
hindurch  Mitglieder  eines  General-Conseils  oder]  einer  Handelskam- 
mer gewesen  sind.  *-  Gesetzlich  ist  fernerhin  nach  den  Mo- 
dificationen  der  Verfassungen  1830  keiq^  Stand  vor  dem  an- 
deren .  in  Frankreich  bevorzugt,  alle  Franzosen  sind  vor  dem 
Gresetze  gleich,  ihre  Titel  und  Rang  seien  übrigens,  welche 
sie  wollen,  und  eben  so  können  alle,  ohne  Unterschied  zu  den 
Civil-  und  Militairämtem  gc^langen  *):  es  ist  daher  staatsrechtlich 
nur  ein  Stand  in  Frankreich,  der  seine  ausgezeichnetste  Mit- 
glieder  als  Belohnung  ihrer  Verdienste  um  den  Staat  aufLebe>n  s- 
seit  in  die  Pairskamraer  durch  die  Anerkennung  des  Königs 
entsendet  /lieht.  Ueber  seine  politiiche  Rechte,  welche  er  ver- 
möge der  Verfassung  an  der  allgemeinen  Gesetzgebung  un3  Con- 
trolle  der  Staatsverwaltung  nimmt^  wird  $•  16.  handeln. 


*)  So  lauteten  schon  der  §.  1.  und  3.  in  der  Verfassung  vom  4(en  Juni 
1814,  und  da  sie  im  Jahre  1830  erst  eine  Wahrheit  geworden  sein 
sollen,  auch  wieder  {.  1  u.  3  in  der  Verfassung  vom  7ren  Aug.  1830. 


Frankreich.  61 

Nach  iliren  Betehlftigmigeii  im  büif;erlieIieD  Leben  rechnet 
man  jetst  18,000^000  Köpfe,  deren  FamilienTäter  iro  Aelcerbeut 
Weioliaa  und  den  kleineo  ländlichen  Gewerben  ihren  Unterhalt 
rachen,  und  die  noch  iber  0,000,000  Köpfen  in  den  Familien 
der  Tagelöhner  bei  den  yerschtedenartigiiten  Handdiensten  Be* 
tchäfögmig  geben.  Die  Zahl  der  in  städtischen  Gewerben  Un- 
terhalt findenden  Köpfe  reicht  gegen  6,000,000,  die  der  dem 
4del,  dem  Kleras  und  den  übrigen  Staatsbeamten  zugehörigen 
Indiridaen  macht  über  2,000,000  aus.  Ch.  Dupin  berechnet*) 
für  1826  die  arbeitende  'und  producirende  Bevölkerung  auf 
12,600,657  Köpfe ,  davon  8,406,037  Ackerbauer  und  4»293,620  , 
Gewerbtreibende» 


S.  8. 


Religionsverschiedenheit   und    allgemeine   kirch- 
liche yerhältm3se. 

Rulhiere  dclaircin$emen8  kintortques  sur  les  causes  de  la  re» 
vocation  de  fedit  de  Nantes  ei  8ur  fetat  des  Proteftans  en 
fVance,  Parts  788.  2  voL  I2mo.  Aignan  de  Vetat  den  Proteg' 
tans  en  France  deputi^le  XVIme  Stiele  1818.  Parte,  —  Lauze 
de  Per  ei  e'clairctesemene  histortques  eur  Vhietoire  den  Proteetans 
3  livraisons.  —  Mark  Wilkn  hietory  of  tke  pereecutiong  en- 
dttred  hy^  the  Proteetante  of  the  South  of  France^  during  the 
yeare  1814  16  London  1822.  2  toL  Cape gf  tue  hietoire  de  la  . 
refortnatton,  de  la  ligue  et  du  regne  de  Henri  IV.  ParielSZ'i^  hh 
jetit  4  Bände  erschienen,  3  noch  fehlende  Werden  das  Werk 
beendigen. 

Die  Römisch  -  Catholische  Kirche  ist  die  allgemein  ausge- 
breitete in  Frankreich,  wenn  gleich  dieselbe  in  diesem  Lande 


*)  I^orces  prodncliYes  ei  commetciales  ^de  la  France ,  Paris 
1W7  8yo.,  2  Tol. 


62  Frankreich. 

bereits  im  Mittelalter  standhafte  und  gefölirliehe  Feinde  ku  be* 
stehen  hatte,    fn  den  ThUlem    der  Landschaften  Languedov  und 
Provence  bildeten  sich  schon  im  zwölften  Jahrhundertc  Gemein- 
den, die  aus  eigner  Bibel-Lectüre  nach  den  Grun'dsutzen  der  ur- 
sprünglichen   Christlichen   Kirche,   wie   sie   Christus   selbst  für 
seine  Anhänger  eingesetzt  habe,  zu  leben  vermeinten.     Nach  ih- 
rem Stifter  Petrus  Walde,  Waldenser,   oder   nach  ihrem   ersten 
Hauptsitze   in  der  Landschaft  Albigeois  (Gebiet  von  Alby)  Albi- 
genser  genannt,  wurden  sie  die  Vorläufer  der'Wiklefiten,  Hussi- 
ten   und    der  Reformation  des  sechzehnten  Jahrhunderts.    Trotz 
der  Kreuzzüge  gegen  diese  Neuerer  in  dem  noch  festen  Vereine 
der  Römischen   Kirche,    ungeachtet  der  blutigsten  Verfolgungen 
«ller  Art,   die  sie   zu   bestehen   hatten,  und  die  auch  bereits  zu 
Anfang    des   dreizehnten  Jahrhunderts    das    fürchterliche  Institut 
deor  Inquisition  zu  ihrer  Bestrafung  zuerst  entstishen  Hessen,   er- 
hielten sich  Reste  der  Waldenser  an  vielen  Orten  der  südlichen 
Rhonegegenden.      Um  so  lebhafter  fanä  daher   hier  die  Sache 
der  Reformation  in  der  ersten  Hälfte  des  sechszehnten  Jahrhun- 
derts treu  entgegen  kommende  Anhänger,   und   daher  ist  auch 
stets  dieser  Theil  des  südlichen  Frankreichs  ganz  besonders  d^r 
Sammelplatz  für  die  Evangelischen  in  diesem  Lande  geblieben.  Wie 
aber  bfei  der  Trennung  der  Lutheraner  von  den  Reformirten  in  Deutsch- 
land und  der  Schweiz,  Genf  der  Hauptsitz  der  Lehre  der  Reformirten 
wurde,   und  von  Genf  aus  Frankreichs  evangelische  Lehrer  aus* 
schliesslich  kanien,  hier  nur  ihre  Theologen  sich  ausbilden  konn- 
ten; so  umfasste  das  ganze  reformirte  Frankreich  nur  die  Lebren 
Zwingli's  und  Calvin's.    Doch  unter  den  schwachen  Regierungen ' 
Heinrichs  H.  und  seiner  noch  ohnmächtigeren  Söhne  Franz  IL, 
Carls  IX.  und  Heinrichs  III.,  musste  bei  der  intriguanten  Politik 
der  Königin   Catharina   di  Medici,   der  Gemahlin  Heinrichs  II., 
und  des  eben  von  ihr  zuerst  gehobenen  Hauses  Guise  die  Reli- 
gion,  wie  unter  herrschsüchtigen  grausamen  Regenten  es  so  oft 
schon  geschehen  ist,  als  Deckmantel  zur  Ausführung  vielfacher 
politischer  Absichten  dienen,  und  dadurch  wurden  die  langjähri- 
~gen  Religionsbürgerkriege  in  Frankreich  veranlasst,   welche  man 
gewöhnlich   als   die  Kämpfe   mit   den  Hugenotten  darstellt,    die' 
•aber  oftmals  die  edelsten  Catholiken  auf  Seiten   der  Hugenotten 
dicht  an  einander  gereiht  sahen,   um  das   den   ganzen  Staat  er- 
drückende Liebergewicht  der  gefährlichen  Ligue  nieder  zu  halten, 
lieber  dreissig  Jahre  wurde  Frankreich  durch  diese  Kriege  gräss* 


Frankreich.  6S 

Udi  Terb^ert  m^d   Miner  trefflichsten  Männer  beranVi,  bis  daM 
Heinrick  IV.    1589   den    Franxösiftchen    Thr^on   bestieg,   der   als 
Xönig  von  Navarra    zuerst    eifrigst  der-  Sache  der  Reformirtea 
huldigte,  dann  durch  Carl  IX.  gedrängt  der  Römischen  Kirche 
als    €kmahl   der  Fraiisösisehen   Königstochter   Margarethe   sich 
1572  äusserlich  anschloss,  do<$h  schon  vier  Jahre  darauf  wieder  su 
seinen   früheren  Glaubensgenossen  lurückgekehrt  war,   nachdem 
er  sich  dem  Zirange   des  Fransösischen  Hofes   durch   heimliche 
Flueht  entzogen   hatte.     Zwar   opferte  Heinrich   IV.   der   Ruhe 
teinea  Vaterlandes  als  König  abermals^ seine  ,reilgiÖse  Ueberzeu- 
gong,  indem  er  Tier  Jahre  nach  seiner  Thronbesteigung  2593  wieder 
zur  Römisch  -  Cadiolis'chen  Kirche  überging,   weil  der  Bürger- 
krieg ohne  diesen  Uebertritt,   durch  den  Papst  und  Spanien  im- 
mer Ton  neuem   wirksam  angeschürt,   nicht   für   die  Dauer   zu 
Gunsten  des  Hauses  Bourbon  beendigt  werden  zu  kennen  schien, 
indem  mehr  als  neun  2«ehntheile  des  Französischen  Volks  Catho- 
lisch  waren.    Aber  gleichzeitig  sorgte  Heinrich  IV.  auch  für  die 
Ruhe  seiner  treuen  Anhänger  in   der  Noth,   und  gewährte  dei|. 
Reformirten   durch   das   bekannte  Edict  Ton  Nantea  1598  freie 
Attzubung  ihrer  kirchlichen  Lehren  und  Gebräuche. 

Ungeachtet  aller  neuen  Anfechtungen  und  der  wieder  begönne* 
nen  Bü«*gerkriege  mit  den  Reformirten  unter  der  Regierung 
Ludwigs  XIII.,  durfte  Cardinal  Richelieu  doch  aus  Politik  die 
kirchlichen  Protestanten  seines  Staates  nicht  auf  das  äusserste 
bringen,  weil  er  das  Bündniss  mit  den  Deutschen  und  Scandi* 
navischen  Evangelischen  gegen  die  Macht  des  Hauses  Habsbuig 
gebrauchte.  Aber  viel  trauriger  wurde  das  Loos  der  Reformirten 
unter  der  folgenden  Regierung  Ludwigs  XIV.,  als  die  Macht  des 
Hauses  Habsburg  in  Spanien  und  Oestreich  theils  gebrochen^ 
theiU  mit  anderen  Feinden  hinlänglich  beschäftigt  war,  als 
Frankreichs  edelmüthig  gesinnter  Monarch  seine  geistige  und 
körperliche  Kraft  durch  die  übermiissigsten  Ausschweifungen  der 
Sinnlichkeit  zum  Opfer  gebracht  hatte,  auf  solchem  Boden  aber 
Mjsticismus  und  jede  Art  von  Frömmelei  immer  ^Beine  ergiebig- 
sten Früchte  gewann.  Damals  gelang  es  dem  vielvermögenden 
Einflüsse  der  Madame  de  Maintenon,  als  sie  neben  ihrer  eigen- 
thumlichen  Rolle  noch  die  einer  Betschwester  sich  auserkohr, 
von  Ludwig  XIV.  die  Aufhebung  des  Edicts  von  Nantes  gegen 
die  Reformirten  1685  zu  verlangen.     Dadurch  wurden  Hunderte 


64  -Frattkreicfa. 

whI  Tanueiide  der  redlielisten  Pranisogeii  in  efnen  schanderliaf- 
ten  Zustand  autterhalb  des  G^aetzeB  gesetzt,  und  unm^nschtiehe 
Dragonaden  wurden  von  deir  kdnigliehen  Regierung  gw^efaetssen, 
um  auf  die  unehristtiohste  Weise  von  der  Welt  die  Refomiirten 
lom  Uebertritt  sur  Römisch -Catholisehen  Kirehe  zu  zwingen. 
Die  wenigen  Franzosen,  welchen  die  Flucht  ftber  die  Gränze 
her  der  sorgsamen  Bewachung  derselben  gelang,  verbreiteten  als 
Refiigies  gerade  bei  den  gefährlichsten  Feinden  der  Französischen 
Uebermacht,  bei  Friedrich  Wilhelm  dem  gössen  Kurfürsten,  bei 
Wilhelm  III.  dem  Erbstatthalt^  der  Niederlande^  dann  auch  in 
England,  Sinn  und  Geschick  für  die  eigenthttmlichsten  Zweige 
der  Französischen  Industrie,  und  halfen  dadurch  mittelbar  ausser- 
ordentlich den  Nebenbuhlern  ihres  ursprönglichen  Vaterlandes.  Völ- 
lig befreit  von  diesem  Religionsdrucke  und  den  damit  verknöpften 
unmenschlichen  Unthaten,  blieben  aber  die  Evangelisch -Lutheri- 
schen im  Elsass,  welche  erst  unter  Ludwig  XIV.  theils  durch 

,  den  Westphälischen  Frieden,   theils  durch   die  Ueberrumpelung 
Strassburgs  und  die  widerreditlichen  Maassregel  der  Reunions- 

'  kammera  an  Frankreich  gekommen  waren.     Hier  1^^,   abgese-    * 
ben  von  der  vertragsmässigen   kirchlieheu  Duldung*),  schon  die 
Politik  der  Wilkühr  strengere  Bande  an,  wenn  nioht  di^  scho- 
nungslos behandelte  Granzprovinz  sofort  wieder  dem  Französishen 
Staate  verloren  gehen  sollte. 

Höchst  traurig  bis  zur  Entziehung  der  heiligsten  Redite  des 
Menschen  verblieb  <das  Loos  der  geringen  Zahl  der  Reformirten 
in  Languedoe  und  einigen  grösseren  Stödteii  Frankreichs,  so  daas 
in  einem  königlichen  Edicte  des  letzten  Regierungsjahrs  Lud- 
wigs XIV  (1715)  geradezu  herausgesagt  werden  konnte,  es 
gebe  keine  Refbrmirten  in  Frankreich  mehr,  und  unter  Ludwig  XV. 
noch  a<dit/ protestantische  Geistliche  die  Strafe  öffentlicher  Hinrich- 
tung erleiden  mussten,  nur  aus  dem  Grunde  weil  sie  ihrgeistliehes 
Amt  gegen  da«  Gebot  verwaltet  hatlen  *%  Erst  kurz  vor  derC*ran- 


*)  Jonas  Böckelf  Verfassung  der  evangelischen  Lutherischen 
Kirche  in  Frankreich  und  der  reformirten  Kirche  in  de^  beiden 
Rheinh-  Departements,  Strasbui^»  1824  8vo. 

^)  VergL  den  Auszug  vaus  der  oben  angeführten  Wilks  history 


J^raokreich.  65 

stemlieB  lUfotadon  wvrdea  oate*  LadirUc  XVL  die  Rtf(Mwr- 
Cen  wieder  in  das  kür^rliehe  Lebea  gernfea,  aU  des  protettan« 
dsdien  (vonfen  Nedcer  Fittaaseiariolit  g^raueht  wurde  und  ala 
ein  nodiwendige«  Rettmgsniittel  fi^  den  fj^etamaten  Staat  galt^ 
wenn  gleich  sie  erti  einige  Jahre  sy&ter  die  volle  Anerkeaniing 
iWer  bürgerlichen  Rechte  -erlangten,  all  in  der  Vertanunbnig  der 
Notahein  1787  edle  Catholiken;  Maleeherbes,  Breteuil  und  aoeh  )La- 
üajette  dies  alt  eine  anerlassUche  Maaesregel  forderten.  Da  erst  be« 
fohl  Ludwig  XVL  am  10.  Not.  1787  in  einer  Sitsnng  desParii^ 
Parlamenta  denedhen  eine  Acte  an  Grumten  des  Bürgeretandes 
der  chriatliehen  Nicht -Catholiken  ein  zu  regiatriren,  was  jedoeh 
nadi  mancher  Widenetilichkeit  erst  am  29sten  Januar  1788  ge- 
schah« Daraitf  folgte  am  25.  Decemher  17S0  das  Gesets  ül^r  die 
Zulassung  derselben  au  allen  öffentlichen  Aemtem,  in  welchem  sdion 
Torhehalten  wurde,  auch  das  VerhiUtniss  der  Juden  iti  dieser  RQck- 
sieht  m  bestimmen. 


Unterdessen  war  die  Römisch  «Catholisehe  Kirche  in  Frank« 
immer  nodi  mächtiger  geworden,  und  hatte  mehr  als  den 
siehentett  Theil  des  li^enden  Gruodbesitses  an  sich  •  gesogen. 
Schon  im  J.  1654  bestanden  die  Besitzangen  dieser  Kirche  (mit 
Aaisehluss  der  sogenannten  ausländischen  Geiitlichkeity  d«  L  der 
Deutschen  unu  Belgischen  Bischöfe  und  Capitel,  deren  geistliche 
Aufsicht  über  Franxösisch  gewordenes  Territorium  sich  er- 
streckie)  aus  180,000  Lehngütem,  worunter  83,000  mit  Oberge- 
richten (Standesherrschaflen),  ausserdem  aus  240,000  Meiereien 
und  Vorwerken,  1,700,000  Morgen  Weinberge  ausser  den  400,000 
Morgen,  von  denen  die  Geistlichkeit  ^  oder  ^  des  vollen  Wein- 
ertrags  erhielten,  600,000  Morgen  lediger  Feldgüter,  135,000 
Weiher,  QOOfiOO  Morgen  Wiesen,  1,800,000  Morgen  Waldungen 
und  1,400,000  Morgen  Weiden.  Ueberdies  gehörten  der.  Geiste 
liehkeit  245,000  im  Gang  befindliche  Wasserräder  in  Getreide-, 
Papier  -  Möhlen  und  Hammerwerken  aller  Art  Abei;  nicht  min- 
der war  der  grösste  Theil  des  übrigen  Bodens  der  Geistlichkeit 


«.  s.  v.  inEdinbargh  Review  Oct.  1921  p.,  Il9-*8i  und  inSiäodlhi's 
kirchen-historisch.  Archiv.  18^,  Heft  III.  S«  1^15  und  Heft  IV. 
8.  1—45. 

SchnberffStmlftSlt  II.  K 


66    '  Frankreioh. 


j 


lehni^ehtig  und  nidit  leicht  irgend  ein  Grundatüek  su  finden, 
worauf  dieselbe  nicht  dbne  Hjpothek,  "ftente  od^  mindestens  eine 
firomme  Stiftung  besass,  die  eine  jährliche  Abgabe  von  j.  bis  3 
Livres  ,f&r  eine  Messe,  eine  brennende  Lampe  und  dergleithcu 
Pinge  auf  ewige  Zeiten  festgesetzt  hatte:  selbst  die  königliehen 
Domainen  waren  davon  nieht  ausgenommen.  Die  Einkünfte  dpr 
gesammten  Geistliehkeit  schätzte  Necker*)  1781  jährlich  auf 
130,000,000  Livres  (35,000^000  Thlr.)  und  das  Verhältniss  ilikr 
Güter  zu  dem  der  übrigen  Grundbesitzef-,  wie  1 ;  5|,  Es  waf 
aber  auch  zu  Anfang  der  Revolution  1789  die  Zahl  der  regulir- 
ten  Abteien  in  Frankreich  auf  368  gewachsen,  die  der  Mönchs- 
klöster auf  115  und  die  der  Nonnenklöster  auf  253»  wenn  gleich 
die^  Zahl  ihrer  Bewohner  bei  4«r  geistigen  Entwickelung  des 
achtzehnten  Jahrhunderts  sich  sehr  vermindert  hatte:  denn  die 
80,000  Mönche  und  Nonnen  zu  Anfang  der  Regierung  Lud- 
wigs XV.  waren  1789  bereif  auf  20,000  reducirt 

\ 

Was  die  kirchliche  Selbständigkeit  betrifffc,  so  war  abgese- 
hen von  dem  im  §.  ]7z&  erörternden  Verhältnisse  der  Kirche  zum 
Staate,  bereits  seit  dem  Anfang  des  vierzehnten  Jahrhunderts 
die  Stellung  Frankreiciis  gegen  den  Römischen  Stuhl  durch  den 
Aufenthalt  der  Päpste  in  Avignon  die  freieste  geworden,  und  hatte 
unter  allen  Staaten  im  Süden  von  Europa  die  meisten  Privilegien  er* 
worben.  Diese  wurden  2u  eincto  vollständigen  Systeme  der  G  a  1 1  ik  a- 
nischen  )C  ir.chenf  reih  ei  t  auf  demConciliumzuBourges  1438  itt 
der  bekannten  pragmatischen  Sanction  erhoben  und  dem  wesent- 
lichen Inhalte  nach  auch  in  dem  Concordate  zwischen  Papst  Leo  X. 
und  Franz  L  1516  erhalten.  Dies  blieb  die  Norm  bis  zur  Französi- 
schen Revolution,  wo  ganz  Frankreich  mit  Ausschluss  des  päpst- 
lichen (Grcbietes  von  Avignon  in  130  bischöfliche  Diöcesen  ge- 
heilt war,  Avignon  ausserdem  4  Bischöfe  und  die  Idsel  Corsiea 
5  Bisdiümer  hatte.  ,  Die  Nationalversammlung  hob  bereit»  im  er- 
sten Jahre  der  Revolution  am  13.  Februar  1700  alle  geistlichen 
Orden  und  Klöster  auf,  besohloss  am  9.  Apr.  1790  den  Verkauf 
der  geistlichen  Gäter     als  Nationaleigenihum  und  gab  am  27. 


t)'   Im  tekaonten  Compte  i^ndo  au  Roi. 


Frankreich.  67 

Norember   desselben  Jahres   der  Geistlichkeit  eine  rein  bfirger« 

liehe  Verfassung  mit  ausschiiesslicher  Besoldung  von  Seiten  des 

Staate«,   worauf  auch   die  Ehe  am  27.  August  1791   für  einen 

Mo«    liür^eTnchen  <!ontract  erklärt,   jedtf  kirchliche  Einsegnung 

dieses    Verbandes,   sowie    die   der  Geborenen   und  Verstorbenen 

als  überflflssige  Ceremonie  abgeschafft  wurde.   Nicht  lange  darauf 

mvaate  Gberbaupt  die  christliche  Kirche  vor  derVernunftreli- 

gion  weichen,  am  6ten  November  1793  wurde  die  Cathedrale  der 

Hauptstadt  (K.  de  Notre  Dame)  zum  Tempel  der  Vernunft  geweiht, 

and  der  National •  Convent  entehrte  sich,   erst  durch  ein  Dccret 

Cram  7ten  Mai  1794)  das  Dasein  des  höchsten  Wesens  und 

die  Unsterblichkeit  der  Seele  feststezen  zu  wollen.  AU  lieber* 

gang  zur  Rückkehr  zu  den  früheren   kirchlichen  Verhältnissen 

befrachten  wir  das  Decret  des  National-Convents  vom  2ltenFebr» 

1795,  welches  durch  die  Bestimmung  einer  allgemeinen  Reli« 

gionsfreiheit den  verschiedenen  christlichen Rcligibnspartheien 

wenigstens  gleiche  Rechte  mit  den  Anhängern  der  Vemunftreli- 

gion   einräumtei    Das  Sjstem   des  Tkeophilantropismus,   durch 

das  Mitglied  der  Directorialr^erung  Rev eitlere  -  Ltpeamx  selbst 

ausgearbeitet  and  aufrecht  erhalten,  entwickelte  zwar  das  Bedttrf- 

aiss  nach  einer  festeren  kirchlichen  Form,  ohne  es  jedoch  eini- 

g^rauiasen  befriedigen  su  können. 

Als  die  Republik  durch  Napoleon  Bonäparte  die  festere 
Consnlar- Verfassung  erhielt,  so  liess  des  ersten  Consols  Überall 
hervorleuchtende  Verwaltungs*Einsicht  bald  die  Mängel  erkennen, 
welche  aus  einem  anarchischen  Zustande  der  kirdilichen  Ver* 
hähnisse  fUr  die  innere  Ruhe  des  gesammten  Staates  stets  her* 
vorgehen  mussten.  £lr  liess  daher  ein  National -Concilium  für 
die  christliche  Kirche  nach  Paris  zusammenberufen,  welches  km 
2d«  Jun.  1801  in  der  dem  Catholicismus  wiedergegebenen  Metro- 
politankirche  Üoire  Dame  eröffnet  wurde.  Die*  leitete  das  Con- 
cordat  zwischen  der  R^nblik  Frankreich  und  Papst  Pius  Vil. 
am  15ten  Juli  1801  *)    ein,  nach  welchen  die  Röniiich*CathoUsehe 


*).   Bekannt  gemacht  Vurde  dat  Concordat  erst  liach  einem 
Jabre  durch  das  Consulardecret  vom  ISten  Apr.  180^ 

^  6* 


68  Frankreich. 

N 

Kircbe  für  die  lUIigton  der  grotten  Majorität  Jer  FranioMB 
erki&Tt  und  die  WiedereiDtichtung  von  50  bUichöflichen  DiÖoesen 
festgetetxt  wurde »  die  in  der  päbstlichen  Bulle  vom  3ten  Deebr» 
1801  ibre  nähere  Abgränsung  erhielten.  Aber  gleichseitig  wur- 
den auch  die  Verhältnisse  der  Reförmirten  und  Lutheris^ett 
Kirche  vom  ersten  Consul  geordnet ,  und  die  Anhilnger  dersel- 
ben in  ihren  R^obten  mit  den  Römisch-Catholisehen  vdUig  gleich 
gestellt,  so  dass  diese  Consulari sehen  Festsetzungen  bis  auf 
die  heutige  Stunde  die  gesetsliche  Grundlage  für  die  Besiehung 
dieser  beiden  Kirchen  sum  Staate  bilden.  Aber  auch  einige  Jahre 
später  wurden  die  Juden  in  ihren  religiösen  Beziehungen  ein  beson- 
derer Gregenstalid  der  Aufmerksamkeit  Napoleons,  als  er  bereits  die 
kaiserliche  Würde  erlangt  hatte.  Es  wurde  ein  all^emeii^eir  Jüdischer 
Sanhedrin  zu  Paris  am  lOten  Febr.  1807  erröffnet,  der  darauf 
hinarbeitete,  durch  Gleichstellung  in  den  bürgerlichen  Verpflich- 
tungen mit  den  Christen  auch  gleiche  bürgerliche  Berechtigun- 
gen für  die  Juden  zu  erlangen.  Als  Resultat  verblieben  aus  dieser 
Zeit  die  bürgerliche  Verfassung  der  Juden. und  ihre  oberste  Be- 
hörde in  dem  Central-Consistorium  sn  Paris. 


Die  Restauration  der  Bourbons  stellte  zwar  in  dem  Grund- 
gesetze der  Verfassung  vom  4ten  Jun.  1814  als  Hanptnorm  für 
die  allgemeinen  kirchlichen  Verhältnisse  fest  *),  „dass  jeder  Fran- 
zose seine  Religion  mit  gleicher  Freiheit  ausüben  darf  und  ^r 
seinen    Gottesdienst  auf   gleichmässigen    Schutz   Anspruch   hat, 
dass  aber  die  Römisch  -  Cathoiische  Kirche  als  die  des  Staates 
angesehen  wird.**    Doch  gleich  in  den  ersten  Monaten  der  Regie- 
rung Ludwigs  XVllI.  brachen  durch  den  von  den  zurückgekehr- 
ten Priestern  aufgehetzten  Pöbel  blutige  Verfolgungen  gegen  die 
Protestanten  im   südlichen  Frankreich  aus,  die  leider  die  ^beste- 
bende  Regierung  mit  sträflicher  Nachsicht  g^en  die  Catholiken 
um  sich  greifen  liess.    Es  war  daher  eine  natürliche  Folge,  dass 
die  Protestanten  bei  der  Rückkehr  Napoleons  sich  diesem  eng  an- 
jichlossen,  weil  sie  von  demselben  während  «einer  Consular-  und 
Kaiser-Regierung  nur  den  ihnen  vortheühafitesten  Schutz  genos- 


*).  Art.   5  und  6  bei  Pölits  Earop.  Verfass.  Bd.  II.  8.  90. 


Frankreich.  69 

MD  liatteiiy  und  «tamalt  ibre  eigene  Lebeiiiig«fahr  iki  der  Erhaltoag 
Napoleons  ihnen  da«  sichertte  Sehutsmittel  zu  weiten  schien«  Die« 
wirkte  aber  wiedernm  sehr  nachtheiiig  auf  die  Verhältnisse  der 
Protestanten  nach  der  glücklichen .  Besiegang  Napoleons:  der 
Name  Protestant  warde  gleichbedeutend  mit  Anhänger  der  vor- 
maligen kaiserlichen  Regierung,  und  noch  viele  Frevel thaten 
wurden  gegen  die  Reformirten  in  den  Jahren  1815— -16  nament- 
lich im  südlichen  Frankreieli  Tcrftbt,  bil  dass  die  königliche  Re- 
gierung in  ihrem  eigenen  Interresse  derselben  iieheren  Schuts 
g^en  alle  Bedrückungen  gewährte. 

Unterdessen  waren  die  Forderungen  der  Römischen  Curie 
und  nicht  minder  eines  grossen  Theils  der  höheren  Catholischen 
Geistlichkeit  in  Frankreich  auf  die  völlige  Wiederherstellung  der 
Verhältnisse  vor  der  Revolution  gertchtet,  nn<C  da  dem  Willfah- 
ren dieses  Verlangens  tWe  Unmöglichkeit  geradezu  entgegenstand, 
mindestens  .auf  Vermehrung  der  ßisthUmer  und  geistliclien 
Stellen,  so  wie  auf  WiedereinrichtHng  von  Mönchs-  und  Non- 
nenklöstern festgehalten«  Wiewohl  nun  das  Französische  Ge- 
biet gegen  die  Zeit  des  Abschlusses  von  dem  Concordate  Von 
1801  auf  der  ganzen  östlichen  Gränze  vom  Mittelländischen 
Meere  bis  zur  Nordsee  bei;rächtlich  verkleinert  war,  so  wurde 
doch  in  dem  Concordate  vom  17teii  Juni  1817  fast  die  doppelte 
Zahl  der  früher  angegebenen  Bisthümer,  nemlich  92  eingesetzt, 
diese  aber  nach  neuen  Verhandlungen  durch  die  Circumscripcions- 
Bulle  vom  lOten  October  1822  auf  80  beschränkt,  vori  welchen 
14  als  erzbischöfliche  und  W  als  bischöfliche  Diöcesen  einge- 
richtet wurden.  -— 

Di6  gegenwärtige  Zahl  der  Eribisth  ümer  erscheint  nicht  sehr 
Toader  vor  der  Revolution  vorschieden,  da  1789  17  solche  DiÖcesen 
eingerichtet  waren»  wogegen  die  der  BisthÜmer  fast  um  die 
.Hälfte  vermindert  ist*).  Der  Umfang  der  ersbischöfiichen 
Sprengel  ist  aber  sowol  in  Rücksicht  der  Grösse  als^aueh  der 
Bevölkerung  unter  sieh  sehr  verschieden,   swei  derselben,   Paris 


^)  Für  die  fünf  Bischöfe  euf  der  Insel  Corsica  ist  jetzt  ein  ein- 
aiger  in  Ajaccio. 


\ 
I 


70  Frankreich. 

und  Tourn  haben  jeder  7  Suffra^n  -  Bischöfe  mit  einer  Bevöi^ 
Jcerung  von  mehr  als  4,000,000  Seelen,  zwei  wieueram,  Bordeaux 
tind  Besangen,  6  Suffrag.  B.  mit  einer  Berölkerong  von  mehr 
als  3,000,000^  Seelen,  drei  Vienne  (and  Lyon)^  Aix  (Arles  und 
Embmn)  und  Bourges  5  Suffrag.  B.  mit  einer  Bevdlkerong  suri- 
sefaeu  2,500,000  und  1,000,000  Seelen.  Vier  Avignon,  Alhj, 
Rouen  und  Rheims  4  Suffrag.  B.  und  gleichfalls  mit  einer  B^ 
Y&Ikerung  zwischen  2,500,000  und«  1,000,000  Seelen,  endlieh  drei 
Auch,  Toulouse  und  Sens  (mit  Auxerre)  mit  3  Suffrag.  B.  und 
einer  Berölkeruqg  zwischen  1,400,000  und  1,000,000  Seelen. 
Die  bischöflichen  Diöcesen,  wobei  ich  jedoch  bemericen  muss^^ 
das»  jysdes  Erzbisthum  zugleich  auch  noch  eine  besondere  bi- 
schöfliche Diöcese  ur  seinem  nitehsten  Umkreis  besitzt,  kommen 
ziemlich  genau  mit  den  einzelnen  Depi^rtements  überein,  'fähren 

'  aber  steta  den  Namen  von  dem  bischöflichen  Sitze,  der  jedoch 
nicht  immer  mit  der  Departementshauptstadt  zusammenfallt. 
Nur  die  Bisthümer  Vienne  (und  Ljon),  Le  Mans,  Bourges,  Li- 
moges,  Poitiers  und  Strassburg  haben  jedes  zwei  Departementa  zu 

.  ihrem  SprenfjeL 

Die  Einheit  in  der  Catholischen  JfCirche  ist  durch  das  Con- 
cordatTon  1817  und  die  Circumscriptionsbulle  von  1822  insoweit  wie- 
der hergestellt,  dass  nur  eine  Liturgie  und  öin  Catechismus  im  gan- 
zen Staate  gebraucht  werden  sollen,  und  dass  keine  päpstliche  Bulle 
ohne  königliche  Genehmigung  bekannt  gemacht  werden  darf.  Dage- 
gen hat  sie  nach  den  Modificationen  der  Verfassung  von  7ten  Aug. 
1830  aufgehört»  die  Religion  des  Staates  zu  sein^).    Die  geist- 


*).  In  der  Verf.  vom  4ten  Juni  I8I4  heisst  der  j{.  6.:  iJodeksist 
die  Römisch-Cathotische  R^igion  die  Religion  des  Staates  und  §.  7. : 
Die  Diener  der  Römisch  •apostolisch  •catholischen  Religion  und 
jene  der  anderen  christlichen  Gottesrerehrungent  erhalten  allein  ihre 
Besoldungen  aus  dem  königlichen  Schatze:''  während  §.  6  der  Verf. 
V.  7ten  Aug.  1830  beide  Artikel  folgendermaassen  zusammen gefasst  hat. 
,>Die  Diener  der.  Römisch  -  Catholisch  -  apostolischen  Religion,  zu 
welch«'  sidi  die  Mehrheit  der  Franzosen  bekennt,  und  jene  der  üb- 
rigen christlldien  Religionen  erhalten  ihre  Besoldungen  aus  dem, 
Staatsschätze.^ 


Frankreich.  71 

KAcn  A«niter,  welelM  nach  4eB  uateii  iii  der  Anmevkang  ang^- 
fiihftmi  B«stmiiii«i^;en  der  VerfaMiing  Ton  1814 «und  1830,  als 
au  deir  Slaatseanen  beteldete  von  der  Regierung  äiutehlieMÜch 
abhängig  geblid^en  tiady  konnten  jedoch  in  den  onten  lehn  Jah- 
ren nach  der  Restauration  aus  Mangel  an  daAu  taugliehen  Indi- 
iriduen  aidit  Toliatändig  beeeext  werden,  und  eret  unter  Cari  X. 
BMhrfee  seit  1824  sieh  die  Zahl  der  Cleriker .  ansserordentUch, 
fast  bis^aur  Ana^fthernng  an  den  Zustand  des  aohtl^ehnten  Jahr- , 
Imnderts»  erfuhr  aber  seit  1830  nammtlieh  in  denPfiründen  ohne 
Dienste  -  (viele  Domherren/  General  -  Vieare)  eine  betrieb tÜche 
Vmaindorung.  Im  Jahre  1780  sfthlte  man  in  Frankreich  10»000 
DomherreOy  10  Ehrendomhenren  und  General  •  Vieare,  45,000 
Plamr  erster  «md  aweiter  Ciasse  (Cur^),  und  60^000  Vieare  und 
Dessenrans  oder  Hälfspfairer,  also  iber  115^000  ordinirto 
Geistliche. 

Dag^;ett  waren  1824  1827     1828  183» 

Enbischöfe,  Bi|ich(^fe  .      75  80         80  80 

General  -  Vieare  287  458       468  174 

Domherren  1,980  2,598    2,472  600 

Coriäi  2,828  3,002-3,083  3,301 

Dessenrans  22,225  22,358  22,475^  26,776 

Vieare                       '  5,396  &,594    5|765  6,184 
Lebrerhi  theolog.  An« 

stalten  u.  Seminarien  826  1,044    1,044  1,044 

Angehende  Priester  4,894  3,roi    3,254  3,500 

40,335  40,062  40,469  43,552 

Aber  der  Xterns  wurde  auch  in  dieser  Zahl,  wo  auf  750  See- 
len ein  GeiBtKeher  kömmt,  noch  nicht  für  ausreichend  gehalten, 
und  die  Bisehöfe  forderten  dringend  durch  das  Ministerium  dbr 
geistlichen  Angelegenheiten  im  J.  1828  dazu  auf  dieZahl  um  den  vier- 
ten Theil  zu  veriitärken,  und  zwar  nach  den  einzelnen  Bedürfnissen 
in  den  verschiedenen  Abstufungen  attf'52,457  Cieriker,  das  ist  ein 
Cleriker  auf  550  Römische  Catholiken.  Das  Zuströmen  zu  den  BiU 
dongsanstalten  f&r  den  geistlichen  Stand  war  unter  Cari  X.  .überaus 
stark,  hat  sieh  aber  jetzt  durch  die  ausserordentlich  lebhafte  Theil- 
nähme  an  den  politischen  Bewegungen  in  Frankreich  bei  der  Mehr- 
zahl beträchtUch  vermindert    Im  Jahre  1824  befanden  sich  29,379 


7%  Frankroich. 

f 

linge  In  4len  gri^fter^n  diealo^isciheB*  AnftaltM ,  SemiiMTidii  mid 
ColJegieii  und  |828  wurden  «ögar  44,224  gMÜiU^  objj^toh  182? 
5,259  Individ.  aus  denselben  «U  Priester  ordimrt  waren.  F&r 
diese  Anstalten  und  die  Besolduiig  des  gesammten  Catholiseheii 
Clerus  maclite  der  Staat  bereits  1823  einen  Aufwand  von  29^520,000 
Frcs.,  wpsu  noeh  die  einaelnen  Communen  und  Departements  an 
Commi^nalbeitr&gen  7,669,745  Pres.,  hiuafügten,  i^lso  in  Summa 
37,089,745  Frcs.  d.  i.  an  \OfiOO,000  Rthlr.  Im  J.  1829  lieferten 
das  Budget  35,921,000  Ftes,  die  Communalbeiträge  10,322,400 
Pres,  wosu  noc|i  die  Crebührea  mit  15,000,000  Pres,  au  rech- 
nen sind:  also  ^in  Gesanunteinkommen  von  61,222,400  Pres. 
(16,530,048  Thlr.).  Dagegen  gew&hrt  geg^w&rtig  de«  Staat  nur  , 
^r  Besoldung  des  Geistliohen  Standes  ■ftmmtUcher  Confessionen 
25,000,000  Pres.    (6,750,000  T^lr.). 

Die  Mönchs«  und  Nonnenklöster  fanden  seit  der  Rfickkehr 
der  Bourbons  nicht  minder  eine  sehr  reiche  Unterstützung,  und 
die  Upistilnde  der  Zeit,  namentlich  auch  politische  Missstimmung,  - 
die  selbst  aus  ausgeseichneten  Staatsmännern  und  Staal^soffuie- 
ren  Trappisten  hervorbrachte*^),  so  wie  Uetferdruss  aus  Ueber- 
sattigung  an  irdische^i  Lebensgenuss  führten  aahlreiche  Bewoh- 
ner denselben  su.  Die  ehrenwerthen  Anstalten  der  banttherxi- 
gen  Schwestern  und  Brüder,  die  ihre  Sorgfalt  nur  den  verschie- 
densten Zweigen  der  Krankenpflege  widmeten,  so  wie  auch  klös-  ^ 
terliche  Erxiehungsanstalten  für  das  weibliche  Geschlecht,  ^ie  nur 
ilas  Pörmliche'  des  Nonnenthftms  in  sich  aufnahmen,  hatten 
selbst  unter  der  kaiserliehen;  Regierung  krftffigen  Schutz  gefun- 
den und  standen  1814  und  1815  schon  in  hoher  Blüthe,  wenn 
gleich  sie  sich  seit  dieser  Zeit  noch  betrftchtlich  vermehrt  ha- 
ben, da  nach  dem  Bericht  des  Ministers  Clermont  •  Tounere  * 
schon    1822  in   Frankreich  1700   solche  Anstalten,  davon  alleta 


*)  Tergl.  den  Trappisten^ Orden,  in  der  Zeifschrtfl  das  Aus« 
land,  im  Becemberheft  1834,  nr.  351—54,  vro  nach  Französischen 
Quellen  besonders  die  Verdienste  des  Ordensgenerals  Augmttin 
während  der  Reyolution  und  ui|ter  Napoleon,  als  Stitter  neuer 
Klöster  ausserhalb  Frankreichs,  namentlich  in  Irland,  und  dann  wie- 
derum unt^r  Ludwig  XVIII.  Carl  X.  und  Ludwig  Philipp  heraus- 
gehoben worden.  Im  J.  1827  waren  in  Frankreich  bereits  0  Trap- 
pistenklöster. 


• 


i^ 


/ 


^ 


.Frankreich«  73 

Jn  Paris  160  ehigeriditBt  waren.  Aber  dfe  bloe  frommen  und 
kirchliehwi  Uebungen  gewidmeten  Anstalten,  deren  Zweek  gera- 
desa  auf  Entfernung  ans  jem  bürgerliehen  Leben  ausgeht,  kehr- 
ten jedoek  erst  dnreh  die  Restauiation  surüek.  Bis  sum  Jahre 
1820  waren  a^lc^e  S4  Nonnenklöster  errichtet,  bis  1826  172  und 
eine  einsige  Nununer  des  Bulletin  des  Itns  aus  dem  Milrsil82tf 
enthielt  die  königliehe  Bereehtigung  sur  Gründang  von  7  Ursuli* 
nerianenklöster  su  Dijon,  Mets,  Caen,  Bourg,  Montreuil  und 
Poitieis.  Daher  war  die  Zahl  der  Religiösen  ini  Dec.  1822 
saeh  bereits  auf  18,644  wieder  gestiegen,  mehrte  sieh  bis  sum 
Dec  1824  auf  19,27],  1827  bis  auf  20,043,  1828  21,420,  von 
denen  allein  19,340  dem  weiblichen  Oeschlecbte  sugehörten,  da* 
Hinter  freilich  16,000  in  den  ehrenwerthen  geistliehen  Kranken« 
.  anttalten.  Die  Gesammtsahl  dieser  Anstalten  und  der  eigentli- 
chen Klöster  betrug  damals  30JI.  Dadurdi  mehrten  sieh  aber 
auch  wieder  in  einem  grossartigen  Maasutabe  der  jiUirlichen 
Geschenke  und  Yermäcbtnisse  su  kirchlichen  Stiftungen,  die 
seit  1816  jährlich  zwischen  3,000,000  und  6,500,000  Frcs.  betrü- 
gen, 1820  7,000,000  Frcs.  und  1827  gar  13,806,000  Frcs.  er- 
reiehten,  dann  in  siem lieber  Proportion  hU  sum  Jahre  1829  geblie- 
ben sind 9  seit  1830  aber  -»kaum  einen  bemerkenswerthen  Er- 
trag erreiehen.  — 

Die  Gesammtsahl  der  Anhänger  der  Römiseheu  Kirche  be- 
trigt  IS  der  Bevölkerung,  ffegen  30,300,000  Köpfe.  —  Die  See- 
ten  des  Abhe  Chatd  und  des  Saint -Simonismns  können,  da  sie 
itaatsreehtlich  bis  jetst  nicht  anerkannt  sind,  auch  als  ei- 
gene kirchliche  Partheien  noch  nicht  in  Betraobt  gebogen  werden. 

^  II.  Die  Reformirte  Kirche  ist  vorsiigsweise  im,  südwest- 
liehen Frankreich  an  der  Rhone  und  Garonne,  in  den  Departe- 
nents  Gard,  Ard^che,  Drdme,  Lot  und  Garonne,  Losere,  Deux- 
Serres,  He'rault,  Tarn,  Nieder -Charente,  Gironde,  Aveyron,  des 
Unter-  und  Ober-Rheins  und  in  Paris  ausgebreitet  An  6000  Ein* 
gepfarrte  und  darüber,  oder  je  6  bis  7  Kirchspiele  bilden  e^ie 
Pfarr-  oder  Cqnsistorialkirche,  von  -ienen  wiederum  fünf  su  einer' 
Sjmode  gehören.  Im  Ganzen  besitzen  sie  438  'Kirchenspiele  und 
101  Consistbrialkirchen,  davon  in  den  beiden  Rheiodepartements 
4  Consistorialkirchen  mit  27  Kirchspielen  und'  47  Communen; 
eine  theologische  Faeultät   sur  BUduug  ihrer  Geistlicheu  haben 


74  vFrankreich. 

,» 

m  in  Montcuba».    lim  Gesammtiahl  beMgt  ein  Vieisigthaii  der 
BeFölkemng,  gegen  850,000  iiuUvidaeB. 

III.  Die  Eirangelisch-Lutherische  Kirche  findet  in 
den  beiden  Rhein^Departements  hauptB&ehlieh  zahlreiche  Anhän- 
ger, aber  antserdem  in  Paris  mid  in  dem  Deparment  Isere.  Sie 
steht  <  unter  0  Inspectionen,  31  Consistoriaikürchen,  welche  216 
Kirchspiele  i^id  37S  Communen  besitzen.  Das  General -Con- 
sistorium  za  Strassburg,  das  zugleich  die  theologische  Facultät 
nnd  ein  geisdiches  Seminar  zur  Bildung  der  Prediger  unter  sei- 
ner speciellen  Aufsicht  hat,  steht  an  der  Spitze  der  Leitung  der 
kirchlichen  Angelegenheiten.  Die  Oesammtzahl '  der  Evangeli- 
schen beträgt  ein  Sechszigtheil  der  BcTdlkerung,  über  500,000 
Köpfe.  —  Die  Secte  der  Deutschen  Wiedertäufer  z&Mt  in 
den  Departements  des  Doubs  und  der  Vogesen  g^gen  2000 
Anhänger;  wenige  Hermhutei  und  Quädker  werden  nur  vereinzelt 
gefanden.  — 

IV.  Die  Juden,  deren  Zahl  und  Wohnsitze  wir  schon  im 
§.  5  angegeben  haben,  sind  in  der  Verwaltung  ihrer  Religions- 
angelegenh^iten  den  Christen  völlig  gleichgestellt,  und  geniessen 
sogar  seit  1831  das  Recht,  die  Besoldung  ihrer  Rabbiner  aus 
der  Staatscasse  zu  erhalten.  Sie  besitzen  ein  Central -Consisto- 
rium  zu  Paris  und  6  unter  derselben  die  Aufsicht  fährenden 
Consistorial-  Synagogen. 

§.  9. 
Die    verschiedenen  Zweige  der   physischen 
/  Cultur, 

Chafial  (Comte)  de  PtndHßtrü  FrancaUe^  Paris  1819 
Svo.  -—  Lanoi^ieff  de  la  riehesse  territoriale  du  royaume  de 
iPhiiice,  Paris  1819  890.  —  Herbin  de  H alle f (er  war  damals 
Sons  -  €hef  de  Padministration  des  forits)  memorial  statu' 
tique  et  adminisfratif  ^des  foritß  du  royaume  de  France  pour 
fannee  1824  Paris^  bereits  der  dritte  Jahrgang,  der  voll- 
ständigste. '^  Dupin  fCh.)  les  forces  produetives  et  Commerz 
eiales,  bereits  der  dritte  Jahrgang,  der  vollständigste  de  la 
France^  2vol.  Paris  1*827  l8to.  —  Faiseau  -  Lavanne, 
recherches  statistigues  sur  les  forSts  de  la  France ,  Paris  1 829 
4fo.  Ch.  Dupin  evaluation  de  la  somme  des  produits  du  sol 
et  des  ieutes  hs  industries  tn  Fi^anee  et  des  revenus  publice  et 


Fraakreich*  TS 

fSrmphiqmeM,  voL  XXVIIL  S.  l-*«*0. 

Die  gesammte  Bodenflftebe  des  F^ransdiifebea  SCtatag  wurde 
in  einem  officiellen  Beriehte  det  Fiaaniminutert  Grafen  von 
Conretto  auf  116,167,000  Arpene*)  angetohkgen,  die  damalt  mit 
52,800,572  Heetarea  gteiehiutteUen  warea.  Da?t>D  wurden 
45,636,000  Arp.  d.  i.  beinahe  ^^^  als  Ackerland,  7,060,000  Arp. 
oder  fast  ^  ah  Weideland,  fast  dar  gleiche  Flächeninhalt  Toa 
6,076,000  Arp.  als  Wieseb,  11,048,000  Afp.  oder  beinahe  ^^  des 
Fläeheninballs  als  Waldungen,  darunter  wiederum  der  fua^whnte 
Theil  oder  812,000  Arp.  Kastanienwald»  3,054,000  Arp.  oder  ^, 
als  Weingirten,  7I6,00Q  Arp.  oder  etwas  über  ^|^  als  Obstgir^ 
cen,  fast  eben  soriel  859,000  Arp.  f^  den  OemQsebau,  endlich  der 
Rest  von  30,000^000  Arp.,  oder  über  ein  Drittel  dep  gesammten 
Flilcbeninhalts  auf  Unland ,  Strassen ,  Gebäude  nnd  Wasser  be* 
rechnet  In  einem  anonymen  Aperqu  Mtaiütigue  de  la  France  **) 
rom  Jahre  1830,  das  inzwischen*' aus  ausführlichen  Materialien 
ein  Uebersiphtstableau  über  die  verschiedenen  Zweige  der  phy- 
sischen Cultur  gewährt,  sehen  wir  die  gesanltaite  Bodenfläche 
nur'  auf  51,800,062  GLectaren  berechnet  ubd  daron  24,825,776 
Hect  auf  Ackerbau,  also  über  «  des  Flächeninhalts,  4,025,000 
Hect  auf  Weideland  oder  y^^,  fast  eben  soriel  3,008,000  Hect 
auf  Wiesen,  8,710,000  Hect  dagegen  anf  Waldungen  oder  ^^  des 
Flficheninhalts,  davon  nur  ^^  auf  Kastanienwaldungen,  2,227,000 
Heet  oder  ^  auf  Weingärten,  75(H0d0  Hect  oder  ^^  auf  Obst- 
gärten, 030,000  Hect  oder  beinahe  -^^  auf  tiemüsebütt  und  Ta- 
back  berechnet:  es  bleibt  demnach  nur  \  oder  gegen  6,000,000 
Hect  auf  Unland,  Wasser,  Strassen  und  Häuser  su  Terdteiien. 
Da  wir  nnn  ausser  diesen  beiden  Angaben  keine  neuere  nnd 
mehr  begründete  übei  das  Allgemeine  * hiniusufÜgen  wissen,  so 
müssen  wir  uns  für  die  nachfolgenden  Uebersichten  der  einsei- 
nen mehr  beglaubigten  Zweigen  der  phjsischen  Cultur,  wo  nicht 


*)    Der  Arpent  royal  enthalt  160  QPerches  ä  9  QRothen  a  36 
QFuflS»  also  d2y400  QFuss  oder  ungefähr  |  Preuss«  (Magdeb.)  Morgen. 

^    Anflcseigt  in  Bullet  d.  sienc  geogr.  voL  XXT  p*  3V-17. 


\, 


♦ ' 


78  '  Fr  am  kr  ei  ch.^ 

■ 

betondtrtgtittire  Angaben  rorkanden  fiod,  die  wir  Uermit  Ab« 
sieht  ni^ht  eingemitcht  haben,  am  eie  uns  für  unten  venubehet- 
ten,  mit  den /mittleren  Verhftltni8fC|i  iwiedien,  beiden  'begnügen, 
velehe  jedenfalls  aicherer  der  Wahrheit  in  der  G^enwart  wie 
4ie  beiden  Extreme  en^^en  kommen. 

a.  Der  Aekerbau.  Er  wird  am  vorsügUehiten  in  Frank- 
reich in  den  Gegenden  an  der  Loire  und  in  den  nordwestlichen 
Departements  der  Bretagne  und  Normandie  betrieben »,  wogegen  er 
im  Süden  diesesLandes  auch  jetst  noch  mehr  vemachlässigc  ist,  als 
die  natürliche  Beschaffenheit  des  Bodens  und  des  Klimas  es  Tcrstftt. 
ten  würden«  In  jenen  Gegenden  wird  er  mehr  in  grdsseren 
ländlichen  Grundstücken,  hier  dagegen  in  kleineren  Hdfen  ge- 
pflegt: die  Zahl  der  sftmmtlicben  grösseren  und  kleineren 
Grundeigenthümer  Wird  bereits  vqn  Chaptal  auf  3»00Q,000  ange- 
geben, Inswiscben  hat  der  Ackerbau  im  Allgemeinen  doch  un- 
ter der  Restanration  betrüchjtlieh  angenommen,  und  fast  j&hrllch 
sieht  man  grosse  Strecken  uncultinrten  Landes  in  den  Zustand 
der  Urbarkeil  übergehen,  wiewohl  noch  immer  nicht  in  einem  <« 
so  ausgedehntei|  Grade,  namentlich  im  südlichen  Frankreich,  als 
die  natürliche  Fruchtbarkeit  des  Landes  und  die  bereit  stehen- 
den Geld-  und  Henschenkräfte  dasu  auffordern*  Unter  sehn 
Emdten  rechnet  man  in  Frankreich  eine  gute,  drei  schlechte 
und  sechs  vom  Mitt^lertrag.  Dies  aber  reicht  hin,  trota  der  ge- 
stiegenen Beytflkerung  und  der  Tcrmehrten  Anzahl  des  besser  su 
n&hrenden  Viehstandes,  seit  den  letsten  sechssig  Jähren  nicht 
nur  den  Sedarf  des  I#andes  für  Friedensieiten  völlig  an  1>efrie-  . 
digen,  sondern  auch  in  die  westlichen  und  Östlichen  Nachbarlän- 
der durch  Ausfuhr  einen  Theil  des  vorhandenen  Ueberflusses  aussn-  ^ 
führen.  Auf  solche  Weise  ist  mckt  selten  seit  1 785  nach  Spanien, 
bisweilen  auch  seit  1800  nach  der  westlichen  Seh  weis,  nach  Piemont, 
Savoyen,  ja  sogar  bis  nach  dem  südlichen  Rutsland  FranxÖsisches 
Getreide  ^  ausgeführt  worden.  —  Es  wird  in  Frankreich  mehr 
Weisep  als  Roggen  gebaut^  und  der  Ertrag  beider  Getreidearten 
Wechselt  nach  der  Güte  des  Bodens  swischen  dem  fünften  und 
dreisebnten  Korne.  Im  mittleren  und  südlichen  Frankreich 
findet  auch  starker  Anbao  des  Bfais  und  Mohns  statt,  im  nord- 
westlichen und  nordöstlichen  dagegen  wird  verhältnissmässig 
am  stilrksten  Hafer  und  Kartoffeln  gebaut,  ausserdem  werden 
noch  als  bedeutende  landwirthschaftliehe  Erseiigntsse  im  Sü- 
den  Färbekränter,  im  gesammten  nördlichen  Frankreich  Hanf 


t         » 


'    Frankrcieh.  77' 

nnd  Fladn,  in; Ebnes  und  Lothrhigeii  Tabark  geirmmen,  Je4«cb 
Hanf  und  Fiacfaa  noch  nicht  hiiliftnglich  für  dan  eigenen  Be^ 
darf:  denn  der  Staatarath  Graf  von  St  Crf oq  gab,  als  Pr&sident  der 
oberst'en  Handeisbehörde  noch  18279  die  noth wendige  jährliche 
Ausgabe  für  die  Einfuhr  dieser  beiden  Artikel  aus  dem  Aus- 
lände durchsduiittlieh  auf  5,000,000  Frcs.   (1,350,000  Thir.)  an. 

Graf  Ckaptal  bereehnete  für.  das  Jahr  des  Ausbruchs  der 
grossen  Rerolution  1789,  für  gaax  Frankreich  das  im  Ackerhau 
anf  liegenden  Gründstficken,  todten  und  lebenden  Inventare  an« 
gelegte  Capital  sehätiuugsweifte  auf  42,202,023,333  Fros.  oder 
11,394,000,000  Rthlr.,  in  welchem  18,000,000  Arbeiter  mit  Ein- 
■ctttass  ihrer  Frauen  und  Kinder  Unterhalt  fanden,  und  auf  den 
Kopf  durchschnittlich  des  Jahres  einen  Lohn  von  112Frc^.  oder 
30|  Thlr.  erwerben  konnten.  —  Für  das  Jahr  1818  berechnete  der- 
aelKe  Schriftsteller  nach  den  beim  Ministerium  des  Innern  vorlie- 
genden HOlfsmitteln,  das  auf  den  Ackerbau  rerwandte  Capital  auf 
37,522,06 l,67d  Frcs.  oder  10,130,067,000  Rthlr.;  deta  Reinertrag 
des  Ackerbaus  im  jährlichen  Durchschnitte  nach  Abzug  der  dar^ 
auf  Ter  wandten  Kosten  auf  617,600,000  Frcs.  oder  166,752,000 
Rthlr.,  den  Reinertrag  der  Wiesen  auf  190,636,000  Fres.  oder 
51,471,720  Rthlr.,  endlich  den  Reinertrag  dei  Weidelandes  auf 
47,008,000  Frcs.  oder  12,692,160  Rthlr.  *).  —  Ch.  Dupin  hat  in 


*)  Um  zu  diesem  Resultate  eu  gelangen,  giebt  er  ans  dea  ihm 
zu  Gebot  stehenden  o/fidellen  llnifsmittelD  die  durclischDittUche 
Aerodte.  (Der  Hectolitre  ist  =  1  |^  Berlin.  SchefL,  indem  109 
Hectolitres  =  182  Berl.  ScheffeU  ein  Kilogramm  =  ^  Berl.  % 
da  100  Kilogr.  =  3ld,'9;  stehen). 

A.  Von  Getreide.  Hectolitr.  Berl.  Schefil 

Weizen .    61,065,177         lll,l2Q,m 

Mischkom  (Meteil)  aus  Weizen 

und  Roggen  .•••...    11,351,398  20,059,548 

kloggen 26,72^151.  48,634,404 

Gerste  ^ 14,485,070  263^,08^ 

Hirse,  Mais 1<>,646,G80  23,016,094 

Hafer 33,702,863  61,339,278 

Johnen,  Liasen,  Mohn  u.  s.  w.     4,840,734  8,910,074 

Taback      .    . 16,000,000  Kaog.3^143,867'a 

die  einen  Werth   im  Durchschnitt  Yon    l,99l,331|849  Frcs.  od^ 


\ 


78  Frankreich. 

den^  oben  Migeflihrten  Werke  fttr  den  getammten  Aekerbau  bei 
^,818,000  Heet  Aekerfeld,  3,Si5,000  Hect  Weideland,  1,977,000 
Heot  Weinberge,  die  Zabl  Bftmmtlicber  Arbeiter  auf  8,406,037 
Kdpfe  geichätit,   die  dabei  verwandten  Pferdekrilfte,  ein^  Pferd 
mit  sieben  Menschen  gleichgestellt,  auf  den  Ertrag  von  11,200,000 
Menschen  Kf&fte,  die  dabei  rerwandten  Esel,  den  einzelnen  nur  in 
dem  Verhältnisse  der  Kraft  eines  einzigen  erwachsenen  Arbeiters 
gleichgestellt  auf  240,000,  und>  endlich  die  dabei  verwandten  Rind* 
.%iehkräfte,  2  ätick  gleich  fünf  Menschen  gestellt,  der  Kraft  von 
17,432,500  Menschen  gleich  geschätzt,   wodurch  *  ein  Total  von 
Menschen  und  Thierkräfte  Jkervorgebraeht  wird,    das  der  Kraft 
,von  37,278,637   erwachsenen  Arbeitern   gleich   kommt   —  Für 
diese    giebt   Balbi  *)    schätzungsweise    den     durchschnittlichen 
Jathresertrag   in  Getreide   auf   l,900,o6o,000  Pres.,   der  Wiesen 
auf  700,000,e6o,  der  Gemüse,  FrQchte  und  Kräuter  auf  202,000,000 
Pres.,  des  Plachses  und  Hanfes  auf  60,000,00tf  Pres,  an,  also  ein 
Total,  den  Weinbau  nicht  mit  eingerechnet,  von   2,912,000,000 
Pres,  oder  768,240,000  Thlr.  an.    Wie  wenig  exact  auch^olche 
^Zahlen  und  Schätzungen  allerdings  eri|cheinen  müssen,  so  sind 
sie  doch  als  Haltpunkte  für  die  Vergleichung  unentbehrlich,  und 
erregen  si^n   durch   ihre  Aufstellung  mannichfaclien  Reiz   zn 
aus^uemden  Arbeiten  für  ihre  Berichtigung,  also  für  möglichste 
Annäherung  an    diese   stets  nur  mit  reiativW  Wahrheit  zn  be- 
stimmenden statistischen  Gegenstände. 

Der  Wein-  und  Obstbau  stehen  in  Prankreich  auf  der 
höchsten  Stufe.  Der  Weinbau  ist  in  diesem  Lande  in  der  Oe- 
^wart  so  ausgebreitet,  dass  nur  nachstehende  10  Departements 
denselben  nicht  landwirthschaftlich  betreiben,  di^  Depts  Calva- 
dos, C6te$'  du  Nord,  Creuae^  Flnhtere,  Manche,  Nord,  Ome, 
PaM'do' Calais f  Nieder- Seine  und  Somme.  Am  stärksten  ist  er 
in  den  Departements  zwischen  der  Loire  und  Garonne,  wo  zum 
Bebpiel  in  dem  Dept  der  Nieder  -  Charente  dor  mittlere  Durch- 


fi)n,619»64t  Rlhlr.  haben.     Dazu  Hanf^  Flccbs,  Saffran  u.  s.  w.  für 
((l*641»S4p  Pres.,  giebt  einen  Gesammiwerth  von  ],989,973>tf89  Pres, 
oder  514,862,960  Rthlr. 

*     «)  Geographie,  edit  von  1833,  S.  133. 


.  Frankreich.  79 

tdiititt  einen  Jahreiertnig'  von  2,000,000  Hectolitree  (ein  Heetoi- 
litre  =?  87|BerLQiiariL  9  also  beinahe  3  Prts.  Anker)  gewilhrt  Ihm 
«teben  zunächst  die  Depts.  Gironde  und  Herault,  die  jedes  über 
2,000^)00.  HeetoUtres  jähiiich  liefern;  darauf  folgen  die  yjer 
Depts.  Charente»  Nieder -Loire,  Loiret  und  Gard,  mit  einem  Er- 
trage zwischen  1,000,000  bis  2,000,000  Hectolitrcs  in  den  mitt- 
leren Jahren,  dann  zwanzig  Depts.  des  mittleren  Prankreichs  mit 
Eins^uss  des  Var  •  Depts.  in  eineni  Durchschnittsertrage  zwischen 
1,000,000  und  500,000  Hectolitres,  darauf  30  Depts.»  deren  Flä- 
cheninhalt grossen theils  gebirgigt  ist,  mit  Einschluss  von  Cor« 
sica,  zwischen  500,000  und  200,000  Hectolitres  und  endfich  20 
Depts.,  die  ausser  den  Alpen,  dem  Cantal,  Vogesen,.  Ober -Loire' 
zum  nördlichen ,  Fraiikreieh  gehören,  zwischen  200,000  und 
100,000  Hectolitres  bis  zum  Minimum  im  Dept  Morbihan,  wei- 
ches'  in  gewöhnlichen  Jahren  kaum  1000  Hect.  gewährt  *), 
Der  Elrtrag  nach  der  Hectare  gerechnet,  weicht  iU'  den  yerschie* 
denen  Departements  noch  mehr,  wie  bei  dem  Getreidebau  ab; 
während  man  in  den  nordöstlichen  Departements  tfes  Rheins, 
der  Mosel  und  Ardennen,  und  eben  so  im  Departement  der 
Eure  und  Loire  einen  Mittelertrag  Ton  45  bis  55  Heotol.  auf 
die  Hectare  rechnet,  kömmt  es  bei  den  südlicher  gelegenen  nur 
bis  auf  den  dritten,  vierten,  fünften  Theil  desselben,  und  das 
hierin  am  wenigsten  begünstigte  ^Departement  Vaucluse  liefert 
nur  durchschnittlich  5  bis  6  Hectolitres  von  der  Hectare  ^% 
Der  Weinbau  ist  aber,  im  Vergleich  gegen  seinen  Zustand  Tor 
der  Französischen  Revolution,  soi^ohi  was  die  Menge  und 
Grösse  der  Weinberge,    als  auch  was  die  hohe  Stufe  der  Culti- 


*)VergU  Lewis  Goldsmith  statistiqiie  de  la  France,  tra- 
duite  de  VAnglais  par  Eugene  d'Hamecourt,  Frankf.  a.  M.  1834.  Si 
^SlS^'JSi  ich  habe  dieses  Handbuch,  weil  es  fast  ausschliesslich  nur 
die  financfeUen  Terhältnlsse  des  Fianzösischen  Staates  berührt,  des- 
halb oben  unter  den  allgemeinen  Hülfsmitteln  nicht  angeführt.  Das 
Material  ist  in  demselben  nur  lose  zusammengeworfen  und  nach 
der  Verschiedenheit  der  Quellen  von  sehr  verschiedenem  Werthe. 

^)  Jnlliea  tq>ographiedetou8le8  vignobles*  »  A.  Uender-    ^ 
son  the  history  of  the  ancient  and  modern  wines,  London  1825»  4lo.      « 


* 


^ 


80  Frankreich« 

rintng  anbelangt,  «oaaerordentlich  gestiegen;  der  Fiaehenuihalt 
der  Weinberge  hat  sich  um  mehr  ala  dea  vierten  Theil  ver- 
mehrt,  er  betrug  1789  3»2Ö0»000  Arpens,  gegen  1,500^000  Hec- 
tarea,  1817  =  1,736,056  Hectares,  J828  =  1,077,000  Hectarea, 
1K32  gegen  2,010,000  Hect  Die  bessere  Bearbeitung  des  Weins 
gekährtjetst  imDurehschnitt  den  fünften  Theil  des  Ertrages  mehr  als 
Tor  fünfzig  Jahren:  doch  sind  auch  hier  weit  weniger  die  südlichen 
Departements  vorgeschritten,  und  selbst  in  den  Gegenden  der 
Gironde  ist  es  trots  der  Güte' und  des  Werthes  des  Weins  auf 
den^ alten  Standpunkt^  geblieben. 

Nach  Graf  ChaptaPs  Berechnung  fünfjähriger  Materialien  aus 
den  Quellen  des  Ministeriums  deslnnet^n  bissumJ.  1818,  verhielt 
sich  beim  Weine  die  Ausfuhr  sum  Selbstbedarf  folgendergestalt: 
35,358,800  Hectolitres  machen  den  durchschnittlichen  Gesammt- 
ertrag  aus,  die,  nach  den  Weinen  aus  allen  Gattungen  geschfttst 
jedoch  wohl  in  einer  xu  geringen  Angabe,  nur  einen  Rein* 
ertrag  von  88,488,000  Pres,  abwerfen  sollten.  Hievon  würde 
^^  im  Inlande  vertrunken',  ^>^  ins  Ausland  versandt,  und  über 
^j^  SU  Branntwein  und  Weingeist  destillirt,  ron  welchen  Eraeeug- 
nissen  aber  wiederum  beinahe  der  dritte  Theil  ins  Ausland 
fibergeht  Zur  Zelt  der  Revolution  war  die  durchschnittliche 
Ausfuhr  an  Wein  in  den  fünf  Jahren  17|<  ==  32,368,500  Pres., 
im  sweiten  Jahre  des  Consulats  1801  =  50,553,224  Pres.,  darun«- 
ter  15,606,278  Pres,  für  Cognac,  Weingeist  und  Liqueure,  gegen 
das  Ende  der  kaiserliehen  Regierung  1812  =  57,186,276  Pres. 
Der  Hersog  von  Doudeauville  gab  als  Minister  des  königlichen 
Hauses  seit  1824  in  einem  ofüciellen  Comissariatsberichj^e  vor 
den  Kammern  den  jährlichen  Werth  der  Erzeugnisse  des  Wein- 
baus zwischen  600  und  800,000,000  Pres.  (162  bis  216,000,000 
Rthlr.),  aber  viel  richtiger  als  Chaptal  die  Ausfuhr  nur  -auf  ein 
Zwei  und  dreissigtheil  der  Quantit&t  des  Ertrags  an,  und 
den  Verbrauch  für  Branntwein  und  Weingeist  auf  ein  Secha- 
theil  *)•    Mit  dieser  Abschätzung  der  Ausfuhr  steht   auch  mehr 


*)  Im  J.  1827  wurden  in  ganz  Frankreich  35,075,689  Hectolitres 
Wein  gewonnen,  deren  Werth  auf  §40,389,296  Pres,  berechnet  wurde. 
Es  waren  überdies  / 


Ftankre/icb.  81 

in  ÜebeTeittstimmiiiig  der  offieieOe  SeliEtziiiigtwertli  der  Ausfuhr 

des  Weins  und   der  Branntweine,  da  doeh  nur  die  besseren  und 

dieneren  Gattungen  im  Anstände  Absatz  finden.    Die  Steuerlisten 

aber  geben  für   das  Jahr   1822  den   offieiellen   Sehätzungsirerth 

für  Wein  34,500,000  Frcs.    0,315,000  Rthlr. 

^  Ar  Liq.  u.  Brann  tur.    21,000,000    —      5,913,000     — 

Summa        56,400,000  Pres.  15,228,000  Rthlr. 
1823  für  Wein  46,300,000  Frcs.  12,501,000  Rthlr. 

für  Liq.  u.  Branntw.    26,700,000    —      7,20Q,000     — 

Summa  •      73,000,000  Pres.  19,710,000  Rthlr. 

1827  fSr  Wein  47,230,000  Frcs.  12,752,100  Rthlr. 

für  Liq.  u.  Branntw,   ^,710,000    -^      6,401,700     —    ' 

Summa        70,940,000  Frcs.  19,153,800  Rthlr. 

Hieraus  ergtebt  sich  aber  die  ausserordentliche  Wichtigkeit 
des  Weinbaus  für  den  gesaromten  Handel  und  Nationalreich- 
thum  des  Französischen  Volkes,  sowie  der  Einfluss  desselben 
auf  den  auswärtigen  Handel  der  auch  keinesweges  durch  die 
Verordnungen  mehrerer  Süddeutscher  Regierungen,  welche  in 
den  Jahren  1821 — ^22  die  Einfuhr  Französischer  Weine  entweder 
gänzlich  verboten,  oder  doch  sehr  erseh werten,  beschrankt  wor- 
den ist,  sondern  gerade  noch  seit  dieser  Zeit  beträchtlich  sich 
gehoben  htiJL 

Der  Obstbau  wird  in  den  feinsten  Sorten  vonQglich  im 
Centrum  von  Frankreich,  in  der  Umgegend  yon  Toura  und  Or- 
leans mit  Sorgfalt  betrieben:  aber  im  nördlichen  Frankreich  ist  der- 
selbe noch  im  grösseren  Umfange  ein  landwirthschaftlicherNahrungs- 
zweid^  Weiler  hier  nitht  nur  als  Nahrungsmittel  dem  Selbstbedarf  eine 
grosse  Hülfe  gewähi-t,  sondern  auch  zugleich  statt  des  fehlenden  Weins 
durch  den  Cjder  und  Poiree,  ein  aus  Aepfeln  und  Birnen  durch  Gäh- 


an  destillirten  Branntweinen    6,222,8^0  Hectolltrei« 
an  gewöhnlichem  Weingeist        761,945         — 
an  reinem  jVlkokol  469>817         — 

an  Weingeist  aus  den  Trestem    70,000        — 


r  Also  in  Summa     $,514964*2  Hectoliti^,   die 

■icbt  viel  mehr  als  den  sechsten  Theil  der  obigen  Angabe  betragen. 

Sohabcrr«  Sta)(i»tik  IL  '  6 


<v 


82  Frankreich. 

rang  bereitetes  geistiges  GetrUnk  gewinnen  I&sst  Dabei  sind  in  der 
Bretagne,  Normandie  und  vielen  Landstrichen  derkle  deFrance, 
Champagne  und  Pieardie  alle  Landstrassen  und  Seitenwege  mit 
Obstbäumen  bepflanzt,   um  einen  möglichst  grossen  Ertrag  an 
Obst  jährlich  xu  erlangen.  —  Die  gute  essbare  Kastanie  ist  . 
vorzugsweise  in  der  Mitte  von  Frankreich  und  in  allen  Theilen 
des  südlichen  Reichs,  theils  als  für  sich  bestehende  besondere  Pflan- 
zungen, theils  einzeln  angebaut,  dient  hier  hUuüg  als  Brodsurrogat 
und  macht  namentlich  in  den  Sevennen,  den  Nieder -Pjrei^aen 
und    den  Alpengegenden   fast   die  Hauptnahrung   des    gemeinen 
Mannes  ans.     Der  Oelhau  herrscht  vorzugsweise  in  den  Pro- 
vinzen am  Mittelländischen  Meere,  hber  der  Olivenbaum  hat  in 
mehreren  harten  Wintern  der  neueren  Zeit,  namentlich  in  den 
Jahren  1812,  1819  und  1824  ausserordentlich  gelitten,  so  dass 
selbst  die  Üppige  Vegetationskraft  dieses  Theiles  von  Frankreich, 
die  überraschend  den  erstorbenen  Baum  aus  den  Wurzeln  zu  er- 
setzen  sich  bemüht,  dem  so  rasch  auf  einander  gefblgten  wieder- 
holten Verluste  nicht  abzuhelfen  vermochte.     Es  wird  daher  in 
Frankreich  •  nicht  mehr  für  den  Bedaif  des  Landes,  der  allerdings 
ausserordentlich  stark  isf»  bei  dem  grossen  Verbrauch  des  Oels  zur 
Zubereitung  der  Speisen,  ausreichend  Olivenöl  gewonnen,  sondern  es 
bedarf  alljährlich  einer  sehr  starken  Einfuhr,  die  nach  einer  officiel-  , 
len  Angabe  des  Handels-Ministeriums  vom  Jahre  1827,  im  Durch- 
schnitte die  letzten  Jahre  hindurch  die  Summe  von  26,000,000 
Free.  (7,020,000  Thlr.)  erforderte,  wiewohl  die  Einfuhr  nicht  mehr  als 
dan  vierten  Theil  des  jährlichen  Verbrauchs  macht,  da  noch  jetzt  für 
77,000,000  Frcs.  jährlich  im  Lande  bereitet  wird.  Das  in  dem  Handel 
von  Mittel-Europa  unter  dem  Namen  von  Provence-Oel  gewöhnlich 
verkommi*nde  Oel  wird  aus  Jtalien,  vorzüglich  aus  Livomo  und 
<3en  Häfen  des  Königreichs  Neapel  und  Sicilien,  hieKer  einge- 
führt, wie  dieses  schon  s^it  der  Mitte  des  achtzehnten  Jahrhun- 
derts  gewöhnlich  geschah:  die  Frucht  der  Olive  wird  aber  in 
getrockneter  Grestalt  noch  häufig  aus  Marseille  und  anderen  Süd- 
französischen  Häfen    durch   den  Handelsverkehr   nördlich   ver- 
sandt. —  In  Corsica  hat  man  sogar  den  Versuch  von  Thee* 
Anpflanzungen    gemacht,   die   indes«   noch  keinen  bedeutenden 
Erfolg  gehabt  haben  % 


^)  Ueber  den  gesammten  j^astand  des  Ackerbaus  ^fahrend  der 


« 


Frankreich.  83 

b.  Di#  Vi  eh  sucht  itl  im  allgemeinen  in  Frankreich  «ehr 
vemachlitftsigt*),  wir4  auch  nicht  selten  durch  die  localen  Ver- 
hältnisse sehr  beschrankt,  und  mtf  die  dringende  Anforderung 
der  Industrie  hat  der  Schaahsucht  seit  der  Revolution  eine  eifri- 
gere Sorgfalt  Bum  schwanghafteren  Betriebe  errangen.  Das 
Pferd  ist  nur  im  nördlichen  Frankreich,  und  hier  wieder  be* 
sonders  in  der  Normandie,  in  der  Bretagne  und  ausserdem  noch^ 
in  der  Landschaft  Limousin  im  Ansehen  und  Gegenstand  einer 
sorgfältigeren  Viehzucht  Vergleicht  man  die  Zahl  der  Pferde  mit 
den  Menschen,  so  ist  Frankreich  unter  den  ^össeren  Europäi- 
schen der  ärmste  Staat  daran:  denn  während  alle  übrigen  we- 
nigstens 100  Pferde  auf  1000  Mensi^en,  oder  den  sehnten  Theil 
der  menschlichen  Bevölkerung  besitzen,  sinkt  Frankreich  auf  60 
Pferde  gegen  1000  Menschen,  indem  es  in  dem  Umfange  des 
Kaiserthums  1812  nur  2,176,000  Stock  in  dem  heutigen  Um- 
fange aher  1818  1,650,000  Stück  und  1828=1,872,617  Stück 
besass  **).  Frankreich  hat  weder  für  seine  Reiterei,  noch  für 
seineu  Bedarf  an  Ziigthieren  den  hinlängfichen  Zuwachs  auf  sei- 
nem Boden,  und  jährlich  geht  noch  eine  beträchtliche  Geld- 
summe für  die  nothwendige  Einfuhr  derselben  ins  Ausland  verlo- 
ren, grossentheils  nach  dem  nördlichen  Deutschland  und  nach  den 
Oestreichischen  Staaten»  weniger  i^ch  Grossbritanien.  In  den  vier 
lahren  18 J|.  wurden  d5,639  Pferde  in  Frankreich  eingefl(hrt; 
deren  Wcrth  officiell  aaf  30,219,540  Frcs.  oder  8,159,265  Thlr.  ge- 
schätzt wurde,  das  macht  jährlich  im  Durchschnitt  23,906  Pfer4e 
und  7,554,886  Frcs.  oder  2,039,816  Thlr.:  eine  Angabe,  die  auch 
für  den  heutigen  Zustand  noch  als  gültig  im  allgemeinen  aner- 
kannt bleibt.    Die  jährUche  Zuzucht  im  Lande  steigt  nicht  über 


Revolution,  vergl.  die  interressante  üebersicht  von  Herbin,  StaUsti- 
que  gdn^rale  et  particuli^re  de  la  France,  vol.  I.  S.  189—234- 

^)  Vergl.  Ch.  Dupin,  ameliöration  et  mnltiplication  des  grands 
animaux  domesliques  en  France,  und  Senac's  Anzeige  dieser  Ab- 
handlung in  Ferussacs  Bulletin  d.  sc.  geogr.  vol.  IX.  S.  296-^302. 

^*)  Die  in  dem  angeführtea  Aufsats  von  Dnpin  angegebene  Zahl 
von  2>500,000  Stück  für  18-26  \A  ohne  Auctoritat  und  sicher  übertrieben, 
sowie  die  noch  stärkere  bei  Goldsmith  S.  166  durch  einen  Zuschlag 
von  {  des  Betrtigs  auf  die  Angabe  von  18M  hervorgebradiie  Summe 
von  %117|^Ud  Stück  I  wobei  indes«  die  Maulthiere  mitgezählt  sind. 


84  Vrai&kreioli. 

2OO9OOO  FQlleiit  obgleich  die  Zahl  der  Stuten  mehr  all  das  Vier- 
fache deraelben  beträgt;  1825  wurden  02,768  roännliehe,  06,825 
weibliche,  überhaupt  180,503  Füllen  erzielt  Von  Seiten  des 
Staates  geschieht  noch  su  wenig  zur  Unterstützung  der  Pferde- 
zucht; es  werden  zwar  königliehe  Landgestüte  gehalten,  die  in 
28  besonderen  Stationen  zwischen  1200  bis  1300  Zuchthengste 
(1820  ==  1287)  mit  einem  Staatsaufwande  von  1,80&,000  Pres. 
(487,350  Rthlr.)  halten,  um  sie  von  den  grösseren  und  kleinem 
Gutsbesitzern  als  Beschäler  für  ihre  Zuohtstuten  gebrauchen  zu 
lassen.  Aber  wie  wenig  dieses  ausreicht,  bei  dem  geringen  eige- 
nen Eifer  für  Pferdezucht  durch  Privatgestüte,  geht  daraus  her- 
vor, dass  wenn  auch  auf  jeden  Beschäler  40  Stuten  gerechnet^ 
doch  durch  1250  nur  50,000  Stuten,  oder  der  vierte  Theil  der- 
jenigen, welche  jährlich  Füllen  hervorbringen,  gedeckt  werden 
könnten*).  —  Die  Maulthiere  sind  in  dem  mittleren  und 
südlichen  Frankreich  als  Zugthiere  Hehr  gesucht  und  stehen 
verhftltnissmäsig  in  höherem  Preise  als  die  Pferde,  da  recht 
brauchbare  Thiere  selten  unter '500  Frcs.  (135  Rthlr.)  gekauft 
werden.  Die  beiten  werden  in  den  Landschaften  Auvergne  (Dept. 
Cantal)^  Nieder-Poitou,  Limousin  und  Perigord  gezogen  und  ste- 
hen in  so  ausgezeichnetem  Rufe,  dass  nach  Nordspanien  jähr- 
lich eine  beträchtliche  Ausfuhr  stattfindet,  im  Jahre  1827  für 
4,840,000  Frcs.  (1,306,800  "Rdilr.):  ihre  Gesammtzahl  beträgt 
350,000  Stück,  also  auf  lOÖO  Menschen  gegen  11  Stück.  Die 
Esel  werden  im  südlichen  und  westlichen  Frankreich  viel  zahl- 
reicher gehalten  als  die  Pferde,  und  werden  hier  auch  selbst  am 
häufigsten  (Ür  die  landwirthschaftlichen  Arbeiten  gebraucht,  ab^r  im 
nördlichen  nnd  östlichen  sind  sie  fast  von  gleicher  Anzahl  mit  den 
Pferden.  Die  besten  werden  in  der  Provence,  in  Auvergne  und 
Poitou  erzogen,  ihre  Gesammtzahl  steigt  auf  8^000,000  Stück 
d.  i.  auf  ,1000  Menschen  Ol  Stück  •% 


0  Uebersichtllch  nach  den  Departements  in  der  Zeit  des  Con- 
sulats  ist  die  Pferdezucht  behandelt  bei^Herbin  St  G.  vol.  L 
^  S.  a43*-6a 

V         **)  l/eber  das  Maullhier  uud  den  Esel  nach  den  verschiedenen 
Df)>ts.  Uerbitt  L  $.  W)— 66. 


X 


S. 


Frankreich.  65 

Dm  Riatvie^  wird  la  itiürluter  Zahl  and  h  der  beiieB 
BwffliBffciihelt  smner  Hrtaehbarkeh  in  d«r  Normandie  und  in  der 
Bntagae  angeCroffen,.  welche  beide  Landgchaften  auch  einen 
grasaen  Theil  dea  Bedaifa  an  Butter  fttr  den  geaammten  ^ran- 
idaiadien  Staat  liefern«  Aber  der  Bfangel  an  Weide  und  Wie- 
•ea,  welchen  ein  BUck  auf  die  oben  angeführten  Angaben,  über 
die  Verdieilnng  der  Bodenfläche  im  Vergleich  su  andern  Län- 
dern erweiaty  beeinträchtigen  dergestalt  die  Rindriehiueht,  d^ 
(raakreich  in  diesem  wichtigen  Theil  dea  Erwerbe  der  nethwendi* 
gen  LebensbedOrfiiifte  bis  jetst  noch  in  Abhängigkeit  Tom  Aus- 
lände Tcrbleib^  und  alljähriich  nodi  Sdilachtvieh  und  andere  Er- 
seugiusse  dieses  Zweiges  der  phjsischen  Cfdtur  eipfihren  muss. 
Nach  Dupin«)  wurde  in  den  Jahren  1820-^26  12  bb  17,000  Stiere 
ud  Ochsen,  14  bis  2%500  Kfthe,  5000  bu  13,000  Kälber,  über- 
haupt also  29,000  bis  5^,500  Stüdc  grüneres  Hornvieh  Jährlieh 
eingeführt,  dessen  Werth  iwischen  5,500,000  und  9,000^000 
Frcs.  (swischen  1,485,000  und  2,430,000  RM.)  dem  Auslande 
euibraehte;  aussordem  ging  aber  noch  die  doppelte  Summe 
Iv  Käse,  Butter,  Talg,  rohe  und  gegerbte  Häute  ins  Ausland. 
Eine  ofiicielle  Angabe  des  Handels -Ministeriums  wies  für  das 
Jahr  1827  eine  Einfulir  nach  Ton  13,000  Ochsen  und  Stieren, 
25,000  Kühen,  für  Käse  3,000,000  Frcs.,  für  Butter  J,000,000 
FresL,  für  rohe  Häute  von  13,000,000  Pres.,  in  Sfumma  für  Er- 
aeugnisse  der  lUndviehsucht  für  27,000,000  Pres  (7,290,000 
RthlK  — >  Der  gesammte  Rindviehbestand  betn^  1803  in  Prank- 
reich bei  seinem  damals  erweiterten  Gränsbestande  6,084,500 
Stuck**),  1812  nach  Chaptal  auf  dem  heutigen  Territorium 
0,081,952  Stück  und  zwar  1,915,871  Stiere  und  Ochsen,  3,909,959 
Kühe  und  850,122.  Stück  Jungvieh;  |828  susammen  6,973,400 
Stück,  d.  L  auf  1000  S.  Bevölkerung  213  Stück  R. 

Die  Schaafsucht,    in    dem  gegenwärtigen   J';hThunderte 
dc^am  eifrigsten  in  Frankreich  betriebene  Zweig  der  Vichsucht, 


*)  Bullet,  d.  sc  geogr.  voL  X.  S.  299. 
^}  Vergl.  Uerbin  a.  a.  O.  a  266*79» 


86  ,  Frankr^lcli. 

findet  auch  von  Seiten  dea  CHnMit  und  4«r'  natMieben  Beschaf- 
fenheit des  Bodens  in  den  hergigten  Gegenden  de«  mittlerem 
und  südlichen  Frankreichs  eine  aehr  tre^iche  Unterstützung. 
Die  Versuche  unter  der '  {tegierung  Ludiriga  XV.  und  Lud- 
wigs XVI.  die  Französische  Schaafsucht  durch  Eanfiihrung  der 
Spanischen  Merinos  zu  reredeln,  führten  zu  keinem  dem  Wohle 
des  ganzen  Landes  gedeihHchoi  Resultate.  Erst  durch  Napoleon 
wurden  auf  iweckmässigere  Weise  dieso^  Versuche  for^esetzt; 
und«  sie  erlangten  einen  glänzenden  Erfolg,^  als  durch  die  Fran- 
zösisehe  Besetzung  Spanien«  ganze  feine  Schiuifheerden  Über  die 
Pyrenäen  nach  Frankreich  entführt  und  19  die  grossen  kaiser- 
lichen Stammschitfereien  zu  KapibouUlet,  Perpignaü  und  Pompa- 
dour verpflanzt  wurden ,  um  von  hier  aus  durch  vielseitige  Mit- 
theilung  über  ganz  Frankreich  eine  veredelte  Schaafzucht  zu 
verbreiten.  Wie  nun  in  derselben  Zeit  durch  di«  Continental« 
kperre  die  meisten  Zweige  der  Französischen  Industrie  und  na«« 
mentlich  die  Wollemanufacturen  eine  erzwungene,  aber  auf  sich 
Mlein  hingewiesene  verstärkte  Betriebsamkeit  erUagten»  so  wurden 
durch  das  Emporsteigen  der  WoUmanufacturen  den  auf  veredelte 
Schaafzucht  angelegten^  Capitalien  die  gewisseatea  und  bedeu- 
tendsten Renten  gesichert  Dies  blieb  auch  in  demselben  Ve;« 
hältnisse  nach  der  Restauration  %  wie  wohl  auch  jetzt  nocb  die 
feinste  Wolle,  wie  sie  die  Sächsischen,  Schlesischen »  Branden- 
burgischen  und  Mährischen  Electoral- Schäfereien  hervorbringen, 
nicht  erzielt  wird,  sondern  auf  Deutschen  Märkten  eingekauft 
werden  muss**).  Der  gesammte  Schaafbestand  war  bereits 
1812  auf  dem  heudgen  Territorium  35,188,000  Stück,  1827  auf 
30,000,000  Stück  berechnet,  darunter  nach  den  Angaben  des 
ersten  Wollfabrikanten  Tejrnaux,  mit  denen  überdies  die  officiel- 
len  Uebersichten,  die  bei  den  Debatten  der  Deputirtenkaramer 
1828  gebraucht  wurden,  übereinstimmten,  waren  jedoch  1827  in 
Frankreich  nur  40,000  ganz  feine  Schaafe  gleich  den  Sächsiachea 


m   >m 


*>  Die  Tttchfabrikatlon  brachte  allein  schon  18^3  Waaren  für 
150,000,000  Frcs.  (40,500,000  Rthl.)  hervor,  darunter  allein  Shawls 
und  CiBscheroire  für  24,000,000  Frcs«,  obgleich  dieser  Gewerbzwerg 
;ttoch  Dicht  lan^e  betrieben  wurde. 

^>  Nadi  Ch.  Dupin  a.  a.  O.  8.  Jbl. 


FraAkr«ich.  87 

Eleetorml-Sdiaafe,  100,000  gertagere  Merioo«.  5,S40,000  Metit- 
Sdiamfe»  die  ftbrigen  34,000,000  gemeine;  also  die  gans  Teredel- 
ten   and   baibreredelten  Terfaiellen  sieh  noch  '|u  den  gemeinen, 
wie  1  :   7;   vnd  anf  1000  Bfenaehan  Berölkerung  kamen   1206 
Sehaafe.     Uer  Bedarf  an  Wolle  wurde  auch  in  FraUkreieh  noch 
nicht  amsreiehead  herrergebracht»  wiewohl  in  den  Jahren  I9|« 
der   j&hrliche    Ertrag    dardlseinlttlleh    42,000,000    Kilogramme 
(90,000,000  9  Berl.)  betrag,  deren  Werdi  aber  Temavx  nnr  anf 
113,890,000  Frct.   (30,739,500  RthL)   wegen   der  überwiegenden 
Maase   grober  Wolle   angab.     Die  Einfuhr  an  Wolle   stieg  im 
Jahr  1827  auf  5,000,000  Kilogramme  (H>,7!4,286  9;  Bcri.),  deren 
officieller  Sch&tzungswerth   In   den   Steoerlisten  anf  10,600,(X)0 
Frcs.  (2,862,000  Rthl)  stand*).   Im  Jahre  1833  wurden  9,148,274 
KUog.  gemeine  Wolle  fOr  15,990,812  Free,  1,557,039  Kiiog. 
feine   f^   5,767,077  Pres,   und  220,439  Kilog.   sehr  ^ine   für 
1,282,253  Frcs.  zusammen  10,925,752  Kilog.  (23,41:^326  9  Berl.) 
fftr  23,041,142  Frcs.   <6,221,099,  RthL)   eingeführt     Ausserdem 
wurden  aber  auch  noch  Jährlich  an  Schlachtvieh  im  Durchschnitt 
gegen  200,000  Ehmmel  im  Werthe  von  5,000,000  Frcs.  (1,350,000 
RthL)  in  Frankreich  eingef&hrt  -^  Die  Ziege  ist  in  den  Thä- 
lern  der  Alpen  und  Pjrrenaen  das  Haüptthier,  ausserdem  noch 
auf  Corsica  und  in  der  Aurergne  sahireich  gehalten,  sonst  nnr 
einzeln    über  Frankreich    zerstreut:    ihre   Crcsammtsahl  beträgt 
900,000  Stfick,  d.  L  auf  1000  Menschen  Bevölkerung  27  St  — 
Von  dem  überall  in  Europa  verbreiteten  und  nur  selten  durch 
Localhindemisse  beschränkten  Hautdiiere,  dem  Schweine  wer- 
den  in  Frankreich  gegen  4,500,000  St  gehalten,  (d.  i.   146  St 
auf  1000  S.  BevöL),  die  gesuchtesten  in  Gascogne  und  überhaupt 
in    den  Nieder  •  Pjrrenaen « Gegendei^   —    Zählen   wir   nun   die 
obigen  Angaben  von  den  einzelnen  Zwsigen  der  Viehzucht  zu- 
sammen,  so   erhatten   wir   57,136,000  St  ip'ttsserer  Hausthiere, 
'  das  giebt  1753  Stück  auf  1000  Individuen  der  Bevölkerung  und 
5664  Stück   auf  eine  QMeile.     Der  Gesammtertrag  der  Vieh- 


*)  üeber  die  elgenthfimKchen  Französischen  Sehaafe  and  die 
Verschiedenheit  .des  Werths  der  besonderen  landschaftliehen  Ra^en 
vergL  Herfola  a.  a.  t).  8.  179-90. 


'88  Frankreich, 

sodit  wwNle  ¥011  Chiytel  1818  a«f  733^000^000  Fm.  (107,010,000 
Rdil.)  getchitit 

e.  Der  Seidenbau  «nd  die  Bienensneht  DerSeiden- 
ben  beginnt  in  Frankreiek  erst  unter  der  Regierung  Hein- 
richs IV.,  indem  die  ersten  Maulbeerbftame  in  der  Provence 
nach  dem  Jahre  1600  angepflanzt  wurden.  Von  der  Regierang 
eben  so  fehr,  wie  Ton  dem  Klima  in  den  Rbonegegenden  unter- 
halb Ljon  begünstigt,  breitete  er  sich- so  raseh  aus,  dass  er  be- 
reits nach  einem  Jahrhunderte  ein  Hauptnahmngszweig  der  Be- 
wohner dieser  Gegend  wurde.  Abcv  gleichseitig  erhoben  sich 
auch  die  Franiösischen  Seide  •Manufttetnren  au  den  Torzäglich- 
sten  in  EUiropa«  indem  sie  die  Italienischen  aus  einem  grossen 
Besirice  ihres  früheren  Handelsreikehrs  Terdrftngten.  Dadurch 
stieg  der  Bedarf  an  roher  Seide  in  Frankreich  so  ausserordent* 
lieh,  dass,  da  der  Seidenbau  durch  die  klimatische  Beschr&n- 
kuBg  des  Gedeihens  des  Maull>eerbaums  im  mittlren  und  ndr^l- 
liehen  Frankreich  nur  späriieh  aufkommen  konnte  %  «selbst  noch 
die  näheren  Umgebungen  Lyons  im  rauhen  Nordostwinde  auf 
ein  nicht  zu  besiegendes  Hindemiu  stiessen,  und  eine  betritohtliche 
Einfuhr  an  roher  Seide  aus  Italien,  Spanien,  der  Levante  und 
China  sich  ununferbrochen  nothwendig  machte.  Schon  vor  der 
Revolution  war  die  Einfuhr  bis  auf  28,000,000  Frcs.  gestiegen 
und  hatte  1784  sogar  die  Summe  von  20,582,000  Frcs.  (7,087,140 
Rdil.)  erreicht,  die  indess  stets  durch  die  Ausfuhr  an  verfertigten 
Stoffen  nach  dem  nördlicher  und  östlicher  gelegenen  Auslände  wieder 
eingeholt  wurde.  Gegenwärtig  steigt  der'Elrtrag  der  in  Frank* 
reich  selbst  gebauten  Seide  in  mittleren  Jahren  durchschnittlich 
auf  mehr  als  2,750,000  <&»  deren  Werth  06,000,000  Frcs.  oder 
17,820,000  RthL  beträgt  Die  Einfuhr  an  roher  Seide,  jetzt  vor- 
nemltch  aus  Italien  (Piemont,  Neapel*  und  Sicilien)  erfordert  nach 
einer  officiellen  Angabe  des  Finanzministeriums  vom  Jahre  1827 
durchschnittlich  nodi  die  Summe  von  40,000,000  Frcs.  (10,800,000 


*)  Ueber  den  Seidenbau  und  seine  verschiedenartigen  Erfolge 
in  den  einzelnen  Departements  finden  wir  sehr  brauchbare  Nach- 
^iÜitcn  bei  'Herbin  a.  a.  O.  S.  300-433.  und  bei  Peuchet^  dictionaire 
de  geographi«  commer^ante,  Introduct.  S.  t96-*<^300. 


Frankreiclu  89 

RdiUi  ~  DI0  Blen6Bsaoht  wird  tm  ttiilc^em  im  w«sdieiMii 
Frankreich  betrieben  *),  namentlich  in  den  Gegendwi  nördlich 
und  südlich  ron  der  Loire,  nnd  bleibt  Jetit  weniger  w^en  det 
Honig^,  ak  de«  gtorkea  Verbraueht  an  Wacht  in  Amehen,  das 
inzrächen  keineswegee  mm  autreichenden  Bedarfe  in  Frank- 
reich gewonnen  wird.  Der  jährlLche  Ertrag  an  Honig  und 
Wacht  wird  über  6,000,000  Frct.  (I,a20»000  Rthi.) 


d.    Forttincht  nnd  Jagd.     Die  Forttaoleht  lat  dnreh  die 
grialichen  Verwüstungen  während  der  Revelation  nnd  durch  die 
Vertchlendemng    der    ansehnliobtten   Staatawaldjingen '  autteror- 
dentlidi  heruntergekommen,  und  konnte  auch  whhresd  der  Kai- 
lenegiening  bei  den  fortdauernden  Störungen»  die  dieter  Zweig 
der  ph/titchen  Cultur  durch  die  polititchen  Ereignitte  erfahren 
mDtste,  tich  nicht  su  der  früheren  trefflichefi  Pflege  wieder  er- 
heben.    Erst  nach  der  Rettauration  begann  wieder  eine'  rogei- 
nittigere  Forttwirthtchaft,  die  um  to  noth wendiger  wurde,  alt 
die  Wiederherstellung  der  FransÖtitchen  Flotte  den  Hangel  an 
grottem  Sehiffbauholze  am  empfindlichtten  fühlen  liett,  die  frü- 
here Hülfe  det  achtiehnten  Jahrhunderte,  die  aut  den  Fransöti- 
f  cben-Nord- Amerikanitchen  Betitsungen  Kerbeigeholt  wurde,  feUte, 
nnd  die  kottliare  Holi-Einfuhr  aut  den  Ruttitchen  und  Preutti- 
ichen  Osttee  «Provinzen,  die  namentlich  in  den  Jahren  1821—^24 
tich  betondert  lebhaft  seigte,  eine  neue  Abhing  igkeit  vom  Autlande 
henrorrief.  Nach  dem  oben  angeführten  Werke  von  Herbin  de  H^llle 
worden  die  nutsharen  Waldungen  im  Gänsen  nur  auf  6,521,470 
Hectaren**)  (25,542,424  Prtt.  Morg.)  angetchlagen,  darunter  aber 
aar  ein  V-'ersehntheil^  460,000  Hectaren  mit  Hochwald  bedeckt. 
Vor    der   Revolution  wurden  aber   doppelt  ao  viel  Waldungen, 
gegen  25,000,000  Arpent  oder  12,000,000  Hectaren  angetroÄen. 
Von  dieten  6,521,470  Hectaren  Waldungen  gehörte  noch  nicht  ein 
Seehttel,  1,122,832  Hectaren  den  Staatt-Domainen  lu,  ein  Fünf- 
andswansigtheil  der  Krone  und  den  Primen  des  königlichen  Hautaa, 


••  • 


♦)  Vergl.  Herbin  a.  a.  O^  8.  386—99. 

**)  Vergl.   über  die  Vertheilung  derselben  nach  den  einzelnen 
DqMurtemenli  Ferustae  BuUet»  det  sc  geogr.  T.  IL.  S.  108—6.  — 


90  Frankreich. 

Blmltdi  den  KffoiMloiiMiinen  65,009  ^HeetareB  und  deo  Prinien 
192,390  Hecttren;  über  drei  Zehntheile  waren  »Eigenthom  einzel- 
ner C^emeinen  und  dffentlicher  Anstalten,  nftmlich  1,890,745  He- 
ctaren,  endlich  fast  gerade  die  Hälfte,  3,243,528  Hectaren,  war 
in  die  H&nde  von  Privatbeiitieni  gekommen.  Der  Jährliche  Er- 
tn^.der  Waldungen . wurde  ron  Chaptal  1818  auf  85,000,000 
Frcs.  (2^050,000  Rthlr.)  berechnet,  wofür  141,450,009  Cubikfuss 
Bauholi  und  11,786,000  Klafter  Brennhols  geschlagen  wurden. 
Ckkldanddi  *)  rechnet  dagegen  g^enwärtig  den  Jährlichen  Durch- 
vohnilt  Ar  Bauhok  auf  175,000,000  Pres.,  Breniihols  und  Reis- 
hols  auf  141,440,000  Frcs.,  also  ein  Total  von  316,440,000  Pres, 
oder  85,598,800  Rthlr.,  während  Fatseau  Lavanne  den  Reinertrag 
der  Staatiwaldungen,  also  des  sechsten  Theils  der  mit  Wald  besetz- 
ten Bodenfläche  für  das  Jahr  1829  auf  22,000,000  Pres.,  (5,940,000 
Rthlr.)  ermässigt  Doch  mnss  man  überhaupt  in  der  C?egenwart  bei 
Frankreich  ron  Holzmangel  sprechen,  der  zwar  eben  so  bei  den  Ge- 
bäuden dnrch  einen  grossen  Reichthum  an  brauchbaren  Bruch- 
steinen, sowie  als  Brennmaterial  durch  den  Tielfachen  C^ebrauch 
der  Steinkohlen,  dea  Torfs,  Strohs  und  der  Pflanzenstengel  einiger- 
niftassen  ersetzt  wird.  Aber  an  mehreren  Orten  tritt  der  Holz- 
mangel ata  bedeutendes  Hindernisi  der  Anlage  neuer  Eisen-Ham- 
mer und  anderer  zum  Bergbau  und  zur  Metallverarbeitung  nothwen- 
digen  grossen  Werken  entgegen.  Am  holzreichsten  sind  einige 
der  Ostfichen  Departements,  wie  der  Oberrhein,  die  Vogesen, 
Jura,  Meurfte  und  die  Insel  Corsica,  wo  beinahe  ^  der  Boden- 
fläche den  Waldungen  zugerechnet  werden  must.  Dagegen  ist  in 
den  nordwestlichen  und  westlichen  Departements,  sowie  in  den  süd- 
lichen an  der  Rhone,  kaum  ^j^  der  Bodenfläche  als  schwache, 
wenig  ergiebige  Holzung  zu  rechnen.  —Die  Jagd  wird  über  ganz 
Frankreich,  Jedoch  mehr  all  ein  Vergnügen,  aU  wie  eine  ernste 
Berufs-BescMkftigung  betrieben,  und  wenn  ihr  Ertrag  ftti^den  inneren 
Bedarf  verhältnissmäisig  auch  sehr  ergiebig  ist,  «o  erhebt  er  sich 
doch  nid^t  su  einem  bemerkbareren  Momente  füf  die  statiktischen 
Ergebnisse  des  Nationalreichthumt. 

e.  Die  Fischerei  war  während  der  Revolution  theils  durch  den 
Verlust  der  Nordamerikanischen  Fischerei-StationeB,  theils  durch 


«)  a  SMätlsttque  de  la  France.    8.  161 


Frankreich.  fl 

im  Süvw^flit  4mt  KkMfmMknßt  im  dmk  Eumptifdi«»  Gewftsa«ni 
ir«a  S^toa  4er  fi^^lAailer,  Aeüfl  endlich  durch  die  Aul)ieh«ng 
te  itKegercti  FeslNi-Gebtiiiche  hei  den  Anhiagem  der  Cethe- 
Utcben  KiI^ehe  «ehr  hemiUargekemaiM*  Sie  hob  «ich,  wm  dea 
Fvig  der  Seefische  heUifft,  nur  langtaei  unter  Napoleon,  Sie 
erhielt  eher  Bofort  durch  die  königtiehe  Regiermig  »ec)i  der 
Reeti^redon  neee  AafnnuUening,  indem  ein  Tiieil  der  frfiberan 
Scmdonea  für  det  grössere  Crcwerhe  der  Seefitohefei  an  Frank- 
reich snrdekkasiy  mnd  dtr  Gtrvm  der  Römischen  Kirche  durch 
eifrige  Anempfehhmg  einer  strengeren  fi^eacbtong.  de?  Fasten- 
speisen  den  Bedarf  an  Fisdien  ftherhaopt,  und  namentlich  sn 
getrockneten  Seefis^en  w^^  des  leichteren  Transportes  nad 
der  gröisciea  Baitharkeit  in  diesen  südlichen  Gegenden  wieder 
stark  rcigiisserte,  Ludwig  XVIII.  ertheüte  daher  schon  durdi 
die  Verordnung  voin  lüten  Mars  1816  bedeutende  Belustigun- 
gen den  Fransösischen  Seefahrern  für  den  Fischfang  in  4^*^  ^'^^^ 
femten  Heeren,  und  Hess  su  noch  grösserer  Aufmunterung  des- 
selben dne  st&rke  Erhöhung  des  Zolls  auf  die  aus  dem  Auslande 
eingefilurten  Seefitehe  eintreten.  Auf  gleiche  Weise  vorjdieilhaft 
war  das  königliche  £dict  vom  8ten  Januar  1823,  das  den  Wall- 
üsdi-Schiffem  bd  ihrer  Meldung  sur  Anstellung  im  königlichen 
Dienste  die  in,  jenem  Fischfange  verlebten  Uebangsjahre  alt 
Dient^ahre  anrechnen  su  lassen  verhiess.  Daher  nahm  man 
in  allen  Fransötischen  Häfen  einen  allgemeinen  und  lebhaften 
Antheil  an  der  Ausrüttung  von  Fahrzeugen  auf  grossen  Seefisch- 
fang. Besonders  aber  zeichneten  sich  die  Nord -Französischen 
Eläfen,  durch  ihre  Lage  begünstigt,  bei  dem  Wallfisehftuige  und 
der  Heeringsjftgerei  aus.  St.  Male  schickte  bereits  1816  allein 
460O  Matrosen  auf  den  Kabliaufang  nach  Terreneuve  (New- 
Foundland)  aus,  nicht  minder  wurde  der  Wallfisehfang  bei  Grön- 
l'^udd  von  hier  aus  und  von  Oieppe  wieder  versucht  Fecamp, 
JDieppe,  St  Valery  und  Boulogne  'uemühen  sich  vomemlich  um  die 
durch  die  Verordnung  vom  4ten  Jan.  1822  für  alle  Französischen 
Schiffe  frei  erklärte  Heeringsjägerei,  so  wie  die  Häfen  des  Depts. 
Finistere  mit  885  Fahrzeugen  bei  dem  Sardellenfange  vorzugsweise 
beschäftigt  sind*)  und  einen  jährlichen  Gewinn  von  2,110,000 
Frc  (567,000  Rdilr.)  im  Durchschnitte  auf  dieser  Fischerei  er- 


*)  Notice  dUitlstiqae  sur  le  departemenc  de  Finistere  bei  Perus- 
sae  Bvllet  d.  sc.  Geogr.  XVI«,  &  I2i--Ui. 


9%  i^rankreicli. 

werben.  Utraeille  mid  die  Hifen  der  Insel  Cortlea  haken  den 
ihnen  eigeathiloilielien  ThntiiUclifang  aof  dem  Mittell&nditehen 
Meere.  Der  Auiternfang  ist  an  eäniRitlichen  Küsten  Frank- 
reichs allgemein^  und  bedf^itend^  TomemUch  aber  in  der  Bucht 
von  Caneal,  an  der  Küste  der  Bretagne  nahe  bei  der  Gränse 
der  Normandie.  —  Der  Gesanimtertrag  der  FischfKrei  lässt  sich 
schwer  angeben,  da  er  als  Gegenstand  der  physischen  Cultur 
und  ^  des  Handels  sich  vielfach  durchkreuct.:  der  für  den  inneren 
Bedarf  allein  hinlängliche  Fischfang  in  deiti  süssen  Wasser  wird 
von  Goldsmith  auf  20,000,000  Frcs.  (5,400,000  Rtlil.)  geschätxt; 
etwas  höher  dürfte  wohl  der  Seelischfang  seinen  Gewion  stei- 
gern, da  die  H&fen  der  Bretagne  allein  ihn  Jährlich  auf  4,000,000 
Frcs.  unter  Carl  X.  berechneten.  Der  Gesammtertrag  ist  also 
kaum  za  stark  auf  13/M)0,000  RthL  j&hrlieh  sa  schatsen,  — 

f.  Der  Bergbau  ist  im  FranasÖsiichen  Staate  im  Vergleich 
zn  den  reichen  Metallländern  Europas  nur  unbedeutend.  Er  be- 
schäftigt gegenwärtig  [(18JJ)  in  Erzminen  überhaupt  30,000  Ar- 
beiter, und  nimmt  in  520  Minen  einen  Flächeninhalt  von  1318 
QLieues  oder  6269  Kilometer  *).  ein.  Was  die  edlen  Metalle  be- 
trifft,  so  fand  man  im  Alterthuiue  Gold  und  Silber  in  nicht 
-  ganz  unbedeutender  Masse  im  südlichen  Gallien  **>.  Im  Mittel- 
alter ^ieng  dieier  Zweig  des  Bergbaus  ein,  ,und  in  der  neueren 
Zeit  wurde  nur  eine  einzige  Mine  auf  Gold  im  Dept,  Is^e  seit 
dem  achtzehnten  Jahrhunderte  wieder  schwach  angebaut,  ausser- 
dem aber  Gold  in  Körner  aus  den^  Rhein,  der  Rhone,  dem 
Doubs,  dem  Coz,  Gardon,  der  Garonne,  der  Salat,  dem  Tarn, 
der  Aisone,  vorzüglich  aber  aus  der  Arriege  im  Languedoe  ge- 
waschen. Silber  wird  in  reicheren  Erzen  in  der  Mine  Alle- 
mont  imDept  Is^re  seit  1770  gebrochen,  ausserdem  fast  in  allen 
33  Bleimineii  Frankreichs,  namentlich  aber  in  den  zu  PouUaoüeq 
nnd  Huelgoet  «•«)  im  Dept  Finist^,  zu  St  Julien  und  Goutte 

*)  Sehr  detaillirte  Nachrichten  über  die  frühere  Bescbaffeiilieit 
desselben  bis  zum  Jahre  1803  Ifefert  Herbin  sUt  gen.  vol.  II.  S. 
]_(^  aud  der  dazu  gehörige  Quartband  von  TableauSt  Mines  de 
France  S.  1—47.     ' 

**)  Vergl.  PItnii  histor.  natur.  XXXIII.»  c  4»  wo  er  von  den 
Fundortern  des  Goldes  und  dem  Metall  reichthum  der  Pyrenäen  spricht. 

***)  Notice  sur  la  mlne  de  plomb  argentif^re  de  Poullaouen  im 
Annuaire  du  departemeat  du  Finist^re  p.  1837f  vgl.,  Ferussae  Ball. 


Fraalcrelch.  93 

im  De^t.  t^oire,  la  VulL^m  im  Dept  Los^,   m  Giremagiii    im 
Obcr-Rhem  und  in  4er  au  Erlebaeh  im  Nieder-Rhein.    Der  Ge- 
■mmtgewinn  «n  Silber  betrftgt  je'cit  jähriich  gegen  5000  Mark, 
|70,000  Rthlr.)  *U  war  aber  früher  tCärker,    bereita    1766  über 
0000  Mmrk;  an  Blei  naeb' ViUefoeie  im  Jahre  1826  25302  Cntr. 
und  Bleig]ätte'd,094  Cntr.,  niaammen  245,Q00 Rthlr#  werth.— 
Kupfer  findet  sieh  nur  in  8  Minen  in  den  Deptt,  der  Ober- Al- 
pe», der  Nieder  «FTTenäen,   det  Nieder -Rheins  und  der  Rhone, 
jUrlidi   zwisehen  3000  und  4000  Centr.  {llOfiOO  Rdilr.  werth) 
und  nieht  aasreiehend  sum  Bedarf  für  das  Land.     Für  den  Bau 
Ton  Zink  sind  bis  jetst  die  Versuche  fast  erfolglos  gewesen,  und 
erst  eine  einzige  unbedeutende  Mine  im   Depart  Finist^re  hat 
geringe  Resultate  gewährt  —   Bisen   wird  fast  in  all^n  Depar- 
tements gefunden,  jedoch  von  einer  so  weichen  Beschaffenheit, 
daaa  es  nur  zu  den  gemeinsten  Arbeiten  angewandt  werden  kann, 
und  dass  der  gsnze   Bedarf  für  Stahl  und  für  feine  Messer  und 
Waffenarbeiten  theils  aus  Schweden  und  England,   theils  in  der 
neneren  2eit  aus  der  Steiermark  eingeführt  werden  muss.      Die 
jährliche  Ausbeute  an  diesem  Metall  aus  131  Eisenminen  beträgt' 
g^en  4,000,000  Centr.,  Villefosse  gab   für    1826  3,872,036  Cntr. 
an,  mit  einem  Werthe  ron  9,000,000  Rthlr.      Die  Einfuhr  an 
firemdem  Eisen    betrug    ror    der    Revolution     1^,000,000    Fra. 
(3,240,000  Rthlr.)  und  ist,   wenn   Auch  jetzt  bei  dem  bedeutend 
gesteigerten  Gewinn  an  eigenem .  Eisen    ermässigt,    doch  immer 
noch  jährlich  zwischen  5  und  6,000,000  Frcs.      Im  Jahre  1833 
wturden  bereits  für  die  Französische  Industrie   1246  Eisenwerke 
überhaupt  beschäftigt,    darunter  454  Hochöfen,   81   Pochwerke, 
317  Hammer  lu  Eisen  und  Stahl»  38  Eisenblech  -  Plattmühlen, 


d.  sc.  geogr.  XVI.  S.  123.  Beide  Minen  beschäftigen  allein  mit 
Einscbluss  der  vier  tScfanelzofeu  800  Arbeiter  und  bringen  jährlich 
über  TOOKilogr.  (3000  Mark)  SUber  und  500>000  Kilogr.  (l»071,4-29  9^ 
Blei  hervor. 

*)  Nach  E.  F.  Schmid  tabellarische  Uebersicht  der  jährlichen 
Erzengnisse  des  Berg-»  Hütten-  und  Salz-Wesens,  Eisleben  1832. 
Fol,  der  .die  Nachrichten  ans  Tüefosse^s  und  Beudani's  mineralogi^ 
sehen  "W^ken  entlehnt  hat.  ..  •  i 


94  Frank  rei<;lL 

20  Elfl6ti*Blef htchiiiiederel«!!  und  29  Sensen tiammer.  PürSpiett* 
glät  besittt  Frankreich  die  reichsten  Hin^  in  Europa,  vorsOg- 
Kch  in.  den  Depts.  Aude,  Cantal  und  Creuse,  der  Gewinn  steigt 
in  10  Werken  auf  3000  Centner.  Arsenik  wurde  noch  1^96 
in  25  Werken  gewonnen »  jetst ,  nnbedeutend  nicht  viel  über 
100  Centr.;  1  Mine  wird  auf  Wasserbiei,  5  Minen  auf  Berg- 
hars,  S  Minen  auf'Braunstein  gebaut,  von  denen  die  letzte- 
ren j&hrKch  15,000  Centr.  liefern.'  Vitriole  aller  Art  werden 
gegenwärtig  50,000  Cntr.  aus  9  Minen  lu  Tage  gefordert;  Ville- 
fosse  gab  fttr  das  Jahr  1820  50,467  Centr.  an,  Alaun  in  30 
Werken  ttber  40,000,  nach  Villefosse  1826  41,084  Centner.  -- 
Salz  wird  als  Steinsalz  in  der  Mine  zu  Dieuze  im  Dept  Meurthe, 
als  Quellsalz  besonders  in  Burgund  und  Lothringen  *),  als  See- 
salz durch  das  Verdampfen  des  Seewassers,  rorzüglich  in  den 
Marals  salans  an  der  Seekttst^  des  südlichen  Frankreichs,  in  so 
grosser  Menge  gewonnen,  dass  ausser  der  voUstilndigen  Befrie- 
digung des  Bedarfs,  mehr  als  der  Absatz  nach  der  Schweiz  und 
England  fordert,  zur  Ausfuhr  stets  vorhanden  ist  Der  Jahres- 
ertrag  steigt  gegenwärtig  jühriich  fiber  6,000,000  Centr.  zu  ei- 
nem Werthe  von  6,500,000  Rthlr.  —  Salpeter  ist  zwar  in  Frank- 
reich vorhanden,  aber  nicht  besonders  r^dilich.  Der  Bergbau 
auf  Steinkohleu  breitet  steh  in  Franbreidi  mit  Jedem  Jahr  der 
sunehmenden  Industrie  mehr  aus,  und  lässt  immer  noch  neue 
Gruben  entdecken,  wenn  gleich  Localverhältnissc  und  die  Er- 
schwerung des  Transports  durch  die  Entfernung  noch  eine  be- 
trächtliche Einfuhr  aus  demr  Auslande  verlangen,  die  1827  nach  der 
efiiciellen  Angabe  des  Handelsministeriums  jährlich  noch  6,000,000 
Frc  (1,620,000  Rthlr.)  erreichte.  Gegenwärtig  werden  303  Gruben 
durch  14,000  Bergleute  bearbeitet,  worunter  die  namhaftesten  sieh 
bei  der  grossen  Fabrikenstadt  Etienne  befinden,  und  11  Dampf- 
maschinen, 6  hydraulische  Maschiiieu,  70  durch  Pf^rdekräfte  ge- 
triebene Maschinen  und  1500  Arbeiter  beschäftigen.  Die  jähr- 
liche Ausbeute  aller  Gruben  steigt  jetzt  ttber  30,000^000  Centnr., 
Bum  rohen  Werthe  an  der  Grube  von  mehr  als  6,000,000  Rtkilr. 
Ausserdem  werden  noch    etwa   190,000  Centr.  Braunkohlen 


I 

^ 


*)  Die  Nachweise  ulMr  die  einzelnen  Salinen  üe!k6  llerbin  a. 
o.  den  Quarlband  Beilagen  S.  30—33. 


Frankreich.  96 

gebrochen.  -—  Unter  den  1393  grossen  Steinblrttph^n  befinden 
sich  670  im  Dept.  der  Seine,  die  besonders  au  Bausteinen  benntst 
werden,  ferner  die  selbst  politisch  wichtigen  Plintensteinbrüche  bei 
St  Aignan  im  Dept»  Loire  und  Cher^  welche  bekiMintiieh  die 
besten  Steine  dieser  Art  in  gans  Europa  gewähren  |  die  Marmor- 
brüche in  den  Alpen,  Pjrenäen  und  Ardennen,  die  Alabiaster-t 
Glranit-,  Mühlstein-  und  Sehiefersteinbrüche  in  den  Ardennen.  —  Dw 
Gesamtertrag  des  Bergbaus,  sowie  der  Salinen  und  der  Steinbrüche, 
wurde  Ton  Chaptal  für  1815  auf  80,000,000  Frcs.  (21,600,000  Thlr.) 
von  Balbi  für  1833  auf  07,000,000  Frcs.  (26,190,000  Rthlr.)  le- 
rechnet,  ist  aber  sicher  nach  den  so  eben  angefuhrteA  DetaiU' 
mindestens  jährlich  auf  30,000,000  Rtfair.  ansusehlagen. 


§.  10. 


Die   verschiedenen  Zweige  der  techni- 
schen Cultur.      t 

Das  §.  0.  angeführte  Werk  von  Chaptal,  das  jedoeb  in 
den  Defails  zu  wenig  ausgeführt  ist  —  Table  au  des  quan- 
iites  et  de  la  valeur  approximative  des  marchandises  i 
trangeres  Importes  en  France  pour  la  consotnmation  pendant  les 
annees  1822  et  1823  et  des  produits  du  sol  ou  de  V  industrie 
FVangaise  exportes,  Paris  Jmprim,  roy,  von  der  General  *  Di- 
rection  der  Douanen  bekannt  gemacht  und  seit  diesem-  Jahre 
fast  jährlich  erneuert  *)• 

Die  Fransösische  Industrie,  welche  im  Mittelalter  in  ihren 
Erseugnissen  sich  nicht  über  die  Befriedigung  des  gemeinen  Be- 


*)  VergL  Ferussac  Ballet,  d.  sc.  geogr.  II.  p.  137,  IV.,  p.  861» 
für  die  Jabre  1835  und  1826  ▼«  XUl.  p.  60  flg.,  Idr  d.  J.  19^>  ▼• 
^^III.  p*  393  flg. 


I 


96  Frankreicli. 

* 

MfttamtM  «rhoh,  'gelangte  so  emein  badeoteamereo».  M^auf  «lieseii 
Zeitpunkt  statütiieh  sehr  wiehtigem  Eniperbliihen  erit  vater  der 
Regierung  Ludwigs  XI.    Denn  dieser  Fürst,  der  unablässig  po- 
litisehe  Rival  Karls  des  Kühnen,   des  mächtigen   Besitzers   der 
durch  Kunstfleiss  und.  Handel  dasaals  unter  allen  Ländern  E«- 
ropas  herrorragenden  Niederlande,  wurde  mehr  durch  politische 
Eifersucht,  als- durch   die  Liebe  den  Wohlstand  seines  Landes 
jm  fördern,  getrieben,  seinen  Gegner  auch  auf  dem  Felde  der  In- 
dustrie ansugreifen,   um  ihm  einen  Theil  des  Waarenabsatses  xu 
oitsiehen  und  dadurch  eine  Quelle  seiner  ReicV^hün^r  zu  ver- 
stopfen.    In  dieser  Absicht  wurden  von  ihm  1470  die  ersten  Sei- 
denwebereien SU  Tours  begründet  und  die  Französischen  WoUenma-^ 
nufacturen  durch  königliche  Unterstützung  begünstigt.  Seine  Nach- 
folger, Carl  VllL,  Ludwig  XIU.  und  Franz  I.  waren  zu  sehr  durch  ihre 
auswärtigen  Händel  beschäftigt,  um  selbstthätig  das  Aufkommen, 
der  Industrie  zu   begünstigen.      Doch   wirkten   der   Glanz   des 
Französischen  Hofes  seit  Franz  L,  die  toq  hier  aus  über  ganz 
Eluropa  sieh  ausbreitende  liiebe  zur  Pracht  und  üppigem  Luxus 
wenigstens  dazu,  diejenigen  Gegenstände  des  Kunstfleisses  in  möglich- 
ster Vollkommenheit  hervorzubringen,  welche  zur  Verherrlichung 
des  üppigen  Hoflebens  dienten.     Paris   begann   ihre   Herrschaft 
als  Hauptstadt  für  die  höher  gestellten  gesellschaftlichen  Besie- 
hungen in  Europa;  daher  wurde  durch   den  Einiluss  der  Catha- 
rina  diMedioi,  der  unwürdigen  Grcmahlin  Heinrichs  II.,  ungeach- 
tet der  traurigsten  Verheerungen  Frankreichs  durch  die  blutigen 
Religionskriege  unter  den  nachfolgenden  Regierungen  ihrer  Söhne 
die   Französische  Industrie   immer  mehr   gesteigert:     denn   die 
Waaren  ihres  Geschmacks  wurden  als  Bedürfniss  der  Mdde  in 
ganz  Europa  begierig  gesucht,  und  Italiens  ausgezeichnete  Manu- 
facturen  in  Venedig,  Florenz,  Genua,  Mailand  sanken,   um  den 
Französisdien   Platz  zn  machen«      Grossartiger  aber  trat  dies 
noch  herror  unter  Heinrich  IV.,  als  dieser  wahrhaft  für  Frank- 
reichs Wohlstand  sorgende  Fürst  in  edlerer  Absicht;  durch  Sullj 
geleitet,   alle   diejenigen  Manufacturcn   zu  hoben  suchte,    dersn 
rohe  Stoffe  im  Lande  selbst  herrorgebracht  wurden«    Die  Wolle- 
und  Ledermanufaeturen  hoben  sich  jetzt  ausserordentlich  schnell, 
und   für  die  Seide  -  Manufactnren  wurde  unzweifelhaft  dadurch 
erst  der  rechte  Standpunkt  gewonnen»  dass  ein  Theil  des  Bedarfs 
na  Toher  Sdde  in  Frankreich  selbst  ersielt  werden  konnte. 


Frankreich.  97 

wtam  jetst  wmtk  woiiger  mait^Ubar  die  it^pening  daiMif  ein* 

wmlum  lachte,  •»  kalf  4Ut  einmal  aUgenMiii  gairoHao«  Be> 

ttrfniss  aach  fVamfttisckeii  Waarfa  tchoa  geafif^and,  dan  Blidiav 

•taB4  m  vielaii  Z»  eigen  der  Indaatrie  au  erkalten.  Eine  neue  Epaehe 

Waab  aber  fte  die  Indaatrie  nnter  Lad wig  XIV,  an,  ak  Colbeit»  der  in 

aeincr  JngMid  aaa  eigwMrEr&larnng  and  Geaeliftftaübnng  den  Uoifiuig 

dca  Handeia  und  aein«i  Einfluia  aaf  den  Wehialand  dea  Laadea  kan- 

nen  gelernt  katta^  an  die  äpitie  der  Finanirerwaltnng  gebellt  wnrde» 

daa  Wiaat  naeb  den  damaligen  poUtiaehen  VerkaÜtniaten»  die  Zü> 

gel  der  geaatemten  inneren  Staatsran^ attnng  ergriff.    So   wie  er 

aaf  der  einen  S«te  dem  Franaösiadien  Handel   neue   Wege  er^ 

dinete  nnd  alavder  eigenttiehe  Begründer  der  Franaösiaelien  Co- 

lenien  ansnaehen  iat,  so  gab  er  auf  der  anderen   durcb   die  Be* 

grandnng   der  kAniglieben  Fabriken,   romemlich  au  Paria,    alt 

Matteranatnlten  fSr  einaelne  Zweige  der  teehniaehen  Caltur,  der 

getammten  Industrie  einen  neuen  Anstoss.    Wir  aeiobnen  daran* 

ter  besonders  die  Erriebtung  der  kttmgrÜehen  Spiegelmanniketar 

1066  ans,  welebe  in  Frankreieb  erst  einer  grösseren  teebnisehen  Voll* 

kosnMnbeit  entgegen 'gefübrt  wurde.  Bereits  }5o9  batte  Thevartjlia 

Kaart Spiegel  an  gijsssen  erfunden,  welebe  dardi  AnfnMintemngHein* 

ririis  IV.  bereits  grössere  Kunstersei^isse  Uelem  kenntet  aber 

seit  I6M  macbte  sie  so  überaus  glttddiehe  Fortsehritte,  dass  sie 

sacrst  Spiegel  an  liefern  irermoehte,   die   in  einem  Stüeke  ^ehe 

Höhe  Ton  mehr  als  100  Zoll  bei  einer  Breite  Ten   86^-60  Zell 

erreichte,  md  in  einem  Werthe  bis  in  5000  und  0000  Frea.^  als 

Bothwend^^  Veraierung  aller  firstliehen  Palibsta  naeb  allen  Qt* 

geoden  bin  begehrt  wurden.      Nicht  minder  einflussreieb  steht 

Vmt  die  Gobelins-Tapeten-Mannfaetur,  seit  1007  eme  kdnigliehe 

'Mnsteranstalt    Der  Urheber  derselben,  der  Färber  Gobelin,  lebte 

xwar  bereits  unter  der  Regierung  Frans's  L.  und  suebte  seinen 

Wasren  besonders   dureh   lebhafte  Farben   Aksats    au  gewinnen, 

üe  aber  meist  erst  auf  die  fertigen   Gegenstilnde   aufgetragan 

worden.    Doeb  seitdem  Colbert   sieb   ihrer  Anfertigung  annahm, 

Kelerte    die    ^önigliehe  'Manufaetur,    aeit   1670  unter  der  M« 

tenden  Aufsieht  des  Malers  Lebrun,  wahr  hafte  Kunsterseugnisse, 

die  anfänglich  in  jede¥  Art  ron  Weberei,  Färberei ,   Anwendung 

ven  Pifbelaeken  ausgeführt,  wobei  in  Rüeksiehtliuf  den  Stoff,  thells 

Seide,  tiieHs  Wolle  dasa  gewühlt  wurden.  Späterhin  nahm  die  Mann* 

ftstur  Torsugsweise  ihre  Richtung  inif  Seiden  •»  Tapeten»  und  be*- 

-   $cäabert'c8t«tlttik  11.  ^ 


1 


g§  Frankreicrh« 

gfMt^  g^gMnHüPtig  1105^  aU  die  b«r(ltait«t€e  FaMk  Amt  Art 
auf  der  Erde»  3ber  30a.Arbeiter  ili  Welle-Teppiohen  und  Tapeteiiy  die 
jedoeh  Jetzt  höchstens  nur  die  weisse  Farbe  ««s  Smde  entiehiien  ii»df 
die  ersten  Kunstwerke  der  Italienischen,  Niederiändisohen  ond'Frosih 
zösischen  Maler  aus  dem  Musimm  Loumre  n^it  einer  kaum  gtaub*> 
baren  Fertigkeit  nachahmen«  Die  Schwierigkeit  und  die  lange 
Dauer  der  einzelnen  Arbeiten  erhöht  aber  so  sehr  stark  ihre»  Preis» 
dass  sie  vom  Fränsösischen  Hofe  entweder  nur  als  Staartsgeschenke 
an  fremde  Höfe  und  deren  Gesandte,  oder  an  grosse  Kirdieii 
sur  Verbenriiohung    der   kirchlichen   Feste   fersoke&kt  werden. 

Nach  Colberts  Tode  1683  erlitt  die  Franxösisohe  Indujitrie  eioea. 
empfindlichen  Stoss  durch  die  Verfolgung  und  Vertreibung  der 
Reformirten  aus  <SüdfrankTeich  und   den   grösseren  Handeisstild« 
ten  der  übrigen  Theile  des  Staates,  die  einen  nicht  unbeträchtliciien 
Theil  der  thätigsten  Jind  besonnesten  Fabrikarbeiter  und  Untemeluner 
dem  Lande  entzog.  Dieser  Verlust  traf  Frankreich  um  so  härter,  als 
die  Geschicklichkeit  der  vertriebenen  Arbeiter  geradezu  den  FranzÖ* 
sischen  Kunstfleiss  in  seiner  besten  Blüthe  naoh  den  Niederlaudeiiyi 
England,  der  Schweiz,  den  Rheinlanden  und  fast  sämmtlichen  Be- 
Sitzungen  des  grossen  Kurfurftten  -Friedrich  Wilhelm  von   Bran* 
denburg  verpflanzte,  und  mindestens  theilweise  die  Abhängigkeit 
dieser  I/ander  von   der  Französisehen   Industrie   aufhören   Hess. 
Namentlich  kann  dies  von  den  Seidenmanufacturen  naehgewiesem 
werden,  deren  geschichtliche  bedeutsamere  Eint  Wickelung  in  England, 
in  der  Grafschaft  Mark,  in  dem  Herzogdium  Berg,  in  der  Mark  Brpin- 
denburg  mit  der  Aufhebung  des  EUlicts  von  Nantes  1685  anflingt 
Indess  das   Zeitalter  Ludwig. XIV.    erhob  Frankreich   nach  allen 
Richtungen   zur    ersten  Macht   Europa's,    Französische    Sitten, 
Sprache  und  Cultur  wurden  ein  Haupterfordemiss   für  jeden  ge* 
bildeten   Europäer,  .dem  sich   zu   entziehen   nur  wenige  Völker 
Muth  und  ausdauernde  Resignationskraft  besnssen.  Dieser  grosse 
Vortheil  für  das   gesammte  Französische   Volk   wurde  von   dem 
regen   EHindungsgeiste    desselben    in   neuen  Modeartikeln  uner* 
scfaöpflich  stets  belebt;  die  Gewohnheit  gewährte   dieser  wirklt- 
eben  .Französischeii    Alleinherrschaft  '  ein    solches    despotisches 
Uebergewicht,.  dass  selbst  das  €res€hmacklose,  wenn  es  von  Paris 
kam,  seine  grosse  Tour  dor^h  Europa  durohmaehen   musste,   da- 
durch aber  to  technischen  Cultur  und  dem  Handel  Frankreichs 
seinto  schuldigen  Tribut  reidilich  zahlte.      Wie  nun  z«  den  be* 


r^tt  «Ddrktnnten  aoigMeicIineteii  FnmtMfdim  Siflden«,  Wolle» 
lind  LedenraaMD  im  achtoehnten  Jahrhunderte  unter  Lttdtfig  XV« 
und  Ludwig  XVI.  a^  noch  die  Baumwolle*  und  Metallwaaren 
m  anaehnlteker  (Masse  hinsukamen ,  90  war  et  gan«  natürlich» 
dast  die  Haii^els-Bilani  dieses  Staates  in  Beaug  auf  den  Handel 
mit  den  Europäischen  Staaten  voraöglich  günstig  stand» :  in  d^m 
an  edlen  Metallen  armen  I«ande  grossen  Geldreichtham  aufhäufte» 
und  selbst  bei  den  serrüttetsten  Finanzverhältnissen  des  Staates 
und  den  drückendsten  Abgaben  einen  allgemeinen  blühenden  Zu* 
stand  wenigstens  für  die  meisten  Provinzen  hervor  brachte*). 
Qraf  Chaj^al  berechnete»  dass  vor  ^er  ß^evclj^tion  in  dem  letzten 
Jahrsehend  bis  1789  der  Werth  iift  in.d^n  Fabriken  und  Manu» 
facturen  F^nkreichs  jährlich  gearbeitet^  Waaren  nach  '  Abzug 
d^  rohen  Stoffe  auf  5O7,$00,00O  FVcs.  (137,025,000  Rthlr.)  sn 
stehen  Jcam,  wovon  der  vierte  Theil  ins  Ausland  ging;  die  Han- 
delsübersicht für  das  J.  17jS7  giebt  die  Summe  'für  die  Ausfuhr 
dieser  Gegenstände  avf  1 32,31 1 ,000  Frcs.  (35»723,(»70  Rthlr.)  an  •% 
Herbin  stimmt  mit  dieser  Angabe  ziemlwb  überein,  indem  er  für 
1789  nach  den  15  Hauptgegenstände«  der  Fraiiifösischen  Industrie 
die   Summe    des    erarbeiteten    Gewinnes   auf    504^750,000  Frcs. 

(136,282,500  Rthlr.)  erhält 

<      t  •  ■ 

Die  Französische  Devolution  in usste  bei  der  Störung  aller 
bürgerlichen  Verhältnisse  auf  das  Verderblichste  die  Industrie 
lähmen,  und  die  Zerstörungswut^  mehr  aber  noch  die  Gewöh- 
nung  an  schlaffes,  müssiges  Leben  auf  Kosten  Anderer  fll)irten 
Nachtheile  herbei,  f von  denen  man  Jahre  lang  sich  nicht  erholen 
konnte.  Doch  der  Charakter  des  Französischen  Volks  weis(  an 
und  fQr  sich  dasselbe  mehr  auf  den  Gewerbfleiss  in  Manufaotu- 
ren,  als  auf  mühsame  Anstrengung  bei  dem  Ackerbau  hin.  Da* 
her  erwachten  auch  bei  der  zurückgekehrten  Ruhe  wieder  eifriger 
Sinn  und  anregende  Thätigkeit  für  die  technische  Cultur,  h^ozu 
theils  noch  das*  Bedürfniss  nach  den  durch  die  Handelssperre 
mit  England  entbehrten  Manufacturen  des  Landes^   tlieils   später 


")  Eine  zweckmässige  allgeneine  üebersicht  des  Zfisliod^  der 
Fraazösiselien  lodostrie  nsch  den  einzelnen  Gegenftfjpiuien  gewahrt 
Herbin  Staust  geatr^  voi  IL  S.  ^—23^ 

>»*)  Bei  Herbin  Stat  in  dem 'Ouaribande  Beilsge  Tab.  lU* 


100 


Fraftlrreieku 


unter  NapoleXh  nocb  der  alles  ttufbietentte  Wille  iH  <?eiraltlierr- 
schert  hinzukamen,  die  Nebenbuhler  in  der  Industrie  völlig  von 
dem  Etnropftischen  Continente  su  verdrängen.  Es  wurde  daher 
ein  allgemeines  Emporblilhen  der  Französischen  Mannfacturen, 
bis  au^  die  Seiden  -  Webereien  fiberall  bemerkbar:  aber  die  Zeit 
der  Herr  seh  aft  der  Französischen  Waaren  in  Europa  war  vorüber, 
denn*  auch  in  Deutsehland,  der  Schweiz  und  im  Norden  war  der 
^werbfleiss  in  dieser  Zeit  überall  lebhaft  gefördert,  und  hatte 
den  Franzosen  in  den  meisten  Waaren  Nebenbuhler  von  gleichem 
Range  herangezogen,  in  einigen  denselben  sogar  den  Vorrang  ab* 
laufen  lassen»  und  nur  in  den  Seiden  •  Hanufacturen  Waren  sie 
unerreicht  gebtieben.  Daher  ist  ek  aber  auch  nicht  dem  ange- 
strengtesten Eifer  der  Französischen  Fabrikanten  gegluckt;  noch 
der  Wiederherstellung  des-  allgemeinen  Bhndelsverkehrs  durch  die 
beiden  Pariser  Friedensschlüsse  den  alten  Rang  auf  den  ausUn- 
dischen  Messen  und  Handelsplätzen  für  die  Französischen  Indu- 
strieerteugiiisse  wieder  zu  gewitinen,  wenn  gleich  die  Masse 
der  Fabrikate  in  den  Französischen  Manufacturen  durch  den  ge- 
steigerten Bedarf  im  Lande  ausserordentlich  zugenommen  hat. 

Chaptal,  dem  in  der^That  die  Materialien  zu  einer  so  aus- 
gedehnten Berechnung  nicht  fehlten ,  freilich  in  dem  Grade  von 
relativer  Genauigkeit,  in  welchem  Überhaupt  Gegenstünde  dieser 
Art  von  der  Staatsregierung  erkannt  und  aufj^fasst  werden  kön^ 
nen,  g^ebt  nachsiehende  Resultate  für  das  Jahf  1817,  wobei -er 
aber  nicht  die  geringeren  Fabrikate  der  Handwerker  von  ^den 
Erzeugnissen  der  Manufacturen  gesondert  hat: 

Gesamtbetrag  der  Pro- 
ducte  der  Franz.  Industrie  1,820,102,400  Frcs.si:  491,427,648  Thlr. 
Davon  kostet:  a)  das 

416,(^)0,000  Frcs.=:  II2,320,00OThlr* 


rohe  inländische  Material 
b)  das  rohe  ausländische 

Material 


1 86J500,000  Frcs.  ==   50,220,000  Thlr. 


a  +  b  =     602,000,000  Frcs.  =  162,540,000  Thlr. 

c)  Benulzung  und  Erhaltung  ^ 
der  Gebäude,  Feuerung,  Licht 

nnd^Werkzeuge  198,000,000  Frcs.  =  61,840^000  Thfar.    ^ 

d)  der  Lohn  für  die  Arbeiter  844,000,000  Frcs;  =?  227,880^000  Thlr. 

Mithin    a  +  b-|-c-fd=:  1,638,000,000 Frcs.  =  442,260,000 THlr.    . 


t    /• 


-Abo  <)  reiner  Gewhm  4er  • 

Fabrikanten    1 82,102,400  Pres,  zs  49, 167^048.  Thlr. 

Aber  der  Gesammtgewihn,  der  nach  dieser  Befrechnudg  ]&hr- 
,lich  dem  FrancÖsischen  Volke  aus  der  Industrie  erwächst,  ist 
mindestens  die  Summe  von  d  -f  e  oder  1,0:$6»  102,400  Frcs. 
(277,047,648  Thlr.)»  woiu  noch  ein  beträchtlicher  Antheil  an.c 
könunt',  da  Werkzeuge,  Lichjt,  Crebäude  jährlich  unzweifelhaft 
viel  ^cr  Industrie  verschuldet  sind;  Die  Gesammtzahl  der  Ar- 
beiter wurde  Von  Chaptal  auf  1,747,000  Individuen  berechnet, 
also  durchschnittlich  der  Arbeitslohn  auf  den  Kopf  4^3  Frei«  > 
(130  Thlr.).  Gegenwärtig  hält  man  die  Zahl  der  Arbeiter  um  | 
gestiegen,  gegen  2,800,000  Individven,  und  den  Werth  der  Von 
denselben  verfertigten  Fabrikaten  um  25  Procent  höherj  g<^eQ 
550,000,000  Thlr.  Penchet  in  seiner  allgemeinen  statistischen 
Beschreibung  des  Französischen  Staates^  vom  Jahre  1815  hat  von  ' 
dem  gros«artigeren  Manufacturenbetrieb  die  Oewerbthädgkeit  der 
Handwerker  geschieden,  die  nach  der  gleich  im  ersten  7ahre 
der  Revolution  vollständig  aitfgehobenen  Zunftverpflichtung  nur 
auf  Patente  ihr  Gewerbe  betreiben.  Er  giebt  von  den  letzteren 
215,000  selbständig'  für  sich  arbeitende  Meister  in  den  3t^dten 
und  38,435  auf  dem-  platten  Lande  an,  wiewohl  die  letztere 
Zahl  i^U  zu  gering  kaum  der  Wahrheit  entsprechen  dürfte: 
ihr  reiner  V^erdieast  wird  von  ihm  auf  88,702,250  Frcs. 
(23,949,012  Thlr.)  angegeben. 

Die  Regierung  Ludwigs  XVni;  Ite»  es  sich  unscblttughar 
«ehr  angelegen '  sein ,  von  Staatswegen  angemessene  Aufmunte- 
rung und  Beaufsichtqping  der  Industrie  zu  Theil  werden  zu 
lassen.  Ein  General  -  Conseil  der  Manufacturen  wurde  am 
23.  August  1819  aus  60  der  angesehensten  Fabrikanten  errichtet, 
das  anfänglich  unter  Leitung  des  Ministeriums  des  Inneren,  dann 
des  Ministerium»  der  Handelsängetegenheiten  jeden  Zweig  des 
Gewerbfleisses  repraesentiren  sollte.  Gewerbeausstellungen  wur- 
den seit  der  Verwaltung  des  Herzog«  Decazes,  als  Minister  des 
Inneren  1819  alle  zwei  bis  drei  Jahre,  darauf  jährlich  in  Paris 
veranstaltet, .  und  die  preiswürdigsten  Erzeugnisse  durch'  Ehren- 
medaillen'in  Gold,  Silber  und  Bronze  ausgezeichnet,  und  die 
ersten  Fabrikanten  .de«  Lande«  in  Anerkennung  wahrhafter  Ver- 
dienste um  den  Staat  zn  Rit^efn  nnd  Ofißeieren  der  Ehrenlegion 
ernannt     Die  Verbreitung  der  DamfAnaaehiiMn  wurde  von  Sei- 


-  « 


vn 


Frankreicli. 


tcn  der  Regteruog  eifrigst  unteritfltzt,  unit  bereits  1829  waren 
,  tefaon  ^  Über  4Ö0  grosse  Dampfmaschinen  bei  der  Französischen 
Industrie,  in  Gang.  Da  brachte  die  Revolution  des  Juli  1830 
eine  unverkennbar  störende  Einwirkung  auf  die  gesammte  tech« 
nlsche  Cultur  der  Franzosen ,  von  deren  noch  jetzt  nachwirken- 
den Nachtheilen  Frankreich  nuf  in  einem  grösseren  Zwischen« 
räume  von  Jahren  sich. erst  völlig  wieder  erholen  wird.  £ei  den 
fdnzelnen  Manufacturen  werden  sich  allerdings  diese  Folgen 
sehr  verschiedenartig  zeigen ,  je  nachdem  dieselben  mehr  oder 
weypiger  «um  nothwendigsten  Bedarf,  oder  zum  i^leinigen  Ver« 
brauch  im  Inland  gehören« 

a)  Die  Leinenmanufacturen  und  Übrigen  Gewerbe 
aus  Hanf  und  Flachs  haben  sich  in  Frankreich  besonders  erst 
seit  dem  neunzehnten  Jahrhunderte  gehoben,  jedoch  noch  nicht  den 
Standpunkt  erreich  t^.volls tändig  den  eigenen  Bedarf  an£4einwand,Tau<< 
werk  und  Segeltuch  befriedigen  zu  können,  indem  etstere  aus 
Deutschland,  letzteres  aus  Rtfssland  in  betr^cntlicher  Masse  ein* 
geführt  werden  muss.  l!*^ur  in  den  feineren  Arbeiten,  Spitzen« 
awirut  Spitzen,  Battist  wird  über  den  Bedarf  noch  ein  ansehnlt« 
eher  Vorrath  zum  Absatz'  ins  Ausland  augefertigt.  Der  Haupt« 
sitz  der  Leinenmanufacturen  ist  in  der  Bretagne^  in  der  Nor- 
mand^e  und  iii'der  Dauphin^,  für  die  Spitzen  in  ded  Französf« 
sehen  Niederlanden,  namentlich  £u  Lille,  Valenciennes  und 
ausserdem  zu  Alen<;on  und  Puj,  für  Battist  gleichfalls  in  den 
^Niederlanden  zu  Valenciennes  und  CambraL  Die  Gesammtzahl 
der  bei  diesijni  €rewerben  beschüftigten  Arbeiter  steigt  auf 
600,000  Ind.;  der  Werth  ihrer  Fabrikate  auf  260,000,000  Frcs. 
oder  70,000,000  Thlr.  *).  Davon  kommt  der  achte  Theil  ^  zur 
'  Ausfuhr,  nach  dem  offieieüen  Schätzungswerthe  1822  für  30,840,000 
Frcs.  (8,326,800  Thlr.),  1823  für  30,260,000  Fr.  <8,17C|,200  Thlr.>, 
1824  für  37,379,000  Fr.  (10,092,330  Thlr.),  1825  für  42,270,000 
Frc^,  (11,412,900  Thlr.),  1826  für33,500,OOOFros.  (9,045,000  Thlr.), 
1827  für  44,050,000  Frcs.  (11,893,100  Thlr.).  ~ 


*)  Nach.  Herbin  Stalisl.  g.  vol.  IL  S.  86—104  betrug  in  den  lelz- 
en  Jahren  vor  der  Revolution  die  Fabrikation  130,000,000  Frcs, 
und  ^le  jährliche  Ausfuhr  1%  bis  t3,000>000  Pres,  also  nur  den  zehn« 
tcn  Tbeil  der  verfertigten  Erzeugnisse. 


FrmBkr«ick  103 

Dk  EliMr  var  frÜMr  ttftriDer  als  ifo  AaMkr,  te  «Wr 
i^xt  betriddich  mar  4ieM,  CuC  Im  ««f  4k  Hälfte  4effariben 
SuBUM  gennkes;  sie  kc^  bocIi  1822  43,480,000  Frcs. 
111,739,600  Tklr.),  1823  43,470,000  Frei.  (11,736,909  Tklr.),  aber 
acbon  1825  Dur  für  23,670,000  Free  «6,390,900  Thlr.),  1826  fir 
18,S60gOOO  Fr.  (5,092,200  Thlr.)  — 


h)  Die  Welleo»«n«f«ctiireii  ^  luWft  aatstlüiestUcli  Vk- 
Hanplik»  im  iiÖrdliclie&  Frankreich,  and  naaienUich  in  Tach 
derHaaptttadt,  mAbbeFiilc;,  Sedaa,  Loaviera  andElboeoC 
Sie  betcbäftigeii  gegoivardg  vk€r  400,(KN)  Arbeiter,   Terarbeitea 
an  Tober  inläodiscber  und  fireaider  Wolle  för  50,000,000  Frea^ 
od^  13,500,000  Thlr.  (iat  Jahre   1816  nur  f&r  40,000,000  Frcs. 
I8|}  diiiehaduiittach  ior  48,000,000  Frca.  oder  12,960,000  Thlr.) 
«nd  Tcarferdgea  daran«  Tuche  mid  woUene  Zeuge  aller  Art    an 
Werdi   228,000,000  bia   240,000,000  Frcs.   (61,560,000  Thlr.   bis 
64,800,000  Thlr.),  von  denen  der  zwölfte  Theil  etwa  dnrch  den 
Anifnhtfaandel  dem  Aaalaade  xogefahit  wird.    Derselbe  war  frü- 
her stärker  und  betrug   ych'on   Tor   der   Rerolation   gemeinhin 
«her  2oflOOflOO  Froa.  (6,7dO,O0O  Thhr.)  bei  140,000,000  Frcs.  Fa* 
br&atiop  **),   also  ^^  des  desammtertrags  derselben«    Durch  die 
Vereinigvng  der  Rhein  -  Provinzen   mit  dem  Preussischen  Staate 
hat  der  Absats  der  Franadsischen  WoUmanufacturen  nach  dem 
nördlichen  Deutsehland,  den  Scandinayischen  Staaten  und  Russ* 
Und  sdir  gelitten.    Daher  war  die  Ausfuhr  nach  dem  officieiien 
Schätzuogswerthe    1822  nur   18,600,000  Frcs.   (5,022>000   Thlr.), 
1823=l9,003y000  Frcs.  (5,133,510  Thlr.j,  1824  =  20,040,000  Frcs. 
(5,410,800  Thlr.)  und  pur  ausnahmaweise^  1827  =  27,690,000  Frcs. 
(7,476,300  T^li**)«  ""*    Als  besonders  ansgeaeichnet  -muss  noch  bef 
diesem    Gewerbszweige    die    Shäwlfabrication    aus   der  feinsten 
Wolle  (die  sogenannten  Cascbemir  -  Shawls)    hervoitg^^9.^^>i  ^^^^' 
den,  deren   ersta  Hanufacturen    zn   Paris»  Ljon,   St  Quintin, 


*)  Ueber  den  früheren  Zustai^  daiadben  bia  1803  rttigi,  äerbia 
St.  gen.  IL  S.  125*40. 

**)  Nach  Herbin  a.  a.  O.  S.  130.  war  die  Ausfuhr  der  Franzö- 
tifchen  Wollen-Waaren  im  Jabre  ^784  27955G|600  Frcs.,  1787  dage« 
«eo  nur  19£58,200  Frc^. 


\ 


IQ4  Frankreiclu 

Rhdma  und  Mfihlbanfen  elngerlcbtet  tfaid,  Ao  pn  roliem  Mate* 
rial  för  5,800,000  IVcs.  (1,500,000  Thlr.)  fast  ganx  ana  dem  Aug* 
lande  gebraoclMn,  daflfaraeit  1825  mindestens  fdr  25,000,000  Free. 
(6,750^000  Thlt.)  Waare  liefmi,  Woven  aileiii  dar  dritte  Tkeii 
iaa^  Ausland  abgeht  — 

ci  Die  Baumvollemanufaeturen  baben  in  Frankrei«!» 
ein  Bcbwungbaftes  Leben  erst  nach  der  Rerolution  gewonnen*); 
sie  wurden  gans  besonders  dureb  Napoleon  begünst^  und  sogea 
deil  grdssten  Tortbeil  von  der  Continen  tat  sperre,   aber  sie 
bUeben  nicbt  minder  unter  der  Rq;iening  Ludwigs   XVIII.  iii 
fortwftbrendem  Zunehmen,  und  nahmen  ibre  HauptstStte  in   den 
Franadsiscben  Niederlanden,  namenüicb  su  Lille,  Cambray,  Amtens» 
^ausserdem  su  Rouen,  St  Quintin,   Trojes,  Toulouse,  Ljon  und 
Nismes.    Ihr  beträebtüebes  Steigen  gebt  am  sichersten   aus  der 
Tennehrten  Einfuhr  an  roher  Baumwolle  henror,  die  gegenwärtig 
Torangsweise  aus  den  rereinigten  Nordamerikanisehen  Freistaaten, 
^fiber  die  Hälfte  des  ganzen  Betrags  **),  aus  Aegjpten  in  einem  Seebs*  ' 
theile  und  aus  Brasilien  in  einem  Zehntbeile  bezogen  wird.  In  den 
Jahren  I7|}  wurden  j&hrlieh  im  Durchschnitt  50,000  Bauen  *••)  & 
300  <S.»  also  15,000,000%.  cingef&hrt  Dagegen  bringt  die  Einfuhr: 

;I820=  175,112  Banen  52,533,000  <S,    ' 

1821  =  203,892      —  01,107,000  — 

1822=  100,782      —  57,234^000  — 

1823  =  159,000      —  47,900,700  — 

1824  ==  251,074      ~  75,502,200  — 

1825  =  20^,572      —  0^,371,000  — 

1»185,701  BaUea  355,710,300  fi. 


*)  Dies  gebt  aus  einem  Hinblicke  auf  den  beschränkten  Zustand 
dieser  Maaaj^ctinren  in  dieser  Zeit  be/ror,  bei  Herbin  a.  a.  0. 
IL  S.  104-9. 

^>  Daher  getaugt  nftch  dem  Haupthafen  6e8  Franzoslsphen  Han- 
dels Bul  Nordamerika,  Ha^re  de  Gr  ace,  {  oll  bis  |  der  gesanmiCeD  Banm* 
walie  Eiafttbr,  nach  lHarseille  {,  das  ibrig^  nach  Nantes  uod  Bordeaux. 

^^)  Die  Ballen  BaumwoHe  sind  im  Gewicht  sebr  Terschieden, 
swls^en  28i  und  310  ^  Ber^  Gf  man  kann  daher  den  Durcbschaitt 


FraaJcr«ick.  IN 

B«laig  im  firühtrai  VeriHraaoht,    Im  J«lur^ 


1829  betrag  die  Binftilir  242,230  BiOlen    72,Ma»000  ^ 

1830  —       —       w-        257,M7     —        77,300,100  — 


500,097  BaUen  150,029,100  %. 

1831  —       — .       «        220,668     —        66,200,400  — 

1832  _       —       —        260,662     —        78,208,600  — 

1833  —       _       —        306;443     —        91,932,900  -^ 

1834  _       _       —        297,298     —        89,189,400  —     .. 
dnd  sito  dnrektdimttUek  über  250,000  Ballen  oder  75,000,000 

^.  in  einem  Jahre,  oder  der  fünffache  Betrag  der  Einfahr 
▼  or  der  Revolution.  Damit  stimmen ^  auch  die  ofificiellen  Anga- 
ben des  AOnisteriunu  des  Inneren  über  die  Verarbeitung  der  ro- 
heo  Baumwolle  überein,  welche  für 

1816    12,000,000  Kilogr.  25,734,285  % 
^  1824    26/)00,000 '  —       55,714,380  — 

1825  26,000,000  —   55,714,380  — 

1826  32,000,000  —  08,571,438  —  angaben,  alio 
4nr^iichnitÜich  für  die  drei  Jahre  1 8| «  jährlich  28^000,000  Kiiogr. 
oder  60,000,000  9»,  deren  Werth  50,000,000  Frct.  (13,500,000 
ThlrJ  beOrug.  Die  Getammtsahl  der  in  den  Baumwolle- 
Ma^ufaeturen  gegenwärtig  be/ichüftigten  Arbeiter  beträgt  300,000 
Indiriduen,  und  der  Werth  der  ton  ihnen  Tcrfertigten 
Waaren  xwischen  170,000,000  und  200,000,000  Frct.  (45,900,000 
bia  54,000,000  Thlr.)>  wovon  durch  die  Ausfuhr  der  fünfte  Theil 
in  das  Ausland  versandt  wird:  1822  nach  dem  officiellen  Schät- 
xungswerthe  für  19,040,000  Frcs.,  1823  für  24,464,000  Pres.,  1824 
für  35,024,000  Pres.,  1825  für  42,600,000  Pres.,  1826  für  37,100,000 
Pres.  1827  fär  46,020,000  Pres.,  midiin  in  den  6  Jahren  18;f 
dorchsehnittiich  38,049,330  Pres.  (10,273,313  Thlr.)« 

d.  Die  Seide-Manufacturen,  welche  nach  dv  Torange* 
sdiickten  gesehiehtliohen  Einleiinng  vonugsweise  seit  dem  Ende 
des  siebsehnten  Jahrhunderts  den  Gians  der  PransiüiMhett  In- 
dustrie ausmachten,  fanden  ihre  Hauptstätte  allein  in  den  Rhone* 
g^enden;  Ljon,  Nismes,  Avignon,  dann   erst  Tours  ragten  i|i 


auf  306  %  annefamea;  die  Brasilianischen  wiegen  nur  die  Hälfte, 
swischte  128  nid  144  ^  Gewicht  e»  sind  also  nyei.  a«f  .einen  gt- 
wöbnlicben  m  xechacn« 


191  Fraak^«ie1u 

4 

^ieM»  CUweifanrdg«  tohoo  vor  dar  Sevoliidoii  hervor,'  ia  der 
neuem  Zeit  hM  aioh  dentelben  noch  St  Etienae  mit  rühmUeher 
NaeheifenHig  engereiht  Vor  der  Reyolutioii  vurdea  in  gaas 
Frankreieli  nm  das  Jahr  1780  68,000  Stühle  gesohlt,  für  weiche 
und  die  dabei  voikommeiiden  Nehenarbeiten  und  Zubereitung 
der  Seidengespinnite  500,000  Arbeiter  ihren  Unterhalt  sich  er- 
warben. Ljon  allein  betaas  davon  14,782  StOhle,  darunter  nur 
240  SU  schweren  fafonnirten  Seidenseugen.  Während  ddr  i^evo- 
lution  und  der  Continentalsperre  Verlor  Frankreich  sehr  stark  den 
Absatz  in  den  einfachen  Stoflfen,  und  konnte  nur  für  die  vorsüg- 
liebsten  und  schwersten  Seidenxeuge  seine  alte  Meisterschaft 
dergestalt  behaupten,  dass  der  Absats  darin  sich  mit  jedem 
Jahre  beträchtli^  mehrte,  sogar  bei  seinen  politischen  Fein- 
den auf  den  beschwerlichsten  und  kostbarsten  Umw^^n. 
In  dieser  Zeit  trat  Jacquard  *)  1801  mit  seinen  ausgeseiehneten  Ver- 
besserungen des  Webestuhls  für  fa^ennirte  SeAlestoffe  auf,  als 
Ljon  nur  noch  7000  Stühle  suhlte  und  darunter  2,800  für 
schwere  Zeuge.  Unter  Napoleon  hob  sich  nun  wieder  Ljon 
auf  10,700  Stühle,  und  Saint  •  Etienne  errichtete  seine  grossen 
Seidjenband  •  Fabriken.  Ludwig  XVIII.  bemühte  si<;h  durch 
Schutzmaassregeln,  die  indess  in  seiner  Zeit  nicht  mehr  zu  ei- 
nem erwünschten  Erfolge  führen  konnten,  für  die  eigenthümli- 
chen  Französischen  Erfindungen  bei  der  Seidehzeugefabrikation 
den  Alleinbesitz  seinem  Staate  zu  erhalten.  Daher  die  könig- 
liche Verordnung  vom  20.  Octdber  1814,  nach*  welcher  keinem 


^)  Dieser  berühmte  Mechaniker,  welcher  zu  Lyon  am  7.  Jnl. 
1752  geboren  wurde  und  unlängst  in  seinem  Bemfe  in  seiner  Vaier- 
sCadt  am  7.  Aug.  1834  verstarb,  fand,  wie  so  vielie  seines  Gleichen, 
weniger  Anerkennung  in  seinem  Vaterlande,  als  im  Anslande.  OI>- 
gleich  er  von  Bonaparte  als  Consul  gewürdigt  und  ausgezeichnet 
wurde,  bemühte  man  sich  doch  aofsdnea  zusammengesetzten  Wehestubi, 
als  auf  eine  unbedeutende 'mecfaanisdie  Abänderung  scheel  herabzusehen 
und  ihm  dto  gerechten  Lohn  seiner  Anstrengungen  zu  entziehen.  Dage- 
gen wurde  Jacquards  Name  in  England  hochgepriesen,  und  Manches- 
ter allein  zählt  gegenwärtig  2000  nach  ihm  benannte  Webestühle 
für  Seidenzenge.  lErst  nach  der  Restauration  machte  Frankreich 
von  dem  ihm  zaerst  dargebotenen  Vortheile  vollständigen  Gebrauch. 
Vergt  die  Biographie  dieses  Tedroikers  im  Magazin  für  die  Lite- 
ratur des  Anslaades»  Apr.  1835.  nr.  44 


Fraakreicli. 


iBiiamilrT  Am  VciAArai  Mm  AiMün  laid  9M«i  4»  StUwi. 
gexeigt  w«rtlMi  dtrf ,  «6  wi*  iberkavpt  iuidi  dieselbe  der 
der  Fremde»  ia  de»  Werkstitten  mrbeleii  ud  den  Me- 
die  VerfertigoBg  TenWebeetOUen  iOr  emlindierhe  fa* 
Wrücen  «ntersi^*  wurde.      Inswiediett    betedea  sieh  tebon  die 
HaglSünder  ia   dem   Besitse   derselben  und   beeiferten   sidi   mit 
H&lfe    ihrer  grossen  Cepitmlien  und   ausgebreiteten  Hsndelsrer* 
Wimdani^,  aueb  in  diesem  Zweige  der  Maaufacturen   den   Fran* 
aosen  den  Veiraag  absugewinnen»  Was  ibnen  jedoeb  keinesw^es 
gelangen  ist   -Auf  den  Hauptmassen  des  Deutsdisn  Minafaetu« 
ren-Bandelsy  an  Frankfurt  am  Main  und  Leipsig  erlangten   die 
Franxösisehen  sehwer^i  Stoffe  aeit  1822  wieder  den  entschieden- 
Uten  Vorzug,  und  selbst  nach  England  mehrte  sich  wieder  unge- 
aditet  des  starken  Einfuhrsolls   der  Absats,   und   dies   geschah 
aoeli  in  einem  stärkeren  Grade,   als   nach   dem  Kberalerea  aber 
sehr  wohl  berechneten  Handelssysteme  Huskissona  1837  der  Zoll 
aof  die  Einfuhr  rerfertigter  Seidenwaaren  ermässigt  wurde«  Daher 
wwea  wieder  bis  1830  sowohl  die  Einfuhr  an  roher  Seide,  als  auch 
die  Fabrikatien  und  Ausfuhr  der  Seidemanufaeturen  in  erfreulichem 
Stegen h^^riffen,  wiewohl  diese  auch  gerade  am  stärkesten  duroh  die 
Unruhen  der  n&ehsten  Jahre  und  namentlich  durdi  die  auMhferi- 
aehea  Bewegungea  in  Ljon  selbst  enchüttert  wurden.    Im  Jahre 
1810  bedurfte; man  noch  ausser  der  selbst  erbauten  Seide  dO(V,000 
'  KUogrmnme   (857,147  ft.),    1824  650,000  Kilogr.   (1302,871    %) 
und  1826  800,000  Kilgr.  (1,714,280^)  eingeführter  fremder  Seide. 
Im  Jahre  1822  wurden  aaf  50,000  Stühlen  Zeuge^  auf  65,000  Stöh- 
len Band  ron  300^000  Arbeiter  far  255,000,000  Frcs.  (68^850,000 
Thb.)  gearbeitet    Im  Jahre  1825  zählte  man  wieder  bereits  über 
60,000  Stühle  für  seidene  Zei^e,  und  30,200  aliein  su  Ljon, 
darunter  über  10,000  für  fa^onnirte  Zeuge.  In  der  ersten  Häifle^ 
dei  Jahres  1830  waren  aber  65,000  Stühle  auf  Zeuge  und  8O,q0O 
Stühle  auf  Band  in  Gang,  die  400,000  Arbeitern  Nahnmg  gaben 
und  über  290,000,000  Frcs.  (78,000,000  Thlr.)  fertige  Waaren  her- 
Torbrachten.     Davon  begass  Lyon   32,000  Stühle  auf  Seidenzeuge 
und  darunter  11,000  Jacquards  zu  fa^onnirten   Zeugen;   es   wur- 
den durch  dieselben  60,0(X)  Personen   in    7000   Werkstätten   he- 
ichäftigt.    In  Saint-Etienne  erhielten  damals  die  Seidenband  Fa- 
briken 30,500  Webestühle  in  Thätigkcit,  worauf  über  2%000  Ar- 
beiter jährlich  für  27,475,000  Frcs.  (7,418,250  Thlr.^  Waaren  ver- 
fertigten.    Die  rohe  Seide  wurde  |iier  in  120  durah  Wasser-  und 


109  Vrankreioli. 

Dan^fkrtilil  gitfidbeiieii  S^ide-MlDileiv  4t«  ilcli  In  fbr  N&he  der 
Stadt  beiuideiiy  appretirt  Die  Ausfuhr  Teraeodel  ia  der  R^;el 
Jährlich  über  ein  Dfittheii»  oftmala  beinahe  swei  Fünfthdle 
des  Werthea  der  verfertigten  Sddewaaren.  Nach  dem  officiellen 
Schätsungswerdke  betrug  die  Ausfuhr  in  diesem  Gegenstande  *). 

4 

1822  97,700,000  Pres.  s2q,379,000  Thlr«^ 

1823  83,000,000  —   22,410,000  -^ 

1824  00,486,000  —   26,861,220  w 

1825  110,925,000  — ^   29,940,750  — 

1826  84,800,000  —   22,896,000  — 

1827  115,290,000  —   31,128,300  — 


591,201,000 Fros.=  150,624,250  Thlr. 

also  in  diesem  sechijährigen  Durchschnitte  }&hrlidi   98,533,500 
Frcs^  oder  26,604^042  Thlr. 

e.  Metallwaaren.  Diese  Manufäcturen  seichnen  sich  vor-, 
sOglich  in  Eisen,  Wafibn  aller  Art,  Modewaaren  in  edlen  Me- 
tallen, Plattirongen,  Uhren  u.  s.  w.  Ihren  Hauptsiti  haben  sie 
in  Paris,  in  den  grösseren  Sti^^^n  der  Fransösitchen  Niederlande 
und  in  St.  Etienne,  Gkgen  350,000  Arbeiter  linden  gegenwartig 
in  denselben  Beschäftigung,  und  s^hon  Chaptal  giebt^  niitHinzu- 
siehung  der  statistischen 'Nachrichten  des  Grafen  Chabrol  wegen 
der  Industrie  von  Paris,  den  Werth  der  Fabrikat  auf  321,372,842^ 
Frcs.  oder  86,770,659  Thln  an,  davon  Fabrikate  in  Eisen  und 
Stahl  auf  207,390,377  Frcs.,  in  Blei  4,830,460  Frcs.,  in  Kupfer 
16,171,260  Frcs.,  in  plattirten  Gcräthen  4,000,000  Frcs.,  in  Bijou- 
teriearbeit 63,965,745  Frctf.,  Uhren  19,765,7*45  Frcs.  und  in  bron- 
cenen  Creschirren  und  Gcräthen  5,250,000  Frcs.  Doch  bei  wei- 
tein die  meisten  Gegenstände  dieser  Industrie  werden  nur  für  den 


*)  Yergl.  Ferussac.  Bullet  d«  se.  geogr.  II.  8.  140.,  und  XIII. 
S*  69.  ^  Wenn  Malcbus  Stotist  8.  257.  die  Englischen  Seidenmanu- 
facturen  höher  anschlägt  als  die  Französischen,  wegen  der  Vetarbei- 
lung  einer  grosseren  Masse  des  Stoffs,  %o  ist  dies  wohl  nur  aus  üe- 
bereilung  geschehen,  indesi  er  lediglich  nach  den  dort  angegebenen 
Zahlen  aqf  öle  Verarbeitung  der  eingeföhrten  und  nicht  sugUfdider 
in  Fcanlureicb  erbauten  Seide  Rücksicht  genomnea  hat 


Kr«akr«icfli/  ]«9 

^ 

Bedarf  des  Landet  angefertigt,  und  kanm  ctfl  Fünf  und  iiRUn« 
sigtheil  wird  dinreh  die  Auifuhr  «bgeae^  Dieselbe  betrug naeti 
dem  offieiellen  S^&txnngswerthe 

1S22  12,870,000  Fret^  3,474,900  Thbr. 

1823  12,160,000    —  3,283,200     — 

/^  1824  13,500,000    —  3,645,000     — 

"     i  1825  18,570,000    —  5,013,000     — 

1826  16,970,000    —  4,573,800     — 

N  74,040,000  Fro8. 21,990,800  Thlr. 

also  im  Durchschnitt  jährlich  14,808,000  Frca.  ad^  4,398,160  Thlr., 
wovon  wiederum  ein  Drittel  ausschliesslich  der  Absati  an  Uhren 
ausmacht,  noch  1827  4,240,000  Frcs.  (l,144,80Gf  Thlr.), 

f.  Thon-  und  Glaswaaren  %  Frankreich  behauptet  in 
diesem  Zweige  der  Industrie  einen  bedeutenden  Ehrenrang,  den 
es  überdies  vor  seinen  Nebenbuhlern  durch  möglichst  vollendete 
Form  bei  verhältnissmässig  wohlfuiem  Preise  sich  stets  zu  er- 
halten anstrengt  Die  Sp^iegelmanufacturen  su  Paris,  lu  St. 
Gobin,  einem  Djorfe  im  Dept  Aisne,  su  Tour -la]- Tille  bei  Cher- 
bourg,  zu  Rouelle«  und  Sarrebourg  gehören  zu  den  ausgezeich- 
netsten in  Europa.  Die  Crjrstallarbeiten  zu  Paris  und  in  dem 
dabei  benachbarten  S^ve,  zuCenis  im  DeptSaone  und  Loire,  die 
Glashötten  in  Lothringen  und  im  Elsass  liefern  Arbeiten,  die 
von  den  Englischen  fast  nur  durch  den  Preis  unterschieden  sind: 
ausserdem  wird  viel  Olas  in  derPioardie,  Normandie  und  in  den 
Landschaften  Nivemais  und  Maine  verfertigt.  Die  meisten  Por- 
ce Ilain-Fabriken  befinden  sich  in  dem  Dept  Seine,  die  beiden 
besten  zu  S^es  bei  Paris  und  zu  Chantill/  im  Dept  Oise;  die 
ausgezeichnetsten  Faience-Fabriken  findet  man  zu  Ronen,  Bor- 
deaux und  Neverfi,  das  beste  Steingut  zu  ChantiUjr«  Rechnet 
man  die  Fabrikation  der  gemeinen  Töpferwaaren  mit  15,000,000 
Frcs.  und  die  der  Ziegel  und  Dachpfannen  mit  17,500,000  Frcs. 
hinzu,  so  steigt  nach  Chaptal  der  Gesammtwerth  der  Glas-  nnd 


*)  Vergh  'mier  di^  iHiiBelnen  IMannAiduren  HerUn   a.  a.  O. 
S.  19I*20a 

f 


I 

!!•  Fxankr^iclK. 

V 
■  \ 

*  I  ^ 

Tkmi-Waarai  mt  dtc  Jalur  1818  auf  64^000,000  Pres.  (|7,2aO;OOa 
TMiJ^  die  von  30,000  Arbeitern  verfertigt  w«rden.  Im  Jahre 
J830  war  die  Zahl  der  Arbeiter  auf  42,000  gea^egen  uad  dar 
iVerth  der  von  ihnen  verfertigten  Waaren  auf  80,000,000  Pres. 
(21,000,000  Thlr.).  Die  Amfohr  derselben  betrug  ein  Achttheil 
und  darüber  aar  Hliifte  Glai,  zur  Hälfte  Thon  und  Porcellain. 

1822  9,600,000  Pres.  2,592.000  Thlr. 

1823  8,600,000    —     2,322,000     — 

1825  12,200,000  —   3,294,000  — 

1826  10,560,000  ~  2,851,200  — 

1827  10,050,000  —  2,713,500  — 


5 1 ,010,000  Pres.  13,772,700  Thlr. 
Also  im  Durehsehnitt  geht  jährlich  ins  Ausland  für  10,202,000  ^ 
Pres,  oder  2,754,540.  Thlr. 

g.  Leder*Manufacturen.  Die  Gerbereien  haben  ihren 
Hauptsitz  zu  Nantes,  Niort  und  Gireno.ble,  und  verarl^eiten  nicht 
nur  die  von  der  iniündisohen  'Viehzucht  dargebotenen  Häute  zu 
einem  rohen  Werthe  Von  56|000,000  Pres.  (15,120,000  Thlr.),  so n* 
dem  auch  noch  um  den  fünften  Theil  mehr,  namentlich  aus'  dem 
nördlichen  £uropa  eingetlhrte  Rinderhäute,  im  Durchschnitt 
Jährlich  für  mehr  als  1 1,000^000  Pros.  (18|^  für  12,400,000  Pres, 
durchschnit^ch)«  Die  dabei  beschäftigten  Arbeiter  werden  ge- 
genwärtig auf  200,(X)0  gezählt  und  die  von  ihnen  bereiteten 
Pabrikate  nach  Chaptal  schon  1818  83,700,000  Pres.  (22,599,000 
Thlr.)  geschätzt,  wovon  f  auf  die  Rothgerbereien,  |  auf  die  Weiss- 
gerbereien kamen.  Gegenwärtig  wird  der  Werth  der  Pabrikate  ge- 
schätzt 130,000,009  Pres.  *)  (35,100,000  Pres.)  wovon  ^  ins  Ausn 
land  verkauft  wird;  nemlich  1822  für  12,700,000  Pres.,  1823  für 
1^2,160,000  Pres.,  1824  für  11,200,000  Pres.,  1825  für  21,600,000^ 
Pres.,  1826  für  17,300,000  Pres.,  1827  für  18,360,000  Pres.,  also 
durchsehnittUch  für  15,500,000  Pres,  oder  4,198,500  Thlr.  -^ 

h)  Die   Seife-,  Talg-   und  Wachs-Pabriken    arbeiten 
in  Prankreich  besonders  für  den  inneren  Bedarf  mit  80,000  Ar* 


^)  Ton  G<$ldsmi(h  Sut  de  Fr.  S.  171  wird  er  sogar  auf 
160)000,000  Pres,  angegeben.  Ueber  den  Zustand  derselben  während 
der  Revolution»  Uerbin  a.  o.  O«  S.  153- 70w 


Fra&kreHieb*  111 

iB  f(tiiMr  pafiMincr  8«fo  uwl  W*eiialiditai  wM  V^  des  Pa- 
bflikate  WS  A»l«id  akgoietit»  J822  für  4,&WfiOO  Fret^  1823 
Iftr  MM^OOO  Frct^  ISIS  fir  S»5e0»900  Fra^  l«26  Ar  4,10Q^0g(» 
Vm.  idM  AgAwAnitriMih  fir  4»Q2M»>  Rrcs.  (l,08i;760  Thbv). 

L  Papiermühlen,  Oelmfihlen  und  Mahlwerice  ihnlicher 

Aft.    Ib  JaJure  1825  wurden  in  Frankreich  199  in  for^denemdem 

Befiriehe  gehaltene  Papiermihlen  gesohlt»  die  1200 Butten  hat* 

ten,  llhcr  18,000  Menschen  hetchif%ten  und  mindeateni 2,680,000 

Ries   Papier  jährlich   lieferten,    darunter  über  |.  Sdireihpapier. 

Nieht  minder  hedentend  ist  in  Frankreich  stets  die  Tapefeenfahri* 

kation  gebliehen»  so  dass  1818  der  Cresammtirerth  des  gearhet- 

tefen  Papiers  und  der  Tapeten  nach  Chaptal  avf  31,700,000  Ff  es» 

sti^,  woTon  der  finite  Theil  Werth  in  den  Materialien  steckte, 

I  aher  durch  Aiheitslohn  der  Frankftsischen  Industrie '  gewonnen 

wurde,  wShrend  ror  der  Rerolution  nnr^herhaupt  för  12,000,000 

Frea.  yerfi^tigt  wurde»   woron   der  Stoff  aber  einen  Werth  Ton 

5,400,000  Frcs.  besass.       CregenwÜrtig   ist   der  gesaminte  Ertrag 

der  Papier-  und  Tapetenfabrieation  auf  43,000,000  Pres.  (1 1,610,000 

Thlr.)  gewachsen,   wovon   der  Absats   ins   Ausland   beinahe   j-'^ 

fertnimmt,    1822   f&r   3,200,000  Frcs.,  1823  für  3,100,000  Frss.f 

1824   für   4,200,000   Frcs.,    1825    für   7,960,000  Pres.,    1826  fttt 

4,470,000  Frte^  also  durchschnittlich   4,646,000  Pres.   (1,254,420 

Thlr.)  —  Die  O  el  -Pabrikatioii  hat  ihre  Stelle  schon  oben  hei  dem 

Ackerbau  S.  82  gefunden. 

k)  Tabacksfabriken.  Die  Bereitung  des  Tabaeks  and 
den  Vertrieb  desselben  hat  die  Regierung  bis  jetst  noch  als  Mo* 
Bopol,  vnd  def  Ertrag  der  daraus  herrührenden  Steuer  wird 
5«  2K  nlher  beleuchtet  werden«  Das  Monopol  selbst  wurde  im« 
ter  der  kabeiüchen  Regierung  1810  fast  gani  nach  den  Grund* 
slllsen  wieder  eingeführt,  me  sie  vor  der  Revolution  bestanden 
hatten,  und  npk  es  lichter  handhaben  su  können,  ist  d^r  Anbau 
der  Pflanse  auf  acht  Departements  beschränkt,  so  wie  aineh  nur  12 
groftse  Fabriken  bei  der  Bereitung  des  Tabaeks  besefai£ttgt  sind, 
mid  ausschliesslich  den  Bedarf  der  Tabacks-Regie  gegen  12,000,000 
Käogr.  (25,714,280  %)  hestreiteB«  Die  Auisflihr  ist  Mkhst  unbe- 
deutend und  sechsmal  so  gering  als  i^er  ekigifilhrle  fremde 
Tabaek.  Die  Ausfuhr  betivg  1822  2,0(tO,OOOFres^  ]82aM,IOO,000 


\  \ 


111  Fraiikreloli. 


nrct^  tiU  1,600,000  Fm.»   1825  110,000  Vtm.,  1020  1,200,000 
Frau,  alao  durehtdinttiieh  1,182,000  Fret.  (310,140  Thlr.);  wth-. 
raid   die   Einfahr   1822   0,700,000  Frei.,    1823  4,800,000  Prot., 

1824  5,200,000  Frak,  1825  9,000,000  Frei,  und  1820  9,850,000 
Frei,  erlangte,  abo  durchiebiuttiieh  im  Jahre  7,207,143  Frc% 
oder  1,945,920  Thir. 

e)  Oröttere  Gewerbe  im  Sieden,  Brennen,  Brauen^ 
Die  Zuckerraffinerien  haben  in  Frankreich  einen  tehr  leib- 
haften Betrieb,  wenn  gleich  haupttächlieh  nur  für  den  Gebrauch 
des  Inlandef.  Schon  (^haptal  gab  für  1818  die  MaMe  dei  raffinirten 
Zuekert  jSÜirlioh  auf  568,500  Centner  und  ihren  .Werth  auf 
55,138,900  Fret.  an,  wovon  allein  die  25  Raffinerien  der  Haupt- 
itadt  und  ihrer  nächsten  Umgebungen  200,Q76  Centr.  lieferten. 
Indets  seit  dieaer  2ieit  sind  der  Bedarf  und  Abtats^^eh  um 
mehr  ala  das  Doppelte  gestiegen«  Denn  während  im  Jahre  1810 
24,000,000  Kilogr.  (51,468,573 '<&)  Zucker  rafRnirt  wurden,  lie- 
ferte man  1824  bereits  55,000,00p  Kilogr.  (125,714,385  <&)  und 
1820  schop  72,000,000  KUogr.  (164,571,440^).  Die  Einfuhr  an 
Roh-Zucker  kostete  1822  40,000,000  Fres.,  1823  27,^00,000  Frcs., 

1825  34,000,000  Frcs.,  1826  42,200,000  Free,  also  durchschnittlich 
36,000,000  Frei,  oder  9,720,000  Thlr.  Die  Ausfuhr  an  rafßnir- 
tem  Zucker  betrug  1822  1,200,000  Fres.,  1823  1,000,000  Frcs., 
1825  4,900,000  Fres.,  1826  5,020,000  Frcs.,  durchschnittlich  in 
diesen  Jahren  3,040,000  Frcs.  (820,800  Thlr.).  —  Die  Brannt- 
wein-Brennereien liefern  jährlich  für  75,000,000  Frcs.  (20,250,000 
Thlr.),  die  Bierbrauereien  für  60,000,000  Frcs.  (18,200,000  Thlr.), 
die  Cjder  und  Poire -Fabriken  für  50,000,(^  Frcs.  (13,500,000 
Thlr.),  also  überhaupt  für  51,950,000  Thlr.  geistige  Getränke 
ausser  dem  Weine.  Von  Bieri^  Cjder,  Poire  wird^  aus  Frankreich 
nichts  ausgeführt,  von  Branntwein  1822  für  19,900,000  Frcs., 
1823  für  25,200,000  Free.,  1824  für  23,150,000  Fres.,  1825  für 
22,500,000,  Fres.,  1826  für  17,000,000  Frcs.,  also  durchsehnittlieh 
in  diesen  5  Jahren  fQr  21,550,000  Fres.  (5,818,500  Thlr.).  — 
Der  Weingeist  wird  besonders  an  Nismea<  verfertigt,  jährlich 
3000  Fässer  au  1500  Fres.,  also  für  4^500,000  Fres.  (1,215,000  Thlr.). 


m)  unter  den  Übrigen  bedeutenderen  Gewerben  sind  im 
beaenden  lebhaften  Schwünge  betrieben  die  Hutfabrikation  m 
JiUikiien  Ertrage  von  30,000,000  Fres.  mit  nicht  unbe- 


Frankreich.  113 

trlkiitlitfber  Ausfuhr^  dvr  ScKiffbtfn  in  den  Nord-  mi  Wetl- 
Fransttmeben  Häfen,  die  Wagenfabrikation»  die  Verfertigiing  ron 
Meoblet  und  muiikalischen  Inetrumentieiiy  die  i^Ietekfalla  cur  Ave» 
fnhr  j&hrlieh  für  3  bi»  4,000,000  Frcs.  Waaren  liefern. 


%.  U. 


Die  verschiedenen  Zweige  des  Handels. 


Arnonld  de  la  lalance  du  commerce  et  des  relafwns  eX' 
terieuren  de  la  France^  Paris  1791,  3  vol.  St>o,  ein  Werk  voll 
echätzbareif  Materials,  das  sich  aber«»  nicht  frei  von  dem  Ein- 
flüsse der  Zeit  erhalten  hat,  in  der  es  erschienen  ist  7—  Vau^ 
hlßne  {Mimstre  ^etat)  sur  la  commerce  de  Ja  France  en  1820 
€t  1821.  Paris  Svo,  hauptsächlich  eine  Streitschrift  gegen  das 
damalige  Generai-Directorium  des'  Handels  über  die  nachtheilige 
Handelsbilanz.  — -  Ausserdem  die  oben  §.  9  und  10  angeführten 
Werke  von  Herbin,  Chaptal,  Dupin  nnd  die  officiellen  tableanx. 
Für  die  Colonien  vorzüglich  Renouard  Mrq,  de  St.  Creix 
Statistique  de  la  Martinique.  Paris  822,  2  voU  Svo^  — - 

Der  auswärtige  Handel  Frankreichs  erlangte  in  derselben 
Zeit,  als  die  Industrie,  seifle  steigende  Biüthe,  dieColberts  anab- 
läsaige  Sorgfalt  in  der  vielseitigsten  Theilnahme  der  Franzesen 
an  dem  Colonialwesen  zu  erhalten  sich  bemühte.  Bald  nach 
dem  Jahre  1650  begann  man  auf  den  Französischen  Besitzungen 
in  Westindien  den  Zuckerbau,  den  Caffeebau  aber  erst  in  dem 
Jahre  1722  und  1724:  beides  aber  nahm  einen  "so  guten  F«rt* 
gang,  dass  Frankreieh  für  den  grösst|sn  Theil  des  achtziihnten 
Jahrhunderts  bis  zur  Französischen  Revolution  in  diesen  beiden 
Haupt  *•  Colonialprodncten  den  einträglichsten  Händel  treiben 
konnte.  Die  Zeiten  des  Ministeriums  des  Cardinais  Flenrj  wa- 
ren die  glänzendste  Epoche,  nicht  so  sehr,  wenn  wir  den  quan» 
titativen  Werth  des  gesinnten  Hand^averkekrs  im  Vergleich  su 
dem  heutigen  Zustande  betrachten»  alt  wenn  wir  daa  damalige 
^.oliabcrt's  Statistik  II.  8 


I 

,1 


I 


^J14  Frankreich. 

Verhältniic  dM  Französischen  .Handel  eu  dem  der  flliriji^n  Völ- 
ker Earopai  als  nothwendiges  Moment  der  Vergleichuni^  festhalten. 
Der  Wendepunkt  di^er  Periode  ist  der  Ausbruch  des  mit  dem  sie- 
benjährigen Kriege  gleichzeitigen  Seekrieges  Ton  eben  so  langer 
Dauer.  Vor  demselben  führte  Frankreich  durchschnittlich  jedes  Jahr 
für  a7,000,000  Livr.  (9,990,000  Thlrv)  Waaren  ai^  Ostindien  aus^und 
setzte  sie  zum  grossen  Theil  mit  sehr  bedeutendem  Nutzen'  an 
Deutschland  und  die  Nordischen  Staaten  ab»  wie  dies  aus  den  Auo* 
tionsregistem  der  Ostindischen  Handelsgesellschaft  im  Freihafen 
L'Orient  aus  dieser  Zeit  hervorgeht  Diesen  vortheilhaften  Handel 
busste  Frankreich  durc^h  den  angeführten  Seekrieg^bis  auf  einen  völ- 
lig'namenlosen  Rest  ein.  Nicht  minder  ging  in  dieser  Zeit  der  leb- 
hafte Handel  Frankreichs  nach  der  Westk&st^  von  Afrika  verloren, 
als  die  Forts  an  der  Mündung  des  Senegals  1762  aufgegeben  werden 
mussten,  und  auch  der  Handel  auf  der  Küste  von  Guinea  beschränkt 
wurde.  Der  Nord  amerikanische  Freiheitskrieg  brachte  den  Fran- 
zosen die  einmal  verloren  gegangenen  Vortheile  nicht  mehr  wie-  . 
der,  und  die  bald  daran  sich  knüpfende  grosse  Revolution  er- 
schütterte oder  zerstörte  gänzlich  den  auswärtigen  Handel  selbst 
auf  denjenigen  Punkten,  wo  er  bis  dahin  noch  unangetastet  ge- 
blieben war.  , 

Dies  machte  sich  am  empfindlichsten  bei  dem  Handel  mit  der 
Levante  bemerkbar,  wo  die  Franzosen  durch  ihre  politische  Verbin- 
dung mit  den  Türken  seit  der  Regierung  Franz  1.  und  der  grösseren 
Beschränkung  der  beiden  italienischen  Seestaaten,   Venedig  und 
Genua,  auf    dem    Türkischen    Gebiete    in    Asien    und   Europa, 
hauptsächlich,    den     Meister     spielten,     unter     allen     Europäi- 
schen HandelsvÖlkem  die  meisten  Vorrechte  genossen,  und  nicht 
nur  die  Erzeugnisse  der  Levante  gegen  Französische  Fabrikate 
eintauschten,   sondern  auch  eben  so  gewinnreich  als  Vermittler 
des  Handels  mit  den  Armeniern,  Persern  und  Arabern  auftraten, 
die  ihre  Waaren  mit  Caravanen  nn  die  Levantische  Ktlste  führ- 
ten.  Als  Hduptstapelplätze  dieses  Handels  mussten  ausser  Smyrna 
uud  Aleppo  noch  Constantinopcl  und  Kahirah  betrachtet  werden, 
während  der  Concentrationspunkt  des  Levantischen  Handels    in 
Frankreich  Marseille  verblieb,  das  durch  seine  Freiheitsbriefe  im 
siebzehnten  und  achtzehnten  Jahrhunderte  wie  ein  Freihafen  vor- 
zugsweise hiefür  begünstigt  war.    Aber  während  des  Revolutions" 
krieges  gewannen  die  Engläni^er  auch  in  der  Levante  ihr  festes 
Handelsterrain,  and  nachdem  sie  Malta  erobart  and  audi  auf  den 


FrankreiG/i*  116 

loDuieben  Inselii  einen  gebietenden  £inflnte  erluigt  httteiii  httU 
Uten  sich  dieselben  sa  raach  in  dieeem  Handel  «ns,  daM  Frank* 
reich  nacb  den  beiden  Pariser  Frieilensschlüssen  kaum  gleichen 
Rang  mit  den  Engländern  auf  dieser  Küste  nieder  ge#innen  konnte. 
In  Westindien  machte  Frankreich  während  der  Rerolution  einen 
nn^vetsliehen  Verlust  durch  den  Aufstand  des  Franidsiscben  An« 
theils  Ton  St  Domingo,  das  «inen  selbständigen  Freistaat  und  eben 
so  auch  eine  Monarchie  nach  dem  Muster  des  Mutterstaates  lu  bil* 
den  rersuchte  und  suletzt  glfic^ich  durchfi^rte.  Denn  Domingo 
beschäftigte  allein  eine  doppelt  so  grosse  Aniahl  von  Schiffen 
(360)  mit  dem  Colonialwaarenhandel,  als  die  beiden  noch  jetst 
den  Franzosen  Terbiiebenen  kleinen  Antillen  Guadeloupe  und 
Martinique*)  zusammen  (190  Schiffe).  Eins  der  glänzendsten 
Jahre  des  ^Westindischen  Handeli  vor  der  ReTolution  war  1786,  wo 
ilas  Französische  Domingo  allein  für  l31,48l,0()0Livr.  (35,499,870 
Thlr.)  Colonialwaaren  lieferte,  Martinique  dagegen  23,958,000'Lirr., 
Guadeloupe  14,360,000  Lirr.  und  Cajenne  91 9,000  Livr.  Colonial- 
waaren, also  alle  Französischen  Besitzungen  in  Westindien  und  Siid- 
amenka  zusammen  170,71 8,000  Livr.  (46,093,860  Thlr.).  ->- 

Der  all|eraeine  Handel  mit  den  Europäischen  Staaten 
war  überall  ausgebreitet,  und  in  der  Ost-  und  Nordsee,  wie  in 


*)  Martinique  (16»^'  QM.  gross)  ist  gleichwie  Guadeloupe  C30>^ 
QM*)  nur  zum  vierten  Theile  der  Bodenfläche  angebaut,  hauptsächlich 
wegen  der  schädlichen  Witterungseinflnsse,  die  anf  einer  gewissen 
Hohe  bis  jetzt  alle  Versuche  einer  regeren  physischen  Culftur  mit  Auf- 
opferung der  dabei  gebrauchten  Menschen  vereitelt  haben.  Der  Winter 
(hivemage)  dauert  hier  3  Monste  vom  15.  Jnli  bis  zum  15.  October,  und 
•  besteht  in  hefrigem  Regen  und  Stürmen»  der  Sommer  9 Monate.  Die  Yer<» 
waltung  bei  den  Colonien  hat  durch  die  Englische  Besetzung  während 
der  Revolnrion  und  der  Herrschaft  Napoleons  ausserordentlich  gelitten» 
Das  Verhaliniss  des  Anbaus  auf  Martinique  ist  in  Carr^s  (l  Carr.  ^s 
10,000  QF.  Paris.,  also  ungefähr  ^  Morgen) :  12,7*27  für  Zucker:  2956  für 
Ca£fee  412  für  Cacao:  330  für  Baumwolle.  Eine  Zuckerpflanzung  Jcostet 
durchschnittlich  in  Gebäuden  l5O»000  Frcs.,  die  übrigen  Anlagen  gegen 
716,000  Frcs.,  der  durchschnittliche  Ertrag  450,000  U  roh  Zucker>  der 
kanm  Über  0  Procent  das  angelegte  Capital  jetiKt  verzinset,  also  gegen 
frühere  Zeiten  einen  höchst  unbedeutenden  Gewinn  liefert  Der  anbe-» 
fohlene  Anbau  ^on  Maulbeerbäumen^  um  hieher  auch  den  Seidenbau  iKu 
iF«rpflanzen,  ging  nicht  fort,  weil  die  jungen  Bäume  nicht  die^ge* 
henren  Stürme^  die  ahf  diesen  Inseln  stets  berrscben»  ertragen  koAttten» 


116  Frankreich. 

V 

den  Hilfen  des  Atlantischen  und  Hittelländisolicn  Meeres  fand  jähr- 
lich ein  sehr  lebhafter  Verkehr  der  Französischen  Schilfe  statt, 
so  dass  die  Französischen  Staatsmänner  in  der  zweiten  Hälfte  699 
achtzehnten  Jahrhunderts  den  reinen  Gewinn  ihres  Landes  aus 
dem  Handel  jährlich  auf  75,000,000  Livrs.  (20,250,000  Thlr.)  Veran- 
schlaglten,  wenngleich  diese  Annahme  als  Durchschnittsertrag  fast  zu 
stark  erscheint.  Die  Gesammtausfuhr  Frankreichs  ohne  die  Colonicn 
betrug     1787  =  424,435,000  Frcs.  =  114,597,450  Thlr. 

1788  =  365,000,000    —     z=    98,500,000    — 
Einfuhr  1787  =  379,915,000    —     =:  102,577,050    — 

1788  =  345,000,000    —     =    93,150,000    — 

darunter  aber  55,000,000  Frcs.  (14,850,000  Thlr.)  in  baarem 
Yvclde.  Das  Handels-Capital,  welches  im  inländischen  Gross* 
handel  1789  beschäftigt  war,  wurde  auf  319,083,618  Frcs. 
(85,952,573  Thlr.),  die  Zahl  der  dabei  gebrauchten  Arbeiter  auf 
715,908  und  der  durchschnittliche  Lohn  auf  den  Kopf  178  Frcs. 
(48  Thlr.)  berechnet:  das  im  ausländischen  Grosshandel  lie- 
gende Capital  251,739,776  Frcs.  (67,969,734  Thlrl),  die  Zahl 
der  Arbeiter  405,186,  der •  durchschnittliche  Lohn  auf  den  Kopf 
199  Frcs.  (53 1  Thlr.);  endlich  das  im  Detailhandel  laufende 
Capital  auf  181,276,678  Frcs.  (48,944,697  Thlr.),  die  Zahl  der 
Arbeiter  1,843,836  und  der  durchschnittliche  Lohn  auf  den  Kopf 
376  Frcs.  (101^  Thlr.). 

Die  Französische  Revolution  und  die  Kauerherrschaft  Na** 
poleons  drängten  dem  Handel  so  unnatürliche  Verhältnisse  auf, 
dass  diese  Zeiten  als  völlig  vorübergegangene  Zustände  fär  die 
statistische  Darstellung  des  gegenwärt^en, Handels  von  keinem  be- 
merkenswerthen  Einflüsse  erscheinen.  In  den  ersten  sieben  Jah- 
ren nach  der  Restauration  der  Bourbons  war  aber  bis  1821  meikwür« 
digerweise  die  Gesammt*  Aus-  und  Einfuhr  Frankreichs  dem  Werthe 
nach  wenig  verschieden  von  dem  unmittelbar  vor  der  Revolution  ge- 
wöhnlichen Zustande  des  Handels.  Die  Ausfuhr  *)  betn%  nämlich 
im  Durchschnitt  368,000,000  Frcs.  =  99,360,000  Thlr. 
Die  Einfuhr  —  —  356,000,000    —      =    96,120,000     — 


'^)  Der  Preussische  Staat  empfing  von  der  Ausfahr  Frankreichs 

14,164,700  Frcs.  =  3>824,469  Thlr. 


Friiakreiclu  117 

Der  g^tammte  Hanilel  wurde  leit  dieser  Zeit  unter  die  Aufsieht 
einer  höchsten  Centralbehörde  gestellt,  die  sehon  vor  der  Revolutioa 
sls  ein  ron  Colbert  gestiftetes  coiueü  general  du  commerce  htMtuk' 
den  hat,  dann  als  allgemeine  Handelskanuuer  der  lotenden  Auf- 
sicht des  Ministeriums  des  Innern  untergeordnet  war,  und  jetzt 
f3r  sieh  ein  besonderes  Ministerial-Departement  bildet  Dasselbe 
hat  wiederum  als  Unterbehörden  in  den  21  grösseren  Handels- 
städten eben  soviel  Handelskammern,  aus  technischen  Mitgliedern 
und  Beamten  susammengesetzt,  und  ausserdem  zur  Schlichtung  über 
Handelsstreitigkeiten  214Handelsgerichte  in  den  grösseren  und  mitt- 
leren Städten.  Beschränkt  ist  gegenwärtig  der  Handel  nur 
durch  das  Ausfuhrverbot  einiger  zum  gemeinen  LebenAedurfniss 
gehörenden  Naturalien,  wovon  aber  Wein  und  Getreide  ausge- 
nommen sind  und  durch  Einfuhrverbote  derjenigen  industriellen 
Erseugnisae,  in  denen  Frankreichs  Manufacturen  besonders  in- 
teressirt  sind;  hiezu  gehört  aber  auch  der  raOinirte  Zucker. 

'  Der  innere  Verkehr  ist  aber  jetzt  quantitativ  wenigstens 
fönfiBial  so  stark  als  der  Handel  mit  dem  Auslande,  denn  selbst 
in  den  för  den  letzteren  nicht  unvortheilhaften  vier  hintereinander 
folgenden  Jahren  seit  1829  betrug  der  Gesammthandel  durchschnitt- 
lich 7,703,016,000  Fr.  =  2,070,814,300  Th.,  wovon  auf  den  Binnen- 
handel 6,476,160,000  Frcs.z=  1,748,563,200  Tbl.  und  auf  den  aus- 
wärtigen Handel  1,226,856,000  Frcs=  331,251,200  ThL  kommen*). 

Das  im  Umlauf  befindliche  haare  Capital  wird  auf  480,000,000 
Frcs=  129,600,000  Th.  geschätzt,  oder  auf  etwas  mehr  als  den  vier- 
&ehen  Betrag  des  jährlich  in  Gold  ,und  Silber  gemünzten  Geldes  nach 
dreissigjährigcm  Durchschnitte.  Es  wurden  nämlich  nach  dem 
eingeführten  Decimalgesetze  vom  28.  März  1803  bis  31.  Aug.  1817 

in  Gold      668,553,420Frc  z=;  1 80,509,41 9  Th. 

in  Silber  1,026,769,207  Fre. = 277,227,684  — 

•  Summe    1,696,322,627  Fr.  =  457,737,103  Th. 


§äb  aber  für  die  Einfuhr  nur  zu- 
rück     9,06M00Frcs.  ==Ü,447,550  Thlr. 

blieb    also    im    Nachtheil   gegen 

Frankreich  mit    ....    .    5,099^700    —    ==  1,3T6,919     * 

*)  Vergl.  die  einzelnen  Angaben  der  fün-  und  Ausfuhr  in  d.  J* 
1829—33»  unten  S.  l^-'29. 


118  Prankreich, 

und  vom  l.Bept  1817  bla 
31.  Deo  1832  in  Gold 
und  Silber  zusammen        —  1, 834, 1 06,265  Fr.  s=  495,208,678  Tli. 


>|l   ■     !■ 


also  insgesammt  3,529,428,892  Fr.  =  952,945,781  Th. 

gepr&gt*),  mithin  im  j&hr- 

Ucben  Durcbschn.  117,647,629—  s  31,764,859  _ 
Per  Innere  Verkehr  wird  voniüglich  von  der  Hauptstadt  aua 
und  auf  den  stark  besuchten  ^Messen  su  Beaueaire  für  das  sUdr 
Uche  Frankreioh,  xu  Ljon  für  das  mittlere,  su  Falaise  für  da« 
nordwestlichfi  und  su  Strasburg  für  das  östliche  Frankreich  be* 
trieben«  Pie. grossen  18  Hauptkunststrassen  durch  das  Reich« 
die  Nebenstrassen  ron  den  Hauptplätsen  fUr  den  durch  Wege- 
geld picht  beschwerten  Wagentransport  der  Producte  des  Fran-* 
sösischen  Handels  und  der  Industrie,  die  oben  (S.  35—40)  ge- 
schilderten CanUl^  und  EUsenbahn.en  **)  find  als  die  ausgeseich-r 
neftsten  Bülfkmittel  für  die  Lebhaftigkeit  des  inneren  Verkehrs 
su  betrachten.  Die  Bank  su  Paris»  seit  1803  mit  90^000  Actien 
i  IQOO  Frca.  er^ichtet^  macht  mit  diesem  Grund  -  Capital  von 
90,000,000  Frcs.  (24,300^000  Tbl)  einen  Jührlichen  Geschäftsunf- 
sats  von  mindesten  $echssigfachem  Betrage***),  ^ahlt abwechselnd 
eine  Jahresdividende  ron  0  bis  6  [  Proo.  den  Actien  «Inhabern 
und  hat  bereits  den  Ruf  eine«  der  vichtij^ten  Geldinstitut^  in 


^•^■•»i^ip' 


♦1 


0  Unter  Napdeon  yrarde  in  18  IMflDZS^ätten  gept^t,  darunter 
in  fünf  jetzt  dem  ^Französischen  Staate  entfremdeten  zu  Genf, 
Utrecht,  Turin,  Genua  und  Hom  ll>52*2>ä66  Frcs.  Unter  denBoorbons 
\nirde»  13  Münzstätten  erhalten  zu  Paris  (1942  MiU.)>  Lille  (514Mm.), 
Ronen  (^2  Mill.),  Touh>u8e  (124  Mill.),  Lyon  (123  BUIL),  Bayonne 
'  (94  Mill),  Limoges  (89  Mill.),  Bordeaux  (85  Mill.)»  Perpignan 
(80  MiU.),  Marseille  (74  MU1.>,  Rochelle  (61  MiU.),  Nantes,.(44MilL) 
und  Strasburg  (35  Mill.)^ 

^  Die  Lebhaftigkeit  des  Gebrauchs  der  Eiscnbahneu  geht  schon 
aus  folgender  Angabe  hervor.  Auf  der  Bahn  von  Lyon  nach  |St 
£(ienne  kostetete  die  Anlage  eines  Metre  (3*^^  Fuss)  264;  Frcs. 
(71t  Hü.)y  während  das  ^ekheMaass  auf  der  Eisenbahn  von  Man- 
chester nach  Liverpool  um  65  Proc  mehr  Geld  erforderte,  41^2  Frcs. 
(IIH  Tbl.),  und  gewährte  gleich  im  ersten  Jahre  acht  Pro-' 
Cent  Zinsen  des  Einlage  «-Capitals.  •«• 

**«)  Im  Jahre  18^1  betrag  er  7r221|0i9,845  Fr.  «b  1,949^676,376  Hu 


Frankreichs.^  119 

/ 

Europa  trlftogt.  DarcMhre  mannichfacheo  Getohftftsrcrbindungen  in 
den  gröiteren  Handelsstiidten  nimmt  sie  den  viclitigsten  Antheii  an 
dem  Handelsverkehr,  und  übt  einen  wesentlichen  Einflnss  auf  den 
•chwunghaftereo  Betrieb  der  Handelsgeschüfti^ 

Der  ausw&itige  Handel  kann  In  seinen  sehwankenden  Ver- 
liMtniMen  der  Ab-  und  Zunahme,  die  i^r  Frankmdi  auch  ron 
den  politischen  Ereignissen  des  yielfaeh  bewegten  Landes  ab- 
hängig gemacht  wird,  unter  mehreren.  Gesichtspunkten  aufgefasst 
werden.  Wählen  wir  suerst  den  allgemeinsten,  den  der  Ge- 
aammt- Einfuhr  und  Ausfuhr,  und  «war  auerst  für  eine  sechsjäh- 
rige Periode  vor  der  Vertreibung  der  älteren  Linie  Bourbon,  dk  Jahr« 
1822 — 27,  und  dann  eine  fttnfjährige,  gemischt  aus  den  lotsten  Jahren 
Carls  X«  und  den  ersten  der  Regierung  Ludwig  Philipps  (1828—32;^ 

A:  Die  Gesammt  Einfuhr  betrug 
18^  a.Frs.  Schiff.  187,359,727  Fr.  =  80,586,851  Th;fast|§.d.  Gans, 
auf  fmd.    -^      07,435,292—=  26,308,531  —  -^  U""   ~ 
SU  Land  141,384,174—=  38,173,734 iy—  — 

Summe  426, 179,i93Fr.= 115,069,11 6 Th. 

1823  a,Fn.  Schiff.  133,543,890—=  36,056,853 {^z 

auf  firmd.    —      98,650,044—=  26,635,503  *-  —  ||> 

SU  Land  129,634,308—=  35,001,261  ^ ||.—  — 

Summe  36 1,828,242 Fr.  =  97,693,617Tb. 

1824  a.  Frs.Schiff.  189,534,628—=  51,174,344 }^—  — 

auf  fand.     —     108,397,257—=  29,267,256 |J—  — 

SU  Land  156,929,732—=  42,371,021  -^  —  ^f 

Summo  454,861,597Fr.= 122,812,621  Th. 

1825  a.Frs.  Schiff.  220,123,027—=  59^33,211 ^( 

auf  frjpd.     —     113,150,281  — =  80,550,559 ij^—  — 

zu  Land 200,349,084—=  54,094,246  *—  —  ir~~  "* 
Summe  533,622,392  Fr. =144,078,01 6  Th. 

1826  a.Pn.  Sfehiff.  243,248,24a— =  65,677,017  —  —  |{.—   — 
auf  firmd.     —     147,313,236-=  39,774,586  —  ^  {}.—  — ' 

SU  Land  174,167,134—=  47,025,119 Jj- 

Summe  564|728,610Fr.=i52,476,724Th. 


120  ^rankröich. 

1827  a.  Frs.  SefaiS:  230,14(^205  Fr.  =  62, 137,870  Tb.  fast  ||  d,  Gans. 

auf  frmd.     —     136,042,007—=  36,^31,340  -; }«. 

zu  Land  199,621,026 —=  53,807,016 jf. 

Summe  565,804,228 Fr.=:  152,767,125 Tlu 
Alsa  Gesammteinftthr  in  den  6^/  Jaliren 


auf  Frans.  SMS.  i;203,047,807  Fr.  =  325,065,006  Th.  (J|)- 

auf  fremden   —        700,088,117  ~  =  180,266,78a  —  (|^>- 

zu  Land  1,002,086,358  —  =  270,564,525  —  (^|> 


Summe  2^0O7,O22;282  Fr.  =  784,807,210  Tlu 

ttttd  durehachiaktUch  im  Jahre 

auf  Frana.  SgM£  200,657,068    Fr.  =    54»177,648  TL 
auf  fremden  —      116,831,353     —  =    31,544,465  — 
au  Land  I67,Ot4,303     —  =    45,004,088  — 

Summe  484^503,714    Fr.  =  130,816,201  Tb. 

Da«  giebt  beinahe  das  Verhältniss  der  doppelt  so  starken  See^ 
aU  Land  einfuhr,  so  vie  bei  der  Seeeinfuhr  wiederum  die  auf  den  in- 
ländischen Schiffen  eingebrachten  Güter  beinahe  den  doppelten 
Werthbetrag  der  Seezufuhr  auf  fremden  Schiffen  ausmachen. 

Bei  der  Einfuhr  aber  befanden  sicib 
im  Jahre  1822  an  rohen 

Stoffen  fdr  die  Industrie  260;268»08O  Fr.  =   72,702,612  Th.  geg.  }» 
an  rohen  Producten  zur 

Consnration  105>160^732— =   28,304,201—    —    i^ 
an  Yerarbeiteten  Indo^ 

Btrie  -  Erzeugnissen   &I, 740,481 —=   13,072,303  —    —  ^^ 

macht  die  obige  Summe  426»170,J03Fr.=  115,060,116  Th. 

im  J^hre  1825  an  icAett  * 

Sti^enf&rdielndustrie  221^554,365—=  S0,S10^676  — .    —  || 
a»  rohen  Producten  zur 

Consumtion    88,570,405—=  23,015^375—    —  |{. 
aa  verarbeiteten  hidv* 

•trie  •  Erzeugnissen    51,604,382—=   13,057,566 —    —    3^ 

Snmme  361,828,242^r.  =  07,603,617  Th. 


Frattkreich.  ^11 

imiakfe  isaiaarolm 

Stofcm  für  die  Iniiistrie  272,873^048  Fi^-=  73,675,715  Hl  ^geg.  }^ 

aa  rohoi  Prodncteii  sar 

ConsuntSoii  121,957,679 —=:  32,928,567—    —   |V 

01   yettAciteten  lud«* 

■trie-Eracygniiaen    60,030,870—=   16,208,339—    —   ^•j 

SuBUie  454^861,597  Fr.  =  122,812^621  Tk 

uB  Iilir»  1825*)  an  roll. 

Stoffen  für  die  Industrie  268,878,960—=   72,597,397—    —   JJ 

an  rohen  Prodncten  mar 

Contumdon    86,954,047—=  23,479,505—    —   ^\ 
MM    Terarbeiteten  Inda- 

strie-Eneognissen    44,746,523—=   12,084,556—    —   ^V 
an  Geld  md  edlen  Me- 
tallen in  Barren  133.022,832  -•=  35,916,558  —  über  ||. 

Summe  533,622,392  Fr.  =  144,078^010  Tk     ' 

im  Jahre  1826  an  rohen 

Stoffen  för  die  Industrie  296,104,305  —  =   79,948.464  —    —   |t 

an  rohen  Produeten  nur 

Consumtion    99,216;231  —  =  26,788,576  —    —   ,V 
an   Terarbeiteten  Indu- 
strie-Erzei^Utien    40,795,936—=   11,014,895—    —   ,V 
an  Geld  und  edlen  Me* 

taUen  in  Barren  128,610,138— =  34,724.789—    —  JJ 

Summe  564,728,610  Fr.  =  152,476,724  Th« 

im  Jahre  1827  an  rohen 

Stoffen  f«r  die  Industrie  276,380,167— =  74,622,625—    —   ij. 

an  rohen  Produeten  rar 

Consumtion    99,593,935—=   26,890,345—    —   VV 
an   Terarbeiteten  Indu- 
strie •^rseugnissen    38,162,899  — =   10,303,978  —    —   ,V 
an  Geld  und  edlen  Me^ 

taUen  in  Barren    68,869,018  —  =   18,594,631  —    -^    iV 


♦)  VergL  Vmorg  üebersicbt  der  Handehtabellen  für  das  Jahr 
18^  uttd  18M  bei  Femssae  B.  d.  sc  geogr.  XIII.  S.  60  9tq. 


im  FraiikreicJi. 

Im  J.  1 827  an  GegenitSn- 
den  t  d.  Traoiito-Handel 

in  den  Entrepdt»    82,7M»20d  Fr.  =?  22,S55»544  Th.  geg. 

Sumne  565,804^3  Fr.  =  162,767,125  Thlr. 

Mithin  betrag  durebfchDittlich  die  Einfuhr  an  Geld,  edlen  Me* 
tallen  und  C^enständen  in  den  Entrep6tf  ^^  oder  etwa  ein 
Viertheil  der  Gesammteinfuhr,  ein  «weitet  Viertel  ginp^ 
auf  die  Einfuhr  sur  CouBumtiony  wovon  aber  nur  wiederum  ein 
Dritdieil  oder  ein  Zwölf  theil  den  Gegenständen  ausländischer 
technischer  Cultur  aukam,  und  endlich  die  rollständige  Hälfte 
der  Gesammteinfiihr  bestand  aus  toben  Stoffen  fttr  die  Industrie, 
welche  aber  dutcb  den  Fransösischen  Arbeitsfleis«  erst  einen  hö- 
heren Wertb  erlangen  mussten,  um  dann  theils  Im  Jnlande  ver- 
braucht,  theils  auch  wiederum  mit  diesem  durch  Fransösische  In- 
dustrie erhöhelen  ZuseUage  deß  Werthpreisea  anderen  Völkern 
sugefUhrt  aa  werden. 

« 
Denn  betrachten  wir  nun  fttr  dieselben ^ahre  den  Ausfuhr- 
handel, so  ergiebt  sich  das  für  Frankreich  Tprtheilhafte  Ver- 
hältnisse dasa  in'  sechsjährigem  Durchschnitte  gegen  iwei 
Drittheile  der  Ausfuhr  in  Gegenständen^ der  Fransösischen 
Industrie  und  nur  ein  Drittheil  in  rohen  Producten  derph^- 
fischen  Cultur  and  den  aus  den  Colonien  eingeführten  und  theil- 
wei^e  wieder  weiter  versandten  Colonial-Waaren  bestehen.  Wir 
ersehen  dies  aus  nachstehender  Zusammenstellung  über 

B*  die  Oeiammtauiftthr  ansFrankreich  {üjr  dieselbe  Periode: 

Im  1 1822  a.  Frans.  S^hift  12d,562,714Fr.=?  34,98 l,OaoTh. geg.  \  | 

auf  frenkd.    ~       09,013,420-^=  26,075,710 |^ 

auLand.    —     155,692,571-*=:  42,036,080  ^  —  ||. 

Summe  385,178,71 1  Fr.=:  103,004^620  Th. 

ImJ.1823a.Frani.8ehiS:    87,702,661—=  23,670,716 \^_ 

auf  fremd«    —     142,108,000  —  =  38,303,703 || 

auLand.    —     160,852,870  —  =  43,430,270 *  J  ^ 

Summe  300,754^431  Fr.  =  105,503,680  TK. 


F  r  a  D  k  r  e.i  c  h.  lU 

Im  J.  1824  a.  Fraiui,  Bchifi;  130,93IJ94Fr.=:  30^71,S75Tb.geg.  }^ 

a.  f^emd.*  —     134,087,760  —  =  30,203,683  -r  —  ^f 
SU  Land    —     169,622,347  —  =  45,771,024  ..  —  || 

Saiume  440,51 1,p01  Fr. =1 18,946,302  Th. 

liai.  IS25  a.FcftiiB«  Schiff.  245,252,999  — s  «6,218,290  — '—  |f 

«.fremd    r-     218,885,407^=  59,090,058 »f. 

au  Land    ^     203,155,708 54,852,039 \^ 

Summe  667,294|»  1 1 4  Fr. = 180,169^87  Th. 

hn  J.  ia20  a.  Frana.  Scbiff.  220,983,481  *-*=  59,66^5,524 \\ 

a.fremd,    —     157,101,419—=  42,417,379  « J|. 

au  Land    —     182,423,869  —  =^  49,254,430  -^  ^  \i 

Summe  560^308,769  Fr.  =  1 5 1 ,337,333  Th. 

Im  J.  1827  a.Frani.  Schiff.  235,129,660«—=  63,484,096  ^  «^  i  • 

^a.  fremd.    -^     210,504,550—=  56,836,218  —  —  || 

an  Land    ^     156,767,066  —  =  42,327,094 IJ. 

,^ 1 ^^ 

Summe  002,401 ,276  Fr. =1 62,648,308  Th. 
In  allen  6  Jahren    < 

auf  Franadsls.  Schiffen  1,055,563,309- =  285,002,091 |« 

a.  fremd.      —  962,69 1 ,462  —  =  259,926,682 {\ 

zu  Land      —        1,028,414,430  — =  277,671,888 J| 

9uaune  3,046,64)^,202  Fr.  =  822,600,661  Th. 

alao  durchschnittlich  im  Jahre 

auf  Fransötii.  Schiffen     175,927,218^=  47,500;S45 i« 

a.  fremd.      —           160,448,577—=  43,321,100  —  ^  ij. 
SU  Land      —  171,402,405-=  45,278,64$ \\ 

Summe  507,778,200  Fr.=  136,100,093  Th. 

Es  befrinden  dch  aber  bei  der  Gesaaimtauifuhr 

im  Jahre  1 822  an  natür» 

liehen  Producten  1 37,759,007  Fr.  =  87,194,930  Th.  geg.  «J 
anMannfactur-Arbeiten  247,419,704—=  66,799,699—    —   U 

gtebt  die  obige  Summe  385,1 78,7 11  St.  =  103^94,629  Vx. 


124  Frankreicli. 

im  Jahre  1823  an  natür- 
lichen Pro  ducten  163,492,181  Fr,=  44,142,873  Th.  geg,  »^ 

an  Mantifactur-Arbeiten  227,262,250 — =  61,360,816—    — .   tt 

—————— ——^——— ———,  ^^ 

Summe  390,754,431  Fe  =  105,503,689  Th. 

im  Jahre  1824  an  natür- 
lichen Producten  163,026,838 —  =  44,017,238—    I' 

an  Manufactur-Arbeiten  277,485,063 — =   74,929,064—    — ^   ao 

Summe  440^11,901  Fr.  =  118,946,302  Th, 

imllahre  1825  an  natür- 
lichen Producten  164,510,109  — =  44,417,727  — .    —   i« 

an  Manufactur-Arbeiten  379,371,060 — =  92,530,174 —   i3 

an  Geld  und  edlep  Me- 
tallen   in    Barren  123,412,945  — =  43,221,486  —    —   |J. 

Summe  667,294,114  Fr.  =  180,169,387  Th» 

im  Jahre  1826  an  natür- 
lichen Producten  149^561,029  —  ^  40,401,472  —    —   }y 
an  Manufactur-Arbeiten  311,466,142  — =s^  84,095y850  —    —   >|. 
an  Geld  und  edlen  Me- 
tallen   in    Barren    99,481,598—=:   26,840,111—    —     « 

■  4  5 

Summe  560,508,769  Fr.  =  151,337,333  Th. 

im  h  1827  an  natürlichen 

Producten    158,197,142  Frc.  =    42,713,^20  Tbl 
an  Manufactur  Arbeiten    348,626,595  —  =    94,129,162   — 
an  Geld  u.  edlen  Metallen 

in  Barren ,    95,577,539  — "  =    25,805,926  — 

.    ^ 

d.  ob/  Summe  602,401,276  —   =  162,648,308  — 

n.  in  allen  6J.  annatürl. 

Producten    936,546,306  —  =  252,866,801   — . 
an  Manufactur  Arbeiten  1,791,630,814  —  =483,746,813   

2,728,177,120  —  =  736,613,215   — 
dazu  in  3  J.  18||.  an  Gold  u. 

edL  Met.     318,472,082  —  =    85,987,446   — 
giebtd.  ob.  Summe  da.  6  J.  3,046,649,202  —  =822,600,661    — 


Frankreich. 


125 


K  I 

tüao  jährliehe  Auffuhr  im 
Ourchscli.  18|^  annatürL 

ProducCen     150,001,051  Fre.  =    42,144,573  ThL 

an  Mannfactur  Arbeiten    298,605,136  —  =    80,624,296  — 

'  _ 

I8||  jähil  Durehichnitts- 

anaLd^^Taareu  ohne  Geld    454,696,187—  =122,768,869  — 
daiu    ]8|f  jährL   Durch- 

schnittsausf«  d.  Geldes    106,157,361  —    =    28,662,482   — 

Werfen  wir  unsere  Aufiuerksamkeit  noch  besonders  auf  den 
Handel  des  Mutterlandes  mit  den  Fransdsischen  Colonien  in 
Amerika  und  Afrika  in  dieser  2^it,  der  schon  in  den  obigen 
Zahlenangaben  mit  inbegriffen  ist,  so  erhalten  wir  für  den  Zu- 
stand der  Colonien  im  Jahre  1825. 


Weisse  Freigelassene  ScUven 

a)  Martinique       10,000       10,000  80,000 

b)  Guadeloupe  12,500  6,500  101,000 
f^  Guiana  1,000  1,500,  13,500 
d)  Ins.Bourbon  15,000        5,000  53,000 


Sorane 
d.  BevoUc  Ind. 

100,000  — 

120,000  — 

16,000  — 

73,000  — 


Summe  38,500      23,000      247,500      309,000  — 


Attsfidir 

a)  32,500,000  Fr. 

b)  33,000,000  — 
e)  1,500,000  — 
d)  3,000,000  — 


8,776,000  Th. 

8,910,000  — 
405,000  — 
810,000  — 


Einfohr 
30,000,000  Fr. 

30,500,000  — 

1,000,000  — 

2,500,000  — 


8,100,000  Th. 
8,235,000  — 
'  270,000  — 
675,000  — 


8.70,000,000-  =  18,900,000  —  164^000,000  — =  17,280,000  — 

Von  dieser  durchschnittlichen  Gesammtausfuhr  der  Fransdsi« 
sehen  Colonien  liefen  in  die  Franxösischen  Häfen  ein 


Zacker  GaflÜM  Baomwoll« 

35,392,349  Fr.  7,695,104  Fr.  1,515,236  Fn 

9,555,924  Th.  2,075,677  Th.    409, 1 06  Th. 
26,4*8,«09^Fr.  5,791,507  Fr. 

7,148,985  TÜi.  1,563,705  Th. 
37,959,40^  Ft.  8,266,724  Fr. 
10,249,038  th.  2^232,010  Th. 

ftlso  durehschnittUch  für  44,500,Q00  Frcs.  oder  17,015,000  Th)., 
4.  L  I  der  gesammt^  Ausfuhr  aus  dei|  Franiösischen  Colonien, 


im  J.  i  47,758,065  Fr. 
18221]  2,893,664  Th. 

1823  f3^»l  7^1^78  Fr.ä 
l   9,497,660  Th.f 

lg24|50,323,15^Fr.^ 
<  13,587,241  Th. 


801,878  Fr. 
216,491  Th. 
972,521  Fr. 
262,576  Th. 


126  Fra*Dkreic1i. 

indem  dieselbe  \  ihred  Wertlibetiaga  in  Rohmeker»  f  In  Caffee 
und  A  ^  BaunivroUo  besteht 

Dagegen  war  die  Einfub?  ki  die  Fran^dsisoWi'  Colonien 
ans  den  Häfen  Frankreichs 

im  J.  1822    34,321,657  Free.  =    0,269,875  Thl 

—  J.  J823    36,237,651     —     =    ^784,155    — 

—  J.  1824    44,020,975    —     =  11,885.648    — 

Summe  114,580,283    ^     =  30,936,678    — 

oder  durchschnittlich  38,193,428  Frc«.  (10,312,226  Rthl.)  d.  L   f. 
,der  Gesammteinfuhr,  worunter  vier  FQnfthpile  des  Betrags  für 
Manufacturarbeiten»  besonders  Leinwand-  und  BaumwoUenieuge 
und   ein  Fünftheil  für  Weizen,   Kom   und  Mehl  su  gleichen 
Theilen  gei ahll  werden. 

Vergleichen  wir  endlich  für  diese  Periode  des  Französischen 
Handels  den  Werthbetrag  der  Gesammtausfuhr  gegen  die  Ge^ 
sammteinfuhr,  so  finden  wir  für  die  ersten  sechs  Jahre  nach 
der  Restauration  1815—20  den  Ueberschuss  so  stark  zu  Gun- 
«ten  Frankreichs  stehen,  dass  er  nicht  unter  55,000,000  Frcs. 
(14,850,000  Thl.  im  Jahre  1817)  sinkt  und  1819  sogar  106,000,000 
(Frcs.  28,620,000  Thl.)  erreicht.  Aber -mit  1821  sinkt  dieser 
Ueberschuss  stark  zusammen,  schwankt  dann  zwischen  Plus  und 
Minus  und  gewährt  für  einen  siebenjiüirigan  Durchschnitt  181-^ 
nur  die  Summe  von  6,000,000  ThL 

nemlich      mehr  ausucefUhrt  weniger  ausgeführt 

1821  H-  ]^|000,000  Frcs. 

1822  —  40,000,482^  Frca. 

1823  +  28,026,189  Frcs. 

-    1824  —  14,319,696  Frcs. 

1825  +  133,671,722  Frcs. 
11826  —    4,219,841  Frcs. 

1827  +    36.597,048  Frcs. 

Total  +  215,194,959  Frcs.     —  58,540,019  Frcs., 
also  Gesammtbestand   des  Ueberschusses   der  Ausfuhr   über  die 
Einfuhr  zu  Gunsten  Frankreichs  in  diesen  /  Jahren   156,654,940 
Frcs.  (42,296,926   ThL)  nnd   in   einem    Jahre   22,379|277    Frcs. 
<(^042,418  Thlr.). 


r 


Frankreicb. 


117 


Damit  aeahl  4er  Gold*  and  Silbertaaseh  durdi  denHMidel  in 
Verbindung»  der  inswieeheB  bereits  in  eeinem  Verhältniese  zur 
Ausfuhr  und  Einfuhr  bei  den  obigen  allgemeinen  Angeben  be- 
lüekstchcige  wt^  för  sich  besonders  betradiel  aber  noch  nächste- 


1ft«nde  Resnkale  gewährt: 

* 

Einfuhr 

^     Ausfuhr               Unterschied 

Mekr 

MMtT 

ta  J.  ISIS 

9k31M93Fr. 

ii888.630Fr.  -|-   1M3l373Rr. 

—  J.  1816 

49.l3Z,»l3Fr. 

154.70l.148Fr. 

•  wl^y^^^^^^^^^VA  m  • 

,    —  J.  1817 

IH.698,516  - 

63.046395  -  +   i8.6S2.iai  — 

\ 

—  J.  1818 

11X341.998  — 

154.554,454- 

—  43.312,456Flr. 

—  J.  181§ 

87.«2I,489  - 

89.153.488  - 

—    133l,999Fr. 

—  J.  16M 

199371.796- 

138.337.069- 

-  38355,373Fr. 

—  J.  1821 

196J311.096  ^ 

176.694,68s  — 

-«ÖJ83,0n- 

^  J.  18tt 

185^1.17?  — 

56,468.974  -  -(- 131.69)^99  - 

—  J.  188 

Se9.S3l,418 -- 

IO0b498J06  -  +   94,033333  — 

-   J.  18M 

344,«2;10e- 

83.191340  ^  +  161.090,368  - 

—  J.   1825 

133>642»«2  -^ 

123.412.945  -*  +     9.629.917  - 

^  J.   18M 

138,613.138  - 

99,481398  -  -f   39,130,540  - 

—  J.  18» 

6S.S69.0I8  - 

81.471^1  -  +   37398.067  - 

la  U  J. 


l«509301366Fr.    l.S73.799;646Fr. -|- 5433S8,437Er.*338.049,706Fr. 

-(-    tl5308.732Prs. 


\lB^|ühhr        •      •       .       .       lS3.377.038Ft.  =:t3,014,793TlL 

^.ygljJSaitt  { -AwÄlir        ....      97384,050  Fr.  =  36,456.683X11. 

'unterschied,  a.  Giitftai  d.  Eint  a4,393378Fr.  =  6359U09  Th. 

Von  der  Ausfuhr  des  Geldes  ging  über  |  des  Betrags  nach 
England ,  wie  1819  =  62,000,000  Frcs.  1 820  =  99,000,000  Frcs. 
1 82 1  =  94,000,000  Fr.,  1 822  =  23,000.000  Fr. ,  1 823  =  94,000,000 
Fr.,  also  in  diesen  5  Jahren  susammen  372,000,000  Fr»  oder 
durchschnittlich  74,400.000  Fr.  (20,088,000  Th.). 

Gehen  wir  nun  cur  folgenden  fünf  jähligeji  Periode  des  Frans»- 
stsehen  Handels  1828—32  über,  nnd  vergleiphen  sie  mit  den 
so  eben  gewonnenen  Resultaten,  jedes  Jahr  einsein  flir  sich  und 
dann  wieder^  alle  sOsammen  betrachtet,  so  wird  sich  am  deutlich- 
sten der  Einflttss  der  politischen  inneren  Zustände  auf  den  ge- 
sammtea  Verkehr  eigeben. 


128  Frankreich.' 

4 

Die  Einfiilir  bestand  •)  im  J.  182S. 

a)  an  PToducten  s. 

Frans.  Indnst^^  366,460,569F^.  =  08,944^50  ThL  d.  L  gegen  |^ 

b)  »-  roh.  Prod.  s. 

CoDSumtion  173,211,646  —  =  46,767,108 ^l 

c)j—  Manufactor* 

Arbeiten  67,774,807  —  =  18,29D,1D6 ^^ 

^)  -.Geld u. edlen 

MetalL  in  Barren  207,995,275  —  =  56,1^8,719 |^ 

Summe  815,442,197  —  =220,169,373  ThL 

Davon  gebeerte  den  Colonien  -^^^  des  Betrags  mit  64,1 91, 182  Fr. 
(17,331,613  fhl.)  zu  *•),  und  zwar  ad  a)  mit  6,221,806  Fr. 
(1,679,886  Thlr.  für  Baumwolle,  Indigo),  ad  b)  mit  56,289,930  Fr. 
(15,198,175  Thlr.  für  Zucker,  Caffee,  Cacao),  der  Französischen 
Fischerei  7,583,415  Fr.  (2,047,519  Tb.),  und  ausserdem  waren  für 
^1,293,485  Fr.  (13,849,232  Thlr.)  Waaren  in  den  Entrepdt$  aufgesta- 
pelt,  die  nach  andei'en  Ländern  ausgeführt  wurden :  endlich  die  über- 
aus grosse  Geldeinfuhr  wurde  durch  Finanz  •  Operationen  des 
Staats  und  der  grossen  Banquierhäuseir.  zu  Paris  veranlasst» 

<  Die  Ausfuhr  desselben  Jahres  betrug 
1828 

a)  an  roh.  Prod.  267,271,311  Fr.  =  72,163,252  ThL  d.  i  g%.  j.«  |  ^ 

b)aDManufact.  IS 

Arbeiten 342,651,321—       92,515,852 ~  H^? 

c)  an  Geld  u.  edl.  |  ^ 
MetalL  l  Barr.  56,470,447—        15,247,011 ^^  J^ 


Summe  666,393,079  Fr.      179,926,115  — 


Davon  ging  ^\  des  Betrags  mit  66,937,014  Fr.  (18,072,991 
Thlr.)  nach  den  Französischen  Colonien,  und  zwar  zu  |  in  Korn 
und  Mehl,  ^  in  Manufactur-Erzeugnissen,  vorzüglich  Leinwand  und 


^    Auszug  aus  dem  rn^ppwtau  roi  Mur  tadminütration  ifet  jEmm- 
€€9  in  Ferui9ac  Buliet.  d.  sc.  9tat.  XXV,  1831.  S.  15.  , 

**)  Fast  von  gleichem  Betrage  war  die  Einfahr  aus  den  Franz. 
Colmüeii  182^=61>791,539  Fr,  die  Ausfuhr  uiorthin  =56,551,840  Fr. 


^  Fr^akreick  119 

Betrags    UickcB  hk  Ef  pa  svidc,   fMt  ^  wv4e  aadi  Aaicnka 
Mg^fUtft,    AfirBa  mIu»  nr  aü»    ^  miA  Ama  mH  ,*^  4«t 

Der  üiliurnk—  wtami  4ie>Ml  sm  yicjuinjl 
BBwvica  lir  14ft.6ll»,6l8Fr.  («OgUS^l  TU.) 
mekr  Waaroi  eis,  ab  laigffifcrt,  klag  akcr  wiclilimlifk  B«r 
!«■  4cim  gtmmm  UBtencUei«  swiMkes  4«r  6el4-Euifkhr  mtk4 
Amd^kr  ah,  4a  m  aidkft  wcaigcr  ak  151,524,828  Fr.  («[^»11,608 
TUr.)  m  awfKiafiy  Yartkcile  FraakrciclM  mAf  €aM  «iaga- 
fikrt*]^  als  Taa  4arAcr 


Die  Ciafakr  4et  J.  1820  kaCn« 


Mf  Frau.  Sckiffca  241,178,05«  Fr.=  56,11831^  Tk  4.  L  gegen  || 

—  fremdem   —       170,574*370—  =  48,485,076 |J 

a  Land         -^        105,000^071  —  ==  52,812,000  ^  ^  ^  ^  ^^ 


016,353,307  Fr.  =166,415,402  Tklr. 
ui  nadi  4en  Gcgeastinden 

a)  aa  Prodoctea  s. 

Frans.  Industrie  3074N>7,130Fr.s  83,134,0l0Tk.-**«^-«-  l\ 

^aaPro4.s.Cons.  140,283,428 —=  37,876,521  <^  ^^.-.  ^^ 

^— Mannfact-Ark.  35,162^1 -^ss  0,403^800^  ^^-^  /^ 
ä) —  Gald  «.  eften 

MeCalL  in  Barren  133,000,258^:^35,010,012-^  ^^^  j^ 

SmiBie  616,353,307  Fr.  ^166,415,402  Tk. 

I^ie  Aasfnkr  dea  Jakr«s  1820  gewährte 

tof  Frans.  Sekiffen  216,785,846  Fr.  s  58,532,160  Th.  ->  •-*  ^  |« 

—  fremden    —      223,562,455  —  =   60,361,861  —  —  ^ JJ 

m  Land         —      167,470,345  —  =  45,216,084 —  J» 

Saauae  607,^18,646  Fr.  2=  164,11  i,OI4Th. 


«)  Ansfiagbukl  allein  BiOaBttS^  Fr.  MetaUgeld  (12,944*550  TM.), 
tos  den  Niederlandea  47)541|311  Fr.  (12|i36.1fti^Tkl.>. 

Sektbert'tStatiftili  ll.  g 


/ 


\ 


V 


130  Frank  reiiqlu 

und  nac|i  den  Gegtnständ«! 

• 

a)  an  roh.  Prodiict  153,269,519  Fr.  =  41,382,7^ Tb.  d.  L  geg.  \\ 

b)  an  Manufactur- 

Arbeiten  350,978,110  —  =  94,764,068  — JJ 

c)  an  Geld  and  ed* 
len    Metallen   in 

Barren  103,571.027—=  27,964,160 —  — _—  ^^ 

Summe  607,818,646 Fr.  =:  164»HI>014 Tb. 

Ei  ist  nun  swar  aneh  in  dieaea  Jabre  die  Einfahr  naeh  Frank- 
reich stärker  ^s  die  Aasfahr,  wiewohl  nur  um  die  geringe  Summe 
von  8,534,751  Fr.  (2,303,382  Th.);  aber  dieser  anscheinende 
Nachtheil  verschwindet  ganz,  tWenn  man  erwftgt,  dass  unter  der 
Einfuhr  an  fremden  in  Frankreich  versteuerten  und  verbrauch- 
ten Waaren  sich  nur  fSr  483,353,139  Fr.  (130,505,339  Thir.) 
befindet,  und  swar  an  rohen  Froducten  cur  Fransdsischen  In* 
dustrie  307,907,130  Fr.  ah  Froducten  kur  ConsumtHin  fftr 
1^,283,428  Fr.  und  an  Manufactur- Arbeiten  für  36,162,581  Fr., 
während  unter  der  Ausfuhr  der  oben  f&rPh>ducte  der  physischen 
Cuttur  und  Blanufactur-Erseugnisse  in  Summa  von  504,247,629  Fr. 
(136,146,843  Th.)  ang^ebene  Betrag*  nur  in  inländischen 
Froducten  besteht,  also  au  Gunsten  Frankreichs  mit  20,^4,490  ^; 
(5,641,505  Th.)  ausschlägt  D^r  Uebcrschuss  des  eingeführten 
Geldes  über  das  ausgeführte  steigt  nur  auf  '29,429,231  Fr. 
(7,945,930  ThJ. 

* 

DieEinfubr  des  Jahres  1830*)  betrug 

a)an Waar.  überh.  |»8,338,433  Fr.  =  172,351,370  Th. 
Dav.  wurd.  verbr.  IL 
d.  Frans.  Indust  u. 

cur  Consumtion  489,242,685  — =  132,095,518  —  d.  L  geg.  \^^ 
Es   verbleiben  in  |J^ 

den  Entrepots  zur  | ; 

weiteren  Ausfuhr  149,095,748  —  =  40,255.852  —  d.  L  g^.  \\^ 

638,338,433  Fr.  =  172,351,370  Th. 


0  S.  Weber'a  hislor.  Statist  Jakcbttdi  1884  S.  290. 


/ 


Fi'ankreicli.  ISI 

Die  Avsfahr  4m  Jaloea  1830  Wttui4 


D«  WuE.  äbok 572,064,064 Fr.  =  154|<n9;284 TL 
DwMtcrFrHsiiL  , 

Cnyra^  lir  45M01,3U -.-=  122,283,354  •-.  4  L  geg.  U 
W)mGeU«i4e«. 

MeuUeii  50,597,472  —  =  1^001,313  — 
Die  Eiafakt  4m  Jalmt  M31  betrag 


•)«.  Waar.  tteik 513,026,551  Fir.  =^  138,462,000 Tk 

De?;,  nrdk  toIii« 

14.FiMs.la<2yst 

e.  B.  CMMMtim  374^180,530  —  =  101/00^007  — 

Et  raUiekui  4 


WiiAarfdg.l38^637>pl2  — =  37,432,001  —  —  M|r 
512,825,551  Fr.  =  138,462,808  Th. 

miliite4LMetalL  220,686^405  Fr.  =  50,585/)58  TL] 

Die  An«  fuhr  des  Jaloet  1831  bestand 

1)  ia  Waar.  fiberL  618,160,01 1  Fr.  =  166,885,874  TL 
Daroater  Fransds. 

Uraprangt  £^455,574^481  —  =  120,005,004 |}S| 

geMÜnatea  Metali  28,628,273  —  r=     7,720,610  — 

Die  Einfuhr  dea  Jahres  1832  betrag 

a.  Waar.  ftberL  f.  652,872,341  Fr.  =  1 76,275,524  Th.      '      . 
•)  Dar.  f.  d.  Fraaa. 

Ind.  V.  s.Consiuat  555,617,764  —  =  150,016,783 "**  }|\« 

b)iQdenEntn^t8  07,254,577—=  26,258,740—— /^|§ 

Die  Aatfahr  dea  Jahres  1832  bestand 
iQ.Waar.  iberh.  608,382,122  Fr.  =  188,503»163  Th. 


132  F^rankreicli. 

Die  durehtehn.  Geflammt- 
einfuhr  in  Waaren   dieser 

drei  letzten   J.   betrug   aUo  =  60r,345,442  Fr.  =  162,363,261  Tb. 

Die  durcbscbnittL  Gesammt- 

ausfubr  in  Waaren   dieser 

dre^  letzten  J.    betrug   also  =  626,405,386  —  =169,129,447 

also  der  durchschnitt  (]8|^) 
Ueberschuss  d.  Ausfuhr  über 

die  Einfuhr  =  25,059,944  Fr.  =     6,766,186  — 

aber  fUr   die  fünf  letzten  J. 
18||    macht    die    Gesammt- 

Einfuhr  durchschnittlich  647,166,384  -*-  =  174,734,936  — 
eben  so^fär  die  fünf  letzten  J. 
I8J.4    macht    die    Gesammt- 

A usf u h r   durchschnittlich  630,685,564  —  =:  1 70,285,099  — 

voraus   ein  Ueberschuss   der  ^ 

Einführ  über  die  Ausfuhr 

erfolgt  mit        16,480,820  Fr.  =     4,449,837  Th 

Der  Transitohandel  hatte  in  den  letzten  Jahren  sehr  zu- 
genommeti,  denn  Stander  in  den  Jahre^  1822 — 27  durchschnitt- 
lich zu  52,000,000  Frcs.  (14,040,000  Thir.),  so  war  er  1832  auf 
00,544,672  Frcs.  (24,447,057  Thlr.)  gestiegen,  wobei  am  31.  Dee. 
1832  in  den  Entrepots  für  96,548,026  Frcs.  Waaren  zurückge- 
blieben waren.    Im  Jahre  1833  betrug  der  Transitohandel 

107,871,055  Frcs.  =  29,125,184  Thlr. 
und  zwar  auf  Schiff.   63,673,283    —    =  17,191,780    — 
zu  Land.   44,197,872    —    =  11,933,404    — 

Am  31.  Dec.  1833  waren  in  den  Entrepots  für  1 12,960,111  Frcs. 
Waaren  zurückgeblieben,^  aber  in  dem  Laufe  des  Jahres  1833 
war  beinahe  der  Tierfache  Betrag  dieser  Summe  daselbst  auf- 
gestapelt gewesen,  nemlich  für  440,239,127  Fr.  (118,864,558  Th.). 

Der  Seehandel  liisst  sich  in  seiner  steigenden  und  abneh- 
menden Bewegung  aus  einer  zwÖlQährigen  Uebersicht  der  in  die 
Französischen  Häfen  eintaufenden  und  aus  denselben  abgehenden 
Seeschiffe  für  die  Jahre  1822—33  im  Allgemeinen   erkennen, 


\ 


/ 


f 
r 


Frankreich. 


13S 


TeffBckk4«Mft^«i  HanMs- 


Tcrtckie^ealieit  im    4tat    eiimliiea   Jakrea   itatt» 

«Im  4ie  Idorin  Torkoaunende  ktiididi^«  DifmnB 

Sckifn  fircMdor  NaiioiMii  mUiagt     Wir  iAdoi 


EiaUttfesde  Sckiffe^ 


1824 

1820 
1827 
1828 
1829 
1830 
1831 
1832 
1833 


3^7 
3^7 
3,440 
3,350 
3,465 
.3,048 
3,236 
3,375 
4,290 
3,561 


287,942 
247^540 
316,480 
329,735 
356,776 
353,102 
346,591 
331,049 
340,171 
333,216 
399,948 
358,157 


4,518 
3,984 
4,183 
4,218 
4,911 
4,439 
4,122 
4,342 
4,257 
3,951 
5,651 
5,115 


420^810 
421,233 
438,006 
414,670 
543,682 
475,500 
445,708 
487,739 
511«523 
461,194 
714,638 
622,735 


7,843 
6,722 
7,570 
7,605 
8,350 
7,789 
7,687 
7,390 
7,493 
7,789 
9,941 
8,676 


708,751 
668,773 
754,485 
744,40i 

^458 
828,611 
792,299 
818,788 
850,694 
794,410 
l,114,58fi 
980,892 


also 

dMTCJl 

sekuta 


:  42,602     4,000,707     53,691     6,957,446     96,293     9,958,153 
r,  13,560       333,392      4,474       496,454       8,024       829,846 

Et  nehmen  also  im  Durchselinitt  die  FransÖsifehen  Sehiffe  mit 
H  und  die  fremden  mit  ||.  bei  der  Zahl  der  jilirlieh ' einlau- 
fendoi  Antfaeil,  während  diese  dürehschnittlieh  grösser  als  jene 
||.  der  eingefahrten  Tonneplast  Ladung,  jene  nur  j.|.  derselben 
tragen.  Nur  das  Jahr  des  Minimums  und  des  Maximums  1823 
und  1832  weichen  am  700  Schiffe  von  der  Durohsehnittszahl 
ab,  die  öbrigen  bleiben  inswischen  in  einer  Differens  von  wenigen 
Zehnem,  oder  höchstens  bis  auf  100  und  200  verschieden:  da- 
gegen lind  die  Schwankungen  bei  den  fremden  Schiffen  von 
Jahr  lu  Jahr  zwischen  400  und  500  bis  auf  1600  ansteigend. 


^)  Femssac  Bullet  d.  se.  «tat  U.  p.  141,  Xlll.  p.  61 --62  Vol. 
XVIII.  394;  Weber  a.  a.  O.  S.  348  i  Goldsmilha.  a.  O.  S.  183-87. 


134 


Frankreich. 


Autlaufende  Sebiffe. 

FraatStk   ToBBttlwt.    Fremde.   ToMtAlast 


d. 


3,470  282,358  6,052 

3,488 '  240,048  0,117 

3,955  325,698  6,33$ 

3,908  354,311  5,994 

3,580  355,742  4,408 

3,522  346,370  5,321 

3,341  376,835  4,164 

3,101  316,462  3^698 

3,236  340,471  5,169 

3,671  326,253  4,240 

4,045  347,285  4,636 

3,675  318,840  4,580 


360,571 
396,310 
415,241 
399,440 
432,772 
4^9,824 
344,547 
311,286 
469,288 
362,981 
461,704 
464,028 


9,531 
9,605 
10,293 
9,902 
7,988 
8,843 
7,!»05 
6,799 
8,405 
7,911 
8,681 
8,^5 


TonocflUst. 

642,929 
636,358 
7«),939 
753,751 
788,514 
786,212 
721,382 
627,748 
809,759 
689,234 
808,989 
782,868 


1822 

1823 

1824 

1825 

1826 

1827 

1828 

1829 

1830 

1831 

1832 

1^33 

Sumkie  der 

12  Jahre  ^»001  3^930,673  60,747  4,858,010  103,718  8,788,683 

also  durch-) 

BchnitcHcb  ^3,583     327,556    5,060     404,831      8,643       732,390 

im  Jahre    I 

wobei  dieselben   Bemerkungen^   wie  bei  der  Einfuhr,  in  Bezug 

auf  das  Verhältnias  der  inländischen  Schiffe  zu  den  fremden  zu 

machen  ist   —   Nach  einer  officiellen  Angabe  war  der  Bestand 

der  Französischen  Handels  -  Marine 

am  Isten  Jan.  1830    14,852  Fahrzeuge  yon  30  Tonnen  und 

,  noch  weniger,  bis  zur  Grösse  ron  300,  dar- 
unter 820  grosse  Kauffahrteischiffe  über 
^20  Tonnen,  und  1800  Schiffe  fQr  den . 
Walllisch-,  Stockfisch-  und  Heeringsfang 
zwischen  200  und  250  Tonnen. 

am  Isten  Jan.  1832    15,224  Fahrzeuge,  also   in  2  Jahren 

ungeachtet  der  kriegerischen  Bewegun- 
gen dieser  Jahre  um  372  Fahrzeuge 
rermehrt,  die  insgesammf  88,000  bis 
90,000  Bfatrosen  zu  ihrer  Bemannung 
gebrauchen. 

Von  Jenen  grossen   820  Kauffahrteischiffen   besassen  Bor- 
deaux 210,  Havre  180,  Marseille  170,  St   Malo  30  und  Dünkir- 


1 


'    FraBlcreick  1S5 

ctoi  25.  Nach  ihren  Haiiptbettiiiimjuig«o  'wnrdtD  damab  Ton  diesen 
•ad  einigen  Haaderteo  ron  Ffthneugen  geringeren  Tonnengehaltei 
832  für  den  Aaifler-Earop&isehenHandd  gebraucht  «ndiwar: 
35&  als  WestiadienMirer,  120  aueaerdem  för  die  Reitenr  nach 
C«ba  and  Hajrtiy  85  för  Bratilien  and  ;iaa  nodi  südlicher  g^e* 
gene  Aaaeiika,  6S  für  Central-Amerika,  35  füir  den  Verkehr  mit 
den  Nard-Aaierikanisehen  Freistaaten,  70  für  Africa,  66  für  Ost- 
indien and  die  noch  dstUeher  darüber  hinansliegenden  Länder. 
Im  Jahre  J834  wurden  906  Fransösische  Schiffe  im  Ausser  >-Eu- 
ref äischen  Handel  gebranoht^  darunter  387  Westindienfahrer  und 
144  für  A£rlaL 

Untar  den  FVansÖsisel|]Mi  HafenpUtaen  hat  Marseille,  schon 
im  Altartfaume  der  bedeutsamste  Handelspunct  €kdliens,  bei  wei- 
tem die  atilricale  Ausfuhr,  die  nach  sehnjührigem  Durchschnitte 
jährtieb  ftber  80,000,000  Pres,  (21,600,000  Thir.)  sich  belauft  und 
eine  nicht  minder  betrftchüiche  Einführ,  welche  für  dieselbe 
Zdtperiode  dem  Staate  jährlich  über  20,000,000  Frca  (5,400,000 
Thlr.)  Zdlle  einbrachte,  1825  noch  19,505,715  Frcs.,  1831  bereits 
23,940,000  Frcs.  und  1832  sogar  30,768,000  Frcs.  (8,307,360  Thlr), 
1833  30,g77,977  Fr.  (8,336,048  Th.)  d.  L  beinahe  den  dritten  Thcii 
täaimtli<^er  Hafenxdlle  des  Staates.  Die  Zahl  der  ein-  und  auslaufen- 
den Schiffe,  die  4er  Masse  nach  jäher  zwei  Drittheile  des  gesammten 
Fnosdsisehen  SecTcrkehrs  betrug,  verhielt  sich  nach  den  einxelnen 
labren  folgendermissen: 


Einfuhr. 

Aasfiihr. 

1826 

6,458    Sf\. 

6,267    Seh. 

1827 

6^310     — 

6,210     — 

1828 

6,291      — 

5,985     — 

1820 

5,096      -T- 

5,001     — 

Summe  24^155    Seh.    23,403    Seh.     * 
also  durchschnittlich  *)  —        6,039      —        5,851     — 

Die  Ausfuhr"  dieses  Hafens  besteht  vornehmlich   in   Wein, 


*)  Im  Jahre  1820  betrag  die  Ladung  sämmilicher  66^  ekgelaufe- 
sen  und  mit  68,250  Matrosen  bemannten  Schiffe  796,000  Tonnen, 
miter  welchen  aber  3879"  Fahrzeuge  von  den  nächsten  Französischen 
aad  Italienischen  Kästen  sich  befanden»  und  i  überhaupt  nicht  na- 
tioaal  waren;  Ein  gleiches  Verhältniss^  fand  statt  1821  bei  den  78G1 
Schiffe«  TOB  99%6i0TMuien  mk  78»610  heimisdien  und  fremden 
Mauenen.  ^ 


136 


Frankreich« 


Branntweifi,  StidenwMiren ,  l^ehten  wolknen  Zesgen,  Seife  und 
•iDgemaehteD  Früehten;  die  Einfuhr  Tonttglioh  in  ColodialwjMi- 
ren  und  in  Reit  und  Weisen  aof  deq  Kttttenlftndem  des  tchwanen 
Meerei  und  Nord  •  Afrikas.  —  Dieielbe  Ausfuhr  und  gleiehe  Ein« 
fuhr  der  Colonialiraaren  hat  der  sweite  Hafen  Bordean^c,  und 
durohichnittiioii  in  den  letiten  zehn  Jahren  650  bis  700  ein* 
und  auf  gelaufene  Seeschiffe,  sur  Hftlfte  National-Schiffe,  sur  Hilft« 
ausl&ndisohe.  •-  1828  s&)iite  man  353  fremde,  31 1  Französische;  un« 
ter  Jenen  83  Brittisehe,  38  Nord-American.,  71  fremde  Westindien* 
fahrer^.  i.  w.  Nach  der  Zolleinnahroe  zu  sehliessen,  beschäftigt 
aber  Bordeaux  gegenwilrtifi^  nicht  viel  mdir  ali  die  Hälfte  des 
Bandeis  ron  Marseille,  denn  iie  steigt  selten  auf  12,000,000  Pres, 
und  erreichte  nur  1831  13,762,000  Pres.  (3,715,740.  Thlr.).-* 
Viel  bedeutender  ist  jetzt  der  Handel  von  Harre  de  Graee, 
indem  dieser  Hafen  zugieioh  die  Hauptstadt  und  Rouen  yer- 
sorgt  Daher  ist  hier  die  Zolleinnahme  des  Staates  fast  von 
demselben  Betrage  wie  fu  Marseille,  sie  fiel  1831  nfi  22,410,000 
Pres.  (6,050,700  Thlr.)  mus,  obgleich  doch  hier  nur  für  die  Fracht 
der  völlig  gelossten  Schiffe  gezahlt  wurde,  da  ausserdem  noch 
Rouen  von  den  unmittelbar  hierher  koninienden  Schiffen  eine 
ZoUeinnahme  von  8,148,000  Frcs.  (2,209,D60  Thlr.)  entrichtete« 
Die  Uebersicht  über  die  Lebhaftigkeit  des  Seeverkehrs  zu  Havre 
crgi^bt  sich  in  den  letzten  Jahren  also; 

Einfuhr  «). 

Kttftenfalir.  o. 
Stromfahn.^ 

2,514        3,354 


1825 


$e«9chiire. 
840 


.   J82fl 

1,011 

2,371 

3,382 

1827. 

833 

1,997 

2,830 

1828 

1,074 

2,252 

3,326 

1829 

M81 

2,995 

4,476 

1833 

1,094 

3,655 

4,749 

1834 

1,192 

2,877 

4,069 

AlflAniii'i* 

7,525 

18,661 

26,186 

•■■uuiirvu'« 

schnittL  1,075 

2,660 

3,741 

ZoBiBe.  $eescUIffe« 

541 

477 

546 

605 

1,314 

1,013 

1,095 


Ausfuhr. 

Kiittenfahr.  «. 
8tra«falini. 

1,982 

2,048 

1,542      • 

2,146 

3,217 

3,103 

3,110 


SvBuae. 

2,523 
2,525 
2,088 
2,751 
4,531 
4,116 
4,205 


5,591         17,148       22,739 

799  2,449        3,248 

*)  Im  J.  1834  bethig  sie  nach  Ferussac.  Bnllet«  d.  sc  geogr. 
Juio  1826  p.  150.  681  Seeschiffe,  darunter  370  Französische  und  311 
fremde  (100  Nor  weg.,  ^  Holland.,  IG  Engl.) 


Frankreich.  13t, 

Mithin  betragt  die  durchsebiiittiiche  Einfuhr  in  Hart«  in  der 
Zahl  der  Seeschiffe  noch  nicht  ein  >Siebentheil  des^  geiammten 
Fransdiiachen  Seererkehrs  und  die  Anaftihr  noeh  nicht  einmal 
ein  Tollet  Zehntheil,  wobei  aber  su  bemerken  bleibt,  dasi  bei 
der  Ausfuhr  alle  r.*it  Baiiaat  beladene  auslaufende  Schiffe  nicht 
mitgesfthlt  sind,  daher  auch  die  bedeutende  durchschnittliche 
Differeni  von  27(1  Seeschiffen  der  Ausfuhr  gegen  die  Einfuhry^ 
weil  gerade  Harre  derjenige  Hafen  ist,  der  die  meisten  rohen 
Producte  für  die  Französische  Induatrie  und  verhilltDissmIlssig 
auch  das  Meiate  von  den  gearbeiteten  aualündischto  Industrie'^ 
Erseugi^issen  aufnimmt  Nantes  ist  als  Hafen  viel  wichtiger 
für  die  Vermittelung  des  Verkehrs  zwischen  Bordeaux  und 
Harre  und  durch  die  FlussschiffTahrt  für  den  Binnenhandel, 
als  für  den  Seeverkehr.  Die  Ausfuhr  geht  stark  in  Wein, 
Branntwein,  Getreide  und  FsansÖsischen  Industrie  •Erzeugnissen 
in  Seide,  Wolle  und  Baumwolle,  die  Einfuhr  vorsUglich  in  Co- 
lonialwaaren:  betr&chtlich  ist  noch  der  von  hier  jetzt  jährlich 
mit  700  Barken  und  3000  Schiffsleuten  betriebene  Sardellenfang. 
Die  hier  stattfindende  Zolleinnahme  steigt  auf  zwei  Drittheile 
der  von  Marseille,  im  Jahre  1831  auf  15,100,000  Fr.  (4,077,000  Th.). 
Dünkirehen*)  dient,  wenn  gleich  es  seine  frühere  Blüthe 
und  Bedeutsamkeit  eingefcttsst  hat,  auch  jetzt  noch  als  ein  Haupt« 
hafen  für  den  Verkehr  mit  Grossbrittannien,  Holland  und  d^m 
benachbarten  Beigten.  Im  Jahre  1826  sind  hier  2678  Sichiffe 
von  169,976  Toqnenlast  ein-  und  ausgelaufen,  die  15,120  Matro- 
sen Schiffamannschaft  führten:  darunter  waren  85  Schiffe  aus 
Dünkirchen  *  selbst  mit  1080  Matrosen  auf  den  Stockfischfang 
ausgegangen,  79  derselben  brachten  38,552  Tonnen  Stockfisch 
zum  Werth  von  1,881,970  Frcs.  (508,118  Thlr.)  zurück.  Die 
Hafenplätze  des  Departements  Pas  du  Calais,  'Boulogne  und 
Calais,  der  letztere  stark  versandet,  sind  unbedeutend  und  haben 
ihren  Hauptwerth  als  Seebäder  und  bequeme  Ueberfahrtspunkte  nach 
England.  Viel  gewichtvoller  treten  für  den  Französischen  Handel  die 
Häfen  der  Ntfrmandie  auf,  denn  ausser  Havre  nehmen  Dieppe,  Fe- 
c a  m p ,  S  t.  V  al  e r /,  C  a e n ,  (mit  einer  Zolleinniihme  von  2,007,000 
Fr.  =  541,890  Th.  imJ.  1831)  Honfleur,  Granville  und  Cber- 


*)  Demeanjnck  et  Devaux,  annuaire  statistique  du  Departement 
du  Nord,  Lille  18-29  8vo.  Ferussac  Bullet,  d.  sc  geogr.  XVI  p.  35(; 
-^  XXV.,  t>-  434  und  t.  XXVII.,  p.  l4$-5h 


138  Frankreich; 

bourg  an  der  Seeflmerei  in  imk entferotai  Bhcf^  idbst  «n  dem 
.lYalli^chfaiig einen  betrftehtlichenAotheii:  fiberCherbopigiBedeiil* 
■amkeit  aif  KriegthaCen  vergl.  «nten  {«22..—-  DieHikfen  derBretegne, 
Brest»  Quiinper,  Morlaix,  St,  Brieu:hc  sind  vorBugtweise 
auf  die  Seefischerei  (reigL  oben' 8.  91)  an  den  bteaehbarten 
Küsten  hingewiesen;  dagegen  StMalo,  L'Orient  und  Van* 
nes  treiben  einen  ausgebreiteteren  Handel  mit  den  H&fen  der 
Pyreniüschen  Halbinselj  Englands  vnd  Iniands  und  selbst  mit 
Ost- und  Westindien.  La  Roeh^Ue  hateinep  eitttrftgUeben  Wein- 
und  Salshandel  lor  Ausfuhr,  so  wie  Einfuhr  der  Cekmialwaaren 
dureh  6  bis  10  WestindienfUirer  idyahrlieb.  Der  H*fen  Li* 
bournle  ist  gleiehlalls  nur  dureh  den  Saldiandel  wiehtig, 
Bajonne  durch  reiehe  Auslidir  roher  FranfÖsiseher  Preduete, 
und  die  beiden  wichtigsten HAfen  Languedoe^s,  Cette  und  Nar« 
bonne,  die  sonst  einen  ansehnliehen  Antheii  an  dem  Haniel 
mit  der  Levante,  dem  Königreich  beider  Sieilien,  und  dem  west- 
lichen und  südlid^en  Spanien  für  sieh  behaupteten^  sind  jefzt 
gleichfalls  nur  im  Verkehr  mit  Wein,  Branntwein,  -Getreide,  Sab 
Honi^  Früchten  und  .anderen  rohen  Produoten  von  einiger  Be- 
deutuqg:  kaum  5  bis  6  Schiffe  gehen  jetat  von  hier  «aus  ausser- 
halb des  Mittelländischen  Meeres  nadi  anderen  Erdtheilen.  Die 
gesammte  Zolieinnahroe  in  den  beiden  letsten  Häfen  war  1831 
5^71,000  Fr.  (1,504,170  Tb.).  —  In  der  Provence  ist  ausser  Mar- 
seille nur  Toulon  als  Kriegshafen  von  Bedeutung,  die  übrigen 
Hafenpltttse  Martignes,  Antibes,  Frejus  mit  St  Raphael 
St  Tropes,  Cannes  und  die  beiden  Häfen  der  Insel  Corsica, 
Bas.tia  und  Ajaccto,  sind  nur  fikr  Thunfischerei,  Sardellenfang 
Salshandel,  Ausfuhr  edler  Früchte  und  den  Seeverkehr  mit  den 
nächsten  Küsten  bemerkenswerth«  — * 

Endlich,  was  die  Verhältnisse  Frankreichs  in  Besug  auf 
den  Handel  mit  den  einseinen  Staaten  Europas  betrifft,  «o  ist 
für  Russland  bereits  Abthlg.  L  S.  240  die  Angabe  au  finden. 
Mit  den  Oestreichisehen  Staaten- steht  Frankreich  im  Nadi^ 
theile,  so  dass  es  viermal  mehr  von  diesen  empfingt,  als  dort- 
hin entsendet,  Wenn  gleich  die  Einfiihr  nur  Producta  aur  Verar- 
beitung der  Fransüsischen  Industrie  liefert:  1832  gab.  Frankreich 
für  7,400,000  Fr.  (1,908,000  Th.)  und  swar  die  Hälfte  in  Colo- 
nial>Wa»reii,  die  andere  Hälfte  in  Industrie-Erzeugnissen,  in  Wein 
nur.,'^  de«  Betrags;  es  nahm  dagegen  an  Einfuhr  für  34,000,000 
Fr.  4!M  80,000  Th.^    darunter  |  des  Betrags  iMJSMfiW  Fr.  = 


Frankreich«  139 

4 

6,701,400  TJi.)  M  Bf&i^  f  tu  Getreide  (M60,000  St.),  ^i^   de« 

Betrage  in  Blutig^  (l»52d,000  Fr.  fftr  50,4^^^  Stück).  —  Büt 
Grostbritanien^X  wird  der  Handel  gegenwärtig  für  Frank« 
reieh  TQftheilhaft  geführt»  da  ee  iwbeken^  84  und  100,000,000  Fr. 
(22,680,000  ^Th.  Li«  27,000,000  Th.)  von  dort  empfingt  und 
«wischen  120  und  125,000/)00  Fr.  «irüekgieht  (32,400,000  big 
33,750,000  Tk).  Mit  Belgien  und  Holland  Ut  der  Handele- 
▼eriiehr  ron  nemlick  gleichem  Betrage  jiUirlieh  autammen  gegen 
50,000,000  Fr.  (13,600,000  Thk.)  Ein-  und  ebeDaoviel  Aaefuhr. 
Mit  Preuaien  (s.  S»  116-— 17)  var  der  Verk^r  in  den  letalen 
Jahren  veratäikty  und  swar  au  Gunfte»  dietei  Staatee,  1828  die  Eiin- 
fuhr  aut  PreuMen  23;0]  5,586  Fr.  (6,214^201  TL),  davon  |  rohe  Pro« 
ducte^  find  die  Ausfuhr  =  7,1 17,637  Frei.  (1,921,754  Thlr.),  nämlich  f 
für  rohe  Producte,^aaientlieh  für  Wein,  ^  für  Fahricate^  nament- 
hA  Wollen*  und  Seiden* Waaren.  —  Mit  den  Hansestüdten 
führte  Frankreich  wegen  des  starken  Ahsataes  an  Wein  einen 
sehr  vortheilhaften  Ausfuhrhandel,  es  gab  demselben  1820  für 
15^010,615  Frcs<  (4,298,203  Thlr.),  und  empfing  von  dorther  nur 
aurück  für  9,594,206  Pres.  (2,590/134  Thlr.).  Mit  den  übrigen 
Dei^tschen  Staaten  war  der  gegenseitige  Umsata  in  Aus-  und 
Einfuhr  von  gleichem  Betrage;  es  ging  nach  Frankreich  von 
dorther  ab  für  36,443,475  Pres.  (9,839,723  Thlr.),  und  aw»r  an 
rohen  Producten  lur  (!onsumtion  j^  des  Betrags  für  9,107,000 
Pres.,  beinahe  }  für  rohe  Stoffe  aor  Industrie,  namentlich  Wolle 
(16,232,692  Pres.)  und  über  j.  an  Industrie-Erseugnissen  und  baar 
Geld  11,100,000 Fr.  2,997,000 Tb.;  Frankreich  gab  dagegen  aurück 
für  36,386,748  Pres.  (9,824,412 Thlr.),  und  awarf  des  gesammten 
Betrags  an  Industrie-Eraeugnissen  für  30,430,072  Pres.  (8,216,115 
Thlr.)  lind  |.  an  rohen  Producten  und  baar  Geld  für  5,938,676 
Pres.  (1,603,437  Thlr.).  Der  Handelsverkehr  mit  derSchweia  be- 
trug 40,000,000  Pres.  (10,800,000  Thlr.),  worunter  aus  Prankreich 
aUein  1832  für  25,000,000  Pres.  (6,750,000  Thlr.)  an  Pabricaten 
dorthin  ausgeführt  wurden.  Mit  Schweden  und  Norwegen 
wird  der  Handel  vortheilhaft  mit  verhültnissmüssig  sehr  starkem 
Ueberschusse  der  Einfuhr  Über  die  Ausfuhr  au  Gunsten  Frank- 
reichs geführt;  Jene  betn^  1830  3,063,000  Pres.  <827,000  Thlr.), 


*)  Macculloch,  Hapdbucb  f;  Kaafleate,  D.  B.  vol.  I.  S.  895- 


V 


140  .  Frankreiclk 

\ 

diese  636,000  Frei.  (171,000  Thlr.).  —  Der  Handel  mit  D& ne- 
in ark  ist  lehr   unbedeatend  und  daher  auch  ron  sehr  schwan- 
kender Beichaffenheit  in  Bezug  auf  das  Verhältniss  der  Ausfuhr  zur 
Einfuhr ;   dasselbe  gilt  auch  von  dem  gegenwärtigen  Zustande  des 
Handels  mit  Portugal.    Mit  Spaniehister  sehr  lebhaft  und  vor- 
theilhaft  fi&r  die  Franzosen  in  rohen  Produeten,  Wolle,  Seide,  Maul- 
thieren,  Metallwaaren,  Luxusartikeln  betrieben,  wovon  die  drei 
letzten  Gegenstiinde   von  Frankreich   ausgehen,  im  gesammten 
Umsätze  von  100,000,000  Pres.  (27,000,000  Thlr.),  wovon  ^j.  auf 
Spanien  46,000,000  Frcs.  (1832  fQr  23,000,000  Frcs  :^  6,210,000 
Fabricate),  ^^  des  Betrags  auf  Frankreich  mit  54,000,000  Fr.   =: 
14,580,000  Th.  durchschnittlich  kommen.      Die  Sardinischen 
Staaten  geben  vielfach  rohe  Stofife  zur  Französischen  Industrie, 
Oel,  Früchte,  und  empfangen  dagegen  Seide-,  Wolle-  und  Baum- 
woUe-Fabricate  (1832  allein  an  Fabricaten   fOr  24^000,000   Frcs. 
=  6,480,000  Thlr.),  sowie  Getreide.      Der   C^sammtbetrag  des 
Habdelsverkehrs  mit  diesem  Staate  betrug  1828  125,593,682  Frcs. 
(33,910,278  Thlr.),  wovon  |  auf  Sardinien,  ^  auf  Frankreich  ka- 
men.    Der  Verkehr  mit  dem  Kirchenstaate  und  dem  Gross- 
herzogthum  Toscana  wird  fast  in   denselben  Gegey tanden  der 
Hauptsache  nach  betrieben,  und  hat  einen  Umsatz  von  45,000,000 
bis  50,000,000  Fr.,  (13,500,000  Th.),  der  fast  zur  Hälfte  unter  beide 
Länder,  doch  mehr  noch  zu  Gunsten  Italiens  vertheiit  ist  Mit  Nea- 
pel und  Sicilienist  der  Handelsverkehr  noch  bedeutender  und  be- 
trägt zusammen  gegen  60,000,000  Frcs.  (16,200,000  Thlr.),  und  zwar 
gleichfalls  mehr  zu  Gunsten  der  Italienischen  Staaten,   da  diese 
gegen  33,000,000  Frcs.  (8,910,000  Thlr.),  geben,  und  nur  22  bis 
27,000,000  Frcs.  (7,290,000  Thlr.)  entnehmen.    Endlich  der  Han- . 
del  mit  der  Europäischen   Tfirkei   ist  sehr  gesunken  und 
beträgt  gegenwärtig  nicht  mehr  als  höchstens  25,000,000  Frcs. 
(6,750,000  Thlr.),  fast  zu  "gleichem  Betrage  in  der  Einfuhr  und 
Ausfuhr  getheilt;;   im  Jahre  ^1832  bezog  die  Türkei  allein  für 
11,000,000  Frei.    (2,970,000  Thlr.)    Französische  Industrie  •  Er- 
zeugnisse. — 


<• 


/ 


Frankreii^h.  141 


S.  11. 


Die    geistige  Cultur   in.  ihren  Unterrichts- 

Anstalten. 

Annuatre  de  T'  imprtmerte  et  de  la  lihrairte  I^an^aüe, 
Parte  1821,  und  in  den  späteren  Jahren  öftert  wiederhoff.  — 
Bibliographie  de  la  France  1824,  M.  J.  Jullien  Revue 
Eneyclopedique  bii  lum  Jahre  1830  entiiält  sehr  viele  lobens- 
verthe  Aufsätze  über  diesen  Gegenstand.  Daru  noticee  etatieti- 
fueeeurla  lihrmrie  Frangaiee^  Parte  1827,  8t?o.  —  Rapport 
fl«  Rot  par  le  Minietre  eecretatre  if  etat  en  departement  de 
f  inetruciion  publique.  Apr.  1834.  Parte.  470.  S.  4to.  —  Die 
Keiten  ron^  Niemejer  und  die  Briefe  von  Raumer  aus  Paris 
fiber  das  Jahr  1830. 

Kein  Volk  hat  mit  dem  Fransftsisehen  die  gemeinsehaft- 
liehe  EigentfaOmlichkeit ,  dass  seine  gesammte  geistige  Bildung 
in  der  neueren  Zeit  von  einem  eins  igen  Orte  ausgeht,  also 
die  Bildung  dieses  Concentrationspunktes  als  der  Maasstab  filr 
^  gesammte  geistige  Leben  dieses  Volkes  lu  betrachten  ist 

Während  die  geistige  Bildung  des  Britten  durch  London, 
Edmburg^  Glasgow,  Oxford,  Cambridge  und  Dublin  bestimmt 
^d,  während  das  geistige  Leben  derDeotsehen  in  allen  bedeu- 
teoden  Residenzen  der  Ffirsten,  UniTersitäten  und  nicht  minder 
in  den  ersten  Handelsstädten  seine  bestimmende  Riehtungen 
empfangt,  oder  in  Italien  ein  Gleiches  Ton  Rom,  Florens,  Nea- 
pel, Turin,  Mailand  .und  Venedig  aus  geschieht;  äussert  dagegen 
der  Franiose  nur  eine  rege  Theilnahme,  wie  an  allen  fibrigen 
B^benheiten  seiner  Hauptstadt,  so  auch  an  den  neu  hervorra^ 
genden  geistigen  Erscheinungen  in  -  derselben,  und  sucht  sie  durch 
das  allgemeine  Besprechen  in   den   öifentliehen  Zusammenkttnf- 


14t  Fr^nkreiclu 

ten,  soweit  geiitige  Prodocte  dem  gew5hiilicli  gebildeten  Menschen 
überhaupt  lugänglieh  gemacht  werden  können,  cum  allgemeinen  Ei- 
gen thum  .des  Volks  sa  machen.  Um  so  aufmerksamer  muss  man 
auf '  den  Entwickelungsgang  der  Franxösischen  Literatur  sein, 
#eil  eine  missverstandene  Idee,  oder  eine  absichtlich'  verdrehte 
Darstellung  eines  wissenschafdichen  Gegenstandes  in  ihren  Fol- 
gen den  yerderblichsten  Einfluss  auf  das  Volk  austtben  kann. 
Aber  eben  so  eigenfhümlich  ist  die  Sprache  dieses  Volkes;  an 
und  fBr  sich  fast  unter  allen  gebildeten  Europäischen  Sprachen 
die  &rmste  an  Wurselwdrtem,  und  die  unfähigste  neue  m  beider , 
wenn  sie  dieselben  nicht  geradezu  aus  anderen  Sprachen  ent- 
lehnt,'' ist  sie  gerade  deshalb  durch  die  grosse  langjährige  geistige 
Entivickelung.  des  Volks  und  den  dadurch  nothwendig  bedingten 
vielseitigen  Grebrauch  der  Sprache  die  bestimmteste  iik  .der  ^viu- 
drucksweise.  Dies  hat  sich  aber  bei  derselben  noch  in  einem 
viel  höheren  Grade  seit  der  Zeit  bemerkbar  gemacht,  als  Cardinal 
Richelieu  die  Sprache  unter  eine  Art  von  Staatsaufsicht  stellte, 
und  1633  durdi  die  Stiftung  der  Academie  Fran^aise  aus  40  Mitglie- 
dern diese  eigens  dazu  verpflichtete,  über  die  Reinheit  der 
Sprache  ^  zu  wachen  und  den  lichtigen  Gebrauch  der  einzelnen 
Wörter  zu  bestimmen.  Das  BOssliche  dieses  Üntemdimens  ver- 
schwand völlig,  als  es  seit  dem  Zeitalter  Ludi^igs  XIV«  zur 
höchsten  Ehre  für  jeden  wissenschaftlich  gebildeten  Franzosen 
gerechnet  wurde,  ohne  auf  den  Unterschied  in  den  höchsten  S^ts- 
Umtem  zu  sehen,  endlich  am  Zielpunkte  seiner  Anerkennung  im 
Staate,  ab  eins  de^vierzigMilgliederin  diese  Academie  einzutreten. 

Seit  dieser  Zeit  nahm  erst  die  Französische  Regierung  leb- 
hafteren Andieii  an  selbstdiifctiger  Einwirkung  auf  die  geistige  f 
Entwiekelung  des  Volkes,  wenn  auch  nicht  immer  aus  den  rein- 
sten Gründen,  wihrend  -es  bis  dahin  den  Eymelnen  und  den 
Gemeinden  lediglich  überlassen  geblieben  war,  für  den  niederen  nnd 
höheren  wissenschafdichen  Unterr|oht  ihrer  Jugend  zu  sorgen, 
wenn  nicht  die  aua  d«n  Mittelalter  nech  erhaltenen  Kirchen-  und 
Klostersohul^  und  die  in  diesem  Lande  vyvugsweise  entstande- 
nen Special  •  Universititen  und  Collegien  ausreichten.  Selbst 
Franz  I.,  U  pere  de9  letiret  genannt,  weil  er  einigen  Hofglanz 
von  den  Wissenschaften  entlehnte,  unterstützte  noch  so  wenig  das 
geistige  Aufstreben  seines  Volks,  daM  er  noch  am  13.  Januar  1535 
die  Buchdnckerei  verbot,  aus  Besorgbiss,  durch  ihre  Erhaltung 


Fraiijc  reich..  143 

jcu  Paris  noch  melir  Veranlaigimg  su  Religionsumriihen  ca  ge* 
ben  *}f  und  auch  Heinrich  IV«  lenkte  seine  Regentensorgfialt 
noch  nicht  bis  auf  dielMn  Zweig  der  Staatsrerwaltung,  wenn 
gleich  er  schon  mehr  jfUr  die  schönen  und  bildenden  Künste 
that  Aber  unter  Ludwig  XlVi  enslan^en  auf  königliche  Kosten 
mehrere  wissenschaftliche  Institute  und  Musteranstalten  für  die 
Künste,  bei  denen  der  edle  Lifor  des  wahrhaft  patriotischen  Mi- 
nisters Colbert  den  beliebten  Hofprunk  eines  gUnienden  Hof- 
staates sur  Ehre  geistiger  CultUr  xu  benutxen^wusste:  auf  solche 
Weise  entstanden  1663  dir  Jeademte  des  InicripiwnM  et  helleM 
UttreSf  1666  die  Jcademi&  deM  9cience9  und  die  Jeademte  des 
beüujc  art$.  Diese  königlichen  Institute  brachten  bei  dem  ge« 
selligen  Geiste  der  Franiosen  durch  den  «inmal  gegebenen  Im« 
puls  geistiger  Anregung  viele ,  gelehrte  PriTatgeselischaften  für 
die  einxelnen  Wissenschaften  in  den  UnirersitiltsstädteB  und 
Hauptstädten  der  Provinzen  hervor.  Die  Uebenrumpelung  Stras* 
buigs  1680  gab  auch  die  iweite  vollständige  Uuiversität  mit 
allen  Pacultäten,  nachdem  erst  das  Jahr  vorher  1679  **y  Paiis 
durch  die  gänsUche  Aufhebung  des  Verbots,  hier  das  Römische  Recht 
su  lehren,  als  einsige  Französische  Universität  alle  vier  Facul- 
täten  erlangt  hatte.  Die  übrigen  Hochschulen  aber  blieben  Spe- 
cialschulen entweder  auf  die  Ausbildung  der  Juristen,  oder  auf 
die  der  Mediciner,  oder  auf  eine  derselben,  verbunden  mit  einem 
Collegium  und  Seminärium  für  die  Theologen,  beschränkt  Der 
niedere  Unterricht  wurde  aber  ausserordentlich  vernachlässigt, 
und  nur  einige  wenige  Ljceen  mirden  von  den  drei  lotsten  Kö- 
nigen vor  der  Revolution  als  Vorbereitungsanstaltan  für  den  Be- 
such der  Universitäten  gestifitet  t 


Iniwisehen  war  die  Frantöaiscfae  Sprache  und  Literatur  lur 
geistigen  Alleinherrschaft  in  Europa  gelangt  uiid  erhielt  sich  auf 
dieser  Stufe  fast  ein  Jahrhundert  lang  bis  in  die  aweite  Hälfte 
des  achtsehnten  Jahrhunderts  hinein.  Die  Sprache  war  die  ge- 
wöhnliche auf  dem  grossen  Gebiete  der  Diplomatie  geworden^ 
und  Paria  und  der  Fnunösische  Hof  su  Versailles  gelangten  da- 


*)  Nach  Dnlaure  hist  civ.,  de  Paris,  voL  IV. 

**)  Savigby»  Geschichte  des  Römischen  Rechts  Bd.  ^I.  S  25ft. 


144 


Frankreich« 


durch  mittelbar  su  dem  bedeutungsvollen  R'^chte,  die  Bildungt- 
«chule  für  die  Mehrzahl  der  Staatsmllnner  Europas  bei  sich  xu 
besitzen,  die  mindestens  das  eigen thüraliche  Gepräge  der  Tran* 
zösischen  Cultur  in  dem  Alter  grosser  Empfänglichkeit  leicht 
in  sich  aufnehmen  konnten  und  schwerlich  sich  aller  aufgedräng- 
ten Grundsätse  und  Erfahrungen  entschla'gen  mochten ,  da  sie 
ihneft  auf  dem  einschmtichelndsten  Wege  geselliger  Unterhaltung 
zugegangen  waren. 

Da  trat  die  .Franxftsische  ßeVolutioti  ein,   tind  erschüttc^rte 
die  vorgefundene  geistige  Cultur  fast  bis  zur  völligeii  Vernich- 
tung«   Als  das  Königthum  nach  haltloser  Beschränkung  gänzlich 
gestürzt  und  die  Heirsohaft  anarchischer  Willkühr    unter  dem 
Rational  -  Convente   aufgepflanzt  war,   da  wurden  auch  die  Aca- 
demien   lu  Paris,    die  Universitäten,   die  Lvceen,   endlich  alle 
Schulen  als 'unnützer  Tand  des  morschen  Könio^thums  aufgeho- 
ben, und  drei  Jahre  lang  lebte  Frankreich  in  bewustloser  Roh- 
beit  hin.     Die  Verfassung  des  Directoriums  und  der  beiden  ge- 
setzgebenden Rftthe  war  der  erste  Fortschritt  zu  einem  neuen  geordne- 
ten Leben,  er  musste  nothwendig  gleichzeitig  mit  der  neuen  Organi^ 
sation  des  Unterrichts  beginnen,  wie  dies  auch  am2S8tenOctbr.  1795 
erfolgte.  ,  Primärschulen  wurden  für  den  Volksunterricht  einge* 
nebtet,  in  den  Departenientsstädten  Centralschulen  für  die  hö« 
here  Stufe  der  geistigen  Entwickelung,  ausserdem  einzelne  Spe- 
cialschulen  für  die  Ausbildung  zu  einem  besonderen  wissenschaft- 
lichen Berufe  in  einigen  Städten,  und  endlich  das  Nation alinsti tut 
.cuParis,  welches  die  vier  früheren  Academien  von  Paris  in  sich  zusam- 
menfassen  und  die  ausgezeichnetsten  Männer  ihresFaches  aus  dem  gan- 
zen Staate  zur  weiteren  Fortbildung  der  Wissenschaften  und  Künste 
aufnehmen,  sollte.    Unter  Napolec^s  Herrschaft  erhielt  das  ganze 
Unterrichtswesen   einen   militairischen   Anstrich,    aber   nur    die 
Ausbildung  in  den  mathematischen,  Naturwissenschaften  und  de^ 
ren   Anwendung   auf  die   Mechanik    und   den   Krieg    erhielten 
eine  besondere  Unterstützung  des  Staats.     Napoleons  Lieblings* 
Institute  blieben  die  polytechnische  Schule  zu  Paris,    die   schon 
1796  unter  der  Directorialregierung  begründet  war,  und  die  ms- 
senschafdichen  Sectionen  des  National -Instituts,  die  in  der  Geo- 
metrie,  Mechanik,    allgemeinen  Physik,    Chemie,   Mineralogie, 
Astronomie,    Geographie  und  Schiffahrt,  Landwirthschaft,   Ana- 
tonue  und  Zoologie,  Medicin  und  Chirurgie  beschäftigt  waren. 


Frankreich.  14S 

Far  die  beiden  letiteren  Wisienschafteii  diat  er  Mwh  viel,  um 
eineg  ^dsserea  allgemeinen  Eifer  unU  Liebe,  tich  denflelben  erni t 
sn  widmen,  im  Französicchen  Staate  au  Terlureateo,  weil  er 
sb  Eroberer  nnd  Regent  auch  yon  dem  Standpunkte  der  Noth- 
vendigkeit  und  Nütaiichkeit  diese  Wiaaenachaftea  au  betrachten 
^ch  gewöhnte. 

Die  Restauration  erhielt  diese  Institute  und  ga|>  ihnen  nur, 
wo  es  angünglich  war,  die  alten  Namen  und  Einrichtungen 
•u  der  früheren  ICdnigsseit  wieder  jnirüok.  Doch  das  erste 
weiendiche  Bedürfniss  des  Staates,  eine  angemessene  Fürso^e 
über  ausreich^de  Einrichtungen  für  dan  Volksunterricht  wurde 
eben  so  unter  der  königlichen  Regierung  hintangesetat,  wie  dies 
«nter  der  louseriichen  geschehen  war,  wobei  doch  die  Entsohuldi« 
gusg  der  so  häufig  durch  die  Kri^sereignisae  reraolassten  Unter- ^ 
tveehung  oder  mindestens  vergrösserten  Beeinträchtigung  desselben 
«OS  jener  Zeit  fehlte.  Der  Einfluss  der  Geistlichkeit,  die  wiederum 
Uer  die  Leitung  dieses  Zweigeades  Unterrichts  gewanm  wirkte  auch 
aieht  vortheilfaaft,  und  so  war  es  denn  erklärlich^  dass  nachdem  die 
Anarchie  der  Revolution  auch  schon  2^  Jahre  ▼orübergegangon 
wir,  doch  noch  gegen  drei  Viertheile  dergesammtenFranaöai- 
leben BeTölkerung weder  lesen  noch  schreiben  konnten.  Beson« 
<Ien  traurig  war  aber  die  noch  grössere  Vernaehl&ssigang  der 
Jagend  des  weiblichen  Geschlechts  su  bepierkeo,  indem  für  diese 
weder  von  dem  Staate,  noch  von  den  einaelnen  Gemeinen  durch 
eigeothüm liehe  Anstalten  gesorgt  wurde:  wo  also  der  Unterricht  der« 
■elben  nicht  in  den  für  beide  Geschlechter  bestuumten  Volks* 
•chulen  stattfinden  konnte,  blieb  er  lediglich  der  Sorge  der  ein« 
Seihen  Familien  selbst  überlassen. 

Daher  fand  man  in  dem  dritten  Regierttngijahre  Lud«* 
wigs  XVllI.  20,850  Volksschulen  mit  866,000  Schüler,  drei 
labre  später  1820  25,900  Volksschulen  mit  1,070,500  Schülam, 
4eren  innere  LocoUtäten,  wenn  gleich  sie  nur  durdischnittlioh 
von  38  Zöglingen  besucht  wurden,  aber  auch  nicht  m^ehr  Schttler 
so  fassen  vermochten,  also  nur  i&hig  waren,  den  vierten  Theil 
4er  schulfähigen  Jugend  Frankreichs  aufsunehmem  In  dieseZeil  fällt 
die  Aufnahme  der  Lancaster-Bellschen  Unterrichtamethode  im  nörd' 
liehen  Frankreich,  aber  auch  der  nachtheilige  Einfluss  des  Ahh«i 
Frajssinous,  der  suerst  als  Grossmeister  der  Universität  den  ge« 

8eliub<Tt*s  StntisUk  IL  |q 


146  Frankreich.' 

sammten  Uaterridit  leitete,  und  1824  fdi^mliek  alt  MinUter  der 
geiBtliclien  and  Unterricfats-Angelegenheiten  an  die  S|»itse  diee^ 
VerwoltnifgiiKWeigeg  geitellt  wu^de.  Die  Umtriebe  iw  Jesuiten 
wachten  unter  diesem  Miniiterivm  im  ausgedehnteeten  Umfange 
auf;  und  es  gesefaah  weder  von  Seiten  der  Regierung,  poch  Ton 
Seiten  der  Gemeinen ,  die  mit  Widerwillen  und  Argwohn  diese 
Leitung  der  ,  intellectuellen  Cultur  lietrachteten,  das  Geringste, 
dem  Mangel  im  Volksunterrichte  absuh^üen. 


Ein  neues  und  eifreulisfaes  Leben  kam  in  diesen  wiehtigen 
Theil  der  Staatsrerwaltuig  durch  das  Mipisterittm  Martigna^  im 
November  182/,  als  Minister  Vatismenil  die  Leitung  des  dflfeiitlichen 
Unterriohts  erhidt,  und  Feutrier,  Bischof  ron  Beauvais,  Minister 
des  CuUtts  keine  Hindemisse  dem  kräftigeren  Gedmhen  der  neuen 
Einrlehtnngen  in  den  Weg  legte.    Es  wurden  bei  einer  allgemei- 
nen Zählung   im  Jahre    1828    3,500,000  Kinder  «wischen  6  und 
r5  Jahren  gefunden,  von  denen  1,682,900  ^aben  und  1,817,1*00 
Mädejito  wareiu    Nicht  der  dritte  Theü  derselben  erhielt  Unter- 
tenrioht  iH' deki  vorhandenen  Schulen*      Dagegen  wurden  schon 
swei  Jahre  später  folgende  vortheilhafte  Veriindenuigen  im  ge- 
sammten  Untenriehtswesen  Frankreichs  bemerkt»   die  sich  durch 
Zahlen  aussprechen   lassen,   wie  der  Bericht  des  Ministers  des 
fiffentlichen  Unterrichts   aus  dem  Januar  I8S1  aUgiebt    Es  be- 
fanden sieb  in  ^en  Elementarschulen  1,244,570  Schiller 
in  den  Pensibnsanstalten       20,528      -~ 
in  besonderen  Lehrinstituten         0,232      — 
in  den  königlichen  Gjmnasien       11,114      — -  ' 
in  den  Communal-Gjmnasien      20,780      — i 

Gesammtzahl  der  Schüler  1,315,239      ~ 

Am  besten  «tand  es  hiebei  in  den  beiden  Departements  diBS  Nie- 
denheins  und  der  oberen  Marne,  wo  auf  acht  Einwohner  ein 
Schüler  kam;  am  schlechtesten  im  Departement  de  Correse,  wo 
erst  auf  152  Einwohner  1  Schüler,  und  in  der  Hauptatedt  Paris 
selbst,  wo  auf  48  Einwohner  1  Schüler  ge^hlt  wurde.  Die  Ge- 
samntxahl  der  Kinder  zwischen  dem  siebenten  und  funfiehnten 
Jahre»  also  um  ein  Jahr  weniger  aU  bei  der  Zählung  von  1828, 
ergab  sich  für  dmi  Januar  1831  auf  3,143,375  Köpfe,  also  |.  dersel- 
ben nahmmi  im  Vergleich  mit  der  obigen  Schülenahl  erat  Antheil  an 
denhöffentlichen  Unterrichte.   Guixot,  Graf  Montalivet  und  Girod  de 


Frankreick  147 

V 

r Ate,  Me  MittliCer  des  OateirrMits  uitnr  &ct  g^genwlrtigeu  R«git> 
fvttg  VnNÜtr^cha,  fihlteii  dai  vetentlieli«  BMMhist  des  Landef, 
diMi  dfTfMtllt'kiA  UtttntMito  enid  grösttra  AoftB6rtrn wfc  rtl  der  Ro* 
gki— g  msviwendeii,  deawlbMi  vdlUgtuBsiigattilten  and  Um  Ten  de« 
BaadtB  dea  gri^MtentiMilt  nodi  sehr  iiDgebildeCeii  Cienit  m^gtiekst 
m  mdmwdm.  Daher  die  Abaenduiig  des  mit  DevtsehlmiiAi  Citlte? 
wtkm&r  iaii%  fcefieindeten  Vietor  Couaia  naeli  den  Nerd-Deotselieii 
Scaatoi  md  vomgvweUe  nadi  Premten  *),  um  in  diesen  Lindem 
ämnh  grfodlicliere  Bdcsnätstbaft  nit  den  daselbst  beirüirtea  Cic* 
ilrtif  n|^n  dM  UuMfhditsweseiis  die  begrtbidelssten  fiffaknmgeB 
m  Bantf  auf  eine  neM  Umgestalt«flgder  Anstalten  für  die  intelbe« 
OttileCnitnriAFinnkreiekToriiereingesanMielttnliaben.  Innwiselien 
wmr  4m  Canäinfta^AI  der  dehnten  im  Laufe  des  Jdves  nnf  30,706 
gestiegen,  indem  24^160  Gemeinden  in  Frankrtriek  mit  Sehnlen 
rernekcn  «aren,  ad  13,98»  nock  okne  Httfe  derselben  waren, 
▼es  diesem  Zeitpnnkto  ab  stieg  in  seknettem  Sekrkte  die  Zdil 
der  Schulen.  Im  Jahre  1832  errichteten  2659  Commnnen  und 
18S3  IWS  Cemmniien,  die  bis  dahin  noch  gar  keine  Sekidl»  be- 
senen  haften,  nene  Schalen,  and^e  «rerdeppelten  nnd  ferd^jBi» 
fcektea  die  bestebsiide  Zahl  Daher  gab  es  am  Ende  des  JabffSs 
1832  berehli  42,0M  Schalen,  also  ^  Zniraehs  von  11,296  nensn 
MraiCB  in  erine(m  Jahre,  insgesanunt  mit  1,935,624  Sekifem, 
nnd  20,710  Gemeinden  mit  Sehnlen,  so  dass  mithin  nur  noch 
ii  11/436  eine  Schale  fehlte.  Im  Jahre  1833  waren  wiederam 
3^026  nene  Schalen  dasogekonunen,  nnd  die  €lesammtaahl  der* 
selben  anf  45,119  mit  2,386,090  Schalera  gestiegen,  ton  denen 
461,756  gans  nnentgelditcb  nnd  1,931314  anf  Kosten  dw  El- 
tern nnteiriektet  worden.      Es   waren   daker  bereite  28^10  Ge- 


*>  Coasin»  ItoptN>rt  sar  l'eut  de  l'insiraction  pobliqae  dsns 
yelyier  pnjs  de  PAllemagne  et  particalierement  en  Prasse,  Ire 
Partie,  Psris  1832,  2re  Part.  ib.  832»  und  ins  Deutsche  übersefst 
Ton  L  C.  Kroger  !2  Abthdiuilgen,  Altüna  1832  ood  1833,  gewahrt 
nicht  aar  einen  rnhmlichen  Beweis  der  Anerkeanang  Dealscher 
wissenschaftlicher  Bildung  im  Aoskuide,  sondern  gehört  ancfa  durch 
die  manaichfachea  Vergteichungspankte  mit  den  Anstalten  Frank- 
reidis  so  den  wesentlichen  llölftmittelh  fnr  die  Kemitite  der  ge- 
genwärtigen UnierrIchlsaiiSialten  Frankreicks. 

16  ♦ 


148  Frankreich, 

imeinden  mit  Sofanleii  reneben,  und  nnr  9528  eotbelirteti  aoch 
iHeselbeiL  I  Unter  den  vorhandenen  45,119  Schulen  waren  aber 
44,472  ansicSkiifitfliob  alt  Elementarachulen  dem  niederen  V^oiki- 
Unterrichte  gewidmet,  und  zählten  1,907,02!  Schöler,  darunter 
1,175.248  Knaben  und  731,773  Mädehen,  also  doch  erst  gegen 
drei  Fftnfiel  der  schulfähigen  Jugend,  und  wtttn  beinahe. awei 
Drittheile  der  schulfübigen  Knaben  in  dieser  Zahl  mit  oinhe- 
griifen:iein  mögen,  ao  ist  doch  sicher,  dasf  noch  lang^  nicht 
die  Hälfte  der  schnlfähigen  Müdchen  in  den  Torhandenen  An* 
stalten  untergebracht  iat  Die  Gesammtaosgdbe  fßr  den  Unter- 
richt in  den  Elementarschulen  betrug  im  Jahre- 1833:=  10,162,706 
Ftea.  (2,743,929  Thlr.)  woau  7,093,794  Fr.  (2,077,315  Thlr.)  yon 
19,037  Gemeinden  aufgebracht  wurden.  Es  weigerte  sieh  alsot 
•  beinahe,  die  Hälfte  der  in  Frankreich  jetit  überhaupt  vorhande- 
nen 37,146  Xommunen,  für  den  Volksuntenrioht  Beiträge  unter 
sieb  ausschreiben  su  lassen.  — 

* 

Die  Gymnasien  und  Ljeeen  sind  seit  1814.  in  edUgei  royuuJt 
umgeschaffen,  und  ihre  Zahl  ist  auf  100  bestimmt,  von  denen 
aber  1822  erst  36  eingerichtet  waren,  und  di»  auch  jetzt  noch 
nicht  vollständig  errichtet  sind.  Die  Zahl  ihrer  Schüler  hatte 
sich  aber  in  dem'  Verlaufe  eines  Jahres  um  3946  vermehrt,  in- 
dem sie  von  11,114  im  Jahre  J831  auf  15,060  im  Jahre  1832  gen 
stiegen  war,  darunter  5285  zu  Paris.  Neben  diesen  bestehen 
l'rivat-Colleges  mit  Erlaubniss  der  vorgesetsten  Behörde  (Acade- 
mie)  und  der  Verpflichtung  einer  jährtichen  Steuer  an  die  Universität 
SU  Paris,  die  zugleich  als  die  höchste  Aufsicht  fahrende  Behörde  für 
den  Gymnasial-Unterrieht  güt^  indem  derBünister  des  öffentlichen 
Unterrichts  gegenwärtig  zugleich  grand  maitre  de  rUmveraäe 
ist  und  einen  eonseil  de  FUmveriitd  aus  dreissig  Mitgliedern 
zur  Seite  hat  %  Dieser  Universitätsrath  in  Paris  besteht  zur 
Hälfte  aus  Mitgliedern,  die  auf  Lebenszeit  gewählt  werden,  und 
dann  wenigstens  vorher  10  Jahre  lang  schon  in  diesem  Colle- 
gium  als  Rath  der  ziieiten  Abtheiiung  gearbeitet  haben  müssen, 
oder  fünf  Jahre  lang  Inspectpren   der  Universität  oder  Rectoren 


1 


*)  Yergl.  Krogers  Bemeilung  zu  der  Ueberselzung  von  Cousin's 
Bericht,  Abthlg.  II.  S.  a  '     ^ 


'  Frankreich.  149 

• 

einer  Aeademie  gewesen  find;  xur  Hftifito  am  Mi^iedem,  die 
J&kiiich  durch  die  Inspeetoren  der  Univ^itÜt,  Decanriind  Pro- 
feMoreo  der  Faenltftten  gew&hlt  werden.  Die  Academien  'iq 
Frankreich,  deren  es  gegenwirtig  25  giebt,  sind  den  filteren 
Deutschen  academi^ehen  Gjmnasien^  oder  den  gegenwärtigen  Bai 
erischen  und  Ungarischen  Ljceen.in  dem  Umfang  ihrer  Lehrge- 
genstlnde  so  TcrgTeichen,  haben  eine  bis  awel  Facultliten,  die 
drei  gelehrte  Grade  des  Baccalaureus  fbachelier),  des  Lkentiaten 
(licencie)  vnd  des  Doctors  (Docteur)  erthei^en  kftnnen,  and  ver- 
walten einen  ihnen  angewiesenen  Lelirbeairk,  in  welchem  sie  auf  fthn- 
Kdie  Weise  wie  in  Russland  (Eil.  I.  S.  258),  durch  den  Rector  und  2 
bis  3  Inspeetoren  der  Academie  die  Aufsicht  Ober  den  Unterricht 
führen  lassen.  Ausserdem  hat  Jede  dieser  Academien,  wie  die 
Unirersitat  an  Paris,  einen  besonderen  academischen  Rath  (roM- 
tef7  d€  taeattgmie),  der  ans  dem '  Rector,  den  Inspeetoren  und 
einer  Anzahl  von  Professoren  oder  «ngeseheneti  Personen  des 
Besirics  susammengesetzt  ist.  Der  Oeschüfitsbezirk'  dieser  25 
Academien  geht  aus  einer  Uebersicht  der  denselben  im  Jahre 
1830  xugetheiken  Gemeinden  und  Schulela  herVei':  1)  Paris  mit 
3407  Comntanen  und  3471  Schulen.  2)  Aniiens  mit  ^43 16  und 
2357  Schulen.  3)  Dijon  mit  1899  C.  und  1510  Schuleti.  4)  Be- 
'sanken  mit  1788  C.  und  1384  Schulen.;  5)Nanc/  mit  fSBOC. 
vndJ842  Schulen.  6)  Strassburg  mit  1032  C.  und  ISOI  Schu- 
len. 7)  Metz  mit  1093  C.  und  1296  Schulen.  8)  Lyon  mit 
1009  C.  und  798  Schulen.  9)  Grenoble  mit  9114  C.  und  615 
Schulen.  10)  Montpellier  mit  1573  C.  und  1274  Schulen, 
lll  Toulouse  mit  1491  C.  und  922  Schulen.  12)  Pau  mit 
1488  €.  und  T512  Schulen.  13)  Aix  mit  944  C.  und  9T6  Schulen. 
14)  Bordeaux  mit  1617  C.  und  1136  Schalen.  15)  Limogen 
Mit  783  C.  und  266  Seh.  16)  Bourges  mit  872  C.  und  235 
Schulen.  17)  Cahors  mit  1184  C.  und  845  Schulen.  18)  Angers 
mit  1060  C.  und  610  Schulen.  19)  Clermont  mit-l3r8  C.  und 
010  Schulen.  20)  Orleans  mit  559  C.  und  510  Schulen.  2t) 
Poitiers  mit  1491  C.  und  1100  Schulen.  22)  Rennes  mit 
1485  C.  und  832  Schulen.  23)  Caen  mit  2089  C.  und  1014 
Schulen«  24)  Roueli  ipit  1583  C.  und  1524  Schulen.  25)  Douai 
nit  1569  C.  und' 1985  Schulen.  — 

Ueber     diese    Academien    stehen    als    letzte   Stufe    wissen- 
achafUicher  BemfsbiMung  die  beiden  vollständigen  t[n iversi täten ' 
zu  Paris  nnd  Scrassburg   mit    allen   vier  FacultUten   und    die  12 


ISO  Frankreicli, 

Specialvaifinfait^  iftimnlllBli  in  ^tUlBü,  wo  -btnitt  kmimüm 
betieben»  aoh  t  fi?  die  R«ehtiiriM««t«lHilt,  ¥«iiKUi4Mi  *aiit  4er  «i^je* 
meinen  wietenscliaitliehen  FaculH^t  si  Tonlonse,  Dijon,  iiix« 
Bordeaux,  Grenobi^i  Poitierf,  Rennet  und  Caen,  sirei 
darunter  sugleicb  fttr  die  Theologie  mit  der  ReekttwieaenfleiMft  Ter* 
linnden  su  Ai.x  und  Toulouse,  an  welebem  lelsliren  Orte  gegen- 
wUrtig  aueb  eine  FaciiMt  |ttr  den  Reformirten  Cullua  erhaltm 
ist,  swei  Speeialichulen  CQr  die  Tb^logie  allelB  jto  Ljon  und 
Ronen«  eine  Ar  die  Anueikunde  und  allgemeine  lieeratur  in 
Montpellier  und  endlich  eine  auaechlietelieh  Ar  die  allgu* 
»einen  WintnnAt^ftm^  und  Literatur  su  Beta  n  ^o n.  Die Geeammt* 
saht  der  Sfudirenden  dea  Reehta  wurde  in  dem  Minieterialhe« 
riehte  im  Januar  1831  auf  nS9,  und  die  der  Studirendeu  der 
Medicin  auf  J783  angcigeben,  also  reip,  J  Jurist  auf  g,372  und 
I  Medicin^  auf  18,201  Seelen  der  damaligen  Berttllnrung.  Das 
VerweltungsverhlUtniss  dea  eonMtil  i€  ftmiifirwiie  tou  Paris  s« 
illen  diesoB  Unterr)elitsanstalten  und  au  dem  Minister  des  dffinit- 
liehen  Unterriehts  selbst  bestdit  darin,  dass  Jener  dem  letBtesen  Ar 
slbmmäiehe  Gegenst&nde  dieses  Geseh&ftaiweiges  als  berathende 
Behörde  dient,  in  Diseiplinar-AngelegeDheiten  aber  ab  Geriehts^ 
bof  urtbeilt,  jedoch  mit  dem  Recurs  an  den  Staatsradi,  und 
•ftmmtiiehe  Präfessoren  aa  den  Aeadesgden  frwM»lt,  denen  4m 
Minist«  bei  der  Bestidgung  sogleieh  die  ii|strueli«u 


Als  besondere  Bcruis^BUdungsanatalten  g^en  die  Verhiltuisae 
dea  Heeres  uud  der  Marino  seit  der  Revolution  ihre  besondere  ftkli- 
rung»  obgleich  schon  seit  Ludwigs  XIV.  Seiten  dafür  vonngsweise 
Eweckmissig  gesorgt  worden  ist,  wie  dies  die  groaiie  Ibi^^ehule 
SU  Paris  und  die  au  Brienae  beweisen.  Wir  fipdep  jetat  neben  ^ 
Jener,  alpeiner  luderen  Academis  Ar  die  AuabildiuigderOAeieie^  die 
ron  Ludwig  XVllL  beibehaltene  und  1816  neu  orgauisirto  poly- 
technische  Schule  au  Paris,  Ar  300  ZögKnge,  dj^  su  Offieieran 
in  'der  Artillerie«  im  Gcniewescn  und  Ar  d^  Brücken*  und 
Strassenbau  ausgebildet  werden.  Ausserdem  bestdien  eine  Na- 
rineBchttle  xu  Angoul^me,  angeordnet  1810  und  v^Iig  eingerich- 
tet 1818»  drei  Milit&rsehulcn  xur  Bildung  dw  Iniuntene-  und 
Cavallerie-OAeiere  lu  St.  Cjr,  la  Fliehe  und  Saumur^  neun 
Artilkriesehulen  xu  la  Fdre,  Besan^n,  Mets,  Strasshorg,  Gre- 
noble,  Toulonae,  Auxonne,  RennesundDouaj;  droiaehjn  grosae 
S^biffakrtsschulen  in  deo  Bafenpllitsen  Toulon,  Marseille,  Cette, 


Frankraich»  i51 

BajoDoe,  BotdaMB^'  Roohafoft,  Nantair  rOiieat,  Bset^  St  Malo, 
Cmh,  Havra  and  Dünkirchan  n^hit  .d«  SchiffnbauAehuIc  za 
Brait;  aiistardain  4i^**g  Scbiffahrtuchulea  vom  sweiten  Raage 
sa  Aiitibast  Agda,  St  Tropei,  Arlcf,  Mardgues,  Narboaaa.  CoV- 
liaarCf  Salilat  d'Olonna»  liibounie»  La  Rochalle,  La  CiotaC»  St 
Jaan  da  Lae»  Vaanaa»  Paiaiboeuf,  Le  Croido^  Audieroa^  Traguier, 
St  Pol  4a  LeoOy  Quillaboaaf,  öt  Briaux»  Morlabc»  Granville, 
Honflatir,  Charbaiugy  Roii«n,  Diappa»  Faeamp,  8u  Valery  lur 
Sommay  Baulagna  und  Calais.  Diaseiv  AwttalUn  müsien  noch 
baigaraahnat  vaidaa  4ia  T^ioracieneischnlea  au  Ljon  und  Alfort, 
apalcha  getthiokta  TbicrwimdArit«  dem  He^a  iiafero  follaa« 
Daah  aind  aacb  goga&wiUrCig  kaiuaswagaf  aadara  wicblige  Zwaige 
das  Barufii  im  Wiisorlicben  Leben  ubna  dia  nothweodiga  Unter- 
ftiltaung  dar  Regianing  durch  UnterfiehtsanataUen  geiaiaen. 
Denn  fär  dae  Bargbauwasen  aind  drei  praktisabe  Bergbauschnleu 
an  Geialaatarn,  Paa^  and  St  Etienne  errichtet  Zur  Balebui^  der 
teabpiieban  Cultur  duroh  awackmassige  aoagabildete  Gewerbige- 
polten  eind  die  beiden  königUcben  Scfauleil  für  Kilnite  und 
Handwerke  au  Cb41ona  aar  Mama  und  Angera  auf  450  Zöglinge 
aingariohtett  die  königliohe  Brücken-  und  Wegebaua'diule  au 
Paria  aaf  QO  Zöglinge.  Für  diQ  bildenden  Künste  beatefat  eioe 
Specialaebula  au  Paria  und  mehre  freie  Zeichenaehuien  in  allen 
gröaaeren  Städten  Frankreieha;  für  die  Musik  das  königliche 
Conaervatorium  für  Moaik  und  Declamatton  auf  400  Zöglinge 
an  Paria,  ^ur  Bildung  ron  Elamantarlelurarn  aind  Jlmaondere 
Nomalaehulan  untar  der  Specialaufsicht  dar  Academieat  gestiftet 
daran  es  bar^ta  31  an  Anfang  dea  Jahraa  Jft32  gab«  in  .mehra* 
ren  Lebrbeairi^mi  einer  Academie  bereite  2  bis  3,  nur  in  den  7 
liohrbeairken  dar  Academien  von  Montpellier,  Nismea,  Bordeaux, 
L/OB,  Poifeien»  Rennea  und  Poitiera  waren  noch  gar  kataa  ein' 
gerichtet  Dia  aigenthümlichen  Lehranstalten  für  Blinda  und 
'JTaobatumma  *)  aind  gerade  von  Frankreich  auagegangan»  indem 


we^ 


*)  Vergl.  Dr.NaumaiiD,  (Diractor der Taubsloaimeiian^aUsa Kö- 
nigsberg), die  TaabstummenanstaU  zu  Paris,  nebst  GeadiicbCe  und 
Literatur  dMTanbstanaicnuiilerricbCs,  Königsb.  1827 8vo.  Heintcke's 
glricbiseitigeyeidieaate  um  den  TaobsCumnannnterricbt  la  Deutacblaad 
und  seitia  aista  auf  Koaten  dea  KurlursteB  von  Sacbaen  zu  Laipaig 


151 


Frankreich. 


•le  lo  den  menteheairemidlMieo  mää  elinrürdigeB  Bmtj  (1794 
4m  ente  BUndeniiiititat  sa  Perit)  und  dem  Abbe'  fEpee  (leit 
1773  Pkr  die  TaubtHunmen  wirkend/  weiiB  »«eh  erst  miter  sei- 
nem  Nechfolger  Sicard  auf  öffeottiebe  Ketten  eine  Tanbetum- 
menanitalt  zn  Paria  angelegt  wnrde)  diejenigen  Minner  fanden, 
welche  die  allgemeine  Aafmerkiamkeit  auf  diesen  ae  wielitigen 
Gegengenatand  der  Menachenpflege  ftr  immer  fesselten.  Daa 
Blindeninstitnt  s«  Paris  ist)f&r  420  Zöglinge  und  die  Tanb- 
stnmmenansitalt  f&r  120  Zöglinge  mit  besonderen  Sekolen  fOr 
Grarirkvnst  und  Mosaik  eingeriebtet  Aber  Frankreich  säklt 
eher  33,000  Blinde,  und  im  Jahre  1833  20,189  Taubstumme, 
abo  auf  1585  Bleien  der  damaligen  Berölkerung  ein  Taubstum- 
mer und  anf  1000  S.  ein  Blinder:  es  bleibt  hier  also  noch  viel  su  thun, 
wenn  Jeder  dieser  Ungl&cklichen  in  diesen  Anstalten  soviel  Unter* 
rieht  erlangen  soll,  ^ass  er  für  sich  aelbst  als  selbstthätiges  Mi^ied 
der  bilfgerUchen  Gesellschaft  wirken  und  seinen  Unterhalt  su  er- 
werben vermöchte !  Dafür  w&re  Überdies  sa  wünschen,  dass  eini* 
ger  Prunk  mit  eitlem  Wissen  und  Cbarlatanerie  in  jenen  Muster- 
anstalten  su  Paris  wegfallen  möge,  um  den  nütslidien  und 
awdckmUssigen  Beschüftigungen  mehr  Plats  einzuräumen,  und  da« 
durch  audi  sugleich  eine  grösicre  Ansaht  von  Zöglingen  su  unterrieh* 
ten,  indem  der  Einzelne  verhäHnissm&ssig  einen  küneren  Zehraum 
daaeibat  verbleiben  dürfte.  — 


Unter  den  BelMerungsanstalten  der  gerstig^i  Cnitnr  von 
Selten  des  Staates  nehmen  nach  ihrem  allgemeinen  Charakter 
die  Bibliotheken  stets  die  erste  Stelle  ein.  Bei  dem  Ver- 
gleiche der^  Kräfte  und  der  Bevölkemng  dieses  Staates  mit 
Deutschland  ist  ihre  Zahl  in  Frankreich  sowohl  geringer,  als  auch 
der  relative  Reichthum  der  eittselnen,  wenn  wir  Paris  ausnehmen,  hei 
weitem  sehwicher.  Von  den  königlichen  Bibliotheken  stehen 
10  unter  dem  Mioistcrittm  des  öffentüchen  Ui^terrichts,  22  unter 
dem  Hinistmum  des  Inneren,  12  unter  dem  Ministerium  des 
Kriegs»  0  unter  ^em  Ministerium  der  Marine,  11  iinter  dem  Mi- 
nisterium  der  auswärtigen  Angelegenheiten,  5  'unter  dem  Mini- 
sterium  der  Jttstis  und  2  unter  dem  Ministerium  der  Finanzen. 


1778  errichtete  Anstalt  bleiben  deshalb  nidit  minder  in  ehrenwerthem 
Andenken. 


Frankreich.  l53 

Den  ernten  'Rang  niiniat  die  grosse  ^kdnigliehe  Bibliothek  sa 
Paris  ein,  die  zu  Anfang  der  Fransöslsehen  Rerolation  (1791) 
nur  ans  150,000  B&nden  bestand,  aber  selbst  w&hrend  der  Gr&uel  des 
TerrorismuB  Terschont  blieb,  durch  die  grossen  Siege  des  Fran- 
sösiseben  Heeres  inisserordentlieh  erweitert  wurde,  auch  unter 
Ludwiff  XVI.  einen  j&hrlichen  Zuwachs  von  OOOO  Bände  Fran- 
sösischer  und  3000  ausländischer  Werke  erhielt,  und  1822  bereits 
auf  450,000  Bände  und  70,000  Handschriften  gewachsen  war. 
Gegenwärtig  besteht  sie  schon  ans  700,000  Bänden,  und  die  mit 
ihr  Tcreinigte  Kupferstichsammlung,  welche  1783  erst  2700 
Kupferstichmapped  zählte,  besass  1822  deren  schon  5700  mit 
1,300,000  Kupferstichen.  Nächst  dem  sind  die  grössten  Biblio- 
theken in  Frankreich:  die  vdrmals  ausschliesslich  cur  VerfQgung 
des  Monsieur  de  France  oder  des  Dauphin  «tehende,  Jetst  nach 
ihrem  Standpunkte  im  Arsenale,  die  Bibliothdk  des  Arsenals  be* 
nannte  mit  150,000  Bänden  nnd  5000  Handschriften,  die  Bibl. 
in  St  GenevieVe  mit  110,000  Bänden  und  ?000'  Handschriften» 
die  Bibl.  Mazarine  mit  92,000  Bänden  und  3437  Handschriften, 
die  des  Instituts  mit  50,000  Bänden,  die  des  Staatsraths,  der  De- 
putirten-Kammer,  jede  mit  30,000  Bänden,  dc^.  Pairskammer,  der 
mediciniscfaen  Facultut  mit  25,000  Bänden^  der  Inraliden  mit 
20,000  Bänden  u.  s.  w.,  sämmtlick  zu  Parier.  Fefiier  die  könig- 
liche Bibliothek  zu  Lyon  mit  120,000  Bänden,  zu  Bordeaux  mit 
105,000  Banden,  zu  Aix  mit  82,000,  zu  Ronen  mit  70,000  Bänden, 
zu  Marseiile  mit  95,000  Bänilen,  zu  Besan9on  mit  03,000  Bänden, 
zu  Strassburg  mit  60,000  Bänden,  zu  Metz  mit  tiO.OOO  Bänden, 
zu  Nancj  mit  50,000  Bänden.  Ueberhaupt  zählt  mai^  in  Frank- 
reich 278  Öffentliche  Bibliotheken  *),  von  denen  ^  zu  Paris 
1832  eine  Gesammtzahl  von  1,450,(100  Bänden  gewährten,  40 
grössere  in  den  Departements-Hauptstädten  oder  Sitzen  der  Aca-. 
demien  mit  2,950,000  Bänden,  endlich  in  den  189  kleineren  «in 
den  Departementsstädten  gegen  2,000,000  Bände,  also  in  Summa 
6,400,000  Bände  darreichten.  Privatbibliotheken  werden  viel  seltener 


*)  Ueber  die  Zahl  der  Bände  nnd  sämmtitche  Handschriften 
der  wichtigeren  Französischen  Bibliotheken,  vergl.  das  ausgezeich- 
nete Werk  mühsamen  Deutschen  Fleisses,  G.  Hänel  catalogl  libro- 
mm  manuscriptomm,  qni  in  bibliothecis  Galliae,  Helveliae»  Belgii, 
Britanniae  m.,  Hispaniae  asservantnr,  Lips.    1830.  4to. 


154  Frankreich. 

all  ia  England  nnd  in  DeatacUand  geftnidan*  Ausierdem  dfirfen  aU 
ausgeaeiclinet  auf  dU  hdhera  intellectaeUo  Cultur  eiowirkende 
Staatianstalten  hier  nicht  übergangen  werden  sdaa  naturfaistoiisch« 
Mttseaui  SU  Pariy  mit  dem  ausgeseiehneten  botaniaehen  nnd 
oeeonomiichen  Garten^  dem  berühmten  Caliinet  für  die  verglei- 
chende Anatomie,  den  grossen  aoologisehen  und  mineralogi- 
aohen  Samminngen ,  einer  naturhistorischen  Bibiiotbek  und  einer 
Menagerie  liebender  l*hiere;  die  Sternwarte  su  Paris ,  Terbundeh 
mit  dem  bureau  des  longitudes,  d^s  jeti(t  jährlich  ein  auch  für 
die  Statistik  wichtige^  annuaire  herausgiebt;  das  Kunstmuseum  im 
LoiiTrc,  nebst  de;»  Speeiaimuseum  der  Fransösiscfken  Schule  in 
Versailles  9  die  arehäologiscfaen  und  antiquarischen  Sammlungen 
im  Ijooyfe  und  auf  der  königlichen  Bibliothek  su  Paris,  sowie 
in  den  grtfss^ren  St&dten  des  südlichen  Frankreichs  von  Ljon 
ab,  die  namentlich  «eit  den  leisten  funfsehn  Jahren  durch  die  reich- 
aten  Au^^bungen,  die  Ueberreste  grosser  S^&tse  der  in  den  ersten 
Jahrhunderten  nach  Chriijiti  Geburt  so  ausserordentlich  blühenden 
Landschaften  Süd -Galliens  ans  Tageslicht  gebracht  haben,  be- 
aondera  su  Lyon,  Vienne,  Valence,  Nismes  nnd  Marseille,  Das 
Bergwerksmuseum  mit  Modellen  Ton  Oefen  und  Maschinen  SHm 
Bergbau,  San^mluog  ron  Vers^t^erungen ,  die  Sammlungen  des 
poljtechnischcf»  Instituts  jeu  Paris  ^  das  Conserv4itorium  derKjinate 
und  .Gewirke  su  Paris,  mit  rieifachen  Satnmlungen  von  Modellen, 
Werkseugen,  Bfaschinen,  Zeichnungen  und  den  dahin  gehörigen 
Büchern  und  Kupferwerken,  mit  dem  sugleich  eine  Specialschule  für 
die  seichnend%  Kunst  und  für  eine  höhare  Kunstfertigkeit  in  einigen 
auf  Mechanik  begründeten  Ge^rerben,  wie  s.  B.  der  Baulbwoll> 
Spinnerei»  Terbunden  ist  u.  a.  w. 


S.  13. 

Die   geistige   Cultur   in  ihren   statistisch  bemer- 

kenswerthen  Ergebnissen  für  den 

gesammteQ  Staat 

Die  bildenden  Künste  und  die  schönen  Wissenschaften,   die 
fast  überall  in  eiHcni  vertrauten  Wechselv«;rhültnisse  stehen,    in- 


/ 

4em  J«iM   «aCwnier  leorittigduHi  «li  BUdAir  4te  folnaren  Ga« 
•ckBUwka,  oder  aveh  deaietslqr^  /oly^o»  Jin^oa  der  durcb  diese 
gebildete  Geeeboack  neh   aJ[UeU%  il««|>reitet»    faoden  für  ihre 
Vcrpflansniig  nach   Fraokreieb  nur  eifrige  Beachfivvier   in    den 
Lnndesf&reten  und  deren  nfteluten  Ünigebimgiotf.     6^  Frans  \, 
wirkten  die  Könige  Frankreicha  wcnigsteof  Ar  dieae  Riebtnng 
der  geiatigen  Cu^tur,    Ei^  aeg  die  Herübaiteeten  Malor  und  Bild* 
hauer  aus  italieQ  naek  leinem  Staate:  Leonarda  .da  Vind,  deaaen 
berrlicbes  Portrait  der  Mopa  Lisa  Frana  L  ipit  einean  für  dia 
iUnwiigen  Zeiten  unevfad,r^  fr^iee   ron  40^  Goldgulden  ei^ 
kaufte,  Andren  del  Sairto,  Benrepiio  Cellioi  TerhenUcbten  die 
Fraaxl^iaehen  PaUiate  und  Kireken  mit  ihren  Kunstwerken  vnd 
erregten   snerst   eine  erfreoliake  Theünakme  an  dieaen  Kilnaten 
in  dem  Lande*  Daher  blieb  in  Frankreich  der  Italienisdie  Knnst- 
geaehnMick  bis  auf  das  ZeitaKnr  Lndwige  3(|V.  TPcherrsehend, 
in  wekhem  äderst  die  Fransdsisehe  Nation  |n  Jeder  >beBonderen 
Richtung  der  geistigen  Cultor  öne  eigentlittmiicbe  Grdsae  ge* 
wann»     Es   gingen   aua  dem  Volke  selbst  ansgeseichnete  Kftnat- 
ler  herror,  wenn  gleich  auf  dem  Gebiete  der  Ualerei  und  Biid* 
kanerknnst  jeder  grosse  Mann  diei|er  Zeit  ae^ne  Bildung  in  Rom 
empfing.   Iniless  der  Fransdsisehe  Hof  in  seinem  damaligen  Cha^ 
raeter  yerfehlte  auch  nicht  Ton   seiner  Schattenseite  her  seine 
Baehtheiiige  Wirkuag  auf  die  sehdnen  Künste  an  äussern:    Per- 
traitiualerei  galt  damals  für  die  Fransoaiv  b^grcifllieber  Weiae 
als  der   ansiehendste  Theii  der  llalerei,  lynd  die  aufgelösten 
Sitten  des  Franadsischen  Hoflebena  erniedrigten  mit  woUfisdgen 
Sujets,  als  aufgedrftngten  Gegena^den  iist  historischen  Male- 
rei» den  reinen  ipnd  edlen  Gesebmaclp.      Dia  Glasmalerei  blieb 
noch  aus  den  legten  Jahrl^und^rten  dc^  Mittelalter!  her  beliebt, 
und   in    dieser    übertrafen    djle^  Franaosen    sogar    die    Italiener 
an   Kunstfertigkeit       Schon    Heinrich  IV.    hatte    bei    den    an 
aeinem  Hofe  sahireich  rersammelten  Künstlern   auf  eine  eigen- 
thümliche  und  selbststündige  Richtung  des  Fransösischen  Kunst- 
gescbmacks  hinzuarbeiten  sich   bemüht,    um    auch    von  dieser 
Seite    her    sein    Volk    su    heben,    aber    sein    si|    früher    Tod 
hatte    diesen   Einfluss    im    ersten   Keime    erstickt.      Richelieus 
Politik  verlangt^  d^n  Üussersten  Qlana  in  Eluropa  für  seinen  Hof  und 
dadurch    mittelbar  für  das  Franaösische  Volk:    in   dieaer  Ab- 
sicht unt^stütate  er  freigiebig  die  Künste,   und  kk  seinem  Zeit- 
Mter   blühte   die  selbststttndige  Franaösische  Schule  auf  durchs 


I 


16C  Frankreich. 

Simon  Vouet*)  (Puif  1582  f  IMl)  nai  den  grössten  histo* 
risehen  Maler  dieser  Sehnte  Nicola«  PouBiin  (Andeljs  1594 -f* 
Rom  1605):  aber  anch  Rubens  langer  Aufenthalt  in  Paris  und 
seine  Ausschmückung  des  Palais  Luxemburg  verschi^effem  gemisch- 
ten Kunstgesc^macke  dieses  Meisters  in  Frankreich  vielfache  Aner- 
kennung und  Nachahmung. 

In  dem  Zeitalter  Lndwigs  XIV.  erhob  aber  der  grösste 
Landseh afrs Analer  seiner  Zeit  die  Aufmerksamkeit  des  gesamra- 
ttn  kunstliebenden  Europas  auf  die  Fortschritte  Frankreichs: 
dies  war  Claude  de  Gelee  Lorrain  (1600  f  1682).  In  ei- 
nem nicht  viel  geringeren  Grade  zog  der  treffliche  Geschichtsmaler 
Eustache  Le  Sueur  an  (1617  f  1655),  der  in  ^seiner  edlen 
Einfalt  fast  Erinnerungen  an  Raphael  erweckte:  ihm  sunächst 
stand  Sebastian  Bourdon  (1616  f  1671),  der  sich  der  nie- 
driger gestempelten  Natur  der  NiederlUnder  näherte.  Charles 
Le  Brun  (1619  f  1690)  ist  bereits  auf  entschiedenem  Abwege, 
indem  er  durch  sjmbolische  Schmeichelei  in  einem  viel  höher 
gesteigerten  Grade  als  Rubens  den  Character  der  histt»rischen 
Malerei  verleugnete,  und  die  Leerheit  des  inneren  Gehaltes ,  durch 
den  Qberaus  grossen  Umfang  der  Gemälde  und  die  Massen  der 
Figuijcn  zu  verschleiern  suchte.  Dock  mit  Colberts  Tode  wird 
poch  N^ntschiedener  ein  Sinken  des  guten  Geschmacks  in  Frank- 
reich bemerkt,  da  der  gewöhnliche  Eigensinn  des  Louvois  auch/ 
auf  dem  Gebiete  der  Künste  herrschsüchtig  handeln,  oder  alles 
in  gleichgültiger  Vernachlässigung  untergehen  lassen  wollte. 
Dies  nimmt  in  keinem  günstigen  Verhältnisse  unter  der  Regent- 
schaft des  Herzogs  von  Orleans  zu,  so  dass  es  bei  dem  aber- 
mals verwilderten  Zustande  des  Französischen  Hofes  unter  Lud- 
wig XV.  kaum  stärker  zu  sinken  vermochte.  Die  Französische 
Schule  löste  sick  eigentlich  auf,  und  nur  einzelne  Männer  stehen 
da  in\  einigen  Zweigen  dieser  Kunst,   als   wenn   sie  der  Nation 


*)  Youet,  zum  ersten  Hofmaler  Ludwigs  XIII.  emantit,  verlor 
in  Frankreich  sehr  durch  seine  grosse  Eilfertigkeit,  und  ging  spä^ 
ter  von  den  idealischen  Darstellungen  der  historischen  Malerei  mehr 
zur  nackten  Natur  -  VFahrheit  über:  die  Ehre  des  Begründers  der 
FranzödidMB  ^bufte  darf  ihm  aber  bHliger  Weise  nicht  entzogen 
werden. 


Frankrticlu  157 

gar  nidit  xiigehÖiteB,  oder  Antllnder  »elilai^eii  ihren  Site  in 
Parii^  aof  y  um  den  Anforderungen  des  Tages  ihren  Geschmack 
als  Opfer  xn  bringen ,  oder  durch  geschickte  Nachbildungen  an* 
erkmnoter  Meistervrerke  ihren  Erirerb  zu  suchen.  So  steht 
Claude  Joseph  Vernet  (AVignon  1714  f  Paris  1789)  Torsöglich 
in  der  Landschaft  und  ausirezeichnet  durch  seine  Seestücke ,  die 
ihren  Ruf  nicht  nur  für  die  Nachwelt  sicher  begründet,  sondern 
als  Musterbilder  au  vielfacher  Nachahmung  in  und  ausserhalb 
Franlcreichs  Veranlassung  gegeben  haben.  Sein  Künstlername 
ist  ehrenirerth  durcli  seinen  Sohn  und  Elnkel,  beide  Horace 
Vernet,  in  Schlachtmalereien  und  Naturttndien  gesichert 

I 

Die  grossen  politischen  Folgen  der  Revolution  regten  Män- 
ner zur  Darstellung  mancher  Scenen  dieser  Tage  an,  aumal  da 
der  grdaate  unter  den  damals    lebenden   Malern  Jacques  Louis 
David     (Paris  1750  f  Brüssel  1825) «dem   wildesten  Republika^ 
nismu»   liuldigte  und  sogar  su   den    eifrigsten  Vorfechtern    des 
Terroriamus  gehörte,  Fran^ois  Oerard  (geb.  s.  Rom  1770)  aber  spä- 
ter, der   ausgezeichnetete  Schüler  Darids,  seinem  Meister  in  der 
Auffassnngsweise   folgte.      Die  Vorbilder  wurden   mehr   in  den 
Musterbeispielen  der  republicanischen  Völker  des  Alterthums,  als 
ans   den  Perioden  der  christlichen   Kunst  gesucht»   und   daher 
föhrte    theila   historisch   gefundene ,   theils   mühsam   aufgespürte 
Aehnlichkeit  su  einer  übermlssigen  Naohahmnng  der  übrig  ge- 
bliebenen  Kunstwerke  jener  Zeit,  und  konnte  den  Tadel  begrün- 
den,   dass    in    den    Französischen    KunstechÖpfungen    der   Re- 
volutionsperiode mehr  die  Aufgaben  der  Bildhauerkunst  erfüllt; 
als  lebendige  und  ansiehende  Auffassung  dte  der  Malerei  gegebenen 
Gegenstandes  erkannt  werden  könnten.   Die  grösste  bis  jetst  über- 
haupt bekannte  Anh&ufung*)  der  herrlii4^stenKunstechlitse  aus  allen 


*)  Die  Untersuchung,  ob  eine  solche  Anhäufung  ond  Sammluag 
des  Ausgeselcbnetsten  an  einem  Orte  überhaupt  den  Kunststndien 
lorderlich  sei|  dürfte  wohl  immer  nur  nach  den  individuellen  Anlagen 
der  Künstler  zweideutig  entschieden  werden  können.  Sicherlich  bleibt 
die  Thatsache  selbst  aber  Immer  ein  Werk  des  schreienden  Unrechts^ 
wem  aich  die  Vortkeile-ditvon  die  Nachtheile  überwiegen  sollten:  und 
überdies  düifte  wohl  Paris  schwerlich  der  geeignete  Ort  sein,  wo 


1S8 


FriftUkreiclL 


L%n<tem  tind  Zeiten ,  5lie  man  in  Paris  Napoleonü  Siegen  Ter- 
dankte,  verbreitettf  ^iffenbar  aus  vielfacben  Gründen  eine  fegeru 
iTheilnahme  und  einen  empfänglicheren  Sinn  für  die  schönsten 
Genüsse  der  Kunst  in  dem  französischen  Volke.  Es  reizte  aus- 
serdem SU  zahllosen  Copien,  indem  man  Ausländer  aus  allen 
Gegenden  Europas  zu  demselben  Zwecke  in  Paris  zasammen* 
strömen  sah.  und  in  den  Jahren  1805—15  sicher  bei  der  libera* 
len  Oeffentlichkeit  zur  Benutzung  dieser  Kunstwerke  immer 
^  zwischen  300  bis  1000  Kopisten  und  Studienzeichner  in  dieser 
Stadt  arbeitend  fand.  Das  allgemeine  Urtheil ,  wurde  geschärft, 
aber  auch  ein  eclectisclier  Künstgeschmack  dadurch  eingeleitet, 
der  bis  jetzt  in  dem  Französischen  Volke  sich  herrschend  er- 
halten und  auch  in  den  ausgezeichneteren  Meisterü  der  neusten 
SSeitGros,  Guerini  Ingres  und  Gran  et  sich  ausgesprochen  hat. 
Das  Interesse  des  Volks  und  die  Zahl  der  Theilnehmer  in  Künst- 
lern und  Kunstfreunden  iSt  aber  niemals  so  gross  in  Frankreich 
gewesen,  als  gerade  in  der  Gegenwart  ^ 

Die  Bildhauerkunst  und  Baukunst  haben  gleiches  Schicksal 
in  der  Unterstützung  durch  Fürst  und  Volk,  wie  die  Male- 
rei gehabt,  aber  doch  noch  zu  weniger  selbststäudigen  Re- 
sultaten gefuhrt  als  jene.  — 

TTnter  Firaüz  I.  arbeiteten  nur  Italienische  Meister  in  bedeu- 
tenden Werken  filr  Frankreich;  in  dem  Zeitalter  Ludwigs  XIV. 
wurden  selbst  durch  Pierre  Puget  (Marseille  1623 f  1005)  und 
Fran^ois  Girardon  (Troyes  1027  f  Paris  1716),  die  ersten 
Meister  dieser  Zeit,  die  plastischen  Werke  durch  kleinlichen 
l^runk  und  künstliches  Beiwerk  so  tiberladen,  dass  der  ihnen 
wesenüicK  nothwendigio  Charakter  einfacher  Würde  gänzlich  ver- 
loren ging.  Im  achtzehnten  Jahrhunderte  erhob  sich  die  Fran- 
zösische Bildhauerkunst  mehr  zur  Selbstständgikeit,  und  Edme 
Bouchardon  (Chaumont  1698  f  Paris  1762)  und  }ean  Ba* 
ptiste  Figalle  erwarben  mit  vollem  Rechte  für  ihre  Meister- 
weike  den  Vorrang  vor  der  verweichlichten  Italienischen  Schule' 


an  nnd^^r  sich  des  Kanststadiums  wegen  ein  solches  IJniversalmu 
seum  wünschen  sollte. 


/ 


Fraikreicbi  189 


BerninfTm,  Der  gr^ttte  Theil  der  ProdactioiieB  dieser  Heitter 
ist  aber  in  den  Stfirmen  der  Reroliltion  sertrünineit  worden, 
wi4  nad  derselben  hat  sieh  in  Frsnkreieh  eine  bedeatsaane 
Sdnüe  noeh  niebt  hervorgehoben,  wenn  gleich  wie  bei  der  Ma« 
]er«i,  die  Seulptur  Jettt  ousserordendtch  verbreitet  ist  Und  ein* 
idiie  s^hr  achtbsie  Arbeiten  geliefert  hat 

Die  Baukunst  hat  in  Frankreich  gleiehfalls  in  keinem 
ZeitpQiikte  einen  eigenthfimlichen  Character  errangen,  sondern 
rorzagawase  dem  durch  fremde  Meister  hier  eirtgeftlhrten  Geschmack 
gehnidijrt  Frankreichs  Ocldschfttte  aber  haben  rielfache  Gele- 
genheit gegeben,  sehr  bemerkensw«rthe  Bauwerke  ausBufiihren, 
in  denen  freilich  selten  ein  reiner  und  am  gansen  €}eb&ude  aus- 
schliesslich beibehaltener  Character  bemerkt  wird.  Seit  der/ 
Revolution,  und  namentlibh  durch  Napoleons  Torliebe  begfinstigf^ 
hat  indess  der  Italienische  Geschmack  die  ftberwicgende  Herr* 
tehaft  hier  gewonnen« 


Kupferstecherkunst  dient  Qbenilt  ilut  ali  eine  B.e- 
gleiterin  der  voran  genannten  drei  bildenden  Künste  und  diellt 
daher  auch  nothwendig  ihre  Schicktale.  Sie  ikt  daher  nicht 
minder  von  Italien  aus  nadi  Frankreich  eingewandert  und  ist 
hluflg  durch  Deutsehe,  Niederländische  und  Englische  Künstler 
wie  durch  Wille,  Berwik  u.  m.  a.  aufgefirischt.  Nur  die  KüQstlerfm^ 
milie  derPicarts  seit  der  Mitte  des  siebsehnten  lahrhiinderts  bis 
wiederum  in  die  Mitte  des  folgenden  uäd  Atlguste  Boucher 
Desnojers  (geh.  1779  su  Paris)  haben  einen  selbstst&ndigen 
und  bedeutsamen  Ruf  dem  Fransösischen  Volke  auch  iA  dieser 
Kunst  erworben.  ' 

Diese  vier  Künste  machen  vereint  mit  der  Musik  die  fünf 
Seetionen  der  Academie  de»  heaux  art$  aus,  welche  bereits 
Colbert  gestiftet  (s.  9.  12)  hat,  die  darauf  als  dn  Theil  des 
National -Instituts  erneuert  ist,  als  solcher  nU)r  tmter  dem  al- 
ten Namen  noch  bis  lur  heutigen  Stunde  besteht  Und  in*  dem 
Cönservatorium  für  Musik  su  Paris  und  in  den  Speciialschulen 
Ar  di^  Hldehden  Künste  in  der  Hauptstadt  praetische  Stütieii 
besitst  Die  Musik  selbst  ist  aber  gleichfalls  bei  den  Fransosen  we- 
niger aelhstständig  nationab  geworden,  als  bei  den  benachbarteo 
l^entschen  und  Italienern,  da  jene  su  leicht  sich  selbst  befiriedigeo» 


16Q  Frankreich. 

^  und  telbtt  mit  Wiederholung  hergebraekter  Einförmigkeit  uvdh 
Tollkommen  begnügen«  Daher  sind  auch  die  grossen  Meister, 
welche  Epoche  in  diesem  Lai|de  gemacht  haben,  Ton  Sflden  qder 
Osten  ein^pewandert  Un^r  Ludwig  XIV.  giag  aUes  von  dem 
Italiener L Ulli  aus;  ihn  verdrängte  erstaus  seiner  AUeinheirschaft 
im  achzehnten  Jahrhiundert  der  Deutsche  Gluck,  auf  welchen 
hintereinander  die  Italiener  Piccini,  Cherubini,  Spontiniund 
Rossini  als  leitende  Heerführer  des  Geschmacks  in  der  Musik  folg- 
ten, um  in  der  G^enwart  einen  riralisirendeif  Kampf  mit  den  Meister- 
werken der  längst  verstorbenen  Deutschen  Mosart,  Beethoven 
und  Weber  zu  bestehen,  die  jetst  erst  einen  anregenden  Einfluss  in 
Frankreich  gewinnen.  Den  Franzosen  ist  nur  das  tändelnde  Chan- 
son, das  in  sein/sr  leichten  Zusammensetzung  zum  Vaudeville  rasch 
heranreift  und  dann  in  die  Operette  fibergeht,  gelungen  und  eigen* 
thümlich  geworden:  und  selbst  ihre  besten  Meister  in  dieser  Kunst, 
Rameau,  Rousseau,  Mehul,  Gretrj,  Isöuard  und  Auber 
haben  sich  über  diesen  Standpunkt  nicht  weit  erhoben. 

V 

'  Mathen  wir  von  diesen  Künsten  den  Uebergang  zu  den  ern- 
steren Wissenschaften  durch  die  Dichtkunst,  so  finden  wir,  dass 
auch  auf  die  poetischen  Erzeugnisse  die  eigen thümlidhen  Ver- 
hältnisse des  geselligen  Zustandes  in  diesem  Lande  einer«  cut- 
scheidenden Einfluss  geäussert  haben.  Hierin  galt  ganz  beson- 
ders der  Beifall  des  Hofes  und  der  angeseheneren  Stände  fiir 
den  höchsten  Preis,  die  grosse  Welt  wurde  der  aburtlieilcnde 
Richter,  und  dieser  geüelen  weder  der  tiefe  Gehalt  in  den  Gedan- 
ken, noch  der  hohe  Aufschwung  genialer  Phantasie.  Es  war 
die  natfirliche  Folge  davon,  dass  keine  Dichtungsart  beim  Französi- 
schen Volke  J)eliebt  wurde,  die  einen  solchen  Charakter  nothwendig 
erfordert;  feiner,  glatter,  in  leichtem  Gange  fortschreitender  Con- 
versationston,  der  sich  mehr  redseelig  ausspricht,  als  auf  ein  tie- 
feres Empfinden  das  Nachdenken  des  Lesers  concentrirt,  und 
nie  die  Leidenschaften  des  gewöhnlichen  Lebens  verlässt,  wurde 
als  die  höchste  Stufe  dichterischen  Bestrebens  angesehen,  und 
war  seines  Erfolgs  gewiss,  wenn  er  sich  möglichst  strenger  Cor- 
rectheit  in  der  Form  befteissigte.  Voltaire^s  Auctorität  darf  hier 
sicher  am  wenigstei^  bezweifelt  werden,  wenn  er  selbst  sein 
Volk  für  ein  am  geringsten  mit  den  Gaben  der  Poesie  ausgestat- 
tetes ausgiebt.  Daher  erhoben  sic¥  auch  selbst  im  Zeitalter 
Ludwigs  XIV.  und  Ludwigs  XV.  nur  daa  Drama,  das  beschrei- 


l^rankreic'k.  16| 

ben^e  CMKcht,  ^k«  filndelnd«  tAM  und  die  Ej^ittel  su  einer  » 
fliogliebst  Toti^ominenen  Gestalt;  tand  'die  eisten  Namen  dieser 
Zeit,  welche  hoch'  Jetet  YtW  der  Mehmhl'  der  Franiosen  als  ge- 
MeteiMle  Classiker  ge^rt  un^  ids  Masterbeispiei  anempfohlen 
werden,  fibersehrelten  diese  Gi^M^  nT6ht:  so  Pierre  Corneille 
(\tm  f  I648J,  Jean  Racike  (ifht  f  3 9'J9),  Jean  Buptate 
MöUh-e  ifld20  t  1073^,  }ficola9  BBtleau  (^163«  f  l^ll  Tdrh), 
F.  Maria  Arouet  de  Voltaire  f^lOÖfif  \  Ü^^),  Denye  Diderot 
(Langrem  1713  f  Park  1784)  und  Jean  Jaöqke&' Roueseau  (Genf 
1711  t  1778  •).  *. 

Die  Revolution  nrasste  ganz  naturgemäss  auf  dem ''Gebiete 
der  ^ngeengten  Fransdsischen  Dichtkunst  eine  ähnliche  Umge- 
staltang  ron  Grund  aus  veranstalten,  ganz  abjifesehen  davon,  dasr  - 
eine  genauere  BeUndtsthaft  mit  der 'Englischen  und  Deutschen 
Literatur  eine  Reiche  Erscheinung  fae^örrufen  konnte.  -Der  An- 
vergnat  J«eque8  Üelille  (1724  f  1818  Paris)  war  der  einzige 
achtun  gswerthe  Di<>hter,  der  aus  der  einen  Periode  in 'die  an- 
dere hinüberwirkte  und  in  allgemeiner  Anerkehnug  bei  beiden 
verblieb.  Durch  Neclcers  Tochter  Anne  Louise  Frau  von 
Stäel-Holstein  <Paris  1768  f  1817)  und  Antoine  T^incent 
Aruault  (Paris  1766  f  1829)  wurle  'das  eigenthümliclie  Oepir&ge 
der  neue^'en  Französischen  Dichtkunst  zq  namhaftem  Ansl!heti  und  zu- 
gleich za  AtarkauflfordemderNahahmun^  erhoben,  und  die  gegenwär- 
tig noch  lebenden  Hauptführer  der  verschiedenen  Richtungen,  die  bei- 
den Bretagner  Franko  is  Auguste  Vicomte  de  Chateaubri« 
^nd  und  Alphonse  de  Lamartine,  der  Normanne  Casimir  De- 
laYigne  und  der  Burgander  Victor  Hngp,  schritten  nur  auf 
disser  einmal  angegebenen*  fiafcn  fort,  indem  jeder  für  seine 
Sinoeffweise  die  Sehaar  seiner  Anhänger  zu  mehren  sdchte.  Aber 
daa  pelitisdie  Lieben  in  seinen  öffenflichen  Erscheinungen  und 
die  atHTunebreiteSte  Theihiahme  der  Gesammtmasse  unter  den  ge- 
MUdeteii  Franzoren*  an  demselben;  rerllndertea  nceaentlich  die 
Mhere  Stellung  det  Dichtkunst  in  der  Französischen  Literatur 
und  ihren  gewichtvollen  Einfluss  auf  die  Bildung  des  Volks, 
toas  Feld  der  ö^ffentliehen  Beredsamkeit  atf  der  Tribüne 
In  d^  gesetzgebenden  Kammern,  sowie  das  A^  Ueberredungskunst 


♦)  Dass  Aef  Genfer  Ronsseau  liier  mitgezählt  Y'rd,  darf  wahr- 
lich nicht  auffallen,  wenn  man"  lebhaft  sidi  seine  SCellung  zu  Frank- 
r^chs  geistiger  Cnitur  vergegenwärtigt 

SebQbSrt's  Statistiien.  1  H 


161 


Frankreick 


in  ifO' pplftiieben  SlfttCem  furd«  ^w  Tttmoijilplati  Jedes  jMif-, 
l>lübenden  genialea  Talent«  ^  und  selbst  hochgestellte  Männer  in 
abstractep.WisseoAchaf^il  vernachlässigten  ihren  bereits  eriror- 
benen  achtbaren  literarischen  Ru^  um  nur  zweideutige  Lorbeeren 
parlamentarischer  Beredsamkeit^^^  od^r  grosser  Kunstfertigkeit  in 
der  politischen  Dialectik  sn  brechen.  Waren  schon  Mirabeau, 
Barnab^i  Brisaot>  Boissj  d'Anglas  in  der  Revolution  selbst 
bedeuts^,^  Beireise,  auf  welchem  W<^e  man  am  leichtesten  und 
schnellsten  m  dem  auigeseichnetsten  Ruhme  in.  Frankrtich  ge- 
langen könnte,  so  musste  dies  um  so  mehr  seit  ISI4  sich  wie- 
derhejcn,  .ab  nun  durch  das  Grundgesetz  der  Verfassung  für  je- 
dep  w|i14^ihigen  und  wählenden  Fransopen  die  Verpflichtung 
aufgestellt  wurde,  selbstständig  fein  politisches  Urtheil  über  dio 
verschiedenartigsten  Zweige  der  Verwaltung  und  die  gesanimten 
Verhältnisse  der  inneren  und  äusseren  Politik  sichk  zu  bildeun 
und  wenn  es  dfirauf  ankam  auch  Öffentlich  zu  vertreten«  Vor 
der  Revolution  war  der  ausgezeichnete  Dichter  sicher,  als  der 
berilhmteste  und  ehrenwertheste  Mann  in  Frankreich  gepriesen 
.  SU  werden:  jetzt  rtihmt  man  vor  allen  den  ausgezeichnete!! 
Behrifi^ic)ien  oder  mündlichen  politischen  Stjl  als  die  irürdigste 
Gab|9  .4fBjPranj50sen:  upd  di^  hat  Chateaubnands  Ruf  noch  hö- 
her geh|>ben  und  den  Namen  Benjamin  Constant,  Foj,  La- 
marque,  Bignon,  Casimir  Perier,  Marlignac,  Dupin 
eine,  Rojer  CoUdrd  *),  Guizot,  bdillon  Barrot,  Thier« 
und  Villemain,'wenn  einige  derselben  auch  bereits  ein  glänzen- 
des literarisches  Verdienst,  besassen ,  bei  aUen  Partheien  die  all- 
gemeinste  Anerkennung  und  Bewunderung  veraehaift.  — 

Bei  den  ernsteren  Wissensduiften  zeigCe  sieh  in  der  Brno- 
zösischen  Literatur  bis  anf  die  letzten  Jahre  im  Allgemeinen  der 
sehr  bedenkliche  Naditheil,  dass  die  Schriftsteller  sieh  vorzugtf* 
weise  nur  auf  die  im  Lande  sdbst  gemachten  Untersuchungen 
beschränkten,  nur  selten  einzelne  Werke  aus  der  EngUsehen,  ItaHe^ 
nisdien,  und  noch  viel  wenigelr  aus  der  Deutschen  Litwatur  be«- 

*)  Kor  seiner  pariameotiirischen  Politik  verdiinkte  Royer  CoUard 
im  J.  1887  die  in  F|[aukreich  fast  unerhöfte  Ehrc^  in  der  Academie 
Fran^ise  von  sammtlichen  Anwesenden  Milgliedem  (26)  einstim- 
mig als  einer  der  Vierzig  gewählt  zo  werden.  Dem  gleichen 
Rnfe  Dupins,  der  sonst  als  Schriftsteller  auf  diese  Ehre  nicht  An- 
spruch machen  konnte,  folgte  1631  die  Aufnahme  in  dieser  Academie. 


Frankreic'h.  163 

■» 

rQekiiebtigtf  n»  daher  ^iifSi  den  längst  bei  diesen  Völkern  einliei- 
misch   gewordenen  Forschungen  keine  Kenntniss  nahmen,   nnd 
deshalb  oft  mit  neu  gefundenen  Resultaten  sich  brüsten  wollten« 
die  hier  schon  mit  Recht  als  Terj&hrt  betrachtet  werden  konnten 
Eine  rortheilhaftere  Ausnahme  fand  allerdings  bei  den  mathema- 
lischen und  Natur- Wissenschaften'  im  weiteren  Sinne  des  Wortes 
statt»   doch   gewöhnlich    auch   nur   aus   dem  sufäUigCn  Grunde, 
weil   die  Gelehrten   dieser  Fächer  bei   den  genannten  Völkern 
sich  der'FransÖsischea  oder  Lateinischen  Sprache  in  ihren  Un- 
tersuchungen bedienten.    Elrst  seit  der  Wiederherstellung  der  all- 
gemeinen Ruhe  in  Europa  durch  die  beiden  Pariser  Frieden  ist 
der   geistige  Verkehr   Frankreichs   mit   Deutschen,   Englischen, 
Italienischen,  ja  sogar  mit.  der  Slarischen  Literatur  so  ausseror- 
dentlich erweitert  worden,   dass   nicht  nur  ein  allgemeines  Be- 
darf niss  nach  Uebersetsungen  der  ausgeseichnetsten  Werken  die- 
ser Völker  entstanden,  sondern  auch  in  gleicher  Weise,  wie  för 
den  Deutschen  Gelehrten  die  ernste  Forderung  aufgestellt  ist,  sich 
selbstständig  mit  diesen  Schriften  im  Or  ;;inal  bekannt  su  machen. 
Daher  schreibt  sich  gegenwärtig  der  unverkennbare  Eifer  für  die 
Deutsche  und  Englische  Literatur,  namentlich   bei  den  jüngeren 
Schriftstellern  Frankreichs,  dessen  bedeutsamere  Folgen  in  der 
Einwirkung   auf  den   ferneren  Entwickelungsgang    der    wissen- 
schaftlichen Cultur  wir  aber  erst  in  den  nächsten  Jahren  nach 
ihrem  gansen  Umfange  werden  erkennen  nnd  in  rechtem  Lichte 
würdigen  können* 

DieTheologij»  und  Jurisprudenz  haben  in  Frankreich  die 
Periode  ihres  Glanses  und  wissensehafdicher  Bedeutsamkeit  he» 
reits  Tor  Jahrhundertepi  gehabt:  reichen  die  ersten  Commentatoren 
des  Römischen  Rechts,  die  noch  bis  jetit  ihren  ciassischen  Ruf 
erhalten  haben,  ein  Jacques  Cujas,  ein  Denjs  Godefroi, 
ein  Baraabaa  Brisson  bis  in  das  seehsehnte  Jahrhundert 
hinein,  so  sind  die  gfössten  practischen  Theologen,  die  ersten 
geistlichen  Redner  Frankreichs  im  Zeitalter  Ludwigs  ^IV.  xa 
soeben,  der  g^ndlieh^  einfache  nnd  doch  so  ergreifende  Louis 
Benrdaloue  (1632  f  1704),  der  angenehm  anziehende  und 
rührende  Esprit  Flechier  (1633  f  1710),  der  feurige  und 
salbungsTolle  Jean  Baptiste  Massillon  (1663  f  1742K  Im 
achtzehnten  Jahrhunderte  gehört  der  für  ganz  Europa  wichtige 
Montesquieu  <I689f  755)  mehr  dem  Fache  der  allgemeinen  Po- 

V  11" 


}€4  Frankreich. 

litik   und   f|f<^^*^^^i^  Philosophie    su,    vie   der   Rechtigelehr* 
samkeii:  denn  hier  glänsen  in  dieser  Zeit  nur  einige  Practiker,  de- 
ren Ruf  und  Einwirkung  indess,  eben  so  wie  in  der  Gegenwart,  der 
Natur  der  Sache  ,nach  mehr  auf  Frankreich  beschränkt  bleiben: 
so  CaSibac^rei,  Des^ze,  Daunou,  Graf  Pastoret,  Dupiu 
aihe.  -—'Die  Medicin,    die   gleichfalls   ihre  Triumphe   in  der 
Praxis  su  feiern  gewohnt  ist,  fand  in  Frankreich  ein  ausgezeich- 
netes   Feld   fdr  ihre  thntigste  Anwendung.      Daher   besass   die« 
808  Land  bereits  im  sechssehnjten  Jahrhunderte  ni&ehst  Italien  die 
ersten   Aerzte   und   vergrösserte-  alljährlich   seinen   Ruf  in  der 
Heilkunst  bis  in  das  Zeitalter  Ludwigs  XIV.  hinein.    Aber  auch 
dann,-^ als  Deutschiandy  Holland  und  England  zur  Theilung  dieses 
Ruhmes   mit   dem   besten  Rechte   sich   herandrängten,   blieb  er 
für  Frankreich   mindestens   im   Allgemeinen    bis   zur  Revolution 
erhalten,    und  wurdo^  durch  die  Folgen  derselben  später  für  die 
Chirurgie   eher   erhöht   als   vermindert  %    Die  Einwirkung  der 
grossen'  Deutschen  und  Niederländischen  Aerzte  des  achtzehnten 
Jahrhunderts,  eines  Ho£fmann,  Stahl  und  Boerhave  auf  die  Fran- 
zösische Medicin  war  nicht  zu  verkennen,  aber  sie  äusserte  sich 
mehr  in  Montpellier  als  in  Paris,  und  erhob  den  Ruf  dieser  Facultät 
als  einer  der  ersten  medicinischen  Lehranstalten  för  |^anz  Europa. 
Die  erste  clinische  Anstalt  in  Frankreich  wurde  durch  Desbois  de 
Rochofortzu  Paris  im  Hospital  de  Charite  1 785  gestiftet,  aber  erst 
durch  Corvisart  1788  recht  begründet;  Bei  der  Vernichtung  aller 
höheren  Lehran»^alten  in  Frankreich  während  der  Reveljution  wur- 
den die  medicinischen  Facultäten  zuletzt  am  18ten  August  1792 
aufgehoben.  Aber  hier  trieb  auch  wiederum  die  Nothwcndigkeit  zu- 
erst zur  Rfiökkehr,  und  kaum  hatte  der  Terrorisrous  sein  erstes  Sta- 
dium mit  Robespierres  Stu^  durchlaufen^  fast  noch  «in  Jahr  vor  Ein- 
setzung der  Directorial-Regierung,  am  14.  Frimaire  1704  wurden 


\ 


*)  Oasper's  Cbaracteristik  der  Französischen  Medicin»  Leipzig 
8^.  Nach  derselben  Ist  in  Frankreich  jetzt  das  System  desSensua- 
tismus  überall  vorherrschend,  das  nur  sinnlich  wahrnehmbare  Er- 
scheinungen beobachtet,  daher  auch  meistentheils  die  Cur  der  Fran» 
f  2ösischen  Aerzte  nur  symptomatisch  ist.  Die  Moxa  und  jede  an- 
dere Anwendung  des  Brennens  in  der  Chirurgie  sind  nirgends  so 
verbreitet  als  in  Paris.  -^  .    , 


•    / 


/ 


Frankreich.  165 

bereit«  3  eeolei  de  iantrf  sa  Paris  ^  StntMburg  snd  Mbtttpeliier 
viederhergegtellCy  auf  denen  aber  sugleieli  die  früher  von  einan- 
der getrenntei^  Chirurgie  und  Medicin  vereinigt  wurden ,  wobei 
et  denn  bis  auf  die  Zahl  dieser  medieinisehen  Horchsehulen  aucJi 
Jetxt  noch  verblieben  ist  Erlauben  wir  uns  einen  Hinblick 
auf  die  gegenwärtige  Stellung  Frankreichs  in  diesem  Zweige  der 
Literatur  su  den  anderen  Völkern  Europas ,  so  d&rfen  wir  für 
die  nettere  Zeit  PinePs  Auftreten  (1745  f  1826  Paris)  nicht 
ausser  Acht  lassen.  Er  erregte  durch  seine  Nosologie  philoso- 
phique  ein  grosses  Aufsehen ,  in  welcher  er  die  Medicin  mit  der 
flachen  empirischen  FranxÖsisohen  Philosophie  verband  und  alle 
medicin ische  Kenntnisse  von  dem  Studium  der  sinnliehen  Er* 
scheinun((en 'ai^gehen  Hess.  Ihm  huldigte  nicht  nur*  die  ge- 
sammte  Pariser  Schule ,  sondern  bald  gans  Frankreich^  und  da- 
her schreibt  sich  auch  grösstentheils  die  Abneigung  der  Fransft- 
sischen  Gelehrten  auf  dem  Gebiete  der  Medicin  und  der  Natur--^ 
wisseoschaften  gegen  alle  höhere,  und  tiefer  in  das  Wesen  und 
den  Zusammenhang  d(^  Dinge  eindringende  Forschungen:  sie 
haben  daher  dieselben  nur  durch- eine  Menge  wichtiger  factisehec 
Entdec^kungen  bereichert ,  Überlassen  aber  anderen  Gelehrten 
die  Verbindung  Ewischen  denselben  und  ihre  genauere  Erläute- 
rung auf  sich  SU  nehmen.  Daraus  folgt  aber  auch,  dass  alle 
Fät^er  der  medicinischen  Wissenschaften  ^  welche  die  sinnlich 
wahrnehmbaren  Erscheinungen  begreifen,  von  ^en  Fronsosen  vor- 
sägUch  bearbeitet  sind,  besonders  die  Anatomie  durch  P  or  tal,  C  or- 
visart,  Bichat,  DuohateletundRecamier,  und  die  Chirurgie 
ihre  ersten  practisehen  Meister  bei  ihnen  aufsusuchen  hat,  wie  D  e- 
sault(1744  t  1795),  Dupujtren.(l778t  1835),  Desgenettes, 
Delpechu.m.a.  Aus  demselben  Grunde  sindaber  auch  bei  ihnen  Phy- 
siologie und  allgemeine  Pathologie  dürftig  bearbeitet,  und  nicht  ein- 
mal vollständig  in  den  aeademischen  Unterricht  aufgenommen.  — 

• 
In  den  blos  auf  empirische  Beobachtungen,  und  nicht  minder  in 
den  auf  Mathematik  begründeten  Naturwissenschaften  ragen 
die  Franzosen  mit  den  ersten  Europäischen  Namen  hervor.  Die  all- 
gemeinste Hochachtung  der  Mitwelt,  welche  Graf  Buffon  (1707 
f  1788)  als  classischer^Naturgeschichtschreiber  im  achtzehnten 
Jahrhunderte  genoss,  emdtete  George  Cuvier  (Mümpelgard 
1769.t  1832  Paris)»  der  Begründer  de^  vergleichenden  Anatomie 
in  einem  noch  höheren  Grade  für  unsere  Zeit   In  derBotanik 


l 


166  Frankreich. 

xeiclmeten  sidi  auf  gltosende  Webe  Bem»r4]  JttBBieQ  (1699 
f  1777)  und  dessen  Neffe  Ant  Laurent  Jussieu  (Lyon  geb. 
1748)  aus;   eben  so  in  der  Mineralogie  Ren^  Just  Hauy 
(1743  f  1822).     Die  Physik  verdankt  die   wichtigsten  eigenen 
Entdeckungen  und  die  xweckmässigste  Anwendung  anderweitiger 
Entdeckungen  den  Reaumur  (1683  f  1757)/LaToisier  (1743, 
guillotinirt  1794),  Gaj-Lussae  u.  s.  vr,;  fast  noch  höhere  Ver- 
dienste haben  sich  die  Franzosen  nm   die  Chemie  und  deren 
ausgedehntere  Anwendung  auf  die  Arseneikunde  und  die  techni-  • 
Itche   Cultur  erworben   durch   Ant   Fran^ois   Foureroy  (Paris 
1755  t  1809),  Jean  Ant  Graf  Chaptal   (1793  f  1831),   Claud« 
Louis  Graf  Berthollet  (1748  f  1822),  durcb  die  Vauquelin, 
Gu/ton-Morreau,   Thenard   u,   ni,    a.    Auf  gleiche  Weise 
ehren werth  ist  ihr  Einfluss  auf  die  mathematischen  Wissen- 
schaften XU  bezeichnen,  und  wie  als  Zierden  in  denselben  im 
vorigen  Jahrhunderte  Maupertuis  (1697  f  1759),  d'Alembert 
(1717  t  178ä)  und  Joseph  Le  Frangais  de  Lalande   1731 
f  ]80f  genannt  werden  müssen,  so  in  dem  gegenwärtigen  De- 
lambre  (1749  f  1^22),   Graf  Laplace  (1749  f  1827),   Le- 
gendre,  Lacroix  und  Blot    Die  damit  verwandten  Militär- 
wissenschaften  haben  in   der  neueren  Zeit  stets  flir  jeden 
Zweig  derselben  eine  ergiebige  Heimath  in  Fhinkreich  gefunden 
und  sind  hier  verfa&ltnissm&ssig  am  th&tigsten  bearbeitet  worden 
wenn  auch   mmr  selten  ein  Mann  von  dem  gewichtvoUcn  Ein- 
ilusse,  wie  Marschali  Vaub an  (1633  f  1707),  hervorging,  da  wir 
hier  die  übrigen  von  anderen  Beziehungen  des  Geistes  und  des  Cha- 
rakters  abh&ngigen    grossen    Feldherren    nicht    bertteksichtigcii 
können.    Gleiche  Meisterschaft  linden  wir  bei  den  Franzosen  in 
den  geographischen  Wissenschaften,  wie  dies  die  oben  §•  I. 
erwähnten  Cassini's»    die  Gebrüder   de  l'Isle,    d'AnYille 

ii4  V.  !•  erweisen. 

« 

Was  die  historischen  Studien  anbetrifft,  so  sind  die  Ge- 
schichte, Archäologie  und  Numisn^atik  des  Altelrthums 
durch  einzelne  vortreffliche  Arbeiten  *),  namen^ich  für  den  Orient, 
von  Selten  der  Academie  des  Inscriptions  wesentlich  gefördert. 


*)  Hieher  rechnen  wir  auch  die  Untersuchungen  ftber  Aegyp- 
feas  Alterthumer,  die  durch  Napoleons  Expedition  nach  Aej;ypten  1798 


Frankreich.  /     167 

mn4  4M  Nameii  Qmt  CujUn,  Barlbelemj»  MilUn^  le. 
Iromie,  Champollioii  genieueii  einen  yerdieotea  Ruf.    Doch 
▼eniftgeii    wir   niolit    ^n    g^eiebes  JJrtheii   über  DaisteHuogeQ 
grOfserer  ZeiMame  m  fidlen»   da  Rollia'i,   Creviei^s  und  der- 
gfeiebea  Werke  nur  als  lesbare   CoinpiUtion^n   aus  den  alten 
Sdirilbtetlem  gelten  können,  die  durcbaus  keinen  Ansprach  auf 
rritisdie  Untenuebong  machen.    Ckgenirärtig  dürfte  aber  durch 
die  genauere  Bekanntschaft  mit  einigen  Yorsügliehen  Forschun- 
gen der  Deutschen,  wie  mit  den  ron  Niebuhr,  Sarigfiy;  Schlosser, 
mie  lebhaftere  und  erfolgreichere  Tbfttigkeit  auch  diesen  Arbei* 
ten  der  Geschichte  angewandt  werden.    In  Besug  auf  das  Mittel- 
alter sind  nur  die  Landesgeschichte  und  die  hUtorisohen  Hfllfs- 
Wissenschaften  eifrigst  in  Frankreich,  gefördert;  und  ror  allen  hat 
nch  dabei  die  Congregation  des  hdligen  Maurus,  ids  ein  Zweig 
des  Benedictiner-Ordens  ausgexeichnet  welcher  auch  Jean  Ma- 
billon  (1632  f  1^03^  der  Begründer  der  Diplomatik  aU  Wissen- 
sel^afE  zugehört  Die  Zeitgeschichte  erfreut  sich  aus  Ülterer  Zeit  in 
dem  edlen  Jacques  Auguste  de  Thon  (Paiis  1553  f  1617)  ein  treffli- 
ches Musterwerk  in  unb^angenem  Urtheil  und  gehaltvoller  Darstel- 
long  ihr  Nachahmung  für  Frankreich  su  besitzen :  aber  sie  musste 
dann  auch  fast'xwei  Jahrhunderte  auf  eine  gelungene  Arbeit  Verzicht 
Idsten,  der  die  Ehre  einer  classischen  Schrift  unverkömmert  zogethei  1 1 
werden  konnte,   da   bald   die  Wahrheitsliebe   des  Forschers   bei 
dem  Nationalstolt  Schiffbruch  litt,   nnd  blinkenden  Glani   statt 
gediegener  Gründlichkeit  darbot,  bald  die  Form  der  Darstellung 
durch  ei^e  überm&ssige  Redseeligkeit^  oder  gleichgültige  Vemach- 
Ussigung  yemichtet  wurde»     Dagegen   erscheint  Frankreich   uU 
«las  Vaterland  der  sogenannten  Memoiren,  die   theils  durch  Clia- 
rakterschilderungen  ein    lebendiges  Bild  des  Hoflebens   und  der 
politischen  Vttwickelungen,  theils  duroh  die   eigenen   Beobach- 
tungen  auf '  dem  Schauplatse   der  Begebenheiten  die  wichtigsten^ 
Materialien  für  die  Ejiegsgeschichte  und  den  damaligen  gesamm 
ten  bürgerlichen  Znstand  der  Völker  liefnm.  Die  Franzosen  haben  ron 
dieser  Gattung  der  Qnellen  für  die  Greschichte  mehr  geliefert,  als 
•Ue  übrigen  Völker  zusammen,  — *  da  erst  in   neuerer  Zeit   die 


und  die  zahlrefchen,  von  den  mitgenommenen  Gelehrten  dort  ange- 
stellten  Nachforschungen   angeregt  wurd^en,  und  neuerlichst  durch 
diampolli^ns  18*29  hieber  auf  -  Kosten  des  Staats  gerichtete  Mission 
MscIi^M  Leben  uad  Material  empfingen. 

1 


168    '  Franlcreicb. 

Ci^l&DJer  ekiigennaaisen  gleichen  Schritt  hierin  mit  den  Fran. 
xosen  halten  zu  wollen  scheinen  r-  und  haben  in  der  That  im 
Allgemeinen  in  den  Memoiren*  eine  gröetere  Offenherzigkeit  und 
Unbefangenheit  entwickelt,  irie  in  ihren  vollständigeren  histori< 
sehen  Arbeiten.  Denn  der  Ejeiz,  ohne  Scheu  von  ihren  Zeitge- 
nossen zu  berichten,  zuipal  wenn  sie  sich  selbst  sicher  gestellt 
haben,  dass  diese  Berichte  erst  nach  ihrem  eigenen  Tode  be- 
kannt gemacht  werden,  hat  die  ersten  Staatsmlinner  und  Feldher- 
ren ^)  bewogen,  auch  rücksichtsloser  die  Begebenheiten  zu  be- 
sprechen, in  denen  sie  selbst  gut  oder  übel  betheiligt  sind^  um  den 
Glauben  für  die  Wahrheit  des  Gänzen  zu  erhalten.  Sei  diesen 
Memoiren,  die  reichhaltig  genug  auch  bereits  seit  der  Franzö- 
sischen  Revolution  in  Schriften  bew&hrter  Männer  vor  uns  lie- 
gen, dürfen  aber  durchaus  nicht  die  trügerischen  Buchhändler- 
S^eculätionen  mitgerecllnet  werden,  die  namentlich  in  Paris  aus- 
geführt, unter  dem  Aushängeschild  irgend  eines  berühmten  Na- 
men die  trivialsten  Zeitungs  -  Compilationen  liefern,  die  ihren  pi- 
kanten Beisatz  nur  in  völlig  erdachten  Ungereimtheiten  erlan- 
gen.- •—  Doch  hat  in  der  Gegenwart  überhaupt  die  historische 
Literatur  einen  höheren  Standpunkt  bei  den  Franzosen  einge- 
nommen, als  er  jemals  früher  hier  bemerkt  werden  konnte:  denn 
Forschung  und  Darstellung  haben  ebenmässig  eine  würdigere  Hal- 
tung gewonnen  in  den  Werken  von  Bar  ante,  Thierrj,  Daru, 
Guizot,  Thiers,  Hignet,  Villemain,  Capefigue  v.  a.  Das 
•  Feld  der  Tagespolitik  hat  seit  der  Revolution  zahllose  Flug- 
schriften jährlich  hervorgebracht,  die  Kräfte  vieler  ausgezeichne- 
ter Talente  dadurch  zersplittert,  hat  aber  für  manchen  Kopf 
auch  zuerst  die  Bahn  gewiesen,  auf  sich  aufmerksam  zu  werden, 
und  seinen  Geistesgaben  eine  höhere  Richtung  zu  geben. 

Die  von  dem  lebhaften  Interesse  am  öffentlichen  Leben  un- 
mittelbar abhängigen  Staatswissenschaften  sind  bei  den 
Franzosen  seit  Colberts  Zeiten  stets  sehr  beliebt  gewesen,  wie- 
.wohl  sieh  dieselben  vorzugsweise  darauf  beschränkt  haben,  die 
von  anderen  Völkern  geliefeiten  inhaltreichen  Untersuchungen 
durch  politische  Erfahrungssätze  zu  erläutern,  und  mit  Beispielen 


*)  Namenihier  anzuführen,  verlohnt  nicht  der   Mühe^  da  auf 
künstlerische  Darstellung  es  bei  den  Memoiren  nicht  abgesehen  ist, 
und  die  meisten  sehr  berühmten  Männer  Frankreichs  als  Scbriftstel' 
,  ler  hier  vorkommen. 


Frankreich.  169 

■» 

aas  der  Gesehidite  so  bel^;eii«  Die  ZfM  4er  FransdcUchen 
Schriftsteller  in  dietem  Fache  ist  ausserordentlica  g\'oss,  aber 
bei  einer  beKatsamen  Auswahl  der  selbststäpidigen  Arbeiteo  schwin- 
4et  sie  sehr  zasammeiiy  und  ausser  dem  oben  bereits  angeführten 
classisehen  Ch.  Secondat  Baron  de  Montesq^aieu  besitst  das 
aebtxebnte  Jahrhundert  nur  den  Begründer  des  phjsiokratischen 
Sjitems,  den  Arzt  Firangois  Quesnay  (1694 f  Paris  1774,)  die 
Efie/elopädisten  und  die  Practiker  (!)  in  den  gesetzgebenden 
Körpern  der  PransÖsisehen  ReToIution,  wenn  vir  nicht  di^  Genfer 
JetaJaeqtiea  Rousseau  und  Jaeob  Nee k er  auch  hier  Frank- 
reich zuschreiben,  da  doch  ihr  literarischer  und  poliüseher  Ein' 
flnss  hauptsächlich  in  diesem  Lande  seine  Wirkungen  ge- 
isMcrt  hat.  Seit  der  Restauration  sind  zwar  die  yerschie- 
«ieoartigtten  G^enstande  der  Staatswissenschaften  abermals 
ia  der  Praxis,  oft  durch  sehr  gründliche  Debattea  erörtert  und 
in  6eleg«nheitsschriften  weiter  rerfolgt  worden:  aber  bedeutende 
Werke,  die  die  Staats- Wissenschaften  selbst  theoretisch  weiter  ent- 
wickelten, sind  hier  nicht  erschienen,  wenn  auch  die  Werke  von  Jean 
Baptiste  Saj  (Lyon  1767  f  Paris  1832)  und  Charles  Ganilh 
(iarei^e  1760  f  1825)  einen  wohlverdienten  achtbaren  Ruf  sich 
enrorben  haben. 

Die  Philosophie  findet  in  ihren  speculativen  Theilen  kei- 
Ben  besonders  geeigneten  Boden  in  Frankreich,  und  kann  daher 
seit  Des  Cartes  (Tourraine  1596  f  Stockholm  1650)  keinen 
ongioalen  Schöpfer  eines  neuen  philosophischen  Sjstems  auf- 
weisen. So'Sehr  auch  das  Wort  Philosophie  und  fast  noch  mehr  der 
Ntnie  der  Metaphysik  in  diesem  litfhde  gemissbraucht  sind,  so  we- 
01^  ist  doch  allgemeiner*  Ernst  selbst  bei  den  sogenannten  Phi- 
losophen zu  bemerken,  tiefer  als  in  die  Vorhöfe  der  Logik  untf 
der  empirischen  Psychologie  einzudringen :  daher  ist  das  Feld  der 
pnctisehen  Philosophie  durch  Männer  wie  Montaigne,  Pas- 
ttl,  Mallebranche,  und  wir  müssen  hieher  auch  Diderot 
rechnen,  gehoben,  und  nach  ihren  Mustern  mit  einer  reichhaltigen  Li- 
teratur angebaut.  Aber  selbst  Helvetius  (1715  f  1771),  J.  An- 
toine  Nicol. Marquip  de  Condorcet  (1743  f  1794),  unbestritten 
die  beiden  grössten  philosophischen  Köpfe  in  Frankreich  im 
^htzehnten  Jahrhunderte,  verliessen  diese  Bahn  selten  und  konn- 
te dann  wenigstens  zu  keinem  aelbstständigen  lästern  sich  er- 
liebeo.  Die. Bekanntschaft  mit  den  Fortschritten  der  Deutschen 
PViloBophie   fehlte   überdies   damals   gänzlich,   sie   wurde   nicht 


170  Frunkr^ielu 

rermittelt  pnter  den  St&nneii  dev  RcTohtlon,  oder  onter  dem 
eisernen  Seepter  Napoleons ,  dem  da«  Wort  Metaphysik  ein 
Oräuel  war,  und  der  sich  daran  rer^ügte»  jede  Schwindelei  ^mit 
diesem  Namen  als  einem  Seh  impf  werte  sü  bexeiehnen.  In  der 
Gegenwart  scheint  aber  auch  hier  der  literarische  Verkehr  Frank* 
reichs  mit  Deutschland  eine  neue  Epoche  dem  philosophischen 
Studium  in  Jenem  Lande  erwecken  su  wollen,  indem  dasu  als  eri^ter 
Vermittler  Vietor'Cousin  sich  darbietet:  die  Ergebnisse  davon 
stehen  aber  erst  zu  hoffen. 

Die  Wissenschaften  der  allgemeinen  Sprachkunde  und  na- 
mentlich das  Studium  der  classischen  Philologie,  mit  welchen 
wir  den  SchlusR  dieser  Uebersicht  machen  können,  da  sie  zu  allen 
Wissenschaften  gehören,  stehen  gleich  wie  die  Philosophie  schon  seit 
mehr  als  einem  Jahrhunderte  in  Frankreich  im  Hintergrunde.  Die 
glänxenden Zeiten  derEtienne,  Muret,  Casaubon,  Saumai se 
sind  vorüber,  sodass  gerade  mit  dem  Zeitalter  Ludwigs  XIV.,  das'' 
fast  allen  übrigen  Wissenschaften  in  Frankreich  'ein  höheres,  fSr^ 
ganz  Europa  ausgezeichnetes  und  anregendes  Leben  entgegen  führt,   . 
in  diesen  Studien  der  Verfall  beginnt   Aber  auch  das  ganz^  acht- 
zehnte Jahrhundert  hindurch,  und  nicht  minder  in  der  Gegenwart  ste- 
hen die  Griechische  und  Römische  Literatur  hier  auf  einer  sehr  un- 
tergeordneten Steile,  so  dass  kein  bedeutender  Name  ausserhalb 
Frankreichs  einen  bleibenden  Ruf  gewinnen  konnte.    Eine  sehr  ^ 
ehrenvolle  Ausnahme   macht   dagegen    das  Studium  der  Orien- 
talischen Literatur,  das  gerade  in  der  Gegenwart  einen  seiner, 
Hauptsitze   in   Paris   aufgeschlagen  hat,   und   in  Sjlvestre  de 
Sacy  (g.  s.  Paris  1758)  seinen  gründlichsten  Kenner   der   Ara- 
bischen und  Persischen  Sprache  ehrt,  sowie  es  in  Abel  Remu- 
sat  (Paris  1788  f  1832)  einen  gleichen  I^enner  der  Chinesischen 
Literatur  besass. 

Vermögen  wir  auch  bei  einer  so  gedrängten  Uebersicht  der 
Hauptereignisse  in  der  geistigen  Entwickelung  eines  Volks  die 
vorzugsweise  gewählten  Richtungen  leicht  zu  erkennen,  und  da- 
durch den  Charakter  des  Volks  und  seines  Verhältnisses  zu  der 
bestehenden  Staatsverwaltung  richtiger  zu  würdigen,  so  ist  es 
nicht  minder  eine  anziehende  Aufgabe,  rückwärts  die  Einwirkun- . 
gen  verschiedener  Herrscher,  zumal  wenn  dieselben,  wie  in 
Frankreich,  nnter  verschiedenen  Staatsforpen  regiert  haben,  auf 
grössere  oder  geringere  Fortschritte  der  gesammten  intellec- 
luelleä  Cultur,    wie   der  einzelnen  Wissenschaften,  oder  minde- 


\ 


Frunkk^eich.  IM 

•teils  dodi  auf  eine  anigedelititere  Verbrritung  derselben  io  dem 
Volke  XQ  verfolgen  und,  wo  es  angehe,  aelbtt  dnreh  atatUtiaehe 
2«ahleoangaben  m  documentiren. 

Vertnefaen  wir  dies  naeh  Graf  Dam  *)  darch  die  Uebersieht 
fler  AAxahl  der  gedruekten  {Sogen  in  den  einseinen  wissenschaft- 
licliem  Fächern  aus  dem  gländsendsten  Regierungsjyire  Napo- 
leons 1811,  aus  dem  ersten"  Regierungsjahre  Carls  X.  1825,  und 
mnm  der  Blöthezeit  des  wieder  erneuerten  Jesuiten-Einflusses  1826, 
unmittelbar  rot  dem  im  J.  1827  erfolgten  Eintritt  des  Hiniste- 
riums  Maftignac,  so  edialten  wir: 

ISil      Bogen      1825      Bogea      1895      Bogta. 
i.  Theologie.  2,509,752  —  1 7/187,057  —  23,208,420  — 

2.  Jurisprudenx  u.  6e« 

setsgel^ung,    2,831,662  <— 15,929,830  — 18,605,495  ^ 

3.  Cresehlchte  und  Rei- 

sebesehreibnngen.    3,375,891  —  39,457,957  —  46,545,725  — 

4.  Staatewissenscbaft.        133,187—  2,915,826—  2,097.300  — 

5.  MUitÜTwissensehaft     1,147,400—   1,457,913—    1,445,982  — 

6.  Mathematisehe- Na- 
tur-Wissenschaften  u. 

Medicin«    2,214,303-10,928,277—12,1^0,381,- 

7.  Philos<^hie.  410,298—   2,804,182—  3,032,191  — 

8.  Sdiöne'  Wissen- 

schaften.   3,78 1,826  —  30,205, 1 58  —  27,704,971  — 

9.  Schöne  Kanste.  161,525—   2,937,301—    1,999,560  — 

10.  Vermischte  Schrift     1,885,869—  3,886,975—   7,699,977  — 


Gesammtsumme  der 

gedmdtten  Bogen.  18,451,713—128,010,483—144,561,094  — 

Es  ist  ako  die  Gesammtsumme  der  gedruckten  Bogen  in  uem 
so  bedeutend  Terringerten  Königreiche  gegen  das  Kaiserthum, 
do^  in  dem  Zeiträume  von  14  Jahren  auf  das  Siebenfache, 
und  in  dem  fiinfsehnten  Jahre  sogar  auf  das  Acht l^a che  gestie- 
gen, dagegen  nur  bei  den  von  Napoleon  geliebten  und  geehiteB 


*)  NbOcH  sCalÜtiqucs  aar  la  UbraUie,  Paris  8S7. 


172 


^Frankreicli. 


Hilitärwissengcliafteii  ist  fast  dasselbe  absolute  Zahlverlr&ltnis« 
erhalten,  was  freilich  rejativ  gegen  die  Gesammtzabl  gehalten 
eine  überaus  grössere  Theilqahme  an  denselben  unter  Napoleon, 
als  unter  den  Bourbons  yerräth.  Dagegen  ist  die  T^eologicr  auf 
das  Acht-  und  Neunfache  gestiegen,  die  Jurisprudenz  auf  das 
Sechsfache,  die  Geschichte  durch  die  zahllosenJMemoiren,  die  un- 
ter Napoleon  beschrankt,  oder  völlig  Terboteo  waren,  sogar  auf 
das^  Zwölf*  und  Viersehnfache  gestiegen.  Die  geringste  Zunahme  ^ 
findet  man  nächst  den  Militärwissenschaften,  noch  in  den  mathe- 
matischen, NiMtur- Wissenschaften  und  Hedicin,  wo  nur  das  Vier* 
bis  Fünffache  erreicht  worden  ist 

Dupin  *)  hielt  sich  aus  diesen  Angaben  zu  dem  Schlüsse  be* 
rechtig^  dass  der  Geschmack  an  wissenschaftlicher  Beschäftigung 
seit  der  Restauration  überhaupt  in  Frankreich  sich  allgemeiner 
verbreitet  und  voraugsweise  ernsteren  Gegenständen  zugewandt 
habe,  dass  also  überhaupt  die  geistige  Ausbildung  in  eriV^ulichem 
Wachsthum  b'^priffen  seL  Dies  muss  gewiss .  eingeräumt  werden, 
weoii  wir  auch  nicht  vorzugsweise  das  auf  ernste  Gregenstände  hinge- 
richtete Studium  besonders  hervorzuheben  vermögefi :  wir  er- 
sehen dies  aus  der  einfachen  Aufzahlung  der  jährlich  erschei- 
nenden Werke^ 


In  den   letzten  vier  Jahreil   unter  Napoleon  schwankte   die 
Zahl  zwischen  1200  und  1800: 

^816  stand  sie  (bereits  auf  3090  Bände. 

1817   _    —     —     —  3256    —  ^ 

1821    —    —     —     —  4360    —     darunter  576  Andachtsbücher, 

9  Theologische  Wissenschall;., 
365  aus  dem  Fache  der  Ju- 
risprudenz und  Gcsetzrrebufi^, 
118  Geschichte,  17  Politik, 
363  Tagesschriften^  81  Ma- 
thematik und  Militär.  W.,  7 
Philosoph.,  862  schöne  Wis- 
senschaften ,    und  ausserdem 


-  \ 


♦)  Forces  produrllves  et  commercialcs  de la  France,  vol.  J.  S.2I. 


Frankreich.  173 

nbeh  178   Romane  und   563 
Almaiiaohe  und  Calender. 
l822*)B«andaiebereit8aaf5824  Bände  und  überdiea  229  Muaikhefte 

und  SiO  Kupferstiche 

1823  -^      —     —     —  6007    —    und  fiberdies  365  Musikbefte 

'*  und  978  Kupfergtiche 

1824  —      —     -.     ^  6974    —    und  überdies  336  Muiikhefte 

and  1027  Kupferstiche. 
1826    —      _     _     —  4347    — 
1828    — '    _     _     —  7616    — 

1830  —      _     —     ^  6739    — 

1831  —      _     —     —  6063    — 

1833    —     -^     —     _  7011     —    darunter  235  Tbeolog.  ii.  An- 

dachtsbücber,  213  Geschichte, 
213  Mathematik,  Naiurwis- 
senschft  und  Medicin,  455 
Dichtkunst  und  überdies  noch 
355  Romane,  102  Philosophie, 
170  schöne  Künste  und  Rei- 
sebeschreibungen, 604  in  frem- 
den Sprachen  ^nd  Provin- 
cialdialekten,  4346  Pamphlejte^ 
Broschüren,   Reden  u.  s.  w. 

^  Aus  dieser  Uebersicht  ist  das  regelmässige  Fortschreiten  von 
1816  bis  1824  nicht  ku  verkennen,  erleidet  dann  durch  die  ver- 
änderten Verwaltungsmaassregeln  in  den  ersten  Regienuigsjah* 
reo  Carls  X.  ein  piötxliches  Stocken,  schreitet  dann  wieder  an« 


*)  yergleichen  wir  von  hier  ab  die  Zahl  der  in  Frankreich 
jährlich  bekannt  gemachten  Banden  mit  den  jährlich  in  beiden  Leipzi- 
ger Messcatalogen  angezeigten,  so  ist  sie  in  den  geringsten  der  nun  fol- 
genden Angaben  mindestens  gleich,  und  in  dem  anderen  übertrifft 
sie  uro  200O  bis  3500  Nr.  seh  einbar  den  Deutschen  Buchhandel,  wo- 
bei aber  sn  bemerken  bleibt,  dass  nach  der  Französischen  Sitte  in 
der  Gegenwart  auch  das  unbedeutendste  Pamphlet  und  jede  gedruckte 
Bede  mit  aufgeführt  wird,  die  in  Dentschland  hier  gar  keine  Stelle 
findet.  Die  Zahl  dieser  Schriften  erreicht  aber  sicher  jetzt  die  volle 
mifte  der  An^hen«  {wie  laSS  sogar  43M  Pieren, 


174  ^  Frankreich. 

ttr  Atm  Ministerkini  Martignao  1828  übenraichend  veiter  fort, 
bis  die  Juli-Revolntion  des  Jahres  1830  ein  abermaliges  starkes 
Halt  entgegenbietet,  und  die  meisten  auf  geistiges  Leben  zu  ver- 
wendenden Geidkräfte  und  Taleäte  Jeder  ernsteren  literärisehen 
Unternehmung  entführt,  sie  aber  verstärkt  sofort  der  periodischen 
Presse  und  den  politischen  Flugschriften  unterwirft  Daher  da« 
Sinken  im  Jahre  1831  in  der  Gesammtzahl  der  literarischen  Ejt- 
scheinungen,  die  plötzliche  Unterbrechung  aller  giDsseren  wissen- 
schaftlichen Unternehmungen,  und  eben  daher  die  traurige  Erschei- 
nung, di^  1 833  beinahe  zweiDrittheile  aller  Blicher  in  die  Ka- 
tegojrie  der  Pamphlete,  politischer  Broschüren  und  Reden  gehören. 

In  gleicher  Weiie  ergiebt  sich  das  Wachsthum  der  allgemeL- 
neren  TheÜnahme  an  den.  Productionen  der  Literatur  in  den 
letzten  20  Jahren,  aus  der  rermehrten  Anzahl  der  Druckereien, 
Buchhandlungen,  der  übrigen  damit  verknüpften  Gewerbe,  und 
der  j&hriichen  Vergrösserung   der   dabei  umgesetzten  Capitaiien« 


hatte  im  Jahre  1813  377  Buchhandlungen^  und  7Ö 
Druckereien  mit  300  Pressen ,  das  übnge  Frankreich  955  Buch« 
handlungen  und  720  Druckereien»  welche  damals  zusammto 
jlÜiTlich  nach  Graf  Chaptal  für  21,652,000  Frcs.  (5,846,040  Thlr.) 
gedruckte  Sachen  lieferten.  Im  Jahre  1825  besass  Paris  bereits 
616  Bttchhaiidinngen ,  140  Kupferstichhandlungen**),  59  Musik- 
handiungen,  18  lithographische  Anstalten  und  94  Druckereien  **% 


^  Der  Par^iser Buchhandel  hat  den  eigentbOmlichen  Charakter, 
dass  für  die  besonderen  Zweige  der  Wissenschaften  einzelne  Iland- 
Inngen  bestehen,  wie  z.  B.  für  die  Geographie,  Militärwis^nschaf» 
ten,  Mathematik  u.  s;  w.,  allgemeine  SortimenUbandluDgen  aber  nur 
sehr  wenige  getroffen  werden  und  keine  einzige  von  dem  Umfange 
einer  grösseren  Deutschen,  namentlich  von  Leipzig  stark  entfern» 
len  Buchhandlung. 

**)  Diese  beschäftigten  890  Knpferstedier,  11  Holzstecher,  17 
Formachneider  und  17  Land-Kartenstecher;  Kupferstiche  und  Carri- 
caturen  wurden  allein  in  Paris  jährlich  für  3,000,000  Fr.  (81i^i000  Th.) 
umgesetzt 

***1  Ausserdem  hat  Paris  noch  38  Schriftglessereien,  84  Anti- 
qßut  und  901  Btichbindefeien. 


< 


Frankre'icli«  175 

«ttd   in    4eo    Deportementf    det   Fransifbelien   Steati    ttuiden 
autserdeni  J025  Buchhandlungen,  613  Druekereioi  und  26  litho- 
graphiscYie  Anatalten  in  Nahrung ,  welehe  aunammen  nach  Dnpin 
dnea  Abaats  ron  33,750,000  Frcs.  (9,112»500  Thir.)  jährlich  hat- 
ten, irobei  Paris   aliein   nach   den  Berechnungen  von  Benoiston 
de  Chateaoneuf  schon  für  I8!21  mit  mehr  als  10,500,000  Fr.  (2,835.000 
Tblr.)  Antheil  ninimt,  für  2,770,000  Fr.  (747,0OOTbhr.)  daron  ins  Aus- 
land   sendet,  und   ausserdem   2,500,000   Fr.  '(675,000  Thlr.)  für 
Joamale  nnd  Zeitungen  bezieht    . 

* 

Endlich  dürfen  wir  als  ein  einigermaassen  genaues  Bild 
▼on  der  allgemeinen  Verbreitung  der  Cuitur  und  ihren  besondern 
Richtungen  nicht  die  Tageblätter  und  wissenschaftlichen  Zeit- 
schriften übersehen,  in  wie  starker  Ansah!  sie  überhaupt  vorhan- 
den sind,  und  in  einem  wie  starken  Absatz  der  Exemplare 
die  einzelnen  im  Volke  sich  Umlauf  verschafft  haben.  Die 
Zahl  der,  wissenschaftlichen  Journale  ist  in  Frankreich  ausser*  ^ 
ordentlich  gering,  und  steht  in  dem  Verhältnisse  gegen  Eng- 
land und  Deutschland  wie  1  sn  12  und  16.  Frankreich  be- 
sass  im  Jahre  1825  75  Zeitschriften:  4  für  religiöse  Erbauung,  16 
al^emeine  critische,  3  für  Pädagogik,  2  für  Kri^irissenschaf- 
ten,  2  für  Geographie,  14  für  Medicin,  22  für  Jurisprudenz, 
Gesetzgebung  und  praetische  frozessführuDg,  9  für  schöne  Wis- 
senschaften und  3*  für  Moden.  Diese  wurden  bu  auf  4  sämmt- 
lieh  in  Paris  herausgegeben.  Dagegen  in  der  Liebe  für  politische 
Neuigkeiten,  besonders  was  d  ieEntwickelupg  der  eigenen  Landesver- 
bältnisse  anbetrifft,  und  in  dem  Eifer  an  Zeitungslectüre  stehen  die« 
Franzosen  kaum  den  Engländern  nach,  und  lassen  die  Deutschen 
weit  hinter  sieh  zurück.  PariK  hatte  schon  1825  allein  II  Z^- 
toagen,  die  in  grossen  Auflagen  gelesen  wurden,  zu  denen  noch 
inzwischen  bu  1834  7  neue  hi|izugekommen  sind.  Die  Provin- 
sen  hatten  damals  23  gelesene  Zeitungen,  und  Jetzt  befindet  sich 
kaum  ein  Departement,  (im  Jahre  1830  hatten  nur  noch  lODepts« 
keine  eigene  2eitung),  das  nicht  in  seiner  Hauptstadt  sein  eige- 
nes politisches  Blatt  besässe«  Daher  war  schon  die  Cresammt- 
zahl  der  Jo\imäle  und  Zeitungen  im  September  1830  auf  373 
gestiegen,  wovon  aber  Paris  allein  170  lieferte,  und  wenn  wir 
das  häufigere  Erscheinen  der  Pariser  Zeitungen^  und  ihre  süür- 
kere  Auflagen  berücksichtigen,  so  fallen  auf  Paris  fast  zwei 
Drittbeile  sämmtlich   erscheinender  Blätter,   die  nach  Dbpüi 


176  1?  r  a^  k  r  e  i  c  h* 

bereif A  28^509,532  Bogen  im  Jahre  1820;  nnil  20,420,(^20  Bogen 
im  Jahre  1826  betrugen,  und  die  im  Jahre  1830  bLo«  an  Stem- 
pelabgabe 2>382,000  Fr.  (643,140  Thlr.)  der  Staatseosse  einbrach- 
ten  *).  .Unter  den  Pariser  Hauptleitungen  dient  der  Ahsatx  nebst 
seiner  Steijj^erung  und  Veningerang  zugleich  als  das  Thermome* 
ter  der  Öffentlichen  Meinung:  wir  finden  folgende  Ergebnisse 
bei  der  Zahl  der  Abonnenten 

163S 

1.  Moniteur.  1,800 

2.  Journal  des  Debats.     12,000 

3.  Journal  de  Paris  «*).  (1 830  gestift) 

4.  Gazette  de  France.        2,000)  beide 
6.  Etoile.  3.000rj826*^ 

6.  Quotidienne.  6,000 

7.  Messager.  (]  827  gestift)  ^ 

8.  ConstitutioneL  17,000 

9.  Courrier  Fran^ais.         3,00a 
1(^  Journal  de  Commerce.  1,900 

11.  Temps.  (]82)S gestift)' 

12.  National  (1^20  gestift) 

Der  Moniteur,  oder  das  einsdge  durchaus  ofßcielle  Blatt,  grdssten- 
theils  nur  von  den  Behörden  gehalten,  bleibt  unverändert  bei 
seinen  1800  bis  2600  Abonnenten  stehen.  Nicht  viel  beweglichf^r 
ist  die  Parthei  der  Ultra-Royalisten,  welcher  die  Nr.  4,  5  und  0 
zugehören,  sie  mögen  im  Ministerium  stehen,  i^ie  unter  Villüle 
und  Polignac,  oder  dasselbe  bekämpfen,  1825  11,000^  Abonnen- 
ten zusammen,  1830=14,150;  1833=12,300;  1834=:  12,230. 
Die  rein  ministeriellen  Journale  s.  Nr.  2  und  3,  die  zugleich  ge- 
genwärtig übei^haupt  das  Interesse  der  iloctrinliren  Parthei  ver- 
treten,   1825  =  12,000;    1830=10,000;   1833  =  13,000;   1834  = 


1830  Aug.  1688  Jon.  1834  Ja«. 

2,600 

2,150 

2,150 

14,700 

i^öoo 

10,2<M) 

1^300 

2,000 

i;9öo 

9,560 

7.500 

8,230 

4,500 

4,800 

4,000 

2,350 

1,700 

IjlOO 

23,333 

13,330 

10,000 

4,000 

6,700 

6,000 

2,440' 

1,940 

2,000 

7,750 

4,240 

5,000 

2,300 

4,450 

;  4,700 

*)  VergL  den  dritten  Artikel  zur  Statistik  der  Geistesbildung 
in  BrocUians  literarisch.  Unterhaltungsblätt  Apr.  1335.  Nn'l03--ii. 

'^)  Frillier  ^iess  dieses  Journal  la  noavelle  France,  und  wurde 
1894  ^  etner  neuen  Redaction,  oder  vielmehr  bei  der  Vereinigung 
4er  IkiiWren  Aboanenten  desselben  mit  einem  neu  begründeten  Zei- 
tangsinsütnle  so  benannt,  v 


/ 


Frankreich.  177 

12,100,  alio  mindettoiis  Jetit  mehr  im  Sinken  als  im  Kunehmen 
begriffen.  Die  eogenanoten  liberalen  Jenrnale  leifaiien  jetst 
wiederum  in  2  Partheien,  von  denen  die  einenden  Charakter  der  Eng* 
liiehen  Ck>nserrativen  su  gewinnen  sncht  (Nr.  7  und  8;  Nr.  7  war  an» 
fängUch  sogar  ein  ministerielles  Blatt),  die  «weite  dieGränzender  re* 
pnblikanischen  Staatsformen  erreicht,  oder  sogar  dieselben  geradezu 
yertheidigt;  jene  hatte  1825  17000,  und  war  bis  i830  im  unans» 
gesetiten  Zunehmen  mit  25,683  Abonnenten,  dann  aber  sank  si»  als 
SU  nachgiebig  1833  auf  15,130  und  1834  auf  11,100.  Die  lotste 
Parthei  dagegen  reift  leider  mit  Jedem  Jahre  'einer  grösseren 
Blüthe  entgegen  1 825  =  4,900 ;  1 830  =  16,490;  1 833  :=  1 7,380; 
1834=  17,700  Abonnenten,  und  rechnet  man  noch  dazu,  dass  gerade 
die  Blätter  dieser  Parthei  leihweise  in  den  Leseboutiquen«  und  Caffe- 
häusern  die  meisten  Leser  auf  jede  einselne  Nummer  besitst 
(durchschnittlich  mindestens  10  Leser  auf  jedes  Blatt),  während 
der  Moniteur,  die  Ultraroyalistischen  und  ministeriellen  Blätter' 
mehr  von  Beamten  un^  wohlhabenden  Personen  gekauft  werden» 
in  dei'en  Händen  sie  fast  ausschliesslich  verbleiben,  so  wächst 
die  Zahl  ihrer  Leser  und  TheÜnehmer  noch  um  ein  Grosses« 

Ais  Privat -Vereine  gebildeter  Männer,  wissenschaftliche  Be* 
itrebungen  in  einseinen  Fächern,  oder  im  Allgemeinen  nilch  Lo* 
ealbesiehungen  su  befördern,  und  den  Sinn  für  Künste  und 
Wissenschaften  Überhaupt  im  ganzen  Lande  su  erwecken,  haben 
wir  in  Frankreich  viele  Nachahmungen  jener  oben  §.  12  ge- 
nnnnten  Pariser  Academien  aufsuführeti.  Allgemeine  in  ihren 
Statuten  von  der  königlichen  Regierung  bestätigte  Gesellschaften 
für  schöne  Künste  und  Wissenscfhaften  finden  sich  zu  Ronen, 
Dijon,  Grenoble,  Caen,  Bourges,  Bordeaux,  Agen,  Avignon, 
Montpellier,Nancj,Versailles  u.m.a.  Für  schöne  Wissenschaften  ins- 
besondere sind  die  Academte  des  Jeux  floraux  zu  Toulout^ 
imd  die  noeitti  Anacreontique  zu  Grenohle  zu  bemerken;  für 
Alterthümer  und  Landesgesehichte  gemeinschaftlich,  oder  archäo- 
logische Gesellschaften  insbesondere  zn  Paris,  Marseiile,  Ljon, 
Toulouse,  Nismes,  Arignon,  Valence  und  Strassburg.  Die  'Medi- 
einisehen  Gesellschaften  zn  Paris,  Montpellier  unc|  Strassborg.  Die 
statistische  Gesellschaft  zu  Pans,  die  geographische  Gesell- 
schaft ebendaselbst;  der  Verein  zur  Untersuchung  des  Inneren 
von  Afrika  zu  Marseille.  Die  Asiatische  Gesellschaft  zn 
Paris  für  die  gesammte  Orientalische  Literatur. 

Sohnbcrrc  StutUtHc  |l.  |2 


174  Frankpeich. 

Für  4eii  Aokerbau  befiodet  tieh  ^me  Centraljtesfdlidiaft  m 
TarU,  die  in  «den  meitten  Hauptttödten  der  Departementt  Toch- 
ier-Verein^  beaitie,  mit  denen  aie  in  ununterbrocheneni  Verkehr 
sieht  JPdr  die  Aufmnntening  und  Beförderung'  der  Nadonal4n- 
•dtts^e  findet  sieh  gleichfall«  ein  Central  -  Verein  «u  Paris,  dem 
Miless  niedenim  die  Soeietes  d'emulation  su  R»uen«  Toulouie» 
Bonrgetf,  Amiens,  Ljon,  Nantea  nnd  in  melireren  anderen  Städten 
nahe  verwandt  sind;  sowie  mit  der  ob^n  §.  12.  angeführten  Lehran- 
stalt {Conaervatoire  des  art$  et  tnetiera  xu  Paris)  die  gleiehbe- 
nanalen  in  Xjon  nnd  Chirons* 


C-     Die  Verfassung  des  Franzöei- 

Bchen  Staates. 


§.  u. 


D|e   Grundgesetze    der   Staatsverfassung« 

Lanjutna%$  (eomtej  Conatiiutwns  de  la  nation  Fran* 
^nt««,  2  voL  Parts  1819, 8vo. — De  Sa  Ivan  dy,  la  Constitution  de  Van 
1^30  und  Setze  mois  ou  la  revolution  et  les  revolutionnaü'eßy  PariM 
Dec.  1831. —  Thiers,  latnonarchte  de  1830,  Paris  1831.  Nov.  — 
Pölit^  die  Europäisch.  Verfassungen,  Band, IL  8.  1 — 118. 

Die  firüheren  Verfassungen  Frankreichs  vor  dem  Jahre  1814 
-gehiiren  in  der  Gegenwart  eigenthümlioh  dem  Gebiete  der  Ge- 
schichte an,  da  die  FransÖsische  Revolution  von  €rmnd  aus 
nicht  nur  alle  früher  bestehende  Einrichtungen  vernichtete,  sondern 
auch  den  aus  ihrer  Entwickelung  hervorgegangenen  vier  Haupt- 
verfassungsgesetsen  so  wenig  Festigkeit  gewährte,  dass  sie  als  ephe- 
mere Kinderder  Revolutien  mit  ihr  rasch  verschwanden,  nnd  nur  für 
■das  bürgerliche  Leben  mittelbar,  wesentliche  noch  jetvt  gültige  Be- 
4iiigungen  ies titellteflu    Aber  der  Geist  des  Volk«  Jiatte  dadurch 


FraBkretch.  1?9 

eine  eo  rerolutionnaire  Riehtung  erlangt,  die  tich  darin  gefiel, 
beatehende  Einrichtungen  rasch  umaugestalteo^  daiia  auch  selbst 
der  eiserne  Zwang  unter  Napoleons  Herrschaft  diesen  Sinn  xwar 
niedersuh  alten,  aber  nicht  su  vertilgen  vermochte.  Daher  konnte  auch 
die  D/nastie  der  Restauration  nur  dann  eine  Sichemng  ihrer  wieder 
erlangten  Regierungtrgewalt  verhoffen,  wenn  sie  dieser  Richtung 
nachgab,  und  ein,  neues  Grundgesets  als  Grundlage  des  politischen 
licbens  gewährte,  das  völlig  die  vorgefundene  Staatsform  des  Kaiser- 
thums  umwarf,  aber  sugleich  aus  den  Verfassungsurkunden  vom  3ten 
September  1791,  aus  der  Verfassung  vom  24ten  Juni  1793,  aus 
d^r  Directorial- Verfassung  vom  23sten  September  1795  und  aus 
der  Consular-Verfassung  vom  ISten  December  1799  einselne  3e- 
standtheile  aufnahm,  die  dem  Volke  eine  angenehme  Erinnerung 
gewährten,  und  doch  jetzt  durch  die  Reife  der  Erfahrung  fQr 
die  Erhaltung  der  Würde  und  der  Kraft  der  Monarchie  sicherer 
gestellt  werden  konnten)  Namentlich  wurde  vieles  aus  der  er- 
sten  Ck>nstitution  der  damals  noch  erhaltenen  Monarchie  von 
1791  entlehnt  Auf  solche  Weise  sind  gegenwärtig  in  Frankreich 
als  Grundgesetie  des  Staates  su  achten: 

1)  Die  Verfassnngsurkunde  tom  0ten  April  1814^)^ 
entworfen  vom  Senate  des  damaligen  Fransösisohen  Kaiserstaa* 
tes,  niachdem  derselbe  die  Absetsung  Napoleons  und  seiner  Dj- 
nastie  vom  FransÖsischen  Throne  ausgesprochen  hatte,  'und  die 
^Zurückberufiing  der  Bourbons  duich  die  vier  grossen  verbünde- 
ten Mächte  vom  ersten  Range  anerkannt  war.  Nach  dersdben 
berief  das  Französische  Volk  Ludwig  Stanislaus  Xa- 
vier,  Bruder  des  letzten  Königs,  und  nach  ihm  die  anderen  Glieder 
üesBourbonischen  Hauses,  nach  alter  Ordnung  auf  den  Thron 
des  wiederhergestellten  FransÖsischen  Königreichs.  Dadurch  ist 
anch  das  Salische  Gesetzin  Bezug  auf  die  Erbfolge  in  FrankiFeick 
wieder  rechtsgültig  geworden,  und  hat  die  Kraft  eines  Grundgesetzes 
erlängt  Dieses  hatte  aber  seit  der  Thronbesteigung  des  Hauses  Va- 
lois  (1328)  erst  durch  Uebereinstimmung  der  Reichsständ«  auf  den 
deswegen  einberufenen  Reichstagen  die  weibliche  Linie  gänslidi 
von  der  Thronfolge  ausgeschlossen.  —  Die  vollziehende  Gewalt 
wird   dem  Könige  übertragen,    die    gesetzgebende   Kwiscbea 


*)  Bei  Pdlitz  a.  a.  O.  n.  8.  S5-87. 


* 


\ 


180  Fx  an  kr  6  ich. 

dem  Köoiget  dem  Senate  und  dem  getettgebenden  Körper  ge- 
theilt;  doch  die«e  Bestimmungen  und  die  meisten  darauf  folgen* 
den  GrundzQge  sind  entweder  gänzlich  geändert,  oder  do^h  sehr 
modüicirt  durch  das  zweite  Grundgesetz,  die  rem  Könige  Lud- 
wig XVIII.  frei  gesehene  Verfassung,  daher  auch  staatsrechtlich 
selbiit  jron  dem  Könige  la  declaration  du  roi  genannt 

2)  La  Charte  du  4.  Juin  1814**),  die  am  Schlüsse  des 
Eingangs  ausdrücklich  feststellt:  „wir  hi^en  freiwillig  und  in 
freier  Ausübung  unsrer  königlichen^  Gewalt  sowohl 
für  uns,  als  auch  für  unsere  Nachfolger,  auf  ewige  Reiten  unse- 
ren Unterthanen  diese  Verfassungsurkunde  zugestanden,  über- 
geben und  bewilligt."  Und  vorher:  „wir  verpflichten  uns,  die- 
ser neuen  Verfassungsurkunde  getreu  zu  sein  und  behalten  uns 
vor,  deren  Aufrechthaltung  bei  einer  neuen  feierlichen  Handlung 
vor  dem  Throne  desjenigen  zu  beschwören,  weicher  die  Könige 
und  die  Natioi^en  in  derselben  Wagschaale  abwiegt'^  ^ 

/ 

Die  Zusatzartikel  des  zurückgekehrten  Kaisers  Napoleon  vom 
^S2ten  April  1815,  die  vorzüglieh  die  Consularverfassung  vom 
Jahre  1709  im  lluge  behielten,  sind  als  vorübergehend  zu  be- 
/  trachten, -besitzen  daher  nur  eine  historische  Merkwürdigkeit, 
aber  keine  jetzt  mehr  verbindliche  Kraft.  —  Die  Charte  von 
1814  trat  daher  nach  der  Wiedereinsetzung  Ludwigs  XVIII.  auf 
den  Französischen  Thron  im  Juli  1815  unverändert  zu  ihrer  Stel-^ 
lung  als  Hauptgrundgesetz  des  Staates  Eurück.  Die  feierliche 
Beschwörung  desselben  wurde  aber  von  Ludwig  XVIII.  wegen 
Beiner  Gesundheitsumstände  solange  ausgesetzt,  bis  sie  in  den 
letzten  vier  Jahren  seines  Lebens  durch  seine  Günfälligkeit 
wirklich  unmöglich  gemacht  wurde,  wenn  sie  als  ein  öffentlicher 
Ceremonialact  betrachtet  werden  sollte.  Sie  wurde  aber  von  sei- 
nem Nachfolger  Karl  X.  hei  seiner  feierlichen  Krönung  zu 
Rheims  am  29ten  Mai  18^  **)  vollzogen«  Als  Eidbruch  wurden 
deshalb  die  für  gänzliche  Verletzung  der  bestehenden  Verfassun- 
gen ausgelegten  Ordonnanzen  Karls  X.  vom  25ten  Juli  1830***). 


^)  Bei  Pölitz  a.  a.  O.  II.  S.  69-  93. 

^)  Neueste  Staatsacten,  Bd.  L,  Hfl.  1.  S.  48. 

♦♦♦)  Pöliu  a.  a.  O.  II.  SS-IOe. 


Frankreich.  181 

ftn  einem   Theile   der  legicim  gewählten  und  einbemfenen  De- 
pndrten  -  Kaininer  i^ngelclagt,  und  dadurch  der  Aufstand  in  Paria 
md   die    Absetzung   der   älteren   Linie    Bourbon    gerechtfertigt. 
Dies   fahrte    die  Erklärung   der   Deputirten* Kammer  vom   7tea 
Aug.   1830   herbei,  die  sich  iodcss  vollständig  constituirt  hatte, 
rad  zugleich  durch  die  gebieterische  Nbthwendigkeit  gedrängt  ala 
Nationalyersamnilnng  aufgctre^n  war.  Nach  derselben  wurde  nicht 
Mr  der  Franxösische  Thron  för  erledigt  erklär^  sondern  auch  we- 
sentliche Abänderungen  in  der  Verfaasungsurkunde  von  18 14  gefor- 
dert, die  sofort  an  demselben  Tage  entworfen  und  dem  Herzoge 
von  Orlemot  um  7  Uhr^durch  die  Deputirten  im  Plenum  überbraeht 
worden.    Vor  der  Annahme  sämmtlicher  Bedingungen  und  ihrer 
feierlidien  Beschwörung  ybn  ^er  versammelten  Kammer  wurde 
abhä|igig  gemacht,,  ob  derselbe  und  seine  männliclien  Nachkom- 
aen   mit  Ausschluss   der  weiblichen  Linie   fernerhin   in  Frank- 
reich die  königliche  Würde  besitzen  sollten.    Da  diese  Annahme 
sofort   erfolgte,   und   inzwischen'  auch   die   Pairskammer  *)   mit 
89  Stimmen  gegen   13  um  0  Uhr  Abends  den  Beschlüssen  der 
D^utirten* Kanuner  beitrat^    so   wurde   durch  die  Uebereinstim- 
Mang   aller  drei  Theile  der  gesetzgebenden  Gewalten  ein  neues 
Hsnp^mndg^ets : 

3)  Die  Constitutionelle  Charte  vom  rten  August  1830**)g 
die  in  den  Punkten  allein  gültige  Kraft  besitzt,  wo  sie  die  frühere 

,  .widerruft,  und  als  eine  weseptliche Ergänzung  das  Gesetz  Über 

die  Pairskammer  vom  29ten  December  1831  ***)  aufnahm.' 

I 

4)  Da*  Jüngste  Grundgesetz  ist  die  Acte  vom  10.  Apr.  1832, 
welche  CarlX.  und  seine  männliche  und  weibliche  Nachkommen 
Mf  ewige  Zeiten  von  dem  Französischen  Boden  verbannt  — 


*)  Jedoch,  war  von  dieser  Beistimmnng  ausgeschlossen  die  Tor- 
derung  der  Depotirlen-Kaminer,  dassdte  von  Karl  X.  creirten  Paicz 
•ofort  aus  der  Pairie  ansgesdilossen  werden  sollten. 

%     **)  Pölita  a.  a.  O.  II.  109-ie.    Balbi,  Geographie  p.  117-1)0. 

•♦n  PöUl»  a.  a.  O.  n.  II6--18. 


182  Fraakr«ich. 


S.  1^. 


Staatsform«      Rethte    der  hSchsten   Staatsgewalt 
und  der  regierenden  Dynastie.    TiteL 

Hofstaat     Orden. 


Die  Staattform  in  ^ankreicii  ist  gegenwllrtig  ftr  all« 
Theile  des  Reichs  eine  und  dieselbe,  und  bildet  einfe  durch  ein« 
Constitution  beschränkte  Monarchie*),  mit  dem  Titel  Kö- 
nigreich. Die  Person  des  Königs  bl  unverletzbar  uiid  heilige 
daher  auch  füf  sich  selbst  ausser  aller  Verantwortung  für  die 
Regierungshandlungen  erklärt:  aber  seine  Minister  bleiben  für 
die  Ausführung  einer  Jeden  Maassregel  Terantwortlich ,  und  es 
dlarf  kein  Gesetz,  oder  königliche  Befehl  ohne  die  Contrasig- 
natur des  dafür  haftenden  Ministers  bekannt  gemacht  werden**). 
Der  König  hat  allein  die  vollsichei^de  Gewalt;  der  König 
ist  das  Oberhaupt  >des  Staates  und  fuhrt  als  solches  den  Ober- 
befehl über  die  Land«  und  Seemacht,  erklärt  allein  den  Krieg, 
•chliesst  Frieden,  Bündnisse  und  {UndelsrertrS^e,  ernennt  zu 
allen  Aemtem  bei  der  StaatsTerwaltung,  und  giebt  allein  die 
Verordnungen,  welche  die  ungehinderte  Ausübung  der  Gesetze 
des  Staats  erfordern,  ohne  Jedoch  Jemals  d-ie  Gesetze 
selbst  aufiuhelten,  oder  von  ihrerVolIaiehung  Beamte 
'Und  andere  Individuen  zu  entbinden***).    In  Besug  auf 

*)  Der  Eingang  der  alten  Charte  vom  4(en  Jaai  1814,  welcher 
eben  das  Verhältniss  der  di^  Verfassung  freiwillig  gebenden  Dy- 
nastie Bourbon  aussprach,  ist  in  der  neuen  Verf.  vom  7ten  Aagust 
1630  als  eine  Verletzung  der  Nationalwürde  gestrichen. 

""*)  Verf.  vom  7ten  August  1830  %  12;  eben  so  Verf.  1814f.I3. 

^*0  Bis  auf  den  letzten  mit  Sperrsctirift  gedruckten  Zusats  wa- 
ren die  vorangehenden  Bestimmungen  unverändert  aqs  §.  14.  der 
Verf.  1814  in  den  {.  13.  der  Vert  von  1880  über|;egangen^  und  nur 


Frankreich;  SgS 

dia  Bildiiiig  Im  Hmth  üt  die  Cfewatt  dei  Küiiig«  noeb  beion-  ' 
ivn  dnrcb  don  Zucnts  cl«r  VerfHiong  TOm  Jahre  1830*)  b»~ 
■chriakc  wordm,  dus  uiiUBdiMk«  Tiapjian  dut  renaÜK«  »10«» 
be*ODd«ren  GeMisn,  da«  die  6«nakmif(aiij(  »11er  drü  g«Mtigfl- 
bcndett  G«indMa  «rluigt  bUte,  in  dm  StaktiditDst  uifgenonuB«» 
Verden  dflrftea.  I>er  Kbnig  hat  du  Recht  ra  beguAdigea  nod- 
4ie  Str«fpa  sa  mildem**).  Er  eidieilt  Bllein  Orileii  und  Adali- 
briefa  naeb  MiDem  Betiabea,  ■•  «ie  a  aar  MiM«Uieiiliab  de» 
Rüg  «rh&bsii  Icutn,  jeiloeb  mt  d«;  Beatimnung,  ilui  die  alten 
Adelatitel  tot  der  Rerolution  und  die  neuen  wlhread  dei  Kai- 
lerthuns  ervoibenen  ia  ihren  Rechten  Terhiciben.  Aber  keiae- 
Rangerhmiong  duf  tut  agend  eiiMr  Befrmnng  von  d«ti  Laate» 
■ad  den  PfliiAtea  der  OewiUiehaft  «erknit^  lain-").  Der  KS~ 
■ig  und  aeiae  NaeUolger  aind  veqifliditet,  bei  ihrer  Tbronbe- 
rte^aa^f  vor  dea  bewten  veoantBteltßa  Kainaiem  auf  treu» 
feeabachtnag  der   «»BaütatiaaaUMi  Charte  den.  Cid  mu  leüten  f)- 


•B*  dleaerdieWor^  Sicberbeit  de>  Siaaies  nach  AusCbunf;  der 
6e«eiae  aaageUMeis  weil  diese  (e»de  *on  dem  Mioiatetiiun  Carls  X.  • 
>U  CID  Hoti*  fdr  die  OidonoauzeD  vom  ^len  Juli  igjd  ge- 
braucht Taren. 

•)  ZumUi  des  ^  18.  der  Tert  Ton  1S30.  Er  war  weniger  «ur 
faaacieUen  Gründen  berbeigefiibrl,  als  aus  der  Erinnerung,  dau- 
iBe  Schweiier  Trappen  in  der  Jnli-Revotuiioa  1930  eben  so  hart- 
Bickig.  vie  an  dem  ISien  August  HÜIr  dos  kSnigliche  Haus  und  die- 
Ebre  ihres  Eidee  der  Treue  verttieidigl  halten;  ea  war  also  inner, 
wie  es  auch  durchlas  fn  dermllitürischen  Ordnung  lip$i,'Ton  analündi- 
»ehen  nur  von  dem  Interesse d^sKirnig^abhängi^enTruppen  keine  Sym- 
pathie nil  der  dl&atlichen  Meinniig  zu  erwarten,  wenigstens  r— ■"■- 
diete  aich  geradesu  gegea  das  InleTeue  des  käniglicheu  Hi 
erUirU. 

••)  Tert  T.  1630  5^58;  unterändert  «hon  5.67.derVerf.v. 

***)  Veri  v<  1BM4.«I  nnr«t«nderitdit>nS.71.d<rV«if.v. 

i)  Verf.  V.  183»  S-  «ü.  Bafür  hiesa  es  in  der  Terf.  v. 
}■  14,  das«  dieser  Eid  bei.  der  Feierlicltkeit  der  KrönuD«  «eli 
«erden  eullte.  £■  Mand  als»  in  der  Willkühr  der  Könige, 
7*ii  der  Eideslei  sinn;  zu  beMinmenr  d«  der  Termin  der  Mroni 
^Weaoaie  u>a  ibaea  abbiag,  nad  anasAdem  waren  sie  ntdu  e 


184  Frankr^ick 

Die  Geburt  Ustimint  über  ige  Tbroofolge,  wttlelie  ML  4er 
Dynaftie  Orleana  im  ManneMlanme  nach  dem  Entgebiurtoreolite 
TerUeibty  jedocb  mit  iteter  AoMeUieatung  det  weibÜehea  Ge* 
•chleohtf  md  deren  Nachkl^mlinge  *);  die  VelljährigkeiC 
wird  für  den  Thronfolger'  mit  dem  Tiersebnien  liihre,  fibr 
die  übrigen  Prinzen^  von  GebUlt  mit  dem  imrückgelegten  ack't* 
sehnten  Jahre  erreicht  ber  König  aliein  gewährt  deli 
Geeetien  die  rechtigttltige  Sanetion  und  macht  aie  dffent* 
lieh  bekannt  <"%  Die  Civiliiste  des  Königs,  oder  der  flir 
den  Hofhalt  aur  antschlieulichen  Verf&giing  dee  Königs  be- 
stimmte Theii  des  Staats- Ausgaben-Bndgets«  wird  für  die  ganae 
Dauer  der  Regierung,  gleich  von  der  ersten  getetigebeiiden  Ver« 
Sammlung  nach  der  ThronLetteigung  des  Königs  lesfge  i teilt  ***>. 
Die  gesetsgebende  Gewalt  tkeilt  der  König  mit  dea 
Stellvertretern  des  Volks,  die  alle  fittlnde  gemeinschaftlich  re- 
praesentiren,  aber  in  zwei  Kammern  ihre  Sitsuagen  halten,  in  dw 
Chambre  des  Paira  und  in  der  Chambre  dus  Deputesf). 
Eben  so  steht  das  Recht  ein  (Peseta  vorsuschlagMi  gemeinschaft- 

Ihigt  den  Eid  unter  der  Autorität  der  Kammern  abzulegen,  mid  diese 
«dadurch   zur   Controlle    der    wichtigsten    Regierungshandlutig   zu 
berechtigeo. 

*)  Erklärung  der  Deputirtenkammer,  al»  NationalversainmloDg, 
vom  7len  August  1830  Schlnsssatz;  Gesetz  des  Staats  geworden 
durch  die  Annahme  der  modificirten  Verfassung  des  Herzog  Lud- 
wig Philipp  von  Orleans,  als  Hauptes  der  Dynastie  Orleans,  und 
durch  den  Beitritt  der  Pairskammer  zu  diesem  Akte,  der  noch  an 
demselben  Tage  erfolgte. 

**)  Verf.  V.  1830  $.  18;  eben  so  VerL  v.  18I4,(  2X 

*«*)  VeK.  v.  1890  §.  19;  unverändert  schon  Verf.  v/ 1814  §.  ^ 
Sie  wurde  für  den  gegenwärtigen  König  1830  nach  sehr  widerwär- 
tigen Debatten,  die  nicht  weniger  als  über  eine  Differenz  von 
14,000,000  Fr.,  zwischen  18  und  4  Millionen  schwankten,  darauf 
mit  1*2,000,000 Fr.  (3,240,000 Thlr.)  festgesetzt:  ausserdem  für  den  Dau- 
phin 1,000,000  Fr.  (270,000  Thlr.)  und  nachdem  er  sich  vermählt  ha. 
ben  wird,  ?,Opa,OOOFr.  (540,000  Th.):  allerdings  noch  nicht  die  Hälfte 
der  CivilliMe  für  Karl  X.  die  mit  de'tai^Etat  des  Herzogs  von  Angou- 
lerne  auf  3I,000»000  Fr.  (8>370,000  Thlr.)  bestimmt  war. 

^)  Verf.  V  3.  1880  S*  Uf  gleichlautend  mit  {.  15.  in  decVerf. 
vom  Jahre  1814. 


^ 


Frankreich.  18S 

li«h  4tm  Könige  und  Jeder  der  beiden  lEBiiiiileni.rsii^.  Dm 
v«a  Kdnige  rorgeiehUgene  Gesists  kann  naeh  feinem  Belieben 
in  .ein«  Ten  beiden  Kammern  snergt  eingebraeht,  also  gleiebsei- 
tig  ein  Cieaetseavonehlag  suerit  den,  DepaCirten,  ein  anderer 
meist  4uk  Paira  Torgelegt  werden,  doch  mit  Ausnahme  des  Bud- 
gets,  das,  wie  in  England  dies  gleichfalls  Jedesmal  suerst  dem 
Unterhanse  übergeben  wird,  stets  suerst  in  der  D^utirtenkam- 
mer  berathen  werden  muss  **):  die  Ton  den  Kammern  selbst 
durch  ihre  Mitglieder  auerst  eingebrachten  Gesetsesrorsehli^;« 
werden  natürlich  suerst  in  den  Kammern,  welchen,  die  Mit- 
gUeder  angehören,  beratiien,  und  als  vollständige  durch  die  Ma-' 
--JoritiU  gefasste  Besehlfisse  «den  anderen  beiden  gesetsgebenden 
Gewalten  yorgeiegt  Jeder  Gesetaesrors^hlag  muss  aber  von  der 
Mafofit&t  einer- Jeden  der  beiden  Kammern,  die  mindestens  aus 
Mnem  Bfi^ede  mehr  als  die  H&lfte  der  überhaupt  vorhandenen 
Depotirten  nnd  Pairs  besteht,  frei  berathen  und  eben  so  frei 
darüber  abgestimmt  werden:  wird  ein  Gesetaesvorschlag  von  eir 
ner  düsser  drei  gesetsgebenden  Gewalten  verworfen,  so  darf  er 
in  derselben  Sitsung  nicht  noch  einmal  vorgelegt  werden**^ 


*)  Verf.  V.  J.  1830,  §.  15.  D}e8  ist  eine  der  wesentlichsten 
Veränderungeli  der  neuen  Yerfassungsurkunde,  da  nach  der  älteren 
vom  J^  1814»  §•  16  die  Initiative  zu  den  Gesetzen  ausschli^sslicb  detai 
Könige  gebührte,  und  nach  §.  18.  dep  beiden  Kammern  nur  das. 
Recht  eingeräumt  war,  den  König  zu  bitten,  über  irgend  einen 
Gegenstand  ein  Gesetz  vorzuschlagen ,  wobei  zugleich  angegeben 
werden  durfte,  welche  Bestimmungen  nach  ihrer  Ansicht  das  Gesetz 
enthalten  dnrft^.  ^  ^ 

**)  Verf.  V.  J.  1830,  §.  15.    Zusatz;  Verf.  1814.  §.  17  nnd  §.  47* 

«*«)  Terf.  V.  J.  1830  §•  16  und  17.  Der  erste  Thefl  dieses 
Satzes  ist  auch  In  der  Verf.  v.  J.  ]814,  §.  18.  enthalten,  der  zweite 
Theil  Ist  aber  eine  wesentliche  Beschränkung  der  königlichen  Ge- 
walt In  der  neuen  Terfassungsurkunde,  die  inzwischen  aus  der 
Theilung  der  Initiative  folgt;  sie  bestand  (ruher  nach  §.  30  und  31 
der  Yerf.  Vi  1814  nur  In  Bezug  auf  die,  von  den '  beiden  Kammern 
ausgehenden  Petitionen,  un|l  konate  dann  allein  als  eine  gegensei- 
tige Beschränkung  di^esR^tes  für  die  Pairs  und  DepuHrlen  gelten« 


^ 


186  Frankreich. 

'Die  Palrtkamner  hat  eine  irMHge  Umgeitaltimg  jdvteli  dte 
Geset«  Tom  29tett  December  1831  erkatten  *),  indem  daa  Reelit 
deF  Erblichkeit  ^leiee  Theilf  der  geeetsfi^ebenden  Gewalt  mif- 
gekoben,  dafür  die  lebtßnsl&nglicbe  Dauer  ihrer  W&rde  eiogeffthrt; 
und  ttberdiea  dbr  freie  Wille  det  Könige  in  der  EmeiMinng  so 
dieiem  Stande  besehrftnkt,  und  an  gewitse  Klassen  der  Beamtea 
und  Notabilit&ten  des  Landes  gewiesen  ist  Et  blieben  aber 
fblgende  Re«4ite  der  Pairskomraer,  wie  sie  sehen  in  der  Ver- 
fassung Ton  1814  festgestellt  waren,  nnangetasti^:  die  Kammer 
der  Pairs  ist  ein  wesentlicher  TheÜ  der  gesetzgebenden  Gewalt 
Frankreichs;  sie  wird  ron  dem  Klhiige  stets  an  gleicher  Zeit 
mtt  der  Dcputirtenkammer  berufen,  so  dass  die  Sessionen,  beider 
gesetzgebenden  Gewalten  an  demselben  Tage  erdffbet  und  ge* 
schlössen  werden  ^%  Daher  ist  jede  Session  der  Pairskammer, 
die  ausser  der  Versammlungsaeit  der  Deputirten  stattfände,  ge- 
setzwidrig, und  in  allen  ihren  Verhandlun^n  von  Rechtswegeii 
fttr  null  und  nichtig  ^erklärt;  es  sei  denn,  dass  sie  als  €Mchte- 
hof  einbwufen  wäre,  in  welchem  Falle'  sie  aber  aussehliesslick 
mit  Hchterlkben  Functionen  sich  besch&fdgen  moss**^  Als 
Gerichtshof  (la  cour  des  Pairs)  erkcAinen  die  Pairs  ausschliess- 
lich über  das  Verbrechen  des  Hochrerraths  und  über  alle  frevel» 
hafte  Unternehmungen  gegen  die  Sicherheit  des  Staats,   die  in- 


<^ß*mm 


*>  Dean  der  g.  68.  der  VerL  v.  1830  süess  sowohl  alle  unter  der 
Eegi^ng  des  Königs  Karl  X.  ernannten  Pairs  aus  der  Kammer  aus 
(es  waren  deren  76),  als  er  auch  verordnete ,  dass  der  §.  23  in  der 
Session  von  1831  einer  neuen  Prüfung  unterworfen  werden  sollte,  de» 
ren  Erfolg  dann  als  Ergänzung  dieser  VerfStissung  su  betrachten  wäre. 
Dieser  §.  23.  lautete  aber  folgender  Gestalt:  „die  Elnennung  der 
Pairs  steht  dem  Könige  von  Frankreich  zu.  Ihre  Zahl  ist  uneinge* 
schränkt:  der  König  kann  denselben  verschiedene  Titel  und  Wür- 
den ertheilen,  und  sie  nach  seinem  Gutbefinden  entweder  auf  Le- 
bensdauer, oder  mit  dem  Rechte  der  Erblichkeit  ernennen.^ 

*'')  Verf.  V.  1830,  §.  20  u.  ^U  eben  so  Verf.  v.  18U,  $.  24u.25. 

♦♦♦)  Verf.  V.  1830  §.  12}  davon  weicht  ab  der  §.  K  in  der  Verl. 
V.  J.  18149  di^  dem  Könige  uberhaiipt  das  Recht  sugestebt,  die 
Pairskammer  ausseroi-dentlich  zu  berufen,  während  in  der  neuen 
Verl.  der  Zweck  des  Gerichtshofes  lediglich  die  AldgUchkeil^  einer 
besonderen  Vcfeinigmig  der  Pairs  erlanbCi 


Frankreicli.  .       187 

swlMbea  nodi  dwoh  ein  ipMere»  Gasels  nwneDtlkh  fafgtfilhrt 
vwden  ioUeB%  •—  Dit  Prin^ea  von  Geblit  finil  Pnin  diurdi 
dftt  Recht  der  Geburt  uod  nehmen  ihren  Sit«  .unmittfdbar  nach 
dem  Präsidenten  ein»  sie  haben  Zutritt  in  der  Kammer**)  mit 
yirer  Voüjfthrigkeit,  die,  wie  eben  geeagt,  hei  demThreofolgermit 
den^  Ticnehnten  Jahre,  hei  den  übrigen  mit  dem  smikokgel^eii 
achtiehnten  Jahre  eintritt,  aber  eine  berathende  und  entseheidenda 
Stimme  erlangen  sie  hier  erst  mit  25  Jahren.  Die  iibtigen  f^aira  haben 
aehon  jnit  dem  fiinf  and  zwanzigsten  Jahre  Zutritt  zur  Paimkammert 
]edo<$h  erst  nach  dem  surftekgelegteo  dreissigsten  Jahre  eine  bera- 
thende Stimme***).  Dooh  dürfte  diese  letateie  Bestimmung  nur  jetzt 
noch  wenige  Jahre  lang  ron  staatsreehtiieher  Bedeutsamkeit  sein,  so 
lange  es  noch  Pairpgiebt^  die  dieses  Alter  nicht  enreidit  haben:  aus  dem 
sp&teren  Gesetze  über  die  Emehnung  der  Pairs  geht  aber  v^n  selbst 
hervor,  dass  höchst  selten,  oder  nie  der  Fall  eintreten  wird,  ^dass  Je«* 
mand  im  dreissigsten  Jahre  schon  die  Stufe  der  Notahilität  erreiebt 
haben,  sollte,  um' die  Emennungsfilhigkeit  zum  Pair  zu  besitzen.  Je* 
der  Pair  kann  nur  auf  Befehl  dieser  Kammer  Haft  erleiden,  und  darf 
in  allen  peinlichen  Sachen  nur  von  ihr  selbst  sein  Urtheil  empfan- 
gen f).  Den  Vorsitz  in  der  Pairskammer  fiihrt  der  Kanzler  von 
Frankreich  ond  in  seiner  Abwesenheit  ein  vom  Könige  dazfi 
besonders  ernannter  Pair  ff).    Die  Sitzungen  der  Pairskammepr 


*)  Verf.  y.  183D,  §.28,  gleichlautend  mit  §.  33.  derVerf.y.  1814.  — 
Der  Mord  des  Herzogs  von  Berry  durch  Loavel  1830  gehörte  ganz 
«igenthömlich  vor  die  Pairskammer,  weil  er  als  eine  frevelhafte  Ün* 
temehmong  gegen  die  Sicherheit  des  Staates  betrachtet  werden  musste 

**)  Verf.  V.  1830  S-  26  und  Verf.  18I4>  §.  30,  Jedoch  in  der 
letzteren  mit  der  jet^  nicht  mehr  gültigen  Beschränkung  in  §.  31i  > 
dass  die  Prinzen  nur  auf  einen  besonderen  in  einer  Botschaft  iür  jede 
Session  ausgedrückten  Befehl  des  Königs  Sllz  in  der  Kammer  nehmen 
durften,  bei  Strafe  der  INichtigkeit  von  allen  in  ihrer  Gegenwart  ver- 
bandelten Beschlüsse:'^  dieser  Zusatz  war  aber  damals  nur  in  Be« 
Zug  auf  den  Herzog  von  Orleans  aufgenommen,  weil  man  schon 
damals  seinen  Anhang  und  Einflnss  für  den  älteren  Zweig  des 
königlichen  Hauses  befürchtet. 

***)  Verl:  ▼.  1850.  §.  24.  gleichlantend  mit  §.  38.  in  d.  Verf.  t.  1814. 

+)  Verf.  V.  1830,  }.  29  und  §.  34  d.  Verf.  v.  1814 

H)  Verf.  V.  1830,  S-  25,  glelchUutead  mU  {•  20  d.  Verf.  v.  1814. 


188  Eraak  reich. 

sind  gegenwlrlig  elien  to  Öffentlich,  wie  A)m  der  Depatirtpn- 
Jcainmer  *):  sie  köpnen  aUo  nur  auf  dai  VerUngea  v«a  fünf  Mit- 
gliedern ia  eis  geheiines  Comite  Übergehen«  * 

Die  Eniennvng  der  Pairt  bot  aber  noch  einen  hdehit  be- 
deutungsvollen Kampf  dar,  der  daa  fernere  Bestehen  derselbea 
überhaupt  noch  in  Zweifel  eetsen  konnte ,  wenn  man  durch  ein 
eifiiget  B^arren  bei  de?  früheren  Verfassung  dieser  Kammer 
.dieselbe  dein  öffentlichen  Widerwillen  und  "dier  kaum  su  Ycrmei- 
denden  Gefahr  eines  neuen  Aufstandes  aussetzte.  Drei  Fragen 
beschäftigten  ^aher  Frankreichs  innere  Politik  vorsugsweiacy 
nachdem  die  Dynastie  Orions  durch  die  Ableistung  des  Eides 
auf  treue  Beobachtung  der  neu  umgestalteten  Verfassung  vom 
Oten  August  183(^  im  Schosse  der  yersammelten  Kammern,  sich 
des  Thrones  von  Frankreich  Tersichert,  ia  Folge  dessen  über 
a«di  die  Ausscheidung  der  76  Pairs  Tom  fiten  Not.  1827  **)  «na 
der  Kämmer  bestfttigt  hattet  Soli  und  kann  die'  Pairskammer 
fernerhin  noch  aus  erblichen  Mitgtiedem  bestehon,  und  wenn  die 
Erblichkeit  aufgehoben  wird,  sollen  die  Mitglieder  derselben  auf 
Lebensdauer,  oder  nur  auf  eine  bestimmte  Anzahl  Ton  Jahren 
gew&hlt  werden?   Endlich  wer  soll  wählen,  der  Monarch  wie 


*)  Die  Oefltentlichkeit  der  Pairsberathuiigen  ist  eiue  wesent- 
liche VeraBderung  der  Verf.  T.lSSOrsie  war  ausdröckltcfa  nach  $.3% 
der  Verf.  v.  1814  untersagt  „alle  Berathschlaguffgen  der  Kammer 
der  Pairs  sind  geheim.''  Pilo  Sitzungen  werden  im  Palais  Luxem- 
bourg  gebalten. 

*^  Unter  diesen  befanden  sich  6  Erzbisch5fe,  und  auch  von 
den  weltlichen  Mitgliedern  sollten  nur  diejenigen  die  Pairswürde 
erblich  (wie  die  Erblichkeit  derseU>en  nach  dem  Gesetz  vom  24. 
August  1815  nach  dem  Recht  der  Erstgeburt  gehen  sollte)  erlangen, 
welche  ein  Majorat  von  wenigstens  10»000  Fr.  (2700  Thlr.)  reinem 
Einkommen  in  liegenden  Gründen  stiften  konnten.  Inzwischen  wurd^ 
dem  Yermögensmangel  der*  meisten  dieser  Pairs  bald  darauf  von 
Slaatswegen  durch  eine  pevpetuir liehe  Rente  von  demselben 
Betrage  aaf  da»  grosse  Schuldbucb  der  Nation  abgeholfen,  die  eben 
so  wie  die  liegenden  Majorats«G runde  unverkünU  nach  dem  Rechte 
der  Erstgeburt  vererbt  werden  sollte.  ^ 


Frankreich.  189 

frfiher,    oder  foU  die  Pairtkammer  tidi  telM  mn  beitiiiiMf«m 
Notaktlitäten  erg&Bien,   oder  toU  diese  Futtction  dureli  die  Do- 
patirtenlcaBimer  yerrichtet  Verden,  oder  gar,  wie  ea  gegenwärtig 
in  Belgien   geschieht»   in  den  Departementr-Wahirersanimlungen 
durch    die  Wähler  gleichieitig   mit   den  Wahlen   der  Deputirten 
erfolgen,  end  bei  lebentl&ngliei^er  Dauer  der  Paicswirdt ,   lo  o^ 
irgend  eine  iir  dn  bestimmtea  Departement  erledigt  acin  wird!  -«• 
Die  Fortdauer  der  Erhliehkeit   der  Pairtkammer,   ao  n^eaendieh 
sie  aneh  nur  Consolidirung  der  Monarchie  erschien,  musste   bald 
selbst  von  ihren  Vertheidigem  ab  unausführbar  aufgraben  wer- 
den, weil  die  Blajoritit  der  öffentlichen  Meinung  su  gewaltig  da- 
gegen  andrängte,  um  nur  die  Elmennung  auf  Lebensdauer  ^und 
ihre  aoaschliessliche  Abhängigkeit  Tom  dem  Oberhauple  des  Staa- 
tes^stt  retten,  weil  ohnedies  die  Pairskammer  als  ein  nur  dem  Na« 
Ben  nach  bestehender  besonderer  Staatskörper  gelten,  sonst  aber 
ihre  grossartige  Bedeutsamkeit  rerliei^n  und  mit  der  Deputirtenkam- 
mer  Tdllig  susammenfallen  mnaste.    Unter  der  sorgfältigsten  Be- 
räcksichljgttng  soldier  besonderen  Umst^de*)  l^te  Casimir  Pa- 
rier, als  Präsident  des  Miauter-Conseils  am  27ten  Augnst  1831, 
das  nene  €resets  aber  die  Ernennung  der  Pairs  in  unbesebränkter 
Zahl  auf  Lebensdau^  aus  bestimmten  Notabilitäten  (die  bereits 
oben  $.  7.  S.  59,  genau  aufgeführt  sind)  der  Deputirtenkammer 
Tor,  und   erlangte  nach  heftigen  siebenwöchentlichen  Debatten 
am  ISten  October  IS3I   daselbsl  seine   Annahme  mit  380  Stim- 
men g^Mi  40;    Naidi  einem  gleichen  Kampfe  in  der  Pairskam- 
mer **),  der  hier  Tom  Idten  November  bis  aun  28ten  December 


*)  Casimir  Perier  erklarte  in  der  Depuürtenkasnner  ganz  offen, 
dass  er  hier  gegen  seine  bessere  Ueberzeugong  einen  GesetzesTor- 
schlag  einbringe,  dass  er  aber  dieselbe  dem  au  laut  ausgesproche« 
■en  WiUcn  der  Majorität  im  Volke  zum  Opfer  bringen  wolle. 

>  ' 

*♦)  Ungeachtet  der  grossen  Majorität  der  Deputirtenkammer  lär 
die  Annahme  des  Gesetzes,  war  geringe  Hoffnung  es  selbst  in  der 
durch  den  Anstritt  mehrerer  CarlWa,  die  den  £id  der  Treue  gegen 
Ludwig  Philipp  verweigert  hatten,  sehr  geschwaditen  PatrskasisKT 
durch  zubringen.  -  Perier  musste  daher  gezwungen  zu  dem  früher 
mit  80  stärken  Vorwürfen  angegriffenen  Mittel  des  ¥ilUlischen^ä&- 
aisterinms  schreiten,  durch  eine  Ehkenanng  von  neuen  Faira  en  -  " 


190  '  Frankreich.       '    / 

wAhrte,  ging  «i  mit  102  Stimmen  gegen  68  dureh«  und  erlangte 
sofort  durch  die  'königliehe  Sauction  am  29ten  Pecember  die 
Kraft  einee  Staatagrundgeietves.  In  demselben  wurden  sehliess- 
lick  noch  als  allgemeine  Bestimmungen  für  die,  künftig  lu 
ernennenden  Pairs  festsgeteilt,  dass  die  Bedingungen  der  Zu- 
lllssigkeit  «ur  Pairie  durch  ein  Gesetz  noch  modiücirt  werden 
können,  das«  die  Cri(iennung8  •  Ordonnanzen  die  Dienste  nament- 
lich erwaJinen  und  sugleich  die  Titel  anzeigen  sollen,  auf  welche 
die  Ernennung  gegründet  wird,  dass  die  Zahl  der  Pairs  stets 
unbeschrftnkt  veVbleiben,  dass  ferner  der  Rang  der  Pairs  unter 
«inander  nach  der  Ordnung  Ihrer  Erkennung  stattfinden,  und 
endlich  dass  in  Zukunft  weder  ein  Gehalt,  noch  eine  Pension« 
noch  irgend  eine  Dotation  mit  der  PairswÜrde  verbunden  sein 
•ollen*).  —  Die  Pairskammer  bestand  im  Januar  1834  aus  248 
Mi^liedenu 

Die  Deputii^tenkammer  wird  aus  den  Deputirten  lusam- 
mengeseta^  welche  von  den  Wahl-Collegien  gewählt  werden,  deren 
Organisation  di^ch  besondere  Gesetse  (if.  §.  16.)  bestimmt  ist  Die 
Depulirten  werden  gegenw&rtig  wieder  aof  fünf  Jahre  erwühlt**). 


sich  die  nothwendige  Majorität  erst  zu  bilden.  Auf  sold^e  Weise 
wurden  am  19ten  November  1831  auf  einmal  36  neue  Pairs  ernannt, 
und  sowohl  diese,  als  auch  die  schon  früher  von  Ludwig  Philipp 
creirten  Pairs  von  der  ErAillung  der  Bestimmungen  des  neuen  Ge- 
setzes ausgenommen. 

*)  S.  d.  Gesetz  über  die  Pairie  v.  1831  bei  Pölits  m.  e.  O. 
8.  117.  Die  an  die  Pairs  früher  vergebenen  Pensionen  waren  an- 
lünglich  unbeschränkt:  durch  das  Gesetz  vom  ISten  Febr.  iSU 
w^nrde  aber  bestimmt,  dass  keine  neue  solche  Pension  über  l^OOd 
Pres.  (3240  Thlr.)  jährlich  gestellt«  und  dass  der  etwa  noch  vorkom- 
mende Ueberschuss  über  diese  Summe  beim  Absterben  eines  alten 
Pairs  dem  Flscus  anheim  fallen  sollte. 

**)  Beide  Bestimmungen  sind  gleichlautend  in  der  Verf.  von 
1830.  f.  30  u.  31  und  in  der  Verf.  von  1814  §.  35  und  37)  jedoch 
ist  in  der  Zwischenzeit  die  frühere  Anzahl  (1814)  der  Deputirten  von 
1156  seit  dem  Jahre  18^  auf  480  erhöht  worden,  und  zwar  258  die 
in  den  BezirJuversammlungeD  der  einzelnen  Departements  gewählt 


I 


Frankreich.  191 

Jeder  Depntirfe  imitf  w^nigatent  ein  Lebentiftlter  von  dreinsig 
Jahren  haben  und  500  Free,  (135  Thlr.)  an  directen  6run<lsteueTn 
zahlen  %  Findend  eich  jedoch  in  einem  Departemente  nicht  50 
Personen  von  dem  angegebenen  Alter,  die  sngleich  die  oben  be- 
•timmte  Summe  in  directen  Steuern  entrichten,  so  soll  ihre  Zahl 
aus  den  höchst  Besteuerten  unter  jenem  Steuerbeitrage  ergäns^C 
werden,  aus  deren  Mitte  ab«  dann  gemeinsohaftlich  mit  jenen 
voll  besteuerten  Staats  «Bürgern  die  Wahl  vorgenommen  werden 
darf**).  -—  Die  W.ähler  müssen  wenigstens  das  fünfundzw^tn- 
sigste  Jahr  surückgelegt  haben  und  200  Frcs.  (54  Thlr.)  an  di- 
recten Steuern  entrichten***).  Die  Präsidenten  der  Wahi-Coüe- 
gien  werden  von  den  Wählern  jedesmal  ernannt  j-).  Wenigstens 
die  Hälfte  der  Deputirten  muss  von  Wahlfähigen  gewählt  wer^ 


werden  9  und  17^  die  aus  den  Departementsversammlungen  der  am 
höchsten  besteuerten  Bürger  ernannt  sind,  nnd  ausserdem  seit  1623  die 
Bauer  ihrer  repraesentativen  Function  von  fünf  auf  sieben  Jahre 
gesteigert  gewesen.  Im  Jabre  1831  fand  eine  abermalige  Erhöhung 
der  Zahl  der  Deputirten  um  '29  Ind.  statt ,  so  dass  gegenwäi«ig  459 
Mitglieder  die  Kammer  bilden.  \  ' 

*)  Verf.  V.,  1630,  §.  3d  und  das  besondere  Wahlgesetz»  das  erst 
5  Monate  später  am  SOsten  Dec.  1830  den  Deputirten  zur  Berathung 
vorgelegt,  und  nach  vielen  Vorschlägen  über  eine  noch  grössere  Verrin- 
gerung des  Census  in  der  obageji  Summe  fef tgestellt  wurden  davon 
'  wich  ab  §.  38  der  Verf.  v.  1814,  welcher  ein  Lebensalter  von  40 
Jahren  und  die  j^hrl^che  Einrichtung  von  1000  Fr.  (270  Xhlr)  dt* 
recten   Steuern  für  jeden  Deputirten  vorschrieb. 

**)  Gleichlautend  in  §.  .33  d.  Verf.  v.  1830  und  in  $.  39  d.  Verf. 
V.  1814  bis  auf  die  im  letzteren  bestimmte  Summe  von  1000  Fr.  Steuern. 

***)  Verf.  V.  1830  §.  34  und  Wahlgesetz;  früher  war  das  Alter 
der  Wähler  auf  30  Jahre  und  die  Summe  ihrer  directen  Stenem 
auf  300  Frcs.  (81  Thlr.)  bestimmt,  Verf.  v.  1814.  §.  40. 

i*)  Verf.  V.  1830  §-  ^  Ganz  entgegengesetzt  war  die  frühere 
Bestimmung  der  Verf.  v.  1814  §.  41,  welchf  die  Wahl  dieser  Präsi- 
denten dem  Könige  übertrug  und  dieselben  zu  gesetzlichen  Mitglie- 
dern des  OoHegiums  machte.  Dies  wurde  von  der  Regierung  häufig 
benutzt,  zu  den  Präsidenten  solche  Männer  zu  wählen,  die  sie  selbst 
als  Deputirte  gewählt  zu  sehen  wünschte ,  oder  deren  Einfluss  auf 
die  Versammlung,  wenn  sie  aus  der  Mitte  der  Pairs  oder  anderer 
hoher  Staatsbeamten  gewählt  waren,  wenigstens  die  Wähler  bestim- 
men sollte,  einen  der  Regierung  ergeben^  Candidaten  zu  wählen« 


192  Frankreich* 

den,  die  ihren  poliaschen  Wohntits  im  Departemnnt  habend 
Der  Prftfid«nt  der  Deputurtenkamnier  wird  von  den  Deputir- 
ten  leibit  bei  der  Eröffnung  einer  jeden  Sitiung  erwähle**). 
Die&itsnngen  der  Deputirten  sind  Öffentlich,  jedoch  reicht  da« 
Verlangen  von  fünf  Mitgliedern  hinsu,  dass  die  Kammer  sich  in' 
ein  "^geheimes  Comite  verwandle.  Nach  der  Eröffnung  der 
Seiiiion  theilt  sich  die  Kammer  sofort  in  Bureaus  lur  ErÖrCe- 
rung  der  ihr  von  dem  Könige,  von  den  Ministern  oder  sonst 
anf  gesetzmässige  Weise  vorgelegten  Entwürfe  ***)•  Keine 
Auflage  Icann  in  Frankreich  eingeführt  noch  erheben  werden, 
die  nicht  von  beiden  Kammern  bewilligt  und  vom  Könige 
bestiegt  ist:  überdies  wird  die  Grundsteuer  nur  auf  ein  Jahr  be- 
willigt; die  indirecten  Auflagen  können  zugleich  auf  mehrere 
Jahre  zugestanden  werden  f):  über  das  Einbringen  des  Budgets 
ist  schon  oben  bei  der  Pairskammer  berichtet  worden.  Der  Kö- 
nig beruft  jedes  Jahr  beide  Kammern  ein,  und  bestimmt  auch 
eben  so  ihre  Verta^ng:  die  Deputirtenkammer  kann  auch  von 
ihm  völlig  aufgelöset  werden,  doch  muss  in  diesem  Falle  inner- 
nerhalb  drei  Monate  eine  neue  gewählt  und  zu  einer  Session  ein- 
berufen werden  ff).     Keine  H|ift  darf  gegen  ein  Mitglied  der 


*)  Verf.  V.  laao  S*  36|  übereinstimmend  mit  ].  43  d.  VerC  t.  1814. 

**)  Yerf.  T.  1830,  S*  37.    Dies  ist  eine  sehr  gcwichtvoUe  Verän- 
'  derung  der  früheren  Verf.,  nach  welcher  §.  43  der  Präsident  von  dem 
^Könige  selbst  aus  fünf  von  der  Kammer  gewählten  und  repräsentirteu 
BütgUedem  ernannt  wurde.  ^ 

***)  Beide  Bestimmungen  befinden  sich  ^eichlautend  Yerf.  v. 
1630t  §.  3d  und  39  und  YerL  von  1814  f.  44  und  45,  wo  aber  §.  46, 
der  jetzt  aufgehobene  Zusatz  sich  noch  befindet:  „keine  Abänderung 
kann  in  einem  Gesetze  getroffen  werden,  wenn  sie  nicht  in  einem 
Ausscbuss  vom  Könige  vorgeschlagen,  nicht  in  die  Bureaus  gesandt^ 
und  darin  vorher  beraihea  worden  ist*'  Die  Zahl  dieser  Bureaus 
ist  bis  jetzt  9  gewesen,  und  zwar  'nach  den  9  Hauptfächern  der 
Staatsyerwaltung  vertheilt. 

4-)  Terf.  v.  1830,  §.  40  und  41,  gleichlautend  mit  Verf.  v.  1814, 

•  if.  48-49 

-ff)  Auch  diese  Bestimmung  ilt  unverändert  in  der  Verf,  v.  1830  ^ 


Frankreich.  193 

Depatirtenkaiuiner  v&hrend  der  Sitzungi  noch  in  den  tech« 
Wochen  vor  und  nach  derselßen  verfügt  werden:  eben  so  ve« 
Big  kann  ein  Mitglied  Ivährend  der  Dauer  der  Session  in  Cri- 
minalsachen,  ohne  vorher  erfolgte  Erlaubniss  der  Kan^mer,  ver- 
folgt oder  verhaftet  werden,  es  sei  denn  dass  der  Deputirte  ai&f 
frischer  That  festgenommen  würde*).  lede  Eingabe  an  die  eine 
oder  die  andere  Kammer  darf  nur  in  schriftlicher  Form  vorge^ 
legt  werden;  und  es  bleibt  gesetzlich  verboten ,  dieselbe  in  Per- 
MQ  vor  die  Schranken  zu  bringen  **)• -^ Die  Minister  können 
Ktglieder  derPairs-  oder  der  Deputirtenkammer  sein:  ausserdem 
iiabea  sie   den  Zutritt  in  beide  Kammern***)  und  müssen, ge- 


f.  42  and  in  der  Verf.  v.  1814»  $.  5^  Der  Fall  ist  z.  B.  ein^vtreteu 
darcfa  die  AaflÖsungs-Ordonnanz  vom  SCen  November  18279  die  tu« 
gleich  die  neuen  Wahl  -  Collegien  einberief  und  die  Br^ffaung  der 
Siizongen  der  neu  gewählten  Deputirten  auf  den  5ten  Februar  1896 
fcststelhecx  eben  so  wurde  die  Deputirtenkammer  durch  die  Ordon<* 
UBi  vom  Ißten  Mai  18;)0  aufgelöst,  die  zugleich  die  neuen  Wahlen 
^ordnete  und  die  Eröffnung  der  Session  auf  den  3tea  August  18^ 
bestimmte.  Die  letzte  Auflösung  der  Deputirtenkammer  erfolgte  am 
SSten  Mai  1834,  obgleich  dieselbe  erst  im  Juli  1831  gewählt  war,  alsi» 
fehlten  noch  2  Jahre  an  der  gesetzlichen  Frist.  Als  Grund  dafür 
▼vrde  angenommen ,  dass  die  Voti hing  des  Budgets  das  Ilauptge» 
Schaft  der  Kämmet  wäre,  dass  diese  Itammer.  aber  5  Budgets  für 
die  Jahre  1831,  183%  1633,  1834  und  1835  votirt>  also  dieses  Ge^ 
^äft  schon  fänfmal  aufgeführt  und  damit  die  gesetzliche  Frist  tMT» 
^t  habe.  Die  neuen  Wahlen  erfolgten  vom  21ten  Juni  1834,  und 
ihr  erster  Zusammentritt  war  auf  den  2CKen  August  1834  angesetzt. 

*)  Gleichlautend  in  d.  Verf.  v.  1830,  S.  43  n.  44  und  Verf.  v. 
1914  {.  51  und  5%  fis  musste  also  in  dem  letzten  Criminal-Pro» 
ccsse  gegen  Audry  de  Puyraveau,  wegen  Theilnahme  an  einem  be» 
Migenden  Schreiben  gegen  den  Pairshof,  als  Richter  ober  die  PaHser 
»d  Lyoner  n.  a.  des  Hochverraths  Angeklagten,  die  Vollstreckung 

,^  Unheils  der  einmonatlichen  Haft  vom  Pairshof  nicht  nach 
l>c«ndigter  Session,  sondern  erst  6  Wochen  nach  Beendigung  derselben 

'hestimmt  werden,  weit  der  Verurtheilte  ein  Deputirler  war. 

**)  Verf.  v.  1830,  S*  46,  völlig  übereinstimmend  mit  {.  63^  der 
Verf.  V.  1814. 

***)  Ganz  entgegengesetzt  der  Englischen  Verfassung,  welche 
Sclmbert's  Bttttlftik  If.  13 


194 ,  F^ankreicli. 

liört  \rer<lon»  so  oft  sie  es  verlangen.«  Die  Dcputirtenkammer 
besitzt  das  Recht»  die  Hinister  zur  Verantwortung  zu  ziehen 
und  bei  der  Pairskamm er  anzuklagen,  die  wiederum  allein  berech- 
tigt ist,  das  Urtfaeil  üb^r  die  schuldigen  Minister  zu  sprechen  *).  *— 
Die' Sitzungen  der  Deputirtenkammer  finden  im  Palais  Bourbon 
stdtty  oder  richtiger  gesagt^  auf  dein  Grande  des  vormaligen  Pa- 
lais Bourbpn,  indem  schon  von  Napoleon  hier  das  Palais  für 
den  gesetzgebenden  Körper  erbaut  war.  Die  Aufsicht  über 
die  laufenden  Geschäfte  führen  zwei  Quästoren,  die  vom  Kö- 
nige  ernannt  werden,  in  dem  Gebäude  selbst  wohnen  *und 
ohne  des  Königs  Erlaubniss  sich  nicht  aus  Paris  entfer- 
nen dürfen;  sie  veranlassen  auch  die  aussei^rdentlichen  Zu- 
sammenber^fungen  während  der  Session.  Die^Protocolhe  wer- 
den abwechselnd  durch  vier  Secretäre  geführt,  welche  aus 
der  Mitte  der  Deputirten  gewählt  werden.  Die  Ordnung  in  den 
Verhandlungen  bei,  jede^  einzelnen  Sitzung  wird  nach  der  Zeit 
d<^r  Annahme  derselben  durch  den  Praesidenten  bestimmt:  sie  bleibt 
zur  öffentlichen  Bekanntschaft  aufgestellt  liegen,  und  jedes  Mitglied 
weiss  daher,  nach  welcher  Reihenfolge  die  Gegenstände  zur  B^rathung ' 
kommen,  aber  auch  zugleich  wie  viel  als  Redner  für,  joder  ge- 
gen den  vorliegenden  Gegenstand  sich  bei  dem  Präsidenten  ha- 
ben einschreiben  lassen.  Es  ist  abef  nicht  nöthig,  dass  immer 
iämmtliche  angemeldete  Rednw  von  der  Kammer  gehört  wer- 
den, sondern  wenn  der  Gegenstand  hinlänglich  erörtert  zu  sein 
scheint,  ^  kann  durch  ein  auf  Mehrheit  der  Stimmen  begründete 
Forderung  der  Kammern  der  Schluss  der  Debatte  und  gleich  d  ir- 
auf   die  Abstimmung  verlangt  werden,   die  gemeinhin  bei  weni- 


gen Minister,  dem  nicht  das  Glück  zu  Theii  geworden  ist,  als  Peer 
oder  als  gewähltes  Mitglied  des  Unterhauses  den  Parlameutsverband-r 
lungen  beizuwohnen,  ganz  von  der  Theilnahme  an  der  gesetzgeben- 
den Gewalt  in  seinem  Staate,  ausschliesst.  Der  Französische  Ge- 
brauch ist  aber  als  der  bequemere  für  die  Staatsverwaltung  in  die 
späteren  Verfassungsgesetze  der  übrigen  constitutionellen  Suaten 
Europas  übergegangen,  wo  mithin  Minister  und  andere  königliche 
Commissarien,  ohne  das  Recht  der  Standsctfaft  zu  besitzen^  in  den 
Verhandlungen  als  leitende  Organe  des  Staats-Interesses  bleiben. 

*)  Verf.  V.  1830,  §.  46  und  47  und  Verf.  1814,  §.  54  und  65. 
Das  einzige  Beispiel  ist  bi*  jetzt  der  Process  gegen  die  Minister 
Carls  X.  im  December  1830  gewesei^. 


FrmnkrciGlu  195 

g&r  wiekttgea  Angelegenheiten  dareh  Sitsenblciben  und  Aufste- 
hen geschieht:  lätst  sich  jedoch  dabei  da«  Resultat  nicht  sicher 
übersehen»  so  wie  fiberhaupt  bei  jeder  bedeutenden  PropoBition, 
oder  deren  etnselnen  Theilen,  so  schreitet  man  snm  Ballotiren.  Die 
Beseitigung  der  ron  der  Kammer  nicht  su  erledigenden  Bittschrif- 
ten uiul  Beschwerden  erfolgt  entweder  durch  Verweisung  der- 
■eUien  an  die  dabei  betheiiigten  Ministerien,  oder  durch  das 
Abbrechen  der  Debatte ,  indem  man  über  dieselbe  sur  Tagfs* 
Ordnung  übergeht  Die  Dauer  der  Session  ist  nicht  be- 
stimmt, pflegt  aber  gewöhnlich  sechs  Monate  su  währen,  doch 
eher  l&ager,  als  kürzer;  dii^  snietit  geschlossene  hatte  gans 
genau  diesen  Zeitraum  gehalten,  indem  sie  am25sten  December 
1833  eröffnet  und  am  24sten  Mai  1834  geschlossen  war.  Die  ge- 
genwärtige Sitsnng  dauert  bereits  Ober  6  Monate,  da  sie  am 
Isten  December  1834   eröffnet  wurde  und  erst  in  einigen  Tisgen 

nach  dem  l&ten  Juni  1835  geschlossen  werden  wird. 

I 

Was  die  Zahl  der  Deputirten  nach  ihren  politischen  Ver« 
liiltnissen  betriffi,  so  ist  s^phen  seit  mehreren  Sessionen  gleich 
SU  Anfang  derselben  eine  eigene  Wahlstatutik  von  den  Öffentli- 
chen Blättern  bekannt  gemacht  worden*).  Im  Jahre  1827  wa- 
ren in  dem  letiten  Verwaltungsjahre  des  Ministeriums  Vill^le 
▼on  den  430  Mi^liedem  175  besoldete,  162  nicht  besoldete 
Beamten**),  also  im  Gänsen  337  Beamte  und  nur  93  gänslich 
unabhängige  Deputirte.  Im  Januar  1834  waren  bei  der  gegen- 
wärtigen Zahl  von  459  Deputirten  127  besoldete  Civil*Beamte^ 
41  Offieiere  des  Heeres  und  der  Flotte,  also  nur  168  im  Dienste 
des  Staates  stehende  Beamte,  ansserdem  43  Advokaten,  50  Kauf- 
leote  und  Fabrik -Besitser^  0  Aerste,  3  Notare  und  186  Gründ- 


*)  TergL  M.  F.  Chätelain»  la  itatistiqne  de  In  chambre  des  De- 
po!^ Paris  1835. 

**)  ÜBt^r  denselben  waren  3  dirigirende  Minister  mit  dem  Por- 
tefeuille, 6  Staatsmini  sier,  7  Generaldirectoren,  ^  Gesandte,  11  Slaats- 
r&the,  7  Maifres  des  Reiiu^es,  16  Gerichtsprisidenten,  19  General- 
ndvocaten,  17  Präftcten  und  ünferpräfecten,  1]  Präfeclnrbeamle, 
49  Generale  und^Staabsofficiere,  34  Finanz-  und  andere  Beamte  ei- 
nes niederen  Grades. 

12* 


196  Frankreiolu 

«igenlliüinflr,  nur  Ton 'Renten  und  der  Bewirthschftftnng  ihrer 
liegenden  Besitzungen  lebend ,  algo  291  Mitglieder  ohne  abhan- 
gige  Beziehung  gegen  die  Staatsverwaltung,  Bei  der  neu  im 
Juni  und  Juli  des  Jahres  1834  gewählten  Kammer  uibe/r  än- 
derten sich  diese  Verhältnisse  günstiger  lür  die  Majorität  der 
bestehenden  iStaatsverwaitung.  -Denn  es  wurden  su  den  450  De- 
putirten  207  besoldete  Civil-Beamto,  49  OfÜeiere  des  Heeres  und  der 
Flotte  gewählt»  also  258  Staatsdiener  oder  28  über  die  Hälfte  sämmt- 
lieber  Depntirten.  Ausserdem  wurden  40  .Advokaten,  44  Kauf- 
leute und  Fabrik-Besitzer,  6  Aerzte,  1  Notar  und  112  Omndet- 
genthümer  der  oben  näher  bezeiehneten  Classe  ernannt,  also 
nur  201  liicht  in  nothWendiger  Beziehung  gegen  das  Ministerium. 
Nach  den  vier  jetzt  in  Frankreieh  bedeutsaiuen  politisehen  Frac- 
tionen  waren  sie  dergestalt  getheilt,  dass  258  ministeriell,  59  dem 
tters.parti,  37  den  legitimistisehen  Ansichten,  und  105  der  stark 
liberalen  Opposition  zugehörten;  also  ^wo  die  Männer  des  tiers 
parti  sich  mit  den  Ministeriellen  vereinigen  (317  gegen  142)  mochten, 
atand  eine  Majorität  von  175  Stimmen  gebildet  Die  Zahl  der 
Gesammtwähler  betrug  1834  im  Juni  170,146  Berechtigte,  davon , 
haben  aber  nu)r  129,401  Stimmen  wirklich  an  den  Wahlen  der  De« 
putirten  Antheil  genommen,  so  dass  das  Interesse  am  Öffentlichen  Le* 
ben  in  Frankreich  gegenwärtig  doch  schon  so  weit  in  der  Abnahme 
ist,  dass  'beinahe  ein  volles  Viertel  der  Wähler  seine  Rechte 
nicht  wahrnahm.  Die  ministeriellen  Deputirten  -erhielten  45,078 
Stimmen,  die  Anhänger  des  tiers  pani  11,260  Stimmen,  die  le- 
gitimistisehen 5,644  St  und  die  änssersten  Oppositions- Deputir- 
ten 16,568  St,  Verhältnisse,  die  >kaum>*mehr  als  zweideutige  Aus- 
sichten für  eine  noch  lange  fortdauernde  Verdieidigung  der  doo- 
trinären  Ansichten  durch   di«  (öffentUiche  Meinung  gewähren.  —- . 

Als  allgemeine  Bestimmungen  der  Verfassung  für  die  Fest* 
Stellung  des  Verhältnisses  der  höchsten  Staatsgewalten  gegen 
das  Volk  sind  no^h  zu  bemerlLen,  dass  die  Staatsschuld  unter 
eine  allgemeine  Garantie  gestellt  und  jede  Art  von  Verbindlich« 
keit  des  Staats  gegen  seine  Gläubiger  unverletzbar  ist,  daks  der 
Code  civil  .und  alle  Gesetze,  welche  der  Verfassungsurkunde  von 
1830  nifht  zuwider  laufen,  so  lange  in  gültiger  Kraft  verbleiben, 
i\%  dass  sie  durch  neue  Gesetz»/  aufgehoben  werden ,  dass  die 
Colonien  nach  besonderen  Gesetzen  regiert  ^werden  sollen, 
also  auch  keinen  Anspruch  auf  Theilnahme  an  der  gesetzgeben- 


Frank  r^icb.  197 

r 

4tsk  Gewalt  Franknielit  nehmen  dftifenv  und  endiieli  dast  die 
CoottitationtiiTkinide  selbst  und  alle  durch  sie  gdieiligtieii  Rechte 
dOTi/Vaterlandstinne,  sowie  dem  Muthe  der  Nattonidgardeii  und 
aller  Französischen  Bltrger  anvertraut  bleiben  *)     ''l 

Als  besondere  Bestimmungen»^  die  in  mdglichst  kursfr  Frist 
durch  eigene  Gesetaie  als  Ergänsungen  der  Verfassung  hinzuge- 
fügt werden  sollten»  sind  am  Schlüsse  des  Grundgesetzes  ron 
1S30  sehen  angedeutet:  die  Anwendung  des  Geschwome^igerichts 
auf  Pressrergehen  und  politische  Verbrechen,  die  n&hereo  Be-  ' 
Ziehungen  der  Verantwortlichkeit  der  Minister  und  der  übrigen 
Staatsbeamten ,  die  Nothwendigkeit  der  Wiedererwählung  der 
Depntirten»  wenn  sie  besoldete  Aemtec  von  der  Regierung  er- 
halten, oder  auch  nur  befordert  werden  *^),  die  Organisation  der 
Nationalgarde,  mit  der  Th eilnah n^e  der  Gardisten  an  der 
Wahl  ihrer  Officiere,  Departemental-  und  Municipal-Iostitutio«  . 
nen,  gestützt  auf  ein  Wahlsystem  (davon  im  folgend.  §.  16). 
Ueber  die  genannten  Gegenstande  sind  hereits  in  den  Jahren 
rSSO— ^33  von  den  drei  gesetzgebenden  Gewalten  iu  Ueberein-* 
Stimmung  besondere  Gesetze  erlassen  worden.  — 

Der  Titel  des  Königs  ist  seit  v  der  Restauration  sehr  ein- 
fädle da  das  ifi^derhergestellte  Königreich  als  ein  in  sich  abge- 
sehlessener  Staat  angesehen  wurde,  auf  dessen  frohere  Entate- 
hung  und  Berechtigungen  nicht  weiter  Rücksicht  zu  nehmen 
angemessen  schien.  Ludwig  XVtll.  nahm  daher  nur  den  Titel  eines 
Königs  von  Frankreich  und  Navarra  an,  den  auch  Karl  X. 
fortfiihrte:  ausserdem  wurde  das  frühere  Prädioat  eines  aller- 
christlichen  Königs  wieder  aufgenommen,  und  von  dem  Papste  Ins- 
besondere die  Benennung  des  erstgebomen  Sohiies  der  Kirche,  von 


M  Diese  Bestimmungen  sinrd  enthalten  tn  den  f.  59,  61,  64  u.  66 
d.  Verf.  V.  1830;  eben  so  bis  auf  den  letzten  Zusata  über  die  Ver- 
Uieidignng  der  Coiistitntlon  auch  bereits  in  dem  §.  66,  70  und  73 

der  Verf.  v.  1814. 

t 

*♦)  Dies  wurde  so  weil  ausgedehnt,  däss  SQ^r  bei  der  Beibe- 
haltung derselben.  Charge  eines  Bot^cbafters  oder  Gesandten  [erätei 
Clas^e,  die  Versetziing  des  Grafen  Sebastiani  von  Neapel  (denn  FranI:  - 
reid»  halt  an»  Verwand tsdiaflsverhäUnissen  an  diesem  Hofe  eine" 
Botschafter)  nucti  London  im  Jahre  IdSSy  nach  dem  Beschlüsse  d^r 
Deputirtenkamn^r,  eine  neue  Wahl  nothwendig  machte. 


/ 


198  ^      Frankreiclu 

dem  Saltme  die  4m  Tadbdbahp  voo  FfaKkrekh,  wa  eipen  ihm 
f^leichitelMOdMi  R«ag  «i  beseiohvto»  gebraucht  Seit  der  Ver- 
faffOQg  Tom  7Cea  AiigiMt  1830  gelten  ober  diese  Titel  als  ent- 
würdigend für  die  Nationalehre  des  Fransdeischen  Volkf ,  und 
jetit  füHrt  der  Monareh  nur  den  Titel  König  der  Fransosen. 
Der  älteste  Sohn  und  Throi^olger  des  Königs  führt  den  Ti- 
tel Herzog  vdn  Orleans,  so  dass  die  wohl  im  büigerlichen 
Leben  noch  vorkommende  Benennung  iti  Dauphins  nur  eine 
Erinnerung  an  die  früher  Übliche  gewährt,  aber  nicht  mehr 
staatsrecbtiich  besteht  Die  jüngeren  Söhne  führen  nach  der 
Ordonnanz  vom  13ten  August  1830  nicht  mehr  das  ihnen 
früher  sugetheUte  Prädicat  Fils  de  France,  sondern  nur  den 
eines  königlichen  Prinzen  und  den  ihnen  besonders  vom 
Könige  namentlich  zugetheilten  Tittl,  wie  gegenwärtig  den 
eines  Herzogs  von  Nemours,  eines  Prinzen  von  Joinville, 
eines  Herzogs  von  Aumale,  i  eines  Henogs  von  Montpensier. 
Die  Schwester  und  Töehter  des  Königs  heiisen  königliche  Prin- 
zessinnen von  Orleans. 

'  Das  Wappen,  das  seit  acht  Jahthunderten  bis  zur  Revolu- 
tion Frankreich  repraesentirte- und  von  Ludwig  XVlIl.  wieder  be- 
reitwilligst aufgenommen  wurde,  die  drei  goldenen  LiUen  in  ei- 
nem blauen  Schilde,  ist  durch  den  Sturz  der  älteren  Linie  Bour- 
bon  ganz  beseitigt,  und  überall  fast  mit  einer  gesuchten  Barba- 
rei selbst  auf  den  öffentlichen  Denkmälern  vertilgt  Dafür  ent- 
hält jetzt  das  Stastssiegel  nach  der  Ordonnanz  vom  I3ten 
jl^ugust  1830  ein  geöffnetes  Buch  mit  den  Worten  Charte 
de  1830.  lieber  denselben  befindet  sich  die  geschlossene 
Krone  nebst  dem  Scepter ,  und  der  Hand  der  Gere^tigkeit  in 
einem  schrägen  Kreuze  uud  die  dreifarbigen  Fahnen  hinter  dem 
Wappenschilds.  Die  drei  Farben,  blau,  weiss  und  roth,  die  ei- 
gentlichen schon  im  Mittelalter  gebrauchten  Farben  der  Stadtge- 
nieine  Paris,  die  während  der  grossen*  Revolution  die  weisse  ver- 
drängten, und  als  Nationalfarben  sich  auch  unter  dem  Kaiaer- 
thume  erhielten,  hal>en  im  Jahre  1830  gleichfalls  wieder  den 
Sieg  über  die  weisse  errungen  und  sind  fogar  durch  dasReichs- 
giWdgesetz  vom  7ten  August  1830  als  die  allein  rechtmässigen 
erklärt,  indem  ausdriicklich  verboten  ist,  in  Frankreich  künf- 
tighin   eine   andere  Cokarde,    als  .4ie   dreifarbige  $u^  tragen  *|. 

♦)  Verf.  v.  1830^  §.  67. 


Frankreich. 


199 


Der  Hofstaat,  der  gleich  mit  der  ^Vi^derherstellung  der 
Monarchie  unter  Napoleon  wieder  tehr  glftnsend  und  sahlrmch 
geworden  war,  erhielt  eine  noch  gewichtvollere  Bedeutung  un- 
ter Ludwig  XVIII.  und  Ciurl  X  £r  zerfiel  in  den  Civilhof- 
Staat  und  in  den  Milit&rhofstaat,  von  welchen  der  erstere 
seit  1820  wiederum  in  sechs  Stäbe  getheilt  war,  den  det  Gross« 
almosenierSy  des  Oberhofnieistera,  des  Oberkammerherm ,  des 
Oberstallmeisters,  des  Grossjftgermeisters  und  des  Ober-Ceremo* 
nienmeisters;  der  BfilitÜrhofstaat  bestand  aus  vier  Compagiiien  Leib- 
garde, bei  welchen  die  Gemeinen  Officiersrang,  die  Offiejere  Ge- 
neralsrang besassen  und  die  Chefs  der  Comj^agnien.  aus  der  Reihe 
iler  zwölf  Marschälle  Frankreichs  gewählt  wurdei).  —  Unter  der  , 
Dynastie  Orleans  ist  der  Hofstaat  einfach  und  mehr  militärisch 
gei¥orden,  zum  Theil  mit  Nachahmung  des  Napoleoni4chen. 
(n  den  nächsten  Beziehniigen  zn  dem  Könige  stehen  die 
fünfzehn  General  -  Adjutanten  von  den  verschiedenen  Truppen- 
theilen  des  stehenden  Heeres,  der  Marine  und  der  Nationalgarde: 
dieselben  haben  als  G^ülfen  in  der  Ausübung  des  Dienstes  beim 
Könige  zwölf  Ordonnanzofficiere.  Die  Geschäfte  des  Oberhof* 
meisterstabes  werden  Jetzt  durch  den  General-Intendanten 
der  Civilliste  verrichtet;  ein  Oberstalimeister  ist  ^n  der 
Spi^  des  Marstalles  geblieben,  und  ein  Cabinetssecretär  des 
König»  der  Expedition  der  königlichen  Cabinetsschreiben  vor- 
gesetzt. Eben  so  einfach  ist  aiichNder  weibliche  Hofstaat  und 
bei  den  Prinzen  von  Geblüt  sind  die  qächsten  Umgebungen  gleich* 
falls  aus  dem  Militärstande  gewählt  und  mit  dem  Charakter 
als  General  -  Adjutanten  und  Adjutanten  chargirt  -Als  Resi- 
denz wird  jetzt  ausschliesslich  der  Palast  der  Tuillerien  zu 
Paris  gebraucht,  als  Sommeraufenthalt  und  Lustschlösser  über- 
haupt werden  die  Schlösser  zu  Neuilly,  -St  Cloud,  V^crsaillee^ 
Fontainebleau,  St  Germain  und  Conipiegne  benutzt  — 

Von  den  früheren  königlichen  Orden  zur  besonderen  Aus- 
zeichnung für  tr^ue  Anhänglichkeit  ,an  die  regierende  Dynastie, 
grosse  .Verdienste  um  den  Staat,  Wissenschaften,  Künste  und 
Wohlstand  des  Landes  sind  die  älteren  vor  der  grossen  Revolu- 
tion gestifteten,  in  der  Revolutionszeit  am  ÜO^ten  Juli  I7DI  auf- 
gehobenen, aber  durch  die  Bourbons  seit  1814  wieder  restaurir- 
ten,  in  Folge  der  Juli-Revolution  1830  vermöge  einer  beson- 
de»;n  königlichen  Ordonnanz  vom  lOten  Februar  1831  nbeniiuls 
aufgehoben ;*und  nur  die  von  Napoleon  gestiftete  Ehrenlegion 


200  Frankreich« 

iflt  rerfatfimgim&sslg  ton  den  BourboRs  mid  auch  gegen- 
wärtig TOB  dem  Haute  Orleans  beibehalten  *).  Doch  müsven 
diefo  altem  Orden  hier  noch ' aufgeführt  werden,  weil  viele  Rit- 
tet derselben  in  und  ausserhalb  Frankreichs  leben  und  diese  Orden 
sdbttTOB.den  anderen  Staaten  noch  anericanut Verden.  Es  sind: 

l)  Der  Orden  des  heiligen  Geistes,  dem  Range  nach 
der  am  höchsten  gestellte  Französische  prden,  von  König  Hein« 
rieh  III.  1578  gestiftet  sum  Andenken  an  das  Püngstfest,  weil 
er  am  ersten  Piingsttage  zuvörderst  König  von  Polen  und  wt^ 
der  an  einem  solchen  Tage  ^Öfug  von  Frankreich  geworden 
war.  Dieser  *Orden  wurde  nur  sehr  spärlich  an  souveraine  Far- 
bton» deren  Thronfolger  und  die  höchsten  Stnntsbeamten  des  In-  und 
Austandes  vergeben,  und  snrar  mit  der  Beschränkung,  dass  nur 
loa  InÜnder  in  denselben  als  Ritter  aufgeuem^ieli  werden  durften. 

2>  Der  Orden  des  heilig.ett  Michael,  der  älteste  Frän-  ' 
BÖsische  Orden,  war  bereits  1469  von  Ludwig  XL  dem  heiiigen 
Michael,  ^is  Schutzpatron  von  Frankreich,  zu  Ehren  gestiftet^ 
wnrde  voA  Ludwig  XIV.  1605  «meuert  und  von  Ludwig  XVIIL 
erst  IS  16  für  Prankreich  wieder  hergestellt,  obgleich  ^ihn  noch 
während  seines  Aufenthalts  in  England  an'  mehrere  Engländer  ver- 
cheHt  hatte.     Die  Anzahl  der  Ritter  dieses  Ordens  blieb  gleich- 

,  falls  ai^  100  Mitglieder  beschränkt,  und  er  wurde  vorzugsweise 
für  auegeseiehnete  Entdeckungen  und  besonders  für  talentvolle  6e- 
(ehrte  und  Künstler  bestimmt  Wer  den  ersten  Orden  des  hei- 
ligen  Geistei  aber  erhalten  hatte,   war   dadurch   zugleich  Ritter 

^  des^  heiligen  Michael  geworden. 

3)  Der  Orden  deu  heiligen  Ludwig  wurde  1693  von 
Lddwig  XIV.  zur  aufmunternden  "Belohnung  rühmlieher  Anstren- 
gungen im  Kriegsdienste  g^andet,  aber  weil  dies  schon  nach 
der  Auf^ung  des  Ediets  von  Nantes  erfolgte,   nur  für  [Beken- 

■  ner  der  Römisch  •  Catholisohen  Kirche  bestimmt.  Bei  seinrer 
Erneuerung  durch  Ludwig  XVIIL  am  308t^n  Mai  1816  wurde  die- 

,  ser  Orden  in  drei  Classen  erweitert,  Grosskreuse,  Comman- 
denre  und  Ri^tter^^fur  die' erste  Clasae  wurde  die  Zahl  der 


♦)  Verf.  V.  1830,  §.%63,  und  yerC  v.  1814  §.  72.       * 


FranJcreich.  Ml 

Ki«t«r  auf  40,   ftir  die  swdte  suf  80  fet^eiMlf,   Ar  4ie  Mtto 

*  bikb  dieselbe  uubetehränkt  AnOtn^ch  lag  b^  der  ReetnuratUn- 
dieses  Ordens  die  Nebenabsiebt  verborgehy  dureb  ihn  alhnählieh 
die  Ebrenlegiea  so  ersetzen^dnden  man  denselben  ausschliess- 
lieb  als  Belobnirag  für  ansgezeiehnete  Diätste  zu  verg||Mn  be- 
irchloss:  er  wurde  aber  bald  häufig  auch  an  Ritter  der  Ehrenle« 
gien  vergeben,  und  so'  umgekehrt  von  den  Ludwigsrittem  die 
Decoration  der  Ehrenlegion  erworben.  Für  die  Protestanten, 
die  seit  Ludwigs  XV.  Theilnahme  an  dem  Oestreiehischen  Erb- 
folffekriege  und  dem  darauf  «folgenden  siebenjährigen  Kriege 
wieder  hftuftger  im  jßranzIMisehen  Heeresdienste.  Anstellung  £an<^ 
den,  würde  «Is  eine  besondere  Abtheiluag  des  Ludwigsordens^ 
die  aber  in  gteiohem  Range  stand,'  der  Orden  du  merite  miHtaire 
1759  gestiftet;  der  gleichfalls  von  Ludwig  XVIH.  am  258ten  No- 
vember 1&14  erneuert,  in  drei  Classen  (4  Orosskreüze,  8  Com- 
ijiandeure,  und  eint  unbeschränkte  Anzahl  der  Ritter)  getheilt  und 
namentlich  an  ausländische  Ofßciere  der  verbündeten  Heere  in  den 
Jahren  1S15«— IS  vergeben  ist  . 

4)  Der  Orden  des  heiligen  Lazarus,  von  seiner  ersten 
Begründung  uns  nur  mit  ungewisaem  Stiftangsjahre  bekannt; 
'  .  wurde  von  König  Heinrich  IV.  lOQS  mit  dem  von  ihm  neu  ge- 
stifteten Orden  unserer  lieben  Frauen  vom  Berge  Carmel  verei- 
nigt, und  als  ein  Hausorden,  an  gMStliohe  und  weltliehe  Mitglied- 
der  ^ertheiit  Seit  dem  Jahre  1789  ist  er  nicht  mehr  nea  ver- 
geben^ ab^ seil  1815  von  dem  älteren  mit  demselben  decorirten  Rit- 
tern wieder  getrageft  worden,  olne  dass  sich  die  beiden  Könige 
X^dwig  XVlIl.  und  Carl  X.  bestinutat  weder  über  seine  völlige 
Wiederherstellung,  woA  über  sein  beabaiohtigtea  Erlöschen  er- 
klärt hattui.  «-« 

Der  jetzt  für  Frankreich  alleip  hest^ende  und  fortdauernd 
für  belohnende  Anerkennung  jeder.  Art  d^9  Verdienstes  um  den* 
^    Staate  um  Wissenschaft  und  Kunst  auazutheilende  Orden  ist  die 
Decoration  der  königlichen  Ehrenlegion.    Sie  wurde  von  Na- 

*  poleon  während  seines  Consulats  1802  dem  gesetzgebenden  Kör- 
per vorgeschlagen  und  von  demselben  angenommen,  so  dass  die 
föimliohe  Stiftung  derselben  am  lOten  Mal  1802  vor  sich  gehen 
konnte»  Sie  wurde  ^ich  änflbiglich  in  5  Classen  getheilt, 
Grosskreuze, ^Grossoffietere,  Commandeure,  Officiere  und  Ritter, 


i 


902 


Frankreich. 


^        ^ 


vmi  weldien.  üe  fünfte  seit.  1802,  die  drM  darauf  folgenden  bereit! 
18Q4»  die  erste  nur  eeit  1805  veigiBben  wurden,  sämmtlicli  aber»  ohne 
auf  eine  bestimmte  Anzahl  dbr  Mitglieder  beschränkt  zu  sein,  für  In* 
l&nder  mit  einer  lebenslänglichen  verschieden  abgestuften  Pension 
Terknttpft  waren  *).  Die  königliche  Verordnung  Ludwigs  XVIII.  vom 
26sten  Mars  1816  setzte,  statt  des  Kopfes  von  Napoleon  auf  die 
Avei-sseite  des  Sternes  den  Kopf  Heinrichs  IV.,  als  des  Begrün- 
ders der  D/nastie  und  des  populärsten  Königs  von  Frankreich» 
Die  Zahl  der  Grosskreuce  wurde  zugleich  auf  80,  der  Gross* 
Officiere  auf  160,  der  Commandeure  auf  4(^0,  der  Ofiiciere  auf 
2000  .fes^esetst,  mit  Ausschluss  der  aa  Prinzen  von  Creburt  and 
Ausländer  vergebenen  Decorationen,  nur  die  der  Ritter  blieb  un- 
beschränkt In  Friedepiszeitea  kann  die  unterste  Classe  des 
Ordens  nur  nach  fünf  und  zwanzigjährigem  vorwurfsfreien 
Dienste  ertheilt  werden^  worauf  dann  der  Ritter  für  ganz  beson- 
dere Auszeichnung  in  der  Reihefolge  von  4^  2,  3  und  5  Jahren 
zu  den  höheren  und  höchsten  Graden  hinaufsteigen  kann.  Zwei 
Haupternennungen  erfo^^ten  Jlhrlieh  am  Isten  Januar  ufid  am 
Heinrichstage  den  löten  Juli  als  dem  Ordensfeste«'  Das  Gesetz 
übe^  die  Stufenfolge  und  die  Zahl  der  Mitglieder  der  obe- 
ren Classen  wurde  aber  unter  den  Bourbons  bereits  jähriick 
mehr  überschritten,  und  ist  noeh  mehr  unter  der  {gegenwärtigen  Re- 
gierung Ludwig  Philipps  I.  durch  die  starken  V^theüungen  der 
Deeorationen  bei  jeder  Revue  der  Nationalgarden,  oder  ^ines 
zusammengezogenen  Lagers  der  stehenden  Truppen,  oder  einer 
Bekämpfung  der  vielfachen  revolutionären  Reaetkinen  völlig 
ausser  Acht  gelassen,  so  dass  dieses  Institut  g^nz  zu  der  Ein- 
richtung #ie  in  den  ersten  Jahren  Napoleons  zurückgekehrt  ist, 
a1^  die  Zahl  seiner  Mitglieder  ausserordentlich  vervielfältigt  hat 
Es  war  daher  auch  ganz  eikläriich,  dass  mit  I§30.s6hr  häufig 
die  Ehrenlegion  ohne  Pension  bew^ligt  wird,  weil  mehr  die  An- 
hänglichkeit an  die  herrschende  Djnastie,  als  bereits  geleistete 
Dienste  um  den  Staat  belohnt  werden  sollten.  Daraus  musste 
aber  das  Gesetz  vom  2 Isten  April  1832  als  eine  nothwendige 
Folge  hervoigehen,  indem  künftighin  in  Friedenszeiten  nur  so 


^  *)  Als  aasserordeo fliehe  Belohnung  der  Ritler  dieses  Ordens 

sind  auch  noch  die  beiden  Erziehungsinstitute  für  ihre  verwaisten 
Töchter  zu  Eeouen  und  St  Denis' anzuführen.  —         * 


Frankreich.  WS 

viel  Deeprationen  mit  Gehalt  rertbeHt  werden  tollen,   als   der 
dritte  Theil  der  durch  SterbefUle  jfthrlieh  erledigten  Pentienen 
der  Ehrenlegion  betragen   wird.   —   Die  Zahl  sftmmtlieher  Mit- 
glieder der  Ehrralegioi^  war  am  Isten  Januar  1831=42,8^  da* 
nuiter  90  Grosskrense.    Zwei  Jahre  spftter  war  gie  achon  in  der 
ahtolnten  VergrdMerong  um  den  tiebenten  Theil  gewaehten,  nach 
Abrechnung  der  Tielen  TodeaflÜley   die  ausserdem  in  diesen  bei- 
den Jahren  oiTene  Stellen  in  der  Ehrenlegion  verschafft  hattmi; 
sie  betrug  49,260  Mitglieder,   darunter   106   Grosskreuse.    Noch 
ehe  abermals  swei  Jahre  vergangen  waren,  hatte  die  Zahl  sich 
schon  wieder  beinahe  um  1000  Ritter  vergrössert;  denn  sie  stand 
am  Isten  October  1834  auf  50,008 'Mitglieder,  darunter  104  Grocs- 
kreuze,    204  Gross -Ofüciere,  827  Commandeure,  455S  Ofifieiere 
und  44,318  Rittern.     Von  diesen  hatten  26,363  Büßlieder  Pen- 
sionen, in  Summe  8,474,000  Fr.  (2,287,080  Thlr.);  eine  fast  eben 
•0  grosse  Zahl  keine,  nemUch  23,545  Mitglieder. 

Als  eine  ausserordcBlliohe  Belohnung  für  bewiesene  Ausseidi- 
auBg  in  den  Julitagen  des  Jahres  1830,  also  vorsugsweise  für 
die  Bewohner  der  Hauptstadt  und  der  sich  damals  daselbst  auf- 
haltenden Franxosen,  ist  durch  das  Geseti  vom  30sten  December 
1830*)  das  Jttlikreus  festgesetst,  welches  aber  natürlich  nur  als 
vorübergehend  ansusehen  ist  und  fernerhin  nicht  mehr  vergeben 
werden  kann*  Es  erfalgtiB  die  Verleihung  an  1551  Individuen.  •*• 


S.  14; 
Von  dea  Rechten  der  Stande. 

* 

Rauter  (Prof.  v.  Strassburg)  Uebersicht  des  Gesetses  über 
die  Departements-  und  Bezirksräthe  vom  22ten  Juni  1833  in 
Zachariae  und  Mittermaier's  Zeitschrift  für  ausländische  Rechts- 
wissenschaft VI.  Heft,  und  einige  andere  hieher  gehörige  Auf- 
«ätse  in  dieser  Zeitschrift  -— 


*)  An  diesem  Tage  wurde  es  der  Depuürtenkammer  vorgelegt, 
am  I9len  Apr.  1831  genehmigt  von  allen  drei  Theilen  der  gesetzge- 
benden Gewalt  öffentlich  bekannt  gemacht. 


2N  FraBkreich. 

'      Sdion  aus  §»  7.  (S.  54—61),  wq  ron  den  allgemetaeii  SfüUi- 
deverhältnisien  unter   einander   gesprochen   wurde,   geht  hervor, 
dass  in  Frankreich  in   staatirechtlicher  Besieh  ung  es  nur  einen 
Stand  giebt,  dessen  Rechte,  sumal  da gegenif artig  auch  der  erb- 
liche Stand   der  Paira    aufgehört  hat,   völlig  gleichgestellt  und 
in  dem  Grundgesetse  der  Verfassung  enthalten  sind.      Denn  der 
erste  Altschnitt  der  Constitutityi  von  1 830,  welcher  in  1 1  §§.  da« 
Staat8re<*ht  der  Franzosen  darlegt,  umfasst  dieselben  vollständig: 
alle  FraiMiosen  sind  vor  dem  Gcfsetse  gleich,  ihre  Titel  und 
Rang  seien  übrigens,  welche  sie  wollen:  sie  tragen  ohne  Uh- 
terschied  nach  dem  Verhältniss  ihres  Termögens  su  den  Lasten 
des  Staates  bei,  und  können  eben  so  ohne  allen  Unterschied  su 
allen    Oivil-   ubd  MilitärUnitern   gelangen  %      Die    individuolle 
Freiheit  jedes  Franzosen   bleibt  unter  dem  Schutze   des  Staates 
garantirt,  so  dass  Niemand  in  Frankreich  vexfolgt  oder  verhaftet 
werden  kann,  es  sei  denn  in  den  durch  die  Gesetze  vorgeschric^ 
benen  Füllen  und  nach  der  daselbst  bestimmten  Form:   ^s  darf 
daher  jeder  mit  völliger  Gewissensfreiheit  und  gleicher  Berechti- 
gung   seine ^  Religion  ausüben,   und    erhält  für  den  öffentlichen 
Gottesdienst  den  gleichen  Schutz  des  Staates  **),    Nicht  minder 
haben  die  Franzosen  ein  unbeschränktes  Recht  ihre  Meinungen 
öffentlich  bekannt  machen  und  drucl^en  zu  lassen,  wenn  sie  die 
dafür  gegebenen  speciellen  Gesetze   beobachten:    die  Censur  soll 
aber  niemalt  wieder  eingeführt  werden  ***).  k.-^^ 


♦)  Verf.  von  1830,  §.  1—3,  gänzlich  Gberoinstimmend  mit  §.1—3 
.  der  Verf  ^v.  1814.  Der  Hofdienst  blieb  hier,  wie  in  den  meisten 
Staaten  Europas,  factisch  dem  ^del  ausschlies^ich  vorbehalte^ :  aber 
nur  missbräuchlich  geschah  es,  wenn  'unter  Carl^.  der  Adel  vor- 
zugsweise bei  den  höheren  Civil-  und  Militär- Verwaltungsstellen  be- 
rücksichtigt, und  bei  den  höchsten  Aemtcrn  der  verschiedenen  Zweige 
der  Staatsverwaltung  [iaum  ausnahmsweise  ein  Nicht-Adclicber  zuge- 
lassen wurde;  doch  gerade  diese  Hintenansetzung  einer  so  wesentlichen 
Bestimmung  der  Constitution  von  1814  steigerte  ausserordentlich  die 
Gährung  in  Frankreich,  besonders  seit  1824. 

••)  Verf.  V.  1830,  ?.  4  u.  5  und  eben  so  Verf.  v.  1814  §.  4  u.  5. 
Die  Verstösse  dagegen  sind  schon  oben  S.  69  angeführt.  — 

*^*)  Bis  auf  den  Zusatz  über  die  Censur  sind  beide  Bestimmun- 


I 


Frankreich.  SOS 

Alles  £i^|;eiitkiim  iit  ohne  Aufnahme  «lesjenigeny  das  man 
Nationaleigentham  nennt,  unverletxltcb,  da  «las  Gesetz  zwischen 
beiden  keinen  Unterschied  machte  Aber  der  Staat  kann  di^ 
Anfopfemng  ekies  Eigenthums  für  ein  gesetzlich  ^  erwiesenes 
Staatainteresse  Verlangen,  jedoch  muss  dann  daf&r  eine  Toilig 
aosreiehende  Entschädigung  dargeboten  werden*^  Die  militH- 
riache  Conscription  der  Revolution  und  des  Kaiterthums  ist  yer- 
fassungsmässig  abgeschafft,  und  die  Erg&nzung  des  Landheeres 
und  der  Flotte  wird  jedesmal  ^dureh  ein  Von  den  drei  gesetzge- 


gen  in  §b  7  der  Verf.  v.  1830  «nd  §•  8  der  Verf.  v.  1814  entbaUen  ^ 
der  Zusatz  ist  aber  nur  jenem  §,  dgenthamlich.  Die  Censurvor- 
scbriften  waren  unter  der  kaiserlichen  Regierung  äusserst  strenge 
(gewesen y  um  so  willkührlicher  bewegte  sich  die  frei  gewordene 
Presse  in  den  ersten  Jahren  der  Bourbons,  und  veranlasste  ein  aus- 
serordentliches Schwanken  in  der  Pressgesetzgeburig,  bis  dass  kurz 
vor  dem  Ableben  Lodwif^s  XVIfl.  die  Ordonnanz  vom  I5ten  Aug. 
18:24  die  Pressfreiheit  gänzlich  aufhob  und  die  Censur  daf&r  wieder 
einführte,  weil  das  Villdlische  Ministerium  gegen  die  zu  starken 
Angriffe  in  den  öffentlichen  Blättern  irich  ohne  dieselbe  nicht  länger 
behaupten  zu  können  glaubte.  Chateaubriand  trat  in  einer  sehr  hef- 
tigen Flugschrift  gegen  die  Censur  und  gegen  seine  fr-iiherea 
Collegen  im  Minislerinn;  auf«  die  öffentliche  Meinung  sprach  sich  so 
entschieden  gegen  den  Presszwang  aus^  dass  Carl  X.  afs  eine  seiner 
ersten  Regierungshandlungen  im  Oktober  ]8iU  die  Censur  wieder 
zurücknehmen  musste.  Die  Zeitungen  und  Flugschriften  blieben  un- 
ter strenger  polizeilicher  Controlle,  aber  gegen  starke  Cautionen 
und  die  Verantwortlichkeit  der  R^daction  und  Schriftsteller  konnte 
auf  eigene  Gefahr  die  Presse  ihr  partheiisches  und  zweideutiges 
Gericht  über  das  öffentliche  Leben  fortsetzen.  Die  vielen  Presspro- 
cesse  der  Jahre  1825—30  dienen  als  Beleg  dafür,  nicht  minder  die 
V)ersocb6  wenigstens  lur  die  Zwischenzeit  zwisphea  awei  Sessionen 
der  gesetzgebenden  Kammern  die  Pressfreiheit  aufzuheben.  Da  er- 
folgte endlich  unter  jenen  gefährlichen  Ordonnanzen  vom  25sten  Juli 
1830  auch  eine  besondere  über  ^ie  Aufhebung  der  Freiheit  der  perio. 
diacben  Presse  (abgedruckt  bei  Pölitz  a.  a.  O.  II.  S.  103),  welche 
die  nähere  Veranlassung  -dieses  Zusatzes  in  dem  'Grundgesetze  tod 
1830  wurde    Vergl.  Goldsmidi  Stat.  d.  L  Fr.  S.  ^K83— 310. 

*)  Yerf.  V.  18309  S^  8  und  0>  gleichlautend  mit  §•  9  nnd  10  der 
Verf.  ▼.  1814. 


J^ 


u^ 


Frankreich, 


landen  Gewalten  besonders  erlassenes  Gesets  bestunm^*^  — 
Kein  Franzose  darf  seinen  natürlichen  Riehtem  entsogen  werden ; 
es  können  daher  keine  auiwerordentlichen  Gerichtshöfe,  noch 
Commisdonen  aus  irgen^l  einem  Grunde,  noch  unter  .irgend  ei* 
ner  Benennung  errichtet  werden  ^*).  Die  Strafe  der  Güterein- 
siehung  ist  für  immer  abgeschafft,  und  darf  unter  keinem  Ver- 
wände wieder  eingeführt  werden  **%  Die  während  der  grossen 
Revolutioa  aas  England  nach  Frankreich  rerpflanste  Institution 
der  Gesehwomen,  wodurch  die  Beurtheilung  der  Vergehen  und  pein- 
lichen Processe  durch  unbefangene  und  unbescholtene  Vertreter  der 
Volksgemeine  geschehen  sollte,  blieb  verfassungsmässig  beibehalten, 
und  nur  die  etwa  auf  dem  Wege  der  Erfahrung  bei  dieser  Institution  su 
machenden  Veränderungen  sollten  von  den  gesetzgebenden  Ge- 
walten doreh  ein  Gesetz  geändert  werden.  Für  die  Geschwor- 
nen  (Jures)  werden  alljährlich  besondere  Listen  angefertigt,  die 
im  Zusammenhange  mit  den  Wähler  Listen  stehen,  da  jeder  Wäk* 
1er  Jure  ist,  aber  nicht  umgekehrt  jeder  Jure  das  Recht  zur 
Wahl  eines, Deputirten  besitzt  Da  wir  bereits  im  vorhergehen- 
den fi.  von  dem  Wirkungskreise  der  Depntirten  in  Bezug  auf  die 
gesetsgebMide  C^all  md  die  gesammle  Staatsverfaasung  ge- 
■preehen  hahea,  eo  evseheint  es  hier  an  der  rechten  Stelle,  Ei- 
niges über  das  Zahlen -Verhältniss  der  Depntirten  wol  den  waU- 
läkigen  und  wählenden  Bewohnern  su  liefern,  die  auch  zugleich 
am  leichtesten  die  Uebersieht  gewähren,  wer  gegenwärtig  su  der 
Theilnahme  all  Geschwomer'verpfliehtet  und  bereeht^  ist 


Geschwornenliste  für  das  Jahr  1831  vor  der  Aus- 
lUmiBg  des  Wahlgeietiee  vma  19ten  April  1831  bietet  dar: 


'O  Verf:  T.  1834  >•  U>  gleichlaateBd  mh  (  \\  d,  Terf.  t.  1814. 

**)  Verf.  ▼.  leao»  f.  53.  und  84.  In  den  sonst  damit  überein- 
•timnenden  S*  62  und  63  der  Verf.  t.  1814  waren  aber  noch  die 
ausserordentlichen  Prevotalgerichte  ausgenommen,  wenn  deren  Wie* 
derfaerslellung  nöthig  erachtet  Werden'  sollte« 

***>  Verf.  T.  1814»  {i  57,  gleichlautend  mit  §.  66  der  Vert  ron 
1814  Fftokreich  hatte  allerdings  unter  allen  Staaten  der  neueren 
Zeit  die  i^chauderhaftesten  Folgen  der  Güterconfiscation.  dieser  ge* 


/ 


Frankreich.  207 

Wahlmäniier  iiiift  einem  Ceuins  von  mehr  ab  300  Frcft. 

ilirecten  Steuern 09,728 

-Oeffentliche  Beamte  und  durch   den  König  ernannte 

Beamte  mit  unbesoldeten  Aemtem •    .       4,242 

Verabschiedete  ODiciere  mit  einer  Pensipn  von  wenijg- 

stens  1200  Fr.    ..... 5,861 

Doctoren  und  Licentiaten  der  Faeultäten  der  Rechte  und 
^       der  Facult&t^n  der  allgemeinen  und  tchönen  Witsen- 

schaften.  ^    ..............    .       4,154 

Doctoren  der  Medicin. •       4,282, 

Mitglieder  und  Correspondenten   des  National  -  Instituts 

und  anderer  kÖnigL  Öffentlichen  Gesellschaften.     .    •  449 

Notare.      . ' 5,932 

Höchstbesteuerte  in  den  18  Departements,  um  die  Zahl 

der  Wahlcoliegien  vollständig  xu  machen,  d.  i  also  in 

denjenigen  Bezirken,  wo  sich  keine  150  Wahlm&nner 

vorfanden  % 3,620 

128,268  Jures. 

Nach  dem  neuen  Wahlgesette  haben  nur  20  Cantone  (Benrke 
für  ein  Friedensgericht  swisehen  1500  und  20,000  Seelen  **)  gar 
keine  Wahlmftnner, 


wohnlichen  Strafgeiisd  der  ReTolntionazastaade ,  in  seinem  Scho9i6 
gefühlt. 

*)  Man   nnsste  in  dem  Departement  des  hautet  Alpes  bis  zu 
93  Fr.  (25 Th.)  and  in  Corska  bis  s»  6»Fr.  (ISf  Th.)  herabateigen. 

**)  Nur       6  Cantone  haben  weniger     ab       1,000  Seelen. 

14  —  _  zwischen    1,500  u.   2,000  ~ 

34  .—  —  —         2,000  u.  3,000  — 

42  ^  ^  —         3,000  u.  4,060  — 

57  —  ~  —          4,600  n.  5,000  — 

1110  —  —  —          5,006  u.  10,000  — 

1501  —  ^  '  .^        10,000  u.  ^000  — 

61       ->  —       —        30,000  u.  darüber. 

• 

Was  das  Terhältniss  der  Departements  zu  den  Cantonen  anbetrifi); 
so  haben  45  Departements  30  bis  60  Cantone,  ^  Departements  tf 
bis  29  Cantone,  13  Departemeats  ^  bis  34  Cantone^  1  DepartemenC 
nur  17  Cantone. 


\ 


268  FrankToieh. 


234  Cantone 

haben 

1  Ml 

9  Wafalm&oner 

37;^    — 

— 

JO  — 

10 

— 

422      — 

— 

20  — » 

29 

— . 

693*     — 

— 

31  — 

50 

— 

4i7      — 

— 

61  — 

70 

.     — 

278       — 

— 

71  — 

99 

•■B» 

164      -^ 

— 

100  — 

149 

— 

43      -i 

-^ 

150  — 

199 

-^ 

30      — 

.  — 

200  Wahlmänner  und  d» 

2687 
dazukom.  139  Cantone,  welche  Städte  enthalten,  die  mehr  als  1  Frie- 

2826     —      densgericht  hesitzen  und  wenigstens  für  2  der- 
selben 100  Wahlmänner  stellen  können. 
Das  Seine-Depaitement  ist  aber  dabei  gar  nicht  m'it 'einbegriffen. 

Da  nun  überdies  nach  §.  69  der  ^^erfassungsurk^nde  von 
1830  in  kürzester  Zeitfrist  neue  auf  das  Wahlsystem  begründete 
Departenientäl  -  und  Municipal  -  Institutionen  eingerichtet  werden 
sollten,  so  beistand  eii;i  wesentlic.ber  Theil  dw  Verbandlungen  der 
Deputirten«  und  Pairskammer  in  den  Jahren  1832  und  1833  in 
der  Feststellung  der  darüber  bestimmenden  Gesetze«  so  dass  be- 
reits 1832  die  Municipal -Verfassung  völlig  zu  Stande  kam  und 
durch  das  Gesetz  vom  22sten  Juni  1833  auch  die  Departemental- 
Verfassung  ihren  Schlasssteih  empfing.  -^  Kaeh  demselben  giebt 
es  fortan  in  jedem  Departement  ein  conseil  generale  das 
aus  eben  ao  fiel  Mitgliedern  als,  Cantonen  besteht,  jedoch  darf 
dasselbe  nicht,  die  Zahl  ron  30  Mitgiiedem  überschreiten*  —  Die 
Ernennung  dieser  Rikthe  geschieht  in  jedem  Cantone  durch  eine 
Wahlversammlung  aus  den  für  die  Deputirtenkammer  berechtig- 
ten Wahlmannern  und  den  übrigen  Juren.  Jedenfalls  ist  diö 
Wählbarkeit  an  das  zurückgelegte  fünf  und  zwanzigste  Jahr  und 
an  einen  Census  von  wenigstens  200  Frs^.  (34  Rthlr.)  directen 
Steuern  in  dem  Departement  selbst  geknüpft,  für  welches  einMitglied 
dieses  Conseils  gewählt  wird  Die  Wahlen  geschehen  auf  nenil  Jahre, 
indem  sie  sich  zum  dritten  Thcile  alle  drei  Jahre  erneuern.  Niemand 
darf  Mitglied  yqn  m^hrals  einem  Departementsratbe  sein,  und  eben 
99  venig  darf  ein  conseil  genpralde^  einen  Oepartem^ts  mit  dem  ei- 
•es  andern  correapondiren.  IMe,  Versammlungen  4er  Departe- 
mentstithe  werden  gewöhnlich  vermittelst  einer  k^iugUeh^n  Or- 


Frankreiclu^  209 

domians  durch  d6ii  Pi1tfecte«i  zosammenbenifeD ;  der  König  kann 
wa  jedem  Augenblicke  den  Departemmtsrmth  auflösen ,   es  niuss 
aber  alsdann  in  drei  Monaten  zn  einer  neuen  Wahl  geschritten 
werden.    Der  Pr&fect  darf  dbn  Sitzungen  desselben  beiwohnen, 
wenn  nicht  seine  eigene  Rechnungen  von  demselben  uittersucht  wer- 
den. Die  Bezirksr&the  {les  conseiU  des  arrondisBementu)  sind  völ- 
lig analog  mit  den  congeüs  ge'neraux  eingerichtet   Jedes  Mitglied 
muss  wenigstens  25  Jahre  alt  sein,  darf  aber  nur  ]5|>  Fk-s.  (40|  Rthlr.)  ' 
an  directen  Steuern   in  demselben  Departemente   als  Minimum 
zahlen,  wovon  50  Frcs.  mindestens  auf  denselben  Bezirk  iArrondisse^ 
ment\  fallen,  für  welchen  er  gewählt  werden  soll.    Die  Anzahl  der 
Mitglieder  ist  übereinstimmend  mit  der  der  Cantone  in  demselben 
Bezirke,   beträgt  mindestens   aber  9:   die' Wahlen  erfolgen  auf 
sechs  Jahre  und  werden  alle  drei  Jahre  zur  Hälfte  erneuert^ 

Beide  ConsetU  haben' (in  grosser  Uebereinstimmung  mit  den 
Prenssischen  und  Dänischen  Provinzialständen)  nur  berathende 
Eigenschaft,  haben  gor  keinen  Antheil  an  der  gesetzgebenden 
Gewalt,  noch  dürfen  sie  Steuern  ausschreiben,  weder  für  ihr  De- 
partement, noch  für  ihren  Bezirk,  sondern  können  höchstens  Pe- 
titionen über  Gegenstände  ihres  besondern  Departements*  und 
Bezirks -Interesses^  i^id  Beschwerden  über  daselbst  stattfindende 
Mängel  in  der  Departements -Verwaltung  unntittelbar  an  die  be* 
treffenden  Ministerien,  oder  an  das  Oberhaupt  des  Staates  ein- 
reichen. 


i  17. 


Von  dem  Terhaltniss  der  Kirche  zum -Staate. 


Das  Verhälthiss  der  Kirche  mm  *  Staate  ist  durch  die  Ver« 
fassung  vom  7ten  Aug.  1830  in  wenigen  Ztfgen  scharf  und  be-' 
•tinunt  festgestellt  Es  wird  fortan  nicht  mehr  ron  einer  Religion 
des  Staates,  oder  einer  herrschenden  Kirchein  FVankreich  ge- 
sprochen, wie  noch  ausdrüddieh  £e  ROmisdi-Catholische  nach  der 
8ohobcrt's  Statistik  IL  |4  ^ 


210  Frankreichs^ 

i 

Con^titutioii  Ton  1814  genamiC  wurde*);  londera  die  RftmUfh- 
Catholiflch-Apostolitche  Kirche  wird  nur  als  diejenige  betrachteCy 
XU  weicher  sieh  die  Mehrheit  der  Fransoseu  bekannt  **)^  ia  aUeii 
Beziehungen  aber  mit  den  übrigen  christlichen  Glaobensbekennt- 
nissen  und  deren  kirchlichen  Gemeinscha£ten  gleichgestellt  Freie 
Reiigionsübung  und  der  dazu  nothwendige  Schutz  des  Staate» 
ist  jedoch  nicht  blos  den  Anhänn^em  des  Christen thums  zugesi»' 
cherty  sondeYn  jeder  Religion,  wenn  gleich  Terfassüngsmässiji; 
nur.  die  Diener  der  christlichen  Kirchen,  und  erst  nachträglich  nach 
dem  Gesetze  von  1831  auch  die  Rabbiner  der  Juden  als  öffentliche  ^ 
Beamte,  ihre  Besoldungen  aus  den  Staatscassen  heziehen  ***). 
Die  Bestimmungen  der  Concordate  vom  IStenJuli  I80J  und  vom 
I7ten  Juni  1817,  sowie  die  gesetzlich  bestehenden  Verhiiltnisse 
'über  die  Aufsicht  und  Verwaltung  der  verschiedenen  Kirchen,  sind 
bereits  oben  §.  8.  S.  61 — 74  auseinandergesetzt  worden.  Die 
Einwirkung  der  Regierung  auf  die  £rnennung  der  Erzbischöfe, 
Bischöfe  und  übrigen  hohen  Kirchenbeamten  wird  näher  bei  den 
Verhältnissen  der  Cultus  •  Ministerialverwaltung  im  folgenden  §• 
erörtert  werden. 


D.  Die  Verwaltung  des  Französischen  Staates. 


L    Innere  Verhältnisse. 


5.18. 
Pie   Centralbehörden    des   Staates. 

Guizot  du  gouvemement  de  fia  Franee^  Paris   1^20,  .eine 
geistvolle  Darstellung  der  Franz.  Staatsverwaltung  iik  den  Jahren 

• 

*)  Terf.  V.  1814^  §.  6.  »Jndesi  ist  die  Römisch-Catholische  Re- 
4  ligion  die  Religioa  des  Staates.^ 

**)  Verf.  V«  1830|  §•  6.  y,La  religion  catbolique,  apostolique  et 
7  romainey  profes^  par  la  majori t^  des  Frao^ais/^ 

♦♦♦)  Verf.  V.  lö3Qi  §.  6..  und  $.    Verf.  v.  18X4  §.  7. 


I 

Frankreich.  2!l 

1814— m.  (€itf€figu0)  Ahi0n^  is  U  rt9UmrmHon  ctc  Paria 
1831— M.  8  ToL  8yo.  lud  die  ^/l^  angefährtea  Werke  von 
TMeca  udSalTandj.  —  Der  Almanae  royal  oder  daaStaata* 
Imndboeh  Ar  daa  PertonAle  snd  die  Ressorta  der  Verwaltmiga* 
Wfcardee»  aeit  ^ea  Jaiare  1815  wieder  jUirlich  heraoag^eben.  — 


Die  höckatea  Behörden  der  FnuisÖaiaelien  Staatavennütiuig^ 
welche  ron  der  Haaptatadt  ana  die  einselnen  Zweige  ^deraelben 
leiten,  waren  achon  im  aiebsehnten  Jahrhunderte  an  einer  ein* 
facheren  Geachäftafuhrong  angeleitet,  indem  hier  aehon  im  All- 
gemeinen die  FachTertheilang  bei  der  Verwaltung  der  Staatage« 
achifte  Torherrachte,  und  von  hier  ana  erat  in  einigen  Staaten 
dea  nördlichen  Europaa,  Dentachlanda  und  der  PjTenaitehen 
Halhinael  nachgeahmt  wurde.  Doch  während  der  Rerolntion' 
wurde  bei  dem  Umstürze  aller  beatehenden  Einrichtungen  der 
Verwaltung  die  strengere  Fachabsonderung  der  CcntralbehÖrden 
crieichtert,  aber  damit  angleich  aeit  der  Einfuhrung  dea  Conau* 
lata  9  sur  Beachleunigung  dea  GeaehiUlagangea  eine  genaue  Bu* 
reancratie  damit  Tcrbunden,  ao  daaa  eine  Behörde  der  anderen 
atreng'  untergeordnet  eracheint,  und  in  derselben  atatt  coUegia* 
lisch  gefasster  Beschlösse  der  Wille  des  allein .  verantwortlichen 
Chefa  sich  geltend  macht.  £a  ist  nicht  abzuleugnen ,  ^aaa  da- 
durch mit  einer  groasen  Sicherheit,  lebhaften  Energie  und  an* 
gemessener  Uebereinstimmung  der  Geschäftsgang  sich  fortbewegt^ 
aber  eben  so  wenig  bleibt  au  verkennen,  Cmk  dabei  zahllose  Ue« 
bereilnngen  daa  Gemeinwohl  bepaehtheiligen  können,  und  widrige 
WillkührÜchkeiten  in  zu  häufigen  Fällen  gegen  Indiriduen  vor- 
kommen. Daher  ist  ganz  folgerecht  von  der  Hehrheit  der  En- 
ropäischen  Staaten  das  Angemessene  der  FachTertheilung  der 
Ministerien  und  der  denselben  bei-  und  nntergeordneten  Behte- 
den  nach  dem  Vorangange  Frankreichs  aufgenoamen,  aber  eben 
ao  sweckmäaaig  hat  man  die  Blängel  der  Bureaucratie  eingesehen, 
nur  theihreise  ihre  Rinföhmng  veranlaaat,  oder  dieadbe  durch  Ver- 
pflichtung zur  eoll^ialiachcn  Berathnng  gemäaaigt. 

* 

G^^wärtig  bestehen  in  Frankreich  vier  Centralbehörden 
an  Paria  an  der  Spitze  sämmtUcher  Geschäfte  der  vollriehenden 
Gewalt  ai|d  der  Vorarbeiten  för  die  geaetzgebende  Gewalt 

L  Daa  Staataminiaterinni. 

Sot  der  Wiedeiherstdlnng   dea  Königtfinaa   in  Fnnkreicli 

14  • 


212  Frankreich.  ' 

i 

kt  dasselbe  aus  acht  höchstens  zehn  Ministerstellen  mit  Por« 
tefeuilles  zusammengesetzt,  von  welchen  zwei  Stellen  in  der  Re- 
gel an  einen  und  denselben  Minister  vergeben  sind,  sobald  ein 
Präsident  des  Conseils  an  der  Spitze  des  Ministerii  steht,  indem 
derselbe  zugleich  noch  fttr  einen  andern  Zweig  ein  Fachministe- 
rium verwaltet.  Die  Minister  sind  für  jede  der  ihrem  Geschufts- 
kreise zugewiesenen  Handlungen  und  für  jede  von  ihnen  unter- 
schriebene Ordonnanz  verantwortlich,  können  zugleich  Mitglieder 
der  Deputirten-  oder  der  Pairskammer  sein,  haben  aber  auch 
freien  Zutritt  zu  denselben,  wenn  sie  weder  Pairs,  noch  Depu- 
tirte  sind.  Doch  können  sie  nur  wegen  Vcrrätherei,  Veruntreuung 
und  constitu'tionswidriger  Handlungen  von  der  Deputirtenkammer 
angeklagt  und  nur  von  dem  Pairshofe  gerichtet  werden  *),  In 
der  Gegenwart  ist  die  Ministerial -Verwaltung  unter  folgende 
Stellen  vertheilt,  wobei  wir  zugleich  die  Verüuderungen  bei  der 
Geschäftsvertheilnng  seit  1814  auseinander  setzen  können. 

ä)  Der  Präsident  des  Ministerraths  (President  du 
consetlj,  der  in  die  Stelle  der  früheren  Premierminister**) 
unter  Ludwig  XIIL,  Ludwig  XIV.,' Ludwig  XV.  und  Lud- 
wig XVI.  getreten  ist,  hat  die  oberste  Leitung  der  gemeinschaft- 
lichen Ministerberathungen  über  Gegenstunde,  wo  mehrere  oder 
sämmtliche  Ministerien  concurriren,  es  sei  denn  dass  in  denselben 
der  König  selbst  den  Vorsitz  führt  ***).  Ihm  liegt  es  vorzugsweise 
ohy  das  Princip  der  Einheit  in  der  Verwaltung  zu  erhalten  und  durch 
seine  V^ermittelung  sofort  die  gestörte  Uebereinstimraung  zwischen 
zwei  oder  mehreren  Ministerien  wiederherzustellen.  Du  er  auf 
lolche  Weise  als  das  leitende  Organ  des  gesummten  Ministeriums 
dastieht,  so  muss  bei  der  Zusammensetzung  desselben  sein  Rath 
in  Bezug  auf  die  zu  wählenden  Minister  besonders  berücksich- 


•)  VerC  V.  1830,  §.  46-47,  und  Verf.  v.  1814,  §.  51  -5a 

**)  Doch  bleibt  nicht  zu  verkennen,  dass  damals  der  Wirjcung^ 
kreis  der  Cardinale  Richelieu,  Mazarin,  Fleury  und  des  Grafen  Mau** 
repas  noch  ein  weit  einflussreicherer  war. 

•    ***)  Dies  geschieht  in  der  Kegel  unter  dem  jetzigen  Könige  und 
namentlich  peil  dem  Tode  Casimir  P^riers. 


Frank  retcb.  it^ 

tigt  werben»  und  et  i«t  daher  eioe  oothwendige  Folge^  dais  fasit 
ohne  Ausnahme  die  übrigen  Minister  die  Farbe  seines  polidschem 
GIftubensbekenntnisses  tragen  müssen.     Denn  im  entgegengesetzt 
tci^  Falle  wfirde  eine   durch  Eintracht  kräftige  Verwaltung  nie<^ 
»als  XU  Stand»  kommen  können.    Doch  darf  kein  President  de« 
Muiisterraihfl. in  Gegenständen,  die  sum  alleinigen  Ressort  ei« 
les  Ministerii  gekdreu,    selbst  Veifügungen    treffen,   veil    dafür» 
jeder  Faeh minister  selbstständig  angeordnet  und  auch  allein  ver-> 
aotwordieh  ist:    daher   kann   es  aber  auc!^  geschehen,   dass  eiib 
Präsident  des  Co nseilr  völlig  fehlt,  ohne  dass  dadurch  das  Mi^ 
Bistennm  unToUständig  wfrd,  indem  in  diesem  Falle  bei  geraein*- 
icbaftliefaen  Berathungen  der  älteste  Minister   den  Vorsitz  führt 
Dieser  Fall   trat   ein  ^  bei   dem   Ministerium   Martignac  für   die 
Xshre  1827«— 29,   wo  das  Ministerium  nur  nach  diesem  beredte-^ 
iten  Führer  desselben  benannt  wurde,  wahrend  Martignac  selbst 
tiitia    das   Ministfrium   der  inneren  Angelegenheiten  bekleidete  ;- 
tben  so  befand  sich  bei  der  raschen  Folge  von  drei  Ministerien 
■uf  einander  in  den  dfei  Monaten  (Aug.  bis  2.  Nov.  1 830)  kein 
Präsident  des  Conseils,  und  dann  wiederum  nach  Feriers  Tode- 
bis  auf  den  Eintritt  Soults  vom  Mai  bis  sum  Oktober  1832.    Da 
BQu  aber  diese  oberste  Leitung  des  Minister-Conseils  nicht  gans^ 
^ie  Thätigkeit    eines    bedeutenden    Staatsmannes    in    Anspruch" 
UBunt,  so  ist  in  der  Regel  noch  ausserdem  ein  Fach -Ministerium 
damit  verbunden  worden,  und  zwar  das  den  Talenten  und  Kennt« 
Bissen  des  jedesmaligen  Präsidenten  angemessenste.      Aus  die-^ 
Sern  Gründe  sind  sehr  häufig  Verschiedene  Ministerien  mit  die^ 
•er  Würde  vereinigt  worden,  wie  das  Ministerium  der  auswärti- 
gen. Angelegenheiten  unter  dem  Herzog  von  Richelieu  1815 — 18, 
vnter  dem  Marquis  von  Dessolles  1818 — 19,  unter   dem  Herzog 
i^ofl  Motttmorency.  1820^22,  unter  dem  Fürsten  Polignac  1829 — 30»- 
endlich    unter   dem  Herzog   von    ßroglie    seit   dem   I2ten  März 
1S35.      Das  Ministerium  der  inneren  Angelegenheiten   war^mit 
itt  Stelle  des  Präsidenten  verknüpft  UQter  dem  Herzog  von  De* 
tases  1819^20,  unter  Casimir  Pe^-ier  vom  J3ten  Mtlr&  1831— Ifi^ 
Mai  1832,   und  für  wenige  Tage  des  November  1834  unter  Ma-. 
vet«  Herzog  von  Biissano^      Das  Ministerium  der  Finanzen  wac 
Mf  solche  W^ise  vereint  unter  dem  Grafen  von  VilUle  1822 — 27^ 
und  unter  Laiitte  vom    2ten  Novemher  I^IK)— 13.  MHrz    1831; 
MidUch  das  Kriegsministerium  unter  Marschali  Soult,  Herzog  von 
Oalmatien  1832—34,  unter  Msirschi^  ^'rird  1834  und  unter  Mar- 


214  Frankreich. 

•okall  Montier,  Heneog  Ton  Treviio  vom   ISten  Norember  1834 
bis  zum  Februar  1835.  — 

b)  Dai  Ministerium  der  auswärtigen  Aagelege«- 
heiten.  Seitdem  durch  der  Cardinale  Riehelien  und  Masarini 
▼ielwirkende  polilische  Thätigkeit  die  Fransösische  Diplomatie 
<a1s  Muster  der  Unterhündlungskunst  für  alle  Europäische  Staatea 
aufgestellt  wurde,  seitdem  in  den  Niederlanden,  dem  Hauptschau- 
platze des  politischen  und  diplomatischen  Verkehrs  für  diesweite 
Hälfte  dos  siebzehnten  und  die  erste  Hälfte  des  achtsehntea 
Jahrhunderts,  die  Grundsätze  der  Französischen  Diplomatie  sich 
ausscUiessend  geltend  machten  *),  stand  die  Verwaltung  der  aus- 
wärtigen Angelegenheiten  in  Frankreich  in  einem  sehr  hohen 
Rufe,  und  erhielt  sich  in  demselben  durch  Männer  wie^die  Gra- 
^fen  von  Choiseul  und  Vergennes  auch  fast  bis  zur  grossen  Frau* 
sösischen  Revolution,  wenn  wir- die  Jahre  1766-^74  ausnehmen, 
wo  der  durchaus  unfähige  Herzog  von/ Aiguillon,  der  nur  dem 
damals  gebietenden  Einflüsse  der  Gräfin  du  Barry  das  Ministerium 
der  auswärtigen  Angel^^nheiten  verdankte,  Frankreichs  politische 
Stellung  in  dem  Verkehr  mit  den  mächtigen  Staaten  Europas 
völlig  sinken  liess  **)•  Nachdem  Frankreich  aber  denk  Strudel 
revolutionärer  Anarchie  entrissen  war,  und  n^ch  dem  Sturze  des 
TerroTLsmns  den  völlig  vernichteten  diplomatischen  Verkehr  mit 
den  Staaten  Europas  wieder  anknüpfen  und  gleich  unter  der  Di- 
rectorialregierung  mit  hervorstechendem  Glänze  fortfuhren  konnte, 
bildete  Tallejrands  umfassender  Geist  eine  neue  politisch  •  diplo- 
matische Schule  Frankreichs,  die  auch,  nach  dem  er  längst  aus 
dem  Ministerium  der  auswärtigen  Angelegenheiten  ausgeschieden 
war,  die  Aufmerksamkeit  von  ganz  Europa  auf  die  Leitung  der 
auswärtigen  Angelegenheiten  in  Frankreich  vorsugsweise  binlei- 


*)  Das  interessanteste  Gemälde  der  Entwickelung  der  Französi- 
schen Diplomatie,  namentlich  vom  16ten  Jahrhandertb  bis  zur  Revo- 
lution bietet  noch  immer  dar  Flassen  in  seiner  historie  de  la  diplo- 
matie  Francaise»  ine  edit.  Paris  ISIJ.  7  voh  Svo. 

**)  Die«.  Beigte  eich  vornehmlich  bei  den  Aogelegenhellen  der 
ersten  Theilang  Polens,  die  ohne  Befragung,  Ja  selbst  ohne  goiaue 
Kunde  des  Französjschei^  Ccbinets  geschlossen  wurde. 


Frankreich.  215 

tete,  vad  'Minner  widGraf  Mol^,  Vicomte  Chateaubriand» 
Graf  Laferronnays,  trraf  Sebastiaui  und  der  Herxog  von 
Brof^lie,   vermochten   einem   solchen  Rufe   xu  entsprechen.  — « 
Der  Minister  der  ausw&rtigen  Angelegenheiten  leitet  den  schrift« 
Nehen  und  mündlichen  Verkehr  mit  den  am  Franxdsischen  Hofe 
mngestellten  22  C^andten  und  14  Geschäftsträgern  der  fremden 
«Mächte  und  mit  den  General-Consuln,  Consuln  und  Viee-Consuln 
derselben  in  den  Französischen  Handelsstädten.    Dieselbe  Wirk- 
samkeit steht  ihm  in  einem  noch  höheren  Grade  zu,  bei  den  von 
Frankreich  selbst  ins  Aushind  abgesandten  Diplomatischen  Agen- 
ten *).  Unter  diesen  waren  bis  1832  9  Botschafter  oder  Ambassadeure 
(SU  Petersburgi  London,   Wien,  Madrid,  Rom,  Constantinopel» 
Neapel^  Turin   und  in   der  Schweiz),  22  Gesandte  und  bevoU* 
mUefatigte  Minister**)  (sn  Berlin,  Lissabon,  Rio -Janeiro,  Was«, 
hington,  Stockholnr,    Haag,    Copenhagen,    Miinchen,  Dresden^ 
Florenz,  Parma,  Stuttgart,  Hannover,  Hamburg,  Frankfurt  a.  M., 
Lueea,  Carlsrulie,  Darmstadt,  Cassel,  Weimar  und  Mexiko),  50  Le* 
.  gationssecret&re.  Je  naich  der  Grösse  des   diplomatischen  Postens 
sn  I,  2  bis  3  bei  einer  und   derselben  Gesandschaftfc  angestellt, 
einige  auch  schon  selbststftndig  als  Geschäftsträger  an  kleineren 
Höfen,  wie  die  der  Grossherzoge  von  Meklenburg;  Oldenburg^^ 
Wiesbaden  u.   s.   w.     Nach  der  Ordonnanz  vom  I6ten  Decem« 
ber  1832  sind  die  Französischen  Diplomaten  för  das  Ausland  in 
vier  Classen  abgetheilt    Die  erste  wird  gebildet  durch  die  ob!« 
gen  9  Botschafter  und  den  Gesandten  zu  Berlin  (der  bios  des« 
balb    nicht  den  Titel   Botschafter   fuhrt,   weil   der    Pi^ussische 
Hof  keinen  Botschafter  zu  Paris  hält);  die  zweite  durch  0  Ge« 
sandte  (Stuttgart,   Stockholm,   Copenhagen,   Lissabon,   Haag, 
Brüssel,  München,  Dresden  und  Washington);  die  dritte  durch  4 
Residenten,   zu  Hamburg,   Florenz,  Carlsruhe,  und  in  Grie« 
chenland;    endlich   die  vierte   durch   3   Geschäftsträger  zu 


*)  Die  Zahl  derselben  und  ihre  Stellung  habe  ich  ans  dem 
Budget  des  Minist,  d.  Ausw.  v.  1.  Jan.  1829  eallehnt  (bei  Goldsmith 
Sutifit  de  Fr.  p.  lU--48)9  beides  hat  sich  aber  jetzt  wesentlick 
verändert 

'^)  Die  Gehalte  der  Botschafter  sind  zwischen  250,000  und 
100,000  Frcs.  (67^500  u.  ^,000  Thlr),  der  Gesandten  zwischen  80,0(iO 
u.  60,000  Fr.  (21,(MIDu.  17,400)»  der  Residenten  40,000  Fr.  (10,800  Th.)> 
der  General-Cot^uls  zwischen  60,000  u.  15,000  Fr.  mflm  u.  405^111.^ 


216  .Frankreich. 

I 

B'tnnover,  Castel  und  Darmatadt:  die  übrigen  diplomätiselieii 
Posten  liod  eingezogen,  oder  werden  darch  ContuU  versehen.  — - 
Ausserdem  sind  als  Consular  -  Agenten  20  General  -  Consuls, 
48  Consuls,.  24  Vice  -  Consnls  in  den  wichtigsten  Häfen  des 
Auslandes,  36  Dollmetsoher»  1  Inspeetor  der  Consulate  und 
ein  Agent  für  den  Handel  der  Levante  su  Marseille  von  die- 
sem Ministerium  angestellt  *—  Die  Bearbeitung  aller  Staats- 
rechtlichen  Verträge,  die  mit  dem  Auslande  abzuschliessen  sind, 
so  wie  die  sorgfältigste  Beobachtung  in  der  strengen  Aufrecht- 
haltung der  Bedingungen  aller  bestehenden  Vorträge,  gehören 
SU  den  wesentlichsten  Geschäfts -Verrichtungen  dieses  Biinisterii: 
die  Controllirung  und  Visirun^  aller  Pässe  der  In-  und  Auslän- 
der, die  den  Fransösischen  Boden  verlassen,  liegt  dem  Mini- 
sterium gleichfalls  ob,  und  ist  sugleich  eine  reiche  Einnahme  für 
dasselbe,  do^  jedes  Visa  mit  10  Frcs.  (2^  Thlr.)  beiahit  wer- 
den muss.  •— 

c)  Das  Ministerium  der  inneren  Angelegenheiten 
war  nach  der  Wiederherstellung  der  Bourbons  von  der  Verwal- 
tung der  Polizei- Angelegenheiten  getrennt,  die  einem  besonderen 
Ministerium  anvertraut  war.  Doch  wurde  dies  Ministerium  der 
Polizeipdege  fast  gleichzeitig  in  mehreren  Staaten,  wie  auch  in 
Preussen  un^l  Russland,  i|n  December  1818  aufgelöst,  und  die 
General-D ircction  der  Polizei  unter  das  Ministerium  der  inneren 
Angelegenheiten  wieder  gestellt.  Es  nar  aber  damals  mit  dem- 
selben Ministerium  auch  noch  die  Ober- Aufsicht  über  den  Cultus 
und  den  öffentlichen  Unterricht"  vereinigt,  und  so  wie  jener  unter 
des  Ministers  ControUe  und  Verantwortlichkeit  von  den  Erzbischö- 
fen,  Bischöfen  und  resp.  der  Nicht -Catholiken  von  den  Consisto- 
rien,  bis  auf  die  vom  Könige  ^auf  Vorschlag  des  Ministers  abhän- 
gige Wahl  der  höheren  Kirchenbeamten,  geleitet  wurde,  so  stand 
der  öffentliche  Unterricht  unter  der  Verwaltung  von  16  GeneraMn- 
■pectoren  der  Studien.  Dies  währte  bis  zum  2dten  August  1 824,  wo 
ein  eigenes  Ministerium  für  den  Cultus  und  den  Öffentlichen  Unter- 
richt begründet  wurde.  Endlich  wurden  noch  die  Handels -Angele- 
genheiten 1827  im  Novembe  von  diesem  Ministerium  getrennt  und 
einem  neuen  Ministerium  übeTwiesen.  Gegenwärtig  hat  das  Mini- 
sterium der  inneren  Angelegenheiten  folgende  Geschäftszweige: 
die  gesammte  Landespolizei,  sämmtliche  Personalien  der  Präfee- 
ten,  L'nterpräfeoten,  General-Secretäre,  Maires,  Präfecturräthe  der 
,  Mifgliedcr  der  Departements-  und  Bezirks- Conseils,  die  VoUzie- 


^    Frankreich.  3l7 

kmg  4%t  GeMtie  fibcr  die  Manieipal-  und  DepMtetttental'>Orga- 
BitatioDy  sämmtiidie  Aogelegeobeiten  der  Natioiulgarden^  die 
Geaedarmeiie  mit  dem  Kri^^tministerium  gemeioschafüieh,  die 
Pompiera  und  alle  Ldaeh-,  Sickerheiti*  und  Rettuugt-Anatalten» 
alle  Blilitir- Angelegenheiten»  bei  denen  CItU ^Behörden  reator* 
tiroi  *).  Ausf erdem  stehen  unter  diesem  Ministerium  die  Öffent* 
li^en  Beamten  **),  die  Verwaltung  des  Telegraphen,  alle  mild« 
Stiftungen,  Theater-  und  Velksbelustigungen,  die  Angelegenhei- 
ten des  Buchhandels  und  der  Druckereien,  die  Einwirkung  auf 
die  Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der  schönen  Künste  u.  s.  w. 

d)  Das  Ministerium  des  Handels  seit  1827,  wie  oben- 
mnter  c)  auseinandergesetzt  ist,  unter  dem  Ministerium  Bfartignae» 
sJs  ein  selbststandiges  Ninisteriuin  begründet,  hat  bis  aum 
2ten  April[  1834  mancherlei  Schwankungen  in  den  ihm  sugewie« 
neuen  Gesch&ftssweigetf  erfahren  müssen,  bis  es  die  gegen  war« 
dge  Einrichtung  erlangt  hat  Es  yerwaltet  das  ZolLwesen,  führt 
die  oberste  Aufsicht  über  den  Ackerbau,  den  Handel,  die  In« 
dastrie,  die  Verwaltung  der  Handelskammern,  die  Ertheilung  der 
Patente,  über  die  Marktpolisei,  über  die  Bade -Anstalten,  Land« 
Gestüte,  Anstalten  der  Thier  •  Arseneikunde;  ferner  über  Han« 
delsschulen,  Handelsgesellschaften  aller  Art,  Asseeurani-C«mpag- 
nien,  das  Eichungs-Wesen  u.  s.  w. 

e)  Das  Ministerium  des  Öffentlichen  Unterrichts, 
seit  1824  erst  errichtet,  wie  unter  c)  bemerkt  ist,  wurde  bissum 
Febmar  1828  mit  den  Angelegenheiten  des  Cultus  gemeinschafi« 
lieh  Tcrwaltet,  welche  dann  für  1|  Jahre  ein  eigenes  neues  Mi« 
aisterium  bis  zum  August  1829  erhielten,  jedoch  von  da  ab  bis 
auf  die  einem  dem  Staatsministerium  beigesellten  Bischöfe  über* 
wiesenen,  blos  persönlichen  Angelegenheiten  wieder  mit  dem  Öffent« 


*)  Doch  muss  bemerkt  werden,  dass  diese  sammtlicheo  Gegen- 
Stande  von  den  Personalien  ab  mit  dem  Ministerium  des  Handels  im 
Jahre  1833  bis  zum  2ten  April  1834  tereinigt  waren,  so  lange  Thiers 
dieses  Ministerium  bekleidete,  weil  er  ohne  diesen  wichtigen  Ein» 
flnss  auf  die  Personal  verbal  tnise  der  Beamten  and  die  Nationalgarden 
nicht  Handelsminister  werden  wollte.  Die  Regierung  gab  nach, 
war  aber  eben  so  bereitwillig  das  Jahr  darauf,  alle  diese  Geschäfte 
dem  Minister  Tbiers  wieder  nachfolgen  za  lassen,  als  dieser  am 
2.  Apr.  1834  das  Ministerium  der  inneren  Angelegenheiten  übernahm 

^)  Gleichüills  eist  wieder  seit  dem  X  Apr.  1834. 


•  ^ 


US  Frankreich. 

lieben  Unterriebte  vereinigt  wurden.  Unter  der  gegenwärtigen  Re« 
giefuikg  ist  der  Cultus  abermalt  ebgexweigt  worden,  aber  aas  deui 
eigent^ümlicben  Grunde,  weil  leit  1832  der  Minister  des  ftffentli- 
c(Len  Unterrichts  (Guizot)  der  protestantischen/ Kircbe  lugebörte; 
der  Cultus  bildet  indess  jetxt  kein  eigenes  Ministerium,  sondern 
ist  dem  Minister  dier  Rehtspflege  mit  anvertraut  —  Der  Minister 
des  Öff^tlichen  Unterrichts  führt  gegenwältig  zugleich  die  Ober- 
aufsieht  über  die  fünf  Abtheilungen  des  Instituts  ven  Frankreich» 
das  naturhistorisehe  Museum,  die  Öffentlichen  Bibliotheken,  mit 
Ansnahme  derjenigen,  welche  einem  besonderen  Verwaltungs* 
SWeige  Eugehören,  alle  Aeademieq  und  wissenschaftliche -Gesell- 
■ohaften,  vertheilt  die  literarischen  und  wissensohaftlidien  Ua- 
terstfitsungen  u.  s.  w. 

f)  Das  Ministerium  der  Rechtspflege.  Der  Chef  des- 
selben ist  lugleieh  Grosssiegelbewahrer  (^C^«r(fe(fef  Sceaux) 
mnd  steht  an  der  Spitxe  sämmtiicher  Rechtsbehörden,  jedoch 
führt  er  nur  in  sehr  wichtigen  einzelnen  Füllen  den  Vorsttx  im 
Cassationshofe  am  Parie.  Er  ist  der  Vermittler  der  königlichen 
Gnade  bei  allen  Erleichterungen  oder  gftnslicher  Aufhebung  der 
von  den  Gerichtshöfen  fes^setsten  8trafen.  Gegenwärtig  ist 
diesem  Minister»  ausser  der  sub  e)  angeffihrten  Verwaltung  des 
Cultus -Departements,  an  nnd  fQr  sich  amtlich  noch  die  Stelle 
•ines  Prilsadeftten  dei  Staatsraths  anvertraut. 

g)  Das  Ministerium  der  Finansen  hat  für  die  VoUzie* 
bnng  sftromtlicher  Gesetze,  über  die  Abgaben  ,und  Steueiti  zu 
sorgen,  empfängt  dieselben  durch  die  86  General  -  Einnehmer  in 
den  einzelnen  Departements,  befriedigt  dadurch  4ie  Budgets  der 
übrigen  Ministerien,  die  Zinsen  und  den  Tilgungsfond  der  ÖfTent- 
liehen  Schuld,  so  wie  die  Pensions-Cassen.  Dasselbe  serfUllt  in 
mehrere  Geheral-Di'rectionen,  wie  die  der  Domainen,  des  Enre- 
gistrements  und  der  Forsten,  wozu  auch  die  Jagd-Verwaltung  ge- 
hört, die  der  directen  Steuern,  die  der  indirecten  Steuenr,  die 
der  Mauth -Verwaltung,  die  der  Posten,  die  der  Münze  und  der 
Salzwerke,  endlich    die  der  Lotterie  *).    Unter  dem  Blinisterinm 


*)  Die  letzte  wird  höchst  wahrscheinlich  in  dem  Jalire  1836 
eingehen;  da  bei  der  Bewilligung  des  Budgets  för  1836  die  Aufhe- 
bung der  Lotterie  von  der  Majorität  der  Deputirtenkammer- gefordert 
und  beschlossen,  und  das  ganze  Budget  ohne  wesentliche  AbänderuDg 
ven  der^Pairskammer  genehnifgi  ist. 


Frankreich.  319 

•lelMii  ttUMtrdem  noeh  diie  Bank,  die  aber  ihrett  eigen«ii  Gouv 
VfMmcnr  in  «iBeito  der  höchsten  Staatebeamten  besitat,  gewdhnliek 
einem  der  vormaligen  FinanamintsteiC»  die  Agenten  und  Zahünei- 
.ft«r  dei  öffentliehen  Sehataes.  die  Amortiiationteasse. 

h)  Das  Kriegt miniateriom  wnrde  loletat  naeh  dem  Re- 
glement vom  30tten  December  1821  orgaoiairt.  Nach  demteiliea 
■ernillt  es  in  zwei  Hauptabtheilungen,  von  denen  die  erste  ans 
12  Divisionen  för  die  persönlichen  Angelegenheiten  der  einaelnen 
Tmppentheit^,  die  zweite  aus  10  Dfvisionen  besteht,  welche  die 
Aoshebang,  Bildung,  Vertheilung  und  Ausrüstung  der  Infanterie» 
Covallerie,  Artillerie,  des  Geniewesens v  die  Festungswwke  und 
KriegsdepotSy  die  Militärschulen,  die  PUirer*  uud  Salpeter-Fabri» 
ken,  die  StäekgiessereieOy  Gewehrfabriken  >  Zeughüustf ,  die  Mi* 
litär  *  PoHsei  -  und  Strafbefaörden,  die  ansserordentli^Mi  Bdi^h- 
Bungen  und  Indemnitäten,  endlich  die  Geadengehalte,  die  Vete^ 
rane^- Corps  und  die  Invalidenh&user  su  Paris  und  au  Avignon 
zu  ihren  Ressorts  haben.  Der  Kriegsminister  leitet  den  schrift- 
lichen Verkehr  mit  den  20  Militär  General-Commandos,  die,  drei 
bis  sieben  Departements  (Corsica  hat  allein  für  aein  einziges  De* 
partement  ein  M.  Commando)  umfassen,  er  empfängt  alle  ihre 
Berichte,  ordnet  die  Bewegungen  und  grössere  Uebungen  der 
Truppen  an,  und  fuhrt  die  Aufsicht  und  Contrelle  fiber^sämmt« 
liehe  gewöhnliche  und  ausserordentliche  Ausgaben  der  veischte* 
denen  Theiie  des  Militär-Etats. 

i)  Das  Ministerium  des  Seewesens  und  der  Colo* 
nien  führt  die  obere  Aufsieht  über  die  Flotte,  deren  Mannschaf* 
ten,  Ausrüstung,  Fabriken;  Arsenale,  Hospiüiler  u.  s.  w.  ganz  in 
derselben  Art,  wie  dies  vom  Kriegsministerium  fär  das  Land* 
heer  geschieht  Die  Verwaltung  der  wichtigsten  Hafenplätso 
steht  unter  besonderen  Marine-Präfecten  und  Unter-Präfeoten,  die 
allein  dem  Marine -Ministerium  untergeordnet  sind:  ausserdem 
stehen  die  General-Consuln  und  alle  niederen  politischen  Agen* 
ten  Frankreichs  im  Auslande  in  untergeordneter  Beziehung  zu 
diesem  Ministerium  und  in  unterbrochener  Correspondenz  über 
alle  Gegenstände,  welche  die  Flotte  und  das  Colonial-Wesen  be- 
treffen. Das  Ministerium  zerfällt  in  ~  7  Divisionen  nach  den 
Hauptressorts  seiner  Verwaltung.  Die  obere  lioitung  der  Celo- 
nien  geschieht  durch   die  Beaufiuditigttng  der  aieben  Gonvsr* 

▲  * 


\ 


ItO  ,FranJ£  reich* 

V 

I 
neure,   Ton  wichen  der  0<Hirenieur  der  OtdodiMlMa  BestettBr 

gien  den  Titei' eines  General  -  GouTemenrs  führt  und  in  Pondi-- 
eherjr  «einen  Site  hat:  die  übrigen  seeht  sind  für  Martinique,  6aa* 
deloniie  (ihit  Inbegriflf  von  -Desiderade,  Bfarie  Galante  und  SaintesI 
Gojana,  St  Pierre  und  Miquelon»  ^r  die  Colonien  am  Sene- 
gal (St  Louis  und  Goree)  und  für  die  Inseln  Bourbon  und  Ma- 
dagascar.  Jede  Colonie  hat  ihr  eigenes  Verwaltongs- Reglement  — 
Davon  ist  aber  bis  jetxt  noch  getrennt  die  Verwaltung  der  1830 
in  Besitx  genommenen  L&nder  auf  d^r  Nordküste  Afrika^s,  die  lUi- 
ter  einem  Militär- Gouverneur  zu  Algier  steht,  der  zugleich  Ober- 
Befehlshaber  sämmtlicher  Truppen  daselbst  ist  und  zwei  Unter«' 
Gouverneure  zu  Oran  und  Bona  unter  seinem  Befehle  hat  Diese 
Verwaltung  ist'  einstweilen  dem  gesammten  Staatsministerium 
^untergeordnet,  und  empfkngt  daher  eben  sowohl  von  dem  Con« 
seits-Prltoidenten,  als  auch  von  den  Kriegs-  und  Marine -Mini«» 
sterien  seine  besonderen  Befehle  für  die  -  daselbst  stationurträ 
Truppen  und  Flotten-Abtheilungen, 

Diese  0  Ministerien  besitzt  die  gegenwärtige  CentralverWai- 
tung  Frankreichs.  Es  ist  aber  ausser  den 'bei  der  Vertheilung 
der  betreffenden  Ressorts  an  andern  Ministerien  eingegangenen 
Ministerial-Stellen,  die  oben  erwähnt  sind,  noch  das  Ministe- 
tinm  des  königlichen  Hauses  eingezogen.  Dieses  war  sack 
Aufhebung  der  Polizei  Ministerstelle  im  Deeember  1818  neu 
begründet,  und  wurde  mit  der  Verwaltung  der  CiviUiste  und 
aller  zum  Hofstaat  gehörigen  oder  das  gesammte  königliche 
Haus  eigenthttmlich  betreffenden  Verwaltungsgegenständen  beauf- 
tragt Früher  war  diese  Geschäftsführung  von  einem  Ober -In- 
tendanten, mit  dem  Titel  Staatsseeretär,  geleitet  worden.  Die- 
ses Ministerium  bestand  bis  zum  4ten  Januar  1828,  wo  daa 
Ministerium  Martignac  gebildet  wurde,  bei  welcher  Gelegenheit 
cHeser  Geschäftszweig  wieder  in  die  beschränktere  Form  einer 
General -Intendantur  der  CiviUiste  zurücktrat,  die  aber 
neb  eh  dem  gesammten  Staats-Ministerium  in  selbststiindiger  Ver- 
waltung sich  bewegt:  in  dieser  Einrichtung  ist  diese  Intendantur 
bis  zum  gegenwärtigen  Zeit]^unkte  verblieben.  Eben  so  selbst- 
stindig  steht  ohne  alle  Unterordnung  unter  ein  Faehministerium 
dem  gesammten  Staats-Ministeriura  beigesellt,  der  Ober-Rech- 
nungshof, schon  jdnrch  Napoleon  1807  eingerichtet  und  in  sei- 
nem OesohMlitsbeMlehe  von  den  Boorbone  beibehalten.     Derselbe 


Vraakreiok 


S» 


M?c  ^U'  CMitr»lle  tter  «lle  Redmug«!  «Uuitlidier  Bek«rd«s« 
Inttitute  und  CorporalioBcn,  4ie  «at  Stants^CMsea  Gel4«r  «ai« 
pfaii)^  haben,  tküi^  bt  auf  das  ttrtngste  yerpüelitety  darüber  la 
waebeo,  dti/n  alle  BeMümaoflgeii  der  Budgett  ond  tentti«^ 
Staatsgesetie  bei  dea  gel^^ten  Rechnungeii  geilaa  erfoUt  dnd 
nad  4mw  flberb— pt  der  Geseb&ftsgang  der  Venralfung  nicht  tob 
der  rorgesehriebenen  Initmotien  abj^wiahen  iit  Der  Cbtf  die« 
ter  Bebdrde  iat  der  erite'PrifidenC,  der  alier  noch  3  Friai- 
denten  «neer  sieh  hat  als  Vorsteher  der  drei  Sectionen»  — 

Staats  Minis  ter  ohne  Partefenilie  konunen  selten  vor, 
ris  blosse  Verstärknng  bei  den.  Conscolssitaungeo  für  einsein» 
Gesebikftasireigey  wir  haben  einen  solchen  Fall  nnter  der  gpegen-« 
wlitigen  Regisf— g  gehabt  mit  dem  Grafen  Sebastian  i  rosa 
Mirs  1833  bis  mm  Apiü  1834;  diese  sind  aber  durebaus  au  «n« 
tarseheUea  von  den  Titnlar^Staatsministern,  welche  Mit- 
glieder der  zweiten  Centralbeböf'de  sind,  und  welche  gewÖbnHeh 
(namenttieh  nnter  Ludwig  X.V11I.  und  Karl  X.)  diesen  Ehren- 
titel bei  ihrer  Zurücladehung  aus  der  Verwaltung  eines  Faehmi* 
aisterii  erhalten  haben* 


2)  Dei^  Gehei^ie  Rath  (Conuü  prive).  Er  wurde  Ton 
XVIII.  am  loten  September  1815  eingesetst,  versaimaelC 
sibh  nur  auf  ausdrückliche  Berufung  des  Kdnigs,  die  durch  eine 
befondere  königliche  Ordonnani  von  Seiten  des  Minister -Präsi- 
denten geschieht,  und  besteht^  aus  den  Prinzen  ron  Creblüte,  den 
dirigiraaden  Staatsministern,  und  denjenigen  hohen  Staatsbeant» 
ten,  welche  bei  ihrer  früheren  oder  noch  fortdauernden  Geschäfts* 
fUhning  "Sich  das  besondere  Vertrauen  At%  Königs  erworben  ha* 
ben  und  ausdrücklich  als  Ehren -Staatsminister  bu  Mltglia* 
dem  dieses  Geheimen  Raths  ernannt  sind,  und  von  denen  einer 
als  Staatssecretär  das  Protocoll  führt.  Die  Anzahl  seiner  Mit» 
glieder  ist  nicht  bestimmt,  besteht  aber  selten  aus  mehr  als  vier* 
sig  iTheilnehmem.  Der  König  führt  in  ihm  selbst  den  Vorsita 
und  kann  jede  besonders  wichtige  und  einer  reiflichen  Erwägung 
bedürfenden  Angelegenheit  demselben  vorlegen,  aber  er  darf  nur 
über  die  yom  Könige  selbst  vorgelegten  Gegenstände  Berathua* 
gen  austeilen  und  die  Resultate  derselben  zur  ferneren  Bescblusa» 
nähme  des  Königs  abliefern:  in  der  Regel  ist  derselbe  auch  bei 
Belohnungea  uad  Gaadaabeaeaguagea  für  vonügUehe  Dienst* 


an  Frankr^iolu 


befirag^  Xe  daü  Staate  galeistet  werden  luid.      Doftk  iit  diaaar 
Geheuaa-RAth  überhäuft  aur  aeltea  bemfeii* 

3)  Der  Staattrath  (ComMetl  ttetat).  Diese  Centralbe« 
bördelt  eine  9ohdpfiiiig  Napoleona,  die  bei  der  Umgettaltuiigf 
der.  Republik  la  eio  Kaiterthum  dea  eigentlR'hejri  JSnatz  für  dio 
geietagebeiiden  Behörden  gewähren  aollte.  Sie  iat  daher  durefa* 
aua  renchieden  von  dem  früheren  kdnigUehen  Staattrathe'var 
der  Revolution,  der  die  Pienar  •  Sessionen  des  Staataninisterii 
und  des  Geheimen-Raths  sagleieh  ersetste.  Der  neue  Staats* 
rath  aber  erhielt  seine  besondere  Bestimniiuig  die  G«setiesvor* 
sehläge  vollständig  su  entwerfen,  eingereiehte  Entwärfe  zu  pr^ 
^ea,  au  begutachten  und  die  dabei  nöthigen  Veränderungen  -ansu* 
geben»  endlich  eine  ControUe  ttber  die  gesammte  Staatsvenral* 
tuBg  dadurch  su  führen,  d^s  alle  eingegangenen  Bittschriften^ 
Gesuche  aller  Art  und  Beschwerden  von  demselben  genan  unter* 
sucht,  und  die  zur  weiferen  Verfolgung  oder  Beseitigung  dersel- 
ben nothwendigen  Maassrq|;eln  angegeben  werden  sollten*  Er 
bestand  ui^ter  Napoleon  aus  den  Prinzen  von  Geblttt,  den  Grosa- 
wiirdenträfern  des  Reichs,  den  verwaltenden  Ministem,  36  or* 
deutlichen  Staatsräthen,  0  bis  12  ausserordentlichen  Staatsräthen, 
12  ordentlichen  Maitres  des  Requites,  12  ausserordentlichen 
Haitres  des  Requites  und  «50  bis  60  ordeatlidien  und  ansseror* 
detttliche&  Auditemrs,  die  zugleich  dem  Kaiser  überhaupt  als 
Pflansschule  für  seine  künftigen  höheren  Staatsbeamten  dienen 
sollten.  Der  Staatsratb  zeriie&in  6  Sectionen  fir  Gesetzge- 
bung, die  inneren  Angelegenheiten,  die  Finanzen,  das 
Kriegswesen,  die  Marine.  Den  Vorsitz  führte  in  demselben 
der  Kaiser  selbst,  und  in  den  ersten  Jahren  seiner ^  Regierung 
sehr  regelmässig:  in  seiner  Abwesenheit  wurde  der  Vorsitz  ei* 
iiem  der  Prinzen  von  Gebiüte  oder  Grosswürdentrilger  durch  be* 
sondere  kaiserliehe  Ordonnanz  übertragen.  *-*  Der  Staatsratb 
wurde  in  dieser  Einrichtung  von  Ludwig  XV(lL  beibehalten  und 
nur  mit  einer  Section  für  die  Rechtspflege  vermehrt,  indem  |zu^ 
gleich  die  Section  für  die  Marine,  im  Vereine  mit  der  betreffen- 
den Min isterial Verwaltung,  die  Angelegenheiten  der  Colonien  mit 
SU  seiner  Bearbeitung  erhielt  Die  Zahl  der  ordendichen  Staats- 
räthe  blieb  36,  die  der  ausserordentlichen  stieg  auf  das  Drei- 
fache, auf  38  bis  40,  und  ausserdem  wurden  noch  Ehrenmitglie- 
der desselben  ernannt  ( Con$eüler$  ^etai  honoraireBj^  21  bis  24 


/ 


,        Frankreich.  !n!( 


t 


an  4cr  Saht    Die  Zahl  der  ordetitlidlieii  Meilret  dei'  Reqntot 
ttieg  aaf  40 ,  and  die  dtr  «luaerordenHieheii ,  irelehe   nunmehr 
wie  eine  Hofcharge  betrachtet  wurde,   vermehrte  sich   iwecklos 
gar  liher  100.      Die  GeschäftSTertheilung  fand  seit    IS18   unter 
Ludwig  XVIIL  dergestalt  statt,   dass  a)  in  der  dection  für  Ge- 
setzgebung 5  ordenAiehe  Staatsräthe  arbeiteten,  darunter  noth- 
wendig  dureh  sein  Amt  der  General-Dürector  der  Folixei-Verwal*  ^ 
tvog   aas   dem  Miaisteriiun  des  Inneren   einberufen  war.    /?)  la 
der  Seetion  för  die  Rechtspfiege  waren  8  ordentiiehe  Staatsräthe 
beschäftigt,  eben  so  riei  y)  in  der  Seetion  für  die  inneren  An« 
gel^enheiten,  unter  weldien  aber  dureh  ihr  Amt  als  ordentliche  Mit* 
glieder  die  beiden  General-Directoren  der  Brücken,  Strassen  und 
Bergwerke,  sowie  der  Communal*  and  Departemental-Verwaltung ' 
siq;esogen  werden  mnssten.    d)  Zu  der  Seetion  für  die  Finanien 
gsbdrtea  7  ordeoüiehe  Staatsrftthe,   darunter  durch  ihr  Amt  die 
Ti«r  Cienerai-Direetorea  dier  Manth  -  Verwaltung,  der  Domainen 
wid  Forsten,  der  Postrerwaltung,  der  indirecten  Steuern  b)  für 
der  Seetion  des  Kriegswesens  waren  5,  and  ^  für  die  Seetion 
der  Marine  und  der  Coloniea  4  ordentiiehe  Staatsrüthe  angewiesen* 

Unter  dem  Ministerium  Martigaae  erhielt  aber  der  Stsets* 
radi  durch  das  Gesets  rom  ISten  November  rB28  eine  neue  Ein* 
riehtung«      Die    Einthetlung    der    Staatsrüthe    im    ordentücheii 
Dienste»  im  ausserordentlichen  Dienste  und  Ehren  -  Staatsrüthe 
T^lieb.      Von  den  Staa^ftthen  im  ordentlichea  Dienste  neh- 
men  einige  nur  an  den  Berathungen  in  den  Plenar  -  SiUungen 
Antheil,   die.  übrigen   arbeiten  in  den  Ausschüssen  oder  Sectio« 
Den:  jene  erhalten  wenigstens  10,000  Fr.  (2700  Th.),  diese  min- 
destens 15,000  Fr.  (4050  ^Th.)  Gehalt,   geniessen  aber,   wenn  sie 
anderen  von   ihnen  verwalteten    Aemtem   mehr   als   20,000  Fr« 
i54(X)  Th.)  beziehen,  kein  besonderes  Gehalt  als  Staatsrath,   und 
erhalten  überhaupt  nur  für  die  Verrichtungen  als  Staatsrath  bis 
zu  der   Summe  von  20,000  Fr.    Zuschüsse.   Die  Maitres  des  re* 
quetes  haben  5(XX>  Fr.  (1350  Th^)  Gehalt,  und  können  duroÜ  an- 
dere von  ihnen  verwaltete  Aemter  »höchstens  nur  bis  10,000  Fr. 
st^en:  liesitsea  sie  schon  fül*  diese  einen  so  hohen  Gehalt,  so 
habeft  sie  keinen  Anspruch  weiter  für  ihre  Dienfete  im  Staats- 
rathe.   Die  Geschäftsvertheilung  bildete  fortan  nur  4  Ausschüsse, 
denea  ein  Geheralseeretür  beigeordnet  ist: 


* 


294  Frankreicli. 

a)  fQr  Justk  u.  StrtitiaclMn  mit 

J2  Staatitäth.,  18  Mtr.  d.  re^,  5  Auditeart  later  CL,  7  Aadk.  2tor  CL 

ß)  för  das  Kriegs-  u.  Seewesen  mit 

e  StaaUräth.,  S  Mtr.  d.  req.,  2  Aaditeurs  Ister  Cl.,  4  Audit  2t8r  CL 

Y)  f\3Lt  innere  li.  Handels -Angelegenh. 

6  StaaUräth.,  8  Mtr«  d.  req.,  4  Auditenrs  Ister  CL^  5  Audit  2ter  CL 

dy  für  Finanien  mit 

4  Staatsräth.,  6  Mtr.  d.  req.,  2  Auditenrs  Ister  CL^  4  Audit  2ter  CL 

Ein  jeder  Entwurf  zu  einem  Gesetse,  den  die  Regierung  der 
Kammern  vornilegen  wünscht  oder  aniunehmen  hat,  oder  ein 
Entwurf  xu  einer  Verordnung  nfuu  suvor  in  den  Ausschüssen 
ganz  genau  erwogen  und  heprüft  werden,  und  kommt  sodann  in 
Gegenwart  der  dabei  betheiligten  Minister-Staatssecretäre  in  einer 
Plenarsitzung  zur  Beratfanng.  Die  hier  durch  Stimmenmehrheit 
genehmigten  Entwürfe  oder  Verordnungen  erhalten  dafin  die 
Fingangsformel  „nach  Anhörung  unseres  Staatsraths/*  Es  wurde 
nun  nach  dieser  Verordnung  1828  34  Staatsräthe  im  ordentlt^ 
eben,  23  Staatsräthe  im  ausserordentlichen  Dienste  ernannt,  die 
aber  an  den  Plenar •  Sitzungen  Antheil  nahmen,  und  ausserdem 
78  Ebren-StaatsrÜthe,  grösstentbeils  emeritirte  Staatsdiener.  Die 
Zahl  der  Maitres  des  requ^tes  im  ordentlichen  Dienste  war  30, 
der  ausserordentlichen  mit  Berechtigung  an  den  Berathungen 
Antheil  zu  nehmen  8,  ausserdem ,  aber  noch  58  Maitres  des  re- 
qu^tes  extraordinai^es  honoraires.  —  Den  Vorsitz  führt  entweder 
der  König,  und  nur  wenn  dieser  selbst  ihn  fuhrt,  dürfen  die 
Prinzen  von  Geblüt  an  den  Sitzungen  Antheil  nehmeh,  oder  der 
GrosRsiegelbewahrer  und  Juscitzminister;  in  den  Ausschüssen 
präsidiren  die  dabei  betheiligten  Minister  oder  in  ihren  Stellen 
besonders  dazu  vom  König  ernannte  Staatsräthe.  —  Bei  der 
Thronbesteigung  des  Hauses  Orleans  wurde  zwar  das  Personal 
des  Staatsraths  geändert,  aber  die  Zahl  der  Seetionen  und  die 
Gesch'aftsFertheilung  beibehalten.  Gegenwärtig  stehen  44  ordent- 
liche Staauräthe,  21  ausserordentliche  Staatsräthe,  18  ordentliche 
Requetenmcister  und  24  ausserordentliche  Requetenmeister,  11 
Auditeurs  Ister  Classe  und  22  2ter  Classe  im  Dienste.  63.Staats- 
räthe  und  65  Requetemeister  führen  diesen  Titel  nur  als  Ehren* 
recht  und  sind  zum  Theil  ausser  aller  amtlichen  ThÜtigkeit 

d)  Hoher  Rath  des  Handels  und  der  Manufacturen. 


Pr^nkrlBich.  225 

piese  letsto  und  Jüngste  Centralbehörda  wurde  noch  in  dem 
letzten  Regieruxigsjahre  Ludwigs  XVIIL  durch  das  Gesetz  vom 
6  Januar  1824  zur  Belebung  der  gesamten  technischen  Cultur  in 
Frankreich  und  eines  regeren  Vertriebs  der  von  ihr  hervorge- 
brachten Elrzeugnisse  errichtet.  Dieselbe  sollte  aus  allen  ver* 
waltenden  Ministem,  dem  General-Director  der  Üouanen  im  Fi- 
nanz-Minist, den  General  -  Directoren  des  Ackerbaus  und  des 
Handels  im  Ministerium  des  Inneren  und  des  Handels,  dem  Di-, 
rector  der  (politischen  Section  im  Ministerium  der  ausifäitigen 
Angelegenheiten  und  dem  Dlrector  der  Colonien  im  Ministerium 
der  Marine  zusammengesetzt  sein.  Den  Vorsitz  führt  der  Präsi- 
dent des  Minister-Conseits,  und  ein  Staatsrath,  der  zugleich  Mit- 
glied dieses  hohen  Raths  ist,  fungirt  als  Secretlir.  —  Diesem 
hohen  Rathe  wurde  durch  die  Ordonnanz  vom  21sten  Juni  1830 
noch  ein  General  -  Conseil,  des  Handels  und  der  Manufacturen 
betgesellt,  der  aus  62  Mitgliedern  bestehen  sollte,  die  als  Depu» 
tirte  der  33  verschiedenen  Handelskammern  (§.  II,  S.  117)  ge- 
wählt werden,  und  zwar  von  Paris  8,  Lyon,  Marseille,  Bordeaux, 
Strasburg,  Lille,  Nantes  und  Ronen  je  2,  aus  den  übrigen  je  I.  Die 
Regierung  ernennt  15  Mitglieder.  Dieser  Con^ieil  versammelt  sich 
jährlich  einmal  unter  dem  Vorsitz  des  Handels-Ministers;  er  zerfällt' 
in  2  Sectionen,  für  den  Handel  und  die  Manufacturen,  und  di# 
Functionen  der  gewählten  Mitglieder  dauern  5  Jahre.  •» 


S.  19. 


Die  iimere  Departemental-  und  Polizei* 

Verwaltung. 


Was  die  Eintbeilung'  des  Franiösiseben  Staates  in  Bezug 
auf  die  innere  und  Polizei-Verwaltung  anbelangt,  so  ist 
diese  §.  3.  S.  23-^24  bereits  näher  angegeben,  aber  iiiit  der 
Einführung  derselben  und  der  neuen  Gemeinde -Verfassung  wäh- 
rend der  Revolution  ist  die  firtthere  Verwaltung  aooh  bis  auf  die 

Sc^abert'6  SuUstikU.  Jg 


226  Fraakreicli. 

hotste  Spur  glUiBlich  TertchwuHden^    An  der  Spitxe  der  gesamm- 
ten  inneren  VWwaltung  jedes  Dep&rtementt  tteht  der  Prüfe  et 
mit  ausgedehnter  Gewalt  nnd  ohne  alle  weitere  ZwischenbehÖrdo 
unter  den  betreffenden  Ministem;  er  wird  auf  den  Vorschlag  des 
Ministers  des  Inneren  vom  Könige  ernannt,  kann  aber»   wie  das 
gesammte  Personale  der  inneren   und  Finanxrerwaltung  Frank- 
reichs, SU  jedem  Augenblicke  entlassen  Verden,   ohne  Pensions- 
ansprüche  an  die  Staatscasse  machen  zu  dürfen.      Der  Sitz  des 
Präfecten  ist  jederzeit  in  der  Hauptstadt  des  Departements;  sein 
'  Gehalt  ist   nach  der  Grösse  der  Bevölkerung  und  der  Ausdeh- 
nung des  Departements  verschieden,  und  wechselt  zwischen  10,000 
und  40,000  Fr.  (2700  hU  10,800  Th.),  nur  das  des  Präfecten  des 
Seine  -  Departements   ist    I00;000  Fr.    (27,000  Th.)  -—   Der  Prä- 
fect  ist  der  Chef  der  Polizei  und   der  Nationalgatde  in  seinem 
Departement,   er  führt  in  demselben  Bezirke  die  obere  Aufsicht 
über  allo   Öffentliche  Denkmäler,   Brücken,    Chausseen,   C^äle 
nnd  alle  Bauij^erk«,  die  auf  Kosfen  des-  Staats  oder  der  Commu* 
nen  ausgeführt  werden  und  hat  vorzugsweise  die  Verantwortlichkeit, 
für  die  Erhaltung   ihres  brauchbaren  Zustandes  stets  zu  sorgen. 
Nicht  minder  beaufsichtigt^erPräfect  die  Öffentlichen  Bibliotheken, 
die  A^useen  und  Elementarschulen,  ferner  die  milden  Anstalten,  Spi* 
täler,  Zwangsaibeitsanstalten  und  Gefängnisse  seines  Departements; 
unter  seiner  Auctorität  werden  die  Pässe  zu  Reisen   ausserhalb 
des  Depirtements   ertheilt,   der  Preis   des  Brodes  in  demselben 
bestimmt  In  seinem  VerhäRnisse  zur  Finanzverwaltung  regelt  und 
vertheilt  er  die  Quote  seines  Departements  bei  ausserordentlichen 
Landesauflagen  für  nicht  gewöhnliche  Zustände,  und  sorgt  dafür, 
.  dass  alle  für  das  Departement  zu  verwendenden  jährlichen  Aus- 
gaben nach  den  darüber  ertheilten  Ministerial  -  Instmetionen  ge- 
schehen;   selbstständig   verwaltet   er   alle  von  der  Marktpolizei, 
Stra^olivi  und  den  übrigen  Zweigen  seiner  Verwaltung  abhän- 
gige  Einnahmen,    bestreitet  mit   neun   Zehntheiien  des  Städte- 
Octrois   (ein  Zehntheil  fliesst  zuf  Staatscasse)   die  daselbst  be* 
flndlichen  milden  Stiftungen  und  Öffentlichen  Anstalten,  und  legt 
darüber   Rechnung  den  ^hm  vorgesetzten  Ministerien  des  Inne- 
ren und  des  Handels  nach  den  betreffenden  Ressorts,   von  wel- 
chen sie  zur  Revision  dem  Obenrechnungshof e  zugehen. 

Unter  jedem  Präfecten  steht  ein  General-Secretär  als  Di- 
rector  des  £üreaus,  und  dem  Präfeotea  zur  Seite  ein  Präfee- 


Fraakreich.  227 

t  u  r-  R  « t  k  aus  3  bti  5  Mitgliedern^  je  naehdem  die  Crröase  dea  Depar- 
tements  mehr  oder  weniger^  erheischt  Dieaer  antersucht  theilt  die 
TOB  den  Bürgern  dee  Departeteienfli  eingelaufenen  Bittsehriften  um 
Erlaii  oder  Vermindereng  der  directen  Stenem,  theiit  die  Be- 
.  sefawerdetty  welehe  zwischen  den  Unternehmern  Öffentlicher  Jäheiten 
und  den  Venraltungsheh Orden  deaselben  Departements  sich  erhoben 
bähen,  bestimmt  die  Grösse  desSchadenertaties,  der  durch  Strassen-» 
Canal-Bauten  und  andere  Öffentliche  Unternehmungen  veranlafest  wor- 
den ist,  prüft  die  Gesuche  einzelner  Gemeinden,  eine  Klai^e  gegen  eine 
Behörde,  den  Fiscns  oder  gegen  eine  moralische  Person  und 
Corporation  erheben  zu  dürfen,  endlich  entscheidet  er  über  alle 
Siaats-Domainen^ Angelegenheiten.  «-  ,Das  Verhältniss  der  De* 
partementai-General-Conseils»  als  einer  j&hrlich  auf  ei« 
ntge  Wochen  zusammenkommenden  berathenden  Behörde»  der 
R^rftsentonien  des  Departements,  znm  PrHfecten  und  zur  ge* 
sammten  Verwaltung  des  Departementa  ist  bereits  $.  17.  S»  21. 
Baoh  der  Beaen  Einriehtung  ddurgestelit 

Einen  gleichmftsaig  übereinstimmendeB ,  nnr  dem  Pr&fecten 
streng  untergeordneten  Wirkungskreis-  hat  der  Unterpräfeet» 
der  an  der  Spitse  jedes  Bezirks  steht,  und  eben  so  einen  Be« 
zirks-Rath  zur  Seite  hat,  der  jährlich  einmal  sich  rersammel^ 
••  §.  17.  S.  21.  Der  Unterprafect  wird  gleichfalls  auf  den  Vor- 
achlag  des  Hinisters  des  Inneren  von  deai  Könige  ernannt,  sein 
Gehalt  betragt  gewöhnlich  400Ö  Fr/(1080  Th.X  Bs  giebt  362 
Unterpräfecten,  soriel  Arrondissements  gezählt  warden»  sowio 
die  Zahl  der  Präfecten  86  beträgt 

Jeder  Cremeine  ist  wiedemm  für  denselben  Umfang  ;der 
Verwaltuogsgeschäfte  ein  Maire  vorgesetzt,  welchem  bei  Com- 
jnunen  unter  2500  Seelen  Berölkerung  ein  Adjunkt  {A^oint 
du  Matre),  beiCommunen  zwischen  2500  und  5000 Seelen  zwei 
Adjunkte,  beiCommunen  zwischen  5000  und  10,000 Seelen  zwei 
Adjunkte  und  ein  Polizei-Commissär,  endlich  bei  noch 
grösseren  Communen  für  jede  10,000  Seelen  mehr  ein  Adjunkt 
und  ein  Polizei  -  Conimissur  zugegeben  sind.  In  Städten  ober 
100,000  Einwohner  ist  ausserdem  noch  ein  General-Polizei« 
Commissär  angestellt ,  und  die  Hauptstadt  Paris  besitzt  hierin 
eine  ganz  abgesonderte  Verwaltung,  indem  sie  eine  eigenthtim- 
lieke  P.oiizei-Prä^feetur  bildet  die  ausser  der  Aräfeatur-Ver- 

15\ 


228  Frankreich. 

waltong  des , Seine-Departements  besteht  Der  Poliiei-Pr&fect  tob 
Paris  Ist  aber  nur,  was  die  öffentliche  Sicherheit  und  die  Erhal- 
tung  der  Ordi^ung  in  der  Hauptstadt  anbetrifft,  unmittelbar 
unter  das  Ministerium  des  Inneren  gestellt;  in  allen  übrigen 
Venraltungsgegenständen  ist  er  dem  Präficten  des  Seine -Depar-  ' 
tements  untergeordnet.  Paris  selbst  ist  in  12  Arrondisscmenfs 
getheilt,  an  deren  Spitze  in  jedem  ein  Maire^  2  Adjunete  und 
4  Poliaei-Commissäre  stehen*).  — -  Alle  städtische  Beamten  bis 
auf  die  Maires  in  den  Städten  von  5000  Seelen  herab  werden 
gleichfalls  Tom  Könige  auf  den  Vorschlag  des  Ministers  des  In- 
neren ernannt;  die  übrigeu  vom  Präfecten.  Den  Maines  und 
ihren  Adjunkten  dienen  zur  Unterstützung  bei  der  Aufsicht  und 
der  Verwaltung  der  Gemeinde  -  Güter  und  der  Vertheilung  der 
directen  Steuern  die  Munieipairäthe,  welche  nach  der  ver- 
schiedenen Grösse  der  Gemeinde  aus  10  bis  30  Mitgliedern  be- 
stehen, und  jährlich  dreimal  im  v  Februar ,  August  und  Novem- 
ber auf  10  Tage  höchstens  zusammenkommen.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit finden  allgemeine  Berathungen  über  €remeinde  -  Angele- 
genheiten unter  dem  Voiliitze  des  Maires  oder  eines  seiner  Ad- 
junkten statt;  hieraivf  werden  die  von  den  verwaltenden  Muni- 
cipal  •  Beamten  gelegen  Rechnungen  revidirt,  wobei  der  Maire 


^)  Die  Verwaltung  von  Paris,  die  ausser  den  daselbst  sutionir- 
len  königlichea  Gensdarmen  ein  Corps  von  1^200  Stadt  -  Sergenten 
oder  Stadt -Gensdarmen  (la  garde  municipale),  ein  eigenes  Corps 
von  Sapeurs-Pompiers  zur  Bedienung  der  LöschansUlten  unterhält, 
kostete  bereits  16*24  die  Summe  von  51,972,206  Fr.  (14,032,494  Th.), 
welche  allein  aus  den  städtischen  Einnahmen  dieses  Jahres  mit  ' 
51,975,856  Fr.  bestritten  wurden,  und  noch  einen  Ueberschuss  von 
3fö0  Fr.  lieferten.  Der  in  demselben  Jahre  von  dem  Präfecten  Grafen 
Chabrol  über  die  Verwaltung  von  Paris  abgestattete  Bericht  ruft 
dabei  aus:  also  mehr  als  das  ganze  Königreich  Würtemberg!  Er 
würde  richtiger  gesprochen  und  noch  me^r.  Verwunderung  erregt 
haben,  wenn  er  „weit  mehr  als  das  Doppelte**  oder  „beinahe 
das  Dreifache**  der  Ausgaben  des  Königreichs  Würtemberg  ge- 
setzt hätte,  da  diese  damals  durchschnittlich  gegen  9,500,000  fl. 
Rheinland,  oder  ungefähr  19,000,000  Fr.  <5,180,000  Th.)  betrugen. 
Im  Jahre  1829  betrogen  die  Ausgaben  der  Stadt  Paris  45,133,505  Fr. 
(12,1869045  Th.)  und  die  Einnahmen  46,430,000  ^t.  (12,2a0>100  Tb.). 


Frankreich.  '  2'29 

and  atetne   Aitjnnkten  iich  entfernen  milisen,  um!  ein  von  dem 
Manieipal-Conseil  selbst  erwählter  Präsident  den  Vorsiti  f&hrt. 

Die  Verwaltang    dev  milden   Anstalten  ^nnr  Pflege   dnr' 
Waisen,    Armen  und  Kranken   beginnt  in  (Frankreich  ihre  neue 
Periode  erst  wieder  mit  Napoleon,  da  im  Strudel  der  ReTolotion 
die  meisten  dieser  Stiftungen,  wegen  ihres  Zusammenhanges  mit 
geistlichen  Einrichtungen  entweder  völlig  vernichtet,    odtr  doch 
wenigstens  Jahre  long  gehemmt  waren:    dies   geschah    aber   bei 
740  öffentlichen  Spitälern  und  130  Privatstiffungen.     Napoleon 
verwandte  nach  Chaboultm  de  Fain^  dem  hievon  sehr  gut  unter- 
richteten Augenieug^,  wirhrend  der  ersten  acht  Jahre  der  Kai- 
s^rregiening   (1804 — 12)  für  WaisenhUuser  und  fromme  Stiftun* 
gen    eine  Summe   von  Mehr  als  12,000,000  Fr.    (3,240,000  Th.) 
on^  begünstigte   den  Orde^  der  barmherzigen  Schwestern,   die 
sich  vorzugsweise   mit  der  Krankenpflege  beschäftigten,   indem 
er  demselben,   als   wahrhaft  um  die  Menschen  verdienten  Wohl- 
thätem,   unter  allen  Orden   den  ersten  Plats  einränmte.    Diei#^ 
vnn  oben  her  geseigte  Sorgfalt  wirkte  auf  das  Volk,  die  Com- 
munen  bemOhten  sich  die  alten,  dimA  ihre  treffliche  Einrichtung 
gen  bewahrten  Stiftangen  wieder  ins  Leben  zu  rufen,  indem  sie 
ihnen  wa  mäglieh  die  frihere  Quelle  ihrer  Einkünfte  wieder  er« 
öffneten,  oder  durch  eine  auareichende  Ergänzung  dafür  zu  ent« 
schädigen  sich  bemühtem  Dies  geschah  in  einem  noch  ausgedehnt 
teren  Grade  unter  den  Beurbons,  weil  der  jetzt  wieder  stark  aufstre« ' 
hende  Klems  hiefür  eine  woblthätig»  Einwirkung  äussern  kennte, 
die  Liebe   zu  Legaten   an   milde  Stiftungen   von  neuem  weckte,, 
uttfl   durch   dell   allgemeinen  Zufluss    zu   den   geistlichen  Orden 
^  9.  S.  S,  73)  viele  neue  Armen-  und  Krankenanstalten  in  das 
Leben  rief.     So    bestanden   bereits   am  Ende   des  Jdhres    1S27 
2224    von    einander    gesonderte    Congregationen    barmherziger 
Schwestern  und   andere   milde  Vereine  pflegender  Frauen,   von 
denen  1533  deflnitiv^   die  übrigen  provisorisch  genehmigt  waren.. 
AU  die  ausgezeiebuetsten  Anstalten-  dieser  Art  verdienen  die  I9i 
grossen  Blespititfer   zu«  Pairis   und  Lyon    angeführt   eu  werden. 
In  Paris  pflegen  im  Hotel' Dieu  48  barmherzige  Schwestern   un« 
ausgezetst  an  000  Krankenbetten;    nächst   (Heseni   ist   hi^r   das 
kotel  la  PfWdie  grösste-  Anstalt  dieses  Ordens.  In  Jtyon  reicht 
der  Ursprung  des  grosseii  Krankenhospitals,  das  jetzt  gleichfalbi 
den  Titel  Hotel-Ditu  fuhrt,   bis  in  die  ältesten  Zeiten  des  Mit- 


230 


F  r  a  n  jk  r  e  i  c  h« 


telal^rt  herauf,  in^lem  es  sra  Anfang  des  sechsten  Jahrhunderts  , 
von  König  Childebert  gegründet  sein  soll;  es  werden  daselbst 
jetzt  jährlich  durch  200  barmherzige  Schwentern  in  2000  Kran- 
kenbetten gegen  1 1,000  Kranken  gepflegt  Ausserdem  beündet 
sich  daselbst  das  Hospiee  de  la  Charit e\  welches  400  Greise, 
3000  Waisenkinder  und  gegen  1400  {Findelkinder  jährlich  unter- 
hält, von  welchen  letzteren  nur  1000  im  Hause  selbst  erzogen, 
die  übrigen  aber  auf  dem  Lande  imtergebraeht  werden! 

Auf  ein  eigenthOmliches  Refugium  und  dabei  zugleich  auf 
•ine  höchst  beträchtliche  Staatsunterstütsung  machen  in  den 
letzten  fünf  Jahren  die  politischen  Ffüohtlioge  aus  den  verschie- 
densten Staaten  Europas  Anspruch,  die  nicht  minder  aber  auch 
einer  sorgfältigen  polizeilichen  Obhut  bedürfen.  Ihre  Zahl  mehrte 
sich  ausserordentlich  nach  der  Wiederherstellung  der  Ruhe  in  Polen 
und  Italien,  und  erreichte  1832  8000  Individuen,  die  über  5,000,000 
Fr.  (1,350,000  Th.)  aus  den  Staatscassen:  bezogen,  im  Jahre  1833 
sank  sie  auf  6000,  die  nach  der  officiellen  Apgabe  des  Ministe- 
riums 4,000,000  Fr^  erhielten.  Am  Iten  Januar  1834  waren 
noch  5704  Flüchtlinge,  und  die  für  sie  ausgesetzte  Summe  be- 
trug 3,680,000  Fr.  (993,000  Th.);  endlich  am  Isten  Januar  1835 
5428.  darunter  4710  Polen,  7t)8  Italiener«  4  Spanier  und  1  Deut, 
icher;  es  wurden  für  dieselben  noch  3,000,000  Fr.  (826,200  Th.) 
bewilligt. 

; 

Staatsanstalten  für  die  Wittwen  und  Waisen  'der 
Beamten  bestehen  noch  bis  jetzt  in  Frankreich  tiicht,  worauf 
allerdings  das  eigenthümlicho  Kündigungs-Verhältniss  aller  Ver* 
valtungsbeamten,  die  nicht  zuni  richterlichen  Stande  gehören,^ 
einwirken  mag:  aber  einzelne  Pensionen  werden  denselben  naöh 
Maasgabe  desVerdienstes  und  des  politischen  Charakters  ihrer  Männer 
Hnd  Väter  überaus  häuüg  vergeben.  Eben  so  wenig  giebt  es  Staats- 
anstalten für  Brandversicherung  städtischer  oder  ländlioher 
Grundstücke,  um  so,  mehr  hat  in  neuerer  Zeit  Privat«^peculation 
den  ohne  alle  Öffentliche  Garantie  ihr  Geschäft  treibenden  Assecu- 
ranz-Compagnien  in  Frankreich  offenen  Raum  geebnet,  und  leider  ih- 
ren Wirkungskreis  nicht  bloa  auf  diesen  Staat  beschränkt,  sondern 
bis  neuei^dings  einige  Verbote  dagegen  erschienen  sind,  densel- 
ben vielfachen  Eingang  im.  westlichen  und  südlichen  Deutsch- 
land verschafft« 


I 

I 


Frankreich.  231 

Die  ForstTerwaltung  betitst  ihre  CentmlTenriltung  wm 
Paris,  wo  'ie  eine  eigene  General-Direetion  im  Ministerium  dea 
looeren  bildet«  uod  für  die  V^ollxiehung  des'  Dienstes  in  den  De- 
^rtements  21  Conserrateurs,  81  Inspeeteurs  und  122  Sous  -  In« 
Bpecteurs  besehiftigt,  die  wiederum  für  den  niederen  Dienst  941  & 
Ag^vt^^  Gardes  Generaux^  Garden  d  Ckeval^  ArpcnteurM  un(t 
Gmrde9  d  pM  unter  ihren  Befehlen  haben.  ^ 


S.  Kh 


Die '  Rechtspflege. 


Igamberi^  D$eru$y  ei  Taillandier  ( AtocaU)  recueil 
gemeral  des  ancienntu  loU  FranqaistM^  depuis  418  JuBqu*  d  1789» 
30  voL  Svo.f  ParU  1829 — 31  8^0.:  man  vergleiche  über  diese  Samnw 
lung  Zachariae  nnd  Mittermaier  Zeitschriff  für  auslanilische 
Rechfswiftsensehafty  Band  111.  Heft  L  —  Bulletin  des  lots  du 
royaume  de  France^  bme  Serie^  erscheint  vom  Isten  April  1814 
ab  jährlich  in  vier  Bänden,  von  'denen  jeder  immer  ein  trtmeetre^ 
oder  die  Gesetze  und  Ordonnanzen  von  3  Monaten  enthUIt.  biU 
det  also  jetzt  bereits  eine  Sammlung  von  83  Bänden,  excl.  das 
Jahr  1835.  —  D'Eyraud  de  rudminietraWon  de  la  justice  et 
de  r ordre  judiciair e  en  France^  Paris  1824  2  rol,  8t70.  —  An- 
selm  V.  Feuerbach  über  die  Gerichtsverfassung  und  das  ge- 
richtliche Verfahren  Frankrieichs  in  besonderer  Beziehung  auf 
deffenllichkeit'  und  Mün«llichkeit  der  Gerechtigkeitspflege,  Gicsseu 
1825.«—  Compie  general  de  radminist  rat  ion  dela  just4ce  cri- 
minelle en  France  pendant  Vannee  1825^  Paris  1827.  —  Für 
das  Jahr  1826  erschien  dieser  f  eiicht  gleichfalls  1827  und  seit- 
dem jährlich  •).  — 


'*)  Ausführliche  R^ahriös  dieser  Rechenschaftsbei  i(  h(e^  bisweilen 
zugleich  mit  Vergleicbung  der  Englischen  "Rechtspflege  licrerle  Fc-«^ 
russac  Bullet,  d.  ^.  s(a(.  IX.  p.  370-^1»  X.  p.  37S— 84,  t.  XV.» 
p.  7-14,  t.  XXI.,  p.  4-1-2,  i.  XXV.,  p.  161-^75. 


fSH  Frankreich. 

« 

Vor  der  grossen  Rerolation  gab  es  fft  Prankreieh  durekaa« 
kein  allgemeines  GeseUbueh»  welches  für  alle 'Provinsen  gleich- 
geltende  Rechtskraft  gehabt  h&tte.  Der  ganse  Staat  zerfiel  für 
die  Rechtspflege  in  Paif$  du  droit  eerit^  in  welchem  pur  das 
Römische  und  das  Cano'hische  Recht  als  HauptqueUen  für  die 
'  richterliche  Entscheidung  gebraucht  wurden,  und  in  Pajf9  deu 
coutumeB  oder  coutumterB^  in  welohen  Provinsen  eigene  Land- 
und  Stadtrechte  wahrend  des  Mittelalters  gegeben  und  sp&ter 
noch  unter  den  Bourbons  stets  best&tigt  und  erweitert  waren. 
Auf  solche  Weise  waren  in  Frankreich  60  Provineial-  und  325 
Stadt  -  Statuten  öder  gegen  400  Particularreohte  entstanden. 
Seit  dem  Zeitalter  Ludwigs  XIV,  waren  aber  alle  neue  gc- 
•etsliche  Verordnungen  (Ordonnanc€$  du  roi)y  welche  entweder 
durch  die  fortschreitende  Cntwickelung  des  bürgerlichen  Lebens 
'  '  gefordert  wurden»  und  die  davon  abhängigen  Polixeivergehen 
bestimmten,  oder  für  die  ununterbrochene  Erhaltung  der  in- 
neren Ruhe  des  Landes  sorgen»  den  Handel  und  allgemeinen 
Verkehr  sicher  stellen»  die  Verhältnisse  des  Landes  zum.  stehen- 
den Heere  und  zur  Flotte  festsetsen  und  endlich  die  dadurch 
nothwendig  gesteigerten  Staatseinnahmen  hervorbringen  sollten» 
nach  und  nach  in  XIL  Haupt-Ordonnanaen  für  die  einflussreich- 
jten  Zweige  der  Star  u Verwaltung  lusammen  gesogen»  und  in  die- 
ser gemeinschaftlichen  Redaction  suerst  seit  J667  als  Theile 
des  Code  Je  Louh  XJV.  bekannt  gemacht;  die  letzte  derselben 
erschien  1695.  Die  Ergänzungen  dieser  Gesetzsammlung  unter 
dem*  Herzog  R^^nten  von  Orleans  und  Ludwig  XV.  waren  aber 
Privatnnternehmungen;  so  wurden  die  Verordnungen  aus  den  Jah- 
ren 1723-^40  als  Code  de  LouU  XF.»  Parte  175d*— 59»  12  vol  ^vo. 
von  Chaussepierre  herausgegeben:  darauf  erschienen  in  ungleichen 
Zeiträumen  die  neuen  Fortsetzungen  nnd  Erweiterungen  dieser 
Codes  bis  zum  Anfang  der  Französischen  Revolution.  Wenn  gleich 
imn  durch  die  Revolution  auch  die  gesammte  Rechtspflege  völlig 
umgestürzt»  und  unter  der  wiederhergdstellten  Monarchie  eine 
gätislich  neue  nach  ^vollständig  systematisch  bearbeiteten  Rechts- 
bfiohem  wieder  eingeführt  ist»  so  haben  doch  für  das  Civilrecht 
^nnd  den  gesammten  bürgerlichen  Verkehr  diese  äUen^  Gesetze 
noch  bis  zur  heutigen  Situnde  vielfache  Anwendung»  dürfen  also 
in  einer  statistischen  Uebersicht  über  die  heutigen  Quellen  für  den 
Rechtszustand  des  Französischen  Volks  nicht  übergangen  werden.  ^- 
Was  die  Gerichtshöfe  selbst  in  damaliger  Zeit  anbetrifft 


Frankreich.  233 

so  eDteeliieden  tu  erster  Intteos  die  Baültagei  und  Sen^chaus- 
•eet,  Amtigeriebto  oder  Bestfksgerichtey  utiter  welchen  die  Mairet 
4er  Stidtey  die  Prevdts  einzelner  städtisefaer  Corporationen  tind 
die  adeliclien  GerichUverwalter  für  die  Bewohner  dea  platten 
Landes  ttanden.  Von  diesen  ging  die  Appellation  in  zweiter 
Inatani  an  die  15  oberen  Landgerichte  der  alten  Prorinzen 
Frankreiehty  und  in  letzter  Instanz»  röllig  ypn  einander  unab- 
hängig, sprachen  die  sieben  Parlamente  und  3  contetU  9uperieur9 
das  Urtheil «  welche  eben  wegen  ihrer  gegenseitigen  Selbststün- 
digkeit  bereits  lange  Tor  der  Revolution  couru  Mouv^raineMge- 
nannC  wurden.  In  allen  Sachen,  deren  letzte  Entscheidung  der 
König  nicht  einem  Parlamente  einräumen  wollte,  entschied  der 
alte  Staatsrath  oder  das  geheime  Staat»  •  nnd  Cabinets  •  Ministe- 
rinBy  kk  dieser  Eigenschaft  als  cour  9ouveraine  de  Justice, 

Nachdem  nun'  die  Parfamente  und  alle  ihnen  untergeordne- 
ten Gerichtshöfe  in  der  Revolution  untergegangen  waren,  die 
neu  gebildeten  politisohen  Verhältnisse  weder  nach  den  früheren 
königlichen  Gesetzen,  noch  nach  den  Hülfsrechten,  noch  endlich 
nach  den  darüber,  bei  der  Einführung  während  der  Revolution  festge- 
stellten, aber  mehr  von  dem  administrativen  S^ndpunkte  berücksich- 
tigten Bestimniungen  richterlich  beurtheiltwerdeakonnten,  so  machte 
sich  als  das  erste  dringendste  Bedürfniss  des  beruhigten  Frankreichs 
geltend,  ein  neues  Gesetzbuch,  eine  neue  Gerichtsordnung  und  eine  re- 
gelmässige und  unbescholtene  Verwaltung  der  Rechtspflege  zur  Si- 
cherstellung des  Staats  zu  besitzen.  Schon  nach  dem  Sturze 
des  Terrorismus  waren  1794  Commissionen  für  die  Entwerfung  , 
eines  neuen  Gesetzbuches  ernannt,  aber  so  oft  diese  auch  wech- 
selten, um  brauchbareren  Mi^iedem  den  Platz  zu  Überlassen, 
so  war  es  doch  Napoleon  vorbehalten,  seitdem  er  als  Consul 
die  Zügel  der  Staatsverwaltung  Frankreichs  ergriffen  hatte,  auch 
hier  eine  neue  feste  Bahn  zu  eröffnen  und  sie  während  seiner 
Kaiserherrschaft  fast  vollständig  zu  Ende  zu  führen.  Als  ehren- 
werth  bleibende  llesultate  dieses  kräftigen  Eifers  glänzen  die 
fftnf  Codes  hervor.  Der  Code  civil y  oder  das  Cirilgesetz- 
buch  wurde  in  seinem  Entwurf  1802  fertig,  am  5ten  März  >I803 
dem  Corp9  legiilaiif  zur  näheren  Prüfung  übergeben,  welches 
dieselbe  in  Jahresfrist  bis  zum  24sten  März  1804  beendigte; 
er  trat  in  Gesetzeskraft  mit  dem  Isten  Januar  1807  fin.  /Die- 
sem folgte  der  Code  de  procedure  civile    «ler  die  CivUpro- 


\ 


..t 


234  Frankreich. 

Cef  »Ordnung  rom  24iten  Apr.  1800,  welche  auf  der  Gnindlnge 
der  Ordonnanz  von  Ludwig  XIV.  über  den  bürgerlichen  Process 
von  1667  beruht:  gleichfalls  mit  dem  Isten  Januar  1807  einge- 
führt Darauf  erschien  der  Code  de  commerce  vom  208tea 
September  1807,  gestützt  auf  die  Ordonnaiizen  Ludwigs  XIV. 
über  den  Handel  und  die  Schiffahrt  aus  den  Jahren  1673  und 
1681;  sodann  der  code  d'instructton  criminelle^  oder  die 
Criminal- Ordnung  yc/m  27sten  November  1808,  welche  indess 
gänzlich  von  der  früheren  königlichen  vom  Jahre  1670  abweichen 
musste,  da  die  Einführung  der  Geschworn engerichte  durch  die 
U8$emblee  nationale  Constituante  I79I  eine  völlige  Umgestaltung 
desCrirainalprocesses  nothwendig  gemacht  hatte,  wie  dies  auch  schon 
/  durch  die  Gesetze  vom  29sten  September  1791  und  vom  2i8ten 
Octobcr  1701  erfolgt  war.  Endlich  beschloss  die  Reihe  der  kai- 
serlichen Gesetzbücher  der  Code  criminel  oder  Code  penal 
vom  22sten  Februar'  1810,  welcher  als  eine  Umarbeitung  der 
beiden  Strafgesetzbücher  wahrend  der  Revolution  lu  betrachtea 
ist,  des  Code  penal  vom  8ten  October  1701  und  des  Code  de9 
delits  et  des  peinee  vom  25sten  October  1793. 

Alle  diese  Gesetzbücher  wurden  bei  der  Restauration  durch 
die  Verfassung  vom  4ten  Juni  bis  auf  unwesentliche  Bestimmun- 
gen beibehalten  *),*  die  ausschliesslich  auf  Napoleon^  oder  die 
Institutionen  des  Kaiserthums  sich  beziehend  in  den  darauf  fol- 
genden Ausgaben  weggelassen  wurden:  eben  so  sind  sie  voll- 
ständig in  Gesetzeskraft  durch  d.is  neue  Staatsgrundgesetz  vpm 
7ten  August'  1830  erhalten.  Beide  Constitutionen  setzen  zu- 
gleich die  wesentlichsten  Grundzüge  für  die  fernere  Verwaltung 
der  Rechtspflege  fest,  die  besonders  auf  folgenden  Hauptmomen- 
ten beruht.  Die  gesammte  Rechtspflege  geht  vom  Könige  aus, 
so  dass  sie  in  seinem  Namen  allein  verwaltet  wird  und  er  selbst 
alle  Richter  ernennt**).    Diese  werden  dadurch  'unabsetzbar. 


*)  Es  heisst  daselbst  §.  G8  wörtlich:  „le  code  civil  et  les  lois 
ac(aelleitfent  existantes,  cjai  ne  sont  pas  contraires  k  1^  prestfnte 
Charte,  restent  en  vigiieurjusqn'ä  te  qu'il  y  soit  l^galemenl  deroge.'^ 
dieser  §.  ist  wörtlich  in  f .  69  der  VerL  von  1830  aufgenommen. 

••)  Verf.  V.  1S30,  §.  48}  Verf.  v.  1814,  J.  57. 


Frankreich.  235 

mit  alleiniger  Ansnatime  der  Friedensrichter ,  welche  über  die 
Sachen  vom  geringsten  Werthe,  nemlich  in  Civilsachen  bis 
100  Fr.  (27  Th.)  ohne  weitere  Appellation  von  ihrem  Ausspruche, 
bis  500  Fr.  (133  Th.)  Werth  in  erster  Instanz  urtheilen,  aber  su- 
gleich  als  Polizei-Behörde  auf  Requisition  eines  Maires  oder  ei- 
ües^  Polizei'Commissars  fungiren  *).  Doch  ist  jeder  Franzose  be- 
rechtige y  seine  Stieitsache  durch  einen  Schiedsrichter  förmlich 
und  gültig  ausgleichen  zu  lassen.  '  Die  unter  Napoleon  einge- 
führten Civil-  und  Criminal^ Gerichtshöfe,  so  wie  die  Handelsge- 
richte, sind  mit  allen  ihren  Einrichtungen  beibehalten,  und  kön- 
nen nur  vermöge  besonderer  Gesetze  geändert  werden:  daher 
sind  gegenwärtig  alle  ausserordentlichen  Gerichte,  aUs  welchem 
Grunde,  oder  unter  welchem  Namen  sie  auch  eingesetzt  sein  mö- 
gen -als  constitutionswidrig  verboten  ""*).  Die  Verhandlungen 
in  allen  Crimiaal-Processen  sind  Öffentlich,  wenn  sie  nicht  von 
der  Art  sind,  dass  ihre  Oeffentlichkeit  nachtheilig  auf  innere 
Ruhe  und  Ordnung  und  auf  die  Sitten  einwirkt:  doch  muss 
dieses  erst  durch  ein  förmliches  Urtheil  eines  oberen  Gerichts- 
hofes er]clärt  werden,  worauf  dann  das  Publikum  von  den  Sitzun- 
gen entfernt  gehalten  wird  ***).  Das  Institut  de^  Geschwornen 
(Jurei)  bfeihtf),  wie  es  nach  der  obigen  Angabe  während  der 
Revolution  aus  England  nach  Frankreich  verpflanzt  worden  ist» 
aber  mit  dem  höchst  bedeutsamen  Unterschiede  von  dem  Engli- 
schen Herkommen,  dass  hier  nothwendig  Stimmcneinnellig- 
keit  das  Schuldig  oder  Unsehuldig  aussprechen  muss,  in  Frank- 
reich dagegen  nur  Stimmenmehrheit  für  das  gefüllte  Urtheil 


♦)  Verf.  V.  1830,  §.  49  und  52}  Verf.  v,  1814,  J.  58  und  61. 

**)  Yeri.  v.  1830,  §^  SO,  51  und  54|  Verf.  v.  1814,  §.  69,  60  und 
63:  die  in  dem  letzteren  6.  noch  vorbehaltenen  Prevotal- Gerichts- 
höfe,  welche  für  Hochverrath,  bürgerlichen  Aufruhr  ohne  weitere 
Appellation  eingesetzt  werden  konnten,  und  deren  Urtheil  in  24 
Stunden  vollzogen^ wurde,  haben  seit  dem  Jahre  1817  keine  Aowen-* 
düng  mehr  getunden,  doch  ist  auch  .dieser  Vorbehalt  in  der  \erL 
V.  1830  §.  54  weggelassen. 

♦*♦)  Verf.  V.  1830,  §.  65  nn*  Verf.  v.  1814,  §.  04. 

+)  Verf.  V.  183^  §.  56  ttiid  V^rL  v.  1814,  5-  65. 


236  Frankreich. 

verlaDgt  wird»  wo.bei  nooli  der  Ciofluss  des  königlichen  Procu- 
rators  besonders  zu  bemerken  ist,  der  znletKt  den  Vortrag  h&lt, 
und  in  einem  Resume  das  ganze  peinliche  V^erhör,  saninit  den 
Zeugen-Aussagen  zusatfbmenfasst,  um  seine  Ansicht  über  den  vor« 
liegenden  Fall  zu  begründen.  Hierauf  werden  unmittelbar  die 
Stimmen  der  Geschworenen  in  geheimer  ßerathung  gefordert, 
und  bei  dem  allgemeinen  Standpunkte  4ei  Bildung  der  Geschwo- 
renen ist  es  nicht  zu  verwundem,  das^  die  Ansicht  des  Procura- 
tors  sehr  häufig  entscheidend  auf  den  Spruch  der  Jure'f  eint^irkt, 
wenn  nicht  etwa  politische 'Factionen,  wie  gegenwärtig^  bei  den 
Fressvergehen  und  den  Reactionen  gegen  die  bestehende  Regifsrung 
und  deren  Behörden,  geradezu  gegen  die  Ueberzeugung  das^Los- 
spreehungsurtheii  von  den  Geschw<^renen  verlangen.  Die  Stirn - 
i^eoniehrheit  war  bei  den  Geschworenen  bis  1831  nur  die  ab- 
solute, ist  aber  nach  dem  peuen  Gesetze  über  dies  Institut  von 
1831  auf  .zwei  Drittheiie  der  Mi^lieder  als  da«  Minimum  er- 
höht worden.  — 

Die  Verwaltung  der  Rechtspflege  bewegt  sich  gegenwär- 
tig in  Frankreich  in  folgendem  Geschäftsgänge.  Friedensrich- 
ter,» d<^ren  Wirkungskreis  bereits  oben  dargestellt  ist,  und  die 
nur  neben  sich  einen  Grefßer  zUr  Führung  und  Registrirung 
der  Acten  als  Geholfen  haben,  sind  für  jeden  Canton  einer, 
für  Paris  zwölf  angestellt:  ihre  Gesammtzahl  beträgt  2846,  ihr 
Gehalt  in  Paris  2400  Fr.  (648  Th.),  in  den  übrigen  Städten  800 
bis  1800  Fr.  (216  bis  486  Th.),  ober  die  meisten,  nemlich  2754  be- 
ziehen nur  800  Fr.,  ausserdem  Sportein  für  Certificate,  Vidimi- 
rungen  und  rechtliche  Rathschläge  in  Privat  •  Angelegenheiten 
von  2|  bis  5 Fr.  —  Die  Tribunale  erster  Instanz  bestehen 
in  jedem  Arrondissement  für  sämmtliche  Civil-Sachen,  dje  übet 
den  Geschäftsbereich  der  Friedensrichter  hinausgehen,  für  ge- 
Mngere  CriminalfäUe,  die  als  correctionelle  Vergehen  zu  betrach- 
ten sind  und  ohne  Juiy  verhandelt  werdend  früher  (bis  1830) 
gehörten  auch  die  Pressvergehen  vor  diese  Gerichte,  sind  aber 
jetzt  den  Geschworenen  übergeben.  Die  Zahl  dieser  Gerichts« 
böfe  beträgt  jetzt  361.  Sie  sind  in  den  kleineren  Städten  aus 
4  Richtern  und  einem  Präsidenten,  in  den  grösseren  aus  10  bis 
15  Richtern,  einem  Präsidenten  und  einem  Vkepräsidf^nten ,  in 
Paris  aber  aus  einem  Präsidenten,  6  Vice -Präsidenten  und  31 
Richtern  zusamnieog<^tzt.      Sie  zerfallen    nach  dem  Charakter 


Frankreich.  237 

ihrer  Geschäfte   in.  swei,  und  in  Paris  in  noch  mehrere  Secti»> 
iieti,  un«l  jeder  Section  ist  ein  kc^niglicher  Proenrator  beigegr« 
hen.      Die  Geschäfte   werden   ^lich   ita  6  Standen  von  10  Uhr 
bis  4  Uhr  Nachm.   verriebtet,   ausser   an   Sonn  •   und  Festtagen 
und    in    den   sechswochentlichen  Sommerferien.      Die  gesammte 
Zahl  der  Richter  bei^&nft  sich  auf  1626,  iter  Gshalt  beträgt  1250  bis 
6000  Fr.  in  Paris  (3374  bis  1620  Tb.),  das  der  Präsidenten  ron 
2000  bis   6000^  Fr.  (540  big  1620  Th.),  in  Paris  aber  16,000  Fr. 
(4320  Th.)      Die  Tribunale    erster  Instanz  in  den  Hauptstädten 
der  Departements  bilden  för  CriminalfilHe  noch  eine  xweite  In- 
stanz,  wenn    dieselben    bei   den  Tribunalen  in  den  Arrondisse« 
mentsstädten  verhandelt  sind,   dagegen  in  den  Cirilsaehen  geht 
die  Appellation  sogleich  an  eine  höhere  Instanz.    Jedes  Tribu- 
nal  hat  einen  königlichen  Procurator  und  nach  der  Grösse  seine« 
Geschoftsbezirks  mehrere  Substitute  desselben,  in  Paris  sogar  15« 

Die  zweite  Instanz  ist  den  Appellationsgeriehten  oder 
königliehen   Gerichtshöfen   (cour9   r&t/ale$)   vorbehalten, 
,    deren  es  27  giebt,    die  in  den  grösseren  Städten  ihren  Sitz  und 
einen  Wirkungdereis  über  drei  bis  vier  Departements  haben^  Sie 
sind  aus   12  bis  36  Richtern,   einem  ersten  I^räsidenten  und  2 
bis  6  Präsidenten  der  einzelnen  Sectionen  zusammengesetzt   Die  « 
Gesammtzahl  der  Richter  beträgt  630,  der  Präsidenten ^93,  der  er* 
sten  Präsidenten  27;  das  Gehalt  der  Richterist  3000 bis 4200 Fh 
(810  bis  1134  Th.),  in  Paris  8000  Fr.  (2160  Th.),  der  Präsiden- 
ten  4000  bis  6000  Fr.  (1080  bis   1620  Th.)  in  Paris   12,000  Fr. 
(3240  Tb.),  der  ersten  Präsidenten    15,000    bis   25,000  Fr.    <4050 
bis  6750  Th).,  in  Paris  36,000  Fr.  (0720  Th.)    Jedem  dieser  Ge« 
richtshöfe  sind  ein  königlicher  General -Procurator  mit  dem  Ge- 
halte  eines   ersten  Präsidenten,   ein   General •  Advocat  mit  dem 
Gehalte  eines  Präsidenten  und  ,  nach   der  Grösse  des  G^eriohts« 
hofes  ein  oder  mehrere  Substitute  derselben  mit  dem  Ckhalte 
der  Richter  b^geordnet  — -  För  alle  Criminalvergehen,  und  seit 
1831    auch    für    die  Pressvergehen,    besteht    ein   Assisenhof 
(Cour  tT  AsMes)  in  jeder  Haupt-Stadt'  des  Departements,  wo 
ein    Tribunal    oder  königlicher    Gerichtshof  besteht      Derselbe 
ist  zusammengesetzt  aus   einem  Präsidenten  und  drei  Richtern« 
die  aus  den  Mitgliedern  der  Tribunale  und  königlichen  Gerichts- 
höfe gewählt  werden.      Er  hält  alle  drei  Monate  seine  Sitsang 
in  der  Hauptstadt  des  Departements  mit  den  12  Gesehwomeiiy 


238  Frankreich. 

die  auf  den  3^  jährlich  dtsu  rom  Prifecten  aug  der  Liste  s&mnit- 
licher  Jurdi  gewählten  genommen  werden.     Der  königliche  Pro*  " 
curater  hat  die  Einleitung  jedes  CriminalfalU   und    den  Antrag, 
ob  derselbe  weiter  vor    den  Assisen    verfolgt   werden    soll:    die 
Entscheidung^  darüber   steht   den  Tribunalen   erster  Instanz  und 
den  königlichen  Gerichtshöfen  zu.  — 

Die  dritte  und  letzte  Instanz  wird  ausschliesslich  durch 
.den  Cassation shof  zu  Paris  gebildet»  der  aus  einem  ersten 
Präsiileiften  mi^  36,000  Fr.  (9720  Th.)  Gehalt,  drei  Präsidenten  . 
mit  16,000  Fr.  (4320  Th.)  Gehalt  und  45  Richternmiit  12,000  Fr. 
^3240  Th.)  Gehalt  zusammengesetzt  ist  I(im  sind  beigeordnet 
ein  General-Procurator  und  sechs  General- Advocaten,  jener  dem 
ersten  Pritsidenten,  diese  den  Präsidenten  und  den  Richterd 
gleichgestellt.  Dieser  Gerichtshof  hat  vorzugsweise  auch  über 
die  Unregelmässigkeit  während  der  gerichtlichen  Verhandlungen 
eines  Processes,  und  ob  deshalb  oder  aus  irgend  einem  ande|*en 
Grunde  der  Fall  an  einen  anderen  Gerichtshof  zu  verweisen  ist, 
als  der  ihn  früher  behandelt  hatte.  Bis  zum  Jahre  1828  konnte 
diese  Verweisung  in  unbeschränkter  Zahl  für  einen  und  denselben 
Gegenstand  geschehen.  Nach  dem  Gesetze  von  1828  kann  aber 
kein  Rechtsfall  mehr  als  zweimal  vor  den  Cassationshof  kommen, 
und  müss  dann  durch  einen  von  ihm  bestimmten  königlichen  Ge- 
richtshofe definitiv  entscheiden  werden  *)•  —  Von  den  214  Han- 
delsgerichten 8.  oben  ^.  11.  S.  117). 

Fassen  wir  schlieslich  einige  statistische  Ergebnisse  aus  der 
Strafreehtspiiege  zusammen,  so  erhalten  wir: 

1825  1826  1827  1828  1829  1830  1831 

1.  Zum  Tod  Verurtheilte      134    150    109    114      89      02    108 

2.  Zur  lebenslänglichen 

Zwangsarbeit««)    283    281    317    268    273    268    211 


*)  VergL  über  die  Gerichtshöfe  Goldsmith  ztat  d.  1.  France 
p.  224-85. 

**)  Die  unter  Nr.  3  und  3  aufgeführten  Sträflinge  bilden  die 
Pflanzschule  der  Galeeren-Gefängnisse^  die  in  den  vier  Hafenplätzen 
Touioo,  Brest,  Rochefort  und  L'Orient  gehalten,  und  zwar  bis  auf 
das  Ministerium  |lartignac  dergestalt»  das«  lebenslänglich  Bestrafte 


Frankreich.  339 

1825  1826  1827  1828  1629  1830  1831 

3.  Zar  Zwangtariieit  auf 

gewisse  Zeit    1,052  1,130  1,002  1,142  1,033    073    040 

4.  Zur   einsamen  laogen 

EinspemiDg   1,160  1,228  1,223  1,223  1,222  I,00&  888 

5.  Zgoi  Pranger                         6        5        5       11         1         8  1 

6.  Zur  Verbannung                    11        —       1         3       — -  2 

7.  Zum  Verlast  des  BBr- 

'  gerrechU         2         1         0^11         1 

8.  Angeklagte    unter    10  \ 
Jahren  d.  in  Besserungs- 

häus.  untergebracht  sind  57  50  68  <  53  28  43  127 
0.  Correctionsstrafen    in 

kuner  Haft  1,342  1,487  1,416  1,730  1,82&  1,740  f.OIO 

Somma  4,0374,248  4,2804,5514,4754,1304,228 

Von  den  cum  Tode  Verurtheilten  wird  aber  durehsehnittlich 
nur  der  vierte  Theii  wirklich  hingerichtet,  die  übrigen  erfahren 
die  Gnade  des  Königs,  und  werden  dann  gemeinhin  in  eine  der 
darauf  folgenden  drei  Classen  zur  Haft  auf  Lebensdauer  oder 
lange  Zeit  hinhübergdfÜhrt 

Die  Gesammtzahl  der  voi^  den  Assisen  Angeklagten   betrug 

1825    1826    1827    182^   1820    1830    1831 
*         7,234  7,591  7,774  8,172  8,Hp  7,749  8,278 
daron  wurden  freige- 

sprocben  2,615  2,650  2,693  2,845  2.898  2,831  3,378 
—  waren  abwesend  582  603  845  ^76  746  788  672 
^    wurden   vcrur- 

theiit^  wie  oben  4,037  4,348  4,236  4,551  4,475  ^130  4,22$ 

mit  auf  bestrmmte  Zeit  VemrtheHlen  nicht  nur  in  denselben txefang- 
nissen,  sondern  auch  an  derselben  Ketie  sich  angeschmiedet  befan- 
den ^  nur  L'Orient  war  schon  damals  vorxogsveiseals  Haft  für  die  vegen 
militärischer  Vergehen  bestraften  Franzosen  bestimmt  Martignac  aber 
sonderte  die  Verbrecher  nach  der  Dauer  ihr^r  Haft  und  auch  mög- 
lichst nach  der  BeschafTenheit  ihrer  Verbrechen.  Die  auf  Liebens- 
dauer  oder  auf  fünfzehn  bis  zwanzig  Jahre  Verurtheilten  werden 
seitdem  nach  Brest  und  Rochefort  gesandt,  die  auf  zehn  Jahre  nach 
Tonion,  die  auf  kürzere  Zeit  nach  L'Orient 


/ 


240  Franbreicb. 

Das  VerliMtniss  des  Geschlechtes  bei  den  Venirtheilten  im 
gemeinschaftlichen'  Durchschnitte  für  diese  Jahre  giebt  auf  6 
■  Verbrecher  6  mUni^liche  und  einen  weiblichen,  doeh  mit^  dem 
Untei  schiede,  dass  bei  Verbrechen  gegen  die  Person  dies  Ver- 
hältniss  su  Gunsten  der  weiblichen  sank  und  nur  auf  9  Ver- 
brecher ein  weiblicher  kam,  dagegen  bei  den  Verbrechen  gegen 
Eigenthum  ^as  umgekehrte  Verhültniss  eintrat,  und  schon  auf 
II  Verbrecher  2  weibliche  gerechnet  werden  mussten.  Sieht  man 
auf  die  Zahl  der  in  Frankreich  vor  die  Assisen  geführten  Angeklagten 
im  VerhältnUs  zu^  der  Bevölkerung  dieses  Staates,  so  findet  man 
in  den  beiden  letzten  Jahren  1830  auf  4576,  1831  auf  4287  Ein- 
wohner einen  Angeklagten.  Diese  Durchschnittszahl  ist  in  25 
Departements  überschritten,  am  stärksten  in  den  Departements 
der  Seine,  in  Corsika  und  in  den  Ost-Pjrenäen,  wo  auf  1000 
bis  1400  Seelen  bereits  ein  Angeklagter  kömmt  Die  wenigsten 
Angeklagten  belinden  sich  in 'den  Departements  der  Vogesen, 
der  Loire,  Loire  und  C(ier,  L'Indre  und  ^er  Nieder -Loire,  wo 
auf  11,500  bis  12,000  Bewohner  ein  Angeklagter  kömmt 

Vor  den  correetionellen  Foliiei-Geriohten  *)  ohne  Jury  n^aren 

1826  angeklagt  überh.  159,740 

1827  —  —      171,146     . 


*)  Diese  RMuItate  sind  hier  nach  den  oben  angeführten  Gomptes 
G^n^rales  der  6  lihtp  geliefert  —  Ausserdem  haben  für  die  Jahre 
1825—37  ans  diesen  Materialien  A.  Balbl  und  A.  M.  Guefry  eine 
Statistique  compar^e  de  T^lat  de  rinstruction  et  du  nombre  des  crimes  in 
einem  grossen  Tableau  In  Fol.  1829  zusammengestellt,  auf  welchem 
3  Karten  geliefert  sind,  von  denen  eine  für  die  Verbrechen  gegen 
die  Personen,  die  zweite  für  die  ^rbrecken  gegen  das  Ei^enthum, 
die  dritte  für  den  Zustand  des  öfiTentlichen  Unterrichts,  durch  Ab- 
stufungen der  Färbung  von  Schwarz  zu  Weiss  fär  die  einzelnen 
Bezirke  der  Coors  royales  und  der  Academien,  die  naditheiligere 
oder  günstigere  Beschaffenheit  anzeigen.    V^enn  in  den  nächsten 

^  Umgebungen  der  Hauptstadt  die  Verbrechen  gegen  die  Sicherheit 
des  Eigenthums  vorherrschen,  so  tritt  dieser  Fall  für  Corsica  und 

.  den  gesammten  Süden  von  Frankreich  bei  den  Verbrechen  gegen 
die  Person  ein.  Die  grössere  Theilnahme  an  dem  Unterrichte  scheint 
aber  überall  entschieden  eine  Verminderung  auf  diese  und  auch  eine 
Milderung  in  Bezug  auf  jene  hervorzuhringen*  —  VergL  Bullet.  4. 
sc  Statist  t  XII.  p.  a66  -CO.  •> 


FraBkretclL  241 

1S28  angeklagt  Überhaupt  172,300 
182»        —  —        176,257 

IS30        — -    .  —        209,662 

1831        —  .—        204,738 

DaToi  wirdca  frdgetpTOcheii  1826  =  25,356 

1827  s  25,980 
11828  =:  26,212 

1829  ;;=  25,584 

1830  :;=  32,572 

1831  SS  41,500 


Van  4aa  ftMgeii  imrdea  sur  blossen  Gelditrafa  v^rurtb^Ul 

1826 

= 

107,087 

1827 

zr 

117,999 

1828 

SS 

119,398 

1829 

:=: 

122,243 

1830 

is 

150,606 

1831 

ifdAM 

/ 

1 
liah  T.  danstlb.  s.  Gafikngniasatrafa 

&  Oef&ngnissstrafa 

untaT  ei»  Jahr  - 

über  ein  Jaht- 

1826                          21,285 

6004 

1827                          20,974) 

6180    ' 

1828                           a0,169 

6611 

1829                          81,63ft 

6505 

1830                          20^622 

5862 

1831                         32,764 

7123 

Daraaa  gaht  leider  h^nror,  ^datt  die  paKtischeii  VerhWuistai 
aait  1830  anf  eina  auaserordentlioha  Weite  die  Zahl  der  Pff<H 
Tof  den  Zaaht^PoUsei-Geriohten  Termahrt  faabaa« 


Presfvei^ehen,  mit  denan  am  hkhftgsten  pötittsehe  Vergehen 
irerknupfc  aind,  überstiegen  in  den  Jahten  1825-^29,  da  sietioc^i 
▼on  denZa«ht*PoUiai«Gerithtaiab|;eurtheiltirdTden,  dttrchschnUt* 
lieh  nicht  die  Zahl  250  im  Jahte,  rbn  disnen  ^  ein  Stn&furtheil 
erlitten.  Gegenwärtig  sind  sie  über  lOOOjähtlich  gestiegen,  schon 
1831  waren  1008  Pertonett  derselben  angeklagt  ^  aber  Ixur  ^ 
wurde  verurtheilt  t^O^D  nnd  ^  rdllig  freigesprochen. 
6«l»«bcrl't  Statut  Ik  IL  |q 


«-  ♦*-*:-  *  •  • ' 


•v    ■      »:\^*' 


242  Fri^Qkreich. 


.  5.  21. 

'      Finanz  Verwaltung. 

fForh<^nnui9)  retherehen  et  eomtderaitons  mr  les  finan- 
ce$  de  France^  2  vaL  4to,  Bi^le  758.  Das  Hauptwerk  überdeii 
ftiteMn  Zustand  der'¥faBx5sischen  Finanxverwaltungy  reicht  aber 
nur  fik  die  Jahre  von  1595 — 721.  -^  De  Guers,  Considera- 
iionM  $ur  len  fintmcew  de  France,  Paris  W^\  csreichtbis  1800. — 
ßr£9$on  hietoire  financi^e  de  Ui  France  depuh  Torigtne  de  la 
ntonard^Ju&qü'd  Fannie  1828^  Paris  2  vol.  1820  Sm.  — 

Frankreich  ist  gerade  in  der  Finansrerwaltung  als  der  erste 
Staat  den  anderen  Europäischen  su  einer  Zeit  vorangesehritteo» 
a^i  die  heutigen  Staatsverwaltungs- Verhältnisse  bei  dem  Ueber- 
gange  aus  dem  Mittelalter,  in  das  sechscehnte.  Jahrhunderte  sieh 
rascher  entwickelten  und  fester  gestalteten.  Bereits  unter  Lud-* 
wig  XIL  waren  die  Staatseinnahmen  mit  den  Aufgaben  sosweck- 
mä^ing  geregelt^  dass  eine  überraschende  Steigerung  der  gesamm* 
ten  Staatskräfte  sich  bemedcbar  nvrehte..  Der  langwierige  Kampf 
gegen  das  Haus  Habsburg ,  die  Zerrüttungen  Frankreichr  durch 
die  ReligioQS-Bürgerkriege  in  der  iwetten  Hälfte  des  sechssehn« 
ten  Jahrhundiots  verwirrten  aber  den  gut  geordneten  Zustand 
4es  Fransösisehen  Staatshaushalts  entsetslichy  und  führten  eine 
solche  ünancielle  Erschöpfung  herbei,  dass  selbst  Sullj's  beson» 
neue  Weisheit  und  Sparsamkeit  ^eine  Abhülfe  von  Grund  aus 
nicht  gewähren  konnten ,  und  schon  unter  seiner  Verwaltung  die 
IKehäsj|ig0  und  für  den  Staat  so.  zweideutige  PauktCe  für  die 
Dauer  eingeführt  wurde. ;  Dies  war  eine  Einnahme  vom  Aemter- 
verkauf,  wrfehe  das  jährliche  Gehalt  als  eine  Art  von  Leibrente 
für  das  dem  Staate  gegebene  Einlag-Capital  ansdben  Hess.  Die^ 
•er  Aiemterveikauf  hjatte  iwai  schon  in  einseinen  Fällen  unter 
Ludwig  XII*  stattgefunden  und  in  dem  sechssehnten  Jahrhun* 
derte  unter  Franz  L,  hesonders  aber  unter  Heionobs  IL  Sühnen 
n  den  gewaltigsten  Missbräuchen  geführt.  Heinrich  IV.  glaubt« 
diesen  vorzubeugen,  wenn  er  den  Missbrauch  fitamüich  gesetzlidi 
machte,  indem  er  den  Vorschlag  seines  Secretärs  Charles  Faulet 
(der  dadurch  seinen  Namen  in  der  Steuer  selbst  für  d^s  Franad» 


Frankreicli.  t43 

Volk  nicht  wohldiitig  madite)  annahni,  und  g^n  J^  oder 
1|.  Proeent  ^ibgabe    von    der  jäkrlichfen   Oehaltseuuiahma  dai 
Recht  Torlieh,  dac  erlangte  Amt  den  Elrben  an  hinterlaaien,  oder 
amch  weiter  au  rerkaufen.  —  Wie  nun  unter  der  folgenden  Regierang 
Ladwigs  Xlil.  der  rers^hwenderigche  Hof  halt  nicht  minder,  als  Car* 
dinal  Richelieua   Politik ,   doreh  reichliehe  €(eld  -  Sdhtidien  den 
Feinden  Frankreicha  neue   Cregner    von   der   entgegengecetatcn 
Seite  an  erregen,  die  financiellen  Altforderungen  all  daa  Fransöaicehe 
Volk  immer  mehr  steigerten,  wurden  hei  jeder  drängenden^6eld<> 
noth  neue  Aemter  errichtet,   denselben  euie  Besoidong  aus  dem 
Staatssehatze  und  ein  noch  einträgiieberes  Anrecht  auf  Sportein 
und  Gebühren  angewiesen,   um  diese  Aemter  au  eincan  hohen 
Angelde  (also  «ine  umgekehrte  Staatsanleihe  an  tikraus  hohenr 
Snsen)  abkusetsen,  und  ausserdem  eine  jahrliche  Gchaltutener 
(Annuel>  an  erlangen.      Es  war  dabei  ntcht  au  vermeiden,   dass 
bei  der  durchaus  unnSthigen  Veigrössemng  der  Zahl  der  Staats« 
beamten,  sehr  viele  der  Stellung  nach  bedeutende  Aemter  durch 
unwisaende  und   tr&ge  Menschen  verwaltet    wurden,   alle   aber 
ihre  K&ftfcr  fanden«    In  den  ersten  Jahren  der  Regierung  Lud« 
wtgs  XIV.,  norii  unter  Maiarlnifs  Verwaltung,  ging  man  bei  der 
jAhiiieh  gesteigerten  FtnansnoA   sogar  zu  dem  Versuche  fiber, 
die  städtischen  Aemter  auf  Ähnliche  Weise  au  verkaufen,  welche 
bis  dahin  durch  Wahlen  von  der  Bfirgerschafe  bestellt  waren. 
Der  Missbraa«^  mit  der  Panlette  hatte  bei  dem  Antritte  Colberta 
ids  licker  def  Fransttsischen  Finanxverwaltung  so  um  sich  ge* 
griffen,  dasa  dieser  lOM   in  den  Justiz-  und  Finanz -Aemtem 
45,780  verk&uillehe  Stellen  vorfand,    deren  Arbeit  fBglich  von 
60B0  Beamten  (also  beinahe  sieben  Achttheile  der  hier  angestellten 
Beamten  erschienen  flberflfissig!)  verrichtet  werden  konnte.  Ihre  Be« 
feoldung  aus  dem  Staatsschatze  betrug  8,000,000  Livr  (2,160,000  Th.)^ 
aber  ihre  gesammten  dem  Volke  zur  Last  fallenden  Einkünfte 
Wurden  Huf  187,260,000  Livr.  (50,557,500  Th.)  geschätzt,  wovon 
dCF  König  nur  gegen  9,000,000  Livr.  (810,(X)0  Th.)  ala  Annuei 
wieder   zurückerhielt,   während   ihr   Kauf)preis    in  den  voran« 
gq;angenen  Vowaltungsjahren   längst  verwandt  war.    Der  gang* 
bare  Preis    dieser  Aemter    stand    aber    nur  nacli  dem  lieber* 
adilage   auf  420,000,000  Livr.   (100,400,000  Thhr.).    Colbert  be- 
Mlhte  sich  ritfdtich,  die  übermässigen  Aemter  zu  entfernen  und 
auf  vortheilhafte  Weise  für  den  Staat  zuriiek  zu  kaufen,  und 
fcieHe  alä  seinen  gröss^  Triumph»  dass  er  bei  der  lJeb«mahr 

16  • 


244  Frank  reich«   ' 

Minet  Minkterii  iwar  00,000,000  Livr.  (24,300,000  TL)  jlhrUeh« 
Auflagen- 4tm  FraiuiÖsUeken  Volke  aufgebördet  gefunden  habe, 
von  der  inswiiefaen  die  Staatteatte  nur  33,000,000  Xirr.  <8,0 10,000 
Th«)  reine  Etnaalune  geiogea  iiabe,  dagegen  seinem  Nachfolger 
aoaser  der  Erdfnung  neuer  reicher  Httifsquellen  für  den  Staats- 
kanshalt,  110,000,000  Livr.  (31,320,000  Th.)  hinteriasse,  nnd  da^ 
bei  doch  um  mehr  als  20,000,000  Livr.  (6,400,000  Th.)  Erleich- 
lening  in  den  fAhrliehen  Steuorn  fär  das  Volk  bewirkt  habe. 

.^Aber  die  nnansgesetaten  Kriege  Ludwigs  XIV.  nnd  die  im« 
m^  höher  gesteigerte  Versehwendung  in  <Iem  königlichen  Hof- 
halte vernichteten  auch  die  Folgen  der  weisesten  Berechnungen 
ColbertSy  und  gleich  nach  dem  Tode  dieses  Ministers  4683  begann  der 
Aemterverkaaf  auf  diefiHihere  Weise,  und  gleich  iin  so  schrankenlosem 
Uebermaasse,  dass  in^en  Jahren  1689—95  für  294,000,000  Livr.,  und 
in  den  ersten  «cht  Jahren  des  Spanischen  EIrbfolgekrieges  (1 701—4)) 
abermals  für  426,(M)0,000  Livr.  verkauft,  also  überhaupt  720,000,000 
Livr.  (194,400,000  Th.)  aus  der  Errieht]ung<  neuer  Aemter  geso- 
gen wurden«  Leider  erhielt  sich  dieser  Missbrauch,  bei  sehr  un- 
wesentlicher Abhülfe  unter  einxelnen  Ministerien,  mit  seinen  ver- 
derblichen Folgen  bis  jwr  grossen  Revolution. 

Demiingeachtet  hatten  während  des  Spanischen  Erbfolge- 
kri^es  die  laufenden  Einnähmen  Frankreichs  die  so  vielfach  ge- 
steigerten Staatsausgaben  nicht  mehr  bestreiten  können,  so  da«s 
das  Jährliche  Deficit  stets  durch  neue  Anleihen  gedeckt  werden 
musste.  Die  unbesonnenen  Finans- Operationen  des  Schotten 
John  Law  unter  dem  Herzog  Regenten  von  Orleans  1716  ver* 
mehrten  noch  ausserordentlich  die  Finansnoth,  und  die  Staats- 
schuldenlast erstieg  schon  damals  das  Maximum  nicht  nur  für 
Frankreich  überhaupt,  sondern  in  dieser  Periode  auih  für  die 
übrigen  Stilaten  Europas,  nemlich  4,500,000,000  Livr.  (1,215,000,000 
Th.).  In  den  darauf  folgenden  xwansig  Friedensjahren  wurden 
xwar  davon  über  1,500,600,000  Livr,  (405,000,000  Th.)  getilgt^ 
da  kein  Deficit  mehr  vorkam,  und  ein  jährlicher  Ueberschuss  der 
Stantseinni^me  von  70,  bis  80,000,000  Livr.  (21,000,000  Th.)  sur 
Vermiodening  der  «Staatsschuld  verwandt  werden  konnte.  Aber 
4er  Oeatreichische  Erbfolgekrieg,  der  siebenjährige  Krieg  yu 
Land  nnd  cur  See,  und  Überdies  noch  die  ausschweifende  Ver- 
schwendung des  Hofes  in    den  letsten  Hegierungsjahren  Lud* 


,  Frankreich.  245 

wtgt  XV.  reriangten  bald  die  Einstellung  dler  weiteren  Absehlimg 
gemachter  Anleihen,  eneagten  abemiaU  jfthrliobe  Defieita  in  dem ' 
Staatahaushaite  und  liegten  bis  1774  dieStaatasehuld  wieder  betr&eb^ 
lieh  stellten.  —  Die  Staats-Einkfinfte  sdbat  wurden  tbeils  aus  Do- 
mainen.  tbeils  aus  Zöllen  mit  Einsehlnsa.  der  Gabelle  (Sal»« 
steuerX  tbeils  aua  direeten  Steuern  (tailU}  gezogen.  Aber  nur 
die  Domainen  und  Taillen  wurden  von  der  Regierung  Terwaltet» 
die  Zölle  und  Gabelle  an  eine  Gesellschaft  von  viersifi^  Personen 
IBr  Zeiträume  von  8  su  8  Jahren  verpachtet  Diese  Viersi-g 
hiesaeo  Armters  generaux^  und  sämmtliohe  Zölle  deshalb  fermm 
u$tU$.  Diese  Generalp&ehter  verblieben  stets  in  Paris,  besprachen 
die  obere  Leitung  dieser  Verwaltung  in  den  gemeinsehaltlicben 
Versammlungen  im  Zollhause  (Douan^^^  Qberliessen  aber  die 
Erhebung  der  jSinkiinfte  von  den  Contribuenten  wieder  an  Af* 
terp achter.  Dadurch  würde  die  Ansahl  silmmClicher  ZoUeia- 
nehmer  ausserordentlich  gross,  die  alle  auf  Kosten  der  Steuer* 
Pflichtigen  lebten,  und  wobei  doch  noch  alle  Generalp&chter 
Seh  ätze  von  Millionen  aufhäuften.  Der  Druck  bei  den  indicecten 
Steuern  blieb  daher  in  Frankreich  überaus  lästigt  und  die  Forderan* 
gen^stiegen  oft  auf  dfs  Uncrsehwingliche,  während  die  wirkliche 
Einnahme  unverhältnis8i|iäs||g  gering  blieb.  Die  Gesammteinnabme 
des  Staates  war  bei  dem  Regierungs-Antritt  Ludwigs  XVL  1774  auf 
300,000,000  Livr.  (81,000,000  Th.)  gewachsen,  aber  sie  reichte 
iu  keinem  Jahre  aus  zur  Bestreitung  der  Staatsbedörfnisse;  und 
Frankreichs  Theilnahme  an  dem  Nordamerikanischen  Freiheits« 
Kriege,  der  darauf  in  allen  Elrdtheilen  und  auf  aiien  Meeren  mi^Eng« 
land  geführt  werden  musste^  erzeugte  eine  neue  V^rgrösserung 
der  Staatsschuld  von  900,000,000  Liyr.  (243,000,000  Th.),  indeaa 
das  jährliche  Deficit  bis  auf  140,000,000  Livr.  (37,800,000  Th.)  stieg, 
und  dagegen  nur  als  einzige  Abhülfen  neue  Staatsanleihen -^selbst  von 
Neck  er  aogerathen  wurden.  Ein  noch  gefährlicheres  Blittel  sur 
Tilgung  des  jährlichen  Defioits,  welches,  besonders  von  Calonnd» 
l;eichtslnn  in  der  Finanzverwaltung^  gemissbiaucht  wurde,,  war  das 
AntieJpiien  der •  Steuern ausden  nächsten  Jahren,  indem. reiche 
Capitalisten  die  verlangten  S^mimen  gegen  starke 'Abzüge  der  lu  er- 
wartenden Einnahme  vorschössen«  Denn  diese  augeu blickliche  Hülfe 
verkürzte  nicht  nur  überhaupt  die-  Einnahme,  sondern  vernichtete 
den  Staatscredit  in  den  Jahren  völlige  für  welche  bereite,  ein 
TheÜdei  Steuern  vorauabezogen  war,  wie  man  denn  im  Jahre  I78& 
bis  in  das  Jahr  17^7  vocansgegu&n.  haltt.     De.  tial  die 


246  Frankreich.  * 

Franaösische ReTolution  ein,  indem  derUmstosi  «Her  Prirogatire 
der  Stände  und  Proyinseny  die  EUniiehung  der  Staats*  Domainen*  und 
Kirehengüter  als  Staatfeigenthum,  endlieli  die  ungemeiteAe  Enia- 
nirung  des  Papiergeidef  eine  TÖliig  neue  Basia  fUr  die  Finans- 
▼erwaltung  gew&hrten,  aber  auch  suglcicli  die  Aufhebung  dee 
grösa^en  Theils  der  Fransögiachen  Staatssehuld  ohne  Besahlung 
herbeifQhrten.  Inswisohen  ist  dieser  Zustand  der  Reruitttion  fdr 
die  Frausdsische  Finanxverwaltung  nur  als  vertilgend  für  den  Be- 
stand der  früheren  Staatssohuld  su  beseiohnen,  sonst  aber.völUg 
T»rllbergehend,  eben  sowie  die  duroh  sie  selbst  heryorgerufenen  Fi- 
oansoperationen,  da  die  ungeheueren  Summen  ron  4^,000,000,000 
Fr.  (also  1,2 15,000,000  Th.  Nominalwerth !)  unreninslicher  Staats- 
scfauldseheine  suletst  —  durch  einen  förmlichen  Staatsbanke- 
rott —  nichts  weiter  als  Papier '  ohne  allen  VVerth  wurden. 
Wir  gehen  daher  gleich  zu  N&poleons  Maassregeln  Cir  die  Sicherstel- 
lung desFranzdsischen  Staatshaushalts  über,  brauchen  aber  noch  als 
Anhaltspunkt  lur  Vergleiohung  für  die  späteren  Budgets  das  für 
das  Jahr  1789  von  Necker  bestimmte*),  nm  die  Steigerung  und 
Minderung  in  den  einzelnen  Titeln  vollständiger  beurtheilen,  und 
zugleich  späterhin  die  Rückkehr  zu  einigen  früheren  Finanz-Be- 
stimmungen genauer  ersehen  zu  können. 

Die  Gesammt-Einnahme 

betrug  475,294^000  Liv.  =  128,329,380  Th. 
und  zwar 

t  aus  indireoten  Steuern;  164^827,000  —  =  44,503,290-- 
diese  wurden  bezogen   a)  aus 

der  allgemeinen  2<ollpaclit   •      150,107,000  -^  =  40,528,890  — 
wobei  die  Salzsteuer  58,560,000  Liv. 
das  Tabaks-Monop«!  27,000,000  — > 
der  Eingangs  •  Zoll 

von  Paris    •    .    .      30,000,000  —   betrugen 
b)  aus  d.  Posten  u.  Messagerien    1 3, 1 00,000  Liv.  =     3,537,000  Th. 
e)  aus  bestimmten  HafenzölleQ      1,620,000  -—  —       437,400  -^ 
U.  aus  directen  Steuern      181,361,000  —  =  48,967,470--*- 


*)  Es  Ist  elitballen  In  Neck  er,  compte  general  des  rev^us  ei 
des  depenses  fixes,  le  Ir  Mal  1789,  Paris  pi)g.  ^1.  Ich  habe  daraus 
ZusammeDstellungeQ  gemacht,  die  den  Hauptzweigen  der  beutigen 
FiasittverwahuDg  eotsprecbend  sind. 


Frankreich.  247 

Diio»  gaAtn  m)  Parif^  d.  Pays , 

^•Uetion  tu  A\t  PaifB  cenquU  155,055,270  Lir.=  42,020,923  ^BL 

b>  die  Pay9  <f  JS/a/«  (Languedoc, 

Bretagne,  Bourgogne,'ProTeiice, 

Pau,  Bajonne  et  Foix)     .    .      24,550,000  —  =     0,630, 120  >~ 

e>  KigeBthSmliche  Abgaben  für 

Befestlguogiwerke    ....        1,150,000—=        310,500^^**^^ 

IIL  aus  Doiaainen  u.  Forsten    50,000,000  —  =   13,500,000  —» 

IV.  aus  Realien  09,520,000—=   18,770,100-« 
Darunter  alleirt  Lotterie. 

14,000,000  Livr. 

V.  aus  nusserordentlichen 

Einnahmen     .,   ^    .    .    .    .        9,580,000  —  =     2,588,220  •-* 
Dagegen  erforderten 

die  Staatiaiitgnben  .    .      531,533,000  —  =  143,513,9H> — 
Davon- erhielten  L  Das  könig- 
liehe Haos  und  der  Dauphin       25,000,000  —  =     0,750,0i90  — 

II.  l^ie  Grafen  von  .Provence 

u.  Artois,  ßriider  d.  Königs         8,240,000  —  =     2,224,80Q  — 

III.  Das  Ministerium  d.  ausw. 

As^elegenheiten 7,330,000  —  =     1,979,100 

IV.  Das  Ministerium  d.Kri^e8  99,091,000  —  z=  20,754^70—*^ 
V»  Das  Miniateriom  der  Ma- 
rine und  Colonien  ....  40,500,000  —  =  10.935,000  — 
>X  Das  Ministerium  d.  Finani.  37,957,000  —  =  10,248,390  — 
VIL  Zinsen  der  Staatsschuld  200,322,000  —  =  55,706^040  — 
UtJ.  Interessen    und    Kosten 

derAnticipationen  .    .    .    .  15^00,000—=  4^200,000  — 

IX.  Pensionen  29,954,000  -^  =     8,087,580 

X*  Innere  Vervraltung    nebst 

Poliiel  von  Paris  (J)  .    .    .  5/47,000  —  =  1,551,690  — 

Xf.  Reefitspflege  3,180,000  —  =  858,000  — 

XII.  Clarus,  Kirch,  u.  Hospit».  10,128,000  —  =  2,734,500  — 

XllL    IMversitafcn ,    Acade- 

mien,. Bibliotheken,  Paris     .  1^92,000^=  348,840 — 

XI!^..  Brücken,    Chausseen, 

öffentliche  Gebäude     ...  7,554,000  —  =  2,139,580  — 

Xy.  Entschädigungen,    Nach- 

bss  in  Stauern 10^,000  -^  =  2,778,300  — 


HB  Frankreich. 

,XVI.  Venraltang  der  Provin* 

cen,  Gestüte,  Forsten    •    •    •        0,631,000  Lr.=     2yS73,370  Tb« 

XVIL  Pramif n  für  den  Handel 

ond  Industrie 3^2,000  -   c=     l,042»740  -* 

XVI II.  Unvorhergesehene  Aus-» 

gaben      ........        5»000,060  —  —     I  »350,000  — 

Es  betrug  also  das  hier  augeg^ene  Deficit  im  Jahre  1780  für 
die  gewöhnlichen  Staatsausgaben  56*237,000  Livr.  (15,i83,91M)Th.K 
uruehs  aber  in  der  That  beinahe  auf  den  dreifachen  Betrag. 

Unter  Napoleon  wurde  die  Finanzverwaltung  soviel  als  nÖgT 
lieh  vercinftichty  und  gleich  anfÄnglieh  als  Hauptgrundsats  der- 
selben festgehalten,   die  nothwendigen  Staatsausgaben  durch  die 
Jahres  •  Einnahme  tu  decken i  jedes  Deficit  su  vermeiden,  höchst 
selten  aber  su  dessen  Abhülfe  das  Mittel  von  Staatsanleihen  wieder 
cu  wählen.     Daher  stieg  das  BudgeC  des  Französischen  Kaiser* 
reichs,   ungeachtet   seiner  grossen  Ausdehnung,  «der  nie  unter- 
brochenen   Kriegsführung    und    der    dadurch    sehr  gesteigerten 
Preise  für  den  Unterhalt  und  die  Armirung  der  überaus  grossen 
fleere,  doch  nie  über  1000,000,000  Frcs.  (270,000,000  Th.).  Aber 
freiii<^h  die  erdrückende  Last  der  Verzinsung  grosser  Stnatsschul« 
den,  die  auf  Jahrzehnde  und  Jahrhunderte  die  Möglichkeit  zur 
Verminderung  der  öffentlichen  Lasten   benimmt,   fehlte   in   d^n 
früheren  Jahren  der  Verwaltung  Napoleons   gänzlich,   unJ   erst 
der   vielj^hrige   Krieg   in   Spanien,   verknüpft   mit   der  grossen 
Niederlage, der  Heeresmacht  und  dem  gänzlichen  Verluste  seines 
Materials  in  Russland,  verstatteten  nicht  mehr  die  erforderlichea 
Ausgaben  durch  die, Einnahmen  zu  decken,  und  um  so  weniger» 
als  keine  ausländische  Contributionen  zur  Ergänzung  des  geleer- 
ten  Französischen    Schatzes    in   dieser  Zeit   ankamen.      Daher 
liinterliesa  Napoleon   ans   den   letzten  Jahren  seiner  Regierung 
bei   seiner    Euttlironung 

eine  Staatsschuld  von  .    .    845,000,000 Fr*  =; 298,150^000 Th. 
Dazu  brachten  die  Bourbons  in  , 

d.  ersten  ä J  uh  r.  a)  die  PrivatschuU  ' 

Atn  d.  Königs  Ludwigs  XVllI.    60,000|^000  —  ;=   K^TMflQO  -^ 
b)  Durch  den  Fel(Izu^I815  die  an 
4ie  verbündeten  Mücnte  zu  zah« 
leade  Kriegssteuer    ....    700^000^000  «^  =  ]SO,000/)00 

e)  Die  nach  demselben  zu  zahlen« 

den  Tleclamationsansprüche  fUf 

1  / 


Fraakreich.  349 

Contracte»    ReqiiititioBeD»   An-  ^ 

kftnfe  von  itu  Unlerthanen  dtr 

▼erbündeten  M&chte    ....    652,000^000  Fr.  a=  149»040»00  Tb. 

d)  Di«  not]iwen<iig«n  Mehramga- 

b«n  f&r  deaSoldy  die  Verpflegung 

nttd  Bekleidung  der  naeh  dem 

2ten  ^Pariser  Frieden  in  l^nk^ 

reiek  snrddcgelagsenen  150,000 

Mann  der  rerbflndeten  Miehto 

fUr  dielahre  1815— 18  nnd  dia 

Bafriedlgnng  dea  Jährliclien  De« 

fmtM  I8j»  durch  neue  Anleihen  1309,000,000—  =  353,430,000  — 

Es  war  mithin  die  Staatsschuld 

im  Dcc.  1820  3460,000,000  Fr.  =  035,820,000  Th. 

Der  grösste  Thetl  de^  Staatsschuld  war  in  fünfprocentige  Ren- 
ten auf  das  grosse  ^Schuldbuch  Frankreichs  umgesetst,  deren 
primitiver  Preis  aber  15  Frocent  und  darüber  Damno  bei  der 
Einnahme  des  angeliehenen  Capitata  gegeben  hatte,  erst  nach 
dem  Congresse  von  Aachen  auf  7  bis  8  Procent  herabging  und 
in  den  letsten  Regierungsjahren  Ludwigs  XIX.  al  pari  erreichte, 
und  sogar  darüber  sich  erhob.  Die  Verzinsung  derselben  erfor- 
derte also  seit  1820  eine  jährliche  Belastung  des  Budgets  mit 
173,300,000  Fr.  =  46,791,000  Th.  Daxu  kam  nun  noch  ds(s  Bedfirf- 
niss  des  Tilgungsfonds,  welcher  1816  eine  jährliche  Einnahmo 
von  20,000,000  Fr.  (5,400,000  Th.),  ausserdem  die  Zinsen  der  von 
demselben  angekauften  Renten,  endlich  Kaufgelder  aus  den  su  die- 
sem Zwecke  Öffentlich  versteigerten  Staatswaldungen  angewiesen 
erhielt 

Vergleichen  wir  nun  fAr  die  sehnjährige  Regierang  Lnd- 
«rigs  XVQl.  das  Einnahme-  nnd  Ausgabe-Budget  *),  indem  wir  das 
Jahr  1814,  weil  Lndwig  XVIII.  erst  In  der  Mitte  desselben  die  geord* 
nete  Verwaltung  antrat,  auslassen,  dagegen  aber  das  Jahr  1824  voll« 


*)  Cloldsmith  st.  d.  Fr.  ^.  62—93  liefert  hiefilr  brauchbare  Ma« 
lerlalioB,  die  aber  durch  die  hier  fegebenea  MiHbeilmigen  oÜBials 
berichtigt  und  erweitert  werden« 


'  « 
I 


210  Frankreich.  t 

at&ndig  mitslhlent  wiewohl  Aendkt  bereits  im  September  deatel- 
ben  ventarby  so  erhalten  wir: 

Eannahme  Aufgabe  > 

1815  743,830,000  Fr.       610,205»442  Fn 

1816  876,135,400—        896,707^5  — 

1817  1,112,11^,702—     1, 039,8  L0|853 — 

1818  1,415,788,662  —     1,415,688,762  —  (wiegen  des  früheren 

Absttges  d.  Verbün- 
deten in  Folge  de» 
Aaehner  QmgreMes) 

1810  868,31 2,284  —       863,853,539  — 

1820  913,313,272  —       875,342,252  — 

.  1821  915,591,435  —       882,321,254  — 

1822  991,892,802—       949,174,982  — 

1823  1,123,456,391  —    1,118,025,162  —(wegen  des  Feldzugs 

der  Franzosen  nach 
Spanien  s.  Umsturz 
der  Verfassung  von 
1821) 
1324  994,971,962  —       986,073,842  — 

in  Summa  9,955,409,910  —    9,637,203,293  — 

Dadnreh  erhalten  wir  einen  zehn- 
jährigen  Durchsehnitt  für  die 

Staatseinnahme      .    .    .      auf  9p5,540,991  Fr*  =  268,796,070  Th. 
und  für  die  Staatsausgabe  auf  963,720,328  —  =261,204,481  — 

i  wobei  freilich  bemerkt  werden muss,  dass  alle  neue  Anleihep, 
die  der  Feldzug  nach  Spanien  und  die  Bestreitung  anderer 
ansserordentUehen  Staatabediirfnisse  nothwendig  gemacht  hatten, 
in  das  Budget  der  Staatseinnahme  mit  itafgenommen  sind.  Denn 
der  -Stand  der  Staatesehuld  betrug  bei  dem  Ragierungiantritt 
Carls  X,  nach  der  officieilen  Angabe 

197,014,892  Fr.  fdnfprocentige  Renten = -    63,194,023  Th. ; 
also  3,940,297,840  —  Capital  =  1,063,880,406  — 

mithin    eine    Vermehrung    der    Staatsschuld    gegbn    1820    um 
476,297,840  Fr.  (128,600,406  Th.) 

Bei  der  Zergliederung  dieser  sehnjährigen  Periode  des  Bud* 


t 


Frankrefcli.  '  ISl 

% 

g«Ci  fMn  wb  4it  Teftthiedenen  Haiipt*Eiiniahm6tt  in  folgender 
Scdgening*): 

a)  Die  Domainen  und  Forgfen,  sogleich  mk EinschliiM 
der  für  idie  Stuatitchuldentilgniig  verkauften  Domainen.  Sie 
biaditen  1816  47,000,000  Fr.  und  1817  35,000,000  Fr.,  weil  ge- 
rade in  dieaen  beiden  Jahren  das  Drei-  und  Seehsfaehe  dea  spih 
teren  Betrags  an  Domainen  rerkaoft  wurde;  in  den  darauf  fol- 
genden Jahren  ist  diese  Einnahme  stets  «wischen  26  nnd 
27,000,000  Fr.  (7,290,000  Th.)  geblieben,  also  ein  Drei-  und 
Dreissigtheil  des  Staats -Einkommens.  , 

b)  Regalien  nnd  Staats-Monopole.  Das  Portregal 
stieg  regelm&ssig  ybn  Jahr  zu  Jahr,  indem  es  1816  =  20,973,000  Fr.^ 
(5,661,710  Th^  und  1824  26,487,038  Fr.  (7.152,517  Th.),  dureh^ 
sehnittlieh  aber  in  dieser  Periode  23,400,000  Fr.  (6,318,000  Th.) 
betrug;  die  Lotterie  brachte  1816  13,051,908  Fr.  (3,524,013 
Th.),  1824  12,747,622  Fr.  (3,441,852  Th.),  schwankte  aber  bis 
16,179,052  Fr.  im  Jahre  1823,  bis  17,494,138  Fr.  im  J.  1822 
nnd  sogar  22,145,208  Fr.  im  J.  1820,  durchschnitlieh  in  die- 
ser Periode  15,200^000  Fr.  (4,104,000  Th.).  Das  wichtigste 
aber  bleibt  das  Tabaeks -Monopol,  weiches  gleich  dem  Postire- 
gal  jahrlich  im  Steigen  ist,  aber  bei  der  nicht  geänderten  Ver- 
waltung desselben  die  Zunahme  nur  hauptsächlich  in  der  Ver- 
mehrung der  Bevölkerung  findet:  es  gewährte  1816  =:  55,451,861  Fr. 
(14,972,013  Th.),  1824  66,045,545  Fr.  (1 7,832,285  Th.),  durchschnitt- 
lich aber  63,600,000  Fr.  (17,172,000  Th.).  Mithin  betrug  dieser  ge- 
sammte  Titel  des  Einnahme-Budgets  durchschnittlich  102,400,000  Fr. 

' <27,684,O0O  Th.),  oder  ein  Zehntheil  der  Staatseinkünfte.  —  Von 
dem  Salzregal  siehe  unten  bei  den  indirecten  Steuern.  — 

e)  Stampei  nnd  Enregistrement  bei  Kaufverträgen 
aUer  Art  sind  m  den  einzelnen  Jahvea  sich  «iemlieh  gleich  ge- 
blieben, aber  mit  dem  vefstitoriEten  inneren  Verkehr  ailmähKeh 
gestii^n:  sie  gewährten  1^16  =  142,500,542  Fr.  (38*475,136  Th.) 
1824  =5  173,314,248  Fr.  (46,794^861  Tk),  darehsehnittlich  gegen 
160,000,000  Fr.  (43,200,030  Th.),  oder  etwas  über  ein  Sechs- 
theil der  gesammten  Staatseinkünfte. 

*)  Vergl.  Goldsflülh  tu  d.  Fr.  p.  110—15  und  die  daselbst  be- 
fiadlidien  Tabellen. 


251  .Fraakreicb. 

d)  Direete  Stenerii,      Dia  Grundtteuer  befindet  sich 
in  dieser  zehnjährigen  Periode  in  starker  Abnahme»  sie  gewährte 

1816  =  291,161,415  Fr.  (78,013»378  TL),  1824  aber  nur  253, 174,300 
Fr.  (68,357,061  Th.),  darchschnittllch  279,400,000  Fr.  (75,438,000 
ThO.  Die  Pef'sonal-  und  Möbiliarsteuer  giebt  dagegen 
fast  gar  keine  Schwankungen ,   wenn  wir  die  Jahre    1816    und 

1817  ausnehmen;  sie  gew&hrte  1816  =  49,140,291  Fr. x(  13,267,881 
Th.  und  1824  =  45,948,824  Fr.  (12,406,176  Th.),  durchschnitt- 
lich 47,800,000  Fr.  (12«906,000  Th.).  Die  Thür-  und  FenTster- 
Steuer  bietet  gans  dasselbe  Verhftitniss  der  StabiiitUt  in  dieser 
Periode  dar;  sie  brachte  ein  1816  =  21,433,494  Fr.  (5,787,045  Th.); 
1824  =  21,297,355  Fr.  (5,750,352  Th.),  durchschnittlich  22,700,000 
Fr.  (6,129,000  Th.).  Endlich  die  Gewerbesteuer  ist  mit  allei- 
iliger  Ausnahme  des  Jahres  1816,  worauf  sie  für  dieFolgesett  auf  die 
Hälfte  herabgesetzt  wurde,  gleichfalls  aiemlich  gleich  geblieben;  sie 
betrug  1816  f  war  40,453,618  Fr.,  aber  schon  1817  =  20,677,871  Fr. 
(5,583,033  Th.),  1824  =  23,880,335  Fr.  (6,447,681  Th.)»  durch- 
schnittlich 24,100,000  Fr.  (6,507,000  Th.).  Alle  vier  Steuern  sn- 
aammen  geben  im  durchschnittUchen  Ertrage  dieser  sehnjährigea 
Periode  374.000,000  Fr.  (100,980,00(1  Th^i  oder  fast  zwei  Fünf- 
theile sämmtlicher  Staatseinkünfte. 

e)  Indirecte  Steuern.  Die  Z&lle  sind  in  dieser  Periode 
fast  auf  das  Doppelte  gestiegen,  wie  dies  grösstentheils  der  Leb- 
haftigkeit  des  wiederhergestellten  Handels  in-  und  ausserhalb 
Europas  zugeschrieben  werden  musste.  Sie  brachten  1816  eine 
Einnahme  von  51,458,590  Fr.  (13,893,822  Th.)^  1824  =  98,022^511 
Fr.  (20,466,075  Th.),  durchschnittlich  72,800,000  Fr.  (19,656,000  Th.> 
Die  Salzsteuer  hält,  wenn  nicht  eine  Verminderung  oder,  Er- 
höhung der  Taxe  eintritt,  gleichen  Schritt  mit  der  Progression^ 
in  der  BeTolkerung,  bleibt  daher  in  langsamer  Zunahme;  sie  be- 
trug 1816  =  42,748,122  Fr.  (11,541,987  Th.),  1824=52,762,758 
Fr.  (14,145,956  Th.),  durchschnittlich  50,150,000  F^.  (13,540,500 
Th.).  Die  übrigen  indirecten  Steuern,  grösstentheils  auf  die 
Consumtion  auferlegt,  sonst  unter  dem  Namen  der  drottt  reuni^ 
unter  der  Kaiserregiening  sehr  verhasst,  doch  ungeachtet  d^s 
Versprechens  Ludwigs  XVIIL,  weil  sie  'filr  die  Erhaltung  des 
Staatshaushaltes  als  unentbehrlich  betrachtet  werden  mussten,  beibe- 
halten, gewährten  1816  =  84,385^608  Fr.  (22,784,112  Th.).  Bei 
denselben  sind  verhäitoissmässig  gerade  die  MMisteo  Abäaderun 


FrftBkrcieli.  *  US 

ZvsehlagBteiierii  «af  Wciii,  BrmutjT^,  Bier,  Oel  gonadil 
waWea.  Sie  W<rag«a  daher  bereiti  1824  =  148,831,600  Fr. 
<40, 184,632  Tk|,wi4dv«litcluuttlkh  in  dicMT  Periode  120,180,000 
Fr.  02,448,000  Tb.).  SUnattiebe  iodirecte  Steaeni  lieferten  aber 
io  dem  Darehaebuttaertrage  dieaer  Periade  243,130^000  Fr. 
(65,645,100  Tk>,  «der  beinaba  ein  Viertel  dar  Sfaataeinkanfta. 

f.  Avaaerordentliche  Einnahmen,  ader  geringere  nn« 
tar  den  obigen  HaapCgegenst&oden  det' Einnahme -Ba^gets  nicht 
..aaCrasahlende  Crefaile  gew&hrten  im  Dvrehflchniet  aelten  ftber 
22,000,000  Fr.  (8,646,000Tb.),  alao  nkht  ein  ToUea  Dreigaig- 
tbeü  der  Staataeinkönfle.  —  Ela  waren  daher  j&br^di,  wo  dieea 
Summen  nicht  anareichten,  neue  Anleihen  ala  Hilfiunittel  gewlhlt 
worden. 

* 

Bei  den  Staatsanggaben  'gehen  wir  wact  leichteren  Ue- 
benicht  die  einseinen  Bfinitterien  und  fibrigen  Hauptrerwaltnogen 
daich.  —  a)  Die  Ciriliiste  musa  verfaasongsm&aaig  gleich  in  der 
enten  VeraammloDg  der  gesetigebenilen  Kammerti  nach  der 
Tbronbeateignng  des  Königs  für  die  ganie*Regierangsdaner. 
bestimmt  werden  %  Sie  wurde  fBr  den  König  Ludwig  XVUL  so* 
gleieb  auf  25,000,000  Fr.  (6,750,000  Tb.),  also  auf  den  gleichen 
Betrag  featgesetxt,  welchen  Ludwig  XVL  nach  dem  Budget  von 
1789  bezog.  Der  Bruder  und  die  Söhne  des  Königs  nebst 
deren  Familien  erhielten  als  la  famille  royale^  wobei  die 
fibiigen  Zweige  des  königlichen  Hauses  Conde  und  Orleans  noch  aus* 
geschlossen  waren,  6,700,000  Fr.  (1,809,(K)0  Tb.),  also  gar  um 
1,500,000  Fr.  (405,000  Th.)  weniger,  als  die  beiden  Brüder  Lud- 
wigs XVL  im  J.  1 789.  Doch  machten  beide  Summen  31,7(X),000Fr. 
(8,559,000 Th.)  aus,  mithin  etwas  ober  ein  Zwei  und  Dreissig« 
theii  der  gessmmten  Staatsausgaben,  d.  L  mehr  als  irgend  ein 
Earopliischer  Monarch  für  seinen  Hofhalt  und  die  appanagirten 
Prinsen  seines  Hauses  angewiesen  hat,  aelbst  das  fiberaus  reiche 
vuid  in  seinen  Lebensverhältnissen  kostspielige  Grossbritannien 
(ficht  ausgeschlossen. 


^)  Terf.  T.  1814  %9  33;  ▼«ri:  ▼.  1836»  §.  19. 


2S4  f  raikr^i«b. 

b)  Die  Ausgaben  für  die  Palr.g-  und  Depatirtenkaniner 
erford^rtea  j&bEtich  3,77^«4a  Fr.  (l^Old^Zda  Tk.K 

e)  Die  MiniateriaI*Venraltttng  der  aitawlrtigen  An- 
gelegenheiten bietet  der  Natur  der  Sache  nach  wenige  Verän- 
derungen d«r,  doch  cind  später  mehr  ^npamisie  gemacht  worden, 
ao  daaa  in  der  Periode  von  1815  big  1824  dabei  eine  stete  Ver- 
minderung wahrgenommen  wird;  denn  während  sie  1815  noch 
9,654,112  Fr.  (2,006,607  Tb.)  erfordert^  waren  1822  =7,868,000 
Fr.  und  1824,  =  7,843,000  Fr.  (2,117,^10  Th.)  genügend,  durch- 
schnittlich in  den  10  Jahreii  8,500,000  Fr.  (2,295^000  fh.),  also 
iein  Einhundert-  und  Zehntheil  der  sämmtlichen  Staatsaus- 
gaben, und  nur  um  1,200,000  Fr.  (324,000  Th./  bedeutender»  als 
nach  dem  Budget  von  1780. 

d)  Das  Ministerium  der  Reehtspflege  hat  gleich- 
falls aus  demselben  Crrundet  wie  das  vorheigdiendey  ia«t  un- 
verändert dieselben  Ausgaben  verlangt^  nemli^  1815::;=  18,901,312 
Fr-  (5,127,651  Th.)^  1823  =  18,445459  Fr.,  1824=1 7,972,000  Fn 
(4,852,44,0  TL),  durchschnittlich  für  diese  Periode  1^500,000  Fr. 
(4,995,000 Tb.),  also  wi  Vier-  und  Sechsiigtheil  der  Staats- 
ausgaben, aber  den  sechsfaehen  Betrag  des  Budgets  von  1789, 
waa  bei  dies|em  Zweige  der  Staatsverwaltung  für  die  Sicherheit 
des  Volks  nur  als  ein  erfreulicher.  Fortschritt  angesehen  im- 
den  kann« 

j 

e)  Das  Ministerium  des  Inneren  und  der  Poliiei  mit 
Ausschluss  des  Cultus,  des  Öffentlichen  Unterrichts  und-^der 
Öffentlichen  Bauten,  verlangte  1815  =  54,584,516  Fr.  (14^727,815 
Th.),  und  1824  =  46^038,116  Fr.  (12,430,2^7  Th.)^  dun^chnitt- 
lieh  etwas  über  50,000,000  Fr.  (13,500,000  Th.),  also  etwas  über 
ein  Zwai^aigtheil  sämmtlicher  Staataausgaben  und  den  achtfa- 
chen Betrag  der  für  diese  Gegenstände  im  Budget  von  1789  ange- 
setzten Fonds. 

f)  Die  Verwaltung  des  Cultus,'  des  Öffentlichen 
Unterrichts  und  der  höheren  wissenschaftlichen  und  Kunst- 
Institute,  wurde  durchschnittlich  in  dieser  Periode  mit  31,330,000 
Fr.(8,459,100Th.) bestritten,  alsomiteinem  Ein-  und  Dreissig- 
theii  des  Durehs'chnittsertras^  des  Auiigdi^-Bndgets,  das  aber 


I 


Fraakreieh.  2SS 

beuuA«  <I«B   ^reifadm  Betrag  itt  iMjt  hm  IMgü  tm  1789 

beatunrnten  Aaigiibcn  «nauitht     ^ 

g)  Die  VerwaltuBg  iler  5ffentliclieii  Balten,  Land* 
Strassen,  Canäle  nnd  Bergwerke  wurde  in  den  erbten  fönf 
Jahren  dieser  Periode  bei  den  grossen  Lasten»  welche  die  Fol- 
gen der  Feldzfige  von  1814  und  J815y  sowie  der  Aufenthalt  der 
TerhQndeten  Heere  in  Frankreich  nothwendig  nachten ,  fast  gar 
Bicht  mit  neuen  Anlsgen,  oder  auch  nur  mit  wesentlichen  aber  kost- 
spieligen Reparaturen  bedacht:  aber  in  den  darauf  folgenden 
fünf  lahren  kostete  sie  durchschnittlieh  37,356,194  Fr.  (10,086,174 
Th.),  d.  i  ein  F&nf-  und  Zwanzigtheil  des Durchschnittsbe« 
trags  s&mmtlieher  Staatsausgaben  f&r  diese  Periode,  und  gerade 
den  f&nlTadien  Betrag  für  die  gleichartigen  Gegenstände  im  Budget 
Ton  1789. 

h)  Das  Kriegsministerium  hatte  bei  der  Restauration 
der  Boorbons  noch  das  von  Napoleon  gebildete  Heer  übernom- 
men, und  bei  der  damaligen  politischen  Stellung  Frankieidui 
gegen  die  Übrigen  Mächte  Europas  durfte  in  den  ersten  Jahren  ab 
eine  storke  Reduction  nicht  gedacht  werden ;  es  konnte  also  nur  im 
Kleinen  gespart  werden.  Daher  war  das  Budget  desselben  für 
das  Jahr  1816  mit  328,293,134  Fr.  (88,639,137  Th.)  nicht  einmal 
aosreichend.  Aber  nach  dem  Congresse  su  Aachen  trat  1819^  eine ' 
ausserordentliche  Verminderung  des  Kriegsetats  ein,  wie  sie  auch  da- 
mals für  Frankreich  stattfinden  konnte,  und  durch  den  Finanssustand 
des  Staates  dringend  erheischt  wurde:  bald  ging  maniitdess  sogar  auf 
das  Extrem  Über  und  übersah,  \#elche  militärische  Macht  nothwendig 
verbleiben  mlissle^  wenn  die  innere  und  äussere  Ruhe  des  Staates 
auf  die  Dauer  sicher  gestellt  sein  sollte.  Der  Militär-Etat  stand 
daher  1822  beinahe  auf  die  Hälfte  des  frühem  herabgesetzt  mit 
170,472,000  Fr.  (47,647,440  Th.),  erhob  sich  durch  den  Feldsug 
nach  Spanien  1823  auf  ]92i,88l,446  Fr.)  52,077,981  Th.),  wurde 
aber  im  nächsten  Jahre  schon  wieder  auf  180,981,000  Fr. 
(48,864,870  Th.)  herabgesetzt  Er  betrug  inzwischen  durchschnitt- 
lich in  dieser  Periode  224,650,000  Fr.  (60,655,500  Th.),  pder 
fünf  Sechsaehntheile  des  Durchschnittsbetrags  der  Staats- 
ausgaben,  während  das  Budget  von  1789  noch  nicht  die  Hälfte 
dieser  Summe  für  denselben  Etat  gewährte. 

i)  Die  Verwaltnpg  den  Maxiae-  nnd  Colonial-Hlni« 


156  Frankreiok.  ^ 

iteriomi  muttM  ki  finaniiellcr  Hinsicht  gerade  den  umgekehr- 
ten Weg  all  daf  vorhergehende  einiehlagen,  da  die  Marine  und 
Colonien  unter  Napoleon  verloren  gegangen  waren,  und  naeh  dem 
Pariser  Frieden  erst  wieder  neu  eingerichtet  werden  mussten.  Ihr 
Budget  betrug  18I5=:39,616,699Fr.(10,696,5()9Th.),  war  aber  schon 
1822  auf  60,000,000  Fr.  (16,200,000  Th.)  erhöht,  blieb  dabei  fUr  d.  J. 
1823,  und  stieg  1824  auf  63.250,000  Fr.  (1 7,077,500  Th.  Der6urck- 
schnitt  derselben  betrug  53,325,000  Fr.  (14,397,750  Th.),  oder  ein 
Achtsehiitheil  der  jährlichen  Staat^ausgaben  dieser  Periode, 
stand  also  nur  in  einem  geringeren  Unterschiede  von  12,825,000  Fr* 
(3,462,750  l'h.)  gegen  das  Budget  vor  der  Revolution. 

k)  Die  Finansver waltung  ohne  die  Verainsung  der  Staats« 
schulden  kostete  vor  der  Revolution  weniger,  weil  die  indirect^ja 
Steuern  verpachtet  waren,  daher  betrug  das  Budget  derselben  1780. 
nur  37,057/)OO  Livr.,  war  im  Jahre  1815  bei  den  einfacheren  Finans* 
Verhältnissen  der  Napoleonischen  Organisation  noch  nicht  cihraäl  so 
hoch  =  34,334,246  Fr.  (0,27Q,237Th.),  stieg  dann  rasch  auf  das  Dop. 
pelte  und  Dreifache,  als  die  ausserordentlich  gesteigerten  Bedürfnisse 
des  Staates  und  die  Anforderungen  der  Staatsanleihen  diesen  Zweig 
jder  Verwaltung  überaus  verwickelten  und  erweiterten.  Es  verlangte 
daher  1822  bereits  101,185,000  Fr.  (27,319,950  Th.)  und  1824  == 
148,277,121  Fr.  (40,021,318  Th.),  in  der  zehnjährigen  Periode  durch- 
schnittUch  104,731.000  Fr.  (28,277,370  Thlr.)«  d.  L  beinahe  ein 
Neuntheii  s&mmdicher  Staatsausgaben. 

1)  DieVerwaltung  der  Staatsschulden  und  des  Til«» 
gungsfonds  lässt  die  rasch  anwachsende  Vergrösserung  ihres 
jährlichen  Bedürfnisses  aus  der  oben  angegebene^  Uebersiehft 
über  das  Anwachsen  der  heutigen  Fransösischen  Staatsschuld 
ersehen.  Sie  erforderte  zu  Anfang  des  Jahres  1815  98,640,000  Fr. 
126,632,800  Tb.),  aber  bereiU  im  nächsten  Jahre  1179718,905  Fr., 
1819  =  190,970,851  Fr.,  1822  =228,664,560  Fr.,  1823=237,086,308 
Fr.,  1824  =  240,127,666  Fr.  (64,834,457  Th.),  worunter  aber  sich 
7,400,000  Fr.  (1,998,000  Th.)  als  Zinsen  für  die  fliegende  Schuld  be- 
fanden. Der  Durchscbnittsbetrag  in  der  aehnjährigen  Periode  giebt 
181,&13,000Fr.(49,008,510Th,)  beinahe  ein  Fünftel  sämmtlicher 
Staatseinnahmen,  i^ber  doch  noch  um  25,000,000  Fr.  (6,750,000  Th«) 
weniger,  als  das  Budget  von  1789,  wo  überdies  bei  dem  damali* 
gen  Verhält/iisse  des  Ausgabenetats  die  Zinsen  der  Staatsschulden 
nitht  weniger  aU  zwei  F&aftel  desidbea  ausmaohten* 


Frankreick. 


257 


m)  Der  Etilt  für  Pemionen,  Entseh&digiitigeti  nahm 
unter  den  ßourbons  mit  jedem  Jahre  su,  da  die  Ansprüche  der 
Familien;  welche  durch  die  Revolution  ihr  Vermögen  eing^üsit, 
oder  während  derselben  sich  um  die  ki^nigliche  Familie  ausge- 
ssichnet  haben  wollten,  unerschöpflich  waren.  Von  wenigen  Mil- 
lionen in  dem  ersten  Jahre.  181 5  ausgehend,  war  derselbe  bereits 
]  Sl2  auf  74,500,000  Fr.  (20, 1 1 5,000  Th.)  und  1 824  auf  84,7 1 9,027  Fr. 
(22,874,292  Th.)  angewachsen,  so  dass  der  Durchsehnittsbetrag 
für  diese  Periode  bereits  über  50,000,000  Fr.  (13,500,000  Th.) 
jahrlich  verlangte,  also  20,000,000  hivr.  (5,400,000  Th.)  mehr  als 
der  an  Pensionen  und  Gnadengehaiten  schon  überreiche  Etat 
von  1789:  im  Verhältniss  lum  voUstllndigen  Ausgaben  •  £tat  be- 
trug er  ein  Neunsehntbeil  desselben, 

n)  Für  kleine  unvorhergesehene  oder  aus  besonderen 
Gründen  diesen  Etats  nicht  mgerechnete  Aasgaben  wurde  durch*, 
schnittlich  ^  in    den    Budgets    jäbriieh     eine    Snmine    von 
13,500,000  Fr.  (3,645,000  Th.)  ausgesetst,   abo  ein  Sechssig- 
iheil  der  Staatsausgaben  dieser  Periode. 

Sehretten  wir  nun  lur  Regierung  Karls  X.  fort,  und  fassen 
zur  leichteren  Uebersicht,  nach  den  uns  vorliegenden  Materialien 
für  die  Jahres-Budgets  von  Januar  zu  Januar,  seine  sechsjährige 
Regierung  für  die  Jahre  1825— '30  zusammen,  wodurch  allcvd{ng8 
ihm  zwei  Monate  mehr  zugeschdeben  wejrden,  da  er  im  Sep4em- 
ber  1S24  den  Thron  bestieg  und  bereits  1830  den  SIslen  Juli 
desselben  verlustig  gin^,  so  erhalten  wir 


Einnahme 

Ausgabe 

Deficit    « 

1825 

985,673,751  Fr. 

081,972,609  Fr. 

t 

1826 

987,620,580  — 

976,948,9:9  — 

1 

1827 

957,431,769  — 

9S9,148,052  — 

32,016,283  Fr. 

1828 

946,483;6d8  •— 

95i,631,€90  — 

5,14£,]92  — 

1829 

986,156,821  •— 

971,184,361  — 

—        — 

1830 

1,099,073,303  — 

1,163,390,475  — 

63,7::,:  :2  — 

l*amm'e      ^^63,039,982  Fr.    6,037,576,306  Fr. 

*   ^Duächli"'    ^92,559,998  F..     1,001,175,145  Cr. 
,       =  ::67,99:,200Th.  =271,f27,277  TIj* 

Bei  dieser  Zusamircnstellung  bemerken  nir  zuvörderst,  dass 
Schttberl'ü  8tati»tik  II.  y^f 


258  Franlcreifeb. 

die  Staatseinnahmen  sich  wesentlich  durchaus  nicht,  Terftn- 
dert  haben,  da  der  sechsjährige  Durchschnittsertrag  nur  eine 
Differenz  von  2,981,000  Fr.  (Sat.STO  Th.)  darbietet,  um  welche 
Snmme  in  der  zehnjährigen  Periode  unter  Ludwig  XVIU.  die 
Staatseiniiahbien  höher  gewesen  sind.  Das  bedeutende  Deficit 
des  Jahres  1827  von  8,644,40!  Th.  war  durch  die  rücksichtslose 
Finauzverwaltüng  Vill^le's  entstanden,  war  aber  durch  den  Ein- 
tritt des  sehr  besonnenen  und  erfahrenen  Grafen  Roy  als  Fi- 
nanzminister  im  Ministerium  Martignac  (Jan.  1828)  so  weit  ge- 
mindert, dass  die  laufenden  Ausgaben  durch  die  Einnahmen  bis 
auf  die  geringe  Summe  von  r,390,OI4  Th.  gedeckt  wurden. 
Aber  das  Deficit  des  Jahres  1830  ist  keinesweges  blos  der  Juli- 
Revolution  zu  zuschreiben,  da  der  letzteren  verderbliche  und 
zerrüttende  Folgen  für  die  Finanzverwaltung  sich  erst  in  den 
beiden  nächsten  Jahren  I83t  und  1^32  bemerkbar  machen ,  son- 
dern vorzugsweise  noch  der  Regierung  Carls  X.  und  der  Expe- 
dition nach  Algier.  Die  einzelnen  Einnahmen  -  Titel  verbleiben 
nach  dem  sechsjährigen  Durchschnitte  in  dem  früheren  Zustande, 
da  die  geringen  Abweichungen  kaum  angefOhrt  zu  werden  verdie- 
nen, wenn  wir  den  Znstand  der  Jahre''18j|.  vor  Augen  behalten. 
.Nur  die  Posteinnahme  erhebt  sich  bis  auf  30,500,000  Fr. 
(8,235,000  Th.)  und  die  Zölle  durchschnittlich  bis  auf  105,000,000 
Fr.  (28,350,000  Th.)  —  t>agegen  sind  bei  den  Staatsausgaben 
sehr  bedeutsame  Veränderungen  zn  bemerken,  die  hauptsächlich 
sich  auf  die  Staatsschulden  beziehen.  Der  gute  Zustand  der 
Amortisations  -  Casse  hat  in  den  ersten  zehn  Jahren  (bis  zum 
30sten  September  1825)  überhaupt  an  seiner  Dotation,  an  Zin- 
sen für  die  aufgekauften  Staatspapiere  und  durch  ihm  besonders 
zugewiesene  Summen  für  rerkaufte  Staatswaldnogen  (83,145,565 
Fr.  =  22,460,312  Th.)  in  der  Gcsammtsumme  027,008,477  Fr. 
(l7d,316,495Th.)  eingenommen  und  dafür  sofort  immer  zinst/a- 
göDde  Staatsschulden  eingekauft. 

Dadurch  war  der  Cours  der  fQnfj^rocentigen  Renten  so  be- 
deutend in  die  Höhe  gegangen,  dass  tlas  Französische  Finanz- 
ministerium den  Beschluss  fasste,  den  Kammern  ein  Gesetz  über 
die  Her;  bsetzung  der  Rente  von  fünf  auf  vier  Procent  vorzule- 
gen (I.  Apr.  1824),  welches  jedoch  nach  vielfachen  hartnäckigen 
Debatten  bedeutsam  verändert,  «rst  ein  Jahr  später  durchging 
(Mai  1826^.  Nach  demselben  sollen  die  fünfprocentigen  Renten 
allmählig  entweder  in  Renten  zu  4^  Procent  mit  der  Verp^ch- 


FraskTeich.  1S9 

tamg  ia  Rcgicraag^  üeadbca  in  Eflm  Jdumi  nickt  mrückiiitah* 
leoy  o4er  in  4reipr*€entige  nmgcsclirieben  werden,  die  im  Nomi« 
naIwerdM  Ten  JOO  Fr.  n  75  Fr.,  also  mit  25  Procent  Rabatt 
den  BesitBem  der  älteren  Staajttchalden  ausgeliefert  werden  eoliten. 
Indes«  ging  diese  Verwandlung  dw  Staatsschulden  sehr  langsam  Ten 
statten,  der  grdssste  Theii  derselben  blieb  in  funfprocentigen  Renten^ 
erkalten,  die  4|  proeentigen  wurden  fast  gar  nicht  beliebt  %  und 
nur  der  lod^ende  Gewinn  Ton  25  Procent  Nominal  -  Capital  sog 
an,  dnen  beträchtlichen  Theii  der  älteren  Renten  gegen  dreipro- 
centige  su  rertauschen.  Cs  wurden  nemlieh  611,482,320  Fr« 
fnofprocentige  Renten  (165,100,221  Tb«),  welche  jährlich  30,574,116 
Fr.  (8,255,008  Th.)  Zinsen  ferlangten,  in  815,301,166  Fr. 
(220,131,324  Tb.)  dreiprocentige  Renten  umgeschrieben,  die  nur 
24,4^9,035  Fr.  (6,603,930  Th.)  2Snsen  kosteten:  also  betrug  die 
jährliche  Zinsenersparung  1,651,078  Th.,  aber  die  Staatsschuld 
war  sugleich  dadurch  um  203,818,846  Fr.  (55,031,163  Th.)  er- 
höht Doch  der  dadurch  gewonnene  Minderbetrag  an  Zinsen 
wurde  mehr  als  yierfach  durch  den  überaus  nachtheiligen  Plan  den 
Grafen  VilUIe  fiber die  Emigrantenentachädigung  rersohlun«  ^ 
gen,  welcher  als  Gesets  von  der  Deputirtenkammer  im  Mars 
1825  angenommen  wurde*  Dasselbe  bestimmte  30,000,000  Fr. 
dreiprocentige  Renten  oder  1,000,000,090  Fr.  (270,000,000  Th.) 
Nominal-Capital  als  Entschädigung  für  diejenigen  Emigranten, 
Deportirte  oder  ihre  Familien,  sowie  für  die  Familien  der  wäh- 
rend der  Rerolution  sum  Tode  Verurtheilten,  d^rcn  Güter  ein- 
gexogeil  und  Tcräussert  worden.  Diese  sollten,nach  vorherge- 
gangen«  Abschätsung  der  verlorenen  Häuser  und  Güter,  Ersats 
in  Staats-Renten  erhalten,  und  swar  so,  d.ass  in  den  nächsten 
fünf  Jahren^ährlich  ein  Fünftel  der  oben  bestimmten  Summe  sur 
Zahlung  kommen  sollte. '  Diese  grosse  Vennehrung  der  FraniÜ- 
sischen  Staatsschuld  war  beim  Ausbruch  der  Juli  «Revolution  bis 
auf  ein  Fünftheil  bereits  auigegeben,  so  dass  nacb  dem  Be- 
richte des  Finansministenrliafitte  am  Isten  December  1830  der 
Zustand  der  älteren  in  das  grosse  Schuldbuch  inscribirten  Staats- 
schuld folgender  wur: 


*)  Es  wurden  nur  1,I49>940  Fr.  (316,449  Th.)  fönfprocentlge 
Beulen  oder  22,999,800  ^n  (6,109,136  Th.)  CspUal  in  1,0*29,737  Fr. 
€-278,0^1  Th.)  Renten  zu  4|  Free  umgejtcbrieben:  also  eine  unbe* 
tJichdicbe  Zinsenersparung  Von  110,103  Fr.  (3*2|428  Th.)  jährL  gemacht. 

17* 


./ 


260  Franlifeieh* 

Fttnfptoe.  Rentefi  12e|432,437Fr.  maehl  Capital  2»528,<M8/X)0  Fr. 

(=  ^,  1 36,750  Th.)  =  <  682,734,960  Th.> 

Viereinhalbpro.  R.      1,025,345  Fr.  maeht  Capital       22,784,000  Fr. 

(=s  276,834  Th.)  <=  6,151,680  Th.) 

Vierproc  Rent«)      3,073,180  Fr.  macht  Capital       76,629,000  Fr. 

<==  829,764  Th.).  (=  20,743,290  Th.) 

Dreiproe.  Renten     37,106,489  Fr.  macht  Capital  1,236,883,000  Fr. 

(=  10,018,755  Th.)  (=  333,958,410  Th.) 


xusamuien  Renten  167,637,451  Fr.  Cap.  d.  Schuld.  3,865,144,000  Fr. 

(==  45,262,103  Th.)  ^  (=:  1,043,588,340  Th«) 


Dasn  Vamen  noch  «Ii  «chweh«nd«  SchMld  in  demselben  Zeit- 
punkte 

1.  Aeltere  ans  derR^gie* 

rang  Carls  X.    .    .    .      159,00p,000  Fr.  (42,030,000  Th.)  Capital 

2.  Anleihe  für  denKauf- 
niannsstand  im  J.  1830  in 

Folge  d.  ReTolution  .        30,000^000  Fr.    (8,100,000  Th.)     — 

3.  Auslagen  für  Spanien, 
die  noch  lurttckg^fordert 

werden  kdnnei^  .    .    .        54,000,000  Fr.  (14,580,000  Th.)     — - 

ausammen  243,000,000  Fr.  (65,610,000  Th.)     *— 

welche  jährKch  12,350,000  Fr.  (3,334,500  Th.)  Zinsen  erfordern. 
Demnach  war  im  Deoember  1830  der  Gesammtbetrag  der  Steata« 
schulden  auf  4,108,144,000  Fr.  (1,109,198,340  Th.),  und  der  Zin- 
sen auf  176,987,451  Fr.  (48,596,603  Th.)  gestiegen,  su  welchen 
letKtf^ren  noch  der  j&hrliche  Zuscfauss  sum  Tilgungsfond  'mit 
40,000,000  Fr.  (10,800,000  Th.)  hinxususchlagen  ist,  um  die  jahr- 
lichen Anforderungen  an  das  Fransösische  Volk  für  Versinsung 
und  Tilgung;  der  Staatsschulden  jnit  219,987;451  Fr.  (59,396,603 


*)  Die  vierprocentigen  Anleihen  entstanden  seit  18*26  bei  eini- 
gen ausserordentlichen  Veranlassungen,  die  durch  die  gewöhnlichen 
Siaai  sein  nahmen  nicht  gedeckt  werden  konnten,  und  die  von  den 
Kammern  bewilligt,  nur  mit  wenigen  Procenten  Verlast  4les  ^lomi- 
nal-Capitals  in  baarer  Anleihe  eingesBahh  wocden. 


Fraakrtich.  161 

1V>  fltt-liefriedi^eii«  Der  Titgungifoii«!  ^euA9  »bor  ilaniMs  bereit« 
tut  eeioe  OperaCioaeii  atiiser  4«r  obigeo  jäKriicheD  l*lteitssumiii<% 

T«K 40,000,000  Fr  (10,800^000  Tb4 

an  jfthiiiclieii  Renten    fmt   dem 

Verkeuf  tob  1 78,000,000  Hectaren 

ilH»7jm,6€6  Morg.  Pr.)  Wald .  .  •    CfiOOflOQ  Fr.    (I.IQO.OOO  Tb.) 

an  jäli fliehen  Zinsen  der  seit  dem 

Jdure  1810  «pgekanfttti  Reftten    MfiOOfiOO  Fr.    <9, 180,000  Th^ 

«uaiBami«  80,000.000  Fr.  (21,600,000  Th\ 

Aber  die  kreigniste  wIlhreniK  der  nunmehr  fBnQlÜirigen  Regie- 
nng  det  Kitaiigt  Lndvig  Philipp  nnntea  bei  der  starken  Rüstung 
dea  Fransosiseheii  Heeres  nnd  d«  Flott»,  den  vermehrten  Aasgaben 
Inr  die  Behauptnng  Algiers,  dem  Atricanf  von  WafTeti  in  England, 
bei  den  ansoerordentUchen  Baatsm  der  imtor  Ludw^  XVUt  nnd 
Carl  sehr  remaehl&ssigten  F^tungwi,  endlieh  bei  den  vieifaehen 
UnterstntiiHigen,  die  durdt  den  rerolutlonären  Zastand  einaelner 
Stifte  (wie  Paris»  I^on)  und  Departements  herbeigeANirt  mr- 
den,  neue  Anleihen  nothwendig  maehon,  da  überdies' noeh  , in 
den  ordemliehea  E^innahmen  dureh  die  inneren  Unrahen  nnd 
plötsliche  Veramumgen  wegen  des  stockenden  Verkehrs  sehr  be« 
deutende  AusfiUle  sich  eigaben.  Denn  es  betragen  nuammtB. 
in  den  vier  Jahren  1330—1833 

die  Staatsauigaben  4,Q29,(H}<$,000ßr.  =  1,250,090,820  Th. 
dag^.  nur  d.  Staatoelnnahm.  3,933,415,000  Fr.  =  1,062,022,050  Th. 

aha  das  Gesammtdefieit    «96»56 1,000  Fr.  =    188^068,770  TU 

•f        f 
DaTOB  wurden  die/ausser  der  obigen  Anreihe  Ton  30,000,000  Fr. 
im  Jahre  1830  noch  fehlenden  63,346,000  Fi.  =  17,103^420  Th. 
durch  Sehatikammerschein«  als  Vermehrung    der  sehvebendea 
^ehnld  gedeckt 

Das  Deficit  des  Jahres  1831  Ton  270,687,000  Fr.  =  73,085,490 
Tb.  erforderte  eine  neue  Anleihe  von  120,000,000  Fr.  ^32,400,000 
Th.;  das  Deficit  des  Jahre«  1832  von  204,622,000  Fr.  =  55,207,940 , 
Th.  eine  n<^ue  Anleihe  von  171,422,000  Fr.  =  ^5,2J3,940  Th./ 
An  deml^fioit  des  Jahres  1833  von  157,896,000  Fr.  :=  42,631,920^ 
Th.  wurden  durch  einen  neuen  Verkauf  von  Stnatswakfirtigciv 
5S,079,000  Fr.  (1^,681,330  Th.)  gedeckt.     Die  Ausgatien  f'>r  das 


\ 

fßl  Frankreich. 

I  V 

V 

Budget  dei  Jahres  1834  maehten  erst  wieder  4ie  Rftekkehr  tu 
dem  gewöhnlicheren  Zustande  *>  möglich, 

denn  sie  betrugen  ],03],090»^  Vk  =  278,394,438  Tk 
dagegen  d.  Einnahmen' ^  983,669,307  Fr.  s^  26^90,711  Th. 

^o  das  Deficit  nur       47,421,240  Fr.  =:    12,803,727  Th. 


warde  durch  eine  Erhöhung  der  Weinsteuer  um  20,000,000 
Fr.  (5,400,000  Th.)  und  eine  Verminderung  des  j&hrlichen  Zu- 
schusses sum  Tilgungsfonds  um  20,000,000  Fr.  beseitigt,  sodass 
der  letztere  seitdem  nur  die  gleiche  Summe  von  20,000,000  Fr. 
OThält     Aber  im  Budget  tor  1836  fanden  sich  die^  RückstiUide 

auf^ 07,533,132  Fr.  SS   18,233,939  Th.  gesteigert 

die    gewöhnlichen 

Ausgaben  betrugen,  1,009,008,531  ~  ==  272^32,297  ~      ' « 

d.  ausserordentlich. 

Ausgaben  betrugen,      22,442,000  —  =:     6,059,340  -• 

ausserdem  noch  fir 

nothwendige  öffent-  " 

liehe  Bauten^    .    •       27,590,000«-=     7,449,300  ~ 

■III  I*  .         I       ■■ 

misamm.  an  Ausgab.  1,126,573,663  Fr.  =  304,174,876  Th« 
Dagegen  konnten  die  Einnahmen,  welchen  das  Jahr  1833  iu|a 
Grunde  gelegt  wurde,  nur  in  Anschlag  gebracht  werden  auf 

996,557,41 5  Fr.  =  269,070,498  Th. 

DefiÄr.".''^^      130,016,248  Fr.  =  35,104,378  Th. 

Durch  das  zu  erwartende  Plus  in  den  Einnahmen  und  naehtrftg* 


^)  Dieses  ergiebt  sich  audi.'aos  dem  Geldrerkehr  des  Staats- 
schatzes mit  der  Bank  von  Papis,  die  dem  augenblicklichen  ausser- 
ordentlichen^ Staatsbedürfnisse  abhilft,  denn  nach  dem  Rechenschafts- 
berichte über  die  Operationen  der  Bank  im  J.  1834  vom  29steh  Ja- 
nuar 1835  •  hatte  sich  derselbe  1934  auf  d4>l26,000  Fr.  vermindert» 
während  er  1833  noch  45,487,000  Fr.  betrug.  —  Uebrigens  ist  der 
Reservefond  der  Bank  1834  gesetzlich  auf  10,000,009  Fr.  (2,700,000 
Tb.)  beschränkt,  doch  befand  sich  der  baare  Cassenvorrath  im  Jahre 
1834  ftets  zwischen  J19,dei>000  Fr.  und  180,814,600  Fr. 


Frankreich.  163 

liebe  Eiogelueii  eini^eer  Riiekstänile  vfirboffte-  man  noch  60,000,000 
Fr.  lu  decken;  aber  für  70.000,000  Fr.  (18,000.000  Th.)  wurde  eine 
iieue  Anleihe  gefordert  und  von  den  Kammern  auch  bewilligt» 
Wir  gelangen  denmaeh  »  dem  8rfaiu$fre»uitat  fttr  den  gegeft* 
genwärtigen  Beatand  der  Frani4^iisehei|  3taatatchuiil» 
daes  dertelbe  ^ 

1.  an  ingcnbirt  Rent  4,226,566,000  Fr.  =  1,141,728,200  Th. 

2.  an   echwebender     \ 

Schuld   .....     400,000,600  Pr.  :=     108,000,000  Tb> 

susammen  4^626,566,000  Fr.  =  1,240,728,200  Th.  betragt. 

Indaet  ist  bei  dem  in  diesem  (18S5)  Jah^e  nach  dem  Maaielaba 
TOD  1834  TQa  den  Kammern  rotirten  Budget  fiir  das  nächit» 
Jahr#  1836  wiederum  eine  günstigere  Aussicht  eröffnet.  Denn 
die  Ausgaben,  sind,  da  die  meisten  ausserordentlichen  fihr  das 
Heer,  die  Flotte  und  die  Festungen  befriedigt  sind  ^.  insgesammt 
mit  1,001,904,035  Fr.  =  270,514,325  Th.  veranschlagt,  und  da« 
durch  also  auf  den  Betrag  des  Jahres  1820  fast  vollständig  att«- 
rückgeführt,  wiewohl  das  Heer  gegenwärtig  um  54,000  Mann 
und  10^000- Pferde  stärker  Is^  ah  im  Jahre  1820.  Dagegen  sind 
die  Einnahmen  dieses  Jahres  auf  094,085,807  Fr.  =  268,646,183 
Th.  berechnet^  also  steht  nur  ein  geringeres  Deficit  von  6,910.033 
Fr.  =  1,868,142  Th.  au  beseitigen,  das  gar  nicht  vorhanden  ge- 
wesen wäre,  wenn  nicht  dureh  die  Aufhebung  der  Lotterie  ein 
Minus  von  10,000,000  Fr.  (2,700,000  Th.)  für  dieses  Jahr  zu  er- 
warten  stfinde,  doch  glaubte  der  Finansminister  dieses  ganse 
Deficit  noch  aus  dem  vorhandenen  Reservefoiids  vom  J.  1833 
au  decken. 

Ffir  die  Vergleiehung  der  einielnen  Titel  in  den  Einnah- 
men und  Ausgaben  wahrend  der  gegenwärtigen  Regittung 
Ludwig  Philipps  mit  den  früheren  Finansperiodeti  (s.  S. 
251-^57)  ecsehienen  nachstehende  Angaben  am  merkwürdigsten. 
Bei  den  Einnahmen  haben  a)  die  Domainen  und  Forsten 
l)iren  früheren  Ertrags  dmreh  den  starken  Verkauf  der  Waldungen 
um  3,880,000  Fr.  (1,047,600  Th.>  vermindert,  sie  sind  im  Bud- 
get für  1836  auf  23,120,000  Fr.  (6,242,400  Th.)  festgestellt,  wo- 
von nur  j>  (4,620,000  Fr.)  aus  den  Domainen  und  }  (18,500^,000  Fr4 
aus  den  Forsten  herlliessen.  ^ 

b)  Bei  den  Regalien  ^nd  Staats-Menopoleii  fällt  für 


» 

\ 
^ 


264  Frankreich. 

die  Zukunft  die  LotC«ri#  weg,  das  Peatregal  ist  um 
4,000,000  Fr.  bis  auf  27,500,000  Fr.  (2»425,000  Th.)  gewa^chsen, 
(doch  iiiobt  so  hoch  wie  unter  Carl  X.  S.  258),  unddasTablacks- 
m onopol  ans  den  objsn  angefOlirten  Grfinden  bereits  1834  auf 
68,000,000  Fr.  (I8,3(X),000  Th.),  wiewohl  geraile  das  letstere  häu- 
fig ein  Gegenstand  der  heftigsten  Angriffe  von  Seiten  ^der  Oppo- 
sition gewesen  ist,  doch  bei  den  gegenWlUtigen  Staatsbedürfnissen 
Frankreichs  nicht  entbehrt  werden,  kanii*  Eis  wurde  daher  aber- 
mals durch  das  Gesetz  vom  il2ten  Februar  1835  für  eine  Dauer 
auf  7  Jahre  bis  sum  Isten  Januar  1842  bestinqnt  Dadurch  ist  der 
Gesammtertrag  dieses  Titels  auf  95,500,000  Fr.  (25,7^5,000  Th.) 
gekommen,  oder  fast  auf  oin  Eilftheil  der  Staatseinkünfte« 

c)  Der  Stempel  und  das  Enregistrement  sind  beträcht- 
lich in  die  Höhe  gegangen;  sie  betragen  im  Budget  für  1836 
]93,500,0(X>  Fr.  (52,245,000  Th.),  oder  beinahe  ein  Fünftel  sänimt- 
lieber  Staatseinkünfte,  wovon  der  Stempel  aber  nur  |  ausmacht, 
1834  32,870,000  Fr.  (8,874,900  Th.)  und  für  1836  auf  31,000,000 
Fr.  (8,370,000  Th.)  veranschlagt 

d)  Unter  den  directen  Steuern  befindet  sich  auch  jetst 
noch  der  Firtrag  der  Grundsteuer  in  starker  Abnahme  (um 
25,000,000 Fr. =6,750,000 Th.)  gegen  die  Regierung  Ludwigs  XVllI., 
er  stand  1834  auf  245,511,154  Fr.  (66,288,010  Th.),  war  aber  für  1836 
wieder  aiif  252,000,000  Fr.  (68,040,000  Th.)  veranschlagt  Die 
Personal*  und  Mobiiiarsteuer,  sowie  die  Thfir-  und 
Fenstersteuer  bieten  dagegen  sehr  geringe  Veränderungen 
gegen  die  oben  a^eführte  Periode  dar,  und  bezeugen  durch  ihre 
allmähliche  VergrÖsserung  nur  die  Zunahme  der  Bevölkerung 
und  des  gerteigerten  inneren  Verkehrs.  Jene  betrug  1834 
51,165,000  Fr.  (13,814,550  Th.)  und  für  1836  52,500,000  Fr. 
(14,175,000  Th.);  diese  gewährte  1834  26,830,000  Fr.  (7,244,100 
lii.)  und  für  1836  wurde  sie  nur  auf  die  runde  Summe  von 
26,000,000  Fr.  (7,020,000  Th.)  angenommen.  In  einem  höheren 
Grade  findet  die  Zunahme  bei  der  Gewerbe-  oder  Patent« 
Steuer  statt,  welche^  1834  29,818,500  Fr.  (8,050,995  Th.  ein- 
brachte und  für  1836  auf  30,000,000  Fr.  (8,100,000  Th.)  ange- 
nommen ist,  also  um  6^000,000  Fr.  (1,620,000  Th.)  den  Durch- 
schnitt ^  der  Regierung  Ludwigs  XVIII.  überragt  Sämmtliche 
dirocte  Steuern   betragen   demnach  gegenwärtig  360,500^000  Fr. 


Frafikreich« 


WS 


(9f, 335,000  Th.),  ako  13,600,000  Fr.  (3,045,000  Th.)  weniger,  al« 
in  der  obengenannten  Periode; 

^  e)  Die  indireeten  Stenern  tind  tllinnitlich  in  ihren  drei 
Hanpttiteln  in  ttarkem  Wachsthttm  begriffen  und  haben  Torzugs- 
weise  die  vermehrten  Staatsbedllrfnidse,  mit  Aussehlass  der  Äff- 
leihen,  befriedigen  müssen.  Die  Zölle  sind  durchschnittlich  um. 
34,000,000  Fr.  (9,180,000  Th.)  gegen  die  Regierung  Ludwigs  XVII L 
gestiegen,'  denn  sie  waren  na<;h  den  Jahren  1832  und  1833 
durchschnittlich  fOf  das  Budget  1836  auf  106,000,000  Fr. 
<28,620,000  Th.)  berechnet  worden.  Die  Salzsteuer  war  unx 
den  sechsten  Theil  ihres  früheren  Ertrages  gesteigert,  1834 
brachte  sie  62,200,000  Fr.  (16,794,000  Th.)  ein,  wurde  aber  für 
das  Budget  1836  nur  auf  die  rund^  Summe  von  54,000,000  Fr. 
(14,580,000  Th.)  veranschlagt  Endlich  die  übrigen  allgemeinen 
indireeten  jSteuern  sind  im  Durchschnitte  um  mehr  als  ein 
volles  Drittel  ihres  Ertrags  in  jener  Periode  ergiebiger  geworden, 
sie  worden  nach  dem  Durchschnitte  der  Jahre  1832  und  1833  auC 
187,000,000  Fr.  (50/190,000  Th.)  angenommen,  also  ein  Mehrbe« 
trag  von  67,000,000  Fr.  (18,090,000  Th,).  Demnach  gew&hren 
gegenwärtig  die  indireeten  Steuern  zusammen  347,000,000  Fr. 
(93,690,000  Th.),  oder  über  ein  Drittel  sammtlicher  Staats- 
einkünfte, y 


Bei  den  Staatsansgaben  ist  a)  die  Civilliste  auf  we- 
niger als  die  Hälfte  für  den  König  nnd  auf  weniger  als  ein 
Sechstel  für  die  übrige  königliche  Far»«iilie  herabgesetst,  denn 
der  Kdnig  erhält  gegenwärtig  nur  12,000,000  Fr.  (3,240,000  Th.), 
und  von  seinen^  Hause  ist  nur  dem  1'Jironfolger  1,000,000  Fr. 
(270,000  Th«)  jährlich  bewilligt,  so  lange  er  unvermählt  ist,  ^4 
die  doppelte  Sun^me,  sobald  er  zur  Vermählung  schreitet:  also 
ist  der  Gesammtertrag  derselben  13,000,000  Fr.  (3,510,000  Th.), 
oder  ein  Sechsundsiebenzigtheil  der  Staatsausgaben. 

b>  Bei  den  Ausgaben  für  die  Pairs-  nnil  Deputirten- 
Kammer  sind  sehr  wesentliche  Ersparungen  zu  bemerken, 
denn  beide  kosten  jetzt  nicht  viel  über  ein  Viertel  des  früheren 
Betrags,  nerolich  1,108,000  Fr.  (299,160  Th.). 

e)  Bei  der  Ministerial-Verwaltung  dejr  auswärtigen 


\     ^ 


\ 


30Q  Frankreich. 

I 
Aagelaf^oheiteB  wurden  ib«v  «hiA«btHi«il  dar  frilMren  Aus» 
gftbcn  dureh  Eiiteiehung  ttberfiüMiger  dif  lematUfilier  Posten  oder 
deren  Veretnigunf»  sowie  durch  Heikbsetiung  der  Geksite  der  Ge- 
sandten und  A{(enten  erspart  Im  JaJire  1S33  erforderte  dim^be 
M07»70OFr^  im  Jahre  1834=  7,277,700  Fr^  1835  =  7,108,700  Fr^ 
ttw<l  für/ 1830  ist  das  Budget  deneiben  7;223,700  Fr.,  also  diQrch- 
•ehttittliek  7,233,000  Fr.  <1,9S2,910  Th.),  oder  ein  Euihandert- 
aohtnnddreiapigtheU  der  Stsatsausgaben." 

d)  Das  Ministerium  der  Reehtspfiege  ist  fast  yöU^ 
unverändert  bei  seinem  frUlieren  Etat  gebLiJben,  deofi  es  Ver- 
langte 1833=18,351,500  Fr.,  1834=18,616,365  Fr.,  und  ist 
1836  auf  18,505,500  Fr.  festgestellt,  also  durchschnittlich  wiede- 
rum auf  18,500,000  Fr.  (4,095,000  Th.)^ 

e)  Die  Ministerialverwaltung  der  Inneren-  und  To- 
liz«i- Angelegenheiten  hat  in  den  letzten  fQnf  Jahren  so 
▼ielfache  Veränderungen  in  den  Ressorts  erfahren,  dass  eine 
finanzielle  Veigleiehung  der  yerschiedenen  Etats  derselben  völlig 
unstatthaft  erscheint  Im  Jahre  1833  besass  es  einen  viel 
grösseren  Umfaug  als  früher,  und  erforderte  84,078,200  Fr.,  und 
In  demselben  Wirkungskreise  wurde  för  das  Budget  18^ 
85,250,000  Fr.  und  1836  85,006,000  Fr.  bestimmt,  also  durch- 
•ehnittlich  85,100,000  Fr.  (22,977,000  Th.),  oder  fast  ein  Zwölf- 
tkeil  der  Staatsausgahen. 

I  f)  Die  Verwaltung  des  Cultus,  des  Öffentlichen  Un- 
terrichts und  der  damit  verbundenen  höheren  wissenschaft- 
lichen Anstalten  hat  in  dieser  Zeit  nur  eine  geringe,  aber  sehr 
angemessene  Vergrösserung  von  2  bis  3,(K)0,000  Fr.  erlangt. 
Denn  im  Jahie  1833  wurden  für  dieselbe  33,033,600  Fr.  ausge- 
geben, davon  6||000,(XX)  Fr.  filr  die  höheren  nnd  niedermi  Un- 
«errichtsanstalten  «nd  3,703,000  Fr.  für  die  UniversitÖten;  1834 
•lieg  der  Etat  bis  auf  ^4,540, 100  Fr.,  (0,325,827  Th.),  Wovon  der 
^öffentliche  Unterrieht  mit  8,580,901  Fr.  (2,316,859  Th.)  aui^testattet 
war.  För  das  Budget  des  Jahres  1836  sind  35,925,600  Fr.  (9,690,912 
Tk)  bestimmt,  davon  för  den  Cultus  26,645,600  Fr.  (7,194,312  Th.) 
und  für  den  öffentüchca  Unterricht  9,280,000  Fr.  (2,.505,600  Th.), 
also  beti^t  dieser  Zweig  der  Verwaltung  Jetzt  durchschnittlich 
gegen  35,000,000  Fr.,  oder  fiber  ein  Aehtandswa»zigtheil 
der  Staatsausgaben. 


Frankreich.  10T 

g)  Dk  Centralbeliör^eii  4e«  ^ftndeli,  der  dffent- 
Itehca  Bantan,  Land»  und  WAsserttraBsan  haben  di^ielbe 
Verindennig  der  Reetorts,  wie  dm  Miiiigterium  des  hmeren  er-  . 
fahren,  daher  aneh  hier  bei  der  Verideiehttog  der'  Budget!  der 
▼eraohiedenen  Jahre  -sehr  leicht  eine  Verwediteloiig  Yerkomieen 
kann.  ^9%  erforderten  ivaaniilMn  im  Jahre  1933^  49,6iO,O0Ö  Kr., 
und  lSi4>  wo  filr  den  Antbau  der  diautseen  eine  auaaerordenfe- 
liehe^  Beihülfe  von  38,500,060  Fr.  bewilligt  werden  nratite, 
78^560,000  Fr4  dag^oi  1835  wiederum  40,0<M),000  Fr.,  so  data 
im  Durchsehnitt  ^  die  gewöhnlichen  Ausgaben  45,000,000  Fr. 
(12,150,000  Th.)  ancunefamen  sind,  alio  ein  Zweinndswansig- 
theii  der  s&mmtfichen  Staatsausgaben.  — 

h)  Die  Verwaltung  des  Kriegsminittertnms  hat  in 
dieser  Periode  wegen  der  ununterbrochenen  bedeutsamen  Röstun« 
gen,  durch  die  innere  und  äussere  politische  Stellung  Frankrfiehs 
in  der  Gegenwart  veranlasst,  erst  in  dem  Jahre  1834  wieder 
eine  Annäherung  an  den  gewöhnlichen  Etat  erreicht,  nachdem 
in  den  drei  Jahren  vorher,  durchschnittlich  des  Jahres  fUr 
90»000,000  Fr.  (24,300,000  Th.)  ausserordentliche  Ausgaben 
gemacht  waren.  Sie  war  1834  festgestellt  auf  223,846,842  Fr. 
(60,438,639  Th.),  wovon  aber  3,475>595  Fr.  (938,412  Th.)  die 
Pulver-  und  Salpeter -Fabrication  kosteten,  und^  wurde  in  den 
Budgets  der  beiden  nächsten  Jahre  (1835  und  1836)  nur  um  ei. 
nige  Hunderttausende  von  Franken^  unwesentlich  vermindert,  so 
dass  also' bei 'der  gegenwärtigen  Stärke  des  Heeres  eine  Durch- 
schnittssnnme  von  223,000,000  Fr.  (60,210,000  Th.)  fäglich  ftt^ 
diesen  Verwaltungsswelg  ansunehmen  bleibt,  also  Zwei  Nenn- 
te! sämmtlieher  Staatsausgaben,  wodurch  das  laufende  Budget  der 
Dorehschnittssumme  für  den  Kriegsetat  der  früheren  Periode  über- 
aus nahe- kömmt,  die  freilich  in  dcnletsten  Jahren  derselben  nicht 
mehr  erreicht  wurde.  Davon  ist  aber  noch  der  Etat  für  die  Coto- 
nisirung  von  Algier  ausges^düossen^  welcher  auf  2,670,000  Fr. 
(720,900  Th.)  fbs^estellt  ist. 

i)  Das  Marine-  und  Colonial-Ministerinm  musite  auf 
ähnliche  Weise,  wie  das  Kriegsministerium,  erweitert  werden,  so 
dass  sein  Bndgel  um  ein  Siebentheii  des  früheren  Betrags  ver- 
stärkt wurde.  Es  erforderte  1833  =  58,168,000  Fr.,  1834  = 
59^1  »000  Fr.,  1835  =  62,074,903  Fr.,  und  für  1836  ist  es  anf 


S68  Frankreich. 

02»074,000  Fr.  v^rinicIiUgt»  «Im  darelMtliiiiCtUpk  gegen  61,090,000 
Fr.  ilM70,000  ThK),  oikr  etwftt  oidur  «la  ein  f  itBfiehalli«il 
d«r  SteotoaiMgabcD. 


k>  Dm  «Ctntralverwaltoitg  der  Finftnten,  lo  wie  die 
,  V^rwaltttng  der  kdaigliehen  Monopole»  dt^ecten  and 
indireeten  Steuern  hat  hn  VerhftltniM  snr  Vergrtoiening 
des  findgeta  überhaupt  und  der  mehr  verwickelten  Staatsbedfirf- 
niaaeetwa  um  ein  Zehntheii  des  früheren  Betragt  zugenommen. 
Ea  betrug  daa  Budget  deraelben  im  Jahre  1833=  115.684,500  Fr. 
<3 1,234,81 5  Th.),  1834=  110,012,500  Fr.  (31,506,375  Th.K  1835  = 
116,625,500  Fr.  (31,488,885  Th.),  also  durchachnittlich  gegen 
116,500,000  Fr.  (31,485,000  Th.),  oder  beinahe  zwei  Sieben- 
sehntheile  der  ^Staataautgaben ,  wovon  die  Central verwaltw^ 
«Hein  wenig  Aber  ein  Viertheii  det  Betraga  verlangte. 

1>  Die  Verwaltung  der  Staataaeholden  nnd  der  Tri* 
gungafonda  muaate  in  dieser  Periode  eine  verh&ltniif»iUunge 
grössere  Anforderung  an  die  Staatsausgaben,  ungeachtet  des  theil- 
weise  ermäasigten  Zinsfusses,  machen,  weil,  wie  oben  schon  aus- 
einander gesetzt,  der  Gesammtbetrag  der  Staatsschulden,  so  ausser- 
dentLich  gesteigert  wurde.  Wir  sehen  daher  den  Etat  derselben 
im  Jahre  1833  auf  293,761,952  Fr.  (79,315,726  Th.)  gestiegen, 
worunter  der  Tilgungsfond  44,616,403  Fr.  (12,046,428  Th.)  er^ 
hielt,  die  achwebende  Schuld  16,000,000  Fr.  (4,320|^000  Th.),  und 
die  Verzinsung  der  (Kautionen,  welche  für  das  Staaftsinteresse 
wib  Staatsanleihen  gebraucht  wurden,  9,000,000  Fr.  (2,430,000  Th.)i 
Im  Jahre  1834  verlangte  das  Budget  dieser  Verwaltung^  nur 
263,300,167  Fr.  (71,291,041  Th.),  indem  aliein  die  Verzinsung 
der  consolidirten  Schuld  über  10,000,0(XI  Fr.  weniger  verlangte, 
und  der  Tilgungsfond  wiederum  nur  die  gerade  Summe  von  20,000,(X)0 
Fr.  erhielt  In  dkm  laufenden  Jahre  1835  beträgt  das  Budget  aber- 
mals 8,000,000  Fr.  weniger,  nemlich  um  255,602,237  Fr.  (69,012,596 
Th.),  also  durchschnittlich  gegen  270,000,000  Fr.  (72,900,000  Th.)^ 
oder  fast  zwei  S  i  eben  th  eile  summtlieher  Staatsansgaben. 

m)  Der  Etat  für  Pensi-onen,  Entschädigungen  nahm 
leider  auch  jetzt  noch  mit  jedem  Jahre  auf  Kosten  des  schon  so  schwer 
belasteten  Volks  zu,  indem  selbst  der  Dynastien  Wechsel  die  An- 
sprüche der  vielfach  um  den  Staat  wahrhaft  oder  auch  nur  vermeint- 


Frankreich.  S69 

V  \ 

lieli  Terdi6iiten>  PMvonen  keiiratireg«t  vierminil^rley  Tielmehr  noch 
4ttrch  einen  ansehnlielMn  Tkel  der  National-Belohnungen  um  mehr 
als  2,000,000  Fr.  (540,000  Th.)  rermehrte.  Daher  hetmg  derselbe 
Wn»ts  1833*)  3=56,735,874  Fr.  (15,318,681  Th.),  1834  sogar' 
«5,-012,888  Fr.)  1835 ?=  60,900,000  Fr*,  also  dmrehjiehnittlich  über 
62,700,000  Fr.  (10,020,000  Tk.)>  oder  mehr  ala  «in  Fanfsehn- 
theü  fämmtboher  SiMtsattsgaheiL  — 


$.22. 


Die   Kriegsverwaltung  fiir   Landheer   und 

Seemacht. 

/ 

Freih.  r.  Zedlitc,  Frankreich  als  Militairstaat  unter  Lud- 
wig XVII 1-,  zehn  Jahre  nach  dem  Pariser  Frieden,  Leipzig  1825 
Sfo.  —  Ch,  Dupin,  easai  sur  F Organisation 'progresnvs  de  la 
mmrine  Frangaise  et  des  colonies^  Paris  1834.  —  Annuaire 
de  Fetat  .militaire  pour  Vannee  1826  Paris\  dasselbe  pour 
Tan.  1834.  —  Ferussac,  Bulletin  des  Sciences  militaireSf  Par 
ris  1825—3],  jeder  Jahrgang  in  J2  Heften. 

'  Gleichzeitig  mit  dem  damals  so  mächtigen  Heriogthume  Bur^ 
gand,  bildete  sich  im  fünfzehnten  Jahrhunderte  in  Frankreich 
seit  der  Regieru'^ig  Carls  XU,  ein  ansehnliches  stehendes  Heer,  das 
hereits  unter  dessen  Nachfolger  Ludwig  XI.  gegen  20,000  Mann 
stark  erhalten  wurde,  und  in  dieser  Stärke  mindestens  unter 
den  folgenden  Regierungen   während  des  Friedens  verblieb,   in 


*)  Die  Zahl  der  PeosioDaire  bildete  am  1.  Januar  1833  das  be^ 
trächtliche  Heer  von  IG'^nS  Individuen,  Worunter  128  Pairs  mit 
1,564,000  Fr.,  ^93  Civil-Pensionaire  mit  1,733,400  Fr.,  140ä  Juli- 
Pensionaire  mit  613,700  Fr.,  127,100  Militair - Pensionaire  mit 
4^60.%2-2l  Fr.,  «28,185  Geistliche-Pensionaire  mit  4,662,469  Fr. ;  end- 
lich 2902  Donatariea  mit  einem  Gnadengebalte  von  1,480,604  Fr. 


270  FraBkreicb« 

Kriegfseiten  tber  mir  dmlachen  und  TierfiRchen  AtMsahl  sieh  erhob* 
Unter  Frans  K  war  es  nahe  -danin,  dass  die  autgezeiehnete  Hee- 
resmacht  dem  FranBÖiitehen  Staate  den  entsehiedenen  Vorranjj^ 
voK allen  Nebenbuhlern  auf  die  Dauer  sieher  stellte,  doch  blieb 
suletat  der  Sieg  in  den  Händen  des  Hauses  Hal^urg,  beson- 
deri  als  Philipp  U.  durch  äusserste  Anstrengung  aller  Staats-^ 
^kräfte  seines  ausgedehnten  Reichs  und  durch  ein  besondres 
Glück,  eine  Reihe  gewandter  und  tapferer  Feldherren  für  die 
Landmacht  und  die  Flotte  'bu  besitsen,  seine  Kriegsmacht  sur 
ersten  in  gana  Europa  ausbildete.  Seitdem  aber  Spanien  nach 
dem  Tode  Philipps  IL  von  diesem  gi&niend  behaupiteten  Höhf« 
punkte  herabsank,  t  trat  Frankreich  fast  unmitttslbar  in  seine 
Stelle  ein,  und  stellte  bald  nachher  stehende  Heere  von  einer 
so  ungemeinen  Grösse  auf,  wie  sie  Europa  seit  dem  Untergange' 
des  Weströmischen .  Reichs  nicht  gesehen  hatte.  Das  Amt  eine« 
Connetable  oder  Kronfeldherrn  hörte  auf,  unter  welchem  bis  auf 
die  Regierung  Ludwigs  XIII.  die  gesammte  Kriegsmacht  gestan- 
den hatte:  denn  es  schien  der  auf  Unbeschränktheit  ausgehenden 
königlichen  Regierung  su  gefdhrlichi,  Es  wurde  jetzt  die  Verwal- 
tung der  Heeresmacht  von  dem  Oberbefehle  über  dieselbe  wahrend 
des  Krieges  getrennt,  jene  wurde  einem  Minister-Staatssecretär  an 
dem  königlichen  Hoflager  anvertraut,  diese  mehreren  Feldmar- 
schällen (Marechaux  de  France)  überwiesen.  Frankreichs  Kriegs* 
macht  äusserte  seit  dieser  Zeit  einen  politisch  bestimmenden  Elinfluss 
nicht  nur  auf  seinen  eignenStaat,  sondern  auf  alle  Reiche  Europas« 
König  Ludwig  XIV.  unterhielt  bereits  in  Friedenszeiten  ein 
stehendes  Heer  von  80,000  bis  100,000  Mann,  welches  zum  drit- 
ten  Theile  aus  Ausländem,  namentlich  Schweizern  bestand. 
Diese  hatten  bereits  seit  dem  Ende  des  fünfzehnten  Jahrhun- 
derts foitwährend  in  beträchtlicher  Anzahl  unter  den  Französi- 
schen Fi^hnen  gekämpft,  und  standen  seit  dem  Jahre  1516  durch 
einen  Vertrag'  der  Eidgenossenschaft  ih  ewiger  Capitulation  für 
den  Französischen  Kriegsdienst.  Ausserdem  befanden  sich  aber 
noch  viele  Deutsche  aus  den  Rheingegenden  und  Franken,  sowie 
Schotten  und  Irländer  im  Französischen  Heere.  Den  letzteren 
aber  wurde  nach  der  Ausschliessung  der  männlichen  Linie  Stuart 
von  dem  Englischen  Throne  (1688)  untersagt,  in  ausländische 
Staatsdienste  zu  treten,  um  sich  desto  sicherer  vor  der  Franzö- 
sischen Unterntützung  der  Catholiken  in  Irland  und  Sehottland 
Bia  stellen.    In  den  Feldzfigen  Ludwigs  XIV.  war  aber  das  Fran- 


-    Frankreich.  271 

Heer  selten  unter  200,000  Mann  geweeen,  no4  bifweilen 
gar  bis  auf  300,000  KampffHbige  angewacbten. 

W&hretül  der  Regierung  Lndwigt  XV«  wtr'bei  der  in  En« 
repa  damali  allgemeinen  A^erstftrkung  der  etebepden  Heere  a«ch 
für  deo  gewdbnlieben  Friedenssustand  die  Stärke  dee  Französiieben 
Landbeeree  eeit  ^m  OettMicbischen  Erbfolgekriege  und  dem  tie- 
beojäbrigen  Kri^e  bis  auf  Iß^XKK) Mann  gestiegen:  dagegen>hatte 
der  letxtere,  da  er  gleiebseitig  liand-  und  Seekrieg  war,  und  nieht 
allein  in  Europa,  sondern  in  allen  Erdtheüen,  wo  Franzosen 
und  Engländer  gegenseitig  Besitsungen  batten,  gefÜbrt  wurde, 
auf  diesen  rersehiedenen  Tbeilen  des  Kampfsebänplatzes,  sowie 
su^  Deckung  des  Staates  selbst  345,300  Man«  vnter  die  Waffen 
genden.  Die  darauf  folgende  R^emng  Ludwigs  XVI.  bielt 
wäkrend  des  Amerikaxiisehen  Freiheitskampfes,  der  dureb  Frank* 
retebs  tb&tigste  Tbeilnahme  an  demselben  abermals  wieder  in' 
einen  Krieg  auf-  allen  &d tbeilen  und  Meeren  verwandelt  wurde» 
ein  fieer  Ton  $00,000  Mann. 

Unierdessen  war  aber  auch  von  der  FranxÖsiscben  Regie« 
rang  die  grösste  Sorgfalt,  ohne  irgend  eine  Berücksichtigung 
des  dazu  erforderlicben  Kostenaufwandes,  auf  denFestungsbau 
rerwandt  worden,  so  dass  die  gesammte  Ingenieurwissenschaft' 
▼on  Italten,  wo  sie  sich  seit  der  Erhebung  der  neueren  Kriegs- 
kunst oMigeblldet  und  Tervollkommnet  hatte,  in  ibrem  Haupt- 
sitxe  seit  der  Mitte  des  siebzehnten  Jahrhunderts  nach  Frank- 
reich verpflanzt  wurde.  Der  auss^ezeichnete  Meister  Vauban,, 
der  aecb  als  Ingenieur  den  Französisch en.Marscballstab  sich  su 
erringen  'verstand,  bildete  seitdem  in  Fratikreieh  für  ein  volles 
Jahrhundert  die  Hochschule  der  Europäischen  Ingenieure.  Kein 
Staat  auf  der  Erde  besdss  damals  nach  dem  Verhältnisse  seines 
Flächeninhaltes,  seiner  Bevölkerung  und  seiner  Finanzen,  so  viele 
Festungen  von  Bedeutung  als  Frankreidi,  denn  selbst  die  Nieder- 
lande und  Nopditnlien  wurden  dadurch  überboten.  Durch  120 
grössere  und  kleinere  Festungen,  in  doppelter  und  dreifacher  Reihe 
hinter  einander  errichtet,  wurde  die  Östliche  Gränse  des  Staates  v6a 
Brabant  bis  sur  Daupbinee  gedeckt,  naebdem  Ludwig  XIV.  die  wieb- 
tigen  Eroberungen  des  Elsasses  und  der  FraAsösisoben  Niederlande 
gemacht  hatte«):  aber  aueb  der  natürliebe Sebuti der Westgrätii^ 


*)  FreiUcb  war  auch  die  cnigegenliegeide  Seite  der  Nieder« 


272  Frankreich. 

I 

ddrcb  die  Pjrteten,  sowie  der  Süd-  und  Noidgr&nze  durch  das  Meer 
wur^e  durch  »tiuk  befegtigte  Städte  und  Hafenforts  unterstützt. 

Nicht  minder  war  unter  der  Regiening  Ludwigs  XIV.  die 
FransÖsische  Seemaeht  gewachsen,  da  Heinrich  IV.  und  Ri- 
chelieu's  Verwal^ng  nun  erst  einige  ansehnliche '  Versuche  für 
diesen  Zweig  der  Kriegsmaeht  erprobt  hatten.'  Ludwig  XIV.  er- 
litt iwar,  da  er  alle  grosse  See^Hichte  nach  der  Reihe  als  Geg- 
ner hatte,  ungeheuere  Verluste  cur  See,  denn  er  verlor  in  seinen 
Feidzügen  111  bedeutende  Kriegsschiffe  mit  ^338,  Kanonen. 
Dennoch  blieb  dem  FranxÖsischen  Staate  am  £nde  seiner  Re- 
giecung  eine  Flotte  über  J50  Seegel  stark,  die  an  Matrosen  iind 
Schiffebes^tzung  40,000  Mann  erforderte.  Ais  Kriegshäfen  wur- 
den von  derselben  Toulon,  Rochefort,  Havre  de  Grace  und^ 
Brest  gelraucht,  aber  der  gegen  die  Holländer  und  Engländer 
80  vortheilhaft  gelegene  EUfen  Dünkirchen  musste  in  Folge  des 
Utrechter  Friedens  1713  durch  Versenkungen  vernichtet,  und 
zugleich  seiner  Festungswerke  durchs  Schleifen  beraubt  werden« 
tJnter  Iiudwig  XV.  hob  sich  nach  dem  Oestreichischen  Erbfol- 
gekriege während  der  längeren  Friedensdauer  zwischen  den  See* 
mächten  di^  Flot^  wieder  sehr  beträchtlich,  und  beim  Beginn 
des  siebenjährigen  Land-  und  Seekrieges,  im  September  1755, 
bestand  dieselbe  aus  32  Linienschiffen  von  74  bis  84  Kanonen, 
aus  39  Linienschiffen  von  50  bis  64  Kanonen  und  aus  32  Fre- 
gatten, also  insgesammt  aus  103  grösseren  Kriegsschiffen:  damals 
war  aber  die  Englische  Flotte  doch  schon  um  130  grössere  Schiffe 
stärker  als  die  Französische.  Dieser  Krieg  fiel  daher  in  Bezug  auf 
die  Ereignisse  zur  See  im  Allgemeinen  nachtheilig  für  dieFranzo« 
Ben  aus,  und  auch  die  grössten '  Anstrengungen  derselben,  sich 
den  Engländern  als  Seemacht  gleichstellen  zu  wollen,  wurden 
in  dieser  Zeit  «durcli  Englands  Uebermacht ,  vernichtet  Eine 
neue  Periode  begann  für  die  Französische  Marine  wihrend  des 


lande  und  des  Deutschen  Reichs  durch  Festangen  ausserordentlich 
stark  bewehrt.  Daher  blieben  aber  auch  damals  gemeinhin  die  giän* 
aendsten  Resullate  der  von  den  Franzosen  und  gegen  sie  gewonnenen 
blutigen  Schlachten  auf  die  Eroberung  oder  die  Entsetzung  einer 
Festung  beschränkt. 


FrankreiclL  173 

Nordamerikaniseheii  Freiheitskrieges »  da  iler  Hauptnekenbuliler 
m  Europa  durch  den  gefährlichen  Kampf  mit  den  abgefallenen 
Coloni«!  geschwächt  war,  Frankreich  aber  mit  den  6brigen  wes^ 
liehen  Seemächten  Europas  den  Amerikanern  sich  anschloss  und 
nur  durch  bedeutende  Flotten  nachdrückliche  Hülfe  gewähren 
konnte.  Auf  solche  Weise  erreidite  Frankreich  während  dieses 
Kampfes  das  Maximum  des  FLottenbestandes  an  eigenen  Schiffen, 
indem  im  Juli  J  779  80  Linienschiffe,  und  60  Fr^atten»  also  ins- 
gesammt  149  grosse  Kriegs-Schiffe  gezählt  wurden»  so  dass  da« 
mala  England  nur  33  Linienschiffe  und  Fregatten  mehr  als 
Frankreich  besass«  Das  gesammte  Seekri^-Personal  an  Matro« 
sen»  ^ie  aum  grdssten  Theile  auf  Kauffahrteischiffen  geübt  wa- 
ren, sowie  an  Seesoidaten  erforderte  in  (lieser  Zeit  200,000  Mann. 

Während  der  grossen  Franxösischen  Revolution  loste  sich  ' 
dss  frühere  stehende  Heer  völlig  auf:  dafür  entwickelte  sich  ein 
allgemeiner  Volkskrieg,  der  jedoch  durch  Carnot's,  Jourdan's  und 
Napoleon  Bonaparte's  Maassregeln  vermöge  der  allmäblig  orga- 
nisirten  Conscription  wieder  zu  einer  überaus  starken  stehenden 
Heeresmacht  zurückführte,  die  bald  in  jedem  Truppentheile  durch 
Uebung  und  energische  Führung  den  übrigen  Staaten  Europas  als 
Muster-Heer  sich  zur  Nachahmung  seiner  Einrichtungen  geltend 
machte«  Die  schnelle  Vermehrung  des  FransÖ6is^hen  Heeres  in  den 
ersten  beiden  Kriegsjahren  der  Revolution  ergiebt  sich  aus  nach- 
stehenden ofiiciellen  Angaben  ^  und  erregt  um  so  weniger  Er- 
stannen,  wen»  man  erwägt,  dass  damals  jeder  wohlgesinnte  Fran- 
zose vor  den  Gräueln  in  Paris,  und  in  den  die  Hauptstadt  in  wilder 
]^uth  nacheifernden  Provinzialstädten  sich  in  die  Heereslager 
dtf  vielfachen  Französischen  Armeen  retteten» 

Im  Oeeember  1792  160,000  Mann 

Aaigl.  Januar  1793  218,904    — - 

An|31.  Juli  1793  599,537    -— 

im  Pluviose  An.  II.  (Febr.)  1794  760,922    — 

Im  Germinal  (Apr.)  1794  974,724    — 

Im  Vendemiaire  An.  III.  (Oct)  1794  1,169,144    -— 

Nach   den  Basler' F'riedensschlüssen  (1795)  bewegte  sich  dk 

Französische  Kriegsmacht,  die  freilich  schon  Belgien,  das  Deutsche 

Reich  bis  zum  Rhein,   und  bald  darauf  auch  einen  Theil  von 

Nord-ltallen    als  Ergunzungsland   für  sich  neu  gewonnen  hatte, 

8ehnbcr(*i  8tiitUtik  IL  |g 


274  Frankreich. 

iwiflcb«!  ^00,000  und  900,000  Bfann,  die  fir  ttwtm  mehr  all 
iwei  Procent  der  danudigen  BerÖlkerong  des  Fransögischen 
Staate!  su  rechnen  find.  ( 

Bei  dem  Uebergange  der  Franiösisehen  Repi|blik  lum  Kai- 
lerthum  stand  Napoleons  Heer  auf  050,000  Mann,  und  wir  kön- 
nen nun  seine  späteren  ErgÜnsungen  aus  den  Anforderungen  an 
^en  Franxdsischen  Senat  ersehen,  die  jedesmal  durch  ein  kaiser- 
liches Decret  im  Moniteur  bekannt  gemacht  wurden. 

Diese  betrugen 

am  24.  September  1805  80,000  Mann 

—  7.  April  I80r  80,000  — 
— >  21.  Januar         1808  80,000     — 

—  10.  September  1808  160,000  — 
•—  8.  April  1800  90,000  ~ 
— -    5.  Octobei  1809  36,000  — - 

—  13.  Decembei  1810  \60fiOO  — 

—  20.  December  1811  120,000  — * 

—  13.  Mars  1812  100,000  -< 
— -  16.  Januar  1813  250,000  — - 

—  3.  April  1813      180,000     — - 

—  9.  October  ^1813  280,000  -* 
•—  11.  November'  1813     300,000     — - 

2,033,000     H 

Es  wurden  also  von  Napoleon  in  dem  einsigen  Jahre  1813 
1,010,000  Mann  sur  Ergäuxung  gefordert,  oder  gerade  nur  um 
23,000  Mann  weniger  als  in  den  sieben  Kriegsjahren  vorher,  die 
sein  Kaiserthum  bestanden  hatte.  Sein  Heer  war  vor  Anfang 
des  Kampfes  gegen  Russland  1811  aus  folgenden  Truppen theilen 
gebildet: 

aus  90  Regimentern  Linien-Infanterie  su  3230  M. 
27  Regimentern  leichte  Infanterie  su  2159  M. 
14  Regimentern  Cürassiere  und  Carabiniere  su  706  M 
30  Regimentern  Dragoner  au  946  M. 
24  Regimentern  Jäger  su  Pferde  su  946  BL 
10  Regimentern  Husaren  au  946  M.  y 

<!asu  die  Garde 
aus  12  Regimentern  Grenadiere  und  Jäger  su  2159  H. 
—     6  Regimentern  Cavallerie  d.  einseinen  Truppengattungen 

SU  706  M. 


Fraakreich.  275 

ZusMBBkca  «ns  129  Regimentern  Infanterie  and  374,901  Mann 

—,84    —      —      Cavallerie  und    74,664  — 

Die  Artillerie  aus    8  R^^t    Fussartillerie  nnd    25,840  — 

6       — -          reitende  A.  und      5»676  •— 

163  CoKipagnien  Garais.  A.  und  '  24^670  <— 

20  Compagnien  Ouyriers    ond      3,080  — 

22  Bataillone  ArtilL-Train  nnd      23,740  — 

2  BaUillone  Pontoniere   und       1,640  — ^^ 

Das  Genie-Coips  a.  5  Bataillons     Sappeurs     und 

2  Bataillons     Mineurs      und      5,720    — 
Die     Gensdarmerie     aus     30     Legionen     nnd 

2882  Brigaden  a  6  Mann,  yon 
denen  1013  tu  Pferde  und  969 
lu  Fuss  den  Dienst  verriektetem 

insgesammt     18,173  -^ 

Das  stehende  Heer  betrug  daher  damals  558,124  Mann 
Terdieilt  in  29  Divisionen,  wurde  aber  für  jeden  Krieg  durch 
betrftchtliehe  Reserven  der  einzelnen  Regimenter  für  die  Crgän- 
sung  bis  auf  750,000  Mann  ersetst  Die  Nationalgarde,  während 
der  Revolution  seit  1789  bis  1792  über  das  ganie  Reich  errich- 
te mm  Dienste  fttr  die  innere  Sicherheit  und  zur  Vertheidi- 
gung  des  Landes,  wenn  der  Feind  die  Gränze  überschritt, 
verpflichtet,  war  mindestens  auf  den  dreifachen  Betrag  der  ste- 
henden Heeresmaeht  in  sch&tsen. 

Unter  Ludwig  XVIIL  war  nach  dem  zweiten  Pariser  Frie- 
den der  Etat  des  Fransdsischen  Heeres  niemals  über  240,000  Mann 
gegangen,  und  unter  Carl  X.  wurde  derselbe  durch  das  Gesetz 
vom  27.  Februar  1825  folgendergestalt  normirt. 

1.  Die  Infanterie  wurde  zusammen-    Friedens-        Kriegs- 
gesetzt*) aus  6  Garde-Reg.,  04  Linien*        etat  etat 
Reg.   und   20  leichten  Reg.,    zusammen 
aus  90  R^.,  jedes  Reg.  zu  3  BatailL  und 
jedes  Bat.  zu   8  Compg.  =  901   M.   im 
Frieden  und  937  HL  im  Kriege,   giebt    243,270  M.  252,990  M. 


*)  Tergil.  darüber  das  Bulletin  deft  lois»  Jahrg.  1825  nr.  94  und 
Femssac  Bulletin  d.  sciences  milit..  Apr.  1825,  S.  153—74. 

18* 


276  FranbreiclL 

2.  Die  Cavallerie   aus  8  Garde-      Frieden«-      Kriegt« 
Reg.  (2  JD^reifbd.-R.,  2  Caras8.-1l.,  1  Dra-  Etat  Etat 
goD.-R.y   1  Jäger-R.9  J  Lancier-R.>  und 

1  Hugaren-R.)  und  48  Feld-Regimentern  ^ 

(2  Carabiner-R.;  lOCuirass-R.,  J2  Drago.- 

R.,    18  Jäger-R.,   6  Hugaren-R.),  jede« 

Regiment  seu  6  Eiscadron«  und  120  M.  im 

Frieden  und  153  iin  Kriege    ....       40,320  ML    51,408  M. 

3.  Die  Artillerie  erhielt  einen 
Generalstab  von  390  Ofifidieren  und  560 

Beamten,  an  Fussartillerie  1  Garde-Reg.  950  —         950  — 

lu  668  M.  im  Frieden  und  916  M.  im 

Kriege  und  8  Feld-Regt  zu  1339  M.  im 

Frieden  und  2139  M.  im  Kriege,  macht;      11,380  -^    18,028  — 

an  reitender  Artillerie  1  Garde-Regt  m 

382  VL  im  Frieden  und  4  Feld-Regt-  zu 

651   VL    im  Frieden    und    891   M.    im 

Kriege,  macht;    . .         2,d86  —      4,018  — 

an  Train  1  Garde-Regt  su  524  M.  im 
Frieden  und  1474  im  Kriege  und  8  Feld- 
Regt  zu  691  M.  im  Frieden  und  1958  AL 

im  Kriege. ,    .    .    .    .  6,052  —    17,038  — 

Ausserdem   1   Bataillon  Pontonniere  lu    ^ 

12  Compagnien;    •...,•..  995  —      1,571  *— 

12   Arbeiter-Compagnien   zu   71   M.   im 

Frieden  und  101  M.  im  Kriege     ....      852  —      1,212  -— 

und  eine  Comp  agnie  Schmiede  zu  100  M. 

nur  für  den  Krieg. 

4»  Das  Genie-Corps,  welches  eine 
neue  Organisation  erst  durch  das  Gesetz 
Tom  19.  December  1829  erlangte,  bildete 
einen  Generalstab  yon  11  Generalen,  24 
Obersten  als  Directeurs  des  fortificationB, 
24  Oberstlieutcfhants,  60  Bataülons-Chef«, 
210  Capitains  und  32  Lieutenants,  500 

Gardes  de  Genie,  3  Regt  Pionniere  zu  362  —         362  — 

651  M.  im  Frieden  und  891  M.  im 
Kriege,    1    Handwerks-Compagnie    und 


\ 


ITrankreicb.  277 

Friedeot«  Kriegfp 

3  Train-Compagnieii»   die  letiteren  nur        etat     ^  etat 

im  Kriege 2,459  M.  d,769  BL 


also  die  Getammtstftrke  d.  atek  Heeres    309,626  — -    351,346  -— 

Eis  war  also  nach  diesem  Friedensetate  im  Allgemeinen  für 
das  ^erb'ältnisf  des  stehenden  Heeres  cur  Bevölkerung  der  Maas« 
Stab  der  Deutschen  Bundesstaaten  sum  Grunde  gelegt,  nemlich 
ein  Procent  der  Bevölkerung,  da  die  Bevölkerung  Frankreichs 
f&r  das  Jahr  1825  (S.  42)  31,771,000  S.  httnk^.  Dies  Procent 
wurde  auch  völlig  bereits  im  Friedensetat  erreicht,  wenn  wir  die 
Gensdarmerie  hinaurechnen,  die  damals  6i5  Officiere  und  13,737 
Unterofficiere  und  Gemeine  sählte,  also  mit  dem  Friedensetat 
des  Heeres  zusammen  323,303  M.  ausmachte. 

Die  Expedition  gegen  Algier  im  FrQhJahr  1830  setste  einen 
Theil  des  FransÖsischen  Heeres  auf  den  Kri^etat,  und  die  we- 
nige Monate  darauf  ausbrechende  Juli-Revolution  veriangte  f9r 
Frankreichs  Stellung  gegen  die  übrigen  M&chte  Europas,  nicht 
nur  den  vollstöndigen  Kriegsetat,  sondern  auch  noth  eine  Ver- 
stärkung desselben.  Bei  der  Infanterie  wurden  3  Linien-Regi- 
menter und  1  leichtes  Regiment,  bei  der  Cavallerie  5  Lancier- 
Regt  neu  errichtet  und  4  Jäger-Regt  in  Lancier-Regimenter 
umgestaltet  Ueberdies  wurde  für  die'  Behauptung  der  neuen 
Africanischen  Erwerbungen  die  Fremden-IiCgion  in  Algier  aus 
Polen,  Deutschen  und  Italienern,  sowip  3  Africanische  Jäger*Re- 
gimenter  aus  den  Eingebomen  gegründet  Demnach  betrug  die  ' 
Gesammtstärke  des  FransÖsischen  Heeres  nach  der  Belagerung 
von  Antwerpen  unter  dem  Ministerium  Soult  im  Kriegsetat 
(Im  Februar  1833)  421,494  Mann  und  82,057  Pferde,  nach  fol- 
gender Uebersicht  der  einzelnen  Truppentheile: 

J.  Der  Generalstab  hatte  4058  OfKeiere 

und  750  Verwaltungs-Beamte    •    •        4,808  Mann  Pferde 

2.  Die   Infanterie    ..•••«    280,948     —         134      — 

3.  Die  Carallerie 52,338     -*    39,103      — 

4.  Die  Artillerie    mit   834   Stück 
Feldgeschüts  in   139  Batterien  ma 

0  Kanonen«      Ausserdem   besteht      38,835     —    24,557      — r 

der  Beiagerungapark  in  5  Abthei- 

hiDgen,  jede  au  100  Stück  Oeschüts.  ^ 


278  Frankreich* 

5.  Das  TrainWesen 4,^144  Mann  4,776  Pferde 

6.  Das  Ingenjcur-Corpt    ....  8,674     — -          808     — 

7.  Die  Gemilarnierie  in  24  Legion.  15,682      -^  1],604     -— 

8.  Die Fremilen -Legion  SU  Algier*)  4,521     —  1,075   «  — 

9.  3  AfricaniKclie  Jäger-Regiment.  2,544     •—                       i 

421,494  Mann  82,057  Pferde 

Ini  darauf  folgenden  Jahre  wurde  aber  nach  dem  Auftritt 
des  Marschalls  Soult  aus  dem  Pratsidium  des  Ministerraths  und 
dem  Kriegsministerium  (im  Juli  1834)  das  Heer  auf  den  Frie- 
densetat suröckgefilhr^  der  ungefähr  in  der  2^hl  der  Truppen 
um  ein  Viertel  schwächer  als  jener  dasteht,  nemlich  3 11,400  Mann, 
wovon  die  Infanterie  198,500  M.,  die  Cavallerie  49,000  M.,  die 
Artillerie  22,700  M.  ausmacht,  die  übrigen  Truppentheile  aber 
sehr  geringe  Veränderungen  erfahren  haben,  die  Gensdamerie 
überdies  noch  verstärkt  ist  Der  Generalstab  des  gansen 
Heeres  ist  bereits  durch  das  Gesets  vom  Januar  1834  beträcht- 
lich reducirt,  und  besteht  gegenwärtig  aus  12  Marschällen,  80 
Generallieutenants,  160  Generalmajors  (Mardchaux  de  camp)^ 
30  Obersten,  30  Oberstlieutenants,  100  Majors,  300  Capitains 
und  100  Lieutenants,  Die  Militair-Intendantur  ist  gleichseitig 
neu  organisirt  und  wird  aus  20  Intendanten,  180  Unter-Intendan- 
ten und  25  Adjoints  susammengesetst- 

Die  Verwaltung  der  Heeresmacht  geschieht  durch  19  Bfili- 
tairdivisions-Commandos,  die  nach  der  Territoriat-GrÖsse  und 
Localität  der  Departemens  2  bis  8  derselben  umfassen**)  (nur 
Corsica  hat  fiir  sich  allein  ein  Divisions-Commando)  und  einen 
Generallieutenant  sum  Vorstand  haben. 

Die  Zahl  der  gegenwärtig  befestigten  Plätse  in  Frankreich 
lieträgt   178,   darunter  funfsehn   Festangen  vom  ersten  Range, 


*)  Sie  geht* durch  den  Vertrag  zwischen  der  Französischen  und 
Spanischen  Regierung  im  Juli  1835  aus  dem  Französischen  in  den 
Spanischen  Dienst  über. 

**)  Vor  18:29  gab  es  -21  Divisions-Commandos,  aber  in  diesem 
.fahre  wurden  die  zu  Caen  und  Perigueux  aufgehoben.. 


Frankreich.  279 

Strasftburg,  Meti,  Thionrilley  Cfivet  nebst  CharieiiH>nt,  Maubeuge, 
Cond^y  Valenciennei  auf  der  nordöstlichen  Grttnxe  des  Reicks, 
Beaao^on  und  Grenoble  auf  der  tüdöttlichen»  Tou)%n  am  mittel- 
iändisehen  Meere,  Perpignan,  Bellegarde,  Saint-Jean-Pied-de  Port 
und  Bayonne  gegen  die  Spanische  Gräiise,  endlich  Cherbourg  als 
stark  befestigter  Hafen  an  der  nördlichen  Küste.  Die  Befesti* 
guDgswer):e  der  Hauptstadt,  welche  in  Folge  der  politischen 
Lage  Frankreichs  nach  der  Juli -Revolution  als  nothwendiger 
SchutB  gegen  die  inneren  und  ftusseren  Feinde  von  den  geseta* 
gebenden  Gewalten  des  Staats  gefordert  sind,  verdienen  hier  nur 
Erwähnung,  weil  sie  die  allgemeine  Richtung  auf  diesen  Ver- 
theidigungspunkt  anseigen,  wenn  ihre  ApisfQhrung  auch  in  der 
That  wieder  ganx  aufgegeben  werden  sollte. 

Als  Bildungsanstalten*)  für  die  Jüngeren  OfAciere  der 
Landmacht  dienen  die  Miütairschulen  au  St.  Cyr  und  la  Fläche 
für  die  Infanterie  und  Cavalicrie,  und  die  Artillerie-  und  In- 
genieur-Schule SU  Mets  sowfe  die  polytechnische  Schule  su 
Paris  für  dio  Artillerie-  und  Ingenieur -Wissenschaft.  Zu  la 
FUche  werden  000  Zöglinge  vom  8.  bis  15.  Jahre,  su  St  Cyr 
400  Zöglinge  vom  15.  Jahre  ab  und  swar  nur  in  einem  drefjüh* 
rigen  \Cursus  gebildet,  nach  dessen  günstiger  Beendigung  sie  so- 
fort als  Unterlieutenants  Im  Heere  angestellt  werden.  In  der 
polytechnischen^  Schule  su  Paris  finden  300  Zöglinge  als  Pen8io-^ 
naire  Aufnahme  swischen  dem  surückgclegten  sechszehnten  und 
zwansigsten  Jahre;  su  Mets  werden  180  Zöglinge  unterrichtet. 
Der  Cursus  ist  swei-  bis  dreijährig,  und  führt  gleichfalls  bei  einer 
gut  bestandenen  Prüfung  sur  Entlassung  als  Unterlientenant.  Die 
Militairschule  suSoumur,  gegründet  am  23.  December  1814,  dient 
nur  zur  weiteren  Entwickelung  Jüngerer  Ofücicre  sowie  der  Un- 
terOfüciere  der  Cavallerie  und  ist  mit  der  Lehr-Escadron  im 
Prenssischen  Staate  su  vergleichen.    (VergL  S.  150  und  151). 

Die  Nationalgarde,  welche  unter  Carl  X.  theilwebe  in 
einzelnen  grösseren  Städten  bei  vorgefallenen  Unruhen  aufgeho> 
ben  worden  war,  wie  %u  Paris  durch  die  Ordonnans  vom  29. 
April  1827  und  bald  darauf  auch  zu  Versailles,  trat  seit  der 
Juli-Revolution  wieder  überall  in  ihre  durch  die  grosse  Revolu- 


*)  Die  von  Ludwig  XV.  1751  gestiftete  Ecole  militair^  zu  Pa- 
ris für  500Zöf;liDge  wird  jetzt  nur  als  Caserne  iür  3000  Manu  benutzt. 


S80  Frankreiolu 

üoii  eriangten  Recht«  ein,  und  wurde  darin  von  der  gegenv&r* 
tif^en  Regierung  nicht  nur  eifrigst  unterstütsty  «ondem  auch  alt 
eine  wesentliche  Vcrtheidigungskraft  des  Staates  im  Fall  d«a 
Angriffs  neu  organisirt  und  vollständig  bewaffnet^  wo  es  von  den 
Individuen  niclit  aus  eigenen  Mi^ln  geschehen  konnte  Sie 
umfasst  jetxt  alle  Franzosen,  welche  dirccte  Steuern  besahlen, 
swischen  dem  zurückgelegten  zwanzigsten  und  sechszigsten  Jahre 
sich  befinden»  und  nicht  geradezu  durch  Krankheit  oder  körper« 
liehe  Gebrechen  ausgeschlossen  sind.  Sie^  macht  jetzt  mehr  als 
1,000,000  Mann  aus  und  besass  bereits  im  Februat  1833  625  Ka- 
nonen. Sie  hatte,  ausserdem  in  den  drei  vorhergegangenen  Jah« 
ren  auf  Kosten  der  Regierung  018,f>68  Gewehre  und  247,087  Sä* 
bei  im  Werthe  von  35,000,000  Fr.  (9,450,000  Th.)  erhalten, 
200,000  Säbel  waren  nQch  zu  vertheilen  und  200,000  neue  Sä- 
bel waren  überdies  für  1,600,000  Fr.  (432,000  Th.)  in  den  Fa^ 
briken  besteilt 

Die  Seemacht  hatte  während  der  Revolution,  ungeachtet 
ihrer  Vereinigung  mit  der  Holländischen  und  Spanischen  in  allen 
Unternehmungen  gegen  die  Englische  den  Kurzem  gezogen,  und 
seit  den  Niederlagen  bei  Abukir  (1798)  ^nd  Trafalgar  (1805)  be- 
fand sie  sich  in  einem  so  vernichteten  Zustande,  dass  auch  selbst  mit 
den  grösstcn  Anstrejigungen  unter  Napoleon  bei  dem  Neubau  von 
Schiffen  keine  ehrenvolle  Expedition  aus  einem  der  dem  Französi- 
schen Reiche  unterworfenen  Häfen  ausgeführt  werden  konnte.  Bei 
dem  ersten  Pariser  Frieden  im  Juli  1814  fanden  sich  in  den  Franzd- 
sischen  Hufen  104  Linienschiffe  und  53  Fregatten  vor;  davon  mussten 
in  Folge  dieseji  Friedensschlusses  3 1  Linienschiffe  und  12  Fregatten 
an  die  trüberen  Besitzer  zurückgeliefert  werden.  Unter  Lud- 
wig XVI II,  wurden  die  vorgefundenen  Kriegsschiffe  durch  Neu- 
bauten in  den  darauf  folgenden  Jahren  sp  eifrigst  ergänzt,  dass 
bereits  im  Jahre  1821  die  Flotte  aus  58  Linienschiffen  (13  über 
100  Kan.,  16  von  SO  Kan.,  29  von  74  Kan.),  39  Fregatten  und 
289  geringeren  Kriegsfahrzeugen  bestand.  Die  Zahl  der  dazu 
gehörigen  Matrosen  (vergl.  S.  9))  betrug  11,000,  das  Marine- 
Corps  bestand  aus  8  Bataill.  Seesoldaten,  5  (^ompagnien  Artille-. 
rie*Arbeiter  und  einem  Scbifts-Ingenieur-Corps.  Die  ganze  Flotte 
wurde  unter  5  Marine  Comnianflos  zu  Brest,  Toulon,  Rocbefort, 
L'Orient  und  Cherbourg  gestellt,  indem  diese  Plätze  aueh  zu- 
gleich als  die  Hauptkriegshäfen  für  aämmtUche  Schiffe  der  Ma- 


Frankreich.  S81 

rine  dienen,  und  die  einsigen  Schiffswerften  Ar  Linienschiffe 
nnd  Fregatten  darbieten.  Corvetten  und  andere  kleinere  Kriegs* 
schiffe  werden  aiidi  su  Bajonne,  Nantes  und  sa  Saint -Ser** 
Tan  erbaut 

Unter  CM  X  besass  swar  die  Flotte  an  grosseren  Schiffen' 
eine  kleinete  Ansaht,  aber  diese  konnten  auch  sofort  seegelferdg 
gemacht  werden  und  für  alle  Schiffe  ohne  Unterschied  einen 
Feldsug  xur  See  aushalten,  da  die vbaufälligen  oder  als  Lasareth 
und  Gefdngniss  gebrauchten  Schiffe  aus  der  Zahl  der  Kriegsma- 
rine gestrichen  worden.  Der  Bestand  der  Flotte  ror  der  Ex- 
pedition nach  Algier  war  im  Jahre  1829 
45  Linienschiffe  (8  von   118  Kan.,   3  von  HO  Kan.,  13  von 

84  Kan.,  21  von  74  Kan.) 
37  Fregatten         (14  von  64  Kan.;  23  von  44  Kan.) 
72  mittlere  Ejriegsschiffe  (18  grosse  Briggs  von  22  Kan.,  20 

kl.   Briggs  von   16«-18  Kan.,  34  Cor?etten 
von  10—18  Kan.) 
00, kleinere  Kriegsschiffe 

244  Kriegsschiffe  als  Gesammtbestand  der  Flotte. 

Unter  Ludwig  Philipp  wurde  auf  gleich  eifrige  Weise  die 
inswischen  stark  beschäftigte  Flotte  jährlich  wieder  ergänzt,  so 
dass  im  Januar  1833  der  Bestand  ofXiciell  folgender  Gestalt  an- 
gegeben  wurde: 

'  seegelfertig  auf  den  Werften 

34  Linienschiffe  21  Linienschiffe 

39  Fregatten  .  27  Fregatten 

69  Briggs  und  Corvetten         18  Briggs  und  Corvetten 


137  kleinere  Kriegsschiffe 


?\  •■ 


279  Kriegsschiffe  66  Kriegsschiffe 

also  der  Gesammtbestand  der  Flotte  betrug  damals  345  Kriegs- 
schiffe, wovon  im  Juli  1835  auf  offener  See  sich  befanden  27 
Linienschiffe,  35  Fregatten  und  117  kleinere  Kriegsschiffe,  Das 
gesanmtiD  Personal  der  Fransdsischen  Flotte  besteht  gegenwärtig, 
mit  Einschluss  aller  Marine-Beamten  und  der  bestündigen  Arbei- 
ter auf  den  Kriegsschiffs- Werften,  aus  42,815  Mann,  worunter 
8000  Galeeren-Sclaven  und  10,000  Manu  an  Marine-Soldaten 
aich  befinden.     Der  Marine-Stab  soll  künftighin  nach  dem  Ge- 


28t  Frankreich. 

,setse  vom  April  1814  aiis  2  Admirftlen,  10  Viee^Admlralen»  20 
Contre-AdmiraleDy  70  Schiffscapitaineii  erster  Classe,  70  Fregat- 
ten-Capitainen,  90  Corvetten-Capitainen»  450  Sehiflfs-Lieutenants 
erster  Classe  und  550  Fregatten -Lieutenants^  lusammen  aus 
1263  Seeoffieieren  lusammengesetxt  sein.  Es  steht  aber  Jetit 
noeli  eine  grössere  Anzahl  höherer.  Seeofficiere  im  Dienst»  die 
naeh  ihrem  Abgange  nicht  mehr  ersetst  wenlen  sollen,  nemüch 
es  befinden  sidi  noch  an  Stabsofücieren  12  Vice^Admirale,  24 
Contre-AdmiralOy  110  Schiffscapitaine  erster  Classe  utid  130  Fre- 
gatten-Capitaine.  Für  die  Bildung  der  See-Cadetten  besteht  die 
Marineschule  su  AngouUme,  die  schon  1816  von  König  Lud^ 
wig  XVIII.  angeordnet  wurde,  aber  erst  1818  ins  I^ben  trat, 
und,  filr  den  Bau  der  Kriegsschiffe  eine  Schule  für  Schiffs-Inge- 
nieure zu  Toulon. 


OL     Auswärtige  Verhältnisse. 

S.  23. 

Der  politische  Verkehr  Frankreichs  mit  an- 
deren Staaten. 


Frankreich,  als  eine  Macht  des  ersten  Ranges  und  die  äl- 
teste unter  den  fünf  Hauptmächten  Europas,  besitzt  in  sich  die 
selbständigste  Kraft,  um  die  politischen  Unfälle  der  jüngst  vor- 
übergegangenen Zeit  durch  sich  selbst  su  verbessern.  Sein  be- 
deutsames politisches  Gewicht,  welches  dasselbe  seit  1624,  oder 
seit  Richelieus  vielseitiger  Wirksamkeit  auf  die  gesammte  poli- 
tische Entwickelung  der  Staaten  Europas  und  Amerikas,  in  den 
beiden  darauf  folgenden  Jahrhunderten  geltend  gemacht  bat, 
tritt  Bwar  jetat  nicht  mehr  so  auffallend  hervor,  weil  die  viel- 
fachen Partheiungen  im  Inneren  die  dem  Französischen  Staate 
86nst  so  eigenthümliche  politische  Geschäftigkeit  nach  Aussen 
gehemmt,  und  ausserdem  die  übrigen  Hauptmächte  Europas  eine 
viel   stärker  imponirende  Stellung  als  früher  eingenommen  ha- 


Frankreich.  183 

befi.  Seine  Verliftltiiisse  mit  diesen  vier  Haaptmiditmi  find  im 
Allgemeinen  dorch  die  beiden  Pariser  FriedeiiSfdllQise  und  die 
Betchl&sse  des  Congresses  su  Aachen  geregelt,  wie  dies  sehen  bei 
Russland  (Bd.  I.  Abthl.  L  S.372)  auseinandergesetst  ist  Der  heiligen 
Alltanee  trat  gleichfalls  Frankreichs  Beherrscher  bereits  im  ersten 
Jalire  nach  ihrem  Abschlösse  bei.  Die  durch  die  Jnli-Revoln- 
tion  Teranlassten  Störungen  dieser  Verh&ltnisse  wurden  in  Be- 
sag auf  den  ausw&rtigen  politisehen  Verkehr  durch  die  einsei- 
nen Anerkennungsacten  der  Europäischen  Mftchte  im  1.  1830  und 
durch  die  Conferenzen  su  London  in  den  Jahren  1830  und  1831 
beseitigt 

In  den  sfidwe^tlichen  Staaten  Europas,  auf  der  Pjren&ischen 
Halbinsel  und  in  Italien,  behauptet  aber  Frankreich  Torsugsweise 
den   lang  gewohnten   Einfluss,    seitdem   hier  Nebensweige   des 
Hauses  Bourbon  den  Thron  der  beiden  grössten  Reiche  in  Be- 
'  sits  genommen  haben.     Ausserordentlich  gesteigert  wurde  dieser 
Einfluss  in  Spanien,  wiewohl  das  natürliche  Staatsinteresse  beider 
Reiche  schon  gegenseitig  stets  daiu  anregen  must,  durch  Frankreichs 
Auftreten  in  Spanien  im  Jahre  1823  und  die  dadurch  yeranlasste 
Wiederherstellung  der  früheren  unbeschränkten  Verfassung.  Indes« 
hat  dies  gunstige  Vernehmen  mit  Spanien  das  Fransösische  Cabinet 
keinesweges  abgehalten,  mit  den  neuen  Staaten  in  Mittel-  und  Süd- 
Amerika  feste  politische  Verbindungen  anzuknüpfen,  wie  diesel- 
ben  im    nächsten  Paragraphe  einzeln    aufzuführen    sind.      Das ' 
nähere  /.  nsch Hessen  an  die  Höfe  von  Neapel,  Turin  und  Lissa- 
bon seit  dem  Jahre  1825  wurde  zwar  momentan  gestört  durch 
die  Juli- Revolution,  aber  für  Portugal  bald  in  einem  noch  erhöh-, 
ten  Grade  durch  die  Quadrupel- Allianz  Vom  22.  April  1834  be- 
festigt weil  durch  dieselbe  Frankreich  im  Verein  mit  England  mittel- 
bar die  Hauptentscheidung  in  den  inneren  und  äusseren  Angelegenhei- 
ten der  Pjrenäischen  Halbinsel  sich  erworben  haben.    Ausserdem 
Verstärkte  den  Französischen  Einfluss  in  Italien  die  Besetzung  An- 
conasl832,   wogegen  Sardinien   und  Neapel   sich   mehr   an   die 
Hauptmacht  Nord- Italiens  anlehnten. 

Den  Hauptrivalen  zur  See,  mit  dem  Frankreich  Jahrhun- 
derte lang  gekämpft  hatte,  ohne  seine  Uebermacht  zur  See 
schwächen  zu  können,  brachten  die  politischen  Verhältnisse  der 
neueren  Zeit  zu  einem  gemeinschaftlichen  Zusammenwirken,  noch 
ehe  die  Quadrupel-Allianz  von  Frankreich  und  England  als  Diri- 
genten abgeschlossen  wurde.     Denn  das  Tory-Ministerium  unter 


t  .■ 


/ 

284  Frankreich. 

V 

Georg  IV.  haadelte  in"  eben  so  gemeinsehafdicker  Uebereinsdiu» 
muDg  mit  den  Ministerien  Carl«^  X.^  wie  dies  von  der  Whigver- 
walttiog  Wilhelms  IV.  und  den  Doctnnaires  unter  Ludwig  Phi- 
•  lipp  geschieht  Dies  bestimmte  die  Verhandlungen  in  den  Orien- 
talischen Angelegenheiten»  die  Trennung  von  der  alten  Bundes- 
genossenschaft mit  der  Pforte,  deren  Ohnmacht  jetzt  von  Frank* 
reich  gleichgültig  betrachtet  wird,  wenn  nur  nicht  der  Fran« 
tösische  Handel  durch  den  neueren  Krieg  im  Türkischen  Staate 
empfindliche  Einbusse  erleidet,  die  Theilnahme  an  dem  Seekampf 
bei  NavarinOy  die  entschiedene  Hülfe  für  den  neuen  Staat  Grie- 
chenland, wie  schon  bei Rnssland.erwähnt ist (Abthl.  LS. 373 — 74). 
Daher  ist  aber  auch  das  Verhältniss  zwischen  Frankreich  und 
den  Nordamerikanischen  Freistaaten  mehr  erkaltet^  und  unzwei-v 
deutige  Geldverpflichtungen  haben  iA  dem  letzten  Jahre  diesem 
Spannung  zwischen  beiden  Staaten  fast  bis  zum  völligen  Bruche 
geführt.  Die  Belgischen  Angelegenheiten,  und  die  eigenthümliche 
Stellung  des  neuen  Königreiches  stehen  gegenwärtig  gleichfalls 
unter  dem  Erfolge  des  gemeinschaftlichen  Zusammenwirkens  von 
Frankreich  und  England,  Aber  gerade  das  Territorium  dieses 
neuen  Staates,  früher  der  Streitpunkt  zwischen  Frankreich  und 
seinem  vormaligen  Hauptrivalen  unter  den  Landmächten,  dem 
Oestreichischen  Staate,  befindet  sich  jetzt,  sammt  dem  Königreich 
der  Niederlande  und  den  Deutschen  Bundesstaaten,  welchen  die 
Vertlieidigung  des  Rheins  obliegt,  als  trennende  Mittelmacht  zwi- 
schen diesen  beiden  Reichen,  die  sich  gar  nicht  mehr  in  ihren  Grän- 
%en  berühren.  Die  Stellung  Frankreichs  zum  Preussischen 
Staate  ist  nach  der  beiderseidgen  Lage  und  dem  beiderseidgen 
Interesse  der  yolks-Industrie  und  des  Handels  mehr  natürlich 
befreundet,  als  feindlich  entgegengestellt:  dasselbe  gilt  von^den 
Nordischen  Staaten  Dänemark  und  Schweden.  In  den  polidscheii 
Beziehungen  Zu  Russland  reichen  sowohl  die  heudge  Entwicke- 
lung  der  staatsrechtlichen  Zustände  in  Frankreich,  als  auch  in 
feinem  noch  höheren  Grade  das  gegenwärtige  Uebergewicht  der 
Ru^ssischen  Macht  in  den  Orientalischen  Angelegenheitee  und 
auf  der  ösdichen  Hälfte  des  Mittelländischen  Meeres,  sowie  end- 
lich Frankreichs  Versuche  auf  der  Nordküste  von  Afrika  sehr 
zarte  Berührungspunkte  dar,  die  leicht  zu  Verletzungen  und  po* 
itischen  Zerwürfnissen  führen  können.  ' 

Doch  ist  das  polidsohe  Gewicht  des  Französischen  Staates  auf 
alle  Bewegungen  in  der  Europäischen  und  ^tx  damit  zunächst 


Frankreich«  185 

femreigten  Aan^^Enrop&iscIieii  Politik  gaiu  beionden  an  geinen 
eonceatrirtenTemtorialnmfaiig  in  der  Mitte  von  Europa»  an  seine 
grosse  Berölkernngy  die  n&chst  Rassland  die  bedeutsamste  in 
Europa  ist,  an  die  ]^istige  Fähigkeit  und  Energie  seines  Volkes, 
endiieh  an  die  grosse  Masse  TOrhandener  Staatskräfte  und  deren 
leichte  Benutzung  geknüpft  Indess  sind  diese  Staatskrftfte  bei 
den  früher  gesehilderten  Vorzügen  durch  die  concentrirte  Lage 
dieses  Reiches  Terhftltnissmiissig  viel  höher  anzuschlagen,  als  in 
anderen  Staaten  Ton  gleicher  Seelenanzahl  und  weit  grösserem 
Umfange. 


§.24. 


Die  wichtigsten  noch  als  gültig  bestehenden 
Staatsverträge  und  Bündnisse  nach  ihren 

Hauptbeziehung^n. 


Die  allgemeinen  Europllischen  Friedensschlflsse  der  neuesten 
Zeit,  welche  besonders  für  die  gegenseitigen  Beziehungen  der 
Staaten  vom  ersten  Range  noch  jetkt  als  gültig  bestehen,  sowie 
die  besonderen  Staatsrertr&ge  wegen  der  Einwirkung  Frankreichs 
aaf  die  Belgischen  Angelegenheiten  auf  die  Verhältnisse  '  Grie« 
ehenlands  zur  Pforte  upd  des  Handels*  und  Schiffahrt-Verkehrs 
zwischen  Russland  und  Frankreich  sind  schon  in  der  Abtheilg.  I. 
S.  372—74  angeführt 

Mit  Portugal  s^nd  die  alten  Handelsverträge  des  fünfzehn- 
ten Jahrhunderts  (vorn  28.  M&rz  1452  und  vom  7.  Jan.  1485) 
durch  den  vorherrschenden  Brittischen  Einfluss  in  diesem  Staate 
in  neuerer  Zeit  nicht  wieder  erneuert  Dagegen  besteht  gegen* 
wärtig  als  Grundlage  der  politischen  Beziehungen  zwische^f  die- 
sen beiden  Staaten  die  Quadrupel-Allianz,  geschlossen  zu 
London  zwischen  Grossbrittanien,  Frankreich,  Spanien  und  Por- 
tugal am  22.  April  1834»  nebst  der  Zusatz-Acte  in  4  Artikeln, 


S89  Frankreich.  ' 

welclie  an.  18.   Auffutt  1834  su  London  ratUieirt  iit*).      Ihr 
Zweck  ist  die^  Befestigung  der  Königinnen  Isabelia  und  Maria 
in  Spanien  iwd  Portugal  nnte^  Mitwirkung  der  Cnglisehen   und 
FransÖsiscken  Hftohte,  die  Waffen  und  Ammunition  darreichen 
und  die  Insurgenten  an  dem  Uebergang  nach  der  Pyrenftisehen 
Halbinsel  verhindern  sollen*    Doeh  darferst  dann  die  bewaffnete 
HiUfe  Ton  Seiten  der  beiden  letiten  Staaten  und  swar  von  €rross* 
brittanien  durcji  eine  Flotte   eintreten,  wenn   der   gegenseitige 
Beistand  Portugals  und  Spanien«  nieht  ansreiclit  — -  Ausserdem 
aber  bleibt  i^r  das  Verhältmss  mit  Spanien  als  Hauptvertrag 
der  Friede  von  Utrecht  1713  rechtskräft^ ,  welches  die  zweite 
Dynastie  Bourbon  im  Besitse  von  Spanien  bestätigte ,  aber  auch 
sugleick  die  Entsagungsacte   derselben   vom  5.  November   1712 
auf  die  Ansprüche  ^  auf  den  Französischen  Thron  dergestalt  auf- 
nahm, dass  die  Vereinigung  von  Frankreich  und  Spanien,   oder  von 
einseinen  Theilen  dieser  Staaten  unter  einem  und  demselben  Fürsten 
für  immer  untersagt  blieb.   Diese  Hauptbestimmung  wurde  auch  auf 
das  Königreich  Neapel  und  Sicilien  ausgedehnt,  als  dasselbe  1 735 
durch  den  Wiener  Präliminarfrieden  einer  dritten  Dynastie  Bourbon, 
als  Nebenast  des   Hauses   Baurbon- Spanien   überlassen   wurde: 
denn  von  nun  an  bestand  die  staatsrechtliche  B^timmung,  dass 
alle  drei  von  dem  Hanse  Bourbon  beherrschten  Staaten  stets  von 
^nander  getrennt,  und  auch  nicht  einmal  iwei  derselben  jemals 
susammen  von  einem  und  demselben  Regenten  beherrscht  werden 
sollten«    Eine  noch  innigere  politische  Verbindung  beider  Staaten 
wurde  durch  den  Bourbonischen  Familien  vertrag  vom  15.  August 
]  761  erriditet  und  dieser  wieder  in  Folge  des  ersten  Pariser  Friedens 
1814  erneuert    Die  politischen  Verträge,  welche  die  Expedition  der 
Franzosen  nach  Spanien  im  Jahre  1823  hervorriefen,  hatten  nur 
ein  vorübergdiendes  Interesse. 

Mit  Grossbrittanien  ist  ausser  den  oben  schon angeführ-' 
ten  gemeinschaftlich  mit  anderen  Mächten  abgeschlossenen  Staats- 
verträgen der  Handels-  und  Commercial-V^trag  **)  zu  bemerken, 
welchen  Frankreich  am  22.  Januar  1826  zu  London  abschloss. 


*)  Beide  Vertrage  sind  abgedruckt  ia  der  Preuss.  Staatszeitung, 
Dec  1634  nr.  358  u.  3C0. 

**)  Abgedruckt  bei  Bllacculloch*s  Handbuch  für  Kaufl.  Uebers. 
Bd.  I.  8.  800-^ 


FrankreiclL  167 

md  5  Ti^  ipiter  nodi  mit  2  ZiiMiCsartlk«lii  Termdirte.  Die 
NalieaalMliiffe  beider  Völker  gestehen  sieh  naeii  demselbeo  das 
Reeht  der  am  meüteii  b^ostigten  NationeD  gegeneinahder  ni, 
md  bei  den  gewdhnlieheB  Schifflahrts-  und  Handelsabgaben  keine 
Erböhung  über  die  von  den  Nadenalsebiffen  adbpt  m  entrichten- 
den Abgaben*  Der  Vertrag  wurde  auf  lehn  Jahre  Dauer  be* 
stimmt,  nach  deren  Ablauf  noch  in  der  Frist  ron  xwölf  Monaten 
die  Kündigung  oder  VerUngerung  desselben  Ton  beiden  Seiten 
-.  gesehehen  kann«  Wegen  der  gämiichen  Aufhebung  des  Sdaven- 
lundels,  die  schon  Gegenstand  der  Bestimmungen  der  beiden  Pa- 
riser Frieden  war,  wurden  noch  Schlussvertrttge  am  30,  November 
1831  und  am  22.  Min  1833  abgeschlossen. 

Mit  dem  t'reussischeb  Staate  ist  ein  Freisügigkeits» 
Vertrag  bei  dem  Uebersiedeln  gegenseitiger  Unterdianen  bereits 
1811  geschlossen  9  nach  welcher  Ton  denselben  weder  iigend  ein 
Abschoss-  noch  AbCshrtsgeld  gesahlt  werden  durfte.  Derselbe  ist 
1817  wieder,  für  den  heutigen  Umfang  des  Preussisehen  Staates 
anerkannt,  wie  die  königliche  Erklärung  rom  15.  September 
1817  nachweist*).  EUne  Cartel-Convention  über  die  gegenseitige 
Ansliefening  der  Deserteure  ist  am  25«  Juli  1828  swischen  bei- 
den  Staaten  abgeschlossen  **). 

Unter  den  Deutschen  Bundesstaaten  bat  Nassau  einen 
Handelsrertrag  mit  Frankreich  am  19.  September  1833  su 
geschlossen,  um  gegenseitig  eine  grössere  Ermässigung  der 
gapgsiölle  für  FfanaÖsische  Seidenwaaren  und  Weine  Ton  jener  und 
für  die  Nassauischen  Mineralwasser  Ton  dieser  Seite  sich  susugeste» 
hen.  Zwischen  den  drei  Hanseatisehen  St&dten  und  Frank- 
reich kam  bereite  am  28.  Sept  1 7 16  ein  gegenseitig  sieh  sehr  begün- 
stigender Handelsvertrag  su  Stande;  aber  mit  Hamburg  wurde 
noch  ein  besonderer  Handelsvertrag  von  Frankreich  am  1.  Apr.  1769 
abgeschlossen  und  am  1 7.  Mürz  1 789  erneuert  Mit  D  ä n  e m ark  be- 
steht ein  alter  Handelsvertrag  vom  23.  August  1742  auf  25  Jahre, 
welcher  durch  die  Uebereinkunft  vom  30.  September  1749  auf 
unbestimmte  Zeit  erneuert  ist:  mit  derselben  Macht  ist  am 
6.  Mürs  1772  ein  Vertrag  über  die  gegenseitige  Aufhebung  des 
Heimfallsrechte  geschlossen.  Mit  Schweden  besteht  ein  Han- 
delsvertrag vom  1.  Juli  1784. 


*)  Preussische  Gesetesanmlung,  Jahrg.  1817.  nr.  44SS  8*  W!* 
**)  Prenss.  Gesetzs.  Jahrg.  18^28  nr.  1162* 


288  Fra  nkreich. 

Zwischen  der  Pforte  and  Frankreich  inurde  1740  ein  be* 
Bonderer  Freundschafts-  und  Handelsvertrag  gestiftet,  welcher 
die  alten  gegenseitigen  Handelsvortheile  der  damals  schon  über 
2wei  Jahrhunderte  seit  Frans  I.  verbündeten  Völker  für  Frank- 
reich  in  dem  gansen  Umfang  aller  Türkischen  Besitxungen  in 
Europa,  Asien  und  Afrika  noch  bedeutend  erweiterte.  Dieser 
wurde  zwar  durch  die  Unternehmung  der  Französischen  Repa* 
blik  gegen  Aegypten  1798  au%ehoben,  aber  von  Napoleon  Bonaparte 
als  erstem  Consul  1802  wieder  erneuert  und  seit  der  Zeit  für 
Frankreich  aufrecht  erhalten,  und  nur  dadurch  mittelbar  geschmä- 
lert, dass  die  Engländer  und  Russen  jetzt  gleiche  Rechte  mit 
den  Franzosen  geniessen.  Dieser  Vertrag  vermittelte  auch  zu- 
gleich die  Beschützung  des  Handels  auf  dem  mittelländischen 
Meere  gegen  die  Barbaresken. 

Zwischen  den  Nordamerikanischen  Freistaaten  und 
Frankrei|)i  ist  der  jüngste  Handelsvertrag  am  24.  Juni  1822  ab- 
geschlossen und  am  0.  November  1822  ratiflcirt  worden. 

Mit  der  Republik  Hajti  wurde  ein  Vertrag  am   17.  April 

1825  zu  Paris  errichtet,  nach  weichem  der  Mutterstaat  Frank- 
reich den  1804  für  völlig  unabhängig  erklärten  Freistaat  in  seiner 
Souverainität  anerkannte,  und  dafür  eine  Summe  von  150^000,000 
Fr.  (40,500,000)  Th.)  zugestanden  erhielt,  die  in  fünf  Jahren  zur 
Entschädigung  der  vertriebenen  Französischen  Pflanzer  gezahlt 
werden  sollte.  Zugleich  jn^urde  dadurch  bestimmt,  dass  alle  Fran- 
zösischen Schiffe  beim  Handel  mit  Hajpti  nur  die  Hälfte  der  Ab- 
gaben der  übrigen  fremden  Schiffe  zahlen  sollten.  Es  ist  aber 
bis  jetzt  von  Hayti  nur  der  erste  Termin  mit  25,000,000  Fr. 
(6,750,000  Th.)  bezahlt,  und  eine  Erweiterung  des  Handelsvertrags 
nach  der  Uebercinkunft  vom  2.  April  1831  abgelehnt  worden. 

Zwischen  dem  Kaiserthum  Brasilien  und  Frankreich  ist  zu 
Rio-Janeiro  ein  Freundschafts-  und  Handelsvertrag  am  8.  Januar 

1826  (geschlossen  worden,  durch  welchen  beide  Völker  sich  auf 
das  Recht  der  am  meisten  begünstigten  Nationen  im  gegenseiti- 
gen Handel  gesetzt  haben.  Ausserdem  sind  unter  der  Regie- 
rung Ludwig  Philipps  alle  Staaten  Südamerikas  in  ihrer  Unab- 
•bängigkeit  anerkannt,  und  Freunds ehafts-,  Handels-  und  Schiff- 
fahrtsverträge am  14.  November  1832  mit  der  Republik  Neu- Gra- 
nada, am  11.  März  1833  mit  der  Republik  Venezuela,  und  im 
Juli  1833  mit  der  Republik  Guatemala  abgeschlossen.  -^ 


Das  Britische  Reich* 


§.  1. 


ABgemeime  Quellen  und  Hülfunittel. 


Ol«  ^eiMMti  La&dkariea«  hi  AUgemeinen  itt  4ef  W«rtk 
te Iptftea  TMi  dan  meiften^Theileii  diese«  Reichs  meht.xu  vergi»' 
ek«i  flut  den  veniglMien  Karten  def  ilbrigen  Staaten  des  mittleren 
EmepWy  iraa  seinen  Haoptgnmd  darin  liiidet,  dass  dar£n^isclie 
BedM  in  den  leMei»  JFilurhundertton  keinen  Kri^aseliattplats  fdt 
fpraase  «nd  lang  danetude  Kianpfe  ^iidet  hat,  und  der  Hanget 
Mncr  «ig^ntlieha«  <s.  f.  22.)  stehenden  Heeresmaeht  tef^o^ra* 
pkweke  Anfaahtten  H«ler  Staatianfsieht  yftlÜg  entbehren  lies«^  l>a 
d«]gMiilian  Arhehen  $hßt  fernetliin  aneh  wtA»T  durch  dae  AnMt«lelie, 
n^ch  d«reli  das  rein  artsMniatmtifie  Interesse  dieses  Staat«  Jiervop- 
geraf «n  waren,  anfpahlMMl  aHademPahlilciiai  ikberiieferten.K«rt9ft,' 
aaseehUienilieli  in  Ab  Katagoria  der  Piirataattrneliflivngen;  Erst 
in  der  Gegenwart  wird  anter  der  Leitung  des  Feldzeugmeisteramtea 
(  Ordnttnee  Surv^)  ein  ftberans  grossartiges  und  mitsteriiaft  anr^ 
gefBhrtes  Untemeknien  in  einer  sehr  genauen  Specialkarte  der  drei 
▼ereiaigten  Kl^nigreiche  (iiT  dem  Maaifsstabe  von  utigefllKr^Gbng« 
fisebanZellen  auf  1  EngL  Heile)  angefangen,  von  n^elcKer  bis  jetzt  zu- 
erst  iMl  Icland  die  fimf sdiaf t  I^ndaader/  in  »  BUktitem  In  deffpel- 
tem  Elephanten-Format,  London.  1833,  und  die  frrafscbaft  Antrim 
ia  60  BfiUtem,  London  1834  heransg^eben  sind,  beide  mit  eine^ 
son^Attig:  bearbeiteten  Index-^Karte,  die  an  sieh  sefbsi  achoD'  als 

Scavb#rt*«  9tiiti<tlkn.  |) 


290  Das  Britiiclie  Beich. 


•ine  Spemlkaite  botrichtet  werben  ktim  *)•  Di^  AdmindilU  hat 
gleiohfallt,  wie  aeior  sie  sidli  toMl  «m  die  VenieMitiig  Ati»ser- 
Euroj^ftiteher  Küsten  Terdient  gemach«  hat,  erst  in  neue- 
rer Zeil  die  Britisehen  Kosten  lun  Zielpnnkt  ihrer  öfenüiehen 
Arbeiten  genommen,  nnd  mit  der  Küstenkarte  von  €«vehidienes« 
bis  Cromeiv  1827  unter  dem  Commodore  Hewett  «nfgenemmen, 
ein  gro^s  Seekartenwerk  fib  die Engl|sc)ie Küste  eingeleitet**)» 
welcher  die  Küste  Ten  Ldlujilt  mtic  4er  lieiAni^  des  Cemmodore 
Mndge  bearbeite^  bereito  1828  und  20  gefolgt  ist 

^  Den  meisten  Werth  belTäuplel  unt^  4en  vottstindigan  Kar« 
ten  bis  jetrt  für  England  und  Wales  John  €aty*$  üev  «m^ 
of  England  and  WaU$  Mnih  fort  of  ScMtakd^  London  1704 
in  78  Blättern  in  Quart-Format  suerst  herausgegeben ,  in  neue* 
ster  Ausgabe  als  necp  map  o/  the  Briiiich  Ishw  in  6  Bütt  gr. 
Fol.  1819  und  1828  Londpn  geliefert  (Maasstab  j-^^'^^);  daraus 
Ansxug  in  2  Blütt  gr.  FÖL  LoAiJ.  1828  (MäaiBtab  7TTrVvir>  ***^ 
Weniger  bed^tend  sind  Jas.  Wyld  wutp  of  England  and  IPa' 
les»  London  1830»  2  BL  FoL  (Maasstab  ^^r^V^ir)'  ^'^^  ^^  ^^^^"^ 
selben  map  of  ^hreaiBtüam^  TjhA.  1833,   1  ^Bt  PdL  HÜMt» 


1  •  •   * 


Für  Schottland  ist  die  ihere  ArbeU  Toor  fohn  Ahislie» 
map  of  SeoiUmd  in  0  BL  FoL  noch  dii^  ChranMIage  aller  Sj^e* 
cfialkarten;'  sie  ist  lorgfiltig« berichtigt  in  Fuden^s-Karte»  *und 
diene^  iHeder  in  JaSi  Wyid  map  of  SooiUmd  in  2  BIfttt  FdL 
Le«id«n  '1820,  Maasstab  ^^>^^f).^Ffir  Irland  iM'<fie  üMerv 
vod- Beanfbrt  in  2  Btttt.  dnrdv  Jas.  Wyid^'in  d«mselfceii>M«as* 

Stabe  von  r^rmrir  ^^  ^  K***  ^^^  '^*  "^  London  itM  heraus* 
gegeben.  «^  Für  den  Canal  isttioch  jMrfliran^bar  0#^a»ne( 
jfMM^/^  \MrfB  de  ta  Mtinehedo  Brttagnetn^  tkML  Par.  177&-<^ 


•*  ■  h  *> 


n  Ver^L  KriUs^.Wc|pBfjeis«r  fm.  Gebiete  d.  I^ndkartienkmide^ 
Bd.  Vt  8.  lW-04. 

n  Krit  W«gw.  Bdi  L  a  80L^  Bd*  VI,  &  0»  145  «ad  ttt 

^  Erit  Wegw.  Bd.  iL  S.  78—79  über  diese  seaere  Ausgabe. 

t)  ^ergL  Kiit  WtgiNif.  Bd.  HL  a  40.  > 


,     DmB  BrUltch»  Beiek  3»! 


Ali  PitmliiittMMUff  mmk  4ieMi  KmIm  w^ki  tbU  im  Oe* 

HLf  J*  Amiri90mu  €mrt$  gimirmk  i$$  I$ie9  Bräa$miqu99f 
Pwrw  1831  i»  1  gnm.  Mutm  PdL  tfm  Hbuilibe  von  ttvWvt; 
Eogisad,  Mio«tkni4  «hI  iiliad  t«b  BtieUr  in  3Blitt  1824  it 
1832;  «rittSh  OM*aitenBUn,  BmeUa  1332  in  1  BUut 

Fir  4iA.g«»fli«8tiMh«  Ktnntaigt  Englands  hat  dfe  gea* 
logM«lM  GasflUatball  s«  Landon  aina  gcoasa  trafiOiahe  gaogno- 
Btkdie  Karta  von.  England  unter  dam  Titel  g^ohgicml  Map  of 
Emgimtd  mmi  WmU$  in  a  BllUt  FaL*»  London  1320  bcvan^iga- 
basy  wdeha  h  Oardner  auf  ain  Blatt  in  gr.  FoL  ladncivt  nnd 
an  London  1820  bakannt  gamaeht  hat*). 

Unter  dan  llteran  aUganMinan  atetigtiacban  Werkan  bdianp- 
ten  aieh  im  biatariaahan  Wartfia:  John  Emiick^  the  pre8$nt 
9i9i$  of  tho  Brifmk  Emfire^  London»  4  voL  8vo.  1774—70.  -^ 
Wandeborn  Zaatend  daa  Steatea»  dar  .Gatahraamkait  und  dar 
Ktaite  in  Otota^Britennian,  Batlin  735---68,  4 ThaUa %to.—  Do 
Bmori  i0H€0m  io  la  Gramdo  Bretagne  et 'de  Irlande^  Paria 
1804  5  Binde  8to.  — •  Adolphue,  a  generalviewofthedotneetip 
mnd  f ereigne  poeeeeeione  of  the  united  Kingdome  of  Great  Bri-^ 
tem  ümd  beUmd^  London  1814,  4  Binde  4to.  ^  John  Sin- 
clair StaOetioal  Kern  of  Seotkmd,  Edinbug  1791-^98  in 
21  Bindall  8vo.  and  darana  ein  aabr  brauehbarar  und  fUr  viele 
C^^enaünde  bariobägter  Antmg»  unter  dar  Leitung  daa  Varfaaaera 
aaliiat  gamadit  und  lu  Edinbuig  1823  in  2  Binden  Ovo.  beraua«^ 
gfgfl^  JHaaar  ia  Dauteeb  bearbeitet  von  F.  Scbmidl^  Stut^art 
1820r.  Ovo.—  Cleland  etatietical  view  of  Scotland,  Glaifow 
1823  Ovo«,  vonagaweiae  von  der  Stedt  Giaagow.  •-  X  Play^ 
fair^  geographieai  and  etatietical  deeeription  of  Scotland^ 
Edinbig.  2  voL  Ovo.  /•  R.  Maeeulloeh^  deeeription  of  the 
^meetem  lelande  of  Sootland^  London»  010.  2voL  Ovo.«-&  H«^ 
hert  a  deeeription  of  the  Shetland-Ielande,  Edinbrg.  1821  4te* 
Fftr  Irland:  SJiaw  Mueon  etatietieal  aeoonniofirelandf  Leu«. 
dan,  810  3  rot  8vo.  <—  Edw.  Wahefield  an  aeconnt  of  Ire* 


^  Vetf^  Krlt  WagiMa.  Bd.  L  S.  ^' 

19* 


392    .  Da*  BritisclTe  ReUb. 

fandf  9tni9$iioal  and  poWtieäl,  London  IWIt,  2  rol.  4fto./aueli 
jetst  «odi  ein  sehr  aohtboro»  Wark.  — /Ffir  oinielne  Thoile 
«iietea  Reichs:  C.  F.  Riyinai  (ittoriMti-sUicifttisefae  Darttel- 
lung  de»  nördlichen  EngUndn  nehtt  yergleidiende»  B^nierkungeii 
auf  einer  Reise  durch  die  slldvrettlichen  Grafschaften,  I^png 
1824  Sto.i  in  diesem  Buche  sind  Tortttglidi  die  Bandelsrerlällt- 
nisse  berücksichtigt  — *  F.  W.  Wittich,  StatisHk  Englands,  er- 
stes  Heft,  Berlin  1825  8?o.,  enUiält  dU  Grifochafteti  Kent,  Sur- 
re/, Snssex  und  Berkst  leider  isf' dieses  Original  werk  eines  in 
London  einheimiseh  gewordnen  Deatscheoj  das  sehr  genaue  An- 
gaben €ber  verschiedene  Gegenstiinde  der  i<laats w  iithschafttiähcn 
%tatistQr'cnthftll|  nicht  weiter  fortgeselal  worden.  — 

lieber  oinselne  Zweige  der  Englischen  Statistik, 
'  auf  welche  in  niehreren  Parai^aphen  Be^ug  genommen  werden  ^ 
muss^-  StaHntical  illuitration»  of  the  territoriai  exttnd 
und  poptdätion  of  the  BrittBch  emptre^  London  1825  8vo.,'iind 
mehrere  Male  in  den  Jahren  1^27,  1829  u.  ffg,  wiederholt  von  der 
stadstiBchen  Gesellschaft  eu  London.'—-  (Rick man)  Comparn* 
titB'  atcount  ön  ^le  population  of  CheaUBritain^  London  1832. 
Ahstract  of  the  answerB  and  retumn^  tnade  purnuant  to  tut  aet 
for  toking  and  account  of  the  population  of  Great'Bri- 
tain  äM  of  the  Increäse  or  Diminution  thereof-  London 
1833  3  vol.  Fol.  Population  of  Ireland.  vol.  FoL  1833.  —  Alle 
drei  Werke  sind  auf  Befehl  des  Parlaments  gedruckt,  aber  nicht 
im  Buchhandel  zu  haben.  —  P.  Colquhonn  a  treatiee  on  the 
ipealth,  power  and  ressource»  of  the  Britisch  empire  in  every 
Quarter  of  the  vorld,  London  1814,  8ro.  übersetst  von  J.  €.  Fick 
Ober  den  Wohlstand  die  Macht  und  die  Hülfsquellen  des  Briti- 
schen Reichs,  Nürnl)erg  1815,  2  Bde.  8vo.  —  "Joseph  Lowe 
the  present  State  of  England  in  regard  to  agriculture^  trade 
and  financOf  icith  a  comparaison  of  the  prospects  of  England 
and  France f  London  1822,  8vo.;  übersetzt  und  mit  Anmerkun- 
f^n  remehen  vom  Staatsrath  v.  Jacob,  England  nach  seinem- ge- 
genwttrti^n  Zustande  des  Ackerbaus  des  Handels  und  der  Finan- 
zen, Leipzig  1823,  8vo.  —  /.  Tuckey^  maritims  geography  and 
statistics,  or  a  deseription  of  the  ocean  and  its  coasts,  maritime 
eommerd^^  nacigation  f/c,  London  1815,  8vo.  —  V.  Vinke  Dar- 
stellung der  inneren  Verwaltung  von  Grossbritannien,  herausgege- 
ben von  B.  Niebtthr»  Berlin  1815,  8vo.  —  The  State  of  the 


I 

m^tion  üi  tk^  cmmMlte€9tent  of  iM  year  ISHy  Xonibn  1822 
8vo«,    elae    h%IWifli<i«ll^  Schrift    de«   Bngluchea  l^üiitteTium«« 
weUli«  den  ZiiaUnd  det  Staate»  bei  der  Darttelluiig  4cr  eiaseL- 
nea  Zireige  der  Stantsrenraltttog  beleuditet:   Franxösieeh  beai;-> 
bettet  Ton   CA.  Dupin^  iyWew#  de  rJdwuMtration  UritanHi- 
•  fve  m  1^23,  Pariß  1823  Svo,  -*«  TA#  royal  Kalendar  for 
Emghndp  Scetlßnd^  Irüand  ümd  tke  Colonte»  for  ihe  yeur  1834» 
weleher  j&hrlielt  ala  Sttiatahandboeh  fftr  die  Penonal-Verhältnieae 
und  die  Tersehiedenen   Reatoits   def  Verwaltung  erscheint.   -— 
Das  wiebtigate  Material  für  die  Britiacbe  Staatskunde  enthalten 
fiberdiee  die  geachichtlicben  Ueberaiehten  der  Parlaments-Seasio- 
nen,  welche  alljährlich  nach   dem  Schlüsse  dea  Parlaments  in 
Einern  bis  iwei  atiurken  Octar »Bänden  erscheinen. 

Unter  den  Reisebesehreibnngen,  di#  ihren  efgendiflm- 
lichen   Werth    fQr    die   fintische   Staatsknnde    behaupten,    sind 
ausser  der  vergleichungsweise  noch  anxieheiiden  älteren  Von  Ar- 
chenhols,  Kättner,  Hausmann,  Niemeyer  besonders  au  bemerken. 
R.  Aftom  and  W.  Daniel  voyage  round  Great'Briiat\  Lon- 
doa  a  voli   4to.,  London-  1814— 10,  —   S.  BL  Spiker  Reise 
durch  England,   Wales  und  Schottland,   Leipzig  818,   2  Bände, 
8vo.  -—CA.   Dupin    Voyagee  dam  la  ^and  Bretagne  ^  Parts 
820,  4to.,  3  parties  in  6  tom.  Paris  1820,  2me.  edit  ib.  825,  mit 
räem  besonderen  Attas:  bleibt  immer  ein  sehr  achtbi^ea  Werl^ 
ungeachtet  Tieler  Fehler  im  Einaeluen,  die  detk  Fransosan,  der 
sich  f&r  fo  bedeutend«  Zwecke  doch  au  kurce  Zeit  in  England 
aufhielt^  kaum  entgehen  konnten.     Ea  unifasst  vonugawoise  das 
Landheer,   die   Flotte,   alle  öffentliche  Anstalten   und  Arbeiten« 
Compagnien  und  Priratvereine  aller  Art.  —  Ueinr,  Meidinger, 
Reisen  doreh  Gressbritannien  und  Irland,  TorzQglich  in  topogra- 
phischer» eommersieller  und  statiatiscber  Hinsicht,  2  Bände  Frankf. 
a.  M.  8vQ.  1828|  nebst  einer  grösseren  Karte^  *-^ 

Ala  topographische  Handbücher  haben  ihren  Werth!  CL  Has- 
sel» das  Britische  Reich,  Weimar  1820,  8ro.,  dient  siigleich  nla 
erster  Band  der  swMten  Abtheümig  des  vollständigen  Handbuchs 
dea  grossen  Weimarischen  Werke  über  Erdbeschreibung.  — -  Rad. 
V.  Jenn  j  geographiseh-statistiach-topographisches.  HandwÖrterbneh 
ton  Groeabritaanien  und  Irland,  Wien  1828,  8ro.:  ebcrfläcblicher 
und  uBvollstündiger,  ala  nach  dan  vorhandenen  Materialien  gearbei- 


294  Das  Btitische  Be'icli. 


tet  werden  durfte.  —  7.  Goriom  and  W.  Wtight  a  «w  iopögTS- 
phieal  dicticnmry  ofihe  GteaM-BHUdn  and  IrsUmd^  Londen  I83(V 
Bro.  mit  48  Karten  in  Quartformat  —  Cäfp9r  töpographieai  dieiHh 
naiy  ofihe  united  kingdam.  London  1832,  Sro.,  bereita  die  dritte  Auf« 
läge.  — »  Macoulto oh  dtctitMaty praeücal^  theoreiical andUHon* 
eäi  of  eommsrce  and  comwureidl  navigaiianf  London  832,  2ta 
fermehrte  Atugabe,  ^*  ^H  Dentaeh  reä  C.  F.  E.  Richter,  Stottg. 
1834,  2  Bde.  8ro.  endiih  für  da«  BiMpdit  Reich  aofgeaeich- 
acte  ArtikeL  — • 


A.    Grundmacht  des  Britiflchen  Iloichsv 


S.S. 


Von  dem  gegenwärtigen  LändeiFbestande  desslel- 
ben  und  seinem  alimahligen  Anwachse« 

t 
I 

Qletch  bei  dem  ersten  HinbDck  auf  den  polittaehen  Linder- 
beatand  dea  Britischen  Reicha  dringt  aieh  dfe  Bemerkung  auf, 
dasa  dasaelbe  in  aeinen  Europlllachen  Beiitiungett  se{(  sei- 
ner gr5s8eren  politischen  Wichtigkeit  und  raschen  Erhebung  mit 
dem  Ende  des  funfaehnten  Jahrhunderfs,  abgesehen  von  der  ein* 
■igen  auf  dem  Wege  der  Erbschaft  gemachten  Erwerbung  Schott« 
lands,  sich  kaum  bemerkbar  vergrdaaert;  aber  dieao  wenigen  Ver* 
grösserungen  auch  so  fest  behauptet  habe,  dass  mit  Ausnahme  ron 
Calais  und  der  Insel  Minorca  auch  nicht  daa  CMngste  an  die 
^  früheren  Besitaer  in  den  drei  letaten  Jahrhunderten  auriickgege* 
heil  worden  ist. 

Nach  -dem  grossen  und  ifteraua  bki^[un  Ulf geiki lege  awl* 
achen  der  rothen  und  weissen  Rose  ging  England  nnter  dem 
Hause  Tudor  einem  geordneteren  2Sustande  entgegen,  und  der 
erste  Regent  desselben  Heinrich  VH.  (30.  Oet  1485  f  21.  April 
1500)  erhielt  schon  ala  einen  abgerundeten  BeAistand  das  Kd- 


Das  Britische   Beioh.  ^     S95 

iftlgitl€h'EBfl%|i4  OSM  QMtihn)^  dMK5iiigi«lehIritii*1(tS15QM.>» 
4m  FüralMihiim  Wüm  (350  QBl),  das  Gdnei  Ciüaii  (10  QM.v 
und  dt«  NaraiADiiucliea  Innün  (12  QM.),  aUo^  ^inea  Staat  im  Oa» 
Muaintiiiiifaag^  Ton  4005  QIL     Er  anreiterte  deaaelben  nur  Sak 
FriedeDtaefalnflia  mit  Schottland  1602  duroh  den  Beaits  der  klat- 
BCtt  Stadt  Benrik  an  Trcnt»  deren  C^biet  kaum  \  QBt  betrugt. 
Dieter  Beakialaad  wurde  gana  unverändert  von  a^em  Sohne 
und  Nachfolger  Heinrich  VIII.  (21.  Apr.  1600  f  28.  Jan.  154^ 
g>elaaaen,  und  dat  gleiche  VerblÜtnica  trat  wiederum  unter  dcMen 
Nachfolger  Eduard  VI.  (2S.  Jan.  1547  f  6.  Juli  155$  ein.    Aber 
4ie  Schweater  dea  letsteren  Renten,  die  Königin  Maria  verlor  wfth* 
read  ihter  kuraen  Regierung  (30i  November  1653  f  17.  November 
1668)  dio  letalen  Beaitiangea  anf  dem  Featlande  Frankreicha,  den 
gbuwwttfo  Hacft  d«v  gf««CA  Erwerimngen  und  Erobarangen  der  Ei^ 
Iftnder  in  dieaem  Staate:  dadurch  kam  der  Beaitactand  t)ea  Engli- 
achen  Roichea  auf  4085  >  QH.    Auf  dieaer  Saab  baute  ihre  Seh weat^ 
Eliaabetii  In  fünf  und  vieraigjäkriger  Regierung  (17.  Noverob.  155$ 
f^24Mitt  IHOB),  indem  aie  England  Buerat  duroh  die  Seemacht  den 
W^  au  amnar  eigenthftmliehea  Herrachaft  aeigte,  mit  vielem 
CUfi^e  einen  krhftig:  geaicherten  Staat  vom  eraten  Range  auf^ 
der  nun  nicht  mehr,  wie  voraugeweiso  bis  dahin  die  Regenten 
daa  Ghuaaa  Tmim  gelluMi  hatten»  auf  die  poUtiadien  Angelegen« 
heiten   aeiner  nichaten  Umgebungen  aich  boachr&nktCy  aonden 
an  dar  Leitung  aller  wichttgen  Staatsangel^enheiten  Eoropaa 
einen    entachiedene»  Antheil  nahm.      Zur   anaehnKchaten   Ver* 
grdaaeruog  dea  politiachcn  Oewichta  Englands  wurde  Jetxt  suerat 
der  Gründern  den   bedeutenden*  anaw&rtigen  Besitaungen 
gala||;t^     Denn  «a   wnrden  in   dieser  Zeit  von  den  Engländern 
NewrFaitndland,  Bellelale  und  die  Magdalenen-Inseln  besetat,  und 
diearafen  Versuche  gemacht,  auf  den  Küsten  der  nachmaligen  Nord- 
aaMrikaniachen  Freistaaten  au  landen  und  aich  ansusiedebis  wiewohl 
dio^  fsatgewuraelte  Colonisirung  erst  unter  Jacob  I.  und  Carl  I.  ihren 
aeehfen  Anfang  nahmt  die  Auaser-Europiüschen  Besitaungen  umfass- 
ten  aber  bei  dem  Tode  Elisabeths  bereits  einen  Flächeninhalt  von 
1780  QIL   achwach   bevölkerter  und  nur  durch   Fischerei   und 
Pabbande|.«ia^eiaikaaaen  ergiebiger  LAadiAreien.  — 

Mit  der  Königin  Elisabeth  stirbt  das  Haue  Tudor  aus«,  und  ea 
feigt^bi^ki  dem  Urenkel  ihrer  VateraschwesterHargaretha»  der  Gc* 
mahlinN  dea  "lÜteiga^  Jacob  IV.  voa  Schottland,  in  König  Jacob  XU 


296  Das  Britische  Reich. 

! 

/ 

■eil  seiomr  Besldgniig  dei  E^glisct«»  ThraMi  (4«i  14  ibM 
1003)  Jacob  I.  genaimt  (f  27.  Wkn  1636)^  dai  Hani  StoAvt, 
welches  in  milOQtidier  Linie  bis  1689  regierte«  aber  eretliOff^ 
mit  dem  Tode  des  Cardinais  von  York  völlig  erioseli»  i»  wmbli« 
eher  Linie  aber  bis  sum  12,  Aagnst  1714  den  Engiiseben  Tbren 
behemchte«  Padurch  wurde  die  Vereinigung  des  K5nigfeielw 
Schottland  nebst  den  dam  gehörigen  Insalgnippea  der  Hebrideo^ 
Shetlanda  und  Oi^knej's,  in  einem  Fi&cheninhalte  Ten  1401  QM. 
mit  dem  Britischen  Staate  an  Stande  gebracht,  und  dei^  Beeits« 
stand  des  gesammten  Staates  in  Enropn  auf  5S46  Qll.  erhöhte 
Unter  den  Ausser -EuropiUschea  Besitiangaa  wwd«  das  Lan4 
Virginien  1606  und  1609  in  Noidamerikai  din  Bemyidas«lnselgni|i^ 
(108  QM.)f  Acadicn  und  Neu-Belgien  hinngelttgt,  und  bereita  di« 
erste  feste  Niederlassung  in  W«tindien  fof  i»  Insel  Bariwdoea 
(10  QM.)  begründet. 

( 

Unter  der  Regierung  seines  SobnM  Carl  L  (27,  Mirs  1626« 
enthauptet  den  21^.  Januar  1649)  bleibt  der  Besitsstand  in  Europa 
utiT«rilndert    Dagegen  fällt  unter  den  Ausser  •  Europftisdien  Be- 
sitsungen  Acadien  an  FrankreiA  inrüek,  in  den  Nerd*  Amerika- 
nischen Coloniea  werden  1625*— 20  geordnete  Staatseinrielitmi- 
gen  nach  einer  bestimmten  Verfaasoi^i^  in  Viifpinien,  Mas^aehiiaete 
und  Kentuckj  1625—20  auf  finem  Territorium  Yon  6800  QIL 
eingeführt.     Dam  kommen  wenige  Jahre  später^ i(  1632— 43),  in 
gleiehmässiger  Verwaltungsform  eingerichtet»  dio  Provinsen  Connee* 
ticut  mit  Ohio,  New- York  und  Maryland  mit  einem  Gebiete  ron  2735 
QM.  hinso.   Nicht  minder  wichtig  werden  jetit  die  Erwerbuni^en  der 
bereits  Ton  der  Königin  Elisabeth  am  31.  Deeember  1600  gestületea 
Ostindischen  Handels-Compagnie;  et  wird  ron  derselben  1630  das 
Ccbiet  Yon  Chennapa  ven  3  QU  erworben,  auf  welcheoDi  MMnm 
und  das  Fort  St  George  sich  als  die  «rsten  Engtisehen  Ni^dern 
lassungen   erhoben,     Insgesammt  betragen  nunmehr  die  Ausser* 
Europ'Aischen  Besitxungen  11,436  QM.     Nachdem  die  monarchi- 
sche Gewalt  mit  der  repuhUcanisohen  Form  vertausoht  war,  nnd  m 
den  ersten  rier  Jahren  darauf  militiirisdm  Anarchie  gdMrrseht  hatli^ 
erhob  sich  unter  dem  Einflösse  d^  Pretnotors  Oliner  Crosiwell 
(seit  12«  December  1653  f  X  September  1658)  die  Kritische  See- 
macht ausserordentlich«   Rhode-Island  (62  QM.I  wurde  beveüs*  1647 
und  1052  in  Nordmerika  besetst,  erhielt  jedoch  erst  unter  der  folg^«^ 
den  Regierung  1663  die  Form  der  ColonitlvarwallHU|^  aber  die  glto» 


IXfrS  Bri4l'8<!lie  jR'eivb.        '        W 

a^aihtttt  Crw«b«ii|fNi  wvfieit  Iq  WttlbMiM'gfaaacIht,   di«  «cli 

bau  4«rdi  d^a  4«mIM  tnit  den  gihntigiteii  firMj^  Tenmchten 

Aatem  dir  AtitttiadMii  Coloniilpfodiwte  alt  die  Krone  der  Engli* 

•^lea  mMirirtfgeil  BeiitMiiigen  im  si^bieliiiteti  JcdiThuiiderte  gel« 

tmmä   moeHten.      Et  wurde«   die  Inselii  Anguilla  und  Barbuds, 

wiawmen  •  QM.  pOM%,    1051  beaetst,  nnd  darauf  im  glttckli- 

elMa  Kample  Hiil  den  Spandsm  die  groeae  Antitle  Janaica  Ton 

200  QM.  l6Sy^erebeit>   Oromirella  beide  Sftbiie  %ruf«ten  die  Ton. 

ilneni  VAer  eriangte  Daiwebeft  nkht  au  behaiipten,  Rtehanl  legte 

am  22.  April  l05adieFre«eelorwtMenieder(f  d.24.  JuL  1712)  nnd 

Hela«ielimitfeni«e  akh  fflO  ana  der  Stattiialtersefaaft  Iriand(t25. 

BiMilTIS),  dieer  auf  GMek  behauptet  hatte.  Englaada  auawirtige 

Politik  hatte  in  dieaea  leMea  Jriiren  das  bereits  erlangte  Gewieht 

Bteht  abvetavaü  behauplm  kennen,  nnd  nur  der  allgemeinen  0ha- 

roaeht  der  Staaten  Enropaa,  die  aieh  nach  dem  Tode  dea  Pretee- 

tora  kund  gab,  war  ea  iusnfehreiben,%daM  England  nieht  krau* 

T«ll  engegriliea  und  aar  Herausgabe  der  gemaehten  Elroberan* 

gea  aoaserfaidb  Bnrepaa  geaötfaigt  wurde. 

« 

Daa  Werk  der  Reataaratioa  der  Stuarts  ging  auf  gaas 
firiedtfohe  Weiae  vsFa  statten,  Carl  IL  bestieg  den  Tbraa  am  2a 
Mai  1000,  fand  dea  Linderbeatand  seines  Staates  in  Europa 
gana  aateriadert,  wia  ihn  eeta  Vater  besessen  hatte,-  ab^r  ia 
dfQ  attawärtigen  Besltmingen  war  er  nanmehr  auf  11,773  QML 
erweitert.  Dasa  braehte  er  w&hrend  seiner  fQnf  und  iwanaigilho 
rigea  Reglennig  (f  dea  10.  Februar  1085)  ansehnliche  Ver» 
grissetangen»  die  der  jetat  immer  raseher  ste^nden,  durah  die 
■asgsatishaetatea  Seehelden  aagefikhrte  Seemacht  verdaakt  wat- 
dea^  Ea  wurden  ia  dieser  Zeit  von  den  Engländern  aaeh  ia 
dem  drittsa  ErdtheÜe,  die  ersten  Niederlasaungen  auf  der  Wesl- 
küate  von  Afrika,  in  einem  Oebietevon  wenigen  QM.  1001  unter- 
aoaaaen,«ki  Ostindien  erwarb  sieh  1004  die  Englische  Ostindische 
Headelt-Comf  agttie  von  den  Portugiesen  Bembaj  (2  QM.),  in  Aumt- 
rika  vestsiebea  die  EagUnder  die  Schweden  aus  dem  Lande  DcIsF- 
ware^  die  seeriaberischea  Buckanier  aus  Westindien,  indem  sie 
augleieb  lOOOdiekleinea  Antillen  Antigua,  St  Kitts  <St  Christoph) 
and  einige  laogler4nseln  ia  Besfts  nehmen  ^maammen  II  QM.). 
Ia  dem  Kriege  mit  der  Republik  ifor  Niederlande  aetsten  sich  die 
EngllUrder  1007  in  den  HollUndisohcn  Niederlassungen  der  Lande 
NeW'-Yerii  aadlfew*Yereejr  fest,  die  jedoch  damale  ein  so  unbe- 


t98  l>»t  Bri.tts«lie  Belek. 

l 

4mUetA%t  GeUal  vm  fiA  hmpn  tilaiptnlwt  ^Mt  m  aMii  vUl 
iWr  4«a  0#tidittkreit  hiMwirviehte;    Z|i  gleitet  Zek  tatilaMi 
■leh  im  EagliBd«r  im  Bftf4BdM|l0ii  AnorÜHi  OuMfi  (He  SliftiMig 
4er  Httd«#oibiiteii«GM«llMhtft  IWl  m««  w^dM*  die  ittr  FMeh«^ 
rn  und  Pebhandel  wtehtigen  HKdMMbittenlftnder  jni  bchauptea 
beabiiehtigte.      Einen,  für  die  i^ftCere  2eit  enC  bedet^dere« 
Enrefb  «achten  die  Englilnder   1673  in  der  Beseteung  der  Be^ 
iHuMklDMln  von  287  QM.  und  in  der  den  Heüändeiti  1073  aU^ 
geneiUMnen  InielSt  Belena  nidit  an  eelir  entfernt  der  Weitkfiate 
▼on  Afrika  (OiQM.)»  die  fait  in  derlfitte  det  Fahr!  naek  Ottindien 
gelegen,  noek  tot  dem  Erwerke  der  Bedliinngen  am  Vergekirgeder 
gntaa  Heffaung,  für  die  EngÜMk-Oitkidiaeke  Handd^otte  eine 
nnadiitdbare  £rfriaeknagt*Statioa  vttden  nraaete«     In  den  lets- 
ttm  Jahfeii  aeiner  Regierang  liest  Carl  II.  mit  einer  beaondeven 
Saigfalt  Elxpeditionen  naek  den  Nordamerikaniaehen    Colonien 
naqjeken»  die  beiden  Careüna'e  werden  mit  Eineekkuui  von  Oeor* 
gien  nnd  inm  Lande  Tenesaee  UI74  in.  einer  beeonderen  Celo- 
nle  mit  ek^m  T^rritenun  Ton  8281  QjfIL  eingeviektet»  daranf 
IG70  Neir-Yersej  <392  QAL),  dann  1679  Newhampskire  mit  Ver- 
«nent  (Q2&QILK  IWl  Pennsjlvanien  nnd  Delaware  1082  als  swei 
ketondeve  Cobaiien  (anuammen  2266  ^iMind  endlieh  New-York 
<2I66  Q1L)l     Noek  in  dem  Todea{akre  Cath  IL  <I685)  letaten 
aiek  die  Englknder  auf  d«r  Insel  Sumatra  fast  und  gewannen 
kier  Beneoolea  ala  Uno  Hauptniederlassung  mit  einem  Gebiete 
Ton  00  i&L    Dieso  neuen  Erwerbungen  gewUirten  in  den  Co- 
lanien  eine  Vergröeserung  Ton  14,375  QBL,  also  einen  Lünder- 
kestand  sftmmtUeker  MMWkrtijjer  Besitsungen  Ton  26^149  QM,, 
wftkrend  die  EuropkiiMken  Staaten  einen  uuTeitaderten  Besifi- 
Btand  Ton  5546  QML  kekaupteten.      Unter  der  Regierung  seines 
Bruders  Jaeob  IL  (I6L  F^br.  1685,  des  Tkronea  entsetst  den  13. 
Febr.   1680,   f  den  16.  Sept    1701)  fallen    keine  Veränderun- 
gen bei  dem  idtaderbestande  Tor^^da  unter  den  ausw&rtigen  po« 
litiaeken  Bftndeln   sieh    nur    die  Streiti^iten    awiaeken   den 
Franidsiseken  und  Englisehen  PeUhkndierti  an  der  Hndsonsbai 
bemerkbar  machten.  ^ 

Durch  die  darauf  folgende  politische  Umwllsnng,  welche 
theils  die  fiberaus  grosse  Begünstigung  der  Catholiken  durch 
König  Jacob  II.,  theils  starke  Verletzungen  fest  begründeter  und 
lang  bewährter  Volks  •  Rechte  henrorbraehten,  bestleg  die  weib- 


^     \ 


MB  BrlHtehe'Beiek  IM 

HdM  UäH  *9B  HwwM  fliMtt  Mit  Mari«/  4m  t^Atm  im' 
Ktalg»  laeo^  U.,  4em  Tkroa  <t8.  FeW.  IM%  f  Cl  Jumtr  li0i| 
ZttgkrMi.  Mie  ^knel^M  mmim  mmIi  ilir  CmmiIiI,  4«r  EHirtitthilr 
m  im  Nit4triMiii»*)  W4lh«lm  HL  tm  OnwiMi,  ali  Ktelf 
4m  ymfAmiglbm  UMke  — ttkwMit  (13.^  Pdbr.  IM»  f  I&  Mtes 
IWZU  AMk  w«iMii4  4«r  VwrftltMg  4kmm  KMmg$  mkht^  m- 
geMktet  4er  li«fti|tett  KlnH^  ftiit  Ffwimidi,  4m  «Mi  4m  Be- 
MMmi^  «4«  iFcrlrftlMMii  KMgi  iMolb  mid  MiB«r  mOmtämkmm 
JfmMLmnmMmuhtSt  MmaliMy  der  Bototluid  4m  fitiiiw  Ifiawi 
Verlost^  aber  mmk  Mm  ti^imtikli«  Vw^^rNMrmig.  Bim  mwmm 
OatiadiMll«  OeMiMiair  wahk  IM»  «rrMM,  dn  Jed^k  Mimt 
Mdi  10  lalmtt  w«g«i  iinvr  wrtxleaKadwi  Fettwhrkf  ndi 
■rft  der widilige» Mütm Twdrtgta UfOSK  Dieee erhielt laiiii  ^<oa 
de»  MelimiMfififiteM  Ken  Rejik  IfOl  4m  Wort  S^  DmM  nk 
efaeiR  GeUet  ven  eekr  kMMm  Unfang«  (I  <tBL>  wd  lOM  vM 
dem  Skah  Aarengiek  die  B4tialniiM  aar  Aalegng  einer  Fakte* 
Tel  aad  Festaag  aa  OakaMa  <l  <IH.>»  Toa  weUkea^  Puahte  aae 
in  der.  ZiAanft  die  Haaptleilang  der  «neraMeeltelMn  EagHeeli* 
Oelliidfoehen  BeiitM^^en  erfelge»  eolUa.  Auf  K»nig  WiÜMÜn  IIL 
felgte  die  Stliweeter  eeiaer  GaaMMn,  dieKtoigiil  Anna  in  der 
aUeidigen  Volliielinaf  ^er  k»aiglielMn^  Gearalt  (10.  Mira  imi 
t  13.  Ai^c«^  1714),  da  ilr  OeaMkl  flearg  Mm  iron  DiManil^ 
der  ]fhi)pte  €Min  dee  KMga  Friedrkdi  IH«  ran  DtM—*y  ade- 
wobl  er  noeh  eeeKt  laln%  wlihrend  ikrer  Regierang  leka  (f  den 
a.  Norenber  ITOS),  nieht  aar  kttaigltehen  Würde  gelangte  und 
■iek  mit  dem  Amie  eines  Lord  ■»  Grate « Admiailg  dee  Boglieehen 
Reiek»  begnfigen  nraiete.  Da  imn  de»  dreiaekn  Kindem» 
weleke  in  dieter  Ehe  emeagt  urarden»  nar  ein«  das  erele  Jakr 
fikerlekte,  kker  dann  doch  bereiti  am  la  Aug.  1700  rereterK 
eo  war  dee  Königs  Wilhelm  Hl.  angelefBatliehsta  FOiaoiga 
dafaaf  gerlehtet  getreten,  die  Uehermaelil  det  Ktaigt  Lad«rig  XlV«» 
als  einet  allgemeinen  Ftlndee  der  Erhaleang  des  polititehen 
Gleicbgewidita  und   einet   betonders  G^ert   der  Engtiaeken 


*)  iNe  Niederlande  kommen  Aber  Ipier  nicht  In  Befrachl,  da  eine 
durchaut  gesonderte  Yerwaltang  swiscben  deti  Englischen  Staate 
and  der  Republik  Hollanä  für  alle  aatwortigen'  wie  Inneren  Ange« 
legenhelten  arhtlten  wurden 


( 
\ 


Iftas  Britischt  Betcfa» 

itMbC  w«gen  &vt  Unlerttdtniiig^  d«r  irwrfaiatoicn  Stwurts,  in  «cWwll- 
db«n  und  eiiMr  -  protetteatitelMit  DjroMtie  di«  ticliere  AnMicIit 
$mi  den  BntitclMii  Thron  sa  eriiffMii.  JenM  war  ihio  geliuigea 
durch  dM  Aufrepfong  d«r  dubel  btthwügten  Miehto  nmm  Spaniichca 
Erbfolgekriege,  dioM«  wurde  erfiUkduvoh  dieABorkoBBOOg  des  £rh* 
folgtrocht«  de«  K«rfiraten  Oooi^  Ludwig  tob  HaBBover  *),  des 
GroMooboee  der  KurfUrttiB  Elkaboth  von  dw  Pfals,  der  Toch- 
ter Joeobol.  TOB  Eoglond  yonfeilondoeEBglUeheB  PorlomoBti  durch 
die  ad  of  Setilement  om  IX  Jobi  1701.  ÜBler  der  KöBigiB  Anan 
kam  die  engerb  VoroiBigang  ib  dor  Vorwoltung  de«  Königreiche 
SchottloBd  mit  England  durch  den  Vertrag  vom  16.  Mira  1707 
SB  Stande,  na^  weichem  beide  ataataredulich  etets  vereinigt' als 
CSrossbrieannien  ( Great^Briimin)  nur  behandelt  werden.  Durch 
die  gl^kliche  Beendigimg  des  Sf anischen  Erbfolgekrieges  von 
ßeiten  Englands  im  FriedcB  an  Utrecht  (am  II.  April  1713)  er- 
hielt dieser  Staat  ia  Evropa  den  Erwerb  der  Festung  Gibraltar 
vnd  der  Balearischen  Insel  Minoren  <I5|.  QM.),  und  in  Amerika 
die  UBgehenere,  aber  wenig  nutxbare  Fliehe  AcadicQ  in  seinen 
alten  Ghtaaen,  die  HudsonsbusenliBder  nsd  die  Franaösischen 
Anspriiehe  auf  die  kleine  AnttUe  St  Kitts,  eine  Vergrös^erung 
der  auswärtigen  Besitsnngen  von  nicht  weniger  als  25,600  QH., 
so  dassbebu  Abgange  der  weiblichen  Djrnastie  Stuart  vom  Englischen 
Throne  der  Besitastand  des  Stnates  in  Europa  556 1|  QM.  uad 
iB  dcB  fibrigen  ErdtheilcB  51,650  QM.  betn^. 

« 

Die  DvBaatie  Haonever  **)  aaf  dem  Britisdien  Throae  nahm 


"*)  Für  die  Besitzungen  der  jüngeren  Linie  des  Hauses  Braun- 
schweig,  Brannschweig^Lübebnrg,  war  schon  am  19.  Bec  1692  die 
KurfSrstliche  Wurde  von  Hannover  durch  den  Vater  Georg  Lud* 
wigSy  den  Kurfürsten  Emsl  August  erlsagt. 

^*)  Das  Knrfiirslenlhum  Hannover  in  dem  damaligen  Umfange 
von  386  QM.  und  das  in  jener  Zeit  von  demselben  erworbene  Herzog- 
thum  Bremen  von  126  QM.  verblieben  gleichfalls^  wie  früher  unter, 
Wilhelm  lU.  die  Niederlande,  in  durchaus  gesonderter  yerwahnug 
von  dem  Britischen  Reiche,  und  standen  nur  dadurch  im  Vereine, 
■'  €lass  beide  Staaten  einen  gemeinschaftlichen  OI>erlierrn  belassen. 
Daher  werden  die  Erwerbungen  Hannovers  hier  nicht  berührt  und 
bleiben  der  besonderen  Statistilc  dieses  Kdwgreichs  in  der  zwei- 
ten AbtbeiluBg  des  aweittta  Bandes  vorbehalten« 


Das  Britisclie  Reich.  Ml 

iKrea  Attfaag  Mit  Georg  L  (dm»  oWa  gManiUMi  KiirfllnitMi  CUoig 
I^fiMlwigK  4o«h  gewibrte  mn»  dreiselMijftbrife  R^giemag  01.  Oe» 
«•iMrr    1714  t  22.  Juu  I72f)  bei  dem  damalig«!  stark  enohftp6 
tmt  2wtande  dar  Hauptmielite  Eorapae  diirehaiia  friedtiehe  Ver- 
klkltiiiaae,  oad  braehtenielu  diegeriagtte  VMrgrdMerang  deaStaatigjB* 
bieCB.  Unter  «einem  SohM  Gelerg  IL  (22.  Jim.  1727  f  2IL  Oetol^r 
170O)y   gewianea  die  Oetindieehen  Beeilmuigeil  raeeh  eiaea  an* 
■ehsUdMtrea  Umiaag,  ven  dein  Nabob  rea  Areot  Mahammed  Alj 
warde  dae  Laad  Jaglüre  17S0  mit  eiaem  GeUeCie  Ton  130  QIL 
gewonnen,  in  dem  eiebenjfthrigea  Land-  nad  Seekriege  mit  Frank» 
reich  das  Fort  Vietoria  (6  QU)  J766  für  den  Venraitungsbesiik 
Bombay  and  ron  dem  Nabob  ron  Bengalen  1757  die  aiebsteii 
Ungebangea  tob  Caleatta  ia  «iaem  Fl&ebeaiahab«  tob  40  QM, 
In  Amerika  wnrde  aa  der  Hoadatas-Bai  1731  die  Colooie  Balme 
(10  QH.)  angelegt,  and  daa  Land  Georgien  1755  au  einer  beson- 
deren Coloaial-ProTini  «mgestaltet    0er  Krieg  mit  den  Fraaso? 
aen   gab  anf  diesem  Erdtbei&e  nicht  minder  hotrilrhtKebe  V^r* 
tbeile,  and   daa  ganae   den    Inguschen    Colonial-PtoTineen   be- 
aaehbarte  Nordorestgebtet  Toa.  Nordamerika  mit  Eansohlass  der 
Lende  Miebigan,   Indiana,   Illinois,  gegen  0000  QMeilen  groes» 
'   ilsl  1750  in  die  Hiado'der  fingünder.  Der  Besitsstaad  ia  Europa 
blieb  aaretadert  auf  5561 1  QM<  Msgedehnt,  ia  den  iuswArtür 
gen  Benitsongen  aber  war  derselbe  am  Ende  der  R^erung  Gtofgs  IL 
auf  57,8a0  QU  gewaebeen.  «-> 


» ■ ' 


Die  lange  Re^eruag  seines  Enkels  Georg  111.  (25.  October 
1760  f  20.  Januar  1820),  in  weleher  v&dureBd  seiner  Gemüths- 
krankheit  seit*  1768  apßinglich  bei  dem  Wechseln  dieses  Zustan* 
deM  nut  lichten  Augenblicken  das  Staatsministerium,  di^nn  seit  dem 
3.  Febraar-181 1  sein  ältester  Sohn  aU  Prinx  Regent  die,Stäatsyerwal» 
tang  golnbrt  hatte,  begann  in  den  ersten  Jahrea  mit  mannichfachem 
Glücke.  Durch  gl&naende  V4;>rtheile  der  Englischen  Waffenmacht 
Qbcr*  die  Fransosen  in  Ostindien  worden  auph.die  einheimischen 
Fürsten  genötbigt,  sich  nach  und  nach  der  Botmässigkeit  der 
Englischen  Compagnie  an  unterwerfen.  Den  Nabol»  von  Bengsr 
len  traf  saerst  das  Schicksal,  1761  die  Besirke  Midnapor,  Burd* 
waa  und  Dsebittagmsg  (720  QM.)  den  Engiflndem  au  räumen. 
In  dem  Frieden  an  Paria  (la  Februar  1763),  der  die  bedeuten- 
den Resultate  des  hartnäckigen  siebenjährigen  Kampfee  dem  Sie- 
ger SU  Tlieil  werden  liess^  gewaaa  Eoglaad  roa  Frankreich  die 


SOI  Das  Brlt4tefaa  Reith. 

len  DomMm  tt9|  <Mf.),  St  Vincest  (7  QMLk  ChreiMiia  ttilt  toi 
6rena4Ulen  i9\  4)M.   svimaiiMi^  wü  TaUgo  «4  ^),  iinrw 
dito  Anerkeniittiig  ihrer  alleüiigeft  'B«0itsttiigeii  an  der  Anidiira»* 
IM;  fai  Alrik«  4\%  KtederfaMung«!!  bm  8«Begal.   Spttaieii  iMitile 
•vnerdem  M<i^  ^orida't  deo  BngMkiMlem  «berlaMentea  itiaolrta 
daher  «toen  Getanmtgewfmi  Yen  13,742  QBL"'  Noeh  in  damielbMi , 
Jalire  1763  wurde  in  Nerdamerika  dat  Laad  swiaeheii  ABatamaha 
tmd  demSt^if^t*  tait'derPffWiniQe4irg«Q(i  rerehrfg«  (2074  QM.)^ 
mid  aueh  io  Earopa  wurde  tfttr  die  inaera  Verwaltung  dnreh  den 
rollitftadfgeii  Ahkauf  der  LMidedi^Wit  fiher  die  Ineel  Man  voa 
der  FamiUe  der.  Hercife  ^ra«  Mid  {»\  QM.)  «iaa  naae  Erw^» 
terung  erwetbev;  deren  Fliehea^Bbalt^ihereehoD  ftther4»idem  ehen 
angegebenen  ran  dem  Kdnigreiehe  England  MÜ  fnWgriffen  war. 

in  Oitindien  iehritlen  nnterdeeaan  die  Eroberangea  der 
Bttglinder  aataerardentlkii  imseb  ymt.  Der  Nabob  ran  Bengalen 
wurde  17#§  e«iner  HamehafI  ginalicli  «ntiataty  wadnMi  der 
Rest  ren  B#ttgalen,  Bahar  und  die  rier  nMHiciMn  (Mcai^a  (an* 
aftmmen  8  IM  QH.)  auf  einmal  fßr  die  EngÜieh-Oitindiaehe  Com- 
pagnie  gewonnen  wtfrden,  und  der  Weg  in  dat  innere  fadten  of- 
fen atand.  Diee  fthtte  aum  Kampfe  tnit  Ataph  ud  Do#lah,  wel« 
aber  hm.  Frieden  i7<rs-  geawuageu»  einen  beUrtabtHeben  Tbell 
der  Landaebaft  ARahabad  (660  QM.)  mit  dar  graeaen  bcfi%en 
Stadt  Benarea  dem  Sieger  iberlasten  maaete.  In  dem  Kampfe  mit 
den  Mabaratten  wurde  1770  die  Ineel  SalaeCte  (10  QH.)  erobert 
und  mit  dtom  Veraidtangabeiirike  Bumbi/  rereinigt 

Dagegen  flilkn  in  dieaer  Zeit  die  Haupt^Colonien  In  Nord- 
amerika ab  und  erklären  aiidi  1770  für  einen  unabhingigen  Bun- 
det<»Stftat  mit  republikaniaeher  VerfiMaung«  Wenn  nun  aneb  diu 
Bngliachen  Troppen  1770  grosee  Landitreeken  im  Oatan  dea 
Mitaitippi^S^romea  und  daa  aosgedahnta  Gebiet  der  Natelms-ln- 
dianer  beietsten  (suiammen  21(X>  QBL^  und  darauf  1760  noeh 
riel  grdaaere  Streeken  weatiielk  ren  den  im  Aufatande  aieb  befin- 
denden ProVinsen  und  den  beiden  Canadaa  biii  naeb  der  Weat- 
kftife  Amerikas  su»  auf  einem  Territevium  l»einaba  rbn  47^,000  ^L, 
ohne  jedoeb  hier  die  Anlagen  neuer  Ctflonien  au  renmebeUy  so 
reichte  diea  doeh  nieht  im  mindeiten  atfm'EnAitBfBr  den  sehr  emp- 
UndlieBen  Veilost  der  fOr  Ackerlmu  und  Handel  bereits  bedeutsam 
entwickelten  Coioiiialproirinseil  dieeea  ErdAella.  Dieter  Verlittt 
wurde  aber  nach  aebtfftbdgemaehrbKitl^emKMnpfe  (1776—03)  un- 


Das  Brititcb«  Beleb«  3M 

wMerMpi^ck,  alt  rrwOmWi,  S^mAeu  mi^thlhnd  flok  4m 
nwMi  FNMiMitft  uiMlMieiu  Im  FrMen  ro«  V«n«ilie8  (3»  Septambtr 

'  17^  eriumice  auek  daajtf «Iterlaiid  4jlß  UBabklugigkeit  deMtlbe» 
an,  004  aa  wonUo  ab  GriUiaao  sariadiao  4aa  fernarn  Britiaclieo 
BasiUangeo  tto4  dao  Nordamerikaoiseken  Freiataateo  g^^  deo 
Waateo  dar  Miatiai(vi,  iaa  NordaO^  die  gtaaaan  fiaan  bia  40^ 
ndrdlichar  BraUo  im  hftabatao  ttatlialMn  Pookto  dwsalban,  im  Sfidaa 
andUah  dar  MarjrarFioia  fea^aateUt.  .Diaa^gab  aioao  Varioit  vao 
33,700  QMailao.  Uakaidiaa  mnt^/tm  dia  Englftndar  in  Folg»  diaaaa 
Friadcnavartiogai  aoaaar  dar  ilomoog  oUai'  gagao  dia  HoU&odar 
ood  Spaoier  wÜuMnd  daa  Kriag»  gamaaktar  Erobarongen,  an  Frank- 
raiah  noob  dia  kleine  AncUle  Tobago  ond  die  Afnkamachao 
Niedarlaaaongan  aai  Sanagilflnaae»  on  Spanien  dia  fir  den  Ein- 
floia  dar  Ea^^lmi  SaaBMaht  im  MittoUAodiaehan  Maare  aebr 
viobtige  faaet  Minor«»  und  die  beiden  Florido'a  (2605  QM.^ 
d«  L  nidua  einen  bedeotonden  Tbeii  der  Iriberen  Erobenmgen 
wieder  nrf&ckliefiim.  Ala  oUeioiger  Vortbeii  ons  dieiem  letitea 
Kampfe  vavbüdl»  den  Bogltedeni  nur  aaf  Ketten  der  Holländer 
der  Beaiti  von  Negapotam  md  der  KAate  Coromandal  (4  QM.I 
ond  daa  Raciit  dar  £reien  Seblffohrt  in  den  8ad-Indiaahan  Mee* 
ren,  die  bia  dahin  dioHoUiMrfer  aoaaebliessUeh  beheiztet  hatten. 
Ea  blieb  non  naah  dieaem  Frieden  der  Liüiderbeatand  dea  Brid- 
aahen.Staatea  in  Eoropo  5»540  |  QM.  ond  in  den  Aoa«er-Eoro- 
piUaehan  Beeifeningan  05,876  QM^  wovon  die  Oatindiaebe  Com« 
pi^ie  allein  ein  Teffitorinm  von  0,620  QM.  iab  ihr  Eigeotho« 
unter  dem  Sehotse  der  goaanunten  Briliachon  Bfaeht  knaehea 
durfte.  Die  Seenaebt  Englanda  war  Jebit  entaehieden  die  -ente 
in  finropot  HoUoAd  hatte  in  dem  letaten  Kriege  gam  beionderm 
ompiindiieh  Englanda  Uebcrgewidit  £Br  aeine  Flotte  und  aeineii 
AiUtiiebeaHovdel  kcMi4ngaleni^  und  onab  die  Terainton  Streit- 
krififee  der  Spania oben  und  Fransdaiscban  FMte  hatten  nur  aal* 
tan. ayBaga«aiahl>. einen  ontMhSadenen  Wiadtfitand  dem nachdraek- 
liabep  Angriffe  dar  EngUnder  en^^tfon  au  ateUe*.  Daher  fand 
die  Aaubreititng  dv  Britiai^heo  Maeht  in  den  Übrigen  Erdthailea 
niqfjanda  ao  heoimende  Hitideniiaa«;,  daaa  diese  niaht  leidkt,  wenn 

^  ea  fiir  daa  Handelainlerroaae  aiah  Tortheilhoft  aeigfea,  tbarwondon 
werden  konnten;  wir  aehen  nntw  dieaan  Umatindon  dieaolbe 
in  den  letrten  Jahren  daa  vorigen  Jahrhundarta  und  indeneraten 
fnnfate  daa  gq^enwirl^en  über'  die  ktthuatan  Erwartungen  aich 
erhoben.      Die  Bea(t«inBen  in  Aftika  wuiden  1787  durah  diK 


a04  Das  BritiBche  Reich. 

! 

i 

OrQndung  der  Sierra -Leona-CoIonU  auf  der  Kutte  von  Oaiaeb 
(80  QM.)  ffir  liefreite  Neger-Sckven  vArgr^^gtert,   indem   die  htr 
■ach  karten  NegerfQriten   Theile   ihres    Gebiets  g^gen   Waaren« 
tausch  den  Engländem  tiberliessen.  *-  In  Australien  be||;rfindeta 
die- Englische  Regierung  1788  die  V^erbrecher-Colonie   auf  Neu- 
Siblwales,   def  OstkÜste  von  Neuholland»    die  auf  einer  Strecke 
Ton  1615  QH.   fir  England   in  Besits  genommen  wurde.  —  Iq 
Asien   erw&rb    die  Englisch  •  Ostindische  -  Compagnie   1^86  Vom 
Könige  von  Queda  die  Prinz  -  Wales  -  Insel  (früher  Pulo*Pinang 
genannt),  westlich  von  der  Halbinsel  Malacca  in  Hinter  -  Indien 
(r^QM.  gross),  besetzte  darauf  1787den  Cirkar  6antoor(160QH.| 
auf  Kosten  des  Nizam,  und  zwang  1791  den  Rajah  von  Cochin, 
ihr   ein^n  Theil  seines   Küstengebiets   (35  QM.)  su    überlassen, 
aowie  sie  auch  in'  demselben  Jahre  unter  den  Ostindischen  In* 
sein  die  Andamanische  Gruppe  besetzte,  die  sie  aber  bereits  nach 
2  Jahren  nieder  räumen  musste.      Inzwischen  war  der  heftige 
Kampf  mit  dem  Sultan  Tippoo  Saheb  ausgebrochen  und  dieser 
endlich  durch  die  Ueberlegenheit  der  Englischen  Waffen  zu  dem 
$ehr  nachthiBÜigen  FHeden  am  18.  Mitrz  1792  genöthigt,  welcher 
ihm  die   gr&ssere  Hälfte    seiner   Staaten    kostete,   nemlich   das 
Land  Barrama&al,  -CaKkut  und  die  daran  stossenden  Gebiete  auf 
der  Kttste  Malabar,   Salem   uud  Dindigul,   zusammen  1400- QM. 
gross.     Darauf  unterwarf  sich   der  Rajah  von  Travancore  der 
Britischen*  Sehutzhoheit  1795,  und  sein  Gebiet  (366  QM.)  wurd4 
mittelbares  Eigenthum   der   Ostindischen  Compagnie.      In   dem 
zweiten  Kampfe  mit  Tippoo  Saheb  wurde  seine  Herrschaft  völlig 
vernichtet     Nach  seiner  Niederlage  unter  den  Mauern  des  zer* 
störten  Seringapatnam  am  4.  Mai  1799,  in  welcher  Tippoo  Saheb 
•selbst  bleibt,  werden  von  den  Engländern  bei  der  Theilung  dea 
Reichs  Mjsore   am  13.  Juli  1799  die  Landschaften  Seringapat* 
nam,  Bullam,  Canara  und  Coimbatoore  besetzt,  so  wie  der  Sul- 
tan von  Mjsore  Kisna-Oudi-Aver  überhaupt  seine  Selbstständig- 
keit verlor  und  unter  die  Vormundschaft  der  Ostindischen  Com- 
pagnie gesetzt  wurde.      Gleichzeitig  unterwarf   sich  der  Rajäh 
ton  Tanjore  unter  Englische  Botmässigkeit,  nm  sein  Land  in 
üriedltcher  Ruhe  als  Britischer  Unterthan  geniessen  au  können« 
Dies  machte  einen  Gesammtgewinn  von  1350  QM. 

Uttterdeisen  waren  in  Amerika  die  Streitigkeiten  zwischen 
England  und  Spanien  1790  f^eichUchtott  indem  man  die  ganze 


Das  Briti-sche  Reich*  305 

Mordwettklifte  ron  AmerSm  nk^  Califtnmien  bis  PriAi*WiUia«i- 
Sond  anf  einem  Temtoriimi  Ton  23,500  QM.  den  Engländern 
überlieis,  wo  sich  Jetit  die  Landichaften  Neu-Aiblon,  Neu-Geor- 
gien,  Nen^HnnnoTer^  Nen-Cornwales  nnd  Neu*Norfolk  gebildet 
haben.  In  Europa  hatte  dagegen  die  innigere  Verelni|^g  dee 
Kdnigreiehe  Irland  mit  GroMbritannien,  dorcb  den  Vertrag  am 
2.  Juli  1800  nnd  die  Aufnahme  des  Iriiehen  Parlaments  in  das 
Britiiehe,  die  innere.  Verwaltung  dei  ^taätes  vereinfacht  nnd  au- 
genblicklidi  bei  der  genaueren  Vericbmehnuig  dei  Staatsinter* 
esses  die  Hnlfsmittel  dieser  Macht  überhaupt  erhöht  Aber  auch 
der  Besitzstand  in  diesem  Erdtheile  hatte  Termitteist  des  Kam- 
pfes mit  der  Fransdsischen  Republik  die  lur  Behauptung  des 
Britischen  Uebergewichts  anf  dem  Mittelländischen  Meere  höchst 
Tortheiihafte  Eroberung  der  Inseln  Malta ,  Gosio  und  Comino 
(susammen  10|  QH.  gross)  am  5.  September  1800  gemacht,  die 
swar  nach  dem  allgemeinen  Continentalfrieden  au  Amiens  am 
25.  Mftrs  1802  wieder  ausgeliefert  werden  sollten ,  aber  bei  dem 
Kaldigen  Wiederausbruch  des  Krieges  laarQckbehalten,  seitdem 
Britisches  j^igenthum  geblieben  sind«  Durch  denselben  Friedens* 
vertrag  sn  Amiens  erlangten  die  Engländer  die  Spanische  Antilie 
St  Trinidad  <78*.  QM.)  nnd  den  für  die  Qstindischen  Besitsun* 
gen  so  wichtigen  Holländischen  Antheil  an  der  Insel  Cejrlon 
(286  QM.),  welchen  die  Englische  Regierung  bereits  seit  1706 
toohert  hatte«. 

In  Ostindien  irergrösserte  imwlsehen  die  Englische  Compag- 
nie  aiy&hrlich  ihre  ^esitsungen.  Der  Niaam  von  dem  Reiche 
Dekan  trat  am  12.  October  1800  au  Hjrderabad  in  einen  Bun* 
desvertrag  mit  der  Compagnie^  nach  welchem  er  die  früher  von 
Tippoo-Saheb  eroberten  Districte  Bailaghaut  Bellarj  und  Cudda- 
pah  (susammen  1145  QM.)  an  die  Engländer  auslieferte  und  au- 
gleich  sich  auf  Bedingungen  über  die  Theilung  der  künftigen 
Eroberungen  einliess.  Der  Nabob  von  Arcot  Mah^^med  AI/ 
wurde  1800  entsetzt,  worauf  suerst  die  Ostindische  Compagnie 
nur  die  obere  Verwaltung  seiner  au^^ehnten  liänder  in  An* 
Spruch  nehm,  dann  aber  den  31.  Juli  1801  auch  dessen  Nachfol- 
ger den  Asem-ul-Daüla  als  Nabob  von  Arcot  entthronte,  ihm  ein 
Jahrgeld  anwies  und  ihren  Beiitsungen  darauf  das  ganse  Land 
Kamatik  an  dem  Bengalischen  Meerbusen,  soirie  die  Gebiete  Nellore, 
Madura,  Arcot  (2840  QM.  gross)  einverteibte.  Auf  ähnlichn 
dokubertS  StiitUtilclI.  20 


.1 


306  Da)i  Britische  Releh. 

•  .... 

Weise  wurde  mit  dem  Nabofe  von  Avdeh«  (Onde)  Terfahren;  in 
dem  Vwtrago  au  luknow  am  10.  November  J«Oi  überiiess  er 
iler  Compagnie  die  Distriete  Ailahabad,  Unter-Duab,  Gorukpoor» 
Rohilkund  und  Bareiljr  (zusammen  2634  QM.)  und  begab  sieh  ancK 
för  den  übrigen  ihm  noch  gebliebenen  dritten*  Theil  seines  vorniali- 
gen  Staates  unter  den  Britischen  Schutz:  dies  befolgtäa  auch  die  klei- 
nen benachbarten  Rajahs,  indem  sie  einjÄhrliches  Schutzgeld  fttJr  sich 
xahlten.  Darauf  kam  es  zum  hartnäckigen  Kriege  mit  dem  Peish- 
wah  und  den  Maharatten,  jener  trat  bereits  im  Vertrage  zu  Bas- 
sein am  31.  Decetober  1802  einen  Theil  des  JLandcs  ^ndelkund 
ab,  diese  efHtten  im  Laufe  des  Jahres  1803  mehrere  Niederlagen 
und  durck  den  Friedensvertrag  zu  Serje-Anjengaum  (30.  Decem- 
ber  1803)  verlor  auch  der  Grossmogul  seine  Herrschaft  gegen 
ein  Jahrgeld,  und  das  ganze  Land  Delhi,  Merut,  Alighur,  Hur- 
riana,  Agra,  Ober-Duab  und  Sahariinpoor  )rurden  sofort  den  Be- 
sitzungen der  Ostindischen  Compagnie  einverieibt.  Zugleich  trat 
der  Rajah  von  Berar  die  Distriöte  Kuttak  und  Balasore  ab,  wo- 
rauf abermals  mehrere  benachbarte  kleinere  Rajah's  sich  gleich- 
falls der  Englischen  Oberhoheit  unterwarfen:  wiederum  insge- 
sammt  ein  Gewinn  von  3450  QM.  Der  Kampf  mit  den  Maha- 
ratten  wurde  indess  bald  wieder  erneuert,  einer  der  Fürsten  die^ 
ser  kriegerischen  St&mme,  der  Guieowar  folgte  im  April  1805 
dem  Beispiele  des  Rajah  von  Berar  für  alle  seine  Ländereien 
in  Guzurate,  sowie  der  Rajah  von  Bhurtpur  für  sein  Gebiet  an  der 
Gränze  von  Agra,  zusammen  ein  Erwerb  von  1080  QM.  Der  Peishwah 
schloss  im  Novembpr  1805  den  «weiten  Frieden  gegen  Abtretung 
des  übrigen  Theils  der  Landschaft  Guzurate,  womit  zugleich  die 
Unterwerfung  der  kleinen  Rajah's  von  Burdah,  Arrautam  und 
Chenetee  verknüpft  war  (zusammen  060  QM.). 

'  Unbedeutend  sind  dagegen  die  übrigen  Erwerbungen  der 
Englischen  Regierung  während  des  ununterbrochenen  Krieges 
mit  Napoleon  und  dessen  Bundesgenossen,  in  Europa  wurde  die 
kleine  Insel  Helgoland  {\  QM.)  1807  besetzt  %  in  Australien  eine 
neue  Verbrecher-Colonie  auf  der  Van-Diemens-Insel,  südlieh  von 


^  Von  dem  vorübergehenden  (1803*1813)  Veriuste  Hannovers 
iMie  in  4er  besonderen  Staatakuade  dieses  Reichs* 


1 1 

\ 


Das  Britische  Beich,  307 

der    sfidlichen    Kilste   von  NeuhoUand    (1255   QIL  'gross)    am 
18.  Februar  1804  gegründet     In  Nordamerika  wurde  das  unge« 
heuere  Gebiet  Labrador  für  England  (mit  einem  Fläeheninhalte 
Ton  24,5<k)  QM.)  in  Besitz  genommen   1809  und  mit  dein  Gou- 
vernement New-Foundland  vereinigt     Durcb  die  beiden  Pariser 
FriedensseUttsse  und  den  daiwischen  abgehaltenen  Wiener-Con- 
gress  (1814 — 15)  wurden  eben  sowohl  die  politischen  Verhältnisse 
auf  dem  Continente  Europas,  als  auch  in  den^  auswärtigen  Be- 
aitavngen   der  übrigen  Erdtheile  geordnet«     Es  verbleiben  dem 
Britischen  Reiche  die  eroberten  Inseln  ia  Europa,  Malta,  Gosso, 
Comino    und  Helgoland:    ausserdem  aber   erhielt   dasselbe  die 
Sohutihoheit  üb^r  die  Republik  der  aiebei^  Jonischen  Inseln*), 
wodureh  dieselbe  (47  QM.  gross)  fUr  die  Dauer  in  |lie  Reihe  der 
halbsouverainen  Staaten  übergeht     In  Westindien  werden  ihm 
die  kleinen  Antillen  St  Lucia  (10^  QM.)  und  Tabago  (6|  QH^^ 
in  Südamerika  die  ehemaligen  Holländischen  Besitsungen  Demo- 
rara,  Berbice  und  Essequebo^  lusammen  415  QM.  gross,  die  von 
den  Engländem   seit   J 804  besetzt  waren,   förmlich  abgetreten.. 
In  Afrika  gewannen   die  Engländer  gleichfalls  auf  Kosten  der 
Holländer  das  für  den  Handel  so  vortheilhaft  gelegene  Capland 
(6035  QM.  gross),  jwit  1806  Von  jenen  besetst,  und  auf  kräftige 
Weise  einem  stärkeren  Ackerbau  und  einer  ausgedehnteren  Viehsucht 
entg^engeführt      Im  Indischen  Oceanf  erlangten   sie  von   den 
Fransosen  die  Mauritius-Insel,  Isl^  de  France,  (55  QIL  gross),  Öst- 
lich von  Afrika,  von  den  Portugiesen  die  Sechellen  oder  Mähe- 
Inseln  und  die  Insel  Rodrigues  unter' den  Mascarenischen  Inseln, 
lA  Ostindieii  von  den  Holläadem  Cochin  auf  der  Küste  Malabar 
und  Talieate  auf  der  Küste  Coromandel,  als  die  lotsten  Niederlän- 
dischen Besitsungen  auf  der  Hslbinsel,  gegen  die  Heransgabe  von 
Batavia  ^  Sumatra,  susammen  140  QM. 

Der  g^Leichseitige  Friedensschlust  m  Grent  (24.  December 
1814),  welcher  den  Krieg  swischen  dem  Britischen  Reiche  und 
den  Nordamerikanischen  Freistaaten  endigte,  kostete  jenem  die 
wenig  nntsbare  Küfte  Nord-Amerikas  um  den  Columbia-Fluss 
von  42^  bis  49^  34'  nördlicher  Breite,  den  grössten  Theil  von 


X 


*)  Ton  dieser  Republik  wird  gleichfalls  unten  besonders  gchan^ 
delt  werden,  in  der  dritten  Ahtheilung  des  ersten  Bandes. 

00* 


308  Das  Britische  Reich. 

Neit-JUbion  (gegen  15,t)00  QM.  Flächeninhalt).  Et  war  demnach  nach 
der  endlichen  Wiederhers^Hung  des  Continentalfriedens  in  Europa 
und  der  daraus  folgenden  festeren  neuen  Begründung  dei^^oii tischen 
Verhilltnisse  unter  den  wichtigsten  Staaten,  der  Länderbestand 
des  Britischen  Reichs  In  Europa  5556J-  QM.,  in  den  übrigeu 
Erdtheilen  154,1-3  QM.,  vovon  allein  unter  d^  Leitung  der 
£ngtisch-t)stindischen  Compagnie  24,784  QM.  standen. 

Seit  dieser  Zeit  haben  die  Briten  nur  in  Südasien  Erwer« 
bungen  gemacht     Durdi  di«  Eroberung  des  Königreichs  Candy 
1815  (080  QM.)  wurde  die  ganse  Insel  Ceylon  Britische«  -Eigen- 
thum,  in  dem  Frieden' mit  dem  Rajah  von  Nepaul,  der  in  dem- 
selben Jahre  <2.  December  1815)  abgeschlossen  wurde,   gewann 
die  Osttndische  Compagnie  alles  Land   iwiscl^en   dem  Sutuieje 
und  dem  Dsohumna,  Gurwal,  Kamaun  und  Surmur  (1020  QM.), 
worauf  auch  das  Land  Anjar  und  Mandarie  besetit(464  QM.)  und 
die  kleinen  Rajah's  im  Lande  Kutsch  sinspflichtig  wurden.    Der 
Rajah  Ton  Nagpoor  erkaufte  sidi  1817  den  Frieden  von  der  Compag- 
nie dufch  die  Abtretung  der  Eblfte  seiner  Beaitsungen,  indem  er 
für  die  ahdere  Hälfte  aieli  gleiehfs^  mit  der  Verpflichtung  an 
einem  Jafargeld  dem  Britischen Schutie  unterwarf  (die  Provins  Orissa 
▼on  641  QM.  wurde  gänslich  Britisch,  und  das  Land  Gundwana 
5558  QM.  sur  kleinem  Hälfte,  so  dass  der  Rajah  für  sich  3800.QH» 
behielt).  Der  Kampf  mit  demPeishwah  wurde  bis  lur  Vemiebtnng 
desselben  fortgesetst  und  in  diesen  der  Holkar  und  Scindiah  hin* 
eingesogen.    Jener  mussto  schon'  1817  am  13.  Juni  die  Distriete 
Saugur,  Huttah  und  Darwar  abtreten,  konnte  aber  auch  dadurch 
•ein  Reich  nicht  vor  der  gänilichen  Aufli^sung  retten,   das  im 
Mars    1818  «wischen  den  Engländern  und  dem  Nisam  getheilt 
wurde.  Mit  einem  Theile  dieser  Lande  wurde  der  Rajah  vpn  3«* 
tarah  als  linspilichtiger  Fürst  (512  QM.)  beldint    .Auch  die  bei- 
den übrigen  mächtigen  Maharatten*Füraten,  der  Holkar  und  der 
Scindiah,  retteten  sich  nur  durch  die  Ue beriassung  der  Hälfte 
ihrer  Besitsungen  und  die  Uebemahme  eines  jährlichen  Tribut* 
für  die  andere;     Ein  gleiches  Schicksal  traf  den  Rajah  von  Ne- 
"fnn\  und  die  Radsbuten-Fürsten ,  so  dass  die  Ostindische  Com- 
pagnie einen  6esamm(gewinn  an  Flächeiunhalt  von  10,665  QM. 
in  diesem  Jahre  machte. 

Unter  der  sehnjährigen  Regierung  des  Königs  Georg  IV, 
(20.  Januar  1820  f  20.  Juni  1830)  wurden  hei  dem  durchaus  un- 


^  \ 


Das   B  r  i  t  i  s  c  h  e  B  e  r  c  h.  309 

▼eränJerten  BesitssCande  der  BritUchen  Macht  In  Europa  diese 
Erwerbungeo  in  Sl&dasien^  fortgesetzt  und  namentlich  nach  Hinter- 
Indien hfnObergetrageo.  Der  Rajah  von  Sawunta-Warre  trat  im 
December  1820  die  Länder  in  Süd-Ronk^n  ab,  derNi^m  wurde 
durch  den  Vertrag  vom  12.  December  1822  lu  abermaligen  Ab- 
%  tretangen  in  den  Bezirken  von  Bedjapoor  und  Admednuggur  ge* 
ndthigty  der  Rajah  von  Johore  musste  1824  fiingapore  {ii  QH.) 
fiborlatsen«  j-*- 

Die  Kriege  in  Hinter-Indien  nnd  namentlidi  mit  den  Bir- 
maaeii  (1823—26)  geben  neue  Erwerbungen,  w&hrend  die  Hollftn* 
der  dnreh  den  Vertrag  vom  K  Man  1825  alle  ihre  Bftitxufigen 
aof  der  Hidbinsel  Malacea  (48  QM.)  gegen  die  Britischen  auf 
der  Intel  Sumatra  austauschten.  Die  vielfachen  Si^ge  des  Eng- 
liiehen  Generals  Campbell  im  December  (am  I.,  2.  und  5.)  1825 
und  am  20.  Januar  1826  erzwangen  den  sehr  vortheilhaften  Frie- 
den an  Yandabao  am  %L  Febnuur  1826,  in  welchem  der  König 
Ten  Ava  die  Gebiete,  Arracan,  Martaban»  Tavei,  Ye  nnd  Ta- 
Basaetim  den  E^l&ndem^  äberiassen  mnsste  (sniammea  1510  QM.) 
nnd  aiifiierdem  nodb  die  Schutdioheit  über  das  gesaaunte  Assam 
•ml  das  Land  ^et  Gairows  deiwelben  einräumte  (ein  GebieC  von 
2800  QM.li.  Die  Rajahs  von  Bahar  und  Berar  traten  aum  gitos«- 
liehen  Besttse  der  Ostinditehen  Compagnte  1826  kleinere  Di- 
•triete  am  Nerbttdd%  SmnfnMpoer  nnd  Patna  ab.  In  Neuheliand 
wnrdeanfdev  Wetdditte  am  Sehwaaenfluate  1828  eine  neaeColo- 
nie  angelegt  " 

Uiiter  der  RegiMung  des  gegenwirtigen  Königs  Wilhelm  IV. 
(seit  dent  26.  Juni  1830)  sind  bis  jetxt  (Juni  1835)  keine  bemer- 
kenswerthe  Veiibnderangen  in  den  Europäis^en  nnd  answärClgen 
Besitsnngen  des  Britisehen  Reiches  vergefallen,  so  dass  der  , 
LSnderbestand  desselben  in  Europa  5556|  QM.  und  in  den 
Qbrigen  Erdtheilen  susaromen  If6,790  QM.  betrügt.  Davon 
gehören  52,431  QM;  als  nnmtttelbarcte  Eigenthunt  oder  Schuta- 
land der  Englischen  Ostindisehen  Compagnie  an,  nämlich 
unmittdbar  27,781  QM.,  als  SbhutzIaQd  24,650  QM. 

Politische   Eintheilung. 

Se  wi^  das  Britische  Reich  für  dai  gesammte  politische  Le- 
ben  den  Typus  seiner    alterthümUchen  Entwickelung   beibehält,^ 


I 


310  Das  Britische  Reich. 

und  Dinr  durch  die  ditagendtte  Nolh  bestimint  werden  lumn, 
den  Antprüchen  d^r  for^esohrittenen  Zeit  nacluH^g;el>eny  so  liat 
et  aueh  f&r  die  politicehe  Eintheilung  «he  ältere  fest  bewahrt» 
unter  der  dieses  Reich  sich  isu  seiner  heutigen  Bedeutsamkeit  eni» 
por  gehoben  hait,  wenn  gleich  nun  gegen w^lrtig  die  einzelnen 
glei^gcstellten  Theile  in  Besug  auf  ihren  Fiäefaeninhalt  und 
ihre  Berdlkerung  eine  ausserordentliche  Verschieilenfceit  un- 
t^inander  seigen.  Denn  sie  lässt  in  mehreren  Grafschaften 
gegenseitig  die  fünfundswanxigfache  Ueberbietung  des  Flächenin- 
haltes oder  der  Bevölkerung  bemerken.  Die  Haiipteintheilung 
der  vereinigten  Reiche  in  Europa  giebt  nun  sowohl  für  die 
innere 9  wie  für  die  ünancielle  und  kirchliche  Verwaltung  diese 
drei  Reiche  selbst  als  dieHaupttheile:  L  Das  Königteich  Eng* 
iand»  IL  Das  Königreich  Schottland,  IlL  Das  Königreich  Irland. 

'  Das  Königreich  England  wurde  unter  König  Heinrieh  VIII. 
mit  dem  Fttrstenthum  Wales  1536  för  die  gesammte  Verwaltung 
Tereinigtundin52Grafschaft€n(Shires)getheilty  von  denen  40 
auf  England  und  12  auf  Wales  kommen.  Die  in  der  Nähe  eineiK 
Grafschaft  liegenden  Inseln  werden  sn  derselben  gerechnet,  nur 
bildet  die  Insel  Anglesea  eine  Grafschaft  für  sich»  und  die  Insel 
Man  wird  fu  keiner  Grafschaft  gerechnet,  sondern  als  ein  beson* 
derer  District  ron  einem  Gouverneur  verwaltet:  dasselbe  Ündet 
hei  den  vier  Norrmannischen  Inseln  cJerse/,  Chiemsej,  Safk  oder 
Cers  und  Aldemj  oder  Aiirignj)  statt,  die  gemeinschafdioh  von 
einem  Gouverneur  verwaltet  werden.  Die  Englischen  Grafschaf- 
ten lerfallen  wieder  nach  der  Verschiedenheit  ihres  Umfangs  in 
6  bis  60  Districte,  die  in  dem  sOdliehen  und  mittleren  England, 
sowie  in  Wales,  Hundreds,  in  Northumberland  und  Cumberland 
Wards  genannt  tiirerden.  Davon  macht  nur  die  grösste  Graf- 
schaft Yorkshire  eine  Ausnahme,  welche  luvörderst  in  3  Besirke 
(Ridings)  serfWt,  die  an  und  fQr  sich  grösser  als  die  meiiiten 
fibrigen  Grafschaften  sind;  diese  Ridings  werden  wieder -in 
31  Wapentakes  abgetheilt,  die  mit  den  Hundreds  öbereinkom- 
men,  und  auch  wie  diese  ihren  Ursprung  aus  den  Lehnsverpflich* 
tungen  des  Ifittelalters,  eine  Waffengenossenschaft  von  Hundert 
Bfann  im  Vasaiienheere  sn  bilden,  hei^leiten« 

Das  Königreich  Sehottland  terfüllt  in  31  Shires  und  2 
Stewartrjr^s  (Stuarts:  W&ehter,  Voigt,  also  Voigteien)»  die  in  der 
Versehiedeoheit  ihres  Flächeninhalts  und^  ihrer  Bevölkerung  den 


\ 


.  V 


Das  Bri4i8clie.Beicl|.  3J1 


Englttdien  Sliires  gleidikomniev.  Von  di^icn  gehören  18  Shire« 
und  1  Stewaitry  dem  tüdlkhen,  8  Skiree  deih  nutderen,  und  & 
Shires  und  1  StewaHrf  (diö  Mitern  mu  den  Orknejg*  und 
Shedandflniefai  bestehend)  dem  nirdliehen  Sehnttland  sn.  Die^ 
CntenbdieUiing  der  Shiree  lind  niehi  hettunnity  einig»  kleinere 
haben  gar  keine,  andere  sind,  in  2  Ms  0  Distriete  getheüt  Ba» 
Königreich  Irland  bildet  tn«rst  die  Tier  Profinsen  Ulster» 
Leinster,  Monster  nnd  Connanght,  die  niemliel^  gleieh  in  ihrem 
Umfange  sind,  aber  in  grösserem  Untefiehiede  Ton  einander  sieh 
diorcli  die  Berulkermig  befinden.  Diese  Tier  Protinten  serfallen 
wiedenunin  32  Grafschaften,  die  hier  Gönnt/ s  gentont  werden 
nnd  mit  den  Englischen  Shite»  in  gleiehem  VerhlÜtnisse  stehen» 
Von  denselben  gehen  12  aaf  Leinster,  0  anf  Ulster,  6  äaf  Bfim;- 
ater  iind  5  anf  Connanght  Din  Grafschaften  werden  wiederum 
nach  den  früheren  Terpflichtungeii  snir  Landesrertheidigung^  jede 
in  4  bia  12  Baronien  eingedieilt 

Die  Grösse  der  Ghrafschaften,  ihrer  absolaten  Bevölkeiong 
naeh  der  nenesten  offtciellen  Zählong  vom  Jahre  1831,  sowie 
ihrer  relativen  BcTÖlkemng  auf  die  geographische  Qttad?atmeile  ^h 
und.  daraus  die  Hauptresultate  fOr  die  drei  Haupttheile  des  Bri- 
tischen Reidis  wird  das  nachfolgende  Uebersichtstableau  ergeben: 

t  Königreich 

England       2,747«<    57,042     13,897,187  Ind.      5,067  Ind. 

A.  England     2,398^  50,210  13,091,065  —  5,495  -* 

Die  40  Shires 

1.  Middlesex  .    .        13<>  293  1,358,541--  99,890  — 

2.  Esset    •    .    .        71^0  1^26  317,233  ~  4^268  — 


*)  Ich  habe  hier  die  Berechnnngen  des  Englischen  Fliehen- 
Maasses  dergestalt  redncirt,  dass  1  Acre  =  l,^^^  Preuss.  Morgen  i 
gestellt  wird,  also  18  Acres  =  15»^*  Pr.  Morgen,  100  Acres  =  1581 
Pr.  Morg.  und  200  Acres =317  Pr.  Morgen.  Eben  so  sind  69^ 
Engl.  Meilen  sc  i  Grad  des  Aequatorfi,  also  1  Engl.  Meile=^  ^  Geegr. 
Meile,  und  1  Engl.  OMeile^TÜv  Geogr.  QMeilen,  ßh^n^^^EngL 
QMeilen.  =  1  Geogr.  Q.  Meile,  und  213'*  Engl.  QMeilen  ae  10 
Geogr^  QMeilen.,  2137'  Engl  QMeilen  ^  100  Geogr.  QMeUen  und 
4275  Engl  QMeilen  =  ^0  Geogr,  QMeilen.  Endlich  640  Acres  geben 
eine  Engl.  QMeiie»  also  gehen  18,744  Acres  auf  eine  Geogr.  QMeile. 


312 


Das'&ritische  Reich. 


1  "             ■ 

6.  QM. 

BogLQtf. 

Bevtnkemof 

3.  Sttffolk  .    «    . 

7280 

• 

1»554 

296,304  Ind. 

4.  Norfolk     .    .    . 

.  ,P7*» 

2,Q86 

390,054  — 

5k  Cambridge     .    .* 

...40» 

.  .  862 

149,955  — 

fi.  Hertford  •    * ,  , 

2^61 

526 

143,341   — 

7.  Buckinghnm  .    , 

34» 

«     • 

741 

146,529  — 

8.  Oxibfd   .  •    •    < 

.    35« 

761 

151,726  ~ 

9.  Glouceiter     •    . 

.    69W. 

j;i73 

386,904  — 

10,  Monmottth     •    . 

23« 

.     497 

98,130  -^ 

11.  H«reford   .    .    . 

.  .39«^ 

.   ?50 

110,976  — 

J2r  Worce»tcr      ,    , 

.33«o 

.713 

211,356  — 

13.  Warwiek  .    •    • 

.    427« 

912 

336,088  — - 

14.  NbrthamptoD 

.    47" 

1,018 

179,276  — 

15.  Bedford          .    . 

,    21« 

467 

95,383  —- 

IQ.  Huntingdoii  .    . 

173' 

360 

53,149  ~ 

17.  Rutland     «    .    < 

9« 

208 

19,385  — 

TS.  Leicester  .    .    . 

.    378t^ 

809 

197,003  — 

1%  Stafford     ,    ,    . 

.    53» 

1144 

410,485  ~ 

20.  Shropa- od.  Salof 

\    U^ 

1321 

282,503  — 

21.  ehester      .    . 

,    48W 

1046 

334,410  — 

22.  Derby   .    «    .    . 

,    47»» 

1013 

237,170  — 

23.  Nottingham    •    , 

.    36« 

774 

226,320  — 

i24.  LiAcoln     •    . 

,  127*« 

2724 

317,244  — 

25.  York     .    .    . 

.  2775<> 

5931 

1,371,206  — 

26.  Lancaater  •    •    , 

,    827« 

1768 

1,336,854  — 

27.  Durham     •    •    . 

45« 

966 

253,827  ~ 

28.  Northumberlaad 

90W 

1946 

222,912  — 

29.  Cuiiiberiand  •    . 

8284 

1770 

169,861  — 

30.  Westmoreland    . 

.    35W 

760 

55,0^11  — 

31.'  Kent     .    .    .    . 

,    72»» 

1546 

479,155  — 

32.  Susiex       •    •    . 

.    685« 

1464 

272,328  — 

33.  Surrey  •    •    •    < 

.    357« 

762 

486,326  — 

34.  Berka    .    .    •    . 

35«« 

759 

145,289  — 

35.  Hantt    •    •    •    . 

.    76" 

1642 

314,313  ~ 

36.  Devon  .    •    •    < 

.  121*« 

2597 

494,168  — 

37.  Somerset  •    •    . 

.    76« 

1641 

403,908  — 

38.  Wüta     .    .    . 

.    69 

1261 

239,181  — 

39.  Dorset  .    ,    . 

.    46^* 

977 

159,252  — 

40.  CornwalL  .    : 

r  62W 

1342 

ä02,400  — 

auf  1  OH. 
4,037  Ind. 
4,104  — 
3,719  -^ 
5,826  ~ 
4,24^  - 
4,303  — 
6,485  — 
4,218  — 
2,807  -r- 
6,310  — 
7,888  — 
3,760  — 
4,386  — 

3.066  — 
1,983  — 
5,180  — 
7,682  — 
4,574  — 
6,825  -r 
5,004  — 
6,231  — 
2,488  — 
4,941  — 

16,131  — 
5,616  — 
2,499  — 
2,058  — 
1,533  — 
6,624  — 
3,983  — 

13,570  — 
4,092  — 
4,095  — 

4.067  — 
5,261  — 
4,054  — 
3,487  — 
4,819  <— 


D4IS  Britisch«   ftelcb. 


913 


6.<«M. 

BevSlktVMf 

BefOk. 

B.  Das.FfirgteQ. 

thum  WaUs 

B49»«  . 

WÖ6 

805,236  Ind. 

2,304  In<l. 

Die  Grafschaften 

41.  Pembroke     .    ,  , 

285« 

609 

•      81,424  — 

2.857  — 

42.  Carniarthen  .    • 

45*' 

968 

100,655  — 

2,212  — 

43.  GlafLergan    .    . 

35W 

757 

126,612  ^  , 

3.582  — 

44.  Breeknok       .    • 

35" 

746 

1 

47,763  ~ 

.  1,365  — 

45.  Cardigan 

31$» 

673 

64,780  —  ' 

2,056  — 

40.  Radoor    •    .     • 

19*» 

425 

24,651  — 

1,232  — 

47.  HoDtgomerj       , 

38»»-, 

819 

169,485  — 

1,782  — 

48.  MeriÖDetlk    .«-    • 

309» 

658 

35,609  — 

1,148  — 

49.  Füllt     .... 

11^ 

243 

60,012  — 

5,263  — 

50.  Denbigh    .    .    • 

318» 

679 

83,167  — 

2,633  — 

51.  Carnanron    ,    . 

22'» 

487 

'  65,753  — 

2,915  — 

52.  d.  Insel  Aogletea 

84« 

179 

48,325  — 

6,751  — 

dazu  die  Insel  Man 

105« 

224 

40,985  — 

3,946  — 

ILDasKönigreich 

Schottland        146P? 

31,239 

2,365,807  — 

1,619  — 

A-Stidsehottland. 

425'« 

9,088 

1,392,608  -- 

3,271  — 

Die  Grafschaften. 

■ 

1.  Midlothian  oder 

- 

Cdinburg    •    •    .    , 

18W 

392; 

219,592  ^ 

11,959  — 

2.  Westlpdiian  od« 

Linlithgow      •    •    • 

6W 

107 

23,291  ~ 

4,435  — 

3.  Eastlothian  oder 

1 

Haddington     •    .    . 

14 

299 

36,145  — 

2,582  — 

4.  Berwick    oder 

Merte     •    •    «    •    . 

223» 

479 

34,048  -- 

1,538  — 

5.  Tevioddale  oder 

Roxburgh  .    •    •    • 

34SS 

731 

43,663  — 

1,280  — 

6.  B<^kirk     •    •    • 

12 

256 

.      6,733  ^ 

561  — 

7.  Tweeddale  oder 

Peebles       .... 

II«* 

248 

10,57?  — 

915  — 

8,  Dumfiies       .    . 

63" 

1357 

73,770  — 

1,154  — 

9.  East-Gallowaj  od. 

/ 

Kirkcudbright      .    • 

40M 

857 

40,590  — 

1,009  — 

10.  West-Gallowayo. 

• 

Wigtown    .... 

21  »0 

462 

3($,258  — 

1,712  — 

IL  Ayr      .         .    . 

48 

1026 

145,055  — 

3,022  — 

314 


Daft'^rititeh«  Iteick 


12.  Lanark  od,  Cljr- 
deadale        .... 
|3.  Renfrew    . 
14  StirÜDg  o4er 
Strireliiig    .    .    •    . 

15.  CiaekmaBnan    ,. 

16.  Fifa      .    .    .    . 

17.  Kinross     •    •    • 

18.  Dombarton  oder 
Dumbritton  •  .  . 
Die  Stewirtry  Bäte 

B.    Mitteltebott- 
land  •    •    • 

1 9.  Iny«rafj  o.  Argjle 
mit    der    Halbinsel 
Kantjre    •    •    •    • 
30.  Perth 

21.  Anguf  o.  Forfj 

22.  Mearns  4Mler 
Kinkardine 

23.  Aberdeeno.Har 

24.  Banff       .    .     . 

25.  Elgin  o.  Marraj 

26.  Naini 


G.  OH»     Eb(L  <K      BevSIkeraif 


*  fc 


40S1        M3 
ll^t        240 


33 

207 

22** 
34« 

11** 
10^ 


•    •     * 


•     • 


•    • 


,y74 

34«« 

26«* 

7>» 


C.    Hochaehott« 
laitd    •    •    •    •    • 
27.  InTernesa»  mit 
Einschluu  d.  Hebii- 
den-Inieln     •    •    • 
28  u.  29.  Tajn  o.  Rom 
und  Cromarty   •    . 
30.  Satherland     •    • 
3L  Caithoeas        •    • 
DieStewartrj  Orknej 
und  Shetland  (d.  Orka« 
diftcben  und  ShetUln- 
diseben  Inseln)     • 


702 
44 

475 
73 

247 
224 


136        2,907 

110**     2,361 

43*'        922 


379 
1,880 
745 
553 
155 


134»*     2,867 

88*<>     1,883 
32S0        092 


316,819  Ind. 
133,443  — 

72,621  -- 
14,729  — 
1^,839  r- 
9,072  — 

33,211  ^ 
14,151  — 


101,425 

142,894 
139,606 

31,431 

177,651 

48,609 

34,231 

9,354 


222        4,752  91,794  — 


74,820 
25,^1 8 
34,529 


aof  IQM. 

7,810  Ind. 
12,039  -^ 

2,201  — 
7,364  — 
5,806  ~ 
2,602  — 

2,887  ^ 
1,348  — 


474^     9,902        685,201  —        1,476  — 


746  — 
1,293  — 
3.224  — 

1,776  — 
2,019  — 
1,389  — 
1,282  — 
1,299  — 


57PS   12,214        287,900  —  504  — 


427  — 

567  — 

289  — 

1,062  — 


U^     2,020  58,239  —  616  — 


Da«  Briiicch^  Reich. 


sui 


6. 

• 

.  QM.     Bofl.  QM. 

BevAkensf. 

BevSlk. 

lILDasKBnigreieh 

_- 

1 

Irland 

1315^'  ^ 

28,111 

7,767,401  — 

^,902  — 

A.   Die    ProyioB 

• 

Leinster 

318S0 

«,802 

1,909,713  — 

6,006  — 

Die  Grafschaften 

1.  Dublin  «    .    •    • 

14" 

312 

386,694  — 

26/186  — 

2.  Widdow    .    »    . 

29^* 

637 

132,301  — 

4,454  — 

3.  Wexford    •    •    • 

37« 

796 

182,991  *— 

4,913  — 

4.  Kilkennj  .    •    -. 

34 

f27 

193,024  — 

6,677  - 

5.  Catherlagh    oder 

Carlow    •    .    .    ,    ^ 

14 

299 

81,576  — 

6,827  — 

6.  KUdare      .    •    • 

27 

677 

108,404  -* 

4,016  — 

7.  Qaeeni  •  Countf 

(Königin.  Gr.)      .    , 

28 

598 

145,843  — 

6,209  — 

8.  Kingi  -  Countjr 

(Königs.  Gr.)  .    .    . 

32^» 

700 

144,429  — 

4,410  — 

9.  East-Meath     .    . 

38«» 

830 

177.093  — 

4,584  — 

10.  We8^MeaCh    ,    * 

29*' 

620 

136,799  — 

,  4,637  — 

11.  liongford  .    .    • 

18 

385 

112,391  — 

6,244  — 

12.  LouCh    t    •    •    • 

15 

321 

108,168  — 

7,211  — 

f 

B,  Die    Provins 

» 

i 

Ulster 

34D7S 

7,272 

2,^6,622  -« 

6,706  — 

Die  Grafschaften 

13«  Cavan   .    .    .    • 

27« 

590 

228,050  — 

8,230  — 

14.  Monaghan  •    •    • 

25W 

528 

195,632  — 

7,892  — 

15.  Anuagh      •    .    • 

19» 

416 

220,651  — 

11,316  — 

16.  Down  *  •    •    •    • 

40^» 

860 

352,751  — 

8,651  — 

■ 

17,  Antrim  •    •    .    . 

43" 

923 

314,698  — . 

7,293  — 

1 

18.  Londonderj  oder 

1 

Coleraine  nnd  K^ne 

29»» 

627 

222,416  ^ 

>',558  — 

19.  Dungal  oder  Do- 

* 

t 

negal  ..••.. 

81»* 

1,738 

298,104  «- 

3,664-« 

20.  Tjrone  od.  Tir- 

^ 

Eoghain .     .    •    •    . 

48«» 

1,032 

302,991  — 

6,270^ 

21.  Fermanagh     .    • 

25» 

528 

149,566  -« 

6,934  — 

C.  Die  Provina 

Connaught 

266" 

5,686 

1,343^14  — 

6,041  — 

\ 


316 


0&S  Britische   Reich. 


6.  QU*     EiifL  QM.*    BevIfUieraoff, 

Die  G^rafsehaften 

22.  Leitrim  ....      24s« 

23.  Sligo     •    .    .    .      27»* 

24.  Mayo     .... 

25.  Roscommon    . 

26.  Qalway  o.  Gallive      01^     1,951 


624 
583 
85«»  1,810 
38«        818 


141,303  — 
171,508  — 
367,636  — 
239,063  — 
423,504  -* 


«    • 


D.    Die    Provinr 
Monster     oder 

Mounster 

Die  Grafsehaften 

ir.  Cläre 

28.  Tippcrary' 

29.  Waterford 

30.  Limerik 

31.  Kerry    . 

32.  Cork      . 


p    • 


51»»  1,095 

70W  1,613 

30?* 

4435 

74'*  1,596 

117«»  2,501 


657 
048 


258,262 
412,598 
176,898 
332,030 
239,989 
807,366 


227» 


12 


486 
256 


IV.   Die  (Ihrigen  Be- 
sitsnngen  in  Europa 
L  Die  Normanni- 
schen Inseln    .    •    • 

2.  Die  Festung  Gi- 
braltar nebst  ihrem 
Gebiete 

3.  Die  Inseln  Malta, 
Goszo,  Comino    •    • 

4.  Die    Ins^r    Hel- 
goland   •    .    .    .    • 
Mithin  hetrg.  s  &  m  m  I- 
licheEatop&ische 
Besitzungen    •    •    •  5,556'*  11^478  24,785,582* 


10*» 
O^s 


6 

210 

5 


Bevelk. 

5,745  — 

6.311  — 

4.312  — 
6,259  — 
4,642  — 


889««»  '^  8,332     2,227,152  —        6,722  ^ 


5,044  -- 
5,826  — 
5,745  — 
7,498  — 
4214^ 
6382  «^ 


201,845  -.        8;872  ^ 
61,682  —        6,140  — ' 

120,839  «—      lT,819  — 
2,300  —  — 

4,460  ~ 


*)  In  diese  Somme  der  gesammlen  fBevoIkerang  ist  auch  zu- 
gl4>ich  die  An7Jihl  der  stehenden  TrutE>pen  und  der  Matrösen  in  den  ein- 
registrierten Schiflen  eingeschlossen;  vrelcbe  nach  den  oben  angeführ- 
ten ofificiellen  Listen  über  das  Wachsthum  der  Bevölkerung  für  das 
Jahr  1831  ^Hfill  Mann  betrogen.  ^ 


Das  Brititc b'e  Reick« 


317 


Dm  wir  tob  deo  AusAr-EvropftiselienBctitsvngen  eben 
1^  I.)  sckoD  »cigtciithcito  bei  itm  Enrerb  4«  •inieliiMi  4ßa 
VtmiMmg  iWes  Fl&clieiiiabalts  aog^^ebeo  bal^eii,  «o  (nbrco  wir 
bicr  wu  ihn  Vcrthrihing  Jiadi  den  VerwaltttngtbeiirkeD  ««f. 

Bew.  auf 
I   QM. 

2,326 


L  ABiatifehe. 
A.  Die  Besitsnngea  der  Eng- 
Uscb-Oitindithen  Compag- 
nie  in  den  drei  Stattbalter- 
ecbaftm  Bengalen,  Madras 
nnd  Bonibaj,  alt  nnmittel« 


Geogr.  QH. 

53,307 


Cinwoh. 
12d^M00 


B.  Die    mittelbaTeB    Sebnte* 
Staaten   der  Compagnie 

C.  Die  Insel  Cejlen  unter  ei- 
nem besonderen  Gomremear 
IL  Afr^anisebe. 

Sie  bestdiMi  jetst  ans  5  Vo^ 
walCnogsbesirken,  die  Ton 
einem  Gonvernenr  geleitet 
werden:  a)  Das  Kapland,  wel- 
ebes  allein  einen  bedeutenden 
Fläcbeninbalt  auf  dem  Festlan- 
de Afrikas  besitst  (6,035  QM.) 
b)  Sen^^ambien  and  Sierra* 
Leona,  e)  Cape-Coast  für  die 
Besitsungen  auf  Gaiaea,  d) 
Mauritius,  weleber  sugleich 
die  Secbellen  Inseln  r^ert; 
e)  St  Helena  •*) 


27,781       83,151,000«)      2,089 
24,650      40,150,000         1,629 


966 
6,723 


950,500 
275,606 


984 
41 


*)  Nach  Walt  Hamiltmi  a  geögrqddcal,  statktlca]  aad  historical 
loa  pf  Hiadostan,  London  820.  4 


**)  Die  Verwaltung  dieser  Insel  hing  sonst  unmittelbar  von  der 
Englischen  Ostindischen  Compagnie  ab,  indem  sie  nur  für  die  Zeit 
des  Anfenthalcs  Yon  Napoleon  einem  besondem  Militair-Gon?efneur 
als  BefeUshaber  der  dortigen  Besatsung  untergeordnet  war.     Sei^ 


I . 


318 


Das  Britisphe  Reicti. 


ni.  Amerikapiselie.  104,225 

A.  Im  öntliehen  Nordame- 
rika. 


Die  6  Gouvernements  1)  Ober- 
Canada 

2.  Unter-Canada 

3.  Neu-Schottland 

4.  Neu-Braunsehweig 

5.  Prinz-Edwärds-Iniel 

6.  Neu-Foundland 

Dazu  die  Hudaonsbusen-Länder, 
von  denen  Labrador  oder  ^eu- 
Britannien  dem  Gouv.  Neu^ 
Foundland,  ^eüwale«  aber 
dem  Gouv«  Unter-Canada  un- 
tergeordnet ist 

B.  Auf  der  WestkfisteNord- 
Amerikas 

Die  Länder  Neu- Albion ,  Neu- 
Georgien,  Neu-Hannover,  Neu- 
C^ornwall,  Neu-Norfolk  bilden 
bei  der  sehwaohen  Bevölke- 
rung und<  dem  beschränkten 
Handels-Interesse  noch  keine 
eingerichtete  Verwaltungsbe- 
sirke. 

€.  Westindisehe  und  an- 
dere Amerikanische  In- 
seln. 

1.  lamatea  mit  einem  eigenen 
Gouvernement 

2.  Gouvem.  Barbadoes  für  diese 


54,500 


8,500 


704 
200 


EinwolL 
2,010,840 


04,500        1,102,042 


Bew.  auf 
1  QM, 
10 

12 


6,806 

540,222 

78 

4,700  . 

234,865 

-   50 

670 

14S^,548 

213 

1,350 

72,034 

54 

'  112 

23,473 

200 

;6^i 

.88,000 

3 

80,000  (?)         10(1) 


720,100 


018 


382,241         1,421 


■»p 


dem  1.  Aprli  1835  ging  sie  aber  gänsHch  von  derCompagnie  an  die 
Bnglifiche  Regierung  fibi?r,  die  daselbst  einen  CivilpStattiialter  nebtn 
de9i*€onmiattdear  der  Besatsung  hShi 


Da»  BritMche  Beich. 


319 


Antille     und     St.    Vineent, 
Grenada  und  Tobago  33^ 

3.  GouFern.    Äntigaa,   sugleich 

fOr  MonUenpat  7 

4.  Gouvern.  St  Christoph,  tu- 
gleich  für  Newts,  AnguUla  u. 
die  Jungfer-Inseln 

5.  Gouvern.  Dominica 

6.  Gouvern.  Trinidad 

7.  Gouvern.  St  Lucia 

8.  Gouvern.  der  Bahama-Inseln 

9.  Gouvern.  der  Bermudaa-Inieln 
D.  Auf  derK&ste  von  Süd- 

'     Amerika  425 

1.  Das  Grouvern.  Guiana,  weichet 
in  die  3  Bezirke  Demerara, 
Essequebo  u.  Berbice  terfälU       415 

2.  Die  Honduras-Colonie  10 
IV.  Australische.                      12,445 

1.  Dat  Gouvernement  Neu-Söd« 
Wales  mit  den  dätu  gehörigen 
Inseln   .  7,280 

2.  Das  Gouvern.  Van  Diemens- 

Insel       ^  1,255 

3.  Das  Gouvern.  des  westliehen 
Australiens  3,910 

Mithin   betragen  sämmtliche 
Ausser-Europäische  Besitzun- 
gen des  Britischen  Reichs         176,790 
und    das    Rammte    Britische 
Reich  182,3467» 


Einwoh. 


Bew.  auf 


1  QM. 
161,479         4,749 

37,192         5,317 


15 

46,126 

3,075 

13* 

18,890 

1,349 

78«» 

41,749 

522 

10» 

14,^99 

1,415 

257 

16,788 

64 

lotf 

]0,142 

94 

105,698 


50,000 
22,000 


249 


101,855  245 

3,843  384 

72,000  (?)  6(?) 


18 


126,615,952(?)        716(?) 


141,401,534 


776 


Da  nun  ein  so  beträchtlicher  Theil  der  auswärtigen  Besitsun« 
gen,  namentlich  di^  Asiatischen  und  die  Westindit^ieB»  «ine 
starke  Bevölkerung  und  eine  angemessene  Entwickelung  derphj- 
tiathen  und  technitehen  Cultur  begitten,  so  leuchtet  et  klar  ein, 
von  weldier  wicktolseiligeD  Bedeutung  die  Einwirktt«g  derselbea 
auf  ihr  Muttcriaad  sidi  geltend  nmAwn  »ustk     Du  Mutterkiai 


320  Das  Britische  Reich. 

oder  das  BritUche  Reich  in  Europa  bildet  aber  in  dem.  Fllclien* 
inbalt  noch  nicbt  ein  Fünf^unildreiaiiigtheil  des  gesammtea 
Staateiy  während  es  bereits  den  dreissigsten  Theil  von  ganx 
Europa  und  ein  Vierhundertfünfundsiebensigtheil  der 
bewohnten  Erde  ausmacht  Die  Revöikerung  dagegen  des  ge- 
sammten  Britischen  Staates  beträgt  über  drei  Fünftheile  der 
Bevölkerung  von  Eoropa  und  über  ein  Siebentheil  der  Be* 
völkemng  der.  gesammten  Erde,  während  das  Britische  Reich  in 
Europa. ailein,  eine  Bevölkerung  besitst,  die  beinahe  ein  Neun- 
theil  der  übrigen  Europäischen  beträgt  Unter  den  fünf  Staaten 
vom  ersten  Range  nehmen  die  Luropäiscfaen  Besitzungen  Gross* 
britanniens  in  Flächeninhalt  und  Bevölkerung  den  vierten  Platx 
ein,  da  sie  nur  um  Hrenige  hundert  Quadratmeilen  den  Preussi- 
Bchen  Staat  übertreffen,  doch  in  der  Bevölkerung  fast  das  Dop* 
pelte  darbieten,  und  überhaupt  als  ein  grosser  Staat  relativ  die 
stärkste  Volksmenge  besitsen. 


«.  4. 


Physische    Beschaffenheit^    klimatische  Verhält- 
nisse ^  Land-  und  Wasserstrassen.  ^ 


Der  dritte 'Theil  de^  oben  angeführten  r§,  1.)  Rdsebesehrei« 
bang  von  Ch.  Dupin  ist  hiefür  als  ein  vorsügliches  Hfil&mit* 
tel  su  beachten:  er  führt  den  besonderen  Titel  forc€  com- 
merciaUt  travaux- public»  et  <f  a$$ootationf  and  swar  in  dem 
ersten  Bande  dieftes^  Theili  sind  behandelt:  voieä  publique» 
place»  ^  rue»^  rouie»^  cunnaux^  pont»  et  chau»»^»»,  in  dem  swei- 
ten  Bande  c6te»  et  port»  maritime». 

Grossbritannien  nnd  bland,  als  Inselreiehe  voa  einem  so 
■läsBigen  Umfange,  lassen  schon  im  allgemeinen  nach  ihrer  Na- 
tur auf  nicht  sehr  ausgebreitete  Oebirgsstöeke  und  auf  eine>ortheil* 
hafite  Bewässerung  schliessen.  Dies  findet  auch  in  der  That  in 
einem  sehr   günstigen  Veidiltaissa  für  diesen  Staat  statl^  denn 


/ 


\ 


Das  Britiscbe  BeUb.  321 

nur  Hoehtehottlaad  und  Wales  Terlieren  Terhältnissm'ässig  ein 
bedentendet  T«min  ^an  unwirthbare  Gebirge,  während  Elngland, 
Südichotdand  und  Irland  Ton  Natar  her,  eich  der  günitigtten 
Bewäaserang  in  Eoropa  erfreuen.  Die  Küsten  bieten  die  treif- 
liehsten  H&fen  dar,  während  die  so  sehr  benaehbarte  Fransd- 
sbehe  Küste  nur  wenige  ausgeieiehnete  sähH  und  für  grosse 
Kriegssehiffe  nur  durch  grossen  Kostenaufwnnd  und  mit  der 
äussersten  Anstrengung  der  Wasserbaukunst  sw^i  brauchbar  er« 
weiterte  und  vertiefte  erhalten  konntp.  Irland  allein  gewährt  14 
Häfen  für  Linienschiffe,  17  für  Fregatten  und  ausserdem  noch  3S 
für  grössere  Handelsschiffe  sugängliche ;  England  sählt  18  Kriegsh&- 
ien,  44  für  grössere  Handelsschiffe  und  438  Rheden  für  Küstenfahrer. 
Englands  Oberfläche  xeigt  im  Süden  und  Osten  yonhigsweise 
Flachland,  niedrige  Küsten  durch  unbedeutende  Kreideberge  un* 
terbroohen,  im  Westen  und  Norden  ist  es  dagegen  mit  einer 
massigen  Hügelkette  ron  Wales  und  Schottland  abgesondert 
Die  Abdaehnng  nimmt  hier  überall  ihre  Richtung  nach  den  Kü« 
sten,  daher  ist  der  Lauf  der  Flüsse  von  unbedeutender  Länge, 
/aber  überall  geeigtiet,  rqn  der  See  aus  die  Waaren  in  das  innere 
Land  mi  bringen.  DasFürstenthum  Wales  trägt  dagegen  den  Charak- 
ter eines  Völligen  Gebirgslandes  an  sich,  das  jedoch  auch  nur  wenige 
hohe  Ber§^egel  xeigt,  keinen  über  4000' Höhe.  Die  Bewässerung  ist 
hier  am  späriichsten,  und  selbst  Canäle  können  hier  dem  natürlichen 
Mangel  wenig  abhelfen.  Schottland  beginnt  gleich  bei  der 
Südgränse  als  Bergland  sich  su  erheben,  und  steigt  in  der  Rieh« 
tnng  von  Süden  nach  Norden  immer  höher  an.  Die  Bewässerung 
ist  stark  und  hat  eine  übersul'  reichliche  Quelle  in  den  23  gros- 
SOI  Laadseen  und  einer  noch  weit  beträchtlicheren  Bienge  klei- 
nerer; die  Östliche  Küste  ist  im  Allgemeinen  flacher  als  die  westliche, 
daher  mit  besseren  HÜlfenrrersehen  und  nimmt  vorsugsweisedenLauf 
der  Flüsse  nur  Ausmündnng  in  die  Nordsee  auf.  Doch  tragen  beide 
Kfistm  viele  FeUenriffe,  "^e  nur  auf  der  westlichen  einen  noch 
wilderen  und  unsugänglicheren  Charakter  annehmen.  Irland 
bietet  auf  seiner  Oberfläche  die  grösste  Abwechselung  dar,  besitst 
swar  keine  hohen  Gjsbirge  aber  viele  Hügel,  uiAgüftet  von  unab* 
sebbarem  Moorlande.  Landseen>und  Flüsse  sind  auf  dieser  Insel  im 
Uebermaasse  vorhanden  und  nehmen  ihren  Ausfluss  nach  allen  Rich- 
tungen der  Küste  su.  Die  Küste  selbst  ist  im  Norden  durch  hohe  Ba- 
siltfelsen  ansgeaeichnet^  im  Osten  nach  England  su  sehr  abge- 
flacht, im  Süden  und  Westen  ausserordentlich  serrissen« 

Schnbert'8  Statistik  II.  21 


322  Das  Britische   Reich. 

Die  Lage' Grossbritanniens  und  Irland  erstreckt  sich  swi- 
«eben  50^  und  60®  nördl.  Breite  ^),  bietet  d  Aer  bei  seinem  ver* 
h'ältnissmässig  geringen  Fläcbeninhalte  ein  sebr  verscbiedenea 
Klima  dar.  Doch  ist  das  Klima  überhaupt  bei  der  allgemeinen 
Insularlage  dieses  Staates  überhaupt  sehr  feuoht»  und  gewährt  daher 
im  Winter  eine  geringere  Kälte,  als  in  den  benachbarten  etwas 
südlicher  liegenden  Ländern  «les  Festlandes,  wie  denn  diese  Ein- 
wirkung der  Seeluft  auch  im  Sommer  sur  Milderung  der  grossen 
Hitze  dient  Die  Themse  friert  selten  su,  und  es  war  daher 
«chon  im  Mittelalter  ein  allgemeines  Volksfest,  wenn  dieser  sel- 
tene Zustand  eintraf,  der  auf  der  gefrorenen  Fläche  des  Flusses 
selbst  Festlichkeiten  aller  Art  yeranlasste,  die  indess  selten  oline 
grossen  Schaden  abliefen,  weil  das  kraftlose  Eis  in  wenigen  Mi- 
«^ten  seine  Haltbarkeit  verlor.  Die  Kälte  beginnt  in  der  Roge^ 
^n^  %^E!^^  Weihnachten,  der  Frost  dauert  selten  länger  als 
ein  bis  zwei  Tage  und  erreicht  in-  den  meisten  Jahren  nicht  10^  . 
Reaunu  Kälte,  und  nur  Wale«,  Cumberland,  Westmoreland  und  Nort- 
humberland  haben  eine  rauhere  Witterung,  noch  stärkeren  Nebel  und 
länger  anhaltenden  Frost  Die  Hitze  des  Sommers  erhebt  sich 
eben  so  selten  über  20^  Wärme  Reaum.,  und  dabei'  geniesst  die 
landwirthschaftliche  Cultur  den  ausserordentlichen  Vortheil  9  Mo- 
nate (von  dem  Anfang  des  März  bis  in  die  letzten  Tage  des  No- 
vembers) des  Jahres  treffliche  grüne  Weide  zu  besitzen,  die  weder 
unter  einer  dörrenden  Hitze,  noeh  unter  einer  früh  eintretenden 
Kälte  leidet.  Aber  auch  selbst  in  den  noch  übrigen  drei  Monaten  fin- 
det das  Nutzungsvieh  in  dem  grössten  Theile  Englands  eine  wenn  auch 
spärlichere  Nahrung  auf  offenem  Feld^  so  dass,  da  der  Schnee  kaum 
einige  Tage  lang  liegen  bleibt,  die  Noth  sehr  selten  das  Vieh  auf  eine 
überaus  kurze  Zeit  in  die  Ställe,  treibt  Der  Zustand  des  niederen 
Schottlands  ist  d^m  ganz  ähnlich,  nur  erscheint  die  westliche  Küste 
noch  viel  feuchter  als  die  Östliche.  Das  mittlere  Schottland  ist 
bei  der  zerrissenen  Beschaffenheit  seiner  westlichen  Küsten  und 
4en  vielfachen  Seen  fast  unaufhörlich  heftigen  Stürmen  ausge- 


*)  Im  Soden  Englands  daaeH  der  längste  Tag  16  Stunden  SU 
Minuten,  der  kürzeste  7  Stunden  30  Minuten;  in  der  nördlichsten 
hegend  Hochscholllands  dagegen  der  längste  Tag  19  Standen  16 
MinuteUi  der  kürzeste  4  Stunden  45  Minuten. 


/ 


Das  Britiscbe  Reich.  323 

\ 

■etxty  die  Ar  das  Hochland  in  einem  noch  erhöhten  GradiB  sa* 
nehmen  und  fast  in  ewigen  Nebel  die  Gipfel  der  Berge  verhüllen. 
Irlands  Klima  istwiedemm  noch  feuchter  als  das  untergleichem  Brei- 
tengrade ,  liegende  England,  aber  eben  deshalb  auch  im  Winter  und 
Sommer  noch  gemässigter.  Die  sahUosen  Seen,  Flüsse,  Moräste 
erhalten  ein  ewiges  Grün  auf  dieser  Insel  und  drängen  ihr  den 
Character  eines  für  die  Landwirthschaft  vorzugsweise  begünstig- 
ten Landes  auf,  das  indess  eben  wegen  dieser  geschilderten  na* 
tliriichen  Beschaffenheit  sich  doch  mehr  für  die  Viehzucht  ab  für 
den  Acl^erbau  eignet  Das  Klima  unterstützt  demnach  jeden 
Zweig  der  Viehzucht  und  des  Ackerbaues,  der  auf  Getreidearten, 
Obst,  Knollengewächse  und  Kräuter  besi^hränkt  bleibt,  die  nicht 
die  Temperatur  des  Weinbaues  und  der  Südfrüchte  erfordern. 
Für  die  Gesundheit  des  Menschen  scheint  dies  Klima,  mit  Aus- 
nahme einiger  sehr  morastiger  Gegenden  Irlands,  durchaus  angemes- 
sen, und  auch  noch  das  höhere  ]L.ebensalter  erfreut  sich  hier  ei- 
ner kräftigeren  Thätigkeit;  die  Sterblichkeit  ist  verhältnissmässig 
gering,  wo  nicht  besondere  Einwirkungen  der  Fabriken -Industrie 
oder  der  aus  Uebervölkerung  entstanden^  grossen  Armuth  ein- 
xelner  Grafschaften  Irlands  ein  unnatürliches  Verhältniss  hervor- 
rufen. ' 

Die  Gebirge  Grossbritanniens  steigen  von  Südwesten  gegen* 
Nordosten,  jedoch  so,  dass  d!\tr  Östliche  Theil  der  südlichen 
Hälfte  der  Insel  zum  iiiölligen  Flachland  sich '  ebnet  Die  weni<* 
ger  hohen  Zweigv  dieser  Gebirge  enthalten  aber  gerade  die  reich- 
sten Gruben  für  Zinn,  Kupfer,  Eisen,  Blei  und  Steinkohlen.  In 
dem  äussersten  Südwesten  erhebt  sich  das  Gebirge  von  Corn- 
wall,  welches  nach  Westen  auf  dem  höchsten  Gipfel  gegen  1500' 
hoch  in  die  Vorgebirge  Landsend  und  Lezurd,  nach  Osten  in 
das  Vorgebirge  Dungeness  in  der  (Srafschaft  Kent  ausläuft  Nach 
dem  inneren  Lande  zu  breitete  sieh  in  derselben  Richtung  von 
Südwesten  liach  Nordosten  der  Dartmoor-Kamm  in  der  Graf- 
achaft  Devon,  der  höchste  und  wildeste  Theil  dieses  Gebirges.  Bei 
Tiverton  geht  er -zu  den  metallreichen  Blaekdowns- Hügel, 
als  Gränzscheide  der  Grafschaft  Sommerset  über,  und  in  dieser 
erheben  sich. als  Nebenzweig  die  Mendip- Berge,  welche  von 
Bridgewater  westlioh  längst  der  Nordküste  dieser  Grafschaft  durch 
den  steilen  und  rauhen  Exm^or-Kamm  begleitet  werden.  Der 
Canal  von  Bristol  und  die  Severn    sondern  diese  Gebirge  von 

11  ♦ 


324 


Das  Britifiche  Reich. 


den  im  FQntendiuiii  Walei  ab,  /irelche  in  dem  Hauptkamm  von 
Süden  (Vorgebii|^c  St  Anna  und  Davids)  nach  Norden  dieses  Land 
dMrehsiehen,  besonders  reich  an  Steinkohlen  und  den  oben  ge- 
nannten Metallen  sich  xeigen»  und  bis  in  das  Vorgebirge  Clianus 
.auf  der  Insel  Anglesea  auslaufen,  die  frtiherhin  ohne  Zweifel  mit 
dem  Festlande  xusammengehangen  hat  Üet  höchste  Gipfel  ist 
der  Snoirdon  in  der  Grafschaft  Camarvon  3456'  hoch.  Auch 
dieses  Gebirgo  flacht  sich  nach  Osten  lu  den  Thälem  der  süd- 
lieh sich  mündenden  Sevem  und  der  in  entgegengesetster  Rich- 
tung ausströmenden  Dee  ab.  Nördlich  von  diesen  Flüssen  und 
dem  Mersey  beginnt  das  Peakgebirge,  welches  die  Grafschaf- 
ten Derby,  Lancaster,  York,  Durham,  Westmoreland  und  Cum- 
berland  einnimmt,  gleichfalls  am  höchsten  im  Westen  sich  er- 
hebt, aber  auch  gegen  Osten  nach  der  Küste  xu  nicht  in  ein 
völlig  ebenes  Land  übergeht  In  diesem  Gebirge  sind  die  haupt- 
^s'achlichsten  Fundgruben  für  die  Ejiglische  Industrie,  unerschöpfliche 
Steinkohlenlager,  jedoch  xeigt  sich  hier  weniger  Reichthum  an  Me- 
tallen. Die  höchsten  Gipfel  sind  derWhamside  4052^  und  der  In- 
gleborough  3987'  hoch,  der  westlichste  Kamm  in  Cumberland 
und  Westmoreland  heisst  das  Luneforestgel^irge»  das  auf  den 
höchsten  Puncten  300(y  Höhe  erreicht 

Als  Gränxgebirge  xwischen  Schottland  und  England  bemer- 
ken wir  den  Cheviot -Kamm,  der  südlich  nach  der  Grafschaft 
iNorthumberland  den  Zweigt  der  rearlfell-  und  Humbledon-Berge, 
nördlidi  nach  den  Schottischen  tvrafschaften  Roxburgh,  Selkirk, 
Peebles  und  Lanark  den  Zweig  der  Hartfell-,  Leeds-  und  Low- 
ther- Berge  entsendet  An  diese  schliesst  sich  die  Kette  des 
#  Lammermoor  in  der  Grafischaft  Öaddington,  der  Pentland-Berge 
•in  der  Nähe  von  Edinburg  bis  1700^  Höhe  und  i;n  Westen  von 
Sttdschottland  in  der  Grafschaft  Wigton  die  Kette  des  Larg  und 
Mochrumfell  an;  beide  reich  an  Bleierx,  aber  auch  an  Steinkoh- 
len. In  Mittelschottland  erhebt  sich  das  Grampiangebirge, 
in  ähnlicher  Richtung  wie  das  Peakgebirge,  aber  in  einem  weit 
grossartigereb  Charakter,  der  neb^n  den  erhabensten  Naturschön- 
heiten im  westlichen  Theile  der  Grafschaft  Perth  und  in  Argjle 
schon  an  die  trildeste  Rauhheit  heranstreift  Der  Reichthum  die- 
ser  Berge  besteht  mehr  in  Waldungen,  als  in  Metalladern  und 
Steinkohlen«  Die  höchsten  Gipfel  sind  d^r  Caimgomoan  408(y, 
^er  Ben  Lawers  40&6',  der  Ben  More  3870^,  der  Ben  Lomond 
^Wf,  der  Ben  Voiriich  3100"  and  der  Ben  Ledi  3000*  hoch«  Mit 


» 


Das  Britische  Reich.  325 

dietem  Gebirge  hingt  in  der  Gimfichaft  Invemeu  das  Schot« 
tisehe  Hoehgebirge  sugammen,  welches  nicht  nur  das  Fest- 
Imnd  -TOQ  Nord-Shotdand  gani  einnimmt^  sondern  auch  nach 
den  Orkadischen  und  Shetldndischen  Inseln  übergehtf  und  da* 
durch  deutlich  genug  seigt,  dass  diese  Lande  in  der  Voncit  susam« 
mengehört  haben,  und  nur  durch  die  Gewalt  des  Meeres  bei  ihren 
serrissenen  Küsten  allm&hlich  getrennt  sein  mögen.  Der  Cha- 
rakter dtM  Gebirges  ist  mit  dem  Grampian  völlig  Qbereinstim- 
mend ;  die  höchsten  Berge*  sind  der  Ben  Nevis  4424'  hoch »  der 
den  Schnee  selten  gans  yon  seinem  Gipfel  Tcrliert,  und  der  Ben 
Wjrwir  in  der  Grafschaft  Ross  gegen  40O(y  hoch. 

Irland  hat  in  seiner  Mitte  das  meiite  flachland  und  erhebt 
sich  sowohl  im  Sttdwesten  als  auch  iib  gerammten  Norden  su 
mehreren  abgesonderten  Bergketten»  die  indess  weder  an  Ersen» 
mit  Ausnahme  von  Eisen,  noch  an  Steinkohlen  den  Reichthum 
von  England  und  Wales  besitsen,  wenn  gleich  auch  in  dieser 
Insel  auf  dieselben  C^genstände,  wie  in  England,  Bergbau  be* 
trieben  wird.  Das  höchste  Gebirge  befindet  sich  in  dem  süd- 
westlichen Theile  der  Insel,  in  den  Grafschaften  Kerry  und  Coik, 
das  nach  diesen  Grafschaften  benannt  wird.  Die  höchsten  Berge 
desselben  sind  der  Cahirconrigh  4200'  und  der  Mac  GyWy  3200' 
hoch:  swischen  2000  und  3000 Fuss  erheben  sich  der  Mangertoa 
und  der  Branden  in  der  Grafschaft  Kerry,  die  Ballyhowra-Berge, 
der  Hilary,  der  ßogra,  Nagles  nnd  der  Knockbrack  in  der  Graf« 
Schaft  Kork.  Im  Nordwesten  durchstreift  die  Grafschaften  Chill- 
waj,  Majo  und  Sligo  das  wilde  Connaughtgebirgc,  dMsen 
höchste  Punkte,  der  Crough-Patrik,  der  Nephin  und  der  Urris- 
beg  aber  noch  nicht  2'äOO'  Höhe  erreidhcn»  Die  nördlichste  Pro- 
vinx  Ulster  hat  im  Westen  das  Donegal-  und  in  der  Mitfp  das 
Longfield -Gebirge,  das  nach  Osten  hin  in  den  Agrews* 
Hügel  und  in  den  durch  seine  ungeheure  Basaltfelsen  berühmten 
Riesen  dämm  (Gi  an  ts- Cause  way)  bei  d^m  Vorgebirge  Pairhead 
in  der  Grafschaft  Antrim  auslauft,  und  die  mit  vielen  Fdsemf- 
len  umgürtete  Küste  für  die  Schilfahrt  sehr  beschwerlich  macht. 
Der  höchste  Gipfel  ist  in  Longiield  der  Slieve-Donard  3151 
Fuss  hoch.  .  Nächst  die^^m  machen  sich  noch  durch  ihre 
UDgeheuere  Pelscngestalt  aus  reinem  Granit  der  Mourne  in 
der  Grafschaft  Down,  der  SÜevegalen  und  der  Camantog- 
her    in    der    Grafschaft    Tyron'b  ^und     der-  Gangan   und   Cri- 


y 


V 


* 


326  Das  Britische  Beleb. 

marad  in  der  Grafschaft  Donegal  bemerkbar.  i>ie  ^nrinx 
lieinster  hat  die  geribgiten  Berge,  and  nur  der  Tafelberg  m 
der  Grafschaft  Wiklow  und  der  Slieye-Bloora,  als  Grftnse  xwi- 
echen  der  Königs-  nnd  der  Königin  Grafschaft,  erheben  sieh 
wenig  über  lOOO"  Höhe. 

DieHineralquellenmidCresundbrannenstehenin  Groet* 
britannien  mit  den  höheren  Gebirgen  in  keinem  Zusammenhang, 
sondern  befinden  sich  nur  in  der  stark'auslaufenden  Abflachung  der 
m&ssigen  Bergketten ;  sie  sind  meisten/i  kalt  und  von  sehr  geringer 
Wirksamkeit,  so  dass  die  verhältnissm&ssig  für  die  Bevölkerung  sehr 
wenigen  BadeÖrter  doch  mehr  noch  des  Vergnügens  als  ihrer 
Heilkraft  wegen  besucht  werden,  aus  dem  Auslande  keine  Gäste 
binxiehen  und  auch  das  eigene  Bedfirfniss  "so  wenig  befHedigen, 
dass  bei  den  berühmtesten  Europäischen  BadeÖrtem  überall  die 
Mehrzahl  der  nicht  inländischen  Kurgäste  aus  Engländern  be- 
steht Die  wichtigsten  sind  in  Englanid:  >  Bath  in  der  Graf- 
schaft Somerset;  jährlich  mit  6000  Gästen,  ebendaselbst  die 
warmen  Bäder,  welche  aus  dem  Felsen  bei  Hotwell  in  der  Nähe 
von  'Bristol  ihre  Quelle  nehmen;  Cheltenham  in  der  Graf- 
Schaft  Gloucester,  jährlich  mit  1500  Gästen,  Tunbridge-wells 
auf  der  Gränze  der  Grafschaften  Kent  und  Sussex,  jährlich  mit  500 
Gästen,  Buxton  in  der  Gr^fschfift  Derl^j,  jährlich  mit  700 — 800 
Gästen,  Mat  lock  in  derselben  Grafschaft  jährlich  von  200  Gästen 
besucht,  die  stärkste  Schwefelquelle  zu  Harro  wgate,  jährlieh  mit  2000 
Gästen,  sowie  nic^t  sehr  starke  Stahlquellen  zu  Wetherbj,  beide  in 
derGrafschaftYork.  In  Schottland  befinden  sich Stahl-und Seh we* 
felquellenzuMoffat  in  der  Grafschaft  Dum fries,  jährlich  mit  600 
Gästen,  Stahlquellen  zu  Dumblane  in  der  Grafschaft  Perth,  >u 
BanfiT  und  zuPeterhead  in  der  Grafschaft  Aberdeen.  In  Irland 
sind  am  bemerkenswerthesten  die  Stahlquellen  zu  Swanlinbar  in  ^ 
der  Grafschaft  Cavan,  zu  Lucah  in  der  Chrafschaft  Dublin,  dief 
Sehwefelquellen  zu  Castle^Connell  in  der  Grafschaft  Limerick» 
warme  Bäder  zu  Mallow  in  der  Grafschaft  Cork  und  eine  Stahl- 
quelle zu  Tralee  in  der  Grafschaft  Berrj,  wo  auch  zugleich  gute 
Seebadeanstalten  sich  belinden.  —  In  einem  .viel  stilrkeren  €rrade 
werden  indess die  Seebäder  gebraucht,  welche  an  allen  Küsten 
des  Reichs  sidi  befinden»  die  besuchtesten  zu  Brighton,  Rams- 
gate, Dover 9  Sandgate,  Sjdmouth,  Exmouth,  Teignmoeth» 
Falmouth  und  Penzance    auf    der    südKehen  Küste   Englands, 


Das  Britische   Reich.  327 

i 

anfterdeiii  besottden  la  Lirerpool,  Harwieh  und  YaDncmdi  ini 
wettlichea  und  öttüchen  Eogland,  zu  Leith,  Dundee,  Hootrot* 
mid  Aberdeen  in  Sohotttand,  su  DibÜii,  Cork,  CUenaim  und  Tr*- 
nore  bei  Watorford  in  Irland.  , 

Was  die  Bev&saernng  dea  Britiaehen  Staates  in 
Europa  anbetrifft  so  gewährt  ein  Blick  selbst  auf  die  General- 
karten  dieses  Staates  die  grosse  Zahl  und  die  yortheilhafto 
Gestaltung  der  Seebusea,  in  die  sich  fast  überall  für  den 
HandelsTerkehr  benutsbare  Flüsse^  einmünden.  Die  Ansahl  der 
Landseen  ist  gleichfalls  verhiltnissmässig  sehr  gross,  noch  am 
sehwachsten  in  England  selbst,  weil  hier  die  hoch  gesteigerte  Land- 
wirthschaft  und  der  davon  abhängige  Preis  des  Bodens  sehr  viele 
durch  Austrocknen  in  urbares  Land  verwandelt»  oder  mindeitens 
dareh  Schleuifonanbatt  in  Teiche  umgeschaffen  hat  Ausser  ihrer 
joannigfachen  Benutsung  Ton  verschiedenen  Seiten  der  physischen 
und  technischen  Cultur,.  sind  sie  besonders  in  Besng  auf  die  Bespei- 
sung  der  sahireichen  Canäle  in  neuerer  Zeit  von'  unschätsbarem 
Wertfae  geworden.  Die  wichtigsten  in  England  sind  der  \^hittle« 
oea-nercy  S^EngLMeile  (l{Geogr.  M.)  im  Umfiinge,  in  der  Nähe 
von  PeterboTough  in  der  Grafschaft  El^ntingdon,  und-  die  an  und 
fSr  sich  als  die  Englischen  Seen  (the  Englisk  laken) 
beseiehneten  Gewässer  der  Grafschaften  Westmoreland  und  Cum- 
berlandy  namentlich  der  Ulles- Water  (9  EngL  M.  lang  und  1 
Engl.  BL  breit),  der  Derwent- Water,  Grassmere,  Rjdal-Water, 
der  Winander-Mwe  (10  EngL  AL  lang  und  1  EngL  H.  breit), 
der  Coniitone- Water  XO  £ugL  M*  lang  und  I  Engl.  M.  breit)  u. 
s.  w.  Viel  bedeutender  aber  erscheinen  die  Seen  in  Sehott- 
land, namentlich  in  den  drei  Grafschaften  Perth,  Inverness  und 
Argyle:  sie  sind  überaus  fischreich  und  meistentb'eils  sehr  tief. 
Die  gr^ssten  sind  der  Loch  Lomond  von  24  Eogl.  M.  (5^  G.  M.) 
Länge,  1  bis  7  EngL  Bl  Breite  und  50  bis  120  Klaftern  Tiefe,  der 
Loch;  Leven  von  12  EngL  M.  (2/,  G.M.)  im  Umfange,  der  lock 
I  Tay  Ton  15  EngL  M.  <3j.G.M.)  im  Umfange  und  1  bis  2  EngL  M. 
breit,  der  Loch  Earn  (8  EngL  M  lang  und  IM.  breit),  der  Loch 
Katria  oder  Katherioe  (10  EngL  M.'lang  und  1  \  M.  breit),  der  Loch 
Ness  (22  Engl.  M.  lang  und  1  bis  2|  Engl.  M.  breit)^  der  Loch  Loch/ 
14  EngL  AL  lang),  der  Loch  Awe  u.  s.  \\\  Aber  noch  grös- 
sere Landseen,  die  überdies  gleichfalls  fast  sämmtlich  durch 
¥ischreidithttmatts§eseichnet'sind|^  werden  ia  Irland  angetroffen» 


818  Das  Britische  Aeieb» 

und  namepüieli  in  der  nttrdlidieii  Wütto  der  InseL  In  der  Pro« 
yinx  Ulster  befinden  sieh  die  bnden  grösstea,  der  Longh  Neagb, 
von  32|  Engl  N.  (7f  6.  M^  Ltage  und  17|  M.  Engl  (3^  6* 
M.)  Breite  und  der  Loagb  Erne  von  44  E^gL  M.  {9^  6.  H.) 
,  L&nge  und  7  bis  17|  M.  EngL  Breite.  In  der  Provins  Con- 
nao^t  ist  4er  Lough  Corrib  von  25  H  EngL  (5^  M.  6.)  Lange 
und  12|  BL  EngL  Breite,  in  de^  Grafsehafk' Munster  der  Lough 
Lane  oder  Killamey  S^e  vo&  18  M.  EngL  Länge  und  3  bis  4 
M.  EngL  Breite,  der  See  Dargeart  oder  Derg,  dureh  welohen  der 
Sfaannoii  fiiesst^  der  Lougb  Kejr,  Dan  n,  m.  a. 

Die  Flüsse  Grossbritanniens  und  Irlands  beben  sämmtlieh 
den  Vorsug»  dass  üe,  wiewohl  sie  wegen  der  oben  gesehilderten 
Richtung  der  Gebirgssüge  nur  als  Kttstenflüsse  t4Hi  kursem  Laufe 
gtt  betrachten  sind,  sie  gleichwohl  Terhältnissmässig  sehr  breit 
und  tief  sieh  ansmttnden  und  daher  ils  Wasserstrassen  fQr  dea 
Schiffsyerkehr  grosse  Vordidle  darbiete  Im  Osten  Eng<» 
lands  sind  für  den  Handel  die  wichtigsten:  1)  Die  Thamea 
oder  Themse,  ans  der  Vereinigung  der  Isis  und  des  Chacwel  bei 
Oxford  gebildet  und  schon  vorher  in  diesen  beiden  Flüssen  sehiS'<* 
bar,  ha^  von  da  ab  einen  siemlieh  geraden  Lauf  von  Westen 
nach  Osten  von  30  Meilen  Lange,  in  dessen  Mitte  ungefähr  Lon«' 
don  liegt,  da  sie  13  Meilen  oberha|b  dieser  Welthandelsstadt  sich 
in  die  Nordsee  ergiesst  Sie  ist  noch  bei  London  1500  Fusi 
..  breit  und  vermag  ,die  grdssten  Kau£Ekhrteischiffe  bis  800  Tonnen« 
last  SU  tragen*  2)  Die  H  um  her,  welche  eigentlich  als  dei^  sam* 
melnde  Ausflufs  vieler  Bergflüsse  der  Grafschaft  York  und  der 
östlichen  K^üstenflüsse  der  südlichen  Chrafsdiaften  des  mittleren 
Englands  angesehen  werden  muss,  namentlich  des  Trent  und 
der  nördlichen  Ouse  und  deren  vielfachen  Nebenflüssen.  Sie  wii^ 
bei  Kingston  upon  Hüll,  ein  meiienbreiter  Busen,  der  bei  der  Aus* 
münduiig  in  die  Nordsee  über  swei  Geogr.  Meilen  misst  3)  Die 
Tyi^e  in  Northumberland  und  4)  der  Tweed  als  Grünafluss  ge. 
gen  Schotttand,  haben  weniger  au  bedeuten  und  sind  auch  ent* 
fernter  von  dem  Hauptsitze  der  EUiglisehen  Industrie*  Im  We- 
sten Englands  ist  der  wichtigste  Fluss  die  Severn,  sugleieh 
der  längste  in  gans  Grossbritanniou,  da  er  auf  dem  Walischen 
Berge  Plinlimmon  ia  der  Grafschaft  Montgommerj  entsprungen, 
nach  einem  sehr  gekrümmten  Laufe  und  verstärkt  durch  die 
Wjre  und  den  Avon,   schon  bei  Welshpol  in  Wales  für  Barken 


/ 


%    « 


**        Das  BritlBcIie  Rcicb.^  829 

tdiUkor,  docli  enfbei  Giouoetter  Schiffe  toq  tndur  alt  100 
Tonnen  anChehmen  kann.  Bei  iiirer  Auamttndong  in  den  Bristol 
Canai  hat  sie  aber  bereits  einen  Lauf  von  54  Heilen  am^ekgel^^ 
Nächst  diesem  macht  sich  der  Herse/  aof  der  Westseite  am  be- 
merkbarsten; weicher  vom  Peakgebirge  ans  der  Grafschaft  York 
entströmt^  sehen  bei. Stockport  für  kleinere  Fahneuge  schiffbar 
wird,  darauf  aber  nach  der  Anfnahme  der  Irwel  grössere  Schiffe 
and  einen  wenn  auch  nur  kuraen  Lanf  darch  die  industriereich* 
ste  Gegend  Elnglands,  von  Manchester  bis  Liverpool  nimmt,  ehe 
er  sich  busenmilssig  unterhalb  dieser  Ebupt  -  Handelsstadt  für 
den  Verkehr  mit  Amerika  in-  das  Irische  Meer  ausmündet.  5). 
Der  Derwent  und  6)' der  Eden,  die  Abflüsse  der  Seen  der 
Grafschaften  Westmoreland  und  Cumb^rland  sind  erst  in  neuerer 
Zeit  auch  für  den  Handelsverkehr  wichtig  geworden« 

Die  Schottischen  Flüsse  sind  entweder  Ausmündungea 
der  grossen  Seen  und  dann  ausserordentlich  wasserreich,  oder 
reis^ende  Bergströme,  die  durch  ih/en  Fall,  abgesehen  davon, 
dass  diese  einer  weniger  wohlhabenden  und  durch  'den  Verkehr 
nicht  so  belebten  C^egend  lugehören,  für  den  €rebrauch  der 
Schiffahrt  wenig  anwendbar  sind.  Im  Osten  ergiesst  ^  sich 
1)  der  Forth,  vom  Ben  Loehmond  entspringend  nach,  sehr  kur- 
fem  Laufe  in  den  mächtigen  Busen  gleichen  Namens,  der  Edin- 
bürg  mit  Leith  auch,  als  Handelsplatx  noch  bedeutender  erhe- 
ben könnte,  wenn  die  übrigen  Localverhältnisse  es  nnterstttti- 
ten.  2)  Der  Taj  hat  einen  viel  längeren  Lauf;  bei  Breadelbana 
in  der  Grafushaft  Argyle  entspringend,  geht  er  durch  ^den  See 
gleichen  Namens,  wird  oberhalb  Perth  auch  für  grössere  Fahr- 
aeuge  schiffbar  und  mündet  sich  unterhalb  dieser  Stadt  busen- 
massig  in  die  Nordsee.  3)  Der  Dee  mündet  sieh  als  unbedeu«» 
tender  Küstenfluss  bei  Aberdeen.  4)  J)er  Spej,  auf  dem  Gram- 
piangebirge  in  der  Gkafschaft  Invemess  entspringend,  hat  auf  der 
Ostseite  Schottlands  den  reissendsten  Lauf,  sowie  er  überhaupt 
der  längste  Fluss  dieses  Königreichs  ist,  aber  für  den  Handel 
von  sehr  geringer  Bedeutung,  weil  er  nur  durch  Landschaften 
fliesst,  die  in  der  Britischen  Industrie  keinen  Namen  führen. 
Auf  der  Westseite  Schottlands  machte  sich  nur  der  €l/de  be- 
merkbar, welcher  in  Vlem  Gebirge  der  Grafschaft  Lanark  ent- 
springt, ^fänglieh  durch  seine  vier  Wasserfklle  für  die  Schiff« 
fahrt  nnsugähglich  ht^   noch  bei  Glasgow  schmal,   seicht  und 


330  Das  Britische  Reich. 

nur  für  SUiiffe  von  150  Tonnea  fahrbar.  Dieter  Fluit  wird  aber 
dann  unterhalb  dieses  eigentlichen  Concentrationspunktes  8chot,- 
tischer  Gewerbsthätigkeit  *)  bei  Grenock  4 — 5  Englische  Meilen 
breit»  und  behält  ungei^hlet  mehrerer  Sandbänke  hinlänglich 
tiefes  Fahrwasser  bis  su  seiner  völligen  Ausmändung  in  den 
Frith  of  Clyde.  • 

In  Irland  ist  der' bedeutendste  Fluss  der  Shannon,  wel- 
cher in  der  nördlichen  Grafschaft  Leitrim  entspringt,  die  gros- 
sen Seen  Allen,  Boffin,  Ree  und  Dergh  auf  seinem  südlichen 
Lauf  durch  sehn  Grafschaften  mit  einander  yerbindet,  bei  Lime- 
rick  für  grosse  Seeschiffe  fahrbar  wird  und  dann  in  westlicher 
Richtung  nach  einem  Laufe  Ton  46  Geographischen  Meilen 
busenmässig  sich  ausmündet  Unter  den  übrigen  Flüssen,  deren 
Zahl  bei  dem  grossen  Wasserreichthum  dieser  Insel  überaus 
stark  ist,  die  aber  kaum  bis  zur  Länge  von  16  Geographischen 
Meilen  in  xiemlich  gerader  Richtung  das  passer  der  ihnen  be- 
nachbarten,  oder  von  ihnen  durchströmten  Seen  dem  Meere  su- 
führen,  und  mit  den  vielfachen  natürlichen  Meerbusen  der  Küste 
treffliche  Hafenbuchten  bilden,  bemerken  wir  auf  ^ev  Südkjiste 
den  Lee  für  den  Busen  der  grossen  Handelsstadt  Cork,  den 
Blackwater  für  den  Busen  von  Youghal,  den  Suir  und  Bar- 
row  für  den  Busen  von  Waterford,  den  Slaney  für  den  Busen 
von  Woxford;  auf  der  Ostktiste  den  Boyne,  der  bei  Drog- 
heda  sich  in  das  Irische  Meer  mündet;  endlich  auf  der  Nord- 
küste den  Bann,  als  Ausfluss  des  grossen  Neagh-Sees,  den 
Foyle  für  den  Busen  von  Londonderjr  und  den  Erne  als  den' 
Ausfluss  des  Elam-Sees  in  den  Donegalbnsen. 

Doch  diese  schon  durch  die  Natur  so  begünstigte  Bewässe- 
rung der  Britischen  Staaten  in  Europa  hat  ihre  Krone  erst  durch 
•  die  herrliche  Canalverbindung  erreicht,  welche  hier  weniger  als 
ein  Elrgebniss  berechnender  Sorgfalt  der  Regierung  für  den  in« 


*)  Zwischen  Glasgow»  Grenock  und  Port  Glasgow  fahren  be- 
ständig ^  Dampfschiffe,  mehrere  stündlich,  täglich  gehen  Dampf- 
echifie  nach  Liverpool  und  nach  BeUast  ab.  8.  Meidiagers  Reise- 
beschr.  Bd.  IL,  8»  9L 


^ 


Das  Britische   Re^ch.  ^331 

neren  V|etke1ir,  all  der  aHgemeinen-Theilnaluae  der  Reielieii  und 
des  Handelsstanderi  für  die  möglichkt  i^Ötste  Belebung  desselben 
smuschreiben  ist,  ond  die  meUten,  so  tiberaas  kostbaren  Canal- 
banten  darch  Actiengesellschaften  als  eintrtlgliche  Priratuntemeh* 
moDgen  in  das  Leben  gerafen  hat     Der  Einflnss  dieser  €in&le 
auf  die   Industrie  nnd   die  d^on   abhängende  Bevölkerung  ist 
aber  unberechenbar^  lässt  sieh  jedooh  daraus  schon  «u  einem  er« 
freuiichen^ Bilde  gestalten,  dass  die  durch  CanlÜe  vielfach  durch«, 
schnittenen  und  verbundenen  (legenden  in  den  letzten  50  Jahren 
ihre  Bevölkerung   nicht   nur  verdoppelt,   verdreifacht  und  sogar 
vervierfacht,   sondern   auch    dieser  so  stark  gesteigerten  Volks- 
menge in  den  blühendsten  Städten  einen  dauernden  Wohlstand 
bereitet  haben.      Die  Landschaften  von  Manchester,  Liverpool, 
Birmingham,   Leeds,   Sheffield  o.  m.  a.   bieten  dafür  die   spre« 
chendsten  Zeugnisse  dar.     Und  doch  ist  alles  dieses  ersit  seit 
der  lyfitte  des  aohtiehnten  Jahrhunderts  i^schehenl   Da« 
durch  ist  aber  Grossbritannien  mit  Recht  lu  der  glänaenden  Ehre 
gelangt^  in  Europa*)  vor  allen  Staaten  am  reichsten   mit  Han- 
dels- und  Schiffahrts-Canälen  ausgestattet  zu   sein,   da   Holland 
Vergleichungsweise   hier  nicht  zur  Seite   gestellt  werden   kann, 
weil  die  gegenseitige  Natur  der  Länder  durchaus  verschiedenar- 
tige Verhältnisse  dargeboten  hat  Denn  in  den  Niederlanden  sind 
die  Canäle  niehr  zur  Rettung   des  Landes,  wie  als  Folge  def 
Handelsverkehrs  nnd  der  Industrie  entstanden*  ^- 

Zwar  hatte  man  schon  im  iiebzehnten  Jahrhuiiderte  darauf 
gedacht^  den  inneren  Verkehr  für  die  Schiffahrt  durch  Vertiefung 
der  Flussbette  mehr  zu  befördern**),  und  der  älteste  Plan  rührt 
ana  der  Regierung  Carls  I.  her  (1635),  den  Avon  von  seiner 
Einmündung  in  die  Sevem  ab  bei  Tewksbury  für  grössere  Fahr« 
zeuge  schiffbar  nk  machen,  um  die  Städte  in  den  Grafschaften 


*)  Der  Tochterstaat  in  Amerika,  die  vereinigten  Nordamerikaoi- 
schen  Freistaaten,  ringt  mit  gefährlicher  Nebenbuhlerschaft  hier  aU 
lein  um  den  Preis. 

^>  Vergl.  den  sehr  beachtenswerihen  AnfMH  über  die  Canäle 
in  Blacculloch's  Diciionary,  vol.  I.    S.  331.  u.  flg. 


832  Das    Britische    Reiclt 

Wai^idry  Woreetter  und  GMoucestor  mit  EU>ls,  Eiseot  Steinkoh- 
len und  anderen  Handelsbedurfnitsen  leichter  veraehep  lu  kön- 
nen. Der  Plan  wurde  ?on  dem  hohen  Adel  und  allen  Angese- 
henen dieeer  Landschaften  mit  Beifall  aufgenommen,  aber  seine 
Ausführung  wurde  durch  die  bald  darauf  ausbrechenden  büipger* 
liehen  Unruhen  verhindert  Nach  der  Restauration  der  Stuarts 
und  unter  König  Wilhelm,  III.  wurde  swar  ron  Seiten  des  Par- 
laments au  wiederholten  Malen  für  ähnliche  Versuche,  die  Fluss- 
achiifahrt  su.  verbessern,  die  Erlaubniss  ertheilt,  aber  die  meisten 
derselben  missglückten  durch  Versandungen  oder  Anschwemmun- 
gen, oder  durch  nicht  genug  dauerhafte  Deichbauten  gegen  die 
xurückströmenden  Wasserfluthen«    Daher  kam  man  unter  äenlets- 

/  ten  beiden  j^egenten  aus  dem  Hause^annover  auf  den  Gedan- 
ken, die  FlussschiffTahrt  auf  einigen  Strömen  wegen  der  vielen 
sich  enlgc^nstellenden  Sehwierigkeiten  völlig  oder  strecken- 
li^eif e  au&ugeben,  und  dafür  Canäl^  anzulegen,  welche  in  gleicher 
aber  möglichst  gerader  Richtung  in  stets  schiflfbarem  und  hinlünglich 
hohem  Stande  erhalten  werden  könnten.  Doch  erst  1755  legte 
man  Hand  ans  -Werk  für  eine  bestimmte  Unternehmung,  indem 
durch  eine  Parjamentsacte  die  Schüfbarmachung  des  Sankej^Ba- 
ehes  in  den  Mersey  durch  einen  Seiten-Canal  von  1|  Englisch. 
Meilen  (24  Geographische  Meilen)  LlUige  genehmigt  wurde.  Doch 
ehe  noi^  dieser  Bau  völlig  beendigt  war,  fasste  der  edle  Herzog 
von  Bridgewat^  *),  unterstützt  durch  den  au^;ezeichneten  Was- 
serbaumeister Jacob  Brindley,  den  grossartig^en  Plan,  aus  seinea 
Steinkohlengruben  von  Worslej  ab  über  Berge,  ThIÜer»  t'lüsse» 

Xandstrassen,  an  mehreren  Stellen  durch  Felsen  durchgehauen, 
(so  entstand  der  älteste  Tunnel,  welcher  auf  3  ^Ingusche  Meilen  die- 
sen Canal  durch  die  Hügel  von  Worsley  fuhrt),  endlich  veriäöge  einer 

^39  Fuss  hohen  Wasserleitung  über  die  schiffbare  Irwell  eine 
Wasserstrasve  nach  Manchester  zu  führen.  Dies  Unternehmen 
kam  in  den  Jähren  1758 — 61  zu  Stande,  und  wurde  auf  einer 


*)  Dieser  ausgezeichzete  Mann  widmete  den  grösstenTheil  seiaes 
fürstlichen  Vermögens  zur  Ausführung  grossarliger  Pläne,  die  eben 
so  dem  allgemeinen  ßeslen  nützlich  waren,  als  sie  das  Vermög;en 
seiner  Nacbkommen  dauerbafl  begrüi^deCen. 


Das  Britisclie  Reich.  Itt, 

Länge  ▼•»  29  Meilen  Engl.  (0^  Oeogr.  Meilen)  dannf  Ms  an 
ilen  Meney  Terlingert»  wodorrl  Lfrerpe«!  mit  Mendbeeter  in  die 
innigste  Verbindung  km,  nnd  der  Wateertimne^ort  svieelMn  die- 
nen beiden  Handelstadten  eefort  auf  die  H&ifte  dee  friheren 
Preieet  sank.  Die  auf  diesem  Canaie  gewöbnlieh  gebfanehten 
Fahraeage  ron  G— 8  Last  werden  Ton  einem  Msnssbsn  r^iiert 

Durch  da#  glQcklicbe  Gelingen  dieses  Bridgewaterseben 
€ana!s>  wurde  der  Untemehmongsgeist  mehrerer  Cksellsehaflen 
in  rersehiedenen  G^nden  Englands  angerq^t,  fthnliehe  Wasser- 
banten  anszafBhren,  wosn  Brindiej  darcb  nene  Plftne  die  Hand 
bot,  nm  die  rler  ^damaligen  Hanpthftfen  Englands  Lendon ,  Bri* 
stofy  Lirerfool  nnd  HuU  durch  mehrere  Wasserstmssen  im  Inne- 
ren sn  Terbinden.  Diese  wurden  auch  in  der  That  nach  und 
nadi  rdllig  ausgefUhrt,  wenn  auch  Brindiej  (f  ]7f2)  ihre  Been- 
digung nicht  mehr  erlebte.  Zu  diesem  Canalsjrstem  gehör^  1)  * 
der  Grand  Trunk,  dessen  Bau  ron  1766  bis  1777  währte,  und 
auf  einer  Länge  ron  06  M.  Engl  (20}  G.  Meilen)  42  Fuss  breit 
nnd  5  Fuss  tief  ist  Er  steigt  äbe^  «ine  Lendeshöhe  von  528 
Fuss  und  geht  dann  Qber  33  Bogen,  |  G.  Meli,  durch  den  Berg 
Herecastle,  besitst  42  grosse  Brücken  ttber  die  Landttrassen  und 
90  Schleusen;  er  beginnt  bei  Runcom,  gdit  dann  bis  an  den 
Mersej,  steht  durch  diesen  mit  dem  Bridgewaterseben  Canal  in 
Verbindung  bis  Newcastle-under-Line,  geht  dann  südlich  bis 
Titchfield,  darauf  wiederum  nordwestlich  bis  sum  Trent  und  Ter- 
bindet  so  den  Humber  mit  dem  Mersej,  oder  Hüll  mit  Lirerpöol. 
2)  Der  Liverpool-  und  Leeds- Canal  nimmt  seinen  Anfang  von 
jener  Handdrtadt  (suerst  begonnen  1770,  rollstiUidig  beendet  1816) 
und  ergiesst  sieh  nach  einem  Laufe  ron  150  Meilen  Engt  (28 1. 
G.  M.)  bei  Leeds  in  die  Aire,  eirfen  Nebenflass  der  Ouse,  deren 
Ausilttss  wiederum  der  Humber  ist:  also  eine  grotse  Haupt-Was« 
Serstrasse  swischen  Lirerpöol  und  Huli,  längst  den  industriOse- 
sten  Fabrikörtem.  Dieser  grosse  Canal  steht  aber  wieder  mit  45 
anderen  Canälen  von  geringerer  Länge  in  Verbindung,  theils  sum 
Waarentransport  ads  einseinen  Fabrikstädten,  theils  su  der  aus- 
gedehnten CanalverbinduDg  swischen  Liverpool  und  Londo^,  die 
eine  Länge  von  264  MeiL  Engt  (57^*^  G.  M.)  ausmacht  Unter 
diesen  Canälen  sieben  durch  ihren  meikwfirdigen  Bau  besonders  an 
der  Rochdale-Canal,  welcher  von  Manchester  hoch  über  Berge 
nach  Halifax  ftthr^  und  hier  mit  dem  Fiüsschen  Calder  in  Ver. 


/ 


334  Das  Britische  Reich. 

bittdttBg  ttittf  ^a»  bei  Wakefield  fn  die  Aire  ftllt  imd  fo  in  die 
Bimiber  likhrt'  Mit  diesem  fast  (laralell  Utift  von  Manohetter  der 
Huddertfieider  Canal  nach  der  lete^enannten  Stadt,  yermtige  eines 
in  sehnjihriger  Arbeit  3  Engl.  M^il.  lang  dureh  einen  Berg  dnrch- 
broebenen  Tannelt ,  und  füllt  bier  gleichfalls  in  die  Calder.  3> 
Der  Stafforddhire'^  vnd  Worcestershire- Canal;  jener 
rerbindet  oberhalb  Stafford  den  Grand  Trunk  mit  der  Serem, 
dieser  sieht  sich  von  Birmingham  31  Engl.  M.  (6|  G.  BL)  nach 
der  Sevem  bei  Woreester,  beide  verbinden  also  Liverpool  und 
Huil  mit  Birmingham  und  BristoL  Mit  diesem  Canale  hängen 
pun  mehrere  später  von  Birmingham  ans  erbaute  Wasserstrassen 
susammen,  als  dieser  Ort  dureh  seine  grossen  Metallmanufacturen 
steh  SU  einem  so  bedeutenden  Ansehen  *er}iob:  so  die  (^Anale, 
welche  nach  Wolwerhampton,  Coventrj,  Warwik,  Stratferd  u.  s.  w. 
führen.  ^)  Der  Oxford  •Canal  wurde  in  einer  Länge  von  119 
Eiigl.  M.  (2&\  6.  M.)  sur  Verbindung  der  Themse  bei  Oxford 
bis  zum  'C^rand  Trunk  gef&hrt  und  damit  der  Trent  und  der  Hum* 
ber  auch  im  Inneren  Et^glands  mit  der  Themse  und  London  ver- 
bunden. Da  nun  aber  sugleioh  von  Birmingham  aus  nach  Fa. 
selj  in  diese  Canalverbindung  eine  neue  Wasserstrasse  gebaut 
wurde,  so  war  auch  auf  solche  Weise  anigle^ch  für-  die  Verbin- 
dung zwischen  Liverpool,  Bristol,  London  und  Hüll  )^orgt,  und 
Brindlej's  umfassender  Plan  ausgeführt  Spätere  grossartige  Ca- 
nal-Bauten  aber  veilroUstAndigten  dies  Unternehmen  theils  durch 
Seiten -Canäle,  theils  durch  bequemere  Canäle.  Die  wichtigste 
Unternehmung  ;nttter  diesen  ist  der  6rand*Junction-  Canal, 
welcher  1792  angefangen  und  von  Brentfoi^d  an  der  Themse,  nicht 
weit  von  London,  in  liemlich  gerader  Richtung  in  einer  Länge 
von  00  EngL-M.  <fast  2a  6.  M.)  bis  Braunston  in  der  Grafschaft 
Northfunpton  gefuhrt  wurde,  wo  er  sich  mit  dem  Oxford -Canal 
.verbindet  Derselbe  geht  bei  dem  Dorfe  Wolverton  vermittelst 
einer  langen  Wasserleitung  über  die  Ouse.  Mit  dieser  Wasser- 
Strasse  ist  auch  vermöge  des  Flusses  Lea  und  des  Cambridge» 
Junction-Canals  die  südliche  Ouse  und  der  Busen  Wash  mit 

der  Themse  verbunden. 
t 

Im  sü.d liehen  England  sind  die  Canalbauten  am  «p&* 
testen  angefangen,  weil  das  Bedürfhiss  hier  am  wenigsten 
dasu  trieb,  da  das  verhältnissmässig  nicht  sehr  ausgedehnte 
Küstenland  südlich  vo«  der  Themse  noeb  dnicih  viele  Küsten« 


Da8  Britische  Reich*  3tS 

FlftMe  derebtehuitteB  wir4»  Der  Medwaj^Canal  reribindel 
«nf  einer  LiUige  tod  7  Engliseheo  Meilen  die  Themse  mit  dem 
Medwaj  fluse  ron  Grayeaend  bt«  Roebeiter;  er  wurde  im  Oete» 
1»er  1S24  eröffnet,  ist  durchg&ngig  22  Foss  l»reit  nnd  bat  den 
grdssten  Tunnel  in  Grossbritannien  ron  2j-  Engliscben  Meilen 
Länge  durch  Kreidefelsen  durqbgehauen»  d«r  bei  einer  Höbe 
Ton  40  Foss  Oberhaupt  nnd  8  Fusa  Wassertiefe  nicht  blos  für 
Barken  *),  sondern  auch  für  Küstenfahrer  dienen  kann*  —  Um 
London  mit  Wasser  su  rersehen,  ist  der  New  Riwer  Ten  Päd- 
dington  ab  gegraben,  der  als  Seiten-Strasse  den  Regents-Ca- 
nal  erhalten  hat,  und  nach  siebenjöhriger  Arbeit  mit  12  Schleu- 
sen nnd  37  Brücken,  bei  einem  Kostenaufwand  von  600,000  % 
Sterling«)  (4,200,000  Tlilr.)  am  Isten  August  1820  auf  einer 
Strecke  von  25  Meilen  Englisch  (5^^  Geographische  Meilen)  be« 
endigt  ist  Auch  der  Regents-Canal  löuft  in  einem  Tunnel  von  ^ 
Heile  Engtisch  L&nge  (I0|  Fuss  hoch,  wovon  7^  Fuss  Wasser- 
tiefe isl)  unter  dem  New* Riwer  und  der  Stadt  Islington  w^. 
Südlich  von  London  geht  der  Surrejr*  C anal,  der  iwischen 
Londonbridge  und  Deptford  seinen  Anfang  nimmt,  sich  in  einem 
grossen  Halbkreise  umSouthwark,  den  südUchen  Theil  von  Lon- 
don sieht,  md  dann  in  swei  landeinwärts  ausgehende  Seiten-Ca* 
uäle  nach  Mitoham  und  Crojdon  ausläuft  •—  Zur  Verbindung 
des  Wjre,  eines  Nebenflüsse^  der  Themse,  mit  dem  Arun«  einem 
Küstenflusse'  der  Grafschaft  Süsses,  ist  1810  von  der  Stsdt  Gull- 
ford  an  der  Wye  ein  Cemal  von  18  M«  EmgL  (beinahe  4  M.  G«) 
Länge  erbaut  An  diese  Wasserstrassenverbindung  s^Ueutsich  der 
Canal  von  Arundel,  einem  Städtchen  uäk  Arun,  welcher  nach 
Cbiohester  und  so  nach  Portsmouth  führt,  von  wo  aus  seit  1827 
eine  neue  direete  Canalverbindung  nach  London  auf  einer  Länge 


*)  Die  übrigen  Tunners  in  England  sind  blos  für  Barken  be- 
simmt  und  oft  so  niedrig,  dass  sich  die  Schiffer  auf  dem  Rücken 
legen  and  'mit  den  Füssen  durchdrücken  müssen*  Meidinger's  Reisen 
Bd.  L  S.  85. 

*^  Da  das  %  Steriing  gegenwärtig  in  schwankendem  Conrse 
zwischen  6|,  6i^  und  7  Rthlr.sicb  beflndet,  doch  mehr  dem  letzten 
Stande  sich  nähert,  so  habe  ich  der  leichteren  Uebersicht  wegen  die 
Redndmag  des  f(  8t  überall  auf  7  Rtblr.  Ft.  vorgenoiunen. 


/ 


336  ,  Das  Briiisehe   Reick 

TOii  e&E.  M.  (13  Bl  6.)  ausgeführt  wird.  Endlich  anf  der  Grilns  > 
"  der  Grafaehaft  Devon  nach  Comwall  heündet  sieh  Ätr  merklrfir* 
dige  Tarittock-Canaly  welcher  nach  dreizehnjähriger  Arbeit 
1817  snir  Verbindung  der  Fl&tte  Tavy  und  Tamar  eröffnet,  und 
bei  einer  geringen  lAnge  von  4  EngL^M.  ]|  Meilen  EL  [in  einem 
Tunnel  durch  einen  Berg  durchgehauen  ist.'  Er  jdient  zur  Ver* 
bindung  der  reicheif  Kupfer-  und  Zinngruben  bei  Tavisteck  mit 
Devonport  und  Pljmonth,  vermöge  des  Tamar. 

Die  Schottischen  Canalb'anten  betreffen  mmsten^eili 
nur  den  südlichen  Theil  dieses  Reichs ,  weil  dieser  allein  in  der' 
Industrie,  und  in  dem  lebhaften  Handelsverkehr  mit  England  gleich 
steht  Der  Glasgoiifer  Canal,  welche  die  Flüsse  Forth  und 
Cljde  vereinigt 9  oder  Edidburg  und  Glasgow ,  die  Nordsee  mit 
dem  Atlantiichen  Meere ,  wurde  bereits  1768  angefangen ,  aber 
durch  den  Nordamerikanbchen  Freiheitskrieg  im  Bau  aufgehalten, 
erst  1784  wieder  fortgesetzt  und  1790  beendigt  Er  ist  in  einem 
girösserem  Maasstabe  angelegt  als  irgend  ein  Englischer  *),  da  er 
mehr  als  8  Fust  Wassertiefe  erhalten  hat  Seine  Länge  hetrl^|;t 
35  Engl.  Mail.  ( 7^  G.  M.H  »her  ^  üt  auf  dem  höchsten 
Punkte  160  Fuss  hoch  über  deir  'Me^resfläche  erbaut,,  indem  er 
in  43  Schwibbogen,  darunter  in  zwei  über  die  kr^tigen 
und  nicht  unbedeutenden^  Bergströme  Luggin  und  Kelwin, 
und  ausserdem  mit  38  Brücken  über  die  Landstrassen  fortge- 
führt ist  Der  Kostenaufwand  für  diesen  Canal  betrug  500,000 
%St  (3,500,000  Thlr.)**),  aber  es  können  auch  Schiffe  von  68  F. 
/  Länge,  19|  F.  Breite  und  7|  F.  Wassertra^ht  auf  demselben  mit 
BequemUchkeitf  fahren.    Es  hit  nodi  ein  Seiten -Canal  von  dem- 


*)  Maccuiloch,  Dictiouary  L  S.  324» 

*)  Dennoch  hat  sich  der  Ertrag  von  dem  hier  angelegten  Ca- 
pitale,  besonders  seit  der  mit  dem  Jahre  1814  verstärkten  Fahrt 
auf  den  Canal  so  ausserordentlich  gehoben,  dass  dasselbe  über  ÜO 
Procent  Zinsen  abwirft,  oder  die  Actien  auf  600  Procent  steigen 
lässt,  wie  in  der  That  1831  bereits^  die  Actie  jron  löö  <S  St  mit 
600  %•  bezahlt  wurde.  Die  Fahrt  ^aof  demselben  dauert  für  Dampf- 
böte nur  5  Stunden,  VergL  Beuth  über  Glasgow  in  den  Abbandlun- 
gen d.  Preuss«  Gewerbe-Vereins,  Jahrg.  1824  Sept  u«  Oct  S.  156—206. 


Das  Brttischa  Betcb.  '  337 

mtiben  auf  4  EagL  Mrft  lAngt  muaitttlbaY  mdi  Qhägow  gexo- 
geik  Mit  dieser  Wauentratie  steht  auf  der  einen  Seite  ia  Ver- 
bindung der  Union-Canftly  weleker  Ton  Falkirk  am  Forth  und 
Cl/de-Canal  ab  bis  nach  fidinburg  geführt  und  1622  beendigt 
ist,  jedoch  keinesweges  mit  dem  erwarteten  Erfolge  bei  dem  Ger 
brauche  desselben.  Dagegen  ist  auf  der  andern  Seite  der  neue 
Glasgow -Canal  nach  deka  Meere  sa  von  der  grttssten  Be- 
deutuDg.  Er  ist  von  diesem  Haup^unkte  der  Schottischen  In- 
dustrie und  seines  Handels  über  Paialdjr  in  gerader  Richtung  auf 
einer  Lunge  von  23  Engk  M.  (5  G.  M.)  bis  an  Androssan  nach 
dem  Meere^ gesogen,  um  die  Krümmungen  des  Ci/de-Blisens  zu 
vermeiden«  Der  Crinan-Canal  durohsehDeidet  bei  einer  Länge 
von  9  Engt  M.  und  12rFoss  Wassertiefe  die  Halbinsel  Kantjre» 
tragt  Schiffe  von  160  Tonnen  Gehalt,  und  vetkünt  wesendioh 
die  Fahrt  auf  dem  westlichen  Theile  von  Nord-  und  Mittel-Schott- 
land nach  Südschottiand.  Der  Caledonische  Canal  ist  eine 
der  grössten  Wasserbanuntemehmungen,  welche  bis  jetst  ausge- 
führt ist,  indem  sie  gans  Mittel -Sehottland  von  Inveruess  im 
Osten  bis  Fort  William  im  Westen  durchschneidet  uud  eine  Aus- 
dehnung von  58{.  E.  Meil.  (13  G.  M)  hat,  von  denen  ajSer  die 
grossen  Landseen  Ness,  Dieb  und  Loch/,  durch  welche  er  durch- 
geföhrt  ist  37|  M  Engl,  fortnehmen,  also  nur  21^  M.  E  wirk- 
lieh gegraben  sind.  Seine  €hmndflüche  liegt,  wo  sie  am  höch- 
sten ist,  -961  Fttss  hoch  über  dem  Atlantischen  Meere,  er  hat  22 
Schleusen  und  ist  oben  122  Fuss,  unten  50  Fuss  breit  und  i20 
Fuss  tief,  so  dass  Fregatten  von  32  Kanonen  (die  über  20  Fuss 
tief  gehen)  und  Kauffahrteischiffe  von  10DO  Tonnen  Gehalt  auf 
demselben  fahren  könneiK  Er  wunle  allein  auf  Kosten  des  Staats,, 
da  ein  solcher  Bau  als  Capital -Speculation  zu,  gefährlich  schien 
wie  er  denn  auch  wirklich  bis  jetzt  sich  nicht  versinaet,  mit  ei- 
nem Aufwände  von  986,924%  St.  (6,908,4,68  Rthlr.)  durch  Thomas 
Telford  erbaut,  und  ist  1822  für  die  Schiffahrt  eröffnet  E^  ist  für  den 
Handelsverkehr  von  der  grössten  Wichtigkeit»  indemer  die  Östlichen 
mit  den  westlichen  Gewuss^m  Grossbritanniens  verbindet  und  die 
gefährliche  Schiffahrt  durch  die  Pentlander  Strasse  swischen  Nord«^ 
Schottland  und  ,den  ^rea«lisohea.  Inseln»  «der  die  langwierige 
Fahrt  um  die  südlich^  Küste  Ejiglanda  durch  den  Canat  vermei- 
den lüsst.  An  beidem  ^nden  des  Canala  stiid  weitHkuffcfge  Bas- 
sins annc^degt,  in  weld  in  gleichzeitig  drei  Flotten  aufgenommen 


I 


338  Da«  Britische  Beich. 


wtstiHk  könnMi.  —-Die  Ükrigeft  Cui&lt  SchotHanda  sind  nicfat 
TOD  groflfer  Bedenttiif^.. 

In  Irland  haben  die  Canäle  bis  jetxl  eine  noch  mehr  unter- 
geordnete Stellung:  die  drei  bedeutendsten  sind  der  kÖniglicksB 
Canaly  welcher  von  Dublin  übelr  Mullingar  nach  dem  Shannon 
bis  Tarmonbarrj  unterhalb  Carrick  gezogen  ist,  eine  Lunge  von 
beinahe  19  6.  M.  hat  und  einen  Kostenaufwand  von  1,086,586 
%.  St  (7,605,976  Rthlr.)  veranlasst  hat,  der  inzwischen  von 
Seiten  der  Regierung  getragen  ist  Der  zweite,  .der  grosse 
Canal,  17  ,G.  M.  lang,  läuft  in  fast  paralleler  Richtung  südlich 
von  jenem  von  Dublin  über  Tullamore  bis  nach  tianagher  an  den 
Shannon»  und  verbindet  so  das  Atlantische  mit  dem  Irisehen 
Meere:  ein  Seitencanal  geht  aus  demselben  nach  Athj  an  den 
Barrow-Fiust  und  verbindet  dadurch  Dublin  mit  Waterford.  Der 
dritte  Ebiupt-Canal.,  der  Newry-Canal,  fuhrt  aus  dem  grossen 
Neagh-See  in  südöstlicher  Richtung  in  den  Carlingford- Busen 
und  bewerkstelligt  dadurch  eine  leichtere  Verbindung  zwischen 
dem  nördlichen  und  Östlichen  Theile  Irlands  und  beider  mit  Li- 
verpool, die  durch  ein  häufig  gehendes  Dampfschiff  lebhaft  un- 
terhalten wird,  wenn  gleich  der  tägliche  Dampfbootverkehr  zwi- 
schen Dublin  und  Liverpool  weit  stärker  ist  Dieser  Canal  ist 
eigentlich  durch  die  Vertiefung  der  beiden  Flüsschen  Newrj- Wa- 
ter uud  Bann  entstanden,  trägt  vom  Heere  bis  zur  Stadt  Newrjr 
Schiffe  von  150  Tonnen  Last  und  bis  zum  See  Neagh  und  den 
Steinkohlengruben  zu  Dungannon,  Drumglass  uud  Coal- Island 
Barken  von  1000  1>is  1500  Centner.  Inzwischen  hat  noch  kein  * 
Irländischer  Canal  das  Glück  gemacht,  eipen  reichlichen  Zinsen- 
erdrag  vbn  dem  auf  seinen  Bau  verwendeten  Capitale  abzuwer- 
fen, zumal  da  der  Bau  selbst  mit  zu  unverhältnissmässigcm  Auf- 
wände bewerkstelligt,  und  doch  der  Handelsverkehr  der  Provin- 
zen, durch  Welche  diese  Canäle  ihre  Richtung  nehmenf,  so  be- 
schränkt ist,  dass  selbst  die  mit  den  geringsten  Kosten  errich- 
teten Canäle  in  der  Gegenwart  die  Unternehmer  noch  nicht  ent- 
schädigen würden*)* 

Werfe»  wir  bub  sum  Sehlosa  der  Uebersieht  der  Canal- 


*)  Maccullocb,  a.  a.  O.  L  5.  325. 


Das  Britisch«  Reich.  339 

■Jbftiten  eiiieB  Rftdrklidc  auf  lea  |«uuaaiteii  Umfong  denelben» 
so  liiidMi  wir,  dass  su  Anfang  des  Jahcea  1824  die  Aufdehnung 
der  ganien  Canalfahrt  in  den  drei  vereinigten  Reichen  2960 
Engl.  M.  (640  Geogr.  M.)  betrug.  Für  England  und  Waieg  war 
fiaeh  Baader  die  Zahl  der  mindeitena  fiber  6  EngL  M.  langen 
Canäie  118/und  ihre  Getammtlftnge  mit  Einachlui«  der  kleiner^  be* 
trag  251 1  EngL  ML  (543  Geogr.  VL).  Die  Sehottisehen  Can&le  mach- 
Cen  184  Engl.  M.  (39|6.M.),  die  buchen  26&.Engl.  M.  (57^  6.H.) 
aus.  Die  Zahl  der  Tunneli  oder  unterirdifchen  Durchgänge 
betrug  48,  von  welchen  40  allein  augammen  über  32  EngL  KL 
(gegen  7  G.  M.)  lang  sind.  Vergleichen  wir  Frankreichg  achilf- 
bare  Canile  mit  den  Britischen  ^^  so  betragen  jene  (gegen  136  6» 
M.)  nicht  yie)  über  ein  Fünftheil  der  Gesammtlänge  der,  letzteren, 
die  auf  eineqi  doppelt  go  kleinen  Flächeninhalte  sich  befinden: 
n^d  welches  VerhHltuiss  tritt  dann  hervor,  wenn  wir  die  Ver« 
gleichung  nur  auf  das  Königreich  England  im  engem  Sinne  be- 
schränken, ^o  bei  einem  fast  fünfmal  so  kleinen  Flichenin* 
halte  als  Frankreich,  doch  viermal  so  viele  Canäle  den  Wasser- 
verkehr erleichtem.  Die  auf  Aetien  erbauten  Canäle  in  Gross- 
britannien und  Irland  haben  insgesammt  ein  Anlage-Capital  von 
mehr  als  30,000,000  %  St  (210,000,000  Thlr.)  erfordert,  aber 
(ler  jetsige  Werth  dieser  Bauten  ist  auch,  abgesehen  von  der  un- 
berechenbaren allseitigen  Beförderung  dea  Nationalwohlstandea 
do^  auch  absolut  vicMhöheir  anzuschlagen.  Denn  gerade  die 
längsten  und  wichtigsten  dieser  Unternehmungen  gewähren  nach 
Abzug  aller  Reparatur-  und  Unterhaltungskosten,  eine  so  reiche 
Dividende,  dass  der  ursprüngliche  Werth  der  Aetien  um  das 
Vier-  bis  ZwÖlfTache  gestiegen  Ist  (für  den  Trenfr  und  Mersoy- 
Canal  von  50  %  St.  auf  620  <S  St,  CoventryCanal  von  100  ft 
auf  795  <S  St,  Cljde-  und  Fotth-C.  siehe  oben,  Staiford-  und 
Worcester  Sh.  Canal  von  140  <3  St  auf  710  <S  St^  Oxferd-Canal 
von  1(X)  %  St  auf  5(X>  %  St,  Liverpool-  und  Eeeds* Canal  von 
lOOSSt  auf  410ftSt>  Es  konnte  aber  bei  lockendem  Vortheile  auch 
nicht  fehlen,  dass  nup  völlig  unangemegsene  Unternehmungen  ent* 
worfen  wurden,  die  oft  nur  in  dem  unsicheren  Credite  der  Unterneh- 
mer ihre  Veranlassung  fanden,  der  bei  dem  fiberaas  regen  Asgocia- 
tiopsgeiste  der  Engländer  leicht  Beifall  und  Geldunterstützung  zu 
erhalten  hoffen  durfte.  Die  durch  solchen  Sehwindelgeist  hervorge- 
rufenen Pläne  konnten  Jedoch  nicht  anders  als  missglücken,  und  so 


34Q  Das  Britische   Reich. 

i 

giebt  es  denn  auch  Canal-Actien,  —  deren  Canale  indes«  gar  nicht 
angefangen  oder  doch  nicht  vollendet  sind,— welche  nicht  den  lehnten 
Theii  ihres  Nennwerthes  jetact  noch  haben,  öder  zu  völlig  nutzlosem 
Papiere  herabgcf^esunken  sind.  Dies  zeigte  sich  namentlich  in  den 
Jalifen  1823  und  1824,  wo  allein  zu  London  33  Gesellschaften  zur  Er* 
bauung  von  Canalen,  Docks  und  Dampfböten  mit  einem  Actien-Capi- 
tale  von  1 7,753,000  %  St  ( 124,27 1 ,000  Rthlr.)  sich  ^  bildeten ,  die  fast 
sämmtlich  durch  die  Handels  •Crisis  des  Jahres  1825  untergingen,, 
weil  sie  ohne  sichere  Grundlage  ihre  Plilne  unternommen  hatten. 

Die  Lands trassen  Grossbritanniens  sind  fast  gleichzeitig 
mit  den  Canälen  in  allen  Hauptrichtungen  kunstgemäss  erbaut, 
und  werden  daher  seitdem  in  Turnpike-roads  (mit ^chlagbuu- 
nien  versehene Kunsts trassen)  und  Higwaj^s  (gewöhnliche  Land- 
wege  oder  Heerstrassen),  eingetheilt.  Diese  müssen  von  den  Ge- 
meinden, welche  an  ihnen  wohnen  (in  England  und  Wales  aU 
lein  gegen  05,000  Engl,  Meilen  20,540  Geograph.  Meii.),  unter- 
halten werden,  was  entweder  durch  Hand-  und  Spanndienste  ge- 
schieht, und  dann  gemeinhin  sehr  mitteimässig  geleistet  wird, 
oder  für  die  Geldsummen,  Wiclche  für  die  abgelösten  Natural- 
dienste  gezahlt  werden,  von  einzelnen  Unternehmern  aus- 
geführt wird.  Jene  Kunststrassen  dagegen  werden  seit 
dem  Jahre  1704  auf  Kosten  der  Regieriyig  erbaut  und  un- 
terhalten, indem  ausser  den  an  den  Schlagbäumen  zu  zahlenden 
Wegegeldern,  die  jahrlichen  Beitr&ge  der  Gemeinden  für  die  nun 
auf  diesen  Strassen  entbehrlich  gewordenen  Naturaldienste  *)  da- 
zu verwandt  wurden.  Auf  solche  Weise  sind  in  60  Jahren  bis  zu 
Anfang  des  Jahres   1824  grössentheils  musterhaft  jond  bis  jetzt 


'^)  Schon  unter  der  Königin  Maria  war  1555  das  G^Kth  gegeben 
und  bis  auf  den  Anfang  der  Regierung  Georgs  HL  in  Kraft  erhalten^ 
dass  jährlich  für  jedes  Kirchspiel  zwei  Wege -Inspectoren*  gewählt 
werden  sollten,  unter  deren  Aufsicht  alle  Einwohner  der  Kirchspiele 
nach  ihren  Kräften  vier  Tage  hindurch  mit  den  nöthigen  Werkzeugen  und 
Geräthschafien  zur  Verbesserung  der  vorhandenen  Wegeatbeiten  soll- 
ten. Eine  ähnliche  Verordnung  war  von  dem  Schottischen  Parla- 
mente unter  der  Regierung  Carls  II.  J669  erlassen,  welche  aber  diese 
Diensteanf  sechs  Tage  jährlich  festsetzte,  und  voll  den  Gutsbesiizeru 
und  t'achtern  insbesondere  noch  dazu  die  nothwendigen  Pferde,  Wagen 
nnd  Karreuv  forderte. 


Das  Britische   Reich.  341 

Bocii    dmdi    keiMeo    anilern   Stmat    ttbertroffen    im    Köni^ri^ieh 

EngUail 18,329  CngL  M.  =  S.963  Geogr.   M. 

im  Firatenthom  Wales     .      2,591     -r-     —  =     560      —      — . 
im  KÖDigr.  Sckottimnd     .      3,01 1     —     —  ==     786      —      -* 

24,531  Engt  M.  =  5,309  Geogr.  M. 
KmittBirasseii  *)  erbaut  Diese  erforderten  auaier  dea  jährlith 
dafür  aDgewieseiAn  Geldieittungen  eio  Capital  Ton  5,200,490  ^ 
St  oder  36,403«430  Thlr.,  welche  als  Actiensehuld  auf  dao  eiu« 
xelncB  Straaseusugen  haftet^  und  iwaf 

auf  den  Epgltsehen    3,874,255  9  St  =  27,119,785  Thir. 

—  —  Waluiichen     201,862     —      =     1,413,034     — 

—  —  Schottischen  1,124,373     —     .=    7,870,611      ^ 

—  ■  . 

5,200,490  ft  St  =  36,403>430  Thlr. 
In   den  vier  Jahren    1818—21    betrug  durchschnittlich  die  Ein- 
nähme  der  Wegegelder 
auf  den  Englischen  Kunststrassen    970,6 1 8  tl  St  =  6,794,326  ThlV. 

WalisUchen   —        —  37,672    —    =    263.704'  — 

SchoUischen  —        —        .129,635    —    =    907,445    — 

1.137,925  a  St  =  7,965,475  Thlr. 
Doch  reichten  dieselben  keinesweges  zur  UnterKnltiing  der  Kun&t- 
straxsen  aus,  die  nach  Macculloch  *)  in  dfer  Gegenwart  einen 
jährlichen  Aufwand  von  1,600,000  ji  St  (11,200,000  Thlr.)  in 
Anspruch  nehmen,  wovon  ungefiihr  270,000  jl  St,  (1,620,000  Thlr. > 
als  Geldbeiträge  für  die  abgelösten:  Naturalilienste  in  Abzug  an 
bringen  sind:  demnach  würde  noch  ein  jährlicher  Zuschuss  aus 
den   Staaufonds   von   etwa   200,000  g  St  (1,400,000  Thlr.)  für 


*)  Auch  in  dem  Kunsls<rassenbau  eiferte  die  Rivalität  derNorda« 
merikaner  mü  dem  glänzcndälen  Erfolge  nach:  hiebei  gewann  sie  sogar, 
wie  bei  den  Ei^nbshnen,  den  entschiedenen  Vorrang,  denn  die  yer* 
einigten  Staaten  zählten  schon  im  Jahre  Id'iö  88,000  Engt  Meilen 
U(),643  G.  M.)  Postsirasden,  und  im  Jahre  1833  46  beendigte  Eisen- 
bahnen, darunter  mehrere  über  100  E.  M.  lang,  überdies  aber  137  ange- 
fangene und  ihrem  Endziele  schon  sehr  nahe  gerückte ,  darunter  die 
l>rächtige  von  Baltimore  nach  dem  Ohio  unweit  Pittsbing,  von  330 
Engl.  M.  (71{  G.  M.)   Länge.     Vergl.  Edinburg   Review  Oct.  1834 

Pg.  in-'ija. 

**)  A.  a.  O.  Artikel  Wege  und  Landstrasscn,  Bd.  11.  S.  909. 


349  Das   Britische  Beiok 

Orossbritannien  allein  erforderlich  gein.  •—  In  Irlajnd  werden 
ungefähr  5,000  Engl.  Meilen  (1,081  €reo|(r.  Meilen)  Kunstf trauen 
angegeben. ' 

AI»  eine  Ste^rong  der  Kunitttraiien,  die  Jedoch  iiur  in 
einem  Lande  von  dem  lebhafteaten  inneren  Verkehr,  oder  durch 
fligendifimlich  günitige  Localverhältniise  gerechtfertigt^  werden/ 
kann,  lassen  sich  die  Eisenbahnen^Rail-roadSflron-railroads 
Tram«  oder  Waggon-roads)  betrachten.  Sie  sind  suerst  veran» 
lasst  durch  die  Holzbahnen  fQr  den  Steinkohlentransport  aus 
den  benachbarten  Gruben,  die  schon  im  siebzehnten  Jahrhun- 
derte etwa  seit  1680  in  England  in  Gang  kamen  und  auch  ge- 
genwirtig  noch  in  den  Nordamerikanischen  Freistaaten  vielfache 
Anwendung  linden.  In  England  fing  man  erst  seit  1800  auf  solchen 
Fahrbahnen  oder  Riegelwegen  das  Eisen  statt  deiS  Holzes  anzu- 
wenden ,  namentlich  in  der  Nähe  von  Newcastle  upon  Tjne  und 
Snnderland,  zur  VernUiTupg  der  Steinkohlen  nach  den  Flüssen  Tyne 
imdWear;  dpeh  wiederum  verstrichen  20  Jahre,  ehe  man  an  die 
Ausführung  grösserer  Eisenbahnen  auf  steinernen.  Grundlagen 
lum  allgemeinen  Waarentransport  zwischen  sehr  bedeutenden  Han- 
delsstädten dachte  *)•  Die  erste  grosse  Eisenbahn  war  der 
Stoktonand  Darlington-Rail-road,  welcher  auf  einer  Länge  von 
25  Engl  Meli  (5^'^  ^^ogr*  MeiL)  nach  einer  Parlamentsgeneh- 
migung vom  Jahre  ^1823^  zwischen  den  Kohlengruben  von  Whit- 
fon-Park  in  Durhara  und  Stokton  an  der  Tee  angelegt  und  1825 
«um  Gebrauche  eröffnet  wurde.  Darauf  wurde  die  grossartige 
und  wahrhaft  ausgezeichnete  Eisenbahn  zwischen  Manchester 
und  Liverpool  in  den  Jahren  1826—28  auf  einer  Länge  voi^ 
32  Engt  M.  (6j|  Geogr.  H.)  mit  einem  Kostenaufwande  von 
820,000  <S  8t  (5,740,000  Thlr.)  ausgeführt    Sie  fängt  in  I4ver- 

^  Vergt  Historica!  account  of  the  navigable  rivers,  canals  and 
raiUways,  by  Nicholls,  PriMtley  aad  lYalker,  Lond.  18M,  4(o,  in 
welchen  sehr  beachtenswerlhen  lYerke  überhaupt  eine  Dilrsielluag 
der  Laad*  und  Wasserstrassen  für  den  innere«  Verkehr  des  Britischen 
Reichs  dargeboten  ist;  ferner  den  oben  angefahrten  Aufsatz  ^ns 
dem  Edinburgh  Review  S.  04—1^,  in  welchem  vier  Eaglische  und 
J^ordamerikanischeBerichte  über  die  Eisenbahnen  gründlich  beartheilt 
und  sehr  anziehende  Mittheilungen  aus  denselben  entlehnt  sind;  Mac- 
culloclfa.  a.  O.  Artik.  Eisenbahnen  Bd.  L  &  6*21*27  und  die  Zu- 
sätze des  Deutschen  Bearbeiters  zu  demslelben. 


Das   Britische   Reich. 


3^3 


pool  mit  einem  Tunnel  «n,  welcher  über  1|  EngL  M.  unter  der 
Stadt  durchläuft,  hat  63  Brücken,  von  welchen  30  unter,  2S 
über  den  Landstrassen,  4  Ober  Bäche  und  eine' über  den  Fhiss 
Irwell  führt  und  gewährt  die  Möglichkeit,  das«  diese  ganze 
Strecke  in  1}  bis  ]|  Stunde  zurüekgel^  werden  kann,  die 
Jetst  schon  jährlich  von  500,000  Reisenden  befahren  wird.  Die 
ersten  Versuche  mit  Dampfwagen  auf  dieser  Eisenbahn  wurden 
imOctober  18^  gemacht.  Unter  den  mehrfachen  gegenwärtig  im 
Bau  befindlichen  grossen  Unternehmungen  zu  Bisenbahnen,  die 
gleich  den  Canälen  in  d«n  Jahren  1823  und  1824  48  besondere 
Compagnien  smr  Anlage  von  Rail-roads  mit  einem  angegebenen 
Capitale  von  22,450,000  %  St  (157«  150,000  Thlr.)  hervorgerufen 
hatten,  obgleich  die  meisten  dieser  Pläne  gleichfalls  aU  nichtig 
seriielen  -*  nimmt  die  erste  Stelle  die  Bahn  ein,  welche  Lon-» 
don  mit .  Birmingham  und  dadurch  bei  den  schoii  bestehenden 
Eisenbahnen  zwischen  Birmingham  und  Manchester  und  Liver- 
pool,  auch  mit  diesen  Handelsstädten  verbinden  soll;  sie  erfor- 
dert eine  Länge  von  111}^  Engl.  M.  (24  Geogr.  M.),  von  wel- 
chen nur  9}  völlig  eben  sind,  bei  den  übrigen  die  Kunst  aber 
bedeutend  nachhelfen  muss,  da  Birmingham  um  350  Fuss  senk- 
recht höher  als  London  liegt  Ausserdem  sind  bemerkenswerth- 
die  Eisenbahn  von  Preston  zu  der  von  Manchester,  die  von 
Leeds  nach  Selby,  von  hier  nach  Hall,  wie  die  von  Carlisle  nach 
Newcastie,  wodurch  bereits  vermöge  Eisenbahnen  das  Irische 
Me^r  mit  der  Nordsee,  auf  dem  Wege  durch  die^wichtigstenManufak* 
tur-  und  Handelsstädte,  in  zuriefacher  Richtung  verbunden .  wer- 
den. In  der  Nähe  von  London  sind  schon  am  frühesten  klei- 
nere Eisenbahnen  errichtet;  wie  die  zwischen  Croydon  und  Mit* 
cham  auf  einer  Strecke  von  4  Engl.  M.  In  Schottland  giebt 
es  ausser  bei  den  Steinkohlengrubon  noch  keine  grössere  Eisen« 
"bahn,  und  auch  in  Irland  bis  .Jetzt  nur  die  einzige  zwischen 
Dublin  und  Kingstnwn  am  Dubliner  Busen,  in  einer  geringen 
Ausdehnung  voir  7  EngL  M.  (1|  Geogr.  M.),  da  Kingstown  in  der 
bevölkertsten  Umgegend  von  Dublin  liegt»  die  reichsten  Kanfleute 
hier  Sommerhäuser  haben'  und  das  tägliche  Dampfboot  von  Li*^ 
verpool  hier  anlegt  -—  Doch  das  Zeitalter  der  Eisenbahnen  scheint 
auch  für  das  Britische  Reich  zuerst  seinen  Anfang  erreicht  zu 
haben— Die  eisernen  Kettenbrücken  und  die  durch  eiserne  Ket^^ 
ten  gehaltenen  Seedämme  ^  wie  zu,  Brighton  und  zu.  Ne^hawen 
bei  Leith  and  Edinburg,  fanden  gleichfalla  zuerst  in   diesem 


344  Das  Britische  Reich. 

Reiche  ^e  gfostartige  Anwendnng:  jetit  si&Mt  iiian  bereite  30 
grotee  Brücken  <lieger  Art,  «Ivron  24  allein  in  Englanil,  4 
liber  die  Themse,  3  ttber  die  Sevem,  andere  in  den  wichtigsten 
Städten,  wie  SV  Manchester,  Liverpool,  Sunderland,  Bath,  ipswioh 
u.  i.  w.  —  Der  Tunnel  unter  der  Themse,  ein  Riesenwerk  auch  ih  sei- 
ner halben  Vollendung,  darf  als  ein  angemessener  Anknüpfungspunkt 
i^ttr  spätere  ähnliche  Unternehmungen,  die  Brücken  unter  den 
Flüssen  sii  schlagen,  «eine  Steile  in  dieseln  fi.  wohl  schliess- 
lieh  einnehmen. 


$.  5. 


Bevolkerungs-Verhälinisse« 

Ab$irßLci  of  ih9  anatterB  and  returMf  made  pur^uant  to  an 
nct  for  tßhng  an  äecount  of  ihe  population  of  Great  Britam 
1811,  London  1812,  FoL  Darauf  dieselbe  Arbeit  für  das  Jahr 
2821,  ordered  hy  iho  hause  of  Commonn  to  he  printed  2  July 
1822,  Lond,  Fol,  Der  Druck  beider  Werke  ist  unter  Aufsicht  und  Re- 
daction  voii  1.  Rick  mann  blos  i^um  Gebrauch  für  Parlamentsglieder 
und  höhere  Staatsbeamten  geschehen.  Dieselbe  Arbeit,  vervoll- 
«tändigt  mit  Irland  nach  der  Zählung  des  Jahres  1831,  ist  ob. 
S,  202  unter  den  allgemeinen  Hülfsmitteln  aufgeführt 

Die  ältesten  Volkssählungen »  wie  unbestimmt  und  unvoll* 
atändig  sie  auch  im  Einzelnen  gemacht  sein  mögen,  reichen 
doch  für  das  Königreich  Ein  gl  and  bis  in  das  vieraehnte  Jahr* 
hundert  hinein,  denn  wir  besitsen  aus  der  Zeit  der  Regierung 
Eduards  IlL  eine  Steuerrolle  aller  Köpfe  nach  den  einseinen 
Grafschaften,  welche  2,353,000  Indiiriduen  angiebt  Zwei  Jahr- 
hunderte später  wurde  für  England  und  Wales  gemeinschaftlich 
unter  der  Aufsicht  der  Bischöfe  dne  Zählung  Torgenommen,  die 
jedoch  nur  in  runder  Zahl  bekannt  geworden  ist  und  die  Volks- 
menge in  damaliger  Zeit  auf  5,000;000  Bewohner  angiebt  Bern 
Abgänge  der  miinnlichen  Linie  des  Hauses  Stuart  vom  Gross- 
britannischen.  Thron  168D  war  die  Volksmenge  in  England  und 


y 


Das  Britisciie  ReicL 


W*I«  5,900,00(> 


Jaluoi  I«  ^ 


1700 
1710 
1720 
1730 
1740 
1750 


10 


M7S.000  EiawolAci; 
5»24O»00O  -* 

&,56S,000  <— 

5,7SM,000  — 

6,0&l,000  — 

6,467.000  — 


ZMt  ab  k 

TOB   10  Jdve« 
SiMict.  Sie 


Dita«  Vtmkmtmwmg 
tnAtint  als  Falgs 
4cr  diätigMi  TkeiU 
naluBa  £agUi|^«.  4. 
Span.  Erbfo^dari^^. 


Es  waor  addiia  4is  gesaaüata  Zanahaie  ui  des  61  Jakra«  \^il 
1,167,000  indmdnen,  das  ist  im  Dar^schnitte  jikilidi  10,iai 
lodiTidaen,  oder  bei  dem  Gnmd-Capital  too  5,300,000  MenadMA 
des  Jahres  1689,  beinahe  |  Proeent  Voq  diesem  Zeit^akte  ab 
zei^  sieh  aber  ein  riet  bedeutsamerer  Einfluss  des  jfthrlieh  aas- 
serordentUch  gesteigerten  Britischen  Handels  and  Gewerblleissea 
aaf  die  Zunahme  der  Berdlkerang.  Wir  haben  ans  derselbett 
Quelle  die  BeröikeruDg  von  England  und  Wales 


für  1760 

—  1770 

—  1780 

—  1700 

—  1800 


6,786,000  EiBWfAttsr, 
7^28,000  — 

7,953,000  — 

8,675,000  •— 

9,168,000  — 


Es  ist  demnach  in  diesen  50  Jahren  ||§J  die  gesammte  Zu- 
nahme der  Bevölkerung' 2,701,000  Indiri^uen,  odtr  im  jährlichen 
Durehschnitte  5-1,020,  das  ist  bei  dem  Grund-Cnpitale^  toq 
6,467,000  Menschen  im  Jahre  1750  über  \l  Procent.  Führen 
wir  nun  bis  au  diesem  Zeitpunkte  auch  die  Bevölkerung  Schott* 
lands  und  Irlands  herunter,  so  finikn  wir  für  Schottland 

im  Jahre  1689  =  1,200,000  Einwohner 
und  1780=  1,470,000         —        , 

also  in  91  lahren  einen  Zuwachs  der  Bevölkerung  von  270,000  Indivi- 
duen, odet*  im  jährlichen  Durchschnitte  2967  Ind.,  das  ist  bei  einem 
Grundcapital  von  1,200,000  Menschen,  beinahe  \  Proecu t  jährli- 
cher Zuwachs,  bleibt  also  damals  sehr  bedeutend  hinter  Eugiand  tn- 


346  Das   Britische  Reich. 

rfick«  Dagegen  ist  der-Forttohritt  in  deo  nlebsten  20  Jahren, 
wo  Sehottlandt  Handel  und  Industrie  dureh  den  Englischen  mit 
in  die  Höhe  gebogen  wird.  Fiel  bemerlcbarer,  denn  wir  finden 
im  Jahre  1800  die  BevÖllcerung  Sehottlands  auf  1,584,000  In- 
dividuen angewachsen,  also  eine  Vermehrung  derselben  gegen 
]7iB0  um  114,000  Individuen,  oder  im  jährlichen  Durchschnitte 
&700  Individuen,  das  ist  bei '  einem  Menschen-Capital  von  1,470,000 
Kk,  im   Jahre   1780,  über  J.  Procent  jährlicher  Zuwachs. 

Aber  ein  gans  abnormes  Verhältniss  in  der  Zunahme  der 
Bevölkerung  giebt  für  die  Europäischen  Staaten  Irland,  das 
seinen  eigenthu milchen  Grund  in  der  dortigen  Gestaltung  der 
bürgerlichen  Verhältnisse  findet,  die  überaus  leicht  im  jugendlichen 
Alter  sur  Stiftung  eines  Hausstandes  oft  auch  nur  in  wilder  Ehe  *) 
aufmuntern,  denselben  auf  wenige  Morgen  Kartoffelland  für  Kinder 
und  Sehweinel^egrÜnden,  die  Volksvermehrung  zwar  übermässig  stei- 
gern, aber  dafür  auch  die  traurigste  Dürftigkeit  und  Noth  auf  dieser 
Insel  einheimisch  machen.  Wir  finden  eine  BevÖlkerungsangabe^ 
freilich  nur  schätsui^weise  nach  den  Kircfaenr^istem  in  Bezug 
auf  die  Zehnten  aus  dem  Jahre  1669  ang^eben,  sie  giebt  die 
2^hl  der,  Bewohner  nicht  über  1,000,000  Köpfe  an,  sie  ist  85 
Jahre  später  17^  schon  mehr  als  verdoppelt,  nach  Wake- 
fiel  2,372,000  K.,  und  beim  Ausbruche  des  Kampfes  gegen 
die  Französische  Revolution  1792,  wo  auch  nachmals  Irland 
SU  einem  Theil  des  Kriegsschauplatzes  bestimmt  wurde,  war 
sie  bereits  auf  3,600,000  Köpfe  angewaehsen.  Dies  gewährt 
aber  für  123  Jahre  |^||  eine  Zunahme  der  Bevölkerung  nni 
2,600,000  Köpfe,  oder  im  Jährlichen  Durchschnitte  221,130 
Individuen,  das  ist  bei  einem  Grundcapital  von  1,000,000  Men- 
schen im  Jahre  1669,  über  2  Proeent  jähriieher  Zuwachs  durch 
eine  so  lange  Reihe  von  Jahren« 

Im  Jahre  1801  kam  indess  ein  weit  geoi||neteres  Verfahren 


*)  Die  Zahl  derselben  ist  unglaublich  grosse  diess  unglücklicbe 
Verhältniss  wird  noch  dadurch  in  seiner  verderblichen  Ausdehnung 
vermehre,  dass  das  Irländische  Herkommen  das  Beibehalten  verheira- 
iheter  Knechte  und  Mägde  im  Diensle  sehr  begünstigt»  und  deshalb 
mehr  zum  Versuch  der  wilden  Ehe  antreibt,  als  vor  demselben  warnt, 
da  das  Gewissen  durch  die  Möglichkeit,  dieselbe  zur  förmlichen 
Ehe  leicht  übergehen  lassen  zu  können,  sich' schon  beruhigt  fühlt, 
Tcrgl.  Meidingers  Reisen  Thl.  IL  a  187  o.  Sil. 


Das  Britische  Belcli.  W 

fihr  die  Zahlung  der  Volksmenge,  wenigsten«  fBr  <}rossbritannien 
%u  Stande,  die  meiirere  statistische  Zwecke,  deron  Kenntniss 
fSr  dfe  Basis  der  Staatsverwaltung  nothwendig  erschien,  zugleich  . 
ber&cksichtigte.  Auf  «len  Vorschlag  William  Pitt^s,  des  damaligen 
Hauptes  des  Englischen  Ministerinms,  wurde  eine  Bül  durch  An- 
nahme von  beiden  Häusern^  des  Parlaments  Staatsgesetx,  nach 
welchem  regelmässig  alle  sehn  Jahre  eine  genaue  und  vollstän- 
dige Zählung  der  Volksmenge  nach  bestimmten  Rubriken  ge- 
schehen sollte.  Aus  denselben  geht  nun  hervor  die  Anzahl  der 
bewohnten  Häuser,  der  im  Bau  begriifHenen,  der  Fabriken-,  Etan- 
dels-  und  Landwirthschafts-Gebäude,  der  einwohnenden  Familien, 
die  zugleich  nach  ihren  verschiedenen  Hauptbeschäftigungen, 
nach  Ackerbau,  Fabriken,  Handel,  Handwerken  u.  s^  w.  geord- 
net wurden,  der  einzelnen  Personen  nach  der  Verschiedenheit 
des  Geschlechts  und  des  Alters,  der  männlichen  und  weiblichen 
Dienstboten  von  jedem  Alter,  endlich  der  im  königlichen  Dien- 
ste stehenden  Personen,  der  Beamten,  Soldaten  im  Landheere 
und  auf  der  Flotte,  sowie  der  dort  einregistrirten  Matrosen. 
Diese  Zählung  ist.  nun  in  der  That  jetzt  viermal  1801,  1811, 
1821  und  1831  erfolgt  und  in  ihren  Hauptergebnissen  nach 
jener  genannten  Beziehung  bekannt  gemacht  In  England  geschieht 
die  Zählung  durch  die  Armenaufseher  ( Overseers  of  the  poorj, 
in  Schottland,  wo  die  Englischen  Armengesetze  nicht  gelten, 
durch  die  Schulmeister  der  Kirchspiel-  oder  Pfarrschulen.  Für 
Irland  ist  seit  1812  die  Zählung  üach  den  Provipzen,  und  indensel*  , 
ben  nach  den  Grafschaften  und  Baroniea  ganz  in  derselben  Art 
in  Bezug  auf  die  tabellarischen  Rubriken,  aber  weder  durch 
die  Armenaufseher  noch  durch*  die  Schulmeister  ausgeführt, 
weil  die  Organisation  beider  Institute  hier  völlig  anders'  ge- 
'staltet  ist:  in  dem  obigen  über  die  Zählung  von  1831  her- 
ausgegebenen Werke  selbst  ist  die  Behörde  nicht^  genannt, 
durch  welche  die  Zählung  im  Detail  veranstaltet  und  controllirt 
ist  Für  England  und  die  Anhänger  der  Episcopalkirche  in  Schott- 
land findet  überdies  Bocb  eine  zweite  Zählung  nach  den  Kirchen- 
büchern statt  *K  Stelksi  wir  nun  diese  vier  neuesten  ofliciellea 
/ 

*)  Für  die  Angücapi^che  Episcopalkirche  werden  überdies  auch 
nur  sorgfältige  Trauungs-,  Gebrufts-  und  Slerbelisten  aus 
den  Kirchenbüchern  bekannt  gemacht,  k.  Bickcs  d.  Bewegung  d.  Be- 
völkerung S.  433-43. 


348  Das   Britische  R«ich. 

vollständigen  Volktz&hhmgen  der  drei  vereinigten  Rbiche  .zusant- 
men,  so  kommen  wir  xu  nachstehenden  interessanten  Ergebnissen : 

flu  1801       Ind.    1811      Ind.      1821      Ind.     1831    Ind. 

England         8,331,434  —  9,538,847  —  1 1,271,437  -*  13,091,005 — 
Wales                541,546-^  611,768—      717,438—      806,182 — 
Land- u.  See- 
macht«)          470,508—  640,500—      319,300—      277,017 — 

O.  Sumaie 

für  England,  9,343,578  —  10,791,115  —  12,298,175  —  14, 174,204 — 

Schottland     1,599,968—    1,805,688—   2,093,456—   2,365,115  — 

G.  Summe 

fttr  Gross-  ^ 

britannien    10,942,646  — 12,596,803  —  14,391,631  —  16,539,318— 

t  ^^  ^^ 

Es  beträgt  demnach  d^r  zehnjährige  Zuwachs  für  England 
in  der  ersten  Periode  (180Lr-10)  1,207,413  Indiv.,  oder  im, 
Durchschnitte  jährlich  120,f4l  Ind.  Behalten  wir  nun  jedes  Mal 
die  Bevölkerung  des  Anfangsjahres^  einer  solchen  Periode  als  das 
^rundcapital,  so  giebt  dies  einen  jährlichen  Zuwachs  von1>einahe  I J. 
Procent.  Für  die  zweite  Periode  (1811—20)  beträgt  der  zehn- 
jährige Zuwachs  1,722,590  Ind.,  also  im  jährlichen  Durchschnitte 
;j 72,259  Ind.,  oder  über  t^  Procent  Für  die  dritte  Periode 
(1821 — 30)  endlich  gewährt  der  zehnjährige  Zuwachs  1,829,568 
Ind.,  oder  im  jährlichen  Durchschnitte  182,956  Ind.,  d.  i.  nur  l| 
Procent  Dies  letzte  Verhältniss  bleibt  allerdings  zwar  immer 
noch  eine  der  stärksten  Progressioneri  in  der  Bevölkerung,  die  sieh 
für  irgend  einen  ausgedehnten  Staat  inEuropa,  oder  auch  nur  für  eine 
grosse  Provinz  eines  Staates  vorfindet,  aber  es  zeigt  deriki  doch,' 
dass  jetzt  die  überaus  grossen  Fortschritte  in  der  jährlichen  Stei- 
gerung der  Bevölkerung  nicht  mehr  im  Wachsthum  begrüfcn  sind, 
sondern  schon  ihr  Maximum  in  der  Periode  von  1811  bis  1821 
erreicht  haben. 

^    Für  Wales  erhalten  wir  bei  demselben  Verfahren    für  die 
erste  Periode  einen  Zuwachs  von  70,222  Ind.,   mithin  im  jähr- 


*)  Die^  ist  natürlich  für  das  gesammte  Reich,  so  weit  beide 
aus  Europäern  be8(eb<*n.  Zur  Seemacht  gehören  aber  8te(i$  auch  die 
auf  den  Kriegsschiffen  einrcgistrirteo  Matrosen:  also  army  und 
nsvv  zusammen.  i 


'  / 


Das  Britisclie   Reich.  S49 

riehen  Durchtchnfete  7022  Ind.,  oder  etwas  älier  1^'^  I^roeent  In 
der  s weiten  Periode  wAehtt  die  Zunahme  der  Bevölkerung  auf 
105,070  Ind.,  mithin  im  jährlichen  Durchschnitte  10,567  Ind.  oder 
etwas  über  f|  Procent:  dagegen  in  der  dritten  Periode  beträgt 
nur  der  Zuwachs  88,744  Ind. ,  also  im  jAhrliehen  Durchschnitte  ' 
8,874  Ind.,  oder  nicht  mehr  völlig  l|.  Precent-  Wir  sehen  also 
auf  gleiche  Weise  aiich  fär  das  Fürstenthum  Wales  das  Maxi- 
mum in  der  Steigerung  der  Bevölkerung  in  der  sweiten  Periode, 
erreicht,  die  dritte  Periode  aber  hier  .noch  hinter  der  ersten  su- 
räckgeblieben,  und  Überhaupt  hier  nicht  die  Bevölkerung  in  so 
rascher  Zunahme,  als  in  England.  Die  Verhältnisse  des  Heeres 
und  der  Flotte  bleiben  aber  dabei  ganz  ausser  Acht,  und  mussten  na- 
türlich bei  der  Wiederherstellung  des  allgemeinen  Friedenssustan^ 
des  eine  bedeutende  Verringerung  erfahren. 

Für  Schottland  erhalten  wir  gleichfalls  sehr, ähnliche  Ver- 
hältnisse, wie  sie  in  Wales  stattgefunden  haben.  In  der  ersten 
Periode  erreicht  der  Zuwachs  206,620  Ind.,  d.  i.  im  jährlichen 
Durchschnitte  20,662  Ind.,  oder  etwas  über  l|  Procent.  In  der 
zweiten  Periode  gieÜt, bereits  die  Zunahme  287,768  Ind.,  also 
«  jährlich  im  Durchschnifte  28,776  Ind.  oder  1  ^^  Procent  In  'der 
dritten  Periode  ist  aber  auch  hier  die  Gesammtzu nähme  der  Be- 
völkerung auf  271,659  Ind.  verringert,  welches  Verhältniss  bei 
einem  jährlichen  Duichsohnitte  von  27,165  Ipd.  nicht  völlig  I  * 
Procent  jährlichen  Zuwachs  wahrnehmen  lässt  Es  bleibt  also 
auch  in  der  zweiten  Periode  das  Maximum  der  gestiegienen  Be* 
völkerung,  dagegen  steht  wie  in  England  die  dritte  noch  günsti-^ 
ger  aU  die  erste.  —  Was  nun  ganz  Gross bri tan nien  ajibetriift; 
80  tritt  bei  den  Gesamm  tangaben  ein  einigeimaassen  verändertes 
Verhältniss  durch  die  Reducirung  der  bewaffneten  Macht  ein,  die 
doch  theilweise  (gegen  >)  aus  Ausländern  bestand.  Wir  erhalten 
für  die  erste  Periode  einen  Zuwachs  von  1,654,157  Ind.,  also 
im  jährlichen  Durchschnitte  165,415  Ind.  oder  1^  Procent;  für 
die  zweite  Periode  beträgt  der  Zuwachs  1,794,828  Ind.,  also 
im  Durchschnitte  jährlich  179,482  Ind.,  oder  \\  Procent;  end- 
^ch  für  die  dritte  Periode  steht  der  Zuwachs  auf  2,147,687,  mit- 
hin durchschnittlich  im  Jahre  214,768  Ind.  oder  fast  \\  Procent 
Es  tritt  also  hier  .wegen  der  eigenthümlichen  Verhältnisse  bei 
dem  Heere  und  der  Flotte  das  Maximum  bei  der  Steigerung  der 
Population  erst  in  der  dritten  Periode  ein. 

Die  Volkssählungen  ton  Irland  sind   1801   und  181JK  vom 


'  , 


3fi0  Das  Briti8i;h6  Reich.  ' 

Parlamente  «war  i^neh  anbefblilaB»  aber  nur  n^  unToUttäadig, 
aiitgefuhit,  namentlieh  wai  lUe  nordweatiMien  Grafsebafiten  an- 
betrifft Erst  die  beüen  letiteren  Tor  1^21  und  1831  verdienen 
mebr  Vertrauen  oad  können,  betenden  die  letstere,  bei  deni  ge- 
genwärtig durch  die  Elmancipationa-Bill  und  die  kirchlichen  Ver* 
hältnisse  gesteigerten  Interesse  an  der  Volksmenge  der  Insel  mit 
grösserer  Zuverneht  gebraucht  werden»  D.**  Volksmenge  ward 
1801  auf  4,151)000  £inw.,  naeli  d^r  Zählung  Ton  1812—14  auf 
5,937,856  Ein w.  angegeben;  sie  stand  nach  den  afficielien  Listen 
von  1821  auf  6,840,049  Ind.  und  nach  den  von  1831  auf  7,767,401 
Ind»  *).  Wenn  wir  bei  diesen  Abgaben  wegen  der  unsicheren 
zweiten  auch  die  obige  erste  und  zweite  Periode  lusammenfas- 
sen,  so  erhaften  wir  für  diese  iwanaigjährige  (1801— -1821)  eine 
Vermehrung  der  Irischen  Bevölkerung  um  2^695,949  Ind^  oder 
jährlich  im  Durchschnitte  um  134,797  Ind.,  also  in  Beiug  auf 
die  Bevölkerung  von  1801  jährlieh  3^  Procent  Zuwachs«.  In  der 
lotsten  seb^jäbrigen  Periode  beträgt  die  Vermehrung  920,452  Ind., 
mithin  nach  jährlichem  Durchschnitte  92,045  Ind.  d.  L  für  die 
Bevölkerung  des  L  1821  I|  Proceut  jährlichen  Zuwachs.  Dies 
lotste  Verhältnisa  ist  allerdings  ei|i  geringeres,  als  gegenwär- 
tig selbst  noch  für  England  obwaltet,  und  musste  bei  der 
offenbaren  Uebervölkerung  eintreten«  Aber  gehen  wir  von  1821 
surück  und  messen  von  hier  die  Bevölkerung  zurttdc  bis  sur 
ersten  genaueren  Angabe  von  1669,  so  haben  wir  in  152 
Jahren  ein»  Bevölkerung  ist,  die  fast  auf  das  Siebenfache 
gestiegen,  oder  um  4^  Procent  jährlich  in  Besug  auf  jene 
erste  Angabe;  doch  selbst  auch  von  1754  ab  erhalten  wir  für 
einen  Zeitraum  von  67  Jahren  eine  Verdreifachung  der  Bevölke- 
rung, welches  auch  beinahe  noch  eine  jährliche  Vermehrung  von 


i** 


*)  Von  der  im  J.  183S  eingesetzten  Kirchen -Commission  wurde 
die  freilich  gegenwSrtig  wieder  über  drei  Jahre  mehr  gestiegene 
Bevölkerung  Irlands  anf  7,043*940  christliche  Individuen  nach  den 
derselben  vorliegenden  officiellen  Materialien  angegeben  Von  die- 
sen bekannten  sich  6>437,'7is  zur  Römisch« Katholischen  Kirche, 
85^064  zur  Anglicanischen  mit  Einschluss  von  80,000  Methodisten» 
042.356  znr  Presbyterianischen  Kirche,  und  21|806  varen  Dissen- 
ters  von  verschiedenem  Glaubenfibekenntniss» 


^  Das  Britische  Reich.  351 

41  PrMcnt  g«9sn  ^«  BeTÖlkemag  Toa  1754  seigti  Mdtn  fir 
Europa  gegen  alle  Analogie  nnd  dorehavt  ohne  ein  xireitet  ühn- 
lieheii  Beiipiet  unseres  Continentes. .  Die  BerdikerungsverbikU- 
nisse  der  übrigen  Britischen  BesÜsungea  in  Europa  geben  an 
keinen  besonders  bemerkenswerthen  Angaben  Veranlassung. 

.  Die  relatiTe  Bevölkerung  habe  ich  schon  oben  S.311~HI 
nach  den  einseinen  Reichen  9  Proriasen  und  Grafschaften  genau 
angegeben,  woraus  heirorging,  dass  mit  Ausnahme  der  Italieni- 
sehen  Inseln  Malta,    Gosso   und  Comino,   welche  als  ein  Bezirk 
van  10  QM.  ohne  grosse  Stadt  mit  am'  stärksten  ih  Europa  be- 
völkert (11,819  14.  auf  1  G.  QM.)  sind,  Irland  bei    weitem   oben 
an  steht    Denn   es  besitst  unter  32  Grafschaften  nur  2  (Kerry 
and  Donegal),  die  in  der. Bevölkerung  auf  3,214  und   3,664  Be- 
wohner auf  1  Geogr.  QM.  zurückkommen,  jede   seiner  vier  Pro- 
vinzen aber  sahlt  durchschnittlich  über  5,000  Seelen  auf  1  QM.,, 
die  gaiTse  Insel  6,002  Seelen  auf  1  QM.       Audi   England    sinkt 
nur  in  drei  Grafschaften    Cumberland,    Rutland   und   Westmore- 
land  unter  die  starke  Bevölkerung,  indem  es  in  denselben  nach 
der  Reihenfolge  nur  2058  M.,  1983  und  1533  Menschen  auf  1  QM. 
zahlt    Das  Fürstenthum  Wales  ist  relativ  viel  schwucher  bevöl- 
kert, erreicht  in  dem  Durchschnitte   für  alle  zwölf  Grafschaften 
nicht  mehr  das Verhaitnist einer  starken  Bevölkerung  (nur 2304 
auf  I  QM.)  und  fAllt  in  der  Grafschaft  Mertoneth,  sogar  aus  der 
mittleren  in  die  schwache  (1,148  auf  I  QM.).  Schottland  ist  in- 
dess  das  am  schwächsten  bevölkerte  Europäifohe  Reich  des  mäch- 
tigen Seestaats,    ^üdsehottland  allein  nähert  sich  in   der  Bevöl- 
kerung (3271  Menschen  auf  1  QM.)  einigermaassen  England  und 
übertrifft  das  Fürstenthum  Wales,  aber   dennoch   schliesst   es  in 
sich  zwei  Grafschaften,  die  auf  einer  bedeutend   niedrigen  Stufe 
in  der  schwachen  Bevölkerung  erst  stehen,  Selkirkmit561  M. 
undTweeddale  mit  915  M.  auf  1  QM.— Mittelschottland  steht  im 
Allgemeinen  noch  viel  schwächer  da,  (14^6  M.  auf  1  QM.,   aber 
die  grosse  Grafschaft  Argyle  mit  746  M.    auf   1  QM.),   und   das 
ganze  Hochschottland  erhebt  sich  bis  jetzt  noch  nicht  aus  einer 
%ehr   schwachen   Bevölkerung,   die   durchsdinittlich    nur  504 
Menschen  auf  1  QM.  aufzuweisen  vermag. 


I 


Durchmustern  wir  jene  ofiiciellen  Tabellen  auch  noch  in  Bezie« 
hung  auf  Geburten,  Todesfälle,  Trauungen,  und  betrachten  dabei  das 


/ 


352  Das  Britische  Reich. 

i 

Verhältniss  des  männlichen zom  weibKchenGesehlecht, sowie  dftsnacfa 
den  Hauptbeschäftigungen  der  Menschen,  90  treten  uns  noch  folgende 
bemerkenswerthe  Ergebnisse  en^egen,  die  wir  indess  nur  f&r 
Grossbritannien  ohne  Irland  angeben  können. 

Getauft  wurden  in    Kinder     männlich      weiblich 
den  J.  1801—10    0,315,016   4,75^865    4,561,151 

also  auf  10,424         10,000 

Begraben  wurden       Ind. 

1801—10  7,116,03^  3,557,401     3,558,632 

also  auf  9,907*)      10,000' 

Bei   der  ganzen 
.  Bevölkerung  wa- 
ren      überhaupt  „l^n.  weibl. 

Torhanden  1811    1 2,609,|S64  '6,340,21 4  6,269,650  d.  L  =1 06 :  105 

1821  14,391,631    7,137,018  7,254,613  r  -  =102:103«^« 

1831  16,539,319   8,163,539  8^375,780  -  -d02:104'^ 

Bickes  *)  hat  bereits  aus  den  zwei  letzten  Periodeli  1811 — 31 
*  nachstehende  Verhältnisse  berechnet,  für  tlie  eheliche  Fruchtbar- 
keit auf  eine  Ehe  3"« Kinder  (1801  =  3^2^  1811  z=  3"»,  1821' 
zzz  2^*^  K-),  für  das  Verhäiltniss  der  Geborenen  nach  dem  Ge- 
ichlechte  auf  100  Mädchen  104»  Knaben,  für  dak  Verhältniss 
der  Gestorbenen  nach  dem  Geschlechte  auf  100  Ind.  des  weibli- 
chen Geschlechts  99**  Ind.  des  männlichen,  für  das  Verhältniss 
der  Geborenen  zu  den  Gestorbenen,  auf  100  Gestorbene  150^ 
männliche  Geburten,  oder  144^^  weibliche   Geburten   oder  147^9 


*)  Diese  überaus  grosse  Uebereinstimmung  zwischen  den  Tod* 
ten  männlichen  und  weifolicben  Geschlechts,  die  sich  nicht  blos 
für  die  damalige  Kriegsperiode  geltend  macht,  bei  der  so  viel  be- 
deutsam^en  Verschiedenheit  zwischen  den  männlichen  und  weibli- 
chen Gebarten,  rührt  von  dem  grossen  Verluste  an  Männern  her, 
den  England  jährlich  in  seinen  Colonien  und  mannigfaltigen  Han- 
debbeziehnngen  macht,  so  dass  bei  den  Todesfallen  im  Inlande 
beide  Geschlechter  wieder  ausgeglichen  stehen. 

**)  Bewegung  der  Bevölkerung  8.  484-43. 


Das  Britische  Reicb.  '353 

« 

Geburten  bei  der  Geeebleehter.  Bei  der  Vergleiebung  sur  gesammten 
Bevölkerung  GroMbritannient  kömmt  eine  Geburt  auf  27  Men- 
schen, elnTodeafall  auf39^^M.%  eine  Trauung  auf  05'^  M.;  fet- 
ner sind  auf  100,000  Ind.  der  Bevölkerung  jahrlich  3,701  Gebur- 
ten XU  rechnen,  davon  1,893  männliche  und  1,808  weibliche; 
2,515  Todesfdüe»  davon  1,257  männlichen  und  1,258  weiblichen 
Geschlechts,  endlich  1047  Trauungen.  Zuletst  was  die  Vermeh- 
rung der  Bevölkerung  nach  dem  Geschiechte  anbelangt,  so  ist 
für  die  zweite  Periode  1S\^  durchschnittlich  bei  100,000  Ind.  der  Be. 
Tölkerung  jährlich  das  männliche  Geschlecht  um  1 182  Ind.,  das  weib- 
liche um  1 ,456  Ind. gewachsen ;  für  die  dritte Period e ( 1 8||) das  mäon- 
liehe  Geschlecht  um  1,339  Ind.,  das  weibliche  um  1,435  Ind.,  für  beide 
Perioden  das  männliche  um  1250  Ind.  das  weibliche  um  1,438  Ind. 

Nach  der  letzten  ofüeiellen  Zählung  1831  beschäftigten  sich 
in  Grossbritannien  von  .100  Familien  28  mit  dem  Ackerbau,  42  mit 
Handel  und  Manufactnren,  und  30  lebten  von  ihren  Renten  oder  er* 
hielten  sich  durch  verschiedene  andere  Erwerbsarten:  im  J.  1811 
kamen  nach  denselben  Listen  35  Familien  auf  den  Aekerb.m,  44 
auf  Handel  und  Manufacturen  und  nur  21  auf  andere  Erwerbszweige« 
Im  J.  1821  waren  von  den  2,941,378  Familien  Grossbritanniens: 

Ackerbau- m.  Manufact  u.   and.Erwerbszw.    gam-n- 
treibende.  Handel  beschäft  u.  unproductive.    . 

in  England    773,723         1,118,295  454,693  3,346,711 

Wales  74,225  41,680  30,80^1  146,706 

Schottland      130,710  190,264  1 26,987  447,90 1 

"""^         978,658         1,350,239  612,481  2,941,378 

Es  ergiebt  sich  aus  dieser  Ueberstcht  schon,   dass  Wales  in 
der  Industrie  am  weitesten  zurücksteht,   dass   Aber  Lngland  nnd* 
gegenwärtig  auch  Schottland  auf  Handel  und  Manufacturen  mehr 


*)  in  den  einaeloen  Grafschaften  herrscht  darin  zwar  eine  sehr 
grosse  VerschiedenheSt,  da  namenllicb  dieGrafscbaftenan  der  sudlichen 
und  westUcheo  Seekoste  auffallead  gunstige  Verhälloisde  darbieten,  wie 
in  Sussex,  wo  auf  72  Menschen  und  in  der  Insel  Anglesea,  ^wo  auf 
83  Menschen  ei  n  Todesfall  während  d.  J.  1811—21  darchschnittlicb  traf. 

Scknberr»  SUtUtikll.  23 


d 


354  Das  Britische*  Beich. 

aU  selbst  auf  den  Ackerbau,  Viehzucht  und  die  davon  abhängenden 
Erwerbszweige  zusammen  genommen  hingewiesen  sind,  und  entgegen- 
gesetzt den  meisten  iibrigen  Staaten  Europas  in  der  techr.ischen  CuU 
tur  und  in  dem  Handel  mehr  Menschen  als  in  den  verschiedenen 
Zweigen  der  physischen  Cultur  d^n  Unterhalt  gewinnen  lassen.  •»> 
%L  1.  Marshall  2u  London  hat  nach  den  vorhandenen  Materia- 
lien noch  vollständigere  Rechnungen  für  die  verschiedenen  Be- 
rufsarten  nach  Familien  und  Köpfen  1833  entworfen,  deren 
Schlussresultate  hier  noch  ihre  Stelle  finden  mögen: 

'  lfi21.  1S31.  1831. 

Familien.  Familien.     Köpfe. 

1.  Besitzer  v.Ackergn>ndstücken      250,000     250,000    1,500,000 

2.  Arbeiter  und  Dienstleute  bei  * 

den  landwirthschaftl.  Gewerben  708,956  800,000  4,800,000 

3.  Im  Bergbau  beschäftTgt  114,000  120,000       600,000 

4.  In  Manufacturen  n.  Fabriken  « 
bescJiäDtigt  340,000  400,000  2,40Q,000 

5.  Krämer  und  Handelsleute  310,239  350,003  2,100,000 
tf.  Bäcker,  Müller,  Metzger  160,000  180,000  900,000 
7.  Schneider,  Schuhmacher,  Hut- 

macher  u.  s.  w.  155,600  180,000  1,080,000 

S.  Künstler,  Baumelst^  und  ihre 

Gehülfen                                          «  200,600  239,000  650,000 

9.  Privatpersonen  u.  Capitalisten  192,888  316,478  1,116,319 

10.  Geistliche,  Juristen,   Aerzte  80,395  99,900  452,000 

11.  Matrosen  und  Soldaten      '  329,300  277fi\7  831,000 

12.  Völlig  arbeitsaniWge  ArmfB  ^)  100,000  1 10,000^  1 10,000 

Summe:  2,941,378  3,351,398  16,539,319^ 
Für  Irland  wurden  im  Jahre  1821  219,529  Fanulien  angege- 


*)  Darunter  sind  aber  keinesweges  alle  diejenige  Armen  begrif- 
fen, welche  von  denFKircbspielen  Unterstützan'g  oder  den  grössten 
Theil  des  Unterhalts  erlangen »  denn  diese  betrugen  schon  1812 
971y913  Individuen  und  1824  sogar  1,600,000  Ind.,  finden  aber  doch 
noch  zum  grossen  Theil  ihre  Stelle  unter  den  Nr.  2»  3>  4  und  7. 


Das  Britische  Reich» 


355 


beo»  die  von  dem  Ackerbau  ihren  UBterfcalt  fanden,  327,647  Fa- 
milien, die  im  Handel  und  teehniaehen  Gewerben  beschäftigt 
waren,  und  761,856  Tagelöhner  oder  unproducdTe  Familien  % 
snaammen  1,312,416  Familien*  Die^  Zahl  der  arbeitafilhigea 
Köpfe  wurde  in  diesem  Jahre  auf  2,836,215  Individuen  angcge» 
ben,  wovon  1,138,069  bei  dem  Ackerbau,  1,170,044  bei  Handwer- 
kern, in  Fabriken  und  Handelsgeachäften,  und  528,702  in  ande- 
ren Elrwerbasweigen  angestellt  waren. 

Die  Ansahl  der  bewohnten  Hinser^warin  England  und  Wales 
snsammen  1777  ==  052,734,  aie  war  in  den  n&ehsten  24  Jahren 
ftberrasehend  gewachsen,  und  xwar  verhlltnissmissig  noch  sUUr* 
her  aU  die  Zunahme  der  Bevölkerung. 

Sie  betrug 

1801  an  bewohnt 

?.!ü!™  «  -.  ^''^*'^f  wobei  in  England  8J  Einw.,  in  Walee 

|5^  Einw.  auf  ein  Haue  trafen. 


anuabew.u.1. 
Bau  begriff. H*    57, 


1,633,390 

England  u.  ^alet         Schottland     Gr.  Brit 
181 1  an  bewohnt 

Häusern  1,829,976  253,073        2,083,049 

an  unbew.  u. 

iB.bq;riff.H.  15,268  3,280  18,548 


1,845,244 


256,353        2,101,597 


1821  an  bewohnt    England  Wales  Schotdand  Cjfr.  Brit 

Häusern         1,951,97»  136,183  341,474  2,429,630 
IBaub^^riC 

Häusern             18,289  985  2,405  21,679 

unbew.  H.          66,055  3,652  12,657  82,364 

Summe   2,036,317  140,820  356^530  2,533|673 


I 


*)  Dieses  traurige  überwiegende  Verhaltpiss  so  zahlreicbert 
fast  gänzlicher  Armnth  preisgegebener  Familien  Ist^echon  oben  in 
seinen  ursprünglichen  Veranlassungen  erläutert  worden« 


38S  Das  Britiscbt  Reich. 

t 

EU  kamen  dennoch 

in  England.  Wales    Schott!.    Gr.  Brit 

1811  aaf  ein  bewohnt  H.  6«  Einw.  7^V^-       Hi  ^* 

1821  aaf  ein  bewohnt  H.     S|$  E.      6t*jE.      G^V^       5  «    E. 

Irlanid  hatte  1790  70^099  H&iuer 

und  1821                         mit  Gr.  Brit  xusamm. 
an  bewohnten  Häusern        1,142,002             31572,232 
im   Ban   begriffene  EL               1,350  23,029 

unbewohnte  Häoier  35^1 117,615 

Summe  1,179,203  H.       3,712.870  H. 

also  trafen  1821  in  Irland  auf  ein  Haus  fast  gerade  6  Einwoh- 
ner. Für  alle  drei  Reiche  geht  9us  diesem  Vcrtheilungsverhätt- 
nisse  der  Einwohner  nach  men  vorhandenen  Häusern  hervor, 
dass  die  mei«ten Famiti^n  ^n  Haus  für  sich  allein  bewohnen, 
wie  denn  dies  auch  1821  in  Grossbritannien  bei  drei  Viertheilen 
sUmmtlicher  Familien  stattfand.  Betrachten  wir  endlich  die  neu 
erbauten  H|kuser  als  ein  Zeichen  des  zunehmenden  Wohlstandes, 
wie  im  Allgemeinen  wohl  angenommen  werden  darf,  so  steht 
England  oben  an,  da  es  auf  108|  vorhandene  Hanser  ein 
neues  baute:  demnächst  folgt  Wales,  wo  auf  139  Häuser  ein 
neuer  Bau  trifft,  dann  Schottland  auf  142  Häuser  ein  Neu- 
bau. Am  niedrigsten  aber  steht  Irland  *),  wo  erst  auf  840  vor- 
handene Häuser  ein  neues  Gebäude  unternommen  wurde:  ein 
«icherer  Beweis  für  den  hier  noch  sehr  zurückgebliebenen  Um- 
schwung in  den  verschiedenen  Richtungen  der  Industrie.  ^^ 

• 

Die.  Zahl  der  Städte  in  allen  drei  Britischen  Reichen  und 
den  dazu  gehörenden  Europäischen  Besitzungen  ist  087,  darun« 
ter  28  grosse  Städte  über  50,000  Einwohner,  ein  so  günstiges 
Verhältniss  für  den  Handel  und  die  technische  Cultur,  wie  kein 


•>^(*i 


*)  Dfe  nächste  ümgegVnd  von  London  zeigte  mit  Inbegriff  der 
Hauptstadt  1824  12,000  im  Bau  befindliche  Häuser,  also  neunma  I 
so  viel,  als  das  gesammte  Königreich  Irland  fast  zu  derselben  Zeit. 


Das  Britische  Reich!  357 

anderer  Europäischer  Staat  Hberhaapt  anfveisea  kann,  geschweig» 
denn  in  dem  gegenseitigen  Verhältnisse  lu  dem  Flächeninhalte 
an4  der  Bevölkerung.  Ausserdem  befinden  sich  noch  315  Markt- 
flecken, und  die  Dorfschaf ten,,  abgesonderte  P^chthdfe,  Fabriken, 
gebäude,  Landhäuser  sind  nach  den  einzelnen  Kirchapielen  ver- 
theilt  und  in  der  inneren  Verwaltung  beaufsichtigt:  deren  giebt 
es  überhaupt  I4,546>  davon  13,356  Evan^likche  ui|d  1,150' 
Römisch  Katholische. 

Unter  den  grossen  Städten  steht  1)  London-*  ohne  ein 
zweites  Beispiel  in  Europa,  sowohl  in  Bezug  auf  seine  überaus 
hochgestiegene  Bevölkerung  als  auch  die  ausserordentliche  Leb- 
haftigkeit seines  Verkehrs.  Gegen  iie  ff  rosse  Zunahme  keines^ 
erweiterten  Umfanges  und  der  davon  abhängigen  Bevölkerung 
suchten  die  Königin  Elisabeth  1580,  Jacob  L  1618,  der  Pro* 
tector  Cromwell  1656  und  CarlH.  1674  durch  besondere  Verord: 
nungen  einzuschreiten,  wiewohl  schon  die  Pest  dreimal  (1603,  1623 
und  1665)  gegen  140/)00  ausserordentliche  Opfer  forderte.  Die  Be-^ 
völkerung  stand  dennoch  1700  :=  679,350  Scjelen.  Aber  selbst  noch 
in  der  ersten  Hälfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  sah  di^  R^ 
gierung  dies  ungemeine  Wachsthum  der  Stadt  nicht  mit  günsti- 
gen Augen  an,  und  unterstützte  wenigstens  ihrerseits  durchaus  nicht 
das  Fortschreiten.  Daher  n^ihm  in  50  Jahren  von  1700- bis  1750^ 
die  Bevölkerung  nur  alijährlich  um  1200  Köpfe  zu,  und  stand 
fast  hinter  Paris  zurück.  Aber  seit  dem  siebeiij ährigen  See* 
und  liundkriege  wuchs  mit  jedem  Jahr  die  Bevölkerung  (}urch 
die  gjrossartigsten  Fortschritte  des  Gewerbfleisses  und  durch  das 
jährlLehe  Steigen  des  inneren  ÖauilcU Verkehrs  und  des  Sechan- 
dels  viel  lebhafter  über  alle  früheren  Veriiältnisse  hinaus,  sa 
dass  bereits   1801  =:     861,845  Einwohner 

1811  =  1,005,546        —  männ^        weibl. 

1821  =  1,225,004        —  570,236        655,45&      . 

1831  =  1,474,069        —  684,441        789,628 

gezählt  wurden.  Demnach  waren  in  einem  Zeiträume  voa  30 
Jahren  nach  den  officlellen  Zählungen  ein  Steigen  um  609,724 
Einwohner  wahrgenommen,  oder  2^  Pruceiit  jährliche  Zu- 
nahme %     Mit   einem   geringen  Umkreise   von  8  EugL  Meilen 


mm 


*)  Biekes   a.  a.  O.  Anhau^  9:    11.  giebt  für  drei   Perioden  ein 


858  Das  BritUche  Beiok 

(l{.  6.  H)  stand  sogar  die  Bevölkenuig  disser.Haiq^ttadt  im 
Jahre  1831  auf  1,776,550  Kinder,  oder  um  100,000  bii  200,000 
Seelen  höher,  ^  die  Gesammtbevölkernng  der  Königreiche  äan- 
,ilover,  Würtemberg  und  Sachten.  Die  Zahl  der  bewohnten 
H&uter  betrug  in  London  1821  164,681,  es  trafen  mithin  nur  9 
Einwohner  auf  ein  Haui,  was  imGegenaati  gegen  andere  grosse 
St&dte  daraus  leipht  erki&rlich  wird,  dass  die  Liebe  der  Elngli* 
sehen  Familien  lom  alleinigen  Bewohnen  der  Häuser  sieh  auch 
mit  einer  schmalen  Fronte  von  wenigen  Fenstern  begnttgt  und 
schon  lieber  die  unbequeme  Vertheilung  in  mehrere  übereinander 
liegende  Stockwerke  eines  unbedeutenden  Gebäudes  vorsieht^ 
Das  kirchliche  Verh&ltniM  der  Hauptetedt«)  hat  sich  in  den 
lotsten  50  Jahren  in  ßesug  auf  die  Cadioüken  ausserordentlich 
▼erftnderr.    w&hrend  1780  kaum  2000  CathoUkeni  serstreut  in  Lon- 


ZusammenstellaDg  der  Geburten  und  Todesfälle  die  sich  folgender- 
massen  übersehen  lässt: 

a)  Für  180  Jahre  1600*-178S  2,181,191     12,673    3>%82,890    18,238 

b)  —     30     —     178S-1814      670,361      19^12       672,187    19,073 
€)    —     16    —     1815—1831      404,477     25,280       381,563    20,723 

Dies  giebt  das  merkwürdige  Resultat,  dass  hi  der  ersten  Periode 
auf  100  Geburten  143^  Todesfälle  kommen,  also  wie  in  Jeder  gros- 
aen  Handelsstadt  und  Residenz  do)reh  den  Zusammenfloss  der  Mea« 
•chen,  durch  Schwelgerei,  Laster  aller  Art  und  Armutb,  mehr  Men- 
schen sterben,  als  geboren  werden«  Dagegen  finden  wk  in  der 
«weiten  Periode  auf  100  Geburten  nur  98'*  Todesfalle,  und'  in  der 
dritten  Periode  sogar  nur  81*'  Todesfälle:  ein  ausserordentlicher 
Beweis  für  das  der  menschlichen  Gesundheit  nutrfigliche  Clima  und 
die  äberaus  grossen  Erwerbsmittel  Londons,  weil  wir  auch  kein 
ähnliches  Resultat  aus  einer  anderen  grossen  Resideni  oder  Han* 
delsstadt  anzuführen  vermögen,  das^  einen  so  bedeutenden  Ueberschuss 
der  Jährlich  Geborenen  über  die  Verstorbenen  in  einer  Reihefolgc 
Ton  Jahren  lieferte« 

*)  London  in  kirchlicher  Hinsicht  ist  dargestellt  von  W.  Noel, 
the  State  of  the  Metropolis,  London,  1635,*  «ei'gl*  Preuas.  Staats» 
Ztg.  Mai  1835.  nr.  420. 


DasBritischeReich.  36d 

den  geloiideii  wurden »    wSkhit»  nmn  1834    58,800  B«kenner  die- 
ser-  Kirche* 

Die  übrigen  grospen  Städte  werden  hier  nach  der  Reiliefol^ 
ihrer  jeteigen  Bevölkerung  angeführt»  wobei  dureh^  Angaben  der 
früheren  Bevölkerung  in  der  Vergleichung  selbst  ein  Argument 
für   den   bedeutsamen  Einfluss  der  technischen  Cultur  und  de« 
Handel^  auf  die  rasche  Erhebung  dieser  Städte  dargeboten  ist! 
denn  nur  bei  den  durch  einen  der  beiden  Elrwerlfesweige  blühen^ 
den    Stftdten    ist    die    Bevölkerung    ausserordentlich   gestiegen. 
Z)  Manchester   mit  den  Vorstikdten  1831  —  237,832  Einw;« 
war  1778  nur  eine  mittlere  Stadt  von  22,240  Einwohner,  1801 
von  04,876  Einwohner,   also  in  der  ersten  23J&hrigen  Periode 
war  9ß  um  72,036  Ind.,  oder  jährlich  um  14  Procent,  und  in  del^ 
svveiten  30  j&hrigen  Periode  um  142,956  Ind.  oder , jährlich  um. 
6|  Procent  gestiegen :  in  53  Jahren  aber  mehr  als  vereehnfachi 
in   seiner  früheren   Bevölkerung,   und   doch   bleibt  Manchester 
nicht  dies  einzige  glünsende  Beispiel I    3)  Dublin  besass  1831^ 
=:::  236,652  E.,  und  eine  noch  neuere  Angabe  lieferte  für  das  Jahr 
ISyi   gar  275,611  £.;    en  besass  aber  1770  bereita  130,000  E.» 
IWl  =3  167,899  E*  und  1821  =:  186,276  E.,   also  in  der  erstea 
22jührigcB  Periode    nur   eine  Zunahme   von  37,899  E.   und  in 
der  iweiten  20jiihrigen  Periode  nur  von  18,377  E.  oder  durch- 
aehnittlioh  nur  wenig  über  1  PrWent  jährliehe  Zupahme;    da^' 
gegen   bei  der  in  der  letzten  Zeit  gestiegenen  Gewerbsthätigkeit 
der  Iriscl^en  Hauptstadt  in  der  dritten  zehnjäfatigen  Periode  be* 
reita  wieder  um  50,372  Einwohner  oder  2^  Procent     4)  Glas- 
gow zählte  1831  =  202^126  Einwohner,  dagegen  hatte  es  175&^ 
nur  23,546  Einwohner,  1782  42,832  Einwohner  und  ]80I=:77,383 
Einwohner.    Hier  ist  also  beinahe  völlig  das  Beispiel  von  Man« 
ehester  fdr  Schottland  wiederholt;  in  der  ersten  46jährigen  Pe- 
riode (1755—1801)  beträgt  die  Zunahme  53,839  E.,  oder  jähriieh, 
fast  volle  5  Procent,  in^  der  zweiten  30jährigen  Periode  ist  die^ 
Bevölkerung    um    125,041    Indiv.»     oder    wieder    Um    5^  Pro- 
cent gewachsen,    in  76  Jahren  aber  mehr  als  verachtfacht 
5|  Liverpool   zählte    1831  =  189,244  E.,  aber  im  Jaht'e  I77S. 
hatte   es   erst  54,090  E,   und  18(01  =  77,653  E.,   also  in  jener 
2ajährig  P.  eine  Zunahme  von  23,563  K.  oder  1|  Procent,   uml- 
in  der  zweiten  30jährigen  P.  eine   Zunahme   von   109,522^  oder 
4^7^  Procent    6)^  Edinburgh  Im  achtaehntea -Jahrhimderte  ohne 


.  • 


360  Das  Britische   Reich. 

lebhafte  Tbctlnalfme  an  einem  regen  HandeliveAehr,   ohne  be- 
deutende Manufacturen,  blieb  in  einer  wenig  veränderten  Bevöl- 
kerung zwiaciien  70,000  und  80,000  £.,  ei  zählte  1 775  =  80,836  E. 
ui^  1801  noch  82,560  £•   Seit  dieser  Zeit  wurde  die  Schottisrhe 
Hauptstadt  ober  mehr  in  den  ßritischen  Handel  hineingesogen,  der 
unbedeutende  Hafenort  Leith  erhob  sich  zu  einer  blühenden  Vor- 
■tadt  Edinburgs,  die  1831  allein  25,945  E.  zählte«   Daher  hatte  auch 
Edipburg's  Bevölkerung  in  diescni  30jährigen  Zeitraum  ^hne  Ein- 
schluss  von  Leith  sich  verdoppelt  und  besass  1831  162,403  Ein w., 
also  eine  Zanahrae  von  79,843  K.,  oder  jährlich  über  3 1.  Procent 
7)  Birmingham  1831  mit  142,^61  E./  war  vor  100  Jahren  ein 
namenloser  Ort,  der  nicht  eine  Bevölkerung  von  5000  K.  zählte 
aber  schon  1782   auf  50,295  Ein w.   gestiegen   war   und   in   der 
Zählung  von  1801  bereits  73,670  E.   aufwies,   er   hatte   also   in 
den  darauf  folgenden  30  Jahren  eine  Zunahme  der  Bevölkerung 
von  68,581  K.  oder  3/xr  ^rocent  8)  Leeds  1831  mit  123,393 £., 
hundert    Jahre    früher   eine   mittlere    Stadt    von   20,000  Einw.; 
1801  bereits  mit  53,162  E.,   also   in    dieser   letzten  Periode  ein 
Anwachs   von  70,231   K.   oder   beinahe   4^  Procent  jährlich.  9) 
Halifax  mit  Einschluss   von  Huddersiield    stand   in   dem  acht- 
zehnten Jahrhunderte  in  demselben  Verhältnisse  mit  Leeds,  1821 
zählte   es    bereits   92»815  E.    und  1831  =  109,899  E.,  war  also 
in  diesen  zehn  Jahren  um  17,084  Ind.,  oder  jähclich  uui  1^  Pro- 
cent gewachsen.    10)  Cork  stand  im  aehtzehnten  Jahrhunderte 
mit  Edinbui^  in  gleichem  Beyölkerungsverhältnhise,  verblieb' aber 
'  auch  in  eben  so  geringer  Zunahme  derselben;  da  nun  aber  auch 
späterhin  seit  1800  seine  Handelslage  wenig  verändert  ist,    so 
nimmt  selbst  jetzt  noch   die  Bevölkerung  sehr  schwach  zu,   und 
xwar  unter  allen  sehr  grossen  Städten  (über  100,000  E.)  dieses  Reichs 
am  schwächitten ;  sie  stand  1821-:=:  100,535  E.  und  1831  107,507, 
also  in  10  Jahren  nur  eine  Zunahme  von  6972  K.  oder  ^^  Pro- 
cent    II)  Bristol   war   vor  dem  Nordamerikanischen  Unabhän- 
gigkeitskriege    nächst   London    die    wichtigste   Handelsstadt  in 
England,  und  hatte  eine  Bevölkerung  vofi  60,000  Einw.:  es  sank 
aber   seitdem   auf  Kosten  Livnrpoors   und   hatte  auch   1801  nur 
noch  63>645  Einw,    Erst  in  diesem  Jahrhunderte  ist  es  dem  all* 
gemeinen    Anstoss    des  Britischen  Handels   wieder   gefolgt   und 
zählte  1831z;  103,886  li^w.,  nNo  in  dieser  Periode  eine  Zunahme 
von  40,241  K«  oder  2  J  Procent.     l2)Bradford  Inder  Grnfscliaft 
York  ist   aus   einer   sehr  unbeiteuteaden  Stadt  durch  seine  aus- 


Da»  Britische  Reich.  361 

gezeic)iii«teii  Tuebnamifactvreii  erst  in  diesem  JaMibnderte    su 
einem  blühenden  Fabrilcorte  von  67,996  Eir.  naoh  der  Züblnng  von 
J 831  empor  gestiegen.  |3)Pl3rmoothmitCinsehlassTon  Deron- 
pert«    das   als   die  eigentlichen  Schiffswerften   nicht  eine  halbe 
Deutsche  Meile  daron  entfernt,  und  jetxt  durch  eine  Reihe  dicht 
an  einander  liegender  Häuser  der  Ortschaft  Stonehouse  mit  je* 
iier  Hafenstadt  verbunden  ist,  besass  im  lakii  IZ^O  43,000  E.^  1811 
65,060  E.  und  1831 1=:  75,534  E.   Diese  Stadt  befindet  sich  also  nur 
in  einem  langsameren  Fortschreiten  der  Bevölkerung,  das  seljist  in 
den  letzten  20  Jahren  nicht  über  |  Proo»  jährlicher  Zunahme  betra- 
gen hat  14)  Aberdeen  im  Jahre  1831  mit  69,^8  E.  ist  nur  in 
den    letxten   20  Jahren  durch   seine  Wolle-,  Leinen«  und  Baum- 
w  bllen-Manufacturen,  und  namentlich  durch  die.  letzteren,  in  de- 
nen es  j^tzt  mit  Glasgow  wetteifert,   s6  ausserordentlich  rasbh 
in  der  Bevölkerung:  gestiegen,  da  es  noch  1811  nur  21,639  Einw. 
hatte,    also   in   20  Jahren   durch   eine  Zunahme  von  48,139  K. 
jähriich  um  ll|Pcocent  gewachsen  ist  15—18)  Die  vier  Städte 
in  der  Grafschaft  Lancaster,    Oldham  1831   mit  67,759  Einw., 
Holten    mit   63,054  Einw.,   Blackburne   mit  59,791  E.'  und' 
Rochdale  mit  58,441  Einw.,  sind  vorzugsweise  durch  die  Nähe 
von  Manchester  und  Liverpool,   vermöge  der  Baumwollenmanu- 
facturen,    erst   in    diesem  Jahrhunderte   aus  ganz   unbekannten, 
kaum  von   einigen  Tausenden   bevölkerten  Ortschaften  zu  dem 
namhaftesten  Huf  gelangt,   und   werden   mit  Rec^t  gegenwärtig 
vnter  den  ersten  Fabrikörtern  aufgezählt   19)  Stockport  in  der 
Gitftfschaft  ehester  an  der  Mersey,    1831    mit  66,610  Einw.,  ist 
auf  gacnz   gleiche  Weise .  durch   seine   BaumwoUenmanufactucen 
und  Handel  in  wenigen  Jahren  ^por  gestiegen.   20)  Limerik, 
1831  mit  66,575  Einw.,  hat  gleich  allen  grossen  Städten  Irlands 
eine  schwache  Zunahme  der  Bevölkerung,  da  es  bereits  1750 
32,000  Einw.  besass,  und  seit  dem  Jahre  1821  (wo  66,042  Einw. 
hier  schon  gezählt  wurden)  ist  sie  fast  ganz  auf  demselben  Stand» 
punkte  geblieben.     21)  Norwich   1831=  61,116  Einw.,    schon 
im  Mittelalter   eine   wichtige  Stadt,   besass    1750  32,000  E.   22) 
Sheffield,  183L  mit  59,011  E.,  ist   gleich  Birmingham   durch 
seine  Metallmanufacturen  in  den  letzten  50  Jahren  um  mehr  als 
das  Dreifache  in  seiner  Bevölkerung  gestiegen.   23)  Water fnrd 
in  Irland  1831  mit  58,720  E.,  hat  in  den  letzten  Jahren  durch  leb- 
baften  Handel  bedeutender  zugenommen,  1821  noch  mit  37,709  E., 
hatte  mithin  in  dieser  Zeit  im  Durchschnitt  jährlich  3{-  Procent  Zu- 


362 


Das  Britische   Beich. 


wachs  dflr  B%vi(lk«niiig«  24>Paigle3ry  cur  «ine  halbe  Geogr.  Meile 
VOB  Glasgow  entfernt  und  fast  als  eine  Vontadt  derselben  lu  betrach- 
ten, bat  ganz  das  günstige  Sehieksal  von  Glasgow;  etfahren,  und  iat 
BUS  einer  völlig-namenlosen  Dorfschaft  in  eine  der  blühendsten  Fa; 
brikst&dte,  18)1  bereits  mit  57,466  E.,  übengegangen.  25)  Bel- 
fast, 1831  mit  ^3,510  £.,  in  gleichem  Verhältnisse  wi^  Water- 
ford. 26)  Portsmo  Si^h  1^1  mit  50,889  Einw'.,  hat  unter  den 
Englischen  Seestädten  mit  die  schifächste  Zunahme  der  Bevölke- 
rung, "da  es  bereits  1782  36,O0aE.  bes^ws.  27)  Nottingham, 
J831  =  50,680  Einir.,  früher  in  gleichem  V^hältnisse  wie 
Norwich,  1780  noch  mit  17,711  E.  Jetst  mit  lebhafterem  Ver* 
kehr  durch  seine  WoU-  und  BaumwoU  -  Manufacturen ,  und  in 
50  Jahren  in  der  Bevölkerung  fast  verdreifacht  28)  La  Valetta 
auf  der  Insel  M^lta  mit  60,000  E,  — Ausserdem  sind  noch  in 
Grossbritannien  und  Irland  13  Ortsehailen,  d|e  i wischen  50,000 
und  30,000  Bewohner  haben,  und  in  folgender  Abstufung  der 
Bevölkerung  nach  der  Zählung  von  1831  sich  befinden:  Stepne/ 
=:  49,750  Elnw.,  Dundee  =:  45,355  Einw^  Neweastle  an 
der  Tyne  =  42,7(30  Einw.,  Brighton  =  40,634  Einw.» 
Leieester  =  30,306  Einw«,  Bath  =  38,063  E.,  Islington  = 
37,316  Ednw.,  Stoke  am  Ttent,  der  wichtigste  Ort  in  dar  Pot- 
ter jf  in  Staffordshire  (s*  §.  10«  Manufacturen  in  Thon)  mit 
37,2i20  Einw.,  Galwaj  s  33,120  Einw.,  Preston  mit  33,112 
Einw,  HuIl  3  32,95a  Einw.,.  Chelsea  =  32,371  Einw.  und 
Haekney.^s  31,047  Einw.  'Unter  diesen  sind  Stepnej,  Hack- 
nejr,  lalington  uhd  Gfaelsea  in  der  Nähe  von  London,  sowie 
Stocke  nur  FleokMi  oder  Dorfschaften.  Nächst  diesen  folgen 
noch  23  Städte  und  ein  Flecken^  die  in  der  Zählung  von  183^1 
awischen  30,000  und  20,000  Einwohner  gesähU  haben:  Exet  er 
=3  28,801,  Kiikenny  =:  28,711  Einwohner.  Green oek/ = 
27,571  E.;  Coventrj|r  =  27,070  E.;  York,  im  Mittelalter  und  im 
aechsaehnten  Jahrhunderte  auch  in  der  Bevölkerung  die  iweite 
Stadt  nach  London,  jetst  gleichfalls  nur  noch  von  25,359  £.  bevöl- 
kert; Leiths.  oben  bei  Edinburg,  Wo  Iverhamp  ton  =  24,732  E., 
6reenwich=i:24,553E.,  Derb3r  =  23»607E.,  Macclesfield  = 
23,129  E^  Dudley  =r  23,043  E.,  Cheltenham  =  22,942  E., 
€hester  =  2l,363E.,Shrewsburj=:21,227  E.,  Yarmouthzr 
21,'lf5E.  Ferner  die  beiden  berühmten  Universitätsstädte,  Cam- 
bridge mit  20,917  E.  und  Oxford  mit20,434EL,  schon  im  sich. 


Da«  Britisehe  Reich«  9Si 

4 

sdiiiteB  ]«hr1iiiii4ert«  mit  niebt  viel  geringerer  Befftlkemng,  die  in- 
deM  Aoeh  obiie  lebhaften  Handetererlcebr  kaum  bemerlcbar  weiter 
fortacbritt;  der  Flecken  Kenaington  bei  London  mit  20»1H>29  Kid- 
dermintter  mit  20^5  C,  Wigan  am  Bridgewater  Canal  mit 
20,774  E.,  Cariisle  mit  20,GOO  E.,  Drogheda  in  lrland=. 
20,416  E  und  Perth  in  Schottland  mit  20,116  E.--- Demnach  bat 
daa  Brititohe  Reich  in  Europa.  6d  Stftdte  und  Flecken  mit  mehr 
al«  20,000  Einwohnern  9  wftfatend  Frankreich  auf  dem  dopj^eltea 
Flächeninhalte  nur  37  Olrtgchftflen  von  dietem  Berötkerunga- 
verhiÜtniMe  beaitst 


§.6. 
Stammverschiedenheit  der  Bevölkerung. 

€*.  yon  der  Decken,  Versuch  über  den  Engliiehen  Natio- 
nal-Chararter,  2te  sehr  vermehrte  u.  gämllch  umgearbeitete  Auflage, 
Hanno V.  1817.  8fo. 

Die  Stammvenchiedenkeit  in  OrMtbritannien  nnd  Mand 
würde y  da  sie  in  ihren  Haaptmasaeo  auf  swei  8timme  sich  zu- 
iruckfilhTen  läset,  sich  weniger  bemerkbar  machen  und  fär  den 
Standpunkt  der  politischen  Betrachtang  fast  verschwinden ,  wenn 
nicht  zugleich  damit  für  den  grösseren  Theil  der  Beivdlkerung 
i^ueh  die  kirchliche  Ver«cbiedenheit  verknüpft  wäre,  und  dadurch 
eine  bedeutsame  Sondenmg  in  der  Volksmenge  des  Britischen 
Reichs  festhielte,  die  nicht  nur  bei  dem  catholiechen  hrländer, 
■ondem  selbst  auch  bei  dem  presbjrteriaaiscben  Schotten  in  Be* 
Zug  auf  den  Englischen  Anhänger  der  Episcopalkirche  sich  geltend 
macht.  Jene  beiden  Hauptstämme  sind  aber  der  Galische  und 
/dar  Germanische. 

1)  Der  alte  Stamm  der  Galen,  der  in  seiner  noch  weiteren 
Ausdehnung  mitdemCeltischen  zusammenfällt,  zerspaKet  sich  für 
den  Umfang  des  Britischen  Reiche  in  drei  Hauptzweigje,  die 
schon'  untereinander  in  Sitte  wie  in  Sprachbildung  sehr  vcrschie* 
den  sind«  a)  Der  Brite  oder  Kjmre  bildete  im  Al.^rthume 
die  ausschliessliche  Bevölkerung  Englands,  das  daher  auch  das 
Britenland,  Britannia,-  genannt  wurde.   Er  musste  seit  dem  fünf- 


364  Das   Britische    ReAch« 

Cen.  Jahrhunderte  theili  vor  den  itammyerwandten  Picten  und 
Scoten  aus  dem  Nordosten,  theils'vor  der  Uebermacht  der  ge- 
landeten Deutschen  Völker,  aus  dem  Osteli  uiid  Süden  des  Lan- 
des in  die  durch  Gebirge  geschützten  und  wegen  des  rauheren 
und  schlechteren  Bodens  weniger  begehrten  westlichen  Theiie 
sich  zurückziehen.  Hier  im  Fürstenthume  Wales  und  in  der 
Grafschaft  Cufpberland  —  während  die  Grafschaft  Cornwall  gegen» 
wärtig  durchaus  ganz  Englisch  geworden  ist  —  bildet  er  noch  bis 
zur  heutigen  Stunde  die  Hauptmasse  des  Volks,  wenn  gleich 
die  Englische  gewerbliche  utid  geistige  Cultur  und  die  viel- 
fachen Verknüpfungen  des  bürgerlichen  Lebens  die  Vermi- 
srliung  mit  dem  Engländer  immer  mehr  befördern,  und  Kjm- 
rlsche  Sprache  und  Sitte  auf  engere  Gränzen  zurückführen«  Der 
Brite  behält  aber  die  Vorliebe  für  den  Ackerbau  und  die  Vieh- 
zucht vor  den  Beschäftigungen  der  technischen  Cultur,  die  er 
höchstens  durch  fleissigcn  Bergbau  fördert:  daher  stehen  diese 
Theiie  des  Staates  auch  in  der  regen  Theilnahme  an  dem  Han- 
del und  dei;  Fabriken -Industrie  zurück.  Die  Zahlangaben  kön- 
nen hier  nur  schätzungsweise  geliefert  werden,  da  in  den  ofü- 
ciell<Kn  Zählungen  diese  Sprach  Verhältnisse  keinen  Gegenstand 
der  Prüfung  ^nd  Verzeichnung  abgeben  können.  Man  sehätzt 
jetzt  den  Rest  der  Briten  in  den  genannten  Laiidschaften  auf 
700,000  noch  Kjmrisch  sprechende  Bewohner,  also  ^^  der  Be- 
völkerung. b)Der  Scote  oder  Schotte,  imAlterthume  in  zwei 
Hauptzweige,  Picten  und  Scoten,  getheilt,  war  ursprünglich  der 
einzige  Bewohner  des  heutigen  Schottlands  und  der  benachbarten 
Inseln.  Bei  der  Uebermacht  der  Deutschen  in  England  seit  dem 
sechsten  Jahrhunderte,  musste  er  aber  bald  nicht  nur  seine  Er- 
oberungen in  Britannien,  sondern  aiich  den  südHchen  Theil  sei- 
nes eigenen  Landes  bis  an  den  Clyde  und  Forth  räumen,  oder 
zurückbleibend  die  Herrschaft  des  Siegers  anerkennen.  Dadurch 
entstand  die  erste  V^ermiscliung  des  Engländers  und  des  Schotten, 
die  indess  seit  der  Vereinigung  beider  Reiche  durch  Jacob  I.  in 
einem  noch  weit  höheren  Grade  auf  deüi  Wege  des  bürgerlichen 
Verkehrs  begünstigt  wurde.  Daher  ist  der  Bewohner  des  südli- 
ch eü  Schottlands  und  ein  grosser  Theil  der  Städtebewohner  des 
mittleren  und  nördlichen  Schottland^  so  anglisirt,  dass  er  fast 
von  den  übrigen  Nachkojnmen  des  Germanisrhen  Volksstam- 
tues  nicbl  mehr  zu  unterscheiden  ist.  Es  ist  demnach  jetzt 
der  Schotte  in  unvermischtcrer   Gestalt  und  mit  Beibehaltung 


.  * 


Da%  Britische   Reich.  S65 

der  noch  fon  ihm  selbst  genannten  GaelschenSpraeke,  nur  als  Be- 
wohner des  Hochlandes  der  Inseln  «nd  auf  dem  grossen  Theile 
des  platten  Landes  ron  Mittelschottland»  sowie  auf  der  Insel  Man 
anxntreffen:  seine  Gesammtsahl  darf  nicht  über  900,000  K.  oder 
,Y  der  BeTolkerong  gerechnet  werden,  e)  Der  Ire,  als  Bewoh- 
ner  der  nach  ihm  benannten  Insel  Irland»  steht  in  der  Sprache  dem 
Schotten  näher  yerwandt  als  dem  Briten,  daher  auch  Jene  beide 
Völker  unter  dem  gemeinschaftlichen  Namen  der  Ersen  losam- 
mengefasst  werden.  Dann  gelten  ihre  beiderseitigen  Spracheri 
als  Dialecte  des  Ersischen,  im  Gegensatse  des  Kjmrischen, 
die  letsteren  beide  aber  wieder  als  Töchter  einer  gemeinschaft- 
lichen Mutter,  der  Alt-Galischen  S^irache.  Der  Engländer 
bildet  nun  xwar  den  woh^iabenderen  Theii  der  Bevölkerung  Ir- 
lands, nnd  namentlich  in  den  Städten,  der  Schotte  ist  gleich- 
falls xiemlich  stark  als  Ackerbauer  auf  dem  nördlichen  Theile 
Irlands  angesiedelt,  aber  das  oben  bereits  angedeutete  Verhält- 
niss  der  kirchlichen  Verschiedenheit  steht  gerade  hier  am  stärksten 
der  innigeren  Vermischung  dieser  Völker  entgegen.  Die  Gesammtsahl 
d^r  Iren  auf  der  Insel,  sowie  der  als  Arbeiter  und  Diener  in  Gross- 
britannien lebenden  dürfte  gegenwärtig  nicht  unter  7,500,OOOK.,  oder 
fünf  Scchszehntheile  der  Bevölkerung  in  Anschlag  gebracht 
werden.  Dadurch  würde  mithin  die  Gesammtsahl  des  Gali sehen 
Stammes  auf  9,100,000  Köpfe  steigen,  oder  beinahe  drei 
Achtel  Aer  Britischen  Bevölkerung  in  Europa  bilden. 

2.)  Der  Germanische  Volksstanun  ist  in  vielen  Deut- 
schen Völkerschaften  nach  diesen  Inseln  eingewandert,  bis  er  nachr 
nnd  nach  Herr  des  ganzen  Xaudes  gewordeif.  Zuerst  siedelten 
Rieh  die  Angeln  und  Sachsen,  die  Bewohner  der  niederen 
Eibegegenden  und  des  heutigen  Dänischen  Festlandes,  seit  449  inBri« 
tannien  an,  und  gabendem  Lande  den  Namen  (Ostangeln,  Ostsachsen, 
Süd  Sachsen,  West^iachsen,  Essex,  Wessen,  Sussex).  Diesen  folgten 
die  Ansiedelungen  der  Dänen  und  Norweger  seit  der  Bfitte  des 
neunten  "lahrhunderts,  und  endlich  der  Fränxösirten  Normannen, 
welche  die  Französische  Sprache  mitbrachten  und  diese  zur  Staats^ 
sprache/iuf  zwei  Jahrhunderte  erhoben  *),  wie  dies  durch  die  Eroberung 


*)  Die  Französische  Sprache  wurde  erst  Unter  Eduard  111.  13C3 
wiedei;  aus  den  Gerichtshöfen  und  vom  Hofe  entfernt,  und  darauf 


36$  Das    Britische   Reich. 


1 


Engkuidt  iMi€«r  Willielm  dem  Hersoge  von  der  Normandie  1066 
getehah.  Anf  polehe  Weise  eneugte  tich  der  heutige  EngUsehe  Volkt- 
fltamaiy  ids  ein  Misekvolk  aut  Tertcliiedenen  Deutschen  Völker- 
achaften,  aiw  den  Seandinaviem  von  gleicher  G^mianiaeher  Ah* 
kunflt  und  den  denselben  betgemischten  Franzosen,  mit  den  vor- 
gefundenen und  unterworfenen  Britischen  Völkerschaften.  Diese 
Vermischung  bewtthrt  sich  am  deutlichsten  in  der  Englischen 
Sprache,  dii^  fast  in  gleicher  Anzahl  aus  Deutschen  und  Franzö* 
sisch-Lateinisehen*)  WurzelwÖrtem,  bei  weitem  weniger  aber  aus 
Britischen  susammengeseCzt  ist,  und  in  der  grammatischen  Bildung 
urtd  ZusainmenfUgung  am  sti&rksten  den  Deutschen  Ursprung  be* 
kündet  Dieses  Volk  bildet  gegenwärtig  die  Bevölkerung  Eng- 
lands und  der  oben  bereits  näher  bezeichneten  Theile  von  Wales, 
Schottland  und  Irland.  Die  Gesammtzahl  desselben  beträgt  jetzt 
über  15,000,000 KL  oder  fast  fünf  Achtel  der  Britischen  Bevöl- 
kerung in  Europa. 

Aupser  diesen  beiden VolksstiUnmen  finden  wir  keinen  andern  über 
den  ganzen  Staat,  oder  auch  nur  über  einen  beträchtlichen  Theil 
desselben  ausgebreitet,  mit  Ausnahme  der  späteren  Erwerbungen, 
weil  Grossbritannien  und  Irland  wegen  ihrer  Insellage  im  Mit- 
telalter von  den  stürmischen  Angrififen  der  Wanderungen  Ost- 
Europäischer  und  Asiatischer  Völker  verschont  geblieben  aind^ 
die  indess  in  den  andern  Staaten  Mittel-  und  Süd-Europa'a 
gemeinhin  auf  ihrem  Heerzuge,  oder  bei  ihrer  Auflösung 
einzelne  Horden  zur  festen  Ansiedelung  zurückliessen.  Selbst 
der  Jude,  der  uns  unter  den  Asiatischen  Stämmen  in  allen  Staa- 
ten Europas  am  häufigsten  begegnet,  ist  in  diesem  Reiche  ver- 
hältnissmässlg  zur  Grösse  seiner  Bevölkerung  in  geringster  Anzahl 
anzutreffen,  insgesammt  nur  15,000 IC:  d.  i  auf  1652  Christen  1  Jude. 

In  den  apäteren  Erwerbungen  finden  wir  aber  auf  den  Norr* 


überall  die  Englische  Sprache  als  Staatssprache  eingeführt,  nur  In 
den  BewilligODgs-  und  Verweigernngs-Fomeln  des  Königs  erhielt 
'sich  noch  die  Franaöälsche  Aasdrucksweise,  g.  unten  §.  15» 

*)  Es  sind  wohl  auch  viele  Deutsche  Wurzelworter  erst  in  der 
Französischen  Umbildung  in  das  Englische  übergegangen y  wie  dies 
aus  der  Form  und  dem  Gebrauche  derselben  ersichtlich  wird. 


I 


Das    Britische  Reich.  ^ 

nianniflcben  Imepi  5(^000  ^Fransosen,  die  raeh gegenwärtig noeh 
ihre  Sprache,  wenu  gleich  mit  vielen  beigemischten  Bogliteh'en  Wör- ' 
tem,  beibehalten  habeq,  in  dem  Gebiete  ron  Gihi*altar  12,000 
Spanier,  auf  der  Insel  Helgoland  2300  reaae  Deutsche,  oad 
endlich  auf  den  Inseln  Malta,  Comino  und  Gosso  110,000  Ita- 
liener. Der  Deutsche  ist  ausserdem  ih  vielfachen  Betohäfti- 
gungen,  namentttch  als  beliebter  Fabrikarbeiter  in  den  grossen 
Städten  Grossbritanniens,  in  nicht  unbedeutender  Zahl  ansu- 
treffen,  doch  giebt  es  hieillr  keine  efficielie  Nachweisung  und 
bleibt  auch  für  den  statistischen  Standpunkt  ohne  Bedeutung, 
da  keine  offenbare  Einwirkung  des  Deutschen  Gewerbfleisses  sidb 
darlegen  läset 


§.  '• 


Allgemeine  Standesverhältnisse. 


Reeden   (Comte)   tabhe  genealogiquee  de  t%mpfse    Bri-^ 
iannique,  Berlin  1831  FoL 

Die  Ständeverschiedenheit,  so  weit  sie  die  Vorredite 
der  begOnstigten  und  drückende  Beschränkung  der  zurückgestell- 
ten Stände  anbetrifft,  hat  sich  in  diesem  Reiclie  am  frühesten 
gelöst  Strenge  Leibeigenschaft  und  mit  vielfachen  Frohndiensten 
belastete  Gutshörigkeit,  wie  die  meisten  Gegenden  Deutschlands  sie 
gekannt  haben,  hat  hier  niemals  geherrscht,  und  die  verheerenden 
Bürgerkriege  der  rothen  und  weissen  Rose  im  fünfzehnten  fahr^ 
hunderte  haben  auch  den  milderen  Graden  derselben,  die  nur  seit 
der  Normannischen  Eroberung  in  England  erst  recht  i|m  sich 
gegriffen  hatten,  ein  überaus  frühes  Ende  gegeben.  Wir  können 
in  der  Gegenwart  zwar  in  Bezug  auf  die  bürgerliche  Gesellschafit^ 
mehrfache  Rang-  und  Standesverschiedenheit  wahrnehmen,  wie 
dies  die  gesellige  Entwickelung  jedes  Staates  darbietet,  aber 
nach   den    politisehen  Rechten   in    staatsbürgerlicher  Hinsicht 


368  Das  Britische  Reich« 

giebt  6i  in  Grossbritannien   und  Irland  nur  swei  Sftnde»   die 
Nobilitj  und   die  Commonaltj,   welche  letitere  am  fuglich- 
sten wieder  in  zwefUnterabeheilungen  übersehen  werden  kann,  Gen- 
try  und  die  nicht  zur  Gentrj  gehörigen  Volksclaasen. 
A.    Die  Nobility   ist   ausschliesslich    dem   hohen   Adel 
anderer  Staaten  gleich  zu  stelleh,   und  jedes  Mitglied  derselben 
ist  Peer  des.  Reiches  und  dadurch  in  seinen  Rechten  untereinander 
gleich,  wenn  auch  die  Ehrenrorzüge  in  stufenmässiger  Folge  eine 
Sonderung  beachten  lassen.'    Die  verfassungsmässigen   Rechte 
derselben  wird  der  §.  16.  näher  darstellen,   indem  hier  nur  die 
Bestandtheile  des  hohen  Adels  auseinandergesetzt  werden    sollen. 
Es  gehören   zur   Nobility   alle   Prinzen   von  Geblüt   durch   ihre 
Gehurt,    sowie   alle  Ton   Englands   Königen  zu   dieser  Würde 
ernannten  Hords   oder  Seigneurs   und  Herren  des  Reichs.    Ihre 
Würde  und  Titel  sind  glMchfalls    durch  die   Geburt  erb  lieh ,  «' 
erben   aber   nur    auf  den  ältesten  Sohn  fort,  der   so  lange  s^in 
Vater  lebtf,   dessen  zweiten  Titel  führt:  doch  braucht  dieser   an 
kein    Besitzthum    geknüpft    zu    sein.       Dies    findet     bei    allen , 
Herzogen,  Harquis  und  Grafen  statt,   nach  der  herkömmlichen 
Königs  •  Vergünstigung   oder   Hofsitte   (KingB    Courtesy)    und 
zwar    dergestalt,    dosa    der   älteste    Sohn    eines    Herzogs   Mar- 
quis  oder  Gra^*),   der   eines  Marquis  Graf  oder   Viscount,    der 
eines  Grafen  aber  Lord  heisst  Die  ältesten  Söhne  der  Viscounts 
oder  Barone  (Lords)  führen  keine  TiteL    Doch  ungeachtet  dieser 
Titel  sind  alle  diese  Söhne  kein^  Peers,  so  lange  ihre  Väter  leben^ 
und  ihre  Kinder  gehören  als  blosse  Esquires  der  Gentrjzu :  dasselbe 
findet  8t;^tt  bei  allen  nachgebornen  Söhnen  der  Peers.    Der  hoho 
Adel  ist  aber  erblich  von  der  väterlichen  Seite  ohne  Rück- 
sicht  auf  die  Mutter,    und  Ahnen   von  der  Mutterseite  sind  für 
einen  Peer  niemals  nöthig*  Eben  so  ist  auch  derselbe  von  der  müt« 
terliohen  Seite  erblidi  ohne  Rücksicht  auf  den  Vater,  wenn  die  Mut- 
ter eine  Peeresse,  oder  Erbtochter  einer  mit  der  Peerswürde  ver- 
knüpften Grafschaft  oderBaronie  ist,  d.h.  Peeresse  hy  own  rtghi 
durch  eigenes  Recht.      Auf  solche  Weise   kann  aber  auch  die 
Verheirathung  einer  Eibtochter  mit  einem  Mitgliede  eines  hohen 

*)  Wfr  einen  höhern  Titel  erlangt  hat.  fuhrt  gewöhnlich  aach 
alle  niedrigeren,  weil  jede  Familie  der  Nobility  gewöhnlich  die  Ti- 
tel von  unten  empfangt.  So  ist  der  Herzog  von  Somerset  Marquis 
von  Worcesier,  und  der  Herzog  von  Northhamberlai^d  Graf  von 
Wlltshire,  der  Graf  von  Shrewsbuiy  Loid  Talbot  u.  s.  w. 


Das  Britische  Reich.  369 

Adelt  eine  doppelte,  und  in  gleieher  Art  auch  eine  dreifache 
Peenchaft  auf  eine  und  dieielbe  Familie  zusammenfallen  *). 
Selten  wird  eine  Peerease  durch  den  König  ernannt,  etwa  we- 
gen der  Verdienste  ihres  Mannes  oder  ihres  Vaters,  wie  dies  bei 
der  Wittwe  Cannings  geschah,  die  indess  diese  Ehre  ausschlug**). 
Stirbt  ein  BÜtglied  des  hohen  Adels  ohne  männliche  und  weib* 
liehe  Deseendenten,  so  geht  sein  Titel  auf  den  ältesten  Bruder 
über 9  oder  sollte  dieser  nicht  mehr  am  Leben  sein,  auf  dessen 
ältesten  Sohn  und  dessen  Nachkommenschaft  und  in  dieser  Rei* 
henfolge  weiter.  Tritt  aber  der  Fall  ein,  dass  dieser  Bruder» 
oder  dessen  Sohn,  *  bereits  wegen  eigener  Verdienste  um  den 
Staat  von  dem  Könige  zum  Peer  ernannt  wäre,  so  darf  dann 
derselbe  wählen,  ob  er  den  an  geerbten,  oder  den  sich  selbst 
erworbenen  Titel  beibehalten  will  Wählt  er  den  ersten,  so 
geht  der  sweite  sogleich  auf  den  ältesten  Sohn,  und  in  Erman* 
gelung  eigener  Kinder  wieder  auf  den  ältesten  Bruder  über: 
nach  seinem  Tode  aber  fällt  der  sweite  Titel  an  den  zweiten 
Sohn,  falls  der  älteste  nicht  schon  Nachkommenschaft  haben 
sollte.  Die  Vertauschung  '  der  Titel  tritt  aber  bei  dem  Todes* 
Wechsel  ohn^  alle  Wahl  ein,  sobald  der  älteste  Sohn  eines  Her- 
sogs, Marquis  oder  Grafen  nur  den  sweiten  Titel  >€eines  Vaters 
geführt  hat,   mit  welchem  keine  Peerschaft  verbunden  war***>, 

*)  Bei  der  Schottischen  Familie  Campbell  ist  die  altere  F4nie 
die  der  Herzoge  von  Argyle,  die  jüngere  die  der  Grafen  von  ßrea* 
dalbane.  Dagegen  in  der  Familie  Pitt  sind  die  drei  Peerschaften 
der  Grafen  von  Chatham,  der  Barone  von  Amherst  und  der  Barone 
Rivers,  sammtlich  durch  eigenes  Verdienst  für  die  drei  Linien  die- 
ser Familie  erworben,  -wie  in  der  Familie  der  Wellesley,  die  auch  die- 
sen Namen  statt  des  frühern  Coliey  erst  durch  ein  ererbtes  Gut 
annahm,  neben  dem  Marquis  von  WelJesley  sein  zweiler  Bruder 
Artbui  Wellesley  durch  die  glänzende  Feldherrnlaufbahn  sich  nach 
ond  nach  (1810—12)  die  Peerswürde  eines  Viscounts,  Grafen  und 
Herzogs  von  Wellington  erwarb. 

**)    Bei  der  Verbeirathung  einer  Peeress«  mit  einem  Mitgliede 

der  Commonalty  wird  erst  der  gemeinschaftliche  älteste  Sohn  nach 

dem  Tode  seiner  Mutter  Englischer  Peer.  —  Die  Frauen  der  Peers 

heissen   im  Gegensatze  dieser  Peeresses  by  own  rigbt  —  Peeresses 

by  mariage.  —  ^ 

***)  Des  älteren  Grafen  Londondery  ältester  Sohn,  der  bekannte 

Englische  Minister  der  auswärt if^en  Angelegenheiten  in  den  Jahren 

1812—22,  führte  vor  dem  Jahre  1820  bei  Lebenszeiten  seines  Vaters 

Scfcuk«rt*t  Stittfiifc.ll.  24 


/ 

370  Das  Britische  Reich. 

wenn  er  diesen  durch  eine  giftnsende  politische  Laufhahn  auch 
noch  so  berühmt  gemacht  hat  *)u  Die  Zahl  der  Mitglieder  des  ho- 
hen Adels  ist  nicht  bestimmt,  weil  der  König  gans  nach  seinem 
Gefallen  dieselhen  ernennen,  also  ihre  Zahl  in  jedem  Augenblicke 
vermehren  kann!  Der  hersogliohe  Titel  wird  gewöhnlich  von  einer 
Crrafschaft  oder  einer  Stadt  entnommen,  der  eines  Marquis,  Grafen 
oder  Viscounts  dagegen  gemeinhin  von  dem  Gute,  das  der  zur  Pairs- 
würde  erhobene  Lord  entweder  bereits  als  E^genthum  besitzt  **"), 
odor  etwa  in  Folge  eines  Parlamentsbeschlusses  als  Nationalbe- 
lohnung zum  Besitz  erhält****),  indem  auf  solche  Weise  dieser 
Ort  selbst  als  ein  Majorat  zur  Reichsbaronie  erhoben  wird,  mit  wel- 
cher die  Peerswürde  stets  verknüpft  bleibt  Durch  ihr  Amt  ge- 
hören zur  Mitgliedschaft  des  hohen  Adels  die  geistlichen 
Peers,  d«  h.  die  beiden  Englischen  Erzbischöfe  und  die  24, 
EJnglischen  Bischöfe  mit  Ausnahme  des  Bischofs  von  Man, 
und  aus  der  Reihe  der  vier  Irländischen  Erzbischöfe  und 
achtzehn  Bischöfe  der  Anglikanischen  Episcopalkirche  vier 
für  jede  Session  gewählte  Repraesentanten.  .  Ebenso  gehört 
auch  durch  das  Amt  hierher  der  Lordkanzler,  welcher  jedoch 
zugleich  durch  dieses  Amt  erblicher  Peer  wird,  indem  er  zwar 
von  dem  Könige  aus  dem  Stande  der  Communaltj  ganz  nach 

den  zweiten  Titel  desselben  Lord  Oastlereagh,  der  durch  ihn  eine  eh- 
renvolle S(elle  in  der  Englischen  Creschichte  für  immer  behaupten  wird. 
Aber  bei  dem  Tode  des  Vaters  vertauschte  er  denselben  sofort  mit  dem 
des  Grafen  Londondery.  Als  er  nun  bald  darauf  in  einem  Anfall 
von  Wahnsinn  zur  Zeit  des  Kongresses  von  Verona  1822  durch  Selbst- 
mord endete,  ohne  Kinder  zu  hinterlassen,  so  ging  der  Titel  des 
Grafen  Londondery  auf  seinen  Bruder  über,  der  bis  dahin  nur  den  ur- 
sprünglichen Geschlechtsnamen  Stewart  geführt,  aber  auch  diesen 
durch  seine  diplomatische  Missionen,  namentlich  als  Gesandter  am 
Oestreichi sehen  Hofe,  in  gute  Achtung  gebracht  hatte.  Der  älteste 
Sohn  desselben  gelangte  jetzt  zum  Titel  eines  Lords  von  Castlereagh. 

*)  Viscount  Althorp  wurde  1834  durch  den  Tod  seines  Vaters 
Graf  Spencer. 

**)  Brougham,  der  berühmte  Redner,  wurde  bei  seiner  Erhebung 
zum  "Lordkanzler  von  seinem  Landgute  Brougham -Hall  zum  Baron 
ernannt,  das  dadurch  nun  überhaupt  in  die  Reihe  der  Englischen 
Reichsbaronien  gerückt  wurde. 

♦♦♦)  Wellington  erhielt  als  Nationalbelohnung  vom  Parlamente 
1812, 1814  und  1816  600,000  3  St  (3,500,000  Rtblr.)  zum  Ankauf  von 
Landgütern. 


Da8  Britische  Beicb.  37i 

GsiMbMieB  «tnaMl  wurden  kann,  jedoch  sagleieh  mit  der  Ver* 
^cliCang,  das«  «eine  Wirde  erblkh  an  aeuMii  dasa  betdminteii 
und  dadureh  an  einer  Engliseben  Reiehabaronie  erhobenen  Be* 
aitsttngeh  geknipft  Ueibt.  Endlieh  gehdraa  noeh  dvreh  ihr  Amt 
hieker  die  12  Lor d a-Oberrie k ter  (Law-Lorda), die  ahei^ nur  gleieh 
den  geiatHolwn  Peera  daa  perateliehe  Recht  der  Peeraehaft  be* 
aiticn.  Nach  dem  Range  aer&llen  wma  nodi  die  weltlichen 
Peera,  in  fSmt  Claaaen: 

1}  Die  Herio^e  <I>nket).  Sie  aind  anent  ¥om  Könige 
Eduard  III.  ernannt,  indem  denelbe  aeinen  Sohn,  den  naeh- 
mala  ab  aehwaraen  Prinaen  bekannten  Eduard,  1335  aum 
Heraog  Ton  Cemwall  erhob;  aber  keine  rofi  dieaen  alten 
kersogiichen  Geachleebtem  ut  bn  auf  una  gekommen,  die 
meiaten  gingen  achon  in  den  Kriegen  der  rothen  und  weiaaen 
Roae  untere  ein  einaigea  iat  nur  aua  dem  Mittdalter  übrig  ge« 
blieben,  daa  der  Herioge  Ton  Norfolk,  (aua  dem  Gesehleehte 
Howard),  welche  den  28.  Juni  1483,  ron  Richard  IIL  an  dieaer 
Würde  erhoben  wurden.  Ein  einaige«  heraogliehea Haus  rührt 
noch  aua  dem  aechiadinten  Jahrhundert  her,  das  der  Heraoge 
von  Sommerset  (SejmouT),  Ton  Eduard  VI.  am  IG«  Febr.  1540 
dasa  erhoben.  Sieben  erlangten  ihre  Würde  im  aiebiehnten  Jahr* 
hunderte,  die  Heraoge  vonRichmond(Lenoz  1675),  ron  Grafton  (Fita« 
roj  1675),  Ton  Beaufort  (Sommerset  Jl982),  yon  St  Albans  (Beauolerc 
I6d3),  Ton  Leeds  (Osbome  1694),  von  Bedford  (Russell  1604) 
und  von  Devonshire  (Cävendish).  Neun  henogliche  Geschlechter 
wurden  im  achtzehnten  Jahrhunderte  erhoben,  von  Harlborough 
(Spencer  1702),  von  Rutland  (Manners  1703),  von  Branden  (Ha- 
milton 1711),  von  Lancaster  (Bertie  1715),  von  Portland  (Cäven- 
dish Bentink  1716),  von  Mandiester  (Montague  1719),  von  Der* 
aet  (Sackvüle  1720),  von  Newcaatle  (Pelham  Clinton  1756),  von 
Nortfanmberland  (Percjr  1766).  Ein  heraogliches  Geschlecht,  das 
&eB  H.  von  Wellington,  ist  erst  in  diesem  Jahrhunderte  au  die- 
aer Würde  erhoben  worden:  es  sind  also  von  diesem  Titel  nur 
19  ala  Englische  Peers  ausser  den  Prinaen  von  königlichem  Geblüte 
berechtigt,  die  gemeinhin  auch  den  herzoglichen  Titel  führen.  In 
der  Anrede  kommt  den  Englischen  Herzogen  Your  Grace  (Euer 
Gnaden)  zu;  bei  ihrer  Erhebung  erhalten  sie  eine  Fürsten-, 
Krone,  ein  Schwert  und  einen  goldenen  Stab.  Bei  grossen 
Staatsfeicrliohkeiten  tragen  sie  einen  rothen,  vierfach  mit  H^er- 
melin   verbrämten  Mantel,    aber  die  meiaten    dieser   herzogli« 

24* 


372  Da8  Britisch«  Reicli. 

chen  Getehleekter,  wie  die  Percjt  und  Howmtdt,  jetit  NorUrnm- 
berland  und  Norfolk,  waren  schon  im  Zeitalter  der  Kreuni^ 
angeiehene  und  stark  begüterte  Geschleehter,  die  bereits  im 
dreizehnten  Jahrhunderte  lu  den  Baronen  des  Reichs  gehörten. 

2)  Die  Marquis  ( MarquenesJ,  als  Zwisehenatufe  iwisehen 
den  Grafen  und  Henogen,  den  Markgrafen  anderer  Linder  nadi- 
geahmt,  wurden  luertt  nnter  König  Riehard  II.  eingeflhrty  in* 
dem  derselbe  isftö  den  Robert  Vere^  Eatl  e/  Oxford  aum  Mar- 
quis von  Dublin  eriiob.  Seitdem  ist  diese  Wftrde  aber  selten  und 
tnir  in  -der  neueren  Zeit  etwas  h&nilger  als  die  herzogliche  rer- 
geben,  die  Yergebung  geschieht  durch  eine  eigenthUmliche  Mar- 
quis «Krone  und  Schwert  ohne  Stab:  ihre  ehrende  Auaseichnnng 
bei  Staatsfeteriichkeiten  ist  ein  rother  Mantel,  drei  und  ein  halb»^ 
mal  mit  Hermelin  verbrämt  Aus  dem  Mittelalter  erdieilte  Mar- 
quisate.  haben  sich  keine  erhalten,  und  auch  nur  ein  einziges  Ge- 
schlecht ist  aus  dem  sechszehnten  und  sidizehnten  Jahrhunderte 
übrig  geblieben,  das  diese  Würde  noch  bewahrt,  der  Marquia 
von' Winchester  (PauUt)^  von  Eduard  VI.  1551  dazu  erhoben. 
Dreizehn  Geschlechter  haben  diese  Würde  unter  Georg  ill.  in 
den  Jahren  1784  bis  18JI  und  sieben  unter  Georg  IV.,  zum  Theii 
noch  wührend  seiner  Verwaltung  als  Prinz -R^^nt,  erlangt  Es 
sind  midiin  j^tzt  21  Margue$8e$j  die  als  solche  Englische  Pe€r$ 
sind,  und  vor  den  drei  fol^oden  Stufen  in  der  Adresse  durch 
das  Prftdicat  Most  noble  (sehr  edel)  geehrt  werden,  während  diese 
nur  als  Right-honourahlf  Peers  (sehr  ehrenwerthe  P.)  gelten. 
In  der  Anrede  sind  aber  alle  vier  Clasien  gleich  gestellt  durch 
das  einfache  Prädicat  Mylord. 

3)  Die  Grafen  (Earla),  bis  auf  Eduard  III.  der  höchste 
Titel  in  England,  führen  zu  ihrer  ältesten  Einsetzung  bis  in  die 
Zielten  vor  Wilhelm  dem  Eroberer  hinauf,  da  sie  zuerst  während  der 
Dänischen  Besetzung  des  Landes  am  Ende  des  zehnten  und  am 
Anfange  des  «ilften  Jahrhunderts  vorkommen,  und  zwar  als  Be- 
zeichnung für  die  Statthalter  der  Grafschaften,  welche  von  den 
Angelsächsischen  Herrechem  Grafen  {Gertfan)  genannt  wurden, 
und  nun  den  eigenthümrlich  Scandinavischen  Titel  der  Jarls 
empfingen.  Diese  Würde  behielt  mit  derselben  Benennung  Wil- 
helm der  Eroberer  bei  der  neuen  Gestaltung  der  Verfassung  und 
Verwaltung  Englands  bei.  Ihre  ehrende  Auszeichnung  ist  die  Gra- 
fenkrone und  bei  Staatsfeierlichkeiten  der  rothe  Mantel,  dreifach 
mit  flhmuelin  verbrämt    Doch  auiser  den  später  lu  höheren  Ti- 


Das  Britische  Reich.  373 

teln  erliobtBcb  itnd  gegenwärtig  auch  nur  noch  Kwei  6rafenge« 
•ehleehter   aus   dem  Mittelalter   erhalten,    da»   der  Crrafen  ron 
Shrewtburj  (Talbot  1442)  nnd  dar  Gcafen  ron  Derby  (Stanley 
1485),  eins  ans  dem  seebssehnten  Jahrhundert  die  Grafen  von  ' 
Pembroke   uAd  Mon^ommery  (Herbert  1651),  vier  und  swan* 
sig  aua  den  eiebnelintea  Jahrunderte.  Aus  der  Regierungsseit  der 
Königin  Anna  stammen  gegenwiitig  no A  fünf,  aus  dem  Jahrhun«- 
derte  der  ersten  Creorge  vier  und  sechssig,  lAis  der  Verwaltung 
Georg's  IV.  neun,   aus  der  Regierung  des  Königs  Wilhelm  IV. 
bis  jetzt  £üjif'  g^ilflißke  Peersohaften.     Es  giebt  demnach  über^ 
baupt  in   der  Gegenwart   UQ  Earls,   die  als  solche  Englische 
Peers  sind.  Von  diesen  drei  ersten  Classen  werden  auch  die  nach« 
gebcMmen  Söhne  aus  Kings-Courtesy  Lords  genannt,  aber  dieser 
persönliche  Titel,  der  nui^  Form  und  kein  Recht  ist,  geht  niemala 
weiter  bis  auf  ihre  Nachkommen  über.  ^  Die  Grafen  des  Auslands,, 
welche  in  England  leben,  werden  Counts  genannt« 

4)  Die  Vicegrafen  oder  Viscounts,  den  Franaösischea 
Vicomtes  nachgebildet,  sind  in  England  zuerst  von  dem  Könige 
ernannt,  der  die  Französische  Krone  mit  der  Engtischen  vereint 
auf  seinem  ELaupte  eine  Zeit  lang  trug,  indem  Heinrich  VI  145(X 
den  Johann  von  Beaumont  zum  ersten  Englischen  Viscount  er- 
hob. Als  ehrende  Auszeichnung  tragen  sie  bei  Staatsfeierlichkci* 
keiten  einen  rothen  Mantel,  der  indess  nicht  mit  Hermelin,  son- 
dern zwei  und  einhalbmal  mit  Fellen  von  Eichhörnchen  verbrämt 
ist.  Diese  Würde  ist  aber  bis  auf  Georg  liL  sehr  selten  verge-> 
ben,  und  auch  selbst  seit  dieser  Zeit  kommen  nicht  viele  Ernen^ 
nuDgen  zu  derselben  vor..  Der  älteste  Viscount  ist  jetzt  der  von« 
Hereford  (Devereu^c  1549)|  die  Gesammtz^ahl  dieser  Englischen. 
Peerschafteu  beträgt  22. 

5)  Die  Barone  (Lords,  Barones  regüi)  gehöre  zu  den«, 
von  Wilhelm  dam  Eroberer  in  England  eingeführten  neuen  Ver* 
tassung  und  sind  die  rjeichsunmittelburen  Vasallen,  die  nur  in. 
d^m  Verhältnisse  der  Lehnspllicht  und  des  schuldigen  Geh  orsama. 
znln  Könige  selbst  standen.  Lord  ut  also  in  dieser  Beziehung^. 
völlig  gleich  mit  Peer,  und  die  vier  vorhergehenden  Classen  8ind^ 
ausser  ihrem  hohem  Range  sämmtlich  auch  Lords  oder  Baroilea. 
regnL  Ihre  Bhrenveift&ge  sind  die  Fraikerfn- Krone  und  der 
doppelt  mis  Eiehhömehen-Fellen  verbriUnte  HanteL  Noch  giebt 
es  zwei  Englisch«  Baronien  ana.  der  Regiemagt  Heinnebs  IIL, 
deren  Inhaber  «nf. das. Aller  dersalhea  einen  eben  s«  hoheaWjenh, 


374  B^s   Britische  Reich. 

als  auf  die  herzogliche  WOrde  legen,  die  Lords  Le  Despeneer  (Sta^ 
pleton  vom  3ten  Juni  1265)  und  De  Cli£ford  (CÜiTord  vom  29)|ten 
December  1269):  ausserdem  noch  seehs  andere  Baronien  aas  dem 
Hittelalter,  swei  aus  der  Regierung  der  Elisabeth,  lehn  aus  der 
Regierung  der  männlichen  und  weihliehen  Linie  Stuart»  hun* 
dert  und  sieben  und  funfsig  aus  der  Regierung  der  vier. 
Ckorge,  neun  aus  der  gegenwärtigen  Regierung  WHhelms  IV. 
Es  beträgt  demnach  Jetzt  die  Gesammtudil  der  Engiisehen 
Baronien  186. 

Die  geistlichen  Peers  nehmen  aber  auch  nur  insofern 
Antheii  an  den  Rechten  des  Englischen  hohen  Adels,  als  sie 
Verwalter  geistlicher  Baronien  sind,  die  mit  ihren  bisehöflichen 
Wdrden  für  immer  verknüpft  bleiben.  Dem  Range  nach  nehmen  die 
ErzbischÖfe  zwischen  den  Herzogen  und  den  Marquis  und  die 
Bischöfe  zwischen  den  Viscounts  und,  den  Baronen  Platz.  In 
den  fünf  Rangclassen  untereinander  geht  aber  die  Rangordnung 
nach  dem  Datum  des  Patents  jeder  Erhebung  zur  höhern  Stufe, 
so  dass  der  jüngst  patpritirte  Viscount  dem  ältesten  Baron,  und 
der  jüngst  patentirte  Earl  dem  ältesten  Viscount  voran- 
geht U.  'S.  w. 

Davon  verschieden  sind  aber  die  mit  höherm  Range  betitel- 
ten Adelsgeschlechter  der  Königreiche  Schottland  und  Irland,  die 
nach  ihrem  Titel  keinen  Anspruch  auf  die  Rechte  der  Englischen 
Nobility  besitzen,  und  an  und  für  sich  nur  der  Commonaltjr  ange- 
hören, wie  sie  denn  auch  zu  Mi^liedem  des  Unterhauses  gewählt 
werden  können.  Denn  für  Sehottland  werden  aus  der  Mitte  der  hier 
vorhandenenen  SHerzogCi  3  Marquis;  38  Grafen,  4  Viscounts,  22 
Barone  und  3  weibliche  Barone  für  jede  Parlamentssession,  als 
Mitglieder  des  Oberhauses,  nur  16  Vertreter  gewählt,  jedoch  ohne 
Unterschied  auf  den  hohem  Rang,  so  dass  bisweilen  kein  Her- 
zog und  Marquis  unter  den  gewählten  vorhanden  ist*).  Das- 
selbe geschieht  in  Bezug  auf  den  Irländischen  hohen  Adel,  der 
gegenwärtig  aus  1  Herzoge,  12  Marquis,  74  Grafen,  53  Viscounts, 
75  Baronen  und  4  weiblichen  Baronen  besteht  Aus  denselben 
werden  für  die  Lebensdauer  28  Vertreter  als  Mitglieder  des 

*)  Im  J.  1833  wurden  von  31  anwesenden  und  39  durch  YolU 
macht  abstimmenden  SohotH|cben  Baronen  au  den  16  verlassungs- 
mässigea  Mitgliedern  des  Oberhaoses  1  Afarquis,  7Gr4fea»  tt  Via- 
coums  und  6  Barone  gewählt 


Das  Britische  Reich.  375 

OberfaauMf  erw&klt  Nor  diese  raagiren  mit  dem  Eogliichen 
hohen  Adel,  fo  lange  lie  die  Fuacdenen  im  Oberhtnae  verriehten,  je- 
4oeli  to,  daii  der  Ei^Usehe  Herseg  dem  Schottiachen,  und  dieser 
wieder  dem  Iriseben  ▼orauigeht,  und  eine  gleiche  Rangfolge  äoeh 
bei  den  übrigen  Classen  beobachtet  wird»  w&hrtod  aber  die 
einselnsn  Classen  unter  einander  gleichfalls  auf  das  €^* 
naueste  aieh  nach  dem  Datum  des  Diploms  snr  Erhebung  ih- 
rer  hersoglichen,  gr&flicben  u.  s.  w.  Würde  sich  richten.  Schliess* 
Ueh  füge  ich  hier  noch  snr  leichteren  Uebersicht  eine  Tabelle  bei 
sftmmtii^er  erblicher  Mitglieder  des  hohen  Englischen  Adels, 
sowie  der  sur  Wahl  in  denselben  auf  bestimmte  Zeit  berechtigten 
erbliolfen  Familien  in  Schotthnid  und  Irland. 

England    Schottland    Irland    Summe 

1)  Prinsen  ron  Geblüte  3 

2)  Hersoge  .   19 

3)  Marquis  21 

4)  Grafen  HO 
^       5)  Viscounto  22 

6)  Barone  186 

7)  Peeresses  0 


• 

m 

3 

8 

1 

28 

3 

12 

36 

38 

74 

222 

4 

63 

79 

22 

75 

283 

3 

4 

16 

370  78  219  667 


B.  Die  Commonalty.  a.)  Dict  Gentry»  die  man  durch* 
aus  unrichtig  mit  dem  niederen  Adel  anderer  Staaten  zusammen« 
stellt»  da  sie  sugleich  alle  gebildeten  Stände  des  Volks  ausser 
der  Nobilitjr  in  sich  einschliesst»  umfasst: 

l)Den  Ritterstand.  Dieser  wird  gebildet  aus  den  Knights» 
BaronetsundalknRittern  der  königlichenOrden,  dienicht 
sur  Nobiiity  oder  den  Baronets  undKnights  gehören«  Unter  die- 
sen ist  nur  der  Stand  der  Baronets,  die  vor  denKnights  den 
Rang  haben,  erblich,  und  swar  nach  dem  Rechte  der  Erstge* 
burt  Er  wurde  suerst  am  22tenMai  1611  durch  König  Jacob  L 
vermöge  eines  Patents  gleichwie  die  Würde  eines  Peers  ertheilt^ 
und  wird  seitdem  häuJig  an  ausgeseichnete  Ofßciere  des  Land-^ 
heeres  und  der  Flotte,  an  berühmte  Gelehrte,  Aerzte,  Dichter 
und  Künstler,  an  angesehene  Gutsbesttier  und  Banqjuiers  unmit- 
telbar vom  Kl^nige  für  Gressb'ritannien  vergeben;  für  Iriand  ist 
dies  Recht  auch  dem  Vicekönige  xugestafiden.    Der  Baronet  er- 


/ 
t 


376  Das  Britische  Reich. 

hftlt  dai  PitUUeat  Sir  nnnittdbaT  vor  teinem  Vemtneii^  wie 
er  denn  gefröhniich  im  bGrgeiiiehen  Leben  nur  mit  dem  Voms- 
men  genannt  wird,  und  seine  Gemahlin  den  Titel  Ladj;  die 
naehgebomen  Söhne  bei  Baroneta  sind  aber  biet  als  Baqeires  Mit- 
glieder der  Gentrr,  und  heiaten  wie  dieflbrigen  in  der  gewöhnlichen 
Benennung  Matt  er  und  Miat.  DieZahl  derBaroneta  kann  jftlnÜcl^ 
naeh  dem  Gntbefinden  det  König«  auf  nnbeschrftnkte  Weise  Ter« 
mehrt  werden,  sie  betHlgt  gegenwärtig  075.  —  Die  Knig.hta, 
Kneehte  in  der  Bedeutung  des  Mittelalters,  wiewohl  doeh  in 
England  die  Abweichung  ron  der  damaligen  Bedentong  des 
Wortes  in  Deutschland  sich  geltend  gemacht  hat,  dass  hier  die 
nicht  nft  dem  Ritterschlag  geehrten  Edle  des  Landes  Knechte . 
(daher  Ritter  und  Knechte  des  Landes  gleichbedeutend  mit  sämmt- 
liehen  adelichen  Gutsbesitsern  einer  Landschaft)  genannt  wurden, 
in  England  aber  gerade  der  Stand  eines  Knight  erst  durch  den 
Ritterschlag  verliehen  wird.  Diese  Würde  fOhrt  ihren  Ursprung 
bis  auf  die  Zeiten  Wilhelm  des  Eroberers  hinauf^  und  wurde  seit 
dem  irienehnten  Jahrhunderte  auf  zwiefache  Weise  ertheih,  die 
derKnightsBanneretsund  der Kn.  Bachelors.  Jene*— die ftl- 
tei%  Würde  *—  hatten  durch  ihren  Kriegsdienst  diese  Würde  erlangt^ 
waren  während  desselben  au  Rittern  geschlagen  und  dadurch  yerpflich* 
tetyimt  ihren  Hintersassen  dem  königlichen  Banner  zu  folgen:  da 
diese  Würde  fast  jedesmal  mit  Landbesitz  verknüpft  wurde,  so 
konnte  sie  vererbt  werden,  sie  ist  aber  seit  der  Regierung 
Carls I.  nicht  mehr  vergeben  worden.  Die  Würde  des  K night« 
Bachelors  (Bachelor  =:  Baccalaureus,  da  diese  erste  acade- 
mischen  Stufe  pher  fast  ausschliesslich  nur  im  unverheiratheten 
Zustende  erlangt  wurde,  oder  zu  derselben  verpflichtete,  gleich- 
bedeutend mit  Junggeselle)  blieb  eine  rein  persönliche,  konnte 
nicht  ererbt  werden  und  eihielt  eben  deshalb  den  Beinamen 
Bachelor.  Diese  Würde  gewährt  auf  gleiche  Weise  das ,  Prftdi- 
eat  Sir,  für  die  Gemahlin  des  Knight  das  der  Ladj:  alle  Kin- 
der sind  als  Esquires  Blitglieder  der  Gentrj.  Sie  wird  unter 
denselben  Bedingungen,  aber  weit  hälfiger  als  die  des  Baroneta 


*)  Walter  Scott  wurde  18)0  von  Georg  IV.  zur  Würde  einet 
Engliediett  Baremets  erhobeiiN  «ad  liieis  seitdem  Sir  Walter  Scott, 
im  Umgänge  aber  werde  et  nur  als  Sir  Waller  begrüsst. 


Das   Britische  Reick  377 

▼on  dem  Könige  unmittelbar  rergeben.  Da  die  Knigbta  nicht 
wie  die  Baronett  in  dem  jiIhrUch  encheinenden  Royal -Kalendar 
namentlich  anfgef&hrt,  überdies  jährlich  durch  denAlgangmitdem 
Tode  und  neue  Cmennungen  Terkniitdert  und  vermehrt  werden, 
to  kaim  über  ihre  Anzahl  keine  bestimmte  Angabe  geliefert 
^iferden.  —  Die  oben  bezeichneten  Ritter  der  königlichen  Orden 
finden  hier  erst  ihren  Platz  seit  der  Erweiterung  des  Bath- Or- 
dens in  drei  Classen,  durch  die  Verordnung  vom  3ten  Januar 
1815,  weil  früherfain  die  Ritter  der  hohen  Grosbritannischen  Or- 
den des  Hosenbandet,  des  Distel  - ,  des  St.  Patrik  und.  Bath- 
Ordens  stets  an  und  für  sich  schon,  ^he  sie  den  Orden  erlangten, 
zur  Nobilitj,  oder  mindestena  zum  Stande  der  Baronets  und 
Kn^hts  gehörten.  Jetvt  aber,  wo  doch  in  der  dritten  Classe  des 
Bathordens  über  1000  Mitglieder  gezählt  werden,  finden  sich 
allerdings  riele  Berechtigte,  die  erst  durch  diesen  Orden  die  Würde 
des  Ritttrstandes  erworben  haben« 

2)  Alle  nachgebornen  Söhne  der  Nobiiitj  und  der  Ba- 
ronets, die  entweder  Gutsbesitz  haben  und  davon  ihren  Unterhalt 
ziehen,  oder  sonst  irgend  einem  ehrenvollen  Beruf,  nament^ch 
auch  dem  Grosshandel,  sich  ergeben  haben.  Denn  es  ist  kein 
so  sehr  seltener  Fall,  dass  bei  dem  Ableben  eines  Lords  ohne 
Descendenten  plötzlich  der  jüngere  Bruder  desselben  seinen 
Kaufmannstand  verlUsst,  um  im  Obbrhause  seine  Stimme  als 
Lord  abzugeben. 

3)  Sämmtliche  Itfitglieder  des  Unterhauses  und  Es« 
quires,  welchen  Titel  in  England  und  Irland  jeder  selbständige 
Gutsbesitzer  führt,  und  mit  welchem  für  Schottland  der  der 
Lairds  übereinkömmt  Früher  stand  dieser  Titel  Elsquire  (Edel- 
knecht, E9cuy€rtE$oud€r0f  Knappe,  ein  noch  nicht  mit  dem  Rit- 
terschlage geehrter  Adelicher)  nur  denjenigen  Gutsbesitzern,  zu, 
welche  von  ihren  liegenden  Gründen  mindestens  600*SSt.  (3500 
Rthlr.)  Einküitfte  bezogen,  so  wie  den  höheren  Beamten,  weldie 
ein  gleiches  oder  höheres  Amtseinkommen  empfingen. 

4)  Alle  plaidinsnde  Advoeaten  oder  Barristers,  hö- 
here Staatsbeamte,  Gelehrte,  angesehene  Künstler 
und  Offieiere  des  Heeres  und  der  Flotte.  Diese  erhalten 
gleichfalli  im  gemeinen  Leben  den  Tkel  Es^uire,  wenn  er  ihnen 


378  Das   Britisch^  Ueicfa. 

auch  durch  kein  Gesett  sagMtanden  ist;  sie  besitsen  auch  sämmt- 
lieh  die  Fähigkeit  als  Mitglieiler  des  UnterhauBes  gewählt  wer- 
den KU  können.  Mit  diesen  stdien  gleich  die  Mi^lieder  def  pro- 
testantischen und  catholischen  Klerus,  welche  zur  Seelsorge  be- 
rechtigt sind. 

5)  Alle  Mitglieder  des  höheren  Kaufmannsstandes, 
die  nicht  für  die  Betreibung  ihres  Gewerbes  einen  offenen  Kauf« 
laden  (Shop)  haben. 

Die  Mitglieder  der  Gentiy  fQhren  gemeinhin  die  Bezeich- 
nung eines  Crentleman;.  welches  ehrende  Wort  aber  auch  zugleich 
<iie  Hauptzierde  för  jeden  gebildeten  Engländer  bleibe  daher  auch 
von  den  Mitgliedern'  der  Nobility  in  Anspruch  genommen  wird. 
Die  Zahl  der  zur  Gentry  gehörigen  Familien  kann  natörlicher 
Weise  nur  auf  dem  Wege  der  Schätzung  gewonnen  werden.  Sie 
dürfte  gegenwärtig  schwerlich  Über  250,000  Familien  angenom- 
meb  werden,  unter  welchen  Abtheilung  4)  allein  120,000  Fam. 
für  sich  in  Anspruch  nimmt  *).  Damit  stimmt  auch,  wie  bei 
solchen  Combinationsverhältnissen  Genauigkeit  nur  sehr  relativ 
erwartet  werden  kann,  in  möglichst  angemessener  Folge 
eine  officielle  Schätzung  der  einzelnen  Familien  nach  ih- 
rem jährlichen  Einkommen**)  überein,  die  in  Folge  der  Zäh- 
lung von  1821  für  Grossbritännien  gemacht  wurde.  Nemlich 
venu  wir  die  Familien,  die  mehr  als  600  <S  St  an  jährlichem 


*}  Vergleiche  damit  die  im  §•  6.  angegebenen  BerechauBgeu 
von  Marshall. 

**)  'Wir  geben  im  Allgemeinen  gerne  zu,  dass  solche  Schätzun- 
gen, was  die  niedrigen  Stufen  anbetrifft,  die  hier  von  ^  ft  St.  ab 
gemacht  sind,  ausserordentlich  täuschen  können,  weil  hi^  die  Stu- 
fenfolge von  '26  U  auf  33,  &0,  m,  100,  t^OO,  300,  400  %.  zu  kleine 
Zwischenräutae  darbieten  und  sehr  grosse  Zahlen  in  dieselben  hin- 
eingehören, da  von  den  vorhandenen  ^941,378  Fam.  ||,  nämlich 
3,7*2  {,G9I  Fam:  denselben  beizuschreiben  sind.  Dagegen  nimmt  die  Zu- 
verlässigkeit eben  so  stark  zu,  wenn  man  sich  der  geringeren  An- 
zahl der  ein  höheres  Einkommen  Besitzenden  nähert,  und  hier  aus 
der  genaueren  Kenntniss  der  Privatyerhältnisse,  wie  doch  bei  den 
olficienen  Schätzungen  angenomsnen , werden  darf,  Durchschnitts- 
Arinabmen  gemacht  werden. 


Das  Britische  Reich,  S79 

Einkomneii  betitsen,  «!•  die  eigentliehe  Kenunaite  4fr  Geotrjr 
ansehen,  und  wohl  mit  keinem  sehr  betrüehtlicben  irrth^me  in 
der  Rechnung  eben  eoTiel  Familien  der  Crentr^r  aueh  neeh  niedri- 
gere Scofen  des  jihrBchen  Einkommens  einnehmen,  als  sieh  Fami- 
lien aas  den  gemeineren  Volkselassen  auf  höheren  Vermögens-Stnfea 
▼erfinden  mögen,  so  erhalten  wir  für  den  ^ damaligen  Zeitpunkt 
210,687  Familien  mit  mehr  als  500ftSt.  jährlichen  Einkommens. 
Nach  den. einaelnen Stufen  werden  ofliciell  geschätst 40,000 Fam. 
=  500  <ä  St;  33,333  Fam,  =  600  <ä  St,  28,750  Fam.  z=i 
7ÖoaSt,  25,000 Fam.  =  SOOft  St,  22,222  Fam.  =  000  tt  St; 
20,000  Fam.  ==  1000  %  St;  13,333  Fam.  =  1500  %  St; 
10,000 Fam.  =  2000% St;  8500 Fam.  =  2500% St;  6,666 Fanu 
=  3000  %  St;  5000  Fam.  ==  4000  ft  St;  3000  Fam.  == 
5000  %  St;  2000  Fam,  =  7500  %  St;  lÖOO  Fam.  = 
15,000  %  St ;  500  Fam.=24,000  %  St,  200  Fam.=: 30,000  %  St,'100 
Fam.  =  50,000% St, 50 Fam.  =  r&,000%  St; 33  Fam.  =100,000 
%  St  Ziehen  wir  nun  Ton  diesen  219,687  Fam.  die  Familien 
derNobility  ab,  und  rechnen  für  Irland  nach  der  Norm  anderer 
ünansiellen  Verhältnisse  bei  den  Staatseinnahmen  und  dem  Han- 
del 14  Procent  hinsu,  also  beinahe  31,000  Fam.,  so  erhalten  wir 
jene  obige  Annahme  von  250,000  Fam«  genau  genug. 

b)  Die  niederen  Volkselassen  in  den  Städten  und  auf 
dem  platten  Lande.  Dasu  gehören:  1)  alle  Kaufleute  mit  of- 
fenen Laden  und  Krämer,  Künstler,  geringere  Fabriken- 
besitser,  Handwerker  und  alle  Capitalisten  und  Privatperso- 
nen, die  zwar  nicht  von. ihrem  Handerwerb  leben,  aber  doch 
auch  nicht  in  die  Gentrj  gehören. 

2)  Die  zahlreichen  Farmers  (Pächter).  Der  grbsste  Theil 
des  urbaren  Landes  ist  in  den  HAnSen  der  wenigen  Familien  der 
Nobility  und  der  reichsten  aus  der  Gentrj,  wird  aber  von  ihnen 
nur  zum  geringsten  Theil  unmittelbar  bewirthschaftet:  er  ist  in 
grössere  und  kleinere  Pachthöfe  zerstückelt,  deren  Inhaber  auf 
längere  oder  kürzere  Zeitpacht  eine  zum  Theil  sehr  wohlhabende 

'    lind  wichtige  Classe  des  Bttrgerstandes  ausmachen,  und  aueh  bei 
den  Parlamentswahlen  stimmberechtigt  sind. 

3)  Die  Freeholdern^  Yeomen^  freie  kleine  Grundbesitzer 
oder  Bauern,    die  früher  als  freie  Hintersassen   des  Königs  oder 

/    der  Lords  gegen  die  gewöhnlichen  Lehnsverpflichtuugen  ihre  Gü- 


3dÖ  Da8  Britische   Reich. 

t«r  kebanlen,  aber  naeh  dem  Geaetse  Carls  II.  rom  J.  I6<I0  die- 
•elben  völlig  als  freiea  Eigenthiim  erlangten,  nur  dast  der  frühere 
Grundherr  aeine  Manors-Reehte  (Lehnarechte)  in  Beaug  auf  Jagd, 
Fiadierei  u.  dergL  für  aieh  fortbehielt  Die  Zahl  der  Freeholdev 
▼ermiliderte  sich  in  der  Beuertn  Zeit  dadurch,  weil  theila  yiei« 
GQter  derselben  an  die  Nobilitj  und  Gentry  verkauft  wurden» 
theila  Einzelne  durch  Verkauf  untereinander  sich  vergrösserten, 
und  durch  den  g^sseren  Grundbeaita  in  die  Gentrjr  übergingen. 
Die  FreeholdfM  haben  gleiehfaila  das  Reeht  bei  den  Parlanientt^ 
wahleik  mitaustimmen. 

4)  Die  CopyholderBj  Erbzinser;  sie  sind  aus  den  gutsh5> 
rigen  Bauern  hervorgegangen,  und  swar  grössentheils  im  fünfzehn- 
ten, die  letzten  im  sechszehnten  Jahrhunderte.  Sie  erhielten  Be- 
freiung von  der  Hörigkeit  gegen  bestimmte  €}eldabgaben  und  Natu- 
raldienste,  die  ihnen  in  einer  Urkunde  fest  verschrieben  wurden. 
Von  derselben  erhielten  sie  selbst  eine  Abschrift,  nach  der  sie 
ihre  Verpflichtungen  zu. erfüllen  hatten,  daher  ihr  Name  Copy^ 
holden  (Abschrifthalter).  Aber  auch  ihre  Anzahl  verschwindet  in 
der  neuem  ^eit  ausserordentlich,  indem  sie  ihr  verschuldetdi 
oder  mit  zu  vielen  Abgaben  belastetes  Land  an  die  benachbarten 
mächtigen  Grundbesitzer  verkaufen  und  bei  denselben  entweder 
ala  Farmer  in  Pachtcontracte  übergehen,  oder  den  sicheren  Er- 
werb als  Fabrikarbeiter  wühlen.'  Die  Copyholdtm  haben  kein 
Stimmrecht  bei  den  Wahlen  zum  Unterhause. 


«.  9. 


Religionsverschiedeiiheit    und   allgemeine   kirch« 

liehe  Verhältnisse. 


\ 


C.  Fr.  St^eudlin,  allgemeine  Kirehengeiehiehte  von  Gross- 
britannien,  2  Thle.  Götting  ISIO.  8.  —  A.  F.  L.  Gemberg,  die 
Schottische  Nationalkirehe  nach  ihrer  gegenwirtigen  inneren  und 


Das  Britische   Beich.  381 

imsereB  TerfanuBg,  HAmWurg  1828.  8.  — -  WIm.  PIisUb  fA# 
hiMtory  of  the  poUcy  of  the  ckmrek  ff  Rom€  im  IrtUmd  frmm 
tke  tMtroduciion  of  the  EnglUh  dynmtty  to  the  gremt  reheliüm^ 
^L&mtL  1828,  8.  — >  Hemy  Farnell^  kUtory  of  tko  fenml  lamo 
mgmmot  tho  Jrioeh  CmthoUcM  fram  tho  yoar  1689  to  ths  unüm^ 
London  1828,  &t8  Auflage.  —  Fir9t  and  Soeond  Report  of 
ki$  M^ft9ty9  CommioMnero  on  eceleeiaetical  revenme  and  patro' 
nage  of  Irland^  ordertd  by  the  Houee  of  ComwionM  to  be  prm" 
ted  \9^  and  1834.  Beide  Berichte  sind  mit  Tieifaehen  Mittbei- 
laDgen  des  Materials  in  einer  sehr  heachtenswerthen  Abhandlung 
snin  Grunde  gelegt  im  Edinburgh  Review,  Juli  Quartal  1835» 
S.  490—531.  — 

Nur  wenige  Jahre  spliter,  *  als  in  Deutsdiland  durch  Luther 
und  Melanchthon  und  in  der  Schweis  durch  Zwingli  die. Reform 
mation  das  Band  der  kirchlichen  Einheit  löste,  riss  sich  auch 
£nj;iand  1527  von  der  Unterwürfigkeit  gegen  den  Römischen 
Stnlki  los,  ohne  die  Lehre  der  Römisch-Catholischen  Kirche  zu 
ändern.  Denn  König  üeinrich  VIII.  war  selbst  als  schriftfertiger 
Gegner  gegen  d^  Sache  der  Reformation  aufgetreten,  und  we- 
gen seiner  Stretä^rift  gegen  Luther  über  die  sieben  Saeramente 
1521  von  dem  Pabste  mit  dem  Titel  Beschützer  des  Glauben« 
begrüsst  worden.  Doch  Heinrichs  Anhänglichkeit  gegen  den 
Römischen  Stuhl  ging  nicht  so  weit,  dass  er  vor  den  warnenden 
Geboten  desselben  die  zügellose  Leidenschaft  seiner  Sinne 
brechen  sollte.  Die  Weigerung  des  Papstes  Clemens  V^ll.,  die 
Ehe  des  Königs  mit  Catharina  von  Arragonien  aufzuheben,  um 
sofort  zur  zweiten  Vermählung  mit  ihrer  liebreizenden  Hoffrau 
Anna  Boleyn  schreiten  zu  können,  bestimmte  Heinrich  VIII.,  1531 
sich  selbst  als  königlichen  Landeshenrn  auch  zugleich  zum  ers- 
ten Bischof  des  Landes  zu  erklären,  womit  in  Bezug  auf 
das  Verhältniss  zu  seinen  Unterthanen  1534  der  Supremats* 
Eid  verbunden  wurde,  das«  ausser  dem  Könige  für  England 
kein  an« leres  höchstes  Oberhaupt  in  weltlichen  und  kirchlichen 
Dingen  bestände.  Aber  nichts  desto  weniger  blieb  er  treuer  und  stren« 
ger  Anhänger  der  Dogmen  sowie  des  Ceremoniells  der  Catholisohen  - 
Kirche,  und  verfolgte  selbst  mit  harten  Strafen  die  Verbreiter  der  Leh- 
ren der  Deutschen  und  Schweizerischen  ileformation,  dieindess  doch 
ungeachtet  aller  strengen  Wachsamkeit  ge^cn  die  Verbreitung  ihrer 
Grundsätze  vielfache  Gläubige  in  England  gewannen.  Daher  ging  un- 
ter der  fdgendctt  Regierung  des  jugendlichen  Eduards  VI.  mit  gros- 


382  Das  Britische  Beicb; 

ser  Tolerant  die  Saehe  der  Reformation  «o  raaek  und  ao  inibl««» 
tig  nacb  den  Grundslitsen  der  Genfer  Refermirten  in  gant  England 
Yon  statten.  Aber  es  blieb  diesem  Lande  nocb  eine  fttrohterlieb«  und 
grausame  ReactioQ  Torbebalten,  als  der  Tod  des  kindlieben  Herr«> 
Sehers   nach  kurxcr    secbsjfthrigen  Regierung   (1547—53)   seiner 
für  die  alte  Kirche  fanatisch  entbrannten  Schwester  Maria,  der  Toeh» 
ter  der  verstossenen  Königin  Catharina,  der  Oemablin  PbiU|ips  IL 
von  Spanien,  den  Englischen  Thron  eiBr&umte*  Die  blutigen  Unthaten 
dieser  fOnf  Jahre  gingen  aber  für  England  ohne  nachbleibende  Folgea 
vorttber,  und  gehören  deshalb  nur  als  Eigentbum  der  Gesebiebto 
an,    denn   auf    diesen    kurzen   neuen   Sieg   des   Catholieismna 
folgte   nach    dem  Tode   der   kinderlosen   Maria   ihre   in    stiller 
Zuruckgesogenheit  gebildete  Schwester   EUisabetb»  4ie   Tochter 
der  unglückliehen  hingerichteten  Königin  Anna,  welche  in  freier 
Geistesentwickelung  auf  dem  Wege  der  Ueberaetigung  für  die  Refor^ 
mation  gewonnen  war.    Durch  den  Geist  der  Massigung  geleitet^ 
liess  Elisabeth  anfUnglieh  ohne  scharfes  Eingreifen  von  Seiten  der 
Regierung,  die  Evangelisohe  Kirche  ihr  eigenes  Feld  frei  sicberwer* 
ben,  und  so  geschah  es  in  wenigen  Jahren,  dass  die  Lehrsitse 
der    Schweitzer    Reformirten    über    ganx    England    ausgebrei- 
tet waren.      Darauf  erst   folgte   die  strenge  BesohrJUKkung  der 
Bekenner  des  Römisch-Catholischen  Glaubens. 

Aber  die  Königin  Elisabeth  behielt  in  der  äusseren  Form 
der  Kirche  viele  Gebräuche  und  ein  reicheres  Ceremoniell  ans 
der  Römisch*Catholischen  bei,  wie  dies  auch  durch  den  Ersbi* 
schof  Thomas  Cranmer  unter  Eduard  VI,  schon  vorbereitet  war, 
erklärte  die  bischöfliche  Würde  für  eine  göttliche  und  noth* 
w/endige  Anordnung  und  behauptete  eine  ununterbrochene  Folge 
wahrer  Bischöfe  von  der  ersten  Ausbreitung  des  CUristenthuma 
an.  Dies  geschah  durch  die  Uniformitätsacte,  welche  auf  der 
Synode  su  London  1563  bestätigt  wurde.  In  dieser  Art  gestal* 
tete  sich  die  hohe  Anglicanische.  oder  Episeopalkirche 
alf  herrschende  Staatskirehe,  die  in  den  39  Artikeln  vom 
J.  J57I  ihr  unantastbares  sjnnbolisches  Buch  erhielt  Doch  da- 
gegen lehnten  sich  die  streng  Calviniseh  gesinnten  mit  Entschie- 
denheit auf^  wollten  die  Episeopalkirche  gar  nicht  als  einen 
Theil  der  Reformirten  anerkennen,  und  bildeten  für  ihren  Kir- 
chendienst abgesonderte  Gemeinen,  die  jede  Abweichung  von 
den  GriindsHtzen  der  Genfer  Kirche  als  einen  gottlosen  Inrthum 
erklärten.    Da  sie  als  Widersacher  der  Act  of  wnformoiy  auf- 


Das  Britiscbe   Reich.  38^ 

tmteo,   so  erbielten  sie  den  Ntmen  «ler  Non-Conformiften»         \ 
oder   naeh   ihrer  der   ursprünglichen    christfichen  Kirehe   nach- 
gebildeten Verfassung  der  Gemeinde&l testen.  (^^e(r/?i^£^oi),  den 
der  Pres bjte rianer,  oder  endlich  wegen  der  Reinigung  ihrer 
einiocher  gestaidbten  Kirche  "von  allen  Resten  des  catholischen 
hierarchischen  und  cerenioniellen  Wesens,  den  der  Puritaner. 
Dass  die  kirchliehen  Partheien  auch  bald  die  Stellung  politischer 
erlangten,  ist  aus  der  damaligen  Enturjckelung  der  inneren  Ver- 
hältnisse Englands  leicht  erklärlich,  und  schon  unter  der  Königin 
Elisabeth  wurden  die  Nonconformisten  nntimonarchischer  Gesin* 
iinngen  beschuldigt,  namentlich  dass  sie  nieht  an  die  absolute,  gött- 
liche Gewalt  der  Königin  glaubten.  Dies  trat  aber  noch  riel  schrof- 
fer unter  der  Regierung  <ler  beiden  ersten  Könige  aus  dein  Hause 
Stuart  hervor.  In  Schottland  hatte  iwar gleichfalls  die  Sache  der  Re- 
formation unter  Jacob  VI.,  aber  nicht  auf  gleiche  Weise  wiein  England 
obgesiegt, sondern  es  war  tiberall  die  presbjterianischeKirchenTcrfas- 
sung  eingeftihrt  Inzwischen  blieb  das  königl.  Haus  den  Grundsätzen 
der  alten  Kirche  nicht  abgeneigt,  und  swar  um  so  weniger,  als  ihre  ei- 
genen Grunds&tse  von  dem  absoluten  monarchischen  Wesen,  dass  nem- 
lich  die  königliche  Gewalt,  als  eine  unmittelbar  von  Gott  anver- 
vertraute  Macht,   völlig  unumschränkt  sein  müsse,  in  jener  die 
.angemessenste  Uebereinstimmung  und  kräftige  Unterstützung  fan- 
ifen.    Doch  jede  Annäherung   an  die  Röniisch-Katholische  Kirche 
drohte  mit  der  augenscheinlichsten  Gefahr,  die  Regierung  in  al-  , 
len  drei  Reichen  zu  verlieren,  denn  auch  in  Irland  war  die  Epis- 
copalkirche     die    herrschende    geworden,    und    die  Catholische 
fand  nur  besonders  bei  den  niederen  Volksklassen,  deren  Bevöl- 
kerung jedoch  damals  zu  den  wohlhabenderen  noch  nicht  in  dem 
heutigen  Missverhältnisse  stand,  einen  starken  aber  heimlich  ge- 
nährten Anhang.     Daher  suchten  mindestens  Jacob  I.  und  Carl  I. 
der  Episcopalkirche,^  die  ihnen  offenbar  das  königliche  Ansehen 
mehr  zu  erheben  schien,    als  dies  in  der  Form  der  Presbyteria- 
nischen  lag  und  durch  dieses  geschehen  konnte,  die  ausschliess- 
liche Herrschaft  in  ihren  Staaten  einzuräumen. 

Aber  diese  Maasregeln  der  königlichen  Regierung  brachten 
gerade  die  entgegengesetzte  Wirkung  hervor.  Die  Form  der  Epi- 
scopal kirehe  wurde  nun  selbst  einem  grösseren  Theile  des  Eng- 
lischen Volks  verdächtig,  weil  von  ihr  der  Uebergang  zur 
alten  Kirehe  nur  als  ein  leichter  Schritt  erschien.  Jede  Er- 
weiterung der  Episcopalkirehe,    namentlich  ihre  Einführung  in 


384  Das  Britische  Reich. 

SchottUndy  Ymrdt  4e<no^  als  «in  gefahrdrohendes  Ereignist  an- 
gesehen, da«  nicht  minder  der  Keligion  des  Landes ,  wie  der 
penft^nliohen  Freiheit  und  den  staatabürgeriichea  Rechten  die  we- 
sentlichsten Nachtheile  zufügen  konnte.  Und  in  der  That  war 
der  Argwohn  nicht  gani  unbegründet»  als  Jacob  L  1C21  öffent- 
lich dem  Parlai|ieate  erklärte,  dass  alle  vermeinten  Rechte  des 
Volks  nur  Privilegien  ihrer  Könige  wären:  woraus  der  Folge- 
satz leicht  genug  su  entnehmen  war,  dass  Privilegien  der  könig- 
lichen Vorgänger  von  ihren  Nachfolgern  auch  geändert  werden 
dürften.  Daher  würde  bei  der  steigenden  politischen. Gährung 
unter  der  folgenden  Ri^ierüng  Carls  I.  die  Stellung  der  Noncon- 
formisten  geradem  eine  ofiene  polititfcbe  Opposition.  Diese  zerfiel 
xwa^  bald  in  sich  selbst,  in  die  Presbjterianer  und  Independenten, 
welche  letztere  eine  völlig  dejnoi^ratiBche  Kirchen -Verfassung  und 
eine  noch  grössere  Einschränkung  der  äusseren  Förmlichkeiten 
verlangten,  aber  sie  waren  überein stimmcod  in  ihren  Unternehmun- 
gen  gegf  n  die  Regierung.  So  brach  zuerst  der  Büryi^erkrieg  in 
Schottland  1639  vomemlieh  wegen  der  Begünstigung,  der  Episco- 
palkirche  und  der  Einführung  einer  neuen  Liturgie  und  eines 
neuen  Kirchenrechts  aus.  Dieser  ging  in  den  allgemeinen  Bür- 
gerkrieg Grossbritanniens  und  Irland  über,  welcher  mit  der  Hin- 
richtung Carls  I.  und  der  Einführung  einer  Republik  endigte. 
Während  desselben  siegten  die  Presb^^terianer  und  die  Indepen- 
denten über  die  Episcopalkirche  in  Grossbritannien,  und  errangen 
sich  für  immer  eine  volle  Anerkennung  als  selbständige  Kirche,  aber 
in  Irland  wurde  durch  die  grässliche  Ermordung,  welche  im  Octo- 
bcr  1041  über  alle  Anhänger  der  Episcopalkirche  ausbrach,  der 
Stand  dieser  Kirche  an  sich  sehr  geschwächt,  und  doch  die  Stel- 
lung beider  kirchlichen  Partheien  gegen  einander  so  erbittert,  dass 
von  diesem  Zeitpunkte  ab  ein  wahrer  kirchlicher  Friede  trotz  der 
Acte  der  Toleranz  in  Irland  nicht  mehr  statt  gefunden  hat 

Nach  der  Restauration  der  Stuarts  auf  dem  Grossbritannischen 
Thron  trat  die  Episcopalkirche  wieder  als  die  Staatskirche  (tke 
estahlished  chureh)  in  ihre  Rechte  fürEnglandnndtrland, 
während  die  presbjterianische  als  Nationalkirche  das  gleiche 
Ansehen  für  Schottland  gewann.  Nur  die  Catholiken  blie- 
ben seit  dem  Blutbade  in  Irland  vom  Jahre  1641  vorzugsweise  ein 
Gegettsfuud  der  Verfolgung  von  Seiten  der  Staatsregierung,  wie 
wenig  auch  nach  ihrer  Privatgesinnung  Carl  IL  und  Jacob  II.  da* 


."  •        •  \  •    •    • 


.  Da«  Britische   Beich.  385 

ß 
i  ^ 

rin  einstiiiiiMn  aioehtca.-  Dia  Cadiolikeii  durften  aueh  «!• 
Gnmdherren  kein  ihnen  sitftehendet  Patronatreeht  aueüben,  oder 
daMelbe  ii)j^end  einem  andern  ttberiaaaen;  sie  muitten  überdies  dap- 
pelte  Grundsteuer  befahlen.  Mesae  in  lesen  ururde  mit  einjährigem 
Gefängnisse  und  200  tt  St  Geldstrafe  geahndetj  aber  aueh  der 
bei  derselben  anwesende  Zuhörer  sollte  eine  Geldbusse  ron 
100  ^  St  eilegen.  Lebenslängliches  Gefängniss  stand  ferner  auf 
das  Vergehen  eines  Catholiken,  Sehule  zu  halten ,  oder  Lehrer 
an  einer  Schule  au  sein.  Dennoch  sollte  kein  Kind  in  eine  aus- 
ländische catholische  Eniehungsattstalt,  oder  in  ein  Seminar  ge« 
sandt  werden,  und  der  Uebertreter  dieses  Verbots  lief  Gefahr, 
f&r  unfähig  lu  irgend  einem  Amte  oder  gerichtlich  an  vellsie« 
hendem  Geschäfte  erklärt  lu  werden,  und  sogar  sein  beweglidies 
und  unbewegliches  Eigenthum  lu  verlieren.  Anf  den  Abfall  zur 
eatholischen  Kiiche  oder  förmliche  Aussöhnung  mit  derselben 
{reoonciliation)  stand  die  Todesstrafe.  Die  als  Catholiken  förmlich  er- 
kannten Engländer  blieben  unfähig  in  jedem  Amte,  und  waren 
Ton  allen  Wahlen  ausgeschlouen,  wie  dies  noch  besonders  dur6h 
die  Corporations-Acte  rom  Jahre  1661  *)  und  durch  die  Testacte 
Ton  1673**)  näher  bestimmt  wurde.  Sie  durften  aber  auch  eben« 
so  wenig  als  Notarien  und  Advocaten,  oder  als  Aerste  practici- 
ren,  keine  Waffen  in  ihren  Häusern  halten,  sollten  stets  auf 
10  Englische  Heilen  ron  London  entfernt  bleiben,  und  überhaupt 


^  Die  Corporationsaete  verordnete,  dass  Niemand  an  einem 
Amte  bei  der  Verwaltung  einer  Stadt  oder  Corporaiion  gewählt 
werden  sollte,  wenn  er  nicht  im  Laufe  des  letzten  Jahres  das  Abend- 
mahl nach  dem  Ritus  der  Englischen  Kirche  genossen  hatti*,  und 
zugleich  bei  seinem  Amtseid  auch  den  Snprematseid  ablegen 
"     könnte. 

**)  Die  Testacte  (die  Probe)  verlangte  von  allen,  welche  In  kö- 
niglichen Glvildiensten,  oder  als  Offidere  im  Heere  und  auf  der  Flotte 
augestellt  werden  wollten,  6  Monate  nach  ihrer  Anstellung  deoSu- 
premaiseid,  eine  Erklärung  gegen  die  Transsubsuntiation  und  die 
Verehrung  der  Heiligen,  sowie  den  Genuss  des  Abendmahls  nach 
Englischem  Ritus:  im  Weigerungsfalle,  wodurch  er  als  Caiholik  er«- 
kannt  wurde,  sollte  der  Beamte  nicht  nur  des  Dienste^  sofort  entlas- 
sen werden,  sondern  auch  eine  Geidaitrafe  von  500  %  St  zableil. 
Schabert'ü  Statistik  IL  ng- 


386 


Das    Britische  Reich* 


bei  Veriust  ihres  VermögeBf  olelil  olme  gerfehtliclie  Erlattbnm 
sieh  auf  5  Engt  Meilen  yon  ihrem  Hame  entfernen.  Traunn-  • 
gen,  Taufen  und  BegrEbniMfeierUehkeiten  tollten  bei  fchweren 
Strafen  nur  durdi  Anglicanisohe  oder  PresbjtmaniiclH  Geist- 
liehe ToUnogen  werden.  CathoUiehe  Priester,  welche  geborene^ 
Elngiander  waren,  eoliten,  wenn  sie  sieh  langer  als  drei  Tage  in  ^ 
England  aufhielten,  als  Hoehverrather  mit  deih  Strange  bestraft 
werden,  und  die  i^leicbe  Strafe  ward  für  diejenigen  bestimmt, 
welche  ihnen  den  Aufenthalt  in  ihren  Häusern  rergdnnen  würden. 
Für  farland  galten  iwar  auch  dieselben  Gesetse,  wurden  aber  durch 
die  Könige  Carl  IL  und  Jacob  IL  durch  so  viele  Dispensationen 
geschwächt  die  sie  rermög»  ihrer  königlichen  Machtvollkommen- 
heit geben  konnten,  dass  auf  dieser  Insel  die  Catholiken  aus- 
nahmsweise SU  den  meisten  königlichen  und  stadtischen  Aemtcm 
gelangten,  und^  die  eatholische  Kirche ,  statt  sich  au  vermindern» 
jahrlich  in  der  Zahl  ihrer  Anhanger  annahm. 


Der  Sturz  der  m&nnlichen  Linie  des  Ehuses  Stuart  erhöhte 
noch  die  Strenge  der  Staatsregiemng  in  den  kirchlichen  Angis- 
legenheiten,  da  alle  Catholiken  als  Anhanger  der  vertriebenen 
Königsfamilie  galten,  und  ein  natürlicher  Zusammenhang  s wi- 
schen denselben  auch  in  der  That  bestand,  der  noch  inniger  wurde, 
als  Jacob  IL  mit  seinem  gansen  GUuise  im  Auslande  sich  Öffent- 
lich Bur  Römischen  Kirche  bekannte  und  bei  allen  Catholischen 
Staaten, Unterstütsung  seiner  Sache  fand.  Dies  seigte  sich  be- 
sonders in  Irland,  wo  Wilhelm  HL  mit  aller  Strenge  auf  die  all- 
mi^hlige  Ausrottung  das  Catholicismus  dachte:  —  daher  der  Name 
seines  Honses  Ojranien  und  Orangist  das  Loosnngswort  für  jeden  Be* 
günstiger  der  strengen  Maassregeln  gegen  die  Irlandischen  Catholi- 
ken. Die  Heirathen  swischcn  den  Catholiken  und  Protestanten 
wurden  aucb  hier  strenge  verboten,  und  alle  Mündel  sollten  ohne 
Unterscbied  in  der  Angliksnisclren  Kirche  ersogen  werden.  Den 
Catholiken  wurde  fernerhin  nicht  mehr  vergönnt,  Grundeigen- 
thum  fiir  immer  au  erwcHien,  sondern  sie  durften  nur  höchstens 
Pachtbesits  auf  31  Jahre  übernehmen.  Wenn  auf  dem  Wege  der 
Erbschaft  einem  Catholiken  liegendes  Grundeigenthum  sufiel,  so 
sollte  er  entweder  in  Zeit  eines  halben  Jahres  cur  Englischen 
Kirche  Übertreten,  oder  die  Ej1>schaft  ging  an  den  xunachst  be- 
rechtigten Verwandten  über,  der  su  dieser  Kirche  gehörte. 
Der    Su]^rematseid ,     der    von    dem    damals    noch     besonders 


Das  Britische  Reich.  387 

V 

Id    Dabtia    gekaltenen    Irischen    PafUmento    iiiehl    •ngenöm* 
»ea   war,    wurde    I0PI  gleichfalls  audi  fUr  Irlaad  eingefQhrt, 
to  wie  in   dem   ersten  Jahre  der  Regierung  Georgs  L   1715 
aoeh    den    Iii&ndischen    Catholiken    ohne    alle  Ausnahme    das 
Wahlrecht  entsogen  wurde.     Aher  die  allgemeine  Toleransacte 
Wilhelms  III.  und   der  Königin  Maria  Tom  J.  1089  wirkite  min- 
destens im  AIIgemeiBen  auf  ein  gOnstigeres  Verh&Uniss  fBr  die  Glan* 
hensfreiheit  surfiek.  'Diese  hob  nicht  nur  alle  Strafgesetse  gegen  die 
Dissenters  auf  «^»unter  welchem  Namen  Jede  christliche  Rcligionspar- 
thei  begrtfTcn  wird^  die  nicht  snr  herrschenden  Cpiscopal-  und  Presby* 
terianischen»/  oder  lar  Cathelischen  Kirche  gehöhe,  •—  sondern 
de  gestand   auch  denselben  freie  2hisammenknnft  sn  Religions- 
llhnngen  in  ihren  VerMimmInngsh&usem  sn,  wenn  sie  nur  ilavon 
Anseige  den    rorgesetsten  Staatsbehörden  mächten,   den  Unter- 
thaneneid  foatk  of  aUegianee)  leisteten ,  die  Erkllrung  gegen 
das  Papstthnm  unterseichneten,  und  ihre  Prediger  ausserdem  sich  sn 
den  30  Glaubensartikeln  der  Anglicanischen  Kirche  bekennen  wollten, 
ohne  SU  den  ttbrigen  Satamngen  der  Kirchenverfassnng  verpflich- 
tet sn  sein.    Dadurch  wurde  England  Jetst  das  eigentliche  Va- 
terland *)  der  Secten   der  Evangelischen  Kirche,   die  in .  Ihren 
verseUedcnen  Abstufungen   sahlreieh  sieh  mehrten,  ruhig  neben 
einander  sich  verhielten,  und  von  dem  Staate  sdbst  nachdröck- 
lieh  gegen  alle  Störungen  und  Verletiungen  bei  ihren  Religions- 
fbnngen  gesdkötst  wurden«     Unter  so  gönstigen  Verhiltnisaen 
breiteten  sieh  die  Wiedcrtiufer  und  die  Metanoniten,  die  Herm- 
hnter(Moravians,  BUhrische  Brüder)  und  Quftcker,  die  Bfediodis- 
fen  und  Separatsten  hier  stark  ans.    Aber  auch  fir  die  Cadio- 
liken  selbst  entwidtelte  sich  im  achtiehnten  Jahrhunderte  eine  gttii- 
stigereStellungy  wenn  gleich  aaittngliclinur  für  Irland,  und  dies  mehr 
Im  heimSdien  Zugestehen  fibersehen,  als  durch  Öfifientiiche  An- 


^  Dieser  Geist  der  Tolerani  verbreUele  sich  auch  aadi  ^en^ 
damattgen  Englischen  Colonifsn  in  Nordamerika,  und  machte  ^ch* 
hier  so  einheimisch,  dass,  als  diese  Coioolen  den  Staadponkt  eines 
selbständigen  Freistaates  einnahmen,  hier  schon  eine  unbeschrankte 
Freiheit  für  Jeden  Religions-CnUas  herrschte,  die  denn  auch  bis 
zur  heutigen  Stunde,  wo  möglich  in  daem  noch  mehr  erweiterten 
Zustande  verblieben  Ist 

15* 


\ 


388  Das    Britische    Beich. 

erkenni^ng  geduldet  nurde.  Nacb  der  WiedenmtenreTfuiig  der  Inid, 
in  Felge  einee  '«ehr  blutige«  Kem|rfee  im  J.  16dl,  war  von  der  dama- 
ligen Berdlkermigy  die  nach  dem  im  J.  1004  erhobenen  Kopfgelde 
1,034,102    S.    betrug,    ^\  evangelisch  und  j\  eatboliscfa;    Einer 
Bo   grocsen  Meneebenmaate  gewalttam  ibre  Religioniftbung  au 
Terurebrea,  oder  eine  fremde  aufkudrlUigen ,  sebien  eben  to  baft 
ala   unpolitiseb«     Man   duldete   daber    beiaüieb  -die   catholisehe 
Geiatlichkeit,  und  bald  war  tm  vellatlndiger  Clerus  ausgebildet, 
der  in  gleidier  Weiae  mit  der  AngtikaniscbenGeiatliehkeitEnbiathü- 
mer  und  BiatbQmer  erriehtete,die  freilieb  rom  Staate  nicbt  anerkannt 
wurden   und  einen   bdobat  käiglidien  Unterhalt  darreichten,   da 
sie   ausschliesslich  von   dem   armen  Volke  unterhalten   werden 
nittuten,   d4a   ausaerdem    aetne  Zehnten   und   andere  kirchliebe 
Gemeindeabgaben  an  die  Erangeliacbe  Ctoistliebkeit  ihres  Spren- 
geis ^unverk&nt  an  entrichten  hatte.   In  der  sweiten  Hftlfte  des  acht- 
sehnten Jahrhunders  wuchs  bei  der  grossen  Vermehrung  der  Be^lilke- 
ruiig  Irlands  die  Zahl  der  Catholiken  in  einem  stiUrkeren  Verhält- 
nisse als  die  der  Evangelischen.  Die  strengen  Gesetie  gegen  die  Ca- 
tholiken, und  namentlich  gegen  deren  GeistHcbe  bei  Ausibung  rea 
ReHgionshandlungen,  wurden  (gegenständ  der  Parlanientsdebatten  in 
der  Session  von  1779-^80,  und  der  von  den  Catholiken  k&nftighin 
abzuleistende  Eid    der   Untertbanen treue  {eath  of  alUgmnce) 
wurde   so   gemildert,   dass   er  die   Glaubenslehre    Ihrer  Kirebe 
gar  nicht  berührte,  und  sich  bauptslichlich  auf  die  Unterthanen- 
treue  gegen  das  regierende  königliche  Haus  und  auf  die  Selbet- 
atftndigkeit   der  Gesetsgebung   des  Staates   in   allen  kirchlichen 
und  weldichen  Dingen  besog.      Wer  diesen  Eid  leisten  wollte, 
konnte   seit   1781    in  Irland   jede   Art    von   Eigentbum   erwer- 
ben,  aber   noch   nicht   die  Fähigkeit  au   einem  Amte  oder  sur 
Parlamentswahl  oder  lur  Ausübung  des  Patronatsrechts  erlangen. 
Dennoch  brachte  ilicse  Milderu|ig  des  Verhältnisses  der  Catholi- 
ken bei  der  fanatischen  Gesinnung  des  Britischen  Volks  gegen  diese 
Kirche  eine  allgemeine  Gährung  in  Grossbritannien,  und  in  London 
sogar  einen  fttrcbterlicben  Aufstand  hervor*).    Aber  das  Engli- 


*)  Dieser  Aufstand  wurde  von  Lord  Gordon,  einem  jüngeren 
Bruder  des  Heraogs  von  Gordon  aufgeregt,  der  angeblich  als  Be- 
scbätzer  der  Anglikanischen  Kirche  100,006  Menschen  ausammen- 


I 


Das  Britische   Reich.  389 

•ehe  Muiitterittm  bli^  bei  dem  müden  Verfkkreii,   es  siedelten 
sieh  ioiiner  mehr  Catholiken  sr«,  sowohl  in  England,  namenttieh 
inr  London  selbst^   als   aueh  im  Föntenthum  Wales  und  Scboti- 
iaiid,  indem  aueh  liier  1790  den  Catheliken  Besitifilhigkeit  su  Grund- 
Stücken  eingevftnmt  wwrde.  Ea  wurde  foiier  seit  1792  der  Supremats- 
eid  nur  noch  bei  desFarlamentswablen  gefordert  aber  auch  selbst  die* 
aer  für  die  Wähler  bOd  (1800)  aufgegeben  und  allein  für  den  Eintritt 
in  daa  Parlament  aufrecht -erhalten:  dagegen  stand  man  den  Cathoii-* 
ken  dasReehtitt  allen  besoldeten  Aem(ern*)in'der  Civilren^oltung^ 
bei  dem  Beere  und  auf  der  Flotte,  jedoch  nrit  Ausschluss  der  Stellen 
derMhiisterialvenraltung  und  im  Geheimen  Rathe  des  Königs  su, 
sowie  der  höchsten  Verwalttfngsftmter  für  Irland  und  endlich  des 
Sh«riff  Amtes   einer  Grafschaft  und  der-  Lebrerstelle  an   einer 
Englischen   oder  Schottischen  Unirersitüt    Die  doppelte  Grund- 
steiler  wnrde  für  die  Catheliken  gleichfalls  aufgehoben,  so  wie 
jede  andere   iinancielle  Belustigung  bis  auf  die  Entrichtung  des 
Kirchensehnten  und  der  Stolgebühren  an  die  eatbolischen  Geist- 
liehen,  welchis  unasigetastet  erhalten  blieb/ 

Die  innigere  Vereinigung  Irlands  mit  Gro^sbritannien  durch 
die  Unionsacte  von  1800,  sowie  die  Aufhebung  des  eigenen  IrU 
achen  Parlaments  zu  Dublin,  führte  jetzt  eine  Qoch  angelegentlichere 
<  Theilnahme  an  dem  Schicksale  der  gedriickten  Irischen  Catholi- 
ken in  dem  allgemeinen  Britischen  Parlamente  herbei,  da  selbst 
das  Ejiglische  Ministerium,  welches  von  Pitt  dem  jüngeren  gelei* 
tet  wurde,  darauf  auszugehen  schien,  eine  völlige  bürgerliche 
Gleichstellung  der  Catholiken  mit  den  protestantischen  Untortha- 
nen  des  Britischen  Reichs  durchzuführen,  wie  er  denn  mitide« 
stens  alle  den  Irischen  Catholiken  irgendwie  früher  zugestandenen 
Vergünstigungen  aitf;lt,auf  die  übrigen  Theile  4<PB  Reiches  aus- 


brachte  und  seine  Wuth  vom  2ten  bis  zum  8ten  Jqi^i  1780  an  den 
Capellen  und  Häusern  der  Qaitholiken  sowie  ihrer  Begünstiger  unter 
den  sböbem  Beamten  ausliess.  Viele  Gebäade  würden  verbrannt, 
210  Aufrührer  getödtet  und  später  noch  20  hingerichtet. 

*)  Zu  den  unbesoldetea.Aenitem».  wie^zHr  AnmUioag^  der  Pra- 
xis als  Notare,  Advocaten,  A«rtle  waren  die  Catholiken  bereiu 
ITüO  in.Gros:9briUBBien  unct  Irland  zagelassen. 


390  Das  Brliiscbe  Reich« 

ddinte.  Indefi  gegen  den  EfaHiitl  der  CatMikeii  ht  das 
Parlament  leistete  König  Georg.llL  eelbtt  den  entealiiedenaten 
Widerstand  y  weil  er  diese  Refignn  dem  yon  ikm  abgelei« 
tfbten  Krönungseide,  iaweldbem  er  die  unTerknApfiteEilmkangal- 
1er  Rechte  der  Episeop«lkirelie  beeehworea  hatte»  gecadesn  entgegen 
gesetit  fand.  Von  derselben  Ansieht  ging  sein  Sohn  Geei^g  IV. 
als  Prins- Regent  ans,  vnd  vnrde  daria^  yoa  seinem  Tieljahrigea 
Chef  des  Ministeriums,  dem  Grafen  Liferpool,  dem  entsehieden* 
sten  Gegner  dieser  Emandpation  der.  Cadiolikea»  noeh  sehr  be« 
stärkt  Es  hallen  daher  die  ersten  Versnehe  der  hierin  libmler 
gesinnten  Opposition  seit  1813  dnrohaas  aieht,  eine  die  Verfas* 
sung  genugsam  sehötiende  CathoUkenbilLim  Pmiamente  dlireii» 
Bubringen,  wiewohl  diese  fKr  den  Eintritt  in  dne  Parlament 
▼on  don  Catholikea  die  Ableistung  eines  Eides  vonehrieb^ 
dass  er  weder  dem  Papste,  noeh  irgend  einem  andMi  geiet- 
liehen  Oberhaupte  irgend  eine  weltUche  oder  geisdiehe  Ge» 
richtsbarkeit  über  inliadische  Angelqceaheiten  heimesss »  dass 
er  eben  so  wenig  den  Papst  für  unfehlbar  halte,  noeh  giattbe,  dass 
eine  Sonde  weder  rem  Papste,  nodi  Ton  irgend  einem  anderen 
Priester  rergeben  oder  gar  durch  Dispensation  erlaubt  werden 
könnte,  —  Die  eatholisdien  CMstliehen  waren  swar  im  Biitisehen 
Reifte  dem  Ultramontanismus  nicht  besonders  genmgt,  aber  sie 
wollten  auch  der  Englischen  Regierung  keinen  Einfluss  auf  die 
Besetsung  der  bisehöflichen  Steilen  mit  oder  ohne  Rticksicht 
auf  die  eigene  ^Wahl  einräumen,  es  sollten  nur  die  Eingebomen 
des  Landes  solche  Stellen  erlangen.  Sie  erklärten  daher  1815 
gans  offen,  alr  die  R^erong  die  Ernennung  der  Bisdiöfe  als 
ersten  Schritt  -für  Jede  neuere  Begünstigung  der  Catholiken  forderte, 
sie  wollten  standhaft  gegen  solche  neue  Beschränkung  ankäm- 
pfen, und  selbst  der  Papst,  mit  dem  damals  die  Englische  Re* 
giemng  ein  Concordat  abiuschliessen  beabsichtigte,  mttsse  nicht 
gehört  werden,  wenn  er  hieröber  der  Englischen  Regierung 
naehsugeben  gedächte. 

Als  nun  Georg  IV.  1820  selbst  die  Regierung  antrat,  stand 
ein  noch  günstigeres*  Verhältniss  für  die  Catholiken  nicht  leicht 


*)  Auch  diese  ersten  Versuche  srMossen  selbst  im  ginstigcn 
Falle  ihrer  Aanahme  die  Gatholtkeo  von  den  beiden  Stellen  eines 
Lordkanilers  und  Lord-SlaUbiliecB  und  VledLönl^s  iron  Irland  aas. 


Das  BritlAoh»  B^iek,  S»l 

«nrirt»,  «a  <MMhhl»il—i  Um^eol  MbeMlea  UM»  m4 

Ckoige  Cantiiiig  4iitm  bedaulHMno  Callboltken«  Reform  in  nieh- 
r«re  Albtcknkte,  «ad  trag  1822  in  euMr  Mhr  g»iltrigton  Motion 
sMnt  4«nMif  Mif  4aiM  tat  CalJiolikieB-P«on  dtr  EintriCI  in  da« 
OUrluws  wnjgttMnnrf  werden  eoUie.  Dieee  BiU  werde  todl  U^« 
tcrbenee,  wenn  enek  nnv  leil  etaer  eekwneken  MajoriliM  nnge- 
noaiMen,  eber*  Ton  dem  Obtflienie  e»  21.  Jnni  1822  mit  17^ 
gegen  i2gBfimmen  verworfeOr  Zwar  tat  Cenning  stUmt  wenige 
Moaete  danml^  neck  dem  Selbetmerde  Caetlateegh^  em  12.  Auguel 
1822*  ele  Steetmcmmiir  4»  eaewftrttgen  Angeli^enbeiten  in  des 
Minieterinm,  eiber  eewir  swieeben  ihm  vtid  eeinen  beiden  Colle- 
gen«  QM  Liverpool  and  R.  Peel,  eafgemecfat  die  Ceiftolikea* 
Frage  van  dem  Minislerinm  fem  an  ballM,  nnd  tae  voraagtweife 
der  EnlMiieldang  dee  Parleaiente  sn  llbeiiateen»  bei  weldier 
Gel^^eit  denn  Jedee  M^ed  dee  Modeterinme  necb  eeiner 
Bnyetttbaffaaagang  etilaaran  solU&  Die  Wbigs  iatBetemirtea 
eieb  inawiecben  Immer  lebhafter  fSr  dIeee  Angaiwgtmbeit»  weU  aae 
ihm  ginedge  Btendigang  Ar  die  Iriaehen  CnlheUken  aia  dee 
ekimge  Mittel  aar  B^nbigatig  der  Inaely  aber  eaeb  sogleich  ala 
einen  nothweadigea  Aet  pelitiaeber  Geretbtigkeitaaaahen.  faaUnr 
lerhaaae  aebien  der  Widertfind  gegen  diese  Reform  gebrodien, 
ab  Bnrdetta  Motion»  die  Geaetse  ftber  die  bargeritehe  Reebte 
der  Cetlialikea  in  Erwftgang  sa  lieben,  troti  aller  Anttrengaog 
der  Tofies  nar  mit  einer  überaus  sebwadien  Majorü&t  von  vier 
Stimmen  Terwerfen  werde.  Dies  dürfte  naeh  dem  Engliseben  Parla- 
ments-äerkonunen  wie  ein  8ieg  von  der  Gegenpartbei  gefeiert 
werden.  Einige  Tage  daraaf  trat  Canning  (Apr.  tS27|,  ali«  Ciraf 
lirerpool  Tom  Seblage  gerülart  war,  als  erster  Lord  der  Sehotx- 
kamaMT  an  die^pitie  der  Staatsgesebafte,  aber  die  Bediugung 
war  geblieben,  daas  der  Antrag  auf  Gewibnmg  aller  bürgerlichea 
Rechte  ISr  die  Catboliken  nidit  von  der  Regierang  ausgehen  sollte. 
Cannings  baldiger  Tod  (8.  August  1 827)  verwehrte  aeine  weitere  Ein- 
wirkung auf  diese  Angelegenheit»  und  das  kurze  Ministerium  des  Vis- 
eount  Goderich  (seit  dem  April  1834  zum  Grafen  von  Ripon  erhoben) 
bewirkte  nur,  dass  der  IrltUidische  Catholische  Verein,  da- 
mals banpts&ehlich  unter  der  JLeitung  O'  Conneils,  als  der  gewaltige 
Gegner  der  Qrange-Soeietiea,  eine  so  drohende  Stellung  ein- 
nahm, daas  der  Böfgerkrieg  ohne  Gleiehat^ang  der  Catboliken 
in  den  bfiigerliehen  Raehtoi  anvehneidNeh  sehien.    Da  ttbemakm 


SM    .  Das  Britische  Reich. 

der  flenog  Wellington  am  28.  Janaar  1828  ak  Pi-amierminiataT 
das  Ruder  ^r  SfoatiTcnraitnn|it»  ^^^  führte  nun  Canniaga  An- 
aiditen  über  Aie  Catholiken^RefWrm  für  eigene  fteeliBviig  d«rch, 
indem  er  nnbetehadet  seiner  €hrundsatae  als  Tefj  die  oWeae 
Erklämng  abgab,  dass  er  bei  der  immer  mehr  steigenden  Ua^ 
mhe  in  Irland  nachgeben  wolle,  vm  einer  grftsvem  €reftHir  rar« 
lobeugen.'  Doch  gesehah  die«  ersl^  als  Lord  *}  Jolm  flasaell'a 
BiU,  die  Corporationsaete  von  1061  and  die  Testaete  ron  1073 
anfsoheben,  im  Febmar  1828  im  Unterhaaso  darehgegangea 
war.  Nun  ging  dieselbe  Bül  mit  Wellington'a  Zustimmung  aueh 
im  Oberfaanse  dureh,  und  die  königliehe  Genehmigung  derselben 
erfolgte  am  28.  April   1828.     Aber  dies  galt  iaxwisdien  nur  als 

,  der  Vorläufer  su  neuen  Anträgen  Ober  die  gänsliehe  Emancipa« 
tion  der  Catholiken.  Bnrdetts  Bill  rem  8.  Mai  1828  reriangt« 
TÖlllge  Gleiehstellong  d«r  CathoUken  aueh  fftr  die  Reidite  in  Be- 
lüg auf  das  Kirehenwcsen  und  den  Zutritt  su  dem  Parlamente. 
Sie  ging  im  Unterhanse  mit  einer  Majorität  von  8  Stimmen 

,  dareh,  wurde  aber  im  Oberhause  mit  einer  Majorität  Toa  44 
Stimmen  am  10.  Juni  1828  rerworfon. 

Die  Gährung  stieg  sofort  in  Irland  auf  den  höchsten  Punkt, 
Wellington  Überzeugte  sich  Ton  der  Bedeutsamkeit  der  Gefahr, 
die  für  den  ganzen  Staat  aus  diesem  inneren  Zwiste  hervorginge, 
er  benutzte  daher  seinen  Einflnss  auf  Georg  IV.,  um  der  Regierung 
selbst  die  weitere  Initiative  in  der  Eroancipation  der  Catholiken 
Übernehmen  zu  lassen.  Robert  Peel  stimmte  ihm  hierin  bei  ^nd 
brachte  selbst  am  5teD  März  1820  oie  Emancipationsbill  in^as  Haus 
der  Gemeinen.  Der  Sieg  war  dieser  Bilt  jetzt  in  beiden  Häusern 
gesichert,  da  das  Tory-Ministerium  und  seine  Anhänger  mit  dei^ 
Opposition  für  dieselbe  Sache  stimmten,  und  ihre  entschieden- 
sten Gegner  sich  des  Mitstimmens  enthielten,  oder  an  den  ent- 
scheidenden Tagen  der  Debatten  über  diese  Bill  gar  nicht  im 
Parlamente  erschienen.  Auf  solche  Weise  wurde  diese  Bil!  be- 
reits am  20sten  April  1829  durch  die  königliche  (Genehmigung 
Stantsgesets  als  aet  for  the  rfU$f  of  tU$  Mqf0»ty'$  Roman  €m* 
thoVc  Suhject$,    Nach  dmnselben  wird,  ein  jaeuer  Eid  Terlangt^ 


^»•^■^»■w^— »^^.www. 


^  *)  Dies  ist  nur  ein  Titel  ohne  Peersrecht»  den  Rüssel  als  jSn- 

fierer  Sehn  des  Herzogs  Bedfof d  fübrt>  daher  kann  er  auch  Mitglied 
des  Uaterhauses  seia. 


Dag   BritUche   Reicli.  193 

is  v«1ehem  dem  Könige  «nd  seinem  HAute  unTerbrOeYiliclie  Treue 
gelebt  «nd  da«  B^enytnitt  abgelegt  wird,  dae«  der  Papat  keinen 
Fftnten  abaeteen,  noeh  daaa  ea  jemala  Idrcblick  sugeatandea 
v«rdea  könne »  exeommunioirte  Fliralan  ermerden  ni  dihfen, 
ilsaa  ferner  der  Pabat  keine  weltliehe  oder  birgerliehe  Gewalt  ia 
des  Britiaeliea  Köntgreieben  besitse,  daaa  er  aber  in  rein  geiat* 
lieben  Angelegenheiten  mit^^enehmiguag  der  Regierung  Beatim« 
■magea  treffen  könae.  Der  Schwörende  gelebt  Überdies,  die  be« 
ateheode  Verfaaaiiug  dea  Staates  und  der  herrschenden  Kirehe 
Dicht  amuitaaten,  aon dem  stets  mit  aller  Kraft  an  rertheidigen : 
«llea  endiieh  ebne  geheimen  Vorbebidt  au  thnn.  Mit  Ausnabipe 
dea  Gatfaeliaehen  Klema  lumn  tonerhin  jeder  CathoÜk  nach  sei- 
nem Standeaverh&ltaisse  ein  Mitglied  der  Peerskammer  oder  dea 
Hattaea  der  Gemeinen  s^a>  su  allen  Aemtem  in  derCiFii-  und 
MiHtatr -Verwaltung  gelangen,  mit  allekiig^  Ausnahme  der  Stel- 
len einea  R^^eaCen  dea  Reichs,  eines  Vornumdea  dea  Thron« 
fo^era,  Lordkanilera,  Groassiegelbewahrera,  eines  Lord-Statthal- 
tera  and  eiaea  eratea  Juatiabeamten  in  Jrlafnd.  ist  mit  dem  einem 
Catholik^  tibertragenen  Amte  daa  Patronatareeht  fiber  Anglica** 
niache  Kirehenstellen  rerbunden,  ao  flUlt  dies  für  die  Zeit  die« 
aer  Amtsverwaltung  an  den  Ersbischof  ron  Canterburj.  Was  die 
Klöster  und  Ordensgetstlichen  anbetriffst,  so  wurde  durch  diese« 
Oeseta  bestimmt,  dass  ihre  Duldung  nach  und  nach  auHiörea 
aolle^  namentlich  wurde  dieses  in  Beang  auf  die  Jesinten  fesN 
gesetit  Die  jetst  im  Umfange  dea  Staate  befindlichen  Ordena«» 
geistlichen  sollten  xwar  daselbst  Terbleiben  dürfen,  aber  Fremde^ 
die  nach  der  Bekanntmachung  dieaes  Gesetses^nach  Chroasbritan- 
nien  und  Irlatid  kümen,  sollten  auf  Lebensaeitcn  aus  dem  Staate 
verbannt,  und  wenn  sie  nicht  freiwillig  gehen  würden,  in  Zeil 
von  drei  Monaten  nach  einer  Strafcolonie  deportirt  werdea« 
Weibliche  OrdensgeselUchaften  blieben  Jedoch  von  diesen  Straf* 
bestimmungen  ausgeschlos<ien.  *) 

Es  blieb  für  die  Catholiken  aeit  dieser  Zeit  nnr  noch  ein 
Uehelstaad  an  beaeitigen,  der  eine  unverhültnissmüssicre  Besteue- 
rung derselbea  für  die  Erhaltung  der  kirchliehen  Angelegenhei- 
ten forderte.    Denn  während  die  Bekenner  der  Staatskirche  und 


*}  Verffk   Holahausen    über  die  neuesleB  Reformen    in  der 
^Engliichen  Kirche,  Pölitz  Jahrb.  f;  d.  Gesch.  Mars  1834. 


394  Da8  Britische  Reich. 

der  Presbjtcrtftiittcken,  sowie  der  tu  dlcten  geli9reii4eii  Seele», 
nur  für  ihre  Prediger  und  Kirchenvorttelier  xu  •oi|;en  lialien,  mfis- 
leil  die  Cadiolilcen  ausser  der  Erhaltung  ihrer  Oeistllehen,  die  finan* 
ciell  mit  der  Staatsverwaltung  in  gar  keiner  Besiehung  stdien,  neeh 
die  Zehnten  an  die  Anglticanisehen  Kirchspiele  entrichten,  in  wel- 
chen sie  eingepfarrt  sind,  selbst  dann»  wenn  in  diesen  Kirchspielen 
ausser  den  AnglilcaAischen  Geistlichen  gar  Icetne  oder  dock  nur 
sehr  wenige  Anhänger  der  Staatskirche  TorhanSen  wftrf«  %  Aber 
der  gttniUchen  Gleichstellung  der  CathoKken  mit  den  Evai^ell- 
sehen  in  diesem  Punct  bieten  sidl  grosse  Schwierigkeiten  dar, 
w^it  hier  die  Privatreehte  der  einmal  in  ihrem  Einlcommen  an- 
gewiesenen Pfarrer,  sowie  der  serstreut  wohnenden;  Anhänger  der 
Anglikanischen  Kirchen  und  die  fernere  Verwendung  der  etwa 
einxelnen  Kirchspielen  zu  entziehenden  Zehnten  mit  einander  aus- 
zugleichen sind.  Diese  Streitpunkte  sind  in  der  diesjährigen  Par- 
lamentssession (I8S5)  nicht  beseitigt  worden,  wie  sehr  man  aneh 
dafür  Ton  Seiten  des  Ministeriums  und  der  Whigparthei  ge- 
arbeitet hat  Aber  soriel  Ist  mindestens  gewonnen  worden, 
dasa  man  allgemein  anerkannt  hat,  dasa  die  hier  rothandenen 
Missbräuche  im  Einzelnen  abzustelten  sind»  thdh  durch  Einzie- 
hung einiger  biscli5fliehen  Stellen  bei  eintretenden  Vaeanzen,  Oieile 
durch  Vereinigung  mehrer  Kindisptele  Ibr  die  Erhaltung  eines  Ang- 
Keanisdien  Geistiiehen,  durch  die  Aufhebung  der  Evangelischen 
Kirehapiele^  wo  die  Gemeinde  auf  den  Geistliehen  allein  reducirt  ist, 
nnd  dass  endlich  die  dadurch  zur  Disposition  gewonnenen  Zehnten 
den  Cathofiken  theilwebe  erlassen  werden  k((nnten,  zum  grosseren 
Theile  aber  auf  das  angemessenste  för  die  UlTentlicfae  Erziehung 
des  Landes  Terwandt  wenlen  dürften.  Die  gänzliche  Pcststel-' 
hing  dieser  Angelegenheit  bleibt  aber  der  Gesetzgebung  der 
nächsten  Jahre  vorbehalten. 

*)  Nach  der  im  J.  1635  hierüber  gefihrten  irenaaen  Unter- 
suchung waren y  wie  der  Premierminister  Viscoant  Melbourne  offi- 
dell  im  August  183S  in  Parlamente  aoscliiaifdergeseiftt,  Von  den 
2405  In  Irland  voihandeucn  Kirchspielen  8TO,  also  über  ein  Drit- 
tel derselben,  gegenwärtig  nnr  noch  mit  weniger,  als  M  MitgUeden 
der  Aaglicanlscben  Kirche  besetzt,  bezahlten  aber  doch  allein  an 
Zehnten  jährlich  ]17,0W  %  St.  (819»000  Thlr.).  Unter  diesen  wa. 
len  wiederum  173  Kirchspiele,  wo  ureniger  als  10  MtlgVeder  dieser 
Kirche  sich  belanden,  und  endlirli  sogar  I»  Kirchspiele,  wo  die 
AngÜcanischoi  Geistlichen  die  einzigen  NtrhKathffJifcm  waren. 


Das  Brittscho  Beleb.  395 

Nadi  dkMT  libeoriidico  Uebcnlelit  der  Etwfckrtwg  def 
kirdblichen  Venokicdenhek  in^  Britiseliea  Staat»,  laaaen  wir  die 
ZaIileoTerbiltoifM  ikhtx  den  g^eDw&rdgea  Bcatand  der  drei 
HauptkirelMQ  und  ihrer  Secten  folgen. 

L  Die  Epiteopalkirehe  unfutt  JetaC  über  rier  Neun« 
tkeile  der  Bevttlkemng  des  Brittiselien  Reiehi  inEairopa,  1834 
g^en  ]4»000«000  Ind^  von  weloheli  13,150,000  Ind.  it^  England^ 
nnd  Wales,  aO»000  in  Sekottland  und  772,064  in  Irland  lebten. 
Die  Zabl  der  Kirchspiele  in  England  und  Wales  ist  0300  und 
die  Zahl  der  Pfamtellen  10,711»  es  treffen  also  auf  jedes  Kirch- 
spiel im  Durchsehnitt  1414  S.  und  auf  jeden  GeistUchen  1228  S,  •). 
Diese  sind  unter  2  Ersbistb&mer  und  25  BitthUmer  vertheift 
L  Das  Enbisthum  Canterbur/»  dessen  Ersbisehof  Primas  des 
Reichs  mit  besonderen  groiisen  Vorrechten  ist,  bat  au  seinem 
eigenen  Sprengel  314  Kirchspiele  und  unter  seiner  Diöeesan- Auf- 
sieht 22  Bisthttmer  mit  7922  Kirchspielen,  nemlich  1)  das  Bis- 
thum  London  mit  623  Kirchspielen;  2^  das  Bisthum  Winche* 
ster  mit  362 K.;  3>  Das  Bisth.  Hereford  mit  313 K.;  4)  Das 
Bistb«  Rachester  mit  98  K.;  5)  das  BUth.  Salisburjr  mit  248 
K;  6)  das  Buth.  Norwieh  mit  1,121  K.;  7)  das  Bisdu  Elj  mit 
141  K.;  8)  das  Bisth.  Coventrj  und  Liehfield  mit  657k.; 
0)  das  BUth.  Chichoster  mit  250 K.;  lOl  das  Bisth.Batk  und 
Wells  mit  388 K,;  Jl>  das  Bisth.  Peterborough  mit  293 K,; 
12)  das  BUth.  Lincoln  mit  1255 K.;  13)  das  BUth.  Worce« 
ster  mit  241  K.;  14).das  Bisth.  Oxford  mit  195 IC;  15)  du 
Bisth.  Exeter  mit  604  IC;  16)  das  BUth.  Briatol  mit  2^6  K.; 
17)  das  Bisth.  Gloueester  mU  267K;  U)  daa  BUth.  Bangor 
mU  107  IC  19)  das  Bisth^  St  Davids  mit  308  K.;  20)  Da« 
BUth.  Landaff  mit  177  K;  21)  Das  BUthima  St  Asaph  mU 
121  K.  und  22)  Das  BUthum  Sodor  mU  Man  mU  17K.  — ILDa« 

1  ff 

ErzbUthum  York  hat  an  seinem  eigenen  Sprengel  681  K.  und 
unter  seiner  Diöeesanauftieht  3  BUthttmer  mit  48S  K.,  nemlich 

*y  Es  ^var  aber  bei  der  —gicitlmn  Tertfaeiinng  der  Bevöttfienmi^ 
In  den.  einacinen  Kirchspielen  in  einigen  wenig  Baum  in  den 
Kirchcfi  filr  ^ie  Torhaadenen  GeaMindeglUder,  dass  nach,  elaem 
Parlameotsbeschlnsse  rea  1818  96  neue  ^  Klicken  erbau^  und 
1826  abenaaU  mofim  ft  St  an  dem  «JeidMn  Zweoim  nagewiesen 
wurden.  Bs  Itfklicn  aber  doch  noch  awkr  als  186  Kiieken  an  mh 
fcbiedenea  OrteUt  wddM  Indess  simmilUh  in  den  J.  ÜIT-^-aO  mit  einem 
Koatenanfwaade  fon  Um^SM  ttSt  (l%l5l^üiTU&)  nrtiddeiaind. 


396  D««  BriHsche  Reich. 

]>  Da»- Bisthatm  Durliafli  nk  135  K.   2>  Dm  BuUi.  Cftrlisle 
mU  92  K.  und  ^  Das  Bittk.  ChaateiT  mit  25(r  IC 

In  Schottland  haben  die  6Biflchdfe  Von  Edinhurg;  und  Giai- 
gow,  von  Rom,  Aberdeen,  ßrechin,  Donkeld  und  MoiHy  teit  der 
Revofution  im  siebzehnten  Jahrhunderte  ihre  Diöceüfen  verloren, 
aber  ihre  mit  reichlichen  Einkünften  dotirte  Stellen  werden,  wie 
die  der  catholischen  Bischöfe  in  partibus  infidelium,  an  angesehene 
Geistitche  vergeben.  Die  geringe  Anzahl  der  in  diesem  Reiche  vor- 
handenen Episcopalen  befindet  sieh  vbmemlich  in  den  grösseren  St&d- 
ten.  — In  Irland  hat  diese  Kirche  dagegen  2405 Kirchspiele,  von 
welchen  1391  PfarrsteUen  durch  die  Bischöfe^' 203  von  der  Krone 
367  durch  Grundbesitzer,  2^  von  Collegien  vergeben  werden  und 
95  blosie  Pfründen  ohne  Kirchen  sind :  es  treffen  also  durchschnitt* 
lieh  auf  jedes  K.  321  S.  Diese  Kirchspiele  sind  unter  die  Aufsicht 
von  vier  Enbisthümern  und  18  Bisthümem  gestellt.  1.  Das  Erz- 
bisthum  Armagh^  dessen  Inhaber  der  Primas  des  Königreichs 
Irland  ist,  und  der  auch  die  meisten  Anhänger  dieser  Kirche' 
in  seinem  erzbisch  höflichen  Sprengel  hat  (1834  517,000  K.,  | 
der  Anglicanisch^n  Bevölkerung  Irlands),  umfasst  die  fünf  Bii- 
thOmer  Dromore,  Down  und  Connor,  Londonderj  oder 
Derrj,  Clogher  und  Killmore.  II.  Das  Erzbisthum  Dublin, 
dessen  Erzbischhof  zugleich  das  Bisthum  Glandelagh  verwaltet; 
beaufsichtigt  (im  Ganzen  waren  J834  in  diesem  Erzbisthume 
1I7,0(X)  Anhänger  der  Episcop.  Kirche,  d.i.  |.  der  Gesammtzahl 
in  Irland)  die  vier  Bisthüroer  Leighlin  nnd  Fearnes,  KU- 
kennj,  Kildare  und  Meath  oder  Dundalk.  HI.  Das  Erz- 
bisthum Tnam  umfasst  die  vier  Bisthfimer  Clonfert  und  Kil- 
macduagh,  Raphoe,  Elphin  und  Gallwajr,  KillaU  und 
Aobonrj.  IT.  Das  iLrzbisthumCashel  besitzt  in  seinem  Spren- 
gel bei  der  Minderzahl  der  Anhänger  dieser  Kirche  fünf  Bis- 
thOmer,  Limericku,  Waterford,  Ardfert,  Cork  und  Ross, 
Clojne*)  vereinigt,  KHIaloe  und  Kilfetiora. 

Die  VenraUer  der  Bisdiiimer  osd  finbiithamer  bibleo    die 
ersten  unter  den  Dignitaries  of  tbe  establiihed  ehureh', 


^)  Das  Bisthum  Cloyne  wurde  nach  dem  Tode  des  Bischofs  Im 
September  1835  mit  dem  Bisthume  von  Cerk  und  Ross  für  immer 
rereinigt,  nnd  dadurch  die  Zahl  der  Irischen  Bistbüner  überhaupt 
auf  17  verAindert. 


D«8   Britische  Beicft.  897 

den  Wa#denMgero  der  StftftlakirdbA.     Diese  Buelidfe  eiod  aber 
iD    ihrem    Einkosimeo    eelor   verMeliiedeii  .geeteilt.      Die  beiden 
Englischen  Enhisohöfe  haben   30,000  und   14,000  ft  &t,    tiage- 
gen  die   25  Bischöfe   sind   von  'lAfiOO  <ft  St  (der  von  Durbani) 
bis    auf  1000  %  St  (die  von  Peterborough»  I^andaff  und  ßriitol 
abf^stuft     Das   Einkommen    sämmtlieher   Englischen   Bieehdfe 
betrug  180,46211  St  (1,263,234  TbIr.K  also  jeder  im  Durehsebnitt 
6683  tl  St  (46,781  Thlr.).   —  Die   Irisehen  Bisehöfe   sind   sich 
gleicher  gestellt,     und    schwanken   nur    in    ihrem   Eankommen 
Ewischen  15,000  flSt  und  4000  ft  St,  welches  das  am  schleeh- 
testen  dotirte  Bisthum  *)  dennoch  abwirft :  sie  haben  insgesamnit 
ein  Einkoiunien  von  185,400  %  St  (1,297,800  Thlr,),  oder  durcdi- 
schnittlich   ein  jedes   8425  %  St  (58,975  Thlr.).    Jedes  Bisthum 
hat   eine    Cathedralktrche,   bei    we|cher    ein    Capitel   «teht 
dessen -Vorstand  der  Dechant  ist,  und  dessen  sämmtliche  Mitglie» 
der    als    Präbendaten   au   den    Dignitaries  gehören.     Der  Archi« 
diacon     an    der    Cathednilkirche     ist    der    wesentliehste     Ge-^ 
hftlfe    bei   der   Diöcesan Verwaltung    des   Bisehofs.       Das     Ein- 
kommen   der   Englischen    Dechanten   uud    Capitel   betrug   1834 
350,861  %  St    oder   2,456,027  Thlr.  also  nur  die  höhere  Geist- 
lichkeit  aliein   in  England   besog  jährlich  531,323  ^  'St   oder 
3,719,261  Thlr.   In  Irland  bexogen  die  Capitel  152,606  QSt,  also 
hier  die  höhere  Geistlichkeit  zusammen  338,006  {[  St  (2,376,042  Thlr.) 

Die  eigentliche  Seelsorge  liegt  ausschliesslich  in  den  Hän- 
den der  niedern  Geistlichkeit  (the  inferior  clergyj.  Diese 
wird  gebildet  aus  den  Rectoren  (Pfarrer),  den  Vicaren  und 
deren  Stellvertretern  (Curates,  nicht  wie  man  gemeinhin  an- 
nimmt Vicars).  Solqbe  Stellvertreter  können  aber  auch  sogar  von 
den  weltlicheti  Eigenthümern  gehalten  werden,  die  durch  die  Re- 
formation bei  dem  Ankauf  der  aufgehobenen  Klöster  die  Ver- 
pflichtunja;  auf  sich  genommen  haben,  gegen  Beziehung  des  Kir- 
cheuzehnten  für  den  Kirchendienst  Sorge  zu  tragen,  und  diesen 
B«r   kfirgtich   genag  für  den   sechsten   bis  zehnten  Theil  ihrer 


*)  Die  meisten  Einkünfte  fliessen  hier  aus  Verpachtung  der  der 
Anglikanischen  Kirche,  sowohl  für  die  Erhaltung  der  Bischöfe  wie 
der  niederen  Gei.süichen,  zugehörigen  Güter.  Die  Verpachtung  aber 
hält  den  Zustand  der  Güter  in  ^o  schlechter  Beschalfenheii^  dass 
sie  kaum  den  dritten  Theil  ihrer  Ertragsfähigkeit  liefern. 


398  Das  Britische  Reiciu 

EiDiuhme  aut  dem  Ktrehensdiaten  durch  eben  StellTertreter 
besorgen  lassen.  Aber  aneh  die  Reetoren  und  Vikaren  sind 
snm  grossen  Theile  pfliehtrergessen  genug ^  ihr  kirehliehes  Amt 
unter  denselben  kän^liohen  Bedingungen  dureh  Cnrates,  und  oft 
auch'  dies  nicht  einmal,  Vertreten  si^  lassen,  dag^^en  sich  nach 
mehreren  Pfarrstellen  sugleich  blos  der  Einkünfte  wegen  sa 
driUigen,  um  diese  gans  nach  ihrem  Gefallen  in  den  Hauptstäd* 
ten,  oder  auf  ihren  Landsitsen  gemächlich  su  yenehren  *).  Denn 
im  Jahre  1834  wurden  über  ein  Drittel  der  Pfarrstellen 
.  (3678)  Yon  Stellvertretern  verwaltet,  von  denen  320  nur  «wi- 
schen 40  bis  50  %  St,  792  twischen  50-^60  %  St,  483 
swischen  70—80  %  St,  647  «wischen  80—00  %  St,  164 
«wischen  00—100  %  St,  610  swischen  100—110  9»  St,  203 
«wischen  120 — 130  %  S.,  also  susammen  3468  Stellvertreter  un* 
ter  130  %  St  besogen«  Dagegen  waren  von  den  10,711  Pfarr« 
'stellen**)  in  England  nur  294  unter  50% St,  1621  Pf.  swischen 
50—100.%  St,  1591  Pf.  «wischen  100—150  %  Si,  1355  Pf. 
«wischen  150—200  %  St,  1064  Pf.  swischen  200— 306  %  St, 
1317  Pf.  swischen  300—400  %  St,  830  Pf.  «wischen  400—500 
%  Stt  504  Pf.  swischen  500—600  %  St,  327  «wischen  600— 
700  %  St,  217  swischen  700—800  %  St,  129  «wischen  800— 
000  %  St,  91  «wischen  900— 1000  %  St,  137  «wischen  1000— 

*)  Im  Oc(;>ber  1828^  wnrde  der  iTkar  Meara  angeklagt,  15  VI- 
cariate,  8  Pfarrstellen  uml  eine  PftOade  su  besitien,  und  demiAch 
während  eioes  Zeitraums  von  6  Jahren  keine  seiner  Kirchspsele 
besucht  au  haben. 

**}  Von  diesen  Pfarrstellen  werden  2353  durch  GeisiKche  verge- 
ben (und  «war  1298  durch  die  Bischöfe,  694  durch  Capitel,  70  durch 
Decliauten  und  ^l  durch  andere  geistliche  Digniiarles)»  8(6  durch 
CoUegien  (482  durch  Oxford,  312  durch  Cambridge,  42  durch  Eton, 
15  durch  Winchester,  4  durch  St  Davids)  und  7563  durch  Laien. 
Unter  diesen  verleiht  der  König  93  als  Landesherr,  35  als  Fürst  von 
Wales,  52  als  Henog  von  Lancaster  und  824  durch  den  Lordkanzler, 
«usanmen  1004,  und  6649  hängen  von  Privatpersonen  und  weltlichen 
Corporationen  ab.  Die  Mitglieder  des  Oberhauses  verfügen  allein 
fiber  4050  geistliche  Stellen:  unter  den  Whigs  am  stärksten  der 
Heisog  von  Devonshire  (48).  der  Graf  von  Fltzwilliam  (31),  der 
Herzog  von  Bedford  (27)>  der  Herzog  von  Norfolk  (21)  u.  s.  w^ 
unter  den  Tories  der  Herzog  von  Rutland  (29).  der  Herzog  von 
Beaufort  (21).  der  Graf  von  Lonsdale  (32)i  der  Marquis  von  Bristol 
(20)  u.  a.  w« 


Das  Bri(.i8ch6  Reich.  899 

1500  U  St,  Sl  swiflchoi  1500—2000  <B  St  an«  18  iber  2000 
%  St  Die  GetunmteiiiiialiM«  der  Englischen  niederen  Oeist- 
liefakeit  betrog  aber  ntch  einer  oflictellen  Angabe  im  Jabre  1834 
3,250,144  ^  St  (22,793,008  Thir.).  oder  jffir  jeden  einielnen 
Geiitliehen  im  Durehachnicte  304  %  St  (2,128  Thir.):  et  durfTe 
aiio  wohl  nur  in  sehr  seltenen  Fällen  eine  Verbindung  sweier 
geringerer  Stellen  nttthig  sein,  am  auch  fUr  England  ein  anstän- 
diges Einkommen  eines  Geistlichen  sicher  su  stellen* 

In  Irland  warde  die  Einnahme  der  Kircheniehnten  aHein  in 
den  2405,  in  Rttcksicht  ihres  Unifonges  höchst  ungleichen,  Kirch- 
spielen *)  auf  605,000  %  St  angegeben,  wovon  548,000  %  St 
(3,830,000  Thlr.)  ausschliesslich  den  Rectoren  und  VIearen  anfielen: 
die  Übrigen  Einnahmen  derselben  sohfttste  die  Commission  aueh 
noch  auf  250,000  %  St,  also  insgesammt  708,000  %  St  (5,586,000 
ThIr )  und  durchschnittlich  für  jede  einielne  Pfarrstelle  332  %  St 
(2,324  Thlr.).  ?on  diesen  wurden  aber  nur  1020  von  den  Pfiurrern  und 
Vicaren  persönlich  verwaltet,  die  Übrigen  1385  au  je  2,  3  und  4 
verknöpft,  von  478  li^abenL  in  den  Einköniten  genossen,  aber 
-durch  Curates  versehen« 

IL  Die  Presbjterianisehe  Kirche,  gegenwärtig  in  sich 
selbst  wieder  zerfallen ,  indem  die  mehrfach  dissentirenden  P^esbj- 
terianer  als  ffirsich  bestehende  Secten  von  ihr  gesondert  haben, 
sählt  die  meisten  Anhinger  in  Schottland  1,050,(M)0  K.,  nächst- 
dem  in  Irland  042,350  (und  swar  fast  «ueeehliesslicb  in  den 
Erabiathum  Armagh  038,303,'  dagegen  in  dem  Erabistfanm  Ddilin 
■nr  2200,  in  dem  Ersbisthum  Cashel  000  ond  in  dem  Enbiathnm 
Tuam  800)  ••),  endlich  in  England  upd  Wales  350,000  K.  Dies 
gewählt  eine Gesammtsahl  von  2,042,356  Ind.,  oder  ein  Zwölf- 
theil'der  heutigen  Bevölkerung.'  In  Schottland,  wo  sie  die  el- 
gcnthümliche  Landeskirche  bittet,  serfällt  sie  in  889  Kirchspiele^ 
deren  jedes  von  einem  Pfarrer  geleitet  wird***),  welcher  in  Gemein- 
schaft mit  den  Kirchenältesten  durch  die  KMrk-Se$$ioH$   (Kir- 


*)  Ton  diesen  Q4II5  Pfarrstellen  werden  TOS  allein  von  den  Iri- 
schen Bischofen  vergeben.  Die  gesanimte  Bevölkerung  (catholische 
und  evangelische)  von  manchen  Kirchspielen  besieht  nur  aus  200^ 
von  anderen  aus  mehr  als  20«000  Seeleo. 

**)  Edinburgh  Review.  Juli  1835.  p.  491 

***)  Die  Fresbyterianiscben  Pfarndellen  werden  theils  vom^ 
Grundbesitzer  (Patron) ,  theils  von  stadtischen  Behörden  (Town- 
Councils)  vergeben» 


400  Das   Britigclhe    Beich. 

•bansknoigviO  dU  «llgeiii^ifMfi  Ajig«l«g«ihcilMi  dir  Ktrdia  lei- 
tet Zwölf  l>k  I^  Kirchfpble  hiidttk  «io  Presbjrteriti»,  in 
welehMi  genMinhip  wi«d«r  «Lei^  älteste  Pfamr  den  Vortite  fillirt; 
und  60  solch«  Prssbjtemn  sind  öbechsnpt  in  Sohottland.  Vier 
liis  sechs  Preih^toriea  sind  wieder  su  einer  Provineial-Sj- 
node  rerknüpft,  die  sich  in  dem  Hanptorte  der  su  derselben 
gehörenden  Presbjrterien  jährlich  sweimiii  Tersamaielt;  uncf  gleich 
den  bischöflichen  Gerichten  die  wichtigeren  kirchlichen  Angelegen* 
heiten  bemthet  und  entscheidet:  es  gicbt  15  Prorincial-Synoden 
für  gsns  Schottland.  Ueber  diese  steht  nur  noch,  da.  die  Re> 
gierung  nuf  die  kirchlichen  Angelegenheiten  der  Presbjterianer 
fast  gar  keine  Einwirkung  hat,  die  General-Versammlung 
(the  General  j49»€MbfyJf  weiche,  wie  ein  geistliches  Parlament 
für  Schottland,  über  alle  ihrem  Forum  vorbehaltene  Gegenstände 
als  letzte  Instanz  entecheidet  und  in  grosser  Achtung  steht.  Sie 
wird  xusamroengesetet  aus  7  Abgeordneten  jedes  Presbyteriums, 
von  denen  5  geistliche  und  2  weltliche  sind.  Ausserdem  sendet  jede 
schottische  Universität  einen  und  jeder  königliche  Fieoken  (ro- 
yal  hurgli)  gleichfalls  einen  Abgeordneten.  Alle  diese  Abgeordneten 
werden  j&hrUch  neu  erwählt,  und  versammeln  sieh  Jährlich  sn 
Edinburg  unter  der  Anctorität  eines  königlichen  Commissarins 
iCommieeioner)  aus  der  Reihe  der  weltlichen  Barone  auf  acht 
bi)l  vierzehn  Tage.  Der  Commissarins  eröffnet  und  achllesst 
feierlich  die  Versammlung  ist  aber  nicht  der  Praesident  (üfo* 
derator)^  welcher  vielmehr  nach  Stimmenmehrheit  ans. der  Mitte 
der  Versammlung  selbst  gewählt  wird. 

Unter  den  Seoten  der  Evangelischen  Kirche  steht  der  Zahl 
nach  oben  an  die  der  Methodisten,  welche  unter  John  Wes« 
lejr  seit  1720  in  England  sich  bildete,  und  dann  bald  hier  und 
in  Nordamerika  sich  stark  ausbreitete.  Sie  leriiei  darauf  auch 
in  die  Britische  und  in  die  Amerikanische  Conferenz. 
Die  letztere  hatte  jedoch  bei  der  Trennung  der  Colonien  von 
dem  Mutterlande  1776  erst  1 160  Mi^lieder  und  10  Prediger.  In  dem 
gegenwärtigen  Jahrhunderte  hat  der  Pietismus  dar  Metdodisten, 
wie  die  ähnliche  Glaubensansicht  in  anderen  Ländern  in  einezl 
weit  höhern  Grade  zugenommen,  trotz  ihrer  strengen  und  an- 
maassenden  Zucht,  die  den  Methodisten  Über  jede  häusliche 
Verrichtung,  über  jedes  Vergnügen,  Ersiehung  der  Kinder  u» 
8  w.  durch  den  Prediger  streng  beaufsichtigt^  während  dieser  selbst 


Das  Britische  Beich.  '      401 


/ 


vlederum^  nnr  drei  Jahre  teiner  Gemeinde  xUf^ewIaAen,  sich 
unter  einer  druckenden  (T^stesbesehrUnkang  der  Conferena  befin« 
dety  welche  die  Prediger  ernennt^ und  absetzt  Die  Zunahme  die* 
•erSectetiit'abet  tlteht  nur  lirie  früher  bei  den  niedrigsten  Volk«- 
elaisen,  sondern  auch  bei  den  €rebildeterett  und  Wohlhabenderen 
fast  gleiehmässig  bemerkt  worden ;  denn  während  die  Methodisteii 
1808  in  Grossbritanniei^  und  Irland  nur  109»96l  Mitglieder  und  41  f 
Prediger  s&hlten,  waren  sie  1822  schon  auf242,400  Mitglieder  und. 
826  Prediger  angewachsen,  182J3  auf  231,(M5  ib  Grossbiritanniert 
und  22,514  in  Irland,  1820  auf  279,170  in  Grossbritannien  und 
24,403  in  Irland,  endlieh  1834  auf  380,000  in  Orössbritamiien 
und  80,000  in  Irland,  also  susamroeii  460,000  Köpfe»  o^d6r  fast 
ein  ZwanzigtheU  dker  gesammten  Bei^51keriing  *\k 

Die  Herrnbnter  oder  Mährische  ßrfider  teheti  inöiii« 
lelnen  C^nieinden  lersti^t  Über  daü  ganse  Reich,  namentlich 
ia  den  Grafschaften  Vork,  Lancastcr  und  Nottingham,  in  dei' 
Gesammtsahi  gegen  100,000  K.  ^  Die  Quäeker  nehmen  ge< 
genw&rtig  mehr  ab  als  tu,  und  wohnen  gteichtalU  dehr  zenitreuti 
am  häufigsten  in  der  Grafschaft  York,  zuAkmmeti  60,00p  K.  — « 
Ebenso  die  Menuoniten  und  Wiedertättfe;r  in  38^  Gemein- 
deik,  gegen  150,000  K.  Die  disseiitijrenddtt  Presbjte-* 
rianer,  weiche  bis  zum  September  1820  in  zwei  verichiedeueii 
Sjmoden,  Jede  an  1 1  Pre«byterieii,  in  Schdtilattd  lebten ,  seitdem 
ab^  sich  tu  einer  vereinigten  S/node  de#  abweichenden  t£irdhe 
Ton  Schottland  (tfiitW  äsgööiäU  S^ttoä  öf  ihn  äecesgion  o/ 
eiureh)  n^MMnaiett  begeben  haben»  tnsgeeammt  mit  350;000  tC 
Die  ladependenten»  ünitaiief  nad  Sociniäner  öi^t 
Anti*Trinitarier  und  andere  Dissenten  von  sehr  vefschie« 
dener  Farbe»  zusammen  «twa  auf  d00,D00  K.  in  berechnen.  *^ 
Lutheraner  sind  die  Bewohner  derlnsei  Helgoland  und  ausser* 
dem  bat  dieae  Kirche  einulnn  AnhiUiger  in  den  Fabriken-  und 


^  tn  ^teidieii  Wiehstfenm  ist  aber  nach  ii^  Amerikanische 
CtaferensB  geblieben.    1881  besass  sie  bereits  284,000  Mitglieder  bei 
1095  Predigern  und  1854  liegen  500,000  Kopfe.    Die  Gesammiiahl 
der  Prediger  beider  Oonferenzen  betrug  1833  =:  3»5044 
8ehab«rt*i{  8t8tifttik.ll.  26 


N 


402 


Das  Briiische  Beicfa. 


HandelsstädtlBQ^  zusammen  Dicht  genau  su  berechnen,  aber  Irohl' 
.kaum  über  15,000  su  schätzen«'— 

in.  Die  Romisch-Catholische  Kirche  umfassta  1835 
6,42(7,712  Anhänger  in  Irland  (||der  Bevölkerung  dieser  Insel), 
580,000  Ind.  in  England  und  Wales  (j',  der  Berölkerung), 
85,000  Ind.  in  Schottland  ij\  der  Bevölk'^rung)  und  130,000  K. 
in  Gihrailtar  un^d  au^den  Inseln  Malta,  Gozzo  und  Coniino  (über 
II  der  dortigen  Bevölkerung):  folglich  in  der  Gesammtzahl 
7,222,712  K.,  oder  über  zweiSiebentheile  der  Bevölkerung  dea 
Staates.  In  Irland  haben  sich  seit  der  Reformation  wiederum  die  ca- 
tholischen  BisthQmer  ohne  Anerkennung  von  Seiten  de«  Staates  all-' 
mähiig  eingeführt,  wie  oben  auseinander  gesetzt  ist  Es  sind  gleich 

I  den  Anglikanischen  vier  Erz  bis  th  um  er  gebildet,  die  auch  mit  den 
protestantischen  nach* dem  Hauptorte  des  erzbisehöflichen  Sprengeis 
benannt  werden,  aber  doch  verschiedene  Resi4enzen  für  dig  Erzbi- 
schöfe haben,  wie  der  von  Aimagh  zuDrogheda  und  der  von  Cashel  zu. 
Thurles  wohnt  Die  Zahl  der  B  i s  t  h  ü  m  er  ist  um  4  grösser  als  die 
der  Staatskirche,  nemlich  22,  wiewohl  18  ganz  gleich  mit  den  Bis- 
thumispsengeln  der  Episcopalkirche  benannt  sind,  aber  hier  treifen 

f  noch  weniger  der  Vcrwaltungssitz  und  die  Cathedrale  des  catholi- 
schm  mit  den  des  anglikanischen  zusammen.  Der  catholische  Erz- 
bischof von  Armagh  hat  statt  sieben  acht  Diöcesanbischöfe,  nämlich 
ausser  jene  noch  den  von  Ardagh.    Der  Erzbischof  von  Dublifi  ist 

'g^eichfaUs  nur  auf  jene  drei  Bisthümev  der  Episcopalkirche  be- 
schränkt Der  Erzbischof  von  Cashel  hat  statt  fünf  sechs, 
und  der  von  Tuam  statt  drei  fünf  Diöcesanhisehöfe,  jener  noch 
ein  besonderes  Bisthum  von  Kerrjr,  dieser  die  Bisthümer  Clon- 
fcrt  und  Kilmacduagb,  sowie  KilLal»  und  Achonry  in  vier  beson- 
dere bischöfliche  Sprengel  abgetheilt  Das  Bisthum  von  Kilmacduagh 
und  Kitfenora '  liegt  theils  in  der  Provinz  Connaught,  theil«  in 
Munster  und  steht  deshalb  abwechselnd  theils  unter  der  erzbi* 
schöflichcn  Aufsicht  von  Tuam,  theils  unter  der  von  Cashel.  Die 
Einkünfte  des  Bischofs  bestehen  in  der  bischöflichen  Pfarre,  die 
gewöhnlich  die  einträglichste  des  ganzen  Sprengeis  iit,  in  dem 
Cathedraticum,  eiper  Abgabe,  die  jeder  Pfarrer  (Partih- Priest)  aus 
seinen  kurchlichen  Einkünften  an  seinen  Bischof  (zu  2  bis  iO<g  St.) 

*  zu  entrichten  hat  und  in  Dispensationsgebühren.  Bei  Erledigung 
ein  er  bischöflichen  Stelle  werflen  von  den  übrigen  Bischöfen  der  Pro- 
vinzen 2  bis  3  Candidaten,  und  von  dem  niederen  Clerus  (den  Parisk- 


Das  BritUehe  Beiclu  ^408 

Ffiemm  «n«l  i)iMi  Gtliftlfen  oder  DiaeaMD,  hi«r  wk  bei  der 
AnglieaolMlieii-  Kirehe*  als  StellTertreter  Curaiei  genaaDt^  ein 
Candidat  dem  Paptte  Torii^ohlagen»  ans  welchen  derselbe 
•den  neuen  Bischof  ausirfthlt  Doeh  besondere  flapitel  bei 
<1er  CaCh^ralkirehe  giebt  es  bei  dem  bedrängten  Verhilt- 
nisse  der  Rttmisth-Cathplisehen  Kirehe  bis  jetst  in  Grossbritan« 
nien  noeh  nieht.  Nor  ein  General- Viear  steht  Jedem  Bisehof  in 
der  Venraltnng  sur  Seite.  Die  Zahl  der  catholisehen  Kirchspiele 
ist  in  Irland  806,  also  treffen  auf  Jedes  einselne  7,173  S.  Zur 
Bildung  der  Geistlichen  ist  bereits  1706  in  Folge  eines  Parla- 
mentsbeschlusses suMajnooth  ein  Seminar  gegrdndet,  das  gegen« 
wärtig  unter  der  Aufsicht  eines  Praesidei\ten  und  Dechanten 
durch  10  Professoren  300  Zöglinge  bilden  Hast —  In  England 
und  Wales  hatten  die  Catholiken  um  das  Jahr  1775  3 Schulen; 
einige  Capellen  und  25,000  Anhänger,  1789  war  die  Zahl  dersel- 
ben nach  den  Parlamentsberichten  auf  69,376  IL  gewachsen. 
Sieben  und  dreissig  Jahre  sp&ter  (1826)  befanden  sich  hier  be> 

^reits  301  neu  erbaute  Kirchen^)  und  Capellen  und  500,000  An- 
hänger, und  wiederum  sieben  Jahre  sp&ter  (1833)  schon  423  eä- 
tholische  Kirchen ,  darunter  87  in  der  Grafschaft  LancaSter»  52 
in  der  Grafschaft  York,  25  in  der  Grafschaft  Stafford,  8  im 
F&rstenthnm  Wales.  Die  kirchliche  Aufsicht  wird  nach  vier  Di- 
■tricten  -«  London,  Northern,  West  und  Bfiddle  —  geleitet,  de- 
ren jedem  ein  General-Vicar  ( Vicar  ApontoUe)  mit  dem  Titel  ei-  > 
nes  Bischofs  in  pärtibus  Infidelium  Torgesetst  ist  Zur  Bildung 
der  Geistlichen  bestehen  6  Seminarien,  darunter  das  angesehen- 
ste SU  Stonjhurst  bei  Blackbum  (von  den  aus  LQttich  Vertriebe- 
nen Jesuiten  gestiftet)  fOr  280  Zöglinge,  die  durch  40  Professo- 
ren gebildet  iverden.  —  In  ScKotlland  werden  die  85,000  Catho- 
liken durch  2  BbchÖfe,  einen  f&r  die  Hochlande  {Biihop  of 
ihe  Hi'ghlanäs)  und  einen  fQr  das  Flachland  (of  the  Lowlandn) 
geleitet.  Die  Zahl  der  kirchlichen  Gemeinden  mit  eigenen  Kir- 
chen oder  Capellen  war  1824  =  51,   aber   1833  bereits   auf  74    , 

,  gestiegen,  darunter  die  mebten  (17)  in  der  Grafschaft  Invemese 
und  12  in  der  Grafschaft  Banff. 


«)  MeidiDgei's  Reisen  Thl.  I.^S.  tt!-^t90  hat  aus  Laity^  Di- 
rectory for  1836»  London,  eine ~  Uebersicht  iUier  alle  catholi« 
sehe  Kirchen,  Capellen,  8eii|ioare  und  Kloster  gegeben. 

26* 


/ 


i 
404  Das  Briiisclie  Reicbi 

Auf  der  IiMel>M atte  giebt  e»  ein  eigene»  BitthuM,  4Mi»Cilta 
Veeehta-'aeinea  Bits  hat  un4  die  drei  Inseln  lugteidi  leitet; 

Klöster  bestehen  nicht  nAr  in4rland  (51  Mönchsklöster  und  4 
Nonnenklöster),  gans  auf  die  alte  Weise  Cur  verschiedene  Zweige  des 
Benedictitter-Ordens,  Carthäuser,  Franziscaner  und  Jesuiten  in  ihrea 
Einrichtungen  erhidten,  sondern  auch  selbst  in  England  sind  in  Privat* 
hi^usern  26  Mönchs«  und  38  Nonnenklöster,  xwar  nicht  mit  Geneh- 
R|igung  des -Staates  errichtet,  aber  doch  geduldet,  nur  seit  dem 
Emaneipation^^esetse  von  1S29»  mit  der  oben  angegebenen  Be- 
schränkung über  neuen  Zuwachs«  Unter  diesen  zeichnen  sich 
das  Trapiusten-Kloster  zu  Luthword  in  der  Grafschaft  Dorset 
und  «wölf  Nonnenklöster  mit  Schulen  (CommumtiesJ  ans* 

Zur  Verbreitung  der  christlichen  Kirche'  in  anderen  Erd- 
theilen  ist  vo^  England  aus  sehr  viel  geschehen»  denn  gerade 
in  diesem  Staate  haben  die  verschiedenartigsten  Missionsanstal- 
ten ihren  heimischen  Sitz  und  die  kräftigste  Unterstützung  ge- 
funden. Dahin  gehören:  die  Gesellschaft  zur  Förderung  christ- 
licher/ Kenntnisse ,  1608  zu  London  gestiftet,  gegenwärtig  mit 
253  Filialgesellscbaftcn ,  die  Gesellschaft  zur  V/erbreitung  des 
Evangeliums  in  fremden  Gegenden,  1701  gestiftet,  die  gegenwär- 
tig $0  MiBsionaire  unterhält,  die  Schottische  Gesellschaft  zur 
Verbreitung  des  Christenthuros,  gegründet  1709,  die  Gesell- 
schaft für  Missionen  in  Afrika  und  in  der  Levante,  die  grosse 
ttissionsgeseilschaft  zu  London  seit  179$,  zur  Erfüllung  ih- 
res Zwecks  vorzugsweise  auf  die  Südseeinseln,  Ostindien  und 
Südafrika  hingerichtet  ^  die  Methodistische,  die  Mennoni tische 
und  Bfährische  (Herrnhuter)  Gesellschaft  für  Missionen.  — 
Daran  schliesst  sich  die  grosse  Britische  Bibelgesellschaft, 
welche  am  7.  März  1804  zu  London  ins  Leben  trat,  un^  be- 
reits bis  1821  629  Hüifsgesellschaften  in  Europa,  Amerika  und 
Asien  veranlasst  und  für  einen  Geldaufwand  von  774,840  %  St 
<&,423,880  Thir.)  in  130  Sprachen  theils  das  alte  und  das  neue 
Testament,  theils  (|as  letztere  allein»  in  3|201^978  Exemplaren 
vertheiit  hat 

Unter  den  angesiedelten  Nicht -Christen*)  finden   sich  im 

*)  Die  Deiste«  und  A|tiielsten>  di<>  sich  ewar  zu  völlig  abge- 
schlossenen   Vereinen   EusammengedeUi  haben  i   sind  jedoch   vom 


/ 


paft  Britische   Reick  406 

Bridsdien-  Europa  nur  die  Juden,  von  deren  Ansaht  bereits  im 
den  vorhergekenden  fi.  gesprochen  ist;  iind  wobei  hier  besonders 
nodi  sn  bemerken  bleibt ,  dass  die  Juden  bauptsächUfsh  nur  io 
London,  Manehester  und  Liverpool  zosamnienleb^,  gegen  12,000  K. 
—  dagegen  in  ^Dublin  nur  il  JQdisehe  Famil.,  und  in  ganc  Schottland 
nicht  mehr  als  900  Juden  —  und  in  diesen  Städten  allein  religidse 
Vereine  lur  gemeinschaftlichen  Ausübung  ihrer  Religion  bilden« 
^^dort  5  Synagogen  y  hielr  je  eine  besitsen.  Der  Gedanke  nach 
der  Emancipation  der  Catholiken  auch  die  gleiche  Vergünstigung 
und  GleichsteUung  in  d^n  bürgerlichen  Rechten  mit  den  Chri« 
sten  für  die  Juden  herbeizuführen,  ist  swar  in  den  IcUten  Parla-^ 
ments-Sessionen  bereits  besprochen,  aber  seine  Rcalisimng  scheint 
sicher  in  den  n&chsten  Jahrsehenden  noch  nicht  erwartet  werden 
Bu  können.  Der  erste  Versuch,  die  Juden  durch  Missionen  zu 
bekehren,  ging  gleichfalls  von  England  aus,  denn  in  London 
wurde  bereits  1808  eine  Gesellschaft  zur  Beförderung  des  Chrt- 
stenthums  Unter  den  Juden  gestiftet,  die  eine  Schule  fUr  100  Jü- 
dbche  Kinder  anlöte,  and  Missionaire  zu  ihrem  Zwecke  nach 
Polen  und  den  Russisch -Polnischen  Provinzen  entsandte,  wo  minde- 
stens verhältnisf  Massig  die  stärkste  Zahl  der  Juden  anzutreffen  war» ' 


B.  Cultur  des  Britischen  Reiches. 


§.9. 


Die    verschiedenen  Zweige   der   physi- 
schen Cultur. 

t 

/ 

Die  oben  9.  I.   S.  2D2.  angeführten  Werke   von  ColqJihoiin 
und  Lowe.   -—    tV.   Whiimorc  a  letter  fin  the  preunt  Mtate 


SüMUe  nicht  als  eine  föimüc'ieRelfgionsparifaetatt^kaaat^  nndüber 
dies  auch  in  sehr  geriager  l»ahi  vorhaaden«, 


406    -  Das  Brtttfiche  ReicU« 

and  futmr$  protpeeH  of  agricuttur9^  London'\912f  8ro.  D^tt. 
a  letter  upon  tiie  corti-lattSy  Edinburg  1826*).  —  Jacbl,  Re- 
port on  the  com- trade f  ordert d  hy  the  kouee  of  Commonere  io 
be  prtnted  14.  März  1826,  London,  ftbenctst  tob  E.  Riebard, 
Hannover  1820  und  lehrreieh  Iteurtheilt  in  EdnAuf^h  Review. 
4iept.  1826.  —  ^ 

Die  gesammte  BodenflUche  der  drei  veretnigten  Bridiehen 
Reiche  und  der  dazu  gehörenden  Inseln  beträgt  nach  Acres,  de- 
ren Verhältnis«  lu  Preussischem  Maasse  und  Geographischen 
QM.  oben  S.  311  angegeben  ist,  75,604,080  Acres.  In  Bezug  fir 
ihren  Anbau  liegen  uns  folgende  allgemein  fibersirhtliche  Be- 
rechnungen nach  den  Haupttheiien  des  Brittischen  Staates  vor. 

Niehturbar 
Angebaut  aberd.CuI-       St<^«        TotaL 
tur  fähig. 

Acres.  Acres»  Acrea«        Aere«. 

1.  England.            2^632,000  3,454^000  3,048^00  32,134,400 

2.  Wales.                  3,117,000  530,000  1,771^  5,418,240 

3.  Schottland  ••).     5,265,000  5,950,000  8,777,060  10,092,060 

4.  Irland.                12,125,280  3AK)0,000  1,965,760  17^91,040 

5.  Die  Normanni^                                                                     _    ' 
sehen  Inseln.           55,300  22,500  79,640       157,440 

46,194,580  13,856,500  15,643,000  75,694,080 

Eil  ist  demnacb'überdreiFunftbeile  derBodenfläebe,  ala 
Acker-,  Garten-  und  durch  Kunst  erzieltes  Wiesen-  und  Weideland, 
wie  es  die  boch  gesteigerte  SchaaCsacbt  rerlaogt,  benutzt  ;niehtYoli 


*)  Vergl.^Millbeilangen  aus  diesen  Schriften  gegen  die  Komge- 
aetze  Götiing.  gelehrt  Anzeig.  Oct  1827  Jfi  162—63  >  und  Edin- 
burgh Review.  März  1823.  — 

^)  Nach  Sinclair  sind  nur  5,04I,4IHI  Acres  für  den  Ackerbau, 
013,696  Acres  liir  Wald  beslelll;  dagegen  3,000,000  Acres  durch 
Hohe  und  Boden  Töllig  «nnuizbar. 


Das    Britisclie  Beicb.  407 

•in  FÜnfthtülder  Bodenflftdie  gebt  auf  Waldungen,  Wiesen 
und  gewöhnjiehei  Weideland,   und  etwas  über  ein  Fünftheil 
^  derselben  bleibt  auf  völliges  unnutzbares  Land,  auf  Binnengewäs- 
ser,  Strassen,  Häuser  und  Fabrikenanlagen  zu  rechnen. 

a)  Der  Aeketbau,.  Der  Feldbau  ist  in  j^ngland  auf 
das  trefflichste  eingerichtet,  der  Boden  selbst  lasst  sich  hier  sum 
grössten  Theiie  sehr  gut  zur  Ackerbearbeitung  an,  und  lohnt  reich- 
lich durch  ergiebige  Fruchtbarkeit  die  darauf  verwandte  Mühe ;  er 
ist  fast  überall  von  gleicher  Beschaffenheit  in  ^üdschottlapd. 
in  Irland  leidet  er  oft  an  zu  grosser  Feuchtigkeit,  in  Wales 
nnd  Hoch^chottland.  wird  er  dagegen  zum  grossen  Theiie  we- 
gen des  rauhen  Klimas  und  des  gebirgigen  und  felsigen  Charak- 
ters dieser  Landschaften  unfruchtbar.  Doch  ist  auch  die  Betrieb- 
samkeit in  diesem  Zweige  der  physischen  Cultur  in  den  verschie- 
denen Theilen  des  Staates  sehr  verschieden»  Wenn  in  England 
durch  Kunst  und  Arbeit  jeder  Theil  des  Ackers  auf  den  möglichst 
höchsten  Ertrag  gesteigert  ist,  und  hievon  nur  eine  Ausnahme  bei 
den  wüsten  Strecken  von  Wales  und  Cumberland  und  den  Qeiden 
von  Northumb^land  stattfindet,  ^)  wenn  in  Schottland,  ausser  den 
näheren  Umgebungen  von  Edinburg,  wenig  mehr  als  die  gewöhn- 
liche Betriebsamkeit  in  den  besseren  Gegenden  Norddeutschlanda 
bemerkt  wird,  begnügt  sich  in  Irland  im  Allgemeinen  der  Land- 
mann mit  dem,  was  und  wie  die  Natur  es  giebt  Auf  diese  Ver- 
schiedenheit des  landwirthschaftlichen  Zustandes'  wirken  aber 
wesentUeh  die  eigenthümlichen  VerhUltnisse  des  Grandeigen thumsk 
'tin,  da  dieselben,  was  Schottland  und  Irlanil  anbetrifft,  in  der 
neueosn  Zeit  sich  keinesweges  00  ausserordentlich  vefindert 
haben,  wie  in  England,  Hier  befand  sich  gleichfalls,  wie  itt 
Sehottland  nnd  Irland,  zur  Zeit  der  Restauration  der  männlichen 
Lfnie  des  Hauses  Stuart  (1600)  der  sftmmtliche  Grundbesitz  in 
den  Händen  der  Gentrj-,  der  Kirche  und  des  Bauernstandes. 
Nach  hundert  Jahren  gab  es  schon  weit  weniger  selbständige 
Gutsbesitz^,  doch  wurden  1786  noch  250,000  gezählt.  Seit  die- 
ser Zeit  stiegen  die  Erzeugnisse  des  Ackerbaus  mit  jedem  Jahre 
im  Preise,  und  auch  die  besseren  Erndten  reichten  kaum  in  Frie- 
denszeiten  zur  Bestreitung  des  Bedarf»  hin,  während  bis  zum 
Jahre  1775  die  Einfuhr  an  C^treide  im  Durohachnitte  höchst 


*)  Die  beträchdichc  Salisbury- Heide  in  Wilishire,  aaßn^l.  Q.  RL 
gross,  ist  in  den  letzte^  15  Jahien  fast  valiig  angebaut  worden« 


\  ' 


4o8  Das  [Britische  Reich. 

unbedeutend  war,  und  nicht  Qba'  24,000  Quarter  ^  oder  y\^  dei 
Bedarfs  an  allen  Getreidearten  zusammen  j&hrlich  angenommen  wer" 
den  konnte.  Die  Periode  des  Nordamerikanisclven  Freiheitskrieges 
verlangte  nun  »othwendig  eine  stärkere  tlinftihr  fremden  Getrei- 
de«; aber  die  politischen  Verwickelungen,  die  dieser  Krieg  fttr 
die  Stellung  Grossbritanniens  ssu » allen  See-  und  Handels-Staa- 
ten hervorrief,  namentlich  wegen  der  eigenmächtigen  Behandlung 
neutraler  Schiffe,  erinnerten  doch  das  Englische  Ministerium  stark 
genug  an  die  Abhängigkeit  des  Britischen  Staates  in  Beziig  auf 
die  Getreidezufuhr,  und  dass  dasselbe  seit  der  Mitte  des  acht- 
^ehntep  jfahrhpndeits  seine  Aufmerksamkeit  zu  ausschliesslich 
Quf  das  Emporheben  des  Handels  gelenkt  habe.  Mit  einer  um  so 
fingestrengtereo  Sorgfalt  wurde  jetzt  dieser  UnterUssungsfehler 
verbessert,  was  nun  dadurch  noch  leichter  geschehen  konnte,  dass 
der  krliftig^ blühende  Handel  in^  und  ausserhalb  Europas  schon 
för  sich  selbst  sorgtel  Es  wurden  gesteigerte  Prämien*^  auf 
die  Ausfuhr  Englischen  Getreides,  auf  die  Erfindung  von  Ma- 
ychienen  für  den  Ackerbau,  auf  den  Anbau  besonderer  Getreide- 
arten ,  Futterkruuter  u.  s.  w.  gesetzt.  Dies  gewährte  denn  in  der 
That  aiich  recfit  bald  ein  so  günstiges  Resultat,  dass  ungeachtet 


*)  Der  Eosliscbe  Quarler  ist  genliu  ^  5^*"^'  BerL  Sc]iefiel,  also 
}Q0  Quarter  ==  5^28^  9erL  Seh,  oder  beinahe  Q29  B.  8dC 

^)  Pie  ersten  Prämien  auf  die  Ausfuhr  Englischen  Getreides 
wurden  zwar  bereits  von  der  Regierung  'Wilhelms  III.  1689  ausge- 
fe(zt,  währepd  bis  dahin  die  Ausfuhr  des  Getreides  sogar  mit  einem 
ICoUe  beschwert,  v^d  überhaupt  nur  daon  gestattet  worden ,  we*n 
unter  einem  von  der  Regierung  festgesetzten  Marktpreise  das  Ge- 
treide verkunft  wurde,  bei  bdher  ge^tifgenein  Preise  blieb  die  Aps- 
(Ohr  ganz  untersagt.  lYilbelm  setzte  als  Ausfuhrprämie  5  Shilling 
(If  Rür.)  für  d^n  Q«arter  IVeizen,  B^  Sh  (Ij^  Rtlr,)  für  den  Quar* 
ter  Roggen  und  SiSh.  ({Rtlr.)  für  jeden  Qnarter  Gerste  oder  MoU. 
IJnfer  de^i  Hause  Hi^npover  stieg  di^  Ausfuhr  boher,  denn  in.  d^n 
12  Jahren  (i740-5(  incl.)  wurden  1>515,0Q0  %  St,  (]0,G05>00Q  Rtlr.) 
IUI  Ausfuhrprämien  wirklich  gezahlt^  iind  1750 '^Uein  947,000  Quar- 
ter Weizen  ansgelührt  (Prämie  =  254,250  ft  8t.,  1,639,750  Rthlr.) 
Vergl.  den  fitehr  brauchbaren  Artikel  Corn-Cawü  in  Macculloch  Pict., 
Uebers.  I'hj.  11«  9.  74--llf).    Die  Ausfuhrprämien  waren  aber  1773 

\9Uig  avfgehobe^^,  lind  erst  HH  vied«  eipgefühfi  wwd^n.     ' 


Das  BriCiscIie  Beleb.  409 

\ 

der  JShrliek  sieh  stark  melirenJen  Bevölkenrng,  ungeaehtet  des 
überaus  yerstärkten  Verbrauchs  sti  Getreide*  fQr  dl6  Viehcucht 
und  für  die  fremden  in  den  Fabriken«  bei  dem  Handel  und  der 
Schiffahrt  gebrauchten  Arbeiter,  dennoch  Grossbritannien  mit 
Einschluss  der  Zufuhr  aus  Jrland  in  Friedensseiten  sclipn  l»ei  den 
mitderca  Erndten  fQr  sich  aliein  bestehen^  bei  guten  Emdten 
aber  einen  beträchtiichen  TKeil  seines  Ueberflusses  fQr  schlech- 
tere  Ja^re  suritekleg^n  konnte«  Demnach  durfte  England^ nur 
durch  Kriegsverhaitniue.und  Missemdten  genöthigt  werden,  die 
Einfuhr  ausländischen  Getreides  mi  gebrauchen,  ^ 

Diese  Verh&ltnisse  hatten  aber  den  Werdi  des  Bodens  ans- 
aerordentiich  in  die  H^he  getrieben  und  gewährten  dennoch  den 
Vprtheil,  bei  einer  lebhaften  Betriebsamkeit  einen  sehr  reichen  Er- 
trag aus  dem  aof  Grundbesitz  angelegten  Citpitale  au  bestehen.  Da- 
her bemühten  sich  die  reichsten  Capitalisten,  ihr  Vermögert  im 
Graadbeiits  sich  möglichst  ni  rersichern,  und  auf  solche  Weise  fiel  * 
immer  mehr  und  mehr  der  Gmndbesits  in  die  Hände  weniger  zusam- 
men, weil  der  hohe  Preis  den  kleinen  Grundbesitzer  verlockte, 
sein  Eigenthum  dafihr  aufzugeben,  und  sich  mit  dem  arbeitslosen 
Ertrage  der  massigen  Zinsen  des  daraus  gezogenen  Vermögens 
IQ  begnögen.  F&r  die  sichere  und  möglichst  ergiebige  Anlegung 
solcher  Capitalien  aber  ergab  sich  gleichseitig  als  eine  fisst  an- 
erseliöpfliehe  Fondgrube  die  grosse  Britische  Nationalscbuld  mit 
ihren  eonsolidirten  Fonds.  Es  war  daher  naek  der  Wiederher- 
stellung des  Continentalfriedens  durch  den  zweiten  Pariser  Ver- 
trag die  Zahl  der  Englischen  Grundbesitzer  auf  ein  Aebttheil 
der  rierzig  Jahre  früher  ynchandenen  geschmolzen;  denn  es  wor^ 
den  1816  in  (»nglaiid  iin4  Wales  nur  noch.  32,000  Grundbesitzer» 
unter  welchen  sieh  aber  600Q  Corporatieuea  wd  fast  ebensoviri 
CoUegien,  Capitel  und  Kirehsptele  bffanden,  die  in  gnuidherr- 
lieheni  besitz  ein^n  Theil  ihres  l^etmögens  bepataten.  Aber  aueh 
selbst  diese  ZaKl  hat  seitdem  neeh  betftehtlich  abgenommen» 
und  1831  waren,  ebne  Corporationeq  und  Kircbeu  sm  reehnen, 
nur  noch  720Q  selbstlndige'  Grundbesitaer,  unter  welchen  000 
sehr  reiche  d^n^ipirten,  Diirch  dieses  ttbermitosige  Z/naAnrntn^ 
{allen  der  kleinen  Güter  in  Qherans  grosse  Besitaungen,  die  hei 
dem  Werthv^rhMtnisse  des  Eiiigliscben  Badens  nicht  itaeh  dem 
Vmfisnge  mit  den  grossen  Besitzungeq  anderer  Y^änder  gemessen 
Verden  inttaMUt  ist  ^aber  au^  def  Eaafl.Mu.  der  Nobiiitj  und  der 


I 


410  Das  BrIiüclie.Ileio.li. 

\ 

reichften  Familieil  aus  der  GeDtr/»  also  der  fii^fSr  stets  einigen 
Majorität  im  Ober-  und  Uuterhause,  auf  die  Feststellung  der 
Korpge&etse  und  das  Festhalten  der  jetzt  bestehenden  erklärt  — 
In  Sehottland  ist  dies  unnatürliche  EigenthumsTerhältniss  we- 
gen der  dortigen  Loealbeziehungen  nicht  su  einem  solchen  Ex- 
trem gestiegen,  wiewohl  hier  von  Hause  aus  ein  grosser  zusammen- 
hängender Grundbesitz  in  den  Stammverhältnissen  des  Landet 
(Clane)  begründet  war.  Denn  es  gab  in  diesem  Lande  1825  noch 
1 1^247  Gutsbesitzer,  von  denen  3909  im  Durchschnitte  jähi^ich 
2500  <ä  St  (17,500  Th.)  aus  ihren  Gütern  bezogen,  1097  z wische« 

^2500  und  625Ulät  und  6181  unter  625^  St  Einkünfte  in  liegen* 
den  Gründen  besasseii.  In  Irland  blieb  die  Betriebsamkeit  im 
Ackerbau  am  längsten  zurück:  und  der  bei  weitem  grösste  TheÜ 
der  Bodeniläche  wurde  bis  in  das  achtzehnte  Jahrhundert  nur  aU 
Weide  für  die  Viehzucht  benutzt,  dies  Weidesjstem  fand  noch 
J727  in  Irland  so  arg  statt,  dass  von  dem  Parlamente  eine  Bill 

.  angenommen  werden  musste,  welche  ^ür  jeden  Inhalier  von  100 
Acres  festsetzte,  dass  er  genötbigt  sein  sollte  wenigstens  5  Acres, 
also  um  ein  Zwanzigtheil  seines Besitzthums,  bei  einer  Strafe 
von  40  Shillg.  (13^  ThlrJ  in  Cultur  m  aetzen. 

Das  gesammie  Capital»  welches  im  Aokerbaa  in  Grossbri* 
tannien  und  Irland  angelegt  war,  wurde  1798 

auf  1,200,000,000  %  St   (8,400,000,000  Th.)  geschätzt 

4ag^.  1833  auf  1,901,000,000  %  St  (13,313,300^000  TK) 

Der  duveh«rhBittlicke  Ertrag  des  Ackerbaus  mit  Einaehlos«  der 

Milchwirthsehaft  luid  des  Düngers  wurde  1833  bereohaet 

auf  246,(KMMM)0  ft  St  (1 ,726,200,000  Tb.)  «) 

darunter  für  Korn  alle«  Art  86,700,000  <S  St  =  606,900,000  Th. 
für  Heu,  Gras  und  andere  ^ 

Fütterung     •    .    I    .    .    .  1 13,000,()00  9  St  =  701,000,000—. 
für  Kartoffeüi  .    «    .    •    .    19,000,000  <ä  St  =  133,000,000  — 


*)  Dagegen  gab  Marhsrd  für  das  Jahr  1832  eine  Berechnung 
des  Totalwerlhes  sämmtlicher  Producte  des  Tbier-,  Pflanzen-  und 
Hineralreichs  adf '  216,817,000  ft  St,  1^12,719,000  TL.,  wovon  das 
Inland  für  313,788,000  ft  St  und  das  Auskad  für  9>O89,00O  %  St 
consamiren  sollte. 


Das  BritUch«  Reieb.  411 

« 

un\\  Battm^aBningeti    •    .      6,400,000  U  St  =  44,80Q»000  Tb. 

T^  Hanf  and  Lein    .    •    •    l%000,OOOftSt  =  84,000,0Q0  -— 
fftr  Milch,  Butter,  Kftie  und 

Elef 0,000,000  Q  8t  =:  42,000,000  -^ 

IHr  Düoger ^600,000  <&  St  =  24^600^000—. 

Ueber  die  VeiAeilong  dtr  Bedmifläehe  für  die  YeTflebiedenen 
Gattungen  de«  Anbaus  .betitien  wir  Iceine  Yolittindlge  Nachrichten, 
Sfaiehna*)  Uefert  nach  dem  Edinburgh  Gaaettter  IL  565  und 
VL,  64t  die  Angaiie,  data  ia  England  10,500,000  Acrea,  und  im 
Filritenthum  Wales  !K)0,000  Acres  für  den  Getreideban  und  Knol- 
lenfrQchte  bestellt,  und'  dort  14,200,000  Acres,  hier  2,500,000 
Acres  als  Wiesen  und  Weiden  bedutst  werden.  Bei  dam  Ge- 
treidebau in  England  werden  2,tl00,000^  Acre»  l&r  Weisen  nnd 
Roggen,  3,500,000  Aeree  fir  Gerste  und  Hafer,  2,000,000  Aeres 
fOr  Erbsen,  Bohnen  und  Wieken  und  3,000,000  Acres  für  Kar-, 
toffeln  angebaut.  Colq.uhoun  nimmf^  für  1812  die  angebaute 
Fl&ehe  in- Grossbritannien  und  Iriand  auf  57,711,431  Aeres  an, 
Ten  welchen  nach  seiner  Berechnung  0,170,000,  Quirter  Weisen, 
685,000  Q.  Roggen,  6,335,000  Q.  Gerste,  16,050,000  Q.  Hafer 
md  1,860,000  %  Bohnen,  Eil^sen  nnd  VTidcen  und  ausserdea 
das  Saatkorn  gewonnen  werden;  d.  L  das  Saatkorn  dnreh* 
sehnittlich  su  20  Proeent  angenommen  ein  JährHcher  Eintrag 
Ton  42,000,000  Quartärs.  Nach  Lawe*«  SehStnong  ••*),  die  allec^ 
diogs  um  sehn  Jahre  jtegev  ist,  und  auf  die  iodesa  so  ausseror* 
dentlich  gesti^ene.  fierölkemug  nnd  bedeulettde  Fortschritte  in 
der  landwirthschaftlichen  Cultur  basiit  wird,  kttmaU  der  jfthr- 
liehe  Ertragt  auf  50,000,000  ftrt  064,500^000  Bert  Schff.).  Li 
Rexug  auf  die  Con^sumtion  nimmt  Colquhoun  fÜf  die  Mensche« 
23»17},000Q«  bei  der  BeröUceruag  des  Jahres  1812  (17,300;000lC) 
an,  d«  L  1^  Qrt  oder  7,'^  Befl  Scheff.,  für  den  Viehbestand 
auf  11,289,000  Ort,  woraus  die  obige  Summe  ron  35,000,000  Qrt. 


*)  Staattnkuade  8.  Ida 

**)  Ueber  den  Wohlstand  u.  d.  Hülfsq.  d.  Brit  Reichs  1. 4)  «i  Ml 

*^)  EngUmd  in  sein<em  gegenwart  Zustande.  8.  242. 


\ 


f 
41%  DAB'Brltidche  Reich. 

ohne  Aas  Saatgetreide  henrorgcfht.  BetaltcB  wir  4a8  gleidie 
Verhältiiiss  bei  fQr  die  Angabe  von  18^  so  steigt  die  gerammte 
Cönkamtion  auf  42,720,3e(y  Qnurt,  fttr  die  Afenscben  28^33,GüO 
Qrt  und  für  den  Viehbestand  14,106^800  Qrt  Behreiten  vir 
nun  mit  der  Bevölkerung  und  der  inzwischen  'gestiegenen  Vteh- 
lueht  bis  sum  Jahre  1834  in  gleichem  Verhältnisse  fort ,  so  er- 
halten wir  das  Erfordemiss  einer  Consurotion  von  32,750,000  Q. 
fiir  die  Menschen  und  vonT  16,250,000  Qrt  -  fi^r  den  Viehbestand, 
also  ein  Total  von  40,000;000  Qrt,  das  wiederum  mit^Hinsuf^ 
gung  des  Saatgetreides,  duriishschnltdich  ton  ^20  Proeent  -einen 
Ertrag  von  50,000,000  bitf  00,000,000  Qrt.  (bis  aiif  317,490,000 
Berl.  SchefT.)  an  Getreide  gewithren  würde.  Maoculloeh  Scb&tst 
den,  Verbrauch  1833  auf  52,000,000  Qrt 

Der  ausserordentlich  fatat^e  Verbrauch  des  Getreides  für  den 
Viehbestand  wird  durch  das  Verhtltniss  der  Englischen  Viehsucht 
an  und  für  sich,  und  namentlich  durch  die  fUrdie  Wollmanufactu- 
ren  so  Übei^aus  gesteigerte  Schaafsucht  begründet,  die  aelbst  noch 
in  den  neusten  Zeiten  frots  des  gestiegenen  Werth«  des  Grund- 
Besities,  nrbares  Land  in  Weideland  übtergehen  Usst,  und  in  ei- 
nem noch  ausgedehnteren  Grade  verhindert,  dass  culturfählgea, 
aber  jetat  nur  als  Weide  benutMe«  Land,  dem  Pflöge  unterwor- 
fen wirtl.  Dasselbe  Verh&ltniss  erfordert  aber  Mich  sugleich  den 
«tarken  Anbau  von  Bafsr,  KnoHengewiehsen  und  Futterkr&uten|. 
Endlich  das  MissverhMtniss  s wischen  dem  gleichfklls  sehr  star- 
ken Anbau  der  Gerste  aum  Weizen  und  Roggen  findet  x  seine 
genügende  Erklümng  In  dem  -starken  Verbrauoli  an  Bier,  wo>on 
weiter  nnten  in  dem  imchMgendeil  §• 

Die  Getreid«freis«^>  sind  inswiadien  in  Grossbrttanni^, 
so   lange  ihre  VorsekhiUing    hislorisch    sicher   festgestellt   ist. 


*)  Macculloch  in  seinem  Pidion.  D.  U.  ThI.  IL  8.  10^  lie- 
fert eine  tabellarische  Uebersicht  der  Wetfzenp reise  auf  dem  Ge- 
treidemarkte zu  Windsor,  wie  sie  durch  die  zu  Eton  geführten  und 
beglaubigten  Register  bestätigt  sind,  für  die  187  Jahre  1646  bis 
IS36;  femer  eine  tabellarische  Uebersicht  dt^r  Durchschnittspreise  in 
England  und  Wales  für  Weizen,  Roggen,  Gerste,  Hafer,  Bohnen 
und  Erbsen»  bestätigt  durch  deti  Einnehmer  der  Abgaben  auf  Ge- 
treide, für  die  a9  Jahre  ITU^^l^iJO. 


^  I 


IKa$  BritUehe  Bei^h.  41S 

\ 

M  i0tsk  hkhgdtm  inaeira  Verkehr  cteer  ttokea  BerUkeruBg». 
immmer  lelir-  be^eutoiid  geweeea,  «sd  feiteo  ändert  al»  diurcli«» 
■ehnittlieh  die  hdebeten  für  gtnx  Enrqpa.  Weiien  bleibt  bier 
aU  Brodgetreide  in  der  ttilrketen  Cequiiiatioq,  und  ereebeint  dv 
her  SM  «ogemeeaeniiten  ala  Stätipookt  f&r  die  Veigleiehuiig. 
Neeh  Buebenen  ia  den  Beitrilgea  su  aeiner  Autgabe  des  Adaa^ 
BMitht  woaut  die  tabeUarieehen  Ueberiiebten  bei  HaceuUocb  an 
vergleiefaen  eind»  bat  itx  Quarter  Weiaen  Tor  dem  Jahre  1745 
*  in  der  Regel  anter  40  Sh«  geitatMien,  aber  bereite  1640  wird  det 
frübeete  Dureheehnittspreis  de«  Quarten  Weisen  auf  22  Sb.  an* 
gegeben:  etjut  aleo  in  dieeem  Jabrbandert  da«  Sehwanken  des 
Preiaee  fftr  den  Qnarter  Weiaen  nur  in  dem  geringen  Zwiteben- 
raane  von  ISSb.  ttattgefandea»  oder  der  BerL  Sebeffel  hat  hier 
nie  unter  1  Rttr.  lOSgr.  und  nie  über  2Rtlr.  6Sgr.  geetanden» 
und  dies  war  ugt  einer  Zeit,  wo  die  Zulubr  aui  dem  Auelande 
"miweaentiieh  war^  wie  ieh  telion  oben  angefahrt  habe.  Zwiseben 
den  Jahren  174i  und  1785  leb wankte  der  Preis  dea  Quartera 
swiaeheft  30  und  M  Sb«,  naek  dem  Jahre  1786  fiel,  er  niemals 
mehr  unter  40  Sh.,  war  aber  durek  den  Franadsisehen  Revolu- 
-tionskrieg  bis  aum  Jahre  1800  auf  UOSh.  (d.i  der  Berl.  Schef- 
fel Weisen  au  7  Rtb.)  geatiegen.  In  dieser  Zeit  war  aber  augUicb 
doreh  die  Miuemdte  der  beiden  auf  einander  folgenden  Jahre 
1783  und  1784,  sowie  dureh  die  fortwährend«!  Expeditionen, 
ifelehe  die<politisehen  Ereignisse  reranlassten,  die  Einfahr  des 
fremden  Getreides  überaas  gewaohsen;  sie  betnig  insyiymmt  *) 
für  die  24Jahre  1776»  bis  sum  26.  Septbc^  700=^6,501 ,055  Quar- 
ter (34,305,342  BerL.  Seh.)  Weisen  und  Weizenmehl,  welehe  über 
I7,p00,000  9.  St  (119,000,000  R^^  kosteten«  Es  kömmt  dem« 
naeh  durehschnittlieh  für  jedes  Ji^hr  eine  Einfähr  von  1,433,139 
l^rt  Seh«  and  ein  Durehsehnittswerth  dieser  Einfuhr  j&hriieh 


*\  Ueber  die  Blnfehr  uttd  Ausfuhr  des  Weizens  and  des  Weizen- 
mehk  liefert  Maccnlloch  a.  a.  O.  Th.  II.  S.  I^  die  Ubellarische  Uebeiu 
sieht  för  England  in  den  Jahren  1697^54»  und  von  da  ab  für  Gross- 
britaaaien  in  den  Jahren  17S5-'80a.  Von  1801  bis  aam  aSslen  Jnai 
1831  sind  aber  ebendis.  8.  106»  *?  aad  a  nkhl  mar  für  alle  Getreide- 
gattungen, sondern  auch  zugleich  die  Qoaatliatea  nach  den  rerschie- 
denen  Laadem,  aus  denen  sie  eingefihrt  sin^  die  Eialnlirlisten  nach 
Quartem  angegeben* 


4)4  D«8  B^rUUch«  Ilelelu' 

^Ton  bdttdie  5,000,000  RüriL  Im  J.  ISOO  wwdcn  tlMa  I«404,(ao 
Quarter  W.,  trots  dt«  hohon  FreiMiy  Am  in  4i0s«n  Jahre  ma 
iMter  110  Sk  £«l  «fut  •4»if  a«f  1%7  «tMg,  la  die  Hifm 
Grossbritennien«  eingefühlt;  ea  ging  alao  «ileia  4aaiale  ia  eb- 
nem Jahre  gegen  r,587,l20  %  St  (53»l09,a4O  RHr.)  f&r  Ge- 
treide ia  daa  Aualand.  Bis  dfUa  war  aber^  Irland  in  dem 
Getretdehandel  mit  GreMhHtanfiien  beaehr&nkt*)»  und.  erst  I80§ 
wurde  er  iwStehen  beiden  L&ndem  gftnalich  freigegeben,  und  da* 
durch  für  die  Zukunft,  ongeaeK'^'-t  der  jihrlieh  überana  steifea- 
dei\  Bevi^Ikerungy  die  gegen  England  gehtlten  mehr  ia  Kartef- 
-feln  und  den  niedereil  Getretdegattungea  ihre  Hau^ahrung^  ha«* 
ben,  selbtt  bei  Mittefemdten  ein  eCeta  vorhandener  Ueberaebasa 
an  Getreide,  namentlioh  Hafer  und  Weisen  naeh  Groaabrilaa« 
nien  ausgetiihrt  Diea  wirkte  lehon  während  der  Kriegaseitei| 
aewohl  auf  die  Preiae»  dl«  aeil  1802,  mit  Aaaaahme  dea  Jah% 
rea  18||  nieitiala  h&her  ala  aaf  OObh  il2Sh.  aiek  erhielten,  ala 
aueh  nanientUeh  auf  den  MindeilMtrag  der-fiinftdirdea  Getreidea 
aua  fremden  Staaten  weientUdb  ein.  Deon  wihrand  Irland  1801 
nur  000  Quarter  einführte,  gab  ea  iWSL  aehoa  407,06?  Q.,  1808 
=  63(1,750  Q.,  M8O0  =  033,658  Q.,  1810  Ua  1818  duroln 
aehnittlich  J&hHich  Aber  iOt/MIO  Qaarter^  oder  gegen  3,000,000 
BerL  Seh.  an  Groaabiritannien  ab. 

Die  Einfuhr  aua  fremden  Staaten  betrug  fOr  a&mmdtche  Oe»  - 
treidebrten  1801  =  2,327,825  Q.,  1802  =  743,062  Q.,  1808  = 
559,692,  1804  =  810,000  Q^  1805  =  1,180,500  Q.,  alao  suaam- 
men  6,614,970  Q.,  öder  jährlich  im  Durchichnitte  1,122,006  Q. 
(5,940,630  Beri.  Schffl.),  woron  •  allein  Weisen,  |  Hafer  und  J. 
Roggen,  Gerste  und  Hülsenfrüchte  ausitaaehten.  Der  GeaanMntwerth 
betrug  gegen  19,000,000  U  St  <I  19,000,000  Thir.),  alao  wurde  jähr- 
lich im  Durchschnitt  rem  Auslande  für  24,000,000  Thlr.  Getreide 
eingekauft  Dennoch  war  schon  1804  sumSchuts  der  einhehnisehen 
Landwirtbschaft  das  Kornges^ts  durchgegangen,  weiches  einen  Ein* 
fuhrzoil  Ton  24^  Sh.  (8 1.  Thlr.)  auf  dea  Q.  Weisen  (fast  1 1.  Thlr.  auf 
den  BerL  SchcE)  feststeliter  so  lange  derselbe  unter  63  Sh.  galt 
Bei  dem  Preise  ron  63  Seh.  war  der  Zoll  aber  nur  per  Quarter  2  j  Sh. 
und  bei  dem  Preiae  über  60  Sh.  sank  er  auf  eine  hioaae  for^ 


♦)  Maccnlioch  a^  a.  O.  Th.  II.  S.  80  u.  106. 


Das  Britische  Reich.  415 

melle  Gcbfthr  von  \  S^b.  per  Q.  -Aber  in  den  Jabren  tSfH'^H' 
war  der  Weisenpreis  niemals  bis  anf  Od  Sb.  per.  Q.  berunter- 
gegangen,  also  bestand  dem  C^setse  naeh  gar  Icein  Cinfubrz^ll 
auf  ausiftnilisehes  Getreide  für  diese  Zeit  In  den  J.  1806  und 
1808  und  1800  betrag  inzwiscben  bereits  die  Autltibr  aus  Ir- 
land nacb  Grossbritannien  mebr,  als  die  GesammteloAibr  des 
fremden  Getreides  aus  allen  übrigen  Staaten  und  den  Britischen 
Kütoiiien  in  Nordamerika  zusammen  genommen,  1808  war  es  schon 
tier  sechsfache  Betrag,  und  auch  1800,  wo  doch  750,000  Q.  eingeführt 
wurden,  stand  bereits  die  Differenz  auf  mehr  als  18j,000  Q.  zu  Gun- 
sten Irlands.  Nur  das  J.  .1810  verlangte  Grossbritannien  wieder  eine 
ausserordentliche  Einfuhr  von  1,665,000  Q.  (8,807,850  B.  Seh.)  aus* 
Iftndisehes  Getreide,  für  einen  Gesaromtpreis  von  mebrals'^7,000,QOO 
<ä  St.  (40,000,000  lliir.),  als  der  Quarter  Weizen  abermabmuf  112 
Sh.  stand,  und  nebenbei  doch  noch  aus  Irland  die  Einfuhr  von 
632,840  Q.  Ebf er,  Weisen  und  Buchiveizen.  Im  J.  1811  war  bei  der 
guten  Erndte  die  Einfuhr  überhaupt  gering,  aus  Irland  430,  fto  Q., 
aber  doch  noch  200,OOOQ.^ehr,  als  aus  allen  andern  Ländern  zusam- 
men. Die  beiden  letzten  Jahre  vor  dem  ersten  Pariser  Frieden  1812 
und  1813  verlangten  eine  Einfuhr  von  1,577,432'Q.,  und  die  Hälfte 
sovielans  den  übrigen  Staaten,  w&hrend  der  Preis  des  Weizens  wieder 
sein  Maximum  über  120  Sh.  erreichte,  und  auek  die  anderen 
Getreidearten  auf  einen  höheren  Preis  als  jemals  kamen. 

Aber  bei  der  Wiederherstellung  des  allgemeinen  Handels  in 
Europa  durch  den  Pariser  Frieden  kam  eine  solche  Zufuhr  von 
fremdem  Getreide  nach  England ,  wodurch  die  Preise  plötzlich 
sa  überaus  shirk  sanken ,  dass  die  bocb  gesteigerten  Pachtcon- 
tracte  von  den  Farmers  nicht  mehr  eifÜlit  werden  konnten. 
Billige  Rücksicht  auf  die  Zeitumstände,  um  demgemäu  durch 
bestimmte  nach  den  gefallenen  Getreidepreisen  regulirte  Pro- 
cente  Eriass  die  Zahlung  der  fälligen  Prachtgelder  zu  erleich- 
tem, fand  nur  bei  wenig  billig  denkenden  grossen  Gutsbesitzern 
Eingai^.  Die  meisten  machten  von  den  hierüber  vorhandeiken 
harten  Gesetzen  Englands  Gehrauch,  beim  Ausbleiben  der  Pacht 
den  Farmer  sogleich  von  seinem  Hofe  zn^  werfen  und  sich  an 
seiner  ganzen  Ha^be  zu  halten.  Doch  der  eigene  Vortheil,  sowie 
das  dringende  Anliegen  der  Pächter,  die  auch  bei  der  grössten 
Anstrengung  unfähig  blieben,  ihre  aiif  unnatürliche  Zeitumstunile 
begründeten  Verpflichtungen  zu  erfiilien«  bestimmte  die  Mehrzahl 


416  Pa«  Britisch«  Beicb. 

d«r  LoiiU  wnA  diß  reiohtten  Hilglittdtr  im  Unterhimett.  dortli 
Aepdenuigeii  ^i  dpr.  Kofng Cietsgebuog  die  Ziifiüur  fmoden  Ge- 
treides mdglffhiC  SU  erfc^weren,  oder  viflUg  sa  YerUiideiii,  lun 
dorch  einen  geiHfaen  und  möglichst  liehen  Zinsenertrag  ihror 
lA  dem  (Jnindhesifs  angelegten  CapjtnUen  siabet  Jta  stellen.  Auf 
solche  .Weis^  •i€gi9  euch  in  dem  Britise|ien  Stasts» Innern  da« 
Prirat'Interrcsse  Qber  das  Staats -Intenresse  und  4as  allgemeifle 
Wohl  ihres  Landes»  £(ehon  in  den  Parlaaiinttdehatten  des  J. 
äSU  wurde  eine  SeaU  Air  den  ZoU  auf  die  Gei^reide-Einfttkr 
gf#ordrrt|  die  unter  dem  Preise  von  M  Sh«  ffir  den.  Weiseo 
(4  Thlr«  fbr  1  BerL  Schfl)  gar  nieht  gestattet  werden,  aW  bei 
dem  hohem  Preise  mit  64  Sh.  einen  ZoU  v^n  24.Sh.  attf  don 
Quarter  auflegen  sollte,  der  bei  jedem  BK  hlMkeren  Preises  auf  ei- 
nen SL  itiedrigen  ZoUgebÜhr  fiel^  also  bri  6$  Sb.  Preis  23  Sb. 
Zell»  bei  66  ^\u  Preis  22  Sk  ZoU  n,  s.  w.,  bis  bei  88  Sb«  •> 
Preis  die  Einlubr  ohne  aUen  ^11  freigegeben  wüt^e.  Das  aus  den 
britbeben  Colonien  eingeführte  Getreide  sollte  indess  nur  die  Bilfte 
des  Zolls  entriehten.  Degegen  lehnten  pich  nun  dje  Manufaeture»- , 
Besitaer  und  Arbeiter  auf,  die  in  der  technischen  Cultur  die  Coneut- 
rens  mit  dem  Auslande  nur  dann  behaupten /SU  können  vermeinten, 
venu  dnr^  die  wob  Heilen  Preise  der  Ptoduete  des  Ackerbaues  und 
der  Viehzucht  ein  niedriger  Arbeitslobn  möglich  geniadit  würde. 
Versaromlungen  wurden  darüber  in  aUen  PabrilMt&dten  gdialten, 
inan  drohte  mit  offenem  Widerstände,  das  Ministerium  war  un* 
entschlossen,  und  erwartete  eine  günstigere  Stellung  dieser  Ange- 
legenheit wiederum  mehr  von  den  Zeitumstilndeni  als  von  dem 
eigenen  Einwirken*  Nach  heftigen  Kämpfen  im  Parlamente  1815 
wurde  auf  dem  Verraittelungswege  von  Robinsc(n  (dem  nuchherigen 
Viscount  Goderich,  jetsigen  Grafen  von  Ripon)  einp  Getreide-Bill  in 
beiden  Häusern  angenommen  und  Staatsgesets.  Da  dassdbe  noch 
l^eute  die  eigentliche  Grundlage  der  Britischen  Com  -Laws  ist,  und 
nur  späterhin  Modifactioncn  erhalten  hat,  so  bedurfte  es  an  dieser 
Stelle  eine  so  weitläuftige  Erörterung.  Denn  der  jetzige  Zustand 
der  Korogepetsgebung  diesee  Staates'  bietet  auf  gldcbe  Weise 


^1 


"^y  Die  entscbiedenstea  Tofies-Gutdbefli(2er  tetlangien  XWar  so- 

eine  Steigerung  des  Preises  vom  Weizen  bis  auf  100  ttndl20Slw, 

nn  die  Einfuhr  ohne  alle  ZoUbelasiung  frei  gegeben  werden  soUle. 


/■^ 


Das  Britische  Reich.  417 

/ 

dem  InlfuiAe^  vie  d<Bm  Attsltnde  ein  grotsartiget  Interette  dai^ 
Weil  er  auf  eine  der  flauptrichtoiigeB  hindeutet,  die  in  ded  n&ch* 
aten  Jahren  die  innere  Politik  Englands  fettein  wird. 

Naeh  dieaem  Cretetie  konnten  alle  Arten  fremden  Getreidea 
und  Mehla  seil  frei  in  tämmtiiche  H&fen  Grottbritannient  und 
Irlands  eingeführt  werden,  wenn  tie  unter  königliehen  Vor« 
achlutt  aufbewahrt  und  von  hier  wieder  weiter  naeh  dem  Ans* 
lande  versandt  werden.  Zur  inneren  Consumtion  durfte  es  aber  nur 
dann  aus  dem  Auslande  eingebracht  werden,  wenn  der  Quarter  Wei-^ 
sen  80  Sb.  (Berl.  Seheff.  =:  5  Thl.),  der  Quarter  Roggen,  Erbsen  und 
Bohnen  63  Sh.  (B.  Seh.  3|  Thl.),  Gersie  40  Sh.,  (B.  Seh.  7.\  Th.), 
Hafer  26  Sh.  (B.  Seh.  \\\  Th.)  im  Durchsehn ittspreise  hier  gel- 
ten: f&r  die  Britischen  Colonien*  Wurde  der  Noirmal-Preis  für  er- 
laubte Zufuhr  für  den  Weisen  auf  67  Sh.,  Roggen  44  Sh., 
Gerste  33  Sh.,  Hafer  22  Sh.  festsetzt  Man  heff^  dadurch' 
von'  Seiten  der  Landbesitzer,  indem  man  die  Zufuhr  fremden 
Getreides  bei  wohlfeilen  Preisen  gänzlich  untersagte,  jene  Scala? 
Preise,  oder  doch  nur  wenig  darunter,  als  ziemljich  feste  im  Lande  zn 
erhalten.  Naeh  6  lehren  wurde  1821  die  Abänderung  bei  dem 
Komgesetze  getroffen,  dass  die  Einfuhr  fremden  Getreides  schon 
bei  70  Sh.  für  den  Weisen^  46  Sh«  für  den  Roggen,  35  Sh.  fÖr 
die  Geräte  und  25  Sh«  für  den  Hafer,  aber  gegen  einen  Aqfschlags« 
soll  von  12  Sh.,  für  den  Preis  zwischen  70  und  80  Sh.  und  von 
6  Sh.  für  den  Preis  zwischen  80  und ^85  Sh.  frei  gegeben  wer« 
den  sollte:  bei  dem  Preise  über  85  Sh.  für  den  Quarter  blieb 
durchweg  eine  kleine  formelle  Zollgebühr  von  1  Sh.  Die  Ge- 
treidepreise aber  «hoben  sich  bis  zu  dem  Jahre  1 826  gar  nicht, 
so  stark  in  die  Höh^,  dass  dieses  Gesetz  zur  Anwendung  kom* 
men  konnte:  ^  dagegen  wurde  die  Getreideeinfuhr  noch  ans  Ir-i 
land  nach  Grossbritannien  von  Jahr  zu  Jahr  stärker,  sie  .stand 
in  den  Jahren  ]8l8-*25  durchschnittlich  stets  über  1,500,000 
Qnarter  und  erreichte  1825  sogar  2,203,962  Q.  als  Maxin^um. 
Aber  der  Brennpunkt  des  Englischen  Volkslebens,  £e  technische^ 
Cultur  und  der  Handel  litten  ausserordentlich  unter  den  Korn- 
gf^setzep»  in  dem  reichsten  Lande  der  Erde  wucherte  Hungers- 
noth  bei  den  Fabrikarbeitern,  weil  diesfDlben  für  ihren  nach  den  Prei" 
sen  des  Continents  erniedrigten  Arbeitslohn  nicht  diese  erzwun- 
genen. Brodpreise  zahlen  konnten.  Die  Majorität  im  Unterhabe 
hielt  sich  jetzt  überzeugt,  dass  die  bestehenden  Koragesetse  ge* 
Soäibert's  Ststistik  If.  27 


4)3.  Das    Britilc'heBeicfa. 

liid«Tt  Verden  Bfluten,  uA  ■<>  mehr  als  die  Dürr«  4m  Sonmern  . 

i&iO  BcKon  «ine  nioluentitne  Abhülfe'  fBr'lloggen  und  Sommer- 

getreiile    nothweadig    gemacht    hatte.      Pk    nahm'  <lai   leiteDile 

Ministerium  lelbat   fiir  aciue  ftechnung  diese  Angelegenheit  aaf. 

und  fanning  brachte  in  Uebereiaatimmung  mit  Gfuf  Liverpool 

am  I.  Mars  1827  eine  neae  Kombill  ina  Unterbaui,  welche  eine 

beständige   freie   Einfuhr  des   Getreides    unter    der  Hülfe    einea 

ateigendcn    und    fallenden  Zolls   vermittelo  sollte.      Dieser  Zoll 

sollte  in  genauester  Uebere  in  Stimmung  mif  den  Getieidcprcisen 

h  den  väch  entliehen  Durchs  eh  nittsp  reisen  der 

lunüchst  umherliegenden  Grafichaften  normirt 

cala  wurde  dcrgeatalt  angenommen,  dasa  bei 

Weizen 20  Sh.  Einfuhnoll 

Roggen,  Erbsen,  Bohnen   IS  Sh.      —    — 
Gerste  ......'  It)  Sh.     —    — 

Hafer    ......         >  Sh.      —    — 

Nahm  bei  dem  Weizen  'der  Pfeia   um    1  Sb'. 

DÜum  2  Sil.   fallen,  also  bei  61  Sh.  P^isj 

bei  62  Sh.  Preis,    der  Zolt=IßSh.  u.i.w.; 

eile  von  70  Sh.  der  Zoll  auf  I  Sh.  zu  kommen, 

iben  sollte.    Im  entgegengesetsten  Falle  sollte 

Preises 'unter  60  Sh.  uojk  jeden  SK.  Abnahme 

wachsen,  also  bei  59  Sh.  Preis  der  Zoir:=22 

ia,    der  ZoII=i24Sb.  u.i.w.     Bei  den  übri- 

)llte  cia  durchaus  gleiehea  Verh&ltoiss  eintre- 

ind  Zunahme  dei  Zolls  nur  um  einen  Sh.  stei- 

1  iwar  der  Roggen  u.  s.  w.  bei  50  Sh.  Preis, 

h.,    der  Hafer  bei  28  Sh.  und  darOber  ein^ri 

für  den  Quarter  behalten.  Diese  Kornbill  ging 

it  einigen  wenigen  wesentlichen  Amendement«, 

it  des  Weisens  auf  02  Sh.   und  des  Hafera 

Anfang  der  Wirksamkeit  der  Scala'  verlang-' 

;  durch,  wenn  gleich  nur   mit    einer   gerin-' 

gen  Majorita'L     Aner  im  Oberhause  wirkte  der  gleichzeitige  Mi'' 

aistervechaet,  Weleheri  das  Aiisschelden  des  Grafen  Liverpool  ver- 

onrasste,  sehr  unj^ilnstTg   auf  die  frSher  selbst  dieser  BUI  nicht 

gant  abgeneigten  Toriea,  und  ein  Amehdemeot  des  Herzogs  von  Wel-' 

lington,  welches  die  Einfuhr  des.fVeizeD«  gana  unterdrflckt  faalien 

wollte,  so  lange  der  Preis  unter  66  Sh.  (4i.Th.  fflr  I  Berl.  Seh.)  stiinde, 

witrde  von  den  Paera  angenomman.  tJntir  diekenUmattlnden  hielt  Can- 


Daa  BrititfcJie    Beick  419 

feiiBg  M  f8r  «Im  n^samite  die  BÜl  ?ftllig  nurfickfunelmi«!!»  und 
die  nothwendige  Reform  der  Cprn-Lawi  einer  gel^nem  Zmik 
aufzusparen  9  weil  ihr  wohlthatiger  Cinfluu  durch  dietet  Amen* 
dement  gans  vernichtet  vorden  wäre. 


I 


Canning^i,  Tod  brachte  nack  kurxer  Verwaltung  des  tom 
Viacouni  Goderich  gebildeten  Minitteriums  den  Henog  Tftii  Wel* 
lington  an  die  Spitze  der  Staattangelegenheiten»  der  nun  den 
modificirten  Vorscbiag  teinea  poetischen  Gegnera  aufnahm  und  es 
ab  ein  neues  Komgesetz  1828  durch  beide  Häuser  durchfuhrt  Dies 
bat  sich  bis  zur  g^enwärtigen  Stunde  tretz  aller  stürmischen 
JUigriffe  im  Unterbause  und  in  den  öffentlichen  Blättern,  trotz 
der  wahrhaft  bedauernswerthen  Lage  der  Fabrikarbeiter  in  sehr 
vielen  Grafschaften  erhalten.  Es  gestattet  die  Einfuhr  aller 
Getreidearten  .geg^n  einen  bestimmten  Zoll  ijix  'einen  bestimm- 
tSB  Ooichschnittspreis:  und  swar*)  fiir  den  Quarter  Weizen 
.  ^,,    hei  i54  3hr.Pireb. gegen  einen  Zoll  Ton  23}  Sh«  i 

—  65    . •    •      22J  Sh. 

—  66    .    '• il\  Sh. 

—  67 20|  Sh« 

Darauf  fällt  der  Zoll  nn^  2  Sh«  für  jeden  Sh.  üiftheren 
Preis  bis  70  Sh;  dann  um  3  Sh.  bi«  72  Sh.  Preis,  so  dass  bei 
72iSh.  nur  noch  ein  Zoll  von  61  Sh.  zu  entrichten  ist;  dann  fällt 
der  Zoll  für  den  nächsten  Sh.  höheren  Preis  .uim  4'  Sh.  und 
bleibt  fes^  auf  I  Sh.  für  jeden  Quarter  Weizen,  der  höher  als 
73  Sh.  verkaufib  w|rd.  Fällt  dagegen  der  Preis  unter  63  Sh., 
so  nimmt  der  Zoll  nur  um  1  Sb«  zu  für  jeden  Sh.  geringern  Prei* 
ses,  also  bm  63  Sh«  ist  der  Zoll  24|'Sh.,  t>ei  62^Sh.  ist  der 
Zoll  25}  Sh.  «u.  s.  w.  Auf  ähnliche  Weise  ist  das  Verfahren 
eingerieiilet  bei  der  Gerst*)  für  den  Preis  von  34  $h.  ein  Zoll 
Ton  12}  Sh.y  bei  dem  Roggen,  Erbsen  undBohnen  für  deh  Preis 
Ton.37  Sh.  ein  iZoU  von  J5}  ^h.,  bei  dcm^Öfifer  fftr  ,dei  Preis 
Ton  26  Sh.  ein  Zoll  vpn  Ol  Sh.:  nur  soll  bei  allen  diesen' Ge- 
treideartea  die  Verminderung,  und  Erhöhung  des  Zolls  für  jeden 


t 


,    t)  Qas  Geseta  ist  ^^eckmassig  ausgezogen  bei  Mäcculloch  a. 
a.  O.  II.  S.  100-102, 


^         j> 


410  Das  Britische   Reich. 

Sh.  F^efi  hm  11  Sh.  •tsttfiadM,  da»  M  SS  8b.  Prri«  fQr  «len  ~ 
Raggen  «in  Zoll  von  14'8h.  n.  ■.  w.    Wu  dhg<f(«n  di«  Einfuli« 
Mit  4aa  BritiMhen  Colonlen  ■nbefitiff^  so  iat  ßr 

d«n  Q.  Weüen  ein  Zoll  von    .    i    i    .    .    .        6  Sh. 
->      Qmtn 3  Sh. 

—  RoQ^,  EibMn  u.  Bohnen    t    .    .    .        3  8h. 

—  Hftf«r       2|  Sh. 

fet^^eietit,  •»  Unga  der  Preis  anter  den  f9r  du  suUniliMfcs 
Getreide  lom  Anfange  der  Zotlnala  gegebenen  Normkltiltxm 
bleil)'t:  erreicht  er  aber  dieae,  bUo  bei  dem  EUfer  26  8h.,  bei 
der  Genta  34  Sh.,  bei  dem  Roggen  30.,  m  rinkt  der  Zoll  fllr 
jeden  Qoarter  auf  ein«n  halben  Shilling  hentb,  wodureh  die 
Eittfohr  «na  den  Colonien  aniMrord entlieh.  begOnatig^  und  bei 
dem  mit  jedem  Jalire  mehr  aufblühenden  Aekerban  in  denielben,  die 
Znfiihr  ans  Niehtbritiachen  Lindem  nach  dieiam  Geietae  ßr  die 
Zukunft  inir  nnter  den  aeltenaten  CmiUtaideil  nSgUch  gemacht 
wird.  Dennoch  aind  in  den  enten  drei  Jahna  naeli  dieaem  Go< 
■eta  Tom  16.  Juli  1828  Ua  nun  31.  Jnli  1831 

4,020,02g  Quarter  Weixea 
1,188,054  —  Hafer 
916,262  —  '  Gents 
'  667,949      —        Rofsien,  Eibaen»  Bohnoi,  Mak 

uarter  (38,421,282  Berl.  Seh.)  susammen  fua 
Itaalen  sum  Verbraneh  in  Groiabritanoien  ein- 
0  Zoll  2,090,951  S  St  oder  14,678,857  Th.  ein- 
araen  noch  1,812,0074  Cntr.  Mehl,  die  156,382, 
4Th.  Zell  erforderten.  Aui  den  Brititchen 
lesi  nur  137,30$^  Quarter.  Getreide,  fast  aut-" 
nnd  89,391  Centr.  Mehl,  in  den  darauf  fol-. 
bis  tum  Juli  1835  iat  aher  die  Einfuhr  hltchit 
len,  da  die  Emdten  entweder  gani  gute  oder' 
«n  aind,  nnd  den  Bedarf  befriedigend  gedeckt 
id  auch  dio  Getreidcpreiie  ausser  ordentlich 
Teilen  vom  Dnrchtchnitts preise  des  Tahres 
lia  auf  394  SK.  im  Apiil  1835,  welcher  bia 
jetzt  ala  daa  Minimum  dea  Preiiei  für  Weizen  während  ilie- 
■ea  Jahrhunderta    in    Groasbritannien   betrachtet  werden  kann. 

Waa  den  Gar  tenban  anbelangt,  80  wird  daa  Gemfiaevartref» 
tidmd  in  reidtUtfierHeDga  angebaut  DaaO  b  tt  ec&eot  lieb  toriiUt* 


Das  Brititcke  Beiclk:  111 

cfaMT  gtiiligwea  M^f{o  mA  gMSkt  nr  wmaSi^BA  ia 
•UwwtiitlMa  ChalMksfiMi  En^uAi»  wo  «idi  noA  Cjd^bo- 
rvitet  wird,  ^ntar  dflii  PfUnm.  wl  Krialeni,  die  ia  giBwefia 
Mawn  fir  Gewerbe  aagebeat  vacdea»  ninail  der  lof  die  Bier* 
Waneveiea  podiwendige  Hopfeabaa  eiae  Tenigiieke  Stelle  da. 
BcTttte  182&  worden  46|7U  Aeree  aü(k  He^ea  ei^(^flanit».  wd- 
dier  42^200  %  St  Ceiiramtione*Stener  eintrog.  NAehstde»  darf 
iMeh  der  Haaf  -  and  FUebeban»  def  fiber  daa  ganae  BeUi. 
wmi  aaaMiittifh  fibcr  Irland  anagedebat  in»  erwftliaC  weiden. 
Celqehettn  gab  acinen  darebacbaittiieben  Er«n«  ftr  die  entea 
xweif  Jahre,  dea  gegeawlrtigea  Jabrbuidecta  anf  AfiOOfiOO  9  St 
an,  aber  die  obte  berepta  gettefierte  Angabe^  Toaa  Jahre  1833  ge« 
iHkbrte  eiae  tut  dreiaul  eo  bebe  Sehbiieg, 

I 

1^  Die  Viebaaekt  darf  na  Allgetinea  anf  «ae  aecli  eal- 
aaUedenere  Weiee  ak  der  Adceriwa  Ite  Cfareealaiteani«i  giftthttt 
weriea,  ee  daaa  wenn  aaf  alle  ThiHe  ne^eieb  RAdEafebt  ge^ 
nenunea  wird,  'dieeer  Staat  keaaea  ihaa'  ?«Uig  i^eiebea^  Nd»ea- 
bnbler  fiadea  daiite. 

England  nnd  Irland  dnd  aber  ancb  Ten  derNalnr  her  dnrdi 
TeriiUtniasaiiMig  aebr  reidbe  und  kriflige  Wieaen  für  die.Vieb- 
maeht  ftberaot  glQcklieb  nnteratfitst  Oeaara  ungeachtet  würde  die 
greaae  Maate  dea  Viehatandea  nidit  erhalten  werden  können,  wenn 
nicht    der    atarice  Fütferkrauterban    in  England   die  Erhaltung 
deaaelben  mdglich  machte.      Der  geaammte  Werth  dea  Viehatan- 
dea wurde  beretta  Ten  Colquheun  Iii^l812  auf  183,000,000  <S  St 
aogq^eben,  iinff  aber  g^enwürtig  weit  Aber  280,000,000  ft  St 
(1,060,000,000  Th.)  hinaua.    Der  jlüirliche  Ertrag  wurde  für  1833 
anf  01,O0Q»00O  <ä  St  (637,000/)00  TL)  berechnet,  und  ee  darf  wohl 
bicr  kanat  erinnert  werden,  daaa  btt  dem  acheinbarenErtn^  von 
32  Procent  dea  geaaaunten  Werdiea,. weder  die  Menachen-Kräfte» 
die  dasn  Twwandt  werden,  nocb  der  Ertrag  dea  Toa^  dem  auf 
Wieaen*    und    Weideland    angelq^   Capitala    und   eben    aa 
wenig  der  Wertb.  dea  Düngera  und  dea  dadurcb  in  benehenden 
NttiBc&a  in  Anachlag'  gebracht  aind.      Welch  dn  achwunghaf* 
ter  Umeati  abfr  in  England  allein    an  dem  auf  Viehmiikten 
▼erfcanfbaren  Vieh  atattfindet,  geht  aua  den  Reaultatcn  der  aua* 
geseiebaetaten  VichqArkte  benror.    Hier  aiamit  die  eote  Stelle 
derL(Mido|ManC4eBe8ieiMcUiPlaa»iader€Hf  ebi.  Bcnüaaa 


421  Das  Britische  Reich« 

iahl%  19^  wurden  700,839  Schanfe  und  107,348  St  Riadrieh 
hier  yerkaaft,  im  Jahre  1824  aber  1,239,720  Schaafe  und  163,615 
St  Rindyteh  und  260,000  St  Schweine* 

Dai  Rindyieh  ist  hier  allgemein  von  trefRieher Beiehaffen* 
heit,  ansgezeiehnet  dnreh  6r5t«e,  kraftvollei  Fieifch,  reichliche 
Milch*)  und  gewaltige  Arbeitslcraft  Im  Jahre  1818  worden 
10,000,000  St  Rindrieh^geifthlt,  darunter  ein  Diittheit  Kühe,, 
ein  Seehstheil  Hastvieh«  die  Hälfte  Arbeits«  und  Jungrieh/  im 
Jahre  1824  10,500,000  Stück,  1831  =  11,200,000  St  Das  Eng- 
lische Pferd  bedarf  des  anerkennenden  Lobes  nicht,  da  sein 
Ruf  seit  anderthalb  Jahrhunderten  begründet  i$t  Aber  erst  seit 
der  Königin  Elisabeth  ist  die  Engtische  Pferdexucht  auf  eine 
grossartige  Weise  betrieben  worden :  wir  haben  eine  Angabe  über  die 
Gesammtiahl  der  Pferde  aus  ihrer  Regierung,  die  1588  nur  20,000 
Stück  überhaupt  lieferte.  Und  iwei  Jahrhundeite  sp&ter  wies  schon 
Ardiur  Young  für  Grossbritannien  und  Irland  1788  =z  1,750,000 
PfSsrde  nach,  und  eine  so  reichliche  Ausfuhr  derselben,  dass  in 
den  vier  Jahren  1785-^8  Frai^kreich  allein  für  «^000,000  ThK 
Pferde  aus  Grossbritanien  sog,  Colquhoun  schätat  für  das  Jahr 
1812  die  PferdeMn  allen  drei  Reichen  auf  1,800,000  St  Gegen- 
wärtig rechnet  man  die  letztere  Zahl  allein  für  England,  und 
darunter  1,200,000  Pferde  für  den  Ackerbau,  und  600,000  Pferde 
für  den  Luxus  und  Gewerbe.  Ausserdem  beftnden  sich  noch  in 
Schottland  und  Irland  400,000  Pferde,  ako  überhaupt  2,200,000 
St,  also  ungefähr  auf  10  Seden  der  Berdlkerung  ein  Pferd.  — 
DasSohaaf  stand  in  der  eigenthümliehen  Englbohen  Raoe  schon 
im  i(iebsehnten  Jahrhunderte  in  hoher  Achtung  und  wurde  allein  dem 
Spanischen  nachgesetzt,  so  dau  die  Ausfuhr  eines  Widders  nach 
einem  widrig  harten  €ksetze  mit  dem  Verluste  der  linken  Hand  he« 
straft  wurde  **)•  Die  ausgezeichneten  WoUmanufaeturen  des  Landes 
haben  aber  die  Schaafaucht  in  den  letzten  funfiehd  Jahren  so  aussen 


^  Eine  gute  Koh  Englischer  Race  gewahrt  tSgKch  bis  30  Ber- 
liner Quart  Milch,  also  im  Durchscbniit  um  33  Proc^nt  mehr  als 
«lae  ausgezeichnHe  Niederunger  Kuh.  im  Preussischen  Staate,  ^ 

^)  Das  Gesetz  Ist  zwar  noch  nicht  förmlieh  atifgehöben^  vjrd 
jedocii  uageadiiei  4er  strengen  ZoUaoisichttberaus  häufig  umganjsen. 


Das  B.ritische  Beick  423 

ordendteh  gdiolieii»  iait  das  EnglUelie  Schui^  wdeliet  in  4dur«reii 
beerdenweifa  gebalten  vird,  in  den  feineren  dae  Spanisehe  theil« 
weiae  efreidit  und  überholt  bat,  jedoeh  im  WoUertr^^  deqi^ 
feiotten  Elettoral-Schaaf  noch  bedeutend  nachsteht  In  Sehottland 
und  Irland  ist  die  Sdiaafkueht  mehr  snrückgeblieben,  sowrobl  Waa 
den  Umfang  derselben,  als  was  die  Feinheit  der  Sdiaafe  anbetrift. 
Der  Bestand^  des  Sehaafviehes  wurde  Ton  Arthar  Young  Imeits^I  78S^ 
nof  27,000,000  St  ffir  die  drei  Reiche  angeschlagen,  wekhe  Zahl 
•eho|i  damals   das  Doppelte   der  menschlichen  Bevölkerung  er* 
nfiehte,   während  im  gewöhnlichen  Verhaltnisse  auch  bei  einer 
btihenden    Sefaaafsucht    der    Schaafbestand    sur   Henschensahi 
wie  1 : 1  verbleibt^  oder  doch  nicht  riel  darüber  steigt      Colqu- 
faöun  gab   für   das  Jahr  1812  die  Zahl  ¥on  42,000,000  Schaafen 
an,  und  1831  wurde. diMelbe  bereits  über  60,000^000 St  gesch&Ut, 
ifOTon   allein   in^  England  und   Wales   36,000,009  St   gehalten 
wurden:   in  beiden^  F&Uen   also  wiederum  noch  etwas  über  das 
Doppelte  der  menschlichen  Berölkerung.  —  Ziegen,.  Esel  und 
Maulesel  werden  kiur  in  geringerer  ^ahl  und  yereinselt  gehal- 
ten, so  dfss  auch  keine  Schfttxungiangaben  sich  TorfindenK     Das 
Seh  wein  steht  gleich   dem  Rindrieh   in  der  Englischen  Vieli- 
sucht   durch  Grösse  und   kraftvolles  Fleisch    ausgeaeichnet  da. 
Young  gab  für  1788  2,079,000  St,  Colquhoun  1812  über  §,000,000 
St  an:  in  der  Gegenwart  schiltst  man  ihre  Zahl  gegen  6,000,000 
i^t,  Jedoch  in  sehr  schwankender  Angabe,  wie  es  denn  bei  die* 
sem  Zwe!ge  der  Viehzucht  natifiich  ist  —  Demnach  würde  die 
GesammtsaU  dei^  grossen  Thiere  der  Britischeii  Viefaaucht  jSber 
70,000,000  Stück,   oder  beinahe  da»  Dseifaehe  (genauer  2{.)  der 
menschlichen  Bevölkerung  betragen.  — -  Aber  auch  das  Federvieh 
macht  -durch  die  grossartige  Zucht  ein  nicht  unbedeutendes  Element 
des  Nabruhgauständes  für  die.  Farmers,  namenüidi  was  die  G&n* 
sezucbt  anbelangt,  so  da/19  die  Gi^nse  heerdenweise  xu  4000  bis 
iM)0O  Stück  mm  Verkauf*  nach  London  getrieben  werddn. 

c)  Der  Seidenbau  und  die  Bienensucht  finden  hier  • 
nur  ihre  Stelle^  wei^  sie  bei  den  übrigen  Staaten  gesondert  be- 
trachtet werden,  aber  jener  hat  in  den  drei  vereinigten  Reichen  der 
climatischen  Verhältnisse  nur  versuchsweise  Aufnaiinie  „erlangt,  ist  1 
ausserdem  aber  ausschliesslich  auf  den  Inseln  Malta,  Gozzo  und  Co- 
mino  .als  Nahrungsiweig  dieser  loselbewobner  anzusehen.  Die  Bie- 
nfn;iuehl  hat  nur  eine  sehr  ui;ilergeor(|ne^  Stelle,  am  meisten 
wird  sie  in  Schottland  und  auf  den  Normannischen  (nsela  gepflegt. 


4^4/  Das  Qrltiach«  R«i«li. 

4)  ^ortttti^ht  und  Jagd«  Der  Wsldanba«  wiM  «befall, 
jßto  er  nicht  durch  da«  Jagdrcrgnilgen  al«  eine  Ergötzung  der 
Reichen  ei&igermaagsen  gefördert  wird,  durchaus  TemachllUsigt; 
Der  fiberam  '  groMC  Reichdram  an  Steinkohlen  lähmt  noch  für 
Jahrhunderte  die  FQrsorge  auf  Holz  alt  Feuerungtmittel  bedacht 
jra  idn,  wiewohl  selbst  ini  Schottland  das  Holz  sehr  stark  ab* 
nimmt:  aber  auch  die~  schwunghafte  Betriebsamkeit  in  'dem  Eng- 
lischen Ackerbau  Terhindert,  so  lange  noch  in  andern  Ländern 
Europas  und  Amerikas  wohlifeil  Holz  zu  haben  ist,  die  durch  die 
Industrie  vernichteten  Wälder  wieder  zu  begrOnden«  Daher  sind 
in  Eingland  und  Wales  bis  auf  5  kleine  Fönten  keine  mehr 
anzutreffen,  in  Irlahd  Ist  gleichfalls  fast  nur  niedriges  Gesträuch 
anzutreffen.  —  Die  Jagd  wird  niigends  mehr  leidenschaftlich  alz 
in  den  drei  rereinigtea  Reichen  betrieben  und  eifrigst  durch  die 
atrengen  Jagdgesetze  genährt,  die  seit  Wilhelm'  dem  Eroberer 
mit  einer  unleidlich  druckenden  Härte  gegeben  and  lange  Zeit 
aribst  mit  den  grausamsten  Strafen  erhalten  wurden.  Aber  wenn 
gleich  an  einzelnen  Grcgenstilnden  derselben  eine  bedeutende 
Zidil  Ton  Menschen  ihren  Erwerb  finden  ^—  an  Hasenfellen 
allein  werden  Jährlich  für  mehrmals  250,000  %  St  (1,060,000 
Thir.)  in  die  Hutfabriken  geliefert  —  so  bleibt  doch  di^  Jagd, 
wo  wie  üi  England  das  Luxus-Vergnfigen  yon  dem  gewonnenen 
Ertrage  durchaus  nicht  gesondert  werden  kann,  ein  den  statiz- 
tischen  Abgaben  sich  flberali  entgehender  Zweig  der  phjsi-^ 
achen  Cultur. 

e)  Die  Fischerei  macht  für  Grossbritannien  und  Irland 
einen  aehr  bedeutenden  Zweig  der  physiichen  Cultur  aus,  der 
aber  nidit  nur  dnreh  seinen  starken  Ertrag  und  die  Besehäfti- 
gung  eines  ansehnlichen  Theils  der  Volksmasse  sein  alleiniges 
Gewicht  besitzt,  aondem  durch  die  Bildung  der  Matrosen  auch 
zugleich  einen  unentbehrlichen  politischen  Werth  für  dieBcman* 
nung  der  Flotte  dieser  grossen  Seemacht  erhält  Der  ansehn* 
liebste  Theil  der  Fischerei  wird  durch  den  sehr  einträglichen  , 
Walifiaohfang  an  Grönlands  Küsten  *)  daigeboten,  an  welchem 


^    deoresby»  aceount  of  the  Ardlc  Re^onSi  with  a  historj 
and  descriptioa  of  tli^  Northern  Wkale-fiaheiy,  Bdinbarg  810  2  voK 


^^^ 


Dftt  Britisehe  Seick.  4S5 

dk  Ba||lted«r  Mit  1504  einen  Mkr  thlt^  AaAtSL  ndmeii, 
aber  bis  sum  Fransöiigeben  Revolutiofiflkiiege  hierin  mit  dea 
Hollftndeni  niekt  gleieb  kamen»  aolfftaglieb  groese  Summen  dabei 
einbüMten  nnd  überhaupt  dieeen  Zweig  der  Rseberei  nur  dureh 
anmerordentliehe  Belohnungen  und  Begünatigungen  Ton  Seiten 
der  Regierung  beibehielten.  Seit  1788  gind  aber  die  Britten  die 
ersten;  eie  sandten  bereite  1788  265  Sehiffe  aus.  GUgenwirtig 
gehen  j&hrlieh  180  bis  270  Sehiffe  auf  den  WalUUehfang  aui^. 
der  durehsehnittlich  einen  Ertrag  von  050,000  <3  St  (4^550,000  Thlr.> 
abwirft  nnd  theils  unmittelbar  auf  den  Sehiffen,  (allein  12,000 
Matten  und  Schiffsjungen),  theils  mit  der  Bereitung  der  vom 
Wallfische  su  gewinnenden  Stoffe  über  100,000  Mensehen  be« 
sdiüftigt.  «—  Im  Heeringsfang,  der  namentlich  ron  den  Küsten 
Schottlands  aus  eifrigst  betrieben  wird,  blieben  die  Britten  im 
achtiehnt^  Jahrhunderte 'hinter  den  Hollindem,  Schweden  und 
D&nen  zurfidc,  aber  in  den  lotsten  35  'Jahren  schreitet  derselbn 
j&hilich  mit  starker  Zunahme  fort  Im  Jahre  1810  wurden  eAt 
65,430  Fitsser  eingesalsen  und  funfsehn  Jahre  später  bereits  der 
sechsfache  Betrag:  denn  vom  5.  April  1825  bis  su  demselben 
Tage  1826  waren  10,365  Boote  mit  44,508  Seeleuten»  3496  Sal« 
ser,  Kfiper  u.  s.  w.  und  27,947  anderen  Arbeitern,  also  überhaupt 
mit  76,041  Indinduen  auf  diesem  Zweige  der  Fischerei  beschäf- 
tigt Sie  hatten  einen  Fang  von  370,233};.  Fässern  Beeringe  ein« 
gesalsen,  wovori  27,073 j.  Fass  ausgeführt  wurden.  *  Im  J.  18}} 
wurden  von  11,248  Booten  mit  49,212  M.  Bemannung  382,677 
Fässer  Beeringe  gefangen  imd  eingesalsen.  -—  Der  Stockfisch* 
nnd  Kabliau-Fang  an  den  Kfisten  des  Brttiseheil  Nordameri- 
kas, namentlich  bei  New4^oundland,  sowie  aueh  a^i  den'  Euro- 
päischen Küsten,  Ist  in  diesem  Jahrhundert  "gegen  den  früheren 


6^  Ins  Deutsche  übersetzt  und  mit  Anmerkungen  versehen  rom  Fr» 
Kries,  Hamburg  1823  8vo.  Die  Dänen  uod  Isländer  treiben  denWall^ 
fischfang  seit  dem  nennten  Jahrhunderte,  die  Biscayer  seit  167^  die 
Holländer  fast  gleichzeitig  mit  den  Engländern.  Als  einer  der  er- 
giebigsten ^ängeaus  der  älteren  Zeit  wird  für  die  Engländer  das  J. 
1697  angeoMrkt,  In  welchem  192  Schiffe  auf  di^  WallfichsCing  aus- 
gingen nnd  1888  Wallfische  heimbrachten.  Im  J.  1814  kehrte  sogar 
ein  einziges  Sdiiff  mit  44  Wallfischen  zurück.  In  neuerer  Zeit  hat 
noeb  Hemburg  Schiiis  auf  dea  WaMfischfuig  an^gesandt. 


426  Das  Britische  Reich. 


n  ■    ,  ' 


Zuf tand,  gwtnkeiiy  namentlich  weil  4aa  Bedüifniig  na^K  diesem 
Fischt  durch  die  milderen  Sateongen  der  eatholischen  Kirche  ia 
Betracht  üuf  di?  Favtenspeisen  ^sich  beträchtlich  .verringert  hat 
Die  anderweitige  Küstenfischerei  wird  nicht  so  lebhaft  betrieben, 
als  es  wohl  bei  dem.|;rossen  Reichthum  an  Fischen  derselben 
geschehen  ki^nnte,  worauf  sicherlich  die  grosse  Vorliebe  des  ge- 
nieinen Britten  für  Fleischspeise  den  meisten  Einfluss  ausübt 
Es  Terdient  nur  noch  die  Filchard-Fischerei  an  den  Küsten  von 
(üomwall  Erwähnung,  indem  jährlich  von  diesem  Fische  durch- 
schnittlich über  150,000,000  Fische  gefangen,  werden ,  di^.  Lachs- 
Asoherei  in  den  Mündungen  der  grösseren  Flüsse  und  in  Irland 
besonders  am  Bann,  die  Schellfische  in  der  Grafschaft  York,  die 
Austern  besonders  an  der  Südküste  von  Elngland  n.  s.  w.  "^ 
Der  Gesammtertrag  der  Fischerei  wur^  von  Col^uhoun  füikI812 
auf  8  bis  9,000,000  <^  St  (geg.  60,000,000  Thlr.)  berechnet,  aber 
wie  es  nach  den  neueren  Angaben  ,nnd  den  ministeriellen  Aeusse« 
rangen  in  den  Parlamentsdebatten  erscheint,  zu  hoch  angeschla- 
gen. Für  das  Jahr  1Q33  wurde  der  Gesammtbetrag  auf  3,400,000 
^  St  (23,800,000  Thlr.>  angegeben,  welche  bedeutende  Differens 
zum  Theii  auch  aus  den  heruntergegangenen  Preisen  einiger  der 
wichterea  Zweige  der  Britischen  Fischerei  erklärt  werden  darf. 

f)  Der  Bergbau.  Betrachten  wir  denselben  nach  allen 
seinen  Zweigen  und  stellen  ihn  Jann  in  Vergleich  mit  dem 
Deutsoheni  so  steht  er  in  kunstmässiger  Bearbeitung  hinter  dem- 
selben zurüclf.  Dagegen  sind  einzeln^  Zweige  so  trefflich  und 
zweckn^s#ig  angebaut,  dass  sie  wesenüich  der  groissartigen  Ma- 
juifacturen-Industrie  dieses  Staates  in  die  Hände  arbeiten.  Die 
Geschichte  des  Englischen  Bergbaus  hat  aber  keinesweges  die 
zu  erwartende  Ausdehnung,  wenn  wir  uns  an  den  im  Alterthum 
dnrch  sein  Zinn  und  Blei  berühmten  Rnf  der  Insel  Britannien 
erinnern^.  Denn  technen  wir  jenen  Zweig  des  Beifbans  ab^  der- 
überdies  sehr  iingenügend  betrieben  wurde,  so  sind  die  meisten 
übrigen  Metallminen  kaum  zwei  Jalirhunderte  alt,  und  erst  seit 
der  Mitte  dei  vorigen  Jahrhunderts  mit  der  nothwendigen  Um- 
sieht in  grösserer  Ausdehnung  bearbeitet 

Auf  edle  Metalle  wird  in  GrossbritaimieQ  und  Irland 
nicht  gebaut,  und  selbst  der  beiläuAge  G^wimi  an  Silber  in  den 
Bleigruben  ist  durchaus  nnbtdeutend.    Die  reichsten  ^Hetallmi- 


\ 
I 


O'ui  Britische  B«i«I|.  4^ 

lien  lind  Jetet  die  auf  Kapfereri  upgebauten,  ronnigaweise  in' 
CornvaUil  und  Devonshire, '  Unter  der  Regierung  der  Königin 
Elisabeth  imden  wir  die  ersten  grösieren  Anlagen,  aber  erst  un- 
ter Wilhelm  lU.  wurde  mit  grdueTer  Lebhaftigkeit  gearbeitete^ 
alt  die  Regierung  ihre  Regallen* Ansprüche  auf  alle  unedle  Me» 
talle  (schlechte  E>ze)  aufgab.        ' 

In  den  Jahren  1726  bis  1735  lieferten  die  61  Kupfer -Berg« 
werke  Ton  Cornwall  (die  reichsten  Gruben  awischen  der  Sfadt 
Troro  und  dem  Vorgebirge  Lands- Elnd)  im  Durchschnitt  j&hrlioh 
700  Toonea*)  (14,000  Centr.  Pr.),  1775  bereits  2650  Tonnen, 
1708  gegen  5000  T.  und  in  den  letaten  Jahren  (bis  1834)  durch- 
schnittlich 11,200  T.  (224,000  Cntr.),  detfn  Werth  1^120,000%  St 
(7,840,000 Thlr.)  beträgt  Nächst  diesen  Kupferminen  in  Com- 
wallis  giebt  es  noch  recht  ergiebige  in  den  benachbarten  Berg* 
werken  von  Tavistock  in  Deronshire,-  im  Jährlichen  Durchschnitt 
mit  350  Tonn.  (7000  Cntr.),  in  den  Bergwerken  ron  Farja  und 
Mona  bei  Amiwieh  auf  def  nördlichen  Hälfte  der  Insel  Anglesea, 
im  jährlichen  Durchschnitt  mit  530  Tonnen  (10,600  Cntr.)  Die 
Kupferminen  bei  EU^on,  in  der  Grafkchaft  Stafford  sind  gegen- 
wärtig fast  gänslich  erschöffft:  wenig  ergiebig  sind  auch  die  der 
Grafschaften  Lancaster,  Westmoreland,  Cumberland,  Camarvon 
in  Wales,  auf  der  Insel  Man  und  in  d<^r  Schottischen  Grafschaft 
Kirckudbright  und  in  Irland«    Der  gesammte  Ertrag  der  Briti* 

sehen  Kupferbergwerke  war  S-  J'°-  'g  13,354  Tonn.  (266,000  Cnt) 

davon  1 1,185  T.  in  CornwaH,  l,i58T.  im  Fiirstenthume  Wales, 
575  T.  auf  Anglesea,  307  T.  in  der  Grafschaft  Devon  u.  s.  v.  Der 
Gesammtwerth  belief  sich  auf  1,334^500  %  St  (9,341,500  ThL)  **) 
Beinahe  dia  Hälfte.  ' 

Die  Zinn-Bergwerke  Englands  liegen  mit  den  Kopfef- 
grnben  in  nächster  Verbindung,  und  auch  Jär  tiesee  Metall  sind 


*)  Eine  Tonne  Ers  kSmmt  ziemlich  genau  wit  90  Cntr.  Preass.. 
fiberein»  Die  hier  angegebenen  Tonnen  sind  aber  reines  Erz,  das 
sich  bei  ien  Kupferminen  iu  Cornwall  zum  rohen  Brz  ungefähr  wie 
I  zu^^lS  verhält,  dürfen  also  etwa  mit  8  Proceni  angenominen  werden. 

X  «^)  Vergl  Maccollocb  a.  a.  0.  Tli.  II.  S.  1S9-& 


4S8  !>«•  B'titische  Beiclk 

dfo  nlAften  md.ttttni  Mi^i^D  In  den  6mfiMfa«fieii  ConwftH 
und  IWon.  '  Dati  der  PkÖokiMhe  und  <  CarCfeaguclie  Bandet 
Britbchet  TAxitk  ala  einen  ^liebten  OegenftAnd  teinei  Verkefira 
gebraodi^,  ilt  bekannt  Naph  der  Zerstdrung  Carthago'«  log 
akk  der  Zinnhandel  naeh  dem  iidliehen  Gallien,  fwaagüdl 
nach  Matsilien  nnd  Narbonne.  Im  Mittelalter  war  das  Englif^M 
Zinn  fast  anfschttesslich  bekannt,  da  Deutsehland  erst  seit  der 
Mitte  des(  dreixehnten  Jahrhunderts  auf  dieses  Metall  baute,  und 
die  Böhmisehen,  Russisehen,  PransÖsischen  und  Sohweiaerisehen 
Zinngruben  erst  in  der  neueren  und  neuesten  Zeit  eröffnet  sio4 
Zwischen  den  J.  1720—40  belief  sieh  die  j&hrliehe  Ausbeute  im 
D»:ehsehnitto  airf  2100  Tonn»  (42,000  Catr.)»  nnd  awkohen  den 
Jahren  1700  und  1800  auf  .3254  Tonn.  (6b,080  Cntr.).  In  deia 
Anfange  des  gegenw&rtigen  Jahrhunderts  waren  mehrere  Zinn* 
gruben  erschöpft  und  die  jährliche  Ausbeute  sank  unter  3000 
Tonn«;  seit  1820  ist  sie  aber  wieder  aHm&hlich  gestiegen,  und 
betrftgt  jetrt  durehschnittlieh  4650  Tonn.  (93,000  Cnftr.)^  deren 
Werdi  auf  300,000  %  St  (2,100,0d0  Thir,)  ansunehmen  ist 
Die  Kupfer-  und  Zinn*Bergwerke  def  Grä£iehaft  Cernwall  be- 
•ehItfHgen  gemeinschaftlich  15,000  Arbeiter,  ausserdem  aber  sind 
dabei  in  ununterbrochener  Wirksamkeit  70  Dampfmaschinen,  die 
eine  Gesammt- Kraft  Ton  5000  Pferden  besitaen* 

Die  Bleigruben  EInglands  haben  fast  gleiches  Sehiekaal 
mit  den  Zinnbergwerken,  doch  scheinen  bis  in  das  drebehnte 
Jahrhundert  nur  die  der  GrafschaH  Derbj  angebaut  au  sein.  Im 
Jahr  1280  wurden  die  reichen  Bteigruben  ^ei^  Fürstenthums  Wa* 
les  entdedct,  und  weil  das  dortige  Bleien  silb^altig  war,  mit 
grösserer  Sorgfalt  bearbeitet  *>•  Aussenlem  ^ind  sehr  reiche  Blet- 
gnAen,  die,  wie  die  meisten  Elnglischen  sehr  reines  En  liefern, 
in.  Sommersethire,  auf  den  Griknsen  von  Northumberland  und 
Cumberland,  und  die  yon  Leadshill  in  Schottland.  Die  ältesten 
Gruben  in  D^jr  und  Wales*^  sind  aber  dieilweise  gans  erschöpf^ 
thMweise  doch  in  starker  Abnahme.  Hacculloch  selbst  behauptet, 
dass  die  Ausbeute  der  Jetzigen  Ejiglisehen  Bleigniben  sich  nicht 
genau  angeben  lisst,  aber  er  liefert  eine  Tabelle  Yon  dem  jihr- 
lieh  ausgefilhrten  Englis6he9  and  ausUndisdiea  Bldij  welche  für 


•)  MacnUoch  a.  d.  O.  Th.  L  S.  Si8-*9i. 


Dia  BritircÜe  fteiek  4» 

.  '  •  .  '. 

die  Jiim  ]821--*30,  moli  irelthtr  4«rebMhRHtUoIi  rä  Sflgliiciitni 
Blei  gtgm  14^600  T*  (XdOflOO  Cent)  i«  ^V  in  Blöcken  und  R^U* 
>lei,  y^  nU  Bleiglfttte,  BUinreiM  und  BUien  im  AntUnd  g^ahrl 
•ind.  DehfT  ut  die  gewötuOi^e  Annuime  dea  dkhriKlMn  Er* 
ftragf  Ten  3OOV00P  Cnlto.  aieiier  sn  fering  nnd  dftrte  nii^t  naMT 
400^000  Cntr.  iMf^^nnefaiaen  nein*  0^  Freite  det  Bleu  «nd  mi^ 
eerofdentUeh  hqrnntar  gegangen  w4  betiegjai  jeM  die  BüUAe 
dm  Werdies  in  den  Jehren  liM^-f-U.  Bei  400^000  Ckitr,  wirde 
dedn  drr  derduehnittliehe  Werdi  neeh  der  Tabelle  Hbar  die 
Blelpreiae/)  39<)*00O  %  St  oder  ,2,600,000  Thliv  )ieln«en*  -^ 
Untmrden  Bleigirnbea  leiehnen  wir  .neeh  beeendora  dfe  anfBeie» 
blei  mtt  valebe  nur  aUe  7  lehre  geMbiel  werden  nnd  dann  ge- 
gen 2000  Cntr. 


*  '» 


EUea  wirf  Tonnqpweiae  in  den  jGhrafiiehaftmi.  GlevifMtff 
(Uer  beenden  sieb  die  iitetteiy.. Eisenwerke^  fchon  vor  dev  Ero^ 
bemng  Englande  durch  Wilhelm  d^ .  Normannen  hiatorieeh  el- 
eher),  Deri^f,  Cumberland,.  York»  uk  dem  Ffirftenihum.Walea  ge^ 
Wonnen»  ,der  ^Q^ai^titlit  nach  xw^r  mrfir  aU  hinreichend  luv 'des 
Bedarf  ab^  nicht  yon  eo  YorsjUgUchfr  Beeche&nheit,  daae  ee 
Ittf,  die  üeineren^Manufacturen  yerarbeitet  werden  köniit^^^;  Der 
C^winn  des  Eisens  ist  unglaublidi  rasch  geslifg^.b^iionderaale 
Lord  Dudle/  1610  die  ansgeaeiebnefe  Erfindung  machte^,  Eis^mr- 
en  TermittelsC  Strinkohlen  slat^  des  BrennhelMi  anpsvfehvicliett. 
Dodi  waren  bis  nun  J.  1740.  nur  £0  HoehlUen  in  QressbritaAr 
nien  vorhanden»  die  17,000  Tonn.  (340,000  Cntt.)  jlhrljfilik  Eisen 
in  verschiedenen  Gattungen  lieferten.  Doch  febon  l^SO  wnrd^ 
2Q.Ö00  Tonn.»  JlfSS  68,000  X.  auf  85  Hochofen»  1706*126»Q00T. 
auf  121  Hochöfen»  1806  250,000  T.  nitf  .160  Hochöfen»  1820 
400,000  Tonn,  und  1827  690,000  T*  (13»800»000  CntrJ  auf  284 
Hochöfen  gewonnen.    Davon  kamen  ., .    ^ 

in  Staffordshire  216,000  Tonn*  enf  05  Hochöfen 

•«Shropshire  78,000    ^       —  21        —:     . 

^  Sad^Wales  272,000    ^      <—.  00       ^  .    . .     . 

—  Nord-Walcf  24,000    —       —  ü       —               . . 

,       -Xorkshire  4?,000    -       «  24       - 


t« i    .  •  ,  » 


^  Bbeadu*  e.  n.  O,  a  9M. 


490  Das  Britisclie.kleicb. 

* 

in  perbrihire        20.500  Tona.  auf    14  Bochdfeii 
—  Sohottland  36,500    —       —     18        — 


■^.JrfaaMriMhaMWMhAtaMMAMAMMM 


.      «90,000  Toan.      ,  284. 

iverdMi  ^  ab  Gatwslsen  in  GMssMtannimiuid  hw 
haA  sdbgf  Terbranelit,  ^^  mck  FraÄlmidi '  AxA  WMdn4ka  rok 
«iiagefökr#  4i»  übrige  bleibenden  Mauen,  fiiit  «dck  /^  d^r  gati* 
xen  Ausbeute,  In  SUogen  niid  Stabeisen,  BoLi^n,  Riegel,  md  in 
-diäter  Gefeitalt  wiederum  nun  füllten  «TbeiU  (1  ]OjOO(^  Tonn,  ine 
Anfland  gel&fart  Die  getarnte  -  Atib^at^an  R^eiten  wird  Ton 
MacMAlaeh^  auf  4,200,000  %  Bt  (29^400,000  Tlklr,)  die  Tonne 
Sil  6  9[  St  *<4SI^Tliiri)  bereebnoti  um  «rete  Vermndlung  in  «tab- 
Men/Stangen,  Riegel  aber>  gewillt  indetfa  abermals  1,^^(80^000 
Sk  St  (8,400,000  Tblr.),  also  Totalwerth  97,800,000  Thlr. .  Aue* 
aerdem  gehören  au  den  wiehdgeren  Mineralprodneten  Vitriol 
im  Jfthflidhen  Dürehsehttitt  50,000  Centr.;  fiär  150,000*91  St 
<1^(]jOOO  TUr.)  an  Werth,  Galmei  io^  jähriiclien  Durchschnüt 
M^lk)a  Cetr^  an  WeHh  224,000  %  St  (1,568,000  Thlf.),  Mann 
^000  Cent»  Sink  besondere  in  Cmmwall  und  Waiet  j&hriltii 
7^000  Centr.  mit  miem  WierA  von  220,000  %  St  TlvB40,000 
ThIr.K  fi^a  110,000  Arbeiter  findto  älUin  !li  'diesen  Minen 
imd  den  dabei  angelegten  Werken  ihre  Bfeschftftigoirg,  und  den 
-Wertifr  dtnr  yon  ihnen  jihrliett  ansgebeuteten  -Erxe  wuMe  voti 
ColqohoOB  1812  aäf  6,000;000  fi  St  ohne  dib  Steinkohlen 
angesohlagiMi.  Ctegenwartig  ist  erafa^  bciieits'  mindesten»  auf 
8,500,^)00  %  St  oder '50,500,000^  Thlr.  gestiegen. 

Doch  reicher  als  die/ie  Ausbeute  an  Metallen  und  von  einem 
Völlig  'uhenietzlichen  Werthe  für  den  Britischen  Staat  i^t  def 
unerschöpfliche  Sehatz  anSt  einkohlen;  denn  oferadf^  in  d  ies.em 
besitzt  die  Englische  Industrie  den  entschiedensten  Vortheil  vor 
der  jl^r  meisten  übrigeA  Europäischen  Völker,  die  aus  Mangel 
an  diesem  oft  unersetilichen  Material  auch  bei  dem  regsteh  Eifer 
und  bei  der  grössten  Begünstigung  von  Seiten  durch.  Wohlfeil« 
beit  der  Lebensmittel  und  des  davon  abhängenden  Arbeitslohns 
vergebens  Sanach  ^streben,  gfeichen  Schritt  mit  den  Engländern 
XU  halten.  *  Die  Steinkohlenlager  erstrecken  sich  iiber  das 
ganie  nf rdliclie  und  westliche  England,  über  einen  grossen  Theil 
von  Wales  und  dcATadlichen  SdibttlaUd.   Irland  besitzt  bis  jetat 

«)  A«  8«  O.  Thl.  L  S.  619. 


Das  Britische  Reicli.  431 

no^li  niehteineBansradiendenVorradianSteiakolileny  und  bedarf 
noch  einerj&hrliohen  Einfuhr  von  700,000  bis  1,000,000  Tonnen  % 
Die  reicheteil  Steinkehlengniben  find 'in  den  Grafichaftea 
Darham  und  Nordiiimberland»  die'  allein  nach  einer  Berechnung 
dea  Kohtengmbeit-Intpectora  Taylor**)  den  gegenwärtigen  Be- 
<larf  der  umliegenden  Fabrikengegenden »  jährlich  flbes  3,500,000 
Rennen,  auf  1727  Jahre  voUatäadig^  an. befriedig  fthig  aeiii 
sollen.  Gegenwärtig  berechnet  man  den  Verbrauch  an  Steinkoh- 
len in  den  Mannfacturen  Ton  England  und  Wales  jährlich  auf 
4,375,000  Tonnen,  bei  der  Hauawirthtchaft  in  beiden  Theilen 
auf  6,900,000  Tonnen ,  für  Schottland  und  Irland  auf  3,000,000 
Tonnen,  für  den  Absata  teewärta  gegen  4,000,000  Tonnen:  ea 
Blassen  demnadi  jährlich  über  1S,000,000  Tonnen  Steinkohlen 
gewonnen  werden* ,  Dies  geschieht  auf  die  leichteste  Weise,  un4 
nur  der  Hangel  an  weiterem  Absata  lässf  die  jährliche  Ausbeute 
nicht  noch  riel  hdher  steigen.  .Diese  18,000,060  Tonnen^  haben 
aber  gleich  an  den  Gruben  selbst  mindestens  den  Werth  von 
4,000,000  S  Sterling,  der  jedoch,  bis  sie  in  die  Hände  der  Con* 
snmenten  und  sur  Versendung  durch  den  Seehandel  gelangen,  auf 
mehr  als  11,000,000  <&  St  oder  77,000,000  Tb.  erhöht  wird. 
Mithin  beträgt  der  jährliche  Gewinn  an  Steinkohlen  in  diesem 
Reiche  mehr  als  die  Gesammtausbeute  der  Bergwerke  auf  edle 
Metalle  im  südltichen  Amerika;  denn  diese  berechnete  Alexander 
Ton  Humbold  sur  Zeit  ihrer  höchsten  Blttthe  nur  auf  217,500,000 
Frcs.  odea  gegen  60,000,000  Th. 

Sals  wird  als  Stein.Quell-  und  Baisala  jährlich  über  4,000,000 
Centner  au  einem. Werthe  yon  4,000,000  {(  St  oder  28,000,00p 
Th.  gewonnen.  Daron  giebt  Cheshice  allein  3,150,QPO  Centner, 
Porham  220,000  Centc,  Stafford  62,000  Cent,  Worcester  30,000 
Cent  —  Demnach  ist  dei^  jährliche  Gesammtertrag  des  Bergbaut 
mit  Ei^schlusa  des  SalxgewiUnes  aitf  165,000,000  Th.  für  daij 
Britische  Eeid|  lu  schätsen*  Aber  der  Ertrag  aller  Producte 
der  pbjvsdien  Cultnr  wird  ron  P.  Febrer  fOr  das  Jahr  1832 
nach  umständl^dien  Rechnungen .  auf  271,400,000  Q  St  oder 
1,890,800,000  ThL  achätmngnweise  angegeben. 

^ \     '     ^ 

'    "^  Im  Jahre  1825  wurden  nach  Irland  6t3»400  Toimett,'18M 
=  82^,^2  ToDifen  Htekikohlen  eingeführt 

**)  Berghaus  Annaleo,  Band  11,  S.  399.  (Januar  iSiSi. 


4SI  Das  Briiisobe  Belob. 


§«  10. 


4  • 

I 


verschiedenen  Zweige  der  technischen  Cultur. 

Ausser  den  oben  §•  1  angeführten  Werken  von  Colquhoun, 
^accuUpch  und  Dupin  sind  als  besonders  schlUsbare  Hülfsmittel 
für  die  Entwiekelung  und  den  beutigen  Zustand  der  britisehen 
tccbnisebfii  Cultur  fu  beaebten:  Pahlo  Pehrer^  taxation^  re» 
9€nue^  exp^ndäurs,  fower^  »ta^ütics  and  d^ht  of  tke  whole  Brt» 
%i$h  Empire^  Lokdon  1833»  Svo,  —  Edw.  Baines  history  of 
tbe  Cotton- JUanufttcture  m  Great  Brttain,  mih  a  notice  of  ^t 
early  history  in  tke  Ea9t  and  in  all  quarters  of  the  glohei  ^ 
ieMcription  of  the  great  meckanical  invention^  which  kave  cau» 
Med  ite  unexampled  exteneion  in  Great  Britain,  and  m  view  ef 
the  preeent  etate  ef  the  Manufaeture  and  the  eondition  ef  the 
elaee'ee  engaged  in  ite  eeveral  departmente ,  London  1835.  -^ 
Andrew  Urs,  the  phileeephy  of  Manufacturee^  or  an  expoeition 
of  tfui  »eientifiCf  moral  Ofid  commercial  eoanomy,  of  the  Factory^i 
Syetem  of  Great- Britain^  London  1835/  ins  Deutsehe  überietst 
Ton  Dr.  A.  Dieimann,  Lpsg.  1835. 

Wenn  in  irgend  einem  Staate,  so  ist  im  Britisisben  der 
siebtbarste  Beweis  geliefert,  auf  wie  manniehfacbe  Weise  der 
Einfluss  der  teebnischen  Cuhnr  die  geistigen  und  pbjsÜsoben 
Kräfte  der  gesaiiiniten  Volksmasse  durebsudringei^,  und  dadurch 
sragleicb  das  angcfmessene  politische  Interesse  und  flie  gewiebtrolie 
Bedeutsamkeit  des  Staates  sdbst  herrdnurufen  vei^agl'  Denn  in 
Jtiesem  Reiche  ist  duribb  die  teebhiscbe' Cultur  der  Nationalrehshthum 
tn  der  kurzen  Zeit  s6lt  der  Mitte  des  achtzehnten  Jabrhumlerts 
nicht  nnir  yerdoppelt  und  verdreifacht,  sondern  ohne  einer  Qbdr- 
triebenen  Schätzung  l^aum  zu  geben,  auf  das  Sechs-  und  Sieben* 
fache  seines  früheren  Betrags  gestiegen.  Es  ist  also  dadureb  ^4ie 
Grundmacht  ^es  Staates  in  e^en  so  grosser  Progression  gestei- 
gert, und  durch  die  Möglichkeit  den  heutigen  Standpunkt  der 
Besteuerung  i)i  ^halten  ein  Staatsaufwand  sieber  gestellt,  der 
nicht  nur  die  überaus  wichtige  politische  Stellung  Grossbrkan- 


\ 


V  • 


Da«  Britisolie  Beieli.  433 

aicns  knflfoll  «nterttiltxt,  soodern  aueh  die  übrigen  mit  ihm  in' 
poHtiiehett  Verbände  stehenden  Staaten  la  höherer  Kraftäutse- 
mng  emporgeheben  hat  Aber  die  teebniache  Cultnr  dieses  Staa* 
tes  ist  Sil  einer  bedeutenden  Ausfuhr  nach  anderen  Staaten  aller 
Erdtheile  angewiesen»  und  sie  wirde  in  ihrer  heutigen  Blüthe 
raseh  nusammensinken  mQssen,  wenn  dieser  Absat3^  ohne  gleteh 
neue  Ausw^e  sieh  bahnen  su  können,  auf  einmal  eu  verschliessen 
wäre^  und  die  Production  so  durch  sich  selbst  die  üppig  genührte 
Kraft  ersiidten  müsste.  Daher  sind  auch  die  auswftrtigen  Verhält- 
nisse Englands  mit  den  Staaten  aller  Erdtheile  durch  die  Beste- 
hung snr  technischen  Cnltur,  wenn  auch  tiieht  ausschliessllcli  be- 
stimmt, doch  vorsngsweise  mothrirt  Dies  allein  giebt  eine  sichere 
Aufklarung  f&r  die  meisten  politischen  Operationen  in  der  neue- 
sten Englischen  Geschichte ,'  seitdem  iSre  Nordamerikanischen 
Kolonien  su  einem  seibstst&ndigen  Staate  sich  erhoben«  -^ 


Sehen  wir  auf  die  Enfwiekelung  der  Englischen  Manufactn- 
ttm  mridc»  so  atfisseh  wir  noch  aus  dem  Mittelalter  König 
Eduard  UL  als  ihren  ersten  Begründer  nennen;  doch  blieben  sie 
in  dieser  Zeit  noeh  weit  hinter  den  Italienischen  und  Nieder- 
Ukndiaehett  snriek.  Die  Regierungeaeis  der  Königin  Elisabeth 
gewährte  einen  raschen  Fortsehritt»  denn  die  Religionsunruhen 
in  Belgien  Tertriehea  riele  sehr  fleissige  und  geschickte  Arbeiter 
aus  Brabant  und  Flandern,  die  in  England  die  bereitwilligste 
Aufnahme  und  rielfache  Untersttttiung  fanden.  Die  Woll-  und 
MetalV^Manufaeturen  wurden  jetst  bereits  die  beröhmtesten  in 
Europa,' indem  die  Ton  denselben  geliefteen  Waaren  durch  Ver- 
^nigung  der  Zweckmässigkeit  mit  der  Dauerhaftigkeit  Tor  den 
ihrigen  sieh  sehr  an  ihrem  Vortheile  ausxeichneten,  und  dabei 
doch  nicht  dik  äussere  Ansehen  Temaehlässigtcn.  Auf  ähnliche 
Weise  förderte  König  Wilhelm  UL  den  höhmren  Oewerbfleiss« 
da  4ie  Verwaltung  der  Niederlande  seine  Regententhätigkeit  schon 
irersugsweise  auf  diesen  Zweig  des  öffeutlichen  Lebens  gerichtet 
hatte.  Df^  Seiden-Msnufacturen  erlangten  unter  ihm  durch  die  Auf- 
nahme der  ihres  erapgelischen  Glaubens  wegen  aus  dem  Vaterlande 
geflüchteten  Fransösischen  Seiden-Arbeiter  einen  ausgedehnteren 
Ihnfang  in  Engtand,  und  das  ausserord entliehe  Steigen  der  politi- 
schen Macht  und  des  Handels  von  Grossbritannien  wirkte  rückwärta 
mit  dem  glänsendsten  Erfolge  auf  die  technische  Industrie.  Die 
Einfuhr   aller  Fransösischen  Waaren   in  England   wurde    durch 

Schobert*«  Statiitik. II.  28 


-    I 


/ 


434  Das   Britische  Reiclu  . 

Wilhelm  IIL  verboten,   so   data  das  Bedfirfnifs  nach  denselbfn 
sur  Anlegung  neuer  Fabriken  trieb »  die  bald  nicht  nur  auf  glei- 
cher Stufe  der  Vollkommenheit  rivalisirten»  aondern  jenen  auch  oft* 
mala  noch  den  Vorrang  abliefen.    Inswiichen  sollte  erst  seit  der 
Bfitte  des  achtsehnten  Jahrhunderts  durch  die  bedeutsamen  Fort- 
schritte in  der  Mechanik  und  anderen  Theilen  der  angewand- 
ten Mathematik 9  in  der  Phjsik  und  Chemie,  durch  den  ausgev 
breiteten  wissenschaftlichen  Verkehr  und  seine  Anwendung  auf 
die  Bedürfnisse  der  technischen  Cultur  ein  nie  geahnter  Triumph 
auf  diesem  Felde  errungen   werden.     Dies  geht  schon  aus  der 
Ansahl  der  Patente  für  neue  Elrfindungen  hervor,    die  in  dem 
hundertvierzigjährigen  Zeiträume  (1675-7-814),  3258  an   der  Zahl 
Ton  der  Regierung  vergeben  wurden,  1815  allein  551  und  seit  die- 
ser Zeit  jährlich   200   bis    300.      Der  Einfluss   der  für  einselne 
Manufacturen  ausisehliesslich  anzuwendenden  Maschinen  .wird  un* 
ten   bei   der  Uebersieht  derselben   näher  hervorgehoben  werden: 
doch    der*  ausgedehnte   Gebrauch   der   Dampfmaschinen   gehört 
jetst  fast  jedem  Zweige  der  technischen  Cultur  *)  an,  und  Watts 
unsterbliche  Verdienste  bei  dieser  Crfindung  fangen  erst  jetst  an  in 
ihrem  Wahren  Lichte  gewürdigt  so  werden.  Nach  einer  ofSiciellen 
Berechnung  zählte  man  bereits  im  J.  1822  10,000  Dampfmaschinen, 
die  in  ^  Grossbritannien  und  Irland  bei  der  technischen  Cultur  im 
Gange  erhalten  wurden.  Unter  diesen  waren  mjArere  mit  einer  Kraft 
von   140  Pferden,  im  Durchschnitt  aber  waren   sie  mindestens 
auf  die  Kraft  von    10  Pferden    anzuschlagen:   da  nun  aber  die 
Dampfmaschinen   Tag  und  Nacht  ununterbrochen  in  Bewegung 
gehalten  werden  können,  ein  starkes  Pferd  aber  höchstens  acht 
Stunden  täglich   anhaltend   zu   arbeiten  vermag,   also  eine  jede 
Dampfmaschine  von    10  Pferden  Kraft  in   der  That  dreiesig 
Pferde  oder  ie weih un der t  und  vieriig  Bfenscfaen  ersetzt,  se 
waren   schon    1822   mindestens   die  Kräfte  von  300,000  Pferden 
oder  2,400,000  Mensehen  durch  die  Dampfmaschinen  gewonneiii 
Aber  ifn  November   1824  zählte  man   bereits  15,000  Dampfma- 


^  Die  Baumwolle-,  Wolle-,  Kammwolle-  oder  Wonted-Fabri- 
ken,  die  Flachs-  oder  Hanfleinen-  und  die  SeSde-Manniacluren  wer- 
^den  jetzt  sämmtlich  in  Grossbritannien  durch  Dampfmaschinen  oder 
Wasserrader  in  Bewegung  gesetzt.    Ure  a.  a.  O*  Ch.  I. 


Das  Britische  Beiclu  4U 

mUmb,  41m  Mch  imk  oUgM  Vhmkm  hnimi>iiliillnins  ii% 
KrSfte  TM  450,000  Pf«Hett  o4ar  3,000,000  HeoMliao  danteU« 
wttrdM.  Die  ZtU  4er  Wdbeistilik  (Lmbs),  üe  dsrak  WaMer 
o4ar  Dsnpf  in  Bevegwig  gehaltea  werden,  betrug  nach  Pebrer 
1833  gtfen  ^SfiWk  Jeder  derselben  «aehte  dorcheclinittli^ 
tigtick  32  Tarde  Stoffe»  aUe  «lle  anMMunen  tiglieh  1,254^000 
Tard«,  nnd  den  Monat  in  20  Arbeitstagen  gereebnet  31,300^000 
Tarda  monatBek  nnd  370,200,000  Yarda  im  Jabfo,  womit  ein 
Fltcbenranai  Ton  02,700  Acree  bedeekt  werden  kdnnte,  nnd  )ie 
Länge  derselben  iber  213,750  Engt  Meilen  (40,210  G.M.),  oder 
n  Mal  über  den  Atlantiseken  Oeean  anssnbreiten  wkre. 

• 

Die  Damptinaidiinen  selbst  sind  in  den  letsten  aw51f  Jah- 
ren ein  beaektenswerdier  Gegenstand  des  Aasfnbrbandels  gewor- 
den, dm  der  Vondilag  eines  Verbots  g^jpen  ihren.  Veikauf  Ton 
dea  Parlamente  ans  dem  gans  gültigen  Grunde  nieht  aogenom- 
men  wurde,  dass  ein  Monopol  för  den  Besits  derselben  nicht  la 
t^wakren  ist,  weit  die  Maschinen  nach  Zeichnungen  doch  im 
Auslände  naehgenmcht  werden  könnten.  En^Und  erlangte  dem- 
nach wenigstens  den  Gewinn  von  der  Anfertigung  dieser  Ma< 
scWnen,  die  noch  eine  geraume  Zeit  lang  namentlich  von  Frank- 
reich b^hrt  werden  dürften,  da  in  London  eine  Dampfmaschins 
Ton  der  Kraft  von  10  Pferden  nur  700  flSt  (4900  ThL)  kostete, 
wihrend  sie  in  Paris  nicht  unter  1000  S  St  ffOOO  Thl.)  herxo- 
stellen  wlre%     Die  Ausfuhr  aller  Arten  ron  Maschinen  betrug 

1824  129,052  3  St  =:    907,564  Thl 

1825  212,416  ^    =:  1,486,912  — 

1826  233,955  —  =  1,637,683  ^ 
J827  214,129  ^  =  1,498,903  -^ 

1828  265,368  —  z=  1,857,576  -< 

1829  256,539  —    =  1,793,773  --, 
darunter  für  Dampfkiaiehfnen  1824    28,123  —    =    196,801  — 

— .  —  —  1825    78,027  —  z=z  546,109  -^ 

—  —  —  1826  128,826  •—  =  901,782  — 
.  .  _  1827  111,930  —  =s  783,510  — 
~  ~  —  1828  123,969   -^  =:  867,783  r^ 

—  '^         —      "  1829  133,573  —    s::    935,011  ^ 


*)  Sin  einaiger  Masdiinen-Fabrikanl  so  Loadrn  baiM«  in  5 


436  Daa  Britische  Beich. 

S«it  «lieser  Zeit  i«t  die  Ausfuhr  tob  Maseliiiieii  oiehtmehriii  ZvinihMe, 
und  war  1831  bereitsauf  mehr  alsanf  dieHilffeegesuiikoii,  auf  105^491 
^  St. = 738,437  ThL  Die  Dampfmaschinen  allein  machten  1824  noch 
, nicht  I  des  Betrags  aus,  aber  bereits  im  nächsten  Jahre  ttber  ^ 
und  seit  1820  durchschnittlich  stets  ttber  die  Hälfte  des  Betrags. 
Gilt  diese  Maschinen -Ausfuhr  als  ein  neuer  Beweis  fttr  den  Ein- 
.fluss  der  Englischen  Industrie  auf  andere  Tölker»  wenn  gleich 
die  davon  ausgehende  Kraft  der  Anregung  und  Förderung  der 
menschlichen  Thätigkeit  keiner  Berechnung  sich  unterwerfen  lässt, 
ao  liegt  ein  nicht  minder  interessanter  Beweis  ffir  die  bedeutsame 
Gewalt  dieses  Einflusses  auf  das  eigene  Land  selbst '—  der  ttberdies 
in  Zahlen  ausgedrückt  noch  anschaulicher  sich  darbietet  •—  in  der 
potensirten  Steigerung  der  Bevölkerung  eines  Manulactur-Districts 
während  der  letsten  80  Jahre.  Die  Grafschaft  Lancaster,  allerdings 
in  Manchester,  Liverpool,  Preston,  Bolton,  u.  m.  a.  Städten  und  ih- 
ren Umg^ungen  durch  ihre  Manufacturen  besonders  blühend,  zählte 
1700 160,poo Seelen;  nach  einem  halben  Jahrhunderte  (1750)  war  die 
Bevölkerung  erst  um  die  Hälfte  auf  207,000  S.  gewachsen.  Wenige 
Jahre  darauf  begann  der  schwunghafte  Betrieb  der  Baumwolle-Manu- 
facturen;  dieser  steigerte  die  Bevölkerung  in  den  nun  folgenden 
50  Jahren  auf  mehr  als  das  Doppelte  672,565  &  (1800),  und 
nach  abermals  30  Jahren  auf  mehr  als  das  Vierfache  der  Bevöl- 
kerung Ten  1750,  nemltch  auf  1,336,054  S.  im  Jahre  1831. 

Die  Gesa«imtsahl  ^er  Arbeiler,  weldie  in  den  ver- 
schiedenen Zweigen  der  technischen  Cultor  ihren  Unterhalt  iiii* 
den,  lässt  sieh  schwer  mit  irgend  einer  Art  von  Genauigkeit  an- 
geben* Denn  abgesehen  davon,  dass  unter  den  in  den  Manu- 
facturen -besehäfrigten  Arbeitern  auch  eine  grosse  Masse  Kinder 
vom  Oten  Jahre  al^  mit  b^priffen  ist,  ersebeiut  es  als  fast  un- 
möglich eine  scharfe  Gränse  xwisehen  den  Voratbeiten  fär  die 
.technische  Cukur  und  den  wirklichen  Erseugnissen  derselben  <u 
lieheih  und  um  so  weniger,  als  dec|i  eine  sehr  betrttehtlidie 
Auiahl  Arbeiter  gemeinschaftlich  Geschäfte  fir  die  physische  nnd 
f'chnische  Cultur  sugleich  verrichten.  Der  Gesammtwerth  der 
Waaren  der  technischen  Cultur  wurde  von  P.  Pebrer  für  das 
Jahr  1832  auf  200,4/5,000  "^  St  (1,438,325,000  Tbl)  berechnet: 


Muren  (IBM— 26)  100  Maschinen  «i  dem  l^erlhe  von  m,fM  Tbl., 
^die  ^er  nach  Frankreidi  versaadie. 


Da«  Brlti^^he   Beieb.  437 

/ 
iwf  M  jintelw^  Wmtig^   M*Mlb«n  Tcrmögea  wir  wvtrlistl- 
go»  RtMltato  MidisiiwettMi.    « 

a)  Die  Leinen«ManafaetureiL  Diese  MaoufactiureD,  sot 
wie  alle  übrig^a  Genferlie  in  Flachs  und  Hanf  sind  besonders 
seit  dem,  Zeitalter  der  Eranxösischen  Revolution  im  jährlichea 
Steiji^en  be^iffen,  sfe  sind  die  wichtigsten  und  eintrHglichsten  für 
Irland^  die  Torxugsweise  hier  im  achtzehnten  Jahrhunderte  durch 
Ausfiihri^ämien  gehoben  wurden  *);  aber  sie  liefern  i^uch  einen 
sehr  Torthcilbaftcn  Ertrag  für  SchottlanjI.  Bis .  auf  jenen  Zeit- 
punkt besog^  die  Engländer  aus  Deutschland,  namentlich  aus- 
Schlesien  und  Westphalen,  ferner  aus  den  Niederlanden  nicht  nur 
för  sich  einen  beträchtlichen  Theil  ihres  Bedarfs  an  Leinen,  sondern 
vorsMgsweise  noch  für  ihre  Ausser  «Europäischen  Btfsitsungeq,  wäh- 
rend in  der  Gegenwart  selbst  das  ihnen  nicht  sug^hörige  Mittel- 
und  Süd- Amerika  thcilweise  mit  britischen  Leinen  versorgt  wer- 
den. Das  rohe  Material  .'Vter  wird  noch  nicht  vollständig  in 
Grossbritannien  und  Irland  gelieferte  und  eine  sehr  beträcht« 
Kchc  Blasse  voa  Flachs  jährliuM  noch  eingeführt, 

1824=    718,830  Centr^ 

1631=.  034,IS2    — 

1832=    982,516    — 

1833=1,129,673  — :  daroA 
lüunen  darsiMehnifttlich  die  Hälfte  ans  Ruasland,  ein.  Sieben» 
tbeiLana  HoUand,  oia  Ashdieil .  aus  Belgien  und  der  Rest  aua 
den  FffMtMsebeo«  nnd  Prevelseben  Häfin|.  Die  Cinfnht  an  Hanf 
ktMfß  asMseffdem  oaeh  jäbrlieh  500,000  Ctm^  DtaHau^Uitae  die- 
ser Hawifaetare«  sind  fü»  Englan^l  Ex^ter ,  BridpoeC,  Sherbnme^ 
KUdstMM,  Stoekten,  Dailugtiin  Q«d  Lead&;  für  Sehottland 
Dosifries,  Perth,  Dvndee,  Aberdeen.  und  Inveraiy;  für  Irland 
Dublin,  Cork,  Ummk^  Galway,  Tnam,  Drogheda,  Belfast  nnd 
Antrim.  Sie  besehiftigeii  in  fabrikenmässiger  Arbeit  ober  300,000 
lieosehe%  diean  Waaren  iai  duccheehnitüichen  Ertrag  bereits  1812 
MckCMiiiiheMaf  IbfiMfiM^  St  iUAfimfiOOi  IhDüefeMM  ••). 


*)  MaccnilochOieudbiicIi  Art. Leinen  D^Ueb.  Bd.  II.  S«  183. 
Die  Prämien  betrugen  jabfUcb  bis  1Ö30  im  UurchschniU  dOÜyOOÜ  {|>  St, 
»*  üre  D.  U.  S.  3T2. 

^^).Hir  scbeim  diese  Angabe  schon  nach  denTcrhSIlBisse  der 
Auäfulir  der^Wabrbeiinähcx.ae  stehen^  ale  dta  bei  MaecaUoch  auf 


/        * 


/ 


436  Das  Britische  BelclL 

Daf^B  wM  diiNh  Afm  AwMvImmM  fkn  im  Mhto  Tktil 
•bgeteCst; 

im  J.  ISaOss  l,60CM)eO  ft  St  s  10,600,000  TU. 

^      1822  ==  2,300^000  S  6t  S  16,100,000    — 
und  in  drni  dreisehn  Jahren  1814-^20  snsanunan  27,854,000  it  S^t 
i>m  wenigsten  1814,   am  mdsten  1824,  alte  dnieliaeliBittUth  im 
Jahre   2,141,002  S  St  =  14,008^44  ThL  Oataelbe  VethUtoiai 
galt  »neb  in  neueater  Zeit; 

denn  ]832s|,782M32  %  StB:12,484,0U  ThL 

1833  :=:  2,100,441  %  St  =16,306,087    — 

1834  =  2,005,837  it  St  c=  1 8,240,850    — 

Die  Einfuhr  tat  Jttit  aefar  nnbedentend,  wenn  wir  nemlieh  dio 
ao«  Iriand*),  alt  ana  eigenem  Lande,  Tttifig  beaeltigett:  aie 
besteht  nur  ans  grobem  Segeltneh  ana  Ruasland»  ein  Tauaend 
Sttiefc  feiner  Leinwand  aus  Sehlasien,  Weatphalen  und  Fianden 
und  30,000  bis  50,000  Stürk  Cambrieka  ans  Frankrelek  Seite« 
erreicht  der  Werdi  derselben  ein  Ffinfundawansigtheil  der  AnsMir* 

b)  Die  Wollmanufaeturen«  Sie  sind,  was  den  ausge* 
seichneten  Ruf  der  Englischen  Fabrieate  anbetrilFt,  inEuf'opa  am 
frühesten  au  grosser  Achtung  gekonunen.  Denn  schon  am  Ende  des 
yienchnten  Jahrhundert»  war  der  Werth  des  Englischen  Tuchs 
ikberaus  geachtet,  daher  auch  seit  dieser  Zeit  sur  Versinnlichung 
desselben  der  Kanaler'  des  Reichs  als  Veraitser  der  Peers,  bot 
auf  einem  WoHsacke  sitst  Es  galt  als  ein  Tc^ailglicher  Gegen- 
stand der  Auafuhr  fOr  den  Handel  mit  den  Hafen  der  Nord-  und 
Ostsee.  Die  RiraUMt  mit  den  Fnaadsisehan  MaanfaeturcB  im 
siebsehnten  und  'achtsehnten  Jahrhunderte  trug  aur  VenrollkomBi* 
nung  dieser  Fabricate  auaaererdentlich  bei*  Im  neuBsehBten  Jahr« 


T^ 


]0,(MIO»806  %  St  ermissigte.    Pebrer  gab  für  Grambritanaien  aUeln 
fiur  1832  den  Werth  von  11,000»000  %  St  an. 

*)  Die  Aoftfobv  an  Leinen  ads  Irland  nach  dieartiritsanfan  «ad 
fremdea  Ländern  befindet  sicfli  bei  Maccullodi  a.  a.  O.  Bd.  IE 
S.  183  fBr  die  Jahre  1868  bis  1825  aBfcgeben»  seit  wekbec  KeH 
d«r  Handel  über  des  Irischen  Caaal  amn  KMenhandel  gerecbael 
worden  Ist  Er  betrigt  in  dieser  ^eit  miadesteas  (1888)=:  81,978,899 
Yards  K\\  Berl.  Elle),  am  st&rksteu  <I815)=:fif,88f«678  Yards.  Da* 
von  behielt  dorchschnittlidi  Groasbriiannien  swel  Driiihelle»  nnd 
ein  Drittel  wurde  namentlich  nach  AaMiika  ansgclUnt 


Das  Britische  Beicli* 


43» 


hui4erte  vsrisr  iwir  EagiaiA  %mnt  dk  sehr  gdiolknen  Haiiii- 
fMCoren  in  BelgicD,  Mühreiiy  Schletien  und  den  RhMBUKBhen 
ProTuisen  den  grOeettn  Tbeil  teinei  AbealKt  nseh  Mittel-Europa, 
wwde  aW  dmflir  fast  mefar  als  ToUständig  durch  den  starken 
Abeats  naeli  Aserika'entsi^id^t  ' 

Das  raW  Material  wird  inswisohen,  wie  stark  euek  dieEng- 
liseke  Sekaafinickt  betrieben  wird,  doch  noeb  keinesifeges  in 
ansreiebender  Quantität  im  Lande  selbst  eraeugt.  Frfther  wurde 
die  meiste  roke  Wolle  aas  Spanien 'eiDgefHbrt,  als  sehen  in  den 
ersten  swl^lf  Jahren  des  gegenwärtigen  Jahrhunderts  doeh  durch- 
sehnitdiek  über  8,500,000  %  Gewidit  Jährlich  seewärts  in  den 
BngÜaebcn  Okhn  einkamen«  S^  der  Wiederkerstellung  des  Conti- 
nentalkandels  durch  den  eraten  Pariser  Frieden  1814  hat  aber  die 
Bia^hr  an  Deutsehec  Wolle  gana  besonders  sugenoaunen,  und  steht 
Jetat  in  der  ausländischen  W9lle  an  Quantität  und  Qualität  für 
die  Englischen  Manufiieturen  oben  an.  Die  Steigerung  des  Be- 
derfii  an  roher  Welle  ergiebt  sidi  aus  den  EinfuhrKsteii : 

Es  worden  in  die  Häfen  Grossbritanniens  an  Wolle  ein- 
gefahrt: 

daruDfer 


•^^ 


mm 


Deutschet  »!«•  «^ J^ortug.ß^jjä^^^^^ 


1814 
1815 
1816 
J8I7 
1818 
1810 


%  Gewicht 
15.400,154 
13,1)34,52$ 
8,117,864 
14,711,843 
24,400,486 
16,190,343 


%  Gewicht 
3,432,456 
3,137,438 
2,816,655 
4,816,567 
8,432,237 
4,480,478 


%  Gewicht         tt  8t 


8,076,186 
3,451,884 
7,011,316 
10,170,117 
7,337,217 


26,567 
40,400 
87,134 
63,89« 


*)  Ausser  d^r  Deutschen  Wolle  wird  noch  Preossische  in  den 
Einfahrlisten  aufgeMhrt,  d.  1.  nur  solche,  die  aus  den  Häfen  Ton 
Dansig  und  Pilhiu  eingeführt  ist '  Die  Masse  ist  aber  noch  imbeden- 
«SBd  und  betiSit  im  MaicimuB  <1818>  nur  $41,356  %  Gewicht  Die 
BimudenkBf  glicktt  Schlesisdiey  Pemaierscbe,  und  Preussische  Wolle, 
.■meicke  auf  den  .Wolliaärktep  nwiscken  der  Oder  und  Elbe  verkauft 
wird»  steht  jedoch  hier  als  De^tscl|e. 

^)  Bis  1862'  war  die  Einlahr  fremder  Wolle  in  England  ganz  zoll- 
fi^  gegeben,  in  diesem  Jahre  Sl  Sh.  Eingangszoll  auf  deo  Centner 
festgeselzi»  1813  auf  6|  Sh.  und  1819  unmässig  auf  56  Sh.  oder 
19  Thl.  pro  Centner  erhöht 


440 


Da«  Britttehe  Reloh. 


dMmMr 

• 

1                      ' 

Deaucbe  ^. 

BpiD.  0.  PortHg. 

hrachte» 
Eisfuhrsoli 

V 

9  Gewicht 

fi  Gewicht 

%  Gewicht 

%St. 

MIO 

10,<M3,746 

6,113,442 

3,631,416 

181,860 

1821 

16,880,043 

8,616,526 

7,087,600 

303,417 

1822 

10,523,170 

11,125,114 

.    6,119,507 

402»484 

1823 

10,366,726 

11,260,700 

6,400,370 

1824 

22^58,222 

13,486,610 

6,176,000 

1826 

43,700,558 

28.709.661 

0,160,220 

1826 

16,006,426 

10,545,232 

2,171,730 

■ 

^13  J^     ^^^Mi^l02       116,073,463       64,702,472  (12  Jahre) 

tL  durehsdi. 

in  1  Jahre  18,493,392j         8,928,727  6,390,373 

Et  betrug  alto  schon  in  dieser  Zeit  die  dnrchschnitdiche  Eio^ 
fiihr  der  Deutschen  Wolle  fast  die  YoHst&ndige  Hllfte  der  ge* 
„panmten  Woll einfuhr,  während  der  Ankauf  in  der  Spanischen 
•ehr  stark  abnahm ,  so  dass  derselbe  im  Jahre  1830  beteifes  auf 
1,643,516  %  Gewicht  gesunken  war« 

Von  dieser  Zeit  ab  ist  das  VerhlUnist  bei  der  Einfuhr  der 
rohen  Wolle  noch  gfinstiger  für  Deutschland  geworden«  Denn 
bei  der  Einfahr  ron  29,122,447%  Gew.  im  J.  1827 


29,083,000 
22,265,666 
35,313,059 
33/491,331 
28,128,973 
38,475,247 


1828 

—  *- —  1820 

—  —  —  1830 

1831 

183a 

1833 


214,880,713  U  Gew.  in  7  Jahrea 
oder  durchschnitt!.  90,697,245  f  —  in  1  Jahre 
war  stets  über  drei  Viertel  des  Betrags  Deutsehe  Wolle. 
In  den  letalen  ^  16  Jahren  treten  nna  abor  ancli  Men^fialiand  nnd 
Vandiemensland  mit  ihrer,  Welle  aaf  dem  Billiaelnw  Ifarirte  md^ 
Während  1820  ron  hier  aus  kaum  100,000  %  Gew.  nach  den 
Eiiglisohen  Häfen  gesandt  wurden,  war  die  Einfidir  1826  bereits 
auf  1,106,332  %  geatiegen,  und  nach  rier  Jahren  abermals  fast 
um  das  Doppelte  gewachsen,  1830=1,967,309  %,  Baek  seehl 
Jahren  sogar  um  das  Dreifache,  1832=3,i44|000  %  Qw% 


D«8  JlrUU«lie  BeUk.  441 

G^ettwMig  tM  4k  H^vpuatt^  Aer  WoHmanufactiirai 
in  England  selbst  Leeds,  Bradford,  Haddersileld,  Halifax»  Keo- 
daUy  Coreatrjr,  Colchestet,  Ipswieh  und  Norwlch«  Rochdale>berei« 
teC  beaaoders  viel  Flanell  umd  Bojr,  jährlich  fiber  50,000,000 
Yarde,  woTon  iber  ein  Dntthdl  dnrch.den  Aaafulurhandel  abgesetsft 
werden.  In  Schottland  wird  vonngsweiie  auf  WoUenfevge  ge* 
arbeitet  au  Aberdeen,  Inyeraiy  und  Haddington;  in  Irland  m 
Dublin,  Cork  und  Kilkennjr.  Der  Gesammtirertli  der  Waaren 
wird  jetit  nach  aorgf&ltig  geprflften  Angaben  von  Stevenson  *> 
auf  18,000,000  %  St  (126,000,000  ThL),  oder  auf  die  dreifadio 
Verwerthung  des  rohen  Materials,  das  ttber  0,000,000  %  St, 
<42,000,000  Tbl.)  kostet,  berechnet;. davon  geht  durchschnittlich  der 
dritte  Theil  ins  Ausland  ab.  Die  Zahl  der  in  den  WoUmanu- 
facturen  b^chäftigten  Arbeiter  steigt  auf  500,000  Kö^e.  Die 
Ausfuhr  der  Wollewaaren  war  aber  in  früheren  Zeiten  für  din 
Bffitttcho  Industrie  verhiltnfesniassig  g^en  die  Fabricatton  viel 
betrftiditlicber.  Unter  Georg  1.  betrag  die  Ausfuhr  zwischen 
700,000  und  800,000  ftSt,  stieg  aber  unter  Georg  II.  (1727— (M)k 
bereits  von  i«0(X>,000  %  St  bis  auf  4,000,000  %  St,  und  stand 
schon  in  deni  fünften  Regierungsiahre  Geofgs  Itl.  (1705)  utuh 
der  officiellcn  Angabe  Haskissons,  während  derselbe  das  Handcls- 
.  Departement  lettetb,  auf  5,159,000 1[  St  (30,113,000  Tbl.),  als  die 
gesammte  Fabrfcation  der  Wbllewaaren  noch  nicht  Hber  I2,(X)0,000 
%  St  (84,000,000  Thl.)  hinausgewachsen  war.  Seit  dieser  Zeit  ^t 
die  Ausfuhr  auf  demtelben  H^ebetrage  stehen  geblieben,  und  nur 
in  wenigen  Jahten  um  l,000,0(X>  %  St  höchstens  gewachsen  **),  ob- 
gleich  auch  die  Fabrtcation  in  diesem  Zweige  der  technischea 
Cultur,  wegen  des  grösseren  Begehrs  nach  Baumwollewaaren  für 
die  leichtereu  Stoffe  nicht  lu  gleichem  schwunghaften  Betriebe 
for^eschritten  ift  In  den  13  Jahren  (18l4-i-26)  war  die  gesanunto 


«)  Blaoculledi  a.  ••  O.  d.  a.  U.  S.  108.  Aodtre  Schümgen 
Staigem  den  Wertk  bit  aaf  9^,308,800  S  St  (18^100,800  XhLK 

^  Davon  nUMshten  die  vier  Jahre  1815—18»  die  munittelbar 
nach  dem  Befreiungskriege  folgten,  eine  AosnalraM,  weil  die  dber- 
llUllea  EngHschea  Iffaerenvorrithe  bei  den  daauüSgen  politischen 
TcrHltalsseu  eine  vortheilhafte  Ausleeraag  aaf  dem  Continente  faa- 
4eni  dean  in  dieierSMl  wurdet  iabrlkh  ubeff7t80«,O0OttSt  veiaandt 


44t  Dsf  Britische  Belch. 

Amfckr  a  WoIIm-Wum  S&,7I9,20B  %  St  e=  000,013,468  Tli. 
aUo  dimbsAnittL  In  Jahn  «,fi93,r8ft  —  =s  «6,160,4«  — 
4h  Maximom  wU  1815  9^38,141    —     =  S0,3a«,9»4    ~ 

—    Minivam    l.    1830  5,593,4X0    —     z=   30,084,010    — 

SMt  4i«Mm  Zdtpimkt«  hkt  aber  di«  AnafsJir  «n  W«lln>Wu»ca 
lieh  awbt  aiamtal  ««hr  m  4em  Da«W«iultttb«inge  4iaMi  Jahrs 
«rhok» 

dflDB  1827  TU  tim    4,083,908  3  8t=3   34,880,360  Th. 

1828 '    6,277,861.    —   ==   36,046,0X7   — 

1820 4,061,150     —  =  32,628,050  — 

JB3I 4,840^7     —   =   33,046,080   — 

1333 5^9,806     —  =  38,369,062  — 

1833 0,611,780     —    =   46,682,400   — 

1834  —  —      6J»76,667     —  =s  41,829,690  — 
37.738,649  %St  =  264,170,613  Tli. 
J.    6,391,236  %Sl=   37,738,640  Tb. 
iber  i&Biin(tich  nach  dem  ■ogenanntm  (!«• 
welcher   aeit    1798    naeh    den  ErkllniDgen 
n    aelbit  angegeben  wird,   nnd  nicbt  nach 
ler  aeit   1696   unrei^Ddeit  nach  gewUaen 
)n   von    den    ZollbehBHen   beatiamt   wird, 
alao  Jebrt  fall  nur  auaachlieailich  nir  Beaeiebnuifi  dar  Quantiat 
und  auf  ControUe  an  gebrauoben  iat 

e)  Die  Baanwelle-ManufaetureB,  Dieter  Zweig  der 
teebnlicheD  Cnlbir,  welcher  fDr  die  Britiaehe  Induatrie  kann  ein 
blind ertjlhrigea  Leben  heiitat,  i(t  gegenwirtig  lo  über  alle  Er- 
wartung gehoben,  daa*  er  aethst  die  einbeimiachen  Gewerbe  von 
Hlndoatan  und  China  erdrSrict,  we  doeh  an  und  für  itch  der 
rohe  Stoff  nnd  der  Arbeitalohn  to  überana  wohlfeil  aiad.  Diea 
TCfaehnldet  mas  Tonragawelae  den  aeit  170O  durah  Arfcwright 
erfundenen  SpiniiBaaehinan  *),  welche  iwar  im  antan  Augen- 
Midie  eine  aahltoie  Menge  Menaaben  entbahrtich  uiaehen,  daiiB 
aber  duroh  die  grOaaere  Leiebtigbeit  und  VoUkon«eBhei(  dea 
Betriebe  au  einer  immer  grüiaeren  Auidehnnng  dea  Geichftrta 
aiUreilMa,  und  dadnreh   nletst  doeh   noeh  mehr  Henaaboa'  al« 


*)  Dttfiber  rind  beeondert  eb  **rgleklKn  die  oben  angersbrlen 
Werke  tob  Bainea,  tre  and  Macculledi  a.a.  O.  D.  U.I.S.  lf7-88> ' 


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koBBto Eof^Hii  «iMMlfMiyMtt  mim  gegwmiHiy  flfdw  ia  Hr 
friiBJarfimi  CrilT  ■ifili  »wiiAiB  Ato  ai—  4mr  wmkm  lHig»tMi 
Folgen  4f(fMi  Matm  vir  ato  «■»  tet  4m  g«#f  •!!••••  Bmm* 
wolU  4ii*mii  M  UUig  w«4e,  ^m  Matt^MHOil4a4i«id4er 
NonbnerikE  m&A  Eagte4  eiBgililuH  fthe  BMMwtUe,  thtilt 
in  geif  nntiiMft  Gan,  iMb  in  Mckl  gawMtelen  Ktttniian 
wieder  nach  OttfMiien  nuMtgefikrt  wnrde,  weil  4er  WlUge 
Teglolin  in  Ottindien  dennoch  ftr  die  einfitchtte  Veraiheitiing 
der  Bennwolle  einen  dreinMl  höheren  Proit  erfordert,  elt  Jetit 
Tennöge  der  Bfatchinenhereiteng  in  England  gdiefert  werden 
luuin.  Ijn  aehttehnlen  Jahrhunderte  halte  dieeeEinlahr  an  haai* 
wollenem  Garn  und  Waaren*)  in  Ottfndien  fon  EngUnA  a«a 
noch  nicht  ttatt  gefuodea; 

1815  betrug  tie  hereita     100,980  S  St  =s      r(n),800  ThL 
1818        —    —    -.         422,813     —   =  2,069,001    — 

1821  ^    ^    ^         860,881     —  s  6gM0»10f    — 

1822  ^    ^    ^       l,12KK3a3      -«-  K   y»i42»2il    -^ 
18»        ^    ^    ^       M77,398     —  sl0«341,080    — 


DaaSttIgen  dte BtMaawoUa-Maavftetoren  eigieht  tieh 
de»  am  Mi  trtiehtWehtttn  ana  der  E»nft*r  de»  rohen  Mattrialt  in  din 
EnelitqhflD  HMni.  da  im  inlande  deamelhen  tfur  kein  ZnwanlMi. 
kommen  kaam.  Im  Jahre  U0iwnr4tn  tttabai^  4^360,000  ttGew« 
■ehe  Benmwelle  eingeflUirt;  iwamHg  Jahim  ap Mtr  hereitt  der 
eeditfaeke  Beirag^  nnd  mrarao4aaadtWtlhe  niemalt  mehr  fermin> 


«■M» 


*)  Namenllidi  werde«  migedrackte  KalCaae  hier  gerecht;  1828 
wnrdea  Melier  10,000.800  Tardr  uagedreckle  nnd  1»080,080  Yards 
gednickte  Kaifoiie  venaedi 


444  D»0  ftrUisehe  Beich. 

dtft  ward«,  I780=1M7«,0^  %  Qew.;  abmiab  mwmdg  Jakr« 
t|^Mcir>  war  der  Be^mg  4w  EiafuHr  wiederum  verdMifWekt»  oder 
da«  ArlilBTttofiifhe  dei  ^ettendee  rmiL  1766  erveieirt,  BemlMi 
180&  =  59,aa%406  %  Qmr.  In  den  d«rMif  folgtaden  swmisifc 
Jfthroa  eehritt  aber  ider  Gewerbfleise  der  Britieebea  Bauwwelie 
Haaafaetiireo  Qooh  imaoflMdtiMier  fort» .  und  erreielte  abenaaia 
da«  Vierfache  des  Betnga  der  EiaAilir  rmk  1805  oder  faat  da« 
Aciitstgfmebe  der.  Einfulur  Tom  Jakre  1765.  Dena  es  wasden 
1S26  dogeahri  aa  rober  Baumwolle  •}  244,360,000  ft  Gew.;  aaa 
seit  dieser  Zeit       1826=    170,520,000  ft  Gew. 

192HZS    264,330,000   /— ~ 

J828=    227,7^,000 

1^9=:    2I8,32M)00 

1830=:    250,856,000    —  — 

1831  =:    258»467,905    ^  — 

1832=    286^832,525 

1833=    303,726,100 

also  In  8  Jahren  =  1,080,816,629  %  Gew. 
oder  dorchsebnittlieh  =  248,727,078  %  Gew. 
Der  Hauptsita  dieser  Mannfacturen  ist  die  Grafscbaft  Laneastcr, 
welebe  ^Hein  twei  Drittel  sämmtKcher  Britischer  Raomwolle* 
waaren  liefert  In  derselben  ist  wieder  die  Stadt  Manchester 
und  Umgegend  so  stark  dabei  betbeiligt,  dass  Huakisson  auf  sie 
allein  ein  Drittel  dieser  Fabrieato  rechnete.  Nächst  dem  sind 
Glasgow  und  die  nabegelegenen  Fabrikörter  Schottlands,  nament- 
lich Paislej  sehr  stark  darin  beschäftigt 

In  diesen  BaumwoUe-Hanufacturen  finden  gegenw&rtig  960,000 
Maischen  **)  für  sich  und  die  son&chst  von  ihnen  abh&ngigen 
Familienglieder  IbfMi  Onterhalt,  daraoier  880,060  Bleieher,  Spin- 
ner, Weber  und  110,000  Maschinenbauer  und  andere  biclier  ge« 
hMgen  Handwericer.     Die  Maichfaen  mnd  Fabrikea  erforderCen 


*X  Von  dieser  Binfohr  hat  UTerpool  gegeawartig  in  der  Regel 
über  I  des  Betrags,  und  aU6  Übrigen  Englischen  Häfen  zosam- 
mea  aar  |« 

^)  BaiMS  gieU  die  Zahl  fiir  1833  mit  Hiaamiriinag  der  da- 
bei bescbäTügten  Kinder  auf  l,5ilMNNI  Kopie  aa. 


Das  Britische  Beick  OB 

benitt  isn  eis  Cafitel  ton  65»000,i000  9  8t,  Ait  wktr  nsdi 
<ler  dcM  KftHamait«  vorgelegten  Angeben  eelien  Itnrh  0  lelnren 
1833  wieaenin  iin  den  siebenten  Theil  mnf  75,000,006  %  St 
1525,000,000  TIIL)  gesteigert  vir.  Die  Masse  der  von  ilenselb^ 
▼erfertigten  Steffen  war  indess  aneh  so  gross,  dass  sie  n«r  ron 
80,000,000  M eneehen  dureb  Hftndeacbeit  bitte  geliefert  werden 
Icttnnen.  Der  Wertb  derselben  wurde  für  1833  von  Bafines  in  seiner 
Cksebiebte  der  Baaniwolle*ManoCietQren  naeb  sebr  sorgf&ltigen  Er- 
Muttelungen  aal  31,338,003  ft  St  =  210,370,851  Tbl  beieebnet«K 
Daron  wurden  ansgefübrt 

an  Stoffen  13^75*092    ~  =  96,284,044  ~  ^ 

—  Garn  4,704,008    —  =   32,028,056  ~ 

sttsammen  ausg.   18,459,000  %l  St  =  129,2 13,000  — 
Im  Lande  ver- 

branebt   12,879,693  —  =  90,157,851  — 


giebtd:  obige  S.   31,338,693  ~  =219|370^8öi  — 

davon  kostete  i* 

Tobe  Banm  wolle, 

welebe  1833  n 

282,675,200     % 

Gew.  verbrpncbt 

wurde;     .    .    .     8,U4,693  —  =  67,712,851  — 

der  Arbeitslobn 

der  Arbeiter  in 

den  Fabriken  .     6,044,000  —  =  42,308,000  — 

der  Arbeitslobn 

der  Spinner  ans- 

serbaib  d.  Fabr>     4,375,000  —  =  30,625,000  — 

^  nsapmen   18,663,603%  St  =  130^645,851  TbL 
Es    bleibt  ako 
fttr  die  VerwH 
sungderauf  die* 


^       - 

♦)  Huskisson  berechnete  schon  1824  den  jährlichen  Betrag  auf 
33,500,000  %  St.,  und  in  den  Jahren  18^-3i  wurde  i«  den  Paria- 
mentMDgabea  die  Scbätxung  des  Gesammtertrags  der  Baumwollen- 
Manufacturen  goMialdn  «wischen  86^00»O0S  und  37,08M09  %  St. 
gemacht,  also  gegen  S50,0MMNN>  Tbt 


4M  O»»  BrUisch«  Beicft. 

teehiiitdiwi  Csi- 
tur  ferwuidtfn 
CapittL,  Or  Ab« 
MMUwig  i«r6#i 
bind«  QWt  lU» 

reiner  0«ir.  m- 
.radc«  Dit&fM  t2,mi»0e0S8tss  i8|m»600Tkt 

Die  Zilil  im  fai  dfetein  lahtr  dabei  gebranehten  Sf  laM  wird 
TOB  Bainee  maSt^  9,333,000  aagegeben»  die  Zahl  der  Kraftsttthie 
(^wer^lo#mi>  ^d  40,000;  in  den  mit  Dluapf  getriebenen  Bla- 
aebinen  iai'dle  Kfaft  Ton  33,000  Pferden,  in  den  dnreh  Wasser 
getriebenen  die  tov  11,000  Pferden »  also  In^esammt  dabei  die 
Kraft  Tott  41^000  Pferden  tenrandt  werden. 

VetgMebeli  wir  danut  eebnessueh  den  lirllneifen  Erfn^  des 
Werlbs  der  Banntwelie-Pkbrieate  nnd  ibrer  jibtfiehen  Ansfnbr, 
••  linden  wfr  für  1766  die  Angabe  jener  Aberbatipt  auf  800,000 
%  flt,  nttd  die  AnsMr  auf  den  tierten  Tbell  M>,OQa  %  St  be- 
geebnet  Die  Ansftibr  war  aber  seHon  am  Ende  des  aebtsebnten 
Jabriranderts  bdber  als  d^  Veibfaoeb  im  Inhmde  gestiegen,  nnd 
eek  iiU  ist  das  VerikMtniss  swiseben  Aosftibr  nnd  Veibranck 
Im  Inlande  demlich  dasselbe  wie  }.  su  1  der  gesammten  Fabri- 
km»  gebdeben.  Es  bmrden  aber  ansgeftthrt  seit  dieser  Zelt 
'  1614  an  b.  Waaren  i  17,393,790  %  St  =  131,780,67»  TL 
<—  ~  Garn     I  2,791,240    —     =  19|536,7<3  — 

nie  Mndmnm  16U 

an  k  Waaren    •    .119,124,062   ~    sl3S,666,434  — 

r  Oi«  .    .    J  1,074,022    —     =   11,716,154  — 

In  d.  I.  1616—26  ein  wenig  sebwankendes  Total 
swiseben  17,000,000  n.  16,000,000  9St^|ew.  119,000,000  Tb. 
•  b.  Waaren,  \  b.  Garn I  --  126,000,000   — 

als  Minlmnm  1626 

an   b.  Waaien    .    .  r  10322,387  %  St  =  73,«f6,490  Tb. 

Garn  .    .    A  3,401,266    —     =  24,436»676  — 

nnd  dann  wieder  auf  die 
frtUwre  HÜM  gestisgen, 
nur  mitFerbndertem  Ver« 


Pas  BriiUcbe  Beick  MX 


li&lABitt.  iwifdiett  dm 
Waaren  in  Oarn,  jene  SU 
l,   diMet  «I  \f   1827 

an  b.  Waarai    .    .|l3»f^,825  %  St.=  97^7,775  Tk 

Garn    .    •    . )   3,545,568  —  =  24,818,076  — » 

1828  an  b.  Waaren  f  13,545,638  —  ^  04,011^466  — 

Garn     I  3,504*045  —  =  25,164,615  — 

1820  —  — '  Waaren  M  3,420,544  —  =  03,043,808  — 

—  —  Gara     1  3,074,030  -^  =  27»8I8,278  — 

1831  —  — Waaren  113,282,185  —  =  02,075,205  — 

Garn     I  3,075,010  ^  =  27,825,133  -« 

nnd  in  den  beiden  letiten  Jahren 

1833  an  b.  Waaren  1 13,754,002  —  =5  06,284^^4  — 
--  —  Gara     l  4,704,008  —  =  32,028,066  — 

1834  —^  Waaren  115,306,022  ^  3=107,148,464  — 
Gara     t  5,205,501  —  ==  86^438,507  — 


d)  Die  8eide*Manafaetore)k      Die  ereten  Seidenvebe« 
reien  *)  in  England  reiehen  bis  in  das  fanfkeknte  Jalurhnftdeft 
hinaof,  aber  enC  in  dem  Zeitalter  Elisabeths  erlangen  sie  ia 
London,  jds  ibreai  Hatt|iteitae,  einen  sehwnni^ialiteren  Betrieb,  nnd 
bereits  nnter  den  Regierungen  der  ersten  Kttnige  ans  dem  Hanse 
Stuart  stossen  wir  aof  Einiiihiterbote  Frsnafteiseiter  «nd  ande« 
rer  fremder  Seideniraafen,  um  den  Gewina  Ar  die  inlindisehea 
Seidenwebeieien  bei  au  behalten.    Innwisehen  wurden  diese  Ver- 
bote nicht  streng  befolgt,  bis  dass  die  Seiden-Üanufseturen  dnfsh 
die  Einwanderung  der  vertriebenen  lefonairten  Franaosen  1685 
in  Spitaifielde  bdl  London  in  einer  grdsseren  Auedehtiang  betrie» 
ben  und  darauf  1607  durrh  eine  Parlamentinete  die  BinMir  aller 
Frans6sieehen  und  andera  Eurbplieehen  Seidenwaaren  ginalieh 
untersagt  wurde,  welches  Verbot  1701  auch  sdbst  auf  die  Chine» 
sisehen  und  Ostfaidiiehen  Seidenwaaren  ttbetging.  Dieees  Verbot 
sjatem»  des  einen  weit  TerseUungenen  SehleiehlMMidel  auf  Koste« 
der  indusine  und  der  Zolleinnahme  über  ein  Jahrhundert  erathrte, 
erhielt  sieh  mit  wenigMi  Abftnderungen,  bei  welohea  ioeh  in 
hohe  Zölle  gMcli  einem  Vtrbele  eranhtel  werden  numsten; 


*)  Die  Sdden-Manuiactnren  Englands  sind  ausührlkher  behin* 
delt'bei  MsccuUoch  a.  a.  O«  IL  S.  6^— 8L  «v 


448'  D»9  BritUebi)  Reich. 

avf  HttfkiMon's  liberaleres  HendelwjBtem»  4m  Ar  iie  Seiten* 
Manufaeturen  1824—1826  jene  Fabrik-MoBopoU  aafholi,  «ii4  4ie 
EinfuhnöUe  ^jUif  geapoonene  md<I  rehe  Sehle  erai&aaigte.  Deaeen 
uDgeaditet  war  der  enwimgeiie  Zaatand  diej^rMannfttetiineii  rer- 
lier  niemala  eia  beaondera  blühender  und  aebr  bauftg  durch  be- 
denkliche Unruhen  der  Seidouurbeiter  wc|fen  Horabaetseng  dea 
Arbeitaloliaa  geatttrt  Im  Jahre  1760  wwden  in  gani  England 
7,072  l^deawebattkhle  von  der  damala  mit  einer  Unteranchwig 
dieses  Gewerbes  beanftragten  Gonuaisaien  gefunden.  Diese  Zahl 
hatte  sich  wihrend  dea  ^for4lanlerikaniaehen  Freiheitskrieges  auf 
das  Dreifache  vermehrt:  aber,  dafm  hinderte  die  geateigerte  In* 
dustrie  in  den  Baumwolle -Manufactafen  die  grdsseie  Zunalime 
der  Seiden -Webstuhle,  und  nicht  übev  14)00,000  ft  rohe  Seide 
wwrdealsjihrlieheEiAfahr  für  die  Seiden-Manufacttiren  gebraucht 
Seit  dem  ersten  Frieden  au  Paris  1814  schien  dies  Gewerbe  durch 
die  ioswuchen  gewonnenen  Er&bnmgen  in  Frankreich  und  durch 
die  Concurrena  mit  den  Seidenwaarea  aua  der  Sehweis  und  den 
RheinproTinsea  auch  in  England  einen  neuen  Aufschwung  au 
nehmen.  Es  wordea  1815  I,416»000  %  Gewicht  Seide,  aum 
Theil  aus  China,  Ostindien  und  den  Inseln  des  Oeeanisehen  Arehi- 
l^elagua,  mmi  Theil  aua  der  Lombardei  eingeführt,  etwa  jftim 
Werthe  ron  1,500^000  S  St  So  blieb  ea  durehsehnittlich,  bis 
1824  die  Einfuhr  fremder  Seiden^aaren  gegen  massige  Eioganga- 
Mle  gestattet  wurde.  Anfilnglich  schienen  allerdings  die  Sei- 
denmanufacturen  einen  empfindlichen  Stess  su  erleiden,  weil  die 
Missstimwnng  der  Fakrik4nhaber  über  die  Concurrena  dea  Aua- 
landea  einen  grossen  Theil  der  Arbeiter  ausser  Brod  sefnleL  Aber 
bald  siegten  die  Rivalität  und  die  Englische .  Kunstfertigkeit  im 
Maarhineabau»  der  Ueberflnaa  an  Gelilmitteln  wagte  einen  aenen 
Kampf  mit*  der  Franaösischen  Industrie  in  diesem  Zweige  der 
techniaehen  Cultur,  und  jetst  ist  es  entschieden,  daae  England 
auch  hierin  Frankreich  nicht  mehr  nachsteht  und  fortan  in  den 
Seidemanufacturen  ateta  einen  Haiytartikei  fttr  die  Britiache  In- 
dustrie behalten  wird.  Wir  sehen  dies  ans  dem  dreifach  gestei- 
gerten Bedarf  an  roher  und  geaponnencr  Seide  <im  Verhältadase 
wie  3  au  I)  in  den  ktsten  Jahren; 

1831  wurd.  eingel.  4,312,000%  Gew.  s.  Werdie  v.  4,661,084  %St 

=  (32,633,888  Tb.) 

1832 4^24,807%  — 

1833    —  -.  —     4,665,060  tt  -* 


D«*  8ritis«b«  Baiok.  '  4tl9 

I 

TMMiy»  MattiagkttMy  <k  Ü»gggf  4  voa  Lob^oii»  Mandiester  «nd 
Pitfriflgr.  Ofo  Zidd  der  i«  deaseltoi  lejcUtfUgtcn  Arli^ter  steigt 
aaf  ia(MMM>,  der  Wcttk  der  rrnm  deneeften  Terfeitigten  Waareii 
wM  Ton  Pekffw  flfar  1SS2  uf  8»000,00D  |[  St.  (50,600,000  Tbl.), 
TMI  Of«  mmdesteiie  uff  JfiOOfiW  %  St  (49,009,000  Thl.)  ge- 
•diitst  Darmi  gellt  gegen w&ttig  bereite  ein  Zwftlfth«!  dureh 
AaeMir  in  des  Aeelend  ab,  naeteatiieh  .^ 

1931  fir  456,939  ^  St = 3,191,609  ThL 

1932  —  529,990    — >     =3,^09,930  — 

1933  —  749,294    —     ==  5,182,(^8  — 

Dies  befiigt  gegeairiitig  sehoii  melir  als  die  Eiaftibr  der  Fran- 
i6siseiiea  Seideawaaren  »acb  Enghaid,  w^ehe  flberdies  jftbrikk 
nebr  in  AbnaboM  köBMut,  weno  aueb  jetst  neeb  «n  Drktel  de» 
Betr^  rielielebt  nebr  dmreb  Sebleicbbaadel  eingebraebt  wird« 

1829=17,311,810  Frau =4,074, 187  TbL;; 

1830=16,204,389    — *   =4»IOS^i79    — 

e)  Metallwaaren«  Die  Metaliwaaren  GresabritaanleDs 
stsd  rorsftgKdi  aasgeseiebnet  in  den  Waffen  und  kersen  Waaren 
aas  Stabl  and  Eieeo,  wie  denn  Sbefißeld  mit  seinen  Klingen  bereits 
im  dreinsbnten  Jabrbnnderte  einen  iberaos  geaebtetenRof  genoss, 
nnd  ancb  neeb  gegenw&rtig  in  seiner  Umgegend  40,000  Mensehen 
dÜreb  000  Kikigenmasler  besehftft^t  Niebstdem  sind  die  plat- 
tiiten  nnd  Bijooterie-Arbeiten»  die  Messing«  und  Knpfer^Waaren 
vnd  ftberiumpt  alle  feineren  Metallarbmten  an  einer  besondereti 
Vellkommenbek  nebracht,  nnd  desbalb  anob  gegenwärtig  neeb 
im  Aaslande  gesnebt  London  nnd  seine  Umgebai^n  bieten 
für  die  edlen  Metalle,  Messing  und  Kupfer,  sowie  Birmingbam, 
Carlisle,  Neweastle  und  Sbeffield  fir  Stahl  und  Eisen  die  Haupt- 
sitse  dieser  Manufaetaren  dar,  welche  überhaupt  gegenwllrtig 
370,000  Arbeiter  erbalten  und  mit  Einsehluss  der  Ooldssbmidt 
Arbeiten  (3,400,000  %  8t>  Jfthrtieb  gegen  20,700^000  S  St 
(144,900,000  TbL>  an  Fabrikaten  liefern,  wobei  doeb  über  swei- 
Drittel  des  Betrags  anf  Arbeitslohn  und  reinen  Gewinn  sn  reeh- 
nen  sind.  Die  Ausfuhr  an  den  Fersebtedensten  Metallwaaren 
ist  noch  jetst  sehr  betrüebdieh«  wenn  sie  ai»b  niebt  mehr  im 
Steigen  begdffen  ist,  da  namentlieh  der  Ausfuhr-Handel  mit  die- 
sen Waaren  nach  Europa  in  unserem  Jahrhunderte  stark  abge* 
nommen  und  einen  nicht  TttUig  ausreiobenden  Ersati  in  den 
Seknbert'n  StattHik  n«  m 


459  Das  Britische  Reiche 

r 

\ 

iilnrigw  Erdäieilen  dafürerlangt  hatlndeis  betrngdodinocIi^ieAttfl- 
fahr  nach  dem  WertfiTerhftitnisie  iteH  Ober  ein  Fünftel  des  Betrags 
s&mmtlieher  Terfertigter  Fabrikate,  wie  dies  ans  den  neiesten 
Aosfuhrliiten  nach  dem  declarirten  Wertbe  derselben  henrorgehl; 

Es  wurden  im  Ausfahrhand^  übgesetst 

1828          1820          1830  1831 

1.  An  Eisen  n.  StaU       %  St        %  St         %  St  %  St 
roh  und  verarbeitet      1,214,948  1,226,836  1,155,177  1,123,372«) 

2.  Waffen  n.  Munition     406,312     335,512     279,381  562,765 

3.  Blei  und  Schrot         256,182     177,656     114,525  96,333 

4.  Zinn  roh  u.  Ter* 

arbeitet      .     .     «     .     489,641     413^765     355,127     307,861«*) 

5.  Kurse  Waaren  und      « 

Messerschmied-Arbeit  1,390,429  1,385,61 7  1,389,5 15  1,622,429 

6.  Messing  und  Kup- 

fer-Waaren      .     •     .     786,803     678,531     810,641     803^124 

7.  Piattirte»  Waaren, 

Bijouterie,  Uhren.  169,450     181,849     177,242     188,144 

Zusammen  4,713,765  4,399,766  4^281,608  4,704,028  ' 
Es  beträgt  also  die  Gesammtausfuhr  in  diesen  vier  Jahren 
18,019,169  <ä  St  =  126,134,183  Tbl  oder  durchschnittlich  im  Jahre 

4,504,792  %  St  =  31,533,544  ThL 

\ 

f)  Thon*  und  Glas  waaren.  FQr  die  Englischen  Thon- 
waaren  bat  Josias  Wedgewood  überaus  grosse  Verdienste  sich 
erworben,  ipdem  er  seit  1760  dahin  arbeitete,  durch  Schönheit 
der  Formen,  Farbenreix  und  Haltbarkeit  der  Geschirre  dem 
nach  ihm  benannten  Steingut  einen  unnachahmlichen  Werth  auf- 
miprägen.  Durch  ihn  wurde  der  Bezirk  in  Staffordshire,  the 
potteries  (Töpferd)  genannt,  der  schon  su  Anfang  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  vieie^obe  Töpferwaaren  verfertigte,  einer  der  blii- 
hendsten  Punkte  der  Britischen  Industrie.     In  der  Nähe  von 


'  *)^I>er  Absatz  in  d^n  beiden  darauf  folgenden  Jahren  ist  etwaz 
Cefctiegen       183-2 = 1,434,431  S  St  =  lQ,041,0lf  Tbl 
1833=:  1,408,453    —     =  9r859l,I71    — 

**)  In   dem  Jahre  163^;  war   der  Absatz  auf  343,460  9i  St* 
(1,4049220  Tbl)  und  1833  auf  36%l^ttSt  a541>896  Tbl.)  gesüegen. 


Das  BritUcke  ReicL  4il 

NevMstte  wäim  lia«  «Mit  maa  Ufv  nf  tlatr  Uogt  tob  a 
E^  MeBMi  (bfluuüie  2  a  1L>  iWr  00,000  MentdMii  dieh^ 
4iiagt*in  Flednn  nad  Ddifmi  *)  an  «inaador  woIumd,  daaa  aie 
eise  dBs%«  Stadt  tm  Ud«  scMms:  aie  arWitaa  nv  in  Stein- 
gnty  aber  le  ataik,  daaa  de  w&chentlich  8000  Tonnen  oder 
16,000,000  %  Stnnk.  Terlmnchen  *%  Jihrlieli  werden  in  dieeea 
Dittriete  aUein^iir  1,500,000  ^  St  (10,500,000  ThL)  Thon-Waa- 
ren  rerfertift;  antferdem  in  den  Grafschaften  Woreetternnd  Derbjr 
and  an  einigen  anderen  Orten  noch  für  75O,OCil0  ^  St  (5,250,000 
ThL),  Msammen  alao  fnr  2,250,000  %  St  (I5,75<>,000  ThL),  wo- 
von ^  Porteilan,  |.  feineres  Stetngnt  und  j-  gemeines  milekweisses 
Steingut  ist;  und  von  welchen  Waaren  wiederum  ein  irolles  Fünf- 
tel durch  den  Handel  im  Auslande  ahgesetst  wird.  Das  Meiste,  bei 
nahe  die  fiÜÜfte  der  Ausfuhr,  geht  nach  den  Nordamerikanisehen  Frei* 
Staaten,  nüchstdem  nach  Brasilien,  Canada,  Westindien,  Cuba,  den 
Niederlanden  und  Deutsehland.  Die  Gresammtausfuhr  betrug  bereits 

1822=    423,300  %St=  2,903,703   Th. 

1823=  489,732  —  =  %428,I24  — 
nnd  war  eben  so  stark  in  den  leisten  Jahren 

1828=    437,813  %St=:  %064,691     — 


1829= 

409,743 

—  =  34(>S>20I   — 

1830= 

401,710 

—  =  3^1,970  — 

1831  = 

401,090 

—  =  3,227,030  — 

1832  = 

490,787 

—  =  3,435,509  — 

1833  = 

487,515 

—  =  3,412,005  — 

msammen  in  0  Jahren  =  2,838,658  %  St  =  19,870,006   Th. 
also  durchschnittlich  in  1  J.=    473,109}  —   =  3,311,767|  ^ 

Die  6lasfabrikation  hob  sich  seit  der  Regierung  Elisa- 
beths und  Jacobs  1.  ausserordentlich,  seitdem  das  Glas  allgemein 
bis  in  die  Bauemhfitten  su  Fensterscheiben  gebraucht  wurde  und 
gl&seme  Geschiire  die  kostbareren  metallenen  rerdrfttagten.    Im 


*)  Borslem  ist  der  Hanptort  mit  10,000  E.  Nächst  ihm  seidinet 
sich  Etruria  aus,  Jessen  Fabrik  nur  geschmackröUe  Erzeugnisse 
der  Kunst  nach  antiken  Mustern  liefert 

^  Macculloch  a.  a.  O.  II.  S.  751.  WöcheatU^  wird  auch 
hier  nur  Tergoldung  650  Loth  Gold,  verbraucht. 

19* 


45%  Das    Britifche   Rtoich« 

•idiCiebnteii  Jahrhunderte  bildete  tteh  1773  die  Spiegelglai- 
Compganie  und  errieh tete  durch  Franiöiisehe  Arbeiter,  die  groMO 
Spiegelmannfaetar  in  RaTenhead  bei  Sauet  Helena  in  Lancathire. 
Bald  darauf  entstanden  mehrer  Spiegelmanufaeturen  su  London 
und  Liverpool,  und  die  Venetianitche  und  Fri^nsÖsiiehe  Kdnstfer* 
tigkeit  war  auch  in  diesem  Zweige  der  technischen  Cultnr  bald 
erreicht  Der  Bedarf  an  Glaswaaren  stieg  dadurch  ausserordent- 
lich in  Grossbritannien  und  auch  der  Verbrauch  des  durch  seine 
Weisse  und  Reinheit  sich  ausseichnenden  Englischen  Glases  im 
Auslande  wurde  mit  jedem  Jahre  stärker:  bereits  im  Jahre  179^ 
wurden  an  Crjrstall  und  Spiegelglas  67,B15  Cntr. 
Geringerem  Tafelglas  20,607  — 
Kronen-Fensterglas  •  •  83,040  ^ 
Grünem  Bouteillenglas  227,476  Cntr.  verfertig 
deren  Werth  damals  auf  1,500,000  %  St  (10,500,000  ThL)  lu 
berechnen  war.  Seit  dieser  Zeit  wurde  aber  die  Abgabe,  welche 
bei  dem  Staate  auf  den  inl&ndischsn  Verbraudi  des  verfertigten 
Glases  gelegt  wurde ,  bis  tum  Jahre  1825  auf  das  Fünffache  de« 
früheren  Betrags  erhöht  *)  und  nur  bei  der  Ausfuhr  von  Glas- 
waaren durch  den  Rttckzoll  vergütigt  Dadurch  wurden  die  ' 
Glu*Manafacturen  in  ihrem  Betriebe  ausserotdentlioh  gedrückt^ 
•o  dass  1816  ungeachtet  der  inswischen  so  stark  gestiegenen 
Bofölkerung  kaum  die  Hftlfte  der  Waaren  vom  Jahre  1704  an* 
gefertigt  wurde.  Erst  1825  wurden  die  Abgaben  auf  die  Hilfte 
wieder  herabgesetit,  und  der  Betrieb  der  Glasmanufacturen  ging 
sofort  wieder. rasch  in  die  Hübe:  bereits  1828  wurden  nach  den 
Stenselisten  angefertigt  CrjstaU  und  Spiegelglas    68,134  Calr. 

Geringeres  Tafelglas  6,956    — 

Kronen-FoBsterglas  •  •  00,605  -** 
Gfftnes  BonteiUengIa«  224,864  — 
Ee  war  also  die  Hfthe  der  Yormaligen  Fabrikation  wieder  er^ 
reicht  oder  Übevholtj  und  nur  \tl  dem  geringen  Tafelglaa,  das 
gar  keine  Ausfuhr  hat,  um  swei  Drittel  des  frühere  Betrags  lu- 
rtlekgeblieben.  Der  gegenu&rtige  Gesttnmtwerth  der  Jfthrtieh  in 
iGrossbritannien  und  Irland  rerlertigten  Glaswaaren  betrftgt2v500,000 
ft  St  =  1 7,500,000  ThL    Davon  wurden  selbst  nach  den  jetst  her- 


*)  Bei  Crystall-  und  Spiegelglas  tob  1  %  St  1  8h.  pr..  Cstitr. 
i.  J.  1794  bis  auf  4  <&  8t  18  Sh.  (34  ThL)  pro  Centr.  L  J.  1813. 


Das  Britische  Reich.  453 

abg^t^Men  Abgaben  an  dpn  Staat    1828  977,076  %  ^.  gesfthlt, 

1829  831,816     —     und  da- 
Ton  wieder  RücksoU  siirfickgegeben  1828  367,498     —  ' 

1829  224»092    — .     Ea  Ter- 
bleiben  alao  dem  Staate    1828  609,578  %  St  =  4,267,046  Tbl. 

1829  607,724     —    =4,247,368    — . 
Die  Geaammtiiuafttbr  beträgt  aber  durchscbnittUeh   ein  FQnfCel 
der  Jlbriicben  Glatfabrikatio.n,  wie  diee   aua  den  ZolUieten  der 
letsten  seebe  Jahren  eich  ergiebt 

£•  wurden  an  Glaiwaren  Tonagüeh  naebEuropn  anigefuhrt 

1828  für  527,110  ^  St  =  3,689,770  Tb. 

1829  —  492,073 =  3^444^511  — 

1830  —  467,155 =  3,270,085  — 

1831  —  429,624 =  3,007,368  — 

1832  —  402,716  —  —  =  2,819,012  -^ 

1833  —  451,388 =  3,159,716  — 

ait^  in  6  Jabren  2,770,066  %  St  ==  19,390,462  Tb. 
und  diuebaebnittL  in  1  Jabre    461,677}  -^ =    3,231,743}  — 

p  Leder-Mannfaetnren.      Die  Lohgerbereien  waren  in 
England  sebon  eeit  dem  Aufgange  det  Mittelaltera  in  aekr  be- 

deutendem  Anieben,   haben  aber  in   den  neueren  Zeiten  dureb 

* 

wiebtige  ebemifeb)^  Erfindungen,  die  bei  dieeem  Gewerbe  An- 
wendung finden  konnlett,  beaonders  ausgeseidinete  Fertsebritte 
gemaeht  In  der  Weiesgerberei  ist  Frankreich  ateti.  im  Vorränge 
geblfeben,  und  wenn  diese  Riralit&t  auch  ▼orthcUhaft  iuf  eiflfen 
eifrigeren  Betrieb  in  diesem  Zweige  der  Industrie  gewirkt  hat 
■o  ist  England  dennoch  auch  gegenwärtig  noch  nicht  auf  glei« 
eher  Hübe*  Dagegen  ist  das  iaekirte  Leifer  ein  besonders  aus« 
geseldineter  C^enstand  dieser  Manufaeturen.  Dia  Hauftmaau- 
faeturen  sind  an  London,  Worcester,  Woodstock,  YeOvO,  Lud- 
low  und  Leominster.  Woreester's  Handsobuhfabriken  liefern 
allein  j&hriieh  dber  6,000,000  Paare.  Das  rohe  Material  besitit 
England  keinbsweges  sum  hinlänglichen  Bedarfe,  und  Aeit  der 
Verminderung  der  EingangssdUo  auC  die  Einführung  von  Hau- 
ten und  der  Abgaben  von  dem  verfertigten  Leder  mit  dein  Jahre 
1822  hat  sieh  dieser  Zweig  der  technischen  Cultur  ausserordent- 
Hfh  gehoben:  in  einem  noeh  höheren  Grade  dürfte  es  aber  in 


454  Das  Britische  Reich. 

f 

der  n&elifiten  Zeit  lieh  seigeo,   da  leit  1831   Idle  Abgaben  «af 
Leder  aufgehoben  sii^d. 

D|e  Einfuhr  an  rohen  und  gegerbten  Häuten  betrug 

1828  423,789  9»  St.  =  2,966,523  Hl 

1829  643,892 =  4,507,244  — 

1830  829.436 r=:  6,805,052  — 

'  Der  Gesammtwerth  der  gegenwärtig  in  Grotibritannien  ver- 
fertigten Lederwaaren  wird  auf  12,500,000  ft  St  (87,500,000  Th.), 
die  Zahl  der  dabei  beachäftigten  Arbeiter  auf  264,300  K.  berech- 1 
net^  Die  Ausfahr  dejr  Lederwäaren  iit  yoraugsweiae  nadi  den 
Brituehen  Colonien  in  Amerika  bestimmt;  sie  betrug  noch  nioht 
ein  Viendgtheil  der  Fabrikation 

1828  =  280,266  %  St  =.1,961,862  Th* 

1829  =  261,736 =1,832,152  — 

1830  =  264,007  -; =  1,778,049  — 

t  M31  =  246,410 =  1,724,870  — 

Dam  kann  noch  gerechnet  werden  die  Ausführ  an  verfertig- 
ten  ßattlerwaaren,  welche  nach  dem  nördlichen  und  mittleren 
Europa  vorsugsweise  geht 

,  1828  =  ^8,436  %  St  =  619,045  Th. 

1829  =  89,206 =  624,442  — 

1830  =  82,996 =  680,972  — 

1831  =  61,312 =  429,184  — 

Die  Zubereitung   des  Pelzwerks    ist   nur   ausschliesslich 

(Ur  den  inländischen  Verbrauch  bestimmt;   sie  bedarf  einer  he* 

jträ^^htUchen  jährlichen   Einfuhr    an   Rauch waaren    und  Fellen: 

1828  =  314,094  ft  St  =  2,198,658  Th. 

1829  =  410,696 =  2,874,872  — 

1830  =  389,910 =  2,729,370  — 

b)  Die  Seife-,  Talg-  und  Wachs-Fabriken.  Die 
grossen  Seife-Fabriken  sind  Torzugsweiie  in  den  Hauptstädten  des 
Reichs  angelegt,  in  London  die.  älteste  um  das  Jahr  1524.  Das 
rohe  Material  dasu,  sowie  au  den  Lichtern,  wird  sunt  grossen 
Theil  poch  aus  dem  Auslande,  namentlich  aus  den  Ostseehäfen 
eingaführt    Die  Einfuhr  betrug 

1828  noch  1,249,801  <S  St  =  8,748,607  Th. 

1829  —    1,029,126 =  7,203,882  — . 

*  1830    —    1,145,499 =  8,018,493  — 


Das  Britische  Belob. 


455 


^Dam  kftwBt  noeh  «nie  Jllirliclie  Einfuhr  von  Palrnftl  Im  duroh- 
«ehnitdiohen  Werthe  voo  150,000  ft  St.  (1,050,000  Th.)  Die  Fa- 
brikation der  Seife  Hast  sieh  nach  ihrem  gesammten  Umfange 
bequem  in  ihrer  Ab-  und  Zunahme  aus  den  Acciselisten  überte- 
hen,  da  eine  sehr  bedeutende  Abgabe  von  28  Sh«  (9^  Th.)  für 
den  Centr.  harte  Seife  (40  Procent  wenigpr  für  die  weiche)  an 
den  Staat  entrichtet  werden  muss.  Sie  gewährte  allein  in  Gross- 
luritanniea 

harte      %  Gew.  weiche  %  Gew.  Accise  %  St. 
1825  für  100,261,353  —     '0,297,485   —    1,285,710    — 


1826  *-  102,<S23,1<S5 

1827  —  06,859,694 

1828  —  104,372,807 

1829  —  108,110,198 

1830  —  103,041,961 

1831  —  117,324,230 


8,910,504 
7,278,446 
0,646,477 

10,024,665 
9,068,918 

10,209,519 


1,347,762 
1,263,818 
1,374,099 
1,425,517 
1,354,152 
1,513,150 


KUMmm.  in  7  J.  732,593,408  ft  G.  64,436,014  %  G.  9,565,108  %  St 

LToiXc?  '^«^'^*  -  ^'^^'^^  -  ^'^««'^  - 

Die  Seifefabrikation  betrügt  daher  jährlich  über  1 13,860,000  <3  Gew. 
und  die  Accite  Einnahme  davon  jährlich  9,565,108  Th.,  wovon  aber 
e^a  16  Procent  Verwaltungskosten  abgezogen  werden  müssen,  also 
immer  einen  Nettoertrag  dieser  Steuer  allein  von  mehr  als  8,000,000 
Th.  Der  Gesammtwerth  der  jährlich  verfertigten  Seife  beträgt 
3,000,000  %  St.  Auf  4,000,000  %  St  wird  die  Fabrikation  dcf 
Lichte  geschätit,  wobei  aber  noch  die  jährliche  Einfuhr  von 
Wachs  gegen  45,000  bis  50,000  %  St.  (350,009  Th.)  Werth  in 
Anschlag  zu  bringen  ist  An  Talglich  t<in  werden  in  Grossbri*'' 
tannien  112,000,000  <S  Gew.,  an  Wachslichten  gegen  1,000,000 
%  Gew.  jährlich  verbraucht  Die  Ausfuhr  dieses  Zweiges  der  Bri- 
tischen Industrie  ist  verhältnissmässig  nicht  sehr  gross  und  be- 
trägt noch  kein  Zwanzigtheil  der  Fabrikate:  sie  geht  vorzugs- 
weise nachi  dem  Britischen  Nordamerika,  nach  Westindien  und 
Brasilien.  Si«  war  1828  =  227,696  <ft  St  =  1.593,872  Th. 

1829,=  226,206 =:  1,583)442  — 

1830  =  192,739 =  1,349,173  — 

1831  =  236,499  —  —  =  1,655,493  — 

i)  Papiermühlen  u.  a.Mahlwerke.   Noch  im  siebzehnten 
Jahrhunderte  bezog  Grossbritannien  den  grössten  Theil  seines  Pa- 


416  Das  Briilteke  Rciclt 

pitfWdAtii  wn  de«  CMÜneMt,  numMdk  wuVwtaknUh^  Em 
nack  d«v  Avfkdmiig  des  Edicta  vm  NmiIm  mrdtii  ma n»  dM 
EaglkelMa  PiipitrmMilea  d«nh  FraatttsiMbe  CaloniirtMi  «ekrang^ 
mtMen  Tvrbetaeft^  m  dnw  Mhmi  16iN>  tM  heuert  Fablkit«  g^ 
liefert  wurden  *).  ^  Deimoeli  besog  England  drebaig  Idktt  tp&lar 
(1721)  erst  300,000  Riet  Papier,  oder  den  dritten  Tbeil  eeinea 
J&hrlieben  Verbtai^Elia  a«a  seinen  eigenen  Miklen.  Seefassig 
Jahre  davaaf  war  Gressbritannien  bereits  im  Stande  «einen  «ige* 
nen  Bedirfnissen  an  genögen,  nnd  die  P^^ier-Fabfieation  iin- 
ferte  Jähriich  an  Waaren  für  780,000  %  Bt  (M^OOO  Tb.| 
WertL  Seit  dieser  Zeit  stieg  jlUirlieh  der  Verbimneb  an  Papier 
über  anob  die  eigene  Verfertignog,  nnd  ea.  begann  sofort  ein« 
Ausfuhr,  die  mehr  als  den  swansigsten  Theil  der  Fabrilcate  ans* 
macht  Ciolqnhoun  sehlftgt  indess  für  das  Jahr  1812  an  boeh 
den  Werth  derselben  auf  2,000,000  S  St.  (14,000,000  Tb.)  an: 
denn  selbst  gegenwiU'tig  steigt  der  durchsehnittiiche  Werth  jftbr- 
lieb  nicht  über  1,300,000  %  St  (9,100,000  Tb:>  Die  Torsttg- 
liebsten  Papierrotthlfln  sind  im  FinteniiUBs  Wales,  das  aieb  we- 
gen seiner  Localrerbftitnisse  gana  besenders  daan  eignet  In 
England  und  Waleb  anaamman  sind  700  Papiermiiblen«  in  Sdiett* 
land  70  bis  80,  in  Irland  60,  abo  inaammen  gegen  830,  weiche 
etwa  27,000  Arbeiter  ununterbrochen  beschäftigen.  Die  Papier- 
fabrication  lässst  sich  bei  der  bedentenden  Acdse*  Abgabe  fom 
Papier,  14>^28  Sb.  (4|  bis  9|  Tb.)  vom  Centr»  aebr  gew« 
ibersehen. 

Es  wurden  im  Jahre 

1830  57,420,02ß  BnchPi^  Terfortigt;  dav.  Abgabe  739,805  ^St 
1631  61,275,105    -^     —  «-  ^        ^  ,    070,800    — 

J832  63,900,109    ^     —  ~  ~        —       711,623    -«^ 

1833  67,397,868    — .     — -  ~  ~        — >       752,274    — 

Ausserdem  noch  80,000  Centr.  Pappdeckel  j&brlicb.  Also  verbleibe 
im  Durchschnitt  eine  jlihrliche  Fabrikation  von  64,000,000  Bück 
Papier,  30,000  Centr.  Pappe  und  eine  Papier*Adcise  ron  720,000 
^  St  <5,O40,00O  Th.)  Die  Ausfuhr,  so  nnbedentmd  sie  naok. 
dem  Werthbetrage  ist,  (doch  wird  von  ihr  natirHcb  der  Rüekaell 
gewährt;  der  ungefUir  40  Procent  der  Papierpreise  In  EngUmd  ana* 


*)  Vergl.  über  die  Englischen  Papiermühlen  du 
dn  für  die  Literat  des  Ansl.  Jan.  183^  S.  d2|  ttacculloch  a.  «•  O. 
IL  464-«. 


Da»  Arltitcli»  Aeiob.  487 

-  •  kl 

mMht)  gdit  MMh  alte  'DuSitsn  EnN^M-aiid  Ameiikis^  «tlbtlFn^« . 
reioh  hwmäht  jeM  HS»  teiMgroMenKiifl^nlieli^FapieftaiuiEBg» 
Imi4.  Sm  batettg  Jthiink  io  ien  letstuiZeileiiilm  100,000%  8t 
(700,000  Tk)  a»d  wwr  io  ^n  AmfabrlisteB  luiter  dorn  «Ugenci- 
neu  Titel  Sebtoibmattriaiien  ■utbagciffsa.  — 

Dia  OeNMahl  werke  arbeiten  uiuaittelbar  nur  fttr  den  in- 
l&ndif  eben  Verbraiteh  und  iie£Bm  hdditteni  das  Oel  aU  Substans 
fllr  anderweidge  Fabrikate.  Obgleiek  nun  der  Anbau  der  Oel* 
geerftchae  in  Elngland  nnd  Irland  niebt  unbeMebtlicb  iat,  .90  be- 
darf ee  doeh,  noek  einer  jabrlicben  Einfüllt  &Bt  300,000  <g  St 
(2|100y000  Th.)  an  Lein-  und  Rapeaaat:  denn  et  nrurden  eingefübrt 

1828  1829  1830  ,     1831 

an  Leusaat  259,669  <B  St  221,160  91  St  223,73r  9;  St  265,035  ^  St 
an  Rapssaat  65,763    —      55,399    <—     48,804    —     67,069   — 

xüsainnien    325,432   —   276,659    -r .  272,601    —    332^104  -^ 

Von  dieser  Einfobr  an  Leinsaat  liefert  ftnssland  }^  Prenssen 
und  die  Niederlande  \,  der  Rest  kömmt  aus  Italien,  Aegypten 
und  Nordamerika.  Die  Rapssaat  wird  grdssentkeils  aus  Nerd- 
DentsehlaUd  und  den  Niederlanden  eingeführt 

k>  Tabaeks-^abrlken.  Dsr  Gebrauek  des  Raudi*Ta- 
badcs^  wenn  ansh  scken  in  den  lotsten  Jahren  der  Kteigin  EU* 
sabeth  bekannt,  wurde  doch  erst  unter  Jacob  I.  seit  der  ersten 
festen  Niederlassang  in  Virginien  1607  allgemeiner.  AnDUiglieh 
blieb  der  Tabaekshaadel  ain  Vorrreht  der  Krone,  jber  beim  Be* 
ginn  des  Bürgerkriegs  unter  Carl  1.  wurde  er  TdlUg  frei  gege- 
ben und  ein  EinfuhnoU  auf  den  aus  Amerika  eingebraehten 
Taback  gelegt  Der  Anbau  des  Taba^eks  in  Grossbritannien  und 
Irland  wnrde  bereits  während  der  Republik  1652  untersagt,  und 
dies  Verbot  blieb  auch  naeh  dar  Restauration  der  Stuarts  in 
Kraft  erhalten.  Der  Verbrauok  an  Tabaek  stieg  alljährlich«  und 
wenn  das  Raulen  auch  seit  1776  bei  den  höheren  Classen  in  Ab- 
nahme kaB^  so  wurde  derselbe  in  Rücksieht  der  Terbrauohten  Qnait* 
ti^t  durch  das  erst  seit  dieser  Zeit  überhand  nahmoide  Schnupfen 
des  Tabacks  völlig  ersetst  Daher  wurden  bereite  f773  fiber 
8,000^000  9;  Taback  in  Grossbsitannien  und  Irland  .Terbraueht,  die 
ansschliesslish  ana  Virginien  und  Maryland  eingeführt  wurden  und 
dem  Staate  damals  an  Btngangssoll  Ober  iOOflOO  Q  St  {2,ipo^000 


4^  Bn$  britische  Beleih 

Th.)  brMhteB,    Seit  dieser  tOt  etieg  der  VerhrMeh  Jihflicb;    er 
•tend  för  Orotfsbrkeiiiiien  1780*)  «irf  8»I62,I8I}  %  mnd  aiiuer- 

dem  fftr  Irland  aiif  2,765,441  %  Gewicht;  1800  Hlr  jenet  dordi- 
eeknlttÜeb  auf  11,000,000  %  für  dieset  a«f  0,000,000  <S  Gear. 
Nun  wurdj  aber  die  Tabaekaatener  erhöht  nnd  die  früher  ffir 
Irland  geringere  der  Englischen  fast  gleichgestellt  Dies  enengto 
einen  aussererdentlichen  Schleichhandel  in  Taback  an  der  Ir- 
ländischen Kftste,  so  dass  ungerechnet  der  jährlichen  starken 
Zunahme  der  Bevdlkemng  nur  |  des  früheren  Betrags  nur  amt- 
lichen Versteuerung  kamen,  nie  selbst  nur  nocb  ^    . 

1826  für  Irland  4,041,172  %  Gew.. 

1827  fKr  Irland  4,013,915  <S  Gew. 

die  davon  lu  erlegenden  Zoll-  und  Accise-Gefälle  gewährten 
im  Reinertrag  1826    603,038  <S  St  =  4,221,266  Tb. 

1827  595,683  %  St  =m,  4,169,781  Th. 
Aber  auch  ffir  Grossbfitannien  nahm  nicht  yerhältnismässig  mit 
der  Bevölkerung  die  Einfuhr  an  Taback  su,  und  seit  einer  neuen 
Steigerung  derAceise  imJahr^  1812,  wo  sie  bereits  15,043,533%. 
Gew.  betragen  hatte,  sank  sie  entschieden,  wohl  unsweifelhaft  aucb 
hier  auf  Veranlassung  des  Schleichhandels  auf  12,000,000  und 
13,000,000  9;  Gew.,  und  hob  sich  nicht  mehr  über  14,540,368  %  Gew., 
wie  sie  1828  stand,  und  damals  an  Zoll*  und  ^ccise-Gefällen  dem 
Staate  2,198,143  %  St  (15,387,001  Th.)  Reinertrag  brachte.  Für 
^osshritannien  und  Irland  susammen  wurden  eingeführt: 

▼ersteuert  mit 

1830  19,406,402  Q  Gew.««)  2,938,051  %  St  =  20,566,357 Th. 

1831  19,533,840      —  2,960,325     —     =  20,722,275   — 

1832  20,313,615  —  3,090,270  —  =  21,631,890  -- 
Die  Ausfuhr  des  in  Englischen  Fabriken  zubereiteten  Tabacka 
ist  von  geringem   Belange,  sie  betrug   1828  =  14,982  %  St; 


*)  Die  .genauen  Angaben  von  Jahr  zu  Jahr  (i'789— 1828)»  sowohl 
in  Rücksicht  der  Einfuhr  für  Grossbrilannien  nnd  Irland,  als  auch 
für  den  Steuerbetrag  beider  Reiche  liefert  Maccalloch  a.  a.  O.  II., 
a  807-a 

*^  Davon  waren  nur  fabricirterRauchtaback  104»3989i>  Schnupf- 
taback  172  %;  der  übrige  Taback  wurde  erst  in  den  Englischen 
Fabriken  bereitet;  1831  wurden  114,900  %  und  1832  =  148,751  S 
ftbrictrter  Taback  eingeführt  Yergl.  Year-Beok  of  geoeial  aa- 
fonnation  fer  1834»  pag.  157  uad  179. 


Das  Qrili&ali^lleioli.  4fi0 


1829  e  JMl^  %  8t;.  1830  3  l»»877,«  St,  «bo  te  Jttfar- 
lidMo  DwclMidiollt«  iwiadl«!!  1«6|9«0  und  126,000  Tlw  ~  . 

1)  Grötsere  Crewerbe  im  Sieden^  Brennen,  *  BraoeiL 
Die  Zucker-Raffinerien  GroMbritannieni  gcihftren  ent  fa 
das  achtsehnte  lahrhundert,  da  der  Verkauf  an  Zuclvr  in  En^^* 
land  bis  auf  diQ  Regierung  der  Stuarts  sehr  spirlieh  war  und 
nur  bei  den  deichen  stattfand.  Selbst  im  Xahre  1700  bestand 
noch  die  ganze  Zuckereinfuhr  in  den  Britischen  Bftfen  in  220,000 
Centr.  In  den  darauf  folgenden  50  Jahren  hatte  sie  sich  bereits 
bis  auf  das  FUnfTache  rermehrt,  1754  =:  1,193,200  Centr.  seit 
dieser.  Zeit  ist  die  Vermehrung  derselben  nur  in  dem  angemesse- 
nen Verh&ltnisse  mit  der  Zunahme  der  Berdikernng  und  des 
Wolils'tandes  der  Nation  geblieben,  w&hrend  die  Zoll-  undAccise- 
Gefiiüe  von  |.  tt  St  von  dem  Centr.  Zucker  (der  jedoch  in  den 
Britischen  Colonien  geironnen  sein  muss)  auf  den  siebenfachen 
Betrag  ij.  9»  St  gesteigert  und  vor  1830  noch  höher  gewesen 
sind«  Der  meiste  Zucker  wird  nach  Grossbritannien  aus  Westin* 
'  dien  besogen;  über  ^  des  Betrags,  erst  in  den  neuesten  Zeiten 
seit  1820  hat  sich  die  Zufuhr  aus  der  Mauritius  Insel  (^'^  dt% 
Betrags)  und  aus  Ostindien  {^^  des  Betrags)  Tcrmehrt  Es  wird 
aber  in  den  Britischen  Zucker- Raffinerien  mehr  Zucker  als  für 
den  inliindischen  Verbrauch  gesotten,  und  nicht  sehr  viel  über  |, 
selten  gegen  ^  der  jährlichen  Einfuhr  wird  im  Lande  eonsumirt 
Die  jährliche  Einfuhr  hat  in  den  letsten  25  Jahren  durchschnitt- 
lich gegfn  4,500,000  Centr.  betragen.^  Dayon  sind  jlüirlich  im 
Lande  Tcrbraucht  von  2,504,507  Centr.  (Minimum  1809)  bis 
3,495,709  Centr.  (Maximum  im  Jahre  1829),  etwa  5()0,000  Centr. 
als  raSinirt  ausgeführt,  der  Rest  ist  als  roher  Zurker  weiter  ver- 
sandt Die  jährliche  Steuereinnahme  hat  in  dieser  Zeit  swischen 
3,273,000  %  St  und  4,500,000  <3  St  betragen,  1829  =  4,452,794 
%  St  =  31,169,558  Th.,  welches  aber  als  Nettobetrag  nach  Ab- 
lug  der  für  ausgeführten  rafißmrten  Zucker  lurüekbesahlten  Zoll- 
gefälle SU  betrachten  ist  Die  Einfuhr  an  Zucker  in  den  letsten 
Jahren  betrug:  L  Lande  consum.      ZoUgef. 

1830=  4,754,930  Cntr.  3,722,044  Cntr.  4,767,342   %  St 
1831=  5,366,262    —    3,624,597,    —    4,807,472      ^ 
.  1832=  4,867,785    —    3,725,751     —    4,648,990      — 

in  J  Jahren  14,988,977    ~  11,072,802    —  14,223,804     -«- 
n.  durchschnitt    4,996,325}^    3k690,r97f^    4,741,268      — 


460  J>«»  Britische  Reich. 

Also  der  JiltIMili  V«bi«iieh  ta  Zwker  gi«bl  nach  der  beutigeii 
Berötkenmg  des  Reieks  dwreheohBilCliek  «nf  den  Kopf  gegen 
J5  S  Zoeker  und  eine  ^teuerannalinie  ven  339188,876  TbL  -^ 
Die  Aueftihr  an  rafiinirteni  Zucker  betrug 

1828  963,431  S  St  %     421,750  Cntr. 

1829  1,038,838  —  --  456,844  —. 

1830  1.184,838  r-  —  607,580  — 

1831  1,238^910  —  -r  581,836  — 
.    -                       1832  1,544>300  --  —  774,939  — 

In  5  Jahren  5,970,026  %  St  f&r  2,842,949  Cntr.    . 
nnd  dureheehnittHdi  im  Jehre  eine  Awfnlir  ten  568,589  Cntr. 
reffinirtem  Znoker  Ar  1,194,005  %  St  =  8,358,035  TU. 

Unter  den  Bierbrauereien^),  welche  diet  Gewerbe  im 
Grossen  betreiben,  wurden  1829  in  London  84**),  im  tlbrigen 
England  und  Wales  1442,  in  Schottland  168,  susanimen  1694 
ges&hlt  Kleinere  Brauereien  fanden  sich  in  London  85,  im 
fibrigen  England  und  Wales  1184,  in  Sehottland  26,  also  luiamr 
men  1295.  Im  Jahre  1832  waren  überhaupt  Brauereien  in  London^ 
108,  im  üMgen  England  und  Wales  1645,  in  Schottland  216,  in 
Iriand  die  gleiche  Zahl  216,  iusammen^85«  Ausserdem  gab  es  in 
England  1829  45,981  Bierwirthe,  Yon  denen  23,287  ihr  Bier  selbst 
brauten,  1832  46,405  Bierwirthe,  von  denen  24,271  sugleich  brau^ 
ten,  in  London  1829  4464  und  1832  =  4391  Bierwirthe^  von  wel- 
chen aber  nur  22  audi  sugleich  Bierbrauer  waren;  endlich  in  Schott« 
Und  1829  17,713  und  1832=  17.070  Bierwirthe,  Ton  welchen  318 
ihr  Bier  selbst  brauten.  In  den  sechs  Jahren  1825—30  sind  durch* 
sehnittlich  des  Jahres  32,404,717  Bushels  Mala  in  England,  Wale«, 
Schottland  und  Irland  gedarrt  worden,  'dos  Bushel  Hals  su  8 
Gallons  oder  32  Pr.  Quart  im  Werth  von  8  Sh.,  giebt  einen  Be- 
trag Ton  13,361,887  9»  St  =  93,533,209  TbL  Daraus  wurden 
1826  8,242,510  Barrels  stark  Bier  und  1,806,072  Barrels  Tafel- 
bier bereitet,  wobei  der  Gewinn  der  Brauer  und  Schenker  auf 
35  Procent  insammen  genommen,  alljährlich  nur  durch  die  Be* 


*)  Ein  sehr  beaditenfwerther  Artikel  ist  über  das  Bier 
bei  MaccaUoch  a.  a.  O.  |.  8.  907—16.  Yergl.  Yearbook  a  177—18. 

^)  Von  diesen  IMerten  1834  11  Bierbraver  1,538»S67  Barrels 
Porter  (1  Barrel =86  Gallons  =  144  BeiL  Qaart.),  daninter  die 
Brauerei  Barclay  allein  357t4IO  Barrels. 


/  ^- 


Das  Britifche  Beicli.  461 

■ 

mtnig  wrf  ^«rVcfkair  teBkn  iWrSjm;000%8lO4»600^eM 

Tbl.)  gewMiiiea  wvrtoi.     Di«  MabtlMier  betrag  ia  Bieter  2Uk 
■wiicbeB    4,Sap^310  «  Sts3(Mlia,5M  Tbl 
mal    3^9Mi^l    —    =S0,5IRMST    — 
In    dl«m  Jftbre    1833  ww^en  40,(175,800  Bvab«!  Mals  geteit. 
welche  einen  Wertb  Ton    18,030300  tt  St   (111.212,122  TbL 
battea,  mnd  werpn  eise  Steuer  Ten  4,023^084  %  St  (34,481,518 
TbL)  entricbtet  werden  nmisteu    Die  Gerete  ninunt^beiM  Meisen 
etws    so    8  Proeent;    ee    waren    abo  sn  dieeea  Mals  nfttbig 
38,500^000  Bnsbel  Genie,   welcbe   «    4  Sh.    7,833,000  %  St 
ÜBiyiZlfiM  TbL)  keetmen.     im  Mm  1834  wer  4er  VerbranA 
an  Bier  necb  sOrker,  da  bei  gleieber  Beeteneraag  dieMaMtlener 
5,133,574  %  St    (35,035,018  TbL)    embiadite;    1832   war   sie 
4^825,150  %  St  (33,778,050)  gewesen,   also  in   den  drei  letsten 

Jabren  dnrchsebnittiiek  ober  4,050,p00  S  St  oder  34.850,000  Tbl. 

» 

'    Die  Ansliibr  an  Bier  nnd  Ale  ist  kanm  anf  ein  Sechtsig- 
tbeii  des  Jibrlicben  Vabricats  ansnsehlagen, 

1828  fir  212,301  %  St  z  1,488,737  TbL 

1829  —  230,280    —    =1,874,883    -* 

1830  —  24M17    —    s  1,880,010    ~ 

1831  -*-   181,788    —     :;z  1,132478    — 

svfeammen  in  4  Jabren     854,845  %  St  =  5,083,015  TbL, 
oder  dnreheebnittiiob  ftr  213,711  %  St  =  1,405,079  TbL 

Die  Branntweinbrennereien  sind  fiber  den  ganstn Um- 
fang der  vereinigten  Königreiebe  serstreot,  Yorsngsweiie  aber 
im  VerbaltniMe  sur  Bevötkerung  ni  Irland  nnd  Sebottland,  wbb* 
rend  in  England  nocb  eine  sebr  betrftebtliöbe  Masse  eingefübr- 
ter  Frantdsischen  Brantweine  getrnn]^en,  und  der  Verbraucb  an 
Bier  bei  weitem  stiirker  ist  als  dort  Denn  im  Jabre  1832  wurden 
in  England  «.Wales  3,788,088  6.= 15,152,272  B.  Q. 

inScbotttand     .    .   0,070,038— ±=30,018,152 

in  Irland      •      •    .   0,280,020— =37,043,880 Brentw.  Ttrf.*) 

susammen  23,028,028  6. =02,1 12,104  B.Q.  Die  Consum- 
tionsstener  für  denselben  betrag 4,075,445  9; St  =  34,828, II 5 ThL 
nnd  ist  in  den  drei  rorbergegangenen  Jabren  noeh  beträobtlieber 

*)  VergL  die  Tabellen  in  Year-Book  von  1834,  bei  MaccuU 
loch  a.  a.  O.  Bd.  I.  8.  ,^50^54  und  bei  Pebrer,  Taxation,  re- 
venoe  8.  530.  —  Die  Galtons  sind  liier=s4  Berliner  Oosrt  gestellt. 


469  Dti  Britisclie  ReicÜ 

g«wewB    1820=5,185,574  Q  St  =30,299,018  TU. 
1830  =  5,105,129    —     =36,305,875  — 
1831=5,103,178    —     =30,1^^240  — 
Die  Einfuhr  ausl&ndis^ben  Bran'ntwefaii  betrftgt  gegenwärtig  im  jähr- 
lichen Ooithsehnitte  1,300,000  CFallon«,  wovon  aber  auf  Irland  bfteh- 
stens  jI^  des  Betragt  (7000  big  7500  Gallbna)  kömmt    Sie  war 

Oanons  Berl.  Quart  Zoll     > 

im  Jahre  1828  1,335,485  0.=  5,341,940  B.Q.  1,499,423  %  St 

1829  1,309,079 -i.=   5,239,916  —     1,470,452  — 

1830  1,285,967  —  =   5,143,868  —     1,443,018   — 

1831  1,258,999  —  =  5,035,996  —     1.416,374  — 

1832  1,633,637  —  =  6,534,548  —     1,807,842  — 


**»(ii    ■>         «■     11^ 


in  5  Jahren  6.824,067  G.  ==  27,296,268  B.  Q.  7,637,109  U  St 
u.  durohschnitaich  1,364,813  — s  5,459,256  —  1,527,422  — 
Alao  ist  der  jährliche  Gesammtverbrauf^h  an  Branntwein  in 
GroNfibritannien  und  Irland  über  24,300,000  Gallons  oder  gegen 
100,00p,000  BerLQnart  und  die  Staats-Casse  beriebt  jetst  allein  aus 
diesem  Getr&nko  >an  Consumtionssteuer  und  Eingangssoli  im 
jährlichen  Durchschnitte  übw  6,500,000  %  St  oder  45,500,000 
Thl.r  fsit  soTiel  als  die  gesammten  Einnahmen  des  Preussischen  \ 
Staates  betragen»  Und  Jabei  bleiben  doch  mindestens  jährlieh 
über  1,000^000  Gall.  heimlich  verfertigter  Branntwein  der  Be« 
stMiemng  entsogen.  -^  Die  Bereitung  TonCjrder  und  anderem 
Obstwoin  ist  nur  unbeträchtlich. 

tt>  Unter  den  dbrigen  btdenttnderen  Gewerben,  welche 
^  vonugsweise  in  England  mit  namhaftem  Erfolge  betrieben  wer- 
den, oder  sogar  einen  beträchtlichen  Absats  im  Ausland  sich  er- 
worben haben,  nennen  wir  zuerst  den  Schiffbau.  Es  sind  jähr- 
lieh bei  demselben  gegen  30,000  Arbeiter  beschäftigt,  und  die 
Ton  demselben  verfertigten  Schüfe  haben  einen  Werth  von 
4,000,000  bis  5,000,000  %  StNgegen  35,000,000  Tbl.).  Es  wur- 
den nach  oIRcielien  Berichten  in  den  Britischen  Häfen  erbaut 
vom  5.  Jan.  18js  1719  SchifTe  v.  266,636  Tonnen  Last 

18}^  1285      —     —  144,812  —  —     — 

18||  1474   —  —  166,896 — 

18|J  1221   —  —  140,913 — 

—  —  18H  H^   —  —  116,872 — 

' '4t  ^^39   —  —  103,031 — 

—  —  18f  J  792   —  —  95,766 — 


Dajb  Britische  Beich.  46S 

Die  Hotfabriken  baken  einen  bedeutenden  jlbrlieben  Ab- 
eatr  nach  Amerika  nnd  den  fibrigen  Bridieben  Colonien»  182S 
ffir  175,293  %  St,  1829  fSr  11N{,906  U  St,  1830  fOr  188,902  <3 
St,  1831  für  170,188  ^  St,  alio  durchiehnittUch  f&r  185,000  <3 
St  oder  1,295,000  ThL  Die  ob emisebenFabriken,  welche 
Malerfarben  bereiten,  haben  darin  einen  beträchtlichen  Absats 
nach  gans  Europa,  1828  fär  124,983  %  St,  1829  für  138,005  % 
St,  1830  für  130,821  9;^t,  1831  f&r  102,065  9  St,  also  dareb- 
lebnitUieh  jährlieh  fSr  120,000  %  St  oder  840,000  ThL  —  Die 
Fabriken  für  musikalisdbe  Instrumente  haben  durehsehnittlieh 
eine  jährliche  Ausfuhr  Ton  60,000  «S  St  (420,000ThL);  die  Fabriken 
von  optischen  und  mathematischen  Instrumenten,  wenn  sie 
auch  nicht  mehr  ausschliesslich  den  ersten  Ruf  besitsen,  sondern  deni 
Deutschen  einen  gleichen  Rang  einräumen  müssen,  haben  doch 
noch  yinen '  jährlichen  Absats  Ins  Ausland  ron  20,000  9i  St 
<182,000  Tbl.).  — *  Die  jährliche  Ausfuhr. an  Büchern,  Vorsugs- 
weise  nach  den  Nordaraerikanissben  Freistaaten  beträgt  durch- 
schnittlich 1 10,000  tt  St  (770,000  ThL).  Aber  der  gesammte  Ertrag 
der  Gewerbe  der  Buehdruckerei,  des  Buchhandels,  des 
Kupferstich-  und  Stahlstich-Handels,  der  physikali- 
schen und  mathematischen  Instrumente  wird  jährlich  in 
der  Gegenwart  auf  3,000,000  %  St  (2 1 ,000,000  Tb.)  berechnet,  so  das« 
also  doch  nicht  Tiel  über  ein  ZwansigtheH  davon  ins  Ausland  über- 
geht,'wenn  gleich  freilich  dagegen  die  Einfuhr  der  gleichen  Cfegen- 
stände  aus  dem  Auslände,  auch  bei  der  heutigen  regeren  Theil- 
nabme  für  die  geistige  Cultur  des  Auslandes,  fast  wie  Null  lu 
betrachten  ist    . 

Fassen  wir  nun  amSchluue  dieser  Uebersieht  über  die  tech- 
nische Cultur  der  Britischen  Reiche  noch  ein  Gesammt-Resnltat^ 
und  stellen  dasselbe  in  Vergleicbung  mit  der  obigen  Angabe 
(S.  437)  von  dem  Gesammtwerthe,  So  erhalten  wir  nach  Absug 
des  Werthes  der  rohen  Producte,  gleichviel  ob  sie  in  Grossbri- 
tannien erseugt,  oder  durch  den  Handel  angeführt  sind,  einen 
Totalwcrth  für  die  Fabrication  der  industriellen  Eneugnisse  von 
143,000,000  <S  St  (1001,000,000  Th.)  wovon  noch  nicht  ein 
volles  Viert ^1.32,500,000  %  St  (227,500,000  Th.),  nach  dem 
Auslande  versandt,  also  von  diesem  besahlt,  dagegen  über  drei 
Viertel  110,500,000  ^  St  (773,500,000  Th.)  im  Inlande  selbst 
ver^rancht  werden«  «- 


4M  Da«  Britische  Btioh. 


§.  11. 


Die  rertokiedeaeii  Znage  des  Httidela. 

_  % 

Amser  den  iclion  hften  aiigefinirteii  Werken  reu  Dofiii, 
Maeeulloeb,  Pebrer  sind  fttr  diesen  $.  detondert  beachtenewerAe 
Hülfsmittel:  Cetar  Moreaii,  Uehereieht  des  BritiscKen  Hsnd^ 
nach  aUen  Lindern  der  Welt,  ttbersetit  von  Eisetibaeli  in  4  gr. 
BL  fol.  1826  Tübing.  besteht  aas  den  vollstlndigen  ZahlentisteD, 
welehe  als  Sehlnssresoltate  der  einseinen  Jahre  das  Englisehe 
Parlament  seit  1097—1822  für  den  Handel  mit  jedem  einseinen 
Staate  Europas  igid  der  übrigen  Erdtheile  besitst —  Exposition 
of  our  eommereial- System  1793— *823y  London*  IS23  Svo.  -« 
Roptr  on  the  eommercial '  System  of  Great-  Britain^  London 
18^  —  (r.  Browning  tke  domestie  mnd  finkneial  eondition 
of  Great'Britain^  London  1834  Svo,  —  Die  Finane€'Account9 
ans  den  letsten  Jahren ,  |  welehe  unter  die  Büßlieder  ^ts  Paria* 
ments  vertheilt  wurden. 

Orossbritannien  wie  Irland,  sohon  dureh  die  Natur  für  den 
Handel  am  ToUst&adigsten  miter  allen  Ländern  Europas  ausge* 
stattet»  wie  dies  der  iberaiis  grosse  Reicktham  an  tiefen  nod 
geriUimigen  Häfen  erweist»  sind  seit  der  Regtemng  der  staats- 
lüngen  Eüsabeth  durch  denHandel  erst  surSeemaebt  emporgehoben, 
und  d^in  wiederum  dureh  die  Seemacht  seit  der  Mitte  des  acht- 
sehnten Jahrhunderts  SU  einem  so  entschiedenen  Uebeigewiehto 
in  dem  Handel  Über  alle  Völker  der  Erde  gelangt,  dass  von  die- 
sem Staate  mit  Tollem  Rechte  behauptet  werden  kann,  er  be- 
sitse  einen  WelthandeL  Wie  die  Engiisehen  und  Irischen  Küsten 
im  Gegensatse  der  benachbarten  Fransäsischen  und  Niederiändl- 
echen  dasu  geholfen,  wie  die  Zeiten  des  Nordamerikanischen 
Freiheitskriegs  und  der  Fransüsiachen  Revotution  darauf  einge* 
wirkt;  ist  bereits  oben  nautändÜeher  angedeutet  Hier  sind  nun 
besonders  die  Ergebnisse  für  den  Handeisverkehr  genauer  sa 
eri&tttem. 

Aber  durch  diese  grossartipte  Handeiaherfschaft   iü  den 


Das  BritUch«  BeUh.  .    46B 

,  Nehenkdileni  toMlbeo  4oeh  der  Weg  geUhnt  worden,  bmIi 
Iknlicher  Anibreitang  d^M  VMkenrerkebrt  «niustrebeD:  und  da- 
her eind  seit  den  beiden  Periier-FriedenMchlÜMen  und  dem 
daswiseben*  liegenden  Frieden  in  Gent  iwiicben  Groii)»ritannien. 
vnd  d^n  Nerdanerikanieeben  Freistaaten  1814  die  Nordamerikaner 
ond  demn&ebat  die  Fransoaen  nnd  HoUäadery  die  Hanieaten  nnd 
Rnasen  in  ibren  Handelsbeaiebungen  gMobfate  la  einem  weit 
grösseren  Umfange  naeb  allen  ErdAieilen  bin  gekommen«  Niebta 
destoweniger  ist  der  Britisehe  Handel  in  Enropa  im  Allgemeinen 
aneb  je  tat  nocb  im  Steigen  begriffen;  mit  Nonlamerika  bat  er 
seit  1$14  mebr  als  seinen  rormaligen  Höbexnstand  erreicbl^  und 
jn  Bexug  anf  Südamerika»  Wesiindien»^  Afrika»  Süd-  und  Ost* 
Asien  geht  er  jäbrlicb  einer  rolleren  Bi&the  entgegen. 

Der  Britiscbe  Uandel  ist  aber  in  jedem  Hieile  ^des  eommer* 
eieilen  Verkehrs   ausgeaeiehnet,  jedocb   am   ausgedehntesten   als 
Fabrikaten-  nnd  Colonialwaaren-Handel,  wiewohl  auch  der  Spe* 
ditionshandel   au  einem   ausserordentlichen  Umsats  emporg<festie- 
gen  ist      Jeder  Zweig   des  Handels    wird  von  der  Regierung  In 
^Schutz  genommen,  und  }fie\n  anderer  Europäischer  Staat  bat  seit 
der  Mitte  des  sieUzehuten  Jahrhunderts  die  politisoheD  ZastiUide 
so  TortUeilhaft  für  den  Handel  seines  Vo)ks  su  nutzen  gewusst,    . 
als  der  Elnglisehe  theils  durch  Beschränkungen,  theiJs  durch  poli- 
tische Verträge  aller  Art   Von  dem  unbereehenbarsien  Einflösse  füi 
ihre  Zeit  war  die  bekannte  Sebiffabrtsaete,  welebe  das  Englisebe  Par- 
lament in  der  Zeit  der  Republik  am  9.  Oetober  1651  gab,  und  die  i 
nicht  allein  den  Britischen  Handel  raseh  emporheben,  sondern  aneh 
ingleieh  dem  Seehandel  der  Holländer,  der  daasals  die  iusgedehn-  • 
testen  Speditionsgeschäfte  in  allen  Erdtheüen  maebte,  die  empfind- 
licbste  Einbusse  susiehen  sollte.    Bei  dem  grossen  Vortheiie,  den 
diese  Acte  damals  den  Engländern  gewährte,  wurde  sie  d  auern  d  in 
dem  Handel  mit  allen  Völkern  beibehalten:  denii  sie  verstattete 
den  Transite-,  Speditions-  und  Colonialhandel  nach  Ckoasbritan- 
nien   und   Iriand   nnd   den  Colonien   derselben  nur  in   solchen 
Schiffen,  die  in   diesen  Reichen  gebavi  waren,   oder  Britieehen 
Eigenthümem   ivgehdrten   «nd   überdies  von  Briiiselien  Sebiflfo- 
Capitainen^  befehligt  und  smn  grässten   Theile  mit  Britiaeben 
Seeleuten  bemannt  waren.     Ansserdem  durften  nur  Pmdnete  des 
Landes  in  Schiffen,   die  demselben  Lande  sugehftrten,  in  Bri 
tiache  Häfen   eingeführt  werden:   diese  Bestinunnng  traf  beson- 

Schnbcir»  Statkitik.!!.  gQ       ^, 


1 


466  Das  Brltitehe  Reiclu 

der*  haart  die  an  eigenen  ProdueteD  annen  &M&iidery  die  aber 
denn'ooh   ämth  Rhederei  and  Speditionthandel   damals   in  allen 
bemchten   Hafen  Eurepaa   die   bedeutendste  Geschäfte    maehten« 
Inzwischen   konnten   die  Vortheile   eines   für  bestimmte  Zeitum- 
stiknde  berechneten  Schiffahrtsgesetses  allseiti]^  sich  nicht  immer 
geltend  machen,  nnd  mussten  im  Verlauf  der  Zeit  widrige  Stockun- 
gen in  den  Handelsbesiehungen  mit  einigen  Völkern  hervorbringen, 
deren  Producte  und  Fabrikate  für  Grossbritannien  unentbehrlich  wa- 
ren.   Daher  wurden  unter  dem  Ministerium  Robert  Walpole  seit  1 735 
von  ^iten  des  Staates  Waarenhiäuser  (Warehouses)  zur  Niederle- 
gung  auslandischer  Waaren  unter  königlichem  Verschluss  errichtet, 
die  ifi  fremden  Schiffen  entweder  lugeführt,  oder  auch  in  National- 
schiffen,   wenn   ein  Einfuhrverbot   oder   ein   lu    hoher  Zoll    auf 
diese  Waaren  in  Grossbritannien  gestellt  war,  eingebracht  werden 
konnten.  Aus  diesen  Waarenhäusern  durften  alle  aus  den  Britischen 
Hafen     abseegelnde    Schiffe    daselbst    niedergelegte    Waaren 
mitnehmen  und  nach  irgend  einem  anderen  Lande  weiter  verfuhren. 
Alle   übrige  Beschränkungen   der  Navigationsacte  blieben  jedoch 
aber  hundert  und  siebenzig  Jahre  aufrecht  erhalten,  und  erst  seit 
1 822  worden  zwischen  Grossbritannien  und  einigen  diesem  Reiche 
BÜher  stehenden  Staaten  besondere  Verträge  abgeschlossen,  welche 
vorzugsweise   folgende.  Bestimmung   festsetsten:    dass  von  diesen 
Völkern   auf  Nationalschiffen   eigene  Producte   nnd   bei 
denselben   gelandete  rohe  Producte   des  Auslandes  in 
das  Britische  Reich  eingeführt  werden  dürften,  wenn  sie  gleiche 
Rechte  in  allen  ihren  Hafen  den  Britischen  Schiffen  einräumten* 
Gleichseitig    wurden    auch   bei   dem   Überaus   stark   betriebenen 
Schleichhandel   nach   den  Britischen  Co\onien   einige  Er- 
leichterungen für  den  directen  Handel  mit  denselben  sugestanden. 
Denn    es  wurde  den  Westindischen,   sowie  allen  übrigen  Ameri- 
kanischen  Celonien   ein   selbständiger  Handel   mit  den  Staaten 
Amerikas  und  Europas  sugestanden,  insofenr  dadurch  nicht  die 
Rechte  der  Ostiaduichen  Compagnie  angetastet  wurden.     Dies 
gewahrte  einen  sehr  bedeutenden  Vortheil  für  die  Britische  ZoU- 
einaabme   md   verminderte   sugieich  die  Verwaltangskosten  der 
Colenien,  da  dech  in  der  That  der  Sehleicbhandel  awischen  den- 
■Mben   und   den  Nerdamerikanischen  Freistaaten   bei   der   dafür 
keinesweges  ansreichenden  Englischen  Besatzung  der  Btitisohen 
Celonien  nidit  verwehrt  werden  konnte. 

Der  Umsatz  des  Gesammtverkehrs  für  alle  Beziehungen 


Da8  Britische   Reiclt  467 

des  bQrji^erliehen  Lebent  ist  gegenwärtig  (1832)  auf  424,500,000 
%  St  (2,971,500,000  Thl.)  zu  bereehnea  und  wird  ren  Pebrer  *) 
sogar  nocb  um  20  Procent  höher  auf  514,823,059  9;  St  .gestell . 
Der  in nere  Verkehr  ist indess nach  dem  Werthbetrage^  wieinji- 
dem  Staate,  aueh  hier  bei  weitem  bedeutender  als  der  auswärtige 
und  übersteigt  denselben  fast  um  das  Fünffache:  denn  jener  setzte 
eine  Summe  von  350,000,000  <3  St  =  2,450,000.000  ThL  in  Bc^ 
wegung,  dieser  nur  74,500,000  <S  St  ==  521,500,000  ThL»  wenn 
wir  alle  dabei  vorkommende  Geschäfte  zusamraenreohnen.  Der 
innere  Verkehr  ist  durch  vielfache  Märkte,  durch  die  trefRi- 
chen  Chansseen,  Eisens  trässen  und  Canäle,  durch  das  äusserst 
zweckmässig  eingerichtete  Postenwesen,  durch  den  ausgebreiteten 
Küstenhandel  und  die  dabei  verwandten  Darapfbdte,  welche  schon 
1823  165  an  der  Zahl  in  der  Grösse  von  20  bis  510  Tonnen- 
Last,  J829  aber  für  Engtand  341«  für  Schottland  75,  fiTr 
Irland  26,  zusammen  343  von  31,355  Tonnen -Last  ununter^ 
brechen  beschäftigt  waren,  endlich  veijpiöge  des  Britischen 
Associationsgeistes  durch  die  erleichterten  Zahlungsmittel  und 
den  verstärkten  Geldumlauf  auf  eine  bewundernswerthe  Weise 
unterstützt  Der  Geldumlauf  schliesst  sich  gegenwärtig  vor- 
zugsweise an  die  Geschäfte  der  Banken«  Unter  diesen 
nimmt  die  erste  Stelle  die  königliche  1694  zu  London  errich- 
tete Bank**)  ein,  welche  dureh  die  grossen, Capitalien,  die  von 
den  Actienbesitsem  wirklich  haar  eingelegt  sind,  garantirt  wird. 
Ihr  neuestes  Pfivilegium  ist  vom  Juni  1833  und  reicht  auf  21 
Jahre,  kann  aber  bedingungsweise  von  der  Regierung  auch  nach 
10  Jahren  gekündigt  werden. 

Das  gesammte  Capital,  von  welchem  die  Aotlen-Eigenthiln^er 
ihre  Dividenden  erhalten,  wurde  in  den  Jahren  1 694-— 1781 
eingezahlt  mit  11,642,400  %  St=:  81,496,800  ThL 
dazu  kam  1806    2,910,600    —     =  20,374,200,— 

zusammen  14,553,000  %  St  =  101.871,000  ThL 
Darauf  ciroulirten  Banknoten 

bis  1800  z.  d.  dnrekseh.  Betrg.  v.  14,000,000  9;  St  ==  98,000,000  Tb. 
—  1810    —    —    —    _    —20,00(1,000  —    s  140,000,000 — 

*)  Taxation  etc.  S.  35a 

**)  Ein  sehr  ausführlicher  und  beacbtenswerther  Aufsatz  über 
das  Britische  Bankwesen  wird  von  Macculloch  a«  a.  O.  L  S.  61— 
116  geliefert 

30* 


468  Das  Britische  Reich. 

»  1817  im  Maximum    .    .    .  30,099,908  tl  St  =  210,699.350  Tfi. 
-~  4830  im  <liircliich.Betrg.T.2l,Cl00,0()0  ~    =:  147,000,000  — 

—  1830  am  25.  Aug.     .    ..  .21,934,940   •*    =153,544,^80  •* 

—  1832  am  26.  Febr.  .  •  .21,914,320  — *  =153,400,240  — 
Von  dieien  Banknoten  nnd  Bankanweisungen  iat  aber  höchsCens 
gegenwärtig  mu  SeehsstgtheU  unter  dem  Betrage  von  5  fl  St. 
(35  ThL).  Nächst  dieser  Bank  ist  die  grdsste  die  königliche 
Irische,  welche  lu  Dublin  1783  mit  einem  Capital  von  300,000 
%  St  (2,100,000  Thl.)  gestiftet  wurde,  das  seit  1821  bis  auf 
3,000,000  <S  St  (21,000,000  Tbl.)  erhöht  ist  Diese  hat  gegen- 
wärtig im  durchacbnittlichen  Betrage  6,000,000  %  St  (42,000,000 
Thl.)  Banknoten  im  Umlauf,  wovon  über  ein  Viertel  unter  dem 
Betrage  von  5  %  St  ausgegeben  sind.  Ausüerdem  waren  fQr 
England  und  Wales  in  den  Jahren  18|^  durchschnittlich  780 
Licenxen  su  Privatbanken  gegeben,  die  jährlich  neu  gelöst  wer- 
den müssen.  Dies  war  fiir  156  Häuser  geichehen,  weil  viele 
derselben  an  mehr  als  einem  Orte  Bankgeschäfte  betrieben. 
Diese  hielten  susammen  gegen  14,000,000  ^  St  (98,000,000  Thl.) 
«uf  einem  mehr  oder  weniger  ausgedehnten  Umkreise,  d<hr  hän- 
fig  nicht  Aber  das  Weichbild  der  Stadt  selbst  hinausretcht,  im 
Uiiitauf.  Dazu  kommen  80  Landbanken  in  Schottland,  unter 
welchen  31  Gesellschaftsbanken  sind,  swei  den  Namen  der  Banic 
von  Schottland  führen  (1695  und  1727  su  Edinbnrg  gestiftet) 
und  die  meisten  noch  Tochterbanken  errfchtet  haben.  Ihre  ge- 
aammten  Banknoten  betrugen  1820  3,309,082  ^  St  =  23,163,574 
Tbl.,  waren  aber  tu  swei  Drittel  von  dem  Betrage  unter  5  % 
St  Endlich  giebt  es  noch  für  Irland  34  Privatbanken,  die  in- 
swischen  nur  Geschäfte  von  sehr  massigem  Umfange  betreiben; 
ihre  sämmtFicben  im  Umlaufe  befindlichen  Banknoten  betrogen 
1827  1,192,886  %  St  =  8,350,2021  TM.  —  Hithin  beläuft  sich 
der  gesammte  Betrag  des  in  den  vereinigten  Reichen  Grossbri- 
tannien nnd  Irland  als  Banknoten  cursirenden  Papiergeldes 

gegen  46,500,000  ft  St  x=  325,500,000  Tbl» 
Die  gesammte  Masse  der  geprägten  Gold-Münsen  beträgt 
für  1790—1809  21,493,640  ft  St  *)=  1 50,455,480  Thl. 

—  1810—1829  45,387,423    —         =317,811,951    — 

—  1830—1832    6,723,493    —         =   47,064,451    — 

susammen  73,604,556  U  St      =515,331,882  Thl. 


*)  Darunter  das  Maximum  1798  =  2,967,504  S  St. 


Das  Britische  Beick  46» 

woroB  «b«r  iMkhitett«  gcfgeowirtig  j.  noch  im  UmUiif  ist 

^  mit  18,401,139  %  St  =  120,807^73  ThL   ^ 
An  SilbermQaien  wurde  in  der' ersten  gwaoingfährigen Periode 

1790—1800  nur  d.  ger.  S.  t.  1,217  U  St  =         8,519  Th. 

aber  1810— 1829  dagegen  .  .9,149,411  —  =64,945,877  — 
geprägt,  daTon  die  sliriate  Summe  in  einem  Jahre  1827  =  2,436,298 
<ä  St  =17,054,086  ThL  In  den  Jahren  1830—32  wuMen  für 
3,150,000  %  St  =  22,95O,00G  Tbl.  in  Süber  geprägt  Von  die- 
sen Silbermünsen  ist  der  grösste  Theii  noeh  im  Umlavf ,  sicher 
gegen  ^  des  gesammten  Betrags,  also  gegen  9,800,000  S  St 
i68,600«000  Thl).  Dadurch  würde  der  gesammte  Geldumlauf  an 
Banknoten  und  geprägten  Münxen  för  die  rereinigten  Reiche  im 
Jahre  18;i2  gegen  74,800,000  %  St  =  523»600,000  ThL  betra- 
gen haben  % 

Zu^  Beurtheilang  der  Lebhaftigkeit,  aber  auch  sogleich  der 
Solidität  des  inneren  Verkehrs,  dient  eine  fortgesetste  Liste  der 
Jährlichen  Bankerotte  der  Handeltreibenden  ^*).  Betrachten  wir  nun. 
die  lotsten  funfsehn  Jahre  in  dieser  Rücksicht,  so  finden  wir 
für  England  und  Wales  in  den  sechs  Jahren  1820 — ^25  incL  die 
Ansahl  xwisehen  1340  und  1592,  also  dem  SaehTcrhältnisse  nach 
wenig  abweichend,  für  Schottland  schon  in  yiel  bedeutenderen 
Schwankungen  zwischen  90  und  208.  Darauf  kam  das  in  der 
Handetswelt durch  die  unmässigsten  Speculationen  und  ein  dadurch 
npth wendig  bedingtes  JUnglück  Epoche  machende  Jahr  1826,  wel- 
ches allein  über  Engtand  und  Wales  7416,  über  Schottland  648  Banke- 
rotte herbeisog.  .  Nach  diesem  Jahre  trat  aber  sofort  Wieder  der 
frühere  Zustand  ein,  denn  1830  war ^  die  Zahl  der  Bankerotte  für 
England  und  Wales  nur  1549,  für  Schottland  161,  es  blieb  so 
mit  10  Prooent  Zunahme  oder  Abnahme  in  den  folgenden  drei 
Jahren,  und  nur  1834  wurde  eine  merkwürdig  geringe  Zahl 
dargeboten,  denn  nach  einer  Aeusserung  ^s  Kanslers  dir  Schats- 
Icammer  im  August  1835  sollen. in  dem  ganzen  Jahre  1834  in 
England  und  Wales  nicht  über  700  Bankerotte  öffentlich  ange- 
zeigt waxu 


*)  Oemoacb  erscheint  es  wohl  als  stsrk  übertrieben»  wenn  in 
diesem  Jabre  in  den  Parlaments- Debatten  behanptet  wnrdp,  dass  zu 
l^odon  an  den  Wochenla^n  iro  Dorchechniit  täglich  für  ^8^00(^000 
ft  St.  (öCOOOyt  W^  Thl.)  Rechnungen  realisirt  würdiui. 

s 

*^>  Sif  ist  m  der  obenaageführten  Uebersicht  t.  More(^  geliefert. 


^      •  ^\ 


/ 


47«  Das  Britische  Reick. 


I 


Der  Kttttenhandel,  [weMer  nach  der  Lage  d«r  Tercinlg* 
ten  Reiche  mit  der  ftutsenteii  LebbafHgkeit  hetrieben  wird^  be- 
schäftigte gleich  in  dem  Jahre  der  Wiederherstellimg  des  allge- 
meinen  Frie<1eni  (1814)  30^0  Sdiiffe,  welche  27,370  Fahrten 
machten,  4,105,600  Tonnen  L,  (die  Tonne  =  20  Centner)  verluden 
und  damit  über  2,000,000  %  St  (14,000,000  Tbl.)  gewannen. 
Der  KQitenhandel  hat  aber  aeit  dietem  Zeitpunkte  ao  liberant 
fttntk  sagenommen,  daii  1833  über  120,000  Fahrten  gea&hit 
wurden,  welche  mehr  all  1 0,000,000  Tonnen  L.  geladen  hatten, 
und  dais  der  Gewinn  bei'  demielben  gegenwärtig  fast  anf 
das  Doppelte  dieses  Betrages  gestiegen  ist,  und  von  Pebrer*) 
für  das  Jahr  1832  auf  3,550,000  %  St.  (24,850,000  Thl.) 
nach  genaueren  Angaben  berechnet  wird.  Der  Handel  twisehen 
Grossbritannien  und  Irland  gehört  seit  1830  in  iinanaieller 
RQcksicht  Auch  sum  Küstenhandel,  wurde  ab^  sonat  als  ein  ei- 
genthümlicher  Zweig  des  Britischen  Handels  betrachtet,  indem 
er  mit  dem  Verkehre  nach  den  benachbarten  Inseln  Man,  Guern- 
sej,  Jlersej  und  Aldemej  zasan^men  eine  Stelle  in  den  Handels* 
listen  erhielt  Seine  betrüchtlicbe  Znnahnve  Iftsst  sich  ans  dem. 
Du  rohschnitte  der  Friedensperioden  in  den  letaten  130  Jah* 
ren  nach  den  vorliegenden  Handelstabellen  **)  genau  würdigen. 
Die  Einfuhr  Grossbritanniens  ans  Irland  sowie  aus  den  genanten  In- 
seln, grösstentheils  in  Kom,  Butter,  Schlachtvieh  und  Leinwand 
bestehend,  betrug 
im  j.  Durchsch.  d.  J.  1(K^8— 1701     487,640  %  St  =   3,413,480  Th. 

— L.   *-     — .  1749—1755     746,282  -—    =   5,223,074  — 

~   —     —  1784—1792  2,433,864   —    =  17,037,048  — 

—V —         1802        3,839,501    —    =26,876,507  — 

—   —     ~   1816—1822  5,143,220   —    =36,002,540  — 

' —  _     —  1823—1829  5,950,000  —    =41,650,000  — 

Die  Ausfuhr  Grossbritanniens  nach  Irland  bestand  \n  dersel- 
ben Zeit  voraugsweise  in  Manofactur-Waaren  und  Steinkohlen 
nnd  hatte  einen  Werth 
im  j.  Dorchsch.  d.  J,  1698—1701     429.353  <a  St  =  3,005,471  Th, 

—     1749—1755  1,353,804  —    =   0,486,628  — 

—  — —     1784—1792  2^1,081   —    =15,757^67  — 

♦)  A.  a.  p.  Tab.  XV.  S.  35a 

**)  Siehe  die  oben  angeführten  Tabellen  von  Blorean  mid  Mae- 
culloch  a.  a.  O.  1  S.  587—88. 


4 


Das  Britische  fieich.  47i 

r 

im  j«  DwdbMk  4.  J.  1802  3JMK3,237  q  St.  =  26,049,05^  Th. 

*i*.   —    ^     1816^1822^4,097,630  —    =28,683,410 -~ 

— i  ~  t*-  —  —  1823—1820  4,875,000  —  =34,125,000  — 
Pemnach  flbenteigt  dk  Ansfahr  ai»  Irland  dU  Einfuhr,  wenn 
'wir  die  Mire  1749—55  autnehmen,  aofanglich  un»  12  Procenty 
ladaiua  m  um  8  tind  0  Proeent,  endlich  aber  in  der  neuerea 
Zeit  aeit  1810  um  mehr  ala  ein  Fünftel  des  Betrag«  oder  20  Pro« 
eent.  -~  Die  heträchtliehe  Zunahme  de«  Handel«  geht  aber  auch 
au«  aUen  ührigen  Besiehungen  de«  Verkehrs  swischeu  beiden 
Lftndem  henror*).  Im  Jahre  1801,  also  unmittelbar  nach  der 
engeren  Vereinigung  Groasbritaanien«  mit  Irland  liefen  au« 
Qro««britanai«a  in 

die  lri«ehen  Häfen     6,810  Sehiff#belad.  mil     582,083  Tonnen  L. 
aber  18Sl   13,854    —    ~    —    _  1,262,221       —    ~ 
was  al«o   auf  eine  Vermehrung '  der  6e«ehftfte  um   116  Prooeat 
hindeutete    Im  Jahre.  1801  HFurden  au«  Irland 

eingefihre  31,543  Stdek  Rindvieh  und    2,879  Sehaafe 

dagegen  1825  63,510 ^    —    ~    —  72,161    —  ~ 

Rben  so  verhält  e«  «ieh  mit  der  Geireideau«ftthff-  au»  Irland  naeh 
Grossbritannien^ ' 

«ie  betrug  1815  üi«ge«ammt     821,192 Quarts  4,311,258  8, Seh« 
und  1831  berek«       .  2,419,643     — .    =12,708,126    — 
Der  au«wftrtige  ge«a mmte  Handel  fällt  fikrdie«e«Reiohmit# 
dem  Seehandel  völlig  su«ammen,  und  als Maaastab ffir «eine Grösse  . 
und  sein  ungemeine«  Steigen  während  de«  18,  und  10*  Jahrhun« 
derts  kann  un«  «uvördent  die  Ansahl  der  ofiiciell  al«  Britische« 
E^enihum-in  den  vereohiedenen  Häfen  die«er  Reiche  bei  ihrem 
Auaiaufen   efuregietrirten  Schiffe  und    ihre  Tonnenlaat  dienen, 
wenn  gleidi   wir   für   die  früheren  Zeilen   nur  die  Toonenla«t, 
nieht  aber  die  Zahl  der  Schiffe  genau  ansugeben -vermögen.  Die  ' 
Parlamentadebatten  vom  J.  1794  veranlassten  die  früheren  ZoUr 
regiatMT  bis  1663  darüber  «u  verfolgen  und  die  Zahlen  festsu*  ' 
«teilen.      Wir  liefern  hier  nur  die  Angaben  für  die  wichtigsten  , 
Pwieden  beim  Beginn  einer  neuen  Dynastie,  eines  grossen Kri»- 
ge«  oder  nach  Beendigung  desselben: 

Jahr  SehifiSs      Tonnenlast    Schiffsmannschaft 

1063        (gg>  1,250  '  05,266        gg     7,800  Köpfe  ^ 

1888        fgg^  2,500  190,53a  15,800     — 

•)  Ver«l,  Yearbook  Un  1834,  S.  l«i. 


4SI 


Das  Britigch^  Beiclu 


Jalir 

Scliiffo 

1702 

3^81 

1715 

(gg)  5,200 

1741 

4,050 

1786  n 

T,600 

1804 

0,800 

1814 

8,075 

1820 

11,285 

1825 

13,503 

1829 

13,050 

1830 

13,548 

1832 

13,372 

ToDiientatC    Sdilffmnraiimliaft 
261,222  27,160     ^ 

421,431  42fi00     ^ 

384,101  lOiOOO     ~ 

1,115,0U  50,200     -- 

1^3,066  06,000     ~ 

1,209,248  83,793     — 

1,668,060  100,325     --> 

2,143,317  123^28     — 

2,184,535  ^  122,185  '^ 
2,180,042  '  122,103  ~ 
2,185,980  122,292     — 

El  wwr  mithin  In  den  letsfeii  «eht  Jalircn  die  Zahl  der  Sehiffe 
und  ihrer  Tpunenlatt,  towie  der  dahei  hetehäfti^n  BUnaiehaft 
Bttt  aehr  geringen  Sohwankung^  unterworfen*  Aber  die  Zaki 
der  Schiffe  hatte  tich  in  150  Jahren  nm  daa  Eü^Mh«  TerMehH^ 
^  ihre  Tonnenlait  war  am  daa  Zwei  nnd  ZwanaigfMha  geeCeigert; 
und  die  dabei  betch&ftigte  Mannaehaft  wn  daa  Fonfitehnfachew 
Und  lelbat  in  den  letzten  46  Jahren  hatte  lich  alle«  mindcatena 
▼erdoppelt  Doch  diea  beaeht  eieh  nur  auf  die  Britieehen  Sefaiile^ 
•aber  ein  gana  ihniiehea  Verhftltniaa  ergiebt  aieh  aodi  am  dea 
Aufgaben  Aber  die  in  die  Britiachien  Hftfen  «ingelanfetten  und  ia 
denRegiatem  veraollten  fremden  Sehiffe. 

Im  aiebaehnten  Jahrhunderte  betrugen    nodi    die  firearieit' 
Sehiffe  die  Hälfte  der  Britiachen,  da  der  TonnengehalC  der 

1661  aoigelanfeaen  47,634  T* 
und  1688  —  ~  95,2^—  Badi  den 
ZolMialea  angegeben  iat  Von  der  Ifitle^  dea  achtMhnten  Jahr- 
hunderte ab,  namentlidi  aeit  1763,  bia  aur  Franiöaiaehen  Rero« 
lution  rermindert  uuk  die  2iahl  der  fremden  Schiffe  auaeeror-^ 
deutlich  und  lietvigt  durehaehnittlicb  nach  dem  Tonneogehaite 
nicht  mehr  ala  den  eüften  Thmi,  danu  aber  hebt  aie  aich  raa<^ 
und  bleibt  wiüirend  dea  neunaehnten  JahrhunderCe  im  yerh&k* 
nitsmäsaigen  Steigen  mit  den  inlftndiaehen  Seeachiffen  bei  dem 


*)  Die'neuen  für  den  grösseren  Seehandel  gebraocfaten  Schiffe^ 
den  in  Rücksicht  des  Tonnengehaics  Ton  dieser  Zeit  ab  lanner  su 
einer  umfangsreicheren  TragbarkeiC  Ton  I09—500  Tomiealait  uad 
darüber  gebaut  und  verlangen  deshalb  verh&ltnissmissig  weniger 
Mannschaft  Ueber  die  Zahlen  vergl.  Bfiscbing  Magaaia  Bd.  VUI, 
Dohms  aiateriaL  Bd.  n,  Dupio»  Moieau  und  Maocnllocli  IL  OtO^-S. 


Das  Britische  Beiclu  433 

BritiaehiO  Sesvodcekr«  so  4sm  iliurclieclimttUeh  swei  Sieben- 
theile  md  ^  fremden  und  fänf  Siebentfceile  auf  die 
inllQilif  Aep  In  Biidieken  B&fon  «ingelaiiien«n  Sehiffe  kommen. 
Jedoch  im  Vergleidie  mit  dem  Verkehre  vor  hundert  und,  siebensig 
Jahren  haben  ^aber  aaeh  die  fremden  Sohiflfe  mehSr  als  das 
Funisehnfache  des  damaligen  Betrags  fibersehritten,  nemlich 
es  var.l7SS  fremde  Sehiffe    (?)   v.  M,I53TonnenL  MannscL 

—  1786         —  C»)  — 121,lör     — 
-*     1706          —               tfl  -.47S,3S6     «-* 

—  1SI6  —  3,116—379,465      ~         26,345  K. 

—  1820  —  3,472^447,611  ~  27,633  — 
'      —  1826  —  6,981—959,312  —  62,722  — 

—  1820  —  6^8—710,303  —  39,342  — 

—  1830  —  6,359—758,^28  —  41,670  — 

—  1832  —  4,546—639,979  —  35,399  -r-  / 
Aber  4ie  ZM  der  den  BriAtsohen  Hilfen  eigenthOmlieh  angehö- 
renden Schiffe  ist  noeh  grösser,<-als  die  der  j'&hrlich  ia  Britischen 
Hifen  eittlan|enden  inlindiseben:  denn  bereits  1824  besessen 

Schiffe        Tonnen  L.  •)  Seh.  M^nschaft 
England  und  Wales    •    17,422  r.   2,152,968  —      134,060  K. 

ßchottland      .    •    .    .  2,958  —  263,536  —  18,775  — 

Irland 1,198  —  63,229  —  6,681  — 

Man       369  —  9,335  —  2,315  — 

Gnemsej  und  Jersey  142  «^  15,425  -«  1,130  — 

die  Bridsehen  Colonien  3,775  —  279,643  —  16.869  — 

aasammen  25,864  Seh.  2»784»1 36  T.       178,820  M. 
Im  Jahre  1829  hatten 

England  und  Wales    •  13,977  Seh.  1,785,065  T. 
Schottland      •    •    .    •      3,288  —      308,297  — 

Irland 1,413  ^     101,9^  —  >  134,51611 

Man 217  —         6,714  — 

Jersej  und  Guemsejr   •         275  •—       25,889^— 

die  Britischen  Colonien      4,343  —      317,041  —        20^292  — 


snsammen    23,513  Seh.  2,544,000  T.       154,80811 


*)  Gewöhnlich  wird  bei  Einregistriruag  der  eigens  zugehörigen 
Schiffe  die  Toaneoliist  geringer  angegeben ,  als  sie  in  der  Wirk- 
lichkeit betragt:  dies  dürfte  beinahe  eine  Differenz  von  20  Pro- 
cent aasmachea«  —  Bei  den  oben  angegebenen  Zahlen  sind  aber 
nidit  dis  Paspyfsfhiffe  miibc^iriffen^  die  wir  früher  schon  angezahlt 


474  Da«  Britische  Beiolt. 

I>M  Jahr  diirtif:  ItSO  mir  4h  QvmmmtuM  der  iBehifc 

de«   Erkit^en   Reiehs  an4  der  Oelooien  23,7SU  ron  2,Sai,810 

Tonnen,  mit  154,^1^  M.  keaefeit  und  im  Jalm  IS32  an  31.  Dee^ 

beuMen*) 

Scb.  Tooo.      6cli.Ha»BS€li* 

Grossbritannien  und  Irland        19,143  v,  2,225,980  m.   134,588 

(t.  Ini.  Guerneejr,  Jersey  u.Man       521  —      35,880  — *      3,844 

die  Britischen  Coloniea    •         4,771  —     350,208  —     23,202 

mtanuiien  24,435  —  2,618,068  —  161^034  BL 
Noeli  ertiAtHdier  wird  die  Entwickelung  dea  Britliehen 
Seehandela,  ana  einer  chronologisehen  Verfolgung  der  Angaben 
über  die  gesammte  Ein«  und  Aue  fahr  ia  derselben  Zeitpe- 
riode. Doeh  darf  hiebei  sieht  uoerdrtert  bleiben«  daaa  der  ofBetelle 
Sch&tzungswerth  in  den  ZoUUsten  seit  1696  nur  naeb  dem  ZolU 
tarife  vom  Jahre  1694  bweehnet  ist,  und  das«  daher  bei  der  grossen 
Verniindening  der  Waarsopreiae  im  aehteehnteii'  Ji^rhuad«rte  es  ^ 
bald  gesebehen  musste,  dasa  d^r  oCfieieUe  Werth  sieb  ron  dem 
wahren  sehr  entfernte.  Es  wurden  daher  üStr  die  Ausfnhr  seit 
1708  neue  Taxen  anfgeatellt^  die  dem  wirklichen  damaligen 
Werthe  sieh  mehr  näherten,  indem  sngleieh  unter  Androhang grosser 
Geldstrafen  für  absiehtliche  Tftusehung  von  den  Versendern  ei- 
gene genaue  Angaben  über  den  Werth  erfordert  wurden«  Dagegen 
behielt  man  für  die  Einfuhr  das  alte  Taxationssyatem  bei,  weshalb 
der  Überana  grosse  Uebersehiisa  der  Ausfuhr  über  die  Einfuhr 
s  in  der  Wirklichkeit  betitehtlieh  «rmftssigt  erseheint,  sumal  wenn  man 
erwftgt^.da»s  die  ana  Oressbrift^nnien  rersandten  Waaren  im  Aus- 
lande oft  sehr  bedeutend  unter  dem  angegebenen  Werthe  Ter« 
kaufit  werden  mussten.  Denn  dabei  wurden  für  den  gansen  Betrag 
in  den  Jahren  1818 — ^23  acht,  sehn  bis  zwölf  Procent  eingebQsst 
Demioeb  bleibt  der  Vortheil  au  Gunsten  Grossbritanniens  immer 
sehr  hervorragend,  und  wird  noch  jährlich  xur  Vergrösserung  des 
Nationalreicbthums  niedergel^t  in  der  Verbesserung  des  im  Geld- 

haben:  ihr  ausgebreiteter  Gebrauch  bat  auch  sicher  die  Vermiade^ 
rong  der  gewöhnlichen  Seeschiffe  Ia  den  letzten  Jahren  für  England 
hervorgebracht  Dies  gebt  selbst  aus  der  Terminderung  der  neu  ge- 
bauten Schiffe  hervor  9  die  seit  1816  (1183  neu  gebaut)  1817  (1274  n. 
g.)  um  40  Proceat  sich  vermindert  hat,  1823  (780),  1834  <847  u.  g.) 
1833  (nur  noch  769  n«  g.)»  während  in  diesem  Jahre  alleia  83^  ^ 
Daropfb oote  ueu  gebaut  wurden. 

*;  Maccnlloch  II,  604-^  Yearbock  .  L  1834.  &  U9. 


i 
I 


Da«  Dritisek«  Rciek  495 

werdk«  so  tebr  ^^mMpft^m  GmnMgeiitbiiBi^,  In  ginrerbUdieii 
Anlag«»  aQer  Art,  in  inm4%n  Btaatipa^ieffMi,  io  ien  grotien 
MaMen  tob  GM«iiimii  fto»  edlen  Metelleii  u.  t.  w^ 

'Vergleichen  wir  nun  den  Getammtbetrag  der  EinfolHr  mit 
der  Antfuhr,  to  war  im  siebiehnten  Jahrhunderte  f&r  beide  kein 
grosier  Unterschied  cu  benierkeq,  und  der  Hauptgewinn  blieb  im 
TransitoTiandel,  der  seit  dem  Todesjahre  Elisabeth  1603 ,  wo  die 
Ausfuhr  auf  2,600,000  Q  St  (18,200,000)  ThI.)  berechnet  wurde, 
mit  Jedem  Jahre  mehr  steh  hob,  and  mit  der  Narigationsaete  von 
einem  Gewinne  rrn  600,000%  St  (4,200,000  Tbl.)  ab,  in  dem  Zeit- 
rkume  ein  es  Jahrhunderts  bb  in  die  letiten  Jahre  C^eorgs  11.,  zu  ei* 
nem  mehr  als  seehsfaeh  gesteigerten  Betrage  von  4/100,000  %  St. 
(28,O0O/)0OTh.>empoikaro,  so  dass  der  Durchschnitt  des  Ertrags  rem 
Transitohandei  bei  1,600,000%  St  (10,500,000  Tfalr.)  verblieb.  Aber 
unter  Georg  UL  wurde  die  Ausfuhr  aas  den  Britischen  H&fen  so* 
wohl  was  den  MannfactnrenhanHel  aubetrÜTt,  als  aiuch  in 
Besng  anf  die  Cotonialwaaren  bei  dem  erwriterten  Anbau  der 
Hritisehen  Colonien  so  überaus  stark  gesteigert,  4ast  nun  die 
jiUirliehe  Differeni  swischen  der  Einfuhr  und  Ausfuhr  besonders 
smt  dem  Fransdsisohen  Revolutionskampfe  ron  5,000,000  %  St 
bis  auf  10,000,000  %  St  und  15,000,000  ft  St  (105/NK),000  Thir.) 
und  noch  weit  darttber  stieg,  (1812—32)  also  um  mehr  als  33 
Pioeent  des  gansen  Betrags  der  Einfuhr« 

Übersehen  wir  suerst  das  allgemeine  VeriMtniu  der 
Gesariimteinlnhr  sur  Gesammtansfi|hr  des  Britisehen  Handels  nach 
Perioden  ron  sehn  su  sehn  Jahren  im  ISten  nnd  sn  je  fünf 
Jahren  im  lOten  Jahrhunderte*): 

Jahr.  Einfuhr.  %  St           Thir.  Ausfuhrest           Thlr. 

1697  3,482,586—  =24,378,102  3,529,906—  =24,681342 

J707  4,274,065—  =29,918,385  6,439,969—  =45,079,783 

1717  6,346,768—  =44,427,376  7,996,587—  =66,976,109 

1727  6,798,908—  =47,592,356  7,275,158—  =50,026,106 

1737  7,073.638—  =49.515,466  10,081,712—  =  70,571, #84 

1747  7,116,757—  =49.817,290  9,775,340—  =68.427,380 

1757  9,873,153—  =  69,112,071  12,338,555  —  =  86,369,885 

i  *)  Nach  Horeau's  und  Maccullochs  IPsbellen  und  fBr  die  neueste 
Zeit  nach  dem  Yearbok.  Ich  bemerke  id>er|  ^ass  ich  nach  den 
Englischen  Zolllisten  die  Jahre  genommen  habe,  die  mit  dem  6.  Ja- 
nuar endigeny'alscf  eigentlich  das  Jahr  vorher, angeben. 


49%  Das  BTMUclie  Belclu 

Jabr.    EI«6iIur«SSt         nir.  AntftUur.SSt        Thbr. 

*  176713|097»153—    s  91,680,071  lSfi90,00i  ^  z=il0Bfi3OfiO7 

1777  12,643^34-^  =   88,606,838  13,491,030  —  =   94,437,210 

178717,804,024—    =124^28,168  16,869,789 —^=  II  7,088,523 

1797  21,013,956—    =147,097,692  26,315,713 —  =  184,209^^91 

1802  31,442,318—    =221,636,225  41,411,966  —  =289^883,762 

1807  28,854,658—    =201,982,606  34,566,571  —  =24 #,965,997 

181228,596,426—    =200|j67,982  43,243,173  —  =302,7tei2 II 

1^17  33,965,232—    =237,756*624  53,123,202  —  =371,862,414 

1822  34,30jS,985—  .  =240,141,695  56,963,134  —  t=: 398,741,938. 

1 827  36, 1 74,350  —    =  253,220,450  50,399,357  —  =  352,795^9 

Wir  lasien  nim  für  die  neuette  Zeit  tod  Jahr  lu  Jakr 
dieie  ailgemeina  Uebentcht  folgen,  bemerken  aber,  daaa  aeit 
1821  der  angegebene  Werth  bedeutend  unter  dem  amtliehen 
ainkt,  und  lo  wie  jener  in  den  20  Jahren  Torher  um  30  ProcenC 
höher  ala  dieser  stand,  so  ist  gerade  umgekehrt  aeit  diesem 
Jahre  von  12  Proeent  bis  30  Procent  der  amtliche  Über  den 
angegebenen  Werth  gewachsen.  Der  letstere  findet  sieh  aber 
^bei  der  Ausfuhr^ur  für  die  Britischen  rohen  Producto  und  Ma- 
nufacturwaaren,  nicht  aber  für  die  aus  Grossbritannien  versand- 
ten fremden  und  Coloniaiwaaren.  Wir  geben  beide  (amtlich  W. 
mit  A.,  den  angegebenen  oder  declarirten  Werth  mit  D.  beseichnet) 
und  halten  daf&r,  dass  das  Büttel  xirisehen  beiden  auch  noch 
XU  hoch  über  den  wahren  Werth  steht,  und  dass  wir  daher  den 
geringsten  Irrthum  begeheo,  wenn  wir  dem  angegebenen  Werthe 
folgen« 

Jahr.  Einfuhr  %  Ausfuhr. 

<3  8t  Thlr.  %  St  Thir. 

1828  43,489,346=    304,425,422 {J;  J^;^^^^^^^^^^  Jg^jJ^JJ 

1829  43,536,187=    304,753.309}^  J^I^Jg  =    SS^Si 

1831    44,815,306=    348,787,100  {^/.^Ji^^^^  ^^,fj. 


^  Für  die  Jahre  18S8— 30  ist  der  Handel  Irlands  In*  Bezug  auf 
das  Ausland  noch  nicht  mit  gerechnet,  er  betraft  eine  Bittfuhr  voa' 
1,660,606  ^  8t  mid  eine  Ausfuhr  von  60(M)06  .^^  %i^  da  der  HaOfH- 
handel  dieser  I«cl  über  Oroisbnlaaniea  geluhit  wtf4 


Das  Britlsehe  BeielL  47T 

Jahr.  Emfnhr.  Avtftriur. 

'      %  St  Tlilr.  %  Sil  TUr. 

,832  «..«..600=  33r„3..200{ä;  ^^^Z  SfÄ? 
,833  44.586,242=  il2Ai,m{t  JJ^hIS  =  SSlSS 
1^)  266.900..33=  ,^68.300.93.  {^.*£;JSi}l  lÄffi« 


•*» 


l"^(  AAA^^^f^-*  ^li^JöiiÄß/^  67,1K)4,852  =3  476,333,964 
I^J     44^83,365—    31 1,383,486  jp    47;j52.812  =    330;769,684 

Stellen  wir  denn  nnn  den  Uebertchust  derAutfnIir  dei  deeU« 
ritten  Werthesy  der  gieher  als  dag  Minimnia  daa  wahren  Wer- 
thei  gelten  kann»  ftber  die  Einfuhr  für  diese  Jahre  sosammen, 
so  erhalten  wir: 

mehr  %  St  Thlr.  weniger  %  St        Thir. 

1828+  2,710,814=  18,975,098 
1829+  2,542,847=  17,799,929 
1830+  3,507,665=  24,553,655 
1831+   2,474,389=   17,320,723 

1832  —  —  —         788,057  =    6,516,399 

1833+   6,168,083=   43,176,581 

iNMDBoa  17,403,798  =  121,826,586     —         788,057=  ,6,516,399 

giebt  naeh  Absng  des  Hinderb^trags  Ar  1832  disL  G^aanunt« 
snmme  de^  Ueberschusses  fttr  den  sechsjährigen  Zeitraum  anf 
16,615,741  <ft  St  =  116,310,187  Thlr.,  oder  durehsehnitdich  des 
Jahres  mindestens  reinen  Gewinn,  bloss  im  Austausch  der  Aus- 
fuhr gegen  die  Einfuhr,  2,769/290  ^  St  =  19,385,030  TUr. 

Endlieh  dient  bq  einer  allgemeinen  leichten  Uebersicht  über 
den  raschen  Fortschiitt  des  Britischen  Seehandels  die  chronolo- 
gische VergleiehuDg  des  reinen  Ertrags  der  an  die  Schata- 
kammer  besahlten  Zollgebühren  nach  Abzug  der  Verwaltungs- 
kosten, der  Ausfuhrprämien  und  Rückxdlle  (Dr&wbacks)  für  die 
Ausfuhr  der  sur  Consuration  im  Inlande  bereits  versteuerten 
Waaren,  sowie  aller  anderen  dabei  vorkommenden  Auslagen  des 
Staats.  Allerdings  hängt  hier  das  Steigen  des  Ertrags  theilwe|sa 
von  der  Erhöhung  derZdile  ab,  die  jedoch  stets  in  angemeaaenem 
Verhältnisse  mit  dem  Anfblikea  das  Bandab  vacbleihaB  muaa» 


^B  B^Lg  Britltelie  Beich. 

Venu  in  ginie  Verkehr  Bicht  sofort  <lanittterl«Meii  teil.  Wirfbi- 
den  nan  in  himdcrt  «atf  dreiMig  Jahren  diesen  reinen  Ertrag  der 
ZoHeimalMien  tmi  »ehr  als  das  FQnfundswansigfache  ver- 
grössert  Er  betrug  1697  694,802  <S  St  =  4,804,244  ThI.  In 
den  daraof  folgenden  20  Jahren  stieg- er  nnr  auf  das  Doppelte, 
es  war  das  Maximum  im  letsten  Jahre  diefier  Periode  1716 
],742,S84  Q  St  =  12,200,168  ThL  In  diesem  Betrage  blieb  mit 
sehr  geringer  Abwechselung  die  Zolleinnahme  vierzig  Jahre 
lang  bis  1756.  Das  Maximum  war  in  dieser  2^tt  1728  1,872,342 
<a  St  =  13,106,394  ThL,  und  das  Minimum  das  Kriegsjahr  1746 
gewesen  1,074,653  <S  St  =  7,522,571  Tbl.,  die  meisten  Jahre  dage- 
gen der  Betrag  zwischen  1,500,000  und  1,600,000%  St  <—  Bisaun 
Ausbruch  der  FransÖsisehen  Revolution  hatte  in  den  33  Jahren 
die  reine  ZoUeinnahme  abecmals  um  das  Doppelte  sich  vermehrt; 
von  dem  Minimum  im  Jahre  1758  1,824,298  %  St  =  12,770,086 
ThL  bis  auf  das  Maximum  im  Jahre  1785  4,592,091  %  St 
=  32,144,637  Thi,  der  Dnrebsohnittsbetng  hatte  auf  3,200,000 
%  St  gestanden.  Während  der  ersten  sehn  Jahre  des  Franzd- , 
sischen  Revolutionskrieges  bis  tum  Frieden  von  Amiens  1802 
war  abermals  eine  Verdoppelung  der  reinen  ZoUeinnahme  einge* 
treten,  das  Maximum  im  Jahre  1799  7,498,615  <{l  St  =  52,490,306 
ThL,  das  Minimum  im  Jahre  1794  3,521,236%  St  24,648,652  ThL, 
der  Durchschnitt  über  5,000,000  %  St  geblieben.  In  der  Zeit 
der  ContinentaUpekTe  hob  sich  die  reine  Zolleinnahme  abemisU 
nidit  minder  auf  das  Doppelte  des  früheren  Durchschnitts  Be- 
trags, 1809  10,289,807  %  St  =  72,028,649  ThL 

1810  10,819,151    —     =75,734,057   — 

1811  9,436,322    —     =66,054;254  •» 

1812  10,029,747    —     =70,208,229   — 

Bei  diesem  Höhebetrag  verblieb  es  inswischen  in  den  nächsten 
darauf  folgenden  zehn  Jahren,  der  Durchschnitt  der  reinen  Zoll- 
einnahme stieg  nicht  über  10,000,000  ^  St,  und  das  letzte  Jahr 
dieser  Periode  (1822)  gewährte  10,663,617  %  St  =  74,645,3j9  Tbl, 
Seit  dieser  Zeit  wirkte  bald  das  liberalere  Haudelssjstem  Hus- 
kissons  auf  dib  Zolleinnahme  ein,  die  EinfuhrsöUe  wurden  für 
Hanptartikel  des  Britischen  Handels  wesentlich  herabgesetst,  auf 
einige  völlig  aufgehoben.  Dennoch  stieg  die  reine  ZoUeinnahme 
jfthriieh  höher,  uud  gewann  überdies  das  grosse  Ersparniss,  gegen 
svei  Dffittel  der  ZeMbeamtea  nie  fiberflüssig  zn  entlassen,  wie 


D&a  Briiisclie   BeicK. 


«99 


diM  in  Maad  miieBtiieli  migrfWirt  unüic^  wo  1630  ttamtNetie 

ZollbMUBlei»    dar  loial    wm  toTiel  Qeluit  kottet^n,    alt    JS!8 

ftllciQ  für  den  Hafen  Dnblia  aaigegeken  werito  nuiMte*).     Sie 

war  in  den  letzten  lahren  wi^demm  oai  mekr  als  die  Hllfite  dee 

Betrags  von  16}^  yermelirt;  sie  betrug  stets  in  dem  Nettoertrag 

über  15,000,000  %  St  =  105,000,000  ThL 

Sie  gewährte  sogar     1830  21,084,525  %  St.  =  147,591,075  Th. 

Davon  gingen  ab   an 

RiieksdUe.  u.  Ansf  uhr*  1^57,424    — *    =  10,001,008  — 

Prämien;  L  d.  Beamt, 

Wach,  und  Wtfehsohiffe. 

Terblieb.  retne  Einif. 
Doeh  1831  war  die  reine 

Einnahme  nur  15,201,200  <3  St  =  106,400,003  Tbl 

und  1832  15,240,007    —    1=100,680,040   — 

Unter  der  Einfohr  kann'mah  für  die  neuere  Zeit  die  eine 
H&lf  te  des  Betrags  sufroheStoffe  surVerarbeitong  der  Britischen  In- 
dustrie- nnd  die  andere  H&lf  te  auf  Colonial-Waaren  und  Lebens- 
bedOrfirisse rechnen.  Wes  jene  aAbetriflBt,  so  stehen  Baumwolle, 
Seide,  Flachs,  Wolle,  Hfinf,  Indigo,  Krapp,  Coche- 
nille, Zink  «nd  Häute  obenan,  und  alles  flbrigebetrilgt  nicht  ein 
Zwanaigtheil  der  ganien  Einfnhi',  wie  dies  aus  folgender  Ueber- 
•leht  herroffgeht 


l,20£i,I80    —    =   9,066,323   -^ 
18,231,012  %  St  =  127,1123,384  Tk 


EingefQlirt  1828 


1820 


1830 


1.  Baumw.  rohe 
n.  in  Waaren. 

2.  Seide,  roh  u. 
gesponnen 

3.  Flachs. 

4.  WoUe.  . 

5.  Hanf.    » 

6.  Indigo  • 

7.  Krapp. 

8.  Cochenille 


8,063,688  9[  St   7,483,108%  St   7,280,146  ft  St 


2,080,058 
1^786,305 
3,635,375 
463,241 
801,394 
451,087 
255,872 


2,745,288 

1,736,611 

2,783,207 

400,815 

1,340,316 

651,647 

207,052 


2,700,52« 
1,845,582 
4,414,132 
287,864 
870,425 
412,826 
231,838 


*)  YercL  darftber  MaecuUocli  n.  n.  aiLS.  lOM.-^  Art  Zelk^. 


49t  Das  BritUobe  Beich. 

Eiiif^hrl  1828  1889  1830 

9.  Zink.    .    •         290,080    ~        226,6^    —        210^2  — 
la  HBate  rohe        423,789    —        643,892    —        829,436  -^ 

zaRommen  19,160,795  ft  St  18,226,624  ft  St  19,197,729  %8t. 
Alle  übri|;;e  hieh« 
gehörige  Einfuhr» 
Artikel  (Asche, 
BaiHiirinde,  Blei,  ^ 
Eisen,  Gummi, 
Kbpfer,  Schwefel, 
Quecksilber,  Far* 
behölser  u.  s.  w.    1,750,000  <$  St    1,825,000%  St    1,972,000  <&  St 

susammen     20,9 1 0,795  tl  St  20,05 1 ,624  ft  St  2 1 , 1 69,729  ft  St^ 
Diese  drei  Summen  gehalten  gegen  die  Gesammteinfuhr  für 
d.  wirkl.  J.  1828  im  Werthbetrag  von  43,536,187  %  St*) 

—  —     1829        -^  ~  42,311,680    -« 

—  —     1830        —  —  44,815,300    — 

giebt  fast  vollständig  die  Hälfte  und   höchstens  mit  einem  Min- 
derbetrage von  2  bis  5  Procent  für  diese  Jahre. 

Auf  j:leiohe  Welse  bewährt  sie  sich  fQri  die  Ausfuhr  «Ur 
«nderen  Hälfte,  welche  in  Colonial-WaAren  f&r  den  Lebensunter- 
halt, Caffee,  Zucker,  Cacao,  Thee,  Gewärsen  und  Taback,  in 
verfertigten  Waaren  aus  Baumwolle  und  Seide,  namenflieh  aus 
Ostindien  und  Frankreich,  in  Leinewand,  Rauch waarön,  in  Ge- 
treide und  Mehl,  in  Wein,  Oel,  Talg,  Butter  und  zubereitetem 
Schiffshauholz  besteht  Die  übrigen  Artikel,  unter  welchen  an 
Branntwein  und  Rum  am  meisten  noch  eingeführt  wird  (s.  S. 
462),  betragen  wiederum  nur  ein  Zwanzigtheii  der  Crcsammteinfuhr. 

Es  wurden  davon  eingeführt 

1828  1829  1830 

1.  Zucker    .    .    5,328,114%  St   6,331,721  ft  St  6,279,555  <3  St 

2.  Caffee      .    .    2,945,024   —      2,502,667   —  2,372,651    — 

3.  Cacao      .    .       103,264  —  36,651    —  71,678   -^ 

4.  Thee  .    .    .   3,974,624  —      3,267,377  —  3,054,440  — 


*)  Nach  Pebrer  Taxation,  Tab.  IX.  S.  340.  Vergl.  »eine  An* 
merkg.  z.  S.  475,  weshalb  ich  hier  die  Angaben  der  Einfuhr  und 
Ausfuhr  von  den  nächsten  Jahr  habe  nehmen  müssea« 


Das  Britische  Beiclk 


Ml 


la» 


5.  2liiinit,  Pfef* 
fer  und  an- 
dere Ckwirst 

0.     Taback     .    . 

7,  Baumir.'-Waar. 

8.  Seiden-Waar* 
0.  Leiawand  ; 
1(X  Rauehwaaren 

1 1.  Weine  •)  .   . 

12.  Getreide  ond 
Mehl  aUL  Art^ 

sainmt    Reia  2,137,906  -• 

13.  Gele  Yersch. 

Art  .  4  .  742,5 IS  — 
14  Talg  •  ;  ;  1,249,801  — 
16.  Butter  .  t  291,580  — 
10.  Sehiffiibauhls.      658,000  — - 


627,488  QTSt, 
308,646  — 
312,197  — 
555,875  — 
67,695  — 
314,094  — 
867,545  -- 


19» 


421,000  S  St 

231,223  — 

404,229  ^ 

676,8^4  — 

68,214  — 

410,696  — 

1,015,531  — 


MSD 


3(f5,5009;St 
204,963  -« 
530,404  •- 
596,105  ^ 
63,687  » 
389,910  — 
789,680  «^ 


1.857,305  —      8,716,687  *— 


883,523  -^ 

1,029,120  ~ 

278,678  — 

538,725  — 


800,33»  -^ 

1,145,499  -- 

203,951  ^ 

,  6499400  ~ 


zutammen  20,364^373  S  St  19,933,540  %  St  21,193,346  %  St 
Die  übrig.  Ar» 
üekel  d.  hieb, 
gehör.  Einf.,  ir. 
Rttitt,  Brantw., 
Salpet,  Rotin«, 
Südfirüehte,  . 
Sjrrop  n.  i.  w.    2,261,01^9  St    2,320436  <&  8t    1,452,225  tt  St 

soBammen  22,625|&92  Q  St  22,259,976  U  St  22,645,571  U  St 
wofu  die  erste 
Hälfte  mit  lu- 
gereehnet    «    .  20,910,795  9;  St  20,051,624  %  St  21,169,729  <9[  St 


pMi«i^*«Mta 


die  Gesammt* 
einfuhr  dieser 
Jahre   gewährt  43,536,187  tt  St  42,3 11,600,8  St  43,815,300  9i  St 


*)  Wein  ^ird  durcbfchnitdich  gegen  6,000,006  Gallons  oder 
24,00(^000  Berl.  Quart  eingeführt,  damnter  i  des  Betrags  Portu- 
giesischer, 4  Spanischer,  i  Capwein,  ^%  Madeira  und  nur  Jj,  l^ran- 
Eösiscber  and  Rheinwein  isosanimen  genonunen; 

Sohabert'9  StastitikU*  «._ 

Bl 


48S  Da8  Britische  Beicli^ 

Bei  der  Ausfuhr  ist  aber  nichl  nur  du  WerthreriiUtoiM 
siur  Einfuhry  sondern  auch  das  Verh&ltniss  zwischen  den  eigenea 
Britischen  und  Irländischen  Producten  und  Manufactur-Waärea 
und  der  tretteren  Versendung  iler  eingeführten  fremden  und  Co- 
lonialwaaren  besonderer  Berücksichtigung  su  empfehlen.  Denn 
wenn  wir  seit  1800  für  die  darauf  folgenden  33  Jahre  die  Zoll- 
listen  hl  dieser  Absicht  vergleichen ,  so  finden  wir  für  den  an- 
gegebenen Werth  der  Ausfuhr  der  eigenen  Producte  und  Ma- 
nufacturwaaren  einen  durch  schnittlichen  Betrag  von  38,000,000 
%  St.  =  266,000,000  Tbl,  der  mit  Ausnahme  von  6  Jahren  (1803 
=  45,102,230  U  St;  1810  =  46,040,777  ftSt,  1811=47,000,926 
<a  St  1816  =  49,653,245  %  St,  1819  =  45,180,150  tt  St  und 
das  Minimum  im  Jahre  1827  =  30,847,528  4  St)  im  Allgemei- 
nen wenig  schwankt,  und  nur  eine  jährliche  Differenz  von  1  bis 
9  Pet  4es  durchsch«  Betrags  wahrnehmen  lässt  Ebenso  ist  die  Aus- 
fuhr der  fremden  und  Colonialwaaren  in  derselben  Zaitperiode  nach 
dem  Durohschnittsbetrage  des  amtlichen  Schätsungswerthes 
10,000,000  a  St  =  70,000,000  Tbl.  und  in  gleicher  Art  wenig 
schwankend  für  die  einzelnen  Jahre,  wenn  wir  gleichfalls  6  Jahre 
(1803  =  12,677,431  S  St,  1810  =  12,750,358  <ft  St,  1815  = 
19,157,818  fl  St.,  1816=15,708,435  %  St  und  1817=13,441,665 
<S  St  und  das  Minimum  im  Jahre  1809  =  5,776,775%  St)  davon 
abziehenr>  Wir  erhalten  demnach  das  Ergebniss,  dass  der  erstere 
Theil  der  Ausfuhr  J|.  oder  ||  und  der  zweite  Theil  ^|  oder /^  des 
gesammten  Betragt  derselben  ausmachen.  Stellen  wir  nun  diese  Er- 
gebnisse mit  den  offioiellen  Antoben  für  die  letzten  Jahre  zusam- 
men, so  wird  sich  uns  die  geringe  Differenz  zwischen  den  ein* 
lelnen  Jahren  am  bemerkbarsten  seigen. 

Ausgeführt  *) 
1828.  Brit  Product  u.  Manuf. 

Waaren 36,394,817  tt  St  =  254,763,719  Tb. 

Freude  u.  Colonial-W.  9,806,303   —    =   68,644,121  — 

«iiammen    46,201,120  —    =323,407,^40  — • 


*)  Nach  den  Listen  bei  Febrer,  S.  340,  Macculloch  I.  S.  389.  — 
üeber  das  Verhaltoisa  der  einzelnen  Zweige  der  Britischen  Manu* 
facturen  bei  der  Ausfuhr  habe  ich  bereits  im  vorigen  §.  ^ie  nötbigea 
Angaben  geliefert 


Das  Britisch«    BeiclA 


4S8 


1829.  Brft  Produet  Q.  Maust 

Waaren 36,150^79  %  St  =253,052,053  Th. 

Fremde  iL  Colontal-W.      9,928,655  —    =  69,500,585  — 

susammen    46,079,034  —    =322,553,238  — 

1830.  Brie.  Produet  u.  Btanuf. 

Waarea      .    •    .    .    i    35,212,873   —    =246,490,011  — 
Fremde  U.  Colonial-W.     10,606,441   —    =   74,245,087  ^ 

sosammen    45,829,314  —    =320,735,098  — 

1831.  Brit  Prodaet  IL  Mannt 

Waarea 37,691,300  —    =263,839,100  — 

Fremde  u.  Colonial-W.      8,533,766  —    =   59,736,362  — 

Sttiammen    46,225,066  —    :^  323,575,462  -^ 

1832.  Brit  Prodnet  n.  Mannt 

Waaren      .    .    .    .    ;    36,652,600^-    =256,568,200  — 
Fremde  n.  Colonial-W.     10,729,943  —    =  75,109,601  — 

snsammen  47,382,543  %  St  =  33 1 ,677,801  Th. 
Und  f6r  alle  5  Jahre  zusammen  durchsoh.  in  1  Jahre 

Brit  Produet-  u.  Manut 

Waaren      .....  182,101,969  9;  St  =  86,420,394  Tfa. 
Fremde  u.  Colonial-W.    49,605,108  —    =     9,921,022  — - 

msammen  231,707,077%  St  =  46,341,416  Tb. 
Also  in  diesen  einzelnen  5  Jahren,  wie  in  der  Gesammtsumme 
nnd  dem  Durchschnitte  derselben  wird  das  f  erhältniss  von  <!{. 
nnd  ^j  für  die  beiden  Theiie  der  Ausfuhr  sehr  wenig  modifieirt, 
und  bei  dem  Durchsehnittsverhältniss  18}|  ist  die  Differens 
noch  nicht  auf  ^^  oder  2  Proeent  gesti^;en* 

Eine  nicht  mjnder  belehrende  Uebersicht  Ober  den  gesamm- 
ten  Britischen  Handel  wird  die  Durchmusterung  des  Handela« 
Verkehrs  mit  den  einzelnen  Staaten  nach  den  Zoiiiisten  seit 
dem  Ende  des  siebsehnteu  Jahrhunderts  darbieten,  wie  sieronMorean 
in  dem  oben  angeführten  Werke  bis  1822  TolistÜndig  bekannt  ge-' 
macht,  vc^n  Pebrer,  Browning  und  Maccutloch  aber  noch  theil weise 
später  für  die  Jahre  1 823«»32  geliefert  sind.  Allerdings  bleibt  in  er* 
wilgen,  dass  diese  Zolllisten  nicht  mit  der  strengsten  Sorgfalt  enge» 
legt  sind,  dass  für  die  mit  su  hohen  ZöUep  belegten  Produete  durch 
den  starken  Sehleichhahdel  bei  der  Einfuhr  ein  beträehtlicher  Min- 
derbetrag hervorgebracht,  dagegen  wieder  durch  die  hohen  Pktb 

81* 


\ 


484  Das  Britische  Beick 

mien  .auf  dn«ielne  Ausfuhrartikel  eine  offenbar  betrflgeriich  er- 
höhte Angabe  von  Seiten  der  Kaoilettte  gemacht  ist,  die  auch 
nicht  selten  bei  den  zollfreien  Gegenständen  der  Ausfuhr  in  der 
Eitelkeit,  eine  grössere  Versendungssumme  für  sich  su  haben,  Ver- 
anlassung nehmen  kann«  Aber  diese  Einwirkungen  dauern  für  längere 
Periodoi  fort,  und  lassen  mindestens  in  den  grossen  Verhältnissan- 
gaben in  Besng  auf  die  Zu-  und  Abnahme  des  Handelsverkehrs  awi* 
sehen  den  einzelnen  Staaten  ungestört  interessante  Folgerungen 
entnehmen,  die  überdies  stets  als  sichere  Elrgebnisse  betrachtet 
werden  dürfen»  wenn  wir  aus  denselben  den  bedeutenden  Ein- 
iluss  des  Britischen  Handels  ,auf  die  auswärtige  Politik  deu  Lon- 
doner-Cabinets  gegen  die  übrigen  Staaten  uns  genauer  verdeut- 
lichen wollen. 

Der  Handel  zwischen   Portugal  und   Grossbritannien 
war  für  das  letztere  Reich  stets  überaus  vortheilhaft,   es   kaufte 
hier  als  auf  einem  aehr  wohlfeilen  Markte  mehrere  ihm  unent- 
behrliche Producta   ein,    namentlich  Wein  und  Wolle,   erlangte 
^ber  bald  einen  so  vortheilhafcen  Absatz  für  die  Britischen  Ma- 
nufacturen  in  diesem  jeder  regen  Industrie  ermangelnden  Lande, 
dass  die  Ausfuhr  dorthin  bald  das  Doppelte  und  in  neuester  Zeit 
mehr   als   das   Vierfache   des  Betrags  der  Einfuhr  erreicht 
hat.  Wir  werden  dies  aus  Durehsohnittsperioden  des  acht- 
zehnten und  neunzehnten  Jahrhunderts  *)  bis    1822  nach  jährli- 
chen Durchschnitta^eträgen  nachweisen,  wie   die   gleichen  Zeit- 
räume auch  für  den  Britischen  Handelsverkehr  mit  den  übriccen 
Ländern  gebraucht  werden  sollen,  und  darauf  einige  Angaben 
aus  'de|i  letzten  Jahren  zur  Vergleichung  für  den  gegenwärtigen 
Zustand  hinzufügen« 

Jahre          Eingef.  ans  Port  Ansge&  naeh  Port 

%St           Th.  <aSt               Th. 

1698—1701        202,009=:  1,420,363  34^443  rs  2,404,101 

1749—750          288,549  =  2,019,843  1,121,529=   7,850,703 


1)  Zuerst  folgt  der  durchschnittliche  Jahresbetrag  für  4  Frie- 
densjahre  1698^1701,  dann  für  sieben  Friedensjabre  1749^65,  dann 
lör  9  Friedensjabre  1784-^92,  darauf  für  das  Jahr  nach  dem  Frie- 
den von  Amiens  und  endlich  für  sieben  Friedensjahre  nach  dem 
letzten  Pariser  Frieden  1816*^2.  Die  Angaben  sind  aus  Moreau, 
Maccullocb)  Pebrer  und  dem  Yearbook  for  1834. 


Das  Brltlscbc  Beicb.  485 

EiogeH  aus  Port  Ausgef.  nach  Port 

tt  St            ThU  %  St            Tbl. 

1784—02            645,486  =  4,518,402  676,348=  4,727,436 

1802                    061,711=6,731,977  1,284,344=   8,090,408 

1816—22            402,103  =  3,445,351  1^33,154=13,522,078 

1820  *)                373,824  =  2,616,768  2,388,803  =  16,721,621 

1831                    520^617  =  3,644,310  2,310,782  =  16,238,474 

Der  Handel  Zwischen  Spanien  und  Gross britannien 
beruht  gans  auf  denselben  Verbältnissen,  wie  der  Handel  mit 
Portugal,  nur  das«  hier  der  Ankauf  von  roher  Wolle  für  die 
Britische  Industrie  bis  1825  überaus  ansehnlich  war  (vergl.  Wolie- 
manufacturen  S.  430—40)  und  die  Ausfuhr  aus  Grossbritannien 
nach  den  Spanischen  Häfen  durchschnittlich  (mit  alleiniger  Aus- 
nahme der  Friedensjahre  1740 — 55)  höchstens  das  Doppelte  des 
Betrages  der  Cinfuhr  ausmachte.  In  der  neuesten  Zeit  sind 
Überdies  die  Britischen  Manüfacturen  in  Spanien  durch  die  Vor- 
liebe für  die  Französischen  und  durch  die  politischen  Verhält- 
nisse mit  Frankreicji  in  der  Einfuhr  nach  dem  summarischen  Be- 
trage in  Abnahme  gekommen.  Ausserdem  werden  in  den  Briti« 
sehen  General-Zolllisten  die  Einfuhr  und  Ausfuhr  nach  Gibraltar 
von  dem  Handel  mit  Spanien  gesondert  aufgeführt,  wiewohl  jene  am 
natürlichsten  hieher  gehört,  und  namentlich  seit  dero^engeren  Ver- 
hälmisse  Spaniens  mit  England  i.  1. 1800  ein  grosser  Theil  der  Briti- 
schen Manufactureu  von  der  Strasse  von  Gibraltar  aus  nach.Spanien 
eingeführt  wird,  wenn  gleich  auch  ein  namhafter  Theil  derselben  für 
Südfrankreich  und  Italien  in  Anschlag  an  bringen  ist  Die  Einfuhr 
von  hier  nach  Grossbritannien  kann  aus  den  natürlichen  Gründen 
des  Locals  nur  höchst  unbedeutend  sein,  und  wird  daher  durch  die 
Ausfuhr  der  Britischen  Manufactureu  dorthin  fünf  und  sehnfach 
und  noch  darüber  überboten.  Wir  lassen  die  Uebersichtsiiste 
für  den  Handelsverkehr  in  der  Strasse  von  Gibraltar  hinter  Spa- 
nien unmjttelbar  folgen  und  verbinden  damit  für  daa  neunzehnte 
Jahrhundert  zugleich  Malta  und  die  Jonischen  Inseln. 


MM 


0  Ffir  dieses  und  die  folgenden  Jahre  sind  wegen  der  polili- 
schen  Verhät^isse  die  Azoren  und  Madeira  zu  Portugal  in  den 
Briiiichen  Zolllisten  gurechnet  worden. 


I 

1 


486  '    Dui  BritischG'BelciL 

Jahre  Eingef.  ntoli  Bpan.  Amgef.  ans  Span« 

1698—1791         566,527  =  3,065,6dd  580,422=  4,062,954 

1749—55  437,869=3,065,083        1,198,337=  8,388,359 

)  784— 92  724,287  =  5,070,009  709,179=  4,964,253. 

1802  830,937  =  5,816,559        1,421,294=  9,949,058 

1816—22  877,436  =  6,142,052  613,923  =   4,297,461 

1829  •)  1,074,185  =  7,519,295         1,814,738  =  12,703,166 

1831  1,293,924  =  9,057,468        1,354,662=   9,482,634 

Nach   Gibraltar,   und   Ton    1802   ab   mit  Hinzufügang   von 
Malta  und  den  Jbnischen  Inseln ,  iit  der  Verkehr  folgender  ge- 
stalt  gewesen. 
Jahre  Eingef.  v.  dorther  Ausgef.  n.  dorthin 

aSt  Th,  ttSt  Th. 

1749—55  111,863=    783,041  641,366=  4,489,562 

1784—92  12,238=      85,666  210,838=   1,475,866 

1802  1 19,318=    835,226  542.404=   3,786,828 

1816—22  147,961  =  1,035,727        2,246,563  =  15,725,941 

vl829  156,801  =  1,097,607        1,656,698  =  1 1,592,686 

1831  270,404=1,892,828        1,363,722=   9,546,054 

Ueher  den  Handel  «wischen  Grossbritannien  und  Frank- 
reich yergleiche  die  Angaben  bei  dem  letzteren  Staate  S.  139: 
es  stehe  nurnier  die  Bemerkung,  dass  der  Betrag  des  gesamm* 
ten  Handelsverkehrs  swfschen  beiden  Staaten  in  den  hier  von 
mir  gewählten  Zeitabschnitten  nach  seinem  Werth Verhältnisse 
sich  um  das  Zwanzigfache  vergrössert  hatt  denn  die  Einfuhr  aus 
Frankreich  war  1698—701  86,025  U  St  (602,175  Thl.)  und  die 
Ausfuhr  dorthin  166,115  %  St.  (1,162,805  Thl.).  Beicies  stieg 
darauf  rasch  in  dem  letzten  Viertel  des  vorigen  Jahrhunderts,  doch 
erst  in  den  letzten  8  Jahren  wurde  die  Einfuhr  aus  Frankreich 
bedeutender  als  die  Britische  Ausfuhr  dorthin. 

Der  Handel  zwischen  Grossbritannien  und  säromt* 
liehen  Staaten  Italiens,  der  nach  den  frühere«  Zoll- 
listen  besonders  mit  der  Republik  Venedig  lebhaft  war,  zeigte 
sich  während  des  achtzehnten  Jahrhunderts  mit  entschieden 
vortheilhafter   Balanee    fär  Italien,   weil   diö   Italienischen  Pro- 

*)  Für  dieses  Jahr  und  die  folgenden  sind  die  Cananschea  In- 
seln in  den  Britischen  Zolllisien.  gleich  zu  Spanien  hinzugerechnet: 
früher  waren  sie  unter  dem  Handel  mit  Africa>  eben  so  wie  die 
Azoren  und  Madeira  mit  begriffen. 


Das  Britische  BaicL  497 

dttcfe,  BeUe,  8li4M^te,  CM  «tmrk  in  CSronbritaiHiieii  be- 
gehrt wurden,  di^pqpea  dort  osr  eine  geringe  Nmdifnige  narh 
Englttdieii  Muisfectiir-Waaren  aick  geltend  »seilte.  Im  neun- 
zdmtea  Jahriianderle  ket  aber  mach  in  Itsliea  der  BritUcbe 
Kanttfleiu  ein  gUnsendee  Uebergewickt  erlangt  and  übersteigt 
dnreb  seine  Ansfkbr  dortkin  den  dreiiaekea  Wertkbetrag  der 
Flinfiikr  ¥on  dortk^. 

Eingel  ans  ItaL  Aosget  nndi  ICi^ 

tt  St  Tb.  ft  St  Tb. 

1698—1701    '  868^7  =    2,S09,739        143,240  =    1,002,743 
1749—55  578,445=    4,049,115       238,470=    1,609,332 

1784—92  853,862  =    5,977,034       759,243  =    5,314,601 

1802  723,501  =    5,064,507     1,950,416  =:  13,652,912 

1816—22  894,835  =    6,263,845    3,699,715  =  25,898,005 

1829  804,220  =    5,629,540    4,906,859  =  34,348,013 

1831  1,475,304  =  10,327,128    5,348,806  =  37,441,642 

Der  Handel  swiseben  der  Türkei  und  Grossbritannien 
ist  im  Laufe  des  aditaebnten  Jabrbunderts  nur  sebwaeh  und  von 
siemlieb  gleicbem  Betrage  der  Ein-  und  Ansfubr  gewesen.  Wäh- 
rend des  Seekrieges  der  FranxÖsiseben  ReTolntion  knüpften  sich 
die  Veiliältnisse  der  Englander  umfassender  in  der  Levante  an, 
und  ihre  Sberwi^nde  Herrschaft  auf  dem  mittellindischen  Meere, 
der  Crewinn  der  Ionischen  Inseln,  wo  Corfu  am  25sten  Aug. 
1825  sum  Freihafen  erklärt  wurde,  verstärkten  den  Britischen 
Ebnddsverkebr  ausserordendich  auf  Kosten  Frankreichs,  und  na- 
mentlich mit  einer  sehr  empfindlichen  Einbusse  fik  Marseiile. 
Die  Britischen  Mannfacturen-  verschafften  sich  nun  auch  hier  ei- 
nen aligemeinen  Eingang,  und  d«*  Absats  derselben  erfordert  in 
den  letzten  20  Jahren  mehr  als  den  doppelten  Betrag  der  Sum- 
men, welche  von  den  Briten  für  die  dortigen  Prodocte,  rohe 
Baumwolle,  getrocknete  Früchte  und  Droguerien  ausgegeben  wer- 
den. Griechenland  ist  bis  mim  Jahre  1827  in  den  Britischen 
Zolllisten  noch  in  dem  Türkischen  Handel  mit  eingeschlossoi, 
seit  dieser  Zeit  aber  besonders  aufgeführt 

Eingef.  aus  d.  Turk.  Ausgef.  nach  d.  Turk. 


«  St 

Th. 

a  St               Tb. 

1698—1701 

276,906  = 

1,938,342 

218,002  =     1,526,014 

1749—55 

168,071  = 

1,176,497 

133,674  =       935,718 

1784—92 

184,545  = 

1,291,815 

121,877  =       853,139 

1802 

182,424  = 

1,276,968 

163,134  =     1,141,938 

«8  D»s  firUisoh'e  Belolt. 

Eingef.  ans  d  Türk.  AmgeH  aa^b  d.,Tfirk. 

«  St      '        ThL  %  St  ThL 

1816--*22  306,678  1=:    2,146,746       764,116=    6,348,812 

J829  431,062  =    3,017,434    1,476,127  =r  10,332,889 

1831  759,798  =    5^18,586    2,209,706  =  15,467,942 

Das  Königreich  GriechenlaD4  hat  in  der  kunen  Zeit 
meines  Bestehem  eine  nach  ihrem  WerthverhUllBisse  siemHoh 
gleiche  Ein-  und  Ausfuhr  g^en  30,000  %  St  (210,000  Th.)  in  dem 
Hatidelsrerkehr  mit  Grossbritannien  gehabt 

Zwischen  den  gesammtcn  Niederlanden,  die  wir  also  auch 
Jetzt  nicht  in  den  Besiehungen  des  Handel«  nach  den  beiden 
Königreichen*)  sondern  wollen,  und  Grossbritannien  hat 
schon  seit  sehr  fem  gelegenen  Zeiten  des  Mittalaltem  ein  Ich* 
hafter  Himdelsverkehr  bestanden.  Dieser  stand,  so  lange  der  Sita  der 
Industrie  und  die  ansehnlichste  Rhederei  in  den  Händen  der 
nördlichen  und  südlichen  NiederllUider  waren,  im  entschiedenen 
Vortheile  auf  Seiten  der  letsteren,  aber  seit  den  Wirkungen  der  Na* 
vigationsacte  oder  der  Mitte  des  siebzehnten  Jahrhunderts  trat  er  bald 
ins  völlige  Gleiebgewicht  für  beide  Nationen,  um  dann  in  dem 
nächsten  Jahrhunderte  auf  die  entgegengesctate  Seite  Übenragehen, 
Denn  seit  1700  sind  die  Niederlande  ein  Torsttglichcr  Marktplatz  ffir 
die  Britische  Industrie  geworden,  die  einen  drei*  und  vierfach  höh^ 
rcn  Werthbetcag  dort  jährlich  absetzt,  als  lie  an. rohen  Pro*- 
d'.icten  und  verfügten  Waaren  aus  diesen  Landen  bezieht 
Dies  hat  sich  noch  in  der  neuesten  2«eit  verstärkt,  als  ein  Theil^.^ 
des  Colonialwaaren«HandeUi  för  die  Niederlande  mic  Grossbri« 
tannien  ausgeführt  worden  ist 

Eingef.  a»  d.  NiederL  Ausgef.  n.  d.  Niederl 

«St  Th.  a  St.  Th. 

1698—1701  624,410  «^  4,370,870  2,044,228  —  14,309,596 
1749-->55  407,240  =  2,850,680  2,442,94t  =  17,100,629 
1784^92         717,057  =    5,019,399       2,317,986  *-    16,225,902 


'^)  Doch  darf  es  nicht  unbemerkt  bleiben,  dass  seitdem  Belgien 
und  Holland  als  Königreich  der  Niederlande  vereinigt  waren,  in 'den 
15  Jahren  dieses  Zustandes  die  Ausfuhr  aus  Grossbritannien  zwi- 
Fchen  beiden  fast  gleich  getheilt  war,  i^ie  z.  B.  von  der  Summe 
von  4,057,242  %  St.  im  J.  1823  gingen  2,044,033  %  St  n.  Holl.  Häf. 

und  2,013,^9    ^  —    Belg.  — 

von  4234,806 1825     <-      2,017,289 Holt  — 

und  %%YlfAl Belg,  — 


Das  Britische  Beleb.  489 

Eilig«!,  a.  d  NM^rl«  Amgei  il  d  Nied«rL 

%  St  Th.  %  St  Th. 

IgOa  1,000,768  =    7,005,376       4,392,617  =    30,748,319 

1816—22         061,296  =    6,729,072       4,337,316  =    30,361,212 
1829  1,521,086  =  10,647,602       5,873,928;=:    41,117,496 

1)831  1,276,082  SS    8,932,574       6,450,226  =s    45,151,582 

Ucber  4at  Waehstfaum  des HandeliT^kebrt  snrisehenGrosi- 
britannieii  und  Deuttchlaiid  nach  1700^  woTon  aber  die 
Preuaaischen  H&fen  von  der  Auirnftndang  der  Oder  bis  nacb  Memel 
auageacbloMen  sind  und  besondera  unter  dem  Namen  Prenssen  in 
den  Zolliisten  anfgefSbrt  werden,  lüsst  sich  durchaas  die  gleiche 
Bemerkung,  wie  von  den  Niederlanden  machen,  nur  dass  hier 
s(^t  dem  Rereladonskriege  und  namentlich  seit  der  Eroberung 
HoDands  durch  die  Fransosan  die  alleinige  Besorgung  der  Colo* 
nialwaaren  nach  und  nach  in  die  Häude  der  EngUnder  kam. 
Aber  auch  die  fiinCuhr  der  Britischen  Bfanufactur-Waaren  nacb 
Deutschland  wurde  ausserordentlich  gesteigert,  weil  dieselben  für 
einen  grossen  Theü  Deutschlands  zugleich  die  fehlenden  Franjcösi- 
■•hea  ersetsen  mussten,  spiter  aber  durch  die  Wohlleiiheit  sich 
im  Begehr  erhielten.  Daher  ist  hier  die  Ausfuhr  in  dem  gegen- 
wärtigen Jahrhunderte  su  'einem  fünf-  und  sechsfach  höheren 
Werthbetrage  als  die  Einfuhr  der  rohen  Producte  aus  Deutsch- 
land (namcntlieh  jmt  für  Wolle)  gestiegen,  wenn  gleich  gerade 
hier  der  amtliche  Schltsungswerth  fftr  die  Bytischen  Hanufa- 
^.Clurwaaren,  die  }  der  Ausfuhr  (ron  den  9,473,627  %  St  im 
Jahre  1831  waren  7,667,147  %  St-  für  Brit  Manuf.  und  Pro- 
ducte  und  1,806,480  %  St  für  Colonialwaaren)  betrugen,  in  den 
letzten  Jahren  zu  hoch  ausgefallen  sein  kann,  und  wohl  nach  dem 
wirklichen  Verkaufspreise  einen  Abzug  von  33  Procent  erleiden 
dürfte. 

Eingef?  a.  Deutscht  Ausge£  iL  Deutschland, 

ft  St  Th.  ft  St  Th; 

1698—1701  681,169  =  4,768,183  757,621  =  5,303,347 
1749—55  687,805  =  4,814.635  1,345,212  =  9,416,484 
1784—92  652,291  =  3,866,037  1,566,3Ü  =  10,964,177 
1802  1,192,03a  =     8,344,210    8,005,237  =  56,736,659 

1816—22  684,741  z=  4,793,187  8,772,871  =  60,410,097 
1829  1,597,854  =    11,184,978  10,213,364  z=  71,493,548 

1831  I,684»165  =   11,789,155    9,473,627  .=.66,3 15,389 

Der  Handelsverkehr  zwischen  Grossbritannien  und  Preusseti, 


) 


490  Das  Britische  Beich.  ' 

in  der  ao  eben  n&her  bezeichneten  Beselirftnkang  der  Häfen  im 
PreuBsischen  Staate,  giebt  mehr  an  rohen  Produeten,  Getreide,  Mehl, 
Flachs,  Hanf;  Leinsaat,  Holz,  Wolle  u.  b.  w.  zurück,  als  er  aus  Gross- 
britannien an  Manufactur-  (|  des  Betrags)  und  Colonial-Waa- 
ren  (|  des  Betrags  der  Einfuhr  in  Preussen)  zurück  empfangt 
Indess  iTar  dies  Verhältniss  zu  Gunsten  Preussens  riel  vortheil- 
hafter  im  achtzehnten  Jahrhunderte,  wo  der  Werthbetrag  das 
Doppelte  und  Vierfache  und  noch  darüber  gegen  die  Rück^acht 
ausmachte,  als  in  den  letzten  20  Jahren,  wo  Ausfuhr  und  Ein- 
fuhr im  W^rthverhältnisse  sich  immer  mehr  nähern,  und  für  die 
Jahre  1816 — 22  sogar  in  das  umgekehrte  Verhältniss  übergehe*i. — 
Eingef.  aus  Preuss.  Ausgef.  nach  Preuss. 

tt  St  Thl 

152,209=1,065,463 
171,091  =  1,197,637 
11>,247=  820.729 
818,269  =  5,727,883 
1,002,881=7,020,167 
786,167  =  5,503,169 
829,303  =  5,805,121 

Dänemark  und  Norwegen  bis  1814- vereinigt,  standen 
anfänglich  in  ähnlichen  Handelsbeziehungen  (namentlich  in  der 
Ausfuhr  von  Getfeide  uqd  Holz  nach  Grossbtitannien)  mit  Gross- 
britannien, wie  die  Preussischen  Häfen,  die  nur  hier  einen  geringfü- 
gigeren Werthbetrag  umsetzten.  Aber  seit  dem  letzten  Viertel  des 
achtzehnten  Jahrhunderts  bezog  es  eine  viel  stärkere  Masse  von 
Britischen  Manufactur*  und  Colonial-Waaren,  dies  dauerte  auch 
noch  in  den  ersten  Jahren  nach  der  Trennung  von  Norwegen 
fort,  liber  seit  1823  ist  wieder  das  frühere  flandelsrerbältniss 
wiederhergestellt,  dass  Dänemark  an  rohen  Producten  beinahe 
doppelt  so  viel  giebt,  als  es  aus  den  Britischen  Häfen  zurück- 
nimmt,— In  den  nun  folgenden  Angaben  ist  Norwegen  für  die 
Jahre  nach  1814  bereits  von  Dänemark  gesondert  und  wird  später 
für  diese  Zeit  mit  Schweden  zusammen  gerechnet 


9;  St        Tbl. 

1698—1701 

18 1|1 86  =1,268,302 

1749—755 

280,633=1,964,431 

1784—792 

505,544  =  4,168,808 

1802  ♦) 

1,057,603  =  7,403,221 

1816—22     ' 

658,080  =  4,606,560 

1829 

*  1,296,570  =  9,068,990 

1831 

1,200,102  =  8,400,71^ 

*)  Dies   ist   eins   der  Jahre  aus  der  höchsten  Blütheaeit  dci 
Preussischen  Handels. 


\ 

^ 


Das  Britische  BeloL 


491 


1608—1701 

1749—765 

1784—02 

1802 

1810—22 

182d 

1831 


Eii^^  am  Dftnem. 

%  St  Thi 

77,308=  '541,150 
84,507^  501,549 
140,138=  980,900 
1^5,072=1,089,704 
136,250=  953.750 
484,611=3,392,277 
410,981=2,876^67 


Amget  sacb  Diaem. 

<g  Sr  TbL 

39,874=    279,118 

87,206=    610,442 

294,109  =  2,058,756 

427,016  =  2,989,112 

V     275,060=1,925,240 

227,645  =  1,593,515 

256,704  =  1,796,928 


Schwad  eil  betait  •ein  Eisen,  weichet  im  Handelsrerkehr 
mit  Grottbritannien  in  die  ertlen  funfirahn  Jahre  ^^t  gegenwär- 
tigen Jahrhundertt  ihm  tehr  bedeutende  Vortheile  gew&hrte,  zu- 
jnal  dat  einfache  Leben  det  gröttten  Theilt  teiner  Bewohner 
die  Britbehen  Manofactar-Waaren  towie  die  Colonial-Prodocte 
noch  SU  keinem  allgemeinen  Bedürfnitte  gemacht  hatte.  In  der 
neuesten  Zeit,  teitdem  bereite  Norwegen  au  Schweden  gehörte, 
itt  ein  Theil  der  Einfuhr  det  Schwedischen  Eitent  durch  dat 
Sitteiermftrkisdie  für  die  Brititchen  Fabriken  entbehrlieh  gemacht 
worden,  wodurch  aber  auch  die  Schwedische  Regierung  sich  ge- 
nöthigt  gesehen  hat,  die  Einfuhr  mehrer  Gegenstände  des  Luxus  und 
feineren  Lebensgenjnsses  su  rerbieten,  weU  Schweden  keine  andere 
Tanschmittei  im^  Handel  lu  liefern  vermag.  Die  Einfuhr  nach 
Norwegen  ist  gegenwärtig  eben  so  gross  als  die  nach  Schweden; 
dagegen  liefert  die  Ausfuhr  aus  Norwegen  noch  nicht  die  Hälfte 
des  Betrags  der  aus  Schweden. 


1698—701 

1 749—55 

1784—92 

1802 

1816—22 

1829 

1831 


Eingef.  aus  Schwad. 
v.  s.  1816  Sgl.  a.  Norw. 
%  St  ThL 

213,657  =  1,495,599 
*  187,632=1,313,424 
261,823  =  1,832,761 
327,350  =  2,291,450 
192,270=1,346,890 
255,571  =  1,788,997 
304,318  =  2,130,220 


Ansgef.  nach  Schweden 

u.  t.  1816  sgL  n.  Norw. 

tt  St  Tbl. 

59,454=    416,178 

19,859=     139,013 

70,617=    494,319 

90,515=    633,605 

292,967  =  2,050,769 

303,784  =  2,126,488 

213,200  =  2,192,400 


lieber  den  Handelsrerkehr  swischen  dem  Russischen 
Reiche  und  Gross  brftannien  ist  das  allgemeine  Resultat  des  ge- 
genwärtigen Zustandes  bereits  Theil  I.,  AbtL  L  S.  239  gegeben  wor- 


491  Dan  Britische  Beich. 

d«n:  wfr  Hefeni  Uor  nur  die  Angaben  nach  Jahresperioden  Ober  die 
allmähltche  Zundime  des  Handels,  da  England  erst  in  der  «weiten 
Hälfte/  des  aohtiehnten  Jahrhunderts  sich  vonnigsweise  daran  ge- 
wöhnte, sdne  rohen  Producte  für  die  Schiffsgewerbe  und  Talg  aus 
<lt*n  Russischen  H&fen  zu  besiehen,  wozu  noch  in  dem  lanfenden 
Jahrhunderte  eine  bedeutende  Getreideeinfiihr  kam« 

Einge£  aus  RussL  Ausgef.  nach  Rutsl. 

.  tt  St         ThL  tt  St  ThL 

1608—701  1J0,446=:      773,122  60,899=    .  426,293 

1749—55         '     488,053=  3,416,371  J00,354=      702,478 

178.4—92  1,619,146  =  11,334,022  395,696=  2,769,872 

1802  ^   2,182,430=15,277,010         1,281,555=   8,970,885 

1 8 1 6—22        *   2^58,975  =  1 5,8 1 2,825         2,329,725  =  1 6,308,075 
1829  4,180,753  =  29,265,271         3,154,817  =  22,083,719 

1831  4,696,369  =  32,874,583         2,603,829=  18,226,803 

Sehen  wir  nach  der  Uebersicht  des  Handeisverkehrs  zwi- 
schen Grossbritannien  und  den  einzelnen  Europaeischen  Staaten 
auf  das  V^hftltniss  der  Einfuhr  und  Ausfuhr  aus  und  nach 
Europa  überhaupt  zur  Gesammteinfuhr  und  Gesammtausluhr 
der  Britischen  Häfen,  so  ünden  wir,  dass  nach  dem  amtliehen 
Werthe  derselben  jene  ron  ^  des  Betrages  der  ganzen  Einfuhr 
und  ^  des  Betrages  der  ganzen  Ausfuhr,  bis  auf  j-  des  Betrages, 
der  Einfuhr  und  die  Hälfte  des  Betrags  der  Ausfuhr  zurückge- 
kommen ist,  wie  dies  aus  nachfolgenden  Angaben  hervorgeht 
Soviel  hat  also  der  Verkehr  nach  Asien,  Afrika  und  Amerika 
in  den  legten  Jahrhunderten  sich  ausgebreitet! 

Eingef.  '.u.  d.  Eorop.  L.  "iftlcatiifen"- 
ft  St               ThL  a  St  ThL 

1698—701        3,866,720=   27,067,040       6,569,952=   38,989,664 
1749—55         4^27,911=   31,695,377       8.211,346=   57,479,422 

1784—92         9,193)015=   64,351,106  17,716,752=124,017,264 

J802  12,997,679=   90^983,753  31,442,318  =  220,096,226 

1816—22       13,491,568=   94,440,976  34,921,538  =  244,450,766 

1829  14,525,884=  101,671,188  44,003,088  =  308^021,616 

1831       ^        17,180,434  =  120,263,038  49,727,109  =  348,089,763 

Und    Ausget  naeK  d.  Europ.  L.       ilS™;«!"!?^,^^^^^^ 

Ä  St  Jhl  a  St  ThL 

I698--701       5,383,463=   37,684,241       6,449,594=   45,147,158 


Das  Britisehe  Beicbr  493 

und    Aa.gef.  n.  alL  Europ,  L.  fÄÄSrfl!;^ 

<a  St              Th«  <a  St              Th. 

1749—55         9,291,338=  65,039,360  12,220,974=  85,546,818 

1784—92       10,411,023=:   72,877,161  18,621,942=130,353,594 

1802                26,i3C,141  =  195,010,987  41,41 1,966  =  289,883,762 

181 0—22       31,680,002  =  221,760.014  53,126,19^  =  371,863,365 

1 829               34,051,077  =  238,357,539  66,868,056  =  468,076,392 

1831               34,017,^28  =  238,124,096  71^431,491  =  500,020,437 

Bei  dem  Handelsverkehre  swisehen  den  Völkern  Asiens 
und  Grossbritannien  sind  die  Provinsen  des  Türkischen 
Reichs  oder  die  gegenirärtigen Beziehungen  der  Briten  sum  Handef 
nach  der  Levante  schon  oben  bei  dem  Handel  mit  der  Türkei  be* 
rührt  worden.  Im  eigentlichen  Sudasien  sind  in  der  Gegenwart  die 
Engßinder  unter  den  Europäischen  Völkern  allein  mächtig  im 
Handel  geworden*)  und  swar  eben  so  mit  Ostindien  wie  mit 
China,  obgleich  in  den  leisten  fünfzehn  Jahren  auch  die  Nord- 
amerikanischen  Freistaaten  directen  Handel  mit  China  treiben 
nnd  ihn  mit  ausserordentlichem  Eifer  verfolgen«  In  Indien  und 
den  dazu  gehörigen  Inselgruppen  sind  die  Engländer  seit  dem 
Ausbruch  der  Französischen  Revolution  nach  und  nach  zur  Herr- 
■chaft  über  alle  wichtige  Europäische  Besitzungen  gelangt ,  wozu 
noch  die  grossen  eigenen  Eroberungen  in  Nord-Indien  und 
neuerdings  auf  der  Halbinsel  jenseits  des  Ganges  hinzugekom- 
men sind.  Der  Handel  in  diese  Gegenden  war  für  Grossbritan- 
nien während^ des  achtse^ten  Jahrhunderts  durchaus  passiv  und 
gewährte  erst  einen  grossartigen  Vortheil  durch  den  Austausch 
der  Chinesischen  und  Ostindischen  Waaren  bei  den  Völkern  Eu- 
ropas, allein  seit  den  letzten  30  Jahren  nimmt  auch  die  Einfuhr 
Englischer  Producte  für  das  ganze  Südasien  so  stark  lu,   dass 


*}  Report  rdalive  fo  ibe  trade  with  the.  East-Indies  and  China, 
London  1823.  ^  Hefle  Fol.  Diese  Berichte  wurden  auf  Betrieb  der 
Peerskammer  während  4er  Parlanentssesslon  von  18*20— 23(  nach 
officiellen  Actenstücken  asgefertigti  in  der  Absicht  auf  ihre  Grund- 
lage dem  Britischen  Handel  daselbst  noch  eine  grossere  AasdebnuDg 
za  verschafieD, 


/ 


494  Das  Britische  Reich. 

er  bald  4ie  Hilfte  des  gesammten  Werthbetrags  der  Einfahr  von 
4lort  und  in  der  Gegenwart  sogar  deii  gansen  Betrag  ersetzte. 
Der  Handel  mit  Ossindien  und  China  wird  aber  in  den  Zoll- 
listen sosammen  aufgeführt,  so  dass  wir  den  Mehrbetrag  der 
Einfuhr  aus  China  ober  den  aus  Ostindien  nicht  genau  angeben 
können.  Die  Chinesen  behandeln  die  Engländer  aber  gerade 
unter  allen  Völkern ,  mit  denen  sie  Handelsbeziehungen  ange^ 
knöpft  haben,  am  eifersüchtigsten,  weil  sie  sie  am  meisten  fürchten. 

Den  Ostindischen  Handel  mit  dem  von  ihm  abhängigen  Geldge- 
winn für  das  Britische  Volk  trennen  wir  aber  völlig  von  der  Verwaltung 
Ostindiens!  deren  Einnahmen  und  Ausgaben  %  da  dies  nicht  in  den 


*)  Als  Hauptwerke  für  die  Verwaltung  Ostindiens  dienen  Wal- 
ter Hamilton  (der  selbst  bei  dieser  Verwaltung  als  Beamter  viele 
3ahre  beschäftigt  war)  a  geographica!,  Statistical  and  historical  de- 
scripiion  of  Hindostan,  Lond.  4to.  1820,  2  vol*  —  R.  Mootgomery 
Martin,  the  British  Colonies,  London  1^35»  Eine  Deutsche  Bear- 
beitung dieses  Werkes  ist  so  eben  in  der  ersten  Lieferung,  Leipzig 
1835,  erschienen,  welche  die  Britischen  Colonien  in  Asien  nach 
ihren  geschichtlichen,  physischen,  statistischen,  administrativen,  mer- 
cantilen  und  übrigen  socialen  Beziehungen  enthält.  Sehr  nützliche 
Materialien  liefert  das  Asiatic  Journal  in  jedem  Jahrgange.  Für 
den  früheren  Zustand  des  Ostindischen  Handels  ist  Colebrooke  oa 
the  Commerce  of  Hindostan  1806  noch  immer  ein  schätzbares  Buch»  — 
Die  Englisch  -  Ostindische  Compagnie  hatte  ihren  Handel  nur  mit  4 
Schiften  1601  begonnen,  nach  ihrem  Stiftungsbriefe  vom  3isten  Decem- 
ber  1600  sollte  ein  HandeU-Capital  von  730.000  ft  St.  15,040,000  Thlr.) 
in  Actien  zusammengebracht  werden,  aber  nach  dreizehn  Jahren 
war  das  feste  Capital  erst  auf  397,000  4  St.  (!2>779,00U  Thlr.)  in  Actien 
zu  500  Pfund  gebracht.  Doch  schon  Jacob  L  gewährte  der  Compag- 
nie  den  Alleinhandel  nach  Persien  und  China,  und  nun  stieg  sehr  bald 
das  Handelscapital  auf  1,500.000  %  St.  (10»500,000  Tbl.)  Unter  Crom- 
well  wurden  ihre  Freiheitsbriefe  aufgehoben,  aber  gleich  in  dem 
ersten  Jahre  nach  der  Rückkehr  der  Stuarts  1661  wieder  erneuert, 
seit  welcher  Zeit  diese  Privilegien  immer  wieder  auf  ^  Jahre  mit 
dreijähriger  Aufkündigung  von  Seiten  der  Regierung  bestätigt  wor- 
den waren.  Der  letzte  Freibrief  war  vom  Jahre  1813)  und  beim 
Ablauf  desselben  am  ^2s(en  April  18;]4  besass  die  Englisch-Ostin- 
dische  Compaguie   ((,809.872  %  6l.    batr  und   in  Wechseln,  für 


Das   BrItiBche   Beich.  495 

Umfang  der  Staatskimde  Europ&ischffr  Staaten  gebdrt  Die  Ein- 
fuhr aus  Ostindien  selbst  besteht  gegenwärtig  nach  einem  jähr- 
lichen Durchschnitte  von  1826  bis  1833  vorzugsweise  ans  7,500,000 
ft  Gew.  Indigo,  30,000,000  ft  Baumwolle,  2,000,000  tt  rohe  Seide, 
4,600,000  %  Pfeffer  und  einer  sehr  geringen  Quantität  voe 
620,000  %  Zucker.  Die  Einfuhr  aus  China  ist  vorzugsweise 
Thee  *),  und  diesen  EUupttbeil  des  Chinesischen  Handels  beaass 


6,746>810  %  St.  noch  anverkaufle  Gcfter,  für  898,000  9>  St  Eigen- 
thnm  in  ladien  und  China,  für  250,000  %  St  Eigenthum  in  den  Bri- 
tischen Nordamerikanischen  Colonien  und  auf  dem  Cap,  endlich  für 
4^,000  %  St.   Eigenthum   in  England,  zusammen  19,649,380  %  St. 
=  137,545,739  Thlr.    Die  Einkünfte  und  Ausgaben  der  Verwaltong 
stellen  sich  so  ziemlich  ins  Gleichgewicht,  sie  betrugen  nach  einem 
vierzehnjährigen  Durchschnitte  (18*20—33)  jährlich  gegen  21,000,000 
%   St   (147,000,000  iThlr.)  auf  jede   Seite,  worunter   das  Heer  aus 
210,000  Mann  bestehend,  zum  siebenten  Theile  aus  Europäern,  al- 
lein 9,600,000  %  St   (66,500,000  Thlr.)   kostete,  und  ausserdem  die 
Flotte  1833  aus  einer  Fregatte,  4  Kuttern  von  18  Kanonen,  6  Corvet- 
ten  und  Briggs  u.  2  bewaffneten  Dampfböten  gebildet,  noch  einen  beson- 
deren Aufwand  von  500,000  %  St  (3,500,000  Thlr.),  erforderte.  ^ 
Die  Praesidentschaften  sind  nach  den  früheren  Indischen  Provinzen  ge- 
ordnet, wie  auch  noch  heute  nach  diesem  Verhältnisse  das  Finanzsystem 
verwaltet  wird.    In  den  drei  Praesidentschaften  Bengalen,  Madraa- 
und  Bombay  steht  zur  Seite  des  Praesidenten  ein  Rath  aus  zwei 
älteren  Civilbeamten  der  Compagnie  und  dem  Befehlshaber  des  Hee- 
res, doch  ist  die  oberste  Verwaltungsbehörde  von  Bengalen  zugleich 
mit  der  Oberaufsicht  über  die  Verwaltung  der  beiden  andern  Prae- 
sidentschaften beauftragt,  und  daher  heisst  ihr  Praesident  der  Gene- 
ral-Gouverneur von  Ostindien.  —  Die  Praesidentschaften  zerfallen  in 
Sillahs,  welche  DistHcle  mit  einer  Bevölkerung  von  2,000,000  Menschen 
etwa  bild^.  Jeder  Sillah  hat  einen  niederen  Gerichtshof,  jede  Provinz 
einen  Apellationsgerichtshof,  von  welchem  jedoch  die  Criminal-Ge* 
richtsbarkeit  getrennt  ist;    in  dem  Sitze  des  General-Gouverneurs 
ist  zugleich  ein   Ober-Apellationsgericht  für  ganz  Indien  errichtet 
Die  Beamten  der  Civil  Verwaltung  sind  ausserordentlich  hoch  besol- 
det, daher  kostet  dieselbe  im  Verhältniss  zum  Mutterlande,  wenn 
-wir  Civil  verwaltnag  gegen   Heer  und  Flotte  stellen,  ^inen  dreimal 
höhern  Betrag  des  Ausgabe-Etats  als  dort  — 

*)  Aber  mit  diesem  Alleinhandel  mit  Thee  fielen  von  Selten  der 


/ 
/ 


49< 


Da»  Britische  Beiolb 


die  Englbeli-Oitindbclie-Cofnpa^to  bit  l833aiiftelilteMUeh,  wM* 
rend  d«r  unbetrftchdtche  Handel  in  den  Übrigen  Prodoeten  jedem 
Englinder  bereits  in  neuerer  2ieit  frei  stand.  Die  Ausfuhr  nach  China 
besteht  in  Ostindischen  Produeten  und   Toraugsweise.  in  Opiuin. 

Eingef.  aus  SQd-Asien      Ausgef.  nach  Sfid-Asien 
<ft  St  ThL 

056,031=  4,592,217 
];i  19,158=  7,834,106 
3,179,130=22,253,952 
5,794,90(A=  40,504,342 
'  7,119,152  =  49,834,004 
.  7,859,883  =  55,019,181 
7,920,182  =  55,441,274 
Der  Theehandel  ist  dabei  so  Torwiegend,  dass  nach  den  amtli- 
chen Listen  in  Grossbritannien  und  Irland  in  den  20  Jahren 
(1807^20)  430,308,170  <3  Thee  consumirt  wurden,  also  jährlich 
21,515,408  %  Dieser  Bedarf  ist  aber  för  die  Crcgenwart  noch  um  di# 
Hälfte  des  Betrags  gesteigert,  denn  es  worden  in  den  vereinigten 
Königreichen  verbraucht 

vom  5.  Apr.  1832  bis  5.  Apr.  1833  30,720,000  <&  Thee 

_  —  —    1833 1834  32,480,000  —     — 

— 1834  -7 1835  35,580,000  ^^   — 

Die  Ausfuhr  von  Thee  aus  China  nach  Britischen  Häfen  war 
aber  wiederum  noch  um  15  Procent  beträchtlicher,  die  also  wohl 
durch  den  Ausfuhrhandel  wieder  abgesetzt  w^den  müssen«   Decn 


1698— 701 

1749—56 

1784—92 

1802 

1810—22 

1829 

1831 


ft  St  Thl. 

214,212=  1,499,484 
714,105=  4.998,733 
1,796,747  =  12,570,229 
2,929,810  =  20,508,712 
3,219,440  =  22,530,122 
6,402, 1 28  =  45.235,090 
6,947,601  =  48,033,207 


Compagnie  bereits  unter  den  Regierungen  Georgs  11.  und  HI.  so 
arge  Missbräuche  vor,  dass  einige  beschränkende  Bedtngnngen  som 
Tortheile  des  Britischen  Volks  von  der  Regierang  gestellt  werden 
mussten,  die  namentlich  nur  dann  das  Monopol  des  Tfaeehandels  der 
Compagnie  sicherten,  wenn  sie  den  Thee  bu  äbnUcben  Preisen  ver- 
kaufte, wie  diese  in  den  benachbarten  Ländern  stünden.  In  entgegen- 
gesetzten Falle  stand  es  den  l^ords  der  Admipdkät  frei,  anderen 
Englischen  Schiffen  Licenzen  zur  Theeeinfuhr  zuzustellen.  Yergl. 
Observatlons  ^n  the  trade  with  China,  Edinburgh  Rct.  Jan.  1024. 
Dennoch  werden  in  diesem  Aufsätze  Preiscouranten  des  Tbee's  in 
New -York  und  Hamburg- geliefert,  aus  welchen  hervorgeht,  dass 
die  Engländer  allein  im  Jahre  1822  ihren  Thee  mit  3,^18,000  %  Sh 
(15|526>000  Th.)  theurer  bezahlen  teussten,  al^  jene  Handelsplätze. 


t 


I 


% 


Das  BriCtsche  B^ici»  497 

I 

Tom  25.  Apr.  1834113  31.  Hai  1835,  alao  in  einer  Zelt  Ton  13 
Monaten  find  auf  67  Englischen  Schiffen  nach  Britiacben  Häfen 
eingeführt  43,641,200  %  Thee»  darunter  36,382.000  %  schwaner 

r,259,000  —  grüner. 
Daron  kamen  31,903,46$  Q  nach  dem  Hafen  London 

6,057,867  ^—  —      — .      —     Liverpool 
1,295,066  —  —      _      _     Bristol 
2,197,667  -^  -^  den  Irländischen  Häfen 
1,462,533  —  —  —  Schottischen  —  — 
Betrachten  wir  diesen  Handelsverkehr  mit  Asien  in  seinem  Ver« 
hältnisse    cur  Gesummt-Einfuhr    und    Ausfuhr    Grossbritannientf, 
so  hat  sich  dasselbe  für  die  Einfuhr,  veniger  rerändert    Da  wir 
die    Zahlenangaben    für    den   Gesammthandel    bereits    bei    dem 
Schlussresultate  für  den  Europäisch-Britischen  Verkehr  geliefert 
hoben,  so  bemerken  wir  nur  die  Verhältnisssahlen.   D  i  e  E  i  n  f  u  h  r 
aus  Asien  betrugt  für  den  Anfang  des  achtsehnten  Jahrhunderts 
\^  für  die  Mitte  |,  für  das  letste  Viertel  desselben  und  das  lau- 
feode  Jahrhundert  gegen  oder  etwas  über  j.  der  Crelammteinfuhr, 
Die   Ausfuhr    nach   Asien    dagegen   ist  viel   bedeutenderen 
Schwankungen  unterworfen,  da  sie  mit  einem  sehr  geringen  Werth- 
betrage    angefangen   hat,   der  1698 — 701  noch  nicht  ^i^  der  6e- 
sammtausfuhr  betrug,  dann  während  des  Laufes  des  achtiehnten 
JahrhunderU  sich  bis  su  ^^  erhob,  in  den  ersten  swansig  Jah- 
ren des  gegenivärtigen  wieder  auf  ^^  durchschnittlich  sank,  lAid 
in  den  lotsten  zehn  Jahren  •  abermals  in  das  frühere  Verhältniss 
roa  -^^  der  Gesammtausfnhr  surücktrat 

Hit  Afrika  haben  in  der  Gegenwart  gleichfalls  die  Englän- 
der unter  allen  Europäern  den  ausgedehn^ten  Handelsverkehr, 
der  aber  auch. früher  schon  na^h  diesem  Erdtheile  für  die  Eng* 
länder  sehr  vortheilhaft  war,  da  sie  einen  nicht  unbedeutenden 
Absats  für  ihre  Manufacturwaaren  hier  fanden,  und  sechs  bis 
achtmal  nach  dem  Werthbetrage  mehr  hieher  lieferten,  als  sie 
wieder  nach  den  Britischen  Häfen  xuräckführten.  Doch  ändert 
•ich   dieses  Veriiäitniss  seit  der  Besitsnahme   AtM  Caplandes*) 


^)  Die  vollständigsten  Nachrichten  über  den  gegenwärtigen  Zu« 
stand  des  Caplandes  liefern,  ausser  der  oben  angeführten  allgemei- 
nen Beschreibang  der  Britischen  Colonien  von  Martin,  Yl^  BuJCcheU 
6oäBbert*i8tatittik.lL  g2 


498  Das  Britische»  BeiclL 

und  der  Mauritius-Intel  mit  Jei^em  Jalkre  mdkr,  da  der  rermelirt« 
Anbau  dieser  Colonien  unter  der  Verwaltung  der  Englinder 
jähriich  einen  grösseren  Ertrag  an  Getreide,  Wein»  Wolle,  6e- 
würse  und  Zueker  liefern »  und  daUureh  sehen  Jetit  das  Verhält- 
niss  der  Ausfuhr  Aber  die  Einfuhr  erheben 

.  EinrnsfL  aus  Afrika  Ausgef,  nach  Afrika 

%  St           ThL  <a  St             ThL 

1608—701            17,241=    120,587  114,043=    708,301 

1740— 5§             34,270=    230,053  213,841  =  1,406,327 

1784—02             02,252=    645,764  800,546  =  5,669,822 

1802                   168,863  =  1,182,041  1,161,170  =  8,148,253 

1816—22           i267,860  =  1,875,083  531,712  =  3,721,084 

la  den  letiten  Jahren  hat  aber  die  Einfuhr  ans  dem  Caplande  *) 


traTels  in  tbe  Interi^r  sf  Southern  Africa,  London  1821*  2  voL  Stc, 
ins  Deutsche  ü^ersetxt»  Weimar  2  Bde.  18:24— 2&  Aber  auch  die 
filteren  Reisen  von  Thunberg,'  Sparmann,  Patterson  und  Lichceastein 
sind  über  die  interessante  Entwlckelung  dieses  Landes  seit  den 
ersten  Niederlassungen  der  Holländer  unter  Ribeeck  1651  sd  befragen. 

*)  Die  Verwaltung  des  Caplandes  kostet  iii  der  Gegenwart  kei* 
nen  Zuschuss  mehr  aus  dem  Miftterstaate,  denn  das  Iftr  dieses  Jahr 
(1835)  beki^nt  gemachte  Budget  dieser  Colonie  gewÜHt  als  Ein^ 
nähme  122,230  %  St,  und  verlangt  als  Ausgabe  121^34  %.  St 
(868,338  ThL).  Bs  wurden  aber  zum  Anbau  auf  dieser  Colonie  noch 
Sdaven-Familien  gehalten^  die  wenn  sie  ancJh  nicht  durch  neuen 
Ankauf  verstärkt  vrerdea  konnten,  doch  durch  jene  Fortpflanzung 
Jährliche^  Zuwachs  erhielten.  Diese  sind  nun  nach  der  diesjährigen 
allgemeinen  Emancipation  der  Negersdaven  in  den  Zustand 
der  inscribirten  Lehrlinge  übergegangen,  um  darauf  in  dem 
Zeiträume  von  10  bis  1^  Jahren  einem  ganz  freien  bürgerlichen  Ver* 
häUnIsse  entgegen  gefuhrt  zu  werden.  Da  nun  nach  dem  Entschä- 
digungsgesetze, für  Velches  das  Parlament  im  Juli  1835  die  Summe 
▼on  20,000,006  %  St  (140,000,000  Tbl.)  als  Vermehrung  der  Natio- 
nalschuld aufgenommen  hat,  die  Zahl  der  Sclaven  genau  angegeben 
und  ihr  lYerth  abgeschätzt  werden  musste,  um  den  Antheii  Jeder 
Colonie  an  dieser  Entschädigungssumme  zu  bestimmen,  fonden  sich 
in  der  Britischan  Colopie  auf  dem  Vorgebirge  der  guten  Hoffnung 
3^4^  Schivea,  für  welche  eine  Entschädigungiswmme  von  1,347,401 
tt  St  (S»78Mi7  ThL)  abfüchätit  war» 


^  ^ 


\ 


Das  B^riiiichc^  Beictit 


499 


iib4  d«r  HiMirkiiU-laiel  *>,  Jede  tut  tidi  verelaielt  üb  tiel  be- 

tragwit  sU  Mher  mu  gtos  Afrika,  wenn  aaoh  die  Ausfuhr  dort> 

kia  nicht  mehr  «tark  gesteigert  igt: 
Nach  Gr.  £r. 

]  829  Eiiigef.  am  d.  Caplande  232,508  9;  St  =:  1»628J  86  Th. 
—  i-- —— d.  Ins.  Mauritius  438,714  —  =  3,070,098  — 
d.  übrig.  Afrika     515,704  %--     =  3,610,558  — 


aus  Afrika  l»187,106  ~  =  8,3O0»742  — 
Aus  Gr.  Br. 

]820AMgef:ii.d.Capbnde            383,428  ^  ~  2,6834>06  — 

—  *«  —  —  d.  Ins.  Biauritins     270,071  ^  =  1,050,707  — 

—  —  —  —  d.  tthrig.  Afrika     604,352  ~  =  4,860,464  — 

sosammeii  nach  Afrika  19357,751  -^  r=  0,504,257  -» 
Nach  Gr.  Br.         ' 

1831  Eiogef.  aus  d.  Caplande           ]83,482>  ~  =  1,284,374  -* 

d.  Ins.  Mauritius     724,285  ~  =  5,060,005   «- 

.  —  ~  —  —  d.  Sbrig.  Afrika     667^480  ~  :=  4,672,360  — 

lusammen  aus  Afrika  1,575,247  — •  =11,026,720  -f- 

Aus  Gr.  Br. 

1831  Ausgei  n.  d.  Caplande            380,048  ~  ^  2,660,336  ^ 

, d.  Ins.  Mauritius     280,040  «-  =  1,066,643  ^ 

'— ^  4.  übrig.  Afrika     773,006  —  =  !^,infi72  — 


«.  ■  ^ 


en  nach  Alsika  1,434^003  ft  St  =:  10,038,651  Th.^ 


Bei  dem  Handel  Grossbrvtsnniens  mit  Amerika  kal* 
tsn  wir  unsere  Avfnerksan^eit  nur  anf  vier  Hauptsweige  ge* 
spannt,  den  Handel  mit  dem  Britischen  WestindtSit,  wvm  wir 
seit  1814  auch  die  BeSftjEUngen  Berbice,  Esse^uebo  undDemerari 
auf  der  Nordkdste  Südamerikas  rechnen,  den  Handel  mit  den 
Britischen  Colonien  in  Nordamerika,  den  mit  den  Nordamerika- 
D lachen  Frnistaaten  und  endlich  den  Verkehr  mit  den  Colonien 
der  übrigen  Staaten  Europas»  lusamraengeuommen  mit  den  eige* 
nen  Staaten  in  Mittel*  and  Südamerika.     Jeder  Zweig  des  Ame* 


*)  Auf  der  Msuritios^Iasel  wirden  in  demsdbeu  Behufe  die 
Sdaven  gesftMt;  «e  fanden  sieb  68>613>  wekbe  aul  2«lli,682  ft  St 
C14»788|4^ThL)  für  jene  Entscliidiftuassiisilnr  veranscIiUigt  wurden. 

31* 


500  Das  Britisch«  Reielr. 

rikanischea  Ebindeki  hat  für  Ch'osibrltannlen  seine  Tollstlndige 
Blöthe  erst  in  dem  Zeitalter  der  FransÖsischen  Revolution  er- 
reicht, weil  es  damals  ohne  grosse  Anstrengung  den  Handel  von 
allen  Westindischen  Colonien  an  sich  gezogen  und  nur  mit  den 
Nordamerikanisehen  Capem  su  theilen  hatte*  Das  ausserordent- 
liche Steigen  der  einzelnen  Zweige  dieses  Handelsverkehrs  er- 
giebt  sich  aber  am^  anschaulichsten  aus  der  chronologischen 
Folge  der  Angaben  selbst 

Eingef.  a.  d.  Brit  West  Ind.    Ausgef,  n.  d.  Brit  West  Ind. 
tt  St  Tbl.  ft  St  Tbl. 

1698—701  714,761=   5,003,327  331.839=   35,022,280 

1749—55  1,588,183  =  11,117,281  664,067=    77,820,967 

1 784—92  3,860,674  =  27,024,7 1 8         1,862,522  =  i  89, 1 73,026 

1802  8,531,175  =  59,718,225         3,925,613  =  4^18,027,575 

181 6—22  7»926,215  '=  55,483,505        5,030,367  =  388,384,535 

182S  8,501,443  =  59,510,001         5,093,124  =  416,570,007 

1831  «,448,839  =  59,141,873        3.988,286  =  413,993,111 

Die  Auaftthr  aus  den  Britisch-Westindischen-Colonien  *)  be- 


*)  Für  die  Wesüodischeu  Colonien  im  allgemeinen  ist  jetzt  das 
brauchbarste  literarische  H&tfsmittel  dargeboten  in  C.  F.  Meinike^a 
Versuch  einer  Geschichte  der  Europaeischeu  Colonien  in  WestiiK 
dien,  nach  den  Quellen  bearbeitet,  Weimar  1831,  Svo.  Für  Jamaica,  die 
dortige  Hauptbesitzung  der  Briten,  besitzen  wir  ausserdem  zwei  sebf 
beachtenswerthe Werke  in  J.  Stewart,  a  view  of  the  past  and  pre- 
sent  State  of  Jamaica,  Lond.  833«  und  George  Wilson  Bridges  the 
annals  of  Jamaica,  London  8*28.  Der  heutige  Zustand'  der  Britisch- 
Westindischen  Besitzungen  wird  am  richtigsten  nach  der  Zahl  f  er  aaf 
den  einzelnen  Colonien  befindlichen  Neger-Sclaven ,  und  nicht  nach 
dem  Areal,  selbst  nicht  einmal  nach  dem  für  Piautagen  eingerich- 
teten Theile  desselben  beurtheilt«  Die  offidellen  Angaben  liegen 
uns  darüber  aus  dem  so  eben  angeführten  Berichte  über  die  zu  leistende 
Entschädigung  für  die  emancipirten  Neger  vor.     Es  werden  gezahlt 

S  St.  Tbl. 

auf  Jamaica  311,693  Sdav.*),  geschätzt  a.  6tl61,9-27 = 43,133,489 

*)  Vwh  eiiMT  etwas  friheren  Angabe  der  ColoaiaU^eliffrde  uXUf  war  iai  A^ifost 
I8BI  die  Zahl  der  Nefer-Aiteiter  309,167,  dk  ihrer  Kinder  aater  «  Jahrea:?^8»754: 
«her  der  f  etaanite  Wei^th  derselben  mehr  wie  doppelt  so  gross  als  der  in  der  Eot- 
sehSdignBSBSBiBine  bestimmte,  nemlich  15352.30f  Pf4  5t.=:l0r,466,ia  ThL.  also 
der  eiaaelae  Kop'4»|  Pid.  6t.s=dl7  Xhl. 


Das  Britisch«  Beicb« 


»1 


•feKt  hattpt^chUeli  in  solohea  ProdacCen,  die  enl  Ton  denEonH 
pieiti  hier  angepflanst  und  raich  so  einem  auMerordenÜioliea 
Gedeihen  emporgekommen  sind.  Denn-  ala  Jamaioa  1655  diireh 
den  Admiral  Penn  und  den  General  Venables  den  Spaniern  ab- 
genommen wurde,  war  der  Produetenertrag  fQr  Europa  noch 
sehr  unbedeutend,  ea  bestand  nur  eine  geringe  Au^hr  an  Häuten, 
CacaOy  Indigo.  Erst  gegen  Ende  des  siebsehnten  Jahriiundertt 
ururde  hier  CafTee  und  sn  Anfang  des  folgenden  auch  Zuoker 
angebaut  Im  Laufe  dieses  Jahrhunderts  nahmen  die  Zn^er- 
plantagen  ganz  besonders  zu  *),  gegenwärtig  sind  dieselben  nicht 
mehr  im  Steigen,  dagegen  w&chst  der  Anbau  ,de8  Ci^ee,  Ingwers 
and  Pfeffers.     Damit  ist  aber  keincswfges  su  behaupten,   dasa 


3  St  ThL 

a.  d.  Bermudas  Ins.  4>^03  SdsT.  gesdiiltzt  a.      60,584=     9^088 

a.  d.  Bahamas  I.         9,705 —      128>340=     81t^980 

a.  d.  Honduras  I.       6,930 —      101,969:3:     713,715 

a.  d.  Jungfern  L         5,193 —        7^940=     510,560 

a.  Amigna  »,537 —      4J5,86&=a  «,971,06« 

a.  MoRtserrat  6,355 —      103,559=     724,913 

V  Newis  8,7M —      151,007=  1,057,049 

a.  St  Christophers     20,060 —     831,630=2,321,410 

a.  Dominica  14,384 ^  ^    ^     275^4=  1,931,818 

a.  Barbados  82,807 —  1,721,346=12,00,4^ 

a.  Grenada  03,536 -.  ^    *.     61^,445=  4,315,116 

%.  St  Yincefit  22,997 ^      69^500=  4,147,563 

a.  Tabago  M,621 ~     284,064=  1,638,448 

a.  Sl  Luciä  13,348 .    ^  —    ^     235,6-27=  2,349,389 

a.  Trinidad  22,359—  •*-.—    —  1,039,119-  7,273,833 

a.  Brit«  Golana         81,915 —  *4,297,H 7 =30,079,819 

*)  Der  stärkere  Anbau  geht  aus  der  schaellen  TerstiLrkuttg  der 
Sclaven  in  denPlaniagen  auf  Jamaica  hervor,  1734  bauten  8000  Freie 
mit  86,000  Sclaten,  aber  schon  1770  17,000  Freie  mit  166,000  Sclaven 
und  wieder  50  Jahre  später  50,000  Freie  mit  34i,8C'2  Sclaven«  Die  Aus- 
fuhr aus  Jsmaica  betrug  nach  Grogsbritannien  1744  350,000  Centner 
Zucker,  1770  550,000  Centner  und  1S23  1,417,758  Centner.  Der  An- 
bau in.  Zucker  und  Caffee  bt  überdies  in  der  neuesten  Zeit  auf 
Berbke  und  Dftmerari  unter  Engliscber  Herrsebaft  viel  bedeutender 
geworden,  und  bereits  1823  koimten  Ton  hier  au9  663,870  Cealner 
Zucker,  72,684  Centner  Ca^e  und  1,015,415  Gallons  nach  Gross- 
britanaiea  versandt  werden.  — 


Da«  Britisch«  Beioh.    '^ 

d«!r  Bnglioder  germd«  to  Wef  tbdlen  den  Zocker  und  CaSee  tm 
wohlfeilsten  und  eintrüglichsten  baut:  denn  gerade  nrogekehit 
würde  in  Ostindien  und  namentlich  in  Bengalen  der  Zucker  fast 
um  die  Hälfte  wohlfeiler  au  eneugen  sein»  als  in  Westindien, 
Aber  dadurch  wörde  der  ^nbau  Westindiens  unersetslichen  Scha- 
den erleiden  und  der  grösste  llieil  der  daselbst  angelegten  Ca- 
pitalien  Terloren  gehen.  Demnach  hängt  aber  auch  die  heutige 
Bedeutsamkeit  Westindiens  von  keinem  natürlichen  JiUstande  ab, 
der  ouf  iauner  eine  feste  Daoer  yerspräche.  — 

Der  Baadelsverkehr  mit  den  Britischen  Kolonien  in 
Nordamerika*)^  mit  Ausschluss  der  spät^  ^ur  Selbstständig- 
keit Übergegangenen  Freistaaten,  war  ror  dem  Nordamerikani- 
schen Unabhängigkeitskriege  sehr  unbedeutend  und  siemlich  gleich 
in  Ausfuhr  und  Einfuhr,  Seit  dieser  Zeit  ist  er  aber  ausseror- 
dentlieh  gewachsen,  Grossbritannien  sieht  einen  beträchtlichen 
Theil  foher  Producta  von  hier,  namentlich  Holz,  Häute,  Fische, 
es  giebt  aber  gegenwärtig  doch  mehr  als  den  doppelten  Werth- 
betrag  an  Manufactur-Waaren  surück. 
£lihge£  a.  d.  B.  Colon,  in  N.  Am^      Ausget  n.  d.  B,  Colon,  in  N.  Am. 

%  St  Tbl.  <ft  St  Tbl. 

1698—701  )8,6ir=s      130,319  ]8,491  =      129,43r 

1749—55  48,750=      341,250  72,984=      510,888 

1784—02  221,413=   1,549,891  864,489=   6,051,423 

1802  367,935=  2,575,545         1,350,896=   9,456,272 

1816-«22  716,572=   5,016,004         1,715,220=12,006,540 

1829  881,444=   0,170,108         2,027,984=14,195,888 

1831  1,532,583  =  10,728,081         3,130,490 =21,913,430 

Der  Handel  mit  den  Nordamerikaniscben  Freistaa- 
ten ist  einer  der  wichtigsten  Zweige  des  gesammten  Britischen 
Handels,  und  auch  noch  in  neuester  Zeit  in  einer  ausserordent- 
lichen Zunahme  begriffen.  Der  grösste  Theil  des  Bedarfs  an 
roher  Baumwolle  (S.  oben  S.  444)  für  die  Britischen  BaumwoUe- 


^>  Ein  ausgeaeidmetes  Werk  ist  uns  in  einer  staüstisch-lopo- 
gräphiscliea  Bescbreibung  derselben  von  dem  Obriat  J«  Boucbette^ 
Oberfufigeher  in  Unter-Canada,  geliefert  worden:  tba  British  Dornig 
nions  in  Nortb-Amerika,  London  1832.  8v«»  -*-> 


Das  Britiache   Beick  503 

BfanufacHnreB^  gegenwärtig  Ober  }  des  getammten  Betragt,  wird 
aus  den  Nordamerikanischen  Freistaaten  besogen,  dagegen  be* 
tragen  die  Britischen  Waaren  die  Hdlfte  aller  fremden  Einfuh- 
ren in  die  Nordamerikanischen  Freistaaten.  Berechnen  wir  uni 
im  allgemeinen  für  die  letzten  zwanzig  Jahre  seit  dem  Frieden 
von  Gent  zwischen  England  und  den  Nordamerikanischen  Frei- 
staaten (1814)  ein  durchschnittliches  Verhältniss  fttr  die  Britische 
Einfuhr  und  Ausfuhr  zur  Gesammt-Einfuhr  und  Ausfuhr  dieses 
Staates,  so  erhalten  wir  das  merkwürdige  Ergebniss,  dass  sie 
über  ein  Achtel  des  Werthbetrags  der  letzteren  &a  sieh  aÜein 
beträgt 

Eingef.  aus  dem  Territor.      Ausgef.  naeh  dem  Territor« 
d.  Nord,  Am,  Freistaaten  ror  ihret  6    jstständigkeit 

ft  St,  ThL  <a  St  thL 

1698—701  296,402=   2,074,814  387,540=   2,712,822 

1749--55  891,196=  6,238,372  1,238,161=   8,667,127 

Eingef.  a*  d*  N.  A.  Freistaat       Aasgef,  n.  d.  N.  A«  Freistaat 
1784—92  986,409=  6,904,863  2,839,484=19,876,388^ 

1 802  1 ,923,504  =  1 3,464,528  5,329,490  =  37,306,430 

1816—22         3,267,488  =122,872,416  6,393,956  =  44,757,692 

1829  6,103,143  =  42,722,001  5,983,351  =41,883,457 

,1631  8,970,342  =  62,792,394        12,596,474  =  88,173,218 

Bei  dem  Bandelsrerkehr  Grossbritannieni  mit  den  übrigen 
Europäischen  Colonien  in  Amerika  und  den  neuen  selb st- 
atändigen  Staatea  in  Mittel-  und  Südamerika,  ist  ge- 
genwärtig  erst  ¥on  besonderer  Bedeutsamkeit  das  Kaiserreich 
Brasilien,  welches  selbst  noch  sehr  wenige  Fabriken  besitzt  da- 
durch vorzugsweise  von  dem  Britischen  Kunstfleisse  abhängig 
ist  und  über  |.  des  Betrags  der  hier  angegebenen  Ausfuhr  aus 
den  Britischen  Häfen  seit  /1816  für  sich  nimmt  Nächst  dem 
stehen  die  den  Engländern  nicht  zugehörigen  Besitzungen  von  ^ 
Westindien,  die  vereinigten  Staaten  am  Piatastrom,  Chili,  Mexico, 
Peru  und  Columbia,  doch  bei  weitem  mehr  an  der  Ausfuhr  Bri- 
tischer Manufacturen  in  ihre  Häfen,  als  an  der  Eidfuhr  i^rer 
eigenen  Producte  pach  Grossbritannien  betheiligt,  indem  hiebet 
ChUi,  Peru  und  Columbia  fast  ganz  ausfallen,  und  auch  Mexico 
nur  sehr  wenig  liefert  Wir  fassen  alle  diese  Länder  unter  der 
gemeinschaftlichen  Rubrik  des  übrigen  Amerika  zusammen, 
und   können   hier   erst  von   der  Periode  nach  dem  Frieden  von 


/ 


604 


Das  BritUche  Belch« 


Ven«iUe9  begionra,  im  frQher  de^  Handel  naeh  dieieii  Staatei^ 
welche  allq  noch  in  gänslioh  gesehlossener  Abhftngigkeit  von  den 
Europftbchen  Mutteritaaten  sich  befanden,  durchaus  unerlaubt  war. 

Eingef«  a.  d.  übrig.  Am.    Ausgef.  n.  d.  übrig.  Am. 


1802 
1816^22 
1829 
1831. 


ft  St  Tbl. 

183,853=  1,286,971 
1,685,256=11,706.792 
2,132,674=14,928,718 
2,785,324=19,497,268 
3,627,396  =  25,391,772 


%  St  ThL 

39,131=     273,917 

284,831=   1,993,817 

4,555,792  =  3 1 .890,544 

10,758,260=  75,307,820 

8,723,219  =  61,062,533 


Werfen  wfr  nun  einen  Rückblick  auf  den  Gesammthandel 
Amerikas  mit  den  Britischen  Staaten  in  Europa,  so  macht  die 
Einfuhr  aus  diesem  Erdtheile  su  Anfang  des  achtzehnten  Jahr- 
hunderts noch  nicht  ein  volles  Fünftel  der  gesammten  Einfuhr, 
steigt  während  dieses  Jahrhunderts  fast  bis  auf  ein  Drittel,  hat 
aber  in  der  Gegenwart  die  Eanfuhr  ays  aämmtlichen  Europäi- 
schen Staaten  bereits  um  mehr  als  5,000,000  <3  St  (35,000,000 
Thl.)  überschritten  und  erfüllt  fast  die  volle  Hälfte  der  gesamm- 
ten Einfuhr.  Was  dagegen  die  Ausfuhr  Britischer  Producta 
nach  Amerikanischen  Häfen  anbetrifft^  so  betrug  diese  su  Anfang 
des  achtzehnten  Jahrhunderts  noch  nicht  ein  Achttheii  der  ge- 
sammten Ausfuhr  aus  den  Britischen  Häfen,  erreichte  im  Laufe 
desselben  nur  swei  Siebentel»  und  ist  in  der  Gegenwart  nicht 
vollständig  auf  zwei  Fünftel  der  gesammten  Ausfuhr  gestiegen^ 
wie  beides  aus  folgenden  Angaben  hervorgeht: 

Brit.  Einf.  au  Am.     Ges.  Ein£  Brit.  Ausf,  n.  Am.  Ges.  Ausf. 


1698^701 

1749—55 

]  784—92 

1802 

1816—22 

1829 

1831 


%  St  %Sk 

1,029,780=   6,569,952 

2,529,998=   8,211  »346 

6,252,342=17,716,752 

12,480,870  =  31,480,870 

14,042,049  =  34,921^38 

18,271,356  =  44,003,088 

22,579,160  =  49,727,109 


\ 


S  St  tt  St 

737,876=  6,449,594 

2,001,690=12,220,974 

6,605,626=18,621,942 

10,890,830  =  41,411,960 

17,695,335  =  53,126,195 

23,862,709  =  66,868,050 

28,438,169  =  71,431,491 


Der  Bandeisverkehr  zwischen  Grosshritannien  und  Au- 
stralien beginnt  erst  Jetzt  seine  eigenthümliche  Stelle  in  der 
Geschichte  des  Britischen  Handels  einzunehmen.  Er  best^t 
Yonogsweise  nit  Neu-Südwales,  Vandiemensland  ond  der  Colo- 


Das  Britlseh«   ReiciL  605 

id«  am  Sehwanenfliiue:  lelir  «ibedeofend  fit  er  noch  mit  Neu- 
SceUad  uod  den  SÖdtee^losela.  ladetaen  steht  ei  alletdiogs  la 
erirmrteiiy  datt  dar  ttftrkera  Anbau  der  dortigea  Britischen  Colo* 
nien  eine  bedeutendere  Cinfohr  roher  Produote  ron  dorther,  na- 
mentlich Getreide  tuid  Wolle  liefern  wird,  wenn  die  Colonisten 
nur  ror  einseitigem  Anbau  eines  besonders  auf  den  Earopäisehen 
Mirkten  in  höherem  Preise  stehenden  Productes  sich  in  Acht 
nehmen.  Dies  darf  in  der  Gegenwart  besonders  hei  der  Schaaf- 
sucht  befürchtet  werden,  die  leicht  in  einer  so  grossen  Ausdeh- 
nung betrieben  auf  Kosten  des  immer  noch  spärlichen  Getreide- 
nnbaus  einen  gefährlicher  Nothstand  fQr  die  abgesondert  liegen- 
den Colon ien  herbeiführen  und  dadurch  ihr  allgemeines  AufblQ- 
h^n  Terhindem  könnte.  Jetzt  ist  noch  die  Ausfuhr  der  Briti- 
schen Producta  nach  Australien  nach  dem  Werthbetrage  dreimal 
so  gross,  als  die  Einfuhr  der  dortigen  Producta  nach  den  Briti- 
schen Häfen: 

Eingef.  aus  Australien  Ausgef.  nach  Australien 

}S2Q  126,303  3  St  =    884,121  Th.  345,796 1  St  =  2,410,572  Th. 
183)  198,284  —    =1,387,088  —  681,087  —    =54,073,900  — 

Zum  Schiasse  dieser  allgemeinen  Uebersicht  iler  rerschiede- 
nen  Zweige  des  Britischen  Handels  haben  wir  nur  noch  bei  den 
Hauptpunkten  des  auswärtigen  Handelsverkehrs  su  verweilen. 
Wir  heben  hier  nur  15  Hafenplätze  als  die  wichtigsten  der  Tereinig- 
ten  Britischen  Staaten  heraus:  für  England  London,  Llrerpool« 
Bristol,  Neweastle, Hull,  Sunderland  und  Whiteharen ;  für  Schott- 
land Edinburgh,  Glasgow»  Dundee  und  Aberdeen;  für  Irland 
Dublin,  Cork,  Belfast  und  Waterford. 

London,  schon  seit  yiersig  Jahren  mit  Zustimmung  all« 
Erdtheile  die  Eaupthandelsstadt  der  Welt  genannt,  besitzt  gegen- 
wärtig gegen  2700  eigene  grosse  Seeschiffe  (1829  =  2663  Scb, 
Ton  572,835  Tonnenlast),  beschäftigt  ausserdem  3000  Schuten 
und  Leichter-Fahrzeuge,  welche  ununterbrochen  beim  Laden  und 
Lösehen  der  Waaren  gebraucht  werden  %  und  mehr  als  die  dop- 
pelte Zahl  derselben  mit  dem  benachbarten  KüstenhandeL  Mehr 
als  Zwei  FÜnftheile  des  gesammten  Britischen  Handels  kom- 
men allein  auf  diesen  Hafenplati,  und  fast  die  gansa  Hälfto  der 


*)  14,000  Arbeiter  ohne  die  Schififsleote  und  1200  Zollbeamte 
sind  ausschüeflslidi  beim  Umladen  der  Waaren  in  reselmissiger 
TiMiigkeit 


50$  Di^s  Britische  ReicU. 

ZollgeflÜlei  in  einigen  Jahren  nodi  darüber,  gewährt  LoiidoB 
allein  der  Staatseinnahme.  Nicht  niioder  theilt  eich  nach  ähnii* 
ehern  Verhältnisse  g^nwärtig  die  Zahl  der  ein*  und/ auslau* 
fenden  Seeschiffe,  welche  fttr  sämmtliche  Britische  Häfen  nach 
der  Absonderung  der  fremden  von  den  eigenen  bereits  oben 
S.  471—73  für  mehrere  Zeitperioden  angegeben  sind,  so  dass 
in  der  Zahl  der  Schilfe  1»  in  der  Tonnenlast  aber  wegen  der 
Grdsse  der  Schiffe  mehr  als  |  für  den  Hafen  von  London  Tcrbleiben« 
Wir  finden  1 700  =  1335,  1 750  =:  1 682, 1 780  =  341 5, 1 764  =  3663, 
1822  =  3827, 1823  =  3902  grosse  Seeschiffe  eingelaufen  (aus  thefo- 
reign  part»)^  wobei  aber  auch  alle  übrigen  nicht  su  Grossbntan* 
nicn  und*lrland  gehörenden  Staaten  Europas  mit  gerechnet  sind. 
Verfolgen  wir  nun  für  die  neuere  Zeit  die  Angaben  genauer,  so 
finden  wir  eingelaufen 

Brit  Seh.  Tonn.  Fremd.  Seh.  Tonn.  Sm.  d.  Seh.  Tonn. 
1824«)  3,632  607,106  1,643  264,098  5,275  871,204 
1825**)  3,989  758,565  1,743  302,122  5,732  1,060,687 
1826  3,478      762,688     1,561      211,436     ,5,039         974,124 

1831  4^140      780,088     1^7     269,159     5,697      1,050^647 


*)  Ansserdeni  waren  1624  noch  In  London  11>213  Kästeafahrer 
(Coaslevs),  7117  Schiffe  mU  Steinkohlen  (Colliers)  and. 3769  Fischer- 
fahrzeuge  (Fishing  smacks)  zusammen  SK2,096  kleinere  Schiffe  ein- 
gelaufen. Die  Küstenfahrer  und  die  Kohlenschiffe  allein  genommen, 
sind  durchschnittlich  seit  1820  des  Jahres  niemals  weniger  als  I89OOO 
Seh.  gekommen.  An  Steinkohlen  wurden  1818  auf  38^  Kohlenscbiffe 
838,079  Cbaldrons  (1  Ch.=:36  Busheis  =  ^^  Berlin.  Scbeff.),  18*25 
auf  6160  KohL  Seh.  l,119,7tS9  Ch.  und  1826  auf  6883  Kohl.  Seh. 
I>557,6*23  Cb.  Steinkohlen  eingeföhrf.  Nehmen  wir  nur  den  Mittel- 
preis IQr  1  Chaldron  Steinkohlea  auf  f(  9  St.  sehr  mfissig  an,  s» 
wurden  allein  1826  in  London  Inr  Steinkohlen  S»634464  ftSt.  oder 
.259441,248  Tbl.  ausgegeben.  Aber  dieser  ungeheuere  Yerbraiych  an 
Steinkohlen  war  dennoch  in  den  letzten  Jahren  noch  um  mehr  als 
33  Proeent  gestiegen:  denn    im  J.  1830  wurden  2,079,^75  Cbaldrons 

—  —  —  1831   —    -.  2,042,295    -r-    — 

—  ^^1832  ^    —  3,139,078    —    — 
Steinkohlen  in  den  Hafen  Ton  London  eingeführt,  also  durchschnitt* 
lieh  gegen  S^IO^OOO  Cbaldrons  oder  für  4»90(MW0  S  St  (34,30(MNN» 
Tbl.).    Yearbook  for  1834«  S.  166.  ^ 

**)  Unter  dieser  Zabf  der  eiogelauffnea  Schiffe  befanden  sidi 


Das  Britisehe  BeleL  6S7 

Die  Be^entiamkait  deg  Haadeb  tob  Iiondon  tiidielat  gleithftlli 
auf  eine  grotsartige  Weite  euch  Jetit  Doek  in  der  J&krliohen  n«r 
auf  die  Goniosation  der  Havptstedt  beredineCen  GeCreide*Etnfuhr 
und  in  dem  Veibnuicli  tqü  Lein-  und  Rapstaat,  wie  sie  .oben 
Bof  andere  Weiae  bei  der  Theeeinfohr  aidi  geltend  gemaebt  bat 
Wir  seben  in  Qnartem  eingefObrt 

1^30  J83I  1832        1833  1834 

Weisen  •  •  .  878.241  907,004  003,020  467^5  473,167 
Mehl  (Weiaei«  300,854  322,075  48,150  298,188  55,570 
Gerate  .  .  .  417,490  439;543  317»774  30l»092  391,804 
Hals  ....  234,137  209,041  49,834  240,040  272,011 
Hafer  ,  .  .  991,440  1,084,201  1»010,455  975,408  1,113,491 
Erbaen,  Bohnen 

nnd  Wicken  135,919  152,215  119,744  139,418  146,075 
Lein-  und 

Rapttaat  .  .  104^981  150,101  <  101,588  122,004  123,437 
Davon  ist  bis  auf  die  Lein-  nnd  Rapasaat,  die  fast  ansscbKesslich 
ans  dem  Aaslande  eingeflkhrt  wurde,  nur  noch  beim  Weisen  und 
Mehl*  eine  Einfuhr  aus  dem  Auslande  bemerlcbar,  die  indess  für  die 
Jahre  18|}.  doch  noch  nicht  den  siebenten  Theil  des  Betrage 
erreicht  Im  Hafer  ist  die  Zufuhr  aus  Irland  besonders  bedeu- 
tend, dagegen  hat  die  Einfuhr  an  Roggen  ftberhanpt  kaum  1000  Quar- 
ter erreicht  *«  Aber  der  Haupthandel  Londons  bleibt  auf  den  Aus- 
ser-Europ&ischen  Verkehr  gerichtet,  und  swar  besonders  auf  Asien, 
wie,  die  sweite  Britische  HamVelsstadt  Lirerpool  rorsugsweise 
mit  Amerika  ihre  ausgedehntesten  Gesch&ftd  betreibt.  Die  glän- 
sendsten  Documente  dafür  bieten  die  prachtrollen  Handels* 
upi  Sehifffahrts- Anstalten,  Tor  allen  die  Docks*),  das  jährlich 
in  diesem  Hafen  gegenseitig  umgesetste  Quai^^m  Ton  70,000,000 
U  St  (490,000,000  Tbl)  und  die  ZollgeflUe  dieses  Hafens,  4it 
aUein  1833  8,092,945  tt  St  <0O,851,5OO  TliL>  betrugen  1  .         / 


836  Preussische,  Ton  welchen  aber  nur  94  Rückfracht  erhielten; 
im  J.  1826  waren  in  fjondon  203  Preoss.  Schiffe  eingelaulen:  es 
machten  daher  doch  die  Preuss.  Schiffe  fast  den  ffinften  TheH 
idler^ngekufeDen  fremden  Seh.  ans. 

*)  Ueber   die  Docks   vergL   den  aasgeseichneten  Artikel   bei 
Maccullodi  a.  a.  O.  L  8.  4jll-«.6& 


f  " 


60B  Dä8  Britische  BeiolL 

Ltrerpool  hafte  Tor  100  Jahren  kaum  100  eigene  Schiffe^ 
trieb  nur^in'den  benachbarten  Gew&Meni  i^en  Gbindel,  der 
«ich  fast  aaaiehliesslich  auf  Enrop&isehe  Produete  beschränkte. 
Gegen wärtig  besitst  es  über  800  (J.  1820  805  Seh.  von  161,780 
Tonn.)  g^sse  Seeschiffe,  hesch&fdgt  über  11,000  Seeleate,  ist 
die  Haupthandelsstadt  im  westlichen  Eng^land»  die  hier  nur  noch 
in  Bristol  einen  Nebenbuhler  hat,  vnd  verbleibt  anch  jetst  noch 
in  fortwährendem  Steigen.  Dieses  ausserordentliche  Wachsthum 
hat  Liverpool  gans  besonders  der  Versenduhg  der  Fabrikate  von 
Manchester,  Birmingham  und  Sheffield,  sowie  der  übrigen  Fa- 
brikortschaften der  Grafschaft  Lancaster,  dem  Handel  mit  der 
Irländischen  Leinwand  und  dem  aulgebreiteten  Verkehr  init 
Amerika  zu  verdanken.  Dieser  warde  eingeleitet  dnreh  eine 
Handelsgesellschaft,  welche  von  der  Spanischen  R^orong  das 
Monopol  für  den  directen  Handel  nach  den  Spanischen  ColoHien 
erlangt  hatte;  aber  freilich  fand  er  auch  eine  beträehtliche  Un* 
terstützung  in  dem  von  Liverpool  sehr  eifrig  in  der  iweiten 
Hälfte  des  aehtsehnten  Jahrhunderts  betriebenen  Sclavenhandel 
und  in  dem  starben  Sichleiohhandd  nach  dem  festen  Lande  von 
Spanien.  Liverpool  hatte  1730  nur  -^  des  Gesammtbetrags  vom 
Britischen  Handelsverkehr  für  nfi\Ata  Hafen,  nnd  noch  ehe  ein 
lahrhnndert  abgelanfen  war,  beaast  es  1822  schön  mehr  als  |  *) 
und  1833  geradezu  eiiK  volles  Fünftheil  des  Britischen  Han- 
dels.  Die  Zollgefälle  betrugen  in  diesem  Hafen  im  Jahre 
1822  =  1,501,124  %  St  z=:  11,137,868  ThL  (jV  ^««  Gesamm^et) 
1823=  1,808,403  —  =12,658,821  —  (^  ~  ~  —  _) 
1824=2,127,580  —  =14,893,102  —  (|  -.  —  —  _) 
1833  =  3,555,055    —     =24,891,685  ~  (üb.^-*    ___)!, 


*)  In  den  5  Jahren  18K  worden  dorchtehnittlich  an  Zucker 
In  Liverpool  7700  Kisten ,  in  alle  übrigen  Britischen  Häf^n  33,760 
bis  31,400  Kisten,  an  Caffee  in  Liverpool  4600  Fässer  und  15,300 
Säcke,  in  alle  übrigen  Britischen  Häfen  37,110  Fässer  und  103,700 
fiäcke,  an  Run  in  Liverpool  8*240  Puncheons  (3  Pnncheons -1=  4 Ox- 
höh)  und  1460  Oxhoft,  in  alle  übrigen  Häfen  30,130  Puncheons  und 
1940  OsAoft  eingeführt.  Bei  der  rollen  Baumwolle  aber  nimsat  Li- 
verpool allein  über  {  der  Gesammteinfuhr  Grossbritanniens  für  sich, 
vozo  auch  besonders  die  Nähe  der  flössen  Baunvolle-lIaattAtctii- 
ren  in  der  ^Grafschaft  Laacaüer  die  Teraalatiinif  gieM. 


/' 


Dms  BrUiscke    Beicli.,1    >"      <M 


alt  Atn  ig^^Am  Betrag  tUntOUk^  ZolUmal 
in  dn  Hlfen  Scb^tdaiHl«.     Die  ZaU  4cr  mm  Nickl*Biifti«di«i 
BM£tm  eii^eUiddMtt  Sduffe  b«tn^ 

Brit  Tmiil  Broid.   Tonn,  wwf  an  Tau« 

1820  1,146  TM  228.2a&  635  166»82l  1781  Sak.  r.  395,056 
1826  1,387,—  299,037  680  181^)07  2,067  —  —480,944 
1831  1,862  -^  413,928  978  265,037  2,840  —  —  678,96S 
AolMTdem  liefea  nack  jahrtiek  5500  bu  6000  KSstan&krar  mit 
Sekiffe  aaa  den  benackbartan  Bridscbeo  Hafen  ein. 

• 
BriBtol  beaasa  1829  316  eigene  Seeaduffa  von  49,535  Ton- 
nen,^  350  bii  500  jäkrtirb  aua  Nicht-Brititeben  Häfen  eingelao* 
fene  Sekiffe  (1820=357,  1826  =  396,  1831=501),  einen  tekr 
bedeutenden  Verkehr  mit  Irland  und  Westindiea  und  niainit  nn* 
gefihr  mit  j\  des  geaanunten  Werthbetraga  an  dem  Britiaeken 
HandalaFerkekr  AntfaeiL  Die  ZoligefäUe  adiaranken  swiadieii 
1,200,000  {L  nnd  1,000,000  %  St»  sie  betrogen  1833  1,016,873 
%  St  (7,117,011  Tbl),  aUo  inuner  nodi  25  Proaant  makr»  ala 
alle  Sekottisekan  Hlian  roiamnifn,  — 

Hnll  kesaaa  1829  579  eigene  groata  Seeadiiffe  ran  72,248 
Tonnen;   einen  kasonders  atark  ausgabraitelan  Handalavailcakr 
in  den  Earopaisdian  Häfen 
1820    793  eingelaufene  Schiffe  Ton  138,235  Tonnen 

1826  1578  —    —    — —   202,061    ^  ~ 

1831  1714  —    ~    — —  262,935 nnd  nimait 

in  manoban  Jahren  einen  eben  so  starken  Antbeil  an  dem  ge* 
sammten  Britischen  Handelsrerkebr  als  BristoL  —  Die  ZoUge- 
fälle  dieses  Hafens  betrugen  1829  =  740,808  <S  St  (5,186,076 
Tbl.),  1833  =  592,181  <&  St  (4,145,267  Tbl.)  —  New  Castle' a 
Handelsrerkehr  bat  die '  gleiche  Richttng  nnd  Ausdehnung  wie 
Hull,  es  besasa  1829  987  eigene  Seeschiffe  von  202,379  Tonnen, 
mit  welchen  es  vielfache  Rhederai  auch  fQr  andere  Britische 
Häfen  betrieb,  1820  514  aus  fremden  Häfen  eingelaufene  See* 
schiffe,  1826  =  526  und  183 1=755  eingelaufene  Seeschiffe.  Aber 
der  Handelsumsatz  erreicht  noch  nicht  die  Hälfte  des  Werthbe» 
trags  des  Verkehrs  von  HuU,  die  Zollgefälle  betrugen  in  dieseui 
Hafen  1833  =  273,586  S  St  (1,915,102  Tbl).  —  Sunderland 
ateht  in  gleichen  Handelsbesiehangeo,  wie  Neweaatia»  aber  noek 
nicht  mit  dem .  dnüten  Tkeile  4ea  Handelsverkekre  von  jenem 


/ 


<      V 


510  D«a  Brltiicbe  Baieb. 

,  Hafen,  wiewoM  w  924  a820>  eigene  SeetdiiffiB  ron  107,028  Tmi« 
nenlatt  begaii*  Die  Zekl  der  aus  fiemden  Hifea  eiogelanfenen 
Britiiehen  und  fremden  Sehiffe  betrug  1^20=:  180,  1820=124 
und  1831  =  556:  aber  die  ZollgeflUle  iniM^ten  1833  nur  75,8;04 
<g  St  (531,048  ThI.)  auf.  —  Wbitehaven  betitst 496  Seeadiilfe  von 

'72,961  Tonnenlaat,  hat  aber  beaondera  nur  einen  ausgebreiteten 
Verkehr  im  Steinkohlenvertrieb  und  starken  Ebindel  mit  Irland.  «^ 
Auiserdem  besitst  England  unter  seinen  74  Handelshafen  aneti  15 
so  kleine,  vea  welchen  noch  nicht  jeder  lOOO  %  St  Zölle,  und  26 
die  nur  swischen    1000  und  5O0O  fi  St  ZollgefWe  JlbrUch    in 

die  Sehatikanuner  liefern« , 

\ 

t  *     •       . 

Edinburgh  mitLeith  f&hridenauigebreitestenSeererbehr 
unter  den  Schottischen  Häfen,  der  1829  dnreh263  eigene  grössere 
Seeschiffe  Ton  26,362  Tonneniaat  betrieben  wurde,  und  in  dem- 
selben Jahre  444^11  %  St  (3,110,877  Th.)  an  ZoHgeOUen  ab- 
warf.  ^-  Glasgow  mehr  Fabrik«  als  Seehendelsstadt,  da  die 
Cljrde  wegen  ihrer  Seiebtheit  nur  fftr  Schiffe  ron  150  Tonnen 
lug&nglieh  isi,  besass  1829  236  Seeeehiffe  mn  41,121  Tonnen; 
die  Zahl  der  aus  fremden  H&fen  einlaufenden  Schiffe  ist  noch  . 
unbedeutend,  sie  war  1826  77  Schiffe  von  7,676  Tonnen  und 
1831  102  Seh.  von  10,330  Tonnen.  '—  Dundee  treibt  einen  an- 
sehnlichen  Han'tlel  mit  Nordamerika  und  ist  ausserdem  beson- 
ders bei  dem  Wallfischfang  betheiligt;  es  besass  1829  299  ei- 
gene Seeschiffe  von  3 1,986  Tonnen.  —  Aberdeen  ist  gleichfalls 
im  WaUüschfang  lebhafter  beschäftigt,  richtet  aber  sonst  seinen 
Handel  mehr  nach  den  nördlichen  Staaten  Europas  und  den  ver- 
schiedenen Theile[^  des  Britischen  Reichs,  als  nach  den  übrigen 
Erdtheilen;  es  besass  1829  $50  eigene  Seesschiffe  von  46,201 
Tonnen.  —  Ven  den  übrigen  17  Schottischen  Seehäfen  trieben 
J3  nva  einen  so  missigen  Handelsverkehr,  dass  Jeder  dersel- 
ben jährlich  unter  5000  %  St  an  Zollgefätlen  einbringt^  sämmt- 
liche  Sehottische  Häfen  nehmen  aber  überliau|ft  nur  mit  J.  des 
Werthbetrags  Anthell  an  dem  Seeverkehr.  — 


In  Irland  ist  Dublin  jetat  der  wichtigste  Hafen  und  hat 
in  dem  laufenden  Jahrhunderte  seine  froheren  Nebenbuhler  Bel- 
fast und  Cork  eingeholt  und  jetst  hinter  sieh  gelassen«  Zwar 
bleibt  d«r~ lebhafteste  Verkehr  £Qf  diesen  Irischen  Hefen,  wie 
fttr  alle  übrigen  auf  ChroesbritaiuaieB  geriehlet,  indem  dereelbe 


Das  Britische  B#iih. 


Sil 


nach  dem  WAareo-Umfatie  dreimal  so  yM  ketrftgt^  als  der  Ver* 
kehr  mit  dem  Auslanfle:  doeh  bew&hrt  Jetst  j'ährlieh  ein  regeres 
und    für  das  gesammte  Land  vortheilhafteres  Leben  im  Handel 
seine  «nnntcrbrocliene  allgemeine  Zunahme  aueh  im  answärtigen 
Seeverkehre.  Dublin  besass  1829  289  Seeschiffe  von  23,904  Tonnen, 
Belfast  1829  247  Seeschiffe  von  24,989  Tonnen,  Cork  256  See- 
schiffe von  17,093  Tonnen  nnd  Waterf  otd  126  Sees^chiffe  von  6,942 
Tonnen.   Von  diesen  betreiben  noch  Waterford  nnd  Belfast  die  mei- 
sten Geschäfte  mit  Amerika,  jenes  mehr  mit  New-Foundland,  dieses 
mit  Westindien.    Die  übrigen  1 1  IrlÜndische  Seeliandelshilfen  haben 
nicht  suiammen  soviel  eigene  Schiffe  und  eine  so  grosse  Tragbar- 
keit derselben,  als  Dublin  allein.   Fünf  von  diesen  Häfen  bleiben 
.  in  Mlen  ZoiigeßUlen  noch   unter   3000  %  St  Jährlich :  und  alle 
Häfen  Irlands  lieferten  in  den  letsten  neun  Jahren,  wo  ihr  Han- 
del am  stärkst  blähte,  durchsohnitttioh  nicht  über  1,500,000  % 
St  (10,500,000  Th.)  oder  nur  den  fünften  Theil  der  ZoUeinnahma 
des  einsigen  Hafens  von  London.      Freilieh  ist   die  Gesammt- 
Einfahr  und  Ausfuhr  nach  dem  Werthbetrage  auch  noch  niemals 
über  ein  A oh tt heil  des  Britischen  Hand^verkehrs  gestiegen« 


§.12. 

Die   geistige  Cultur  in  ihren  Unterrichts- 
Anstalten« 


Unter  allen  grdssoi  Staaten  Europas  hat  der  Britische  in 
den  Unterichtsanstaiten  für  die  geistige  Cultur  am  längsten  seine 
Anhänglichkeit  an  den  alten  Formen  bewährt,  und  da^er  stehen 
seine  höheren  Schulen  auch  in  der  Gegenwart  noch  fast  um  ein 
halbes  JahrhundeH  hinter  den  grossartigen  Fortsehritten  der  Er- 
siehungswissenschaft  für  eine  umfassendere  Bildung  surÜck,  wie 
sie  in  den  meisten  Staaten  von  Mittel-Enropajetat  dargeboten  wer* 
den.  Dies  wird  aber  leicht  erklärlich,  wenn  man  genauer  erwägt,  wie 
eine  allgemeine  Leitung  für  jeden  Zweig  des  Unterrichts  hier  völlig 
fehlt,  wie  die  Fünorge  filr  denselben  gar  nicht  in  deb  Geschäfts- 
kr«i  der  CentralvermUtung  des  Staats  gehört^  üö  erst  in  neuester 


l      ' 


Sil  Das  Britische  Beich. 

Z^il  einige  SpeeUliebuIen  evs  politticlien  Zwecken  einer  beson- 
deren Aufsicht  und  Uotantütsung  wördigt,  dati  also  der  ge- 
•ammte  Unterricht  entweder  unbeaufaichtgten  Prirafunternehmungen 
überlassen  ist,  die  nur  von  der  Frequenz  der  Schüler  abhängig 
sind,  oder  nothdürftig  in  den  Kirehspielssehulen  ertheilt  wird, 
oder  endlich  von  Anstalten  ausgeht^  die  ihre  Elxistens  Stiftungen 
aller  Art»  Vermächtnissen  oder  Subscriptionen  verdanken«  Ob- 
gleich nun  auf  solche  Weise  das  gesammte  geistige  Leben  in  den 
verschiedenartigsten  Richtungen  vom  Volke  selbst  ohne  Mitwir* 
kung  der  höchston  Staatsgewalt  ausgegangen  ist,  so  wird  jetst 
doch  keineswegs  verkannt  werden  können,  dass  der  Brite  nächst 
dem  Deutsehen  auf  der  achtbarsten  Stufe  allgemeiner  Bildung  sich 
befindet,  und  dass  die  Wissenschaften,  wenn  wir  ihre  gesammte 
Ausbeute  anschlagen  wollen,  auch  nur  in  Deutschland  gleicht 
Fortschritte  gemacht  undv  eine  gleich  eifrige  allgemeine  Unter- 
terstütsung  gefunden  haben. 

Bei  dem  Uebergange  ans  dem  Mittelalter  in  die  neuere  Zeit 
war  England   durch  die  vorangegangenen   langen  nnd  blutigen 
Bürgerkriege  swischen  der  rothen  und  weissen  Rose  in  der  bür- 
gerlichen und  geistigen  Entwickelung  sehr  zurückgehalten  und 
fast  aur  aller  lebhaften  Verbindung  mit  den   benachbarten  Län- 
dern des  Continents  gekommen.     Daher  kam  erst  viersig  Jahre 
nach  ihrer    allgemeinen   Bekanntwerdung   die  Buchdruckerkunst 
(die  erste  Buchdruckerei  des  Caxton  su  London    1474  errichtet) 
in  dasjenige  Land»   wo  jetzt  diese  Kunst  in  der  grüssten  Voll- 
kommenheit ausgeübt  wird.      Die  beiden  Hochschulen  des  Lan- 
des» Oxford  und  Cambridge,  beide  schon  seit  der  Mitte  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts  gestiftet,  jenes  mit  20,  dieses  mrtJ7  CoUe- 
gien,  in  welchen  die  Studirenden  unter  der  genauesten  Aufsicht  ihrer 
Lehrer  wohnten,  zusammen  nicht  viel  über  2000  Zöglinge  zäh- 
lend, waren  noch  in  starrem  scholastischen  Pedantismus  versun- 
*  ken   und/  bliehen  bauptsächlich    auf  die  Bildung  tu  geistlichen 
Aemtern   gerichtet      Unter   Köuig  Heinrich  Vlll.    wurde    diese 
Richtung  im  allgemeinen  festgehalten,    wenn  gleich  nur  der  re- 
gere Verkehr   mit  Frankreich,   Deutschland,   den   Niederlanden 
und  Spanien,  die  vilelfacben  durch  die  Religionsneuerungen  ver- 
anlassten Verhältnisse  und  Streitigkeiten  überall  Anstoss  zu    ei- 
ner neue^  geistigen  Elntwickelungsperiode  dieses  Volks   gaben.. 
Diese  erfAgte  auf  eine  groisartige  Weise  unter  der  R^erung 


Da»  Brititclie   Bttick.  .     SIS 

tisckea  EcforaMtioB  mm  nmes  g^tig«!  Ltbea  Üotmi  Volke  ein« 
kudite;  4eMi  u  4ieMM  kvriMi  Z«itebMkaitt»aU«iii  wuHea  lermü 
4ia  Ffanibaea,  ItaÜMMV  IleattelM»  aa4  SpMiier  ia  {ihren  iiiteUee« 
tMatlea  Forticliri^  tob  4m  Eogltoiem  di^^ebolt  Ner  blieb  die  ei* 
geotUebe  wineotduifitlicbeBildaBi^  vomgtweise  eia  Eigentbumderx 
böberea  Stände,  wie  dies  in  dcmeeUiea  iabrbiinderto  eneb  sehen 
früher  in  Fraakreieb  eidi  g^*<>|^  hatte,  aber  eine  nnng^breitefttte 
Pflege,  wie  sie  denelben  allein  von  dem  Mittelatende  tebon  tiaeb 
aetnem  noMcriaehen  VcrIuÜtniaae  sam  geaammten  Vetke  an  Tbeil 
werden  kann,  nMngelte  leider  bis  in  das  nebtiebnle*Jahrhundeik 
kiaein.  EÜadbeth  wandte  aneb  wiedemai  anertt  ihre  Anfnerk« 
aamkeit  aof  daa  rdllig  remaebliasigte  Irland,  das  einst  ein  6lta 
wahrhaften  geietigen  Lebens,  sebon  in  den  ünstenn  ersten  iabrhun« 
derten  des  Biittelalters  dardi  seine  Klöster  and  die  von  hier  aus* 
gehende  ehristliehe  Biidnng,  auf  eine  se  wohlthätige  Weise  «Inen 
grossen  Theil  des  mittleren  Europas  erleuebtet  hatte.  Di«  Uni<* 
versitbt  i«  Dublin  wujde  1504  gestiftet,  nnd  naeb  dem  Muster 
der  ßngliseben  etngeriditet,  wiewohl  schon  seit .  1320  klet  eine 
Art  von  Hoebsehnle  bestanden  haICe* 

Die  auf  Elisabeth  folgende  Dynastie  der  Stuarts  vereinigt* 
eine  im  südlichen  Tbeiie  des  angestammten  Reicht  ohne,aU«|l 
Zweifel  damals  allgemeiner  gebildete  Volksmasse  mit  EUijg;laud« 
Schottland  brachte  schon  seine  vier  Universitäten  mit  surVer« 
einigung,  die  auch  bis  jetzt  hier  die  alleinigen  geblief>en  sind^ 
und  mehr  nach  dem  !^uschnitte  der  Deutschen  Uuive^itatgl 
gleich  bei  ihrer  ersten  ßegrilndung  eingerichtet,  ein^  voUständi«' 
gere  geistige  Ausbildung  als  die  Englischen  möglich  machten,.  Zu 
St.  Anilrews  war  bereits  1412,  su  Glasgow  1453,  suAberdeen  1494^. 
endlich  su  Edinburgh  1580,  die  Utstere  Universität  mit  vier  Ff^t 
coltüten  errichtet,  während  die  übrigen  drei  die  büdung  do< 
Rechtsgelehrten  nicht  berücksichtigte,  und  St.  Andr^^s  i^us^erdeiU 
bald  nach  der  Verejnigung  mit  Enghmd  auf  eine  gons  unbcdet; 
tende  Zahl  von  Studierenden  zurück  kam. 

Mit  der  Revolution,  welche  die  erste  Vertreibung  4er l>U#afte 
cur  Folge .haft^  entwickelte  sieb  inzwiseheii  eine  beaonders  practi^ 
s^he  Rich^g  des  Geistes^qi  Briti^/oben  Volke»,  die  überall  .die  rohen 
von  der  Natur  dargebotflnen  Klüfte  sq  benntsen,  nnd  ^prchklmst« 
liehe  Verarbeitung  den  Werth  deiwelben  na  atelgetn  siä  bemtibte« 
Sobabert's  Ststtitik  Q.  ^ 


SU     ^  Das  Britische  Reich. 

DiM  lenkte  vor  allen  Dingen  den  Sinn  auf  die  emeten  WiMenechnf- 
ten,  welehe  Yonugtweise  eine  praktische  Anwendung  ihrer  Ergeb- 
BtMe  Im  bOrgeriichen  Leb^  erwarten  lasten«  Der  Erfolg  daron 
leigte  sieh  schon  bei  der*  Bildnng  der  Gesellschaft  der  Wissen- 
Schäften  la  London  1645,  die  fttr  die  Briten  die  Stelle  einet 
königlichen  Academie  vertritt,  wiewohl  sie  sich  nur 'durch  Bei- 
träge ihrer  Mitglieder  erhält,  und  nur  bisweilen  eine  UnterstQtrang 
Yen  Seiten  des  Königs  oder  des  Staats  durch  das  Parlament  er- 
langt hat:  ihr  alleiniger  Wirkungskreis  liegt  in  dem  Gebiete  der 
matheteatischen  nnd  Natur*  Wissenschaften.  Nichts 
d^o  weniger  behandelt  die  treue  Anhänglichkeit  an  der  alten  Ersie- 
hungs-MethodeindenVorb^reitungsanstaltenfitr  dieUnivenif- 
täten,  die  gleichfalls  Colleges  heissen,  die  Alt-classische  Literatur 
und  besonders  das  Studium' der  Latein iitehen  Sprache  als  die  allei- 
nige Grandlage  der  wissenschaftlichen  Bildung,  während  die  übri- 
gen Schul- Wissenschaften  nur  höchst  oberfläehlich  in  wenigen  w((- 
obentliehen  Lehrstunden  als  Ged^chtniu^ache  den  Schölern  aufge- 
drängt werden.  Die  ansgeseiehnetsten  dieser  Colleges  befinden  sich 
in  England  als  Westmin«ter-C. ,  Gharterhouse-School  und  Mer- 
chant-TajIors-School  eu  London,  femer  lu  Eton,  Winchester, 
Ebrrow,  ku  Manchester,  Bimdngham,  Gloueester,  Bristol,  Bath, 
Tlrerton*);  in  Schottland  und  Irland  sind  sie  in  den  Universitätsstäd- 
ten  und  grösseren  Handelsplätzen.  Zwischen  diesen  und  den  Ele- 
mentarschulen stehen  nochdieGrammar-Schools,in  welchen 
aber  der  Unterricht  fast  ausschliesslich  auf  die  Lateinische  Sprache 
und  die  gemeinsten  Kenntnisse  imSchrciben  und  Rechnen  beschränkt 
bleibt  Mädchenschulen  für  die  gebildeteren  Stände  des  Bri- 
tischen Volks  werden  nach  der  herkömmlichen  angesogenen  Er- 
ziehungsweise der  Englischen  weiblichen  Jugend  als  nicht  er- 
laubt angesehen,  einige  wenige  Pensionsanstalten  in  den  grösse- 
ren Städten  ausgenommen.  Für  die  niederen  Stände  wurden 
Mädchenschulen  bis  in  die  letxten  zwanzig  Jahre  für  völlig  über- 
flüssig erachtet,  bis  auch  der  Velksunterricht  seit  dieser  Zeit  yer- 
mögt  des  Britischen  Associationsgeistes  ein  Gegenstand  der  eif- 
rigsten Bemühungen  mehrerer  Gesellschaften  wurde ,  deren  Stif- 


.  *)  Ein  Tollstaadiges  Verzeichniss  der  Colleges  und  Grammar- 
SdiooUy  die  feste  EinkunAe  grdsstenthells  aus  Stiftungen  besitzen, 
befindet  sich  in  Mekikigef s  Reise  d  Gr.  Br.  8.  L  442-43.  u.  II. 

s.aiaik2abL 


Das  Britische  Reich*  S15 

t^r  in  der  raschen  Verbreitung  der  nothdftiftigtten  Ketttttnisee 
nnter  der  grossen  Volksroasse  die  Aufgabe  ihres  Lebens  setxten« 
Dies  hatte  aber  nicht  allein  einen  sehr  wohlthaUigcn  Einftvas  auf 
die  Evangelische  Volksmasse  der  vereinigten  Königreiche,  son* 
dem  auch  die  bis  dahin  grösstentheils  ohne  allen  Unterricht  . 
wild  aufvrachsende  Jugend  der  ärmeren  Katholischen  Volks* 
Classen,  besonders  in  Irland ,  wurde  jetxt  des  ersten  Unterrichts 
in  gemischten  Schulen  für  beide  Geschlechter  theilhaftig.  Daxn 
half  wesentlich  die  Bell-Laneastersche  Methode  des  gegenseitigen 
Volksunterrichts 9  die  es  möglich  machte,  dass  ein  Lehrer  im 
Zusammenwirken  mit  seinen  aus  den  älteren  und  fidiigereh  Zög- 
lingen getvählten Monitoren  mehrere  Hunderte  bis  Tausend 
SU  unterrichten  vermochte.  Bleibt  nun  allerdings  auch  diese  Art  des 
Unterrichts  immer  nur  ein  äusserster  Nothbehelf,  weil  sie  lediglich 
auf  die  Oberfläche  hin  arbeiten  kann  und  sehr  leicht  in  formellen 
Prunk  ausartet,  so  kann  sie  doch  sehr  vortheilhafte  Wirkungen 
in  denjenigen  Ländern  sehen  lassen,  wo  die  Zahl  der  Lehrer  und 
Schulen  vor  ihrer  Einführung  ausser  allem  Verhältnisse  mitder  vor- 
handenen Volksmenge  stand«  Daher  erfüllte  sie  für  Grossbritannien, 
Irland  und  Frankreich  ein  dringendes  BedÖrfniss,  wenn  gleich  aus 
dem  angeführten  Grunde  die  Anwendung  derselben  für  Norddeatseh-I 
land  und  Dänemark  eher  ein  Rückschritt  als  Fortschritt  im  Volks- . 
Unterricht  genannt  werden  muss. 

Verfolgen  wir  nun  die  ausserordentlichen  Fortsehritte  in  der  • 
Verbreitung  des  Elementarunterrichts  in  Grossbritannien  und  Ir* 
land  sisit  1810,  so  werden  wir  su  wahrhaft  Überraschenden  Re- 
sultaten geführt  Grossbritannien  besass  damals  ferst  gegen 
32,000  Schulen  und  850,000  Schüler,  und  der  berühmte  Redner 
Brougham  konnte  in  seinem  Parlamentsberichte  ^ber  *  die  Er« 
xiehung  armer  Kinder  vom  21.  Marx  1816  für  London  noch 
die  Zahl  von  90,000  Kindern  anfuhren,  welche  ohne  allen 
Unterricht  aufwuchsen  ^).  Es  ging  also  damals  für  gans 
Grossbritannien  ^^  der  Bevölkerung  in  die  Schulen,  während  \ 
derselben  im  schulfähigen  Alter  stand:  also  über  60  Procent  der 
schulfähigen  lugend   blieben   ohne  allen  Schulunterricht      Disr 


*)  Gleichzeitig,  hless  es  darin,  sind  in  Manchester  in  den  leisten 
6  Jahren  9765  Personen  ehelTclr  verbuuden  worden,  von'  denen 
keine  ihren  jSfameii  schreiben  konnte. 

33  ♦ 


I 


• 


/ 


£16  DasBrilische  Reieb. 

NationalvereiA  fur  Bef5rdernng  der  Eniehung  der  Armen  nach 
den  Grnndiätien  der  herrschend en  Episcopalkircbe  wurde  für 
England  und  Wales  den  16.  October  IS II  gestiftet,  welcher  be- 
reits in  den  ersten  sieben  Jahren  seines  Bestehens  über  30,000 
H  St  (210,000  Tbl.)  auf  1030  Sbhuien  verwandt  hatte,  die  ent- 
weder gans  neu  eingerichtet  oder  nach  dem  neuen  Unterrichts* 
plane  umgestaltet  wurden;  in  diesen  erhielten  200,000  Kinder 
Unterricht.  Ausserdem  wurden  seit  dieser  Zeit  vielfach  Sonn* 
tagsscbulen  für  die  Kinder  beiderlei  Geschlechts  errichtet^ 
welche  (gewöhnlich  schon  von  ihren^  9.  Lebensjahre  ab)  in  den 
Fabriken  die  ganie  Woche  über  beschäftigt  sind.  In  den  darauf 
folgenden  funfsehn  Jahren  bis  J826  waren  in  London  bereits 
362  freie  Sonntagsschulen  mit  4908  Lehrern  beiderlei  Geschlechts, 
errichtet,  welche  in  diesem  Jahre  von  53,398  Kindern  besucht 
wurden:  gleichseitig  befanden  sich  aber  in  gans  Grossbritannien 
und  Irland  bereits  über  6(MX)  solche  Sonntagsschulen,  die  durch 
50,000  Lehrer  mehr  aU  700,000  Kindern  diesen  nethdürftigsten 
Unterricht  frei  gewahrten.  Im  October  1820  befanden  sich  in 
England  und  Wales  35,382  öffentliche  Elementarschulen,  in  wei* 
eben  1,571,372  Knaben  oder  Mädchen  von  56,300  Lehrern  un- 
terrichtet wurden:  von  diesen  Schülern  erhielten  über  drei 
Fünftel  (976,821  Knaben  und  Mädchen)  unentgeldlichen  Unter- 
richt, und  swar  159,518  Schüler  durch  Stiftungen,  die  275,387 
ft  St  (1,927,709  Tbl.)  betrugen,  415,651  Schüler  in  gewöhnli- 
chen durch  müde  Beiträge  unterhaltenen  Elementarschulen  und 
401,652  Sphüler  in  den  oben  näher  beseichneten  Sonnt^sschu- 
len  *).  Artifzehn  Jahre  später  hatten  (nach  einem  amtlichen  Be- 
richte aus  dem  laufenden  Jahre  1835)  allein  seit  1831  die  öffentlichen 
Schulen,  allerdings  mit  Einschluss  der  Sonntagsschulen,  um  3093 
neue  Anstalten  sich  vermehrt,  wodurch  die  Zahl  der  Schüler  für 
England  und  Wales  aliein  auf  1,794,640  Indiriduen  gestiegen 
war.  Dies  macht  bei  der  oben  angegebenen  Bevölkerung  (Seite 
311),  wenn  wir  dieselbe  auch  für  die  leisten  4  Jahre  nach  einem 
verhältnissmässigen  Zuwachs  nur  um  720,000  Seelen  stärker  an- 
nehmen, also  auf  14,617,000  K.  feststellen^  doch  fast  den  achten 


*)  Ueber  die  SonntagsscholeB  in  den  Fabrikörtem  vergl.  Ure  a. 
a.  O.  Buch  IlL  Cap.  fIL,  D.  U.  S.  360-59  u.  d.  S.  403-4  darü- 
ber gegebene  Tabelle. 


Das   Britische  Beich.  517 

Theil  der  getammteii  BeTSlkemn^,  nShett  ftioh  abo  selir  stafk 
der  ErfalloDg  der  Angabe ,  für  die  ganie  gekulWiige  Jagend 
dareh  Torhandene  Unlerriehtsanstaltea  geadrgt  in  haben,  wenn  es 
für  den  dritten  Theil  der  angegebenen  Sckülenahl  aneb  nur  , 
dnreb  Sonntagtaehulen  geschehen  sein  sollte.  Die  Aufgabe  wdrde 
für  England  und  Wales  yolUt&ndig  gelöst  sein,  wenn  die  Sch&^ 
lersahl  erst  swisehen  2,100,000  und  2^400 flOO  Ind.  stftnde,  auf 
welehes  Grössemreihftltniss  die  schulfthige  Jugend  Englands  n4cb 
dem/  Nord-Deutsehen  Maassstabe  für  die  schulpflichtige  Jagend 
sur  Bevölkerung  angeschlagen  werden  dürfte.  —  In  Schott* 
Und  lählte  toian  1820  3550  Schulen  mit  176,803  Sohfilero,  die 
^*g.  der  damaligen  Bevölkerung  ausmaehtem 

Für  Irland  bildete  sich  1816  in  London  die  Irländische 
Gesellschaft  für  Freischulen,  welche  ausser  dem^ IJnter- 
richte  der  Jugend  sich  auch  der  Verbreitung  gemeinnütziger 
Kenntnisse  unter  den  Elrwachsenem  annehmen  sollte.  Es  seigte 
sich  für  dieses  Land  ganx  offenbar,  dass  gerade  in  denjenigen 
Districten,  wo  die  meiste  Unwissenheit  herrschte,  oder  wo  die 
öffentliche  Fürsorge  für  den  Volksunterricht  völlig  fehlte,  der/ 
Geist  des  Aufstands,  der  Raub-  und  Mordinst  am  stärksten  vor- 
herrschte. Eis  wurden  jetzt  hier  viele  Schulen  auf  Subscnptio- 
nen  gestiftet,  aber  doch  suhlte  erst  Irland  im  Jahre  1824  gegen 
10,000  Schulen,  welche  von  374,813  Kraben  und  Mädchen  oder 
einem  Zwansigtheile  der  Bevölkerung  besucht  wurden.  Es 
war  hier  also  nur  der  dritte  Theil  der  schulfähigen  Jugend  dem 
Unterrichte  überliefert  Zwei  Jahre  darauf  (1826)  wurden  schon 
11,823  Schulen  mit  338,875  Knaben  und  207,793  Mädchen,  ins- 
gesammt  also  mit  546,668  K.  gezählt  Im  folgenden  Jahre  ver- 
mehrte sich  die  Zahl  der  Schulen  bis  auf  11,843*)  und  die  der 
Schüler  bis  auf  569,073  K.,  darunter  gehörten  147,658  der  evan- 
gelischen und  421,415  der  katholischen  Kirohe^su.  Es  waren 
aber  in  diesem  Jahre  noch  überhaupt  1,348,613  schulfähige  Kin- 
der in  Irland  vorhanden:  demnach  waren  also  auch  jetst  nur 
swei  Fünftel  der  schulfähigen  Kinder  in  den  Schulen  dem 
Unterrichte  Überwiesen,  wobei  jedoch  über  drei  Fünftel  aller 
evangelischen  Kinder  und  nur  drei  Zehntel  aller  cathoÜschen 


*)  Darunter  waren  ni^r  1108  vom  Staate  thellwetse  onterstütate 
Schulen,  welche  99,186  Schüler  in  sich  aoijsenommen  hatten. 


\ 


618  Das  Britische  Reich. 

Kinder  tclintflMgen  Alten  rieh  befanden.  Naeh  seht  Mreii» 
infolge  eines  erst  im  Jnni  1835  verabfassten  amtliehen  Berichts 
über  den  Unterrichtisustand  Irlands,  wurden  nnter  den  Yorhande- 
nen  Elementarschulen  5663  nur  iFom  Schulgelde  und  4004  durch 
SubscripUonen  und  milde  Stiftungen  erhalten,  mnd  die  C^ammt- 
saht  derSehüler  war  auf  633,946  gestiegen,  also  fast  auf  8  Procent 
der  in  diesem  Monate  von  der  Commission  berechneten  BevÖlke* 
rung  Ton  7,954,000  Seelen,  aber  immer  noch  nicht  auf  die  H4lf(e 
der  schulfUhigen  Kinder. 

Der  Besuch  der  Untversi^Aten  Ist  im  Verhiiltnisse  in  einer 
wohlhabenden  starken  Berdlkerung  durchaus  nieht  bedeutend  su 
nennen,  zumal  da  man  die  Zahl  der  eingeschriebenen  Mitglieder 
einer  Universität  niemals  fUr  die  vorhandene  Zahl  der  Studieren- 
den betrachten  darf.  Denn  Jedes  Mitglied  eines  der  vielen  Col« 
leges  zu  Oxford  oder  Cambridge,  die  Fellows,  alle  eigentliche  Pfrön- 
denbesitzer  ohne  amtliche  Verpflichtungen,  Collegiaten,  sie  mögen 
anwesend  sein  oder  nicht,  ferner  die  zu  Bachelors  ntich  dem  dreijllh- 
rigen  Cursus  graduirten,  oder  nach  siebenjährigem  Aufenthalte  auf 
der  Universität  zu  Master  of  arts  erhöhten  Mitglieder  werden,  so- 
langb  als  sie  ihren  jährlichen  Beitrag  für  die  Universität<von4bia 
5  %  St.)  zahlen,  als  Mitglieder  derselben  aufgezählt  Demgemäss 
hatte  Oxford  im  März  1825  4660  inscribiite  Studenten,  und 
1832  5303,  wovon  aber  in  derThat  nur  1500  bis  1650  wirkliohe, 
nicht  graduirto  Studierende  waren.  Cambridge  hatte  in  der 
Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  Oberhaupt  1500  Immatriculirte, 
1813  =  2805^  I824=:4489;  im  Mftrs  1825  =  4700,  endUch  1832 
=  5344,  ganz  in  ähnlichen  Verhältnissen  fiir  die  Zahl  der  eigentli- 
chen Studierenden  wie  zu  Oxford.  *-  Edinburgh  hatte  in  den 
letzten  zwanzig  Jahren  keine  Zunahme  und  überhaupt  geringe 
Schwankungen  in  der  Frequenz^  1818  waren  hier  2250  Studie- 
rende-, 1823  =  aiOOy  1831=2020,  indem  die  Ausländer  aus 
Amerika,  Russland,  Deutschland  und  der  Schweiz  ausblieben, 
nnd  gegenwärtig  selbst  weniger  Engländer  und  IrlUnder  sich  hier 
befinden  als  sonHt:  aber  auf  den  Schottischen  Universitäten  ge- 
währen die  Zahlenangaben  mehr  den  wahren  Bestand  der  Stu- 
dierenden, da  die  fortdauernde  Verbindung  der  Graduirten  mit 
der  Universität  hier  foi^jCfällt.  Glasgow,  das  noch  J816  nur 603 
Studierende  zählte,  hat  in  der  letzteren  Zeit  sehr  augenommen, 
namentlich  die  medieiniacke  Faculeftf^  welche  allein  über  400  Studie- 


Das  Brititche  Beicll.  &i9 


iya4e  ImA  IfiU  betrog  di«  QMuuatMriil  liOO^  1827  gegen  1500.  — 
Ab^rAeen»  ans  2  HMit»riM>ifnt«n  besUheud,  dem  Kingt^ColLcge 
lA  Old-Aberdeea  m4  dem  erst  1603  geetifteCen  MarUhall-Collcgft 
in  Ncw-AberdeeD«  rinkt  mebr  ■neemmea»  eis  dass  et  sicli  äup^ 
deaZiiitaBde  einer  VotbereitoageaMCitt  Ür  Edinburgh  vnd  GUi- 
gow  erlieben  eoUte:  et  hatte  l^lö  49a  Stndinrende,  18237=640^ 
18272:507  und  1832  =  468.  *-  St.  Andrews  itt  stete  die  am 
wenigsten  beenehte  Hoehschnle  unter  allen  Britisdien  .gewesen, 
sie  hatte  18I7^175  Studierende,  1823  gegen  200  und  1830  wi«^ 
d«nim  nar  180.  —  Die  etnsige  Irlindisehe  UairersidU  Uublin  • 
hat  mehr  den  Charakter  der  beiden  alten  Englisehen,  als- den 
der  Sehottiaehen  an  sieh,  daher  findet  aneh  hier  die  Rinfiehtung 
d«r  fortgesetiten  Verbindmig^  der  Gradnirlen  mit  der  UnftveieitlU, 
wodurch  die  angegebene  Zahl  der  Inseribirten  gleiehfails  anf  nieht 
?iei  ftber  ein  Drittel  wiKklioher  Studierender  redueirt  wird:  die  Ge- 
aammtaiAl  der  Studierenden  betrug  1810s  1210,  ]832=s  1254.  — 
Es  würde  demnaeh  anfallen  UterenUnivorsattttenGrossbritannient 
und  Irlands  der  gieiohaeitige  Bestand  der  wirldieh  Studierenden 
noeh  nicht  8000  Ind.  ausmachen,  oder  es  würde  auf  3000  Seelen 
der.  Berülkemng  noch  nicht  ein  Studierender  kommen* 

Doch  die  eigentliche  AnsMIdung  in  den  sogenannten*  Brod- 
wiiscnschaftcn  lum  nn mittelbaren  Eintritt  in  das  practische  Le» 
ben  gilt  nicht  als  die  Aufgabe  der  Englischen  Unircrsithfen^ , 
Diese  ist  f6r  den  Theologen  in  den  theologischen  Seminarien*), 
für  den  Rechtsgelehrten  in  den  drei  grossen  tnns  of  Court  tu. 
London**),  oder  in  dem  Cresch&ftssimmer  irgend  eines  berühmten 
Advoeaten,  endlich  für  den  Mediciner  in  den  grossen  Spitftlem  der 
Hauptstädte  (namentlich  in  den  St  Bartholomew-,  St  Thomas« 
und  Gnj- Hospitals  lu  London)  unter  der  Leitung  angesehenere 


*)  Dazu  gehören  auch  die  Seminarien  für  die  Melhodisten  und 
Independeoten,  Quäcker,  Unitarfer  zu  London,  Roiherham,  Axworth, 
York,  die  Seminarien  fürCatbotlken  zu  Stony barst,  York,  Birming- 
ham, Durban,  Bath,  sowie  zu  Wexford,  Mainooth,  Navan  und  Car-- 
low  in  Irland. 

**)  Diese'  find  als  Specialscholen  für  Erlernung  des  Landrechts 
(Cemnon-Law)  anzesehen,  Inner  and  middle  Temple,  Lincoln's 
Inn  und  Gray's  Ina,  weichen  die  9  von  Advocalen  gegenwärüg  be* 
wohnten  Ions  of  Chancery  untergeoadnet  sind:  vergl.  Meidin|(er*s 
Reisen  Bd.  1.  S.  'il— !l2. 


\ 


S)0  /Das  Britiaclie  Bdick 

und  erfalimier  AeraM  Torbdimltiii.  Mach  dk  amvamllere  Am* 
liiMung  -des  jung«D  ßelelun^n  ttb«rhwf  t,  mit  eiaer  umfaDgireiehe- 
Ten  BeröokiiehHgwng  der  mutländiicfaeB  Liteniturai»  trie  tle  bk- 
her  auf  den  Britischen  Universitäten  gegeben  war,  sowie  Me 
Au^itdumg  des  Juristen  und  Medbkiers  insbesondere,  indem 
tnun  n«#  den  Theologe»^  aur  Vmrmeidmig  «Her  Retigionsstreitig* 
kttitm  davon* eossehloes/  wurde  ale  der  Ztelpankt  einer  neuen 
üllgemehiett'fitidsehen  Universität  aufgesteckt;  die  man  in  Lon« 
^on;  wie  aUe  dortigen  wissenschaftliche  Unternehmungen  n^erer 
'SSeit»  «af  dem  Wege  der<€»iibseriptiOB  so  begründen  beschloss.  Man 
tfi^ffto  biet  eine  ausserordentliehe  Concentmtion  der  literarischen 
Ausbitd*ng  in  wenigen  Jahr«n  gesichert  zuhaben.  Da Brougham, 
Lord  John  Rüssel,  derlHefater  Campbelf,  Lord  Landsdowne  sich  as 
dieS^itae  des  Untamehmens  steUten^  so  waren  dieAotien  au  iOO 
%^t.  bald  untergebracht;  und  bereits  am  30.  April  1827  wurde 
^r  Crntnd^tein  des  neuen  Universitfttsgebäudes  gelegt  Mron  am 
I.  Qctbi','  f  $28|  k(Minten  die  Vorlesuil(^eB  eröffnet  werden,  die  Natur- 
wissensehaflen,  Cameralwissenscbaften,  die  Medidfci  wurden  aus- 
ItthrKcher  und  von  berähmteren  Professoren  als  auf  irgend  einer 
Englischen  Universität  gdehrt  Aber  auch  hier  wMrtu  Me^  Macht 
der  Anhänglichkeit  an  den  alten  werth  gewordenen  Einrichtungen 
vom  Camltridge  und  Oxford  entgegen,  die  anfängliche  Zahl  von  680 
Studierenden  im  Jahre  182d  war  bereits  1832  auf  4^7  gesehmol* 
aen.  Alsbald  seigte  sich  der  speculative  Geist  einer  Actienunter- 
nehmung  verderblich  für  die  neue  Anstalt,  die  wenig  besuchten  und 
daher  eben  so  wenig  Jahrgeld  einbringenden  Professoren,  die 
überdies  auf  Kündigung  berufen  waren,  wurden  entlassen,  die 
.Universität  erhielt  kejae  Vollständigkeit,  und  auch  in  dem  leta* 
ten  Jahre  konnte  im  Parlamente  die  Majorität  picht  für  väilig 
gleiche  Ertheilung  der  Rechte,  der  älteren  Englischen  Uniyersi« 
täten  W  die  Londoner  gewonnen  werden.  Demungeachtet  wurde 
noch  eine  a weite  Hochschule  unter  der  Leitung  des  Henfoga 
von  Wellington,  der  beiden  Erzbischöfe  von  Canterbur/  und  York 
und  anderer  eiuflussreicher  Häupler  der  Tones  in  Londc^a  upter 
dem  Namen  Kings*€ollege  1829  lu  London  errichtet  und.  sofort 
mit  elueni  königlichen  Freibriefe  ausgestattet  Diese  schliesst- 
auch  nicht  diie  Theologie  aus,  sondern  stellt  gerade  die  kirch- 
liche Bildung  nach  den  Grufidsätaen.der  Epiaofl^alkixche  als  die 
wesentliehste  Basis  ihres  Unterrichtajsfeema  fest  Indess  auch  ißeae 
Anstalt  hat  ungeachtet  der  reichlichsten  UnaeratHtmng,  die  na^ 


'>^. 


^  Ilas  BritischV  ReUlL  Sil 

HtttnitlM  leit  1832  in  äet  Eimiehtung' eitler  Btbliodiek,  Begrün- 
doiig  einet  anatomuc|}ien  Mtueums  sich  bewShrt  lat,  keinen 
affgemeinen  Beifall  errangen  und  wird  auoli  Jetst  nooK  sehr 
•chiracli  betueht  ' 


Untev  de»  Spe^lfelmlA  ßr  di«  Bildiuig  ¥on  Beanün  sä 
einseloeii  iZveigen  den  Vennatimg,  für  Heer  und  Fk»tte  oder 
■eoit.  xn  irgtod  einem  besanderen  Lebeftsbefofe,  «etehnen  wir 
versyi^weise  folgende  au«:  Das  -QstindUebe  ColUglum  in 

^dei  Nibe  von  Herifeid  (22  Engl.  Abilen  nttrdUeb  wm  London) 
BaikjbuT- College  genannt^,  fir  die  Bildung  der-  Beamten  in  der 
Oatio^iBeben  Verwalbing  beatimm«.  £•  ii^  anf  100  Stadiereade 
Ton  18  U«  22  Jabien  eiriebtet,  die  bier  gan»  naah  einer  bbaU- 

.eben  Vetfaeeung  wie  in  Oxfor4  und  CambrUge  Yon  12  Pro€M- 
aoren  in  den  OrientaÜacben  Sfraeben,  in  den  Camcoral-  und  ma- 
tbematiftcben  Wtesenatdiaften  und  in  der  Getebiebte  untenriebtet 
werden.  DerCurtnaistaufsweiJabrefet^etetait  Darauf  geben  die 
Her  gebildeten  Studirenden  tofart  naeh  Oatindien»  wo  sie  nncb*  •ei- 
nige ZmCim  CoUegium  mi.  Fort  William  bei  Calentta  von  &Leb- 
rern  wiKtor  anagebiMel  werden»  bier  abor  acbon  «inen  CkbaU  Ten 
fiOaftSt  belieben  und  in  kuraer  Zeit  Ton  10  bia  12  Jabien  na 
den  ewten  dipiomatisoben,  rieb  terlicben  oder  adminittratiTen  Aem- 
tern  inOs&dienYon  600Obiaa00Ofi;St.GehaU  aitfiiteigen  Daa^t 
kann  xnsammengeitellt  werden  die  Uilitairsebule  der  Oatin« 
4ia.eben  Geaelleebaf t  su  Addiseombe  bei  Crojdonin  der  Graf- 
aebaft  Sarrey  für  120  Zöglinge  Ton  la  bU  1$  Jabren,  sur  Aus- 
bildung der  Artillerie-  und  Ingenieur- Ofßciere,  die  in  Ostindien 
angestellt  werden  sollen.  Für  das  köaigliehe  Englisehe 
Heer  beatebt  iwiscben  Windsor  und  Farnham  (28  EngL  Meilen 
westlich  Ton  London)  das  Sandhurst-College  für  230  Zög- 
linge, die  sum  Officiersrang  sich  ausbilden  wollen.  Es  serföUt  in 
2  Abtbeil nngen»  Junior  and  Senior  Department,  indem  jenes  die 
ZögUnge  Tom  Hten»  dieses  dieselben  Tom  20ten  Jahre  ab  auf- 
nimmt *)*    Füj:  die  Ausbildung  d9%  Ingenieur-  und  ArtiUeriewe- 


'  *}  Die  ilterea  Milftärschulen  zu  Wycombe  und  Great-B/Iarlow 
sind  gegenwärtig  mit  dem  College  au  Sandhurst  Tereinigt  Die  Mili- 
tiirschnlen  zu  Smithampton,  Farafaam,  Chefeea  und  Greenwich,  jedes 
Military  Asykim  geaannt,  siad  nnr  gewöb^icbe  AraMuschulen,  zusam- 
men. fiir8i008oUateiyKiader,  wekbe  bier  4fann  auf  Koftcn  des  Staats 


in  Di«  BrltltchA  .Reich. 

•ent  ist  m  Woolirkh  <9 BngL MeUen  ron LoimIimi)  die  New  Miii- 
tarj  AcfideBijr  fQr  300  Zögling«, ^rriebtet»  welche  von  0  Leh- 
rern in  den  hieher  gchttrigen  miiitvdruiehen  VVisieni^baften  und 
körperliehen  Uebungen  nnterrichtet  werden.   Die  Marine  besitzt 
för  den  eigen thöniichen  Unterrieh^  der  See-Cadetten  das  R.oja  I 
Havel  College  sn  Portsmouth  nnd  ein  gleiehes  an  Plymonth. •^— 
FOr  Gewerbtretbende  giebt  es  drei  UnterricfaiMnstalteQ  su  Lon- 
don,  die  Meehanie's  JnsCitntiony  eine  in  Spitalflelds  nnd-  eine  in' 
SonCbwark,  wo  nnentgeldieh  Vorträge  dber  Chemie.  Phjsik,  Me- 
ehavik,  Botanik,  Ckographie  n.«.w.  gebaken  und  ngleicb  pnc- 
tisch  doreb  Experimente,  Modelle  nnd  CtowerbeBUssteDungen  die 
Anwendung  der  Kenntnisse  auf  die  versebiedewen  Gewerbe  rer- 
mittelt wird.— Fir die  bildenden  und  leiehnendenKüpste 
Ist  dureh  Lehranstalten  sehr  wenig  gesobeh«»,  da  dfo  Aeademien 
der    Kfinvte    und    die    CUselleehaften-  der  Maler    und    anderer 
Künstler  su  London,  Edinburgh  und  Glasgow  mehr  auf  Aufgaben 
Ihr  bereits  gebildete  Kftnstler  ausgehen,  als  die  erste  Bildung  in 
den  Künsten  sii  berfieksiehtigen  suehen.  •  Doeh  dörfen  imyie^  nie 
Aufmunterungsanstalten  für  diesen  Theil  des  geistigen  Lebens  der 
Briten,  und  besonders  indem  sie  die  Mittel  sn  den  weiteren  Fort- 
iehrlMen  in  den  bUdenden  und  sebönen  Kttnstea  danreieben,  die 
königliehe  Aeademie  der    sebönen  Könste  mvLondon 
(1^05  gettifM),  die  Kuns^  und  Maler- Aeademie  in  Glasgow,  die 
iu  £dinbui|^  1828  begründet,  hier  nieht  ohne  Erwbbnung  bleiben. 

Unter  den  Bibliotheken  und  Kunst-Museen  als  Beför- 
derungsanstaUen  für  die  geistige  Cultor,  steht  oben  an  das  Briti- 
sche-Mnseum,  welches  noeh  unter  Georg II.  als  ein  Centralpunkt 
för  BQeher,  Handschriften,  Mflnzcn  und  Kunstsachen,  stfwie  Nator- 
ssitenheiten  aller  Art  1755  begründet  wurde.  Ungeachtet  der  vie- 
len Schenkungen  von  Seiten  des  regierenden  Königsstammes  und 
vielei  reichen  Briten,  die  ganze  Bibliotheken  dureh  Vermaeht- 
nisse  Oberliessen,  hatte  es  doch  in  den  Jahren  i7<{3— 1818 
'  151,762  %  St  (1,062,334  Tbl.)  für  einsclneliterErische  AnkAnfe 
ausgegeben,  seit  dieser  Zeit  aber  in  den  folgenden  siebiehn  Jah- 
ren schon  eine  noch  iweimal  so  grosse  Summe  verwandt,  ^  na- 
mentlich für  den  Ankauf 4  von  Elgin's  Grieehiseben  andken  Mar- 


unterhalten  und  zu  gcmdnen  Soldaten  oder  Handwefkem  ausgebildet 
werden.  Zu  Chdsea  weiden  auch  400  nnd  im  Greenwich  MO  Mdd- 
eben,  gletdiMls  Kinder  feftdlener  oder  entlassener  Soldaten»  enogen. 


^  . 


Das'Britlsch«  BftioA. 


8» 


\  - 


m  »nreikeo,  alt  Dettkmilera  des  hftehsttii  Attftdwii  Stjit  «nt  dem 
4teii  und  Seen  Jahrh.  tot  Chr.;  fenier  für  Aeg/pdaehe  Alterdiümer« 
Omehische  Hünseiiy  EUndseh^iCteii  aller  Art  ili.w.  Aauerdem  ist 
die  kÖaigUclie  PriTa^ Bibliothek  Georgs  III.  BMh  den  Tode  deeseW 
ben  TOQ  Georg  IV.  dem  Britiseliea  PuUikum  kieker  Mr  freien  Be- 
nntsoBg  geschenkt  worden,  welehe  allein  ans  65,000  Binden  nnd 
868  Kapseln  init  Fitq^schriften«  sowie  aus  einer  aasgeaeiehneten  Ksr- 
tensammlnng  bestand  *)•   Der  gpsammte  Bestand  an  BQchem  im  Bri- 
tisehen  Museum  besteht  gegenwärtig  aasWhrals30O,0C^Bftnden  und 
60,000  Handschriften.  -^  Aasserdem  ist  Ar  Orieataliseke  Studien  die 
ausgeseichnetste  Bibliothek  in  Grossbritannien»  die  des  Ostindi- 
■ehen  Hauses  snLoodon,  welehe  überaus  reich  anlndisdienHand- 
nehsiften  nnd  aogleieh  mit  einem  Musmim  Aa  K^l^  nnd  Na. 
tar-Seltenhelten,  Alterthimer  nnd  intcreasante  ll«rkwirdi^eUto 
Ostindiens  verbunden  istr— Unter  den  ünUorsit&tsbibLio- 
tbeken  steht  die  Bodisjaniaehe  «a  Osloid  mit  26(^000  Binden  und 
30,000  Handsehnfilen  obeaan.  Nishst  dem  beittdelsieh  an  Oxford 
noch  die  Bibliothek  des  ChnstChunh-CöUege  Ton  60,000  Binden^ 
auch  die  übrigen  Colleges  dieser  Unifiersit&t  besitn«a  eigene  Biblio- 
theken Ton  S0,000  bis40,000B&nden.-t.DieUn]ra»itfttsbibUol;|ieksn 
Cambridge  hat  100,000  Bände  nnd  3000  Handaehriffean,  dia^des  Tri- 
nüy-College  ebendaselbst  40,000 Binde.  Anaserdem  befiAdet  sich  d^ 
selbst  als  Vermiehtniss  das  FitxWiUiam^Mttsenm  mit  anageaeieh to- 
ten Biehem,  Kupferstichen  und  Gemilden.    Edinbnvgh  hat  2 
gro«ie  Bibliotheken,  die  der  Uniref^it  von  120^000  Binden  und  die 
der  königlichen  AQroeaten  von  mdirals  1^0^000  Binden.  Die  übri- 
gen Universitätsbibliotheken  ^nd  verhütnissiniasig  nnbedeuteiid 
nnd  stehen  swischen  iO,OOOttnd  60,OoaBänden.  — p  Unter  den  Stern- 
warten hat  die  su  Greenwich  eine  Coropiiache  B^hmtheit. 
-    Unter  den   Gemilde  -  Sammlungen  ist  awar  die   kinigliche 
(Natlonal-Gallery*»)    an   Zahl  der   GemiWen    die    grösste: 
aber  sehr   ausgeaeiehnete  Schitse   sind  In  vielen  Pallisten  der 
Engfischen  Grossen  in  London  uwl    noch  mehr  auf  ihren  Villen 
auf)(estellt,  nicht  immer  mit  Bereitwilligkeit  dem  Künstler  nnd  Kunst- 
freunde xiir  Anschauung  und  Benutsung  dargeboten.  -^ 


i** 


^)  Ihre  Adfslellani?  im  Britischen  Maseam  kostete aOein  40,000%St. 
Ein  iibrlicfaer  fester  Etat  besteht  nicht  für  das  Mnaanm,  dock  wird 
darchscholliljeh  nber  10»(NK)  %  St.  nasgegeben« 

^  Ihre  Hanptgfnndlage  ist  die  vonnate  AngeMeiniadie. 


St4 


!>•=«  Brltltclle  äoicb. 


•  ■ 


•     •  t 


§.  13. 


Die  geistige  Cultur  in  ihren  statistisch  bemerk- 
kenswerthen  Ergebnissen  für  den 
I  .       gesMüBiten  Staat 


'     In  den  l»ild«iideii  Kflntteo  tmd  di«  Briten  sehi  lange  hmter 
ihiren  nidisten  Koohbaren  auf  dem  Conlkiente^  und  nodi  mehr 
hinter  ttalieas  groMer  Meifttenohaf^  aarfiekgeblieben.    Während 
die  Dei^tsehen  und  Ntederntoder,  Fcamosen,  Spanier  und  Italie- 
ner ihre  grosie  •  OtanipeEioden   der  Knutt  besitien,  .haben   die 
Briten  im  elattiaehen  Jahrhundert  der  Malerei  und  Bildhauericunat 
auefa  nicht 'eineH*  Kinatier  van  namhafter  Bedeutnag  aufauweiaen. 
Der  atammverwandte  VoHuatnn  Tareehaffte  suerst  der  Deutaehen  und 
Niederl|ndiaohen  Auffaaaungaweiae  der  Kunat  allgemeinen  Eiogang, 
aeitdem Heinrieh VIH.  inHanaHolbeindie einem groaaen Künat- 
tet  gebührende  Achtung  aetnem  Volke  geltend  in  machen  wuaate. 
Dieae   Richtung'  blieb   in  Groaabritannien   gegen   iwei  Jahrhun^ 
derte  aukaehlieaalich  vorherradiend,  und  die  hdchcte  Achtung  er- 
rangen hier  whhiendihreaAnfendialtea  Peter  Paul  Rubena,  An- 
ton Tan  Djk  nnd  Corneliua  Janaaen.     Daa  roheate  Gefühl 
IBr  die  Nalardy  nemlieh  die  Bewunderung  einea  wohlgetroffenes 
und   in   allen   Spielen   der  Natur  treu  nachgealimten  Poctraita» 
blieb  im  allgemeinen  dem  Engländer  daa  hdchate  Ziel  der  Kunat: 
und  wer  hierin  die  höchate  Meiaterachaft  in  Toller  Anerkennung 
bew&hrte,   war  einea  nnieratörbaren '  Baifalla  und  Einfluaaea  auf 
die  apiltere  Kunatentwickelong  in  dieaem  Lande  gewiaa.    Der  all- 
gemeiner TcrbrfAtete  Verkehr  der  Engländer,   ihre  häufigen  Rei^ 
aen  in  Mittel-  nnd  Sttd-Europa  aeit  der  Vertreibung  der  Stuarta 
▼om    Engliachen   Throne    und    dem   Spaniachen   Erbfolgekriege 
Terfehltea  ni^t  ihre  anuerordentliche  Einwirkung  auf  den  Kuna^ 
geachmaek  der  hlheren  Britiachen  St&nde  m  ftnaaem  und  den- 
aelben   nach   den  Terachledenaten  Richtungen  s«  erweitern.     Ea 
wurden    nnn  anageieichnete  Kunateneughiaae  aliar  SchuIeD  in 


Das  Britische  Beich.  SS9 

Eaglaiid  eingeffiliit»  aber  mioli  hier  »ieebte  deh  b«ld  die  dem 
Engländer  befondere  eigene  Manie  ein,  allee  wm  Wertb  bot  oder 
•elten  iit,  besitzen  sa  wollen  *\  und  m  wurde  mehr  dieser  Sina 
dnreh  die  vorhandenen  Büttel  des  Vmmögeaa,  als  ein  edle« 
Kuns^efübl  befriedigt,  das  aar  mgenen  höheren  Gesohmaoksbil* 
dang  und  zur  Fördemng  d*  Kunst  überhaupt  sieh  im  Besitae 
solcher  Kunstwerke  erfreut  Daher  sind  viele  Kunstwerke,  die' 
nach  England  v^kauft  sind»  fär  die  Kunst  eigentlieh  verloreo 
gegangen,  weil  sie  in  den  versehlossen  gehaltenen  Landhäusern 
der  Reichen  nur  als  seltene  alte  und  kostbare  Meubles  verdienter  Vor« 
fahren  aufbewahrt  werden.  Daher  hat  aber  aach  der  oben  ge- 
achilderte  Kunstgesehroaek  im  Allgemeinen  in  Grossbritanniea 
auch  noch  für  das  achtaehnte  and  neunsehnte  Jahrhundertir  sich 
unverändert  erhalten,  und  der  ausgeaeiehnete Pprtraitmalev  Gott- 
fried Kneller  aus  Lübeck  (geb.  1648),  welcher  de n  grössten 
Theil  seines  Lebens  in  England  wohnte  (f  au  London  1723),  a^ 
wie  der  geachtetste  Englische  Maler  dtB  gegenwärtigen  Jahrhun* 
derts  Thomas  Lawrence  (geb.  sa  Bath  1768,  f  au  London 
7.  Januar  1830)  verdankten  nur  der  talentvollen  AuflEiasang  dea 
menschlichen  Ebenbilds  ihren  unschätabaren  RuL 

« 

Ausserdem  leisteten  die  Ei^lischen  Haler  seit  dem  achtsehntei)^ 


*)  Diese  Monomanien  haben  jetzt  in  England  den  hoehsten 
Grad  erreicht  und  überhaupt  nur  ein  ähnliches  Beispiel  früher  in 
der  Liebhaberei  der  Holländer  für  Blomenawiebela  gefunden.  Avmer 
den  Geiäälden  und  Werken  der  Sculptur,  hat  sie  sich  avf  Bücher,' 
Handscbrifleo,  Holaschnitte,  Kupferstiche«  JAünzea,  AÜerthümer  ul-* 
ler  Art  ausgedehnt,  aber  wer  venaöchte  bei  der  Samnlerwuth^  eines 
Herzogs  von  Devooshire  oder  eiaes  Grafen  von  Spencer  noch  ir- 
gend ein  wissenschaftliches  oder  künstlerisches  Interesse  finden. 
Wer  kann  ohne  Ironie  sich  des  leidenschaftlichen  Eifers  von  Dib- 
din  erinnern,  die  kostbar  gestochenep  Kupferstich-Platten  und  Holz- 
schnitttafeln absichtlich  zu  zerstören,  nm  nur  noch  bei  seinem  L^ben 
ein  sogenanntes  seltenes  Werk  geschrieben  zu  haben,  von  dem  er  nur 
wenige  Exemplare  hatte  abziehen  lassen. '  Es  Ist  dies  dasselbe  Ge- 
fühl, welches  andere  Englische  BibKomanea  aatriab,  selteve  Werke 
theoer  au£Kbkanfen  und  sofort  su  verbrennen  i  wenn,  sie  von*  densel- 
ben bereits  ein  Exemplar  bcsasaea,  da•d^B^^emäss  dorshtiha«»  Vaada- 
len-Wahn  einen  nach  ha^tterea  uiä  der  SeHsoh^t  gnwß^^. .. 


SaS  D^B  Britische    Relclu 

Jdrirhunilerte  nodi  EhiigM  im  Padie  des  äentimeiitet«n  und  Hu* 
meristMch«!!,  in  IrHdliehen  Dantellnn^n  des  häuslichen  Lebens» 
histoiiseher  Ereignisse^  wo  j^naue  Ausführung  und  die  ahn- 
Kehste  Uebereinütemung  mit  der  Wirklichkeit  statt  lebhafter 
Phantasie»  statt  %dler  Sehtoheit  der  Gestalten,  überhaupt  statt 
id«!al bisher  Auffatimtg  dargeboten  werden.  Wie  William  Ho- 
garth  (geb.  s«  London  16^,  f  1764)  hierin  suerst  selbst&ndig 
auftrat^  wie  Josn«  Reynolds  (geb.  in  Devonshire  1732,  f  zu 
liondon  1792),  der  ente  Pr&sideht  der  oben  angeführten  könig- 
lichen Asademie  der  Künste  zu  London,  sieh  nicht  höher  hob, 
wie  selbst  der  mit  Recht  wohi  unter  den  heimischen  Künstlern 
am  höchsten  gestellte  Benjamin  West  (in  Pensylvanien  noch 
unter  Englisoher  BotmÜssigkeit  t73S  geboren,  f  zu  London  1820 
gcichfalls  als  Präsident  der  Academie  der  Künste)  diesen  be- 
schränkten Wirknogskreis  derMjilerei  nicht  rerliess:  so  ist  auch 
in  der  G^^nwwrt  dieser  Charakter  f)Bstgehalten ,  und  der  grösste 
der  Jetit  lebenden  EngHsohen  Maler  David  Wilkie  (geb.  m 
Cults  in  der  Sehoftisehen  Ora£iehaft  Fife  1785)  ist  gleichfails 
nur  Mdistsr  in  diesem  Fache« 

In  der  Bildhauerkunst  haben  aber  die  Briten  noch  we- 
liiger  Eigen thümliches  geleistet,  Veil  die  Sculptur  einen  riel 
höheren  und  feiner  gebildeten  Kunstsinn  als  die  Malerei^  verlangt 
und  noch  mehr,  dem  Idealen  nachstrebt;  für  classisch  geachtete 
Namen  findeo  sich  hier  .unter  den  Künstlern  gar  keine  vor,  und 
selbst  John  Flaxman  (London  geb.  6^  Jul.  1755  .f  3.  Dec. 
1827)  Richard  Westma^ott  (suLondon  gtib.  1774)  und  Fran- 
cis Chantrej  (geb.  in  Derbjrshire  1782)  sind  doch  nuf  glück- 
liche und  nerlidio  Copistea  des  AltclMmms,  oder  wie  die  beiden 
sulebst  genannten  noeh- lebenden  nurhuf  das  den  Briten  auch  für 
die  Malerei  eigen thümßeh  besdnrünkfe  l^ebiet  hingewiesen.  «- 
In  der  Baukunst  stand,  seitdem  die  mittelalterliche  erha- 
bene Deutsche  Kunst  mit  ihrem  Zeitalter  dahin  geschwunden 
war,  ,xuvor  aber  noch  sehr  bewundernswerthe  Denkmäler  ihrer 
Herrschaft  in  Grpssbritannien  surückgelassen  hatte,  für  die  Bri- 
ten der  Nütslic)ikeitsskin  immer  viel  höher  als  der  Kunstsinn, 
und  selbst  ihr  grösstsr  Msislsr  Cbristopher  Wren  (geb.  in 
Wiltshire  1832,  f  su  Lssidsn  1723),  der  ausser  der  Paulsktrche 
SU  London  nvsbv  lals  HO  Kirohsn  und  grosse  öffentliche  Gebäude 
erbaut  hat,  Ulld  uknn  misgeseishnvter'Zd^fenosse   Ihigo  Jones 


Das  Britische  Beich.  527 

huldigten  demselben;  wenn  glaeh  dadareh  ihte  hftclitt  bedeu- 
tenden Verdienste  für  Grossbritannien  nieht  abgeleugnet  werden 
•ollen.  In  der  G^enwart  kerrscbte  hier  kein  Geschmack  beson^ 
ders  vor,  sondern  das  selfesamsta  Cremisch  des  ßaustjis  aller 
Zeiten  wird  hier  in  friedlicher  Gemeinschaft  nebeneinander  ge- 
troffen, wie  es  die  WillkQhr,  die  Macht  des  Reichthunis  und  der 
auf  Reisen  viel  erfahrende  BRck  des  Bauherrn  susanimenwirft 

Um  so  reger  hat  sich  die  ThÄtigkeit  der  Briten  in  der  Nach- 
hildnng  der  Gemälde  durch  die  Kupfersteeherkunst  erwie- 
aen,  und  was  die  technische  Kunstfertigkeit  anbetrifff,  so  werden 
hier  ausserordentliche  Leistungen  hervorgebracht,  jedoch  immer 
mit  der  Rücksicht,  dass  auch  in  diesem  Zweige  das  Ausgezeich- 
netste dem  oben  für  die  Malerei  näher  beieichneten  Gebiete 
angehört.  Seit  Hogarth  ist  hier  eine  Reihe  wackerer  Meister  zu 
nennen,  deren  Zahl  mit  jedem  Jahnehend  sich  ehrenvoll,  vergrös- 
•ert,  die  allgemeine  Anerkennung  in  Europa  gefunden  haben  und 
von  denen  es  nur  überhaupt  au  wünschen  wäre,  dass  sie  mehr 
nach  gediegener  geistvoUen  Ausführung  des  Garnen,  nach  kraft- 
voller Arbeit,  als  nach  einem  mühsam  errungenen  und  erkünstel- 
ten Lichteffecte,  oder  sonst  irgend  einem  kleinlichen  KunsUtüeke 
strebten.  Ausländer  haben  hier  allerdings,  indem  sie  sich  in 
London  auf  eine  Reihe  von  JaMren  niederUesse« ,  vielfach  anffe- 
regt,  namentlich  der  treffliche  Bartoloiai,  der  vierzig  Jkhre  lanir 
iu  der  aweiten  Hälfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  eine  Kupfer- 
atecherschule  in  London  leitete!  —  Dieselbe «isgezeichiiete  Kunst- 
fertigkeit gilt  auch  von  derHolzschneidekunst,  und  von  der 
Lithographie;  der  Stahlstich  ehrt  England  hauptsächlich 
^  als  sein  Vaterland« 

Die  Musik  steht  inzwischen  bei  den  Engländern  in  einer  noch 
untergeordneteren  Stellung,  und  in  dieser  Kunst  ist  fÖrGrossfiri- 
tonnien  eben  so  wenig  ein  nationales  Streben,  als  irgend  ein  als 
Muster  allgemein  anerkannter  Name  aufzuweisen.  —  Dagegen  glän- 
aeö  grossartig  die  Völker  dieses  vereinigten  Reiches  auf  dem  Felde 
der  Dichtkunst  durch  OrigkaUtät,  Reichthum  an  Gedanken 
durch  eine  trfeffliche  Fülle  von  poetischen  Gemälden,  durch 
eindringende,  erschütternde  Kraft,  durch  eine  hinreissende  Wahr- 
heit  in  dem  Leben  ihrer  dichterischen  Erzeugnisse:  sie  stehen 
gegenwärtig  schon  im  dritten  Jahriiunderte  mit  der  ehren- 
weithesten  Reihe  von  Meistern  des  ersten  Ranges  ^Is  Muster 
da,  ohne  dase  wir  auf  die  Barden  des  Alterthums,  noch   auf 


\ 


/ 


628 


Das   B'ritiscl^e  Reich. 


\ 


die  Bliostrelf  und  fiaUadendiehter  def  Mittelalten  siirfickn^hen 
brauchen.    Balten  wir  nur  an  dem  unersehdpflichen  Genius  Wil- 
liiini  Shakspeare's  (z.  Stratford  geb.  23.  Apr.  1504»' f  23.  Apr. 
1616)  fest,  dessen  Geist  erst  dureh  die  ernst  wiederholte  Lectüre, 
durch   eine  vertrautere  Bekanntschaft  in  seiner  grossartigen  Ge- 
walt aufgefast  wirdy  so  ist  sein  Einfluss  auf  die  Deutsche  Literatur, 
seitdem  Wieland,  Eschenburg,  G&the^Sehiller  und  Schle- 
gel und  Tiek  denselben  uns  recht  zug&nglieh  gemacht  haben, 
unberechenbar,  namentlich  aber  dadurch,  dass  er  selbst  den  gross- 
ten  Heroen   unserer  Literatur ,  in   ihren  vielfachen  dichterischen 
Bestrebungen  einen  anderen  Aufschwung  gegeben  hat    Vergegen- 
wärtigt man  sieh  aber  nun  wiederum  den  Einfluss  der  Deutschen 
Literatur  auf  die  Übrigen  Volker  des  gebildeten  Europas,  so  darf 
Shaks'peare   unzweifelhaft   dem     höchsten   Dichter  des  Alter- 
thums  Sophoclcs   als   gleichbürtig  zur  Seite   gpestelft  werden, 
und  wird   diesen  R|ing  für  sich  und  sein  Volk  stets  behaupten* 
Aber  Shakspeare   verherrlichte  die  erste  Glanzperiode   seines 
Taterlandes,  die  Überall    tief  eingreifende  und   neu   begründende 
Regierung  der  Königin  Elisabeth,  und  er  blieb  nicht  verein- 
zelt in  feiner  Zeit   stehen.      Ging  Edmund  Spenser  (1553  f 
1599)  auf  eine  würdige  Weise  ihm  voran,  so  standen  in  der  leb- 
haften Phantasie  und  in  bedeutender  Kraft  des  Geistes  ihm  zu- 
nächst Francis  Beau.'mont  (1585,  f  1615  und  JohnFletcher 
(London  geb.  1576,  f  1625),  deren  zügellose  Ausschweifungen  in. 
ihren   dichterischen  Werken   «le   nur  mit  Recht   aus  der  Reihe 

classischer  Meister  entfernt  haben«     . 

,'  ,         -.        • 

Die  Noth  des  Vaterlandes  in  den  darauf  folgenden  bürgerlichen 
Unruhen,  die  übe^  ein  halbes Jahrh^dert die JBngländer,  Schotten, 
und  trländer  den  widrigsten  Parthei^ngen  und  zweideutigsten  Ver- 
wickelungen überlieferte,  scheint  der  gesammten  geistigen  Entwieke- 
lung  des  Volk  seinen  neuen  Charakter  aufgeprägt  zu  haben.  Di^er 
machte  sich  auch,  im  Gebiete  der  Poesie  geltend  in  einer  übermässig 
reflectirenden  oder  schwermüthigen  Geistesriohtung,  die  efst  im 
achtzehnten  Jahrhunderte  mit  der  sat/risch-hümoristischcn,  oder  der. 
sentimental-naiven  Auifassungsweise  abwechselte.  Daher  stossen 
wir  in  den  Dichterwerken  jener  ficüheren  Periode  auf  poetische 
Charaktere  und  Schilderungen,  die  zwar  ein  tiefes  Studium  erfin- 
den und  in  den  einzelnen  'fheilen  als  wahr  nachweisen  kiM^n, 
die  aber  den  LeAer  kalt,  lassen,  un4  ihre  Wirkung  verfehlei^ 


.  Bas  Britische  Beich.  529' 

ire!l  sie  «etbtt  die  eigentlicben  Gr&nseo  der  Poesie  ftbertehritten 
haben.     AU  Typus  möge  hier  der  grösste  Britische  Dichter  die- 
ser Zeit  genannt  werden,  John  Milton  (London  1608,  '^  1674) 
in  seinem  verlorenen  Paradiese.     Der  Uebergang  von  diesem  re- 
ligiösen Epopöen  cu  rein  didactischen  Gedichten  und  ron  diesen 
wiederum   sur'Satjrre   darf  nicht  weit  gesucht  werden^   denn  er 
liegt  in    dei^  obigen  Entwickelnng  des  Volkschacakters.     Daher 
wurden  die  ^rei  griissten  Meister  dieser  Zeit  Jonathan^Swift 
(DubUn   geb.    1667,  f  1745),  ^dmund  Young   (1681,  f  1746) 
und  AlexaJlder  Pope  (1688,  f  1744)  lange  Zeit  als  unerreich- 
bare Muster  für  die  mannigfachen  Dichtungsarten  gepriesen,  und 
auch  selbst  in  den  Fächern,  von  welchen  diese  sich  surückgesogen 
hielten,  blieb  ihr  Einfluss  nicht  su  verlfennen,  wie  dies  besonders  in 
den  frostigen  aber  schulgerechten  dramatischen  Dichtungen  dieser 
Zeit  su  bemerken  ist  Da  erwachte  in  Grossbritannien  vor  hundert 
Jahren  wieder  eine  allgemeine  Liebe  für  die  Dichter  des  Zeitalters  der 
Elisabeth,  es  war  eine  Rückkehr  der  erkünstelten  Poesie  zur  einfa- 
eben  und  wahren  Natur,  und  iwar  auf  dem  eigenthüralioh  Britischen 
f  Wege  in  der  Entwickelung  der  Kunst,  wie  wir  oben  bei  der  Malerei 
gesehen  haben,  indem  die  sentimentale  Darstellung  der  Natur,  od«r 
die  naive  Auffassung  wahrer  Gemälde  eines  beschränktefi  bürgerli- 
ehen Lebens  besonders  beliebt  wurden.    Dies  offenbi^t  sich  am  voll- 
kommensten in  den  beiden  Irländem  Laurenee  Sterne  (geb.  sn 
Clonwell  in  Irland  1713,  fsu  York  1768,)  und  Oliver  Goldsmith 
^  (geb.  in  der  Irländischen  Grafschaft  Longford  1718  fiu  London  1774), 
aber  es  ist  auch  schon  früher  in  dem  beliebten  Romanendichter  Sa- 
muel Richardsott  (Derbjshire  1689,  fsu  London  1761)  nicht  su 
▼erkennen,  der  zwischen  Swift  und  diesen  steht     Der  neuesten 
Zeit   aber  war  für  Grossbritannien   ein  universellerer  Charakter 
der  Dichtkunst  vorbehalten,  indem  sie  auf  jener  Bahn  fortschrei- 
ten c^  an   dem  Studium   der  Classiker   des  Alterthums   und  ihre« 
eigenen  Vaterlaiides  sich  auffrischte.     Das  Gröiite  ward'  in  die- 
ser Periode  durch  die  Schottischen  Dichter  erreicht,    deren  Ein- 
fluss au&  die  gesammte  gebildete  Welt  durch  sahllose  glückliche 
und  verunglückte  Nachahmungen   sich   bis  lur  heutigen  Stunde 
äberaU  kund  giebt     ' 

Als  die  beiden  h5chst  gestellten  Repraesentuiten  behaupten 
ihren  ausgexeichneten  Standpunkt  Scott. und  Bjrop:  Waltclr 
Scotti,(Edinburgh  geb.  15.  Aug.    1771,   f   su  Abbotsford  d.  M2s 
SchaberfsStatlstiiLU.  34 


530  Das  Britische  Beiok  ^ 

Sept  1832X  alt  der  Heerf&hrer  iler  neoeti  Ustoriichen  Vo^elle,  «fai 
der  uaver|[;letchliche  Meister,  welcher  die  Vergaug^heit  gleich  der 
leben^Hi  Gegenwart  su  veranschaulichen  weiss,  und  die  Leser  seiner 
Gedichte  als  theilnehmende  Augenzeugen  auf  den  Schauplatz  seinte 
Darstellungen  hinaufxuheben  vermag,  aber  dennocb  sich  nicht  dem 
Charakter  seiner  Nation  in  der  grossen  Neigung  su  ausführlich  dar* 
stellenden  Beschieibungen  und  oft  ängstlich  gesuchter  Belehrung 
•entjBiehen  kann.  George  Noel  Gordon  Lord  Bjron 
(geb.  in  Schottland  1788,  f  sa  "Missolunghl  19.  Apr.  1824),  das 
grösste  Dichtergenie  der  Briten  in  der  neueren  Z^t,  vereinigte 
auch  zi^leich  in  sich  die  dem  poetischen  Charakter  dieses  Volks 
efgenthümlichen  Vorzüge  und  Fehler  in  st&rkster  Potenz^  Bei 
Naturschüderungen  oft  von  unnachahmlicher  Kraft»  schwächt  er 
den  Totaleindruck  des  Ganzen,  wenn  er  in  der  Entwickelung 
der  menschlichen  Charaktere  durch  wilde  Ausbrüche  der  Satyre 
oder  «in  verz^rendes  Gift  hämischer  Ironie  sich  hinreissen  lässt» 
oder  die  Gluth  des  dichterischen  Feuers  durch  kalt  didaktische 
Refiexionen  erstickt  Darin  überall  ihm  ähnlich,  nur  correeter 
in  der  Durchführung  der  dichterischen  Composition,  aber  auch 
weniger  selbständig  in  genialer  Productionskraft,  steht  seiri^  Freund 
der  Irländer  Thomas  Moore,  der  geachtetiite  unter  den  ni\(ch 
jetzt  lebenden  Englischen  Dichtem  (geb.  zu  Dublin  1780  d.  28. 
Mai).  Ihr  vereinigter  Einfluss  wird  .für  Grossbritannien  und  fr« 
land  noch  lange  der  jungen  Dichterwelt  die  ausgedehnteste  Lauf- 
bahn cur  Uebung  ihrer  Kräfte  anweisen* 

Die  politische  B  er  edts  am  keit  hat  in  diesem  Staate  bis  auf 
die  jüngste  Zeit  allein  ihr  Vaterland  im  neueren  Europa  gehabt,  und 
die  ganze  Bildung  des  Britischen  Staatsmannes  bleibt  von  Jugend" an 
darauf  gerichtet,  auf  diesem  Felde  dereinst  eine  allgemeine  Aner^ 
kennung  seines  Vaterlandes  oder  mindestens  seiner  politischen 
Parthei  zu  erringen.  Nicht  durch  das  künstliche  Ausarbeiten 
der  Reden  in  seinem  Cabinet  kann  er  diesen  Ruhm  sich  erwerben, 
nur  Uebung  des  Nachdenkens,  ausgebreitete  politische  Kenntnisse 
und  vorzugsweise  die  genaueste  Bekanntschaf  tmit  allen  Beziehungen  « 
seines  Vaterlandes,  sowie  allgemeine  Redfertigkeit  sipd  die  Gaben, 
welche  der  Britische  Rednel  bereitii  besitzen  muss,  wenn  er  sich  auf 
d^n  Kampfplatz  in  dem  Hause  der  Commoners  oder  Peers  nagt  Je 
teehwieriger  in  der  neueren  Zeit  di^  politische  Beredtsamkeit  sich 
machte  weil  die  ungemeine  Ausdehnung  der  politischen  inneren  und 


Pas  BritUclie  Beicht  SI 


VcribUtpiMe  ciMt  Ef  ylkdif  SCiatat 

ÜMg»  4«i  G«i«ft  ■utMateml  CmI  erdridct.  »4  4a4«rdi  4ie 

gate  ^ciM«  gtÜMgoMB  ExMgß  aaf  4ieMft  Feld«  «m  €ut  ent- 

rtckt,  «m  M  'kftkcr  wM   4m  Ehfe  «äo,  wena  4i«Mr  £rf«lg 

wirklkk  cmiekt  wird.    CM   ia  der  Tli«l,  das  BricUch»  FarU- 

aicttt  iraaa  aas  den  letrtea  aehlaif  Jabrea  die  aa^eseiduietstea 

RadMT  ab  Maater  •>  aafilallea,   die  darek  ikr  Beispiel  aU  die 

lekrmelMfe  8elHÜe    fir    die    fernere    ehreoToUe   Fortdaner  Mer 

8laacekeiedtsa»keit  fo  GrettlH^Kaaniea  fortwirkea  trerdeo.     Wir 

wmdgiem  Ucr  aar  aa  die  Cerjrphaen  der  Tertehiedeoca  Ricktaagea 

der  Britieeliea  Staatsberedsanüceit  erinoeniv   an  Williaai   Pitt 

den  alteren,  Graf  ran  Cbatam  (geb.  ITOS^f  inder  GraftekaftKent 

1778),  aaEdmaad  Barke  (Dnblia  1730,  f  London  1707y,  an  Wil- 

liam  Pitt  den  jftngeren  (I7S0  gek.,t£ondon  1800).  anCkarles 

Jamal  Fox  (gek.  1748, f  1806),  an  Rickard  Briatlej  Skeri- 

4»n    (gek.  Daklia    1754,  f  an  London  1810),  an  George  Can- 

Bing  (Irland   gek.  1770,  ^  an  London  1827)  and  aa  die  keiden 

giMtea  jetat  lekenden  EngUteken  Redner,   wie  veräbhieden  sie 

aaek   Ton   «nender  in  der  Bekandlang  der  G^;enttinde  nnd  in 

dem  Gekraack   der   oratoriieken  Mittel   sein  mdgen,   an  Henr/ 

Lord  Broagkam  (gek.  Ka  Londoh  1770)  und  aaRokert  Peel 

(gek.  in  Lnacafkire  1788). 


sogenannten  Faealttttwissensekaftenki^ea,waa 
dea  wissensekaftUeken  Fortkaa  im  Allgemeinen  anketriff^  den  Eng* 
l&ndera  sekr  wenig  aa  daake%  aker  iberallstassen  wiraafaasge* 
aeieknete  Leistungen  in  der  praetiseben  Anwendung  derselken-  -^  Dit 
T ke o r» g i e  erfreut siek  Torsugsweise geaektalsr Kanaelredner,  wie 
lokn  Tillotson'si  des  Ersbisekofs  ronCanterkur/ (gek.  1630,  f 
1694)  und  Hugk  Blair's  (Edinburgk  gek.  1718,  f  1800),  ok« 
gleiek  auck  die  Expose  des  alten  und  neuen  Testaments  bei  den  Bri- 
ten in  den  lotsten  awei  Jabrkunderten  nickt  yerna^Ussigt  gaklie* 
ben  ist  Die  Jurisprudens  stekt  noek  weit  weniger  angekautd^ 


*)  p.  H.  Hegewisck,  Gesckickte  der  Englischen  Fsrlaments* 
beredlsamkeit,  Altona  1804,  welche  aaclT  Ohandler,  Timberland  und 
anderen  Saaualongen  der  Parlaaentsdebatten  aas  dem  achtaehatea 
Jahrhunderte  gearbeitet  ist,  bietet  auch  jeUt  aoch  eiae  recht  beeck- 
tenswerthe  Uebersicht  überNlie  £«|wickelaBf  and  Fonschrltit 
ParlaaMaisberedtsamkeit  te« 

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533  Daii  Britieehe  Beicb. 

da  ihre  grftssten  Rechtsgelehrten  auch  nigleieh  als  die  feeaeh&ftig» 
•ten  Praktiker  in  Thätigkeit  sind,  und  daher  für  ihre  sehrift- 
atellerischen  Arbeiten  weder  gründliche  £|forsohung  der  Quel« 
len,  noch  mühsame  Errichtung  systematischer  Handbücher,  noch  Mo« 
nogrnphienrdie  bei  grossen  Geistesanstrengungen  nur  geringe  Beach- 
tung im  Publicum  finden^  sich  cur  Aufgabe  wählen.  Daher  stehen 
William  Blakstone  (zu  London  geb.  1723,  f  1780  zu  Loa* 
don)  und  Jeremias  Bentham  (geb.  tu  London  1735,  f  1832) 
völlig  Vereinselt  da.  — >>  Die  Media  in  gi4>t  cu  sehr  ähnlichen 
Bemerkungen   Veranlassung,    denn   selbst  die   beiden   historisch 

•  merkwürdigsten  Erscheinungen»   die   für  diese  Wissenschaft  von 

Grossbritannien  ausgingen,  Joh.  Browne^ 8  (geb.  in  Bemikshira 
1735,  f  au  London  1788)  Erregungssystem  und  die  seegena- 
reiche  Entdeckung  Eduard  Jenner' i  (in  (^loueestershire  geb. 
1749,  \  SU  London  1823)  in  der  Anwendung  der  Kuhpockea, 
wurden  auf  dem  Wege  der  Praxis  gewährt  —  Es  kann  abfr 
hier  allerdings  nur  des  allgemeinen  literarischen  Charakters  Er^ 
wähnung  geschehen,  da  bei  jedem  grossen  Volke  einxelne  wissen» 
schaftliche  Entdeckungen  in  den  verschiedenen  Fächern  voraus- 
gesetst  werden  dürfen,  ihre  AnfTührung  aber  hier  keine  geeignete 
Stelle  findet  Halten  wir  aber  jenen  aligemeinen  literarischen 
Charakter  des  Britischen  Volks  uns  stets  vor  Augen,  so  wird  es 

V  uns  leicht  erklärlich,  welche  Wissenschaften  hier  die  unumwun- 

denste Anerkennung  su  erwarten  haben  und*demnach  wohl  auch 
die  beachten^werthesten  Fortschritte  erwarten  lassen.  Die  ape« 
eulative  Philosophie  findet  daher  für  tiefe  metaphjsiaohe 
Untersuchungen  hier  keinen  geebneten  Boden,  und  seit  Baco  von 
Verulam's  (London  1561  geb.,  f  1628)  und  Jchn  Lockere 
(b.  Bristol  geb.  1632,  f  b.  London  1704)  trdüichen  Forschungen 
ist  man  auf  diesem  Gebiete  eigentlich  nicht  weiter  vorgedrungen, 
sondern  nur  damit  beschäftigt,  <ße  aufgestellten  Lehrsätse  dieser 
grossen  Männer  nach  allen  Richtungen  hin  m  erläutern  und  weiter 
auszuführen.  Dies  isl  die  Aufgabe  ihrer  grossen  praktischen  Philoso*  ' 
phen  Anton  Ashlej  Cooper  Graf  von  Shaftesbury  (geb. 
London  167 |,f  Neapel  1713),  des  Matthews  Tindal  (Devonshire 
1655,  t  Oxford  1733),  des  David  Hume  (Edinburgh  1711,  f  1776) 
tt.  m.  a.  Aber  um  so  eifriger  ist  das  Studium  der  auf  phiiosophi« 
scher  Grandlage  beruhbndeA  Staatswissensehaften  und  Na- 
turwissenschaften betrieben.  Haben  jene  seit  Thomas  Hob« 
bea  (Malmesbarjr    1588»  f  1679)  und  feinen  politischen  Gegner 


f ' 


Das  Britische  Beicb»  es$ 

Joha  Iiocke,  den  BegiÜndern  der  iinbeaehrinkt  monarehigehes 
und  der  conititattonell  nonarehiieUes  poUtUchen  Sjeteme  die 
Stuumführer  Eoropu  Tonügliefa  in  Groisbritennien  gefunden,  ha- 
ben-dadaroh.  die  nahe  yerwandten  Untenudiungen  \t  Jedem  Theile 
der  Staatftwirthschaft  gleichfalU  ihre  Hauptarbeiten  seit 
Adam  Smith  (b.£dinburgh  1723,  f  1790),  aeit  Arthur  Young 
<I741,  t  London  1820),  Th.  R.  Malthifi  (geb.  J774,  f  London 
1834),  J.  Ricardo  n.  a.  w.  ron  den  Britischen  Schriftstellern 
erhalten ;  lo  sind  die  Naturwissenschaften  seit  I^aacNewton  (Lin* 
colnshire  1642,  f  ^  L'^don  1726)  mit  ausserordentlicher  Reg- 
aamkeit  and  allgemeiner  Thennahme'  gefördert  ^worden,  ohne  das» 
wir  hier  die  yielfaehen  grossen  Verdienste  der  Engländer  für  Phjr- 
aik,  Chemie,  Mineralogie,  Botanik  und  Zoologie  auoh  nur  weiter 
iindeutetf  können.  —  Gleicher  Eifer  und  gleicher  Erfolg  dürfen 
aneh  von  allen  mathematischen  Wissenschaften  und  na- 
mentlich Ton  der  Astronomie  gerühmt  werden,  seitdem 
Newton's  und  Edward  Halley^a  (London  1656,  f  1742), 
John  Flamsteedfl  (Derbj  1746,  f  Greenwich  1720),  John 
Bradle/a  (Shimbom  1692,  f  1742  au  Greenwich),  Wil.h.^ 
Herschers  (Hannover  1738,  f  1822  b.  London)  Meisterarbei- 
ten diesen  Wissenschaften  in  England  einen  neuen  Aufschwung 
gegeben  haben.  —  ^ 

B0i  dem  Stadium   der   elassisehen  Philologie,    so  wie 
bei  dem  der  allgemeinen' Sprachkunde  überhaupt,  wird  weni- 
ger die  grammatische  Gründlichkeit  hervorgehoben,  als  hauptsäch- 
lich   die  Aufmvksamkeit   auf  die  Erläuterung   der.  Schriftsteller 
und  das  Eindringen  in  ihren  Geist  gerichtet     In  diesem  Geiste 
wurde  seit  Richard  Bentlej  (i.  Yorkshire  geb.   1662,  f  1742 
SU  Cambridge)  fortgearbeitet,   und  John  Davies  (London    1679 
geb.,  f  Cambridge  1732),  Conyers  Middleton  (1683,  f  Cam- 
bridge   1750),    Jeremies   Markland   (1693,   f   zu   Cambridge 
1776),   Gilbert  Wakefield  (Nottingham  1756,   f  au  Hacknejr 
1801),   Richard  Person  (Norfolkshire    1759,   f  London  1808) 
pflanaten   diese  Schule   bis    auf  die   Blomfiel'ds    und  Peter 
Paul  Dobree  der  neuesten  Zeit  fort    Aehnlich  dieser  Behand-  - 
lungsweise  der  Philologie  erscheint  der  allgemeine  Charakter  ihrer 
Hist^oriker,   die    in  der  Darstellung  der  Begc^nlieiten  durch 
tief  eindringendes  Urtheil  und   umfassende  Forschung  ein  ni5g« 
liehst  wahres    und   vollständiges  Bild  der  Ereignisse  uns  vorsu- 
fHbren  sieh  bemühen.     So  die  Meister  David  I|ume  (s.  oben 


1 


SM 


Das  Britigche  Beicli; 


und  Edward  Gibbon  (geb.  1737  tOs/der  43rafSieh«ft  Sorrey^  f 
SU  London  1794),  die  bei  allen  ihren  Fehlern  im  Einteilten  doch 
wenige  Geichichtschreiber  unter  allen  Tölkem  der  neueren  Zeit 
finden  lassen,  die  einen  sblehen  dauernden  Totaleindruek  gew&h« 
ren.  Aber, auch  b^  den  sahireichen  späteren  gediegenem  ArCei- 
ten  dieses  Faches,  denen  wir  in  der  Darstellung  nicht  einen  so 
liohen  Rang  ansiiweisen  vermögen,  athmet  derselbe  Genius  der 
klaren,  anschaulichen  und  gründlich  umfassenden  Behandlung 
fort,  wie  dies  auch  den  geach testen  Namen  unter  den  gegenwär- 
tig noch  lebenden  Geschieh tsohreibem,  einem  Henry  Hallam, 
einem  Soh.  Lingar^  nachgerühmt  werden  muss.  Daher  sind 
einzelne  ihrer  statistischen  Arbeiten  (s.  oben  9«  lund  Ab* 
theilung  1.,  S.  64  und  65),  wiewohl  selbstständige  Untersuehun- 
gen  bei  den  Briten  nur  von  dem  vaterländischen  Staate  unM  sei- 
nen Colonien  [geliefert  sind,  musterhaft  durch  ihre  susammen^ 
hängende  Vollständigkeit,'  wie  Sinclair  und  Buchanan.  Aus 
.denselben  Grunde  Lallen  aber  auch  die  Reisebeschreibnn- 
igen  der  Engländer,  namentlich  wenn  sie  Griechenland  oder 
den  Orient  mim  Gegenstand  nehmen,  ausgeseichnetes  Verdienst^ 
weil  ihre  Bildung,  die^  das  Alterthum  sprachlicli  und  sachlich 
mr  Grundlage  nimmt,  die  angemessenste  Vorbereitung  und  ihr 
«mfassendes  politisches  Urtheil  den  sichersten  Maasstab  für  Ver- 
gangenheit'und  Gegenwart  gewährt 

Die  gesamnite  literarische  Ausbeute  eines  Jahres^ 
verglichen  nach  der  Zahl  der  Öffentlich  bekannt  gemachteil 
Werke  mit  den  beiden  Leipziger  Messcatalogen,  giebt  einen 
grossen  Vorsprung  der  Dedischen  Literatur.  Dagegen  ist  der 
Absatz  gediegener  Werke  wegen  der  grossen  Zahl  ansehnli^er 
Privatbibliotheken  gesicherter  und  deshalb  verhältnissmässig  die 
Masse  de^  jährlich  erscheinenden  neuen  Auflagen  in  Gross- 
britibnien  ungleich  grösser.  Der  Buchhandel  lieferte  um  das 
Jahr  1770  im  Durchschnitte  Jährlich  400  neue  Werke  und  350 
Flugschriften  und  Schulbilcher.  Fünfzig  Jahre  später  ersehea 
wir  aus  einem  fünQährigen  Durchschnitte  (18|})  jälyrlich  800 
neue  Werke  von  dem  Bufchhanclel  geliefert,  deren  Kosten  gegen 
200'000  <3  St  (1,400,000  ThI.)  betragen:  ausserdem  lOSO  neue 
Auflagen  mit  einem  Kostenaufwande  von  275,000%  St.  (1,925,000 
ThL)  und  1200  Flugschriften  und  Schulbücher,  die  gegen  100,000 
<S  St.  (700,000  ThI.)  kosteten,  also  der  Gesammtbetrag  des  Britischen 
^Buchhandels  machte  damals  für  ein  Jahr  575,000  |l  St  (4,025,000 


Dm  Briti84:lie   Beiclu  636 

Thl.).  Seh  dieiör  Zeit  bemerkt  man  ein  Jlhrliehee  Steigen  ia 
der  Herausgabe  nett  ertehienener  Wi^rke,  ohne  jedoch  gleichsei- 
tig daieelbe  von  den  neuen  Auflagen  wahrnehmen  su  können. 
Im  Jahre  1831  waren  nach  Benti  literarischen  Anzeigen  1100 
neue  Werke»  61  neue  Original-Kupferstiche  und  11  Lithogra-^ 
phien  ror,  und,  1832  1180  neue  Bücher,  94  Kupferatiche  und 
5  Lithographien  herausgegeben. 

X  Die  Zahl  der  Bände  der  ^u  erschienenen  Werke  betrug  1 828 
z=  1105,  im  Jahrc»'J832  =  1537,  es  fand  also  durchsehnittlich 
In  den  letzten  Jahren  eine  jährliche  Zunahme  von  67 — 68  Wer- 
ken und  92 — 93  Bänden  statt,  welche  hauptsächlich  durch  die 
ch0ap  ltbraine$  (unsere  Pfennig-  oder  Taschen •  Ausgaben^  ent- 
standen sind.  Dadurch  hat  sich  auch  der  DuröKschnittspreit  dea 
Bandes,  der  sich  noch  1828  auf  12  ShiU.  (4  Rthlr.)  belief,  1832 
auf  10^  Sh,  (34  Rthlr.)  ermässigt  Die  beiden  Hauptplätze  des 
Britischen  Buchhandels  sind  London  und  Edinburgh.  In  LondoYi 
befanden  sich  1835  allein  832  Buchhandlungen,  also  fast  einjp 
eben  so  nosse  Anzahl,  als  die  sämmtlicher  Verlagsbuchandlun- 
gen  für  ganz  Deutschland  beträgt  Von  diesen  waren  481  aus- 
schliesslich Sortimentshändler  und  324  Stationers,  die  gleichwie 
,  viele  Buchhandlungen  im  südlichen  und  wesllichea  Deutschland 
zugleich  mit  Papier  und  Schreibmaterialien  handeln.  Verlags-  ~ 
handlungen  giebt  es  hier  ausserdem  27,  von  welchen  6  nur  ih- 
ren eigenen  Verlag  verkaufen,  21  andere  aber  sowohl  eigene  alz 
im  Auslände  erschienene  Bücher'zum  Verkauf  stellen.  Von  diesen  Ver- 
lagshandlungen *1  in  London  wurden  1830  1170Werke  und  1834  1270 
Werke,  jedoefTmit  £inschluss  der  na^en  Ausgaben,  Zeit-  und 'Flug- 
schriften und  73  Kupferstiche,  darunter  2U  Portraitsiiekannt  gemacht« 
Die  Zahl  der  grossen  Buchdruckereien  in,  London  war  150,  dia 
der  Kupfer-  und   Stahlstecher  410.  -—  '  « 

Die  allgemeinere  Theilnahme  des  grösseren  Publikumaandon 
populären  Erscheinungen  der  Literatur*  hat  in  den  letztep^  sechszig 
Jahren  sich  unglaublich  vermehrt  Die  Nordamerikanische  und  die  ^ 
Französische  Revolution,  welche  gleichzeitig  einen  ausserordentU- 


*)  Als  die  grosste  machte  sieh  1830  die  Buchhandlung  I^ii|(man 
gelten/,  welche  jährlich  500,000  Bände  verkaufte,  60  Ladendiener 
hielt,  ^50  Drocker  und  Buchbinder  beschäftigte,  und  allein  fiir  An- 
kündigungen ihrer  Bücher  in  den  Zeitungen  jäbrlieli  iaOO-%  St 
(38,500  Rthlr.)  au;$gab,. 


5lft  Das  Britische  Beicb. 

\^€n  Anttow  der  politiicben  üidttftrielleii  und  intellectoelleii  Eni- 
wiokelung  Grotsbritaooiens  gab,  eneugte  auch  niobt  minder  eine  all- 
gemeine Leiea ueht,  die  licb  bis  in  die  niedrigsten  Volksklaa sen  ein- 
drängte^ Es  wurden  Romane,  uiH  durcb  Pbantasien  aus  Torgespiegul- 
ten  Lebensverhältnissen  die  Zeit  in  den  wirklieben  ni  vertreiben,  mit 
politiseben  Schriften  abgewebhseit,  welche  den  Leser  auf  dieleich  testo 
Weise  bald  die  Rolle  eines  Feldherren  und  Staatsmannes,  bald 
die  eines  Kapitalisten,  Fabriken-Inhabers  oder  grossen  Gnindbe- 
•itiers  übernehmen  liessen,  um  jedem  Stande  den  besten  Rath 
ohne  Kenntniss  von  der  Sadie  selbst  m  ertheilen.  Dahev  be- 
fanden sich  in  London  vor  dieser  Zeit  1770  nur  4  Leihbiblio- 
theken, 1821  bereits  121,  1625=170  und  1S3^  mit  den  Lese- 
Cabinetten,  in  welchen  vorsugsweise  Zeitungen  sur  Leetüre  vor- 
gelegt werden,  vereinigt  schon  360.  In  ganx  Grossbritannien 
war  die  Zahl  der  Leihbibliotheken  1821  =000  und  1835  gegen 
1200.  Ausserdem  aber  gab  es  noch  1500 — 2000  BüdiergeseU- 
sfihaften  oder  Bücher-Clubs,  welche,  eine  Menge  Büdier  yersebie» 
denen  Inhalts  lunter  ihren  Mitgliedern  verbreiten,  und  g^en 
5000  Leseinstitute  für  Zeitungen  und  Journale.    ^ 

4  Zu  demselben  Ergebnisse  für  das  in  dieser  Periode  ausser- 
ordentlich gesteigerte  Lesebedürfniss  gelungen  wir   aus    der  Ue- 
bersicht   über   d^n   gegenwärtigen  Zustand  ,der  Englischen  Tag- 
bl^tter  und  Zeit«chriften.     Die  älteste  Zeitung  ist  ih(f  Engli9eh 
Mercuriey  weicher  zuerst  1588  erschien,    als  die  Spanische  Ar- 
mada die  Englische  Küite  bedrohte.     Doch  blieb  das  Zeitungs- 
wesen  unter  der  Königin  Elisabeth   uifd    den  ßtuirts  noch  sehr 
beschränkt,    und '  erst   seit   den  Zeiten  Wilhelms  VL    wurde  bei 
der    grösseren  Pressfreiheit,    seil    der    Aufhebung    der     Censnr 
im  lahre    1694,   die  Theilnahme   für   die   politisd^en  Neuigkei- 
ten   und   Verhandlungen    des    Inn-    und     Auslandes    lebhafter. 
Da    im    18.   Jahrhunderte    jedes    einzelne   Blatt  'einer    Zeitung 
gestempMt  wurde,   so   ist   die 'Uebersicht   gleichseitig  nach  der 
Zunahme  der  Zeitungen  und  der  einzelnen  Blätter  derselben  m 
berechnen.  ^  Unter  Georg  II.   waren    1750   in^  ganz  Grossbritan- 
nien  40  Zeitutigen,   von   welchen   7,000,000  Blätter   das   ganze 
Jahr  hindurch    abgezogen   wurden.      Dreissig  Jahre   später   am 
Ende   des  Nord  amerikanischen  Freiheitskrieges   gab   es   72  Zei- 
tungen,  von  welchen  12,680,000  Blätter  im  Jahre  abgesetzt  wur- 
den.    Am  Anfange   der  Französischen  Revolution   war  die  Zahl  ' 
der  Zeitungen   1792  bereits  auf  146  ipd  die  der  einzdnen  Blät- 


Das  Britische  Reich. 


537 


ter  auf  14,210,760  gesteigert  Am  Ende  det  CoBtinentftlkrlegee 
1814  war  die  Zahl  der  Zeitungen  276,  und  die  der  einzelnen 
Blatter  im  ganien  Jahre  25,186,396,  wovon  allein  1 1,000,000  BIfttter 
in  London  gedruekt  wurden.  Diese  hraefaten  an.  Stempelgebüh* 
ren  für  die  Zeitungen  .selbst  ein  349,103  %  St  (2,443,721  Tfal.y 
und  überdies  an  Stempeigeflillen  ftti^  die  in^  den  Zeitungen  ab- 
gedruckten Öffentlichen  Anseigen  116,352  %  St  (814,464  Tbl.), 
also  überhaupt  an  Zeitungsstempel' 3,258, 185  ThL  —  äeit  dieser 
Zeit  ist  es  nicht  mehr  gestiegen,  denn  im  Jahre  1822  erschie* 
Den  in  Grossbritannien  allein  doch  nur  284  2^itnngen ,  da- 
runter in  London  57*),  im  übrigen  England  134,,  wc^ei  sich 
mehrere  2^itungen  befanden,  die  su  6000  bis  7000  Exempla- 
ren. .  t&glich  abgesetst  wurden ;  überdies  wurden  noch  in  die« 
■em  Jahre  70  periodische  politische  und  wissensohkftliche  Mo- 
nats-, und  Vierteljahrs -Zeitschriften  herausg^eben.  —  G^en- 
wärtig  (1835)  erscheinen  an  politischen  2^itungen  im  Umfange 
des  Britischen  Staates  der  Zahl  nach  swar  mehrere,  aber  der 
Absatz  der  einielnen  Nummern  dieser  2i.  im  gansen  Jahre  ist 
nicht  grösser  als  1814.  Es  sind  in  London  jetst  12TagebUtter, 
0  dreimal  und  sweimal  in  der  'Woche,  32  Wochenblätter,  180 
Enfl:lische  Provincial- Zeitungen,  50  Schottische,  76  Irländi- 
sche, 11  auf  den  Inseln  Jersej,  Guemsej  und  Man,  1  sa 
Gibraltar,  26  in  Ostindien,  20  in  Westindien,  13  in  den 
Britischen  Besitxnngen  auf  Afrika  (darunter  aber  2  in  Hol- 
ländischer Sprache),  19  auf  den  Britischen  Besitinngeh  in  Nord- 
amerika (darunter  2  in  FraniÖsischer  Sprache),  16  in  Australien, 
yalso  überhaupt  471  2Mtungen,   die  täglich  oder  drei-,  iwei-  und 


*)  Die  Times  sind  im  19.  Jahrhiinderte  das  gelesenste  Eng- 
lische Blatt,  von  welchem  bereits  1801  =:  1,580,150  ^emplare  ver- 
kauft wurden y  deren  Stempelung  1^333  %  St  (110331  Tbl.)  ein-* 
brachte.  Im  J.  1819  wurden  2,200»782  Ex.  und  1821  3»684,800  Ex. 
verkauft;  der  Stempel  der  letzteren  machte  44,746  %  St.  (313,2*21 
Thl.).  Im  J.  1834  enthielten  die  Times  113,637  Anzeigen,  die  ausser 
dem  Zeitungsstempel  noch  8522  S  St.  (59,654  ThL)  an  Stempelge- 
fallen  einbrachten.  *  Nächst  den  Times  sind  dib  gelesensten  ^  der 
Courier  (182*2  1,594,500  Blätter  im  Jahre  abgesetzt)  und  der  Globe 
unter  den  Abendzeitungen,  sowie  der  Mominf^-Herald  und  die  M6r- 
ning-Chronicle  unter  den  Morgenblättem.  Unter  den  1/Vochenblät- 
temwird  der  Observer  am  stärksten  vericaufl»  gegenwärtig  Jede 
Nro.  in  10,000  ExeiHplaren. 


538  Das  Briiisclie  Beiclu 

einmal  la  der  Woche  heran  Aommen«^  AuMerdera  werleii  in  Chroga» 
briunnfen  un4  Irland  noeh  99  MonaUichriften  föc  die  verschie- 
denen Gebiete  der  wiiientchafdiehen  Literatur,  '21  Vierteljahra- 
achriften  ffir  dieselben  G^enst&nde'  nnd  39  Honataschriften 
für  jreKgiöse  Erbauung  der  TeraehiedeneQi  christlichen  Religiona- 
partheien  herausgegeben« 

Auf  dne  würdiger^  Weise  dienen  ala  erfreuliche  Zeichen  ei- 
.  ner  weit'  verbreiteten  'höheren  geistigen  Bildung   die  vielfachen 
'  gelehrten  Vereine   für    einselne    Zweige   des  literarischen  Wir« 
kens.    Denn  ausser  den  bereits  oben  (S.  514  und  522)  angeführ- 
ten  königlichen  Gesellschaften  fUr  Wissenschaften' und  schöne 
Künste,  sind  noch  m  London  die  Gesellschaft^  sur  BefSrdemng 
der  Künste»   des  Handels  und  des  Gewerbfleisses  (gestiftet  seit 
1753),  jetxt  von  einem  Präsidenten  und  16  Vice -Präsidenten  ge- 
leitet, die  g^eplogische,  die  soologische,  statistische,  die  knedicinijphe, 
die  ehirurgbohe^  die  antiquarische,  die  Gesellschaft  der  Kupferste- 
cher und  noch  funfiehn  andere  wissenschaftliche  Vereine.  Zu  Edin- 
b^urgh  ist  nach  dem  Muster  der  Londoner  1782  eine  königliche 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  (Royal -Societj,  vorsügsweise  für 
mathematische  und  Natur- Wissenschaften),  femer  der  Wemersche 
naturforschende  Verein  seit  1808,  su  Ehren  unseres  Landsmannes 
als  Begründern   eines  neuen  geologischen  Systems   s(^  genannt, 
die  königlich  medieinische  Grcsellscheft  aus  mehr  als  1000  Mit- 
gliedern bestehend,  die  astronomische  GeseHsehaft  1812  mit  einer 
eigenen  Sternwarte  ^auf  Caltonhill,    die  Gesdischaft  der  Alter- 
thumsfreunde  Schottlands,  1783  gestiftet,   die  Cal^donische  Gar- 
ten-Cultur- Gesellschaft  sur  Veredlung^  der  Gartenfrüchte  ipd  Gar- 
tengewächse 1809  errichtet;  die  Cresellschaft  sur  Beförderung  des  , 
Ackerbaues  und  der  Viehsucht  in  den  Hochlanden,  die  Gesell- 
Schaft  sur  Einführung  und  grossem  Verbreitung  der  'Englischen 
Sprache,  die  Gesellsch.  sur  Ausbreitung  des  Christenthums  u.  s.  w« 
Zu  Dublin   bestehen   die  königliche  Gesellschaft   der  Wissen- 
schaften^ wie  die  su  Edinbu;rgh,   seit  1749  gestiftit,   die  könig- 
liche Academie  für  die  Alterthümer  Irlands  ceit  1786,  der  Dubli- 
ner  naturhistorische  Verein  n. s.w.   Zu  Birmingham  die  philo- 
aophitche  Gesellschaft,   su  Liverpool  die  naturhistorische  C}e- 
sellschaft,   au  Manoheater  die  gelehrten  Vereine  für  Literatur 
und  Philofophiey  für  Philologie,  fttr  Landwirthschaft  n.  a.  w. 


Das  Britische  Beio^  Q9 


C.    Die  Tetfassung  des  Britisd^ien  Reichs. 


i  14 

Die  jGrundgesetze  der  Staatsverfassung« 

Tk0  SiatMte$  of  th0  Realm,  prmt0d  hy  eawmumi  af  " 
fC  Georg  III,  from  originai  reeordt  and  authentie  Momh* 
MeriptB,  London  9  voL  foL  Diese  Sammlung  enthilt  Tollatiodig 
alfe  Freiheitsbriefe  y  welche  den  Engländern  ron  ihren  fCönigen 
■eit  Heinrichs  L  Zeiten  (von  1101  ab)  gegeben  sind.  G.  F. 
V.  Märten s  Sammlungen  der  wichtigsten  Reichsgnindgesetie» 
Göttingen  1704  1.  T&L  Grossbritannien,  Schweden  und  Dä- 
nemark. —  De  Lolme's  för  das  achtiehnte  Jahrhundert  beach* 
tenswerthe  Werk  Ober  die  Englische  Verfiassung  ist  nunmehr  durch 
die  g^nwftrtig  voriiegenden  Original-Untersuchungen  der  Eng- 
länder fiberflussig  gemacht,  unter  denen  wir  nur  die  hen^erkm« 
werthesten  ausseichnen:  John  Miliar,  an  htiiorieal  vüw  of 
the  Engli$h  govemmont  from  the  oeitUmeni  of  tho  SaxonM  in 
Britain  io  the  revolution  in  1688,  London  4  ToL  8vo.  1786»  ^ 
4.  Originalaufl.  817  8fo.  Die  ersten  drei  Bände,  welche  die 
historische  Entwickelung  enthalten,  sind  von  Geh*  Rth.  D.  K.  EL 
Schmidt,  Jena  1819 — ^20  8vo.  in  3  Bd.  öbersetxt  —  Henry  HaU 
lam%  the  iconetitutional  htgtory  of  England  from  the  aece$9ion 
of  Henry  FII,  to  the  death  of  George  //.,  London  1827, 
2  ToL  4to.:  ein  correcter  Abdruck**  ist  die  Ausgabe  Paris  Bau- 
drjr  4  rol.  1827  8vo.:  eine  vollständige  Uebersetsung  dieses  Wer- 
kes besitzen  wir  noch  mcht  ün  Deutschen,  •«   Lord  John 


*)  AU  ein^tehr  treffliche  Einleitung  zu  diesem  h5chst  ach- 
tongswerthen  Werke  dient  desselben  Verfassers  geschichtliche  Dar- 
stellung des  Zustandes  von  Europa  im  Miitelaltci^,  die  ivf  zweiten 
Band  die  historische  Entwickelung  der  Englischen  Verfassung  wäh- 
rend des  Mittelalters  als  den  Kern  des  ganzen  Werkes  enthält.  Wir 
besitzen  von  diesem  Werke  eine  gelungene  Uebersetzung  nach  der 
zweiten  Originateusgabe  von  B.  J.  F.  von  Halem  t  Sände^ 
Leipz.  1820  ^vo. 


\ 


.• 


MO  Düs  BrltiBche  Beicb. 

RumaI  klstofy   of  th$  English  govemmeni  and  e<m$tituiiaa 
fiom  ih$  aceespon  of  Henry    VtL^  London   1824  \8vo.9   ins 
Deutiehe   übersetit  von  'D.   P.   L.   Kritx,    Leipzig    1825    8vo. 
^  Dieses  Werk,  welches  in  der  gründlichen  historii^chen  Enhricke- 
lang  mit  dem  vorangehenden  gar  nicht  su  vergleichen  ist,  bleibt 
aber  immer  sehr  beachtenswerth,  da  es  uns  ein  deutliches  Bild 
von   den  Ansichten  des   grösjieren  Theils  der  Britischen  Staats- 
männer über  die  Englische  Verfassung  vor  der  Reformbill  ent- 
hält   ^Damit  sind  zu  vergleichen  (Creevey)  Letteru  to  Lord 
^John  Russell  upon  ht$  notice  of  a  motion  for  a  reform  in  Pan- 
^  Uament^  '3.  edit  London  826  8vo.;  diese  Briefe  suchten  vomem- 
Ijch  die  ursprüngliche  Bildung  deji  Unterhauses  naiihxuweisen.  — - 
Edgar  Taylor  th$  hook  of  Rights,  or  constitutional  acta  and 
parliamentary  proceedingg,   London    1833    8vo.    —    Sc  Km  alz 
SiaatsveifassungGrossbritanniens  Büüle  1800  8vo.  ^-  England  in 
der  Reform»  Berlin  J835  8to.  -* 

Die  Grundgesetze  dieser  in  seehs  vollen  Jahrhunderten  nach 
und  nach  auferriehteten  und  durch  die  blutigsten  Bürgerkriege 
behaupteten  Verfassung,  welche  noch  bis  auf  diesen  Aiigenblick 
staaterechtlicli  gültige  Kraft  besitzen»  sind  folgende: 

1)  Die  magna  charta  libertatum  vom  15.  Juni  1215,  ge- 
meinhin als  das  Palladium  der  Englischehen  politischen  "Freiheit 
verehrt»  und  in  Grossbritannien  als  the  greäi  chafter  vor  allen  übri« 
gen  Freiheitsbriefen  begrüsst.  Doch  ist  ihr  Inhalt  diesem  Begriffe 
keinesweges  entsprechend:  denn  sie  trägt  ganz  besonders  das  Ge- 
präge der  eigenthümlichen  Zeitumstände  an  sich,  unter  denen  sie  der 
königlichen  Gewalt  von  den  beiden  oberen  Ständen  abgenöthigt  wor- 
den ist  König  Johann  befand  sich  in  der  grössten  Verlegenheit,  er 
war  zerfallen  mit  allen  Ständen  seines  Volkes  und  hatte  den  Zorn 
des  Röipischen  Stuhls  im  höchsten  Grade  gegen  sich  erregt;  dies  for- 
derte damals  gleichsam  jeden  Stand  auf,  soviel  als  möi(lich  von  sol- 
cher Noth  für  sich  zu  gewinnen.  Die  Geistlichkeit  erlangte  vollstän* 
dige  Befreiung  von  aller  weltlichen  Gerichtsbarkeit  und  eine 
ganz  unabhängige  Wahl  der  Bischöfe  und  Vorsteher  der  Ab- 
teien. Der  Adel  machte  sich  frei  von  allen  Geldlasten,  vo|i 
Vorspann  und  Lieferungen  von.  Lebensmitteln  für  das  herumzie- 
hende Hoflager  des  Königs.  Qa  fasste  auch  der  Bürgerstand 
sein  Hauptinteresse  näher  ins  Auge  und  rang  vorzüglich  nach 
S^Ufreiheit  für  den  grösseren  Hafidelsverkehr.    Der  König  blieb 


I 


Das  J^ritische  Reick. 


4M1 


»» 


dadardi  faat  «onditieMlicIi  aaf  teiDe  DomuBeo,  bciehriiikt;  die 
inzwitekeD   in  England' aiidi  nicht  unbedeutend dirureo,   da  1^* 
belm  der  Eroberer   bei   der   allgemeinen  Einführung  der  Ldins- 
Terfaasung    naeb    der'  Eroberung    des  Landea    1600   Güter   dtt 
Krane  vorbehalten   hatte.     Alle   freie  Stände  hatten  aber  durch 
diesen  Freibeittbrief  das  für  jene  Zeiten  überall  heitschender  Will* 
köhr  sehr  grosse  Vorrecht  gpewonnen«  dass  kein  freier  Kann  ohne 
I  Untersuchung  in  gcAnglicber  Haft  gehalten   oder  seiner  Güter 
beraubt  werden,   und-  dass  er  nur  durch  seines  Crleichen  gerich- 
tet   Verden   durfte   {nui  per   legale  judiciam  partum  9morumJ.^ 
Ein   reiehistiUidiger  Ausschuss   von   35  Bfi^liede^   sollte  stets 
über  die  Erhaltung  der  Landesfireiheiten  sorg^tig  waefaen:  doch 
nussten  so  grosse  Beschränkungen  auf  der  einen  und  so  gewalt* 
sam    abgbdrungene  Vorrechte    auf  der  anderen  S^te  sehr  oft 
Reibungen   und   offenbare  Verletsung   der  eiümal  verCr^mftssig 
festgestelltmi  Bestimmungen   hervorrufen.     Noch   innerhalb  Jah- 
resfrist widerrief  Künig  Johann  selbst  mit  Crenehmigung  des  für 
die  Krone  wieder  gewonnenen  Papstes  einen  Theil  der  Privile» 
gien  der   Magna  Charta^  und   sein  Sohn  Heinrich  DL  musste 
wegen    oftmaliger    Verletsung    derselben    sieben    neue    Bestäti* 
gungsurkunden  während  seiner  langen,  aber  durch  Bürgerkriege 
oft  getrübten  Regierung  gewähren,  die  nicht  selten  neue  Erwici- 
terunj^n   der  ständischen  Rechte   feststellten,  insgesammt  aber 
die  Theilnahm^   der  Stände  in   der  gesetslichen  Mitbestimmung 
aller  Verhältnisse   des  König^reichs  Elngland  vergrdsserten.     Da 
nun    die    financiellen    Beschränkungen   der  königlichen   €Uwalt 
überall   bei   der  Ausführung   der  für  die  Sicherheit  des  König« 
reicbs  nothwendigen  Maassregeln  die  Hülfe  der  Stände  nothwen» 
dig  bedurfte,   und  namentlich  des  Standes,  dem  die  Steuerfrei« 
heit  von  seinen  Grundbesitxungen  nicht  xu  Theil  geworden  wer, 
so   mussten   dadurch   Mittelbar  mit  der  in  dieser  Art  gestalteten 
Entwickelung  des  politischen  LebiNis  in  England  auch  die  Rechte 
des  Bürgerstandes  ansehnlich  erweitert  werden;  seine  Abgeord«,  • 
neten  waren  1265  sum  ersten  Male  lur  V«rsammlutig  des  Adels 
und   der   Geistlichkeit  von   Simon  von 'Montiert,   Graf /von 
Leicester  berufen,   als   dieser  König  Heinrich, III.   besiegt  nnd 
gefangen  genommen  hatte.     Die  vollständige  Anerkennung  der« 
selben  erfolgte  in  dem  sweiten  Omndgesetie: 

2)  Siafutei  made  at  Lofkdon^  ihe  10.  Oei.  1297,  Edo* 


I 


I 


6tt  Das  Britisciia  B«ich. 

i^d  L^'a.^ft.i  in,  wichen  EdvaH  L  in  dem  Auf  «nd  swansig^ 
ston  Jahre  seiner  Regierang  bf  t  der  Bee^Uigiiiig  der  magnfi  ehartm 
ausdracklieh  die  Qausel  Hkf  die  kdaiglidie  Gewalt  hiniafifi^,  data 
ohne^  CinYiliigang  der  städtischen  Deputirten  keine  Steuern  fer- 
nerhin erhoben  ^irerden  dürften.  —  Die  glansrollen  Kriege  ^wi* 
schen^lBagland  und  Frankreich  im  vienehnten  Jahthunderte,  die 
Pertönliehkeit  Eduards  lU.  und  des  Prinsen  von  Wales,  des  un* 
ter  dem  Namen  des  schwanen  Prinsen  so  rtthmlich  bekannten 
Feldhcrm,  dje  mannidifachen  Verwickelungen  der  politischea 
I  VerhiUtnisse   durch   den  erweiterten   Besitzstand   üi  Frankreiefa, 

_  Hessen  manche  Vorrechte  Terjahren,  unterwarfen  auch  die  hdke* 
\  ren  Stilnde  der  allgemeinen  Besteuerung  und  riefen  nicht  seW 
ten  die  Ausschreibung  von  Steuern  ohne  Bewilligung  der  Stände 
hervor.  Da  nun  Richard  II.  auf  ^demselben  Wege  fortfahren 
wollte,  «die  anerkannten  und  beschworenen  Privilegien  des  Lan- 
des SU  annuUiren^  und  noch  viel  weiter  als  sein  Grossvater  Edu. 
nrdlll.  darin  vorging,  ohne  dessen  Mittel  zu  besitsen,  so  trat  die  ge- 
iährlidiste^eaction  ein,  welche  seinen  Sturs  veranlasste,  das  Haus 
Lancaster  auf  den  Elnglischen  Thron  hob',  und  während  dessen  Re- 
gierang und  der  dadurch  veranlassten  Bürgerkriege  zwischen  der 
Tothen  und  weissen  Rose  neue  'grosse  ErilV'eiterungen  der  Engli* 
sehen  Verfassung  ins  Lebai  liefen.  Diese  geben  den  Mittelpunkt 
der  gesammteif  inneren  Geschichte  Etiglands  während  einee  gan* 
«en  Jahrhunderts  bis  ^ur  Thronbesteigung  des  Hauses  Tudor 
(1485).  Die  wesentlichsten  Ergebnisse  derselben,  die  nach  ihrer 
nenen  Anerkennung  im  siebsehnten  Jahrhunderte  sich  bis  auf  die 
lieutige  Stunde  als  Grundangel  der  Verfassung  erhalten  haben, 
'  dnd  folgende.  Die  bereits  in  swei  Versammlungen  gesonderten 
Lörds  und  Commoners  (Abgeordnete  des  niederen  Adels  und  der 
Städte)  erhalten  wiederum  aussehliesslich  das  Recht  al^e 
Steuern  mi  bewilligen  und  dureh  Verweigerung  derselben  die  ge- 
sammte  Verwaltung  an&uhalten,  oder  nach  der  Majorität  ihres^ 
Willens  mi  bestimmen,  bei  der  Bewilligung  aber  für  die  einxel- 
\nwk  Theile  der  Verwaltung  ihre  etwannigen  Beschwerden  über 
dieselben  vorsubringen,  und  an  die  Abhülfe  der  einseinen  dieBe* 
willig^g  der  evhöhten  oder  verminderten  Steuern  ansuknüpfeh.^ 
Dadurch  Wird  eine  ControUe  Über  die  gesammte  Staatsverwaltung 
in  die  Ebnde  deir  L<Ards  und  Commoners  gegeben  und^  die  For- 
derung motivirt,  /hohe  Staatsbeamten  zur  Verantwortung  zu  zie- 
hen, wie  denn  auch  beiden  Häusern  suletst  die  Anklage  und  Be- 


Das  Bcitiscke  Beiei.  54S 

wtfhmg  teteikcB  tttritww  wfrl.  BailMi  erlABgtaii  4ie  Reidw* 
afOmdß  'ia  ^kacr  PerM«  iim  Gewieft,  4m  getaaimt»  Volk  gegoi 
MgitUlicIi»  Ver«rdhnni|t«B,  VerfUtchuig  dflrStmtaten  sieb«r  is- 
stellcB,  iadMi  alle  TIMle  4er  geeetigc^en^en  Gewalt  geMeia« 
■  e^af flieh  4eai  Staatseherhaupte  and  den  Pariettiente  saer« 
kanat  waHea,  alte  jede  Verordaaagy  die  die  Sieherheic  einet 
IndiriduanM  eder  einer  Gemeine  gefUirden  konnte,  erst  der  Ge- 
Behatigaag  beider  Hftaser  bedarfite,  welehe  aber  rQcktidililoeer 
Bacb  ikrer  Uebenei^aag  haadela  konatea,  da  die^  Vonreebte  der 
Lorda  aad  CoaiMeners  alt  Oeeetigeber  des  Reiebe  wfthrend  ibrer 
Amtafibraag  and  fir  die  Geeebifte  denelbea  TÖUige  Redfreibdt 
aad  Niebtrerantirordi^keit  lattekertea  % 

Deeb  noeb  eine  atarke  Probe  masita  die  Englitebe  Verfaetaag 
beatebea,  ebe  tie  dieee  elamal  eriaagtea  Vorreebte  aneb  aiit  fetter 
Bebaaptang  bit  aaf  die  Gegenwart  biniberfibrea  keaate.  DIee 
war  die  eiteme  R^ernag  der  beiden  erttea  Regenten  aat  dem 
Haaae  Tador,  der  Könige  Heinrieb  VII.  aad  VIU.  wbbreed  dl 
Jabre  (I485-— 547),  weiche  auf  die  TOUige  Ertehöpfung  det  Lan- 
des durch  die  Bttrgerkri^e  folgte,  in  deaea  gerade  der  gröttte  Tbeil 
det  bohea  and  niedem  Adely  erlogen  war,  alto  in  den  ertten  SM*  ^ 
tea  aaf  oinep  kräftigen  Wideretand  gtf^etf  die  Eingriffe  der  Regiming 
nicht  gerechnet  worden  durfte.  Bald  daraaf  liett  die'giantroUe  Re* 
gierang  der  Königin  Elisabeth,  die  fast  ^ ein  balbet  Jahrhundert 
dauert»  and  neue  Quellen  det  Woblttandet  für  dat  EngUtcha 
Volk  eröffnete,  die  Vertreter  des  Volke  bei  aundien  Forderaa« 
gen  der  Königin  Tergettea,  datt  tie  nicht  aaf  dem  durah  die 
Landetrerfattang  Torgetebrtebenen  Wege  gemaeht  warden.  Da* 
durch  warea  118  Jahre  lang  (1485—1603)  mehrere  Priirilegien, 
die  im  Mittelalter  durch  harten  Kampf  errungen  waren,  fatt  in 
Vergestenheit  gerathen,  oder  doch  nicht  in  ihrem  gaaaen  Um- 
fange and  bedeutungtrollen  Gewichte  angewandt  worden,  alt 
die  Regierung  der  Stuartt  gröttere  Gefahr  fOr  pertönliche  Sicher- 
heit und  lorohliche  Freiheit  der  Englinder  androhte  and  'drei^ 
neue  Grundgetetie  berrorrie^  welche  alt  Bettitigung  der  alten 


*)  Diede  Gegenttande  «ad  eimela  tehr  torgfaltig  Toa  Hall  am 
in  der  gecbichtL  DarsteUang  det  Zottaadet  voa  Europa  im  M.  A. 
Uebert.  v.  Halem  Bd.  IL  S.  358  a,  folg.  aateiaaadergeteiit  wordea. 


£44  Das  Brititche  Reich, 


angeielieli  werden  dürfen,  fmmer  ab«  die  Grandlage  der  hentU 
gen  ElngUsehen  Staatsverfassung  bilden«  | 

3)  Di(  Petition  ofrig^tg  von  1628.  — Diene  Parlamente- 
bill  vnrde  in  Form  einer  Bittschrift  im  dritten  Regiemngsjahre 
Carls  L  tl627)  eingebracht  und  enthielt  s&mmtliche  Beschwerden* 
der  verschiedenen  St&nde  des  Reichs  über  >die  ihnen  entsogenea 
Rechte  mit  der  gemessenen  Forderung ,  dass  alle  Landesprivile- 
gien der  Engländer  fernerhin  ungekrlinkt  bleiben  ,■  Niemand  will« 
kührlich  verhaftet  werden  un^  das  Eigenthum  bei  jedem  geswun« 
genen  Darlelin  unverletst  erhalten  worden  sollten«  Diese  Forde« 
niDg  wurde  von  beiden/Häusern  anerkannt  und  1628  vom  König 
Carl  I.  genehmigt. 

Die  Verhältnisse  der  Republik  England  waren  nur  vorüber- 
gehend  und  haben  keine  Grundgesetze  für  die  allgemeinen  Be- 
Stimmungen  der  Staatsverfassuog  zurückgelassen«  Bei  der  Wie- 
derherstellung des  Hauses  Stuart  auf  dem  Throne  Grossbritan- 
^  niens  veranlassten  die  Besorgnisse  für  die  Erhaltung  der  reinen 
evangelischen  Kirche  die  Corporationsacte  vom  Jahre  1661  und 
die  Testacte  vom  Jahre  1673,  ifber  deren  bedeutende  Wirksam- 
keit während  mehr  als  ISO  .Jahre  wir  bereit«  oben  S.  385—93 
ausführlichere  Erläuterungen  gegeben  haben« 

4)  Die  HaheaS'^'CorpuS'Acts  von  1679  oder  Act  for 
the  hetter  Becurtng  the  Uheriy  of  the  SühjectBy  and  for  pre* 
vention  ofimprisonment  heyond  the  i$0as.>Sie  bestimmt,  dass  bei 
irgend  einem  Aufstande  nach  Verlesung  der  Aufruhr -Acte  zwar 
jeder  Theilnehmer  an  den  Unruhen  sofort  verhaftet  werden 
kann,  abeir  dann  in  Zeit  von  24  Stundeii  verhört,  und  wenn 
nicht  ein  begründeter  Verdacht  eines  hohen  Staatsverbrechens 
auf  ihm  beruht,  gegen  Bürgschaft  auf  freien  Fuss  gestellt  wer- 

'  den  muss.  Sie  kann  nur  auf  eigene  Verantwortlichkeit  der  Mi- 
nister, wenn  keine  Sitzungen  des  Parlaments  sind,  auf  einen 
kurzen  Zeitraum  bis  zur  Eröffnung  des  Parlaments  suspendirt 
werden.  In  den  letzten  30  Jahren  ist  aber  die  Suspension  häu- 
fig von  Seiten  des  Parlaments  für  unruhige  Districte  Irlands 
«der  für  die  ^anze  Insel  auf  kürzere  Zeit^  oder  endlich  auch 
jmr  die  unruhigen  Fabriken-Districte  in  England  und  Schottland 
auf  einige  Wochen  und  Mopate  beschlossen  worden.      , 


\ 


I 


Das  Britische  Reiclu  645 

* 

Die  Ai»toliliefsun|i^  der  mäi^nlicheii  Linie  des  Hartes  Stu- 
art Toil  dem  Throne  von  Groubritannien ,  fowie  Sie  Anerken- 
nung der  weiblichen  Linie  in  Maria ,  der  Tochter  Jacobs  II.  und 
ihres  Gemahls  Wilhelms  III.  von  Oranien  als  Köpige  dieses 
Reichs,  und  der  Prinzessin  Anna,  der  Schwester  Marias,  als 
eventuale  Thronfolgerin  in  Folge  einer  freien  Wahl  wurden  vom 
Parlamente  benutzt,  staatsrechtlich  die  Verhältnisse  zwischen  der 
höchsten  Regierungsgewalt,  dem  Parlamente  und  dem  gesammten 
Volke  festzustellen,  was  denn  nicht  ohne  alle  Erweiterung  der 
früheren  Rechte  geschah  und  nach  der  damaligen  Entwickelung  der 
inneren  Politik  angemessen  angeordnet  wurde.  Dies  gewährte  in 
der  That  den  Schlussstein  für  die  Britische  Staatsverfassung  in  dem 
von  Wilhelm  IIL  und  Maria  gegebenen  Grundgesetze,  so  dass  in  den 
darauffolgenden  143  Jahren  bis  zur  Reformbill  keine  neue  Privilegien 
für  das  Volk,  oder  für  das  Parlament  als  Stellvertreter  desselben  in  al- 
len Beziehungen  zur  Staatsverfassung  und  Staatsverwaltung  gegeben 
wurden^  und  die  aus  dieser  Periode  anzuführenden  Grundgese^ 
nur  die  Thronfolge  der  Dynastie  und  die  innigere  politische  Ver- 
einigung der  drei  Königreiche  England,  Schottland  und  Irland 
zu  einem  politischen  Ganzen  betreffen« 

''     ! 

5)  Bill  ani  declaraiion  ofrighiB  and  6uvce9$ionj 
welche  in  das  Parlament  gleich  nach  der  Vertreibüif|;  Jacobs  II. 
im  December  1688  einn^ehracht  und  nach  ihrer  Annahme  von  bei 
den  Häusern  am  "^Tf^  ^^^^  ^^^  ^^"^  Könige  Wilhelm  III.  und 
seiner  Gemahlin  Maria  sanctionirt  wurde.     Dieses  Grundgesetz  ^ 
galt  zugleich  als  ein   Staatsvertrag    zwischen  Wilhelm  III.    und 
dem  Englischen  Volke,  weil  nur  unter  den  in  denselben  enthal 
tenen  Bedingungen    ihm   und    der   weiblichen  Linie  Stuart   ein 
Anrecht  auf  den  Englischen  Thron  zugestanden   wurde.      Nach 
denselben   sollen   niemals    ohne    besondere    Genehmigung 
des  Parlaments  neue  Gesetze  ^gegeben,  vorhandene  ältere  ab- 
geschafft, verändert,  oder  auch  nur  auf  eine  Zeit  lang  suspendirt 
werden,  sowie  kein  Unterthan  des  Britischen  Staats  von  der  Gewalt 
der  Gesetze  befreit  werden  darf.    Ein  stehendes  Heer  ^)  darf  in 


*)  Daher  ist^auch  bis  auf  diesen  Augenblick  das  Britische  Heer 
nicht  nur  das  kleinste  im  Verhaltnisse  zu  dem  Umfange  dieses  Staa- 
Schabert'8  Statistik  U*  35 


/ 


546  Das   Britische    Reich* 

Friedenszeiten  weder  geworben,  noch  erhalten  werden.  Die 
Wahlen  zum  Unterhause  des  Parlaments  müssen  durchaas  frei 
von  aller  .Einwirkung  der  Regierung  erhalten  werden,  auch  die 
fretesten  Reden  in  demselben  dürfen  nur  von  Seiten  des' Paria* 
.  ments  gerügt  werden,  und  endlich  soll  die  oberste  Regierungs- 
gewalt  sich  weder  eine  zu  grosse  Geld-  noch  Leibesstrafe  erlau- 
l>en  dürfen. 

6)  Act  of  Bettlement  for  th$  furtker  limi'taiton  of 
tie  9ncce»ston  of  the  croten  and  bettet  securing  ,tke 
rights  and  liberties  of  the  Suhjectg,  am  12.  Juni  1701 
von  König  Wilhelm  UI.  genehmigt  Dieses  Grundgesetz  ^chloss 
nicht  nur  die  früheren  zur  Sicherstellung  der  Rechte  und  Frei- 
heiten des  Englischen  Volkiertheilten  Privilegien  ein,  sondern  nahm 
auch  zugleich  in  sich  auf  eine  doppelte  Bestimmung  über  die  Thron- 
folgeordnnng.  Die  erste  war  schon  in  eioer  früheren  besonderen  Acte 
des  J.. 1700  enthalten,  dass  nur  diejenigen  Mitglieder  der  königlichen 
Familie  für  successionsfahig  erklärt  wtirderi,  welche  sich  selbst 
zur  AngUcanischen  Episcopalkirche  bekannten  und  mit  keinen 
Bekennern  der  Catholischen  Kirche  vermählt  wären.  Die  zweite 
verordnete,  dass  im  Falle  des  Ablebens  der  Thrmifolgerln  Anna 
ohne  Deicendenten  **)  das  Kurfürstliche  Haus  Braunschweig- 
litineburg  -  Hannover  auf  den  Thron  von  Grossbritannien  gelan* 
gen   sollte.      An   der  Spitze  desselben   stand   damals   Kurfürst 


tes  und  seiner  Bevölkerung,  sondern  es  muss  auch  noch  jetzt  für 
jede  Abtheilung  desselben  verfassungsmässig  ein  besonderer  Zweck 
zo^  ihrer  ferneren  Beibehaltung  angegeben  werden ,  wie  z.  B.  Be- 
satzung der  Ausser- Europäischen  Colonien,  oder  Unsicherheit  ein- 
zelner Theile  des  Staates  gegen  innere  oder  äussere  Feinde,  Ein- 
übung einzelner  Tnippentheile,  um  bei  dem  plötzlich  eintretenden 
Bedürfnisse  die  in  den  Colonien  stationirten  Truppen  sofort  abzu- 
lösen« 

*)  Diese  Besorgniss  war  in  diesem  Jahre  um  so  grösser  gewor- 
den, als  der  einzige  älter  gewordene  Spros^  aus  der  Ehe  der  Prin- 
cessin  Anna  mit  Prinz  Georg  von  Dänemark,  der  Herzog  Wilhelm 
von  Gloucester  am  10.  Aqg.  1700  in  seinem  zwölften  Jahre  verstor- 
ben war,  von  den  übrigen  zwölf  Kindern  aus  dieser  Ehe  aber  keins 
das  zwölfte  Jahr  üblerebt  hatte« 


Das  Britische  Reich«  547 

Georg  Ludwig,  welcher  darch  seine  Matter  SUiphia,  eine  Toehter 
der  Elisabeth  Stuart  (einzige  Seh  wester  des  Königs  Carl  1.), 
der  Gemahlin  des  unglücklichen  Kurfürsten  Friedrich. V.  von  der 
Pfalz,  dem  Erbrechte  nach  der  älteste  unter  den  evangeli- 
■  chen  Verwandten  des  vom  Throne  vertriebenen  Königshauses 
war.  Denn  unter  den  catholischeu  Sprösslingen  von  der  weibli- 
chen Linie  dieses  Hauses  gingen'  ihm*  voran  der  Herzog  Philipp 
Ton  Orleans  und  die  Herzogin  Elisabeth  Charlotte  von  Lothrin»- 
gen,  weil  beide  von  der  Herzogin  Elisabeth  Charlotte  von  Orleans 
abstammten,  die  eine  Tochter  des  Kurfürsten  Carl  Ludwig  von 
der  Pfalz  war,  der  als  ältester  Sohn  der  Elisabeth  Stuart  seiner 
Schwester  Sophia  und  deren  Descendenten  vorangestanden  hatte. 
Aber  durch  die  Verheirathung  mit  «catholischeu  Fürsten  hatten 
diese  Mitglieder  der  weiblichen  Linie  Stuart  ihr  Anrecht  auf  den 
Englischen  Thron  verloren.  Der  Kurfürst  Georg  Ludivig  von 
Hannover  nahm  inzwischen  1702  durch  die  Anerkennung  dieser  Acte 
nicht  nur  die  Thronfolge  in  diesem  Reiche  an,  sondern  er  ge*. 
nehmigte  dadurch  zugleich  auch  sämm'tliche  vorausgegangene 
Grundgesetze  zur  Sicherung  der  Rechte  des  EUiglischen  Volkes. 
In  Folge  dieser  Acte  bestieg  er  nach  dem  Tode  der  «Königin 
Anna  1714  als  ICönig  Georg  I.  den  Thron  von  Grossbritannien, 
der  gegenwartig  von  seinem  Ur-Urenkel  Wilhelm  IV.  in  Folge 
desselben  Rechtes  eingenommen  ist 

7)  Die  Unionsaete  zwischen  England  [und  Schott- 
land vom  IQ.  März  1707,  zufolge  welcher  die  Schotten  ga^s 
gleiche  ftechte  und  Freiheiten  mit  den  Engländern  erlangen, 
80  dass  beide  Reiche  seitdem  nur  ein  Reich  Grossbritannien*) 
bilden,  und  durch  ein  Parlament  zu  London  repraesentirt  wer* 
den,  in  welches  Schottland  für  das  Oberhaus  16  aus  seinem  ho- 
hen Adel  gewählte  Peers  und  für  das  Unterhaus  45  Abgeord- 
nete senden -^lollte. 

• 

8)  Die  Unionsaete  zwischen  Grjossbritannien  und 
Irland  vom  2>  Juli  1800,  welche  den  protestantischen  Irländern 


*)  Grossbritannien  kömmt  zwaf  schon  als  Titel  seit  der  Regie- 
rung Jacobs  I.  für  die  beiden  vereinigten  Reiche  vom  J.  \6'dß  vor; 
aber  staatsrechtlich  ist  es  erst  durch  diese  Acte  festgestellt. 

35^ 


548  Das  Britische  Reich. 

gans  gleich  mit  den  Engländern  und  Schotten,  und  den  Catho- 
liken  dieselben  bfirgerlichen  Rechte  bis  auf  den  Eintritt  in  das  Farla- 
lnent(S.  388 — 89)  gewährte,  überdies  ^j.  der  Staatsabgaben  des  ge- 
lammten  Britischen  Reichs  mit  Ausschluss  der  Zölle  für  Irland  be- 
stimmte, das  Irländische  Parlament  zu  Dublin  aufhob,  und  für  da« 
allgemeine  in  London  von  Irischer  Seite  in  das  Oberhaus  32  aus  dem 
hohen  Irländischen  Adel  gewählte  Peers  und  für  das  Unterhaus 
100  aus  den  Grafschaften  und  Städten  gewählte  Commoners  be« 
stimmte.  Elin  Lord* Generalstatthalter  tritt  als  Vicekönig  mit  ei- 
nem Staats«  und  Unter  -  Staatssecretär  und  einem  Kanzler  zur 
Seite  an  die  Spitse  der  inneren  Verwaltung  nnd  Rechtspflege 
des  Königreichs  Irland. 

-  9)  Die  Emancipationsacte  der  Cathöliken  vom  29. 
April  1829,  welche  den  Bekennern  der  Römisch-Catholischen 
Kirche .  gleiche  politische  Rechte  mit  den  übrigen  christlichea 
Religionspartheien  einräumte,  bereits  erläutert  S.  392 — 93. 

10)  Die  Reformacte  vom  6.  Juni  1832.  Diese  wird, 
da  sie  sich  nur  auf  die  Zusammensetzung  de«  Unterhause« 
und  auf  das  Recht  der  Theilnahme  an  den  Wahlen  der  Mit- 
glieder desselben  bezieht,  in  dem  §.  16  im  Zusammenhange 
mit  den  übrigen  Besiehungen  de«  Unterhauae«  genauer  erörtert 
werden.  — 


§.  15.        / 

Staatsform.    Rechte  der  höchsten  Staatsgewalt 
und  der  regierenden  Dynastie.  *  Titel. 

Hofstaat     Orden. 

Die  Staats  form  des  Grossbritannischen  Reich«  ist  gegen« 
värtig  für  die  drei  Hauptreiche  in  Europa  eine  und  dieselbe, 
ein^  dutch  mehrere  Staatsgrundgesetze  beschränkte  Monar- 
chie« mit  dem  Titel  Königreich,  welche«  aber  «owohl  für 
die  übrigen   Europäi«€hen  Besitzungen,  al«  auch  für  die  C^olor 


Das  Britische  Reich.  £49 

nien  in  den  andern  £rddieilen  nicbt  dieselben'  staatsrechtliclien 
Beziehungen  wafanranehmen  hat,  und  eben  so  wenig  den  Bewoh- 
nern   derselben  einen  gleiehmässigen   Antheil   an   den   Berechti- 
,  gangen  dieser  Staatsgrondgesetse  nehmen  liUst 

Die  Reehte  des  Königs,  als  Inhabers  der  höchsten 
Staatsgewalt,  sind  seit  1689  in  der  Lateinischen  Formel  von 
den  Englischen  Politikern  susammengedrängt:  Rtx  est  ponit- 
fex  maximuBy  gummu»  regni  cu8to9,  ultimus  regni 
haeres^  omnipraesen»,  omnipotenSy  infallihilis.  Der 
König  \vLt  also  die  höchste  ausübende  Gewalt  und  das  Auf- 
sichtsrechc  in  allen  kirchlichen  Angelegenheiten,  in  allen  aus- 
wärtigen Verhältnissen,  indem  (er'Krieg  beginnt,  Frieden  schliesst 
und  Staatsverträge  jeder  Art  mit  auswärtigen  Muphten  eingeht; 
dem  Könige  steht  die  Genehmigung  jedes  Gesetzes,'  sowie 
die  Fürsorge  über  seine  Ausführung  zu;  er  bestimmt  beim  Er- 
löschen seiner  Linie  die  Erbfolgeordnung,  jedoch  dies  nur  mit  Zu- 
stimmung des  Parlaments;  er  ist  allgegenwärtig,  d.  h.  jeder  Act 
der  ausübenden  Gewalt,  also  auch  jeder  richterliche  Ausspruch 
kann  nur  in  seinem  Namen  vollzogen  werden;  er  ist  allmächtig, 
•d.  b.  er  ist  unverantwortlich,  er  kann  allein  zu  den  Staatsäm* 
'  tern  im  Civil-  und  Militairdienste  und  auf  der  Flotte  ernennen, 
er  kann  ausschliesslich  das  Begnadigungsrecht  ausüben,  sowohl 
in  dem  Ertheiien  von  Würden,  Titeln,  Orden,  als  auch  in  dem 
Erlass  oder  der  Milderung  gesetzlich  verwirkter  Strafe^,  endlieh 
er  ist  untrügerisch,  d.  h.  er  kann  als  König  kein  Unrecht 
thun  *),  oder  unrechte  Staatshandlungen  können  nur  durch  seine 
Rathgeber  ausgeführt  werden,  die  dafür  verantwortlich  sind. 
Doch  sind  diese  Rechte  der  höchsten  Staatsgewalt,  inso^m  sie 
finaneielle  Verpflichtungen  dem  Volke  aullegen,  nicht  mehr  un- 
eingeschränkt, denn  sie  bedürfen  in  diesem  Falle  der  mittelba- 
ren Genehmigung  des  Parlaments,  weil  von  diesem  die  Subsi- 
dien  bewilligt^  werden  müssen,  ohne  deren  Hülfe  sie  nicht  aus- 
geführt werden  können.  Z.  ß.  der  König  kann  zwar  einen 
Krieg  beginnen,  ohne  das  Parlament  zu  beftagen,  aber  jede 
Kriegsexpeditton   bedarf  ausserordentlicher  Geldmittel,  w^  das 


*)  So  lautet  der  Spruch  des  alten  Engiiscbea  Staatslebeoa  the 
ICing  can  do  no  wrong. 


V 

^ 


\ 


SSO  Das  Britische  Beiciu 

Ausgabenbndget  nur  genau  ftir  die  gewöhnlichen  Bedfirfahse  des 
Friedenszuständes  berechnet  ist  ]st  nun  der  begonnene  Krie^ 
gegen  das  Interesse  der  Nation,  das  sich  in  der  Majorität  des 
Parlaments,  oder  auch  nur  des  Unterhauses  aliein  ausspricht, 
weil  dieses  zuerst  über  ^lle  Geldbewilligungen  zu  bestimmen 
hat,  80  wird  die  dazu  nöthige  Geidhülfe  vom  Parlamente  verwei- 
gert und  der  König  dadurch  genöthigt  werden,  den  Kampf  auf- 
zugeben, selbst  wenn  er  auch  im  Vortheile  des  Siegers  sich  be- 
finden sollte.  Daher  ist  es  Pflicht  des  Ministeriums,  sich  früher 
der  Stimmung  der  Majorität  im  Parlamente  für  den  Krieg  zu 
versichern,  ehe  es  zum  Unternehmen  desselben  anrathet,  aber 
-  auch  *  in  gleicher  Weise  bei  verändertem  Interesse  des  Volks 
Während  des  Kampfes,  sobald  als  eine  allgemeine  Missstimmung 
gegen  die  Fortsetzung  des  Kriegs  im  Parlament  eintreten  sollte, 
zum  Frieden  anzurothen,  damit  nicht  die  Regierung  durch  plötz- 
liche Verweigerung  der  Kriegssiibsidien  für  das  nächste  Jahr 
nur  Beschleunigung  det  Friedensverhandlungen  während  gefähr- 
licher Chancen  des  Kriegs  genöthigt  würde*). 

Der  König  von  Grossbritannien  und  Irland,  so  wie  jeder 
Prinz  von  Geblüt,  muss  nach  den  Bestimmungen  der  Acte  von 
1700  und  der  Act  of  nettlement  der  Englischen  bischöflichen 
Kirche  zugehören.  Das  Königreich  Hannover  ist  zwar  gegen- 
wärtig ein  Eigenthum  des  regierenden  Königs,  weil  derselbe  der 
älteste  Agnat  seiner  Linie  ist,  ^ber  es  steht  au|h  nicht  in  der 
geringsten  Verbindung  mit  der  Englischen  Verfassung  und  Ver- 
waltung, -so  wie  denn  die  eigenthümliche  Erbfolgeordnung  für 
den  Grossbritannischen  Thron  schon  bei  der  nächsten  Succession 
eine  politische  Trennung  beider  Reiche  unter  zwei  Regenten 
wieder  erwarten  lusst  —  Der  König  des  Britischen  Reichs 
stirbt  nie,  denn  die  Krone  geht  unmittelbar  durch  den  Tod  des 
Königs  auf  den  nächsten  Thronfolger  über,  ohne  dass  er  zuvor 
gekrönt,  oder  von  dem  Parlamente  anerkannt  sein  darf:  er  wird 


*)  Als  Beispiel  mag  Riefür  gelten  die  veränderte  Stimmung 
des  Englischen  Volks  während  des  siebenjährigen  ufid  des  Nord- 
amerikanischen  Freiheitskrieges.  Es  hat  aber  factisch  die  Regie- 
rung seit  der  Rückkehr  der  Stuarts^  es  nie  bis  zur  Gefahr  der  Ver- 
weigerung der  Subsidien  von  Seiten  des  Parlaments  kommen  lassen. 


Da«  BritUche    Reich.  *  SSi 

nor  nach  dem  Antritt  der  Regieruog  in  London,  Edinbargh  und 
Dublin  sofort  aU.Kiinig  aasgerufeD.  Doch  is^  eine  Krönung 
des  Königs  in  London  herkömmlich,  wejche  der  Erxbischof 
?on  Canterburjr  in  der  Abtei  Westminster  vor  dem  versam- 
melten Parlamente  und  den  höchsten 'Hof-  und  Staatsbeam« 
ten,  unter  dem  allgemeinen  Eiulass  des  Volks,  vollxieht.  Bei 
dieser  Gelegenheit  schwört  der  König  folgenden  KrÖnungseid: 
„das  Königreich  und  die  dasu  gehörigen  Besitzungen  nach  den 
im  Parlamente  aufgerichteten  Verordnungen  und  Gesetzen  su 
regieren,  durch  seine  Macht  allenthalben  das  Recht  su  handha* 
ben,  aber  auch  der  Barmherzigkeit  eingedenk  su  sein,  mit  sei- 
ner Macht,  die  Gesetze  Gottes,  das  aufrichtige  Bekenntniss  des 
christlichen  Glaubens  und  die  durch  die  Gesetze  geordnete  evan- 
gelische Kirche  su  achützen,  so  wie  die  nach  den  Gesetzen  zu« 
stehenden  Rechte  und  Freiheiten  der  Bischöfe  und  des  gesanuu* 
t^n  Clerus  aufrecht  lu  erhalten/* 

Die  Erbfolge  ist  nicht  durch  das  sogenannte  Salische  Ge- 
setz für  das  weibliche  Geschlecht  aufgeschlossen,  auch  nicht 
nach  der  gewöhnlichen  Deutschen  Fürsten-Erbfolge-Ordnung  so 
bestimmt,  dass  die  gesammte  männliche  Linie  des  regierenden 
^a^8es'der  weiblichen  vorausgeht,  sondern  sie  ist  eigenthümlich 
für  das  Britische  Rei'ch  dergestalt  festgestellt  worden,  dass  jede 
Linie  von  glei ehern  Grade  für  sich  abgeschlossen  bleibt,  und 
nur  in  di^er  zuerst  die  Söhne  nach  dem  Rechte  der  Erstgeburt 
und  dann  die  Töchter  in  gleicher  Weise  folgen,  aber  in  Erman- 
gelung der  Söhne  die  Töchter  ihren  Vatersbrüdern  und  Gross- 
Vatersbrüdern  und  deren  männlichen  Descendenten  vorangehen. 
Es  geht  also  die  Thronfolge  von  einer  näheren  auf  eine  ent- 
ferntere Linie  nicht  eher  über,  als  bis  alle  mähnliche  und 
weibliche  Mitglieder  derselben  erloschen  sind.  Auf  Georg  HL 
folgte  demgemäss  nach  dem  Rechte  der  Erstgeburt  Georg  IV.,  der 
fiteste  von  seinen  Söhnen,  der  nur  eine  einzige  Tochter  die 
Princessin  Charlotte  hatte.  Dadurch  war  seine  Linie  abgeschlossen, 
und  daher  ging  in  dieser  nächsten  zur  Thronfolge  seine  Toch- 
ter als  Thronfolgerin  allen  seinen  Brüdern  vor.  Diese  starb 
(5.  Nov.  1817)  im  ersten  Kindbette»  aber  noch  vor  ihrem 
Grossvater  und  V^ater,  also  ging  nun,  da  Georg  IV«  keine 
Kinder  mehr  hatte,  die  Thronfolge  auf  seinen  ältesten  Bru- 
der Friedrich   Heraog   von    York   über,   der   iudess   gleichfall« 


S52 


Das  Britische  Beich« 


kinderioi  war,  und  noch  vor  seioem  Bruder  dem  Könige  Georg  IV« 
starb  (f  5.  Jan.  1827).    Diesem  folgte  darauf  sein  zunächst  stehen- 
der Bruder  Wilhelm  Herxog   von  Clarence,   der  jetzt  regierende 
'  König  (geb.   d.  21.  Aug.  1765),  der  wiederum  ohne  Kinder  sich  ' 
^befindet    Aber  bei  gleicher  Linie  unter  Brüdern  und  Schwestern 
geht  das  männliche  Geschlecht  vor,  also  kommt  nunmehr  nicht 
zur  Englischen  Thronfolge   die   dem  Alter   der  Geburt  nach  zu- 
nächst stehende  Schwester  Charlotte,'  Königin  von  Würteniberg, 
und  weil  diisse  bereits  verstorben    ht  (6.  Oct.    1828),  ihre  zahl- 
reiche männliche  und  weibliche  Descendenz,  sondern  die  Thron- 
folge  geht   auf   den   nach    ihr  folgenden  Bruder  Eduard  Herzog 
von  Kent  über,  wiewohl  dieser  bereits  am  23.  Januar  1820  ver- 
storben ist.     Derselbe  hat  aber  eine  einzige  Tochter  hinterlassen, 
bildete  also  eine  Linie  für  sich,  die  näher  ist,  als  die  der  darauf 
folgenden    Brüder.        Daher    ist    diese    Prinsessin    Alexandrine 
Victoria  <geb'.  24.  Mai   1819)  die  präsumtive  Erbin  des  Thrones 
von  Grosflbritannien  und  Irland.   Diese  Erbfolge  findet  jedoch  kei- 
nesweges  für  das  Königreich  Hannover  statt,  weil  hier,  wie  in  allen 
Deutschen  Staaten,  der  gesammte  Mannsstamm   desselben  fürst- 
lichen Geschlechts    der   weiblichen  Linie  vorausgeht:   mithin  ist 
für  dieses  Reich  der  nächst  folgende  Bruder  des  Königs,  Herzog 
£mst   von    Cumberland   und    dessen  männliche  Descendenz   zur 
Thronfolge  berechtigt.   Diese  Linie  würde  aber  auch  zur  Thron- 
'besteigung  Grossbritanniens  wiederum  gelangen,   wenn  die  prä- 
sumtive  Thronerbin   Victoria    unvorheirathct,    oder    doch    ohne 
jäinterlassung  männlicher  "^oder  weiblicher  Descendenz  mit  Tode 
abgehen   sollte.  — -  Erlangt  abofr  nun  ein  weiblicher  Thronfolger 
durch   sein   eignes  Erbrecht  die  Krone  vpn  Grossbritannien,   so 
kann    derselbe   sich    ausschliesslich  des  Titels  König  und  aller 
königlichen  Rechte   bedienen.     Er  kann   unverheirathet  bleiben, 
oder  zu  meiner  ebenbürtigen  Ehe  schliessen.   In  dem  letzteren  Falle 
aber  hat  der  Gemahl  keines weges  durch  die  Ehe  das  Recht  zu  dem 
königlichen  Titel  und  Ehren  erlangt^  sondern  er  kann  nur  lieides 
durch  die  Uebertragung  seiner  Gemahlin  und  Anerkennung  des  Par- 
laments erlangen,   oder  er   behält  seinen  ihm  angestammten  Ti- 
tel und  Rang.     Die  Englische  neuere  Geschichte  bietet  für  alle 
diese  Fälle  Beispiele  dar.      Die  Königin  Elisabeth    blieb  unver- 
heirathet;  Wilhelm   IIL    erhielt   als  Gemahl  der  Königin  Maria 
Ton  ihr  nnd  dträ  Parlamente   alle  Rechte   des  Königs,  und  be- 
,  haaptete  auch  dieselben  nach  dem  Tode  seiner  Gemahlin  (1695)» 


Das  Britiffohe  Beicb.  853 

obgleich  er  keine  Kinder  Von  ifar  gevenaen  hi^te.   Dagegen  der 
Gemahl  seiner  Schwägerin  und  Nachfolgerin  Alina,  Prins  Georg 
von  Dänemark,  verblieb  stets  nur  in  seinem  ererbten  Range  und 
in  der  Würde  eines  Grrossadmirals  der  Krone  Englands,  obgleich 
er  noch  6  Jahre  nach  der  Thronbesteigung  seiner  Gemahlin  lebte  . 
("t-   1708)  und  dreieehn  Kinder  mit  ihr  erseugt  hatte»  von  denen 
jedes,   wenn   es   am  Leben   geblieben   wäre,   dnreh  Erbrecht 
seine  Ansprüche  auf  den  Thron  von  Grossbritannien  behaupten 
konnte.      Derselbe   Fäll    der  Nichttheilnahme   des    €remahls 
der  Königin  an  den  königlichen  Rechten  war  indess  auch  sthon 
früher  einmal  vorgekommen,  indepi  Philipp  IL  König  von  Spa 
nien,   wiewohl   mit  der  Königin  Maria  vermählt  (25.  JuL  1554), 
doch   während  .  ihrer  ganzen  darauf  noch  folgen  den.  Regierungs- 
seit   (f    17.  Nov.    1558)   auch   nicht  den  geringsten  Einfluss  auf 
die  Englische  Staatsverwaltung  ausgeübt  hat,  noch  den  Titel  ei- 
nes   Königs   vop   England   führen   durfte.  —  Die  Volljährig- 
keit des  Thronfolgers  tritt  mit  Vollendung  des   aohtsehnten 
Jahres  ein,  während  sie  bei  den  übrigen  Prinzen  und  Prinzessin- 
nen  von  Geblüt   bis   nach  zurückgelegtem  ein  und  zwanzigstem^ 
Jahre  ausgesetzt  ist.     Während  der  Minderjährigkeit  des  Königs 
fuhrt   die  Königin -Mutter   die  vormundschaftliche  Aufsicht   über 
die  Erziehung,  oder  in  deren  Ermangelung  der  vom  Könige  noch 
bei  seinem  Leben  selbst,  oder,  wenn  dafür  nicht  ausdrücklich  vom 
Könige  gesorgt  ist,  ein  vom  Parlamente  ernannter  Vprmund.   Die-' 
ser  kann  auch  zugleich  in  Gemeinschaft  mit  einem  vom  Könige 
oder  dem  Parlamente  eingesetzten  Regentschaftsrathe  die^  Regie- 
rung leiten,  es  können  aber  auch  beide  Geschäfte  von  einander 
getrennt   sein:    der  nächste  Prinz   von  Geblüt  hat  aber  an  sieh 
kein  Recht,  die  Regentschaft  für  sich  zu  fordern.     Nur  bei  sn* 
erkannter   und   unheilbarer  physischer  Unfähigkeit  des  regieren- 
den Königs  wird  der  nächste  Thronfolger,  wenn  er  bereits  voll- 
jährig ist,   durch   sein  Recht  Regent  des  Reichs.     Die  Regent- 
schaft  übt   alle  königliche  Rechte  aus,   aiso  auch  die  Genehmi- 
gung  der  in   den  Häusern   durchgegangenen  Bills   zu    Gesetzen 
des  Staates:   doch   müssen   in   dem  Falle   eines  minderjährigen 
Regenten  nach  erlangter  Volljährigkeit  ihm  die  inzwischen  sane- 
tionirten   Gesetze    noch    einmal    zur   eignen   Prüfung  vorgelegt 
werden:  eine  sehr  bedeutsame  ControUe,  um  einen  schrankenlosen 
Missbrauch  der  Gewalt  des  Regentschaftsraths  zu  v^hüten.  —  Der 
älteste  Sohn  des  Königs  ist  gebor nor  Hersog  von  Corn wall,  Graf 


y^ 


554  Das  Britische  Reich. 

TOD  ehester,  Heraeg  toq  Rotfasay  und  Graf  von  Fliat^  lugleich 
auch  Gross-Steward  ( =  W&chter,  Vdigt)  dieses  Reichs  und  Graf  von 
Carrick  in  Irland  mit  sämmtlichen  Rechten  und  Einkünften  von 
diesen  Stellen:  aber  die  Würde  eines  Prinzen  von  Wales  wird 
nur  durch  ein  besonderes  königliches  Patent  ertheih,  was  bei 
dem  letzten  Prinzen  von  Wales  auch  mit  der  Würde  eines  Gra- 
fen von  ehester  geschehen  ist  Der  Thronfolger  darf  nicht  das 
Reich  verlassen  9  es  sei  denn  zur  VcfTtheidigung  des  Staates  an 
der  Spitze  eines  Heeres  oder  einer  Flotte:  eine  Beschrankung, 
die  für  den  König  und  die  Königin  nicht  statt  findet»  da  der 
König  nur  während  seiner  Abwesenheit  einen  Regentsehaftsrath 
ernennen  muss. 

Die  Königin  hat  als  Gemahlin  des  Königs  während  seines 
Lebens  alle  Ehrenrechte  der  Majestät,  weshalb  sie  auch  bei  der 
feierlichen  Krönung  mitgekrönt  wird;   ihre* Person  ist-geheiligt 
Sie  behält  nach  dem  Tode  ihres  Gemahls  ihren  Rang  und  ge- 
messt ein  schon  bei  der  Thronbesteigung  bestimmtes  Witthum  *), 
steht  jedoch  der  regierenden  Königin  nach:  befinden  sich  meh- 
rere verwittwete  Königinnen  zu  gleicher  Zeit  in  Grossbritannien, 
so   hat   die  Wittwe   des   zuletzt  verstorbenen  Königs   den  Vor- 
rang. -^  Sämrotliche  **)  Prinzen  und  Prinzessinnen  von  Geblüt 
sind  durch  die  Royal  Marriage  Act  von  1772  verpflichtet   zu- 
ihrer  Vermählung  die  Zustimmung   des  Königs  als  des  Hauptes 
der  Familie   naohzusuchen.     Ist   diese   nicht   erfolgt^oder  nicht 
nachgesucht  worden;  so  ist  die  Ehe  in  Bezug  auf  die  Ansprüche 
an  den  königlichen  Rechten  und  der  Erbfolge  für  die  aus  der- 
selben hervorgehenden  Nachkommen   ungültig.      Doch   soll   die 
Ausnahme  stattfinden,  dass  wenn  die  Prinzen  und  Prinzessinnen 
das  fünf  und   zwanzigste  Lebensjahr   überschritten    und    12  Mo- 
nate   vor    der    Vermählung    dem    königlichen^  geheimen   Rathe 
davon  Anzeige  gemacht  haben,  'und  wenn  dann  innerhalb  dieser 


*)  Der  jetzigen  regierenden  Königin  ist  das  Witthujn  gleich  in 
der  ersten  Parlamentssession  nach  der  Thronbesteigung  ihres  Ge- 
mahls 1630  auf  lOO^OOe  %  St.  (70Q»000  Th.)  festgestellt. 

**)  Die  Acte  ist  für  die  Nachkommen  Georgs  II.  von  bindender 
Kra(t,  also  jetzt  für  das  gerammte  königliche  Haus.  — 


Das  Britische  Reicb«  85S 

Frist  nicht  die  Genehmigung  erfolgt,  oder  ein  Einsprach  von  Seiten 
<ler  beiden  H&user  des  Parlaments  dagegen  geschehen  ist :  in  diesem 
Falle  ist  die  Ehe  auch  für  die  ^Thronfolge  gültig  *).  —  Inwiefern 
diese  Familienacte  auch  bindende  Kraft  für  die  Erbfolge  im  Kö- 
nigreiche Hannover  besitzen  dürfte,  wird  unten  in  derzweiten  Abthei- 
lung des  zweiten  Bandes  der  Staatskunde  beim  Königreiche  Hannover 
naher  erörtert  werden.  Alle  Prinzen  sind  gebome  Peers,  erhal- 
ten aber  besondere  Herzogs-  und  Grafentitei  durch  die  Gnade 
des^  Königs  vermöge  ))esonderer  Urkunden:  sobald  sie  die  Voil- 
jUhrigkeit  erreicht,  oder  durch  den  Tod  den  königlichen  Vater 
eingebüsst  haben ,  erhalten  sie  durch  Parlamentsbewilligung  ein 
Jahreseinkommen  (Annuitj),  das  bei  Gelegenheit  ihrer  Vermäh- 
lung, oder  V^ermehrung  ihrer  Familie,  oder  aus  sonst  irgend  ei« 
nem  anderen  Grunde  vermehrt,  »aber  nicht  vermindert  werden  kann. 

Solche  Annuitäten,  von  dem  Parlamente  bewilligt,  findeh  auch 
bei  den  köhiglicheu  Prinzessinnen  statt,  wenn  sie  unverheirathet 
bleiben,  oder  im  Lande  selbst  vermählt  werden.  Der  Betrag 
der  Annuitäten  schwankt  zwischen  6000  und  30,000  %  St,  und 
steigt  nur  bei  dem  Thronfolger  und  dessen  Gemahlto  bis  auf  50,000 
und  100,000  %  St;  Georg  IV.  genoss  als  Prinz  von  Wale9 
120,000  U  St.  Einkünfte. 

Der  Titel  des  Königs  ist  jetzt  von  Gottes  Gnaden  König 
des  vereinigten  Reichs  Grossbritannien  und  Irland,  Beschützer 
des  Glaubens,  auch  König  von  Hannover,  Herzog  zu  Braun- 
schweig und  Lüneburg.  Die  Civilliste  des  Königs  wird  in 
der  ersten  Parlamentssessioh  nach  der  Thronbesteigung  des  neuen 
Monarchen  für  die  ganze  Dauer  der  Regierung  bestimmt,  kann 
aber  unter  besonderen  Umständen  erhöht,  jedoch  nicht  vermin- 
dert werden.  Erst  bei  der  gegenwärtigen  Regierung  Königs 
Wilhelm  IV.  wurde  das  Civil-Government  von  der  Civil-Liste  ge- 
trennt, dadurch  der  Betrag  der  letzteren  auf  die  Hälfte  herabge- 
setzt ^*)  und  ihr  nur  die  Bezahlung  für  den  Hofhält^  für  die  Hofämter 


*)  Diese  Acte  ist  auch  vom  Parlamente  anerkannt  worden. 
Vergl.  Blakstone  Comment  I,  226.  ' 

**)  Dr.  Const.  Höfler,  Geschichte  der  Englischen  Civilliste, 
Stuttgart  ia34.  8vo.  Unter  Georg  III.  4)irar  zuletzt  die  Civilliste 
1,170,000  %  St  (8,9to,000  Tbl.)  von  welcher  aber  nur  409,000  %  St. 
(29863,000  Tb.)  für  den  Hofstaat  und  den  Regenten  verwandt  .wur- 
den.   Unter  Georg  lY.  wurden  für  dieselbe  Vereinigung  der  Civil- 


r 


556  Das  Britische  Reich« 

und  ein  Fonds  fftr  königliche  Gnadenbesengen  und  Pensioneni 
angewiesen:  Die  Civilliste  betraf  seit  1831  510,000  %  St. 
(3,570,000  Th.)  —  Die  gewöhnliche  Residenz  des  Königs  ist 
zu  London  in  den  PalliUten  St  James  und  Buckinghamhouse^ 
ausserdem  in  den  Schlössern  lu  Windsor,  Brighton,  Kensington 
und  Kew. 

Das  Wappen  des  Tereinigten  Königreichs  Grossbritannien 
und  Irland  besteht  in  einem  Hauptschflde  aus  vier  Feldern^  über 
welche  in  der  Mitte  ein  Hersschild  gelegt  ist  Von  jenen  vier 
Feldern  enthält  das  obere  rechts  und  das  untere  links  die  drei 
goldenen  Leoparde  Englands  auf  rothem  Grunde,  blau  bewehrt. 
Das  obere  links  seigt  den  goldenen  Löwen  Schottlands  auf  gol- 
denem Grunde,  mit  einer  doppelten  Einfassung  mit  untergeleg* 
ten  Lilien:  endlich  Jlas  untere  rechts  stellt  als  das  Schild  Ton 
Irland  eine  goldene  Davidsharfe'  mit  silbernen  Saiten  auf  blauem 
Grunde  dar.  Das  Herzschild  ist  mit  der  Königskrone  von  Han- 
nover gedeckt,  dessen  oberes  Feld  rechts  die  beiden  goldenen 
Löwen  des  Hauses  von  Braunschweig  auf  rotnem  Grunde,  das 
obere  Feld  links  den  rothen  Löwen  von  Lüneburg  auf  goldenem 
Grunde  mit  rothen  Herxen  umgeben,  das  untere  Feld  da^  spren- 
gende weisse  Ross  d^s  alten  Herxogthums  Sachsen  adf  rothem 
Felde  zeigen.  Das  gesammte  Wappenschild  wird  von  der  kö- 
niglichen Krone  Grpssbritanniens  mit  einem  darüber  stehenden 
goldenen  gekrönten  Löwen  bedeckt,  rings  umgeben  von  dem 
grossen  blauen  Cordon  des  Hosenband-Ordens  mit  der  Umschrift 
Honny  Moit  qui  mal  y  pense.  Unter  dem  Schilde  Jiegen  die 
beiden  Zweige,  welche  die  Englische  Rose,  die  Schottische  Distel 
und  den  Irländischen  Klee  in  sich  vereinigen,  und  unterhalb  von 
der  eigentlichen  Inschrift  der  Krone  Dien  et  man  droit  um- 
schlungen sind.  Die  Flagge  der  drei  vereinigten  Reiche,  die 
Unionsflagge  genannt,   besteht  aus  dem  Englischen  rothen 


Liste  mit  dem  Civil-GoTemment  1,^21,0009;  St  (8,S47,000  Th.)  fest- 
gesetzt. Nach  der  Trennung  beider  Etats  wurden  1831  für  den  Kö- 
nig und  die  Königin  110>000  <S  St.  (770,000  Tb.)  für  Hofamter 
]3]>000  9  St  (917,000  Th.)  fQr  Pensionen  und  ^nadenbezeugungen 
08,000  9  St  (686,000  Th.)  und  für  alle  übrigen  Ausgaben  des  Hofes 
171,000  %  St.  (1,197,000  Th.)  ausgesetzt,  s. Höfler  a.a.O.  S.  41--43. 

I 


Das  Britische   Reich.  657 


/ 


Krenxe  dei  heiligen  Georgs  auf  wei^ssem  Felde,  dem  Schottiscliem 
w^itseo  Kreuze  des  lyeiligen  Andreas  auf  himmelblauem  Feld« 
und  das  Irische  Kreuz  d^s  heiligen  Patriks  auf  weissem  Felde: 
es  sind  also  die  drei  Nationalfarben  roth,  blau  und  weiis. 

Der  Hofstaat  del^  Königs  besteht  theils  aus  Ehren-, Kron- 
iind  ReicJisl^mtem,  die  nur  bei  feierlichen  Angelegenheiten  den 
Dienst  bei  Hofe  verrichten  und  zur  Erhöhung  des  Glanzes  die- 
nen und  aus  den  gewöhnlichen  Hofbeamten,  die  indess  auch  in 
diesem  Staate  sehr  zahlreich  sind,  da  die  allgemein  herrschende 
Liebe  zur  Erhaltung  der  alten  Sitten  auch  den  alten  Prunk  des 
Mittelalters  mit  dem  erweiterten  Ceremoniell  des  seehszehnten 
und  siebzehnten  Jahrhunderts  verbindet  Die  neun  hohen  Kronbeam* 
ten  Englands  sind :  I)  der  Lord  HighStewart,  des  Königs  Stell- 
vertreter, welche  Stelle  aber  seit  der  Regierung  Heinrichs  IV.  nicht 
mehr  zur- bleibenden  Function,  ^sondern  nur  bei  Krönung  und 
bei  einem  Gerichte  über  angeklagte  Peers  vergeben  wird.  ~  2)  Der 
Lord  High  Chancellor,  der  Lord-Grosskanzler,  welcher^  zu- 
gleich Lord  Keeper  of  the  Great-Seal  ist,  von  welchem  Amte  bei 
den  Centralbehörden  unten  gesprochen  werden  muts.  3)  Der 
Lord  High  Treasurer,  Lord- Grossschatzmeister,  welches  Amt 
aber  seit  König  Georg  L  durch  mehrere  Commissaren  verwaltet 
wird.  4)  Der  Lord  President  of  the  Privj-Council,  der  Lord- 
Präsident  des  geheimen-Raths.  5) Der  Lord  President  ofthe 
Pri^-Seal,  der  Lord  Praesident  des  kleinen  Kdnigssiegek. 
6)  Uer  Lord  High -Ch am be riain, der Lord*Ober-Kammerherr, 
welche  Würde  in  dem  Hause  Willoughbj  erblieh  ist,  aber  nur 
bei  Krönungen  und  grossen  Hoffeierlichkeiten  amtliche  Functio- 
nen verrichtet.  7)  Der  Lord  High  Constable,  der  Gross-Con- 
netable  des  Reichs,  welche  Würde  seit  1521  vom  Könige  Hein- 
rich VIII.  für  die  Verwaltijing  abgeschafft  und  nur  als  temporairea 
Ehren  •  Hoffimt  beibehalten  wurde.  8)  Der  Lord  High-Earl- 
Marihall.  Diese  Würde  desLord-Gross-Graf-Marschalls  ist  in  dem' 
Hause  der  Herzoge  von  Nocfolk  erblich.  9)  Lord  High-Admi« 
ral;  diese  Würde  des  Gross- Ad mirals  war  seit  dem  Tode  (1708) 
des  Prinzen  Georg  von  Dänemark,  des  Gemahls  der  Königin 
Anna,  über  hundert  Jahre  gar  nicht  mehr  vergeben,  indem  die 
wirklichen  Functioi^en  eines  Chefs  der  AdmiralitiU  d^roh  mehrere 
Coromissarien  verwaltet  wurden.  Nur  der  gegenwärtige  König 
nahm  als  Herzog  .von  Clarence  1827  diese  Würde  an^  legte  sie 


SS8  Das  Britische  Beicli« 

aber  bereits  nach  wenigen  Monaten  auf  Veranlattnng  der  See* 
Schlacht  bei  Navarino  wieder  nieder.  Aasierdem  ist  noeh  in 
England  die  Würde  eines  Gross-Almoseniers  in  der  Familie 
der  Marquis  von  Exeter  erblich.  —  Für  das  Königreich  Schott- 
land giebtes  drei  erbliche  Kronbeamte,  die  des  Gross  Conneta» 
bte  im  Hause  Errol,  die  des  Gross-Panniertragers  im  Hause  Lau* 
derdale  und  die  des  königlichen  Oberhofjneisters  im  Hanse  der 
HerxogeTon  ArgjU  erblich. 

\  • 

Der  fungirende  Hofstaat  besteht  aber  aus  5  grossen 
Hofstäben.  Der  Stab  des  Lord  Kammerherrn  schliesst  in 
sich  einen  Vice-Lord-K^mmerherrn ,  12  Kammerherren,  einen 
Ober-Kammeijunker,  12  Kammerjunker  und  60  Hofjunker,  von 
welchen  die  Kammerherren  und  Kantmerjunker  aus«erdem  grossen- 
theils  in  ausgexeichneten  Aemtern  im  Heere,  auf  der  Flotte,  oder  in 
der  Civilverwaltung  angestellt  sind.  Ueberdies  gehören  zu  Unn 
der  Ceremonienmeister,  dessen  Stellvertreter,  ein  königlicher 
Marschall  und  25  HoQunker,  im  Ceremonialwesen  und  mit  dem 
Empfange  am  Hofe  beschäftigt,  ferner  der  Garderobemeistcr  und 
das  von  demselben  abhängige  Dienstpersonal.  Der  Stab  des 
Lord-Oberhofmeisjfcers^  welcher  den  ganzen  Aufwand  bei 
Hofe  zu  beaufsichtigen  und  zu  leiten  hat,  und  dem  auch  die 
Hof-Capelle  oder  das  Musik*  Departement,  das  Hof-Medicinal*. 
Departement,  die  Commissarien  der  Hofeinkünfte  beigegeben 
sind,  hat  einen  Hofmarschall,  einen  Schatzmeister,  einen  €on- 
troUeur,  Zahlmeister,  Secretair  u. s. w.  Der  Stab>des  könig- 
lichen Oberstallmeisters  leitet  das  ihm  einverleibte  Dienst- 
personal durch  einen  Feld  -  und  Jagdstallmeister  und  fünf  könig^ 
liehe  Stallmeiiter.  Der  Stab  des  Lord-Oberäufsehers  über 
die  königlichen  forsten  besteht  aus  2  Generalaufsehem"  über 
die  königlichen  Forsten,  2  königlichen  Oberforstmeistern,  «inem 
Meister  der  Jagdhunde,  einem  Grossfalkenier  n.  s.  w.,  von  de- 
nen die  beiden  zuletztgenannten  Aemter  gewöhnlich  von  Mitgliedern 
der  ersten-  Peersfamilien  Englands  bekleidet  \rerden.  Endlich  der 
Stab  des  Lord  -  Grossalmoseniers,  welche  Würde  stets  mit 
der  des  Erzbischofs  von  York  verknüpft  ist,  besteht  aus  einem 
Unteralmosenier,  dem  Dechanten  von  Westminster,  dem  Dedhan- 
ten  des  Königs,  welches  Amt  von  dem  Bischöfe  von  London  ge- 
meinhin bekleidet  wird,  48  Kaplänen,  10  ordinirten  Priestern 
und  IGEdellenten  bei  der  königlichen  Kapelle.^  Ausserdem  haben 


\ 


Das  Britische  Beich« 


659 


iie  Königin  und  jeder  der  Prinsen  und  Prinzessinnen  ron  Ge- 
blüt einen  ansehnliche^  und'  zahlreichen  Hofstaat 

I 

Die  Britischen  Ritterorden  sind  theils  Hofehren,  theils 
belohnend^  Anerkennungen  fär  ausgezeichnete  Dienste  in  der 
Staatsverwaltung.  Im  allgemeinen  werden  die  Ordens -Decorationen 
sehr  selten  vergeben  und  unter  den  Staaten  rom  ersten  Range  unbe- 
sweifelt  hier  am  seltensten.  £&  sind  ihrer  überhaupt  fünf  im  Um- 
fange des  Britischen  Reichs,  wobei  wir  aber  den  Hannoverschen  Gu- 
elfen-Orden  nicht  mitzählen  können,  wenn  er  auch  nicht  selten  an 
Britische  Beamten  vergeben  ist;  doch  wird  T(^n  diesem  weiter  unten 
beim  Königreich  Hannover  unter  den  Deutschen  Staaten  die  Rede 
sein.  1)  Der  Orden  vom  blauen  Hosenbande;  dieser  wurde 
bereits  von  König  Eduard  III.  1349  gestiftet,  steh(  jetzt  noch 
in  den  höchsten  Ehren,  wird  nur  an  Prinzen  von  G^lüt  und 
namf  ntlieh  an  die  nächsten  Verwandten  des  königlichen  Hauses, 
'  an  regierende  Fürsten  und  an  die  höchsten  Höfe  und  Staatsbeam- 
ten ertheilt,  doch  bleibt  er  eben  deshalb  ungeachtet  seines  hohen 
Werthes  mehr  Hofehre  als  Verdienstorden.  Die  Gesammtzahl 
der  Ritter  war  1834  =  38,  der  König  ist  der  Grossnieister  von 
diesem'  Orden  so  wie  von  allen  übrigen  des  Britischen  Staates.  Der 
Orden  selbst  besteht  aus  dem  Bilde  des  heiligen  Georg,  wie  er  den 
Lindwurm  ersticht,  gold  und  weiss  emaillirty  das  an  einem  blauen 
Bande  über  die  linke  Schulter  getragen  wird,  indem  die  Ritter  zu* 
gleich 'durch  ein  blaues  Knieband  mit  dem  Wahlspruch  Englands 
Hony  8oii$jm  nlal  y  penae  ausgezeichnet  werden,  wobei  wir  aber  den 
vermeintlichen  galanten  Ursprung  des  Ordens  hier  äbergehen 
wollen.  2)  Der  Bathorden,  dessen  Ursprung  gleichfalls  in  das 
Mittelalter  bis  auf  Richard  II.  1309  hinaufgeht,  der  aber  doch 
erst  seit  seiner  Erneuerung  durch  Georg  L  1725  zu  dem  eigent- 
lichen Verdienstorden  des  Grossbritannischen  Staates  erhoben 
worden  ist  Er  ist  in  dem  Jahre  1815  in  3  Classen  der  Gross- 
kreuze, der  Commandeure  *f /iCiif^A/s-CommancfersJ  und  der  Rt^ 
ters  (Companions)  eingetheilt  Der  Bathorden  hat  in  seinem 
goldenen  roth  emaillirten  Sterne  die  Sjmbole  der  drei  vereinig- 
ten Reiche,  Rose,  Scepter  und  Distel,  mit  der  Devise  tria 
Juncta  in  uno.  Die  Zahl  der  Ritter  betrug  1834  767,  darunter 
96  der  ersten,  106  der  zweiten  und  505  der  dritten  Classe  angehör- 
ten. 3)  Der  Andreas-  oder  Distelorden,  welcher  alsHof- 
ehre  für  das  Reich  Sohottland  gilt,  hat  nicht  minder  seinen  Ursprung 


\ 


660  Das  Britische  Reich. 

im  Mittelalter^  jedoch  durch  dunkle  Sagen  verhüllt;  er  wurde  von 
Könige  Jacob  V.  1540  erneuert,  nach  der  Vereinigung  Schottlands 
*  von  den  Königen  Grossbritanniens  aU  ein  Britischer  Orden  bei- 
.  behalten,  aber  nur  für  Prinzen  von  Geblüt  und  Mitglieder  de« 
Schottischen  hohen  Adels  bestimmt.  Die  Gesammtzahl  der  Rit- 
ter darf  nur  12  sein.  4)  Der  Orden  des  «heiligen  Patrik, 
des  Schutspatrons  von  Irland,  wurde  von  König  Georg  IIL  für 
diese  Insel  1783  in  gleicher  Beziehung,  als  Hofehre,  wie  der  An- 
dreas-Orden, für  Prinzen  von  Geblüt  und  Mitglieder  des  IrUndi- 
achen  hohen  Adels  bestimmt:  die  Zahl  der  Ritter  blieb  auf  16 
beschränkt  5)  Der  Orden  des  heiligen  Michael  und 
Georg  ist  nur  für  die  Bewohner  der  Jonischen  Inselnund  Malta 
und  für  Verdienste  um  dieselben  von  Georg  IV.  als  Prinzregen- 
ten  1818  in  3  Classen  gestiftet  Die  Gesammtzahl  der  Ritter 
betrug  1834  =  659  nemiich  20  Grosskreuze,  20  Commaiideure 
und  25  Ritten 


§.  16. 


Das  Parlament       Rechte  der  Stande. 

Dieoben  angeführten  Werke  von  Hallamy  Russell  u.  «.  w. 
The  parliamentary  or  constituttonal  hi»tory  of  England^  heeing 
a  faithfM  accßunt  of  all  ike  most  remarkabU  tr'ansactions  in 
ParUamenif  from  the  earlittt  ttme$  to  the  restoraiion  of  king 
CharleB  IL  London  Svo  24  vol.  -  Hintory  and  proceedings  of 
the  houseof  CommonerSy  Lond.  10  vol,  Sto,  —  Edmund  Lodge. 
the  genealogy  of  the  extsting  Peerage,  third  edition  Lond. 
834.  —  Will,  Jone 89  biOgraphical  Bkeiches  of  the  Reform" 
Mim$ter$  with  a  hietory  of  the  paesing  of  the  Reform- BilU, 
London  1832.  —  TA.  Jeffereon'n  Handbuch  des  Parla^en- 
tarrechts,  oder  Darstellung  der  Verhandlungsweise  und  des  Ge- 
•chäftsganges  des  Englischen  Parlaments  und  Aeie  N.  Amerikani- 
schen Congresses;  aus  dem  Engl,  übers,  u.  m.  Anmerkung 
begleit  von  Leop.  v.  Henning,  BerL  181 9.  8to*  — 


Das  BritiBche  Reich.  S61 

Die  geiets  gebende  Oejrall  bt  indioeemReidietiniehem 
dem  Könige,   ejrbliehen  Ständen,  den   durch  ihr  Amt  berufenen 

'  Häuptern  der  Geiitliehkeit  der. hemche|Dden Kirche  und  den  ge- 
wähltem Abgeordneten  deg  Volkes  getheilt  Die  Stände  det 
Reichs  hielten  in  den  früheren  Zeiten  das  feierliche  Gespr&ch-Parla- 
mentom  *)  —  mit  dem  Könige  Über  alle  Staatsangelegenheiten  an 
dem  gewöhnlichen  königlichen  Hoflager^  oder  an  einem  beson- 
ders   dazu   bestimmten   Orte,  'wohin    der  König  fdr   diese  Zeit 

.  aein  Hoflager  verlegnen  wollte.  Davon  blieb  der'Name  Parla- 
ment für  jede  spätere  Versammlung  der  Stände  des  Reichs.  Eis 
waren  aber  diese  Stände  anfänglich  nur  die  Prälaten  und  die 
Weltlichen  Barone  des  Reichs,  welche  seit  dem  sehnten  Jahrhun- 
derte häufiger  sn  solchen  Versammlungen  zusammenkamen,  welche 
also  überhaupt  als  der  grosse  Rath  des  Königs  für  alle  wich- 
tigen Angelegenheiten  des  Landes  und  zugleich  als  .das  höchste 
Gericht  anzusehen  waren.  Seit  der  nag^a  charta  linden  wir 
die  Versammlungsn  noch  viel  Öfter  wiederholt^  uüd  den  Namen 
Parlament  seit  1222  fast  ausschliesslich  für  sie  gebraucht  Seit 
1254  treten  Abgeordnete  des  niederen  Adels  hinzu,  die  von  ihren 
Standesgenossen  nach  den  einzelnen  Grafschaften  gewählt  wur- 
den, kl  den  schwierigen  Verwickelungen  der  inneren  Verhält* 
nisse  dieser  Zeit  blieb  das  Parlament  auf  längere  Zeit  versam- 
melt, oder  es  wurde  ein  Ausschuss  aus  demselben  fdr  die  Vorai- 
beiten  zur  nächsten  Session  bestimmt,  wie  1258  von  der  Ver* 
santmlung  des  Parlaments  zu  Oxford  24  Rarone  ernannt  wurden,  um 
für  die  Verbesserung  der  Staatsverfassung  Vorschläge  aus  zwarbei* 
ten.  Rei  der  Versammlung  A^%  Parlaments  1205,  wo,  wie  wir  bei  ^den 
Grundgesetzen  des  Rritischen  Staats  erfahren  haben,  die  Abge- 
ordneten der  Städte  zuerst  erschienen,  finden  wir  die  Abgeord- 
neten der  Grafschaften  und  der  Städte  im  Gegensatz  deir  geist- 
lichen und  weltlichen  Rarone  zuerst  die  Gemeinen  benannt 
Seit  J283  erblicken  wir  neben  den  Abgeordneten   der  grösseren 


^)  Ueber  das  Wort  Parlamenlum  für  allgemeines  oder  offficiel- 
les  Gespräch,  oder  eine  förmlich  angesagte  Unierredong,  wie  es  V09  den 
Geschichtschrelbem  des  zwölften  und  dreiceHntea  Jahrhunderts  in  allen 
Staaten  des  südlichen  und  westlichen  Europas  gebraucht  wird,  vergJ. 
Du  Gange  glossariom  latlnitatis  med.  et  int  acut  v.  Parlam. 
3eäBbert'tStati8tlk.|I.  3g 


562  Das   Britische  Bt^icli. 

Stade«  auch  die  der  kleineren  -und  ^er  bedeutendsten  Flecken 
'einberufen  >  und  sehn  Jahre  später  ffir  tie  das  Hecht  schon  fest- 
gestellty  dass  ohne  ihre  Einwilligung  keine  Auflagen  fernerhin 
gefordert  Tirerden  sollten.  Seit  dieser  2eit  sehen  irir  das  Parla- 
ment mich  seine  Hechte  als  hdchiite  Staatsbeht^rde  in  den  aus- 
wärtigen Staätsrefhältnissen  wahmehmeii  und  fast  immer  kräf- 
tig behaupten,  -denn  der  Schottische  König  John  Balliol  -(1292— 
95)  muss  mehre  Male  Tor  dem  Parlamente  nur  als  Priratperson 
erscheinen,  *als  Köni^  Eduard  I.  snm  Schiedsrichter  in  dem 
Streite  zwischen  Balliol  und  Bruce  und  sum  Oberherrn  dea 
Reichs  Schottland  gewählt  war.  Auf  gleich  entschiedene  Weise 
tritt  das  Parlament  gegen  den  Palist  iJrban  V.  auf,  der  den  seit 
1335  nicht  mehr  bexablteu  Lehnsftins  im  Jahre  136S  eititorderte: 
es  Terweigerte  die  Besahlung  des  Lehnsainses  an  den  Römischen 
Stuhl  für  immer,  und  dieser  Entschluss  wurde  auch  ausgeführt. 
In  den  Burgerkriegen  swischen  den  Häusern  Lancaster  und 
York  entschied  das  Parlament  6ber  die  Fähigkeit  des  Königs 
weiter  au  regieren,  Über  die  Freiheit  und  das  Leben  der  Prinxen 
von  Geblüt:  den«  König  Richard  II.  wurde  1399  vom  Parlamente 
abgesetxt,  Richard  Hersog  von  York  wurde  1460  vom  Parla- 
mente cum  Thronerben  erklärt,  Creorg  Heraog'von  Clarence,  der 
Bruder  des  Königs  Eduard  IV.,  wurde  1478  vom  Parlamente 
cum  Tode  verurtheilt  Aber  in  derselben  Zeit  erhielten  auch  die 
Abgeordneten  der  Gemeinen  seit  König  Heinrich  III«  beson- 
ders ausgeaeichnete  Freiheiten  bewilligt,  um  das  Volk  auf  S<uten 
des  Hauses  Lancaster  zu  behalten,  was  denn  aueh  später  der 
Grundsats  dieses  Hauses  blieb.  Die  eigenthämllche  Stellung 
der  Regenten  des  Hauses  Tndor  gegen  die  Privilegien  der  Lan- 
desverfassung iit  schon  im  §•  14  genauer  auseinandergesetst 
worden,  dennoch  wurde  das  Parlament  stets  gebraucht,  um  den 
Bestimmungen  der  königlichen  Gewalt  durch  seine  Genehmigung 
noch  eine  höhere  und  unverletzliche  Kraft  zu  verleihen«  Daher 
musäte  das  Parlament  1534  den  König  Heinrich  VIII.  zum  Ober- 
haupte der  Kirche  erklären,  1539  die  allgemeinen  Glaubensar- 
tikel als  gültige  für  den  Umfang  des  ganzen  Reichs  anerkennen, 
unter  Königin  Maria  die  Wiederherstellung  der  Röniisch-Catfio- 
lischen  Kirche  für  'dai^Land  anordnen  und  eben  so  1559  durch 
Anerkennung  der  Anglikanischen  Eplscopalkirche  nach  evange- 
lisch-dogmatischen Grundsätzen  diese  zur  herrsrhenden  Staats- 
kirobe  erheben.  •  Die  Unterwürfigkeit  des  Parlaments  gegen  Hein- 


Das  Britische  Reich. 


563 


rklk  Ttll.  und  Cüsftbeth  sehw&chte  ioswiiehen  keinei wegeÄ  den  Ge- 
brauch desselben,  den  beide  Fürsten  von  demselben  machten, 
wenn  es  ihrem  besonderen  Interesse  snsagte.  Die  Gewalt  des 
Parlaments  erhob  sich  aber  sofort  wieder  unter  den  Stuarts,  denn  nur 
auf  seine  anhaltende  Forderung  wurde  eben  so  der  Absagungseid 
vom  Papste  verstärkt,  als  die  engere  Vereinigung  Schottlands  mit 
England,  die  Jacob  L  schon  1006  durchzusetzen  wünschte,  noch 
auf  ein  Jahrhundert  (bis  1707)  verschoben.  Unter  Cnrl  1.  er- 
twang  das  Parlament  durch  die  Beschränkung  der  Subsidien  die 
Anerkennung  der  Petition  of  the  rightn,  und  als  es  darauf  eilf 
Jahre  lang  nicht  einberufen  wurde  i(1629v^-40),  beschränkte  dasselbe 
bei  seiner  neuen  Versammlung  noch  mehr  die  königlichen 
Vorrechte,  bewilligte  keine  neuen  Auflagen  und  setzte  sich  1643 
an  die  Spitze  4w  Empörung,  die  nach  mehrjährigem  Kampfe 
den  Uebergang  der  Ifonarchie  zur  Republik  veranlasste.  Dies 
wAr  das  sogenannte  lange  Parlament,  weil  es  dreizehn  Jahre 
Yang  versammelt  blieb,  bis  es  durch  des  Usurpators  Cromwell  Trup- 
pen (1653)  ai}8einan<lergesprengt,  aber  sogleich  durch  ein  neues  je- 
doch vom  Protektor  gänzlich  abhängiges  Parlament  ersetzt  wurde. 
Bei  der  Restauration  der  Stuarts  trat  das  Parlament  wieder  in 
seine  früheren  Rechte,  und  es  kam  nur  noch  einmal  ein  Zeitraum 
von  viel  Jahren  (1681—85)  vor,  in  welchen  es  von  König  Karl  II. 
gar  nicht  berufen  wurde.  Aber  dadu/ch  nur  um  so  stärker  ge- 
reizt,« auf  das  peinlichste  über  die  Lrhaltuug  der  Grundgesetze 
der  Staatsverfassung  zu  wachen,  trat  es  sogleich  viel  entschiedener 
gegen  Jacob  II.  auf,  und  sicherte  bei  der  Entfernung  der  männlichen 
Linie  Stuart  vom  Englischen  Thron  so  vollständig  die  bürger- 
liehe  Freiheit  1689  durch  das  neue  Grundgesetz,  -welches  Wil- 
helm III.  und  Her  weiblichen  Linie  Stuart  als  Grundlage  ihrer  Bezie- 
hungen zum  Britischen  Reiche  dienen  sollte,  «Inss  seit  dieser  Zeit 
das  Parlament  in  beiden  Häusern  als  Ganzes  immer  in  Ueberein- 
■timmung  mit  der  Regierung  geblieben  ist  und  gemeinschaftlich 
mit  der  Regierung  für  die  Gesetzgebung  gesorgt  hat  Doch 
war  es  dabei  niemals  seiner  Hauptaufgabe  uneingedenk,  son- 
dern strebte  im  Allgemeinen  nur  dahin,  durch  die  in  ihm  ver- 
einigte Erfahrung  die  Regierung  über  djs  wahre  Interesse  des 
Volks  aufzuklären,  und  durch  die  Aufsicht  über  die  einzelnen 
Ttieile  der  Staatsverwaltung  das  Einschleichen  von  Missbräuchen 
und  unangemessener  Verwendung  der  Staatskräfte  zu  verhindern. 
Dadurch  \iber  war  in  dem  ganzen  Charakter  des  Parlaments  ein#  ' 

36* 


564  Das  Briliiche- Reich« 

Töilige  Verladenii^  Torgegangen ,  die  Regferang  hatte  bli  41a* 
hin  wie  eine  Parthei  den  Whigs  gegenüber  gestanden »  und  die 
Tories,  die  damaligen  Verfechter  einer  unbeschr&nkteren  könig* 
lichen  Gewalt,  galten  aU  gleichbedeutend  mit  der  Parthei  des  Kö- 
nigs. Jetzt  nahm  die  Regierung  eine  würdigere  Stellang  an 
und  trat  zwischen  beide  Partheien ,  wenn  gleich  anfIngUeU  did 
Whigs  mehr  als  die  Tones  begünstigt  zu  sein  schienen.  Dod» 
dies  veränderte  den  ganzen  Standpunkt  der  Partheien,  und  die 
Regierung  konnte  fortan  beider  Partheien  sich  bedienen,  ohne 
sich  selbst  zu  zerstören,  oder  Ton  neuem  allgemeine  Unzufirie- 
denheit  zu  erregen. 

Das  Oberhaus  besitzt  indess  seinen  Namen  nicht  von  be- 
sonderen ihm  zustehenden  Vorzügen,  sondern  ron  der  zufiklligeB 
gemcinschaftlibhen  Versammlung  mit  den  Commoners  in  einem 
und  demselben  Gebäude,  in  welchem  jenes  das  obere  Stockwerk 
Inno  hatte.  Sein  staatsrechtlicher  Titel  ist  die  Verftam^lung  der 
P  eer  s  =:  Pares  (the  house  ofPeer8)f  weil  sie  einander  gleich  steheh 
und  nur  von  ihres  Gleichen  gerichtet  werden  können«  Sie  besteht 
aus  der  Englischen  Nobilitj(S.  368—74),  die  aussehliesslick 
das  Erbrecht  zur  Theil  nähme  an  dem  Hause  der  Peers  hat,  und 
gegenwärtig  343  Mitglieder  mit  verschiedenen  Titeln  slhlt;  fer- 
ner aus  10  für  jede 'Parlamentssession  ans  dem  gesammten 
Schottischen  hohen  Adellgewählten  Seho^tischen  Peers, 
aus  28  auf  ihre  Lebensdauer  aus  dem  gesammten  Irländischen 
hohen  Adel  gewählten  Peers,  aus  30  geistliehen  Peers  der 
AngUcanischen  Kirche  (S.  374),  von  denen  26  Englische  Bischöfe 
und  Erzbisch^fe  (S.  395 — 96)  durch  ihr  Amt  berufen,  4  dagegen  aus 
der  Gesammtzahi  der  Irländischen  Bischöfe  und  ErsbischÖfe  zum 
Eintritt  in  das  Oberhaus  gewählt  werden,  endlich  aus  den  12 
Lords-Oberrichtem ,  die  gleichfalls  durch  ihr  Amt  nur  für  die 
Dauer  desselben  Zutritt  zu  dem  Oberhause  haben.  Die  Ge- 
sammtzahi der  Mitglieder  des  Oberhauses  ist  demnach  gegen- 
wärtig 429^  von  welchen  aber  die  12  Oberrichter  nur  eine  be- 
rathende  Stimme  haben.  Die  Zahl  der  Mitglieder  iit  aber  un- 
beschränkt und  kann  zu  jedem  Augenblicke  ,  von  dem  Könige 
vergrössert  werden,  jedoch  nur  was  die  Englische  Nobilitjr  be- 
trifft, indem  der  König  durch  Patent  die  erblich^  Würde  eines 
Englischen  Peers  mit  einem  bestimmten  Titel  ertheii^,  der  dann 
an  seinem  Besitzthum  haften  bleibt;  und  als  Majorat  nach  dem 
Recht  der  Erstgeburt  für  die  männliehe  und  weibliche  Linie 


Das  Britische  Beiclu  665 

forterbt  (S.  308—^0).  Ei  Itetitst  aber  dai  Obei^ant  wegett 
4er  gewUüten  Schottiseben  und  IrUeben  Peers  nicht  mehr  den 
Charakter  einer  reinen  erblichen  Kammer  im  Gegensats  ei- 
ner Wahlkani^mer.  Den  Vonits  führt  im  Oberhause  der  Lord- 
Gr^ai-Kanaler,  und  wenn  die  Veriraltang '  dieses  Amtes 
iammt^  dem  grossen  Siegel,  wie  im  Mai  1835  geschah,  einigen 
kftniglieben  Commissarien  fibergeben  wird,  so  eifolgt  die  Ernen- 
nung eines  besondem  Praesidentdh'  des  Oberhauses  cur  Züt  aus 
der  Zahl  der  Lord-Oberriehter  (the  9age$  of  law),  so  wie  eines 
Tiee-Praesideoten.  Die  Peers  haben  das  Recht/  auch  In  ihrer 
Abwesenheit  durch  Bevollmftehtigte  (Proxies)  ihre  Stimme  abge- 
ben au  können,  diese  dftrfen  jedoeh  nicht  an  den  Debatten  An- 
theil  nehmen,  es  sei  denn  dass  ein  Peer  selbst  noch  mit  der 
Walimehmung  einer  zweiten  Stimme  durch  Vollmacht  beauftragt 
ist,  der  gleiche  Fall  tritt  stets  bei  denPeeresse«  ,ein:  die  Abstim- 
mung geschieht  mit  content  und  no  content.  Das  Oberhaus 
hat  die  Gericlftsbaricelt  fiber  seine  eigene  MitgKeder,  woron  die 
Prinsen  Ton  kdnigUchem  Geblüte  nicht  ausi^eschlossen  sind*,  so- 
wie llber  die  des  Unterhauses.  Die  Staatsmiiiister,  sovile  alle 
hohe 'Staatsbeamten,  Hefaen  nur  vor  dem  Oberhause  ru  (Bericht, 
das  jedoch  auch  die  Untersuchung  Jedes  Verbrechers ; '  auf  dem 
die  Schuld  des  HoehTorraths  lastet,  su  fähren  und  über- ihn  das 
Ufftheil  w  ftUen  hat  f  ' 

Dat  Unterhans,  welehee  diegew&hlten  Abgeordneten  der 
Grundbesitser  aus  den  Orafsehaften  und  den  einxelnen  Haupt- 
punkten  derselben  nmfasst,  wird  seit  der  Thronbesteigung  Georgs  F;, 
des  ersten  Königs  aus  dem  Hanse  Hannover  (1715)»  stets  auf 
einen  Zeitraum  Ton  sieben  Jahren  erw&hlt  Doch  besitat  der 
König  das  Recht,  ausserdem  es  m  jedem  Augenblicke  aofsuld«- 
aen  und  durch  ein  neu  gew&hltes  lu  eraetsen,  so  Wie^es  an  und 
ffir  sieh  dureh  den  Tod  des  Königs  jedesmal  oufgeldat  ist  Er 
besteht  aus  658  Mitgliedern,  di^  aber  bis  sur  Reformbill  auf 
sehr  rersehiedene  Art  ins  Parlament  gesandt  wurden»  je  nach- 
dem eine  Stadt,  oder  auch  nur  ein  Flecken  ein  solches  Recht 
im  Mittelalter  erlangt,  und  es  auch'  in  der  neueren  Zeit  trots 
seines  gesunkenen  oder  g&nalich  rerfallenen  Zustandes  ^daher 
rotteM'borougk)  behauptet  hatte.  Demgemlss  waren  nicht  selten 
wenige  Höuser  einei  Terfallenen  Fleckens  mit  dem  Recht  au  Par- 
lamentswahlen ( ParUmm^ntary   horoughsj  ausgestattet,   welche« 


SÜS  Das  Bßriii$Qhß  Betch. 

yon  deo  blühoidtlea  und  ToUcreidMten  SKädtea.  die  wk  Bir- 
mingham,  Manctiester,  Sheffield  dletea  WoliUtaod  und  Umfang 
ejrat  im  achtaehnten  Jahrhunderte  erreicht  hatten,  vergeblich  er* 
strebt  wurde,  Denelbe  Fall  trat  bei  den  Grafaehaften  ein,  von  ' 
denen  jede,  swei  Abgeordnete  ohne  besondere  Röcksicht  auf  ihre 
Volksmenge  und  iiire  sonstige  Bedeutsamkeit  einsusenden  hatte: . 
vir  dürfen  daher  nur  einen  Blick  auf  die  tabellarischen  U^ber- 
alchten  der  Grafschaften  (S.  |li — 16)  werfen,  um  die  unange- 
messene gleiehmäsaige  Bcpraesentation  der  50,000  Einwohner 
der  Grftfschfliften  Westmoreland,  Huntingdon  und  iler  noch  klei* 
neren  <^zaU  der  Grafschaft  Rutland  gegen  die  fünf  und  swan- 
zigmal  so  grosse  Bevölkerung  der  Grafschaften  Yorl^  "und  Lan« 
caiter  ins  gehörige  Licht  zu  stellen.  Di^  RejüraeseiUation^  war 
nun  auf  folgende  Weis^  ivaanunengesetzt: 

•  ^  Abgeordnete 

1.  Die; 40  (Inguschen  Grafschaften  sandten  je  2  Knights  80 

iL  25  gross«  £ogL  ^StuMte  (Cities)^)  sandtefi  je  2  Citizens  50 

3.  167  Elnglische  -kleinere  Städte  n|id  Flecken  (boroughs) 
sandtep  je  2  Burgessea 334 

4.  5  Englische  Borgles  sandten  je  1  Buigess      •    •    •    »  5 

5.  Die,  beiden;  Engtischen  Universitäten  sandten  je  2  Abg.  4 

6.  Die; 5  Englischen  Haupthikfeti  4eini^tte  Ports)  und  die 

3  Nebenhäfen  sandten  je  2  Abg. 16 

7.  Das  Fürstenthiim  Wales  sandte  aus  jeder  der  12  Graf- 
'Scbaften    1  Knight  und   aus  jedem  der  12  Borougba 

1  Burgess,  zusa^pMuen.  .^••••••••.•.  24 

8.  Das  Königreich  Sehottland  sandte  seit  (707  gleiehfaUa 
aus  jed^r  der  30  Grafschaften  1  Knight  und  aus  den 

65  Cities  und  Boroughs  15  Bui;gesses,  zusammen  -    45 

0.  Das  Königreich  Irland  sandte  ssst  1801  aus  jeder  der 
32  Grafschaften  je  2  Knights  nod  aus  18  Boreoghs 
je  2  BuiKessei^  wisaimiien    •    •    •    .    •    ^    .    •    .    •        100 

1  überhaupt        658 

Aber  diese  MangelhafHgkeit  des  Englischen  Repraesentations- 
S3^ Sterns  hatte  seit  Burke's  gerechten  Angriffen  sich  namentlich  durcti 
die   offenkundige  nnd  gemeinhin  ganz  rücksichtslos   betriebene  ' 


*)  framentlkh  wird  eine  Stadt  ail  einem  Uscböfliohen  Sitze 
city  genaoat*  ' 


^ 


Das  BriCiscka   BeitL  i6T 

K&BflicMceit  ifev  Stunmen  in  den  roteeii4NHro«glis  «nf  Jm  widrigste 
schon  Mit  Iftager  «b  «uMin  belben  Jabrhanderta  tonerkbar  geniMbt, 
Itattejedoehinmer  ilire  Vertheidiger  in  dem  Ober-  und  Unterfaauee 
gefanden»   weit   man   aie  ek  ein   nethwendigei  Uebet   der  ßng- 
litehen   Steetsreifauung    m    betrachten    gewohnt  worden   war. 
Nur  wenn  Parüamentarj  boroagbt  geradesn  der  Beitechliohkeit 
bei   der  Auiftbung  ihre«  Wahlrechte   Qberfilhrt  werdeUv  konnten, 
s6Ute  ihnen   dat  Wahlrecht  durch  ParlamentaurUieil,  genommen, 
werden   können.     Ala   aber   dieees   nun    wirklich    1S29  bei  den 
beiden  rotten-boroughs  E^st^Retford  un«l  Penrjn  geschah»  wurde 
dat  Wahlrecht   nicht  nach    dem   dringenden  Anfordern   der   öf- 
fentlichen  Meinung    auf    die    beiden    gröeeten   noch   gar  nicht 
im  Parlamente  repraesentirten  Städte  Manoheiter  und  Birming- 
ham   Überträgen»    die    noch   nicht   daetelbe   betaeaen»    sondern 
es    ging    duroh    den    Cinflusa    Robert    Peels»    der    hierin    von 
.dem    entschiedenen   Willen    des   Könige   Geoi^   IV.   nnterstfitst 
wurde,   auf  die  nächsten  Landbesirke  in  denselben  Grafschaften 
über.     Aber  nach  dem  Tode  Georgs  IV.  QXL  Jun.  1830^  und  der 
fast   gleichseitigen  Franaösischen  Juli-Revolution»,  die  ihre  Ein- 
wirkung auf  ilos  öffentliche  liCben  Grossbritanniena.  nicht  fehlen 
Hess,   konnte   das  Wellingtonsche  MinistMum   sich  nicht  mehr 
die  Minorität  des  Unterhauses   erwerben   und.  musste-  Ton   der 
Leitung    der    Staatsgeschjlfte    abtreten.      Dachirck.   wurden    die 
Freunde  der  Reform  des  Repraesentatioiiswesens.  ia»  Unterhause 
in  das  Ministerium  geführt,  und  Lord  John«  Rnstell»..  4er  bereits 
seit   1819   die  Reform   eifrigst  Tcrlangt  hatte,   brachte  als  Mit^ 
glied   des  Grejschen  Ministeriums  Am    K  Märsr  f93i  die  erste 
ReformbiÜ  ine  Unterhaus^    Nach   derselbea  sollte^  keine  völlig 
neue,  auf  dem  Wege  theoretisehen.  Eründene  ausgedaehte  Volks- 
vertretung in  Grossbritennien  cingefdhrt,  sondern  niti'  eine  mög- 
lichst   ansprechende  Verbessemng    der    bestehenden^  Verfassung 
vorgenommen   werden:    denn^  es.  wurde   von  ihm^  nachgewiesen» 
dass   von    513  Englischen  Stellen   im  Ünterhause- nur  70  durch 
unvesfölschte  Volkswahl»,  die-  übrigeikv  sechs .Siebentheile   durch 
aristocratischen   Einfluss   oder   durch   erkaufte  Stimmen   besetzt 
wurden^     Um  nun.  diese  Reform  su.erreiehen»   soUte  überhaupt 
die  Zahk  dec;  Commonen  verringert  und  von  658^  auL  5D6  herab- 
gesetKt  wevden,  indem«  alle  Wahlfleeken  (parliamentarj  boroughs)« 
die  nach   der  ofiiciellen  Zählung-  vom  J^bre    1821    nicht  2000 
Einwohner  gehabt   hatten,   ihre   beideii  Abgeordnelen  verlieren, 


I 
I 


/ 
1 


Sm  Oag  Brltl«€lie  Beloh. 

dk  WaKtttebMi  «b«,  weldi«  mir  iwlitlieii  400Ö  «nd  200^  Eto- 

irvliDcr  ges&kit  hatten»  feroerhui  itmtt  der  2  Abgeordaeten  nur 
eine«  Abgeordaeten  w&blen  lolkeii.  Auf  fol^e  Weist  würden 
168  Pi^iameDtt-Stelleii  eriedigt  werden,  weil  00  Wablfiecken 
sur  enten  Categorie  geborten  y  also  120  Stellen  Terlieren^  wür- 
den» andere.  48  Wablfleeken  aber  in  der  iweiten  Categorte  be» 
^  gr^n  wiren.  Von  die^  168  Parlamente-Stellen  sollten  nmt 
wiedomm  62  gilnzUeh  eingehen,  14  Steilen  aof  7  groete  Städte 
swifohen  45,000  und  160,000  Einwohnern  su  je  2  kommen  ^  20 
Stellen  auf  andere  20  noch  bie  dahin  nicht  repraetentirte  Städte 
switehen  4Q»000  und  10,000  Einwohner  übertragen»  ausserdem 
Lo&Mlon  und  27  nach  der  Berölkerung  besonders  ansehnliche 
Grafschaften  überhaupt  mit  64  Stellen  vermehrt^  endlich  die 
Repraesentatien  von  gans  SchotÜahd  nm  5  und  Ton  Irland  um. 
3  Stellen  vergrdssert  werden.  Während  der  Debatten  xwisehen 
der  ersten  und  «wetten  Lesung  dieser  Bill  wurde  imwiscbea 
ermittelt,  dass  einige  der  ron  Jlussell  zu  gänslichem  oder  theil- 
weisem  Verluste  des  Wahlrechts  •  beseichneten  Wablfleeken  eine 
grdssere  BcTÖlkerung  als  die  angenommene  wirklich  besässen, 
wodureji  die  Verminderung  der  Parlamentsstellen  beträchtlich 
ermässigt  uqd  die  Gesammtsahl  wieder  auf  627  Stellen  im  Ün* 
terhause  angenommen  wurde, 

/ 
Aber  nach  der  «weiten  Lesung  der  Bill  erhielten  die  Re- 
form-^liaisler  bei  einijgen  Nebenfragen  die  Majorität  gegen  sieh, 
worauf  dieaelben  nach  dem  gewöhnlichen  Herkommen  ihre  Ent- 
lassung forderten,  aber  von  dem  Könige  auf  den  überall  stark 
ausgesprochenen  allgemeinen  Wunsch  des  Volks  beibehalten  wur- 
,  den.  Nun  blieb  nur  noch  das  Mittel  der  Auflösung  des  Parla- 
ments übrig,  um  durch  den  Versach  der  Wahl  eines  neuen  Un- 
terhauses eine  entschiedenere  Migorität  für  die  Sache  der  Reform  cu 
gewinnen.  Die  Auflösung  erfolgte  am  22ten  April  1831,  und  schon 
nach  swei  Monaten  brachte  wiederum  John  Russell  (den  25.1uni  1831) 
die  sweite  Reformbill  mit  wenigen  unwesentlichen  Veränderungen 
in  das  neue  Unterhaus,  wo  sie  bei  der  sweiten  Lesung  mit  307 
Stimmen  gegen  231  angenommen  wurde.  Darauf  kam  sie  in  den 
Ausschuss,  wurde  hier  in  einigen  Punkten,  namentlich  uegen  der 
Zulässigkeit  su-  den  Wahlen,  sweckmässig  verbessert,  und  er-' 
langte  am  21ten  Sept  bei  der  dritten  Lesung  eine  glänzende  An- 
nahme mit  einer  Majorität  von  100  Stimmen.    Aber  nm  ao  hart- 


Das  BrltUeli«  BaUlu  AM 

DftcldgCT  imHo  Uir  D«rc^{«lieft  im  Hmm  im  tmm  Ttriifcutot 
Denn  wiewohl  sie  ki«r  bertHi  iam  7X  8«pt  ^ibgobrMlrt  ub4  itr 
Antrag  a«f  4ie  sweite  Lewuig  TMt  PrMÜtfmkiUler  Gnf  Or«jr 
iuhI  dem  Lordkftnsler  ßtMgham  mit  Ubhall  mndrinfeiMler  B«k 
redsamlLeit  Tertlmdigt  wurde,  so  fiel  deAoocIi  die  BUI  am  J. 
Oetober  mit  eioer  Majorität  Ton  41  Stimmen  durah,  nalwr  wel« 
chea  man  21  Bisch«fa  sihlte.  Darftber  entstand  eine  groeee 
Gihnmg  gegen  die  Teriea  im  gaasen  Lande,  die  in  Brietel  so 
einem  sehr  hlntigea  Aofatande  führte,  nachdem  daa  Parlament 
bereits  am  20.  Oetober  Tortagt  worden.  Unter  Bordett  büdole 
sieh  in  London  die  groete  politisehe  National*UnioB,  welehe 
unumwunden  mit  Verweigerung  der  Steuern  drohte,  wenn  daa 
dringende  Bediirfnisa  der  Reform  Iftnger  Ton  einer  Partkei  dem 
Lande  Torenthalten  werden  aollto»  Naeh  sollen  Torangegaoge- 
Den  ernsten  Umstlnden  wurde  gleieh  naih  Wiedersrdffnuag  der 
Pariamentssession  (0.  Dee.  1831)  die  dritte  Reformbill  dem 
Unterhause  am  12.  Deeember  Tdrgelegt,  welche  in  Folge  sekr 
angemessener  Verhandlungen  der  Minister  mit  den  eonsenrativen 
Whigsund  einigen Hiuptem  der gemissigten Torlos modilleirt^  die 
alte  Zahl  der  Mitglieder  des  Unterhanses  (658)  aufrecht  erhiell^  66 
Wahlfleeken  TdUig  das  Wahlrocht  entaog,  einige  su.  stark  berttl« 
kerte  Grafschaften  für  die  Wahmehmnng  de«  Wahlre^ts  ^eille, 
und  den  oben  genannten  Stidten  nadi  dem  M^aasstabo  der  Bo- 
Tdlkerung  je  2  oder  Je  I  Abgeordneten  lutheilte.  In  dieser  Oe« 
stalt  ging  diese  Bill  nach  einem  weniger  besdiwetiichen  Kampfe 
im  Unterhause  am  23.  Mftm  182(2  mit  einer  Hijoritift  Ton  |l(l 
Stimmen  durch» 

Die  Verhandlungen  mit  den  gemlssigten  .Teiles  *)  setsten 
es  besonders  durch,  dass  in  den  Städten  nicht  die  BeW)lkerung, 
sondern  die  HHusersahl  als  Orondlage  der  Wahlberechtigung 
und  für  die  Bedeutsamkeit  der  Oralichaflen  das  Vcrh&ltnisa 
ihrer  Grundsteuer  als  Maasstab  angenommen  wurde.  Dem  Ober- 
hause wurde  darauf  die  Bill  am  25.  April  1832  rorgelegt,  die 
sweite  Lesung  derselben  ging  auch  noch  mit  einer  sehr  schwa- 
chen  Majorität  von  0  Stimmen  durch,  aber  ein  neuer  Kampf  ho* 


*)  Namentlidi  selchneten  ^ch  dabei   durch  Nadiglebi|M<  d«' 
Lord  WboradiiTo  und  Gral  HuTowb^  ans* 


Syi^  '  Das  Brltisefae  Beieh. 

gMMi«  »It  4i»  ToriM  iJifeii  VorMlilag^  dorcliaetsten  <ani  7.  MalK 
svertt  iV«r  itfia  Stftilto  sn  iliaiiiiMi,  wetck«  «in  neues  Wahl- 
leelit  •  bekoaiMea  »eUteiiy  üi4etii  eae  dann  aielier  hoffeii  tiurfcmi, 
4ms,  weiui  Bieter  Fenicruiig  sitiror  geoR«^  wftfe,  am  so  weniger 
alte  WeUflecken  iliffe  Wahlrachte  verlieren  vfirden,  abo  an 
se  melir  Einflmt  ilinen  aoeh  femtriiin  Terbliebe.  Das  Grcytebe 
Minitteriam  erkannte  aber  sofort  diese  List  und  reichte  schon 
den  Tag  darauf  seine  Biitlassong  ein.  Sofort  seigten  sieh  fiber- 
all im  Reishe  die  bedenklichsten  Bewegaugen «  so  dass  die  To- 
ries  es  nicht  auf  sich  nahmen,  den  Auftrag  itM  Königs  sur  Bit- 
4ang  eines  neuen  Ministeriums  attssuftthren,  and  Graf  Grejr, 
Lord  Brougham  und  die  fibrigen  Freunde  ^er  Reform  am  15. 
Mai  Ten  nenem  der  Leitung  der  Staatsgesehifte  sich  untenogea. 
Dann  erst  wurde  die  Reformbill  auch  vom  Oberhause  am  4. 
Jani  mit  einer  Majorität  ron  22  Stimmen  angdkemoMn,  und  er- 
langte drei  Tage  sp&ter  durch  die  königliche  Sanetioa  den  Cha* 
r|kter  eines  Staatsgrun^esetaas« 

Uebersehen  wir  nun  die  wesentlichsten  Punkte  des  Gesetses 
nadi  den  Verftnderungen  durch  die  Parlamentsdebatten,  so  fin-^ 
den  wir,  dass  die  Wahlfähigkeit  für  das  Unterhaus  ditrehaus 
nicht  msrttndert  ist,  denn  die  äkesten  Söhne  der  Lords»  wenn 
sie  zu  Mitgliedern  des  Unterhauses  gewählt  werden,  dürfen  eben 
so  wie  die  Abgeordneten  der  Universitäten  gar  kein  VermÖg^i 
naehweisen.  Alle  fibrigen  Wahl^Candidaten  mfissen  aber,  wie  es  frü- 
her auch  nothwendig  war,  in  den  Grafschaften  600  It  St  (4200  ThL) 
reines  Einkommen  aus  eigenem  Grundbesitx,  der  ihnen  schon  fiber 
ein  Jahr  sugehört,  und  in  den  Städten  und  Flecken  300  %  St  (2100 
Thl.)  Einkommen  besitsen.  Das  Alter  bleibt  fär  den  Wähler,  wie  für 
den  Wahlcandidaten  auf  das  lurfickgeiegte  21.  Jahr  festgestellt 
Aber  die  Zahl  der  Wähler  ist  gleiehmässiger  vertheilt  und  überhaupt 
vergrÖMcit,  denn  frfiher  waren  nur  die  Gentrj  und  von  den 
niederen  Volksdassen  die  drei  ersten  (S.  375—79)  mit  Ein» 
schlus  der  Freeholders  sur  Theiinahme  an  den  Parlameatswahlen 
berechtigt,  jetst  sind  es  auch  die  Erbzinser(Copjholder8):  jedoch 
ist  für  sämmtlic|ie  Wahlberechtigte  als  das  Minimum  ein  reines 
Einkommen  von  10  9;  St  (70  TJ^L)  und  einjähriger  Besits  be< 
stinunt,  wosn  in  den  Städten  die  Einnahme  einer  Hausmiethe 
von  10  %  St,  oder  auch  selbst  das  Zahlen  einer  Miethe  von 
10  %  St  als  Miethsmann  gleiebgesteUt  worden  ist     Es  werden 


Das  »ritisclit  BeiclL  gfi 

•  / 

fortan  g^üMie  WfthlerUiiteii  •  tob  den  ävmmftltg^ru  (Oywriaert) 
fQr  je4«a  Wjüüdktmt  äng«f<ntigC,  jAlif lUh  *  «uigtiegl  und  to^ 
den  reisenden  Qberrichtern  controllirty  wobei  sogleich  die  jreli 
den  Wiblera  dag^ea  eitobenan  Beeeliwerden  unlenraefat  tioU 
abgethaii  werden  minen.  •  Die  Wahled  eeibit  tind  unter  ge* 
iMMere  Au£deht  eigaper  WdiM»eaniten'  (reüuming  officert)  gestellt/ 

Die  Zusunmensetroag  des  Unterhemes  selbst  hat  gegen  die 
frühere  folgende  Abftnderungen  erlitten.  D^e  Zahl  der  Mitglie- 
der bt  miTerttfidert  658  geblieben ,  %ber  England  hat  18  Stirn- 
Bien  verloren,  dagegen  Wales  5»  Schottland  8  nnd  Irland  5 
Stimmen  gewonnen.  Von  den  ßoroughs-parliaraentarys  haben 
57  alle  beide  Stimmen  und  30  Boroughi  je  eine  verloren:  zu 
de»  Wahlbesirken  anderer  schwach  bevölkerter  Boronghs  ist 
neeh  die  nAchste  ÜmgegcHid  hinsageflgt  Worden.  Dieee  *I44 
Stimmen  sind  dergestalt  v^rtheHt,  dass  22  grosse  Städte,  darun- 
ter Birmingham,  Maneheater,  Leeds,'*SheMeld  das  Recht  zu  je 
2  Mitgliedern,  und  20  andere  St&dte  das  Recht  zu  je  einem  Mit^ 
gliede  erlangt  haben,  also  überhaupt  A4  Stimmen  wieder  auf 
Städte  zurückgekommen  sind.  27  Grafschaften,  die  wie  alle 
übrigen  Englischen  und  Irischen  je  2  Abgeoi'dnete  in  das  Unter- 
haus sandten,  werden  jetzt  in  2  Wahlbezirke  getheilt,  die  selbst 
das  Wahlrecht  zu  je  2  Abj^eordneten  etlahgt  haben,  also  eine 
Veripehrung  von  55  Stimmen  der  GrafscKafcs- Abgeordneten,  da  i 
Hampshire  statt  2  sogar  eine  Verstärkung  von  3  Stimmen  er- 
halten hat.  Ausserdem  ^elrhalten  7  Grafschaften  *)  eine  Vermeh- 
rung von  je  einend  Mitg|li<^de,  also  statt  d^r  früheren  2  jetzt*  3. 
Rechnen  wir  nun  noch  die  Verstärkung  d^r  18  Stimmen  lür 
Wales 9  Schottland  und  btand  hinzu,  so  erhalten  wir  die  obige 


*}  Während  des  Abdrucks  dieses  Bogens  erhalte  ich  DahU 
mann's  Politik  ].  Bd.  Göuing.  1835,  (Suauverfassung,  Volksbil- 
dung), ein  treffliches  Buch,  wie  alles  was  aus  der  Feder  dieses 
wahrhaft  achtungswerthen  Gelehrten  hervorgeht.  In  denselben  be- 
findet sich  S.  68  eine  Tabelle  für  EngUuid,  welche  die  Modlficalio- 
nea  des  Wahlrechts  durch  die  Ref^mbill^  nach  den  eiaselaeB  GraP 
^fdijafien  im  Verhältnissa  ihrer  Bevolkeniag  nad  ihres  Jährlkheo 
Fiinknamms  aaa  des  Graadbctili  ^aaaa  aa^^iebt« 


ioai«*  4€t  «MgtMitatm   144  Stfamen.     Ei  wki  imänmA 
S^igmiB  lMkniehtst»b«tt»  fte  «•  4  HMfUiMa«  4mi  Britbdiett 

L  £sgl«B4         üM  deft  4a  «nffthiiftMi  143  Mi^eder 

MM  den    2  UairartititMi  '*  4    ~    — 

tot  4«!  181  Cham  o.Bo90«glit  334    -»    -— 


%  Wftlei 


4.  Nland 


658  MitgUeder 

Nicht  lange  'darauf  trhielten  aaeh  dia  neuan  Wahlgatatea  Ar 
Irland  und  Sehotdand  naah  ikrar  Annalune  im  Oherhanaa  mt  «- 
Der  ganftgenden  H^oriUt  dia  kdnigUcba  GanabailgOBg»  und  ao 
wurde  leit  dem.Iahxe  1689  dar  enlia  l»adeutenda  Schritt  in  dar 
Umgattaltuiig  daa  Repräaentatiaiiswaaaiia  dar  EngÜachaii  Staata* 
varfaatttiig  gaaMMsht»  der  allardiaga  dao  Einfluai  dca  Eagtiaahaa 
ArittecratiaBiua  hadfrutsam  Uhiata,  ahar  ihn  kaiaatvegaa  Tdliig 
aufhoh:  ea  dirftap  daher  noch  andere  tahr  wichtjga  Reformao 
nach  diaaam  arttan  glücklich  erruagenan  Veraiiche  von  der  öffent- 
lichen Meinnag  gefordert  Verden*),  woau  namenfikh  die  Kir* 
dienTerfaaanng  in  Besog  auf  Irland,  die  Anae nateuer ,  und  die  in- 
Aare Einriahtuag  des  Staatehanahaltaa  lialfaafaa  Veranlaiaung  ga- 
ben werden. 


'  m 


/ 


*)  Oaa  erate  refonalrte  Pariaseat  wvr^a  In  Folge  der  Wieder- 
aattenong  4m$  WeHlogten-Peelacben  Miaieterionii  durch  die  Auf- 
löaaag  dea  Iftr  die  Refonbbill  bereite  gewäbltea  a»  iSiL  Dec  18S4 
in  den  eraten  Monaten  dieaea  Jahres  0836)  gewihH» 


1 


T" 

471 

... 

mmm 

aui  den  12  Grafschaften 

IS 

.. 

— 

aui  den  14  Borougha 

14 

,  "^ 

"■" 

• 

29 

aua  den  30  Grafachafiaa 

30 

— 

— 

aus  den  Citiea  u.  Borougha 

23 

— ? 

— 

^ 

♦* 

53 

"L.. 

«. 

ana  dew  32  Grafkcliafitan 

64 

.^ 

-*. 

▼on  der  Univareitit  DnbHn 

2 

*-, 

^^^ 

ana  den  GiMea  und  Borougha 

39 

— 

— 

105 

f 

• 

Da«  Brltlfthe  Bel#L  S79 


Im  l^terluMM  niiA  4or  Bf^et  iSH^wl.  im  mm 
MkgUadmi  4es  (JntarlwMM  Ußtk  HAAmU  der  JUiMaMi  gewikl^ 
aber  Tom  Könige  bettiitiiit  wird,  den  .Vordti«    bemtit  Jedech 
scdbst  keine  Stimme.    Er  Vwtimmt  die  Reüieofolge  der  m  Ter- 
hendelnden  Gegeoetiüide  «nd  Tenelcimet  ttm  in  einem  offen  Ue« 
geoden  ProtokeUe,  des  tftgüeli  gedracki  mid  tu  die  Mi^Ueder 
Tortheilt  wird.    Er  bei  die  Abttimmung,  welehe  diireh  ejr  nnd 
no   getcbiebty  la  regeln«  die  Ordn^ing  im  Heute  wälirend  der 
Debetten  su  erbelten,  UbgebObrliebkeiten  sa  venreiaen  «nd  ftber^ 
beapt  necb  der  Perlementtr^l«  nnd  wo  diese  niebli  bettimmty 
neeh  dem  Pariementsberkommen  sa  entsebeiden.  —  Die  Sitnin* 
gen   dea  Uat^rbauiet  fanden  bif  mm  Jabre   183S  immer, nur 
naqb   dem  Mittagteeaen  statt»  d«  iL  also   naeb   der  EagUscbsn 
Sitte  um  6  Uhr  Abends   oder  nocb  spiter:  sie  danerten  also 
desbalb  bbuBg  bu  tief  ia  die  Naebt  binp^  nnd  bei  eebr  ipebli^ 
gen  Debatten  nicbt  settsii  die  ganse  Naebt  biadnteb  bis  an  den 
frühen  Morgen.     Daher  fand  der  Aatiifig  Lord  Altborps  vom  20. 
Febniar  1833  mar  bessern  Einriditiing  der  Gesebbfitsordnung  all- 
gemeine  Genehmigung»  dass   nemlieb   die  Priratbills  nnd  alle 
anderen  Eingaben  an  das  Uaterbans  in  den  Woebentagen  Toa 
12  bie  3  Uhr»  mit  Aasaabme  des  Sennabends  abgemaebt  werden« 
md   der  Spreeber^in  diesen  KtsQn)(en  Vormlttsgs  stob  splls* 
•tens  um  3  Ubr  ron  seinem  Sitae  erbeben  nnd  dadnreb  den  Seblnse 
der  Versammlung  maeben  sollte.  Die  Sitsnngen  Ar  di#  Staatsge- 
seblfte  sollten  dann  wiederum  pinktlieb  um  (  Uhr  anfuigenund  nidit 
bis  Aber  die  Mittemaebt  hinaus  dauern;  wenn  aber  um  12^  Ubr» 
oder  um  5^  Ubr  tftglieb  wenigstens  nicbt  20  MügKeder  anwe« 
send   wären»  während  sonst  die  •  noth wendige  Ansabl  lu  einer 
gesetslieh    gftltigott  Parlamentsversammlung   in   dO  anwesendea 
Mitgliedern  bestand»    so    sollte    der  Spreeber   diese  Sitauagett 
▼ertagen.  Dift  Mitglieder  des  Unterhauses  kennen  iwar  Instruetio- 
nen  Ton  ihren  Wiblsm  lir  bestimmfes  flegenstinde  annehmen^ 
sollen  aber  nach  ihrer  freien  Ueberzeugung  nur  (^Moeben:  ent» 
spricht  diese  nieht  ihren  Wählern»  so  kdnnen  sie  selbstfdenPar« 


«  ^)  Eine  so  IsaguDioer  hatten  u.  B.  gleich  fie  ersten  Sidungen 
des  Uaterhanses  im  Parlameale  Tom  Jahre  1834*  indem  die  vom 
3;  Febniar  sn  4.  um  7  Uhr  Blorgeas  uad  die  ?om  i.  Februar  am 
6«  um  6  Uhr  Moffeas  endete» 


874  Das  BrltiBch'6  Releh« 

liineiftiiitk  iufjj^Mm,  oder  wvnWfi  von   ihren  Commtttenten  bei 
iler  Attfldftung  det  I^arlaments  durch  einen  anderen  enetst  werden. 

Beide  Hilveer  werden   ra   der  jftlirtiehen  Pariamentiteiiion 
rmk  Kdnig«  etnbenifen;  dteae  wird  Tom  K«inige  telhst  in  Fer- 
ien,  öder  dnrch  betenden  dota  ernannte  ComiuiMarien  eröffnet 
mrni  auf  dieselbe  Weite  vertagt  o^er  geteb lotsen :  beides  geschieht 
im  Leeale   der  Peers,   indem   der  Sprecher  mit  den  Mitgliedern 
des  Unterbanset  mir  Theilnahme  eingeladen  wird.      Ans  eigener 
Maeht  könne»  binde  Hinser  während   der  Session   nur  anf  ei- 
nige  Tage  ihre  Versamminngen  anttetsen,   etwa  der  Feiertage 
wc^en,    oder  ant  sonst  irgend  eibem  allgemein  gültigen  Crrunde« 
Die  ßröffnnngsreden  enthalten  gewöhnlich  eine  Uebersicht   iiber 
den  Zustand  der  Verwaltung  nnd  die   von  der  Regierung  einmi- 
bringenden  Dills ;  die   Antworten   der  H&oser   darauf  rerrathen 
jedesmal  den  grösseren  oder  geringeren  Grad  der  Zufriedenheit 
im  Volkcb  Die   Gesetzesvorschl&ge  (BÜls),    welche  der  Ge- 
nehmig«Mig  des  Parlaments  bedörfen;  sind  entweder  prirate-bills 
Vber    Angelegenheiten   einselner  Pertonen   (s*  B.  Trennung  der 
Ehe),  Gemeinden,  oder  gemeineehaMiehe  Privat- C^enst&nd^  meh- 
rerer  Grafsehnftte    (Brücken,*  CanMe  u.  t«  w,>,    oder  p  üb  lie- 
bt IIa  üft^  Suattangelegenheiten  aller  Art    Et  ist  Völlig  gleich- 
gültig, in  welches  Hans  snerst  eine  Bill  eingebracht  wird,  nur 
mttssen   die   mit  Geldbewillignrigen   Verknöpften  tuertt  dem  Un- 
terhause vorgelegt  werden.     Jede  Bill   wird  tuvor  angeköndigt, 
und   Bwnr  eine  Privatbill   dnrch   <^ne  sehrifUiche  Petition ,   eine 
Publiebill  durch    tftne    mfindliche  Erklärung  (motion)  eines  Mit- 
gliedes,  was   auch.  Iiei  'den  von  der  Regierung  ausgehenden  ge- 
schieht, da 'hier  nur  die  Motion  von  einem  Mitgliede  des  Mini- 
steriums   ausgeht,   das  auch  zugleich  Mitglied  desjenigen  Haukes 
ist,  weichem  diie  Bill  angekündigt  wtrih  Erhebt  sieh  nun  nicht  sofort 
ein  entschiedener  Widerspruch  mit  der  Majorität  gegen  die  fernere  Be- 
handlung des  Gegeimtandes,  so  wird  die  Bill  ndeh  einigen  Tagen  tum 
ersten  Male  verlesen,  und  die  Debatte  beginnt   Nach  gesehlosse- 
ner  Debatte   wird    Über   die  sweite  Lesung  abgefitimmt,  fällt  sie 
hier   durch,   so    darf  sie   in   derselben   Parlamentssession   in 
gleicher   Abfassung    nicht   noch   einmal  wiedc^   in   das   Haus 
eingebracht  werden,  welches  sie  verworfen  hat    Wird  sie  angenom" 
men,  so  kommt  die  Bill  sur  näheren  Prüfung  aller  eigenthömlichen 
dabei  vorkommenden  Umstände  in  den  AusschnsSi  der  wenig- 


Das  Britisclie  ^eiolb  199 

V 

Stent  aus  »chl  MitgUoiern  besliilMii  muM»  M  «dir  wiektifcdi 
Aiigel0flreQ]ieiten  aber  aueh  das  p:aiiae  Hanf  aujn  AimmImm  hat 
Ccommiilee  of  the  uhoU  koun^).  Wird  lia  hier  nun  abgeün- 
dert  o4er  erweitert  dorek  AmendeneDti«  ao  lep;!  der  Vortitser 
(ebairmanA)  dea  Aiiafchttaaea  teuiea  Berieht  im  veraaaimekea 
PaHamente  ah,  worauf  die  Oehattea  wieder  hegitweiiy  bit  ea 
«ach  ihrem  SohluMe  aar  Ahatimmmig  tthiir  die  dritte  Letang 
kömmt  Geht  auch  dieaa  diireh»  lo  werde»  nnr  ielteii  aoeh 
Zosätae  odtr  Clauieln  htaxi^i*efQgt,  vnd  daan  dareh  einfaehe  Ab- 
atimmunx  ili^  Annahme  auf  einmal,  oder  naeh  ^den  einieUiea 
Punkten  entschieden.  .  Dann  kömmt  dia  Bill  in  dt«  andere 
Havs,  wo  sie  dieselben  fünf  Stationen  dut^haamaehen  hat.  lat 
die^Bill  im  Unterhauae  averst  genehmigt,  se  wird  sie  von  eint' 
gen  Mitgliedern  des  Unterkausaa  peraönüeh  an  daa  Oberhau« 
überbraeht  Wird  sie  in  dem  zweiten  Hause  Terworfen,  so  tritt 
der  gleiche  Fall  wie  eben  ein  9  dass  sie  in  derselben  Session 
nicht  mehr  in  gleicher  Gatalt  eingehraeht  werden  kann.  Ist 
ai«  aber  wesentlich  anrnndiri,  so  muss  sie  nock  einmal  den  Gang 
durch  das  Hans  durchlaufea,  von  welchem  sie  ausgegangtn  ist. 
Können  beide  Häuser  sich  gar  nicht  eiMgen,  se  wird  wohl«  Jedoch 
höchst  selten»  eine  Confereas  awbchen  awei  Aussehtssen  beider 
Höuser  veranstaltet,  ist  dagegen  eine  Bill  von  beiden  Hftusem, 
angenommen  t  so  wird  sie  dem  Könige  sur  Sailctien  vorgelegt» 
Diese  erfolgt  in  Franaösisehen  Formeln ,  den  Ueberrestea  der 
vormaligen  Staatssprache,  die  während  der  ersten  Ausbildung  de«  ^ 
Parlaments  im  dreiaehnten  Jahrhundert  von  der  Normannischen  Er- 
obcEung  her  sich  als  allein  gältig  gemacht  hatte:  l^ei  einer  Privat* 
bili  *)  henst  es  $0itfm$  tomme  ü  B%t4e9iri^  bei  ^«r  PubUcbüi  1$  RH 


*)  Die  Zahl  der  jährlich  eingebrachten  BHIs*  seh  wankt  «Aschen 
500  oad  60Oy  wovon  \  Public-  |  Private-BlIU  dnd.  Das  Tearbeok 
for  J834  giebt  auf  8.  176  eine  sechs  and  awaaiigjährige  Verglei- 
chang  (T.  1806-31)  über  die  Dauer  der  Ses^ionstage  (90*136(181*2])» 
der  Sessionsstiinden  (600—900*),  und  über  die  jährlich  durchgegan- 
genen Privat-  und  Public*  Bills.  Von  den  letzteren  giebt  das  J* 
1815  die  meisten,  nämlich  196,  von  den  ersteren  die  J.  1809—14,  wo 

*)  Die  meisten  Sessioosstonden  gewährt  dA6  Jahr  1631 »  deui  die  Parlaments^ 
Session  vom  26.  Octobr.  1830—33  Apr.  1831  von  ^40  Standen  gab  schon  über  409 
Blonden,  nnn  kam  noch  das  Parbwient  vom  U.  J«n.~S3  Oct.  I8S1  mit  918  Sesslons- 
standvB  hiaxo,  alaa  tisnmmwi  J318  8t«Mka. 

/ 


'  i 


'  gfS  Das  Britische  Beicli. 

Uveutf  Ui fünft QtlöiXJaLh  Soiremercü 99$ t0yaBx$9^^ei$t  aecepie 
kur  b9n9Vol€nc9  #1  mtmti  h  vemU  Verwirft  der  König  die  Biit» 
10  getehiebt  et  ddreb  die  Fermel  U  Rot  M^awiBu^ra.  Doch 
kann  der  Kdnig  einer  in  Weiden  Hkuiem  durehg^angenea  Bill 
nnr  sweimel  die  Genehmigung  vertagen:  hei  der  dritten  An-* 
nähme  dertelhen  Pili  Tom  Parlament  vhrd  lie  anch  ohne  Ge- 
nehmigung det  Königt  Staattgeeetiy  ein  Fall  der  jedoch  teiC 
1089  niemalt  eingetreten  itt^  da  der  Kdnig  gemeinhin  datHinitte-' 

>  rium  tofort  lu  Indem  pflegt,  wenn  die  Öffentliche  im  Parla- 
mente antgetproehene  Meinung  demtelhen  to  beharrlkh  en^go- 
gentteht  Die  Minitter  haben  amtlirh  keinen  Zutritt  sum  Parlamente, 
mtter  wenn  tiePeera  sind,  oder  alt  Commonert  gewählt  werden:  er- 
kalten tie  einnen^  Amt,  to  motten  tie  alt  Commonen  ron  neuem  ge« 
whhlt  werden.  «^  Die  Sitningen  tiad  nicht  öffentlich  nach  dem 
Getetn^  aber  nach  dem  Herkommen,  werden  Jedoeh  togleieh  ge- 
kelme,  eobald  ein  Mitglied  durch  die  Bemerkung,  datt  et  nicht 
^lamenttHlhige  Zuhörer  sehe,  dietet  fordert 

Die  flbrigea  Reehto  der  Stiade  lattep  tieh  auf  wenige 
Worte  sutammendringen»  indem  yöliige  Gleiehttellung  def 
Yertrhiedenen  Volktclaaten  in  allen  bürgerliehen  Rechten  und 
poHtitchen  Besiehungen  und  Gieiehheit  Tor  Crcricht  gegenwirtig 
die  Hauptsöge,  der  geaetslichea  BettimmilDgen  der  Staattrerfat- 
tutfig  bleiben:  slfo  die  etwa  torkommenden  Abweichungen  daron 

*  laufen  gerade  dem  Grundeharakter  der  VerCutung  entgegen. 


jährlich  390—314  pattirt  ttnd.  In  der  tteuetten  Zeit  war  dat  an  on- 
gtöcklichen  SpecnlatianeS  mit  neuen  Betriebt-Compagnien  to  reiche 
J.  1825  auch  dat  rtichtte  an  PriTatbillt,  denn  et  wurden  Ober- 
haupt eingebracht  4d6f  wovoo  958  zur  ertten  Letong,  339  zur  zwei- 
ten, 394  zur  drittes  Letung  kamen  und  286  die  königliche  Geneb* 
migung  erbiellea.  Dsttelbe  Tearbook  liefert  S.  301  eine  neunjährige 
üeberticht  <  1830— 38)  derPrlTalbillt  nach  den  tertchiedenen  Gegen- 
ständen» wobei  etwa  ^  auf  den  Ackerbau »  in  auf  grotte  Compag- 
nien,  -^auf Verbetterangtsalagen  för  Städte  und  kleinere  Districie,  wie 
KirclMrä-Bauten,  Gaterleuchtong  o«  $•  w.,  -t^  auf  innere  Commuaica- 
tion  durcH  ^tratsen»  CanSIe,  Brocken  u.  &  w.,  «^  auf  Schiffahrt  und 
endlich  ^  auf  einzelne  Priratanliegen  wie  Natoralitatlon,  Ehetren- 
Dung  u.  t.  w.  koBunen.  Im  J.  1883  waren  in  neuetter  Zeit  am  we- 
liigtten  PriTatbillt  bei  dem  Haute  der  Gemeinen  eingebracht,  nur 
313»  Ton  denen  189  bit  zur  ertten  Letung  kamen,  176  die  ^Kweite 
Lesung»  169  die  dritte  erlangten  und  166  tom  Könige  genehmigt  wurden. 


t>aa  Britische  Reich.  877 


9.  ir. 

Von    dem  Veic^^ältmiBse   der  Kirche  ssum  Staatte. 


.Der  Gnindiats  •iner  «neingeselirinkt«!!  DuMung  für 
j«den  Religionidiensty  in  soweit  er  nieiit  vom  Staate  anerkaaiite 
Rechte  angreift  und   der  inneren  Ruhe  und  Ordnung  gefiktlich 
entgegentritt»  findet  für  den  Umfang  dee  ganzen  Britiaehen  Reicht 
seit  den  .Toleraniaeten  aus  den  ersten  Regierungsjahre  des  K5. 
Digs  Wilhelm  HL   und   der  Königin  Maria  (1689)   und  atfs  dem^ 
sehnten  Regierungsjahre  der  Königin   Anna  (1712)  atstt.     Die 
VerhiÜtnisse    der    einielnen    ehristliehen   Kirehenpartheien    und 
der  SU  ihnen  gehörigen  Seetea  in  sieh  und  xu  einander  sind  be-- 
reits  §.  8.  S.  381—405  ausföhriioh  eriiutert  worden.      Das  Ver- 
hältniss  dieser  Kirehen  sum  Staate  ist  ah^  durchaus  TerscMeden. 
Bei  der  herrsehenden  Eptseopalkireke  ist  der  Einflnss  der  Regie- 
rung  am   entschiedensten    durch   ihren  Antheil  hei  den  Wahlen 
der  obersten  Kirchenhäupter  gesiehert      Die  Domkapitel   haben 
Bwar  das  Reoht  beibehalten^  ihre  Ersbiseliöfe,  Bisehöfe  und  De- 
ehanten  su  wählen»    aber   dieses  darf  nicht  eher  geschehen,   als 
bis  die   besondere  Wahlerlaubiiiss   (conge   heitre)   des  Königs 
dasu   eingegangen  ist/  die  jedesmal  mit   der  Empfehlung  einer 
bestimmten  Person  begleitet  wird,   die   dann  ohne  allen  Wider- 
Spruch   gewählt  werden  muss.      Da  -nun   dieses   seit   den  'Zei- 
ten  der  Königin   Elisabeth   geschehen   ist,   wie  es   bereits  von 
ihrem    Vater    Heinrieh    VIII.      seit    1534    fttr    die    Catholische 
Kirche  angewandt   wurde,   so   besitzt   die   Regierung   darin   ein 
unfehlbares   Mittel,  Jeden   ihr  gefährlich    oder   auch   nur  zwei- 
dentig    dönkenden    Geistlichen    von    dem   Eintritte   in    ein   ho- 
hes geistliches  Amt   entfernt   su   halten.      Neue  ßisthümer   und 
Dechaneien  können  nur  vom  Könige  errichtet,  bereits  bestehende 
aber   nicht    verkürzt    oder    eingesogen    werden.       Das   Letztere 
ist  jedoch   in  Beziehung  auf  Irland    dareh  die  von  beiden 'Häu- 
sern genehmigte  und  rem  Könige  bestätigte  Kirchen-Refcurmacte 
vom  Jahre    1833   dergestalt  zugestanden  worden,  .  dass  zehn  ßis- 
thümer  nach    dem  Absterben    der  jetzigen  Inhaber  nicht  weiter 
besetzt   werden,    ihre   Diöeesan-Auisieht   aber  Tcrhältnissmässig 

Schaberrt  Statistik  n«  .         37 


67d  D^sB  ritisch-«^   Reich. 

nach  Kirehspielen  unter  die  übrigei^  Anglieanitchen  Bisch^ife 
Irlands  vertheiit  werden  tollte.  Dabei  wurden  ^nn  -ebeiHiiitiisig 
aueh  sovieie  Domcapitel  und  Dechaneien  sur  allmiililigen  Einxie* 
hang  bestimmt  —  Die  fräheren  geistliehen  Parlamente,  aus 
den  hpherfn.  Creistlichen  «dem  Amte  «aeh  dusu  bestimmt  «und  ans 
Abgeordneten  dertiieder^n  Geisdiehkeit  bestehend ,  werden  jetzt 
nur  nach  der  Form  noch  bisweilen  einberufe,  aber  sofort  wie* 
derum  vertagt,  da- das  vereinigte  Parlament  zu  London  auch  aber  die 
gepieinen  kirchlichen  Angelegenheiten  des  Lanflea  die  gesetxge^ 
bende  Gewalt  ausübt»  uqd  in  dem  Qberbause  'desselben  die  Bt* 
schö£Q  Englands  und  vitt  Abgeordnete  aus  der  Mitte  der  Bischöfe 
Irlands,  nur  wegen  ihrer  amtlichen  Funktionen  Sitz  -und  Stimme 
haben.  Die  geistliehe  Gerichtsbarkeit  umfksst  fOr  die  Anhänger 
der  Episc^alkirche  die  Glaubens-,  Testaments«  und  Ehe- Angele« 
genbeiten,  jedoch  mit  Ausnahme  der  Trennung  der  Ehe,  die  dem 
Parlamente  vorbehalten  ist  Sie  wird  in  ^erster  Instanz  von  de*i 
Archidiaconal-Geriohten  und  den  Consistonal*Gerichten  bei  den 
Domcapiteln,  in  zweiter  Instanz  von  den  erzbischöflichen  Gerich- 
ten verwaltet  Von  diesen  findet  ^ie  Apell^ition  an  "das  höchste 
weltliche  Gerieht  statt,  «n  4as  Kanzlei-Oericht  {Court  of  chatte 
cery)  ]za  Londo|i , '  welches  besondere  Commissarien  sur  Ent* 
Scheidung  in  selchten  Angelegenheiten  bmennt,  die  im  Namen 
des  Königs  den  Ausspmeh  zu  fidlen  haben. 

Das  Yerhältniss  der  Preshjrterianisch'en  Kirche  ^ zum 
Staate  ist  bei  der  einfacheren  Form  ihrer  Verfassung  für  bloss  mnere 
kirchliche  Angelegenheiten  fast  jeder  politischen  Einwirkung  über- 
hoben, wie  ein  Gleiches  auch  ven  den  Secten  derselben  behaup- 
tet werden  niuss,  s.  S.  400  und  401«  «— 

Für  die  Römisch^  Catholisehe  Kirche  hesteht  kein 
Concordat  zwischen  dem  Römischen  Stuhle  und  der  Britischen 
Regierung,  wenn  gleich  nach  dem  zweiten  Pariser  Frieden  1615 
unter  der  Verw«dtung  des  Prinz-Regenten  einige  vergebliche  Ver- 
.  suche  zur  Abschliessung  desselben  gemacht  sind«  Die  Wahlen 
der  Cadiolisohen  Biscliöfe,  die  Verhältnisse  der  Klöster  und  die 
Emaneipation  der  Catholiken  sind  sehon  «ben  &  ^02— i4  un4 
K  403— 4  erwähnt  — > 


\ 


Das  Britisch«   Be-ich^  ,  879 


D.    Die  y erwaltung  >  des  Britischen  Staates. 


1    Innere  VerhältniBse. 


§.  18. 


■  / 


des  Staates. 

* 

▼.  Vintke,  DarstolloDg  der  urneren  Verwaltung  von  Gros»- 
britannien,  herausgegeben  von  B.*  O.  Niebuhr,  Berlin  1815 
8to^  -r  The  Mtate  of  the  nation  at  ihe  eommencem^nt  of  tke 
year  1822,  Lond.  8vo.:  eigentlieh  aU  oifi^ielle  Schrift  anzuse- 
hen,  in  welcher  das  Englische  Ministerium  seine  gesammte  Ver-^ 
waltung  seit^  dem  Friedensschlüsse  von  1815  bis  1821  entwickelt, 
um  bei  dem  Volke  das  Vertrauen  auf  dasselbe  su  rechtfertigen 
und  fernerhin  cn  erhalten.  Daran  knüpft  sich  auf  gleich  ofii- 
cielle  Weise  das  Jahr  1822  nach  allen  Zweigen  der  Verwaltung 
behandelt  ihe  adminütratian  ef  the  affairt  of  Great  Britainy 
Jreland  and  thetr  dependemeie^  at  the  commeneement  of  the 
year  1823  under  the  heade  of  Finance^  National' Reeource»^ 
Foreign- Relatwn$f  Celoniee^  Trade  and  domeetie  Adwunietra- 
tion^  Lond.  1823  8vo.  — ;  in«  Französische  übersetst  ron  Du- 
fan  und  6  u  ad  et  nach  der  4.  Originalauflage ,  Par^s,  2rae.  edit 
1823,  8vo.*).  —  Tlie  reform  Minietry  and  the  reformed 
Parliament,  London  1833,  8ro.,  welche  Schrift  eine  klare  und 
gehingene  Uebersicht  der  Gre/schen  Verwaltung  aus  officiellen 
Actenstücken  gewUhrt  und  in  wenigen  Taigen  in  vier  Auflagen 
vergriffen  wurde.  -<-  Die  in  §•'  10.  $.  11.  und  16.  angeführten 
Werke  von  Pcbrer,  Browning  und  Jones.  — -, 

1)  Das  Staatsministerium.  Der  Character  desselben 
athmet  überall  die  Erhaltung  alter.  fUr  diesen  Staat  wohlbe- 
Wllhrter  Eiprichtungen,  ohne  dem  Einflüsse  der  neueren  Zeit  für 


*)  Aas  beiden  Werken  hat  Chitl.  Dupin  ^n  systlme  de  Fad- 
miaisiratioB  BriHuiniqne,  Park  1848»  8vn.  bearbeitet. 

37* 


\ 


560  Das  Britische    Beiciu 

«ine  uigemeMenere  Fachrerdieilnng  irgend  wie  Raum  so  gebeä. 
Daher  ist  das  Personal  der  höchsten  Behiirden  überaus  zahlreich 
im  Vergleich  mit  denjenigen  Staaten ,  die  streng  gesonderte  . 
Fach-Ministerien  besitzen:  aber  nichts  destoweniger  sind  wieder  . 
die  eigentlich  leitenden  Minister  auf  fünf  beschränkt,  mit  Ge- 
schäften überaus  überhäuft^  nnd  iiicht  selten  in  eihaeinen  Zwei- 
gen der  Verwaltung  sich  durchkreuzend,  wie  es  nun  einmal  die 
allmähliche  Entwickelung  der  Britischen  Sts^atsverwaitung  festge- 
stellt hat  Bis  auf  die  Zeiten  Königs  Heinrich  Vill.  gab  es  ausser  dem 
Kanzler  des  Reichs,  der  zugleich  der  Vorsitzer  der  höchsten 
Gerichte  und  der  Peers  war,  n«r  eiiien.Staatssecretär  für  das 
Königreich  England  und  einen  Schatzmeister.  Heinrich  VlIL* 
ernannte  2  Staatssecretaire,  einen  für  den  Norden,  einen  für 
den  Süden,  welche  die  inneren  Angelegenheiten  gemeinschaftlich 
nach  den  nördlichen  und  südlichen  Provinzen  leiteten  und  eben 
so  in  den  ,au8wärtigen  die  südwestlichen  Staaten  Europas  und 
den  Ausser-Europaeischen  Handel  und  die  nördlichen  Staaten 
Europas  unter  sich  getheilt  hatten,  zu  welchen  letzteren  aber 
auch  das  Deutsche  Reich  gehörte.  Das  Amt  des  ^Schtftzmdstf rs 
wuchs  unter  'der  Königin  Elisabeth  zu  «eimnn  sehr  bedeutenden 
Ansehen.  König  Jacob  I.  "errichtete  noch  die  Stelle  eines  be- 
sonderen Staatssecretairs  für  das  Königreich  Schottland,  wel- 
ches Amt  aber  nach  det  engeren  Vereinigung  beider  Reiche  im 
Jahre  1707  wieder  einging,  jedoch  durch  das  eines  Staatssecre- 
tairs  für  die  Colonien  ersetzt  wurde.  Nicht  sehr  lange  darauf 
wurde  während  "der  Regierung  Königs  Georg  IL  die  Geschäfte 
der  beiden  Staatsseeretaire  'für  «den  *Norden  und  Süden  dergestalt 
zusammen  gezogen,  jedoch  in  anderer  Beziehung  wieder  getrennt^ 
dass  ein  Minister- 'S taatssecretair  für  alle  inneren  Angelegen« 
heiten  ,und  «iner  für  die  I«eitung  *der  gesammten  auswärtigea 
Angelegenheiten  -angestellt  blieb.  Zugleich  war  der  erste  Lord 
der  Schatzkammer  als  oberster  Aufseher  Über  die  Finanzen  ia 
ihrem  weitesten  Umfange  hinzugetreten,  während  der  Kanzler 
der  Sehatzkammer  in  der  Stelle  des  früheren  Schatzmeisters  für 
die  detaiilirte  MmisteriaN  Verwaltung  der  Finanzen  verblieb. 
Jener  erlangte  bald  durch  sein  wichtiges  Amt  und  seine  Stellung 
zum  Parlamente,  indem  die  Rechtfertigung  seiner  A^ntsverwal- 
tung  gewöhnlich  den  grössten  Theil  der  übrigen  Staatsverwal- 
tun<;  mit  hineinzog,  eine  sO'  einflussr eiche  Stellung,  dass  ihm 
gemeinhin  wie  einem  Premierminister'  die  Bildung  des  gesanim- 


.^ 


Das  Britische  Reich.  581 

ten  Minifteriumt  fiberlaisea  blieb.  In  der  aweiten  Hälfte  des 
aebtsehnten  JabrhundetW  wnrde  die  Steile  de«  Colonial-StaaU- 
«eeretain »  welche  ihre  wichtigsten  Getchäftebeiiehangen  in  den« 
Nordamerikanitohen  Colonien  gehabt  hatte,  mit  dem  Verluste 
der  wichtigsten  derselben  dorch  den  Frieden  su  Versailles  im 
Jahre  1783  wieder  aufgehoben.  Während  des  Französbchen 
Revolntionskrieges  kam  indess  ein  eigener  Miniater-Staatssecre- 
-tair  für  das  Kriegs- Departement  wieder  hinwi,  der  nach  dem. 
Bweiten  Frieden  Yon  Paris  (1815)  swar  eine  untergeordneter« 
Stelle  als  Kriegssecretair  einnahm,  aber  kn  Cabinet  blieb,  wäh- 
rend ein  neues  Staatssecretair-Amt  mit  einem  besonderen  De* 
partement  für  die  Colonien  und  den  Handel  \n  diesem  Jahre 
errichtet  wurde,  von  welchem  Departement  jedoch  die  Leitung 
der  Ostindisehen  Angelegenheiten  ausgesehiossen  blieb.  .  Denn 
diese  hängt  baupstächlich  von  dem  Directorium  der  Britisch* 
Ostindischen  Compagnie  ab,  und  wird  nur  vo^'  Seiten  der  Regie- 
rung durch  das  1781  errichtete  Bureau  der  Controller ^^'^i^^'  ^ 
eoniroulj  beaufsichtigt 

In  nothwendiger  Folge  der  Anforderungen  der  Englische^ 
Staatsvetfassung  und  der  jährlich  vom  Parlamente  neu  £u  bewil« 
ligenden  Subsidien  fiir  die  mnxelnen  Zweige-  der  43taatsverwal« 
tung,  müssen  übereinstimmendes  Handeln  und.  gegenseitige  Un« 
terstütsung  als  Grundprincipe  für  die  Ministerialverwaltung  die- 
ses Staates  unabänderlich  festgehalten  werden.  Daher  bleibt  ea 
herkömmlich,,  dass  der  Monarch  nicht  selbst  das  Ministerium 
in  allen  seinen  Mitgliedern  wählt,  sondern  nur  eins,  gemeinhin 
den  ersten  Lord  der  Schatzkammer,  was-  aber  keinesweges  alt 
nothwendig  erfordert  wird,  und  von  diesem  sodann  verlangt,  aus  dem 
Kreise  seiner  politischen  Freunde  ein  Ministerium  zusammenzu- 
setzen, das  im  Interesse  des  Staates,  wodurch  doch  in  der  Re- 
gel auf  längere  Dauer  allein  die  Majorität  im  Parlamente  für  ein  Mi- 
nisterium erhalten  werden  kann,  die  Angelegenheiten  des  Staates 
verwalten  solL  Daher  geschiebt  es  in  diesem  Staate  unausbleiblich, 
•  dass  ein  Ministerium  ganz  von  der  Verwaltung  abtritt,  sobald  es  in 
"  sich  uneinig  geworden  ist,  nnd  diesen  Zwiespalt  nicht  durch  das  Aus- 
scheiden einiger  Glieder  und  Ergänzung  derselben  durch  Gleich- 
gesinnte mit  der  Majorität  auszugleichen  vermag,  oder  sobald 
es.  in  wichtigei^  Angelegenheiten,  oft  nur  bei  einer  von  ihm  aus- 
gegangenen,  od^r   lebhaft   vertheidigten    Bill»   die   entsehie4f|y 


682  Das  BrUisclie  Seich. 


I 


\ 


Majorität  im  Unter-  oder. Oberhftuie  gegen  lieli  erhielt*). 
Aber  aus  dertelben  Veranlassung  schreibt  es  sich  aueh  her,  das« 
vir  Männer  in  sehr  jugendlichem  Alter  (21 — ^25  Jahre)  lu  den 
ersten  Aemtern  des  Staates  befördert  sehen,  wenn  sie  durch  ih- 
ren  politischen  Charakter  das  Vertrauen  eines  ausgeseichneten 
Staatsmann.es  sich  erworben  haben,  und  dieser  an  die  Spitse 
der  Ministerialverwaltung  gestellt,  von  der  ihm  völlig  freigelasse« 
nen  Wahl  in  Ernennung  politisch  gleichgesinnter  hoher  Staats- 
beanrten  Gebrauch  macht.  Gegenwärtig  besteht  das  Ministerium 
«US  folgenden  5  Stellen,  wobei  aber  ausdrücklich  bemerkt  werden 
muss,  dass  in  England  selbst  der  staatsrechtliche  Begriff  eines 
die  gesammte  Staatsverwaltung  umfassenden  organisirten  Ministe- 
riums eigentlich  fehlt,  dass  aber  die  nachfolgenden  Staatsbeaniv 
ten  überall  ofßeieli  die  Minister  des  Königs  genannt  werden. 

a)  Der  erste  Lord  der  Schatikammer**rund  Gross- 
ich atzme  Ister  hat  nicht  nur  die  oberste  Fürsorge  sowohl  für 
die  Erhebung,  wie  für  die  Vertbeilung  der  Öffentlichen  Ein- 
künfte^ sondern  auch  eben  so  für  die  Erhaltung  des  guten  Zustande« 
aller  ihrer  Quellen,  also  die  oberste  Aufsicht  über  jede  Art  des  Ge« 
werbfleisses,  über  den  inneren  Verkehr,  über  Handel  und  Schiffahrt 
unter  Mitwirkung  des  Colonial -Ministers.  Dieses  Amt  hat  »her 
auch  seinen  bestimmten  Antheil  an  den  Vertheidigüngsanstalten  des 
Reichs  zur  See  und  lu  Lande,  mvmentlieh  für  die  Elrhaltung  der 
Schiffswerfte,  Arsenale,  Zeughäuser  o.  s.  w.  Allerdings  ist  dieser  Wir- 


*)  Nor  in  iehr  seltenen  Fällen,  wovon  die  neaesten  Zeitereig- 
nisse awei  oben  bei  der  ReformbiU  bereits  berülrrten  Beispiele 
geliefert  haben,  bleiben  die  Minister  anf  ansdrückllchen  Wunsch 
des  Königs  auch  gegen  die  Majorität  eines  Hauses  des  Patlameilts 
in  ihren  Aemtern.  Dies  geschieht  jedoch  nur  dann,  wenn  der 
IVille  des  Volks  in  seinen  laut  gewordenen  Aeussemngen  mehr 
mit  dem  zurück  tretenden  Ministerium,  als  mit  der  dissentirenden 
Migoritat  eines  Hauses  des  Parlaments  übereinstimmt. 

**)  Die  Schatzkammer  hat  in  England  den  zufälligen  Namen 
Scoccarittmy  Excheqner,  weil,  die  Tafel  im  Geiichte  der  Schatzkam- 
mer mit  einem  gewürfelten  Tuche  nach  Schachbrett-Master  (cbeo- 
ckered^otb)  bedeckt  war. 


Das  Britlscbe   Bezieh.  S83 

kttngslcreii  eioei  Ministen  im  Vergleich  sa  ilen  anden  Li&ndem^ 
weon  wir  das  StaatskanBUramt  des  Oestreiehischen  Kaiserthums 
aMsnehnieD,  viel  au  ausgedehnt,  aber  er  hat  seine  historische  Grund^ 
li^e   erhalten ,   wie  wir  in  früheren  Zeiten-  auch  fir  Frankreich« 

'bei  dea- Ministerien  des  Gardinais  vonAmboise  unter  Ludwig  XII« 
bis  auf  SuUj  hecab  unter  Heinrich  lY^  der  Finanzverwaltung  einen 
ebeü  so  weiten  Geschilftskreis  gesteckt  sehen.  Besonders  abe» 
bat    die   Staatspraxis  den-  CngUlndern    durch    die- glänsendste»/ 

'Veisi^ele.  bewährt,  dass  dem  ausgeseichneten  Mann^die  Ueber* 
sieht  über  dieses  grosse  Gebiet  seiner  Verwalhing  nicht  gefehlt  hat^ 
und    dass   gerade   die   oberste   Concentririing   dieser   Geschäfts- 
sweige   in   einem*  Manne«  voa  den  grössten  Vortheilen   für   die 
Verwaltung   selbst   begleitet   gewesen    ist,   wie   man   nur  an  die 
«hrenwerthen  Namen  von  Robert  6ra£  von  Walpole,  den  beidea 
Pitts,  Liverpool,  Canning  und  Graf  Grey ;iich«att  erinnern  braucht 
Der    erste  Lord    der  Schatskammer   hat   stets  .die  Leitung  einea 
Hauses   im   Parlamente   von  Seiten .  des  Ministeriums    auf  sieh^ 
oder,  was  hier  dasselbe^  sagen  wifl,  die  Vertheidigung  dei<  vom 
Ministerium  eingebrachten  VHts  und  die  Rechtfertigung  der  ge- 
samnitcn  Staatsverwaltung  in  der  Bestreitung  der  Staatsbedürfnisse 
v^r    dem  Parlament     Es*  hitagt  nun   von   seinem  persönlichea 
Stande  ab,  ob  dies  im  Unterhause  oder  im  Oberbause.  geschieh^ 
da   ein  Minister   ala   solcher  keinen  Zutritt  zu  dem  Parlamente 
bat,  sondern  nur,  in  seiner  Eigenschaft  als  Peer  oder  Commoner 
Bits  und  Stimme  in  demselben*  haben  darL.     Seit  deip  Throhbe«  ^ 
ateigung  des  Hauses  Hannover  ha^-es  abwechselnd' statt  gefun<}en, 
bald    einen   Peer^   wie  den    Grafen   von  Walpele,   Lord  North» 
Herzog  von  Portland,  Qerzog  Wellington,  bald  einen  Commoner 
wie  William  Pitt/  Canning,   Robert  Peel- mit   diesem  Amte  be- 
kleidet zu -sehen.     Findet  das  letztere  statt,  so  inuss  no^hwendig 
eine   der   anderen  Minister-Staatssecietair- Stellen   oder  das  Amt 
«inea  Kanzlers   der  Schatzkammer   einem  Peer   anvertraut  sein, 
damit   dieseir   das  Ministerium,  auf  gleiche  Weise  im  Oberhause 
vertrete:  und   das  Gleiche  wird  erfordert  für  die  Vertretung  im 

Unterhause,  wenn  der  erste  Lord  der  Schatzkanimec  seiner  G<;- 
burt  nach  zu  den  Peers  gehört. 

Diesem  zu^Seiee  steht b)  der  Kättzler  der  jSchafrVammer 
iChancelorofihe  Exchieguer),  welcher  auch  zugleich  Unter 8.chat a- 
meister  isty  und  im  Range  den  Staattsecretären  mit  demDeparte- 


584  Das  Britische  Reich. 

ment  gleich  giit,  alio  su  den  Minii tera  des  Königs  gehört 
hat  die  Leitung  des  Details  der  Finanzen  und-  ist  der  eigentliche  Fi^ 
nansminister  im  engeren  Sinne  des  Wortes  *).  Unter  beiden  stehen : 
a)  Das  Schatzmeisteramt  ( Trea9ury' Office ) ^^  welches  von 
fünf  Lords-Comniissarien  und  zwei  Secretäreu  aus  der  Reihe  der  hö« 
heren  Beamten  verwaltet  wird.  /?)DaB^  Schatzkammeramt  {Ex* 
cheguer-Officei^  welches  unter  dem  Vorstande  des  Kanzlern  der 
Schatzkammer  in  dreizehn  Abtheilungen  die  directen  Auflagen,  die 
Lotterie,  die  Münze,  die  Schatzkammerscheine,  die  Rechnungsab- 
nahmen u.  s.w.  verwaltet,  y)  Das  Zollamt  (  CuBtom-houMe )  v«b 
einem  PrÜtfidcnten  und  sieben  Commissarien  geleitet,  für  die  Zoll- 
einnahmen und  Aufsicht  über  die  Zollbeamten  aller  drei  verei- 
nigten Reiche,  d)  Das  Accise-Amt  (Exche' Office),  wie  das 
^vorige  von  einem  Präsidenten  und  sieben  Commissarien  geleitet. 
6)  Das  Stempel-Amt  ( Stamp- Office)^  unter  der  Vcrwaitoog 
ebensovieler  Beamten  wie  y  und  J. 

V  c)  per  Minfster-Staatsseeretär  für  die  auswärti- 
gen Angelegenheiten  .giebt  schon  durch  seinen  Namen  den 
für  jeden  Staat  gleich  bezeichneten  Geschäftskreis:  unter  ihm  lei« 
tet  das  Departement  ein  Unterstaats-Secretär.  Zur  Erhaltung  der  aus- 
wärtigen Verhandlungen  mit  den  befreundeten  Staaten  führt  er  den 
Geschäftsverkehr  mit  den  bei  dem  Londoner-Cabinet  accreditirten  3 
Botschaftern  (von  Russlantl,  Frankreich  und  Oestreich),  21  ausseror- 
dentlichen Gesandten  und  bevollmächtigten  Ministern  (vonPreussen, 
Spanien,  Portugal,  Schweden,  Türkei,  Niederlande,  Baiern,  Belgien, 
Sardinien,  Neapel,  Brasilien,  Buenos- Ajres,  Dänemark,  Griechen- 
land, Hanover,  .Würtemberg,  Grossherzogthum  Hessen,  Kurfür- 
stenthum  Hessen,  Mexico,  Nordamerikanischen  Freistaaten  und 
Venezuela),  4  Minister-Residenten  und  Geschäftsträgern  (Schweiz, 


"*)  Neuerlichst  waren  beide  Aemler  in  einer  Person  verbunden, 
als  Robert  Peel  sm  Uten  Dec.  183^  an  die  Spitze  des  Ministeriums 
trat:  ein  l^aU  der  in  diesem  Jahrhunderte  noch  nicht  vorgekomipen 
war,  es  währte  aber  nur  4  Monate,  denn  nach  dem  abermaligen 
Rücktritte  der  Tories  am  18ten  Apr.  183S  wurde  Visconnt  Melboame 
erster  Lord  des  Schatzamtes  und  Sir  Spring  Rice  Kanzler  der 
Schatzkammer. 


Dan  Britische  tBeich.  585 

Königreich  Saebieiiy  Groisfaertogthiim  Baden  und  den  Hame- 
•Udten)  und  endlich  der  grossen  Zahl  fremder  General-Consulnp 
Cenanln  nnd  Viee-Consaln  in  den  grösseren  Handelsplätzen  dea 
Britischen  Reichs.  Von  Grossbritannien  selbst  werden  5  or- 
dentliche Botschafter*),« Jeder  mit  2  Botschaftssecretairen  (zu 
Petersburg,  Paris,  Wien,  Constadtinopel  und  Lissabon),'  ein  aus« 
•erord^ntlieher  Botschafter  am  Persischen  Hofe  **)  nur  auf  eine 
kOrsere  Zeitdauer,  19  Gesandte,  von  ^enen  jeder  einen  Lega- 
tions-Secretair  erh&It,  mit  Ausnahme  des  zu  Berlin  angestelitei^y 
der  gleidi  den  Botschaftern  2  Legation^-Siecretair  hat,  (zu  Ber* 
liü,  Haag,  Neapel,  Madrict,  Kopenhagen,  Stockholm,  München, 
Turin,  zu  Frankfurt  am  Main  für  den  Bundestag,  Bröifsel, 
Dresden,  Stuttgart,  in  der  Schweiz,  Mexico,  Washington, 
Bogota,  Ri6*Janeiro,  Buenos* Ajrea  und  im  La-Plata  Staate), 
2  Minister -Residenten  und  bevollmächtigte  Minister,  jeden  mit 
einem  Legations-Secretttr  (zu  Florenz,  der  audi  zugleich  bei  den 
benachbarten  kleinen  Italienischen  Staaten  accreditirt  ist,  und 
im  Königreich  Griechenland),  und  ausserdem  in  allen  Staaten^ 
mit  welchen  der  Britische  Handel  in  Berührung  kömmt,  GeneraU 
Consuln,  Consuln  und  Vice-Consuln  gehalten.  Derunter  sind 
jedoch  nicht  die  Agenten  mitbegriffen,  welche  von  der  Ostindi« 
•chen  Compagnie  an  den  Höfen  der  Indischen  Herrscher  auf 
beiden  Halbinseln  zu  allen  nur  möglichen  diplomatischen  und 
eommerciellen  Functionen  gebraucht  werden«  Die  Gesandten, 
sowie   sämmtliche   diplomatische  Agenten  werden  zwar  auf  den 


*)  Die  Gehalte  der  Englischen  Botschafter  und  Gesandten  sind 
unter  der  gegenwärtigen  Regierung  beträchtlich  herabgesetzt,  oft 
bis  auf  die  Hälfte  des  früheren  Betrags:  das  des  Botschafters  ist 
nach  der  Theuerung  feiner  Residenz  oivd  den  ihm  daselbst  oblie- 
genden Verpflichtungen  zwischen  10,000  ^  St  (Paris)  und  6000  % 
St.  (Lissabon),  das  des  Gesandten  zwischen  5500  %  St  (Berlin)  und 
S300  %  St  (Stuttgart),  das  des  Minister- Residenten  X300— 2000  %  St 
das  eines  Botscbaftersecretärs  1000—800  %  St.»  das  eines  Legations« 
Secretärs  zwischen  600  uud  1000  tt  St 

**)  Mit  diesem  Charakter  wurde  Henry  Ellis  abgesandt  im 
Juli  1885»  um  dem  neueren  Sbah  von  Persien  Gluckwünsche  zu 
überbringen)  bei  welcher  Gelegenheit  aber  gewöhnlich  zugleich  kka 
längerer  Aufenthalt  am  Persischen  Hofe  verknüpft  wird. 


V 


596  Das  Britische  Beich. 

% 

Vorschlag  des  HinUtet-Staatsecrettr  der  aoswärt^n  Angelegen- 
heiten ernannt,  werden  aber  sehr  häufig  auf  ihrer  Stelle  erhal* 
ten,  wenn  auch  der  ernennende  Minister  ausgeschieden  »und  ge- 
radezu sein  politischer  Gegner  eingetreten  ist»  'sobald 'die  per- 
sönliche Stellung  des  Agenten  su  dem  Hoflager»  bei  welchem  er 
accreditirt  is^  es  wönschen^werth  macht,  oder  eine  su  grosse  Ent- 
fernung den  öfteren  Wechsel  dieser  Beamten  aU  schädlich  erweist. 

d)  Der  Minister  •  Staatsseeret&r  für  die  inneren 
Angelegenheiten  hat  nicht  allein  für  die  Erhaltung  des 
Öffentlichen  Friedens  im  Lande  su  sorgen,  indem  er  die  oberste 
Aufsicht  über  die  gesammte  innere  Verwaltung  (siehe  d.  folg.  9«  1^ 
uiid  20)  führt,  sondern  er  muss  auch  strenge  über  die  pünktliche 
Handhabung  der  Gesetse  in  Benutzung  auf  innere  Ruhe  und 
Ordnung  wachen,  daher,  hat  er  ein^n  grossen  Theil  der  Ge- 
schäfte des  Justiz-Ministers  anderer  Staaten  su  seinem  Bereiche, 
und  daher  konnten  Robert  Peels  Reformea  wlüirend  der  län- 
geren Verwaltung  dieses  Amtes  (1823 — 30)  so  wohlthätig  auf  die 
Britische  '  Rechtspflege  einwirken.  Unter  ihm  steht  an  der 
Spitze  des  Departements  ein  Unterstaatssecretär.  Ausserdem 
stehen  unter  beiden  Staatssecretären  der  auswärtigen  und  inne- 
ren Angelegenheiten  das  Staatsarchiv  ( State- Papen^ Office J 
und  das  Siegeiamt  ( Signet- Oj^iee}. 

e)  Der  Minister  -  Staatssecretär  für  den  Bändel 
und  die  Colonien,  welcher  die  wichtigsten  Theile  seines  Am- 
tes in  den  commerciellen  Beziehungen  ausserhalb  Europas  und- 
in  den  Colonien  wahrzunehmen  hat.  Auf  seinen  Vorschlag  werden 
die  Gouverneure  und  Commandanten  der  Britischen  Colonien  er- 
nannt Auch  in  diesem  Ministerium  steht  ein  Unter-Staatssecre- 
tair  als  Director  an  der  Spitze  des  Departements. 

Sämmtliche  Staatssecretäre  können  an  und  für  sieh  ohne 
Rücksicht  auf  ihren  Stand  zu  ihrem  Amte  gewählt  werden,  nur 
dürfen  nach  der  Burke-BUl  nie  mehr  als  zwei  von  den  vier 
Staatssecretären  im  Unterhause  sitzen,  weshalb  dann  im 
Falle,  dass  mehrere  Commoners  unter  den  neu  für  ein  Mi- 
nisterium erwählten  Mitgliedern  sich  befinden,  einer  oder  zwei 
durch    Erhebung    sur    Peerswürde    in    das    Oberhaus    überge-v 


\ 


Das  Britische  Beich.  tiSf 

hen  *).  Diele  fünf  Staatimioister  bilden  lasammeii  mit  den  naeh-' 
benaonten  Chefs  der  nicht  untergeordneten  Staatsbehörden  die 
■weite  hdchite  Centralbehörde  dei  Staates ,   nemlich 

2)  Das   Cabinet   des  Königs.     Dies  hat   alle  wichtige 
Staatsangelegenheiten^  ru  entscheiden,   wo  mehrere  oder  sämmt- 
liche  Minister  des  Königs   in  ihren  Geschäftsbereichen  berührt 
werden.    Das  an  und  für  sich  schon  so  bedeutsame  Gewicht  des- 
selben ist  in  dem  laufenden  Jährhunderte  um  so  beträchtlicher 
gestiegen,  als  aus  dem  natürlichen  Gange  der  Elntwickelung  der 
ioneren  und  äusseren  Politik  das  gemeinschaftliehe  Zusanimen- 
bandeln  der  Centralbehörden  gans  .noth wendig  erfordert  wurde. 
Die  gewöhnlichen  Mitglieder  des  CalHnets  sind  viersehn  Stellen, 
die  mit  Inbegriff  der  oben  angeführten  Minister  des  Königs  Bits  und 
Stimme  in  demselben  haben :  a)  Per  Lord-Kansler,  sugleieh  der 
Präsident  des  Oberhauses  und  des  höchsten  Reidisgericfats  (*•  §>  ^ 
20);. seit  dem  24ten  April  1835  ist  diese  Stelle  getheilt  twischen  ei- 
nigen königlichen  Commissarien ,  welchen  das  grosse  Siegel  ^tM 
Lord-Kanslers  übergeben  ist,  und  einem  aus  der  Zahl  der  Lords- 
Oberrichter  temporär   gewählten  Vorsitzer  der  Peers,   doch  hat 
keiner  von  diesen  Stellvertretern  die  Stelle  dieses  Amtes  im  Ca- 
binet erhalten.  J>)  Der  Lord  Präsident  desgeheimen  Raths, 
von  welchem,    als  der   dritten  Central-Behörde   des  Staats  unten 
sogleich  gehanllelt  werden  solL    c)  Der  Lord  Geheime-Siegel- 
bewahrer,  welcher  das  kleine  Königs -Siegel  für  die  besonde- 
ren   Cabinetsverfügungen ,    Gnadensachen    des  Königs   u.   s.   w. 
ftth|rt,  8.   oben  S.  557.  Nro.  5  unter  den  Kronbeamten,     d)  Der 


*)  So  geschah  es  mit  dem  Viscount  Duncannon  (bis  dahin  nur  Irlän- 
discher Peer),  der  bei  seinem  Eintritte  ins  Minislerinm  ah  Staatssecretär 
für  die  inneren  Angelegenheiten  im  Juli  1835  zur  Englischen  Peers- 
würde erhoben  wurde,  weil  Spring  Rice  und^  Viscount  (Irländischer) 
Palmerston,  beide  Commoners,  bereits  Staatssecretäre  der  auswärtigen 
Angelegenheiten  und  der  Colonien  waren.  Ebeoi^o  wurde  Sir  Charles 
Grant,  als  er  am  ]8ten  April  1835^das  Amt  der  Staatssecretärs  der  Colo* 
nien  erhielt  und  Palmerston  und  Lord  (Titel  al«  nachgeborner  Sohn  des 
Herzogs  von  Bedford)"  John  Russell  bereits  die  Leitung  der  auswärti- 
gen und  inneren  Angelegenheiten  übernommen  hatten,  zur  Peers- 
würde als  Lord  Invemess  undGlenelg  am  3'2ten  AprU  1835  erhoben. 


S88  Da«  Britische   Beich. 

er  Ute  Lord  der  Admiralität,  weleher  als  Pr&tident  des  Ad« 
iniralic&ts- Amtes  susammen  aus  sechs  Lord-Commissariea  bestem 
hendy  die  oberste  Verwaltung  der  Marine- Angelegenheiten  re« 
,  prftsentirt  e)  Der  Präsident  des  boarda  of  the  Con^ 
tronl,  als  Vertreter  der  Verwaltung  für  die  Ostindi^dhen  Ange- 
legenheiten (s.  S.  581).  f)  der  Präsident  der  Bandelskam- 
mer  (Board  of  Council  for  trade  and  foretgn  PlantationM)^ 
welche  als  Centralbehörde  die  Interessen  dea  gesammtea  Bri- 
tuchetf  Handels  unter  der  obersten  Leitung  des  Colonial- 
Sta^tsseeretärs  wahrnimmt  g)  Der  Kanzler  des  Hersog- 
thums  Lancaster,  eine  Stelle  gegenwärtig  ohne  einen  bedeu- 
tenden bestimmt  angewiesenen  Wirkungskreis ,  die  gemeinhin 
einem  talentvollen  Staatsmanne  lugewiesen  wird,  dessen  persön- 
liches Gewicht  man  im  Cabinet  su  benutsen  wfinscht,  ohne 
geradezu  seine  gesammte  Thätigkeit  fQr  die  Verwaltung  in  An- 
spruch zu  nehmen,  h)  Der  Generalsahlmeister  des  Hee- 
res und  des  Feldzeugamtes,  welche  beiile  Stellen  gegen 
wärtig  verbunden  sind,  sonst  aber  getrennt  waren ,  wo  dann  di« 
letztere  Steile  nicht  zum  Cabinet  gehört  i)  Der  Kriegs -So- 
or et  är,  welcher  an  der  Spitze  der  Verwaltung  für  die  inneren 
Einrichtungen  der  Britischen  Heeresmacht  steht  Alle  diese  Be- 
amten werden  im  weitem  Sinne  des  Wortes  Minister  des  Kö- 
nigs genannt 

Ausnahmsweise  werden  auf  besondere  Veranlassung  zu  den 
Sitzungen  des  Cabinets  berufen,  sind  also  als  ausserordentliche  Mit- 
glieder desselben  zu  betrachten:  Der  General  en  Chef  oder 
Oberbefehlhaber  des  Heeres,  der  General -Feldseug- 
meister,  der  General-PostmeisteV,  der  Ober-Intendant 
für  die  Forsten,  Waldungen,  Ländereien  und  öffent- 
.  liehe  Bauten,  jetzt  zufällig  mit  dem  Amte  des  Lord-Oeheime- 
Siegelbewahrers  gemeinschaftlich  verwaltet,  der  Gener!al-Mttnz- 
Director,  det  Manier  of  the  ro//«  oder  Viee-Kanzler,Stell- 
rertreter  des  Lord-Kanzlers  im  höchsten  Gerichte,  der  Judge* 
Advocate  oder  Generaf^Procuratory  der  Attornej- General 
oder  General-Anwalt  und  der  SoUieitor-General  oder  Ge- 
neral-Fiskat  der  Krone. 

Für  die  innere  Verwaltung    des  Königreichs    Irland 

>  besteht  eine  besondere   Centralbehörde  in   Dublin ,  welche   von 

einem  Lord-General-Statthalter  präaidirt  wird.   Dieselbe  hat 


Da8  Britische  Beicli.  589 

ihren  eigeaen  Staatsseeretär,  weleher  bei  aeiaer  Aoweaenheil 
in  LoniloD  Zutritt 2um  Cabinet  hat,  aowip  ihre  beaondere  Lonl-Kana» 
ler^  Attomty*  General  nnA  Sollicitor-  General  —  Ffir  die  ioner^  ab« 
.  gesonderte  Central-Verwaltang Sehottlandt  lind jetst  nar noeh  in 
Th&tigkeit  der  Grousiegelbe  wahrer ,  der  Lord -Advokat'  und  der 
Sollicitor*  General 9  welche  die  besonderen  Interessen  der  Krodo 
in  ßeiug  auf  dieses  Reich  wahrzunehmen  haben.  ' 

3)  Der  geheime   Rath   des  Königs.     Dies^  Cefttralbe* 
hörde,  the  Privy- Council  genannt,  vertritt  die  Stelle  des  Staats« 
raths  und  des  Geheimen-Raths  zugleich,  die  in  andern  grösseren 
Staaten  als  twc;i  gesonderte  Behörden  neben  einander  bestehen. 
Es  werden  in  demselben  die  wichtigsten  inneren  und  auswärti* 
gen  Angelegenheiten  berathen,  namentlich  die  Veth&ltnisse  über 
Krieg  und  Frieden,  Einberufung  und  Vertagung  des  Parlalnents  u.  s.  w.; 
aber  die  Ausführung  seiner  Beschlüsse  wird  jederzeit  dem  Cabinet 
überwiesen.  In  den  Sitzungen  des  Privj-Council  wird  die  Vereidi- 
gung jedes  hohen  Staatsbeamten  vorgenommen;  er  dient  aber  auch 
zugleich  als  die  höchste  ApellationsbehÖrde  in  Beschwerde* 
Sachen  gepren  die  Verwaltungs-Beamten  umi  in  den  von  den  Ober* 
Gerichten  der  Nebenländer  bereits  entschiedenen  Sachen:  für  die 
Colonial-Angelegenh^iten  urtheilt  er  als  ob'crrichterliehe  Behörde. 
Mitglieder  desselben  sind  durch  ihre  G eb u r t  s&mmtliche  Prinzen 
von  Geblüt,  durch  ihr  Amt  die  hohen  Kronbeamten  (s.  S^  hb7\  die 
Minister-Staatssecretäre,  der  Sprecher  des  Unterhauses  und  die 
beiden    Erzbischöfe   von  England.     Die   übrigen  Mitglieder   er- 
nennt  der   König   aus   besonderem  Vertrauen,   gewöhnlich    aus 
denjenigen  Staatsmännern,   die  irgend  ein  hohes  AWkt  verwaltet 
haben   oder   noch   verwalten,   für   die  Dauer   seiner  Regie- 
rung   oder    auf  unbestimmte   Zeit     Es   werden  jährlich 
officielle  Verzeichnisse   der  Mitglieder    des  Geheimen -Raths   von 
der  Krone  bekannt  gemacht,  wer  von  den  früheren  Mitgliedern 
in  demselben  fehlt,   hat  dadurch  aufgehört  in  demselben  ferner- 
hin Sibtf  und  Stimme  zu  führen.      Die  Mitglieder  des  geheimen 
Raths    bleiben    inzwischen   noch   6  Monate   nach  dem  Tode  des 
Königs  iii  ihren  Functionen,   erst  dann  kann  der  neue  Monarch 
sie  entlasse!),  oder  auch  beibehalten,  wie  denn  das  letztere  ge- 
wöhnlieh   zu    geschehen    pflegt     Die   Zahl   der   Mitglieder   ist 
unbeschränkt,    sie   war    1767=112;    17UO=3l20;    1804=:  134; 
1 821  =  172 ;  1831 = 183.  Die  SiUungen  desselben  werden  das  ganze 


590  Das  Briti\iche  Reieh.   / 

Jahr  hindurch  gehalten»  der  König  nimmt  suweilen  persönliehen 
Antheil  an  denselben,  in '  seiner  Abwesenheit  föhrt  der  unter 
den  Kroobea'mten  und  Mitgliedern  des  Cabinets  genannte  Präsi- 
dent des  geheimen  Raths  den  < Vorsitz,  und  erstattet  dem  Könige' 
von  den  ^erathungen  Bericht  Der  geheime  Rath  ist/ in  seinen 
Entscheidungen  als  Behörde  nur  dem  ▼ersammeit.en  Parla- 
mente untergeordnet  Während  der  Zwischenieit  swiscfaea 
zwei  Parlan^ents^Sessionen  haben  die  Verordnungen  des  ge- 
heimen Raths  in  dringlichen  Umständen  gesetiUch  gültige 
Kraft,  seibat  auch  in  solchen  Fällen,  deren  gesetzliche  Bestimmung 
vor  das  Forum  des  Parlaments  gehört  die  dann  nachträglich  nach- 
zusuchen bleibt  ' 

/ 


§.  19. 


Die  innere  Grafschafts-  und  Polizei-Verwaltung. 


Colguhoun  a  treah'se  on  the  Police  of  Metropoli9f  Lonä. 
1800  %vo,  the  eixth  edit  — -  Die  oben  genannten  Werke  von 
Vinke,  Pebrer  und  Browning.  —  C.  W.  Ash'er,  Hambur- 
gische Zeitschrift  für  Politik,  Jahrgang  1835,  3.  Heft  England« 
Municipal-Reform  im  Vergleich  mit  den  übrigen  neuen  9tädte- 
Verfassungen  Europas.  — 

P 
An  der  Spitze  der  inneren  Verwaltung  stehen  unter  der  Lei- 
tung des  Staattecretärs  der  inneren  Angelegenheiten  für  jede  Graf- 
schaft <S.  311—16)  ein  Lord-Lieutenant  und  ein  Sheriff. 
Jenes  Amt  ist  in  die  Stelle  der  alten  iSächsischen  Crrafen  getre- 
ten, wird  durch  den  König  auf  Lebensdauer  aas  der  Reihe  der 
angesehensten  Grundbesitzer  in  der  Grafschaft  besetzt:  es  ist 
aber  gegenwärtig  mehr  eine  repraesentirende  Würde,  als  mit  be- 
deutenden Geschäften  für  die  Verwaltung  selbst  beauftragt. 
Denn  der  Lord-I^eutenant  hat  nur  den  Befehl  über  die  Miliz  seiner 
Grafschaft  (s.  §.  22),  muss  für  ihre  rasche  Aushebung  und  Bildung  sor- 
gen, so  oft  sie  aufgeboten  wird,  ist  der  amtliche  Chef  der  jin  seiner 


DasBritische  Reich.  591 

Grafschaft  gebildeten  Milii-Regifflenter«  frnemit  bei  denielben 
alle  Ofliciere  und  itellt  «lenselbtii  in  seinem  Namen  als  kö- 
niglicher  Stati^halter  seiner  Grafsehaft  Patente  aus;  bei  dem  wirk- 
Irchen  Commande  der  Millien  kann  er  sich  inswischen  durch 
Deputy'Lfeutenanis  rertreten  lassen.  Der  Sheriff  ist  das  ei* 
gentliche  Werkseug  fBr  die  wichtigsten  Theile  der  executiFen 
Gewalt  in  jeder  Grafschaft:  er  wird  jihrlich  vom  Könige  aus 
drei  von  dem  Lordkansler  «nd  den  Lord-Oberrichtern  aus  den 
angesehenen  Grumdeigenthümern  jeder  Grafschaft  vor^schlage- 
nen  Candidaten  gew&hlt.  Nur  nach  drei  Jahren  kann  dieselbe 
Person  wiederum  gewählt  werden:  jedoch  in*  der  Grafschaft 
Westmoreiand  ist  der  Graf  von  Thanet  erblicher  Sheriff,  fQr 
die  Grafschaft  Middlesex  ernennt  die  Bürgerschaft  von  London 
swei  Sheriffs.  Für  das  Fürstenthum  Wales  und  die  Grafschaft 
Com  wall  werden  die  Sheriffs  von  dem  Prinaen  von  Wales»  und 
für  die  Grafschaften  Durham  und  Chester  von  den  Bischöfen  von 
Durham  untl  Chester  gewählt  Dieses  Amt  führt  im  Gegensats 
seines  Gehülfen  und  Stellvertreters,  des  Unter-Sheriffs,  auch  den 
Titel  High-SheriC  Von  ihm  geht  die  Vollstreckung  sUmmtlicher 
Urtheile  der  6eric|^te  aufl»  in  welchem  Berufe  der  Sheriff  auch  die 
Hinrichtungen  leitet  und  die  Oberaufsicht  über  die  Gefängnisse 
und  Zuchthäuser  seiner  Grafschaft  führt;  er  sorgt  überdies  für 
die  Bekanntmachung  aller  königlichen  und  Geheimen  Rath's-Verord* 
Boagen«  £r  leitet  die  Pailamentswahlen  für  die  Grafschaften, 
er  ernennt  die  Geschworenen  für  die  Assisen  und  die  Quarter* 
Sessions,  und  da  im  Britischen  Reiche  überall  die  Poliseiver* 
waltun)^  noch  nicht  von  der  Rechtspflege  getrennt  ist,  so  hält 
der  Sheriff  auch  selbst  zwei  Arten  von  Gericht,  the  Ci>uniy 
Court  über  alle  Civilsachen  unter  40  Shilling  ^%rth  (14  ThI.) 
und  tJie  Sheriff 8  turn  über  die.  niederen  peinlichen  Sachen 
und  die  einleitende  Untersuchung  wegen  Nord  und  Todschlag. 
Er  nimmt  überall  in  dem  Umfange  seines  Geschäftsbezirks  die 
Rechte  der  Krone  wahr,  daher  repräsentirt  er  bei  allen  feierlichen 
Gelegenheifen  im  Namen  des  Königs,  und  führt  die  Aufsicht 
über  die  Erhebung  der  königlichen  Gefälle  von  den  Kron-Grund« 
stücken,  Regalien,  Geldstrafen  u.  s.  w.  Neben  dem  Sheriff  stehen 
die  Friedensrichter  {JuBttces  of  peaee),  welche  gleichfalls  vom 
Könige  für  den  Besirk  einer  Grafschaft  oder  auch  nur  einer 
Stttdt,  wobei  jedoch  durch  die  Mfnicipal-Reformbill  von  diesem 
Jahre  (1835)  in  Bezug  auf  die  Majors-  eine  Aenderung  .eingetre- 


69%  Pas  Britische  Reicht 

ten  ist,,  aui  der  Mitte  der  wetilhabenderen  Gmndeigentlilimery 
ehne  Rdcksicfat  auf  eine  besondere  Ausbiidong  in  der  Kenntnist 
des  vaterländischen  Rechts,  gewühlt  werden.  Die  Dauer  dieses 
Amtes  ist  nicht  bestimmt,  kann  stillschweigend  fir  Lebensseit 
ansgedehnt  werden,  wenn  nicht  der  Auftrag  fttr  dasselbe  durch 
•eine  Uebertragung  an  ein  anderes  Individuum  vom  Könige  zurfiek* 
genommen*  wird.  Eben  so  wenig  ist  die  Zahl  derselben  ir- 
gend wie  beschränkt  Die  Verrichtungen  des  Friedensrichtera 
sind  unenigeldlich  *),  und  theilen  sich  «wischen  der  Polise^ 
pflege  in  den  ihnen  angewiesenen  Besirken  und  bestimm* 
ten  richterlichen  Geschäften,  von  denen  im  folgenden  §.  die 
Rede  sein  wird  **).  Bei  der  Ausführung  ihrer  Geschäfte 
sind  ihre  wirksamsten  Helfer  die  Constables,  welchen  die 
Sicherung  des  allgemeinen  Landfriedens  obliegt,  und  die  deshalb 
bei  Tag  und  Nacht  in  ihrem  Bezirke  für  die  allgemeine  Sicher- 
heit SU  wachen  haben,  und  stets  berechtigt  sind,  unter  den  ge- 
setzlichen Obliegenheiten  Verhaftungen  vorzunehmen*  Sie  ser- 
fallen  in  zwei  Classen,  die  O  ber -Constables,  {Higk'Con* 
9 table 8)^  welche  für  eine  Grafschaft  gemeinschaftlich  von  den 
in  den  Quarter  Sessions  versammelten  Friedensrichtern^  gewählt 
werden,  und  die  Gemeinde-Constables  iPetty^ConstS' 
hie 9),  welche  für  jede  Gemeinde  von  den  einzelnen  Friedeat- 
richtern  selbst,  als  ihren  n&idisten  Vorgesetzten,  ernannt  werden. 
Die  Constables  wählen  für  die  niederen  Geschäfte  wiedenun 
ihre  ihnen  verantwortliche  Wächter*  Die  Gesammtzahl  der  bei 
der  Ausübung  der  Polizeipflege  in  Grossbritannien  beschäftigten 
Constables  beträgt  5317,  wovon  London  26  Hijth-ConataMea, 
68  besoldete  Constables  und  ausserdem  mehr  als  1000  unbe* 
'  soldete  aus#iler  Zahl  der  Eigenthttmer  hat»  Ausser  diesen  ge- 
naooten   Beamten  kommen    bei   der  aligemeinen 


*)  Davon  machen  allein  die  Friedeosricbter  von  'Westminslcr 
eine  Aasnahme,  wo  die  Masse  der  Geschäfte  die  Thätigkeit  dieser 
Beamten  so  sehr  in  Ansprach  nimmt,  dass  sie  diesem  Berufe  gans 
allein  leben  müssen,  also  auf  eine  Besoldung'uichc  verzichten  können  — 

♦•)  lieber  die  gesammte  Geschäfte  des  Friedensrichters  gilt 
als  ein  classisches  Handbuch  Berns  the  justice  o(  the  peace>  das 
seit  i^üö  in  l5  Auflagen  vervieliältigt  ist.  — 


Das  BritiBche  B«ich.  693 

tungvOoeh  dto  Co,90Deri  yor,  welche  tob  den  C^meinden  seibtt 
gewiihlt  und  JeCst  nur  noch  bei  uof^atttrlieheB  TodetflllleD 
ä\n  lieiehenbeichaaer  xur  Festitellung  des  Thatbestandei  ge* 
braucht  werden* 

In^  den  Städten  stehen  im  der  Spitze  der  gesammten  Com- 
manal-  und  Pbiizei  Verwaltung  der  Mayor  (Maire,  BOrgermei- 
eter)  und  die  Aldermen  (=  Aelterieute^  Zunfnroritehfr),  welche 
bii  sur  Municipal-Reformbili  von  1834  eich  selbst  aus  den 
Mitgliedern  der  Commune  ergänzten  und,  jährlich  den  Major« 
wählten.  Aber  diese  Municipal-Refonuy  deren  Vorschlag  gleich- 
falls von  Lord  John  Russell  im  Namen  der  Regierung  in  das 
Unterhaus  gebr|icht  wurde  |6.  Juni  1834),  veränderte  gänzlich 
die  Verfassungs-  und  Verwaltungs-Nomien  für  die  stödtiscben 
Commuiien  in  England  und  Wales,  oder  historisch -richtiger 
ausgedröckt, '  fährte  sie  zu  ihrer  früheren  Form  zurück»  wo  die 
gesammte  Bürgerschaft  der  einzelnen  Städte  an  den  Wahlen  ihrer 
Dbrigkeiten  Antheil  hatte,  indem  dieses  Recht  erst  im  siebzehn* 
ten  Jahrhunderte  unter  den  Stuarts  verloren  ging,  Und  trotz  man* 
eher  Versuche  nach  der  Revolution  von  1688  es  wieder  zu  gewinnen« 
doch  nur  thetlweise  für  wenige  städtische  Corporationen  herge« 
•teilt  werden  konnte.  Nach  sorgfältiger  Prüfung  während  der  Debat« 
ten  in  beiden  Häusern,  wo  anfänglich  ein  überaus  harter  Kampf  % 
der  bei  der  entschiedenen  Majorität  iea  Oberhauses  gegen  die 
Crmndsätze  dieser  Reform  das  fernere  Fortbestehen  dieses  Hau- 
ses selbst  bedrohte,  dann  gegenseitige  Nachgiebigkeit  sehn  we- 
sentliche Modificationen  in  der  Biii  veranlasste,  wurde  auch 
dieser  Reform  im  September  1834  durch  die  königliehe  Sanction 
staatsrechtliche  Gültigkeit  verliehen.  Nach  derselben  hat  jede 
Stadt  als  verwaltende  Behörde  einen  Major  und  ein4n  Gemein« 
derath  {Common' Cmtneil)^  der  nach  der  verschiedenen  Grösse 
des  Ortes  aus  15  bis  90  Mitgliedern  zusammengesetzt  ist,  und 
von  welchem  wiederum  der  dritte  Tbeii  die  Aldermen  bildet 
Der  Gemeinderath  wird  mit  Ausnahme  der  Aldermen  ftnf  '3 
Jahre  und  zwar  jährlich  durch  Erneuerung  eines  DriHheils  von  der 
gesammten  wahlfähigen  Bürgerschaft  gewählt,  die  in  Städten  von 
.mehr  als  6000  Einwohnern  nach  gewissen  Bezirken  <Wards)  zur 


*)  Yergl.  Engl.  Munidpal-Refenn  in  Adier*s  Hamburg.  Zeitschrift. 
II.,  Hft  3.  S.  15—10. 
^.  Bckobert's  8tatlitlk4lL  3g 


594  DasOriiische    Beich. 

Wahl   sieh   yertammeU;  von    ihm    hlkügt   niiniuehr  jeder  Zweig 
der  Commuii«!-^  Finaax-  und  Polisei-Verwaltung  in  dm  Städten 
ab.     Der  Major   wird  von  dem  Gemeinderath  auf    1  Jahr  ge- 
wählt,  iftd   ist   berechtigt   während   dieser  Zeit   die  Funedonen 
eines  Friedensrichters   nieht   nur   in    der  Stadt   selbst,   sondern 
anch  in  dem  gansen  Umfange  der  Grafschaft  seiner  Studt  aussiißben. 
Die  Aidermen  werden  auf  6  Jahre  von  dem  Genicinderathe  ge- 
wählt, imd  swar  alle  drei  Jahre  sur  Hälfte,  so  dass  sum  ersten 
Male   durchs  Loos   aasgeschieden    werden  muss:   sie  allein  sintl 
befugt  in  Behinderungs-  und  Abwesenheitsfällen  des  Majrors  ei- 
nea  Vertreter  aus  ihrer  Mitte  zu  wählen.      Alle  übrigen  «Mupici- 
polbeanite,  wie  Btodtschreiber  <  Totritc/^ilrt),  von  denen  einige  ata 
yorsteher  der  Archive  auch  den  Titel  Recorders  führen»  ferner  alle 
.  Cassenverwalter,  werden  von  dem  Gemeinderath  auf  Lebensdauer  er- 
nannt.  Diese  werdeA  besoldet,  jene  auf  ein,  drei  oder  s  e  c  h  s  Jahre 
gewählte  Beamten  verrichten  ihre  Dienste  unentgeldlieh.    Alle  ge- 
genwärtig im  Amte  befindlichen  Majors,  Aidermen,  städtische  Frie- 
densrichter und  Municipalbearate  sollen  mit  dem  I.Jan.  1830  ab- 
treten  und    durch   die  neu  gewählten  ersetst  werden,   sind  aber 
selbst    wieder  wählbar.      Diese   Wahlen    haben    inzwischen    be- 
reits iin    der    zweiten   Hälfte    des   Deceinbers    1835   stattgefun- 
den.      Die    Wahlbezirl»    (Wards),    welche    yon     den     Städten 
selbst    etwa    zu    je    3000   Seelen    bestimmt    werd^,    wählen 
den     Gemeinderath     aus     dem     sechsten     Theile    der    Bfirger, 
welche  am   höchsten   bei  4er   Armen-Taxe   besteuert,   also   die 
wohlhahendsten   sind,  und   ausserdem  aus  den  Bürgern,   welch« 
je   naehdem  .die   Städte    mehr    oder   weniger   als    10,000   Ein* 
wohner  zählen,    1000   oder   500   tt   St   (7000   oder  3500  ThL) 
Vemvögen   haben,   oder   30   und*  15  %  8t  Zinswerth  aus  ihrem 
Eigenthwme  beziehen.  —  Diu  Verhältnist  der  Weltl^auptstadt  Lon- 
don erfordert  dagegen  bei  ihrem  celossalen  Umfange  und  ihrer  unge* 
mein  starken 'Bevölkerang,  die  der  eines  kleinen  Königreichs  im 
Deutschen  Staatenbunde  gleichsteht,  eigenthOmliehe  Beziehungen, 
die  jedoch  dem  Grund-Charakter  narh  von  jenen  allgemeinen  Ein- 
richtungen nieht  abweichen':  hier  führt  der  Major  für  sein  Amtsjahr 
den  Titel  eines  Lord-Mayors,  erfreut  sieh  besonderer  Prärogative 
und  wird  von  der  commune  ausgestattet,  in  seiner  Amtswohnung 
eine  der  Stadt  London  würdige  Repräsentation  fähren  zu. können. 
Beurtheilen   wir   aber   im   allgemeinen    das  Verhältniss   der 
Regierung  zun^  Volke  in  Bezug   auf  die   gesammte  innere  und 


Das   Britische   Reich,  ,  695* 

Poliiel^Venraltongy  lo    finden   wir  in  Iceinem   anderen   Staate 

Europas  soviel,   namentlich   vm  die  Koltur*  mid'Wohlfahrtspö- 

Itsei  anbetrüffc»  den  Gemeittden  überlassen ,  als  gerade  hier,  und 

zwar   dergestalt,    dass   die  Regierung   es   gnMdsätihelKfesth&lt, 

sich    so   wenig   als    möglieh   in    diese  Angelegenheiten  einsami- 

sehen ,    ja   sich   nicht  einmal   Ober  dieaeiben   die   Oberaufsicht 

voraöbehalten. 

\ 

-*£in  grossartiger  Zweig  der  ComronnalTerwaltinig  wird  durch 
die  Armenpflege  gebildet,  wenn»  gleich  hier  eben  bei  den  durch 
den  Charakter  solcher  Verwaltnng  eigenthOmlich  dargebotenen  Cin- 
richtuiigen  kich  grobe  Missbr&nche  einschleichen  konnten«  Sie  wird 
in  England  und  Wales  kirchspielsweise  verwaltet, 'so, dass 
ron  den  gesaromten  Kirchspielssteuern  (Parothial  A»9e9ment$} 
mehr  als  viel'  Fünft  heile  ausschliesslich  für  dib  Armenpflege 
Yerwandt,  mit  dem  Reste  aber  die  gemeinseirtiftlichen  Bedürf- 
nisse für  Strassen,  Can&le,  Brücken  u.  s.  w.  bestritten  werden. 
Die  Kirehspielssteuern  werden  von  den  Ländereien  (\^  des  Be- 
trags), den  Hüusem  {-fy)  and  den  Fabriken  {MiU  and  faeiories^ 
SU  ^\  des  Betrags)  eingesogen,  da  die  sehr  unbedeutende  Quote 
Toii  den  Lehns^fAllen  (kaum  ^^  des  Betrags)  dabei  nicht  beson- 
ders berücksichtigt  werden  daif.  Aber  diese  Steuern  werden 
allein  von  den  Eigenthümern  der  Grundstücke  gesahlt,  daher  ist 
nur  ein  Terhältnissmässig  geringer  Theil  d)sr  Berölkerung  den- 
selben unterworfen,  wie  dies  aus  der  Uebersicht  der  steuerpflich- 
tigen Häuser  deutlich  hervergeht  Im  Jahre  IS22  wurden  in 
England  und  Wales  susannnen  2,088,156  Hftuser  nach  amt- 
licher Angabe  gezählt;  von  denselben  wurden  1,446,000^  also 
beinahe  ^J  von  dOrftigen  Leuten  bewohnt,  die  ihrer  Armuth  we- 
gen nicht  SU  diesen  KlrdiSpielst^em  angesogen  werdln  konn- 
ten; 202,628  oder  beinahe  j^j  der  j^änser  waren  von  Pächtern 
oder  Mtethsleuten  beWohnt,  die  an  und  für  sich  diesen  Abgalten 
nicht  unterworfen  waren:  es  blieben  also  nur  etwas  über  ^^  oder 
437,627  Häuser  su  besteuern.  Von  diesen  sahlten  etwa  ^^  oder 
393,781  Häuser  durchschnittlich  14^  %  St  (10|  Rthlr.),  35,708 
Häuser  sahlten  zwischen  50  und  110  H  St.,  4,610  Häuser  swiscben 
HO  und  l60KSt  und  endlich  3,527  Häuser  waren  mit  mehr  als 
160 S St  (I,l2f  Tbl.!)  besteuert  Diese  letzten  dreiClassen,  oder 
etwas  über  ^^  der  steuerpflichtigen  Häuser,  mussten  aber  die  Hälfte^ 
des  ganzen  Steuerbetrags  von  den  Häusern  entrichten:  überhaupt 

•  38* 


'^596  Das  Britische  Reich. 

machlen  aber  1 822  diese  Steuern  nieht weniger  all  7,703^501  %,  8t.= 
53,924,507  Thl.  aus.  Die  ArmeiKpflege  *)  von  EngUml  und  Wales 
hatvon  diesen  Steuern  stets  im  Minimum  |  des  Betrags  gekostet,  wi« 
dies  aus  folgenden  Angaben  verschiedener  Perioden  hervoi^elrt^ 
in  welchen  1817  das  Maximum  eireicfit  ist 

Kirchspielsteuem.       Geld  an  Arme  vertheHt 
1749       730,135  %  St.  689,971  ft  St  =     4,829,797   ThL 

1776     1,720,316    —  1,^22,732    —      =    10,659,124    — 

1784"  2,r67,748  —  ^  J, 9 12,241  —  =  13,385,687  -^ 
1803  5,348,204  —  ^  4,077,891  —  =  28,545,237  — 
1812    «,640,842    —  tJ,656,105    —      =   46,592,755     — 

1817     9,320,440    —   '  7,«90,I48    —      =   55,231,036    — 

1821     7,781,441     —  -6,358,703    —      =   44,510,921     — 

1832     8;622,920    —  7,036,968    —      =   49,^58,776    — 

Wie  drückend  Aber  diese  Armenpflege  insgemein  auf  diewobHiabend« 
Bevötkefung  iastet,  und  dadurch  die  -mannich faltigen  Beschwerden 
veranlasst  hat,  die  in  den  ietzten  Jahren  unausgesetzt  eine  Ab&nde> 
rung  der  Armengesetce  vom  Parlamente  gefordert  haben,  geht  nua 
dem  V^erhUltnisse  der  unterhaltenen  Armen  gegen  die  Bevölkerung 
hervor,  nnd  wie  die  Zahl  der  Armen  in  den  letaten  150  Jahren 
trotz  des  ungemessenen  Nationalreiehthums  von  England  doch 
noch  in  einem  stalle eren 'Grade  als  selbst  die  Bevölkerung -Kugenonb» 
me»  hat:'  man  lasse  hieför  die  Zahlen  sprechen  **),  indem  wir 
.  zur  grösseren  Sicherheit  fQr  dieses  Jahrhundert  stets  dreijührige 
Durchschnittsangaben  wählen,  nnd  zugleieh  den  dem  Geklquan* 
tum  entsprechenden  Wert|i  in  Cretreide***),  für  dat  siebsehnte 
Jaltrhnndert  in  R^oggen,  «eit  1750  in  Weiien  hiocnfilgett. 


^)  Sehr  vollständige  und  Obersichfliche  l^adirichten  fiber  das 
Annen wesen  in  allen  drei  Britischen  Reichen,  vom  financiellen 
Standpunkte  ans  betrachtet,  giebt  Browsiag  in  the  dooMslical  -and 
^nancial  t:ondiüon  etc.,  indem  er  ihn  -das  ganze  zweite  "Kapitel 
widmet  8.  268-373.  Von  der  reinen  Armensteuer  von  6>966>157 
%  St.  im  J.  1826  roussten  die  Landereien  4,705,48*2  Q  St.  -C^«),  die 
Heuser  1,814,228  %  St.  (^),  die  Manufactui^a  ^9,565  ^  Sl  d^a) 
zahlea,  s.  ib.  «p.  358. 

**)  Auszug  aus  einer  Tabelle  bei  Browning,  S.  309. 

♦♦'j  Wr  haben  hier  absichtlich  die  für  den  grosseren  Tlieil 
unserer  Leser  angemessenere  Berechnung  der  fingUschen  Quariers 
auf  Berliner  Scheffel  vorgenommen. 


Das  Britische  Beleb. 


697 


Ai»qiiiralent  Unterstützte  fiefdlk.  Veriiältn. 


AimeiMitetter 

tn  Brodgetril, 

Arme 

r.  Engl.  d. 

,  Armen 

in  BerL  Solu 

n,  Wale«  au  f^  1000 

S. 

Bevolk. 

*     tt  St 

- 

1684 

699,000 

3,6S4,80(^ 

438,588 

6,200,000 

84 

1695 

050,000 

4,350,507 

'  505,340 

5.350,000 

04 

1750 

713,000 

2,392,000 

289,804 

6,467,000 

45 

lt766 

1,330,000 

3,377,4&7 

407,732 

7,300,000 

59 

1776 

1,520,000 

3,552,7^7 

433,511 

7,800,000 

56 

1782—84 

2,132,000 

5,156,460 

602,607 

8,020,000 

75 

1790. 

2.507,000 

6,346,376 

748,64& 

8,675,000 

86 

1^01—3 

4,2(58,000 

5,548,400 

667,524 

0,168,000 

73 

1808—10 

5,407^000 

6,248,086 

7^3,914 

10,488,000 

72 

1812—14 

6,553,000 

6.815,120 

822,141 

1  l„050,00O 

74 

1815—17 

6.74)0,000 

8,935,997 

1,07^,250 

1 1,470.000 

94 

1818—20. 

7,268,000 

10,354,411 

1,249,401 

11,780,000^ 

106 

1821-^>-23 

5,956,000 

i  0,966,696 

1,266,811 

12.1  ^OfOOO, 

106- 

L824— 26 

5,817^000 

9,7J57»2I2 

1,098,909 

12,650,000 

88 

]«27 — 29 

6,357,000 

10,827,762 

1,307,771 

13,220,000 

99 

1830—32 

6,888,000 

1 1,370,663 

1^91,633 

13,890,000 

101 

Dabei  sind  uUer  die  viellachen  Privatuntemehmungen  und  mkUlt 
Stifti!k»gen  für  Armen-  und  Krankenpflege  nocih  gnr  niclit  in 
Anschlag  ccebracht^  an  welchen  England  bei  dem  allgemein  ver- 
brVitetcu  Associationsgeiste  überaus  reich  ist.  London  allein 
sjlhlte  bereits.  1818  122  Armenhäuser,  mit  Elinschluss  der  von 
der  philautro|iiscben  Gesellschaft  für  junge  Verbrecher  errichte- 
ten Institute,  30  Hospitäler  und  Apotheken  für  dtirftige  Kran- 
ken, 30  Verpdeguugsanstaken  für  verschiedene  Richtungen  men- 
schenfronnd lieber  Wohlthätigl^eit  und  ausserdem  700  Pfivatver- 
eioe  zu  gemeinnütziger  Unterstützung.  Doch  die  Vertheilung 
'  -dieser  milden  Unterstützungen  geschieht  im  Allgemeinen  in  England 
und  Wales  höchst  unregeimässig  und  unzweckni'ässig,  so  dasS'Sie  oft 
mehr  wie  eine  künstliche  Verleitung  zur  Arbeitsunlust  und  suiii  lieder- 
lichsten Müssigang  erscheint,  statt  dass  sie  als  eine  angemessene  Lia- 
dcrung  wahrer  Noth  wirken  sollte.  Di^cr  ist  auf  die  vielUchcn  Be- 
schwerden darübe^dieser  Gegenstand  eine  Htiuptauigab^  dei^  vorjäh- 
rigen Gesetzgebung  geworden,  und  die  Armenbili  ist  am  I.  Juli  im 
Unterhauso  i  «*  am  13..Anigust  1834  im  ^bcrhause  durchgegangen,  ^ 
nach   welcher  die  Vertheilung  der  Armcnstcuer  nicht  mehr  aus- 


596  Das  ßritUch^  B.eicli« 

•ohliestlkb  den  Htodeo  der  Oeneiiienr  O^erlasten,  eondeni  der 
beionderen  I^irung  einer  lelbstot&ndigen  Oberbehörde  ans  drei 
Personen  aiifgetnifi^n  ist:  als Haoptsweck «ollen  festgehalten  werden 
theils  die  Ernährung  des  wahrhaft  UnglQckliehen,  der  durch  eigenen 
Arbeitsrerdienst  sich  nicht  mehc  erhalten  kann,  theils  die  Unter- 
•tutiung  des  inseineit  Verniögensumständenisuriicligekomnieoen 
Arbeitsfdbigeny  uiii  wieder  durch  eigene  Thätigkeit  die  Mittel 
der  Se^bsterhaltung  zu  gewinnen. 

In  Sehottland  geht  die  Armenpflege  unmittelbar  ron  den 
Kirchenbehörden  aus,  die  aus  den  Predigern  und  den  Kircken- 
Altesten  bestehen  ^  und  nur  da  wo  die  Privtttmildthätigkeit»sur 
Erhaltung  der  Armen,  nieht.  ausreichen  sollte,  ist  das  Kirehen- 
•piel  berechtigt  Armensteuem  aussuschreiUen.  Vor  dem  Jahre 
1700  fand  dies  gar  nicht  statt  Bei  der  Zunahme  der  Indnstrie 
mehrte  sich  auch  die  Zahl:  der  Armen,  namentlich  in  den  sehr 
berölkerten  Kirchenspielen,  doch  war  während  des  achtzehnten 
lahrhunderts  doch  höchstens  nur  eii|  Zehntheil  der  Kirchspiele 
genödiigt,  Armensteuem  auszuschreiben,  in  dem  gegenwärtigen 
jahrkunderte  hat  sieh  dieses  Verhältniss  schon  bis  auf  ein  Vier- 
tel gesteip^rt,  denn  1819  mussten  bereits  von  den  890  Kirch- 
spielen Schottlands  218  Armensteuem  ausschreiben,  die  freilich 
damals  fast  die  Hälfte  der  BerÖlkerang  des  ganien  Landes 
(8ia,320  S.)  enthielten. 

In  X Irland  ist  die  Armenpflege  noch  in  der  traurigsten 
Beschaffenheit  und  soll  erst  nach  dem  Muster  der  neuen  Re- 
formen für  die  Englische  hier  eingeführt  werden,  wiewohl 
der  erste  Verschlag  danu  von  Sadler  im  August  1831  im 
Parlamente  nicht  durchf^egangen  ist  Sie  jtösst  aber  hier  bei 
der  grossen .  Uebervölkerung  des  Landes  in  den  letzten  Jahr- 
sehnden,  bei  der  Verschiedenheit  der  kirchlichen  VerhHItnisse 
und  bei  der  nu  starken  Ueberlastung  mit  Bettelarmen  auf  kaum 
SU  lösende  Schwieri^rkeiten,  wenn  nicht  die  physische  Cultur 
▼ereint  mit  reger  Industrie  sogleich  die  Mittel  «fer  Abhülfe  ge- 
währen« Privatwohlthätigkeit  kann  allein  hier  nicht  wirken,  wie" 
erfreuUeh  de  sieh  auch  von  den  •  grösseren  Städten  aus  verbreiten 
mag,  unter  denen  Dublin  das  ehren wertheste  Beispiel  darbie- 
tet    Denn   diese  Hauptstadt   besass    1827  Aber  250  Anstalten*) 


*)  Daruaier  waren  19  Hospitäler  mit  3009  Betten,  3B|ittden.Ia- 


Das  Britische  Beich.  599 

fBr  Armen-  und  Krankenpflege,  fftr  anentgeldlicben  Unterricht 
oder  tooftige  wohlthätige  UnterttOttitng,  die  auf  öffentlichen 
Fonds  naeli  den  Parlammitiaeten  dietea  Jahres  1 15,202  %  St 
<876,834  ThL)  belogen,  und  an  welchen  mehr  als  20,000  Be- 
düiftige  Antheil  nehmen. 

Die  Anstalten  nur  Sichemng  des  beweglichen  Vermögens  ge- 
gen FeuersgefaKc  *),  gegen  die  Gefahren  sor  See  u.  s.  w. 
haben  in  England  nirgends  von  Seiten  der  Staatsregierung 
Veranlassung  sti  ihrer  Begründung  gefunden,  ja  sie  sind  nicht 
einmal  ein  Gegenstand,  poliseilicher  Beaufsichtigung,  indem  sie 
durchaus  jeder  Einwirkung  irgend  einer  Behörde  entzogen 
sind,  wenn  einmal  die  Erlaubniss  %n  ihrer  Elrrichtuug  rom  Par- 
lamente gciceben  und  vom  Könige  genehmigt  ist.  Sie  bleiben  le- 
diglich dem  Vertrauen  des  Publikums  anheimgestellt,  sind  aber 
gerade  in  diesem  Staate  bei  dem  lebhaften  bürgerlichen  und  Han- 
delsverkehr und  bei  der  grossen  Leichtigkeit  eine  Aetieng^sell- 
Schaft  fUr  solche  Unternehmungen  xu  begründen,  seit  länger  als 
130  Jahren  sehr  stark  gebraucht,  mit  starker  Thei Inahme  von  an- 
deren Staaten  in  Europa  schon  früher  beauftragt,  und  überdies  von 
hier  aus  als  Musteranstalteo  nach  dem'  Continente  vcrpflanst  — » 
Nur  wenn' bei  einem  Aufstande  Beschädigungen  und  Verheerungen. 


,  stimie  mit  150  Bette»,  1  Findelhsus  für  1000  Kinder,  welches  überdies 
noch  7000  Kinder  auf  dem  Lande  mit  einem  Kostenaufwaade  voq  ai,OüO 
U  St.  (217,000  Rihir.)  eraiehen  lässt,  6  Waisenhauser  für  934  Zog- 
lin^e,  16  lostitme  (ür  ^148  bülOose  Greise  und  Wittwen,  20  Apo- 
theken für  dürftige  Kranke,  6  Erziebungshäuser  zur  moraliscbeii 
Besserung  lür  921  Zöglinge,  l;i3  Arroenschulen ,  in  weichen  18»61)(> 
Kinder  unentgeltlichen  Unterricht,  5^364  freie  Kleidung  und  4,431 
freie  Nahrung  empfingen. 

*)  Unter  den  Englischen  Feuer -Assecuranzen  ist  die  Sun  die 
angesehenste,  die  im  jährlichen  Durchschnitte  gegen  160,000  U  St. 
Cl, 1-20,000  Thlr.)  Du ties  Zahlt ,•  dann  die  Norwich-Union  im  jähr- 
lichen Durchschnitte  mit  86,00t)  U  St.  (602,000  ThK;  die  im  Jahre 
1700  errichtete  Ph5nix-Compii^nie  jährlich  mit  »0,000  ^  Sh,  (560,000 
llir.),  die  Royal-Kxchange  gegen  <J^,000  %  8l  jährlich  4iM  Datier 
zahlend.  Ausserdem>  giebt  es  noch  14  Feuer-Assecmaszen,  die  im 
gcsamroten  Durchschnitte  jährlich  gegen  74t>4K)0  %  St.  (5,J8(),(H)0 
Till.)  Duties  zahlen^  also  etwa  44f ,^(M),(MM)  ^  St.  f3>408»000,(MM)  Tbl.> 
versicbertes  Eigenthoa  voraussetzen  lassen. 


V 


600 


Das  Britische  Reich. 


gegen  Eigenthtuii  TOfkoniBien,  nius«  die  gmnie  CommvDe  tolid«- 
Hsch  dafür  haften  imd  den  Tollen  Schadenenats  hentellen,  weil 
derselben  der  poliiteilicbe  Sehuti  gemeincehafüieh  für  alief  in 
ihr  befindiiehe  Eigentbiun  aufgetragen  ist. 


§.  20. 


t)ie^  Rechtspfliege. 


Die Sunmlongen  der  Parlaments-Statuten.  —  Blak$tone'9 
Commentar  über  die  Englbchen  Gesetie  im  Aussuge,  mit  Bezug- 
nahme auf  die  neuesten  Gesetse,  von-  John  GifTord,  aus  dem 
Englischen  übersetzt  von  t.  Colditz  Schleswig,  2  Bde.  8to. 
1823.  -»  Mitter  maier,  der  Englische  Strafprocess  mit  Besie- 
hung auf  die  neuesten  Parlamentsacten  und  R0y  de9  inttüutionM 
judiciaire$,  in  Mittermaiera  Archiv  für  Criminal-Rechte  Bd.  IX,^3 
nnd  IX,  4,  S.  655-^80;  ein  für  das  A^erfahren  in  denCriminal-Rechta- 
pflege  auch  vom  politischen  Standpunkte  aus  sehr  belehrender 
Aufsats.  — - 

Die  grosse  Menge  der  Englischen  Gesetae,  die  in  ver- 
schiededen  Jahrhuntferten  über  die  einzelnen  Gegenstände  gege- 
ben*), noch  jetzt  rechtsgültig  sind,  aber  nicht  zu  eiuem  ausam- 
menhUi^nden  Reehts-Codex  verarbeitet,  selbst  nicht  einmal  voll- 
ständig in  einer  unter  StaatsauctoritÜt  erschienenen  Sammlung  be- 
kannt gemacht,  und  dadurch  jedermann  leichter  zugänglich  gewor- 
den sind,  erschwert  ihre  genaue  und  umfassende  Kenntniss  ausseror« 
deutlich,  ihre  Strenge  bei  geringem  Diebstahl  und  anderen  we- 
niger bedeutenden  Verbrechen  bleibt  selbst  auch  nach  den  neue- 
ren Reformen  noch  au  tadeln,  weil  sie  zur  völligen  Freispre- 
chung  des  Schuldigen   verleitet,   sobald   die  Strafe  ausser  alieni 


*)  Schon  der  Masse  wegen  lassen  sie  sich  schwer  übersehen, 
wenn  man  erwägt,  dass  allein  über  den  Handel  mit  roher  "Wolle 
977  Gesetze,  1I3  über  die  Fischereien,  15C  über  die  Jagden,  36  ober 
die  Rind  Viehseuche,  8*2  über  die  Rechlswohllhat  der  Güterabtrettmg 
gegeben  sind,  von  denen  keins  vollständig  durch  das  andere  anl* 
gehoben  ist. 


Das  Britische  Reich.  601 

V^erhUtnUte  mit  den  Vergehen  steht,  also  dem  aUgemeioea 
Besten  ^endesa  schadet  Nieht  mioder  geHlhrilch  erscheint 
aber  auch  wiederum  die  Gelindigkeit  dieser  Gesetie  in  andern 
Fällen«  namentlich  gegen  falsche  Zeagen,  besonders  aber  der  in 
der  Praxis  festgehaltene  Gnindsats,  dass  Jedes  Vergelten ,  Jede 
Missethat,  die  nicht  gesetzlich  namhaft  gemacht  und  verpönt  ist| 
ungestraft  bleiben  muss,  und  dass  jede  leichte  Abweichung  ron 
der  vorgeschriebenen  Form  des  Geseties  wahrend  des  Processes 
offenbare  Schuld  in  Lossprechung  von  derselben  verwandelt. 
Offenbar  wirkt  auch  hier  der  eigenthömliche  Chai'akter  des 
Volks  und  seiner  fllgemeinen  Politik  fort,  überall  die  altherge- 
brachten und  Jahrhunderte  bewUhrten  Einrichtungen  au  erhalten, 
wenigstens  nicht  völlig  neu  umxugestalten,  wenn  auch  der  offen- 
barst^ Schaden  aus  dem  Beibehalten  derselben  hervorleochtet, 
weil  die  Besorgniss  immer  vorliegt,  mit  dem  Veralteten  und 
jetst  v6nig  Fehlerbaftep  auch  das  Gut  bewährte  au  verlieren. 
Doch  wurde  wenigstens  in  Bezug  auf  den  Mangel  an  Uebersicht 
der  an  grossen  Zahl  der  Gesetze,  die  einander  bisweilen  theil- 
weise  aber  nicht  gänzlich  aufheben,  1816  der  Parlanientsbe* 
schluss  gefasst,  eine  Commission  lus  Sichtung  und  besseren 
Anordnung  der  vorhandenen  Gesetze  zu  errichten:  doch  sind 
ihre  Arbeiten  bis  jetzt  nur  sehr  wenigen  Gegenständen  zu  Gute 
gekommen.  —  Die  Jetzt  im  Britischen  Stai^c  geltenden  Rechte 
und  statularuchen  Bestimmungen  lassen  sich  in  vier  Classen 
Übersehen : 

1)  Common'  Law^)  das  gemeine  Recht,  welches  seine 
Grundlage  in  den  Gesetzen  -der  alten  Briten,  der  Sachsen  und 
Dänen  hat,  die  während  der  Regierung  Eduards  des  Bekenners 
um  das  Jahr  1060  in  eine  Sammlung  zusammengestellt  wurden. 
Wilhelm  der  Eroberer  Hess  dieselbe  darauf  1070  in  die  Franzö- 
sische Sprache,  damals  die  Staatssprache  des  Reichs  England,  über- 
setzen und  mit  dem  Normannischen  Gewohnheitsrechte  vermehren: 
späterhin   wurden   derselben   noch  die  Verordnungen  der  folgen- 


*)  Vergl.  M allh,  Haie,  the history  of  the  Comtnon-Law,  thesixtb. 
edil.  bj  Ob.  HunningtOD,  Ijondon  1820  und  Edinburgh  Review  Oct. 
18-21  pg.  ^287-341.  — 


*  ^ 


/ 


001  Das  B-rltisehe  Reich. 

dm  Kttnige  aiii  dem  HiiaM  Wilhelms  und  Pluntagenet 
fUgt»  und  ttberhanpt  unter  Common-Law  dai  bürgerliche  Reeht 
bfgriflTen,  daa  sich  auf  dieser  Orundluge  in  der  Praxis  der  Ge- 
richtshöfe entirlckclt  hat,  und  im  Gegensats  der  ^i^iamentari* 
sehen  «Geietigebung^seine  Rechtskraft  noeh  behäuflet 

2)  Statute- LawM.  Dies  sind  die  Gesetse,  welche  auf  Vor- 
sehlag  des  Königs  und  seuier  Minister,  oder  einselner  Mitglieder 
der  beiden  Häuser  des  Parlaments,  ron  beiden  Theilen  dieser  ge- 
setsgebenden  Gewalt  angenommen  und  dsrauf  in  Parlamentsactea 
▼erabfasst,  von  der  königlichen  Gewalt  genehmigt  sind,  und 
entweder  gans  neue  gesetsliche  Verhältnisse  feststellen,  oder  Bestim- 
mungen des  Common-Law  ergftnst  und  abgeändert  haben.  Die 
erste  Tollständige  Sammlung  derselben  von  der  magna  Charta 
ab  wurde  von  Ruffhead  1703  unternommen  und  bis  1780  in  32 
Quartbänden  fortgaHihrt  Die  sweite  Sammlung,  welche  in  en* 
gerem  Drucke  von  Tomlins  und  Raithbjr  veranstaltet  ist,  wird 
bis  auf  die  jetsige  Zeit  fortgeführt:  sie  bestand  1828  aus  19 
Quartbänden,  von  denen  die  ersten  5|  Bände  die  älteren  Par- 
lamentsacten  bis  auf  den  Tod  Georgs  U.  (1215 — 760)  umfassten, 
die  folgenden  11^  Bände  die  aus  der  Regierung  Georgs  III. 
und  endlich  die  beiden  lotsten  die  Parlamentsacten  aus  der  Ver- 
waltung  Georgs  IV.  ]^is  1827  lieferten; 

3)  Peeuh'ar-Lawi  oder  Bylawf.  Dies  sind  entweder 
besondere  Freiheitsbriefe  und  Statutep  für  einselne  Besirke, 
Städte,  Zünfte  und  Individuen,  oder  Verordnungen,  die  nur  f&r 
gewisse  Zustände  der  bürgerlichen  Verhältnisse  Anwendung  lin- 
den, wie  denn  die  Kriegs-  und  Forstgesetse  auch  hieher  gerech- 
net werden. 

4)  Als  Httlfsreehte  werden  in  Gcossbritannien  und  Irland 
bedingungsweise  das  Römische  und  Canonisohe  gebraucht 

Schottland  behielt  bis  sur  genauen  Vereinigung  mit  Eng- 
land sur  alleinigen  Richtschnur  seine  eigenen  Gesetse  und  das 
bei  ihm  eigenthümiich  ausgebildete  Common-Law:  seit  1707  ha- 
ben aber  die  neu  gegebenen  Statu^e-Laws  für  beide  Reiche  sir- 
glcich  gesefslich  bindende  Kraft  —  In  Irland  ist  bereits  im 
zwölften  Jahrhunderte  während  der  Regierung  Heinrichs  IL 
die  gcsamiiite  Engtische  Gesetagebung  und  Rechtspflege  einge- 
führt worden. 


D.a^  B^iiidtehiB  ftieielu 


Der  Gang  der  BrituckM  lUolaipffoge  IftMl  «ieh  mb  uig»- 
MMMeottea  Ton  den  hohen  Geriohttk^fen  der  drei  Heiiptsailte 
übersehen 9  weil  diete  als  die  AUeiten  Gerichtehehörden  die  Be* 
gröodttag  ihrer  Gesehftflskreise  bis  in  die  letstcfti  Jahrhonderle 
des  Mittelalters  hinau&ehieben»  und  weil  von  diesen  anssplUer 
die  Leitong  der  gesammten  Rechtspflege  über  die  versohiedenen 
Grafschaften  der  Reiche  aasgeht  Für  England  sind  es  vier 
hohe  Gerichtshöfe,  welche  s&mmtUch  Ihren  Sita  im  Pallast  sn^ 
Westminster  haben ;  ebenaoTiele  bestehen  für  Irland,  für  Schott- 
land giebt  es  nur  drei 

Bei  den  Englischen  hohen  Gerichtshöfen  ^intersucht  I)  der 
Court  of  Common-PleaMy  die  schon  durch  die  magna  Charta 
1215  an -einen  bleibenden  Sita  geknüpfte  curia  communium 
placitoruM^  alle  Privatstreitigkeiten  s wischen  Britischen  Unter- 
thanen  über  dingliche  und  persönliche  Rechte.  Er  besteht  aus  ei- 
nem Oherrichter  als  Präsident  {Lord' Chief -Justice)  und  drei  Rftthen^ 
die  gleichfalls  den  Titel  Lord-Oberrichter  führen.  Von  seinen 
Entscheidungen  geht  in  wichtigen  Fällen  snerst  die  Appellation 
an  den  nun  folgenden  Gerichtshof  und  sodann  an  das  Oberhaus. 

2)  Der  Court  of  Kingf' Bench^  der  Gerichtshof  der 
königlichen  Bank,  die  frühere  aula  regi^f  weil  der  König  in 
früheren  Zeiten  hier  selbst  den  Vorsitx  auf  einer  erhöhten  Bank 
führt«!,  besteht  gleichfalls  aus  einem  Chief'Justice  and  drei  an- 
deren Lord- Oberrichtern  als  R&then»  und  bildet  eigentlich  den  hohen 
Criminal-Gerichtshof  für  England  und  Wales«  Er  entscheidet4iber 
auch  zugleich  in  allen  Rechttf^Uen  swischen  dem  Köhige,  den  von 
ihm  eingesetzten  Behörden  und  den  einzelnen  Staatsbürgern  Oder. 
Gemeinden,  sie  mögen  auf  Civil-  oder  Criminalsachen  ausgehen, 
wie  z.  B.  über  Aufruhr,  ^osse  Zusammenrottangen  Streitsachen, 
über  Handels-  und  Gewerbe- Angelegenheiten.  Von  diesem  Ge- 
richtshöfe geht  über  alle  Urtheile,  wenn  sie  nicht  Steuer-  und 
Finanz- Angelegenheiten  betreffen  ^  die  Apellation  sofort  an  das 
Oberhaus,  in  jenen  aber  suerst  an  den  naa  folgenden  dritten 
Gerichtahof. 

3)  Der  Court  of  Exehequet^  das  königliche  Schalskam- 
roeigerichty  hat  gleiehfalla  nur  einen  Prlsiilenten  und  drei  Rich- 
ter aus  der  Zahl  der  Lerd-Oberriebter,  Jenen  mit  dem  Titel 
Lord' Chief' Ba^on 9  dief«  Bar o na  genannt^  doch  führt  aaeh  der 
Kanzler  der  Sehatikanuaer,  als  Elnanaminister  Sita  und  Stimme 


6M.  Das  britische  R«iclL 

In  derotetben»  und  entoeheidai  als  Präsident,  wenn  der  6cg^n- 
stand  Tor  die  BiiHgicett -GwtkU»  Seite  (Equity'Side)  dieses 
Gerichtshofes  gehört  Dieser  Geriohtshof  urtheiit  über  a^e  Fi« 
nanssaehen,  und  gegen  seine  UrtheÜe  geht  die  Ap^llation  ent- 
weder an  die  ExchBquer"  ChawAer  oder  an  das  Oberhaus.  Denn 
der  Cöuri  of  Kings- Bench  nnd  der  Couri  of  Exeh^quer  bilden 
xusammen  noch,  die  Exchequer"  Ckamherf  an  welcher  ausser 
den  genannten  Richtern  noch  der  Lord -Kanzler  des  Reichs  An« 
theil  nimmt,  doch  ist  diese  Gerichtskammer  nur  eine  Apellations- 
Instan<;  von  der  selbst  wiederum  an  das  Oberhaus  appellirt  werden 
darf.  Ausserdem  bilden  aber  noch  simuitliche  zwölf  Oberrichter 
eine  susataimengesetzte  Rechtsbehörde,  welche  über  Terwickelte 
Rechtsfalle  befragt  wird,  die  vor  das  Forum  mehr  als  eines 
dieser  Gerichtshöfe  gehören  würden:  als  .solche  sind  aber  die 
zwölf  Oberrichter  eben  als  Soges  at  La»  zur  Theünahme  an 
d^n  Berathungen  des  Oberhauses  berechtigt  « 

4)  Der  Court  of  Chancery^  das  Kanzleigericht  oder  der 
Gerichtshof  des  Lordkanzlers,  ist  zussmmengesetzt  sus  dem  Lord- 
kanzler, dem  Muster  of  the  roUs  oder  dem  Vicekanzler,  der 
auch  in  Abwesenheit  des  Kanzlers,  oder  bei  der  Vacanz  dieser 
Stelle  denselben  YertriA,  und  zwölf  vortragenden  Räthen  (Ma- 
sters of  Chancery)  zusammengesetzt  Seine  Bestimmung,  nach 
welcher  er  das  höchste  Billigkeitsgerieht  ( Court  of  equity)  ist, 
also  nicht  nach  strengem  Recht,  sondern  nach  der  Billigkeit  zu 
entscheiden  hst,  trägt  ihm  auf,  den  Bürger  gegen  die  Eingriffe 
der  Krone  odar  einzelner  Staatsbeamten  zu  schützen,  aber  er  hat 
auch  zugleich  die  Regulirung  der  Erbschafts-,  Vormundschafts- An- 
gelegenheiten, Concurse  ui[id  der  Gnaden-Sachen.  Der  Lonlkanz- 
1er  oder  sein  Stellvertreter  ist  hief  der  alleinige  Richter,-  weil 
die  übrigen  Masters  nur  als  hellende  Beisitzer  dienen:  von  sei- 
nem Urtheile  geht  die  weitere  Appellation  geradezu  an  das  Ober- 
haus. Nur  wenn  die  Thatsachen  von  den  Beklagten  gcluugnet 
werden,  kann  die  Ermittelung  des  Thatbestandes  nicht  durch  flie- 
sen Gerichtshaf  geschehen,  sondern  es  muss  dazu  ^die  Hülfe  des 
Court  of  Kings- Bench  in  Anspruch  genommen  werden.  Inzwi- 
schen ist  der  Geschäftskreis  dieser  angeführten  Gerichtshöfe  kei- 
neswcges  so  genau  begrän<t,  dass  es  nicht  lediglich/  von  dem 
Vertrauen  der  Partheien  zu  einem  bestimmten  Gertchtstiofe  ab- 
hinge,, unte^  irgend  einer  leicht  sieh  darbietendea  Veränderung 


Das'Brilischtt   Beicb.        ^        605 

1  V 

der  Rechtsfonn  den  Gegenttand  ron  einem  Gericlitthof»  in  ei* 
nem  anderen  hhiüliierxutraKen.  Dieselbe  Bewandtnis!  bat  es  mit 
den  der  Controlle  dieser  obersten  Gericbtshöfe  untergeordneten 
Gerichten  9  die  ursprünglich  auf  einen  bestimmten  Gesehttftskreis 
fQr  alle  Civil*  nnd  CHminalfäile  angewiesen  waren,  jetit  aber 
in  London  fest  ange8}edelty.;weniger  bedeutende  Rechts-: Angele- 
genheiten nach  der  beliebigen  Wahl  der  Partheien  abmaehen:  so 
der  Gerichtshof  des  Herzogthums  Laileaster  (the  Duohy" 
Court  of  LantoBterJ^  zugleich  die  Finansbebdrde  für  die  Ver- 
waltung der  Kammergefklie  dieser  Grafschaft,  deren  gesammte 
Einkünfte  aber  an  die  Englische  Krone  seit  dem  Ende  des  fünf- 
zehnten Jahrhotiderts  fallen,  der  Gerichtjihof  der  Pfalzgraf- 
schaft von  Durham  {Court  of  County * Palatine  of  Durham\, 
der  Gerichtshftf  der  Schlossvoigtei  und'  des  Königs* 
Palast  zu  Westm inster  {MarahaHsea- Court  and  the  C,  oftke 
Kitigs  Palaee  at  ffestminnter)^  der  Admiralit&s*Ge rieht s- 
hof  {AdM9ralty'€ourt)f  für  Seehandels -Sachen,  Capereien,  strit- 
tige See-Assecuranz*Angelegipnheiten  u.  s.  w.  *).  Die  Entschei- 
dungen alier  dieser  Gerichtshöfe  werden  in  die  Archive  derselben 
reponirt,  woher  sie  Gerichtshöfe  mit  Archivrecht  {Court$  of  re- 
cord)  heissen,  und  dienen  in  späterer  Zeit  wieder  als  Norm,  ode/ 
auch  die  Anwälde  der  Partheien  können  auf  diese  Entscheidun- 
gen bei  neuen  Rechtsfäilen  zuröckkommen. 

Für  Irland  bestehen  ganz  diesellien  vier  ob^^rsten  Ge- 
richtshöfe, der  Court  of  Common  -  Pleau ,  C.  of  Kingn  -  Benck^ 
C,  of  Exchequer  und  der  Court  of  Chancery  zu  Dublin,  aus 
gleicher  Anzabl  des  Personals  mif  demselben  Titel  fTir  den  Präsidenten 
und  die  Oberrichter  zusammengesetzt,  doch  hat  der  letzte  G^^'ichts- 
hof  neben  dem  Master  oftke  rolla  nur  vier  Masters  of  Chancery 
als  Beisitzer.  Auch  die  Geschäftsführung  und  der  Instanzen* 
zug  ist  auf  gleiche  Weise  bestellt  Ausserdem  besteht  hier  gleich- 
falls ein  Admiralitäts- Gerichtshof  (^Otfrfo/y^(fMiTaZ/y)  zu 
Dublin,  und  the  Court  of  Castle-  Chamber  ist  gleich  dem 
Marahalsett' Court  zu  London  gestellt 


*)  Ton  allen  Entscheidungen  der  ^dmiralitats  -  Gericbtshöfe  za 
London,  Edinburgh  und  Dublin  findet  die  weitere  Berufung  unmit- 
telbar an  den  Privy-Oouncil  des  Königs  statt 


^     . 


066  Da8  Britische  R%ich. 

FBr  Sehottlanil  giebt  et  nur  drei  obent«  Gcriehtthöfe  jni 
Bdinbargh,  die  su  gleicher  Zeit  Court  $  of  Comwum4aw  unil  o/ 
equiiif  «indy  /^e  Court  of  Se^nion^  aus  einem  Lord -Präsi- 
dent mid  Tiersefaii  Lord -Richtern,  Lordu  of  StaHon  oder  Orift% 
nmryJudgtM  gebildet*),  welcher  den  Englischen  Court  of  Com* 
mom'Pieas  «nd  den  Court  of  Chancery  in  ihren  Gesi^ftftsberei- 
eben  enetst;  the  Court  of  Junticiary  oder  Criminal^ 
Courty  als  oberste  Gerichtsbehörde  flfar  alle  peinliehe  Sachen« 
aas  einem  L9rd  Ju^iiee^generml  als  FiiUident,  einem  Lord  Ju^ 
tifse-  Clere  als  Protocollfiihrcr  und  5  Beisitiem  {CommissionerM)^ 
dem  Kön^s-Adroeaten  und  dem  General -Piseal  {Solieitor-Ge* 
neral)  gebildet; -^^e  Court  of  Exehequer^  völlig  öbereinstim* 
niend.mit  dem  Englischen  und  dem  Irländischen,  auch  in  der 
Zahl  und  d^m  Titel  des  Präsidenten  und  der  Richter.  Die  letzte^ 
Instans  von  diesen  Gerichtshöfen  wird  durch  das  Britische  Par- 
lament eil  London  gebildet  — »  Ein  Admiralitäts^Gerichts- 
hof  heündet  sirh  auch  :xu  E<Unburgh  für  die  besonderen  Reichs- 
angclegenheiten  des  Seehandels.  Für  die  Bergwerks-Sachen 
sind  in  Comwall  und  Devonshire  eigeile' Berggerichte.  —-Von 
den  Geisdtehen  Gerichten  ist  das  Nähere  bereits  in  §.  17.  S.  678 
angeführt,  wobei  noch  su  bemerken  bleibt,  dass  in  sehr  bedeut- 
saknen  Fällen  auch  von  dem  Court  of  Chancery  noch  eine  Ap- 
pellation an  den  Privj*Council  des  Königs  geht,  und  dann  iji 
Einern  Court  of  Delegaten  aus  geistlichen  und  weltlichen  Lords 
und  aus  den  angesehensten  Sachwaltern  die  ietste  Entscheidung 
erfolgt 

Diese  hohen  Gerichtshöfe  halten  aber  nicht  ununterbrochene 
Sitzungen  in  den  Hauptstädten,  sondern  nur  4  Termine 
(Terms)  im  Jahre,  Jeden  beiläufig  etwa  von  4  Wochen  nach 
dem'  Hilariüs-Tage  (13.  Jan.),  nach  Ostern,  nach  Pfingsten  und 
nach  dem  Michaelstage.  In  der  Zwischenseit  im  Februar  und 
Marx,  sowie  im  Juli  und  August,  bereisen  darauf  die  Lord- 
Oberrichter  jährlich  sweimal  xu  je  zwei  die  einxelnen  Graf- 
achaften,  indem  sie  steh  Geliülfen  xur  Erleichterung  des  Geschäfts 
In  den  Serjeants-at*law  mitnefameB,  um,  nicht  die  Partheien 
xu  nöthigen,  ihre  Hülfe  selbst  bei  den  entfernten  OerichtshÖfen 


'  *>  Dieser  Gerichtshof  zerfällt  seit  1808  wegen  alzo  grossen  An- 
-tlraogs  der  Geschäfte  io  2  Abiheilangen   (Ciiambers),  die  jede  für 
sich  voll«  i;e}»etzlicbe  Kraft  haben.  / 


Pas  Britische    Heick  607 

der  Hauptstädte  lu  •uohen,  sugleidi  aber  ani^h  um  ,dio  getammfe 
Rechttyerwaltung  «1er  Sheriffa  und  der  Friedensrichter  (c.   §.  19) 
SU  controlUren.    Für  dieee  richterliehe  Geschäfttreiten  (Cireuits), 
die  9chon  in  der  zweiten  Hälfte  des  zwölften  Jahrhundert»  unter 
der  Regierung  Heinriche  IL   angeordnet  wurden »   ist  gaas  Elng- 
land   mit  Ausnahme   der   Grafschaft  Chester   in   6   Besirke   ge* 
thciit    Home,    Oxford,    NorfoÜc,   Midland,   W$tem  mmd  Nor^ 
ihem*)  €ireut[U.     Das  Fürstenthum   Wales  und  die   Grafschaft 
Chester  siiid  in  vier  besondere  Besirke  **),  die  Jährlich  von  Je 
swei  Richtern  bereist  werden,  und  die  Insel  El/ hat  ihren  eige- 
nen Chiff'Ju9lice,    Für  Schottland  und  Irland  finden  diese  Cir* 
cuits  nur  als  C/rcMtl- Cour/s  von  dem  C.  of  Justictarty  uad  dem.  C 
of  KingM^ßenck  statt    Auf  diesen  Gesch&ftsreiseB  halten  die  pber- 
richter  -r  deshalb  reisende  Itinerant-Judgei  gMiannt  —  in  den 
Hauptstädten  der  einzelnen   Grafschaften    einige  Tage  hindurch 
Gerichtssitzungen   {AMtztM)   für  alle  Civil-  und  Criminalsaehen, 
indem   sie  jedesmal  zur  rechtsgültigen,    durch  das  grosse  Siegel 
SU  bekräftigenden  Entscheidungen  im  Namen  des  Königs  fünf  beson- 
dere Aufträge  erhalten :  die  CommtBiion  of  Amw  zum  Urtheil  in  al- 
len Streitigkeiten  Über  liegende  Grüii«ie,  die   ComnuMBton  of  nM 
prt'us  zum  Urtheil  über  alle  ht\  den  obersten  Gerichtshöfen  in  Lon- 
don anhängigen  Rechtssache»  wenn  der  Oberrichter  früher  in  ^ 
die  Grafschaft  kommt,  als  dort  der  Gegenstand  %  untersucht  ist, 
die  CommiMipn  of  p$äce  zur  Entscheidung  in  alleq  Sachen,  die 
xum  Amte  dtB  Friedensriehters  gehören,  die  CommiMMton  of  oyer 
and  t^ittiner  zum  Verhören,  Untersuchen  und  Entecheiden  in  allen 
peinlichen  Fällen,  endlich  die  Comnuasionofgeneralgaoldelwery, 
zur  Verurtheilung  zur  Gefängnissstrafe  und  z0r  Befreiung  aus  dersel- 
ben in  allen  schon  früher  untersuchten  Criminal-Fällen.  Der  Insten- 
.  zen-Zug  geht  von  hier. in  der  oben  beschriebenen  Art  an  die  heben    ' 
Gerichtshöfe  zuWestminster  und  an  das  Parlament«  Diese  Assizes 
sind  aber  überhaupt   für  die  Entwickelung  des  gesammten  bür- 


*)  Dieser  Bezirk  wird  nur  einmal  im  Jahre  bereist. 

**)  Diese  4  Circoits.  sind  •die  Graiscbaflen  a) -Chester,  llentgo- 
mery,  Flint  und  Denbigfa;  b)  .(lardigan,  Penbroke  uad  Carsaariheii ; 
c)  Brecön,  Giaroocgao  und  iladnor^  d)  Aogiesey,  Caroafvon'  und 
Merioneih. 


\ 


608  Pas  Britiseh«  Reich. 

gerifehen  tiebens  in  Grossbiitannien  ron  sehr  f^rosser  Wichtig- 
keit, da  sie  TornehroUch  zur  Verta^mlung  aller  Notabilit&ten  ei- 
ner Grafsebafl  Veranlatsnng  .geben,  hei  welcher  Gelegenheit, 
durch  gegenteidge  Ahn'äherung  und  Besprechung  das  allgemeine 
Beste  der  gesammten  Landschaft  überhaupt  gefördert  wird« 

Ausserdem  werden  Tiertelj'Ahrig  Landgerichte  in  jeder 
Grafschaft  aller  drei  vereinigten  Reiche  {Quarter'Se9$ion9)  von 
den  dasu  venammelten  Friedensrichtern  nebst  ihren  Geh&lfen 
bei  der  Poliseiverwaltung,  den  Constables  und  Coroners,  als  Bei* 
sitsern  gehalten.  Vor  dieses  Forum  gehören  die  leichteren 
*  peinlichen  Sachen,  alle  Polisei- Vergehen,  Streitigkeiten-  über  Ge- 
meiAile  -  Angelegenheiten  u.  s.  w.,  indem  alle  wichtigen  Fäiie 
den  Assisen  vorbehalten  bleiben,  wie  denn  aber  auch  in 
einzelnen  hieher  gehörigen  >  Sachen  unter  einer  vorgestellten 
Rechtsfiction  soglejch  mit  Umgehung  der  Quarter  -  Session« 
an^  die  Assisen  oder  auch  mit  Umgehung  dieser  an  die  Ge« 
richtshöfe  lu  VlTestroinster  die  R.echtsangelegenheit  gebracht 
werden  kann,  besonders  in  allen  Fällen,  wo  das  Hein  und 
Dein  nur  «ur  Sprache  kömmt  Für  gans  geringe Rechtsstreitig- 
lc§iten,  deren  Gegenstand  an  Werth  nicht  über  40  Shillinge 
<I4  Thlr.)  beträgt,  entsöheidet  für  die  Bewohner  der  ganzen 
Grafschaft  der  High-Sheriff  in  dem  Countj^Court,  der  High- 
Constable  in  dem  Hundred- Court,  der  Court-Baron  oder  das 
grundherrliche  Gericht  für  die  Einsassen  der  Grundherrachaft  *|. 
Als  Beisitzer  dieser  Gerichte  oder  Schoppen  werden  von  ^dem 
Sheriff  und  Constable  Freeholders  gewählt,  von  dem  Court- 
Baron  Einsassen  der  Grundherrschaft  In  den  Städten,  wo 
die  innere  Verwaltung  yon  der  Rechtspflege  noch  gar  nicht  geson- 
dert ist,  entscheidet  der  Mayor  mit  den  A^dermen  oder  mit  dem 
neu  errichteten  Gemeinderath  in  den  wichtigeren  Streitigkeiten  der 
Bürgen  untereinander,  sofern  sie  vor  die  Stadt-Obrigkeit  gehören  :^ 
ausserdem  gift  in  allen  Angelegenheiten  des  Friedensrichter-Amt*, 
das  Urtheil  das  Majors  allein ,  kraft  der  ihm  durch  die  Huniei- 


*)  Diese  Gerichte  der  Lords  of  Manor  werden  jetzt  noch  am 
SBahlreiclisten  in  Schotüand  angetroffen,  aber  ihre  ^Wirksamkeit  ist 
jetzt  sehr  gemindert,  und  nur  auf  die  gleichgültigsten  Rechtsfalle  des 
bürgedichen  Lebens  beschrankt 


Das  firiti«cha  Beiclu  609 

pal-RefonAUI  erdieiUen   Enrdtervng,  seiaer  amdidieii  QtaniM 
«tteh  fOr  die  kltinoren  StUte.  «—  . 

'  I  ' 

Nur  bei  den  Geriehtt)iöfen  at  Common-Lawt  ^^  ^^^^  ^^^ 

den  Acgisen  und  den  Quarter' SeM9ion$  ist  die  Beurtheiiung  de« 
^liatbettandes  nicht  allein  dem  Richter  überlassen ,  sondern  der 
Ju'rj  von  iwttlf  Schoppen  9  die  Bewohner  der  Crrafschaft  sind» 
in  weichten  der  Angeklagte,  oder  das  in  Rechtsanspruch  genom« 
mene  Besitithum  sich  befindet  Die  Jury,  oder  die  Gesehiro* 
repen,  soll  aus  freien  selbständigen  Männern  bestehen^  die  min- 
destens Freeholders  oder  Copjholders  sind^  und  wenigstens  ein 
jährliches  reines  EUnkommep  von  20  ft  St  (140  ThL)  besitzen, 
t>'ür  die  ganie  Dauer  der  Sitsung  eines  Greriohtshofes  oderiUsise 
macht  der  Sheriff  eine  Liste  (Arraj)  von  mindesten^  48  und 
nicht  mehr  als  72  Juiyfähigen  Bewohnern  seines  Grafschafts* 
besirks.  Von  diesen  kann  jede  Parthei  swölf  ohne  Angabe  ir- 
gend eipes  Grundes  verwerfen ,  die  übrigen  nur  aus  näher  be- 
stimmten Gründen  %  welehe  von  den  auf  der  Liste  Uebriggeblie- 
benen  geprüft  werden;  jedoch  nur  in  dem  Falle  einer  erwiesenen 
Partheilichkeit  des  Sheriffs  bei  der  Feststellung  des  Arraj  kann 
die  ganze  Liste  gestrichen  werden  {ckallenge  to  the  arrax/).  Die 
Verworfenen  werden  wieder  durch  andere  Jurjfähige  auf  der  Liste 
ersetzt,  und  dann  werden  durchs  Loos  die  bei  den, Assisen  fun* 
gir^nden  12  Geschworenen  gesogen.  Vor  dieser  kleinen  Jury^ 
(Special-Jurj)  werden  im  Beisein  der  Richter  die  Anwalde  der  Par* 
theien  gehört,  die  vorgeführten  Zeugen  sur  Bestärkung  der  Aq^lage 
und  zur  Entlastung  von  derselben  vereidet,  und  sowohl  von  den 
Richtern  und  den  Greschworenen,  als  auch  von  den  Anwalden 
der  Partheien  im  Verhöre  befragt  Nach  der  Vorlegung  aller  Be- 
weise und  Gegenbeweise  sprechen  noch  einmal  die  Anwalde  bei« 
der  Partheien:—- und  in  diesem  Theile  des  Processes  buchen  die- 
selben be%ond^rs  durch  ihr  Talent  ihrer  Sache  die  vordieilhaftesto 


*)  Dies  geschieht  entweder  propter  honoris  respectam,  wenn 
Lords  an  den  Geschworenen  gewählt  sind,  propter  defectum,  wenn 
die"  Gewählten  gar  nicht  in  die'  Kategorie  der  Jury  fähigen  gehören, 
propter  affectnm,  wenn  dieselben  in  den  Rechtshandel  als  par- 
theiisch  erscheinen  könnten,  pfopter  delictum,  wenn  dieselben  selbst 
eines  Vergehens  oder  Verbrechens  verdächtig  eind* 

Sehabert'iStotistikn-  39 


610  Das  Britische  Reich. 

Seite  zu  geben  —  ^ann  retuiiirt  der  vorsitsende  Riehter,  faitt 
die  ZQ  bettimmenden  Punkte  zusammen,  und  überläMt  der  sieh 
in  ein  Seitenzimmer  zurfiekziehenden  Jurj  den  Autiprueh.  Die- 
ser, Verdiet  genannt,  maii  in  England,  Wales  und  Irland  too 
den   Gesenworenen   einstimmig,    in   Sehottland   mit  einer 

'  Hajoritöt  von  ^  Stimmen  gefasst  werden«  Dann  bat  der  Rieh* 
ter  nach  den  vorliegenden  Gesetzen  gemäss  des  Verdiets  den 
Urtheilssprucb   zu  fassen.    Es  Uuehtet  von  selbst  ein,   dass  bei 

'  der  niebrbundertjäbrigen  E^abrung  über  das  Institut  der  Jurjr 
in  Grossbritannien,  dasselbe  mit  dem  Geii(te  dts  Volkes  völlig 
verkörpert  erseheint;  woher  auch  selbst  in  dem  weniger  geistige 
begabten  Manne  der  niederen  Volksclassen  doch  ein  reiferes  Ur- 
,tbeii»nach  Abhörung  vielfacher  Zeugen  für  und  gegen  die  Rechts« 
suchen  über  den  Thatbestand  gemeinhin  hervorgeht  Dennoch 
bleibt  auch  hier  dem  Scharfsinne  und  der  blendenden  Ueberredungs* 
kunst  der  Advoeateik  ein  genügsam  geräumiges  Feld,  der  Jurj  die 
Wahrheit  des  SachverhiÜtnisses  anders  vorzustellen,  als  sie  fae- 
tisch  ist,  und  dadurch  einen  überaus  starken  Einfluss  auf  das 
Verdic^  und  das  richterliche  Urtheil  selbst  zu  erlangen.  Dem- 
gemi&ss  ist  der  Beruf  der  gerichtlichen  Sachwalter  ein 
sehr  gesuchter  in  ganz  Grossbritannien,  und  da  er  Überall  leicht 
die  Mittel  zu  einer  glänzenden,  bei  dem  Öffentlichen  Leben  der 
Engländer  sich  namhaft  auszeichnenden  Laufbahn  gewährt,  so 
gehen  sehr  häufig  aus  der  Mitte  der  Advocaten  die  ersten  politi- 
schen Redner  und  Staatsmänner  hervor.  Die  unterste  Classe  der- 
selbe wird  durch  dieAttornejs  gebildet;  welche  die  meisten  6e« 
Schäfte  unserer  Notare  betreiben,  und  wohl  auch  als  Gehülfen  der 
fiarristers  und  der  Serjeantg  at  law  Auszüge  aus  den  Acten  ar«- 
beiten.    Die  Letzteren  aber  plaidiren  für  ihre  Partheien  vor  deu 

I 

Gerichtshöfen  *).  Die  höchste  Ciasse  derselben  besteht^ nun  aiis 
den  von  der  königlichen  Regierung  als  Rathgebern  gewählten 
Advocaten,  di%t  Kingn- Serjeantg  oder  Kings- Counulw  (fiir  Coun- 
tellors)  heissen>.  und  deren  es  24  giebt,  ausser  ihren  beiden  Vor- 
ständen, dem  Attomey- General  und  SolUcitor» General  (s.  §.18): 
aus  diesen  werdon  gemeinhin  der  Lord* Gross-Kanzler  und  die 
Lords  •Oberrichter  gewählt; 


*)  London  allein  z.HUte  schon  1767  4000  ^chwalter  und  18S4 
d^ren  sogar  5400. 


• 


Das  Britische  Beich.  611 

% 

Bei  der  Criminal-Rechtspflegey  die  die  ünt^rmehung 
von  Halsverb1^e€hen  und  allen  anderen  •ehweren  peinliehed  Sa- 
chen zu  führen  und  dieselben  zn  bestrafen  hat,  indem  die^e  nie- 
mals auf  den  Quarter '  Se$9ion$  au  beseitigen»  aondem  den 
Assisen  oder  den  Courts  of  th6  KingM-Beneh  in  Longen 
und  Dublin  und  dem  Court  ef  Justice  in  Edinburgh  jni  über- 
weisen sind,  ist  die  Wirksamkeit  der  Jurj  eine  doppelte. 
Als  Halsverbrechen  gelten  H^^^-Treato«  =  HochTtrrath,  jedes 
Unternehmen  gegen  die  Sicherheit  und  die  Ehre  des  Königs, 
der  Königiif  und  des  Thronerben,  gegen  die  Sicherheit  und 
Ruhe  des  Staates,  Verbindung  mit  seinen  Feinden,  Hünsrerf^ii- 
tchung,  thäf liehe  Vergreifung  gegen  den  Lord-Kansler,  Kanaler 
der  Schatzkammer  und  die  kdniglichen  Richter  bei  der  Ausü* 
bung  ihres  Amtes;  femer  Petty-Treason^  Mord  und  Todschlag 
der  Eheleute,  der  Vorgesetzten  durch  ihre  Untergebenen  geistli- 
chen und  weltlichen  Standes,  endlich  Felonj,  die  jedes  Verbre- 
chen, welches  im  Mittelalter  Entziehung  des  Lehns  durch  den 
Lehnsherrn  gegen  seinen  Vasallen  rerwirkte,  jede  Art  ^e%  Mords 
und  Todschlags,  Raub,  Diebstahl  bis  ^ auf  den  Werth  von  2  % 
St,  Betrug,  Verfälschung  der  Papiere,  jetzt  als  VerbreeheA  der 
gemeinsamen  Unterthanentreue  gegen  den  Ki^nig  bestraft  Die 
gewöhnliche  Todesstrafe  ist  der  Galgen,  wird  aber  bisweilen  als 
Gnadensaohe  aus  Rücksichten  auf  die  Familie  des  Verbrechers 
in  Hinrichtung  mit  dem  Schwerte  verwandelt  Die  früher  aus- 
nahmsweise wegen  des  Standes  der  Geistlich |ceit  zugestandene 
Erleiohterung  der  Strafe,  das  henefit  of  the  Clergy  ist  allmäh- 
lich auch  auf  die  übrigen  St&nde  Übergegangen,  und  gew&hrt  in 
den  meisten  Fällen,  wo  nicht  besonders  die  Sicherheit  des 
Staates  und  der  dem  .Briten  über  alles  gehende  öfl^ntliche 
Credit  (daher  bleiben  Verfälscher  der  Banknoten  und  Wechsel 
von  der  Verschonung  mit  der  Todesstrafe  gemeinhin  ausge- 
schldssen)  gefährdet  zu  sein  scheint,  die  Verwandelung  der  To- 
desstrafe in  Deportation  nach  den  Australischen  Verbrecher* 
Colonient    Diese  findet  seit  1788  statt 

Die  doppelte  Wirksjunkeit  der  Jurj  bei  dem  Criminalpro- 
cesse  greift  njin  auf  folgende  Weise  ^iu«  Auf  die  Anzeige  einea 
der  oben  näher  bezeichneten  Verbrechen  dur(|h  den  Königs-Fis» 
cal,  der  dazu  verpflichtet  ist,  oder  durch  irgend  einen  anderen 
Britischen  Unterthan,  kann  der  Friedensriohtnr  verhaften,  muss 
aber  den  Verhafteten,  den  Ankläger  und  Zeugen  ^ogleicht  oder 

89* 


612  Das  Britische  Beieh.  , 

ti5e1niten8   binnen  24  Stunden   verhören  und  dann  erwogen,   ob 
das  Veibrechen  ron  solcher  Beschaffenheit  sei,  dass  er  den  Verhau 
teten   (^geA  Börgschaft   sich  vor  die  nächsten  Assisen  eu  stellen 
frei  lassen  kann,  oder  ob  er  ihn  wegen  der  Öffentlichen  Si<;herheit 
in   der  Haft  behalten   muss.     Für  jed^s  Circuit,   und    für  jede 
Quarter» Session f  sowie  für  die  oben  genannten  Qerichtshöfe,  ist 
von  dem  Sheriff  der  Grafschaft  eine  Great-Jury  oder  Grande 
Jury   aus  vier  und  zwanzig  Jurjfahigen»   gemeinhin  sehr  ange- 
sehenen  Männern    des   Bezirks    gewählt     Von    diesen   werdea 
nicht   mehr   als   23   und   niemals   weniger  als  12  vereidigt,   vor 
welchen  dann  die  Anklage  und  die  Beweismittel  vorzulegen  sind, 
uhi   zu  entscheiden,   ob  die  weitere  gerichtliche  Verfolgung  statt 
ünden   (indicted)^    oder    der   Angeklagte    sogleich    von   seiner 
Schuld  freigesprochen  werden  soll.    Im  letzteren  Falle  kann  der 
Richter,   wenn   er  die  tJeberzeugung  der  Jurj  nicht  theilt,   den 
Angeklagten  noch  einmal  vor  eine  neue  Grand-Jury  beim  näch- 
sten Circuit  führen.   Die  Entscheidung  muss  aber  stets  von  min'<> 
destens    12  Stimmen  erfolgen,    daher  darf  die  Zahl  der  Mitglie- 
der, des  Grand-Jury  *)  nicht  über  23  steigen*   Ist  der  Angeklagte 
indicted,   so   wird   er   vor  die  Special-Jury  der  nächsten  Assise 
gestellt,   die   ganz    wie    beim  Civil-Process  verftihrt.     Sie 
besteht   aus.  12  Mitgliedern,   die  aus  48  vom  Sheriff  dazu  jedes- 
mal bestimmten  Jurjfähigen  durchs  Loos  gewählt  werden,  nach- 
dem  zuvor*  von  dem  Angeklagten  zwanzig  in  den  gewÖhnUchen 
Fällen   und   fünf  und    dreissig  bei  dem  Verdachte  des  Höchver- 
raths  -ohne  Gründe  verworfen   und  .durch  neu  ernannte  Mitglie- 
der ergänzt  sind.     Sie  entscheiden  nach  dem  Resume  des  Rich- 
ters, welches  dem  Zeugenverhör  und  der  Vertheidigung  des  Ad- 
vocaten   des  Angeklagten    folgt,    durch  guilty  oder  no  guiltj 
(schuldig  oder  nicht  schuldig)  für  eine  durch  das  Gesetz  verpönte 
That,  über. sie  können  auch  das  schuldig  einer T hat  ausspre- 
chen, welche  noch  durch  kein  Gesetz  mit  einer  bestimmten  Strafe  be- 


*)  Die  grosse  Jury  hat  hei  ihren  Versanunliingen  «uch  angleich 
die  wichtigsten  gemeinsamen  Polizei-Angelegenheiten  zu  beratben, 
namentlich  Communal* Bauten ^  Sicherheits- Anstalten ,  Brücken-»  Ca- 
nal-  und  Landstrassen- Anlagen.  Dem  jy issbrauch  sich  zu  aus- 
schliesslich damit  zu  beschäftigen  und  die  Rechtssachen  darüber  zu 
vemachlassigent  ist  durch  die  Gesetzgebung  von  1834  gesteuert  worden. 


Das  Britische   Reich.  613 

legt  ist:  diese  letitere  Entscheidang  gilt  einer  Freüpreehmig 
gleich.  Die  Strafe  de«  Getetses,  wenn  die  Schuld  des  Verbre- 
chens gegen  den  Angeklagten  an^kannt  ist,  wird  von  dem  Richter 
ausgesprochen.  Das  Recht  der  Begnadigung  steht  allein  dem  Kö- 
nige zu,  von  dem  auch  die  V^rwandehing  der  Todesstrafe  in  Depor- 
tation allein  ausgeht,  die  Jedoch  gewöhnlich  auf  E^npfehiang  des  Ge- 
richts ausgesprochen  wird,  indem  dieselbe  durch  den  Redorder  bei 
,  der  Ueberbringung  der  Todesurtheile  an  den  König  mitgetheiit  wird. 

*  Das  Verfahren  bei  der  Untersuchung  und  die  Bekanntma- 
chung des  Urtheils  sind  in  allen  weltlichen  Gerichten  öffent- 
lich. Jeder  Britte  steht  vor  denselben  su  Gerichte»  mit  Aus- 
nahme der  Peers  und  ihrer  Gattinnen,  über  welche  nur  das 
Oberhaus  aber  nach  denselben  Gesetsen  richten  kann.  Der 
höchste  Ruhm  der  Englischen  Rechtspflege  ist  die  strengste  Be- 
achtung der  Gleichheit  jeder  Person  ror  dem  Gesctxe, 
aber  ein  zweit^  Ruf,  die  strengste  Befolgung  des  buchstäbli- 
chen Inhalts  der  Gesetze  ist  nur  ein  sehr  preideutiger:  denn  er 
,  veranlasst  gerade  am  meisten  Straflosigkeit  unter  nichtigem 
Verwände,  wo  nicht  schon  die  Special-Jurjr  gegen  ihre  lieber^ 
Zeugung  wegen  der  harten  Strafbestimmungen  'ein  no  guiltj  statt 
eines  guiltjr  gesprochen  hat. 

Dessen  ungeachtet  ist  die  Progression  der  Jährlich  wegen 
angeklagter  Verbrechen  vor  Gericht  gestellten  und  auch  wirklich 
verurtheilten  Individuen  ausserordentlich  gross,  und  nicht  minder 
schreckhaft  überschreitet  sie  das  Verh&ltniss  zur  vodiandenen  Be- 
völkerung und  zu  ihrer  jährlichen  Vermehrung.  Wtr  wollen  aber 
dies  keinesweges  unüberlegt  der  jährlich  mehr  überhand  neh- 
menden sittlichen  Verschlechterung  der  Volksmasse  zuschreiben, 
sondern  hauptsächlich  aus  der  verstärkten  Möglichkeit  ableiten. 
Jetzt  jedem  Verbrecher  leichter  auf  die  Spur  zu  kommen,  und  ihn  zu 
setner  Bestrafung  vor  Gericht  stellen  zu  können.  Die  Beweise  für 
beide  Behauptungen  werden  uns  in  den  Straftabellen  für  England 
und  Wales  dargeboten,  wenn  wir  mit  denselben  die  Uebersicbts- 
listea  der  überhaupt  hier  criminell  Angeklagten  vergleiche». 
Wir  wollen  un»  h^ernur  jauf  die  letzten  25  Jahre  beschränken. 
Zu  bestimmten  Strafen,  mit  dem  Tode,  mit  Deportation,  Gefäng- 
niss  und  Zuchthans  wurden  in  dieser  Zeit  nach  dreijährigem 
-  Durchschnitt  bestraft:      *' 


e,»Ao 

8,661 

293 

296 

215 

ao4 

120 

146 

141 

171 

221 

268 

614  Das  Britisclie  Reicb. 

18}|  18}^  I8I«  18t|       I8H       ISff 

1.  Mord                      27  45  47  36          45           41 

Z  Todtchlag              81  34  38  46          51           69 

3.  Eirifather 
Diebstahl           2,785  3.335  6.101  7.022 

4.  Einbrach.  84^         125        312        305 
i.  Viehdie?^  •)        104         143       «266        290 

6.  Strassenrtub.  50  52      '  133        145 

7.  Diebshehlerei         55  73        106        134 

8.  Betrug.  101  117        191        228 

9.  Fftlschung  d. 
HQoieB, 
Staatapapiere 

v.  Wechsel  171  241         399        497        223  234 

10.  Bigamie  16  23  18  19  21  28 

11.  NothsuchC  0. 

Sodomie  31  48  41  46  80  94 

12.  Vermischte 

Verbrechen  83         141        285        457        377  796 

/  Ueberhaupt        3.538      4,377      7,937     9,225      8,613     11^08 

Nehmen   wir   nun   ein  Jahr   aus   dieser  achtiehnjährigen  lieber- 
sieht  heraus,  um  das  Verhältniss  der  Strafen  untereinander  ken- 
nen iu  lernen,  sa  finden  wir  s.  B.  im  Jahre  1826,  dass  Ton  den 
11.095  (überhaupt  Verurtheilten 
1.200  sur  Todesstrafe 

133  lur  Deportation  auf  Lebensdauer. 
2.130  sur  Deportation  auf  4  bis  14  Jahre 
'  f.322  Eur  Gefängnissstrafe  auf  |  bis  6  Jahre 

310  zu  Peitschenhieben  und  Geldbuisen  bestimmt  waren. 

11,095 
Es  wurden  aber  wirklich  nur  67  Verbrecher  hingerichtet,  oder  |  ■ 
der  zur  Hinrichtung  bestimmten  wurden  begnadigt  Die  Anzahl 
der  in  England  und  Wales  zum  "fode  Verurtheilten  ist  sek  1815 
ziemlich  gleich  geblieben,  also  Terhftltnissm&ssig  gegen  die  ge* 
ringere  Zahl  der  Verurtheilten  Überhaupt  früher  viel  stärker  ge- 
wesen, denn  sie  betrug  nach  achtjährigem  Durchschnitte  1815  = 


*)  Dieser  beschränkt  sich  auf  Rindrieh  (V^),  Pfeide  (^  and 
Schaafe  (^)  der  oben  angegebenen  Fälle.  , 


Das  Britisch^  Reiciu  615 

22  JährUeh  1167«  «lio  Ar  ]8|{.  ein  Viertel,  für  ]8|«  ein 
Siebentel  und  für  18^^  ein  Achthei.i  der  Venirtheilten. ,  Aber 
auch,  dfe  Zahl  der  wirklich  HiogerichCeten  war  in  den  früheren 
Jahren  weit  grösser,  denn  sie  betrug  durchschnittlich  für  1815  bis 
J  822  jahrlich  104,  also  j\  der  xum  Tode  Verurtheiiten.  Seit  diesem 
Jahre  findet  sofort  eine  sehr  rasche  Abnahme  statt,  die  gerade  auf 
die  EUlfte  des  Verhältnisses  herabgeht,  1 823  wurden  54,  1824  nur 
49,  1825  nnr  51  hingerichtet;  darauf  aber  tfitt  eine  noch  stärkere 
Abnahme  für  die  Jahre  1826 — 32  ein,  wo  von  9729  Todesurthei- 
len  nur  4 14  oder  ^^  wirklich  vollxogen  werden*).  Das  Ver* 
hältmss  der  Deportirten  ist  dagegen  jährlich  in  starker  Zunahme, 
weil  eben  für  die  Versehonung  mit  der  Todesstrafe  ,die  Depor- 
tation eintritt,  sie  umfasst  seit  1824  jährlich  über  ein  Fünftheil 
der  Verurtheiiten,  denn  es  wurden  nach  Neu-Süd-Wales  und 
Van-DiemensUnd  1824  1869  Individuen,  1825  1905,  1820  =  2263, 
J828  =  3691  Ind.,  1829 :c?  5088  und  1830  =  5273  Ind.  in  lebens- 
längliche und  seitige  Verbannung  abgeführt**).  Das  Verhältniss 
iwisohen  den  Verbrechen  nach  dem  ^eschlechte  blieb  in 
dieser  ganzen  Zeit  xiemlich  gleich,  so  dass  auf  11  männliche 
2  weibliche  kamen. 

Sctien  wir  nun  diese  Criminalstatistik  für  Hie  letzten  Jahre 
fort,  so  finden  wir  folgende  namhafte  Veränderungen,  beson- 
der« in  der  Znnaho^e  der  gesammten  Zahl  der  nur  in*  den  52 
Grafschaften  von  England  und  Wales  wegen  angeklagter  Ver- 
brechen vor  Gericht  gestellten  Personen.  Denn  betrug  die- 
selbe   1820  =  16,164  und    1827  =  17,024,   so   dass   naeh  der 


*)  Dadurch  aber  nähert  sich  dieses  Verhaltiiisd  den  übrigen 
grossen  Staaten  Europas,  wiewohl  auclv  fetzt  noch  im^ner  stärker 
als  in  irgend  einem  anderen,  da  50  Hingerichtete  jährlich  auf 
1>000>000  S.  Bevölkerung  2  geben,  wälitend  der  Oestreicbische  Staat 
4  Hingerichtete  jährlich  im  Durchschnitte  auf  3,000,000  S.,>»Frank- 
reich  l  Hinrichtung  auf  1,000,000  S.  und  Prenssen  nnr  2  Hinrich- 
tungen auf  3,000,000  S.  zählen. 

**)  Sehr  interessante  Nachrichten  über  die  Wirksamkeit  des  En- 
glischen Strafsystems,  und  insbesondere  über  die  Deportation  ge- 
währt Mittermaier  in  seiner  Zeitschrift  für  die  Rechtswissen- 
•chaft  des,  Auslandes,  Jahrg.  1833,  Bd.  V.  Heft  3.  S.  351-65.  Er 
erklärt  sich  in  Uebereinstimmu ng  mit  den  unbefangensten  Eo^läo- 
dem  gegen  die  Deportation,  und  hält  die  einseme  Einspecrung  für 
das  Bweckmäisigsttt  Strafmiael. 


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N 


r 


«16  D«s  Britische  Beicb. 

obfg«i|  DarcIfgeliDitts-UebenicIit  oielit  volle  iwri  Ffinftal  ^fitk" 
lieh  verurtheilt  wurden ,  go  betrug  diese  Zahl  iwar  1828  du^ 
16,564  Ind.,  aber  1829  bereits  1^,675  Ind.,  1830  =  18,107 
Ind.,  1831  =  19,647  und  1832  sogar  20,829  Ind.  %  ISs  ist  dies 
eine  Zunahme  in  7  Jahren  von  mehr  als  20  Procent,  während 
die  Bevölkerung  in  dieser  Zeit  kaum  10  Proeent  insgesammt  ge- 
wachsen ist  J)as  Verhältniss  der  Verbrecher  nach  dem  Ge* 
schlechtö  hat  sich  sum  Nachtheil  detf  weiblichen  vermehrt,  denn, 
es  kommt  beinahe  völlig  ^in  Sechstel  auf  dasselbe,  pder  2  weib* 
liehe  Angeklagte  auf  10  männticbe,  während  oben  2  weibliche 
gegen  II  männliche' stehen,  da  1828  =  2732,  1829  =  3119,  1830 
=  2972,  1831  =3047,  1832  =  3343  weibliche  Ind.  unter  den  oln* 
gen  Angaben  dieser  Jahre  gez&hlt  wurden.  Ebenso  hat  leider  das 
Verhältniss  der  Verurthailten  zu  den  Angeklagten  sich  sehr  ver- 
mehrt, da  durchschnittlich  schon  ^^  Strafe  empfangen  haben,  wäh- 
rend in  den  Jahren  vorher,  noch  nicht  volle  awei  Drittel  'der 
Angeklagten  verurtheilt  waren.  Denn  von  der  GesammtsahPder 
Angeklagten  in  jenen  7|Jahren,  nemlich  von  127,910  Individuen 
wurden  13,300  nicht  weiter  gerichtlich  verfolgt,  und  nur  24,370 
förmlich  freigesprochen,  90,240  Individuen  dagegen  Ku  Strafea 
verurthetlt  Darunter  kamen  allein  auf  das  letste  Jahr  1832 
14,949  Verurtheilungen,  davon  1449  sur  Todesstrafe  (nur  54  wur- 
den wirklich  hingerichtet,  oder  ^\  der  Verurtheilten),  546  sur 
Deportation  auf  I/ebensdauer,  3371  aur  Deportation  auf  4^-14 
Jahre,  9181  cur  Gefangnissstrafe  auf  |  bis  6  Jahre,  402  zu  Peit- 
schenhieben und  Gcldbussen.  Vergleichen  wir  die  Verurtheilun- 
gen nach  den'  verschiedenen  Verbrechen  in  Bezug  auf  unsere 
obige  Uebersicht  für-  die  früheren  Jahre,  so  üaden  wir  bei  den 
groben  und  eine  besondere  Gewaltthätigkeit  erfordernden  Verbre- 
chen keine  überraschende  Zunahme,  denn  es  sind  nur  72  fllr 
Hord  und  Mordversuche,  80  für  Todschlag  und  lebensgefähr- 
liche Beschädigung  bestraft;  aber  die  Zahl  der  vorsätslicben 
Brandstiftungen,  die  181 J»— 27  zwischen  5  und  11  im  Jahre 
schwankten,  ist  auf  35  gestiegen,  und  16  sind  dafür  verurtheilt^ 
da  der  dritte  Theil  aller  Hingerichteten  in  diesem  Jahre  mit  demi 
lieben  für   dies  Verbrechen  gebüsst  hat.    Die  Bestrafungen  für 


*)  Vergl.  Yearbook  for  1834,  the  State  of  crime  pg«  62—67» 
welches  seine  Angaben  aus  den  oifieiellen  dem  Parlamente  vorge- 
legten Actenstücken  entfehnt  hat. 


Das  Britische  ReiclL 


«17 


«iofacheB  Diebstahl  sind  um  ^  bis  auf  11,281  getti^en,  die  fBr 
Einbrueh  un  das  Dreifache  auf  004;  der  Viehdiebstahl  dagegen  nur 
um  I  auf  374.  Des  Strassenraubs  waren  239  V^brecher,  der  Diebi- 
heb^rei  347,  des  Betrpgs  434  Überführt^  alle  drei  Verbrechen  in 
einer  Progressioti  von  mehr^  als  rierzig  Proeent  Das  gleiehe 
Verhältniss  tritt  bei  der  Fälschung  der  Münsen,  Staatspapiere 
und  Wechsel  ein,  wofür  349  Verurtheilungen  au%esählt  wurden. 
Endlieh  Bigamie,  Nothsuebt  und  Sodomie  waren  in  163  Fällen 
bestraft  worden.  — -  London  allein  und  die  Grafschaft  Middleiex, 
obgleich  sie  doch  gegenwärtig  noch  nicht  den  lehnten  Theil 
der  BeTÖlkerung  von  England  und  Wales  susammen  besitsen 
(s.  S.  3U),  hatten  allein  3739  *)  vor  Gericht  wegen  namhafter  Ver- 
brechen gestellt,  davon  waren  aber  866  weibliche  Indiriduen  (also  bei- 
nahe |,  während  im  ganien  Reiche  das  Verhältniss  nur  |  war).  Von 
diesen  wurden  2653  su  verschiedenen  Strafen  verurtheilt,  120  sum 
Tode,  aber  nur  6  hingerichtet  —  Im  Jahre  1834  wurden  in  London 
des  Mordes  126  Personen  angeklagt,  davon  9  überführt,  aber  nur 
1  hingerichtet  —  Von  929  der  Falschmünierei  im  J.  1834  be- 
lehuldigten  Personen  wurden  819  entlassen  und  98  verurtheilt 

In  Schottland  war  1832  die  Gesammtsahl  der  wegen  Ver- 
brechen vor  Grericht  gestellten  Individ.  =  2431 ,  also  bei  dem  Ver- 
hält)ii8se  eines  sechsten  Theiles  der  Bevölkerung  Von  England  und 


* 

*)  Die  Zahl  der  wegen  polizeilicher  Vergehungen  Angeklag- 
ten übersteigt  in  London  inzwischen  noch  mehr  als  das  Sechs- 
.üfiche^  sie  belrag  bereits 

für  die  7  Jahre  1813-19=  7),)16  lodividueu, 

— —     1820-26=  95,628    —    — 

—    —  6     —     1827-32  =  131,818    —    — 
Aber  die  Zahl  der  Verhaftungen  wegen  polizeilicher  Vergehnngen 
ist  wiederum  noch  3mal  so  gross^  denn  sie  lieferte 

1831         183*2    '       1834 
72»824       77,543       64,269  ({  männl.) 
60|891       54,085 


überhaupt  Ind. 
davon  entlasen 
snmmarisch  vemrtheHt  od« 
geg,  Bürgschaft  losgelass. 
zum  Verhör  geführt 
fiberfährt  und  verurtheilt 


34,499  (}   weibl.) 


26,843       ^458  ^  26,302 
12,965        3,656        8,468,  davon 

%565 


Wegen  Tniokenheit  allein  waren  verhaftet  1831=23,787;  1832  = 
25,'i02  und  1834;=  19,779,  davon  fiber  die  HilAe  ohne  alle  S^afe 
entlassen. 


6I8  Das  Britische  Reich. 

Wale«  (8.  S.  31 1  und  313)  um  25  Prooent  tohwftcher  ab  dort  Daran- 
tef  waren  533  weibMclie,  also  |.  der  GesammtBahl  und  bedeutend 
mehr  nach  diesem  Verhältnisse  als  in  England:  ea  wurden  703 
(fast  ^)  freigesprochen  und  1602  verurtfaeilt 

lieber  Irland  haben  wir  bis  Jetst  keine  genauen  Acten- 
stQcke  fSr  4ie#Criniinaistatistik  erlangt,  dem  Parlamente  sind" 
nur  Berieh te  fiber  die  den  Behörden  angexeigten  Verletsungen 
der  Gesetse  vorgelegt,  ohne  jedoch  genauere'  Beweise  durch  die 
Ueberfühmng  und  Bestrafung  der  dieser  Verbrechen  Angeklag- 
te!^ hinxusufQgen.  Es  waren  nach  denselben  1831  =  16,877'  uiiil 
1832  =  14,021  solcher  Verbrechen  begangen:  allerdings  auch 
bei  der  Übergrossen  Bevölkerung  dieser  Insel  ein  schreckhaftes 
Docnment  für  den  traurigen  inneren  Zustand  derselben!  EU 
waren  aber  darunter  I831=r2l0  und  1882  =  248  Ermordungen, 
1831  =534  und  1832  =  844  Brandstifhingei^,  ausserdem  1831  r=: 
125  und  1832  =  209  Nordbrennerei-Versuche^,  ferner  1678  und 
1384  Beraubungeu ,  534* und  844  Anklagen  auf  Einbruch,  2296 
mnd  1675  gewaltthStige  Angriffe  auf  Häuser,  2981  und  2790  vor- 
sHtsUeke  körperliche  Verletsungen.  — 


S.  2L 


Fi  na  nz  Verwaltung. 

Fr.  ▼•  Räumer,  das  Britische  Besteuerungss/stem ,  Berliii 
1810  8vo.  GrtllUr^  hxHiory  of  the  nationaUdeht.  London.  Ro- 
bert Hamilton  an  Inquiry  concemtng  the  rise  and  progrees^ 
the  redemption  and  preaent  State  and  the  management  of  the 
national  deht  of  Great  -  Brttatn^  thi  aecond  edtt^  Edinburgh 
.1814  8ve,  ein  ileissig  gearbeitetes  und  seinem  Zwecke  völlig  ent- 
«precbetidek  Werk.  —  Bernh,  Cohen  Compendium  of  finance 
London  1822.  Report  of  Finance  Me  iFebr.  1817  und  aus 
den  folgenden  Jahren  wie  the  Finance  Accounte  of  the  united 
kingdom  of  Great^Britain  and  Ireland  for  the  year  1824—26 


Das  Br'itiscbe   Relclu  619 

■    *       ■  I 

^  London  1825.  Fol  -^  Remar1c$  on  th$  finaneial  tüumtion  of 
Creat'Britain,  lond.  827,  Svo  •)<—  Eberb.  FriedUnder  dai  Brit- 
tische Vollfjstcm,  Kdnigtb.  1827  8vo.  —  Besonders  aber  die  oben 
schon  oftmals  angeführten  Werke  von  PebVer  und  Brown-' 
ingf  und  der  addttional  volume  ron  Buchanan  lu  seiner  Aus- 
gabe von  Smith' 8  wealth  of  nation  1819,  welcher  mehrere  beach- 
tenswerthe  Abhandlungen  über  das  Englische  «Bankwesen,  die 
Nationalschuld,  das  Ferhältniss  der  Staatseinnahmen  und  Staats- 
ausgaben sü  derselben  enthftlt 

Ein  Staate  der  wie  Qer  Britische,  nach  der  vorangegangenen 
Schilderung  der  inneren  und  Poliaeiverwaltung,  der,  Rechtspflege 
sowie  der  vorhandehen  Anstalten  für  geistige  und  körperliche 
Pflege,  das  Volk  selbst  und  die  einielnen  Corpurationen  dessel^ 
Ben  liaupts&chlich  für  sein  eigenes  Interresse  handeln  lästt, 
kann  nur  für  den  Hofhalt,  für  die  Vertheidigung  des  Staates 
SU  Land  und  zu  Wasser  und  für  die  Erhaltung  des  Verkehrs 
mit  den  Auswärtigen  Staaten,  einen  betrilchtlichen  Kostenauf- 
wand SU  bestreiten  haben.  Diese  drei  Titel  bilden  also  den  Mittel- 
punkt der  Britischen  Finansi^rwaltung,  und  wenn  in  der  Ge- 
genwart ein  anderes  Verh&ltniss  vorherrscht,  so  kann  diee  nur 
in  Folge  einer  su  starken  Verwendung,  wie  s.  B«  der  Streit- 
kräfte sur  Landesvertheidigung  nach  den  verschiedenartigsten 
politischen  Besiehungen  veranlasst  sein.  So  ut  et  auc)i 
Jn  der  That  geschehen,  die~  Britische  Nationalsohul^  ist  als  eine 
Priocanpirung  der  verschiedenartigsten  Vertheidigungskr&fte  für 
*  die  Behauptung  des  einmal  erlangten  politischen  Gewichts  su  be- 
trachten; wenn  sie  also  gegenwärtig  weit  über  die  Hälfte 
der  gesammten  ^Staatsausgaben  für  sich  allein  verschlingt;  so 
bleibt  dennoch  die  Finansverwaltung  in  dem  Ausgabe-Budget  auf 
diese  drei  Hauptpunkte^  ala  hier  immer  verbleibende,  surückgeführt 

Der  Hofhält  wurde  in  England  während  des  gansen 
Mittelalters,  wie  in  allen  Germanischen  Staaten,  vorzugs- 
weise von  den  Einkünften  der  Domainen  bestritten,  ein  ste- 
hendes Heer,  eine  ununterbrochen  gerüstet  erhaltene  Kriegs- 
flotte wurde  in  England  nicht  gehalten  und  durfte  auch  verfifM« 


*)  Vengl.  die  ausführliche  Erläutenrng  dieser  Finans-Abhand- 
luBg  im  Edinburgh  Ri^riew,  Octob.  1827,  pg.  390—414. 


t\ 


\ 

I 


620  Das  BrUiscbe^Beich, 

fiungfmftggig  nur  für  KriegsieiteD  aufgestellt  werden.   Der  Verkehr 
mit   dem   Auslande   war   vor   der  Tbroubestdgung   dea  i weiten 
Könige  aua  dem  Hause  Tudor,  ror  Heinrich  VIII,  durchaus  un- 
bedeutend.    Daher  gtnfigten  100,000  %  St.  (700,000  Thlr.)  jähr-^ 
liehe   Einnahmen  *)  »für   die   Könige   des   fünfzehnten  Jahrhun- 
derts, und  diese  wurden  hauptsächlich  aus  den  Krongütem  und 
einigen  Zollgefdllen  herbjeigeschofft   Heinrich  Vil.  erhöhte  diese 
und  vermehrte  sie  mit  einigen  neuen  Abgaben  ab  Königsrechts- 
Forderungen,  wie  i-  B.  mit  den  Zwangsgeschenken  von  Londen  und 
einigen  anderen  Städten.    Dadurch  stieg  die  Staats-Einnahme  auf 
240,000  S  St,  und  der  sparsame  König  kohnte  von  dem  Uebersehuss 
seiner  Einnahmen  einen  für  jene  Zeiten  Ungeheuern  Geldsehati  von 
3,000,000  <3  St  (21,000,0000  ThL)  anhäufen  **).     Dieser  ging  in 
den  ersten  Jahren   der  kegierung  Heinrichs  VIII.  verloren»   und 
der  glänxende  Hofhalt  dieses  Fürsten,    der   bisweilen  su   üppig- 
ster Verschwendung  verführte  fand  in  den  früher   üblicfaeo^  Ein- 
nahmen keine  ausreichende  Befriedigung  mehr.     Die  Theilnahme 
an  dem  K^mpf  iwisohen  Carl  V.  und  Frans  I.,  der  jetst  ausge- 
breitetere  Verkehr  mit  den  wichtigsten  Staaten  de^  südwestlichen 
Europas  und  Deutschlands  vermehrten  noch  die  Ausgaben.    Da 
wurde  suerst  eine  beträchtliche  Blasse  Krongüter  Teräussert,  um  au- 
genblicklicher Staatsverlegenheit  abxuhelfen,   die  theilweise  ein* 
gezogenen  geistlichen  Stiftungen  wurden  gleichfalls  verkauft,  aber 
auch  nicht  selten  in  augenblicklich  freigiebiger  Laune  an  Günstlinge  ^ 
verschenkt   Doch  auch  dieses  reichte  nicht  aus,  die  gehässige  drük- 
kende  Kopfsteuer  wurde  im  vierten  Jahre  seiner  Regierung  einge- 
führt; die  Zölle  mussten  gleichfalls  theils  auf  neue  Gregenstände  des 
Handels  gel^(t,  theils  erhöht  werden,  und  dennoch  blieb  nur  übrig, 
schon  damals  evC  dem  Mittel  einer  zwangsweise  beigetriebenen  An- 
leihe, und  SU  dem  bereits  oft  gehrauchten  zweideutigen  der  Verschlech- 
terung der  Landesmünze  zu  schreiten,   ohne  doch  beträchtlichen 
Staatsschulden  entgehen  zu  können.  Die  Einnahmen  waren  jetzt  über 
400,000  %  St  (2,800,000  Thl.)  gestiegen  ***)L   Dieser  Betrag  dauerte 


*)  Febrer  taxation>  revenue^  pg«  16—21. 
♦•)  Pebrer  pg.  «2-23.      v 
♦♦»)  Pebrer,  pg.  23-^ 


Das  Britische  Reich*  011 

fort  unter  den  Regierungen  det  Königs  Eduard  VL  und  der  Kö- 
nigin  Maiia,   aber   auch  «ine  noch   stärkere  Veräuiserung   der 
Krongttter   und   vieler   königlichen  Lehnsgefälle  wurde  fort  ge« 
setzt,    und    dennoch    war   auch   dieser  nicht  verschwenderische 
Jugendliche  König  zur  Erhöhung  der  temporären  Schuldenmasse 
um   240,000  U  ^^»9   und  Mana  su  einer  noch  grösseren  Summe 
genöthigt,    so    dass   der   folgenden   Regierung   gegen   4,000,000 
%  St.  (28,000,000  Thl.)  Schulden  von  den  Zeiten  Heinrichs  VIIL 
abzuzahlen  blieben  ^     Aber  unter  der  Königin  Elisabeth  blühte 
unbeschadet   der  vermehrten  Staatsbedürfnisse   das  Reich  durch 
einen'  lebhaften   Handel,   durch    eine   rege  vielseitige   Industrie 
zu  einem  grösseren  Wohlstande  auf,   die  Seemacht   wurde   ge» 
bildet,    der   Krieg   mit   Spanien,   der   Aufstand    in   Irland,    die 
Unterstützung  der  im  Befreiungskampf^  ringenden  Niederländer  er« 
^'forderten  hauiig  bedeutende  Truppenausrüstungen.    Dafür  konnten 
allerdings  die  bis  dahin  gebraqchten  gewöhnlichen  Geldmittel  nicht 
mehr  ausreichen,  und  um  so  weniger,  als  damals  der  fortgesetzte 
Verkauf  der  Krongüter  in  keinem  grösseren  Staate  so  stark  wie 
in  England  diese  Hauptquellen  des  Staatshaushalts  für  jene  Zeiten 
auf  immer  geschmälert  hatte.    Da  wurrfen  schon  unt^r  Elisabeth, 
wie  es  für  einen  aufblühenden  Handelsstatt  ganz  angemessen  er- 
scheint,   der  Handel  selbst  und  der  gesteigerte  innere  Verkehr 
hauptsächlich  als  die  Quellen  für  die  gesteigerten  Staatsbedür^ 
nisse  ausersehen,   und  so  halben  seit  dieser  Zeit  Zölle  und  bal4 
darauf  auch  die  Ailcise  ( Cuatomi  and  ExciaeJ,  als  Consumtions- 
steuern  im  weitesten  Sinne  des  Worts,   fast  ohne  Ausnahme  im 
siebzehnten  Jahrhunderte  gegen  zwei  Drittheile  und  im  acht- 
sehnten und  neunzehnten  mehr  als  zwei  Drittfaeile  der  lau« 
fenden  Staatseinnahmen  hervorgebracht    Dessengeachtet  stiegen 
in  der  Regel  selbst  in  den  letzten  Jahren  der  Königin  EHsabefh 
die  gesammten  Staatseinnahmen  jährlich  nicht  über  500,000  %  St. 
(3,500,000  Thl.),  abgerechnet  einige  ausserordentliche  Parlaments- 
^  bewilligungen    zur   Bezahlung    der    von   früherher   aufgehäuften 
Schulden,  und  auch  unter  den  folgenden  Regierungen  der  ersTen 
beiden  Könige  aus  dem  Hause  Stuart  wurden  dieselben  'gesetz- 
lich noch  nicht  über  600,000  ft  St  (4,200,000  Thl.)  erhöht  •*), 


*)Pebrer,pag.36-30>p.37.p.  138;  Browningpolitp.  501-3. 
♦♦)  Pebrcr,  pag.  43— i':  Browniag  a.  a.  O.  p.  503. 


ei2  Das  Britische  Beich. 

wei^n  gleidi  ErpreMungen  aHer  Art  und  aauerordcntlieh  eiagefor* 
derte  Auflagen  dMi  Jabresbetrag  xuletit  unter  Carl  I.  bii  900,000 
9,  St  (6,300,000  ThL)  steigerten  •). 

Der  Bürgerkrieg  und  die  daraus  hervorgehende  Republik  ver« 
mehrten  ausserordentlich  die  Staatsbedürfnisse,  aber  xugleich  wurde 
aueh  der  auswärtige  Handel  (Narigationsacte)  glöcklichst  erwei- 
tert, und  die  Seemacht  begann  mit  Riesenschritten  sich  su  der 
ersten  in  Europa  emporzuheben.  Die  Zolltarife  wurden  jetxt  aber- 
mals beträchtlich  erhöht,  die  ersten  Lebensbedürfnisse,  Brod» 
Mehl,  Sali  und  Steinkohlen  der  Accise  unterworfen,  und  die 
Zölle  und  Accise  allein  trugen  seit  lOSr  im  jährlichen  Durch- 
schnitte mehr  als  1,100,000  <^  St  (7,700,000  Thl.)  ein.  Die 
gesammten  regelmässigen  Einnahmen  Waren  in  den  letzten  Jah- 
ren   des   Protectorats  von   Cromwell    für  England   und  Wales 

bereits  auf  1,517,275  %  St  =  10,620,925  ThL 
für  Schottland  143,642    —     =    1,005,564  — 

für  Irland  207,790    —     =    1,454,530  — 

Überhaupt  auf  1,868,717  %  St  =  13|081,019  ThL 
gestiegen  **)• 

k 

Nach  der  Restanration  der  Stuarts  wurden  unter  Carl  IL  alle 
Lduisgefälle  abgeschaflft^  dafür  eine  Grundsteuer  und  die  Stempei- 
taxe  (seit  1671)  eingeführt  Die  erhöhten  Staatsausgaben  blieben 
grössenitheils  erhalten,  da  die  stehende  Flotte  jährlieh  über  300,(XXI 
9;  St»  das  Landheer  und  das  Feldseugmeisteramt  Über  7&2flOO 
9;  St  kosteten«  Die  vom  Parlamente  der  Krone  bewilligten 
jährlicheil  ordentliche  Einkünfte  betrugen  durchschnittlich  bereits 
1^200,0000  %  St  (8,400,000  ThL)  für  England  und  Wales,  da- 
runter 400,000  <ft  St  (gerade  ^)  die  Zölle,  300,000  <&  St  ,(i)  die 
Aeeise  **%  Die  Finaniverwaltung  von  Irland  und  SchottTand  be- 
friedigten in  dieser  Zeit  nur  die  inneren  Bedürfiaisse  für  beide 
Länder,  und  höchstens  wurde  ein  jährlicher  Beiti^  von  6,000  bis 


\ 


*}  Pebrer^  pag.  45^46;  Browning  p.  604. 

♦♦)  Pebrer,  pg.  49-50. 

•♦♦)  Pebr^er,  pg,  63-(ßj  Browning,  p.  506—7 


Das  Britische  Beich.  613 

20,000  <3  8t  TOD  hier  det  Krone  bewilligt  Unter  der  kiursea 
(IreijihrigeQ  Rc^erung  Jecobg  II.  haben  wir  keine  weientlithea 
Veränderungen  in  dem  Zustande  der  Finanzen  xu  ben^erken.  Er 
half  sich,  wie  sein  Bruder ,  in  dringenden  Geldverlegenheiten 
durch  Anleihen,  und  so  war  die  Schuldenmasse  der  Regierung 
bei  dem  Abtreten  der  männlichen  Linie  Stuart  1688  bereitr*) 
auf  664^63  %  St  =  4,64P,841  ThL  angewAchsen,  welche  Summe 
ab  die  erste  Grundlage  der  heutigen  Britischen  Nationalschuld 
so  betrachten  y  aber  auf  dem  Wege  des  Vertrags  aus  einer  drei- 
mal grösseren  Summe  diesen  niedrigen  Standpunkt  erlangt  hat 

Unter  der  Regierung  Wilhelms  111.  tind  der  Köüiigin  Maria  er- 
hielt die  gesamnite  Finanzverwaltiing  bei  ihrer  neuen  Umgestaltung 
eine  bei  weitem  geregeltere  Einrichtung,  die  zugleich  für  die  da- 
maligen Vermögensverhältnisse  auf  angemessene  Weise  alle  Klassen 
des  Volks  zu  den  Staatslasten  herbeizog,  und  gleichmftssig  nach 
diesem  Verhältnisse  auch  Schottland  und  Irland  behandelte.  Es 
wurden  jetzt  die  Land  and  assesaed  taxea  eingerichtet, 
welche  auch  temporary  genannt  wurden,  weil  sie  alljährlich  vom 
Parlamente  bewilligt  werden  mussten ;  was  bis  zum  J.  1822**)  ver- 
blieb, wo  sie  gleichfalls  in  die  Reihe  der  permanenten  Taxen  fiber- 
gingen. Diese  blieben  vorzugsweise  zur  Bestreitung 'der  gewöhn- 
lichen laufenden  StaaUbedürfiaisse  angewiesen;  wie  denn  dieses 
auch  jetzt  noch  geschieht,  da  allerdings  bei  dem  jetzt  nicht  mehr 
durch  jene  zu  bestreitenden  Betrage  dieser  Staatsausgaben  ein 
Theil  von  anderen  Steuern  entlehnt  wird,'  aber  nfemals  jene 
Taxen  zur  Bestreitung  der  Zinsen  der  Staatuehuld,  oder  der 
Tilgung  /einzelner  Theile  derselben  verwandt  werden  dOrfen. 
Zu  diesen,  gehörte:  a)  die  Landtaxe  oder  Grundsteuer  von 
ländlichem  und  städtischem  Grün  deigen  thum,  nach  einem  in  den 
ersten  Jahren  der  Regierung  Wilhelms  IIL  fQr  alle  drei  Reiche* 
angefertigten  Kataster,  welches  ungeachtet  der  vielfachen  Be- 
schwerden darüber  bei  dem  völlig  veränderten  Werthe '  des  Land- 
besitzes, also  bei  der  völlig  ungleichen  Veranschlagung  zu  dieser 


*« 


*)  Tearbook  for  1834  p.  150  und  Pebrer,  8.  167>  244-^45. 

**)  Die  Land  tax e  wurde  1798  von  William  Pitt  in  dringen- 
der ^taalsnolh  auf  30  Jahre  voraus  verkauft,  und  dadurch  schon 
gewisserroaassen  permanent  gemacht 


6t4  D88  Britische   Bei 

Steuer,  wenn  jene  Norm  mr  Grundlage  dient;  doeh  bii  sn^  heü* 
tigen  Stunde  gebrauclit  wird,  b)  Die  Mal^staxe,  welche  unter 
Wilhelm  III.  lu  4  Shilling  (l|  Thlr.)  für  den  Quarter  Mals 
verbrauchten  Getreides  entrichtet  werden  muttte*),  jetzt  aber 
mit  Recht  dem  Titel  der  Accise  zugeachrieben  iit  Handel  und 
Industrie  nahmen  inzwischen  von  nun  ab  einen  früher  nicht  ge- 
ahnten  Aufschwung ,  der  Nationalreichthum  wuchs  von  Jahr  za 
Jahr  und  vermehrte  also  die  Quellen  der  Öffentlichen  Besteuerung, 
die  Erhöhung'  und  Vermehrung  der  Zölle  wurde  bei  dem  gestie- 
genen Geldwerth  weniger  empfindlich,  die  Accise  Terbreiteta 
sich  über  mehr  Gegenstände,  mit  einem  Worte  die  Steigerung 
der  Auflagen  wurde  nicht  argwöhnisch  bemerkt  und  getadelt^ 
weil  sie  von  dem  Parlamente  auf  Anforderung  des  Königs  im. 
Interesse  desStaatjps  und  des^^olks  festgestellt  zu  sein  schienen. 
Die  ordentlichen  Staatseinnahmen  kamen  nunmehr  bis  zum  Jahre 
1701  auf  die  Höhe  vop  3>895,205SSt  (27,160,435  Tbl.),  aber  da- 
für konnten  noch  nicht  die  Kriegskosten  für  die  Behauptung  der 
politischen  Stellung  Wilhelms  HL  gegen  Ludwig  XiV.  und  die  von 
der  Krone.  Frankreich  unterstü(;^ten  Stuarts  gedeckt  werden« 
Noch  stärkere  Erhöhung  der  jährlichen  Auflagen  schiei»  gefahrlich» 
weil  eben  dadurch  eine  günstigere  Stimmung  für  die  alte  Djrnastia 
in  4em  Volke  hervorgerufen  werden  konnte.  Also  blieb  nur  das 
Anleihesjstem,  welches  die  Kräfte  des  Volks^  in  besseren  Zeiten 
für  die  Bek&mpfung  einer  gefährdeten  Lage  vorweg  in  Beschlag 
nahm»  Wilhelm  111.  machte  sofort  eine  bedeutsame  Anwendung 
von  diesem  verführerischen  Mittel,  und  dadutch  mfchte  sich  die 
Nationalschuld  durch  ihre  Verzinsung  und  allmählige  Tilgung  zu 
einem  bleibenden  Titel  in  dem  Britischen  Ausgaben -Budget,  und 
wurde  eine  ausserordentliche  Verstärkung  der  jährlichen  Staatsbe- 
dürfniske.  Dieser  Kampf  hatte  übei  haupt  gekostet  30,477,382  ft  St.» 
davon  blieben  bei  dem  Tode  Wilhelms  Hl.  1702  16,394,702^  St. 
:=  114,762,914  ThL  als  verzinsliche  Nationalsohuld  zurück,  nach- 


*)  Sie  wurde  in  dem  ersten  Jahrhunderte  fast  auf  das  Drei- 
fache erhöht,  1*787  bereits  auf  10|  Shill.;  dann  in  den  nädi- 
Sien  17  Jahren  abermals  fast  auf  das  Vierfache,  bis  sie  das  Ma- 
ximum im  Jahre  1804  auf  38f  Shill.  (13|  Tbl.)  erreichte.  Seit  die- 
ser Zeit  wurde  aie  ermässigt  und  stand  1817  bereits  wieder  auf 
^02  ShUlg.  (7i  ThL) 


Da«  Britische  Beich.  615 

• 

dem  die  Zioten   allein  edion  während  feiner  genien  Regiening 
13,691,498  S  St  :=:  05,M0,48tf  ThL  gekettet  lijittea% 

Unter  der  Königin  Anna  fiel  wlihrend  des  grBisten  Theilf 
ihrer  Verwaltung  der  Spaniscbe^ErbfoIge^krieg,  der  von  England 
in  demselben  Interesse,  Vie  der  frühere  Krieg,  gegen  Frankreieh 
und  die  von  ihm  unterstQttten  Ansprüche  der  Stuarts  geführt  wer- 
den mnsste:  er  kostete  die  nngeheure  Summe  von  43,270,003  %  St**) 
=  302,890,021  Thl.,  die  fast  ausseh iiesslieh  dureh  neue  Staataan- 
leihen  gedeckt' werden  konnten.  Die  laufenden  ordentlichen  Staats« 
einnahmen  waren  awar  1713  auf  5,691, 803%  St  =  39,842,021  Tbl. 
gewaehsen,  woxu  in  den  erhöhten  Zöllen,  in  der  abermals  erwei- 
terten Aecise,  in  der  gesteigerten  Stempeltaice  und  in  der  Post- 
einnahme die  Mittel  geboten  waren,  aber  liie  Nationalachnld 
blieb  bei  ihrem  Tode  mit  einer  Summe  voq  54,145,363  %  St 
=  379,017,541  Tbl.  aurück*»*). 

Georg  I.  führte  eine  dreisehnjahrige  dureh  keine  wichtige 
Kriegsuntemehmungen  gestörte  Regierung;  deshalb  konnle  schon 
1714  ein  aggrtgaie'  fand  cur  "allniähligen  Verringerung  der 
Staatsschuld  errichtet  werden,  der  durch  einen  grösseren  Zu*> 
lehnss  seiner  Einnahme  in  Be<ng  atf  den  erweiterten  Zweck 
Grand-Fond  genannt  wurde,  und  bereits  1717  naeh  dem  Plane 
des  Lord  Stanhope  dureh  Parlamentsbesehluss  die  eigentliche 
Bestimmung  des  Sinking-Pund  erhielt  Denn  es  sollte  ferner- 
hin bei  Jeder  neuen  Anleihe,  da  sie  nur  mit  BeM^illigung  des 
Parlaments  aufgenommen  werden  konnte,  zugleich  ein  bestimm- 
tes Object  der  Einnahme  angewiesen  werden,  durch  welehea 
sowohl  die  Rente  jährÜeh  gesahlt,  als  auch  allmfthlich  und  zwar 
von  Jahr  au  Jahr  die  neue  Schuld  getilgt  werden  konnte.  , 
Ausserdem  wurden  in  demselben  Jahre  (1717)  die  Zinsen  der 
älteren  Nationalschuld  von  sechs  Procent  auf  fünf  herabgesetxt, 
und  Oberhaupt  in   den    13  Jahren   Georgs  I.   41,218,879  %  St 


*)  Pebrer  p.  59-M»  143-^44  und  Yearbook  p.  15a 

♦♦)  Pebrer  p.  146;  Browning  "p.  509-10. 

***)  Pebrer  p.  61*«);  Yearbook  p.  I5lt 
6caaberrii8t»t»itik.lt  40 


«  • 


S26  Da«  Britische  Reicli. 

1286,532,153  ThI.)  fin  Ziatm  ona  theilwemr  Tilgung  der  Anlcl- 
heD   gezahlt     Iddeaa   katten  die  laufenden  Einaalimen  nunmebr 
für   immer   in   der   FinaBsrepraltung  *)    der  vereinigter!  Reiche 
England  und  SehoCtIaiid,  wiewohl  tie  in  den  leisten  vier  Jahren 
dieser   Regierung    durchsehnittlieh   6,762,643   %  St   (47,338,501 
ThL)  betrügen  (darunter  ^^  Zölle  ^^  Aecise),  ioeh  nieht  immer 
VoiUtändtg  den  Anforderungen  dea  so  mannichfach  gesteigerten 
Staatshausbidts  genügt  wobei  ausserdem  xu  bemerken  bleibt  dass  in 
dieser  Zeit  sehr  betrüchtliehe  Erleichterungen  in  der  Besteuerung 
lugestanden,  und  namentlich  säromtlicheAusfubrsölle  auf  Britische 
rohe  Produete   und  Manufaeturen ,  sowie  die  EingangssÖlle  auf 
rohe  Produete  des  Auslandes  für  die  Britische  Fabrikation  auf- 
gehoben  waren.      Es   nuissten   daher   einige   kleinere   neue  An- 
leihen gemacht  werden,  im  Gesammtbetrage  von  2,832,003  U  St 
(19,824,651  ThL),    so    dass   Überhaupt   die   ganse  Nationalschuld 
nur    um    swei   Millionen   Pfund   abnahm,    und    bei   dem    Tode^ 
Georgs  I.    1727  auf  52,092,288  %   St   (364,646,016   Tbl.)  ste-^ 
hen  blieb  •% 

Die  drei  und  dreissigj&hrige  Regierung  Georgs  If .  (1 727— -60)  ge» 
WÜhrt  eben  so,  wie  die  entgegengesetaten  Charaktere  des  Vaters  und 
Sohnes,  jener  in  der  Erhaltung  des  Friedens,  dieser  in  der  Behaup- 
tung durch  den  Krieg  aas  Hauptxiel  ihrer  Politik  fanden^  auch  in  der 
Finansverwaitung  ein  völlig  en^egengesetites  Bild  der  vorigen. 
Statt  Frieden  ünden  wir  fast  ununterbrochen  Krieg  in  Europa  und  in 
den  Colonien,  dadurch  Störung  des  Handels  und  einen  sehr  schwan* 
kenden  Zustand  In  den  Zolleinnakmen,  der  eben  deshalb  h&ufiger 
eine  Mindereinnahme  gegen  frühere  Jahre  nachweiset  Das  Land 
selbst    sollte  4iun  einen  höherei^  Ersats  dafür  gewähren,    die 


'*)  Es  lyüeben  nif  besondere  Behörden  fSr  die  indireden  Steuern 
(Boards  of  Costoms  and  Excise)  für  Schottland,  wie  für  Irland, 
bestehen^  die  4fare  gesaounelten  Einnahmen  zur  VerfuguRg  der  Cen- 
tral-Finaacbehörde  oder  der  Scbatskanmer  stellten.  Im  Jahre  18*24 
wurden  beide  mit  dem  Zoll*  und  Acdse-Anit  von  England  verei- 
nigt, nacht  ohne  aHe  VerletEung  des  Freibeitsgefühls  beider  Völker.  — 

«*)  Pcfcrer  pg.  63*03  und  pg.  147,  Yearbeok  pg.  15a 


/ 


DaB  Britsthe  Reich.  627 

\ 

1 

\ 

Aeeite  und  4m  Stempeltuce  wardeo  auf  den  doppelten  Betrag 
unter  4ler  Regieraog  George  gebracht;  dtoZioesats  der  Mteren  An- 
leihen  wurde  ton  6  auf  4»  dann  1740  auf  3|  und  1757  sogar  auf 
3  Proeent  herabgetetat,  ein  Verhilltniaa»  das  der  damaligen  An* 
hbufung  der  Geldmittel  in  Orotsbritannien  und  ihrer  rortheilbaf- 
t^n  Anlage  bei  der  Staaatschuld  in  sicheren  halbjährig  gesahUen«Ren* 
ten  gerade  nicht  entgegenstand.  Aber  der  Oesterreiefaische  Erbfolge» 
krieg  (1741—48)  und  die  fBnf  ersten  Jahre  des  siebenj Übrigen  Krieges 
(1756 — 60  incl.),  von  gleichzeitigen  Seekriegen  begleitet,  kosteten 
Grossbritannien  die  Summe  ron  124,000,000  %  St  (868,000,000  Tbl) 
ausser  den  taufenden  gewöhnlichen  Einnahmen.  Der  bestehende 
Tilgungsfond  erlangte  jetxt  seinen  fonüglichsten  Nutsen  in  der 
möglichsten  Verhütung  neu^  Anleihen,  und  es  war  daher  schon 
eine  gelungene  Aufgabe,  dass  statt  jener  Summen  Überhaupt  nur 
59,132,472  ft  St  (413,927^304  Thlr.)  neue  Anleihen  gemacht 
wurden.  Dadurch  erreichte  nui^mehr  der  Stand  der  National- 
schuld  im  Jahk^  1760  die  Höhe  von  1 11,224,710  U  St 
(778,872,970  Thlr.)»  während  die  gesammten  Staatseinnahmen  in 
dem  Jahre  vor  dem  Tode  Georgs  II.  1759  8,523,510  %  St  = 
69,664,780  Tbl.  ausmachten.  Darunter  betrugen  die  Zölle  1,985.376 
<ftSt  (fast  I);  die  Aceise  3,887,349  %St  (fast  \\  dieStempelge» 
Alle  263,207  <a  ^t  (,V,  die  Landtazen  1,737,608  %  St  (etwas 
über  p% 

Die  Qberaus  langjährige  Verwaltung  Georgs  III.,  1760—820,  an 
der  er  xwar  persönlich  nur  in  der  ersten  Hälfte,  d.  i.  doch  in  einer' 
swei  und  dreissigjährigen  Regierungszeit  einen  thätigeren  Antheil 
genommen  hat,  ist  durch  so  ausserordentliche  wichtige,  diegesantmte 
politische  und  hürgerliche  Cntwickelung  der  Menschheit  neu  gestal- 
tende Ereignisse  ausgeseichnet,  dass  dieselbe  aiich  finaoxiell  in  drei 
Abschnitten  am  angemessensten  sich  übersehen  lässt,  suerst  bis  cum 
Ausbruch  des  Fransösischen  Rerolutionskrieges  (1792)^  sodann  bis 
lum  iweiten  Pariser  Frieden  {ISlh),  als  dem  Sehlussstein  des  Conti- 
nentalkriegs,  und  endlieh  bis  xum  Tode  des  Königs.  In  der  ersten 
Periode  geben  die  lotsten  Jahre  des  sid^enjährigen  Krieges,  der  acht- 
jährige Kampf  mit  den  Colonien  in  Nont- Amerika  und  ihr  Verlust  die 


♦)  Pebrer  pg.  63— (i6  nnd  149-51. 

40* 


618  Das   Britische  Reich. 

i 

HauptveraDlastung  lu  auMerorilentlichen  Opfern.  Sie  ■ind  aehr 
'  bedeutend»  da  sie  die  gebfin  ungeheuer  gewachsene  Nafionalsehiild 
um  m.ehralsdas  Doppelte  TergrÖssern,  aber  sie  sind  nicht 
urüieilbar,  weil  gerade  diesr  Kriege  das  Uebei^ewicht  der  Bri- 
ten sur  See  und  in  den  Ausser-Eluropftischen  Erdtheilen  als  Han- 
delsmac])t  entscheiden,  und  in  Grossbritanien  selbst  die  Industrie 
durch  das  Maschinenwesen  früher  so  gan^  ungeahnte  Hülfsmit^ 
tel  Marbietet)  dass  selbst  die  stärksten  ünaniiellen  Anforderungen 
vom  Volke  befriedigt  werden  können«  weil  der  damit  innig  rer- 
bund^neNaf'oialgewinn  immer  höher  steigt  Es  ist  hier  nicht  der 
Gegenstand  üoanzieller  Betrachtung,  die  politischen  Gründe  fttr 
die  grossen  Kriegsuntemehmungen  dieser  Zeit  und  ihre  hart- 
näckige FortsQtiung  umständlich  su  prfifen,  oder  nach  der  Grösse 
der  daför  rerausgabten  Summen  absuwägen.  Da«  snrBckgebliebene 
Resultat  erscheint  aber  immer  als  ein  Grossartiges»  und  der  dem 
Volke  aufgedrängte  schwanghafte  Geist»  jeder  CSefahr  stan.-lhaft 
XU  begegnen  und  sie  siegreich  xu  besteheti,  macht  sich  fBr  im« 
roer  als  ein  Capital  geltend»  dessen  fruchtbarste  Versinsung  in 
dem  heutigen  Wohlstande  Grossbritanniens  vor  Aller  Augen  liegt. 
Die  Staatseinnahmen  verdoppelten  sich  geradesu  in  dieser  ersten 
Periode,  denn  sie  betrugen  1788 — 92  durchschnittlich  1 6,375,060 
%  St  =  1 14,561,650  Thlr,  (darunter  nicht  voll  J.  die  Zölle,  \ 
Accise,  y^  Stempel»  \  die  Landtaxen  und  gegen  ^^  die  Post- 
gefälle).  Man  ersieht  daraus»  in  welch  einer  drfickenden  Stellung  für 
alle  Classen  des  Volks  die  indirecten  Steuern,  und  namentlich  die  Ac*" 
^iseeinnahme  sich  bewegten,  welche  schon  für  sich  allein  jährlich 
übeir  50,000,000  ThL  erforderte.  Aber  auf  sie  war  vorzugsweise  die 
Verzinsung  der  Nationalschuld  hingewiesen»  und  diese  hatte  inswi* 
fthen  Riesenschritte  gemacht,  weil  die  gesammten  Kriegsuntemeh- 
mungen» die  kostbaren  Subsidien  für  Deutsche  Truppen  und  die  aus- 
gedehnten See-Elxpeditionen  nach  Amerika  nur  auf  der  Grundlage 
neuer  Anleihen  gemacht  waren.  Die  Nationalschuld  stand  daher  am 
Ende  des  Jahres  1792bereitsauf  293,350,148  ft  St  =  2,053,451,030 
Tbl.»  also  schon  doppelt  so  stark,  als  der  höchste  Standpunkt  der 
Französischen:  Staatsschuld  unter  der  Regierung  Ludwigs  XVL 
erreicht  hatte,  die  gerade  eben  bei  der  völligen  Erschöpfung  der 
Finanzkräfte  Aet  Staates  und  der  Unmöglichkeit,  diese  auf  andere 
Weise  wieder  emporzuheben,  den  Zusammensturz  der  ganzen 
Staatsverwaltung  rascher  beschleunigte.  Doch  hatte  auch  Wil- 
liam Pitt  der  jüngere»  seitdem  er  1784  en^ie  Spitze  der  Finanz* 


/ 

( 


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D«8  Britisclie  Reich.  €(29 

reriralhitig  ttn%  dio  kr&fdgston  Maastfegeln  *)  getroffen,  am  die- 
■em  wiehtigtten  Zweige  der  Britiiehen  Staatsverwaltung  innere 
Ordnung  und  die  sweckmäfgigste  Verwendung  luinführen.  Der 
für  sieh  besonders  Terwaltete  Tilgungsfond  war  bereits  1785, auf 
3,000,000  %  St  jährliehe»  Einnalime  gewachsen;  aber  es  befan- 
den sieh  unter  den  Staa^schulden  theils  fundirte  (d.  fa.  solche 
AnleiheUv  bei  deren  Aufnahme  sofort  eine  neue  Taxe,  oder  Er- 
höhung einer  bereits  bestehenden  Toni  Parlamente  bestimmt  wird, 
deren  Ertrag  lu  nichts  Anderem,  als  zur  Verzinsung  und  Bezahlung 
dieser  besonderen  Anleihe  rerwaudt  werden  kann),  theils  n  i  c  h  t  f  u  n- 
d  irte,  deren  beiderseitige  vereinzelte  Bewicthschaftung  sehr  grosse 
und  beschwerliche  Weitlliuftifl;keit  in  der  Verwaltung  verursachte. 
Er  erneuerte  also  den  bereits  1751  gemachten  Versuch,  dicStaats- 
■chulden  zu  con^oUdiren,  und  warf  mit  dem  1.  Januar  17S7  alle 
yorhandenea  Staatsfonds  und  zur  Verzinsung  bestimmte  Taxen 
susanunen,  um  aus  denselben  ganz  gleichraässig  sUmmtliche 
Staatsäehulden  lU  verzinsen,  und  neben  der  V^erzinsung  einen 
hesondern  Tilgungsfonds  zu  bilden,  welcher  iiir  sich  eine  jähr- 
liche Einnahme  von  1,000,000  U  St  erhielt,  um  für  dieselbe  so- 
viel Staatsfonds  anzukaufen,  als  nach  dem  Course  möglich  wäre, 
und  ihre  Zinsen,  für  die  nächsten  Jahre  zur  Vergrösserung  des 
Ankaufs  zu  gentcssen.  Dadurch  machte  er  s&mmttiche  Staats- 
ocbulden  zu  eonsolidirten  mit  3  Pr(foent  verzinsten  Fonds, 
oder  Gonsolidirl«a  Stoks. 

Indess  würde  aueh  auf  diese  Weise  in  der  zweiten  Pe- 
riode, wa  zur  Bekämpfung  der  Französischen  Revolution  und  ih- 
rer Folgen  selbst  nach  den  vorangegangenen  grossen  ^Finanz- 
Operationen  doch  noch  völlig  Erstaunen  erregende  Projecte  durch- 
geführt wurden,  der  Staats-Credit  bei  aller  Hülfe  der  Londo- 
ner-Bank  und  der  patriotischen  Unterstützung  der  Englischen 
Capitalisten  doch  kaum,  erhalten  worden  sein,,  wenn  nicht  Pitt 
171^2.  durch  sein  neues,,  den  vorliegenden  finanziellen  Bezieh uikgea 
Cirossbritanieas  politisch  genau  ingepasstes  Tilgungssystem,  -  eine 
in  diesem  Staate  überaus  sieh  er  erscheinende  Basis  für  alle  ferneren 
Anleihen  untergelegt,,  und  dadurch,  ia  der  That  zugleich  ein  neue«. 


*)  Bekanoüich  wirkte  bei  <ftesen  Pläoea  Dr.  Prfce^g  Hülfe  mit; 
vergK  Browning  pg.  621<^2-2. 


630 


Das  Briiiiche  Betch. 


Band  twiscb^n  8laalir^enuii|r  nui  Volk  «siaclilaiigeD  bitte» 
«tu  jene  mir  bei  diesem  eeio  Anleihen  in  maeben  im  Sunde  war  *)/ 
£*  seilte  fernerhin  för  jede  nene  Anleihe  auaser  dem  bestimmten 
Zinsfusse  noch  ein  Procent  fiber  den  Zinsertrag  sar  TÜgong 
dieser  Anleihe  normirt,  und  dafür  eine  neue  Taxe  oder  die  Er* 
höbnng  einer  alten  vom  Parlamente  bewilligt  werden:  demnaeh 
konnte  jede  neue  Auleibe  in  dem  Zeiträume  ron  45  Jahren  durch 
alcb  selbst  getilgt  werden.  War  es  auch  roraus  lu  sehen,  dass  die- 
ser Plan  in  der  prartischen  Ausführung  durch  die  unausbleibliche 
Einwirkung  der  politischen  Umstände  sich  stets  anders  gestalten 
würde»  so  war  gerade  durch  ihn  das  sicherste  Mittel  gegeben» 
sich  fernerbin  hauptsächlich  nur  um  die  Aufbringung  de^Zinsea 
au  bekümmern»  und  wenn  diese  glückte»  den  Gedanken  auf  die 
Bezahlung  der  Anleihe»  oder  politisch  ausgedrückt»  auf  die 
Beschränkung  der  Staatsoperationen  wegen  Mi^ngel  an  daxu 
vorhandenen  Geldmitteln»  fast  gänslich  ausser  Acht  sn  lassen. 
So  geschah  es  denn,  dass  in  dieser  «weiten  Periode  von  24 
Jahren»  mit  Einsehluss  der  ersten  Monate  des  Jahres  nach 
dfsm  sweiten  Pariser  Frieden  bis  Februar  (1816),  in  welchem  die 
schwebenden  Ausgaben  von  den  Kriegsunternehmungen  noch  re- 
gulirt  werden  mussten»  die  Britische  Nationalschnid  nm  mehr 
als  sechshundert  MillionenPfund  Sterling(!) vermehrt*) 


*)  Erschwert  wird  venigstens  das  Anlegen  fremder  €apita]ien 
in  den  Englischen  Fonds  dadurch,  dass  hier  nicht  Staaupapiere  «u 
porteur  ausgegeben  werden»  die  überall  einen  leichten  Umsatz 
möglich  machen»  sondern  dass  für  jeden  Schuldinbaber  sein  An- 
tbeil  an '  der  Nationatschuld  in  das  grosse  National-Schuldbach  ein- 
getragen werden  mu!9s  und  wenn  auch  der  Verkauf  bestimmter  Schuld« 
messen  durch  die  Stocksniäkler  mit  allen  dabei  vorkommenden  Spe-^ 
culations-Kunstgrifleo  leicht  betrieben  werden  kann»  st>  ist  es  doch 
nölhi^;»  dass  jedesmal  der  wirklich  abgeschlossene  Verkauf  im 
Schuldbnch  umgeschrieben  vird ,  und  dieses  nur  einmal  tSgüch  ge- 
schehen kann«  Daher  wird  nur  der  Verkauf  in  grösseren  Parthien 
von  Fürsten  und  reichen  Capitalisten  des  Auslandes  gesocht»  aber 
doch  ist  gewiss  nicht  der  fünfzigste  Theil  der  Nationalschuld  in 
den  Händen  der  Ausländer:  vergK  Febrer  8.  1G6— '^iS  über  das 
Entsleben  der  Nationalichuld. 

**)  Der  Ztnsfuss  war  l^i  den  iv^rschiedenen  Anleihen  nach  den 
Zeitumstanden  aehr  «cbwankend  Bwiscben  3  und  5  Procent:  eben 


Das  Uriliscke  Belck.  611 

werden  keimte,  «nd  fit  cemetifKrtRi  BuAm  im  Februar  18  JO, 
nacbdem  de  aut  der  Irlitodieeheii  eenaotidirteii  Schuld  (su  j\ 
des  Betrage)  vereiaigt  worden»  ihrMaxiaMua  in  4er  linstrageaden 
Sanune*)  von 

964,823,441  %  St  ==  6.053,757^7  TUr. 
crreiehCe,  Diea  maobt  aber  eine  Sanune,  die  naeb  Stofrdi«  Bereehann* 
gea  *^)  aber  den  etwannigen  Belauf  4es  damal«  auf  der  ganaen  Erde 
geprägten  Goldea  und  SUbera  fattdas  Dreif  aebedieeei  Betrag«  er- 
feicbt  Niebt  minder  überraiebend  eraebeint  troli  des  niedrigen  Ztna* 
luaeea  der Ztnffbetn^,  4^  in  einem  Jabte aileiniron dem  Brititeben 
Volke  für  die  Verwaltung  dieses  Zweiges  ^nfgebracbt  werden  mnsste: 
denn  er  beträgt  43,0Q2,90{)  1  St  r=  307,3 18,91^  TbL,  oder  gerade 
daa  Seebifacbe  der  sänraalGebea  Ausgaben  des  Preussiseben  Staat»  fai 


eo  der  primltiTe  Preis ,  mit  wieviel  Procent  unter  dem  Ifomiaal* 
werlbe  die  CapluUaien  die  Aaleiben  machten, 

•>  Pebrer  a.  a.  O.  S.  «45.. 

'^*)  Handbuch  der  Natlonatwirthscbaftslebre,  1810  8vq.:  er  stützt 
sich  dabei  auf  VillefodseV  iind  Humboldts  Angaben,  rergl»  Andr^^s 
ZahlenslatUiik  I.  8^  10— ^iMTf  und  Buchanaa  addiüonal  volume  su 
seiner  Ausgabe  des  Stoith«  —  Sicher  betragt-  diese  Siunme  soviel 
als  zwei  Drittheile  dea  Betrags  der  gesammten  Ausbeuie  der 
Ber^erke  Amerikas,  Europas  und  Asiens  an  Crold  und  Silber,  die 
seit  der  Entdeckung  von  Amerika  Oberhaupt  in  den  334  Jahren 
tl413— 81tf)  zusammengebracht -war,  wovon  dpchr  mindestens  f  durch 
Vergoldung,  Versilberung,  Plattirung,  täglichen  Terbraocfa,  Yer« 
grabungen  u.  s.  w.,  {durch  Verarbeiiung  zu  Gold  und  Sllberge- 
räthen,  Tressen»  anderen  Stoffen,  und  i  durch  den-  Handel  nach 
Asien  aUs  der  Circulation  fai  Europa  herausgezogen  war.  Nun  aber  wa- ' 
ren  naeh  Humboldt  aus  Amerika  von  141h^--803insgesammt  5,731  Mill. 
Piaster  =  7|8&5  Millionen  Thl.>  und  von  1803— 16  gegen  390  Millionen 
Piaster  =:546  Millionen  Thaler,  überhaupt  also  8,396  Millionen  ThU 
an  Gold"  und  Silber  nach  Europa  übergeführt.  In  Europa  seiSst 
waren  inzwischen  in  dieser  Z«it  höchstens  1,396  Millionen  Thaler 
an  Gold  uud' Stille^  aus  den  Bergwerken  ausgebeutet  worden,  und 
der  Üebergang  des  in  Asien  gewonnenen  Silbers  nadi  Europa*  ist  v 
lur  diese  Periode  kaum  in^ Anschlag  zu  bringen,  da  er  doch  Immer 
nur  temporär  war..  Es  bleibt  also  die  Hauptsumme  von. 9,69*2  Mil- 
lionen Tbaler  als  das  eombinatorisch  gewonnene  Resultat  zur 
Grundlage  unseres  Vergleichs  cusödL 


nSL  vDa«  Bridacke  Beicb. 


dkter  Z0ii  AwmtdMm'  aber  teoisle«  aoeh  a,OI4^00S  %  St  = 
21,008,007  TliL  förZiiMtadwuii^lmlirtanBdhiil^  md  1^400,800 
9i  St  fdr  EinlAaiiDg  4er  ScbatdcaauMnckeiiie»  welche  fir  ilea 
UufeaiieB  Staattdieml  ausgestelil  wsreo»  verwandt  werden*  Die 
SlMteeimialiviea  mutfiteii  unter  solchen  Umstindeii  auf  gleiche 
Webe  waehaen,  wie  «ie  denn  auch  wirklieh  mehr  alt  Tiermai 
Tergriaaert  wurden  *>,  und 

hi«  J79§  die  Summe  Ton  23,60T,045  %  St  =:  105,255,415  Tiü. 
«-    1807-^        ~        ~  58»002,291     ^      =412,316,037    — 
«^   1815  ~       ~        *r**  72,iai»214    —      =  504,018,408    — 

und  daa  Maximum  ,     ^ 

^  1810  ~  ~  —  76,834,404  -«  d=  537,841,458  ^ 
eivmeht  hattaa.  Daa  Verhiltnita  der  Hauf  t*Titel  der  Einnahmen 
liata#einander  halte  aieh  - wefentlieh  verändert  **),  die  Zölle 
warm  auf  |  dea  Betraga  geauuken  (1816  idur  10,526,704  %  St, 
w5hread  1807  noch  mehr  ala  |  =  9,733,813  %  St  und  I7M 
noch  ^  :=:;  5,570,675  %  St.) ;  die  Aeeige  war  dagegen  fast  imner 
gleichen  Schritt  mitgegangen,  und  hatte  die  Hälfte  behauptet,  oder 
'  doch  den  dritten  Theil  stark  noch  fiberschritten,  wenn  man  die  jedea 
Jahr  hinxngetretene  Anleihe  absieht,  sie  stand  1700=11,212,725 
%  St,  1807  =  23,184,867  %  St»  1^15  =  25,264,076  %  St  und 
1816  =  26^537,633  %  St  Die  Stampeitaxe  und  die  Poateinnahme 
Itatten  sich  in  ihrem  Ertrage  gleichfalls  Terrierfacht 

älempeltaxe.  Postüberachuss« 

tt  St  ;  ThL         ^  tt  St  Thl. 

1700    2^433,780    =    17,036,523      660,000    =      4,683,000- 
1807    4,I32»510    =    28,028,032    1»101,000    =      7,707,000 
1815    5,601,701     =    30,212,537    1,462,000    =    10,234,000 
1810    5,860,376    :;:l    41,085,632    I»541,000    =     I0,787«00O 
Die  Landtaxen  hatten  suaammen  sich  dagegen  in  dieser  Zeit  nicht 
irier  mehr  als  nur  verdoppelt,  sie  waren  bis  1700  auf  3,903,154  %  St, 
1807  auf  5,815,080  fl  St,  1815  auf  7,543,865    %   St   gestiegen, 
und  1816  bereits  wieder  auf  7,200,241  %  St  gesunken« 

^     Waa  dagegen  die  Staatsausgahen  betrifft^  ao  haben  wir  dea 


"'i  Pebrer,  a  159>  Tab.  XXXI. 
^)  Pebrer«  S.  152  Tab.  XXX. 


Da«  Bri4i8<)ke  B^iclu 


gr5t«teii  Beitm^thetl  4OTft«lHn  b^rtfti  «beo  in  d«r  Atfritdigmig  der 
VerpfticItftttBgen  fiUr  die  NatMUiltdrald  kenoen  fipelerot,  dia  anfiUig- 
Ikb  1,  dann  fait  |  det  OetaoMitbotngt  der  Aoegaben,  naeh  Ab- 
SBg  der  an  andere  Staaten  j^eiahtten  Subtidien  nnd  det  le- 
genannten  anMerordendiehen  Endgete  för  Heer  und  Flette,  er- 
forderten. DaeHeer  nnd  das  Feidse«gnieister-Aint  tanunt  dem  G«- 
eehfitsweeen  <Ordnanof)  Terlangten  finansiellin  dieser  Ztit  swistobeo' 
\  und  I«  die  Flotte  swi^^ben  \,  |.  und  ^^  des  Betragt,  die  CmUitte 
switeben  ^^^  nnd  ^^  die  innere  Venraitnng  ^^  bit  ^^9  nnd  die 
FinansrWvaitüiig  maebte  nur  mit  einem  ftbniichen  Antheii  An- 
apruQb  an  dem  Antgabe-^Budget  Wir  ertoben  diet  aot  folgen- 
der Uebeptiebt  in  wiebtigen  Abtebnitttjahren  %  bemerken  Jedoeb 
dabei  sngleieb,  data  rom  1.  Januar  1801  ab  naebdepVereiniguBg 
Chrottbritannient  mit  Irland  aueb  die  bia  daibi»getoBderte  FinaBS- 
rerwaitung  dietet  Reicht  hier  augleieh  aut  mobegriffen  iat 


Getammtaut« 

» 

• 

gaben     naeh 

Staatttehuld.        Landbeer  u. 

Abxug  d.  Sub- 

Zinsen  und           Getcbiitz- 

Flutte. 

aidien  **)  an 

Tilgungsf.              Veten. 

and.  Staaten« 

tt  St 

<iSt             9rst 

«  St 

1790 

61,241,798 

2€^t  08,885         12,867,497 

12,591,728 

1801 

61,000,870 

21,661,029         15,796,856 

14,809,488 

1807 

75,154,548 

30,336,859          19,622,556 

16,084,028 

1815 

119,717,775 

42,912,430         38,076^284 

21,961,567 

1816 

|02»770,910 

43,902,999         26,136,029 

16,373,870 

X^inlliirte. 

Innere  Venr. 

FinansTonr. 

1799 

1,111,376  %. 

St         1,470,^39  ft  St         1,614,990  tt  St 

1801 

1,244,420    - 

1,255,689    —            1,828,124    7- 

1807 

1,666,323    - 

2,766,693    —            2,375,825    —  * 

18^5 

1,675,152    - 

2,384,592    —            ?, 

573,261    ~ 

1810 

1,682,021    - 

.  8,371,178    —           3,663,668    — 

«)  Vergl.  Pebrer  Tab.  XXXII.  0«  XXXIIf.  a  154,  wo  für  jedes 
einzelne  Jahr  von  116F-*18i6  die  Angaben  geliefert  sind. 


**)  Hiebei  sind  aber  andi  ingletch  die 
merscheine  abgeaogiea. 


Schatzkaai- 


984 


Daa.  Brltl^cke  BeicH 


Die  leM«B  vier  JaliM  4«r  R«gMiPW^(iC«k  Gaoi^  HI.  UHcm 
den  Ueberg^Mig  mw  4er  miiMtilrltek  geiymirtea  Ueberreikong  der 
Finaoikr&fike  OroM^rUwiftieot  la  den  mtomebr  gewöhnlidien 
Friedeosetat  ^  Die  Subsidten  an  die  witwiiiigea  Mäebte,  die 
Auigeben  l&r  den  «tieserordeacUehen  Dienet  dee  Lendkeerei  un«l 
der  Flette  fallen  weg«  gri^ee  Ereperniese  treten  dareh  »die  Re- 
ducirung  des  Heeres  und  der  Flotte  e«if  den  dritten  Theil  der 
früher  evf  dem  Kriegefuete  «^haltivien  Streitmaeee  mitteUNir  evcK. 
für  die  fibrigen  Zweige  der  Verweltung  ein,  aber  die  enpliud- 
liebste  Naehwirkung  von  den  ftbergretsen  Anstrengungen  dieser 
Kriegs/abre  bleibt  in  der  Veninsnng  der  Staatssebuld  und  der 
Befriedigung  ibrer  Tilgungsfonds  surfiek*  Dies  tritt  je|Bt  uw 
so  sebroffer  berror,  da  di^e  Ausgaben  nunmebr  über  dieHiifte, 
Ja  «sogar  jkber  4rei  Ffinftbeile  der  gesammten  Staatseinnabmen 
für  sich  allein  in  Anspruch  nehmen^  was  um  so  bemerkenswert 
ther  erscheint,  als  gleich  nach  dem  Frieden  die  Redneirung  des 
Zinsfusses  für  die  neuen  Anleiben  Ton  5  auf  4,  besonders  auf  Z\ 
und  dann  erst  später  wieder  auf  3  Procenl  glücklich  tot  sich  gingt 
weil  die  Nattonalschuld  bei  ihrer  pünktlichen  Zinssahlung,  bei  der 
Sicherstellung  des  Nominal-Capitals  und  der  in  dem  Umfange 
dieses  Staates  nicht  mögliehen  höheren  Unterbringung  auf  si- 
chere Hypothek  *)  allgemein  den  Vorsug  behielt  Es  wurden 
in  dieser  Zelt  auch  Annuit&ten  auf  00,  48  und  24  Jahre  als  Leib- 
renten  mit  4  bis  7  Procent  Zinsen  nacb  der  lingeren  oder  kür- 
seren  Dauer  des  Zeitraums  angenommen,  deren  Capitalbetrag 
nach  Ablauf  der  stipulirten  Zeit  dem  Staate  rerfallen  bleibt:  für 
das  dadurch  eingegangene  Geld  würden  eonsolidirte  Fond»  aufge- 
kauft Doch  konnte  eine  bedeutende  Ermässigung  des  Noni1nal*Ca« 
pitals  nicht  eintreten,  da  es  iqerst  besonders  darauf  ankam,  dtn  Zins- 
betrag d.  L  die  laufende  jährliche  Last  zu  vermindern.  Es  wurden 

überdies  noch  18 16  und  J  81 8  Vorschüsse  aus  der  Bank  ui¥^  dem  Til- 
gnngsfond  nüthig,  sowie  sogar  noch  ein  neues  Anlehn  von  12,000,000 
U  St.  SU  3|  Procent  gemacht    Ausserdem  wurden  wiederum  an- 


*)  In  dem  Stande  des  Friedens  wurde  bereits  1819  der  Werth 
eifies  Grundstücks  in  Grossbrkanniea  erst  durch  die  sechs  und 
dreissigfache  Muliiplicalion  des  jährlichen  Ertrags  herkömnltcb  er- 
mittelt, also  erschienen  nur  2J  Procent  sichere  Zinsen  bei  der  An- 
legung von  Capitalien  in  Grundeigealhum  sicher  au  erwarten. 


Das  Brltisxke  B«lcb.  0» 

itte  l2y00Oyd0Di[St  ans  dem  lUgnnp^ifoiid  enmonimeii  sur  Be* 
■treitang  der  laofenden  Bedttrfoifse,  sowie  sur  Abteh«ffong  drOeken- 
4er,  nur  wfthrend  d^  Kriegtsetl  erhobener  Steuern  ^\  endlich  mirde 
in  dieeen  Jahren  durch  eine  betrftchdiehe  Summe  ron  SchaU- 
kammerscheinen  (27,262,000  %  St.)  diei.  aehwebende  Schulf  rer- 
niehrt**).  Wir  ersehen  «her  gleichieitig  die  günstigen  Fortschritte 
in  der  Finanz rerwaltung  aas  der  Jährlichen  Verminderung  einselner 
Steuern  und  der  doch  damit  TcrknOpften  Vermehrung  des  Einnahme- 
Budgets,  sowie  aus  der  angemesseneren  dem  Lande  seihst  unmit- 
telbarer sum  Vorthcil  gereichenden  Vertheilung  der  Haupttlieile  des 
Ausgabe- Budgets,  das  nach  1818  su  keinem  ausserordentlichen 
Mittel  seine  Zuflucht  nehmen  darf,  und  ohne  alle  Anleihe  in  sich 
den  Jahresbedarf  des  Staates  deckt 

» 
Die   Einnahme   dieser  4  Jahre   beiief  sich   nach   den   fBnf 

Haupttiteln  ♦••): 

]8ir  1818  1819  J820 

-  <&  St  %  St  %  St  %  St. 

iJ  An  ZftlL  mit 

I0|  Proc,      . 

Einnahmekost  10,714,762     15,860,673     15,946,776     14,734,562 

2.  Aecise  mit  5 
Proc.  Ein- 

nnhmekosten     21,239,509    24,713,720^28,316,919    27,955,810 

3.  Stempelgef. 
mit  3  Proe. 

Verwltgskost      6,255,956      7,270,723      7,330,637      7,113,266 
4*  Land  and 
Aue99ed 
Tax€8  mit 
4|  Prc  Vwk.       7^347,473      8,354,761      8,290, 1 74      8, 1 72,85 1 


*)  Als  die  drückendste  Steuer  war  die  Einkommen-Taxe  er- 
schienen, welche  1813  von  jedem  Einkommen  ober  2(10  ft  St.  zehn 
Procent  (!)  gefordert  hatte.  Sie  war  daher  auch  schon  1814  vom 
JParlamente  zurückgenommen. 

•♦)  Pebrer  su  S.  346  Tab.  IIL 

♦•♦)  VergL  Pebrer  S.  157. 


tM  Das    Britlsclie  Reich. 

1817              1618  1810^  1820 

5.  Poihrerwalt         %  St>          %  St  %  St  %  St     . 

mit  28  Pre. 

.     Verwlti^koflt      2,002,566  .  2,093,028  2,139,263  2,129,821 

susammen  |  47,560,^66  58,299,205  62,023,769  60,106,310  / 
=  ThL  1332,921,862  408,094,435  434,166,383  420,744,170 
Wegen  der  ZoUgef alle  rergleiche  oben  S.  477-^79,  die  Ae- 
eise*)  war  Jetst  auf/ alle  Getränke,  Colonialwaaren,  Salx  (wo 
-  die  Steuer  jedoch  1823  Töllig  aufgehoben  wurde),  Steinkohlen,  Licht, 
Olai«  Seife«  Taback  (S.  457—59)  auferlegt,  der  lur  Vermeidung 
der  Contrebaode  ilur  in  acht  EngUsehe  und  drei  Schottische  Hä- 
fen eingef&hrt  werden  durfte.  Die  StempelgefUlle**),  die  frü- 
her bur  auf  gerichtlich  oder  sonst  ofßciell  tu  ?erwendendes  Pa- 
pier, auf  Karten,  Würfel,  Zeitungen,  Kalender,  Banknoten  ge- 
schlagen wurden,  hatte  man  jetst  auch  auf  Quittungen,  auf  Gold« 
und  Silbergeschirre,  Handschuhe,  Hüte,  Bänder,  Erlaubnissscheine 
SU  Jagden  und  Wunderkuren  gelegt  Unter  den  Land  and 
assessed  Ta^e»**^)  waren  jetst  ausser  den  oben  angeführten 
temporary  taxe»  mit  einbegriffen  die  Fenstersteuer,  welche 
bereits  1784  statt  des  Terminderten  TheesoUsxTon  jedem  Hause 
nach  der  Zahl  der  Fenster  berechnet  eingefordert  wurde,  die 
Luxussteuer  ron  jedem  im  Gebrauch  befindlicben  Wagen  mit 
Ausnahme  der  Karren  und  der  für  den  Landbau  nothwendigen 
Wagen  nach  Ansahl  der  Räder,  ferner  Ton  den  Wagen-,  Reit- 
pferden, Ton  den  Bedienten  beiderlei  Geschlechts  in  steigender 
Progression  nach  Ansahl  derselben  in  einem  Haushalte.  Die 
Einkünfte  Ton  der  Postrerwaltung  ftiessen  nur  aus  der  Briefpösf, 
sonst  findet  unter  den  Regalien  nur  die  Beuntsung  des  Lottos  mit 
250,000  bia  300,000  %  St  auf  eine  kuraeZeit  statt  bis  1820;  die 
Aufhebung  des  Bergregals  ist  schon  oben  S.  427  bemerkt 

Da  nun  die  gesammten  Staatsausgaben  beträchtlich  Ton 
den  oben  gegebenen  Einnahmen  abweichen,  sa^hat  man  in  ihrer 
Diiferens  das  Bedürfniss  des  Jahres  su  neuen  Anleihen  oder  die 
Högliohkeil  einen  Theü  des  Ueberschusse«  sur  stärkeren  Einlö^ 
sung  von  Schatzkammerscheüien  (der  schwebenden  Schuld)»  oder 


./ 


*)  VergL  Browning  polit  a*  dorn«  condit  S«  547-*80- 
♦♦)  Vergl,  Browning  S.  581^-83. 
^«*)  Browning  S.  683-4)88.  — 


Dal  Britische   iSeich« 


m 


snr  Verringerung  einiger  Steuen&tse  f&r  «Im  n&ehile  Jalir  sn 
gebrauchen.  Die  ^eh«  Haupttilel  der  Antgabeiiy  unter  denen  wir 
4aegesanimCe  Budget  dieser  Jahre  znsuainieniMten*)  weilen,  find: 


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♦♦)  Vergl.  Pebrer  S.  161»  t«b-  XLVIII. 
**)  ßi  oben  S.  15,  S.  566» 


•' 


B38  Das  Britifche   Beich. 

Wir  finden  demOMli»  ^ms  das  Jahr  1817  tat  den  Etat»  für  da« 
Heer  und  dia  Flotte»  noefc  die  Beaiehungen  d«a  drei  und  smm* 
jngjftbrigea  Katuj^fes  atark  naeh  enipilndea  Iftcat,  data  uuiwiaolieii 
die  darauf  folgenden  Jahre  dith  eutaehiedenen  ^  Friedenaanatand 
anieigen»  daher  aueh  wenig  ron  einander  in  den  Geaammtreaui- 
taten  verachieden  aind.  Halten  wir  bei  dieaem  Verh&ltiiiaae  die 
einaelnen  Titel  gegen  einander  und  gegen  die  Geaammtanaime, 
ao  erfuhren  wir,  data  die  Leiatungen  für  die  Staataachuld  mebr 
ala  swei  Drittel  der  Staataauagaben  erfordern,  oder  waa  daaaelb^ 
aagen  will,  mekr  «la  daa  Doppelt«  aller  übrigen  Auagn- 
ben  betragen.  Die  Cinlliate  verlangt  ^^,  die  innere  Verwaltung; 
swiaehen  ^^  und  ^j^f  daa  Landbeer  |.,  die  Flotte  iwiaeben  ^^ 
und  y^t  alao  vereint  die  bewaffnete  Macht  etwa  |.  dea  Betrag« 
4er  geaammten  Staataauagaben. 

Unter  aolehen  Umat&nden  blieb  die  Hauptaufgabe  der  nach- 
folgenden lehnjährigen  Verwaltung  Georgs  IV.  <I820— 30),  die 
Erfordernisse'  fUr  die  Nationalachuld  durch  Herabaetsung  dea  2«ina« 
fusses,  oder  durch  andere  Finanzoperationen,  welche  dieLaat  des 
Volks  erleichtem  könnten,  möglichst  au  verringen,  bei  den  fibri- 
gen  Zweigen  der  Staatsverwaltung  Jede  politisch  su  rechtferti- 
gende Ersparniss  eintreten  zu  lassen,  wiewohl  hier  nur  immer 
im  Geringen  gewonnen  werden  konnte.  Jenes  ist  bereits  auf 
eine  rOhmenswerthe  Weise  seit  1821  begonnen  und  glücklich  durch- 
geführt, so  dass  die  gegenwärtige  Regierung  die  einmal  he» 
festigte  Bahn  weiter  verfolgen  durfte,  daa  Sparsjatem  bei  der 
übrigen  Verwaltung  Hess  inzwischen  unter  Georgs  IV.  Ministem 
viel  zu  wünschen  übrig,  und  wird  erst  unter  der  Regierung 
Wilhelms  IV.  von  der  gegenwärtigen  Ministerialverwaltung  jetzt 
mit  kräftigerer  Entschiedenheit  durchgeführt 

Der  TUgungafond,  deasen  Einnahme  1822  bereits  jährlich 
auf  5,000,000  %  St  gcftiegen  war,  uiid  der  achon  nach  dem 
Vorachlage  dea  zur  Unterjochung  eingesetzten  Finanz*  Comit^ 
18 19  zur  Erleichterung  der  öffentlichen  Lasten,  verringert  wer« 
den  sollte,  konnte  kräftig  auf  dip  Hebung  dea  Couraea  der  Fonds 
verwandt  werden,  ao  daas  die  dreiprocentigen  Stoks  nach  dem 
Kriege  jetzt  zuerst  über  80  Procent  sieh  erhoben*  Diea  machte 
möglich,  dasa  140,250,828  %  St  fünfproeentige  Stoka  in  vier- 
procentige  verwandelt  werden  konnten,  wobei  zwar  7,01^000 
^  St  Aufschlag  dea  Neminala-Capitals  den  die  neue  Anleihe 


Das  aritiiche   Releh.  09 

iKTgefcm^m    CqUtalitleii    ivf(«ttMidea    wenten    munten»    aker 
■iebti  4«rto  weaiger^och  «iiiejftkrllehe  EnparnissTon  1,222,000 
ft  St   (8,664,000  Th4  Mi  ZkiMfi   geaiBclit  wurde.     Eine  ondera 
Erleiditerang   der  jAkrliehen  Lmften  geichah  dareli  eitle  Opera- 
tioii   mit  der  LondMMr  Bank   1823»   die   für  eine   vom  Stoate 
jlkkrlieb   sii  sahlende  Annuitit  Ton   685,740  %  St  auf  44  Jahre 
fftr  die  oiehsten  f»nf  Jahre  14,000,000  %  St,  in*jfthriiehen  Ra* 
ten   Sil  2,800,000  %  St,   an   die   penstonirten.  und    anfhall^m 
Solde  beiindliehen  Soldaten  nnd  Beamten   su  sahlen  sich  ver- 
pflichtete^   da  Xord  Casterleagk'a  Combinatioft  vom  Jahre   1818, 
herechoend,  daat  dieee  Pensionen  jfthrlieh  mittsieben  Procent  sich 
vermindern  würden,  getäuscht  hatte,  und  damals  die  Regierung  sieh 
in  Verl^enheit  befand  6,000,000  %  St  (42,000,000  Tbl.)  solcher  Pen- 
sionen jährlich  su  sahlen.    Die  Sicherheit  der  Finans-Operationen, 
die  durch  den  raschen  Ausgang  der  FransÖsischen  Expedition  in 
Spanien  im  J.  1823  abgewandte  Gefahr  eines  neuen  umfsngtrciche- 
ren  Kriegs  im  Süden  von  Europa,  hoben  die  dreiprocentigen  Stoka 
im  Sommer  1824  noch  höher  bis  auf  den  bis  dahin  beispiellosen  Stand 
von  07  Procent,  und  begünstigten  wiederum  eine  Umwandlung  von 
70,806,882  %  St  vierprocentigen  Suntsschulden  in  drei  unj  ein 
halb  procentigezu  demselben  Belnufe:  dies  gewährte  abermals 
eine  jährliche  Ersparniss  in  den  Staatslasten  von  38 1,0-13%  St  == 
2,667,301  Tbl  bei  der  Verzinsung.  Dazu  kam  1826  die  Feststellung 
der  jährlichen  Einnahmen  für  den  Tifgungsfond   auf  1,000^000 
^   St,   welche   3   Jahre   später  vom    Parlament  gleichfalls   für 
überflüssig  erachtet  wurde,  indem  sie  nur  4ie  Finaniverwaltung 
verwickelte,  ohne  wahren  Nutzen  zu  bringen.     Daher  setzte  daa 
Parlament  1829  fest,  dass  nur  von  dem  jährlichen  Uebersehussp 
der  Staiitsausgaben  Über   die  Einnahmen  Fonds   aufgekauft  wer-, 
den  sollten.    Für  die  schon  lange  im  Umlauf  befindlichen  Scbats- 
kammerseheine  wurde  1826  ein  neuer' consolidirter  Fond  su  vier 
Procejit  gegründet,' der  bis  zum  Jahre  1833  von  der  Regierung 
nicht  aufgekündet  werden  durfte.    Die  neue  Regierung  Wilhelms  IV. 
fing    1830   an   mit  einer   anderweitigen  Verwandlung   der  schon 
1822  reducirten  vierproeentigen  Stoks  in  drei  und  ein  halb 
procentige,  die  überdies  zehn  Jahre  lang  unaufkündbar  bleiben« 
oder  in  fünfprocentige  und  denn  38  Jahre  lang unaufkündbäre 
verwandelt  werden,  in  welchem  Falle  jedoch  lOO'ilSt  nur  mit  70 
^  St  bezahlt  werden  sollten.    Dadurch  wurde  eine  neue  j  ä h  r  1  i  ch  er 
Ersparniss  der  Öffentlichen  Lasten  von  730,000  %  St=5J  IO,OOOTk. 


640  Das  Britisch«  Beioh. 

iHicl  «ii«terdem  eiMEnpaniitl  rm  200,000  ^  8t  =  1^400,000  Th. 
Nominal -CapiUl  gemaehtt  wiewohl  nur  sehr  wonifi:«,  die  Torge* 
ach^genen  fUnfproeent^^en  Stoki  w&hlten.  Die  HerabaeUung 
der  Zinsen  der  Schatskammertaheine  auf  drei  Proeent  renchafft« 
endlich  in  den  Jahren  1831  und  1832  ein«  neue  j&hrliehe  Cr- 
spamika  von  60»t)00  %  ^t  (420,600  ThI.)  %  Auf  ablehe  Weiae 
aehen  wir  ala  das  glftnsende  Sehlossresultat  der  angeatrengten 
Operationen  Ton  17  Jahren  aeit  1816  bia  warn  Sten  Jannar  1833 
die  geaammCe  Britiache  Nationalsehuld  um  mehr  ala  den  lehnten 
Theil  ihres  ungeheueren  Betrags»  um  83,443»044  %  St =684,107,608 
ThL  Terringert**).     Denn  sie  bestand  an  diesem  Tag«  ans***): 

A.  Fnndirte  Schuld. 

a)  SU  3  Procent 

1.  Schuld  an  die  Südsee* 

Compagnie      .    .    .       10,144,584  <&  St  =       71,012,088  Tbl. 

2.  Schuld  an  die  Bank 

von  England      .    .  15,561,749  —  =     108,932,243  *- 

3.  ConsolidirteFonds  347,458,931  —  =  2,432,2 1 2,517  —^ 

4.  Reducirte  Fonds   •  123,029,913  --  =     861,209,391  — 
6.  Irische  consol.  und 

redttc  Fonds     •    •        2,965,842     —    =        20,760,894  — 

susammen  499,161,019  %  St  =  3,494,127,133  lIiL 

b)  itt  3|  Proeent 

6.  Neue  Anleihe  von' 

1818  u.  1830     .   ^    149,964,621     —     =  ],049,752,3jl7  — 

7.  Reducirte  Fonds   .      63,453,824     —     =     444,176,768   — 

8.  IrUnd.  consolid.  m. 

red.  Fonds    .    .    .      27,624,528     —    =     193,371,696  — 

susammen  241,042,973       St  =  1,687,300,811  Tht 


*)  Vergl.  über  diese  einzelnen  Ersparnisse  Browning  a.  a«  (K 
S.  519-26. 

**)  Es  ist  also  in  dieser  karzeo  2ieit  wirklich  zurück  gezahlt 
mehr  als  der  dreifache  Betrag  der  Preusöischen,  oder  die  Hälfte  der 
gegenw&rtigen  schon  so  überaus  grossen  Französischen  Staatschold. 

***)  VergL  die  genaueren  Nachweise  in  Yearbookf.  1834  pg.  150; 
für  d.  5.  Jan.  183'2  bei  Browning,  a.  a.  O.  S.  627,  für  1831  und 
die  früheren  Jahre  bei  Pebrer  B.  S.  246.  Tab.  VL 


X 


Das  Britische   Reieh.  641 

e)  sa  4  and  5  Prooent 
9.  Vierprooetttige  Foada 

V.  1826      .        .     .       lO,f90^4O  <S  St  =       75,174,380  Thl 

10.  VierprocS^nMandie 

IriseheBankiuDublin      1.01^,384     —     =       11,307,688   — 

11.  Fünfproc.  Brit  Fonds 

von  1830     ....  462,736     —     =         3,239,152   — 

12.  desgl  Irland.  Fonds,  ^ 
der  Bank  sn  DubUn 

.sehsidig       .     .    .  1,022,045     -^     =         7^54,315   -^ 

tusaramen     13,890,505  Q  St  =       97,27<S,535  Thl. 
Betrag  der  ganzen  fundirten  Schuld 

754,100,497  ft  St  =:  6,278,703,479  Thl. 

B.  Niebt  fnndlxte  Schuld. 
Der  ganze  Bestand  der  am 

5.  Januar  1833  noch 

ausstehenden  Narjr* 

Bills,  Delieienc/* 

Bills  und  Schats-  '    . 

kammerscheine  betrug  27,278,000  <S  St  =  190,946.00o'Thl. 
Die  Navj-Billft  tragen  6  Monate  nach  Ausstellung  4  Proceat 
Zinsen,  die  Schatskammerscheiiie  in  Abschnitten  ton  100,  200, 
500  und  1000  %  St,  für  je  100  Pf.  2,  l».  und  1|  Penee  täglich 
Zinsen»  oder  3,  2^  und  2|.  Procente  jährlich» 

Daraus  folgte  dann  der  Totalbetrag  der  Britischen  National- 
Schuld  auf  dem  niedrigsten  Standpunkte  der  neuesten  Zeil 

781,378/197  <ft  St  =  5,469.649,479  Thl., 
der  demnach  mehr  als  dretssigmal  den  gegenwärtigen  Stand 
der  Preussischen  Staatsschuld  übersteigt  Aber  es  sollte  bei  die- 
ser unujiterbro ebenen  Verminderung  der  Britischen  National- 
schnld  nicht  sein  Bewenden  haben.  Ein  Jahr  darauf  am  5ten 
Januar  1834  war  zwar  noch  derselbe  Belauf  der  fundirten  Staats- 
schuld bemerkt,  aber  die  unfundirte  hatte  sich  in  den  Sehatzkam- 
mcvrscheinen,  wenn  aueh  nicht  sehr  beträchtlich  vermehrt,  sie  betrug 
27,900,900<SSt=  195,348,300  Thl.  Dazu  kam  nun  noch  im  Juli 
de»  gegenwärtigen  Jahres  1835  die  neue  dreiproeentige  Anleihe  von 
20,000,000  <S  St  (140,000,000  Thl.)  zur  Entschädigung  der  Plan^ 
tagen besitser  fär  die  Ewancipation  der  Negersclavei»,   von  weU 

Scbnb«rt'8  Statistik  11*  4| 


642  I>aa   Britische   Reich. 

chem  PArlamentsbescYiTusse  bereits  ol»eiv*)  gehandelt  ist  Dem- 
iiarh  utufasst  am  Ende  des  Jahres  183^  die  Britisehe  National - 
schuld,  obgleich  wir  in  Ermangelung  des  uns  noch  nicht  zuge^ 
gangenen  ofüciellen  Berichts  über  die  Staatsschulden  vom  5tea 
Januar  1836  die  etwanige  geringe  Redoeirung  der  Ulter^^  fun- 
dirten  Schuld  während  des  Jahres  1834  nicht  anxugeben  vermö- 
gen, die  BuRime  von  802,007,397  %  St.  ==  5,614,051,779  Thl. 
m  fundürten  und  nicht  faifdirten  Anforderungen  an  den  Staat 

Inzwischen  wird  die  mit  jedem  Jahre  vortheiihafter  gewor- 
dene Finanzlage  des 'Britischen  Staates  seit  1821  erst  dann  über- 
sichtlich erkannt,  wenn  man  das  Verhältniss  der  Ausgaben-Bud- 
gets   in  allen  diesen  Jahren  unter  einander  und   mit  den  Ein- 
nahme-Budgets vergleicht      Dann  tritt  die  rasche  Abnahme  der 
Lasten  für  die  Nationalschuld  durch  die  gelungenen  Finanz-Opera- 
tionen erst  in  ihrer  rccbten  Bedeutsamkeit  hervor,  denn  sie  bleibt  in 
stetem  Zurücktreten  gegen  die  übrigen  Bedürfnisse  der  Staats- 
verwaltung, wenn  nie  gleich  bis  jetzt  noch  immer  In  dem  sehr  unna- 
türlichen Verhältnisse  mehr  als  die  Hälfte  sämmtlicher  Staatsausga- 
hen  verlfingen.   Besonders  aber  erscheint  der  Umstand  sehr  vortheil- 
haft,  dass  jährlich  einzelne  Taxen  völlig  aufgehoben  oder  doch  er- 
mässigt,    auf   die  Hälfte,    den    dritten  ^  und   vierten  Thcil  herab« 
genetzt  werden  können,  wie  dies  namentlich  seit  Huskissons  see- 
gcfisreichem  Wirken    geschehen   ist,    und   immer  die  Einnahme- 
Öftdgets'  zur  Bestreitung   der  Staatsbedürfnisse  in  so  reichlichem 
Uebermaasse  zu  reichen,   dass  mit  Ausnahme  von  1831  stets  ein 
IJeberschuss  vorhanden  bleilit.     Denn    es   sind  In  den  12  Jahren 
1821—32  allmahlig  nicht  weniger  als  18,600,000%  St  (130,200,000 
Thl.)  an  den  Zöllen,    der  Accise   und    den    Land   and  assessed 
Tajdes  fi^ef^en  die  früheren  Forderungssätze  jährlich  erlassen  **), 
und  doch  hat  in  derselben  Zeit  ein  Ueberschuss  ***^)  der  Staatscin- 
nähme    über    die   Aufgabe    von  38,200,000  <5  St  =  267,400,000 
Thf.,    oder   im   jährlichen    Durchschnitt  von  3,183,333  %  St.= 
22,283,331  Thl.  stattgehabt 


*)  Vergl.  den  §.  11,  namenü.  S.  498-^503» 

**)  Nach  den  einzelnen  Jahren  sind  die  Summen  der  erlassenen 
und  neoauherleetrn  Taxen  im  Yearbook  f,  1834»  S.  149  ans  den 
P«rkmen(ä|>a^ieren  angeführt. 

'***)  Browning  a.  a.  O.  S.  523  welsl  sieXiir  di«  einBekien  Aihr«  nach. 


Das   Britische  Reich.  643 

Sprühen  wir  zaerst  ron  4en  Einnahmeo,  so  ist  ihre  Ge 
neralübersicht  *)»  ijid«m  wir  wie   oben  bei   den  Zöllen  mit  dem 
5.  Januar  d.  Jahr  anfangen  und  endigen,  folgende: 

1821     60,675,075  %  St  =  424,725,525  ThI. 


182^ 

60,102,741 

1 

=  420,719,187 

1823 

63,415,592 

— 

=:  443,909,144 

1824 

64,775,865 

— 

z=:  453,331,055 

J825 

62,871,300 

— 

=  440,099,100 

1Ö26 

60,282,374 

— 

=  421,976,618 

1827 

60,201,005 

— 

=  421,407,03& 

1828 

60,473,738 

— 

=  423,316,166 

1829 

55,934,963 

— 

=  371,544,711 

1830 

51,810,190 

— 

=  383,671.330 

1831 

50,990,315 

— 

=i  356,932,205 

1832 

51,686,822 

— 

=  361,807^,754 

Die  Land  and  a&8$S8ed  Tuxes^  welche  aU  directe  Steuern 
am  drückendsten  erschienen  und  namentlich  auch  der  wohlhabend- 
f  ten  Ciasse  der  Bewohner  am  lästigsten  waren,  daher  aber  auch  die 
meisten  Gegner  im  Parlamente  fanden,  wurden  zuerst  ermässigt 
und  theilweise  aufgehoben  (1820—23) ;  die  Lotterie  hörte  gleichfalls 
als  Staatseinnahme  auf,  es  machte  sich  dadurch  ein  beträchtlicher 
Fall  in  der  Einnahme  von  1820  auf  1821  bemerl^bar,  der  indess  auch 
in  anderen  Beschränkungen  noch  seine  Veranlassung  fand«  Seit  1824 
bemerken  wir  abermals  ein  ^rkes  Heruntergehen  durch  die  gleich- 
zeitige beträchtliche  Verminderung  der  Zölle,'  namentlich  auf  Wolle 
und  rohe  Seide,  aber  es  findet  auch  eine  noch  grössere  Ermässigung 
in  den  Landtaxen  statt  Im  Jahre  1825  Ermässigung  der  Zölle  von 
Hanfund  Wein,  sowie  der  Accise  auf  CaflTee  und  Wein.  Die  ferneren 
Ermässigungen  der  Zölle  und  Accise  gaben  aber  keine  gleiehzeitige 
Verminderung  der  Staatseinnahmen,  wieHuskisson  richtig  vorher- 
sagte, sondern  tie  belebten  den  Handel,  verschafften  einen  grös- 
seren Absatz  und  erhöhten  trotz  der  eriuftssigten  Tarife  die  Zoll- 
einnähme  fast  um  25  Procent,  wie  gleich  unten  die  Zahlen  es 
erweisen  werden.  Seit  1828  trat  besonders  eine  Ermässigung  der 
Accise  auf  alle  geistige  Getränke,  sowie  eine  völlige  Freigebung 
der  Einfuhr  mancher  rohew  Materialien  fQr  die  Fabriken  (s.  oberr 
S.  10  und  11)  ein.      Unter  der  gegenwärtigen  Regierung  wurde 

— ^— _  ^ 

*)  Browning  a.  a.  O.  S.  588  und  Pebrer  Tab.  XLII  zu  S.  159. 

41  • 


644  Das   Briti^^cbe   Reich. 

1831  jede  Belastung«  d<hr  Ledereinfuhr  abgeschafft  und  die  Malz- 
Steuer  seit  1833  noch  mehr  ermassigt,  doch  nicht  völlig  ahge- 
schafiTt,  irie  es  von  einer  grossen  Zahl  der  Mitglieder  des  Parla- 
ments dringend  gewUnscht  wurde*). 

Das  Gesammtresultat  stellt  sich  nun  in  den  beiden  zuletzt 
bekannt  gemachten  Abschlüssen  über  die  wirklich  eingegangenen 
Staatseinnahmen  vom  5.  Januar  18|J-  und  5.  Januar  I8|^  derge- 
stalt günstig,  dass  sie  abermals  um  5,000,000  %  St  geringer 
ausfallen»  und  dennoch  einen  Ueberschuss  über  die  Bestreitung 
der  StaaUbedürfnisse  gewahren,  nemlich  1833  =  1,51 3,084  U  St 
=  10,591,588  Thl.  und  1834  =  1,608,154  %  St  =  11,257,078  Thl. 
1833  46,271,326  %  St  =  323,899,282  Thl. 
1834*)    46,509,856      —     =325,568,992    — 

Mithin  ist  durchschnittlich  seit  1820  der  Britische  Staatshaus- 
halt um  100,000,000  Thl.  jährlich  erleichtert,  d.  h.  in  14  Jahren  fast 
um  25  Procent  oder  auf  den  vierten  Theil  seines  frühem  Betrag« 
herabgesetzt! 

Unter  den'  Einnahmen  lieferten  die  Accise  und  die  Zölle  zu- 
sammen genommen  wie  früher  mindestens  |,  und  stiegen  bis  J- des 
Gesammtbetrags,  zuerst  war  zwar  in  dieser  Zeit  die  Accise  um  das 
Doppelte  den  Zöllen  überlegen,  wurde  jedoch  darauf  durch  ihre  Ab- 
nahme und  das  Steigen  der  Zölle  einander  fast  ganz  gleich  gestellt. 


*)  Peel  sagte  in  seiner  starken  Rede  im  März  1835  ^egen  die 
Abschaffang  der  Malzsteuer  zu  ibier  Rechtfertigung ^  dass  sie  ge- 
genwärtig nur  57  Procent  von  ihrem  Werthe  betröge,  während  der 
Westindische  Caflfee  mit  ^3  Proc,  der  Portwein  und  Xeres  mit  75 
I^rocent,  der  Rum  mit  407  Proc.  und  alle  Englischen  Sfiiritnosen 
mit  mehr  als  333  Procent  von  ihrem  Werthe  versteuert  werden 
müssten,  und  die  ausländischen  Brantweine  sogar  das  Doppelte  die^ 
ser  Steuern  zu  zahlen  hatten. 

**)  Nach  einer  officieUen  Angabe  betrug  die  Einnahme  vom 
5.  Juli  1834  bis  6.  Juli  1835  =  44^913,018  %  St,  welches  um 
1»758>886  %  St  weniger,  als  das  unmittelbar  vorher  gegangene 
/Jahr  in  denselben  Terminen  betrug;  und  die  so  eben  bekannt  ge- 
machte Schluss-Uebersicht  vom  5.  Jan.  1836  gewährt  eine  Minderein« 
nähme  von  613,769  U  St  =  4>295,683  Thl.  gegen  das  unmittelbar 
vorher  gegangene  Jahr,  da  die  Accise  und  die  Landtaxen  einen  be- 
deutenden Ausfall,  wiewohl  die^öile,  Stempel-  und  Postgefalle  noch 
eine  Erhöbung  ihres  Betrags  zeigen. 


Das  Britische  BeicL  645 

a.  Die  Aecite.  S\%  h^tte  ibr  Maximqm  1821  31,8ia,08& 
<&  Sl  =  222,690,895  Thl.  (über  dieHiklfte  der  ganzeo  Britigct^eii 
Staatsein  nähme)  erreicht,  fiel  dann  nach  den  oben  angegebenen 
Gründen  1825  auf  26,089,408  %  St  =  182,625,856  Thl,  tank 
abermals  im  darauf  folgenden  Jahre  aus_ganz  gleicher  Veranlas- 
sung bis  auf  22,5^1,969  ft  St.  =  157,793,783  Thl.,  blieb  in  die- 
ser Stärke  bis  1830,  und  seh  wankte  1831 — 34  zwischen  18,000,000 
<S  St.  und  16,611,036  Q  St.  =  116,277,252  ThL  —  Zu  derselben 
gehört  gegenwärtig  auch  die  Malataxe,  mit  j^ des gesammten 
Betrags,  1831  =:  4,359,344  ft  St.,  1832  ='  4,359,332  %  St, 
1833  =  4,825,128  %  St,  1834  =  4,812,000  %  St  (also  jetat 
33,684,000  Thl). 

b.  Die  Zölle  erhoben  sich  von  14,789,705  %  St  = 
103,527,935  Thl.  im  Jahre  1821  bis  zu  ihrem  Maximum  im  Jahre 
1830  auf  21,084,524  U  St  (vergl.  oben  S.  479)  und  schwankten 
dann  zwischen  16,500,000  %  St  (Brutto-Einnahme)  und  18,329,332 
U  St  =  128,305,324  Thl.,  welche  Einnahme  sie  1833  wiederum 
erreicht  hatten. 

» 

3.  Die  Stempelgefälle  (Stamps)  erhalten  sich  am  gleieh- 
piässigsten  in  dieser  ganzen  Zeit  zwischen  7,000,000  %  St  und' 
7,800,000  %  St  (54,600,000  Thl.),  bilden  also  \  bis  f  des  Be- 
trags der  Einnahme,  gegenwärtig  fast  |,  sind  demnach  verhält- 
nissmässig  in  keinem  anderen  Staate  so  hoch  bei  der  Einnahme  be- 
theiligt Im  Jahre  1 830  betrugen  sie  7,248,084  %  St  =  50,736,588 
Thl.,  im  Jahre  1831  .7,138,639  %  St  =  49,070,473  Tbl.,  1832 
=  7,119,832  U  St  =  49,838,824  Thlr.,  etwa  zur  Hälfte  für 
Erbsehafts-Angelegenheiten,  Legitimationen,  Atteste,  gerichtliche 
Instrumente  und  dergleichen  Geschäfte,  zur  andern  flttlfte  für 
den  Handelsverkehr,  Wechsel,  Banknoten,  Asseeuranzseheine,. 
Zeitungen  und  Anzeigen  in  den  Öffentlichen  Blättern  (dies  aliein 
über  600,000  %  St  oder  4,200,000  Tbl.),  und  andere  der  Stem- 
pelung unterworfene  Gegenstände  *). 

4.  Die  A$ae$$ed  and  Landtaxe^  sind,,  wie  bereits  oben 


♦)  Vergt  Browning^  8.  633  Ui,  Pebrer,  Tab.  XLII,  z.  8*  158.  — 
Die  Stempelung  der  Gold-  pnd  Silber-Geräihe  brachte  ih  England 
und  Scbatüand  im  J.  18*25  100,000  tt  St  (700,000  Thl.)  ein. 


646  Das  Britische  Reich. 

auseloandergeaetzt  Ut,  beträfhtlicli  gefallen,  von  8,182,819%  St. 
=  57,270,733  ThL  im  Jahre  1821,  bis  5,301,27»  ft  St.  = 
37,108,953  Thl.  im  Jahre  1830.  Sie  blieben  jeUt  ziemlich  auf 
derselben  Höhe,  1831  =:  5^22,718  %  St.  =:  36,559,020' Thl., 
1832  =  5,333.686  ^  St  =  37,335,802  ThL  Dabei  nehmen  die 
Ländereten  mit  der  Grundsteuer,  die  Häuser  gleichfalTs  mit  der 
Grundsteuer  und  ausserdem  noch  die  Fenstersteuer,  jede  Auflage 
für  sich  fast  TÖllig  gleich  mit  ^  de«  ßetragt  Antheil,  die  Be- 
dienteosteuer  mit  ^y,  die  Pferdesteuer  mit  ^i^,  eben  so  stark 
die  Wagensteuer,  die  Huudesteuer  mit  ■^■^. 
Im  Jahre    1832   betrug  d.  Land.  (^rdst.  =:  1,184,340  %  St 

—  --        d.  Häus.-St  :=  1,390,985    — 

—  —        d.  FcnstcrSt  =  1,202,931    — 
^        —        d.  Bedienten-St          =     307,182    — 

—  —        d.  Pferde-St  =     419,786    — 

—  --        d.  Wagen-St  ==     408,415    — 

—  --        d.  Hunde-St.  =      177,966    — 

—  —        kleinere  Assesed-Tax.  IS     242,008    — 

Das  Postregftl^),  dessen  Brutto-Einkommen  **)  liier  aber 
berechnet  wird,  ist  der  Natur  der  Sache  nach  gleiohmttsfiiger  ge- 
blieben, es  steht  in  diesen  Jahren  swischen  2,000,000  und 
2,300,000  S  St,  bildet  also  ^\  der  Einnahme;  1830  =  2,212,206 
<tt  St  =  15,485,442  Thl.;  1831=  2,227,364  <&  St  =;  15,591,548 
Tbl.;  1832  =  2,175,291  tt  St  =  15,227,037  ThL  Die  Verwal- 
tungskosten betragen  30  Procent  gegenwiirtig. 

6  Die  Einnahmen  aus  den  Domainen  ader  Kroa- 


*)  Browning  und  Pebrer  i^  a.  O« 

**)  Bei  weitem  der  bedeutendste  Theil  kömmt  diesem  Eiunabroe-Tl« 
tel  aus  der  General-Expedition  von  London,  welche  schon  ]8'23  170 
Postkutschen,  4500  Pferde  und  300()  Personen  im  oberen  und  unleren 
pienstpersonale  beschäftigte,  darunter  320  Ofticianten  und  254  ßi ieftra* 
ger  zn  landen  für  die  ausserscädtischen  Postangelegenheiten  und  50 
Ofticianteu  und  250  Briefträger  für  die  Stadtpost,  welche,  allein  über 
(Two-Penny-Post)  100,000  ft  St  (700,000  ^Thl,)  jährlich  abwirft. 
Schottland  nimmt  an  dem  Posteinkommen  nur  mit  t^,  und  Irland 
selbst  nur  mit  i^  Antheil. 


Das  Britische  Reich'. 


647 


l&Bdereioin*)  (Cröwn-Landi)  sind  verkftknittm&Mig  g^f;tn  ilas 
ganze  Budget  anBBerordeotlich  zuBanimeDg^telutiolseii,  sie  1>ililen 
kaum     \j  des  Budgets, 

1830   =  363,742  %  St  =  2,546,194  Tbl. 

I83i    =  373,771       —    ==  2,616,397    — . 

1832  =t  359,52&      —    :=  2,516,675    — 

7.  Kleinere  unbettiiumte  Einnahmen**)  aind  in  den 
Bericliten  der  wirklieh  erfolgten  Eionahme  natflrlieh  sehr  ver- 
schieden nach  ihrem  Betrage  angegeben;  aber  doch  höchst  sel- 
ten über  ^^^  der  Gesammteinnahme,  nicht  selten  unter  j}^$ 
1830  =  370,805  ft  St;  1831  =;  347,214  %  St;  1832  = 
242,081  tt  St  (1,694,567  Tbl). 


Die^esammten  Staatsauffgaben-  haben  In  der  voraus- 
gesandten  Erläuterung  über  die  Staatsschuld  und  die  Staatsein- 
nahmen  genügenden  Aufschluss  für  ihr  siemlich  gleicbiiiässiges 
Verharren  zwischen  59,000,000  und  57,000,000  9  St  bis  zum 
Jahre'  1828  erlangt,  worauf  sie  rascher  susammensinken  bis 
50,000,000  %  St  im  Jahre  1832,  in  den  darauf  folgenden  beiilea 
Jahren  jedoch  abermals  eine  glückliche  ErmUsigung  von  5,000,00(1 
U  St  erfahren. 


1821 

67,783,727  \ 

SSi 

r=  404,486,089 

1822 

55,187,222 

— 

=  386,310,554 

1823 

50,704,607 

—  ' 

=  396,932,249 

1824 

58,188,062 

— 

=  407,316,434 

1826 

57,217,459 

— 

=:  400,522,213 

4826 

59,272,026 

— 

=  414,910,475 

1827 

59,068,778 

— 

=:  413,4^81,446 

1828 

54,623,565 

— 

=  382,364,955 

1829 

54,223,414 

— 

=  379,563,898 

/830 

52,018,217 

= 

2=  364,127,519 

1831 

52,575,308 

— 

=  368,027,156 

1832 

5<X385,1I8 

— 

=  352,695.826 

1833 

44,758,242 

— 

=  313,307,604 

1834 

44»901,700 

""^ 

—  314,313,900 

•)  Browning  S.  633,  Pebrer  B.  159. 
♦♦)  Pebrer  Tab.  XLH.  a.  S.  isa  — 


648 


Das  Britische  Bezieh. 


Es  kl  also  in  4teiom  Zeitraam  von  14  Jahren  fiberkanpt 
eine  Abnahme  van  100,000,000  ThL  in  den  Staats  ausgaben  su 
bemerken,  wiewohl  dennoch  die  beiden  letzten  Jahre^  augleich 
die  Minima  d^  gesammten  Reihe,  mehr  als  das  Sechsfache 
der  Ausgaben  des Preusfisehen Staatea ^nd  um'  fiinf  und  zwan- 
slg  Proeent  die  des  um  aeht  Millionen  Seelen  stärker  bevölker- 
ten FransÖaischen  Staates  nach  dem  Friedensetat  überschreiten! 
.  Um  die  höchst  interessante  DUferens  swisehen  den  Anaga- 
ben för  die  Staatssobuldenverwaltung  und  den  fibrigen  Zweigen 
der  Verwaltung,  sowie  den  gesammten  Staatsausgaben  luerst  ken- 
nen zu  lernen  t  beginnen  wir  mit  jenen  bei  der  Aufz&hluog  der 
einzelnen  Hauptitel  dieser  Staatsausgaben. 

'  a.  Zur  Verzinsung  der  Staatsschnlde«  nnd  Schatz« 
kammerscheine,  sowie  zur  Einlösung  beider.  Wir  ha- 
ben hier  nach  den  obigen  Angaben  über  die  Reducirung  der 
Staatsschuld  keine  Erl&uterung  weiter  hinzuzufügen,  aber  die  Zu- 
sammeasteilung  dieaer  Hauptausgabe  mit  dem  Reste  des  Ausgaben- 
budgets  für  die  Übrige  Verwaltung  wird  dorch  sich  selbst  einen  voll- 
ständigen Conunentariiefem,  doch  bemerke  ich,  dass  unter  den  Aus- 
gabf n  für  den  Tilg^ngsfond  nur  die  früher  parlameatsmlUsig  be- 
stimmten, nicht  aber  die  ausserordentlichen  mit  eingerechnet  aind, 
also  seit  1820  gar  nichts  mehr  für  die  Tilgung,  da  nur  die  Ue- 
berschüsse  4azu  verwandt  sind,  die  ich  schon  oben  zur  Ueber- 
sicht  vorgelegt  habe. 


Staatsschulden« 
<a  St  Tbl. 

1821  36,928,018  =  259,496,126 

1822  30,921,494  ==  216,450,45S 

1823  29,215,906  =  204,511,342 

1824  29,066,352  =:  203,464,464 

1825  28,060,288  =:  196.422,016 

1826  28,076,958  =  196,53Si,706 

1827  28,239,847  ==  197,678,720 

1828  28,095,506  =  196,668,542 

1829  28,277,427  =:  197,941,989 
183a  27,663,305  =  193,643,135 

1831  27,847,447  =  194,932,129 

1832  27,629,188  =  193,404,316 

1833  27,742,73s  =  194,199,166 


Sehatzkammerseheine, 
<S  3t  ThL 

2,219,602  =  15,537,214 


gleich  unter  den  Staati- 
schulHen  einbegriffen. 


878,494=  6^149,458 

813,301  =  5,693,107 

655,330  =  4,587,310 

659,165  =  4,614,155 

779,769  =  5,458,383 


/ 


Das  Britische  Reich.  4M9 

SioMBtl.  ftbrige  Zweige  der 
Verwaltung, 
a  St  ThI. 

1821  18,636,107  =  130,452,749 

1822  24,265,728  ==  169,860^096' 

1823  27,488,701  =:  192,420,007 
18^4     28.121,710  =  196,851,9/0 

1825  29,157,171=204,100,197 

1826  91,195,967  =  218,371,769 

1827  39,828,931  =  215,802,517 
f       1828  26,128,059  =  182,896,413 

1829  25,067,803  =:  175,475,621 

1830  23,541,611  =  164,791,277 

1831  24,072,581  =  168,507,717 

1832  22,097,765  =  154,684,355 

1833  16,235,733  =:  113,650,131 

Die  Verwaltung  der  Staatsschulden  kostet  io  Besug  auf  das 
Personal  und  die  übrige  Geschäftsführung  gegenwärtig  jährlich 
275,000  <ä  St.  (1,925,000  Thl). 

b.  Die  CiTilliste  ist  b^eits  S.  555  und  56  erläutert  Die 
Appanagen  der  Prinaen  und  Prinsessihnen  von  Geblüt,  seit  183Q 
besonders  in  den  jährlichen^  Uebersichten  aufgeführt,  da  sie  fr4)- 
her  unter  der  mit  dem  Civil  -  Government  verbundenen  Civil- 
liste  mit  anfgesählt  wurden,  verlangten  mit  rJnschiuss  des  dem 
gegenwärtigen  König  Leopold  von  Belgien  bei  seiner  Vermäh- 
lung mit  der  Prinaessin  Charlotte  von  Wales  lugesicherten  Jahr-, 
geldes,  zwischen  439,299  %  St  (3,075,093  Tbl.)  im  Jahre  1821, 
370,000  %  St  in  den  Jahren  1823— 21^,  und  220,000  %  St 
(1,540,000  ThL)  im  Jahre  1832. 

c.  Die  Ausgaben  lür  beide  Häisei^des  Parlaments 
mit  Einscblusa  der  sehr  beträchtlichen  Druckkosten  für  die 
in  den  Versammlungen  derselben  nothwendig  gebrauchten  Acten- 
stücke,  Berichte,  u.  s.  w.,  welche  noch  gegenwärtig  unter  der 
Rubrik  des  Civil  -  Governments  vorkoinmen,  betragen  jährlich 
im  Durchschnitte  swischen  140^000  und  150,000  ft  St,  1831  = 
145,464  U  St  (1,018,248  ThL). 

d.  Das  Depsftement  der  saswärtigea   Angelegen- 


650  Das  Britlsclic    Reich. 

heiten  kostete  unter  der  Torhergehemlen  Rogierung  etwas  fih«r 
400^000  %  St.,  unter  der  gegenwärtigen  um  20  Proeent  weniger, 
1832  =  330,440  tl  St  (2,3(3,080  Thl.).  Davon  beliehen  die 
im  Dienste  stehenden  und  i»en&ionirten  €esaiidtta  197,490  %  St. 
(1,382,430  Thl.),  vergl.  oben  S.  585,  die  Consuin  und  alle  ande- 
ren Handelsagenten  03,223  %  St.  =  652,561  TbL,  dia  Miiuste- 
rial-Verwaltungi  selbst  39,727  U  St  278,089  Thl. 

t 

e.  Das  Departement  der  Rechtspflege,  soweit  es  die 
Besoldungen  der  Beamten  bei  den  Gerichtshöfen,  die  Erhaltung 
der  Gefängnisse  und  Zuchthäuser,  und  die  Ausgaben  bei  der  Depor- 
tation und  in  anderen  die  Staatsverwaltung  unmittelbar  betreffenden 

^  Besiehungen  anbelangt  Dieser  V^erwaltungsaweig  war  ünanciell 
früher  mehreren  Departements  beigeMrhrieben,  namentlich  der  der 
Innern  und  Colonial- Verwaltung.  Es  beträgt  seit  1830  gegen 
1,000,(X)0  Q  St  oder  ^^  der  gesammtcn  Staatsausgaben,  und  nä- 
hert sich  dadurch  dem  hiefür  stattfindenden  Verhältnisse  in  den 
übrigen  grösseren  Staaten.  Im  Tilire  1831  kostete  es  986,748 
ft  St  =  6,907,236  Tbl.,  1832  989,476  %  St.  z=:  6,926.332   ThL 

f.  Das  Departement  der   Finanzverwaltung  {Revenue 
.Charge«   6f  Colleciion)f   bestreitet   die  Besoldungen  der  bei  der 

Aufbringung  der  Stjiatsauflagen  nothwendigcn  Beamten  sowie  alte 
übrigeji  Ausgaben,  die  die  Verwaltung  selbst  mit  sich  führt,  Jedoch 
mit  Ausschluss  der  Verwaltung  der  Nationaischuld,  von  der  be- 
reits oben  gehandelt  ist  Es  liegt  klar  am  Tage,  dass  der  Ltat 
dieses  Departements  einen  geringeren  Kostenaufwand  verursa- 
chen mos«,  sobald  sein  Object,  nehrolich  die  gesamroten  Staats- 
einnahmen, kleiner  werden.  Er  ist  daher  in  den  letzten  zehn 
Jahren  sehr  stark  gefallen,  er  betrug  1822  noch  5,688,091  il  St., 
sank  aber  bereits  bis  auf  3,118,103  <jl  St  im  Jalire  1829,  und 
blieb  in  den  nächsten  Jahren  mit  sehr  geringen  Schwankungen 
um  3,000,000  %  St,  also  zwischen  ^^^  und  ^'^^  sämmrlicher 
Staatsausgaben,  stehen.  Er  betrug  1831  2,955,846  <g  St  = 
20,690,922  Thl.  und  1832  2,986,519  ?l  St  ==  20,905,633  Thl., 
wovon  die  Zölle  ^\  (1,175,352  %  St),  die  Accixe  ^  (992,762 
%  St),  die  Lnndtaxcn  ^  (281,301  %  St),  die  Stempel  ^^^(182,358 
fl  St),  und  die  übrigen  Einnahmen  und  die  General- Verwaltung 
wieder  gegen  ^'^  kosten. 

g.  Die  innere  Verwaltung,  unter  welcher  ich  hier  finan 


Das  Britiicbe  Reiclii  661 

defl  aHe  Zweige  de«  Civil  -  GovenniieiiCt  cntanmiefifatgey  die 
ich  nich^  oben  schon  betondert'  angegeben  habe,  das  Staatssecre« 
tarlat  und  die  Inneren  Angelegenheiten»  die  Centralverwaltung 
der  Grafschaften  und  namentlich  die  des  Lord  •  Statthalters  des 
Königreichs  Irland  (noch  gegenwärtig  mit  37,435  ft  8t  =  262,045 
Thl.y  ror  1830  doppelt  so  hoch),  die  Pensionen  der  in  diesem  Verwal- 
tungssweige  angestellt  gewesenen  Beamten,  die  Prämien  (l/oimft>s) 
für  Fischereien  und  verschiedene  Zweige  der  landwirthschaftl»- 
cfaen  Cuttur,  sowie  der  Manufacturen,  Unterstützungen  der  Aas* 
gewanderten  (Polen,  Spanier  u.  s.  w.),  endlich  ail»  Staatsbauten 
und  im  tarnen  des  Staats  ausgeführte  Unternehmungen  {PubUc 
vork^),  unter  welchen  auch  die  Quarantaine  *  Anstalten  und  die 
königlichen  Waarenhftuser  mitbegriffen  sind.  Die  Ausgaben  da* 
für  bilden  ungefähr  den  vier  und  xwanzigsten  bis  swansigsten 
Theil  der  sämmtlichen  Staatsansgaben,  1829  =  2,391,000  ^  Str 
1830=1,903,000  %  St,  183lr=2,21l,000  <t|.  St,  endlich  1832, 
1,688,539  u  St  Da  man  aber  bei  so  grosser  Verschiedenheit  der 
Jährlichen  Ausgaben,  wie  die  Natur  der  dieser  Verwaltung  über- 
wiesenen Gegenstände  erfordert,  besser  das  Durehsehnittsverhält- 
niss  zur  Uebersicht  aufstellt,  so  nehmen  wir  den  Oesamrotbetrag 
dieser  Jahre  mit 

18J}  8,193,539    ft  St  =  67,354,773      — 
oderjährlich  2,048,384}    —      :^  14,338,693^  Tbl 

h.  Die  Postverwaltung,  von  der  schon  oben  bei  der 
Einnahme  gehandelt  ist,  betrug  1829  690,802  %  8t,  1830  = 
718,359  %  St,  1831  =  673,317  %  St,  1832  =  707,288  %  St, 
also  im  Gesammtbetrage  für 

18||  2,795,766     tt  St  =    19,570,362  Tbl. 
und  Jährlich  im  Durchschnitt    698,94/^      ^    =:     4,892,590«^  — 

i.  Die  Land-Kriegsmacht  —  a.  Das  Heer  ohne  die 
Artillerie,  von  dessen  eigenthümlichen^  Verhältnissen,  die  auch 
auf  die  iinancielle  Verwaltung  desselben  namhaft  einwirken,  der 
folgende  §.  zu  handeln  hat,  verblieb  unter  der  Regierung  Georgs  IV* 
ziemlich  auf  demselben  Standpunkte,  mit  einer  jährlicheu  Auf- 
forderung an  den  Staat  zwischen  7,500,000  ft  St  und  8,0(K),0(K> 
%  St:  so  kostete  es  1829,  7,769,179  ft  St  =:  54,384,253  Tbl. 
und  1830  =  7,432,295  <&  St  =  52,026,065  Thl.  Die  gespannten 
politischen  Verhältnisse  des  Jahres  1^31  Verstatteten  keine  neuen 
ReducUonen,  sie  erforderteu  vielmehr  eine   kleine   Verstärkung, 


• 


6S%  Das  Briilache    Bei«lL 

dalfer  der   BLeereseCaC    dkaet  Jahres    =    7,732,068    S   St    = 
54»  130,776  Thl  Aber   ickon  im  Jahre    1832   traten   wieder    be- 
trächtliche Ersparniase  ein,  iie  erlaubten  den  Eta^  auf  7,137,482 
fl  St  =  49,062,374  Thl.  und  1833' sogar  auf  6,590,061  <4  ^t.  = 
46, 130,427, Thl.  herabzusetzen.  Es  bleibt  hier  noch  zu  bemerken, 
dass  in  den  £tats  der  effective  und  der   nicht  effective   oder  auf 
balbem  Solde  befindliche  Stand   der   Heeresmacht   unterschiedeo. 
wird,  und  dass  jener,  |.  und   dieser  |.  des  gesammten  Betrags  er- 
fordern,   ß.  Die  Artillerie  und  das  Gesohützwesen  (th^^ 
OrdnanceJ  führt  seit  alter  Zeit  seinen  eignen  Etat,  und  hat  in 
demselben  Verkiltnisse  wie  das  J^andheer  gestanden;   sie  erfor- 
derte xiemlioh  geijaii  den  fünften  Theil   des  Heeresetats,   in  den 
Jahren  1822^30  zwischen  1,600,000  und  1,800,000  ^  St,    nem- 
lich  1829  =  1,728,908  %  St,  1830  =:  1,689,444  &  St,  und  dfi- 
rauf  sank  durch  rielfache  Ersparnisse  ungeachtet  der  Verstärkung 
der  Mannsohaften  dieser  Etat  unter  den  oben  angegebenen  Betrag, 
1831  auf  1,418,817  'S  St  =  9,931,719  Thl.,  1832  au(  1,424,688 
<a  St  =:  9,972,816  Thl.,  1833  auf  1,384,806  U  St  =  9,693,642 
Tili  und  1834  auf  1,301,699  9  St  =  9,112,893  TJiL    Es  ündet 
auch  hier  ein  gleiches  VerhiÜtniss  zwischen  dem  effecti?en  und  nicht 
effectiven  Zustande,  jedoch  mit  dem  Unterschiede  statt,  dass  jener 
*J^  und  dieser  nur  j.   der  gesammten   Ausgaben    dieses   Zweiges 
erfordert     Fassen  wir  beide  Abtheilungen  zusammen,  um  diesen 
Militairetat  mit  den  anderen  Staaten  zu  vergleichen,    so   müssen 
wir  für  die    letzten   fünfzehn  Jahre   durchschnittlich    mindestens 
QfOOO.OOO  %  St  oder  63,000,000  Thir.  jährlich  annehmen.     Das 
ist  also  der  dreifache  Betrag  der  Kosten  für  die  Heeresmacht 
des  Preussischen  Staates,  bei  einer   um   25   Procent   geringeren 
EntwickeluDg  der  Streitkräfte,   und   auch    beträchtlich  mehr,  als 
der  Friedensetat   des  Französischen  Heeres    bei   einer   um  mehr 
als   50  Procent   schwachem  Heeresmacht     Für   das  Verhältniss 
zum   ganzen  Staatshaushalt  Ton  Grossbritannien  selbst  erfordern 
die  Etats   der  Jmit/  und  Ordnance  gegenwärtig  etwas  mehr  als 
den  sechsten  Theil  der  gesammten  Ausgaben  des  Staats. 

k.  Die  Flotte,  als  Hauptmacht  in  der  Vertretung  und  Ver- 
theidigung  des  politischen 'ftiteresses  für  Grossbritannien  stets  zu 
betrachten,  theilt  deshalb  gewöhblich    auch  die  gleichen  Verhält- 
nisse mit  der  Landkriegsmacht      Wir  finden   sie  unter  der  Re-^ 
gierung  Georgs  IV.  mit    einem    Etat  zwischen   5   und  6,000,000 


Da«   Britische    Reich.  653 

<3  Sty  oder  dem  sehnten'  Theile  der  damaligen  2^taatsaa8gn1ien 
unterhalten.  Daa  Verhältniss  des  effectiven  und  nicht  effectiven 
Bestaniis  der  Mannschaften,  Oflleiere  und  übrigi^n  Beamten  be- 
steht auch  hier,  jedoch  abermals  mit  ein«sr  financiellen  Verschie- 
denheit, so  dass  jener  s  und  dieser  |.  in  Friedensxeiten  für  sich 
in  Anspruch  nimmt;  der  gesammteCtat  betrug  1829  2=5,878,705 
%St,  1 830  =  5,594,955  U  St.  =39,1 64,685  Thl.  Unter  der  gegen- 
wärtigen  Regierung  blieb  er,  wie  bei  der  Heeresmacht,  nur  im  J»  1831 
auf  tlerselben  Höhe^  und  wurde  dann  auf  «  des  früheren  Etats 
ermässigt:  1831  auf  5,870,551  %  St.  =  41,293,857  ThI.;  1832 
auf  4,878,635  ft  St  =  34,140.445  ThL;  1833  auf  4,360,235 
ft  St.  =  30,521,645  Thl.;  und  endich  1831  auf  4,658,134  ft  St. 
=  32,606,938  Thl.  Der  Etat  bleibt  demnach  immer  nocl^  ein 
Zehntheil  del\  gesammten  Staatsausgaben,  wodurch  Heer,  Artil- 
lerie und  Flotte  zusammen  im  Frieden&etate  gegenwärtig  doch 
fast  auf  ^  aller  Staatsausgaben  i^omtnen,  oder  wenigstens  iwir 
sehen  ^  und    i  sich  bewegen  *)• 

1.  Vermischte  und  ausserordentli/;he  Ausgaben, 
welche  meistentheils  auf  besondere  Bestimmungen  des  Parlaments 
angewiesen  werden,  Fär  diese  kann  nach  ihrem  besonderen 
Charakter  keine  Norm  angegeben  und  nur  bemerkt  werden,  dass 
sie  ungefähr  ein  Dreissigtheil  der  jährliehen  Ausgaben  bilden. 
Sie  haben  in  den  letzten  18  Jahren  nicht  die  Summe  von 
2,900,000  %  St.  überstiegen  (Maximum  1827  2,863,24r  <ä  St 
=  20,042,729  Tbl.),  und  sind  nicht  unter  1,000,Q00  ft  St  ge- 
sunken  (Minimum  1832  lft7Jb,77Z  %  St  =  7,537,404  Thl.). 


*)  Die  einzelnen  Angaben  sind  aus  d^  oHiciell  bekannt  ge- 
machten Uebersichten  der  wirklichen,  nicht  bodgetsroSssigen 
Einnahmen  und  Ausgaben,  vorzugsweise  aus  den  Tabellen  bei 
Pebrer  (ind  Browning  entlehnt y  die  spaterei)  Angaben  über  die 
Jahre  1833»  1834  und  1835  aus  den  Parlamentsdebatten  und  aus 
den  Finance-Acconntsi. 


1 


6S4  Das  Britische  Reich. 


§.Ä 


Die  Verwaltung  für  liandheer  und  Seemacht. 

Ch.  Dupin^  Force  mtlitatre  de  ta  grande  Bretagne ^  Pa- 
ris 820  2  vol.  4to.;  deis.  Verf.  Force  navale  de  la  gr,  Bret^ 
Par.  821  2  voL  4tov  <—  £•  P.  Brenton^  navßl  htstory  of 
Great'Britatttf  London  823  2  vol.  8vo.y  enthält  eine  historicche 
Entwickelung  des  Britischen  Seewesens  Ton  den  Jahren  1783 
bis  1822  —  Will,  Jame»,  naval  history  of  Great-Brüain 
front  the  declaration  of  war  hy  France  in  1793  to  the  accesMÜm 
of  George  /K,  London  820 — 24  5  vol.  8vo.  und  2  voL  4to. 
Tabellen  und  Kupfer  enthaltend.  Dieses  Werk  ist  nach  den  besten 
Quellen  sehr  ausführlich  und  um^ichtsvoll  gearbeitet  —  V^ols, 
militärische  Reisen,  Bd.  I.  Stuttgart  1826  8vo.  enth.  England, 
die  Britische  Heeresmacht*).  — 

Die  Geschichte  der  stehenden  Britischen  Kriegsmacht  ist 
sehr  jungen  Ursprunges,  da  bei  dem  glücklichen  Schutxe  der  In« 
seliage  dieses  Staates  und  bei  der  Schwächung  der  Schottischen 
Macht,  selbst  von  den  ersten  beiden  Königen  des  Hauses  Tudor  nur 
wenige  Tausend  Mann  bleibend  unter  den  Waffen  gehalten  wur- 
den. Die  Königin  Elisabeth  erhöhte  anfänglich  nur  sor  Zeit 
4edr  Gefahr  die  Kriegsmacht,  doch  die  Absendung  von  Engli- 
schen Hülfstruppen  nach  den  Niederlanden,  die  Ueberwäldgung 
des  Aufstandes  in  Irland,  die  Noth wendigkeit  Truppen  auf  dieser 
Insel  zurückzulassen,  vermehrten  die  Englischen  Streitkräfte, 
und  gewöhnten  das  Englische  Volk  an  die  Darreichung  der 
Hülfsmittel  -  für  eine  stehende  Kriegsmacht  Ihre  Verstärkung 
nach  der  Vereinigung  Schottlands  mit  England  lag  ganz  in  den 
Principien  dtf  Verwaltung  der  beiden  ersten  Könige  aus  dem 


*)  Der  Verfasser  giebt  aas  eigener  Anschauung  manche  fnter- 
eesante  Notizen  über  die  Britische  Hetfesmacht,  besonders  über 
die  ArüUerie. 


Das  Britische  Reieb.  665 

Haufld  Stuart,  Jacobs  I.  und  Carls  I.;  aber  bei  dem  Ausbmcltf 
de«  Bürgerkriegs  hatte  das  stehende  Ileer  dem  Englisehen  Volke 
sich  lange  als  eine  gefürchtete  Kraft  xur  Beschütznng  der  will^ 
köhrlichen  Maassregeln  der  Regierangsgewalt  sich  gezeigt  Da* 
her  musste  das  Kritische  Heer  bei  der  Restauration  der  Stuarts 
nafh  einem  Beschlüsse  des  Parlaments  1661  gaiis  entlassen  wer- 
den» indem  man  dem  Könige  nur  die  Errichtung  zweier  Regi- 
menter Leibwache,  eins  su  Fuss,  eins  «u  Pferde  verstattete. 

Indess  der  Krieg  gegen  die  Republik  Holland  erforderte  wie- 
derum die  Aufstellung  einer  beträchtlicheren  Heeresmaeht,  deren 
Auflösung  Carl  11.  nach  dem  Friedensschlüsse  so  lange  als  mög- 
lich SU  verschieben  trachtete.  Da  erklärte  sich  das  Parlament 
1667  ernst  nicht  nur  gegen  das  fernere  Beibehalten  dieser  ste- 
henden Heeresniacht,  sondern  auch  selbst  gegen  die  früher  be» 
willigte^  xwei  Regimenter  Garde,  weil  füi*  die  königliehe  Gewalt 
stets  bereit  stehende  Truppen  nur  in  despotischen  Staaten  gewöhn - 
lieh  waren  und  geduldet  werden  können.  Doch  wurde  das  Heer  nur 
vermindert,  nicht  gänzlich  entlassen,  so  dnss  fortwährende  Beschwer- 
den darüber  auch  unter  der  folgenden  Regierung  die  Misshelligkei« 
ten  zwischen  dem  Könige  und  den  ttciden  HHUsem  des  Parlaments 
vermehrten,  und  endlich  jloch  Jacob  iL  nötliigten,  fast  unmittelbar 
vor  seiner  Flucht  aus  England  sein  Heer  auseinander  gehen  su  las- 
sen. Unter  Wilhelm  III.  machten  die  Vertheii^igung  des  Engli- 
schen Staates  gegen. die  Ansprüche  des  entthronten  Zweiges  der 
Stuarts,  der  Bürgerkrieg  in  Irland,  der  fortdauernde  Krieg  ge- 
gen Frankreich  eine  stehende  Heeresmacht  no$hwendig.  Dessen 
ungeachtet  wusste  es  das  Englische  Parlament  nach  dem  Frieden 
von  Rjswick  1008  mit  Heftigkeit  durchzusetsen,  dass  das,  ste- 
hende Heer  in  Grossbritannien  bis  auf  7000  Mann,  und  ausser* 
dem  in  Irland,  wo  theils  die  Catholiken  zu  zügeln  blieben,  theils 
unter  den  damaligen  politischen  Umständen  eine  I«andung  der 
Stirarts,  wegen  der  Nähe  der  Französischen  Küste  stets  ZU  be- 
fürchten stand,*  bis  auf  12,000  Mann  vermindert   werden   musste. 

Während  dos  Spanischen  Erbfolgekriegs  wurden  auch  in  Eu« 
ropa  Erobeningen  {Gibraltar,  Minorcas.  S.  300)  gemacht,  deren  Be- 
satzung auch  für  den  Friedenszustand  ein  stärkeres  Heer  nethwen« 
dig  verlangte,  während  die.Colonien  ausserhalb  Europa's  sich  gleich- 
falls fast  mit  jedem  Jahre  mehrten.      Daher  gestand   das  Paria* 


6S6  Das.Britrscho  R.eich. 

/ 

ment  1717  %%  4bb8  f&r  Grotsbritan^n  satammen  mit  £tnaebffiist 
<ler  Gar^t  (troop$  of  the  houshold)  16,347  Mapii,  flir  Irland  bckon- 
deri  12,000  Maun  uod  ITir  die  Besatzungen  voa  Gibraltu*,  Niiiora 
und  den  Coionien  gleichfail«  12,000  Mann,  also  iberhaupt  ein 
Heer  von  40,347  Mann  unterhalten  werden  gollte.  Unter  d«r  Re- 
gierung des  sweiten-  Königs  aus  dem  Hause  Hannover  wurde  die 
Vermehrung  der  Heeresmacht  für  Gtossbritannien  auf  18,8&7 
Mann  zugestanden,  worunter  die  Garden  allein  7363  Mann  ans- 
machten.  Dabei  blieb  es  für  den  gewöhnlichen  Friedensetat  bis 
zum  Ausbruehe  des  Französischen  Rerolutionskrieges,  und  Bor 
für  Kriegszeiten  wurde  durch  rasohe  Werbung^  das  Heer  auf 
die  doppelte  und  dreifache  2Iahl  der  gewöhnlichen  \'«rs^kt,  wie 
denn  während  des  siebenjährigen  Land*  und  Seekrieges  stets 
über  100,000  Mann  unter  den  Waffen  gehalten  wurden.  Die 
schnelle  Ergänzung  des  Heeres  konnte  am  so  rascher  geschehen, 
da  in  dem  grossen  Zeughauso  in  Tower  stets  für  00,000  Mann 
Waffen  aller  Art  in  Bereitschaft  gehaiteii  werden  mussteB» 

Doch  schien  gerade  während  dieses  langen  Kampfes  ans 
den  früheren  Erfahrungen  im  Oestreichis^hen  Erbfolgekriege, 
wo  gefährliche  Bewegungen  in  Schottland  und  Irland  rasch  zn 
einem  Bürgerkriege  Übergegangen  waien,  für  die  Erhaltung  der 
inneren  Ruhe  und  für  ilen  ersten  Anlauf  gegen  einen  bindenden 
Feind  eine  nene  Vertheidigungskraft  durchaus  nothwendig  zu 
sein«  Die  gewöhnliche  Landmiliz  *-  Yeomanry  — -,  welche  zu 
Fuss  und  zu  Pferde  schon  am  Anfange  des  achtzehnten  Jahr- 
hunderts  gegen  200,000  Mann  aufzustellen  vermochte,  reichta 
hiefür  nicht  aus,  da  nur  wenig  in  den  Waffen  geübte  Mann- 
Schäften  sich  in  ihr  befanden,  diese  aber  meisten theils  ausgediente 
Soldaten  nach  4en  damaligen  Verhältnissen  der  militärischen  Dienst- 
pflicht, dann  gewöhnlich  nur  als  kraftlose  Invaliden  au  betrachten 
waren.  Es  blieben  also  die  Train-Bands  sehr  unsichere  Stützen  für 
den  Schutz  der  kleineren  Städte  und  des  platten  Landes.  Daher 
wurde  während  des  siebenjährigen  Land-  und  Seekriegs  1757 
durch  Parlamentsbesehluss  ausschliesslich  zur  Vertheidigung  des 
Landes,  oder  bestimmter  aasgedrückt,  zur  Deckung  der  Küsten, 
eine  neue  Land-Miliz  ( Standing- Müitia)  errichtet,  die  bis  sa 
einer  Stärke  von  35,000  Mann  gebracht  wurde.  Jeder  Einwoh- 
ner zwischen  20  und  50  Jahren,  der  nieht  drei  Kinder  bat, 
nicht  Geistlieher  ist  und  eben  so  wenig  nun  Stande  derNobilitj 


Dos  Britische   Reich.  857 

geliM;  ht  f«f|ftfliditct  finf  Jafire  in  illeter  M ilm  su  dienen, 
<Nl€r  eine«  anderai  dieottf&higen  Mann  statt  seiner  tn  stellen. 
Jede  Grafsekaft  nnsa  eine  ihrer  BeröHn^ning  angemessene  Mann- 
sdiaft  aar  Milis  stellen»  deren  Oflieiere  ans  der  Reiliif  der  be- 
güterten Rinvoliner,  indem  sie  ein  fBr  die  Erkaltung  der  Aelb 
t«ng  dieser  Stellen  geiieniendes  Vermögen  besitzen  müssen,  von 
dem  Kdnige  sfrlbst,  eder  in  dessen  Auftrsge  Ton  den  Lord-Liei^ 
tenants  der  Grafsekafiren  ernannt  werden.  Inswiselien  liat  die 
Milis  in  Gfossbritannien  nie  Vertrauen  oder  irgend  ein  Ansehen 
•rreieht»  nnd  ist  häufig  snm  Spott  ihrer  eigenen  Landsleute  ge* 
worden,  wiewohl  sie  in  der  That  selbst  aneh  in  der  neuesten  Zeit 
nur  sehr  selten  und  dann  immer  rereinaeh  cur  Anwendung  gekom- 
men ist  Die  Milis  kostete  in  den  13  Jahren  18lf— 29  su* 
aammen  5,839,000  U  St  =40,873,000  ThL,  also  jahrileh  über 
450,000  ft  St  oder  3,150,000  Tbl.,  oder  etwa  soriel  als  sehn 
Englisehe  Linien  •  Regimenter,  leistete  aber  nieht  die  Hälfte 
der  Dienste  dieser  Truppen«  Die  Yeomaniy  kostete  in  derselben 
Zeit  (1817—29)  2,300,000  <&  St  ==  16,142,000  Thlr.,  oder  Jähr- 
lich 170,000  %  St  =  1,050,000  ThL,  und  diente  Torsugsweiso 
sur  Unterstütiung  der  Friedensrichter  und  der  Constabies.  — 

Während  des  Rerolutionskrieges  rechte  die  Englische  Re- 
gierung sum  Kampfe  auf  -dem  Continente  gegen  l^ankreich 
nieht  nur  Snbsidien,  und  nahm  grosse  fremde  Heeresmassen*) 
in  seinen  Sol^,  sondern,  sie  musste  auch  ihr  eigenes  Heer  be- 
deutend rerstärken,  wosu  namentlich  der  häußge  Aufruhrsu- 
■tand  Irlands  und  die  neu  angedrohten  Landungsversuche  der  Fran- 


*)  Fremde  Truppen  darf  iRawischea  der  König  von  Grossbri* 
tanuien  nur  während  eines  Kriegs,  und  swar  we^en  der  Subsidlea 
auf  eine  vom  Parlamente  bestimmte  Zeit,  gegen  Verabreichung  des 
Soldes,  Erhaltung  der  Kleidang  und  Armaturstücke  in  völligen  Dienrt 
nehmen.  So  geschah  es  18L3  mi^  36)05*2  Mann  Infanterie  und  b,Wf- 
M.  Cavall^ie,  wofür  vom  Parlamente  Jährlich  959,953  ft  St  :;=s 
6,719,664  Ttv  bewilligt  wurdea.  Da  aber  der  fremde  Soldat  siels 
mehr  kostet  als  der  eigene,  wie  damals  für  den  Kopf  2(  U  St. 
(173  Th.)  jährlich  mehr  gezahlt  wnrde,  so  geschah  eine  so  starke  Auf- 
nahme fremder  Truppen  ins  Englische  Heer  nur  au4  Mangel  an 
Freiwilligen,  die  dazu  in  England  hätten  geworben  werden  können. 
Scliabert'f  8tatJttik.lI.  42. 


^C|l)fri]fi^    ^  ^^^  AnMer  7JBiqtci(Mti«ch«ii  EcdflieileB»   tinielne 
^xpf4i4P994,it«<^  (1^  ^ifdefUiHl«^.  11^4  N9li44eMtiM}blaiid,  nach 
ver8fül^ie4t9mi  ^iV'iki;^  J^iw^   ^a4.  (ler>  liu^la   dar  MittdUUi<U- 
ichfii,^e«i^y,(||if^.thibCig^  Tlieil^Ahme  an  (lern 'Kampfe  auf  der 
F/reQäi^cff^  .J^lbipsdl   «eii,.  1807«  .ip.  Franigreich    und  Belgieo 
seUil81,4|  „^a^wcch.   wiiiphs    dai  Heor   v«ii   44,700  L    im  Jabre 
]792  in  if^  Pr^teii  zeh^  ,JfalM*«9^  auf  siehe  aU  da«  Doppelte,  seit 
1805  auf.,;2pO,qOO*M^.n^  |ind„ ei;reicbte  im  Jabi^  1814. das  Maxi- 
mum,  i^emjliffi  ,,11^^.3^6.9},.,  in  Grofsbcitaiipjm»    Irland    und  sur 
£rg'ä^;(ui^^,/li^   g^sanu^t^.  ^^lis^hen  Uceres,    207,864  M.    im 
Kampfe  jn,.  Europa   u^^viii^.r^i^Q  »^^^''''^u^^^P^is^l^^'^'^^^onieii, 
Qud  ,21,590  M.  i/)  Ostjndi^.*),.  die   zjvar  \oii  der  Englisch-Ost- 
indificj^efi-Compagpie   iMfioldft^;  aber   von  der.  CDglitchen  Regie- 
ruog    iBur   WabrnebmuD^,  deat  allgemeinen    Britischen    National- 
Intercssi^s    dorthin   gesandt   ipr^rdcn.       Es   betrug   also    die    Ge- 
sammtstarke    des    damaligen    Heeres  .454,720   M.  —  Nach    dem 
zweiten  Pariser  Frieden   gedachte   die  Majorität   des  Farlamenta 
die   Britische  Heeresmacht   im  Friedenszustand    wieiler   auf   den 
Fuss  voijp  dem  Jahre  1702  zu  setzen.      Alleii^  die  seit  dieKer  Zeit 
so  beträchtlich  vermehrte  Bev5lkerung  GrosRbritanniens,  der  auf- 
geregte  Zustand  Irlands,   die   häuligon  aufrührerischea  Bewegun- 
gen   in    den  Fabrik-D istricten,   vornehmlich    aber   die  jetzt  ganx 
veränderte  politische  Stellung  dieses  Staates  sowohl  in  den  Eu- 
ropäischen Verhältnissen y  als  auch  in  seinen  Colonien,  bestimm- 


*)  Ausser  diesen  Bricischen  National-Troppen  hält  die  Compaq- 
nie  ein  besonderem  Heer  von  180,000  bis  200,000  M.  eingeborne 
Truppei^  die  ganz  aut  Europäische  Weise  orgaoisirt  werdeiiy  deren 
ganze  innere  Einptclitung  aber,  sowie  die  Ansetzung  ihrer  oberen 
Befehlshaber  und  Officiere  allein  von  der  Oompsgnie  a^^hängen. 
Es  waren  I8l4  ==  191,046  M.  und  18*22  =  194,255  M.  eingeborne 
Truppen,  welche  102  Hegimenter  Infanterie  (173,355  M.),  ti  Regi- 
menter leichte  Cavallerie  (8,83*2  M.),  9  Brigaden  reitende,  15  Brigaden 
Fass  und  3  Corps  fahrende  Artillerie  (12,068  M.)-  bildeten.  Vergl. 
dar&ber  nähere  Nachrichten  nach  dem  Asiat.  Journ.  J^irg.  1823  und 
S4  und  Ferussac  Bulletin  Univers.  18^  io  C.  v.  Decker,  Ciriary 
und  Blesson^s  Zeitschrilt  für  Kunst>  Wissenschaft  und  Geschichte 
des  Krieges,  Bd.  IL,  S.  75*-81. 


Dai  >Sri#f  tchtf  ReielK  «89 

ton«  fiotbwciHIl^*  iKe  B«MhAMin|t  ^«^  ttlbrkereii  Militämsö&t 
Bft  wiirA«»  4läb«r  ¥«ik*flVl«iiiinile  4pi''€r6lilbeiritligmigeiv  aipce« 
iiiM<t«ttr*  fttr"  23,<000  •Mi^ifr'Of'o««^ri««iitliea,  für  ehi^  gagrirf-die 
fi^Ükt/e  Aopp^U'iö  iM¥lr^-lliei%)imaelit  vwv  35,000  M;<  ia  Irland, 
fi(r  4000  M:  ik  Gibi^hMf,' fUr^OOOe.Bf;  IfaCMad»,  wo  die  eiböto 
M\itht  der  l^rtadrAaften  "Movd-jtoMierifkiitiuefaMi  Irclilto«i  «ad 
die  ßefeliitininjK  ^^  VfeliF'ltfbhlilleiri  tmd  «Mttngrti^idMii*! Handel! 
Orottibk'itaNhieiH  '  d]#  If^^rdoffpetang  >dir  •frfthcnreirWMIit  verlaagi. 
ten«  aaa  demseibeii' €«^de  fllr '4000'H.  in  Jamdaa^  fi^ 
M.  auf  d^tf  f ngeln  tinter  deih  Vfitider  ^r  2M0O  »IC  in  den  nea 
ffewohrteflren  Cetdafi^n' (Malta,  lenisebe . Iniein, *Cejibn,i«Cai>land» 
8arinam,  Berfiice  m  «.  w)v  Mid lieh  7000  M;*.Knr  Abidbttng  and 
Ergan^uag  der  eirtfeiiiteilBif'*BeaMsoii^n*  Diea^  Trappen  diMetea 
8il<aiiimea  eine  HeerbathtiaiB  ton  102,000  M.  ^Uixa«ieehaa  eraehieii 
denl  Parlamente  bald  dlei^  Mathl^  die  dock  noit  wetrfger.  als  eia 
halb  Procent  der  damaligen  BerttHcet^ng  Gt^BsIritanniens  betrug, 
KU  tt  bernittssig  für  den  Staatahausball  and  selbal  unnöthig  für-dte 
Erhaltung  des  Britiiehen  StaatR4nterefltea  und  des  politischen 
Gewichts.  Es  wurde  daher  1817  eine  neue  Reduotlon  des  Heere« 
um  18,000  Mann  beschlossen,  die  jedooh  )>ei  den  vermehrten  Un- 
ruhen in  den  Faiirik  -  Distrteten  Grossbritannieaa   und  in  Irland 

1820  theilweise  wieder  surückgenomaMn -wurde* 

■  *  * 
,    ^  Es    betrug    daher    der    l^tat    des    firitiscl^en    Qeeres'   1821 

=  89J2I  M.,  wovon  .  • 

20,^22  M.  in  GrossbVitannien 

20,426  —  —  Irland 

28.lil0  —  —  den  auswärtigen  Besitzungen    in  Europa   und    den 

übri&ren  Erdtheilen 
10,977  — ^  im  Solde    der  Ostindisch'en  Cpmpagnien  in  Ostindien 

gehalten  wurden. 


I  t-*t 


Sd,|2l  JHann 

Aber  auch  dieser  Etat  a^rde  noch  1822  YtxnÄudtftj  tedem 
man  xwar  die  Zahl  der  Campa^nften-,  and,  Ü^adsona  jedea  Regi- 
ments beibehielt,  aber.  diet.2^aKI  4ec .Leui|e  -in  jedtr  wiederum 
verringerte,  und  1823  ttocli  vaa  jed^m  R^gimente  Infaateria  .eine 
Corapagnie  eioAog^.lnswiseh^n^.  dfuert«^  diese  naue  Verminderung 
der  Heeresmacht  nicht  lange,  der  neue  Krieg  der  Ostindisehen  Com* 
pa^nie  gegen  die  Birmanen  erforderte  dur^^haus  eine  Verstär- 
kung  der   Britisehta  Truppen   in   Ostindien,    um    eine  Art  von 

42* 

i 


* 


660  D««  Britiscba  .Betek 

Gl«kligt#iph*t  gtf^m  liie  4iirck  ^Q.7i^at|»f ,  BodurfMiK  fffwor- 
dcifft  \tnttkrnttg'  lta^  «faigeiMNretioii  Tm^t«  mü^rh^lteii:  man 
bdiciilQ|Ni.  4*ker  I82&  diM«  Am.  «00a<14MiR)i«  T«ipnhieii,  aad 
ein«  iwcite  Varmehriyig.  Taii  7000  Müiii'wif  flie.plifig^  Scati«« 
Bau  kl  ttiid  AQiMrlMlk  EutipM  v«  tertlicü«ii;  :  Diete  Vcnntli- 
fMig  gcMbak.  iMmrob^.  du«  «Mm:jfBdM  I^^Mmb  daasU  staike 
lUgimenl  «ü;  r40.1(hMi  taHk  EiMoM«M*4iir  AOicifi:«  Had  Univ* 
oflicitra  erlMte»  iuid>in-4«i  flelohailM^vea  VeriOldiitfeB  jedes 
iUgImettt,  dM  AOf  65Q  HaDO  beetand^  IMtf  «^  UaBia  ventärkte. 
Seit  diescf  Zrft  Uieben  aber,  die  fom  des  Oat^ndiecben  Compagiitt 
betoldeleii  Britieelieii  Ragiroentcr  *vob  ritsn  «UgemeiBen  BndgeAi 
iuitgeteUoiteny  und;  deihmlb  ündw  wie  au*  einem  uad  demselbea 
lebre  s#ei  Tendiiedene  A<»g«ben  fiVfr  die  SUrke  des  Heeres, 
we«^  jene  mit  btnxsi  gerecbael  oder  aoigefcUosseii  siad.  ^ 
wer    aunmelM'.  im.  Mses   182^   budgetom&ssig    der  MiiiOr-Etst 

JSf\20t  ML  in  Grosabrifsniiien 

20^79  ~  M  Irlmd 

32,166  **-  in  deo  ttbersecitdien  BesitsungMi  obae 
_.  Osändiea 

71,165  WL 
'Sssu  25,612  M.  In  Ostindien 

96,777 

Eine  kleine  Vermebning  des  Heeres  seben  wir  im  Etat  tob 
1827,  welchen  wir  nsek  den  einselnen  Truppentbeilen,  um  diese 
sugleicb  in  ibren  Verbftitnissen  antereinauder  dadurcb  kennen 
SU  lernen,  bier  liefern  wollen» 

A.  Infanterie. 
7  R^^imeater  Garde  (allein  fOr  Gressbritanliien).   •    •    5,105  ML 


;:} "•*'»- 


7D        -—  Linien    Infanterie 

19       —  leicbt*    Infanterie  «..____ 

66,524  — 
•B.  CaVaUerie. 
ä  Regimenter  Garde  (L  Gr.  Brlt),  wovon  aber  nur 
^  der  MaRnschaften  beHtten  erhalten  werden.  1,305  M 

19  Regimenter  Dragoner  undHusaren,  woron  nur  |  d.  ML 

iMittaa  (jedes  Regiment  aas 2r4M.)  erbaltea  werden    6,914  — 

■■■'    ■  ia\9  — 


\    t 


M<       < 


.misfUBmen  74,743  — 


Da8.Hriil««ih«)Sei-c4U  6(1 


0M».4llikiMhc  ChteMfir  iBagi— Nr  and  20  R^/  In.  i  r. ;  •  ; 
fMMde  In  iOtlinftii»  v  < .  ,i  t  -i-'-i'  ;> : .  " .    .  .*3&,fiia  M. 


trland;^also  iii  der  Tockistilrice  auf  lQ6,bt>ß  Mann  erhöTit, 
Heefesmaeht7aucn';ti'ur/irenrj^  yetriniunt  gegenwärtig  nprh  erhal- 


1832 
für 
t,  welche 
Heefesmaehf  aucb  ^ur  wenig  v^tringeit  gegenwärtig  nprh  erhal- 
ten wir^.  inoem^Aiejiuit 'd'ebjet^  a^  IS^GI  Mann  vcrrülgerten 
Bntijichen  Trqppen  ui^Ostindien  susamnien  eine  Cotalvtärke  von 
tii\ioß'm.,\tni  ilSi  Cavallerie»   loa  Regi- 

nientef  Infan^ae,  z '  ^uger-Bng^den,  1  Afrikanifebes  CoIoniÄten- 
(*orps'aut  (t^m  Caplaiiile!  iind  i  Compiig;iien  Veteranen  in  New- 
Poiindland  hiiiUt  Die  u  1  c  h  t  e f f e  c  1 2 y  e  tleeFesmacKl,  deren  fi - 
nancTellc  Aijibnjerungen  ich  schon  ohenS.  652.  augegeben  habe, 
üuuiii  •*)  /82tf  aus    de^S  MT  x'         '  * 

|g30 —     WfflSl  M,  f    auC    halbiNii   Solde   stehenden 
1831  —     04,024  M.  >    und  enslassenen  OfÜcieren,  Un* 
*     " itlTli  -^'  Was  M:  V  '««'»fficsi^t^n  und  8o(dtften. 

'  i'    Die  AMUiiSrl«  ujid'd«8'Ganie>irM«&^'filbrl.dM  Namei» 

I'!''.»  #  .,'.  ,       *      . 

*)  Davon  befanden  «ich  21,783  M.  in  Crfossbtitanmen^  23,135  M. 
in^ Irland  und  33,680  M.  in  den  auswärtigen  Besitzungen,  und  1833 
in  Grossbritanniea  28,772  M.,  darunter  5731  M.  Cavallerie,  in  Irland 
^71^  M?,  \n  iS^TMar^S  M;,  Maltt  2,3611  M.^  in  d«n  Jdnischen 
Inseln  *2,S89  M.,  Afrika  ],96§  M»,  Blanrittus  Insel  1,445  M.,  Ceylon 
^<nicht  df  r  Compa^i«^  gehörig)  854X  M^  Canada.  und  Neii-8chotUand 
tlijä^lfir,i¥H(kn^eu  1^^'M.i  Äüstratien .2,530  M. 

**)  Pebre«^nM.'*2CUir»Mpi  198*  und  Brownb«^  a  C33. 


6B  l)a<8  •riflbKohtiileicft 

Uebembinng  vop  Cuion  xartüv  (Regel,  VonaMC«-  «U  dugWab- 
lautenden .  Wfffe  ycrAftil^}^  j|||^  Di«  geaaraoite  MaDMchart  4cr 
Artillerie  bildet  ein  Regimen^  du  ftilber  aua  4  Batailloiii,  darwif 


tiUerie-Hegiueiita  VL  ,,    . 

Die  Erf iincuDg, .  h^ii^r  TheiW  de;  ,^eu%ivwtit  geicliiaht 
durch  freiwillige  **)  Auihebun^,  ,ve.zu.  für  EngUpd,  14  Reeruti* 
rungibesirke  und  6  Depoti,  Ar  Schottland  4  und  fBr  IrUnd  S 
ReerutinuKidiiif'iqt"  «ioKtTwiitat  «ibd:.  DiA-AfnMntag  tit  die 
■ISrkite  uuter  allen  Europaiiehen  Heeren,  (von  1  Sh.  I  Pene« 
flir  den  gemeinen  Soldaten  bei  der  Infanterie  bii  2^.-2^eiMe 
Tür   den  Reiter    bei   der  Garde,   ab«   iinKhen    12   und  24  Sil- 


*t  Vetjsl  die  «b^n  .af|||efiihr(«|f  <TabeU<M|  b^i  Pelirer  Wd 
ßrowniog,  ■■.....■■  1  '' 

"1  Daher  wurde  J90G  d'e  Verörqliiipa;  ^rlMsen,  ay  Ellfrn  und 
Vormünder  von  jungen  I^uien'nnler  Ifl  jäbren  für  die UeberredanR 
eines  «nlchea  l|iin  KrieglditoaM  SjCWBMiElti.MUv*'—  >    " 


berf^oseben),  sowie  MleVliA\^t''^er'^fWlA''^^  MiRttH^'l'iMl«^ 
nach  den  aHgemehKefiiTaiMtdlt^n  dlH' JLkriaes 'i(bV^«ttt^  k'oitpU:^ 


sehen  MHitilr^Stnateii  vi^tMblit  'Wi^^ 
Amte  eine^  QbrtftUei^tepanita  ti^,  i^fysh  j^^t  tKe^f  rerk&uÜich, 
theilt  werden  sie  nach,  dem  Dieoi^alter  nitt^,Ber|b{ljG(^fJii(ig;tH^ 
beaopderer  (Avszeichnu^  im  Kriegidienste  ^rgeb^n;.  bel^^^en 
verl^i^uflieheQ  Offieiertt^llfn  aber  ]|«nn  Niemand  r^^jdem.^if- 
rüekgeiegtert  techszehnten  Jahre  angettelU  werden,  naoh 
dydl*f>i(in^t)abren  IciWn  ersa^fih^fWIÜnnsslille-  'jfeMh''ttblSihitf-' 
ligenKnttf  iJufHIelterf,  'naeftsf^^b^e^  &ieiMt)ahreil,  unter' "l^cbMit 
er  aber  ^helt  alB^H4apemartii*iref%«Iltifl  IM;  «ine«  MaJorsiM^^  M^ 
werben;  und'  ^endliteh'  n^h'  *taeta»  Dtenat}ahren ;'  «rwti'  ^JkMn'^er« 
wm^ffSteM  4\ki'h€U\Hk  ««tttfcn^'Maj^*  gewiften  t^iri  «itta<»> '^4* 
HteHr  'eines. Obrktlie4t^nt^  isrilfligen  ^)X  es  ''isV  alsr  die  ^MOg'«' 
Kehkef«  f#rfa{lnden;  •  dsjw  jedev-^ohlhabeM«  Jungte  ^Enjfüwitr/ 
der  shn^Wiit  Bmt  Mfib  t.A^^4mkt&  zev^t  urtd  «adirtMi  Hkkt, 
nnt  g'oltbe  Wl^ise  iki-  sMlhi  utid  ^wtttistgsf%rt^'L(Jbciii)il(l<i'if)ti^t*' 
Itedtenant  \werden  'Mnn.'  Die  Obeisiiiärf-Btfinita  «owfB'die  Moh 
höheren  'Grade  werden  ktnn  grftiisten 'l%eSle  tiiveb '€Aiit«t  terr 
theilt/  da  es   doeh  Hftr'  söken  •gesobMtt;  'dbi'  eine  Ibt^sslhdenif 

*)'6n  kostM*  li  B.  das,  gew«diQltdle    Trattopif^d  «^i^b^  i^- 
und   7&  Qmnmm  .OMl  Xblr.Ar    YiirflUi.Hh^i   deji  S^ds^^rt^v^^nifi«. 


lk'$l^T-;t9^  .     ♦ij   p-x  .\,       ,   ,1     -    i    ^••\»-^.f!''    ' 


•'  m*y 


*y  t)er' AnMn(iSpt(^  iA  tilbcff  *d^  vei1$fch*redefien"Tt^A(^||f^MtiM. 
le«  *der  ^Infcnterte ,  OivaHtft^ei  tffid'idiini  'wte^rvaifür  Iteide  Vtm\^ 
p0i4>»ile<d'4r'<i;a»detabgdslufir«i'  steht*  für  d&c.iKai«el«.jUBd  Fihn* 
>r»difl4fttelMry  :n«i8cbch>^0«  jmhI  U6e  ft.Sc.^(19D  tNid.  98^  TWr.), 
liindi«  l4«<teiiaal4-SNIlM» wischen  1260  iii«;)  A75t^ftSt.  (I(b7^aiid> 
H3#6  33rtp:.]!,xfür,di^  l]UMP(m9imt-  wid  i^tim^i^tcr-SuHlen  «w^cben 
\9IOß  ui>^3o0p  Ä  ?;.  (|0,500  undj2f500  T:,k}h),.  für  die  lMajors;^Slel- 
l«;n  swis<^eo  ^GiJlD  uncl,6a(K)  %  S(.  (l^,:>0(]|'und  44,100  Thlr.)/für  die 
OberÄtU^uteyanls-Steilen  z'wWhen  ;i50Ö,tvd  670O  U'St.  (24,500  und 
4<;,90o'ThIr!)  Aber  i^usscrdem  kann  der  Dtficier*  in'  den  imieren 
Dieiislgraden  s^H^n  voA  seiiiein  Gehdtte 'leb^n /' ntid"^ Ist  ganz  ^e* 
wöAVilicH;  dd^s  bei  der 'Reiterei  il&  Cornets  uhit  IlieAtenants  fttr  dvn  • 
Aftti^h^  bien^tantwaad  *  neteh  jährifeli  deO  tl  dt.  (JMO  Thir.)  ans 
•i^enew  fäilfJiBkn  snsstMifc  niü;iseB.   . 


i 


%S4  P*^ß  ^rlt,UAl|•  ae.icJi. 

kff«!!  MiUäi»t«fe  b«(i^Hmi.      1)mt  Qmi^UUh  ul  4«lier  bei.  »t- 

itipkt  ^ttd^Juna  siemaU  ««eb  M  dem  «tirkaUn  KrMigsfiiM 
dritten  JiMÜe  in  wifkUehem  Oicntle  ««gmtiUi  werden. 


Fefdf-Marseh.  Generale  Gen.Xkut  Gen.  Maj.  Sumnlb 
ErbetrugftW        7  t06  197  315  025 

nnDecb.  1832        &  i      '      90    *         197  219  612 

Im  Deeb:  1834        Ü  9Ö  190 '  210  509 

■ 

In  4er«9lhe»  Zeit  kaue  gmnkreiek  bei  einer  mindeatena  lief  |inl*r 
ten;.  Ma weilen  aber  drei  wid  vierfaeb  ao  atarken  Kriegamaeht» 
nur  |0|9  noeb  5X0  Generale,  niun  frt^aaten,  Tbeil  aiia  Napaleons 
2eit.auf  kalben  SqM  geaeUt»  und  aetate  1834  definitiv  die  Zakl 
denelbniui^uf  272  feat:  ferner  kute  Prenaien  bei  einer  ateta  atär« 
keren  Kriegeama^bl  nur  awiaeben  102  un4  120  Generale.    Graan* 
brteiSriea  aelbat  hat  fiketdiea  nieniala  iMbr  ala  150  flaneaale  ina 
Kri«ge  beadiilftigt:  alao  wcl^e  eine  betrlahtlieke  Belaalnng  fdr 
den  SCaatakanriuit  ebne  Dienateiittr  den  Staat  1  Die  Zabl  der 
übri^Oen  OMeieve  .war  I89X  202  Öberate»  582  Oberatiietttennnia; 
1834  im  Deeemher  295  Obeiate,  588  Oberstlient.  810  Mi^i«e» 
1514  CapHwne  wd  RitInMiater,  2I9&  Liantenancg,   1018  Fikn- 
riebe»  alao  7024  Oliieiere  nnd  mit  der  oben  genannten  Generali^ 
tat  nnaammen  7532  OberoCßeiere»    oder  dnrebaebnittKek  auf  IS 
Soidatdn  ein  Oflieier.  *-  Von  den  Militür-EildnngaaBatal- 
teti'iat'obenR  511 '  gebandelt  worden.  «—  Unter  den  hikeren  Ver* 
waltungabebtoden  dteaea  Zweigea  iat  beaoodera  die  militiriaobn 
UnlrerAnekmaga-Commiaaioi»  jK^  nenn^,    welehe  1805.  er-> 
riekl^  «nTde,    mn  aUe  Untemekmnngen  4u   Miüt5r«I>epartn^ 
menta  au  prfiCan  «imI  an  eontrolliretts  ikr  atekt  ea  frei»  jedma 
Heetfibrar   nud   Militirboamteii   wogen  aeiner  «nnitlieken  Hand- 
langen  ror  ibr  Geriebt  au  aiehen.  — •  Die  Militlrr-Lnnarretb« 
Verpflegung  iat  mit  keinem  keaonderen  .Lobe  an  erw&knen, 
was  aowobl  Yon  den  Regimente-Laaarethen»  ata  anek   von'  dew 
Hauptlaaaretben  au  bemerken  bleibt    Ala  die  Terderbliekate  Ein« 
rtcbtoog  aeigt  aiek  dabi^i,  daaa  bereitt  Kdntg  Georg  II.  1747  ein 
erbliehea   Patefit'  fOr  die  Beaofgung   der  Medicamente  für  allo 
Truppeotheile   mit  Auanabme   der  Artillerie   gegeben  bat,    daaa 
dieaea  Verbitttnifa  noch  fortdanert,    wober  in  der  Regel  aekleekt 
gelieferte  Aneoeien   den  erkrankten  Soldnton  geliefert'  werden« 


Das /Brülscbe  Retck; 

» 

Dan  Idhnittt  ntA,  4mm  ^<ic— Ifcc»  -*Mli  beitimwien  QihuU»- 
tfttwi  iUci»entonreMe,  ^ilma.  RMctieht  auf  die  TersdiManeR 
elMNUuehen  Verh&lCDiM6  m  nekaM»,  «IftgeftiiiNit  ir«v4c*:  et  ftadet 
sieh  diAeir  #il  in  «idliilieii.  Gegenden  erngfotterVonradiir^nAr«»- 
neiMittela  gegen  eoldbe  KrMiklieifett  rar,  fiW lieli  kivfiger  unter  4Hk 
Soldaten  laEufopa  leigao».  nn4  wagekahrtein  ydlliger Mangel  ab 
anderen  Medicamenta»»  die  gerade  den  Landetrerh&ltniieen  am  an- 
geweaaenaten  la  aa^pM.  DieaeLiaferangea  in  Pauaeh  und  Bogen  ko- 
atelen  in  iwölf  Jabren  1795^-806  =  800,089  Q  St  (5,663,623  Tbl.  ^ 
Alt  Verpflegnngtanttalt  für  alte  oder  dureh  Wunden  lum  ferneren 
Dianat  «nftüiig  gamaelita  Satdaten  «taekauH  wakfkaft  grawiartig  dat 
traflüekalnvalidankaoa  saCbeltea,  gana  in  der  Naekkanekdft 
van  Landen  am  AatgaUga  dea  Hydepmi4e8^  wetehet  400  Indiri' 
dnen  ^PenaibiMra)  imHaoia  vetpflegt^  md  ii>fiQO^{<kfi^PmuiB^ 
n$rtf^  anaaarkalk  dea  Ilaataa  ^bMt  Neben  dieaam  Hanta  kaün* 
dat  aiak  «uek  daa  üofo/-  Müiimry  *  Aäyhtm  tmt  Eraiabnog  und 
UmpitabC  fir  1200  S^ldaten-KinMr,  darunter  400  M«d<liaa. 


Die  Brtti^be  Seefnnebt,  in  eiaeai  noeb  viel  böheren 
Grada^  ala  daa  Landliaer»  aaii.  larei  Jahrhuaderten  die  Grundlage 
der  palititebfii  Bedeutaamkeit  dietet  Staatet,  «nad  aum.groaaan 
Tbeil  aueh  die  kräftigate  StitM  der  comaierciellen  un4.  irtdnttrlel^ 
len  BItttbe  det  Landet,  beatand  wäbrend  dea  Mittelalt^rt  nacli 
niebt  iiir  deb  aeUbatindig:  denn  tobaid  au  Kriegauaternebmangen 
eine  Flotte  anageriatet  werden  aallie,  routtten  Sebifio  liain  nam 
Handelaatande  gemietbet  und  beiondert  dafür  eingeriebtet  werden. 
Heinrieb  VII.  lieta  daaertte  Sehiff  der  königlieben  Flotte 
bauen^  aein  Naebfbiger  fieinrieb  VIII.  erriebtete  bereite  ein  Ad* 
miralititaamt  Doeb  ala  der  dgentliebe  BegrinUav  der  Seeniaeba 
dieam  Staatea  trat  nnbettreitbar  die  Königki  Clitabetb  bervorv  «K« 
in  ibren  Untemebmungen  gegen  Kdnig  Philipp  IL  van  Spanten 
nnd  anr.Baaakitanng  der  flr  ibrt  Selbatttändigkeit  kUmplenden 
Niederiimler  bereite  eine  Flotte  von  42  grötaeten  und  kleineferen 
KriegatebüTen  bildete,  die  8528  Mann  Betataung  auf  tieb,  fttlwteu 
Unter  den  Regtemngen  der  Könige  Jaeab  1.  und.  Carl  i.  wurden 
nur  einige  kleinere  Kriegtfabrseuge  aar  tlrginsung  erbaut,  und 
die  Flotte  kam  wieder  in  V^rfalL  WiUirend  der  republikaniaeben 
Verfaatiing  vermehrte  der  Protector  Olivi^  Croifi^ell  fir  die 
Behauptung  dea  politiaeben  Antebana  gfgen  die  dr^i  SeenUclita 
UoUan4«  Fvankreidi .  nnd,  Spanien»  aowie  ^r  Beadürmung  dea 


I 


Das  .Britf 8€ii^   Reich« 


jaMifK  «Mkr  tidi^hel»iii(iefl*A<iN0r>.EimpiÜieli«i  Htttdels  be- 
Mdidkii  416  filotUi,- iiod  hiliMliMi'me  aaf  «ioem  Stenipmikt« 
voai65  8eliifi«M'<iiti**J#,0ÖO  Mmm  Be»ftt«ung.  Nach  &tr  Restett- 
r«ti^n  itr  St«firt9TerfoJg«mi  Hie  beiHen  Kiini)^  CaH  It.  und  Ja- 
mM^  iL  dteten  Pioav  im^  die  HHtitehto  ^enaelit  wucb«  mit  je- 
4cm  Jali4«  m  «ioer  arHMinilnlMirebi^Htth«  empor,  ^«o  daftt  «}b 
bm'der'Vertreibw^g-Jaoel« 'lt<  Vom'  Kfrg4ifehen  llnrone^  tut  17S 
Kfiegaflchifen«  lutttnibefix  mittfOlO  Kationen  «od  4^009  Mman 
Besataung  bestand] '      *  • 


■  •  t 


,  .;  Im  aohlKehnteüJaMiiMiideilia-abev' erhob  mb  die  iBridtelie 
EblM».  Miftdert-fteibe  der  bedembnAereti'  Seemikebte  «ntaekiedea 
^Irt^ersten  Ia  Eufopa  'w^  auf  der  gmaen,  liMe;  henrotv  und  «r- 
Uogle  aaeb  '«ad-tiieik  mitihron  SetebfwadeM  die  Hemebaft 
avC  4diea  Meeren*-  lob'  habe  .mir  »Vefifaatliehmbg  dieaet  xaaehen 
EmPOrateigtBä  emw  TabelDa  eitwiärreti,  welohe  4lie  bedenttaaaten 
Jalm  aUi  4t  Xteacbiebte  der  Brifiaehto  Flotte  henrorhdbC 

Linien*    Fre-     Klein.  Summe  Beaatig.   Kano- 
'    (  ichiffe. 'gatten.  Kriegt^  d.  Kr-*  Manä.      ben. 

•  •''•','-   sehfffe.  wMS^       '  •  >  - 

llti'<ilan»'Vode  Wii-  •'•    »•  '' •'      ••••■»  

helmatIL  und  dem"*  ;    "     . 

Awbmeh  d.  SpiAii- -  * 

sehen  fiitbfoigeiiile* 

fea  (4fnl2) 

Bei  •  dem  Te^le  der  ' 

Kini)^t<Adim  i^  dv 

Thronbeitefgnng  d^ 

Haneet'  •  Himnelnr 

Bnideii  Tod^  Oe-      • 

•rj^aLilT-a^'«  •       ■  • -*- 
Bel'4lem  AtMbmtbe  ' 
det*  'tiebenjfthrigea  ' 

1755  *•?  '     121 


II  •»  t 


^   .^  .    .^t    .   ,22h.    Ojf^l*  iOfifS 


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1 

232- 

1 

<      • 

*4e,800 

1 
«  ■ 

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*     • 

235 

(k,514 

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I0|082 

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1  4 

80»20e 

1]»720 

•     •'!  * 


t.i   i|      t 


♦)  ISacfi  Uohms  Materialien  Bdi  ll.  S.  305  waren  von  den  rtl 
fJnienschiflefi  W^iis  6  von  MO  ^ani  ihit  6lOÖ  IM.  Besalzf.,  ^  von 
9Ü  bis  74  K!^.  itoil  16,400  ML  B.,  BS  tofl'79  biil  %9  Kaii*  mit  9,890 

i 


Bas  .BriMscte«  illej^lt  $Kf 

^-.'f  lu'l    liiix     «     I..A     .loji.iH     — mtit>.»^hifff.    *,n:i    ,       .  V   ' 

Bei  dem  Frieden  zu  ,^  . 

Paris  1703  146       112       il6         374     101,000     14,200 

Nord-Ameriktnisclu  *«...{   .  !    {..uti- 

Freiheiliiki|(8r4iiKh  •    <  •»     o-ttu  •«  «  w      -  ^  .i 

d»tt'Frii5dift  Jö'Vfrtr.      '        ••^*''   "•  ;      ;' 

•«illles  1^783   u  a]23  t  104  i    213   i>   44qJ  115,000..  .M,35^ 

;Hfi   d^q»  Aufbruch    ♦         o  ;.'  i.T        .  I  .*     ■!.' 

filep     FrAnxöaifcben^ !  ii  r:  .t         o         'n.  J  u.  i  m$ 

BevolutiAiwkMipfi«"  ,'"^..  •  -  •       r 

1^03"*  176      134      168  '      468"'  126,()00     18,000 

Na$;h  der  Wegnahme  \ 

.  DaDisctiea  Flotte 
das    Maximum    im  , . 

STacli   dem  «weisen,,  i     ,  >        i.    - 

arider  Frieden  im  \ 

Die  hifr  genannte  Wiinntc))aft  istahei;  i|nr,di^ri)r  den  Kriegi- 
•tand  erforderliche,  wenn  die  Flotte  voUstaiidia  bemannt  werden 


■SS   unr   Jjcsutu«!    «icr   f^w^ic   viwu     uhi     «icu    ac«ijiiiicii  .tiicii.  rviiiiu«' 

dert.  aber  alntihrlich  durch  neue  Scliine  erfrUn^t,,  wenn  i|uch  dU 

.,         rüTi     ».'(.11*1      .,;•  I  ...  ^  •■;";,        •  r   o  ,    .    .'.        ,  -« 

aitea  in.  der  Krieirsireschi.chte  der  Flotte  i>erühmt  ffe^wordencn 
Namen  ^er  Schiffe  auf  die  n€u  erb|iuten^  wiecler  fi^ertr^gpn  wer- 
den. Aber  jelten  ist  in  Friedenszcilen  mehr,  aU.der  tiefte  Thml 
der  vorhandenen  teeireirähiKen  Krieiriischiff'e  im  wirklichen  Diensite 
und  aiif  den  verschiedenen  becstafi^pen  yertheut,.  Der  j^j^||)m(;je 
Bettand  der  Flotte   wair'  noch   im    becember    1820   6()3   Krieg«- 


« 


t'w     .1'  •  •  r-      '    .         Alt*      t     '       l»<t'    '.        •      "   M 


Ü.  B.,  31  v«ii  ^  bia  80  Kan.  «ritOM»  M.  B.  *  l/Mer  4en  gl  Fre- 
gati^n'  htittt  30  swIiciMa  44«aä(  40  «mm  ««4  Ift:  BirJ«cften  i0 


«NMt'IC'lfiMi.     ■  *'       •  J  K    ••.•        ■    ' 


r 


MMfl^  <l«M«Mr^ti  LMoMcMffe»  iiiit  M<  bb  ISO  K«ioii«ii/34 
gfWMe  FregWteir  iHritdiM  ^  «M  K^  Mmmm,    156  kleiner« 
Fregatten  «nil   913   KenF#ttii»v    Katter,    Briggs    woA  BoMbar- 
'  «lierM^iffe.  "   "-f'-''^ '  ■  •'•  -  • 

Der  Murine-EtAt  vom   1.  Oetober  1825  gelr  •  td^nd^n   M- 
itand  der  Flette;  ii  ••-*».  <    :- 

L.8cli.  LSeh.  Gr.Fre-  KKFre-  Konret-.'JUi^ter  «ttU..  r: :  i 

Drei-    »wei-    gattea.    fUteiu  tea.    .  )i^if|s  ff^^;^i^qMiB^ 

4ccker  4ecker   .,,  folirV-     ,, 

Itti  IKenM           3<    14  «'   29''«  0  <->5«       34        M^'^IM 

Abgetackelt         Id       73         68    v    9        W*    <    0*  '    81      W% 

Im  Bau  begriff.      0         8         31         6         42  f     Ö-         8      «k 

,ToUl  5       05        128    ...24       458"     ^103      679 


(  >'. 


Di«  erforderlichen  Mannschaften  betrugen  für.,  diesef  Jalir 
21,000  Mann  Matrwien  und  0000  Mann  Marinesoldaten, /.  deren 
.P^p|Ldttp5  allein  I»A39>OOQ  <3  St. ,:;::  lji^,0(M)  i^iiL  ^  erCorderte. 
Aber  es  befanu.  sich  eine  noch  grössere  Zahl  von  Seeofiß eieren  auf 
halbem  Solde,  als  das  gesammte  Corps  der  Marine -^Soldatet^  be- 
tn^g^  nemlick  0/^97^  fUr  wejche  ^ef  halbf^  Solil  1*03^,031  %  S^ 
=  7,210,217  thi.  ausmachte. 

*  -  m.  *  /    ' 

Im  Jahre  1825  befanden  steh  im  Oetober,  auf  den  verschie- 
denen'  Aus'ser-Europliische'i\  •^eestationeh;  (^  Kr^egssciiiiTe 
im  Dienste»  darunter  TS  Schiffe  in  dyi'¥toriI-A|i|enlcani'scheii  Ce- 
waikiifi>n  um  (^anad^"  9  an  der  Küste  von  ^ew-F<fun^land,  J2&  In 
Westii^dien,  4  aih  Vorgebirge  iler  gut4>h  Hoffnung  und  )^  fh  dmi 
Östiiidischen  Hilfen.  'In  den  Verschiedenen  Britisthen  Häfen ^ in 
i£ur6pa  lagen  78  Kriegsschiffe,  darunter  lO' LinieqsctiiPe"  fierejjt, 
die'  auf  dkii  erste  «Signal  in  See  stech^p  können.^  Zii  ^»itatern« 
Geftingnissen,  Kirchen  für  die  Seeleute  'dienten  8t! 'KrieflsscEiäe* 
darunter  14  Linieiischifte.  Auf  den  Werften  lagen  Jm  ^fevbau 
oder  in  grosser  keparatur  tl2  Kriegsschilte,  darunter  ifl[  Linieo*- 
■ehiffe  und  38  grosso  Fregatten. 

Der  Bestand  der  Seemacht  am  I.  Oetober   1827 J*J  ^w&hrfe 


^  *)  Vergh  Bajol,  Annale«  mantimes:  el  eolotOalev.  1827.  «bL  1. 
.Unter  den  141  von  den  MarlrnnVeswaliiliig  gi;brai»bt«i>  Scbiffen 
varen    10  Kulter,    10   Kanonier-Scbalapiten   für  die 


Ol«$  UriiUclici  fteioJu  M» 

571  KfiegMliiilew  danmtttr  400  UmmükVe^  (24  tm  102^  kk  120 
KMOttenK'H'  >Fr«fttKM.(4uniii««r  110  mk,40  bif  52  KaoMMiD, 
76  KricggteUffi»  mU  12  bU  16  Kwiotteii,  07  KrieKMciiiit.  mit 
6  bii.  lOtKavonon  dimI  141  grösstte  «ad  kleinere >  SchiflE«,  saden: 
▼•nchiedeiiiHiftten  ^QeMhftften  illr  die  Marin«  •  Vefwalhiag  g«* 
Ibrattcht  Nftdr-flem  Eteta  r9m  Daeeifcti  1032*)  tütmptm  wir 
folgaadft  Udbertidit'dat  Beataades  dar  KriagafeabUEa: 

I^Sch.  L^Ssk.Frefat.  Kr.  doli.  HftKit.  DaaiK-    fiM— n 
.  .  v.I2f^  V.  »2—    V.  58-    V.  18—    8choo-  ttkiffe. 
'         1(M  K.    60  K.      ao  K.      10  K.       aer,     v 
'  /  Kvtfer. 

Im     PlotteihKanAo     . 

ifdllig  auagarüa^Y       5  7        40        74        27        10      163 

ImVanraltaogadieiF 

8ta  ♦•) 

Abgalakalt 

ha  Bau  bagriffan 


«»' 


3 

32 

26 

n 

6 

— 

79 

12 

64 

ipo 

40 

30 

8 

272 

5 

10  . 

13 

14 

3 

4 

40 

Totalbestand      25       11  ^       188       140        75        22      563 

Ein  Jabr  darauf  (Dacembar  1833)  batta  sieb  dia  Gesamiut- 
sabl  der  KrieguebilTa  nni  6  verringert  auf  557,  und  swar  die 
dar  Dreifleckcr  auf  22,  ilie  der  Zweidecker  auf  09,  dagegen  batta 
•ieb  die  Zabl  der  Fregatten  und  kleinerar  JCrieguebiffe  um.  13 
'▼ermebrt  Die  Dampfaebiffe  fUbrten  2,  4,  6,  und  12  Kanonen, 
die  Kananet^-Briggs  ( GunhrigB)  12  Kanonen  und  die  Höner- 
tcbiife  (Boub»J  10  Kanonen. 


Kästen,  9  Kriegs-Jacbten,  16  tazateth-Schiffe,  $1  Verbrecher-Scbiffe, 
15  Zoll-Schfffe,  $  zu  PulTer-Magaainen  aagewaadt,  5  Qoaraaiaiaf^ 
Fahrzeuge, '  14  Schooner,  ^  Aviso-Bcbifife,  19  Scbilie  für  die  B«» 
sorgQDg  der  Depeaehea. 

*)  Die  "Liste  tömmillcber  Schiffe  tob  diesem  Jahra  nebst  der 
Aazahl  ihrer  Kanonen,  ihrem  Erbauungsjahra  and  mit  gelegeall iefaea 
Bemerkungen  über  ihre  jetzige  BeadmflSsnbeity  ist  vollilindig  g^^ 
liefert  la  C.  F.  Veilr.  Hoffmaaa'a  Jahrbuch  d.  Reisen  uad  naaaaien 
Suiistik  IS33,  1.  Jahrg.  S..3e9-87  und  Uebenichts-Tabelle. 

**)  Von  den  Schiffen  ink  den  engeren  Marina^Yerwallung^diensl 
siad  96  für  den  Haieadteast  U6  Ufuenschiffe),  21  für  dia  Quaran- 
laifie  (12  Liinieascbiffe),   19  .für  dia  Terbracber  (6  Linienschiffe) 


<J9  Dia«  'Vr}«^ls«l^«  iUeioil 

:    Die:  BeflmniMÜiK  ^^«r^^FlMiiti  «¥MMKtir'l«2tfttAll«riM!^^ 

K.;  untl  (1832'%^«  58,750  Ki|*4iiM ei*  «Mif  fti€Kl!^'«lf<93t(^e  ^mm^^etn 
SiMttt«:  no«h<  theili|i6iiM)  iei4»*lt6iie  ^fnnnAtÜnftr*  fa«^i'.iir..fblMt&n4ig 
gl«tcfli«r'Aiixahl  atifj^ifhrt  wiiHe.  ^ilblt^fr  <Mb  «gogfeüwilrggn'  Aot^ 
guiMir  d«fBf  T«fgt:8j  06dM(B<  wifbei  nur  «u  bemciimrlileibV  dttST 
der  Sold  ungeMi'  den  drfttMi'Tlrail  voir»deiif'A)ifcg«%tft  ^rdoD«f- 
feetrven  Sattmnd  dar'Murm«  erftirdcrt:  Unter  der  effectiven  Mann- 
schaft befanden  «ich  17,500  bis '20,000  Matrosen,  2,028  in  den 
Britischen  Häfen  stationirten  Mannschaften  und  ein  Marineeorps 
von  ungefähr  9,000  Mann,  das  in  5  Divisionemi.iuldr  •i027Com«. 
pagnienubgetheiit  ist'  Von  diesen  beftnden  si^  gegenwärtig  31 
zu  Portsmouth,  20  xu  Chatham,  27  su  Pljniouth  liiid.flS  xu:W(<«l4 
wich.  Aussefilent  gieht  es.noch  2  Cbnkpagnieq  königliche 'Mbt 
rine- Artillerie.  Die  CrgUnxilng  Mfcr  Fidtte  mit  der*  n^tlHgoa 
MlinnschaFt  bei  jeden  ausUlreehenden  Kriege  gesobieht -..derdi 
Werhnng  tDchtiger ' Matrosen  .veji  ^en  Handelsschiffen  gegen  ein 
ansiehended  nach  den  Umständen  sehr  hohes  Handgeld.  Reicht 
dieses  Mittel  xur  Herb'eisclinifühg  d^V  biföriterliehefi  Meinge  hicht 
aus,  so  werden  die  Matrosen'  m'it*  Gewalt  gcnommW,  WeMiö 
Mnhssregel  unter  dem  Namen  f!er  iMatroVenpFresie'  bökAnn^, 
aber  wegen  der  viel en  duhei  ^oVj^ekbiilhfieiV^Htii^sliVä^chefibei  be» 
rufen  Ut,  und  dahe^  ifeuerdiii'^ft  Ge^^nständ 'starkef  Parläiktent8<r 
Deb.ltVen  wurlf«;  dm  '  Ae' Ab^tcUün^ 'dcAeltt'en  auf  dem  Wege 
der  Gesetzgebung  lu  erlangeti.         .  i    • 

Die  oberste  Verwaltungsbehörde  ist  das  Adniiraiitäts-Amt 
(Admiralty- Office),  welches  sechs  bis  sieben  königlichen  Com- 
ralssarien  anvertrai^t  ist,  .von  denei^  .<)er  Vorstand,  .als  erster 
Lo,rd  der  Admiralität  Mitglieir  (les'Cß^binets  (s.  S,  588)  und 
lilet eigentliche  Seele.  dep,.gesanitHten ^Marine ;  Adui^stration  ist 
Als  int  April  1827  der  gej^cnwartige  König  ^  li^tyssg  von  Cla- 
lence  sum  Gross-Ä^li^^a^f;  ?iQg^»^f'^  ^"f*  dadurch  ^^«ler  alleinige 
Verwalter  dei^  Adminüiiäts-Amtt^  wuni«,  evhielt.  er  die  Vcrp^iclv* 
tung. einen  AdnriralitätA.*^€oA«eil:  aus  vier  Mitgliedern  selbst. su 
emennefti,  wodurbh-^i^  frühere  Ciorielitung  siemHch.  gleichförmig 
wieder  hergestellt  wurde;  Xlde^nuch  nach  wenigen  Montffen  dureh 
dt&n  Rttektritt  d«s8«lbeil-  von  diesem'' Ante <  wieder  gäncÜeh*  zur 
alten  Form  zurückkehrte.  — ^"Dre  ganze  ^Fl<»tte  ist  in  drei  tSe* 
schwader  (Eseadres)  gethfeilt,*'welch€f  tiach'  den  Plagc^ien'  der  1*o- 
then,    weissen  und  blauen  unterschieden  werden,  in  t^e!cher 


Das   ArUische.  BeUii«  ^l 

Reihanftlge  auish  ilie  Ranp^^nliiiiii^  OerStcirOffioi^reli^Hereii^Ira^ 
des  telbst  steht.  Jedc$  GeMhwa4cv  ktt,.  wenn  es , ?i^niamiiielt  isf, 
einen   bis   zwei    Admirnle,  iW^  .dMS   di^vp  »^r  von  det  rothen 
Flogge  zugleich   den  Titel  eines  obersten  Befehlshabers  der  See- 
macht führt,  swei  Viee-Admirale  und  drei  Contii^  oder  Rear-Admt- 
rale.    Die  Seeofiieiere  itohfcn.  aueh.in  Grossbrititonien»  wie  ui  den 
übrigen  Staaten^^naeh   ihren  Titel«   in   höher«m  Range  als  hfl 
dem  Land  beere,   sa  dass   der  Capitain  Vin^rMFregiitte   mi(  dem 
Obristlieutenant,  der  Ca|Htain .  eines  Linienschiffes  tnit  dem  Obers^ 
der  Renr-Admiral   mit   dem  Generalmajor ^.iler  Vise^Admiral.Tmit 
dem   Gonerallietitenant    u.   s.   w.   gleicbea   Rang   besitait   »  Nur 
kann    bei   der  Marine   gar  keine  Stelle   oder  «in   Avaneenienjfc 
zu  einer  höheren    dureh  Geld    erkauft   werden«      Dock  herrscht 
auch  bei  dt/r  Englischen  Marine  dasselbe  Unweseu  wie  bei  dem  Lan4* 
beere,  dass  eine  bei  weitem   grössere   Anzahl   höherer  Oüvciers« 
grade  ernannt  wird,  als  Jemals  auch  nur  zu|ii  flinften  TheUe  dei;« 
selben  gebraucht    werden    könnte.      Nach    dem    zweiten    Pariser 
Priemten    blieben    1BI6   71    Admirale,    75    Vice*Admirale   und    80 
Rear-Admirule,  also  226  Admirale;    etlf  Jahre    später  (1827)  w»- 
ren  53  Admirale,  68  VIce-Admirule,  60  Rear-AdmiTAle,   32  Rear- 
Admirale  auf  halbem  Solde,   830    Capitaiae,   844   Commandcur^ 
37Q6  Lieutenants,  668  Zahlmeister,    540    Unter  -  Lieutenants,  358 
Chirurgen,  im  Ganzen  7248  Beamte,  die  den  Rang  von  Flotten- 
Ofücte^e  haben.    Wieder  fünf  Jahre   später»  im  Oecember  J832 
hatte  die  Znhl  der  Admirale  durch  eine  grössere  Sparsamkeit  in 
den  neuen  Ernennungen  wegen  der  grossen  Gehalte  abgenommen 
auf  50  (14  von  der  rothen  und  je  18  von  der  weissen  und  blauen 
Flagge),  der  Vice- Admirale  auf  61  (19  von  dßt  rotlien  «nd  je  21 
von  der  weissen  und  blauen  Flagge),   der   Rear*Admirale   auf  66 
(17  von  der  rothen,  22  von  der  weissen   und  27  vo»  der  btauen 
Flagge),  der  Capitaine  auf  803,  <ler   Commandeurs  auf  8dl,    der 
Lieutenants,  auf  3225.      Aber   auck   für   die  mittleren  Grade  der 
See-Oflicierstellen  wird  diese  Sparsamkeit  jetzt   mit^  jedem  Jahre 
stärker  wahrgenommen;  1833  im  December  gab   es  nur  noch  44 
Admirale,    52  Vice- Admirale,   <H   Rear- Admirale,    786r  Capitaine, 
877  Commandeurs,  270  Commandeurs    der  2.  Classf,    31  f  2  Lieu- 
tenants;   1834   im   December*)  37   Admirale,  49  Vice- Admirale, 

*)  United  Service  Joaroal  vost  J.  1835.     Der  Ifalbsold  der  drei 
AdmiralssiufeVi  ist  500  bis  800  ft  St.,  derCapitain«  180  bis  300  ft  St. 


67t  D«^  Britiftche  Reich. 

*61  Rear<A<fmirtile,  77i0'Capitaiiie  Maton  64  im  aetiven  Dienttt), 
S67  Coiiimaiiaeurs3(i'^^<>"  ItOvim  •ettren  Bicntte),  3106  Lievte- 
nanU  (davon  762  iai  actiren  Dientte).. 

*  Ueber  die  BHiKiR^Aiiataiten  fiir  die  Marine  t.  S.  622.  — 
Die  Kriegtb&fen  sin4  Ckalhaai  io  der  Nähe  tob  RociKtter  tm  ' 
Me4way  mit  aehtiM^ertlieii  Deekt  wirf  allen  Aftttaltes  nim  fiaa 
für  die  KriegMcliilfey  Deptferd,  Woolwiefa,  Pembroke,  Sheemest 
an  der  Themse,  l>over,  Falmeoth,  Porttmouth,  Pljmooth,  van  wel* 
eben  die  beiden  letifteii  die  gr5Mten  und  naeh  der  See  su  mit  star- 
ken Befestigirogsirerkeii  gesehütst  sind,  und  gleiehfalls  besMiders 
ausgeseichnete  Schiffswerften  und  Decks  für  die  Kriegssehiffe  be- 
sitzen. Hail  und  Berwiek  siiid  nur  für  Schiffe  gerti^j^rea  Gra- 
des gebracht  Es  sind  in  allen  «diesen  H&fen  darcbsehnittlieb 
gegen  14,000  Arbeiter  fUr  die  Flotte  beschäftigt  Der  Ban  nnd 
die  Tollstftndige  Ansrttstang  eines  Linienschiffes  vom  ersten  Range 
mit  mehr  als  100  Kanonen  kostet  gegenwärtig  in  Grossbritanniöi 
100,000  9,  St  (700,000  Tbl.),  eine  grosse  Ffegatte  von  36  bis  45  Kan. 
swischen  25,000  nnd  32,000  %  St  (1 75.000  und  254,000  Tbl.).  —  Das 
grösste  Invaliden-Hospital  der  Marine  kt  su  Greenwidi  bei 
Deptford,  von  Wilhelm  IIL  gestiftet,  aber  erst  1705  eröffnet,  wo  2,400 
invalide  Matrosen  und  Marinesoldaten  iaa  Hause  und  30,(MI0feiif 
Pensionert)  ausserhalb  des  Hauses  jäbriieh  mit  6  bia  20  tt  St 
42  bis  i40  ThI.  erhalten  werden. 


IL  Auswärtige  Verhältnisse 


S.  13. 


Der   politi&che  Verkehr  Grosisbritanniens    mit  an- 
deren Staaten. 

.    Als  Engtand  unter  Elisabeth  xu' einer  Maeht  des  ersten  Ran- 
ges sich  erhoby  trat  es  mit  sAmmtüchen  Mächten  Europas  in  ge- 


\  ^ 


fl 


Das  Britische  Beich.  673 

luven  p^UtiadieQ  ^Verkfthr»  da  ft  Hiebt  ninder  m  d^n  A^gele- 
genh/eitea  ilae  aüdH^egUielieii»  iri^  des  hördUchen  Europas  betben 
ligt  «rar.  Diese  polilisehe  Bedeutsamkeit  ist  für  Grofsbritannien, 
mit  Ausnahme  der  Jahre  1603— 6 1»  wo  die  beiden  ersten  Stuarts 
ausserhalb  ihre*  Staates  eine  uutergeordnetere  Stellung  nur 
behaupteten»  nicht  nudur  ^kArst  worden»  und  in  jeder  grossen 
linternehniang  der  EurpplUsoheo^^Mäidite  unter  und  gegen  ein- 
.ander  hat  diese  Maoht  s^  der  Restanratipn  der  Stuarts  eine 
gewichtvolle  Stimme  stets  behauptet,  oder  ist  geradeau  vermit- 
telnder Sehiedsriohter^  vbisweilen  aueh  gebietender  Entseheiüer 
in  den  poliHsehen  D^erensen  gewesen.  Seitdem  die  ^acht  dea 
Hauses  Habsburg  durch  den  dretssig|ährigen  Krieg  und  die  gut- 
bereehneten  Unternehmungen  Ludwigs  XIV.  in  Spanien  und 
Deutschland  sugleich  ersehattert  werden  war,  trat  England  sum. 
Theii  an  seine  Stelle,  und  tibernahm  mit  kraftvoller  Hand  die 
Leitung  der  Frankreieba  herrsehsOcbtigen  PlUnen  entgegenwir- 
Vkenden  Miohten.  Als  Vrankreiebs  Macht  aber  in  der  ersten 
Hlilfle  des  aebtaebnteu  Jahrhunderts  aufhörte,  durch  seine  Ueher* 
macht  der  Ruhe  der' Staaten  Europas  gefahrlich  su  werden,  blieb 
England  Vermittler  in  den  vielfachen  politischen  Händeln  dieser 
Zeit  und  gewährte  durch  reicbliehe  Geld*Subsidien,  seltener 
durch  abgesandte- eigene  oder  auf  seine  Kosten  eihaltene  fremde 
Beere,  der  schwächeren  Macht  neue  Kraft  aum  Widerstände  ge- 
gen die  Prüpotens  eines  Staates  oder  mehrerer  Verbündeter.  So 
handelte  England  für  Maria  Theresia  im  Oestreichischeii  Erb- 
folgekriege gegen  den  Bund  zwischen  Frankfeich,  Preussen,  Spanien 
und  vielen  Deutschen  Fürsten:  so  bandelte  es  für  Preussen  im  sie- 
benjährigen Kriege  gegen  Oestreioir,  Frankreich,  Russland,  ScKwe- 
den  und  das  Deutsche  Reich.  Aber  diese  Politik  war  dem  Briti- 
schen Staate,  als  einem  Handcis-Staate  und  einer  Seemacht,  in  der 
That  durchaus  angemessen,  denn  indem  tH  das  IntercMO  der  schwü- 
eheren  Parthei  schützte,  f5rderte  es  nur  sein  eigenes  Interesse. 

Daher  blieb  seit  dieser  Zeit  Hauptgruhdsatz  der  Biitisohen 
Politik,  jedesmal  der  Ueberhiacht  auf  dem  Continente  Europas 
sich  entgegenzustellen,  sei  diese  durch  einen  Staat,  oder  auch 
durch  einen  Verein  mehrerer  Staaten  herbeigefüBrt.  In  dieser, 
Ansicht  finden  wir  sugleich  den  erlüutemde|i  Commentar  für  die 
Britische  Politik  ip  der  neuesten  Zeit,  und  wir  dürfen  der- 
selben ak  einer  belehrenden  Mahnung  auch  für  die  Zukunft  uns  ' 
anvertrauen.    Daher  der  Bund  mit  ppeusaen  und  Oeatreicli  gegen 

Schubert'«  Statistik  II.  4} 


674  Da0   B-ri-H^cAe  Bei  eh. 

daa  rerolotionäre  Frankreich,  daher  Fortsetzung  d^esei  gemein- 
schafdichen  Kampfes,  als  beide  erste  Verbündete  und  die  übrigen 
Theilnehmer  dieses  Bundes  nach  der  Reihe  mit  Frankreich  Frieden 
geschlossen  hatten.  Fa  kam  nur  darauf  an  einen  lang  dauernden 
Krieg  auf  dem  Continente  zu  erhalten,  weil  durch  diesen  doch  end- 
Kch  die  Uebermacht  auch  des  glücklichen  Siegers  geschwächt  wer- 
den musste.  Daher  sehen  wir  aber  auch  das  Englische  Cabinet  den 
Krieg  selbst  anschüren,  neue  Coalitionen  gegen  die  Französisch« 
Republik  und  das  Französische  Kaiserthum  zu  Stande  bringen  und 
mit  den  grössten  Geldopfern  erhalten,  weil  sein  Staatsinteresse, 
das  ich  oben  in  Bezug  auf  den  Handel  und  den  regeren  Ver« 
trieb  der  Erzeugnisse  der  technischen  Cultur  ausführlicher  aus- 
einander gesetzt  habe,  durch  jede  Uebermacht  in  Euro[»a  auf 
die*  Dauer  sich  in  den  vorzüglich Rten  Grundkröften  seiner  po- 
litischen Macht  mit  dringender  Gefahr  bedroht  sieht  Wenn 
nun  demgemäss  William  Pitt,  so  lange  er  das  Englische  Mini- 
sterium leitete,  4ie  ^eele  alier  Unternehmungen  gegen  Frank- 
reich blieb,  so  war  dies  keinesweges  seine  persönliche  Politik, 
■ie  war  nur  aus  der  nothwendigen  Stellung  Grossbritanniens  un- 
ter den  Staaten  Europas  hervorgegangen:  daher  konnte  es  nicht 
anders  geschehen,  als  dass  unter  den  damaligen  Umständen,  nach 
der  kurzen  Unterbrechung  -einiger  Monate  durch  Foxs  Ministe- 
rium, zu  der  früheren  Politik  zurückgekehrt  werden  musste,  und  di« 
Aiihi'mger  dieses  Sjstems,  Perceval  und  Castlereagh',  inderVerwaU 
tung  der  ^auswärtigen  Angelegenheiten  bei  strenger  Befolgung  der 
Grundsätze  Pitts  verharrten. 

England  war  inzwischen  seit  der  Mitte  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  unbestreitbar  die  erste  Seemacht  Europas  gewor- 
den, d.  i.  es  hatte  eine  politische  bedeutsame  Stellung  vorzugs- 
weise durch  die  Ueberlegenheit  seiner  Flotte  erlangt,  es  behaup- 
tete aber  auch  dieses  politische  Gewicht,  ohne  zugleich  die 
nachdrückliche  Unterstützung  eines  Landheeres  zu  besitzen« 
wie  ^ies  bei  den  übrigen  Grossmächten  Europas  der  Fall  war. 
England  hatte  inzwischen  früher  noch  einen  Nebenbuhler  in  der  Re- 
publik der  vereinigten  Niederlande,  welche  zuerst  als  mit  gebietende 
Seemacht  in  Europa  aufgetreten  war,  $ber  anfänglich  doch  zu- 
gleich ein  auserlesenes  Landheer  besass,  unter  den  ersten  drei 
grossen  Oraniern  selbst  in  ihrem  Heer  ^ne  Schute  Europiiisrher 
Kriegskunst  bildete,  sowie  in  ihren  vielfachen  Festungen,  bei  der 
aatttrliobea  Beschafienheit  ihres  Landes,  einen  undurchdringlichen 


I>a>t  B^rUisah^  Reich.  675 

SchHt^.fur  die*  Beknuptunii^  ilires.  poUdichen  ADt6li«iis.fB8tt teilte: 
Englafid  dagegen  veriichtete  auf  die  Rehauptnng  eeiner  Macht 
durch  eia  atehendea  Heer,,  denn  wie  Marlborougha  gläny^ende 
Feldzuge  in  dem  ersten  Jahirsehend  detjieiitiehnten  Jahchuiidert8,«Q^ 
,  blieben  Wellingtons  Unternehmungen  hundert  Jahre  später  nur  vor- 
übergehend, nur  durch  die  politischen  VerhiUtnisse  anderer  Staa- 
ten hervorgerufen^  nicht  durc^  Englands  eigene  Lage  geforderte 

Aber,  die  zweite  Seemacht  sank  durch  beharrliche  Vernach«^ 
Ulssigung  der  Mittel,  durch  welche  sie  zu  i)^rer  politischen  Sclbst- 
Btftivdigkeit  und  Ifbh»  empor  gestiegen-  war,  ^e  Niederlande  gin-^ 
gen    in   innerer  Zwietracht  uad    sich    seihst  vernichtendea  Par* 
theiungen    unter,    g^gfn    deren    erdrückendes    Gewicht  sie    auch- 
nicht   mehr-  lange  die  politische  Selbstständfgkeit   su    behaupten 
vermochten,  und  während  der  Revolution  als  ein  Theil  dem  unge« 
messenen  FVanzoseQ-8taat  einverleibt  wurden.    England  erhielt  da- 
durch das  ganze  politische  Gewicht  beider  Seemächte  für  sich  allein^ 
"  und  benutzte  diksselbe  reichlich  in  dieser ^eit  theils  durch  Vernich- 
tung der  Flotten  aller  westlichen  Staaten  Europas,  tfaetls  d«reh  Ero«^ 
bening  der  meiüten  Ausser-Europutschen  Colonten  derselben.  Oross^ 
britanni^n  kam  auf  solche  WciseJahrzehnile*  lang  in  den  alleinigen^ 
BcAitz  des^Wdthandels,  seine  Besitzungen  in  Ost-  und  Westindieii' 
und  der  daran  sich  kn^üpfende  ausgedehnte  Handel  machten  das  Bri- 
tiilche  Volk  zu  dem  reichsten  auf  der  Erde,  die  leichte  Art  die  ßri«- 
trsche  Natiönalschuld  zu  vergrössem  und  die  Mittel  zu  ihrer  Befrie- 
digung für  Zinsen  und  Tilgung  zueilangen,  reichten  der  Regierung* 
stets    Geld   in   die  Hiinde,    so   <hi8S   durch   rctehliehes  Spenden» 
'  desselben  an  viele  Staaten  Europas,  selbst  an  ihr<f  ersten  Mäehte^ 
difese  selbst  an  «las  Britische  Staats-Interesse  geknüpft  wurden.    Die- 
ses trachtete  jedoch  auf  seiner  Seite,  in  allen  politisehen  Beztehun«- 
gen  unablässig  für  ilen  Handel  nnd'die Industrie  seines  Volkes  tiber- 
ail  Vottheil  und  eine  weitere  Ausdehnung  des  Verkehrs  zu  gewinnen.. 
Diese  Jlrchtung-  und   Stellung  t Grossbritanniens   wird   auch- 
jetzt,  noch  energisch   in  allen  auswärtigen  Verhältnissen  behaup- 
tet: es  bleibt  aber  ganz  dem- Cliarakter  etnes-solchen  Staates  gemäss» 
dtass    er   eben    dcsshalb    den  nusgebrehetsten  politischen  Verkehr - 
mit  den  Staaten  aller  Erdtheile^  eingeleitet  hat  und  noeh  erhält  ^U 

*)  Vergl.  darüber  oben  S.  S34— 686  das  Amt  des  Staatssecretär^ 
der  auswärtigen  Angelegenheiten  und  die  Beschreibung  des  diplo— 
mAtiscbeiv  Verkehrs  in  Groasbri(anuiea« 

43* 


67S  Das  Britische  Beich. 

Ei  ist  ihm  ifaria  kcia  StMf  ««r^AomtaMM»  4mber  gtk  aueli 
•r  dM  Vnte  Beit|^el  ia  Bar9pa>  «lit  il«n  neaea  Slaatea  das 
mittleren  und  tQdlkken  Ameiikat  ^poKcltstke  Vtrbiadaagea  aa- 
sukaüpfcn  and  Vertrige  ahaataüliettea«  * 


$.14 

Die  wichtigsten  noch  als  gültig  bestehende^ 
Staatsverträge  und  Bikidnisse  nach  ihren 
>    Hauptbeziehungen. 


Von  den  allgemeiaen  Staatttertrigen  swinchen  Groitbri« 
tiinni^n  and  den  wichtigsten   Staaten  Europas  in  Besog  auf 
die  Feststeliang  der  gegenwärtigen  Politik  seit  den  beiden  Frie* 
denssehlüssen  xa  Paris  und  dem  daawiachen  liegenden  Congresse 
an  Wien  ist  bereits  oben  bei.deni  Rutsisehen  Reiche  Bd.  I.  S.  372» 
und  bei  Frankreich  Bd.  V.  S.  285   das  Nöthige  erörtert  worden« 
Die  eigenthümlichen  Besiehungen  der  neuen  Quadrupel- Allians  mit 
Frankreick,  Spanien  and  Portugal  Yom  22.  Apr.  1834  haben  bei 
Frankreich   gleichfalls  (Bd.    IL  S.   28ß—$6)  schon  ihre  Erledi- 
gang gefunden«      Blit  Spanien   haben   aber  seit   der  Restau* 
ration   der  Stuarta  ausserdem  vielfache  politische  Vertrige  sa 
gemeinschaftlichen   politischen  Unternehmungen,  namentlieh  seit 
dem  23^  Mai  1667  beatanden,  die  sugleich  gegenseitige  Handels- 
v<urtheile»  jedoch  mehr  su  Gunsten  der  Engländer  als  der  Spa« 
aiar  feataetaten«     Dies  geschah  besonders  durch  den  Utrechter 
Frieden   und  den'Assiento  vom  2^  Mira  1713,  welcher  die  be* 
dingte  Einfuhr  der  Neger-Sclaven  in  das  Spaatsche  Amerika  'suge- 
stand»  und  einen  vollständigen  Handels«  mid  Schiffal\rts- Vertrag 
auf  das  Recht  der  begünstigsten  Nation  am  9.  December  1713  sur 
Folgo  hatte.   Derselbe  wurde  bestätigt  und  noch  erweitert  am  14. 
December  1715,  un^  abermals  in  den  allgemeinen^Besiehungen  mit 
Ausnahme  des.  Assiento  durch  diQ  Eriedensscblüsse  vom  10.  Feh. 
1763  und  3.  Sept  1783  erneuert*^     Die  Handelsbef^ehtigungen 


*}  Marteas  Conrs  diplonat  U  S«  369^71  aad  UI.&  I1»«-8i. 


Das  Britische  Reieln 


•77 


erfangten  aWiiuil»  Ar  S»  BogISader  «incti  grgMttfn  UidTaUf^ 
in  4tm  Schüts*  und  TrotibQndmwe  vom  Jahre'  1811  %in4  dem 
Handeltftrtrag»  yom  23.  Angustt  1817,  welcher  aneh  sagleieh 
die  enten  Verpfliehtuugen  fihr  Spanien  w^an  AbaehaAng  dea 
Sdarenhandela  nach  Amerika  festateUte,  ufid  bia  Jetst  noch  in 
rechtagültiger  Kraft  gcd>Uebett  iat  — >  / 

Mit  Portugal  hat  Groeabrltannien  noch  eiftschieden  gün- 
atige^e  Vorlheile  für  aeinen  Handel  und  aelne  Industrie  erworben, 
alt  von  Spanien,  da  bereits  in  dem  Handelsverträge  vom  Jahre 
1642  die  Engländer  daa  Recht  erlangten,  bei  allen  Abgaben  und 
Zftllen  wie  die  begünstigtste  Nation  behandelt  lu  werdep»  diaaec 
Vertrag  fiberdiea  noch  in  einseinen  Punkten  1654;  1057,  T667nnl 
1698  beträchtliche  Ausdehnungen  erhielt  Aber  die  Krone  dieser 
Verhandlungen  blieb  der  Methuen-Vertrag  vom  27.  December  1 703  % 
wdcher  swaf  für  die  den  Engl&ndem  gerade  am  meisten  susa* 
gende  Portugiesische  Weine  einen  vermehrten  Absats  nach  Gross- 
britannien verschaiRe,  aber  daifüir  auch  den  Briten  auf  Kosten 
anderer  Nationen  fast  Monopoihandel  in  den  Manufacturwaaren 
und  namentlich  in  den  Woll-Eabrikaten  ainrUumte.  Diesea  Hau- 
delaverhftltniss  beaintr&ehtigte  in  der  That  die  ^elbttständigkeit 
das  Portugiesischen  Staatea  und  vernnlassta  dadurch'  sehr  häa* 
iige  Beschwerden  im  Volke«  die  indess  auch  unter  Pombala 
Bfinisterium  nur  theilweise  abgestellt  werden  konnten:  aber  bei 
einem  ao  ansehnlichen  Vortheile  war  es  auch  erklärlich,  dau 
Grossbritannien  alle  aeine  politischen  Ktftfte  aufbot,  um  diesen 
Einfluss  und  diese  Handelsvortheile  in  Portugal  sich  nu  erhalten. 
Daher  die  Stellung  Grossbritanniens  zu*  Portugal  während  dea 
Fransösischen  Revolutionskrieges  seit  dem  Bündnisse  voni  2CL 
September  1703,  daher  der  Kampf  dieses  Staates  für  Portugal 
seit  1807:  daher  aber  auch  wiederum  die  fQr  Grossbritannien 
theilweise  erhöhten  Vortheile  des  Handels*  und  SchifiTahrtsver- 
trags  mit  Portugal  von  Rio  Janeiro  den   10.  Februar  1810  und 


•)  Märten»  a.  a*  0<  I,,  8.  f73^78  und  in.  8.  265— sa  V^c. 
culloch  a;  «.  O^  D.  U.  LS.  995  hält  dagegen  diesen  Vertraf  für 
anvortheilhaft,  weil  er  der  Ausdehnaag  des  Handels  mi«  Fraakreiota  * 
geschadet  habe:  doch  acheiat  er  dabei  ganz  die  verschiedenen  Zeil- 
zustande  zu  ülwriclian.    Der  Test  daa  Vertrage  ist  das.  81 618. 


$78  Das  Britische  Beicli. 

I 

! 

die   dasu  gehörende  Uebereinkanft  von  London  .dialS»  Deoem* 
her  ISVI*)4 

m 

f  Von  den  bestehenden  S^t^ifffahrts-  und  Handelsverträgen 
mit  Frankreich  siehe  oben  S.  287^  wobei  noch  zu  bemerken 
bleibt,  dass  Europäische  Crsenj^niss^  auf  Elnglischen  SchiflTen 
nach  Frankreich  und  auf  Französischen  Schiffen  nach  Grossbri« 
Jtannien  nur  in  deni  FaUe  gebracht  werden  dürfen,  wenn  sie  in 
Englischen  oder  Französischen  Häfen  geladen' haben.  Der  Han- 
del nach  den  gegenseitigen  Colonien  wird  (mit  Ausnahme  der 
im  Besitz  der  Ostindischen-Compagnie  beftndlichen  Länder)  für 
die  Schiffe  beider  Völker  frei  gegeben,  wenn  sie  ihre  eigenen 
fohen  Produote  und  Fabrikate  einführen.  Poch  bleibt  immer  die 
Einfahr  derjenigen  Gegenstände  geradezu  verboten^  die  ent^ 
weder  überhaupt  gar  nicht,  oder  nur  auf  Englischen  Schiffen 
in  .Engljsoiie  und  auf  Französischen  Schiffen  in  Französische 
Colonien  eingebracht  werden  sollen  **),  -^  lieber  die  l,etztdi| 
Handels* Verträge  mit  Russland  i.  Bd.  I.  S.  274.  r-^ 

Mit  Preussen  besteht,  da  wir  von  dem  allgemeinen  po- 
litischen Verkehr  Grossbritanniens  mit  den  Europäisehen  Staaten 
vom  ersten  Range  schon  oben  gehandelt  haben,  der  Harfdeisver* 
trag'  zu  London,  unterzeichnet  am  2.  Apn  1934*%  ratiticirt  am 
15.  Apr.  1824,  >und  mit  den  Ratificationen  ausgeweehfelt  am 
I.Mai  desselben  Jahres  *^*).  Nach  demselben  werden  fQr  die 
lämmtlichen  Handelsschiffe  beider  Nationen  gegenseitig  nur  die 
Lasten  und  Sehifffahrtsabgaben  festgestellt,  welche  die  National* 
sehiffe    zu   entrichten    haben:    beide    geniessen    gleiche   Rechte 


*)  MaccuUoch  a.  a.  O.  I.  S.  814—21. 

**^  Neueste  Staatsacten  Bd.  HL  2^ 

♦♦*X  MaccuUoch  a.  a.  O.  I.  S.  822— M.  Preussis^hc  Gese(z- 
sammlung  J.  1824  vergl.  damit  d.  Prss.  *  Gesetzs.  J.  1826  Nr.  1007, 
welche  eine  öffentliche  Bekanntmachung  liefert,  dass.  die  Engländer 
überall  in  Preussen  gleich  den  ibe^ünstigtsten  Nationen  im  Handels- 
'verkehr  behandeü  werden  sollen,  damit  dasselbe  Recht  auch  auf  die 
PreAssischen  Unterthanen  in  Grossbritannien  üfoer^^^'hew  Dies  solle 
solange  verbleiben  y  als  es  in  Grosebritannien  Cofidaiiest* 


Das  Britische    Reich.  679 

und  Begünstigungen»  jedoch  nur  för  solche  Erzeugniste  des 
Bodens  und  der  Industrie,  deren  Einfuhr  öherhaupt  nach  den 
vorhandenen  gesetzlichen  Bestimmungen  erlaubt  ist:  es  ist  aber 
völlig  einerlei,  oh  diese  Schiffe  den  Preussen  und  den  Briten  eigen- 
thümlich  sind,^  oder  aus  der  Fremde  hergeholte  Waaren  einführen. 
Dieser  Vertrag  ist  auf  zehn  Jahre  geschlossen,  mit  einer  Fri«t  von 
zwölf  Monaten  zur  Aufhebung  oder  zur  Verlängerung  desselben. 
—-Mit  Schweden  trat  Grossbritannien  seit  dem  Westphälischen 
Friedensschlüsse  1648  und  dem  Frieden  von  Oliva  1660  in  nU,* 
here  politische  Verbindung,  worauf  am  2lsten  October  1661  ein 
Bfindniss  und  Handelsvertrag  zwischen' beiden  Staaten  abgeschlos- 
sen wurde,  welcher  letztere  stets  erneuert,  namentlich  durch 
den  Vertrag  vom  5.  Fehr.  1 766,  bis  auf  unser  Jahrhundert  sich  in 
Kraft  erhielt*).  Derselbe  erlangte  gleichfalls  neue  Anerkennung 
in  dem  Bündnisse  zwischen  Schweden  und  Grossbritannien  gegen 
Frankreich  im  Jahre  1812,  sowie  eine  zeitgemässe  Enwiterung  in 
dem  neuen  Schiffahrts-  und  Handelsverträge  vom  23.  März  1826, 
ratificirt  am  18.  Mai:  ausserdem  wurde  am  6.  November  1824  noch 
zu  Stockholm  ein  besonderer  Vertrag  zwischen  beiden  Staaten  we- 
gen Unterdrückung  des  Sclavenhandels  abgeschlossen  **).  —  Mit 
der  Krone  Dänemark  bestand  ein  Handelsvertrag  seit  dem  25. 
April  1665,  welcher  bis  zu  den  Verhandlungen  Über  die  bewaff- 
nete Neutralität  zur  See  im  Jahre  1780  in  Kraft  sich  erhalten 
hatte***).  Seit  dieser  Zeit  näherten  sich  beide  Staaten  nicht 
mehr  zu  dem  alten  frenndschaftlichen  Verbände,  bis  die  vietfa- 
eben  Differenzen  während  Napoleons  Einflusses  auf  Dänemark  in 
gänzlichen  Abbruch  alles  politischen  Verkehrs  übergingen;  die 
wieder  angeknüpften  Verbindungen  zwischen  beiden  Staaten  durch 
die  Pariser  Frierlensch'lüsse  erhielten  fü^  den  Handelsverkehr 
neue  Festigkeit  durch  den  Handelsvertrag  zu  London  vom  16(eQ 
Juni  1824  f),  der  fast  völlig  gleiche  Bestimmungen  wie  der  mit 
Preussen  abgeschlossene  enthält,  und  auch  auf  denselben  Zeit- 
raum eingegangen  ist 


,  I 


♦)  Martens  a.  a.  O.  I.  S.  571—76  und  III.  S.  270-73. 

♦♦)  Neueste  Staatsacten  I.  S.  38—44. 

♦*♦)  Martens  a.  a.  (X  I.  S.  566-72  und  UL  S.  267-69. 

t)  Maccullocb  a.  a.  O.  L  S.  796—800. 


S8e  Oa8  Britisch«  Reich. 

) 

Mit  4ein  Königreiche  der  vereinigten  Niederlande 
wurden  die  früheren  innigeren  politischen  und  comliieTeiellen  Be^ 
xiehungen,  welche  seit  l&uger  ab  swei  JelA'huniUrtett  swisehen 
d^r  Republik  Holland  und  England  bestanden  hatten, -gleich  I8J5 
wieder  angeknüpft  Verhandlungen  Über  den  Abschlnss  ein^a 
neuen  Handels^'  und  Schiffahrts-Vertrags  begannen  b^ald  darauf,  fan<^ 
den  aber  wegen  der  Indischen  Besitzungen  einigen  Anstand,  bia 
dass  «m  ]7ten  Man  1824  ein  Vertrag  mwisehen  beiden  Steaten 
ahgesciiios^  wurde,  i^lcher  den  gegensätigen  Handel  im  Indi« 
sehen  Oeel^k'  begünstigte,  und  nur  das  Doppelte  der  Zollabgaben 
für  die  eigenen  UotorthaAen  im  Handelsverkehr  bestimmte,  wo 
aher^  diese  gar  nichts  aahlten,  den  Zoll  höchstens  auf  6  Procent 
des  WeAhes  4er  Waaren  featsotate.  Doch  blieben  die  Motucki« 
sehen  iasein  davon  ausg^eschlossen ,  solangb  die  NtederHbi-. 
dische  Regierung  selbst  hier  den  8pecereihandel  als  Monopol 
betreibt**),  p*  (Jeher  die  Verträge  wegen  der  Königreiche  Bei* 
gien  und  Griechenland  s«  B.  I.  8.  374. 

Mit  dem  Kaiserthume  Oestro  ich  ist  ausser  den  obigen allge* 
meinen  politischen  Verträgen  jm  London  am  21.  December  1829 
ein  Handels-und  Schiffahrts-Vertrag  abgeschlossen  ***),  der  eben- 
falls den  Bedingungen  des  Preussischen  fast  ginslich  gleich  ge- 
stellt i:it.  Dasselbe  gilt  von  dem  Handels-  und  Schiffahrtsver- 
trage mit  den  drei  Hanseatischen  Freistaaten,  Hamburgs 
Bremen  ifnd  Lübeck,  abgesdilossen  zu  London  den  20.  Septem- 
ber 1825***).  Nicht  so  günstig  filr  das  Königreich  Neapel  und 
Sicilien  besteht  der  Handeis-  und  Schiffahrtgvertrag  vom  26teii 
Sept  1816  SU  London  abgeschlossen  f)  noch  ietst  als  gültig. 

/ 

Mit  der  Ottomannischen  Pforte  sind  alle  frühere  poli- 
tischen Besiehungen  und  gegeuneitig  sugestandene  Handelsvur- 
theile  in  den  Friedensvertrag  vom  %*  Januar  1820,  In  den  Dar- 
danellen abgeschlossen t    wieder  aufgenommen,    als  gültig  aner- 


*)  Macculloch  a,  a.  Q.  L  S.  611-^12. 

♦♦)  Maccalloch  a.  a.  O.  L  S.  797—08 

***)  Macculloch  a.  a.  O.  I.  S.  803. 
t>  Macculloch  e.  a.  O.  I.  S.  825« 


\ 


Da«  Britisoke  Seich.  681 

/ 

kannt,  und  theilweite  beträcbtlkh  erweitert  *).  --  Die  Ver- 
hältnisse mit  denBarberetken^Staaten  sind  seit  den: fionbar« 
•dement  Algiers  dureh  Admital  Exmonthiai  August  1616,  mekr  durch 
«lie  Ueberlegenheit  der  Bricisehen  Seemaefat  auf  dem  Mittelländi- 
■eben  Meere,  als  durch  Verträge  sehr  gQnstig  Ar  die  Britiiehen 
Unterthanen  erhalten  worden« 

Unter  den  Asiatisdhen  selbständigen  Staaten,  ^  den^n  wir 
die  Ostindischen,  wenn  sie  auch  noch  eigene  Herrscher  besits^ 
j^iicht  mehr  rechnen  können,  ist  neuerdings  mit  dam  Seh^ikTiMi 
Persien    ein   Handelsvertrag  .1835    abgesdilossen    worden  *% 
T-  Der  Verkehr  mit  den  Amerikanischen  Staaten   ist  da- 
gegen fregenwärtig  fast  überall  durch  politische  Verträge  aiisaev« 
ordentlich  lebhaft  in  allen  Besiehungen  erhaltefi,    wodvroh  dai 
Interesse  Grossbritanniens  hier  höchst  ansehnliche  VortheUe  ef- 
worben  hat     Mit   4«n   Nordamerik^nisehen   Freistaaten 
.war  seit  ihrer  Anerkennung   als  selbständiger  Staat   dutth  den 
frieden  Ton  Versailles  am  3.  Septbr.  1783  gleiclixeitig  ein.polU 
tischer  Vertrag  über  die  Regelung  des  gegenseitigen  An^^krer- 
l^hrs  eingeleitet^   und  dieser  auch  durch  besonder^  Parlament 
acte  Ton  1785  und  vom  4ten  Juli  1707  festgestellt  worden^**). 
Dem  Frieden  von  Gent  (24.  Dec.  1814),  welcher  den  ersten  Krieg  mvi- 
scKen  beiden  Staaten  beendete,  folgte  alsbald  ein  vollstlndig^ 
Handelsrertrag  lu  London  den  3ten  Juli  1815  auf  vier  Jahre  «ligt. 
schlössen,  welcher  den  ausgedehntesten  Handelsverkehr  übe  beide* 
Völcer,   für  die  Nordamerikaner  selbst  nach  den  Haupt-Nieder- 
lassungen  dea  Britischen  Ostindiens  bestimmte  f).     Dieter  Ver- 
trag wurde  1818  und  1827  abermals  erneuert  — Unter  den  neuen 
souverainen  Amerikanischen' Staaten  erkannte^ Gross^ri tan« 
nien  durch  eine  förmliche  politische  Acte  vom  Iten  Ju^yMf*%B25, 
die  Selbständigkeit  von  Mexico,  Buenos  Ajres  und  Cplunt* 
bia  an  ff).    Es  sehloaa  aber  auch  sofort  Freundschafts «^  Han« 


*)  Maccalloch  a.  a.  O.  I.  S.  8^7—30. 

^*)  Preussiscbe  Staatszeitong,  Aug.  1^35  Nr.  238. 

***)  l^^rtens  a.  a.  O.  I.  S.  688-90. 

t)  Macculloch  a.  a.  O.  L  S.  830-33. 

tt)  Neueste  SUatsacteu  I.  S.  1—78.  « 


* 


68S  1)4«  Brititohe  Reich. 

Ms-  uni  ScMffalirtiTartrftge»  mit*4«i  Tereinigten  Pre?in- 
sea  am  La«PlalAttrome  am  2.  Fabr.   1826«  su  Buenos  Ajni 
TOB  4«r  Repablik  ank  10.  F^r.  1826*)  radfieirt,   mit  Mexico 
imk  0.Apr.  1825  aod  dem  26  Docaaiber  1826*%  nitColunbi« 
den   18.   Apr.    1825  ***)  la  Bogota.    In  allen  diesen  Vertrigea 
und  die  Abgaben  nnd  Recbte  gegeneeidg  featgeetellt,  nnd  für  na- 
tional Im  Handeleverkehr  werden  diejenigen  SehüTe  angeteben, 
welebe  Im  Lande  erbaut^  oder  als  rechtmässige  Prisen  genommea 
dlid,  oder  wenn  der  6ehiSs*Capitaiii  nnd  s  der  Schiffsmannschaft 
Btt  dem  Volke  gehttren,    deren  Flagge   sie  führen.  —  Mit  den 
Kaisertknme  Brasilien  wurde  am  18ten  Oetober  1825  ein  Han* 
ddsrertrag  abgeschlossen»  zugleich  wegen  Abschaffimg  des  Sclaven* 
kandelsy  der  nach  Ablanf  ron  Tier  Jahren  von  Portugi^ischer  Seite 
«rfolgM  sollte,  wihrend  dieser  Zeit  aber  nur  auf  die'Linder  der  Oüt- 
kllste  Afrikas  beschrftnkt  bleiben  dürfte ,  M  der  Portugiesischen 
Krotao  sngehürett.   Dieser Vertraj;  wurde anf&nglich  (Jan.  IS28) ron 
England  nicht  ratificirt,  weil  Brasilien  die  Sperrung  gegen  Jejesvcn 
Portugal  anerkannte  Verbrechen  des  Hoebverraths  Teriangte,  dann 
aber  wurde  die  Genehmigung  nachtriglich  am  10.  Aug.  1827  er- 
Ikeilt  —  Die  Republik  Veneauel«  erhielt  die  sicherste  Garan- 
tie ihrer  Anerkennung  Ton  Seiten  Grossbritanniens  durch  den  AÜ- 
aehluss  des  HändelsTertrags  Tom  27.  Oetober  1834,   welchen  sa 
London  Seanor  Hantilla  als  Abgeordneter  der  Republik  mit  den 
Lord  Palmärston   als  Minister   der   auswürtigen  Angelq;enhd- 
ten 


^  Netteste  Stsatsactea  L,  L  &  1--7. 

^  Neueste  Staatsacien  L  S.  S.  186  und  i;7{  nnd  Maccallodi 
L  8.  806-18. 

***)  Neueste  Staatsacien  L  1.  S.  7—16. 


V  •  • 


* 


k 


g        Berichtigungen  nnd  Bnickfeliler 

im  ersten  Bande. 

S.  66«^.  IL  1.  Zaae  st  Zanetornato.  —  S.  130.Z.  4.  t.  il  1. 
1.271  QM,  iL  124,171  QM.  u.  1,422,100  Einw.  st  22,100  E.  — 
S.  318.  Z.  1.  L  heiligst  diriji;.  st  hdrhst  dirigir.  —  S.  344 
Z.  12.  T.  it  L  Eheweibermorde  st  Männcrinordc.  —  S,  377.  Z. 
10.  T.  Q.  L  der  früh,  unbedeuteifde  ....  politische  u.  conimerc. 
Verl^ehr  st.  den Beziehungeo.  —  S.  378.  Z.  3.  1.  Persi- 
sches Reich  st  Russ.  R.  u.  Z.  4.  den  dieselben  mit  grosser  Eiflr- 
■ttcht  tlir  andere  Europ.  st  den  sie  siun  Nachtbeile  and.  —  | 

Im  zweiten  Bande. 

S.  2.  Z.  21.  L  in  2  Blättern,  statt  in  70  Blättern. 

S.  5.  Z.  11.  1.  histoire  st  histori^ 

S.  10.  Z.  20.  L  1648  st  1638. 

S.  10.  Z.  10.  V.  u.  L  Spanischen  st  Oeüfcreiehiscken« 

S.  12.  letite  Zeile  1.  Flecrj  st  Flenry. 

S.  23.  Z.  3.  T.  u.  L  Arrondissement  st  Arrondissemens. 

S.  26.  Z.  1.  V.  o.  schalte  ein  DutenB  histotre  de  la  naviga- 
tion  interieure  de  la  France^  Paris  1824,  2  vol.  4to.. 

S.  27.  Z.  2.  T.  o.  L  45®  n.  Br.  st  51®  n.  Br.. 

S.  28.  Z.  26.  T.  0^  L  bildet  der  st  bildet  den. 

S«  28.  Z.  5.  ▼.  u.  L  dem  Golean  st  den  Golean.. 

S.  41.  Z.  12.  V.  n.  vor  Aber  schalte  ein:  In  den  xehn  Jahren 
18}|  sind  in  Frankreich  28  eiserne  Hängebrttcken  für  die  Summe 
T.  I0,41M),000  Free.  (2,832,300  Tbl)  in  einer  Gesaromtlänge  Yon 
5245  Mitres  gesehlagen  worden,  davon  6  ttber  die  Rbmie,  3 
über  die  Vienne,  3  über  die  Loire,  3  über  die  Seine^  2  über  die 
Duranee,  2  über  die  Ard^he,  2  über  die  Sadne,  2  über  die  ^ 
Garonne,  1  über  den  Gard,  1  über  den  Aih,  1  über  die  Marne, 
1  über  den  Ter  nnd  1  über  die  Mosel.  — 

S.  61.  Z.  8.  T.  u.  L  Capefigne  st  Capegfive. 

S.  73.  Z.  6  T.  n.  L  je  3  nnd  4  st  6. 

S.  73.  Z.  2.  V.  u.  schalte  ein:  „wo  keine  Kirche  wicen 
SU  geringer  Zahl  der  Bekenner  gebildet  werden  kann,,  errichtet 
man  ein  Oratorium  oder  einen  temple  $epare\  deren  es  10  ausser- 
halb  der  Consistorialkirchen  giebt 

8.  74  Z.  2.  V.  ob.  Die  Zahl  dar  Evang.  Ludier.  Geistliehen  ist 
601.  n.  Zr  13  die  der  Reformirten  ist  520. 

S.  110.  Z.  16.  V.  ob.  Zu  den  Sitten  der  ausgeselehnetsten 
Gerbereien  in  Frankreich  müssen  noch  Pont-Audemer,  Cbateau- 
lUnaud  und  Blois  hiniugefttgt  werden.  In  der  Weissgerberei 
steht  Frankreich  jetst  auf  der  höchsten  Stufe  xmd  hat  selbst  die 
BngU^e  Industrie  weit  übertroffen«  In  den  Franiösischen  Hi^d* 
schuhen  wetteilem '  neben  Grenoble,  Lune^lb,  Chaumont  und 
Paris,  und  die  Ausfuhr  ist  darin  so  stark,  dass  selbst  England 
jetit  noch  jährlich  1,500,000  Paare  der  feinsten  ^beit  besiebt 
In  Schuhen  und  Sättel »  die  nach  allen  Ländern,  besonders  auch