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HANDBUCH
DER
BIOCHEMISCHEN ARBEITSMETHODEN.
V.BAND.
I. TEIL.
HANDBUCH
DER
iMISCHEN km
BEARBEITET VON
Prof. Dr. E. Abderhalden, Berlin — Prof. Dr. W. Autenrieth, Freiburg i. Br. — Prof. Dr. H. Bech-
hold, Frankfurt a. M. - M. T. Burrows, New-Tork — Prof. Dr. A. Carrell, New-Tork — Dr. phil.
Edelstein, Berlin — Exz. Geh. Rat Prof. Dr. Emil Fischer, Berliu — Prof, Dr. Otto Polin, Boston —
Prof. Dr. Sigmund Fränkel, Wien — Priv.-Doz. Dr. Fühner, Freiburg i. Br. — Priv.Doz. Dr. Fuhrmann,
Graz — Geh. Rat Prof. Dr. V. Hensen, Kiel — Prof. Dr. M. Kumagawa, Tokio — Priv.-Doz. Dr. E. Letsche,
Tübingen — Dr. phil. P. A. Levene, New- York — Prof. Dr. Lockemann, Berlin — Dr. med. H. Loh-
risch, Chemnitz — Prof. Dr. E. S. London, St. Petersburg — Prof. Dr. Macallum, Toronto — Prof. Dr.
Leonor Michaelis, Berlin — Prof. Dr. Morawitz, Freibnrg i. B. — Prof. I)r Franz Müller, Berlin —
Prof. Dr. Hermann Pfeiffer, Graz — Prof. Dr. Pohl, Prag — Prof. Dr. Pregl, Innsbruck — Priv.-Doz.
Dr. Ernst G.Pringsheim, Halle a. S. — Priv.-Doz. Dr. H.Pringsheim, Berlin — l'riv.-Doz. Dr. Rohde,
Heidelberg — Dr. med. und phil. P. Rona, Berlin — Dr. phil. van Slyke, New-York — Hofrat Prof. Di.
J. Stoklasa, Prag — Prof. Dr. J. Traube, Berlin — Priv.-Doz. Dr. Völtz, Berlin.
HERAUSGEGEBEN VON
PROF. DR. EMIL ABDERHALDEN,
DIREKTOR. DES PHYSIOL. INSTITUTES DER TIERÄRZTL. HOCHSCHULE, BERLIN.
FÜNFTER BAND.
ERSTER TEIL.
MIT 168 TEILS MEHRFAEBIGEN TEXTABBILDUNGEN.
URBAN & SCHWARZENBERG
BERLIN WIEN
N., FRIEDRICHSTRASSE 105b I., M AXIMILI ANST R ASSE 4
1911.
Vorwort.
In Band 1 — 4 des Handbuchs der biochemischen Arbeitsmethoden
sind die einzelnen Methoden nach den einzelnen Operationen und
den einzelnen Stoffen geordnet. So finden sich zum Beispiel die
Methoden zur Isolierung der Verbindungen, die im Harn vor-
kommen, einzeln nach diesen geordnet. Diese Art der Wiedergabe
der Methoden genügt nicht für alle Fälle. Sehr oft kommt man
in die Lage, mehrere Stoffe nebeneinander bestimmen zu müssen.
Oft bringt auch im Einzelfalle die Art des Ausgangsmateriales,
aus dem man einen bestimmten Stoff gewinnen möchte, Besonder-
heiten mit sich. Der vorliegende Band soll derartige Lücken aus-
füllen. Er gibt Anweisung, wie man Gesamtblut, Harn, Milch etc.
auf die einzelnen Bestandteile verarbeitet. Bei der Wiedergabe der
einzelnen Methoden ist Rücksicht auf das in den bereits erschie-
nenen Bänden Enthaltene genommen worden, doch nur dann, wenn
ein Hinweis ohne Störung des Zusammenhangs möglich war. Die
einzelnen Methoden sind auch hier wiederum so geschildert, daß
direkt nach den Vorschriften gearbeitet werden kann.
Der vorliegende Band bringt ferner neben manchen Ergän-
zungen zu den bereits erschienenen Bänden des Werkes noch zahl-
reiche neue Kapitel. Es sind speziell die Grenzgebiete der Biochemie
berücksichtigt worden. Weitere Ergänzungsbände sollen in größeren
Zeitabschnitten fortlaufend über Verbesserungen alter Methoden und
Ausarbeitung neuer berichten.
'ö
Berlin, den 15. August 191L
Emil Abderhalden.
1R40f)
InhaltsYerzeiclinis.
Sc-itc
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. \'on Priv.-Doz.
Dr. Hermanu Fühner, Freiburg i. Br 1
Methoden zur Bestimmung des Blutdrucks. Von Priv.-Doz. Dr. Erwin Roh de,
Heidelberg 125
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. Von
Priv.-Doz. Dr. E. Letsche, Tübingen 139
Die Blutgerinnung. Von Prof. Dr. P. Morawitz, Freiburg i. B 223
Die vollständige Analyse eines 24stündigen Urins. Von Prof. Dr. Otto Fol in,
Boston 281
Nachweis und Bestimmung der Eiweißabbauprodukte im Harn. Von Dr. med.
und phil. P. Rona, Berlin ... • .... 295
Bestimmung der Reaktion mittelst Indikatoren. Von Dr. med. und phil. P. Rona,
Berlin 317
Nachtrag zur Gefrierpunktsbestimmung. Von Dr. med. und phil. P. Rona, Berlin 328
Methoden zur Untersuchung der menschlichen Fäzes. Von Dr. med. H. Lohrisch,
Chemnitz 331
Methodik der Milchuntersuchung. Von Dr. phil. E. F. Edelstein, Berlin . . .421
Fettbestimmung nach Kumagawa-Suto. Von Prof. Dr. M. Kumagawa, Tokio . 477
Partielle Hydrolyse der Nukleinsäuren. Von Dr. phil. P. A. Levene, New- York . 489
Die Bestimmung der Wasserstoffionenkonzentration durch Gasketten. Von
Prof. Dr. Leonor Michaelis, Berlin 500
Die Arbeitsmethoden bei Versuchen über Anaphylaxie. Von Prof. Dr. Herrn.
Pfeiffer, Graz . .' 525
Der Nachweis photodynamischer Wirkungen fluoreszierender Stoffe am
lebenden Warmblüter. Von Prof. Dr. Herrn. Pfeiffer, Graz 563
Über Mikropolarisation. Von Exz. Geh. ßat Prof. Dr. Emil Fischer, Berlin . . . 572
Die optische Methode und ihre Verwendung bei biologischen Fragestellungen.
Von Prof. Dr. E. Abderhalden, Berlin 575
Die wichtigsten Methoden beim Arbeiten mit Pilzen und Bakterien. Von
Priv.-Doz. Dr. Franz Fuhrmann, Graz 584
Darstellung von Lipoiden aus Gehirn und anderen Geweben. Von Prof. Dr. Sigm.
Fränkel, Wien . . . . ■ 613
Die Methodik der Plankton-Untersuchung. Von Geh. Rat Prof. Dr. Viktor Hansen,
Kiel 637
Das Arbeiten mit Organeiweiß. Von Prof. Dr. J. Pohl, Prag 659
Nachweis und Bestimmung von Giften auf
biologiseliem Wege.
Von Hermaini Füliuer, Freiburg i. Br.
Einleitung.
Bioloii'ische Methoden finden einmal zum qualitativen Nach-
weis von Giften Verwendung- und besitzen hier namentlich forensisch-
toxikologische Bedeutung; sie können aber auch zu quantitativen Be-
stimmungen von Giften, in erster Linie zur Gehalts- und Wertbestim-
mung von Chemikahen und Drogen herangezogen werden und haben dann
hauptsächlich pharmazeutisch-medizinisches Interesse.
Die wichtigsten bisher in beiden Richtungen bekannt gewordenen
Methoden sind nachstehend zusammengestellt.
Zum Nachw^eis der meisten anorganischen Gifte sind biologische
Proben überflüssig. Die vielgenannte biologische Methode zum Nachweis
von Arsenik ist wohl rasch und bequem ausführbar und in forensischen
Fällen wenigstens als Vorprobe verwendbar; aber angesichts der scharfen
und sichereren chemischen Proben tritt ihre P)edeutung hier zurück. Anders
bei organischen Giften.. Selbst bei Substanzen, die sich chemisch und mikro-
chemisch gut charakterisieren lassen, wie das Strychnin, wird in forensi-
schen Fällen doch kein Sachverständiger neben dem chemischen Nachweis
auf den charakteristischen Tierversuch am Frosche oder der hier empfind-
licheren weißen Maus verzichten wollen. Erst der positive Ausfall von
charakteristischen chemischen und biologischen Proben bietet
bei derartigen Pflanzengiften die Gewähr für die Richtigkeit
der Diagnose.
Gilt dies schon für Substanzen wie das Strychnin, welche leicht in
reiner kristallinischer Form aus Leichenmaterial gewonnen worden können,
so ist solches in noch höherem Malie der Fall bei Produkten, die nicht
kristallinisch und auch kaum in reiner Form aus forensischem Material
zu isoheren sind. Hier wird in vielen Fällen der biologische Nachweis wich-
tiger sein als der chemische, z. B. bei Aconitin, Nicotin und Veratrin. 15ei
noch komplizierter gebauten Giften vollends, wie bei den sogenannten
Toxalbuminen Abrin, Ricin u. a. oder den tierischen Giften, versagen die
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. V. 1
N. C. Stau Ctütm
2 H. Füll 11 er.
chemischen Nachweismethoden durchaus und wir sind zum Nachweis dieser
Substanzen ausschheßlich auf biologische Proben angewiesen.
Die chemischen Identitätsreaktionen der organischen Gifte bestehen
zumeist nur in rasch vergänglichen Farbenreaktionen, welche überdies mit
einer Zerstörung des Giftes verbunden sind. Bei den meisten biologischen
Proben dieser Gifte wird die betreffende Substanz nicht zerstört, sondern
kann aus dem Versuchsobjekt wiedergewonnen werden. Außerdem lassen
sich die Yergiftungserscheinungen am lebenden Objekt häufig in Form
einer Kurve oder einer Photographie aufnehmen und so dauernd fixieren,
was für forensische Fälle besonders wertvoll erscheint.
Erwähnt sei noch, daß viele biologische Proben auch mit den nicht
völlig rein dargestellten Giften einwandfreie Resultate ergeben, während
eine große Anzahl der chemischen Identitätsreaktionen, an unreinem
Material angesteUt, unsicher werden oder völlig versagen.
Im übrigen ist es durchaus nicht die Aufgabe biologischer Pieak-
tionen, die chemischen Proben zu ersetzen oder überflüssig zu machen. Es
wird in den meisten Fällen durch den biologischen Nachweis lediglich die
Sicherheit des chemischen Befundes erhöht werden. Im Prinzip
empfiehlt es sich, irgend ein unbekanntes Gemenge nicht einfach einem
Tiere beizubringen, um seine Giftigkeit zu erweisen, sondern man wird
dasselbe nach dem bewährten Gange der toxikologisch-chemischen Analyse
erst in verschiedene schon weitgehend gereinigte Bestandteile zerlegen und
erst mit diesen etwaige chemische und biologische Pteaktionen anstellen. Alle
biologischen Prüfungen sind mit neutral reagierenden Lösungen auszuführen.
Quantitative biologische Bestimmungen finden heute Verwen-
dung zur Prüfung von Desinfektionsmitteln, von Digitalisblättern, Fieber-
mitteln, Nebennierenpräparaten u.a.m., Methoden, welche sich, wie auch
die qualitativen Proben, leicht noch vermehren lassen. ')
Unter ..biologischem Nachweis" von Giften verstehen wir den
Nachweis derselben unter Verwendung lebender pflanzlicher oder
tierischer Objekte. Es kann sich dabei um vollständige Organismen
oder deren Teile handeln. Ausschlaggebend ist, daß die Objekte leben,
denn wir woUen aus den veränderten Funktionen eines Lebewesens oder
seiner Teile oder dadurch, daß wir das Leben vernichten, auf die An-
wesenheit von Gift schließen. Das biologische Objekt dient uns als
„lebendes Reagens". Demnach ist z.B. der Nachweis von Kohlenoxyd
unter Verwendung von Blut kein biologischer Nachweis, denn hierbei ist
nur der Blutfarbstoff, nicht aber die lebende rote Blutzelle erforderhch.
Zum Nachweis von Saponinen hingegen bedarf man lebender Blutkörper-
chen, welche durch diese Gifte zerstört, hämolysiert werden.
Die Gliederung des Stoffes erfolgt nachstehend nach biologischen
Objekten; diese sind in folgender Anordnung behandelt:
*) Vgl. W. Strauh, Physiologische Wertbestimmung von Drogen, speziell der Folia
Digitalis. Münchener med. Wocheuschr., 1910, Nr. 37, S. 1941.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. 3
Schimmelpilze, Bakterien, Protozoen, Blut, der Frosch und seine Teile
(Skelettmuskel, Nervmuskelpräparat, Herz, Gefäßpräparat, Auge), Maus,
Kaninchen, Mensch.
Möglichst ausgiebig- zur Charakterisierung der Gifte ist der Frosch
und seine isolierten Organe herangezogen worden, während von einer Ver-
wendung von Objekten, welche operative Eingriffe am Warmblüter er-
fordern, abgesehen wurde. Es käme hier auch einzig die isolierte Gebär-
mutter zur Wertbestimmung von Mutterkornpräparaten nach Kehrer in
Betracht.
Schimmelpilze.
Zahlreiche Prüfungen über die Empfindlichkeit von Schimmelpilzen,
Giften gegenüber, sind schon angestellt worden. Hier soll aus den Ergeb-
nissen derselben nur erwähnt werden, daß Schimmelpilze wie auch Hefen
im allgemeinen Giften gegenüber recht widerstandsfähig sind, und zwar in
viel höherem Maße, als Algen und Blütenpflanzen.
Diese Eigenschaft der Schimmelpilze ist von Bedeutung für den hier
zu besprechenden Nachweis von Arsenik mit Hilfe gewisser
Schimmelpilze, welche noch bei hohem Arsengehalt ihres Nährbodens
gedeihen können.
Die in Betracht kommenden Pilze entwickeln beim Wachsen auf
arsenhaltigem Substrat charakteristischen Knoblauchgeruch und diese
Geruchsreaktion ist eine derart intensive, daß sie zum Nachweis selbst
kleinster Mengen von Arsenik Verwendung finden kann.
Die Tatsache, daß in feuchten Zimmern mit arsenhaltigen Tapeten
Knoblauchgeruch unter Umständen auftritt, war seit langer Zeit bekannt
und ist schon 18:')9 von L. Gmelin und später von anderen P'orschern
näher untersucht worden. Daß dieses Auftreten flüchtiger Arsenverbindungen
aber auf die Einwirkung von Schimmelpilzen zurückzuführen ist. wurde
erst 1892 von B. Gosio i) erkannt und wurde von ihm auch zu einer Me-
thode des Arsennachweises ausgearbeitet.
Der Nachweis von Arsen und seinen Verbindungen.
Nicht alle, als Verunreinigung der Luft sich findenden Schimmelpilze
. (Mucor-, Aspergillus-, Penicilliumarten) besitzen die Eigenschaft, feste
Arsenverbindungen in flüchtige, nach Knoblauch riechende Verbindungen
zu verwandeln. Diese Eigenschaft ist auf einige, von Gosio ..Arsenschimmel-
^) B. Gosio, Azione di alcune muffe sui composti fissi d'arsenico. Rivista d'igiene
e sanitä pubblica. 1892. p. 201. — Derselbe. Action de quelques moisissures sur les
compos^s fixes d'arsenic. Arch. italiennes de Biologie. T. 18. p. 253 (1893). — Der-
selbe, Zur Frage wodurch die Giftigkeit arsenhaltiger Tapeten bedingt wird. Bcr. d.
Deutsch, ehem. Gesellsch. 30. S. 1024 (1897). — Die Entdeckung von Gosio wurde von
0. EmmerJing [Bcr. d. Deutsch, ehem. Gesellsch. 30. S. 1025 (1897)] angezweifelt, aber
von zahlreichen Untersuchern, wie Cli. R. Sanger, Morpurgo und Brunner, Baumert,
Abel und Buttenberg vollauf bestätigt.
1*
4 H. F ü h u e r.
pilze" genannte Arten beschränkt und findet sich sehr gut ausgeprägt bei
dem von diesem Forscher zum Arsennachweis empfohlenen Penicillium
brevicaule.i)
Man kultiviert den Pilz auf Kartoffelkeilen, hält die Kulturen bei
Zimmertemperatur und impft 1 — 2mal im Jahre um. Die Kulturen sind
mindestens 1 Jahr lang lebensfähig. Die alten mit einem Überzug von hell-
braunen Sporen bedeckten Kulturen sind zum Überimpfen auf frische Kartoff el-
stücke und auf Xährsubstrate, welche auf Arsen geprüft werden sollen, geeignet.
Zur Herstellung frischer Kartoffelkulturen sticht man mit einem
weiten Korkbohrer aus rohen, gewaschenen und geschälten Kartoffeln Zy-
hnder aus. spaltet diese durch einen Schrägschnitt in zwei Keile, die man
in Reagenzgläser bringt, auf deren Boden sich etwas Watte befindet. Die
Reagenzgläser werden mit einem Wattepfropf verschlossen und entweder
im Autoklaven bei l'Ö — 2 Atmosphären 20 — 30 Minuten oder im Dampf-
kochtopf 1 Stunde sterilisiert. Man kann die Reagenzgläser auch, in ein
Becherglas gestellt, in das kochende Wasserbad einhängen. . Über die Re-
agenzgläser stülpt man ein weiteres Becherglas, läßt 1 Stunde im Wasser-
bad stehen und dann, nach Abdrehen der Heizung, in demselben erkalten.
Dieses Erhitzen und Abkühlenlassen wiederholt man an drei aufeinander-
folgenden Tagen. Es hat den Zweck, die resistenten Kartoffelsporen zum
Auskeimen zu bringen und die Keime nachher abzutöten. Hat sich am
Boden der Reagenzgläser Kondenswasser angesammelt, so gießt man dieses
ab und ersetzt die naß gewordenen Wattepfropfe durch neue in der Flamme
abgebrannte. Auf die sterilen Keile impft man dann etwas braunes Sporen-
material mit einem Platindraht in bekannter Weise, unter Vermeidung
von Infektion durch Luftkeime, und bringt die Reagenzgläser in den Brut-
schrank (Temperatur oO — 32"). Sind die Kartoffelstücke sehr naß, so
wachsen die Pilze bis zur oberflächlichen Austrocknung, derselben langsam.
Bei richtigem Feuchtigkeitsgehalt der Kartoffelstücke ist nach 24stün-
digem Wachstum die Pilzkolonie schon gut sichtbar. Nach 2 Tagen hat
sich ein weißer Pilzrasen gebildet. Nunmehr läßt man bei Zimmertemperatur
weiter wachsen.
Fig. 1 zeigt in einem Reagenzglase einen Kartoffelkeil und in dem
daneben befindlichen einen solchen mit einer Schimmelpilzkultur nach drei-
tägigem Wachstum. Die Kultur bildet einen rein weißen Rasen vom Aus-
sehen eines Wattebausches. Etwa nach 2 Wochen beginnt die Bildung
brauner Sporen.
Als Nährboden für Penicillium brevicaule kommt zum Zwecke des
Arsennachweises Kartoffelbrei und Brotbrei in Betracht. Kartoffel ist für
manche Untersuchungen weniger geeignet als Brot, da ihre Wasserauf-
nahmefähigkeit eine begrenzte ist. xlußerdem haben manche Kartoffelsorten
einen eigentümlichen Geruch, welcher bei der Geruchsdiagnose des Arsens
^) Der Pilz kann von Dr. G. Grübler d- Co., Leipzig imd von VroL Kral, Prag,
bezogen werden.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
Fig.l.
störend sein kann. Darum ist nach Abel und Buttenherg i) Brot der Kar-
toffel vorzuziehen, und zwar möglichst geruchloses Grau- oder Weilibrot
nach Entfernung der Rinde. Bei richtigem Feuchtigkeitsgehalt wächst auf
Brot und Kartoffeln Penicillium brevicaule rasch, auch wenn dieselben zur
Arsendiagnose mit zerhackten Leichenteilen , Kot, Harn etc. vermengt sind.
Penicillium brevicaule zeigt in Rein-
kulturen, im Gegensatz zu anderen
Schimmelpilzen, keinen muffigen
Geruch, so daß der Knoblauchgeruch
in Arsenkulturen rein zur Geltung
kommt.
Die wertvollste Eigenschaft
des Penicillium brevicaule ist aber,
daß der Knoblauchgeruch noch bei
sehr geringen Arsenmengen auftritt.
Nach Abel und Buttenherg ist die
äußerste Grenze der Reaktion für die
arsenige Säure 1/100 — 1/1000 ui^,
für die wasserunlöslichen Produkte
/S't7iee/6'sches Grün , Schweinf urter
Grün, Realgar und Auripigment
etwa 1/100 121^, während metalli-
sches Arsen nur in Mengen von
1/10^ m^ an nachzuweisen ist. Auch
die modernen organischen, als
Arzneimittel dienenden Arsenver-
bindungen, wie kakodylsaures
Natron, Atoxyl, Arsazetin und
Salvarsan, werden von Penicillium
brevicaule unter Auftreten von
Knoblauchgeruch zersetzt.
Da die Empfindlichkeit der
Reaktion mit der Empfindlichkeit
des Geruchsorgans des Untersuchers
schwankt, so kann die Methode nur
zum qualitativen Arsennachweis
dienen.
Die flüchtigen, durch Einwirkung der Schimmelpilze entstehenden
Verbindungen bestehen zum kleinen Teil aus Arsenwasserstoff, AsHs, zum
Eeinkultur von Pünicilliura biuvicaulo.
größeren, wie BigUielli"-) (1900)
nachgewiesen
hat, aus Diäthvlarsin,
^) R. Abel und P. Buttenherg, Über die Einwirkung von Schimmelpilzen auf Arsen
und seine Verbindungen. Der Nachweis von Arsen auf biologischem Wege. Zeitschr. f.
Hygiene u. Infektionskrankh. 32. S. 449 (1899).
-) P. Biginelli, Zusammensetzung und chemische Konstitution des arsenikhaltigen
Gases der Tapeten. (1. Mitteilung.) Atti R. Accad. dei Lincei Roma. (5.) 9. II. p. 210 und
6 H. Fübner.
AsH(C2H5)2. Die Gegenwart von Arsenwasserstoff in den Gasen läßt sich
objektiv durch die Bettendorf sehe Silbernitratprobe erweisen, wozu aller-
dings bemerkt werden muß, daß in den Untersuchungsflaschen neben
Arsenwasserstoff noch andere Silberlösung schwärzende Gase (Schwefel-
wasserstoff) auftreten können.
Wichtig ist, daß die Antimouverbindungen unter der Einwirkung
von Schimmelpilzen keine riechende Verbindung geben. Hingegen erzeugen
die Pilze bei Gegenwart fester Selen- und Tellurverbindungen, nach
Maassen i), flüchtige riechende Verbindungen. Die Selenverbindungen liefern
ein merkaptanähnlich riechendes Gas; die Tellurverbindungen aber ein
solches, dessen Geruch von dem Arsenknoblauchgeruch nicht zu unterscheiden
ist. Alle von Maassen untersuchten Schimmelpilze liefern mit Tellurver-
bindungen diesen Geruch, dabei auch solche, welche Arsenverbindungen nicht
vergasen, ein Unterschied, welcher sich differentialdiagnostisch verwerten läßt.
Der Hauptvorzug der biologischen Methode des Arsennachweises
gegenüber den chemischen Methoden besteht darin, daß organisches Ma-
terial, z. B. von Leichen, direkt, ohne vorherige Zerstörung der organi-
schen Substanz, zum Arsennachweis Verwendung finden kann. In einem
Versuche an einem Kaninchen, welches mit bOmg arseniger Säure (in
Form des offizinellen Liquor Kali arsenicosi [5^] in oOcm^ Wasser mit
der Schlundsonde beigebracht) vergiftet worden war, konnte im Harn, der
vor dem Tode des Tieres ausgeschieden wurde, in solchem, der aus der
Blase des toten Tieres entnommen wurde, dann im Magen- und Darm-
inhalt , in Xiere, Leber und Herz Arsenik durch die Pilzreaktion festgestellt
werden, nicht hingegen im Gehirn des Tieres.
Bei Abwesenheit von Tellur (Selen) hat sich die Methode nament-
lich beim Vorhandensein viel organischen Materials mit geringem
Arsengehalt oder in Fällen, wo zahlreiche Arsenproben neben-
einander vorzunehmen sind, nützlich erwiesen. Sehr geeignet ist sie auch
zur Verfolgung der A r s e n a u s s c h e i d u n g in den Exkreten bei therapeu-
tischer Verwendung von Arsenpräparaten. Li forensischen Fällen kann
sie nicht als ausschließliche Methode verwandt werden. Doch bei
ihrer, der Marshschen Probe nahezu gleichkommenden Empfindlichkeit,
wird sie als Vorprobe, welche mit einem nur äußerst geringen Arsen-
verlust durch Vergasung verbunden ist und deren Material, wenn nötig,
nachträglich zur weiteren chemischen Prüfung gebraucht werden kann,
wertvolle Dienste leisten können.
Ausführung der Prüfung.'-) Gekrümeltes, möglichst geruchloses
Weiß- oder Graubrot (ohne Ptinde) wird mit dem zu untersuchenden, fein
Gaz. chim. ital. 31. I. p. 58; refer. Chem. Zentralbl. 1900. II. S. 1067. (II. Mitteilung.)
Ibidem. S. 1100.
M A. Maassen, Die biologische Methode Gosios zum Nachweis des Arsens und
die Bildung organischer Arsen-, Selen- und Telhirverbindungen durch Schimmelpilze und
Bakterien. Arb. a. d. Kaiserl. Gesuudbeitsamte. 18. S. 475 (1902).
-) Nach Abel und Butfenberg, 1. c. S. 464.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. 7
zerkleinerten Material innig- gemischt und mit so viel Wasser versetzt, daß
ein fester, nicht zu nasser Brei entsteht. Bei Flüssigkeiten wird so viel
trockenes Brot zugesetzt, als zur vollständigen Aufsaugung nötig ist. Re-
agiert das Untersuchungsmaterial alkalisch, so muß es mit Weinsäure neu-
tral oder bequemer sauer gemacht werden. Der Säureüberschuß wird durch
Zusatz von reinem Calciumcarbonat beseitigt. Desgleichen wird saures Ma-
terial durch Calciumcarbonat, von welchem ein Überschuß vorhanden sein
kann, neutrahsiert. In schwach saurem Material gedeihen die Pilze am besten.
Die dicke Masse bringt man in Erlenmeyerkolben von mindestens
100 cm^ und gibt auf die Oberfläche noch Inseln von reinem feuchten Brot,
damit sich auf diesen die Schimmelpilze erst ansiedeln und von ihnen aus
das als Nährsubstrat oft weniger günstige Untersuchungsmaterial allmäh-
lich durchwuchern können.
Enthält das Untersuchungsmaterial anorganische Desinfektionsmittel,
wie Quecksilberchlorid, Silber- oder Kupfersalze, so muß dasselbe erst mit
Schwefelwasserstoff behandelt werden, da die Metalle das Pilzwachstum
hemmen könnten. Flüchtige, desinfizierende Zusätze, wie Chloroform, Toluol,
Formaldehyd. Phenole wird man zum Teil durch Erhitzen auf dem Wasser-
bade entfernen, zum Teil durch reichliche Verdünnung des Materials mit
Brot unschädlich machen können.
Neben den Kulturen mit dem zu untersuchenden Material wird man
stets eine Kontrollkultur anlegen, um festzustellen, ob das verwandte
Brot und Wasser arsenfrei sind und die Pilzkultur entwicklungsfähig ist.
Die mit Wattebausch verschlossenen Kolben werden nunmehr im
Dampfkochtopf oder Autoklaven sterihsiert und nach dem Erkalten mit
sporenhaltigen Kulturen beschickt. Hat man alte vertrocknete Pieagenzglas-
kulturen, so kann man sie mit sterilem Brunnenwasser oder Nährbouillon
durchschütteln und mit der Sporenaufschwemmung den Brei im Erlen-
meyerkolben übergießen. Jüngere Kulturen auf Kartoffelkeilen läßt man
am besten in toto in die Erlenmeyerkolben gleiten, natürlich mit der
nötigen Vorsicht, um Luftinfektion zu vermeiden. Den Erlenmeyerkolben
verschließt man gut mit abgebranntem Wattepfropf, darüber mit dichter
Gummikappe und setzt ihn in den Brutschrank in eine Temperatur von oO bis
32«. Bei Gegenwart von Arsenik kann man in günstigen Fällen schon nach
24 Stunden und früher i) Knol)lauchgeruch wahrnehmen, der dann zunimmt,
je mehr die Pilzrasen wachsen. Bei geringer Entwicklung muß man den
Wattepfropf bei der Geruchsprüfung abnehmen. Hat man an einer kräftig
riechenden Kultur gerochen, so muß man erst geraume Zeit zuwarten, bis
man die Diagnose an einer schwach riechenden Kultur stellen kann.
Der Geruch hält sich in den Kulturen, auch ohne (iummikappe und
selbst bei kleinen Arsenmengen, mehrere Monate lang.
M Beim Zusammenbringen einer frischen kräftig gewachsenen Pilzkultur mit
arsenhaltigem Material in Pulverform, mit dem mau die Kultur einfach bestreuen kann,
läßt sich Knoblaucligeruch oft schon nach 3 — 4 Stunden wahrnehmen. (Morpurgo und
Brunner.)
8 H. Fühner.
Bakterien.
Die Bakterien (Scliizomyzeten , Spaltpilze) gehören morphologisch
zu den niedrigsten Pflanzen und haben verwandtschaftliche Beziehungen
zu den Algen und den Schlauchpilzen (Askoniyzeten). Sie sind einzeUig,
fast immer chlorophyllfrei und besitzen meist Stäbchen- oder Kugelform.
Man unterscheidet vegetative Formen, die sich durch einfache
Querteilung vermehren, und Dauerformen, Sporen, welche auf geeignetem
Nährboden ..auskeimen" und sich biologisch von den vegetativen Formen
durch viel größere Besistenz gegenüber physikaUschen und chemischen
Schädigungen auszeichnen.
Yon den Bakterien leben manche als Saprophyten. Medizinische Be-
deutung besitzen aber vor allem die parasitären Formen, die als Krank-
heitserreger in Betracht kommen und zu deren Vertilgung — Desinfek-
tion — man teils auf physikaUschem , teils auf chemischem Wege
gelangt.
An dieser Stelle können nur die chemischen Desinfektions-
mittel und ihre Wertbestimmung an Bakterien als Testobjekten
besprochen werden, Methoden, welche auf den grundlegenden Arbeiten über
Desinfektion von Robert Koch'^) basieren.
Bei der Prüfung von Desinfektionsmitteln an Bakterien müssen zwei
Punkte streng unterschieden werden: Die entwicklungshemmende
und die b a k t e r i e n t ö t e n d e Wirkung derselben. -) Bei Substanzen, welche
z. B. als innere Desinfizientien an Menschen und Tieren angewandt werden,
wird es zumeist genügen, wenn sie imstande sind, die Entwicklung der
Bakterien zu hindern, ohne dieselben abzutöten. Die Entwicklungshemmung
von Bakterien zu erreichen gelingt relativ leicht und durch viele, auch für
den Tierkörper wenig giftige Stoffe. Zur iVbtötung derselben, sofern sie
mit einem zu prüfenden Desinfektionsmittel überhaupt möglich ist, ist viel
intensivere Einwirkung nötig. Alle bisher bekannten bakterientötenden
Mittel sind auch für den Tierkörper giftig und es ist bis heute kein
brauchbares Mittel gefunden, Bakterien im Tierkörper abzutöten, wie dies
bei krankheitserregenden Protozoen möglich ist.
Verbringt man Bakterien in einen Nährboden, der eine bestimmte
Menge eines Desinfektionsmittels enthält, so wachsen sie darin nicht weiter;
sie sind in ihrer Entwicklung gehemmt. Impft man sie aber auf einen ge-
eigneten neuen Nährboden über, so wachsen sie normal. Zur Entwicklungs-
hemmung der Milzbrandbazillen genügt nach B. Koch der Gehalt einer
Nährgelatine von 1 : 1 Million an Quecksilberchlorid. In dieser entwicklungs-
hemmenden Konzentration werden die Bakterien nicht primär abgetötet,
sondern sie sterben erst sekundär an Degeneration nach langem Ver-
weilen in dem gifthaltigen Nährboden. Bei der Entwicklungshemmung
*) B. Koch, Über Desinfektion. Mitteilungen a. d. kaiserl. Gesundheitsamte. 1881.
^) Th. Faul, Entwurf zur einheitlichen Wertbestimmung chemischer Desinfektions-
mittel. Berlin 1901. S. 5.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. 9
kommt lediglich die Konzentration der giftigen Stoffe in Frage. Diese
Konzentration ist für dasselbe Desinfiziens bei verschiedenen Hakterien-
arten sehr verschieden und schwankt auch bei denselben Individuen sehr
bedeutend je nach der Zusammensetzung des Nährbodens, der Temperatur,
dem Feuchtigkeitsgrad, dem Alter der Kulturen usw. i) Verbringt man
Ikkterien hingegen in starke Sublimatlösungen und läßt sie eine be-
stimmte Zeit darin verweilen, so werden sie abgetötet und wachsen auch
nach völliger Entfernung des an ihnen haftenden Giftes auf einem neuen
Nährboden nicht weiter. Bei Abtötung- kommt neben der Konzentra-
tion der Giftlösung noch ihre Einwirkungsdauer in Betracht, die im
allgemeinen desto kürzer sein kann, je stärker die Lösung ist.
Von ausschlaggebender Bedeutung für die desinfizierende Wirkung
chemischer Produkte ist das Medium, in welchem sich die I)akterien be-
finden. Gelingt es in feuchter Luft leicht, z. B. durch Chlor, Bakterien ab-
zutöten, so ist dessen Wirkung in organischem Material sehr vermindert, da
es zur Oxydation desselben verbraucht und für die IJakterien dadurch unwirk-
sam wird. Auch Metallsalze, z. B. Sublimat, verlieren in eiweißhaltigen Lösungen,
mit denen die Metallsalze Fällungen geben, viel von der Litensität ihrer
Wirkung. Weniger ist diese Abnahme der Wirkung in Eiweißlösungen fest-
zustellen bei aromatischen Desinfektionsmitteln (Phenol, Lysol usav.).
Bei der Prüfung der Desinfektionsmittel erhält man, wie bei allen
biologischen Wertbestimmungen keine absoluten, sondern nur relative
Werte, die auf irgend eine Vergleichseinheit zurückgeführt werden müssen.
Vergleichbar sind die Resultate verschiedener Versuche nur dann, wenn
sie unter genau denselben Bedingungen ausgeführt sind. Die zu prüfenden
Desinfektionsmittel werden, je nach dem Zwecke, dem sie dienen sollen,
mit Substanzen von bekannter Wirksamkeit verglichen: so für die Luft-
desinfektion mit Formalin, für Flüssigkeitsdesinfektion mit Subhmat oder
Phenol, für Wunddesinfektionsmittel mit Jodoform.
Da, wie gesagt, die entwicklungshemmende Wirkung chemischer Des-
infektionsmittel unter sonst gleichen Bedingungen lediglich von der Kon-
zentration der Lösung abhängt, während der bakterizide Wert gleichzeitig
eine Funktion der Einwirkungszeit darstellt {Krönuj und Paul), so müssen
auch die Methoden, welche dazu dienen, genannte Werte zu bestimmen,
wesentlich von einander verschieden sein. Nachstehend sind die wichtigsten
• heute gebrauchten Methoden wiedergegeben. 2)
1. Methoden zur Bestimmung der entwicklungshemmenden Kraft
chemischer DesinfektionsmitteL
Bei der Anstellung von Versuchen über Entwicklungshemmung ist
es nötig, daß außer der Konzentration des zu prüfenden Desinfektion.s-
') Th. Paul, ]. c. S. 6.
-) Ich folge in meinen Ausfüliriuigcii hier hauptsächlich der Darstellung von
K. Laitlicnheimer in seiner Publikation: Phenol und seine Derivate als Desinfektions-
mittel. Berlin 1909.
10 H. Fühuer.
mittels alle anderen Bedingungen durchaus gleich sind, damit wirklich ver-
gleichbare Resultate erzielt werden.
Von solchen Bedingungen, die geeignet sind, das Resultat der Unter-
suchung zu beeinflussen, ist in erster Linie die verschiedene Resistenz der
benutzten Testbakterien zu nennen. Verschiedene Stämme derselben Bak-
terienart können sich gegen schädigende äußere Einflüsse wesentlich ver-
schieden verhalten.
Auch die Zahl der dem Desinfiziens ausgesetzten Keime scheint das
Ergebnis zu beeinflussen, und zwar in dem Sinne, daß vollständige Ent-
wicklungshemmung bei größerer Einsaat schwieriger zu erreichen ist, wie
wenn nur wenige Bakterien dem Nährboden zugesetzt werden.
Ferner wird das Resultat wesenthch durch die Wahl des zur An-
wendung kommenden Nährsubstrates beeinflußt. Je eiweißreicher ein Me-
dium ist, in dem die entwicklungshemmende Kraft eines Desinfiziens ge-
prüft wird , desto mehr wird letzteres in seiner Wirkung, den Bakterien
gegenüber, beeinträchtigt werden. Dies gilt, wie schon oben bemerkt, in
höherem Maße für die eiweißfällenden Metalle, wie Quecksilber und Silber,
als für die Phenole und ihre Derivate.
Wichtig ist dann auch, daß die Versuche bei bestimmter, sich gleich-
bleibender Temperatur ausgeführt werden. Die Entwicklungshemmung, die
ein Desinfiziens auszuüben vermag, wird am geringsten bei dem Tempe-
raturoptimum des zur Prüfung verwandten Mikroorganismus sein. Je mehr
die Temperatur sich von dem Optimum nach oben oder unten hin ent-
fernt, desto mehr wird die Entwicklungshemmung in Erscheinung treten,
was bemerkenswert ist insofern, als bei Bestimmung der keimtötenden
Kraft eines Desinfiziens die Verhältnisse umgekehrt liegen.
Da die Entwicklungshemmung bedeutend einfacher festzusteUen ist
als die abtötende Wirkung einer Substanz, letztere aber viel wichtiger er-
scheint, so wird die Prüfung der Entwicklungshemmung zumeist als
Vorprobe in Betracht kommen. Substanzen, welche sich bei dieser
Prüfung als sehr wirksam erweisen, werden mit größerer Wahrscheinhch-
keit abtötende Kraft besitzen, als solche, die schon im ersten Falle ver-
sagen.
Als Testbakterien werden, je nach den Zwecken, welchen ein Desin-
fektionsmittel dienen soll, verschiedene Arten in Betracht kommen. Viel
gebraucht werden Diphtherie-, Typhus- und Kolil)azillen, dann aber nament-
lich Staphylo- und Streptokokken. Die Bakterien verwendet man in 1 oder
2 Tage alter Bouillonkultur.
Ausführung der Prüfung.^) In einer Reihe steriler Reagenz-
röhren werden mit sterilem destillierten Wasser Verdünnungen des Des-
infiziens hergestellt in steigender Konzentration, z. I). im Verhältnis
1 : 100, 1 :200, 1 : :-iOO, 1 : 400 usf. Von diesen Verdünnungen wird je
1 cm" mit steriler Pipette entnommen und in Röhrchen gegeben, die genau
*) Nach K. Lanbenheimer, 1. c. S. 4.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. W
9 cni^ Bouillon enthalten. Es entsteht also eine weitere, lOfache Verdün-
nung- des Antisepticums, das demnach in der Bouillon in einem Verhält-
nis 1:1000, 1:2000 usw. enthalten ist. Nachdem auf die geschilderte
Weise die Reihe vorbereitet ist. wird in jedes Iiöhrchen ein Tropfen der
P>ouillonkultur der als Testobjekte dienenden Bakterien mittelst steriler
Pipette eingebracht. Es wird so erreicht, daß eine annähernd gleiche
Zahl von Keimen in der gleichen Menge desselben Xährmediums sich be-
findet. Als Versuchstemperatur wird die für die betreffenden Bakterien
optimale gewählt.
Die Röhrchen w^erden jeden Tag auf Wachstum untersucht und Ent-
wicklungshemmung dann angenommen, wenn die Bouillon während der
Dauer der Beobachtung, Avelche 8 Tage beträgt, steril, d. h. klar bleibt.
Zur Kontrolle dient ein Röhrchen , das nur 10 cm^ Bouillon plus einem
Tropfen Bakterienkultur enthält.
Diese Methode ist dann gut verwendbar, wenn die zu untersuchenden
Desinfektionsmittel mit der Bouillon gemischt keine Trübungen und Nieder-
schläge geben. Ist letzteres der Fall, so können die Resultate hierdurch
unrichtig ausfallen und man wird statt Bouillon besser Agar verwenden,
der dann zwar voraussichtlich auch durch das betreffende Desinfektions-
mittel getrübt werden wird, aber die Trübung wird hier nicht so störend
sein, wie in der Bouillon, weil der Nährboden, zu dünner Schicht erstarrt,
genügend durchsichtig bleibt, um das Aufgehen der Bakterienkolonien er-
kennen zu lassen, welche sich in voller Deutlichkeit von dem diffus ge-
trül^ten Agar abheben..
Die Versuchsanordnung bei dieser Methode ist ähnlich wie die vor-
stehend beschriebene , nur werden die von dem Desinfiziens hergestellten
Verdünnungen in der Menge von 1 cin'^ nicht in Bouillon, sondern in 9 vin^
verflüssigten und auf 42« abgekühlten Agar gegeben. Eine gleichmäßige
Verteilung des Antiseptikums im Nährsubstrat wird durch Umrühren mit
einer Platinspirale erreicht. Nun erfolgt wieder die Beimpf ung der Röhr-
chen mit je einem Tropfen der Bakterienbouillonkultur und nach noch-
maUgem gründlichen \'ermischen mit der Platinspirale Ausgießen des Agars
in Petrischalen. Entwicklungshemmung ist auch hier nur dann anzunehmen,
wenn jegliches Bakterienwachstum ausbleibt, d. h. keine Kolonien, auch bei
Beobachtung mit der Lupe, sichtbar werden. Das Arbeiten mit Agar ist
zwar etwas umständUcher Avie mit Bouillon, aber die Beurteilung der Re-
sultate ist leichter.
2. Methoden zur Bestimmung der keimtötenden Kraft chemischer
Desinfektionsmittel.
Zur Bestimmung der abtötenden Wirkung von Desinfektionsmitteln
sind zahlreiche Methoden ausgearbeitet worden, als deren erste die von
Bobert Koch angegebene ,,Seidenfadenmethode" zu nennen ist, welche
auch heute noch vielfach Verwendung findet. Das Prinzip dieser Methode
12 H. Fühuer.
besteht darin, daß sterile, etwa 1 cm lange Seidenfäden mit einer Bakterien-
bouillonkultnr getränkt, im Brutschrank getrocknet und dann eine be-
stimmte Zeit in das zu prüfende Desinfektionsmittel getaucht werden.
Verbringt man die Fäden hernach, nach mögUchster Entfernung des Des-
infektionsmittels, in sterile Bouillon, so läßt sich nach Verlauf eines Tages
erkennen, ob die Bakterien abgetötet wurden oder nicht.
Die Verwendung von Seidenfäden hat den großen Nachteil, daß es
sehr schwierig ist, die Desinfektionsmittel wieder aus denselben zu ent-
fernen. Die Substanzen werden zum Teil in die Bouillon mit übertragen
und können hier Entwicklungshemmung hervorrufen und dadurch Abtötung
vortäuschen.
Dieser Übelstand wird vermieden, wenn statt der Seidenfäden mit
ihrer porösen Oberfläche z. B. Gummistückchen (Johnston) oder Glasfäden
(Buttersack) verwendet werden, oder, wie in dem Verfahren von Krönig
und Paul, die böhmischen Tariergranaten.
Die Methode von Krönig und Paul gilt als die exakteste aller
bekannten Methoden und soll hier in der von K Lauhenheimer etwas ver-
einfachten Form wiedergegeben werden.
Prinzip der Methode. Schon M. Gruber ^) hatte eine Pteihe von
Leitsätzen aufgestellt, die bei der Wertbestimmung von Desinfektionsmitteln
zu berücksichtigen sind. Nach Krönig und Paul -) müssen hierbei folgende
Bedingungen eingehalten werden.
1. Die für eine vergleichende A'ersuchsreihe benutzten Bakterien
müssen gleiche Widerstandsfähigkeit haben.
2. Die Anzahl der zu den einzelnen Versuchen verwendeten Bakterien
muß annähernd die gleiche sein.
3. Die Bakterien müssen in die desinfizierenden Lösungen gebracht
werden, ohne daß etwas von dem Nährsubstrat, auf dem sie gezüchtet
wurden, mit übertragen wird.
4. Die Desinfektionslösungen müssen während der Einwirkung stets
die gleiche Temperatur haben.
5. Nach der Einwirkung der desinfizierenden Mittel müssen die Bak-
terien wieder möglichst vollständig von diesen befreit werden.
6. Die Bakterien müssen , nachdem sie der Einwirkung der desinfi-
zierenden Lösungen ausgesetzt wurden, auf gleichen Mengen desselben
günstigen Nährbodens bei gleicher Temperatur, wenn möglich beim Opti-
mum, zum Wachstum gebracht werden.
7. Die Zahl der noch entwicklungsfähig gebliebenen Bakterien muß
nach Ablauf derselben Zeit festgestellt werden. Aus diesem Grunde können
nur feste Nährböden benutzt Averden.
8. Handelt es sich um wissenschaftliche Untersuchungen, dürfen die
Konzentrationen der Lösungen nicht nach Gewichtsprozenten verglichen
') M. Gruber, Über die Methoden zur Prüfung von Desinfektionsmitteln. Zentralbl.
f. Bakteriologie und Parasitenkunde. Bd. 11. S. 115. (1892.)
2) Th. Paul, 1. c. S. 9.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. 13
werden, sondern es müssen äquimolekulare Menj^en der betreffenden Stoffe
zur Anwendung- kommen.
Diesen Postulaten suchten Krönig und Paul durch folgende \' er-
such sauordnung gerecht zu werden, i) Von den Bakterien wird eine
wässerige Aufschwemmung bereitet und diese nach dem Filtrieren, durch
das gröbere Teile entfernt werden, an sorgfältig gereinigte Tariergranaten
gleicher Größe angetrocknet. Eine gewisse Menge dieser mit Bakterien
beschickten Granaten bringt man in die auf einer bestimmten Temperatur
gehaltene Desinfektionslösung, nimmt eine bestimmte Anzahl dei'selben
nach verschiedenen passend gewählten Zeitabschnitten heraus und befreit
sie durch Behandeln mit geeigneten Chemikalien, die ihrerseits wiederum
durch Wasser abgespült werden, vom anhängenden Desinfiziens. Die Gra-
naten werden darauf in Reagenzgläschen mit etwas Wasser geschüttelt,
wobei die Bakterien von den Granaten losgesprengt werden. Hierauf
mischt man die so erhaltene wässerige Bakterienaufschwemmung mit einem
geeigneten, festwerdenden Nährboden, gießt in Petrischalen aus und stellt
nach gewissen Zeitabschnitten die Zahl der bei einer bestimmten Tempe-
ratur entwickelten Kolonien fest.
Als Testbakterien werden von Dauerformen die durch B. Koch in die
Desinfektionstechnik eingeführten Milz br and sporen und von vegetativen
Formen Staphylokokken zumeist verwandt, und zwar am besten der
resistente Staphylococcus pyogenes aureus.
Ausführung der Prüfung. Böhmische Tariergranaten v.erden
durch einen Satz von zwei Sieben sortiert, und solche ausgesucht, die
einen Durchmesser von' 1'5 — 2 nun haben. Auf die absolute Größe der
Granaten kommt es hierbei nicht an, sondern nur darauf, dal5 alle Gra-
naten von gleicher Größe sind. Diese werden sorgfältig von anderweitigen
Beimengungen befreit und dann dreimal mit auf 1 : .'J verdünnter roher
Salzsäure gekocht. Die Säure wird durch gründliches Spülen zuerst mit
gewöhnlichem , dann mit destilliertem Wasser entfernt. Es folgt eine
Waschung mit absolutem Alkohol, mit Äther und wieder mit absolutem
Alkohol und zum Schlüsse ein nochmahges Abspülen mit destilliertem
Wasser. Die so gereinigten Granaten werden, vor Staub geschützt, ge-
trocknet und schließlich im Heißluftschrank steriUsiert. Sie sind nunmehr
zur Aufnahme der Keime bereit.
Die Staphylokokkenkulturen verwendet man, nachdem sie 1 — 2 Tage
im Brutschrank bei zirka ST-ö" gestanden haben. Die Milzbrandkulturen,
zu deren Anlegung man am besten eine frische, aus der Milz einer un-
mittelbar vorher an Milzbrand gestorbenen Maus gewonnene Reinkultur
benutzt, hält man drei Tage lang bei zirka 1^4" C, um die IMldung von
Sporen zu veranlassen. Die Zubereitung der Bakterienemulsion geschieht
in folgender Weise. Von einer gut gewachsenen Schrägagarkultur wird der
Bakterienbelag in IQcni,^ sterile physiologische Kochsalzlösung aufgenommen
1) Th. Faul, 1. c. S. 10.
14
H. Füll 11 er.
und diese Aufschwemmung durch ein steriles doppeltes Faltenfilter filtriert,
um gröbere Partikelchen zurückzuhalten und die Keime möglichst zu iso-
lieren. Diese Suspension kommt mit 20 g der gereinigten Granaten in ein
Erlenmeyerkölbchen und wird mit denselben gründlich geschüttelt. Die
übrige Flüssigkeit wird abgegossen und die Granaten in einen Trichter
gebracht, dessen Hals mit einem kleinen, losen Wattepfropf verschlossen
ist. Man läßt gut abtropfen.
Die vollständige Trocknung erfolgt in dem von Kröniy und Paul
angegebenen sterilisierbaren Trockenkasten 0 (Fig. 2). Dieser Kasten
besteht aus einem inneren rechteckigen flachen Kasten aus Nickelblech
von 28 ('^^^ Länge, 11cm Breite und ^cm Tiefe, der mit einem Siebboden
Fig. 2.
Trockenkasten von Krönifj und Paul. (Nach Paul.)
aus Nickeldrahtnetz versehen ist und zur Aufnahme der Granaten dient.
Um gleichzeitig zwei verschiedene Sorten von Granaten trocknen zu können,
ist der Kasten der Länge nach in zwei Abteilungen geteilt. Dieser Kasten
steht innerhalb eines geräumigen, mit gut schließendem Überfangdeckel
versehenen Blechgefäßes aus Zink in einer flachen Schale mit gekörntem,
entwässertem Chlorcalcium. Zum Trocknen der Granaten, was etwa
12 Stunden in Anspruch nimmt, wird der Kasten in den Eisschrank ge-
stellt. Bei der niederen Temperatur und vor Licht geschützt l)ehalten die
Milzbrandsporen ziemUch lange ihre Widerstandsfähigkeit gegen Desinfi-
0 Trockenkasten (M. 55), Thermostat (M. 65), Platinsiebe (zirka M. 12) etc.
sind von der Firma Dr. B. Bohrheck Nachfolger, Berlin NW., Karlstraße 20a zu be-
ziehen.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf liiologischem Wege.
15
zientien; erst allniälilich geht diese zurück und nach Ablauf mehrerer
Monate beträgt sie nur noch einen Bruchteil der ursprünghcheii. Die mit
Staphylokokken beschickten Granaten müssen, trotz der Aufbewahrung im
Eisschrank, innerhalb woniger l'age aufgebraucht werden.
Die in dieser AVeise hergestellten Granaten können jetzt den Desin-
fektionsmitteln ausgesetzt werden. Die Desinfektionsmittel selbst befinden
sich in der Menge von 20 cm^
in kleinen Glasdosen mit über- Fig.s.
greifendem Deckel, die zur Er-
langung einer gleichmäßigen
Temperatur der Lösungen auf
das Drahtnetz eines Ostirahl-
schen Thermostaten (Fig.3)
gestellt werden.
Wie schon früher er-
wähnt, wird die Wirkung von
Desinfektionsmitteln sehr we-
sentUch durch die Temperatur
beeinflußt, bei welcher die Ver-
suche ausgeführt werden, und
man wird nur dann unter sich
vergleichbare Resultate erhal-
ten, wenn bei allen Untersu-
chungen gleiche Temperaturen
eingehalten werden. Da die
meisten Desinfektionsprozesse
bei Zimmertemperatur vor sich
gehen, wählt man zweckmäßig
18" als Temperatur der Des-
infektionslösungen. Um auch
im Sommer, wenn die Tem-
peratur in den Laboratorien
höher steigt, unter gleichen
Bedingungen arbeiten zu kön-
nen, befindet sich unter dem
Drahtnetz des Thermostaten,
das die Schälchen mit den Des-
infektionsmitteln trägt , eine
Kühlschlange aus Bleirohr, die an die Wasserleitung angeschlossen werden
kann, so daß in ihr ständig kühles Wasser zirkuliert. Ein durch eine
Gasflamme getriebenes Rührwerk sorgt für eine gleichmäßige \'erteilung
der Wärme in dem Wasserbade.
Nach etwa einer halben Stunde haben die Desinfizientien in dem
Thermostaten die Temperatur von 18*^ angenommen und werden nunmehr
mit den Testobjekten beschickt.
Thorraostat nach Tr»7/(. Ostwald. ^Xach Paul.)
16
H. Fühner.
Fig. 4.
Man entnimmt zu diesem Zwecke dem Trockenkasten eine Anzahl
der Granaten mit einer vorher ausgeglühten Pinzette mit P latinarmen
und bringt sie auf ein kleines Platinsiebchen (Fig. 4), von dem sie
alle gleichzeitig in die Desinfektionslösung geschüttet werden. Für jede zu
gießende Agarschale Averden 5 Granaten benötigt. In dem Desinfiziens
steht ein zweites Platinsiebchen, auf das die Granaten einzeln unter der
Flüssigkeit mit steriler Pinzette aufgelegt werden. "Wollte man die Granaten
auf dem ersten Platinsiebchen Hegend direkt in die Lösungen bringen, so
würden sich kleine Luftbläschen, die den Granaten anhaften, nicht ver-
meiden lassen. Eine gleichmäßige Benetzung der angetrockneten Keime mit
den Desinfizientien würde aber dadurch verhindert.
Nach bestimmten Zeiten werden die Platinsiebchen mit den Granaten
herausgenommen und in ein Schälchen mit sterilem Wasser gebracht, um
so den größten Teil des anhaftenden Desinfiziens zu entfernen. Die eigent-
liche Unschädlichmachung des Desinfektionsmittels erfolgt in einer zweiten
Ifeihe von Schalen, welche das zu diesem Zwecke
geeignete Reagens enthalten, das seinerseits durch
nochmaliges 10 Minuten dauerndes Waschen mit de-
stilhertem Wasser zu entfernen ist. Der vorstehend
geschilderte Waschprozeß muß mit ganz besonderer
Sorgfalt ausgeführt werden, da bei allen Desinfek-
tionsvorsuchen eine Hauptschwierigkeit darin be-
steht, nach Ablauf der gewünschten Zeit die weitere
Einwirkung des Desinfiziens möglichst schnell aufzu-
heben und zu verhindern, daß Spuren des Mittels
auf die Nährböden mit übertragen werden , wo sie
entwicklungshemmend wirken können.
Während es Geppert^) gelang, Subhmat durch
Schwefelammon zu fällen und es so in eine für
Mikroorganismen unschädliche Verbindung überzuführen, ist gerade für die
in der Praxis wichtigsten Substanzen, Phenole und Kresole, kein Mittel bekannt,
das sie in ihrer Wirkung zu neutralisieren vermöchte. Am meisten eignen
sich zur Entfernung des Phenols und seiner Derivate verdünnte Alkahen,
wie Ammoniak, Natron- oder Kalilauge, eine Methode, die auch von
Krönirj und Paul empfohlen wird. Nach Laubenheimer aber gelingt es
schon durch einfaches Wässern der Granaten, sowohl Desinfektions-
mittel aus der Phenolreihe, wie auch Sublimat vollständig zu entfernen,
und so ein besonderes Reagens zu ihrer Neutralisation entbehrlich
zu machen. Das Wässern gestaltet sich nach genanntem Autor folgender-
maßen :
Die Granaten werden auf dem Platinsiebchen aus der Desinfektions-
lösung nach der beabsichtigten Zeit herausgenommen und auf dem Sieb
liegend für etwa eine halbe Minute in einer 2 cm hohen Petrischale durch
Platinsiebchen. Nat. Größe.
fNach Paul.)
\) Geppert, Zur Lehre von den Antisepticis. Berliner klin. Wochenschr. 1889. S. 789.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf liiologischem Wege. {~^
Hin- und Herbewegen mit etwa bOcm^ sterilem destillierten Wasser ober-
flächlich abgespült. Darauf kommen sie in eine zweite Schale mit 50 cm^
Waschwasser, worin sie 5 Minuten verweilen. Schliclilich werden sie ein-
zeln mit steriler Pinzette in eine dritte Schale, die ebenfalls 50 f'y/<3 steriles
Wasser enthält, eingelegt; hier bleiben sie nochmals 10 Minuten. Damit ist
der Waschprozeß , der ungefähr 15 Minuten dauert, beendet. In der ersten
Schale wird schon die Hauptmenge des Desinfiziens entfernt. Hier lälit
man die Granaten aber nur ganz kurz, um eine Nachwirkung der wenn
auch schon stark verdünnten Substanzen nicht aufkommen zu lassen. Die
letzten Reste werden durch die zweite und dritte Waschung entfernt,
wobei Sorge zu tragen ist, daß die Granaten in den Schalen möglichst
isoliert hegen und daß sie ferner stets von frischem Wasser umspült
werden, was durch vorsichtiges Bewegen der Schalen leicht zu erreichen ist.
Nachdem die Granaten so behandelt, werden sie mit steriler Pinzette
zu je 5 Stück in Reagenzröhrchen übertragen, die Pycni^ steriles Wasser
enthalten. Die so mit Granaten beschickten Röhrchen werden serien-
weise, zu je 6—9 Stück, in der Hand kräftig geschüttelt, um die an-
haftenden Keime abzulösen und in das Schüttelwasser überzuführen. L)abei
ist darauf zu achten, daß nicht etwa Wassertröpfchen an den Watte-
pfropf gelangen , wodurch viele Keime der Untersuchung entzogen werden
könnten. Die in dem Wasser suspendierten Keime können nunmehr auf
das Nährsubstrat übertragen werden, um die noch lebensfähigen Individuen
zur Entwicklung zu bringen. Um aber den Vorgang der Abtötung von
Bakterien durch ein Desinfiziens quantitativ verfolgen zu können, müssen
die noch vermehrungsfähigen Keime gezählt werden, was nur mit Hilfe
fester Nährböden möglich ist. Hierbei kommt in erster Linie Nähragar in
Betracht, da nach Einwirkung der Desinfektionsmittel die Mikroorganismen
bei optimalen Temperaturen, also meist bei oT"^, gehalten werden sollen. Zu
empfehlen ist ein 2°/oiger Agarnährboden, aus bestem Rindfleisch hergestellt.
\'on dem verflüssigten und auf 42** abgekühlten Agar werden l'2c)n^ in
die Röhrchen gegeben, welche die von den Granaten abgeschüttelten Keime
enthalten. Dabei müssen die Röhrchen während des Zugießens des Agars
ständig um ihre Längsachse gedreht werden, damit von dem herabfließenden
Nährboden die Innenwände vollständig bespült und alle keimhaltigen
Wassertröpfchen aufgenommen werden. Mit einer Platinspirale wird dann
der xA.gar und das Schüttelwasser mit den abgelösten Keimen vermischt
und in Petrischalen ausgegossen. Es ist notwendig, von den nach den ein-
zelnen Einwirkungszeiten hergestellten Proben mehrere Kulturen anzulegen
und aus der oft schwankenden Zahl der aufgegangenen Kolonien das
Mittel zu ziehen. Drei Proben genügen nach Lauhenheimer.
Nach einer dreitägigen Bebrütungszeit der Platten erfolgt die Aus-
zählung der zur Entwicklung gelangten Kolonien, d. h. es wird festgestellt,
wie viele Keime nach bestimmter Einwirkungszeit des Desinfiziens noch
vermehrungsfähig geblieben sind. Die Platten länger wio :'. Tage im Brut-
schrank zu lassen ist nicht nötig. ••
Abderhalden. Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. V. ')
18 H. Fühner.
Will man an Stelle von Staphylokokken und Milzbrand andere patho-
gene Bakterien, z. B. Diplitheriebazillen oder Streptokokken, zu den Prü-
fungen verwenden, so ist die Granatenmethode nach H. Bechhold^) nicht
brauchbar, da diese Bakterien durch das Austrocknen stark geschädigt
werden. Über eine Methode , welche in diesem Falle benutzt werden kann,
vgl. H. BechJwld und P. Ehrlich^-) und H. Bechhold.^) Zur Prüfung von
Wundstreupulvern als Ersatzmittel für das Jodoform kann eine von
B. Heile*) angegebene Methode Verwendung finden.
Protozoen.
Die, wie die Bakterien, einzelligen Protozoen werden von der
zoologischen Systematik an den Anfang der Tierreihe gestellt. Als para-
sitäre Erreger zahlreicher Krankheiten, darunter der Malaria, der tro-
pischen Schlafkrankheit und der Syphilis, besitzen sie hohe medizinische
Bedeutung.
Die pathogenen Protozoen unterscheiden sich von den pathogenen
Bakterien biologisch vor allem dadurch, daß sie eine viel geringere Resistenz
äußeren Faktoren gegenüber als letztere besitzen. Dies bedingt, dal^ eine
Kultur derselben außerhalb des Tierkörpers bisher nicht gelungen ist, da-
mit hängt aber auch zusammen , daß Wertbestimmungen chemischer Büttel
zu ihrer Abtötung außerhalb des Tierkörpers nicht die praktische Be-
deutung zukommt, wie bei den Bakterien, da Übertragung der Para-
siten durch Wasser, Gebrauchsgegenstände etc. kaum vorkommt. j\Iit der
geringen Widerstandsfähigkeit der pathogenen Protozoen gegenüber Ver-
änderungen ihres chemischen MiUeus hängt auch zusammen, daß bei
ihnen, im Gegensatz zu den Bakterien, eine Abtötung im tierischen Or-
ganismus durch Arzneimittel unter günstigen Bedingungen gelingt, wie
dies seit langer Zeit von der Malaria durch Chinin, von der Syphilis
durch Quecksilber bekannt ist. Gifte, denen sich die Arsenpräparate
in ihren Wirkungen anreihen.
Auf die bekannten ..chemotherapeutischen" Untersuchungen von
Ehrlich und seinen Schülern zur Auffindung praktisch brauchbarer orga-
nischer Arsenverbindungen für die Bekämpfung der Schlafkrankheit, der
Syphilis und anderer Protozoenerkrankungen von Mensch und Tieren kann
hier nicht eingegangen werden. Hinsichtlich der Methodik der Wert-
M H. Bechhohl, Desinfektionsmittel niul ihre Prüfung. Zeitschr. f. angewandte
Chemie. Bd. 22. S. 2033 (1909).
-) H. BechhoJd und P. Ehrlich, Beziehungen zwischen chemischer Konstitution
und Desinfektionswirkung. Zeitschr. f. phjsiol. Chemie. Bd. 47. S. 177 (1906).
^) H. Bechhohl, Halbspezifische chemische Desinfektionsmittel. Zeitschr. f. Hygiene
u. Infektionskrankh. Bd. 64. S. 113 (1909).
*) B. Heile, Experimentelle Prüfung neuer Antiseptica. Sammlung klin. Vorträge
(Volkmann). N. F. Xr. 388. Leipzig 1905.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf liinlogischem Wege. I9
bestimmung' derartiger Substanzen im Tierversuch sei auf die einschlägige
Literatur \) verwiesen.
An dieser Stelle sollen lediglich die einfach auszuführenden Prüfungen
an leicht zugänglichen und kultivierbaren Protozoen besprochen worden.
Als solche kommen Süß wasserin fusorien und von diesen in erster Linie
..Paramäcien'" in Betracht. Derartige an Infusorien angestellte Versuche
besitzen wenigstens als Vor proben für die Prüfung an pathogenen Formen
einige Bedeutung, insofern viele Gifte, wie das Chinin, die arsenige Säure
und die Quecksilbersalze, sich auch hier als sehr wirksam erweisen.
Die Herstellung einer „Paramäcienkultur" kann nach R. Hertivifj-)
in folgender Weise geschehen. Teilstücke der Kiemen und des Fußes der
Teichmuschel (Anodonta) werden ins Wasser gelegt, worauf sich nach
einigen Tagen Paramäcien am Wasserrande oben ansammeln. Diese über-
trägt man mit gut gereinigter Pipette in etwa 10 1 haltende Flaschen,
die als Zuchtgefäße mit stark geschütteltem, altem, ausgefaultem Teich-
wasser gefüllt sind und hängt darein an einer Schnur ein Gazebeutelchen mit
zerkleinerten Salatblättern. Das Gazebeutelchen mit den Blättern verbringt
man vor dem Einhängen für einige Zeit in kochendes Wasser. Bald entwickeln
sich in der Flasche zahlreiche Fäulnisbakterien, die den Paramäcien zur
Nahrung dienen. Die Salatblätter muß man etwa alle 4 — 6 Wochen wechseln.
Namentlich in den Wintermonaten gelingt das Anlegen einer solchen
Kultur schlecht. Man verschafft sich dann am besten Impfmaterial aus
einem zoologischen LTniversitätsinstitut. Eine gute Kultur kann sich jahre-
lang halten. Man entnimmt die Tiere von der Oberfläche der Flüssigkeit.
Aus Heuaufgüssen (Heu . das man mit Leitungswasser übergießt und
vor Staub geschützt faulen läßt) bekommt man gewöhnlich nicht die großen
Paramäcien, sondern kleinere Formen, meist Colpidien.
Die häufig vorkommenden Paramäcienformen sind Paramaecium
Aurelia und P. caudatum. Fig. 5 zeigt, einer Arbeit von H. Koreiit-
schewshy^) entnommen, Paramaecium caudatum, und zwar A und B in
normalem Zustande, C — F nach Vergiftung. Die Länge des Tieres be-
trägt 0*1 — 0'^6mui. Eine Vertiefung in dem Tiere, die den Zugang zur
jNIundöffnung (b) darstellt, heißt Peristomum (p). Vom Munde (h) aus führt
das Schlundrohr (f) zu einer Nahrungsvakuole (d), w^ohin die aufgenommene
Nahrung (Bakterien) gelangt. Nachdem diese Nahrungsvakuole eine gewisse
') Kisskalf uml Harfmann , Traktikum der Bakteriologie und Protozoologie. T. II.
Jena 1910. — 0. Neven, Über die Wirkungsweise der Arzneimittel bei Trypanosomiasis.
Dissertat. Gießen 1009. — ./. Morgenroth und L. Halb) rstaedfer , Über die Beoin-
flussung der experimentellen Trypanosomeninfektion durch Chinin. Sitzungsber. d. K.
preuß. Akademie d. Wissensch. l'hysikal.-mathemat. Klasse, 1910. S. 732. — P. Ehrlich
und 6'. Hata, Die experimentelle Chemotlierapic der Spirillosen. Berlin 1910.
■-) Zitiert nach S. r. l'rowacek, Taschenbuch der mikroskopischen Technik der
Protistenuntersuchung. Leipzig 1909. S. 70. 2. Aufl.
') W. Korentschewskij, Vergleichende pharmakologische Untersuchungen über die
Wirkung von (Üften auf einzellige Organismen. Arcliiv f. oxporim. Pathol. u. l'harmakid.
Bd. 49. S. 7 (1903).
9*
20
H. Fühner.
Fig. 5.
Größe erreicht hat, löst sie sich vom Schlund ab und vollführt ihren Kreis-
lauf im Körper der Infusorie (d^ — dg), wobei die Nahrung allmählich ver-
daut und aufgesogen wird. An Stelle der abgegangenen Vakuole bildet sich
eine neue. Das Fortführen des Wassers, der löslichen Extraktivstoffe etc.
wird mittelst zweier pulsierender Vakuolen (a) bewerkstelligt. Die Flüssig-
keit sammelt sich in denselben durch Vermittlung von 8 Bildungsvakuolcn
an. Das Pulsieren geschieht rhythmisch , in regelmäßigen Zeitzwischen-
räumen und ist abhängig von der Temperatur, vom Sauerstoff des Wassers
und von vielen anderen Einflüssen auf die Infusorie. Das ganze Tier ist
von einer festeren Ecto-
plasmaschicht l)edeckt.
Unter dieser befinden
sich nadelartige Bil-
dungen , Trichozysten
(x) genannt, die auf
Reizung hervorge-
streckt werden. Im
Protoplasma liegt
außerdem der INIacro-
nucleus (e) und der
Micronucleus (i).
Fig. 5 C zeigt ein
Tier nach der Einwir-
kung einer verdünn-
ten Natronlauge
(1:5000-1:7000),
welche nicht mehr töd-
lich wirkt, sondern nur
Quellung und Klärung
des Protoplasmas zur
Folge hat. Fig. D—F
zeigt die Einwirkung
von freiem Coffein.
Durch das Coffein wird
Paramaeciuni caudatum. A Normal, Vergr. 230. B Normal ;
halbschematisch. Vergr. 130. C — F in gleicher Vergr. mit JB
vergleichbar. C Nach Alkaliwirkung. D — F Nach Coffein-
wirknng. (Nach Kortnt seh ewsky.)
(am besten in einer
Konzentration 1:1400) vor allem eine Veränderung der pulsierenden Va-
kuolen hervorgebracht. Das Pulsieren wird langsamer und hört schließlich
ganz auf. Die Vakuolen vergrößern sich zugleich mehr und mehr, vereinigen
sich schließlich und das Tier nimmt Kugelform an. Trotz dieser starken
anatomischen Veränderung können sich solche Tiere noch lebhaft bewegen
und werden durch die genannte Konzentration nicht getötet. Das Coffein
ist überhaupt für Paramäcien auffallend wenig giftig.
Meist wird man in quantitativen Versuchen an Protozoen davon ab-
sehen, die genaueren anatomischen Veränderuiigen der Tiere zu verfolgen,
sondern sich damit begnügen, die tödlichen Grenzdosen der Gifte
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. 21
festzustellen. Dies geschieht am besten durch Prüfung auf dem (Mtjekt-
träger „im hängenden Tropfen" (in einer kleinen feuchten Kammer), wo-
bei man je einen Tropfen Protozoenkultur und zu prüfende Lösung ver-
mischt. Genaue wirksame Grenzdosen festzustellen ist häufig nicht mög-
lich, da einzelne Individuen in einer Probe sich als viel widerstandsfähiger
erweisen, wie andere. Beim Tode der Infusorien beobachtet man unter
dem Mikroskop ein Zerfließen und Platzen derselben und als totes Tier
bleibt nur noch ein leeres Gebilde zurück, das von JS'euhaus^) als ..Schatten"
bezeichnet wird, da es an die lUutkörperchenschatten erinnert.
Wie durch derartige Versuche an Infusorien Ilesultate erhalten wer-
den können, die den Verhältnissen bei pathogenen Protozoen entsprechen,
zeigen die bekannten Untersuchungen von Binz^) über die Wirkung des
Chinins. Noch Lösungen 1:50000 des salzsauren Salzes lähmen Para-
mäcien nach einigen Stunden, während Lösungen von 1:5000 innerhalb
25 — 30 Minuten den Tod der Tiere herbeiführen. Salzsaures Cinchonin
und Cinchonidin erweisen sich dagegen mehrfach schwächer wirksam.
was auch ihrer geringeren antipyretischen Kraft entspricht. .
Daß aber derartige \'ersuche auch andere Resultate ergeben koinien
als die Prüfungen am kranken Tier und Menschen , lehren die Unter-
suchungen von Tappeiner ^) und seinen Schülern. Von diesen Untersuchern
waren Derivate des Chinolins und Acridins aufgefunden worden,
die im Paramäcienversuch bedeutend stärker als Chinin wirkten, sich aber
bei der Behandlung von Malariafällen als unwirksam erwiesen.
Blut
Frisches (..lebendfrisches'') lUut verschiedener Tiere findet sowohl zum
qualitativen Nachweis von Giften, wie auch zur (piantitativen P)estimmung
derselben Verwendung auf Grund mehrerer ihm zukommender Eigen-
schaften.
Das aus dem Pdutgefäße ausfließende I>lut gerinnt je nach der Tier-
art mehr oder weniger rasch meist schon nach einigen ^Minuten. Äußere
ITmstände können die Gerinnung beschleunigen oder hemmen. Bei der
Gerinnung, welche unter chemischer Beteiligung von Kalksalzen erfolgt,
verwandelt sich das im Blutplasma gelöste Fibrinogen in Fibrin-
*) H. Neuhans, Versuche über Gewöhnung an Arsen, Antimon, Quecksillier und
Kupfer bei Infusorien. Arch. internation. de Pharmacodyn. et de Thörap. '1". 20. p. 35)8
(1910).
'-) Vgl. C.Binz, Vorlesungen über Pharmakologie. 2. Aufl. S. 552 und ferner
G. Grethc, Über die Wirkung verschiedener Chininderivate auf Infusorien. Deutsch. Arch.
f. klin. Med. Bd. 5(5. S. 18<J (1896).
^) H. Tappeiner , Über die Wirkung der Phenylchinolino und Phospbino aut
niedere Organismen. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 56. S. 3(59 (1896). — Ä.Jodlhatier,
Über die Wirkungen des -f-Phenylchinaldins und des Methylpliosphins. Deutsch. Ardi. f.
klin. Med. Bd. 59. S. 154 (1897). — ./. Maiuuiherti, Über die Wirkungen von Chiniu-
derivaten und Phosphinen bei Malariafiebern. ll)id. S. 185.
22 H. Füll 11 er.
Blutegelextrakt (Hiriulin) oder Salze, die Kalk fällen, wie Ammonium-
oxalat oder Natriumeitrat verhindern die Gerinnung, letztere Salze,
wenn sie in Menge von 0*2 (Oxalat) bis 0"4% (Citrat) im Blute ent-
halten sind. Kälte verzögert die Gerinnung. Beschleunigt wird sie durch
Rühren oder Schlagen. Rührt man das aus einem Blutgefäße entnommene
Blut mit einem Glasstabe kräftig um, so setzt sich das Fibrin an demselben
in Fäden ab und kann durch Auswaschen mit Wasser gereinigt werden-
Das ..defibriuierte" Blut ist zu den nachstehend angegebenen Versuchs-
methoden brauchbar.
Man verwendet am häufigsten zu den Prüfungen aus dem Schlacht-
hause bezogenes, möglichst frisches (nicht etwa durch Kochsalzzusatz kon-
serviertes) Rinderblut, das sich kalt (im Eisschrank) aufbewahrt, 2 bis
;\ Tage brauchbar erhält. Vor der Verwendung kollert man das Blut durch
ein mit 0"9"/oiger (sogenannter physiologischer) Kochsalzlösung angefeuch-
tetes Tuch, auf dem noch etwa vorhandene Fibrinflocken zurückbleiben.
Stellt man das Blut in einem hohen Zylinder in den Eisschrank, so trennt
es sich langsam in zwei Schichten: einen oberen gelben dünnflüssigen Teil,
das Serum und einen unteren dickflüssigen, die roten Blutkörperchen.
Ist das Serum stark rot gefärbt, so ist das Blut entweder nicht mehr
frisch oder es hat Wasser oder sonst ein Zusatz eine teilweise Auflösung
der Blutkörperchen veranlaßt. Eine raschere Trennung von Serum und
Blutkörperchen, als diese spontane, erreicht man dui'ch Zentrifugieren. Um
..gewaschene" Blutkörperchen zu erhalten, hebert man nach dem
Zentrifugieren das Serum ab und ersetzt es durch 0'9%ige Kochsalzlösung.
Man schüttelt durch (zu starkes Schütteln schädigt die Blutkörperchen
mechanisch!), zentrifugiert von neuem und wiederholt dies 2 — ;>mal.
Von anderen Blutarten kommt hier noch das von Kaninchen und
Meerschweinchen in Betracht.
Kaninchenblut entnimmt man ohne Schädigung des Tieres in
Giengen bis zu 5 und lOciii^ aus einer Ohrvene. Dazu eignen sich lang-
ohrige Tiere besser als kurzohrige. Etwas unterhalb der Mitte des einen
Ohres klemmt man am äußeren Rande eine Arterienklemme fest, um venöse
Stauung herbeizuführen. Ein Gehilfe hält dann das Tier mit beiden Händen
am Kopf, eine Hand über die Augen legend, die andere am Hinterkopf.
Mit dem Arm dieser zweiten Hand hält er das Tier gegen seinen Körper
angedrückt fest. Man entfernt mit einer Schere die Haare an einer Stelle
der gestauten und stark hervortretenden Vene und wäscht diese Ohrgegend
mit einem in 2''/oige Natriumcitratlösung getränkten Wattebausch ab. Das
Blut entnimmt man mit einer Injektionsspritze (Rekordspritze) von 2 oder
5 cm^ (Fig. 6), welche man mit 2Voi8er Natriumcitratlösung ausgespritzt
hat (um Gerinnung bei der Blutentnahme zu vermeiden). Man sticht mit
der scharfen und nicht zu engen Nadel in die gestaute Vene parallel zu
dieser und gegen den Blutstrom (also nach der Ohrspitze zu) (Fig. 7) die
Nadel der leeren Spritze ein und zieht den Stempel derselben langsam
zurück. Ist man im Lumen der Vene, so füllt sich dabei die Spritze mit
Nachweis imd Bestimmung von Giften auf biologischem Wcfre.
28
Blut. Ist dies geschoheii, so entleert man den Spritzeninhalt in einen mit
physiologischer Kochsal/lösung- ausoespiilten Mellzylindcr mit Stöpsel und
schüttelt hier mit einigen Glasperlen, um Gerinnung herbeizuführen, durch.
Man verdünnt dann mit physiologischer Kochsalzlösung bis auf das ge-
wünschte Volumen und filtriert durch einen losen Wattebausch vom Fibrin
ab. Nach Herausnahme der Spritzennadel aus der Ohrvene kann man die
Klemme, welche zur Stauung der Vene diente, nunmehr an der Einstich-
stelle für einige Zeit anbringen, um weitere Blutung zu
Fig. ß. verhindern. Stärkere Blutfüllung am Kaninchenohr und
besseres Flielien des Blutes erzielt man durch Abwaschen
des (Jhres mit einem mit Toluol oder Xylol getränkten
Wattebausch.
Braucht man größere Blutmengen, so entnimmt man
diese am besten aus einer in Äther- oder Urethannarkose
des Tieres freigeleg-
ten 1) Halsarterie (Ca-
rotis). Man präpa-
riert diese in mög- •
liebster Ausdehnung
frei, legt dann zw^ei
Ligaturen möglichst
weit oben ( köpf wärts)
Fig. 7.
1,0 —
Rekordspritze.
massage
kann
\'on mittelgroljen Kaninchen 1
M e e r s c h w e i n c h e n 1 ) 1 u t
in ^jo cni Entfeniung
voneinander an und
schneidet zwischen
beiden Ligaturen das
Gefäß durch. Man
legt dann das frei-
l)ewegliche Gefäß-
ende in einen Zy-
linder mit Glasstöp-
sel und schneidet es
nahe der Ligatur an.
Das Blut spritzt in
starkem Strahl in
das Gefäß. Durch
Kompression des
Bauches und Herz-
man die ausfließende
assen sich SO
kann man ,
Blutentnabroe aus dem Kaninchenohr.
Blutmenge noch etwas vermehren
-100 c^//'' Blut gewinnen,
ohne das Tier zu schädio:on
ent-
in Mengen von 2 — h cm^ direkt aus dem Herzen mit der Spritze
nehmen. Hierzu spannt man ein großes Tier auf einem Brette auf, durch
^) Präparation siehe hei /.'. /•'. Fuchs, Physiologisclies rraktikum für Mediziner.
Wiesbaden 1906. S. 62.
24 H. Fübner.
Festbinden an den Beinen und Fixieren des Kopfes. Dann wird der Tliorax
zur Orientierung über den Herzschlag abgetastet und auf der linken Seite
geschoren. Nach Entfernung der Haare kann die Haut etwas gewaschen
werden. Mit einer Pvekordspritze mit weiter scharfer Xadel sticht man in
der Herzgegend auf der linken Seite des Brust])eins zwischen den Rippen
ein und zieht den Stempel an. Kommt kein Pdut, so zieht man die Spritze
wieder heraus und macht an anderer Stelle einen neuen Einstich. Bei
gutem Gehngen der Blutentnahme erholt sich das Tier rasch nach dem
Losbinden von dem Brett und kann nach längerer Zeit von neuem punktiert
werden. AVill man das Tier ganz entbluten, so geschieht dies durch Ein-
schnitt in den Hals und Abwärtshalten. Ein großes Tier hat bis zu 14 cni'^ Blut.
Zur biologischen Charakterisierung von Giften finden zwei Eigen-
schaften des Blutes Verwendung:
1, diejenige, daß die roten Blutkörperchen durch viele Agenzien
derart geschädigt werden, daß die den roten Inhalt bildende Hämoglobin-
lösung austritt, ein Vorgang, welcher Hämolyse (Hcuiihurger) ge-
nannt wird,
2. diejenige, daß die roten Blutkörperchen durch manche Gifte zu-
sammengeballt, verklebt werden, eine Erscheinung, die man als Aggluti-
nation oder Konglutination bezeichnet.
'ö
1, Hämolyse.
Das normale Blut ist auch in dünner Schicht undurchsichtig, ..deck-
farben"; durch die Auflösung der Blutkörperchen wird es vollkommen klar
und durchsichtig, ..lackfarben". Die Aufhellung der undurchsichtigen Blut-
schicht, das Durchsichtigwerden, ist das Kennzeichen der eingetretenen
Hämolyse.
Abgesehen von mechanischen Einwirkungen (Zerreiben mit Sand)
oder Temperaturwechsel (Gefrieren und Wiederauftauen, Erwärmen auf
60 — 70*') kann Hämolyse herbeigeführt werden durch folgende Substanzen:
1. Wasser. 2. Säuren und Basen. B. Fettlösende Substanzen. 4. Spezifische
Blutgifte.
Die roten Blutkörperchen sind kleine mit Flüssigkeit gefüllte Säck-
chen. Sie besitzen eine semipermeable Hülle, welche zum Teil eiweiß-, zum
Teil fettartiger Natur (Lipoide: Cholesterin, Lecithin) ist. Der Inhalt der
Blutkörperchen ist beim höheren Wirbeltiere mit einer Lösung von etwa
0-9"/o Kochsalz oder einer solchen von 8*5 Vo Bohrzucker ,, isotonisch". In
derartiger Lösung werden Blutkörperchen, z. B. des Rindes, weder schrumpfen
(durch Austritt von W^asser durch die semipermeable Hülle), noch an ^'o-
lumen zunehmen (durch Wasseraufnahme). Schrumpfung der Blutkörper-
chen, welche hierbei sogenannte StechapfeLform annehmen, findet statt in
mehrprozentigen .,hyperisotonischen'' Salzlösungen, N'olumzunahme in ..hy-
poisotonischen" Lösungen, z. B. von OßVo NaCl. Wird die Salzlösung,
in welche die Rinderblutkörperchen gebracht werden, noch weiter ver-
IflWfEKTT UKItAKT
M C. SiaU Colltie
Nachweis uiiil Bestiminiuifj' von (üitoii auf liiologisclioni Wcjre. •>;"■)
dünnt, so ist ihre ^'oll^Hznllahme eine derartig starke, daß die Hülle gesprengt
^Yird, also lliimolyse eintritt. Manelie lUutarten. z. B. Hundeblnt. sind gegen-
über Verniinderunii' des osnioti.schen Druckes vielenipfindliciier als llindcrltlut.
Mit Frosehblutkörperclien ist eine 0"6Voige Lösiniii von Na("l im
osmotischen Gleichgewicht.
Die Ilämolyse dm'ch Alkalien und Säuren ist in erster Linie auf das
Vorhandensein freier OH- und H-Ionen zurückzuführen. Doch nicht aus-
schließlich. Lösungen organischer Säuren und Alkalien wirken stärker
hämolytisch, als man nach ihrer lonenkonzentration erwarten sollte {Fiilnier
und Ncuhmur'^). Hämolyse durch Kaliumhydroxyd wird herbeigeführt bei
einer Konzentration von ü"04o/o im Blute, durch Ammoniak von 0"4" o und
durch Trimethylamin von 0-5«/o. Ebenso von 0-002Vo Salzsäure. OOOTVo
Ameisensäure und 002Vo Essigsäure. Bei der Plämolyse durch Säuren,
z. T. auch durch Alkalien, findet Braunfärbung des gelösten Blutes statt,
infolge von Hämatinbildung.
Eine große Gruppe hämolytischer Agenzien bilden die Lipoide (Cho-
lesterin, Lecithin) lösenden Substanzen. Diese Gruppe fällt größtenteils mit
der pharmakologischen Gruppe der indifferenten Nai'cotica zusammen.
Hierher gehören Chloroform, Chloralhydrat , Äther, Alkohole, L^rethane.
Ester. Um eine Vorstellung von der Wirkungsstärke dieser Substanzen
zu geben, sei erwähnt, daß (nach Fähner und Neuhauer) die hämolytische
Wirkung auftritt beim Äthylalkohol in Konzentration von 15°/„, Athyl-
urethan 9Vo und Äthylacetat (Essigester) 4o/o- Chloralhydrat ist etwas
wirksamer als Äthylacetat.
Die hier angegebenen Werte sind nur relative, unter sich vergleich-
bare, keine absoluten. Unter anderen Versuchsbedingungen (z. B. anderer
Zeitdauer der Einwirkung, anderer Temperatur) erhält man andere Werte.
In einem in Fig. 8 wiedergegebenen Versuche ist die hämolytische Grenze
für den Äthylalkohol bei etwa 137o gelegen. In diesem \'ersuche wurden
zu je 5 crn^ Alkohollösung ö cin^ ö^/oiger Blutaufschwemmung gegeben.
Die Alkoholkonzentration der 10«»^ Flüssigkeit betrug 11 — 16%. Der
Versuch wurde bei Zimmertemperatur ausgeführt. Eine Stunde nach dem
Ansetzen des Versuches lag die hämolytische (irenze bei 16Vo- ^-^^i^'h drei
Stunden bei lö^/o. Die photographische Aufnahme wurde erst 20 Stunden
nach dem Ansetzen der Proben gemacht.
Die Hämolyse durch die bisher genannten Substanzen besitzt zum
Nachweis von Giften keine nennenswerte praktische Bedeutung. Man könnte
sie aber z. B. verwerten zur ([uantitativen Bestimmung von Fusel-
öl (Gärungsamylalkohol) im Äthylalkohol, da die höheren Alkohole
hämolvtisch wirksamer sind, als die niederen. =) Praktisch wichtig ist die
') Jf. Fiihner und E. Nettbauer , Hämolyse durch Substanzen homologer Reihen.
Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 56. S. 344 (l'JOT).
^) A. J. ./. VainJeveldc, Üher die Anwendung liiohigischor Methoden zur Analyse
von Nahruugsstoffen. Biochem. Zcitschr. Bd. 1. S. 1 llitOG) uiul II. nUnur und K. Neu-
bauer, 1. c.
2^
H. Fühiier.
Hämolyse aber hauptsächlich zum Nachweis der spezifischen Blut-
gifte, welche sich vor den bisher genannten Substanzen durch eine hämo-
lytisch außerordentlich viel größere Wirksamkeit auszeichnen.
Zu den spezifischen Blutgiften gehören in erster Linie artfremde
Sera. Normales Blutserum einer Tierart kann die Blutkörperchen einer
anderen auflösen. Starke Hämolysine finden sich dann in giftigen tieri-
schen Sekreten, wie dem Gifte von Schlangen, Kröten, Spinnen, Bienen.
Ferner gehören, als toxikologisch wichtig, namentlich zahlreiche Pflanzen-
produkte hierher. Schon manche Bakterien produzieren hämolytisch wirk-
Fig. S.
Hämolyse durch Äthylalkohol.
same Stoffe; auch finden sich solche in höheren Pilzen, nach Kohert
z. B. in dem sehr giftigen Knollenblätterschwamm, Amanita phalloides und
nach Boehm in der Lorchel, Helvella esculenta. Vor allem aber gehört hierher
die Gruppe der Saponine und ihnen nahestehender Pflanzengifte, welche
in zahlreichen Pflanzen vorkommen.
Aus einer größeren Tabelle von B. Koherf^) sei hier die Wirkungs-
stärke der wichtigsten Saponine wiedergegeben, verglichen mit Chloral-
liydrat und Solanin.
1) R. Kohert, Beiträge zur Kenntnis der Saponinsubstanzen. Stuttgart 1904. S.18.
— Vgl. ferner ./. Gadamer, Lehrlnich der chemischen Toxikologie. Göttingen 190V). S.444.
Niicliweis iiiul Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
U I)
Cliloralhydrat
Solanin
Guajaksaponin
Quillajasapotoxin
(Juillajasaui'c {als Xa-Salz) . . .
Saponin. puriss. Merck
Roßkastanicnsaponiii
Senegin
Agrostommasapotoxia
Agrostemmasaponin
Levant. Seifenwurzclsapotoxin
Molanthin des Sclnvnrzkümmels
Digitonin des Fiugerliuts . . .
Cyclamin des Alpenveilchens
Sarasaponin der Sarsaparille . .
Dioscin der Dioscorea Tok. Mak.
Völlipu Häinolyse
erfolgt noch bei
1:20
1 :«:3(J0
löst kaum
1 : 1(1000
1 : 101)00
1:10000
1:12000
1:12000
1:15000
1 : 50000
1 : 20000
1 : 75000
l:8OU00
1 : lOOüOO
1:125000
1:400000
Autor
Kruskftl
Kohert
Frlehoes
Koh/rf
IIojIdkoiu
l'achoriikoiv
Weil. Kohert
Atlas
Kriiskal
H ran dl
Kruskal
Robert
Kriishal
Tufanow
c. Schtih
Honda
Die hier angegebenen Werte beziehen sich auf Bestimmungen, welche
an IVoigen Rinderblutkochsalzaufschwemraungen ausgeführt wurden. Wichtig
ist, daß die gewaschenen Bhitkörperchen gegen Saponine viel empfind-
licher sind als ungewaschene bei Gegenwart des Serums. So fand Kruskal^)
als Wert für die hämolytische Wirkung am Agrostemmasapotoxin. wie in
der Tabelle angegeben, am normalen l%igen Blut den Wert J : 15.000. An
gewaschenen Blutkörperchen zu P/o in ^aCl 1 : 38.000. Dieser Unterschied
dürfte auf den Lipoidgehalt des Serums zurückzuführen sein , denn , wie
Ransom -) entdeckte, kann Saponin durch Cholesterin entgiftet werden.
Die hämolvtische Methode eignet sich vor allem zum Nachweis
dieser Pflanzengifte speziell der Saponine und ist von A'. Brunurr^)
und .7. Rühle^) zum Nachweis von Saponin in schilumenden Getränken
(Limonaden) verwandt worden.
Ausführung der hämolytischen Versuche. Eine auf Sapt)iiin
zu prüfende Substanz löst man in 0*9"/oiser Kochsalzlösung auf. Von de-
fibrinierten und gewaschenen Rinderblutkörperchen stellt man eine P/oigc
Aufschwemmung gleichfalls in physiologischer Kochsalzlösung her. Hat man
nur sehr geringe Saponinmengen, so führt man die Untersuchung unter
dem Mikroskop aus. Man gibt einen Tropfen der Blutaufschwemmung auf
einen Objektträger, bedeckt ihn mit einem Deckglase und stellt etwa
;)00fache \>rgrößerung des Mikroskopes ein. Labt mau dann seitlich
einen Tropfen Saponinlösung zufheßen, so kann man die allmähliche .\uf-
') N. Kruskal, Über Agrostemma Githago L. Dorpater pharmakol. Inst.-Arb. Bd. 0.
S. 126 (1891).
-) /-'. liausoni, Saponin und sein Gegi.Migift. Deutsdie med. Wochenschr. 1901.
S. 194. — Vgl. auch .1. Windaus, Über die Entgiftung der Saponine durch Cholesterin.
Ber. d. D. ehem. Ges. Bd. 42. S. 238 (1909).
'■') K. lirunncr und J. Rä/ilc, zitiert nacli ./. Cadamn-, Lehrbuch d. ehem. i'cxi-
kologie. Göttingen 1909. S. 446.
2B H. Fühner.
hellung des Präparates durch dieselbe gut verfolgen. Die Blutkörperchen
quellen erst und werden stark lichtbrechend, um darauf gewissermaßen
zu verlöschen.!)
Hat sich die Substanz als hämolytisch wirksam erwiesen, so ist zu
ihrer weiteren Charakterisierung als Saponin noch ihre Entgiftung durch
Cholesterin festzustellen. Das Cholesterin löst man zu P/q in Äther und
gibt von dieser Lösung soviel zu der Lösung des Saponins in physiolo-
gischer Kochsalzlösung, daß auf 20 Teile Saponin 1 Teil Cholesterin kommt.
Man schüttelt tüchtig durch und erwärmt im offenen Becherglase einige
Stunden auf 40". Diese Lösung wird dann, wenn sie ein typisches Saponin
enthielt, nicht mehr hämolytisch wirken.
Bei genügenden Mengen Material untersucht man in kleinen oder
größeren Pieagenzgläsern. Immer sind Kontrollproben gleichzeitig anzu-
setzen und zu beobachten. Hat man eine Reihe lleagenzgläser mit ver-
schiedenen Mengen hämolytischer Substanz angesetzt, so kann man die
fortschreitende Aufhellung von der am stärksten wirksamen Konzentration
bis zu der schwächsten gut verfolgen. In den Gläsern, in welchen sich die
Blutkörperchen nicht lösen, setzen sie sich am Boden derselben ab. Man
muß zu den Proben immer gut durchgemischte Blutkörperchcnaufschwem-
mung verwenden. Auch verfährt man derart, daß man das Blut zur lösen-
den Flüssigkeit zusetzt und nicht umgekehrt. Nach dem Zusatz muß sofort
gut umgeschüttelt werden, um P)indung der lösenden Substanz nur etwa
an die unterste Schicht der Blutkörperchen zu vermeiden. Für die meisten
toxikologischen Versuche am Blute wird, wie bei dem Saponinnachweis,
die Ausführung bei Zimmertemperatur geschehen. Bei vergleichender
Prüfung wird man nach 3 — 4 Stunden die hämolytische Grenze ablesen.
Über die Natur und Herkunft eines hämolytisch wirksamen Saponins
kann man aus der Intensität der Wirkung bei Vergieichung mit der
Kobertschen Tabelle einige Anhaltspunkte gewinnen.
2. Agglutination,
Die Tatsache, daß es Pflanzenstoffe gibt, welche an roten Blutkörper-
chen deren Zusammenkleben, Agglutination, neuerdings auch Kongluti-
nation genannt, herbeiführen können, wurde 1887 von B. Kohert und
seinem Schüler Stülmark'"-) an dem wichtigsten hierhergehörigen Produkte,
dem Piicin, entdeckt und ist seither häufig zu toxikologischer Charakteri-
sierung dieser Substanzen gebraucht worden, für welche beweisende che-
mische Reaktionen nicht bekannt sind. Derartige giftige Pflanzen produkte
(„Toxalbumine"), wie das Ricin der Ricinussamen, das Abrin der
Paternostererbsen, das Crotin der Crotonsamen und das Robin der Rinde
der falschen Akazie, besitzen die gemeinsame Eigenschaft, daß sie bisher
1) J. Gadamer, 1. c. S. 447.
2) //. Sfilhnark, Über Ricin. Dorpater pharmakol. Inst.-Arb. Bd. 3. S. 59. Stutt-
gart 1889.
Nachweis uiul Bestimmung von Giften auf liiologischem AVege. •>i\
in einwandfreier Weise von ihrem Jiegieiteiweili nieht hctivit werden
konnten und daß Versuchstiere gegen steigende Dosen derselhen wie gegen
Bakterientoxine immunisiert werden können (KhrUchJ.
Toxikologische Bedeutung besitzt in erster Linie das Ricin, das aus
Preltrückständon der Kicinussamen gewonnen wird. Solche Ricinusprel»-
rückstände haben bei ihrem geringen Werte schon zur X'erfiilschung von
Preßkuchen anderer ölhaltiger Samen, die als Futtermittel Vei-\veiidinig finden,
gedient, und Erkrankung der damit gefütterten Tiere herl)eigeführt.
Ausführung der Agglutinationsprüfung. Handelt es sich
darum, eine Substanz auf den Gehalt an Klein zu untersuchen, so kann
man nach Koherf^) in folgender Weise vorgehen: Man zerreibt den
trockenen Rückstand innig mit mindestens der lOfachen Menge physiolo-
gischer Kochsalzlösung und filtriert nach 24 Stunden. Das Filtrat hält das
vorhandene Ivicin in Lösung. Die Prüfung des Filtrates geschieht in der
Weise, daß man einen Teil davon einem Kaninchen (s. d.) unter die Haut
spritzt, einen anderen Teil mit etwa demselben Volumen oder mehr einer
2''/oigen Mischung von defibriniertem Rinderl)lut mit physiologischer Koch-
salzlösung (2 cm^ Blut + 98 cm^ 0-9Voiger Na Cl-Lösung) vermengt. Bei grö-
ßerem Ricingehalt des Auszuges tritt rasch Agglutination ein. Bei geringem
Gehalt kann die Blutprobe unsicher oder negativ ausfallen, während das
injizierte Kaninchen nach mehreren Tagen doch noch erkrankt und stirbt.
Eine verdünnte wässerige Ricinlösung läßt sich nach Cushnij'-) da-
durch anreichern, daß man in dieselbe gewaschene Fibrinflocken einträgt,
auf welche sich das Gift niederschlägt. Die mit Wasser gewaschenen
Flocken werden mit verdünnter Sodalösung behandelt, in welcher sich das
Ricin löst. Die Sodalösung neutralisiert man mit Salzsäure und stellt nun
mit dieser Lösung den Agglutinations versuch an.
Die Agglutinationsprobe kann dadurch empfindlicher gestaltet werden,
daß man mit Kochsalzlösung gewaschene Blntköi-perchen verwendet, da
das Serum nach Kohert die Piicinwirkung hemmend beeinflußt. Aul'ierdem
empfiehlt sich die Verwendung des empfindlicheren Mecrschweinchcnblutes
an Stelle von Rinder- oder Kaninchenblut zu der Aggiutinationsprobe.
Stillmarl- fand, dal.) bei 2''/oiger Blutkochsalzmischung Piicin in Kon-
zentration 1:40.000 Kaninchenblut vollständig, bei einer Verdünnung
1:160.000 nur noch spurenweise aggiutiniert , während Meerschweindien-
blut in Kmizentration 1:160.000 vollständig, in solcher von 1 : (JOO.OOO
immerhin noch schwach zusammengeballt wii'd.
Von der Vollständigkeit der Agglutination üi)rrzengt mau sich iliiich
Filtration des aggiutinierten Blutes durch Filtrierpapier, durch das die
nichtagglutinierte Blutkörperchenaufschwemmung ungehindert himlurch-
') /t". Kohcrf, Einige Notizen über die Bedeiitiini: mul den liiologisclien Narliweis
von vegetabilischen Agghitininen und Hämolysinen. Landwirtsch. \'ersuclisstalionen.
Bd. 71. S. 258. Berlin 1909.
-) A. R. Cushnijf über das Ricinusgift. Arch. f. exp. Patliol. u. Pharmakol. Bd. 41.
S. 446 (1898).
30 H. Fühner.
geht. Ist das Filtrat nach der Agglutiuationsprobe noch rot gefärbt, so ist
die Agglutination unvollständig. Bei geringen Blutmengen stellt man die
Probe statt im Pieagenzglas in einem kleinen Uhrglase an und verfolgt
die Erscheinung unter dem Mikroskop. Kontrollproben sind auch hier
dringend nötig, da ebenso wie spontane Hämolyse auch spontane Agglu-
tination der Blutkörperchenaufschwemmung vorkommen kann.
^'om Ricin unterscheidet sich das Abrin, der Giftstoff der Pater-
nostererbsen fJequiritisamen) in seiner Blutwirkung nur sehr wenig. Nach
Hellin ^) wirkt im Gegensatz zum Ricin das Abrin stärker auf Hunde- als
auf Kaninchenblut ein.
Leichter als Abrin ist vom Ricin das Crotin, der Giftstoff der
Crotonsamen zu unterscheiden. Nach Elf Strand^) agglutiniert dieses das
defibrinierte Rinderblut, hingegen nicht das Blut von Meerschweinchen.
Kaninchenblutkörperchen aber werden durch dasselbe hämolysiert. Hierbei
erweist sich das Blut verschiedener Kaninchen als verschieden empfindlich.
Auf Grund verschieden starker Blutwirkung lassen sich vom Ricin
noch andere hierhergehörige Substanzen unterscheiden, so nach Robert und
Lau^) das aus der Rinde der falschen Akazie gewonnene Robin.
Neuerdings wurde von Wienhaus *) und Assmann ^) unter Kohert
aus Schminkbohnen ein Phasin und aus Sojabohnen ein Sojaphasin
genanntes eiweißhaltiges Produkt hergestellt, von denen namentlich das
letztere eine der Ricinagglutination täuschend ähnliche Agglutination von
Kaninchenblutkörperchen herbeiführt. Doch auch dieses Produkt läßt sich
vom Ricin dadurch unterscheiden, daß es auf Blutarten, die vom Ricin agglu-
tiniert werden, nicht einwirkt; besser aber lassen sich diese Phasine von dem
giftigen Ricin durch ihre geringe Giftigkeit für Kaninchen (s. d.) unter-
.scheiden. ^)
Der Frosch und seine isolierten Organe.
Im mittleren Europa sind hauptsächhch zwei Froscharten') leicht
und in größerer Menge zu erhalten 0): Der Wasserfrosch, Rana escu-
M H. Hellin, Der giftige Eiweißkörper Abrin und seine Wirkung auf das Blut.
Dissert. Rostock 1901.
■-) M. Elfstrand, Über blutkörperchenagglutinierende Eiweiße. Görbersdorfer Ver-
öffentlichungen, heraiisgeg. v. B. Kohert. Bd. 1. S. 11. Stuttgart 1898.
^) Lau, Über vegetabilische ßlutagglutinine. Dissert. Rostock 1901.
*) 0. Wienhaus, Zur Biochemie des Phasins. Biochem. Zeitschr. Bd. 18. 8.228(1909).
^) F. Assmann , Beiträge zur Kenntnis pflanzlicher Agglutinine. Fjiiigers Arch.
Bd. 137. S. 489 (1911).
^) Über den Nach weis von Ricin vgl. auch Miessner, Über die Giftigkeit der
Ricinussamen. Mitteil. d. Kaiser Wilhelms-Instituts für Landwirtschaft in Bromberg. Bd. 1.
S. 217. Berlin 1909.
"') Zur Biologie des Frosches vgl. Fr. K. Knauer, Das Leben unserer heimischen
Lurche und Kriechtiere. Dresden 1905. — Fr. Hempelmann, Der Frosch. Leipzig 1908.
— Die Anatomie des Frosches ist ausführlich dargestellt in F. Gaupp, A. Eckers und
B. Wiedersheims Anatomie des Frosches. 3. Aufl. 3. Bände. Braunschweig 1896 — 1904.
*) Wasserfrösche liefert Fischer Fritz Norak, Köpenik bei Berlin. Die Varietät Ridi-
bunda in Größen von 40— 150.9' A.v. Kordes, Zoolog. Handlung, N.-Becskerek (Un-
Nacliweis uiul Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. ;-i]
lenta mit seiner für I)iologische \'ersuche gleichwertigen ^'carietät. dem
Seefrosche, R. esc. Var. ridibunda nml der Gras- oder Taufrosch.
Rana fusca (temporaria). Beide Arten sind zum biologischen Tüftnach-
weis erforderlich, denn sie reagieren manchen Giften gegeniil)er verschieden.
Da die Frösche sich im Winter verkriechen, so ist deren Beschaffimii-
in den kalten Wintermonaten oft schwierig. .Man versieht sich für den
Winter am besten im Herbst mit einer genügenden Anzahl dersellien und
bewahrt sie in kühlem Räume in Rehältern mit langsam fliebendem oder
öfters erneuertem Wasser auf. Die Sterblichkeit namentlich größerer Wasser-
frösche ist in der Gefangenschaft häufig eine recht beträchtliche. Die Tiere
erliegen parasitären Infektionen. Als häufige Krankheitserscheinung beob-
achtet man das Auftreten von Hautdefekten, vorzugsweise an der Schnauze.
Die Grasfrösche halten sich meist besser in der Gefangenschaft. Fütte-
rung der Frösche ist unnötig. In den Frühjahrs- und Sommermonaten
Fig. 9.
Links: Kanu fiisca. 4:^ (/. Rechts: Kana es cu lenta. tß 7. Heide männlich.
Aufnahme vom r2. November 1909.
wird man zu den biologischen Prüfungen immer möglichst frisch gefangene
Tiere verwenden.
Der Wasserfrosch ist auf dem Rücken meist grün, der (Jrasfrosch
braun gefärbt. Doch ist die grüne Färbung des Wasserfrosches durch-
aus unbeständig. Abgesehen davon, daß die Eigenfarbe der Tiere zwischen
hell und dunkel je nach der R)eliclitung etc. wechselt, findet man häufig
braun gefärbte Wasserfrösche. Konstanter erscheint die P'ärbung der Raucli-
haut, welche beim \Vasserfrosch weiß, beim (irasfrosch gelb ist. Da.<
sicherste Unterscheidungsmerkmal für beide Arten iuetet die Kopff(»rni
und hier namentlich die verschiedene Länge der Sclniauzc. von den Augen
an gerechnet. Die Schnauze ist. wie Fig. 9 zeigt, bei l!ana fusca kurz und
stumpf, bei Rana esculenta länger und mehr zugespitzt.
garn). Durch Vormitthimr der Diener an physiologisclien und piiarmakologischen L ui-
vorsitätsinstitutcn können Wasserfnisciie und aucii (Irasfrosclie liezotron werden.
32 H. Füll n er.
Auf der Photographie sind zwei fast gleichschwere männUche Tiere
dargestellt. Die Aufnahme ist Anfang November gemacht. Zu dieser Zeit
sind bei Rana fusca die Daumenschwielen beim männlichen Tiere schon
deutlich hervortretend, bei Rana esculenta noch wenig. Die stark ausge-
prägten Daumenballen mit den vor der Brunstzeit auftretenden schwieligen
Verdickungen sind neben den Schallblasen (diese nur bei R. esculenta!) die
besten äußeren Kennzeichen für männliche Frösche. Erwähnt sei noch,
daß die männlichen Tiere meist kleiner als die weiblichen sind. Bei Rana
esculenta schwellen die Daumenballen erst später an, damit zusammen-
hängend, daß die Paarungszeit der Wasserfrösche später als die der Gras-
frösche eintritt. Die Paarungszeit der Grasfrösche fällt in das erste Früh-
jahr, die der Wasserfrösche erst in die Monate Mai und Juni. Frosch-
laich und Kaulquappen, welche man im Frühjahr findet, stammen darum
meist von Grasfröschen, im Sommer von Wasserfröschen. Dieser Hinweis
mag genügen zur Identifizierung der zu toxikologischen Versuchen dienen-
den Kaulquappen. 1) Kaulquappen haben häufig \'erwendung gefunden zu
vergleichenden Bestimmungen des Wirkungsgrades von Giften, ^'on solchen
seien hier lediglich Overtons-) bekannte Untersuchungen über die Wir-
kungsstärke der Narcotica genannt.
A. Beschreibung der Instrumente und Apparate.^)
Zur Herstellung der bei der Prüfung von Giften nötigen physiologi-
schen Präparate, wie isolierte Skelettmuskeln. Herz, Auge, bedient man
sich ausschließlich anatomischer Scheren und Pinzetten. Messer sind
nicht nötig. Von Pinzetten braucht man eine sogenannte Hakenpinzette,
geeignet zum Erfassen der glatten Haut des Frosches, außerdem zwei
') über genauere anatomische Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen Kaul-
quappenarten vgl. F. Werner, Die Reptilien und Amphiliien Österreich-Ungarns und der
Okkupationsländer. Wien 1897. S. 113.
-) E.ÖDerton, Studien über die ^Narkose. Jena 19U1. — Vgl. auch l.Bany und
E.Overton, Studien über die Wirkung des Kobragiftes. Biochem. Zeitschr. Bd. 31.
S. 243 (11)11).
'*) Die im Texte beschriebenen Apparate etc sind die im Pharmakologischen
Institut der Universität Freiburg i. Br. gebräuchlichen. Sie können, sofern keine
andere Bezugsquelle angegeben ist, durch den Mechaniker des genannten Institutes,
Herrn Lantzsch, zu nachstehenden Preisen bezogen werden: Froschbrett mit beweg-
lichem Stab und Klammern (Fig. 11) 5 M. — Kymographion (Registrierapparat) von
E. Ziinmeriiiaiin, Berlin N. 4, Chausseestraße 6 (Fig. 12, 13) 140 M. — Stativ mit drei
Muffen und Aluminiumschreibhebel (Fig. 15) 35 M. — Stativ mit Zahnstange und Trieb,
dazu ein Stab, 2 Muffen, 2 offene Muffen, 1 Stab mit Brettchen (Fig. 15) 45 M. —
Zeitmarkicruhr (Fig. 18) 90 M. — Markierhebel (Fig. 19) 8 M. — Jaqitetsche Zeit-
markieruhr von E. Zimmermann, Berlin X. 4. Chausseestraße 6 (Fig. 52) 125 M. —
Akkumulatoren (Gülcher) (Fig. 20) pro Zelle 16 M. — Induktorium (Fig. 20) 30 M. —
Reizelektrode (Fig. 20) 10 M. — (^uecksilberschlüssel (Fig. 20) 10 M. — Abblender nach
O.Frank von Mechaniker W. Schmidt, Inhaber C. Schunk, Gießen (Fig. 21) 40 M. —
AVippe (Fig. 22) 7 M. — Feuchte Kammer (Fig. 39) 22 M. — Herzkammer mit 4 Ka-
nülen und 3 Herzklammern (Fig. 52) 5^50 M. — Muskelklemme (Fig. 56 und 57 /v)
12 M. — Mausbrett (Fig. 61) — '80 M. — Kaninchentrichter (Fig. 64) 17 M.
Nachweis imd Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
;-i3
größere und zwei feine Pinzetten. Von Scheren genügt eine grödere mit
spitzem und stumpfem lilatt und eine ebensolche feine. Die Scheren sind
der lleinigung wegen auseinandernehmbar.
Als Unterhige zum Herstellen der Froschpräparate dienen flache
Eßteller neben dicken einseitig matten (ilasplatton in der (Irölie
24 : '24 cm.
Zur Freilegung des Herzens am nichtnarkotisierton Frosche muli das
Tier gefesselt werden. Dies geschieht vermittelst starker liaumwollfiidcn.
welche in Form von Schlingen (Fig. 10) dem Frosche um die Peine gelegt
werden, worauf man das Tier auf einem Prettchen der Größe 20: 10 cm
{Focke verwendet für die Digitalisprüfung (s.d.] längere Froschbretter) da-
durch befestigt, daß die Fäden durch in das Prettchen eingesägte Spalte ge-
zogen werden (vgl. Fig. ;)4). Die Spalte können in schräger Pichtuiig in
das Prettchen gesägt werden, damit Zurückgleiten der durchgezogenen
Fäden bei Bewegungen des Tieres weniger leicht möglich ist. Für viele
Versuche verwendbar ist ein gestieltes Froschbrett (Fig. 11), auf
Fig. 10.
Fig. 11.
Froschbrett mit Fußschlinge.
Gestieltes Froschbrett mit FnOklammern.
welchem der Frosch mit vier Drahtklammern in vorhandenen ("Öffnungen
befestigt wird und das den Vorteil besitzt, mit einem daran beweglich an-
gebrachten eisernen Stabe in den Muffen der Stative befestigt werden zu
können. Will man den auf dem Froschbrette befestigten Frosch elektrisch
reizen, etwa zum Nachweis von Veratrin, und die Muskelzuckungen gra-
phisch registrieren, so kann dies, wie aus Fig. 26 ersichtlich ist, auf dem
vorliegenden Froschbrett geschehen. Ein besonders zu diesem Zweck ge-
bautes Froschbrett ist vor kurzem von Boehm ') beschrieben worden.
Zur graphischen Aufzeichnung der Muskelzuckungen, der Herzbewe-
gung etc. ist ein Kegistrierapparat , ein sogenanntes Kymographion
erforderlich. Zur Aufnahme der im Texte wiedergegebenen Kurven diente
ein Instrument von K. Zinniicriuann, Perlin, welches bei billigem Preise
den Vorzug besitzt, für raschen und sehr langsamen Gang verwendbar zu
sein. Der in Fig. 12 und \?> abgebildete Api>arat kann sowohl mit ver-
tikal-, als auch horizontal rotierender Trommel l)enutzt werden. Zin- Aus-
M /'. Boehm, Zwei kleine Apparate für Froschversucho. .\rch. f. exp. Tathol. ».
Phurmakol. Bd. 63. S. 159 (1910).
Abderhalden. Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. V. 3
34
H. Füll 11 er.
^'°-^-- lotuDg der Höhenlage
dient Schraube.?; zur Ver-
änderung der Geschwin-
digkeit der Trommel,
Friktiousscheibe und
-rolle F, mittelst welcher
die jeweilige Geschwin-
digkeit des Uhrwerkes im
Verhältnis 1 :6 verändert
und der Trommel über-
mittelt werden kann. Die
größte Geschwindigkeit
erhält die Trommel bei
Stellung der Eolle am
Zentrum der Scheibe.
Durch Verstellung der
liolle gegen die Peripherie
wird die Umdrehungszeit
bis auf etwa das öfache
verlangsamt. Um die Ver-
schiebung bequem bewir-
ken zu können, muß die
Achse und die mit ihr
verbundene Scheibe
außer Kontakt mit
der Eolle gebracht
werden. Dies ge-
schieht durch Hoch-
drehen der unter
der Grundplatte be-
findlichen Schrau-
be S. Das Uhrwerk
wird mittelst Schlüs-
sel t aufgezogen und
durch den Hebel B
arretiert bzw. in
Gang gesetzt.
Bei W lassen
sich verschieden
große Windflügel
aufstecken und kann
durch den größten
derselben die Ge-
schwindigkeit bis auf ca. 1 Stunde pro Umdrehung ( = 500 mm) redu-
ziert werden. Hierbei muß die Friktionsrolle an der Peripherie der Scheibe
Kymographion.
Fig. 1;
Kymographion.
Nachweis imd Bestimmung vdii (iiftcn auf liinlotrisclicin W rge.
35
stehen. Eine weitere Ixeduktion der Unidrehungsj>esch\vindij^keit wird
erreicht durch Einschaltung- des Ankerganges u und i*rh;Ut liiei-hei die
Trommel eine Umdrehungsgeschwindigkeit von etwa 4 — 24 Stunden pro
Umdrehung. Das lunsclialten des Ankerganges wird nach Lösen der
Schraube x, durch ruckweises Hochdrücken des vorstehenden Kästchens u
bewirkt. Es ist erforderhch, den Ankergang mögUchst momentan aus- oder
einzuschalten.
Die größte Umdrehungsgeschwindigkeit des Instrumentes beträgt (bei
Verwendung ohne die AVindt'lügel und Stellung der Friktionsrollc im Zen-
trum) 10 — 15 Sekunden pro Umdrehung. Doch kann das Instrument
für besondere Zwecke von der Firma mit noch größerer Umdrehungsge-
schwindigkeit geliefert werden.
Die Trommel des Kymographions wird mit (ilanzpapicr M über-
zogen. Zu dem Zwecke wird das Instrument horizontal gestellt und die
Trommel durch Hochdrehen der Schraube S leicht
beweglich gemacht. Dann wird die rauhe Papier-
fläche mit einem Schwämme leicht angefeuchtet
und die gummierten Ränder des Papieres über-
einander geklebt. Das Papier darf keine Falten
machen und muß überall gleich gut an der
Trommelfläche anUegen. Nun wird das Papier unter
schnellem Drehen der Trommel in horizontaler Lage
berußt. Dies geschieht im Saume einer rußenden
Gasflamme. Um die Gasflamme stark rußend zu
machen, leitet man das Gas durch eine Flasche
(Fig. 14), welche eine Mischung gleicher Teile
Benzin und Benzol (Benzol allein rußt zu stark,
Benzin zu schwach! ) enthält. Das Gas entströmt einem
rechtwinkelig gebogenen Glasrohr, dessen Spitze
ausgezogen ist. Zum Berußen rückt man langsam
Trommelbewegung mit der Spitze der Gasflaiiunc
Fig. U.
Berussnngsflasche.
bei möglichst rascher
über der Papierfläche
hin und her. Für feine Aufzeichnungen auf der Papierflächc darf die Be-
rußung keine zu starke sein. Nach Fertigstellung einer Kurve wird die
Trommel nach Hochschrauben des oberen Lagers M aus dem K\ niogra-
phion genommen, das berußte Papier, unter Festhalten an seiiu-m oberen
llande mit einem Finger, in der Nähe der zusammengeklebten IJäiider
durch einen Messerschnitt gespalten und die Kurve dann lackiert. Zum
Lackieren verwendet man eine Lösung von gebleichtem Schellack in
OeVoiS^'n» Alkohol. Da der gebleichte Schellack unter AVasser aufbewahrt
Avird, so muß er erst gepulvert und das Pulver «.•etrocknet wc>rdeu. be\(ir
man es im Weingeist auflöst. Das \erhältnis ist l:10(\'ol.). Die Kurven
werden an beiden Enden mit Pinzetten erfaßt und durch dif in einer
])hotograi)hischen Schale befindliche Lacklösung gezogen, dann
getrockuet.
') Durch die das Ivymograpbioii liefernde Firma zu hezielien.
36
H. Fühner.
Am besten werden die Kurven nach dem Trocknen noch ein zweites Mal
lackiert, um sie besser vor Beschädigung zu schützen. Widerstands-
fähiger wird die Lacklösung noch durch Zusatz von l^/o venezianischem
Terpentin.
Zur Ausführung der angegebenen Versuche sind mindestens drei
Stative nötig , wie sie in Fig. 15 wiedergegeben sind. Davon zwei ein-
fache, wie das in der Figur vorn befindliche, und eines mit Zahnstange
und Trieb (in der Figur hinten) , welche vertikale Verstellung der an der
Stativstange befestigten Apparate ermöglichen
„Muffen'- und kleinere Stativteile,
hebeln , Herzkammer , Froschbrett
Fig. 15.
<^^$i
Zu den Stativen gehören
welche der Befestigung von Schreib-
etc. am Stativ dienen. Oberhalb des
Fußes der Stative befindet sich eine
endlose Schraube, deren Drehung die
Drehung der Stativstange um die senk-
rechte Achse bewirkt, eine Vorrichtung,
welche zum Anlegen des Schreibhebels
an eine berußte Papierfläche nützlich ist.
Zu den Stativen werden außerdem
winkelförmige, mit Stab in den Muffen
zu befestigende Stücke geliefert, welche
eine dünne Achse tragen, an der ein
Schreibhebel befestigt werden kann.
Dieser findet zur Aufzeichnung von
Herz- und Skelettmuskelbewegung auf
der berußten Papierfläche des Kymo-
graphions Verwendung.
Das beste Material zur Herstellung
von Schreibhebeln sind Strohhalme, in
einer Qualität, wie sie in Kaffeehäusern
gebraucht werden. Die Länge solcher
Strohhalm Schreibhebel beträgt durch-
schnittlich 20 — 2b cm. Zur Herstellung
des Schreibhebels wird der Strohhalm
in der Nähe des einen Endes in seiner
Mitte ein Stück weit gespalten und durch
den Spalt die aus ihren Lagern in dem Winkel genommene Schreibhebelachse
eingeführt, nachdem die eine der beiden zum Festklemmen des Schreibhebels
bestimmten kleinen Scheiben von ihr abgeschraubt ist. Diese wird dann
wieder aufgesetzt und der Strohhalm festgeklemmt. Xahe der einen kleinen
Scheibe, welche mit einer Piinne versehen ist, befindet sich eine kleine
Schraube an der Achse, an der ein Faden angebracht und von hier aus über
die Scheibe gelegt wird. Derselbe trägt an seinem freien Ende ein Gewicht
oder einen kleinen mit Schroten zu füllenden Becher. Für die Aufzeich-
nung der Herzbewegung wird der längere Arm des Schreibhebels an
der Achse entlastet (Fig. 16). Zur Aufnahme von Skelettmuskel-
stative.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf liiolu^jischeni W etfo.
37
Fig. 16.
zuckuiiiren wird er hingegen mit Gewicht von r)0— lOOy i)elastet
(Fig. 17).
In den Strohhahn.schreihhehel werden in der Weise, wie die.s Fig. 17
zeigt, beiderseits von der .Vch.se mit glühendem Draht eine Anzahl Löcher
eingebohrt. Die Schreibfaline des Helyels kann
aus Sclireibpapier hergestellt werden. Der
Strohhalm wird zur Befestigung der Papier-
fahne an seinem vorderen Ende gespalten
und in den Spalt das Papier eingeklemmt.
Zur Fixierung dient Radfahrkitt (Kautschuk-
lüsung). Die Papieii'ahne am Aluminium-
schreibhebel kann mit Siegellack befestigt
werden. Die Schreibfahne wird an ihrem
Ende fein zugeschnitten und nach der
Kymographionfläche hin gebogen.
Auf der berußten Fläche der Kymo-
graphiontrommel wird unter die Herz- oder
Skelettmuskelkurve die Zeit aufgezeichnet,
je nach der Umdrehungsgeschwindigkeit des
Instrumentes in Sekunden oder 10, oO, 60 Se-
kunden. Zur Zeitmarkierung verwendet
man einen mit Schreibhebel versehenen
Elektromagneten und eine Kontaktuhr
nach Bowditch. Die gewöhnlich gebrauchte Bowditchsche lihr hat den
Nachteil, daß Elektromagnet und Uhr beständig unter Strom stehen, welcher
nur im Moment der Zeitmarkierung unterbrochen wird. Dies bedingt eine starke
Aliiminiamschreibhebel.
l-'ig. 17.
Strohhalmschreibhebel.
Inanspruchnahme der den Strom liefernden Kiemente. Eine verbesserte der-
artige Zeitmarkieridn- wurde nach Angaben von Herrn Prof. Stniuh. vom
Mechaniker des Pharmakologischen Institutes. Freiburu i. IJ.. Herrn Lotitcftrh,
hergestellt. Diese besitzt statt der Melallscheibe des alten Modells eine
38
H. Fühner.
Fig. 18.
rotierende Hartgummischeibe^) (Fig. 18). Auf der Scheibe befinden sich
acht an verschiedenen Stellen unterbrochene konzentrische Ringe, auf
welchen ein auf jeden Kreis einstellbarer Hebel schleift. Beim (xang der
Uhr fällt der Hel)el in die Lücken der
Kreise und schließt hierbei für kurze
Zeit den elektrischen Strom. Dabei wird
der mit Uhr und Element verbundene
Markiermagnet (Fig. 19) gleichzeitig
durchströmt und der Schreibhebel an-
gezogen und wieder entfernt, was auf
dem Kymographion verzeichnet wird.
In den Stromkreis schaltet man zweck-
mäljig einen Quecksilberschlüssel ein, um
völlige Unterbrechung des Stromes zu
ermöglichen. Als Stromquelle verwendet
man Akkumulatoren (2 — 4 Volt).
Die Zeitmarkieruhr ist verwendbar
zur Aufzeichnung von 1, 2, 3, 4, 5, 10,
30 und 60 Sekunden. Zur Aufzeichnung
von Vö Sekunden und Sekunden existiert
eine kleine von Jaquet konstruierte
Uhr (vgl. Fig. 52), welche recht brauch-
bar, aber teuer ist.
Der Markierhebel kann am glei-
chen Stativ wie der die Muskelkurve
aufzeichnende Schreibhebel angebracht
werden , wie z. B. aus Fig. 36 ersichtlich. Besser ist derselbe an einem
zweiten Stative unterzubringen, wobei man ihn am bequemsten entgegen
der Trommelbewegung des Kymographions aufstellt.
Zeitraarkieruhr.
Fig. 19.
Markiermagnet.
Ob ein Muskel oder Nerv eines üntersuchungstieres gelähmt oder
tot ist, läßt sich dem Organ nicht ohneweiteres ansehen. Es läßt sich dies
1) Diese ist dem Mechaniker des Pharmakologischen Institutes in Freibarg, Herrn
Lantzsch geschützt.
Nachweis und Bestimmuug von (litten auf biologischem Wege.
39
aber feststellen durch Reizung des hetroffenden Orf^nines. und hierzu dient
am besten diejeniiie durch den elektrischen Strom. Zur AusführunL; der-
artiger Prüfung dient das folgende Instrumentarium:
Als StrouKiuelle ein Akkumulator. lU'i Benutzung solcher muli man
ein kleines (Taschen-)Voltmeter besitzen, um das Element von Zeit zu
Zeit zu prüfen. Ein frisch geladener Akkumulator zeigt auf dem \'olt-
meter eine Spannung von 2*1 — 2'S Volt an. Dieselbe geht beim (Jcbrauch
allmählich zurück. Sobald sie sich r8 Volt nähert, muß das Element frisch
aufgeladen werden. Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist aus der
dem Akkumulator beigegebenen Gebrauchsanweisung zu ersehen.
Zur elektrischen Heizung-, welche für die Zwecke des biologischen (iift-
nachweises ausschließlich mit Induktionsströmen (faradischen Strömen)
Fig -20.
K E
Anordnung zur elektrischen Reizung.
geschieht, ist die in Fig. 20 wiedergegebene \'ersuchsanordnung empfeh-
lenswert.
Sie besteht aus Akkumulator f.-l), Quecksilberschlüssel (' Sa liidiiktorium
und Elektrode (E), untereinander verbunden durch isolierte Kupferdrjthte.
Der Quecksilberschlüssel (S) dient zur öffnmig und Schlielimi^'
des Stromes. Ist das Quecksilber in dem Porzellannapfe nach längerem
Gebrauche mit einer Oxydschicht bedeckt . so muH rs erneuert werden.
Die Oxydation wird verzögert, wenn man das (^)uecksill)er beim (Gebrauch
des Schlüssels mit liOVoig^m Alkohol überschichtet.
Die Reizelektrode (E) endigt gabelförmig in zwei Drähten, die zur
Berührung des Muskels oder zum Darüberlegen des Nerven dienen imd
40 H. Fühner.
durch Verschiebung- des Knopfes (K) in ihrer gegenseitigen Entfernung
verstellt werden können.
Das kleine abgebildete Induktorium ist für vorliegende Zwecke
ausreichend. Es besteht in der Hauptsache aus der primären Rolle (1 1),
der sekundären Rolle (1 2) und dem mit der Schraube (Sc) verstellbaren
Hammer (Ha). Die sekundäre Rolle des Apparates ist um eine horizontale
Achse drehbar. Je mehr die sekundäre Rolle in ihrer Stellung zur primären
dem rechten Winkel sich nähert, desto schwächer wird der induzierte
Strom. Der Hebel (H) ermöglicht Kurzschluß, so daß kein Strom in die
Elektrode gelangt. Man kann mit dem Apparat sowohl mit Einzelinduktions-
schlägen wie tetanisierend reizen. Ist der Hammer (Hd) durch die Schraube
(Sc) fest an den weichen Eisenkern der primären Rolle angedrückt, so er-
hält ein von der Elektrode berührter Muskel bei Schließung des Schlüssels
(S) einen Schließungs-, beim Wiederöffnen einen Öffnungsinduktions-
schlag und wird in beiden Fällen mit einer Einzelzuckung antworten, stärker
hierbei bei der Öffnung als bei der Schließung des Stromes. Dreht man
die Schraube (Sc) aber etwa 1 mm weit zurück , so daß der Hammer
zwischen ihr und dem Eisenkern hin- und herschwingen kann, so bekommt
man so lange andauernde Reizung des Muskels, als der Schlüssel ge-
schlossen ist. Man nennt diese fortwährend durch die Hammerbewegung
unterbrochene Reizung des Muskels eine tetanisierende, weil der Muskel
durch sie in den Zustand einer Dauerkontraktion (Tetanus) versetzt wird.
Wie erwähnt, zuckt der Muskel stärker bei der Reizung mit Öffnungs-
ais mit Schließungsinduktionsschlägen. Will man einen Muskel oder ein
Nervmuskelpräparat wiederholt rhythmisch mit gleichstarken Schlägen
reizen, so muß man entweder den Öffnungs- oder den Schließungsinduk-
tionsschlag unwirksam machen, ihn ..abblenden-'. Dies kann geschehen
durch Anwendung des Kurzschlußhebels (H) oder bequemer durch Ver-
wendung von zwei Quecksilberschlüsseln, wie dies beim Nachweis von
Veratrin (vgl. Fig. 27) angegeben ist. Für länger fortzusetzende rhyth-
mische Reizung ist die manuelle Abbiendung besser durch mechanische zu
ersetzen. Ein einfacher gut funktionierender rotierender „Abblender" ist
von 0. Frank i) angegeben worden. Derselbe findet hier zum Nachweis von
Curarin am Nervmuskelpräparat Verwendung und besteht aus folgenden
Teilen (Fig. 21):
Auf einem Hartgummistück, dessen Form aus Fig. 21 zu ersehen
ist, sind, um eine Walze drehbar, drei in ihrer Lage zueinander verstell-
bare Messingstücke (Kreissektoren), Flügel, befestigt. Die Unterbrechung ge-
schieht durch zwei Hebel, Messingbügel, die mit zwei Quecksilberschlüsseln
(vgl. Fig. 27) vergleichbar sind. Der eine Schlüssel ist in den primären,
der andere, der Kurzschlußschlüssel, in den sekundären Leitungskreis ein-
geschaltet. Jeder Hebel wird durch ein Gummiband an die Platin spitze
einer mit den Polschrau])en leitend verbundenen Schraube angedrückt und
*) Beschrieben in der Dissertation von K. Seitz: Der periodische Wechsel der
Erregbarkeit des Herzmuskels. Gießen 1906. S. 17.
Nacliwcis uiicl Bestininuiiiijr vnn Giften auf Mologischcm Wei^e.
41
ist an der Boriihiungsseite mit einem Platinstroifen versehen. I)er kleine
Flüiiel hebt hei seiner Drehung- den in dei- /cichiuing links hclindliclicn
lUitiel , die beiden grolien Fliiacl den reehts lielindlichen von ihrem An-
schlag ab und öffnen so den Stromkreis. I)ie l)rehunü- der lliigel erl'olj^t
im Sinne eines Uhrzeigers. Wenn wie in Fig. 4:-) die beiden Pole des Ab-
blenders rechts (wovon einer auf der Kiickseite der Ilartgumniiplatte) in
Fiff. 21.
Fiff. 22.
Rotierender Abblender nach O. Frnnk.
den primären, die beiden links in den sekun-
dären Stromkreis eingeschaltet sind, in welch
letzterem auch das Xervmuskelpr;ij)arat in
Nebenschlieljung sich l)efindet,so erhält man bei
der gezeichneten Stellung' der Flügel (Fig. 21 )
rhythmische Schheßungszuckung. Wird bei
geschlossenem Kurzschlußschlüssel des sekun-
dären Stromkreises der primäre Stromkreis
geöffnet (die in der Figur gezeichnete Stel-
lung!), so bleibt dies ohne Finwirkung
auf das Xervmuskelpräparat. P)ei weitei-er
Drehung der Flügel wird, solange der primäre Hebel noch geöffnet ist.
der sekundäre, gleiclifalls ohne Wirkung, geöffnet. Solange er aber offen,
erfolgt Schließung des primären Kreises, die eine Muskelzuckung auslöst,
während die darauf folgende Schließung des sekundären Kreises wieder wir-
kungslos bleibt. Wechselt man die Pole um, so erhält man (H'fnnngs.schläge.
Der Apparat wird in die Muffe eines Stativs i'ingespannt und mit ge-
wünschter Geschwindigkeit durch einen Flektronu)tor in rnnirehung versetzt.
Zum Nachweis von Curarin am Xervmuskelpräparat ist. wie aus
Fig. 4;3 ersichtlich ist, noch ein Strojnwender. eine sogenannte Wippe
nötig (Fig. 22). Dieselbe besteht aus einem Ibdzblock mit i\ Quecksilber-
wippe.
42 H. Fühner.
näpfen, die leitend mit 6 Klemmschrauben in Verbindung stehen. Zu dem
Curarinversuch wird die kreuzförmige Drahtverbindung zwischen Napf 4, 5
und 3, G entfernt. Wird die ^Yippe so in die Stromkreise eingeschaltet,
wie dies aus Fig. 43 hervorgeht, so kann durch Umlegen des Drahtgestells
abwechslungsweise die Stromzuführung zum Muskel direkt oder zum Nerven
erfolgen.
B. Nachweis und Bestimmung von Giften am ganzen Frosch.
Eine Anzahl forensisch wichtiger organischer Gifte läßt sich durch
das Vergiftungsbild, welches sie nach subkutaner Injektion an Fröschen
hervorrufen, gut charakterisieren. Die Beobachtungen am Frosch können
dann im Verein mit chemischen Identitätsreaktionen häufig zur sicheren
Diagnose solcher Gifte führen. Die ^\^chtigsten, auf diese Weise am Frosch
erkennbaren Gifte sind die folgenden :
Die zentral (Gehirn, Rückenmark) erregenden: Strychnin, Pikro-
toxin, Cicutoxin, Nico'tin.' Das zentral lähmende Colchicin. Die
peripher (Muskel, Nervenende) erregenden: Guanidin und Veratrin, die
peripher lähmenden: Curarin und Coniin. Die Skelettmuskelgifte: Coffein
und Theobromin und die Herzmuskelgifte: Digi talin, Digitoxin,
Strophanthin, Helleborein, Aconitin und Muscarin. Mit der hier
vorgenommenen Einteilung soll nur angezeigt werden, welches die hervor-
stechendsten und zum biologischen Nachweis dienenden Wirkungen der
betreffenden Gifte sind. Auf andere Wirkungen derselben , z. B. zentrale
Lähmung im Anschluß an die zentrale Erregung, wird bei der Beschreibung
der Hauptwirkung hingewiesen werden.
Nur wenn der Verdacht auf das Vorhandensein eines der genann-
ten oder ähnlich wirkender Gifte vorhegt, hat es Sinn, eine zu prüfende
Lösung Fröschen zu injizieren, und auch hier ist bei den Substanzen
Aconitin, Coffein, Guanidin, Muscarin, Theobromin, Veratrin,
sobald nur geringe Giftmengen für die Untersuchung zur Verfügung
stehen, nicht der ganze Frosch, sondern das für die Diagnose besonders
in Betracht kommende isolierte Organ, wie Herz- oder Skelettmuskel, zu
der Prüfung zu verwenden.
Handelt es sich darum, die Giftigkeit einer Substanz überhaupt
darzutun, so injiziert man mit den zu prüfenden Lösungen nicht Frösche,
sondern die dem Menschen näherstehenden Warmblüter. Bei kleinen
Substanzmengen verwendet man weiße Mäuse, bei größeren Katzen oder
Hunde.
Zur Injektion von Fröschen sowohl, wie von Warmblütern, wie zu
allen andern biologischen Versuchen, dürfen nur neutrale Lösungen
Verwendung finden. Zur Neutralisation von Alkalien verwendet man Salz-
säure oder Weinsäure. Zur Neutrahsation von Säuren Natronlauge oder
NatriumkarlDonat. Geringer Natriumkarbonatüberschuß schadet zur sub-
kutanen Injektion nichts, während jeder Säureüberschuß reizt. Lösungen,
Nachweis und IJestimmmig von Giften auf biologischem Wege. 4;»,
welche Tieren subkutan injiziert werden, müssen frei sein von anor{iaiii-
schen Salzen in nennenswerten Mengen, namentlich von Kalium- und
Ammnniumsalzen.
Subkutane Injektion au Fröschen. Zur Prüfung auf Gifte
dürfen nur gesunde Frösche gebraucht werden. Tiere, welche aufge.stoUcne
Schnauzen oder sonstige, namentlich an der P.auchseite auftretende Haut-
defekte (Decubitus) zeigen, sind hierzu ungeeignet. I)ie Dosierung der (Jifte
bei allen Tierversuchen erfolgt nach dem Körpergewicht der Tiere.')
Kleinere Frösche von etwa .'iO g sind größeren Tieren, wegen der geringe-
ren zur Vergiftung nötigen Mengen, vorzuziehen.
Zur \'('rgiftung bestimmte Tiere werden in geeigneten Töpfen mit
l)rahtdeckel bei Zimmertemperatur gehalten und tiiglich mit frischem
Wasser abgespült. Frösche, welche im Winter aus kaltem Itaume entnom-
men werden, reagieren langsamer und zum Teil anders als Tiere, die bei
Zimmertemperatur erst mehrere Tage gehalten wurden.
Man prüft den Frosch vor der Injektion einer zu untersuchenden
Lösung erst, ob er sich normal rasch aus der Kückenlage umdreht und
normal springt. Zu beobachten ist auch die meist unregelmiiliig erfolgende
Lungenatmung, erkennbar an der Bewegung der Flanken, und die regel-
mälJiger erfolgende Kehlbewegung. Ferner wird man eine Zühlung der
Herzschläge vor Beginn des Versuches anstellen. ]Man kann bei richtiger
Haltung des Frosches gegen das Licht -) die Herzschläge meist deutlich
an Hebungen und Senkungen der Brustwand auf beiden Seiten des Brust-
beins erkennen. L'nter dem Mikroskop ist endlich an einer ausgespannten
Schwimmhaut '^) die normale Blutzirkulation festzustellen.
Die Injektion von riiftUisungen an Fröschen wird meist subkutan vor-
genommen.
Die Haut (\q<. Frosches läßt sich in großen Falten von der darunter-
liegenden Körpermuskulatur, an welcher sie nur an einzelnen Stellen fest-
geheftet ist, abheben. In die Zwischenräume zwischen Haut und Muskulatur,
in die sogenannten Lymphsäcke, injiziert man die zu prüfenden (üfte.
Man kann, je nach dem Zwecke, welchen man mit der Injektion verfolgt.
') Zu genaueren Dosierungen sind nur männliche Frösche brauchbar, da das (ie-
vvicht der weiblichen Tiere durch das wechselnde Gewicht der Eierstöcke großen
Schwaiikuntren unterworfen ist.
-) Man erfaßt hierzu den Frosch fest mit einer ILiiid. wie zur subkutanen In-
jektion (s. d.) und hält mit dem Daumen der anderen Hand den Kopf des P'rosches
durcli Druck auf die Kehle nach hinten. Hierdurch wird die Haut glatt gespannt und
werden die störenden Atembeweguntren wälirend der Hrrzlieoliaclitung unterdrückt.
'') Alan hält den Frosch mit der Holilhand, streckt ein Bein aus und legt dessen
Fuß auf einer Glasplatte (9; 12) auf, welche auf dem objekttische des .Mikroskopes
liegt. Mit 2 Fingern derselben Hnnd liält man zwei /elien auseinander und entfaltet so
die Schwimniliaut , auf deron äußeren Kand das Mikroskop eingestellt wird. Es darf
auf den Fuß kein starker Druck ausgeübt werden, sonst unterdrückt man die Zir-
kulation in den (iefäßen. Auch darf der Druck kein w »«ch sei nd e r sein: Bei -' "
stehender Zirkulation kann durch solchen aktive Bewegung der Blut-.inb" voi'/it;iii
■werden.
44 H. Fühner.
in den Päickenlymphsack (unter die Rückenhaut) oder in den (Jberschenkel-
lymphsack oder in den Brust- und Bauchlymphsack injizieren. Am meisten
ist für den Giftnachweis die Injektion in den Brustlymphsack zu emp-
fehlen, da bei dieser die injizierte Flüssigkeit nicht wieder ausfließen kann,
was bei Injektion in Schenkel- und Rückenlymphsack selten ganz ver-
mieden wird. Zur Injektion in den Brustlymphsack erfaßt man den mit
einem Handtuch eventuell erst abgetrockneten Frosch mit der Hohlhand
über seinem Rücken , hält mit 4. und 5. Finger den Leib und die ausge-
streckten Hinterbeine und zwischen 2. und '6. Finger das eine Vorderbein,
während das andere durch Zurückdrücken mit dem Daumen fixiert wird.
Mit der anderen Hand führt man die Nadel der gefüllten Injektions-
spritze seitlich in die Mundhöhle ein und schiebt dann, die unter der Haut
liegende Nadelspitze mit dem Auge verfolgend, diese seitUch vom Brust-
bein vorsichtig vor, bis etwa in die Herzgegend. Hier angekommen, ent-
leert man den Inhalt und zieht die Nadel zurück. Die Nadel muß dicht
unter der Haut vorgeschoben werden, was leicht ohne Durchstechen der-
selben nach außen hin gehngt, wenn der Frosch gut festgehalten wird.
Macht die Brusthaut hierbei Falten, so durchsticht man namentlich die
dünne Haut des Grasfrosches leicht.
Als Injektionsspritze für Frösche ist eine Rekordspritze (vgl. S. 23)
von 2 oii^ mit genügend langer Nadel empfehlenswert. Die Mengen,
welche man Fröschen auf einmal injiziert, bewegen sich in den Grenzen
von 1/2—3 cm\
Nach der Injektion setzt man das Versuchstier auf einen Teller unter
eine Glasglocke, notiert das vorher festgestehte Gewicht des Tieres, die
Zeit der Injektion und die Menge der injizierten Flüssigkeit. Zweckmäßig
wird man, um den Frosch dauernd feucht zu erhalten, einige Kubikzenti-
meter Wasser auf den Teller gießen. Vom Zeitpunkt der Injektion an ist
das Tier genau zu beobachten und vom Normalen abweichendes A'erhalten
zu notieren. Hat man eine alkoholische oder saure Flüssigkeit, die reizend
wirken, injiziert, so springt das Tier gleich nach der Injektion lebhaft
unter der Glasglocke. Allmählich tritt Beruhigung ein und erst jetzt kann
man etwa vorhandene Wirkungen der genannten Gifte beobachten.
1. Der Nachw^eis von Strychnin.
Die durch Strychnin am Frosch hervorgerufenen Krämpfe sind im
Gegensatz zu den durch Pikrotoxin bedingten charakterisiert durch vor-
wiegende StreckstelluQg der Hinterbeine, so daß das in Fig. 23
wiedergegebene Vergiftungsbild zustande kommt.
Diese Streckkrämpfe, der sogenannte Tetanus, treten an Wasser-
fröschen und Grasfröschen nach kleinen Strychnindosen in gleicher Weise auf.
Der Wasserfrosch ist gegen Strychnin etwas empfindlicher als der Grasfrosch.
Bei kleinen Fröschen von 25— oO^j' Gewicht, welche in Zimmertempe-
ratur gehalten wurden, beginnen die ersten Zeichen einer Strychninwirkung
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
45
bei Dosen von 5/1000 mg des Nitrats. Dieselben bestehen in einer leichten
„Steig-erung der Reflexe" beim Wasserfroseh , dadnrch nachzuweisen,
dal.) man den Frosch leise auf dem Rücken i)erührt, wobei er, oft blitz-
schnell, manchmal unter schwachem (,)uaken, zusammenzuckt. Ilci dieser
Dose ist beim Grasfrosch meist noch keine Wir-
kung zu sehen. Pi«. 23.
Bei Dosen von 1/100 mg des Nitrats wird
bei l)eid('n Froscharten die Reflexsteigerung deut-
lich und hält, namentlich beim Wasserfrosch, mehrere
Stunden an.
/wischen 2 100 und 5/100 «7^^ des Nitrats
liegen für mittelürolje Frösche die niedersten Te-
^-j
'6:
\V
tanus hervorrufenden Dosen. Rei 5/100 mg zeigen
die Tiere nach etwa 10 Minuten Reflexsteigerung,
nach 20 — oO Minuten erfolgen auf äuljeren Reiz,
z. B. beim Beklopfen des Tellers, die ersten tetani-
schen Anfälle. Anfangs sind dieselben noch von kurzer
Dauer, und die Tiere ziehen nach dem Streckkrampf
die Hinterbeine wieder an. Später werden diese
dauernd gestreckt gehalten und die Krämpfe erfolgen
scheinljar ohne äußeren Anstoß. Die Vorderbeine
werden während der Krämpfe übereinander gekreuzt.
Zur Anfertigung der Zeichnung wurde ein Grasfrosch
gewählt , da bei diesen die Starrheit der Beine,
verbunden mit Dehnung der Schwimmhäute, liesser
ausgeprägt ist als bei Wasserfröschen.
Bei Dosen von etwa 1 mg Strychninnitrat be-
ginnt neben der Erregung schon eine daiauffolgende
Lähmung 1) sich geltend zu machen. Die Lähmung
tritt in auffälliger Weise nur an Wasserfröschen zu- //||'\^ M,
tage und betrifft bei diesen sowohl das Zentral- //' \( //,,
nervensystem, wie die motorischen Nervenenden im [[ [/^ ^1
Muskel (Curarinwirkung). Sie tritt leichter bei
Warmfröschen (im Sommer) als I)ei Kaltfröschen auf.
Dosen von mehreren Milligrammen be- Rana fuBca. strvchninu.t«nD».
wirken beim Wasserfrosch fast keinen Tetanus mehr,
sondern nur Lähmung. Solange die Herztätigkeit der Frösche nach den
Strychningaben eine ausreichende ist, erholen sich dieseli)en selbst nach
großen Dosen wieder, wenn man sie in öfter gewechseltem Wasser liegen
läßt. In dieses wird, oft erst nach \ Crlauf mehrerer Tjure, alles Strvchnin
wieder ausueschieden.
a:
') Vgl. E. PokIssoii , Ülier die lälinionilo Wirliiing des Stiychnins. Arch. f. exp.
I'athol. u. Pharmakol. Bd. 26. S. •>> (181)0).
46
H. Fühiier.
Kohert^) und nach ihm Focke-) empfehlen als empfindhcher zum
Strychninnachweis sog. ..Reflexfrösche", d. h. geköpf te Tiere oder solche, denen
das Gehirn, wie beim Veratrinnachweis angegeben ist, zerstört wurde. Reflex-
frösche sitzen noch normal, zeigen aber keine spontanen Bewegungen mehr.
Erwähnung verdient, daß von anderen toxikologisch wichtigen Alka-
loiden noch das Brucin, Thebain, Morphin und Coffein Tetanus an
Fröschen hervorrufen, aber erst in viel größeren Dosen als das Strychnin,
von welchem diese Alkaloide außerdem leicht durch chemische Identitäts-
reaktionen unterschieden werden können.
Zum Nachweis von Strychninraengen , welche kleiner sind als etwa
2/100 mg, sind Versuche an der weißen Maus (s. d.) anzustellen.
2. Der Nachweis von Pikrotoxin und Cicutoxin.
Ein ganz anderes Vergiftungsbild als das Strychnin ruft das zweite
toxikologisch wichtige Krampf gif t, das Pikrotoxin, hervor, welches mit
Strychnin, Brucin, Chinin und Pikrinsäure den bitteren Geschmack teilt.
In Fig. "24 sind Frösche in mehreren Stellungen abgebildet, me sie
für die Pikrotoxinvergiftung typisch sind. Im Gegensatz zur Streckstellung
Fig. 24.
Kana esciilenta. Pikrotoxinstellungen.
im Strychninkrampf beobachtet man hier Überwiegen der Innervation der
Beuger an den Hinterbeinen.
1) R. Robert, Lehrbuch der latoxikationen. Bd. 1. Stuttgart 1902. S. 191. — Der-
selbe, Über die Bedeutung des biologischeu Giftuachweises für die gerichtliche Mediziu.
Ber. d. Deutsch, pharmazeut. Gesellsch. Bd. 13. S. 330 (1903).
-) C. Pocke, Die Heranziehung physiologischer Versuche zum qualitativen und
quantitativen Nachweis krimineller Strychninvergiftung. Vierteljahrsschr. f. gerichtl.
Medizin. 3. Folge. Bd. 37. S. 28 (1909).
Nachweis und Bestimmung von (iifteu auf hiologischem Wclto. 47
All iiiittolyroCicn AVasserfröschen (etwa öO g) hat eine Dose von
1/10 m^ l'ikrotoxin keine Wirkung.
2, 10 mg zeiii't eine erst nacli mehreren Stunden deutlich werdend«*
AVirkunii, welche (hirin bestellt, dal) das Tier sich nicht mehr auf seine
Vorderl)eine stützt und die Hinterbeine schon vorwiegend in Ijeugcstdlung
hält. Zugleich beobachtet man Dehnung der Schwimmhäute. Die Stellung
■wird auf Reizung des Tieres mehr ausgeprägt. Der Thorax ist gebläht.
Spontane Bewegungen werden kaum ausgeführt. Kii'impfe treten bei dieser
Dose noch nicht auf. Noch nach 24 Stunden besteht bei den Tieren
Steifigkeit und Disposition zur Einnahme der charakteristischen ..Pikro-
toxinstelluii g".
5 10 mg. Etwa V4 Stunden nach der Injektion tritt der erste
Krampfanfall auf, nachdem vorher schon die charakteristische Stellung ein-
genommen wurde. Im Krampfanfall können die Tiere auf den Iiücken ge-
schleudert werden und von hier wieder in die Bauchlage. Plötzliche Ent-
leerung der Luft aus dem geblähten Thorax unter starkem Schrei wird
bei dieser Pikrotoxindose meist noch nicht beobachtet. Die Krämpfe halten
mehrere Stunden an und nehmen allmählich an Intensität ab. Auch die
Pikrotoxinstellung ist weniger ausgesprochen wie zu Anfang. Werden die
Frösche mit Wasser abgespült und in solchem aufbewahrt, so können sie
am anderen Tag noch leben, sind aber meist noch gelälimt. •• 10 nxj l'ikro-
toxin ist für mittelgroße Frösche etwa die tödliche Grenzdose.
1 mg. Nach einer halben bis einer Stunde stellen sich nach dem
Prodromalstadium Krämpfe ein, die anfangs tetanischen Charakter haben
können. Meist noch später kommen spontan oder häufig noch besser auf
Heizung sehr starke Krampfanfälle zur Beobachtung, die durch starke
Blähung des Thorax und dessen plötzHch erfolgende Entleerung ver-
bunden mit starkem Schrei (namentlich bei männlichen Fröschen) aus-
gezeichnet sind. Krämpfe mit und ohne Schrei können sich noch mehrere
Stunden lang wiederholen. Sie werden allmählich schwächer und schließ-
lich stirbt das völlig gelähmte Tier. Erholung nach so starker Pikro-
toxinvergiftung der Frösche ist selten. Bemerkenswert an der Pikrotoxin-
vergiftung des Frosches ist der langsame Verlauf selbst iiei tödlichen Dosen.
Bei Vorhandensein von genügend Material kann neben dem \'ersnch
am Frosche ein solcher an kleinen Fischen ausgeführt werden. Nach
JJraf/endor//"^) steri)eii kleine Karpfen von Oö — 07 </ (iewicht in Wasser,
welches auf 250 cw^ 10 mg Pikrotoxin enthält, nach 2V.; Stunden. Mit ö mg
nach 7, mit 1 mg nach etwa 9, mit 0*4 — iHi mg nach etwa 16 und mit
0*2 mg nach etwa 24 Stunden. Nach Goupil -) sind von Sülhvasserfischen
gegen Pikrotoxin am empfindlichsten die Plötze, weniger Döbel, Blei. Barsch
und Schleihe, am wenigsten die Barbe.
') Gg. Dragendorjf', Die gericbtlich-chemische Ermittlung von Giften. Göttingen
1895. S. 344.
-) Ch. VilKi-/, l'u'cis de Toxicoloirie. Paris 19()7. p. 040.
48 H. Fühner.
Zum Nachweis von Pikrotoxin eignen sich auch die gegen das Gift
sehr empfindlichen Crustaceen. Nach PZaw«^ i) sterben Flußkrebse, denen
1/2 mg Pikrotoxin injiziert wurde, nach 5 Minuten unter den heftigsten
Krcämpfen, während sie gegen Strvchnin sehr widerstandsfähig sind.
Das Cicutoxin besitzt am Frosche genau dieselbe Wirkung wie das
Pikrotoxin.
Auch hier pflegt den Krampferscheinungen nach Boehm 2) ein Pro-
dromalstadium mit charakteristischer Beinstellung vorauszugehen. Nach
Dosen von 1 —3 mg treten nach 20 Minuten bis 1 V2 Stunden die Krämpfe
auf mit anfänglich starkem Schrei. Schließlich folgt allgemeine Lähmung
und Tod oder Erholung des Tieres. Erholung nach schweren Krämpfen
erfolgt beim Cicutoxin häufiger als beim Pikrotoxin. Der Verlauf der Cicu-
toxinvergiftung am Frosch ist ein noch langsamerer als derjenige der
Pikrotoxinvergiftung.
Erwähnt sei noch, daß nach Boehm ^) auch die Barytsalze am Frosche
ähnUche Vergiftungssymptome wie Pikrotoxin und Cicutoxin hervorrufen.
3. Der Nachweis von Nicotin.
Durch das Nicotin kann fast ebenso schnell wie durch die Blau-
säure der Tod von Warmblütern herbeigeführt werden. Auch die Vergif-
tungserscheinungen am Frosch treten rasch auf. Von den zahlreichen Wir-
kungen des Nicotins ist namentlich eine zu seinem Nachweis unter Ver-
wendung des Frosches geeignet, welche außer dem Nicotin keinem anderen,
ihm toxikologisch-chemisch oder in seiner Wirkung nahestehenden Gifte
zukommt; eine Wirkung, die zentral bedingt ist, und darin besteht, daß
der Frosch nach Injektion von Nicotinlösungen schon nach wenigen Mi-
nuten in sitzender Stellung die Hinterbeine über dem Rücken in die
Höhe zieht, so daß sich die Fersen einander nähern, bei stärkerem Grade
der Wirkung sich berühren, oder die Beine sich sogar über • dem Rücken
kreuzen (vgl. Fig. 25).
Die Erscheinungen, welche salzsaures Nicotin an Wasseriröschen
von etwa ;)0 g hervorruft, sind folgende :
1/10 mg. Wenige Minuten nach der Injektion in den Brustlymph-
sack sistiert die Atmung. An Stelle der Atembewegungen beobachtet man
Flimmern und Zittern der Flanken. Das Tier sitzt bewegungslos, mit an-
gezogenen Hinterbeinen, welche etwas über den Rücken emporgehoben sind.
Die Fersen berühren sich aber bei dieser Dose nicht. Die Hinterbeine
werden fester als normal an den Rücken angedrückt. Diagnostisch ver-
wertbar ist die Haltung der Wasserfrösche nach Injektion von nur Vio ^^^0
^) Ch. Vihert, Precis de Toxicologie. Paris 1907. p. 540.
-) li. Boehm, Über den giftigen Bestandteil des Wasserschierlings (Cicuta virosa)
und seine Wirkungen; ein Beitrag zur Kenntnis der Krampfgifte. Arch. f. exp. Pathol.
u. l'harniakol. Bd. 5. S. 289 (,1876J.
^) B. Boehm, Cl)er die Wirkungen der Barytsalze auf den Tierkörper. Arch. f. exp.
Pathol. u. Pharmakol. Bd. 3. S. 216 (1875).
Nachweis und Bestimmimg von Gif ton auf biologischem Wege.
49
Fig. 25.
Nicotiiichloiiiydrat nicht. Am aiiff;illendst(Mi nach dieser kh-inen I)osp ist dio
in etwa 5 Minnten eintretoiide l'.e\vo^iin<islosi^keit und der Atniunir.^still-
stand des Tieres. Diese Erscheinungen währen im Durchschnitt eine Stunde.
Dann ist die Atmung zurückgek<dirt und das Tier bewegt sich wieder normal.
'2 U) mg. Bald nach Injektion dieser Menge tritt Atmungsstillstand
ein. Dann beobachtet man wieder Bewegungslosigkeit des Tieres. Flimmern
der Flanken und hier schon regelmäßig das etwa nach .'> Minuten erfol-
gende Eniporziehen der
Hinterbeine über den
Iiücken. Man kann die
typische Stellung noch
deutlicher zur (Geltung
l)ringen, Avenn man die
Beine des Frosches über
seinem Bücken in die
Höhe schiebt. Sie wer-
den dann hier festge-
halten. Weniger cha-
rakteristisch für die
Nicotinwirkung als die
Beeinflussung der Stel-
lung der Hinterbeine in
der angegel)enen Weise
ist eine solche der Vor-
derbeine. Diese werden
meist nach unten an den
Bauch angelegt. Allmäh-
lich sinken die in ab-
normer Haltung befind-
lichen Hinterbeine in die
Kormalhaltung zurück.
Nach 2 bis o Stunden
kehren Atmung und
spontane Bewegungen
wieder.
5/10 mg. Hier sind die geschilderten Erscheinungen noch ausgeprägter
und die Erholung erfolgt später.
1 mg. Schon nach 1 — 2 Minuten tritt Atmungsstillstand und Flimmern
der Flanken auf. Nach :'> .Minuten beginnt das Emporziehen der Hinter-
beine über den Kücken, während die Vorderbeine noch in normaler Stel-
lung sich befinden. Nach etwa 5 Minuten erträgt der Frosch Rückenlage
und die Vorderbeine sind nunmehr an den Leib nach unten angelegt. Nach
10 Minuten ist das Flimmern dei- Flankenmuskulatnr vorüber und die
Beine werden weniger kräftig über dem Kücken emporgezogen. Die typische
Haltung der Hinterbeine ist bei dieser Dose in etwa ;>() Minuten vorüber
Abderhalden. Hundbach der biochemischen ArbcitsmctbodcD. V. 4
Bana escnlenta. NicotiusteUungcu.
50 H. Fühner.
und die Hinterbeine erschlaffen. Die Muskulatur des Tieres nimmt bei
dieser und größeren Nicotingaben einen eigeutümliclien Zustand der Steif-
heit an , so daß man den Frosch in Körperstellungen , wie sie Fig. 25 C
wiedergegeben, bringen kann, welche lange Zeit beibehalten werden. Ton
genannter Dose erholen sich die Frösche regelmäßig wieder.
Auch an Grasfröschen ruft das Nicotin die typische Beinstellung
hervor, sogar schon in Dosen von 1/10 mg. Doch ist die Erscheinung
bei den etwas weniger empfindlichen Wasserfröschen besser zu beob-
achten.
Wichtig ist, daß namentlich dem Co nun, welches bei dem Gang der
toxikologischen Analyse gleichzeitig mit dem Nicotin ausgeschüttelt wird,
die hier beschriebene Wirkung- auf den Frosch vollständig fehlt. Ebenso
fehlt sie dem Pilocarpin und dem synthetischen Muscarin. Dies ist
insofern beachtenswert, als am isoherten Muskel das Muscarin und in
schwächerem Maße auch das Coniin tonische Kontraktion wie das Nicotin
hervorrufen.
4. Der Nachweis von Colchicin.
Die biologischen Reaktionen, welche für das Colchicin bekannt
sind, genügen allein nicht, das Gift mit Sicherheit nachzuweisen. i\.ber
die kombinierte Verwendung chemischer und biologischer Reaktionen er-
möglicht dieses.
Die Frösche sind, wie Jahohj^y gezeigt hat, gegen reines Colchicin
auffallend wenig empfindlich.
10 mg mittelgroßen Wasserfröschen in den Brustlymphsack injiziert,
bleiben ohne jede Wirkung.
20 mg. Nach einigen Stunden zeigen sich schwache zentrale Wir-
kungen. Legt man den Frosch auf den Rücken, so dreht er sich wieder-
holt um, ermüdet dann aber und erträgt längere Zeit Rückenlage. Bei
männhchen Tieren ist beim Streichen über den Rücken leicht der soge-
nannte ..Quakreflex'' auszulösen. Spontan bewegt sich der Frosch nicht,
verhält sich also wie ein Tier, dem das Großhirn zerstört wurde. Bei
regelmäßigem Abspülen erholt sich der Frosch in 2—3 Tagen wieder völlig.
40 Wig. Etwa eine Stunde nach der Injektion erträgt das Tier zeit-
weise Rückenlage und befindet sich in einem Zustand leichter Narkose.
Nach 2 Stunden erscheint die Bauchhaut gerötet. 24 Stunden nach der
Injektion erträgt der Frosch lange Zeit hindurch Rückenlage. Thorax-
atmuug fehlt und Kehlbewegung ist selten. Bei Berührung der Flanken
tritt Thoraxblähung und Exspiration unter Quaken ein. Spontan bewegt
sich der Frosch nicht. Nach 2 — 3 Tagen bemerkt man wieder bessere Be-
weglichkeit und auch die Atmung wird wieder sichtbar. Trotz dieser an-
fänglichen Remission erfolgt keine völlige Erholung. Fortschreitende zentrale
^) C. JakobJ, Pharmakologische Untersuchung über das Colchicuingift. Arch. f.
€xp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 27. S. 125 (1890).
Nachweis und Bestimmung von (jit'tcii auf liiologischem Woge. 5^
Lähmung- macht sich mehr und mehr geltend. Nach etwa einer Woche
kann das Tier sich nicht mehr ans der llückenhige umwenden, die Keflexe
(Anziehen der Heine auf Kneifen (h'r Zehen) sind aber noch erhalten.
Später kann der Frosch nicht mehr normal sitzen. l)ie JIcinc ^[leiten aus
und das Tier liegt auf dem IJauche. Nach et\\a 2 Wochen hat die Haut, wehdie
schon längere Zeit hindurch dunkel war, wachsartigen (Jlanz angenommen
(,, Wachshaut"). Die Reflexe verschwinden dann immer mehr und mehr,
meist zuletzt der Kornealreflex. Öffnet man bei dem völlig reflexlosen Tier
den Thorax, so findet man das Herz noch ki-äftig schlagend.
Diese Angaben über die Wirkung des Colchicins sind nach F.eobach-
tungen an gesunden Was.serfröschen gemacht, und zwar wurden <li(' Ver-
suche bei Zimmertemperatur (lö — 18") angestellt. Mit steigender Tem-
peratur nimmt die Giftigkeit des Colchicins für Frösche aulier-
ordentlich zu (Fühier'^). Gesunde kleine Wasserfrösche (ohne Hautdefekte)
lassen sich bei einer Temperatur von HO — ;>2° mehrere Wochen im Thermo-
staten halten, wenn man sie täglich mit Wasser, welches bei derselben
Temperatur gehalten wird, abspült. Injiziert man Fröschc^n. welche ö bis
6 Tage bei dieser Temperatur gehalten wurden und hier sich normal be-
fanden — die Tiere fidiren bei diesen Temperaturen sehr lebhafte Bewe-
gungen aus — Colchicindosen von Ol — 1 mg, so sterben sie im \erlauf
von 2 — 5 Tagen unter den Erscheiimngen fortschreitender zentraler Läh-
mung, wie sie bei großen Colchicindosen in der Kälte auftreten und hier
sich sehr langsam entwickeln. Die Giftigkeit des Colchicins ist bei dieser
Temperatur für die Frösche annähernd öOOmal höher als bei Zimmertem-
peratur.
Zum Nachweis von Colchicin unter Verwendung von Fröschen kann
man in der Weise vorgehen, daß man das verdächtige, die chemische l'ol-
chicinprobe gebende, möglichst gereinigte Material einem bei Zimmertem-
peratur gehaltenen Wasserfrosche von 25 — HO g injiziert und diesen in
etwas W'asser, das täglich öfters gewechselt wird, 2 Tage sitzen lälit. Das
Wasser, in welches der Frosch Harn und Kot entleerte, wird filtriert und
eingedampft und kann wieder zu chemischen und biologischen Frohen (\'er-
such an der weißen Maus) dienen, da das Colchicin vom Frosche in wirk-
samer Form wieder im Harn ausgeschieden wii-d. Hat der Frosch 2 Tage
hindurch l)ei Zimmertemperatur keine \'ergiftungserscheinungen gezeigt
— Mengen, bei denen der Frosch schon in der Kälte Wirkungen zeigt,
werden in forensisch-toxikologischen Fällen wohl nie vorhanden sein — so
verbringt man ihn zugleich mit mehreren Kontrollfröschen derselben (Jröße
in den Thermostaten von HO — i\2°. Sind Colchicinmengen von liiifi und
darüber dem Tiere injiziert worden, so stirbt es im TiuMinostaten im Ver-
lauf von 2 — H Tagen, bei geringeren Mengen tritt der Tod häufig erst
nach 4 Tagen und später ein. Die Kontrollfrösche müssen in 'b-r-rlben
') H. Fühncr, l ber den tu.xikologischen Nachweis des Colchii-ins. Arcli. f. rxp.
Pathul. u. Pharmakol. Bd. 63. S. 3(55 (1910).
4»
52 H. Fühner.
Zeit durchaus normal bleiben. Bei Vorhandensein von genügend Material
wird man zweckmäßig zur Bestätigung der ersten Probe noch einen Frosch
injizieren, welcher schon einige Zeit im Thermostaten gehalten wurde.
Als charakteristisch für das Colchicin und für den biologischen Nach-
weis am Frosche verwertbar ist demnach seine geringe Giftigkeit bei nie-
derer Temperatur und seine außerordentlich gesteigerte Giftigkeit bei
höheren Temperaturen. Andere Gifte, welche beim Gange der toxikologischen
Analyse zugleich mit dem Colchicin in die Ausschüttelungsflüssigkeiten
übergehen können, wie Pikrinsäure, Pikrotoxin, Strophanthin, Digi-
toxin und Veratrin, zeigen derartige Differenzen nicht. Bei Zimmer-
temperatur unwirksame Mengen dieser Gifte sind auch bei 30 — 320 nicht
imstande, den Tod von Fröschen herbeizuführen.
Zur weiteren biologischen Charakterisierung des Colchicins können
Versuche an der weißen Maus (s. d.) oder Katze angestellt werden.
5. Der Nachweis von Guanidin und Methylguanidin.
Das Guanidin selbst besitzt keine forensisch-toxikoloo-ische Bedeu-
tung, hingegen kommt solche dem Methylguanidin zu, welches nach
Achelis'^) als normaler Bestandteil des Harns vorkommt und nach Brieger-)
bei der Fäulnis von Fleisch sich bildet. Injiziert man Fröschen Auszüge
von Leichenteilen, so können demnach Wirkungen des Methylguanidins
oder Guanidins, welche bei beiden Substanzen die gleichen sind, auftreten.
Die Kenntnis derselben ist darum für den Gerichtsarzt und Gerichts-
chemiker wichtig.
Zur Prüfung sind kleine lebhafte, möglichst frisch gefangene Wasser-
frösche (oder auch Grasfrösche) von 20 — 30 g geeignet.
Vom salzsauren Guanidin ist für kleine Wasserfrösche 1mg die
unterste Grenze, bei welcher noch charakteristische Wirkungen am ganzen
Tier beobachtet werden können. Doch meist undeutlich.
2 mg sind am normalen Frosche im allgemeinen deutlich wirksam.
Etwa 20 jNlinuten nach der Injektion in den Brustlymphsack beobachtet
man bei der Atmung des Tieres eine eigentümlich wogende Bewegung der
Flanken. Nach dieser Zeit und oft schon früher treten sogenannte fibril-
läre (faszikuläre) Zuckungen in der Nähe der Injektionsstelle auf, also zu-
nächst an den Vorderbeinen und der Bauch- und Seitenmuskulatur, später
auch in der Muskulatur des Kückens. Sehr auffällig sind auch die sich
unter der Einwirkung des Guanidins einstellenden Bewegungen des Aug-
apfels. Zuckungen in der Muskulatur des Oberschenkels erfolgen erst
später, etwa nach »/^ — 1 Stunde. Bei diesen kleinen in den Brustlymphsack
injizierten Dosen beobachtet man meist kein Fortschreiten derselben bis
zu den Füßen. Erst bei größeren Dosen.
*) W. Achelis, Über das Vorkommen von Methylguanidin im Harn. Zeitsclir. f.
physiol. Chemie. Bd. 50. S. 10 (1906/1907).
*) L. Brieger, Untersuchungen über Ptomainc. 3. Teil. Berlin 1886. S. 34.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf bioloirischem Woue. 53
Diese eigentümliche Wirkuii'^ des (Juanidiiis ist eine rein lokale
'\Virknn<>' auf den mit der Substanz in P>eriihrun{jr kommenden Muskel bzw.
die motorischen Nervenenden in dem Muskel, welche durch das (luanidin
erreiit werden. Das progressive X'ordriiiiien des Guanidins liilU sich am
besten bei Injektion in den Lymphsack des Oljerschenkels verfoliren, wobei
die Guanidinzuckuni^en längere Zeit auf die injizierte Korperseite be-
schränkt bleiben.
Die Erscheinuniien nach 2 mri Guanidiniumchlorid bleiben mehrere
Stunden lang ungeschwächt l)estehen. Nachdem sie schon nachgelassen,
treten sie beim Abspülen des Frosches wieder verstärkt auf. Zu erwähnen
ist noch die bei dieser Dose schon zur Beobachtung gelaiiüende I'.lähung
des Thorax. Rückenlage erträgt der Frosch nicht. 24 Stunden nach der
Injektion ist das Tier wieder völlig normal.
Während solch kleine Guanidindosen nur die motorischen Nerven-
enden in den Skelettmuskeln erregen, besitzen große Dosen auch zentral
erregende AVirkung, die sich in krampfhaften Zuckungen der Deine äußert.
Auf die zentrale Erregung folgt zentrale Lähmung, bei welcher der Frosch
reflexlos wird. In diesem Stadium sind anfimglich vom freigelegten Nervus
ischiadicus (über dessen I'räparation und Reizung vgl. beim Nachweis von
Curarin) aus durch elektrische Reizung noch Zuckungen der zugeliöi'ii;en
I:)einmuskeln auszulosen. Endlich werden aber auch die durch das (iuani-
din zuerst erregten motorischen Nervenenden nach Art des Curarins ge-
lähmt (Fi(Ji)ier^), so daß elektrische Reizung des N. ischiadicus ohne Er-
folg bleibt, während direkte Muskelrei/ung noch wirksam ist. Durch
Guanidin zentral und peripher gelähmte Frösche erholen sich meist
nicht mehr.
Zum Nachweis des Guanidins und Methylguanidins dient lediiilich die
erregende Wirkung auf das motorische Nervenende. Diese Wirkung kann
am isolierten Muskel (s. d.) auch graphisch registriert werden.
Zuckungen von ähnlicher Intensität, wie sie (iuanidin und >h'thyl-
guanidin am Frosche hervorbringen, verursacht auch das toxikologisch nicht
in Betracht kommende Tetraäthylammoniumchlorid, dami aber von
Alkaloiden namentlich auch das Nicotin. Bei diesem treten die Zuckungen
schnell nach der Injektion auf und gehen sehr rasch vorüiier. In gerin-
gerem Malie kommt diese Wirkung auch l)ei Injektion von Aconitinlösungen
zur Beobachtung. Rhysostigmin, welches eine ähnliche Erscheinung am
Warmblüter hervorruft, ist in dieser Hinsicht am Frosche unwirksam.
Eine Verwechslung des Guanidins oder Methylguanidins mit den tertiären
Alkaloiden Aconitin und Nicotin auf (Jrund dieser Muskelwirkimg ist da-
durch ausgeschlossen, daß bei Ausschüttelunii mit Chloroform und .\ther
letztere aufgenommen werden, das (iuanidin aber, wie das Curarin. Mus-
carin und andere (luartärc Ammoniumverliindinigen. zurückltleibt.
') //. Fiihncr, Cnrarestudion. I. Die peiipliore Wirkuntr <les Guanidins. A' •'• ''
exp. Patbol. u. Pliarmakol. Bd. 58. S. 2(5 (1<)()7).
54 H. Fühiier.
6. Der Nachweis von Veratrin,
Der Veratriunachweis gelingt am ganzen Frosche noch gut mit
1/100 mg Substanz, während 1/1000 mg unwirksam ist.
Das salzsaure Veratrin mittelgroßen Wasserfröschen (bis zu 50 g%
welche bei Zimmertemperatur gehalten werden, in den Brustlymphsack in-
jiziert, hat folgende Wirkungen.
1/100 m^. 10 Minuten nach der Injektion springt der Frosch unbeholfen.
20 Minuten nachher ist schon deutliche Veratrinwirkung vorhanden, dadurch
charakterisiert', daß der erste Sprung des Tieres, welcher nicht spontan,
sondern nur auf Reizung ausgeführt wird, sehr steif und ungeschickt aus-
fällt, während die sich an diesen anschließenden Sprünge bald wieder nor-
mal sind. Dieser ,, Veratrin effekt'' entwickelt sich allmählich noch besser.
Reizt man den ruhig sitzenden Frosch nach ungefähr einer Stunde etwa
durch Kneifen der Zehen, so erfolgt mühsam unter Dehnung und Streckung
der Glieder endlich der erste schwerfällige Sprung. Der zweite Sprung
wird auf Reizung schon leichter und gewandter ausgeführt und bald be-
wegt sich das Tier wieder normal. Läßt man es 10 Minuten sitzen, so ist
die Erscheinung von neuem in typischer Weise auszulösen. Rückenlage
erträgt der Frosch nach dieser kleinen Dose nicht. Abgesehen von der
genannten Muskelwirkung sind keine Vergiftungserscheinungeu vorhanden.
Die Muskelwirkung hält meist einen Tag lang an.
5/100 121^. Der typische Veratrineffekt ist bei Mengen von 3 — 6/100 m^
des salzsauren Salzes am besten ausgeprägt. Besser als bei kleinen Dosen
tritt hier auf Reizung namentUch die rasch erfolgende Streckung der
Hinterbeine und die sehr langsam verlaufende Beugung zutage. Der grö-
ßeren Dose entsprechend dauert die Erscheinung hier längere Zeit an.
1/10 mg. Hier sind auch schon neben der Muskelwirkung Erscheinungen
zentraler Erregung und Lähmung vorhanden. Die auffäUige Streckung der Hin-
terbeine bei Sprüngen, welche einige Zeit nach der Injektion ausgelöst W' erden,
hat schon tetanischen Charakter. Nach 20 Minuten erträgt das Tier
Rückenlage. Nach einer Stunde ist es reflektorisch nur schwer zu erregen
und die Muskulatur zeigt eine eigentümliche Steifheit, wie sie auch nach
größeren Dosen von Nicotin (s. d.) auftritt, so daß der Frosch behebig er-
teilte Stellungen der Beine beibehält. Von dieser Dose erholt sich das
Tier im Verlaufe einiger Tage wieder, vor der vollständigen Erholung ein
Stadium mit typischer Muskelwirkung, wie nach den kleineren Dosen,
durchlaufend.
Tödlich sind Dosen von 5/10 — 1 mg, nach denen der charakteristi-
sche Veratrineffekt nicht mehr deutUch zur Geltung kommt und von An-
fang an Lähmungserscheinungen in den Vordergrund treten.
Der Veratrinzustand der Frösche kann leicht graphisch regi-
striert werden. Zu diesem Zwecke zerstört man bei dem Tiere, nachdem
die Erscheinung deutlich ausgeprägt ist, das Gehirn mit einer starken
Nadel (oder dem spitzen Blatt einer kleinen Schere), welche in der Mittel-
Naclnveis mal Bestimmung von Giften auf liiologischem Wege.
55
linie des Körpers in der Höhe des hinteren Endes der beiden freiliegen-
den Troninielfelle ein<:i:ehohrt wird. Die richtige Stelle findet man leicht, wenn
man mit der Nadel über dem Schädel genau in der Mitte nach dem
Kücken zu streicht. Am Ende des Kopfes, an der erwähnten Stelle, fühlt
man eine Vertiefung, in welche man die Nadel einbohrt und sie dann in
den Schädel vorschiebt, in dem man durch Hin- und Ilerbewegen das (ie-
liirn zerstört. Ist die Operation gelungen, so erträgt der Erosch nach
derselben llückeulage. P^in
kleiner Blutverlust aus der ^'^" ^®"
Einstichstelle ist belanglos.
Der Erosch wird nun
auf dem gestielten Erosch-
brett in Piauchlage mit vier
Klammern fixiert, worauf
an einem IJeine die Achilles-
sehne freipräpariert wer-
den muß. (Vgl. Eig. 26.)
Nach Anlegung eines Haut-
schnittes in der Eersen-
gegend, wodurch die Achil-
lessehne sichtbar wird,
sticht man mit einer ge-
bogenen, mit Faden ver-
sehenen chirurgischen Na-
del dicht unter der glän-
zenden Sehne durch und
knüpft den Eaden um den
Euß (vgl. Eig. 26 L), um
Illutungen aus (lefäßen,
welche dicht unter der
Sehne liegen und bei deren
Präparation leicht verletzt
werden, zu vermeiden. Dann
präpariert man die an ihrem
unteren Ende abgeschnit-
tene Sehne ein Stück weit nach oben frei, durchsticht sie (mit dem spitzen
Blatt einer feinen Schere) und bringt an ihr einen Haken an. welchen
man, nachdem das Eroschbrett in vertikaler Stellung im Stativ befestigt
worden ist. nach unten hin mit dem Schreibhebel durch einen Draht ver-
bindet. Die Achse des Schreildiebels wird mit etwa öO;/ belastet (Eig. 26).
An dem Erosche soll nun der Musculus gastrocnemius. in welchen die
Achillessehne nach oben hin übergeht, elektrisch gereizt werden. Die An-
ordnung hierzu ist aus Eig. 26 und Eig. 27 gut ersichtlich. Die eine
Stromzuführnng kann durch einen am l)esten erst in kleiner Elamnio aus-
geglühten Lamettafaden (Eig. 27 Z>J zu dem Drahte ireschehen , welcher
Bana esculenta. Verpucheaiiordniinp zur Pleklrischen Reizung;
des Musculus ^'astrocniTnius.
56
H. Fi'ihner.
Sehne und Schreibhebel verbindet. Die zweite Zuleitung erfolgt durch
einen Draht (Fig. 21 D), welcher zu einer Klemmschraube führt, die von
einer starken, das Knie des Frosches durchbohrenden Nadel getragen wird.
Die Nadel dient zugleich zur Fixierung des Froschbeines auf dem Frosch-
brett. Viel bequemer für diesen Reizungsversuch ist die Verwendung des
früher (S. 33) erwähnten Froschbrettes nach Boehm.
Der Froschmuskel soll nun rhythmisch alle 4 oder 5 Sekunden mit
von gleicher Stärke gereizt werden. Da die Öff-
nung des Stromes wirk-
Einzelinduktionsschlägen
Fig. 27.
samer ist als dessen Schlie-
ßung, so kann nur mit
Öffnungs- oder mitScliIie-
ßungsschlägeu gereizt
werden.
Zur ,, Abbiendung"
der einen oder anderen
Art von Schlägen existieren
mechanische Vorrichtun-
gen, wie eine solche S. 40
angegeben ist. Für den
Veratrinnachweis ist diese
Appai'atur überflüssig. Man
kann hier manuell nach
der Uhr rhythmisch reizen
unter Verwendung von
2 (^)uecksilberschlüsseln zur
Abbiendung , welche , wie
aus P^ig. 27 ersichtlich,
in den primären und se-
kundären Stromkreis ein-
geschaltet werden.
Will man den Frosch
mit Schließuugsschlä-
gen reizen, so schließt man
von den anfänglich offen-
stehenden Schlüsseln erst Si. Hierbei zuckt der Gastrocnemius. Dann schUeßt
man S^, öffnet S^ und dann wieder Ä,, was alles keine Zuckung auslöst.
Um mit Öffnungs seh lägen zu reizen, schließt man zuerst Ä,,
was wirkungslos bleibt, dann S-^ , gleichfalls ohne Wirkung. Öffnet dann
S.2, wieder ohne Wirkung und endlich S^, wobei der Muskel zuckt. Dieses
Spiel der Schlüsselhebel wird
weis ist es gleichgültig, ob
verwendet.
Reizt man einen normalen
Versuchsanordnung zur Abbiendung der Öffnungs- oder
Schließungsinduktionsschläge.
regelmäßig
man Öffnuugs-
wiederholt. Für den Veratrinnach-
oder Schheßungsschläge zur
Reizung
Froschffastrocnemius mit einem wirk-
samen Induktionsschlag, so führt dieser
eine Zuckung
aus. Bei graphischer
Nacliweis und Bestimmung von (üften auf biologischem Wc/c 57
Registrierung- unter Verwendung einer rnidrehnngsgeschwindigkeit des
Kyniographions von etwa Tö cm in der Sekunde erhiilt ni.-ui Kurven mit
einem (lipfelpunkt. wie solche in Fig. 40 r< wiedergegeben sind. Unter
diesen Kurven ist die Zuckung eines Muskels nach \eratrinvergiftung auf-
gezeichnet (Fig. 40/0, dadurch auffallend, daß die Kurve hier iMIipfel-
punkte besitzt. Ahnlich wie diese am isolierten Froschmuskel aufgenom-
menen Kurven sehen diejenigen aus, welche man vom ganzen Frosch nach
Veratrinvergiftung erhält. Reizt man den Frosch regelmäbig- alle 4 — 5 Se-
kunden, so verschwindet allmählich der zweite Gipfel der Zuckunti und
nach 10 — 20maliger Reizung zeichnet der Muskel normale Zuckungen auf.
Nach einer Pause von mehreren Minuten labt sich eine neue Serie charak-
teristischer Kurven aufnehmen. Fig. 38 zeigt eine derartige, ebenfalls
am isolierten Muskel gewonnene Kurvenreihe, bei langsamei'em Trommel-
gang (1 )n})i pro Sekunde) und unter Reizung mit 4-Sekundenüffnungs-
schlägen aufgenommen.
Gibt eine Substanz oder ein bei der toxikologisch-chemischen Analyse
erhaltener Rückstand die chemischen Reaktionen des Veratrins, so ist von
vornherein vorzuziehen, die luologische Prüfung: auf das Gift nicht am
ganzen Frosch, sondern am isolierten Froschmuskel vorzunehmen, in
der Weise, wie weiter unten angegeben.
Erwähnung verdient, daß ein von Jdcohj^) durch Oxydation von
Colchicin erhaltenes, von ihm Oxydicolchicin genanntes Produkt, an
Fröschen veratrinähnliche Wirkung hat, und daß solche Wirkung nach
Santesson-) auch durch größere Dosen von Glyzerin hervorgerufen
werden kann.
7. Der Nachv^reis von Curarin, Coniin und von anderen Substanzen
mit Curarinwirkung.
Wenn auch die toxikologische Bedeutung des reinen Curarins. von
welchem gutes Kalebassencurare etwa lO^o enthält, eine nur geringe
ist, so muß doch der biologische Nachweis desselben hier besprochen wer-
den, da Curarinwirkung einer großen (Jruppe von Substanzen zukommt.
Während sich bei Vergiftungen von Fröschen mit Sui)stanzen, die
zentral oder peripher erregend wirken, oft ein charakteristisches Ver-
giftungsbild entwickelt, ist dies bei Substanzen, welche von Anfang au zen-
tral oder peripher lähmend wirken, nicht der Fall.
Injiziert man einem Frosche ein Gift, welches zentral lähmt, z. 15.
ein Narcoticum wie Urethan in Menge von 02 ,7 'u\ 2 cin^ in den lirust-
lymphsack, so beobachtet man nichts weiter, als daß das Tier sich nach
') C. JacohJ , riiarmakolotrische Untcrsuchunsr über das ( ololiicumirift. Aroli. f.
exp. Pathol. u. Pliarmak..!. Bd. 27. S. 141 (18iKJ).
*) C. G. Santesson , Einiges über die Wirkung des Glyzerins und des Veratrins
auf die (juergestreifte Muskelsubstanz (Frosch). Skandinav. .\rch. f. Pliysiol. Bd 14.
S. 1 (l'JÜ3).
58
H. Fiihner.
5 — 10 Minuten nicht mehr aus der Rückenlage umzudrehen vermag, daß
auch die Aterabewegungen des Thorax meist eingestellt sind, während der
Herzschlag noch deutlich an rhythmischen Bewegungen der Brustwand zu
erkennen ist. Reflexbewegungen sind am Anfang auf Kneifen der Beine
noch auszulösen, bald ist aber völlige Reflexlosigkeit eingetreten.
Denselben nur etwas langsameren Verlauf nimmt die Vergiftung bei
einem Frosche, welchem man eine genügende Dose Curarin (Vioo mg
oder Vio mg gutes Kalebassencurare) injiziert hat, welches im Gegensatz
zum Urethan den Frosch nur peripher lähmt, und zwar hier die motori-
schen Nervenenden in den
'^' ■ ■ Skelettmuskehi.
Beide Frösche sind ohne
eingehendere Prüfung nicht
voneinander zu unterscheiden.
Der durchgreifende Unter-
schied beider Vergiftungen
läi)t sich aber leicht unter
Zuhilfenahme von elektri-
scher Reizung feststellen.
Zu dem Zwecke präpariert
man den Nervus ischiadi-
cus, den Hauptnerv des
Froschbeines.
Man l)ringt dazu den
bewegungslosen Frosch in
Bauchlage und legt mit einem
Scherenschnitt in der Mitte
eines Oberschenkels (vgl.
Fig. 28 ) dessen Muskulatur
frei. Beim Auseinanderziehen
der Haut treten, zum Teil
noch von einer feinen Haut (Faszie) bedeckt, o Muskeln hervor: Der Mus-
culus glutaeus magnus (a), der Musculus semimembranosus (b)
und zwischen beiden der Musculus ileofibularis (c). Der Nerv liegt in
der Tiefe zwischen M. semimembranosus und M. ileofibularis. Spaltet man
die zwischen beiden Muskeln liegende Faszie vorsichtig, so lassen sich die
Muskeln mit einer Pinzette leicht auseinanderschieben und der Nerv er-
scheint als glänzender weißer Strang (e), begleitet von der schwarzen Ar-
terie (d), welche ihn zum Teil überbrückt. Bei weiterem Auseinander-
ziehen der Muskulatur kommt seitUch noch die Hauptvene des Beines (f)
zum Vorschein.
Unter den Nerven schiebt man schonend eine feine Pinzette, wobei
man sucht, dieselbe zwischen Arterie und Nerv durchzuführen. Ist dies ge-
lungen, so kann man durch Verschieben der Pinzette nach rechts und
links den Nerven in einer Ausdehnung von 1 cui und mehr frei über der
Freilegung des Nervns'iscliiadicus.
Niichweis uiul Bestimmung von Giften auf l)i<»lofrisch('m Wege. 59
Pinzotto liegend erhalten. \on hier aus legt man ihn über die umgebogenen
Knden der Reizelektrode (Fig. 20 A'), was alles ohne Zerrung des emi»fiiid-
lichen Nerven geschehen mnl».
Hei dem Urethanfrosch wird man bei größtem Uollcnabstand des
Induktionsapparates bei tetanisiorender Reizung Zuckung im rntorschenkel
und FulJe auslösen können. Rei dem mit Curarin vergifteten Frosche, so-
bald die Wirkung des (iiftes eine vollständige ist, wird man auch l)ei
völlig übereinandergeschobenen Rollen des Apparates, zwar durch Strom-
schleifen vielleicht Zuckungen der Muskulatur in der Nähe der gereizten
Stelle, aber nicht im Unterschenkel und Ful) erhalten können. Dali es sich
hier bei völlig oder nahezu übereinandergeschobenen Kollen um Strom-
schleifen handelt, durch welche die Muskulatur direkt gereizt werden, lälit
sich dadurch zeigen, daß die Muskelzuckungen nicht mehr auftreten, wenn
man den Nerven möglichst weit nach ol)cn (zentralwärtsj freilegt und
hier abschneidet. Wird nun das äußerste Nervenende bei der Reizung über
die Elektrode gebrückt, so werden die früheren durch Stromschi -ifen her-
vorgerufenen Zuckungen ausbleiben. AVährend bei völliger Curarinlähmung
die Muskulatur vom Nerven aus nicht erregbar ist, können Muskel-
zuckungen beim direkten Aufsetzen der Elektrode auf einen Reinmuskel
in normaler Weise schon bei einem Rollenabstande von 8 — lö ciit der ge-
bräuchlichen Induktionsapparate ausgelöst werden. Es ist charakteristisch
für die Substanzen mit typischer Cur arin Wirkung, daß sie in Dosen,
welche ausreichend sind, die Reizübertragung vom Nerven auf den Muskel
zu blockieren, den Muskel selbst intakt lassen und diese Eigenschaft läßt
sich zum biologischen Nachweis derartiger Produkte verwerten.
Rei Vorhandensein von genügend Untersuchungsmaterial kann zur
weiteren Charakterisierung vorhandener Curarinwirkung ein bekannter \'er-
sucli von Claude Beniard^) dienen.
Man setzt einen normalen kleinen Wasserfrosch in eine (ilasschale
mit übergreifendem Deckel (Petrischale) und gibt dazu einen Wattebausch,
der mit Äther getränkt ist. Nachdem der Frosch Rückenlage erträgt, wird
er herausgenommen und wie oben lieschrieben , unter \'ermeidung von
Rlutungen aus den leicht verletzbaren (iefäßen. der Nervus ischiadicus in
möglichster Ausdehnung präpariert. Unter diesem zieht man einen starken
RaumwoU- oder Seidenfaden durch, schiebt zwischen Faden und Nerv
einen dünnen, mit Ringerlösung getränkten Watteliausch (Fig. '1\^) und
schnürt dann durch Anlegen eines Knotens den ( )bersclienkel unter
dem Nerven fest ab. Die Ligatur muß so fest liegen, daß bei der Reob-
achtung der Schwimmhaut unter dem Mikroskop (s. S. 4:D keine Zirkula-
tion mehr wahrgenommen werden kann. Der Wattebausch wird dann über
dem Nerven zu dessen Schutz vor Vertrocknung zusannnengelogt und von
Zeit zu Zeit mit Ringerlö.sung befeuchtet. Der Nerv darf von der Haut.
*) Cl. Brrnard, Lerons sur les effets des stibsfances toxitjues et mt-dieainentcuscs.
Paris 1857. p. 320. Nnuveau tirage. Taris 1883. p. 320.
60
H. Füll u er.
Fig. 29.
des schädlichen Sekretes wegen, nicht berührt werden. Nachdem sich der
Frosch von der Narkose erholt hat, Avird ihm die auf Curarinwirkung zu
prüfende Lösung injiziert. Ist Curarinwirkung vorhanden, so ist Lähmung
des Tieres nach i/., — 1 Stunde eingetreten. Die Lösung hat sich überall
im Körper des Frosches verbreitet, mit Ausnahme des umschnürten Beines,
in welchem die Zirkulation ausgeschaltet wurde. Taucht man nunmehr den
Fuß des nicht ligierten Beines in verdünnte Essigsäure, so zuckt, wenn
die Curarinlähmung voUständig ist. nur das hgierte Bein, während in dem
anderen vergifteten Beine Zuckungen ausgeschlossen sind. Der Versuch
zeigt zugleich, daß die Empfindung des Frosches noch vorhanden ist, daß
also die in der Haut liegenden sensibeln Nervenenden durch das Gift nicht
gelähmt werden. Die Leitung erfolgt noch normal von der Haut zum
Eückenmark und von hier zurück auf das abgebundene Bein. Dieser soge-
nannte Reflexbogen ist also für das abgebundene Bein intakt, welches
natürhch auch reagiert,
wenn es selbst durch
Säure oder anderweitig
gereizt wird.
Das Vorhanden-
sein schwächerer Grade
von Curarinwirkung läßt
sich noch durch den
Versuch am isoherten
Nervmuskelpräpa-
rat (s.d.) nachweisen.
Gesunde Frösche
ertragen große Curarin-
dosen und scheiden das
Gift im Harn wieder
aus. Mit dem Harn können von neuem andere Frösche vergiftet werden.
Nach der Untersuchung von Tillie^) hat an Wasserfröschen mittlerer
Größe (etwa 50 g) 1/1000 mg Curarin (Boehin) keine Wirkung. 1/100 mg
lähmt noch nicht vollständig, hingegen genügen 1-5/100—2/100 mg zur
Herbeiführung völliger Pteflexlosigkeit im Verlauf von V2 — 1 Stunde. Nach
diesen Dosen erholen sich die in etwas Wasser gehaltenen Frösche nach
1 — 3 Tagen wieder. Nach größeren Dosen dauert die Erholung entsprechend
länger.
Das Curarin ist eine quartäre Ammoniumverbindung. Führt man die
tertiären Alkaloidbasen durch Methyherung in quartäre Verbindungen über,
so bekommen sie fast alle mehr oder weniger stark ausgeprägte Curarin-
wirkung. Allerdings wird hierbei von keinem methylierten x\lkaloid die
Wirkunesstärke des Curarins erreicht. Zu den am stärksten wirksamen
Fropchpräparation nach Cl. Bernard.
^) J. Tillie, Über die Wirkungen des Curare und seiner Alkaloide. Arcb. f. exp.
Pathol. u. Pharmakol. Bd. 27. S. 1 (1890).
Nachweis iiiiil Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. gl
Produkten f>ehüren inethvliertes Strychnin und Atropin uiul diese sind etwa
hundertnial wenii^er wirksam am Frosch als das Curarin.M Diese niethylierten
Produkte könueu toxikolo^nsche P>edeutuuü;' gewiuuen, da sie ueuerdiniis zum
Teil in den Arzueischatz eingeführt wurden (z. B. Atroi)iuuietlivluitrat als
Eumydrin und Apomorphinbrommethylat als Euporphiii). Auch die ali-
phatischen quartären Ammoniumverhinduui'en , wie Tetramethvlamuio-
niumchlorid und synthetisches Muscarin haben Curariuwirkuug.
Die erwähnten quartären Ammoniumverhiuduuucu hahcu als P»asen
das (Jemeiusame, daü sie sich mit Äther und Chloroform aus ihreu Lö-
sungen nicht ausschütteln lassen. Hierdurch kann eiue Verwcchsluug mit
tertiären Alkaloidbasen, welche Curarinwirkung besitzen, vermieden werden.
Von tertiären Basen mit Curarinwirkuug ist am bemerkenswertesten
das Coniin^), da bei ihm Lähmung zustande kommt ohne vorheriges Er-
regungsstadium. Die C'urarinwirkung kann neben chemischen Reaktionen
eventuell zur Charakterisierung des Coniins dienen. Allerdings tritt die-
selbe erst bei größeren Mengen deutlich in Erscheinung.
Co nun, als salzsaures Salz fi/trcZ;) kleinen Wasserfröschen in den
Brustlymphsack injiziert, hat folgende Wirkung:
1 mg. Bleil)t ohne Wirkung.
5 mg. Nach V, — 1 Stunde wird das Tier schlaff und erträgt Piücken-
lage. Die Reflexe erlöschen aber bei dieser Dose nicht völlig und nach
einigen Stunden ist das Tier wieder erholt.
10 mg. Nach 15 Minuten erträgt das Tier Riickeidage und ist bald
völlig reflexlos. Der Herzschlag bleibt gut äußerlich sichtbar. Legt man
1 — 2 Stunden nach der Injektion den Nervus ischiadicus eines Beines frei,
so erhält man keine Zuckung des Fußes bei elektrischer Reizung, während
die Muskulatur direkt gut erregbar ist. Legt man den l-'rosch, bei welchem
der Herzschlag äußerlich gut sichtbar bleil)t, in etwas Wasser, so hat er
sich bis zum nächsten Tage völlig erholt und auf Pieizung des Nerven er-
folgen die Zuckungen des Beines wieder in normaler Weise.
20 mg. Wirkt wie 10 nie/. Hier ist nach mehreren Stunden der Herz-
schlag äußerlich kaum mehr sichtl)ar, trotzdem man das Herz liei Eröff-
nung des Thorax noch schlagend finden kann. Diese Menge kann als töd-
hche Grenzdose angesehen werden. Jedenfalls ist das Coniin für P'rösche
verhältnismäßig schädlicher als Curarin und Erholung erfolgt nach der
mehrfachen Dose der peripher wirksamen Menge seltener.
Curarinwirkuug besitzt dann von tertiären Alkaloiden noch das
Cytisin»), dann vor allem das Strychnin (vgl. dessen Nachweis S. 44)
M tlber den Wiikuugsgrail methylierter Alkaloidc vgl. //. Hihhlirandt , Zur
Pharmakologie der Animoniuml»asen. Arcli. f. exp. I'atiiol. u. Pharniakol. Hd. 53. S. 84
(ino:>).
-') (iirariiiwiikuiig licsit/t (his Coniin. hydroi-hhn-. Merck. Ks kommen aber nach
Borhm [Arch. f. exp. l'athol. u. Pharmakol. Hd. 15. S. 432 (1882)] und an.icren Unter-
sucIktm ancli Coniiiisorten ohiip ausgesprocliene Curarinwirkuiiir an Fnisclien vor.
') /.'. liadziivilloiricz. Über Cytisin. /.'. Kobcrtu Arbeiten a. d. pbarniak.)!. Institut
Dorpat. Bd. 2. S. 73 (1888).
62 H. Fühner.
und ausgeprägter das Brucin. Die beiden letztgenannten Alkaloide haben
in großen Dosen namentlich für Wasserfrösche ausgesprochen peripher
lähmende Wirkung, die beim Brucin ohne vorausgehendes Krampfstadium
sich ausbildet. Bei Grasfröschen beobachtet man selbst bei großen Brucin-
dosen tetanische Krämpfe vor dem Eintritt der Lähmung, während solche
beim Curariu niemals auftreten.
8. Der Nachweis von Coffein und Theobromin.
•
Die Purinderivate lassen sich biologisch am Frosche durch eine
eigentümliche Muskelwirkung charakterisieren, die namentlich am iso-
lierten Muskel (s. d.) noch in großer Verdünnung nachzuweisen ist. Gibt
irgend eine zu prüfende Substanz die chemischen Reaktionen der Purin-
derivate, so ist von vornherein die biologische Prüfung nicht am ganzen
Frosche, sondern am Muskelpräparat anzustellen. Die Muskelwirkung ist
auch am ganzen Tier zu beobachten und hier viel ausgeprägter an Gras-
fröschen als an Wasserfröschen. An Wasserfröschen treten aber nach
Schniiedcherr/'^) neben der Muskelwirkung noch tetanische Anfälle, wie nach
Strychninvergiftung, auf, und diese Tatsache verlangt ein näheres Eingehen
auf die Wirkung vor allem des Coffeins am ganzen Frosch, um einer
etwaigen Verwechslung mit den früher erwähnten Krampf giften vorzu-
beugen.
Injiziert man Wasserfröschen mittlerer Größe (bis zu 50 (?') wässerige
Lösungen reinen Coffeins subkutan in den Brustlymphsack, so beobachtet
man folgendes:
1 mg. Diese Dose hat keine deutliche Einwirkung.
5 mg. Eine Stunde nach der Injektion zeigt der Frosch gesteigerte
Reflexerregbarkeit und quakt bei leichter Berührung des Rückens. Der Thorax
ist gebläht. Beim Springen werden die Zehen (Schwimmhäute) gespreizt.
Die Wirkung dieser Menge geht nach einigen Stunden vorüber.
10 mg. (1 ciu^ einer lo/oigen Lösung). Bald nach der Injektion wer-
den die Vorderbeine starr und nach innen verdreht gehalten. Später wer-
den auch die Hinterbeine steif, so daß alle Bewegungen, namentlich das
Umdrehen aus der Rückenlage sehr schwerfällig und steif geschehen. Der
Thorax ist gebläht. Allmählich tritt Reflexsteigerung auf. Beim Sprung ist
prononzierte Streckstellung der Hinterbeine auffällig, aber kein Tetanus.
Die Steifheit geht nach mehreren Stunden vorüber und die Reflexsteige-
rung tritt stärker hervor. Beim Sprung werden die Beuger aber stärker
innerviert als die Strecker, so daß Pikrotoxinstellung der Hinterbeine auf-
tritt. Es dauert mehrere Tage, bis sich der Frosch von dieser Dose er-
holt hat.
*) 0. Schmiedeher g, Über die Verschiedenheit der Coffeinwirkung an Rana tem-
poraria L. und Rana esculenta L. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 2. S. 02
(1874).
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Weirc. gj)
2i)ing i-2('m^ oinor 1" ßig^'n Lösiinc-). P.akl nach diT Injektion l»e-
ginnt (las .Steihvonlen der Vorder- und Hinterheine. Die Vorderheine werden
gekreuzt , die Hinterheine stark an den Körper angezogen. Naeh cint-r
Stunde ist die Steifheit der lieine geringer und Keflexsteigerung deuthch
geworden. Bei Berührung des Körpers erfolgt reflektorisch Streckung der
Hinterheine. Auch tetanische Anfälle können auftreten, wie sie die Strvchnin-
wirkung charakterisieren Nach dieser Dose erholen sich die Frösche meist
nicht mehr.
An (irasfröschen tritt durch Coffein kein Tetanus auf. sondern nur
die Muskelwirkung.
Theobroinin ist nach Filehnc^) für Frösche etwas giftiger :\\<
Coffein und ruft auch am Wasserfrosch keinen Tetanus hervor.
Zum Nachweis der Turinderivate sind in jedem Falle Grasfrösche zu
verwenden, da sie die Muskelwirkung besser zeigen als Wasserfrösche.
9. Der Nachweis von Giften mit Digitalinwirkung.
„Eine Anzahl zum größten Teile stickstofffreier Pflanzenhestandteile,
von denen die meisten zu den Glykosiden oder Pentosiden gehören, wirkt,
abgesehen von quantitativen Unterscliieden, in so gleichartiger Weise auf
das Herz der verschiedensten Tierarten, daß jede dieser Substanzen in
bezug auf den Charakter dieser Wirkung wie eine getreue Kopie der
anderen' erscheint. Sie werden schlechtweg als ..11 erzgifte" i)ezeichnet.
Direkte Wirkungen auf das Nervensystem lassen sich mit Sicherheit weder
an Menschen noch an Tieren nachweisen."
„Zu dieser Gruppe, die durch die praktisch wichtigen wirksamen Be-
standteile der Digitahs purpurea, das Digitalin und Digitoxin, charakte-
risiert wird, gehören die nachstehend aufgeführten Stoffe "^j; Digitalin,
Digitoxin. Strophanthin, Antiarin, Oleandrin, Scillain, Adonidin,
Helleborein, Convallamarin , Cheiranthin u. a. Als Beispiel der
Wirkung dieser Produkte sei hier auf diejenige von g- Strophanthin
eingegangen, welches als kristallinisches Produkt mit dem Vorzug kon-
stanter Zusammensetzung den guter Wasserlöslichkeit verbindet und darum
namentlich als Testsubstanz zu vergleichenden quantitativen Bestimmungen
zu empfehlen ist.
Injiziert man mittelgroßen, in Zimmertemperatur gehaltenen (iras-
fröschen 3) {oOg) von kristallisiertem Strophanthin (M< rck) die stark
wirksame Menge von 1 lOnig in einem Kubikzentimeter Wasser gelöst
in den Brustlymphsack, so tritt Herzstillstand nach Vi — ' ., Stunde ein.
An der Brustwaud sind äußerlich keine Bewegungen des Herzens mehr
') W. Filehnc, i'ber einige Wirkungen desXanthins, des Caffeins und mehrerer
mit ihnen verwandter Körper. Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 188G. S. 77.
-) 0. Schmicdt'bcnj , Grundriß der rhurmaknlogie. (5. Aufl. Leipzig l'JÜO. S. i88.
*) Wegen ihrer größereu Emp f indliclikei t gegenülier Sulistanzen mit Digi-
talinwirkung sind für Prüfungen am ganzen Tier ürasfrösche vorzuziehen.
64 H. Fübiier.
wahrzunehmen und die Zirkulation in den Schwimmhäuten stockt. Nach-
dem der Herzstillstand eingetreten, wird der Frosch unruhig und springt
und bewegt sich häufig. Aus der Rückenlage dreht er sich, trotz des ein-
getretenen Herzstillstandes, noch gut um und springt normal. Nach und
nach wird die Atmung seltener und es macht sich allgemeine Erstickung
bemerkbar. Die Pupillen werden eng und das noch normal sitzende Tier
öffnet wiederholt weit das Maul. Allmählich, nach etw a einer Stunde, wird
der Frosch schlaff und beginnt Rückenlage zu ertragen. Die Lähmung
schreitet langsam weiter bis zur völligen Reflexlosigkeit.
Etwa 1/100222^ ist die tödliche Grenzdose für mittelgroße Frösche.
Es kann mehrere Stunden währen, bis durch diese Dose Herzstillstand
sich ausbildet und daran anschließend Erstickung des Tieres zustande
kommt.
Öffnet man den Thorax des Frosches nach eingetretenem Herzstill-
stand, so findet man das Herz blutleer (blaß) und maximal kontrahiert.
Es hat sich der für die Digitalissubstanzen charakteristische systolische
Stillstand des Herzens ausgebildet.
Das Zustandekommen des systolischen Herzstillstandes läßt sich
graphisch registrieren. Um eine gute Aufzeichnung der Herzbewegungen
zu erhalten, muß der Frosch vollkommen unbeweglich sein. Zerstört man
nur das Gehirn des Tieres, so ist dies nicht der Fall. Zerstört man aber
auch das Rückenmark, so werden Herzschlag und Resorption sehr beein-
trächtigt. Man wird darum den Frosch am besten narkotisieren. Zur
Herbeiführung einer tiefen Narkose sind für mittelgroße Frösche 2cm^
einer 10"/oigen Lösung von Urethan nötig, welche man den Tieren in
den Brustlymphsack (ohne Verletzung der Brustmuskulatur : Blutungen
vermeiden!) injiziert. Nach 5 bis 10 Minuten erträgt der Frosch Rücken-
lage, in welcher man ihn 1/2 — 1 Stunde lang vor Anstellung des Versuches
beläßt. Die Reflexlosigkeit dauert 12 — 24 Stunden an.
Der Frosch wird, auf dem Teller mit dem Kopfe gegen den Ope-
rierenden liegend, in folgender Weise präpariert: Mit einer Hakenpinzette
erfaßt man in der Mitte des Unterkiefers die glatte Haut und schneidet
eine kleine Lücke in dieselbe ein. Durch diese wird das stumpfe Blatt der
Schere eingeschoben, der Hautzipfel mit der Pinzette erfaßt und ein
mittlerer Hautlappen bis in die Bauchgegend präpariert, der am besten
nicht breiter als 2 cm ist. Jedenfalls muß man sich hüten, zu weit seithch
die Haut einzuschneiden, da hier Gefäße liegen, deren Verletzung starke
Blutung zur Folge hat, und Blutungen müssen, um die Herztätigkeit
intakt zu erhalten, möglichst vermieden werden. Nachdem der Haut-
lappen (Fig. 45 d) über den Bauch gelegt ist , wird mit der Pinzette der
oberste knorpelige Teil des Brustbeins (a) erfaßt, genau in der Mitte ge-
spalten und dieser Schnitt durch Eingehen mit dem stumpfen Scheren-
blatt, welches dicht unter dem Knochen (um einer Herz Verletzung vorzu-
beugen) vorgeführt wird, durch die Mitte des knöchernen Brustbeinteiles (h)
verlängert. Der sich an diesen weiter unten anschließende knorpehge
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
Of)
Teil (c) Nvird nicht median, sondern nacli links herüber dnrchtrennt , um
eine Verletzuiiii' der mittleren IJauchveiR' zu vermeiden. Ili.s an da.s Kndc
des knorpeligen Brustheinteiles Avird der Schnitt i-eführt und der Krosch
jetzt auf dem gestielten Froschbrett mit Klammern (Fig. HO) befestigt.
Das linke Hinterbein, in welches die zu prüfende Flüssigkeit injiziert wird,
kann l)ei dem tief narkotisierten Tiere frei gelassen werden , zur be-
quemeren N'ornahme der Injektion. I)ie \orderbeine werden so befestigt,
daß dabei der Thoraxschnitt weit klafft und das Herz freiliegt. I)as Herz
ist noch in dem Herzbeutel eingeschlossen, w^elcher mit feiner Pinzette am
Fig. 30.
Graphische Registrierung der Herztätigkeit, a Uerzklammer.
unteren Ende erfaßt und nach oben hin bis zur Teilung der Aorta er-
öffnet wird. Die Herzspitze wird mit einer feinen, aus Federdraht ge-
bogenen Herzklammer (Fig. 80a) erfaßt. An dieser ist mit einem Faden
ein Haken befestigt, der in eines der Löcher am Schreibhcbel eingehängt
wird. Das Froschbrett wird in ein vertikal verstellbares Stativ eingespannt,
(""her demselben wird der durch Achsenbelastung in seinem lungeren «lie
Papierfahne tragenden Arme fast völlig entlastete Schreibhebel befestigt.
Zum Einhängen des Hackens in den Schreibhebel wird das Froschbrett
schräg gestellt. Nach dem Einhängen kann durch Drehen des Hrettes,
Abderhalden, llandbnch der biochemischen Arbeitsmethoden. V. 5
66
H. Fühner.
nach der Horizontaleil zu , der Schreibhebel richtig eingestellt werden. Vor
dem Eintrocknen schützt man das Herz durch einen um dasselbe aufge-
bauten hohen Wall aus Watte, welche mit Ringerlösung getränkt ist. (In
der Figur nicht gezeichnet.)
Die rhythmischen Bewegungen des Schreibhebels werden auf der be-
rußten Papierfläche des Kymographions aufgezeichnet. Unt^r diese Kurve
werden Zeitmarken geschrieben. Der Markiermagnet wird in einem zweiten
Stative befestigt und
unter dem Herzhebel
zeichnet eine Zeitlang
dem Frosche die
Hierzu sticht man an
am bequemsten entgegen
aufgestellt. (In der Figur
die normale Herztätigkeit
ftlösung in den linken
dem nicht fixierten Beine
der Troramelbewegung
nicht gezeichnet.) Man
auf und injiziert dann
Ober schenkelly mph sack,
die mit feiner scharfer
Nadel versehene gefilUte Injektionsspritze etwa 1 cm unterhalb des Knie-
Fig. 31.
Fig. 32.
Raua fusca. öö g.
Weiblich. Narkose. Herzfreilegung.
Strophanth. cristall. 1 mg bei (+).
Herzstillstand nach 14 Minuten.
(3/i Größe der Originalkurven.)
Rana fusca. 45 g.
Weiblich. Narkose. Herzfreilegung. Strophanth.
cristall. ^/^o mg bei (+). Herzstillstand nach
30 Minuten.
gelenkes in die Haut des Unterschenkels ein und führt von hier die Nadel
unter Streckung des Beines vorsichtig unter der Haut vor bis unter die
Oberschenkelhaut. Man injiziert und zieht die Nadel zurück; dann wird das
Bein im Kniegelenk gebeugt. Diese Maßnahmen sollen einem Ausfließen der
Injektionsflüssigkeit aus der Injektionsstelle vorbeugen. Ist die Injektion vor-
sichtig ausgeführt, so wird man (bei völlig reflexlosem Tier) in der Aufzeich-
nung des Schreibhebels keine Verschiebung oder Veränderung wahrnehmen.
Man bezeichnet den Moment der Injektion auf der berußten Fläche
des Kymographions. Drei beigegebene Kurven, welche unter den oben ge-
schilderten Bedingungen aufgenommen wurden, zeigen die Wirkung von
verschieden großen Dosen Strophanthin. cristall. Merck {1 mg, ^U^yng,
Vioo«^^), das drei narkotisierten Grasfröschen in den Oberschenkellymph-
:sack injiziert wurde
Kurve Fig. 31 und 32 wurden in ^/^ Größe des
Nachweis und Bestimmung von (üften auf biologischem Wege.
67
Originals, Kurvo Fi^-. ';);) in hullter Ori^iinal^irölic wiodoriicnciion. Da hei
Aufzoichiiunii- der (Jiftwirkuni;' hier nicht die Form der Kinzelkurvo der
Herzpulse, sondern das Gesamtbild der Kurvenschar von Interesse ist. so
wurde nach dem Vorgange von M. Straub^) bei so langsamem Trommel-
gange registriert, daß vom iSchreibhebel auf dem bei'uliten Papier nur eine
einzige ununterbrochene Silhouette ausgewischt wurde. Wie beim isolierten
Herzen ist auch hier der Anstieg der „Silhouettenkurve- bis zum end-
gültigen systolischen Stillstand des Herzens um so steiler, je rascher die
Vergiftung verläuft. Uei Aufnahme der ersten und zugleich steilsten Kurve
trat der Stillstand nach 14 .Minuten, bei der zweiten nach ;iU und l)ei der
dritten nach 105 Minuten ein.
Obgleich diese Kurven an sich das Vorhandensein einer Substanz
mit Digitalinwirkung in der Injektionsflüssigkeit hinreichend klar beweisen,
so kann man doch zur weiteren Charakterisierung des vorhandenen Still-
Fig. 33.
Kana fusca. 50 j. Weiblich. Urethannarkose (2 cm^ 10°l„So\.). Herzfrei legnng. ff^t^Vf .Ji
Strophanthin. cristall. */io<> '"JS bei ( + ) im Oberschenkellymphsack. Herzstillstand nach 150 Minnten.
Zeit in Minuten. (Halbe Größe der Originalkurve.)
Standes noch einen Tropfen einer ^V/oinPi^ Atropinlösung auf das still-
stehende Herz auftropfen. Tritt hier nicht bald wieder regelmäßige Herz-
tätigkeit ein, so ist die in der injizierten Lösung vorhandene, den Herz-
stillstand herbeiführende Substanz jedenfalls kein Muscarin. Obgleich
Muscarin keinen systolischen, sondern diastolischen Stillstand des Herzens am
Frosche hervorruft, so kann unter Umständen bei der graphischen Kegi-
strierung der Tätigkeit des Herzens am ganzen Frosche doch .systolischer
Stillstand, wenigstens solcher in halber Höhe der systolischen Kontraktion,
vorgetäuscht werden. Auch ist nach dem Stillstand des Herzens dieses
auf seinen Kontraktionszustand zu untersuchen. Tritt der Herzstillstand
innerhalb 1 — 2 Stunden ein. so ist das Herz des (irasfrosches immer
M W. Straub, Quantitative Untersuchungen über den Chemismus der Strophanthin-
virkuiig. Biochem. Zeitschr. Bd. 28. S. 392 (1910).
5»
68 H. F (ihn er.
stark kontrahiert und blutleer. Kommt aber der Stillstand des Herzens
erst sehr spät zustande, nach 12 — 24 Stunden, so ist derselbe kein rein
systolischer mehr, sondern er ist ein mehr oder weniger diastolischer.
Zu bemerken ist, daß für den qualitativen Nachweis der Digitalis-
substanzen der Versuch am ganzen Frosch , namenthch unter Injektion in
den Oberschenkellymphsack wichtiger ist, als der allerdings empfind-
lichere Versuch am isolierten Herzen (s. d.). An isoherten Herzen sind
die Substanzen mit Digitalin Wirkung von den ihnen nahestehenden Sapo-
ninen nicht einfach zu unterscheiden, da auch diese Produkte am iso-
lierten Organe systolischen Stillstand hervorrufen. Hingegen ist dies nicht
der Fall bei Injektion in den Oberschenkellymphsack, aus welchem sie nicht
genügend resorbiert werden, um Herzstillstand herbeizuführen. Sie bringen
hier nur lokal die Muskulatur in der Nähe der Injektionsstelle zum Ab-
sterben. 1)
10. Die Wertbestimmung von Digitalisblättern und -präparaten.
Als wirksame Glykoside sind nach Schmiedeberg f) in den Digitalis-
blättern Digitoxin, Digitalin und Digitalein enthalten, unter welchen dem
Digitoxin die stärkste Wirkung zukommt. Das Digitoxin ist in reiner
Form 3) in Wasser nur spurenweise lösUch. Es findet sich aber in der
Pflanze in löslicher Form, und zwar nach B. Gottlieb *) als Glykotannoid,
als Verbindung mit Gerbsäure, welche in reinem Wasser zwar auch wenig,
aber in verdünnten Alkalien leicht löslich ist.
Der Gehalt der Blätter an den drei wirksamen Bestandteilen ist ein
mit dem Standort der Pflanze und dem Jahrgang derselben wechselnder. Um
dem verordnenden Arzte ein immer gleichwirksames Arzneimittel zu liefern,
werden die Digitalisblätter, wie auch die daraus hergestellten Präparate
neuerdings auf einen bestimmten Wirkungswert eingestellt und dies ge-
schieht ausschließUch auf biologischem Wege durch Dosierung am Frosche.
Zur Wertbestimmung der Digitalisblätter und -präparate sind bereits
zahlreiche Methoden ausgearbeitet worden. Hier soll in erster Linie das
am eingehendsten geprüfte Verfahren von Focke^) besprochen werden,
0 B. Kobert, Beiträge zur Kenntnis der Sapouinsubstanzen. Stuttgart 1904. S. 16.
^) 0. Schmiedeherg , Untersuchungen über die pharmakologisch -wirksamen Be-
standteile der Digitalis purpurea L. Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 3.
S. 16 (1875).
3) H. Kiliani, Über ß-Digitoxin. Archiv d. Pharmazie. Bd. 233. S. 315 (1895). —
Derselbe, Über Digitoxin. Ibid. Bd. 234. 483 (1896).
*) B. Gottlieh und R. Tambach, Über Digipuratum. Münchener med. Wochenschr.
Jahrg. 58. S. 10 (1911).
^) C. Focke , Die physiologische Wertbestimmung der Digitalisblätter. Archiv d.
Pharmazie. Bd. 241. S. 128 und 669 (1903). — Derselbe, Weiteres zur physiologischen
Prüfung der Digitalisblätter. Ibid. Bd. 245. S. 646 (1907). — Derselbe, Der jetzige
Stand der physiologischen Digitalisprüf uug, ihr Wert für die Praxis und für die
Forschung. Ibid. Bd. 247. 8.544(1909). — Derselbe, Die kurzzeitige Injektious-
methode der physiologischen Digitalis- und Strophanthusprüfung. Ibid. Bd. 248. S. 345
(1910).
Nachweis und n<'stimmuntr vmi fiifton auf liinlügisclicm W ego. [^\)
welches sich an ein durch Hans Mcycr aniiere^^es ^'el•fahl•on von /uiin)-
hein ^ ) anschließt.
Das Prinzip der Methode von Fockc ist foli^endcs: Von einem
wässerigen Auszug der Diiiitalisl)lätt('r wird einem ( irasfrosche , dessen
Herz freigelegt ist, eine bestimmte Menge injiziert und es wird heohachtct.
in welcher Zeit Herzstillstand eintritt. Injiziert man (I rast' röschen von
20 — ?)0 fj von einem 10'V(,igen Ijifuse den vierzigsten Teil ihi-es Gewichtes
in zwei Hiilften verteilt in die ()l)erschenkellymi)hsäcke, so soll der Herz-
stillstand durchschnittlich, bei Anstellung von mindestens vier Versuchen,
zwischen 9 und 11 .Minuten eintreten.
Blätter, welche dieser Forderung entspi-echen . haben nach Focke
einen „Valor" von 4*0 — 4:*5. Dieser Wert wird berechnet aus der Glei-
chung: \' = , worin p das Gewicht des Frosches, d die injizierte Dose
und t die 'Zeit bezeichnet, welche von der Injektion des Tieres bis zum
Herzstillstand vergeht. Hat man z. B. einen Frosch von 24 (/ (Gewicht, so
erhält er 0-^ cm^ des 10" oigt'" Infuses. Vergehen 10 Minuten bis zum
Stillstand, so ergibt sich der Wert 4"0. Dieser Wert der Blätter kann auch
in .schlechten Jahren erhalten und darum als Xormalwert-) ange-
nommen werden. Auf ihn wird die Droge in Jahren mit stärker wirkender
Ernte eingestellt.
Ausführung der Prüfung. Zu der Prüfung eignen sich am besten
möglichst gleichgrolte Grasfrösche im Gewichte von 20 — l-i.") //. Im Sommer
sollen dieselben frisch gefangen, aber immerhin einige Tage in (Jefangen-
schaft vor x\nstellung der Versuche gehalten sein. Für den Winter werden
die Tiere im September gefangen und in nicht zu kaltem liaume (Kellen
aufbewahrt. Von Mai bis Oktober sind beide Geschlechter gleich brauch-
bar. Von November an nur männliche Tiere.
Die Tiere werden aus dem kühlen Ivaume 2 — )i Tage vor Anstellung
der Versuche in Töpfen oder Gläsern in den rntersuchungsraum gestellt,
dessen Temperatur auf 18 — 20'^ (auch im Sommer nicht höher!) ge-
halten wird.
Zur Prüfung ist ein Blechkasten nötig, welcher eine (Grundfläche
von 28:55 c»/ und 12 cw Höhe hat. \\\ einer Seitenwand ist oben und
unten je eine mit Kork verschlielibare Öffnung angebracht. Die erste ist
zum Eingießen von heißem Wasser bestimmt, die untere dient zum Ab-
lassen desselben. Zur eventuellen Abkühlung kann dinch lien Scharnier-
deckel des Kastens Eis eingebracht werden. Auf diesen Kasten werden
die dünnen und etwa lO: 27 c/y/messenden Froschbretter gelegt lU'ltst dem
halb so breiten, scmst aber ganz gleichartigen Thermometerbrett. Auf letz-
terem ist dauernd ein gutes Thermometer so befestigt, daß der Queck-
^) H. Ziegenbein, AVertltestininiuiig der I)iL'italisl)l;ittcr. An-liiv d. Pharinazio.
Bd. 240. S. 454 "(1902).
-) Vgl. ..Fol. Digital, titrat." der Firma i'aisar .( Lm-ti:, Halle a. S.
70 H. Fühner.
silberbeliälter dem Holz flach aufliegt; zum Abschluß gegen die Außenluft
ist das untere Thermometerende von einem, mit Heftzwecken befestigten
hellen Flanellappen bedeckt. Diejenigen Untersuchungsbrettchen, die gerade
zum Versuch dienen, müssen vorher ebenso trocken sein wie das Thermo-
meterbrett.
Durch Erwärmen der Frösche ist es in der kalten Jahreszeit immer
möglich, die Empfindlichkeit derselben so weit zu erhöhen, daß sie in nor-
maler Weise reagieren. Abkühlung in der heißen Jahreszeit erweist sich
seltener als nötig.
Soll eine Wertbestimmung von Digitalisblättern vorgenommen
w'erden, so vergleicht man die zu untersuchende Probe am besten mit den
„Fol. Digital, titrat." des Handels, die einen Valor von 4'0 besitzen.
Unter Verwendung dieses Testpräparates prüft man zunächst die Reak-
tionsfähigkeit der Frösche. Man muß an den Tieren bestimmen, ob
die Normalprobe den angegebenen Xormalwert besitzt. Ist dies der Fall,
so kann die zu prüfende Blätterprobe in gleicher Weise untersucht wer-
den. Ergibt die Normalprobe zu hohe oder zu niedere Werte, so muß ent-
sprechend abgekühlt oder erwärmt werden. Die Feststellung der Normal-
werte wird erleichtert durch die Beobachtung der Pulsfrequenz der
Tiere. Etwa 40 — 60 Pulsschläge pro Minute sind das Pdchtige. Bei 30 bis
40 Schlägen ist es erheblich zu kühl; bei höherer Frequenz als 60 ist es
zu warm. Bei einiger Übung reichen 4 — 5 Frösche aus zur Feststellung
der richtigen Temperatur. So lange dann die gleiche Witterung andauert,
braucht man nur jeden Tag dasselbe Temperaturoptimum im Zimmer her-
stellen und wird dann gleichmäßige Resultate erhalten können. Sobald sich
aber die Witterung ändert, muß zur ^'ermeidung von Fehlern an der Nor-
malprobe aufs neue das Temperaturoptimum bestimmt werden. Damit stehen
die Wertprüfungen immer auf festem Boden.
Hat sich bei der Vorprobe mit dem Testpräparat eine Temperatur-
reguherung durch den Kasten als notwendig erwiesen, so wird dieser eine
halbe Stunde vor der Untersuchung auf die gewünschte Temperatur ge-
bracht. Auf ihm befinden sich dann neben dem Thermometerbrett schon
vier leere Froschbretter und das Glas mit der Injektionsflüssigkeit.
Der Frosch wird an den Beinen mit vier Schlingen aus dicken Baum-
wollfäden versehen, welche dann durch Einschnitte des Froschbrettes gezogen
werden (Fig. 10 und Fig. 34. Hier ist ein kleineres Froschbrett, als im
Texte angegeben, aufgezeichnet). Zwischen den Armen beginnend, schneidet
man einen kleinen Hautlappen nach unten hin ab (Fig. 34), erfaßt dann
von der Seite her den unteren knorpeligen Teil des Brustbeins (Fig. 45 c)
mit der Pinzette, geht mit stumpfem Scherenblatt hier ein und schneidet
dann nach oben hin eine kleine viereckige Öffnung. Man erblickt das
pulsierende Herz nur zum kleinen Teil. Namentlich der Herzventrikel liegt
tiefer unten. Man schneidet nunmehr den feinen Herzbeutel der Länge
nach auf und drückt dann leicht auf den Unterleib in der Ventrikelgegend.
Der \'entrikel wird dadurch herausgepreßt und liegt nun frei, wie in
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biolofrischem Wege.
71
Fig. 34 (largostellt. Die Lücke darf nur so groß sein , dal) gerade der
Ventrikel herausgedrückt \verden kann. Ist die (')ffninig «rrölier, so wird
leicht hei Bewegungen des Tieres die Leber herausgedrängt, was verniied«'n
werden muli In der angegebenen Weise werden zuniichst zwei Frösche
präpariert. Da man zur Bemessung der Dosis das Frosch^n'wicht kennen
muß, so >Yird das Froschbiett samt dem Tier gewogen und das vorher
bekannte Gewicht des Brettes
abgezogen. Das Froschgewicht Fig. 34.
wird notiert. Nach dem AViegen
wird das Brett mit dem Tier
sofort wieder auf den Kasten
gelegt, damit es im ganzen etwa
V4 Stunde lang von unten die-
jenige Temperatur erhält, die
das Brettchenthermometer zeigt.
Dabei wird das Herz nach Rhyth-
mus und Schlagzahl beobachtet.
Ein Tier, welches (z.B. im Fe-
bruar, März) ein schlaff de-
generiertes, auch nach einigem
Warten allzu träge arbeitendes
Herz besitzt, wird durch ein
neues ersetzt. Wenn aber die
Herztätigkeit, wie doch meistens
der Fall, gut ist, so erhalten
die beiden ersten Tiere ihi-e
Injektion. Die Spritze wird mit
der zu untersuchenden Lösung
einmal durchgespritzt; dann wird
das bestimmte Quantum so ver-
teilt, daß der eine Oberschenkel
rasch ungefähr die Hälfte , der
andere den Rest erhält. Hierzu
wird die möglichst fein zuge-
schliffene Spitze der dünnen
Nadel der Injektionsspritze etwas
unterhalb des Knies in den L'n-
terschenkellymphsack eingesto-
chen und von da aus vorsichtig,
dicht unter der Haut, nach dem Oberschenkellymphsack vorgeführt bis
etwa in seine Mitte. Die Injektion darf nicht in die Muskulatur, sondern
nur in den Lymphsack vorgenommen werden. Bei \'erwen(hmg einer l'einin
Nadel und Einführung vom rnterschenkeliyniphsack aus ist ein Austheln-n
der Flüssigkeit aus der Einstichstelle so gut wie ausireschlossen. Nach der
Injektion wiid die Nadel rasch zurückgezogen und sofort auf der (lanel)en
Rana fusrn. I'reilegung des HvrzpDR.
rl
H. Fühner.
liegenden Uhr die Zeit der Injektion festgestellt. Focke empfiehlt, dann
aus einer kleinen, in einem Glase Wasser stehenden Pipette, je einen
Tropfen auf die Kehle, das Herz und den Oberschenkel des Tieres zu
träufeln und jeden Oberschenkel sogleich zwischen zwei Fingerkuppen
einige Male sanft nach der Leistengegend hin zu massieren. Nunmehr
kommt das Brett mit dem Frosche wieder an seinen Platz und die Injek-
tionszeit wird notiert. Während man auf die Wirkung bei den ersten
Tieren wartet, präpariert man die beiden folgenden. Sobald bei einem Tiere
der Kamm ers tillstand eingetreten und notiert ist, wird wieder ein trockenes
Brettchen auf den Kasten gelegt, das Tier aber durch Zerstörung von Ge-
hirn und Piückenmark getötet und zur eventeUen Berichtigung des ersten
Gewichtes ohne das Froschbrett gewogen. (Dabei wird natürlich die inji-
zierte Dosis mitgewogen und abgezogen. Die aufgeträufelten Wassertropfen
bleiben außer Betracht; mindestens ebensoviel Flüssigkeit hat das Brett-
chen aufgenommen.)
Nr.
Temperatur
g ü "
S 3
B eö ,■ 'S
X
a
e » s
des
Brett-
chens
Kana fusca.
Quelle und
Datum des
Bezuges
Ge-
schlecht
Gewicht
Präparat
Injizierte
Flüssigkeits-
nienge
relativ zum
Froschgewicht
Dosis
d
Injektion
Uhr
C o r
Stillstand
Uhr
also Zeit
Durch-
schnitt
^'^1°^- (= d^)
Bemerkungen
Ein übersichtliches Protokoll ist durchaus nötig. Focke verwendet das
vorstehende Formular. In die Kolumne „Cor" trägt man die Schlag-
zahlen kurz vor der Injektion ein. auch nach Belieben z. B. den Beginn
der ,,Herzperistaltik". Die übrigen Pveihen verstehen sich nach dem bisher
Gesagten von selbst.
Die zu prüfenden Lösungen werden nach Focke in folgender Weise
hergestellt :
a) Das Blatt er infus. Wenn man nicht sicher weiß, daß das Blätter-
pulver scharf getrocknet war, so wird es zuerst bei 60 — 80" mäßig aus-
gebreitet eine halbe Stunde lang nachgetrocknet. Darauf gibt man 2 g in
Nachweis und Bestiinuiuug von (Jiften auf liiolopischom Wo'jp. "j;^
einen kleinen rorzellansallientopf. der in rin <iTöl,jeres Oefäli gestellt wird.
In letzteres wird soviel kochendes Wasser ge^^ossen. dali es bis zur hallirn
Hcihe des rorzellantöpfchens reicht. Dann werden in einem weiten Kcagenz-
glase knapp 24 ciu'-^ Wasser mit einem Znsatz von s Tropfen einer r)" ^igen
wässerigen Sodalösung gekocht und dieses schwach alkalische Wasser ko-
chend auf das Pulver geschüttet. Man rührt mit einem (ilasstai)e schnell
einige Male um, so dal) alle Klümpchen verschwinden, legt den Deckel fest
auf und läßt 20 Minuten ziehen. Nunmehr wird durch ein Läppchen von
altem feinen Taschentnchleinen in ein l{eagenzrolir filtriert, wobei das
Läppchen möglichst kräftig ausgeprelit wird. Man erhält fast 20c/y/^ Kil-
trat: bis zu diesem Quantum, welches am IJeagenzglase markiert ist. wird
mit Wasser durch eine l'ipette nacligefüllt, so dali stets ein 10'' oii-^«'^ Lifiis
entsteht. Das Filtrat ist immer trübe: das stört die rntersuchung nicht.
Sollte die Trübung einmal gar zu erheblich aussehen, so darf das fertige
Infus noch durch ein zweites Läppchen gepreßt werden: aber dann wird
natürlich nicht noch einmal bis zu 20 cin^ ergänzt. Keinesfalls darf durch
Papier nachfiltriert werden, da ein wechsehider Teil der wirksamen Sub-
stanzen durch dasselbe zurückgehalten wird. Das Infus wird vor Sonnen-
licht geschützt gehalten und spätestens einige Stunden nach der Herstel-
lung untersucht. Wenn die ersten zwei Versuche ergeben, daß die Probe
ausnahmsweise vermuthch einen Wert unter ;Vb hat. .so werden löcmsdes
Infuses in einem Schälchen, welches in einem schwach kochenden Wasser-
bade steht, unter großer Vorsicht auf 10 c;y^« eingedunstet. Die von diesem
löVois'Pii Infuse gegebenen Dosen werden dann auf die des lO^-oig'^'i
umgerechnet. Bei diesem schwachen Eindunsten geht, nach Fockes Kontroll-
versuchen, nichts von der Wirkung verloren. Pei Proben mit einem Wert
unter 2-5, welche aber bei Blättern frischer Ernte kaum vorkommen, wird
ein 207oises Infus neu hergestellt.
/>) Tinct. Digitalis und andere alkoholhaltige Digitalis-
präparate. Hier wird der Alkohol durch vorsichtiges Einengen auf dem
Wasserbade zum größten Teile entfernt und der Rückstand mit Was.ser
aufgenommen. Bei Tiuct. St lopli.nithi ist ein Entfernen des Alkohols nicht
nötig; an dessen Stelle tritt die Wasserverdüunimg. auf deren (Jrad viel
ankommt. Wenn man mit der normalen Tinct. Stroplianthi (Komln^) den
Valor 100 erzielen will, wie ihn durchschnittlich diese Tinktur besitzt, .so
verdünnt man l mt^ mit 19 c/^/MVasser. Der(M-ad der Verdünnung ist in
diesem Falle nach Fockc von beträchtlichem Einfluß auf das Kesultat.
c) Trockene Präparate der Digitalisgrup|)e werden zu ihrei- Prü-
fung zuerst in demjenigen Stärkeverhältnis wässerig gelöst, das vermutlich
ihrem Vorhandensein im lOo/oiri'«"'» Atifguß der Mutterdroge entspricht: bei
der Prüfimg wird die Lösung nach Bedarf konzentrierter genonnnen. Ist
das Pulver nur (oder fast nini alkohollöslich, .so wird zuerst eine starke
alkoholische Lösung hergestellt, dann diese allmählich unter langsamem
Bührcn. damit das (ielöste nicht ausfällt, mit Wa.s.ser !)is zur gewün.'^chten
Verdünnung gemischt. .Mehr als 10<>/o Alkohol sollte darin nicht verbleiben.
74 H- Fühner.
Neben der beschriebenen, von Focke sehr genau ausgearbeiteten Me-
thode, welche bei genügender Vertrautheit mit derselben sicher brauchbare
Werte bei der Prüfung der Digitalisprodukte ergibt, existieren noch andere
Prüfungsmethoden am Frosche, von denen einige hier kurz beschrieben
seien. Eine Zusammenstellung und Kritik derselben findet sich bei Ch. W.
Edmunds and Worth Haie \) und bei Focke. 2)
Während bei Focke den Hauptfaktor für die Wertbestimmung der
Digitalispräparate die Zeit darstellt, welche von der Injektion bis zum
Herzstillstand vergeht, bestimmt Gottiieh^) die kleinste Menge, welche
innerhalb 30 bis höchstens 45 Minuten den Stillstand in der Mehrzahl der
Fälle bei Verwendung gleichgroßer Grasfrösche (von etwa oO g) herbei-
führt. Man kann diese kleinste Dose als „Einheit^' bezeichnen und die
Wertigkeit nach der Zahl solcher Einheiten pro Gramm Präparat aus-
drücken. Das frisch bereitete Infus eines gut wirksamen Digitalispulvers
muß demnach mindestens 40 — 50 Einheiten auf 1 g der angewandten
Blätter enthalten. Bei den stärksten Blättersorten entspricht das frisch be-
reitete Infus von 1 g aber mitunter bis 120 Einheiten.
x\bweichend hiervon bestimmt E. M. Houghton *) am Frosche die
minimal tödliche Dose der Digitalispräparate, d.h. die Menge, welche
im Verlaufe von 12 Stunden bei Injektion in den Brustlvmphsack des nicht
operierten Frosches den Tod des Tieres herbeiführt. Die Ausführung er-
folgt in der Weise, daß von zwei Gruppen von Fröschen, welche alle
möglichst dasselbe Gewicht haben, die eine mit einer Testlösung, die
andere mit der zu prüfenden Lösung in gleichen Konzentrationen injiziert
wird. Die Dosen bilden eine Reihe von geringerer bis zu größerer Stärke,
aber bei der einen Froschgruppe genau ebenso wie bei der anderen. Nach
12 Stunden wird bei jeder Gruppe die Zahl der Toten notiert. Zu jeder
Prüfung ist natürlich eine mehrfache Wiederholung mit enger werdenden
Dosengrenzen erforderlich, so daß gewöhnlich vier Tage für eine Prüfung
nötig sind. Allerdings können mehrere Proben gleichzeitig untersucht wer-
den. Diese Methode ist von allen sicher die einfachste und be(|uemste, hat
aber den Nachteil, daß man zu ihrer Ausführung viel mehr Frösche braucht,
als bei den erstgenannten.
Die Wertbestimmung der Digitalisprodukte unter Verwendung des
isolierten Froschherzens, welche Schmiedeherg '">) der Prüfung am
') Ch. W. Edmunds and W. Haie, Tlie physiological Standartizatioii of Digitalis.
Washington. Hygienic Laboiatory. Bulletin Nr. 48. December 1908.
'^) C. Focke, Betrachtung der neuen in- und ausländischen Arbeiten über die
Digitalisprüfung. Arch. d. Pharmazie. Bd. 248. S. 365 (1010).
^) R. Goftlieb, tfber die physiologische Wertbestimmuug von Arzneimitteln. Mün-
chener med. Wocheuschr., 1908. Xr. 24. — R. Gottlieh und R. Tambach, Über Digi-
puratum. Ibid. 1911. Nr. 1. S.U.
^) E. M. Houghton zitiert nach Focke, 1. c.
^) 0. Schmiedehercj , Untersuchungen über die Bestimmung des pharmakologischen
Wirkungswertes der getrockneten Blätter von Digitalis purpurea. Archiv f. experim
Pathol. u. Pharmakol. Bd. 62. S. 305 (1910).
Nachweis iiinl Bestimmung von (iiften auf liiologiscliem Wctre. 75
ganzen Frosche vorzieht und von welcher Straub^) vermutet, dal» sie
leistungsfähiger sein wird, namentlich zur Bestimmung absoluter Werte,
ist auf ihre Brauchbarkeit bisher noch nicht geniigcnd untersucht worden.
11. Der Nachweis von Aconitin.
\'on den verschiedenen in Aconitum- und Delphiniumarten sich
findenden Alkaloiden besitzt namentlich das Aconit in aus Aconitum
Napellus toxikologische Bedeutung. In dieser Pflanze ist neben einem
kristallinischen ein amorphes ,.Aconitin- enthalten. Ersteres ist
giftiger und für den toxikologischen Nachweis wichtiger als das amorphe
Produkt, das aber dieselbe charakteristische Wirkung wie das kristallinische
Produkt aufweist.
Wie für den Menschen und die höheren Wirbeltiere ist auch für <len
Frosch das Aconitin auljerordentlich giftig, was für den toxikologischen
Nachweis des Produktes von Bedeutung ist, da sich bei Vergiftungen meist
nur kleine Mengen wirksamer Substanz finden.
Selbst Mengen von 1 1000 721^ des salz sauren kristallinischen
Aconitins (Merck) sind am Frosche nicht unwirksam. Injiziert man
kleinen W^asserfröschen (30 r/) diese Menge in den Brustlymphsack, so
treten im Verlauf der nächsten Stunden Lähnuingserscheinungen auf, welche
etwa zwei Tage anhalten und durch leichte Ermü(li)arkeit des Frosches
gekennzeichnet sind. Das vergiftete Tier dreht sich mehrei-e Male gut aus
der Kückenlage um, erschlafft dann aber völlig und erträgt längere /eir
Pkückenlage.
1/100/22^" hat schon die charakteristische und für den toxikologischen
Nachweis verwertbare Herzwirkung. Bei einiger Cbung lälit sich diese
Wirkung am unverletzten Frosche durch die Brustwand hindurch erkennen.
Es ist aber vorzuziehen, das Herz in der beim Nachweis von Substanzen
mit Digitalinwirkung angegebeneu Weise freizulegen, um die Erscheinung,
die hier erst deutlich verfolgt werden kann, zu beobachten oder besser
gleich graphisch zu registrieren. Man kann , am besten wieder am narkoti-
sierten Frosche, hier genau dieselben Kurven erhalten, wie sie beim \'er-
suche am isolierten Herzen (s. d.) wiedergegeben sind.
BoeJun-) unterscheidet als Aconitinwirkung folgende drei am frei-
gelegten Herzen zu beobachtende Stadien: 1. ein Stadium der Beschleuni-
gung der Herzschläge: 2. ein Stadium der Herzkrämpfe: H. ein Stadium
des Herzstillstandes. \'on diesen drei Stadien ist dasjenige der ..llerz-
krämpfe". die heute meist als „Herzperistaltik" bezeichnet werden,
dem Aconitin besonders eigentündich und für den Nachweis verwertbar.
Die Erscheinung beginnt an den \'orhöfen und geht dann auf den Ven-
trikel über. Auf dem Höhepunkt der Peristaltik entleert das Herz .seinen
') W. Sfraid), Quantitative T'ntcrsucliuniron über den C'liomismus der Strophantliin-
wiikung. Biochem. Zeitsclir Bd. 2S. S. 4(l7 (liHU).
-) Ji. lioihni, Studien über Ilerzgifte. Würzliurg 1871. S. 2t>
76
H. Fühner.
Fig. 35.
Inhalt so gut wie gar nicht, sondern derselbe wird unter wurmförmigen
Bewegungen der Herzwand im Herzen hin und her geschoben. Der Ventrikel
bekommt hierbei ein eigentümlich fleckiges Aussehen: Dunkle vorgewölbte
Stellen wechseln mit hellen kontrahierten ab, so daß ein Bild entsteht, das
festzuhalten in Fig. 35 versucht worden ist. Kohert i) spricht nicht unpassend
von einer „Maulbeerform" des Herzens. Je nach der Aconitindose und
dem Zustande der Frösche geht diese Erscheinung rascher oder langsamer
wieder in eine regelmäßige Herztätigkeit über, welche aber bedeutend ver-
langsamt ist und bei welcher der Vorhof viel häufiger als der Ventrikel
pulsiert. Auf das Stadium der langsamen Pulse folgt, wenigstens bei
größeren Dosen als Vioo^'^^/i Stillstand des Herzens in Diastole.
Bei dieser Dose von Vioo i^W salzsaurem kristallinischen Aconitin
beobachtet man an den Fröschen, namenthch in der Nähe der Injektionsstelle,
ausgeprägte fibrilläre Zuckungen, wie nach Guanidininjektion. Die Erschei-
nung geht in etwa einer Stunde vorüber. Nach dieser Zeit erträgt der
Frosch dauernd Rückenlage und
wird schließlich völlig reflexlos. Hält
man das Tier in etwas Wasser, so
erholt es sich von der curarin-
artigen Lähmung in einigen Tagen
wieder.
1/10 222^. Hier ist der Ver-
lauf der Vergiftung ein rascherer.
Die Peristaltik dauert meist nur
kurze Zeit an und nach etwa einer
Stunde steht das Herz dauernd in
Diastole still. Der Frosch erholt
sich nicht wieder.
Bemerkenswert ist noch als Erscheinung an Fröschen nach Injektion
wirksamer Aconitindosen eine starke Sekretion der Haut und im Zusammen-
hang mit der schlechten Herztätigkeit häufiges Aufsperren des Maules.
Von Lahorde und Duquesnel^) ist zum biologischen Nachweis des
Aconitins die graphische Registrierung der Herzkurve, welche sie am
ganzen Frosch aufnahmen, empfohlen worden. Demgegenüber ist zu be-
merken, daß nicht gerade selten die charakteristische Herzperistaltik nach
Injektion von Aconitin oder aconitinhaltigen Extrakten am ganzen Frosche
vermißt wird, und daß dieser Nachweis darum ein unzuverlässiger
ist. Hingegen lassen sich am isolierten Herzen (s. d.) noch kleinste
Mengen Aconitin mit Sicherheit nachweisen (Fühner).
Das dem Aconitin nahestehende Delphinin bringt ähnliche Erschei-
Aconitinwirkimg am Herzen.
nungen am Herzen hervor
wie ersteres, hat aber toxikologisch
nur ge-
^) (Kohert) Kako/rski^ Über den direkten Einfluß verschiedener Substanzen auf
das Herz. Arch. internation. de Pharmacodyn. et de Therapie. T. 15. p. lOG (1905).
^) J.V.Laborde et H.Dtiquesnel, Des Aconits et de l'Aconitine. Paris 1883. p. 267.
Nachweis und Bestimmung von (iiften auf biologischem Wege.
I I
ringe Hcdciitung. \'oii den Digitalisprodnkton , wcldie g'h'ichfulls iVri-
staltik iW<, Froschherzens hervorrufen, unterscheidet sich die Aconitin-
peristcaltik durch viel längere Dauer und den Ihergang in diastoHschen
Stillstand des Herzens im Gegensatz zum systolischen Stillstand hei den
Digitalisprodukten.
12. Der Nachweis von Muscarin.
Das reine Muscarin, der wirksame Bestandteil des Fliegenpilzes,
besitzt keine forensisch-toxikologische Iledeutung. Bei Vergiftungen mit
Fliegenpilzen wird die Diagnose immer am leichtesten auf botanisch-
mikroskopischem Wege zu stellen sein. Wichtig ist aber die Kenntnis der
charakteristischen Herzwirkung des Muscarins am Froschherzen, da beim
Faulen von Eiweilistoffen Produkte mit Muscarinwirkung entstehen können
(Brieger^), da solche im normalen Harn vorkommen iHarnisen^), Fühncr^)
und durch Oxydation von Cholin erhalten werden (= künstliches Mus-
carin von Schmiedeherg und Haniack*).
Das Muscarin ruft, wie z. B. die Kalisalze, am Froschherzen dia-
stolischen Stillstand hervor, welcher aber nach Schtnicdchcrg^') da-
durch ausgezeichnet ist, daß er durch A tropin aufgehoben wird, wie er
auch am atropinisierten Herzen nicht mehr auftritt.
Zur Verfolgung der Erscheinung am Frosche ist Freilegung des
Herzens erforderlich (vgl. darüber die Angaben beim Nachweis von Sub-
stanzen mit Digitalinwirkung). Man injiziert dem auf dem Froschbrett auf-
gebundenen Tiere die zu prüfende Lösung in den Oberschenkellymphsack
und beobachtet die Herztätigkeit. Während beim systolischen Stillstand,
hervorgerufen durch Substanzen mit Digitalinwirkung, der Ventrikel des
Herzens infolge maximaler Kontraktion blaß erscheint, ist er hier, im
diastolischen Stillstand, bei maximaler Füllung dunkel. Mechanische Reizung
löst noch Einzelpulse aus. Gibt man auf den stillstehenden Ventrikel einen
Tropfen einer halbprozentigen oder auch schwächeren Lösung von Atropin-
sulfat, so treten schon sehr rasch wieder regelmäßige Herzpulse auf und
bald erscheint die Herztätigkeit normal wie zuvor. Bei graphischer Regi-
strierung der Herztätigkeit des narkotisierten Frosches kann man nach
Muscarinvergiftung beobachten, daß beim Schwächerwerden der l'ulse die
Kurve, welche der Schreibhebel aufzeichnet, nicht mehr vollständig zur
Abszisse absinkt, so daß systolische Wirkung, wie bei Digitaliskörpern.
») L. Brieger, tlber Ptomaine. Berlin 1885. S. 48.
-) E. Harmsen, Zur Toxikologie des Fliegenschwamraes. Archiv f. experim. l'athol.
u. Pharmakol. Bd. 50. S. 449 (1903).
') //. Kühner, Cher chis Verhalten des synthetischen Muscarins im Tierkurper.
Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. (>1. S. L'Sf) (19Ü9).
*) 0. Schmiedcbet-g und K. Harnack, t)her die Synthese des Muscarins und über
muscarinartiu' wirkende Amniniiiund>;is(Mi. Archiv f. experim. l'athid. u. IMiarmakol. Bd. 6.
S. 101 (1«77).
•') 0. Schmiedeberg und /.'. Koppe, Das Muscarin , das giftige Alkahdd de8
Fliegenpilzes. Leipzig 1869. S. 29.
78 H. Fühner.
vorgetäuscht wird. Jedenfalls gelingt es am isolierten Herzen (s. d.)
viel besser, den charakteristischen diastolischen Herzstillstand durch
Muscarin aufzuzeichnen als am Herzen in situ, ^Yenn auch hier durch
Atropin die Muscarinwirkung als solche gekennzeichnet werden kann.
Bei der schwierigen Zugänglichkeit des reinen natürlichen Muscarins
haben Angaben über dessen Wirkungsstärke am Frosche keine praktische
Bedeutung. Vom künstlichen durch Oxydation von Cholin hergestellten
Produkte ist 05 — liiig für kleine Wasserfrösche die mittlere tödUche
Dose, Der Tod erfolgt nach vorausgehendem Herzstillstand durch allmäh-
liche Erstickung des Tieres. Doch können sich Tiere auch von größeren
Muscarindosen wieder erholen. Bemerkenswert ist die außerordentlich
wechselnde Resistenz der Frösche nach Jahreszeit und Individuum
gegenüber der Muscarinherzwirkung. Genaueres über diese Differenzen ist
bei der Prüfung am isolierten Herzen angegeben.
C. Nachweis und Bestimmung von Giften an isolierten Organen.
a) Prüfungen am Skelettmuskel.
r)er isolierte Skelettmuskel des Frosches läßt sich zur Charakteri-
sierung mehrerer Gifte verwenden, deren Nachweis hier zu besprechen ist.
Herstellung des Präparates. Als Muskel wird am besten der
leicht zu präparierende Wadenmuskel, Musculus gastrocnemius, des
Frosches gebraucht. Zu dessen Gewinnung wird der Frosch mit einem
Scherenschlag geköpft und dem Tier darauf durch Einführung einer
stumpfen Nadel (Stricknadel) in den Wirbelkanal das Rückenmark zer-
stört. Hierbei bekommt der Frosch einen Streckkrampf (Tetanus) und
entleert den Inhalt der Harnblase. Bei Kaltfröschen hält der Streck-
krampf längere Zeit an. Neben diesem Krampf beobachtet man häufig
Zuckungen einzelner Muskelpartien. Man erfaßt den Frosch an den Hinter-
beinen, eröffnet mit einem breiten Scherenschnitt die Bauchhöhle, ent-
fernt deren Inhalt und schneidet dann das Tier in der Mitte quer durch
über die Wirbelsäule. Von der zurückbleibenden hinteren Körperhälfte
erfaßt man die über dem Rücken abstehende Haut zwischen Daumen
und Zeigefinger der einen , die Wirbelsäule ebenso mit der anderen Hand
und zieht die Haut über Hinterkörper und Schenkel ab. Beim Erfassen
von Haut und Wirbelsäule zwischen Daumen und Zeigefinger nimmt man
zweckmäßig ein Handtuch zu Hilfe. Das abgehäutete Froschhinterteil spaltet
man oben im Becken in zwei Hälften. Die eine bewahrt man bis zur Ver-
wendung in einer feuchten Kammer (Petrischale mit einigen Tropfen Ringer-
lösung) auf, von der anderen wird der Musculus gastrocnemius präpariert.
Die Muskelpräparation geschieht am besten auf einer dicken Glasplatte.
Zur Präparation müssen die Instrumente sowie die Glasplatte rein sein
(kein Hautsekret !). Der Musculus gastrocnemius geht unten in eine starke
weiße Sehne, die Achillessehne, über. Zur Isolierung des Muskels
schneidet man die Sehne unterhalb der Ferse durch , erfaßt sie mit einer
Nachweis und IJestimimmg von Gifteu auf liiologisclicm Wege.
79
Pinzette und präpariert den Muskel bis an seinen Ansatz in der Knie-
gegend frei. Den Muskel mit der einen Hand iniiner veiinittcist der l'in-
zette an der Achillessehne haltend und hochzichcnd . durchschneidet man
zunächst unterhall) des Knicizelcnks den Unterschenkel und dann olicrhalh
den Oberschenkel und hat nunmehr ein Präparat des isolierten Muskels, wie
aus Fig. 36 -B ersichtlich ist.
Fig. 30.
Versnchsanordnung zara Einhängen des Muskels in Li^songen.
Will man lediglich feststellen, oh irgend eine zu untei-suchendc Lö-
sung den Muskel chemisch reizt, so dall Kontraktionen desselben ausgelöst
werden, so kann er ohne die Knochenteile präpariert und direkt an seiner
Insertionsstelle am Oberschenkelknochen abgeschnitten werden. .Man legt
ihn dann zunächst in eine Schale mit etwa ;}0 cm' ..I! ingerlösung'M und
') Die froschisotonische nach S. liittqer hergestellt«' Losung hat foI»?enile Zu-
sammensetzung: Natriumhicarl>oiiat Ol //. trockenes talciunichloiid Ol y. KaliMmchlori«!
0075 r/, Natriumchlorid ()0//. destilliertes NVasser 1/. Das NatriuuihicarlM.nat muß im
destillierten Wasser erst vollständig gelöst sein, bevor das C'alciumchlorid zugesetzt wird.
80 H. Fühner.
beobachtet, ob derselbe hier ruhig bleibt. (In O'TVoig^i' sogenannter ..phy-
siologischer Kochsalzlösung'' können Zuckungen auftreten, welche
durch Zusatz von Calciumchlorid unterdrückt werden.) Ist dies der Fall,
so verbringt man den Muskel nach etwa 1/2 Stunde in die zu prüfende
Lösung. Zur graphischen Kegistrierung der hier auftretenden Zuckungen
dient die in Fig. 36 wiedergegebene \'ersuchsanordnung.
Zur Fixierung am Schreibhebel wird der Muskel nach Durchbohrung
der an seinem oberen Ende noch vorhandenen Sehnen- und Knochenteile
(mit der Scherenspitze oder einer Ahle) mit einem etwa 10 cm langen
Draht versehen, dessen freies Ende umgebogen wird, zum Einhängen in
eines der Löcher des Schreibhebels. In die Achillessehne wird ein kleiner
Haken eingebohrt, was am besten gelingt beim Auflegen der Sehne auf
ein Korkstückchen. Dieser Haken wird an einem starken mehrfach ge-
bogenen Draht (Fig. 36 A und B) befestigt , der oben ein Stück Hart-
gummi trägt, zum Einklemmen im Stativ. Die den Schreibhebel tragende
Muffe wird in der Höhe so eingestellt, daß der Schreibhebel horizontal
steht. Bis zur Yerbringung in die zu prüfende Giftlösung wird der
Muskel in Ringerlösung eingesenkt, und zwar so tief, daß er völlig von
Flüssigkeit bedeckt ist. Zum Einsenken dient ein zweites Stativ mit Zahn-
stange und Trieb, welches eine kleine horizontale Holzplatte trägt, auf die
ein die Ringerlösung enthaltender Zylinder gestellt wird. Je nach der Weite
des Zyhnders sind 10 — 20 cni^ Flüssigkeit nötig, um den Muskel völlig in
die Lösung untertauchen zu können. Bei richtiger Aufstellung des Zylin-
ders kann der Muskel ohne Erschütterung in die Flüssigkeit verbracht und
wieder daraus entfernt werden. Unter dem Schreibhebel oder bequemer an
einem dritten Stativ kann ein Markiermagnet zur Aufzeichnung der Zeit
angebracht werden.
1. Der Nachw^eis von Guanidin.
Zum Nachweis kleiner Guanidin mengen verwendet man am besten
kleine lebhafte Grasfrösche (20 — 30 p'), deren Gastrocnemien sehr emp-
findlich gegenüber Guanidinlösungen sind. Die Muskeln, in mit Ringerlösung
hergestellte Guanidinlösungen (salzsaures Salz) eingelegt, zeigen nach 5 bis
15 Minuten anfangs schwache, später stärker werdende Zuckungen, welche
durch große Unregelmäßigkeit ausgezeichnet sind: Bald zuckt das Kopf-
ende des Muskels, bald das Sehnenende, bald erfolgen die Zuckungen rasch,
bald langsam ; oft sind sie auf einzelne kleine Muskelbündel lokalisiert,
dann zuckt wieder der ganze Muskel auf einmal. Sehr auffallend ist die
Erscheinung an den abgehäuteten in Guanidinlösung eingelegten Füßen
zu sehen.
Die Guanidinempfindlichkeit der Frösche ist sehr verschieden. Ab-
gesehen davon, daß die Grasfrösche meist empfindUcher sind als die
Wasserfrösche, zeigen sich auch Unterschiede an den Tieren derselben
Art. In der Kälte treten die Zuckungen verspätet auf. Am besten geeignet
sind in Zimmertemperatur gehaltene Frösche und Prüfimg der Lösungen in
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
Hl
Zimmertemperatur. Durch Guanidiiilüsunscn 1: 10.000 hekoinmt man nahezu
immer charakteristische Zuckungen an (Jastrocneniicn. l)ie aulicrst«' (Ircn/e,
bei (Um- /uckunficn im alli^cincincii auftreten, sind L()suii}.Tn 1:15.000 bis
1 : 20.000.
Die Guanidinzuckuniien lassen sich, wenn sie in genii<ren(h'r Inten-
sität vorhanden sind, graphisch registrieren, wie Fig. :i7 zeigt. Kurven
ist bei kingsamem, Kurve h bei rascherem Gange des Kymographions aui-
genommen. Zur Registrierung dient am besten ein an der Ach.se wenig
belasteter Strohhahnschreibhei)el.
Fig. 37.
a
JJJl..-,v..^a.-....JüL^^
Bana esculenta. Männlich. 30 j. Isolierter Muse, gastrociiemins. Gniinidin. HCl. 1 : lOOO.
a langsamer, b rascherer Trommelgang. Zeit = Sekunden.
Optimale Zuckungen der Gastrocnemii'ii von Gra.sfröschen bekommt
man in Lösungen von salzsaurem Guanidin 1 : 2000 — 1:5000. liier können
die Zuckungen etwa 1 Stunde lang anhalten, in Lösungen 1 : 1000 und
stärkeren gehen dieselben rasch vorüber. Dies ist darauf zurückzufiiliren.
daß die anfängliche Erregung (h'A motori.schen Nervenendes im Muskel,
welche durch das Guanidin hervorgerufen wird, allmählich in eine ciirarin-
ähnliche Lähmung dessellien übergeht und dies in stärkeren Lösungen
rascher erfolgt als in schwachen. Dringt man einen derartig gelähmten
Muskel in lliiigerlösung zurück, so treten erneut Zuckungen auf. welche
anfangs maximal sind, später abnehmen und verschwinden. Die (Juanidin-
wirkung ist also eine reversible (Fiilmer).
Abderhalden, Handlnich der biochemischen Arbeitsmethoden. V. 6
82
H. Fühner.
Zu bemerken ist, daß die Guanidinzuckungen durch Calciumchlorid.
ähnlich wie diejenigen, welche durch Natriumchlorid am isolierten Muskel
hervorgerufen werden, unterdrückt werden können. Es ist darum zweck-
mäßig, für die Guanidinversuche keine stärker kalkhaltige Ringerlösung
als die auf S. 79 angegebene zu verwenden. Die Guanidinzuckungen werden
ferner unterdrückt durch Curarin und andere Substanzen mit Curarin-
wirkung (q u a r t ä r e A m m o n i u m v e r b i n d u n g e n). Über Substanzen, Avelche
die gleiche Wirkung wie das Guanidin besitzen, vgl. den Guanidinnachweis
am ganzen Frosche.
Bei allen Prüfungen auf Guanidin ist der Gastrocnemius des einen
Beines als Kontrollpräparat in Pdngerlösung zu legen und nur der
zweite in die zu prüfende Flüssigkeit zu verbringen.
2. Der Nachweis von Veratrin.
Das Veratrin läßt sich besser und mit weniger Substanz am iso-
lierten Gastrocnemius als am ganzen Tiere (s. d.) nachweisen, gleichfalls
Fis. 38.
Kana esculenta. 35 3. Männlieh. Isolierter Muse, gastrocnemius. o Normale Zuckungen. 6 Nachdem
5 Minuten in Veratrin HCl 1 : 1 Million eingehäugt. Zeit = Sekunden.
unter Verwendung von Einzelinduktionsschlägen. Der Muskel kann hierbei
wieder, wie angegeben, präpariert und zu Anfang der Prüfung in einen
mit Ringerlösung gefüllten Zylinder eingehängt werden. Die Zuleitung des
Stromes erfolgt einerseits durch einen Lamettafaden, welcher an dem vom
Muskel zum Schreibhebel führenden Draht angeschlungen wird, anderseits
durch den in einem Hartgummistück isolierten, als Muskelhalter dienenden
Nachwpis und Bestininiunir von Gifton auf biologischom Wege.
öo
winkelig gebogenen Draiit. an dessen freiem Ende eine Klemmschraube
befestigt werden kann.
Die Reizung erfolgt wieder wie l^eim ganzen Tier mit (")ffnuiig.s- oder
Schließungsinduktionsschlägen alle '6 — 5 Sekunden. Wie Fig. ;i8, Kurve «
zeigt, welche unter diesen Bedingungen aufgenommen wiu'de, zeichnet man
erst, solange der Muskel in Ilingerlösung sich befindet, eine Serie normaler
Fig. 89.
Fcuchtu Kammer mit KtTvmuskelpraparut.
Muskelzuckungeii auf bei langsamem Trommelgang. Dann verbringt man den
Muskel in die aufVeratrin zu prüfende Lösung. Enthält diese Veratrin im
Verhältnis 1 :1 Million in Ilingerlösung gelöst, so kann man schon nach
Ö Minuten eine Serie dikroter (zweigipfeliger) Zuckungen bekommen, wie
in Fig. ;)8 /;. In dieser Versuchsanordnung braucht man I<) — 20 o;»^
Veratrinlösung obiger Konzentration (=1 100- 2 100 m^tj) zum positiven
Ausfall der Reaktion.
6»
84 H. Fühner.
Man kann aber an empfindlichen Muskeln kleiner gesunder Wasser-
frösche noch mit 1 cui^ einer Lösung von salzsaurem Veratrin 1 : 500.000
bis 1 : 1 Million (= 1/500 — 1/1000 mg) den charakteristischen Veratrin-
effekt hervorbringen, Avenn man die isolierten Gastrocnemien nicht in die
Lösung einhängt, sondern mit derselben bepinselt. Dies geschieht am besten
in einer „feuchten Kammer", in welcher der Muskel aufgehängt wird
und in der zugleich die elektrische Reizung vorgenommen werden kann.
Fig. 89 zeigt eine solche Kammer, welche sowohl zur direkten
Muskelreizung, wie sie hier zur Verwendung gelangt, als auch zur in-
direkten Reizung des Muskels vom Nerven aus (vgl. Curarinnachweis) Ver-
wendung findet.
Die in der Abbildung wiedergegebene Kammer besteht aus einer
Glasglocke, welche in die kreisförmige Rinne eines Hartgummitellers paßt.
Ein an diesem angebrachter Metallstiel ermöglicht die Befestigung am
Stativ. In der Kammer befinden sich zwei in der Höhe verstellbare kleine
Stative, eines zur Fixierung des Muskels, das zweite zum Halten des Nerven
am Nervmuskelpräparat bestimmt. Die zwei (in der Zeichnung) hinteren
Klemmschrauben dienen der Zuleitung des elektrischen Stromes zum Muskel,
die zwei vorderen zum Nerven. Am Muskelpräparat wird, wie aus der Ab-
bildung ersichtlich, ein Stück des Oberschenkelknochens zum Festklemmen
in der Stativkammer belassen. Das kleine Stativ ist mit der einen Klemm-
schraube metallisch verbunden. Die zweite Zuleitung vermittelt ein Lametta-
faden von der zweiten Klemmschraube zum Muskel. Boden und Wände der
Kammer werden zum Teil mit nassem Filtrierpapier belegt, um den Muskel
vor dem Austrocknen zu schützen. Der Schreibhebel befindet sich in dieser
Versuchsanordnung unter der Kammer. In einer Entfernung von 3 — 5 mm
von der Achse kann der Muskel für den Veratrinversuch mit 50 — 70 g
belastet werden.
Fig. 40 zeigt in der oberen Reihe zwei durch Einzelinduktions-
schläge ausgelöste Einzelzuckungen eines normalen unvergifteten Gastro-
cnemius. In der unteren Reihe eine Einzelzuckung, aufgezeichnet 5 Minuten
nach Bepinseln der Oberfläche des Muskels mit einem in Veratrinchlor-
hydrat (1:500.000 in Ringerlösung) getauchten Haarpinsel. Die Kurven
sind bei raschem Trommelgang aufgenommen. Natürlich können auch in
dieser Versuchsanordnung Reihen wie in Fig. 38 aufgenommen werden.
Nach je etwa 5 Minuten Pause läßt sich wieder eine neue charakteristische
Reihe mit allmählich abnehmender Zweigipfeligkeit der Zuckungen auf-
nehmen. Der Veratrineffekt läßt sich auch bei kleinen Veratrinmengen
stundenlang zeigen. Veratrinlösungen, welche stärker sind als 1 : 100.000,
eignen sich weniger gut zur Herbeiführung des charakteristischen Vera-
trineffektes. In Lösungen des salzsauren Salzes der Konzentration 1 : 10.000,
in welche Gastrocnemien eingehängt werden, geht die Erscheinung bald
vorüber. In Lösungen 1 : 1000 und auch schon 1 : 10.000 zeigen die Mus-
keln beim Einhängen tonische Kontraktion wie in Nicotinlösung. Nachdem
das Maximum der Kontraktion erreicht worden ist, bleibt der Muskel nicht
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
Rn
etwa in dieser Kontraktionsstollunf? wie i)eiin Nicotin, sondern zoifrt Tonus-
schwanknniien M, so dal) der Schreibhehel eine Wellenlinie aufzeichnet, wo-
bei sich die Kontraktur lanj^sani wieder löst.
Antagonistische Beeinflussung des Veratrineffektes ist heohachtet
worden durch Kaliumchlorid (Biichanan), Äther (Locket und Stro-
p h a n t h i n (La wjley) .
Fig. 40.
Kana esculenta. 35 j/. Männlich. Isolierter Miisc. gastrocneinius in feuchter Kammer.
a 2 normale Zuckungen, b 1 Zuckung ü Minuten nach Bepinpelu mit Veratrin HCl 1 : 500.000.
Bei (-f-) Kyniographiou arretiert. Zeit = Sekunden.
Über veratriniihnliche Wirkung- bei anderen Substanzen vgl. die An-
gaben bei Nachweis des Giftes am ganzen Frosche.
3. Der Nachweis von Coffein und Theobromin.
Die pharmakologisch wichtigen Purinderivate. Coffein. Theobromin
mid Theophyllin. las.>^en sich biologisch durch eine Heaktion am Skelett-
*) C. G. Saittcüson, Kiniirfs iilicr die Wiikuiis: des (ily/erins und des V'onitrins
auf die quergestreifte Muskelsubstanz (Frosch). Skandiauv. Arch. f. i'li\si.d. IM. 14.
S. 20 (19Ü3).
86
H. Füll n er.
muskel des Frosches charakterisieren, welche zwar nicht sehr empfindlich
ist, aber dennoch unter Umständen zum Nachweis dieser Substanzen Ver-
wendung finden kann, da dieselben, sobald sie toxikologische Bedeutung
gewinnen, auch schon in größeren Mengen vorhanden sein müssen.
Die Reaktion besteht darin, daß die Purinderivate, voran das Coffein,
den Skelettmuskel in einen Zustand der Verkürzung und Starre ver-
setzen, eine Erscheinung, welche derjenigen der Totenstarre oder der Er-
starrung durch Wärme an die Seite zu stellen ist. Wie hier, so findet
auch bei der Ausbildung der ,,Coffeinstarre" ein Gerinnungsvorgang
im Innern der Muskelfibrille statt, wobei der erst durchsichtige Inhalt
unter Wasseraustritt undurchsichtig wird.
Legt man einen ganzen Musculus gastrocnemius eines Grasfrosches
in eine starke, etwa l^/oige Coffeinlösung (in Ringerlösung) ein. so beob-
achtet man maximale Kontraktion, Hart- und Undurchsichtigwerden des
Fig. 41.
Rana temporaria. Muskelzupfpräparat. A normal. B nach Coffeineinwirkung. Vergr. SOfach.
Muskels. Auch noch beim Einlegen des Muskels in eine Lösung 1 : 1000
findet allmählich Kontraktion desselben statt. Doch ist der Gerinnungsvor-
gang unter diesen Bedingungen schlecht zu beobachten. Gut verfolgen läßt
sich derselbe nur an den isolierten Muskelfasern, an einem „Zupfprä-
parat" des Muskels. Zum Nachweis der Purinderivate sind Muskeln des
Grasfrosches zu verwenden, da an ihnen die Erscheinung noch in größerer
Verdünnung ausgelöst wird als an Muskeln des Wasserfrosches.
Ausführung der Prüfung. Von einem kleinen munteren Gras-
frosche stellt man ein von der Haut befreites Präparat der Hinterbeine
her und verbringt dasselbe in eine feuchte Kammer (Petrischale mit wenig
Ringerlösung). Entsprechend der Längsrichtung der Muskulatur des Ober-
oder Unterschenkels schneidet man ein etwa ^2 c"^ langes Stückchen aus
irgend einem Muskel aus, verbringt es auf ein Uhrglas und zerfasert es
in einem Tropfen Ringerlösung mittelst zweier Präpariernadeln. Fig. 41^
Naclnveis uiul Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. g7
zeigt bei etwa 80f:\rhor Voroninonino- einen Ausschnitt aus einem so ge-
wonnenen Zupf Präparat. (Jiltt man liier/u einen Tropfon Coffcinlösunti:, so
beüi)achtet man unter dem Mikroskop rasclu's /usaninH'nkriimiiK'n und
sofortiges Undurchsichtigwerden der anfänglich geraden und durchscheinen-
den Muskelfasern. Das Präparat nimmt die Form an, wie dies inKig. 41i^
dargestellt ist. Nach SchiuiedcOerf/^) genügt eine Coffeinkonzentration
1 : 4000 zur Auslösung des (ierinnungsvorganges. Nach P)estimmungen von
JacobJ und GoIoirhisJd") an den Doppelsalzen mit Natriumsalicvlat ist das
Theobromin etwa halb, das Theophyllin etwa ein Viertel so wirksam
als das Coffein an den Muskelfibrillen von (Trasfröschen.
b) Prüfungen am Nervmuskelpräparat.
Der Nachweis von Curarin.
Das Nervmuskelpräparat des Frosches, bestehend aus dem Musculus
gastroenemius und dem diesen innervierenden Nervus ischiadicus,
soll hier lediglich in seiner Verwendung zur Charakterisierung von Sub-
stanzen mit Curarin Wirkung besprochen werden. Das Nervmuskelprä-
parat besitzt hierzu dem ganzen Frosche gegenüber den \'orzug, dali man
die Curarinwirkung graphisch registrieren kann und daß sich hierbei noch
geringe Grade der Curarinwirkung, welche nicht /.nv völligen peripheren
Lähmung des Tieres führen, als solche kennzeichnen lassen.
Reizt man den mit seinem Nerven in Zusammenhang präparierten
Musculus gastroenemius eines gesunden kräftigen Frosches rhythmisch in-
direkt (d. h. vom Nerven aus) alle 2 — )') Sekunden mit Einzel-(()ffnungs-
oder Schließungs-llnduktionsschlägen, so bekommt man bei graphischer
Registrierung eine nur äußerst langsam absinkende Reihe von Zuckungen.
Der Anfang einer solchen Reihe nahezu gleichhoher Zuckungen ist in
Fig. 42 a wiedergegeben. Eine ähnliche Reihe erhält man auch bei direkter
Reizung des Muskels (Fig. 42 c). Anders beim Frosche nach Curarinver-
giftung. Stellt man hier ein Nervmuskelpräparat her zu einer Zeit, in
welcher der Frosch noch nicht vollständig perii)her gelähmt ist, und reizt
rhythmisch vom Nerven aus, so erhält man statt der langgestreckten, oft
erst nach mehrstündiger Reizung langsam absinkenden Reihe stark ver-
kürzte sogenannte ..Ermüdungsreihen". Der vollständigen Lähmung der
motorischen Nervenenden geht nach Boehm ^) ein Stadium leichter Ermüd-
barkeit derselben voraus und dieses kann zum Nachweis von Substanzen
mit Curarinwirkung verwertet werden.
*) 0. Schmiedeherg, Grundriß der Pliarmakologie. Ij. Aufl. Leipzig löUD. S. i)5.
*) C. Jacobj und Golowinsk-i, Ein Beitrag zur Frage der vcrscliiedenen Wirkung
des Coffeins auf Rana esculenta und Rana temporaria. Aroli.f. exp. I'atliol.u. riiaruiakol.
Supplement. 1908. S. 293.
•') Ji. liorhni, Einige Beoliaclitungon über die Nerveueudwirkungen des Curarin.
Arch. f. oxp. Patliol. u. riiarmakol. Bd. 35. S. H; (IS'.I.')).
88
H. F (ihn er.
Fie.
Will man derartige Ermüdungsreihen
42 6 wiedergegeben ist, so muß man
erhalten , wie eine solche m
das Nervmuskelpräparat des
FiR. 42.
Frosches herstellen, solange das Tier noch nicht reflexlos ist, also Reiz-
übertragung vom Nerven auf den Muskel noch erfolgt. Bei Injektion läh-
mender Giftmengen muß weitere Giftzufuhr zum Nervenende durch Unter-
brechung der Zirkulation, etwa 20 — oO Minuten nach Injektion der Lösung
in den Brustlymphsack, verhindert werden, zu einer Zeit, wo das Tier
noch vermag, sich
aus der Rückenlage
umzuwenden. Ist der
Frosch hierzu nicht
mehr imstande , so
bekommt man bei
Applikation von Ein-
zelinduktionsschlä-
gen am isolierten
Nervmuskelprä parat
vom Nerven aus
meist keine Zuckun-
gen mehr.
Zu dem Ver-
suche bedarf man
einer gut funktionie-
renden Abblendungs-
vorrichtung, um den
Muskel teils direkt,
teils indirekt rhyth-
misch alle 2 — o Se-
kunden durch Öff-
nungs- oder SchUe-
ßungsinduktions-
schläge reizen zu
können. Neben dem
Abblender ist ein
Stromwender (Wip-
pe), eine feuchte
Kammer, Induktions-
apparat, Quecksilberschlüssel und Akkumulator erforderlich.
Die Versuchsanordnung ist in Fig. 43 dargestellt. Der primäre
Stromkreis verbindet den Akkumulator (Ä) mit Quecksilberschlüssel (S),
primärer Rolle (1,) und zwei Polen des Frankschen Abblenders (Ab);
der sekundäre Stromkreis verbindet die sekundäre Rolle des Induktions-
apparates (L) mit den beiden anderen Polen des Abblenders. Von diesen
Polen führen außerdem zwei Drähte zu der Wippe ( W), und zwar zu den
Quecksilbernäpfen 1 und 2. Von der Wippe gehen von den Quecksilber-
'Kana esculenta. 65 g. Weiblich. 2 Nervmuskelpräparate nach Curarinvergiftung.
a Nervenreizung am normalen, 6 am vergifteten Präparat, c Direkte Mnskel-
reizung am vergifteten Präparat, 3 Sekunden-Öffnungsschläge.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
89
Kig. 43.
Ky
H
-rm
■,Ö ,''■
näpfen 3—6 vier Drähte zu den Klemmschrauben der feuchten Kammer (A7/
und Fiii'. ;59). Davon führen (in der Fiy-.4;3) die Drähte von Napf 3 uml 4
zum kleinen Stativ in der Kammci-. \velches den Nerven (Xj träp:t. wäh-
rend die Drähte, welche von Napf '> und G ah^'ehen, der Stromzufüliruiig
zum .Muskel (M) dienen. Diese geschieht einerseits durch das kleine, den
Muskel tragende Stativ, andrerseits durch einen, Klemmschraube und
Muskel verbindenden, ausgeglühten Lamettafaden (L). Der Abblendcr.
welcher in der Muffe eines Stativs befestigt ist, wird am besten mit einem
langsam gehenden Elektromotor in Umdrehung versetzt, und zwar für den
Curarinnachweis so, daß
eine Umdrehung in 2
oder 3 Sekunden erfolgt.
Herstellungdes
Nervmuskelpräpa-
rates. Nachdem der in
den Brustlymphsack in-
jizierte Frosch begin-
nende Lähmung zeigt,
wird der Kopf abge-
schnitten und das Rü-
ckenmark zerstört. Dann
schneidet man das Tier,
nach Eröffnung der
Bauchhöhle und Ent-
fernung der Eingeweide.
unter den Armen durch,
zieht die Haut von dem
Hinterkörper ab und
legt zur weiteren Prä-
paration auf eine reine
Glasplatte. Hier entfernt
man noch etwa vorhan-
dene Eingeweidereste
(Niere, Blase) und legt
dadurch die beiden aus
der ^Yirbelsäule austre-
tenden und nach den
Hinterbeinen ziehenden glänzenden Nervenstränge frei (vgl. Fig.öl)). Mit oinem
Scherenschnitt halbiert man nun die Wirbelsäule unter Schonung der Nerven-
stränge und verlängert diesen Schnitt genau median durch das Becken des
Frosches hindurch. Bei der Schnittfühning durch das I5ecken werden die Hinter-
beine zweckmäßig in der Schenkelbeiige maximal nach oben gebeugt. Wird
der Schnitt nicht genau durch die Mitte des Beckens geführt, so wird
leicht das Nervenbündel der einen Seite verletzt. Das eine Bein wird nun
in eine Petrischale mit etwas Bingerlösung gebracht, während von dem
Yersncheanordnung zur rhythmischen elektrischen Keizunir de«
Nervmuskelpräparatos mit Öffnungs- oder .Schlii-Uunnsinduktious-
schlagen.
90
H. Fühner.
anderen das Nervmuskelpräparat hergestellt wird. Das Aussehen des
fertigen Präparates ist aus Fig. 44 B zu entnehmen. Zur Präparation
schiebt man die Schere an der AustrittssteUe der Nerven aus der Wirbel-
säule platt unter denselben durch und schneidet die Wirbelsäule quer ab,
so daß ein Stück derselben (a) mit dem Nervenstrang in Zusammenhang
bleibt. Dieses Stück erfaßt man mit der Pinzette und präpariert den Nerven-
strang frei, soweit er im Becken verläuft. Dann dreht man das Präparat
auf die Bauchseite um, damit man den Nervus ischiadicus am Oberschenkel
isoüeren kann. Zu dem Zwecke zieht man die Muskulatur des Oberschenkels
auseinander (vgl. Fig. 44 Ä) , geht mit dem stumpfen Scherenblatt unter
dem Nerven durch und durchschneidet die Muskulatur des Oberschenkels
und den Oberschenkelknochen fc)^ dessen halbe Länge mit dem Knie in Ver-
Fig. 44.
Herstellung des Nervmnskelpräparates.
bindung bleiben muß. Der Nerv wird durch kräftiges Auseinauderziehen
der Muskulatur nach obenhin weiter verfolgt und freigelegt und die Ver-
bindung mit dem Beckenstücke durch Entfernung der noch vorhandenen
Muskel- und Knochenteile hergestellt. Die kleineren Seitenäste des Nerven-
bündels werden abgeschnitten (Fig. 44 5 in der Nähe von b) und schließ-
lich auch die den Nerven begleitende schwarz aussehende Arterie entfernt. Am
Oberschenkel wird der Nerv dann bis zu seiner Gabelung und diese weiter-
hin bis zum Knie verfolgt. Während der ganzen Präparation darf der Nerv
niemals mit der Pinzette erfaßt werden. Als Handhabe dienen immer
entweder das Stück noch vorhandener Wirbelsäule oder Ober- und Unter-
schenkel. Der Nerv wird jetzt auf ein mit Piingerlösung getränktes Watte-
stück gelegt und der Oberschenkelknochen von den ihn noch umgebenden
Muskelstücken bis zum Knie befreit. Dann wird der Musculus gastro-
cnemius (d) in früher (S. TSj angegebener Weise im Zusammenhang mit
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. 91
der Achillessohne (e) präpariert und der Unterschenkel untcrlialh des Knies
abfjeschnitten. Das fertifie Xervmuskelpräparat wird vermittelst des Ober-
schenkelknochens in der Stativkhunnier der fenchten Kammer l)efesti<:t,
nachdem vorher noch ein Ilaken in der Achillessehne angebracht wurde.
Der Nerv wird über die P'dektroden des für ihn bestimmten Ilartiiummitroges
gelegt und in seiner ganzen Länge bis zum Beginn des Versuches mit in
liingerlösnng getränkter Watte bedeckt. Der Muskel ( Fig. 4;> M) wird durch
ein Stück Draht mit dem unterhalb der feuchten Kammer befindlichen
Schreibhebel (H). der in der Nähe der Achse (H) mit öO— TO.r/ (di belastet
ist, verl)un(len, außerdem in der Kammer mit dem zweiten Pol durch einen
Lamettafaden (L).
Zu Beginn des Versuches stellt man die Wippe erst so ein, daß
der Muskel elektrisch gereizt wird. Man stellt die sekundäre Rolle des
Induktionsapparates zunächst möglichst weit entfernt von der j)rimären und
nähert dann so lange, bis der Muskel auf der berußten Fläche des Kymo-
graphions ^/Ty; maximale Zuckungen aufzeichnet. Maximal sind die Zuckungen
z. B. bei Rollenabstand 12 oder 10 on, wenn diesell)en auch bei wei-
terer Annäherung, z. B. bei 6 oder 7 cm, nicht mehr höher werden. Die
Reizung des Muskels darf nur so stark sein, daß sich keine Kontraktur
desselben ausbildet. Diese Erscheinung besteht darin, daß der Muskel sich
bei übermaximalen Reizen nicht mehr auf seine ursprüngliche Länge aus-
dehnt. Nachdem man festgestellt hat, daß die N'ersnchsanordnung keine
Störungen aufweist und der Muskel bei etw^a 10 cm Rollenabstand bei
direkter Reizung maximale Zuckungen gibt, schaltet man die Wippe um
auf die Nervenreizung. Bei unvergiftetem Nerven bekommt man von diesem
aus Zuckungen des Muskels bei viel größerem Rollenabstand als bei di-
rekter Muskelreizung. Beim mit Curarin teilweise vergifteten Präparat
wird man erst vielleicht bei 10 oder 15 cm Rollenabstand maximale
Zuckungen vom Nerven aus erhalten. Nachdem man diese Grenze mög-
lichst rasch festgestellt hat, läßt man bei ihr eine erste ..P>müdungsreihe"'
aufzeichnen. Zeigt der Muskel nur noch schwache Zuckungen , so öffnet
man den Quecksilberschlüssel und läßt das Präparat 10 Minuten lang sich
erholen. Dann wird eine zweite und nach abermaligen Pausen eine dritte
und vierte Reihe aufgezeichnet. Die Reihen werden jedesmal kürzer.
Schließlich bekommt man selbst bei völlig übereinandergeschobenen Rollen
des Induktionsapparates keine Zuckungen mehr. Man reizt dann den Muskel
statt mit Finzelinduktionsschlägen mit kurz dauernden tetanisierenden
Strömen anfangs bei etwa 10 cm Rollenabstand. Scbließlich werden auch
diese Reize unwirksam und das Nervmuskeli)räparat ist indirekt völlJLr un-
erregbar geworden. Jetzt zeichnet man wieder mit Kinzelinduktionsschbigeii
bei direkter Muskeheizung eine längere Reihe auf. um sich von der In-
taktheit des Muskels zu überzeugen. Ist die Vergiftung des Frosches zur
Zeit seiner Präparation schon zu weit vorgeschritten, so bekommt man
bei Einzehnduktionsschlägen selbst bei völlig übereinandergeschobenen KolifU
des Induktionsapparates keine Zuckungen mehr. Meist ist aber dann wenig-
stens die tetanisierende Reizung noch wirksam.
92
H. Fühner.
Hat man niu' Giftmengen zur ^^erfügung, welche nicht zur völligen
Lähmung des Frosches führen, so wird man am besten bei dem zur Prü-
fung dienenden Frosche erst das eine Bein nach Cl. Bernard (vgl. S. 59, 60)
präparieren, dann den Frosch vergiften und nach etwa 1 Stunde die Nerv-
muskelpräparate herstellen. Man prüft erst das vergiftete, dann das durch
die Ligatur vor der Gifteinwirkung geschützte Bein. Auf diese Weise wer-
den auch noch geringe Grade von Curarinwirkung festgestellt werden
können. Die in Fig. 42 wiedergegebenen Kurven sind in dieser Weise,
allerdings unter Verwendung lähmender Curarinmengen, von demselben
Wasserfrosche gewonnen.
c) Prüfungen am Herzmuskel.
Das isolierte Herz des Frosches soll hier in seiner Verwendung
zum Nachweis von Digitalisprodukten, von Aconitin und Muscarin
und zur quantitativen Bestim-
FiR. 45.
mung des letzteren bespro-
chen werden.
Zur Herstellung des Prä-
parates verwendet man am
besten große Wasserfrösche
(60 — 100 g). Bei einiger
Übung gelingt die Einführung
einer Kanüle in das pulsie-
rende Herz aber auch an
kleineren Tieren.
AnfertigungdesPrä-
parates. Zur Isoüerung des
Herzens braucht man neben
einer Hakenpinzette und einer
größeren Schere zwei feine
Pinzetten und eine feine
Schere. Dann ist starker
Leinenfaden, Herzkanüle und
Herzklammer weiterhin nötig.
Das isoKerte Herz wird in
einer Glaskammer (Fig. 52)
befestigt, an deren Boden
Eingerlösung sich befindet,
durch welche Sauerstoff perlt.
Die Herzbewegung wird auf
einen leichten Schreibhebel übertragen, welcher sie auf der berußten
Papierfläche des Kymographions in gewünschter Vergrößerung aufschreibt.
Unter der Herzkurve wird die Zeit aufgezeichnet.
Vor Beginn der Präparation füllt man eine kleine Kristalüsierschale
mit Ptingerlösung und legt in dieselbe die der Größe des Frosches ent-
Präparation des Froschherzens. I.
Nachweis uiitl Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
9a
sprechende Herzkanüle (Fiii. 49), damit sie sich iu ihrem unteren
Drittel mit liiniierlösuiit'- füllt. Aulienloin le^t man zwei je etwa 20 cm
lange Leinent'ädeii zurecht zum Al)binden des Herzens. Dann ergreift man
den Frosch mit der einen Hand, führt die Schere in das Maul ein und
schneidet den Kopf ab, wobei der Unterkiefer stehen bleibt. Nach Zer-
störung des Rückenmarks wird der Frosch auf einen gewöhidichen Teller
gelegt, wobei der l'nterkiefer zweckmäßig auf dem Tellerrand aufliegt. Das
Tier ist mit der Kopfseite zunächst dem Operierenden zugekehrt. Mit einer
Hakenpinzette erfaßt man die Haut am Unterkiefer und präpariert mit der
Fig. in.
Schere einen großen
und breiten Haut-
lappen (Fig. 45 d),
welcher über den
Bauch umgelegt wird.
Zur Entfer-
nung des für das
Herz schädhchen
Hautsekretes wird
die Schere nunmehr
abgewaschen. Dann
wird das obere knor-
pehgeEnde des Brust-
beins fa^ mit gewöhn-
licher Pinzette erfaßt
und in der Mitte
gespalten. Dieser
Schnitt wird weiter
nach unten hin durch
das Brustbein (b, c)
vei'längert, wobei der
stumpfe Ast der
Schere dicht unter
dem Knochen vor-
geschoben wird. Der
Schnitt wird in die Bauchmuskulatur fortgesetzt, in welche dann zwei seit-
liche Einschnitte zur Erweiterung der Lücke gemacht werden. Dem gleichen
Zwecke dient das hierauf folgende Abtragen des Brustbeins auf beiden Seiten
bis zu den Knochen der oberen Extremität (Fig. 4(j./'). Hierbei ist darauf
zu achten, daß die Leber und namentlich die daransitzende (iallenblase nicht
verletzt wird. Nunmehr wird der Teller umgedreht, so dali die Kopfseite des
Frosches vom Operierenden abgekehrt ist. ri)er dem pulsiereniien ller/en
sieht man als dünne durchsichtige Haut den Herzbeutel, der manchmal bei
der Durchtrennung des Brustbeins schon angeschnitten wird. Diesen erfaßt
man an irgend einer Stelle mit feiner Pinzette, .schneidet, sofern er nech
unverletzt, eine Öffnung in (lenseli)en, die man dann nach oben hin er-
Präparation des FroschherzeuB. IT.
94
H. Fühner.
weitert, so daß der Herzbeutel bis oben an seine Anheftungsstellen an den
Aorten vollständig gespalten ist und das Herz (ö? = Vorliof, e =; \'entrikel)
frei daliegt. Bemerkt sei noch, daß manchmal die Lungen prall gefüllt sind
und die weitere Präparation des Herzens stören. Nach einem kleinen Ein-
schnitt fallen dieselben zusammen.
Die beiden Aortenbögen (Fig. 46 a und b) kommen aus einem gemein-
samen Stamme, der seinerseits aus dem Bulbus cordis (c) hervorgeht.
Unter der Verzweigungsstelle der Aorta schiebt man eine feine Pinzette
vorsichtig durch, erfaßt mit derselben den einen bereitliegenden Faden
und zieht ihn unter dem Gefäße hindurch. Die beiden Fadenenden schlingt
man schon, wie in der Figur sichtbar, übereinander, um später die
Ligatur rascher anlegen zu können. Man erfaßt dann eine kleine Stelle der
Wand des linken Aorten-
^'^ *^- bogens mit feiner Pinzette
und schneidet mit feiner
Schere das Gefäß an. Die
Öffnung muß so groß sein,
daß man mit der Kanüle be-
quem eingehen kann. Hierzu
hält man mit der linken Hand
den Zipfel der blutenden
Aorta, mit der rechten Hand
führt man die zum Teil mit
Ringerlcsung gefüllte und
durch einen Finger oben ver-
schlossene Kanüle in den Spalt
ein (vgl. Fig. 47).
Sobald man mit der
Kanüle bis in den Bulbus ein-
gedrungen ist, ist der Ver-
schluß derselben nicht mehr
nötig. Man erfaßt nunmehr mit der Pinzette der linken Hand den Herz-
beutel an der Stelle der Vereinigung beider Aorten und versucht mit der
rechten die Kanüle vom Bulbus in den Ventrikel vorzuschieben (in der
Richtung des Pfeiles !). Dies gelingt dem Ungeübten nicht leicht. Man muß
hierbei den Widerstand der Herzklappe über\\inden. Doch nicht mit Gewalt
bohrend, sondern durch vorsichtiges Vor- und Zurückschieben der Kanüle.
Man dringt in das Herz leicht und ohne Beschädigung desselben ein im Mo-
ment der Systole, d. h. wenn der Ventrikel seineu Inhalt auspreßt und die
Klappe geöffnet ist. Man muß suchen, die Kanüle nach hinten und zugleich
nach der linken Seite (des Frosches) vorzuschieben. Am besten übt man sich
erst an toten Fröschen, bevor man die IsoUerung am lebenden Tier versucht.
Das Eindringen der Kanüle in den Ventrikel gehugt mit einem Schlag.
Man muß dann darauf achten, daß dieselbe nicht wieder herausgleitet, was
beim nunmehr vorzunehmenden Zuziehen der Fadenschlinge um die Aorta
Präparation des Froschherzens. III.
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
95
leicht vorkommen kann, namentlich wenn der ausgezogene Teil der
Kanüle für das vorhegende Froschherz zu kurz ist. Hevor man die Li-
gatur fest zuzieht, überzeugt man sich davon, dal'» die Kanülenspitze tat-
sächlich in den Ventrikel hineinragt, durch vorsichtiües Betasten (W^ Ven-
trikels mit einem Finger. Man kann die harte Kanüle durch die Ilcrzwand
hindurch leicht fühlen. Über dem ersten Knoten der Ligatur schlingt man
einen zweiten, zieht fest an und schneidet die Fäden ab. Das Herz pulsiert
an der Kanüle, in ^velche zum Teil Blut eingedrungen ist. das bei richtiger
Lage der Kanüle sich auf und ab bewegt. Man entleert das Blut aus der
Kanüle mit einer in dieselbe passenden Pipette (Fig. 51) und ersetzt es
5 — 6maUger Blutentnahnie und Ersatz durch
Fig. 48.
durch Ringerlösung. Nach
Ringerlösung gelangt
nur noch wenig Blut in
die Kanüle aus dem
Herzen. Man schneidet
dann, indem man die
Kanüle hochhebt . zu-
nächst die beiden Aorten
ab. dann ein feines Ge-
fäül)ändchen , welches
von hinten her an den
Ventrikel geht, das Fre- ^
nulum, und endlich die
in den Sinus venosus
(Fig. 48 c) einmündende
Hohlvene (d). Hierbei
mul'i man die Kanüle
• in horizontaler Lage
möglichst hoch halten
und dann die Vene mög-
lichst tief nach unten
abschneiden. Vorzuzie-
hen ist die Anlegung
einer zweiten Ligatur
um die Hohlvene, bevor man sie abschneidet, da bei länger dauernden \'er-
suchen ein Undichtwerden der anfänglich gut schließenden \'()rhofklai)pen
vorkommt. Der Ungeübte läßt sich zur Anlegung dieser Ligatur am besten
die Herzkanüle durch einen Assistenten in die Höhe halten, legt erst eine
weite Fadenschlinge um die Vorhöfe (bj und schiebt diese Schhnge, sie
mit zwei Pinzetten allmählich zuziehend, immer mehr nach hinten, .^o
daß der Venensinus möglichst vollständig am Herzpräparat verbleibt. Ist
die Ligatur gelegt und mit zweitem Knoten versehen . so werden die
Fäden abgetrennt und unter der Ligatur das (Jeweite durchschnitten. Bei
einiger Cbung kann man die Ligatur auch allein anlegen. Zu dem Zwecke
spannt man Hohlvenensinus und Hohlvene bei Anlegung der Ligatur mög-
Präparation des Froschherzens. IV.
96
H. Fühner.
Fig. 49.
Fig. 50.
liehst dadurch an, daß man die Kanüle, wie in der Figur ersichtlich ist,
quer über die Kehle legt.
Durch wiederholtes Aussaugen mit der Pipette und Einfüllen von
Ringerlösung ersetzt man das noch vorhandene Blut durch die Salzlösung,
welche bei gelungener Präparation des Herzens , bei der allmählich regel-
mäßig wiedereinsetzenden Herztätigkeit, in der Kanüle auf und absteigt.
Man entfernt die vorhandene Lösung in der Kanüle solange sie noch
rötlich gefärbt erscheint, da selbst geringe Blutreste Anlaß zu Gerinnsel-
bildung geben und die Kanüle zum Teil verstopfen können. Bewegt sich
bei kräftiger Herztätigkeit die Flüssigkeit in der Kanüle nicht
entsprechend mit, so ist die Kanüle in ihrem engen Teile ver-
legt. Dies kann geschehen durch Blutgerinnsel oder durch Luft-
blasen, oder dadurch, daß die Kanüle zu tief in dem Ventrikel
steckt, so daß die Herzwand das Kanülenende klappenartig
verschließt. Luftblasen kann man durch Aussaueen mit der
Pipette entfernen, oft auch Blutgerinnsel. Steckt
die Kanüle zu tief im Herzen, so sucht man
das Herz etwas mehr an der Kanüle herabzu-
schieben. Ungenügendes Pulsieren in der Kanüle
wird natürlich auch dann beobachtet werden,
wenn die Kanülenspitze nicht bis in den Ven-
trikel hineinreicht. Nach Abnahme der ersten
Ligatur gehngt es dann noch manchmal, die
Kanüle tiefer in den Ventrikel vorzuschieben.
An der Herzspitze wird nunmehr die aus
Federdraht gebogene Herzklammer (Fig. 30«),
die mit einem Faden versehen ist, festgeklemmt.
Die Herzklammer muß genügend breite Enden
haben, die den Herzmuskel beim Festklemmen
nicht verletzen. Kanüle, daneben Kanülenende
mit daran festgebundenem Herzen mit Herz-
klammer sind in Fig. 49 und 50 in natürlicher
Größe wiedergegeben. Zur Herstellung der Herz-
kanülen ist hier zu bemerken, daß dieselben
Herzkanüle. , . . . -ui-i i
(Nat. Größe.) am bcstcu m emem Mikrobrenner ausgezogen
und mit einer kleinen Verdickung versehen
Isoliertes Herz.
werden, welche aber auch fehlen kann. Nach dem Ausziehen wird das
Ende der Kanüle auf feinem Schmirgelpapier schräg abgeschliffen. Um
das Abgleiten des Herzens von der Kanüle zu verhindern, wird das Ende
derselben mit Glasätztinte etwas rauh gemacht. Die in Fig. 51 ver-
kleinert wiedergegebene Pipette wird aus einem weiteren Glasrohr aus-
gezogen, mit einem Stück Gummischlauch und kleinem Kork versehen.
Das kapillare Ende der Pipette wird so lang gelassen, daß beim maxi-
malen Einführen der Pipette in die Herzkanüle das Pipettenende bis in
das Kanülenende reicht, aber nicht darüber hinau.s, weil sonst das Herz
Nacliwcis und Bestimmung,' von (üftcn auf biologischem Wege.
f»?
leicht durchstochen wird. Je weiter die Pipette aber in das Kaniilenende
vorreicht, desto hesser laut sich mit derselhon der llcrzinhalt ciitlecrfn.
Die llerzkanüle mit dem pulsierenden Heizen wird in dem Kork der
Herzkammer (Fig. 52) befestigt, der Fach-n durch die untere (')ttiiung
der Herzkammer gezogen und durch einen Drahthaken mit (h-m mogHchst
entlasteten Schreibhebel verbunden. Sauerstoffzufuhr durch die am Boden
der Herzkammer befindliche Kingerlösung erweist sich namentheh am Anfang
des \'ersuches als nützlich, um das Herz in geordnete Tiitigkeit
zu bringen. Im späteren Verlauf des \'ersuches kann dieselbe sehr
FiR. 51 .
Fig. 62.
U
Pipette für
Herzkandle.
(Verkleinert.)
Isoliertes Froschherz in Herzkammer tiber Kinp.Tl.'SUDK. SauerstofTdurohleituni;.
Jiiquelsche Zeitmarkieruhr.
eingeschränkt werden. Je höher die Aulientemperatur bei Anstelhiiig th's \er-
suches ist, desto nötiger erweist sich die Zufuhr von Sauerstoff zum Herzen.
Hat die Präparation des Herzens im Sommer längere Zeit in Anspruch ge-
nommen, so ist der Herzmu.skel erstickt. Hier lälit sich dann eklatant der
belebende Einfluli des Sauerstoffs beobachten, den man in diesem Falle so rasch
durch die liingerUisung streichen läl'.t, dali diese zerstäubt wird und das Herz
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmothoden. V. (
98 H. Fühner.
besprüht. Ist das Herz nicht wiederzubeleben, so kann dies eventuell daran
liegen, daß der Venensinus zu kurz abgebunden ist, wodurch die Herz-
tätigkeit gehemmt wird (Staun ins).
Unregelmäßige Herztätigkeit kann mechanisch bedingt sein durch zu
weites Hineinragen der Herzkanüle in den Ventrikel. Sie kommt aber auch
als pathologische Erscheinung bei kranken Fröschen vor. Solche Herzen
sind zu verwerfen. Unbrauchbar ist auch das Herzpräparat zu Vergiftungs-
versuchen, wenn dasselbe rinnt. Dies kann bedingt sein durch schlechtes
Abbinden der Aorta oder der Hohlvene, häufiger aber durch eine Ver-
letzung des Vorhofs bei der Präparation oder durch Verletzung des Ven-
trikels mit der Herzklammer.
Zur graphischen Registrierung der Herztätigkeit verwendet man einen
möglichst entlasteten einarmigen Schreibhebel aus Aluminium oder Stroh.
Auch ist darauf zu achten , daß die Schreibfahne eine feine Spitze hat und
die auf der berußten Papierfläche zu ül)erwindende Pteibung eine geringe
(Papier nicht zu dick berußen!) ist.
Das isolierte Froschherz hält sich in feuchter Kammer im winter-
kalten Räume, selbst ohne Sauerstoffzufuhr, mehrere Tag lang, ebenso im
Sommer bei Sauerstoffzufuhr.
1. Der Nachweis von Giften mit Digitalinwirkung.
Wie beim Nachweis von Giften mit Digitalinwirkung am ganzen
Frosche erwähnt wurde, ist das Auftreten eines systolischen Herzstillstandes
nach Injektion der Giftlösung in einen Lymphsack beweisender für das
Vorhandensein eines Produktes mit typischer Digitalinwirkung, als der
Versuch am isoUerten Herzen. Hier verursachen auch die den Digitahs-
glykosiden chemisch und pharmakologisch nahestehenden Saponine systo-
hschen Herzstillstand, während sie am ganzen Tier zu schlecht resorbiert
werden, um diese Wirkung zu entfalten. Hingegen ist das isolierte Frosch-
herz geeignet, das Vorhandensein noch sehr geringer Mengen von
Produkten mit Digitalinwirkung nachzuweisen, welche am ganzen Tier
keinen Herzstillstand mehr hervorrufen.
Zu bemerken ist , daß nach Straub ^) für Versuche am isoherten
Herzen der Wasserfrosch ebensogut brauchbar ist wie der Grasfrosch,
während bei Versuchen am ganzen Tier der Grasfrosch, Avegen seiner
größeren Empfindhchkeit gegenüber Produkten mit Digitalinwirkung, zur
Prüfung derselben vorzuziehen ist.
Injiziert man einem Wasserfrosche (50^) 1 — 2cm^ einer Lösung von
Strophanthin Boehringer (das annähernd ebenso wirksam ist wie das
kristallisierte Produkt von Merck) 1:10.000 (=1/10— 2/10 m^) in den
Brustlymphsack, so geht das Tier im Verlauf eines Tages zugrunde und
es zeigt sich bei demselben am freigelegten Herzen systohscher Stillstand.
') W. Strauh , Quantitative Untersuchungen über den Chemismus der Strophan-
thinwirkung. Biochem. Zeitschr. Bd. 28. S. 395 (1910)
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. 99
l cm^ einer Lösun^^ dcssclheii rr;ii)ar;ites ] : 1(H).(H)0 (= lldi) nifit
bleibt am ganzen Wasserfrosche ohne sichtbare Wiiküii;^'. Am isolieiteu
Herzen des Wasserfrosches hinbiegen brin«^t nach F. Trmdrhnhurg'^) die
Menge von Icrn^ einer Lösung- 1 :5(M».(K)0 ( = 2 l(MM>//ixf) im N'erhmf einer
Stunde systolischen Stillstand hervor. Die Substanz muti natürlich in IJinger-
lösung gelöst sein und wird nach Entleerung des isoliert<'n Herzens von
der darin befindlichen IMngerlösnng in die Kanüle eingebracht, nachdem
erst die normale llerztiitigkeit registriert ist. Man markiert auf der Kurve
den Zeitpunkt des Einbringens der Lösung.
Charakteristisch für die Hauptvertreter der Produkte mit higitalin-
wirkung ist die relativ langsame Wirkung. Der Stillstand tritt auch bei
starker Stroplianthinlösung niemals sofort auf, sondern erst nach ö bis
15 Minuten und darül)er. Hierdurch unterscheiden sich diese Substanzen
mehr oder weniger von den Saponinen, bei welchen in stärkeren Lö.sungen
fast sofortiger systolischer Stillstand des Herzens zustande kommen kann
(P. Trendelenhurcj). Auch in noch anderer Weise lassen sich die Saponine
von den Digitalissul)stanzeu unterscheiden. Eine Saponinlüsung wird durch
Digerieren mit Cholesterin für das Froschherz entgiftet, während dies beim
Strophanthiu etc. nicht der Fall ist {Karnülow 2).
Quantitative Anhaltspunkte über die Konzentration einer Lösung an
Digitalisprodukten lassen sich nach Straub ^) am isolierten Herzen aus der
Form der Gesamtkurve, welche im Verlaufe der Vergiftung aufgezeichnet
wird, gewinnen, sofern man sich erst, wie dies Straub für das Strophanthiu
getan hat. an einer Anzahl isolierter Herzen die Wirkungsstufen ver-
schieden starker Lösungen aufgezeichnet hat. Man verwendet hierzu wieder,
wie bei der Prüfung am ganzen Frosch angegeben wurde, sehr langsamen
Oang des Kymographions, um ..Silhouettenkurven- aufzuzeichnen. Wie am
ganzen Tier, so fällt auch am isolierten Herzen der Anstieg der Kurve
um so steiler aus , je größer die Konzentration der Lösung an wirksamer
Substanz ist. Es ist zu erwarten, daß zur ([uantitativen Bestimmung das
ausgeschnittene Herz leistungsfähiger ist als der ganze Frosch, da bei
letzterem, wie aus den ^■ersuchen von Focke hervorgeht, die Uesorptions-
geschwindigkeit nur schwer zu beherrschen ist.
2. Der Nachweis von Aconitin.
Wenn der Versuch am ganzen Frosche (s. d.) die Anwesenheit von
Aconitin auch meist einwandfrei durch die Herzwirkung (Peristaltik)
erkennen läßt, so sind dazu doch von dem kristallisierten Produkt in Form
des salzsauren Salzes Mengen bis 1, 100 m.Q nötig. Tberdies versagt die
*) P. Trendelenburg, Vergleichende Untersuchung über den WirkungsmeclKinismus
und die Wirkungsintensität glykosidischer Herzgiftc. Arch. f. e.xperim. l'atliol. u. l'hariua-
kologic. Bd. 61. S. 25fi (1909).
-) Karaiiloir, tlii.T Kut-iiftung glykosidischor Herzgiftc durch Cholesterin in Ver-
suchen am ausgeschnittenen Froschherzen. Biochem. Ztschr. Bd. l\'2. S. 14n (1911).
3) W. Straub, 1. c.
100 H- Fühner.
Reaktion in nicht zu seltenen Fällen vollständig. Hingegen lassen sich
am isolierten Herzen noch Mengen von 1/1000 mg des Salzes mit Sicher-
heit nachweisen (Fühner), was darum besonders wichtig ist, weil für das
Aconitin keine empfindlichen und beweisenden chemischen Identitäts-
reaktionen bekannt sind.
Um eine die charakteristische Peristaltik zeigende Kurve vom
isolierten Herzen zu bekommen, wird man in folgender Weise vorgehen:
Man verdünnt das auf Aconitin zu prüfende Material mit Ringer-
lösung im Verhältnis 1 : 10, 1 : 100, 1 : 1000, 1 : 10.000 und 1 : 100.000.
Von jeder Verdünnung genügen einige Kubikzentimeter. In das normal
pulsierende isolierte Herz eines gesunden Wasserfrosches, das bis dahin
mit einem Inhalt von etwa i/, cm^ Ringerlösung gearbeitet hat und von
dem man eine Zeitlang die Herztätigkeit aufzeichnete, verbringt man, nach
Entleerung der Ringerlösung mit der Pipette, V2 c^><^ der auf Aconitin zu
prüfenden Flüssigkeit in Verdünnung 1 : 100.000. Enthält die Lösung im
Kubikzentimeter etwa 1/1000 mg Aconitin, so wird man an dem Herzen
folgende Beobachtungen machen können.
Ist die Herzaktion im Anfange des Versuches eine langsame , z. B.
bei Kaltfröschen, so wird sie im Verlaufe von etwa 10 Minuten beschleu-
nigt und die anfänglich hohen Pulse werden niedriger. Zweckmäßig saugt
man die in der Kanüle enthaltene Lösung im Verlaufe des Versuches etwa
alle 10 Minuten mit der Pipette zurück und gibt sie von neuem in das
Herz. Man erreicht auf diese Weise bessere Durchmischung der Flüssig-
keit. Nach etwa 20 Minuten kann sogenannte Halbierung am Herzen
auftreten, d. h. auf zwei Vorhofpulse kommt nur ein Ventrikelpuls, was in
der Aufzeichnung auf der berußten Fläche durch seltenere und meist wieder
höhere Pulse zum Ausdruck kommt. Es kann dann vorübergehend ein
Stadium der Periodenbildung beobachtet werden, wobei auf regelmäßige
Serien von 2 — 6 Pulsen ein Puls ausfällt. Die Herzaktion kann hierauf,
bei dieser geringen Giftmenge, wieder eine nahezu normale werden. Ist
im Verlaufe einer halben Stunde von Beginn der Vergiftung an keine
weitere Wirkung, wie etwa unregelmäßige Herztätigkeit oder die durch
fast vollständige vorübergehende Stillstände und auffallend unregelmäßige,
abwechselnd große und kleine Pulse im Kardiogramm gekennzeichnete
Peristaltik (Fig. öo^) aufgetreten, so entleert man den Herzinhalt und
gibt wieder V2 ^»^^ derselben Verdünnung 1 : 100.000 in das Herz. Ist die
Menge von 1/1000 mg kristaUisiertem Aconitin im Kubikzentimeter der
Lösung enthalten, so wird sich 20 — 30 Minuten nach Zugabe der neuen
Menge, also jedenfalls im Verlaufe der ersten Stunde der Vergiftung
mit ziemlicher Sicherheit Peristaltik einstehen, am Herzen selbst kenntlich
durch wurmförmige, hin- und herwogende Bewegungen der Herzmuskulatur.
Auf ein Stadium kleiner Pulse folgt meist ein solches mit großen Pulsen.
Oder das Herz kommt nach 1 — 2 Stunden zum völligen diastolischen
Stillstand des Ventrikels, während der Vorhof noch eine Zeitlang weiter
pulsiert. Dieser Stillstand läßt sich beseitigen. Man entleert dazu den Herz-
Nachweis ui.d Btstimmung von Giften auf biologischem ^Vege \{ji
Inhalt und ersetzt ihn durch Kinj^erlösung. Durch wiederholtes Ansaugen
und Zurückpressen der Kingerlösuu^- in den Ventrikel mit der Pipette
wird das Herz rhythmisch gedehnt und allmählich nimmt es wieder seine
geordnete Tätigkeit auf. Die Pulse werden nach und nach grüßer. aber die
Fi«. B3.
Rana escnlenta. 86 g. Männlich. Isoliertes Herz. VerRiftanR durch Aconitin. crisUll.
HCl 1 : 100.000. n normale HerzthtiKkeit. /) Peristaltik. <• fin.ile rulgverlangsamung.
Zeit = Sekunden.
Herzaktion ist gegenüber früher stark verlangsamt. Man kann den
Herzinhalt noch 1 — 2mal entleeren und durch Pingerlösung ersetzen. Meh-
rere Stunden nach der Vergiftun«;- ist die Herztätiirkeit wieder vollkommen
regelmäüig. Aber der Ventrikel pulsiert langsam bei normaler Vorhoft;itii:-
keit (Fig. 5a c). 8— 16 Vorhofpul.se können auf eine Vcntrikelkoutraktion
102 H. Fühner.
kommeü. Dieses ist das letzte charakteristische Stadium der Aco-
nitinwirkung am Froschherzen, das mau aber bei so kleiueu Giftmeugen
nicht immer erhält. Unter den angegebenen Bedingungen kann das mit
Eingerlösung pulsierende Herz von kleinen wirksamen Aconitinmengen sick
wieder völlig erholen.
Hat die zu prüfende Lösung im Verlaufe einer Stunde keine Peri-
staltik und keinen diastolischen Herzstillstand hervorgerufen, so entfernt
man sie aus dem Herzen und prüft die nächst höhere Konzentration
(1 : 10.000) in der angegebenen Weise.
Es kommt, wenn auch selten, vor, daß diastolischer Stillstand des
Herzens im ^^erlauf der ersten Stunde der Einwirkung von schwachen
Aconitinlösungen eintritt ohne voraufgehende deutliche Peristaltik. Man
wird dann das Herz in der oben angegebenen Weise mit Piingerlösung be-
handeln, nach Entleerung der Giftlösung. In solchen Fällen kann Peristaltik
beim Auswaschen eintreten. Geht aber auch hier die Herzaktion ohne Peri-
staltik und Pulsverlangsamung in normale Herztätigkeit über, so gibt man
von neuem die erste Giftlösung zu. Es kann jetzt immer noch Peristaltik
auftreten. Ist dies nicht der Fall, so entfernt man die Lösung und prüft
das ausgewaschene Herz auf normale Pieaktionsfähigkeit durch Einbringen
einer Lösung von salzsaurera Aconitin 1:100.000. Zeigt durch diese
Lösung das Herz im Verlauf der ersten halben Stunde deutlich ausgeprägte
Peristaltik, so ist es unwahrscheinlich, daß die erste zu prüfende Lösung
Aconitin enthielt oder sie enthielt neben Aconitin ^'erunreinigungen, welche
das Zustandekommen der typischen Aconitinwirkung verhindern.
Die beigegebenen Kurven sind einem Versuche entnommen, bei
welchem das Herz eines großen Wasserfi'osches mit einer Lösung von
Aconitin HCl 1 : 100.000 (d. h. 1/100 mg im Kubikzentimeter) vergiftet
wurde. Nach Einbringung des ersten 1/2 cm^ der Lösung zeigte das Herz^
dessen normale Tätigkeit aus Fig. 53 a zu ersehen ist , schon nach 5 Mi-
nuten die in Fig. 53 b aufgezeichnete Peristaltik. Nachdem diese vorüber
war, wurden die Pulse wieder größer und langsamer. Die in Fig. 53c
wiedergegel)enen langsamen Pulse wurden eine Stunde nach Beginn der
Vergiftung aufgezeichnet, nachdem noch dreimal von neuem i/, cnt^ der
Lösung 1 : lOOClOO in das Herz gegeben worden war. Auf dieses Stadium folgt
scliließhch, bei immer seltener werdenden Pulsen, der diastolische Stillstand.
Es ist zu bemerken, daß das Stadium der langsamen Pulse selbst
bei der Konzentration der Aconitinlösung 1 : 10.000 (1/10 mg im Kubik-
zentimeter) fast nie vor V2 — V4 Stunden eintritt. Bei dieser starken
Aconitinlösung ist die Peristaltik schlecht ausgeprägt. Deshalb ist es bei
Prüfung einer unbekannten Lösung angebracht, erst mit weitgehenden Ver-
dünnungen zu beginnen. Optimale, lang andauernde Peristaltik erhält man
bei Lösungen des kristallisierten Aconitins in Konzentration 1 : 200.000 bis
1 : 500.000, wobei die Menge von 1/0 cm^ meist ausreicht.
Ganz denselben Verlauf der Vergiftung kann man mit amorphem
salzsauren Aconitin (Merck) bekommen, nur ist dasselbe schwächer
Nachweis und Bestimmung vun (iiften auf biolo(,'ischein Wege. iQjj
wirksam als das kristallisiorte Produkt. Auch mit einer durch Iliu^M-rlösunf?
verdünuten Tinct. Acouiti lassen sich die j^^deichen Erschcinnn^'en er-
halten. Bei der Tinktur namentlich wird öfters erst beim Auswaschen des
vergifteten Herzens mit Ringerlösung die Peristaltik in typischei- Weise
beobachtet.
Unter den angegebenen Bedingungen dürfte es an jedem normalen
Froschherzen (Wasserfrosch; Grasfrösche sind in dieser Ilichtung bisiier
nicht geprüft!) gelingen, geringste Aconitinmengen nachzuweisen.
3. Der Nachweis von Muscarin.
Wie DigitaHsprodukte und Aconitin ist auch das Muscarin in
geringerer Menge am isolierten Herzen nachzuweisen als anj ganzen
P'rosche. -
Bemerkenswert bei der Muscarinwirkung ist vor allem, wie schon
bei der Besprechung des Giftes in seiner Wirkung am ganzen Tiere (s. d.)
hervorgehoben wurde, die wechselnde Resistenz der P" rösche ihr gegen-
über. Diese findet sich nicht nur am ganzen Tiere ausgeprägt, etwa ab-
hängig von verschiedener Piesorptionsgeschwindigkeit von den Lymphsäcken
aus, sondern auch am isolierten Herzen.
Bei Verwendung von künstlichem, durch Oxydation von C'holin her-
gestelltem salzsauren Muscarin in Ringerlösung gelöst, ist am isolierten
Herzen von empfindlichen Wasserfröschen durch eine Lösung 1 : 100.000
(in Menge von Va om^ in die Herzkanüle gebracht) noch deutliche Ver-
minderung der Pulshöhe und durch Lösung 1 : 50.000^1 : 75.000 noch dia-
stolischer Stillstand zu erzeugen. An unempfindlichen Herzen wird der
Stillstand oft erst durch Lösungen 1 : 10.000. manchmal nur durch 1:5(MM>
hervorgerufen {Fühner und Bosenoiv ^ ).
Fig. 54a zeigt die Wirkung von '^Ucm^ einer Lösung von salz-
saurem Muscarin 1 : 50.000 an einem wenig empfindlichen Froschherzen.
Beim Entfernen der Ringerlösung aus dem Herzen steigt die Höhe der
Herzpulse etw^as an. Sie nehmen aber sofort nach Einbringen der Muscarin-
lösung stark ab. Diese Verringerung der l'ulshöhe (..negativ-inotrojte
Wirkung") ist die einzige Wirkung dieser Lösung. Nach EntfernuuLf der
Giftlösung und Ersatz durch Pingerlösung steigen die Pulse wieder au
und bei wiederholtem Auswaschen kehrt die Herztätigkeit bald zur Norm
zurück.
Fig. 54 i zeigt die Wirkung einer Muscarinlösung 1 : 10.000 an dem-
selben Herzen. Nachdem die Pulse kleiner geworden sind, tritt rasch dia-
stoHscher Stillstand auf, nur noch einmal unterbrochen durch eine Ven-
trikelkontraktion. Dem vollständigen Stillstand kann eine Serie verlang-
samter Pulse (..negativ-chronotiope Wirkung") vorausgehen . wie /.. B. in
*) H. Fühner (und A'. Roticumr), I'lior das \orhalti'n tlos s\ ntlu-tisclicn Muscarin»
im Tierkörper. Arch. f. cxi.. I'atlml. n. l'liarmakol. BdOl. S. 284 (1909).
104
H. Füll 11 er.
Fig. 55. Dieser diastolische Herzstillstand läßt sich durch gründliches und
häufig wiederholtes Auswaschen mit Ringerlösung vollständig beseitigen.
Fig. 54.
Bana esculenta. 65 3. Männlich. Isoliertes Herz, n Vergiftung durch Muscarin HCl 1:50.000 (bei M).
h Vergiftung durch Muscarin HCl 1 : 10.000 (bei 3/). Bei ( | ) Kingerlösung entleert oder Herz aus-
gewaschen. Zeit =: 10 Sekunden.
Am längsten dauert es, bis auch der Vorhof wieder normal pulsiert, der
durch das Muscarin im Gegensatz zum Aconitin und den Substanzen mit
Digitaliswirkung früher in seiner Tätigkeit beeinträchtigt wird als der Ven-
Nachweis und Bestimmung von Giften auf liiologischem Wejfe.
lOf)
trikel. Erst wenn die Voiiiofpulse wieder kräftii^ und normal erfolgen, ist
das Muscarin völlif,^ aus dem Herzen ausgewaschen, was nach stiirkcrer
Vergiftung etwa 20 Minuten in Anspruch nimmt. Das Herz reagiert dann,
einer neuen Muscarinvergiftung gegenüber, wieder wie ein normales Herz.
Man kann an demselben Herzen bis zu 20 Muscarinvcrgiftungen verschie-
dener (irade vornehmen, ein Umstand, welcher die genaue (|uant itative
Bestimmung des Muscarins, und zwar nicht nur des synthetischen,
sondern auch des natürlichen Produktes, am isolierten Froschherzen er-
möglicht {Fiihncr^).
Dieselben Wirkungen, wie sie hier beschrieben sind, lassen <\r\\ am
isolierten Herzen auch durch Lösungen von Kaliumchlorid hervorbringen.
Doch unterscheidet sich der
diastolische Stillstand durch Fig.bb.
eine Kalilösung prinzipiell vom
Muscarinstillstand dadurch,
daß er durch Atropin nicht
beseitigt werden kann.
Fig. 55 zeigt Muscarin-
stillstand wieder an demselben
Herzen wie oben und durch
dieselbe Lösung 1:10.000.
Während des Stillstandes wur-
de zu der Muscarinlösung in
der Herzkanüle etwas einer
schwachen Lösung von Atro-
pinsulfat zugesetzt und der
Kanüleninhalt durch leichtes
Ansaugen durchmischt. Dald
schon traten schwache, allmäh-
lich stärker werdende Pulse
auf und nach einiger Zeit
war die Herztätigkeit wieder
eine normale. Das Atropin
läßt sich durch Auswaschen
aus dem Herzen nicht mehr derart beseitigen, dal'» das .Muscarin von neuem
wirksam wird. Noch geringste Spuren von Atrojjin hindern das Zustande-
kommen des Muscarinstillstandes. Nach Hdninck-) genügt schon am
ganzen Frosch die Menge von 1 400 wi/? Atropin. um die Muscarin-
wirkung aufzuheben. Die am isolierten Herzen wirksamen Atropinmengen
dürften noch bedeutend geringere sein und ist hiermit zugleich eine
Methode zum Nachweis kleiner Atropinmengen gegeben.
*) H. Fühner, Die (luantitative Bestimmung des synthetischen .Muscarins auf phy-
siologischem Wege. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol, Hd. 59. S. 17".l (IDOH).
") K. Hariiark, ÜhoT die Wirkung ties .Vtropin und Thysostigniin auf Pupille und
Herz. Arch. f. e.\p. Pathol. u. riuumakol. Bd. 2. S. 331 (1874). - Noch wirksamer in
Baaa escalenta. öbg. Mäonlirh. Igoliortrs Herz. ViTSiftunfT
durch Muscarin (M). Stillstand hescititft durch .Atropin-
7.ugahe>(A>. Bei ( | ) Kinj^erlosung rntferiit oder Horz »uü-
gewascht'n. Zeit =: 10 Sekunden.
106 H. Fühner.
d) Prüfungen am Gefäßpräparat.
Wertbestimmung von Nebennierenpräparaten und Adrenalin-
lösungen,
Zur Prüfung- der Wirkung von Substcanzen, ^Yelche yne das Adre-
nalin (Suprarenin) die Gefäßweite beeinflussen, findet nach einem
Vorschlage von Straub ein Gefäßpräparat des Frosches Verwendung,
welches nach A. Läwen i) und P. Trendelenhurg 2) in folgender Weise her-
gestellt wird.
Einem möglichst großen Wasserfrosche (100 f/ und darüber) wird der
Kopf abgeschnitten und das Rückenmark sorgfältig ausgebohrt.
Der Frosch wird, auf einem Teller auf dem Rücken liegend, mit
dem Kopfe nach dem Präparierenden gewendet. Mit Schere und Pinzette
wird die Haut in etwa 2 an breitem Lappen von der Brust bis in die
Schenkelgegend abpräpariert und über die Oberschenkel gelegt (Fig. 56).
Hierauf folgt die Entfernung des Brustbeins, das von den Oberarmknochen
abgeschnitten und in die Höhe gehalten wird. Man sieht an seinem unteren
Ende, von der vorderen Bauchwand zum Herzen ziehend, genau in der
Mittellinie, die große Bauchvene, welche man durch einen Scherenschnitt
abtrennt. Dann wird die Bauchdecke unterhalb des Brustbeins quer durch-
schnitten, ein Lappen von 2 cm Breite (je 1cm zu beiden Seiten der Vene)
nach unten zu präpariert und ül)er den Hautlappen gelegt. Nunmehr wird
der Teller umgedreht. Man präpariert die Blase des Frosches vorsichtig
(unter Schonung der Bauchvene) und möglichst tief nach unten von der
vorderen Bauchwand ab und schneidet sie zusammen mit dem Mastdarm
heraus. Eine Ligatur um Mastdarm und Blase, wie sie die Abbildung
(Fig. 56c) zeigt, ist überflüssig. Hingegen müssen beiderseits die von
den Schenkelvenen aufwärts zur Xierengegend ziehenden Venae renales ad-
vehentes mit feiner Pinzette unterstochen und mit Ligaturen (d) abgebunden
werden. Xun werden unter Schonung der schwarz aussehenden über der
Wirbelsäule herabziehenden Aorta (a) sämtliche Bauchorgane entfernt, l)is
herauf zum Herzen, welches gleichfalls entfernt oder mit der Aorta in
Verbindung gelassen wird. Der Frosch wird auf das Froschbrett horizontal
gelagert und kann an den Armen mit zwei Klammern fixiert werden. Darauf
wird eine möglichst fein ausgezogene Kanüle (AoK) in die Aorta etwa 1 cm
oberhalb ihrer Gabelung über der Wirbelsäule dm'ch eine mit einem Scheren-
dieser Richtung als das Atropin ist nach E. Harnack und H. Mei/er [Untersuchungen
über die Jaborandialkaloide. Ibid. Bd. 12. S. 369 (Anmerk.) (1880)] das dem Atropin
nahestehende Duboisin.
*) A. Läicen , Quantitative Untersuchungen über die Gefäßwirkung von Suprarenin.
Archiv f. experim. Pathol. u. Pharraakol. Bd. 51. S. 415 (1904).
-) F. TrenddeHbiirg, Bestimmung des Adrenalingehaltes im normalen Blut sowie
beim Abklingen der Wirkung einer einmaligen intravenösen Adrenalininjektiou mittelst
phYsiologischer Meßmethode. Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 63. S. 161
(1910).
Nachweis uiitl Bcstimmiin;,' vuii Giftoii .inf liiulugischem Wege.
107
Fi^. 6U.
AoK
schnitte hergestellte
Öffnung eingeführt.
Die Kanüle wird, etwa
Vyriit lang, ans einem
dickwandigen Kapil-
larrohr ausgezogen
(die in der Figur
gezeichnete längere
Kanüle ist unnötig).
Die Kanüle wird in
die Aorta, unter wel-
che vorher ein Faden
gelegt wurde , bis
dicht oberhalb der
Gabelung derselben
vorgeschoben, festge-
bunden und mit einer
Klammer am Stativ
in richtiger Lage be-
festigt. Zur Einbin-
dung ist die Kanüle
schon mit Ringer-
lösung gefüllt von
einer 2Ianotte?,chen
'Flasche (250 cm^)
aus, welche durch
einen etwa 40 an lan-
gen (nimmischlauch
mit der Kanüle ver-
bunden ist. Der
ClUmmischlauc li wird
mit einem Quetsch-
halin versehen , der
während der Einfidi-
rung der Kanüle in
die Aorta soweit ge-
öffnet ist, dali die
Ringerlösung lang-
sam aus der Kanüle
tropft. (Junimi-
schlaucli und Kanüle
müssen frei von Luft-
blasen sein. Lut'tl)la-
sen, in dieiiefiHJc gelangt, kiiiincii diese verstojjfi-n (Luftembolie) und das l'r.i-
parat unbrauchbar machen. Sitzt die Aortenkanüle hchtiu:, so fliel'it bei geöff-
Frogcbgcniliprapnrnt.
108
H. Fühner.
Fig. 57.
netem Quetschhahn schon Flüssigkeit durch die hintere Extremität und aus
der Bauch vene(/jj, in welche jetzt die Venenkanüle (VK) eingeführt wird. Man
lagert hierzu zweckmäßig den Haut- und Muskellappen auf einen Kork (e),
auf welchem er mit Nadeln angeheftet werden kann. Durch eine mit der Schere
hergestellte Schnittöffnung wird die Kanüle in das Gefäß geschoben. Die Venen-
kanüle muß dünnwandig und innen möglichst weit sein. Man zieht sie am
besten aus einem Reagenzglase in Länge von 10 — 12 ««aus. Sie kann an
der Einführungsstelle einen äußeren Durchmesser von Imm, an der um-
gebogenen Ausflußstelle einen solchen von 2 mm haben. Ein Festbinden
der Kanüle in der Bauchvene ist überflüssig. Zur Unterstützung der Venen-
kanüle, welche derart gelagert werden
muß, daß das Gefäß keine Knickung er-
leidet, dient ein zweiter Kork (f). —
Die Mariottesche Flasche (Fig. 57 MF),
durch deren Heben und Senken die
Ausflußgeschwindigkeit der Tropfen aus
der Venenkanüle reguliert werden kann,
wird so eingestellt, daß in der Minute
30 — 40 Tropfen ausfließen. Dazu genügt
am Anfang des Versuches eine Ein-
stellung der Flasche 10 — 15 cm über
dem Präparat.
Die zu prüfende Flüssigkeit wird
jeweils in Menge von 1 cm^ mit einer
mit feiner Nadel versehenen Spritze in
das Innere des Gummischlauches ein-
gespritzt. Dies geschieht nahe der An-
satzstelle des Gummischlauches an die
Aortenkanüle (Stelle J). Letztere muß so
fest durch die Klammer (Fig. 56 u. 57 A')
am Stativ gehalten werden, daß eine
Verschiebung während der Injektion
nicht vorkommt. Die Flüssigkeit wird
langsam eingespritzt (Dauer etwa 15 Sekunden), wobei man darauf achtet,
daß während der Injektion in dem Glasrohr der Mariotteschen Flasche
die Ringerlösung jedesmal gleichhoch (etwa 1 cm) steigt, der Druck in dem
Apparat also jedesmal in gleicher Weise gesteigert wird. Ein Größerwerden
der Tropfenzahl ist bei dieser geringen Drucksteigerung kaum wahrzunehmen.
Die Zahl der fallenden Tropfen wird graphisch registriert. Zu solchem
Zwecke existieren verschiedene elektrische Registrierapparate, die aber
alle ab und zu versagen. Als viel brauchbarer und niemals versagend hat
sich eine von Herrn Prof. Straub angegebene Vorrichtung erwiesen, die man
sich leicht selbst herstellen kann (Fig. 58). Es wird dazu ein 20 cm langer
Strohhalm (vgl. die Angabe S. 36) aufgespalten und an der Achse eines
Schreibhebelwinkels in der Mitte seiner Länge fixiert. An seinem vorderen
Gefäßpräparat mit Bnrchströmnngsvorrichtung.
Nachweis uud Bestimmung von Giften auf biologischem We^'e.
\W
Ende wird mit Siefjellack ein etwa lOnu horausnifjcnder diinnoror Stroh-
halm eingekittet, welcher die Papierfahne zur Auf/.eicimnnj; auf dt-r be-
rußten Trommel trügt. In das zweite Ende wird ein doppelt recht winkelig,'
gebogenes Glasröhrchen (Fig. 58) eingekittet, an dessen freiem Ende ein
„Deckglas" (D) aufgeschmolzen ist. Dieser Arm des Schrcibhebels wird
durch einen in der Mitte mit einem Ann langen Schiit/ ver.sehenen rJumuii-
streifen (G) federnd getragen, welcher seinerseits oben von einem Stativ-
stück gehalten wird. Zur Anspannung des Ciummisti-eifciis ist an dem
Hebelarm, verstellbar, ein kleines (iewicht (Boj augebracht. Ein zweites
Gegengewicht (BJ kann an der Achse des Schreii)hel)els angehängt werden.
Die (lewichtsstellung wird nach den Ausschlägen , die der Schr('il)hel»cl auf
der berußten Trommel gibt, reguliert. Man stellt das Froschbrett so hoch
Fig. 58.
Schreibbebel zur Tropfenregistriernng nach Stniuh.
ein. daß die Tropfen aus einer Höhe von 10 -JOrm auf das Deckglas des
Sclu'eibhebels und von da in eine Glasschale fallen.
Über der Kurve, welche der Schreii)hebel auf dem Kvmographiou
verzeichnet, wird durch einen Markiermagneten die Zeit in Minuten auf-
genommen. Nach Abschluß des Versuches wird auf den lackierten Kurven
ausgezählt, wie viele Tropfen in der Minute auf den Schreibhebel fielen.
Injiziert man Adrenalinlösuiigen in angegebener Weise in den (Jummi-
schlauch, so erfolgt durch Verengerung der (iefäßc sehr rasch eine \Crmin-
derung der Zahl der Tropfen, wi'lche aus der Vencnkaniilc ausfließen. Fig. ')l>
zeigt zwei Kurven, welche nacheinander an demselben Pr;ii)arate nach Ein-
spritzung verschieden starker Adrenalinlösungen aufgenommen wurden. Die
injizierten Adrenalinlösungen hatten die Konzentration 1 : H» .Millionen
(kurve a) und Irö .Millionen ( Kurve />). Diese Injektionen wurden an einem
110
H. Füliner.
Froschpräparate bald nach seiner Herstellung vorgenommen. Es muß be-
merkt werden, daß nach P. Trendelenhurg die Empfindlichkeit des Prä-
parates anfangs eine Adel geringere ist als später, nachdem erst einige
Stunden lang Ringerlösung durch dasselbe geleitet wurde, eine Erschei-
nung, welche an die allmählich zunehmende EmpfindUchkeit des isoherten
Fig. ng.
Bana esculeuta. 85 </. Weiblich. Gefäßpräparat. Bei (-[-) Adrenalininjektion, a 1 : 10 Millionen
1 cm^. 6 1:5 Millionen 1 em^. Oben Zeit in Minuten. Unten Tropfenregistrierung.
Froschherzens gegenüber dem Muscarin erinnert. Empfindliche Frosch-
präparate geben noch mit Adrenalinlösungen 1 : 100 Millionen regelmäßig-
deutliche Ausschläge. Die Abnahme der Tropfenzahl ist der Adrenalin-
konzentration proportional, wie die in Fig. 60 wiedergegebenen an
Fig. 60.
Kana esculenta. 125 g. Weiblich. Die Injektionen fanden bei \, in der angegebenen Eeihenfolge
von l:5Mill. absteigend statt, sobald das Präparat sich wieder von der vorangehenden Injektion
erholt hatte und die Tro]){enzalil wieder auf 33 — 35 in der Minute angestiegen war. Dauer der
Versuche 1^ 4 Stunden. (.Nach P. Trendelenhurg .)
einem ungewöhnlich empfindlichen Präparate aufgenommenen Kurven
zeigen. Auch von Anfang an zeigt sich eine verschiedene Empfindlichkeit
der Versuchsfrösche , so daß jedes Präparat erst geaicht werden muß.
Bei der Gehaltsbestimmung von Nebennierenpräparaten oder der Do-
sierung von Adrenalinlösungen sind folgende Punkte zu beachten.
Nachweis und Bcstinimimg von Giften auf biologischem Wege. ] ] 1
Nach Ilerstolluii.^ des Präparates und Einstelliiim der TroptVii/ahl
auf 30 — 40 pro Minute wird eine Probeinjciition einer frisch licrtrcstclltcn
Adrenalinlüsung (L. Suprarenin, hydrochloric. synthet. Hoechst) 1 : 10 Mil-
lionen gemacht. Ist das Präparat eini)findHch. so wird man von Anfaii}.'- an
schon einen starken Ausschlag, etwa wie ohen hei 1:;') Millionen hc-
kommen. Nachdem die Wirkung dieser ersten Injektion ahgcklungcn ist,
was man durch vorühergeliende Druckerhöhung beschleunigen kann, in-
jiziert man \ on^ der zu prüfenden Flüssigkeit, von welcher man erst
weitgehende \erdünnnugen mit Piingerlösung hergestellt hat. Ist die erst
injizierte Probe unwirksam, so geht man zu geringeren \'erdünnungen des
Untersuchungsmaterials über, bis man zu einem Wirkungsgrade von obiger
Lösung 1 : 10 Millionen gelangt ist. Im Anschlull an die Injektion einer
so wirksamen Probe wird mau von neuem die Testlösung prüfen, um zu
kontrollieren, ob das Präparat noch die ursprüngliche Phnpfindlichkeit bei-
behalten hat.
^ Nach Verlauf von mehreren Stunden schwellen die Froschextremi-
täten stark an (Ödembildung), was al)er die weitere ^'erwendung des
Präparates durchaus nicht J)eeinträchtigt. Dasselbe kann selbst mehrere
Tage hindurch Verwendung finden, wenn es vor dem Vertrocknen bei
Nichtgebrauch durch Bedecken mit nasser Watte geschützt und in niederer
Temperatur (Eisschrank) gehalten wird.
Von allen l)iologischen Methoden zur Gehaltsbestimmung von Adre-
nalinlösungen ist die hier beschriei)ene die empfindlichste. Eine andere
Methode ist beim Froschauge (s. d.) beschrieben. Adrenalindosiernng ist
nach ßatelli u. a. möglich durch lilutdruckversuche an höheren Wirbel-
tieren. Ferner sind zu dem /wecke der isoherte Kaninchenuterus {Fränkd ')
und Rinderarterien (0. B. Meyer-) benutzt worden. Zur Kritik dieser Me-
thoden vgl. P. Trendelenhurg ^) und E. BröJdmj und P. Trcndelenlmrg. *)
e) Prüfungen am Auge.
Eine größere Anzahl von Giften besitzt die Eigenschaft, bei lokaler
Applikation auf das Auge die Pui)ille zu erweitern oder zu verengern,
manche, wie das Atropin, in so hohem Maße, dali noch kleinste Mengen
') Ä. Frauke! , Über den Gehalt des Blutes an Adrennliu bei chronischer Ne-
phritis und Morbus Basedowii. Archiv f. cxperim. Pathol. u. Pharmakol. IM, 00. S. 30.'>
(1909).
*) 0. B. Meyer, Über einige Eigenschaften der Gefäßmuskulatiir mit bosondorcr
Berücksichtigung der Adrenalinwirkung. Dissertat. Würzburg 1906.
^) r. Trendehnhurfi , 1. c.
*) E. lirükiny und /'. Trcndelenhiirtj , Ül)er den Adrenalinnachweis unil den Adrc-
nalingelialt im menschlichen Blute. Deutsciies Arch. f. klhi. Medizin (1911). — Eine Zu-
sammenstellung der gesamten bis heute vorliegenden Li teratnr (ib er das Ad re na liu
findet sich in der Abhandlung von G. Iku/ir. Die normale und pathologische Physio-
logie des chromaffinen Gewebes der Nebennieren. Lubarach-Ustcrtags Ergebnisse der
pathologischen Anatomie. Jahrg. 14 (1910).
j^|2 H. Fühiier.
derselben angezeif^t werden. Zum Nachweis dient aber in der Praxis nicht
das Auge des Frosches hierfür, sondern das viel empfindhchere Auge der
Katze oder noch besser, speziell für Atropin und ihm verwandte Gifte,
dasjenige des Menschen (s. d.).
Pupillen er Weiterung (Mydriasis) auch am Froschauge bewirken
neben Atropin die diesem nahestehenden Alkaloide Hom atropin,
Scopolamin, Duboisiu, Tropacocain, Cocain, dann vor allem auch
das Adrenalin (Suprarenin).
Pupillenverengerung (Miosis) wird hervorgerufen durch Physo-
stigmin, Muscarin, Nicotin, Pilocarpin.
In der Pupillenwirkung dieser Substanzen bestehen zum Teil Unter-
schiede: Legt man ein isoliertes Froschauge, welches erst im Dunkeln ge-
halten wurde und dessen Pupille dabei weit geworden ist, in eine iVoige
Lösung von Pilocarpin- oder Physostigminsalz , so verengert sich die Pu-
pille. Bringt man ein Froschauge erst in V2''/oige Atropinlösung , so wird
es hier weit. Nach der Atropinwirkung erweist sich nur noch das Physo-
stigmin als wirksam, Pilokarpin nicht mehr. Legt man hingegen ein Auge
erst in Curarin (oder Curare), so hat zwar noch das Pilocarpin verengende
Wirkung, aber nicht mehr das Physostigmin. >) Zur toxikologischen Charakte-
risierung von Pilocarpin und Physostigmin dürfte die Keaktion nicht
empfindlich genug sein.
Die hauptscächliche Verwendung, welche das enukleierte Froschauge
gefunden hat, ist diejenige zur quantitativen Bestimmung des
Adrenalins (Ehrmann^).
Herstellung des Präparates. Man geht mit starker Schere in
das Maul eines Frosches (Wasser- oder Grasfrosch) ein und schneidet mit
einem Schlage den die Augen enthaltenden Kopfteil möglichst weit nach
hinten ab. Der Kopf wird in der MitteUinie halbiert. Mit Schere und Pin-
zette lassen sich die Augen nach Abtrennung der Kopfhaut leicht und
ohne Verletzung (ohne daß der Augapfel seinen Inhalt entleert) aus der
Augenhöhle herauspräparieren.
Wertbestimmung von Adrenalinlösungen.
Die isolierten Augen werden nach Ehrmann in kleine, unten ge-
schlossene Glastrichterchen von O'ö cm^ Inhalt, welche in ein Reagenzglas-
gestell hineingesetzt werden können, die Pupille nach oben gekehrt, ver-
bracht und zu dem einen Auge die mit physiologischer (d. h. O-T^/oiger)
Kochsalzlösung verdünnte Adrenalinlösung, zu dem anderen Auge desselben
Tieres nur physiologische Kochsalzlösung zugefügt. Das zweite Auge dient
zur Kontrolle. Die Pupille des ersteren erweitert sich, und zwar ist die
^) Vgl. W. E. DLron, Colchicine with special reference to its mode of actiou on
bone-marrow. .Joiini. of Physiol. Vol. 37. p. 53 (1908).
■-) R. Ehrmann, über eine physiologische Wertbestimmung des Adrenalins und
seinen Nachweis im Blut. Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 53. S. 97 (1905).
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischoin Wege.
li:^
GescliAvindi^keit der Erweiteruiio' und der (Ji-iid dersclhen ahhilnfri^r von
der vorhandenen AdrenaIiimien«,^eJ) Zweckmäßig verwendet man durch vor-
heriiie intensive Beliclitun;^' verengte rnpillcn für (Umi N'crsucli.
\on Adrenalin (Siipraicnin. hydrochlor. Höchst) Ix-wirken Verdün-
nungen von 1 : 1 Million noch maximale Erweiterung der Pupille,
1:10 Millionen hat noch deutliche, 1:20 .Millionen keine Wirkung mehr.
Die Methode ist zu orientierenden quantitativen \'ersuchen sehr
bequem und brauchbar. Für größere Versuchsreihen erfordert sie zuviel
Froschmaterial. Für solche ist die zugleich genauere Methode am Gefiiß-
präparat (s. d.) nach Läwen-Trendelenhurg vorzuziehen.
Weiße Maus.
Weiße Mäuse sind zu Versuchen leicht zu beschaffen, da sie in
vielen wissenschaftlichen I>aboratorieu, namentlich in pharmakologischen und
hygienischen Universitätsinstitu-
ten, ausgedehnte ^'erwendung Fig. ci.
finden und darum von den
Dienern derselben gezüchtet
werden.
Cber Mäusezucht vgl.
F. Fuhrmann, Die wichtigsten
Methoden beim Arbeiten mit
Pilzen und J Bakterien, in F.Ab-
derhaldens Handbuch der l)ioche-
mischen Arbeitsmethoden. Bd. 3.
2. Teil. Berlin 1910. S. 1269.
Gefüttert werden die Mäuse mit Brot oder Weizenkörnern und Wasser.
Zu Versuchen, welche mehrere Tage andauern, nimmt man die Tiere aus
dem Käfig, verbringt sie in I^>echergläser mit etwas Watte und verschließt
mit beschwertem Drahtnetz. Man ergreift die Mäuse am besten am Schwanz
mit einer Tiegelzange.
Zu prüfende Substanzen werden den Mäusen entweder i)er os oder
subkutan beigebracht. Man kann die zu untersuchende Substanz mit Siil'i-
holzpulver innig vermengen und mit Sirui» daraus l'illen herstellen, welche
man nach dem Trocknen zum Fressen gibt oder man kann nach FJtrIirh
die Substanz auf ..Cakes" verteilt-) verfüttern.
Will man die Maus subkutan injizieren, so geschieht dies am besten
unter die liückenhaut. Beiiuem zur Injektion ist ein kleines Mausbrett
(Fig. 61), i)estehend aus einer auf einem Brettchen befestigten Draht-
') Gute plidtoiriapliische Wio(lor!.'al)(Mi iiornialor und (lincli .Vdrcnalin erwoitorter
Froschpupilleu finden sich hei /•;. Alnhrluthtcii und F. Thies, Weitere Stmlicn üher das
physiologische Verhalten von 1-. d- und dl-Siii)rarenin. Zeitsclir. f. phvsiol. C'hem. Bd. 59.
S. 25 (llKni).
-) Albert-Cakes werden mit der Lösunir getrankt, sodann ijetrooknet. zerrielicn
und mit Hilfe von Wasser oder Milcli nach Zusatz von UO // Giidin pro Cakc zu i!i<i::-
.\ bda r h alden , Handbach der biochoinischon Arbeitsmethoden. V. g
Jlausbrett.
114
H. Fühner.
Fig. 62
rinne, in welclie das am Sch^vanze gehaltene Tier von vorn her. den
Pvücken nach oben, hineingezogen wird, worauf man den Schwanz unter
dem Hebelarm festklemmt.
Man wird Mäusen, welche ein Gewicht von 10— 20(/ haben, im Durch-
schnitt eine Flüssigkeitsmenge bis zu 1 cm^ injizieren. Zur Injektion von
Bruchteilen eines Kubikzentimeters ist eine Li eh er (/sehe Glas spritze
von 1 ciii^ Inhalt (Fig. 62) mit feiner Nadel geeignet. Zur Vornahme der
Injektion unter die Rückenhaut erfaßt man mit der Pinzette oberhalb des
Schwanzes, quer, eine größere Hautfalte, sticht die Nadel der gefiülten
Spritze in die Längsrichtung der Falte ein und schiebt sie unter der
Rückenhaut möglichst weit nach der Nackengegend vor. Je tiefer man die
Injektion vornimmt, desto besser wird ein Auslaufen der
Flüssigkeit aus der Einstichstelle vermieden. Nach Zurück-
ziehen der Nadel kann man von der Injektionsstelle leicht
nach oben hin massieren und das Tier dann aus dem Halter
befreien.
1. Der Nachweis von Colchicin.
Das Colchicin ruft an höheren Wirbeltieren charak-
teristische Vergiftungserscheinungen hervor, welche zu seiner
Identifizierung verwertet werden können. Zur tödlichen Ver-
giftung von Katzen ist etwa 1 mr/ reines Colchicin pro Kilo
Tier erforderlich. Der Colchicinvergiftuug eigentümlich ist
ihr langsamer Verlauf. Injiziert man einer Katze eine töd-
liche Dose, so verstreichen mehrere Stunden, bis die ersten
Vergiftungssymptome, bestehend in Erbrechen und Durch-
fällen, sich zeigen. Unter Erstickungskrämpfen erfolgt der
Tod des Tieres meist später als nach 7 Stunden. Bei der
Sektion findet man im Magendarmkanal gewöhnlich zahl-
reiche Blutungen.
Colchicinmengen, wie sie zur tödlichen Vergiftung von
Katzen nötig sind, werden in forensischen Fällen nur selten
zur Prüfung am Tier vorhanden sein. Bei den meist vor-
liegenden kleinen Mengen ist der Vergiftungsversuch an der w^eißen Maus
anzustellen. Für diese Tiere ist, bei einem Gewicht von 15 — 20 g, die tödliche
Dose zwischen 5/100 und 2 10 mg gelegen {Fühner^). Injiziert man Mäusen
die Colchicinlösung etwa in obigen Mengen unter die Riickenhaut, so fressen
sie nach der Injektion oft noch mehrere Stunden lang. Später machen sie
einen kranken Eindruck, fressen nicht mehr, bewegen sich nur wenig und der
vor der Vergiftung geballte Kot ist jetzt flüssig. Die Atmung wird allmählich
liehst kousisteutem Teig augerührt, der auf Glasplatten ausgerollt und nach Zerschnei-
den in kleine Plüttchen getrocknet wird. — P. Ehrlich, Chemotherapeutische Trypauo-
somenstudien. Berliner klin. Wocheuschr., Nr. 9 — 12 (1907).
1) H. Fühner, tiber den toxikologischen Nachweis des Colchicins. Arch. f. exp.
Pathol. u. Pharmakol. Bd. 63. S. 364 (1910).
Liübergspritze.
Nachweis und UcstininnuijLr von (üften auf l)iolo^ischem \Vi-ire. |J5
stark verlang-samt iiiid iiimnit perioclisclicii Charaktor an, Moist erst nach
24 Stunden und später erliegen die Tiere der \erjiittinig. Charakteristisch
für das Cok'liicin ist auch bei der Maus in erster Linie der lanj^same
Verlauf derselben. Blutungen im Dannkaiial. wclclic auch hei der Katze
fehlen können, sind bei Mäusen nicht heol)achtet.
Fällt dieser Versuch an der ^veiljen Maus und ein solcher am Frosch
(s. d.), zu welchem gleichfalls kleine Colchicinniengen ausreichen, nel)en den
chemischen Reaktionen, positiv aus, so kann der Nachweis von Colchicin
als gelungen angesehen werden.
2. Der Nachweis von Strychnin.
Zum Strychninnachweis sind nach y-V/Zr/,- M nur junge Mäuse im
A.lter von am besten 14 — Hi Tagen geeignet, welche ein (iewicht von
4 — 5 g besitzen. Ältere Tiere sind viel weniger empfindlich. Zur Injektion
der kleinen Mäuse mit der auf Strychnin zu prüfenden Flüssigkeit wer-
den dieselben am besten am Schwanz erfaßt, und unter Festhalten des
Tieres durch einen Gehilfen, vorsichtig oberhalb der Schwanzgegend, mit
scharfer feiner Nadel einstechend, unter die llückenliaut injiziert. Hei Ge-
genwart von Strychninsalz in Menge von etwa 2 100(1 /»,i? bekommt die
Maus 5 — 10 Minuten nach der Injektion Krämpfe, verbunden mit charak-
teristischer Zitterbewegung des Schwanzes, die, wie Fig. fJ.'l zeiiit.
nach dem Vorgange von Falck graphisch aufgezeichnet werden kann. Dazu
befestigt man am Schwanz des Tieres einen denselben um 1 <ii> über-
ragenden feinen Draht, legt das Tier, das, sobald der erste Streckkrampf
aufgetreten war, leicht Seitenlage erträgt . in solcher auf ein gestieltes
Froschbrett und befestigt dieses in dem durch Trieb und Zahn vertikal
verstellbaren Stativ. Zur llegistrierung bringt man das Kymographion mit
herunter Papierfläche in horizontaler Lage unter das Froschbrett, wel-
ches man durch Drehen am Stativ bis ganz nahe über die Trommel herab-
senkt. Man legt die Maus an den unteren Rand des Froschbrettes und
läßt den dasselbe überragenden Schwanz lose auf der Papierfläche schleifen.
Durch beständig regulierendes Heben und Senken des Froschbrettes über
der Trommel gelingt es leicht, die Schwanzbewegung vom Aufti'eten der
anfänglichen schwachen Zitterbewegungen bis zu den sjjäteren starken Au.*^-
schlägen kontinuierlich, in mehreren Heihen untereinander, auf der be-
rubten Papierfläche zur Aufzeichnung zu bringen. .Man verfolii:t die Kr-
scheinung etwa eine Stunde lang. I)ie Zeitmarkierung in Sekunden kann
nachträglich, bei gleicher Geschwindigkeit der Tronnnel wie während des
Versuches, auf dieser aufgezeichnet werden. Wie Fig. «»H zeigt, sind die
Zitterbewegungen des Schwanzes etwa 1<) .Minuten nach der Injektion, al.><o
bald nach dem Auftreten der ersten Streckkrämjjte des Tieres sehr klein
') F. A. Fahle, Beitrajj /um Nachweis des 8tnchiiui>. \ uitcljaiir^sciir. 1. gcrniiu.
Med. N. F. Bd. 41. S. 345 (1^84).
116
H. Fühner.
und rasch (a), steigern sich aber bei der genannten Dose bis zu starken
und zugleich viel langsameren Bewegungen (d) im Verlaufe von Vi Stunden.
Dieser Versuch an der weißen Maus hat ungefähr dieselbe Empfind-
lichkeitsgrenze wie die chemische Probe mit Kaliumbichromat und Schwefel-
Fig. 63.
^^,l^/,^»»wA»>^^n/,%«(?/;j^,||j^
■■^r^mUmiMiii
■^mifk$iMlßlll00
.^^,■i^llli^^wr'<0^«tlifmß^^
Weiße Maus. 4-5 j/.
',10011 '"!/ Strychuiunilrat. ZitterbeweRung des Schwanzes, a 10, ü 15, c
d 40 Minuten nach der Injektion. Zeit := Sekunden.
säure und kann, mit dieser vereint, bei positivem Ausfall als beweisend
für die Gegenwart von Strychnin angesehen werden.
Zur Herbeiführung der Strvchninkrämpfe an jungen weißen Mäusen
genügen geringere Giftmengen als bei Fröschen (s. d.). Nach Fcdclx sind
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege. I17
zwar hei sehr kleinoii Fröschen (Wasserfrüsche von i'y) auch schon Mengen
des Nitrats von 5/1000 //i.t> hierzu ausreichend. Doch sind sohli kleine
Frösche, im Gef?ensatz zu kk'inen Mäusen, nicht immer zu heschaft'en und
dann sollen namentlich hei kleinen Fröschen schon gerinn:fü}iige Ver-
letzungen, ohne Vergiftung. Tetanus, wenn auch nur ausnahmsweise, her-
beiführen können, was jedenfalls an der weißen Maus nicht der Fall ist.
Der Versuch an der weißen Maus erscheint darum nicht nur empfind-
licher, sondern auch beweiskräftiger als derjenige am P'roscli.
3. Wertbestimmimg von Schilddrüsenpräparaten.
Eine interessante Methode zur Wert bestimm ung von Schild-
drüsenpräparaten ist von BeklHunt^) ausgearbeitet worden. Sie ba-
siert auf der Beobachtung, daß weiße Mäuse, die mit wirksamer Schild-
drüsensubstanz einige Zeit gefüttert wurden, gegenüber der \'ergiftung
mit Acetonitril eine außerordentlich gesteigerte Resistenz bekommen.
Bezüglich der Ausführung der Methode muß auf die Originalarbeiten des
genannten Autors und die Nachprüfung derselben durch F. Trendeleubunj -)
verwiesen werden.
Kaninchen.
. Kaninchen ^) sollen hier in ihrer \'erwendung zum Nachweis des Ki-
cins und zur Wertbestimmung von Fiebermitteln besprochen werden.
Man hält die Tiere während der Versuche in trichterförmigen
Blechkästen (Fig. 64) mit doppeltem Siebboden, unter die ein (JefiU)
zum Auffangen des Harns gestellt wird.
1. Der Nachweis von Ricin.
Will man die Lösung einer Substanz, welche im \'ersuch am Blute
(s.d.) Agghitinationswirkung gezeigt hat, als llicin charakterisieren, so
muß ihre (Giftigkeit durch subkutane Injektion am Kaninchen erwiesen
werden, da auch ungiftige auf gleiche Weise wie das Hicin, und zwar aus
Bohnen dargestellte Träparate, die sogenannten l'hasine, auf rote Blut-
körperchen stark agglutinierend wirken, sich aber vom Kicin, Abrin etc.
durch geringe Giftigkeit am Kaninchen unterscheiden. IJicin tötet Kanin-
chen noch in Mengen von Ol 712^" pro Kilo Tier und darunter [Kobert*),
während von Phasiu selbst Dosen von 10 /jj.ij unwirksam sind.
*) li'rid Hunt and Atherthon Seidel!, Studios on Thyroiii. HyLnciiic Laboratory
Bulletin Nr. 47. Washington 1909.
^) /'. Tretulelcnhurfi, ülior (Ion Xiicliwcis toxischer Stoffe im Hliitc thyreoidekto-
mierter Tiere. Biochem. /eitsciir. Bd. 29. 8. H9() (l'.lloi.
^) U.Gerhardt, Das Kauinciien. Leipzig 1910. — A. Srhumaun, Das Kaninchen.
Stuttgart (s. a.).
*) R. Kohert, Kini^e Notizen iilu r die Bcdoutunv' und ih'U Idologischen Nachweis
von veufotahilischen Agirlutininen und Hiimolysinen. Die Landwirtschaft!. Versuchs-
stationen. Berlin. Bd. 71. S. 258 (1909).
118
H. Füll 11 er.
Zur Prüfung auf Ricin wird die Lösung einem Kaninchen subkutan
Prüfung
der
Fig. 64.
unter die Ptückenhaut injiziert, in der weiter unten, bei der
Fiebermittel, beschriebenen Weise.
Bei Injektion größerer Ricinmengen (etwa 1 mg pro Kilo Tier)
beobachtet man nach Fr. Müller'^) folgende Erscheinungen: In den
ersten 12 — 14 Stunden verhält sich das Tier durchaus normal, nimmt
Nahrung zu sich und scheidet Harn in gewohnter Menge aus. Nach 24 bis
oO Stunden tritt die tödliche Giftwirkung plötzlich hervor. Das Tier
fällt um, kann allgemeine Krämpfe zeigen, liegt dann bald schlaff auf
Bauch oder Seite und kann sich nicht mehr aufrichten. Krämpfe können
noch wiederholt auftreten, werden aber allmählich schwächer und etwa
I/o Stunde nach dem ersten Anfall tritt der Tod ein. Doch kann auch der
Tod ohne Krämpfe nach vorausgehender
kurzer Atemnot und bald einsetzender
schlaffer Lähmung des Tieres eintreten.
In den letzten Lebensstunden zeigen
sich häufig profuse Diarrhöen. Erhö-
hung oder Verminderung der wirk-
samen Dose des Ricins ist nur von
Einflul) auf das Stadium der Inku-
bation, d. h. das Stadium vor dem
Einsetzen der akuten Erscheinungen.
Dieses kann bei geringen Dosen mehrere
Tage andauern.
Bei der Sektion des verendeten
Tieres ist als charakteristisch für die
Ricinvergiftung besonders der Befund
von selten des Darmes anzusprechen.
Hier finden sich viele Blutungen, dann
besonders auffallend Schwellung und
Rötung der Pei/erschen Pla(i[ues. Da-
neben findet man Schwellung und Rö-
tung der retroperitonealen Lymphdrüsen. Für die lokale Wirkung des
Ricins ist dann noch typisch die sulzige Nekrose des Gewebes, welche
sich an der Injektionsstelle unter der Rückenhaut ausbildet.
Kaninchen trichter.
2. Wertbestimmung von Fiebermitteln.
Nach der von 21. Kiliani -) ausgearbeiteten ^lethode verfährt man in
der Weise, daß man am Kaninchen durch subkutane Injektion steriUsierter
Kulturen von Bacterium coli Fieber erzeugt und dieses Fieber durch
*) Fr. Müller, Beiträge zur Toxikologie des Ricins. Arch. f. exp. Pathol. u. Phar-
makologie. Bd. 42. S. .30.5 (1899).
'-) M. Kiliani, Piiarmakologische Wertliestimmimg der technischen Fiebermittel.
Arch. internatiou. de pharmacodyn. et de therapie. T. 20. p. 333 (1910).
Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
119
Fig. 66.
Eingabe dor zu prüfondou Substanz h('ial)zuilriick(Mi .sucht wobei die Wir-
kung derselben mit derjenigen von in ihrer Wirkung bekannten Ki<-bfM-
mitteln, wie Antipyrin oder I'vramidon. vergHchen wird.
Herstellung der Bakterienkultur. Eine niindesten.s 3 — 4 Wochen
in einem auf SO—))!" (nicht höher!) eingestellten Thermostaten gewachsene
('oli-Iiouillonkultur filtriert man durch ein Ton-(Pukal-)fiiter. L)er Uiickstand
der Filtration >Yird vom Filter abgeschal)t, in der zu feiner \erteilung
eben genügenden Glyzerinmenge im Achatmörser gut verrieben und eine
Viertelstunde bei etwa 100" erhitzt, was einmal Sterilisierung und zweitens
AufschlieÜung der liakterienleiber, welche die Hauptmenge
des Fiebergiftes enthalten, bezweckt.
Die Fieber er Zeugung am Kaninchen geschieht
durch sui)kutane Injektion dieser Bakteriensuspension, und
zwar erhalten davon Tiere unter 1500 </ 0-2 cm '^ in 2 cin^
Filtrat der Kultur, Tiere iilier 1500 (j die doppelte Menge.
Zur subkutanen Injektion des Kaninchens, welche
am besten unter die lUickenhaut vorgenommen wird, hebt
man hier eine grüljere Falte auf und sticht mit der
scharfen Nadel der gefüllten Injektionss[)ritze (2 — 5 crn^)
in der Längsrichtung der Falte ein. Xov Entleerung der
Spritze wird man sich durch liefühlen überzeugen, ob die
Nadelspitze unter der Haut liegt. Man entleert den
Spritzeninhalt, zieht die Nadel zurück und verteilt
durch leichte Massage die unter die Haut gebrachte
Flüssigkeit.
Vor der Injektion der Kolikultur mibt man die
Temperatur des Tieres. Die normale Temperatur des
Kaninchens, im Mastdarm gemessen, betragt durchschnitt-
lich oD". Die Breite der Tagesschwankung des Nornial-
tieres beträgt höchstens 1°. Doch erfolgt diese Verände-
rung langsam und allmählich, niemals kritisch, wie bei
Verabreichung eines Fiebermittels.
Die Temperaturmessung des Kaninchens geschieht im Mastdarm
mit einem gekrümmten Thermometer (Fig. 65). Man setzt sich zur Vor-
nahme der Messung auf einen Stuhl inid hidt das Tier, .^ein Hinterteil
nach auswärts, auf den Beinen fest. Dann ergreift man mit einer Il.ind
kräftig den Schwanz des Tieres, drückt dabei mit dem Handgelenk zu-
gleich den gekrümmten Rücken nach unten durch, zur besseren Streckung
des Darmes, und führt mit der anderen Hand das mit (")1 eingefettete
Thermometer etwa 10 cm tief (bis zu der Krümmung) ohne Anwendung
von(iewalt in den Mastdarm ein. Sobald die Temperatur nicht nndir weiter
steigt, liest man ab und zieht das Thermometer zurück. Frühestens vier
Stunden nach Injektion der Kultur wird durch zweimalige Temperaturmessung
im Abstand von ^ ., — 1 Stunde die Höhe des Fiebers festgestellt und dann
das zu prüfende Antipyreticum gegeben.
Kaniiichenthermoroetcr.
120
H. Fühner.
Handelt es sich um Feststellung der Wirksamkeit an sich, so
gibt man dem Tiere die zu prüfende Substanz in Menge von etwa O'ö g pro
Kilo innerlich in Lösung oder als Pulver. Letzteres kann geschehen, in-
dem man dem durch einen Gehilfen gehaltenen Tiere das Maul mit einer
Kieferklemme aufhält und das in einem Glasrohr befindliche trockene
Pulver möglichst tief in den Pachen schüttet. Durch Zuhalten der Nase
veranlaßt man das Tier zum Schlucken. Diese Methode eignet sich nament-
lich für in "Wasser schwerlösUche Präparate. Leichtlösliche Substanzen gibt
man in wässeriger Lösung mit der Schlundsonde in den Magen. Hierzu
ergreift ein Gehilfe das Tier mit einer Hand erst an den Ohren und er-
faßt dann mit der anderen nacheinandei' Hinter- und Vorderbeine des
herabhängenden Tieres. Man führt darauf den in Fig. 66 gezeichneten,
runden, 12 cm langen Holzknebel seitlich in das Maul ein. Der-
selbe wird vom Gehilfen mit der ersten, über den Kopf grei-
fenden Hand, im Maul in richtiger Lage festgehalten. Man
sucht dann durch das Loch in dem Knebel eine etwa 3 mm
dicke und 30 cm
Fig. üG.
lange
Sonde in den Magen des Tieres einzu-
Kaninchen-
knebel.
kung
der
führen. Hierbei muß man an der hinteren Rachenwand entlang
gehen und vermeiden, in die Luftröhre zu gelangen. Das Ein-
führen der mit Seife oder Öl glatt gemachten Sonde muß leicht
und ohne Anwendung von Gewalt gelingen. Spürt man Wider-
stand, so zieht man zurück und schiebt von neuem vor. Als
Sonde verwendet man einen weichen Nelatonkatheder. Ist der-
selbe zu Inegsara, so wird ein eingesteckter Draht mit einge-
führt und nachher entfernt. x\n dem Ende der Sonde befindet
sich ein Stück (Tummischlauch und ein kleiner Trichter, in
welchen man die Flüssigkeit gießt. Fließt der Trichterinhalt
nicht ab, so muß man das Abfließen durch leichtes Vor- und
Zurückziehen der Sonde , Kneten des Gummischlauches oder
Druck auf die Flüssigkeitsoberfläche zu erreichen suchen.
Nachdem die Substanz in Pulverform oder Lösung in den
Magen gebracht wurde, muß die Temperatur nach ^U Stunde und
später noch wiederholt gemessen werden, um eine etwaige Wir-
Substanz feststellen zu können. Als Substanzwirkung kann eine
1 ,
Temperatursenkung von mindestens \'2 Grad im Verlaufe von einer bis
längstens zwei Stunden (je nach der Resorptionsgeschwindigkeit des Prä-
parates) angesehen werden.
Zur Feststellung wirksamer Minimalgaben eignet sich besser
die Subkutanapplikation, wobei pro Kilo Tier 0'025 — Ol gegeben werden
kann und eine Wirkung von mindestens ^/o Grad 1 Stunde nach der Injek-
tion eingetreten sein muß.
^'on den beiden im Texte wiedergegebenen Kurven (nach Kiliani)
zeigt die erste (Fig. 67) die fiebererzeugende Wirkung einer Kolibakterien-
suspension am Kaninchen und die allmähliche Rückkehr der Temperatur
des Tieres zur Norm.
Nachweis und Bostinimung von Giften a'if Itiologischem Wepe.
llM
Fig. 68 zeigt an einem anderen Tier, das mit gleielier Üakterien-
menge ^vie das erste infiziert wurde, ein voriihergeheiules starkes Al)sink«'n
der Kurve durch die Menge von 50 7/1;;' Tyraniidon. (irölicrc Hosen der
FiR. 67.
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3.90
Kaniiielun von 20i0 y. Fieber durch subkutany InJBktion von 0 4 cm' Bakt<>rieusaspeiision im
40 cm^ Kolibouillonfiltrat. Injektion bei +. (Nach Kiliani.)
Antipvretika können unter den angegebenen Bedingungen dauenuk' Ent-
fieberung der Tiere bewirken.
/n" f2
Fig. CS.
« G
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4/^
6*0
39'
+
+
x
1
^-^
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\
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+
^^\
^
y
w
'tO'
39°
Kaninchen von IÖ5O3. I-ieber durcb Injektion wie oben ( + 1. liei -j — f- üubkntaue Injektion
von 0'05<7 Pyramidon. Wirkung: Vorübergehende TeinporatursenkuDg. (Nach Kilinni.)
Auf die voraussichtliehe Wirkung einer am Kaninchen gcjjrüften
Substanz beim fiebernden Menschen ist vor allem ans dem N'cr^ucli
bei innei'licher Darreichung ein lliickschluC» möglich.
Mensch.
Auf die (legenwart einer Anzahl von (üften kann der rnter>ucher
im Verlaufe einer toxikologischen Analyse, nanu'ntlich bei N'ornahnie von
l)e>tillati()nen. schon durch eigentümliche (;eruciis(|ualitäten mancher
Gifte aufmerksam werden. Hierher gehören Substanzen, wie Chlor. Drom.
Jod. Phosphor, P)lausiiure. Alkohol, .\tlier. Chloroform, Jodo-
122 H. Füll n er.
form, Phenol und Kresole, Nitrobenzol, Anilin, Pyridin, Piperidin,
Chinolin und von Alkaloiden namentlich Coniin und Nicotin.
Sehr wichtig zur Erkennung vieler Substanzen ist ihre Prüfung auf
der Zungenspitze. Durch bitteren Geschmack machen sich Strychnin,
Brucin, Chinin, Colchicin, Pikrotoxin, Pikrinsäure bemerkbar,
während Cocain und ihm in der Wirkung nahestehende Produkte durch
Lähmung der sensiblen Nervenenden Gefühllosigkeit hervorrufen, Aconit in
und Veratrin dagegen durch deren Erregung ein Gefühl des i3rennens
erzeugen.
Der Nachweis hautreizender und namentUch blasenziehender Sub-
stanzen, wie in erster Linie des Cantharidins, geschieht am besten am
eigenen Körper. Man löst dazu den zu prüfenden Piückstand in Avenig
heißem Mandelöl, tränkt damit ein Stückchen Watte und befestigt dies
an einer empfindlichen Stelle der Brusthaut oder des Arms mit etwas
Heftpflaster. Noch durch 1/10 mg Cantharidin kann Blasenbildung,
durch geringere Mengen Hautrötung hervorgerufen werden. Gleichzeitige
Anbringung eines zur Kontrolle nur mit Öl getränkten Wattebausches ist
empfehlenswert.
Versuche am Menschen kommen weiterhin vor allem dann in Frage,
wenn es sich um den Nachweis kleiner Mengen von Giften handelt, die,
wie Physostigmin und A tropin, durch ihre Beeinflussung der Pupillen-
weite (vgl. die Angaben beim Froschauge) charakterisiert werden können.
Am wichtigsten und zugleich am empfindlichsten ist der Nachweis des
A tropin s und der ihm nahestehenden Alkaloide Scopol am in, Duboi-
sin etc., welche das Atropin zum Teil noch an Wirksamkeit übertreffen.
Zur Prüfung am Menschenauge muß der aus organischem Material
gewonnene Piückstand weitgehend gereinigt sein, namentlich darf derselbe
nicht sauer, eher etwas alkalisch, gegen Lackmus reagieren. Zur Prüfung
werden 2 — ?> Tropfen einer wässerigen Lösung mit Pipette oder Glasstab
in den Bindehautsack des einen Auges gebracht, während das zweite Auge
der Kontrolle dient. Natürlich muß man sich vor Anstellung des Versuches
von der Pupillengleichheit bei der Versuchsperson, am besten durch Mes-
sung, überzeugt haben. Nach ein und zwei Stunden untersucht man, ob
Pupillendifferenz vorhanden ist. Schwache Grade können nur durch Mes-
sung festgestellt werden. Nach Feddersen ') tritt am gesunden Menschen-
auge noch durch 1 — 2 zebiitauseiulstel Millis;T}Uiim Atropin erkennbare
Pupillenerweiterung auf.
Von quantitativen Bestimmungen des Wirkungswertes von
Arzneimitteln, die in Selbstversuchen vorgenommen werden können, sei
hier eine von H. Braun u. a. 2) ausgearbeitete Methode der vergleichenden
') Zitiert nach J. Krattcr, Beiträge zur Lelire von den Vergiftungen. Leipzig
1905. S. 120.
'^) Vgl. F. M. Recke, Vergleichende experimentelle Untersuchungen lokalanästheti-
scher Mittel. Dissertat. Leipzig 1903.
Nachweis unil Bestiiniming von Giften auf hiologiscliem Wege.
123
Wertbestimmunii- lokalanästhesierender Mittel, welche als Ersatz
für das Cocain in Betracht kommen, fi:enannt.
Übersicht der im Texte erwähnten Gifte in alphabetischer
Reihenfolge.
Abrin: Nachweis am Blut.
Aconitin: Nachweis am pan/en
Frosch, am isolierten Frosch-
herzen, an der menschlichen
Zunge.
Adrenalin: Wertbestimmung- der
Lösungen am Froschauge, am
Gefäßpräparat.
Arsenik: Nachweis durch Schimmel-
pilze.
Atropin: Nachweis am isolierten
Herzen, am Froschauge, am
Menschenauge.
Cantharidin: Nachweis an der
menschlichen Haut.
Chinin: Wirkung auf Protozoen,
Nachweis an der menschlichen
Zunge.
Cicutoxin: Nachweis am ganzen
Frosch.
Cocain: Nachweis an der mensch-
lichen Zunge.
Coffein: Wirkung auf Protozoen,
Nachweis am ganzen Frosch,
am Froschmuskel.
Colchicin: Nachweis am ganzen
P'rosch, an der Maus.
Coniin : Nachweis am
Frosch.
Crotin: Nachweis am Blut.
ganzen
Curarin: Nachweis am ganzen
Frosch, am Nervmuskelpräparat.
Desinfektionsmittel : Wertbe-
stimmung an Bakterien.
Digitalinwirkung, Produkte mit
solcher: Nachweis am ganzen
Frosch, am Froschherzen.
Digitalisblätter und -i>räpa-
rate: Wertbestimmung am
ganzen Frosch.
Fiebermittel: Wertbesti
am Kaninchen.
mmung
Guanidin: Nachweis am ganzen
Frosch, am Froschmuskel.
Lokal an äst he tica : Wertbestiin-
mung an der menschlichen
Haut.
Methyl guani diu vgl. (iuanidin.
Muscarin: Nachweis am ganzen
Frosch, Nachweis und Bestim-
mung am isolierten Herzen.
Nicotin : Nachweis
Frosch.
am tran/en
Physostigmin : Nachweis am
Froschauge, am .Menschenauge.
Pikrotoxin: Nachweis am ganzen
Frosch.
Pilocarpin: Nachweis am Frosch-
auge.
124 H. Fühner. Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege.
Ricin: Nachweis am Blut, am Ka-
ninchen.
Saponin: Nachweis am Blut.
Schilddrüsenpräparate : Wert-
bestimmung an der Maus.
Scopol am in: Nachweis am Frosch-
auge, am Menschenauge.
Solanin: Nachweis am Blut.
Strophanthin vgl. Produkte mit
Digitalinwirkung.
Strychnin: Nachweis am ganzen
Frosch, an der Maus.
Theobrom in vgl. Coffein.
Tierische Gifte: Nachweis am
Blut.
Veratrin : Nachweis am ganzen
Frosch, am isolierten Skelettmus-
kel, an der menschlichen Zunge.
Methoden zur Bestiiiimniii»- des lUiitdrucks.
\'oii ErwiiJ Rohde, lleidulberg.
Wenn wir von Blutdruckmessung schlechtweg sprechen, so meinen
wir die Messung des arteriellen Drucks, und zwar des Seitendrucks in den
großen Arterien des Körpers. Auch bei der unblutigen Blutdruckmessung
am Menschen , für die derzeit eine Reihe von Methoden ausgebildet sind,
sucht man den Druck in einer möglichst grol'ien Arterie, und zwar am
Oberarm zu i)estimmen. Der Biochemiker dürfte kaum in die Lage kommen,
diese kUnischen Methoden am Menschen anzuwenden : hingegen fällt es
noch in das Grenzgebiet l)iochemischer Untersuchungen, sich im Tier-
experiment gegebenenfalls selbst über die Wirkung chemischer Substanzen
auf die Kreislaufsverhältnisse orientieren zu können. Alle gröberen Kin-
wirkungen auf den Kreislauf führen zu Veränderungen des Aortendrucks,
Wir erschUeßen deshalb Kreislaufswirkungen der Substanzen zunächst aus
dem Blutdruckversuch, in welchem man eine Messung des Aortendrucks
mit einer exakten Schreil)ung der rulsfre(iuenz verbindet unti zugleich ein
Urteil über die Qualität des Herzschlages gewinnt; duich Keizung der
Herz- und Gefäßnerven und durch andere experimentelle Kingriffe während
des lUutdruckversuchs ergibt sich eine nähere Analyse der Kreislauf.s-
änderung. Eine kurze Darstellung der Methoden , die sich den /wecken
des Biochemikers entsprechend auf eine erste Orientierung beschränkt,
mag deshalb auch in diesem Handbuch am Platze sein. Sie soll dem Bio-
chemiker praktische Winke für die Anstellung eines Blutilruckvcrsuches
geben und durch eine Besprechung der gei)räuchlichsten Itegistiicrapparate
und ihrer Leistungen die Wahl des für den betreffenden Fall geeigneten
Apparates erleichtern.
Verbindet man mit dem blutdruckregistrierenden Apparate eine vmU
ständig in die Karotis eingeführte Kanüle, so mißt man. da dieses Gefäß fast
rechtwinklig aus der Aorta entspringt, den Seitendruck in diesem Haupt-
stamm des Gefälibaumes. Der Aortendruck hängt bekanntlich von der in
der Zeiteinheit vom Herzen in das (iefäß.^^ystem beförderten Blutmenge,
dem Zufluß der Aorta, und andererseits vom Abfluß, d. h. von den Wider-
ständen der kleinen Arterien ab. Die bei der Tätigkeit der Organe stets
126 E. Roh de.
wechselnden, durch lokale Gefäßerweiterung oder Gefäßverengerung ver-
änderlichen AViderstände in den einzelnen Gefäßprovinzen werden durch
kompensatorische Verengung oder Erweiterung anderer Gefäßprovinzen
leicht ausgeglichen , solange sie sich in physiologischen Grenzen halten.
Aber auch darüber hinausgehende Veränderungen vermag der Organismus
auszugleichen, wenn sie nicht allzu große Gefäßgebiete betreffen, so daß
lokale Kreislaufstörungen noch keineswegs auf den Blutdruck in der Aorta
zurückzuwirken brauchen. Sie müssen durch Pleth3'smographie und andere
Methoden festgestellt werden. Auch Änderungen des Gesamtwiderstandes
im Gefäßbaum werden zunächst durch Änderungen der Herztätigkeit.
Änderungen der Herztätigkeit durch Veränderungen der Vasomotion kom-
pensiert. Erst wenn diese Regulationseinrichtungen des Kreislaufes nicht
mehr hinreichen, kommt es zu Veränderungen des mittleren Druckes in
der Aorta. Abweichungen von dem normalen Mitteldruck in der Aorta
weisen sonach schon auf weitgehende Störungen des Kreislaufes hin. Es
ist begreiflich , daß die richtige Deutung aller für den Zustand des Kreis-
laufes im Blutdruckversuch gewonnenen Anzeichen eigentlich die gesamte
Kreislaufsphysiologie zur Voraussetzung hat.
Zur Vorbereitung des Blutdruckversuches gehören die Instandsetzung
des Apparates . die Narkose und Präparation des Tieres und die Ver-
bindung der Karotis mit dem Blutdruckapparat.
Heftige Muskelbewegungen des Tieres verändern den Blutdruck ; des-
halb erleichtert die Immobilisierung den Versuch. Auch hiervon abgesehen
wird man aber die Versuchstiere , wenn es der Versuch irgendwie erlaubt,
zu narkotisieren wünschen. Hierfür sind aber nur solche Mittel verwendbar,
die die Kreislaufsverhältnisse nicht selbst wesentlich verändern. Für die
Kaninchen entspricht das Urethan dieser Anforderung. Es wird am besten
etwa V2 Stunde vor i\.nstellung des Versuchs in der Dosis von 1 — V/29
pro Kilogramm in lO^'oiger Lösung mit der Schlundsonde in den Magen
der Tiere injiziert. Auch andere, für den Kreislauf unschädliche Substanzen
der Alkoholgruppe, wie der Bromisovalerianylharnstoff (Bromural) oder
das Bromdyäthylazetamid (Neuronal), können Verwendung finden. Hingegen
beeinflussen narkotisierende (xaben von Chloralhydrat den Kreislauf in allzu
störender Weise. Für Katzen ist die Äthernarkose wohl das brauchbarste
Verfahren. Für Hunde wird meist die Kombination von Morphin mit nach-
folgender Äthernarkose benützt ; Chloroform ist wegen seiner starken Kreis-
laufwirkung ausgeschlossen. Das Morphin muß dabei in einer Gabe von
etwa 7 — Hmg pro Kilogramm einige Zeit vor Anstellung des Versuchs sub-
kutan injiziert werden. Die so vorbereiteten Tiere sind dann der Äther-
narkose leicht zugänglich, doch hat das Morphin den Nachteil, das Vagus-
zentrum zu erregen und eine bedeutende Pulsverlangsamung besonders am
Hund hervorzurufen; schon dies beweist, daß der Kreislauf nach solchen
Morphingaben keineswegs normal ist.
Keines der üblichen Narkotika ist demnach völlig einwandfrei. Dies
gilt insbesondere für die Versuche an Hunden und Katzen. Feinere Pteak-
Methoden zur Bestimmung des Blutdrucks. 1 «>~
tionen der Herz- und Gefäßnerven, z. B. die Wirkung' des Nerv, depressor.
Averden mehr oder weniger durch alle Narkotika i^estört. Es l)leil)t sonach
nichts ül)riii-. als die am narkotisierten Tier beobachteten P'.rsclu'inun^M'n
auch an dem knrarisierten Tiere zn kontrollieren. Die l)ei den enfjUscht-n
Physiologen übliche Dezerebriernng (Abtreiniung des (irollhirns vom
Hirnstanim) setzt erst recht pathologische Verhältnisse für den Kn'i>laiif.
so gut diese Methode für andere Zwecke brauchbar sein mag. Auch die
Kurarisierung nml> vorsichtig und nur mit den eben wirksamen Gaben
durchgeführt werden. Schlechte Kuraresorten, welche neben den auf die
motorischen Nerven wirksamen Kurarinen auch sogenannte Kurine ent-
halten, schädigen gleichfalls den Kreislauf. Das sogenannte ("urarilM. die
Lösung eines guten und auf gleichmäbige Wirksamkeit eingvstcllten. wenn
auch noch unreinen Kurareextraktes wird deshalb den Experimentatoren
ein erwünschtes Hilfsmittel sein. Man injiziert das Kurarepräparat intra-
venös, bis die Reizung des bloßgelegten Ischiadikus unwirksam wird, respek-
tive bis die spontane x\tmung aufhört. Nach Einleitung künstlicher Re-
spiration durch eine Trachealkanüle ist der Blutdruck sehr regelmäßig. Die
Kurarisierung hat aber den Nachteil, daß das Verhalten der Respiration
und. des Bewegungsapparates während des I'lutdruckversuches nicht gleich-
zeitig beobachtet werden kann.
Ist das Versuchstier durch ein Narkotikum oder Kurare immobilisiert
und aufgebunden, so wird die Karotis freigelegt, ihr peripheres Ende
ligiert. das zentrale mittelst einer Klemmpinzette abgeklemmt und in
das so isolierte Stück eine passende Glaskanüle in der Richtung nach
dem Herzen eingeführt. ]\Ieist werden auch die Gefäß- und Herznerven
zum Zweck ihrer Funktionsprüfung im Versuche isoliert und auf Fäden
gelegt.
Die Kanüle und ihre Verbindung zu dem blutdruckschreibenden Apparate
muß mit einer gerinnungshemmenden Flüssigkeit gefüllt werden. Als solche
sind verschiedene Flüssigkeiten empfohlen. Für Hunde und Kaninchen ist
eine ca. 25%ige Magnesiumsulfatlösung sehr geeignet. Für Katzen ist dieses
Salz aber besonders giftig, so daß schon der Übertritt geringer Mengen der
MagnesiuraKisung bei fallendem Blutdruck zu schwerer Kreislaufschädigunu^
führt. Für Katzen, alier auch sonst für alle Versuche, in denen größere Blut-
druckschwankungeu zu erwarten sind, sind deshalb gesättigte Natriumkar-
bonatlösungen respektive Bikarbonatlösungen, die nach langem Stehen wahr-
scheinlich IVofach kohlensaures Natron enthalten, vorzuziehen. Ein (iemisch
des einfach und doppelt kohlensauren Salzes: auf 4 / Wasst'r lS6_f/ Natrium-
bikarbonat und 286y Natriumkarbonat ist geeignet. Will man mit Sicher-
heit die Störung des Blutdruckversuches durch Gerinnung verhindern, so ist
es noch zweckmäßig, etwas Blutegelextrakt in die Karotiskanüle zu bringen.
Hierfür steht derzeit der durch Jacobj-') in eine relativ reine und konzen-
*) Curaril I und II. Chemische Werke vorm. Dr. Heiurioh Hvk. Berlin.
-) Franz, tJber den die Blutirerinnunir aufhebenden Bestandteil des niediziii'«-'""
Blutegels. Archiv f. exp. Path. u. Pharm. IL. S. 342. VMS.
128 E. Rohde.
trierte Form gebrachte Bestandteil des gerinnungshemmenden Blutegel-
extraktes , das Hirudin , zur Verfügung. 1 mg des Präparates verhindert
die Gerinnung von l-bcm^ Blut.
Zur Messung und graphischen Registrierung des Blutdruckes dienen
das Manometer und das Kymographion. Während über die Kymographien
wenig zu sagen sein wird, weil ihre Konstruktionen im wesentlichen den
praktischen Anforderungen genügen, müssen wir der Besprechung der
Manometer einen größeren Platz einräumen, da bei der sehr verschiedenen
Güte der einzelnen Instrumente nur eine richtige Handhabung und Kritik
brauchbare Piesultate ergeben kann.
Zunächst sollen die Kymographien, dann erst die Manometer be-
sprochen ^Yerden. weil zum Verständnis der Kurvenbilder im Kapitel über
Manometer die Kenntnis der Schreibflächen gehört.
Das Kymographion.
Die Aufzeichnung der vom Manometer wiedergegebenen Blutdruck-
schwankungen geschieht an einer bewegten Fläche, und zwar entweder
durch Ptuß- oder Tintenschreibung auf Papier oder durch photographische
Fixierung eines Lichtpunktes. ]\Ian erhält so Kurven, deren Abscissen die
Zeit, deren Ordinaten die Druckwerte darstellen.
Nur die Papierregistrierung soll hier besprochen werden; über die
photographische Registrierung siehe die ausführhche Darstellung in Tiger-
stedts Handbuch der physiologischen Methodik. Bd. I. 1. (Leipzig. Verlag
von S. Hirzel. 1910.)
Das gebräuchhchste Kymographion ist das Ludivig-BaUzarsdie Kymo-
graphion; seine Schreibfläche befindet sich auf einer mit Papier umklebten
Trommel, die durch ein Uhrwerk in Rotation gesetzt wird. Die Umdre-
hungsgeschwindigkeit kann durch Wechselräder beliebig verändert werden;
sie variiert etwas nach der Federspannung und muß deshalb stets durch
eine gleichzeitige Zeitschreibung kontrolliert werden. Das Papier wird nach
dem Aufkleben auf die Trommel gleichmäßig und nicht zu dicht über einer
leuchtenden Gasflamme berußt, nach dem Versuch abgeschnitten und die
Kurve in verdünntem Spirituslack (V'3 des käuflichen Präparates in 2/3 ab-
solutem Alkohol) fixiert.
Für vertikale Schreibung , z. B. für den Schwimmer des Hg-Mano-
meters ist diese Trommelschreibung ohne weiteres brauchbar , für Bogen-
schreibung dagegen, wie sie sich bei den meisten elastischen Manometern
findet, stellt die zylindrisch gekrümmte Trommeloberfläche, zumal bei
größereu Exkursionen, eine Fehlerquelle dar wegen der wechselnden Stärke
der Anlagerung. Für manche Versuche ist deshalb eine der neueren Kon-
struktionen vorzuziehen, bei denen ein längerer berußter Papierstreifeu
um 2 Trommeln läuft und eine ebene Fläche zur Schreibung besitzt
(Schleif en-Kym ographi on ) .
Für die großen und trägen Exkursionen des Quecksilber-Manometers
haben sich Kymographien mit endlosem Papier und Tintenschreibung gut
Methoden zur Bestiminiiii'' des Blutdrucks.
129
bewährt. Das weiße Tapior wickelt sich von einer Trommel ab, zieht in
ebener Fläche am Schreiber vorbei und wird von einer zweiten Trommel
aufgewickelt: der Schreibei- ist an der Spitze des Schwimmers befestigt
und wird mit roter Tinte Cmit 2/3 Wasser verdünnt) beschickt.
ff 11 Fig. 69.
\
PaB Kymoffr:iphioii. nach Lutiwiij »ind Paltzar. ' ,.
Zur Zeitschreibun«^' benutzt man ciifweder ein käufliches ,t:raplii-
sches Chronometer nach Ja([uet '), welches 1 und ' V, Sekunde zu mar-
kieren erlaubt oder aber ein elektrisches Si<riial, welches mit einem ent-
sprechend konstruierten Uhrwerk verlumden ist.
') Jai/iic/, Stuilicii ülior jj;rapliisolio Zoitregistricruiiir. Zt'itsclir. 1. liiologie. 1M»U.
XXVIIl. S. 1.
Abderbalduu, Handbuch der biochemischen Arbeiteinethodvn. V. t)
130 E. Rohde.
Die Manometer.
Die Wahl des Instrumeutes ergibt sich aus den Anforderungen, die
an die genaue Wiedergabe der im Kreislauf auftretenden Druckschwan-
kungen gestellt werden. Solcher Druckschwankungen gibt es langsamere
und schnellere ; die schnelleren werden durch die einzelnen Herzschläge
hervorgerufen und finden ca. 1 — 4mal in der Sekunde statt, die lang-
sameren gehen synchron der Atemrhythmik oder sie verdanken ihre Ent-
stehung irgend welchen Eingriffen, z. B. einer Vagusreizung oder dem Ein-
wirken eines Kreislaufgiftes.
Zur Druckregistrierung stehen uns nun verschieden konstruierte Mano-
meter zur Verfügung. Um ihre Leistungen und damit ihr Anwendungsgebiet
genau präzisieren zu können, müssen wir mit wenigen Worten auf die
Konstruktion und die Theorie der Manometer eingehen, i)
Unter einem Manometer versteht man ein Instrument, das zur Re-
gistrierung hydrostatischen Druckes dient ; es besteht aus einer mit Flüssig-
keit 2) gefüllten Röhre , die an einem Ende durch eine Kanüle mit dem
Lumen des Gefäßsystems in Verbindung steht; am anderen Ende wird die
Größe des einwirkenden Druckes an der Größe von Gegenkräften gemessen,
welche durch Verschiebung der Flüssigkeit erzeugt werden und diesem das
Gleichgewicht zu halten vermögen. Als solcher Gegenkräfte bedient man
sich der Elastizität einer Gummimembran, einer Feder oder einer Flüssig-
keitssäule. Jedem Druck entspricht eine bestimmte Gleichgewichtslage, also
eine bestimmte Ausbuchtung der Gummimembran, eine bestimmte Durch-
biegung der Feder oder die Hebung der Flüssigkeitssäule auf eine be-
stimmte Höhe. Die einzelnen Manometer unterscheiden sich nun im wesent-
lichen durch die Größe der Fiüssigkeitsverschiebung , die nötig ist, um
denselben Druck hervorzurufen; je größer diese Flüssigkeitsverschiebung
ist, desto größer ist der Ausschlag, d. h. desto „empfindlicher"' ist das
Instrument für Druckdifferenzen, desto leichter entstehen aber Entstellun-
gen der Kurve, d. h. desto geringer ist seine ..Güte". Denn nur bei ganz
langsamen Druckschwankungen verschiebt sich die Flüssigkeit und mit ihr
die eigentliche Registriervorrichtung (Spiegel, Schreibhebel oder Schwimmer)
nur bis zur Gleichgewichtslage, bei schnellen dagegen gerät diese ganze
„wirksame Masse" infolge ihrer Trägheit um den Gleichgewichtspunkt in
Schwingungen; die erhaltene Kurve entspricht also nicht mehr der wirk-
lichen Druckschwankung, sondern ist durch die Eigenschwingungen des
Manometers entstellt, und um so mehr entstellt, je träger diese Eigen-
schwingungen sind.
Eine exakte Analyse der Beziehungen, die zwischen den verschiedenen
statischen und dvnamischen Konstanten der Instrumente und ihrer Güte
*) Eine ausführliche kritische Darstelhing und Literaturangabe findet sich von
0. Frank im Handbuch der physiologischen Methodik (Leipzig. S. Hirzel. 1911). Bd. 2.
IV. Abteilung.
-) Luftmanometer sind ihrer großen Fehlerquellen wegen verlassen.
Methoden zur Bestimmuug dos Blutdrucks. \}\i
bestehen, verdanken wir den experinient('llenUnt('rsu('liiin<,'enF<(-A-.s'),//ür/Ä/t>'*)
und neuerdint^s namentlich (h'n eiiifiolicnden theoretisch-experinu'ntdU'n
Arbeiten 0. Franks. •') Frank- kam bei seiner Analyse zu dem Resultat, dall
bei den schnollen I)riicksch\vai)knnp:on des Kreislaufes neben einer \iq-
nüj^enden ilmpfindlichkeit dos Instrumentes vor allem eine hohe Zahl der
Eigensclnvinj^ungen für die Güte eines Manometers mal,')!i;ebend ist. und
zwar aus folgenden Gründen: das Schädigende für die Druckregistrierung
sind die Trägheitskräfte des Manometersystems; sie sind abhängig von
der Größe der ..wirksamen Masse". Diese Größe läßt sich — nach Frank —
nun nicht nur berechnen, sondern auch experimentell messen durch He-
stimmung der Schnelligkeit der Eigenschwingung: je größer die Zahl der
Schwingungen in der Zeiteinheit ist. desto kleiner ist die wirksame Masse,
desto kleiner die zur Geltung kommenden Trägheitskräfte, um so genauer
folgt also das Manometer' den zu messenden Druckschwankungen und um-
gekehrt kann man aus einer kleinen Schwingungszahl auf eine geringe
Güte des Manometers schließen. Die Verbesserungsbestrebungen Franks
gingen deshalb in erster Linie darauf hinaus, die wirksame Masse soweit
zu verkleinern, daß bei möglichst hoher Schwingung.szahl eine möglichst
geringe dynamische Entstellung der Kurve resultierte.*)
Im folgenden soll der historischen Entwicklung gemäli zuerst das
Quecksilbermanometer und dann das (iummi- und Federmanometer be-
handelt werden, zuletzt sollen an Kurvenbildern, die gleichzeitig mit beiden
Manometern aufgenommen sind, die theoretisch entwickelten Leistungs-
differenzen auch experimentell veranschaulicht werden.
Quecksilber-Manometer.
Das älteste und auch heute noch gebräuchlichste Blutdruckmanometer
ist das Ludwigsche Quecksilbermanometer; es besteht aus einer l'-förmig
gebogenen Ilöhre von (Yö cm Durchmesser, das zur Hälfte mit Hg gefüllt
1) Fick, Ein neuer Wollenzeicliner. Ges. Schriften. III. S. 593 und 608. 1877.
-) Hürthlc, Beiträge zur Hämodynauiik. Pffii;/rrs Arciiiv. 43. S. :i99. 1888: 47.
S. 1. 1890: 49. S. 29. 1891: 55. S. 319. 1893. — VWr die Leistung des Tonograplien.
Ibid. 82. S. .j15 1900.
^) (). Frank, Kritik der elastischen Manometer. Zeitschr. f. Biologie. 44. S. 44''>.
1904. — Theorie des Kolln'iimanometors. Iliid. 45. S. 40.'). 19U4. — Der l'uls in den
Arterien. Il)i(l. 46. S. 441. 1905. — Statik der .Menilirannianonieter untl der Lufttrans-
raissiou. lliid. 48. S. 489. 190(). —Dynamik der Mcmliranmannmeter und der Lnftfrans-
mission. Il)id. 50. S. 309. 1908.
'l .\nf die experimoutpllcu und theoretischen Kiuwaudc, die neuerdiiii:s \un
Ilin-tliU und Sciuifer {lliirthlv, Betrachtungen über die tlK'orctisciien und praktisolien
Bestrebungen, Instrumente zur Registrierung der im Kreislauf auftretenden Dnick-
schwankungen lierzustellen etc.; /'//»Vr/<'/-.s Archiv. 137. S. 145 ff.; VI. Schaf, r. Kritische
Randglossen zu den theoretischen Untersuchungen von <>. Frank über Manometer.
Ibid. 137. S. 250, 1910) gegen die /V«/<A:sclie Theorie erhoben worden sind, haben wir hier
keine Veranlassung einzugehen, da ihre Aussetzungen sich auf Unterschiede der Güte
der Manometer beziehen, die für das praktische Bedürfnis nicht mehr in BetracUt
kommen, für welches diese Zeilen L'eschriebeu sind.
9*
132
o
E. Kohde.
Fig. 70.
ist. Der eine Schenkel des Rohres ist mit Flüssigkeit gefüllt und durch
eine starre Röhre (Bleirohr) luftblasenfrei mit der Arterienkanüle des Ver-
suchstieres verbunden. Die andere Manometerröhre ist offen; auf der Hg-
Kuppe dieser Seite sitzt ein „Schwimmer" (s) aus Stahl oder Aluminium, der
durch einen übergezogenen Gummischlauch am Einsinken in das Quecksilber
gehindert wird und allen Sch\Yankungen des Quecksilbers folgt. Dieser
Schwimmer schreibt mit einer am oberen Ende befindlichen Spitze die
Schwankungen der Hg-Säule auf berußtes Papier oder mittels einer Tinten-
feder auf weißes Papier; durch einen herabhängenden, leicht beschwerten
Faden wird der Schreiber an das Kymographion
angedrückt. Um die Verbindung zwischen Arterie
und Manometer herzustellen, füllt man zunächst
mit einer Spritze, die durch einen Dreiweghahn
einerseits mit dem Manometer, andrerseits mit dem
Bleirohr in Verbindung steht, letzteres luftfrei mit
gerinnungshemmender Flüssigkeit; dann setzt man
das Manometer unter einen gewissen Überdruck,
der etwas geringer sein soll als der zu erwartende
mittlere Blutdruck, verbindet Bleirohr und Arterien-
kanüle durch einen kurzen Gummischlauch und
öffnet zuletzt den Hahn zwischen Manometer und
Bleirohr.
Um nach einem Experiment die Blutdruck-
liöhen zu messen, löst man die Kanüle aus der
Arterie und schreibt nun die Abszissenlinie auf; von
dieser Null-Linie aus läßt sich die Höhe des Blut-
drucks ohne weiteres mit Zirkel und Maßstab durch
Verdoppelung der erhaltenen Werte bestimmen. Zur
Auszählung der Pulszahl trägt man aus der Zeit-
schreibung die Strecke für 10 — 30 Sekunden in die
Pulskurve ein und zählt mehrere solcher Strecken
durch.
Xach den obigen Auseinandersetzungen kann
das Quecksilbermanometer nur als ein Instrument
sehr geringer Güte betrachtet werden, weil es wegen
seiner großen wirksamen Masse eine außerordentlich kleine Schwingungs-
zahl hat (ca. Iraal in 1 Sekunde); und doch kann man ihm wegen der
Bequemhchkeit der Handhabung die Brauchbarkeit nicht absprechen, aller-
dings unter der Voraussetzung, daß man sich über die Beschränkung seiner
Leistungsfähigkeit klar bleibt.
Die Folge nämlich der erwähnten langsamen Schwingungen, d. h. der
großen Trägheit der wirksamen Masse muß die sein, daß alle schnellen
Druckschwankungen, besonders die der einzelnen Pulse, unrichtig wieder-
gegeben werden, und zwar meist zu klein, daß langsamere Druckschwan-
kungen, also z. B. die Atemschwankungen oder Vaguspulse zwar richtiger,
Kegistrierende Quecksilber-
manometer. ^4.
Methoden zur Bestimimiüg des Blutdrucks. 1;-^;}
aber oft noch durch Interferenz der Eigenscliwinf^Min^en entstellt zu hoch
oder zu niedri}^' ausfallen können, so dali die re.sultierende Kurve nur als
eine an<>enähert richtii^e Wiederi>abc des mittleren I>lutdruckes
betrachtet werden darf.
Aber auf die Messung dieses mittleren Blutdrucks kommt es ja bei
biochemiscluMi Arbeiten hauptsächlich an . wenn von einer Substanz ein
Eintiuij auf die Höhe des lllutdrucks festgestellt werden soll.
Der für die praktische Verwendung nicht zu unterschiitzende \ (»rteil
dieses Manometers ist der, daß seine Empfindlichkeit, wenn man fürKcin-
heit des Quecksilbers sorgt, fast unverändert ») l)leil)t, dall es keiner Aichung
bedarf, daß man vielmehr von der Abszissenlinie aus die Druckhöhe direkt
mit dem Zentimetermaß abmessen kann'-), endlich daß bei zwei iil)er-
einander geschriebenen Kurven die Punkte gleicher /eitmomente stets in
derselben Ordinate liegen.
Die Leistungsfähigkeit des Quecksilbermanometers ist nach dem be-
sagten nur eine recht beschränkte, sie versagt ganz, wo schnellere Druck-
schwankungen aufgeschrieben werden sollen, so daß es nur zu einer An-
deutung der einzelnen Pulse kommt : al)er auch bei langsameren Druck-
schwankungen können durch Interferenz beträchtliche Entstellungen selbst
des mittleren Blutdrucks entstehen. Schon Mare// hat deshalb durch Dämp-
fung, d. h. durch Einschaltung eines Ileibungswiderstandes an irgend einer
Stelle zwischen Arterie und Manometer eine Verbesserung des Hg-Mauo-
meters versucht; in der Tat gelingt es durch vorsichtige Ik-nutzung dieses
Hilfsmittels, die Wirkung der Eigenschwingung fast ganz zu beseitigen.
Die erhaltenen Kurven entsprechen nach der heutigen Anschauung ziem-
lich genau dem mittleren Blutdruck. =^) Man bringt zu diesem Zwecke. z.B.
an der Schlauchverbindung zwischen Arterienkanüle und Verbindungsrohr,
eine Schraubklemme an und zieht sie vorsichtig so weit an. daß die Atem-
schwankungen fast verschwinden und die rulsschwankungen noch eben
notiert werden. Zieht man die Schraube noch stärker au. so verschwinden
auch diese und die Notierung des mittleren Blutdrucks ist natürlich noch
etwas genauei" doch dürfte dies kein Vorteil gegenüber dem \'erlust der
Pulsaufzeichnung sein. Ein Nachteil dieser Dämpfung macht sich aber bei
größeren Schwankungen des mittleren Blutdrucks geltend: durch die schmale
Dämpfungsöffnung gleicht sich nämlich der Druck durch Flüssigkeitsver-
schiebung nur so langsam aus. daß die Kurve zeitlich immer etwas hinter
der wahren Druckschwankung zurückbleiben und die wahre (rröße einer
Schwankung um so kleiner angeben wird . je schneller diese zur Norm
zurückkehrt (vgl. Kurve III, S. loS).
^) FfiirfJih', Sficlis' und lÜetncnin, Vorfjloich des mittleren Blutdrucks in K.ip'ii>.
und Krurulis. l'ßiUjers Archiv. CX. S. 421. 1*JÜ5.
-) Natürlich unter \'erdopplung der erhaltenen Werte.
^) Frank, loc. cit. — r. Kriis, Cher die BestimnuniL' de> Mitteldrucks durch das
(^uecksilbernianonieter. I)>t liois-hcytuoiids Arciiiv f. riiysinl. 1878. S. 41'.>.
134
E. Rohde.
Elastische Manometer.
Wie man sieht, verzichtet man bei Benutziinsi- des Quecksilbermano-
meters auf eine genaue Schreil)ung von Form und Verlauf jedes einzelnen
Pulsdruckes wie der Atemschwankungen ; stellt man die Forderung, auch
diese richtig darzustellen, so muß man ein Manometer mit kleinerer wirk-
samer Masse benutzen, deren Trägheit so gering ist, daß ihre Eigenbewe-
gungen den wahren Druckablauf nur unmerklich entstellen.
Eine solche Leistungsfähigkeit besitzen die elastischen Manometer;
bei ihnen wird die Elastizität von Gummi, von Metall oder einer kleinen
Luftblase als Gegenkräfte benutzt. Fick^) war (1877) der erste, der im
Federmanometer ein solches Instrument konstruierte; auf seinen genaueren
Bau wollen wir hier nicht eingehen, da es in der alten Form verlassen ist
und in seinen Prinzipien weiter unten beim Fra«Ä:schen Federmanometer be-
schrieben werden wird. Zuvor sollen vielmehr die in den meisten Labora-
Fig. 71.
Elastisches Manometer, nach Härthle-Gad.
c die elastische Membran, n die Schi-eibfeder. b Schreiber der Nullinie, l Leitungsrohr
zu dem Blutgefäß.
torien heute gebrauchten Manometer von Hürthle-) (Tonometer 1888) und
Gad-Coivl^^ *) (1890) besprochen werden. Beim Hürthlescheiü Tonometer
ist eine kleine mit Wasser gefüllte Manometerkapsel verschlossen durch
eine straff gespannte Gummimembran von nur 7 nun Durchmesser (oder noch
weniger); die Manometerkapsel ist durch eine möghchst kurze wasserge-
füllte Piöhre mit der Arterie verbunden. Die auch bei hohen Drucken nur
sehr geringen Ausbuchtungen der Gummimembran werden mittels eines
Hebels vergrößert aufgeschrieben; im Gad-Coivlsdieji Apparat ist an die
Stelle der Gummimembran eine kleine, kreisförmig gewellte Blechplatte
') Fick, Ein neuer Wellenzeichner. Ges. Schriften. III. 593. 1877.
^) Hürthle, Beiträge zur Hämodynamik. Pflngers Archiv. 43. S. 399.
^) Gud, Zentralbl. f. Physiol. 1889. S. 318.'
^) Coicl, Ül)er Blutwellenzeichner. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1890. S. 564.
Methoden zur Bestimmuiifj des Blutdrucks. ];-»fj
gesetzt. Gegenüber doni Quecksilhornianometcr hodouteten diese Instru-
mente einen großen Fortscliritt ; konnte iiinii doch mit ihnen die jjrrolien
Dnickschwanknngen feststellen, die diii-ch jede Ilerzkoiitraktion im (lefiUi-
system liervorgeriit'en werden, den soi^enaniiten Pulsdnick, den man nach den
Erfahrungen am Hg-Manometer nur für relativ unbedeutend gelialteu hafte.
Neuerdings sind nun diese Verbesserungsbestrebuugen weiterhin ganz
bedeutend gefördert worden durcli die Arbeiten Franks. Zur weiteren Ver-
ringerung der wirksamen Masse setzte er im (»pti.schen .Manometer') an
Stelle der Hebelschreibung eine Spiegelvorrichtuiig, welche die Exkursionen
einer Gummimembran durch Ablenkung eines Lichtstrahls photograi»hisch
zu registrieren erlaubt. Da diese Spiegelschreii)ung als fast masselos zu
betrachten ist und auch eine weitere Verkleinerung der wirksamen .Masse
durch geeignetere Konstruktion der llühren und der Manometerkapsel erzielt
wurde, so konnte eine Schwingungszahl des Instrumentes von 18()/Sek.
erreicht werden ; mit einer so geringen Trägheit dürfte dies Manometer
allen pruckschwankungen des Kreislaufes gerecht werden ; seine Güte ist
etwa ISOOmal größer als die des Hg-Manometers.
Vorzügliche Resultate scheinen auch BnyUss und Star/in;/'^) mit der
Photographie der \'oIumschwankungen einer kleinen in einer Glaskapillare
eingeschlossenen Luftblase gehabt zu haben; die Kapillare ist auf der einen
Seite geschlossen, auf der anderen Seite mit der Arterie durch wasser-
gefüllte Piöhren verbunden.
Die Benutzung dieser letzteren Modelle ist jedoch zu umständlich, als
dali sie für den praktischen Gebrauch in Betracht käme; unter \'erzicht auf
eine solche extreme Güte hat deshalb Frank neuerdings ein Federmauo-
meter^i) konstruiert, dessen Schwinuungszahl 50/Sek. beträgt und das bei
einer Empfindlichkeit von 1 cm Hebelausschlag pro 100 nun Hg-Druck
noch immer öOOuial besser ist als das Quecksilbernianometer. Es hat prak-
tisch den großen Vorteil der Hebelschreibung auf berußtem Papier, so dali
seine Handhabung eine relativ sehr einfache ist. Seine Güte reicht, wie Ver-
gleiche mit dem weit besseren optischen Manometer ergeben haben, durchaus
hin, um die Pulsschwankungen mit genügender Treue aufzuzeichnen. Als
Typus eines elastischen Manometers sei es hier ausführlicher besprochen.
In der Konstruktion schließt es sich an das von A. Firk*) (ISTT)
augegebene. von Hiirt/ile-') modifizierte Federmanometer an, seine einzelnen
Teile sind jedoch auf Grund der theoretischen fberlegungen von Frank
so gebaut, daß wohl eine für diese Konstruktion maximale Güte erreicht ist.
Die Anordnung ist folgende (vergl. Fig. 72): Von der Arterie führt eine
Metallkanüle, die durch einen Hahn ver.schließbar ist. vermittelst eines fest
anschraubbaren Metallkonus an eine F."» <-ih weite, winklig gebogene (Mas-
') Frank, Ein neues Spiegclmanomoter von liöchster tülte. Zoitsclir. f. Hiol. ").'l.
545, 1910.
-) Bai/liss und S/aiiiuf/, Internat. Monatssclir. f. .Vnat. n. ^ll_\^i^ll. 11. S. 420.
^) Frank und Fetter, Ein neues Federmanometer. Zeitsehr. f. Bi<d. 54. 15)10.
*) Inc. cit.
^) K. Jliirfhle, Bciträso zur Hämodynamik. /;///<</./•.>• Archiv. 4:i. S 300 1SR8.
136
E. Rohde.
Fig. 72.
röhre, au deren Ende sich die Manometerkapsel befindet; ihre 0"9 r^^Mveite
Öffnung ist von einer Gummimembran mittlerer Spannung- verschlossen;
die Köhre selbst ist luftfrei mit ausgekochtem Wasser gefüllt. Auf der
Gummimembran liegt von außen eine Pelotte auf, die durch eine Stahl-
feder fest angedrückt wird; die Feder ist an ihrem anderen Ende festge-
klemmt und kann durch eine Schraube (a) in ihrer Spannung verändert
werden. Die Bewegungen der Feder werden durch einen kleinen besonders
konstruierten Schreibhebel auf berußtes Papier aufgeschrieben.
Die Druckschwankungen im Arterienrohr pflanzen sich also durch
die inkompressible Flüssigkeit fort und bewirken durch geringfügige Ver-
schiebung der Flüssigkeit (pro 100 ww Hg = 0"6 )iim^) eine Ausbuchtung der
Gummimembran und damit eine geringe Durchbiegung der Feder, deren
Wert von dem Hebel aufgeschrieben wird ; man gibt der Feder von An-
fang an eine solche Spannung, daß der iVusschlag des Hebels für
100)111)1 Hg = 1 ci)t ist. Die elastische Gegenkraft wird bei dieser Konstruktion
im wesentlichen (bis
90Vo) durch die Fe-
der geleistet , nur
zum geringen Teil
von der Gummimem-
bran, die hauptsäch-
lich abdichtende
Funktion hat. Vor
dem einfachen Gum-
mimanometer (Tono-
graph,i?//r^A/el888)
hat dieses Federma-
nometer deshalb den
Vorzug der gleich-
mäßigen Empfind-
lichkeit, so daß man
nicht gezwungen ist, vor und nach jedem Versuch eine Aichung vorzunehmen.
Die Aichung des Instrumentes geschieht so, daß man zunächst die
Abszisse feststellt durch Lösen der Arterienkanüle; dann verbindet man
diese Kanüle mit einem Gummischlauch, der sich gabelnd zu einem gra-
duierten Hg-Manometer und einer genügend großen luftdichten Spritze
oder einem mit Luft gefüllten Gummiballon führt. Durch Einpressen von
Luft erhöht man sukzessive den Druck und markiert die Hebelstellung bei
verschiedenen Drucken. Ist die Empfindlichkeit des Federmanometers rich-
tig eingestellt, so entspricht 1 mm Höhe = 10 ))U)i Hg-Druck.
Daß für den praktischen Gebrauch den Vorteilen einer genauen Re-
gistrierung Nachteile einer gewissen Umständlichkeit der Handhabung
gegenüber stehen, kann nicht weiter wundernehmen. Ganz besonders
peinlich ist auf die Fernhaltung von Luftblasen Wert zu legen; sie setzen
die Güte des Manometers stark herab.
Kopf des Federraanoraeters (nach Frank und Fetter).
Methoden zur Bestiminung des Blutdrucks. I37
Dio Benrtcilunii' der Dnicksclnvankmi^cii auf den Kurven ist ferner-
hin nicht so leiciit wie hei denen des Hg-Manonieters, (hi kleine Druck-
differenzen we^en des jieriniien Ausmaßes nicht so sinnfidh^^ iiervortrcten.
Zur genauen Ausmessunj^' (h'r Kurven wird man eines Kurvenanalysa-
tors-) nicht enthehren können: es ist dies ein j)iiltfürniif,^er Apparat, auf
dem die Kurve hefestijit wird. An ilnn sind hcwe-ilich zwei Malistähe an-
gehracht, die mit einer Lupe und Sclirauhen scharf auf die Kurve einj^^cstcllt
werden ; auf diese Weise können alle Dimensionen genau ausgemessen werden.
Zum Schlüsse seien zum \'ergleich der L('istun;4>l;ihigk('it des Queck-
silher- und Federmanometers noch einige Kurven besprochen, die mit
beiden Instrumenten gleichzeitig geschrieben sind: besser als Worte werden
diese l^ihler die wesentlichsten Untei'schiede ihrer Güte zeigen können.
Die Kurven sind in der Weise gewonnen, daß die Karotis eines
Kaninchens (T rethannarkose) durch eine T-förmige Arterienkanüle einerseits
mit einem Hg-]\Ianometer. andererseits mit einem T^n/^/Aschen Fedennano-
meter .verbunden wurde und die Schreiber beider Instrumente möglichst
genau üb<'i"einan(ler an ein Kvmographion angelegt wurden ; beide Mano-
meter schreiben also von derselben ..Verkoppelungsstelle". Alle Kurven
sind von links nach rechts zu lesen; Zeit in '5 Sekunde.
Fig. 73.
/VVV V
•»••«»«Ä»^
Kurve I (F\ix.l3). Normale Blutdruckkurve: 11 g- .Manometer (oben): </ _ un.
gedämpft. /^=: gedampft, c=^ausgosclialtct. Die großen Schwaiikiuigeu des ungedämpften
Manometers rühren von der Atemrhythmik her; auf sie setzen sich die kleineu, oft
schlcclit crkeniiliaron Pulsseh\vaiikiing(>ii. Nach der Dänipfiniir versclnvindeu die .\tiMn-
schwaiikuugen fast ganz. Auch die l'iilse ;<ind beträclitlidi kleiner, trrtcn aber utn-h diMit
Hell iiinl gleichmäßig hervor.
Fe dcrman oraeter (unten) : Die Druckschwaiikung Itei jedrm cinzflncn l'ulse
(Tulsdruck) ist als etwa 20— 30mal größer anfgezeielmet als durcii das Htr-Manouieter
(11 Dini dieser Kurve = ca. 100 »jw der Ilg Kurve); auch die Form der einzelnen Druck-
schwankung ist deiitlicli zu erkennen. Die Atemschwankungen der Kurve erscheinen nach
Dämpfung und Anssclialtuug des Ilg-Manomi'fcrs {li und r) großer als während der un-
geiliimpften Schwingungen (rt), und zwar weiren der Ausschaltung der Kilckwirkung von
Eigenschwingungen des t^)uecksilbers auf die Hhitdruckwellen au der \ crkoppelungsstellc.
Kurve II (Fig. 74). Heizung des rechten \agus mit Induktiousstrom (X);
obeu; ungedämpftes (^)uecksilberinanometer; unten: Federmanometer.
') Jatjucf , Studien ülicr graplii^^rlic Zeitregistrierunir. Zeitschr. f. B-"' '""'"'
XXVIII. S. 35.
138
E. Rohde. Methoden zur Bestimmung des Blutdrucks.
Aus dem Vergleich der Vaguspulse oben und unten geht klar hervor, daß die
Form des einzelnen Pulses beim Hg-Manometer nicht durch den wahren Druckablauf,
Fig. 74.
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llJlW.lÄ#W»Ws*ÄWM
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H ,i,|„..|„,..in MiiiiuiiMMMiiiMiiipi|iMniMniiiiuMiir.i.üiiilii'.uimm[|[iiiiii[i,iilü;illliUlllllllllll»lllllinillllllllllllllllllllllllllllllinillinillllllUllllllll
sondern im wesentlichen durch die Trägheit der Eigenschwingung des Instrumentes und
die Schnelligkeit der Pulsfolge Ijestimmt wird. Der Puls erscheint verhältnismäßig groß
und zu breit bei langsamer Schlagfolge, zu klein bei schneller. Die Größe der maximalen
Druckschwankung ist durch das Hg-Manometer ziemlich richtig wiedergegeben.
Fig. 75.
^I\wl>w#.^^^NWJ\^^KW^^:^w^^^^
f,j\ni\M\f\K*NWN^'
,sl^^I#W'^^^^^N^'''"^w^^J#Am
iiiiM niii iiini I IUI II n Uli L lim w II i i 1 1 1 1 1 1 1 u i u 1 1 1 MI I u 11 11 1 1 1 1 n I 1 1 ' u 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 n 11 1 1 m I m 1 1 n I
Kurve III (Fig. 75). Vagusreizung (X); oben: gedämpftes Quecksilbermano-
meter; unten: Federmanometer. Kleinen und langsamen Druckschwankungen folgt das ge-
dämpfte Hg-Manometer mit genügender Treue, bei großen Schwankungen dagegen bleibt
die Kurve infolge der starken Reibung in der engen Dämpfungsstelle hinter dem wahren
Druckablauf zurück: sie erreicht den tiefsten Punkt später als das Federmanometer
und steigt langsamer an als dieses. Die Größe der Blutdruckschwankung wird zu-
dem ganz falsch wiedergegeben : nach der Quecksilberkurve scheint sie nur ca. Ys des
Wertes zu betragen, den sie nach der Aufschreibung durch das Federmanometer tat-
sächlich erreicht hat.
Methoden zur Aufarbeitung des lUutes in seine
einzelnen Bestandteile.
Von E. Letsclie, Tiihinnon.
Die äußere Beschaffenheit des Blutes und die Beohachtunji-. daß es
bei ruhigem Stehen und nicht eintretender Gerinnung sich trennt in einf
klare, schwachgelb gefärbte Lösung und ein gefärbtes Sediment, lassen es
für viele Zwecke geraten erscheinen, diese beiden Teile getrennt für sich
zu untersuchen. Da al)er das Blut ja je nach den rmständon — Tierart,
Temperatur, Sauerstoff- und Kohlensäuregehalt usf. — nach dem \'erlassen
der Gefäße rascher oder langsamer gerinnt, so ist die Aufgabe, die lieiden
Teile getrennt für sich zu erhalten, keine ganz einfache.
Als Einleitung gewissermaßen ist deshalb zu l)ehandeln :
I. Beschreibung der Methoden zur Gewinnung von Plasma, Serum und
Formelementen.
Hieran schließen sich :
II. Methoden zur Bestimmung des relativen \'olumens bzw. Gewichts von
Formelemeuteu und Plasma bzw. Serum.
III. Trockensubstanzbestimmung; Nachweis und Bestimmung von Ammoniak,
Kohlensäure und Aschenbestandteilen.
I\'. Methoden zur Untersuchung des Plasmas und Serums') auf einzelne
Bestandteile.
V. I'ntorsuchung der Formelemente auf einzelne Bestandteile.
VI. Verfahren zur Bestimmung verschiedener Bestandteile in einer Bhit-
portion.
VII. I)estimmung der \'erteilung einzelner Bestandteile auf Serum uml
Formelemente.
I. Gewinnung von Plasma, Serum und Fonnelementen.
1. Plasma.
Reines Plasma von Säugetierblut ohne irgend welchen Zusatz zu er-
halten, gelingt nur l)ei Blutarten, die, wie z. B. Pferdeblut, selir langsam
gerinnen und deren Formelemente genügenil rasch sich absetzen.
^) Es sind in diesem Absclinitto auch Methoden mit aufgenommeu , die dazu
dienen, das Blut als Ganzes auf gewisse Bestandteile, für deren Isolierung, Nachweis
und BcstimmuniT im Plasma bzw. Serum besondere Methoden nicht austrearbeitet sind,
zu untersuchen.
140 E. Letsche.
Man läßt in diesem Falle das Blut direkt aus einem Gefäß in einen
nicht zu weiten, stark abgekühlten Glaszylinder einfließen und füllt den
Zylinder möaiichst vollständig mit Blut an, um zu verhüten, daß Wasser
an den oberen Teilen des Zylinders sieh kondensiert, die gebildeten
Tropfen in das Blut zurückfließen und dadurch die Auflösung geringer
jNIengen Blutkörperchen bewirken. An einem kühlen ( )rt, möglichst bei 0^
läßt man den Zylinder ruhig stehen; dabei setzen die Blutkörperchen sich
zu Boden und das Plasma steht als klare, leicht abhebbare Schicht über
dem Sediment.
Das l>lut der meisten übrigen Wirbeltiere gerinnt, soweit darüber
Untersuchungen angestellt worden sind, selbst beim Abkühlen und bei
Einhaltung gleich nachher zu erwähnender Vorkehrungen zu rasch, als
daß es gelingen könnte, Plasma und Formelemente zu trennen.
Wohl aber gelingt dies bei dem Blut von Vögeln, Reptilien, Amphibien
und Fischen, wie Delezenne^) gezeigt hat. Sein Verfahren ist folgendes 2):
Eine peinlich saubere Kanüle (ausgekocht) führt man in die Karotis
eines Vogels (Truthenne, Gans, Ente verwendete Delezenne) ein; mit ihrer
Hilfe fängt man das Blut, das man peinlich vor der Berührung mit der
Wunde schützen muß, direkt in einem Zentrifugenglas auf. Die gereinigten
Zentrifugengläser werden mit destilliertem Wasser ausgekocht und vor
Staub geschützt aufbewahrt. Mit Hilfe der Zentrifuge {Delezenne verwendet
eine solche von Fr. Bunne, Heidelberg, die 2400 — 2600 Touren in der
Minute macht) trennt man Plasma und Formelemente. In der Regel ge-
nügt 10 Minuten langes Ausschleudern, doch läßt man die Zentrifuge
zweckmäßig jedesmal ^U Stunde gehen. Man hebt das Plasma vorsichtig ab
und zentrifugiert nochmals 7, Stunde; Abheben und Zentrifugieren wieder-
holt man mindestens zweimal. Nur auf diese Weise erhält man etwa im
Laufe von 2 Stunden ein Plasma, das vollkommen frei von zelligen Ele-
menten (vor allem Blutplättchen) ist.
Schützt man das zuletzt abgehobene Plasma durch mehrere Papier-
schichten vor Staubteilchen und Keimen aus der Luft, so bleibt das Plas-
ma bei einer Temperatur von 7 — 16" über einen Monat flüssig.
Bei allen übrigen Blutarten muß man sich damit begnügen, ein
Plasma zu erhalten, das durch bestimmte Zusätze un gerinnbar gemacht
worden ist.
Die gerinnungshemmende Wirkung von Peptonlösungen^), die in
die Blutbahn injiziert wurden, ist zur Gewinnung größerer Plasmaquanti-
^) C. Delezenne, Aper^-u general sur la coagulation du sang cbez les vertdbr^s.
Compt. Reud. de la Soc. de Biol. 49. 507 (1897).
°) C. Delezenne, Recherches sur la coagulation du saug chez les oiseaux. Archiv
de Physiol. V. 9. 347/52 (1897).
^) A. SV/;»;/f7i'-Miihlheim, Beiträge zur Kenntnis des Peptons und seiner physiolo-
gischen Bedeutung. Arch. f. Anat. u. Physiol., 1880. (Physiol. Abt.) 33/56. Fano, Ver-
halten des Peptons und Tryptous gegen Blut und Lymphe. Arch. f. Anat. u. Physiol.
1881. (Physiol. Abt.) 277/96.
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. 141
täten für chemische I'ntersiichiingen bis jetzt nur wenig verwendet worden.
Ebenso hat man bis jetzt die von H(i;/cn(f't^) beobachtete Wirkiiii«,' von
lUutegelextrakt für diese /wecke, soweit ich sehe, nur weui;,^ an^'u-
wandt, trotzdem es auf (irund der Arbeiten von Fr. Fninz-) und von
A. Bodong'^) möglich ist, Hirudin in reiner und leicht dosierbarer Form zu
gewinnen.*)
Schuf enhebii und Bodong"^) verfahren zur Gewinnung von Iliru-
dinplasma folgendermaßen :
Man stellt eine Lösung von beispielsweise 40 uig Hirudin in physio-
logischer Kochsalzlösung (5 — 10 aii'^) her und läßt in diese das Iliut z.H.
aus der Karotis eines Hundes einfiieljon. Man läßt soviel \\\\\\ zufließen,
daß auf 1 on^ Blut etwa O'l mg Hirudin kommt — in unserem Falle also
400 cw3 Blut.
Dieses Blut bleibt tagelang ungeronnen, und es wird mit Hilfe dieses
Verfahrens wohl auch möglich sein, noch größere (^)uantitäten Ülut. als
Schittenhchn und Bodong sie verwendeten, ungerinnbar zu machen und in
der üblichen Weise zur Gewinnung von Plasma zu verwerten.
Die Mittel, die gegenwärtig beinahe ausschließlich Verwendung finden,
wenn es sich darum handelt, größere Plasmamengen zu gewinnen, sind
Oxalate und Fluoride.
Daneben finden in ganz untergeordneter Weise auch noch andere
Substanzen, z. B. Natriumzitrat, Xatriummetaphosphat, MgSOi, und andere
Neutralsalze Verwendung. \'on Magnesiumsulfat z. B. wendet man auf ein
Volumen gesättigter Lösung am besten 3 Volumina Blut an und mischt
möglichst gut und rasch.
Durch die große Magnesiumsulfatmenge wird natürlich der osmotische
Druck des Plasmas gegenüber den Blutkörperchen enorm erhöht: die Folge
ist zumindest ein reichlicher Austritt von Wasser aus den Formelementen
und man wird demzufolge ein solches Plasma für ((uantitative Unter-
suchungen an Plasma oder F'ormelementen der Änderung der Konzen-
trationsverhältnisse wegen kaum anwenden können.
Die Anwendung von Oxalaten und Fluoriden der Alkalimetalle
und des Ammoniums begegnet, abgesehen von ihrer kalkfällenden Wirkung,
keinen prinzipiellen Bedenken und bringt auch nicht die bei Anwendung
von Xeutralsalzen, wie Magnesiumsulfat, oft recht störenden rnannelunlich-
keiten der Verarbeitung außerordentlich stark salzhaltiger Lösungen mit sich.
') ./. 7>. Jhn/crnff, Vhev die Einwirkunsr eines Sekretes des offizinellen Bluti-irt-is
auf die Gerinnbarkeit des IJlutes. Arcb. f. oxperini. Patli. u. Pharm. 18. 2US 17 USS4).
'-) Fr. Franz, Über den die Blutgerinnung' aufhebenden Bestandteil des uiedizini-
scluMi Blutegels. Areh. f. experini. Patii. u. Pharm. 49. 342 (Ui (I')Ü3).
■') A. Bodo IUI, tWv Hirudin. Arch. f. experini. Path. u. Pliarm. 52. 242 lil (UHl.'i).
^) Das Hirudin wird von der Firma F. Sachsse <(• Comp, in Leipzig fabriknuilüif
hergestellt.
^) A. Schitioihchn u. A. lioiloiuj. Beiträge zur Frage der Bhiiirfriniiung mit im-
sonderer Berücksichtigung der Ilirudinwirkung. Arcli. f i>\prrim. Patli. u. Pliarm. <>4.
217/44. S. 241 (PJUG).
142 E. Letsche.
Nach Arfhus und Fages^) verwendet man von Oxalaten soviel daß
die Mischung von Blut und Oxalatlösung schließlich auf 1000 Teile 1 Teil
Oxalat enthält.
Man fängt z. B. in 25 cni^ Oxalatlösung von O'OVo 225 crn^ Blut
direkt aus einem Gefäß (ob Arterie oder Vene ist gleichgültig) auf, mischt
gut und trennt durch Zentrifugieren.
Anstatt eine etwa l%ige Lösung zum Auffangen des Blutes zu ver-
wenden, kann man auch konzentriertere Lösungen oder direkt auch festes
Salz benutzen. \oy allem in letzterem Falle sorgt man durch gutes
Rühren des Gemisches für rasche und vollständige Mischung. Bei Anwen-
dung von festem Salz kann man, um rasch eine vollständige Mischung
von Blut und Oxalat zu erreichen, zweckmäßig sich folgenden Kunstgriffes
bedienen : Man bringt die für das zu erwartende Blut(|uantum — z. B.
500 cm^ Blut — nötige Menge Kaliumoxalat — in diesem Falle 0*5 g —
in einen Meßzylinder, gibt die zur Lösung eben nötige Menge warmen
Wassers zu und verteilt die Lösung durch Neigen und Drehen des Gefäßes
über seine innere Wandung bis zu der Höhe, welche das Blut erreichen
wird. Beim Verdunsten des Wassers wird das Oxalat als dünne Schicht
die W^andung des Gefäßes gleichmäßig bedecken und es ist dadurch eine
raschere Mischung gesichert.
Für die Verwendung von Fluoriden gilt genau das gleiche, nur
empfiehlt es sich nach den Angaben von Arthus und Pages ^% auf 1000 Teile
Mischung etwa Vb g Fluorid anzuwenden.
Eine etwas höhere Konzentration des Oxalats oder Fluorids — im
ersteren Fall bis zu etwa O'250/o, im letzteren bis zu etwa 0"3Vo — ist
in vielen Fällen ganz zweckmäßig.
2. Serumgewinnung.
Leichter als Plasma ist Serum zu erhalten; frei von Beimengungen,
die aus den Formelementen stammen, vor allem frei von Blutfarbstoff er-
hält man Serum nach folgendem allgemein bekannten und geübten Ver-
fahren: Man fängt das Blut in einem vollkommen trockenen Gefäß, das
möglichst auf Körpertemperatur erwärmt ist, auf und läßt das Gefäß samt
Inhalt ruhig stehen. Nach einiger Zeit beginnt das Blut zu gerinnen und
es bildet sich auf der Oberfläche eine dicke Haut. Diese klebt meist
ziemlich fest an der Gefäßwand ; mit Hilfe eines Messers löst man sie
vorsichtig ab und erreicht auf diese Weise, daß der Blutkuchen sich ganz
gleichmäßig zusammenzieht und das Serum vollkommen klar ausgepreßt
wird. Ganz frei von Blutfarbstoff erhält man das Serum nur, wenn man
während und nach dem Auffangen des Blutes die Bildung von Konden-
sationswasser unmöglich macht. Dies erreicht man während des Auffangens,
wie oben erwähnt, am besten dadurch, daß man das Auffanggefäß auf Körper-
*) M. Arthus und C. Pages, Nouvelle thöorie chimique de la coagulatiou du sang.
Arcli. de PhysioL (Y.) 2. 739/46 (1890).
Methoden zur Aufarbeitung des Hinten in seine einzelnen Bcstandt<'Uo ] \-'
tempei-Mtur vorwärmt und es möglichst bis zum Rando mit Ulut nul'üllt. Ist
letzteres nicht möglich, so sorge man dafür, dal» der nicht mit Ulut ^^v-
füllte Teil des Gefälles sich nicht rascher als das Blut ahkidilt. Am hestcu
erreicht man dies dadurch, dal» man das Oefiili in eiiicni mäliig warmen
Raum ruhig stehen lälU.
Das eben geschilderte Verfahren hat neben dein \urzug. bei sorg-
fältiger Ausführung ein vollkommen hänu)globinfreies Serum zu liefern,
den einen Nachteil, für die Gewinnung größerer Serummengen ziendich
zeitraubend zu sein.
Rascher kommt man zum Ziel, wenn man das Rlut sofort, nachdem
es den Körper verlassen hat, mit einem Holzstab ..schlägt" (kräftig rührt);
das Fibrin, das sich an dem Stab als elastisch-faserige zusammenhängende
Masse abscheidet, heraushei)t und das defibrinierte Blut, nachdem man
es zuvor kolliert hat, zentrifugiert. Das über dem Blutkörix-rchensediment
stehende, meist etwas gefärbte Serum hebt man dann mit Hilfe eines Hebers
ab, den man an seinem längeren Schenkel zweckmäbig mit einem Kautschuk-
schlauck und einem Quetschhahn versieht, um die Ausflußgeschwindigkeit
regulieren und das Abfließen nach Belieben unterbrechen zu können.
Statt durch Schlagen mit einem Holzstab kann man vor allem kleinere
Blutmengen auch defibrinieren durch kriiftiges Schütteln mit reinem (^)ueck-
silber, das Fibrin durch Kollieren abtrennen und dann die Trennung von
Serum und Formelementen in üblicher Weise vornehmen.
3. Gewinnung der Formelemente.
a) Rote Blutkörperchen.
Rote Blutkörperchen, denen jedenfalls nur geringe Mengen von Leuko-
zyten und Blutplättchen beigemengt sind, erhält man am besten in folgen-
der Weise'):
Frisches Pferdeblut 2), das mit OTVo Ammonoxalat ungerinnbar ge-
macht worden ist, wird bei etwa 3000 Umdrehungen in der Minute etwa
15 Minuten lang zentrifugiert. Das Plasma und die oberste Schicht des
Sediments werden abgehoben und die untere feste Blutkörperchenschicht
mit 0"9o,oiger Kochsalzlösung vermischt. Nach erneutem 1.') Mimiten langem
Zentrifugieren wird die abgeschiedene Kochsalzlösung abgeholfen und der
ganze Prozeß noch 2mal wiederholt.
Für Zwecke, bei denen es darauf ankommt, rote Blutkörperchen voll-
kommen frei von Leukozyten und Blutplättchen zu erhalten, verfahren
Abd er ha hl eil und Deetjeu in folgender Weise-''):
^) E. Abderhalden, Abbau einitrer Polypeptide diircli dir rdutkörperchen dos
Pferdes. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 51. 3:U (il>()7).
^) Ebenso verfäbrt man natürlich bei jeder anderen Hlutart: auch k.tun mau für
die Gewinnung von Erythrozyten von dcfibrinierteni lilut ausgehen.
'■') E. Abderhalden und Deetjen, Weitere Studien über den Altl)au einiger Poly-
peptide durch die roten lUutkörjierchen und die Blutplättchen des Pferdeblutes. Zeit-
schrift f. physiol. Chemie. 53. 28U d'.lüTj.
144 E. Letsche.
Pfercleblut wird durch Zusatz von 0"15Vo Ammonoxalat ungerinnbar
gemacht und zentrifugiert: das Plasma wird abgegossen und die oberste
an Leukozyten reiche Schicht des Sediments abgehoben. Das übrige Sedi-
ment vermischt man mit einer Lösung von 0-9''/o Kochsalz und Ol^/o
Ammonoxalat, zentrifugiert Avieder und filtriert nach dem Abheben der
Flüssigkeitsschicht das Gemisch der roten Blutkörperchen, Blutplättchen
und noch vorhandenen Leukozyten durch eine mehrfache Lage von Filzi)
auf einer Nutsche. Die Filzschicht durchtränkt man vorher mit Plasma,
das man durch Zusatz einiger Tropfen Chlorkalziumlösung zur Gerinnung
gebracht hat. Blutplättchen und Leukozyten werden vollständig zurückge-
halten. Die Erythrozyten werden nach dem Filtrieren noch omal mit Koch-
salzlösung verrührt und zentrifugiert.
b) Leukozyten.
Zentrifugiert man ungerinnbar gemachtes P)lut, so setzen sich die
Leukozyten, als die spezifisch leichteren Formelemente, auf den Erythro-
zyten ab. Über den Leukozyten findet man bei genügend langem Zentri-
fugieren eine Schicht von Blutplättchen. Während es nun, wie wir nachher
sehen werden, ohne allzu große Schwierigkeiten gelingt, Blutplättchen frei
von anderen Beimengungen zu erhalten, bereitet die Gewinnung von Leuko-
zyten aus Blut bis jetzt unüberwindUche Schwierigkeiten, wenigstens so-
weit es sich um Mengen handelt, die für chemische Untersuchungen aus-
reichen. Untersuchungen, die sich mit der Zusammensetzung der Leuko-
zyten beschäftigen, sind angestellt worden an Leukozyten aus Eiter und
aus lymphatischen Organen.
c) Blutplättchen.
Zur Gewinnung dieser Elemente verfährt il/osm -) folgendermaßen:
Man läßt das Blut direkt aus der Karotis oder Jugularis in einen
Maßzylinder fließen, der je nach der zu erwartenden Biutmenge ein ge-
wisses Quantum einer 2''/oigen Ammonoxalatlösung in O'TVoiger Kochsalz-
lösung enthält. Sobald die Mischung das lOfache des angewandten Volums
Ammonoxalatlösung erreicht (also 0"2Vo Ammonoxalat enthält), bringt man
sie auf die Zentrifuge und schleudert aus, bis eine Trennung der verschiedenen
Bestandteile des Blutes nach ihrem spezifischen Gewicht erreicht ist (2 bis
7 Stunden). Das Blut zeigt dann in der Kegel eine 4fache Schichtung.
Über den roten Blutkörperchen findet man eine je nach der Blutmenge
bis 5 mm dicke graurötliche Lage, die neben vorwiegend Leukozyten reich-
') Noch besser erreicht man den gewünschten Zweck durch Filtrieren durch eine
längere nicht zu fest gepreßte Watteschicht; Abderhalden und Mcuucaring , Über den
Abbau einiger Polypeptide durch die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen des
Rindes. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 55. 377 (1908) verwenden eine 2b cm hohe Watte-
schicht.
'-) R. Mosett, Die Herstellung wägbarer Mengen von Blutplättchen. Arch. f. Anat.
u. Phys. 1893. (Phys. Abteil.) 352.
Methodeu zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. ij;,
lieh Erytlirozyten und ehvas IJliitplättchon enthiilt. Darüber folf,'t, wie eine
zarte Decke, eine weißliche Schicht, die von Krytiirozyton und Leukozyten
vollkoiiinicn frei ist und aus den gewünschten Plättchon besteht. .Mit Hilfe
einer kleinen Saugpipette kann man diese Schicht leicht ahhehen.
Morawitz^) wendet zu einer vollständigen .Vhtreiinung der Dliitpliitt-
chen fraktioniertes Zentrifugieren an.
Aus der Karotis eines Tieres entHiinint man Dliit und fängt es in
Fluornatrium oder Natriummetaphosphatlösnng auf. so dal« die Konzen-
tration an diesen Zusätzen 0-2 I)zw. 2% beträgt. Die Mischung hat sofort
und recht ausgiebig zu geschehen, am besten durch l'mstülpen des mit
einem Olasstopfen versehenen Gefäßes. (Man wählt für diesen Zweck bes.ser
verschiedene kleine (Jefäße zu je 1 00 ny/^ statt eines größeren.) Dann zen-
trifugiert man; die Dauer läßt sich nicht von vornherein bestimmen. .Mit
einiger Übung erkennt man bald den richtigen Zeitpunkt zum Luter-
brechen. '-)
Trifft man den richtigen .Moment, so haben sich die Erythrozyten
vollständig abgesetzt; darüber findet sich eine Schicht, die Leukozyten und
wenig riättchen enthält. Das Plasma ist mehr oder weniger weililich ge-
trübt— von der Hauptmenge eben der Plättchen. ^Lan hebt das Plasma ab,
läßt aber eine etwa 2 cm hohe Schicht über dem Sediment stehen und zen-
trifugiert das Plasma o — 4 Stunden mit einer (ieschwindigkeit von etwa
2000 Touren. Die Plättchen haften dann als grauweißer Pelag am lioden
des Gefäßes und lassen sich durch Abspülen mit physiologischer Kochsalz-
lösung von dem anhängenden Plasma befreien.
Das von Morawitz angegebene Verfahren haben auch Ahdrrhihlen
und Deetjen^) und Schittenhehn und Bodong^) benutzt. Die beiden letz-
teren benutzten eine Zentrifuge '')■ deren Geschwindigkeit beliebig geändert
und jederzeit genau festgestellt werden kann und verfahi'en folgender-
maßen:
Das Blut wird wie üblich in Oxalatlösung aufgefangen. Nach 3- bis
4stündigem Stehen haben sich bei Pferdeblut der größte Teil der Erythro-
zyten und Leukozyten zu Doden gesetzt. Das blutkörperchenarme, aber
plättchenreiche Plasma wird vor.sichtig abgehebert und auf die elektrisch
betriebene Zentrifuge •'"') gebracht. Man schleudert das Plasma zunächst
15 Minuten bei 1600 Umdrehungen aus. Dabei .setzen Erythrozyten und
Leukozyten sich vollkommen ab. Die vorsichtig von den Körperchen abge-
M Morawitz, Beiträge zur Kenntnis der Bhitgerinnung. Deutsches Arch. f. klin.
Med. 79. 21 .ö/:« (1904).
-) Fluoridphisma scheidet sich rascher ah als Salzplasnia.
') Abderhalden und Deetjen, Weitere Studien ülier ihn Aldiau einiger I'oly-
peptide usf. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 5^^ 28ö (l'.)07).
■*) A. Schittitihclm und Jiodniif/, Beitrage zur Krage der BlutuHMiiiiuniL' u-f \"'li f.
c.xperim. Path. u. Pharm. 54. 220 (1S)0()).
•') Solche Zentrifugen werden von der Firma S/jindlcr «c llaor in dottjugen
nach der Aiigahe von ('. Jacob i/ gehaut und inaclieu his zu .'lälH) Imdrehungen iu ilcr
.Minute.
A bdur h ul den , Handbuch der biochemischen Arbeitemethodun. V. 10
146 E. Letsche.
gossene leicht getrübte Flüssigkeit zentrifugiert man jetzt 15 Minuten bei
3200 Umdrehungen. Die Flüssigkeit ist dann vollkommen klar und die
Plättchen haften als zäher weißgrauer Belag am Boden des Gefäßes.
Bei Blutarten, deren Formelemente sich nicht so leicht absetzen wie
die des Pferdebluts, hält man folgende Bedingungen ein: Man fängt das
Blut, z. B. Hundeblut, in Fluornatriumlösung auf, so daß die Fluoridkon-
zentration schließhch O'o7o beträgt. Man schleudert sofort 40 Minuten bei
1600 Umdrehungen aus zur Abscheidung von Erythrozyten und Leukozyten.
Dann schleudert man nochmals 10 ^linuten bei 1600 und nach erneutem
Abheben o Minuten bei 2100 Umdrehungen aus, um schheßUch das milchige
Plasma noch 30 — 40 Minuten bei 3200 Umdrehungen zu zentrifugieren
zur Abscheidung der Blutplättchen, die dann, wie oben schon angedeutet
wurde, mit O^Q^/oiger NaCl-Lösung abgespült werden können. Es ist nicht
zweckmäßig — jedenfalls für manche Zwecke nicht — , die Plättchen in
NaCl-Lösung aufzuschwemmen und dann wieder auszuschleudern. Die vor-
her schon mit recht großen ^'erlusten arbeitende Methode wird dadurch
noch verlustreicher.
(1) Stroma.
Im Anschluß an die Methoden zur Isolierung der Formelemente seien
hier noch die Methoden zur Isolierung des Stroma aufgeführt.
Als erster hat wohl Wooldridge i) das Stroma, und zwar nach folgen-
dem Verfahren, zu isolieren versucht.
Frisch geschlagenes Blut wird mit einem mehrfachen Volum 2<'/oiger
Kochsalzlösung versetzt und zentrifugiert. Der nach dieser ersten Be-
handlung bleibende Bodensatz wird noch mehrere Male mit Kochsalz-
lösung auf der Zentrifuge ausgewaschen, bis das anhaftende Serum ent-
fernt ist. Der aus einem Gemenge verschiedener Formelemente bestehende
Brei wird in das h — 6fache Volumen Wasser eingetragen und das Ganze
kräftig durchgeschüttelt. Dann fügt man vorsichtig so lange Äther zu,
bis die Flüssigkeit vollkommen durchsichtig ist. Jetzt kommt sie von
neuem auf die Zentrifuge, um die Leukozyten, die wenig verändert in
der Feuchtigkeit schwimmen, abzuscheiden; das Zentrifugieren muß man
eventuell so oft wiederholen, bis ein Bodensatz sich nicht mehr bildet.
Der nun erst vollkommen klaren Flüssigkeit setzt man eine P/oige
Lösung von Natriumbisulfat -) tropfenweise zu; ist eine genügende Menge
von dieser Salzlösung zugegeben, so trübt sich die klare Flüssigkeit bis
zu einem ähnUchen Grade wie unverändertes Blut; alsbald ballen sich die
ausgefällten Stromata zusammen und setzen sich zu Boden.
Ist das Stroma einmal geschrumpft, so quillt es auch nach langem
Waschen mit destilliertem Wasser nicht wieder auf. Da es in verdichtetem
^) L. Wooldridge, Zur Chemie der Blutkörperchen. Arch. f. Anat. u. Phys. 1881.
Phys. Abteil. 389.
^) Das saure Salz ist der prinzipiell auch brauchbaren Säure vorzuziehen , weil
.sich dadurch eine Zersetzung des Hämoglobins vermeiden läßt.
Mothodon zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzoliii'u liesiandteile. 147
Zustand leicht filtrierbar ist, so kann man alle lU'imenj^'un^M'ii ausziehen
rait Ausnahme einer Spur zersetzten Hämoi>lol)ins.
Die gesamten im Obigen beschriebenen OjK-rationen lassen sich bei
niedriger Temperatur in wenigen Tagen ausführen.
Ein einfacheres und wie mir scheint besseres \' erfahren hat J'<is-
cuccl^) angegeben.
Er verfährt folgendermaßen:
Man lädt die Blutscheiben des defibrinierten Blutes sich abscheiden
(eventuell zentrifugiert man), hebert das überstehende Serum ab und ver-
setzt den Blutkörperchenbrei -} mit dem 15 — 20fachen \'olum einer Vs ge-
sättigten Ammonsulfatlösung. Nach gutem Umrühren labt man die Blut-
scheiben sich absetzen, hebert die überstehende Ammonsulfatlösung ab.
zentrifugiert das Sediment und gießt die überstehende Flüssigkeit ab. l)er
Bodensatz wird in ganz dünner Schicht auf flachen Torzellantassen aus-
gebreitet und l)ei Zimmertemperatur eintrocknen gelassen. Je rascher
dieses Eintrocknen erfolgt, desto beciuemer gestaltet sich die weitere Dar-
stellung. Die trockene Masse ») wird in kaltem Wasser verteilt, worin der
Farbstoff sich löst, während die Stromata am Boden sich ansammeln; sie
bleiben in dieser Lösung ungefähr 24 Stunden bei 0". Dann wird das Wasser
über dem Bodensatz durch Dekantieren so oft gewechselt, bis es voll-
kommen farblos bleibt: anfangs kann man zum Waschen Leitungswasser
verwenden, zum Schluß l)enutzt man destilliertes Wasser. Zuletzt werden
die Stromata auf einem Filter gesammelt und mit destilliertem Wasser
sorgfältig ausgewaschen.
Die von Piettre und Fi/« angegebene Methode*) benutzt zum Lack-
farbenmachen des Blutes Äther, ein \'erfahren, das wegen der Möglichkeit
der Aufnahme ätherlöslicher Substanzen aus dem Stroma nicht ganz ein-
wandfrei sein dürfte.
Das Verfahren ist folgendes:
In einen Scheidetrichter von etwa ;i / Inhalt bringt man lutior/»^
physiologischer Kochsalzlösung und öOOc//^^ Blutkörperchenbrei von der
Dichte Fll und mischt das Ganze gut durch. Dann fügt man •JöO r;;/»
Äther zu und schüttelt vorsichtig um. Der Äther kommt in P)erührnng
mit den Blutkörperchen und bewirkt Hämolyse. Die anfängliche Emulsion
klärt sich; es sind 2 Schichten erkennbar: eine untere durchsichtige, die
') 0. Pascucci, Zusammensetzung des lilutsclieilionstrumas und ilif HänioI\^o
Hofmeisters Beitr. 6. 54:^ (l'.)05).
'-) Der Blutkörperchenbrei kann eventuell vorher durch Waschen mit 2' «iger
NaCl-Lösung von Serumbestandtoilen licfroit werden r Wooldridijr), doch ist das nicht
unl)edingt notwendig.
'■') Man kommt auch manchmal zum Ziel, wenn man den feuchten Blutktirper-
ohenbrei in viel destilliertes Wasser einträgt. Nach 24 Stunden haben sich die ent-
färbten Stromaten abgesetzt und können, wie oben, wciterbohandclt werden. I)ie I>ar-
stellung auf diesem Wege gelingt nicht immer und die Ausbeute ist meist eine unvoU-
Jiommeue.
*) IHcttre et Vila, Le stroma des gloluiles rouges. L'ompt. Kend. 14."). 787/ '.KJ (1906).
10*
148 E. Letsche.
eine konzentrierte Hämoglobinlösung darstellt, und eine obere flockig ge-
trübte, welche die Gesamtheit der freien Stromata und der noch nicht
hämolysierten Körperchen enthält. Die untere Schicht läßt man ausfließen,
ersetzt sie durch ein kleineres Volum physiologischer Kochsalzlösung und
schüttelt von neuem, um die Hämolyse zu vervollständigen. Man läßt die
untere Schicht wieder ab und wäscht die Ätherschicht so lange mit salz-
haltigem Wasser, bis dieses keine färbende Substanz mehr aufnimmt. Die
Stromaflocken sammelt man dann auf einem Filter.
II. Bestimmung des relativen Volums beziehungsweise Gewichts
von Formelementen und Plasma oder Serum.
1. Methoden, welche die Beobachtung benutzen, daß gewisse Be-
standteile des Blutes entweder nur im Plasma (oder Serum) oder
nur in den Formelementen sich befinden oder daß dem Blut zu-
gesetzte fremde Stoffe nicht in die Blutkörperchen eindringen.
Die älteste hierher gehörige Methode ist die von Hoppe- Seyler ange-
gebene ^) , bei welcher man die Mengen Fibrin, die einerseits in einer ge-
wogenen Menge Blut, andrerseits in einer gewogenen Menge Plasma sich
finden, bestimmt.
Man bestimmt in einer Portion Blut (10 — -iOcm^) den Fibriugehalt
nach der an anderer Stelle beschriebenen Methode. -) Eine zweite größere
Blutportion fängt man in einem in Eis stehenden Standzylinder auf, läßt
die Blutkörperchen sich senken, entnimmt mit einer ebenfalls gekühlten
Pipette, die der zur ersten Bestimmung angewandten Bkitmenge gleiche
Plasmamenge und bestimmt in ihr das Fibrin genau ebenso wie im Blut.
Bedeutet a den Prozentgehalt des Blutes an Fibrin,
b „ „ „ Plasmas an Fibrin,
ferner
X den Prozentgehalt des Blutes an Plasma,
y ,; „ „ „ ;, Körperchen,
z „ „ „ „ „ Serum,
so gelten die Beziehungen:
x = — ; y— 100 — x; z = x — a.
b
Diese Methode wird wegen ihrer nicht allzu hohen Genauigkeit nur
wenig angewandt.
Methode von Bunge.
C. Schmidt^) hat festgestellt, daß in der Zwischenflüssigkeit des
Blutes das Natron vorherrscht, in den Körperchen dagegen das Kali.
^) Hoppe- Seyler -Thierf eider, Handbuch der physiol.- u. pathologisch-chemischen
Analyse. 8. Aufl. Berlin 1909. S. 682.
2) Dieses Handbuch. Bd. 2. 8.376(1910).
ä) C. Schmidt, Charakteristik der epidemischen Cholera. Leipzig und Mitau 1850.
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestantitoile. I4f^
G. Sacharjin i) hat die Vermutung ausfresprochon, dali in gewissen lilutarten
das Natron nur im Serum , nicht in den Körperchen sich fin(h'. Dieser
Vermutung ist G. Bumje-) nachgegangen und hat darauf folgende Methode
gegründet:
Man bestimmt in einer gewogenen Menge defibrinierten Blutes nach
einem der später zu besprechenden ^'erfahren das Natron und in gleicher
Weise das Natron des Serums.
Bezeichnet dann
a den Prozentgehalt des Blutes an Natron,
b „ „ „ Serums an Natron,
X „ „ ., Blutes an Serum,
so gilt wie bei der Methode von Hoppe-Seyler die Bezielmng
a.lOO
" = -¥—
Die Methode liefert Werte, die mit den Zahlen, die nach anderen
Methoden gew^onnen worden sind, recht gut übereinstimmen. Sie ist aber
natürlich nur anwendbar bei Blutarten, für welche die von Sacharjin aus-
gesprochene Vermutung zutrifft, und zwar ist dies nach Ahderhalden ») das
Blut vom Pferd, Schwein und Kaninchen.
Für dieses Verfahren ist natürlich prinzipiell jede Substanz hrau(lil)ar,
die entweder nur im Serum oder nur in den Fonnelementen sich findet,
wie z. B. Fett und Kalk, welche beiden nach Abderhalden *) in den Form-
elementen fehlen.
Schlielilich steht auch wohl nichts im Wege, diese Methode auch auf
nicht geronnenes oder ungerinnbar gemachtes Blut anzuwenden.
Methode von Stewart.^)
Das Prinzip der Methode ist folgendes: Ein Farbstoff, der im Serum
löslich ist und weder in die Körperchen eindringt noch in merklicher
Weise den osmotischen Druck des Serums beeinflulit, wird in bestimmter
Menge einem bestimmten \'olum oder Gewicht von defibriniertem Blut zu-
gefügt. Das i^dut wird geschüttelt, bis der Farbstoff gleichmäbig verteilt
ist und wird dann zentrifugiert. Aus der Menge des Farbstoffs, der in
einer gegebenen JMengo des gefärbten Serums enthalten ist. kann die Menge
des Serums im Blut leicht errechnet werden. Als Farbstoff verwendet
man Hämogloblin, das man nach dem Verfahren von Hoppc-Scyler^) oder
1) G. Sacharjin, Zur Blutanalyse. Virchows Arcli. Bd. 21. :-i37 (18(51).
^) O.Jhoiqe, Zur quantitativen Analvse des Blutes. Zeitsrlir. f. Bioloirie. 12.
191 (187()).
^) E. Ahderhalden, Zur (juantitativen vergleichenden .\nalyse des Blutes. Zeitschr.
f. physiol. Chomic. 25. Go/115 (18i)8).
*) E.Abderhalden, Zur quantitativen vergleichenden Analyse 'lc> lUnfes. Zeitschr.
f. physiol. Chemie. 25. 109 (1898).
') B. N. Stewart, The relative volume of corpuscles and plasuia in blood. Joum.
of l'hysiol. 24. 35G/93 (1899).
«) Iloppe-Seyler-Thicrf eider, Handbuch etc. 8. Aufl. 1909. S. 408.
150 E. Letsche.
sonst einem anderen brauchbaren Verfahren herstellt, wiederholt um-
kristallisiert und schließhch trocknet.
Das Verfahren ist folgendes :
Ein genau gewogenes oder gemessenes Quantum Blut mrA zentri-
fugiert, bis eine große Quantität klaren Serums sich abscheidet ; möglichst
viel von diesem vollkommen körperchenfreien Serum wird genau gemessen
oder gewogen. 5 — Ibcm^ (genau zu bestimmen!) werden in einer Reib-
schale sorgsam mit einer gewogenen Quantität Hämoglobin zerrieben. Man
nimmt gewöhnlich soviel Hämoglobin, daß eine 1 — 2''/oige Lösung von
Hämoglobin im Serum entsteht. Von dieser Lösung gibt man eine bestimmte
Menge dem Blutkörperchensediment zu, mischt das Sediment gut mit der
Lösung und zentrifugiert wieder, bis eine rötliche oder schwärzlich rötliche
Serum schiebt sich abgetrennt hat, die als „gefärbtes Serum" bezeichnet
sei. Auch diese Schicht muß vollkommen frei von Blutkörperchen sein. Man
hebt von diesem Serum wieder einen Teil ab und vergleicht ihn mit der
Lösung von Hämoglobin in Serum, und zwar in der Weise, daß man die
Hämoglobinlösung mit frischem Serum oder mit Wasser verdünnt, bis sie
die Farbe des „gefärbten Serums" zeigt, was man mit Hilfe eines Kolori-
meters feststellt.
Aus der Menge Serum oder Wasser, die man der ursprünglichen
Hämoglobinlösung hinzufügen muß, kann man die Menge Serum, mit
welcher jedes Gramm oder jeder Kubikzentimeter der Hämoglobinlösung,
die man dem Sediment zugefügt hat, vermischt worden sein muß, und
deshalb auch die Menge Serum, die im Sediment nach der Entfernung der
ersten Serumportion zurückgeblieben ist, unmittelbar entnehmen. Das
spezifische Gewicht des defibrinierten Blutes und Serums wird immer be-
stimmt, so daß die Menge Serum im Blut sowohl in Kubikzentimeter auf
100 cw^ als auch in Gramm auf 100^ Blut angegeben werden kann.
Bedeutet
V das angewandte Blutvolum,
V „ Volum der ersten Serumportion,
v' „ „ „ Hämoglobinlösung, die man dem Sediment zugefügt hat,
a „ „ Serum oder Wasser, das jedem Kubikzentimeter von v' zu-
gefügt werden mußte, um seine Färbung der des gefärbten Serums
gleich zu machen , dann gilt die Beziehung ^-^^ — '-— = Volum
des Serums in 100 cm^ Blut.
Die Hämoglobinbestimmung ist die einzige Messung, die nicht mit
gleich großer (xenauigkeit wie die anderen ausgeführt werden kann, aber
die Entfernung und Bestimmung der größeren Serumportion vor dem Zu-
fügen der Hämoglobinlösung reduziert den Fehler aus dieser Quelle.
Beispiel :
Ibcm^ Blut zentrifugiert,
43"5cm3 klares Serum abgehoben;
0"384r/ Hämoglobin werden in 35 «w^ Serum gelöst und
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandtcilo. ]",|
Ibcm^ der klaren Lösunji: dem Blutkörperchensedinient zugefügt. Man
mischt gut und zentrifugiert wieder;
21-bcin^ Serum (..gefärbtes Serum") werden abgehoben:
20)1^ der Iliimoglobinlösung geben mit IM) cm^ Serum vom lihit dessell)en
Tieres genau die gleiche Färi)ung, wie sie das ..gefärbte Serun»-
aufweist.
Also wurden Q-San^ Serum in dem Sediment gemischt mit je einem
Kubikzentimeter der Hiimoglobinlüsung, die dem Sediment zugefügt worden
ist, und es müssen somit nach der Entfernung von 43'5cm3 Serum noch
15 X O'S = 12 c»i^ Serum im Sediment enthalten gewesen sein.
Dies gibt 4;Vö + 12 = 55-5nM=» Serniii in Ibnn^ IWut, somit 74'Ucw*
Serum in 100 cni^ Blut.
Zum Vergleich sei noch angeführt, daß bei einem anderen lllut ergeben
haben die Methode von Hoppe-Seyler b'6'11 cm^ , die Methode von Stewart
b9'2'dcm^, die Leitfähigkeitsmethode 59'39cw3 Serum in lOOcm^Blut; so-
mit gibt die Methode recht befriedigende Resultate.
2. Methoden, welche Bestandteile, die in Formelementen und
Zwischenflüssigkeit sich finden, im Blute, Serum (Plasma) und
Körperchen gesondert bestimmen und hieraus das Verhältnis von
Formelementen zu Serum (Plasma) ermitteln.
Methode von Hoppe-Seyler.'^)
Die Methode beruht auf der experimentell begründeten Annahme, daß
bei Trennung von Plasma (Serum) und Formelementen durch verdünnte
Kochsalzlösung (0"9VoiS) keine Proteinstoffe aus den Körperchen aus-
treten. Sie verwendet zur Berechnung folgende experimentell zu ermittelnden
Größen :
1. Gehalt des P>lutes an Proteinstoffen;
2. Gehalt der Formelemente an Protein Stoffen :
3. Gehalt des Serums an rroteinstoffen. Die.>^e Daten braucht man für
defibriuiertes Blut; wünscht man die entsprechenden Verhältnisse an Bhit.
wie es aus dem Körper strömt, kennen zu lernen, so hat man
4. den Gehalt des Blutes an Fibrin noch zu bestimmen.
Die Ausführung gestaltet sich folgendermaßen: Man fängt, wenn es
sich um defibriuiertes Blut handelt, ;'. , im anderen Falle 4 einzelne Blut-
portionen auf.
In der 1. Portion — 5 — \Octn^ — , die man in einem mit l'hrglas
versehenen, tarierten Becherglas auffängt und nach dem Krkalten wägt,
bestimmt man den Gesamteiweißgehalt nach der Methode, die sich an
anderer Stelle-') beschrieben findet.
*) Hoppe- Serjler-Thin-felder , Handbuch ilor physiologisch- und pathologisch-
chemischen Analyse. 8. Aufl. 19Ü9. S. (582.
•-) Dieses Ilandbuch. Bd. 2. S. 373 (lyiU).
152 E. Letsche.
Als 2. Portion fängt man wieder etwa 5 — 10 cni^ Blut in einem
Fibrinbestimmungsapparat 1), den man gewogen und dann auf Körper-
temperatur erwärmt hat, auf, bringt das Blut durch Schlagen zur Ge-
rinnung 2), wägt nach dem Erkalten und mischt die Flüssigkeit in einem
größeren Becherglas mit dem zehnfachen Volumen einer Mischung von
1 Teil gesättigter Chlornatriumlöung und 9 Teilen Wasser. Man bringt
jetzt die Flüssigkeit quantitativ in die Gläser einer Zentrifuge, schleudert
1 — 2 Stunden aus, gießt die überstehende Flüssigkeit völlig klar ab, mischt
den zurückbleibenden Blutkörperchenbrei mit derselben Salzlösung, zentri-
fugiert wieder, gießt von neuem ab und verfährt nochmals in der gleichen
"Weise. Sind auf diese Weise alle Serumbestandteile entfernt dann werden
die in den Zentrifugengläsern sich findenden Eückstände mit möglichst
wenig Wasser in ein Becherglas gebracht, durch Alkohol gefällt und zur
Bestimmung der Proteinstoffe in der gleichen Weise wie oben das Gesamt-
blut weiter behandelt.
Eine 3. Portion Blut fängt man in einer auf Körpertemperatur er-
wärmten Schale auf, bedeckt die Schale und läßt ruhig stehen. Von dem
nach eingetretener Gerinnung allmählich aus dem Blutkuchen austretenden
Serum wägt man b—lOcm^ in einem Becherglas ab und bestimmt in
dieser Portion die Serumeiweißkörper. Geht man von defibriniertem Blut
aus, so wird man dieses ausschleudern und das abgehobene Serum in
gleicher Weise wie oben beschrieben weiter behandeln.
Schließlich benützt man die 4. Portion noch zu der Bestimmung
des Fibringehaltes des Blutes nach dem an anderer Stelle 1) beschriebenen
Verfahren.
Die in 1, 2 und 4 erhaltenen Zahlen rechnet man auf 100 g Blut
um; die in 3 erhaltenen Zahlen auf 100«/ Serum,
Bezeichnet dann
a den Prozentgehalt des Blutes an Eiweißstoffen:
b „ „ von Fibrin + Eiweißstoffen in den Formelementen;
c „ „ des Serums an Eiweißstoffen;
d „ „ „ Blutes an Fibrin;
ferner
X den Prozentgehalt des Blutes an Serum;
y „ „ „ ■„ ,; P^rmelementen;
z „ „ „ ,j „ 1 lasma;
so ist
x = ^^100; y = 100— (x-t-d); z=rx-hd.
Schließlich stammt von Hoppe- Seyler noch ein weiteres Verfahren^),
das im wesentUchen mit dem eben beschriebenen übereinstimmt. Wegen
1) Siehe dieses Handbuch. Bd. 2. S. 376 (1910).
~) Bei defibriniertem Blut vereinfacht sich das Verfahren in leicht ersichtlicher
Weise.
3) Hoiype-Seißer-Thierfelder, Handbuch etc. 8. Aufl. 1909. S. 683.
Methoden zur Aufarbeitung des ßlutos in seine einzelnen Bestancitfilc 1 ");>
der bei diesem Verfahren notwendi^^en kolorimetrischfii liestiiniiiuiiy; ist
dieses \'erfalireu vielleicht etwas wenif^er «;enau, bietet aber bei lUutartcn.
deren Formeleniente nicht oder nur schwer sich absetzen (aucli mit Hilfe
der Zentrifuge nicht), den Vorteil, dali ein Verlust an Formelementen ohne
P^influli auf das liesultat der IJestimmunti- ist.
In einer ersten Blutportion bestimmt man den (iesamteiweillgehalt
des Blutes genau so wie auf S. ir»! angedeutet.
Die zweite Blutportion wird zunächst genau entsprechend dem. was
bei dem vorhergehenden Verfahren für ihre Bearl)eitung angegeben wurde,
behandelt . wobei es nichts zu bedeuten hat . wenn beim Waschen
des Formelementesediments von diesem etwas verloren geht. In einem
genau allzumessenden Quantum des von Serumbestandteilen freien ühit-
körperchenbreis bestimmt man das Gesamteiweili, in einem zweiten die
Menge des Blutfarbstoffes auf kolorimetrischem Wege.i)
Die dritte Portion verwendet man zur (luantitativen Bestimmung des
Fibrins-), wobei die abgegossenen und abfiltrierten Waschflüssigkeiten
sorgfältig gesammelt und zur Blutfarbstoffbestimmung verwendet werden.
Eine vierte Portion dient schließlich zur P>estimmung der Serum-
eiweißkörper, wobei man wie bei der vorhergehenden Methode verfährt.
Die in 1, 8 und 4 erhaltenen Werte rechnet man auf 100^ Blut
bzw. Serum um. die in 2 erhaltenen auf ein bestimmtes Volumen der
Flüssigkeit.
Bezeichnet
a den Prozentgehalt des Blutes an Proteinstoffen;
b ,, „ „ „ r Fibrin:
c „ „ „ „ „ Blutfarbstoff:
j;
V
«
n
»
n
n
^»
V
d „ ,. „ Serums an i^roteinstoffen:
e das Yerhiiltnis von Proteinstoffen zu Blutfarbstoff in den Kfirpei-chon
und ferner
w den Prozentgehalt des Blutes an Proteinstoffen der Ivürpercheii;
X „ „ „ „ „ Serum:
y ;, ;, „ „ „ l'lasma:
z „ „ „ „ „ Körperchen:
so ist
[a-(.- + bn 100_. ^,^^^^. ,=ioO-(x + b).
w = c . e ; X _ ,
d
Methode von M. und L. Bleibtreu.
Eine Methode, die ebenfalls die im lUut enthaltt-nen Fiweibkörper
zum Ausgangspunkt der Bestimmung des Verhältnisses von Serum
') Franz Miilhr, dieses Handbuch. Bd. 2. S. 705 ff. (1910).
•-) Dieses Ilandbucli. Bd. 2. S. 376. Die Fibrinbestimnuing fällt in defibriniortom
Blute luitürlich weg. und es bniuclit dann nur die Blutfarbstoffltestimmun!.' in I'ortiou :3
ausgeführt zu werden.
154 E. Letsche.
(Plasma) und Forraelementen macht, haben M. und L. Bleibtreu ausge-
arbeitet.^)
Das Prinzip der Methode ist folgendes : Mischt man Blut mit phy-
siologischer Kochsalzlösung und läßt man die Formelemente sich zu Boden
senken, so ist in der Flüssigkeit der Prozentgehalt an Eiweiß bzw. Stickstoff
in dem Maße vermindert, als der Flüssigkeit Salzlösung zugefügt worden ist.
Ist die zu der Mischung angewandte Blutmenge = a , das zugefügte
Volumen Kochsalzlösung := b und bezeichnet x den echten Bruch , mit
welchem man das Blutvolum a multiplizieren muß, um das darin enthal-
tene Flüssigkeitsvolum zu erfahren, so beträgt die Gesamtmenge der in
der Mischung enthaltenen Plüssigkeit ax + b.
Verwendet man ein bestimmtes Volum dieser Salzlösung-Serum-
mischung zur Analyse, so muß man dieses Volum mit — — l multiplizie-
* -^ ax-l-b
ren, um das darin enthaltene Volum Serum zu bekommen. Z. B. sind in
5 cm^ des Gemisches 5 . — —,- cm^ Serum enthalten.
ax+b
Ergibt dann die Stickstoffbestimmung , daß in diesem Volum e g
Eiweiß (Stickstoff auf Eiweiß umgerechnet) enthalten sind, so erhält man:
in 5 r cm^ Serum e q Eiweiß;
ax + b -^
eine zweite Verdünnung ergibt:
in 5 ^—^ cm ^ Serum e, g Eiweiß.
a^x + bi ' -^
Somit sind in 5 cm^ Serum enthalten:
^iX + bi , ax + b .
Ci -^^ bzw. e g Eiweiß.
ajX ax
Diese beiden Mengen müssen aber gleich sein; also
a^x + bi ax + b
ajX ax
Hieraus ergibt sich dann :
. , bi b
x(e— Ci) — ei e
aj a
Aus dieser Gleichung läßt sich x berechnen und damit kennt man
auch das Volum der körperlichen Elemente 1 — x.
Macht man statt 2 Mischungen deren drei, so hat man eine 2fache
KontroUe, indem man x aus der 1. und 2., der 1. und 3. und aus der
2. und 3. Mischung berechnen kann.
Natürlich kann man auch das unvermischte Serum bei dieser Me-
thode mitbenutzen; das zugehörige b ist dann eben = o; in diesem Falle
vereinfacht sich die obige Gleichung für x auf
*) Max Bleibtreu und Leopold Bleibtreu, Eine Methode zur Bestimmung des Volums
der körperlichen Elemente im Blut. Pflügers Archiv. 51. 151/228 (1892).
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. löf»
(e— e,) x = e,
a,
wobei e den Eiweißwert für das unvoi-diinnte Serum bedeutet.
Die ganze Arbeit bei dieser Metliodc l)estelit also darin - im ein-
fachsten Fall — den EiweiÜgehalt des Serums und den Kiweiligchalt des
Gemisches von Serum + Kochsalzlösung, die man nach dem Zentrifiigieren
des mit 0"9Voiger Kochsalzlösung verdünnten liiutes erhält, zu bestimmen.
Neben den im Vorhergehenden aufgeführten [Methoden, die sich che-
mischer Verfahren zur Ermittlung des Verhältnisses von Formelementen
zu Zwischenflüssigkeit bedienen, gibt es noch Methoden, die bestimmte
physikalische Eigenschaften von lUut und Seruin (Plasma) für den ange-
gebenen Zweck benützen, auf die hier nur verwiesen sei.
Es gehören hierher die von Schrott enhach'^) angegebene .Methode,
welche das spezifische Gewicht von Blutkörperchen, Plasma und Blut ver-
wertet und. ferner die Leitfähigkeitsmethoden, die ziendich gleichzeitig von
Roth, Tancjl-Biigarszhj und Stewart^) angegeben worden sind.
III. Bestimmung des Trockenrückstandes, des Ammoniaks,
der Kohlensäure und der Asclienbestandteile.
1. Trockenrückstand.
Die Bestimmung der Trockensubstanz im Blut , Plasma und Serum
geschieht am einfachsten in der allgemein geübten Weise, daü man in
einem mit gut schliei'iendem Deckel versehenen Wägegläschen mit möglichst
breitem Boden ein bestimmtes Quantum abwägt, den Inhalt bis zum Ver-
dunsten der Hauptmenge Wassers auf zirka 1>0» hält und schließlich liei
115 — 120° bis zur (iewichtskonstanz trocknet.
Vor kurzer Frist hat Shackell'^) ein Verfahren angegeben, das eine
bei höh(!rer Temperatur möglicherweise eintretende \'erän(lernng vollkom-
men ausschließt.
Ausgehend von der Tatsache, daß im hohen \'akuum Eis verdampfen
kann, ohne zuvor in die flüssige Phase überzugehen, läßt Shackell beson-
ders stark wasserhaltige Substanzen in einer Eis-Kochsalzmischung ge-
frieren. Dann bringt er die gefrorene [Masse in einen mit Schwefelsäure
(konzentriert) beschickten Exsikkator und evakuiert diesen möglichst rasch
mit einer Quecksilberpumpe auf einen Druck von wenigen Bruchteilen eines
.Millimeters.
Besondere Rücksicht muß genommen werden I. darant. daß der Ex-
sikkator gut geari)eitet ist, und 2. daß er ein hohes \'aknuni dauernd hält
') II. Schrottenhach , Kino Mctliodo vaw Bpstinimnnj,' dos Volum- und (iowiclits-
verlulltuisscs von rotcti Blutkorperchon und IMasma im Hlut durch Wagung. Pjltlycrs
Archiv. 123. 312 22 (1908).
-) Siehe Zentrallil. f. Thys. 11. S. 271, 2<)7. 332 (1S97).
») L. F. Shackell, .\n improved method of Ucsiccation witli some applications to
biological problcms. Am. Journ. of Phys. 24. 324 40 (1905M.
156 E. Letsche.
(als Dichtungsmittel dient eine Mischung von 5 Teilen Vaselin und o Teilen
Paraffin); 3. muß die Masse durch und durch gefroren sein; 4. muß die
H2SO4 von Zeit zu Zeit bewegt werden, damit eine raschere Aufnahme
der Wasserdämpfe möglich ist.^)
In 4mal 24 Stunden sind nach den Angaben von Shackell Flüssig-
keiten wie Milch oder Blut vollkommen eingetrocknet und der Rückstand
gewichtskonstant. Wie wenig Veränderungen sich dabei abspielen, dafür
spricht die von Shackell angeführte Tatsache, daß nach dem ..Eindampfen"
von Blut der Rückstand — bis auf die Körperchenelemente, die natürlich
zerstört sind — in physiologischer Kochsalzlösung sich leicht löst und
das Eiweiß dieser Lösung in gewohnter Weise koaguliert werden kann.
2. Ammoniakbestimmun^.
Zur Bestimmung des Ammoniaks in Blut, Plasma und Serum kommen
im wesentlichen folgende Methoden in Betracht:
a) Methode von Folin.-)
Das Prinzip der Methode besteht darin, das durch bestimmte Zusätze
in Freiheit gesetzte Ammoniak bei niederer Temperatur durch einen star-
ken Luftstrom abzusaugen und in titrierter Säure aufzufangen.
Die hierzu nötige Apparatur findet sich an einer früheren Stelle be-
schrieben. 3) Die Ausführung für Blut ist folgende:
50 cm^ Blut werden in einem Aräometerzyhnder abgemessen und der
Zylinder in Eis eingepackt. Man gibt dann zu dem Blut etwa 16 (7 Koch-
salz, 25 crn^ Methylalkohol und zuletzt 2 g getrocknete oder 5 g kristalli-
sierte Soda und leitet 5 Stunden lang einen kräftigen Luftstrom (600 bis
700 l Luft pro Stunde) durch die Mischung. Nach den ersten 2 Stunden
ist es wegen des Schäumens notwendig, nochmals 25 cm^ Methylalkohol
zuzugeben. Die Vorlage soll nur etwa 10 c/w» — Schwefelsäure neben Was-
ser enthalten. Während der letzten 15 ^linuten der Luftstrombehandlung
oder besser nach Beendigung derselben muß die Vorlage in Wasser von
30 — 350 eingetaucht werden, damit die in der Flüssigkeit zurückgehaltene
Kohlensäure mit dem Luftstrom vor der Titrierung entweicht. Das Blut muß
möglichst frisch sein, weil man sonst zu hohe und auch in anderer Weise
unzuverlässige Resultate erhält.
Ebenso gute Resultate gibt auch die Methode von Krüger und
Beich^) in der Modifikation von Schittenhelm.^)
*) Dies erreicht mau eiafach durch vorsichtiges Hiu- uud Herbewegeu des Ex-
sikkators.
^) Otto Folin, Eine neue Methode zur Bestimmung des Ammoniaks im Harn und
anderen tierischen Flüssigkeiten. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 37. 161/76 (1902/03).
«) Dieses Handbuch. Bd. 3. S. 765 (1910).
*) M. Krüger und 0. Reich, Zur Methodik der Bestimmung des Ammoniaks im
Harn. Zeitschr. f. physiol. Chom. 39. 165 (1903).
^) A. Schittenhehn, Zur Methodik der Ammoniakbestimmung. Zeitschr. f. physiol.
Chem. 39. 73/80 (1903).
Methodeu zur Aufarbeitung des Blutes iu seine einzelnen Bestandteile. 157
Sie beruht darauf, das durch NaoCOa frei gemachte Ammoniak im
Vakuum ahzudestillieren. Sie ist vor allem da aui Tlatz, wo es nicht
möglich ist, die für die /o/i«sche Methode notwendige hohe (Jeschwindig-
keit des Luftstroms zu erreichen und führt viel i-ascher zum Ziel als die
Folinsche Methode.
Man führt die Bestimmung in folgender Weise aus:
25 — 50 cwi3 ]]i,it versetzt man im Destillierkolben') mit 10</(hlor-
natrium und soviel festem Natriumkarbonat, bis deutlich alkalische Re-
aktion eintritt. Hierzu genügt meist 1 (/. Man setzt den Kolben dann ins
Wasserbad und verbindet ihn mit der als Vorlage dienenden, im Eis-
wasser stehenden Peli(/ot&chen llöhre, die man mit 10 — HO cw^ — HCl
und einigen Tropfen Rosolsäure beschickt hat. An dem zweiten Schenkel
der Peligotröhre wird die Saugpumpe angeschlossen imd der ganze Ap-
parat sofort so gut wie möglich evakuiert. Sobald das Vakuum den höchsten
Grad erreicht hat, werden durch den am Kolben angebrachten mit Quetsch-
hahn versehenen Schlauch 20 cni'^ Alkohol zugegeben und jetzt das Wasser-
bad auf eine Temperatur von etwa 4:)'' gebracht. In der Folge gibt man
von 10 zu 10 Minuten je 15 — 20 cm^ Alkohol auf dieselbe Weise zu, even-
tuell auch noch 15 — 20 cm^ Wasser, falls die Flüssigkeit zu rasch ein-
dampft. Zum Schlulj werden zur Verjagung der Wassertropfen in der
Überleitungsröhre nochmals 10 cm^ Alkohol zugegeben. Nach 30 — 40 Mi-
nuten ist die Bestimmung zu Fnde geführt. Es wird jetzt durch einen
Quetschhahn die Pumpe von der Peligotschen Röhre abgeschlossen und
darauf durch vorsichtiges Öffnen des an dem Kolben angebrachten
Quetschhahus die Luft langsam einströmen gelassen.
Die vielfach angewandte ältere Methode von Nencki und Zahski-)
gibt nach den Angaben FoUns^) und von E. Gräfe*) bei Blut leicht zu
hohe Zahlen.
3. Bestinimuug der Kohlensäure.
Neben der Kohlensiiure, die nur physikalisch absorbiert oder in leicht
dissoziierender organischer lUndung im Blut. Serum oder I'lasma sich findet,
ist stets ein Teil als Karbonat bzw. Bikarbonat von Alkalien im Blut enthalten.
Für die Bestimmung des ersteren Teils dienen die gasanalytischen Methoden,
wie sie im Bd. ?> dieses Handbuchs beschrieben sind. Wir behandeln hier
nur die B)estimmung der Gesamtkohlensäure, also die Summe der beiden
oben erwähnten Formen.
*) Die für die Bestimmung nötige Apparatur ist in Bd. 3 dieses Ilandliuclios auf
S. 768 abjreliildct uml lu'scbriehen.
-) M. Xoicki und ./. Zahski. Cb(M- die Bestimmuutr dos .\iiimoniaks m iniix mu
Flüssigkeiten und Geweben. Zeitsdir. f. pliysiol. Clieiii. ;W. l'.Ki 2tl'.HliK)ll.
*) O. Foliu, Eine neue Methode zur Bestimmung des Ammoniaks usf. Zeitschr.
f. physiol. Cbcm. 37. 161 7() (VMl ;i).
■■) E. Gni/i, Metbodiscbes zur Amnuiniakbostinimungin tieriscbfii Cfwi'licn. Zoitst^lir.
f. physiol. Cbem". 48. 30U 14 (1906).
158
E. Letsche.
Für diesen Zweck sind verschiedene Apparate und Methoden ange-
geben 1) worden, deren einfachste und zugleich auch recht genaue mir fol-
gende 2) zu sein scheint.
Das Prinzip der Methode ist folgendes:
Durch Oxalsäurezugabe verdrängt man aus dem Blut die Kohlen-
säure und fängt sie in titrierter Baryumhydroxydlösung auf. Den hierzu
nötigen Apparat zeigt nebenstehende Figur. Er besteht aus 2 etwa 100 cm^
fassenden Glasflaschen Ä und B mit weitem Hals, die durch ein gebogenes
Glasrohr C miteinander verbunden sind; das Glasrohr muß an seinen
Enden sehr sorgfältig in die Flaschenhälse eingeschUffen sein. Am Fla-
schenhals und Glasrohr findet sich jederseits je ein kleiner gläserner
Stachel, der zur Aufnahme eines Gummiringes dient, welcher Glasrohr und
Flaschen fest zu einem Ganzen verbindet. Die Flasche Ä besitzt ein ebenfalls
genau eingeschliffenes Ansatzstück,
^'^' "■ das durch einen Glashahn luftdicht
verschlossen werden kann.
Die Bestimmung geschieht in
folgender Weise. Die Flasche A wird
mit doppelt soviel konzentrierter
wässeriger Oxalsäurelösung be-
schickt, als man Blut anzuwenden
gedenkt; es genügen 3 — 5 cm^ Blut
für eine Bestimmung. Man setzt
dann das Ansatzstück D, dessen
Schliff leicht eingefettet ist, ein,
setzt die Glasröhre C auf und be-
festigt sie beiderseits mit Gummi-
^ bändchen. Schließlich füllt man
in die Flasche B möglichst rasch
80 ciii^ Barytlösung (im Liter 3"5^
Baryumhydroxyd und 0"25(/Chlor-
baryum enthaltend), verbindet so-
fort mit dem anderen Ende von C und saugt durch den Ansatz D
rasch die Luft ab. Man schließt den Hahn E und prüft, ob der Apparat
luftdicht schließt in der Weise, daß man durch vorsichtiges Schwen-
ken die Verbindungsteile im Innern benetzt und zusieht, ob das Ein-
treten kleiner Luftbläschen zu erkennen ist. Ist dies der Fall, so muß
der Apparat neu hergerichtet und gefüllt werden. Der Apparat wird, Avenn
er gut schließt, gewogen und dann in folgender Weise mit Blut beschickt.
Man saugt das Blut durch ein Stückchen Kautschukschlauch durchs* in yl
langsam hinein — wobei man sorgsam darauf achtet, keine Luft mit ein-
') Siehe Fr. Kratis, Über die Alkaleszenz des Blutes und ihre Änderung durch
den Zerfall der roten Blutkörperchen. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 26. 186 (1890).
*) W. Dibbelt, Zur Methodik der Kohlensäurehestimmung im Blut. Arbeiten aus
dem pathol. Institut zu Tübingen fP. v. Bmmigarten). 6. 228 (1908).
Methoileu zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. ] r>(i
treten zu lassen. Da.s IJhit kann etweder vorher aus einem GefiUi mit
einer gut schlieljenden Spritze entnommen sein oder al)er kann man es
mit Hilfe von Hohlnadel und Kautsehukschlaueh ans dem Illutg:efäri direkt
in den Apparat überleiten.
Mau entfernt dann alles lilut außerhalb des Hahns und .schliebt dauu
den Apparat wieder.
Jetzt braucht man den Apparat, den man bei :;7" stehen lälit. nur
ab und zu umzuschüttein. um die auf der liarvtlösung- sich bildende Haut
von BaCOg zu entfernen, llildet sich keine Haut mehr, dies ist nach
2 — 3mal 24 Stunden ») der Fall, dann öffnet man Hahn A' lan;isam, ent-
fernt B vom Apparat, entnimmt von der vollkommen klaren Flüssitrkeit,
die üiier dem Niederschlag- von ISaCOg steht, ■JOnH-' und titriert mit Oxal-
säurelösung von bestimmtem (iehalt. Hat man einen Teil der IJarytlösung
vor dem Versuch titriert , so sind alle Daten zur Berechnung der CO»-
Menge vorhanden.
Verwendet man zur Titration eine Oxalsäure, die im Liter V4(X) fj
Oxalsäure enthält, so entspricht l cm'^ dieser Lösung Q'2hcm^ CO, bei no
und TGO nun Druck.
Wurde für 20 crn^ Darvtlösung
vor dem Versuch verbraucht . . 172 on'^ Oxalsäure
nach „ „ „ . . 1-2 ..
lO'O cni^ Oxalsäure
so entspricht diese Differenz bei Anwendung von 80 c/»^ Barvtlosuug
4 X 10-0 X 0-25 cm3 COg = 10 an^ CO.,.
4. Bestimmunii: der Asclienbestandteile.
Die Veraschung von Blut, Plasma oder Serum geschieht nach den
schon an früherer Stelle eingehend behandelten Grundsätzen.-) Ebenso er-
folgt die qualitative L'ntersuchung der Asche und die Bestimmung ein-
zelner Bestandteile nach den an jener Stelle ausführlich angegebenen
Regeln.
Nur für die Bestimmung von Fluor und von Jod seien einige neuere
Methoden angeführt.
Zur Piestimmung des Fluors im Blut vorfährt /jhirek '^) folgen-
dermaßen:
Das Blut wird zur Trockene verdampft und das Gewicht des
Trockenrückstandes bestimmt; der Rückstand wird auf dem Wasserbad
mit soviel reinstem Natriumhydroxyd (e natrio) erwärmt, dali sicher alle
Phosphorsäure als tertiäres Phosphat in Lösung geht und noch ein Fber-
') Die Menge der angewandten O.xalsäure verl)ürgt oin Storill)loihon auch bei
längerem Stehen im Brutschrank.
=*) Hans Aron, Aschenanalyse. Dieses Handl)uch. Bd. 1. S. 372 428 (litO'.t».
') E. Zdarek, t'lior die Verteiluntr des Fluni-s in den Ortrancu des Menschen.
Zeitschr. f. phys. Chem. 69. 127,39 (,1910).
160 E. Letsche.
schuß an Na OH vorhanden ist. Diese Masse wird in der Porzellanschale
wieder eingedampft und verkohlt. Die Kohle wird mit Wasser ausgezogen
und bei mäßiger Hitze verbrannt. Die Asche wird mit HjO ausgezogen
und diese Lösung mit dem ersten Auszug vereinigt.
Der H2O unlösliche Teil der Asche wird mit verdünnter Salzsäure
längere Zeit behandelt, dann wird filtriert und das Ungelöste auf dem Filter
gut ausgewaschen und der Filter verascht, der Glührückstand mit kohlen-
saurem Xatronkali innig gemengt und bei eben ausreichender Hitze auf-
geschlossen. Die erkaltete Schmelze wird in Wasser gelöst, die Lösung
filtriert und im Filtrat die Fluorbestimmung gewichtsanalytisch durch-
geführt.
Im wasserlösUchen Teil der Organasche wird zunächst die über-
schüssige Soda mit Salzsäure bis zu schwach alkalischer Reaktion abge-
stumpft, hierauf mit FeClg in der Wärme die Phosphorsäure gefällt, die
sehr voluminösen Niederschläge gut absitzen gelassen, auf einem Saugfilter
gut abgesaugt und gewaschen. Eventuell wurde der Niederschlag nochmals
gelöst und Avieder gefällt. Beim Eindampfen der großen Flüssigkeitsmengen
scheidet sich manchmal noch eine kleine Menge von Eisenphosphat aus,
die durch Filtrieren entfernt wird. Dann wird die Analyse in der üblichen
Weise weitergeführt und das Fluor als Kalziumfluorid bestimmt.
Den qualitativen Nachweis führt man in der in diesem Handbuch,
Bd. 1, S. 401 angegebenen Weise.
Zum Nachweis und zur Bestimmung von Jod verfährt BourceP)
folgendermaßen:
Man versetzt das Serum, in welchem allein das Jod in nicht dialy-
sierbarer Form sich findet 2), mit jodfreier Kalilauge, dampft die Mischung
ein (bei stets alkaüscher Pieaktion) und trocknet den Rückstand bei 100".
Die trockene Masse wird pulverisiert und dann mit reinem Kaliumhydro-
xyd in einer Nickelschale geschmolzen. Man läßt abkühlen, erschöpft die
Schmelze mit heißem Wasser, bis dieses nicht mehr alkalisch reagiert. Die
vereinigten Flüssigkeiten dampft man etwa auf die Hälfte ein und fügt
der kalten Lösung allmählich verdünnte HjSO^ (auf 1 Gewichtsteil reiner
konzentrierter Hg SO4 5 Gewichtsteile Wasser) zu, wobei man. um eine Er-
wärmung zu verhüten, von Zeit zu Zeit kühlt. Ist die Lösung neutral, dann
fügt man einige Tropfen KOH zu, um wieder deutüch alkalisch zu machen
und fügt unter Umschütteln langsam V2 Volum 95°/oigen Alkohol zu. Der
größere Teil des KoSO^ fällt als feines Pulver aus. Man saugt an der
Pumpe ab und wäscht mit Alkohol (30 auf 100). Das Filtrat engt man auf
Vs ein und fällt A^ieder mit Alkohol, saugt den Niederschlag von K2 SO4 ab,
wäscht ihn und engt das Filtrat wieder ein. Dui'ch mehrmalige Wieder-
holung dieser Operation kann man beinahe alles K2SO4 entfernen, wobei
^) P, Botircet, Recherches et dosage colorimetrkiue de petites quantit^s de Tiode
dans les matieres organiques. Compt. Rend. 128. 1120 (1899).
-) Gley et Bourcet, Pr^sence de Tiode dans le sang. Compt. Rend. 130.
1721/24 (1900).
Methoden zur Aiifarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. ]{\\
das Jod, wenn welches vorhanden ist, sich in den alkalischen in Alkohol
löslichen Teilen ansammelt. Die letzte Flüssigkeit wird in einer Nickel-
schale eingedampft und der Kiickstand h'icht ge<,diiht, wobei die letzten
Anteile organischen Materials zerstört werden. Den abgekühlten Kilckstand
nimmt man in einem Minimum Wasser auf, filtriert und macht das .lod
hei Gegenwart von CS« durch nitrose (Jase frei. Die Jiestimmung erfolgt
kolorimetrisch nach den Angaben an anderer IS teile, ij
IV. Untersuchung des Plasmas und Serums-^ auf einzelne
Bestandteile.
1. Eiweißstoffe.
Von Kiweil^körpern finden sich im Serum d'lasma) Serumalliumin,
Serumglobulin, Fibrinogen, Fibrinoglobulin, Serumnukleoproteid und Serum-
mukoid. Ihre Darstellung aus dem Plasma bzw. Serum sowie* ihre (luan-
titative Bestimmung ist schon von Fr. Samuely im VA. -J die.ses Hand-
buches in erschöpfender Weise i)ehandelt worden und es dürfte genügen
hier auf die dort'') gegebene Darstellung zu verweisen.
2. Fette und fettartige Substanzen.
a) IJestandteile der echten Fette.
Zum Nachweis und zur Destimmnng von ..J^ett" aus Organen und
Körperflüssigkeiten sind im Laufe der Zeit eine Iieihe von Methoden aus-
gearbeitet worden, die alle im wesentlichen darauf ausgehen, mit Hilfe
verschiedener Lösungsmittel die in den Organen usw. enthaltene Summe
von Fett und fettartigeu Substanzen zu isolieren und dieses (iemenge in
geeigneter Weise in seine verschiedenen Bestandteile — Neutralfett. Lezi-
thin, Jecorin, Protagon usw\ — zu zerlegen. Die verschiedenen Methoden
liefern bei Anwendung auf eine und dieselbe Substanz keine übereinstim-
menden Resultate, und zwar hängt dies, wie KunuKjaiia und Suto *) in
einer umfangreichen Arbeit gezeigt haben, jedenfalls zum Teil von der .\rt
des Extraktionsmittels ab, das je nach den Umstanden mehr oder wenii^er
von nichtfettartigen Substanzen mitlöst.
1) Dieses Ilaudlmcli. Bd. 1. S. 428 (1909).
'-) Eine reinliche Scheidung der .Methoden zur UntersucluniL' von riasnia, von
Serum und von Blut habe ich nicht durchführen zu müssen geplauht. Denn einmal
wäre dadurch manche überflüssige Wiederholung nötig geworden, da ja die Aufarbeitung
dieser drei Flüssiirkeitou im wesentlichen die gleiche ist und dann sind für manche Be-
standteile nur .Mt'thodfii zum Nachweis etc. im Serum, für andere nur Methoden zur
Isolierung aus dem Blut ausgearbeitet worden. Es erschien mir deshalb zweck maüiger,
auch Methoden zur Isolierung einzelner Bestandteile aus dem lllut in diesem Abschnitt
mit aufzuführen.
■') Dieses Handbuch. Bd. 2. S. 357 77 (1910).
*) Kutuagawa und Suto, Ein neues Verfahren zur (|uantitativen Bestimmung des
Fettes und der unverseifbaren Substanz in tierischem Material nelist Kritik einiger go-
bräuclilichcr Methoden. Biochem. Zeitschr. 8. IVdWAl ( 19US|.
Abderhalden, Handbuch der biochemischeo Arbeitsmethoden. V. 11
162 E. Letsche.
„Was von den Bestandteilen des Ätherextraktes für das Fett charak-
teristisch ist, das sind nur hohe, d. h. nicht flüchtige wasserunlösliche Fett-
säuren.-' 1) Da sich deren Menge verhältnismäßig leicht feststellen läßt, arbei-
teten KuDiagawa und Suto hierfür eine genaue Methode aus. Über die Be-
gründung und Berechtigung dieses Verfahrens ist das Original nachzusehen.-)
Das für pulverförniiges Material von Kumayaiva und Suto ange-
gebene Verfahren hat Shimidzu^) zur Anwendung auf Blut (defibriniert),
Blutplasma, Blutserum und Blutkörperchenbrei etwas modifiziert. Man ver-
wendet zur Bestimmung der Fettsäuren in den angeführten Flüssigkeiten etc.
folgende ..kombinierte Alkoholextraktion''.*)
10 on^ Blut (bei Blutkörperchen wohl ein entsprechendes Gewicht)
werden mit der 4fachen Menge Qö^/oigen kalten Alkohols versetzt und der
Niederschlag nach einiger Zeit abgenutscht. Der Rückstand wird im Heiß-
extraktor^) mit absolutem Alkohol kochend extrahiert. Die vereinigten
Alkoholfiltrate werden verseift (für 10 cm^ Blut verwendet Shimidzu 2 g
Na OH), verdunstet, der Rückstand in wenig heißem Wasser aufgelöst und
in folgender Weise nach Kuntagaira-Sufo^) w^iterbehandelt. ^)
Man bringt die Lösung in einen hermetisch schließenden Scheide-
trichter von ca. 250 cm^ Rauminhalt. Das Becherglas, in dem die Versei-
fungsflüssigkeit verdunstet w^urde, wird 2 — Hmal mit ein wenig warmem
Wasser (etwa 5 cm^) ausgespült. Nun wird die Mischung mit 30 cm^ 20Voigei*
Salzsäure (11 D) tiberneutralisiert. Zu dem Zweck werden am besten nach
dem Erkalten des Trichterinhaltes bis auf etwa 40 — 50« C zunächst 20 cdi'^
der Säure auf einmal hineingegossen, der Trichter dann tüchtig geschüttelt
und mittelst Leitungswassers gut abgekühlt. Alsdann werden die übrigen
10 cm^ der Säure gegeben und ganz ebenso wie vorher behandelt. Es tritt
dabei eine reichhche Ausscheidung auf. Nach guter Kühlung werden nun
1) Kumagaira und Suto, Ein neues Verfahren zur quantitativen Bestimmung des
Fettes und der unverseif baren Substanz in tierischem Material nebst Kritik einiger ge-
bräuchlicher Methoden. Biochem. Zeitschr. 8. 250 (1908).
^) Kmnagaica und Suto, Ein neues ^'erfahren zur quantitativen Bestimmung des
Fettes und der unverseifbaren Substanz in tierischem Material nebst Kritik einiger ge-
bräuchlicher Methoden. Biochem. Zeitschr. 8. 340/46 (1908).
^) Shimidzu, Ein Beitrag zur Kumac/awa-Sutoschen Fettbestimmungsmethode.
Biochem. Zeitschr. 28. 237/73 (1910).
*) Shimidzu, Ein Beitrag zur Ku7nagawa-SutoschGn Fettbestimmungsmethode.
Biochem. Zeitschr. 28. 261 (1910).
5) Dieser Heißcxtraktor ist ähnlich dem Bd. 1. S. 183. Fig. 363 beschriebenen
Stockschen Apparat so eingerichtet, daß die heißen Dämpfe durch das Extraktionsgut
treten und das Kondensat ebenfalls seinen Weg durch die zu extrahierende Substanz
nehmen muß.
^)Ktiiu(i(iau-a und Suto, Ein neues Verfahren zur quantitativen Bestimmung des
Fettes und der unverseifbaren Substanz in tierischem Material nebst Kritik einiger ge-
bräuchlicher Methoden. Biochem. Zeitschr. 8. 338 (1908).
') Im Rückstande des Blutes verblieben die Restfettsäuren in ganz minimaler
Menge. Will man auch diese noch gewinnen, so wird man diesen Rückstand mit einigen
Kubikzentimetern Na OH (20 5- in 100 cw") verseifen und jxd,ch. Ktimagmva-Suto mit
dem obigen zusammen behandeln.
Methoden zur Aiifarlieitung des lilutes in seine einzelnen Bestandteile. iHä
70 — 100 fm* Äthyliither hinziigef^eben und das (Jcinenge tüchti«^ goschiittolt.
Trennung erfolgt meist sofort. Der Niederschlag verdichtet sich hierhei zu einer
dünnen Schicht in der Mitte. Die klare wässerige Schicht wird nach einigen
Minuten abgelassen. Der briiunlich gefärbte Äther wird vorsichtig in ein
Beclierglas umgegossen und der Trichter mit Niederschlag 2nial mit ein
wenig Äther (.') 40f>/r^) ausgespült. Der Niederschlag wird alsdann mit etwa
5 ctn^ Normalnatronlauge unter Schütteln nochmals aufgelöst und diese
alkalische Lösung von neuem mit 30 — öOcw^ Äther tüchtig geschüttelt. Daim
wird jene stark saure wässerige Lösung der ersten Schüttelung hineinge-
bracht und nochmals gut geschüttelt. Die Reaktion wird hierbei sauer und
die restierende Fettsäure geht hierdurch (|uantitativ in den Äther über.
(Durch wiederholte Prüfung wurde festgestellt, dali sowohl in dem neu aus-
geschiedenen, ganz geringen Niederschlage, wie auch in dem Spülwasser
keine Spur Fettsäure mehr zurückbleibt.) Die vereinigten Ätheranszüge
werden verdunstet, der lUickstand dann nochmals mit absolutem Äther
aufgenommen, die Lösung durch Asbest filtriert und verdunstet. Dieses
Ätherextrakt, welches auüer Fettsäuren, Farbstoff. Milchsäure noch andere
Beimengungen enthält, wird jetzt bei 50" einige Stunden gut getrocknet
und erst dann mit Tetroläther extrahiert. Zu dem Zwecke gielit man am
besten auf den noch warmen Ätherrückstand sofort etwa 20 — ;»0 cni^ Petrol-
äther unter sanftem Umschwenken des Becherglases allmählich auf. Es
tritt hierbei in der Regel eine milchige Trübung auf. Das Becherglas wird
jetzt mit einem Uhrglas bedeckt und V2 — 1 Stunde stehen gelassen, wo-
bei der größte Teil der emulsionsartigen Ausscheidung sich als Harz am
Boden niederschlägt. Hierauf wird der Petroläther durch Asbest abfilti-iert.
das farblose Filtrat verdunstet und der Rückstand bei 50» bis zur Gewichts-
konstanz, welche nunmehr in kurzer Zeit erreicht wird, getrocknet. Line
genügende Trocknung des Ätherextraktes vor der Aufnahme desselben in
Petroläther ist ganz besonders wichtig, will man die Fettsäuren in reiner
farbloser Form erhalten.
Die Ausführung der Methode ist äuüerst einfach. Hervorzuheben ist
der Umstand, dali man mittelst dieser .Methode in einem Tage mehrere
Bestimmungen mit Leichtigkeit ausführen kann.
Die nach dei- Verseifungsmethode dargestellten Fettsäuren werden in
einem Scheidetrichter mit etwa 50 — 70 cm^ Petroläther aufgelöst , hierzu
wird " absolut alkoholische Kalilauge in einer solchen Menge zugesetzt, dali
dieselbe etwa das :')0 — 40fache Volum des betreffenden l'etrolätherextraktes
beträgt.
Die Mischung wird einige Male tüchtig geschüttelt. Fs entsteht hier-
bei stets eine absolut klare Auflösung. Hierzu wird genau ebensoviel
Wasser aeKeben w'w die zugesetzte Menü-e der . -Kalilauge beträgt und
das Ganze ein paar Mal geschüttelt. Indem hieidtinli die Konzentration
des Alkohols auf ungefähr 50 Volumprozent sinkt, erlolirt jetzt sofort eine
11»
jß4 E- Letsche.
glatte Trennung der oberen Petroläther- und der unteren Alkoliolschicht.
Dabei gehen die unverseifbaren Substanzen in den Petroläther über, wäh-
rend die Seife in der unteren Alkoholschicht aufgelöst zurückbleibt. Die
abgetrennte alkohoUsche Seifenlösung wird noch einmal mit 30 bis 40 cm^
reinem Petroläther geschüttelt. Die vereinigten Petrolätherauszüge werden
verdunstet und der Rückstand dui-ch eine Nachbehandlung von geringen
Mengen beigemengter Fettsäure vollkommen befreit. Zu diesem Zwecke wird
das Petrolätherextrakt nochmals in wenig Alkohol aufgelöst, mit 0-5 bis
1*0 cm^ ^ alkoholischer Natronlauge versetzt , wiederum auf dem Wasser-
bade verdunstet und 15 — 30 Minuten bei 100" getrocknet. Der Rückstand
wird noch heiß mit Petroläther extrahiert, durch Asbest abfiltriert, ver-
dunstet und nunmehr bei 100° C bis zur Gewichtskonstanz getrocknet.
Der so isolierte Anteil stellt ein Gemenge von Cholesterin und noch un-
bekannter unver seif barer Substanz dar.
(Die Bestimmung des Cholesterins, am besten nach der Digitonin-
methode von Windaus erfolgend, ist später beschrieben.)
1)) Jekorinartige Substanzen und Lezithin.
Nach dem eben beschriebenen Verfahren wird nur die Summe der
höheren Fettsäuren — gleichviel in welcher Form auch sie im Blut sich
finden — bestimmt.
Für viele Zwecke ist es nun aber von Interesse, einzelne dieser Kom-
ponenten zu isoUeren; hierzu können folgende Verfahren dienen.
Das von Drechsel zuerst aus Pferdeleber isolierte ., Je kor in" gewann
Baldi^) nach folgendem Verfahren aus Blut.
Das Blut wird aus der Karotis des Tieres (Pferd) in einem Gefäß
aufgefangen und sofort mit absolutem Alkohol gut durchgeschüttelt. (Es
ist hierzu mindestens das 3 — 4fache \'olumen des angewandten Blutes
nötig.) Der feinflockige Niederschlag (aus etwa 7 / Blut) wird bei Zimmer-
temperatur wiederholt mit Alkohol ausgezogen, so lange bis dieser nichts
mehr aufnimmt. Die vereinigten Alkoholauszüge werden bei 70 — 80" ver-
dampft und der dickflüssige Rückstand mit Äther, der die Hauptmenge
des Rückstandes leicht löst, behandelt. Die Ätherlösung läßt man absitzen, fil-
triert und fällt das Filtrat mit Alkohol. Der Niederschlag wird wieder in
Äther gelöst, nochmals mit Alkohol gefällt und dieses Verfahren so lange
wiederholt, bis in der Alkoholmutterlauge durch Ho PtClg kein Niederschlag
mehr hervorgerufen wird — das Lezithin also entfernt ist.
Der Niederschlag wird auf einem Filter gesammelt, getrocknet und
steht dann ein gelb bis braun gefärbtes, sehr hygroskopisches Pulver dar,
das beim Kochen mit Lauge Fehlingsche Lösung reduziert unter gleich-
zeitiger Bildung von Seife.
^) Dario Baldi, Einige Beobachtungen über die Verbreitung des Jekorins im
tierischen Organismus. Arch. f. Anat. u. Phys. 1887. Physiol. Abteil. Suppl. S. 100/108.
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. J^ßf)
Nach Mayer'^) stellt man Blutjekorin nach der Methode von
Drrchfiel in foljxonder Weise her. l'/.^ — '2 1 frisches lilut werden mit der
f>leiclien Men;.ie Alkohol liino^ere Zeit ^^eschüttelt (5 X Stniidcni. Mit dem
Kückstand wird diese Prozedur noch ;»mal wiederholt und die vereini^^tcn
Alkoliülauszüf^e werden sukzessive im Vakuumapparat bei einer Temperatur
zwischen ;}8 und 40" abdestilliert. Der Al)dami)tunfisriickstand wird erst zur
Entfernung von Lezithin und Fett mehrere Male mit absolutem Alkohol
behandelt, bis dieser sich nicht mehr fiirhte und dann in wasserhaltigem
Äther aufgenommen (1 Teil Wasser, 'A Teile Athen. Nach iM StunckMi —
nicht früher, damit der Äther sich vollkommen klar absetzt wird fil-
triert und die völlig klare Ätherlösung vorsichtig mit absolutem Alkohol
versetzt. Das Jekorin fällt als weilUich gelber Niederschlag aus . der sich
schnell absetzt, so dab die darüber stehende Flüssigkeit sich leicht abgieben
läßt. Die Substanz wird dann sofort wieder in Äther gelöst und nach dem
Filtrieren mit absolutem Alkohol gefällt.
Nachdem diese Prozedur noch 4— 6mal wiederholt worden ist. wird
das Jekorin mehrere Male mit absolutem Alkohol gewaschen und dekan-
tiert und schlieblich im üecherglas mit den letzten Kcsten der anhaften-
den Flüssigkeit in einen gut vakuumhaltenden Exsikkator gebracht und
tagelang über Phosphorpentoxyd getrocknet.
Wenn man besonders darauf achtet, dab die Atherlösungen vor dem
Zusatz des absoluten Alkohols völlig klar sind, erhält man ein fast weißes
Präparat, das in einem möglichst gut schliebenden (iefäli sich nur ganz
wenig gelb färbt.
Nach diesem Verfahren erhielt Mayer aus Rinder- und Pferdeblut
N-, P-, S- und Na-haltige Substanzen, die auch nach dem Kochen mit Säuren
kein Reduktionsvennögen zeigten. Die Substanz ist nicht hvgroskojjisch
und löst sich in Wasser vollkommen klar mit schwach alkalischer Reaktion.
Das Jekorin aus Hundeblut reduziert dagegen sehr stark, ist außer-
ordentlich hygroskopisch und gibt alle für Leberjekorin charakteristischen
Reaktionen. Beim Kochen mit NaüH entweichen ül)elriechende Dämpfe,
die Flüssigkeit erstarrt nach längerem Kochen zu einer seifenartigen
Gallerte — beides Reaktionen, welche — nach Mayer — das Pferde- und
Rinderl)lut jekorin nicht zeigen.
Um diese (oder ähnliche?) N-, P- und S-haltigen, reduzierenden Sub-
stanzen in größerer zu eingehender rntersuchung ausreichender Menge zu
erhalten, empfiehlt es sich, .sehr große IJlutmengen anfzuariieiten. Dabei
ist man aber gezwungen, das Serum nach dem Knteiweißen im X'akuum
zur Trockene einzudampfen.-) Dies gelingt in später zu beschreibender
Weise ohne allzu großen Schwierigkeiten.
') F. Mayer, Über Blutjekorin und über das physikalisch-chemische Verhalten
des Zuckers im I?lut. Bioch. Zeitschr. 4. .'i4n (1007).
*) E. Lctschc, Beiträge zur Kenntnis d(>r (irganischen Bestandteile des Serums.
Zeitschr. f. phys. Chem. 53. 31 (1907).
iQß E. Letsche.
Den vollkommen trockenen Rückstand extrahiert man zur Isolierung
der Lipoide im Soxhlet mit Äther. Die etwas eingeengte Ätherlösung fällt
man mit Azeton vollständig aus, löst den Niederschlag ^Yieder in Äther
und fällt nochmals; dieses Lösen und Wiederausfällen wiederholt man im
ganzen etwa 5mal. Dann löst man nochmals in Äther und fällt jetzt mit
absolutem Alkohol. Niederschlag und Lösung trennt man mit Hilfe der
Zentrifuge. Der Niederschlag ist in Äther auch feucht nicht mehr löslich;
man löst ihn in wenig Wasser, fügt Alkohol zu, bis die sich einstellende
Trübung zu einem Niederschlag sich verdichtet hat und trennt Nieder-
schlag und Lösung wie oben mit Hilfe der Zentrifuge. Löst man den
Niederschlag nochmals in HgO und sucht mit Alkohol zu fällen, so bleibt
eine Fällung meist aus. entsteht aber sofort auf Zusatz von Äther zu der
alkoholisch wässerigen Lösung. Man filtriert diesen Niederschlag auf einem
gehärteten Filter ab, wäscht mit Äther gut aus und trocknet über H, SO4.
Der graue bis gelbbraune Niederschlag zeigt alle Eigenschaften des Drechsel-
schen Jekorins.
Die vereinigten Mutterlaugen dieses ...Jekorins'' werden verdunstet,
der Rückstand in Alkohol aufgenommen und diese Lösung mit HsPtClg
versetzt. Der reichliche Niederschlag wird in Äther gelöst und durch Al-
kohol aus dieser Lösung wieder gefällt; er stellt die Platinchloriddoppel-
verbindung eines Lezithins dar.
Handelt es sich darum festzustellen, ob in dem aus dem Serum oder
Blut mit Hilfe von Äther oder einem ähnlichen Extraktionsmittel ausge-
zogenen Gemenge auch der zweite wesentliche Bestandteil der echten Fette
sich findet, so benutzt man für diesen Zweck am besten die von Tangl
und Weiser^) ausgearbeitete Methode, die wir später beim Glyzerin noch auf-
führen werden.
c) Cholesterin, Cholesterinester und Oxycholesterine.
Zur Prüfung auf freies Cholesterin und dessen Isolierung aus
dem Serum verfuhr ich folgendermaßen'-):
Das eiweißfreie Serum wird im Vakuum zur Trockene eingedampft
und der Rückstand so lange mit Äther extrahiert, bis nichts mehr auf-
genommen wird. Diese Ätherlösung engt man etwas ein und versetzt sie
mit Azeton, so lange noch ein Niederschlag entsteht. Man trennt den
Niederschlag ab, löst ihn nochmals in Äther und wiederholt die Fällung
mit Azeton; dieses Lösen in Äther und Wiederfällen mit Azeton wiederholt
man zweckmäßig 3 — 4mal.
Die Äther-Azetonmutterlaugen werden vereinigt und im Vakuum ein-
geengt. Der Rückstand wird durch Schütteln mit Wasser von eventuell
*) F. Tangl und St. Weiser, Über den Glyzeringehalt des Blutes. Pßügers Arch.
115. S. 155 (1906).
^) E. Letsche, Beiträge zur Kenntnis der organischen Bestandteile des Serums.
Zeitschr. f. physiol. Chemie. 53. S. 65 (1907).
Methoden zur Aufarboitnng des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. 1(^7
vorhandenen wasserlöslichen Substanzen befreit. Sollten (lalx'i (ijc jn Wasser
iiiilöslic'hen Bestandteile sich nur schwer und hin^'sam abscheiden, so kann
man die Abscheidnn«^- durch Kochsalz/.usatz erleichtern und beschleunif^en.
Man trennt die wässerige Flüssigkeit im Scheidetrichter ab ; sie reagiert
in der Regel schwach sauer und kann somit Seifen, die Cholesterin in
Lösung halten würden, nicht enthalten. Man wäscht die wasserunlöslichen
Bestandteile wiederholt mit Wasser (oder eventuell Kochsalzlösunjji und
nimmt sie in Äther auf. Diese Lösung trocknet man über Na-^SO, und
läßt sie teilweise verdunsten ; durch vorsichtigen Zusatz von Alkohol zu
der stark eingeengten Lösung erreicht man die Abscheidung fester Stoffe,
die man auf Ton über konzentrierter H2SO4 trocknet. Die vollkommen
wasserfreie, gelb gefärl)te Masse behandelt man in der Wärme mit wenig
Alkohol ; dabei bleibt eine ohne weiteres Umkristallisieren reine, bei TG"
schmelzende Verbindung zurück, die den nachher zu beschreibenden Pal-
mitinsäurecholesterinester darstellt.
Reim teilweisen Verdunsten der alkoholischeu Lösung fällt Cholcstcriu
in den charakteristischen Tafeln aus; nach 2maligem Umkristallisiereu aus
Alkohol ist es rein und schmilzt bei 144 — 145°. Aus etwa 30^ Serum
(Pferdeblut) erhält man auf diese Weise etwa O30 g reines Cholesterin.
Für die quantitative Restimmung ist das später beschriebene Verfahren von
Windaus zu empfehlen.
Zur Isolierung der im Serum vorkommenden Cholesterinester
verfährt man nach Hürthle^) am besten in folgender Weise:
Zur Darstellung des Öl sä urecholesteri nesters wird das
Serum mit dem Hfachen ^'olum Alkohol von 96% gefällt (Alkohol I), gut
durchgeschüttelt und über Nacht stehen gelassen. Dann wird die Flüssig-
keit auf einer Nutsche abgesaugt und das Filtrat in die Kälte gestellt,
wobei meist bis zum nächsten Tage einige Nadeln ausfallen, die aus Cho-
lesterinoleat bestehen; ihre Menge ist jedoch sehr gering, so dad man das
erste Filtrat füglich weggießen kann.
Der von Flüssigkeit möglichst befreite Serumrückstand wird weiter
mit Alkohol zerrieben, und zwar wieder mit der ;'>fachen Menge des ur-
spriniglich verwendeten Serums (Alkohol II). Der Brei wird in eine Fla*?che
gebracht und mindestens über einen, besser über "J — t) Tage bei ;14 — 40**
extrahiert, wobei die Flasche häufig umzuschüttein ist.-) Nach dieser Zeit
wird der Alkohol wieder abgesaugt und enthält nun fast die ganze Menge
des im Serum vorhandenen Ölsäureesters in Lösung. Die Flüssigkeit wird
nun in die Kälte gestellt, wo sie bahl trüb wird und bis zum nächsten
Tage mit nadeiförmigen Kristallen erfüllt ist. die den Fster darsti'llen.
War er in reichlicher Menge im Serum enthalten, so fällt ein Teil schcm
bei Zimmertemperatur aus; um ihn vollständig zu gewinnen, ist es nötig,
') Jliirfhle, riiordie Fettsäurecliolesteiinester des Blntsoriims. Zoitsclir f. pliysiol.
Chemie. 21. 331 (ISOö/ÜG).
*) E. W. liroirn, A note du tlit- Cliolesterinesters of Hiids bloiui. Am. Joiirn.
of Physiol. 2. 306 9 (1899) empfiehlt, einen langsamen Lnftstrom durchzuleiton.
168 E. Letsche.
den Alkohol mit Wasser zu verdünnen und in der Kälte stehen zu lassen; die
letzten Reste lassen sich aber nur durch Verdampfen des Alkohols gewinnen. ')
Die aus dem Alkohol II gewonnenen Kristalle zeigen häufig wie der
Alkohol selbst eine gelbliche Färbung und schmelzen zwischen o7 und 40".
Zur Reindarstelluug werden sie ein oder mehrere Male bis zur Konstanz
des Schmelzproduktes umkristallisiert, am besten wiederum aus Alkohol;
man stellt die Kristalle mit Alkohol in den Wärmeschrank (40") und
schüttelt öfters um; zweckmäßig ist es ferner, nicht gleich die ganze zur
Lösung nötige Alkoholmenge zuzusetzen, sondern fraktioniert zu lösen, da
der höher schmelzende Palmitinsäureester . falls er dem Präparat beige-
mengt ist, als der schwerer lösliche erst in den 2. oder o. Alkoholauszug
übergeht. Hat man zum Umkristallisieren nicht soviel Zeit zur ^'erfügung,
so kann man die Kristalle auch in Äther lösen, filtrieren und das
Filtrat unter beständigem Umrühren in heißen Alkohol, dem etwas
Äther zugesetzt ist, einfheßen lassen. In diesem Falle ist aber darauf
zu achten, daß der Ester nicht schon direkt ausfällt, denn dann
kristallisiert er nicht mehr, sondern bleibt ölig. Die Kristallbildung geht
sehr langsam vor sich und der Alkohol darf daher nicht zu rasch er-
kalten und der Äther nicht zu rasch verdunsten. Niemals kristalhsiert der
Ester auch in reinem Zustande so schneU wie z. B. das Cholesterin.
Läßt man das 2. Alkoholextrakt des Blutserums (siehe Ölsäureester)
stehen, so sieht man in manchen Fällen zuerst kleine Plättchen auftreten,
welche auf der Oberfläche ein Häutchen bilden. Werden diese auf dem
Filter gesammelt, so zeigen sie beim Trocknen starken Seidenglanz und
einen Schmelzpunkt, der in verschiedenen Versuchen zwischen 70 und 80" C
liegt. Dieser Körper stellt den Palmitinsäureester des Cholesterins
dar: um ihn vollständig aus dem Serum zu gewinnen, muß man dasselbe,
nachdem es schon zweimal mit Alkohol behandelt worden ist, mit einer Mischung
von Alkohol und Äther mehrere Tage bei etwa 40« C extrahieren, so lange,
als diese Mischung aus dem Serum noch etwas aufnimmt. Läßt man die ver-
einigten Extrakte stehen, so kristallisiert zuerst der Palmitinsäureester aus
und nachher häufig noch eine gewisse Menge des Ölsäureesters. Um den
Zeitpunkt nicht zu verpassen, in welchem der Palmitinsäureester ausge-
fallen ist und der Ölsäureester auszufallen beginnt, tut man gut, die ge-
bildeten Kristalle zu wiederholten Malen zu sammeln und ihren Schmelz-
punkt zu bestimmen.
Zur Pieindarstellung werden die Kristalle in Äther gelöst und filtriert,
das Filtrat bis zur leichten Trübung mit absolutem Alkohol versetzt und
zur KristaUisation in die Kälte gestellt. Auch heißes Azeton eignet sich
zum Umkristalüsieren des Palmitinsäureesters.
^) In manchen Fällen treten im Alkohol II vor der Bildung der langen Nadeln
des ölsäureesters sehr kleine Nadeln oder Plättchen auf. welche zuerst ein Häutchen
an der Oberfläche der Flüssigkeit bilden; sie müssen auf einem Filter gesammelt und
getrennt aufbewahrt werden, da sie nicht den Ölsäure-, sondern den Palmitinsäureester
des Cholesterins darstellen.
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. ](',(]
Handelt es sich um die quantitative Isolierunf,»- dieser Cho-
lesterinester, so wird das Serum in der oben f^^'sciiildcrten Weise mit
Alkoiiol und Äther vollständig extrahiert. Des weiteren verfährt man ^n-nan
wie oben und dampft die alkoholisch-wässerif^en liösunj^cii d.inn ein. wobei
man die letzten Keste Cholesteryloleat erhält, allerdin'::s auf Kosten schöner
Kristallbildung'.
'/.UV (juantitativen Bestimmung des Cholesterins wird man
den Ätherextrakt erst verseifen und zur weiteren liehandlung zweckmäßig
das \>rfahren von Bitter^) benützen, das so wie es für Fett verwendet
wird, hier wiedergegeben sei.-)
Etwa r)0 ,r/ Fett werden abgewogen, in eine etwa 1',,/ fassende I'or-
zellanschale gebracht und hier mit lOO cw/r' Alkohol auf dem Wasserbad
gekocht. Zu der Lösung- gibt man dann eine Natriumalkoholatlüsung . die
man so herstellt. daU man 8^ Natrium ^j in 160 cm^ 99<'/oioCiii Alkohol
ohne zu kühlen auflöst.
Diese Alkoholatlösung gießt man unter beständigem Umrühren noch
warm in die alkoholische Fettlösung. Man erwärmt dann noch einige Zeit
auf dem Wasserbad, bis der Alkohol entwichen ist; hierauf fügt man das
zirka 1' flache Gewicht des verwendeten Fettes an Kochsalz und so viel
Wasser zu, daß der Inhalt sich ganz oder doch zum größten Teile autlöst. Dies
ist wünschenswert, um eine innige Mischung der Seife mit dem Salz zu
erzielen. (Das Salz muß natürlich so gereinigt sein, daß der Äther keine
Stoffe aus demselben extrahieren kann.) Es wird iiiiii unter häufigem Um-
rühren zur Trockene verdampft. Dies kann im Anfang direkt über einer
kleinen Ga.sflamme geschehen; sobald aber ein ]>rei sich zu bilden beginnt,
muß die Verdampfung auf dem Wasserbad fortgesetzt werden. Um die Masse
ganz trocken zu erhalten, erwärmt man schließlich noch im Trocken-
schrank bei zirka SO". Man beginnt dann mit dem Pulverisieren direkt in
der Schale, sobald der Trockenheitszustand es erlaubt. Nachher wird die
Masse noch weiter im Trockenschrank belassen und schlielilich zu einem
feinen Pulver verarbeitet, das dann noch wann in einen Kxsikkator über
konzentrierte Schwefelsäure gestellt wird. Alsdann schreitet man zur Ex-
traktion in einem geräumigen Soxhictschvn Extraktionsai)])arat. Mit \orteil
verwendet man die käuflichen, schon entfetteten Papierhülsen aus dichtem
Filtrierpapier. Das in die Hülse gebrachte Seifenpulver bedeckt man mit
einem entfetteten Wattebausch, um das Hinübertreten von Teilen des
feinen Pulvers in die Flüssigkeit zu verhindern. Die Extraktion, welche
mit gewöhnlichem Äther vorgenommen werden kann, soll ca. 0 Stunden
dauern. Unten im Gefäß trübt sich der .\ther anfangs gewöhnlich ein
') Riffer, Clior die .Mctliodcn, die zur Alisclioidunir dor Cliolostoriii.- ;iii> den
Fetten und ihrer quantitativen Bestimmung vcrwenditar sind, /eitsclir. f. idivsiol. Chemie.
34. 430 (1901/2).
-) Ätherextrakt aus Serum liißt sieh in entspreciicnder NVeise verarhiiten.
') Die vom Petroleum herrüliremlen, dem Natrium anliaftenden oru'anisi luii IJesto
müssen abgeschaht werden.
170 E. Letsche.
wenig. Das rührt davon her, daß sich Glyzerin in fein verteiltem Zustande
ausscheidet. In kurzer Zeit schlägt sich aber dieses Glyzerin am Boden
und an den Wandungen des Gefäßes nieder, so daß die Lösung klar wird.
Zur Entfernung noch vorhandener Spuren von Seife und Glyzerin gießt
man den ätherischen Extrakt in einen ^/^ — 1 1 haltenden Erlenmeyer-
kolben und wäscht mit frischem Äther einige Male nach. Durch dieses
Umgießen hat man das in das Extraktionskölbchen übergegangene Glyzerin
zum allergrößten Teile entfernt, indem es an den Wandungen des ersten
Gefäßes festhaften bleibt. Der Äther wird dann abdestilliert und der
Destillationsrückstand auf dem Wasserbad in ganz wenig Alkohol gelöst.
Alsdann gießt man unter Umschwenken nach und nach so \iel Wasser zu,
bis der Erlenmeyerkolben annähernd gefüllt ist. Man bringt die gefällte
Substanz auf ein Papierfilter und wäscht mit reinem Wasser etwas nach.
Nun wird der so gereinigte Körper im Filter getrocknet, indem man das-
selbe in einem Trichter in einen Trockenschrank bringt und hier bei zirka
60" beläßt. Mit einem kleinen Spatel wird nun sorgfältig so viel als
möglich von dem getrockneten Produkt in ein gewogenes Erlenmeyerkölb-
chen gebracht. Die letzten Pieste des Cholesterins auf dem Filter spült
man mit Äther in das gewogene Gefäß. Der Äther wird dann wieder ab-
destilliert oder direkt verdunstet und der Piückstand im Trockenschrank
bei 100 — 120" vollständig getrocknet und dann gewogen.
Da diesem Ätherrückstand wohl immer noch andere Substanzen bei-
gemengt sind '). empfiehlt es sich für gewisse Zwecke, auf den Rückstand
eines der von Obermüller '^) oder Lewko witsch ^) angegebenen Verfahren
anzuwenden oder das Cholesterin mit Hilfe der von Windaus *) aufge-
fundenen Komplexverbindung von Cholesterin mit Digitonin zu isolieren
und quantitativ zu bestimmen.
Obcrmüller verfuhr so, daß er den beim \'erdunsten des Äthers
bleibenden Ptückstand in Schwefelkohlenstoff löste, und so lange von einer
bromhaltigen Schwefelkohlenstofflösung von bestimmtem Gehalt zusetzte, bis
eine ins Gelbrot stechende Farbenerscheinung auftrat.
Leivkowitsch gil)t folgende zwei Methoden an :
Cholesterin wird mit der U/ofachen Menge Azetanhydrid am Rück-
flußkühler gekocht, das Reaktionsprodukt auf dem Filter mit warmem
Wasser gewaschen, bis die saure Reaktion verschwunden ist und das
*) Das ergibt sich unter anderem aus den Angaben von Obermüller, Weitere Bei-
träge zur quantitativen Bestimmung des Cholesterins. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 16. 143
(1892), der ein ganz ähnliches Verfahren zur Isolierung des Cholesterins anwendet wie Bitter
und dabei durchschnittlich 11% mehr Cholesterin findet, als er zuvor zugesetzt hatte.
-) Siehe bei 1.
^) Lewkowifsch, Zur quantitativen Bestimmung des Cholesterins. Berichte d. Deutsch.
Chem. Gesellsch. 25. 65 (1892).
■*) Windaus, Über die Entgiftung der Saponine durch Cholesterin. Berichte d.
Deutsch. Chem. Gesellsch. 42. 245 (1909). Siehe auch Windaus, Über die quantitative
Bestimmung des Cholesterins und der Cholesterinester in einigen normalen und patho-
logischen Nieren. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 65. 110 (1910).
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelneu Bestandteile. 1 7 1
Filter samt Niederschlag in einem Kolben mit einer genau gemessenen
Menge titrierter alkoholischer KaHlösung gekocht. Das verbrauchte Alkali
wird durch Zurücktitrieren des Überschusses bestiiiiuit. Für die Hercch-
nuug ist zu berücksichtigen, daß 1 Molekül Cholesterin I .Vzetylgruppe
bindet.
Das Cholesterin wird in Chloroform gelöst (für o")// etwa oOcm^CHClj)
und mit 25 c;»^ einer nach v. Hübl bereiteten Lösung von Jod und Sublimat
in Alkohol versetzt. Der Cberschuli an Jod wird mit Thiosulfat znrück-
titriert. da 1 MolekiU Cholesterin 2 Atome Jod addiert, ist die Berechnung
eine einfache Sache.
Diese Methode ist genauer und führt rascher zum Ziele, als die vor-
her beschriebene Azetatmethode.
Das genaueste Verfahren ist zweifellos das von W'uulaus'^) ausge-
arbeitete, das darauf beruht, daß freies Cholesterin mit Digitouiu ein
recht beständiges Additionsprodukt liefert. Es gestattet freies Cholesterin
und Ester nacheinander in einer Portion zu bestimmen.
Man verfährt folgendermaßen : Das zu untersuchende .Material löst
man in der öOfachen Menge kochenden 95" „igen Alkohols und versetzt
mit einer lo/oigen Lösung von Digitonin in Alkohol ('.'O"/,,), so lange noch
ein Niederschlag entsteht. Nach mehreren Stunden wird auf dem Gooch-
tiegel abgesaugt, mit Alkohol und Äther gewaschen, bei 100° getrocknet
und gewogen.
Aus der Menge A des Additionsproduktes läßt sich die Menge C des
Cholesterins berechnen :
A : C = 1539-06 : 38ß-35 2) oder C = A x 0-243 1 .
Das Filtrat des Digitonincholesterids wird konzentriert, nach Zusatz
von Wasser mit Petroläther oder Äther ausgeschüttelt ; das überschüssige
Digitonin bleibt in der wässerig-alkoholischen Flüssigkeit . wähn-nd Chole-
sterinäther. Fette und andere Lipoide in den Petroläther übergehen. .Man
destilliert den Petroläther ab, verseift den Rückstand mit Natriumäthylat
in der Hitze, isoliert das gebildete Cholesterin durch Ausschütteln mit
Petroläther und bestimmt das Cholesterin nach der Digitoninmethode. »)
Neben Cholesterin finden sich, wie Lifschütz*) gezeigt hat, auch
noch sogenannte O.xycholesterine im Plut. Ihr Nachweis wird in folgender
Weise geführt :
') A. Windaus, Über die ([uantitative BestimnuniL' des Cholesterins und der
(holestcriiicster in oinitrfMi normalen und pathologischen Nieren. Zeitschr. f. i)hysiol.
Chemie. 65. llU/117 (1910).
-) M.-G. des Additionsproduktes beziehungsweise von Cholesterin.
^) Da das Digitonin recht wertvoll ist, cnipfielilt es sich, es jeweils wiederzu-
gewinnen. Dies ist leicht möglich dadurch, daü man das Addifionsprodukt etwa
10 Stunden mit Xylol extrahiert (im Apparat von Stock, siebe Belichte d. Deutsch.
Chem. Gesellsch. 39. 15)76 (1906), eine Abliildung findet sich dieses Handbuch. Bd. 1.
S. 183. Fig. 363). wobei das Digitonin i|uantitativ in das .\ylol ülierL'cht.
^j Lifschütz, Die Oxydationsprodukte des ( holestcrins in den tierischen Organeu.
Zeitschr. f. physiol. Chemie. 53. 140 (1907).
172 E. Letsche.
Frisches, noch lebenswarmes Rinderblut wird auf dem Wasserbad
gut eingetrocknet. Die bräunlich schwarze, fast steinfeste Masse wird
möglichst fein zermahlen und mit Benzin 6 — 8 Stunden lang extrahiert.
Nach der Beseitigung des Benzins bleibt eine dunkelbraune, weiche, sehr
dickflüssige und ziemlich klebrige Fettmasse zurück, die selbst über 100"' C
zwar völlig klar durchsichtig ist, aber doch schwer beweglich und dick-
flüssig bleibt. Sie betrug l'o — l'SVo vom Trockenblut. Die rohe Fettmasse
wird nun mit alkoholischem Kali verseift. Nach dem Erkalten des Ver-
seifungsgemisches scheidet sich eine erhebliche Menge kristaUinischer Sub-
stanz aus. Das Gemisch wird, ohne vorheriges Filtrieren, mit etwa dem
gleichen Volum Wasser vermengt, dreimal mit Äther tüchtig ausgeschüttelt
und die vereinigten ätherischen Lösungen mit Wasser wiederholt gewaschen,
bis sie gegen Phenolphtalein neutral reagieren. Nach dem Verdunsten
des Äthers und Verjagen des Wassers mit absolutem Alkohol auf dem
Wasserbade scheidet sich zunächst eine erhebliche Menge weißer, glänzender
Plättchen aus, die unter dem Mila-oskop die bekannten Cholesterintafeln
erkennen lassen und die nach dem völligen Eintrocknen der Substanz in
einer wesentlich überwiegenden Menge hellgelber, fetter, amorpher Masse ein-
gebettet sind.
Den Nachweis, daß es sich bei dem Bückstand um ein Gemenge von
Cholesterin und Oxycholesterinen handelt, führt man nach Lif schütz mit
Hilfe der LiehemiannscheJi Cholestolreaktion und mit Hilfe der von Lifschütz
angegebenen Essigschwefelsäurereaktion, die reines Cholesterin nicht gibt.
Man stellt sie in folgender Weise an^): Man löst wenige Milligramme
des Rückstandes in Eisessig (etwa 2 — 3 crn^) und setzt zur kalten Lösung 4 bis
5 Tropfen konzentrierter H.. SO^ zu. Dabei färbt sich die Lösung ohne Selbst-
erwärmung schwach rotgelb, wird beim Stehen intensiv grün und zeigt
alsdann ein sehr charakteristisches Absorptionsspektrum in Gestalt eines
schmalen tiefdunklen Streifens im Bot zwischen C und d und eines ebenso
schmalen, aber viel schwächeren Streifens auf D. Die Farbe hält sich 10 bis
15 Stunden und geht dann durch Grüngelb in Braungelb über. Das Spektrum
aber ist selbst nach 24 Stunden noch scharf sichtbar.
3. Kohlehydrate.
Zum Nachweis und zur Bestimmung des im Blut (Gesamtblut, Plasma
oder Serum) sich findenden Zuckers sind eine Reihe von Methoden aus-
gearbeitet worden, deren Unterschiede zur Hauptsache in der Art der Vor-
bereitung der Lösung für die eigentliche Zuckerbestimmung liegen. Im
folgenden ist auf diesen Punkt besonders Rücksicht genommen ; der Nach-
weis und die Bestimmung des Zuckers erfolgt in jedem Falle nach Regeln,
die schon an früherer Stelle -) beschrieben sind.
*) Lifschütz, Beiträge zur Kenntnis der Zusammensetzung des Wollfetts. Berichte
d. Deutsch. "Cbem. Gesellsch. 31. 1133 (1898).
^) Dieses Handbuch. Bd. 2. S. 85/183 ; speziell der Beitrag von B. Tollens und
der von K. Grube.
Metboilen zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. {~^■J
Hat man die Aufnabo, den /uckor;,''ohalt des Blutes so wie es im
Körper strömt, festzustellen, so ist es von wesentlicher Bedeutung, das
Blut so aufzufangen, dali (ilykolvse nicht eintreten kann. I>ies erreicht
man dadurch, dall man das Itlut direkt aus der Arterie oder Vene in
Alkohol oder in einer heilien Salzlösung auffängt ; di(\so beiden Wege sin<l
nur zur IJestimniung des Zuckers in dem lUut als Ganzem brauchbar;
oder aber man fiingt das Blut in Fluornatrium auf, das elienfidls im-
stande ist, die Glykolyse zu hemmen.
Glukose.
Bei der Vorbereitung zur Bestimnmng der (ilukose im Plasma oder
Serum verfahren Bona und Michaelis^) folgendermalien :
50 c;// 3 Plasma oder Serum werden mit der löfachen Menge Wasser
versetzt, mit Essigsäure schwach angesäuert (etwa so weit, bis die anfänglich
entstehende Trübung sich wieder aufzuhellen beginnt.) Zu der Flüssigkeit,
deren Volum genau festgestellt wird, fügt man dann auf je U)()rni^ Flüssig-
keit 20 — 25^ Kaolin in kleinen Portionen unter stetem Um-schütteln hinzu;
ist aller Kaolin zugefügt, so kann der Niederschlag sofort abgesaugt
werden. (Spuren von Kaobn, die anfänglich vielleicht mit durchgehen,
werden am besten erst nach Einengen des Filtrats durch Filtrieren ent-
fernt.) Das Filtrat wird genau gemessen — es beträgt gewöhidich */b
der Gesamtflüssigkeit '^j — und auf dem Wasserbad bis zur geeigneten
Konzentration eingeengt. In dieser Flüssigkeit kann die Zuckerbestini mnng
titrimetrisch , gravimetrisch oder polarimetrisch bestimmt werden.
Für Blut ist dieses Verfahren der Enteiweibung nicht brauchbar, da
die FiUlung des Hämoglobins nicht ([uantitativ erfolgt. Für Blut empfiehlt
sich aber folgendes Verfahren, das Oppler und Rona^) angegeben
haben und das auch Moeckel und Frank*) mit gutem Erfolg für Plasma
und für Blut angewandt haben.
Das durch Fl Na ungerinnbar gemachte Blut wird in einem geräu-
migen Kolben auf das lOfache mit destilliertem Wasser verdünnt. Die
Eisenlösung (Liquor ferri oxydati dialysati und nicht Liiinor ferri oxy-
chlorati) wird mit IL, O etwas verdünnt und in dünnem Strahl unter be-
ständiger lebhafter Bewegung des (iefäbes der Blutlösnng hinzugefügt. Von
der Eisenlösung (unverdünnt) sind für \fj Hundeblut in dci- Hegel Sem',
für \g Kaninchenblut -l-bcm genügend. Ein Tberschub innerhalb gewisser
') liona und Michaelis, Untersuchungen iilier den Blutzueker. Biuchoui Zeitsciir.
7. 330 (1908).
-) Da die Konzentration des Filtrats dieselbe ist, wie die der im Kaolin zurück-
bleibenden P'lüssigkeit, kann die gefundene Znckennenge auf die (.iesamtflüssigkeit um-
gerechnet werden.
*) Oppler und h'ona, Untersuchunsren über Blutzucker. III. Biocbem. Zeitschr.
13. 122 (1908).
*) Moeckel und Frank, Kin einfaches \erfaliren der Blutznckcrbestjmmuug.
Zeitschr. f. physiol. Chemie. 65. 323/29 (1910); 69. 85,88 (1910).
174 E. Letsche.
Grenzen ist unschädlich ; die Bluteisenmischunii- bleibt unter häufigem Um-
schütteln etwa 10 Minuten stehen, dann fügt man 1 g fein gepulvertes Mg SO4
auf einmal hinzu und schüttelt kräftig 1 — 2 Minuten lang; damit ist die
Enteiweißung vollendet. Ist sie gut gelungen, so erfolgt die totale Aus-
flockung schnell und die darüber stehende klare farblose Flüssigkeit ist zur
Filtration fertig. Zeigt eine mehr oder weniger ausgesprochene Färbung eine
unvollständige Fällung des Hämoglobins an, so fügt man nochmals Eisenlösung
zu, je nach den Umständen einige Tropfen bis mehrere Kubikzentimeter: ein
weiterer Elektrolytzusatz ist unnötig. Das Volum der Flüssigkeit samt Nieder-
schlag wird genau bestimmt; die klare farblose Lösung wird vom Niederschlag
durch ein Faltenfilter abfiltriert, der Rückstand auf dem Filter ausgepreßt
und eventuell noch ausgeschleudert. Das wasserklare, eiweißfreie Filtrat,
dessen Volumen ebenfalls genau festgestellt wird, wird mit wenigen Tropfen
verdünnter Essigsäure angesäuert und dann bei vermindertem Druck
(15 iHiii Hg) und 45" Wasserbadtemperatur auf wenige Kubikzentimeter
(3—5) eingeengt und quantitativ in einen graduierten Standzylinder von
10 cm^ Inhalt übergeführt. Man bestimmt das Volum genau, filtriert und
führt jetzt die Zuckerbestimmung polarimetrisch oder titrimetrisch aus.
Für die polarimetrische Bestimmung ist die Berechnung folgende:
Sei c der aliquote eingeengte Teil, z der am Polarimeter abgelesene
Zuckergehalt in c (prozentisch), 1 das Volum der Gesamtflüssigkeit (Blut-
c z 1
Eisenlösung und Z der nicht eingeengte aliquote Teil), dann ist x = ^'
Li . lUU
mg Zucker in der zur Untersuchung verwendeten Menge Blut.
Die bei den eben beschriebenen Methoden der Enteiweißung des
Blutes notwendige Verdünnung mit Wasser hat ein ziemhch zeitraubendes
Eindampfen der Filtrate im Vakuum zur Folge. Dies umgeht man bei An-
wendung der folgenden Methode von Bang.^) Ein Zentrifugenröhrchen
von zirka 200 c»^^ Inhalt Mird mit 100 cm? ^ Alkohol beschickt und gewogen.
Nach dem Zusatz von etwa 30 — hOcm^ Blut (direkt aus der Ader) wird
wieder gewogen. Man zerteilt die Blutkoagula fein mit dem Glasstabe,
spült diesen mit zirka bOcm'^ Alkohol ab und zentrifugiert eine Stunde.
Die Flüssigkeit wird von dem Rückstand, der fest an dem Röhrchen haftet,
abgegossen und der Rückstand wieder mit 100 cyy/^ Alkohol zerrührt und
zentrifugiert (V^ Stunden). Die Flüssigkeit wird abgegossen und der Rück-
stand zum dritten Male mit 50 cm?» Alkohol verrührt und zentrifugiert
(V2 Stunde). Die vereinigten Flüssigkeiten werden auf dem Wasserbad bis
zu lOcw^ konzentriert, in einen Meßzylinder übergeführt, auf 30 — 40 cm^
(je nach der Blutmenge und dem Zuckergehalt) ergänzt. Man setzt 2 — 3^
Kaolin am besten portionsweise hinzu , schüttelt durch und filtriert. Im
Filtrat läßt sich der Zucker bequem nach der Bang^^^w. Methode be-
stimmen.
^) /. Bang, Über die Bestimmung des Blutzuckers. Biochem. Zeitschr. 7. 327/28
(1908).
Motlioileii zur Aiifaiheituiij,' des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. 1 7;,
Die von Waymouth Reid^) angegebene Methode der pjitoiweii'.iin«;
])enutzt für diesen Zweck die Fällharkeit der Kiweiliköipcr durch I'hosphor-
wolframsiiure. Auch Vosburgh \m(\ RicJinrds'-) halten sich dieses Verfahrens
mit gutem Erfolg bedient und M<tc Lcod-^) gibt ihm den \'orzug vor dem
Verfaiiren von Schenk*), das vielfach Anwendung findet; letzteres soll etwas
zu niedrige Zahlen geben, offenbar weil durch Suldiiiiat ein Teil der redu-
zierenden Substanzen gefüllt wird.
Das Verfahren von Wai/ntoufJi Reid ist folgendes:
Man liillt das Blut direkt vom I'dutgefidJ in ein müglichst hohes
Becherglas 3), das mit 25U r»^» phosphorwolframsäure «) beschickt und
mit einem Glasstab mit Kautschukkappe versehen ist, einflieilen. Die .Menge
des Blutes betrage etwa ÖU cm'^\ vor und nach dem Zufliellenlassen des
Blutes wird genau gewogen. Man erhitzt dann auf dem Ölbad zum Kochen
und hält die .Masse im Kochen, bis der f^iweißniederschlag als bröcklige
Masse sich absetzt. Nach dem Abkühlen filtriert man die klare überstehende
Flüssigkeit ab, neutralisiert annähernd dälit aber die Reaktion schwach
sauer) und zerreibt den Niederschlag in einer Ueibschale zu einer — nach
Aussehen und Korngröße — schokoladeähnlichen Masse. Man fügt etwas
kaltes Wasser zu und saugt den Niederschlag trocken. Dieses Zerreiben
und Auswaschen des Niederschlages wiederholt man etwa .'Jmal. Die Wasch-
wässer werden jedesmal annähernd neutralisiert, schließlich in einem schief-
liegenden Jenaer Kolben bis auf etwa hO nn'^ eingeengt und diese Flüssig-
keit mit dem Hauptfiltrat vereinigt. Man dampft das Ganze in der Schale
auf etwa 40 c;;^^ pjj^^ neutralisiert genau (Lackmus), filtriert durch ein
aschefreies Filter in einen 100 cw3-Meßzylinder und wäscht das Filtrat
mit Wasser nach, bis das Gesamtfiltrat etwa 85 cm'* beträgt. In dieser
Flüssigkeit bestimmt dann Rcid den Zucker nach der J///A>?schen Methode
durch Wägung des ausgeschiedenen Knprooxyds.
Alkohol zum Enteiweißen von Serum oder Blut verwendett'u Dastrc,
Pavy und Siau u. a.
Das Verfahren von Dastre'^) ist folgendes:
Man läßt das Blut direkt aus\'ene oder Arterie in etwa die lifache Menge
Alkohol einfließen. Man trennt den Niederschlag ab, preßt ihn aus. trocknet
*) Wai/iiioufh heid , A method for the estimation of sugar in blood. .lourn. of
Physiol. 20. BIG 21 (18%).
'-) Ch. II. VosJ)uryh and A. X. h'icliards , On oxporimental study of tlie suirar
content and extravascular coai/ulation of the blood after adniinistration of adfenalin.
Amer. Journ. of Physiol. 9. 34 01 (l'.HK^I.
*) J. F. B. Mac Liod, A comparison of tlie niethods of JUid and Sclinik for
quantitative estimation of the reducing substance in blood. Journ. of biolog. Cliein.
5. 443'52 (1908,09).
••) Fr. Schenk, Über Bestimmunfr und rmsetznng des Blutzurkcrs. I'iiioitrg
Archiv. 55. 203/11 (1894). Findet sich in diesem IIandl)uch Bd. 2. S. 184 beschriobon.
^) Die Masse schäumt l)eim Kochen unter l'mständen ziemlich stark.
«) 70.9 Phosphorwolframsäure und 20 chc' Salzsäure von der Dichte 1. 12 ver-
dünnt mau auf 1000 cw/'.
') Ä. Dastrc, Lanalyse do Sucre dans le sang. Arch. de lMi\ s \" 1 Ser. IM ). 1891 .'i33 46.
176 E. Letsche.
ihn bei etwa 80" und zieht ihn wiederholt mit Alkohol aus, nachdem man
ihn vorher fein zerrieben hat. Man verdampft die Lösung (am besten im
Vakuum), sollte sie noch etwas gefärbt sein, so entfärbt man sie mit Tier-
kohle, die zw'ar aus wässeriger, nicht aber aus alkoholischer Lösung Zucker
adsorbiert. Den beim Eindampfen bleibenden Rückstand nimmt man mit
Wasser auf, bringt diese Lösung bei Anwendung von 25 — 50 cni^ Blut auf
80 — 100 cm^ und führt in dieser Lösung die Zuckerbestimmung aus.
Das an derselben Stelle von Dastre noch angegebene 2. Verfahren
scheint mir keine Vorteile zu bieten. Es besteht darin , daß man mit
Oxalat ungerinnbar gemachtes Blut tropfenweise in eine kochende, etwa
lOVoige Nag S04-Lösung (4 — 6faches Volum des anzuwendenden Blutes), die
man vorher mit Essigsäure angesäuert hat, einfließen läßt und dann Nieder-
schlag und Lösung in gleicher Weise wie oben weiter behandelt.
Das im folgenden zu beschreibende Verfahren von Pavi/ und Siau^)
entspricht im wesentlichen dem von Ban(/ (siehe oben) angegebenen.
Man läßt das Blut - etwa 30 c/y^^ — in die lOfache Menge Alkohol
einfließen und läßt 24 Stunden stehen; nach dieser Zeit rührt man den
Niederschlag auf und kocht den Inhalt des Becherglases im Wasserbad auf.
Man kolliert, nimmt den Eiweißniederschlag vom Tuch ab und zerreibt ihn
in der Reibschale zu einem feinen Pulver; das Pulver wird mit 100 bis
150 cm^ Alkohol nochmals aufgekocht, der Niederschlag abfiltriert und die
ganze Manipulation nochmals wiederholt. Die vereinigten Filtrate engt
man auf dem Wasserbad bei einer 60*^ nicht übersteigenden Temperatur
unter vermindertem Druck ein bis zur Trockene. Zum Rückstand gibt
man 10 c;;^^ Aluminiumhydroxydpaste 2) und 20 cm^ Wasser, kocht das
Ganze auf dem Sandbad lebhaft auf, filtriert, bringt Filtrat und Wasch-
wasser auf 100 cni^ und bestimmt den Zucker nach Pav>/s oder einer
anderen ^lethode.
Virtueller Zucker.
Alle die bis jetzt beschriebenen Methoden verfolgen den Zweck, die
Glukose, soweit sie im Blut frei oder nur in ganz loser Bindung sich findet,
in möglichst reiner, vor allem eiweißfreier Lösung zu erhalten und dann
zu bestimmen.
Nach den Untersuchungen von Lepine vor allem findet sich im Blut
noch sogenannter „virtueller" Zucker, der einer direkten Bestimmung nicht
zugänglich ist. Man muß ihn vielmehr zuvor durch Hydrolyse in Freiheit
setzen. Das Verfahren, das Lupine und Boulud ^) zum Nachweis und zur
^) F. W. Pavy and R. L. Statt, An experimental enquiry upon Glykolysis in drawn
blood. Journ. of Physiol. 27. 451/56 (1901/02).
") Die Aluminiumhydroxydpaste stellt man aus Kalium- oder Ammoniumalaun
durch Zugabe von Ammoniak her; man wäscht den Niederschlag alkalifrei und bewahrt
den Niederschlag feucht bis zur Verwendung auf. Durch diese Paste werden die letzten
Eiweißreste und auch Farbstoffe sicher entfernt.
") Lepine et Boulud, Sur le Sucre total du sang. Conipt. Rend. 147. 226/28
(1908); ferner: Sur le Sucre total du plasma et des globules du sang. Compt. Rend.
149. 583/86 (1909).
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandtoüp. ]77
Bestimmung dieses virtuellen Zuckers verwenden, ist im wesentliclu'n tol-
lendes. In einem Teile des enteiwcitUen Hlutes bestimmt man den in
freiem Zustande vorgebildeten Zucker nadi einem der erprobten Verfahren,
in einer zweiten I'robe spaltet man den gebundenen Zucker ab, indem man
das wie vorher erhaltene Extrakt unter Druck im Wasserbad erhitzt. Die
Lösung enthiilt dabei Fluorwasserstoffsäure, und zwar geben Lupine und
Boulud auf 500 an^ Flüssigkeit 5 cni'^ einer oOVoif^en Fluorwasserstoff-
säure. Das Erhitzen dauert in der Regel 28 — 32 Stunden; dabei empfiehlt
es sich aber, einige in gleicher Weise angesetzte Proben verschieden lang
zu erhitzen. Die Probe, in der der Zuckerwert die höchste Höhe erreicht,
ist die richtige.
Erhitzt man zu kurz, so ist es möglich, daß noch nicht aUer Zucker
frei gemacht wurde, und erhitzt man zu lange, so besteht die (iefalir, daß
ein Teil des Zuckers wieder zerstört wird.
Nach älteren Angaben von Lepine und Boiihul handelt es sich bei
diesem virtuellen Zucker zum mindesten teilweise um (Uukuronsäure, denn
sie sagend): ..Es kommt vor, daß der aus P)lut hergestellte Auszug, ohne daß
er mit Säure in lierührung kam, bei der polarimeti-ischen Prüfung keinen
Zucker anzeigt und höchstens eine ganz schwache Peduktionskraft auf-
weist. Nach dem Kochen mit Säuren findet man eine deutliche Rechts-
drehung und eine hohe Reduktionskraft. Unterwirft man den Auszug der
Vergärung mit Bierhefe, so beobachtet man nach der \'ergärung eine
Linksdrehung, die nach dem Kochen in eine Pvechtsdrehuug übergeht, wo-
bei gleichzeitig eine wesentlich stärkere Ileduktionskraft zu beobachten ist.
Ferner gelingt es aus dem Auszug mit Hilfe von p-Ih'omphenyihydrazin
die für (ilukuronsäure charakteristische \erbindung zu erhalten."
'»
Glukuronsäure.
Daß Glukuronsäure. die wohl auch Pavi/ und Siau als Phenyl-
hydrazinverbindung in Händen gehabt haben'-), im Blut sich findet, ist
durch P. Mayer sichergestellt.
Er führt den Nachweis der Glukuronsäure in folgender
Weise ^) :
2 / Ochsenblut läßt man möglichst frisch sofort nach dem Schlachten
in die n(\ch Abeles *) vorbereitete Zinkazetatlösung einfließen (die Zinkazetat-
lösung stellt man her aus einem dem anzuwendenden Plut gleichen \olum
absoluten Alkohols und ^^/p vom Gewichte des Blutes an Zinkazetat. Die
*) Lepine et Boulud, Sur l'acide glycuronique dans le sang du chien. Compt.
Rend. 135. 139 40 (1902).
-') F. W. l'anj and JL L. Siau, On tho nature of tho suir.ir prosont in niirraal
blood, urine and niusele. Joiirn. of Phys. 26. 282 90 (1900 01).
^) P. Malier, t'ber eine bisher iiiil)pkanute reduzierende Substanz des liiiitos.
Zeitschr. f. physiol. Chem. 32. öl 8/3(1 (1901).
*) Äbfics, Über ein Verfaliren zum Entei weißen des Blutes für die Zuokerl'estim-
mung. Zeitsclir. f. physiol. (heni. 15. 495 504 (1891».
Abderh,-ildeii . llandhuch der biochemischen Arbeitsmethoden. V. 12
178 ^- Letsche.
trübe Lösung wird mit dem darin suspendierten ziemlich reichlichen Nieder-
schlag direkt verwendet). Wenn die Mischung eine gleichmäßige schwarz-
graue Masse bildet, in der sich keine roten Blutklümpchen mehr finden,
verarbeitet man sie in folgender Weise weiter: Man filtriert durch ein mit
Alkohol angefeuchtetes Filter, wäscht mit 90 — 95o/oigem Alkohol nach,
bringt den Rückstand auf ein mit Alkohol angefeuchtetes Stück Leinwand
und preßt mit der Handpresse scharf aus. Der Preßrückstand wird mit
Alkohol zu einem feinen Schlamm zerrieben, filtriert und der Rückstand
wieder ausgepreßt. Die gewöhnhch etwas trüben Filtrate werden zur Ent-
fernung des überschüssigen Zinks mit einer konzentrierten Lösung von Na, GO3
(1:5) unter Umrühren bis zu schwach alkalischer Reaktion versetzt. Das
ausfallende ZnCOä sowie das überschüssige ausfallende Nag CO3 klären die
Lösung, die vollkommen klar und beinahe farblos filtriert. Eine im Filtrat
manchmal nachträglich noch auftretende Trübung von ZnCOj wird durch
Filtrieren entfernt und dieses Filtrat schließlich mit verdünnter Essigsäure
bis zu schwach saurer Reaktion versetzt.
Durch die wiederholte Behandlung der Rückstände mit Alkohol wächst
die Flüssigkeit schließlich auf etwa 6^ an, die im Vakuum bei 40 — 50'' bis auf
etwa 500 cm'^ eingeengt werden. Diese Lösung fällt man mit Bleiessig und
Ammoniak, um alle störenden Körper möglichst zu entfernen. Der in
H2O suspendierte Niederschlag, in dem der größte Teil des Zuckers und
die zu isolierende Glakuronsäure in gepaarter Form übergehen, wird mit
HgS zerlegt.
Nach der Abtrennung des ausgeschiedenen Bleisulfids und der Ent-
fernung des überschüssigen HoS durch einen Luftstrom engt man die
Lösung wieder im Vakuum bis auf etwa Vs des Volums vor dem Zusatz
von Bleiessig und Ammoniak ein. Diese Lösung erhitzt man unter Zusatz
von so viel konzentrierter H2SO4, daß eine etwa l%ige Lösung entsteht,
etwa 1 Stunde im Autoklaven, um die Glukuronsäure aus ihren gepaarten
Verbindungen in Freiheit zu setzen. Man neutralisiert alsdann genau mit
NaaCOg, versetzt mit einem Überschuß von p-Bromphenylhydrazinazetat
(in unserem Falle etwa 3 g) und erwärmt im kochenden Wasserbad unter
möglichster Vermeidung von Luftzutritt, i) Dies erreicht man am ein-
fachsten dadurch, daß man über das in das Wasserbad gehängte Becher-
glas eine Glasschale stülpt, so daß der über der Flüssigkeit befindliche
Raum hauptsächlich von Wasserdämpfen erfüllt ist.
Nach etwa 10 Minuten langem Erwärmen beginnt die Ausscheidung
von Kristallen, die man nach dem Erkalten der Lösung an der Pumpe ab-
saugt und mit absolutem Alkohol so lange wäscht, bis dieser farblos ab-
') Es ist dies notwendig, weil die p-Bromphenylh\ drazinverbindung der Glukuron-
säure bei Wasserbadtemperatur gegen Sauerstoff empfindlich ist. Weiter ist zu beachten,
daß die freie Glukuronsäure namentlich in warmer Lösung gegen Säuren sehr emp-
findlich ist und man muß deshalb einen Überschuß an freier Essigsäure vermeiden.
Das erreicht man am besten durch Anwendung von p-Bromphenylhydrazinchlorhydrat
und der eben erforderlichen Menge Natriumazetat.
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. 1 79
läuft. Die auf dem Filter bleibende, prachtvoll li(lit^''('lhe Verbindun^^ cha-
rakterisiert .sich durch ihren Sclnnei/punkt (227 22!)'') und ihre l'idös-
lichkeit in Alkohol als j^lukuronsaures p-Uroniphenyliiydrazin.
Fruktose.
Von Monosacchariden scheint auller (ilukosc nur noch I-iiiktosc im
IJlut enthalten zu sein.
Zum Nachweis von Fruktose im IJlut verfuhren Seuhery und
Strauss^) folj^endermaßen:
Das ülut wird sofort nach dem Austritt aus dem Körper mit Essifj-
säure bis zur deutlich sauren Reaktion versetzt und auf^M-kocht. I)abei
koaguHert die Hauptmenge des vorhandenen Kiweilles. man filtriert die
Koagula ab und engt das klare Filtrat, das deutlich sauer reagieren nuilV
im Vakuum bei einer 400 nicht übersteigenden Temperatur bis zum dünnen
Sirup ein: die Iveaktion muH auch während (\e^ Kindampfens sauer bleiben.
Der dünnflüssige Verdampfungsrückstand wird dann, unbekümmert um
feste Ausscheidungen, die aus Salzen oder Albumin bestehen, mit halb so-
viel Alkohol von 98" o^ wie das ursprüngliche Flüssigkeitsvolum betrug, auf
dem Was.serbade ausgekocht. In etwa ö Minuten wird die Haujjtmenge
der vorhandenen Fruktose ausgezogen; die erkaltete Lösung wird filtriert
und das Auskochen mit Alkohol nacli F)efeuchten des Kückstaufles mit
wenig Wasser wiederholt.
Die vereinigten alkoholischen Auszüge werden nach eventuellem iioch-
maUgen Filtrieren mit Tierkohle entfärbt. In einem ah(iuoten Teil be-
stimmt man die Menge reduzierender Substanz und berechnet sie auf
Lävulose. Den Hauptteil der alkoholischen Flüssigkeit engt man ein, setzt
die für Lävulose berechneten ;> Moleküle Methyl])henylhydrazin zu, lälit
einige Stunden stehen und filtriert, wenn sich ein Niederschlag gebildet
hat. Dann fügt man dem Filtrat bzw. der ursprünglichen I>üsung die der
angewandten Methylphenylhydrazinmenge gleiche Gewichtsmenge öC/oige
Essigsäure zu und eventuell noch so viel Alkohol, bis die F'lüssigkeit ganz
klar ist. Die.se wird schlielilich ;i — 5 Minuten auf kochendem Wasserbad
oder besser 24 Stunden auf 40° erwärmt.
Hei größeren Mengen Fruktose erhält man das Osazon direkt kri-
stallinisch, eventuell nach Zusatz weniger Tropfen Wasser.
Jiei geringen Mengen erhält man zunächst ein (')1, das beim Reiben
fest wird. Am sichersten kommt man durch starke Abkühlung ( Kälte-
mischung aus festem C().> und Äther) zum Ziel. Zu diesem Zweck trennt
man das öl von der Mutterlauge, dekantiert es mit Wasser und trocknet
es im Vakuum über H-^SOi. Dann löst man es in absolutem Alkohol, fil-
triert und stellt die Lösung in die Kältemischung, wobei sofort die Aus-
scheidung von Kristallen beginnt. Man saugt ab, wä.scht mit kaltem (Kfllte-
') C. Neuherfi und Strauss, Tber Vorkommen und Nachweis von Fruchtzucker in
4en menschlichen Körpersäften. Zeitschr. f. physiol. Cheni. 36. 232 (1902).
10*
180 E. Letsche.
mischung!) Alkohol und kiüstallisiert aus heißem Wasser unter Zusatz von
etwas Pyridin um.
Beim Einengen erhält man das Osazon in sehr feinen gelblichen
Nadeln von F. P. 158— 160°.
Tierisches Gummi.
Von Polysacchariden ist von Freund'^) sogenanntes tierisches
Gummi aus Blut in folgender Weise erhalten worden:
4 l Ochsenblut werden unter Benutzung von Zn C O3 enteiweißt , der
Niederschlag abfiltriert, mehrmals mit heißem Wasser aufgekocht, gewaschen
und das Filtrat samt Waschwasser bei möghchst niederer Temperatur auf
1 l eingedampft. Man fällt dann nach den Angaben von Landwehr^) mit
CuSO^ und Na OH das tierische Gummi aus, filtriert die Fällung ab,
wäscht sie gut aus, löst sie in verdünnter Salzsäure und versetzt diese
Lösung so lauge mit NH3 , als der Niederschlag von CuiOH)., sich noch
löst; dann fügt man 3 Volumina 95Voig"en Alkohol zu und erwärmt auf 60".
Der Niederschlag wird abfiltriert, mit Alkohol gewaschen, in leicht mit
Salzsäure angesäuertem Wasser gelöst, nochmals mit Alkohol gefällt und
dann mit Alkohol und Äther gewaschen. Man erhält so ein gelblichweißes
Pulver, das sich in HgO vollkommen klar löst, Pieduktionsfähigkeit aber
erst nach dem Kochen mit Säuren zeigt.
'ö'
4. Extraktivstoffe.
a) N-haltige Extraktivsnbstanzen.
Harnstoff.
Zur IsoUerung von Harnstoff aus Serum oder Blut verfährt man
nach Hoppe-Seyler^) folgendermaßen:
Frisches Blut wird mit dem 3 — 4fachen Volum starken Alkohols gut
gemischt und diese Mischung 24 Stunden stehen gelassen. Man filtriert
nach dieser Zeit, wäscht den Rückstand mehrere Male mit Alkohol und
engt Filtrat und Waschalkohol bei mäßig hoher Temperatur, am besten
im Vakuum, ein. Die erkaltete Lösung säuert man dann mit Essigsäure
stark an, schüttelt sie mit Chloroform zur Entfernung von Fett, Phospha-
tiden, Cholesterinestern, Seifen etc. aus, wäscht die Chloroformlösung mit
Wasser und engt Hauptflüssigkeit und Waschwasser zur Entfernung von
*) Freund, tJber das Vorkommeu von tierischem Gummi im normalen Blut.
Zentralbl. f. Physiol. 6. 345 (1892).
-) E. Lcindirehr, Ein neues Kohlehydrat im menschlichen Körper. Zeitschr. f.
physiol. Chemie. 8. 122/128 (1883/84).
Man fügt zu der alkalischen Lösung CuSO^, so lange als das gebildete Cu(OH),
sich noch löst ; beim Kochen dieser Lösung scheidet sich die basische Cu-Verbindung
in bläulichweißen Flocken aus.
^) Hoppe-Seyler-Thierfelder, Handbuch der physiol. u. pathol. -ehem. Analyse. 8. Aufl.
1909. S. 651.
Methoden zur Aufarbeitunir des Blutes in soino eiiizolneii licsuiadttile. l<jl
Alkohol stark ein. Dann iiiacht man mit HoSO^ stark sauor nnd versetzt
zur Entfernnng von Eiweißresten, Kreatinin und cventnell vorhandenen
Basen mit Phosphorwolframsäure ') , so ian^^e noch ein Niederschlag,' ent-
steht. Der Niederschlag- ist mit Hi,S()4haltigem Wasser zu waschen: dif^
vereinigten Filtrate werden mit Barytwasser iii)ers;ittigt, der Niederschlaf,'
abfiltriert, mit Wasser ausgewaschen nnd ans dem Filtrat der f^her-
schui) an Baryt durch Kohlensaure entfernt. Man filtriert vom BaCO;, ah,
engt das Filtrat l)ei müßiger Wiirme auf ein kleines \'olum ein nnd fällt
den Harnstoff mit Merkurinitrat, wobei man /.um Neutralisieren der frei
werdenden Salpetersäure Baryt verwendet; die Flüssigkeit soll stets sauer
bleil)en. Der Niederschlag wird abfiltriert, mit Wasser (wenig) gewaschen,
in Wasser zerteilt und durch Ho S zerlegt. Nach der Entfernung des (^)neck-
silbersulfids vertreibt man aus dem Filtrat, das neben salpetersaurem
Harnstoff höchstens noch geringe Mengen P)a(N()3). enthalten soll, durch
Erwärmen auf dem Wasserbad oder durch Luftdurchleiten dmch die Lösung
den H^S, versetzt die Lösung mit Baryumkarbonat , solange noch eine
Umsetzung stattfindet, filtriert und dampft die Lösung bei mäßiger Tem-
peratur zur Trockene ein. Den lUtckstand zieht man mit absolutem Alko-
hol aus, setzt der filtrierten Lösung ein gleiches Volum Essigäther (zur
Entfernung von eventuell gelöstem Ba(N03)2 zu, filtriert wieder und lallt
die Lösung verdunsten. Durch wiederholtes Auflösen des Bückstandes in
absolutem Alkohol und Versetzen dieser Lösung mit Essigester erhält man
den Harnstoff schließlich vollkommen rein und kann ihn, wenn man unter
Einhaltung (|uantitativer Kautelen gearbeitet hat, zur (juantitativen Be-
stimmung auf gewogenem Filter zur Wägung bringen.
Salkoivski^) isohert den Harnstoff in Form der Verbindung mit
Salpetersäure in folgender Weise:
Man fällt das Blut mit der mehrfachen Menge absoluten Alkohols,
verdunstet den Auszug, mit dem man den Waschalkohol vereinigt hat, bei
gelinder Wärme zur Trockene, nimmt den Bückstand in absolutem Alko-
hol auf und verdunstet nach dem Filtrieren abermals zur Trockene. Auf-
nehmen in absolutem Alkohol und Wiederverdunsten haben so oft zu gi^
schehen, bis der Bückstand sich vollkommen klar in absolutem Alkohol
löst, zum Zeichen, daß alle anorganischen Salze, vor allem Kochsalz, voll-
kommen entfernt sind. Man verdunstet dann ein letztes Mal und gibt zu
dem Bückstand nach starkem Abkühlen Salpetersäure.^) (D 1, iM Nach
24 Stunden wird der Niederschlag auf einem glatten Filter gesammelt und
mit eiskalter Salpetersäure gewaschen; die überschüssige Salpetersäure
') Die PhosplKirwolframsiiure muß natürlich darauf hin geprüft sein, oh sie nicht
am Ende Harnstoff ehcnfalls fällt.
'-) E. Salkoicski, Cher den Nachweis nnd dit- iJcstiinmunir v..n Harnstoli in iv<>r-
perflüssiixkeiten und Organen. Arbeiten aus dem path. Institut zu Boiiiii. FJorlin. IIir<cli-
wald, 1ÜU6. 581.
*) Die Salpetersäure muß durch Auskochen v(in niederen Oxyden des Slickstolls
befreit sein.
182 E. Letsche.
entfernt man am besten, indem man das Filter auf Filtrierpapier legt.
Man bringt dann das Filter in den Trichter zurück, wäscht zur Entfernung
von Fett und Fettsäuren mit absolutem Alkohol und Äther und kann
nach dieser Behandlung das Harnstoffnitrat auf dem Filter zur Wägung
bringen.
Zur Kontrolle, ob das Harnstoffnitrat frei ist von anorganischen
Salzen, verascht man das Harnstoffnitrat (ganz oder nur einen aliquoten
Teil) vorsichtig in einem Platintiegel, wobei ein Rückstand nicht bleiben
darf; bleibt ein merklicher Rückstand, so führt man ihn mit H2SO4 oder
HCl in Sulfat oder Chlorid über und bringt das hieraus auf NaNOg be-
rechnete Gewicht in Abzug.
Beide oben aufgeführten Verfahren sind recht zeitraubend und er-
fordern große Sorgfalt, sobald es sich um quantitative Bestimmungen
handelt. Man kann für diese Zwecke aber auf eine Reindarstellung des
Harnstoffes verzichten und im Anschluß an Schöndorff'^) in folgender Weise
verfahren.
Verfahren nach Schöndorff:
1 Volumen Blut wird mit 2 Volumina Phosphorwolframsäure-Salz-
säuremischung versetzt und geschüttelt. (Die Phosphorwolframsäure-Salz-
säuremischung ist hergestellt aus 1 Volurateil konzentrierter HCl D M24
und 9 Volumteilen lOVoigefi" Phosphorwolframsäurelosung, die natürlich
Harnstoff nicht fällen darf.) Nach 5 Minuten wird eine Probe abfiltriert
und nochmals mit 1 Volumen Säuremischung versetzt; bleibt die Probe
2 Minuten klar, so ist die Fällung vollständig, andernfalls hat man der
ganzen Lösung noch ein B. Volum Säuremischung zuzugeben. Im allge-
meinen reicht man mit 2 Volumina Säuremischung aus. Die Mischung
wird nach 24 Stunden filtriert und das Filtrat (Filtrat I) mit soviel Kal-
ziumhydroxydpulver 2) in einer Reibschale zerrieben, bis die Masse alkalisch
reagiert; man filtriert wieder (Filtrat H). Sollte die Flüssigkeit beim Zer-
reiben mit Kalzium hydroxyd eine blaue Farbe annehmen, so wartet man
mit dem Filtrieren, bis diese Farbe wieder verschwunden ist, was oft
mehrere Stunden dauert.
Zur Bestimmung des aus dem Harnstoff entstehenden NH3 wägt
man auf einer Schnellwage 10^ kristallisierte Phosphorsäure ab, bringt sie
in ein Erlenmeyerkölbchen, läßt hierzu aus einer Bürette eine entsprechende
Menge des Filtrates H laufen und erhitzt in einem Trockenschrank
4V2 Stunden auf 150". Nach dem Erkalten wird die am Boden befindliche
sirupartige Masse in warmem Wasser gelöst, die Lösung in einem De-
stillierkolben übergespült und das gebildete NH3 nach Zusatz von Na OH
^) B. Schöndorff, Eine Methode der Harristoffbestimmung in tierischen Organen
und Flüssigkeiten. Pflügers Archiv. 62. 1—57 (1896).
") Dieses Pulver erhält man in der Weise, daß man gebrannten Kalk mit soviel
Wasser versetzt , daß er zu einem feinen Pulver zerfällt. Man zerreibt und trocknet
unter Abschluß von Luft.
1 CIN'
genügt
voU-
Fipr. 77.
Methotlcu zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. jH^
und Talk in vorgelegte titrierte Schwefelsäure überdestilliert. Die über-
schüssige HjSO^ titriert man uiifer Verwendung eines geeigneten Indi-
kators (Laknioid- Malachitgrün) mit Lauge zurück.
Ist man vor die Aufgabe gestellt, in kleinen Bliitniongen — \veiiiL'«'n
Kubikzentimetern — den Harnstoffgehalt zu bcstiinmen, so wird
man sich mit gutem
Erfolg der Methode
von Barcroft^) be-
dienen, die in folgen-
dem beschrieben ist.
Die Methode be-
ruht auf der schon
früher für ähnliche
Zwecke verwendeten
Zersetzung von Harn-
stoff (und Ammon-
salzen) durch unter-
bromigsaure Salze.
Das Blut —
kommen ^ läßt man
in das öOfache Vo-
lum absoluten Alko-
hols einfließen. Nach
•J4stündigom Stehen
filtriert man die Lö-
sung in die Schale Ä
(siehe Fig. 77), die
etwa 5 an Durch-
messer hat und 5 mm
tief ist. Man setzt
die Schale auf ein
Wasserbad und läßt
den Alkohol bei etwa
65° verdunsten; sind
die ganzen .')() cm'-^ in
die Schale filtriert, dann läßt man den Niederschlag mit 20 cm' Alkohol
einige Zeit stehen, filtriert und vereinigt die.ses Filtrat mit dem ersten.
Auf diese Weise ist man sicher, allen Harnstoff auszuziehen. Man läßt die
Flüssigkeit dann vollständig verdunsten, löst den Kückstand in 1 <•//*»
40"/oioPi' ^*«^^'H, wonach alles zur Bestimmung fertig ist. Die Hestimmung
selber erfolgt in dem aus der nobeustehenden Figur ersichtlichen Apparat.
(1903).
') J. Barcroff, Tlie pstimatioii of urea in liloixl. Journ. of Tliysiol. 29 ^'"
134 E. Letsche.
Ä ist die eben schon erwähnte Schale, auf deren Rand der Deckel B
gut aufgeschliffen ist; dieser Deckel trägt in der Mitte oben eine Öffnung
und einen Ansatz zur Befestigung eines Kautschukschlauchs , der in der
aus der Figur ersichtlichen Weise mit der Manometerröhre Ä' in Verbindung
steht. Der Manometerschenkel Ä' ist in Kubikzentimeter geteilt; das Kaliber
der Röhre ist so eng , daß 1 crn^ eine Länge von 25 — 30 cm einnimmt;
jeder Teilstrich entspricht Vioo «"^i mit Leichtigkeit kann man noch V4
dieser Teilung abschätzen. Der Nullpunkt dieses Schenkels Ä' ist oben ein
Stück unterhalb des Hahns. Der Schenkel B' des Manometers ist in Milli-
meter geteilt. Da Stickstoff in Wasser 1) nur ganz wenig löslich ist, kann
man die Unterschiede der Gasvolumina bei gleichbleibendem Druck fest-
stellen.
Die beiden Manometerröhren sind in einen doppelt durchbohrten
Stopfen eingelassen, der in ein Glasgefäß E\ dessen Form aus der Figur
ersichtlich ist, eingesetzt ist. Am unteren Ende von £" ist die Kautschuk-
kappe F' angebracht, über welcher sich eine Schraube mit Platte G' findet,
die gestattet, die Kautschukkappe stärker oder schwächer zusammenzu-
drücken und dadurch den Stand der Absperrflüssigkeit zu ändern. Ein
Teil der Manometerröhren, ferner E' und F' sind mit der Absperrflüssig-
keit vollkommen angefüllt, wobei sorgfältig darauf zu achten ist, daß nir-
gends Luftbläschen hängen bleiben.
Die Eichung des Apparates geschieht am besten in der Weise, daß
man, wie bei einem Versuch, eine genau bekannte Menge Harnstoff zer-
setzt und feststellt, wieviel Kubikzentimeter N geliefert werden; es ist dies
deshalb zweckmäßig, weil bei der Zersetzung von Harnstoff durch unter-
broraigsaure Salze bekanntlich nie 100% des N als solcher in Freiheit
gesetzt werden, sondern nur rund 92 Vo-
Die weitere Ausführung der Bestimmung gestaltet sich folgender-
maßen. Nachdem man den in Ä befindüchen Rückstand in 1 cm^ 40Voiger
Na OH gelöst und in die Lösung das Gefäß F mit etwa 0"5 cm^ Brom-
lauge gestellt hat, setzt man den Deckel B, der schon vorher durch D mit
der Manometerröhre verbunden wurde , auf die Schale Ä und verbindet
beide durch passend geformte Federn; der Rand von J ist leicht eingefettet.
Man bringt dann den Apparat samt einem gleichgebauten und gleichgroßen
Kontrollapparat in ein Wasserbad von konstanter Temperatur, schließt
dann den Hahn , liest das Volumen in A' und den Druck in B' ab und
läßt dann durch Umkippen von F die Reaktion eintreten. Ist die Reaktion
zu Ende, so wird bei gleichem Druck in B\ wie vor dem Versuch — dies
läßt sich leicht mit Hilfe der Schraube G' erreichen — das Volumen in Ä'
abgelesen und nach Maßgabe der Kalibrierung die Menge des Harnstoffes
bestimmt.
Die Methode liefert recht gute Resultate.
') Noch besser ist eine gesättigte Lösung von Chromsäure als Absperr-
flüssigkeit.
Mothndcu zur Aiifarl)eituiig des Blutes in seine einzelnen Bestandteile ig.^
Karbaminsäure.
Daß karbaminsäure Salze im Blut sich tuuloii. li;it Dm-hf«/ ^) in fol-
gender Weise gezeigt:
150 — 200 cw/^ farbloses, klares, durch Zciitrifugficrcn gewonnenes
Serum werden mit dem Hfachen \olum käutlichcii absoluten Alkohols ge-
fällt. Man filtriert vom ausgeschiedenen Eiweiß ab und versetzt die al-
koholische Flüssigkeit mit einer konzcnti-ierten wässerigen Lösung von
CaCU; die anfängliche Trübung bullt sich rasch zu groben Flocken zu-
sammen und wird abfiltriert. Das Filtrat versetzt man mit soviel reiner
20''/oig('T wässeriger KOIl-Lösung, bis die Reaktion deutlich alkalisch ist.
Dabei entsteht ein kleisterähnlicher Niederschlag, der Ca(()H).,. CaCOa und
karbaminsauren Kalk enthält. Man filtriert ihn ab. wäscht mit absolutem
Alkohol, preßt ihn möglichst zwischen Filtrierpapicr al) und trocknet ihn
über Schwefelsäure.
Der ganz trockene Niederschlag wird fein zerrieben und in einem
luftdicht verschlossenen Gefäß einige Zeit mit destilliertem AVasser ge-
schüttelt. Man läßt absitzen, filtriert und füllt die klare Lösung in eine
mit Wasserstoff gefüllte Retorte. Man erhitzt den Retorteninhalt allmäh-
lich zum Kochen; dabei läßt man durch eine geeignete Vorrichtung die
aus der Retorte abziehenden Gase und Dämpfe durch verdünnte Saksäure
streichen. Der Retorteninhalt trübt sich schon, bevor die Flüssigkeit kocht;
die Trübung erweist sich bei näherer Untersuchung als CaCOs; in der vor-
gelegten Salzsäure findet sich NH3.
Sowohl das in der Retorte abgeschiedene CaCOs, als auch das in die
Vorlage übergehende Ammoniak können zur (piantitativen Restimmung der
in der klaren Lösung enthaltenen Karbaminsäure dienen, wobei der Be-
rechnung folgende Reaktionsgleichung zugrunde zu legen ist:
Ca(COONH., )., + 2 HoO = CaCÜs -|- (N H^o CO3.
In neuerer Zeit haben Mac Leod und Haskins -) eine Methode zur
quantitativen Bestimmung von Karbamaten beschrieben, deren Prin-
zip das folgende ist:
In 1 ctn^ Blut wird unter Benutzung des Apparates von Banm/t und
Haidane — eine Abbildung findet sich im Bd. :\ dieses Handbuches auf
S. 685 — der Gesamtkohlensäuregehalt bestimmt. Einen zweiten Kubik-
zentimeter desselben r)lutes schüttelt man im Wägeglas mit einem flier-
schuß von NH4 0H-haltiger Baryundiydroxydlösung. dadurch werden die
Karbonate gefällt, während die Karbamate in Lösung bleiben. Die gebil-
deten Karbonate werden entfernt und in der Lösung die Kohlensäure be-
stimmt. Die Differenz zwischen der ersten und zweiten Bestimminig er-
gibt die COo-Menge, die auf Rechnung der Karbaminsäure zu setzen ist.
*) DrechseJ, Über die ü.\ydatii)n von Glykokoll, Leuzin, Tyrosin sowie aber das
Vorkommen von Karbaminsäure im Blut. Journ. f. prakt. Chem. 12. 417/2G (187ö).
■') Mdc Leod and Haskins, The quantitative estimation of carbamates. Am. Journ.
<>f Physiol. 12. 444 56 (1905).
186 ^- Letsche.
Die Ausführung ist folgende: Das Blut wird direkt aus einem Blut-
gefäß in einem Zentrifugenglas von 12 — 16 cm^ Faßraum aufgefangen.
Man gibt etwas Quecksilber in das Glas , verstopft gut und defibriniert
durch kräftiges Schütteln. Während man das defibrinierte Blut zentrifu-
giert, beschickt man 2 Wägegläschen — J und B — von etwa 25 cm^
Faßraum mit je 1 crn^ klarer Ba(0H)2 -Lösung, 2 c/y^^ ausgekochtem Wasser
und O'b cm^ einer l^/oigen Chlorbaryumlösung. In jedes Gefäß gibt man
dann 1 crn^ Blutserum und in das Gefäß A noch o'ö cm^ einer lOVoigen
Ammoniaklösung. Beide Gefäße w-erden gut zugestopft , das Gefäß A in
einem Schüttelapparat geschüttelt und Glas 5 15 Minuten lang in einem
Wasserbad auf 60" erwärmt. Dadurch wird alles Karbamat in Karbonat
übergeführt. Dann kühlt man das Gefaßt ab, fügt seinem Inhalt noch
S'bcm^ lOVoiges NH3 zu und schüttelt ebenfalls. Nach je ^^stündigem
Schütteln bringt man den Inhalt jeden Glases in ein Zentrifugengläschen,
verstopft gut und zentrifugiert 15 — 20 Minuten auf einer Zentrifuge mit
hoher Tourenzahl.
Von jedem Zentrifugenglas bringt man dann 7 ci>^3 (=:0-5 cm^ Serum)
je in ein Gefäß des Barcroff-Hah/anescheu Apparats, gibt eine zur Neu-
tralisierung beinahe hinreichende Menge gesättigter wässeriger Weinsäure-
lösung hinzu — diese Menge muß durch eine vorherige Titration festge-
stellt werden — und bringt je 0"25 tm^ Weinsäure in die Schälchen H
des Apparates.^)
Die Gefäße werden mit den Manometern verbunden und die Tem-
peratur an einem Vio" angebenden Thermometer abgelesen. Ist die Tem-
peratur in den Gefäßen konstant geworden, was durch die Manometer an-
gezeigt wird, dann läßt man die Säure aus den Schälchen in die Flüssig-
keit in A und B einfheßen und schüttelt die Gefäße kräftig. Ist alles Gas
ausgetrieben, dann senkt man die Gefäße wieder in das Wasserbad, in
dem sie vor dem Zugeben der Weinsäure aus den Schälchen sich befan-
den und läßt sie auf die frühere Temperatur abkühlen. Man liest die
Flüssigkeitsmenisken in den Manometern ab und macht die Berechnung
folgendermaßen: Die Ablesung an dem Manometer B wird abgezogen von
der an A (da die Gefäße A und B praktisch den gleichen Faßraum haben,
so ist diese Subtraktion statthaft). Die Differenz multipliziert man mit
dem Inhalt von Gasgefäßen und Meßröhren. Dieser letztere Wert dividiert
durch 10.000 ^) gibt die Anzahl Kubikzentimeter CO2, die aus Karbamat
stammen.
1 cin'^ COo (0°, 760 jinii) entspricht 0-0036 g Kalziumkarbamat (siehe
auch Bd. 3 dieses Handbuches. S. 685/88.)
*) Siehe Fig. 228, Bd. 3. S. 685. Die eingehende Beschreibung des Apparates und
seiner Benutzung ist dort einzusehen.
^) Die Flüssigkeit in den Barometerröhren ist eine Lösung von Chromsäure in
Wasser von der Dichte 1030. Wäre Wasser in den Manometerröhren, so wäre der Faktor
mit dem zu dividieren, wäre der Barometerdruck in Millimeter Wasserdruck, d. h. die
Zahl 10.300. Hat man aber eine Flüssigkeit von oben angegebenem spezifischen Ge-
wicht, so ist nur eine Regulierung der Dezimalen erforderlich.
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteil.-. ift,^
Kreatin.
Den Nachweis von Kreatin im Blut zu führen ist nicht {,'anz leicht.
Bei Anwendung von viel Serum habe ich mit folgendem Verfahren
Erfolg gehabt.») Das Serum wird durch das ;ifache N'olum lM;%igen Al-
kohol gefällt; nach etwa 'M] Stunden wird filtriert und der Niederschlag
ausgewaschen. Die vereinigten alkoholischen Filtrate werden im Vakuum
bei einer Temperatur von etwa 40 — 4i)° zur Trockene ('ingedami)ft. Der
Trockenrückstand wird erst mit Äther, dann mit absolutem Alkohol er-
schöpfend behandelt und das hierbei ungelöst Bleil)ende mit Wasser ge-
schüttelt, bis dieses nach wiederholtem Erneuern nichts mehr aufnimmt
(als Bückstand bleiben Eiweißreste). Die wässerige Lösung wird auf dem
Wasserbad bis zur Bildung einer Kristallhaut an der Oberfläche eingeengt;
durch Einleiten von gasförmiger Salzsäure in das Filtrat von dieser kri-
stallinischen Ausscheidung bis zur Sättigung erreicht man die Abschei-
dung einer groben Quantität anorganischen Materials (vor allem von
NaCl-). Aus dem Filtrat entfernt man mit Hilfe von Kuprooxyd die Salz-
säure und eventuell in Lösung gehendes. Cu durch H<,S und engt die Lö-
sung möglichst weit ein, fällt mit Bleiessig und engt das durch H, S blei-
frei gemachte Filtrat nach der Entfernung des PbS zum Verjagen der Essig-
säure bis zur Trockene ein. Den Rückstand nimmt man mit Wasser (wenig)
auf, versetzt mit Chlorzinklösung und erhält dabei die bekannten warzen-
förmigen Kristalle von Kreatininchlorzink. Der Weg ist recht mühsam und
führt nicht immer zum gewünschten Ziel.
C.Voit gibt an 3): ..Ich habe im Kälberblut kein Kreatinin nach-
weisen können, doch gelang es nach Neubauers Methode, das Kreatin quan-
titativ zu bestimmen." Nähere Angaben finden sich nicht.
Zur (juantitativen Bestimmung des Kreatins verfährt man
nach MeUanhy^) folgendermaßen:
Man fällt das Serum mit der etwa ;'.facheii Menge Alkohol, filtriert
die Lösung nach einigem Stehen, wäscht den Niederschlag mit etwa
OOVoifeP'ii Alkohol aus und engt die Filtrate bei einer 57" nicht überstei-
genden Temperatur bis zur Trockene ein. Den Rückstand nimmt man mit
Wasser auf und bestimmt in einem Teil dieser Lösung das eventuell vor-
handene Kreatinin nach dem Verfahren von Folin. ■■) Einen anderen Teil
bringt man nach dem Vorgange von Gottlieb und StaiK/assim/ir'') auf
•) Letsche, Beitrai^e zur IveiiatiHS der organischcMi Hestandteilo des Serums.
Zeitschr. f. physiol. Chem. 53. 107 (15)07).
■-') Dabei wird allerdings das Kreatin jedenfalls zum Teil, wenn nicht vollständig,
in Kreatinin übergeführt.
^) ('. Voit, l'bor das Verhalten des Kreatins, Kreatinins uml Harnstoffs im Tier-
körpcr. Zeitschr. f. Biol. 4. 77/162 (1868).
*) E. Mrlinn/»/. Croatin and Croatinin. .Tourn. of l'hysiol. 3«. 447 87 ( l'.»()7 OS).
*) Eine eingehende Beschreibung dieser Methode siehe tlieses Handbuch. IM. 3.
S. 787.
*) B. Gottlieb und Stau (jastiiii r/er. Über das Verhalten des Kreatins boi der Auto-
lyse. Zeitschr. f. physi(d. Chem. 52. 1/41 (ll»07).
188 E. Letsche.
einen Gehalt von etwa 2"2''/o HCl und erwärmt diese Lösung auf einem
lebhaft kochenden Wasserbad etwa o Stunden. Dann bringt man die Lö-
sung aus dem Erlenmeyerkölbchen , in dem sie erwärmt wurde, in eine
Schale und dampft sie zur Trockene ein. Der Trockenrückstand wird in
H2 0 gelöst, die Lösung mit natronalkalischer Pikrinsäurelösung versetzt,
nach 5 Minuten in einen MelJkolben filtriert und auf das erforderliche
Volum verdünnt. Von etwa ausgeschiedenen kohligen Zersetzungsprodukten
filtriert man erst vor der Bestimmung ab und führt diese selbst nach den
Angaben von Folin (siehe oben) aus.
Harnsäure.
Harnsäure scheint als normaler Bestandteil zwar im Blut der Vögel
regelmäßig vorzukommen, im Blut der Säugetiere, auch des Menschen,
aber zu fehlen. Dagegen tritt sie unter bestimmten pathologischen Um-
ständen bei diesen auf und man führt ihren Nachweis dann in folgen-
der Weisel):
Blut — Serum oder Plasma werden genau entsprechend behandelt —
wird auf das 3 — öfache mit Wasser verdünnt; die Mischung wird mit
einigen Tropfen verdünnter Essigsäure (D = l'OoSö) eben angesäuert und
im kochenden Wasserbad 2) koaguliert. Man läßt die Mischung etwa 15 bis
20 Minuten im kochenden Wasserbad, bis das Eiweiß in braunen Flocken
sich zu Boden setzt, filtriert heiß und kocht den Rückstand wiederholt mit
Wasser aus. Die vereinigten Filtrate engt man auf dem Wasserbad ein,
filtriert einige neuerlich sich ausscheidende Eiweißflocken ab und fällt aus
dieser Lösung die Harnsäure nach dem Verfahren von Salkowski-
Ludwig. '^)
Hat man von vornherein unter Beobachtung quantitativer Kautelen
gearbeitet, so kann das Verfahren zur quantitativen Bestimmung der
Harnsäure dienen.
Die in Arbeit zu nehmende Blutquantität richtet sich natürüch nach
der zu erwartenden Harnsäuremenge.
Schröder hat aus Blut von Gänsen bei Anwendung von nur etwa
60 cw3 Blut noch 6 mg Harnsäure erhalten. Fetren hat bei Verwendung
von etwa 200 cm,^ Menschenblut (von Kranken) noch Harnsäure sicher
nachweisen können, während v.Jaksch selbst in 300 cm^ normalem Menschen-
*) Das Verfahren ist mit kleinen Abänderungen benutzt worden unter anderen von
Schröder, Über den Harnsäuregehalt des Blutes und der Leber der Vögel. Beiträge zur
Physiol. C.Ludwig gewidmet. Leipzig 1887. S. 93. — K. Pefren, Über das Vorkommen
von Harnsäure im Blut bei Menschen und Säugetieren. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 41.
267/69 (1898). — v. Jaksch, Über die klinische Bedeutung des Vorkommens von Harn-
säure und Xanthinbasen im Blut, den Exsudaten und Transsudaten. Zeitschr. f. Heilk.
Bd. 11. 415 42 (1890).
^) Andere verdünnen stärker (bis zum lOfachen Volum) oder koagulieren durch
Kochen auf dem Drahtnetz und fügen die Essigsäure erst der zum Kochen erhitzten
Lösung zu.
^) Das Verfahren findet sich genau beschrieben: Dieses Handbuch. Bd. 3. S. 888.
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. 1h9
blut keine Spur von Harnsäure mit Hilfe des angegebenen Verf.ilirciis nai
finden können.
Brugsch und Schittcnhdm'^) bereiten das Blut zur l'ntersuchung auf
Harnsäure und ihrer quantitativen Bestimmung nach dem N'erfahren von
Ludtvicj-SalkoH'ski oder nach dem Verfahren von Krihjir- Sihnid-) in
folgender Weise vor:
Das aus einer Vene (oder Arterie) strömende Blut wird mit Ammon-
oxalat (O'o (j auf '200 cni^ Blut) aufgefangen. Durch Tnirühren mit ein<'m
Glasstab sorgt man für innige Mischung des Salzes mit dem Blut und
verhindert so die (Jerinnung. Man zentrifugiert und hel)t das riasma dann
ab. (Will man auch die Blutkörperchen auf Harnsäure untersuchen, .so
werden sie mit 0"9%igPr Kochsalzlösung, der etwas Ammonoxalat zuge-
setzt ist, gewaschen.) Die Knteiweißung geschieht in der W\'ise, dal» man
das Plasma (Serum oder Gesamthlut, auch P>lutkörperchen) in das mehr-
fache Volum kochender ' oVo^ger KH.J'O^-Lösung einflieiien liilit; das
Koaguhim wird nach dem Abfiltrieren mit heißem Wasser ausgewaschen.
Die vereinigten Filtrate werden auf dem Wasserbad stark eingeengt und
diese Lösung zur Bestimmung der Harnsäure verwendet.
Die zweite Ai't der Enteiweißung, das P)lut in etwa öVoige niit Essig-
säure angesäuerte siedende NaCl-Lösung einfließen zu lassen, scheint mir
besonders bei Verwendung der Luduig Salkoivskischon Methode dci- Ilarii-
säurebestimmung der großen NaCl-Quantitäten wegen nicht besonders
empfehlenswert zu sein.
Für große Blutmengen — mehrere Liter — ist nach Brugsrh und
Schittenhelm^) folgendes Verfahren zur EnteiweiTiung zu empfehlen:
Man läßt das Blut in etwa 2 — oVoige Koli-Lösung - ein dem an-
zuwendenden Blut mindestens gleiches Volum — einfließen , erhitzt die
Mischung auf dem Drahtnetz zum Kochen und koaguliert durch tropfen-
weisen Zusatz von verdünnter Essigsäure; will man ganz sicher sein, alle
Harnsäure aus dem Koagulum zu entfernen, so trägt man dieses nochmals
in etwa öVoig"^ Kalilauge ein und verfährt nochmals in gleicher Weise wie
anfangs. Die Filtrate engt man dann ein und führt den Nachweis oder
eventuell die quantitative Bestimmung nach einer der oben angegebenen
Methoden zu Ende.
Hypoxanthin.
\'on Verbindungen, die der Harnsäure nahestehen, hat Salkuirski in
leukämischem P)lut Hypoxanthin nach folgendem Verfahren nachgewiesen.*)
*) Th. Bnnjsck und A. Schittinlulni, Zur Stoffwechselpathologio der (liclit. Zeit-
schrift f. exp. Path. u. Ther. 4. 4;}8/45 (1007).
-) Beschreibung tler Methode siehe dieses Handbuch. Bd. 3. S. 88.i. Itruijsch
und SchittetihcJin geben dieser Metliode den Vorzug.
^) Brugsch w. Schittetihclm , Zur Stoffwechsclpatlrologif der (iirbt. Zeitsfhr, f.
experim. Path. u. Ther. 4. 438 45 (1907).
■•) Sftlkoirslci ,'*i'Rc\{Yi\]iQ zur Kenntnis diT I.i'ukaniic. \irr/i<nr.s .\n-hi\. Ud. 50.
174210 (1870). — Nacii der gleichen Methode arl-eiteie auch ^alomon, BeitniL''- zur
Lehre von der Leukämie. Arcli. f. Anat. u. Physiol. 1876. 7G2/77.
190 E. Letsche.
Das Blut wurde durch Kochen (ohne irgend welchen Zusatz) koaguliert;
dabei wurde die Reaktion schwach sauer. Das Koagulum wurde abfiltriert,
mehrmals mit heißem Wasser gewaschen und das Filtrat zuerst auf freiem
Feuer, dann auf dem Wasserbad eingeengt. Die sirupartige Flüssigkeit
wurde bei 24stündigem ruhigem Stehen gelatinös, ohne daß eine kristal-
linische Fällung zu beobachten war. Die Gallerte wurde in wenig Wasser
gelöst, man gab dann Alkohol zu, kochte mit dem Alkohol auf, trennte
den durch Alkohol hervorgerufenen Niederschlag nach dem Erkalten ab,
wusch ihn wiederholt mit Alkohol und engte die alkoholischen Filtrate
schließlich bis zum Sirup wieder ein. Dann wurde mit Ammoniak über-
sättigt, eine Fällung abfiltriert und das Filtrat mit Silbernitrat gefällt. Der
Niederschlag wurde ausgewaschen, mit HgS zerlegt und das Filtrat vom
AgaS zur Trockene eingedampft. Das gelbliche Pulver löste sich bis auf
einen kleinen Eest in verdünnter H., SO4. Auch beim Übersättigen dieser
Lösung mit Ammoniak entstand kein Niederschlag, also fehlte Harnsäure.
Die ammoniakalische Lösung wurde wieder mit AgNOa gefällt, der
Niederschlag nach dem Auswaschen mit Wasser in Salpetersäure (D = ri)
heiß gelöst; beim Abkühlen dieser Lösung schieden sich die charakteristi-
schen Kristalle von Hvpoxanthinsilberoxyd aus.
Aminosäuren.
Mit Hilfe der von Fischer und Bergell^) angegebenen Methode
ist es gelungen, Glykokoll im normalen Rinderblut nachzuweisen und die
Gegenwart einer anderen x\minosäure wahrscheinlich zu machen. Man ver-
fährt folgendermaßen 2):
Möglichst frisches Rinderblut (5 l wird mit der gleichen Menge H.,0.
der doppelten Menge 2''/oi8'er H Gl und der doppelten Menge 5Voiger Sub-
limatlösung versetzt. Der Eiweißniederschlag wird nach kurzem Stehen
abgesaugt, das Filtrat durch H2S vom Hg befreit und der überschüssige
H-jS durch einen Luftstrom verjagt. Das P'iltrat wird genau neutralisiert
und dann je 6 l Filtrat (= 1 / Blut im Vakuum bei einer 60° nicht über-
steigenden Temperatur des Heizwassers auf 500 cm^ eingeengt. Man fügt
jetzt diesen bOO cni^ Lösung soviel oo7oig'e Natronlauge zu, daß rotes
Lackmuspapier kräftig gebläut wird (etwa l'b cm^), saugt die sich hierbei
ausscheidenden Phosphate ab und schüttelt nunmehr die völlig klare, in
dicker Schicht gelbliche Flüssigkeit mit etwa 100 c»i^ einer öVoigen äthe-
rischen [i-Naphtalinsulfochloridlösung 9 Stunden lang. Von 3 zu 3 Stunden
wird die Reaktion der Lösung geprüft und falls eine Abschwächung der
alkalischen Reaktion eingetreten ist, wieder etwas Na OH zugefügt. Man
^) E. Fischer und P. Bergeil, Über die ß-Naphtaliusulfoderivate der Aminosäuren.
Berichte der Deutsch. Chem. Gesellsch. 35. III. 3779 (1902).
■^) Ä. Bingel, Über die Gewinnung von Glykokoll aus normalem Blut. Zeitschr.
f. physiol. Chem. H. S. 57. 384 (1908).
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. \c^\
trennt den Äther al), filtriert die wässerige Lösunf,^ siluort mit HCl <in
und schüttelt die sich hierl)ei bildende starke Fülhinji mit Äther aus. Der
Äther wird mit H.>(> <>:ewaschen. nach Zusatz von weni},^ Wasser alidcstil-
liert und der gelbe ölige Rückstand mit NII3 bis zur schwach alkalischen
Reaktion versetzt. Ungelöst bleibt das Amid der [i-Naphtalinsiilfosaure,
das man durch 2 — omaliges Ausschütteln mit Äther entfernt. Aus der
schwach ammoniakalischen wässerigen Lösung scheidet man durch HCl
die Naphtalinsulfoverbindungen ab, schüttelt sie mit Äther aus, wäscht die
Ätherlösung mit Wasser und destilliert schließlich den Äther nach Zugabe
von wenig Wasser ab. Der Rückstand wird mit Wasser auf etwa .'>(.» cm'^
gebracht, auf dem Wasserbad erwärmt und das VuLrelöste abfiltriert. Das
erkaltende Filtrat wird mit [i-NaphtalinsulfogiykokoU geimpft: die Ausschei-
dung erfolgt dann rasch und wird im Eisschrank vervollständigt.
Der bei der ersten Rehandlung mit Wasser ungelöst bleibende Rück-
stand wird ein zweites und eventuell noch ein drittes Mal mit wenig
Wasser erwärmt und heiü filtriert.
Durch wiederholtes Umkristallisieren ist das [i-Naphtalinsulfogiyzin
zu reinigen.
Bemerkenswert ist. daß das von Amid befreite IJohjjrodukt in alko-
hohsch-ammoniakalischer Lösung die Ebene des polarisierten Lichtes nach
rechts dreht. Es enthält also das Rohprodukt zweifellos die Naphtalin-
sulfo Verbindung entweder einer höheren Aminosäure oder einer poly-
peptidartigeu Substanz.
Weniger glücklich als Bingel war Hotvell^), der ebenfalls die ^i-Naph-
talinsulfochloridmethode anwandte, zur Enteiweißung aber ein \"crfahren
benutzte, das in anderen Fällen vielleicht gute Dienste leisten kann. Er
trennt die Aminosäuren durch Dialyse ab und verwendet dazu Kollodium-
membranen, die er in folgender Weise herstellt:
Man stellt sich eine etwa 5 — 67oi^e Lösung von Schießbaumwolle
in einem Gemisch von gleichen Teilen absolutem Alkohol und .Vthcr her
und gießt die Lösung in einen Erlenmeyerkolben von dem Faßraum, den
die Membran etwa haben soll (Houell wandte solche mit 2öü cm^ Inhalt
an). Unter gleichmäßigem Rotieren des Kolbens verteilt man die Lösung
über die innere Oberfläche des Kolbens und läßt unter beständigem gleich-
mäßigem Drehen den Überschuß wieder ausfließen. Das Drchcu muß einige
Minuten fortgesetzt werden, bis die Schicht, welche die (ilaswandung be-
deckt, oberflächlich trocken geworden ist. Die Flasche wird jetzt mit
Wasser gefüllt, die Membran am Kolbenhalsrand mit Hilfe eines Messers
abgelöst und mit Hilfe eines Glasstabes oder eines Spatels vorsichtig auch
ein Stück weit von der Wandung des Halses losgelöst. Man entleert jetzt
die Flasche und kann die ganze Membran be(iuem 1os1ös(mi. dadurch, daß
man einen Wasserstrom zwischen (ilaswand und Membiau fließen läßt.
M W. H. Jlowell , Note upon the presence of aniido aoids in the Mood and
lymphe as detcrmiued bv the ß-Naphtalinsulfochloride reaotion. Am. Journ. u£ rbjsiol.
17. 273 79 (1906,07).
192 E. Letsche.
Ist die Membran auf diese Weise losgelöst, so läßt sie sich, ohne Schaden
zu nehmen, aus dem Kolben herausziehen; bis zum Gebrauch bewahrt man
sie unter Wasser auf. Für die Dialyse kittet man in die Öffnung dieser
„Kollodiumflasche" mit Hilfe von Kollodium eine Glasröhre von 30 bis
40 cDi Länge und sichert diese Verbindung durch Umwickeln mit Bind-
faden. (Das Rohr hat den Zweck, zu verhindern, daß beim Zunehmen der
Flüssigkeitsmenge in der „Flasche" infolge des osmotischen Druckes der
Inhalt überfließt.)
Die „Flasche" beschickt man mit Blut oder Serum, hängt sie in ein
Gefäß mit 2 — 4 l Wasser und dialysiert 5 — 24 Stunden. Das Dialysat, in
dem die Aminosäuren sich finden müssen, engt man auf 50 — 100 cm^ ein
und benutzt die eingeengte Flüssigkeit direkt für die Reaktion mit
ß-Naphtalinsulfochlorid. i) Zur Entfernung der Aminosäuren aus dem Serum
(Blut) genügt es, 5 — 6 Stunden zu dialysieren ; dialysiert man länger, so
trübt sich die sonst klare Flüssigkeit infolge des Durchtrittes von etwas Globulin.
Aus Serum von einem Fall von akuter Leberatrophie haben Neu-
berg und Richter Leucin und Tyrosin in folgender Weise isoliert. 2)
Das abgehobene Serum heß beim Stehen im Eisschrank über Nacht
Tyrosin in beinahe vollkommen reinem Zustande ausfallen. Das Filtrat
dieser spontanen Kristallisation wird mit Essigsäure bis zu eben wahr-
nehmbarer saurer Reaktion versetzt und diese Flüssigkeit in etwa das
öfache Volumen kochend heißen Wassers einfließen gelassen, und zwar nur
so rasch, daß das Kochen nicht unterbrochen wird. Man filtriert, wäscht
das Koagulum mit heißem Wasser aus und engt die vereinigten Filtrate
auf etwa 20 cm^ ein. Dieser vollkommen eiweißfreie Sirup ist nach
48 Stunden zu einem Kristallbrei von vorwiegend Leucin und wenig Tyro-
sin erstarrt. Man rührt den Brei mit 10 cm'^ Eiswasser an und saugt die
Kristalle ab. Tyrosin und Leuzin werden durch kochenden Alkohol ge-
trennt, wobei Leuzin in den Alkohol geht und beim Verdunsten des Al-
kohols in reinem Zustande zu erhalten ist. Das Filtrat von Leuzin und
Tyrosin wird nach dem Verfahren von Kossei und Kutscher^) auf Lysin,
Arginin und Histidin untersucht, wobei sich das Vorhandensein von Lysin
in ziemhch reichlicher ]\Ienge und das Fehlen von Arginin und Histidin ergab.
Proteinsäuren.*)
Zu den N-haltigen Extraktivsubstanzen sind schließlich auch noch die
Proteinsäuren, deren Nachweis und Isolierung aus dem Blut in folgender
Weise gelungen ist, zu rechnen.
^) Die weitere Verarbeitung ist die gleiche ^Yie bei Bingel.
-) Neuler g und Richter, t)ber das Vorkommen von freien Aminosäuren im Blut
bei akuter Leberatropbie. Deutsche med. Wocheuschr. 1904. S. 499.
^) A. Kossei und Fr. Kutscher, Beiträge zur Kenntnis der Eiweißkörper. Zeitschr.
f. physiol. Chemie. 31. 165 (1900).
Eine genaue Beschreil)ung der Methode samt ihren Verbesserungen findet sich
in diesem Handbuch. Bd. 2. S. 498 ff.
•*) Broirinski, Über die Gegenwart von Proteiusäuren im Blut. Zeitschr. f. physiol.
Chemie. 58. 134/46 (1908).
Metlioden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzclnon Ik-strind».!!..
Dcfihriniertes Pferdeblut wird /iir Ahtreiimui^' der Fonneleiiicnte
ausgeschleudert. Das abgchohene Serum verdünnt man mit dem gleichen
Volum Wasser, säuert mit Kssii^säure an und entfernt durch Ilitzekoagu-
lation die Kiweilikörper. Der Kiweiliniedcrschlag- wird kollicrt, ansgeprellt
und mit Wasser nochmals aufgekocht. Ihc. \ ereinigten l'iltratc werden im
Vakuum eingeengt, die eingeengte Flüssigkeit nochmals unter Zusatz von
etwas Essigsäure aufgekocht und wieder filtriert. Sind dir eben erwähnten
Manipulationen richtig ausgeführt, so enthält die Flüssigkeit nnr noch
Si)uren von Fiweiß. Die aus etwa 100 1 Serum erhaltene Flüssigkeit wird
bei essigsaurer Ileaktion solange mit Quecksilberazetat versetzt, als noch
ein Niederschlag entsteht. Dieser Niederschlag (I) enthält Crochrom iiml
Antoxyproteinsäure.
Das Filtrat dieses Niederschlags wird mit Soda und Quecksilber-
azetat bis zum Auftreten von gelbem (.»uecksilbero.xvd versetzt: Nieder-
schlag II enthaltend Oxy- und Alloxyproteinsäure.
Niederschlag I wird durch H.,S zerlegt, das HgS abfiltriert und d<r
HgS-Überschuß durch einen Luftstrom verdrängt.
Durch Ca(0H)2 fällt man die Phosphorsäure, entfernt den Kidküber-
schul) durch Kohlensäure und engt das Filtrat von CaCOg bis zum Sirup
ein. Diesen gießt man in viel 96 "/oigen Alkohol, filtriert den Niederschlag nach
24 Stunden ab und löst ihn in etwa Va ^ Wasser. Man säuert mit F]ssig-
säure an und fügt Kupferazetat zu. solange noch ein Niederschlag ent-
steht. Dieser grünbraune Niederschlag ( A) wird abfiltriert ; das Filti'at
hiervon gibt nach vorsichtigem Neuti-alisieren mit Ammoniak nach mehreren
Stunden einen hellgrünen Niederschlag (B), dessen Filtrat (C) zui- T'nter-
suchung auf Antoxyproteinsäure dient.
Die beiden Niederschläge A und B werden durch H-^S von Kupfer
befreit und aus dem Filtrat vom CuS der Schwefelwasserstoff verjagt. Die
Lösungen enthalten nach AusAveis der Reaktionen beide Urochrom.
Auf Antoxyproteinsäure wird das Filtrat (C) in folgender Weise
untersucht. Das Kupfer entfernt nuin durch IIjS, den Cberschul» an letz-
terem aus dem Filtrat vom CuS durch einen Luftstrom und fällt den
Kalk mit Oxalsäure. Aus dem Filtrat vom Kalziumoxalat zieht man durch
Äther die Essigsäure aus, die essigsäurefreie Lösung schüttelt man zur
Entfernung eventuell mitgerissener Säuren der Alloxyproteinsäurcgruppe
mit frisch gefälltem Bleihydroxyd, das Filtrat wird durch Baryt von über-
schüssigem Blei und das neuerliche Filtrat durch Kohlensäuri' von über-
schüssigem Baryt befreit. Das Filtrat vom BaC(>3 wiid im \'akuum ein-
geengt und aus dieser Lösung das Baryumsalz der Antoxyproteinsäure
durch Zusatz von Alkohol gefällt. Zu weiterer Beinignng löst man das
I'>aryumsalz in HoO, versetzt die Lösung mit der zur Ausfidlung des
Baryums eben notwendigen Menge von Na. SO4. fällt mitAgN(>3 vorsichtig
das in der Lösung sich findende Chlor aus und fügt dann zur AnsfiUlunR
der Antoxyproteinsäure als Silbersalz AgNOj zu.
Abderli aldon , Handbuch der biochemischen Arboitsmothodpo. V. 13
194 E. Letsche.
Zur Untersuchung auf Oxy- und Alloxyp rotein säure wird der
wie oben beschrieben erhaltene Niederschlag II verwendet.
Durch H2 S entfernt man das Quecksilber; aus dem Filtrat vom
HgS verjagt man den Schwefelwasserstoff durch einen Luftstrom und gibt
zu der Lösung Ba (ÜH)2 ; den Überschuß entfernt man durch Kohlensäure
und fügt zum Filtrat vom BaCOs Bleiessig, wodurch AUoxyproteinsäure
gefällt und von Uxyproteinsäure getrennt wird.
Der Bleiniederschlag wird mit Oxalsäure (soviel bis Kongopapier
blau wird) zersetzt; dem Filtrat fügt man Ba(0H)2 zu, entfernt den
Überschuß an letzterem durch Kohlensäure und engt das Filtrat vom
BaCOg auf wenige Kubikzentimeter ein. Durch Eintragen dieser Lösung
in starken Alkohol wird alloxyproteinsaures Baryum gefällt, das man wie
oben bei der Antoxyproteinsäure beschrieben in das Silbersalz überführt.
Aus dem Filtrat vom Bleiniederschlag der Alloxyproteinsäure , das
die Oxyproteinsäure enthalten muß, fällt man durch Nag CO3 das Blei;
zum Filtrat vom basischen Bleikarbonat fügt man Quecksilberazetat bis
zum Gelbwerden (von Hg 0) der Fällung. Dieser Niederschlag wird in der
bei der Antoxyproteinsäure beschriebenen Weise in das Baryumsalz und
dieses in das Silbersalz übergeführt.
Über die Charakterisierung dieser Säuren ist die von Bona ^) in
diesem Handbuch gegebene Darstellung nachzusehen.
Dort findet sich auch eine Methode beschrieben zur quantitativen
Bestimmung der Proteinsäuren im Blute. 2)
b) N-freie Extraktivsubstanzen.
Milchsäure.
Zur IsoUerung und gleichzeitigen quantitativen Bestimmung von
Milchsäure im Blut verfahren Saito und Katsuyama^) folgendermaßen:
Das gewogene Blut wird mit dem 6fachen Volumen 96Voigen Alkohols
versetzt und nach 12stündigem Stehenlassen unter zeitweisem LTmrühren
abfiltriert. Der Rückstand wird noch 4— 5mal mit Alkohol (96 Vo) aus-
gezogen und ausgepreßt.
Aus den vereinigten Alkoholauszügen wird der Alkohol abdestilliert,
der Rückstand in wenig Wasser aufgenommen, mit einigen Tropfen Soda-
lösung schwach alkalisch gemacht und zur Entfernung der Fette etwa
5mal mit Äther geschüttelt. Die entfettete Flüssigkeit wrd mit dem
gleichen Volum mäßig verdünnter Phosphorsäure angesäuert und 6mal
mit dem öfachen ^'olum Äther geschüttelt. Der nach dem Abdestillieren
des Äthers zurückbleibende Sirup wird mit Barytwasser neutralisiert, ein
») Dieses Handbuch. Bd. 3. S. 819 (1910).
*) Dieses Handbuch. Bd. 3. S. 823 (1910).
*) Saito und Katsuyama, Beiträge zur Kenntnis der Milchsäurebildung im
tierischen Organismus bei Sauerstoffmangel. Zeitschr. f. physiol.' Chem. 32. 214/30
(S. 217) (1901).
I
Methoden zur Aufarl)citun),f dos Blutes in seine einzelnen Bestandteile'. nj^j
hierbei entstehender Niederschlafj:' abfiltiicrt und aiisf^e waschen. I)ie {ge-
samten Filtrate werden nach dem Ausfällen des Baryts mit verdünnter
H2SÜ4 auf dem Wasserbad konzentriert und mit Äther erschöpft. Von den
klar abgegossenen Atherextrakten wurde der Äther al)destilliert. der liück-
stand mit Wasser und überschüssigem /inkoxyd gekocht, heili filtriert und
gut ausgewaschen. Die filtrierte Losung wurde in einem gewogenen Schillchcn
auf dem Wasserbade auf ein kleines A'olumen verdunstet und unter /usat/.
von einigen Tropfen Alkohol zur Kristallisation stehen gelassen.
Ganz ähnlich verfahren auch andere Untersucher bei der Isolierung;
eine kleine Abänderung, die vielleicht eine kleine Abkürzung der Arbeit
bedeutet, hat Loekemann^) getroffen. Er verfährt bis zum Verdunsten des
die Milchsäure enthaltenden Äthers genau wie Salto und Kdtsuyanut. I>ann
aber ist sein Verfahren folgendes :
Der beim Abdestillieren des Äthers bleibende Kückstand wird mit
HgÜ aufgenommen und diese Lösung mit PbCüa (das frei von löslichen
Bleisalzen sein soll) einige Zeit erwärmt. Man läßt abkühlen, filtriert,
entbleit 2) das Filtrat mit H., S, entfernt aus dem neuen Filtrat vom l'bS
den H, S durch Erwärmen der Lösung auf dem Wasserbad und entfärbt
das Filtrat, falls es noch gefärbt sein sollte, mit 'J'ierkohle. Dann kocht
man die Lösung längere Zeit mit ZnCOj, filtriert heiß und läßt das Filtrat
im Vakuum über H, SO4 verdunsten, wobei das /inklaktat in Kristallen
sich ausscheidet.
Äthylalkohol.
Äthylalkohol hal)en Jolli/ und Food in normalem Blut nachweisen
können. JoUy ^j wendet zum Nachweis folgendes Verfahren an :
500 .r/ Rinderblut werden mit dem doppelten Gewicht einer gesättigten
Nag SOi-Lösung versetzt, das Ganze gut gemischt und sofort einer lang-
samen Destillation unterworfen. Man läßt etwa öOcy/zMibergehen und i)rüft
in diesem Destillat auf Alkohol durch vorsichtigen Zusatz einer verdüuiiten
Chromsäurelösung, die gestattet, Alkohol noch in einer Verdünnung von
1 : 5000 nachzuweisen.
Ein Teil des Destillats dient zur Herstellung von Jodoform und
schließhch verwendet man eine Probe zur Herstellung des nach Ananas
duftenden Athylbutyrats.
Food*) läßt das Blut ohne Zusatz und sucht durch wiederholte
Fraktionierung möglichst reinen Alkohol zu erhalten. Kr erhitzt Blut so
') Locl-cmann, Nachweis von Fleischniilrhsäure im Blut, T'rin und Zendirospinal-
flüssigkeit eklauiptisclier Frauen. Deutsche med. Wochensclir. 53. 2W (ISKM")).
*) In manchen Fallen soll nach Angahen von Locktmaiin mit H, S kein Nieder-
schlag entstehen. Die Intersuchung mulJ aber trotzdem in der angegebenen Weise
weitergeführt werden.
^) JoUi/, Sur l'oxydation du glucose dans le sang. Compt. Rend. 137. 771/72 (1903).
*) W. Hutson Food, Note on thc presence of alcohol in nnrinal blood and tissiies
and its rolation to calorifaction. Journ. of l'hysiol. 34. 430/43 (IDOG).
13*
196 E. Letsche.
rasch als möglich auf 100" und destilliert dann aus einem Kochsalzbad so
lange, bis eine genügend scheinende Menge übergegangen ist. Dieses erste
Destillat wird durch mehrmaliges — bis zu 12 Mal — Fraktionieren ge-
reinigt, bis man schließlich 1 — 'dcm^ eines neutralen farblosen Destillats
erhält, das durch seine Brennbarkeit, sein Verhalten gegen verdünnte
Chromsäurelösung, durch die Bildung von Jodoform- und Äthylbutyrat als
Äthylalkohol sich charakterisiert.
*
Glyzerin.
Neben freiem Äthylalkohol findet sich auch der biologisch wichtigste
dreiwertige Alkohol, das Glyzerin, in freiem Zustande im Blut.
Die Bestimmung geschieht am besten nach dem Zeisehah&w Jodid-
verfahren i) unter Einhaltung der zur Vorbereitung des Blutes für diesen
Zw'eck von Tangl und Weiser -) angegebenen Vorschriften :
1 kg Blut (ganz ebenso gestaltet sich natürlich das Verfahren auch
bei Verwendung von Plasma oder Serum) wird in 2 — o l 967oigen Alkohols
unter beständigem Umschütteln aufgefangen. Zur Ermittlung des Gewichtes
des angewandten Blutes ist die Flasche mit Alkohol vorher und nachher
zu wägen. Nach etwa 24stündigem Stehen wird der Niederschlag abgesaugt,
in einer Schale mit Alkohol zerrieben und nochmals auf das Filter gebracht.
Diese Prozedur wiederholt man zweimal und preßt den Niederschlag in einer
Buchnerpresse (300 Atmosphären) aus. Aus den vereinigten Filtraten wird
der Alkohol al)destilliert ; schäumt die im Kolben bleibende Flüssigkeit zu
stark; so geschieht das Eindampfen in Porzellanschalen auf dem Wasser-
bad, bis die letzten Spuren des Alkohols verschwunden sind, was in 5 bis
6 Stunden der Fall ist. Besondere Vorsicht ist darauf zu verwenden, daß
keine Eindampfungsringe an der Wand der Schale sich bilden, weil sonst
Glyzerin Verluste unvermeidlich sind. Man verhütet ihre Bildung dadurch,
daß man jede halbe Stunde mit Wasser die Schalenränder nachspült. Die
zurückbleibende, schmutzig-grünUchgelbe Flüssigkeit versetzt man nach dem
Ansäuern mit Essigsäure mit Phosphorwolframsäure, solange noch ein
Niederschlag entsteht 3) (Essigsäure verwendet man statt HaSO^, um die
Zahl der Substanzen, die man entfernen muß, nicht noch zu erhöhen).
Der Niederschlag wird mit Hilfe der Zentrifuge entfernt und mit schwach
essigsaurem Wasser wiederholt gewaschen. Filtrat und Waschflüssigkeit
wird zur Entfernung von Fett, Phosphatiden, Cholesterin mit unter 60*^
siedendem Petroläther ausgeschüttelt, bis eine Probe beim Verdunsten
keinen Rückstand mehr hinterläßt. Die jetzt vollständig von Eiweiß, Fett,
Lezithin und Cholesterin befreite wässerige Flüssigkeit wird auf dem
*) S. Zeisel und R. Fanto, Über ein neues ^"erfahren zur Bestimmung des
Glyzerins. Zeitschr. f. d. landwirtschaftliche Versuchswesen in Österreich. Bd. 5. 729
(1902).
-) Fr. Tangl und St. Weiser, Üher den Glyzeringehalt des Blutes nach Unter-
suchungen mit dem ZeisehQh&n Jodidverfahreu. Pßüyers Archiv. 115. 152 (190G).
'■^) Zur Entfernung von Eiweiß.
Methoden zur Aufarhcituiif^ des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. 19?
Wasserbad einpreenfft. mit überschüssiger konzcntrierti'r llarytldsmi^r (um
Sulfate, Phosphate uiid rhosphorwolfranisäure zu entfenien) versetzt umi
der Barytüberschuit durch CO., entfernt. Das Filtrat vom liaCO, wird
mitsamt den Waschwässern auf dem Wasserl)ad bis auf etwa läOrm'
ein«ieengt. Auch hier düifen sich keine Eindampfungsringe bilden. Zur Knt-
fernung von Chloriden hißt man die eingeeni^te Lösung in die 4- bis r)fache
Menge 96Voiti'en Alkohols einflielien, wuscht den Niederschlag mit absolutem
Alkohol und engt Filtrat und Waschalkohol ein. Zur Entfernung der letzten
Reste von Chloriden i)ehandelt man die Lösung mit frisch gefälltem Ag. (J und
engt das Filtrat vom AgCl-Niederschlag. den man mit IMV'oigeni Alkohol
wäscht, unter allmählichem Zusatz von Wasser — um sicher allen Alkohol
zu entfernen — auf etwas weniger als öOcw^ ein. Man bringt die gelbliche
Flüssigkeit in ein Meßkrtlbchen zu öOcni^, füllt mit Wasser zur Marke auf und
unterwirft 20 cm^ — bei Anwendung von Ihr/ Blu-t 400// Blut entsprechend
— dem Jodidverfahren. Diese '20 cm^ engt man in dem Siedekiilijchen des
Jodidapparates in einem starken Luftstrom, den man durch das Kölbchen
oberhalb der J'lüssigkeit streichen läßt, auf einem schwach geheizten
Wasserbad auf die vorgeschriebenen bcm^ ein. Wegen der Ausführung der
Bestimmung sei auf die in Band 2 dieses Handbuches auf Seite 2 IC) 18
von Röhmunn gegebene Darstellung verwiesen.
Azeton.
Der Nachweis und die l>estimmung von Azeton im Blut kann
in folgender Weise ausgeführt werden. ^)
100 ciii'-'^ VAwi verdünnt man mit der 4 — 5fachen Menge einer 1- bis
27oigen Lösung von primärem Kaliumphosphat : von diesem Gemisch
werden unter guter Kühlung etwa 100 ctn^ abdestilliert; das Destillat
wird mit H., S()^ angesäuert und nochmals der Destillation unterworfen,
wobei man wieder etwa Vi — \4 überdestillieren läßt. In diesem neuen
Destillat, das man natürlich auch zur Anstellung der Azetonreaktionen
verwenden kann, bestimmt man das Azeton nach Mcsnui/cr-Hupjxrf.-)
Statt das Blut zu verdünnen und das Azeton al)destillieren. ohne
die Eiweißkörper zu entfernen, ist es manchmal zweckmäßig, das Blut
zu enteiweißen. Emhden und Kalhcrhih verwenden das Verfahren von
Schenk^) für diesen Zweck und destillieren dann 400- 500r///3 des eiweili-
freien Filtrats.
Will man in normalem Blut Azeton in der Form von l)il)enzal;i/eton
nachweisen, so werden mindestens öOO (•///=' Blut — noch besser aber
w-esentlich größere Quantitäten einem der oben skizzierten ^'erfahren untor-
') G. Emhdeu uiul /•'. Kalberlah, Über Azetonbildunir in der Leber. Ilof'meüters
Beiträge. 8. 122 (1908).
-) Über die Ausführung dieser Bestimniiuiir siehe dieses Handbuch. Bd. 3. S. 912
(191Ü).
») Siehe dieses Handbuch. Bd. 2. S. 1H4 (.1910).
]gg E. Letsche.
worfen; durch wiederholtes Destillieren sucht man ein möglichst azeton-
reiches Destillat zu erhalten und fängt das letzte Destillat schUeßUch in
Reagenzgläsern zu je 15 — 20 cni^ auf. Der Inhalt jeden Glases wird mit
2cni^ 10^/oiger Natronlauge und 2 Tropfen Benzaldehyd versetzt, die
Flüssigkeit zur Lösung des Benzaldehyds umgeschüttelt und der Inhalt der
gut zu verschUeßenden Gläser bei Zimmertemperatur sich selbst überlassen.
Im Verlauf mehrerer Tage geht die anfängliche Trübung in einen Nieder-
schlag über; man saugt ihn ab, wäscht ihn alkalifrei und löst ihn in
wenig heißem Alkohol; dieser Lösung fügt man bis zur beginnenden
Trübung Wasser zu und läßt sie langsam abkühlen. Der Schmelzpunkt des
Kondensationsproduktes ist schon nach einmaligem Umkristallisieren —
sicher aber nach zweimaUgem ■ — der richtige, nämlich 112°.
Hat man die Aufgabe, im Blut vorgebildetes Azeton neben Ge-
samtazeton (vorgebildetes -f- Azeton aus Azetessigsäure) zu bestimmen,
so führt folgendes Verfahren von Emhden und Engel'^) ziemUch rasch
und sicher zum Ziel.
In 500 fw« 3 des nach der Methode von Schenk-) gewonnenen Blut-
filtrats bestimmt man in der oben angegebenen Weise das Gesamtazeton
nach Messinfier-Huppert.
Eine ebenfalls 500 cm^ betragende Filtratmenge wird genau neutrali-
siert. Durch eine Vakuumdestillation, deren Geschwindigkeit man so regu-
liert, daß in 50—60 Minuten etwa 100 rm^ Destillat übergehen, entfernt
man das vorgebildete Azeton und bestimmt es in bekannter Weise. Nach
Beendigung der Vakuumdestillation säuert man die im Destillationskolben
zurückgebhebene Flüssigkeit an und destilliert das ..Azeton aus Azetessig-
säure'" bei Atmosphärendruck ab.
Während die vorerwähnten Methoden zum Nachweis und zur Be-
stimmung des Azetons im Blut, die Verarbeitung recht erheblicher Blut-
mengen nötig machen, genügen bei der von Oppenheimer ^) angege-
benen Methode, die auf Versuchen von Deuiges*) beruht, ganz kleine
Blutmengen (etwa 3 — 5 crn^).
Das Prinzip der Methode ist folgendes: Azeton gibt beim Erhitzen
mit saurem Quecksilbersulfat einen in H-.O unlöslichen Niederschlag von
der Zusammensetzung: (2 Hg SO, 3 Hg 0)3 . 4 CO (CH3), (?).
') G. Emhden und H. Engel, Über Azetefsigsäurebilduug in der Leber. Hofmeisters
Beitr. 11. 323 (1908).
*) Fr. Schenk, Über Bestimmung und Umsetzung des Blutzuckers. Pflüyers Arch.
55. 203 11 (1894). Das Verfahren besteht darin, daß man Blut (Serum) auf das Doppelte
verdünnt, dieser Lösung auf 1 Volumen Blut erst 2 Volumina 2*'/oiger Salzsaure, dann
2 Volumina ö'/oiges Sublimat zufügt. Also kommen auf 100 cm^ Blut (Serum) erst
100 Wasser, dann 200 cm^ Salzsäure und 200 cm^ Sublimatlösung.
') C. Oppenheimer, Über einen bequemen Nachweis von Azeton in Harn und an-
deren Körperflüssigkeiten. Berliner klin. "NVochenschr. 36. 828/29 (1899).
*) Deniges, Sur les fonctions organiques pouvant se combiner au sulfate mer-
curique. Compt. Rend. 126. 1868 (1898). — Idem. Combinaison, recherche et dosage
de l'ac^tone ordinaire avec le sulfate mercurique. Compt. Rend. 127. 963 (1898).
Methoden zur Aufarbcituug des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. ^99
Man versetzt etwa '6 cni^ Blut mit so viel Reagens, bis kein Nieder-
schlag mehr entsteht. (Das Reagens stellt man sich her, indem man äO^/
Quecksilberoxyd (via humid, parat.) in einer Lösung von 200 (7/<» kon-
zentrierter H-^SOi und 100 an» Wasser löst.) Man braucht zu dem ange-
gebenen Zweck etwa das lOfache Volumen Reagens. Das Illut gerinnt zu
einer tiefbraunen Masse; man liißt den Niederschlag sich absetzen imd
prüft, ob die überstehende Flüssigkeit auf Zusatz von noch mein- Reagens
nicht noch einen Niederschlag gibt. Wenn nicht, dann setzt mau noch etwa
2 — o cin'^ Reagens zu, filtriert, fügt noch etwas Schwefelsaure zu (die Lö-
sung muß stark sauer sein) und erwärmt. Ein weiDer Niederschlag, der in
einem Überschul) von HCl sich löst, zeigt Azeton (bzw. Azetessigsäurei an.
Zur quantitativen Bestimmung fällt man das Blut erst mit dem
Reagens, überzeugt sich in einer anderen (|ualitativen Probe, ob viel oder
wenig Azeton vorhanden ist und fügt dann je nach Umständen einen
Überschuß von 25 — .•')0 ciii^ Reagens zu , nachdem man aber zuerst den
Eiweißniederschlag abfiltriert hat. ^lan bringt die Lösung in ein Stöpsel-
glas (gut eingeschliffener Stopfen I), verschnürt und erhitzt die Flasche
eine halbe Stunde im Wasserbad. Nach dem Abkühlen sammelt man den
Niederschlag auf einem Gooch-Tiegel, wäscht ihn erst mit Wasser säure-
frei, schließlich dann noch mit Alkohol und Äther und wägt nach dem
Trocknen. Das Gewicht des Niederschlages wird zur Berechnung der
Azetonmenge mit O'Or);") multipliziert. Der Faktor 005;') entspricht einer
Formel: 5 Hg SO, . 7 Hg ü . 3 CO (CHj),.
Oxybuttersäure.
Außer Azeton und Azetessigsäure kann — vor allem bei Diai)etikern —
auch noch der .-i. Azetonkörper , die ,i-Oxybuttersäure. mauchnial im
Blut sich finden.
Zu ihrem Nachweis hat Geelinui/den folgenden Weg einge-
schlagen. M
100 — 200 (■>)/=* Blut werden mit 600 c^^/^ Wasser verdünnt: hierzu
gibt man 12^ KOH in Substanz, digeriert erst 24 Stunden bei Zimmer-
temperatur und dann auf kochendem Wasserbad bis zur Lösung des Nie-
derschlages. Nach dem Erkalten säuert man mit verdünnter ILSO^ an
{[00 cut'^ genügen in der Regel; die Säure entli;ilt in llioOc^//^ 70 cm» kon-
zentrierter H-.SO,). füllt auf 1000 cm3 mit Wasser auf und filtriert in einem
2 l fassenden Meßkolben. Zum Filtrat gibt man ' .. XOlumen einer 10" eigen
Phosphorwolframsäurelösung (100// Phosphorwolframsäure + loo <•///» kon-
zentrierte IL SO, auf 1000 ««3 gebracht), filtriert den voluminö.sen Nieder-
schlag ab, mißt das Filtrat genau, versetzt mit NH;, bis zu alkalischer
Reaktion, dampft ein und bestiiiiiiit in dieser Lösung die .'i-Oxybuttersäure
nach Maynus-Lcvij. -)
') n.Chr. Gecliiiiinilcu, t'lior den AzctoiikuriKTirfliult «ier (»rn;iiio :ui ( onia dia-
beticum Verstorhcncr. Zeitschr. f. pliysifd. Clioni. 58. l'M\ (l'.KiH()*.M.
•-) Die Methode ist ausfiihrlicii in diesem Handbuch beschrielien. Bd. 8. S. 5)29 (1910).
200 E. Letsche.
Indoxyl, Indol und Skatol.
In ganz geringer Menge finden sich im Serum schließlich noch In-
doxyl, Indol und Skatol, zu deren Nachweis Hervieux folgende Verfahren
ausgearbeitet hat.
Zum Indoxylnachweis ') wird Serum, mit dem gleichen Volum
Wasser verdünnt, durch Erwärmen auf dem Wasserbad unter Zusatz von
basischem Bleiazetat enteiweißt; entsteht auf Zusatz von basischem Blei-
azetat kein Niederschlag mehr, dann entfernt man den Niederschlag,
wäscht ihn aus und fällt aus dem Filtrat den Bleiüberschuß mit Hilfe
einer konzentrierten Nag SO^-Lösung; man filtriert von neuem, macht das
Filtrat mit Soda schwach alkahsch und engt es auf dem Wasserbad auf
etwa 20 cm^ eiu. Die anfänglich farblose Flüssigkeit dunkelt mehr und
mehr nach. Man fügt ihr ein gleiches Volum Isatinchlorhydratlösung (0"05 g
Chlorhydrat im Liter) zu und bringt dann 7 Minuten auf das kochende
Wasserbad. Man kühlt ab und schüttelt die Lösung mit CHCI3 aus, das
hierbei eine leicht gelbhche Farbe annimmt. Wäscht man das CHCI3 mehr-
mals mit verdünnter Kalilauge (2:1000), so wird die Lösung in CHCI3
rosafarben. Verdunstet man den Hauptteil des Lösungsmittels, so wird die
Probe sehr deutlich. Dampft man die Lösung schließlich im Platintiegel
zur Trockene ein und erhitzt man den Piückstand vorsichtig, so verflüch-
tigt sich die Substanz unter Bildung violetter Dämpfe von Indirubin. Die
Menge Indoxyl, die im Blut sich findet, ist außerordentlich klein.
Zum Nachweis von Indol und Skatol-) wird das Serum mit
dem gleichen \'olum Wasser verdünnt und wiederholt mit Benzol aus-
geschüttelt. Die hierbei sich bildende Emulsion bringt man auf ein mit
Wasser angefeuchtetes Filter; das Wasser und eventuell noch vorhandene
Blutkörperchen gehen durchs Filter; die Emulsion bleibt oben. Hat sich
die Emulsion getrennt, so hebt man das Benzol ab und weist das Indol
und Skatol mit Hilfe der p-Dimethylaminobenzaldehydreaktion 3) nach.
Man bringt zu diesem Zweck 10 cm^ der verdünnten Benzollösung
von Indol und Skatol in eine Ileagierröhre, fügt 2 cm^ einer alkoholischen
Dimethylaminobenzaldehydlösung (1 g in 25 cm'^ 90Voig<?n Alkohol) zu,
schüttelt um und bringt mit Hilfe einer sehr fein ausgezogenen Pipette
einige Kubikzentimeter Salzsäure auf den Boden der Flüssigkeit, ist Indol
und Skatol vorhanden, so bildet sich an der Berührungsstelle eine karmin-
rote Scheibe.
5. Anorganische Salze.
Verascht man Blut (Plasma oder Serum), so erhält man die Summe aller
vorher in der Lösung vorhandenen anorganischen Bestandteile in der Asche.
') ('. Hervieux, Recherches de l'indoxyle daus le sang. Compt. Reud. de la Soc. de
Biol. 56. 022 (1904).
'-) Herricux, Recherches sur la presence de l'iudol et du scatol dans le saug.
Compt. Reud. de la Soc. de Biol. 56. 623/25 (1904).
=>) E. Fischer, Über das Methylketol. Anualeu d. Cliem. 242, 372 (1887).
Methoden zur Aufarl)eitung des Blutes in seine einzelnen Bcstiimitnile. 201
Da bei der Verbrennung^- von Eiweii» Schwefelsäure unU l'ho>iihor-
säure «•ebildet werden, so ist zum mindesten ein Teil dieser Substanzen,
müiilieherweise aber auch noeh andere Aschenbestandleile (Alkalien), auf
diese (Quelle zurückzuführen. Weiter ninl) man mit der Mö|j[lichkeit rechnen,
daß die neu gebildete H,S()^ und Hsl'Oi Salzsäure und Kohlensäure ver-
dränjit haben könnten. Es ist darum ohne weiteres klar, dall die Ver-
aschuui;' uns kein klares P.ild von der Art und der Menj^e der anorfz-anischen
Salze, die vori>el)ildet im Serum sich finden, «leben kann.
Eine direkte Restimmnngsmethode einzelner anoriianisrher Uestand-
tt'ile im Hlut oder Serum ist, so viel ich sehe, kaum je anifegcben worden.
Nur über die IJestimmung' von CINa, das nach Bwjarszkij und Tau;/!^)
den Hauptbestandteil der anorganischen Bestandteile des Serums bildet,
macht V. Hösslin 2) folgende Angaben :
Die Bestimmung- des CINa wird mit h cm'^ Serum vorgenommen,
das verdünnt und mit lIXOa versetzt, stets ziemlich klar durchs Filter
g-eht. Kontrollversuche bei Veraschung- bzw. Enteiweiliung und nachfoliren-
der Bestimmung ergaben höchstens einen Unterschied von o-OUöST bis
O'Olll-i y XaCl auf \i}0 crn^ Serum. Angaben über die zur Chlorbestim-
mung angewandte Methode fehlen.
Die bei direkter Veraschung unvermeidlichen l'jisicherheiten über
die Deutung der erhaltenen Resultate vermindern sich, ohne sich übrigens
ganz ausschalten zu lassen, bei Einhaltung folgenden \'erfahrens »):
Man fällt das Blut (Serum oder Plasma) mit der mehrfachen (min-
destens öfachen) ]\Ienge 96Voig('n Alkohols, filtriert durch ein aschefreies
Filter und wäscht den Niederschlag erst mit heiliem Alkohol, dann mit
Wasser (heiß) aus.
Den alkoholischen Auszug verdunstet man bei mäßiger Wärme (nicht
über 60"), zieht den lUickstand mit absolutem Alkohol aus, verdunstet
diese Lösung wieder und zieht den neuen Kückstand mit vollkommen
trockenem, alkoholfreiem Äther aus; dieser Äther nimmt die I'hosi)hatide
auf; die in absolutem Alkohol und in Äther unlöslichen Rückstände löst
man in Wasser und vereinigt diese Lösung mit dem wässerigen Auszug.
Die wässerige Lösung wird ebenfalls eingedunstet, der Rückstand ire-
trocknet. verascht und die Asche nach bekannten Kegeln der (lualitativen
Analyse unter.sucht oder zur (luantitativen Bestimmung einzelner Uestand-
teile verwendet.
Der bei der Fällung des Blutes mit Alkohol entstehende Niederschlag
wird, nachdem man ihn, wie oben angegei)en, gewaschen hat, getrocknet
') 67. Duriarszkn und F. TaiKjl, rhysikaliscii-chemisciio rntorsucliunsren liluT
die molekularen I\onz(>ntratinnsverli;iltnisse des Blutserums. l'jlii(/ci:f Arcluv. 71» '<"n
(1898).
■-) /•. Iliiss-Iin, Beitrag zur Frage der chemischen Veränderung des Blutes uiicb
Aderlässen. Hofmeisters Beitr. 8. 4:^,38 (lOnC).
^) Sicho JIopjJc-S>!/lcr-Tlüer/i lii, r. Ilandl.. d. phvs. u. path.-chem. Anahse. 8. Aufl.
Berlin, Hirsch wald, VMJ. S. C45.
202 E. Letsche.
und für sich verascht. Er enthält die Phosphate der alkahschen Erden
neben Proteinen. Die Asche wird mit Salzsäure ausgezogen und dann die
Lösung in bekannter Weise weiterverarbeitet.
V. Untersuchung der Formelemente auf einzelne Bestandteile.
Die Methoden, die für den in der Überschrift angegebenen Zweck
Verwendung finden, sind in der Hauptsache die gleichen wie bei der Unter-
suchung von Blut, Plasma oder Serum. Dieser Umstand sowie die weiteren,
dali die Zahl der in den Formelementen nachgewiesenen Bestandteile wesent-
lich kleiner ist als im Serum, und daß die Formelemente weniger oft
Gegenstand einer eingehenden chemischen Untersuchung gewesen sind, lassen
es verständlich erscheinen, daß die Zahl der speziell für die Untersuchung
der Formelemente ausgearbeiteten Methoden eine recht beschränkte ist.
Von den 3 verschiedenen Arten geformter Elemente hat man die
Blutplättchen und die Leukozyten bis jetzt nicht in Mengen gewinnen
können, die für eine eingehende chemische Untersuchung ausgereicht
hätten. Über die Zusammensetzung und die Bestandteile der Blutplättchen
weiß man deshalb so gut wie nichts; das wenige, was man über die Be-
standteile der Leukozyten weiß, ist festgestellt worden bei der Untersuchung
von Eiterkörperchen. ^)
Ich darf daher diese beiden Arten von geformten Elementen füglich
übergehen und werde mich auf die Beschreibung einiger Methoden zur
Untersuchung der Erythrozyten beschränken.
1. Emeißstoffe.
Unter den Eiweißstoffen der Erythrozyten nimmt der Blutfarbstoff
sowohl seiner Menge als auch seiner biologischen Bedeutung nach die
erste Stelle ein.
Auf diesen Bestandteil näher einzugehen, muß ich mir versagen, weil
in diesem Handbuch sowohl seine Darstellung 2) als auch seine ({uantitative
Bestimmung 3) schon eingehend beschrieben worden sind. Außerdem ist
') Die Isolierung des nach Hupperf in den Leukozyten des Blutes sich finden-
den Glykogens ist bei den Methoden zur Untersuchung der Erythrozyten an geeigneter
Stelle beschrieben.
'') Fr. N. Schulz, Darstellung von Blutfarbstoffkristallen. Dieses Handbuch. Bd. 2.
S. 339 (1910).
■■') Franz Müller, Die Blutkörperchenzähluug und Hämoglobinbestimmung. Bd. 3.
S. 707/41 (1910).
Bezüglich der auf S. 741 sich findenden, recht absprechenden Beurteilung des
iZV(/werschen Spektrophotometers verweise ich auf meine Notiz: Zur Spektrophotometrie
des Blutes. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 63. 313/14 (1909).
Ich habe dort hervorgehoben, daß in der unter meiner Leitung ausgeführten
Arbeit von E. E. Butterficld, Über die Lichtextinktion des Blutfarbstoffs [Zeitschr. für
physiol. Chemie. 62. 173 (1909)] alle spektrophotometrischen Resultate mit Hilfe des
ifw/werschen Spektrophotometers gewonnen worden sind, und ich kann heute, auf Grund
weiterer 1 '/„jähriger Erfahrung den Schlußsatz jener Notiz über die Brauchbarkeit des
Instruments in geübten Händen nur vollauf bestätigen.
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Hestaniiteile. 203
erst vor kurzem an anderer Stelle ') eine einziehende l);ir.stellun[r der (iewin-
nung. (|ualitativen nnd (|uantitativen liestiinnuin^^ {los Iliiniogloltins erschienen.
Ininieriiin aber mitten hier einiüc Worte über die (iewinnun;.' von
Hämoglohinkristallen nach der Aikoholniethodc; aus Pferde- und liindfr-
blut auf Grund von Erfahrun<ien, mit deren weiterer Ausarbeitung icli noch
beschäftigt bin, Platz finden.
Blutkörperchen, die man entweder durch freiwilliges Sedinientieren
(Pferdeblut) oder durch Ausschleudern mit Hilfe der Zentrifuge isoliert
hat, wäscht man wiederholt (mindestens 2mal) mit 0-9°/oiger NaCl-L()sung
auf der Zentrifuge.
Den Blutkörpercheubrei versetzt man dann mit etwa dem gleichen
\'olumen ausgekochten Wassers von etwa 40^ bringt die Mischung zweck-
mäßig ebenfalls auf 35 — 40" und trennt die Lösung von den ungelöst«'n
Körperchen, deren Menge nicht mehr allzu grolj ist, und dem Stronia mit
Hilfe der Zentrifuge. Die abgehol)ene Lösung kiüilt man dann auf 0'^ ab
und versetzt sie mit ebenfalls gekühltem absolutem Alkohol, den man unter
beständigem Umschütteln der Lösung in dünnem Strahl zuflielien läUt
(andernfalls bilden sich leicht amorphe (ieriiinsel). Bei Pferdeblut verwende
ich auf 5 Volumen Blutlösung ein Volumen Alkohol, bei Rinderblut auf
3 — 4 Volumen ein Volumen. Man bringt die Mischung bei Pferdeblut in
Eis, bei Rinderblut am besten in eine Kälteniisclmng (Eis und Kochsalz).
Bei Anwendung von Pferdeblut ist nach 12 Stunden in der Regel die ganze
Mischung zu einem Kristallbrei erstarrt, bei Rinderblut ist mindestens
24stündiges Stehen notwendig. Die Kristalle trennt man von der Mutter-
lauge am leichtesten und raschesten mit Hilfe der Zentrifuge, wobei es
sich empfiehlt, die (iläser vor dem Einfüilen des Kristallbreies abzukühlen.
Zum Umkristallisieren dieser ersten, mit Hilfe von Alkohol erhaltenen
Kristalle verfahre ich in folgender Weise: Die gut ausgeschleuderten
Kristalle übergießt man mit soviel ausgekochtem Wasser von etwa 40°,
daß ein Teil der Kristalle auch beim Erwärmen der Mischung auf iSO bis
35" noch ungelöst bleibt. Man trennt mit Hilfe der Zentrifuge (ielöstes
und Ungelöstes und stellt die Lösung in schmelzendes Eis. Nach wenigen
Stunden (3—4) beginnt beim Pferdeblut die Kristallisation und nach
12 Stunden haben sich meist große Mengen von Kristallen ausgeschieden.
Bei Rinderblut ist langes Stehen erforderlich. Dieser Umstand bringt es
mit sich, daß die Kristalle aus Rinderblut meist methämoglobinhaltig sind,
während in dem auch noch ein :>. Mal umkristallisierten Pferdehänn>globin
spektrophotometrisch nachweisbare (^)uantitäten von Met-Hb sich nicht finden.
Neben Hämoglobin findet sich nach Wooldr'idije^) Paraglobulin,
das man am besten aus dem Stroma, nach dem oben^i beschriebenen
') K. Bürker, Gewinnung, (lualitative und «itiantitative Hestiinmunjr des Hämo-
globins. Tigerstedt, Handbuch der physiolog. Methodik. Leipzig bei Hirzel (lUlO).
=) li. Woolrlriihfc. Zur Kenntnis der Blutkörperchen. .\rch. f. .\nat. u. Phys. 18H1.
(Physiol. Abteilung) S. 38U.
") Siehe S. 146.
204 E. Letsche.
Verfahren gewonnen, isoliert, indem man das Stroma mit melirprozentiger
(etwa 5Vo) NaCl-Lösung schüttelt, wobei Paraglobulin in Lösung geht.
Durch Sättigen der Lösung mit Kochsalz fällt das Paraglobulin aus und
kann eventuell durch Lösen und Wiederausfällen gereinigt werden.
In den Kernen der Yogelblutkörperchen findet sich Histon. Die Iso-
lierung der Kerne sowohl, als auch die Darstellung des Histons findet
sich an früherer Stelle i) schon beschrieben.
Zur quantitativen Bestimmung des G-esamteiweißes in den
Blutkörperchen sind die gebräuchlichsten Methoden folgende beiden:
Man trägt die gewogene Blutkörperchenmasse quantitativ (mit Hilfe
von etwas Wasser) in die 4 — öfache Menge kochenden Wassers; dann
fügt man tropfenweise Essigsäure zu der kochenden Lösung, bis der
Niederschlag gut ausflockt und die Lösung vollkommen klar ist. Man fil-
triert auf ein gewogenes aschefreies Filter, wäscht erst mit Wasser, dann
mit Alkohol und schließlich mit Äther, trocknet den Rückstand bei 110",
wägt, verascht und zieht die Asche von dem zuerst ermittelten Ge-
wicht ab.
Der 2. Weg besteht darin, daß man den Blutkörperchenbrei erst mit
wenigen Tropfen verdünnter Essigsäure versetzt und dann das 4 — ofache
Volum Alkohol zuaibt. Man läßt dann einitie Stunden stehen, besser ist
es, noch einige Zeit auf dem Wasserbad zu kochen, Avobei man den ver-
dunstenden Alkohol ersetzt, filtriert den Niederschlag ab, wäscht ihn erst
mit Alkohol, dann mit Wasser, wieder mit Alkohol und zum Schluß mit
Äther, trocknet und wägt. Das erste alkoholisch-wässerige Filtrat dampft
man zur Trockene ein, zieht den Piückstand erst mit Alkohol, dann mit
Äther aus und bringt das Ungelöste auf ein gewogenes Filter; man wäscht
gut aus, trocknet und wägt und verascht mit dem zuerst erhaltenen
Niederschlag. Dieses Verfahren ist unbedingt notwendig, weil der ersten
Fällung mit Alkohol meist geringe Eiweißmengen entgehen.
2. Fett und fettartige Bestandteile.
Nach den Untersuchungen von Abderhalden 2) finden sich echtes Fett
und Fettsäuren (bzw. natürlich fettsaure Alkaüen) in den Blutkörperchen
nicht. Dagegen findet sich Lezithin, das man nach Wooldridge^) in fol-
gender Weise aus dem Stroma isolieren kann:
Isolierung von Lezithin.
Man zieht das frische Stroma bei etwa 45" mit 80 — QO^/oigem Alko-
hol aus. Beim Erkalten fällt Cholesterin aus; das Filtrat von dieser Aus-
0 H. Steudel, Histone und Protamine. Dieses Handbuch. Bd. 2. 4-42/43 (1910).
^j E. Abderhalden, Zur vergleichenden quantitativen Analyse des Blutes. Zeitschr.
f. physiol. Chemie. 25. 65 (1898).
^) L. Wooldridqe, Zur Chemie der Blutkörperchen. Arch. f. Anat. u. Physiol.
1881. (Physiol. Abt.) 389.
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes ia seine einzelnen Bostandfcilc. 205
Scheidung- wird bei 40— 45o einged;unpft und der Kiickstand mit abso-
lutem Alkohol aufgenommen. Dabei bleibt etwas Humatin unj^elöst. Ver-
setzt man diese Lösung mit einer Lösung von Platinchlorid in absolutem
Alkohol, der man zuvor ein paar Tropfen konzentrierter HCl zugefügt hat,
so erhiilt man einen kristallinisciu'n gelblichwciben Niederschlag, der sich in
Chloroform bis auf einen kleinen liest löst. Der beim \('rdunsten des
Chloroforms bleibende Kiickstand gibt bei der Analyse auf eine Formel
(C42Hs2NP08)2H2PtCl6, dls von Strecker aufgestellt wurde"), stimmende
Zahlen.
Cholesterinisolierung.
Cholesterin hat ebenfalls Wooldriclrjc-) aus dem Stroma gewonnen,
und zwar dadurch, daß er das Stroma wiederholt mit kaltem Petroliither
auszog, der beim Verdunsten Cholesterin frei von Fett und phosphorhalti-
gen Beimengungen hinterließ.
Direkt aus den Blutkörperchen erhielt Hepner^) Cholesterin nach
folgendem Verfahren, das er auch zur annähernden quantitativen
Bestimmung benutzte.
Blutkörperchen werden aus Oxalatblut durch Zentrifugieren gewonnen,
mit etwa dem 6fachen Volumen ii^/^^/nigQi' NaCl-Lösung durchgerührt und
wieder zentrifugiert. (Ein anderer Weg ist der, daß man Blut gerinnen
läßt und den Blutkuchen nach 24stündigem Stehen durch Mull preßt, um
das Fibrin abzutrennen, und die durchgepreßte Masse dann zentrifugiert.)
Für ([uantitative Zwecke trocknet man eine kleine Probe der Blut-
körperchen bei 110 — 115", um durch Vergleich des Gewichtes der feuchten
und trockenen Probe den Trockensubstanzgehalt der untersuchten Blut-
körperchenniasse zu erfahren. Die gewogene Hauptmenge der Blutkörper-
chen wird mit dem 4fachen Volum Alkohol verrührt und die Mischung
48 Stunden in den Wärmeschrank gestellt; nach dieser Zeit saugt man
den Niederschlag ab, zerreibt ihn mit -/;^ der ursprünglich angewandten
Alkoholmenge und bringt die Masse wieder auf einige Zeit in den Wärme-
schrank. Schließlich erhitzt man die Mischung zum deutlichen Kochen auf
dem Wasserbad, saugt den Niederschlag ab und zerreibt ihn nochmals
mit Alkohol. Die alkoholischen Auszüge werden eingeengt und die letzten
Beste Alkohol durch Abdampfen nach Zusatz von Wasser verjagt. Die wäs-
serige Flüssigkeit bringt man zusammen mit etwaigen festen Ausscheidun-
gen mit Hilfe von Äther in einen Scheidetrichter und schüttelt sie wieder-
holt mit Äther aus (mindestens 5mal je etwa 10 Minuten lang). Der Äther
') Es würde also ein Palmitinsäure und Ölsäure enthaltendes Lezithin vorliege»,
wobei zu beacbtcu bleibt, daß die Aualyse allein keine bestimmten Seldüssc auf das
Vorluindeiiseiu oder ^"elilen bestimmter Säuren zuläßt.
^) L. Wooldriclf/c, Zur Chemie der Blutkörperchen. Areh. f. .\nat. u. Phys. 1881
(Phys. Abteil.) 389.
') E. llepiur, Über den C'li(>b-;tcrin;.'elialt der Hlntktirpertlini l'i!r,„. r.i Andiiv.
73. 595/GU6 (1S'J8).
206 E. Letsche.
wird abdestilliert; den Rückstand, der beim Verdunsten des Äthers bleibt,
kocht man mit Essigäther aus, läßt abkühlen und filtriert die Essigäther-
lösung vom Ungelösten ab. Dieses letztere spült man mit kaltem Essig-
äther so lange nach, bis der Essigäther nichts mehr aufnimmt (Probe auf
Uhrglas verdunsten lassen!). Der Essigätherextrakt wird mit Tierkohle
gekocht und in einem tarierten Kolben filtriert. Nach dem Abdestillieren
des Essigäthers hinterbleibt Cholesterin neben einer ganz minimalen Ver-
unreinigung (unwägbar). Nach einmaligem Umkristallisieren zeigt das
Cholesterin den richtigen Schmelzpunkt von 144 — 145*'. An Stelle der
etwas zeitraubenden Behandlung des Ätherrückstandes mit Essigäther wird
es sich zweifellos empfehlen, die von Windaus angegebene und oben be-
schriebene Digitoninmethode zur Isolierung und quantitativen Bestimmung
anzuwenden.
3. Kohlehydrate,
Glukose.
Daß entgegen älteren Angaben nicht bloß im Serum, sondern auch
in den Formelementen Zucker sich findet, haben Bona und Michaelis'^)
gezeigt. Zur ([uantitativen Bestimmung^) des Zuckers haben sie
die Blutkörperchen in folgender Weise verarbeitet:
Die Blutkörperchen werden ^/^ Stunden mit 3000 Touren pro Minute
abzentrifugiert , mit ClNa-Lösung wiederholt gewaschen und möglichst
weitgehend zusammen zentrif ugiert , mit bekannten Mengen von destil-
liertem Wasser in einem vorher tarierten Kolben gespült und ihre
Menge durch Wägung festgestellt. Dann werden je 50^ Blutkörperchen auf
2000 cw'^ mit Wasser aufgefüllt. Zu der lackfarbenen Flüssigkeit wird
eine auszuprobierende Menge Eisenhydroxydlösung zugegeben, dann noch
eine geringe Menge (zirka 10 g) eines Elektrolyten, wozu man am besten
ein Sulfat wählt, weil die zweiwertigen Anionen gegen das kathodische
Eisenhydroxyd viel wirksamer sind als die einwertigen. Am besten ver-
wendet man MgSO^; unangebracht ist dieses, wenn der Zucker nachher
vergoren werden soll; in diesem Falle wählt man K.2SO4, NagSO^ oder ZnS04.
Der Zusatz von Eisenlösung soll soweit getrieben werden, daß eine abfil-
trierte Probe nur noch ganz wenig Hämoglobin enthält. Dann wird die Flüs-
sigkeit durch mehrere sehr große Faltenfilter abfiltriert und ein großer,
aliquoter Teil weiter verarbeitet. Jetzt wird die Entfernung des Hämo-
globins durch nochmaligen Zusatz von kleineren Mengen Eisenlösung ohne
Schwierigkeit beendet, wieder ein möglichst großer aUquoter Teil ab-
filtriert, das nun wasserklare, eiweißfreie Filtrat bei leicht essigsaurer
Reaktion auf ein mögUchst kleines Volumen eingeengt, derart, daß der
zugegebene Elektrolyt gerade ganz in Lösung bleibt und polarisiert.
^) P. Bona und L. Michaelis, Uiitersucliungeu über den Blutzucker. Bloch. Zeitschr.
16. 61 (1909).
'■') Ebenso wird man auch zum qualitativen Nachwels des Zuckers verfahren.
Methodoii zur Aufaibeituiig des Blutog iii seine ciiizelaou Bestandteile. 207
Beispiel: f>9</ BlutkürpeiTlien werden auf ein Voluineii von 3890 ct/j»
geJjracht, iniiegriffen 10 (/ ZnSO^ und 400 cw» Eisenlösung. Hiervon werden
durch Filtration wiedergewonnen 2()r)0 cm\ noch eine Spur Ililnio<ilol)in
enthaltend. Es werden hiezu löO oh^ halbverdünnte Eisenlösung zugefügt.
Das nunmehr häino<:l()l)in- und eiweilifreie Filtrat (^^BO r-»/^) wird auf
24 oii'^ eingeengt und polarisiert, {befundene Drehung 0"2TOo. Daraus be-
rechnet sich der Zuckergehalt pro 100 (/ Blutkörperchen zu
24 X 2810 X HHOO x 100
' ■ 100 X 2580 X 2ö(i9 X 69 '
Nach den Angaben von D'pinc und Boulud ^) findet sich die (ilykuron-
säure nur in den Blutkörperchen (jedenfalls beim Hund). Ihr Nachweis in
den Körperchen ist in genau der gleichen Weise zu führen wie Maijrr ihn
im Blut geführt hat (siehe S. 18).
Glykogen.
Glykogen soll sich nach Angaben von Huppert in den Leukozyten
finden. Der Weg, auf dem Huppert dieses Polysaccharid nachweisen konnte,
ist folgender 2):
Da es wahrscheinlich ist, daß das Glykogen in den farblosen IJlut-
köi-perchen sich findet, das Fibrin aber viel Leukozyten einschliel'it und
auch nach Huppcrfs Erfahrung das (ilykogen aus festen Massen nur schwer
in das Lösungsmittel üliergeht, wird das Blut nur in ungeronnenem Zu-
stande untersucht.
Das Blut 3) wird sofort bei der Entleerung mit Vio Volum (oder mehr)
gesättigter Kupferazetatlösung gemischt, wobei das Blut einen mällig dicken
homogenen von Gerinnseln freien Brei bildet. Darauf wird das Blut noch
mit mehi' gesättigter Cu-azetat-Lösung versetzt, wenn das beim Kochen
entstehende Gerinnsel nicht grol)körnig ausfallen soll. Für Kalbsblut genügt
im ganzen Vio Volum, für anderes Blut nimmt man zweckmäbig \ 4 \'(tlum
der Azetatlösung. Die Mischung wird dann auf das IV2 — 2fache verdünnt,
mit Na 011 liis zur schwach sauren oder neutralen Reaktion versetzt, eine
Zeitlang im SicMlen erhalten und durch Faltenfilter heili filtriert: der
Niederschlag wird sorgfältig vom Papier befreit, wenn nötig mittelst eines
feinmaschigen ]\Ietallsiebes und in der Regel noch 2mal ausgekocht. Ein
öfteres Auskochen erhöht die Ausbeute an Glykogen nur unwesentlich. Die
vereinigten Filtrate werden zunächst auf freier Flamme, dann auf dem
Wasserbad so weit eingeengt, dali das Natriumazetat in der Kälte eben
noch in Lösung bleibt.
*) Lf'pinc et Boulud, Sur Tacide glycuroniquc du sang. Compt. Reud. 136. 1037.
-) Huppert, Über das Vorkommen von (;iykii;,'i'n in lUnt niid Kiter. Zeitschr. f.
physiol. Chem. 18. S. 151 (1894).
*) Von Hundeblnt gentigen 200 <j zum einwandfreien Nachweis; bei Rindorblut
erhält man mit 500 g ein zweifelhaftes, mit 1 kg ein vcülig überzeugendes Resultat. Am
besten verarbeitet man, wenn möglich, 25— 3 kg auf einmal.
208 E. Letsche.
Zur Entfernung des Kupfers versetzt man die Lösung- jetzt mit
Schwefelamnioniuni, säuert dann mit Essigsäure an und erwärmt auf dem
Wasserbad, wobei das Schwefelkupfer sich meistens gut absetzt. Es wird
alsdann mittelst der Saugpumpe durch ein Asbestfilter filtriert und im
Filtrat der Eiweißrest in bekannter Weise durch JodquecksilberkaUum und
Salzsäure gefällt; der Eiweiliniederschlag wird wieder durch ein Asbest-
filter, das man zuvor durch konzentrierte Salzsäure von Ferriverbindungen
befreit hat'), filtriert. Das scheinbare einfachere Verfahren, das Schwefel-
kupfer und den Eiweißniederschlag zusammen abzufiltrieren, empfiehlt sich
nicht, weil das Filtrieren unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch nimmt
und das Glykogen dann ebensolang mit der Salzsäure in Berührung
bleibt.
Das eiweißfreie Filtrat wird wie iibhch mit 2 Vol. Alkohol (96Vo)
versetzt, der Niederschlag auf einem Asbestfilter gesammelt und mit
OßVoig'C"! Alkohol gewaschen. Ist der Niederschlag noch nicht weiß, so
kann er noch einmal in HgO gelöst und durch Alkohol wieder gefällt wer-
den. Das Glykogen ist dann schon so rein, daß man mit ihm alle gewöhn-
lichen Reaktionen anstellen kann.
Die Asbestfilter sind den Papierfiltern vorzuziehen, nicht bloß weil
sie dichter sind, sondern auch hauptsächlich deshalb, weil sie sich leichter
auswaschen lassen und das Glykogen von ihnen mit viel weniger Wasser
vollkommen entfernt werden kann, als von Papierfiltern. Bei den Papier-
filtern ist ferner eine Verunreinigung des Glykogens durch Stärke u. dgl.
zu befürchten.
4. Extraktivsubstanzen
scheinen in den Körperchen sich nicht oder jedenfalls nur in ganz unter-
geordneter Menge zu finden. Nur Harnstoff ist von Schöndorff nachge-
wiesen und bestimmt worden nach einem Verfahren, daß im vorhergehen-
den schon beschrieben worden ist. 2) Er verfuhr dabei so, daß er das er-
wähnte ^'erfahren einmal auf Blut und einmal auf das Serum anwandte,
nachdem er zuvor das Verhältnis von Serum zu Körperchen in dem an-
gewandten Blut nach dem Verfahren von Bleibtreu ^) bestimmt hatte.
Durch einfache Piechnung war dann der Harnstoffgehalt der Körperchen
zu erfahren.
5. Anorganische Bestandteile
der Blutkörperchen werden in entsprechender Weise wie im Serum nach-
gewiesen und bestimmt.
*) Es tritt andernfalls im FiltrcXt freies Jod auf, das sich mit dem Glykogen ver-
bindet, was wohl besser vermieden ^yird.
-) Siehe S. 182.
=*) Siehe 8. 153.
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. '>(')f\
VI. Verfahren zur Bestimmung verschiedener Bhitbestandteile
in einer Blutportion.
(fiesamtl)liitanalvso. ')
Mail \v;i<it otwa 50 <7 Serum 2) oenan ab. gielJt es in das inchrfachc
Volum Alkohol'), macht die Mischung' mit verdünnter E.ssigsäure el»en
sauer und läßt einige Zeit — am besten 24 — 48 Stunden — .stehen.
Man bringt dann auf ein gewogenes a.schefreies Filter und wuscht
mit kaltem Alkohol aus. (Filtrat 1 = Hanptfiltrat + Waschalkohol kalt.)
Dann wuscht man nacheinander einige Male mit heißem Alkohol, dann mit
Äther, schließlich nochmals mit Alkohol. Diese Waschflüssiijkeiten seien als
Filtrat 2 bezeichnet. Zum Schluß wäscht man den Niederschlag noch mit
heißem Wasser aus, bis auch dieses nichts mehr aufnimmt (Filtrat :'.).
A. Der Filterrückstand enthält die überwiegende Menge der Protein-
stoffe und in Wasser unlösliche Salze. P^s wird zur Entfernung des Wassers
nochmals mit Alkohol gewaschen, bis zu konstantem Gewicht bei 110 — TJO*
getrocknet, gewogen und schließlich mit dem Teil der Proteinstoffe, die
in das wässerig alkoholische Filtrat (1) übergegangen sind, zusammen
verascht.
B. Das Filtrat 1 wird bei einer 00" nicht übersteigenden Temperatur
auf dem Wasserbad verdunstet und der Rückstand mit dem Filtrat 2 über-
gössen und zerrieben. ]\Ian läßt absitzen, dekantiert auf ein kleines asche-
freies gewogenes Filter und wäscht den Pvückstand wiederholt mit Alkohol
und Äther. Schließlich zerreibt man den in Alkohol und Äther unlöslichen
Teil noch mit dem Filtrat ;-> und filtriert durch das eben schon benutzte
Filter, fängt dieses wässerige Filtrat aber getrennt von dem alkoholisch-
ätherischen auf.
Man bringt das Ungelöste (juantitativ auf das Filter und wäscht es
mit Wasser aus. Der auf dem Filter bleibende Rückstand wird getrocknet,
gewogen und zusammen mit dem ersten Filterrückstand verascht. Das
Gewicht der beiden getrockneten Filterrückständo, vermindeit um die Summe
der Asche, gibt das Gewicht der in dem angewandten Serum (P.lut etc.)
enthaltenen Proteinstoffe.
Der wässerige Auszug (ursprünglich Filtrat ;'>) wird auf dem Wasser-
bad verdunstet (in gewogener Schale), der Rückstand bei llU" getrocknet,
gewogen, verascht und die Asche wieder gewogen. Der alkoholisch-ätherische
Auszug (ursprünglich Filtrat 2) enthält die Hauptmenge der Fette, Phos-
phatide etc. und Extraktivstoffe. Er wird bei einer (iO" nicht übersteigen-
den Temperatur auf dem Wasserbad verdunstet und schließlich über H.^S(>^
') Hoppe-Sei/Ier-Thifr/rh/er, Ilandl.ueli. S. Aull. 6t'.2ff. (VMM
-) Bei Verwendung von Blut wird man den Blutkuclien erst mecbaniscii zer-
kleinern und dann die Masse in der oben zu beschreibenden Weise weitcrvenirbeiten.
') Das 3— 4faclie Volum wird meist geniitren, doch hat man schon bis zu lö Vo-
lumina Alkoliol angewandt, z. B. Erben, Chemische /usammensetziuig des Blutes bei
Tuberculosis pulmonum. Zeitschr. f. Heilkunde. 26. 24ö (1895).
A btl p r li a I den . Handbuch der biochemischen Arbeifsmethodon. V. 14
25^0 ^- Letsche.
getrocknet. Der Rückstand wird mit Äther ausgezogen, das Äther unlösliche
abfiltriert und wiederholt mit Äther gewaschen.
1. Der Rückstand — das ÄtherunlösUche wird mit Wasser in eine
tarierte Schale gespült, die Aufschwemmung auf dem Wasserbad zur
Trockene gebracht, der Rückstand bei 110" getrocknet und gewogen. Das
Gewicht gibt die Summe der in Alkohol löslichen Extraktivstoffe. Das Ge-
wicht der Asche, vermehrt um das Gewicht der Asche des wässerigen
Auszugs (siehe oben), gibt die Summe der löslichen Salze. Viel genauer ist
es freilicii, die beiden Aschen zu vereinigen, mit Wasser auszukochen und
das wasserlösliche von eventuell wasserunlöslichen zu trennen. Das letztere
wäre dann dem Rückstand zuzuzählen, den man beim Veraschen der Pro-
teinstoffe bekommt.
2. Das ätherische Filtrat wird bis auf ein kleines Volumen abde-
stilliert, in ein gewogenes Becherglas übergeführt und der Kolben mit Äther
und Alkohol nachgespült. Bei mäßiger Wärme verdunstet man die Lösung
auf dem Wasserbad und trocknet den Rückstand vor der Wägung im Va-
kuum über Ha SO4. Dann löst man den Rückstand in Alkohol, fügt alkoho-
lische Kalilauge zu, kocht die Mischung etwa 1 Stunde auf dem Wasser-
bad, verdunstet nach dem Verseifen den Alkohol und löst den Rückstand
im Wasser. Diese Lösung wird mehrmals mit Äther ausgeschüttelt.
Die vereinigten Ätherlösungen werden verdunstet, der Rückstand
mit Petroläther aufgenommen, wobei das eventuell vorhandene Cholesterin
in Lösung geht. Nach dem Verdunsten des Petroläthers bestimmt man das
Cholesterin nach Windaus. Vermutet man in dem Petrolätherrückstand
neben Cholesterin noch andere Substanzen, so schüttelt man das Filtrat
vom Digitonincholesterid nach dem Ansäuern mit Salzsäure, mit Äther
oder Petroläther aus und vereinigt den Rückstand dieses Auszugs mit der
von der \'erseifung herrührenden wässerigen alkalischen Lösung und unter-
sucht sie in früher geschilderter Weise (S. 162 ff.).
In diesem Teil findet sich der Phosphor der Phosphatide, den man
am besten nach der Neuman7tscheTi Methode bestimmt.
Berechnungen über die Menge des Fetts aus der Differenz des Ge-
wichtes des Ätherauszugrückstandes und dem Resultat der Phosphorsäure-
bestimmung berechnet auf ein beliebiges Lezithin, z.B. Distearyllezithin 1),
sind natürlich sehr willkürUch, mögen aber trotzdem für manche Zwecke
ganz wertvoll sein.
Zur Bestimmung von Erythrozyteneiweiß und Fibrin in
einer Blutportion verfährt Erben ^) folgendermaßen:
In einem Wägegläschen von etwa oO cm^ Inhalt werden zuerst 0"025
bis O'O:-) rj wasserfreies Ammonoxalat abgewogen , dann läßt man unter
dauerndem Umrühren das Blut hineinfließen und wägt nach dem Erkalten.
') Welchem Gewicht natürlich noch das Cholesterin zuzuaddieren ist.
-) Erben, Chemische Zusammensetzung des Blutes usf. Zeitschr. f. Heilkunde.
26. 245 (1895).
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. 211
Hierauf wird das flüssig' iiebliebene Blut in 2 Zfutrifu^ioi-nilirchen ausge-
schleudert und das klare I'lasnia in einem Wä«iej^l;iscl)en gewogen. Dann
spült mau das Plasma mit etwas ^Vasser in ein IJechergläsclien un<l bringt
es durch ein kleines Tröpfchen Chlorkalziumlösung zur Gerinnung. Das
Fibrin wird mit Hilfe von (Jlasstäbchen zerteilt, erst mit O'DVoiger, dann
mit konzentrierter NaCl-Lösung zur Entfernung verschiedener Leukozyten-
bestandteile gewaschen, auf gewogenem Filter gesammelt, getrocknet und
gewogen.
Das Filtrat vom Fibrin wird mit Was.ser verdünnt und mit dem
gleichen Volumen einer konzentrierten neutralen Ammonsulfatlösung zur
Ausfällung des Globulins M versetzt. Dasselbe wird auf einem gewogenen
Filter gesammelt, mit halbgesättigter Ammonsulfatlösung gut gewaschen,
weiterhin mit Alkohol und mit Äther behandelt und schlielilich durch
Trocknen bei 120" wasserunlö.slich gemacht.
Schließlich wäsclit man mit heißem Wasser, trocknet, wägt, verascht
und zieht das Gewicht der Asche vom Gewicht des Niederschlages ab.
Das Sediment 2), von dem, me oben erwähnt, das zellfreie Plasma
abgenommen wurde, wird mit O'OYoift'ei'^aCl-Lösung =5), mit der man zu-
erst das Wägegläschen ausgespült hat, aufgeschüttelt. Man schleudert die
Blutkörperchen aus, hebt die klare Flüssigkeit, aus der man etwa noch
aufgeschwemmte Erythrozyten durch abermaliges Zentrifugieren in einem
neuen Ptöhrchen gewinnen kann, ab, schwemmt das Sediment wieder in
0"97oige XaCl-Lösung auf, zentrifugiert wieder und verfährt in der gleichen
Weise noch etwa 2mal.
Erben führt dann die Bearbeitung in folgender Weise weiter : Die von
Waschflüssigkeit möglichst befreiten Erythrozytensedimente werden mit
wenig Wasser in ein Becherglas gespült, dort mit der If) fachen .Menge
absoluten Alkohols gefällt und der Niederschlag so weiter behandelt wie
oben beim Plasma, auch das Filtrat von der Alkoholfällung ist wie oben
weiterzubehandeln.
Soweit ich sehe, wäre also nach dem Verfahren von Erben das
Plasma vollständig abzuheben, zu wägen und die Differenz zwischen Blut-
gewicht und Plasmagewicht als ..Blutkörperchen" in Picchnung zu setzen.
*) über die ßestinimun<( des Albumins niaclit Erben keine Angaben. Dio Bestim-
mung würde in der Weise auszuführen sein, daß man die verschiedenen wasserigen Fil-
trate vereinigt, einengt (bei etwa 60") bis zur Trockene und schließlich den Rückstand
über Schwefelsäure trocknet, dann würde man die trockene Masse mit Alkohol und
anschlioüeud mit Atlicr erschöpfen; das Ungelöste wird bei 120'^ getrocknet und die
trockene Masse mit heißem Wasser erschöpft. Das Ungelöste wird nach neuerlicher Be-
handlung mit Alkohol und Äther getrocknet, gewogen und verascht. Die Asche zieht
man von dem Gewicht des Trockonrückstandes ab und setzt die Differenz als Albumin
in Rechnung. (Auch durch Dialyse kann man dio Ilauptmenge anorganischer Salze ent-
fernen.)
-) Das Sediment enthält natürlicli auch dio Loukozyton.
^) Erben wandte 3"oig<^ Kochsalzlösung an. docii sdieint mir 0-9',(,igc der osmo-
tischen Verhältnisse wegen empfehlenswerter.
14*
91-7 E. Letsche.
Dabei begeht man einen Fehler, dessen Größe unkontrollierbar und wechselnd
ist. Es empfiehlt sich deshalb nach der Analyse des Plasmas und nach
dem Auswaschen der Körperchenmalie in einem aliquoten Teil dieses
Sediments das Volumen der Blutkörperchen zu bestimmen und einen anderen
aüquoten Teil in der oben geschilderten Weise zu untersuchen. Zur Be-
stimmung des Körperchenvolums hätte man das Verfahren von
Warburcj^) anzuwenden.
Nach dem Waschen der Körperchen mit einer isotonen Kochsalzlösung
werden bcrn^ des Blutkörperchenbreis mit bcm^ einer isotonen Natrium-
sulfatlösung vermischt und die Mischung zentrifugiert. In dchi^ der über
dem Sediment stehenden Flüssigkeit bestimmt man den Chlorgehalt durch
Titration mit —AgNOs und Chromat als Indikator. Aus dem gefundenen
Chlor kann man, da der Titer der zum Wäschen der Blutkörperchen be-
nutzten NaCl-Lösung als bekannt vorausgesetzt wird, errechnen, wieviel
Kubikzentimeter NaCl-Lösung in den angewandten öciii^ Blutkörperchen-
brei sich finden und kennt damit natürlich auch das Volum der Blut-
körperchen.
Wendet man größere Blutquantitcäten an, als sie für die oben ge-
schilderte quantitative Gesamtblutanalyse nötig sind, so lassen sich bei
Einhaltung des gleichen Verfahrens — wobei natürlich die Veraschung
wegfällt — die einzelnen Bestandteile des Blutes nacheinander aus einer
Blutportion isolieren.
Es wird sich dieses Verfahren aber nur dann empfehlen, wenn die
zur Verfügung stehende Blutmenge relativ klein ist. Denn wollte man bei
einer kleinen Blutmenge für jede nachzuweisende oder zu isoherende Sub-
stanz eine l)esondere Portion in Arbeit nehmen, so könnte es leicht dahin
kommen, daß, auch wenn eine gesuchte Substanz im Blut vorhanden ist,
ihr Nachweis mißlingt, weil eben die zur Untersuchung verwendete
Quantität ungenügend war. Hat man größere Blutmengen zur Verfügung,
so ist es meist zweckmäßiger, für jede Substanz eine besondere Blutportion
in Arbeit zu nehmen, schon deshalb, weil bei Befolgung der oben gege-
benen Vorschriften der für die Untersuchung nötige Zeitaufwand mit
wachsender Blutmenge ebenfalls erheblich größer wird.
In manchen Fällen, besonders bei Aufarbeitung sehr großer Blut-
mengen, ist es auch ganz empfehlenswert, das Blut (Serum, Plasma) nach
Entfernung der Proteinstoffe zur Trockene einzudampfen. Man kann zu
diesem Zweck in folgender Weise verfahren. ^)
Serum wird mit verdünnter Essigsäure eben angesäuert und mit dem
dreifachen Volumen 907oigen Alkohols versetzt. Die alkoholisch wässerige
*) Otto Warhurg, Über Beeinflussung der Oxydationen in lebenden Zellen nach
Versuchen an roten Blutkörperchen. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 69. ■452/62 (1910).
^) E. Letsche, Beiträge zur Kenntnis der organischen Bestandteile des Serums.
Zeitschr. f. physiol. Chemie. 53. 31/112 (1907).
Methoden zur Aufarbeitung des Blutes in seine einzelnen Bestandteile. 213
f'lüssigkoit bleibt über dem Niederschlag unter wiederholtem rmsehüttdn
36 — 48 Stunden stehen, dann trennt man sie durch Kollieren von dem Nieder-
schlag; diesen zerreibt man mit Alkohol (96Voi{?) zu einem dünnen Hrei
und erwärmt auf dem Wasserbad auf 30 — 35", wonach man den Nieder-
schlag noch warm auf der Nutsche absaugt; den noch feuchten Nieder-
schlag zerreibt man — er darf dabei nicht an den Fingern kleben, ist
dies der Fall, so muß die liehandlnng mit Alkohol wiederholt werden —
und extrahiert ihn erst mit Alkohol, dann mit Äther. 'j Diese Extrakte
vereinigt man mit dem alkoholisch-wässerigen Hauptfiltrat.
Dieses Hauptfiltrat wird im Vakuum bei einer 40" jedenfalls nicht
wesentlich übersteigenden "J'emperatur eingedampft. (Dei genügend großen
\'akuumapparaten geht diese Arbeit sehr rasch.-) Der beim Eindampfen
bleibende Rückstand wird noch feucht auf Ton gebracht, in einzelne Stücke
zerteilt und im Vakuum über H., SO4 getrocknet. Anderen Tags ist die
Masse in der Pvegel soweit trocken, daß sie sich zu einem groben Pulver
zerreiben läßt: nach weiterem 1 — 2tägigem Stehen über H.^ SO^ zerreibt
man möglichst rasch zu einem staubfeinen Pulver, trocknet noch ein drittes
Mal und füllt das sehr hygroskopische Pulver möglichst rasch in vollkommen
trockene Gläser, die sofort mit Paraffin verschlossen werden.
Zur Zerlegung in einzelne der weiteren Untersuchung leichter zugäng-
liche Fraktionen extrahiert man die vollkommen trockene Masse der Reihe
nach mit Petroläther. Äther, Alkohol fOO" 0) und Wasser.
Ganz einwandfrei ist dieses Verfahren des Eindampfens auch beim
Einhalten einer niedrigen Temperatur nicht ; es gehen geringe Mengen
N-haltiger Stoffe unter Abspaltung von NH3 in die Brüche ; wie weit Phos-
phatide dabei sich zersetzen, wäre erst noch zu prüfen.
VII. Bestimmung der Verteilung einzelner Bestandteile des
Blutes auf Serum (Plasma) und Formelemente.
Die erste Aufgabe, die man für den angegebenen Zweck zu lösen
hat, ist die Feststellung des Verhältnisses von Serum und Formelementen
in dem zu untersuchenden Blut ; von ihrer genauen Lösung hiingt die
Genauigkeit der übrigen Bestimmungen sehr wesentlich ab. ^^'elches der
in Ab.schnitt II angegebenen Verfahren man zur Bestimmung dieses Ver-
hältnisses anwenden wird , hängt im speziellen Fall unter anderem auch
davon ab, über welcher Stoffe Verteilung man Aufklärung wünscht. Für
manche Zwecke mag das \'erfahren von Steirart gewisse \'orteile bieten;
') Diese Extrakte — Alkohol und Äther — können zur Isolierung von Chole-
steriuestern nach Iliirfhlc verwendet werden. Der Mederschlatr ontliält wesentliche
Mengen wasscrlösliclier Bestandteile nicht ; um ganz sicher zu gelien, daß man alles Lös-
liche entfernt hat, kann man den Niederschlag erst bei 120° trocknen und dann mit
Wasser auskochen und diese Lösung zum Hauptfiltrat zutrchon.
-) Bei ziemlich primitiven Einrichtungen, die mir zur \ erfügung standen, nahm
das Eindampfen der aus 7 l Serum resultierenden Fliissigkeitsmengc (rund etwa 35 0
2', — 3 Tage bei 9stündigcr täglicher Arbeitszeit in Anspruch.
2;[4 ^- Letsche.
bei bestimmten l^Jiitarten (Pferd, Schwein, Kaninchen) kommt man am
raschesten zum Ziel, wenn man dem von Bunge angegebenen Verfahren,
das Natron im Gesamtblut und Serum zu bestimmen, folgt. Einer allge-
meineren Verwendung ist" das Bleibtreusche Verfahren fähig. Handelt es
sich um die A'erteilung der Eiweißstoffe, so wird man eines oder das
andere von Hoppe-Seylers Verfahren anwenden, da man hierbei ja eben
diese Stoffe bestimmt.
Hat man das Verhältnis von Serum und Körperchen auf die eine
oder andere Art ermittelt, so braucht man nur die Substanz, deren Ver-
teilung ermittelt werden soll, einmal im Blut und einmal im Serum zu
bestimmen 1) und hat damit die Zahlen, die zur Berechnung nötig sind,
ermittelt.
Hat man die Aufgabe, alle wichtigeren im Blut sich findenden Sub-
stanzen in ihrer Verteilung auf Serum und Formelemente zu bestimmen,
so wird man sich am besten an die Angaben von Hoppe- Seyler-Thierf eider ^)
halten.
Man bestimmt mit Hilfe einer der auf Seite 151 beschriebenen
Methoden Hoppe-Seylers das Verhältnis von Serum zu Formelementen.
Dabei wird der Prozentgehalt des Serums an Proteinstoffen und der Pro-
zentgehalt des Blutes an Proteinstoffen der Blutkörperchen direkt be-
stimmt. Die letztere Bestimmung fällt aber etwas zu niedrig aus, wenn
man, wie an anderer Stelle 3) angegeben wird, die Gesamtasche von dem
Gewicht des trockenen Filterrückstandes abzieht ; denn diese Gesamtasche
enthält auch das Eisen aus dem Hämoglobin. Um diesen Fehler zu elimi-
nieren, bestimmt man den Eisengehalt einer Blutportion, berechnet das
Kesultat auf 100 ^r Blut und addiert das Ptesultat dieser Bestimmung zu
der Differenz von Trockengewicht des Eiweißniederschlags und Gewicht
der in ihm enthaltenen Asche (beide Größen natürlich ebenfalls auf 100^
Blut berechnet). Die Zahl, die man auf diese Weise erhält, gibt an, wie-
viel Gramm Proteinstoffe in 100^ Blut auf die Blutkörperchen entfallen;
wieviel Proteinstoffe in lOOg Blut auf das Serum kommen, erfährt man,
wenn man den Prozentgehalt des Serums an Proteinstoffen umrechnet
auf die Menge Serum, die in 100 r/ Blut enthalten ist.
Man führt dann weiter eine Blutfarbstoffbestiramung nach einer der
von Franz Müller ^) beschriebenen ^lethoden aus. Der gefundene Prozent-
gehalt gibt zugleich auch an, wie viel Hämoglobin in der in 100 // Blut
enthaltenen Blutkörperchenmenge sich findet, da ja das Hämoglobin nur
in den Körperchen vorkommt.
Wenn man die auf diesem Wege gefundene, in 100 .9 Blut enthaltene
Hämoglobinmenge abzieht von der Proteinmenge, die in den Blutkörperchen
1) Nach Methoden , die weiter oben beschrieben sind.
^) Hoppe-Sei/ler-Thi(>rf eider, Handbuch der physiol. u. pathol.-chem. Analyse.
8. Aufl. Berlin 1909. S. 685."
3) Dieses Handbuch. Bd. 2. S. 373 (1910).
*) Dieses Handbucb. Bd. 3. S. 705 ff. (1910).
Methoden zur Aufarbeitung der Lynipho in iliro einzelnen licstandtcile. 21;")
von lOOy lUut sich findet, so erfährt man die Mcn^r^ der Protoinstoffe.
die neben dem ISkitfarbstoff in den inutkörperchcn von lOOy lUiit ent-
halten ist.
Weiterhin bestimmt man in etwa HD — iSOmi^ Jilnt Cholesterin, I'hos-
phatide, lösliche und unlösliche Salze ^). rechnet die Resultate auf lOOy
Blut um und führt die ji^leichen Bestimmunjien in einer entsprechenden
Menge Serum aus. Die im Serum erhaltenen Werte sind dann auf die
Menge Serum, die WOg Blut enthalten, umzurechnen.
Zieht man diese Zahl ab von der ersten fiii- das Bhit hestimmten,
so erfährt mau die Mengen der bestimmten Stoffe, wie sie in den
Blutkörperchen von 100 9 Blut sich finden.
Genau das gleiche Verfahren ist anzuwenden für Zucker, für Harn-
stoffe, Milchsäure usw., für Trockensubstanz und Aschenliestandtcilc.
Untersuchung der Lymphe.
Die Bestandteile der Lymphe (und des Chylus) sind ([ualitativ die
gleichen wie die des Blutes.
Die geformten Elemente Leukozyten und unter Umständen auch
Erythrozyten hat man bis jetzt der Schwierigkeit ihrer Gewimiung wegen
noch nicht zum Gegenstand chemischer Untersuchungen gemacht.
Zur Untersuchung der Lymphe, des Lymphplasmas und Lyrnj)!!-
serums finden die gleichen Methoden wie beim Blut Anwendung-, irgend
welche Besonderheiten sind nicht zu beachten.
Methoden zur Aufarbeitung der Zerebrospinalflüssigkeit.
Untersuchungen über die Zusammensetzung normaler menschlicher
Zerebrosi)inalflüssigkeit sind bis jetzt kaum gemacht worden. Die unter-
suchten Hüssigkeiten stammten vielmehr entweder von Kranken, bei welchen
eine Entziehung dieser Flüssigkeit duich Punktion vom ärztlichen Stamlpunkte
aus geboten schien oder aus Leichen. Dagegen ist von gesunden Kälbern
stammende Zerebrospinalflüssigkeit von Xaivnitzki eingehend untersucht
worden. Ob die zu untersuchende Flüssigkeit von gesunden oder kranken
Individuen stammt, ist für die zu befolgende Methodik nebensächlich, wenn
auch pathologische Zerebrospinalflüssigkeit in ihrer Zusammensetzung so-
wohl nach der (|ualitativen als auch nach der t|nantitativen Seite Ab-
weichungen von normaler Flüssigkeit zeigen wird.
Bei der Untersuchung der Zerebrospinalflüssigkeit sowie l)ei der Be-
stimmung einzelner ihrer Bestandteile hat man sich im grol'.en und ganzen
an die für das Serum gebräuchliche und im Vorhergehenden ausführlicli be-
schriebene Methodik zu halten. Für die Isolierung und ÜestinniinuL'- (MuiL'er
') Die Bestimmung kann im Ansoliluli an das im Abschnitt \ 1 wipilerjfcgcbene
Verfahren crfoliri'n : oder abpr iianii man joden einzelnen Bestandteil nach den früher
beschrioboiicn Methoden in einer Itesonderen Blut])orfion uml einer Itesondercn iSeruiu-
portion bcstimiuen.
216 E. Letsche.
Bestandteile sind im Folgenden eine Anzahl Methoden beschrieben, die
sich gegenüber den entsprechenden Methoden, die für das Serum in An-
wendung kommen, meist durch größere Einfachheit auszeichnen.
Die Einteilung entspricht der beim Blutserum eingehaltenen ; es finden
sich nebeneinander Methoden zur Isolierung und zur quantitativen Be-
stimmung , da zur Isolierung und zum Nachweis der einzelnen Bestandteile
in der Piegel Methoden Anwendung finden, die ohne weiteres auch für
quantitative Zwecke brauchbar sind.
1. Eiweißstoffe.
Zur quantitativen Bestimmung von Serumglobulin verfährt
Panzer^) folgendermaßen:
50 on^ Flüssigkeit werden durch einige Tröpfchen verdünnter Essig-
säure neutralisiert und die Lösung bei 40" mit MgS04 gesättigt. Der
Niederschlag wird auf gewogenem Glaswollfilter abfiltriert, mit gesättigter
MgSO^-Lösung gewaschen und auf dem Trichter bei 110*^ getrocknet, um
das Eiweiß zu koagulieren. Alsdann wäscht man mit Wasser aus, trocknet
wieder und wägt.
Das Filtrat dieser Fällung, durch Dialyse von der Hauptmenge
Salze befreit, scheidet beim Kochen und nachherigen Ansäuern mit ver-
dünnter Essigsäure eine beträchtliche Menge koaguherbares Eiweiß —
Serumalbumin — aus.
Das gleiche Verfahren benutzte auch Halliburton. -)
Zur Bestimmung des in der Zerebrospinalflüssigkeit enthaltenen Ge-
samteiweiß verfährt FrenJcel-Heiden^) folgendermaßen:
Die Flüssigkeit (3 — 10 cm^) wird mit der 10 — lofachen Menge Al-
kohol gefällt, der Niederschlag nach 24stündigem Stehen auf einem kleinen
Filter gesammelt, sorgfältig ausgewaschen und zur N-Bestimmung nach
Kjeldahl verwendet.
Nauratzki*) dagegen fällt die Eiweißstoffe durch Hitzekoagulation
bei ganz schwach essigsaurer Reaktion. Den Eiweißniederschlag sammelt
er auf gewogenem Filter, wäscht ihn gründlich aus (mit Wasser, Alkohol
und Äther), trocknet ihn bei 100" und wägt.
2. Kohlehydrate.
Zum Nachweis von Glukose in Z.-Flüssigkeit von Gesunden hat
Nawratzki^) folgenden Weg eingeschlagen:
') Th. Panzer, Zur Kenntnis der Zerebrospinalflüssigkeit. Wiener klin.Wochenschr.
1899. 805 7.
-) }V. D. Halliburton, On cerebrospinal fluid. Journ. of Physiol. 10.232 58(1889).
') Frenkel-Heiden, Zur Chemie der Zerebrospinalflüssigkeit. Biochem. Zeitschr.
2. 188'89 (1907).
*) Xawratzki, Zur Kenntnis der Zerebrospinalflüssigkeit. Zeitschr. f. physiol.
Chemie. 23. 532 (1897).
*) Nawratzki, Zur Kenntnis der Zerebrospinalflüssigkeit. Zeitschr. f. phvsiol. Chemie.
23. 532 (1897).
Methodeu zur Aufarbeitiuig der Zerebrospinalfliissigkeit in ilire einz. Bestandteile. 2 1 7
Zur Fällung von Eiweiß wird die Lösunj;^ mit dorn nichrfaclicii Volum
Alkohol versetzt, das Filtrat bei etwa 40" (am besten im Vakuum) einge-
dampft und der Rückstand mit Wasser aufgenommeu. Diese Lösung wird
mit neutralem Bleiazetat versetzt, der Niederschlag ausgewaschen und das
Filtrat (samt Waschwasser) entbleit mit H., S. Das Filtrat von I'l>8 wird
stark eingeengt und zwar etwa auf '/oi des ursprünglicheu \'oluniens.
In dieser Lösung läßt sich Glukose nachweisen mit Hilfe des l'ola-
risationsapparates , mit Hilfe der Reduktionsproben von Fchlhuj und Sy-
lander und mit Hilfe der Gärprobe. Weiter gelingt auch die Darstellung
von Glukosazon nach dem üblichen \erfahren.
Panzer'^] weist mit Hilfe der gleichen Reaktionen die Gegenwart von
Glukose nach, nachdem er für diesen Zweck die Zerebrospinalflüssigkeit
in folgender Weise vorbereitet hat :
Etwa 100 cm"^ Z.-Flüssigkeit werden mit Essigsäure schwach ange-
säuert. Zu dieser Lösung fügt man Bleizucker, solange noch eine FiUlung
entsteht. Das Filtrat macht man mit NH3 alkahsch, filtriert wieder und
wiederholt die Fällung mit NH;, und Bleizucker so lange, als noch eine
P^ällung auftritt. Die verschiedenen durch NH3 und Bleizucker erhaltenen
Niederschläge werden in gelinder Wärme mit Hilfe von HaSO^ zersetzt,
das Filtrat genau neutralisiert und diese Lösung zur Isolierung von Phenyl-
glukosazon verwendet.
Diese beiden Methoden eignen sich bei Einhaltung (luantitativer
Kautelen natürlich auch zur quantitativen Bestimmung der Glukose,
dabei verdient die erstere Methode m. E. den Vorzug. Statt die Flüssigkeit
mit Hilfe von Alkohol vom Eiweiß zu befreien, kann man natürlich auch
Hitzekoagulation hierzu verwenden oder eine der von Rona und Michaelis
angegebenen, bei der Blutzuckerbestimmung beschriebenen Methoden.
3. Fett und fettiihnliche Substanzen.
Geringe Mengen Fett, Fettsäuren und Cholesterin hat J'diuer in
der Z.-Flüssigkeit eines Falles von Hydrokephalus (jualitativ nachweisen
können, indem er die eiweißfreie Flüssigkeit sowohl l)ei alkalischer wie
bei saurer Reaktion ausschüttelte und die Ätherauszüge ..in der gewohn-
ten" Weise aufarbeitete.
Zum Nachweis und zur Isolierung von Cholesterin, das in
normaler Flüssigkeit nicht zu finden ist, hat Piginni-) Lumbaiflüssigkeit
von Geisteskranken in unten zu beschreibender Weise aufgearbeitet.
25 cjii'-^ I^umbalflüssigkeit werden im Scheidetrichter wiederholt mit
Äther ausgeschüttelt. Der nach dem \'erdunsten des Äthers bleibende
^) J'h. Panzer, Zur Keiuituis drr Zerebrospinalfliissigkeit. Wiener klin. WocIionscLr.
1899. 80.Ö.
-) G. Pifihini, Über den Cbolesterinsrelialt der I.umlialflüssigkeit einiger Geistes-
krankbeiten. Zcitschr. f. pbysioi. Cbemie. 61. 508,11") (19Ü9).
218 E. Letsche.
Rückstand wird in siedendem absoluten Alkohol gelöst und nach dem Ver-
fahren von Ritter'^) verseift.
Die Verseifung gelingt ebensogut in Benzol, wenn man kleine Stücke
Natrium und soAdel absoluten Alkohol hinzufügt, bis das Natrium ganz ge-
löst ist. Nach 3 — 4stündigem Sieden am Rückflußkühler filtriert man und
wäscht die Benzollösung so oft mit destilliertem Wasser, bis dieses nicht
mehr alkalisch reagiert. Die Benzollösung wird dann langsam verdunstet,
der Rückstand in Alkohol gelöst, und die Lösung zum Sieden erhitzt,
während man ihr soviel Wasser zugießt, bis sie eben trüb wird. Man klärt
die Lösung dann wieder durch ein paar Tropfen Alkohol, filtriert sie
warm, engt sie auf ein kleines Volumen ein und läßt sie langsam abkühlen.
Die Rückstände , die man beim Verdunsten des Alkoholauszuges er-
hält, den man nach Bitters oder dem oben beschriebenen Verfahren ge-
wonnen hat, enthalten oft außer dem gesuchten Cholesterin auch noch an-
dere Substanzen, welche die Kristallisation und die Abscheiduug des Cho-
lesterins hindern. Um diese Substanzen zu entfernen, fällt man nach
Fiyhini die alkoholische Lösung mit Bleizucker, der diese Substanzen
zum großen Teil niederschlügt. Das Filtrat wird entbleit, auf ein kleines
Volum eingeengt und das auskristallisierende Cholesterin durch Umkristal-
lisieren aus Alkohol gereinigt. Sollte es nicht mögUch sein, Kristalle zu
erhalten, so löst man den beim Verdunsten des Alkohols bleibenden Rück-
stand in Chloroform und versucht, mit dieser Lösung die Cholesterin-
reaktion zu erhalten. -j
4. Extraktivstoffe.
a) N-haltige Substanzen.
Harnstoff hat Cuvazzani^) einfach in der Weise nachgewiesen,
daß er die neutrale Lösung einengte — SOan^ auf zirka 18 cm'^ — und
in dieser Lösung nach Hü/ners Methode den Harnstoff mittels Bromlauge
zersetzte.
Gumprecht*) weist den Harnstoff ebenfalls mit Hilfe der eben er-
wähnten Methode nach, sucht aber den Harnstoff zuerst durch Behandlung
der Z.-Flüssigkeit in folgender AVeise in möglichst reiner Lösung zu er-
halten: 42 cm 3 Flüssigkeit werden mit 120 c;;^^ Alkohol versetzt, der
Niederschlag nach etwa 24stündigem Stehen abfiltriert und mit Alkohol
M Riffer, Über die Methoden, die zur Abscheidung des Cholesterins aus den
Fetten und ihrer quantitativen Bestimmung verwendbar sind. Zeitschr. f. physiol. Chemie.
34. 430 (1901/02). Vgl. auch S. 169 dieser Arbeit.
=) Zweifellos wird auch hier statt der beschriebenen Reiniguugsmethode das Ver-
fahren von Windaus zur Isolierung des Cholesterins gute Dienste leisten. — Ferner
wird man die vereinigten alkalischen wässerigen Lösungen zur Bestimmung der Fett-
säuren — vielleicht nach dem Verfahren \on Kumagawa-Suto — verwenden können.
=*) E. Cavazzani, Weiteres über die Zerebrospinalflüssiffkeit. Zentralbl. f. Phvsiol.
10. 145 147 (1896).
■•) Gumprecht, Cholin in der normalen und pathologischen Spinalflüssigkeit etc.
Verhandlungen des Kongresses für innere Medizin. Wiesbaden 1900. S. 326/48.
Methoden zur Aufarbeitung der Zerebrospinalflüssigkeit in ihn« ciii/, Ri-standteile. 2l!l
ausgewaschen. Das Filtrat engt man bei einem Druck von weniger als
200 mm und bei möglichst niederer Badtemperatur (zirka 35 — 40") auf
etwa 10 cm^ ein und läßt diesen Rest im Vakuum über HoSO^ bei Zimmer-
temperatur verdunsten. Der Hückstand wird in Alkohol aufgenonnnen, die
Lösung filtriert und zur Harnstoffbestimmung verwendet.
Wie Cavazzani^), so hat auch Panzer llydrokephalusfliissigkeit auf
Harnstoff untersucht; während, wie oben angedeutet, Cavazzdni Harnstoff
nachweisen konnte mit Hilfe eines recht einfachen Verfahrens, \?>t Panzer^)
der Nachweis auf folgendem Wege nicht geglückt.
Die Z.-Flüssigkeit wird mit dem ofachen Volum Alkohol versetzt;
der Eiweißniederschlag wird abfiltriert und mit Alkohol gewaschen. Filtrat
und Waschflüssigkeit dampft man znr Trockene ein; den lUickstand zieht
man mit Alkohol aus, verdunstet diese Lösung wieder und löst den Kück-
stand in Wasser (möglichst wenig). Auf Zusatz von konzentrierter reiner
HNO3 waren Kristalle von salpetersaurem Harnstoff nicht zu erhalten;
auch Merkurini trat gab nur eine ganz unbedeutende Trübung.
Die Angaben über den Cholingehalt der Zerebrospinalflüssigkeit
sind sehr widersprechend. Die differenten Hesultate hegen sicher nicht an
kleinen Verschiedenheiten der Methodik, sondern sind zweifellos dadurch
zu erklären, daß Cholin bei gewissen Krankheiten auftritt, bei anderen da-
gegen nicht. In normaler Zerebrospinalflüssigkeit scheint es zu fehlen,
wenigstens macht Nmvratzki über seinen Nachweis in der Z.-Flüssigkeit
von Kälbern keine Angaben.
Donath verfährt zum Nachweis von Cholin in der Z.-Flüssigkeit
von Epileptischen in folgender Weise ^) :
20 — 'i)0 cm'^ der Flüssigkeit werden mit O'ö — 1 cni^ einer ö" oig^"»
reinen Lösung von NaaCOs versetzt, um Kalzium, Magnesium und Eisen
zu entfernen. Das Filtrat von diesem Niederschlag wird im Wasserbad znr
Trockene verdampft und der Rückstand mit absolutem Alkohol aufgenom-
men. Diese Lösung wird mit einigen Tropfen HCl eben angesäuert und
wieder zur Trockene verdunstet. Den Piückstand. der neben Cholinehl(U--
hydrat auch noch anorganische Chloride enthält, löst man zur Abtrennung
eben dieser anorganischen Chloride wieder in absolutem Alkohol und ver-
setzt diese Lösung mit einer alkoholischen Lösung von riatinchloridehlor-
wasserstoff. Der Niederschlag wird abfiltriert, mit Alkohol uewasclien, ge-
trocknet und gewogen.
Donath löst dann die Kristalle in Wasser, läßt die Lösung laui^sam
verdunsten und sucht die Kristalle noch auf Grund ihres Lichtbrechungs-
*) Siehe Anni. 3, S. 218.
-) 7'/i. Panzer, Zur Kenntnis der Zerebrospinalflüssigkeit. Wiener klin. Wochenschr.
1899. 80.-) 7.
■') J. Donath, Detection of thc ( holiiu' in tlie cprebrospinal fluid by means of
tlie Polarisation niicroscope. Jouni. of Physiol. 33. 21119 (1905/06). — Siehe auch
./. Donath, Yorkomnion und Boiioutung des Cholins in der Zerebrospinalflüssigkeit etc.
Zeit.-chr. f. physin], ( hrmie. 39. .Ö2() 44 (1903).
220 E. Letsche.
Vermögens (Doppelbrechung) und ihrer chromatischen Polarisation zu cha-
rakterisieren.
Gumprechf^) verfährt in ganz ähnlicher Weise, begnügt sich aber
nicht mit der Isoüerung der Platindoppelverbindung, sondern zerlegt diese
mit H.,S. filtriert den Niederschlag ab und prüft noch mit Hilfe einiger
weiterer Reaktionen auf Cholin. (JK gibt Nadeln und lichtkaffeebraune
Prismen, AuCIg gibt Kristalle, Phosphormolybdänsäure gibt Fällung usf.)
Rosenheiiii^) unterläßt die etwas mühsame Isoherung und Pieinigung
der Platinverbindung und gibt zu einer Probe des Rückstandes von der
AlkohoUösung, wie sie zur Isolierung der Platinverbindung gewonnen wird,
eine starke Lösung von Jod in Jodkalium. Dabei bilden sich die charak-
teristischen Kristalle von Cholinperjodid.
h) N-freie Extraktivstoffe.
Guniprecht^) isoliert Milchsäure aus Z.-Flüssigkeit , indem er
diese mit Schwefelsäure ansäuert, mit Äther die saure Lösung wieder-
holt ausschüttelt, den Äther verdunstet und den Rückstand in wenig
Wasser aufnimmt. Mit dieser Lösung sollen dann die Milchsäurereaktionen
angestellt werden.
Lehndorf und Batiingarien*) schütteln die angesäuerte Zere-
brospinalflüssigkeit ebenfalls mit Äther aus; sie verdunsten dann den
Äther und nehmen den Rückstand in Wasser auf. Sie machen dann weiter
folgende Angabe: ..Ferner suchten wir die Identität der Milchsäure durch
die Abspaltung des Aldehyds und Überführung desselben in Jodoform fest-
zustellen. Den sicheren Nachweis aber erbrachten wir durch die Darstel-
lung der charakteristischen Zinklaktatkristalle und durch deren Analyse."
Nähere Angaben über die Methodik fehlen.
Eine eingehende Beschreibung zur Isolierung von Milchsäure aus
Zerebrospinalflüssigkeit gibt Lockemann^), dessen Verfahren bei den Me-
thoden zur Untersuchung des Serums beschrieben ist.
5. Anorganische Bestandteile.
Zur Bestimmung der Asche der Zerebrospinalflüssigkeit dampft
man eine gemessene (oder gewogene) Quantität der Flüssigkeit in gewogener
Schale ein. Handelt es sich zugleich um eine Trockensubstanzbestim-
*) Gumpt-echf, Cholin in der normalen u. pathol. Spinalflüssigkeit etc. Verhandl.
d. Kongr. f. innere Med. ^Viesbaden 1900. S. 326/48.
-) 0. Kosenheim, Choline on the cerebrospinal fluid. Journ. of Phvsiol. 35.
465/72 (1906/07).
^) Gumprecht, siehe oben bei 1.
*) H. Lehndorf und Ä. Baumgarten, Zur Chemie der Zerebrospinalflüssigkeit.
Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther. 4. 330/55 (1907).
^) Lockemann, Über den Kachweis von Fleischmilchsäure im Blut, Urin und
Zerebrospinalflüssigkeit eklamptischer Frauen. Deutsche med. Wochenschr. 53. 299
(1906). Siehe auch S. 195.
ö
Methoden zur Aufarbeitung der Zercbrospiualf lüssigkcit in ihre einz. Bestandteile. 22 1
mun^-, SO wird man zunächst bei llU" trocknen und wiipfon. Danach ver-
ascht man und wägt wieder. Dai)ei empfiehlt es sich, bei nicht allzu hoher
Temperatur die Veraschung auszuführen und eine Spirituslampe statt der
Gasflamme anzuwenden, da das Gas infolge seines S-Gehaltes vielfach die
Ursache ist, daß der HaSO^-Gehalt /u hoch gefunden wird.
Handelt es sich um die Bestimmung einzelner anorganischer Bestand-
teile, so kann man zur Bestimmung der Hg 1*0 1 nach Donath^) in fol-
gender Weise verfahren: Man kocht nach dem Ansäuern mit verdünnter
Essigsäure die Flüssigkeit auf, filtriert von dem Niederschlag ab und fällt
die Phosphorsäure mit molybdänsaurem Ammonium. Die weitere Behand-
lung des Niederschlages geschieht in der von Neumami angegebenen Weise
auf titrimetrischem Wege. '•^)
Den Gehalt an Chloriden bestimmten Lanc/aw und Hulpeni^) mit
Hilfe der Methode von Volhard-Salkowski zweifellos in der einfach nur
verdünnten Zerebrospinalflüssigkeit, wie dies auch v. Hösslin*) am Serum
ausführte.
Die Alkalimetalle bestimmt man entweder nach den Angaben von
Nawratzli oder nach dem Verfahren von Halliburton.
Nawratzki ^) verascht die eingedampfte Zerebrospinalflüssigkeit und
löst den Bückstand in einigen Tropfen HCl; diese Lösung wird mit XH^
alkalisch gemacht und ein hierbei auftretender Niederschlag von Phos-
phaten abfiltriert: das Filtrat wird mit Ammonoxalat versetzt, der Nieder-
schlag durch Filtrieren entfernt, das neue Filtrat mit IJafOH). im Cber-
schuß versetzt , der Niederschlag von Barvumoxalat ai)filtriert , aus dem
Filtrat der Baryt durch H0SO4 entfernt und nach der Entfernung des
BaSO^ dieses Filtrat unter Zusatz von (NH4)2C03 eingedampft, gelinde
geglüht und gewogen. Der Bückstand, der aus einem Gemenge von
KsSO^ + NaoSOi besteht, wird in wenig HoO gelöst, diese Lösung mit
HCl angesäuert und aus ihr, nachdem man zum Kochen erhitzt hat, die
H2SO4 durch vorsichtigen Zusatz von BaCL entfernt. Einen etwaigen
Überschuß von BaCU entfernt man durch wenige Tropfen sehr verdünnter
H2 SU4.
Das Filtrat wird nach dem Einengen mit Platinchloridlösuug versetzt,
die Lösung unter Zusatz von konzentrierter HCl bis fast zur Trockene
abgedampft und mit starkem Alkohol übergössen. Das auf diese Weise
isoUerte KoPtClß wird auf gewogenem Asbestfilter gesammelt, getrocknet
und im Ho-Strom reduziert. Nach dem Ausziehen des KCl wägt man das
*) J. Donath, Der Phosphorsäuregehalt der Zerebrospinalflüssigkeit. Zoitschr. f.
physiol. Chem. 42. 141 48 (10U4).
^) Das Nähere siehe dieses Handbuch. Bd. 1. 419 (1909).
^) Landau und Ualpern, Beitrag zur Chemie der Zerebrospinalflüssigkeit. Bioch.
Zeitschr. 9. 72 (1908).
•■) Siehe den Artikel über Blut. S. 201.
5) Nawratzki, Zur Kenntnis der Zerebrospinalflüssigkeit. Zeitsoiir. f. physiol. Chem.
23. 5:J2 (1897).
222 E. Letsche. Methoden zur Aufarbeitung der Zerebrospinalflüssigkeit etc.
Platin, berechnet hieraus den Kaliumgehalt und hat damit die Möglich-
keit, aus dem Gewicht des Gemenges A'on Na., SO4 + K, SO4 auch das Na-
trium zu errechnen.
Das Verfahren von Halliburton'^) ist etwas einfacher und
kürzer :
Etwa 300 cm^ Z.-Flüssigkeit werden in einer Platinschale im H., 0-
Bad eingetrocknet; der Rückstand wird auf dem Wasserbad 2 — Smal mit
rauchender Salpetersäure zur Trockene eingedampft — um die organische
Substanz zu zerstören — und der Rückstand ebenfalls 2 — 3mal mit kon-
zentrierter HCl eingedampft, um die Nitrate in Chloride überzuführen. Zur
Lösung dieser Chloride fügt man Ba(0H)2 bis zu eben alkaUscher Reak-
tion, um Kalk, Magnesia und Phosphorsäure zu entfernen. Man filtriert,
wäscht den Niederschlag gut aus (mit heißem Wasser), engt Filtrat und
Waschwasser auf dem Wasserbad ein und entfernt geringe Mengen Ba(OH)o
mit Hilfe von (NH4)2C03. Ist das BaCOj durch Filtrieren entfernt, dann
dampft man das Filtrat in einer Platinschale zur Trockene ein, erhitzt
den Rückstand auf Dunkelrotglut, um eventuell noch vorhandene Spuren
organischer Substanz und die Ammonsalze zu entfernen. Der Rückstand
wird gewogen und dann in HoO gelöst; aus dieser Lösung fällt man in
bekannter Weise das KaUum als luPtClo und wägt dieses entweder direkt
oder nachdem man wie oben Pt aus dem KaPtClg hergestellt hat.
Hat man nur die Aufgabe, Kalium allein zu bestimmen, so mag
man die von Myers 2) angegebene Methode anwenden, die darauf beruht,
daß Kaliumsalze mit Na3Co(N02)6 schwer lösUches K3Co(N02)6 geben,
daß man mit Kaliumpermanganat diese Verbindung oxydiert und mit
Hilfe von Oxalsäure den hierzu nötigen Verbrauch an Permanganat
feststellt.
*) W. D. Hallibtirton, On the cerebrospiual fluid. Journ. of Phvs. 10. 232 58
(1889).
^) F. C. Mijers, The cerebrospinal fluid in certain forms of iusanitv, with special
reference to the content of potassium. Journ. of biol. Chemistry. 6. 115/31 (1909).
Die ßlutgeriiiiiung.
Von P. 3Iorjnvitz, Freiburg' i. B.
I. Einleitung.
Eine Besprechung der Methoden , die zum Studium und zur Auf-
klärung des Vorganges der Blutgerinnung dienen, ist insofern keine ganz
leichte Aufgabe, als die theoretischen Vorstellungen über das Wesen dieses
Prozesses auch heute noch — trotz zalilreicher Fortschritte — recht weit
auseinandergehen. Dieser Umstand bi-ingt es mit sich, dalj auch das
methodische Vorgehen der einzelnen Autoren sehr verschieden ist. Es iril)t
auf diesem Gebiete nur wenige Verfahren, die allgemeine Anerkennung
finden. Vielfach schafft sich jeder l'ntersucher seine eigene Arbeitsmethode
oder er paßt sie seinem Gedankengange au, indem er das \'orgehen älterer
Beobachter modifiziert.
A. Neuere Anschauungen über Blutgerinnung,
Es erscheint mir notwendig, dem methodologischen, rein technischen
Teil eine kurze theoretische Erörterung der modernen Vorstellungen über
das Wesen des Gerinnungsvorganges vorauszuschicken. Sonst müssen die
späteren Ausführungen vielfach unverständlich bleit)en. Eingehend ist die
Theorie der Blutgerinnung bei Leo Loch^) und Monurit::-) besprochen.
Man kann den Gerinnunusvorgang zweckmäüig in zwei Phasen ein-
teilen : Die erste Phase umgreift alle \'eränderungen, welche die eigentliche
GerinnuniT, den Übergang des Fibrinogens in Fibrin, vorbereiten.
Über die einzelnen Vorgänge während dieser ersten Phase ist man
sich noch durchaus nicht einig. Alexander ScJnnidt^) betrachtet die Ge-
rinnung als einen fermentativen Vorgang. Nach seiner Ansicht besteht
die erste Phase des Prozesses in allen Veränderungen, die im Blute die
*) L. Loch, Neuere Arbeiten über die BlutgeriiiimniLr etc. Ridclimu. /.Mifr:illil \ I.
SA. (1907).
^) Moraivitz, Die Geriunnng des Blutes. Oppenheimers Haiidb. d. Binoiieiuie. Hd. 2.
2 (1908).
*) Alexander Schmidt, Zur Blutlehre. Leipzig 1892 niid W oitori' Beiträge zur
Blutlchre. Wiesbaden 1895.
224 P- Morawitz.
Entstehung von Fibriiifermeiit veranlassen. Das strömende Blut (inner-
halb der Gefälle) ist frei oder doch nahezu frei von Fibrinferment. Aus
diesem (irunde bleibt es auch im lebenden Organismus flüssig. Erst wenn
Blut in vitro oder in vivo in Kontakt mit benetzbaren Fremdkörpern
kommt — auch die tote oder veränderte GefälUvand kann als Fremdkörper
wirken — . werden die Veränderungen eingeleitet, deren Folge die Bildung
von Fibrinferment (Thrombin, Thrombase)' ist. Welches sind nun diese
^'orgäng(' V Alexander Schmidt hat seine eigenen Ansichten über diese
Frage im Laufe seiner Untersuchungen mehrfach verändert. Es wird ge-
nügen, hier die von ihm in seinen letzten Arbeiten niedergelegte Theorie
wiederzugeben. Diese gipfelt darin, daß die Bildung von Fibrinferment ein
zellulärer Vorgang ist, respektive daß die zelligen Elemente des Blutes
wie auch der übrigen Körperflüssigkeiten sich an der Gerinnung beteihgen.
Nur durch ein Zusammenwirken von Zellen — Schmidt denkt in erster
Linie an Leukozyten — und Plasma kann Fibrinferment entstehen. Im
Plasma findet sich nämlich eine unwirksame Vorstufe des Thrombius, ein
Prothrombin. Aus den Blutzellen treten unter geeigneten Bedingungen
(Berührung mit Fremdkörpern!), vielleicht auch nach Zerfall von weißen
Blutkörperchen, zymoplastische Substanzen in das Plasma aus, die
das Prothrombin in den aktiven Zustand überführen. Geringe Giengen
zymoplastischer Substanzen sollen allerdings auch schon im zirkulierenden
Plasma gelöst vorhanden sein , doch ist ihre Wirkung durch einen noch
unbekannten Mechanismus gehemmt. Das Fibrinferment oder Thrombin
entsteht demnach durch das Zusammen- oder Aufeinanderwirken zweier
Körper, von denen der eine ursprünglich dem Plasma angehört (Pro-
thrombin), der andere (zymoplastische Substanz) vorwiegend den Blutzellen
entstammt. In ähnlicher Weise wie zymoplastische Substanzen soll auch
eine vorübergehende Erhöhung der Alkaleszenz des Plasma (durch Zusatz
von —Na OH) die LImwandlung von Prothrombin in wirksames Thrombin
befördern.
Nach dieser von Schmidt entwickelten, hier nur in groben Zügen
skizzierten Anschauung ist also die Schnelligkeit der Fermententwicklung
im wesentlichen abhängig von dem Umfange der Schädigungen, denen
die zeUigen P^lemente des Blutes unterworfen sind. Je größer die Be-
rührungsfläche des Blutes mit Fremdkörpern ist, je rauher und unebener
diese selbst sind, um so schneller und ausgiebiger wird sich die Abgabe
zymoplastischer Substanzen, mithin also die Bildung der Thrombase, voll-
ziehen müssen.
Dieser Auffassung von der ersten Phase des Gerinnungsvorganges
wurde durch Arthus^) alsbald eine andere gegenübergestellt. Arthns und
Pages-) entdeckten die Bedeutung der Kalksalze für den Gerinnungsvor-
•) Arthns, Recherches sur la coagulation du sang. These de doct. Paris 1890.
■-) Arfliiis und Paffes, Nouvelle tlieoiie chimique de la coagulation du sang.
Arch. de Physiol. T. 22. 739—746 (1890).
Die Blutgeriniunig. 095
gang. Ohne Kcalksalze keine Gerinnung I Dieser Satz wurde bald von vielen
Seiten bestätigt. Während al)er Art/ms und I'chtlharlmj'^) im Zweifel
waren, an welcher Stelle die Kalkwirkiing einsetzt — sie dachten speziell
auch an die Bedeutung der Ca-lenen für die fbcrfiihrung des Fibrinoi^cns
in Fibrin — . ergibt sich aus den Arbeiten Haiiini(iysff)is-) mit Sicherheit
Folgendes: Ionisierte Kalksalze sind während der ersten l'liase des (Je-
rinnungsvorganges notwendig, sie ermöglichen die Umwandlung der unwirk-
samen Vorstufe des Fibrinfermentes, des Prothrombins, in aktives Thrombin.
Dagegen kann die zweite Phase der Gerinnung, die Reaktion zwischen
fertigem Thrombin und Fibrinogen, auch bei Abwesenheit ionisierter Kalk-
salze ablaufen.
In dieser Lehre, die sich aus den Arl)eiten von Artlius, l'ckdharhKj
und besonders H(t)iin(arsfen ergibt, haben die zymoplastischen Substanzen
Schmidts keinen Platz mehr gefunden. Die beiden Vorstelluni:sr(!ihen standen
sich bis vor wenigen Jahren ziemlich unvermittelt gegenüber. (Nebenbei
mag hier erwähnt werden, dalj die Lehre von den zymoplastischen Sub-
stanzen im ganzen recht wenig bekannt war und demgemäß auch wenig
diskutiert wurde.) Nach Schmidt, der übrigens die liedeutung der Kalk-
salze überhaupt bestreitet, wäre das Prothrombin im Plasma enthalten, die
zymoplastischen Substanzen hingegen stammten vornehndich aus den P>lut-
zellen. I)emgegenül)er wird nach Arthu.s und Hammarsten gerade das
Prothrombin von den Zellen geliefert und trifft im Plasma auf Kalksalze,
die dann die w^eitere Umwandlung in wirksames Thrombin übernehmen.
Versuche, die hier vorliegenden Widersprüche aufzuklären, sind von
Fuld und Spiro^) und Moraicitz*) unternommen worden. Ihre Arbeiten
führten etwa zu folgenden Ergebnissen : Sicher sind Kalksalze für die Ent-
stehung des Thrombins erforderlich. Insofern behält Arflius recht. Aber
die Anschauungen A. Schmidts sind hiermit nicht unvereinbar. Zahlreiche
Erfahrungen weisen darauf hin . dab aulier den Kalksalzen mindestens
zwei fermentähidiche Körper zur Entstehung des Thrombins beitragen :
Die eine findet sich bereits im zirkulierenden Plasma und entspricht dem
Prothrombin Schmidts. Es ist von Morawitz und Nolf'>) Thromboi^en
genannt worden. Der andere Körper stammt nach Fuld-Spiro und Mora-
witz vornehmlich aus den zelligen Elementen des Blutes. Wahrscheiidich
ist er in erster Linie ein Derivat der IMutpliittchen, vielleicht auch der
Leukozyten. Er tritt erst extravaskulär auf gewisse Reize hin aus ilen
^) Pekelharing, Über die Bedeutung der Kalksalze für die Gerinnung des Bhites.
Internat. Beiträge f. Bud. l'trclioics- Festsclirift. I (1891 1.
^) Hammarsten , Über die Bedeutung der bislicben Kalksalzc für die Faserstoff-
gerinnung. Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 22. 8.333(1896). — Derselbe: Weitere
Beiträge zur Kenntnis der Fibrinbildung. Zeitschr. pliysiol. Cheni. Bd. 28. S. 98 (1899).
') Fuld und Spiro, Der Einfluß einiffer irerinnungslioniinemlen Agentien auf das
Vogelplasma. Jlofmcis-tcrs Beiträge. Bd. 5. S. 171 (1904).
■•) Morawitz, Die Chemie der Blutgerinnung. Ergebnisse d. Physiol. IV. S. 307 (19(t.'»).
^) Xolf, Coiitributidii h IV-tudc de la cohlmiI. du sang. 3"' memoire. .\rrh. inti-rnut.
do rhysiologie. VI. IL 1 (1908).
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmotbnden. V. 15
226 P- Morawitz.
Zellen in das Plasma über. Wie man sieht, entspricht Herkunft und
Wirkungsweise dieses Körpers durchaus dem der Schmidtschen zymo-
plastischen Substanzen. Man könnte ihn unbedenklich mit diesen identi-
fizieren, wenn nicht die gerinnungsbef ordernden Stoffe der Zellen nach
Fuld und Moraicitz ganz andere chemische Eigenschaften hätten, als sie
Schwidt seinen zymoplastischen Substanzen zuschreibt. Letztere sollen
alkohollöslich und hitzebeständig sein, während die Thrombokiuase ferment-
ähnlich ist, also sehr labil gegen chemische Einflüsse verschiedener Art,
besonders gegen hohe Temperaturen. Es erscheint daher berechtigt, die
Thrombokinase nicht kurzerhand den zymoplastischen Substanzen gleich-
zusetzen.
Hiernach hätte man sich die erste Phase der Gerinnung folgender-
maßen zu denken: Verläßt Blut das Gefäßsystem, treten seine geformten
Elemente in Kontakt mit benetzbaren Fremdkörpern, so erfolgt eine Ab-
gabe von Thrombokinase in das Plasma. Dieses enthält bereits Throm-
bogen und ionisierte Kalksalze, nach Nolf^) auch schon eine gewisse
Menge Thrombokinase (Thrombozym). Durch ein Zusammenwirken der drei
Faktoren entsteht Thrombin.
Wahrscheinlich ist der Ablauf der Erscheinungen aber noch kompli-
zierter, als das nach den eben gegebenen Ausführungen scheinen mag.
Zunächst dürften nach Loeh -) und Murasdww 3) u. a. gerinnungshemmende
Körper eine, einstweilen allerdings noch Avenig geklärte PioUe spielen.
Vielleicht sind sie für den flüssigen Zustand des Blutes von Bedeutung.
Hiernach wäre das strömende Blut in erster Linie deshalb flüssig,
weil Thrombokinase entweder gar nicht oder doch in zu geringer Menge
in das Plasma übertritt, so lange das Blut innerhalb lebender Gefäße
weilt. Aber auch bei der Gerinnung in vitro scheint in der Regel nur ein
Teil des gesamten Thrombogenvorrates in Thrombin übergeführt zu werden.
Durch Zusatz von Thrombokinase zu Blutserum (also nach vollendeter
Gerinnung) kann man die Bildung neuer, oft sehr beträchtlicher Thrombin-
mengen hervorrufen.
Indessen scheinen auch diese zuletzt wiedergegebenen Untersuchungen
und Theorien noch nicht allen bisher beobachteten Tatsachen gerecht zu
werden. Auch heute noch bestehen Meinungsverschiedenheiten über die
wichtigsten Fragen der Gerinnungslehre.
Zunächst werden die beiden wichtigsten Tatsachen, die man Alexander
Schmidt verdankt, neuerdings energischer als früher bestritten. Das ist
die fermentative Natur des Gerinnungsvorganges auf der einen, die Beteili-
gung und ausschlaggebende Piolle der Blutzellen auf der anderen Seite.
') liolf, 1. c.
^) Loeb, Versuche über einige Bedingungen der Blutgerinnung etc. Virchou-s
Arch. Bd. 170. S. A. (1904).
') Murascheir , Über die Spezifizität des Fibriufermentes und seiner Vorstufen.
Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 80. S. 187 (1904).
Dio Blutgerinnung. 227
Schon vor langer Zeit hat Wooldridge^) auf (irund von Vorsuchon
an Peptonplasma behauptet, die Geriiuiunf? sei ül»erhaupt kein fernwu-
tativer Prozeß, sondern Ausdruck der NCrhindunir zweier Fihrin()ü:eno, also
der fjegenseitiL^en Fälhin;;' zweier Kolloide. l)i('se, das A- und B-l'ihrinogen.
finden sich schon im strömenden Pdute. Das Plasma selbst enthalt also
schon von vornherein alles, was zur (lerinnun«.^' erforderlich ist. Inner-
halb lebender Gefäße bleibt es aber trotzdem flüssig, da gewisse, unbe-
kannte Faktoren die Vereinigung der beiden Fibrinogene hindern.
Nolf^) hat neuerdings diese Theorie in stark veränderter l'orm
wieder aufgenommen und den neugewonnenen P)efunden angopalU. In vielen
F'ragen nähert er sich den Anschauungen von Fuld-Spiro und Mormritz.
Indessen bestreitet er die Fermentnatur des Gerinnungsvorganges, (ierinnung
entsteht vielmehr durch gegenseitige Fällung mindestens dreier Kolloide, die
in zwei Phasen vor sich geht: Zunächst vereinigen sich bei gleichzeitiger
Anwesenheit ionisierter Kalksalze Thrombogen und Thrombozym (letzteres
entspricht ungefähr der Thrombokinase anderer Autoren). Dann erfolgt die
Fällung des Fibrinogens. Alle zur CJerinninig notwendigen Substanzen finden
sich schon im zirkulierenden Plasma. Allerdings enthalten auch die Zellen
des Blutes und der Gefäßwände Throml)ozym, das wahrscheinlich ebenfalls
in das Plasma übertritt. Sc/uin'dfs Fibrinferment ist nach Nol/ nicht Vr-
Sache, sondern Produkt der Gerinnung. Innerhalb lebender Gefäße bleibt
Blut nicht deswegen flüssig, weil ihm ein für die Gerinnung notwendiger
Faktor (etwa Thrombozym) fehlt, sondern vornehmlich deswegen, weil die
drei Kolloide an sich nur geringe Neigung haben miteinander zu reagieren.
Ihre Vereinigung erfolgt erst unter dem Einfluß gewisser thrombo-
plastischer Substanzen mit größerer Geschwindigkeit. Die Zahl solcher
Substanzen , die für die Gerinnung nicht absolut erforderlich sind . sie
aber doch in hohem Grade befördern, ist sehr groß. Alle Gewebe, jedes
Protoplasma enthält sie. Dagegen ist das Thrombozym nur den Zellen des
l>lutes und der Gefäßwände eigen. Auch Berührung mit Fremdkörpern
verschiedener Art wirkt thromboplastisch. Gewebsextrakte enthalten meist
ein Gemisch von Thrombozym (Thrombokinase) und thromboplastischen
Substanzen, die etwa den zymoplastischen Substanzen A. Schmidts ent-
sprechen. Gelingt es, Gewebszellen ganz frei von Blut und Gefäi'en zu ge-
winnen (z.B. Sperma), so kann man in ihnen nur thromboplastLsehe Sub-
stanzen, nicht aber Thrombozym nachweisen.
Die Bedeutung thromboplastischer Wirkungen energisch betont zu
haben, ist iVo//5 Verdienst. Indessen kannte man solche Wirkungen schon
früher: Bordcf und Gengou'^) fingen Blut in paraffinierten Gefälk'u auf.
') Wooldridye, Die Geiiiinun': des liliitcs. l»outscli von J/. r. Frei/, l.cipziir IHKl.
^) Xolf, Contribution ä lY'tude de la coagulation du sang. 3* ni«?moire. Arcli.
internat. de riiysiol. VI. II. 1 (l'JOS).
^) Bordi't-dctuioK , Recherclies sur la coagulation du sanir. Ann. Instit. /'(/-'"»■
Bd. 17. S. 822. (H)03).
15*
228 P- Morawitz.
entfernton die zelligen Elemente durch die Zentrifuge und gewannen ein
völlig zellfreies Plasma. Dieses blieb flüssig, so lange es in paraffinierten
Gefaijen verweilte. Füllte man es aber in ein Glasgefäß mit benetzbaren
AVänden. so erfolgte schon in kurzem Gerinnung. Hier hatte also das
Plasma sicher .schon alles zur Gerinnung Notwendige enthalten. Aber die
gerinnungserzeugenden Substanzen konnten erst dann miteinander reagieren,
als durch Einführung einer benetzbaren Fläche ein thromboplastisch
wirkender Faktor gegeben war.
In dieselbe Kategorie gehören auch vermutlich einige Beobachtungen
am ..Peptonplasma" ; dieses gerinnt spontan gar nicht oder doch nur sehr
langsam. Dagegen läßt es sich meist durch Verdünnen mit destilliertem
^Vasser oder durch leichtes Ansäuern zur Gerinnung bringen.
Zu wesentlich anderen Vorstellungen als die übrigen Beobachter ist
Leo Loeh^) gekommen. Er ging von der Untersuchung der Blutgerinnung
bei Wirbellosen aus, bei denen die Verhältnisse viel einfacher liegen.
Bei ^ielen Wirbellosen beobachtet man überhaupt keine eigentliche Ge-
rinnung sensu strictiori. Die Blutstillung geschieht lediglich durch Agglu-
tination der amöboiden Zellen des Blutes, die sich zusammenballen, ver-
filzen und hierdurch einen Verschluß des blutenden Gefäßes bewirken.
(Übrigens läßt sich ein analoger Vorgang auch bei Wirbeltieren überall
nachweisen. Kurz vor der Gerinnung tritt eine auch schon makroskopisch
sichtbare Agglutination von Leukozyten und Blutplättchen ein.) Meist be-
schränkt sich bei Wirbellosen der Gerinnungsvorgang auf diese Aggluti-
nation. Ein fibrinogenähnlicher Eiweißkörper existiert nicht. Einige Deka-
poden zeigen aber Verhältnisse, die der Wirbeltiergerinnung an die Seite
zu stellen sind. Es tritt bei ihnen nämUch eine Art von zweiter Gerinnung
ein, die durch Unlöslichwerden eines Fibrinogens entsteht. Zwei Gruppen von
Substanzen veranlassen diese zweite Gerinnung: erstens das Thrombin
und zweitens in den Geweben enthaltene Koaguline. Loeb ist nicht der
Ansicht, daß die Koaguhne als Kinasen Avirken, er denkt daran, daß sie
auch bei Wirbeltieren direkt am Fibrinogen angreifen. Die Gewebskoaguline
würden also prinzipiell ähnlich wirken wie Thrombin. Immerhin darf man
beide Körper nicht identifizieren, denn das Thrombin ist auch bei Abwesen-
heit von Ca-Salzen wirksam, es bedarf ihrer nur zu seiner Entstehung. Die
Koaguline wirken dagegen nur bei Gegenwart von Ca-Ionen. Das Thrombin
ist ferner in der Wirbeltierreihe nicht spezifisch adaptiert, die Gewebs-
koaguline zeigen ausgesprochene Spezifität. Verschiedenartige Substanzen
besitzen also hiernach die Fähigkeit, Fibrinogen in Fibrin umzuwandeln.
Im übrigen hebt Loeb mit Recht hervor, daß heute jeder Theorie der Blut-
gerinnung bei der außerordentlichen Komplikation der Erscheinungen und
der Unmöglichkeit, mit reinen Körpern zu arbeiten, eine gewisse Un-
sicherheit anhaften muß.
') L. Loeb, siehe die zusammenfassende Darstellung im Biochemischen Zentralbl.
VI. S. A. (1907).
Die Blutgerinnung. 229
Kndlicli maff!; not'li bemerkt werden, daß neuerdiniis Houell^\ und
Bettcjer-) den gerinnunf^shefürdernden Substanzen der Zellen und Oewebe
überhaupt jede gröl5ere liedeutunj^' für die Entstehung des Thronibins ab-
sprechen. Zusatz von Gewebsextrakten soll nicht anders wirken , als der
irgend welcher indifferenter Substanzen mit großer Oberfliiche (Kohle,
Glaspulver etcj. Wie sich hiermit die von Loch u. a. nachgewiesene Spezifität
der Extrakte in Einklang bringen lälit, scheint mir unverstiindlich. Es
gehen also die Anschauungen noch recht weit auseinander. Zum \'er-
ständnis der hier gegebenen methodologischen Darstellung mag aber
Folgendes betont werden : P^in hoher Grad von Wahrscheinlichkeit spricht
dafür, daß das Thrombin durch Zusammenwirken mindestens dreier Fak-
toren entsteht. Zwei, nämlich Thrombogen und Kalksalze, finden sich
sicher schon im zirkuliei'enden Plasma, die Thrombokinase (oder das
Thrombozym Xolfs) wird wohl vorwiegend erst extravaskulär von den ge-
formten Elementen an das Plasma abgegeben. Verschiedene Einflüsse, be-
sonders Berührung mit Fremdkörpern, sind im Stande, die Entstehung des
Throml)ins zu beschleunigen. Diese Erscheinung wird nur zum Teil da-
durch erklärt, daß die Zellen bei ausgedehnter Bezeichnung mit Fremd-
körpern schneller zerfallen, respektive zur Abgabe der ihnen entstammenden
gerinnungsbefördernden Stoffe veranlaßt werden. Sicher ist der Einfluß
der Berührung mit Fremdkörpern auch noch ein anderer: nach Erfahrungen
von Bordet-Gengou und Xolf befördert sie auch die (ioriimnng des zell-
freieu Plasma.
Sehr wenig ist über die zweite Phase der (ierinimng. die Cber-
führung des Fibrinogens in Fibrin, bekannt. Möglicherweise handelt es sich
um eine Spaltung des Fibrinogenmoleküls, wie Heuhner^) vermutet. Das
Fibrinogen soll dabei in Fibrin und das von Hammarsün*) entdeckte
Fibi-inglobuliu gespalten werden. Letzteres ist löslich und im Serum nach
vollendeter Gerinnung nachweisbar. 'SRch Huiskainj)^) ist es aber gar nicht
erforderlich, das Fibringlobulin als eine für die (lerinnung wichtige Sub-
stanz anzusehen. I)<'nn es gelingt durch Fällung mit Fluornatiium Fibrinogen-
lösungen zu erhalten, die frei von Fibringlobulin sind. Dieses entsteht
daher wahrscheinlich nicht erst während der Gerinnung, sondern ist schon
von vorneherein in den Fibrinogenlösungen enthalten, entweder als ein-
fache Beimengung oder in lockerer Verbindung mit dem Fii)rinogen.
Kurz nach vollendeter Gerinnung beginnt der Blutkuchen sich zu-
sammenzuziehen und läßt Serum austreten. Fiü- diese Retraktion des
*) Howell, The coagulatioii nt lilood. l'lic Clovclanil medic. Journ. Januar und
Februar (1910). S. A.
^) Kettger, The coagulation of hlood. Araeric. .)<mrii. of Tliysiol. Ndl. 1*4. p. 406
(11)09). S. A.
^) Heuhner, Die Spaltung des Fibrinogens bei der Fibringerinnung. Arcb. f. oxpcr.
Pathol. Bd. 49. S. 229 (1903).
") llammarsten, Über das Filjrinogen. Jylihfcrs Arcli. Bd. 22. S. 502 (18H0).
5) Huiskamp, Zur Fibringlolnilinfrage. Zoitscbr. physiol. Chemie. Bd. 44 (1905)
S. A. und Bd. 46 (1905). S. A.
230 ^- Morawitz.
Blutkiichons sind nach Le Sourd und Paf/niez^), Ärthus und Chapiros^)
u. a. die lilutplättclien nialjgebend. Das Fibrin ist zwar selbst elastisch,
indessen fehlt die Iletraktion stets im zellfreien Plasma. Die Elastizität
des Fibrins allein reicht also nicht aus. Ebenso soll die Retraktion bei
manchen Krankheiten (hämorrhagischen Diathesen) aufgehoben sein.
Fibrinolyse. Bisweilen, allerdings nicht gerade häufig, beobachtet
man eine Auflösung des Fibringerinnsels nach vollendeter Gerinnung. Hier
dürfte ein eiweiliverdauendes Ferment im Spiele sein, das nach Rulot ») u. a.
wohl den Leukozyten entstammt. Besonders intensiv ist die Fibrinolyse
bei experimenteller Phosphorvergif tung , nach gewissen Leberschädigungen
{Doi/on*), .Vo//») und im Leichenblute {Morau-itz% Wohlgemutlv). Starke
Fibrinolyse kann Fehler in der Deutung von Gerinnungsversuchen ver-
anlassen.
B. Allgemeiner Gang einer Untersuchung der Gerinnungsfähigkeit
des Blutes.
Zunächst ist die Gerinnungszeit mit einer der weiter unten be-
schriebenen Methoden festzustellen. Finden sich irgend welche Abweichungen
von der Norm, so hat man zu untersuchen, ob dafür das Substrat der
Gerinnung, das Fibrinogen, oder das Thrombin verantwortlich ist. Setzt
man zu dem gar nicht oder doch nur sehr langsam gerinnenden Blute eine
Fibrinogenlösuug und erweist sich diese schon in kurzer Zeit geronnen,
so liegt wahrscheinlich keine Störung in der Bildung des Thrombins vor.
Die Ursache der Gerinnungshemmung ist vielmehr in Änderungen des Ge-
rinnungssubstrates, seil, des Fibrinogens, zu suchen. Man wird dann prüfen
müssen, ob sich in dem mangelhaft gerinnenden oder ganz ungerinnbaren
Blute überhaupt noch Fibrinogen nachweisen läßt. Das geschieht z. B. durch
Zusatz von Ammonsulfat nach der von Reye^) (s. S. 271) beschriebenen Me-
thode. Die Erfahrung spricht dafür, daß ein Fehlen des Fibrinogens nur in den
allerseltensten Fällen als Ursache einer Gerinnungsstörung in Frage kommt.
Bleibt dagegen auch die dem Blute nachträglich zugesetzte Fibrinogen-
lösung ungeronnen oder gerinnt sie nur langsam, so müssen Störungen in
^) Le Sourd et Pagniez, Recherches sui' le rolo des plaquettes sanguines etc.
Journ. de Pbysiol. et de Pathol. gener. 15 jauvier 1909. T. 11. p. 1 — 11.
-) Arthus et Chapiros, Etudes sur la retraction du caillot sanguin. Arch. internat.
de Physiol. Mai 1908. Fase. III. p. 298.
^) Rulot, Interventioa des Leucocytes dans Tautolyse de la fibrine. Arch. internat.
de Physiol. T. 1 (1904). fasc. 11 et III.
•*) Doyen, Zahlreiche Beitr. in den Compt. rend. soc. Biol. Bd. 58 (1905).
^) Nolf, Lcs modifications de la coagiüation du sang chez le chien apres exstir-
pation du foie. Arch. intern, de Physiol. T. 3 (1905/06).
^) Moratvitz, Über einige postmortale Blutveränderungen. Hofmeisters Beiträge
Bd. 8 (1906). S. 1.
') Wohlf/emuth , Pathologische Fermentwirkuugen. Berliner kliu. Wochenschr.
Nr. 48 und 49* (1910).
®) Reije, Über Nachweis und Bestimmung des Fibrinogens. I.-D. Straßburg 1898.
Die Blutgerinuung. t)-«, 1
der P»ilfliiiig' und Wirkung? des Thromhins vorlieji-en. Diese sind duim im
einzelnen zu analysieren. Hier kommt Folf^endes in Betracht: rn}>:enü{^ende
Mentre des ThromI)ot!:ens im zirkulicrouden Plasma. Mangel an ionisierten
KalksalzfMi. ferner unzureichende Ilildung, respektive Alt^Mhe von Thromho-
kinase ('rhromhozym von Xolf) seitens der «ieformten Elemente. Kn<llich
können auch Antikörperwirkungen hemmend eintreten.
Sehr einfach gestaltet sich der Nachweis einer unzureichenden Kon-
zentration der Ca-Ionen. Zusatz mäliiger Mengen ionisierter Kalksalze muß
dann die Gerinnung beschleunigen respektive ermöglichen. Im anderen
Falle ist er wirkungslos. Bisher ist noch nichts Sicheres darüber bekannt,
ob Mangel an Kalksalzen überhaupt in der Pathologie irgendwo eine Bolle
als gerinnungshemmender Faktor spielt. Viel häufiger liegt die l'rsache
mangelhafter Gerinnung in Störungen der Entstehung respektive Wirkung
der Thrombokinase (z.B. bei der Hämophilie, bei hämorrhagischen Dia-
thesen Leberkranker etc.). Der Nachweis gelingt leicht: Zusatz von Thrombo-
kinase muL) in solchen Fällen prompte Gerinnung zur P'olge haben. Nur
sehr selten scheint Mangel an Thrombogen vorzuliegen , z. B. bei experi-
menteller Phosphorvergiftung. Dann wird weder Zusatz von Thrombokinase
noch von Kalksalzen imstande sein, die Gerinnungshemmung zu überwinden;
wohl kann aber das betreffende ])lut noch auf Zusatz fertigen Fibrinferments,
also z. B. auf Serumzusatz , gerinnen. Endlich wäre noch die Frage der
Gerinnungshemmung durch ., Antithrombine" zu erörtern. Man prüft auf
diese, indem man zu der zu untersuchenden Flüssigkeit steigende .Mengen
von Thrombin, z.B. Blutserum, setzt. Beruht die (ierinnungshemmung
teilweise oder ausschlielilich auf der Anwesenheit solcher Antithrombine,
so werden kleine Fermentmengen wirkungslos bleiben, größere dagegen
Gerinnung bewirken. Am einfachsten lassen sich diese Verhdtnisse am
Hirudin, der gerinnungshemmenden Substanz des Blutegels, studieren.
Wahrscheinlich kommen gerinnungshemmende Körper auch schon im nor-
malen Blutplasma vor.
II. Methoden zur Bestimmung der Gerinnungszeit.
A. Allgemeines und Fehlerquellen.
Unter (ierinnungszeit versteht man den Zeitiaum. den Blut außer-
halb der (iefäße bis zum Festwerden braucht. Die (ierinnungszeit ist keine
feststehende Größe. Sie ist von zahlreichen, zum Teil w(tliil)ekannten Fak-
toren al)hängig. Nur wenn man diese stets gleichmäßig zu g:estalten ver-
mag, darf man auf vergleichbare Werte rechnen. GerinnungsbestimuHingen.
die mit verschiedenen Methoden ausgefühit worden sind, können mitein-
ander nicht in Beziehung gebracht werden.
Folgende Momente beeinflussen die (ierinnungszeit:
1. Berührung mit benetzbaren Fremdkörpern kürzt die (ie-
rinnungszeit um so mehr ab, je größer die Berührungsfläche i.st. Eine
größere Blutmenge wird daher in einem (Jlasgefäße längere Zeit zur (»e-
232
P. Morawitz.
riiiiiunj^' brauchen als eine kleinere, bei der die mit den Glaswänden in
lierühnin;^' tretende Oberfläche verhältnismäßig groß ist. Aus demselben
Grunde l)esclileunigen Verunreinigungen und Rauhigkeiten der Oberfläche
des Glases den Gerinnungsablauf. Zu Gerinnungsbestimmungen müssen
daher stets gleichgroße Blutmengen \'erwendung finden, außerdem Glas-
gefäße von gleicher Größe, die vor Gebrauch sorgfältig (Wasser, Alkohol,
Äther) zu säubern und vor Verstaubung zu schützen sind.
FiR. 78
Min. 40
10
Einfluß der Temperatur
20 30
auf die Gerinnungszeit. (Nach Bärker.)
40° C.
2. Änderungen der Temperatur sind von großem Einfluß auf
die Gerinnungszeit. Die nebenstehende Kurve illustriert deutUch dieses
Verhalten (Fig. 78).
Gerade im Bereich der sogenannten Zimmertemperatur (15 — 20°)
sind Abweichungen von wenigen Graden sehr bedeutungsvoll, wie die
Kurve Biirkers ^) zeigt. Dasselbe ergibt sich auch aus den mit anderer
') Bürl-er, Ein Apparat zur Ermittlung der Blutgerinnungszeit. Pflügers Arch.
Bd. 118. S. 452 (1907).
Die Blutgeiiuiiiing. 9;^;.j
Methodik ausj^eführtcii Versuchen von Kottmann.^) Danach betrug die
Gerinnungszeit norniakMi nienschüchen 1 Hutes bei 40" zirka <J', bei 20"
mehr als 20'. Temperaturkonstanz ist also absolut eiiorderücli. Methoden,
die hierauf keine Kücksicht nehmen, bieten groi)e Fchlcniucilen.
;'). Ausgcih^hntere lierührung mit (lewcben {/.. W. der Wundfliiche)
und iUutgerinnseln kürzt die (Jerinnungszeit al). Wahrscheinlicii beruht
das zum Teil auf Abgabe von Thromi)okinase, respektive zymoplastischer
Substanzen von den zertrümmerten Geweben an das Illut. N'iellciciit werden
auch die Blutzelien selbst iieeinflußt. Fertiges Tiirombin, wie es sich z. B.
in lüutgerinnseln findet, verkürzt ebenfalls die (Jerinnungszeit, und zwar
viel stärker, als man das nach Maßgabe des geringen G(;haltes der Ge-
rinnsel an Fibrinferment erwarten sollte. Bordet und Gcnfjou-) nehmen
an, daß zugesetztes Fibrinferment durch einen Vorgang, der mit bekannten
autokatalytischen Prozessen in Parallele gesetzt werden kann, die schnelle
Bildung großer Fermentmengen im Blute auslöst. Ob diese Erkliirung zu-
treffend ist, steht noch dahin. Die starke Verkürzung der Gerinnungszeit
nach Zusatz von Blutgerinnseln ist aber unbestreitbar.
Für praktische, respektive methodische Zwecke ergibt sich hieraus:
Man soll Blut zum Zwecke einer Bestimmung der Gerinnungszeit möglichst
so entnehmen, daß keine Berührung mit Geweben stattfindet, d. h. also
durch \'enenpunktion. Falls aber das, wie so häufig beim Menschen, nicht
tunlich sein sollte, muß man stets die Tiefe des Einstiches in die Haut
möglichst gleichmäßig bemessen, auch jedes Pressen und jeden Druck in
der Umgebung der AVundränder vermeiden, um nicht durch Beimengung
von Gewebsflüssigkeit ganz unkontrollierbare \erhältnisse zu schaffen.
Endlich hat man dafür zu sorgen, daß die I>lutstropfen der "Wunde schnell
entquellen.
"Wunden, in denen sich bereits Gerinnsel gebildet haben, scillen
nicht noch einmal zur Blutentnahme für Gerinuungsbestimmungen benutzt
werden; denn die Blutstropfen, die mau dann erhält, gerinnen meist sehr
rasch. Dieselbe Vorsichtsmaßregel sollte auch im Tierversuch beobachtet
werden. Hat man in irgend ein Blutgefäß eine Kanüle eingebunden, so
sollte man diese nur einmal, nicht aber mehrfach zur Blutentnahme be-
nutzen, besonders wenn zwischen der ersten und zweiten Entnahme längere
Zeit verstrichen ist. Sonst wird man oft bei der zweiten Blutentnahme —
selbst wenn man die Kanüle inzwischen mit Kochsalzlösung ausgespritzt
hat — eine starke Beschleunigung der (lerinnung feststellen können, die
rein lokal bedingt ist und mit einer allgemeinen Änderung der (Jerinn-
barkeit gar nichts zu tun hat. Manche Versuche, besonders die älteren
Beobachtungen über die gerinnungsbefördernde Wirkung der (ielatine.
') KottiiKDui, Der Koagiilnviskosimeter etc. Zeitschr. f. kliii. Med. Bil. 69. S. 415
(1910).
-) Bortht-Gengou , Rech, snr la coagiilatioii du saiii;. 4önic niöin. .Sur lo pouvoir
coagulaiit du serum. Anu. de l'instit. Pasfcur. T. 18 (11)04). S. 98— 115.
234 ^- Morawitz.
leiden an diesem Mangel der Methodik. Man tut daher gut, im Tierver-
such die Blutentnalime an verschiedenen Stellen und stets mit unge-
brauchten, sorgfaltig gereinigten Kanülen auszuführen. Die durch Ein-
binden der Glaskanüle geschädigten Gefäßwandzellen können möglicher-
weise auch schon eine schnellere Blutgerinnung veranlassen.
4. Der Gasgehalt des Blutes ist nicht ohne Einfluß auf die Ge-
rinnungszeit. Kohlensäurereiches Blut gerinnt nach A. Schmidt u. a. lang-
samer als C0.2-armes. Auch das verdient Beachtung. Ein wechselnder Gas-
gehalt des Blutes kommt als Fehlerquelle besonders für die Methoden
in Betracht, die mit gestautem Armvenenblut arbeiten. Wie groß die prak-
tische Bedeutung der vermehrten C0.2-Spannung ist, scheint noch nicht
genauer untersucht zu sein. Jedenfalls geht Deetjen'^) zu weit, wenn er
eine wesentliche Ursache der Gerinnung des Blutes in einer Abnahme
seiner COo-Spannung (bedingt durch Entweichen von CO.. in die Atmosphäre)
erblickt.
Werden alle diese Fehlerquellen berücksichtigt, arbeitet man stets
mit gleicher Methodik, so findet man eine ziemlich weitgehende Konstanz
der Gerinnungszeit. Das gilt für ein und dasselbe Individuum, aber auch
für verschiedene Individuen derselben Spezies. Ein Einfluß von Tageszeit
und Nahrungsaufnahme ist nicht deutlich zu erkennen. Bürker-) nimmt
ein Minimum der Gerinnungszeit gegen 2 Uhr nachmittags an. Andere
{Addis '^), Hartmann ^) fanden keine Gesetzmäßigkeit nach dieser Richtung.
Da die meisten Methoden zur Bestimmung der Gerinnungszeit nicht
ganz einfach sind, sollte man sich erst dann an die Untersuchung wissen-
schaftlicher Fragen machen, wenn man am Normalen zuverlässige Werte
zu gewinnen vermag.
Eine praktisch bedeutsame Frage bleibt noch zu erörtern : Gibt die
Bestimmung der Gerinnungszeit in vitro wirklich ein zuverlässiges Bild
von den Vorgängen, die sich beim Verschluß blutender Wunden im Orga-
nismus abspielen? Liegen dort nicht vielleicht ganz andere Verhältnisse
vor, die eine Übertragung der bei Versuchen in vitro gewonnenen Vor-
stellungen gar nicht gestatten?
Wahrscheiidich sind nun allerdings die Vorgänge beim Verschluß
blutender Gefäße der Gerinnung in vitro nicht ohne weiteres an die Seite
zu setzen. Im ersten Falle spielt sicher die Agglutination der Blutplättchen
und Leukocyten und die dadurch bedingte Pfropfbildung eine vielleicht
ebenso bedeutende Rolle, wie die eigentliche Fibringerinnung. Trotzdem
zeigen doch fast alle Individuen, die schwer stillbaren Blutungen unter-
worfen sind, die Erscheinung einer verminderten Gerinnbarkeit in vitro.
^) Deetjen, Zerfall und Leben der Blutplättchen. Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 63.
Heft 1 (1909).
-) Biirker, 1. c.
^) Addis, The coagulatiou Time of the blood etc. Edinb. med. Journ. July 1910. S. A.
■*) Hartmann, Zur Frage der Blutgerinnungszeit. Münchener med. Wochenschr.
Kr. IG (1909).
Die Bhitgcriiiniini,'. t)q?^
Insofern besteht also ein /usanimoiilianti. I)ag('j,^'n darf man den Satz
nicht umkehren : Eine verzögerte Gerinnung hrauclit nicht notwendigcr-
^Yeise mit einer starken Neigung zu I^hitungen einherzugehen {Hbwmn
und Skidcn^).
Im Folgenden können nicht alle .Methoden zur Bestimmung der Tle-
rinnungszcit beschrieiien werden. Ihre Zahl ist Legion. Ich heschriinke mich
auf die ^'erfahren, deren Brauchbarkeit durch zuverliissiy-e Beobachtun«:
feststeht.
B. Methoden zur Bestimmung der Gerinnungszeit.
1. Methode von Vierordt.-) Sie ist das älteste aller brauchltaren
Verfahren zur Bestimmung der Gerinnungszeit. Auch heute noch findet
sie hier und da N'erwendung.
Vierordt saugt Blut in sorgfältig gereinigte und getrocknete, beider-
seits offene kapillare Glasröhren von 1 mm Durchmesser und 5 cm Länge.
Ein durch Einstich in die Haut gewonnener Blutstropfen wird mit dem
Ende einer der Glasröhren berührt. Das P)lut tritt sofort durch Kapillar-
attraktion in das Glasröhrchen ein. Man sorgt dafür, dali die Blutsäule
stets gleich lang ausfällt, etwa i^mm. In die Röhre wird nun von der
anderen Seite ein weilles, durch Alkohol und Äther entfettetes und ge-
trocknetes Pferdehaar eingeführt. Die Länge des Haares beträgt \{)cm. Es
wird durch die Blutsäule hindurchgeführt und von Zeit zu Zeit, etwa alle
^/a Minute, um ein kleines Stück weiter vorgezogen. So lange das Blut
noch nicht geronnen ist, bleiben die durch das Blut durchgeführten Partien
des Haares ungefärbt. Mit Beginn der Gerinnung bedeckt sich das Haar
mit rötlichen Niederschlägen. Das Ende der Koagulation wird dadinch be-
zeichnet, daß keine neuen Niederschläge entstehen und das Haar bei
weiterem ^■orziehen wieder weiß erscheint.
Als Geriimungszeit gilt der Zeitraum vom Einströmen des Blutes in
die Ginsröhre bis zur Vollendung der Fibrinabscheiduug. Er beträgt nach
Vierordt bei einem gesunden Menschen im Durchschnitt 9V4'' mit
Schwankungen von 7 bis 11' (Zimmertemperatur). Diese Zeit ist recht
lang, wenn man die ausgedehnte Berührung des Blutes mit der Glaswan»l
berücksichtigt. Vierordt sucht nicht den Beginn, sondern das Ende der
Gerinnung zu bestimmen. Bestimmung des Gerinnungsbeginnes soll weniger
e.xakt sein.
Nach Sahli''-) kann man mit l'icmn/ts Methode, auch in ursprüng-
licher (iestalt, brauchbare Resultate erhalten. Doch sind verschiedene
Fehlermöglichkeiten zu berücksichtigen, z. B. Temperaturschwankuiigen.
•) Ilinmau und Sladen , Mcasurcmciit of tlie Coairnlatio Time of tlio hiood. aiiil
its Application. Johns Ifojikins H<»s|). Bull. \'nl. 18. .Tuiii-.Iuli 1907. S. A.
-) Vierordt, Aldi. f. lh'iii<iiii(i('. H.l. 10 (1878). zitiirt naoli Kottmann uiiil Lidsky.
Vergl. Zitat S. 226.
^) Sahli, Ül)or «las Wosoii der llämophilitv /citsclir. t. kliii. .Mni. Hd. .V) S. 2W
(19ÜÖ).
236
P. Morawitz.
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Man muß daher stets an einer normalen
Person Kontrollbestimmimgen vornehmen,
und z^var unter gleichen Temperaturbedin-
o-ungen. Tiefe Einstiche in die Haut sind
ebenfalls nötig. Tropfen auf Tropfen soll in
schneller Folge aus der Wunde quellen. Man
vermeide Druck und Pressen der Wund-
ränder. Die Pteinigung der Haut (x\lkohol,
Äther) geschehe stets gleichmäßig.
Modifikation der Fierort/ifschen
Methode ^Vivch-Kottmann undLidskt/.'^)
Die Verbesserung lietrifft in der Haupt-
sache Herstellung konstanter Temperatur-
verhältnisse. Der ganze Apparat wird in
eine Thermosflasche versenkt (Fig. 79).
Die Glasröhre 11 ist mit Hilfe des
Korkstopfens 12 in eine mit Wasser von
beliebiger Temperatur gefüllte, horizontal
gelagerte Thermosflasche versenkt. In den
temperierten Luftmantel der Glasröhre wird
der armierte Metallstab 1 eingeschoben und
das Luftsystem durch den Kork 8 abge-
schlossen. Vorher hat man die durch die
Klammer 4 an den Metallstab befestigte
Kapillare 7 in der von Vierordt beschriebenen
Weise mit Blut gefüllt. 6 ist das in der oben
beschriebenen Art präparierte Pferdehaar.
Es wird von Zeit zu Zeit um ein kleines
Stück durch die Blutsäule vorgeschoben. Alle
halbe Minute kontrolliert man den Ablauf
der Gerinnung dadurch, daß man durch Vor-
ziehen des Eisenstabes sich den mit 7 be-
zeichneten Punkt des Pferdehaares sichtbar
macht. Die durch den Zapfen iO verschlossene
weitere Öffnung im Kork 8 dient dazu, die
Kapihare durchzuziehen und sichtbar zu
machen. Die Besichtigung soll immer nur
möglichst kurze Zeit in Anspruch nehmen.
Der Zapfen 10 muß beim Zurückschieben
die Öffnung in Kork 8 wieder gut ver-
schUeßen. Die Kapillare 5 dient nur zur
leichten Führung des Pferdehaares. Dieses
wird sofort nach Füllung der Kapillare 4
^) Kottmann-Lidskn , Die Vierordt?,Qh& Methode für Geriunungsbestimmungen etc.
Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 69. S. 431 (1910).
Die Blutgerinnung.
2^7
Fig. 80.
mit Blut (lurch die lllutsäiilo hindiirchi^cfülirt. Ein diirdi Kork 8 gchieckics
ThennouK'tt'r ^il)t die im Liiitmantcl lienschcndc 'i'ciiiper.itur ;iii.
Bisher haben nur Kotfiiiann und Lldskij (1. c. ) mit diesem \'('rfahrcii
gearbeitet. Der ^'orteil dieser Methode der Fierorrf/schen gegenüber Hegt
darin, dali man nicht gezwungen ist, jedesmal au uornuden Personen
Koutrolhmtersuchungen unter gleichen äul.jeren Bedingungen (Temperatur I)
anzustellen. P)eginn und Ende der Gerinnung lassen sich mit hinreichender
Genauigkeit bestimmen. Die beiden Werte liegen nach Kottmatin nicht
sehr weit auseinander.
2. Methode von Wriglit.'^) Auch diese i)eruht auf der Brstiiuiiuuig
der Gerinnungszeit in Glaskapillaren. Wrujlit hat sein \'ert'ahren mehrfach
abgeändert und verbessert. In England und Amerika ist es viel in (iebrauch.
Das Prinzip ist folgendes : Eine größere Beihe genau gleicher Glasröhren
wird mit Blut gefiUlt und nach einer i)estimmten Zeit ausgeblasen. Die
Blutprol)en werden nach Wright als „flüssig", ,.gerinnend" und ..geronnen"
bezeichnet. Geronnen ist das Blut dann, wenn die Kapillare nicht mehr aus-
geblasen werden kann. Findet sich beim Ausblasen auf Filtrierpapiei' ein
kleines Eibrinfädcheu, so ist das Blut nicht mehr flüssig, sondern gerinnend.
Das ursprüngliche >Fr^y/A^sche Verfahren gestaltete sich im ein/einen
folgendermaßen: Ein halbes bis ein Dutzend Glaskapillareu von 0 2'^ mm
Durchmesser werden so graduiert, daß sie eine Blut-
säule von 5 cm Länge aufzunehmen vermögen. Ein
durch Einstich in die Eingerbeere gewonnener Bluts-
tropfen wird mit einer der Glasröhren aufgesogen.
Nach Füllung des Röhrchens notiert man die Zeit der
Blutentnahme. Dann wird die Wunde al)gewischt und
ein neuer Blutstropfen in einem zweiten Glasröhrchen
aufgefangen usw. Die Füllung immer neuer Kapillaren
geschieht in Zwischenräumen von V4 bis \ a'i ebenso
auch später das Ausblasen des Blutes. Pressen der
Wuudränder zum Zwecke eines besseren Blutzuflusses
ist verboten.
Zur Herstellung konstanter Temperaturbedin-
gungen empfiehlt Wright sein Koagulometer. Es
ist das ein mit Wasser von bestimmter Temperatur
gefüllter Metallzylinder, der von einer eng anlii'genden
Flanelltasche umgeben ist. In diese Tasche werden
die Glasröhrchen nebst einem Thermometer schon vor Beginn des \'er-
suches eingeschoben und vorgewärmt. Am besten füllt man den .Metall-
zylinder mit Wasser von 18r)". Bei dieser Temperatur wird eine im Laufe
des ^'ersuches eintretende Ai)kühlung des Wassers keine nennenswerte
Fehlenjuelle abgeben können (Fig. 80).
') Wrif/ht, An a motliod uf detcrmining tlic condition of blood ooagulability etc.
Brit. med. Journ. II. [). 223 (18Ü3). — Dersell)e, Un souie new procedures for the
examiuation of the blood etc. Lancet. London 1*J02. II. S. M.
Koaguloinotor von Wriijhl.
(.Viis lieznnfon-Lnbli ,
Trait(5 d'Hi'iiiatoIogio,
l'iiris 1904.)
238 P- Morawitz.
Wright nahm dann noch weitere Modifikationen vor. Die eine be-
trifft die Herstellung der Glaskapillaren von dem erwünschten Durch-
messer. Die Methode ist einfach und elegant: Ein Glasrohr wird in eine
Kapillare ausgezogen und mit bmm^ Quecksilber geeicht. Man wird beim
Verschieben des Quecksilberfadens eine Stelle finden, in der die Queck-
silbersäule in der Glaskapillare gerade eine Länge von 5 cm hat. Die obere
und untere Grenze dieser Partie wird markiert und die Kapillare in der
Weise abgeschnitten, daß das eine ihrer Enden mit einer der Marken zu-
sammenfällt, das andere sich etwa 1—2 cm über der anderen Marke be-
findet. In dieser Weise stellt man sich eine größere Zahl Kapillaren her,
die man beim ^'ersuch bis zur oberen Marke mit Blut füllt.
In letzter Zeit hat Wright Temperaturkonstanz nicht mehr mit Hilfe
des Koagiilometers , sondern durch ein Wasserbad von l&b° hergestellt.
Die einzelnen Kapillaren werden aufrecht hineingestellt, das obere Ende
überragt den Wasserspiegel. Eine Mischung von Wasser und Blut wird
durch die zwischen Wasser und Blut eingeschlossene Luftsäule verhindert.
Will man die Kapillaren in Wasser vorwärmen, so muß man ihr unteres
Ende durch eine Gummikappe verschließen.
Die Wrightsche Methode dürfte manchen anderen, besonders neueren
\'erfahren gegenüber kaum A'orteile bieten. Da das Lumen der Kapillaren
nur 0"2rv?»m weit ist, sind die Gerinnungszeiten sehr kurz. Bei 37" ist
die Gerinnungszeit z. B. normalerweise weniger als 2'. Das ist nicht er-
wünscht, da Differenzen im allgemeinen um so besser zum Ausdrucke
kommen und um so sicherer sind, je länger die normale Gerinnungszeit ist.
Außerdem ist es nicht ganz einfach, die für die Füllung so vieler Kapillaren
nötigen Blutmengen zu bekommen. Wright empfiehlt im Notfalle zahlreiche
Stiche oberhalb des Nagelbettes anzulegen. Dadurch vermeidet er allerdings
den Fehler, den eine beginnende Gerinnung in der Wunde mit sich bringt;
aber die ^Methode wird für den Untersuchten recht lästig.
3. Andere Kapillarmethoden.
a) Methode von Sahrazks.'^) Das in großen Tropfen aus dem
vorher mit Alkohol gereinigten und getrockneten Ohrläppchen hervor-
quellende Blut wird in Glaskapillaren aufgesogen. Diese sollen einen Durch-
messer von 1 mm bei einer Länge von 10 cm haben. Sie bestehen aus
möglichst dünnem Glase und werden sorgfältig mit Salzsäure, Soda,
Wasser, xVlkohol, Äther gereinigt und trocken unter aseptischen Kautelen,
vor Staub geschützt, aufbewahrt. Es ist nach Sahrazes ziemlich schwierig,
stets Kapillaren von genau 1 mm Durchmesser zu beschaffen. Kleinere Ab-
weichungen (von Vio— 'Vlo'>*w^) sollen aber das Resultat nicht wesenthch
trüben. Eventuell könnte man sich auch des oben (S. 238) erwähnten Ver-
fahrens von Wright zur Herstellung gleichmäßiger Glaskapillaren be-
dienen.
*) Sahrazks, Procede de determinatioii du debut de la coagulatiou du sang. Fol.
haematol. III. p. 432 (1906).
Die Blutgerinnung.
239
j
Vor Beginn des Versuches werden die Kapillären an mehreren Stellen
mit der Feile eingeschnitten, um das später iiiiti^'e /erl)reclien zu er-
leichtern.
Zur Herstellung konstanter Temperatur dient eine (ila.sglocke mit
doppeltem Boden, der mit Wasser gefüllt wird. Man wählt die Temperatur
des Wassers so, daß in der Kammer, respektive oberhalb des inneren
Bodens, eine Temperatur von 185" herrscht. Im Sommer, bei hoher
Zimmertemperatur, soll man einige P^isstücke statt Wasser zwischen den
I)op])elboden brin-
gen (Fig. 81). ^''*■^^•
Zwei Kapil-
larrohre und das
Thermometer lie-
gen horizontal auf
einem kleinen (ie-
stell in der ge-
schlossenen Kam-
mer. Der \'ersuch
kann begonnen
werden, wenn sich
das Thermometer
auf 18"5'' einge-
stellt hat. Dann
wird der Einstich
in das Ohrläpp-
chen gemacht, der
erste Tropfen fort-
gewischt, der zwei-
te und dritte aspi-
riert und die Zeit
der Füllung genau
notiert. Die Kai)il-
laren legt man
dann sogleich mit
der Pinzette an den alten Platz in der Kammer (Anfassen mit den Fingern
soll möglichst vermieden werden). Die Glasglocke wird ge.><chlossen. Jetzt hat
der Beobachter vorwiegend die Temi)eraturkonstanz aufrecht zu erhalten
(eventuell durch leichtes Anwärmen der Kammer, respektive kurzes Lüften
der Glasglocke). Es soll leicht gelingen, die gewünschte TemjK'i'atur einige
Minuten hindurch zu erhalten, (ileichzeitig üi)erzeugt man sich durch vor-
sichtiges Neigen der (ihiskammer mitsamt den horizontal gelagerten Kapil-
laren davon, dali sich die Blutsäule in ihnen noch gut verschiebt, entsprechend
der Neigung gegen die Horizontale. Ist das nicht mehr der Fall, beginnt die
Blutsäule scheinbar zu adhärieren, so nimmt man die zuerst gefüllte Glas-
röhre heraus und zerbricht sie an der vorher eingekerl)ten Stelle. Ein feines
Methode von Snbrmfs.
240 P. Morawitz.
Fibrinfädchen, das sich zwischen den Bruchenden ausspannt, zeigt die ein-
getretene Gerinnung an. Dann ist auch die andere Kapillare nahe am
kritischen Punkte angelangt. Sobald eine deutliche Zunahme der Viskosität
des I>lutes beim Neigen der Kammer eintritt, wird auch das zweite
Röhrchen zerbrochen. Sollte man das zu früh ausgeführt haben (kein
Fibrinfädchen beim Bruche sichtbar), so wird der Versuch wiederholt.
Dann ist aber die Gerinnungszeit schon durch den ersten Versuch appro-
ximativ festgelegt. Nach der Methode von Sahrazes beträgt sie für den
Normalen zirka 9 — 10'. Das entspricht recht gut den von Vier or dt mit
gleichkahbrigen Kapillaren bestimmten Werten.
Mängel der /SViftro^esschen Methode sind : Unbequeme Herstellung der
konstant temperierten Kammer. Ungenügende Verschiebung der Blutsäule
beim Neigen der Kapillare schon längere Zeit vor beginnender Gerinnung.
h) Methode von Schultz.'^) Blut wird in einer Hohlperlenkapillare
aufgefangen (Fig. 82).
Die einzelnen Glieder der Kapillare werden in bestimmten Zeitab-
schnitten abgebrochen und in abgemessenen Quanten physiologischer Koch-
salzlösung ausgeschüttelt. Man kann hierdurch den Gerinnungsvorgang in
Stadien zerlegen und sukzessive Fortgang und Abschluß der Gerinnung
feststellen.
Die Gerinnungsröhre besteht aus einem Teilstück mit 12 eng an-
einanderliegenden kugeligen Auftreibungen, die in einen kurzen Stiel aus-
laufen. Die Auf-
^'^' ^^' blasungen sollen
möglichst kongru-
ent sein, die Inter-
vallstücke kurz
und von dem ur-
Methode Yon Schultz. sprünglichen
Durchmesser der
Kapillare. Sind sie zu weit, so kann die Beobachtung dadurch gestört
werden, daß bei Abbrechen einer Hohlperle Gerinnsel aus der nächsten
Perle mit hinausgerissen werden. Man muß dann sofort noch eine Kugel
abbrechen. Die Intervallstücke sind einseitig geritzt und werden der Mar-
kierung entsprechend gebrochen. Die Füllung eines Röhrchens erfordert
ein bis zwei Tropfen P)lut.
Der Gerinnungsversuch gestaltet sich folgendermaßen : Das Röhrchen
ist sorgfältig mit Wasser, Alkohol und Äther gesäubert und getrocknet.
Man läßt von seinem Ende, an dem sich die Perlen befinden, Blut ein-
treten, trocknet nach vollendeter Füllung etwa außen anhaftendes Blut ab
und legt die Kapillare auf eine Unterlage, den Stiel etwas höher gerichtet,
um ein Zurückfließen von Blut aus den Hohlperlen in den Stiel zu ver-
*) Schnitz, Eine neue Methode zur Bestimmung der Gerinnungsfähigkeit des
Blutes. Berliner klin. Wochenschr. Nr. 12 (1910).
Die lilutgeriniuiiig.
■J41
c.'il^'en/-
Fig. 83.
A
/l
^
I
[y
B
meiden. Inzwischen wird ein Keafienzglas^estell mit li^ odci- l'4 K
gläsern aufgestellt und jedes (ilas mit 1 cm'' physiologischer Kochsalz-
lösung beschickt. In gemessenen Zeitabständen bricht man nunmehr eine
Ilohlperle nach der anderen ab und wirft sie in das numcrici-te (ilas.
-Man i)eol)achtet dabei Entleerung und Aufschwemmung des IJJutes in der
Kochsalzlösung. Anfangs ist nichts von geronnenen Teilchen wahrneinnbar,
in einem der folgenden Gläser zeigen sich dann zum ersten Male kleine
Gerinnsel (Sp.). Ein größeres Gerinnsel, dessen Umfang kleiner als die
Hiilfte der Hohlperle ist. wird mit f bezeichnet. Als iMidstadium ist der
Punkt anzusehen, bei dem die Hohlperle ganz von Gerinnseln erfüllt ist
und beim Schütteln nur geringe Mengen
roter lilutscheiben in der Salzlösung
aufgeschwemmt wei'den (ftt)-
Fehlermöglichkeiten liegen haupt-
sächlich in einer etwaigen ungleich-
mäßigen Qualität der Gerinnungsröhr-
chen. 1) Für Temperaturkonstanz ist in
irgend welcher Weise Sorge zu tragen,
lierührung der Kapillare mit den Fingern
müßte W'ohl vermieden werden, wenn
man den Versuch bei einer niedrigeren
Temperatur als 37° anstellt.
Durch Venenpunktion gewonnenes
Illut gerinnt nach Schultz in 11 — 15',
ülut aus dem Ohrläppchen in 2 — 5'.
4. Methode von Milian'^), ver-
bessert \on Binman und Sladen^)
lObjektträgermethode).
MiJkm läßt Blutstropfen auf eine
lleihe sorgfältig gereinigter Objektträger
fallen und notiert die Zeit des Ein-
stiches sowie des Auffangens der ein-
zelnen Tropfen. Die Gerinnung ist voll-
endet, wenn man den Objektträger
senkrecht aufrichten kann, ohne Ände-
i'ung der Konturen des Tropfenprofils.
»
1/
Mi-thodf von Milian.
Konturen des Bliittropfcns vor(.l) iiud'nach^/l^
der Gerinnung. (Aus Ilintiinn und Slmltii.)
Im anderen Falle sti-ömt das Hluf
natürlich an die tieferen Partien. Der Tropfen nimmt die Gestalt einer
Träne an (Fig. 83).
Auf möglichst gleiche Temperaturverhältnisse ist Rücksicht /u nehmen.
Hinman und Sladen empfehlen besonders auch die Gröl'ie der Tropfen
zu beachten und ausschließlich solche von 4 — i'tnini Durchmesser zu vei-
^) Erhältlich bei der Firma Eberhardt vonii. Nippe, Herliii.
-) Milian, Techniqiie poiir retiulc rliui(i;!f (h' hi coagulatioii du sang. Soc. med.
des hop. Paris 1901.
^) llinman und Sladen , 1. c.
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmetbodeu. V. 10
242
P. Morawilz.
wenden. Eine größere Zahl Objektträger wird mit Alkoliol und Äther sorg-
fältig gereinigt und getrocknet. Dann macht man den Stich in das Ohr-
läppchen des zu Untersuchenden. Der erste Tropfen wird fortgewischt. Er
l)ildet sich nämlich relativ langsam und ist aus diesem Grunde (Bei-
mischung von Gewebssaft) nicht verwertbar. Erst die folgenden sind
brauchbar. Die Gerinnungszeit wird von dem Augenblicke der Tropfen-
bildung in der Wunde ab gerechnet, nicht von dem AugenbUcke des Auf-
fangens mittels Objektträger.
Die Aufnahme des Tropfens durch den Objektträger gestaltet sich
etwas anders als bei Milian. Der Tropfen fällt nicht auf die Glasplatte.
sondern wird bei
Fig. 84. horizontaler Hal-
tung des Ohrläpp-
chens durch leichte
Berührung mit
dem Objektträger
auf diesen über-
tragen. Der Ob-
jektträger wird
dann schnell um-
gedreht und auf
eine Skala gelegt.
Alle Tropfen, die
mehr als 6 und
weniger als 4: mm
im Durchmesser
haben, wischt man
fort, der Rest dient
zur Gerinnungs-
bestimmung nach
Milian (s. oben).
Recht gut
läßt sich der Ge-
Methode von Milinn bei durchfullendem Lichte. A vor, B nach der Gerinnung. rinnUngSaDiaUl 061
(Aus Hin.:an und Sladen.) SeukreCht geSteU-
tem Objektträger
auch im durchfallenden Lichte verfolgen. Solange noch (Fig. 84) keine Gerin-
nung erfolgt ist, sammelt sich das Blut vornehmüch in den abhängigen
Partien des Tropfens. Diese sind dann weniger lichtdurchlässig. Nach Ge-
rinnung des Tropfens erscheint das Zentrum dunlder.
Hinman und Sladen finden zwischen ihrer und der Brodie-Busselschen
Methode gute Übereinstimmung, vorausgesetzt, daß die Größe der Tropfen
sich zwischen 4 und 6 mm bewegt. Bei Zimmertemperatur beträgt die Ge-
rinnungszeit 7—8'. Bei kleineren Tropfen ist sie kürzer. Die Methode ist
sehr einfach und bequem. Der Haupteinwand liegt darin, daß die Ver-
Die Blutgerinnung'. .>^;^
dunstung' zuweilen eine erheMiche Kollo spielen kann, besonders bei stark
verlangsamter (Jerinnung. Hhtman und Sladvn konnten in iler Tat bei
Kontrollversiiclien in der feuchten Kammer eine Verzögerung gegenüber
der gewöhidicben Olijektträgerniethode feststellen. Indessen glaul)en sie.
dal) dieser Fehler praktisch nur von geringer l'.edeutung ist.
Über Herstellung konstanter Teniperaturbedingungen finden sich in
den bisherigen Mitteilungen keine Angaben. Falls man keine Möglichkeit
hat, bei konstanter Temperatur zu arbeiten, wird man auf absolute Werte ver-
zichten und immer Kontrollversuche an normalen Personen unter gleichen
Bedingungen ausführen.
5. Methode von Bürker.^) Ein Tropfen lUut wird in den Hohl-
schliff eines Objekttriigers gebracht. Dessen obere Seite ist matt . der
ganze Objektträger quadratisch zugeschnitten. Er kommt auf einen
Konus von Kupferblech zu liegen, der in einem Hartgummiring steckt.
Der Hartgummiring ist soweit viereckig ausgesägt, daü das quadratische
Giasstück auf den Kupferkonus gelegt werden kann. Ein viereckiges Hart-
gummistück kann weiterhin so auf den Objektträger aufgelegt werden, dab
es ihn mit Ausnahme des Hohlschliffes selber zudeckt. Dort ist die kleine
Hartgummischeibe rund durchlocht, fber das ganze System kommt dann
noch ein Hartgummideckel mit Handgriff.
Auf diese Weise ist das Glasstück oben und seitlich von einem
schlechten Wärmeleiter umgeben, sitzt aber mit der XJnterfläche dem guten
Wärmeleiter Kupfer auf.
Der Kupferkonus taucht in Wasser ein, was dadurch erreicht wird,
daß die Hartguramischeibe auf den oberen Rand eines mit Wasser ge-
füllten, zylindrischen (iefäßes aus Messing aufgesetzt ist. Der obere Hand
des Gefäßes paßt in eine Rinne auf der l^nterfläche der Hartgummi-
scheibe. Letztere kann mit Hilfe des Griffes um eine vertikale Achse ge-
dreht werden. Bei der Drehung rühren einige unten an der Gummischeibe
befestigte Schaufeln das Wasser um.
Das auf drei Füßen ruhende, mit einem Halm und einer Steigröhre
versehene Messinggefäß ist also nach oben durch die Hartgummischeibe
und seitlich durch eine ringsum befestigte Filzplatte vor nicht gewünschter
Wärmcab- und -Zufuhr geschützt. Das Gefäß kann von unten her mit
Hilfe einer kleinen Gasflamme erwärmt und dadurch das Wasser samt
Kupferkonus und (Jlasstück genau auf derselben Temjjeratur erhalten
werden. Ein Thermometer, durch eine Bohrung der Hartgummischeiltf
durchgesteckt, mißt die Tempei-atur des Wassers.
So ist dafür Sorge getragen, daß das im Hohlschliff des (ilasstückes
befindliche Blut möglichst genau die Temperatur des Wassers annimmt.
Ausführung eines Versuches: Wasser wird zunächst im zylin-
drischen Gefäß auf 2')" gebracht und mit Ililfe eines kleinen regulierbaren
') Biirkcr, Kiu Apparat zur Knnittlung^ tlor Gerinnungsztit. iJiUgcm .^n-li
Bd. 118. S. 452 (1907).
lÜ*
94.4 P- Morawitz.
Gasbrenners auf dieser Temperatur erhalten. Die Wassermenge beträgt
zirka 1 Liter. Dann wird das Glasstück, besonders der Hohlschliff, mit
Wasser ausgespült und mit einem feinen leinenen Tuche, das schon öfter ge-
waschen wurde, mit Äther- Alkohol abgerieben und getrocknet. Etwaige
Stäubchen und Fäserchen, die noch zurückgeblieben sind, beseitigt man
mit einem feinsten Haarpinsel.
Darauf kommt in die Mitte des Hohlschliffes ein Tropfen ausge-
kochten, destillierten Wassers. Dieses befindet sich in einer Bürette, die
mit der Mariotteschen Anordnung für konstanten Ausfluß versehen ist.
Der Druck , unter dem das Wasser austritt , beträgt 10 cm Wassersäule.
Zur Fernhaltung von CO, ist ein Natronkalkröhrchen vorgelegt.
Glasstück + Wassertropfen wird dann auf den erwärmten Kupfer-
konus gelegt und einige Zeit gewartet, bis es die gewünschte Temperatur
angenommen hat.
Dann wird mit Hilfe der Franckeschen Nadel ein Blutstropfen aus
der Fingerbeere entnommen und in den vorgewärmten Wassertropfen
fallen gelassen. Sofort setzt man den Deckel wieder auf und bringt ein
zeitmessendes Instrument in Gang.
Nunmehr reinigt man die Spitze eines fein ausgezogenen Glasstabes.
Der zirka Q-bcm dicke Stab ist 18 cm lang und von 13 — IScut zu einem
feinen (ilasfaden ausgezogen, der an der Spitze zirka 0*2 — 0-3;^«» dick
ist. Um ihn an der Spitze abzurunden, wird er einen Augenblick in eine
leuchtende Gasflamme gehalten. Man muß stets eine Reihe solcher Glas-
stäbe vorrätig halten. Die Reinigung geschieht durch Eintauchen in
Äther-Alkohol, dann wird der Glasstab vorsichtig mit dem Leinentuch
getrocknet.
Nach der ersten V2 Minute des Versuches dreht man die Hart-
gummischeibe mit Hilfe des Handgriffes um 90", hebt den Deckel ab,
geht mit dem Glasstab in die Mitte des Blutwassertropfens und beschreibt
bis zur Peripherie des Tropfens fünf Spiraltouren, um Blut und Wasser
zu mischen, ohne aber die Basis des Blutwassertropfens zu vergrößern.
Darauf wird der Deckel wieder aufgesetzt, der Glasfaden von anhaftenden
Spuren Blut und Wasser gereinigt.
Nach der zweiten V2 Minute wird wieder gedreht (um 90°) und mit
der Spitze des Glasfadens in einem Durchmesser durchgefahren oder ent-
lang eines Halbkreises und so fort, alle V2 Minute, bis man den ersten
Fibrinfaden ziehen kann. Die Bestimmungen sind bis auf V2 Minute genau.
Auf thermoelektrischem Wege bestimmte Bürker die Differenz
zwischen Temperatur des Wassers und des Tropfens als sehr gering,
zirka O'ö".
Die Bürkersche Methode ist in den letzten Jahren am Krankenbette
viel verwendet worden. Die Resultate sollen bei größerer Übung zuver-
lässig sein.
(Der Apparat ist bei Universitäts-Mechaniker Albrecht-Tühhv^en zu
haben. )
Die Bliitgerinnmiif.
24:
Fig. 85.
7)
B
1
^
C.
^
6. Methode von Brodle und Bussel. ') Du-^r Methode enthält
ein neues, originelles Prinzip: Ein Blutstropfen wird in einer feuchten
Kammer durch einen tangential gerichteten Luftstrom in Ilewegung ge-
setzt und diese Bewegung durch das Mikroskop bei schwacher VergröDerung
beobachtet. Ist das Blut geronnen, so hört die Bewegung auf.
Im einzelnen sieht man dabei Folgendes: Im Beginn des \ersuches
genügen sehr schwache Luftstöße schon, den Tropfen in rotierende Be-
wegung- zu setzen. Die Blutkörperchen bewegen sich einzeln, ohne Hiiufchen
zu bilden. Allmählich fangen sie an zu verklumpen, wobei hellere Zwischen-
räume auftreten. Sehr bald hört dann jede stärkere Bjeweglichkeit auf. I)ie
Blutzellen geben zw-ar einem Luftstrom noch ein wenig nach, federn aber
sofort in ihre alte Lage zurück. Dieser Zeitpunkt, in dem also der Bluts-
tropfen zwar noch durch den Luftstrom ein wenig von der Peripherie nach dem
Zentrum hin zusammengedrückt werden
kann, seine Form aber sofort wieder an-
nimmt und alle sonstigen Bewegungen
zirkulärer Art im Tropfen aufgehört
haben, ist der Augenblick der Gerinnung.
Der Zeitpunkt ist nach einiger Dbung
ziemlich leicht zu bestimmen.
Das zur Ausführung der Methode
von Brodle und Bussel angegebene In-
strument besteht aus einer runden,
. , , , 1 .) 1 -x Schema dos Bro(/(>-ii'«sse/scben Koaguloraeters im
zirka 1 cm hohen und O cm nreiten Querschnitt. Modifikation von Boggs. (Nach Boggs.)
Luftkammer Ä, die nach unten durch
eine Glasplatte, nach oben durch einen leicht abnehmbaren, ebenfalls mit
Glaseinlage versehenen Metalldeckel D-K abgeschlossen wird (Fig. 8.")).
Die seitlichen Wände bestehen bei dem ursprünglichen .\pparat aus
einem Metallhohlring, in dem behebig temperiertes Wasser zirkulieren
kann. Ein Ein- und ein Ausflußrohr dienen der Wasserzirkulation. Außer-
dem ist in den durchbrochenen Deckel D-E ein Glaskonus B eingelassen,
dessen abgestun)pftes unteres Ende zur Aufnahme des Blutstropfens dient.
Die seitliche Wand der Kammer ist nun weiterhin noch von dem Bohre C
durchsetzt. Dieses steht nach außen mit einem kleinen Gebläse in \'er-
bindung und ist an seiner Einmündung in die Kammer zu einer feinen
Spitze ausgezogen, die so angeordnet ist, daß bei geschlossener Kammer
der durch C eintretende Luftstrom gerade die Oberfläche des Konus />'
tangential berührt. Die eingeblasene Luft entweicht durch eine oder zwei
kleine Öffnungen, die man beliebig anbringen kann.
Boggs-) hat den /?roc??>-i^MSs<??schen Apparat durch Fortlassen desWassei-
mantels vereinfacht. (Zu beziehen durch Univ. -Mechaniker .l/ArrcA^Tübingen. i
') Brodle uuil Rüssel, TIh" tlcterminatioii of tlio coaofulation ef MmikI. .Fourii. of
Physiol. XXI. p. 403 (1897).
^) Bof/f/s, Some clinical aspccts of blond coaf,'nlation. Iiiti-niat. Cliiiic- \ -l 1
18tli Seriös (1<)U7), S. A.
24H P- Moraw itz.
Ausführung eines Versuches: Der unter den gewöhnlichen Vor-
sichtsmaljregeln aus Ohr oder Fingerbeere gewonnene Blutstropfen (er
soll nicht zu groß sein) wird mit der glattgeschliffenen Oberfläche des
Glaskonus B berührt. Es ist leicht , auf diese Weise einen Tropfen genau
von der Größe der geschliffenen Glasfläche zu bekommen. Dann wird die
Kammer schnell geschlossen und umgekehrt (D-E nach unten) unter das
Mikroskop gelegt. Nun beobachtet man, indem man von Zeit zu Zeit durch
Druck auf das Gebläse einen leichten Luftstrom gegen den Tropfen richtet,
die Bewegungen der Erythrozyten. Diese zeigen sukzessive die oben (S. 245)
beschriebenen A'eränderungen. Der zeitliche Ausgangspunkt für die Ge-
rinnungsbestimmung ist nicht der Augenblick der Karamerfüllung, sondern
das Erscheinen des Blutstropfens in der Wunde. Ein für allemal muß man
sich daran gewöhnen, das Ende der Gerinnung erst dann anzunehmen,
wenn die oben näher beschriebene „elastische radiale" Bewegung des
Tropfens eingetreten ist. Die Zusammenballung der Blutkörperchen oder
eine mehr oder minder ausgesprochene Zunahme der Viskosität des
Tropfens darf nicht als Endpunkt angesehen werden. Allerdings ist auch
die elastisch-radiale Bewegung nach Hinman und Sladen (1. c.) nur eines
der vielen Momente im Gerinnungsprozeß, aber doch jenes, dessen Eintritt
am schärfsten bestimmt werden kann. Pratt^), Murphy und Gould'-) haben
frühere Stadien als Endpunkte angesehen. Daher stammen wohl auch die
einander widersprechenden Angaben über die normale Gerinnungszeit, so-
weit sie mit diesem Instrument gewonnen wurden. Pratt gibt 4 — 5' an,
Murphy und Gould 3' 12", Brodie-Kussel bei einer Temperatur von 20'>
7 — 8'. Hinman und Sladen finden als Durchschnitt von 214 Beob-
achtungen 6' 40". Auch bei ihnen sind die Schwankungen, selbst l)ei ein-
und derselben Versuchsperson, recht bedeutend. Auch finden sie starke
Tagesschwankungen. Das widerspricht den Erfahrungen von Addis ^) und
Hartmann. *)
Die Differenzen erklären sich zum Teile wohl auch durch die ver-
schiedene Größe der glatt geschliffenen Glasfläche des Konus B. Je größer
diese ist, um so größer fällt auch der Tropfen aus. Hierdurch verändert
sich natürlich die Gerinnungszeit. Man wird also stets die Fläche des
Konus messen und nur solche Befunde miteinander vergleichen dürfen, die
mit ganz gleichen Instrumenten gewonnen wurden.
Auch die Art des Anblasens ist von Belang. Je häufiger man den
Tropfen durch den Luftstrom in Bewegung setzt, um so schneller gerinnt
er. Auch sieht man dann nicht selten am Rande des Tropfens Ein-
trocknungserscheinungen, die natürlich ebenfalls die Gerinnung beeinflussen
M Pratt, Observations upon tbe coagiilation time of blood, and blood plates.
Journ. Med. Research. V. p. 120 (1903).
-) Murphji and Gould, Coagulation time of tbe blood, a comparison between the
Wright and the Br odie- Rüssel m^irnm^nis etc. Boston. Med. and Surg. Journ. p. 45 (1!)04).
^) Addis 1. c.
*) Hartmann 1. c.
Die Blutgorinmiiif,'. .^i-
(S. 24o). Man soll also nicht zu liiiufi^- und nicht zu stark hlason. Voll-
ständige Konstanz lälit sich wohl schwer erreichen, ein Faktor, der ent-
schieden am allermeisten der Zuverlässigkeit dieser Methode Ahhruch tut.
Natürlich ist der Glaskonus nach jedem Versuche Sorgfalt i«.;; zu
reinigen und ahzutrocknen. Am hesten arheitet man in einem koii>tant
temperierten Räume. Den Wassermantel von Brodie-Bussel halte auch ich
mit Bof/gs für unnötig. Mit dem Gebläse bringt man ja doch von /cit zu
Zeit andere temperierte Luft in die Kammer.
Nach eigenen Erfahrungen scheint es mir, dal'i die so geistreich er-
sonnene Methode im ganzen mehr Fehlenjuellen bietet als die meisten
anderen. Jedenfalls erhält man nur bei sehr großer fbung einigermalten
zuverlässige Resultate.
7. Methode von Morawitz und Bicrirh.^) Das Hlut wiid nicht
durch Hautschnitt, sondern beim Menschen durch Venenpunkti(»ii . lici
Tieren aus einer Arterie entnommen. Dadurch vermeidet man r>eimi>(hung
gerinnungsbefördernder Substanzen aus Haut und Geweben. Die zweite
Abweichung den vorher erwähnten Methoden gegenüber besteht darin. daU
nicht mit einem einzigen Blutstropfen, sondern mit gröl'ieren lilutmengen
gearbeitet wird. Die Gerinnungszeit ist natürlich viel länger als bei
anderen Methoden. Das erscheint vorteilhaft, insofern als Unterschiede der
(xerinnungszeit sich dann deutlicher und schärfer mai-kicrou.
Ausführung eines Versuches: Die leicht gestaute Armvene wird
mit einer sauberen, trockenen oder auch mit Kochsalzlösung ausgespritzten,
10 cm^ fassenden Spritze punktiert. Alkali (etwa von der zum Auskochen
verwandten Sodalösung) darf der Spritze nicht anhaften. Je bcm^ lllut
kommen in sorgfältig gereinigte (Wasser, Alkohol, Äther) Wiegegläschen,
die von gleicher Größe und Gestalt sind. Sie werden in eine mit Thermo-
meter versehene feuchte Kammer gestellt. Annähernde Temperaturkonstanz
läßt sich durch P'iillen eines Teiles der Kammer mit Wasser von wechselnder
Temperatur herstellen. GewöhnHch habe ich bei 20^ gearbeitet. Die Wiege-
gläschen sollen schon einige Zeit vor Beginn des X'ersuches verschlossen
in die temperierte Kammer gestellt werden, damit sie die gewünschte
Temperatur annehmen.
Ist der Versuch im (lange, so lüftet man von Zeit zu Zeit den
Deckel der Kammer und überzeugt sich durch leichtes Neigen der (iläschen
von dem Zustande des Blutes. Den Gerinnungsbeginn erkennt man au
einem leichten rötlichen Belag an den (ilaswänden. Vollendet ist die Ge-
rinnung, wenn die Oberfläche des Blutes erstarrt ist und der Neigung
des (iläschens nicht mehr folgt. Der Deckel soll nicht häufiger als alle 2'
gelüftet werden. Möglichst gleichmäßiges Vorgehen beim Herausnehmen
und Neigen der Gläschen ist anzustreben. Die (ierinnung erfordert unter
') Morawitz und liicrich , Ül)er die Pathogenese der dioliimisrhen Bhitiingen
Arcli. f. experim. l^vtliol. u. Pharm. Bd. 56. S. ll.'i (I'.IOC)).
248 P- Morawitz.
diesen Bedinnungen lö— 20'. Eine Differenz von 'iO^/o kann noch in den
Bereicli der Fehler fallen. Nur größere Differenzen dürfen berücksichtigt
werden.
Fehler(|H('llen sind : 1. Der wechselnde Gasgehalt des Blutes. Es muß
sich das hei starker Stauung besonders bemerkbar machen. Blut, das viel
CO2 enthält, gerinnt langsamer. 2. Ungenügende Übereinstimmung beim
Verfahren zur Kontrolle der Gerinnung. In dem einen Falle wird das
Wiegegläschen samt Inhalt stärker bewegt als in dem anderen. 3. Ungleich-
mäßige Bestimmung des Endpunktes der Gerinnung. Diese zieht sich über
eine Zeit von mehreren Minuten hin. Man muß also daher durchaus einen
bestimmten Punkt als Endpunkt fixieren. Am meisten schien mir hierfür
das Erstai-ren der Oberfläche des Blutes geeignet zu sein.
Die Methode soll möghchst in Kombination mit einer der anderen
angewendet werden, die nur kleine Blutmengen erfordert. Findet man mit
beiden Verfahren Gerinnungsänderungen im gleichen Sinne , so ist damit
Gewähr für die Richtigkeit der Beobachtung gegeben.
8. Methode von Buckmaster. '^) Ein Blutstropfen wird in einer
Drahtschlinge aufgefangen und in einer feuchten Kammer bei beliebiger
Temperatur beobachtet. Von Zeit zu Zeit wird die Drahtschlinge um ihre
Achse gedreht. Man kann dann leicht mit einer Linse das Hinabsinken
»^
der roten Blutkörperchen im Tropfen beobachten. Es geschieht ziemlich
schnell. Gerinnung ist dann eingetreten, wenn sich so viel Fibrin gebildet
hat , daß die Blutkörperchen bei Drehung der Schlinge nicht mehr schnell
nach unten sinken.
Die Vorteile dieser Versuchsanordnung sind nach Buchvastcr folgende:
1. Die Einfachheit der Methode; 2. die geringen Blutmengen, die man braucht:
;>. der Kontakt mit Fremdkörpern ist auf das geringste Maß beschränkt:
4. das Blut wird nicht geschüttelt oder umgerührt; 5. die Bestimmung
des Endpunktes ist scharf und bis auf zirka V2 Minute genau. Als Durch-
schnittszeiten für menschliches Blut gibt Buckmaster folgende Werte an:
20» C 8' 45'',
31° C .5' 45",
38« C 5' 56",
390 C 2' 56'
j'/
Wichtig für die Ausführung des Versuches ist vor allem gleichmäßige Ge-
stalt und Größe der Platinöse, respektive Drahtschlinge. Natürlich muß sie
vor Beginn des Versuches sorgfältig gereinigt und getrocknet werden. Für
die Blutentnahme selbst kommen die auch sonst üblichen Kautelen in Be-
tracht. Der Apparat läßt sich leicht improvisieren: Man nimmt einen
schmalen, rechteckigen Holzkasten, der an seinen beiden Längswänden
Fenster hat. Die Platinöse wird mittelst ihres Stieles so durch eine Öffnuni>-
*) Buchmaster, Model of a new form of coagulometer. 7. internationaler Physio-
logenkongreß. Heidollierg 1907.
Die IJllltge^illllllll;L^ 9it)
in eiiKU' dor SchnialseitxMi des Kastens dui-cliiiesteckt. dall die liliitstropfon
gerade zwischen den beiden Olasscbeiben erseiieint. Die Distanz zwischen
Glasscheibe und Drahtschiinge muß so gewählt sein, daß man den Tropfen
von außen mit einer guten Stativlupe genau einstellen kaim. Auch die l'm-
drehung der Drahtschlinge kann von außen mit Hilfe des Stieles besorgt
werden. Zur Herstellung konstanter Temperatur und einer feuchten Atmo-
sphäre dient eine kleine Wasserwanne am lioden des Apparates. Der
Deckel Nvird von einem Thermometer durchsetzt.
Eigene Erfahrungen mit dieser Methode l)esitze ich nicht.
9. Der Koaguloviskosimeter von Kottmann. •) Neu und originell
ist der Weg, den Kottnutnn kürzlich mit der Konstruktion des Koagulovis-
kosimeters beschrieben hat. Sein Prinzip ist folgendes: IjälJt man ein mit
Flüssigkeit gefülltes Gefäß um eine senkrechte Achse rotieren, so werden
die der (iefäßwand benachbarten, periphersten Flüssigkeitsschichten in die-
selbe Rotation geraten. In Abhängigkeit von dem Viskositätsgrade der
Flüssigkeit überträgt sich die Rotation in nach dem /entrum abnehmender
Weise auch auf die anderen Schichten. Ein genau in die Mitte der Flüssig-
keit eintauchendes Schäufelchen, das nicht direkt mit in Rotation versetzt
^Yird. muß also, falls es beweglich anuebracht ist, eine Ablenkung erfahren.
Diese ist um so stärker, je schneller das mit Flüssigkeit gefüllte Gefäß
rotiert und je viskoser die Flüssigkeit ist. Da nun Blut während der Ge-
rinnung durch Ausscheidung des Fibrins seine Viskosität ändert, seil,
viskoser wird, muß sich der Gerinnungseintritt durch eine stärkere Ab-
lenkung des Schäufelchens dokumentieren. Durch eine geeignete \'orrichtung
wird verhindert, daß die Schaufel selbst in rotierende Bewegungen gerät.
Die genauere Beschreibung des Apparates ist an der Hand der neben-
stehenden Zeichnungen (Fig. 86, 1—6) verständlich. ..Das Nickelgefäß .-1 mit
dem inneren Durchmesser von \ciii wird, nachdem es mit der zu unter-
suchenden Flüssigkeit gefüllt ist, mit einer vertikalen Metallhülse // wasser-
dicht verbunden, damit es während der Untersuchung in ein Wasserbad
mit konstanter Temperatur getaucht werden kann. Die vertikale Hülse 7)
wird, wie in Fig. 1 und 5 ersichtlich, auf ein inneres Metallrohr geschoben,
das durch einen uhrwerkartigen Motor in rotierende Bewegung versetzt
wird. Dadurch überträgt sich die gleiche Botation auch auf die Metall-
hüLse B und durch diese auf das Gefäß mit der rntersuclinngsflüssigkeit
(Blut, Milch, Fibrinogenlösung). Das Gefäl'i mit Flüssigkeit macht also eine
konstante Tourenzahl pro Minute.
Für Bestimmungen des KoagiilationsverlautVs von Blut erwies sich
eine Tourenzahl von 12 — 15 pro Minute am günstigsten. Hält man in allen
Versuchen die gleiche Tourenzahl ein. so erhält man gut vergh'ichbare
Resultate.
M
Kottmaitii, Dor Koagiiloviskosimctor mit speziolliM- Borürksii-htiirmi!,' ^^iMiicr
klinischen Venveiull.arkcit etc. Zoitschr. f. kliii. Md. Bd. G<>. S. 41.'» (ÜMO).
250
P. Morawitz.
Fig. 86.
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Die Bhitgeiiiiuiing.
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KrI iiu ter u II K (1 tj r Ki(f. 80, 1-0.
Figur 1. LängsBchnItt.
Kipur 2. Ansicht von oben.
Figur ;>. AuBicht von oben eines Querschnittes oberhulb dar Spiralfedi'r ./.
Figur 4. Ansicht von oben eines Quorschuittus obf-rhalb der Dn-hscheibt* G.
Figur S. GofiilJ, Metallhülse, MotuUrohr, Scbilut'elchen und Achse. Vergrößerung der i>iit)itii>-rli.'n-
den J'artie der Figur 1.
Figur 6. Quersclinitt von 5 durch da.s Schilufelchen.
A = GefülJ. J3 — rotierende MetallhiilHe. C = Schäufelchen. /) = Achse. E = BUgol.
F = Tragarm mit Lagerung, (j — Drehscheibe, an der Peripherie gc^.ahnt. // --. gezahntes
Handrad für Drehscheibe. ■/ = Spiralfeder. A' = Zeiger. L— Korkzapfen zum VorschluU
der Tliermoflasohe. ^f = Zifferblatt. A' = Achsenführung. O == Zapfensteinlagor.
In das Gefäß A taucht mm senkrecht und lionauestons zentriert die
feststehende, aber äulJerst leicht in Rotation versctzharc stählerne Achse I)
ein, die durch das Zapfe n-
Fig. 87.
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lager 0 mit dem Bügel E ver-
bunden ist. Sie träfi:t an ihrem
unteren Ende das Schäufel-
chen C, an ihrem oberen einen
Zeiger und ist aulterdem mit
einer feinen Spiralfeder ./ ver-
bunden. Die Spiralfeder, die
außerdem noch (s. Fif?. ^lU) an
einem festen Punkt befesti,ü:t
ist, verhindert eine freie Mit-
rotation des Schäufelchens
mit der Flüssigkeit und ge-
stattet diesem nur einen ge-
wissen Ausschlag, liieser Aus-
n ^ 30 <f^ so
so 70 ao so rOO ffO ^^O tSO /«<? fSO rSO rro fSO fSO 200 *r ZiJ Z3i i-J ZS3
Zwei Geriunung.'ikurven mit dem Koaguloviekosimeter gewonnen. Nach Kollmnitn.
^^^^^— ^^ = Kurve I. A normales Blut. B Blut eines Haemophilen.
— = Kurve II. Blut des Haemophilen bei Zusatz von Ulutsoruni.
— — — — — _; Kurven Itl. Desgl. + Thrombokinase.
schlag, der dem (ierinuungsgrade respektive der Viskosität der unter-
suchten Flüssigkeit proportional ist. wird durch den Zeiger A' in vergröliertem
Maßstabe auf dem Zifferblatte .1/ /um Ausdruck irebracht."
t>52 r. Morawitz.
Für die Gerinniingsbestimmung des IJlutes genügt ein Zeigerausschlag
bis 90**, also eine nur einmalige Umdrehung der Schaufel vollständig. Bei
Viskositätsbestimnmngen anderer Flüssigkeiten läßt sich durch eine in der
Originalarbeit näher beschriebene Vorrichtung durch Verschieben des
Flügels F auch eine mehrfache Umdrehung des Zeigers möglich machen.
An Stelle des Schäufelchens kann man auch einen Zylinderansatz an die
Achse D anbringen. Dadurch gestalten sich die Ausschläge größer, die
Gerinnungszeit wird abgekürzt und die Methode noch weiter verfeinert.
Das Blut wird durch Venaepunctio entnommen. Es soll nicht erst
mit einer Spritze aspiriert werden, sondern direkt aus der Vene durch
einen kleinen Metallansatz in das Nickelgefäß A eintreten. Für Temperatur-
konstanz ist durch \'ersenkung des Nickelgefäßes in ein Wasserbad gesorgt,
das sich in einer Thermosflasche befindet. Fig. 1 gibt diese Verhältnisse
klar wieder.
Die beiden nebenstehenden Kurven (Fig. 87) erläutern die mit dieser
Methode gewonnenen Resultate. Bei 20° ist die Gerinnung in etwa 20'
vollendet, der Beginn scheint etwas weniger konstant zu sein. Bei 40" ge-
rinnt das l)lut schon in 6'. Für das Studium der Gerinnungsverhältnisse
Haemophiler und Kropf kranker hat sich der Apparat in den Händen Kott-
DKums bewährt.
Von allen hier aufgeführten Methoden scheint die zuletzt erwähnte
den ^'orzug zu verdienen. Eigene Erfahrungen stehen mir leider nicht zu
Gebote, iberlegt man aber die mannigfaltigen Fehlerquellen, denen die
meisten übrigen Verfahren unterworfen sind, so wird man die Vorteile
des Kottmcrnnschen x\pparates anerkennen. Einer ausgedehnteren Verwen-
dung steht leider der hohe Preis (475 Frcs.) im Wege. (Der Apparat wird in
dem Sanitätsgeschäft 31. Schaerer, A.-G, Bern, Bubenbergplatz, hergestellt.)
Viel gerühmt, besonders von klinischer Seite, wird auch die Bürkersche
M(^thode. Immerhin scheint sie mir viel mehr Fehlermöglichkeiten zu
bieten als der Koaguioviskosimeter. Für letzteren fällt ganz besonders die
Tatsache ins Gewicht, daß keine größere Übung erforderlich ist, da alle
Bewegungen durch maschinelle Kräfte besorgt werden.
Endlich mag noch darauf hingewiesen werden, daß quantitative Throm-
binbestimmungen im Blutserum, wie sie z. B. von Birnbaum und Osten^)
versucht worden sind, selbstverständlich nicht dasselbe bedeuten, wie die
direkte Bestimmung der Gerinnungszeit. Ich möchte diesen Punkt nach-
drücklich hervorheben, da immer wieder Bestrebungen sich geltend machen,
beide Begriffe zu konfundieren und eine Methode der Gerinnungsbestimmung
auf die Untersuchung des Fermentgehaltes im Blutserum zu gründen. Das
ist nicht zulässig; denn ein großer Teil des bei der Gerinnung gebildeten
Thrombins wird mit den Fibringerinnseln entfernt, eine weitere, sehr
*) Birnbaum und Osten, Untersuchungen über die Gerinnung des Blutes während
der Menstruation. Arch. f. Gynäkol. Bd. 80. H. 2. S. 373 (19Üö).
Die Blutgerinnung. Of,;.^
f^Tolio Menge geht bald nach vollendeter Gerinnnng in die imwirksanie
Modifikation des Metathronihins üixjr (S. 274). Anlierdeni ist die (le-
rinnungszeit ja nicht allein von der Menge des Thronibins , sondern auch
sehr wesentlich von der SchneUigkeit der Ferniententwicklnng alihiin^ng.
111. Methoden zur Gewinnung fibrinogenhaltiger Flüssigkeiten.
Die hier erwähnten Methoden dienen ziii- (Jewinnnng von Lösungen,
die das Reagenz auf Fihrinferment und seine Vorstufen darstellen. Diese
Lösungen sollen daher 1. nicht von selbst gerinnen und 2. trotzdem Fibri-
nogen in gerinnungsfähigem Zustande enthalten. Es gii)t viele .Möglich-
keiten zur Herstellung solcher Lösungen. Am idealsten entspricht eine
reine Fibrinogenlösung dieser Aufgabe. Sie soll nur Fibrinogen enthalten,
dagegen keine anderen Eiweißkörper und vor allem keine Vorstufen de.s
Thrombins. Für gewisse Zwecke kommen auch noch andere Plasmaarten
in Betracht. Allerdings sind sie als Indikatoren für Thrombin nicht gleich-
wertig. Die Ursachen für die Stabilität, also die mangelhafte (Jerinnbarkeit
dieser Plasmaarten, können eben sehr verschiedenartig sein. Manche werden
nicht allein durch Thromben, sondern auch schon durch eine der Thrombin-
vorstufen zur (rerinnung gebracht, ein Zeichen dafür, daß alles, was sonst
zur Thrombinbildung nötig ist, bereits in diesen Lösungen präe.xistiert. So
gerinnt z. B. das an sich stabile Gansplasma sehr schnell auf Zusatz von
Muskelextrakt. Man darf nun aber keineswegs daraus schließen : dei' .Muskel-
extrakt enthält Thrombin. De facto enthält er auch nur eine Vorstufe des
Thrombins. Alles , was sonst zur Gerinnung erforderlich ist , findet er im
Plasma. Auf diesen Punkt ist längere Zeit nicht ausreichend geachtet
worden. Gerade der Umstand, daß der eine Untersucher dieses, der andere
jenes stabile Plasma als Pieagenz für Thrombin wählte, hat zu manchen
Unklarheiten geführt.
Manche stabile Plasmaarten verdanken ihre Beständigkeit ausschließlich
dem Mangel löslicher Kalksalze. Hier wird natürlich schon Zusatz von Kalk-
salzen allein Gerinnung hervorrufen können. Stets muß man sich also über-
legen, ob das Reagenz auf Thrombin. das man anwendet, außer dem
Fibrinogen auch noch andere Substanzen enthält, die den Geriiuiiingsvoi--
gang zu beeinflussen , respektive auszulösen vermögen.
A. Fibrinogenlösungen.
1. Fibrinogenlösung nach IJ((iii unirsfrii.^)
Prinzip der Methode: Das Fibrinogen wird aus Blutplasma xhon
bei halber Sättigung mit Kochsalz ausgefällt, die antleren Eiweilikörper erst
bei höheren Konzentrationen. Das durch Kociisalz niedergeschlagene Fiitri-
nogen wird durch mehrfache Wiederholung von Fällung und Lösung gereinigt.
') Hammarsten , t*bcr die BcilputunL' tior lösliolion Kulksalze für die Fasorstoff-
gerinnuDg. Zeitschr. f. pliysiol. Clicmio. Bd. 22. 8. 33."i (ISilC)).
254 P- Morawitz.
Man geht ain besten vom Pferdeblut aus. Dieses wird im Schlacht-
hause in einem großen Gefäße aufgefangen, das etwas Kalium- oder Natrium-
oxalat in Lösung enthält. Die Menge der Natriumoxalatlösung ist so zu
bemessen, daß die Konzentration des Salzes nach Auffangen des aus der
Wunde strömenden Blutes etwa 0*2 — 0"5<'/o beträgt. Will man ungefähr
5 Liter Pferdeblut auffangen, so kann man in das zum Auffangen be-
stimmte Gefäß zuvor bOOcm^ 2 — 3Voi^er Natriumoxalatlösung bringen. Das
so gewonnene „Oxalatblut" gerinnt nicht, da es keine ionisierten Kalk-
salze enthält.
Ich folge nun der von Nolf^) angegebenen Methodik, die einige Ver-
besserungen des ursprüngUchen Hammarstenschen Verfahrens enthält:
Das Oxalatblut wird gleich nach seiner Ankunft aus dem Schlachthause
scharf abzentrifugiert, das abgehobene, vollständig zellfreie Plasma (800 bis
^00 cni^) auf 0" abgekühlt und bei niedriger Temperatur filtriert. Schon
Hammarsten hat empfohlen, das Plasma längere Zeit, etwa eine Nacht,
bei niederer Temperatur stehen zu lassen. Es fällt dabei ein nukleoproteid-
haltiger Niederschlag aus, der Proferment enthält, also wohl Thrombogen
und Thrombokinase. Erst nach Entfernung dieses Niederschlages kann man
mit einiger Sicherheit darauf rechnen, wirklich brauchbare Fibrinogen-
lösungen zu erhalten, d. h. also Lösungen, die nur auf Zusatz von Thrombin
gerinnen.
Das eiskalte, filtrierte Plasma wird mit wenig verdünnter Essigsäure
gegen Lackmuspapier neutralisiert und reines , kalkfreies Kochsalz zuge-
setzt, bis die Flüssigkeit ein spezifisches Gewicht von lllO angenommen
hat. Das Fibrinogen fällt nun in großen, sich zusammenballenden Flocken
aus. Diese können leicht mit einem Hornlöffel oder einem siebartigen In-
strument aus dem Plasma in 800 — 900 cm^ destillierten Wassers übertragen
werden. Das destillierte Wasser soll eine Spur Natriumoxalat, etwas Koch-
salz und f}cm^ einer gesättigten Sodalösung enthalten. Man nimmt also
die Fällung des Fibrinogens stets bei neutraler, die Lösung bei leicht
alkahscher Reaktion vor (Heubner^). Arbeitet man mit Pferdeplasma, so
ist allerdings dieser Kunstgriff nicht so wichtig. Auch ohne ihn gewinnt
man brauchbare Fibrinogenlösungen. Anders bei Rinderplasma. Ohne
Neutrahsation gehngt es meist überhaupt nicht, durch Halbsättigung mit
Kochsalz das Fibrinogen zur Ausflockung zu bringen. Ebenso löst sich das
aus Rinderplasma niedergeschlagene Fibrinogen nur bei leicht alkalischer
Reaktion.
Die erste Fällung des Pferdefibrinogens löst sich meist schnell und
vollständig. Die Lösung kann durch Umrühren der Flüssigkeit befördert
werden. \'om Ungelösten filtriert man ab. Nun wird die klare, leicht
alkalische Flüssigkeit durch vorsichtigen Zusatz dünner Essigsäure wieder
*) ^olf, Contril). ä. l'ötude de la coagulation du sang. 3^ memoire. Arch. internat.
de Physiol. VI. H. 1. SA. p. 3 (1908).
^) Heubner, Die Spaltung des Fibrinogens bei der Fibringerinnung. Arch. f.
«xperimen. Pathol. und Pbarm. Bd. 49. S. 229 (1903).
Die Blntjjcrinniiiig. _ , ,
gej^en Lackiims neutralisiert. Bildet sich dabei ein leiehter. firohilockijrer
Niederschlag, so ist er durch Gaze ahzufiltrieren. Das I-iltrat wird ab-
gekühlt und in derselben Weise mit Kochsalz gefüllt wie das l'lasnia. Der
zweite Niederschlag kann, wenn er an Masse gegen den ersten zurücksteht,
in etwas weniger Wasser (400— '->()() cm'^) übertragen werden. Man l'iihrt
nun in dieser Weise mit Fällen und Lösen des Fibrinogens fort. Doch soll
das Wasser , in dem man den ;». Niederschlag auflöst, keinen ( )xalatzusatz
mehr erhalten. Der 4. Niederschlag wird in etwa 150 — 300 cw^ Wasser
übertragen. Dem Wasser hat man vorher ein wenig Soda (5 — 0 Tropfen
auf ;')00cw?3) zugesetzt. Man fügt nun noch so viel Koehsalz hinzu, dali
die Salzkonzentration ungefähr P,„ beträgt. Die Fibrinogenlösung bleibt
bis zum nächsten Tage bei 0° stehen und wird durch Leinen kollert.
1 Liter Plasma gibt ungefähr LöO — iiOOcnt'-^ Fibi-inogenlösuug. Trotz
großer Verluste bei der Reinigung ist diese Lösung zu konzentriert. Sie
wird zum Versuch mit der 5- bis lOfachen Menge l^/oiger Kochsalzlösung
verdünnt.
Zuw^eileu erlebt man trotz aller Vorsieht Spontangerinnungen der
Fibrinogenlösung. Es müssen also Vorstufen des Thrombins auch noch in die
letzte Fibrinogenfällung übergegangen sein. In anderen Fällen gerinnt die
Fibrinogenlösung zwar nicht von selbst , wohl aber auf Zusatz von Kalk
oder Gewebsextrakt + Kalk. Auch solche Lösungen sind keine zuverlässigen
Indikatoren für Thrombin.
Eine gute Fibrinogenlösung soll nur auf Zusatz von
Thrombin gerinnen. Durch Morawitz^), Noif-), Schittmhehu und
Bodouff^), Rettger*) ist jetzt oft genug festgestellt worden, dab man
solche Lösungen gewinnen kann. Gegenteilige Angaben von Pckdbariwj^)
und Mellanhy ^') kann ich nicht anerkennen. Nolf weist allerdings darauf
hin , daß auch die sogenannten reinen Fibrinogenlösungen sicher nicht im
strengen Sinne des Wortes ..rein" sind. d. h. nur Fibrinogen enthalten.
Häufig führen sie auch noch etwas Thrombogen. Durch stärkere \'er-
dünnung läßt sich der störende Einfluß des Thrombogens beseitigen. .Vo//'
arbeitet meist mit Fibrinogenlösungen, die so stark verdünnt sind, daß
sich eben noch ein dünnes, gallertiges Fibrinogengerinnsel bilden kann.
Am leichtesten und sichersten gelingt die Darstellung von Fibrinogen
aus Pferdeplasma. Rinderplasraa ist weniger geeignet : denn erstens fällt
') Morauitz, Zur Kenntnis der Vorstufen des Fibrinferments. Ho/tucistfrs Bei-
trage. IV. S. 381 (1903).
-') Noif I. c.
^) Schittenhelm und Bodong, Beitrug zur Frage der Blutgerinnung etc. Arcli. f.
experim. Pathol. u. Pharm. Bd. 54. S. 217 (1Ü05 0(5).
••) Rettgir, The coagulation of hlond. Anier. .lourn. of rii\siol. Noi. 24. 1. Juli,
p. 406 (1909).
'") l'ekelharing, Ein paar Bemerkungen über Fihrinferment. Biochem. Zoitschr.
Bd. 11. 1 (1908).
«) Mellanby, Coagulation of hlood. Journ. of Pliysiol. Vol. 38. p. 28 (HH)8()9).
•256
P. Morawitz.
das l'ihrinoiion mir hei sehr sorgfältiger Neutralisation des Plasma (s. oben)
aus und zweitens zeigt das Präzipitat oft eine feiuflockige Konsistenz und
wenig- Neigung, sich zusammenzuballen. Es ist daher oft schwierig, den
Niederschlag in destilliertes Wasser zu übertragen. Zuweilen läßt sich das
Zusammenballen durch Zusatz von ein wenig Alkali, z. B. Soda, befördern.
Die Flocken steigen dann nach oben, so daß man dekantieren kann. Auch
die Lösung des Fibrinogens in destilliertem Wasser gelingt bei Rinder-
plasma schlecht. Man hat große Verluste. Die Gewinnung einwandfreier
Fibrinogenlüsungen aus Piinderblut erfordert Übung und Geduld. Immerhin
ist es mir, als mir kein Pferdeplasma zu Gebote stand, gelungen, gute
Fibrinogenlüsungen aus Rinderblut herzustellen.
Hattger empfiehlt Katzenblut. Zur Entfernung jeder Spur von Oxalaten
dialysiert er zum Schluß seine Fibrinogenlösung gegen 0'97oige kalkfreie
Kochsalzlösung.
2. Fibrinogenlösung nach A. Schmidt und Mellanhij (I.e.).
Von verschiedenen Seiten ist
mit Unrecht) der Vorwurf gemacht
der Hammarstenschen Methode (wohl
worden , sie sei zu eingreifend. Das
Fibrinogen sollte bei mehrfacher Kochsalzfällung andere Eigenschaften an-
nehmen, speziell an Gerinnungsfähigkeit einbüßen.
A. Schmidt hatte daher einen anderen Weg der Fibrinogendarstellung
beschritten. Das Prinzip der Methode ist folgendes : Aus stark verdünntem
Plasma (O.xalatplasma, Vogelplasma etc.) wird das Fibrinogen durch ge-
linden Essigsäurezusatz ausgefällt, abzentrifugiert und in Wasser gelöst.
Mdlanhij verfährt in folgender Weise: Vogelplasma (über dessen Ge-
winnung s. S. 264) wird mit 20 Volumina destillierten Wassers verdünnt.
Es entsteht kein Niederschlag. Nun fügt man vorsichtig und tropfenweise
O-p/o Essigsäure hinzu. Schnell bildet sich ein massiger Niederschlag. Er
wird abzentrifugiert und in destiUiertem Wasser gelöst. Die Menge
destillierten Wassers entspricht der ursprünglichen Plasmamenge.
Diese Fibrinogenlüsungen gerinnen bereits langsam auf Zusatz
Kalksalzen, schnell mit verschiedenen Gewebssäften. Sie enthalten —
der Art der Herstellung ist das ja auch nicht anders zu erwarten — neben
Fibrinogen offenbar auch noch alle Thrombinvorstufen. Daher sind sie den
Hammurstensdhen Fibrinogenlösungen nicht gleichwertig. Als zuverlässige
Indikatoren für Thrombin dürfen sie nicht gelten.
des
von
bei
3. Seröse Körperflüssigkeiten. (Natürliche Fibrinogenlösungen.)
Seit Buchanan und A. Schmidt werden seröse Trans- und Exsudate
häufig zu Gerinnungsversuchen verwandt. Sie sind nun keineswegs immer
..reine- Fibrinogenlösungen, sondern enthalten häufig auch noch einen Teil
oder gar die Gesamtheit der zur Gerinnung erforderlichen Substanzen. Die
meisten entzündlichen Exsudate gerinnen entweder bereits in den serösen
Höhlen des Körpers oder bald nach ihrer Entleeruns'. Doch verläuft die
Die Blutgerinuiiiig. 957
Gerinnunf;' meist zöiicrnd und verschleppt, verglichen mit der des lilutes.
Offenbar findet sich in den meisten Exsudaten ziemlich wi'uij^^ Thi-omim-
kinaso. Dementsprechend beschleuniget Zusatz von Oewebssaft die (icrinnunji:
in hohem (hade. Spontan scheiden die Exsudate um so schneller Filirin
aus, je zellreicher sie sind.
Es gibt aber auch seröse Flüssigkeiten, die überhaupt nicht sjjontan
gerinnen, sich auch auf Zusatz von Kalksalzen und Gewebssaft nicht ver-
ändern, sondern nur durch Thrombin zur Koagulation gebracht werden.
vSolche Transsudate sind nicht gerade häufig. Das perikardiale Transsudat
des Pferdes zeigt diese P^igentümlichkeit {A. Schmidt ^), Arthus-). Auch
der menschlichen Hydrokeleflüssigkeit können , allerdings nicht in allen
Fällen, alle Fermentvorstufen fehlen. Sie gerinnt also mn- noch auf Throm-
binzusatz und entspricht in ihren Eigenschaften am meisten einer guti-ii,
nach Hamniarsfett dargestellten Fibrinogenlösung. Der Angabe Mcllanhi/s,
daß jede Flydrokeleflüssigkeit durch Gewebssaft zur (ierinnung gebracht
werden kann, möchte ich die Befunde A. Sclnnidts sowie einzelne eigene
Beobachtungen gegenüberstellen.
Will man einen zuverlässigen Indikator für Thrombin haben, so kann
man sich solcher Transsudate bedienen. Immerhin scheint eine Fibrinogen-
lösung dem Zweck besser zu entsprechen. Denn kleine Tlirombinmengen
sind bisweilen in Transsudaten wirkungslos. Diese enthalten offenbar un-
bekannte gerinnungshemmende Körper, die die Wirkung kleiner Thrombin-
mengen (z. B. einiger Tropfen Blutserum) zu paralysieren vermögen.
B. Plasmata, deren Stabilität durch Neutralsalze bedingt ist.
Alle Neutralsalze können in genügender Konzentration die Blut-
gerinnung hemmen oder verzögern. Man bedient sich dieser Tatsache viel-
fach zur Gewinnung von Fibrinogenlösungen, die zum Nachweis gei'innungs-
beförderuder Substanzen geeignet sind. Nach BiKjlia ^) ist die gerinnungs-
hemmende Wirkung von der lonenkonzentration abhängig. Wenig ionisierte
Salze sind schwach wirksam.
Für praktische Zwecke kommen nur Salze der Alkalien und alkalischen
Erden in Frage. Salze der Schwermetalle sind zwar auch wirksam . aber
der Vorgang ist irreversibel. Echte Fibringerinming läßt sich in diesen
Lösungen nicht mehr erzielen.
1. Die kalkfällenden Salze.
(Jxalate, Fluoride und Zitrate hemmen schon in sehr geringer Kon-
zentration die Gerinnung. Das ist verständlich, da ionisierte Kalksalze für
die Bildung des Thrombins unerläßlich sind (s. S. 224). Durch die kalk-
*) A. Schmidt, Zur Blutleluc. Leipzig 1892.
*) Arthus, Le tiaiissucliit peritoneal du chcval coutient-il uii Profibriiifcrniout?
C. r. Soc. Biol. T. 56. S. 388 (1904).
") BiKjJia, Azioni anticoagulantc dci cationi etc. Areli. di fisiol. \()1.3. fit. n.
L. Loch, Bloch. Cbl. VI. 19U7. S. A.
Abderhuldou, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. V. 17
258
P, Morawitz.
fällenden Salze ^Yird also vor allem die Entstehung des Throrabins. erst
in zweiter Linie die Wirkung des fertigen Fibrinfermentes gehemmt.
Zitronensaures Natron wirkt zwar nicht kalkfällend {Ä. Schmidt i), Pekel-
haHng 2) , hebt aber nach Sahhatani 3) die Ionisierung der Kalksalze auf.
Damit ist aber die Bedingung für das Flüssigbleiben des Blutes gegeben.
Ein Znsatz von P/00 Natriumoxalat genügt. Blut ungerinnbar zu
maclien {Art lins und Pages ^). Man fängt also das aus den Gefäßen
striimeude Blut in i/,o Volumen 1— 2Vo Natriumoxalatlösung auf. Das auf
diese Weise gewonnene Oxalatblut, respektive -plasma gerinnt nicht
spontan, wohl aber auf Zusatz genügender Thrombinmengen sowie bei Kalk-
zusatz. Gewebssäfte können im ( )xalatplasma keine Gerinnung be^^^rken.
Immerhin ist Oxalatplasma kein sehr gutes Reagenz auf Thrombin.
Geringe Thrombinmengen bleiben häufig überhaupt ohne Wirkung. Bisweilen
bilden sich aber, ähnlich wie im Fluoridplasma . auf Serumzusatz nur
partielle Gerinnungen. Nur zum geringsten Teil dürfte diese Erscheinung
auf eine direkte gerinnungshemmende Wirkung der Oxalate zu beziehen
sein. Wahrscheinlich liegen auch noch andere Momente vor, denen man
auch in Ilydrokeleflüssigkeiten (s. S. 257) begegnet. Ob es sich hier um
echte Anti'körperwirkungen oder um Adsorptionserscheinungen handelt, ist
noch nicht sicher bekannt.
Oxalatplasma gerinnt regelmäbig auf Zusatz löslicher Kalksalze, z. B.
Kalziumchlorid, wenn man deren Menge so wählt, daß nur ein geringer
flierschui) von Kalziumchlorid im Plasma entsteht. Stärkere Kalzium-
konzentrationen wirken hemmend (0-6— P/o CaCU). Aber selbst wenn
man den Kalkzusatz richtig berechnet, verläuft die Gerinnung doch oft
ziemlich zögernd. Das liegt daran, daß ein Teil der Fermentvorstufen von
dem oft voluminösen Ca-Oxalatniederschlag zu Boden gerissen wird. Nach
Rettger (1. c.) kann man das dadurch vermeiden, daß man Oxalatplasma
längere Zeit gegen eine kalkfreie, 0'9Voig'P Kochsalzlösung dialysiert. Das
Plasma bleil)t füssig. Geringe Spuren von Kalksalzen rufen aber eine
schnell verlaufende, typische Gerinnung hervor. Das Prothrombin, respek-
tive die Fermentvorstufen bleiben im Oxalatplasma mehrere Tage erhalten.
Das Fluoridplasma wird nach Arthus durch Auffangen von Blut
in einer Lösung von Natriumfluorid gewonnen. Die Konzentration des
Salzes muß etwa 2°/oo betragen. Sonst wird die Jaerinnung nicht vöUig
unterdrückt. Natriumfluorid besitzt also trotz erheblich niedrigeren Mole-
kulargewichts (42j schwächere gerinnungshemmende Eigenschaften als
Natriumoxalat (152). Nach Sabbatani ist die Ca-fällende Kraft eines Gram-
moleküls Na Fl \iermal schwächer, als die eines Grammoleküls Natrium-
oxalat.
^) Schmidt^ Weitere Beiträge zur Blntlehre. Wiesbaden 1895.
'-) Fekelharing , Untersuchiingeu über das Fibriiifermeut. Amsterdam 1892.
^) Sabhatini, Fouction biologique du calcium. Arch. ital. de Biologie. T.
p.341 (1903).
*) Arthus uud Pages 1. c.
39.
Die Blutgeriunung. or^O
Fluornatriumplasma bleibt ebenso wie ()\alati)la.sina flii.ssit,^ weil
es keine Ca-Ionen enthält. Immerhin unterscheidet es sich von <lie.sem
doch nach einij^en Itichtun^vn : »Stellt man sich niimlich in der trewühn-
lichen Wcisi' , durch llall)sättii>uni'' mit Kochsalz, aus Fluornatriumplasma
eine Fil)rinogenl()sung her und läßt diese gegen kalkfreie ()-'.)"/oig(' K(»cli-
salzlösung dialysieren, so tritt in der Fibrinogcnlüsung alsbald (Jerinnuu},^
ein (Rettger^). Mit Oxalatplasma geHngt der Versuch nicht. Natriumfluorid
beeinflußt daher wahrscheinlich die Kalksalze des Plasma in anderer Wei.se
als das Oxalat. Offenbar wird der Kalk nicht vollständig gefiUlt. sondern
bleibt zum Teil in nicht ionisierter Form in Lösung, nach licWjer in loser
F5indung mit den Fluoriden. Dialyse kann diese Bindung, an der sich
vielleicht auch Eiweillkörper beteihgen, sprengen; es tritt dann ])romj)te
Gerinnung ein, ohne daß man Kalk zusetzen muß.
Fügt man dem Fluoridplasma Chlorkalzium in solcher Menge hinzu,
daß alles Fluornatrium ausgefüllt wird und ein leichter Kalküberschuß im
Plasma entsteht, so erfolgt, ganz im Gegensatz zum \erlialten des (Jxalat-
plasma, meist doch keine Gerinnung. Diese Beobachtung ist verschieden
gedeutet worden. r)ie von Arthus gegebene Erklärung lautet folgender-
maßen : Fluorsalze hemmen die Gerinnung auf zweierlei Weise. Erstens
analog den Oxalaten durch Bindung der Kalksalze, zweitens aber auch
durch Beeinflussung der geformten Elemente des Blutes. Diese sollen durch
die toxische Wirkung des XaFl verhindert werden , gerinnungsbefördernde
Substanzen an das Plasma abzugeben. Das Fluoridplasma soll also kein
oder nur wenig Prothrombin, speziell Thrombokinase enthalten. Anders
deuten Bordct und Gemjou -) diese Erscheinung. Setzt man die berechnete
Menge Ca OL zu Fluoridplasma, so entsteht ein massiger Niederschlag,
der nicht allein aus Ca FL besteht, sondern auch Fiweil». speziell Fibri-
nogen, sowie Thronibokinase zu Boden reißt. Dadurch soll sich die Fnge-
rinubarkeit des Plasma erklären.
Nach Nolf (1. c.) ist das mit Kalk versetzte, an sich ungerinnbare
Fluornatriumplasma (le plasma fluore recalcifie) das beste Reagenz auf
Thrombozym (Thrombokinase). Es enthält Fibrinogen und Thrombogen und
unterscheidet sich durch seinen reichlichen Thrombogengehalt von einer
nach Hain mattsten bereiteten Fil)rinogenlösung. Der richtige CaCU-Zusatz
wird am besten durch Berechnung ermittelt. ( )der man setzt so lange
Ca Clj-Lösung tropfenweise hinzu, als sich noch Niederschlag bildet. Dieser
wird abgeschleudert.
Neuerdings hält lictfr/er diese P^eobachtungen am Fluoridplasma für
unzutreffend. Bei sorgfältiger \ermeidung jedes Ca-Cberschusses soll es
ganz gut gelingen, auch Fluoridplasma durch Kalkzusatz zur (Jerinnung
*) Rettger, The coapiilatiou of blood. .Vmcr. Joiirn. of riiysiol. XXIW 1. .Iiili.
p. 40ß (1909).'
-) Bordct et (icttyou, Kecli. sur la coaLriilaiiuii du sauj,'. 3" möm., Contrilnition
A rdtiule du plasma fluore. Aunal. de l'Instit. I'asfeur. T. 18 p. 26—40 (1904).
17*
260
P. Morawitz.
ZU Ijiiugen. Also muß das Fluoridplasma erstens alle zur Gerinnung nötigen
Faktoren enthalten. Zweitens kann aber der Fluoridnied erschlag diese Sub-
stanzen offenbar auch nicht vollständig zu Boden reißen respektive immo-
bilisieren.
Die Eigenschaften des Natriumfluoridplasma sind also noch nicht
vollständig geklärt. Seine Stabilität verdankt es jedenfalls in erster Linie
dein Kalkmangel.
Gegen die \'erwendung des Fluornatriumplasma als quahtatives und
(juantitatives Reagenz auf Thrombin {Arthus^) sprechen früher erörterte
Gründe (vgl. S. 258).
Das Zitratplasma wird durch Auffangen von Dlut in einer Lösung
von Xatriumzitrat gewonnen. Die Konzentration dieses Salzes muß 4^00
betragen, damit das Blut sicher flüssig bleibt. Es erfolgt kein Nieder-
schlag von Ca-Zitrat. Trotzdem ist das Ca gebunden und für die Ferment-
bildung nicht verfügbar. Das Zitratplasma findet neuerdings oft bei
Immunitätsuutersuchungen Verwendung.
2. Andere Neutralsalze.
Die gerinnungshemmende Wirkung der meisten nicht kalkbindenden
Salze beruht, wie schon A. Schutidt feststellte, auf der Fähigkeit der
Neutralsalze in genügender Konzentration die Fermentbildung zu unter-
drücken. Die Wirkung fertigen Thrombins wird erst bei sehr starker Salz-
konzentration paralysiert.
Das Magnesiumsulfatplasma (A. Schmidt). 2V2 — 3 Volumina Blut
werden in 1 Volumen schwefelsaurer Magnesialösung von 28^/0 aufgefangen.
Die Mischung wird sofort tüchtig durchgeschüttelt und zentrifugiert. Das
zellfreie Magnesiumsulfatplasma kann entweder in dieser Form wochenlang
im Eisschrank aufgehoben werden ( Wohlgemuth -) , oder man kann es nach
A. Schnidt schnell über Schwefelsäure trocknen und pulverisieren. Das
Pulver behält seine Brauchbarkeit beliebig lange. Zum Versuch wird die
erforderliche Menge Pulver in einem lleagenzglase mit dem siebenfachen
Gewicht Wasser durchgeschüttelt und nach einigen Stunden vom Ungelösten
abzentrifugicrt respektive abfiltriert.
Das auf die eine oder andere Weise gew^onnene Magnesiumsulfat-
plasma gerinnt aus sich selbst heraus nicht mehr, obwohl es alle zur Ge-
rinnung nötigen Faktoren enthält. In der angegebenen Konzentration unter-
drückt das Salz meist auch die Wirkung zugesetzten freien Thrombins.
Erst wenn man das Salzplasma hinreichend verdünnt, kommt zugesetztes
Thronibin zur Wirkung. Nach Wohlgemuth (1. c.) genügt schon eine geringe
Verdünnung {Icmi Wasser auf 2cm^ Salzplasma), um durch Zusatz von
') Arthus, Un r^actif quantitatif du Fibrinferment. Journ. de Physiol. T. 4.
p. 1. (1902).
'-') Wohlfjemuth , Eine neue Methode zur quantitativen Bestimmung des Fibrin-
ferments etc. Biochem. Zeitschr. Bd. 27. S. 79 (1910).
Die Blutgerinnung. 9^^j
Fibrinfermont respektive Serum (lorinuung' zu erhalten. \'on selb.st ge-
rinnt das verdünnte Magnesiumsulfatplasnia nicht. Bisweilen bleibt es sopar
bei einer Verdünnuni? mit dei- zehnfachen Wassernienfi:e flüssig. Nach
A. Schmidt ist man nicht imstande, lianz bestimmte (|Uantitative An^^aben
über die jeweils zweckmäßige ^'erdünnung des Salzplasma zu machen. Sie
hängt sehr von der Tierspezies ab. Schmidt, der meist mit Pferdeblut
arbeitete, vei'dünnte das Plasma auf das achtfache, um «'inen brauchbaren
Indikator für Thromltin zu gewinnen. In ]\'ohl(jcmuths Versuchen (Blut
von Kaninchen und Hund) genügten schon viel geringere Zusätze. In jedem
Falle wii'd man also den optimalen (irad der Verdünnung festzustellen
haben, d. h. den (Jrad, bei dem das Plasma auf Fermentzusatz schnell
gerinnt, spontan aber flüssig bleibt. Mäliig verdünntes Salzplasma kann
auber durch Thrombin auch noch durch zymoplastische Substanzen zur<ie-
rinuung gebracht werden.
Magnesiumsulfatplasma dient also als Reagenz auf Thrombin . even-
tuell auch auf zymoplastische Substanzen. Es kann auch, ebenso wie
Oxalatplasma, das Ausgangsmaterial zur Herstellung von P'ibrinogenlösungen
bilden. Das Fibrinogen wird zunächst durch völlige Sättigung mitMgSO^
niedergeschlagen, der Niederschlag dann weiter nach der S. 253 angegebenen
Methode Hammarstnis verarbeitet. Praktischer ist es aber wohl, vom
Oxalatplasma auszugehen.
Das Kochsalzplasma (Bordet-Geuf/ou^). 15 cm^ Blut werden in 5r<y/3
20"/oiger Kochsalzlösung aufgefangen, die Blutsalzmischung wird zentrifugiert.
Das b^/oige Salzplasma hält sich lange ohne zu gerinnen oder seine sonstigen
Eigenschaften zu ändern. Verdünnt man das Salzplasma mit destilliertem
Wasser auf das vierfache, so gerinnt es in V, '^is V* Stunden spontan,
bei Zusatz von Thrombin schon bei geringeren Verdünnungen. Es enthält
selbst zunächst kein Thrombin. sondern nur dessen \'orstufen, verhält sich
also genau wie Magnesiumsulfatplasma.
Die beiden eben erwähnten Plasmaarten empfehlen sich besonders
wegen der Leichtigkeit ihrer (iewinnung für Gerinnungsversuche. Immer
sind dann aber die optimalen Verdünnungen genau festzustellen, sonst l)e-
kommt man keine zuverlässigen P)efunde.
Das (Jallensalzi)lasma. Gallensalze wirken in vitro geiiiinuiigs-
hemmend. und zwar durch denselben Mechanismus, wie die übrigen Neutral-
salze, nur in viel geringerer Konzentration. Läßt man Hundeltlut in Kinder-
galle strömen, so bleibt bei einem Verhältnis von 1 Teil (ialle zu 5 Teilen
Blut jede Gerinnung aus, bei einem solchen von 1 : 1(» bis 1 : 15 ist die
Gerinnung mehr oder weniger verzögert. Unter 1:2(> ist keine deutliche
Verzögerung mehr nachweisl)ar. Stärker gerinnungshemmend wirken chol-
saure Salze (z. B. die Matnersvhe Galle). Bei einem Zusatz von I^q bleibt
die Gerinnung oft ganz aus, ist aber immer stark verzögert.
') Borrief ot Gengou, Rccli. siir la cnau'iil. ilii san-:. Annal. iK' Tlnstit. /'asfiur.
T. 17. p. 822 (lyuüj.
262 P- Morawitz.
Ungerinnbares Gallensalzplasma enthält kein fertiges Throrabin, wohl
aber dessen Vorstufen. Schon bei mäßiger Verdünnung mit Wasser erlangt
es die Fähigkeit der Koagulation wieder. Nach Ausfällung der Kalksalze
durch Natriumoxalat ist die nachfolgende Verdünnung unwirksam , das
Plasma bleibt flüssig.
Galleusalze wirken stark hämolytisch. Doch ist ihre gerinnungs-
hemmende Eigenschaft nicht auf Hämolyse zu beziehen ; denn sie läßt sich
auch in blutkörperchenfreien Fibrinogenlösuungen demonstrieren.
Für die Erklärung cholämischer Blutungen im Organismus, die oft
mit einer erhebhchen Verminderung der Gerinnbarkeit einhergehen, kommt
sicher nicht eine direkte gerinnungshemmende Wirkung der im Blute
Leberkranker kreisenden Gallenbestandteile in Frage {Morawitz und Bierich \).
Gallensalzplasma ist im ganzen kein guter Indikator für Thrombin
oder dessen Vorstufen, da es gar zu leicht schon bei mäßiger Verdünnung
spontan zu gerinnen pflegt, ganz im Gegensatz zum MagnesiumsuKatplasma.
C. Methoden zur Gewinnung möglichst unveränderten, stabilen
Blutplasmas.
Da Blutplasma in vitro meist starke Neigung zur Gerinnung zeigt,
sind besondere Vorsichtsmaßregeln zur Gewinnung möglichst unveränderten
Plasmas erforderlich, eines Plasmas, das keinen gerinnungshemmenden
Zusatz erhält. Besonders geeignet erweist sich hier Blutplasma von Vögeln
und niederen AVirbeltieren. Dieses ist, wie Delezenne ^) zuerst zeigte, unter
gewissen Bedingungen viel stabiler als Säugerblut. Aber auch aus diesem
kann man ziemlich stabile Plasmata herstellen, die besonders früher viel-
fach für Geriunungsversuche Anwendung fanden.
1. Zellfreies Pferdeblutplasma nach A. Schmidt.^)
Das Plasma wird durch Abkühlung und Filtration gewonnen. Nur
Pferdeblut ist geeignet. Das Blut anderer Tiere hat einmal eine zu starke
Gerinnungstendenz. Dann sedimentieren aber auch alle anderen Blutarten
zu langsam und unvollständig, während sich die Blutzellen gerade im
Pferdeblut besonders schnell und vollständig absetzen.
Pferdeblut wird in hohen, vorher sorgfältig gekühlten Glaszylindern
aufgefangen. Sie stehen in Eis oder in einer Kältemischung. Das Blut
kühlt sich rasch ab und bleibt flüssig. Sobald seine Temperatur auf etwa
0" gesunken ist und die geformten Elemente sich abgesetzt haben, wird
das Plasma vorsichtig dekantiert und auf ein Filter aus einer dreifachen
Lage Filtrierpapier gebracht (Papier von Schleicher & Schüll, Nr. 598). Das
*) Morawitz und Jiicrich, Über die Pathogenese der choliimischen Blutungen.
Arch. f. experim. Pathol. u. Pbarmakol. Bd. 56. S. 115 (1906).
^) Delezenne, Rech, sur la coagulation du sang chez les oiseaux. Arch. de Physiol.
T. 9. p. .333-;352 (1897).
■') A. Schmidt, Zur Blutlehre. Leipzig 1892. S. 7.
Die Blulgerinimng. 9g3
Filter befindet sich in einem Doppeltrichter, der mit einer Killtemischunf?
gefüllt ist. Man hat nun die Aufgabe, auch ^väh^'nd des Fiitrationspni/'
die Temperatur des Plasmas nicht über + ()•;')" steijj^en und andniM-n-
nicht viel unter den Gefrierpunkt sinken zu lassen. Im erstei'en Fall«' ^'ehen
zu viele Blutzellen (hauptsächlich Blutplättchen und Leukozyten), die sich
noch nicht abgesetzt hatten, durch das Filter, im anderen Falle gerät die
Filtration ins Stocken. Aullerdem löst sich ein Teil der Blutzellen während
des Gefrierens auf; es gelangen dann /elli)estandteile in das Plasma und
wii-ken gerinnungserzeugend. Hat man solche Zwischenfälle vermieden, so
bleibt das zellfieie Plasniafiltrat selbst bei einer Temperatur von 1.")" oft
viele Stunden lang, ausnahmsweise sogar 24 Stunden flüssig und kann zu
Gerinnungsversuchen verwandt werden. Niemals erhiilt man aber Plasma,
das spontan gar keine Neigung zur (ierinnung zeigt. Je intensiver die Ge-
frierung im Filter war, je mehr Zellen durch das Filter durchgegangen
sind, um so größer ist die Gerinnungstendenz. Es ist gut. die Filtration
in einem kühlen Baume vorzunehmen.
Im Laufe einer Stunde erhält man bis öOcm^ Filtrat, oft aber nur
viel weniger. Hoher Filtrationsdruck ist erforderlich. Daher geht man
zweckmäCiig von grollen Plasmamengen aus.
Auf jeden Fall bleibt die Gewinnung (ki^ abgekühlten, zellfreien
Plasma schwierig. Auch kann ich nicht glauben, dalJ es als Indikator für
Throml)in und seine Vorstufen viel leistet. Die Stabilität ist ja keine
absolute , aulierdem ist sie großen Schwankungen unterworfen.
2. Stabiles Säugerplasma in paraffinierten (Jefäßen (Uordrf-
Gengon ^).
Da die Berührung mit benetzbaren Fremdkörpern den ersten Anstoß
zur Gerinnung gil)t, kann Auffangen von Blut unter Ol {Freund-) oder noch
besser in paraffinierten Gefäßen, in denen jede Möglichkeit der lU-netzung
ausgeschlossen ist, die Gerinnung erhel)lich behindern oder hintanhalten.
Man versieht zunächst eine Anzahl sorgfältig gereinigter Zentii-
fugengläser innen mit einem Überzug sauberen und sterilen Paraffins.
Paraffin von niedrigem Schmelzpunkte ist vorzuziehen. Sonst macht man
die Erfahrung, daß eine sehr spröde Paraffinschiebt doch einer gewissen
Benetznng mit Blut zugänglich ist. P^ine Mischung von festem Paraffin
mit Paraff. li(iuidum ist am meisten zu empfehlen. Der Schmelzpunkt liege
nur wenig über 40^'. Vaseline oder Ol ist nicht recht brauchbai', da es
während des Zentrifugierens leicht von den Wänden des Glasgefäßes ab-
gleitet. Die Zentrifugiergiäschen sind .sorgfältig voi- dem Eindringen von
Staub zu schützen, am besten durch P.edecken mit Stanniol, das man auch
beim Zentrifucieren als Deckel auf don Gläsern beläßt. Auch die zur P>lut-
') Bordet-GfUf/oii , 1. c. S. 2(51.
-) Freund, Ein Beitrag zur Keiiiitnis der Blutgerinnung. NViiMitr med. .lalirb.
46-48 (1886).
264
P. Morawitz.
entnähme dienende Glaskanüle sowie die sich anschließenden Glas- und
Gummirohre müssen mit einem Paraffinüberzug versehen werden.
Man i)efestigt nun die Kanüle auf die gewöhnliche Weise in einer
der Arterien des Versuchstieres , läßt die zuerst ausfließenden Blutmengen
abtropfen und füllt dann schnell die Ghäser, die sofort wieder zugedeckt
und zentrifugiert werden. Ist kein Fehler passiert, hat man speziell jedes
Eindringen von Staub u. dgl. zu vermeiden gewußt, so tritt keine Ge-
rinnung ein. ^lan kann nach kurzer Zeit das zellfreie Plasma mit einer
paraffinierten Pipette abheben.
Dieses Plasma hält sich nur so lange flüssig, als es in paraffinierten
Gefäßen verweilt. In gewöhnlichen Glasgefäßen wird es regelmäßig mit
größerer oder geringerer Geschwindigkeit fest. Es enthält also alles, was
zur Gerinnung erforderlich ist. Trotzdem entsteht in ihm doch erst dann
Thronihin. wenn eine Kontaktwirkung benetzbarer Fremdkörper gegeben ist.
Zur Ausführung von Gerinnungsversuchen ist dieses Plasma seiner
geringen Stabilität wegen wenig geeignet. Größere Übung und sorgfältige
Technik ist außerdem Vorbedingung für die Gewinnung des Plasma in
Paraffin röhrchen.
n. Vogelplasma nach Delezenne.^)
Vogelblut und Blut niederer Wirbeltiere zeichnet sich durch größere
Stabilität in vitro vor dem Säugerblute aus.
Es gelingt ^^ogelblut nach einem von Delezenne angegebenen Ver-
fahren ohne jeden gerinnungshemmenden Zusatz lange Zeit außerhalb des
Körpers flüssig zu erhalten und durch die Zentrifuge ein zellfreies Vogel-
plasma zu gewinnen, das nur wenig oder überhaupt keine Neigung zur
Koagulation aufweist. Am l)esten macht man den Versuch mit Gänsen
oder Truthähnen. Hühner sind wegen der kleineren Verhältnisse weniger
geeignet. Auch habe ich einige Male die Beobachtung gemacht, daß Hühner
schon beim Aufbinden auf das Operationsbrett oder beim ersten Haut-
schnitt plötzlich starben (Shokwirkung?).
Nach Fuld 2) verfährt man zur Gewinnung von Vogelplasma in
folgender Weise: Das Blut wird aus der Karotis entnommen, von der
mau ein längeres Stück freilegen kann als von der Brachialis. Das Tier
wii-d ohne Narkose — der Eingriff ist kaum schmerzhaft — aufgebunden
und durch einige untergeschobene Keile gestützt. Der Hals soll möglichst
gerade und unverdreht liegen. Nun reinigt man das Operationsfeld von
Federn (am besten durch Rupfen) und durchtrennt die Haut in der Mittel-
linie, wobei es meist zu kleinen Blutungen aus Hautvenen kommt. Diese
werden gestillt, bevor man weiter geht. Nun geht man möglichst stumpf,
scharf in der Mittellinie, zwischen den Muskeln in die Tiefe, ohne den
Puls zu suchen. Ist man bis auf die ziemlich tief gelegene linke Arterie
1) Delezenne, 1. c. S. 262.
-) FuJd , Ül)ei' das Zeitgesetz des Fibrinferments. Hofmeisters Beitr. Bd. 2.
S. 514 (1902).
Die Blutf'erinuunff.
'15
265
gekommen, so tritt diese deutlich aus der Wunde hervor. I)as rechte Ge-
fäß lie^t unmittelbar dahinter. Man legt das (iefäli nun auf einen Streifen
Flic'lipapior und bindet in gewühnliclier Weise eine absolut sauborc <ilas-
kanük- ein. Nun ^vird das Blut in /cntrifugengläschen aufgcfaugm. die
mit einem reichlichen Stück Stanniolpapier bedeckt sind. Unmittelbar vor
Gebrauch uird das Stanniol mit einem Kohr von der Weite der (iefaCt-
kaniile durchstoßen. In diese Öffnung führt man die Kanidc ein . so daß
man also das Stanniol auch beim Auffangen des Blutes nicht abzuheben
braucht. Sofort nach Füllung des Gläschens mit Blut wird das Stanniol-
papier verschoben und hierdurch wieder ein völliger Abschluß» erzielt. Das
Auswechseln der (Jcfäße geschehe schnell. Durch mehrmaliges Zentrifiigieren
und Abheben (jedes Glas mit einer frisch gereinigten ri])ette) erhält man ein
körperchenfreies, stabiles Plasma. Wälirend des Zentrifugierens bleil)en die
Gläschen, respektive auch die Fächer der Zentrifuge mit Stanniol bedeckt.
Alle diese Vorsichtsmaßregeln sind l)is zur völligen Entfernung der
zelhgen Elemente nötig. Bis dahin darf das Blut nur mit völlig staul>-
freien Gegenständen in Berührung kommen. Fuhl rät, die Zentrifugen-
gläschen und besonders auch die Pipetten, die zum Abheben des Plasmas
dienen, vorher auszudampfen. Ich habe mich mehrfach mit gutem Erfolge
paraffinierter Gläser und Kanülen bedient. Das zellfreie Plasma ist viel
weniger zur Gerinnung geneigt und kann — auch in nicht paraffinieiten
Glasgefäßen — unter Umständen wochenlang gehalten werden . ohne zu
gerinnen. Sehr hiiufig erlebt man es aber doch, daß schon während des
Zentrifugierens oder kurz danach eines oder das andere der Köhrchen
partielle Gerinnung zeigt. Der noch nicht geronnene Plasmaanteil aus diesen
Gefäßen darf nicht weiter verwendet werden, (iewöhnlich liegt hierbei ein
Fehler der Technik vor, besonders Unsauberkeit eines der Glasgefäße, mit
denen das noch zelleuhaltige Plasma in Berührung kommt.
Außer der Karotis kommt für die Blutentnahme noch die Art.
brachialis (im Sulcus bicipitalis internus des Flügels) oder die Vena ju-
gularis respektive brachialis in Betracht. Die Blutentnahme aus der Vene
— technisch einfacher als die aus der Karotis — ist vielleicht weniger
zu empfehlen, da das Blut sich nur tropfenweise entleert und hierdurch
die Möglichkeit der Verunreinigung durch Staubpartikel in hölieroin (irade
gegeben ist.
Das ungerinnbare, zellfreie \ogelplasma ist kein guter Indikator für
Thrombin. Ebenso wie die meisten anderen ..natürlichen" Plasmaarten
(Hydrokeleflüssigkeit , Oxalatplasma etc.) enthält es gerinnungshemmende
Körper (L. Locb^), Murascheiv-). Zusatz von wenig Tlirombin. /. 15. Blut-
serum, ruft häufig nur langsam verlaufende oder unvollständige (ierinnungen
hervor. Dagegen ist Gansplasma ein sehr gutes Reagenz auf Thrombokinase
*) L. Loch, Versuche üher einige Bedingungen der Blutgerinnung etc. Virchotrs
Arch. Bd. 176. S. A. (1'.IÜ4).
-) Murascluir, tlicr die Spezifizität des Fibrinferments uiul seiner Vorstufen.
Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 80. S. 187. 0^04).
266 P. Morawitz.
respektive zymoplastische Substanzen. Eine Spur Gewebssaft genügt schon,
das Plasma in wenigen Minuten zu vollständiger Gerinnung zu bringen.
Das Gansplasma enthält also Thrombogen, Fibrinogen und Kalksalze. Es
fehlt ihm an Thrombokinase oder diese ist doch nur in geringen Mengen
vorhanden.
Gansplasma, das längere Zeit hindurch im Eisschrank aufbewahrt
wurde, bleibt bisweilen auch auf Zusatz von Gewebssaft flüssig, obwohl
es noch mit Thrombin gerinnen kann. Nach HewleW^) handelt es sich
möglicherweise um Unwirksamwerden des Thrombogens.
Aus sich selbst heraus (etwa durch Verdünnen mit Wasser, Durch-
leiten von CO2 oder Neutralisieren) ist sorgfältig bereitetes Gansplasma
nur schwer oder gar nicht zur Gerinnung zu bringen (im Gegensatz zu
Peptonplasma).
-t. Plasma niederer Tiere (Fische, Krustazeen).
Das Blut der Batrachier und Fische weist nach Delezenne (1. c.) ähn-
liche Eigentümlichkeiten auf, wie Vogelplasma, d. h. eine gewisse StabiUtät
in vitro, falls es unter Vermeidung jeden Kontaktes mit Geweben,
Staub etc. entnommen wird. Ich gebe die Technik der Gewinnung von
Fischplasma nach Nolf.^)
Ein Katzenhai (Scyllium catulus) wird vertikal aufgehängt, mit dem
Kopf nach unten. Man schneidet den Schwanz des Tieres in der Höhe
der letzten Dorsalflosse ab. Es erfolgt trotz Eröffnung der Kaudalarterie
keine Blutung, da der arterielle Druck, der sehr niedrig ist, durch die
Körperlage ungefähr auf 0 reduziert wird. Nun führt man in die Arterie
eine ganz saubere Glaskanüle ein. Sie wird tief in das Lumen des Gefäßes
hineingestoßen und soll durch seithche Kompression auch die darunter-
begende, ebenfalls eröffnete Vene schließen. Die Umgebung der Arterien-
kanüle wird durch Wattetampons gut abgedeckt, um jede Beimischung
von Gewebssaft zu vermeiden. Dann wird das Tier nach sorgfältiger Fixa-
tion der Kanüle in horizontale Körperhaltung gebracht und unter Ein-
leitung künstlicher Pvespiration entblutet. Die ersten Blutstropfen läßt man
ablaufen, die folgenden werden in paraffinierten Gefäßen aufgefangen und
sofort zentrifugiert. Das dekantierte Plasma behält in paraffinierten Ge-
fäßen seinen flüssigen Zustand unbegrenzt lange bei. In Glasgefäßen ge-
rinnt es meist langsam im Gegensatze zu Gansplasma, das auch hier
flüssig bleibt. Verdünnung mit Wasser befördert die Gerinnung des Fisch-
plasnia. Im übrigen verhält sich letzteres — besonders gegenüber Gewebs-
saft — ähnlich wie Gansplasma.
Bei Teleostiern ist die Tendenz zur spontanen Gerinnung größer,
die Gewinnung eines stabilen Plasma weniger leicht.
*) Hewlett, Über die Einwirkung des Peptonblutes auf Hämolyse und Bakteri-
zidie etc. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharm. Bd. 49. S. 307 (1903).
-) Xolf, La coagulation du sang des poissons. Arch. internat. de Physiol. Vol. 4.
S.A. (,1906).
Die Blutgeriuuuiii?. 0p,7
Blutplasma Wirbelloser. Eini^^e der ^rölieren Krustazeenartt-n
liefern f2:enün:ende lUiitinont-on. Es läßt sich bei ihnen ein Plasma ohne
oder doch nur mit i'orin^er (ierinnuufrstendenz gewinnen. \'ei-fahren zur
Gewinnuni^- von Krustazeenplasma sind von L. Loch i) uml P. S'olf-) an-
gegeben worden. Es mag hier erwähnt werden, daü manciic Krustazeen
zwar auch eine echte Eibrinogengerinnung haben wie Wirbeltiere, dalJ
aber außerdem eine dieser (ierinnung vorhergehende Agglutination und
Verklumpung der Amöbozyten des Blutes eine Art vdii erster Gerinnung
darstellt, die für die spontane Blutstillung bei diesen Tieren bedeutung.s-
voU ist. Bei anderen Wirliellosen ist eine echte Fibringerinnnng überhaupt
nicht nachweisbar, z. B. bei Limulus. Dagegen ist die Agglutiiiati(ui der
Amöbozyten ganz allgemein verbreitet. Bei der Languste iralinurus
vulgaris) und dem Hummer (Ilomarus vulgaris) tritt zu der Agglutination
eine nachträgliche zweite Gerinnung, die viel Ähnlichkeit mit der Fil)rin-
gerinnung der Wirbeltiere hat.
Blutentnahme bei der Languste (Palinurus vulgaris) nach AW.
Man wählt große Tiere und entnimmt ihnen oO — GOcm^ Blut durch Ampu-
tation eines Beines. Die Tiere vertragen den Eingriff gut und bleiben am
Leben, ^'or der Blutentnahme wird das dazu gewählte Bein (gewöhnlich
das vorletzte) sorgfältig gereinigt und in Höhe des letzten Gelenkes ab-
geschnitten. Zuweilen tritt danach Autotomie ein. Das Blut entleert sich
ziemlich schnell, falls keine stärkeren Muskelbänder in der rmgebung
des Gefäßes liegen. Sonst kann es vorkommen, daß es sich durch Aggluti-
nation der Amöbozyten wieder schließt. Beim Hummer gewinnt man das
Blut nach L. Loch am besten durch Inzision ins Al)domen.
Da das Blut der Krustazeen in vitro meist ziemlich schnell nach der
sogenannten ersten Gerinnung, der Agglutination der Amöbozyten. durch
Ausscheidung des Fibrinogens ganz fest wird, so ist es notwendig, sich
durch bestimmte Methoden ein stabiles, für (lerinnungsversuche brauch-
bares Plasma zu verschaffen.
Nach L. Loch kann man zu diesem Zwecke in folgender Weise ver-
fahren :
1. Ilummerblut wird in destilliertem Was.ser aufgefangen. Man wählt
1 N'olumen Wasser für 2 — 4 Volumina Blut. Die Flüssigkeit wird filtriert.
Das Plasma gerinnt aus sich selbst heraus nicht mehr, oder doch nur
langsam.
'2. Hummerblut wird während der Blutentnahme geschüttelt, um die
Agglutination der Amöbozyten zu befördern, dann sogleich filtriert, has
Filtrat versetzt man mit Wasser im Verhältnis von 20 Teilen Blut zu
14 Teilen Wasser. Diese Mischung wird sofort eine hallte Stunde lang auf
*) L. Loeb, über die Koafrulatiou des Blutes eiüiiL'er Arthropudeii. Boitr. z. ehem.
Physiol. u. Pathol. V. S. 191 (19U4). — Derselbe, Untersiichuneen über BUitgeriunung.
Ebenda. VI. S. 2(iO (1905).
■-') F.Xolf, La i'oagulatiuii chcz les tTUstacüs. Arch. intcniat. .If I'b\siol. \ol. 7.
II. VI. S.A. (1909)-
268 P. Morawitz.
52" erwärmt. Die Lösung gerinnt aus sich selbst heraus nicht mehr, wohl
aber auf Zusatz gerinnungsbefördernder Substanzen, z. B. Gewebssaft oder
Extrakten aus Amöbozyten.
3. Endlich kann man aus Hummerblut auch eine Fibrinogenlösung
herstellen. Das Blut wird wieder wie oben durch Schütteln von den Amöbo-
zyten befreit — man erkennt die vöUige Ausscheidung dieser Zellen an
der Flockenbildung in der sonst klaren Flüssigkeit — , dann mit einem
größeren Volumen gesättigter Kochsalzlösung versetzt. Man fügt dem Ge-
misch Kochsalz in Substanz bis zur Sättigung hinzu (Berechnen der
Menge!). Der nach 4 — 9 Stunden abfiltrierte Niederschlag wird in destil-
liertem Wasser gelöst. Diese Fibrinogenlösung ist haltbar, sie gerinnt nur
auf Zusatz gerinnungsbefördernder Stoffe.
4. Nach Nolf gelingt es auch, Langustenplasma ohne jeden Zusatz in
der Weise zu erhalten, daß man Blut aus einem Hinterbein des Tieres
(die ersten Tropfen soll man nicht verwenden!) in paraffinierten Gläsern
auffängt, sofort zentrifugiert und das abgehobene zellfreie Plasma bei 0"
aufhebt. Es bleibt unter diesen Bedingungen lange flüssig und gerinnt auch
bei gewöhnhcher Temperatur erst in mehreren Stunden.
Die in verschiedener Weise gewonnenen Plasmata der Krustazeen
gerinnen auf Zusatz von Gewebsextrakten oder Extrakten von Amöbozyten.
Anwesenheit von Kalksalzen ist dabei erforderUch. Thrombin und Gewebs-
saft von Wirbeltieren sind in einer von Krustazeenplasma hergestellten
Fibrinogenlösung unwirksam und vice versa. Weitere technische Einzelheiten
finden sich bei L. Loeh.
D. Plasmata, deren Stabilität vornehmlich durch gerinnungs-
hemmende Substanzen bedingt ist.
1. Das Peptonplasma.
Wittepepton verhindert zwar nicht in vitro, wohl aber bei intra-
venöser Injektion unter gewissen Bedingungen die Gerinnung (Schmidt-
Mühlheim'^) ^ Fano^). Die Gerinnungsunfähigkeit dauert mehrere Stunden.
Man wählt für den Versuch am besten Hunde oder Katzen. Die Tiere
müssen zuvor 12 — 24 Stunden gehungert haben. Die Injektion der Pepton-
lösung erfolgt durch eine in die Vena iugularis eingeliundene Kanüle
(herzwärts!). Das Pepton wird in kochender Kochsalzlösung gelöst. Man
stellt sich eine etwa 3 — 5<»/oige Peptonlösung her. Diese ist nach Ab-
kühlung und Filtration zur Injektion verwendbar. Will man das Blut
völlig ungerinnbar machen, so empfiehlt es sich, mindestens 0*3 g Pepton
pro Kilogramm Tier zu injizieren. Lieber wilhlt man noch etwas höhere
Dosen, doch nicht über 0"6 (/. Sonst sind Todesfälle während oder kurz
^) Schmidt-Miihlheim, Zur Kenntnis des Peptons und seiner physiologischen Be-
deutung. Arch. f. Anal u. Physiol. Physiol. Abt. S. 33—56 (1880).
-) Fano, Über das Verhalten des Peptons und Tryptons zu Blut und Lymphe.
Arch. f. Anat. u. Physiol. Physiol. Abt. S. 277—297 (1881).
Die Blutgerinnung. o^jq
nach (lor Infusion zu befürchten. Ferner geschehe die Injektion müghchst
schnell. Spritzt man die «bleiche Dosis langsam ein. so wird das lilut
häufig nicht ganz ungerinnbar. \uu der Peritonealhöhle ans sind sehr
starke Gaben erforderlich, um überhaupt eine Änderung der (ierinnbarkeit
zu bewirken.
Kaninchen und Meerschweinchen sind für Peptonversuche ungeeignet.
Zuweilen bekommt man bei ihnen überhaupt keine Änderung der (Jerin-
nungsfähigkeit, bisweilen sogar eine Beschleunigung. Eine sichere Pcpton-
wirkung liilit sich hingegen wieder bei Vögeln beobachten. Auch die.se
lälit man am besten tags zuvor hungern.
Inniittelbar nach der Injektion werden die Tiere, falls sie nicht
narkotisiert waren, somnolent, der IHutdruck sinkt stark, zuweilen .setzen
die Atembewegungen aus. Man mub dann zur künstlichen liespiration
greifen. Todesfälle sind selten, falls man nicht sehr große Peptonmengcn
verwendet.
Das zirkulierende Blut wird schon kurz nach der Injektion unge-
rinnbar. Erst nach mehreren Stunden geht dieser Zustand allmählich vor-
über. Gleichzeitig wird das Tier gegen die gerinnungshemmende Wii-kung
einer zweiten Peptoninjektion immun. (Pepton- oder Peptozymimmunität.)
Die Immunität dauert nur wenig über 24 Stunden.
Ungerinnbares Blut, kurz nach der Injektion der Karotis entnommen,
bleibt in vitro oft lange Zeit, zuweilen unbegrenzt lange flüssig. Ebenso
verhält sich das Peptonplasma. Es laut sich leicht durch Zentrifugieren
gewinnen.
Das Peptonplasma hat zu vielen Untersuchungen über das Wesen
der (Jerinnung gedient {Wooldridye^), Xolf 1. c). Es enthält einen gerin-
nungshemmenden Körper, ein Antithromlnn. Dieser wird unter dem Ein-
flüsse der Peptoninjektion in der Leber gebildet. Er kann zugesetztes
Thrombin unwirksam machen. Daher gerinnt Peptonplasma nur schwer
und langsam auf Zusatz fermenthaltigen Serums. Sonst finden sich im
Peptonplasma alle zur Gerinnung nötigen Faktoren, also Fibrinogen. Kalk-
salze, Thrombogen und Kinase. Trotzdem reagieren sie aus noch unbe-
kannten (iriinden nur schwer oder doch nur auf bestimmte Beize mit-
einander. Berührung mit benetzbaren Fremdkürperu genügt nicht, es
müssen andere zymoplastische Faktoren eingreifen. In diesem Sinne wirkt
Verdünnen des Plasma mit destilliertem Wasser, Einleiten von C'0.j, Neu-
tralisation mit Essigsäure. Besonders wirksam ist Zusatz von (iewebssaft.
Nach Nolf ist das Peptonplasma das beste Beagenz auf ..throml>o-
plastische'' Substanzen. Indessen sollte es doch nur mit \orsicht \'er-
wendnng finden ; seine P^igenschaften sind nicht konstant, auch liegen die
Verhältnisse gerade hier sehr verwickelt.
Nicht jedes Pepton .schlechthin, sondern nur bestimmte Sorten, be-
sonders gerade das Pepton y\'ltte, löst diese eigenartige Beaktion im
') WooJdridge, Die (ieriiuiung des Blutes. Deutsch von M. r. Frey. Leipzig If'Ol
270 ?■ Morawitz.
Organismus aus. Andere Albumosengemische sind vielfach wenig oder gar
nicht wirksam.
Ähnlich wie Pepton wirkt eine Reihe anderer, scheinbar gar nicht
zusammengehöriger Substanzen, die Delezenne'^) unter dem Namen ..Körper
der Peptongruppe" umschreibt. Dazu gehören: Aalserum, Krebsmuskel-
und Schneckenextrakte und mannigfaltige Auszüge aus den Geweben nie-
derer Tiere.
2. Hirudinplasma.
Durch Blutegelextrakt oder Hirudin läßt sich die Gerinnung aufheben
resp. verzögern. Wirksame Extrakte erhält man durch Trocknen der in
Alkohol konservierten Blutegelköpfe. Die Köpfe werden dann möglichst
fein gepulvert und mehrere Stunden mit Wasser extrahiert (Dickinson^-).
Das von JakobJ und Franzi) aus Blutegelköpfen hergestellte Hiru-
din (Firma Sachse da Cie., Leipzig) ist ein sehr stark gerinnungshemmend
wirkender Körper. Hirudin ist zurzeit sicher das beste Mittel, die Blut-
gerinnung im Organismus zum Zwecke physiologischer Versuche für län-
gere Zeit aufzuheben. Denn es ist die einzige gerinnungshemmende Sub-
stanz, die relativ wenig toxisch ist. 1 mg Hirudin genügt in vitro und in
vivo, um die Gerinnung von 5 crn^ Blut zu verhindern. Einer ausgedehn-
teren Anwendung, speziell auch bei größeren Tieren, steht nur der hohe
Preis des Hirudins im Wege. (Ebenso , wie das Krogh [Skandin. Arch. f.
Physiol, Bd. 20, 190SJ getan hat, möchte auch ich an dieser Stelle darauf
hinweisen, daß der Preis des Hirudins , einer Substanz , die ausschUeßlich
wissenschafthchen Zwecken dient, ganz unverhältnismäßig hoch ist. Hier
sohten doch nicht allein rein kaufmännische Gesichtspunkte maßgebend
sein !)
Auch in vitro ist Hirudin wirksam, sogar im trockenen Zustande
als Pulver. Es ist also nicht erforderlich. Blut, dessen Gerinnung man
hemmen will, in einer Hirudinlösung aufzufangen. Einige Körnchen trockenen
Hirudins sind auch schon genügend.
Hirudin ist ein Antithrombin. Es neutralisiert eine bestimmte Menge
Fibrinferment. Demgemäß gelingt es nur schwer, Hirudinplasma durch
Fermentzusatz zur Gerinnung zu bringen. Ob das überhaupt möglich ist,
hängt von der Menge des vorhandenen Hirudins ab, auch von der Stärke
der Fermentlösung.
Gewebsextrakte können, falls der Hirudinzusatz nicht gar zu groß
ist, ebenfalls das Plasma zur Gerinnung bringen. Offenbar erfolgt hierbei
im Hirudinplasma eine massenhafte Thrombinbildung.
*) Delezenne, AVirkung des Aalserums und der Organextrakte auf die Blutgerin-
nung. Arch. de Physiol. p. 646 (1897).
-) Dickinson , Notiz über den Blutegelextrakt und seine Wirkung auf das Blut.
Journ. of Physiol. 11. p. 566 (1890).
^) Franz, Über den die Blutgerinnung aufhebenden Bestandteil des medizinischen
Blutegels. Arch. f. experim. Path. u. Pharm. Bd. 49. S. 342 (1903).
Die Blutgerinnung. 071
E. Quantitative Bestimmung des Fibrinogens.
Die Sfhwiorifikeit einer exakten quantitativen liestininuing des Fi-
brinof>en.s liei>t in der Trennung dieses Eiweilikörpers von den anderen
Glol)ulineii . die ähnliche Eigenschaften hahcn. Folgende Methoden sind
heute im ( iebrauch :
1. Bestimmung des Fibrinogens durch Wägen des daraus
gebildeten Fibrins. Die Resultate dieser Methode sind wahrschcinlicli
recht unsicher. Denn abgesehen davon, daß der Übergang von Fibrinogen
in Fibrin wohl kein quantitativer ist (vgl Hanunarstm^) , Herihnn-'^),
Huiskamp^ dürfte es schwer sein, das Fibrin von all seinen Einschlüssen,
von allen mitgerissenen Substanzen nachträglich zu befreien. Auch die
Fibrinolyse kann bei längerem AYaschen mit Salzlösungen Fehler bedingen.
2. Die Methode der fraktionierten Ilitzekoagulation wurde
zuerst von FrHeriaj*) geübt. Die Koagulationstemperatur liegt unter der
anderer Globuline. Fredericq schlägt vor, Bittersalzplasma IT) Minuten lang
auf 60" zu erwärmen und die ausgeschiedenen Gerinnsel zu wiegen. Leider
ist die Gerinnung bei der genannten Temperatur nach Hainmarsten un-
vollständig. Die Methode gibt zu niedrige Werte.
3. Bestimmung des Fibrinogens durch Fällung mit Essig-
säure {Doijon, Morel, Peju^). Als Material dient Natriumfluoridi)lasma.
Dieses wird mit verdünnter Essigsäure versetzt, und zwar auf 12 rn/^
Plasma 1 ciii'-^ der Essigsäurelösung. Der Niederschlag wird abfiltriert,
koaguliert, gew^aschen, getrocknet und gewogen. Die Werte sollen denen
entsprechen, die man durch Hitzekoagulation oder nach der später zu beschrei-
benden Bei/escheji Methode erhält. Mir erscheint es wenig vorteilhaft, an
ganz unverdünntem Plasma zu arbeiten. Denn die mitgerissenen Anteile,
die den anderen Globulinen entstammen, sind um so größer, je stärker die
Konzentration der Eiweißlösung ist.
4. Salzfällungsmethode nach Bet/e^) (resp. nach Pon/Cf^ und
Spiro''). Die ^Methode geht von der Tatsache aus, daß Fibrinogen durch
Neutralsalze leichter ausgesalzen wird als die anderen Globuline.
Blut wird in B^/^iger Lösung von Na Fl aufgefangen. Man wählt Menge
der Lösung und des Blutes so, daß in diesem eine Fluornatriumkonzen-
') Hammarsfen, Ülior den Faserstoff und seine Entstehung aus dem Filirinogen.
Pflügers Arch. Bd. 30. S. 437 (1883).
-) Heubner, Die Spaltung des Fibrinogens bei der Fibringerinnung. Arch. f.
experim. Path. u. rharm. Bd. 49. S. 229 (1903).
^) Hiiiskainp, Zur Fibringlobulinfrage. Zeitschr. f. phvsiol Chemie. Bd. 44. S. A.
(1905).
*) Fredericq, Untersuchungen über die Konstitution des Blutplasmas, (.laml. i'ans,
Leipzig 1S78.
^) J)oi/o>i , Morel, Peju, Proc6d(5s de dosage du fibrinogeue. C. rend. soc. biol.
T. 58. p. 657 (19Ü5).
*) Beye, über Nachweis und Bestimmung des Fibrinogens. I.-D. Straßburg 1898.
') Porges u. Spiro, Die Gloiniline des Blutserums. Hofmeisters Beitrau'e. Bd. 3.
S. 277 (1903).
272 P- Morawitz.
tration von 0'56— O'ßo/o besteht. Zu 2 c^^^^ dieses Plasma setzt man aus
einer Bürette gesättigte neutrale Ammonsulfatlösung, deren Dichtigkeit bei
19" 1-240 betragen soll. Nach Zusatz der Salzlösung füllt man die Plasma-
Salzmischung mit destilhortem Wasser auf 10 cm^ auf und läßt einige
Stunden stehen. Das Fibrinogen beginnt bei Zusatz von l'ö — 1*7 cm^ Am-
moniumsulfat auszufallen. Die P'ällung ist bei 2*5 — 2'7 cm^ beendet, falls
man 2 citt^ Plasma nimmt und immer auf 10 cui" auffüllt. Bei 2*8 cm^
Ammoniumsulfatzusatz beginnt schon die Fällung der Globuline. Daher ist
bei Verwendung der Methode zur (quantitativen Fibrinogenbestimmung vor
allem eine Kollision mit der Globulinfällung zu vermeiden. Das geschieht
am besten, ^venn man das Plasma, wie oben angegeben, auf das öfache
verdünnt. Im unverdünnten Plasma geht die obere Grenze der Fil)rinogen-
fällung in die untere der Globulinfraktion ohne Grenze über.
Im Serum finden sich sehr geringe Mengen eines Eiweißkörpers
mit den Salzfällungsgrenzen des Fibrinogens. 2 cm'^ Serum geben nämlich
bei Zusatz von 22 — 2*9 cm^ Ammonsulfat und nachfolgender Auffüllung
auf 10 cm'i Gesamtflüssigkeit Trübung und feine flockige Ausscheidung.
"Wahrscheinlich handelt es sich hier um das Hammarsten^che Fibrin-
g 1 0 b u 1 i n.
Beije empfiehlt schließlich folgendes einfachere \'erfahren: Je 12 cm^
klaren Fluornatriumplasmas werden mit je P)0 cm^ destillierten Wassers
verdünnt, mit je 16 cm,^ Ammonsulfatlösung gefällt und bis zum Absetzen
des Niederschlages stehen gelassen. Man bringt dann die flockigen Aus-
scheidungen auf ein gewogenes Filter, wäscht mit entsprechend verdünnter
Ammonsulfatlösung so lange nach, als das Filtrat noch Eiweißreaktion
gibt. Dann wird der Niederschlag an der Luft getrocknet und bei 80" im
Trockenofen koaguüert. Der jetzt unlöslich gewordene Niederschlag wird
mit heißem W^asser schwefelsäurefrei gewaschen, dann mit Alkohol und
Äther behandelt, zuletzt bei 100" getrocknet und gewogen.
In 12 ciii^ Ptinderplasma findet Eet/e 0-042 — 00424 r/ Fibrinogen,
was einem mittleren Prozentgehalt des Plasma von 0-3479 entspricht.
Das Ausw^aschen des Ammonsulfats aus dem Niederschlag ist zeit-
raubend. Porges und Sjjiro haben die Methode dadurch sehr vereinfacht,
daß sie N-Bestimmungen vor und nach Ausfällung des Fibrinogens im
Plasma vornehmen. Das Fibrinogen wird also überhaupt nicht gew^ogen,
sondern aus der Differenz berechnet. Natürlich ist kein Ammonsulfat ver-
wendbar. Porges und Sjnro empfehlen Natriumsulfat.
4fach verdünntes Plasma wird mit Y^ Volumen warmer gesättigter
Natrium Sulfatlösung versetzt. Man läßt den Niederschlag sich absetzen.
Wegen der Eigenschaften des Natriumsulfats muß die ganze Prozedur bei
zirka 32" vorgenommen werden, und zwar sowohl die Sättigung der Na-
triumsulfatlösung, als auch die Fällung des Plasma. Man läßt die Plasma-
salzmischung mehrere Stunden lang — unter Vermeidung jeder Ver-
dunstung — bei dieser Temperatur im Brutschrank stehen , z. B. in zu-
gekorkten Meßzylindern. Danach wird bei derselben Temperatur filtriert.
Die Bliitgerinming. i;«?-»
Die N-Bestiinmung geschieht nach Kiddald. Xatüilicii sind <lio Vor-
diinnungen in Hochnung zu ziehen. Mau überzeuge sich stets von der
N-Freiheit des Natriuuisulfats. Es enthält oft Spuren von Annu(>nsalz«'n.
Das V'erfaliren von Heye, besonders in der ihm von Spiro und
Porgf'S gegebenen Form, dürfte zurzeit die beste und be(|U('inste Methode
zum Nachweis wie zur quantitativen r)estimnniug des Filtrinogeiis sein.
Ganz zuverhissige Werte gibt sie aber wohl schon deshali» nicht, weil der
Niederschlag wahrscheinlich stets geringe Anteile der anderen <ilobulin-
fraktionen enthiUt.
5. Methode von Wohlgemuth.^) ?> cm^ frisch der Ader entciuellen-
den Blutes werden mit 1 oir^ 20"/üiger Magnesium sulfatlösung gemischt,
die Mischung zentrifugiert und das Salzplasma abgehoben.
Eine Keihe von Reagenzgläsern wird nun mit absteigenden Mengen
des Salzplasma beschickt, die Volumdifferenzen mit 1" „iger kalkfreier
Kochsalzlösung ausgeglichen und nun in jedem (Häschen je 1 cm'^ der
lOfach verdünnten Fibrinfermentlösung hinzugefügt (Serum). Dann kommen
alle Gläschen nach i;^mschütteln 24 Stunden in den Eisschrank. Danach
kontrolliert man, ob Gerinnung eingetreten ist. Die ersten beiden (Wäs-
chen, die viel Plasma und daher auch viel Magnesiumsulfat enthalten,
sind in der Kegel flüssig geblieben. Die folgenden zeigen komplette, die
mit sehr stark verdünntem Plasma partielle oder überhaupt keine (rerin-
nung. So zeigen z. !>. in einer Serie die Uöhrchen mit lo und ()") i-m^
Plasma keine Gerinnung, zwischen ü'25 und OOIG etn^ Plasma ist überall
ein mehr oder weniger ausgedehntes Gerinnsel zu sehen, die Proben mit
0-008 und 0-004 cm^ Plasma sind flüssig geblieben.
Als Fibrinogeneinheit setzt Wohlj/emuth diejenige Menge Plasma, die
noch gerade ausreicht, um in Gegenwart eines Überschusses an Thrombin
ein deutlich erkennbares Gerinnsel zu bilden. Man erhält also keine abso-
luten, sondern nur Vergleichswerte.
Vielleicht wären gerade bei dieser Methode Störungen durch Fibrino-
lyse noch genauer zu berücksichtigen. Geringe resp. mällige Fibrinolyse
kann auch bei niedriger Temperatur erfolgen.
IV. Gerinnungsbefördernde Substanzen.
Gerinnungsauslösende und -befördernde Substanzen kann man zweck-
mäßig in solche einteilen, die fertiges Thrombin enthalten — die Uein-
darstellung dieses Körpers ist bisher nicht geglückt — und in solche, in
denen sicli zwar kein fertiges Throndtin, wohl aber Throndiinvorstufen
(Thrombogen und Thrombokinase) finden. Auch kalksalze, z. R Kalzium-
chlorid, können als gerinnungsbefördernde Substanzen gelten, endlich auch
noch eine dritte Gruppe von Körpern, die zwar zur Fennentltildimg nicht
>) Wohhiemiilh, Eine neue Metlioilc zur ([luuititativiii Hcstimmmi>r dos Kiliriii-
fermeuts etc. JBiochom. Zeitschr. Bd. 27. S. Yd (^lülU).
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. V. 18
274
P. Morawitz.
erforderlich sind, wohl aber in noch unbekannter, unspezifischer Weise die
Entstehuno-, vielleicht auch die Wirkung des Fibrinferments begünstigen.
Das wären die zymoplastischen Substanzen Schmidts, die thromboplastischen
Substanzen Xolfs. Aber die Anschauungen über die Wirkung solcher Körper
sind noch wenig geklärt.
Durch genügenden Thrombinzusatz kann man jede überhaupt ge-
rinnungsfähige Flüssigkeit zur Koagulation bringen. Die inaktiven Vor-
stufen des Thrombins sind aber natürlich nur dort wirksam, wo die son-
stigen Vorl)edingungen der Fermentbildung gegeben sind. Flüssigkeiten,
die nur Kalksalze sowie Thrombokinase enthalten, werden zwar imstande
sein, Vogelplasma oder Peptonblut zur Gerinnung zu bringen, in den pro-
plastischen Flüssigkeiten A. Schmidts, in Fibrinogenlösungen, sind sie aber
ohne Wirkung.
A. Thrombinlösungen.
1. Die am einfachsten zu gewinnende Thrombinlösung ist Blutserum.
Sein Thrombingehalt ist recht schwankend, im ganzen gering, d.h. also,
daß selbst ziemlich große Serummengen nur langsam Fibrinogenlösungen
und andere fibrinogenhaltige Flüssigkeiten zur Gerinnung zu bringen ver-
mögen. lUutserum , das längere Zeit, etwa mehrere Tage gestanden hat,
ist weniger wirksam als ganz frisches. Die Fermentarmut des Blutserums
erklärt sich durch 2 Momente: Erstens wird ein Teil des bei der Gerin-
nung gebildeten Thrombins auf dem Fibrinnetz adsorbiert und mit diesem
entfernt und zweitens geht ein erheblicher Teil des einmal entwickelten
Thrombins bald nach vollendeter Gerinnung in eine unwirksame Modifi-
kation, das Meta thrombin über, aus der es, wie schon A. Schmidt fand,
wieder in Freiheit gesetzt werden kann. Auffallend arm an Thrombin ist
das Blutserum des Pferdes.
Nachweis von Metathrombin im Serum. Das Verfahren — es
ist bereits von A. Schmidt verwendet worden — gestattet es, in einfacher
Weise aus fermentarmem Serum stark wirksame Lösungen herzustellen.
Das kann unter Umständen zweckmäßig sein, besonders dann, wenn man
die Dauer von Gerinnungsversuchen abkürzen oder sich schnell überzeugen
will, ob eine Flüssigkeit fibrinogenhaltig ist. Pferdeserum wird mit dem
gleichen Volumen ~ Na OH versetzt und nach Vi — V2 Stunde mit ^ H, SO4
neutralisiert. Die fermentative Kraft des Serums hat dann sehr stark
zugenommen, gemessen an der Gerinnungszeit einer Fibrinogenlösung.
Folgender, von mir früher ausgeführter Versuch mag das illustrieren :
Pferdeserum
frisch
Fibrinogen
Temperatur
Aktiviert
Geronnen nach
5 Tropfen
5 crn^
5 «
350
350
nicht
ja
3V2 Stunden
8 Minuten
Die Bliitgeriiiuung. Otä
Die Wirkungen, die man durch Zusatz des frleichen Voluniciis -NaOH
erhält, sind übrigens nocii niclit maximal. Noch g:röljere Fermentmen'^'cii
kann man in Freiheit setzen, wenn man auf je 10cm» Serum '«Stunde
lang 2 — 4 c;m» Normalnatronlauge einwirken lätit. Zu lange Wirkung der
Na OH kann aber das Ferment wieder zerstören. Ebenso verliert das mit
Alkali aktivierte Serum bei längerem Stehen ziendich rasch wieder seinen
Fermentreichtum. Auch Zusatz nicht aktivierten, thrombinhaltigen Serums
setzt den Fermentgelialt herab.
Noch besser und mit noch kleineren Alkalizusätzen gelingt die Ak-
tivierung des Metathrondjins in dialysiertem Pferdeserum (A. Sfliitiidf ').
Hier genügt schon Zusatz von 0*1 — 0'2 rm^ ^/lo-Normalnatroidauge pro
Kubikzentimeter Serum. Stärkere Alkalikonzentrationen zerstören das
Thrombin leicht.
Auch durch Säurezusatz — etwa in entsprechender Menge — und
nachfolgende Neutralisation wird die fermentative Kraft wesentlich ver-
stärkt, aber doch nicht in dem Maße wie durch Alkali.
Rinder-, Hunde-, Katzenserum zeigen diesell)e Erscheinung. Doch
sind die in Freiheit gesetzten Fermentmengen geringer.
Daß das Metathrombin Kinase sei, wie Mellanbif-) meint, ist ganz
unwahrscheinlich.
2. Thrombin nach A. Schmidt. Die Methode geht darauf aus.
eine möglichst eiweißai'me, dabei doch wirksame Thrombinlösung zu ge-
winnen. Man läßt eine bestimmte, nicht zu kleine ISlutmenge spontan ge-
rinnen. Sobald Serum abgepreCjt ist, wird dieses mit dem 20facheii \'olu-
men Alkohol (Oö^/o) gefällt. Der Alkohol bleibt einige Tage bis mehrere
.Monate über dem Niederschlage stehen. Die Dauer der Alkoholwirkung
scheint nur von geringer Bedeutung für die Wirksamkeit der später zu
gewinnenden Thrombinlösung zu sein. Will man diese aus dem Nieder-
schlage herstellen, so wird der Alkohol al)filtriert, das Präzipitat getrocknet
und mit Wasser extrahiert.
Wirklich eiweißarme Thrombinlösungen erhidt man nur bei kurz-
dauernder Wasserextraktion. Sonst geht auch ziemlich viel Eiweiß in Lösung.
Das scheint übrigens der Tlirombinwirkung nicht hinderlicii zu sein.
Die Thrombinlösung ist natürlich reich an Salzen. Der Salzgehalt
läßt sich durch Dialyse gegen 0"9Voige Salzlösung vermindern. .Metathrombin
fehlt in diesen Thrombinlösungen. Wahrscheiidich bewirkt .Mkohol schon
eine Cberführung in Thi-ombin.
Nach Rdtger^) werden möglichst eiweißfreie Thrombinlösungen durch
kurzes Aufkochen nicht vollständig inaktiviert, wohl aber eiweißreiche. Diese
Tatsache soll gegen die Fermentnatur des Tlirond)ins sprechen.
') Ä. Schmidt, Zur Bliitlehro. Leipzig 1892. S. 209.
■') Mellanby, The coagulation of blood. Joiini. of IMiysiol. Vol. 38. i).2S (li)US DD)
*) Rettger, Tlic coagulation of lilood. Americ. Jouni. of IMiysiol. \'«il. 24 ^r 4.
p. 406 (1909).
18*
276 P- Moraw itz.
Fängt man Blut direkt, ohne es vorher gerinnen zu lassen, unter Al-
kohol auf, so läßt sich aus dem Niederschlage später kein Thrombin ex-
trahieren, ein Zeichen dafür, daß das Thrombin nicht schon im zirkulieren-
den Blute vorgebildet war. Alkohol scheint die Thrombinvorstufen zu
zerstören.
o. Thrombin nach HowelU) Eine größere, durch Schlagen von
Schweinsblut gewonnene Fibrinmenge wird in fließendem Wasser bis zu
völliger Hämoglobinfreiheit gewaschen. Das erfordert mehrere Stunden und
muß von Zeit zu Zeit durch Kneten mit der Hand unterstützt werden.
Die weiße Fibrinmasse wird dann möglichst fein verteilt und für 2 — 3 Tage
im Eiskasten mit S^/oiger Kochsalzlösung extrahiert, dann filtriert, zuerst
durch Gaze, später durch Filtrierpapier. Das etwas trübe, stark thrombin-
haltige Filtrat Avird zur Entfernung der Eiweißkörper mehrfach tüchtig
mit dem halben Volumen Chloroform durchgeschüttelt und filtriert, wobei
der Chloroformniederschlag auf dem Filter bleibt. Diese Prozedur, die man
mit der Schüttelmaschine vornehmen kann, ist so lange fortzusetzen, als
das Filtrat noch trübe ist oder beim Kochen noch eine deutliche Fällung
gibt. Endlich gewinnt man eine wasserklare, nahezu eiweißfreie Lösung,
die immer noch ziemlich viel Thrombin enthält. (Geprüft an einer Fibri-
nogenlösung.) Die Methode ist umständlich, liefert aber nach üowell sehr
wirksame Thrombinpräparate. Das zum Ausschütteln benutzte Chloroform
kann durch Destillation wieder gewonnen werden.
Um dieses Thrombin in einen haltbaren Zustand überzuführen, läßt
man geringe Mengen (5 — 10 cm^) der Thrombinbildung bei 35 — 40" mög-
hchst schnell in Uhrschälchen eintrocknen. In diesem Zustande hält es
sich unbeschränkt, während es in wässeriger Lösung, auch bei Chloroform-
zusatz, ziemlich schnell an Wirkung einimßt. Will man aus dem einge-
trockneten Thrombin wieder eine Lösung herstellen, so verreibt man den
im Uhrgläschen befindlichen, leicht gelben Belag mit etwas Wasser, dem
man einige Kochsalzkristalle zusetzt.
Das Thrombin wird aus diesen Lösungen durch Halbsättigung mit
Ammonsulfat niedergeschlagen.
B. Andere gerinnungsbefördernde Substanzen.
1. Thrombogen {Morawitz, No^f, 1. c.) findet sich im Blutplasma
und Blutserum, vielleicht auch noch in den Blutplättchen. Es ist gegen
Erwärmen empfindlich und wird bei einer Temperatur von 56 — 60" inak-
tiviert. Auch unter gewissen natürlichen und experimentellen Bedingungen
scheint es zerstört zu werden. Es fehlt z. B. in den proplastischen Flüssig-
keiten, die auf Zusatz von Thrombokinase und Kalksalzen nicht gerinnen,
ebenso in den nach Hanunarsten bereiteten Fibrinogenlösungen , falls sie
stärker verdünnt sind. Endlich kann man auf experimentellem Wege durch
^) Howell, The preparation and properties of Thrombin etc. Amer. Joarn. of
Physiol. Vol. 26. Nr. 7. S. A. (1910).
Die liluttreriniiung. ^t-j
subakuto Phosphorintoxikation das Thrombosen (und Fibrinoj/on) hei
Hunden zum X'erschwindcn bringen. Aus<^e\vachsene Hundo erhalten na<-h
L.Loeb^) innerlialb ^ — 10 Taf::en 7— ^<mal l)-07 // I'hosphor per os oder
etwas kleinere Dosen subkutan in Form von l%is-'<'i>i I'hosj)li(»röl. hoch
roafjieren einzelne Hunde J4'ef^f*u die Intoxikation recht verschieden: daher
gelinj^t der Versuch nicht in jedem Falle. Kaninchen scheinen nach ei^n-nen
Beobachtungen ungeeignet zu sein. IJeim Hunde verliert aber das I5lut
gegen F]nde des Lebens meist sukzessive mehr und mehr seine (;erinid»ar-
keit. Schließlich bleibt es ganz flüssig. Hs enthält dann kein Fibrinogen
mehr, aber auch kein Thrombogen. Das lälit sich durch geeignete Kom-
binationsversuche zeigen.
Auch im lUutserum findet sich nach vollendeter Gerinnung noch
Thrombogen. Durch Zusatz von Throml)okiiiase lassen sich im iJlutserum
neue, oft sehr große Fermentmengen in Freiheit setzen, die man durch
Zufügen einer Fibrinogenlösung nachweisen kann.
Thrombogen wird nur im I)lute bzw. in der Lymphe gefunden. Die
Gewebe enthalten, falls man für Entfernung aller Dlutspuren sorgt . kein
Thrombogen.
2. Gerinnungsbefördernde Substanzen der Zellen (Zymopla-
stische Substanzen, Thrombokinase). Zynioplastische Substanzen nach
A. Schmidt.') Zellen verschiedener Organe werden auf dem Wasserbade
mit Kückflußkühler mit siedendem Alkohol mehrfach extrahiert, die alkoholi-
schen Auszüge vereinigt und eingedampft. Man erhält einen gelblichen,
vornehmlich aus Lipoiden bestehenden Rückstand, der in Was.^er aufge-
schwemmt und fein verteilt die Geriniuing des verdünnten Magnesium-
sulfat-, Gallensalzplasma und mancher Transsudate stark beschleunigt.
A. Schmidt nahm an, die zymoplastischen Substanzen spalteten Thrombin
aus seinem Proferment (Thromi)ogen) ab. Xolf denkt an thromboplastische
Wirkungen unspezifischer Natur. Die Substanzen sollen nur ilen Keaktions-
ablauf verkürzen.
Die Wirkung der zymoplastischen Substanzen mülUe wohl noch ge-
nauer untersucht werden. Ich habe bei Versuchen mit ÜlutM'rum . zymo-
plastischen Substanzen und Fibrinogenlösungen deutliche Uesultate über-
haupt nicht gesehen.
Thrombokinase (Throndiozym von Solf). Diese soll bei Gegen-
wart von Kalksalzen mit dem Thi'ombogen des Plasma wirksames Thi-om-
bin bilden resp. die Gerinnung veranlassen. Nach Morauitz ist die Tlirom-
bokinase ein allgemeines Protoplasuia])rodukt. nach Xolf findet sie sich
indessen nur in den Zellen des JMutes und der(iefäße. In Organextrakten
hat man nach yolf zwar stets Thrombokinase, daneben aber noch unspe-
zifische, thromboplastisch wirkende Substanzen. In i.solierten /elh'u . z. H.
') L. Loch, Weitere Unteisuchuiigen über BliitgeriiimuiL'. Hofmeisters Boiträje.
Bd. 5. S. 534 (1904).
2) Ä. Schmidt, Zur Blutlolire. Leipzig 1892.
278 P. Morawitz.
Spermatozoen, soll Thromboki nase fehlen, ebenso bei niederen Tieren, Bak-
terien etc. Diese Fragen müßten wohl noch genauer als bisher untersucht
werden. Man gewinnt die Thrombokinase durch Extraktion sorgfältig ent-
bluteter und gereinigter Organe mit Kochsalzlösung. Gewöhnlich habe ich
gleiche Mengen Organbrei und Kochsalzlösung genommen, ca. V* — V2 Stunde
mit der Maschine geschüttelt (manuelles Schütteln genügt auch), dann die
^Mischung mehrere Stunden lang in den Eisschrank gestellt. Danach wird
dekantiert und die trübe aussehende Kochsalzlösung zu Gerinnungsver-
suchen verwendet.
Es hat nach meiner Erfahrung keinen Wert, danach zu streben,
möglichst klare Lösungen herzustellen. Je klarer eine Lösung ist, um so
geringer ist die Intensität ihrer Wirkung. Preßsäfte von Geweben, die mit
der Buchnerpresse hergestellt waren, zeigten sich weniger wirksam, als die
mit der oben beschriebenen Methode gewonnenen Extrakte.
Besonders wirksame Gewebsextrakte erhält man aus Thymus, Lymph-
knoten, Leber. Die gerinnungsbefördernde Wirkung ist bis zu einem ge-
wissen Grade spezifisch für die einzelnen Tierarten (L.Loe^M, -Mw-sascÄew' 2).
Wenige Tropfen Thrombokinase kürzen die Gerinnung des Blutes in
toto ungemein ab. Sie bringen ferner Gansplasma, Peptonplasma und
abgekühltes Pferdeplasma schnell zur Gerinnung, während sie in den
echten proplastischen Plüssigkeiten Schmidts unwirksam bleiben, ebenso
in Fibrinogenlösungen. Die Kinase bedarf zu ihrer Wirkung der Ca-Ionen.
Daher vermag sie im Oxalat- und Fluoridplasma keine Wirkung zu
entfalten.
Da die Thrombokinase sehr labil ist, gelingt es nur schwer und un-
vollkommen, sie zu konservieren. Gewebsextrakte werden trotz Zusatz von
Toluol oder Chloroform in wenigen Tagen fermentativ unwirksam, ja es
treten während der Autolyse sogar gerinnungshemmende, hitzebeständige
Körper auf (Conradi^). Alkohol- und Azetonfällung vernichtet ebenfalls die
gerinnungsbeschleunigende Wirkung, ebenso höhere Temperaturen (ca. 70 bis
80"). Durch Eintrocknen bei niederer Temperatur (ca. 35 — 40") im Vakuum
gehngt es hingegen, ein trockenes Gewebepulver herzusteUen, das wenig-
stens in gewissem Maße sich die gerinnungsbefördernden Eigenschaften
bewahren kann.
Die Thrombokinase beschleunigt nicht allein die Gerinnung des Blutes
in vitro, sondern vermag auch bei intravenöser Injektion durch intravas-
kuläre Gerinnungen (vornehmlich im Pfortadergebiet und rechten Herzen)
tödlich zu wirken, während Injektionen von Fibrinferment selbst nur
') L. Loeh, Versuche über einige Bedingungen der Blutgerinnung etc. Virchows
Arch. Bd. 176. S. A. (1904).
-') Muraschew, Über die Spezifizität des Fibrinferments und seiner Vorstufen.
Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 80. S. 187 (1904).
^) Conradi, Über die Beziehungen der Autolyse zur Blutgerinnung. Hofmeisters
Beiträge. Bd. 2. S. 136 (1901/02).
Die ßlutgerinimiig. 971)
selten deletär vorlaiifon (Wooldr'uhje^), Bo(/f/s -\, Conradi^), A. KüiiUr'},
Edelherrj ''').
Bei niederen Tieren, spezieil Krustazeen, sciieiiien die (iewehssäfto einen
Körper zu enthalten, der nicht wie eine Kinase, sondern wie Thronihin wirkt.
Er bedarf aber zu seiner \Virkun^- der Kalksalze (L. Loeh^), Xolf'').
C. Quantitative Bestimmung des Thrombingehaltes.
Der \ersuch einer quantitativen Bestinimunj:; des Thronibinj^'ehaltcs
kann folgendes bezwecken: 1. Messung- des Thronibingehaltes in fjncr
Lösung, z. B. im Serum und 1\ Bestimm ung der bei der (lerinniing über-
haupt gebildeten Thromljinnienge. Diese l)eiden Dinge sind nicht ich'iitisch;
denn ein erheblicher Teil des Thrombins wird ja nach vollendeter (Gerin-
nung schnell unwirksam. Der Thrombingehalt des Serums kann also nie
einen brauchi)aren Indikator weder für die Gerinnungszeit, noch für die
während der (ierinnung gebildeten Thrombinmengen abgeben.
Man mißt den Thrombingehalt in der Art, daü man die Zeit be-
stimmt, die eine fibrinogenhaltige Flüssigkeit bis zur vollendeten (Jerinnung
braucht. Starke Thrombinmengen wirken natürlich schneller als geringe.
Ob aber eine direkte Abhängigkeit der Gerinnungszeit von der Ferment-
menge in Form einer einfachen Proportion vorliegt, ist noch unsicher, fber
das Zeitgesetz des Fibrinferments herrscht nämlich noch keine völlige
Übereinstimmung (vgl. Fuld% Martin% L. Locb^^).
1. Quantitative Bestimmung des Thrombins im Serum (nach
WohlgciHuth^^).
Eine Reihe von Reagenzgläsern wird mit absteigenden Mengen Serum
beschickt, die Volumdifferenzen mit den entsprechenden Quantitäten 1" oiger
kalkfreier Kochsaklösung ausgegUchen und nun zu jeder Portion 2 <ni^
^) Wooldridge, Über intravaskuläre Gerinnungen. Aich. f. Aiiat. 11. Physiol. Physiol.
Abt. S. 397 (1886).*
-) Bogys, L'ber Beeinflussung der Gerinnungszeit des Blutes etc. Deutscli. Aroli.
f. klin. Med. Bd. 79. S. 531) (1904).
') Conrad i, 1. c.
■•) Ä. Köhler, Über Thrombose und Transfusion. I.-D. Dorpat 1877.
') EdeJberfi, Ül)er die Wirknii-iron des Fibrinfermentes im Organismus. Arch. f.
exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 11. S. 283 (18<S0).
^) L. Loeb, Über die Koagulation des Blutes einiger Arthropoden. Ilofmtistfrs
Beiträge. Bd. 5. S. 191 (1904) und Bd. 6. S. 2()() (1905).
"') Xolf, La coagulation chez les crustaces. Arcb. intcrnat. de Pli\siol. \ ..t s 11 1
S. A. (1909).
*) Fuld, Über das Zeitgesetz des Fibrinferments. Hofmeisters Beitnigi-. Bd. 2.
S. 514 (1902).
^) Marti», Observations upon Fibrin-ferment in the venoms of snakes etc. Jonrn.
of Physiol. Vol. 33. p. 207 (1905).
'") L. Loch, Einige neuere Arbeiten über die Blutgerinnung ln'i Wirlicllosen und
Wirbeltieren. Biociicm. Zentralbl. Bd. 6. S.-A. (19u7).
") U'ohh/cmitfh, Eine neue Methode zur quantitativen Hestiramung des Fibrin-
fermentes etc. Biochem. Zeitsclir. l!d. 27. S. 79 (1910).
280
P. Morawitz. Die Blutgerinnung.
eines nach Ä. Schmidt bereiteten Magnesiiimsulfatplasma gesetzt. Die Gläs-
chen kommen auf 24 Stunden in den Eisschrank. Danach überzeugt man
sich, in welchen Gläschen totale, in welchen partielle Gerinnung einge-
treten ist und welche endlich ganz flüssig geblieben sind. Man bestimmt
so den Grenzwert der koagulierenden Kraft einer Thrombinlösung.
Man könnte natürlich auch, wie das früher ganz allgemein geschehen
ist, mit größeren Thrombinmengen arbeiten und die Zeit bis zur vollen-
deten Gerinnung bestimmen. Auch auf diese Weise muß man, falls man
stets gleiche Mengen Serum und Fibrinogenlösung nimmt, brauchbare Ver-
gleichswerte erhalten. Es wäre zu untersuchen, ob die Resultste beider Me-
thoden sich ungefähr entsprechen.
2. Bestimmung der Kurve der Thrombinbildung in gerinnendem
Blute (nach Ärthus^).
Während oder kurz vor Beginn der Gerinnung wird der Vorgang
der Fermentbildung plötzlich durch Zusatz von Fluornatrium unterbrochen.
Das Fluornatrium wirkt kalkfällend, verhindert also die Entstehung neuer
Fermentmengen, nicht aber die Wirkung des schon gebildeten Thrombins.
Man setzt soviel Fluornatrium hinzu, daß dessen Konzentration im Blute
etwa 2 — 30/00 beträgt. Ein bestimmter, stets gleicher Teil des entkalkten
Blutes wird sofort in kalkfreie Fibrinogenlösung übertragen und die Ge-
rinnungszeit dieser Lösung bestimmt. Falls man das Verfahren mit mög-
lichst zahlreichen, gleichzeitig oder nahezu gleichzeitig gewonnenen Blut-
proben und während der verschiedensten Stadien des Gerinnungsvorganges
wiederholt, kann man eine Kurve der Fermententstehung während der Ge-
rinnung konstruieren. Nach Arthiis steigt die Fermentproduktion nach Ent-
leerung des Blutes aus den Gefäßen zunächst langsam, kurz vor der Ge-
rinnung aber sehr steil an. Auch der Abfall nach vollendeter Koagulation
erfolgt rasch.
3. Quantitative Schätzung des gesamten, bei der Gerinnung
gebildeten Thrombins.
Man fängt Blut in einer Lösung auf, die ein Antifibrinferment ent-
hält, am besten Hirudin. Das Hirudin hat wahrscheinlich (|uantitative
Beziehungen zum Thrombin, es neutralisiert eine bestimmte Menge des
Fermentes. Je mehr Thrombin sich bildet, um so größere Mengen Hirudin
werden auch erforderlich sein, die Gerinnung zu hemmen. Ich habe ge-
wöhnlich 6 cm^ Blut in 5 Tropfen {0-2b cm^) l°/ooiger Hirudiulösung auf-
gefangen. Hierdurch wird die Gerinnung normalen Blutes deutlich, wenn
auch nicht sehr stark verzögert. Bei Hämophilie und anderen hämorrhagischen
Diathesen zeigt eine sehr starke Verzögerung, eventuell sogar Aufhebung
der Koagulation an, daß man es nicht mit einer verlangsamten, wahr-
scheinlich auch quantitativ ungenügenden Fermeutl)ildung zu tun hat.
') Ärthus, Etüde sur la productiou du Fibriufermeut dans le sang extrait des
vaisseaux. C. r. Soc. Biol. T. 53. p. 1024 (1901).
Die Yollstäiidige Analyse eines 24stün(ligen l'i'ins.
Von Otto FoUu, Boston.
Die vollständige Analyse des Urins in Verbindunii mit umfassender
Stoffwechseluntersuchung ist etwas verschieden von demjenigen Analysen-
gang, bei dem nur der eine oder der andere Bestandteil allein berück-
sichtigt wird. Der Experimentator muß mit den anzuwendenden .Methoden
natürlich so vertraut sein, dali weder Zeit noch Urin durch überflüssige
Wiederholungen der Bestimmungen verloren gehen. Wenn der Forscher die
nötige Vertrautheit und Fertigkeit in der Ausführung der betreffenden
Methoden besitzt, kann er das sonst übliche Vorgehen, alle Analysen
doppelt auszuführen, vorteilhaft unterlassen, so daß die Hälfte des I'rins
und beträchtlich an Zeit gespart werden. Bei Betrachtung der erhaltenen
analytischen Besnltate ist es gewöhnlich möglich, festzustellen, ob irgend
ein wesentlich anderes Resultat gezeitigt wurde als dasjenige, welches unter
den Bedingungen des betreffenden \'ersuches zu erwarten war. ..Tber-
raschende" Ph'gebnisse müssen dann natürlich durch Wiederholung der
Analyse nachgeprüft werden. Eine solche nachherige Wiederholung bildet
eine w^ertvoUere Kontrolle der Richtigkeit der Analyse, als wenn von Anfang
an mechanisch zwei Bestimmungen nebeneinander ausgeführt werden.
Aufsamnielii des 24stiincligen Urins.
Das Sammeln des täglichen Frins sollte an irgend eiiu'm l)estimmten
frühen Morgen beginnen, so daß sich der Nachturin immer mit dem Harn
des vorhergehenden Tages findet. Der Grund dafür ist der Fmstand. daß
der nächtliche TTrin durch die am vorhergehenden Tage genossene
Nahrung wesentlich beeinflußt ist. Für das zuverlässige Sammeln des
Harns sind Verständnis und Sorgfalt erforderlich. r)ei der Defäkatiou
der Versuchsjjerson muß zu gleicher Zeit der Frin getrennt in einem
Becher oder einem passenden (tefäß aufgefangen werden. Bei einem weili-
lichen Individuum muß das Sanimelgefäß in zwei Al)teilungen geteilt sein,
um eine vollständige Trennung des Frins von den Fäzes sicher hewerk-
steUigen zu können.
282 Otto Polin.
Aufbewahrung des Urins.
Wenn der Urin richtig konserviert wird, liann er in den meisten
Fällen fast unbegrenzte Zeit lang aufbewahrt werden. Die einzige Verän-
derung, die stattfindet, ist die Umbildung eines Teiles des Kreatinins in
Kreatin. Gewisse Urine, solche von Fieberkranken, oder Urine, welche
nicht deutlich sauer sind, können nicht aufbewahrt werden wegen der
Bildung von Urat- und Phosphatniederschlägen, deren Gegenwart die
Analysenresultate beeinträchtigt. Um eine wirksame Konservierung des
Urins zu bewerkstelligen, fügt man vorteilhaft 5 — 10 cm^ einer lOVoigen
Chlorofornilösung von Tliymol zu einer 24stündigen Urinmenge. Diese
Lösung sollte in die Zweiliterflasche, in der der Harn aufgefangen
werden soll, vor dem Aufsammeln gefügt werden. Es ist sehr wünschens-
wert, daß man jede Urinmenge, welche entleert wird, unmittelbar in jener
Flasche aufsammelt. Beiläufig möge erwähnt sein, daß verunreinigter Harn
bereits einige Stunden bevor irgend eine bemerkenswerte Vermehrung seines
Ammoniakgehaltes wahrzunehmen ist, den charakteristischen Fäulnisge-
ruch aufweist. Durch rasches Vorgehen , d. h. durch sofortige Ausführung
der Säurebestimmung, der Ammoniak-, Harnsäure und Kreatininbestimmung,
in genannter Reihenfolge, können solche Urine gelegentlich für die Analyse
gerettet werden. In derartigen Fällen sollte man eine zweite Am.moniak-
bestimmung nach Verlauf von 3 — 6 Stunden ausführen. Wenn das nun
erhaltene Resultat mit demjenigen der ersten Bestimmung übereinstimmt,
ist die Zersetzung des Urins noch nicht so erheblich, daß die anderen ana-
lytischen Ergebnisse beeinträchtigt sind.
Bei der Analyse des Urins kann Zeit und Mühe gespart werden,
wenn man die Bestimmung zu richtiger Zeit und in zweckmäßiger Reihen-
folge vornimmt. Beispielsweise sollte die Säure- und Ammoniakbestimmung
zuerst ausgeführt werden, und zwar nebeneinander, indem man dieselbe
20 oder 25 cm^-Pipette zum Abmessen des Urins benutzt. Gleichfalls
sollten die Gesamtstickstoff- und Harnstoffbestimmungen zusammen be-
gonnen werden, indem man auch hierbei zum Abmessen des Urins dieselbe
5 c/w^-Pipette verwendet. Die Harnsäurebestimmung sollte immer am ersten
Tag angefangen werden, denn bei vielen Urinen beginnt die Harnsäure
bereits am Ende des ersten Tages oder am zweiten Tage auszufallen und,
wenn dies geschieht, ist es praktisch unmöglich, zuverlässige Zahlen für
die Harnsäure zu erhalten.
Im Folgenden findet sich eine Beschreibung der Methoden zur voll-
ständigen Analyse des Harns. Sind die betreffenden Methoden schon in
früheren Bänden dieses Handbuches beschrieben, dann ist auf die ent-
sprechenden Seiten verwiesen.
Urinvolumen.
Für alle Bestimmungen genügen 750—800 cm^ Urin.
Zum Messen der täglichen Urinmenge sind gewöhnliche Meßzylinder
genau genug. Zu Untersuchungen, die mehrere 24stündige Urinmengen
Die voUstäiuligc Aualyse eines 248tündigeu Urius. oc",
beanspruchen, ist es empfehlenswert, vor Beginn der Analyse, in Hinsirht
auf die Berechnungen, den Harn auf ein bestimmtes, für den hetrcffendcn
Fall geeignetes Mali zu verdiinnen. Es ist dann wünschenswert, das spezi-
fische Gewicht vor und nach der Verdiinnung zu nchnion.
Spezifisches Gewicht.
Für die spezifische (iewichtsbestiminung des l'rins hat man gewöhn-
lich kurze Spezial-Areometer gebraucht, die das spezifische (iewicht von
1000 — l'OüO anzeigen. Solche Instrumente werden häufig zu niederen
Preisen an Ärzte verkauft. Sie sind, wie ich gefunden habe, nur für looo,
das spezifische Gewicht des Wassers, genau und sind äuberst unzuverlässig
bei den Graden, bei denen in unserem Falle die Genauigkeit am häufigsten
gebraucht wird, zwischen 1-015 und 1-035. Es sollte ein hoch graduierter
Areometer, der zwischen 1-000 und l-OGO anzeigt und mindestens V,0 an
lang ist, benutzt werden. Mit einem solchen Areometer kann das spezi-
fische (iewicht des Urins in dem Meßzylinder genommen werden, in dem
das Volumen abgemessen wird.
Die Gesanitazidität des Urins.
In den letzten Jahren sind mannigi'altige Erörterungen und viel
experimentelles Material über die Natur der Azidität des Harns und die
Prinzipien, die diesen Bestimmungen zugrunde liegen, mitgeteilt worden. • )
Indessen ist bis jetzt noch kein Indikator für die Titration jener Azidität
vorgeschlagen worden, der so geeignet ist, wie Phenolphtalein, für die
Bestimmung der Gesamtmenge der freien Säure im Urin.
Die Titration der Gesamtazidität des Urins wird wie folgt ausge-
führt (Folin).-^)
Zu 25 cni^ Urin, in einem Erlenmeyerkolben befindlich, fügt man iH)//
pulverisiertes, genau neutndisiertes Kaliumoxalat und '2 oder ;'» Tropfen einer
P/oigen alkoholischen Phenolphtaleinlösung, schüttelt 2 Minuten lang um
und titriert, indem man noch weiter schüttelt, mit Zehntelnormal-Natron-
lauge, bis eine schwache aber unverkennbare Kosafärbung auftritt. Dann
wird das Resultat auf die ganze 24stündige Urinmenge mit Rücksicht auf
Zehntelnormal-Säure umgerechnet.
Die zugefügte, beträchtliche Menge Oxalat dient einem doppelten
Zweck. Es wird dadurch die störende Wirkung des Calciums beseitigt, und
') /i'. Ilöber, Die Acidität des Harns vom Standpunkte der lonenlelire. Hofmiixtera
Beiträge, Bd. .S, S. 525. 1V)Ü3. — //. Ih-rfnr, iMier Ilarnaciditat. Hofmeisters Beitrage,
Bd. 6. S. 177. 1905. — L. HduIo-soii , Gloicliirowicht zwischen Bas(Mi nnd Säuron im
tierischen Organismus. Ergebnisse der riiysioh.gic, Bd. y. S. 254. l'.MJ'.l. — Derselbe.
Zur Kenntnis des lonengleicbgewichts im Organismus. III. Messungen der normalen
Harnaciditat. Biochomische Zeitsclirift. Bd. 24, S. 40. liHO.
') O.Folin, riie acidity of urino. American .lounial of i'l)>-i"lnL'\. V<>I. 9
p. 265. 1903.
284 Otto Fol in.
ferner wird der schädliche Einfluß der Ammoniaksalze auf ein Minimum
vermindert. Der letztere Effekt wird zum Teil durch Erniedrigung der
Temperatur der Lösung hervorgerufen. Durch den Zusatz scheint die Hydro-
lyse der Ammonsalze fast gänzlich verhindert zu sein. Es ist wenigstens
eine Tatsache, daß eine Ammoniumsalzlösung, welche mit Kaliumoxalat in
beschriebener Weise gesättigt ist, sich Phenolphtalein gegenüber fast neutral
verhält, mehr als eine ähnliche Lösung, welche nur abgekühlt ist.
Außer der Gesamtazidität des Urins ist es manchmal wünschenswert,
die Mineralazidität zu bestimmen oder das Verhältnis zwischen an-
organischen Säuren und anorganischen Basen, welche sich im Urin finden.
Diese Bilanz könnte natürlich einerseits durch Bestimmung des gesamten
Chlors, Phosphors und Schwefels und andrerseits durch Feststellung des
gesamten Natriums, Kaliums, Calciums und Magnesiums ermittelt werden.
Einfacher wird sie direkt nach folgender Methode bestimmt (FoUn).'^)
In einer Platinschale wird nicht weniger als 0"o g und nicht mehr
als 0*6 g reines, trockenes , gekörntes Kaliumkarbonat genau abgewogen.
Nachdem man 25 cm^ Urin zugefügt hat, wird die so erhaltene alkalische
Lösung auf einem Sandbad oder einem elektrischen Ofen zur Trockene ver-
dampft. Wenn der Inhalt der Schale völlig trocken ist, wird unter Rot-
glut über einem Radialbrenner, welcher breit genug ist, um die ganze
Grundfläche der Schale zugleich zu erhitzen, geglüht. Das Erhitzen sollte
ungefähr noch eine halbe Stunde unterhalten werden, nachdem bereits alle
sichtbaren Ammoniakdämpfe ausgetrieben worden sind. Am Ende dieses
Zeitpunktes ist immer noch Ammoniak im Rückstand vorhanden. Der Rück-
stand wird jetzt erkalten gelassen und nun durch Zusatz von ungefähr 10 cm^
Wasser gänzlich durchfeuchtet. Früher benutzte man Wasserstoffsuperoxyd;
jedoch erfüllt Wasser denselben Zweck. Das Wasser löst die alkalische
Schicht, welche die organische Substanz bedeckt, und bewirkt dadurch
daß gewisse Stickstoffverbindungen, die bei trockener Hitze beständig sind,
entbunden werden. Die resultierende Lösung wird jetzt wieder zur Trockene
verdampft und dann wieder eine Stunde lang unter Rotglut mittelst des
Radialbrenners erhitzt. Danach ist der Rückstand noch mehr oder weniger
durch unverbrannte Kohle schwarz gefärbt, aber er ist jetzt frei von Am-
moniakverbindungen. Die rückständige Masse wird nun sogleich gelöst und
mit Wasser und 75 — 100 cm^ Zehntelnormal-Salzsäure in einen Erlenmeyer-
kolben gespült. Diese Säuremenge sollte genügend sein, um die Lösung
sauer zu machen. Zu der sauren Lösung, die ein wenig Kohle suspen-
diert enthält, setzt man zwei Tropfen Phenolphtaleinlösung zu und kocht
dann fünf Minuten lang, um die Kohlensäure zu vertreiben. Nach Abküh-
lung und Zusatz einer geringen Menge (ungefähr 1 g) neutralen Kalium-
oxalates wird die Lösung mit Zehntelnormal-Natronlauge bis zu einer
schwachen, aber unverkennbaren Rosafärbung titriert. Bis auf eine (gering-
^) 0. Folin, The acidity of uriue. American Journal of Physiology, Vol. 9.
p. 265. 1903.
Die vollständige Analyse eines 24stiuuligen Urins. i)^5
fügige) Menge von suspendierter Kohle in der Lösung nmli der Endpunkt
der Titration klar und unverkennbai- sein. Wenn erwünscht, kann die Kohl<-
durch Filtration entfernt werden.
Ehe man die Resultate der Bestimmung in /ehntclnormal-Säure um-
rechnet, ist es natürlich erforderlich, den Wert des zu Beginn der Ojicra-
tion zugesetzten Kaliumkarbonates festzustellen. Dies wird so ausgeführt,
daß man eine geringe bekannte Menge des Salzes mit einem fbcisdiuli
von Normalsäurc erhitzt, dann abkühlt und titriert. Der Wert des Kalium-
karbonats plus dem des Natriumhydrates, das bei der Kndtitration
verbraucht wird, subtrahiert von dem Wert, welcher der zugefügten Xor-
malsalzsäure entspricht, repräsentiert das zwischen anorganischen Säuren
und anorganischen Basen (Metallen im Urin) bestehende \'erhältnis. Die
so bestimmte Miueralazidität stellt nicht den l'berschub an freier Mineral-
azidität dar, welche tatsächlich in dem Harn enthalten ist. Kin Teil dieser
Azidität ist nämlich durch organische Verbindungen neutralisiert, wie sie
in den organischen Sulfaten vorkommen. Ein anderer und beträchtlicherer
Teil ist durch Ammoniak neutrahsiert. Unter Berücksichtigung dieser für
Ammoniak und für die organischen Sulfate in Betracht kommenden Werte
wird die freie Mineralazidität des Urins bestimmt. Zur Berichtigung
des Wertes für die organischen Sulfate macht Folln die empirische An-
nahme, daß sowohl die ..ätherischen" Sulfate als auch der ..neutrale
Schwefel" als Schwefelsäure anwesend sind, in der eine Hälfte der
Azidität durch organische Verbindungen neutralisiert ist. Da luni diese
organischen Verbindungen während des Glühens zerstört werden, würde
eine Hälfte der Azidität frei gemacht, die sich aus der Schwefelsäure
des neutralen Schwefels und der ätherischen Sulfate, wie sie gewöhnlich
bestimmt werden, berechnet.
Ammoniak.
Im Zusammenhang mit systematischen, vollständigen Harnanalysen
ist es wichtig, nur Methoden zu gebrauchen, welche ein Minimum an Zeit
erfordern. Die Folin?>c\iQ Luftstrom methode zur Bestimmung des Ammo-
niaks entspricht dieser Anforderung (vgl. Bd. HI dieses Werkes, 2. S. T«Ui)
und ist außerdem im ganzen zuverlässiger als irgend eine andere Methode,
wenn man einmal mit dem in dem betreffenden Laimratorium zur \'erfügung
stehenden Luftstrom genau vertraut geworden ist.
Über den Gebrauch dieser Methode sind die folgenden Mitteilungen
beachtenswert. Es ist erforderlich, daß die Genauigkeit der Methode für einen
bestimmten Apparat und Luftstrom gründlich ausgeprüft ist. Dies sollte so
ausgeführt werden, daß man das Ammoniak in dem erhältlichen, reinsten
Ammoniumsulfat bestimmt und die Kesultate durch Destillation nach der
gewöhnlichen Kjeldahl-Methode nachprüft. Andere Ammoniuinsal/e. wie zum
Beispiel die Chloride, sollten für diesen Zweck nicht benutzt werden, ilenn
sie enthalten fast immer Pyridinbaseu, welche bei der Destillation mit über-
286
Otto Folin.
gehen wüi-den und als Ammoniak zur Titration kämen. Je geringer das
Volumen ist, welches man braucht, je schneller und leichter wird das Am-
moniak durch den Luftstrom übergetrieben. Bei einem
Fig. 88. ziemlich schwachen Strom sind 20 cm^ Urin 25 cm ^ vor-
zuziehen. Es ist kaum nötig, die Luft mit Schwefelsäure
zu waschen , wie es Klercker empfiehlt (vgl. 1. c. S. 766),
da die gebrauchte Luft meistens Außenluft ist oder mit
Wasser gewaschen wird, indem sie die Luftpumpe passiert.
Für das früher angegebene Absorptionsrohr (vgl. 1. c.
S. 766, Fig. 259) sollte man die im Folgenden angeführte,
verbesserte Form benutzen.
Harnstoff.
Folins Methode (Bd. III dieses Werkes, 2, S. 778).
Wenn diese Methode richtig ausgeführt wird, gibt sie
sehr zuverlässige Resultate. Die beiden Hauptfaktoren,
welche beachtet werden müssen, sind: erstens, daß das
Erhitzen so lange fortgesetzt wird, bis aller Harnstoff zer-
setzt ist: zweitens, daß die Destillation so reguliert wird, daß sie eine
volle Stunde durchgeführt werden kann, ohne daü der Inhalt des Destil-
lationskolbens trocken wird. Die im Folgenden angegebene, bis jetzt noch
nicht veröffentlichte Modifikation der ursprünglichen Methode erleichtert
die Bestimmung.
Für die Zersetzung ist eine Temperatur von ungefähr 150" erfor-
derhch. Bei dieser Operation bedient man sich vorteilhaft etwas Chlorjod-
quecksilbers, HgClJ. Diese Substanz ist deshalb außerordentlich empfehlens-
wert, da sie ein Indikator für die Temperatur in Verbindung mit der
Zersetzung des Harnstoffes ist. Chlorjodquecksilber, HgClJ, ist ein hellrotes
Pulver, welches bei 1250 gelb wird und bei 153" schmilzt. Es wird dar-
gestellt, indem man in einem geschlossenen Rohr molekulare Mengen reinen
Chlorquecksilbers und Jodquecksilbers 6 — 8 Stunden lang auf ungefähr 160°
erhitzt. 1) Das pulverisierte Produkt wird dann in kleinen Glaskolben
(Jena-Glas) von ungefähr 0'5 cm^ Inhalt verschlossen aufbewahrt. Wenn
richtig ausgeführt, kann man solche Gefäße unbegrenzt lange benutzen,
um die Temperatur 153" anzeigen zu lassen.
In einem Kjeldahlkolben (von 500 cm'i Inhalt) werden nun 5 cin^
Urin eingemessen und 20 g Magnesiumchlorid, 2 — 5 cm^ konzentrierte Salz-
säure, ein kleines Stück Paraffin und einige Tropfen roter Alizarinlösung zu-
gesetzt. Der Mischung wird schließlich in das oben beschriebene Glaskölbchen,
das als Temperaturanzeiger dient, zugefügt. Der Kolben wird nun in auf-
rechter Stellung über eine passende Flamme gebracht. Das überschüssige
Wasser wird abgedampft. Die Mischung wird nach und nach heißer, bis der
1) Köhler, Über Quecksilberclilorjodid. Ber. Chem. Ges., Bd. 12, S. 1187, 1879.
Die vollständige Analyse eines 248tüniligcn Urins. 287
Indikator im Glaskölltclien zunächst gelb wird und schliflllicli schmil/t.
Dieses Stadium sollte in ungefiihr IT) Minuten erreicht werden, und zwar
so, daß die Mischung dann noch sauer reagiert.
Von diesem Punkte an handelt es sich nur noch um die Art und
AVeise des Erhitzens, damit — während ein und einer halhen Stunde laut; —
kein Wasser mehr entweicht und die noch vorhandene Salzsäure zurück-
bleibt. Ein gewöhnlicher Kühler wird natürlich am besten diesem Zwecke
dienen. Wenn ein solcher Kühler benutzt wird, ist es vorteilhaft, das Er-
hitzen vorher einige Minuten länger fortzusetzen, damit das Wasser ent-
weicht, welches im oberen Teil des Kjeldahlkolbens zurückgelilieben ist. Ehe
man die Verbindung mit dem Kühler herstelllt, fügt man noch zwei oder
drei Tropfen konzentrierter Salzsäure zu.
An Stelle eines gewöhnlichen Kühlers kann man sich eines Keagenz-
rohres von 20 cm Länge, das mit kaltem Wasser gefüllt ist, bedienen.
Indem man dieses Reagenzglas am Halse des Kolbens mittelst eines
Korkes befestigt, so daß eine Hälfte davon sich außerhalb des Halses
des Kjeldahlkolbens befindet, kann man die Operation ohne Mühe beenden,
vorausgesetzt, daß die Flamme so reguliert wird, daß die Mischung nicht
zu stark siedet. Sollte das Produkt in dem Kolben rot werden, so müßte
mnn tropfenweise Salzsäure hinzufügen, bis die Lösung wieder gelb ist.
Nach Verlauf von anderthall) Stunden wird das Erhitzen unterbrochen
und der Kolben etwas abgekühlt. Hiernach ^Yerden 350 — 400 cni^ Wasser
(am besten heißes Wasser) und L5 — 20 cm^ lOVoigt'i' Natronlauge zuge-
fügt. Nachdem darauf das Ammoniak überdestilliert worden ist , wird ge-
kocht, dann abgekühlt und titriert. Die Destillation sollte mindestens eine
Stunde unterhalten werden, da das Ammoniak selten in kürzerer Zeit völlig
übergetrieben wird.
Die erhaltene Menge des Harnstoffstickstoffs sollte zunächst in
Prozent des gesamten Stickstoffs ausgerechnet werden. Wenn die 24stün-
dige Menge des Gesamtstickstoffs mehr als 12 (j beträgt, sollte der Prozent-
gehalt des Harnstoffstickstoffs nicht weniger als 87Vo betragen. Wenn der
Stickstoff viel mehr als 12 (j ausmacht, sollte der Prozentgehalt desselben
als Harnstoff noch höher sein. Andrerseits, wenn der Gesamtstickstoff
sehr niedrig ist (4 — 7 (/), kann der Prozentsatz des Harnstoffstickstoffs
bis auf GO"/o oder weniger sinken. ^)
Gesanitstickstoff.
Vgl. Bd. III dieses Werkes, S. 2:10.
Kreatin und Kreatinin.
\'ul. Dd. HI dieses Werkes, 2, S. 7S7.
') 0. FoHh, Approximativ complote analyses of tliirty , normal' nrines. Amoricaa
Journal of Physiology. Vol. 13, S. CC, l'.IUö.
288 Otto Fol in.
Harnsäure.
(Vgl. Fol ins xMethode: Dieses Handbuch, Bd. III, 2, S. 889.)
Die Harnsäurebestimniuno- sollte an dem Tage beginnen, an dem
der Harn gesammelt ist. Wenn aber einmal mit Ammoniumsulfat und
Ammoniak beiseite gesetzt ist, schadet es nicht, wenn die Bestimmung
erst nach einigen Tagen beendet wird. Zweitägiges Stehenlassen ist übrigens
empfehlenswert. Wenn mehrere aufeinanderfolgende 24stiindige Harn-
mengen zu analysieren sind, kann der letzte Teil der Bestimmung, das ist
die Ultration und Titration, vorteilhaft verschoben werdeu, bis wenigstens
fünf oder sechs Bestimmungen zusammen vorgenommen werdeu können.
Purinbasen.
Die beste zu Gebote stehende Methode für die Bestimmung der
Purinbasen im Urin ist wahrscheinlich diejenige von Krüger und Schuld
(Bd. III, 2, S. 886). Selbst diese Methode ist aber nicht so zuverlässig,
wie es wünschenswert wlire. Ein befriedigender Beweis dafür, daß die
Stickstoffkolloide des Harns nicht zum Teil als Purinbasen bestimmt
werden, ist noch nicht geliefert worden. Es ist auch möglich, daß unter
Umständen die Summe der Harnsäure und der Purinbasen, die durch diese
Methode erhalten wird, geringer ist als der W^ert, welcher sich für die
Harnsäure allein nach der oben angegebenen Ammoniumsulfatmethode ergibt.
Da ferner die Bestimmung mehr als ein Viertel der gesamten 24stündigen
Urinmenge verlangt, paßt diese Methode nicht sehr gut in den Plan der
vollständigen Harnanalyse, den wir in diesem Kapitel verfolgen. Weitere
Modifikationen der Methode zwecks einer allgemeineren Anwendung sind
sehr nötig.
Anorganische Sulfate, ätherische Sulfate und
„neutraler" Schwefel.
Bei der Bestimmung der Sulfate im Urin werden die zuverlässigsten
Resultate erhalten, wenn man die anorganischen Sulfate direkt nach der
i^o^mschen Methode ermittelt (Bd. III, 2, S. 799). Die gesamten Sulfate
sind vielleicht am leichtesten zu bestimmen nach der zweiten FoUn^ohQYi
Methode, welche in demselben Band (S. 799) beschrieben ist. Die Sal-
kouskische Methode (S. 797) ist auch gebrauchsfähig, aber es sollten bei
Anwendung dieser Methode folgende Vorsichtsmaßregeln beobachtet w^erden:
Erstens ist es besser, den Urin nicht auf dem Wasserbade zu erhitzen,
ehe man vom Baryumsulfat abfiltriert ; zweitens ist es nicht ratsam, das
Baryum Sulfat feucht mit Alkohol zu waschen, da sonst etwas von dem
Niederschlag durch das Filter geht; drittens sollten immer Gooch-Tiegel
für Sulfatbestimmungen benutzt werden, und viertens geben 25 cm^ Urin
ebenso genaue Resultate für Sulfate als 100 cm^
Die vollständige Aualyse eines 24stnndigeii Urins. o^f)
Die Men^e der Totalsulfato iiiiiiiis derjeiiii,^en der aiiorf^anischen Sul-
fate ergibt die ätherischen Sulfate.
Der Oesanitschwefel niiiiiis desjenigen der (iesanitsulfate izua <kii
sogenannten Neutralschwcfel.
Alle die verschiedenen Fraktionen sollten aiit Schwefel uni^^erechnct
werden und nicht auf SO3 oder H^SO^.
Gesamtscliwefel.
Jede der Xatrinniporoxyd-Methoden. die auf S. 70') Im;. J5(1. HJ. 2
dieses Handbuches beschriel)en worden sind, gibt ziemlich genant- llcsnl-
tate. Das von Folin angegebene Verfahren, S. 79(). gibt gewib zuwr-
lässige Eesnltate, vorausgesetzt, daß der Baryuinsulfatniederschlag zwei
Tage vor der Filtration gestanden hat.
Benedicts Methode ^), die durch Denis -) modifiziert wurde, ist ge-
eigneter als irgend eine der I'eroxydmcthodcn und scheint ebenso genaue
Resultate zu geben wie das Fo/i«sche Verfahren. Diese Methode wird wie
folgt ausgeführt.
Zu 20 cm^ Urin, welche sich in einer l'or/ellanverdauiiifunL'^s-
schale von ungefähr 12 cm^ Durchmesser ») befinden, fügt mau mittelst
einer Pipette oder Bürette 5 cm^ einer Lösung, die 2;")% Kupfernitrat
(kristall.), 25 cw^ Natriumchlorid und 1()'^ „ Ammoniumuitrat enthält. Ks
wird auf dem Dampfbad oder über einer kleinen Flamme zur Trockene
verdunstet, dann gelinde mit einer schwachen Flamme erhitzt und nun
allmähg der Gasstrom verstärkt, bis die Schale zur IJotglut erhitzt ist.
Die letztere Temperatur wird 10 — lö Minuten unterhalten. Man lälU nun
abkühlen und fügt 10 — 20 cm'^ U)^'qVJ,^y Salzsäure hinzu. Nachdem man
einige Minuten gelinde erwärmt hat, resultiert eine klare Lösung. Man
gießt jetzt in einen Erlenmeyerkolben von 200 cm« Inhalt, füllt mit Wasser
bis 100 oder 150 em^ auf, erhitzt bis zum Kochen und fügt tropfenweise
25 cm^ einer lO^/oigen Baryumchloridlösung hinzu. Dann läßt man einige
Stunden stehen und filtriert hierauf in einem tarierten Gooch-Tiegel. Es
muß ein Knntrollversuch mit \{) on'^ der oxydierenden Lösiuilt ausgeführt
werden, da Kupfernitrat gewöhnlich Spuren von Sulfat enthält. Die Menge
des so gefundenen Sulfates muß beim Endresultat berücksichtigt werden.
o'-
liidikan.
Die (luantitativen Methoden, welche für die Bestimmung des Indikans
vorgeschlagen wui-deu. sind ungeeignet, weil sie mehrere Hunderte Kubik-
*) S. R. Benec/icf, The estiniation nf total sulpiiiir in urino. .lonrniil of Bioloiricnl
Chemistry. Vol. 6. p. 3()3. 1905).
2) IV.Dciiifi, Tlio (Ictorniination of total sulpluir in iirino. .I..urn:il d liiological
Chomistry. Vol. 8. p. 4Ü1. IDIU.
*) Ungefähr 4'5 Zoll.
Abderhalden. Handbuch der bicchcmischen Arboitiincthrdon. V. ]'^
290 Otto Folin.
Zentimeter Urin erfordern (vgl. Bd. III, 2, S. 843). In Ermangelung irgend
einer exakten quantitativen Methode wird das folgende Verfahren (Folin),
trotzdem es noch unvollkommen ist. in Amerika ausschließlich gebraucht.
Es gibt immerhin wertvollen Aufschluß.
Zu einem Hundertstel der 24stündigen Urinmenge, in einem Reagenzrohr
(von 25—30 crn^ Inhalt) befindlich, fügt man 2 cni^ einer lOVoigen Kupfer-
suifatlösung und 5 cm^ Chloroform hinzu. Dann füUt man das Reagenzglas
mit konzentrierter Salzsäure und schließt die Öffnung des Rohres mit dem
Daumen (Gummihütchen), stülpt einigemal um, bzw. man wartet, bis die
Chloroformschicht die intensivste Farbe erreicht hat. Der Farbenton wird
dann mit demjenigen der Fehlingschen Lösung verglichen, die man als
Standardlösung gebraucht und die mit dem Wert 100 bezeichnet wird.
Der Vergleich wird so ausgeführt, daß man 10 cni^ einer frischen Fehling-
schen Lösung in ein zweites Reagenzglas von derselben Größe gießt und
dann die zwei Reagenzgläser nebeneinander hinter einem Schirm hält, so
daß nur die Chloroformschicht am Grunde des ersten Reagenzglases und ein
entsprechender Teil des zweiten Reagenzrohres unter dem Schild sichtbar
sind. Wenn die blaue Farbe der Fehlingsdien Lösung tiefer ist als die
der Indikanlösung, wird die erstere Probe mit einer abgemessenen Menge
Wasser verdünnt, bis die beiden Färbungen annähernd gleich sind. Wenn
die Chloroformlösung die intensivere Farbe zeigt, wird ähnlich wie vorher
mit einer abgemessenen Menge Chloroform verdünnt. Die für das Indikan
so erhaltenen Werte werden einfach mit 20, 50, 100, 125 etc. ausgedrückt.
Es ist unmöglich, diese Farbvergleichung exakter zu gestalten. Wenn
man die Farbe der Indikanlösung mittelst eines Kolorimeters prüft, ist sie
sehr verschieden von derjenigen der Fehlingschen Lösung, selbst wenn
sie rein blau erscheint.
Phosphate.
Die volumetrische Bestimmung der Phosphorsäure im I^rin durch
direkte Titration mit einer Normal-Uranlösung ist leicht, schnell und ge-
nügend genau auszuführen, wenn man die erforderlichen Normallösungen
zur Hand hat.
Die Substanz, welche als Ausgangsmaterial für die Darstellung der
Normallösungen am geeignetsten ist, ist unzweifelhaft das zweifachsaure
Kaliumphosphat, KH2PO4. Es scheint schwierig zu sein, dieses Salz käuf-
lich rein zu erhalten, aber es wird leicht, wie folgt, in reinem, kristalli-
nischem Zustande gewonnen :
Zu 200 cm^ Wasser, in einem Literbecherglas befindlich, fügt man
100 g reiner, konzentrierter Phosphorsäure (Höo/o) und einige Tropfen
Methvlorangelösung. Man erhitzt die Lösung auf ungefähr 90'' und setzt
dann nach und nach reines, wasserfreies Kaliumkarbonat hinzu, bis die
Lösung die deutliche, rote Färbung, welche sie der freien Phosphorsäure
verdankt, zu verlieren beginnt. Wenn dieser Punkt erreicht ist, versetzt
Dio vollständige Analyse eines 24stiindige» rrin>. 4>qi
man noch mit otwas riiosphorsiUire (1 — 8 cm^), diimit siclior ein t^oriiiL"!-
Überschuß an Säure vorhanden ist. An der wurmen liösun;,»- füj?t man huu-
sam unt(M- Umrühren ungefalir 100 cm^ Alkohol hiii/u. kühlt einige Minuti-u
lang unter tlieliendem Wasser und filtriert dann dnrch einen Üüchner-
trichter ab. Man wäscht nun mit Alkohol 4- oder ömal nach und trocknet
zwischen Filtrierpapier. Ausbeute 110—120^. Das so erhaltene kristalli-
nische Salz ist reines Kilo ro^ und enthält kein Kristallwasser. I)ie daraus
bereiteten Standard-l'hosphatlösungen bleiben fast unbeschränkt unverändert.
Eine Lösung, welche 2 mg Phosphor (P) auf 1 cm^ enth.dt. wird ge-
wonnen, indem man 8-78^ KH2PO4 in Wasser löst und dann zum Liter
auffüllt.
Die Standard-Uranlüsung wird am besten aus reinem l'ranazetat
dargestellt. Mau löse 30 g in ungefähr 1 / Wasser, füge öO cm^ Eis-
essig hinzu und lasse die Lösung einige Tage lang stehen, so daß sich die
ungelöste Substanz zu Boden setzt. Man ziehe nun die klare, oben auf-
schwimmende Lösung so vollständig wie möglich ab. Diese Lösung muli
jetzt so eingestellt werden, daß 25 cm^ der.selben genau gleich 2örw<3 der
obigen Phosphatlösung entsprechen, so daß 1 cm^ 2 nifj/ P entspricht. I )ie
erforderliche Titration wird, wie folgt, ausgeführt: Man mißt 2ö cm^
Phosphatlösung in einen 200 cw^-Erlenmeyerkolben und setzt 25 cni^
einer Lösung hinzu, welche ungefähr 6^ Natriumchlorid, 4 f/ Kaliumchlorid.
lg x\mmoniumchlorid und 10g Natriumazetat pro Liter enthält. Nun wird
die verdünnte Phosphatlösung zum Sieden erhitzt und während sie
noch heiß ist, in die Uranlösung aus einer Püirette zufließen gelassen, bis
zwei Tropfen der heißen Mischung, die man mittelst eines in eine Spitze
ausgezogenen Glasrohres entnommen hat, auf einer Porzellanplatte mit ein
wenig pulverisiertem Ferrocyankalium eine schwache, aber deutlich rötliche
Farbe hervorrufen. I'nter Zugrundelegung der Titrationswerte wird die
Uranlösung verdünnt, so daß sie genau der Phosphatlösung entspricht.
Zur Bestimmung der Phosphate im Urin mißt man 50 cm^ in einen
Erlenmeyerkolben, erhitzt zum Sieden und titriert wie vorher bei der
Phosphatlösung, d. h. bis zwei Tropfen der Mischung mit etwas pulveri-
siertem Ferrocyankalium die Anwesenheit einer Spur unverbrauchten Uran-
azetates anzeigen. Wenn bereits zuviel Uranazetat vorhanden ist, kann die
Titration noch so durchgeführt werden, daß man 2 r//r' der Standard-
Phosphatlösung zufügt und nach dem Erhitzen bis zum Sieden wieder
mit der Uranlösung titriert.
Chlor.
Volhardsche Methode. Diese ausgezeichnete und genaue, allgemein
gebräuchliche Methode ist jeder anderen für die Bestimmung des Chlors
im Urin überlegen.
Erforderliche Lösungen:
1. "^-Silbernitrat (K*)'.)*»^ im Liter).
19»
ö
292 Otto Fol in.
2. ^-x\mmoniiimthiocyanat. Es werden 8 — 9(/ des reinen Salzes in
1000 — llOOcms Wasser gelöst. Diese Lösung wird dann unter Zuhilfe-
nahme der Titration mit der Silbernitratlösung und durch Hinzufügen der
erforderlichen Menge Wasser zehntelnormal gemacht.
'6. Eisenalaun (gesättigte Lösung).
4. Salpetersäure (1 Teil konzentrierter HNO3 und 3 Teile Wasser).
Mau muß aufkochen, um die Stickstoffoxyde zu entfernen und dann vor
Licht geschützt aufbewahren.
Die Titration wird, wie folgt, ausgeführt:
Man mißt 10 cm^ Urin in einen 100 cy>^ 3. Stöpselkolben (Glas) und
fügt 20 — 30 cm 3 Wasser, 20 cw^^ Salpetersäure, 2 cm» Alaunlösung und
20 a» 3 Silbernitratlösung in genannter Reihenfolge hinzu. Man schüttelt
nun ein wenig, damit sich der Chlorsilberniederschlag zusammenballt. Jetzt
füllt man den Meßkolben bis zur Marke mit Wasser. Dann wird zuge-
stöpselt, und der Kolben einige Male umgedreht, damit sich die Flüssigkeit
vollständig mischt. Man gießt darauf durch ein trockenes Filter und ent-
nimmt mit einer Pipette 50 cni^ für die Titration. Der Überschuß des
Silbernitrates wird mit der ^-Thiocyanatlösung titriert. Der Endpunkt,
eine rötliche Färbung, ist sehr scharf.
Dieses Verfahren schließt eine kleine üngenauigkeit ein wegen des
Volumens, welches der Chlorsilberniederschlag in dem Meßkolben ein-
nimmt, aber sie ist so gering, daß sie vernachlässigt werden kann.
Anstatt den Überschuß des Silbernitrates in einer filtrierten Portion
der Mischung zu titrieren, kann man auch das Ganze in Gegenwart des
Silberchlorids titrieren. Dieses Verfahren erfordert keinen Meßkolben und
erspart auch die Filtration. Diese vereinfachte Methode ist aber weniger
genau und gibt Werte, welche 1 — 5Vo zu niedrig sind.
Natrium und Kalium.
Lehmann, Bunge, Salkowski, Munk und Neumann haben Zusatz
verschiedener Reagenzien zum Urin empfohlen, ehe Verdampfung und
Oxydation, die für die Bestimmung des Natriums und Kahums erforder-
lich sind, vorgenommen werden. Das einfache Verfahren, den Urin zu ver-
dampfen und zu veraschen ohne irgend einen Zusatz, ergibt aber auch
durchaus befriedigende Resultate.
Man verdampfe 50 cm^ Urin in einer Platinschale (von ungefähr
250 cw?3 Inhalt) zur Trockene , erhitze den Rückstand eine Stunde lang,
anfangs sehr vorsichtig, bis zur schwachen Rotglut über einem Radialbrenner
(wie es bei der Mineralazidität-Bestimmung beschrieben ist, vgl. S. 284). Man
kühlt nun ab, setzt 20 c/h^ Wasser hinzu, verdunstet und erhitzt wieder
eine Stunde lang über dem Radialbrenner bis zur schwachen Rotglut. Es
bleibt dann nur eine geringe Menge Kohle zurück. Jetzt löse man die
Salze in heißem Wasser und einigen Tropfen Salzsäure. Dann füge man
einen Überschuß von gesättigter Baryumhydratlösung hinzu und erhitze
Die vollständige Analyse eines 24standifreM Urins. <K)'^
zum Sieden. Hierdurch werden Ca, Mg, Hjl'O^ und HjSOi ult^^eschiedcu.
Es wird auf einem (iooch-Ticfiel filtriert und mit lieiLtcm Wasser aus-
gewaschen. Der Übersehul) an Ilarviim wird nun /iiniiehst aus doni alkalischen
Filtrat mittelst gewaschenen Kohlcnsäuregases gefüllt : dann wird durch einen
Gooch-Tiegel filtriert und ausgewaschen. Filtrat und ^Vas(•hwasser werden
mit verdünntei- Salzsäure angesäuert, indem man sich eines Tropfens
Methylorange als Indikator bedient.
Nun hat man eine Lösung von Natrium- und Kaliumchloriden. Diese
Lösung wird in einer tarierten Platinschale verdampft und. wenn trocken,
wird der Rückstand 10 Minuten lang allmählich bis znr gelinden IiotLdut
erhitzt. Dann lälit man in einem pAsikkator 20 Minuten lang abkühlen und
wiegt. Die Gewichtszunahme entspricht dem Natrium- und Kaliiimchlorid.
Das Kalium muli jetzt in dem Salzgemisch getrennt bestimmt werden.
Die gewöhnliche Platinchloridmethode ist im allgemeinen vorzuzieh<'n;
ebensogute Resultate werden aber auch mit der Cberchlorsäuremethode
erhalten.
Man löst die Chloride in einer sehr geringen Menge Wasser auf und
setzt einige Tropfen verdünnter Salzsäure hinzu. Dann fügt man einen
Überschult von Platinchlorid, 4 — ömal so viel HjPtCl,; als das gesamte
Gewicht der Salze beträgt, in einer lO'Voigen Lösung hinzu und lällt bei
niedriger Temperatur (Tö" C) verdampfen, bis der Schaleninhalt nach dem
Erkalten trocken erscheint. Jetzt wird 95Voiger Alkohol zugegeben, durch
einen Gooch-Tiegel filtriert, mit Alkohol gewaschen und iu'i Ilü" ge-
trocknet und dann gewogen. Das Gewicht des Kaliumchlorplatinats multi-
pliziert mit dem Faktor Ü"oOö() gibt das entsprechende (Jewicht des Kalium-
chlorids. Diese Zahl subtrahiert von dem ui-sprünglichen (iewicht der
Chloride ergibt das vorhandene Xatriumchlorid.
Calcium und Magnesium.
Gemäß der kürzlich von McCruddtn ausgeführten Verbesserung
der alten Fresenius-Xeuhcmiirs(^\\QW. Methode wii-d die Iiestimmum: des
Calciums und Magnesiums wie folgt vorgenommen. \)
Zu 200 cm^ Urin, in einem Erlenmeyerkolben befindlich, werden
zwei Tropfen einer P/oitt^'ni roten Alizarinlösung gefügt, dann wird vor-
sichtig tropfenweise verdünnte Salzsäure zugesetzt, bis die l'arbe des Indi-
kators anfängt gelb zu werden. Zu dem neutralen oder etwas sauren l'rin
gibt man zunächst 10 cm» einer annähernd 2"/oirf" Salzsäure und 10 (■;/<»
einer 2"5'*/oigen O.xalsäure hinzu. Dann erhitzt man sorgfältig zum Sieden,
bis der Calciumoxalatniederschlag ein körniges Aussehen zeigt. Zu der
gelinde siedenden Lösung werden 10 — ib cm^ einer 3" oigen Ammonium-
oxalatlösung gefügt, und zwar so, daß man von Zeit zu Zeit auf einmal
*) F. Mc Cruddin, Tlie (iu;intitativo Separation of calcium antl niaifnosiiun in
preseuce of phosphates and sniull amoiints of iron devised especially for thc an.i
of fords, urine and fcces. Journal of Biological Cheniistry. Vol. 7. p. 82. lUlU
294 Ot<^o Fol in. Die vollständige Analyse eines 24stündigen Urins.
einige Tropfen zugibt. Auf diese Weise wird der größte Teil des Calciums
bei deutlich saurer Reaktion niedergeschlagen und die gleichzeitige Bildung
von Calciumphosphat verhindert. Die Mischung läßt man zur Abkühlung
stehen. Wenn gänzlich abgekühlt, setzt man langsam 8 cm^ einer 20''/oigen
Natriumazetatlösung hinzu, indem man beständig rührt; dann läßt man
die Mischung über Nacht stehen. Die Gefahr, einen Niederschlag zu er-
halten, welcher mit Calciumphosphat verunreinigt ist, wird bei obigem Vor-
gehen vollständig beseitigt. Am folgenden Tage wird der Niederschlag auf
einem kleinen aschfreien Filter gesammelt und mit einer kalten, P/gigen
Lösung von Ammonoxalat gewaschen, bis das Waschwasser keine Chlor-
reaktion mehr gibt. Der Niederschlag wird dann getrocknet, in einem
tarierten Platintiegel erhitzt und mit einem Gebläse geglüht, bis er vollstän-
dig in Calcium oxyd übergeführt ist.
Zu dem in eine Porzellanschale gegossenen Filtrat und Waschwasser,
welche Flüssigkeiten das Magnesium enthalten, werden 20 cm^ konzentrierter
Salpetersäure gegeben. Das Gemisch wird dann fast bis zur Trockene verdampft.
Wenn ziemlich trocken und wenn keine Stickoxyde mehr entweichen, setzt
man 10 cm^ konzentrierter Salzsäure hinzu und verdunstet die Lösung wieder
fast zur Trockene. Nach Verdünnung mit Wasser auf ungefähr 80 cm^
versetzt man unter beständigem Umrühren tropfenweise mit Ammoniak,
bis die Lösung alkalisch ist. Dann werden 25 cm^ verdünnten Ammoniaks
(sp. Gew. 0"96) langsam unter Rühren zugesetzt und schließlich wird die
Mischung (an einem kühlen Orte) über Nacht stehen gelassen. Der Nieder-
schlag wird nun auf einem kleinen Filter gesammelt und mit alkoholischer
Ammoniaklösung (1 Teil Alkohol, 1 Teil verdünnten Ammoniaks, 3 Teile
Wasser) frei von Chloriden gewaschen. Der getrocknete Niederschlag und
das Filterpapier werden in einem gewogenen Platintiegel geglüht. Nach
dem Abkühlen wird das Magnesiumpyrophosphat, Mgj Ps O7 , gewogen.
Nachweis iiiul Bestimm im t>- der Eiweil)al)bau-
produkte im Harn.
Von P. Koiia, Berlin.
Bestimmung des Gesamtstickstoffs.
Bestimmung- nach Kjeldahl vgl. Band I, S. ;540.
Nach Untersuchungen von C. C.Erdmann^) können stick.stoffhaltige
Verbindungen, die die Gruppen ^N.CH.,, — NH.CH;, oder ^rNfCM^ij
enthalten, bei der Digestion mit HaSO^ nach Kjehhihl Mono-, l»i- oder
Trimethvlamin liefern. Die Bestimmung von Alkvlamin neben Ammoniak
läßt sich in der Weise bewirken, dal'i man nach dem Aufschlull mit H. So,
und Katalysator zunächst die Gesamt-X-Meuüe durch Titration des in — n-
>" Kl
Säure überdestillierten Gemisches mit —-n-Na 011 ermittelt. Dann fügt man
zu der neutralen Flüssigkeit 5^10 c;//^ einer Mischung von i'O" oiger NaOll
und 30"/oiger Sodalösung hinzu, füllt l)is zur Marke auf •_';">() oder .")(>(» »w^
auf, fügt für jeden Kubikzentimeter ttt-u-NH:; 0-1 y gelbes HgO hinzn.
schüttelt eine Stunde bei Lichtabschluli, liißt \-l Stunden lang absitzen,
filtriert durch Watte und bestimmt in 200 oder i^')!) (W^ des Filtrates das
Alkvlamin durch Destillation und Titration. Die Menge (V'^^ dnrch IlgO
absorbierten Ammoniaks ergibt sich aus der Differenz.
Bei der Bestimmung des Stickstoffs nach KjildnJil in fetten Sub-
stanzen empfiehlt J. A. Broun-), um das lästige Schäumen zu vermeiden,
die Substanz nach der Behandlung mit H.^SO^ auf 100 cm ^ mit Wasser zu
verdünnen, auf -iOciH^ einzudampfen und dann mit Alkab /ii destilbereii.
C.Beger'^) empfiehlt den AufsclduÜ von fettreicher .Milch in einem
langhalsigen Bundkoll)en mit 30 c/»^ Phosphorschwefelsiiure und einem
Tropfen Hg vorzunehmen. Den Hals des Kolbens und einen Teil des I\oi-
*) C. C. Erdmann, Ül)er Alkylamiiio ;ils Tioduktp der A7< /'/«/»/-Boliainllimir. Joiii-n.
Biolog. Chem. 8. 41 (1910); Chem. Zcntralbl. 1'.»1U. II. 7(50. Vgl. auch Joiirii. Biol. Chora.
9. 85 (1911).
-) J. Ä. Broun, Notiz über die Hostimimiiiir dos X nach KUI'lahl in f<'ttrn Sub-
stanzen. Chem. News. 102. 51 (1910).
•') C. Beyer, Aus der analytischen Praxis. Zeitschr. f. aualw. Lh«'niH'. 4i». iJT
(1910).
96 P. Rona.
benbauches umgebe man mit einem Belag von Bleiblech. Der Aufschluß-
kolben steht auf einem Stativ unter einem Winkel von 45» geneigt und
die Mündung rage in einen mit Blei röhren versehenen Abzug.
Die KJeldahhche Methode ist wohl in ihrer ursprünglichen Form, wie
auch speziell in Gw«M«?^s Modifikation (Anwendung von K2SO4) mit einem
Fehler behaftet, so daß die Stickstoffwerte ein wenig zu niedrig ausfallen
{R. Koefoed^). Der Grund hierfür ist, daß während der Zersetzung mit
Säure durch Verdampfung oder noch wahrscheinlicher infolge Zersetzung
des Ammoniumsulfats ein \'erlust an Stickstoff entsteht. Man soll, um diese
Verluste zu vermeiden, die Stickstoff bestimmung womöglich nach der
ursprünglich von Kjddahl angegebenen Form ausführen und die Dauer der
Erwärmung (3 — 5 Stunden) nicht unnötig verlängern. Wo das von Kjeläahl
angegebene Verfahren nicht genügt, wo aber die Zersetzung nach Gunning
vorgenommen werden kann, soll nach Koefoed die Dauer der Erwärmung
möglichst abgekürzt werden.
Nach A. C. Andersen-) ist Platinchlorid als Katalysator zu verwerfen,
da es erhebliche Stickstoffverluste verursacht.
Bei Bestimmungen nach KJeldahl wird nach der Beschreibung von
Koefoed der zu untersuchende Stoff mit 10 cm^ konzentrierter Ha SO4 und
0"2h g CuO 3 — 5 Stunden erwärmt, die Flüssigkeit mit fein gepulvertem
KMn04 oxydiert und in den von Kjeldahl angegebenen Kupferkolben 3)
mit ca. 2Q0 cm'^ Wasser gebracht. Mit 50 cm^ ca. 33%igei' Natronlauge
wird soviel abdestilliert, daß sich in der Vorlage 100 cm^ sammeln. Bei
Bestimmungen nach Kjeldahl- Gmming wird nach der im Carlsberg-Labo-
ratorium geübten Weise die Substanz Y, Stunde mit 20 cm- H2SO4, ti g
K2SO4 und O'ö g CuO erwärmt; dann werden noch 15^ K2SO4 hinzugefügt
und die Zersetzung ohne Oxydation mit Kaliumpermanganat durchgeführt.
Bei der Destillation werden 10 cni^ Natronlauge verwendet.
Erfolgt der Säureaufschluß bei der Kjeldahl-^iethode in Gegenwart
einer Quecksilberverlnnduug , so muß für eine Zerlegung des gebildeten
Amidomerkurisulfats Hg(NH3)2 SO4 gesorgt werden, was vorteilhaft mit dem
von C. Neuberg empfohlenen Natriumthiosulfat geschehen kann. Wird
jedoch zu der noch schwefelsauren Flüssigkeit das Natriumthiosulfat hin-
zugefügt, so kann ein Teil der flüchtigen schwefeligen Säure in die Vor-
lage gelangen und so deren Säuretiter erhöhen. Um von vornherein diesem
Fehler vorzubeugen, empfiehlt C. Neuberg*) neuerdings an Stelle des
^) R. Koefoed, Einige Bemerkungen über die jodometrische Säuretitrierung und
ül»er KjHdahls Stickstoffbestimmung. Zeitschr. f. physiol. Chom. 69. 421 (1910).
-) Ä. C. Andersen, Einige Bemerkungen über N-Bestimmung nach Kjeldalil. Skand.
Arch. f. Phys. 25. 96 (1911).
^) tiber den Einfluß des Glases bei dem AjeZc?aÄ?-Verfahren vgl. E. Jalowetz,
Wocbenschr. f. Brauerei. 21. 393 (1904). — //. T.liroini, Ebenda. 21. 165 (1904). —
K. Bartelf und IL Schönewuld, Ebenda. 21. 523 und 793 (1904).
*) C. Nctibery, Zur Ausführung der Ä7cW«/»?-Bestimmung. Biochem. Zeitschr. 24.
435 (1910).
Nachweis und Bestimmung der Eiwoißaldiauprndukf.' im Harn. 297
Natriunithiosiilfats das gleichfalls festeKaliinnxantho^'i'iiat (C,Hi( ».('SSKi
anzinveruien, und zwar etwa 10 .9 für 0'4 r/ HfjO. Das xaiitli(j<,M'nsaun.
Kaliiiin liefert selbst bei saurer Reaktion niehts ins Destillat, was den Titer
verändert. In alkalischer Lösung- zerlegt es das Aniidoiiicrkurisulfat glatt
wie Alkalisulfid.
Die von Kjeldahl ausgearbeitete jodometrische Säuretitrierung wird
im Carlsberg-Laboratorium folgendermaßen ausgeführt'): Das Titrieren
wird immer in dem.selben Flüssigkeitsvolumen (lüO cm^) vorgenommen, und
zwar so, dal) man bei der Ammoniakdestillation so viel in die in einem
Erlenmeyerkolben vorgelegte Säure {ih cm-^ ca. —-n-HaSOj) überdestilliert,
daß die totale Flüssigkeitsmenge KJOr///^' beträgt: wird Destillation nicht
vorgenommen, so wird mit ausgekochtem, destilliertem Wasser bis 100 rw/s
aufgefüllt. Man gibt dann 10 c^x^ öo/^iggi^ j^^j^limi^jodidiösung, 2n//3 2"„igor
Stärkelösung (mit NaCl gesättigt) und endlich 2cm^ 47oiger Kaliumjodat-
lösung und beendet das Titrieren immer biimen derselben Zeit. Zweck-
mäßig verwendet man, um die genaue Zeit zu bestimmen, ein Minntenglas
für zwei Minuten, welches gleichzeitig mit dem Kalium jodatzusatz in l!e-
trieb gesetzt wird; im Anfang kann die Thiosulfatlüsung ziemlich schnell
in den Kolben laufen, wenn man durch Schütteln für gute .Mischung sorgt;
wenn aber die Farbe rein dunkelblau geworden ist, setzt man nur tropfen-
weise zu. Es ist unnötig, die genaue Stärke der verwendeten ca. — -n-Säure
zu kennen, dagegen muß die Stärke der Thiosulfatlösung mit möglichst
großer Genauigkeit bestimmt werden. Als l'rtitersubstanz verwemlet man
mit großem Vorteil Natriumoxalat (S. P. L. Sörensen). Eine abgewogene
Menge dieses im Vakuum über H2 SO4 getrockneten Salzes wird nach
Sörensen über eine Spiritusflasche dekomponiert, in eine bestimmte Säure-
menge aufgelöst und die Kohlensäure durch Kochen verjagt. Der Minder-
verbrauch an Thiosulfat, den das in dieser Weise teilweise gesättigte \'o-
lumen Säure gegen den Thiosulfatverbrauch derselben Sänremenge zeigt,
gibt den Titer der 'J'hiosulfatlösung. Verwendet man ayNa.^C'sO* und
beträgt der Minderverbrauch i) cm'^ Thiosulfatlösung, so ist diese
100 X 28-02 X a normal
134-00 X b ■ "14-01 '
Nach Lunge kann man auch wasserfreies Natriumkarbonat verwen-
den. Eine abgewogene Menge entwässertes Salz wird zur teilweisen Sätti-
gung einer bestimmten Säuremenge benutzt; wenn man ayNa, CO, ver-
wendet und der Minderverbrauch an Thiosulfat l)f^//' beträgt, so wird die
Thiosulfatlüsung
100 X 28-02 X a normal
iÖiv[>Ö~x'b • 14-01 ■
Was den bei der azidimetrischen Titrierung angewandten Indikator
betrifft, so bestätigt de Jäger die gute Anwendbarkeit des von Spaeth
•) Vgl. /.'. Koefoed, 1. c.
298
P. Rona.
Fig. 89.
empfohlenen Luteols (0-2o/oige alkoholische Lösung. Zu 50 cm^ Flüssigkeit
setzt man 4 — 5 Tropfen). Hat man den Ammoniakgehalt durch Sättigung
der überschüssigen Hg SO4 bestimmt unter Anwendung von Luteol, so kann
man nach Zusatz von Phenolphtalein , das auch
sofort zugesetzt werden kann, den Gehalt an Am-
moniak auch noch nach der Formolmethode be-
stimmen. 1) A. W. Bosworth und W. Eissing-) em-
pfehlen die Titration mit Vi4-04 n-Lauge vorzu-
nehmen. Einem Kubikzentimeter Lauge entsprechen
1 mg N ; die Berechnung wird daher sehr ver-
einfacht.
Hinsichtlich der Appai^atur sind verschiedene
Vorschläge gemacht worden. 3) Einen praktischen
Destillationsaufsatz zur Ammoniakbestimmung em-
pfiehlt A. Berthold *) (vgl. Fig. 89).
Die Lauge wird dabei in den Laugentrichter
eingefüllt und durch geringes Anheben des Schluß-
stiftes nur so viel Lauge in den Kolben gelassen,
daß noch ein Flüssigkeitsverschluß bestehen bleibt.
Zur Bestimmung des X in Substanzen, die den Stickstoff in Form
von Nitraten, Nitriten, Nitro-, Nitroso-, Azo-, Diazo-, Hydrazin-, Zyan-Ver-
bindungen enthalten, verfährt man nach den S. 356 (Band I) beschrie-
benen Verfahren.
Als Ergänzung mögen noch folgende Methoden hier erwähnt werden:
Zur Bestimmung des Stickstoffs in Phenylhydrazin, Hydrazonen und
Osazonen verfährt J. Milhauer wie folgt. ■^)
0*2 g Substanz werden in einem Kolben in 50 011^ Wasser gelöst, mit
?>g in l^/oiger Schwefelsäure gewaschenem Zinkpulver versetzt und hierauf
werden durch einen Glastrichter langsam 50 fw^ konzentrierter Schwefelsäure
zugegeben. Die Flüssigkeit wird vorsichtig auf dem Drahtnetze erhitzt, so
daß eine zu heftige Wasserstoffent^^^cklung vermieden wird. Nach been-
deter Reduktion wird ein Tropfen Quecksilber hinzugegeben und bis zur
vollständigen Entfärbung zum Sieden erhitzt. Nach dem Abkühlen der
Flüssigkeit auf 100« werden 2 g Kaliumpersulfat hinzugesetzt: darauf wird
weiter erhitzt, nach etwa V, Stunde, wenn die Flüssigkeit vollkommen klar
^) L. de Jager, Über Luteol. Zeitschr. f. physiol. Chem. 67. 115 (1910).
^) A. W. Bosicorth und W. Eissing, Eine Bürette und Xormallösungen für die
N-Bestimmung nach Kjeldahl. Zeitschr. f. analyt. Chem. 42. 711 (1903).
^) Vgl. hierzu auch „Ammoniak". — Einen neuen Aufsatz zur Ammoniakdestil-
lation beschreiben Hciibner und Wiegner. Journ. f. Landw. 57. 385 (1910).
*) A. Berthold, Neuer Destillationsaufsatz zur Ammoniakbestimmung. Chem.-Ztff.
33. 1292 (1910).
*) J. Milhauer, Über die quantitative Bestimmung des N in Hydrazonen und
Osazonen nach Kjeldahl. Zeitschr. f. analyt. Chem. 42. 725 (1903).
Nachweis und Bestimmung der Eiweißaliltaupmdukte im Harn. 900
geworden ist, wird das gebildete Ammoniak wie heim KjclduhUchcn Ver-
fahren bestimmt.
Die Bestimmung des Stickstoffes in Nitraten, Nitro- iiiid Nititj.-o-
verbindungen ist nach .1/. Kriü/cr folgendermaßen auszuführen:
0"1 — 0"3 // Substanz werden in einem Uundkolben mit etwa 20 «m^
Wasser oder bei in Wasser schwer löslichen Körpern mit 2U cin^ Alkohol,
darauf mit 10 ciu^ /inkchlorürlösung und \\) (/ /innschwamm versetzt.
Alsdann erwärmt man über kleiner Flamme bis zur vollständigen Entfiir-
])ung des Gemisches und bis zur Lösung des Zinns. Ist diese erfolgt, so
fügt man vorsichtig nach dem Erkalten der Flüssigkeit und. wenn .Mkohol
angewendet war, nach seiner \'erdunstung 20 n» ' konzentrierter Schwefel-
säure hinzu, dampft bis zur Entwicklung reichlicher Schwefelsäuredämpfe
ein und verbrennt weiter wie beim Kjeldahhchen \'erfahren.
Die Reduktion von Nitrat-N zum Ammoniak-N vollzieht sich sehr
glatt, wenn man als Reduktionsmittel Aluminiumschnitzel verwendet, vor
allem in Gegenwart von Quecksilber als Katalysator. Man bringt die i)e-
treffende Substanz in einen Destillationskolben, setzt 5 — 6/7 Aluminium
und 2 ciit^ einer gesättigten HgCL-Lösung, darauf 150 — 200 Wasser zu.
läßt nach beendigter Reaktion Lauge zu und fängt das Ammoniak in der
mit der n-Säure beschickten Vorlage auf. Gegen Ende der Destillation zer-
stört man die eventuell gebildete geringe Menge Merkuriammoniumverbin-
dung durch einige Kubikzentimeter Natriumhypophos[)hitlösung. 1 rm^
n-Säure entspricht 0'085 </ NaNOs und 0-054 </ N., Oß (Pozzi-Kscof^).
Der Gesamtstickstoff im Harn labt sich auch mit Vermeidung der
Ammoniakdestillation nach dem 7y/e/(/rt/?/-Aufschlur> mittelst der Fonnol-
methode durchführen. Man wird allerdings kaum in die Lage kommen, die
ohnehin einfache Al)destilIation des Ammoniaks durch eine andereMethode
zu ersetzen. F. Rona und Ii. Ottenhcrg-) geben hierzu folgende Vorschrift:
b cm'^ Harn werden mit \0 cm^ konzentrierter Schwefelsäure und
5 — 8 Tropfen einer P oigen Platinchloridlösung als Katalysator aufge-
schlossen 3) . mit ca. 100 nw'^ destiUiertem Wasser (luantitativ in einem
') Pozzi-Escot, Reduktion der Salpetersäure zur Stufe des Anunoniakstiekstnffs
und ein neues Verfahren zur Bestinmuuii: der Nitrate. Ann. (hini. anal. appl. 14. 445
(1910); C. r. Acad. sc. 149. 1380 (1910). — Vgl. auch Sa/h; Allgemciuc Moth<.de zur
Bestinimunsf des Nitratstickstoffs. Ann. Cliim. analyt. appl. 15. lO:? (lOKt). — Ferner
E. Cahoi, The Analyst. 35. 307. — C. Frahof, Ann. Chini. anal. appl. 15. 219. — Vor-
züglich geeignet zur Reduktion zu Ammoniak in alkalischer Lösung ist die Dcrardaschc
Legierung, die aus 50 Teilen Kupfer, 5 Teilen Zink und 45 Teilen .Muniinium besteht.
Noch energischer wirkt eine Legierung, die aus 59" 0 AI, 397,, ^'" "'"• -"/o -i^» hesteht.
Vgl. Zeitschr. f. analvt. Ciieni. 33. 11:5; 3«. 50. — Bezüglich des Verfahrens der Stirk-
stoffbestimmung in Bodenauszügen von /•;. A. Mitsein rficli vgl. 77». Zeller, Lantlw. Ver-
suchsstation. 71. 4:^7 (1910). Drusch. (Iieni.-Zti:. 33. 1249 (1910). — l'niktische Be-
merkungen über die A/V /(/«/(/-Methode findet man noch C. //. J»ius, .Tourn. of Iiul. .ind
Engin. Chem. 2. 546 uiid /'. L. Hihhanl, Ebenda. 4G3 (1910).
'-) r. Roua und I\. Ottinhcrfi, Zur Methodik der Stickstoffbestiuimung im ll.un.
Biociiem. Zeitschr. 24. 354 (1910).
^) Vgl. hierzu jedoch A. C. Andersen, 1. c. S. 29G.
300 P. Rona.
ca. dbOcm-^ fassenden Erlenmeyerkolben gespült, mit 6—7 Tropfen einer
Lackmuslösung (Lackmus von Kuhel-Tiemann , von Kahlhaum bezogen)
versetzt, ca. 20 crn^ SSVoige Na OH hinzugefügt, dann an der Wasserleitung
abgekühlt und nach dem Erkalten der Flüssigkeit weiter 33o/oige Natronlauge
zuerst kubikzentimeterweise, dann, wenn die blaue Farbe nicht mehr so
schnell verschwindet (wenn nötig, unter Kühlung) tropfenweise hinzuge-
geben, bis die Farbe eben blau geworden ist. Dann macht man die
Flüssigkeit mit -J-Säure wieder schwach sauer oder neutral und fügt nun
5
wieder bis zur deutlich blauen Farbe -^-Lauge hinzu. Dann wird tropfen-
weise ^-Säure hinzugefügt, bis eben die erste deutliche x\bweichung
nach dem Violett auftritt, l^m diesen Punkt deutlich zu erkennen, muß man
eine Vergleichslösung von rein blauer Farbe benutzen, die folgendermaßen
hergestellt wird: 150 c»?^ destilliertes Wasser werden mit 1 cm^ —-Natron-
lauge und 10 Tropfen Lackmus versetzt. Bei der Verwendung dieser Lö-
sung ist der Umschlag stets mit Leichtigkeit erkennbar. Nun fügt man
zu der so neutralisierten Lösung 30 cm^ Formaldehyd, das vorher unter
Anwendung von Phenolphtalein gerade bis zur beginnenden llosafärbung
neutralisiert worden ist, titriert mit —Lauge, fügt noch, sobald die Farbe
beginnt blau zu werden, 1 cm^ einer V2Voigen alkohoUschen Phenolphtalein-
lösung hinzu und titriert weiter bis zum ersten Auftreten der violetten
Farbe, die als Mischfarbe von Lackmus und Phenolphtalein entsteht. Die
Anzahl der verbrauchten Kubikzentimeter Na OH gibt direkt die entspre-
chende NH3- bzw. Stickstoffmenge an. Die ganze Prozedur des Titrierens
nimmt etwa 10 Minuten in Anspruch.
Die Methode läßt die Phosphate des Harnes unberücksichtigt. —
Nach der Vorschrift von de Jager ^) werden diese aus dem Harn zuerst
entfernt. 40 cm^ Harn, 5 (/Natrium azetat werden mit lO^/oiger Eisenchlorid-
lösung bis zur rotbraunen Färbung versetzt, auf 50 cm^ mit Wasser auf-
gefüllt, durchgeschüttelt, die Flüssigkeit annähernd gewogen und nach dem
Kochen bis zur völligen Ausflockung das verdampfte Wasser auf der Wage
ersetzt. 10 cm^ Filtrat (=8cw?3 Harn) w'erden wie üblich unter Zugabe
von Kupfersulfat und Kaliumsulfat mit 5 cm^ konzentrierter H2SO4 zerstört.
Das Reaktionsprodukt wird mit Wasser verdünnt und mit 10 cm^ lO^/oiger
Natriumsulfidlösung zur Abscheidung des Kupfers so lange gekocht, bis der
gesamte Schwefelwasserstoff entfernt ist. Hierauf wird auf 100 cm^ mit Wasser
verdünnt und 50 cm^ Filtrat unter Anwendung von Phenolphtalein neutralisiert.
Man macht zuerst schwach alkalisch und setzt dann tropfenweise —-n- Säure
bis zur Entfärbung und — -n-Lauge bis zum ersten schwachen Rot zu. Nach
^) de Javier, Die Formoltitration zur Bestimmung des Gesamtstickstoffs. Zeitschr.
f. physiol. Chem. 67. 1 (1910).
Nachweis und Bcstiinimintr der Eiwpißahbatiproduktf im Harn.
oUl
Zugabe von 6 cm* neutralisiertem Fornialdehyd wird wieder bis zun» ersten
schwachen Rot mit Lau^e titriert. Die jetzt verbrauchten Kubikzentimeter
Lauge geben die Ammoniakmenge direkt in T^-n-lviii)ikzentimeter.
._./■
Bestimmung des Kohlenstoffs organischer Substanzen auf
nassem Wege.
(Vgl. Band I, S.351I.)
Als Nachtrag zu den im ersten P>and beschriebenen \ erfahren sei
die Methode, wie sie in der tierphvsiologischen Versuchsstation in Buda-
pest (Fr. Tamjl) angewendet wird , genau be-
schrieben, i)
Der aus Jenenser Glas geblasene, gut ge-
kühlte Aufschließkolben (Fig. 90) ist ganz glatt,
hat keinen angeschmolzenen Ansatz. Im Kolben-
hals ist eine Schliff stelle, die ein luftdichtes p]in-
setzen des Kühlers ermöglicht. Zur Sicherung der
Dichtung ist der obere Rand des Kolbens umge-
krämpt, wodurch um den Kühler eine kreis-
förmige Rinne gebildet wird, die man mit einigen
Tropfen konzentrierter HaSO^ anfüllt.
In den Kolben paßt luftdicht ein Kühleinsatz,
der, wie die Figur zeigt, bis zur kugelförmigen
Erweiterung des Kolbens herabreicht und silmt-
liche Ansätze trägt. Die Ansätze a und }> dienen
zum Zu- und Ableiten des strömenden Kühlwassers.
Die mittlere Röhre (c), die bis 10 bis 12 mm über
den Boden des Kolbens reicht, setzt sich nach oben
in eine kugelförmige Erweiterung fort, die in
Längsschnitt in Fig. UO abgebildet ist. Der seit-
liche Ansatz rr/) dient zur Zuleitung der COj-freien
Luft während der Verbrennung, die Schliffstelle
im Halse (ej zum luftdichten Einsetzen des Glas-
stöpseis (f)\ in den Trichter (g) wird die nötige
Menge Ho SO4 gegossen und durch leichtes Lüften
des Glasstöpsels (f) in kleinen Portionen in den
Kolben gelassen. Die überschüssige HoSO^, die im Trichter bleibt, dient zur
Dichtung. Durch den Kühler geht auch die llöhre ilü. die seitlich miten
') Fr. 7'anf/l und (i. i\ Kcresz/i/, Zur MctliodiU dor Bi'stiiuniuu;: des Kolilciist«>ffs
organischer Sulistauzeu auf nassem Wege. Bioeliem. Zeitsclir. 32. 2t)ü (lUll). Herr Prof.
laiiffl hatte die Güte gehaht, das Manuskript dieser Mitteilung für die „Arbeitsn
zur Verfiiguni: zu stellen, wofiir ihm aucli an dieser Stelle gedankt sei. Die i.
Beschreibung ist ein wörtlicher Alulruck der wesentlichen Teile dos Manuskrii •
302
P. Rona.
mündet und oben in einen Ansatz (h) ausläuft. Sie dient zum Ableiten der
durch d — c zugeleiteten Luft. Der PFw^^sche Kühler ist nur insofern mo-
difiziert, als die Röhre (h) in den Kühler versetzt wurde, wodurch die
chromhaltigen, flüchtigen Produkte besser zurückgehalten werden.
Die Zusammenstellung des ganzen Apparates zeigt Fig. 91.
Die mit 25Voi&er KOH-Lösung gefüllte \Yaschf lasche (1) und der
Natronkalkturm (2) reinigen die in den Apparat gesaugte Luft von CO2,
die H2SU4 in der AVaschflasche (^5^ entwässert sie. Der Auf schließkolben (^^^
ist an einem Stativ über einen mit einer Asbestplatte bedeckten Dreifuß
befestigt; unter dem Dreifuß befindet sich ein Bunsenbrenner, der in der
Zeichnung nicht abgebildet ist. Die Waschflasche (5) enthält wenig kon-
zentrierte H2SO4. Dann folgt ein Verbrennungsrohr in einem Verbrennungs-
ofen, wie es zu Elementaranalysen verwendet wird. Die Verbrenn nngsröhre
ist nur in einer Länge von 30 — 40 cm mit Cu(3-Asbest gefüllt. Dieser
Fig. 91.
Wasser -i:::T
Lz/Ti
A
VerbrennuJiffS- d
o/en
Petten?[o/fer 'sehe
Ai/ire
Teil der Röhre ward wie bei der Elementaranalyse bis zum Glühen des
CuO angeheizt. Hinter der angeheizten Strecke folgt eine etwa 6 — 8 cm lange
Strecke, die mit körnigem PbO, gefüUt ist, das sich zwischen 2 Asbest-
pfropfen befindet. Dieser Teil der Röhre ist von einer mit einem Thermo-
meter versehenen Metallkapsel umgeben, die von unten mit einem kleinen
Bunsenbrenner angeheizt wird. (Der Verbrennungsofen ist in der Zeichnung
nicht angegeben.)
Tamjl benutzt einen elektrischen Ofen, doch kann natürhch ebenso
gut ein mit Gasflammen geheizter verwendet werden. Neuerdings benutzt
Tangl den /Ve_(7?schen i) Doppelofen, in dem 2 Verbrennungen gleichzeitig
ausgeführt w^erden können. Er leistet in derselben Zusammenstellung mit
derselben Röhrenfüllung, wie sie Fregl für die Elementaranalyse angibt,
ausgezeichnete Dienste.
Nach der Verbrennungsröhre folgt eine Waschflasche (8), die etwas
mit H2SU4 angesäuertes Wasser enthält, damit die durchgesaugte Luft
1) Ber. d. doutsch. ehem. Ges. XXXVIII. II. 1905.
Nachweis und Bostiramuiig der Eiweißabbaupiodukte im Harn. ;i();l
mit Wasserdampf gesättigt in die liarytrölire (9) tritt. Harytröhren sind
zwei hintereinander geschaltet: die erste dJj fallt :'.0() c/// ' I'.arytwasser, die
zweite (lOj kleinere lOO ciu-K Letztere dient nur zui' Kontrolle und ver-
mittelt die Verbindung mit der Saugieitung resj). Wasserstraldpunipt'.
Die einzelnen Teile des Apparates sind mittelst m(igli«-hst knrzi-r
Kautschnkschlauchstückc miteinander luftdicht vcrl Minden.
Vor allem ül)erzeugt man sich davon, ob alle Teile des Apparates luft-
dicht schheßen. Dann bringt man 8 — 10 .y vorher bis zum Schmelzen erhitztes
Kaliumbichromat in den Aufschlielikolben , setzt den Kiihh'r ein und saugt
noch vor der Einschaltung der Barytröhreu in langsamem Strom Luft
durch den Apparat, um ihn vollstäudig mit C().,-freier Luft zu füllen.
Gleichzeitig wird der C'uO enthaltende Teil der N'erbrennuuüsrühre bis zur
Rotglut, der PbOa enthaltende Teil auf 150— ISO" C erhitzt.
Nachdem der Apparat genügend durchventiliert ist (V* — V2 Stunde),
werden die Barytröhren eingeschaltet und die zu verbrennende Substanz
in den AufschlulJkolben gebracht. Soll eine feste Substanz verbrannt werdeu,
so werden genau gewogene CT— O'of/ derselben eventuell in Stanniol gewickelt,
nach Herausheben des Kühlers in den Kolben geworfen. Soll eine flüssii!;e
Substanz verbrannt werden, z. B. Harn, so kann man sie mittelst einer
geeichten Pipette nach Entfernung des Stöpsels durch die Röhre c in den
Kolben fließen lassen. Was an der Röhrenwand haftet, wird später durch
die zufließende IL SOi in den Kolben gespült. \'om Harn nimmt man ge-
wöhnlich f) ciN'\ Dann wird der Stöpsel (fj eingesetzt und in den Trichter (yy
die H2SO4 gegossen.
Man erhitzt jedesmal die zur \'ei brennung benutzte reine konzen-
trierte H.2SO4 vorher längere Zeit, damit jede Spur eventuell darin vor-
handener C-haltiger Substanzen zerstört werde. Aus demselben (Jruude
wird das Kalibichromat geschmolzen.
Nachdem der Wasserstrom durch den Kühler in (iang gesetzt ist,
setzt man mit dem Durchsaugen von Luft ein. Den Luftsti'om regelt man
so, daß pro Sekunde 2 — o Bläschen durch das P>arytwasser streichen. Dann
beginnt man mit der äußerst vorsichtigen Zuführung der RjSO^, indem
man den Stöpsel/ sehr w'enig und langsam lüftet, so daß nur einige
Tropfen HoSO^ durch die Röhre c in den Kolben fließen. Die Keaktion
ist, besonders wenn kohlenhydrathaltige Substanzen verbrannt werden, eine
sehr heftige, die Gasentwicklung besonders anfangs eine sehr stürmische,
so daß man die H2SÜ4 nur in sehr kleinen Portionen und langsam zu-
fließen lassen kann. Man bringt so allmählich die ganze, zu einer \erbren-
nung nötige H.2SO4 (\:'>0 — 140 cm ^) in den Kolben.
Sobakl die ganze H, SO4 im Kolben ist und die (iaseutwicklung auf-
gehört hat, beginnt man mit dem vorsichtigen Erhitzen des Kolbens, das
man so lange erhöht, i)is der Kolbeninhalt in leidiaftes Sieden gerät, und
erhitzt so lange, bis die Zersetzung vollkommen beendet ist. Das erkennt
man daran, daß die Gasentwicklung — feine Bläschenbildung — aufhört
304
P. Roua.
und der Kolbeninhalt eine dunkelgrüne Färbung annimmt, was nach 2- bis
2V2Stiindigem Sieden immer eintritt.
Nach Abstellen der Flamme wird noch
/*'
1/2 Stunde
lang Luft
Fig. 92.
durchgesaugt, um alle CO2 in die Barytröhren zu schaffen.
Während der ganzen Zeit muß das CuO in der Verbrennungsröhre
in Kotglut erhalten und sorgfältig darauf geachtet werden, daß die Tempe-
ratur der PbO.. nicht über 180 — 200" C steigt. So werden einerseits die
flüchtigen unvollständigen Oxydationsprodukte in der CuO-Schichte voll-
ständig verbrannt und andrerseits die flüchtigen S- und
Cl-haltigen Verbindungen im PbOg sicher zurückgehalten.
Wird das PbOg stärker erhitzt, so gehen sehr leicht Halo-
genverbindungen in das Barytwasser über und machen
die C-Bestimmung unbrauchbar.
\Verden die oben angegebenen Versuchsbedingungen
genau eingehalten, so kann man selbst bei viel N-, Cl-
und S-haltigen Substanzen im Barytwasser weder Nitrat-,
noch Sulfat-, noch Cl-Ionen nachweisen.
Das Titrieren des Barytwassers erfolgt dann in der be-
kannten Weise. Gewöhnhchwird eine 0*06 — 0-09 n-Ba[0H]2-
Lösung benutzt, die mit 005 n-HCl und Phenolphtalein
als Indikator titriert wird.
Hat man einen Doppelverbrennungsofen, so kann
man, wie schon erwähnt, 2 Verbrennungen zu gleicher
Zeit in ca. 3 Stunden ausführen.
Als Ergänzung zu Band I, S. 360, sei hier der von
Spiro bei den nassen Kohlenstoffbestimmungen empfohlene
Aufschlußkolben noch einmal abgebildet^), da die
Fig. Nr. 491 mit einem Fehler behaftet ist (Fig. 92).
Ammoniak (vgl. Band HI, S. 765).
Die verschiedenen Methoden der Ammoniakbestim-
mung beruhen entweder auf der Austreibung des Am-
moniaks im Vakuum oder durch einen Luftstrom (Folin, vgl. S. 765). Nach
dem ersten Prinzip arbeiten V. Henriqties und S. P. L. Sörensen ^) folgender-
maßen : Der Apparat ist nach demselben Prinzip wie der von Krüger und Beich
konstruiert, nur ist der Destillationskolben mit einem Scheidetrichter versehen
*) Nach Neiihauer-Hinjpert, Analj'se des Harns. 11. Aufl. S. 514.
*) V.Henriques und S.P.L. Sörensen, t)ber die quantitative Bestimmung der Amino-
säuren etc. durch Formoltitration. 2. Mitteilung. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 64. 136
(1910). — An dieser Stelle sei erwähnt, daß E.J. Slagle neuerdings zur Aufbewahrung
großer Mengen Harn für die (juantitative Analyse empfiehlt, zu je 1 ? Harn 5 «n* kon^
zentrierter HjSO^ zuzufügen und einzudampfen. Man erhält so einen festen, pulverisier-
baren, in Wasser leicht löslichen Rückstand. Journ. of Biol. Chem. 8. 77 (1910).
Nachweis und Bcstimuuiiig der Eiweißabbauprodukte im Harn.
;'rr,
und als Kühlcapparat dient ein verzinnter Mctallkülilcr, der älter dem (Msti-n
Schenkel der als Vorla.ue dienenden /VV/V/o/schen iJöhre antjebracht ist. l)i('
Vorlage, die während der Destillation nicht fickühlt wird, wird mit ca. nornialcr
SehwetVlsäine beschickt und der auf dem zweiten Schenkel der /V/jr/o/scheii
Ilöhre angebrachte Destillieraufsatz wird mit der tileichen Siinre i^espült. Nach-
dem die zu destillierende Lösung- in den Koliien gebracht wurden ist. wird
durch den Scheidetrichter eine ca. halbnormale Lösung von Bariiimhvdr-
oxyd in Methylalkohol zugesetzt (bei sehr ammoniakreicher Lösinig eine
gesättigte Lösnng von liariumhydroxyd in Methylalkohol), und zwar s<»
viel, dal.) nach der Abdestillation des Ammoniaks die Flüssigkeit noch
einen deutlichen Überschul» an Uarinmhydroxyd enthält (mindestens \Orw^).
"Während der Destillation bei ca IT) nn» Druck wird der Kolben in Wasser
von 40*' erwärmt und ein schwacher Strom von kohlensäiirefreier Lnl'f
wird durch den Kolben geleitet. Eine einmalige Destillation genügt, wenn
der Kolbeninhalt in leibhaftem Sieden gehalten und fast bis zur Trockene
abdestilliert wird. Bei größeren Ammoniakmengen (z. 1!. in mit Salz.säure
gekochtem Harn) ist es notwendig, den Destillationsrückstand in ein wenig'
Salzsäure zu lösen und nach Zusatz vom Überschul) an methylalkoholischer
Barytlösung noch einmal beinahe bis zur Trockene zu destillieren. Sollte
das abgetriebene Ammoniak quantitativ bestimmt werden, so wurde das
Destillat quantitativ in einen Kupferkolben für Kjeldahldestillation gespült,
das Ammoniak in ül)liclier Weise abdestilliert und jodometrisch bestimmt
(vgl. hierzu S. 297).
Die Austreibung des Ammoniaks mittelst Luftstroms nach dem Prin-
zip von FoUn benutzt Fh.A. Kobfr^): die Methode kann auch beim Kjeldahl-
prozeß angewendet werden. Nach dem Säureaufschluli in üblicher \Veiso
verdünnt man die erkaltete ]\Iasse mit Wasser, und zwar mit Itö cw^ bei
Anwendung von 2b on^ konzentrierter H., S<)^, mit 40 n/^"' bei einer von
lOcnt^. Dann läßt man auf Zimmei'temperatur abkühlen und stellt den Apparat
zusammen. Die eingestellte Säure befindet sich in dem mit einem Fnlin-
schen Rohr versehenen Zylinder A (Fig. UH). die zu untersuchende Lösung im
Kolben B und in C so viel Natronlauge, die genügt, <lie Lösung in B deut-
lich alkalisch zu machen. Das Bohr T soll nicht mehr als 1 cm tief in die
Lösung tauchen. Man saugt mit einer Schnelligkeit, daß ca. 1 — '2 Mimiten
erforderlich sind, um alles Alkali zu übei-führen. Durch Einschaltung einer
Klemmschraube bei X kann der Luftstrom schon vor dem Zufiii:en des
Alkalis reguliert werden (auf ca. lUO Blasen pro Minute). \N'ährend des
Zutritts des Alkali muß der Kolben^ geschwenkt werden, damit Säure
und Alkali sich ordentlich mischen. Dann entfernt man i'. verbindet mit
einem ammoniakfreie Luft liefernden .Vpparat n\u\ läßt die Luft in einem
Tempo durchtreten, daß in .1 keine Säui-e durch Schäumen verloren geht.
Es empfiehlt sich, möglichst karbonatfreie (am besten elektrolytisch <lar-
') Ph. Ä. Kobcr, Ein neuer Apparat zur (juautitativon Verflüchtigung d<< v»"
moniaks. J. Amer. Chem. Soc. 30. li:U (lUUS).
Abderhalden. Handbuch der biochemischen Arboitsmctboden. V. 2t)
306
P. Rona.
gestellte) Natronlauge zu verwenden. Das Übertreiben kann in einer Stunde
beendet werden. Auch bei Anwesenheit von Mg HPO4 wird kein Ammoniak
zurückp-ehalten , wenn man nur genügend überschüssiges Alkali (ca. 40^0
mehr als zum Neutralisieren der Säure erforderlich ist) anwendet. 1) Bei
der i^o?mschen Ammoniakbestimmung kann der beschriebene Saugapparat
verwendet werden, wenn an Stelle des hohen Zylinders ein Kjeldahlkolben
genommen wird und statt 1 g trockenem K0CO3 5 — 10 nu'^ gesättigte
K., CO3 -Lösung mit einer Pipette bei Y eingeführt wird.
Fig. 93.
/'umpi
Einen Ammoniakdestillierapparat mit Laugenzuführung, der sich be-
sonders zu Massenuntersuchungen eignet, beschreibt Hud. Michel. -)
Bei der Bestimmung von Ammoniak und Harnstoff im Blut ver-
^) Vd. liiorzu Ph. A. Eoher , Die quantitative Destillation des Ammoniaks mit-
telst Durchlüftung. J. Amcr. Chem. Soc. 32. 689 (1910) und (JiU und Grindley, Stick-
stoffdestillation nach der Kober^ah^n Methode. Ebenda. 31. 1249 (1910). Vgl. auch
J.Sebelien, Chem. Ztg. 1909. Nr. 87. Daris , J. Amer. Chem. Soc. 31. 56 (1909). Über
NH„-Bestimmung bei Anwesenheit von viel Trippelphosphat vgl. Folin, Journ. biol. chem.
8. 497 (1910).
-) Rtid. Michel, Anordnung eines Ammoniakdestillierapparates mit Laugenzu-
führung. Chem. Ztg. 34. 620 (1910).
Nachweis und Bestimmuni: der Eiweißabbauproduktc im Harn. *»(t7
fahren CG. Wolf und Mc Kim Murr iof wie folgt'): Das geschlagene und
(lurch Glaswolle, daiiii (lurch ein I^cintueh filtrierte Illut (100 cm') wird
mit 'yO nn^ s>vs;ittii;t('r Koclisalzliisung versetzt, unter (iaiicrnileni KühnMi
werden 2i)0 cm'-^ Methylalkohol /uiicfügt ; man filtriert und hcstiimnt in
100 cni'^ das Ammoniak nach Znsatz von \0 rm'-^ 2 n-Sodalösuug indem
man es im Vakuum (vor dem Evakuiei-en werden einige rdmstcinstüeke
zugesetzt) in zwei Vrechsehche Hascia'U mit je 2ö cm^ ^ n-ll.X), iiher-
destilliert, was bei 40 — 50° 40 Minuten in Anspruch nimmt. Der Iidialt
beider Vorlagen wird vereint, zur Austieibung der Kohlcusäinc einige
Minuten im Sieden erhalten und mit Natronlauge mit alizariusulfosaurem
Natrium als Indikator titriert. Im lUickstand wird der Harnstoff nach
Folin bestimmt.
Schwefel (vgl. Band III, S. 794 und dieser Band. S. 2H8).
Bei schwerer oxydierbaren biologischen Produkten schlagen ('. C L.
Wolf und E. Österherg -) in Anlehnung an die von bencdict angegebene
Methode folgendes Verfahren vor: Man bringt die zu analysierende Sub-
stanz in einen birnenförmigen, ;)()0 r;»'* fassenden Kolben mit einem langen
Hals. Dazu fügt man 20 cm^ rauchende Salpetersiiure . erhitzt zuerst auf
einer kleinen Flamme und läßt dann schlieblich so lange sieden, bis die
Flüssigkeit frei von festen Bestandteilen ist. Das Kochen wird so lange
fortgesetzt, bis keine Salpetrigsäuredämpfe mehr aufsteigen. Die so zer-
setzte Substanz wird dann (piantitativ mit destilliertem Wasser in eine
150 cm'^ große l'orzellanschale oder -Tiegel mit abnehmbarem Deckel über-
tragen und 20 c»r^ 7ye^?(T/i('/sche Lösung (kristallisiertes Kui)fernitrat 2<>()y.
Natrium- oder Kaliumchlorat öO^/, destiUiertes Was.ser \{)00 im^) hinzu-
gefügt. Man läßt die Mischung in einem Sandbade verdampfen . bis sie
ganz trocken ist. Darauf wird die Schale auf freier Flamme erhitzt und
die Hitze allmählich gesteigert, bis der Boden des GefälJes rotglühend ist.
Auf dieser Temperatur wird sie 20 Minuten gehalten. Dann läßt man die
Schale abkühlen, fügt 2b cm^ Salzsäure (1:4) hinzu und erwärmt den In-
halt der Schale, bis der ganze schwarze Bodensatz in derselben aufgelöst
ist. Die Lösung wird dann in einen öoo on^ grolVn Krlennieyerkolbeii
übertragen, ungefähr ir)0 cmMV asser zugefügt und die Lösung 1.') Minuten
lang gekocht. Dann läßt man sie abkühlen und ein paar Stunden stehen,
am besten über Nacht. Zum Schluß filtriert man sie dinrh einen kleinen
Trichter. Alsdann wird Bariumchlorid tropfenweise so lange zugesetzt, bis
*) C. G. Wolf und Mr Kim Marriot, Bestimmung von Ammoniiik- und Harnstoff
im Blut. Biochem. Zeitschr. 26. 16.0 (1910).
-) C. G. L. Wolf und Kiuil ös/< rlicrg, Die «luantitativo Bestimmung von Scliwi'fel
und Phosphor. Biochom. Z. 29. 429(1910). Zur Scliwofcdbestimmumr vtrl. noch: Sf'i-J"
Rifson, A C(nnparison i)f the metliods for the (dimination i)f total snli)iiur in i;:
The biochem. Journ. 4. 337 (1909) und Tho use of harium pero.xyd in tlie elimiuation
of total sulphur in urine. Ehoiula. 4. 34.^ (1909): >'/. A'. lUiicdict , Tho dotemiination
of total sulphur in urine. Journ. of liiid. Cheni. 8. 499 (.1910).
20*
308 P. Rona.
kein Niederschlag mehr entsteht, einige Stunden stehen gelassen und
durch einen Goochtiegel filtriert. Das schwefelsaure Barium wird mit
heißem Wasser gewaschen, bis die Spülflüssigkeit bariumfrei ist. Dann
wird geglüht und gewogen. Das Schäumen fetthaltiger Substanzen verhin-
dert man durch Hinzufügen von 5 cin^ 5 n-Salpetersäure, wenn die Lösung
zur Trockenheit vcrclampft ist.
Als Nachtrag zur Bestimmung der Sulfatschwefelsäure (Band III,
S. 797) sei noch die von B. v. Lengyel vorgeschlagene Fällung mittelst
alkohoUscher Strontiumchloridlösung erwähnt. \) 2bcm^ des vorher filtrierten
Harnes werden auf das dreifache verdünnt, mit bcm'^ verdünnter Salzsäure
angesäuert, bis nahe zum Sieden erhitzt und mit 50 cw^ Strontiumchlorid-
lösung (gesättigte Lösung von SrCls in 99o/nigem Alkohol: 100,9' der Lösung
enthalten 0-817(7 wasserfreies SrCl^) tropfenweise gefällt. Dann werden
noch \hOcm^ 95Voiger Alkohol zugefügt, der Flüssigkeitsstand markiert,
einige Stunden mit aufgelegtem L'hrglas auf dem Wasserbade stehen ge-
lassen, dann noch Avarm bis zur Marke aufgefüllt und in der Kälte stehen
gelassen, bis der Niederschlag sich absetzt. Nach dem vollständigen Er-
kalten \äv& die überstehende Lösung durch ein Filter gegossen, der Nieder-
schlag dreimal dekantiert, mit Alkohol auf ein Filter gespritzt und mit
wässerigem xVlkohol bis zum Verschwinden der Chlorreaktion gewaschen.
Man äschert das Filter mit dem Niederschlag ein, glüht das Sr SO4 einige-
mal unter Zufügen von einigen Tropfen verdünnter Hg SO4 schwach.
Ist eine Reinigung des Bariumsulfatniederschlages nötig (vgl. Band III,
S. 798), so verfährt man nach Briif/chiumn^) so, daß man den Nieder-
schlag im Platintiegel mit ?> — 4 Troi)fen konzentrierter HCl und mit einigen
Kubikzentimetern Wasser versetzt , die Klümpchen mit einem Glasstab zer-
teilt und die Flüssigkeit etwa 2 Minuten lang, ohne da[i diese ins Sieden
kommt, über der Flamme erwärmt. Die über dem Niederschlag stehende
Flüssigkeit wird durch ein kleines Filter gegossen, das angegebene Ver-
fahren fünfmal wiederholt. Nun erst wäscht man aus und prüft das Wasch-
wasser mit H2 SO4 auf lösliches Barytsalz. Ist das Filtrat ganz oder bis
auf Spuren frei von Baryt, so sammelt man den Niederschlag auf dem Filter,
trocknet ihn und schüttet in einen gewogenen Platintiegel. Dieses Filter,
wie auch das erste, auf dem der Barytniederschlag gesammelt wurde,
verbrennt man in der Platinspirale und glüht nun die Asche mit dem
Niederschlag im Tiegel. Man befeuchtet den Niederschlag mit verdünnter
Schwefelsäure, verdunstet die Flüssigkeit vorsichtig, glüht den Tiegel wieder
und wägt dann. 3) Nach M. J. Van't Kruijs*) kann man statt konzen-
') B. c. Lcngijel, Pßügers Archiv. 104. 514 (1904).
-) G. BrügelntariH, Zeitschr. f. analyt. Chemie. 16. 22.
•') In Bd. III, S. 798, 6. Zelle von oben ist der Satz : „Man dampft das in den
Platintiegel etc." zu streichen.
*) M. D. Van't Kruijs, Die quantitative Bestimmung von Ba SO^ neben Substanzen,
welche das Resultat beeinflussen. Zeitschr. f. analyt. Chemie. 49. 393 (1910) ; vgl. auch
Chem. Weekblad. 6. 73.0 (1909).
Nachweis und ßestiininiiii!,' iler Eiwclüaliliaiiprixlulcto im H;ini. ,,,(<f
trierter HCl auch eine Mischung- von .". 'IVilcn HCl und i Teil HNO, an-
wenden; in diesem Falle genü^^t die halbe Stärke (lUVo'-
Aminosäuren.
Über weitere Ausbildung- der Forniolniethode von 1'. Ifrttri<jufs und
S. P. L. Sörensen ist bereits in dem Nachtrage zu Hand III (S. HUT) be-
richtet worden. ^)
Bezüglich der Anwendung der Natron- oder Ilarytiiingc wird von
Sörensen^) darauf hingewiesen, daß es in kari)onat- und phosphatfrcicii
Lösungen gleichgültig ist, ob nian bei der Formoltitration die eiiu* oder die
andere anwendet. Kohlensäure- und phosphorsäurelialtige Flnssigkfiten
müssen vorher mit Bariumchlorid und Barytlauge behandelt werden, wodurch
die Kohlensäure und die Phosphorsäure als Bariumsalze gefällt werden : in
dem Filtrat kann dann die Neutralisation mit Lackmus))apier als Indikator nmi
die darauffolgende Formoltitrierung bis zu stark roter Farbe mit riienol-
phtalein ausgeführt werden. In karbonat- oder phosphathaltigen Lösungen
ist Barytlauge der Natronlauge vorzuziehen. Nur in Fällen, wo Barium-
verbindungen störende Niederschläge hervorrufen, ist es notwendig, bei
der Titrierung Na OH zu verwenden. In solchen Fällen ist der Lmschlag
jedoch nicht so scharf.
Zur Bestimmung des Gehaltes der Proteinstoffe und ihrer S|)alt-
produkte an peptidgebuudonem Stickstoff verfahren V. Hrnrh/ios und
J. K. GjakUiäl- ■'■) wie folgt, wol)ei als Beispiel die von diesen Forschein
an M'i^^e - Pepton durchgeführte l'ntersuchung mitgeteilt werden soll.
25 cm3 Lösung eines zirka 4%igen >F/7/e-Peptons (mit einem N-liehalt von
bT2bmg in bcm'^) werden in einem Melikolben bis auf 200cm^ verdünnt,
nach vorheriger genauer Neutralisierung mit Lackmuspapier. \'ou dieser
Lösung werden 40 c/y/^' zur Formoltitrierung genommen, andere 40 <•//<'
zur Ammoniakbestimmung. Die Formoltitrierung ergab i;>-44/>'// forniol-
titrierbaren Stickstoff, die NHa-Bestimmung OSO///// N als NH,. Mithin
beträgt die Menge des Aminosäure-N 1204 >//</. — 2bci)i^ der ursprünglichen
Peptonlösung werden in eine Porzellanschale gebracht, 'Jöoii-^ konzentrierter
HCl hinzugefügt, die Flüssigkeit bis zur Trockene eingedampft, von neuem
*) über die Formohnetbode vgl. u. a. O. r.Spindhr, Beiträge zur Haruanalyse.
Schweizeriscbo "Wochonscbr. f. Cbem. u. Pliann. 47. 7()7 (lUlO); A'. Hjöni-Amlirsni und
Maritis Laurifzcn, Über Säure- uud Amuiuniakbostandtrilo im Irin und ibrc klinisrlie
Anwendung. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 64. 21 (191U) : //. M'ilfatfi, Zur Formoltitrierung
der Aminosäuren im Harn. Ebenda. 66. 152 (I'.IIO): L. '/«• Jai/n-, Cber den KinfluÜ di-s
Harnstoffs auf die Bestiminung des Aminosäurengeliaites nach der Fonnoltitrieruugs-
methode. Ebenda. 67. 1U5 (U)10).
-) N. /'. L. Sörensen, Bemerkungen über die B^trmoltitriernng. insliesondoro über
die Anwendung von Natronlauge oder Barytlauge bei dcrsclluMi. Biochem /eifsclir. 2ö.
1 (lyiO).
") r. Henriques und ./. A'. tijaJilbük, Über die quantitative Bestimmung der im
Proteine oder in dessen Al)bauproduliten vorhandenen reptidliindun!.'en. Deutsche physiol.
Chemie. 67. 8 (1910).
310 P. Rona.
Salzsäure hinznjiofüsit und wieder bis zur Trockene eingedampft. Den Kest
bringt man mit Hilfe von Wasser in einen lOOcw^'-Meßkolben. Die stark
braun gefärbte Flüssigkeit entfärbt man durch Fällung mit —-n-AgNOg
(20 fw3 — -n-Silbernitratlösung und 4('ms 2n BaCla-Lösungi) und verdünnt
bis zur Marke (+ 0-2 cni'^ für das gefällte Silbercblorid). Von dem nun
schwach gelblichen Filtrate führt man öOcrn^ in einen 100 cm^-Kolben über,
man neutralisiert die Flüssigkeit genau mit Lackmuspapier und verdünnt
bis zur Marke. Von dem Inhalt des Kolbens nimmt man 40 cm^ (= bcm^
der ursprünglichen Lösung) zur Formoltitrierung und 40 cm^ zur Ammoniak-
bestimmung. Es wurden gefunden 'My^Omg formoltitrierbarer N und 4"05w^
NH3-N, also ,-j2"75»/(/ Aminosnuren-N. Wurde dieselbe Menge Peptonlösung
1 Stunde mit konzentrierter HCl gekocht und wie oben verfahren, so wurden
gefunden 41*72 w/_7 formoltitrierter N, IVOöwf/NHg-N und o7'77 wr/ Amino-
säuren-N; nach 12stündigem Kochen mit zirka 20Voiger HCl war die
Menge des Aminosäurestickstoffs 40'54»^^. Um den Spaltungsgrad auszu-
drücken, gibt man die Menge des noch ferner lösbaren peptidgebundenen N
in Prozenten der vorhandenen Menge Aminosäurestickstoffs. Li dem ge-
gebenen Beispiel w^ar die Gesamtmenge des Aminosäurestickstoffs 40"54;/i^;
durch zweimaliges Eindampfen auf dem Wasserbad mit HCl fand man
32'7o?;?r/ Aminosäuren-X, es waren mithin noch Tl^mg, d. h. 19'2o/o
peptidgebundenen Stickstoffs übrig. Der Fehler der Methode beträgt
zirka 0*56 w_9 N.
Über die Bestimmung des Aminstickstoffs im Harn nach van Slyhe
vergl. die Mitteilung dieses Autors in der zw^eiten Hälfte dieses Bandes.
Harnstoff (vgl. Band HI, S. 774).
In jüngster Zeit geben V. Heuriques und >S'. A. GammeUoft '•^) in einer
Mitteilung, in der auch andere Harnstoffbestimmungsmethoden kritisch
beleuchtet werden, folgendes Verfahren zur Bestimmung des Harnstoffes
im Harn an. In 5 cm^ Harn wird zuerst bestimmt, wieviel einer lOVoigen
Phosphorwolframsäurelösung (in V/.n-HoSOi) nötig ist, um gerade eine
vollständige Fällung hervorzurufen. Sodann mißt man in einem 100 (-//^ä.
Kolben 10(vy«3Harn, setzt die vorher bestimmte Menge der Phosphorwolfram-
säurelösung hinzu und füllt den Kollien bis zur Marke mit V2 n-H2 SO4.
Die Flüssigkeit bleibt nun — nach Mischung — so lange stehen , bis der
Bodensatz sich gerade gesetzt hat, und wird dann filtriert. Von dem
Filtrate bringt man 2mal 10 c^^^^ jn Reagenzgläser aus Jenaglas, welche
sodann — mit Zinnfolie bedeckt — IV2 Stunden bei 150» autoklaviert
werden. Der Inhalt der Gläser wird nun in entsprechende Kolben gebracht
*") V. Hcnriques und L. A. GammeUoft, Einige Bemerkungen über Harustoff-
bestimmung im Harn. Skandin. Arch. f. Physiologie. 25. 153(1911).
^) Vgl. .s'. P. L. Sörcnscn und //. Jessen Hansen, Über die Ausführung der Formol-
titrierung in stark farbigen Flüssigkeiten. Biochem. Zeitschr. 7. 407 (1908).
Nachweis und Bestimmung der Eiweißaliliaiiproiliiktc im Harn. :',i ]
und die Ammoniakmenge entweder durch I)iircldiiftung (nach /iisat/ von
kohlensaurem Natrium) oder durch Destilhition im Vaknnm (nach Zusatz
von Ilariumhvdroxvd in Methylalkohol gelöst) bestimmt.
Kreatinin (vgl. I')and III, S. 788).
Zur Darstellung des Kreatinins aus dem Harn geben Folln und ß/un< /:
neuerdings folgende Methode an ^) :
In ungefähr 8 l frischen Harns wird unter lÜUircn cinr licil'ie alko-
holische Lösung, die ungefähr 125^ Pikrinsäure enthält, zugefügt, hie
Mischung bleibt über Nacht, stehen, es wird dann die überstehende Flüssig-
keit abgegossen, das Sediment auf der Nutsche mit verdimnter rikrinsäure
und kaltem Wasser gut ausgewaschen, dann in zirka 400 cm^ lauwarmem
Wasser suspendiert und zirka 60^ gepulvertes KaliundDikarbonat hinzu-
gefügt. Der Kolben wird in warmes Wasser von 55 — 60*^ getaucht und
sorgfältig geschwenkt, bis die Entwicklung von CO, aufhört. Die Temi)e-
ratur muß dabei auf 45 — 50° gehalten werden. Beim Einspritzen von
Alkohol in den Kolben hört das Schäumen auf. Sobald sich keine Kohlen-
säure mehr entwickelt, wird der Kolben in kaltes Wasser gestellt und
nach einigen Stunden die Ileaktionsflüssigkeit filtriert und mit 50''/oiger
Essigsäure bis zur bleibenden sauren Reaktion vorsichtig angesäuert. Wenn
sich keine Kohlensäure mehr entwickelt, wird die Lösung durch einen
Tberschuß von alkoholischer Chlorzinklösung gefällt und so das Chlorzink-
doppel.salz erhalten. Die Fällung ist gewöhnlich in 1—2 Tagen beendet.
Der Niederschlag wird auf einem Duchnerfilter gesammelt und gründlich
gewaschen. Durch Lösung des Chlorzinkdoppelsalzes in 10"/oigci" Schwefel-
säure und Fällen der Lösung mit Azeton, Alkohol oder Äther erhält man
ein neues Salz von der Formel: Kreatinin 2 SO4, ZnSOi, 8H.M>. Kreatinin-
zinkalaun. das als Ausgangsmaterial für die Darstellung reinen Kreatinins
dienen kann. Es wird zunächst durch Umkristallisieren aus Wasser nach
Behandlung mit Tierkohle gereinigt. Zu einer 10" oigen Lösung des reinen
Produktes in heißem Wasser wird die zur Bildung der Schwefelsäure be-
rechnete Menge Bariumazetat in Lösung zugidugt und in die Mischung
zur Fällung des Zinks Schwefelwasserstoff eingeleitet. Das Filtrat. das nur
noch Kreatinin und Essigsäure enthält , wird bei 50" im \akuum zur
Trockene eingedampft, der Ilückstand zur Entfernung des Restes Essig-
säure mit wenig kaltem Alkohol gewaschen. Die Ausbeute an Kreatinin ist
fast quantitativ.
Zur Überführung trockenen Kreatins in kristallisiertes Kreatinin'-)
wird das Kreatin in eine Fla.^^che mit (ilasstöp.^^el gebracht untl zugestöpselt
in ein gewöhnliches irdenes Gefäß gestellt, dessen Deckel fest verschlossen
') Folin and BJanck, Tlic preparation of Creatinine from urine. Joiirii. l'iol.
Chem. 8. 39ö (1910).
-) O. Folin and W. Denis, Tlie propnration «f Creatinine from creatiiu«. .li>iiin.
biol. Chem. 8. 399 (1910).
312 P- Rona.
ist. Dieses wird in Wasser im Autoklaven auf 41/2 Atmospliüren drei
Stunden lang- erhitzt, dann abgekühlt. Zur Reinigung wird es mit kaltem
Alkohol gewaschen oder mit sehr wenig absolutem Alkohol gekocht.
Ein neues billiges Kolorimeter, das außer zur Bestimmung von Blut-
farbstoff, Eisen und Indikan auch zu der von Kreatinin nach der Folin-
schen Methode geeignet ist, geben H^. Authenrieth und ,7. Koenigs-
herger an. ^)
An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, daß bei der Angabe
der nötigen Reagenzien bei der Fo/iwschen Methode in Band III, S. 787 zwei
störende Druckfehler stehen gebUeben sind. Es sollen daher die erforder-
lichen Reagenzien hier wieder aufgezählt werden:
1. Eine— -n-Kaliuml)ichromatlösung ( 24-54 ^ pro Liter).
2. Eine annähernd gesättigte (l-2''/oige) Pikriusäurelösung.
lO^/oige Natronlauge.
o
i).
Zur Isolierung des Kreatinins aus Suppenwürzen sowie aus ge-
ringen Mengen Fleischextrakt schlägt Micko-) folgendes Verfahren vor:
Eine wässerige Lösung von 10 g Liehigschem Fleischextrakt wird
mit Bleiessig bei Zimmertemperatur ausgefällt, auf 1 / mit Wasser ver-
dünnt, nach mehrstündigem Stehen filtriert, das Filtrat nach Zusatz von
HCl auf dem Wasserbade eingedampft, vom Chlorblei abfiltriert, das ein-
geengte Filtrat mit mehrfachem Volumen heißen Alkohols vermischt, nach
dem Abkühlen filtriert, das Filtrat ganz eingedampft, der Rückstand mit
80 — 100 ('»^3 Wasser aufgenommen, die mit Na OH neutralisierte Flüssig-
keit mit 10 r»/ 3 einer Lösung von '200 g pulverigem Natriumbisulfit in 1 /
Wasser und mit ebensoviel einer Lösung von 130 cm^ CuSOi in 1 1 Wasser
versetzt, aufgekocht, nach dem Abkühlen filtriert. Aus dem von Xanthin-
basen befreiten Filtrat wird die schwefelige Säure durch Zusatz von HCl
und Eindampfen auf dem Wasserbad vertrieben, dann das Kupfer mit H.2S
gefäUt. Das Filtrat wird eingedampft, mit heißem Alkohol ausgezogen,
dieser Vorgang (zur Entfernung der Chloralkalien) wiederholt, bis die Salz-
rückstände keine oder nur geringe Reaktion nach Jafe geben. Der erhal-
tene Sirup wird mit ca. 50 cm^ verdünnter H, SO4 (1 : 3) und mit 30VoigPi'
Phosphorwolframsäurelösung gefällt, der Niederschlag nach zweitägigem
Stehen gefällt, der Niederschlag mit stark verdünnter, mit Hg SO4 ange-
säuerter Phosphorwolframsäurelösung gewaschen, dann abgesaugt, in heißem
Wasser aufgeschwemmt, mit Baryumhydroxyd versetzt, bis zur alkalischen
Reaktion. Der Niederschlag wird abfiltriert, mit heißem Wasser ge-
') ir. Authenrieth und J. Koenigsherger, t)ber ein neues Kolorimeter und dessen
Verwendung zur Bestimmung von Blutfarbstoff, Eisen, Indikan und Kreatinin. Münchener
med. AVochenschr. 57. 998 (1910).
^) K. Mirko, Über Isolierung des Kreatinins aus Extrakten. Zeitscbr. f. Unters.
Nahrangs- u. Genußm. 19. 426 (1910).
Nachweis unil HostiminmiLr der Kiweißahbaiiprodiikto im Harn. ;;j;j
waschen, das Filtrat mit verdünnter Ho SO, neutralisiert, die neutrale
Flüssigkeit bis zum Sirup eingedamjjft. Zur Ihcrt'ührun;^ des unter der
Einwirkung des Baryumhydroxyds gebildeten Kreatins löst man den Sirup
in etwa 10 — 15 n>i3_-n-H2 SO4 und 50 tw^ Wasser auf, dampft ein, nimmt
den Küekstand in 50«»-' Wasser auf und dampft die Flüssigkeit noch-
mals ein. Der Sirup wird mit wenig Wasser in einen Kolben gebracht,
die konzentrierte Lösung mit heibem Alkohol vermischt, bis zum nächsten
Tag stehen gelassen, die klare Flüssigkeit vom ungelösten abgegossen, der
Alkohol durch Destillation verjagt, wieder mit hciliem Alkohol vermischt
und wieder der Alkohol verjagt. Die in saurem Alkohol unlöslidu'u An-
teile des Sirups werden zur Gewinnung der darin enthaltenen kleinen
Mengen Kreatinin in sehr wenig Wasser gelöst, mit siedendem Alkohol
vermengt und wie oben verfahren. Die alkoholischen Auszüge werden durch
Destination vom Alkohol befreit, der Pdickstand wird in 25 — 30 cm ^ Wasser
aufgenommen, die zum Sieden erhitzte Lösung wird mit P)leihydro.\yd ver-
setzt bis zur alkalischen Reaktion und die Mischung mit dem mehrfachen
Volumen absoluten Alkohols verdünnt. Die nach mehrstündigem Stehen
filtrierte Flüssigkeit wird nach Abdestillieren des Alkohols mit ll.jS be-
handelt, zum Sirup eingedampft, das Kreatinin ins l'ikrat übergeführt, dies
in das salzsaure Kreatinin übergeführt. Zu diesem Zwecke wird das l'ikrat
mit verdünnter HCl erwärmt, die freigewordene Pikrinsäure durch Schütteln
der noch heißen Flüssigkeit mit Toluol beseitigt, die wässerige Lösung des
salzsauren Kreatinins eingedampft. Die feuchte Kristallmasse wird mit
einem Gemisch von 1/3 Azeton und -J^ absolutem .Vlkohol gewaschen
(Schm. 243—2440).
Phenole (vgl. Band III, S. 823).
C. Xeuberf/ und A. Hildesheini er ^) zeigen, dab die Angalien Moosrrs
(vgl. Band III, S. 82G) über die Brauchbarkeit der Phosphorsäure für die
direkte jodometrische Phenol- bzw. Kresolbestimmung bei Herbivorenharnen
unzutreffend sind. Für Pflanzenfresser und Diabetikerurinen ist die von
Neuherg angegebene Modifikation des Kossk'r-Pcnni/si:\\on ^■erfahrens an-
zuwenden.
Eine Methode zur getrennten Bestimmung von Phenol und Parakresol
im Harn geben J7. Siegfried und li. Ziwincrniann'-) an. Die (irundidee der
Methode ist die folgende: Bei der ersten Bestimmung wird diejenige Menge
Br(6,) ermittelt, die das Phenol und das Kresol zusanunen verbrauchen,
indem aus ersterem Tribromphenol, aus letzterem rril)romkresol entsteht.
bei einer zweiten diejenige Menge Br(/>2), die bei der ri)erführung des
Phenols in Tribromphenol und des Krcsols in Dibromkresol verbraucht wird.
') C. Xruhfrc/ und A. llildcsheimer, Die Bc-^tiininiinL' <ler Tlieiitdo im Hiinlei-
haru. Biochem. Zeitsclir. 28. 52.Ö (llUO).
-) M. Siegfried uud R. Ziminrrmann, Metiiode zur jrctroiuiten Bestimmung von
Phenol und Parakresol im Harne. Biochem. Zeitschr. 29. 3(5S (1910).
314 !'• Rona.
Die eriorclerlichen Reagenzien sind:
1. — -n-Xatriumthiosulfatlösung.
2. Kaliumbromatbromidlüsimg, im Liter 0"834^ Kaliumbromat und
2*97 Kaliurabromid enthaltend.
3. 50/oige Jodlialiiimlösiing, die nach Ansäuern mit verdünnter Schwe-
felsäure Stärkelösung nicht bläuen darf.
4. Lösliche Stärke.
5. Schwefelsäure (1:1).
6. Ca. 25°/oige Salzsäure.
Die Bestimmung von h-^ erfolgt wie folgt: In einer ca. 500 nw^ fassen-
den, mit Glasstopfen versehenen enghalsigen Flasche versetzt man die genau
gemessene Menge der wässerigen Lösung des Phenolgemisches (100 cm-)
mit 20 — 30 cw3 Schwefelsäure (1:1), schüttelt um und fügt aus einer
Bürette unter Umschwenken zunächst so viel Kaliumbromidbromatlösung
dazu, bis sich beim Schütteln der Niederschlag zusammenballt und die
Flüssigkeit deutlich gelb gefärbt ist. Dann läßt man noch den achten Teil
der angewandten ]\Ienge Bromlauge hinzufließen und läßt die Mischung
gut verschlossen unter öfterem kräftigem Schütteln 1 Stunde lang stehen.
Hierauf wird unter Vermeidung von Bromverlust durch Glaswolle in 25 bis
30 cm^ 5"/oige KJ-Lösung filtriert, die erste Flasche mit Wasser gut nach-
gespült, mit diesem zur Absorption freier Bromdämpfe gut durchgeschüttelt
und mit diesem Wasser der Niederschlag ausgewaschen. Im Filtrat wird
mit -T-n-Thiosulfatlösung das Jod titriert. — Bei der Bestimmung von bo
wird die gleiche Menge der Lösung des Phenolgemisches wie bei der ersten
Bestimmung in einer mit Glasstopfen versehenen Literflasche mit ca. 30 cm^
257oiger HCl versetzt und bis auf ca. 500 c»t^ Wasser verdünnt. Dann
fügt man unter gleichmäßigem langsamen Umschwenken diejenige Menge
Bromatbromidlösung hinzu, die nach der ersten Bestimmung bis zur Gelb-
färbung der Flüssigkeit verbraucht wurde und läßt die Mischung ohne zu
schütteln gut verschlossen 15 Minuten stehen. Nach dieser Zeit versetzt
man die ^lischung mit 25 — 30 cm^ 5o/oiger KJ-Lösung, schüttelt allmählich
um, bis die Flüssigkeit gleichmäßig gefärbt ist und läßt die Mischung eine
Stunde vor Licht geschützt stehen. Darauf schüttelt man mehrere ]\Iale
kräftig durch und titriert das freie Jod mit — -n-Natriumthiosulfatlösung.
Sind X und 1/ die gesuchten ^Mengen Parakresol bzw. Phenol, so ist
X — 0-67605 (&i— 62) und y = 05884 h — 0-3923 b^. — Den Titer der
Bromatbromidlösung bestimmt man in folgender Weise : In einer ver-
schheßbaren Flasche von ca. 250 cm^ Inhalt werden 100 ciit^ Bromat-
bromidlösung mit 10 m3 25Voiger HCl und mit 15 cm^ 5Voiger KJ-Lösung
vermischt. Das freie Jod wird mit ^-n-Thiosulfatlösung titriert, wobei die
Stärkelösung erst gegen Ende der Reaktion zugefügt wird. 1 cm^ Thio-
sulfatlösung = 0-007992 Br.
Nachweis und Bestimmung der KiwelÜalibiiuprudukti' im Harn. 315
Hippursäure (vgl. Band III, S. 820).
Eine von Dalin ») vorgeschlagene Darstellungsweise der Hippursiinre
ist die folgende:
Man dampft 800 — 500 cm^ Harn auf dem Wasserbade auf zirka
100 cm^ ein, säuert stark mit H.PO^ an und extrahiert ca. 12 Stunden
lang mit Essigester im Extraktionsapparat. Der Essigester wird zur Ent-
fernung des Harnstoffs viermal mit konzentrierter Kochsalzlösung ausge-
schüttelt, mit Wasser gewaschen und mit Wassordanipf destilliert. Man
kocht den wässerigen Rückstand mit Tierkohle, filtriert und läl'it erkalten.
Dabei kristallisiert ein groüer Teil der Hippursäure aus. Das Filtrat von
den Kristallen wird mit Benzol -t- Äther ausgeschüttelt, die wässerige Lösung
zur Trockene eingedampft und der Rückstand mit den vorher ausgeschie-
denen Kristallen vereinigt.
Urobilin (vgl. Band III. S. 854).
NachAveis: Man mischt 20 ^m^ Harn mit 4y pulverisiertem Zink-
azetat, gibt 20 cm^ OöVoigen Alkohol hinzu , rührt einige Sekunden um,
läßt absitzen und filtriert. Die Empfindlichkeit der Reaktion nimmt zu,
wenn man mit dem Filtrieren 1 — 2 Stunden wartet. Besonders geeignete
Zinksalze sind: Valerianat, Laktat, Azetat, weniger geeignet sind das basi-
sche Karbonat, Chlorid, Sulfat ( IFei^^^ 2).
Als klinisches Reagens für Urobilinogen, iTobilin und Blut soll man
nach A. Florcnce^) zu 2 — o crn^ Harn das Doppelte eines aus 50 _f/ Pyri-
din, 50^ Chloroform, 50^ Alkohol und 7"5(/ Zinkazetat hergestellten Rea-
genzes hinzuftigen. Grüne Fluoreszenz zeigt Urobilin an, eine allmähliche
Fluoreszenz UrobiUnogen, grünliche Färbung mit nachfolgender Fluoreszenz
Biliverdin, Rotfärbung Blut.
Eine Methode, um Urobilinogen in kleinen Mengen Serum nach-
zuweisen, beschreibt W. Bildebrandt*). Auf weißer Porzellanschale wird
zu einem Tropfen Serum (vorteilhaft auf Chloroform schwiniiiiend) ein
Tropfen des Ehrlichschen p-Dimethylaminobenzaldehycireagens hinzugefügt ;
ein zweiter Tropfen Serum ohne jeden Zusatz von Reagens dient zur
Kontrolle. Die bei gewöhnlicher Temperatur auftretende Rotfärbung ist
auch bei mäßigem Uroi)ilingehalte des Serums deutlich.
Inosit (vgl. Band HI, S. 828).
Die ScJirrerschQ Reaktion auf Inosit ist von E. Stilk-oirs/,i ••) folgt'U-
dermaßen verbessert worden: Man löst eine Spur der für Inosit gehaltenen
*) //. D. Dahin, Das Schicksal von Natriumhenzoat im menschlichen Orjranisimis.
Journ. of hiol. Chom. 7. 103 (1910).
2) Wcitz, Journ. Pharm. Chem. (7). 1. 533 (1910) ; vgl. Chem. Zentralhl. II. öOl (IIMO).
ä) Florence, Journ. Pharm. Chim. (7). 2. KU) (19ü9).
*) IF'. Ilildebrandt, Über I'roliilin im Hhite. .Mütichener med. Wochenschr. öT.
2574 (I'JIU).
^) Salkowski, Über eine Verhesscrung der .SWjfrcrschen Reaktion auf Inosit.
Zeitschr. f. physiol. Chem. 69. 478 (1910).
316 P. Rona. Nachweis uiid Bestimmung der Eiweißalibauprodukte im Harn.
Substanz in 1—2 Tropfen Salpetersäure (Dichte 1-2), setzt 1 Tropfen
lOVoige Chlorkalziunilösung-, 1 Tropfen 1— 2«/oigerPlatinchloricllösung hin-
zu, verdampft vorsichtig unter Aufblasen und Umschwenken auf einem
Porzellantiegeldeckcl. Bei Gegenwart von Inosit tritt rosarote bis ziegelrote
Färbung ein.
Indol (vgl. Band III, S. 837).
Da Jod bei Anstellung der Jaß'e»c\\en Indikanreaktion Skatol vor-
täuschen und mäßige Mengen ludikan verdecken kann, soll man nach
B. Spiethoß'^) nach dem Ausschütteln mit Chloroform den Inhalt des Be-
agensglases filtrieren. Ist Skatol neben Jod vorhanden, so verschwindet
beim Trocknen des Filters die blaue Jodstärkefärbung, die zunächst den
ganzen Filter einnimmt; der rote Skatolniederschlag verbleibt hingegen
am Boden des Filters.
Bezüghch der Skatolreaktion von Takaoki Sasaki^) (vgl. Bd. III,
S. lo4S) gibt SasalH ergänzend an, daß die bei der Reaktion anzuwendende
konzentrierte H2SO4 eine Spur Ferrisalz (in 100 g konzentrierter H0SO4
ca. 0*0002 f/ Fe als Ferrisalz) enthält. Am besten verfährt man so, daß man
einen Tropfen iVoiger wässeriger Ferrisulfatlösung zu 100^ eisenfreier kon-
zentrierter H2SO4 zusetzt.
^) B. Spiethoff, Eine einfache Methode zur Differenzierung von Jod, Indikan,
Skatol bei der Ja//eschen Indikanreaktion. Müuchener med. Wocheuschr. 57. 1066
(1910).
-) Takaoki Sasaki, Über eine empfindliche Skatolreaktion. Biochem.Zeitschr. 29.
395 (1910j.
Bestimmung der Keaktion mittelst Indikatoi-eii.
Von P. Roiia , Berlin.
Bei der Messung- der waliren Reaktion einer Flüssisikeit kommt neben
der elektrometrischen Methode die mittelst Indikatoren, das ..kolorimetri-
sche Verfahren-, in Betracht. Wie es in Band I. 8. 560 anseinandci-Liosetzt
ist, beruht die Methode auf dem Prinzip, daß das Umschlaij:si>-('biet der
verschiedenen Indikatoren bei verschiedener Wasserstoffionenkonzentration
liegt ; aus der Beobachtung der Farbennuance der mit dem Indikator ver-
setzten Flüssigkeit kann man daher direkt auf die Wasserstoffionenkon-
zentration schließen. Die Farbennuancen beziehungsweise Umschlagspunkte
einiger wichtiger Indikatoren gibt die folgende Tabelle 1 . die aus Band I
übernommen ist, an.
Umschlagspunkte der gebriiuchlichsten Indikatoren in dem für den
Physiologen wichtigen Gebiet um den Neutralit:its])nnkt herum zeigt die
Tabelle IL
Um die genaue Ausarbeitung der Indikatorenmethode hat sich -S'. P.
L. Sürensen die größten Verdienste erworben, i) Wir benutzen bei der
Beschreibung dieses Verfahrens möglichst getreu die Ausführungen dieses
Forschers. Zuerst prüfe man die zu untersuchende Flüssigkeit Lackmus-
papier gegenüber; ist sie alkalisch, prüft man ihr Verhalten weiter gegen
Phenolphtalein, ist sie sauer, gegen Methylorange. Nun kann der Bereich,
innerhalb dessen die AVasserstoffionenkonzentration der Lösung zu suchen
ist, weiter eingeengt werden. Ist z. B. die Lösung gegen Lackmus sauer,
gegen Methylorange alkalisch, so nimmt man einen Indikator, des.>^eu
Umschlagspunkt zwischen dem des Lackmus und dem des Mt-thylorange
liegt, z. B. das p-Xitrophenol. Nun mißt man in möglichst gleich großen,
farblosen Probiergläsern folgende Phosphatgemische ab :
I II 111 IV V VI VII VIII
i II K 11 lii U z c II t i 111 0 t (' r ii
Primäres Phosphat . . 10 O-Tö ii-f) !>() S-0 7-0 f.<> .VO
sekundäres Phosphat . 0 U-i^") o-f) ro 2-(> :".n 1»» .V(»
*) S. F. L. Sürensen, Enzymstudieu. Biocliem. Zcitsclir. 21. 201 (litUO).
318
P. Roua.
Tabelle
Indikator
Mauvein
Koügorot
2nH-
InH-
1-10-1
nH-
110-2
nH-
1-10-3
nH-
110-4
nH-
110-5
nH-
1-10-6
nH-
gelb
g-ruu
blau
blau
VI
olett
blau
bla u
Alizarinsulf 0- gelb-
saures Natrium I grün
Rosolsäure
Phenolpbtalein
violett
Schar-
lach
braun
rot
gelb
hell-
bräun-
lich
hell-
bräun-
lich
farblos
a-Naphtolben- ,. ,
^''''' ' gelb
Tropäoliu 0
Trinitrobenzol
gelb
grün-
gelb I
farblos
Benzopurpurin
Safranin
blau
blau-
violett
violett
rot-
violett
I gelb,
rosa I Stich
: rot
blau lila
rosen-
rot
^^
A'i.
Tabelle
Indikator
10 nH-^
4-4
10 nH-
— 5-4
10 nH-
— 6-2
10 nH-
— 6-5
10 nH-
Methylorange
rotgelb
gelb
(maximal)
gelb
(maximal)
gelb
,
Alizarinrot
gelb
gelb
orangerosa
rot
rot
Rosolsäure
—
blaßgelb
blaßgelb
blaßgelb
gelb,
Stich rosa
Lackmus
—
—
rot
rot
rotviolett
Neutralrot
— —
—
—
—
Phenolphtalein
—
—
—
/
- 7
Bestimmuu'^ der Reaktion mittelst Indikatoren.
:uo
T.
1-10-7 1-10-8
iiH- nH-
110-9
nH-
1-10-10
nH-
110-11
nH-
1-10-12
nH-
1-10-13
nH-
110-1*
nH-
110-15!
iill-
—
_ ! _
—
—
—
• —
violett-
rot
gelb-
rot
—
—
!
—
—
1
—
—
—
1
1
lila
1
violett . —
—
rosa
rot
—
—
—
—
—
'3 ^-^-e»
1
—
farblos
rosa
rot
—
—
—
rot,
schnell
farblos
rot
einfal-
lend,
gleich
darauf
farblos
—
—
1
— ' grün
grün-
blau
—
—
—
—
-:-
—
— 1 —
grün-
gelb
rot-
orange
° orange
—
—
—
— — —
—
farblos
orange ^«*- /f*
" orange farblos
—
—
—
—
—
gelb,
Stich-
rot
rosa —
!
~~
—
- - r°ro;"-|-'^"i
II.
—6-8 _ -7-1
10 nH- 10 nH-
10 nH^
10 nH-
— S ^— 8'3
10 nH- ! 10 nH-
1
—9 2
10 „H-
—
—
—
—
—
—
-
rot —
—
—
—
—
röter
maxim. rotimaxim. rot
(
—
—
—
—
rotviolett
violett
. , , . ' blau-
^'^«1^" violett
blau-
violett
_ fast
reinblau
maxim.
rot
rot, Stich 1 orange-
orange rot
orange
orange-
gelb
gelber
maxim.
gelb
—
—
farblos
farblos
farblos.
rosa
rot (nicht
maximal)
1
320 P- Rona.
Das sind Gemische, die dem Konzentrationsbereiche der Wasserstoff-
ionen entsprechen, das p-Nitrophenol umfaßt. In I (Ph = 4'53) ist p-Nitro-
phenol so gut wie farblos i), in VIII (Ph = 6*81) griinüchgelb z^Yischen diesen
zwei Grenzpunkten lassen sich die übrigen Gemische nach den Wasserstoff-
ionenkonzentrationen scharf einreihen. Von der zu untersuchenden Lösung
werden nun auch 10 cm- in ein entsprechendes Reagenzglas abgemessen, in
jedes Glas eine passende Menge der Indikatorlösung eingetröpfelt, wonach
die Farbe der Lösungen nach gutem, aber vorsichtigem Umschütteln ver-
glichen wird. Sörensen empfiehlt Reagenzglasgestelle zu verwenden, deren
am zweckmäßigsten 35 bis 40*' gegen den horizontalen geneigten Boden
mit einem P)latt reines Papier bedeckt ist und die so eingerichtet ist, daß
eine Drehung des Gestelles von 35 bis 40" um dessen Längsachse es er-
möglicht, quer durch die gesamten vorliegenden Reagenzgläser gegen das
w^eiße Papier als Hintergrund unbehindert zu sehen.
Sollten die Anzahl Tropfen des angewendeten Indikators nicht ge-
nügen , eine deutliche Färbung hervorzurufen , so muß man zu allen
Reagenzgläsern noch mehr Indikatorlösung (3, 6 bis 12 Tropfen je nach
Bedarf) zufügen. Durch Einschaltung neuer Vergleichsmischungen kann
die Methode noch verschärft werden.
Äußerst ausführliche und genaue Untersuchungen über die Fehler-
quellen der kolorimetrischen Methode der Reaktionsbestimmung verdanken
wir S. P. L. Sörensen. Auf Grund seiner Untersuchungen müssen dabei
folgende Punkte berücksichtigt werden :
1. Eigenfarbe der Versuchsflüssigkeit. FaUs die zu unter-
suchende Lösung nicht farblos ist, ist es vorteilhaft, um die Unterschiede
des Farbentons zu verdecken, die Vergleichsflüssigkeiten mit verdünnten
Lösungen passender Farbstoffe bis zum gleichen Farbentone zu versetzen.
Die Färbungsmittel müssen natürlich denselben Farbenton geben innerhalb
des ganzen in Frage kommenden Bereichs der AVasserstoffionenkonzen-
trationen. Als angemessene Färbungsmittel der Vergleichsflüssigkeiten bei
der Messung solcher Lösungen, die bei den enzj^natischen Spaltungen in
Frage kommen, schlägt Sörensen folgende vor:
a) Bismarckbraun {0*2^ in 1/ Wasser),
b) Helianthin II (0-1^ in 800 cm^ 93 Voigem Alkohol + 20007^3 Wasser),
c) Tropäolin 0 (0-2 (/ in 1/ Wasser),
d) Tropäohn 00 (0-2^ in 1 1 Wasser),
e) Curcumein {0'2g in 600 cm^ 93ö/oigem x\lkohol + 400 cm^ Wasser),
f) Methylviolett {6-02(/ in 11 Wasser),
g) Baum\volll)lau (Ol^ in H Wasser).
') Wird der Normalitätsfaktor einer Lösung in bezug auf Wasserstoffioneu durch
die Größe 10— i' angegeben, so schlägt .S'öre^se« für den numerischen ^Yert des Potenz-
exponenteu den Namen Wasserstoffionenexponent und die Schreibweise Ph vor. Unter
dem Wasserstoff ionenexponenten einer Lösung wird demnach der Briggsche Logarithmus
des reziproken Wertes des ■ auf Wasserstoffioneu bezogenen Normalitätsfaktors der
Lösung verstanden.
Bestimmuuf,' dor Reaktion mittol-t Imlikatuicii. ;;•>!
Vm (1er Verglcichsflüssiiikeit fi'cgehonen Falls eine passende Trühunvr
zu verleihen (ohne wesentliche Änderung der lonenkonzentration), kann
eine wässerige Aufschweninmng von frisch gefiilltem r.ai'iuinsnlfat /u^ri'geben
werden. Die Anschweminung wird bereitet durch \eriiiischen von 2 rm^
einer O'I n-Bariunichloridlösung und 2 ein'' einer oi n-KaHiiinsuHatliisuii'r.
2. Einflul» der Neutralsalze. Der l'nischlagspunkt der Indikatoren
wird in verschiedenem Maße durch die Gegenwart der Neutralsalze beein-
flußt. L. Michaelis und P. Bona ') wiesen eindringlich auf diese Fehleniuelle
hin. So ist z.B. Methylviolett in einer <M n-HCH-Lösung mit (KK).") n-Kl;r
rein blau, in einer O'I n-HCl-Lösung mit (»•;') n-KBr rein grün. Beim Kongo-
rot hingegen hat es den Anschein, als sei die Il-lonenkonzentration durch
Zusatz eines Neutralsalzes zurückgegangen. Eine große Ileihe von Indi-
katoren wird durch die Neutralsalze beeinflußt 2): was die meisten Indi-
katoren anlangt, wird jedoch die Neutralsalzwirkung bei Salzkonzentrationen
von 0*3 bis 0'5 ii (d. h. 2 — 3mal der Salzgehalt des Blutes) zwar merkl)ar,
ist aber nicht so groß, daß die Messungsergebnisse unbrauchbar wären.
Nur beim Methylviolett und der zu dieser Gruppe gehörenden Indikatoren
(Mauvein, Gentianaviolett , Methylgrüii) ist die Salzwirkung eine solche,
daß man gezwungen ist, sie immer zu berücksichtigen (Sönusen).^) Um
ein Beispiel über das Ausmaß der durch die Neutralsalze bedingten Fehler
bei verschiedenen Indikatoren zu geben, sei ein \'ersuch aus der Arljeit
von Sörensen angeführt.
Bei drei Lösungen bestand A aus reiner O'Ol n-Salzsäure, in B und
C w^aren außer der gleichen Menge Salzsäure noch KCl in solchen Mengt-n.
daß die gesamte Chloridkonzentration i)l n beziehungsweise 0-3 n betrug.
Wert von Ph in
A B ("
Die angewandte Meßmethode
mittelst Berechnung gefunden . . . 202 2()4 2"0L)
elektrometrische ]\Iessung .... 201 201 2-05
Kolorimetrische Messung mittelst :
Methylviolett 2-22 2-04 \V\
Mauvein 222 204 1-91
Gentianaviolett 2-22 2-0ö 1-89
Methylgrün 228 2-05 iS'2
p-Benzolsulfonsäure-azo-diphenylamin
(Tropäolin 00) ...... 200 204 202
Methaningelb extra 199 2-04 21)4
Benzolazodiphenylamin 2(U 204 2*04
p-Toluol-azo-benzylamin 2n4 202 2()2
1) L. Michaelis und l'.Rona, Zur l'Yairc «It'r lii'stimmun.i: «Icr ll-Konzt'iitr;.fl..n
durch Indikatoren. Zoitschr. f. Klektrochomie. 19ll8. 251 — 253.
2) L. Michaelis und 1'. Bona, Der Einfluß der Neutralsalze auf die ludikatün-ii.
Biochem. Zeitschr. 23. CA (1909).
») 1. c. S. 2Ü9.
Abderhalden, Handbuch dor biochemischen Arbeilsmethodeu. V. 21
322 P- Rt^na.
Die Tabelle beweist die beschränkte Brauchbarkeit der vier ersten
Indikatoren. Bei höheren Salzkouzentrationen geben auch die vier letzteren
Indikatoren Werte, die mit den elektromotorisch gewonnenen schlecht
übereinstimmen.
Eine sorgfältige Berücksichtigung erfordert der ,, Salzfehler " der In-
dikatoren bei der Bestimmung der Pieaktion bei salzreichen Lösungen. Um
die Größe dieses Fehlers bei Untersuchungen des Meer was sers (mit
zirka 35" 'oo ^sdz) festzustellen, verfuhren S. P. L. Sorensen und S. Paützsck
folgendem! alöen i) : Eine Probe Meerwasser von bekanntem Salzgehalt wurde
mittelst 1/5 n-Salzsäure schwach aber deutlich sauer gemacht, wonach eine
Durchleitung von Wasserstoff die Kohlensäure hinaustrieb. Dann wurde
die Flüssigkeit durch kohlensäurefreie Natronlauge ganz oder zum Teil
neutrahsiert und die Wasserstoffionenkonzentration ist durch Zusatz einer
kleinen Menge eines passenden Puffergemisches 2) (Zitrat- oder Borat-
mischuugen) nach Wunsch festgelegt und während des ganzen Versuches
festgehalten worden. Die H-Ionenkouzentration wurde nun sowohl elektro-
metrisch als kolorimetrisch gemessen. Der ., Salzfehler" war dann die
Differenz zweier Messungen, indem sowohl die Verdünnung des Meer-
wassers als auch die Salzwirkung der zugefügten kleinen Mengen von
HCl, Na OH und Puffermischung vernachlässigt werden kann. Die Be-
stimmungen wurden mit Wasserproben von entweder zirka 35Voo oder
mit zirka 20''/oo Salzgehalt ausgeführt. Füi' die verschiedenen Indikatoren
wurden in Mittelwerten folgende Korrektionen gefunden :
a) p-Nitrophenol 35o/oo Salz: — 012
20«/oo ,. :— 0-08
h) Neutralrot 35Voo „ ■ +010
2OV00 V ■ +0-05
c) a-Naphtholphtalein3) 350/00 - : —016
200/00 ,' :-011
d) Phenolphtalein 35o/oo „ : —0-21
200/00 .. :-016
Die Zahlen sind wie folgt zu verstehen. Ist die Korrektion zu — 012
gefunden worden, so bedeutet das, daß eine Meerwasserprobe, deren
wahrer Wasserstoff ionenexponent Ph durch genaue elektrometrische Messung
ermittelt, z. B. gleich 612 ist. bei der kolorimetrischen Bestimmung die-
selbe Farbstärke wie ein Phosphatgemisch, dessen Wasserstoffionenexponent
gleich 6*24 ist, zeigen wird. Das richtige Resultat der kolorimetrischen
^) S. P. L. Sorensen und S. PaJitzsch, t)ber die Messung der Wasserstoffionen-
konzentration des Meerwassers. Biochem. Zeitschr. 24. 387 (1910).
-) Vgl. Sorensen, Euzymstudien. Biochem. Zeitschr. 21. 201 (1909).
^) Bei Benutzung von Phosphatmischungeu; bei Anwendung von Boratmischungen
ist die Korrektur — 0'22 bzw. —0 17.
Bestimmung der Reaktion mittelst Imlikatoron. ;;•>;•;
Messung erhält man daher, wenn man nicht mit dem wahren Was-erstoff-
ionenexponenten der Veriilcichstliissi^kcit (y'J4. sondern mit dem int(»l;:i' d<s
i^alzfehlers (— Oi2) korriiiiei-fen (CyJ4 — i)\-2 — C.l^) reclinct. Mit solch. -n
Kautelen ausgeführte kolorimctrisehe Messungen der Wasscrstoffioncii-
konzentration haben einen Fehler im WasserstoffioniMiexponcnten. der nie
mehr als ±0'1 beträgt und gewöhidich weit geringer ist.
3. Einfluß zugesetzter Antiseptika: Toliiol oder Chlorol'orm.
Die Untersuchungen von Sörenscn zeigen, daß die Genauigkeit der kolori-
metrischen Messung mittelst Methylvioletts, Mauveins und ähnlicher Indi-
katoren nicht durch Toluol beeinflulJt wird, während Chloroform nach-
teilig wirken kann. \'on den Indikatoren der Azogru|)i)e werden die
saureu gar nicht durch Toluol oder Chloroform beeinflußt, während die
basischen in toluol- oder chloroformgesättigten Flüssigkeiten ganz unbrauch-
bar sind.
4. Änderungen in der Stärke oder der Nuance der Indi-
katorfarben. Bei Methylviolett und dem verwandten Mauvein, (ientiana-
violett, Methylgrün muß man einigermaßen schnell arbeiten, denn die
Farbe dieser Indikatoren infolge molekularer Umlagerung schwächt sich in
einer gewissen Zeit (schon nach ^ 4 .Stunde) ab und auch die Nuance wird
etwas abgeändert. Bei sehr schwer löslichen Indikatoren kann eine Ände-
rung der Farbe infolge teilweiser Ausscheidung des Indikators eintreten.
Während die sauren Indikatoren der Azogruppe (z. B. Tropäolin 00
[p-Benzolsulfonsäure-azo-diphenylamin|) gewöhnlich in wässeriger Lösung
verwendet werden können und die Stärke und Nuance der Farbentöne
selbst über Nacht sich nicht ändert, müssen die basischen Indikat(»ren
dieser Gruppe (z. B. Benzol-azo-diphenylamin) in alkoholischer Lösung ge-
braucht werden und die Fari)e nimmt beim Stehen an Stärke ab. weil der
Farbstoff nach und nach ausflockt. Je zusammengesetzter ein Indikator
ist, desto schwer lösUcher ist er gewöhnlich und desto störender i>t die
erwähnte Fehler(|uelle.
ö. Von sehr großem Einfluß sind die Eiweißstoffe und deren
Abbauprodukte, die als amphotere. kolloidale Körper sich mit sauren
oder basischen Farbstoffen zu verbinden i)efäliigt sind. Diese VerbinduiiL'en
fallen aus oder bleiben in (kolloidaler) Lösung und hindern so die koloii-
metrische Messung merkhch oder vereiteln diese ganz. Die l'ntersuchungen
von Sörenscn zeigen, daß Methylviolett und verwandte Indikatoren auch
durch genuine Eiweißkörper nur wenig beeinflußt werden, während die
zahlreichen Indikatoren der Azogruppe sämtlich .^o liut wie uid)rauchbar
sind, wenn einigermaßen bedeutemle Mengen l'roteinstoffe von kolloidaler
Natur gegenwärtig sind. Von Bedeutung ist in dieser Hinsicht die Zusammen-
setzung der Indikatoren. In solchen Fällen, in welchen dieselbe nicht genuine,
sondern irgendwie abgebaute Proteine enthält, können die einfacher /'i-
sammengesetzten Indikatoren der Azogrujjpe oft vollkommen zuverlä>-
Werte geben, während die komplizierter zusammenge.setzten Vertreter der
-Gruppe, vor allem das Kongorot, ganz unbrauchbar sind. Sehr instruktiv
21*
324 P. Rona.
zeigt die vorliegenden Verhältnisse folgender Versuch von Sörensen'^) über
den Einfluß der Proteinstoffe auf die Indikatoren. Folgende drei Lösungen
wurden untersucht : a) eine schwach salzsaure , etwa 2°/oige Leimlösung,
h) eine schwach schwefelsaure, etwa 2" o^ge Lösung von Wittepepton,
c) eine schwach salzsaure, etwa 2Voige Lösung von genuinem Hühnereiweiß.
Wert vou Ph in
ah c
Angewandte Meßmethode :
Elektrometrisch 2*56 2-59 2-49
Kolorimetrisch :
mit Methylviolett 2-61 2-55 2-53
„ Mauvein 2-58 2-52 2-50
„ Benzol- azo-anilin 2-65 2-61 2*81
„ p-Benzolsulfonsäure-azo-anilin .... 2"61 2"68 3'07
„ Benzol-azo-benzylanilin 2*53 2-57 ^3"34
,, p-Benzolsulfonsäure-azo-benzylanilin . 2-69 2*83 ^3*68
„ Kongorot 3-50 3-99 55-30
Da der Einfluß auf die Farbenänderung der Indikatoren bei dem
genuinen Eiweiß sich zuweilen anders als bei den Abljauprodukten
äußert, ist die Farbenänderung gelegenthch ein gutes Zeichen für den
fortschreitenden Abbau. Vermischt man z. B. 2) 4:0 on^ einer 0"57oigen
genuinen Hühnereiweißlösung mit 10 cti/^ 1-n-Salzsäure und versetzt das
Gemisch sofort mit Tropäolin 00, so nimmt die Lösung eine rote Farbe
an, die im Laufe von etwa einer Stunde in Gelb übergeht. Dies rührt
davon her, daß das gebildete Azidalbumin den Indikator in noch höherem
Maße bindet , als es genuines Eiweiß tut : so kann die vorschreitende
Azidalbuminbildung leicht verfolgt werden. — Gibt man zu der salzsauren
Eiweißlösung wirksame Pepsinlösung, so wird das gebildete Azidalbumin
in weniger kompUzierte Körper gespaltet ; die das TropäoHn nur in ge-
ringem Maße binden. Infolgedessen wird der Farbenwechsel von Piot zu
Gelb langsamer vor sich gehen und zuletzt, wenn der Pepsinabbau die
Oberhand gewinnt, Halt machen, wonach die Flüssigkeit nach und nach
wieder rot wird. ^)
Auf Grund seiner Untersuchungen empfiehlt Sörensen folgende Indi-
katoren, die den Bereich der Wasserstoffionenkonzentrationen Ph von
0"1 bis 12'7 beherrschen, zu denen noch das neuerdings empfohlene
a-Naphtholphtalein*) (mit einem guten Umschlag zwischen Ph = 7-26
und Ph = 8*58) hinzukommt.
*) Sörensen, 1. c. S. 217.
^) Sörensen, 1. c. S. 219.
^) Vgl. auch L. Michaelis und H. Davidsohn, Die isoelektrische Konstante des
Pepsins. Biochem. Zeitschr. 28. 1 (1910).
*) S. P. L. Sörensen und S.Palitzsch, Über einen neuen Indikator, a-Xaphthol-
phtaleiu , mit Umschlag in der Nähe des Neutralpunktes. Biochem. Zeitschr. 24. 381
(1910).
I
Bcstimniiiii'.'^ dor Reaktion mittelst Intlikatorrn. uor^
Nr. 1. Methvlviolott l'u ~ 0"1 3-2
„ 2. Mauveiii — O'l — 2-9
„ 3. Benzol-azo-diphonvlainiii — \-2 — 2*1
„ 4. p-Beiizolsulfonsäiire-azo-(li|)Ii(Miylainiii . .. \A~ l'-C»
5. m-Heiizolsiilfoiisäuro-azo-diplioiivlaiiiin . .. - \-> — 2-;i
„ (■). P)('iiz()l-nzn-l)('iizylanilin - 2-3— 3-;i
,, 7. p-Jl('iiZ()lsulloii.^;iiire-azo-l)('ii/ylaiiiliii . . „ — 1-9 — S'H
„ 8. p-15enz()lsulfoiisäure-azo-metaclilui(lialliyl-
anilin r= 20 - 4()
„ '.1. Denzol-azo-diinethylaiiilin = 21i — 4U
„ 10. p-Benzol.sulfünsäure-azo-dimethylaiiilin . .. — 31 — 44
„ 11. Benzol-azo-a-naphthylamin — ."'.•T - .'>()
„ 12. p-Benzolsiilf()iisäure-azo-'/-iiaphtliylamiii .. = ;Vi) .'>"
.. 13. p-Nitro])lu'iiol — 5-Ü— TU
„ 14. Neutralrut = IrS- S-Q
„ 15. Rosolsaure rz: 6-9 H-0
„ 16. p-BenzoIsuIfonsäure-azo-a-naphthol . . .. = 7'6 — H"9
„ 17. Phenolphtaleiii = 8-3— 10-()
„ 18. Thyiiiolphtalein = 9-3— lO-ö
„ 19. p-Xitrobonzol-azo-salizylsäure = lOl — 12'1
.. 20. p-Benzolsiilfonsiiure-azo-re.sorzin = IM- 12-7
Die Messung- der normalen Ilarnazidität auf kolorimctriscliom
Wege hat L. J. Hcnderson^) in folgender Weise ausgeführt: Eine lleilie
von Lösungen mit bekannter Wasserstoffionenkonzentration wurde durch
Mischen verschiedener Mengen einer schwachen Säure mit ihrem Natrium-
salz hergestellt. Die Zusammensetzung und annähernde Wasserstoffionen-
konzentration der benutzten Lösungen zeigt folgende Tabelle:
Na H, PO4 Na„ HPU,
(H)
Iiiilikator
00010 II
00010 11
OOOfiOn
0-0023 u
4. 10-« II
l.lO 7ll
2.10-7 II '
5 . 10-7 II
1 .10 on
2 . 10-« II
."1.10-0 11
1 .1(1—^ u
2.10 ftu
Xeutralrot
■
p-Nitniiilicinil
CH3 ■ COOH
CHj-COONa
00009 II
00023 II
00046 11
00092 11
0-02:-^0 II
0()4(;o II
OU920 II
0-0920 n
00920 n
00920 II
0-0920 ü
00920 II
0-0920 II
00920 u
Diese Lösungen in Flaschen von 250 cw^ wurden mit dein erforder-
lichen Indikator versetzt (Konzentration des Neutralrots om M M )5<'/o , des
p-Nitrophenols 008**/o) und dienten als \'ergleichslösung hei der Bestim-
') L. J. Hinderson, Zur Keuntuis der Ioiieiii,'lcicliiiiii:ou im Orirauismus. II. Mes-
sungen der normalen Ilarnazidität. Biochem. Zeitschr. 24. 40 (19101
326
P. Rona.
mung der Harnazidität. Bei jeder Bestimmung wurden 10 cm ^ ganz frischen
Harns in eine 2:^0 ciu^ fassende Flasche gebracht, mit Wasser verdünnt
und mit p-Nitrophenol versetzt. Die Konzentration der Wasserstoffionen
wurde nun abgeschätzt entweder durch Feststellung der Standardfarbe,
mit der die Farbe der Harnprobe übereinstimmte, oder, wenn diese zwischen
zwei der Standardlösungen lag, Avurde aus den Unterschieden der Farben-
nuancen durch rohe Abschätzung die Konzentration der Wasserstoffionen,
bestimmt. War die Azidität geringer als die Konzentration der Wasser-
stoffionen von 2.10"', so wurde eine andere Probe mit Xeutralrot ver-
setzt und die Farbe mit der Xeutralrotseite verglichen. Die infolge der
Verdünnung eingetretene Verminderung der Konzentration der Wasser-
stoffionen betrug in den Versuchen durchschnittlich ungefähr ein Viertel.
Um die Indikatorenmethode zur Messung der Azidität des Magen-
saftes brauchbar zu machen, hatten L. Michaelis und H. Davidsohn^) die
Aichung der Umschlagspunkte der entsprechenden Indikatoren im Magen-
saft selbst vorgenommen, indem gleichzeitig in einer Gaskette die Wasser-
stoffionenkonzentration des Magensaftes festgestellt wurde. Die folgende
Tabelle zeigt, welche Wasserstoffionenkonzentration des Magensaftes den
verschiedenen Nuancen der einzelnen Indikatoren entspricht. Die Zahlen
bedeuten die Anzahl Wasserstoffgrammionen im Liter.
Ol
1 . 10-
0-032
1 . lu-'-'
001
= 1 . 10-
00032
= 1 . 10-' =
Methylviolett .
Tropäolin . .
Kongorot . .
Methylorange
Lackmus . .
p-Nitrophcnol
Xeutralrot . .
grün
burgunderrot
blau , Nieder-
schlag
rot
rot
farblos
himbeerrot
grün
burgunderrot
blau, Nieder-
schlag
rot
rot
farblos
himbeerrot
grün
orange
blau, Nieder-
schlag
rot
rot
farblos
himbeerrot
grünblau
orange
blauviolett,
Niederschlag
rot
rot
farblos
himbeerrot
0-001
= 1 . 10-
0-0001
: 1 . 10-
000001
= 1 . 10
0000001
= 1 . 10-"
00000001
= 1 . 10-'
blau
gelb
blauviolett,
Niederschlag
rot
rot
farblos
himberrot
violettblau
gelb
schmutzig-
rot
orange
rot
farblos
himbeerrot
blauviolett
gelb
rot
violett
gelb
rot
gelb gelb gelb
Sticli violett violett violett
Stich gelb gelb gelb
himbeerrot himbeerrot orange
Anmerkung: Bei Mischfarben ist die dominierende zuletzt, die modifizierende
zuerst genannt. Wenn bei Methylviolett die Farbennuance schwierig zu beurteilen ist,
■was mitunter vorkommt, so orientiere man sieb an einer Kontrolle von 1 Tropfen Indi-
kator auf 1 c;«" destillierten Wassers.
violett
gelb
rot
*) L. Michaelis und H. Davidsohn, Die Bedeutung und die Messung der Magen-
saftazidität. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therapie. 8. 1 (1910).
Bestimm II II'' der Koiiktimi mittelst Indikatoren.
'o
Bei der Anwciidunii der bescliriel)eiieii Methode ist es ausreirh
vier Keagenz^läsehen mit je einem Kiiliik/.ciitiiiietcr des filtrierten Ma^^'f-ii-
inhalts zu versetzen und als Indii<ator Metliylviolctt (UOilVo^ wii
Tro])aolin (0-25Vo in öOVo Alkohol), Konüorot (O-rif)"/,,, wilsseri;;) luni
Methyloranpe (0"2r)"/o, wässerij^i zu verwi-ndcn. Die Farben werden im
durchfallenden Lichte beobachtet und mit der Tabelle verglichen, ans der
die Azidität dann sofort abzulesen i.st. Nur bei sehr \veni«r sauren Mafien-
Säften könnte es sich mitunter als zweckmäUi^' erNveisen. zur Kiintiolle
noch einen der drei zuletzt genannten Indikatoren zu gebrauchen.
Zum Schlul'i mul'i noch einmal hervorgehoben werden, dab. obgleich
die überaus bequeme Indikatorenmethode zur orientierenden Feststellung
der Wasserstoffionenkonzentration vollkommen hinreicht, infolge der er-
wähnten Fehler(|uellen als Standardmethode der Heaktionsmessung das
elektrometrische \'erfahreu angesehen werden mulJ.
Nachtrag zur Grefrierpunktsbestimmuug.
(Vgl. Band I, S. 498.)
Von P. Koiia, Berlin.
In neuerer Zeit sind einige A'orschläge in der Ausführung des kryo-
skopischen Verfahrens mit kleinen Flüssigkeits mengen gemacht
worden.
T. Kinoshita i) verfuhr dabei folgenderweise : Die Oberfläche des
Therraometerteils , der im Gefrierrohr steckt, wird mit Ausnahme des
Quecksilberbehälters mit Paraffin überzogen und dieser mit aschenfreiem
Filtrierpapier ganz dicht umwickelt, dieses wird mit gereinigten Baum-
wollfäden daran fest gebunden. Dann wird das Thermometer in die zu
untersuchende Flüssigkeit gesteckt, um das Filtrierpapier damit zu tränken;
dieses bedeckt man mit Percha lamellata (Merck) und verbindet wieder fest
mit Fäden. Zuletzt wird das Thermometer in das Gefrierrohr gebracht, und
zwar ohne Anwendung von Umrühren und Impfen und zunächst mit Weg-
lassung der Luftmantelröhre. Beginnt hierauf das Thermometer rapid zu
fallen, so wendet man zum Schlüsse des Experiments die anfangs weg-
gelassene Luftmantelrühre wieder an und bestimmt dann den Gefrierpunkt.
Zur Untersuchung sind o— 4, höchstens ban^ Flüssigkeit nötig. Diese
Methode besitzt nach B. Burian und K. Drucker prinzipielle Fehler, der
von dem Weglassen des Rührens herrührt. Bei fehlendem Rühren kann
es geschehen, daß die Erstarrungswärme selbst einen recht langsamen
Wärmeverlust nicht zu decken imstande ist. Weitere Unzukömmlichkeit
ist, dal') die nicht gerührte Flüssigkeit in sich ungleich temperiert ist.
Ferner ist die Methode keineswegs einfach und verlangt immer noch 3 — 4cm3
Flüssigkeit.
Bereits im Jahre 1903 haben Guye und Bogdan ^) bei der (xefrier-
punktsbestimmung nach Beckmann Vorrichtungen getroffen, die die An-
*) Tosalcu Kinoshita, Über eiue Modifikation des kryoskopischen Verfahrens für
Untersuchung kleiner Flüssigkeitsmengen. Biochem. Zeitschr. 12. 390 (1908).
^) G^^ye und Bogdan, Journ.de ehem. Phys. 1. 385 (1903).
Nachtrag,' zur (iefripipiinktsliostimimmi^. -^^'j
Wendung von nur 1 — 1-bcm^ Flüssigkeit gestatten, indem sie ein Thermo-
meter mit sehr kurzem Quecksilhergefäß (9wm Lilnjze und iinmn (^uer-
durchmesser, Gradlänge zirka lc7n) benutzten. l)ii' 'l'hi'niKdiictt'rrühn' hat
einen fixen Nullpunkt, die Skala reicht von — ö" bis +1.')» und ist in
Zwanzigstelgrade geteilt. Die Ahlesungsgenauigkeit I»eträ«.'-t 001 «. Die Aus-
führung ist die \on Baoult angegebene; als Kältebad dient verdampfeiKb-r
Äther, als lUihrer wird das Thermometer selbst benutzt.
Da die Ablesungsgenauigkeit bei der Methodik von Gui/r und Ji<>'j</(ui
für manche Zwecke unzureichend ist, benutzen 7i»m/» und Dnichr^ } ein
Thermometer, dessen Quecksilbergefäß bei einer Länge von \hn)n einen
Durchmesser von Imin besitzt. Seine mit Stickstoff gefüllte Kai)illare ist
so eng, daß eine Gradlänge von 2'! cm erzielt wiid. Die Skala hat den
Umfang von — 5" bis -f P und ist in Fünfzigsteigrade geteilt. Es gelingt
leicht, mit der Lupe auf 0-002 bis OOO:)" genau abzulesen. Bunan und
Drucker benutzen ein Kiskochsalzkältebad und wenden einen kleinen Platin-
rührer mit Glasgriff an. Die Form des Gefrier- und des Manti-irohres ist
so wie in der x\pparatur von Gui/e und Bugddu. Die beiden Kohre besitzen
vollkommen gleiche Gestalt. Dem Gefrierrohr fehlt der seitliche Ansatz zur
Einführung der Impfkapillare; dieser ist durch eine im Stopfen des Ge-
frierrohres angebrachte Dohrung ersetzt, durch die die Impfkapillare beipiem
von oben in die unterkühlte Flüssigkeit hineingebracht werden kann. Jedes
der beiden Rohre besteht aus einem weiten oberen und einem engen
unteren Abschnitt. Der letztere, der das (^)uecksilbergefäri des Thermo-
meters und die Versuchsflüssigkeit aufnimmt, hat einen Durchmesser von
l-kmm. Zur Ausführung der Messung sind IV-.'''"' Flüssigkeit eben noch
hinreichend. Die Temperatur des Kältebades darf höchstens 2" unter dem
Gefrierpunkt der \'ersuchsstörung liegen. Bei Beobachtung dieser Kegel
stimmen die Ergebnisse des kleinen Apparates mit denen au dem ursprüng-
lich ^e6'Ä;ma7^wschen gewonnenen auf + OOOö" überein.
Was die Anwendung der (iefrierpunktsbestimmunir anlangt, so er-
geben sich bei den verschiedenen physiologischen Flüssigkeiten keine
wesentlichen Unterschiede in der Ausführung. Bei der (iefrierpuukts-
bestimmung des Blutes ist es gleich, ob man Serum, defibriniertes Blut
oder Gesamtblut anwendet. Hingegen ist die Art der (iewinnung des Blutes
auf den Gefrierpunkt, ob spontan abgesetztes oder durch /entrifugieren
gewonnenes, von Einfluß. Änderung des Blutes im Gehalt, an < lasen, dann
verschiedene Einwirkungen . wie Narkose , Vergiftung , lieeinflussen den
Gefrierpunkt. Unter normalen Verhältnissen ist die (Jefrierpnnktserniedri-
gung des Blutes konstaut zwischen — O'ölT und — 0r)ü2. Bei der
(iefrierpunktsl)estimmung der .Milch ist ebenfalls auf die (iewinnungsart
*) R.Btiridii uml A. Drucker, Gefrierpuiiktsiiiossniigi'ii au kleinen Flüssigk. •-
mcugen. Zcntralhl. f. Pliysiol. 23. 772 (1910). Der Apparat wir.l von der P^iniia Uo^zc,
Leipzig, geliefert.
330 P- Rona. Nachtrag zur GefrierpunktsbestimmuDg.
und Zeit Päicksicht zu nehmen; die normale ^lilch hat eine konstante
Gefrierpunktserniedrigung; sie ist isotonisch mit dem zugehörigen Blut-
serum. Eine Schaumbildung beim Rühren ist zu vermeiden. — Beim
Harn ist 24stündiger Mischharn oder eine mittelst Ureterkatheter ge-
wonnene Probe zu verwenden. — Bei der Kryoskopie von Organen i)
wird der Brei des untersuchten Organes in das Gefrierrohr gebracht
oder man benutzt den wässerigen Auszug der zerkleinerten (Jrgane, der
durch Auskochen mit Wasser und Auspressen der Organstücke gewonnen
wird. Der filtrierte klare Saft wird dann zur Gefrierpunktsbestimmung
verwendet.
*) Sabbatani, Arch. cli Fisiologia. 4 (1906), -Journ. de Phvs. et Pathol. gen. III.
— Frederique, Bull de l'Acad. Royale de Med. de Belgique. 19Ü2.
Metliodeii zur Untersucliiiiig der iiiensclilicheii I'iizcs.
Von Hans Lohrisch, Choiiiiiitz.
A. Vorbereitung des Untersucliungsmaterlales.
Das Sammeln des frischen Kotes,
Das Auffangen des Kotes wird am l)esten in (ilas^efällcn vorge-
nommen. Diese entsprechen in ihrer Form etwa den im klinischen Kran-
kenbetj'iebe gebräncblichen Lriugläsern, haben aber breiteren Durchmesser
und sind am besten mit einem luftdicht schlicliendcn Deckel versehen.
Zweckmäßig sind die Gläser aus dickem Glas, dmnit sich die Versuchs-
person eventuell darauf setzen kann. Praktisch ist es auch, wenn die
Gläser so hoch sind, daß sie direkt in das Becken eines Wasserklosetts
gestellt werden können, so daß die betreffende Person die Fäzes, auf dem
Klosett sitzend, direkt in das Glas entleeren kann. Dabei kann gleich-
zeitig Urin entleert werden, ohne daß die Fäzes mit I'rin vermischt
werden.
Eine etwaige Beimeii.i,niiijf von Urin zu den Fäzes kann eventuell schon erkannt
werden au einer stark alkalischen Reaktion und Geruch nach Ammoniak und mikro-
skopisch durch das Vorhandensein von reichlicher phosphorsaurcr Amni(>niaknia!.'nosia
(Sargdeckelkristalle). Einwandfrei kann die Anwesenheit lieigemischten L'rins gezeigt
werden durch den Nachweis reichlichen Chlors, das sich normalerweise nur sehr spür-
lich im Kote findet. Dazu stellt man sich nach Hecht *) ein ziemlich konzentriertes
wässeriges Stuhlextrakt her, filtriert und versetzt das Filtrat mit Saliietersäure; dann
tropft man so lange lOVois^' Argentum nitricum-Losiing dazu, als noch ein Nieder-
schlag entsteht. Bei urinfreien Stühlen kommt höchstens eine leichte Opaleszenz vor.
Starker Chlorgehalt wird durch reichliche Trübung oder käsigen Niederschlag nach-
gewiesen.
Bestimmung der feuchten Kotmenge.
a) Wägung. Zur Bestimmung der .Menge des feuchten Kotes wird
der Kot in den el)en beschricl)enen verschliel.ibaren (dasgefälien. deren (ie-
wicht bekannt und am besten in das Glas eingeritzt ist, aufgefangen.
Kommt es auf ganz exakte AVägungen an. so muß der Peckel eingeschlit'fen
und luftdicht schliebend sein. Sehr harfer und trockener Kot kann auch
1) Ad. Hecht, Die Fäzes des Säuglings und des Kindes. Die Bedeutung und Technik
ihrer Untersuchung. S. 3. Berlin und Wien 1910.
332
H. Lohrisch.
Fig. 95.
Fig. 94.
Fig.
CD
iL
L
im offenen Glas oder auf offener flacher Schale aufgefangen und
gewogen werden, da der Wasserverlust hierbei in der zur Wägung
nötigen Zeit unbedeutend ist. Soll der Gesamtkot
einer längeren Versuchsperiode bestimmt Averden,
so wird jede einzelne Kotportion in ein gewogenes
Glas für sich entleert, einzeln gewogen und
das Gesamtgewicht aus den Einzelportionen
berechnet.
h) Volumetrische Messung. Hierzu
dient ein von Strashurger \) angegebenes zylin-
drisches Gefäß mit aufgeschliffenem Deckel,
welches ein Steigrohr trägt (Fig. 94). Das
Gefäß ist entweder auf 200 oder 400 cm^
geaicht. Der Kot wird in das Glas
hineingebracht und das Gefäß mit
Wasser aus einem Meßzylinder ge-
füllt. Eingeschlossene Luft wird
durch Umrühren mit einem Holz-
spatel vertrieben. Es wird bis zur
obersten Marke des Steigrohrs auf-
gefüllt. Das Volumen der Fäzes
entspricht der Aichungszahl des Ge-
fäßes, vermindert um die Menge
des gebrauchten Wassers.
Um kleine Mengen Kot ab-
zumessen, dient der in Fig. 95 ab-
gebildete kleine Strasburg er^ohOi
Apparat-): Dieser stellt eine Bürette
dar. die bei der Marke 0 abge-
schnitten ist. In derselben befindet
^ !__-+_ 11 ,,|„|. sich ein kleiner verschiebbarer
^^^^1^^^^ Kork, der in der Mitte mit einer
^^^ ~ ^^^^ glühenden Nadel durchlocht ist und
der durch einen Glasstab vorge-
schoben werden kann. Zur Abmessung wird zunächst
der Kork bis über die gewünschte Marke hinaus in das
Rohr hineingeschoben. Mit Hilfe eines Holzspatels wird
der Kot in das Rohr gedrückt, ohne daß sich Luft da-
zwischen ansammelt. Dann schiebt man mittelst des
Glasstabes den Kork bis zur geA\1inschten Marke vor,
streicht den überschüssigen Kot vorn am Rohr mit dem
Hokspatel ab und kann nun das gewünschte Kotquantum
in Form einer Kotsäule aus dem Rohre herausdrücken. O
0 J- Strashtirc/er , Untersuchungen über die Bakterienmenge in menschlichen
Fäzes. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 46. H. 5 u. 6. S. 7 des Sep.-Abdr.
^) J. Strasimrger, 1. c. S. 8 des Sep.-Abdr.
m
Methoden zur Untersuchung der mensclilichen Fiizcs. -^•y}
Einen ganz ähnlichen Apparat hat neucnlings auch Sato^) an'M-rohcn
(Fig. 96).
Dünnflüssige Stühle werden am besten in graduierten Stand/vlindtTii
gemessen.
Konservierung des Kotes.
Um den feuchten Kot für einige Zeit auf/uhewahren , d. Ii. um die
im Kote stattfindenden Fäulnis- und Gärungsprozesse auf einige Zeit zu
unterbrechen, empfiehlt es sich, den feuchten Kot mit einer gemessenen
Menge dünner Karbollösung ((>25Vo) oder mit Chloroform wasser zu über-
gießen oder zu verrühren und in luftdicht schlieiJendcu (iläsern aufzube-
wahren. Stützer-) empfiehlt für Tierkot, 100^ frischen verriebenen Kot
mit 1 cnt^ Schwefelkohlenstoff zu versetzen und das Gemisch in einem
Glasgefäß luftdicht abzuschließen. I)al)ei tritt i)esonders in den Löslichkeits-
verhältnissen der N-haltigen Substanzen keine Veränderung ein. hir Me-
thode ist auch für menschlichen Kot geeignet.
Im allgemeinen empfiehlt es sich, für Analysenzwecke den Kot mög-
lichst schnell zu trocknen, um Zersetzungsvorgänge und die Tätigkeit im
Kote vorhandener Fermente möglichst rasch zu uiiferlneclien.
Abgrenzung des Kotes.
Wenn es sich darum handelt, den gesamten Kot von einer bestimmten
Ernährungsperiode zu sammeln (bei Ausnutzungsversuchen usw.), so ist
eine genaue Abgrenzung desselben erforderlich. Benutzt wird hierzu nach
dem Vorgang von Ad. Schmidt ^) am besten pulverisiertes Karmin. Soll
beispielsweise der Kot von 3 Tagen gesammelt werden, so gibt man ,iin
Morgen des ersten \'ersuchstages mit Beginn der Versuchsnahrung ()-;i
Karmin in einer Oblate (oder in einem anderen Vehikel, falls ilie \erab-
reichung der (Jblate den Versuchszwecken zuwidei-läuft). ebenso am Ende
des dritten Tages mit der letzten Mahlzeit wiederum ()•;'. Kai-min. Bei der
Aufsammlung des Kotes muß nun Beginn und Ende der Ausscheidung
roten Karminstuhles genau beobachtet werden. Im vorstehend angegebenen
Falle würde der am Beginn und Ende der Versuchsperiode rotgefärbte
Kot und der zwischen den roten Portionen liegende Kot zu sammeln sein.
W^ürde man das zweite Karminpulver erst am Beginn des vierten Tages
mit der ersten Nahrungsaufnahme geben, so würde der zu Ende des \'er-
suches entleerte Karminkot natürlich nicht mit zu sammeln sein. Die Tren-
nung des Karminkotes von dem vorhergehenden und dem am Knde des
*) Ts. Sato, Üher die Bestimmungen der Bakterienmenge in den Fäzes des Men-
schen. Zcitschr. f. e.xp. l'uthol. u. Ther. Bd. 7. II. 1. S. 431. r.dd.
-) A.Stutzer (Berichterstatter), K.Merrcs und L.Selilhr, Die Uutei-suchunp ties
Kotes auf (behalt an Stickstoff, der in Form von Stoffwechselprodiditen darin entlialten
ist. Biochcm. Zeitschr. Bd. 9. S. 313—317. lOON.
') All. Srhniidt, Die Funklionspnifun^f des Darmes mittelst der rruliek'>>t.
2. Aufl. Wiesbaden 1908.
334 H. Lohrisch.
Versuches nachfolgenden, nicht zum Versuche gehörigen Kot muß sehr
sorgfältig geschehen. Es empfielilt sich hierzu das Aufsammeln jeder Kot-
portion in einem Glase für sich. Im Glasgefäß kann man zu Anfang und
zu Ende des Versuches besonders sehen, ob der Karminkot die unterste
oder oberste Schicht bildet, was zur Orientierung bezüglich der Abgren-
zung oft wichtig ist. Am besten gelingt die Abgrenzung bei sehr hartem,
geformten und dickbreiigen Kote. Schwierig kann es oft sein, bei diar-
rhoischen Stühlen eine richtige Trennung vorzunehmen. Zur Abtrennung
benutzt man 18 — 20 6m lange und IV2 — 2 cm breite flache Holzspatel.
Die nicht zum gewünschten Kote gehörigen Teile werden mit dem Spatel
aus den Gläsern entfernt. Kommt es nicht auf exakte Wägung der feuchten
Kotmenge an, so kann man den Kot auch in flache Porzellanschüsseln ent-
leeren lassen, in denen die Abgrenzung mittelst des Spatels mitunter noch
leichter und übersichtlicher vor sich geht.
Trocknung und Pulverisierung des Kotes.
Zunächst ist der gesammelte Kot lufttrocken zu machen. Zu diesem
Zweck wird entweder der gesamte feuchte Kot in einer gewogenen großen
Porzellanschale vereinigt (in den Sammelgläsern haftende Reste werden
mit dem Spatel und mit Wasser entfernt und mit dem Gesamtkot ver-
einigt) und auf dem Wasserbade bei 50 — 60" eingedampft, oder es wird
nur eine kleine Menge (10 — 15 g) des gut durchrührten feuchten Kotes
in einer kleinen gewogenen Porzellanschale abgewogen und hierin auf dem
Wasserbade getrocknet. Nach dem Eintrocknen wird gewogen und der
Wasserverlust festgestellt.
Der lufttrockene Kot wird nun sorgfältig und ohne Verluste aus der
Porzellanschale entfernt; der an der Wand der Schüssel oft sehr adhärente
Kot muß mit Hilfe eines scharfen zum Schaben geeigneten Instrumentes
(schmales scharfes Stemmeisen oder dergleichen) abgekratzt werden, so
daß die Schüssel nach Möglichkeit gesäubert ist. Dann wird der Kot ent-
weder in einer Porzellanreibeschale oder im Mörser grob zerstampft oder
in einer Handmühle grob geschroten. Der grob zerkleinerte Kot ist
nun noch nach Möglichkeit zu pulverisieren. Dies geschieht, indem man
die gesamte Kotmenge portionsweise in einer Porzellan- oder Glasreibe-
schale mittelst eines Pistills zu Pulver verreibt, oder indem man eine der
gebräuchlichen Futtermittelmühlen benutzt, von denen Scheunert^) beson-
ders die Märkersche Mühle empfiehlt und abbildet: diese erfordert aber
das Vorhandensein maschineUer Einrichtungen. Sehr wichtig ist es, bei der
Pulverung ohne Verluste zu arbeiten.
Da der Kot während des Pulverisierens in seinem Feuchtigkeitsge-
halt Änderungen erfahren haben könnte, ist es ratsam, die gesamte pul-
^) Ä. Schcwrert, Methoden zur Untersuchung des Speichels und des Inhaltes des
Verdauungsschlauches und der Fäzes der Pflanzenfresser. Handbuch der biochemischen
Arbeitsmethoden, herausgegeben von E. Abderhalden. Bd. 3. S. 269. Berlin und
Wien 1910.
Methoden zur Untersuchung der menschlichen Fäzes. , , ,
vorisierte Kotmon<io wiodor in die ursprünijiichc Schale, in der der Kot
lufttrocken t>pni;iclit wurde und in der vielleicht noch ein/eine kleine Kot-
partikelchen hatten, /ur(ickzui)rin^('n . noch einmal zu wiejicn und dieses
Gewicht als das des lufttrockenen Kotes füi- die IJerechnuiij.'' einzustellen.
Die Aufbewahrung des lufttrockenen Kotpulvers erfolgt in Flaschen und
Gläsern mit eingeschliffenem (dasstöpsel oder dicht schlieJiciHlem Kork in
Räumen, deren Feuchtigkeitsgrad nicht zu sehr schwaidvt.
Hecht ^) empfiehlt, um das F'.indami»fen abzukürzen, folgende Methoijc
von Poda: Sic beiuht darauf, dalJ der Siedepunkt der zu verdampfenden
Hüssigkeit durch wiederholten Alkoholzusatz erniedrigt wird. .Man l;il>t zu-
nächst den Kot in der rorzellanschale 4 Stunden auf schwachsiedendem
Wasserbade trocknen. Dann versetzt man ihn mit 50 crn^ Alkohol und
verrührt ihn mit einem Glasstab oder Holzspatel. Nach einer Stunde noch-
mals Zusatz von 25 cm^ Alkohol, eventuell noch ein drittes Mal dieselbe
Menge. Auf diese Weise hat der Kot dann noch 2— 5Vo Wasser und lälit
sich schnell l)ei 100'' zur Gewichtskonstanz bringen.
Vorsichtsmaßregeln beim Eindampfen und Trocknen.
Beim Eindampfen können Fehler entstehen dadurch, dali sich aulier
dem Wasser noch andere Substanzen (Fettsäuren, aromatische Substanzen,
Ammoniak) verflüchtigen. Deshalb dampft man von vornherein, um diese
Verluste möglichst niedrig zu gestalten, bei nicht zu liohen Tempei-aturcn
ein. Um NHs-Verluste, die spätere N-Bestimmungeu fehlerhaft machen
könnten, zu vermeiden, verrührt man die feuchten Fäzes vor dem Kin-
dampfen mit einer geringen Menge stark verdünnter Schwefelsäure oder
Weinsäure (P/o) oder gibt ein paar Oxalsäurekristalle zu. Kleine Mengen
feuchten Kotes können zur möglichsten Vermeidung aller Fehlei'quellen im
Exsikkator getrocknet werden. Die Luft im F'xsikkator kann dabei duich
Wasserstoff, Methan und Stickstoff ersetzt werden, auch kann im \akuum
getrocknet werden.
Besondere Vorsicht erfordert die Behandlung stark fetthaltiger Stühle.
Hier erfolge schon das Eindampfen bei niederer Temperatur. Da der
lufttrockene, stark fettige Kot oft grobe Klumpen bildet und sich sehr
schwer pulverisieren läßt, ist es zweckmälüg, den Kot vor dem Eindami'fen
mit einer genau gewogenen, etwa lOfachen Menge gewaschenen und ge-
glühten Seesandes zu vermischen. Hierdurch wird beim Trocknen das Zu-
sammenballen zu großen Klumpen verhindert und das l'ulverisieren des
lufttrockenen Kotes erleichtert. Der Sandzusatz kann auch erst vor der
Pulverung erfolgen. Immerhin läßt sich auch der mit Sand versetzte Fett-
stuhl häufig nicht zu einem Pulver verari)eiten, und man inuli sich <lann
mit einer gröberen Beschaffenheit begnügen und etwaige dadurch Itedingte
Fehler später durch eine größere Zahl von Analysen auszugleichen suchen.
') Äd. Hecht, Die Fäzes des Säuglings und des Kindes. Die Bedeutung und Teclmik
ihrer Untersuchung. S. 8. Berlin und Wien 1910.
336 H. Lohrisch.
Derartigen stark fetthaltigen Stuhl kann man auch nicht bei 100^ trocknen,
da das Fett sich sonst an der Oberfläche des Stuhles ansammelt. Lieber
lasse man solche Stühle 30 — 40 Stunden im Wasserdampftrockenschrank
und wiege dreistündlich bis zur Gewichtskonstanz.
B. Untersuchungsmethoden.
Messung des spezifischen Gewichtes.
Ganz dünnflüssige Fäzes können direkt mit dem Aräometer auf ihr
spezifisches Gewicht geprüft werden.
Eine genauere Prüfung ist die Wägung im Pyknometer. Hierzu
verfährt man nach Ad. Schmidt^} in folgender Weise: Breiige und feste
Fäzes werden in einem bekannten Verhältnisse mit Wasser bis zm^ flüs-
sigen Konsistenz verdünnt und vermischt, wobei alle im Kot enthaltenen
Gasblasen entfernt werden müssen. Die Fäzes müssen frei von makrosko-
pisch erkennbaren Bestandteilen sein, weshalb am besten nur Stuhlgänge
von schlackenfreier Nahrung benutzt werden. Von diesen gleichmäßig ver-
rührten Fäzes werden 10 5^ abgewogen und mit 20 cm^ destilliertem Wasser
unter Vermeidung A'on Verlusten im Mörser fein verrieben und zur Ent-
fernung eventueller Luftblasen eine Zeitlang stehen gelassen. Die Masse
wird dann auf eine Temperatur von 15^ C gebracht, unter sorgfältigem
I'mrühren in das Pyknometer gefüllt und gewogen.
Das spezifische Gewicht = ,
b — a
a = Gewicht des leeren trockenen Pyknometers.
b = Gewicht des mit destilliertem Wasser von L5°C gefüllten Pykno-
meters.
c = Gewicht des mit Fäzesmischung gefüllten Pyknometers.
Hecht 2) erwähnt eine einfache Methode von H. Strauss, die darauf
beruht, daß man in dem oben beschriebenen Strasburg ersehen Meßglase
(S. 232, Fig. 94) das Volumen einer genau gewogenen Menge Kot be-
stimmt. Das spezifische Gewicht = dem Quotienten aus Gewicht und
Volumen.
V. Oefele^) geht folgendermaßen vor: Eine Kotprobe wird in destil-
Uertes Wasser gebracht; bei sinkendem Kot Avird konzentrierte Kochsalz-
lösung, bei schwimmendem Kot absoluter Alkohol zugesetzt, bis die Kot-
menge schwebt. Die Flüssigkeit, in welcher der Kot schwebt, hat das gleiche
spezifische Gewicht wie der betreffende Kot selbst und kann mittelst des
Aräometers untersucht werden.
*) Ad. Schtnidf und J. Strashurger, Die Fäzes des Menschen im normalen und
krankhaften Zustande. S. 109. 2. Aufl. Berlin 1905.
'-) Ad. Hecht, Die Fäzos des Säuglings und des Kindes. Die Bedeutung und Technik
ihrer Untersuchung. S. 12. Berlin und Wien 1910.
*) F. V. Oefele, Technik der chemischen Untersuchung des menschlichen Kotes.
S. 14. Leipzig 1908.
Methoden zur Uutorsucliung der menschlichen Fäzes. 'J,\\i
Die chemische Reaktion der Fäzes.
Dk' eiiifuchslo Methode zur l{e;ikti()iispriit'iin<j besteht darin. thiC man
einen Streifen mit destilliertem Wasser ani^el'cuchteten roten und Idaiu-n
Laekmuspapieres mit dem Kot auf der einen Seite in r.erührun^' ltrin;:t
und auf der anderen Seite den Farhenwechsel beohaehtet. A</. Schmiilt*)
empfiehlt das aus dem reinen Lackmu.sfarbstoff darf?estellte A/.olithmin-
papier.
Die quantitative Prüfung des Säure- oder Alkaligehaltes wird nach
Bl(iuberg-) in folgender Weise ausgeführt: 20 — ÖO// des frischen Kotes werden
mit Wasser gut vermischt; dann wird die lOfache Menge gekochten destil-
lierten Wassers zugesetzt und mit IMienolphtaleinals Indikator und - — Xftrmal-
natronlange oder -j-Normalsalzsäure titriert, wobei gut umgerührt werden muH.
Statt zu titrieren kann man auch neutrales Lackmuspapier tüpfeln. l)ie
Menge der verbrauchten Säure oder Lauge wird für 100 g Kot berechnet
und angegeben.
Bestimmung der Kottrockensubstanz.
Der nach dem auf S. 834 — 3H5 beschriebenen Verfahren lufttrocken
gemachte, pulverisierte und gewogene Kot ist noch nicht wasserfrei. T'in
ihn völlig trocken zu machen, muß er bei hoher Temperatur bis zur (Je-
wichtskonstanz eingetrocknet werden. Dies geschieht so, daß ein kleines
Quantum (einige Gramm) des gut gemischten lufttrockenen Kotpulvers in
einem dicht verschließbaren Wiegegläschen abgewogen und im Trocken-
schrank bei 100—105" getrocknet wird. Das Gläschen mit dem Kote wird
alle 2 — ij Stunden bei aufgesetztem Deckel gewogen, bis Gewichtskonstanz
eingetreten ist. Damit ist die Trocknung des Kotes beendet. Der hieri)ei
ermittelte Wasserverlust + dem \'erluste, der beim Eindampfen entstanden
ist, ergibt den Wassergehalt des feuchten Kotes.
Untersuchung der Fäzes auf N -haltige Bestandteile.
Die X-haltigeu Substanzen, die im Kote vorkoniuieu, sind entweder Nabrnnirs-
reste oder Produkte, die vom Körper selbst stammen. Letztere sind entweder Bestand-
teile der Darrawand selbst oder werden durch die Darmschleimiiaut in den Dann aus-
geschieden.
Makroskopischer, mikroskopischer und inikrocheniisclier Nachweis
N-haltiger Sul)staii/en.
Außer groben, den Fäzes außen anhaftenden, ohne weiteres sicht-
baren Beimengungen von Schleim, Eiter und l'.lnt können eiweißhaltige
') Äd. Schmidt und ./. Stra.iburt/er, Die Fäzes des Mensclien im normalen timl
krankhaften Zustande. S. 106. 2. Aufl. Berlin 1905.
-) M. Blauberg, E.xpcrimentello und kritische Studien liborSäuglingsfazes. b.4:i- 4J.
Berlin 1897.
Abderhalden, llaudbuch der bioclieiiiischeii Arbüitsmethod»'!!. V. 22
338 H. Lohrisch.
Partikelchen makroskopisch nur sichtbar gemacht werden, wenn der Kot
nach Ad. Schmidts Vorgang in der Reibeschale sorgfältig mit Wasser ver-
rieben (so daß keine zusammenhängenden Fäzespartikelchen mehr sichtbar
sind) und auf einer, am besten schwarzen Unterlage (schwarzer Teller.
Makroskopierteller) in dünner Schicht ausgebreitet wird.
Hierzu wird nach Ad. Schmidt '^) in folgender Weise verfahren: Der
ganze Stuhl wird zunächst mit dem Holzspatel gründlich durcheinander
gerührt und davon eine etwa walnußgroße Probe in eine größere Porzellan-
reibeschale von ca. 12 cm Durchmesser gebracht. Hierin wird der Kot mit
dem Pistill, zunächst ohne Wasserzusatz, später unter sehr langsamem Zu-
setzen destillierten Wassers auf das Feinste bis zu dünnflüssiger Konsi-
stenz verrieben. Diese Art der Yerreibung ist für alle makrosko-
pischen Kotuntersuchungen von größter Wichtigkeit. Ganz dünn-
flüssige Fäzes können ohne Verreiben makroskopisch untersucht werden.
Auf dem Makroskopierteller werden dabei von aus der Nahrung
stammenden Eiweißresten sichtbar kleine oder größere weißgraue Binde-
gewebsfetzen. Sehnen- und Knorpelstückchen, kleine Partikelchen elastischen
Gewebes. Fleischstückchen als rotbraune, leicht zerdrückbare und mit der
Nadel teilbare Körnchen, Pieste von zu hart gebratenem Fleisch und zu
scharf gebratenem Ei (Spiegelei), unter Umständen auch Reste von Gehirn
und Leber, Knochen und Gräten. Bei ausschließlicher oder vorwiegender
Milchnahrung finden sich in Säuglingsstühlen nicht selten außen gelbhche,
innen milchig-weiße Kaseingerinnsel. Zu erwähnen sind ferner die Noth-
nagehdiQYi gelben Körner -), die eben an der Grenze der makroskopischen
Erkennbarkeit stehen. Sehr häufig wird man, um die genannten Substanzen
identifizieren zu können, die mikroskopische resp. mikrochemische Unter-
suchung heranziehen müssen.
Bindegewebe erscheint im Mikroskop grobstreifig und undurch-
sichtig und enthält zahlreiche elastische Fasern. Bei Zusatz oO^oiger Essig-
säure verschwindet die Struktur völlig, die elastischen Fasern treten deut-
licher hervor. Kalilauge löst Piindegewebe auf. Bringt man mit der Kali-
lauge etwas Kupfersulfatlösung unter das Deckglas, so kann man an den
Bindegewebsresten häufig eine schöne Biuretreaktion erkennen. Auch die
Xanthoproteinreaktion (Gelbfärbung beim Erwärmen mit konzentrierter
Salpetersäure) gelingt gut, und man kann Bindegewebe dadurch gut von
pflanzlichen Gebilden unterscheiden. Dünne Jodlösung färbt das Bindege-
webe gelb, dünne Eosinlösung rosa. Ganz dünne Bindegev^■ebsflöckchen
können auf schwarzer Unterlage Schleimflöckchen täuschend ähnlich sehen.
Gegen Verwechslungen schützen die genannten Reaktionen, besonders der
Essigsäurezusatz, wobei Schleim im Gegensatz zum Bindegewebe eine aus-
gesprochen fädige Struktur annimmt.
^) Ad. Schmidt, Die Funktionsprüfung des Darmes mittelst der Probekost. S. 15.
2. Aufl. Wiesbaden 1908.
-) Ad. Schmidt und .7. Strashurger, Die Fäzes des Menschen im normalen und
krankhaften Zustande. S. 62—64. 2. Aufl. Berlin 1905.
Mothodon zur Untersuchung clor menschlichen Fäzes. j^;^9
Kleine Fetzen elastischen Gewebes ^eben im Mikroskop das
charakteristische Bild eines Gewirres glänzender Fasern.
Fleischstückchen lassen sich unter dem I)ockf,Mase t^latt zu dünner
Schicht zerdrücken und sind kenntlich an der (in makroskopisch sichtbaren
Stücken immer erhaltenen) Querstreitunj,^ Bei Essi}j;säurezusatz ([uellcn die
Fasern auf und werden strukturlos. Kalilaui>e löst sie. Biuret- und Xantho-
proteinreaktion liehen sie ebenso wie das l}indef?ewebe. Mit Millons
Reagens (= salpetersaures Quecksilberoxydul; Quecksilber wird in dem
gleichen Gewicht Salpetersäure gelöst und mit gleichen Teilen Wasser ver-
dünnt; das Reagons muß stets frisch sein, alte Lösungen kann man durch
Zusatz einiger Tropfen Kaliumnitritlösung auffrischen) erwärmt, findet
Verlust der Struktur und liotfärbung statt. Die Muskelfasern geben nach
Hecht ^) die Eiweißreaktion besonders schön dann, wenn ihnen der Gallen-
farbstoff entzogen worden ist (Hydrobilirubin durch Alkohol, Bilirubin durch
Chloroform). Die von Nothnagel sogenannten gelben Körner, mohnkorn-
große gelblichbraune Gebilde, bestehen mikroskopisch aus kleinen gelben
Schollen, die zuweilen von Schleim umhüllt sind. Nach Ad. Schmidt-) i^'md
auch diese gelben Körner Reste von Muskelstückchen. Kerne sind in den
Fleischresten nur bei Störung der Pankreasfunktion zu finden. Sie sind
sichtbar zu machen durch Färbung mit dünner Methylenblaulösung unter
Essigsäurezusatz.
Die Kaseingerinnsel bestehen mikroskopisch aus netzartig struktu-
rierten Milchresten, in denen sich Schleim-, Fett- und sonstige Kot-
partikelchen finden. Sie geben die genannten Eiweißreaktionen und färben
sich leicht mit Jod und Eosin. Auch die gelben Körner können Kasein
enthalten.
Makroskopisch erkennbare, von der Darmwand stammende eiweiß-
haltige Produkte sind Schleim, Eiter und Blut.
Schleim ist makroskopisch ohne weiteres sichtbar, wenn er in flüssigen
Stuhlgängen in groben Fetzen schwimmt oder (wie bei der Enteritis membra-
nacea) in großen Mengen und groben Bändern und Stücken entleert wird.
Sonst ist zur Sichtbarmachung kleiner Schleimmengen der Kot wie oben
sorgfältig mit Wasser zu verreiben. Auf dunklem Untergrunde sieht man
dann leicht die durchsichtigen, glasigen, größeren und kleineren Schlcim-
flocken. Eventuell muß zur Untersclieidung das Mikroskoj) herangezogen
werden. Hierbei stellt sich der Schleim dar als eine strukturlose oder ganz
schwachstreifige durchsichtige Masse mit Einlagerung von Detritus und
Zellen (Darmepithelien). Auf Zusatz von HO'Voiger Essigsäure wird der
Schleim dichter, undurchsichtig und zeigt eine ausgesprochen streifig-
fädige Struktur, wodurch er sich vom Bindegewebe unterscheidet. Ein
weiteres Unterscheidungsmerkmal des Schleimes gegenüber Bindegewebe
') Ad. Hecht, Die Fäzes des Säuglinjjrs und des Kindes. S. 65. Berlin und
Wien 1910.
-) Ad. Schmidf und .7. Strafthurf/rr, Die Fäzes des Menschen im normalen «nd
krankhaften Zustande. S. G4. 2. Aufl. Berlin l'JO.'i.
9'i*
340 H.L ohrisch.
ist seine Widerstandsfühigkeit gegen Pepsin — H Cl ; Bindegewebe löst sich
in Pepsin — H CI in wenigen Stunden. In zweifelhaften Fällen kann durch
die makroskopische Färbung entschieden werden, ob es sich um Schleim
oder Bindegewebe handelt. Ad. Schmidt^) verfährt dazu folgendermaßen:
Einige Flocken des Schleimes werden in Wasser gut gereinigt und in einem
Pieagenzglase mit 2^j.2''/'oVj^em Sublimatalkohol geschüttelt, um den Schleim
zu härten und größere Flocken zu zerkleinern. Dann läßt man sedimen-
tieren, gießt den Sublimatalkohol ab und füllt destilliertes Wasser auf, das
man mit einigen Tropfen Biondischen Dreifarbengemisches ( Grübler-
Dresden), lg auf oOon^ Wasser, versetzt. Damit Avird umgeschüttelt,
sedimentiert , abgegossen und das Sediment mit destilHertem Wasser ge-
waschen. Schleimflocken färben sich dabei, wenn sie nicht zu zahlreich
oder fetthaltig sind , grün- oder blaugrün, alle anderen tierischen Gewebs-
bestandteile rot. Bei Anstellung der Probe darf die Reaktion des Stuhles
nicht zu weit vom Neutralen abweichen.
Hecht-) hat folgende Färbung zur Differentialdiagnose des Schleims
gegenüber anderen Gebilden als brauchbar gefunden: 2<'/oiges wässeriges
Brillantgrün und P/o^ge Neutralrotlösung werden zu gleichen Teilen ge-
mischt, so daß die Flüssigkeit in der Farbe der Ehrlichschen Triazid-
lösung gleicht. Setzt man nun einen Tropfen dieser Lösung einem
Klümpchen Stuhl auf dem 01)jektträger zu und mischt den Kot mit der Farbe
innig, so färlit sich alsbald die gesamte Stuhlmasse spinatgrün, während
die Flüssigkeit rot wird. Es wird nun ein Filtrierpapierstreifen aufgelegt
und darüber gestrichen, um die überschüssige Flüssigkeit zwischen Deck-
glas und Objektträger auszupressen und abzusaugen. Schon bei schwacher
Vergrößerung sieht man, daß in der grün gefärbten Stuhlmenge der Scheim
fädig ausgefällt und leuchtend rot gefärbt ist. Bindegewebe färbt sich blau-
grün. Zellprotoplasma färbt sich dunkelgrün. Rot färben sich außer dem
Schleim nur noch die Zellkerne und Bakterienleiber, rotviolett die Pflan-
zenzellmembranen. Die Reaktion beruht auf dem sauren Charakter des
Schleimes. Bei stark alkahscher Reaktion des Stuhlganges gelingt sie nicht.
Im allgemeinen ist der Schleim, der aus dem Dickdarm stammt,
grobflockig und enthält viele Epithelien und Rundzellen, welche den Schleim
oft so dicht durchsetzen, daß er direkt weiß aussieht und undurchsichtig
wird. Schleim, der aus dem Dünndarm stammt, tritt in kleinen und
kleinsten Flöckchen auf, enthält wenig Zellen, meist nur spärliche Zell-
kerne und viel Bakterien und ist nicht selten durch Gallenfarbstoff gelb ge-
färbt respektive enthält bei mikroskopischer Betrachtung Bilirubinkristalle.
Die von Nothnagel sogenannten hyalinen Schleiminseln sind
homogene, matt durchscheinende Klümpchen von etwa Askarideneigröße
und meist rundlicher Form. Woraus diese Gebilde* bestehen, ist noch nicht
') Ad. Schmidt und J. Sfrashurc/er, Die Fäzes des Menschen im normalen und krank-
haften Zustande. S. 35. 2. Aufl. Berlin 1905.
-) Ad. Hecht, Die Fäzes des Säuglings und des Kindes. S. 53. Berlin uiul
\Vien 1910.
Methoden zur Uutersucbiui!; der inonscliliclicii I'a/cv ;• ii
bekannt. Sie lassen sicli in lOVnJJ^'C'i' HCl anflüscii. werden durch Essi"-
säure nicht .ucfällt und enthalten nie irj^-endwelche Kinschlüsse. Nach
Äd. Schmidt^) bestehen sie nicht aus Schleim.
Eiter kann dem Stuhi.üaiii:- aul'ien in j^rolier Menp' anhaften. Kleine
Menden sind makroskopisch sichtbar zu machen durch sorfj^fiilti^^'s \'erreiben
des Kotes und Ausbreiten auf schwarzem Teljei-. Hierbei erscheint reiner
Eiter in Form kleiner linsenförmii^ier ^raugelhhcher Häufehen und Trü]ifehen,
die mikroskopisch aus Eiter bestehen.
Blut ist in frischem Zustande makroskopisch und inikroskopi.sch leicht
zu erkennen, schwerer zersetztes Blut. Reichliche Beimengung zersetzten
Blutes macht die bekannte Teerfarbe des Kotes. In zweifelhaften Fällen sind
die chemischen Blutproben heranzuziehen.
Die mikroskopische Untersuchung der Fäzes zeigt Muskelbi-uch-
stticke auch dann, wenn makroskopisch keine Fleischreste zu sehen sind.
Es handelt sich dabei um kleine weißliche und gelbe Stückchen mit rund-
lichen Ecken oder gröbere zusammenhängende gut erhaltene Fasern, die
mit (,)uerstreifung versehen und mikroskopisch wie oben zu identifizieren
sind. Auch Bindegewebsstückchen und elastische Fasern sind
mikroskopisch zu sehen, auch wenn sie makroskopisch nicht sichtbar sind.
Pflanzliche Ei\veißreste sind mikroskopisch erkennbar in Form
der unverdaulichen Kleberzellen des Brotes, die ihren eiweißhaltigen Inhalt
behalten haben. Die Zellwände sind dabei so fest und undurchgängig, daß
es mikrochemisch nicht gelingt, den Zelliuhalt als Eiweiß nachzuweisen.
Abbildungen zu dem \'orstehenden sind bei Ad. Schniidf-) einzuseiien.
( heniischer Naclnveis der N-lialtiiten Substanzen.
liestinimunjJT des Gesamt-N im Kote.
Der Gesamt-N-(iehalt der Fäzes wird nach Kjtldnhl bestimmt. Das
Prinzip dieses Verfahrens ist, sämtlichen N durch Kochen mit konzen-
trierter Schwefelsäure in schwefelsaures Ammoniak überzuführen. Aus diesem
wird das Ammoniak nach Übersättigung mit Lauge durch Destillation au.*;-
getrieben und in Xormalschwefelsäure aufgefangen. Fm die Zerstörung der
organischen Substanzen l)eim Kochen mit Schwefelsäure möglichst zu
fördern, wird Quecksilber oder ein Schwermetalloxyd zugefügt.
Bei diesem Vorfahren wird iiulier tlcni onrnnisclion N auch der als Auiniouiak
schon vorhandene X niitbestimnit. Nicht mitl)esfiinrat wird der N etwa vorliandener Nitrate,
da die Salpetersäure der Nitrate durcli die Schwefelsäure frei wird und heim Kochen
entweicht. Der hierdurch entstellende Fehler ist belanglos, da die MeuL'e etwa vor-
handener Nitrate in den menschlichen Fäzes minimal ist. Zusatz von Benztiesaure neben
der Schwefelsäure ermötrlicht alier ain-li die MitbestimmunL' «lieses N.
') Ad. Schmidt und .7. Strashurcier, Die Fäzes des Menschen im normalen und
krankhaften Zustande. S. 88. 2. Aufl. Berlin l'.lOri.
*) Ad. Üchmidt und J. StrasOiiri/cr, 1. c. Taf. I — \ I.
342 H. Lobrisch.
Benötii^t werden an Reagentien:
Ein Schwofelsiiureffemisch, das aus 3 Teilen reiner konzentrierter und 1 Teil
rauchender H„ SO4 besteht, oder aus 800 reiner, 200 rauchender H„SO^ und 100 Phos-
phorsäureanhydrit. Natronlauge, eine Lösung von 500 r/ Ätznatron in 500 c«*^ Wasser-
Schwefelkaliumlösung 4'0:]00-0. die nach mehrtägigem Stehen zu filtrieren ist. Talk.
Quecksilber. -. -Normal-H^ SO^ und -^ -Normal-NaOH. Cochenilletinktur.
Zur Ausführung werden langhalsige A7e?c^«7i7-Kolben aus hartem Glas und der für
6—8 gleichzeitige Bestimmungen eingerichtete /ye ?(?«/; ?-Destillierapparat mit Kühler be-
nutzt. Das aus dem Destillationskolben abgehende Destillationsrohr muß einen Kugel-
ansatz haben, um das Überspritzen von Lauge zu verhindern. Ebenso muß das in die
Vorlage tauchende Glasrohr eine kugelige Ausbuchtung besitzen, um ein Zurücksaugen
der vorgelegten ILSO4 zu verhüten.
Zur Bestimmung wird der lufttrockene pulverisierte Kot benutzt,
dessen Trockensubstanz bestimmt ist. Von diesem werden zirka 2 g im
Wiegegläschen gewogen und in einen der langhalsigen Zye?c?aÄ/-Kochkolben
gebracht. Das Hineinschütten des pulverförmigen Kotes in den Kolben muß
sehr vorsichtig geschehen , um Verluste und Haften des Kotes im Kolben-
hals zu vermeiden. Man benutzt dazu am besten einen langen, Aveiten, ab-
solut trockenen Glastrichter, der möglichst nahe bis an den Boden des
Kolbens reicht. In diesen schüttet man vorsichtig den Kot hinein und be-
fördert die im Trichter anhaftenden Kotpartikelchen mit Hilfe eines
trockenen Haarpinsels mit langem Stiele bis in den Kolben hinein und
achtet darauf, daß an dem Pinsel nichts hängen bleibt. Man kann den
Kot auch in Stanniolpapier eingewickelt in den Kolben bringen. Nun
übergießt man den Kot mit 20 cni^ des Ho SOi-Gemischs und fügt dazu
einen Tropfen Hg, etwa Olc/»^ am besten mit einer Kapillarpipette ab-
gemessen. Zweckmäßig ist es nun, das Kölbchen zugestöpselt 12 bis
24 Stunden stehen zu lassen, nachdem man vorher gut durchgeschüttelt
hat. Man vermeidet dadurch zu starkes Schäumen beim Kochen. Zum
Kochen setzt man den Kolben schräg geneigt auf ein Sandbad unter den
Abzug, erhitzt erst langsam, um Schäumen und Spritzen zu vermeiden,
dann mit voller Flamme. In einigen Stunden wird der Kolbeninhalt wasser-
hell, A\orauf der Kochprozeß beendet ist. Etwaige beim Kochen durch
Spritzen im Kolbenhalse haftende schwarze Partikelchen spült man durch
vorsichtiges Schütteln und Schwenken der Lösung in den Kolben zurück
und kocht nochmals auf.
Die wasserklare Lösung ist nun verlustlos in den Destillationskolben,
einen zirka V2 ^ fassenden Kochkolben, zu Iningen. Zu diesem Zwecke füllt
man nach Erkalten der Lösung in den Ä^e^t/o /«/-Kolben langsam bOcm^
Aq. dest. zu, schwenkt um und gießt die wieder heißgewordene, jetzt ver-
dünnte Lösung in den Destillationskolben über. Es scheidet sich dabei
etwas Quecksilbersulfat aus, welches bei mehrmaligem Nachspülen in Lösung
geht. Man spült 2 — 3mal nach, so daß man zum Pvcinspülen des Kjeldahl-
Kolbens im ganzen nicht mehr als 200 c;;«!^ Wasser braucht. Hierauf kühlt
man den Kolben unter der Wasserleitung, setzt rasch nacheinander 50 om*
Natronlauge (vorsichtig wegen eventuellen starken Schäumens), iOan^
Methoden zur Uiitersuchuii'' di-r iiunschlicheu Fäzes.
. > 1 •>
Schwefelkaliumlösuni;', einen reicliliclicii Kaffeelöffel Talk und iiochinals
öOcm^ Lauge zu. verschließt sofort, ehe NH3 entweichen kann, mit dem
Destillationsrohr, bringt den Kolben auf das schon vorgewärmte Sand-
bad und lallt nun die Destillation in eine X'orlagc (/•>/<•// ///«"//rr-Kolbeni,
welche mit öOtw»— -Normal-H., SO4 beschickt ist, vor sich gehen.
Der Zusatz von Schwefelkalium hat den Zweck, etwa vorhandenes Qiiecksillter-
amid zu zerlegen und das (^)uecksill)er zu fällen. Durch den Talkzusatz wini starkes
Stoüou der Fliissiirkeit heim Kochen verhindert. Wichti',' ist auch, daU der Destillier-
kolben auf ein vorher schon erhitztes Sandbad gebracht wird. Geschieht die Erwärmung
der Mischung zu laugsam, so erfolgt zuweilen ein rasches Ansaugen der^:— Normal- HjSO^
aus der Vorlage in den Destillationskolben. Erfolirt während der Destillation gelegent-
lich ein derartiges stärkeres Ansaugen, so ist die Erhitzung eventuell noch durch eine
zweite Gasflamme zu verstärken.
Nach 20 Minuten Koch/eit kann man darauf rechnen, dali die
Destillation vollendet ist. Soll dann der Kochprozeli unterbrochen werden,
so öffnet man zunächst den Yerschlull des Destillierkolbens und löscht dann
erst die Flamme. Das in die Vorlage tauchende Rohr wird mit Wasser in
die Vorlage hinein ab- und durchgespült. Hierauf wird mit — -Normal-Na < »H
austitriert, wieviel Kubikzentimeter der vorgelegten H, SO4 durch Ammoniak
gesättigt worden sind. Indikator ist Cochenilletinktur, von der etwa lUcw^
zugegeben werden. Die Menge der gesättigten H., 81)4 = der Zahl der vorge-
legten Kubikzentimeter H, SO^, minus der Zahl der zum Titrieren gebrauchten
Kubikzentimeter Normallauge. Die Zahl der in der verwendeten KotnnMige
enthaltenen Milligramme N erhält man, wenn man die Zahl der durch
NH3 gesättigten Kubikzentimeter —-Normal-Ho SO4 mit 2-s multipliziert
(1 cm^ — -Xormal-NaOH enthält ^Vs "'^ Na OH und entspricht IT-öm// N H3
0
oder 1^5 = 2-8 mg N).
Bei jeder N-Bestimmung ist mindestens eine Kontrollanalyse auszu-
führen. Die N-PJestimmungen können auch mit feuchtem Kote ausireführt
werden. Man vermeidet dabei etwaige beim Trocknen entstehende N 11 .-
^'erluste.
NiU'Jnveis lösHcher und kosigulabler Eiweilikörper in «len Fäzes.
Der Nachweis geschieht im witsserigen Fäzesextrakt. In jedem Stuhlgang findet
sich dabei ein mit Essigsäure in der Ivälte fällbarer Eiweißkörper, das Nuklen-
proteid der Fäzes. Dieses ist, wie alle Nukleine, eine Verbindung von Eiweißk<irporn
mit der Nukleinsäure. Es ist aber kein einlieitlicher Körper, sondern ein (iemisch ver-
schiedener Nukleoproteide und Nukleine. Eine hervorstechende Eigenschaft des FAzes-
nukleoproteids ist seine F'ähigkeit, sich im Essigsäureüberschuß nach vorheriger Aus-
fällung wieder zu lösen. Das Nukleoiuotoid entstammt den Zellkernen, bei deren Zerfall
es frei wird. Das Vorkommen dieses Eiweißkörpers im Kote i-rklärt sich so, daß Zell-
zerfall im Darmkanal jederzeit in ausgedehnter Weise stattfindet, iinlcm sowold mit der
Nahrung eingeführte Zellen verdaut werden als auciv Darmepithelien in großer Vi
degenerieren und zerfallen. Die Nukleoproteide werden zum allerL'rcCti n 1.
344 H. Lohrisch.
Eiweiß und Nukleine gespalten, diese können weiterhin in die Nnkleiubaseu (Puriu-
körper) zerfallen. 'Der Essigsäureuiederschlag besteht aber nicht nur aus den Kuklein-
substanzen, sondern auch aus Muzin und Kasein. Vom Kasein nimmt man an, daß
es im Kote Erwachsener normalerweise nicht vorkommt.
Die Müzine sind Glykoproteide, die bei der Spaltung in einen Eiweißkörper
und ein Kohlehydrat zerfallen. Sie sind im Gegensatz zum Nukleoproteid stets phos-
pborfrei, lösen sieb im Essigsäureüberschuß nicht und spalten beim Kochen mit 7-57oiger
Salzsäure schon nach wenigen bis höchstens 10 Miauten eine stark reduzierende Sub-
stanz ab, während das Nukleoproteid erst nach längerem Kochen eine schwache Reduk-
tion gibt. Nach den spärlichen bisher vorliegenden Untersuchungen kommt Schleim im
normalen Stuhle bei normaler Beschaffenheit der Darmschleimhaut nicht vor, sondern
nur in patliologischen Fällen. Man kann sich im allgemeinen damit begnügen, den
Schleim makroskopisch und mikroskopisch nachzuweisen.
Unter pathologischen Verhältnissen ist der Xuldooproteidgehalt der Fäzes ge-
steigert. Ferner kommt unter pathologischen Verhältnissen in den Fäzes Albumin
vor, welches in der Hauptsache von der Darmwand selbst abstammt (Serumalbumin).
Noch seltener treten Aibumosen auf. Ihr Erscheinen deutet auf eine schwere
Schädigung des Darmes hin, braucht aber nicht in jedem Falle auf Störungen der Re-
sorption von Nahrungseiweiß zu beruhen.
Verfahren nach Schloessmann.'^)
Der {gemeinsame Nachweis des genuinen Eiweißes und
der Aibumosen ist in einwandfreier Weise erst möglich, wenn
das Nukleoproteid entfernt und das nukleoproteidfreie Filtrat
klar ist.
Zur Entfernung des Nukleoproteids benutzt man seine Eigenschaft,
mit dünner Essigsäure auszufüllen. INlau' verwendet nach Schloessmann ^)
SOVoige Essigsäure, muß abei* sehr vorsichtig zusetzen, um einen Über-
schuß von Essigsäure zu vermeiden, in dem sich das Nukleoproteid wieder
lösen könnte. Es kommt also darauf an, das Fällungsmaximum zu treffen,
was bei Übung und Geduld möglich ist. Von der oO^/oigen Essigsäure sind
selbst in Fällen, wo nur geringe Mengen Nukleoproteid vorhanden sind,
immer noch einige Tropfen nötig, ehe das FäUungsmaximum erreicht ist.
Als Hilfsmittel zur sicheren Ermittlung, ob alle fällbare Substanz nieder-
geschlagen ist, empfiehlt Schloessmann^) wiederholtes Filtrieren der Lö-
sung vom Niederschlage. Das Filtrat, welches meist klar oder nur schwach
getrübt ist, wird dann mit wenigen Tropfen 5 — 10"/oigei" Essigsäure ver-
setzt. Entsteht dabei keine weitere Trübung, so ist die x\usfällung be-
endigt.
Tsuchiya^) schlägt hierzu noch folgendes vor: Um die Nukleoprotcide vor An-
stellung der Eiweißprobe möglichst vollständig zu entfernen, was, wie erwähnt, zuweilen
schwierig ist, ist es zweckmäßig, die Reaktion der Flüssigkeit genau mit Lackmus zu
prüfen und bei saurer Reaktion eine kleine, bei neutraler eine mittelgroße, bei alkali-
scher eine große Menge Essigsäure zuzusetzen, so daß die Eudreaktion immer mäßig
^) H.Schloe.ssmann, Über Nachweis und Auftreten gelösten Eiweißes in den Fäzes
Erwachsener. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 60. H. 3 u. 4. 1906. S. 5 des Sep.-Abdr.
") J. Tsuchiya, Über das Auftreten des gelösten Eiweißes in den Fäzes Erwach-
sener und sein Nachweis mittelst der Biuretreaktion. Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Ther.
Bd. 5. 1908. S. 3 des Sep.-Abdr.
Mcthotleu zur L'iitcrsiicliiuii,' der meiischlirbon Fiizos.
345
stark sauer ist. Ferner rät Tsuchij/a^), das Ilydroltiliriiliin nuigliclist reichlich uiib dem
Extrakt zu entfcMiicn, da Ilyilrdliilinibin ziiwcilfii schon allein Binretroaktion üilit, Hicr/ii
soll das lljdroliiliruliin mittelst Chloroform aus dem mit Alkidiol versetzten Extrakt aus-
geschüttelt werden (Alkohol ist nötig, weil Chloroform ohne Alkohol nur sehr wenitr
Farbstoff aufnimmt). Näheres über diese beiden Modifikationen Tsuchii/as siehe
S. 346-H47.
Der Nuklcoprotcidiiiederschlati' mulJ nun alit'iltriort wcnlun. liicr/u
benutzt man nach Schlocssniann'') Filter, die mit Kieseiguhr bestreut sind.
Kieseiguhr ist imstande, feinste Trübungen zurückzuhalten. Doch muH man,
Avie Schloessmann^) zeigte, peinlichst vermeiden, die Extrakte mit Kiesel-
guhr zu schütteln, weil Kieseiguhr wie alle porösen Substanzen imstande
ist, Eiweiß festzuhalten. Schhessmann fand z. B., daß es in einer 0"5%ig<'n
Serumlösung gelang, durch energisches Schütteln mit viel Kieseiguhr alles
Albumin zu binden, so dal) eine Eiweißreaktion im Filtrat nicht mehr zu
erzielen war.
Im einzelnen ist nach Schhessmann -) folgendermalVn zu vor-
fahren :
Die Fäzes (Tagesmenge) werden unter langsamem Zusetzen von
Wasser gut verrieben und weiterhin mit Wasser bis zu ziemlich dünn-
flüssiger Konsistenz (ca. 500 cni^) verdünnt. Einige Stunden stehen lassen.
Filtrieren durch doppeltes Faltenfilter. Trübes Filtrat zur Klärung durch
ein mit wenig reinem Kieseiguhr beschicktes Filter filtrieren. Danach ist
das Filtrat klar. Durch sehr vorsichtigen Zusatz von :>()" Jgt'r Essigsäure
Ausfällen der Nukleoproteide im Ileagenzglase. Die hierltei entstehende
Trübung wird durch doppeltes Filter ein- beziehentlich mehrmals ab-
filtriert.
a) Erhält man dadurch wasserklare Filtrate, so überzeugt man sich
durch Zusatz von wenigen Tropfen 3— ö^/oiger Essigsäure, ob alles Nu-
kleoproteid ausgefällt ist und stellt dann die Eiweißprobe an.
h) Bleiben die Filtrate trüb, so läßt man sie jetzt nochmals durch
ein kleines mit wenig Kieseiguhr bestreutes Filter hindurchgehen und
untersucht in den nunmehr stets klaren Lösungen auf Eiweiß, nachdem
man zuvor die Kontrollprobe auf vollständige Entfernung der Nukleine
gemacht hat.
Die Prüfung des klaren und nnkleoproteidfreien Filtrats auf YA-
weiß wird vorgenommen als Essigsäurekochjjrobe unter Na Cl-Zusatz (bei zu
geringem Salzgehalt der Fäzes wird die Reaktion undeutlich), als Salpeter-
säure-IJingprobe und als Ferrozyankalium])robe. Die Menge des vorhan-
denen Eiweißes kann entweder mit dem /.W^^ttV/schen Beagens oder, wie
neuerdings TsncJtii/a^) vorschlägt, mit einer l%iii:(^» alkoholischen IMios-
phorwolframsäurelösung(Fhosphorwolframsäure FO, Salzsäure frO, OßO/oi^'t^i'
') H. SchlocssDianii, Über Nachweis und Auftreten gelösten EiwiiLies m li.-n 1- ,i/.>
Erwachsener. Zeitschr. f. kliu. Med. Bd. GO. II. 3 u. 4. VXÄ). S. 7 des Scii.-Abdr.
2) //. Schlocsswann, 1. c. S. 9 des Sep.-Alulr.
^) J. Tsuchii/a, Die volumetrische Eiweißl)estimmuuir mittelst der l'iiospbor\\<dl-
ramsäure. Zentralbl. f. innere Med. Nr. 24. S. ÜÜ5— (JUi>. IVtOS.
346 H. Lohrisch.
Alkohol lOO-O) bestimmt werden. Diese Lösung soll vor allen Dingen für
geringe Eiweißmengen genauer arbeiten als das Esbachsche Eeageus.
TsucUya hat dafür besonders geaichte Meßgläschen angegeben.
Um zu unterscheiden, ob der Eiweißniederschlag aus Albumin be-
steht oder ob daneben noch Albumosen vorhanden sind, gibt es folgende
quahtative ünterscheidungsmöghchkeiten (Schloessmann i):
Vorsichtiges und langsames Erwärmen des bei der Ferrozyankaliumprobe ent-
standenen Xiederschlages. Sind Albumosen in der Fällung, so lösen sich dieselben bei
ca. 70° wieder auf und die Trübung schwindet mehr oder weniger. AVeun man nun,
ohne -weiter zu erhitzen, das Reagenzglas rasch abkühlt, so fallen die Albumosen wieder
aus und die Trübung nimmt zu.
Setzt man zu dem vom XukleoiDroteid befreiten klaren Filtrate Salpetersäure im
Überschuß zu, so bleibt ein Eiweißniederschlag bestehen, ein Albumoseniederschlag löst
sich im Überschuß von Salpetersäure wieder.
Die mit Essigsäure stark angesäuerten Lösungen werden zu Ve ilres Yolumens
mit konzentrierter Kochsalzlösung versetzt. Hierbei gibt es schon in der Kälte bei
starkem Eiweißgehalt einen Niederschlag. Löst sich dieser beim Erwärmen, so besteht
er nur aus Albumosen. Sind Alliumin und Albumosen vorhanden, so scheiden sich die
Albumosen aus dem warmen Filtrate der gekochten Mischung beim Erkalten wieder
aus, während Eliweiß auf dem Filter zurückbleibt.
Wie Schloessmann -) bemerkt, werden durch diese :\lbumosenproben
immer nur erheblichere xllbumosenmengen nachgewiesen, so daß also selbst
spurweise Trübungen berücksichtigt werden können.
Erinnert sei hierliei daran, daß das im Filtrat nachweisbare Eiweiß
mit dem unverdauten Nahrungseiweiß in keinem Zusammenhange steht.
Simon^) hat vorgeschlagen, wenn sich beim Abfiltrieren des Xukleoproteids durch
Papierfilter keine klare Lösung erhalten läßt, die Trübung im Überschusse der Essig-
säure wieder zu lösen und dann die Eiweißproben anzustellen. SchJoessrnann*) hat aber
gezeigt, daß sich das wieder gelöste Nukleoproteid durch Ferrozyankalium zum
Teil ausfällen läßt. Mau ist also bei diesem Verfahren Täuschungen ausgesetzt, und
der Ferrozyankaliumniederschlag darf nur dann als Eiweißniederschlag gelten, wenn er
deutlich stärker ist, als es der Nukleoproteidniederschlag war.
Vereinfachtes Verfahren zum gemeinsamen Nachweise von
Albumin und Albumosen mit Hilfe der Biuretreaktion von
Tsuchiya. »)
Das Prinzip der Methode besteht darin, daß man zunächst im wäs-
serigen Fäzesextrakt die Nukleoproteide sich vollkommen niederschlagen
läßt und das Hvdrobilirubin möulichst entfernt. Wenn man alsdann in das
*) E. Schloessmann, Über Nachweis und Auftreten gelösten Eiweißes in den Fäzes
Erwachsener. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 60. H. 3 u. 4. 1906. S. 16 u. 17 des Sep.-Abdr.
^) H. Schloessmann, 1. c. S. 20 des Sep.-Abdr.
^) 0. Simon, Über das Vorkommen und den Nachweis gelöster Eiweißkörper in
den Fäzes. Arch. f. Verdauungskrankheiteu. Bd. 10. H. 3. 1904^^ S. 197—203.
'') H. Schloessmann, 1. c. S. 8 des Sep.-Abdr.
^) J. Tst(chi>/a, Über das Auftreten des gelösten Eiweißes in den Fäzes Erwach-
sener und sein Nachweis mittelst der Biuretreaktion. Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Thcr.
Bd. 5. 1908.
Methoden zur Untersuchung der nicnschlirlion Fäzes. J5^7
SO behaiulelte Fäzesoxtrakt ein kleines Stück Kui)fei-snlfata*,''jir hineinwirft,
quillt dieses nach einiger Zeit auf und saugt die nukleoproteid- und hv<ir()-
bilinibinfreie Flüssigkeit an. Taucht man diesen Kupfersulfatagar sodann
in Natronlauge, so zeigt sich, wenn in den Fäzes gelöstes Eiweiß enthalten
ist, die Biuretreaktion.
Die Herstellunff des Kupfersulfatagars geschieht folgendermaßen: 2 <i Agar-Agar
werden mit 100 cin'^ Wasser in einer Pnrzellanschale gekocht, bis das Ganze irchist ist.
Zu dieser dickflüssigen Lösung Zusatz von 10 cin^ einer 10"/uigpu Kupfersulfatlösung
und Umrühren derselben. Abgießen der Mischung in Glasröhrchen von ungefähr 20 bis
30 cm Länge und 08 — 10 cm Durchmesser. Diese (ilasrohrchen sind vorher an einem
Ende mit einem Kork verschlossen worden. Nachdem die Lösung hineingegossen ist.
verschließt man auch das offene Ende mit einem Kork oder einem metallischen Deckel,
um das Austrocknen zu verhüten. Der Agar läßt sich dann feucht lange Zeit aufbe-
wahren. Zum Gebrauclie schiebt man den Kork auf der einen Seite des Glasnihrcliens
immer weiter in dasselbe hinein, so daß der erstarrte Kupfersulfatagarzylinder auf der
anderen Seite heraustritt, wo man für die Versuche etwa 1 cm dicke Scheiben abschnei-
den kann.
Die Methode wird in folgender Weise ausgeführt: Eine tauheneigrojje
Menge der gut vermischten ganzen Fäzesmenge wird unter Zusatz von
Wasser nochmals verriehen und bis zu ziemlich dünnflüssiger Konsistenz
verdünnt. Von dieser Flüssigkeit gibt man 10 c^w^n einen Porzellanmür.ser
und prüft mit Lackmus genau die Reaktion. Je nach der Art der Reaktion
fügt man mehr oder weniger 10*' o igen Eisessigalkohol (lO'Ocm^ Eisessig:
90 cm» 95%igem Alkohol) dazu, am besten folgendcrmaiien:
bei mäßig saurer Reaktion 0*5 cni^,
bei schwachsaurer oder neutraler Reaktion l'O cm^,
bei schwachalkalischer Reaktion 1'5 cm^,
bei starkalkalischer Reaktion 2*0 — 2-5 cni^.
Nach dem Zusatz von Eisessigalkohol wird die ganze Masse wiederum
gut verrieben. Hierauf setzt man ca. 5 cm^ Chloroform hin/u und verreibt
3mal. Dann gießt man die ganze Flüssigkeit in ein Reagenzglas und liilU
sie stehen. Nach einigen ]\Iinuten sinken die groben Partikelchen des Fäzes-
extraktes zusammen mit dem Chloroform zu Boden, während sich eine
meist hellgelbe, manchmal schwach bräunlichgelbe, feingetrübte Flüssigkeit
oben abscheidet. Diese letztere gießt man in ein zweites Reagenzglas und
wirft ein Scheibchen Kupfersulfatagar hinein. Eine Stunde danach nimmt man
die Agarscheibe heraus und w^äscht sie mit Wasser aus. Ist das Fäzesextrakt
eiweißreich, so behält der Agar zumeist seine schöne tiefblaue Farbe;
wenn Eiweiß nur in Spuren oder gar nicht vorhanden ist. so ist er bräun-
lich-hell] )lau gefärbt. Man schneidet nun ein kleines Stück von dem Scheib-
chen ab und bringt dasselbe in ein Porzellanschälchen oder in eine auf
weißem Papier stehende Glasschale.
Ist in den Fäzes gelöstes F.iweiß vorhanden, so tritt auf Zusatz von
verdünnter Natron- resp. Kalilauge am Pande des Scheiiichens sofort eine
schöne Biuretreaktion von hellvioletter Farbe mit einem Stich ins Blaue
auf. Die ganze Untersuchung kann in 1 ' . Stunden beendet .sein.
348 H. Lohrisch.
Unterscheidung zwischen Nukleoproteid und Muzin.
Hierzu sind die oben erwähnten Eigenschaften des Muzins (frei von
Phosphor, im Essigsäureüherschuß nicht löshch, Abspalten eines reduzieren-
den Körpers beim Kochen mit HCl) zu benutzen. Das Reduktionsvermögen
wird festgestellt, indem mau den auf dem Filter gesammelten Niederschlag
abhebt, mit T'öVoiger HCl im Wasserbad ca. 10 Minuten kocht, filtriert,
kühlt, mit starker Natronlauge alkalisiert, Kupfersulfat zusetzt und
erhitzt.
Um zu entscheiden, ob ein auf Essigsäurezusatz erfolgender Nieder-
schlag P-haltig ist oder nicht , wird in folgender Weise verfahren : Der
Niederschlag wird mit der 30fachen Menge eines Gemisches von 3 Teilen
KNO3 und 1 Teil Na., CO3 geschmolzen, die Schmelzmasse in Wasser ge-
löst, vorsichtig HNO3 zugesetzt, HNO, durch Kochen ausgetrieben und die
Flüssigkeit im Wasserbade eingeengt. Dann wird mit salpetersam-er Lö-
sung von molybdänsaurem Ammonium und Magnesiamixtur gefällt und die
P-Säure als Magnesiumpyrophosphat gewogen {Hecht ^).
Brutschrankprobe nach Äd. Schmidt-) zum Nachweis gelösten
Eiweißes in den Fäzes.
Hierzu wird das Strashurgersche Gärungsröhrchen (Fig. 100, S. 370)
benutzt. In das Grundgefäß kommt von dem gut durchrührten unverdünnten
Kot, dessen Reaktion genau festgestellt wird, eine zirka walnußgroße Por-
tion (bei sehr harten Stühlen weniger, bei weichen mehr, bei flüssigen
füllt man ganz ein), die mit dem Holzspatel und Wasser gut verrührt
Avird. Das Röhrchen wird dann wie bei der Anstellung der Gärungsprobe
(S. 370 — 371) verschlossen und für 24 Stunden bei 37° in den Brutschrank
gebracht. Nach dieser Zeit notiert man die Höhe des durch eventuelles Gas
verdrängten Wassers im Steigrohr, öffnet das Grundgefäß und prüft die
Reaktion seines Inhaltes. Deutlicher Umschlag der Reaktion nach der al-
kalischen Seite, intensiver Fäulnisgeruch, dunklere Färbung des Kotes und
mäßige oder geringe Gasentwicklung zeigen das Vorhandensein einer Ei-
Aveißfäulnis an. Auch hierbei faulen nur vom Darm selbst stammende Ei-
weißkörper, nicht etwa Reste des Nahrungseiweißes.
Nachweis der Albumosen nach Ury.^)
Die Tagesmenge der Fäzes wird mit 2''/oiger Essigsäure verrieben,
dann auf 1 l aufgefüllt und filtriert. Das gesamte Filtrat wird auf 300 bis
400 cm^- eingeengt, mit der gleichen Menge 96Voigeni Alkohol oder etwas
') Ad. Hecht, Die Fäzes des Säuglings und des Kindes. 8.54. Berlin und
Wien 1910.
-) Ad. Sclimidt, Die Funktiouspmfung des Darmes mittelst der Probekost. S. 20 — 21.
2. Aufl. Wiesbaden 1908.
^) H. Vrij, Zur Methodik des Albumosennachweises in den Fäzes. Arcb. f. Ver-
dauungskrankheiten. Bd. 9. H. 3. S. 219—249. 1903.
Methoden zur Lutersucluiug der luenscliliclicii KUzus. \ui
mehr versetzt, jedenfalls so lan^e, bis ein Niederschlag erfolgt. Filtration.
Das Filtrat wird neuerdings stark eingeengt und mit der ^fachen Menge
absolutem Alkohol gefüllt. Der Niederschlag wird mit Alkohol bis zur Farb-
losigkeit des Alkohols ausgewaschen, mit Äther nachgewasch.-n und ver-
rieben. Man extrahiert nun den Niederschlag grinidlich mit wenig (etwa
15 cm-i) warmem Wasser und Kalilauge und filtriert. l)as tief schwarz-
braune Filtrat wird mit H.^O, bis zur Gelbfärbung gekocht und nach dem
Erkalten mit verdünnter Kupfersulfatlösung versetzt. Es tritt dann bei
Anwesenheit von Albumosen Biuretreaktion ein.
Nachweis des verdaulichen Nahriingseiweißes im Kot nach
Ad. Schmidt. 0
Mit den vorstehenden Untersuchungsmethoden werden, wie schon er-
wähnt, nur Eiweißsubstanzen nachgewiesen, die vom Körper resp. von der
Darmschleimhaut selbst stammen.
Schmidt^) hat nun folgendes Verfahren angewendet, um die Mt-nge
des etwa noch vorhandenen verdaulichen Nahrungseiweilies schätzungsweise
bestimmen zu können. Das Prinzip ist das der künstlichen Nachverdamnig
des gereinigten Bodensatzes einer zentrifugierten Kotaufsclnvemmimg. wo-
bei aus dem Sediment alle Eiweilibestandteile verschwinden.
Von der gleichmäßig verrührten Masse des frischen Kotes mißt man
mit dem Strasburfferschen oder Äf loschen Glasrohr (S.;-332, Fig. 95 u. 96) eine
annähernd 0-25(7 Trockensubstanz enthaltende Menge ab. Dieselbe betrögt
bei mittlerer Konsistenz des Kotes durchschnittlich 1 cni^. bei harter etwa
0-8 cm^, bei flüssiger etwa H cni^. Dieses Qu-intum wird mit wenigen
Kubikzentimetern destillierten Wassers in einem (ilas- oder Achatmörser
aufs feinste verrieben und in ein Schleudergiäschen der gewöhnlichen Iland-
zentrifuge mit soviel Wasser gespült, daß das etwa 9—10(^3 fassende
Gläschen bis oben gefüllt ist. Erscheint die Verdünnung für ein schnelles
Zentrifugieren nicht groß genug, so verteilt man den Inhalt auf 2—4 Gläs-
chen, die man alle mit Wasser auffüllt.
Jetzt wird etwa '/o Minute lang zentrifugiert, die trübe Flüssigkeit
vom Bodensatz abgegossen und der letztere durch kräftiges Ausschütteln
mit destilliertem Wasser von neuem aufgeschwemmt. Nach Wiederholung
des Verfahrens wird statt Wasser ()-4"/oit4't' IK'1-Lösung aufgegossen, um-
geschwenkt, ausgeschleudert und dasselbe der Reihe nach mit Alkcthol,
Äther, Alkohol und Wasser wiederholt. Im ganzen wird also siebenmal je
V2 Minute zentrifugiert, wobei der I5odensatz durch sukzessive Lösung
seiner Bestandteile immer mehr abnimmt, so daß die eventuell vorher
geteilten Portionen bald wieder vereinigt werden können. Nachdem das
letzte Wasser vom Bodensatz abgegossen ist, wird er mit 8 c/zH Magensaft
*) Ad. Schmidt und ./. Sfrasbitrf/cr, Die l'iizes des Menschen im nornmlen und
krankhaften Zustande. S. 55— »6. 2. Aufl. Berlin l'.XJö.
350
H. Lohrisch.
Fig. 97.
resp. Pepsin-Salzsäurelösung aufgeschwemmt und in dasMeßgiäschen(Fig.97 1)
gegossen.
Dieses Meßgläschen besitzt dieselbe Länge wie die übrigen Schleuder-
gläschen und an seinem unteren Ende eine 2 cm lange Verjüngung, welche
sich zieraUch scharf an das weitere obere Ende ansetzt. Der lichte Durch-
messer des oberen 6 cw langen Endes beträgt IV2 c>w, der des
unteren Ansatzes O'o cm. Dieser Ansatz trägt eine von unten
ausgehende Millimeterskala (im ganzen 20 mm) und faßt somit
etwa 0-4 cm\ d. h. pro Teilstrich 002 cm^ Flüssigkeit. Das ganze
Röhrchen faßt 8 — 9cm-^
In diesem Meßgläschen wird jetzt nochmals, und zwar
besonders sorgfältig zentrifugiert und die Höhe des Boden-
satzes an der Skala des verdünnten Endes abgelesen. Sollte
dessen Höhe über 20 mm hinausgehen, so verteilt man die auf-
geschüttelte Flüssigkeit auf 2 Gläschen. Nach erneutem gründ-
lichen Aufschütteln wird das Gläschen mit einem gutsitzenden
Stöpsel verschlossen und in den Brutschrank gelegt. Nach
24 Stunden wird es herausgenommen und von neuem zentri-
fugiert. Die Differenz der Bodensatzhöhen vor und nach der
Verdauung gibt den Maßstab für die Menge der verdauten
Eiweißreste (Muskelfasern, Bindegewebe) ab.
Der Magensaft wird am besteio so hergestellt, daß die Schleimliaut eines Schweine-
magens abpräpariert, gehackt und mit bl 0-27oigei' Salzsäure versetzt, kollert, filtriert
und mit 2-5.(/ Thymol versetzt wird. Dieser Magensaft bleibt lange wirksam {Hecht'-).
Qualitativer Nacliweis des Kaseins.
Für den Kaseinnachweis kommen nur Säuglings- und Kiuderfäzes
in Frage. Es wird dabei nach Biedert^) in folgender Weise verfahren:
Die frischen Fäzes Averden zunächst mit destilliertem Wasser und dünnem
Salzwasser, sodann mit sehr verdünnter Salzsäurelösung ausgezogen. Darauf
wird gewöhnliche Natronlauge zugesetzt und filtriert. Im Filtrat fällt diu-ch
Essigsäure ein starker Niederschlag aus. Was sich davon im Überschuß
von Essigsäure löst , ist Kasein (Paranuklein).
Die quantitativen Methoden zum Nachweis des Kaseins sind alle
höchst ungenau.
Biologische Differeuzieruiig der Eiweißkörper im Fäzesextrakt.
In neuerer Zeit hat man versucht, den Nachweis der Abstammung
des Fäzeseiweißes, ob Nahrungseiweiß oder Körpereiweiß, auf biologischem
^) Ad. Schmidt und J. Strasburger, Die Fäzes des Menschen im normalen und
krankhaften Zustande. S. 55. 2. Aufl. Berlin 1905.
-) Ad. Hecht, Die Fäzes des Säuglings und des Kindes. S. 66. Berlin und
Wien 1910.
^) Zit. nach Ad. Schmidt und J. Strashurger , Die Fäzes des Menschen im nor-
malen und krankhaften Zustande. S. 134. 2. Aufl. Berlin 1905.
Metlioili'ii zur rntorsucliuiig der iihiivc1,1;,'1i,.ii t'Uzes. 'V',!
Wege zu erbringen. Sc/iloessmann^) benutzte hier/u Menschen- nnd HühniT-
antiserum vom Fällungsverniöiien 1:25 000. Die lleaktion wiinle in tlen
vom Nukleoproteid befreiten essigsauren Fäzesfiltratcn angestellt, und zwar
wurden Olc//?^ Immunsernm auf 2 nn-^ Fiizesextrakt zugesetzt. Die Priizi-
pitinreaktion mit dem ^lenschenantiserum war immer prompt positiv.
Svhloessmann liomcrkt, daß man mit der praktisclicii Vcrwortuui^ der Ucsultute
dieser biologischen Eiweißproheii in den Fäzes seiir vorsirlitig sein muß. Nach Ihcht^)
hat es keinen Wert, im Stuhl auf biologischem Wege nach Nahrungseiweiß zu faluiden,
denn Hamburger hat gefunden . daß das Eiweiß bereits im Magen seine Arteigenheit
verliert.
Nacliweis der Abbau- uiid Zersetzuiigsproilukte des FiweiUes und
der Nukleinsäuren. Purinbasen und Harnsäure (Alloxnrkörper|.
Der Nachweis der Nukleiue in den Fäzes und ihrer Abbauprodukte,
der Purinbasen (Xanthin, Hypoxanthin, Guanin, Adenin und der Harn-
säure) erfolgt nach Krüger und Schittenhclm'-^- *) in folgender Weise : Die
ganze frische Tagesmeuge der Fäzes wird mit 1 — 2 /Wasser, dem 1.") bis
20 cm^ konzentrierter H., SO^ zugesetzt sind, zirka o Stunden über freier
Flamme am Rückfluükühler erhitzt. Diese Fäzesabkochung wird mit Na-
tronlauge alkalisch und dann mit 10 — 20 0)1"^ Eisessig sauer gemacht und
auf dem Wasserbad während kurzer Zeit erhitzt, wobei man lOg Oxal-
säure zusetzt, um den Kalk auszufällen. Nach dem Erkalten füllt mau auf
1500— 3000 cw^ auf und filtriert durch ein trockenes Faltenfilter. Ist der
Niederschlag sehr massig, so muß man ihn mit heijjem Wasser vom
Filter spritzen, in einer essigsauren Lösung von Natriumazetat aus-
schwemmen, erwärmen, filtrieren und die Filtrate vereinigen. Ein Teil des
Filtrats , etwa ')QOciit^, wird in einem Kollieu mit Natronlauge alkalisch
gemacht, Natriumbisulfitlösung (auf 100 cy;^^ Filtrat lOcni'^) hinzugefügt nnd
zum Kochen erhitzt. Dann fügt man ebensoviel 10" „ige Kupfersulfatlösung
hinzu und hält die Flüssigkeit noch durch einige Minuten im Sieden. Der
entstehende flockige Niederschlag, der die Kupferoxydulverbiuduugen der
Purinkörper (Harnsäure und Purinbasen) enthält, wird auf ein Falten-
filter gebracht, ausgewaschen und mit dem Filter in einen l-'ällungskolbeu
zurückgebracht. Man fügt zirka 200cm» Wasser hinzu, schüttelt kräftig
durch, erhitzt zum Sieden und fügt eine Na.^ S-Lösung hinzu (die man durch
Einleiten von Ho S in eine l"/oige Natronlauge hergestellt Imti so Inn-e. bi<
') IL Schloessmann , Über Nachweis und Auftreten gelösten Eiweißes iu den
Fäzes Erwachsener. Zeitschr. f. Iclin. Medizin. Bd. (»0. 11. 'i uud 4. 19()(;. S. l'.t und 20
des Sep.-Abdr.
'-) Ad. Hecht, Die Fäzes des Säuglings uiul des Kindes. S. 70. Rorli» und
Wien 1910.
') Zit. nacli Ad. Hecht , lUe Fäzes des Säuglings und drs i\iiii v -.47—48.
Berlin uud Wieu 1910.
*) A. Schittenhelm, Die Purinkörper der Fäzes uebst Untersuchungon nber die
Purinbasen der Darmwand, der Gallo und des Pankreassaftes. Deutsches Archiv f. klio.
Medizin. Bd. 81. H. 5 und 0. S. 427-429. 1904.
352 H. Lohrisch.
Bleiazetatpapier deutlich gebräunt wird. Man kocht noch einige Minuten,
säuert mit lOVoig^^' Essigsäure an und erhitzt noch weiter, bis das
Schwefelkupfer sich zusammenballt. Tritt dies nicht ein und klärt sich die
über dem Niederschlag stehende Flüssigkeit nicht genügend, so ge-
nügt stets die Zugabe von 5 — 10 cm^ gesättigter Aluminiumazetat-
lösung, um nach kurzem Aufkochen eine absolute Klärung zu er-
zielen. Der Niederschlag wird nun abfiltriert. Er muß jedoch, um Verluste
zu vermeiden, nach dem ersten Abfiltrieren nochmals mit Wasser aus-
gekocht und abgesaugt werden. Die vereinigten Filtrate werden unter Zu-
satz von 10 cm^ 10"/oiger Salzsäure zur Trockne gebracht und der die
Purinbasen enthaltende Trockenrückstand mit öcm^ Salzsäure und etwas
Wasser in der Wärme versetzt. Nach dem Erkalten filtriert man von dem
geringen Rückstande, der sich in braunen Flocken ausgeschieden hat, ab,
wäscht mehrmals mit Wasser und kann nun die Purinbasen nach der
Kupfer- oder Silberfällungsmethode bestimmen.
Kupferfällungsmethode: Man erhitzt das Filtrat zum Sieden, macht
es mit Ammoniak schwach alkalisch, fügt 10 cni^ Natriumbisulfitlösung
und 10cm3 Kupfersulfat hinzu, erhält o Minuten im Sieden, filtriert durch
ein Faltenfilter aus schwedischem Papier, wäscht mit heißem Wasser nach
und bestimmt den Stickstoff nach Kjeldahl.
Silberfällungsmethode: Das Filtrat wird mit Ammoniak schwach
alkahsch gemacht und mit l{)cm'^ ammoniakalischer Silberlösung und 20 cm^
lOVoigem^'Ha versetzt. Nun fügt man 10 c^/^» ßVoigf'r Dinatriumphosphat-
lösung und 5 cm- einer Magnesiaraischung hinzu, wodurch sich ein Nieder-
schlag von phosphorsaurer Ammoniakmagnesia bildet. Hierdurch wird das
Absetzen des Niederschlages begünstigt und die Filtration des Silbernieder-
schlages beschleunigt. Nach zweistündigem Stehen filtriert man den Nieder-
schlag ab, wäscht ihn ammoniakfrei, spritzt ihn mit heißem Wasser in
einen runden Kolben, vertreibt das Ammoniak durch Magnesia usta-Zusatz,
kocht und bestimmt den Stickstoff der zurückbleibenden Silberverbindungen
der Purinbasen nach Kjeldahl.
Der geringe bräunliche Filterrückstand enthält die etwa in den Fäzes
enthaltene Harnsäure und dient zum Nachweis derselben (typische Kri-
stalle, Murexidprobe). Ist das Vorhandensein von Harnsäure erwiesen, so
kann die Menge derselben durch direkte Wägung oder durch Berechnung
aus dem Stickstoffgehalt l)estimnit werden.
Reindarstellung der Nukleinsubstanzen nach Micko.^)
10 (/ pulverisierter Trockenkot werden mit 200 cm^ 2-5Voi8em Salz-
säurealkohol 20 Stunden stehen gelassen, dann filtriert. Das salzsaure
Filtrat enthält keine nennenswerten Mengen organisch gebundenen Phos-
phors. Der Filterrückstand wird mit 100 cm^ 2-5o/oigem Salzsäurealkohol,
') Zit. nach H. Ury, Zur Methodik der Fäkaluntersuchuiigen. Deutsche med.
Wochenschr. Nr. 41. S. 722. 1901.
Methoden zur T'iitorsiicluinir der iiicusclilichcn Filzes. ;.jr,u
sodann mit Alkohol bis zur pjitfärhun^- dv^^ Filtr.itos f?ew,ischon. l>;imi
wird er mit 2-r)Voiger wässeriger Salzsäure nochmals <i:riindlich oxtraliicrt
und bis zur Chlorfreiheit ausgewaschen. Der feuchte lUickstand wird in
einem Melikolben mit 100 om^ l"/,jiger 8odalösung übergössen, aufs Vohimen
2dO cm^ gebracht, gut durchgeschüttelt, 20 Stunden stehen gelassen und
dann filtriert. Von dem alkalischen Filtrate werden l^xw^ mit H)r„i^
2-b°io'iS<^'i' liC\ versetzt: Trübung durch Ausfall der Xukleinsubstanzen. Zu-
satz von weiteren 2cm^ 2'ö''/üi"er HCl, sodann von 10()o>r' '.•(;" jir<-m
Alkohol. Mäßig reichlicher flockiger Niederschlag. Filtration, Trocknung.
AVägung.
Bestimmung des Nukleinphosphors.
Zur Bestimmung des Nukleinphosphors im Kote empfiehlt Hirlit ')
nach Kossei zu verfahren: 2 — ög fein gepulverten Kotes werden in einer
Porzellanschale 3— 4mal mit 100 cni/^ Alkohol auf dem Wasserbade ge-
kocht, vom Alkohol wird abfiltriert. Der Kot wird dann im Soxhietapparat
mit Äther extrahiert und trocken mit 10 — 20 rm^ 20%is:t'r Salzsäure ver-
rieben. Hierauf werden bis SOcnt^ 20Voi."'Pi' Sabcsäure und nach 12 l»is
20 Stunden locm^ lO'Yoig^i' Tanninlösung zugefügt. Es wird umgerührt
und durch ein aschefreies Filter abfiltriert. Sodann erfolgt Waschen des
Rückstandes mit Salzsäure und tanninhaltigem Wasser, bis größere Filtrat-
mengen keine IM^iCaktion mehr geben. Nun wird das Filter getrocknet,
mit Alkohol und Äther gewaschen, getrocknet und sodann die feuchte
P-Bestimmung nach Neutnann ausgeführt. Dazu werden 20c)n^ Kjeldahl-
schwefelsäure mit 15 — 20^ Ammoniumnitrat allmählich eingetragen. Dann
wird mit molybdänsaurem Ammonium und Magnesiamixtur gefällt und aus
der pyrophosphorsauren Magnesia der P berechnet.
Nach TJry '-) läßt sich der Nukleinphosphor durch Extraktion der
Fäzes mit V2VoiS'6r Natronlauge erhalten. Die Tagesmenge Kot wird mit
V2%ig6r Natronlauge gründlich extrahiert, auf das \'olumen 1000 c/»' ge-
bracht und filtriert. \00 cm^ des Filtrats werden zur Sirupskonsistenz ein-
gedickt, alsdann unter Zusatz von 20 g Salpetermischung geschmolzen, die
Schmelze in Wasser gelöst und darin in der üiilichcn Weise der 1' bi»-
stimmt. Es läßt sich dabei allerdings nicht vermeiden, dal» auch kleine
Mengen anorganischen Phosphors mit ins Filtrat übergehen.
Indol, Skatol, Phenole, Oxysäureii.
Der qualitative Nachweis dieser Fäulnisprodukte wird in folgender
Weise ausgeführt (zitiert nach Ad. Schmidt^):
') Ad. Hecht, Die Fäzes des Säuglings und des Kindes. S. 31— 32. Berlin und
Wien 1910.
'-) H. Urij, Zur Methodik der Fäkaluutersuchuugcn. Unit^clir iiumI Worhenschr.
Xr. 41. S. 722. 1901.
^) Ad. Schmidt und J. Slrashurfjn-, Die Fäzes des iMniselien im noriDiilon und
kraukhaften Zustande. S. 143-144. 2. Aufl. Berlin lUÜö.
Abderhaldon , Handbuch d«M- liinibi'niischon Arbeitsiiu'tlmdi'n. V. 23
354 H. Lobrisch.
Die Fäzes werden mit Wasser zu dünnem Brei verrieben und der dritte
Teil des Volumens abdestilliert. Dieses Destillat I enthält Indol. Skatol,
Phenole und freie Fettsäuren. Destillat I wird mit Natriumkarbonat
übersättigt und zum zweiten Male destilliert, wobei die Fettsäuren an
Natrium gebunden zurückbleiben. Dieses neue Destillat II enthält Indol,
Skatol und Phenole, wird mit Ätzkali stark alkahsch gemacht und
wiederum destilliert, wobei die Phenole zurückbleiben. Das neue Destillat III
enthält Indol und Skatol. Die im DestiUat II zurückgebliebenen Phenole
werden nach Ansäuern des Rückstandes mit Schwefelsäure abdestilliert
und im Destillat IV nachgewiesen.
Der von der 1. Destillation zurückgebliebene Fäzesrückstand wird
mit Schwefelsäure angesäuert , eventuell eingeengt und mit mehreren Por-
tionen Äther ausgeschüttelt , das ätherische Extrakt Avird abgedampft, der
Rückstand mit etwas Wasser aufgenommen und darin mit Millons Reagens
auf die Anwesenheit von Oxy säuren geprüft. Der Nachweis von Oxysäuren
ist erbracht, wenn nach Zusatz von Millons Reagens unter Erwärmung
Rotfärbung auftritt.
Nachweis der Phenole (Destillat IV): Rotfärbung oder roter Nieder-
schlag beim Kochen mit Millons Reagens.
Violette bis blauschwarze Färbung einer vollkommen neutralen Lösung
durch einige Tropfen verdünnter Eisenchloridlösung.
Bromwasserzusatz gibt milchige Trübung und dann einen Niederschlag
von gelbweißen seideglänzenden Nadeln oder Flocken von Tribromphenol.
Nachweis von Indol und Skatol im Destillat III.
Indol: Auf Zusatz einiger Tropfen Salpetersäure, die etwas salpetrige
Säure enthält, Rotfärbung.
Auf Zusatz von Nitroprussidnatriumlösung und Natronlauge tiefe
violettblaue Färbung, die auf Zusatz von Eisessig rein blau wird.
Ein mit starker Salzsäure befeuchteter Fichtenspahn wird durch al-
koholische Indollösung kirschrot gefärbt.
Skatol: Auf Zusatz von salpetrige Säure enthaltender Salpetersäure
weißUche Trübung.
Auf Zusatz von Nitroprussidnatriumlösung intensive Gelbfärbung, auf
Zusatz von 1/2 Volumen Eisessig nach Kochen allmählich eintretende Violett-
färbung.
In konzentrierter Salzsäure löst sich Skatol mit Violettfärbmm-.
^&*
Quantitativer Indol nach weis.
In den Fäzes ist vorwiegend Indol vorhanden, weniger Skatol. Zum
quantitativen (und auch qualitativen) Nachweis des Indols dient das Ehr-
lichsche Dimethvlamidobenzaldehvd. Nach ^Id Schmidt^) und Bnuin-
*) Ad. Schmidt, Über den Nacbweis uud die Bestimmimg des Indols in den Fäzes
mittelst der Ehrlichscheu Dimethylamidobenzaldehydreaktion. Müncbeuer med. Wochen-
scbrift. 190:3. Nr. 17. S. 721—722.
I
Methoden zur L'ntersuchuug der iiieiisclili<li«'ii Fäzes. 355
stark^) gibt eine TV/oige alkoholische Lösung' dos l'J/ulichsvlmi Kcai^'oiis
unter Zusatz von konzentrierter Salzsäure mit Indoilösiinjjen eine rote, mit
SkatoUösungen eine blaue Färbung von anlicrordentliclicr Intensität. l)ie
Spektren der durch das Reagens gebildeten Farbstoffe sind charakteri-
stisch: Das Indol zeigt einen Streifen zwischen I) und A'. bei I) be^'innend,
das Skatol zwei Streifen, einen an Stelle des Indolstreifens und einen zweiten
zwischen C und B. Skatol kann in den Fäzese.xtrakten nur an dem zweiten
Streifen erkannt werden. Die Dlaufärbung des Skatols schwindet bei der
lleaktion vollständig gegenüber der llotfärbung durch Indol.
Baumstark hat durch das Extinktionsverfahren festgestellt, dali 1 an*
einer IndoUösung von o nif/ auf 1000 «»3 absoluten Alkohol y> rm^ absoluten
Alkohol zur Verdünnung braucht, um den Absorptionsstreifen gerade noch
sichtbar zu lassen. Diese Testlösung benutzt Baumstark -) zu folij-endt-r
schatzungsweisegenauenquantitativenBestimmungdesIndolgehaltesderFiiy.es:
Je nach der Konsistenz der Stühle werden 2'5 — 8 g oder bei flüssigen
Stühlen 10 g Fäzes abgewogen und mit 40 cm^ absolutem .\lkohol so lange
verrieben, bis keine gröberen Fäzespartikelchen mehr erkennbai* sind. Nach
kurzem Stehenlassen wird durch ein nasses Filter filtriert. Dei- Filterrück-
stand gibt nun keinen positiven Ausfall der Reaktion mehr, ein Reweis,
daß alles Ridol extrahiert ist. Zu 10 cm^ des Filtrats werden 1 cm'^ Khrlich-
sches Reagens und 1 cm^ konzentrierte Salzsäure tropfenweise zugeführt
und 10 Minuten laug tüchtig geschüttelt. Von dieser je nach Ausfall der
Reaktion rosaroten bis dunkelroten Lösung wird 1 cm^ so lange verdünnt,
bis der Absorptionsstreifen gerade noch sichtbar ist (Taschenspektroskop).
Alle Verdünnungen müssen inReagenzgiäschen von derselben Weite geschehen.
Je 1 an^ der oben erwähnten Testlösung und der zu untersuchenden
Stuhlreaktion sind nun mittelst des Extinktionsverfahrens auf dieselbe
Konzentration gebracht und können deshalb in einer (ileichung zusammen-
gestellt werden. In derselben ist Menge und Indolgehalt der Testlösung
und Menge der verdünnten Stuhlprobe bekannt.
Berechnung: Ist x— der gesuchten ludoluienge der zur Roaktiim heuutzton
10 nii^ des Stuhlfiltrats und y = der Summe aus dem zur Verdüunuug benutzten 1 cm*
der Reaktion + der nötigen Verdünnungsflüssigkeit, so lautet die für jede Ber.'cli-
nuug gültige P\)rmel x — OÜUOUlö X y.
Diese Berechnung ergibt sich aus folgendem: In 1(X)0 c//i ' der Testlösung ist
O005 Indol enthalten, in 1 cm^ demnach 0(X)OOO.J Indol.
Dieser eine Kubikzentimeter ist mit 3 c;«' verdünnt, so daÜ die Mentre von
0000005 Indol in 4 cw' aufgelost ist. Dies ist die Testlösung. In 1 cm' derselben ist
, 0000005 , , ,
üann - — -. Indol.
\) R. Baumstark, Bestimmungen der Fäulnisprodukte im Urin und in den Fäzes
mit Benutzung der EhrlichschQn Aldeiiydreaktion. Münchener med. Wochcnschr. 1903.
Nr. 17. S. 722-72:5.
'-) Ji. ßauni.stark, \er\vcrtung der A7ii7/r/»schen I)imetiiylamidol>enzaldchydro.ik-
tion für eine quantitative Indolprobe in den Fäzes nebst Untersucbuiigen über die
Eiweißfäulnis im Darme. Archiv für Verdauungskrankheiten. Rd. 9 II. li. S. iü4— 2f»ö.
1903.
23»
356 H. Lohrisch.
Ist nuu X = der gesuchten Indolmenge der 10 cm^ Stuhlfiltrat, die zur Her-
stellung der Probe benutzt \Yurden. und v = der Menge der verdünnten Probe, in der
1 c»i^ der 10 zur Reaktion benutzten Kubikzentimeter des Stuhlfiltrats enthalten ist,
j- r. 1 0000005 X 12 X y , ,^ , ., t t. ,
so lautet die Formel x = ;; . und zwar 12mal, weil die Probe von
10 cm^, von der 1 cm^ verdünnt wurde, nach der Ausführung der Reaktion auf 12 cm^
12
angewachsen ist. Nach Ausrechnung der Division —— und der Multiplikation 0"000005x 3
resultiert die Formel x = 0000015 X y.
Es erübrigt dann noch die ■weitere Ausrechnung des Indolgehaltes der täglichen
Stuhlmeuge.
Bei der Extraktion der Fäzes mit Alkoliol geht Urobilin mit über.
Der Absorptionsstreifen desselben stört bei der oben genannten Verdün-
nung nicht. Da das Urobilinogen (Hydrobilirubinogen) die gleiche Reaktion
wie Indol gibt, so ist vor Anstellung der Probe darauf zu achten, daß
dieser Körper entfernt wird. Das kann durch Überführung in Hydrobili-
rubin mittelst Jodtinktur oder Chlorzink oder durch Ausschütteln mit
Petroläther geschehen {Äd. Schmidt ^).
V. Moraczewski 2) hält die quantitative Indolbestimnmng mit Hilfe
einer Xitroverl)indung des Indols für exakter als die BaumstarJcsche Me-
thode. Er verfährt folgendermaßen: 30 — 40 g Kot bei fester Konsistenz
(entsprechend mehr bei flüssiger, jedoch nie mehr als 100 g) werden in
einem IbOO c»i^ fassenden Kolben mit 700 cwi^ Wasser versetzt und daraus
unter Anwendung eines Deflegmators für stark schäumende Flüssigkeiten
500 cm^ abdestiUiert. Da die Fäzes meist schwach alkalisch reagieren, so ist
kein Zusatz von Alkalien erforderhch. Ein Zusatz von Säuren führt zu
Verlusten, obgleich das Kochen dabei entschieden ruhiger verläuft. Das
Schäumen der Flüssigkeit kann durch sorgfältiges Überwachen der Flamme,
besonders beim Beginn des Kochens, in Grenzen gehalten werden.
Von den 500 cvi,^ des Destillates werden nach gutem Umschütteln
150 cni^ genommen, mit 10 Tropfen konzentrierter Schwefelsäure und 1 g
Kieseiguhr versetzt, kräftig geschüttelt und klar filtriert. In dem Filtrat
erzeugen 2 — 8 Tropfen einer 27ooi§'en Xatriumnitritlösung eine Rosafär-
bung, welche nach 2 — 3 Stunden ihren Höhepunkt erreicht hat.
Die so gewonnene Lösung wird mit einer Stammlösung im Kolori-
meter von Woljf^) verglichen. Die Stammlösung wird folgendermaßen be-
reitet: 1 cm3 lo/oiger IndoUösung (ir«A/6aM7/?-Berlin) wird in 500 cm^ Wasser
genau gelöst, davon 5 cm^ abpipettiert und in einen Meßkolben mit zehn
Tropfen Schwefelsäure und 2 — 5 Tropfen Xatriumnitritlösung versetzt und
auf 100 cm^^ aufgefüllt. Jeder Kubikzentimeter enthält 0-000002 Indol. Mit
der Stammlösung werden die 100 cm.'^ des Destillates verglichen und von
^) Ad. Schmidt und J. Strasburger, Die Fäzes des Menschen im normalen und
krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 145. Berlin 1905.
-) W. i\ Moraczewski, Über den Mangel von Relation zwischen Harnindikan und
Kotindol. Archiv für Yerdauungskrankheiten. Bd. 14. S. 375—381. 1908.
^) G. und //. Kriiss, Spektralanalyse und Kolorimetrie. S. 17. Leipzig und Ham-
burg 1891.
Methoden zur Untersuchung der menschlichen Fäzes. J\r^"7
der zu prüfeiKlon Lösiin"- so laiifre ab<?egos.sen , bis die l'ariiciiiuieusitilt
auf beiden Gesichtsfeldern gleich ist.
Leuziu und T.yro.sin. ' -)
Diese Aiuinosiiuren sind sowohl Produkte der fermentativen Eiweißverdauung als
auch der hakteriellen Eiweißzersetzung. Sie erscheinen in den Fäzes nur luiter patlmlo-
gischen Verhältnissen.
Zum Nachweis stellt man ein alkoholisches Extrakt der vorher
mit Äther entfetteten Fäzes her, filtriert, dampft ein und löst den Rück-
stand in kochendem Wasser. In dem Rückstände kristallisieren beim Ein-
dampfen die Kristalle von Leuzin und Tyrosin aus.
Oder man kann den mit Wasser wieder aufgenommenen Rückstand
des alkoholischen p]xtraktes mit Bleiazetat versetzen, das überschüssige
Blei mit Hg 8 entfernen und bis zur Trockne eindampfen. Aus dem Rück-
stande wird mit heißem Alkohol das Leuzin und mit heißem Wasser das
Tyrosin extrahiert.
Das Leuzin kristallisiert in den bekannten runden Kugeln und KnolltMi.
zersetzt sich gegen 297" (korr.). Am einfachsten ist der Nachweis des Leuzins
als Leuzinkupfer durch Zusatz einer kochenden Lösung von Kupferazetat zur
kochenden wässerigen Leuzinlösung oder indem man eine konzentrierte Lö-
sung von Leuzin und Kupferchlorid vorsichtig mit Barytwasser versetzt. Es
fallen l)laßblaue rhombische Tafeln aus, die im Wasser sehr schwer, in Methyl-
alkohol unlöslich sind. Tyrosin kristallisiert in den lickannten Nadcl-
büschen. Es färbt sich, mit Millons lleagens erwärmt, rot. Erwärmt man
etwas trockenes Tyrosin mit etwas konzentrierter Ho^O^ in einem Ehr-
glase auf dem Wasserbade Va Stunde, verdünnt die erkaltete Lösung mit
Wasser, neutralisiert mit Baryumkarbonat, filtriert und dampft ein. so
enthält dann die Flüssigkeit Tyrosinsulfosäure und gibt auf Zusatz von
etwas säurefreiem Eisenchlorid prachtvolle Violettfärl)ung.
Aniuioniak.
Bei reichUcher Anwesenheit von Ammoniak in den Fäzes kann man
unter Umständen schon durch den Geruch einer wässerigen leicht er-
wärmten Fäzesaufschwemmung und die Blaufärbung eines darüber gehal-
tenen roten Lackmuspapieres freies Ammoniak nachweisen.
Quantitative Bestimmung. Am geeignetsten ist die von /vV/Vy^r
mi^ Beich^) angegebene Methode zur l'estiinmung des llarnaninioniaks.
^) Ad. Schmidt, Die Fäzes des Menschen im nnrnmlcn und krankhaften Zustande.
2. Aufl. S. 141-142. Berlin 1905.
^) Ad. Uecht, Die Fäzes des Säuglings und des Kindes. S. 73—74. Berlin und
Wien 1910.
3; M. Krüger und O. h'eich. Zur Methodik der Bestinunung des Ammoniaks im
Harne. Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 39. H. 2. S. 1(55-182. 1903.
358 H. Lohrisch.
die von Schittcnhehn i) für die Untersuchung der Fäzes modifiziert wor-
den ist.
Krüger und. Beich'-) haben dazu folgenden Apparat angegeben: Ein ca. 1/ fassen-
der Destillationsrundkolben ist mit einem doppelt durchbohrten Kautschukstopfen ver-
sehen. Die eine Bohrung geht in eine nach unten verengerte, in die Flüssigkeit tau-
chende Röhre, welche an ihrem äußeren rechtwinklig abgebogenen Ende mit einem
dickwandigen Kautschukschlauch und Klemme versehen ist. Die andere Bohrung nimmt
eine Überleitungsröhre auf, welche mit dem einen Schenkel einer dreikugligen Peligot-
schen Röhre verbunden ist. Die Peligotröhre dient als Vorlage und befindet sich in
einem Gefäß mit Eiswasser. Der zweite Schenkel der Peligotröhre besitzt ebenfalls einen
Kautschukstöpsel, durch dessen Bohrung ein kugel- oder birnenförmiger Destillierauf-
satz (wie bei der ÄjfWß/fZ-Bestimmung) geht. Das freie Ende des Aufsatzes ist durch
einen dickwandigen Gummischlauch, der durch Quetschhahn geschlossen werden kann,
mit einer Tro»//"schen Flasche verbunden, deren zwei weitere Tuben einerseits mit
einem Manometer, andrerseits mit einer Wasserstrahlpumpe in Verbindung stehen. Der
Destillationskolben taucht etwa bis zu Vs ^'^ ^^"^ Wasserbad ein. Die Methode von
KriU/er und Reich beruht also auf dem Prinzip der Vakuumdestillation.
Die Bestimmung wird so ausgeführt 3), daß zunächst die Peligotröhre
mit 10 — oO cm^ —-Normalsalzsäure gefüllt wird, der man als Indikator
einige Tropfen einer P/oigen alkoholischen Rosolsäurelösung zusetzt. Dann
füllt man den Destillationskolben mit 25 — bOcni^ der aufs feinste mit
i/gO/oiger Salzsäure verriebenen und auf ein bestimmtes Volumen aufge-
füllten Fäzes und gibt im Destillationskolben ca. 10 g Natriumchlorid und
darauf soviel Natriumkarbonat zu, bis deutliche alkalische Reaktion vor-
handen ist. Hierzu genügt meist 1 g. Hierauf wird der Kolben ins Wasser-
bad gesetzt und mit der gefüllten Peligotröhre verbunden. An den zweiten
Schenkel der Peligotröhre wird die Wasserstrahlpumpe angeschlossen. Nun
wird sofort so gut wie möglich evakuiert. Sobald das Vakuum den höchsten
Grad erreicht hat, werden durch den am Kolben angebrachten Quetschhahn
ca. 20 crn^ Alkohol zugegeben und nun das Wasserbad auf eine Tempe-
ratur von ca. 43" gebracht. In der Folge gibt man von 10 zu 10 Minuten
15^20 cm^ Alkohol auf dieselbe Weise zu, eventuell auch noch 10 — 15 cm^
Wasser, falls die Flüssigkeit zu rasch eindampft. Zum Schlüsse werden
zur Verjagung der Wassertropfen in der Überleitungsröhre nochmals
10 cm^ Alkohol zugegeben. Nach 30 — 40 Minuten ist die Bestimmung zu
Ende geführt. Es wird nun durch den Quetschhahn die Wasserstrahlpumpe
von der Peügotröhre abgeschlossen und darauf durch vorsichtiges Öffnen
des am Destillationskolben angebrachten Quetschhahus die Luft langsam
zum Einströmen gebracht. Die Temperatur des Wasserbades soll 43 — 44"
nicht übersteigen. Danach spült man den Inhalt der Peligotröhre in ein
Becherglas und titriert mit -rr-Normalnatronlauge zurück. Der Farben-
^) A. Schittenhelm, Zur Methodik der Ammoniakbestimmung. Zeitschr. f. phys.
Chem. Bd. 39. H. 1. S. 72—80. 1903.
-) M. Krüger und 0. Reich, Zur Methodik der Bestimmung des Ammoniaks im
Harne. Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 39. H. 2. S. 170—171. 1903. (Abbildung.)
^) A. Schittenhelm, 1. c. S. 76—78.
Methoden zur Untersuchuug der meiischlichon Filzes. 350
Wechsel der Rosolsiiurc heim Übergan^^e von saurer zu alkalischer Reak-
tion und uniiiekehrf ist sehr scharf, offenbar infol^^e der Anwesenheit von
Alkohol.
Die Anzahl der zur Neutralisation des Ammoniak verbrauchten Kubik-
zentimeter — -Xormalsäure multipliziert mit l'T jzibt die Monpe von Am-
moniak in Milligramm an. welche in der zur Destillation verwendeten PVizcs-
menge enthalten war. Multii)likation mit l-i statt IT gibt die Menge von
Ammoniakstickstoff in Milligramm an.
Die Hakterienwäj;ung: nach Strashnrü:er.
Zu den stickstoffhaltigen Fäzesbestandteilen gehbren auch die Bak-
terien,
Das Prinzip der Strasburc/ersvhen ') Methode zur Feststellung der
Bakterienmengen in den Fäzes ist folgendes: Verreibt man die Fäzes mit
Wasser und zentrifugiert die Aufschwemmung, so sammeln sich die grö-
beren Teile am Boden an, die Bakterien bleiben dagegen, da sie annähernd
dasselbe spezifische tiewicht wie die Flüssigkeit haben, suspendiert. (Jiedt
man nun diese Flüssigkeit ab, macht sie durch reichlichen Zusatz von Al-
kohol leichter und zentrifugiert von neuem, so erhalt man jetzt die Bak-
terien als Sediment. Die Bakterien werden getrocknet und gewogen. (Jeht
mau dabei von einer bestimmten Menge Material aus mit t)ekanntein (ie-
halt an Trockensubstanz , so kann man berechnen , wieviel Prozent der
Trockensubstanz aus Bakterien bestehen bzw. wieviel von trockenen Bak-
terien an einem Tage mit den Fäzes entleert werden.
Die ursprüngliche Strashurf/ersche Methode ist von Berycr und
TsucJiiya^) und von Khrcnpfordt '^) in einigen Punkten abgeändert wor-
den, wodurch genauere Resultate erzielt werden.
Es wird daher die SfrasburCj/ersche Methode mit den Modifikationen
der genannten Autoren zweckmäßig in folgender Weise ausgeführt:
Zur Untersuchung gelangt stets die ganze Stuhlmenge von 24 Stun-
den. Sofort nach der Entleerung kommen die Stühle in den Eisschrank
und bleiben hier bis zum Beginne der sobald wie möglich vorgenommenen
Untersuchung. Es ist wichtig, zur Untersuchung Stühle von möglichst
gleichmäßiger Konsistenz zu verwenden, um ein e.\aktes Abmessen zu er-
möglichen. Es werden daher die festen Stühle, nachdem sie gut durchge-
rührt und ihr Volumen in dem Strasburgcr?.chen Glase (Fig. 04. S. :-i:i2)
') J. Strasburger, Untorsiiclmngen iilu-r die Bakterieiiiiieiigc in incnsclilicln'» l"a/.<'s.
Zeitschr. f. kliu. Med.' Bd. 4«. H. h u. 6. S. (5-10 des Sep.-.Vbdr.
") Fr. Berger und J. Tsurhii/a, Untersuchungen iilier die Hakterienmonge der
Fäzes unter nonnalcMi und [latlinlogischen Verliältnissen und ihre Hei'infliissnnL' thirrh
Caloiuel und Wasserstut'lsuijeru.x^d. /eitschr. f. exp. I'athoh>i:ie u. IMicniiuc. IM 7. M '2.
S. 438-440. 1910.
•') M. FJirenpfordt , Kritik der Strasliitri/irscUvu \ViiLniui:sinetli(»il«' dti Kotluk-
terien hinsiclitlich ilirer absoluten Werte. Zeitsrlir. f. e.xp. l'atliol. u. 'llu-r. IM 7 M ''
S. 4.J5— 4Gü. I'JIO.
360 H. Lohrisch.
festgestellt worden ist, mit der Hälfte ihres Volumens, sehr harte Stühle mit
dem gleichen Volumen Wasser verdünnt und zu einer breiartigen Beschaffen-
heit verrieben. Das Volumen dünnbreiiger und flüssiger Stühle kann direkt
in weiten Glasmeßzylindern gemessen werden. Auch sie werden sorgfältig
verrieben, um eine gleichmäßige Verteilung aller Bestandteile zu erhalten.
Ein kleiner für die Untersuchung speziell bestimmter Teil der so vorbe-
reiteten Stuhlmasse wird nun in einem kleinen Porzellanmörser noch ein-
mal aufs feinste verrieben. Von dieser Masse werden alsdann im Meß-
zylinder bestimmte Mengen, welche 2 cm^ der ursprünglichen Stühle ent-
sprechen müssen (von normal konsistenten Stuhlgängen gewöhnlich 3 cm^;
von Stühlen, die sehr hart waren und infolgedessen, wie oben erwähnt,
mit dem gleichen Volumen Wasser verrieben wurden, 4cm^: von dünn-
flüssigen Stühlen dagegen mehr, bis zu 10 cm^), abgemessen und zur Be-
stimmung der Trockensubstanz, eine zweite ebenso abgemessene Portion
zur Bestimmung der Bakterienmenge verwendet. Zur Trockensubstanzbe-
stimmung wird die abgewogene Kotmenge in einem Abdampfschälchen mit
der gleichen oder doppelten Menge Alkohol verrührt, auf dem Wasserbade
lufttrocken gemacht und im Trockenschrank oder Exsikkator bis zur Ge-
wichtskonstanz getrocknet. Die zur Bakterienwägung abgemessene Kotmenge,
die also 2 cm^ des ursprünglichen Kotes enthält, wird nun mit 40 cm^
O'öVfliger HCl gut verrieben und mit geringer Kraft 5 Minuten lang
mittelst elektrischer Zentrifuge bei 1500 Umdrehungen pro Minute aus-
geschleudert. Die über dem Bodensatz befindliche trübe bakterienhaltige
Flüssigkeit wird abgesaugt und in einen Meßzylinder gegossen, der Boden-
satz erneut mit Salzsäurelösung verrieben resp. im Zentrifugenglas mit
Salzsäure vermischt und ausgiebig durchgeschüttelt, wieder in derselben
Weise wie oben zentrifugiert (5 Minuten, 1500 Umdrehungen) und dieses
Verfahren etwa 5 — 6mal, selten noch ein 7. Mal wiederholt, bis die Flüssig-
keit nach dem Zentrifugieren fast klar ist. Um eine möglichst gute und
gleichmäßig verteilte Bakterienaufschwemmung zu erhalten und das Zu-
sammenbacken von Bakterienhäufchen tunlichst zu vermeiden, raten Berger
und Tsuchiya, möglichst große Flüssigkeitsmengen zu verwenden, so daß
am Schlüsse der wiederholten Ausschleuderungen mindestens 200, meist
sogar 250 — 3U0 cm^ salzsaurer bakterienhaltiger Flüssigkeit im ZyUnder
enthalten sind. Nun wird die ganze Flüssigkeit nochmals, und zwar kräftig
(5 Minuten, 2000 Umdrehungen) in einzelnen Portionen ausgeschleudert.
Der hierbei erhaltene, manchmal noch recht beträchtliche Bodensatz zeigt
mikroskopisch neben sonstigen Fäzesbestandteilen noch ziemlich reichliche
Bakterienhäufchen. Der Bodensatz wird deshalb nochmals mit Salzsäure-
lösung versetzt, durchgeschüttelt und ausgeschleudert (5 Minuten, 1500 Um-
drehungen pro Minute). In dem nunmehr sich ergebenden Bodensatze sind
kaum noch Bakterien nachzuweisen. Die gesamte Bakterienaufschwemmung
wird jetzt mit 96"/oigem Alkohol in gleicher Menge versetzt, über 24 Stun-
den auf dem Wasserbade bei 40^ C unter mehrmals erneutem Alkoholzu-
satz auf etwa bQ cm'^ eingeengt, alsdann nochmals mit 96°/ui8'em Alkohol
Methoilcu zur Untersiicliun;.' di-r moiiscliliclinn Filzes. ;j»;i
versetzt und mit i>Toijor (Jeschwindinkcit ö Minuten lan;.,' aus^'cschlcudort.
Die nun den Bodensatz bildenden IJakterien werden schließlich mit aliso-
lutem Alkohol auspewasehen. Hierauf wiril mit Atlicr entfettet. Zu diesem
Zwecke wird das Zentrifujieniilas mit einem Oiimmikork verschlossen.
Strasburr/cT^) empfiehlt, da der Kork leicht al»si)rin<rt und dadnn-h \er-
luste eintreten kömien. durchbohrte (iummikorke zu verwenden und das
Loch des Pfropfens erst nach dem Aufsetzen mit einem (dasstabe zu ver-
schließen (Sato'^) rät, Korkpfropfen zum Verschluß zu nehmen, da der
Äther den (Jummi angreife). Die so verschlossenen riläschen werden zur
Entfettung 24 Stunden schräg hingelegt. Dann wird der Äther abgegos.sen,
der Bodensatz mit Alkohol in ein gewogenes Schälchen gebracht . abge-
dampft, getrocknet und gewogen. Die P)erechnung ist nach Stroshun/t r^)
folgende: Bekannt ist das Oewicht der Trockensubstanz (a) von '2 nn>
frischem Kot und das Trockengewicht der Bakterien (b) in einer ebenso
großen Portion. Wird der Prozentgehalt des trockenen Kotes an trockenen
Bakterien mit x bezeichnet, so ist x = . Um die Gesamtmenge der
a
Bakterien in 24 Stunden zu finden, wird das \'olumen des frischen Tages-
kotes (c) (Durchschnitt aus 3 Tagen) bestimmt. Das Gewicht der trockenen,
in einem Tage entleerten Bakterien ist dann — . c.
Ehrenpfordt*) empfiehlt, daß der Untersucher in allen EinzeUiestiminunuren pein-
lichst genau die obige Methodik einhält, besonders immer gleiche AnsschlciidiTungszcit
und Umdrehungszahl beilieliiilt. um vergleichbare Resultate zu erhalten. Kiirentlich
müßte nach Ehrenpfordt zunächst jcd(>r Untorsucher einiire NormalstiUilc venirlteitfu
und seine übrigen Werte dann in Beziehung zu den gefundenen Normalwerton setzen.
denn die Werte, die die einzelnen Autoren mit der niclit oder weniir modifizierten
Strasbiir (/ersehen Methode erzielt hal)cn, gehen noch sehr auseinander.
Zum Absaugen der bakterienhaltigen salzsauren Flüssigkeit und zu-
letzt des Alkohols über dem Bodensatz hat Stnishurcjer '>) eine gut funk-
tionierende Saugvorrichtung angegeben (Fig. 98).
Erforderlich sind zwei Spritzflaschen, deren Gummipfropfen jeder 3 Durch-
bohrungen aufweist. Durch das erste Loch geht ein Glasrohr bis beinahe auf den (inind
eines jeden Gefäßes und ist außen scliräg abgebogen. Das zweite Loch trägt ein kurzes
Piöhrclien. Durch einen (nnnmischlauch von etwa 2.5 c»« Länge siml difse Hnlircheu
beider Flaschen miteinander verbunden. In einem Stativ ist die eine Flasche mit der
Mündung nach unten befestigt, die andere Flasche stellt unter ihr. Das dritte Loch
*) Ad. Schmidt und J. Strashnrger, Die Fäzes des Menschen im normalen und
krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 2;38. Anmerkunir 3. Berlin 190.").
-) 7'5. Sato, Über die Bestimmuniren der BakterienmenL'e in den Fäzes des Men-
schen. Zeitsclir. f. exp. Pathol. u. Ther. B.l. 7. 11. 1. S. 4H2. l'.tlU.
«) Ad. Schmidt und J. Strasburger, 1. c. S. 258-259.
*) M. Ehrenpfordt. Kritik der Sfrasbiiri/i r^chou \Väguii<:smetlniiien dor Kotliak-
terien hinsichtlich ihrer absoluten Werte. Zeitsclir. f. e.xp. raflinl. u. 'I'lior. Bd. 7. 11 2.
S. 465. 1910.
^) J. Strashnrger, UntersucliuiiL'en über die Bakteriiiimenu'e in den menscblKlicu
Fäzes. Zeitschr. f. klin. Medizin. Bil. W. H. ;'> und t». S. 9 des Sep.-Al'dr.
362
H. Lohrisch.
der oberen Flasche ist durch einen Glasstab verschlossen, das der unteren Flasche bleibt
offen. Das obere Gefäß wird mit Wasser gefüllt. Öffnet man jetzt die bei a angebrachte
Schlauchklemme, so läuft Wasser in das untere Gefäß, dessen Luft durch das offene
Loch im Stopfen entweicht. Durch das Rohr h wird Luft eingesaugt. Dieses Rohr bringt
man nun noch in Verbindung mit einem Gefäß, in welches die bakterienhaltige Flüssig-
keit hineingesaugt werden soll. Letzteres trägt einen mit zugespitztem Glasrohre und
Klemme versehenen Schlauch c. Bei Benutzung des Apparates wird erst die Klemme a
geöffnet, dann das Eöhrchen bei c zum Absaugen benutzt, wobei die dort befindliche
Klemme eine genaue Regulierung der Geschwindigkeit erlaubt. Ist die obere Flasche
leer gelaufen, so wird der Schlauch h
abgenommen, an das entsprechende Rohr Fig- 98- Fig. 99.
der unteren Flasche befestigt, desgleichen
das Glasstäbchen, welches das dritte Loch
im Pfropfen verschließt, ausgetauscht und
man braucht nur noch die beiden Flaschen
umzuwechseln , um von neuem ansaugen
zu können.
Einfacher und ebenso zweck-
mäßig scheint die von Sato'^) an-
gegebene mit Gummiballon armierte
Absaugpipette (Fig. 99) zu sein.
Um die Bakterien aus stark
fetthaltigen Stühlen zu isoheren,
setzt Strasburger '-) der ersten Stuhl-
emulsion Alkohol und Äther zu
gleichen Teilen zu und bringt dieses Gemisch, nachdem es gründUch verrieben
worden ist, in das Zentrifugenglas. Beim Ausschleudern bilden sich drei
Schichten , zu oberst die alkoholisch-ätherische Fettlösung , dann folgt die
bakterienhaltige Mittelschicht und endlich ein Bodensatz. Die Mittelschicht
wird abgesaugt; zu dem Rückstände kann man noch etwas Alkohol und
Äther zusetzen, ihn verreiben und nochmals zentrif ugieren , worauf man
die gesamte alkoholisch-ätherische Fettlösung absaugt und weggießt. Der
*) Ts. Sato, Über die Bestimmungen der Bakterienmenge in den Fäzes des
Menschen. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therapie. B. 7. H. 2. S. 431. 1910.
^) J. Strasbtirf/er , Untersuchungen über die Baktorienmenge in den menschlichen
Fäzes. Zeitschr. f. klin. Medizin. Bd. 46. H. 5 u. 6. S. 21 des Sep.-Abdr.
Methoden zur Unteisiicluiiig der ineiisclilic-heii Fäzes. ;^»j;.»
Bodensatz wird (hmn wie oben weiter verarbeitet. Die ;ihf,'esauj,'t»' Mittel-
schicht muß natürlich den später ahj;o<,^ossenen baktericidialti^r,.,, nussig-
keiten zuiiefügt werden.
Gefärbte Bakterien p r ä parate.
Die Mikrooriianismon müssen von den üliritron Kothestandteilcti >:ctrciint wfrd.-n.
Hierzu wird ähnlich verfahren, wie bei der i>/ra>ihiir;/(r>c\n'\i Baktoricnwa^rnnt:. .Mau
verreibt eine kleine E'äzesmenge, etwa von der Größe einer halben Erbse, mit einigen
Kubikzentimetern Wasser, zentrifuiriert und gießt dann vom IJodensatze die trübe Flüssig-
keit ab, verdünnt einen Teil derselben mit 2 Teilen Ü6" „igem Alkohol und zentrifugiert
von neuem. Von dem jetzt erhaltenen bakterienhaltigen Bodensatze bringt man eine
kleine Menge auf den Objektträger, läßt die Flüssigkeit ablaufen und verfeilt die
Bakterien in gleichmäßiger Sehicht auf den Objektträger, indem man einen zweiten
0])jcktträger aufdeckt und von dem ersten abzieht. Es entsteht so eine sehr feine gleich-
mäßige Schicht, welche über der Flamme fixiert wird. Zur Färbung kommen iu Be-
tracht Lö/Jicrs Methylenl)lau. zehnfach verdünnte wässerige L<isung von Karbidfuchsin,
das ZiVA/sche Karliolfiichsiu zum >i'achweise von Tuberkelbazillen, starke Lu(/»l>c\\e
Lösung (Jod l'O, Jodkali 2'0, Aqua dest. SO'O) zur Färbung granulosebaltiger Pilze.
Um ein tjbersichtsbild über die Kotflora zu bekommen, eignet sich sehr gut die
Färbung nach Weigert-Escheridi,^), eine modifizierte GramfürliuiiLr. Hierzu benötigt
man: Gentianaviolettlösung (2 g Gentianaviolett werden mit 2CMJ r;//' A(|ua dest. eine
halbe Stunde gekocht und filtriert; die Lösung ist lange haltbar); Anilinalkohol (11 cm*
Alk. absol. werden mit Sc/«' Anilimil gemischt); Lxf/ohcho Lösung; Anilinölxybd zu
gleichen Teilen; reines Xylol. Man mischt die Gentianaviolettlösung mit dem Anilinöl-
alkohol im Verhältnis vonSVo^tVo) färbt damit eine halbe Minute und tupft mit Fließ-
papier ab. Dann bringt man LugolschQ Lösung auf den Objektträger und tupft gleich
wieder ab. Dann läßt man Anilincilxylol auftropfen und wieder aliflieüen so lansre, bis
keine blaue Farbe mehr abgegeben wird, spült zum Schluß einmal mit reinem Xybd
ab und trocknet. Zur Nachfärbung dient schwache wässerige Fuchsinlösung oder eine
mit gleichen Teilen Alkohol aI)solut. versetzte konzentrierte alknh<dische FuchsinlösunL'.
die mau über das Präparat laufen läßt und sofort mit reichlich Wasser alispült. Man
sieht im Präparat blau und rot gefärbte Bakterien. Über die Deutung dieser Bilder vgl.
Strasburger'-) und Conibe^).
Der Nachweis von Fett in den Fäzes.
Die Fette der menschlichen Fäzes sind in der Hauptsache die höheren unlöslichen
Fettsäuren, d.h. Gemische von Öl-, Palmitin- und Stearinsäure und deren Salze (P'ett-
seifen) und Glyzerinester (Neutralfette). Weniger für die menschlichen Fäzes kommen
in Betracht die flüchtigen Fettsäuren und die fettähnlicbcn Ktü-per (I.ipoide: Chole-
stearin , Lezithin).
Makroskopischer, niikroskopisclier und inikroclu inix-Inr Nachweis
von Fett.
Jeder Stuhl enthält Fett. Bei abnorm ^n'oller Fettaiisscheidunir ist da.s
Fett im Kot makroskopisch oft ohne weiteres erkennbar (tontarbii^cr Fett-
>) Zitiert nach .7. Strashurgcr: Äd. Schmidt und ./. Straxliurgrr, Die Fii7.cs dos
Menschen im normalen und krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 2(il. IJerlin 191).'».
-) Ad. Schmidt und .7. Strashurgcr, Die Fäzes de^ Mcnsclim im norni;ilen und
krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 265-279.
*) A. Combe, Die intestinale Autointoxikation und ilire Hchandlunir. CltorseUtt
von C. WegeJe. S. 145—147. Stuttgart 1909.
364 H. Lohrisch.
stuhl ; flüssiges an der Luft erstarrendes Neutralfett). Geringere Grade von
Fettstühlen erkennt man an der lehm artigen salbigen Konsistenz der
Fäzes und der helleren Farbe. In seltenen Fällen (bei starken Diarrhöen)
kommen nach Ad. Schmidt^) kleine weißgelbliche weiche Fettklümpchen
vor, die im Mikroskop als Fett zu identifizieren sind.
Neutralfett erscheint im mikroskopischen Präparat in Form matt-
glänzender, unregelmäßig begrenzter Schollen und Platten und in Form
von meist gelbhch gefärbten Tropfen. Die Tropfen sind ohne weiteres als
Neutralfett anzusprechen. Die Schollen können durch Erhitzen zum Schmelzen
und Zusammenfließen gebracht werden und erstarren beim Abkühlen wieder
zu undurchsichtigen Schollen. Das Neutralfett ist unlöslich in Wasser, wenig
löslich in kaltem Alkohol, leicht löshch in Äther, Chloroform und heißem
Alkohol. Mit Uberosmium säure färbt sich Neutralfett gelbbraun bis schwarz,
mit alkoholischer Lösung von Sudan III rot.
Die freien höheren Fettsäuren erscheinen im Stuhl zum Teil als
unregelmäßige Schollen , die meist kleiner und kompakter sind als die
NeutraUettschollen, oder in Form der bekannten langen, dünn geschwungenen,
spitz auslaufenden, ungefärbten Fettsäurenadeln. Mikrochemisch unterscheiden
sie sich vom Neutralfette dadurch, daß sie in kaltem Alkohol leicht löslich
sind. Osmium und Sudan färben die Nadeln nicht, wohl aber die Schollen.
Seifen kommen ebenfalls als Schollen und als Kristalle vor. Die
Schollen sind undurchsichtig, meist eckig begrenzt, größer und kleiner,
leicht zerbrechlich, von kristallinischem Bruch. Zum Teil sind sie hellgelb
bis gelbbraun gefärbt (Nothnagels gelbe Kalksalze = fettsaurer Kalk). Zum
Teil sind die Kalkseifen ungefärbt . weiß. Eine andere Form der Seifen
sind die Yon Ad. Schmidt'^) beschriebenen ..Kringelformen", ..runde Gebilde
mit erhabenem Kande und vertieftem Zentrum. Sie haben bei oberfläch-
licher Betrachtung große Ähnlichkeit mit Bandwurmeiern, die noch dadurch
erhöht wird, daß der Ptand manchmal eine feine radiäre Strichelung zeigt,
auch im Zentrum findet sich bei einigen kristallinische Zeichnung. Sie sind
nicht immer wohlausgebildet, sondern häufig zerbröckelt und kommen
farblos oder gelb gefärbt vor".
Die Seifenkristalle sind ungefärbte Nadeln, die kürzer, plumper,
dicker und weniger spitz sind als die Fettsäurenadeln und oft in Form
von Drusen und Büscheln auftreten.
Die meisten der Schollen, Kringel und Nadeln sind Kalkseifen. Nach-
weis : Erwärmung des mit H, SO4 versetzten mikroskopischen Präparates.
Die Seifen sind dann verschwunden ; nach dem Erkalten treten Gipskristalle
in Form feiner Spieße und langgezogener Rhomben auf.
Einfaches Erwärmen löst die Seifen nicht. Beim Erhitzen eines mit
30°/oiger Essigsäure innig vermischten Fäzespartikelchens auf dem Objekt-
M Ad. Schmidt, Die Fuuktionsprüfung des Darmes mittelst der Probekost.
2. Aufl. S. 16. Wiesbaden 1908.
-) Ad. Schmidt und J. Strasburg/er , Die Fäzes des Menschen im normalen und
krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 67. Berlin 1905.
Mothoileii zur Untcrsuchiuig der nienschliclicii Filzes. ;-jg5
träger bei aufgelegtem Deckglas schinelzen die Seifen zu FeHsaun-tropfon,
die mikroskopisch gut zu sehen sind und heim Krkaltcn rasch mit einem
Kuck zu undurchsichtigen Schollen erstarren. Siiurcn, Alkalien und .Vmmoniak
^virken auf die Seifen in der Kälte nicht ein. Ebensowenig wirken lösend
heißes Wasser, Äther und Alkohol. Durch Osmiumsäure und Sudan findet
keine Färbung statt.
Um alle ,') Formen des Fettes durch Färbung gleichzeitig differen-
zieren zu können, soll ein hei Hecht '^) zitiertes, von Jakohson angegebenes
Verfahren geeignet sein: Das Stuhlpriiparat wird auf dem Oiijektträger
mit einer verdünnten Karholfuchsinlösung (4—0 Tropfen Karbolfnchsin auf
ein Reagenzglas xV([ua dest.) behandelt. Mit dieser Lösung färben sich die
Neutralfetttröpfchen nicht, die Seifen färben sich rosa, die freien Fett-
säuren aber leuchtend rot. Auf diese Weise gelingt es, Tröpfchen, die
ätherlöslich sind und die Färbung mit Osmium annehmen , die man also
für Neutralfett gehalten hätte, als freie Fettsäuren zu erkennen. Jakobson
fand diese lleaktion besonders in pathologischen Säuglingskoten. Halit hält
die Reaktion nich<: für beweisend zur Diagnose eines ausschlielilich aus
freier Säure bestehenden Tröpfchens.
Der chemisclie Nac.lnveis des Fettes.
Der chemische Nachweis des Fettes ergibt sich zum Teil aus den
vorstehenden mikrochemischen Reaktionen.
Ganz grob ist die Anwesenheit von Fett zu demonstrieren, wenn man
die Fäzes mit Äther verreibt und einige Tropfen des abgehobenen Äthers auf
Fließpapier verdunsten läßt; es hinterbleibt ein mit Wasser nicht zu ent-
fernender Fettfleck. P'erner ist zum einfachen chemischen Nachweis des
Fettes im Stuhl das oben beschriebene mikroskopische Kssigsäurepräparat
(Kochen mit Essigsäure) geeignet, in dem man nach dem Erhitzen die
Fettsäuretröpfchen sehr schön sehen kann.
Bestimmung der Gesamtfettmenge als Gesaratätherextrakt.
Die Fette Averden mit Äther im Soxhletapparat extrahiert, lin
alles Fett zu bekommen, ist es nötig, vorher die mit Äther nicht extra-
hierbaren Seifen zu spalten. Dies geschieht folgendermaben : Eine größere
Quantität der in der früher geschilderten Weise lufttrocken gemachten
pulverisierten Fäzes wird in einem PorzellanschiUchen mit Poigen» H^'l-
Alkohol Übergossen und verrührt und auf dem Wasserbade zur Trockne
eingedampft. Hierbei ist öfter umzurühren und gut zu mischen, da sich
bei sehr fetthaltigen Stühlen das Fett gern an der Oberfläche und an der
Wand der Schale ansammelt. Darauf wird wieder pulverisiert und luft-
trocken gemacht. Zur Extraktion werden Proben von 2~:^<| des gespaltenen
Kotes im Wiegegläschen abgewogen und in die zur Extraktion nötige l'ajiier-
patrone gebracht. F^xtrahiert wird drei Tage lang mit wasserfreiem Äther
^) Ad. Hecht, Die Fiizos des Säuglings und dos Kindes. S. ll'.i. Uerliii und
AVieii 1910.
;^gg H. Lohrisch.
auf dem Wasserbade, welches zweckmäßiger Weise durch GKihlampen er-
wärmt wird. Das in dem untersten Kolben des Apparates angesammelte
Ätherextrakt wird eingedampft, wieder mit Äther aufgenommen und in
ein kleines gewogenes Becherglas filtriert, woliei das Filter sorgfältig mit
Äther auszuwaschen ist. Das Filtrat wird eingedampft. Etwa im (xlase noch
vorhandene Ätherdämpfe werden durch P^inblasen von Luft mittelst eines
Glasrohres in das mit der Öffnung nach unten gehaltene Glas entfernt.
Dann wird im Exsikkator über Hg SO4 getrocknet und gewogen. Stets sind
1 — 2 Kontrollanalysen auszuführen.
Man erhält auf diese Weise das Gesamtätherextrakt.
Rosenfeld ^) empfiehlt zur Bestimmung des Gesamtätherextraktes
folgende kürzere Methode: Die wie oben mit HCl-Alkohol gespaltenen Fäzes
werden in der Papierpatrone eine halbe Stunde lang in Alkohol in einem
Becherglase auf dem Wasserbade ausgekocht. Nach Trocknen der Patrone
^1rd sie oben zugebunden und 6 Stunden im Soxhletapparat mit Chloro-
form extrahiert. Alkoholextrakt und Chloroformextrakt werden jedes für
sich zur Trockene eingedampft, mit Äther wieder aufgenommen, wie oben
filtriert und die Filtrate vereinigt.
In dem Gesamtätherextrakt sind auch die flüchtigen Fettsäuren
(deren Nachweis s. S. 386 und 387) und die Lipoide enthalten. Für die
Zwecke der gewöhnlichen Fäzesanalyse sind diese geringfügigen Bei-
mengungen unwesenthch. Wenn Wert darauf gelegt wird, diese Substanzen
zu vermeiden, können sie entfernt v;erden.
Die Entfernung der flüchtigen Fettsäuren aus dem Ge-
samtätherextrakt geschieht durch Auswaschen des Extraktes mit heißem
Wasser. Man gießt etwas heißes Wasser auf das trockene Extrakt, schwenkt
öfters um und filtriert durch ein kleines glattes Filter, auf welchem etwaige
von dem Wasser mit aufgenommene Fetttropfen zurückbleiben. Diese Pro-
zedur wird häufig wiederholt. Hierauf werden das Bechergläschen mit dem
Reste des Ätherextraktes und das Filter im Trockenschrank und Exsikkator
getrocknet, das Fett des Filters mit Äther in das Becherglas mit dem
Rest des Ätherexiraktes zurückgespült. Dann wird eingedampft und wie
oben getrocknet und gewogen.
Lipoide.
Die Entfernung des Cholestearins 2) geschieht unter Benutzung
der Tatsache, daß Cholestearin nicht verseifbar ist. Wenn also das Ge-
samtätherextrakt verseift und dann mit Äther extrahiert wird, so geht
nur das Cholestearin in den Äther über. Die Ausführung ist so, daß das
trockene Gesamtätherextrakt mit alkoholischer Normal-Kalilauge (auf etwa
lg Extrakt zirka 20 g Lauge) zirka V2 Stunde auf dem Wasserbade ge-
1) Zitiert nach Ad. Schmidt uud J. Straslurger , Die Fäzes des Mensclien im
normaleu und krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 151. Berlin 1905.
2) Zitiert nach Ad. Schmidt und ./. Strasbiirger , 1. c. S. 153.
Mctlioilcu zur liitorsucliiiiig der niciischliclHMi Käze>^. -jk-?
kocht wird. I)anii wird eingedanii)ft und dci- lliicksland mit Atlicr ans{?e-
zogcii. In doni ätherisfiion Auszuj^o ist das Cholcstoariii cntlialtcn. I>r»r
Ixiickstaml wird mit ivichlich Wasser f^olüst. mit vcrdiimitcr H., SO^ aiif^e-
säuert. Die dadurch wieder gewomieiieii Fettsäuren wenh-n durch Schütteln
mit Äther oder durch Filtration und Auswaschen des das Fett enthaltenden
Filters mit Äther i^ewonnen.
Kassel^) empfiehlt folgendes Verfahren: Nerseifunir ^V^y^ in reichlich
Äther wieder gelösten Gesamtätherextraktes mit einigen Kuhik/entimetern
Xatriumalkoholat (durch Auflösen von Oiör/ Natrium in einer möglichst
geringen Menge 99''/oigc^n Alkohols in der Wärme hergestellt;, l'mschütteln
und dreistündiges Stehenlassen hei Zimmertemperatur. Alifiltrieicn der
Seifen, welche durch Waschen mit Äther vom Cholestearin hefreit werden.
Beide Methoden hal)t'n den unvermeidlichen Chelstand, dal'i ganz
kleine Mengen Seifen in den Ätherauszug des verseiften Fettes mit iiher-
gehen können.
Der qualitative Nachweis des Cholestearins in dem ätherischen
Auszug des verseiften Gesamtätherextraktes geschieht so. dai'i der ätherische
Auszug eingedampft und der Rückstand mit heillem Alkohol aufgenommen
wird. Läßt man auf dem Objektträger einen Tropfen der alkoholischen
Lösung verdampfen, so bleibt das Cholestearin in Form der bekannten
rhombischen Tafeln, im Mikroskop gut sichtbar, zurück. Oder man versetzt
eine Lösung des Cholestearins in Chloroform mit H2 SO4 : man erhält bei
Anwesenheit von Cholestearin eine blutrote, später purpurrote Färbung.
Die quantitative Bestimmung des Cholestearins ge.schieht
durch Eindampfen des ätherischen Auszuges aus dem verseiften Gesanit-
ätherextrakt und Wägung des Rückstandes. Dabei ist zu bedenken, daß
leicht etwas Seife mit in das Extrakt gegangen sein könnte. Tm sie zu
entfernen, behandelt man das eingetrocknete Cholestearinextrakt mit
mehreren kleinen Portionen Alkohol und 1 — 2 Tropfen Salzsäure, wobei
Cholestearin ungelöst bleil)t, während die Seifen gelöst werden.
Neben dem Cholestearin kommt das ihm nahe verwandte Koprostear in
vor. Dieses ist ebenso in Äther löslich wie Cholestearin, labt sich incht
verseifen, wird also ebenso gewonnen wie Cholestearin. Es ist abt-r in
heibem und kaltem Alkohol löslich und kristallisiert aus der alkoholi<clien
Lösung in feinen langen biegsamen Nadeln aus. Chloroform-Koprostearin-
lösung, mit IL SO4 versetzt, bleibt anfangs gellt und wird erst nach
längerem Stehen orange-puri)urrot.
Bei der eben erwähnten Behandlung des Cholestearinrückstandes mit
Alkohol und Salzsäure wird auch etwa vorhandenes Koi)rostearin gelöst.
Lezithin, eine Fisterverbindung des Glyzerins mit zwei (Jruppon
Fettsäuren und J'hosphorsäure, wobei die l'hosphorsäure andererseits sich
in Esterverbindung mit Cholin befimlet. kommt in kleineu Mengen auch
') Zitiert iiacli A. Scinni'/f und J. Sfra.sfnitytr, i»it' l"a/.es dos .Meii.>chcii un
normalen und krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 1j3. Berlin liKJ.").
368 H. Lohrisch.
in den Fäzes vor und gellt mit in das Ätherextrakt über. Bei der Ver-
seilung des Gesamtätherextraktes wird es gespalten. Sein Fettsäureanteil
bleibt bei den Seifen. Sein Glyzerinphosphorsäureanteil geht bei der Ent-
fernung der Cholalsäure (vgl. ..Nachweis der Gallensäuren", S, 389) als
giyzeriuphosphorsaurer Baryt mit ins Waschwasser über. Eventuell kann
das Lezithin als ganzes bestimmt werden aus dem Phosphorgehalte des
verseiften Gesamtätherextraktes, w^obei Hoppe- Seyler^) folgendermaßen ver-
fährt: Die wässerige, durch Äther vom Cholestearin befreite Seifenlösung
wird mit einem Überschuß von Salpeter versetzt, in der Platinschale zur
Trockne verdunstet , der Rückstand bis zur Entfernung der Kohle , aber
nicht länger, geschmolzen, die Schmelze nach dem Erkalten in heißem
Wasser gelöst , im Becherglase mit starker Salpetersäure unter Bedeckung
des Glases stark sauer gemacht, einige Zeit im offenen Glase zur Ent-
fernung der Untersalpetersäure auf dem Wasserbade digeriert, dann mit
einer Lösung von molybdänsaurem Ammoniak in Salpetersäure gefällt und
12 Stunden stehen gelassen. Der hierauf abzufiltrierende , nicht w^eiter zu
waschende Niederschlag von phosphormolybdänsaurem Ammoniak wird in
verdünntem Ätzammoniak gelöst, die Lösung mit klarer ammoniakalischer
Magnesialösung gefällt, 12 Stunden kalt stehen gelassen, der Niederschlag
auf kleinem Filter gesammelt, mit verdünntem Ammoniak gewaschen, ge-
trocknet, stark geglüht bis zur Entfernung der Kohle, im Exsikkator er-
kalten gelassen und gewogen. Man findet das Gewicht der pyrophosphor-
sauren Magnesia; dieses mit 7"27 multipUziert, ergibt das Lezithin des
Ätherauszuges als Distearyllecithin.
Quantitative Bestimmung des Neutralfettes, der Seifen und
Fettsäuren nach Fr. Müller.-)
Zunächst werden die lufttrocken pulverisierten Fäzes, die ohne
Schwefelsäurezusatz getrocknet sein müssen, mit Äther im Soxhletapparat
extrahiert. Das hierbei gewonnene Extrakt enthält die Neutralfette und
Fettsäuren. Die in der Patrone zurückgebliebene Substanz wird hierauf mit
Salzsäurealkohol gespalten und nochmals mit Äther extrahiert. Dieses zweite
Extrakt enthält die aus den Seifen abgespaltenen Fettsäuren. Aus dem
ersten Extrakte werden die flüchtigen Fettsäuren, wie oben beschrieben,
mit heißem Wasser entfernt, der Ptückstand getrocknet, gewogen und
nach erneuter Lösung in Ätheralkohol mit alkoholischer KaUlauge zur Be-
stimmung des Säuregrades titriert. Hierzu verwendet man eine alkoholische
-^--j--- Norm alkalilauge, als Indikator Phenolphtalein. Fr. Müller legte
der Berechnung das Molekulargewicht der Stearinsäure zugrunde (1 cm^
—-Normalkalilauge — 0*0284: Stearinsäure) ; es werden also die Anzahl der
I
') Zitiert nach Ad. Schmidt und ,7. Strashurger , Die Fäzes des Menschen im
normalen und krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 167. Berlin 1905.
-) Zitiert nach Ad. Schmidt und J. Stra<^burger , 1. c. S. 153
Methoiloii zur riitorstichiinir der iiiciiscliliclipn Fäzes.
verbrauchten Kuhik/.ciitiiuetcr — -Xoniialkalihuif^p mit O-o'is-} luuliiiiii/.urt
und das Produkt als Fettsäuren von dem (iewiclitc des Extraktes al»|,'o-
zogen. Der liest entspricht (h'm Xeutralfett (+ Cholesterin -|- Lezithin i.
Zur Entfernung' (\g> Cholcsfenns ist nach der Titration einzu-
dampfen und wie oben mit alkoholischer Kalilau^^e vollends zu verseifen.
Nachweis der Kohlehydrate.
Stärke.
Stärke koinnit in den Fäzes vor entweikr in Form isolierter freier oder in Zellii-
losehüllen eingeschlossener Stärkekörner. Freie SUlrkekörner finden sich bei gemischter
Kost mit reichlicher Stärkeliei^'ahe in geringer Zahl in jedem Stnlile. noch reichliclier.
weun die Stärke in ZelluluschiUlon eingeschlossen genossen wird.
Mikrochemischer Nachweis.
Der Nachweis der Stärke in den Fäzes kann mikroskopisch so er-
folgen, daß man nach Ad. Schmidt ^) ein Fäzespartikelchen mit einem
Tropfen starker Z?/r/o/scher Lösung (FO Jod, 2-0 Jodkali. öUO A(pia destj auf
dem Objektträger mit Hilfe einer Präpariernadel innig vermischt, unter
dem Deckglase in dünner Schicht ausbreitet und bei volleni Licht umt
schwacher Vergrößerung betrachtet. Man sieht dann die Stärkekörner wohl
erhalten oder fragmentiert, tief dunkelblau gefärbt, frei oder in Zellulose-
hüllen eingeschlossen.
Fällt das Jodpräparat negativ aus, so ist damit noch nicht bewiesen,
dal) keine Stärke im Kote vorhanden ist. Es läßt sich dann mitunter
chemisch Stärke nachweisen.
Chemischer Nachweis.
L)er Nachweis von Stärke kann gelingen, wenn man den Kot mit
Wasser aufkocht , filtriert, das Filtrat einengt und mit L^/y^/scher Lösung
auf P)laufärbung fahndet.
Exakter wird der chemische Nachweis von Stärke so ausgeführt, daß
die Stärke durch halbstündiges Kochen des pulverisierten trockenen Kotes mit
27oiger HCl am llückflußkühler zu Zucker invertiert wird. Man neutralisiert
bis zur schwachsauren Ileaktion, filtriert etwa vorhandenes Eiweiß ab imd
prüft nach Trommer oder mit l'henylhydrazin. Nimmt man 10" «ige IUI.
so braucht man nur einige Minuten ohne liückflnlikühler zu kochen. Hei sehr
geringen Zucker- respektive Stärkemengen, wo die Tromm erprobe zuweilen
versagt, empfiehlt Strashurger -) folgende Phenylhydrazinprobe:
Man gibt in ein Peagenzglas ö Trojtfeu iciiies Phenylhydra/in,
V2 cm^ Eisessig oder 1 cni^ oOVoige Essigsäure. 4 c///' der zu untersuchenden
^) Ad. Schniiilt , Die FunktionsprüfnnL' des Darmes mittelst der IVnheknst. 2. .\iifl.
S. 18. Wieshaden 1908.
") Ad. Schmuif und ./. Strashiinjcr, l»if l-azes drs .Menschen im »urmaicu uuii
krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 173." Berlin 1«H.)5.
Abderhalden , Ilaudbuch der biochcmiccbcn Arboilsmethoden. V. 24
370
H. Lobrisc h.
Flüssigkeit und kocht l Minute über kleiner Flamme. Dann setzt man
4 — 5 Tropfen Natronlauge vom spezifischen Gewichte V16 zu, so dali die
Flüssigkeit sauer bleibt, kocht noch etwas und läljt erkalten. Man weist
dann in der Flüssigkeit die Phenylglukosazonkristalle nach, deren Bildung
in einigen Minuten bis zu einer halben Stunde erfolgt.
Fig. 100.
Nachweis der Stärke durch die Ad. SchDtidt&Qhe Gärungs-
probe. ^'-)
Die Probe bezweckt, etwa vorhandene Stärke im Kote bei Brut-
schranktemperatur zur Vergärung zu bringen. Sie zeigt nur die Stärke
an, welche in einer für die Verdauungssäfte leicht an-
greifbaren Form mit den Fäzes ausgeschieden wird,
d. h. also die freiliegende und eventuell die in dünne
zarte Zellulosehüllen eingeschlossene Stärke. Diejenige
Stärke, die von dickwandigen, für die Verdauungs-
säfte undurchdringlichen /ellwänden umschlossen ist,
wird durch die Brutschrankprobe nicht gefunden. Die
Brutschrankprobe bestimmt also im Gegensatz zu den
sonstigen quantitativen Stärkebestimmungsmethoden nur
die Stärke, welche eigentlich hätte verdaut werden müssen.
Das Prinzip der Methode ist das der Nachverdauung.
Die Stärke wird durch die im Kote vorhandene Diastase
verzuckert und der Zucker durch die Darmbakterien unter
Vergärung gebracht. Man berück-
in den ersten 24 Stunden ent-
stehenden Gasmengen.
Die Ausführung erfolgt mit Hilfe des von Stras-
burger ^) angegebenen Gärungsröhrchens (Fig. 100):
Von dem gut durchrührten Kote, dessen Reaktion geprüft
ist, werden mittelst Holzspatels zirka bg abgeteilt, von
harten Stühlen weniger, von dünnen Stühlen mehr, so daß
stets annähernd dieselbe Menge Trockensubstanz ver-
arbeitet wird. Das Gärungsröhrchen besteht aus einem
Grundgefäß a, in welches der Kot hineingegeben und
dem
Das
Ende eine kleine Öffnung. Das Köhrchen b
Gasentwicklung
zur
sichtigt dabei nur die
mit Wasser gut verrührt wird.
leeren Ptöhrchen c unter
Röhrchen c trägt am oberen ^.,^^ ^.„v. ^.^,i^^ ^^^^^^.^
wird bis zum Rande mit Wasser gefüllt und muß nun unter
in
Dann wird der Gummipfropfen mit
von Luftblasen aufgesetzt.
Vermeidung
Vermeidung
') Ad. Schmidt und J. Straslmrger , Die Fäzes des Menschen im normalen und
krankiiaften Zustande. 2. Aufl. S. 178—180. Berlin 1905.
^) Ad. Sclimidt, Die Fuuktionsprüfuug des Darmes mittelst der Probekost. 2. Aufl.
S. 20—21. Wiesbaden 1908.
^) J. Sfrasburger , Experimentelle und klinische Untersuchungen über Funktions-
prüfung des Darmes. III. Mitteilung. Die Grenzen physiologischer und pathologischer
Nachgärung menschlicher Fäzes. Deutsches Archiv f. klin. Medizin. Bd. 61. H. 5 und 6.
S. 596. 1898.
Methoden zur Untersuchung der niensclilichcn Filzes.
Fig. 101.
von Luftzutritt auf den mit dem (Jruiidgpfiil.je und dem ItiiluThcn '■ direkt
in Vorl)indung' stehenden doppolt durcliholirtcii r;ummil<ork ;tuf;.'('-etzt
werden. Man verfährt hierzu am he.sten so, dal.) man das mit Kot {ge-
füllte Grnudgefäß mit dem Köiirchen r. indein man es nniL'-ckchrt lialt.
auf das Köiirchen h aufsetzt. Dabei liilU sich das Kinscjdici'icn von Luft
vollständig vermeiden. Das fertige Präparat kommt für 24 Stunden hei
37*^ in den Brutschrank. Wenn sich Gas entwickelt, so tritt dieses aus
dem Grundgefäß in das nöhrchen h ein und verdrängt das Wasser des
Gläschens b nach dem Steigrohr c, in dem die Höhe des Wasserstandes
nach 24 Stunden abgelesen werden kann. Kohlehydratgärung wird ange-
nommen, wenn nach 24 Stunden etwa die Hälfte des Steiirrohres mit
Wasser gefüllt ist, wenn die Iieaktion do^ Kotes
deuthch sauer geworden ist, weim der Kot im
geöffneten Grundgefäß nach Buttersäure riecht
und die Farbe des Kotes heller geworden ist.
Das Strasbuff/erschQ Gärungsröhrchen ist vcm eiu-
zoliKMi Autorou oline zwiiiiroiidcii (iniud modifiziert
worden. Erwähnt sei hier das modifizierte (jäninirsridircheu
von Münzer ^), dessen Konstruktion aus der Fig. IUI zu
ersehen ist. Das Verhindungsrohr zwischen a und 1/
reicht hier bis an die Spitze von h hinauf und besitzt
außerdem ein seitliches
Ansatzrohr, welches
mit (iummischlauch
und t^uetschhahn ar-
miert ist. Das Rohr c
trägt an Stelle seiner
Öffnung einen kleinen
offenen Zapfen. Diese
Konstruktion des Röhr-
chens soll es erm()g-
lichen , den Apparat
ohne Luftbeimischung
zusammenzusetzen. Er-
wähnt sei ferner eine
Modifikation von
Amann . -) Dieser Appa-
rat (Fig. 102) Iiosteht
aus einem L'rIcinnci/er-Kolhcn mit flachem Roden von ungefalir .")Ofwj' Inhalt, dessen
obere Öffnung mit einem doppolt durchbohrten Gunimipfropfen versrhlosscu ist. Die
eine Durchbohrung w ird mit einem Glasstab verschlossen . während iu die andere
ein U-förmi<r g(d)ogenos Glasrohr gestockt ist. das die Verbindung zu einem zweiten
F-förmigon Rohre herstellt, dessen linke Hälfte in Kubikzentimeter eingeteilt ist. Zur
Ausführung der rntersuchung verreibt man zirka 1 _</ Fäzes mit 10,7 Wasser in einer
Reibeschalo und gibt ilie Masse in den Glaskolben, setzt den Gummiknrk ohne den
Fig. lO'J
1) E. Miinzer, Ein neues Gärungsnihrchen zur Restimiuung der Stuhlgürnng nach
Schtnidt-SfrasOurffer nebst Beiträgen zur Stuhluntersuchung. Archiv f. Verdanungskrankh.
Bd. 14. S. 25-33". 1908.
-) Zitiert nach A. Combe , Die intestinale .\iitointoxikation und ilire Behandlnng.
Übersetzt von C. Weyele. S. 149. Stuttgart l'.KJS).
24»
372 H. Lohrisch.
Glasstab auf, füllt das graduierte U-förmige Rohr zur Hälfte mit Wasser. Dann neigt
man den ganzen Apparat, um die Luft zu entfernen und das Niveau des Wassers mit
dem Nullpunkt der Einteilung in Übereinstimmung zu bringen, wobei der Glasstab als
Kolben dient und entweder tiefer eingestoßen oder weiter herausgezogen wird, bis der
Zweck erreicht ist. Danach bringt man den Apparat für 12 Stunden bei 37" in den
Brutschrank. Dann läßt man auf Zimmertemperatur erkalten und kann die gebildete
Gasmenge in Kubikzentimetern ablesen.
Quantitative Stärkebestimmung.
Zur quantitativen Bestimmung des Stärkegehaltes der menschlichen
Fäzes ist am geeignetsten eine von Strasburger '^' ^) revidierte und auch
für die Bestimmung sehr kleiner Stärkemengen, wie sie in den mensch-
lichen Fäzes häufig sind, als recht genau erkannte Methode, deren Prinzip
darauf beruht, die Stärke in Dextrose zu invertieren, das der Dextrose
entsprechende Kupferoxydul in schwefelsaures Kupfer überzuführen und
dieses im Filtrat mit Hilfe der Kupfer-Rhodanürmethode von Volhard-
Pßüger auszutitrieren. Die hierzu nötigen Reagentien sind folgende :
Fehlin (ßche Lösung nach Ällihns Vorschrift:
a) 34.639 g Kupfervitriol mit 5 Mol. Kristall wasser, mit Wasser auf 500 cni^ gebracht.
h) 173 </ Seignettesalz -f- 125 f/ KOH mit Wasser auf bQO cm^ gebracht.
Normalsilberlösung.
10 ^
Normal-Rhodanammoniumlösung.
Salpetersäure vom spezifischen Gewichte 1-2, der einige Harnstoffkristalle zuge-
setzt sind, um die salpetrige Säure zu vermeiden.
Konzentrierte Schwefelsäure.
Konzentrierte Sodalösung.
Kalt gesättigte wässerige Lösung von schwefliger Säure.
Kalt gesättigte wässerige Eisenammoniakalaunlösung.
An Meßgefäßen sind erforderlich 2 Büretten für die Fehlingsche Lösung, je eine
Bürette für die Rhodan- und Silberlösuug , je ein geaichter Kolben von 50, 100, 200
und 300c»*3 Inhalt.
Ausführung: Der lufttrockene Kot wird möglichst fein pulverisiert,
um die Zellulosehüllen zu eröffnen. Ca.. 2 g lufttrockener Kot werden genau
abgewogen, in einem 300 cm» fassenden Kolben (Liehermann, Erlenmeyer)
mit 100 cm^ 2Voiger HCl versetzt und auf dem Sandbade IV2 Stunden
am Rückflußkühler gekocht. Dann wird mit Natronlauge nahezu neutralisiert
und durch ein Asbestfilter ((roocMiegel) mit Hilfe einer starken Saugpumpe
filtriert, mit Wasser sorgfältig nachgewaschen und das Filtrat genau auf das
Volumen von 200 mu^ gebracht. Es ist zweckmäßig, wenn man vor dem
Filtrieren den nach dem Kochen zurückgebliebenen Fäzesbodensatz gut ab-
setzen läßt und die darüber stehende Flüssigkeit zunächst möglichst von
dem Bodensatz getrennt auf das Filter gibt, so daß der Rückstand erst
gegen Ende der Filtration ganz auf das Filter kommt. Es ist dies des-
halb zweckmäßig, weil der Rückstand das Filter oft sehr stark verstopft,
^) .7. StrasJjurger , Über den quantitativen Nachweis der leicht angreifbaren
Kohlehvdratc (Stärke und ihrer Abkömmlinge) in menschlichen Fäzes. Archiv f. d. ges.
Physiof. Bd. 84. S. 173—190. 1901.
■^) Ad. Schmidt und J. StrasUirger, Die Fäzes des Menschen im normalen und
krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 174—177. Berlin 1905.
Metlioden zur Untersucliuinr der inenschlichon Fäzes. 1^73
SO daß das Filtrieren aiilicroniciitlicli law^v Zeit in Aii>i)iU(h iiiniun. ii.i.s
auf 200 cnt'^ gel)raflite Fiitrat ist meist noch nicht ^^•^nz i<hir: deshall. til-
triert man nochmals durch ein trockenes Faltcnl'iltcr. NOn dem nunmehr
klaren Filtrat werden 50cm-' zur Zuckerl)estimmun<^- nach \'olliar/l-J'/h'if<r
benutzt. Man bringt die 50 c/m» in ein etwa ;>()0 cm^ fassendes BecheiL
in welchem sich 60 cm^ FcIiIw(/9,chor Lösung und ;-i5c;;<3 destilliertes
Wasser befinden. Das l)echerglas wird, mit einem UJirglas oder mit einer
Petrischale zugedeckt, in einen an einem Stativ befestigten Metallring ein-
g'ehängt und in ein heftig sieriendes Wasserbad so tief eingetaucht, dal»
das Wasser etwa 1 rm über dem Uande der Flüssigkeit steht. I)as Wasser-
bad darf nicht aus dem Kochen kommen. Nach genau .'»() Minuten ist das
Glas herauszunehmen und zu der Flüssigkeit ca. i;-^0 cw^ kaltes destilliertes
Wasser zuzufügen. Darauf wird mittelst Saugi)umpe durch ein .\sbestfilter-
rcihrchen, wie es von Strasburr/er ') angegeben ist, die Flüssigkeit abge-
saugt, das Kupferoxydul, welches der Wand und dem Boden des (ilases
anhaftet, mit Hilfe destillierten Wassers und eines am Ende mit «lummi
üi)erzogenen Glasstabes in das Filterröhrchen gebracht und mit Wasser
ausgewaschen. Dabei mub immer Flüssigkeit über dem Asbest stehen, da-
mit kein Kupferoxydul mit durchgerissen werden kann. Statt des Filter-
röhrchens kann man nach meinen Erfahrungen auch sehr gut einen l'or-
zellantiegel mit siebartig durchlöchertem Doden (6r'ooc//tiegel). der ge-
nügend mit x\sbest belegt ist, zum Absaugen benutzen, ohne Kupferoxydul-
verluste befürchten zu müssen. Nunmehr setzt man das Filterröhrchen
oder den 6^oocAtiegel mit dem Kupferoxydul auf eine reine Saugflasche
auf, löst das Oxydul in nicht zuviel Salpetersäure vom spezifischen (ie-
wichte r2, wobei ein Fhrglas auf den Trichter gelegt wird, damit die beim
Lösen aufschäumende Flüssigkeit nicht verspritzt. Man wartet nun. bis das
salpetersaure Kupfer ohne Anwendung der l'umpe in die Flasche getropft
ist und wäscht dann das Filter mit reichlich Wasser unter Anwendung
der Pumpe aus. Die nunmehr grünlich gefärbte gesamte Flüssigkeit wird
aus der Saugflasche in eine Porzellanschale ohne \'erluste gebra<-ht. mit
72 — 1 cm^ konzentrierter Schwefelsäure versetzt und im Abzug auf dem
Wasserbad abgedampft, bis alle Salpetersäure abgeraucht ist. Es bleiben
Kristalle von schwefelsaurem Kupfer zurück, die in Wasser gelöst und in
ein geaichtes ;300 n«Muilbchen gespült werden. Dann fügt man zur Hin-
dung der überschüssigen Hg SO4 konzentrierte Sodalösung zu. bis eben ein
bleibender Niederschlag entsteht. Dieser wird von äOc»/' kaltgesättigter
schwefliger Säure, die nun zugesetzt wird, wieder gelöst. Man kocht die
Flüssigkeit auf und fügt sogleich aus der Bürette y^- Normal - llhodanam-
moniumlösung zu. bis die blaugrüne Farbe verschwunden ist. Es bildet sich
bei Gegenwart von schwefliger Säure ein reichlicher Niederschlag von weil'.eni
Kupferrhodanüi-. Der Zeitimnkt des \erschwindens der i^riineii Farbe ist
1) Ad. Schmidt und ./. Slmsbiirger, Die Fäzes des Menschen im nonnaleu und
krankhaften Znstande. 2. Anfl. S. 175." Berlin liKi."^.
374
H. Lohrisch.
in der Flüssigkeit nicht immer leicht zu erkennen. Nach meinen Erfah-
rungen ist es zweckmäßig, bei Benutzung von 2 g menschlicher Fäzes etwa
50 cm3 — Xormal-Rhodanammoniumlösung zuzusetzen, womit also Rhodan-
ammonium im Überschuß zugesetzt ist. Das überschüssige Rhodanammonium
muß mit —-Normallösung von salpetersaurem Silber zurücktitriert werden,
um die Menge des zur Kupferrhodanürl)ilduug verbrauchten Rhodans zu
erfahren. Zu diesem Zwecke läßt man die Flüssigkeit erkalten, füllt bis
zur Marke 300 mit Wasser auf und schüttelt energisch um. Nun filtriert
man durch ein trockenes doppeltes Filter so lange, bis die Flüssigkeit
wasserklar ist und mißt zur Titration 100 cm'' in einem geaichten Kolben
ab, bringt sie in ein Becherglas, setzt bO cm'^ mit Harnstoff versetzter
Salpetersäure vom spezifischen Gewicht r2 und 10 an^ einer kalt gesät-
tigten Eisenammoniakalaunlösung zu, worauf die Flüssigkeit eine tiefrote
Farbe annimmt. Dann läßt man so lange -T:-Normal-Silberlösung aus der
Bürette zufließen, bis ein schwach gelb-rötlicher Farbenton das Ende der
Titration anzeigt; oder man setzt etwas Silberlösung im Überschuß zu und
titriert mit Rhodanlösung zurück, wobei sich die Endreaktion (Übergang
in Gelbbraun) besonders gut markiert.
Da nur der dritte Teil der Flüssigkeit zur Titration mit der Silber-
lösung benutzt wird, so ist die Menge der verbrauchten Silberlösung mit
0 zu multiplizieren. Nach Abzug derselben von dem Volumen der angewen-
deten Rhodanlösung wissen wir, ^\ieviel Rhodan an Kupfer gebunden ist.
1 c;«3 — -Normal-Rhodanammoniumlösung zeigt 6'?» 2 /y«// Kupfer an. Der zu-
gehörige Wert für Zucker ist in der folgenden von Pflüger aufgestellten
Tabelle aufzusuchen.
Tabelle der zusammengehörigen Werte für Zucker und Kupfer (die Zahlen bedeuten
Milligri
imme ').
Zucker
Kupfer
Zucker
Kupfer
Zucker
Kupfer
6-25
18-94
28
66-2
45
100-7
12
32-8
29
68-2
46
102-7
13
34-9
30
70-2
47
104-7
14
370
31
72-3
48
106-7
15
391
32
74-3
49
108-8
16
41-2
33
76-3
50
110-8
17
43-3
34
78-4
51
112-8
18
45-4
35
80-4
52
114-9
19
47-5
36
82-4
53
116-9
20
49-6
37
84-4
54
1190
21
51-7
38
86-5
55
1210
22
53-8
39
88-5
56
123-0
23
55-9
40
90-5
57
125-1
24
580
41
92-6
58
127-1
25
601
42
94-6
59
1292
26
621
43
96-6
60
131 2
27
64-2
44
98-6
') Nach Ad. Schmidt und .7. Strashurger, Die Fäzes des Menschen im normalen
und krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 176. Berlin 1905.
Methoden zur l'ntersnchung der menschlichen Filzes«. j^-rsy
Die für Zucker gefundene Zahl ist mit dem von Soxhlrt und Lintner
und Diill gefundenen Faktor U-04 zu multipli/icren . um den Wort für
Stärke zu bekommen.
Die Methode ist trotz ihrer Feinheit, hinsichtlich deren sie andere Methnd.n
übertrifft, nicht ganz fehlerfrei. Wie Strashurgcr^) gezeigt hat, wird mit der .Motlidde
immer etwas zu wenig Zucker (ca. 6 mg) gefunden. Weiter entstehen zuweilen Feliler,
wenn es sich um die Bestimmung sehr kleiner Zuckermengen hanilelt. Ks wird dahei.
wie schon PjUiger zeigte, so wenig Kupferoxydul und in so feiner Stauhfurm alige-
schieden, daß es leicht dtircli das Asbestfilter mit iiindurciitreht. Um diesen TbeUtand
zu vermeiden, empfieidt I'Jliujer. wo es sich um selir geringe Mentren Zucker handelt,
ein bekanntes Quantum Zucker zuzufügen, welcher nachtraglicii bei der Berechnung in
Abzug gebracht wird. Man kann sich zu diesem Zwecke eine mit 2-27oit'er HCl ver-
setzte und dadurch lialtbar gemachte Traubcnzuckerlösunf,' von bekanntem Zuckerge-
halte vorrätig lialteu und mit einer Bürette abmessen. Die datiei vorwendete Säure ist
durch entsprechenden Alkalizusatz zu neutralisieren.
Weiterhin können unter Umständen Fehler entstehen, wenn der Stuhl pathid«i-
gischcrwcise stark sclileinilialtig ist, da Muzin beim Kochen einen reduzierenden Korjter
abspaltet. Man muß deshalb, wenn es sich um gndjere öchleimlieimengungen handelt,
den Schleim mechanisch mit der Pinzette zu entfernen versuchen. Bei feineren Schleim-
beimengungen, die sich mechanisch nicht entfernen lassen, empfiehlt Slrashurger^) die
K.xtraktion der Fäzes mit Kalkwasser. Doch fülirt auch diese nicht zum Zi(de. da nach
Ad. Schmidt der Darmschleini durch diiniu' alkalische Lösungen nur schwer gelöst winl.
Hier läuft also eventuell ein kleiner Fehler mit unter.
Auch der l'rozeß der Invertierung mit verdünnter Säure ist kein iranz einwand-
freier. Es wird nämlich nicht alle Stärke in Zucker umgewandelt, sondern neben der
Inversion findet eine gei'ingfügige Reversion statt, welche einsetzt, wenn die Verzucke-
rung etwa bis zur Hälfte vorgeschritten ist. Die oben an^'egebene Kochzeit von
lYj Stunden ist nach dem Vorgange AUihns von Sirafthurgcr beibehalten worden, weil
es damit gelingt, ca. 'JoVo ''^i' Stärke zu invertieren. Deshallt ist es auch richtiger, zur
Berechnung der Stärkemengo die gefundene Zuckermenge mii OiU zu multiplizieren.
Die Multiplikation mit O'ü, die sonst srebräuchlich ist, würde nur richtig sein, wenn
mau auf die Inversion sämtlicher Stärke rechnen könnte.
Fehler können bei der Inversion auch entstehen, wenn in den Fäzes sehr viide
pflanzliche Reste (Gemüse usw.) enthalten sind. Die in den l'flanzen immer vorhandenen
Hemizclhiloscn (Hexosane, Pentosane) werden beim Kochen mit dünnen Säuren eben-
falls in ihre Zucker (Ilexosen, Pentosen) umgewan<lelt und würden daher die Zucker-
menge zu groß machen. Fiu- die menschlichen Fäzes dürfte dieser Umstaiul nur bei
Personen, die reichlicli Vegctabilien genießen, in P'rage kiunnien. Die ilie Inversion be-
gleitende Reversiou scheint gerade bei Anwesenheit untl \erzu<-kerung tler llemizelhi-
losen noch mehr ins Gewicht zu fallen wie bei der Hydrolyse der Stärke, so daß mau
bei P^inhaltung verschiedener Kochzeiten in den Kontrollanalysen Differenzen erhalten
kann. Am geeignetsten sind daher zur Bestinunung der Stärke Kote, die von einer
möglichst heniizellulosefreien Diät stammen. .\ u f jeden Fall ist es nötig, bei .\ n-
we ndung der Met ho de die Koch zeit vnn 1', Stunden peinlichst einzu-
halten.
Nötig ist es auch, aii und zu die /-V/i/i/iysche I.ösuul' auf etwaige Sell>streiluk-
tion zu prüfen.
Die gewichtsanalytischen Kupfernietlmden (Heduktinn des Oxyduls zu Kupl.r
nach Allihn, Wägung des Kupferoxyduls nach lyHign) leiden an dem l'.-l.I.i .l.iü 1h i
') J. Strasburger, Über den (luantitativen Nachweis der leicht angroilbarcn Kohle-
hvdrate (Stärke und ihrer Abkömmlinge) in menschlichen Fäzes. Arch. f. d. ge». l'hyi*.
Bd. 84. S. 184. 1001.
'-) J. Strashurgcr, 1. c. S. 180.
376 H. Lohriscli.
ihnen Veruureinigungeu, die mit dem Kupferoxydul aus den Fäzes niedergeschlagen
werden, mitgewogen werden.
Zucker.
Die menschlichen Fäzes enthalten bei normaler Verdauung keinen Zucker. Bei
schweren Störungen der Darmverdauung kann Zucker in geringen Mengen vorkommen.
Zum qnalitativen Nachweis extrahiert man den Zucker mit Wasser,
indem frische oder trockene pulverisierte Fäzes mit Wasser ausgekocht
werden. Im Filtrat. wekdies am besten auf dem Wasserbade noch einge-
engt wird, wird mit Hilfe der Trommer-, Ni/lander- oder Phenylhydrazin-
probe auf Zucker untersucht. Diese Zuckerreaktionen können aber gestört
werden, wenn gleichzeitig mit dem Zucker All)umosen oder Peptone extra-
hiert worden sind; diese Eiweißsubstanzen können unter Umständen Kupfer-
lösungen reduzieren. Sicherer ist es daher nach JJffelmann i), den Kot mit
Alkohol zu extrahieren, den filtrierten Alkohol zu verjagen, den Rückstand
mit Wasser aufzunehmen und hierin die Zuckerprobe anzustellen. Nach Blau-
herg~) ist es zweckmäßig, ca. ?>g der Trockensubstanz mit Thymolwasser zu
extrahieren, wobei die im Becherglas befindliche Substanz einige Stunden im
W^asserbade leicht erwärmt wird. Nach Filtration und Nachwaschen mit Thy-
molwasser werden die Eiweißkörper durch Bleiazetat und basischessigsaures
Blei abgeschieden. Der Überschuß des Bleis wird durch Einleiten von CO2
und Abfiltrieren entfernt, das Filtrat abgedampft und auf Zucker untersucht.
Die Schniidtsche Gärungsprobe ist zum qualitativen Nachweis von
Zucker dann geeignet, wenn die Nahrung völlig frei von Stärke und an-
deren leicht aufschließbaren Kohlehydraten war.
Zum (luantitativen Nachweis ist es nötig, das mit Wasser oder
nach Ijff'elmann oder Blauberg von einer gewogenen Fäzesmenge gewonnene
Filtrat bis zu einem gewissen Quantum (200 — ?)00 cm ^') aufzufüllen. Von
dieser Zuckerlösung wird dann ein bestimmter Anteil (50 — 100 crn^) nach
Strasburger mit Fehlingscher Lösung gekocht und der Zucker mittelst der
Kupferrhodanürmethode bestimmt. Diese Bestimmung mißlingt aber leicht
dann, wenn der Zuckergehalt zu gering ist. Strasburger macht darauf auf-
merksam, daß schon ein Zuckergehalt der Fäzestrockensubstanz von 72^05
der dem Nachweis von V/^ mg Zucker und 2V2 w?^ Cu entsprechen würde,
sich nicht mehr mit Sicherheit quantitativ bestimmen läßt.
Befreiung- eines Fäzesextraktes von allen Kolileliydraten und von
Eiweiß.
Um ein Fäzesextrakt mit Sicherheit von allen Kohlehydraten zu befreien, ver-
fährt Strashiirger^) in folgender Weise: Ca. 3.9 der getrockneten fein pulverisierten
*) Zit. nach Äd. Schmidt und J. Sfrasburger, Die Fäzes des Menschen im nor-
malen und krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 169. Berlin 1905.
-) M. Blauberg, Experimentelle und kritische Studien über Säuglingsfäzes. S. 39.
Berlin 1897.
*) J. Strashurger, Über den quantitativen Nachweis der leicht angreifbaren Kohle-
hydrate (Stärke und ihrer Abkömmlinge) in menschlichen Fäzes. Arch. f. d. ges. Phys.
Bd. 84. S. 183. 1901.
Methoden zur Untersuchung der menschlichen FäzcB. 3'
I I
Fäzos werden, um die Stärke zur Quolhuifj zu bringen, mit ICH) cm* \V:i .de
am Riickflußkühlor gekoclit, dann mit Pankroasdiastase versetzt und imi n 1
IJrutschrank gelassen. Dann liilit man die Kliissigkeit nacli Zusatz von Hit-rl ■
22" C 2 Tage gären. Die Reaktion ist danach schwach sauer. Um alles Eiweiß zu ent-
fernen, wird nach Zusatz von etwas Kssiirsäure gekocht und sorgfältig filtriert. I>a8 Fil-
trat zeigt mit Kalilauge nnd Kupfersullat keine Spur von Karlii-iinaktinii.
Tleniizclliiloscn.
Schon oben wurde erwähnt, daß bei der Hydrolyse der im Kot enthaltenen Stärke
die erhaltene Dextrosemenge zu groß ausfallen kann, wenn Ilemizellulosen im Kote vor-
banden sind.
Der Xamc ..Ilemizellulose" stammt von E. Schuhe'), der damit diejenigen Zell-
wandbestandteile bezeichnete, die weder zur Stärke noch zur Zellulose gehören nnd mit
verdünnten Mineralsäurcn hydrolysierl)ar sind. In den Tflanzcn kommen vorwiou'end
vor Hexosaue (tJalaktan) und noch häufiger Pentosane (Araiian, Xylan); ihre Zucker
sind Galaktose, Arabinose und Xylose. Ist bei einer Stärkebestimmung im K<tte damit
zu rechnen, daß Heniizcllulosen vorhanden sind und das Resultat stiiren könnten, so
ist es nötig, sich von der Anwesenheit oder Abwesenheit dieser Substanzen zu über-
zeugen.
Pentosane. Zusatz einer kleinen Menge Phloro<,'hi/in zu einer Probe
des HCl-sauren zuckerhaltigen Filtrates der mit 2" „i»fi' I^^'l gekochten
Fäzes und darauf folgendes Erwärmen gibt bei Anwesenlieit von Pentosen
kirschrote Färbunu'.
Ist die Probe positiv, so ist es nötig, durch (juan t it ativc* Pestini-
mung der Pentosen das zu grobe Resultat der Stärkt'l)estimmuug nach
Strasburger wenigstens annähernd richtig zu stellen. Benutzt wird das
Verfahren von Tollens^), welches darauf beruht, dab die Pentosane und
Pentosen bei Destillation mit HCl Furfurol geben: Kie Dcstilhiliiin wird
ausgeführt mit 2 — 5 g lufttrockenem Kot oder mit einem bestimmten
Quantum der salzsauren Zuckerlösung. Es wird mit Salzsäure vom spezi-
fischen Gewichte 1-06 destilliert, und zwar .so, dab man stets, sobald .■•.()«•>»*
abdestilliert sind, ?>0 cin^ derseli)en Säure in den Destillationskolben naeh-
gießt und im ganzen 400 rm^ überdestillier<'n läßt. Das dabei gebildete
Furfurol wird im Destillat durch Phlorogluzin ausgefällt. Den Niederschhig,
das Furfurolphlorogluzid , sammelt man in mit Asbest beschickten Por-
zellan-ÖoocÄ-Tiegeln niul wäscht ilin mit löOcw« Wasser aus. Die Tiegel
werden dann 4 Stunden im Wassertrockenschranke bi-i ;i7 — 98'^ C ge-
trocknet, in Wiegegläser, welche sofort verschlossen werden, gegebm. in
diesen in den Exsikkator gebracht und nach dem Erkalten im Kxsikkator
mit den Wiegegläsern gewogen. Auf diese Wei.^^e vermeidet man Papier-
filter und den Einfluß der hygroskopischen Eigenschaften tles PhloroLrlu-
zids, und die Resultate werden sicherer und konstanter als es früher mög-
lich war. Für Pidorogluzidmengen von ;]0—'dOi) mg kann man die entspre-
*) E.Schulze, Zur Chemie der pflanzliclien Zellmembranen. II. Abhandlunir. Zeit-
schrift f. phys. Chem. Bd. 39. l'.)U3.
'-) B. Tollcns, Ül)er die Bestimmung der Pentosen und Pentosaue Zeif#cbr. f.
phys. Chem. Bd. 36. S. 239-243. 1902.
378 H- Lohrisch.
chenden Werte an Furfurol, Arabinose, Araban, Xylose, Xylan, Pentose und
Pentosan aus einer bei Tollens^) mitgeteilten ausführlichen Tabelle, Avelche
von Kröher stammt, ablesen.
Die Zahlen für Pentose und Pentosan sind in dieser Tabelle die
Mittelzahlen aus Arabinose und Xylose und Araban und Xylan, die man
anwendet, wenn man mit Gemengen von Arabinose und Xylose zu tun hat
oder wenn man nicht weiß, welche Pentose in der untersuchten Substanz
sich befindet.
Ebendaselbst finden sich auch Formeln zur Berechnung von Furfurol,
Pentosan und Pentose, wenn das Phlorogluzid weniger als 30 mri oder mehr
als .-KX) mg wiegt.
Es darf nicht übersehen werden, daß den Pentosen- und Pentosan-
bestimmungen noch immer zahlreiche Mängel anhaften, die ihre Genauig-
keit beeinträchtigen. Sie gehören in die Pteihe der konventionellen Me-
thoden, bei denen es auf peinlichstes Innehalten der Bedingungen
sehr ankommt.
Hexosane. Der Nachweis des Galaktans würde so zu führen sein, daß
das HCl-saure zuckerhaltige Filtrat der Fäzes eingedampft und der syrupose
Rückstand mit Salpetersäure vom spezifischen Gewichte 1-15 auf dem Wasser-
bade erwärmt wird. Bei Anwesenheit von Galaktose entsteht Schleimsäure.
Im allgemeinen kommen, wie gesagt, die Bestimmungen im mensch-
lichen Kote kaum in Frage.
Will man speziell die Ausnutzung einer Hemizellulose im mensch-
lichen Darme feststellen, so ist darauf zu achten, daß außer der Hemi-
zellulose weder Zucker noch Stärke in der Versuchszeit genommen werden.
Es genügt dann, im Fütterungsmaterial und im Kote den Zuckergehalt
nach Strashiirger festzustellen und miteinander zu vergleichen, wie ich 2)
dies bei Versuchen über die Ausnutzung der Hemizellulose des Agars ge-
tan habe. Um vergleichbare Ptesultate zu erhalten, ist bei jeder einzelnen
Untersuchung peinlichst genau nach den Strasburg er?,chQ\\ Vorschriften
(Kochzeit!) zu verfahren.
Nachweis der Rohfaser und Zellulose.
Uuter Rohfaser versteht mau alles das, das nach Behandlung von Pflanzen-
teilen mit Wasser, verdünnten Säuren und Alkalien. Alkohol und Äther ungelöst zurück-
bleibt. Der Hauptanteil der Rohfaser besteht aus Zellulose, daneben sind noch ent-
halten Lignin, Eutin und Ascheubestandteile, welche mit zunehmendem Alter der
Pflanze die ursprünglich reine Zellulose innig durchdringen und inkrustieren.
Die Zellulose gehört nach der heutigen Auffassung zu den Polysacchariden,
und zwar ist sie ein Anhydrid der Dextrose von der Formel n (CgHi^Oj).
*) B. ToUens, Über die Bestimmung der Pentosen und Pentosane. Zeitschrift f.
phys. Chemie. Bd. 36. S. 239—243. 1902. Die Tabelle (TabeUe zur Umwandlung von Phlo-
rogluzid in Furfurol, Pentosan usw. von E. Kröher) befindet sich am Ende des Bandes.
-) //. Lohrisch, Der Vorgang der Zellulose- und Hemizellulosenverdauung beim
Menschen und der Nährwert dieser Substanzen für den menschlichen Organismus. Zeit-
schrift f. exp. Pathol. u. Ther. Bd. 5. S. 14 — 16 des Separatabdruckes. 1908. (Daselbst
ausführliche Literatur über Hemizellulosen.)
Methoden zur Untersuchung der menschlichen Fäzes. 3-0
Makroskopischer, inikroskopiscliri- imkI niikroclicmlsrlicr
Nachweis.
Abgesehen von sehr ji^robon I'flanzonresten, die ohne weiteres in dio
Aufien fallen, kann man sieh einen niaki-oskopi sehen I'!ini)liek in den
Gehalt der Fäzes an pflanzlichen Bestandteilen nur verschafti-n, wenn
man eine größere gut durchmischte Fäzesmenge nach Ad. Sc/nnidt aufs
feinste mit Wasser verreibt und auf dem Makroskopierteller ausbreitet
Man sieht dann die gelblich-bri'uiidich oder grünlich gefärbten /ellulose-
reste, die sich schon durch ihre harte Beschaffenheit als pflanzliche (le-
bilde ausweisen.
In zweifelhaften Fällen ist mikroskopisch zu untersuchen. Jeder
.Stuhl, der von einer Vegetabilien enthaltenden Kost stammt, enthält mi-
kroskopisch sichtbare Partikel von Rohfaser und Zellulose, die in den ver-
schiedensten Formen auftreten können (l'arenchymzehen, verholzte und un-
verholzte Membranen. P^pidermis, spiralige Gefälje, Pflanzenhaare, liräun-
liche Spelzenreste, Kakaoreste, Bruchstücke der Kleberzellenschicht. Cotyle-
donen, Kartoffelzellen. Steinzellen aus Birnen u.v.a.). (Jute Abbildungen
hierzu sind bei ScJimidt und Strashurger^] einzusehen.
Mikrochemisch wird Zellulose nachgewiesen durch ihre Figen-
schaft, sich mit Jodchlorzinklösung violett zu färben. Die Färbung beruht
darauf, daß die Zellulose durch Jodchlorzink in einen amyloidartigen Körper
überführt wird.
Dabei ist immer zu bedenken, daß es natürlich nur die reine, nicht mit inkru-
stierenden Substanzen (Liirnin. Kutin) durchsetzte Zelbilose ist. die diese Rcaktiiui deut-
lich gibt. \'erhoIzte und verkorkte Zellulose (= Rohfaser) gibt die Reaktion nicht oder
nur undeutlich, weil die inkrustierenden Substanzen dem Reagens das Kindringen in
die Zellulose sehr erschweren. Finden sich also reinviolett gefärbte Teilchen, so sind
diese als Roinzolhiloso anzusehen. Reine Zellulose ist. wie ich-,"') nachwies, für den
Menschen verdaulich, waiirsclieiiilich durcli eine Zytase. Verdaut werden vom normalen
Darm ca. 60% 'ler eingeführten Zellulose. Immerhin setzt die Zellulose den Verdauungs-
säften einen viel größeren Widerstand entgegen, als die sonstigen Nalirunirsliestandteile,
woraus sich der relativ große Teil unverdauter, an sich aber verdaulicher Zellulose in
den Fäzes erklärt. Ein gewisser Anteil der Zellulose unterliegt im Darm einer bak-
teriellen Zersetzung, wobei Essigsäure, Buttersäure, Wasserstoff und ('11^ gebildet wer-
den. Die rein violett gefärbten Partikel im Kot stellen also immer verdauliche
Zellulose dar, weil eben reine Zellulose an sich verdaulicli ist. Zellulose, die mit Ihdz-
und Kutinstoffen, den inkrustierenden Substanzen, verunreinigt ist, also Rohfaser, färbt
sich mit Jodchlorzink gelblich-lträunlicb oder L'ar nidit. Derartige Ridifaserteilclien sinti
natürlich unvcrdaulicii. Amaiin*} unterscheidet neuerdings verdaulidie und unverdauliche
M Ad. Schmidt und J. Sfrushurgrr, Die Fäzes des Menschen im normalen und
krankhaften Zustande. 2. Aufl. Taf. VI mid VII. Berlin \\)()h.
-) H. Lohrisch, Über die Bedeutung der Zellulose im Haushalte des Menschen.
Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 47. II. 2 und 3. S. 2t)0— 252. I'IUC) (Literatur).
^) II. Lohrisch, Der Vorgang der Zellulose- und llemizeUulosenverdauung beim
Menschen und der Nährwert dieser Substanzen für den menschlichen Organismus. Zeit-
schrift f. exp. Pathol. u. Ther. Bd. 5. MIOS.
•*) J. Ämattn, La reclierclie microciiimiciue de la cellnlose digerable tlans les nia-
tieres f^cales. Revue medicale de la Suisse Romande. XXX'n^ Annt5e. Nr. 2. 2<1 fi'vrier
1909. Sep.-Abdr.
3gO H. Lohrisch.
Zellulose. Mit letzterer bezeichnet er die gelblich gefärbten unverdaulichen Rohfaser-
teilchen. Das ist nach dem Vorstehenden insofern zu beanstanden, als hierbei der prin-
zipielle Unterschied, der zwischen Rohfaser und Zellulose besteht, nicht genügend be-
tont wird. Man sollte doch, worin es besonders die ältere Literatur sehr fehlen läßt,
stets scharf zwischen Rohfaser und Zellulose unterscheiden. Wenn man dies tut, kann
man auch nicht von verdaulicher und unverdaulicher Zellulose reden, denn es gibt eigent-
lich keine unverdauliche Reinzellulose.
Um die Jodchlorzinkreaktion recht deutlich zu bekommen, ist es
zweckmäßig, das Reagens nicht zu konzentriert zu nehmen, worauf auch
Amann^) hinweist und folgende Zusammensetzung vorschlägt: Reines Zink-
chlorid 10-0, Jodkali 2-5, Jod 0-25, Aqua dest. 10-0. Zur Technik empfiehlt
er Zentrifugieren des mit Wasser verriebenen Kotes und Untersuchung
des Sediments, von dem ein Tropfen auf dem Objektträger mit einem
Tropfen der obigen Lösung vermischt wird.
Die Zellulose färbt sich ferner blau, wenn man einem vorher mit
Liigohdier Lösung vermischten Präparat Schwefelsäure ( 2 H2 SO^ : 1 H._j 0)
oder Phosphorsäure zufheßen läßt. Ferner wird Zellulose durch frisch be-
reitete Kupferoxydammoniaklösung gelöst.
Lignin färbt sich nach Vorbehandlung mit Phlorogluzinalkohol in
Salzsäure violett rot.
Kutin nimmt bei Zusatz von Kalilauge einen gelben Farbenton an
(Ad. Schmidt -).
Der quantitative Nachweis der Rohfaser und Zellulose.
Rohfaser.
Die Rohfaser ist ihrer Zusammensetzung nach naturgemäß chemisch niemals
exakt zu definieren, sondern ist je nach Art und Alter der Pflanzen ganz verschieden
zusammengesetzt. Deshalb liefern auch die gebräuchlichen Methoden zur Darstellung
der Rohfaser niemals ein gleichmäßig zusammengesetztes Produkt, sondern die erhaltene
Rohfaser wird stets nach der Beschaffenheit des pfhxnzlichen Materials und der Art der
angewendeten chemischen Ageutien eine andere Zusammensetzung haben. Darum ist es
auch schwierig, bei quantitativen Rohfaserbestimmuugen in den Kontrollaualjsen genau
übereinstimmende Resultate zu erhalten. Häufig ist eine größere Anzahl Analysen nötig,
um brauchbare Resultate zu erzielen. Es sei daher gleich von vornherein darauf hinge-
wiesen, daß es bei den Rohfaserbestimmungen dringend nötig ist, bei der Verarbeitung
eines bestimmten Materials bei den erforderlichen mehrfachen Analysen peinlichst darauf
zu achten, daß in bezug auf Kochzeiten. Zusammensetzung der Reagentien, Hitzegrade usw.
ganz gleichmäßige Verhältnissse herrschen.
Zur Ausführung der quantitativen Rohfaserbestimmung benutzt man
am besten das alte Weender Verfahren von Henneberg und Stoh-
mann^) mit einigen von Wattenberg^) und v. Knicrieni^) angegebenen Ver-
besserungen. Dasselbe wird folgendermaßen ausgeführt:
1) ./. Ämannf La recherche microchimique de la cellulose digerable dans les
matieres fecales. Revue mödicale de la Suisse Romande. XXX™«» Annee. Nr. 2. 20 fevrier
1909. S. 4 des Sep.-Abdr.
-) Äd. Schmidt und ■/. Strashurger, Die Fäzes des Mensclien im normalen und
krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 78. Berlin 1905.
•■'j Literatur vgl. bei H. Lohrisch, Über die Bedeutung der Zellulose im Haus-
halte des Menschen. Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 47. H. 2 und 3. S. 203-207. 1906.
Methodeu zur Untersuchuii),' der iiienscliliclicii Filzes. -i
Ca. l\ (j lufttrockene pulverisierte Filzes (sehr fettreiche werden vor-
her mit Äther extrahiert) werden mit r)0 cm» öVoiger Schwefel.säure und
150 cm^ Wasser unter Ersatz des verdampfenden Wassers •/, Stunde lang
in einer Porzellanschale p:ekocht, zum .Vhsetzen stehen j^elassen, die Flüs.sig-
keit mit einem kleinen (Uashcher abgehoben, der Rückstand zweimal mit
Wasser ausgekocht, die jedesmal abgeholiene Flüssiiikeit mit der ersten
vereinigt. Der Rückstand wird danach ganz in dersellien Weise mit einer
Mischung von 50 cm^ 50/oiger Kalilauge und 150c///3 Wasser, dann mit
Weisser behandelt und zuletzt auf ein gewogenes Filter gebracht. Die kali-
haltige Flüssigkeit wird soweit als möglich mit dem Heber abgehoben, der
Absatz mit dem Inhalt des Filters vereinigt, letzteres bis zum Verschwin-
den der alkalischen Reaktion ausgewaschen, dann das Sediment aus den
schwefelsaurehaltigen Flüssigkeiten dai'auf gegeben, darauf sukzessive mit
Wasser, Alkohol und Äther voUstiindig ausgewaschen, getrocknet und ge-
wogen. Der Wert für Asche und Proteinsubstanz (N x 6"25) wird von der
Rohfaser in Abzug gebracht.
Der Nachteil des Verfahrens liegt in der viel zu langen Dauer, da
man gezwungen ist, vor dem Abhei)ern zu warten, bis Sedimentierung ein-
getreten ist, was oft lange Zeit in Anspruch nimmt. Wattruhcrg hat daher
vorgeschlagen, sich statt des lästigen Al)heberns eines mit Gaze und FlielJ-
papier überzogenen Trichters, der mit einem Saugapparat in \'erbin(iung
steht, zu bedienen. Auf diese Weise kann man die sauren und alkalischen
Flüssigkeiten schnell und so vollständig von dem Rückstände absaugen,
daß kaum einige Kubikzentimeter bleiben. Es empfiehlt sich daliei. die ge-
kochten Flüssigkeiten möglichst heiß abzusaugen. \'orteilhaft ist es auch,
zum Kochen Porzellanschalen zu benutzen, welchen nach Wattenhery genau
im Niveau von 200 c^y^^ unter der Glasur ein blauer Ring eingebrannt ist.
Dadurch läßt sich der Flüssigkeitsstand während des Kochens durch Nach-
füllen bis zum Ring stets regulieren, v. Knkricnt empfiehlt als wesent-
lich zeitsparend die Anwendung der Zentrifuge zum Absetzen der Rück-
stände.
Ein neueres Verfahren, welches bessere Resultate geben soll , ist das
Glyzerin-Schwefelsäure verfahren von Könige):
3 g lufttrockene pulverisierte Fäzes werden mit 200 g Glyzerin vom
spezifischen Gewichte l'2o, welches 20 g konzentrierte Schwefelsäure im
Liter enthält, bei lo.H— 137" 1 Stunde am Rückflußkidder gekocht. Man
läßt erkalten, verdünnt die gekochte Masse auf ca. ;')(.)(» r»/^ kocht noch-
mals auf und filtriert heiß durch einen mit Asbest ausgelegten (VoocZ/schen
Tiegel mit Hilfe der Saugpumpe. Der Rückstand im Tieirid wird mit reich-
lich heißem Wasser, erwärmtem Alkohol. Alkoholäther inid Äther ausgt»-
waschen, bis das Filtrat farblos abläuft. Tritt beim Filtrieren \erstoplimg
ein, so kaini man den Nieder.schlag im Tiegel mit einem Spatel vorsichtig
von der Mitte tler Asbestfläche nach den Seiten schieben. !'•" '' ■'■-''"•
') ./. König, Die Zolliiicniliniu und ilin- liostaudtoilo iii »'lifiiiisc-iit r uuu
logischer Hinsicht. Luiulwirtschattlichc Versuchsstatioinu IM (m S .L') 110. 1'.'
382 H. Lohriscb.
Tiegel wird dann getrocknet (105») und gewogen, der Inhalt im Tiegel
verascht und der Tiegel mit der Asche gewogen. Die Differenz zwischen
beiden Gewichten gibt das Gewicht der aschefreien Rohfaser.
Nochmals sei darauf hingewiesen, daß die Kö>iigsche Rohfaser in ihrer Zusam-
mensetzung mit der durch andere Verfahren gewonnenen Rohfaser keineswegs identisch
ist. Sicherlich werden auch durch die Einwirkung von Säuren, Alkalien und Glyzerin-
schwefelsäure Rohfaserbestandteile in verschiedenstem Umfange gelöst und gehen beim
Abheben und Filtrieren verloren. Für die Weender Methode hat man darauf aufmerk-
sam gemacht, daß speziell elastisches Gewebe nicht gelöst wird und als Rohfaser mit
bestimmt wird, worauf bei der Untersuchung von Fäzes, die von einer reichlich Fleisch
enthaltenden Nahrung stammen, zu achten ist.
Zellulose.
Alles, was bezüglich der Ungenauigkeit der Rohfasermethoden gesagt wurde, gilt
in gleichem Sinne für die Bestimmung der Zellulose. Zur Reindarstellung und quan-
titativen Bestimmung der Zellulose sind wir wie bei der Rohfaserbestiramuug gezwungen,
die Zellulose aus einem Gemisch von Eiweißsubstanzen, Fett, Kohlehydraten, inkrustie-
renden Substanzen und Hemizellulosen möglichst rein herauszuschälen. Keine der bis-
herigen Methoden ist so beschaffen, daß es dabei nachweislich ohne Zelluloseverluste
abginge. Denn die angewendeten chemischen Mittel wirken bei den verschiedenen Me-
thoden entweder zu schwach, und wir erhalten dann keine Reinzellulose, oder sie wirken
zu energisch, und dann gibt es eben Zelluloseverluste. Den richtigen Mittelweg inne zu
halten besteht vorläufig noch keine Möglichkeit. Wir wissen nicht, bis zu welchem
Grade der Konzentration bei der Untersuchung zellulosehaltigen Materials auf Rein-
zellulose wir chemische Mittel einwirken lassen dürfen, wenn sie in ihrer lösenden
resp. oxydierenden Wirkung eben vor der Zellulose Halt machen sollen. Dazu reichen
unsere Kenntnisse von der chemischen Beschaffenheit reiner Zellulose noch nicht aus.
Wissen wir doch, daß schon verdünnte Säuren und Alkalien Zellulose lösen können.
Es herrschen also auch hier unkontrollierbare Verhältnisse, und deshalb kann an die
Zellulosemethoden im allgemeinen nicht der strenge Maßstab bezüglich peinlichster
Übereinstimmung der Kontrollaualysen angelegt werden, der bei anderen quantitativen
chemischen Methoden selbstverständlich unerläßlich ist. Man muß sich also bei Be-
nutzung jeder Zellulosemethode von vornherein darüber klar sein, daß jede Methode
eine anders beschaffene Zellulose liefert. Ferner leiden fast alle Zellulosemethodeu an
dem Fehler, daß sie viel zu lange Zeit in Anspruch nehmen, was ihrer Verwendung
sehr im Wege steht. Die beste Zellulosemethode wird immer die sein, die es ermög-
licht, die Bestimmungen in möglichst kurzer Zeit auszuführen und möglichst
reine, d.h. von den sonstigen Rohfaserbestandteilen befreite Zellulose zu gewinnen.
Dieser Forderung scheint mir noch am meisten trotz mancher unten
zu erwähnender Einwände die von Simon und Lohrisch'^- -) angegebene
Methode zur Reindarstellung und quantitativen Bestimmung der Zellulose
zu entsprechen. Die Methode knüpft an an eine von G. Lange angegebene,
immerhin noch sehr umständliche Methode, bei der die Zerstörung der der
Zellulose beigemischten Substanzen durch schmelzendes Alkali erfolgt, ohne
daß dabei die eigentliche Zellulose zerstört wird. Dieser Vorgang wird auch
^) 0. Simon und H. Lohriscli , Eine neue Methode der quantitativen Zellulose-
bestimmung in Nahrungsmitteln und Fäzes. Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. Bd. 42. H. 1 u.
2. S. 55-58. 1904.
^) H. Lohrisch, Über die Bedeutung der Zellulose im Haushalte des Menschen.
Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 47. H. 2 u. 3. S. 215—219. 1906.
Methoden zur Untersuchung der menschlichen Fäzes. 3f^jj
bei der Mctliode SiD/oii-Lo/iriscIi Itcimtzt, die W iikiiiiii des Atzkiilis ;il>or
uoch durch Zusatz von ILO., unterstützt und srlilirClich otwaii^e in Lösuiifjr
gegangene Zellulose durch Alkohol wieder ausgefällt, im einzelnen wird wie
folgt verfahren: Zirka o— 5 (/ feinst pulverisierte lufttrockene Fäzes werden
in ein zirka 500 cin^ fassendes Kecherglas gebracht mid zunächst mit
100 — 150 cm^ heii'ieni Wasser übergössen. .Mit dem (Jlasstabe wird die
Substanz in dem Wasser möglichst fein verrührt, so dal') von dem Fäzes-
pulver keine gröberen Bröckel mehr sichtbar sind. Zu dieser Anfschweni-
mung setzt man nun soviel (Tramm Atzkali in Stangen, daß eine 50" oig»^
Lauge entsteht. Es erfolgt beim Schmelzen des Alkalis starke Erhitzung
und lebhaftes Aufschäumen, weshalb der Alkalizusatz nur portionsweise er-
folgen darf. So wird erreicht, daß das Ätzkali bereits im schmelzenden
Zustande bei starker Hitze auf die inkrustierenden Substanzen und son-
stigen Fäzesbestandteile einwirken kann. Nachdem sich alles Kali gelöst
hat, kocht man eine Stunde im Wasserbade. Nach dieser Zeit ist ein
großer Teil der Substanz gelöst. Man läßt die Flüssigkeit ziemlich erkalten
und setzt dann 3 — b cm^ SOVoiges HA),, (Merck j zu. l)er Zusatz muß vor-
sichtig tropfenweise, am besten aus einer Meßpipette erfolgen, da die Flüs-
sigkeit stark aufschäumt. Sollte das Aufschäumen so intensiv sein, daß
der Inhalt des Bechergiases den Rand desselben zu überschreiten droiit. so
genügt es, aus der Spritzflasche eine kleine Menge 960 o'gen Alkolnds auf-
zuspritzen, um das Überschäumen zu verhindern. Unter dem H.,().,-Zusatz
tritt eine neuerliche starke Erhitzung ein, bei der noch die letzten Ueste
organischer Substanzen außer der Zellulose zerstört und zersprengt werden,
(ileichzeitig entfärbt sich die Flüssigkeit. Selbst anfangs tiefschwarz au.s-
sehende Flüssigkeit erscheint jetzt hellgelb oder hellbraim. Das bietet den
Vorteil, das man etwa noch ungelöste Brocken erkennen kann, in welchem
Falle man noch ^/j — V4 Stunde im Wasserbade kocht. Nachdem die helle
Flüssigkeit etwas abgekühlt ist, setzt man das halbe \'olumen 96%igen Alkohols
zu. Oft mischen sich die Flüssigkeiten nicht sofort. Der Alkohol schwimmt
oben auf wie Öl auf Wasser. Es genügt dann ein tropfenweiser Zusatz
von 6 7 nn^ konzentrierter Essigsäure, welche Zellulose nicht angreift,
um eine gleichmiißige Mischung zu erzielen. Die etwa gelöst gewesene Zel-
lulose fällt als feiner Niederschlag aus. Die FUissigkeit ist dabei natürlich
noch so stark alkalisch, daß alle Eiweißstoffe in Lösung bleibt'U. Nun wiid
möglichst heiß duich ein gehärtetes Filter (Schhic/icr und Schul/ Nr. 575,
24 cm Durchmesser) abfiltriert. Das Filtrieren geht meist so schnell von-
statten, daß man eine Saug])unipe nicht nötig hat. Der Ilückst.-md im
Filter ist unlösliche 4- lösliche Zellulose -|- Asche. Lm aus dem Bückstand
schon den größten Teil des Alkalis zu entfernen und sich dadurch das
spätere Filtrieren zu erleichtern, ist es zweckmäßig, noch 1 2nial mit
heißem Wasser nachzuwaschen, was eiienfalls sehr schnell vor sich geht.
Nunmehr wird der Bückstand vom Filter ins Becherglas zurückgespritzt,
mit reichlich warmem Wasser aufgenommen, auf einem gewogenen Filter
{Schlächer und Schüll Nr. 5,^!i . 12^ ., cm Durchmesser) filtriert und mit
334 H. L ohrisch.
heißem Wasser ausgewaschen, bis das Spülwasser keine alkalische Reaktion
mehr gibt. Dieses Filtrieren geht ebenfalls rasch vor sich, zumal wenn
man darauf achtet, daß zunächst die im Becherglase überstehende Flüs-
sigkeit getrennt vom Sediment auf das Filter gebracht wird. Dann wird
mit verdünnter warmer Essigsäure zur Entfernung der anorganischen
Salze gewaschen, die Essigsäure ward mit Wasser ausgewaschen, zuletzt
wird mit heißem Alkohol und Äther gewaschen, getrocknet und gewogen.
Der Aschegehalt muß von dem Gewicht in Abzug gebracht werden. Ein
etwaiger N-Gehalt ist so geringfügig, daß er vernachlässigt werden kann.
Vorherige Extraktion sehr fettreicher Fäzes mit Äther ist nicht nötig.
Die Methode ist, wie ich mich durch reichliches und laugjähriges Arbeiteu da-
mit überzeugt habe, durchaus brauchbar, weuu es sich darum handelt, Ausuutzungs-
versuche anzustellen, bei denen es auf einen Vergleich zwischen der eingeführten und
ausgeschiedenen Zellulose ankommt. AVenn man hierbei im Fütterungsmaterial und im
Kot die Zellulose mit der Methode bestimmt und dabei größten Wert darauf legt, daß
die Kochzeiten in allen Analysen peinlichst genau eingehalten werden, daß immer die
gleichen Mengen Lauge und B^O^ bei gleicher Hitze angewendet werden, so erhält man
Analysenresultate, die sich sehr wohl verwerten lassen und vor allen Dingen genügen, um
die zugeii'ihrte mit der ausgeschiedeneu Zellulose zu vergleichen. Scheunert ^> ^) fand die
Differenzen in den Kontrollanalyseu größer als bei anderen Methoden und führt dies
zurück vor allem auf die Verwendung des HjO,, welches Zellulose, zumal bei Gegen-
wart von Alkali, in der Tat stärker anzugreifen scheint als andere Chemikalien. Läßt
man aber das llfi^ weg, so begibt man sich damit des Vorteils, reine Zellulose zu
bekommen. Ich würde deshalb lieber eine etwas größere Differenz in den Resultaten
der Koutrollanalysen vorziehen, zumal diese Differenzen bei sorgfältigster Herstellung
ganz gleichmäßiger Verliältnisse bei Ausführung der Analysen meiner Erfahrung nach
nie so groß werden können, um das Resultat erheblich zu trüben. Ich^) habe erst in
neuerer Zeit gelegentlich eines Hundeversuchs wieder gezeigt, daß sich damit doch recht
brauchbare Analysen ausführen lassen. Gelegentlich allerdings trifft man wohl einmal
Fälle an, in denen auch in zahlreichen Analysen keine rechte Übereinstimmung zu er-
zielen ist. Hier spielt offenbar die Beschaffenheit des Untersuchungsmaterials eine Rolle.
In solchen Fällen muß man sich eben mit einem Mittelwerte aus den am meisten über-
einstimmenden Analysen zufrieden geben. Führt man aber dabei eine genügend große
Anzahl Analysen aus, so ist die Fehlerbreite dann auch keine allzu große. Es sind also die
Scheunertschen Bedenken nicht unberechtigt. Die Mängel der Methode sind aber in den
geschilderten eigenartigen ^'erhältnissen begründet und werden sich vorläufig noch nicht
vermeiden lassen. Die Einwände Scheunerts treffen übrigens jede andere Methode eben-
so, auch z. B. die weiter unten erwähnte Zellulosemethode von Kö)iig. Auf den Alkohol-
zusatz logt Scheunert keinen Wert. Dies ist für viele Fälle wohl richtig, wenn keine
Zellulose in Lösung gegangen ist. Wo aber Zellulose gelöst ist, muß sie durch Alkohol-
zusatz gefällt werden, sonst würde sie mit dem Filtrate zu Verlust gehen, was die
Fehler der Methode noch mehr vergrößern würde. Es ist deshalb, da man nie wissen
kann, ob Zellulose in Lösung geht, in jedem Falle angebracht, den Alkoholzusatz zu
verwenden.
*) Ä. Scheunert und E. Lötsch, Vermag der Hund Zellulose oder Rohfaser zu ver-
dauen? Biochem. Zeitschr. Bd. 20. H. 1 u. 2. S. 10— 2L 1909.
-) A. Scheunert und E. Lötsch, Über die quantitative Zellulosebestimmung mit
Hilfe der Methoden von „Lange" und „Simon und Lohrisch". Zeitschr. f. physiol. Chemie.
Bd. 65. H. 3. S. 219-231. 1910.
^) H. Lohrisch, Bemerkungen zur Frage der Zelluloseverdauung beim Hunde und
iiber die Methoden der quantitativen Zellulosebestimmung. Zeitschr. f. physiol. Chemie.
Bd. 09. H. 2. S. 113—151. 1910.
Methoden zur Untersuchiiug der inensrhlichon FMzos. •)m',
Schcunert und Latsch^) füluTu unsere Methode in foljronder W» ■-
modifiziert und vereinfacht aus :
1—2 (/ fein gemahlene Substanz wird in einem Hec lier^,'lase mit
100 rw 3 kaltem Wasser verrührt, in weiches nach und nach 1()(» y Kali-
staniien einj^etrai^en werden. Nach Lösuul;- (h's Kalis wird auf (h-m sie-
denden AVasserhade eine Stunde lan^' erhitzt, dann <lurch ein },'ehartetes
Schleicher-ScIiüU-VWtoY al)fiitrieit und bis zum unj^efarbten Ai>tlier.en des
Filtrats mit heiliem Wasser nachirewaschen. hann spritzt iii.ni (h-n Kück-
stand vom Filter in das Becherf^las zurück, filtriert durch ein ;,'ewo<^enes
Filter und wäscht mit heißem Wasser nach bis zum Verschwinden di-r al-
kalischen Reaktion des Filtrats. Hierauf wä.scht man mit :y\oV^i-r heiücr
Essitisäure dreimal, spült abermals mit heij'.em Wasser nach bis zum Ver-
schwinden der saureu Keaktion, wäscht mit Alkohol und Äther und trocknet.
Der Aschegehalt ist vom Gewichte abzuziehen.
Bei diesem N'fifalircu wird die Zellulose natürlich iiiciit so rein erhalten wie lici
Sinion-Lohrifich. Iiiimerhiii wird mau auch hei gleichmäßiger Anwendung dieses Verfahrens
vergleicliliaro Resultate erzielen können.
Erwähnt sei noch das Königsche^) Verfahren der Zellulosedarstellunir,
welches ebenfalls, trotz Anwendung- von H.^O,, gute Resultate geben soll,
aber sehr umständlich und langwierig ist.
Das Verfahren gestaltet sich zunächst genau so wie das oben ange-
gebene Könif/ache Rohfaserverfahren. Es wird mit (dyzerinschwefelsäure
gekocht, durch den Goor//-Tiegel filtriert und der Rückstand mit warmem
Alkohol und Äther gewaschen. Nun wird der Rückstand mit dem Asl»e>t
aus dem Tiegel in ein etwa 800 cin'^ fassendes llecherglas gebracht und
mit ca. 150 cin'^ chemisch reinem dreigewichtsprozentigen H.J)., und
10 cm^ 24''/oigem Ammoniak versetzt und ca. 12 Stunden stehen gelassen.
Dann werden 10 ciu'-^ liOVoiges Wasserstoffsupero.xyd zugesetzt, der Zusatz
noch einige Male wiederholt und auch noch einige Male 5 cni^ 24:Voiger Am-
moniak zugegeben, bis die Masse weili geworden ist. Dann erwärmt man
2 Stunden im Wasserbade und filtriert wieder durch Asbest. Der gewaschene
Rückstand wird samt dem Asbest mit 7.") cnt^ Kupfero.xydammtmiak er-
wärmt und dann durch einen G^oocÄ-Tiegel filtriert. Das Filtrat wird mit
300 cms SOVoigem Alkohol versetzt und stark gerührt. Hierdurch scheidet
sich die Zellulose in großen Flocken (piantitativ wieder aus. Sie winl auf
dem Filter gesammelt, gewogen und verascht.
Von größter Wichtitrkeit ist es, hei der Ausführung Vdii .\ us n ut zu ngs vor-
suchen, hei denen es darauf ankommt, die Menge iler eingeführten mit der wieder
ausgeschiedenen Zellulose zu vergleichen, darauf zu achten, daß zur FOtteriinjf
nicht reine Zellulosepräparate henutzt worden, die mit einer »ler ge-
nannten Zellulosemethodon hergestellt worden sinii. Srli, um rt") neigt*: luim-
') A. Schcunrrf und I'J. JJifsrh, \ermag der Hund Ztdluhtse oder Hohfaser zu
verdauen? Biochem. Zeitschr. Bd. 20. H. 1 u. 2. S. 18-10. lUit'.».
2) .7. Könifi, Die Ztdlmemhran und ilire Bestandteile in cIk iiiiM-lier und piivhio-
logischer Hinsicht. Landwirtschaftliche Versuchsstationen. Bil. <)."> S .'-."i lld l'.H>fi.
«) A. Sciuumrt und E. LiU.srh, I. c. S. 10—21.
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arlii«it<methoden. V. 2.»
386 H. Lohrisch.
lieh, daß Zellulose, die mit einer der obigen Methoden dargestellt ist, bei nochmaliger
Behandlung mit der gleichen Methode ziemlich beträchtliche Substanzverluste erleidet.
Es kann also, wenn eine künstlich dargestellte verfütterte Reinzellulose im Kote noch-
mals in der gleichen Weise behandelt wird, ein Zelluloseverlust im Kote vorgetäuscht
werden, der dann fälschliclierweise als verdaute Zellulose gebucht wird. Als Material
für Zellulosefütterungen dürfen danach nur natürliche Pflanzenpräparate (getrocknetes
fein gemahlenes Weißkraut') u.a.) benutzt werden, deren Zellulosegehalt durch eine
der Methoden bestimmt werden muß. Selbstverständlich muß zur Bestimmung der Zellulose
im Fütterungsmaterial und in den Fäzes immer dieselbe Methode angewendet werden.
Nachweis von Umsetzungsprodukten der Kohlehydrate und
Zellulose.
Flüchtige Fettsäuren.
Die flüchtigen Fettsäuren (Ameisensäure, Essigsäure, Buttersäure,
Propionsäure) erhält man durch Destillation. Hoppe- Seyler'^) geht so vor, daß
die Fäzes zunächst mit Alkohol extrahiert , filtriert, das Filtrat mit kohlen-
saurem Natron neutraUsiert, zur Trockene eingedampft, der Rückstand in
Wasser gelöst, mit verdünnter Schwefelsäure angesäuert und destilliert wird.
Nach Hecht ^' *) ist einfacher folgendes Verfahren : 50 (j feuchte ge-
wogene Fäzes werden mit 8 l Wasser in einen großen Piundkolben ge-
spült und mit 20 ern^ konzentrierter Orthophosphorsäurelösung von Syrups-
konsistenz versetzt. Nun wird mittelst einer großen Kupferblase eine leb-
hafte Wasserdampfdestillation vorgenommen und das erste Liter und dann
die folgenden 8 Liter gesondert mit -^-Normallauge auf ihren Säuregehalt
titriert.
Die überdestillierten flüchtigen Fettsäuren können durch folgende
chemischen und mikrochemischen Pieaktionen identifiziert werden: Ein Teil
des ersten abdestilherten Liters wird mit Natronlauge fast neutralisiert
und schwachsauer eingedampft. Nachdem die Flüssigkeit auf kaum 1 cm^
eingeengt ist, wird kalt filtriert und das Filtrat mit Zerituitrat versetzt.
Ein Tropfen davon auf den Objektträger gebracht, läßt besonders nach
leichtem Anwärmen charakteristische radialfaserige Aggregate mit nega-
tivem Brewster^Qh^:R Polarisationskreuz erkennen, wodurch A m e i s e n s ä u r e
nachgewiesen wird. Ameisensäure gibt ferner mit neutralem Eisenchlorid
bei neutraler Reaktion eine Dunkelrotfärbimg der Lösung und beim Kochen
einen gelben Niederschlag.
Das übrige Destillat wird mit Kalkmilch abgestumpft und gleich-
falls schwachsauer eingedampft. Die konzentrierte Lösung der Kalksalze
*) H. Lohrisch, Bemerkungen zur Frage der Zelluloseverdauung beim Hunde und
über die Methoden der quantitativen Zellulosebestimmung. Zeitschr. f. physiol. Chemie.
Bd. 69. H. 2. S. 144. 1910.
^) Zit. nach Ad. Hecht, Die Fäzes des Säuglings und des Kindes. S. 111 — 112.
Berlin und Wien 1910.
'') Ad. Hecht, 1. c. S. 112—113.
*) Ad. Hecht , Das Verhalten der Fettsäurebildung im Darminhalt des Säuglings.
Münchener med. Wochenschr. 1910. Nr. 2. S. 63— G7.
Methoden zur Untersuchung der mcnsclilicheu Fiizes. j^mT
wird wieder kalt filtriert und (lar.iiifhiii werden folt^NMidc Proben au-
gestellt:
Ein Tropfen wird mit etwas Iranx Initrat. Nairiiiiuiuniuat nnd
Ameisensäure versetzt. Ks selieiden sich liesonders nach leichteni j-lnv.in;
und raschem Abkühlen scliöiu' nicht polarisierende Tetraeder und Okta. i= .
von Uranylazetat aus, was für Essigsäure beweisend ist. Hssigsiiine ;.Mbt
mit neutralem Eisenchlorid dieselbe Reaktion wie AmeisensiUire. Heim Er-
wärmen mit einem (lemisch gleicher Volumina konzentrierter H.,S(»^ und
Alkohol tritt der charakteristische Essigsäureäthylestergeruch auf.
Eine andere Probe wird mit Raryumazetat versetzt. Es erscheinen
Pseudooktaeder, die im polarisierten Licht als dojipeltbrechend un<l
DurchwachsungszwiUinge erkannt werden. Hierdurch wird die Pr(>pi((n-
säure erkannt.
Der Rest der Kalksalzlösung wird mit Kupfernitrat versetzt, worauf die
Kupfersalze der Propionsäure, der Buttersäure und der Valerian-
säure in meist sehr charakteristischen Formen (besonders die Valeriaii-
säurekristalle) auskristallisieren. Die Buttersäurekristalle sind an der cli.i-
rakteristischen Schwalbenschwanzzwillingsform zu erkennen.
Milclisäiire.
Der nach der Entfernung der flüclitigeu Fettsäuren zni-iickbli-ibende
Destillationsrückstand kann nach Sfrasl'Utyer^) in folgemier Weise ztn-
quantitativen Bestimmung von Müchsäure verwendet werden: Der Destil-
lationsrückstand wird mit Wasser verdünnt, mit Baryt ausgefällt, filtriert
und nachgewaschen. Das Filtrat wird durch CO.^ von überschüssigem
Baryt befreit, bei mäßiger Temperatur (nicht über 70" C') eingeenirt und
dreimal mit der lOfachen Menge Alcohol absol. ausgezogen. Nach \'erdnn-
sten des Alkohols versetzt man den Rückstand mit der gleichen MenL'e
Phosphorsäure und schüttelt mit der iDfachen Menge Äther ca. fünfmal
aus. Da etwas Phosphorsäure mitgerissen resp. gelöst wird, so sucht man
durch Dekantieren sowie Verdunsten des Äthers und nochmaliges LöstMi
in diesem die Phosphorsäure zu entfernen. Nunmehr wird der Äther ver-
trieben, der Rückstand — Milchsäure in Wasser gelöst nnd die .Menge durch
Titration bestimmt.
Der (jualitative Na(diweis der Milchsäure in dem zur .Vusschütteluni:
benutzten Äther geschieht so, dall man im Reagenzglase zu .') <-;//^ des
Äthers 2 Tropfen einer 10"/oi&e'> Eisenchloridlösung zu.setzt . worauf die
bekannte gelbgrüne bis intensiv grüne Färbung des Äthers din-ch Bildung
von milchsaurem Eisen eintritt. Statt der Fisenchloridlösuni: kann auch
das Uffelmaniische Reagens (H Tropfen Kisenchloridlösung: ÜO cm» l^/oiper
Karbolsäurelösung) genommen werden. Die amethystblaue Farbe des Re-
agens wird durch Milchsäure in /eisiggelb oder (ielbtrriin verwandelt.
*) A(L Schmidt und .7. Slruahutyir, Die Fäzes des M.i,x,1i,mi im iionnil.'ii und
Jiraukhaften Zustande. 2. Auflage. S. 202. Berlin llHJö.
9ji»
388 H. Lohrisch,
Nachweis von Gallenbestandteilen.
Galleiisäuren.
Die Gallensiiurcn (Glykochol- uiul Taurocholsäure) erscheinen unverändert nur
unter pathologischen Verhältnissen (starke Durchfälle, mangelhafte Reduktionsprozesse)
in den menschlichen Fäzes "wieder. Unter normalen Umständen wird der größere Teil
der Säuren im unteren Dickdarm resorbiert, der kleinere Teil im Dickdarm unter dem
f^influsse der Fäulnis gespalten in Glykochol, Taurin und Cholalsäure. Es ist also, um
Gallensäure nachzuweisen, unter normalen Verhältnissen insbesondere auf Cholalsäure
zu fahnden.
Um die Cholalsäure rein darzustellen, ist es nötig, sie zu isolieren
durch Extraktion der P'äzes mit Alkohol und Entfernung der Fettkörper
aus dem alkoholischen Extrakte durch Fällung mit Barvtlösung. Hoppc-
Seijler'^) verfährt in folgender Weise: Man extrahiert die J'äzes mit Alkohol,
filtriert, dampft unter Zusatz von etwas Essigsäure auf dem Wasserbade
zum Syrup ein und zieht den Rückstand mit kaltem W^asser aus. Das Un-
gelöste wird mit Barytwasser übergössen und nach Zufügen von etwas
Wasser erwärmt. Man leitet jetzt Kohlensäure bis zur neutralen Reaktion
ein, erhitzt zum Sieden, filtriert heiß, erschöpft den Rückstand durch
Auskochen mit heißem Wasser und dampft die vereinigten heiß filtrierten
Auszüge auf ein kleines Volumen ein. Nach dem Erkalten wird etwas Äther
und dann Salzsäure zugefügt, gut umgerührt und eine Zeitlang stehen
gelassen, wobei der Äther verdunsten kann. Man filtriert die ausgeschiedene
Cholalsäure ab, wäscht mit Wasser, löst in Alkohol, dampft die alkoholische,
nötigenfalls mit Tierkohle entfärbte Lösung auf ein kleines Volumen ein
und läßt zur Kristallisation stehen. Die ausgeschiedenen Kristalle werden
mit Hilfe der Pettenkoferschen Reaktion auf Cholalsäure geprüft.
Pettenko/ersche Probe. Fügt man zu einer etwas Cholalsäure ent-
haltenden wässerigen Flüssigkeit im Reagenzglas etwas Rohrzucker und dann
allmählich tropfenweise unter Umschütteln konzentrierte H., SO^ , indem
man durch Erwärmen oder Abkühlen in kaltem Wasser die Temperatur
auf etwa 70" erhält, so tritt, wenn die zunächst gefällte Cholalsäure durch
den w^eiteren Zusatz der Schwefelsäure wieder gelöst ist und noch weitere
Schwefelsäure zugesetzt wird, eine zuerst kirschrote, dann prachtvoll
purpurrote Färbung der Flüssigkeit ein, die sich im Verlaufe von 8 Tagen
unter allmählichem Dunklerwerden in eine blaurote Farbe umwandelt.
Diese Reaktion beruht auf der Einwirkung des Furfurols, welches aus dem
Zucker durch Schwefelsäure gebildet wird. Die purpurrote Lösung zeigt,
hierzu am besten mit Alkohol verdünnt, einen Absorptionsstreifen rechts
von />, einen zweiten bei E. Anwesenheit von Eiweißstoffen, viel Farb-
stoffen oder oxydierenden Substanzen kann die Reaktion beeinträchtigen.
Der Xachweis der gepaarten Gallensäuren und der Cholal-
säure geschieht nach Hoppe-Sei/ler folgendermaßen: Man extrahiert die
Fäzes mit Alkohol, filtriert, entfernt den größten Teil des Alkohols durch
') Zitiert nach Äd. Schmidt und J. Strctfthuryer , Die Fäzes des Menschen im
normalen und krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 218. Berlin 1905.
Methodeu zur Untersucliung der incusi-liliclieii Filzes. h«ij
Kindanipfen, macht mit Salzsäure sauer, dann mit Barvtwasser stark
alkalisch, leitet CO., ein, erhitzt zum Kochen, filtriert heil', nml kocht den
Ivückstand noch mehrmals mit Wasser aus. Die vereini.^tcn Kiltrate werden
auf ein kleines Volumen ei uticd, impft. Reim Krkaltcn scheidet sich cholal-
saurer Baryt ah, während .iilykocholsaurer und taurochdlsaurer I'>ar>t in
Lösung bleiben. Der cliolalsaure l'.aryt wird durch Deliandeln mit Salz-
säure, wie oben ano-egeben, in Cholalsäure überfidirf. Zur weiteren Tren-
nung der Glykocholsäure von der Taurocholsäure dient das verschiedene
Verhalten dieser Säuren gegen Bleizuckerlösung, (llykocholsäure und Cholal-
säure werden durch Bleizucker gefällt, während dabei nur sehr geringe
Mengen Taurocholsäure mitgerissen werden, wenn die Flüssigkeit nicht
stark alkalisch ist. Nach der Ausfällung dieser Säuren kann die Taurochol-
säure durch Bleiessig und etwas Ammoniak gefällt werden. Cber die ver-
schiedenen Methoden zur Identifizierung der S;iui-en außer der Pcttcn-
kof ersehen Reaktion vgl. Hoppe- Sc f/1 er. ' )
Die Cholalsäure geht auch in das Ätherextrakt der Fäzes mit über.
Wenn man den vom Cholestearin befreiten getrockneten Kückstand des
Gesamtätherextraktes (vgl. S. o68)mit Barytwasser unter Erwärmen schüttelt,
so kommt es zur Bildung von Pjarytseifen und cholalsaurem Baryt. Die
Seife wird abfiltriert und mit heißem Wasser gewaschen. Der cholalsäure
Baryt geht ins Waschwasser über und kann wie oben weiter verarbeitet
werden.
Nach Uri/ 2) werden die gepaarten Gallensäuren und die Cholalsäure
in folgender Weise nachgewiesen : Mau extrahiert die Fäzes mit Alkohol,
filtriert, engt auf ein geringes Flüssigkeitsquautum ein, säuert mit HCl
an, macht mit Barytwasser stark alkali.sch, leitet CO., ein und erhitzt
zum Kochen. Es wird heiß filtriert und der Bückstaud mehrere Male mit
Wasser ausgekocht. Hierauf werden die Filtrate vereinigt, eingedampft
und der Kückstand, um etwa gepaart anwesende (i aliensäuren zu veiseifen,
mit 2b cm^ 3H%iger Natronlauge 8 Stunden gekocht, indem das Wasser
immer wieder durch heißes ersetzt wird. Dann säuert man mit Schwefel-
säure an, schüttelt mit Äther aus und löst den Ätherrückstand in wenig
verdünnter Natronlauge und prüft auf Cholalsäure mittelst der I'rftrn-
^q/erschen Probe. Die Botfärbung allein genügt nicht ; man gießt daher
die Lösung in Eisessig und sieht nun, ob die Fliissiirkeit rot gefärbt ist
und das charakteristische Spektrum zeigt.
Gallenrarljstoft'e.
Die Farbstoffe der Galle, die in den Darm crjrosspii wird, werden ziim größeren
Teil im Urin und in den Fäzps ausgeschieden. lU>r Ilauptantoil der ausgeschiediMioii
Gallenfarbstoffc kommt auf die Fäzes. Drr normale Fazesfarlistoff ist Hvdroliili-
*) F. Hoppe-Sci/ler und //. Thirrfeldcr, Hainllnicli der pliysiologiscli- und paflio-
logisch-chemischen Analyse. VII. Aufl. Berlin l'.)03.
*) Zitiert nach Ad. ffrchf. Die Fäzes des Sänglintfs und des Kimlis .'^. HJj liciini
und Wien lUlÜ.
390 ^- Lohrisch.
ruliin, entstanden durch Reduktion des Bilirubins, die im Blinddarm und oberen
Teile des Dickdarms staltfindet.
Früher nahm man an. daß das Hydrobilir ubin der Fäzes und das Uro bil in des
Harns identisch seien. Jetzt wissen wir, daß das nicht der Fall ist, denn Hydrobilirubin
enthält nach Mahf 9-45Vo N, das Urobiliu \\Vic\\ Garrod und HopUns 4117o N. Neuer-
dings hat Fromholdt >) noch ein hydrobilirubinartiges Pigment dargestellt mit ö'OSVo ^•
Nach Fromholdt ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Zahl dieser Körper sich noch
vermehren läßt, und er hält es deshalb für richtiger, von einer Hydrobilirubiugruppe zu
sprechen, in die die genannten Pigmente und eventuell auch noch andere hineingehören,
die in ihren spektralen Eigenschaften gleich, in ihrem N-Gehalte aber verschieden sind.
Hydrobilirubin.
Qualitativer Xach weis. Die einfachste Methode ist die Sublimat-
probe von Äd. Schmidt.^) Diese wird so ausgeführt, daß man von den
möglichst frischen Fäzes ein etwa hasel- bis walnußgroßes Stück im Morser
mit einer nicht zu kleinen Menge konzentrierter wässeriger Sublimatlösung
(Sublimat 25-0, Na Cl 2*5, Aqua dest. 500-0) fein verreibt und das Gemisch
in einem zugedeckten Petrischälchen bis 24 Stunden stehen läßt. Es färben
sich dann sehr schnell alle hvdrobilirubinhaltigen Teilchen intensiv ziegel-
rot infolge von Bildung des leuchtend roten, gelb fluoreszierenden Queck-
silberchlorid-Hydrobilirubins , so daß die ganze Stuhlmenge diese Farbe an-
nimmt. Am schönsten kommt die Farbe an ganz frischen Fäzes heraus.
Kot, der längere Zeit gestanden hat, gibt rotbraune bis schmutzigbraune
Farbe.
Eine weitere qualitative Probe besteht im Nachweis der Fluores-
zenz des Hydrobilirubins:
10cm3 wässerigen geklärten (Kieseiguhr) Fäzesextraktes werden mit
10 cm 3 alkoholischer Zinkazetatlösung (lOVoige Zinkazetatlösung in abso-
lutem Alkohol) im Reagenzglas vermischt und umgeschwenkt. Ein etwa
entstehender Niederschlag wird abfiltriert. Im Filtrat Fluoreszenz.
Oder 3): Eine kleine ^lenge Kot wird im Reagenzglas mit saurem xVlkohol
Übergossen und eine Zeitlang stehen gelassen. Wenn Gelb- oder Braun-
färbung des Alkohols aufgetreten ist, wird derselbe abgegossen und mit
ein paar Tropfen Ammoniak und Chlorzinklösung versetzt. Oder man ver-
setzt ein mit ammoniakhaltigem Wasser hergestelltes und filtriertes Fäzes-
extrakt mit Chlorzink. Es entsteht ein dunkelroter Niederschlag, welcher
auf ein Filter gebracht und mit ammoniakhaltigem Alkohol ausgezogen
wird. Es tritt dann sehr schön die Fluoreszenz auf. ferner kann man das
Hydrobilirubin in dieser Lösung an seinem charakteristischen Spektrum
erkennen: das alkalische Hydrobilirubin hat zwischen h und F, näher an
h gelegen , einen Absorptionsstreifen ; beim Ansäuern der Lösung rückt der
Streifen nach F zu.
1) G. Fromholdt , Beiträge zur Urobilinfrage. Zeitschr. f. exp. Path. u. Therapie
7. Bd. H. 3. S. 717. 1910.
-) Ad. Schmidt und .7. Strashurger , Die Fäzes dos Menschen im normalen und
krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 220—221. Berlin 1905.
"j Zitiert nach Ad. Schmidt und J. Strashurger , 1. c. S. 221.
Mcthndpii zur UiitorsiiclmiiL'' der iiioii<cliliclifii Fäzes. -u\t
Lcukohydrobiliriihiii wird in dem saiiroii iilkdliolisclicn Kxtrakt
bei Zusatz von C'Iilor/iiik und Ammoniak odci- aiicli dnrrli i j Tropfen
Jodtinktur sehr leicht in Ilydrohiliruhiii unij^n'wandeit.
Oder'): ?> — 4<7 Stuhl werden mit :\Ovni'^ Amvlalkohol verrieben nnd
im Filtrat das charakteristische Spektrum das Ilydrobilirubins anf^rcsnciif.
Zu diesen rroben können auch getrocknete Fiizcs verwendet werden.
Die i)ekannten tont'arbiiien Fett stuhle kommen beim .Menschen
im allgemeinen dann zur Ucobachtuny, wenn der (Jallezuthib zinn I»arm
abgeschnitten ist. Hier ist der Mangel an iiydrobilirnbin mittelst (h-r
Sublimatprobe ohne weiteres zu erkennen. Es gibt in seltenen Fähen aber
auch acholische Stühle bei erhaltenem (iaileznnuli in den I>arm. liei
denen die weiße Farbe lediglich durch den Fettgehalt bedingt ist. Solche
Stühle werden, wenn man sie mit Äther entfettet, wieder iu-aun : lerner
klärt die SubUmatprobe auf. Weiter können diese acholischen Sfühle aber
auch dadurch bedingt sein, daß das Bilirubin durch eine zu weit geheii(h'
Reduktion zu Leukohydrobilirubin umgewandelt worden ist. In diesem Falle
wird der Stuhl, wenn man ihn an der Luft stehen lidit. an der Ober-
fläche durch Oxydation wieder braun. Die Sublimatprobe gibt mit Leuko-
hydrobilirubin ebenfalls schöne llotfärbung.
Quantitativer Nachweis. Die Methoden zum ([uantitativen Nach-
weis des Hydrobilirubins sind schwierig ausznführen und sind nicht als
ganz exakt zu bezeichnen, da das Hydrobilirubin ein leicht veränderlicher
Körper ist. Sie liefern, wie schon oben (Fromholdt) erwähnt, nicht imnu'r
gleichmäßig zusammengesetzte Pigmente (N), während die optischen pjgen-
schaften der Pigmente übereinstimmen. Es ist deshalb eigentlich nöti^^ in
den dargestellten Pigmenten immer den N-Gehalt zu bestinnnen. Alle .Me-
thoden stützen sich auf die von Friedrich Midier ursprün^dich angege-
bene Methode zur Darstellung des Uroliilins aus dem Hai-n. Das Ver-
fahren von Müller-) wird in folgender Weise ausgeführt, wobei einiire
kleine Modifikationen von Tsuchiija-BriKjsrh^) berücksitditiüt sind:
Eine gewogene Menge des frischen oder trockenen pulverisierten
Kotes wird mit Wasser verdünnt und mit heißer Barytmischung (1 Vol.
gesättigte Chlorbaryumlösung -j- r^Vol. gesättigte BarythydratlösuuLr) ver-
rieben, aufgekocht, filtriert und der Filterrückstand noch mehrmals mit
heißer Barytmischung und Wasser gewaschen, wodurch das Ilydrobiliinlün
dem Niederschlag bis auf einen kleinen Best entzogen wird. Dann wird
im Filtrat das überschüssige Baryt durch konzentrierte Natriumsidt'atlösiini;
entfernt, mit Schwefelsäure nahezu neutralisiert, filtriert uud das Filtrat
mit feingepulvertem Ammoniumsulfat (etwa »/j — V, \ ol. der Lösunu-) ver-
') Zitiert nach Äd. Hecht, Die Ftizes des Süngliniufs und lics Kindes. S. \ÜA).
Berlin und Wien 1910.
^) Zitiert nacli Ad. Scluuidf nnd ./. S/nislnirt/cr, Die Füzos dos Mensrlion im
normalen und krankhaften Zustande. 2. Aufl. S. 222—223. Berlin IWO'o.
■') ./. 'J'f!iirhii/a (mitLreteilt von 77i. lirtnisrh). IJcitriiire zin- Krasro der I r<iliiliiiaii>-
scheidnmr. Zeitsriir. f. oxperini. I'atind. n. TiuMapii". Bd. 7. H. 1 S. X^I :^<'.) l'iin
392 H. Lohrisch.
setzt und unter häufigem Umrühren und Schütteln 24 Stunden stehen ge-
lassen. Enthält die Lösung dann bei der spektroskopischen Untersuchung
noch Hydrobilirubin, so wird das Aussalzen mit Ammoniumsulfat wieder-
holt. Andernfalls wird filtriert. Durch Schwenken des Gefäßes mit dem
rückständigen Salze läßt sich an der Wand haftender Farbstoff leicht ab-
lösen. Dann spült man Salz und Gefäß mit dem Filtrat auch auf das
Filter aus und wäscht das Filter zuletzt mit gesättigter Ammoniumsulfat-
lösung. Wenn das Filter mit dem Niederschlage oberflächlich lufttrocken
geworden ist, wird es in einem Kolben mit aufgesetztem Kühlrohr nach
Zusatz von verdünnter Schwefelsäure mit einer Mischung von 1 Teil Äther
und 2 Teilen Alkohol in der Wärme ausgezogen. Das Hydrobilirubin löst
sich in dem schwefelsauren Ätheralkohol. Ein dreimaliges Extrahieren ist
gewöhnlich genügend. Die Lösung wird nun klar abfiltriert und der Rück-
stand wiederholt mit schwefelsäurehaltigem Alkohol ausgewaschen. Wenn
die ätherisch-alkohohsche Lösung stark verdünnt ist, so wird sie auf dem
heißen Wasserbade mittelst des Luftgebläses eingeengt, um ihr eine gewisse
Konzentration zu geben. Das Volumen der Lösung wird dann genau ge-
messen und auf seinen P^arbstoffgehalt untersucht.
Tsuchiya-Brugsch empfehlen zur quantitativen Bestimmung des Hy-
drobilirubins in der Lösung als exakteste Methode die spektrophoto-
metrische Bestimmung mit dem /vöm^-3far^ew5schen Spektralphoto-
meter. Eine genaue Beschreibung dieser Methodik siehe bei Tsuchiya-
Brugsch. 1 )
Es kann auch gewichtsanalytisch bestimmt werden so, daß man in
der Farbstofflösuug Chloroform auflöst und die Mischung in einem Scheide-
trichter mit etwa dem doppelten Volumen Wasser schüttelt. Das Chloro-
form nimmt den Farbstoff auf, setzt sich nach einiger Zeit ab und kann
abgelassen werden. Nach dem Verdunsten desselben bleibt der Farbstoff
zurück, welcher getrocknet und gewogen wird.
Will man aus der ätherisch-alkoholischen Lösung das Hydrobilirubin
in wässeriger Lösung haben, so führt man nach Tsuchiya-Brugsch'^) das
Hydrobihrubin wie vorstehend in Chloroform über, läßt das Chloroform aus
dem Scheidetrichter ab und wäscht es in dem doppelten Volumen Wasser.
Dem Chloroform läßt sich das Urobilin durch langsames Schütteln mit
schwach Ammoniak enthaltendem Wasser entziehen, wobei zu beobachten
ist, daß bei Gegenwart von viel Ammoniak leicht eine sich nur sehr lang-
sam in ihre Bestandteile scheidende Emulsion entsteht.
Fromholdt ^) macht darauf aufmerksam, daß bei der Hydrobilirubin-
darstellung möglichste Schonung des leicht veränderlichen Farbstoffes ge-
M J- Tsiichiija (mitgeteilt von Th. Brugsch), Beiträge zur Frage der Urobilinaus-
scheidung. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therapie. Bd. 7. H. 1. S. 353—357. 1910.
-) J. Tsuchii/a (mitgeteilt von Th. Bnigsch), 1. c. S. 359.
') G. Fromholdt, Beiträge zur Urobilinfrage, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. The-
rapie. Bd. 7, H. 3. S. 716-717. 1910.
Methotlen zur riitcrsucliuiiL^ dor in«Mi.srhlii*h(Mi Fiizps -'»r;
boten erscheint, ^veshall) besonders starkes Erwärmen vermieden werden
soll. Nach seinen Ani^al)en, die für das Urobilin des Urins ;.n'macht sind,
würde man für die Fäzes so vorzugehen haben, dati man eine bestimmte
Menge Fäzes mit salzsaiirem Wasser fein verreibt und extrahiert und das
Extrahieren solange fortsetzt, bis man sicher ist, dali alles Ilydroliilirubin
aus den Fäzes entfernt ist. Das klar filtrierte P'äzesextrakt. welches even-
tuell eingeengt wird, wird dann zum Aussalzen des Hydrobilirubins mit
Ammoniumsulfat versetzt. Hierauf Filtrieren. Lösen des Niederschlags mit
mögüchst wenig Natronlauge in Wasser. Filtrieren, behandeln des Filtrats
mit der obigen Barytmischung, solange noch ein Niederschlag entsteht.
Filtrieren. Befreiung des Filtrats vom überschüssigen Baryt mit Natriiun-
phosphat und etwas Natriumsulfat. Filtrieren (Abnutschen). Ansäuern des
Filtrats mit Salzsäure und Aussalzen mit Ammoniumsulfat. Filtrieren.
Trocknen des abfiltrierten Niederschlags im Vakuum über Kal/iumchlorid.
Extraktion des trockenen Niederschlages mit Chloroformalkohol (:)0:1).
Filtrieren. Fällen des Hydrobilirubins aus dem im \'akuum eingeengten
Extrakt mit Petroläther.
V. Moraczewshi^) verfährt zum ([uantitativen Ilydrobilirubiniiachwels
einfacher so, daß er einen sauren alkoholischen Fäzesauszug im Spektro-
photometer untersucht. Die Absorptionsstreifen für saures Hydrobilirubin
sind so charakteristisch, und es braucht der alkoholische Auszug eine so
große Verdünnung, daß dal)ei die anderen Kotfarbstoffe nicht in Frage
kommen.
Außer dem schon erwähnten Apparat von KönKj-Martem können be-
nutzt werden die Spektrophotometer von Vierordt, Hiifnrr oder GUni. -)
Bilirubin.
Qualitativer Nachweis: Hierzu wird die Ad. Schinidt^^che^) Sub-
limatprobe benutzt, die in derselben Weise wie oben angestellt wird. Da-
bei färben sich alle bilirubinhaltigen Teilchen durch Oxydation des Bili-
rubins zu Biliverdin grün. Die Probe kann also gelegentlich Hydi-obilirnbin
und Bilirubin gleichzeitig anzeigen. Auch kann darin der Nachweis kleinster
bilirubinhaltiger Teile mikroskopisch geführt werden.
Die GmelimchQ Probe: Zusatz von salpetrige Säure enthaltender
Salpetersäure zu den Fäzes bewirkt schnellen Farbenumschlag der gold-
gelben Bilirubinfarbe in Grün, Blau, Violett. Bot und (ielb. Die Probe wird
am besten so ausgeführt, daß man auf die in einer flachen (Jlasschale befind-
liche Salpetersäure kleine Tropfen der mit Wasser fein verriebenen Fäzes
fallen läßt. Sie gelingt nur bei reichlichem P.ilinibingelialt.
*) W. r. Morarzcwski, Über den Maiiird v«mi Holatioii zwischoii lianiiiulikaii und
Kotindol. Arcli. f. Yerdamingskrankh. Bd. 14. S. 378. li)U8.
2) Netibauer-IIiippcrf, Analyse des Harns. 11. Aufl. S. 48-Ü4. ^Viesl.adcn l'.MO.
^) Ad. Schmidt und J. S/rashiirijcr, Die Fäzes des .McnscluMi im iionualeii und
krankhaften Zustand. 2. Aufl. S. 220-221. Berlin 11)05.
394 H. Lolirisch.
Empfindlicher ist die Probe von Nahnyama.'^) Hierzu wird benötigt
eine lOo/oige BaClo-Lösung und eine Mischung von 99 Teilen 95o/oigem
Alkohol und 1 Teil rauchender Salzsäure , in der auf 1 ? 4 ^ Eisenchlorid
aufgelöst sind. Man mischt nun eine Stuhlaufschwemmung, der man nötigen-
falls eine Spur Xa^SOi zusetzt, mit der Chlorbaryumlösung zu gleichen
Teilen, zentrifugiert und gießt die über dem Barytniederschlag stehende
Flüssigkeit ab. Der Xiederschlag wird sodann mit 2 crn^ des an zweiter
Stelle genannten Reagens übergössen und zum Sieden erhitzt. Die über dem
Niederschlag stehende Hüssigkeit färbt sich bei Anwesenheit von Bilirubin
grün oder blaugrün.
Quantitativer Nachweis. 2) Die frischen Fäzes werden mit der
Fr. MüUerschen Barytmischung verrieben, filtriert, der Rückstand mit
wenig Essigsäure angesäuert und mit Chloroform ausgeschüttelt. Aus der
Chloroformlösung wird das essigsaure Salz durch Schütteln mit mehreren
Portionen Wasser entfernt; dann AAird die Chloroformlösung durch Zusatz
von Alkohol filtrierbar gemacht und aus dem Filtrate der Alkohol durch
erneutes Schütteln mit Wasser wieder entfernt. Die im Scheidetrichter
abgeschiedene Chloroformlösung, die den Farbstoff enthält, wird verdunstet,
der Rückstand getrocknet und gewogen.
Der Nachweis von Blut in den Fäzes.
Blut, welches aus dem Magen oder aus den oberen Darmabschuitten
stammt, wird als Hämatin ausgeschieden. Hierauf beruht der chemische
Nachweis des Blutes. Der Nachweis des Hämatins kann nach verschiedenen
Methoden erfolgen:
Teiclimannsche Häminprobe: Ein kleines auf Blut verdächtiges
Kotpartikelchen wird mit nicht zu wenig Eisessig auf dem vorher erwärm-
ten Objektträger verrieben und nach Zusatz einer Spur Kochsalz oder
auch eines Tropfens gewöhnlichen Wassers langsam über einer kleinen
Flamme erwärmt. Der Eisessig soll dabei nicht ins Sieden kommen und
muß, wenn er sehr schnell verdunstet, eventuell noch einmal ersetzt werden.
Nach dem Eintrocknen und Abkühlen wird ein Tropfen Wasser oder Gly-
zerin zugesetzt, das Deckglas aufgelegt und das Präparat im Mikroskop
auf die Anwesenheit von braunen . in rhombischen Prismen auftretenden
Hä minkristallen untersucht. Die Kristalle sind unlöslich in Wasser, Alko-
hol, Äther, Essigsäure und kalter Salpetersäure, lösUch in kochender Sal-
petersäure, in konzentrierter Schwefelsäure, verdünnter Kalilauge und Am-
moniak.
Exakter sind die folgenden Proben:
Weber-vau Deenscbe Probe: 5 — 10 r/ der gut mit dem Holzspatel
durchrührten Fäzes werden in einer Reibeschale mit Wasser, dem 1/3 Vol.
*) Zitiert nach Ad. Hecht, Die Fäzes des Säuglings und des Kindes. S. 161.
Berlin und AVien 1910.
-) Zitiert nacii Ad. Schmidt und J. Strashurger , Die Fäzes des Menschen im
normalen und krankhaften Zustande. 2. Auflage. S. 223. Berlin 1905.
Metliddon zur rntorsuolimi|? der menscblicheu i'iues. uqr^
Eisessig zugesetzt ist, bis zur flüssigen Konsistenz vorrielicii. Jliorvon
nininit man eine größere Portion in ein weites Reagenzglas und schwenkt
vorsichtig (nicht zu stark, um Emulsionsbildung zu vermeiden) mit Äther
um. Dann läßt man den Äther absetzen und klären. Falls dies sehr langsam
geschieht, setzt man einige Tropfen .\lkohol zu.
Man kann nun entweder nach Wchir in dem hei Anwesenheit von
Hämatin bräunlich gefärbten Äther das Spektrum des saui-en liämatins
nachweisen. Dieses zeigt einen intensiven schmalen Streifen in Kot zwischen
CundD und, gegen diesen an Stärke bedeutend zurücktretend, drei weitere
Streifen in Gelb, auf der Grenze zwischen Gelb und (Jrün und auf der
Grenze zwischen Grün und Blau; der letztere ist meist nur schwer erkennbar.
Oder man verfährt nach vcm Dcen: Dem abgehobenen Äther setzt man
lOTropfen frisch bereiteterGuajaktinkturund20— :;OTropfen altes ozonisiertes
Terpentinöl zu. Bei Anwesenheit von Hämatin fäil)t sich der Äther blau.
In neuerer Zeit ersetzt man die Guajaktinktnr durch einige Körn-
chen pulverisierten Guajakharzes und das Terpentinöl durch 20 — .•'.() Trojjfen
iWerc/tsches Perhydrol. Man kann die Guajaktinktnr auch durch frisch be-
reitete Aloinlösung (ü-a Aloin. pulv. auf lO'O TüVoigen Alkohol) ersetzen.
Einigermaßen fetthaltige Stühle werden vorher am besten mit Äther
entfettet.
Die Uenzidinprobe.
Eiue noch feinere Methode ist die von Schlesinger und Holst ^i anffesrelteiic, bei
der Benzidin verwendet wird. Die Bcnzidiureaktion üliertrifft nacii Walthtr-) die
mittelst Guajaktinktnr und Ah)in angestellten Blutproben an Scbärfe ganz wesentlich,
so daß beim negativen Ausfall der Benzidinreaktion das Vorhandensein von Blut mit
der größten Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Der positive Ausfall der Benzidin-
reaktion ist nur unter gewissen Vorsichtsmaßregeln zu verwerten. Walther stellte fest,
daß noch Verdünnungen von frischem Blut im Verhältnis 1 : 250000 l)ei Anwendung
der Bcnzidiniaktion deutliche Grünfilrbung hervorrufen. Es werden sdion minimale
Mengen von Fleisch oder sonstigem mit der Nahrung eingeführten Blut damit naclige-
wiesen. Deshalb ist, wenn man auf okkulte, aus den Verduuungsorgani'ii sdlist stam-
mende Blutungen fahndet, streng darauf zu halten, daß der Kot von einer absolut fleisch-
und blutfreieu Kost stammt (was übrigens auch für die oben genannten Proben gilt).
Ferner kann auch bei vrdliger Abwesenheit von Blut durch oxydierende Fer-
mente tierischer oder pflanzlicher Herkunft, wie sie häufig im Stuhle vorkommen, ein
positiver Ausfall der Benzidinreaktion liervorgerufen werden, was .sV/i/<. vi/Ji/cr und llolat
dadurch zu verhindern suchen, daß sie sehr kleine Mengen Fäzes benutzen und die
Fenneute vor Anstellung der Probe durcli KocIkmi zerstören. Krst unter diesen Vor-
sichtsmaßregeln gestattet der positive Ausfall der Benzidinreaktion. auf die Anwe-i-n-
heit von Blut, das dem Magen oder Darm entstammt, zu sehließen.
Ausführung: Man stellt sich zunächst eine annähernd konzentrierte
Lösung von Benzidin (Merck) in Eisessig dadurch her. dal'i man eine
0 E. SchJesiiu/cr und /'. Holst, Vergleichentle Untersuchungen über den Nachweis
von Minimalblutungen in den Fäzes nel)st einer neuen Modifikation der Benzidinprobo.
Deutsche med. Wocbenschr. Nr. 36. S. 1444—1447. lUOC).
-) E. Walther, Über die \'erwendung des Benzidins für den lUutnacbweis, im be-
sonderen über seine Anwendungsweise in der gerichtsärztlichen Pra.xis. Deutsche med.
Wochenschr. Nr. 7. S. 309. 1910.
396 H. Lohriseh.
Messerspitze Benzidiu in einem sauberen Reagenzglä sehen mit etwas Eis-
essig (etwa 2cm^, wenn mehrere Proben auszuführen sind, entsprechend
melir) übergießt, einige Male umschüttelt und dann beiseite stellt. Das
Benzidin löst sich leicht. Um eine konzentrierte Lösung zu erhalten, tut
man jedoch gut, während der weiteren Handhabungen diese Benzidineis-
essiglösung noch einmal durchzuschütteln.
Eine kleine etwa erbsengroße Menge der zu untersuchenden Fäzes
wird mit einem Glasstabe in ein sauberes, etwa zu ein Fünftel mit Wasser
gefülltes Reagenzglas gebracht und durch rührende Bewegungen mit dem
Glasstabe in dem Wasser aufgeschwemmt.
Dann wird das Gläschen durch einen Wattepfropfen verschlossen
und die Aufschwemmung über der Flamme einmal zum Aufkochen ge-
bracht, was beim ruhigen Hineinhalten in die Flamme in wenigen Minuten
geschieht.
Jetzt gießt man in ein reines Reagenzgläschen etwa 10 — 12 Tropfen
der konzentrierten Eisessigbenzidinlösung und fügt etwa 2\/o — 3 cm^ 37oig6S
Wasserstoffsuperoxyd hinzu. Damit ist das Reagens fertig, dessen Inhalt,
wenn er seine Farl)e unverändert behält, zugleich eine Kontrolle der Re-
agentien und des Reagenzglases ist.
Hierzu fügt man 1 — 3 Tropfen der gekochten Fäzeslösung durch ein-
faches Ausgießen aus dem geneigten Reagenzgläschen nach vorherigem
leichten Durchschütteln.
Bei Anwesenheit von Blut färbt sich die durch die wenigen Tropfen
der dünnen Fäzeslösung nur in geringem Gi-ade getrübte hellgelb-bräun-
liche Lösung schön grün, blaugrün oder blau. Je stärker der Blutgehalt
ist, desto mehr herrscht das Blau vor.
Folgende Modifikation der Probe von Schlesinger und Holst schlägt
Messersckmidf^) vor und bezweckt damit die Zerstörung etwa anwesender
reduzierender Stoffe und Fermente durch Verreiben des Extraktes mit
Essigsäure und Neutralisation alkalischer Fäzes.
Eine Messerspitze Benzidin wird in 2 cm'^ Eisessig gelöst. Diese Mi-
schung muß jedesmal frisch gemacht werden, da sie nicht lange haltbar
ist. In 2 m<3 Wasser, dem man einige Tropfen Eisessig zugesetzt hat, ver-
reibt man mittelst Glasstabes in einem Reagenzglas ein erbsengroßes Stück
Kot (von flüssigen Fäzes Va crn^)- Zu 3 Tropfen dieser Fäzeslösung wer-
den 1 — 11/2 «>^3 (nicht mehr!) 3''/oiges H., 0« zugefügt. Hierzu setzt man
1 — 2 cni^ der Benzidineisessiglösung.
Es empfiehlt sich nicht, zur Anstellung der Probe Fließpapiere, die
mit den Reagentien getränkt sind, zu verwenden, z. B. Benzidinpapier, da
dabei leicht Täuschungen unterlaufen {Walther ■^.
*) Th. Messerschmidt , Zum klinischen Nachweis von Blut in den Fäzes. Münchener
med. Wochenschr. Nr. 8. S. 389. 1909.
2) E. Walther, Über die Verwendung des Benzidins für den Blutnachweis, im be-
sonderen über seine Anwendungsweise in der gerichtsärztlichen Praxis. Deutsche med.
Wochenschr. Nr. 7. S. 310. 1910.
Methoden zur Untcrsuchuiij,' der nieiiscliliclicii Fa/.es. 397
Die Phcnolplitaliiiprohe iiiicli IJoas.')
Das Phonolphtalin ist als Uliitreagens zuerst von Iraiizüsischer
Seite empfohlen worden. Boas benutzt es in folf^endcr Weise:
Das Reagens ist eine alkalische Lösung von I'henolphtalein. das durch
Zink zu Phenolphtalin reduziert und nach Boas in folgender Weise herge-
stellt wird: 1 c/ I'henolphtalein und 25// Kalium hydr. fus. werden in l(M)j/
Wasser gelöst und 10 (/ Zinkpulver hinzugegeben. Die anfiinirlich rote Mi-
schung wird unter beständigem lUihren und Schütteln so lange bei kleiner
Flamme gekocht, bis vollständige Entfärbung eingetreten ist. Dann wird
heiß filtriert. Zum Zwecke der besseren Haltbarkeit tut man gut. der
Lösung etwas überschüssiges Zinkpulver zuzusetzen. Die Haltbarkeit ist
unbegrenzt.
Der feste Kot wird mit Wasser bis zur Dünnflüssigkeit verrieben,
etwas Eisessig zugesetzt, verrührt, Äther zugefügt, langsam im Reagenz-
glas geschwenkt, der Äther in ein reines Reagenzglas abgegossen, zum
Äther 20 Troi)fen des Reagens zugegeben (da das Reagens sich bei Be-
rührung mit dem Sauerstoff der Luft leicht oxydiert, so ist es zweck-
mäßig, bevor man es zu dem Ätherextrakt zufügt, einige Tropfen ablaufen
zu lassen), leicht geschüttelt und schließlich '^ — 4 Tropfen H^ ( )., zugesetzt.
Hierbei wird bei Anwesenheit von Blutfarbstoff das Phenolphtalin zu Phenol-
phtalein oxydiert und, da es sich in alkalischer Löstmg befindet, je nach
dem stärkeren oder schwächeren Blutgehalt mehr oder weniger rosa bis
intensiv rosarot gefärbt. Bei starkem Blutgehalt l)leibt die Rotfärbung län-
gere Zeit bestehen, l)ei schwächerem l)laßt sie bereits nach einigen Mi-
nuten ab.
Bei hohem Blutgehalt der Fäzes ist der Zusatz von 11., ()o nicht nötig.
Bei geringem Blutgehalt dagegen ist der HaOj-Zusatz immer nötig. Das
ist praktisch insofern von Bedeutung, als bei einer schon ohne Zusatz von
E-oOi auftretenden Rotfärbung unbedingt ein starker Blutgehalt angenom-
men werden kann und umgekehrt. Ferner ist bei Ausfühiung der Probe
zu beachten, daß das Ätherextrakt nicht zu sauer .sein darf. Im Notfalle
kann man nachträglich tropfenweise lOVoi^ie Kalilauge zufügen.
Ihrer Schärfe nach steht die Phenolphtalinprobe zwischen der Fr«'6frschcn tiuajak-
probe und der Benzidinprobe. Auch bei der Plienolphtalinprobe ist die Einhahung meh-
rerer fleischfreier 'J'age unerläßlich.
Der Nachweis von Fermenten in den Fäzes.
Trypsiii.
Hierzu eignen sich klare Fäzesextrakte, die nach Frank und Schitfrn-
helm') in folgender "Wei.se hergestellt werden: Die Fäzes werden in einem
*) J. Boa.s, Die riicnoliiiitalinpriilK' als Reagens auf okkulte Hlutuniron <1<'S M:igon-
darmkanales. Deutsche med. Wochenschr. Nr. 2. S. 62— 64. l'.Ml.
-) Fr. Frank und A. Schitteuhcliii, Wnkinxwww und Nacliwi'is von 'li\]i.'-iii wnu
Eropsin im Magen-Darmkanal. Zeitsdir. f. e.\p. ratli..|, u. 'I'li.r. Ud.8. Hl. S.2I6 l'.iK).
398
H. Lohrisch.
Verhältnisse von 1:2 bis 1:4 mit Wasser angerülirt und durch gehärtetes
Filtrierpapier auf der Nutsche mit Hilfe der Wasserstrahlpumpe abfiltriert.
Das so erhaltene Extrakt läßt man noch durch ein Beichel-Filter passieren.
Die auf diese Weise erhaltene bakterienfreie Fäzeslösung stellt eine zu-
meist der Farbe der Fäzes entsprechend gefärbte klare Flüssigkeit dar,
welche meist neutral oder schwach alkahsch, in seltenen Fähen schwach
sauer reagiert. Man kann natürlich auch Extrakte herstellen in der Art,
wie es früher (S. 345) beschrieben worden ist. Diese sind aber nicht bak-
terienfrei und müssen bei ihrer Verwendung mit Chloroform resp. Thymol
versetzt werden. Das Extrakt wird mit konzentrierter Natriumbikarbonat-
lösung, wenn nötig, leicht alkalisch gemacht.
Am einfachsten gestaltet sich der Nachweis des Trypsins. wenn man
zu kleinen Quantitäten des Extraktes im Reagenzglase eine Fibriuflocke
oder ein mit Eiereiweiß oder Hammelserum {Frank und Schittenhelm i)
gefülltes i¥e^/sches Röhrchen gibt und für 24 — 36 Stunden bei 37" in den
Brutofen steht.
Trypsinnachweis durch das Plattenverfahren von Müller-
Schlecht^-)
Das Prinzip des Verfahrens ist folgendes: Bringt man zur Prüfung
auf proteolytische Fermente kleine Tröpfchen des zu untersuchenden Ma-
terials auf die Oberfläche einer sogenannten Lö/f7er-Serum platte (Petri-
schale mit einer dicken Schicht erstarrten Blutserums) und hält die so
beschickte Platte bei 50 — 60" im Brutschrank, so zeigt sich an Stelle jedes
Tröpfchens bei Anwesenheit von Ferment eine nach und nach sich ver-
größernde dellen- oder muldenförmige Einsenkung. Ist kein Ferment vor-
handen, so bleibt die Dellenbildung aus.
Müller- Schi echt fanden, ^^•enn sie mit Hilfe der Serumplatte den normalen Darm-
inhalt prüften, eine bis zum untersten Dünndarm fortschreitende Zunahme der proteo-
lytischen Fermentwirkung. Im Dickdarmstuhle finden sich mir noch Reste von Trypsin
oder gar keines. Es ist also nötig, wenn man im menschlichen Kote Trypsin nach-
weisen will, einen Dünndarmstuhl zu erhalten. Dieser Dünndarmstuhl ist durch Abführ-
mittel zu erzielen. Täuschungen können bei positivem Ausfalle der Plattenprobe dann
vorkommen, wenn der Stuhl Eiter enthält, da man dann die Wirkung von proteolyti-
schem Leukozytonferment nicht ausschließen kann. Um sich hierüber zu orientieren,
genügt meist der makroskopische resp. mikroskopische Nachweis von Eiter. Eine hin-
reichend sichere Differenzierung gelingt durch eine einfache biologische Methode. Das
Pankreastrypsin läßt sich nämlich von proteolytischem Leukozytenfermeut durch Zusatz
des Blutserums von Kaltblütern oder Vögeln unterscheiden, insofern geringe Mengen
des Kaltblüter- resp. Vogelserums durch ihren Gehalt an Antitrypsin die Dellenbildung
durch den trypsinhaltigen Stuhl verhindern können. Gegenüber dem Leukozytenferment
besitzt das Kaltblüterserum aber keine gröbere Hemmungskraft. ^Mrd also eine ausge-
sprochene Dellenbildung schon bei Zusatz geringer Mengen von Kaltblüter- bzw. Vogel-
blutserum gehemmt, so handelt es sich um Pankreastrypsin. Blutbeimengungen zum
*) Fr. Frank und A. Schittenhelm , Vorkommen und Nachweis von Trypsin und
■ Erepsin im Magen-Darmkanal. Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Ther. Bd. 8. H. 1. S. 242. 1910.
■■*) Ed. Müller und H. Schlecht , Über die Prüfung der Pankreasfunktion durch
Trypsinbestimmungen in den Eäzes. Med. Klinik. Nr. 16. S. 573— 575 u. Nr. 17. S. 616— 618.
1909.
Methoden zur Untersucluui'r il<'r meiischliclicn I-azi
399
Darminhalt können durch den Gehalt des Blutserums an Antitrypsin die Wirkung des
Fäzestrypsins auf die Platte nur dann lu-nuncn. wenn das Bhit in s(» (,Toüen Monifcn
vorhanden ist, daß es schon makroskopiscli ulnic weiteres t'rkcnnliar ist.
Die Seruiuplutte wird nach Müller iiiid Schlexht aus KindorMut-
serum mit Zusatz von Traubenzuckerbouillon hergestellt.
Herstellung der 'rrauhcnz uck erlxi iiill on : \ ky mageres Rindfleisch, gewicht
und von Fett und Sehnen l)efreit, wird mit 2 / destilliertem Wasser im Emailletopf ver-
setzt und mit einem starken Glasstab gut umgerührt und unter stetigem rmrühreii
V4 Stunde auf dem Gasbrenner kochen gelassen. Der Topf mit Inlialt wird vi»r und
nach dem Kochen gewogen und der Gewichtsverlust durch Zusatz von destilliertem
Wasser ergänzt. Das Fleischwasser wird durch ein ausgespanntes Leinwimdtucli in einen
vorher abgewogenen Emailletopf koliert und der Rest dun-iigepreßt. Dann werden 1%
Pepton, sicc. und Ü"5Vo Kochsalz zugefügt und unter fleißigem Umrühren wiederum
10 Minuten gekocht. Der Topf wird durch Deckel verschlossen und im Kaltwasserbad
abgekühlt. Dann wird durcli Filtriertuch filtriert (ganz klar!), in gesäuberten Bierflaschen
mit Patentverschluß abgefüllt und 2 Stunden im Danipftopf sterilisiert. Aus der P'leisch-
wasservorratslösung wird neutrale Bouillon bereitet. Dazu wird das Fleisch wasser neu-
tralisiert (auf 1 l etwa 20 cm^ Xormalnatronlauge), im Wasserbade gründlich aufire-
kocht und durcli ein doppeltes Filter filtriert. Zu lUO cm^ dieser neutralen B(niillon
kommen 10 cni^ 107oi?er Trauhenzuckerlösung. Die Mischung wird im ^\'asserl)ade ge-
kocht und mit Xormalnatronlauge sorgfältig neutralisiert.
Herstellung der Platte: 2 Teile Riuderblutserum werden mit ITeil Trauben-
zuckerl)ouillon versetzt und sorgfältig geschüttelt. Man erhält auf diese Weise das
„Lö/f7er-Serum", mit dem man die „Lö/^7er- Platten" derart gießt, daß in den zuvor ste-
rilisierten Petrischalen eine dicke Schicht möglichst undurchsichtigen weißgelblichen
Serums in dem auf 85 — 90" eingestellten Sterilisator erstarrt. Nach 3— 4stündigem Ver-
weilen im Sterilisator läßt mau das erstarrte Serum langsam abkühlen. Nacii Abnahme
des Glasdeckels wird das Koudenswasser durch Umdrehen der Platten entfernt. Wieder-
holte Sterilisation ist nicht nötig. Die Serumplatte ist dann gelungen, wenn sie von er-
hel)licher Dicke und vollkommen glatter trockener Oberfläche ist. so daß die ausge-
säten Tröpfchen nicht auslaufen können. Mau läßt deshalb die sterilisierten Platten
einige Tage ablagern oder nach Wegnahme des Glasdeckels bei 55 — 60" einige Zeit
nachtrocknen.
Der Trypsinuachweis mittelst des Platteuvert'ahrens ge-
staltet sich nun folgendermaßen:
Die zu untersucliende Person erhält früh nüchtern einen hohen Kin-
lauf oder eine Glyzerinspritze zur Iveinigung der untersten Darmabschnitte.
Nach erfolgtem Stuhlgang wird eine Probemahlzeit (löO g Fleisch und
150^ Kartoffelbrei) verabreicht. Eine halbe Stunde danach Darreichung
eines Abführmittels (0'2 — 0*3 Kalomel oder 0%') Purgen, eventuell t)-J Ka-
lomel mit 0"i — 0".'> Purgen zusammen). Der damit erzielte meist dünn-
flüssige Dünndarmstuhl wird zum (lualitativen Nachweis des Trypsins so
verwendet, daü man kleine Stuhltröpfchen mit einer Platinöse oder einem
Glasstäbchen auf eine abgeteilte Fläche der Serumplatte bringt und dieselbe
24 Stunden bei 50— 60" im Brutschrank hält. Die Anwesenheit von Trypsin
zeigt sich durch Bildung deutlicher Dellen. Die Dellenbildung tritt bei nor-
malem Fermentgehalt meist sehr rasch in kaum einer halben Stunde ein. Fehlt
nach 24 Stunden jede Dellenbildung, so ist kein wirksames Tryjtsin vorhanden.
Ist der Stuhl zu dickl)reiig. so verreibt man ihn mit Glyzerinwas.ser.
AVenn nötig, wird mit Sodalösung alkalisiert. bis Lackmus|)apier eben eine
400 H- Lohrisch.
alkalische Reaktion zeigt. Scheut man sich vor der Verabreichung von Ab-
führmitteln, so kann man auch den spontan entleerten Stuhlgang nach
der Verreibung mit Glyzerinwasser und Alkalisierung in der beschriebe-
nen Weise verwenden. Allerdings ist dann die Dellenbildung: meist eine
recht geringe.
Zur genaueren quantitativen Bestimmung des Trypsins sind dünn-
flüssige Stühle nötig. Diese werden in einem Porzellanmörser aufs sorg-
fältigste verrieben. Alsdann werden mit einer Meßpipette Verdünnungen
des verriebenen unfiltrierten Stuhles mit Glyzerinwasser hergestellt. Man
macht diese Verdünnungen am zweckmäßigsten in Porzellanschälchen oder
Uhrgläschen oder auf Porzellanplatten, in denen eine Anzahl Vertiefungen
enthalten sind. Müller und Schlecht empfehlen, was den Grad der Ver-
dünnungen betrifft, die Stuhlverreibung 5-, 10-, 20-, 50-, 100- und 200fach
mit Glyzerinwasser zu verdünnen. Die Serumplatte wird in 8 numerierte
Abschnitte durch Tintenstriche eingeteilt und die einzelnen Abschnitte mit
Tinte numeriert. In das erste Feld kommt dann in Gestalt von 4 bis
6 Tröpfchen die unverdünnte Stuhlverreibung, in die nächsten 6 Felder
nacheinander die obenerwähnten Verdünnungen mit Glyzerinwasser. Vor
der Aussaat wird jede Verdünnung nochmals sorgfältig verrieben. Ist man
der tadellosen Herstellung einer Serumplatte nicht sicher, so kommen in
das 8. Feld Tröpfchen einer wirksamen künstlichen Trypsinlösung. Die so
beschickte Platte wird auf 24 Stunden bei 50—60° in den Brutschrank
gestellt. Ist ein solcher nicht zur Verfügung, so kann man die Platte nach
Zusatz von Chloroform oder ThymoUösung zu der Stuhlverreibung bei 87"
halten. Das letzte Ablesen der Resultate erfolgt erst nach 24 Stunden.
Kniaskof^) empfiehlt neuerdings, da das Serum ein immerhin ziemlich teures
Material und nicht immer zu beschaffen ist und da die Serumplatten leicht verderben,
zur Trypsinprobe Platten zu gießen mit Gelatine, welche mit Formaliu vorbehandelt
ist. Eine derartig behandelte Gelatine verflüssigt sicli bei höheren Temperaturen nicht.
Ihre Empfindlichkeit gegen Trypsin bleibt aber erhalten. Diese Platten werden folgen-
dermaßen hergestellt:
10— loVoige Gelatine wird auf einem Wasserbade in destilliertem Wasser aufge-
löst, neutralisiert, filtriert, dann in Petrischalen bis zur Bildung einer gleichmäßigen
Schicht in ca Vg cm Höhe ausgegossen. Man läßt die Gelatine erstarren und gießt auf
ihre Oberfläche eine 107oige Formalinlösung. Nach 12—24 Stunden wird das Formalin
entfernt; darauf werden die Schalen mit der erstarrten Gelatineschicht während V2 bis
1 Stunde mit fließendem Wasser abgespült, bis der Formalingeruch verschwunden ist.
Die Gelatineoberfläehe wird dann vorsichtig mittelst Fließpapieres abgetrocknet, worauf
die Platten fertig sind. Sie müssen vor Austrocknen geschützt werden.
Bei diesen Platten sind ganz unbedeutende Vertiefungen bei Einwirkung schwacher
Trypsinlösungen infolge der Durchsichtigkeit der Gelatine nicht ganz deutlich erkenn-
bar. Sie werdei\ aber deutlicher, wenn die Gelatine mit einem Farbstoff versetzt wird.
Zu diesem Zwecke empfiehlt Kniaskof die i^^rr/sche Tusche. Man setzt der flüssigen
Gelatine vor Füllung der Petrischalen soviel Tropfen Tusche zu, bis die Gelatine rauch-
grau aussieht. Nach der Einwirkung der Trypsinlösung wird die Gelatineoberfläche mit
Wasser abgespült. Es treten dann die kleinen Vertiefungen auf dem dunklen Grunde
der gefärbten Gelatine deutlich hervor.
1) Kniaskof, Platten für die Trypsinprobe. Med. Klinik. Xr. 3. S. 108. 1911.
Methoden zur l'iitorsiichuiijj der mouschlichcn Fdzes. AQt
Die Kapsolmethodc von Müller iiiul Schlcrltt.^)
Die Kapselmethode ist eine ModifikatiDii (k-r Sahlii^dieu (ilutoid-
kapselprobe, bei der die Kapseln bekaiintlidi mit Jodoform ^cUWU sind.
Mülle?- und Schlecht benutzen iiicrzu die nach Anf^alx'ii von Iiuniprl lior-
gestellten Capsulae f^eloduratae. Es sind dies (ielatinekajisehi, die in
alkoholischer Forinalinlösun^' so j^'-ehärtet sind, dali sie nur durch das
Pankreastrypsin rasch gelöst werden. Sie sind mit tVin pulverisiertem
Holzkohlenstaub gefüllt und sind als Capsulae geloduratae c. carb. Viiin. 0-:-J
von der Firma G. Pohl in Schöid)aum bei Danzig zu beziehen.
Für die Kapselprohe mnli in der oben geschilderten Wei.se ein Diinn-
darmstuhl geschaffen w(!rden. Etwa 10—1;') cw^ der möglichst dünnfliis-
sigen 8tuhlprobe werden unter Zusatz von Chloroform oder einigen Thymol-
ki'istallen in ein kleines Glasgefäü gefüllt, welches so weit .sein mul), daU
die Kapsel darin frei schwimmen kann. Der Stuhl darf nicht filtriert
werden. Es genügt, etwaige gröbere Brocken sorgfältig zu verreiben. Wenn
nötig, wird mit Sodalösung alkalisiert. Die in das Glasgefäß gefüllte Stulil-
probe wird nun mit einer (ieloduratkapsel beschickt und l)ei .-iT" im lirut-
ofen gehalten. Die Temperatur von ;>7" darf nicht erheblich überschritten
werden, weil sonst die Kapsel sich spontan lösen kann. Der Moment der
Kapsellösung zeigt sich dadurch an, daß der austretende Kohlenstaub die
Flüssigkeit schwarz färbt. Ist innerhalb 24 Stunden die Kapsel ungelöst,
so ist kein Trypsin im Stuhl enthalten. Bei normalem Trypsintiehalt ist
die Kapsel in '/g — 1 Stunde gelöst. Je weniger Trypsingehalt vtuiiandcn
ist, desto länger dauert die Lösung. Es läßt sich also schon durch Fest-
stellung der Lösungszeit eine annähernde quantitative Abschätzung des
Trypsingehaltes ermöglichen. Um genauere quantitative Angaben zu machen,
verfährt man wie beim Plattenverfahren, indem man in der.sellten Weise,
wie oben geschildert, mit lOVoi&e"^ Glyzerinwasser verdünnt und in jede
der Verdünnungen eine Kapsel legt.
Die Kaseinmethode von Gross")-Koslowsky.^)
Das Prinzip der ^lethode besteht darin, daß das Kasein, in Alkali
leicht löslich, im Gegensatz zu seinen Verdauungsprodukten bei Essigsäure-
zusatz leicht ausfällt. Zur Stuhluntersuchung stellt man sich am besten
eine V2Vooige Lösung des Kaseins her, indem man Uö ^ des Caseinum
purissimum Grübler in 1 / einer P/oo'^Pn Sodalösung unter Erhitzen löst.
Die Fäzes werden in einer Reibeschale mit der dreifachen Menge Po.jger
Sodalösung zu einer ganz gleichmäßigen Masse aufgeschwemmt und so
*) Ed. Müller und 11. Schlecht, Über die Prüfung der r:inkrea.sfiinktion durch
Trypsiubestimmungen in den Fäzes. Med. Klinik. Nr. 17. S. 617. 190*.».
*) 0. Gross, Zur Funktionsprüfung des Pankreas. Houtsche med. W ochenschr.
Nr. 1(5. S. 706—708. 1909.
^) S. Kosloic^ky, Der Nachweis des Trypsins in den P'äzes und seine diajfuostisclic
Bedeutung (Untersuchung mit der Kaseinmethode von Gross). I.-D. Greifswahi iy09.
Abd e rh .il den , Handbuch der biochemischen Arbeitamethoden. V. JA)
402
H. Lohrisch.
lange filtriert, bis man ein klares g-elbgefärbtes Filtrat erhält, was gewöhn-
lich rasch der Fall ist. Bekommt man kein ganz klares Filtrat, so läßt
man die Trübung absetzen und benutzt die darüberstehende klare Flüssig-
keit. In ein kleines Kölbchen bringt man 100 crn^ der Kaseinlösung und
setzt 10 cm^ der Kotaufschwemmung zu, bringt die Mischung in den
Thermostaten bei 38 — 40° C und sieht an kleinen , von Zeit zu Zeit ent-
nommenen Proben nach, wenn auf Zusatz von P/oiger Essigsäure eine
Trübung nicht mehr auftritt, d. h. wenn alles Kasein verdaut ist.
Es hat sich gezeigt, daß in allen Fällen, bei denen es sich nicht um eine Er-
krankung des Pankreas oder einen Verschluß der Pankreasausführungsgänge handelt,
Trypsin in den Fäzes nachzuweisen ist. Um einen möglichst starken Trj-p singehalt der
Fäzes zu erzielen, ist eine stark eiweißhaltige Nahrung zu verabreichen, eventuell kann
auch ein mildes Abführmittel gegeben werden. Die Verdauungszeit des Kaseins
schwankt zwischen 8 und 15 Stunden, gewöhnlich beträgt sie 12 — 14 Stunden. Durch
geeignete Verdünnungen der Fäzes kann man auch annähernd quantitative Schlüsse
ziehen.
Die Seidenpeptonmethode.
Dieselbe ist von Abderhalden^) für den Nachweis peptolyti-
scher Fermente im Darmkanal eingeführt worden. Man löst V2 9 des
Seidenpeptons -) in 1 011^ des nach Frank und Schittenhehn ^) hergestellten
Fäzesextraktes auf, wobei sofort zu alkalisieren ist. Das Gemisch wird im
Brutofen bei 37 — 40° 1^ — 3 Tage gehalten. Dabei fällt', wenn reichlich
Ferment vorhanden ist , Tyrosin in kristallinischer Form aus , erkennbar
makroskopisch oder nach Sedimentieren im Sediment mikroskopisch als
schöne in Büschelform angeordnete Nadeln. Ist nichts ausgefallen, so kommt
die Lösung für einige Tage in den Eisschrank, wobei dann zuweilen das
Tyrosin erst ausfällt. Bleibt die Lösung dauernd klar, so ist kein Ferment
vorhanden.
Die Seidenpeptonmethode kann auch bei Anwesenheit von Erepsin
positiv ausfallen.
Die Kernprobe von Ad. Schmidt.^)
Schmidt fand, daß die Kerne der Zellen im Gegensatz zum Binde-
gewebe nur vom Pankreassekret, nicht aber vom Magensaft verdaut werden.
*) E. Abderhalden und Fl. Medigreceanu, Über das Vorkommen von peptolytischen
Fermenten im Mageninhalte und ihr Nachweis. Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 57.
S. 317. 1908, ferner E. Abderhalden und A. ScJntfenhelm, Über den Nachweis peptoly-
tischer Fermente. Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 61. S. 421. 1909.
^) Über die Darstellung des Seidenpeptons vergl. E. Abderhalden und Eugen
Steinheck, Beitrag zur Kenntnis der Wirkung des Pepsins und der Salzsäure. Zeitschr.
f. physiol. Chemie. Bd. 68. S. 293. 1910.
^) Fr. Frank und A. Schittenhehn , Vorkommen und Nachweis von Trj'psin und
Erepsin im Magendarmkanal. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therapie. Bd. 8. H. 1. S. 242
und 246. 1910.
*) Ad. Schmidt, Die Funktionsprüfung des Darmes mittelst der Probekost. 2. Aufl.
S. 35—36. 1908.
Methoden zur l utersiicliuiig ilcr inciischiichcn Fäzes.
"Wenn also unverdaute Gewebskerne in <lcn Fäzes wieder erscheinen, so
kann man daraus nach Schmidt den sieheren Seidul) auf un;.'eiiii};ende
Funktion des Pankreas ziehen.
Die Probe Avird so angestellt, daß man die v.w untersu(hen<ie l'crson
einen kleinen Fleisehwürfel , der sieh in einem P>entelchen von S»'iden;;;ize
befindet, versehlueken läßt, und zwar mehrere 'raj^n' hintereinander mittajxs.
Die Peutelchen werden im Kote leieht wiederjrefundcn , besonders wenn
man den zusehnürenden Seidenfaden recht lanj^ liilit, und es wird dann
in dem in dem Säekchen enthaltenen Fleischreste entweder frisch mit
Essigsäure oder Methylenblaulösung oder nach vorausgegangener Härtung
in gefärbten Schnitten auf die Anwesenheit von Kernen gesucht.
Die Fleischwürfel werden so hergestellt, daü fi-isches Fleisch in Wür-
fel von ca. ^/o cm Seitenlänge geschnitten und in Alkohol aufbewahrt wii-d.
Nach der Härtung werden die Würfel in kleine (iazebeutelchen getan und
wieder in Alkohol aufbewahrt. Vor dem Gebrauche sind die gefüllten lieutel
mehrere Stunden zu entwässern.
Gegenüber mehreren Einwänden, die in neuerer Zeit gegen diese Probe gemarht
\vorden sind (i>rar/5cA'), Hesse'-) und die sich darauf gründen, daß die Kerne schon im
^Magensaft gelöst werden, hat Sfrauch'^) neuerdings bei Verwendung natürlicher Ver-
dauungssäfte gezeigt, daß die Zellkerne nur vom Pankreassaft gelöst werden, daß also
die Grundlagen der Sehmidtschen Probe richtig sind und daß die Probe mit Recht zum
Kachwcis von Pankreasferment verwendet wird. Zu dem gleichen Kesidtat ist nach einer
Mitteilung von Ad. Sclimidf*) vor kurzem Kashiirado gelaugt, der fand, daß weder
Magensaft noch Darmsaft die Kerne in einem für den Ausfall der Probe wesentlichen
Grade angreifen. Dagegen löst reiner Pankreassaft — und zwar auch der nicht akti-
vierte — die Kerne schnell.
Kashiwado hat die Schiiiidtsche Kernprobe in folgender Weise ver-
einfacht: Die Kerne der Thymusdrüse lassen sich durch ^■erdauung des
Thymusgewebes im Magensaft leicht isolieren. Die isolierten Kerne werden
mit Alkohol und Äther gewaschen, mit Alaun-Hämatoxylin gefärbt, getrocknet
und mit Lykopodium vermischt in einer Oblate gereicht. Im nächsten oder
übernächsten Stuhl werden die Stellen, an denen Lykopodium vorhanden
ist, mikroskopiert, und man erkennt dann die gefäibten Kerne, wenn sie
unverdaut geblieben sind, leicht wieder. Sind sie verdaut, so bieilit nur das
auffällige Lykopodium zurück.
Diese Modifikation gibt nach Ad. Sc/imidfs bisherigen Krfahrungen
dieselben Pvesultate wie die ursprüngliche Kernprobe.
') Th. Brugsch, Experimentelle Beiträge zur funktionellen Darn^liagno-^tik.
Zeitschr. f. expcrim. Path. u. Therapie. Bd. 6. H. 2. S. 361-362. 1901».
'') A. Hesse, Zur Bewertung der Schiiiidt^vhcn Kernpridte. Zcitsclir. 1. ixju mn.
Pathol. u. Therapie. Bd. 7. H. 1. S. 01-93. Vgl. ferner .V. ru/i !»',*/< ;irvA-, Die K.-rn-
prohe von Prof. Ad. Srlmn'df. Zeitsriir. f. experini. Pathol. u. Thnrapio. Bd. 8. H. 2.
S. 353-357. 1910.
•') /'/v/r. Strtiuch, liii' Grundhige der Ail. .•x-iniifif^ctwu Imi m'i-diC. Deutsches
Areh. f. kliu. Med. Bd. 101. S. 128-136. 1910.
^) Ad. Schmidt, Diskussionsbemerkung zu dem Vortrag von Wintcmitz, Über eine
neue Methode zur Fuuktionsprüfung des Pankreas. 28. deutscher Kongreß für innere
Medizin. Wiesbaden. 21. April 191L
26«
404 H. Lohrisch.
Erepsin.
Erepsin ist im menschlichen Dünndarminhalt und in den Fäzes mit
Sicherheit nachgxnviesen worden.
Zum Nachweis in den Fäzes werden die Eigenschaften des Erepsins
benutzt, durch die es sich vom Trypsin unterscheidet, daß es nämlich, wie
Abderhalden'^) und seine Mitarbeiter nachgewiesen haben, gewisse Poly-
peptide, z. B. Glyzyl-glyzin spaltet, was Trypsin nicht tut, und daß es ferner
natives Eiweiß (Fibrinflocken, i¥e^/sches Röhrchen) nicht angreift. Störend
wirkt aber bei der Differenzierung zwischen Trypsin und Erepsin der Um-
stand, daß beide Kasein spalten und die Seidenpeptonreaktion geben.
Peptone werden vom Erepsin schnell gespalten.
Die zu zweit genannte Eigenschaft des Erepsins, natives Eiweiß nicht
anzugreifen, ist zum Nachweis des Erepsins so zu verwerten, daß auf An-
wesenheit von Erepsin geschlossen werden kann, wenn Fibrinflocke und
Mettsche Röhrchen unangegriffen bleiben bei gleichzeitiger Lösung von
Kasein und bei positiver Seidenpeptonprobe.
Nach Brugsch^) empfiehlt es sich, zu bciii'^ einer P/ooig^n Witte-
Peptonlösung 1 cm^ Fäzesextrakt zuzusetzen und das Reagenzglas mit dem
Gemisch 40 — 72 Stunden bei 37*^ zu halten. Ist dann die vorher positive
Biuretreaktion negativ geworden, so spricht dies für das Vorhandensein
von Erepsin, wenn es nicht gelingt, Trypsin nachzuweisen.
Frank und Schittenhelm^) raten wegen der dem Trypsin und Erepsin gemeinsamen
Eigenschaft, Kasein zu verdauen, die Kaseinmethode von Gross zum Nachweis des
Trypsins in den Fäzes nicht zu verwerten oder nur in Kombination mit anderen Me-
thoden. Indessen scheint es nach den neuesten Untersuchungen von Brugsch und Masuda*},
als ob die kaseolytische Wirkung der Fäzesextrakte in der Hauptsache auf das Trypsin
zu beziehen ist. Die geringere kaseolytische Wirkung des Erepsins und Bacterium coli-
Extraktes kann bei der doch immerhin großen Verdünnung der Fäzesextrakte unbe-
rücksichtigt bleiben.
Diastase.
Der Nachweis der Diastase geschieht so, daß der verzuckernde Ein-
fluß der vorhandenen Diastase auf eine Stärkelösung geprüft wird, wobei
Jodlösung als Indikator dient.
*) Vgl. hierzu Emil Abderhalden und Y. Teruuchi, Studien über die proteolytische
Wirkung der Preßsäfte einiger tierischer Organe sowie des Darmsaftes. Zeitschr. f.
physiol. Chemie. Bd. 49. S. 1. 1906.
^) Th. Bruc/schf Experimentelle Beiträge zur funktionellen Darmdiagnostik. Zeit-
schrift f. exper. Path. u. Therapie. Bd. 6. H. 2. S. 359. 1909.
^) Fr. Frattk und A. Schiftenhelm , Vorkommen und Nachweis von Trypsin
und Erepsin im Magendarmkanal. Zeitschr. f. exper. Path. u. Therapie. Bd. 8. H. 1.
S. 253. 1910.
*) Th. Brugsch und N. Mastida, Über das Verhalten des Dünndarmsaftes und
-Extraktes, ferner des Extraktes einiger Bazillen (Koli, Streptokokken) gegenüber
Kasein, Lezithin, Amylum. Ein Beitrag zur fanktionell-diagnostischeu Prüfung der
Fäzes auf Fermente des Pankreas. Zeitschr. f. exper. Path. u. Therapie. Bd. 8. H. 3.
S. 617-623. 1911.
Metlindon zur Untersucliuiii.' der ineiisclilichcn Fäzes. mj^,
Die Methode wird nach Wohlyenmth ' -) in foi'rcndcr Weise ausgo-
fiihrt: Eine auf der IIand\vap:e abiiewo^ene Men^^e von öy frischem Kot wird
in einer Keiheschale mit 20 rm» einer l<'/oi&('n Kochsalzlösung; verrieben,
und zwar in der Weise, dal» man von dem abf,^emessenen (Quantum Koch-
salzlösung- erst ein paar Kubikzentimeter zufüp:t, so lanf,'e verreibt, bis man
einen vollkommen homo<^enen Brei hat , wieder etwas Kochsalzlösun}; zu-
füj.5t und verreibt und .<;o weiter verfahrt, bis man die •.'csamte i-'liissi^;-
keitsmenge mit dem Kote verrieben hat. Dann liiüt man noch :K) Minuten
bei Zimmertemperatur stehen, rührt in der Zwischenzeit hiiufiji: um und
verteilt nun den dünnen flüssigen Brei in gleichmäßiger Weise (je 10 rm')
auf 2 Zentrifugierröhrchen , die genau gegeneinander tariert sind und eine
Graduierung tragen. Dann wird so lange zentrifugiert , bis die festen Be-
standteile sich abgesetzt haben, was innerhalb ö— 10 Minuten erreicht ist.
und nun die Plöhe des festen Rückstandes und der Flüssigkeitsmcuge an
der Graduierung der beiden Röhrchen abgelesen und notiert. Hat man vor
der Übertragung des Breies auf die Zentrifugierröhrchen noch einmal
gründlichst durchgerührt, so wird man nach Beendigung des Zentrifugierens
finden, daß der Rückstand in beiden Röhrchen die gleiche Höhe einnimmt.
Glaubt man. daß der Rückstand bei weiterem Zentrifugieren noch mehr
zusammensinken würde, so läßt man die Zentrifuge noch weitere 5 Minuten
laufen. Bei einer elektri.schen Zentrifuge genügt es. die (Jläschen höchstens
15 Minuten lang in Betrieb zu halten.
Alsdann gießt man das überstehende fermenthaltige Fäzesextrakt ab
und bestimmt die Diastase mittelst eines Iieihenversuchs. Zu diesem Zwecke
benutzt man 9 Reagenzgläschen, auf die man das Ferment verteilt. Die
Fermentverteilung nimmt man so vor, daß man die ersten drei Gläschen
mit 10, 0"5 und O-'lbcin^ des unverdünnten Fäzesextraktes i)eschickt und
weiterhin so fortfährt, daß jedes Gläschen die Hälfte von dem vorher-
gehenden erhält. Das erreicht man am beiiuemsten. wenn man mit der
8- respektive 64fachen Verdünnung des ursprünglichen Fäzesextraktes
arbeitet. Glas 4, 5 und 6 erhalten dann DO, O'ö und 0-2öcm3 der Hfachen
Extraktverdünnung, Glas 7, 8 und '.' erhalten 10. (»"ö und o-2ö<7»3 der
64fachen Extraktverdünnung, so daß die einzelneu Gläser folgende Ferment-
mengen enthalten :
Glas 1
Glas 2
Glas H
DO
0-5
0-25
Glas 4
Glas 5
(Jlas 6
0-125
00625
oo:U2
Glas 7
Glas 8
Glas 9
0-0156
0-0078
0-0():i9.
•) J. Wohlgemuth, (M»er eine iieiio Metlimle zur (iiiaiititativeu Bestimmunir dw
diastatischen Fermentes. Biocliem. Zeitscbr. H»l. !>. H. 1 u. 2. S. 1— 9. 11KJ8.
') .7. Wohlficmuth , Beitra-r zur funktionellen Diairiiostik des Pankreas. Beiuii' r
klin. Wochenschr! Nr. 3. S. 92-95. 191U.
406 H. Lohrisch.
Die VerdünDung macht mau sämtlich mit P/oiger Kochsalzlösung
und ergänzt die fehlende Menge in den einzelnen Gläschen mit derselben
Lösung, um überall gleichmäßige Kochsalzkonzentration zu erhalten. Dann
kommen zu jeder Fermentprobe bcm^ IVoiger Stärkelösung. Die Gläschen
werden sodann mit einem Kork oder Wattestopfen fest geschlossen und
auf 24 Stunden in den Brutschrank bei 38" gestellt. Nach x\blauf der
Frist werden sie herausgenommen, mit kaltem Leitungswasser bis etwa
1 Finger breit vom Rande aufgefüllt, mit je 1 Tropfen —-Normaljod-
lösung versetzt und nun die unterste Grenze der Wirksamkeit (limes) be-
stimmt, d. h. dasjenige Gläschen, in dem zum ersten Male ein blauer
Farbenton auftritt.
Angenommen, Glas 7 sei als Hmes zu bezeichnen, so würde Glas 6
mit 0-0312 Extrakt dasjenige Glas sein, in dem sämtliche Stärke mindestens
bis zum Dextrin abgebaut ist. Aus diesem Glase berechnet sich die Größe
des Fermentes in der Weise, daß die Anzahl Kubikzentimeter einer
iVoigen Stärkelösung bestimmt werden, die durch lau"- der Fermentlösung
in der für den Versuch angewandten Zeit bis zum Dextrin total abgebaut
wird. Es ergibt sich folgende rechnerische Überlegung:
0-0312 Extrakt bauen in 24 Stunden bei 38» bcrn^ IVoiger Stärke-
lösung ab.
1-0 Extrakt baut in 24 Stunden bei 38" 160-3 c;«^ lo/^iger Stärke-
lösung ab.
Die diastatische Kraft eines Kubikzentimeters Extrakt aus Fäzes be-
zeichnet Wohlgemuth mit Df. Im angenommenen Beispiele würde also
Df = 160-3) sein , d. h. die diastatische Kraft beträgt 160-3 Diastaseein-
heiten.
Nun muß man weiter in Rechnung setzen die Menge des Rückstandes,
die in bg Kot enthalten ist. Angenommen, es wären beim Zentrifugieren
für den Rückstand 2-bcm'^ und für die Menge des Extraktes 7-5 cm^ ge-
funden worden, so würde 1 cm^ Rückstand entsprechen — ^ c^m^ Extrakt
— ?>cm^ Extrakt. Da nun 1 cm^ Extrakt = 160-3 Fermenteinheiten ist, so
entspricht 1 cm» Rückstand 3 x 160-3 = 480-9 Fermenteinheiten. Dem-
nach würde sich aus diesem Beispiel für die Diastasemenge im Kot der
Wert ergeben : Df f' = 480-9 , wobei Df f ' bedeuten würde die Diastase-
konzentration in 1 cm^ Kotrückstand unter gleichzeitiger Angabe der
Zeit und der Temperatur, die bei Ausführung des Versuches zur Ver-
wendung kamen.
Will man nun noch die Diastasemenge für den Gesamtkot berechnen,
so braucht man nur das Gewicht in Beziehung zu setzen zu der Menge
des Ausgangsmaterials und zu dem Werte, den man für Df g^j^ gefunden hat.
In dünnen Fäzes ist die Diastasemenge viel größer als in festen Fäzes, dabei so
gleichmäßig verteilt, daß Kontrollbestimmiingen sich erübrigen. Diastasewerte von 470
Methoden zur Untcrsuchiiiif,' der ineiischlichon Fäzes. 4.(j7
bis 5U0 sind luuli Wuhltiemuth und \l'i/itliuuseii ') l)uridischnitts\viTi. . . ,,, ,,1
große Diastasemengeu im Stuhle zu erhalten, niuli eine jreeifrnete Diät (fcifehcii
Die Diät muß bewirken, daß das Pankreas möglichst viel Sekret liefert und dui; dir
Stuhl möglichst homogen und alkalisch ist, da die Diastase in saurem .Mr '
sam ist. Es soll dcslialb eine gemischte Kost mit wesentlicher Kin-.
Kohlehydrate gegeben werden (Milch mit Tee und Kaffee, Bouillon, Schubefleis«
Kalb und Rind, Eier, weißer Käse. Weißbrot. Butter). Diese Diät wird 2 Tag" l.iut
gegeben und erst am zweiten und dritten Tage der Stuiil auf Diastase untersucht. Am
Tage vor der Diät und an den beiden nächsten Tagen wird abends ein mildes LaxanK
(Rhabarber, Sagrada, Kurella) gcgelien.
Die zum Versuche nötige Stärkelösung wird aus der löslichen Stärk«- von Kahl-
baum hergestellt. Die Bereitung der P/oigen Lösung geschieht so, d:iß man die genau
abgewogene Menge Stärke in das entsprechende Quantum kalten destillierten Wassers
einträgt und so lauge rührt, bis sich eine gleichniäßigi' Suspensiim (.'eliildct hat. Dann
wird die Mischung in einer Porzellanschalc auf dem Wasserbade unter stetem Cmrüiiren
erwärmt, bis sie sich aufhellt, was innerhalb 8 — 10 Minuten erreicht ist. Auf diese
Weise erhält man eine ganz homogene. leicht opake Lösung. Dieselbe muß natürlich
erst stark gekühlt werden, bevor sie zum \'ersuch verwendet wird. Sie hält sich zwar
mehrere Tage, doch ist es zweckmäßig, möglichst frische Lösungen zu verwenden.
Zuweilen ist es schwierig, dasjenige Gläschen zu bestimmen, in dem man den
ersten blauen Farbenton deutlich wahrnimmt. Man beiregnet manchmal Röhrchen, in
denen neben einem starken Rot (Erythrodextrin) ein leichter Idauer Farbenton vurhan-
den ist. Wenn man schwankt, ob dieses Röhrchen schon als unterste Grenze aufzu-
fassen ist, so gibt man zweckmäßig noch einen Tropfen Jodlösung in dieses Gläschen
und beobachtet beim Umschütteln, ob der blaue Farltenton Itestehen bleibt oder durcii
eine rotbraune Färbung verdrängt wird.
Gleichzeitige Ausführuiii,^ der KaspininetlKMle ((irossl uinl der
Diastjisenu'thode ( Wolili;eimitli ).
Wenn es darauf ankommt, beide Fermente jik'it'hzeiti','- zu bostimnien.
so verfährt Wi/uhausen-) praktischerweise folgendermalien: Er licnutzt ein
Fäzesfiltrat und führt zwei Reihenversuche mit je 12 Glaschen, die in zwei
kleinen Regalen untergebracht sind, aus. Die Gläschen beschickt er in fol-
gender Weise:
Je 2 Gläschen mit 0-25 und O'! cm^ unverdünntem Filtrat:
je 5 Gläschen mit O'ö, 0-4, 0-25, O'IB und Ol n,i^ des lofach ver-
dünnten Filtrats;
je a Gläschen mit OOn, 0-25 und 0-1 nn-' des lUOfadi verdünnten
Filtrats;
je 2 Gläschen mit 05 und 0-25 cw» des lOOOfach verdünnti-n Filtrat.^.
Die 12 Gläschen der einen Reihe werden mit je bcm^ IVoig«*!' Stilrke-
lösung, die 12 der anderen Reihe mit je öcm^' lVooip:Pr l^^i^^^i"'*'^""!-' '^*'-
schickt und die Proben in der obigen Weise weitergeführt. Die l'msetaung
von l cni^ lo/ooiger Kaseinlösung durch 1 cm^ Filtrat = tryptische Fer-
menteinheit, wovon sich normalerweise immer mehr als 2(Hl Fiidteiten finden.
') O.J.Wi/nhause», Zur ([uantitativeii FunktionsprUfuuL' de-^ Pankreas. Berliner
klin. Wochenschr. Nr. 30. S. 1401J-1407. PJOU.
2) (). ./. WijuhauKvii, 1. c. S. 1407.
408 H. Lohrisch.
Der Nachweis anorganischer Bestandteile.
Der Nachweis erfolgt durch Analyse der Fäzesasche.
Quantitative Bestimmung der Fäzesasche.
Zur Veraschung wird ganz trockener und fein pulverisierter Kot ver-
wendet. Ein abgewogenes Quantum davon wird im Platin- oder Porzellan-
tiegel vorsichtig erhitzt, zunächst bei Rotglut verkohlt und schließlich bis
zum völligen Weißwerden der Asche geglüht. Der Tiegel wird zur Abküh-
lung im Exsikkator aufbewahrt und dann gewogen.
Analyse der Fäzesasche.
Hoppe- Sei/ler ^ ) hat darauf aufmerksam gemacht, daß bei der obigen
Veraschung ein Teil der hierbei nachweisbaren Schwefelsäure und Phos-
phorsäure nicht als anorganisches Salz im Untersuchungsmaterial enthalten
zu sein braucht, sondern erst während der Veraschung aus dem organisch
gebundenen Schwefel der Protein Stoffe entstanden bzw. aus den Phosphor-
säure enthaltenden Lezithinen und phosphorhaltigen Proteiden abgespalten
werden kann; ferner, daß Kohlensäure und Salzsäure während der Ver-
aschung durch Schwefelsäure und Phosphorsäure ausgetrieben werden
können. Um diese Fehlerquellen nach Möglichkeit zu vermeiden, verrührt
man die Fäzes nach Hoppe-Seyler 2) mit einem großen Überschuß von
Alkohol, filtriert und zieht den Rückstand zunächst mit verdünnter Essig-
säure und darauf mit verdünnter Salzsäure aus. Man erhält auf diese
Weise eine alkoholische, eine essigsaure und eine salzsaure
Lösung.
Die alkoholische und essigsaure Lösung werden vereinigt, ein-
gedampft und verascht. 3) Hierzu bringt man den beim Eindampfen ver-
bleibenden Rückstand in eine IMatinschale, welche mindestens das sechs-
fache Volumen der zu veraschenden Substanz faßt. Ist diese Substanz
spröde, knistert und zerspringt sie beim Erhitzen, so bedeckt man zunächst
die Schale und erhitzt bedeckt so lange, als man noch Knistern hört. Dann
entfernt man den Deckel. Das Erhitzen ist nur langsam zu steigern, um
dem Wasser und gasförmigen Destillationsprodukten hinreichend Zeit zum
ruhigen Entweichen zu lassen, denn bei zu rapidem Entweichen der Gase
können Substanzpartikelchen mit fortgerissen werden und Verluste an Asche
bedingen. Man erhitzt in dieser Weise höchstens bis zu beginnender Rot-
glut und erhält bei dieser Temperatur, bis keine Dämpfe oder Nebel mehr
entweichen und die Kohle fest und unbeweglich geworden ist. Man läßt
dann erkalten, übergießt die erkaltete Kohle mit ein wenig Wasser, ver-
reibt sie unter demselben möghchst fein, erhitzt nach Zusatz von noch
mehr Wasser zum Sieden und filtriert durch ein aschefreies Filter, wel-
1
^) F. Hoppe-Seyler und H. Thierfelder, Handbuch der physiologisch- und pathologisch-
chemischen Analyse. 7. Aufl. Berlin 1903. i^ 541. S. 471.
2) Hoppe-Sei/Jer-Thierfelder, 1. c. § 687. S. 553.
») Hoppe-Scyhr-Thierfelder, 1. c. § 426. S. 391.
Methoden zur Untersuchiiiig der menschlichen Fitzes inq
ches mit heißem Wasser senüj^ciid aus^^ewaschen wird, riatinscliale, Filu-r
und Kohle werden j>ut im Lufthade jj^etrocknet, die trockenen Substanzen
mit dem Filter in der Schale aljermals hei schwacher Kotj/hit erhitzt, nach
dem Plrkalten wieder mit Wasser verriehen und in der ohij,'en Weise he-
handelt. Das Filtrat wird mit dem ersten vereini^^t. Nnn werden Schale.
Filter und Kohle wieder getrocknet, allmählich his zum hefti;,'en (iliihen
erhitzt und so lange im Glühen erhalten, bis die Kohle völlig oder bis auf
geringe Spuren verschwunden ist. Da die Kohle stets noch Sjjuren lüs-
licher Salze zurückhält, so ist auch diese Asche noch mit Wasser zu ex-
trahieren, das Filtrat mit den vorherigen zu vereiniiicn und die ganze
Flüssigkeitsmenge auf dem Wasserbade einzuengen. ])ie im Wasser un-
löslichen Aschebestandteile werden nun mit verdünnter Salzsäure erwärmt.
und wenn hierbei Eisenoxyd zurückbleiben sollte, bis zur völligen Lösung
mit konzentrierter Salzsäure auf dem Wasserbade digeriert.
Man erhält auf diese Weise einen wässerigen iiiid eim-n Salz-
säuren Auszug der Asche.
In dem wässerigen Auszuge können nach Hoj>pr- Sei/Urs'^) Vor-
schriften nachgewiesen werden: Kohlensaure und phosithorsaure .\lkalien.
Schwefelsäure, Salzsäure, Phosphorsäure, Kalk. Kali, Natron, Kieselsäure.
In dem salzsauren Auszuge wird geprüft auf Kalk, Magnesia, Thos-
phorsäure und Eisen.-)
Die direkt aus den Fäzes extrahierte salzsaure Lösung wiid eben-
falls verdampft und verascht, die Asche mit Salzsäure aufgenommen und
auf Phosphor und Eisen untersucht, s)
Veraschung auf nassem Wege.
Die von A. Neumann *) angegebene ^'eraschung auf nassem Wege
ist sehr zweckmäßig deshalb, weil das zu veraschende Material nicht ge-
trocknet werden muß. weil die Veraschung .sehr befiuem vor sich geht
und Verluste durch Erhitzen und Fortfließen ausgeschlossen sind. Mit der-
selben kann man nur die Metalle und die nicht flüchtigen Säuren be-
stimmen. Salzsäure und Kohlensäure entweichen. Das Prinzip der feuchten
Veraschung ist Oxydation der Substanz mittelst eines Gemisches von Sal-
peter- und Schwefelsäure und Vermeidung der Verkohlung durch langsames
beständiges Hinzufügen des Säuregemisches.
Die feuchte Veraschung mit dem Säuregemisch wird in einem gut
funktionierenden Abzug ausgefiüirt. Die Fäzes können feucht oder ge-
trocknet verwendet werden. Eine Portion derselben wird in einem Kund-
kolben mit 5 — 10 cmr^ Säuregemisch (gleiche Vohnnenteile konzentrierter
Schwefel- und Salpetersäure) übergössen und mit mäßiger Flamme erwärmt.
Es steigen dann braune Dämpfe auf. Wenn die Entwicklung dieser Dämpfe
V) F. Hopj)c-Sei/ler und //. TUicrj'tltUr, Ilandlnu'h der physicdoiri-''''- und pitli
logisch-chomisehcn Analyse. 7. Aufl. Berlin 11MJ3. S 431. S. 394—390.
2) Hoppe-Sojler-fhierfrlihr, 1. c. ?5 432. S. 398-307.
■') Ifo/>pr-Sn/hr-T/iifrfrl(fn: I.e. § (587. S. 553: 5? 432. S. 3%- 31)7.
^j Zit. inu-h Hoppr-Sriffer-T/iifrfr/dcr, I.e. $5 428—430. S. .393—394.
410 H. Lohrisch.
geringer ^^1rd, gibt man aus einem Halmtrichter tropfenweise weiteres Ge-
misch zu und fährt damit fort, bis ein Nachlassen der Reaktion eintritt
und die Intensität der braunen Dämpfe abgeschwächt erscheint. Um zu
entscheiden, ob die Substanzzerstörung beendet ist, unterbricht man das
Hinzufließen des Gemisches für kurze Zeit , erhitzt aber weiter , bis die
braunen Dämpfe verschwunden sind, und beobachtet, ob sich die Flüssig-
keit im Kolben dunkler färbt oder noch schwärzt. Ist das der Fall, so
läßt man Mieder Säuregemisch zufließen und wiederholt nach einigen Mi-
nuten obige Probe. Färbt sich die hellgelbe oder farblose Flüssigkeit bei
weiterem Erhitzen nicht mehr, dann ist die Veraschung beendet. Die
Flüssigkeit wird beim Erkalten völlig wasserhell. Man fügt nun etwa 3mal
so viel Wasser hinzu als Säuregemisch verbraucht wurde , erhitzt und
kocht etwa 5 — ^10 Minuten, wobei braune Dämpfe, welche von der Zer-
setzung der entstandenen ISitrosylschwefelsäure herrühren, entweichen. Die
so erhaltene Lösung der Aschebestandteile kann zur qualitativen und quan-
titativen Untersuchung auf alle Basen, mit Ausnahme von Ammoniak, und
auf nichtflüchtige Säuren benutzt werden. Es lassen sich vor allen Dingen
darin nachweisen und quantitativ bestimmen Kalium, Natrium, Kalzium und
Magnesium. Bezüglich Einzelheiten in der Darstellung und Bestimmung
der einzelnen Elemente ist bei Hopi^e-Seyler^) nachzulesen.
Kalorimetrische Fäzesuntersuchung.
Die kalorimetrische Fäzesuutersucliuno- ist dann anzuwenden, wenn es darauf an-
kommt, Vergleiche anzustellen zwischen der Energiemenge der eingeführten Nahrung
und der Energiemenge, die den Organismus im Kote verläßt, vorausgesetzt, daß dabei
nicht Wert gelegt wird auf die Einzelbestimmung von N, Fett, Kohlehydraten, Zellu-
lose usw. Derartige Bestimmungen sind an Säuglingsfäzes von SchJosfmami -), an den
Fäzes Erwachsener von Lohrisch '■') ausgeführt worden.
Die Bestimmungen werden am besten mit Hilfe des Hempelscluen^)
Kalorimeters ausgeführt, welches nach folgendem Prinzip arbeitet: Die zu
untersuchende Substanz wird unter einem Überdruck und Überschuß von
Sauerstoff im luftleeren Raum verbrannt. Es wird dadurch erreicht, daß
alle Elemente so hoch wie möglich oxydiert werden, so daß die gesamte
latente Energie des betreffenden Stoffes in Wärme überführt wird. Damit
die entwickelte Wärme sich nicht im Räume verliert, wird sie gezwungen,
sich in einem bestimmten Medium, nämlich in Wasser, auszubreiten. Die
Erwärmung des Wassers wird direkt thermometrisch gemessen und daraus
die der Wärmeentwicklung entsprechende Kalorienmenge berechnet.
Das Hempehche Kalorimeter enthält folgende Teile (Abbildungen der
verschiedenen Teile siehe bei Hempel'^).
M F. Hoppe-Seijler und H. Thierf eider, Handbuch der physiologisch- und patho-
logisch-chemischen Analyse. 7. Aufl. Berlin 1903. §433-451. S. 397— 410.
-j A. Schlossmann, t)ber die Bedeutung kalorimetrischer Untersuchungen für
klinische Zwecke. Berliner klin. Wochenschr. Nr. 12. S. 264—265. 1903.
^) H. Lohrisch, Kalorimetrische Fäzesuntersuchungen. Zeitschr. f. phys. Chemie.
Bd. 41. H. 4. S. 308-320. 1904.
■*) W.Hempel, Gasanalytische Methoden. S. 375— 396. 3. Aufl. Braunschweig 1900.
5) W. Hempel, 1. c. S. 379-389.
Methoilon zur l'utersucliung der mcnscliliclion 1- . j j ]
1. Kincn l'icüapparnt. in dein ilii' zu iintersuchciulcu fein pulvtMini.'i ■
zu Blockclien gepreßt worden.
2. Eine Autoklave aus FhiUcisen von ca. 200 cm' Inhalt. Der Vorschluü di-r
Autoklave wird durch ein aufschraubbares Kopfstück -^fehihlet. Dieses trägt ein Schrau-
benventil, oiiipu Flanschonrolirausatz und zwei KlektnxbMi. Am unteren l'i ' ' ' :.f-
stückes sind zwei Eisenstahe aniire'bracht, welche an ihren Enden je eine IM n
und in die Autoklave hineinragen.
3. Eine Sauerstoffbombe mit Manometer, welche an den Flanschenrohransatz an-
zuschrauben ist.
4. Das eigentliche Kalnriineter. Dieses besteht ans einem Metallgefüß, welches
das Kalorimeterwasser enthält und in einem Abstände von ca. 2 cm in einem Molzj^e-
fäßo aufL'eliängt ist. In das Metallgofäß wird die Autoklave eingesetzt, ferner ein feines
Thorinonieter und eine Rührvoniclitung. Das Ganze wird durch einen Deckel abge-
schlossen, welcher Öffnungen für das Thermometer, das Rührwerk und die Elektro-
den hat.
Eine Brennwertbestimmung mit diesem Kalorimeter gestaltet sich
nun folgendermajjen:
Ca. 1 y des lufttrockenen Fäzespulvers wird mit Hilfe des l'reliappa-
rates zu einem IJlückchen gepreßt. Gleichzeitig wird ein 1 1 on Junger
Zwirnsfaden, dessen Brennwert bekannt ist, mit in die Sul)stanz Iuikmu-
gedrückt. Das FJlöckchen wird gewogen. Nun wird es an einem Ol nim
dicken Platindraht, der zwischen den im Kopfstücke der Autoklave befind-
lichen beiden Platinösen ausgespannt wird, mit dem einen Ende des Zwirns-
fadens aufgehängt , so dab der Block jetzt in einem kleinen Platintiegel
schwebt, der in ein an den beiden Platinüsen aufgehängtes Tonschälcht-n
eingesetzt ist. Durch den Tiegel werden etwa abbröckelnde Teilchen des
Blockes aufgesammelt und so der Verbrennung zugänglich gemacht. Die
Autoklave wird hierauf fest verschlossen, der Sauerstoffbehälter an den
Flanschenrohransatz angeschraubt, durch einströmenden Sauerstoff die in
der Autoklave vorhandene Luft verdrängt und dann die Autoklave bei
einem Druck von 20 — 21 Atmosphären unter Kontrolle des Manometers
mit Sauerstoff gefüllt und durch das Schraubenventil abgeschlossen. Dann
wird die Autoklave in das .Metallgefäß des Kalorimeters eingesetzt, wel-
ches genau 1/ destillierten Wassers enthält. Die Temperatur dieses Wassers
muß um ca. lö» C kälter als die umgebende Luft .<;ein. Mau erreicht dies
durch vorherige Mischung des Wassers. Nachdem man noch das Wühr-
werk in das Metallgefäß gebracht hat, wird der Apparat durch den Deckel,
welcher das Thermometer und die zwei Elektroden trägt, geschIoss(M». Die
Elektroden werden mit einem kleinen zweizeiligen Akkumulator verbunden.
Nun beginnt die eigentliche Verbrennung. Mittelst der lltdirvorrichtung
wird so lange gerührt, bis das Wasser eine konstante Temiieratur ange-
nommen hat. Darauf wird gezündet und unter beständiL-^em Imrühren mit
einer Lupe an einem in V/öo''C eingeteilten Thermometei- die Erwär-
mung des Wassers abgelesen. Mit dem Thermometer, desst-n Fehler genau
bekannt sind, kann man auf V '.,50 Orad genau ablesen. Ist z.B. der Kalorien-
faktor (der Kalorienfaktor des Kalorimeters ist diejenige WännemenKe.
welche nötig ist, um den im Kalorimeter vorhandenen einen Liter ^^ asser
412 H. Lohrisch.
um 1"C ZU erwärmen; er muß für jeden Apparat besonders bestimmt
werden) des betreffenden Kalorimeters r3583, die Menge des verbrannten
Kotes 1*1058^ und betrug die Erwärmung des Wassers 3'925*', so ist
der Brennwert für lg des betreffenden Kotes , .^^,'. — ^Kalorien. Da-
-^ 1-1058
von ist der Brennwert des Zwirnsfadens in Abzug zu bringen. Jede Brenn-
wertbestimmung mulj doppelt ausgeführt werden.
Ich fand die direkt kalorimetrisch hestimmteii Brennwerte der Fäzes immer
etwas höher als die aus den Analysen herechneten, was wohl an kleinen Ungenauig-
keiten, die bei den Analysen unvermeidlich sind, liegt. So werden beispielsweise bei
der Analyse Lezithin und Cholestcarin durch Äther mit extrahiert und als Fett be-
rechnet, während ihre eigentlichen Brennwerte höher sind. Die Methoden der Kohle-
hydratbestimmuug leiden au den früher geschilderten Ungenauigkeiteu. Meist wird bei
den üblichen Analysen auch die Zellulose vernachlässigt, ebenso die Gallenfarbstoffe,
Gallensäuren und sonstige organische Säuren, die im Kote vorkommen und die bei den
Brennwertsbestimmungen mitbestimmt werden.
Getrennte Bestimmung von Sekreten und Nahrungsresten in
normalen Fäzes nach Ury. ' -)
Es kann als sicher angenommen werden, daß der normale Darm des Erwach-
senen mit großer Exaktheit diejenigen Xahrungssubstanzen, die durch den Verdauungs-
prozeß in Lösung gebracht worden sind, auch völlig resorbiert, so daß normale Darm-
entleerungen keine wasserlöslichen kristalloiden Substanzen (Zucker) und wasserlösliche
Eiweißkörper (Albumosen, Albumine) enthalten. Von dieser Tatsache ausgehend gelangt
Ury zu einer annähernden Feststellung des vom Darm selbst gelieferten Kotanteiles,
indem er die normalen Fäzes mit destilliertem Wasser gilindlichst verreibt und filtriert.
Man kann dann annehmen, daß unter nonnalen Verhältnissen nur die von der Darm-
wand selbst gelieferten Sekrete in das wässerige Extrakt üliergehen, während die Nah-
rungsreste auf dem Filter zurückbleiben. Naturgemäß ist diese Trennung der Sekrete
von den Nahrungsresten keine exakte; es kann sich dabei immer nur um eine an-
nähernde Bestimmung handeln. Wenn auch als sicher anzunehmen ist, daß erhebliche
wasserlösliche Reste per es eingeführter Nahrungsmittel nicht in das wässerige Extrakt
übergehen, so kann andrerseits die Frage nicht unbedingt bejaht werden, ob in der
Tat das gesamte Sekret in das w ässerige Extrakt übergeht. Dies tun z. B. nicht wasser-
unlösliche Stoffe (Fette), die im Dickdarm ausgeschieden werden, ebenso nicht abge-
stoßene Darmepithelien, ebensowenig in den Darmkanal ausgeschiedenes, aber mit den
Fettsäuren zu fettsaurem Kalk umgesetztes Kalziumpliosphat. Unter Berücksichtigung
dieser Fehlerquellen ist aber die Methode annähernd richtig.
Es wird so verfahren, daß die feuchte Tageskotmenge oder der von
einer größeren Zeitperiode gesammelte feuchte Stuhl frisch gewogen wird.
Der größere genau abgewogene Teil des frischen Kotes wird mit destil-
liertem Wasser aufs feinste verrieben, auf ein Volumen von ca. 1000 bis
1500 crn^ gebracht und durch mehrere Faltenfilter filtriert. Das Filtrat
wird auf ein bestimmtes Volumen mit destilliertem Wasser aufgefüllt.
Darin konnte Ury nachweisen: HCl, geringe Mengen Ho SO4. P-Säure (öOcm.^
*) H. Vry, Zur Methodik der Fäkaluntersuchungen. Deutsche med. "Wochenschr.
Nr. 41. S. 718—723. 1901.
2) H. Ury, Zur Lehre von den Abführmitteln. I. Archiv für Verdauungskrank-
heiten. Bd. 14. S. 411-423. 1908.
Methoden zur Untersuchung der nieusehliclMn Fiizos.
Filtrat mit Essig'säuro versetzen; filtrieren; mit I ranlösunj; reichl.
Niederschlag), Kalk. Maf:;nesia, Kaliniii, Xatriuin, Ammoniak, ^'erin^,'<' Men-
gen Eisen. Vom (iesamtstickstoff jiini^cn ins Filtrat ühcr ca. 247o, von
clor Trockensnhstan/ ca. 21" o- vom Ca ca. 7%.
Der kleinere znriickf,'el)liebene Teil des frischen Kotes wird ^.-
trocknet, die Trockensubstanz bestimmt und in der iil»lichen Weise ana-
lysiert.
Der Gang der Fäzesuntersuchung zum Zwecke der Funktions-
prüfung des Darmes nach Ad. Schmidt. ')
Unbedingtes Erfordernis für diese Fäzesuntersnchiing ist die \'er-
abreichung der Ad. Schmidtscheu Probediät. Dieselbe besteht aus
folgendem :
Morgens: ^ o ^ Milch oder Tee oder Kakao, wenn möglich mit viel .MiNli.
Dazu 1 Semmel mit Dutter und 1 weiches Ei.
Frühstück: 1 Teller Ilaferschleimsuppe. mit Milch gekocht, durchgeseiht
(Salz- oder Zuckerzusatz erlaubt), eventuell kann auch Mehlsuppe oder
Porridge gereicht werden.
Mittags: 1/4 Pfund gut gehacktes mageres liindfleisch , mit Dutter leicht
übergebraten (inwendig roh), dazu eine nicht zu kleine Portion Kar-
toffelbrei (durchgesiebt).
Nachmittags: wie morgens, aber kein Ei.
Abends: ^ o / Milch oder 1 Teller Suppe (wie zum Frühstück). Dazu eine
Semmel mit Butter und 1 — 2 weiche Eier (oder lUdirei). Eventuell
ist hierzu noch etwas Wein, dünner Kaffee zur Milch. Douillon und
etwas gewiegter kalter Kalbsbraten zu gestatten.
Für exakte klinische Untersuchungen und quantitative Analysen eignet sich die
folgende detaillierte Prohediät von Ad. Schmidt :
Morgens: Ob l Milch (oder, wenn Milch schlecht vertragen wird, Ü.') / Kakao, aus 20 </
Kakaopulver, lO^r Zucker, 4UÜ (/ Wasser und 100 17 Milch bereitet), dazu 50 7
Zwieback.
Vormittags: 05/ Haferschleim [aus 40 .</ Hafergrütze, 10// Butter, 200// Milch, ;«»0 </
Wasser, 1 Ei und etwas Salz bereitet (durchgeseiht)].
Mittags: 125// gehacktes Rindfleisch (Rohgewicht), mit 20 // Butter leicht übergebraten,
so daß es inwendig noch roh bleibt, dazu 250// Kartoffelbrei (aus 190/; ge-
mahlenen Kartoffeln, 1(X) // Milch, 10/; Butter und etwas Salz bereitet!.
Nachmittags: wie morgens.
Abends: wie vormittags.
D;i diese Diiit sich für Ausnutzungsversuche usw. sehr gut eignet, so seien noch
folgende Einzelheiten hierzu mitgeteilt:
Die Kost enthalt 15/ Milch, 2 Eier, 100 i? Zwieback. 80// Hafergrütze, 50^
Butter, 125^ Rindfleisch, 190 // Kartoffeln. Daraus ergibt sich, nach *v;itrtv»iv/i/^rrArr»|
berechnet, folgende Zusammensetzung:
*) Ad. Schmidt, Die Funktionsprüfung des Darmes mittelst der Trobekost. 2. Aufl.
S. 1-37. 1908.
'^) A. Schwenkcnbechcr, Die Nälirwertberechuung tischfertiger Speisen. l.-D. Mar-
burg 1900.
414
H. L ohrisch.
1-5 / Milch . .
2 Eier ....
100 g Z\\iel)ack
80 g Hafergrütze
50 .g Butter . .
125 q Rindfleisch
190 )) Kartoffeln
Eiweiß
Fett
Kohle-
hydrate
450
11-3
8-55
1-76
0-37
261
395
53-2
109
0-98
1-2
42-2
1-96
0-28
67-6
0-5
751
8-2
39-9
9503
110-72
191-3
Hieraus resultiert bei Berechnung des Eiweißes mit 57 Kai., des Fettes mit
9-3 Kai., der Kohlehydrate mit 4-1 Kai. ein Gehalt der Probediät an 2355'5 Rohkalorien.
Die direkte Verbrennung der Probediät im Kalorimeter bestimmte ich*) zu 2 366-3 Kai.
also eine recht gute Übereinstimmung. Das Tro ckenge-nicht einer eintägigen Probe-
diät, die auf dem Wasserbad scharf eingetrocknet wurde, fand ich in mehreren Versuchen
zu 430 ,r/. Der Zellulosegehalt der eintägigen Probediät beträgt, nach Simon-Lohrisch
bestimmt, 0-8916^7.-)
Die erstgenannte Probekost wird gewöhnlich 3 Tage lang, eventuell
auch noch länger gegeben, auf jeden Fall so lange, bis ein Stuhl, welcher
sicher nur von dieser Diät stammt, zur Verfügung steht. Eventuell wird
mit 0''dg Karmin abgegrenzt. Die Fäzes sollen möghchst frisch untersucht
werden. Die Untersuchung zerfällt in folgende Abschnitte:
I. Makroskopische Untersuchung. Prüfung des frisch entleerten
Stuhles auf Farbe, Konsistenz, Geruch, grobe Beimengungen von Schleim.
Blut und Eiter, Würmern, Steinen. Sodann sorgfältigste Verreibung eines
zirka walnusgroßen Teiles des gut vermischten Stuhlganges in der Por-
zellanreibeschale wie früher geschildert und Besichtigung des verriebenen
Stuhles auf dem schwarzen Makroskopierteller (S. o38). Daselbst Prüfung
auf Zellulosereste , Bindegewebe , Sehnenstückchen , Muskelreste, Kartoffel-
reste, Fettreste, Schleim, Eiter.
Eventuell mikroskopische Besichtigung der makroskopisch gefundenen
Teilchen.
IL Mikroskopische Untersuchung. 3 Präparate:
1. Besichtigung eines kleinen, in dünner Schicht unter dem Deckglase
ausgebreiteten Partikelchens des unverriebenen Kotes (Muskelbruchstücke,
gelbe Kalksalze, ungefärbte Seifen, Fettsäure- und Fettseifennadeln, Neutral-
fett, Kartoffelzellen, Zellulosereste, Kakaoreste, Schleim, Eiter, Parasiteneier).
2. Das früher (S. 364 — 365) beschriebene erhitzte Essigsäurepräparat,
in dem die flüssigen oder erstarrten Fettsäureschollen eine annähernde
Abschätzung des Fettgehaltes des Stuhlganges ermöglichen.
3. Ein mit starker Lugohcher Lösung innig vermischtes Fäzes-
partikelchen (S. 369) in dünner Schicht (freie Stärkekörner, in Zellu-
') H. LohriscJi, Kalorimetrische Fäzesuntersuchungen. Zeitschr. f. phys. Chemie.
Bd. 41. H. 4. S. 315. 1904.
-) H. Lohrisch, Über die Bedeutung der Zellulose im Haushalte des Menschen.
Zeitschr. f. phys. Chemie. Bd. 47. H. 2 und 3. S. 239. 1906.
Methoden zur Untorsiichimir iler iiii'ii>clilii-iicii i'.i/js.
losehüllen eiiiiieschlossene Stärke, l)lun,uefarl)te .lodpil/e, trell);r< ;
Zellen, Milchsiiurebazillcn inul Sarcine).
III. Chemische Untersuchnn^': Tniinni^- der Keakti(»n
Sublimatprobe (S. ;)'.)() lunl H93). llrutschrankprobe (S. 84H und ;Mtt .'.7 j).
Untersuchuni^- auf gelöstes Eiweiß (S. :i44 :546).
Gewinnung und Analyse der Darmgase.
Bei den Darmgasen können wir unterscheiden zwischen den direkt
im Darm gebildeten und als solche entleerten Gasen (l)ickdarnigase) und
denen, die bei der Nachgärung des Kotes im Brutschrank ( Ürutschrank-
probe von Ad. Schmidt vgl; S. ;U8 und 570 — 372) entstehen (Nach-
gärungsgase).
Die Üic-lvLlarm- und XachgärungSfraso sind Gemische von C0„ (entsteht liesmi-
ders aus den Kohlehydraten und der Zellulose, in geringem Grade aus Eiweiß). 11, (ent-
steht aus Zellulose, Kohlehydraten und Eiweiß), CH^ (entsteht l)ei der Vergiirung der
Zellulose und der Kohlehydrate und hei der Zersetzung des Eiweißes), N^ und (),. N,-
und 0.,-Beiinengungeu zu den (jasen sind stets künstliche. Sie stammen zum Teile von
verschluckter Luft her. Der N2 kann auch aus dem Blut ins Darmlumen diffundieren.
Ammoniak. H^S und Methylmerkaptnn sind nur in uaiiz irerini/cn MenL'en in den
Darmgasen enthalten. Ammoniak entsteht bei der Eiweißfäulnis. H.jS kommt nielit re-
gelmäßig vor, sondern meist nur bei Genuß bestimmter schwefelhaltiger Nahrungsmittel
(Zwiebel, Knoblauch. Rettich). Sie können im allgemeinen vernachlässigt werden.
Es werden untersuclit entweder die dem Darm direkt entnommenen Dickdann-
gase oder die Nachgärungsgase. Wenn es darauf ankommt, sich über die Zusammen-
setzung der im Darme selbst entstehenden Gase zu orientieren, so ist natürlich die
direkte Untersuchung der Dickdarmgase der sicherste Weg. Es ist nach .!</. .^ ' ' -M
Untersuchungen aber auch angängig, aus der Zusammensetzung der hei der N ag
des Kotes entwickelten Gase Rückschlüsse auf die Dickdanngase selbst zu ziehen. Es
hat sich gezeigt, daß die Nachgärungsgase ihrer Zusammensetzung nach ohne weiteres
mit den Dickdarmgasen identifiziert werden können. Auch quantitativ geht die Nach-
gärung mit der Darmgärung parallel. Man kann sich deshalb, wenn es aus äußeren
Gründon nicht möglich ist. Dickdarmgase direkt zu gewinnen, mit der Untersuchung
der Nachgärungsgase begnügen.
Eine quantitative Bestimmung der Dickdarmgase (etwa von 24 Stunden) ist nicht
möglich, da das Aufsammeln derselben außerordentlich schwierig ist. Mau kann die
Menge der Dickdarmgase nur relativ beurteilen aus ihrem N,- und CII^-Gelialte. Beim
vergleichenden Studium der Dickdarm- und Nachgäruugsgase ergab sich nämlich, daß
die Gasbildung innerhalb des Darmes um so gerin?er ist, je höher der prozentigo (Je-
halt der Flatus an N, und CH^ ist; auch die Menge der Nachgärungsgase ist tun so
geringer, je mehr sie N, und CH4 enthalten.*)
Die Gewinnnnü: der (iase.
Nachgärungsgase. Ad. Schmidt^) verfährt so, dalj er. um ge-
nauere Analvsen und größere Gasmengen zu erhalten , die ganze Tages-
*) Ad. Schmidt, Experimentelle und klinische Untersuchungen über I ih-
prnfuug des Darmes. TU Mitteilung. Über die Bezichuiijren der Käzesgärung zu- ' ng
und zu den Fhitus. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. Ol. H. h u. G. S. öl .'S.
^) Ad. Schmidt, Experimentelle und klinische Untersuchungen über Kunktiun»-
prüfung des Darmes. II. Mitteilung. Über die Beziehuniren der l-'i. ' ' -ii-
gärung und zu den Flatus. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. Ol. 11 *<
^) Ad. Schmidt, Experimentelle und klinische Untersuchungen über 1
prüfmig des Darmes. I. Mitteilung. Über Fäzesgärungen. Deutsches Arch. f. klm. -Mca.
Bd. 61. H. 8 und 4. S. 287—288.
416 H. Lohrisch.
portion des frischen Kotes mit sterilisiertem Wasser verrührt, in einem
Glase mit durchbohrtem Kautschukstöpsel luftfrei verschließt und in den
Brutschrank stellt. Durch den Kautschukstöpsel leitet ein Glasrohr mit an-
schheßendem Eöhrensystem die gebildeten Gase durch den Deckel des
Brutschrankes hindurch in ein mit konzentrierter Kochsalzlösung gefülltes
Gasometer. Das ganze Röhrensystem wird vorher möghchst vollständig mit
Wasser gefüllt. Es ist nicht immer möglich, es gänzlich von Luftblasen
zu befreien, doch bedingt dies keinen größeren Fehler, weil der Kot so
wie so während der Zeit der Entleerung bis zur Verarbeitung, besonders
wiihrend des Verrührens, mit der Luft in Berührung kommt und daher
stets ein gewisses Quantum Luft einschheßt. Auch läßt sich der Fehler
durch Berechnung des Luftquantums aus dem Og-Gehalte des entwickel-
ten Gases berechnen. Ein gewisser Fehler wird dadurch bedingt, daß in
den Fäzes bei der Entleerung Gase, die schon im Darm gebildet wurden,
eingeschlossen sind, die also streng genommen nicht zu den Nachgärungs-
gasen, sondern zu den Dickdarmgasen gerechnet werden müssen. Aus
dieser P'ehlerquelle ist wahrscheinlich ein etwaiger N2 -Gehalt der Nach-
gärungsgase (der nach Abzug der Luft restiert) zu erklären. Zum Auf-
fangen der Gase wird, wie erwähnt, ein kleines Gasometer benutzt, welches
ähnhch wie ein Spirometer gebaut ist. Die Gase treten von unten her in
die Gasometerglocke ein und werden durch ein am oberen Ende der
Glocke angebrachtes Rohr mittelst der weiter unten beschriebenen Entnahme-
apparate entnommen. Für kleinere Kotmengen kann man auch das Strashurger-
sche Gärungsröhrchen (Fig. 100, S. 370) benutzen. Ganz geeignet scheint mir
auch zur Entnahme von Gasen aus dem Gärungsröhrchen die früher (Fig. lOL
S. 371) beschriebene Münzersche Modifikation des Strasbnrf/erschen Gä-
rungsröhrchens zu sein, bei welchem das Gas aus dem seithch ange-
schmolzenen Glasrohr direkt entnommen werden kann, zumal wenn man
das Münzersche Röhrchen für größere Mengen Kot und Gas entsprechend
größer konstruieren würde.
Dickdarmgase. Zur Aufsammlung der Dickdarmgase hat Ad.
Schmidt^) folgendes Verfahren angegeben: Ein Gasometer, dessen Glocke
völlig mit konzentrierter NaCl-Lösung gefüllt ist, hat am oberen Ende
dieser Glocke einen Fortsatz in Gestalt eines Glasrohres. Dieses Glasrohr
ist durch einen Gummischlauch mit dem in den Anus einzuführenden An-
satzstück verbunden. Dieses stellt eine langgestielte Hartgummibirne mit
zahlreichen feinen seitlichen Öffnungen dar. Der Gasometer und Ansatz-
stück verbindende Schlauch ist unmittelbar über der Gasometerglocke und
unmittelbar vor dem Ansatzstück mit Klemmen zu verschließen. Das ganze
Röhrensystem ist mit Ausnahme des Ansatzstückes ebenfalls mit konzen-
trierter Kochsalzlösung gefiült. Das Ansatzstück liegt beständig in einer
Schale mit destilliertem Wasser und wird, wenn die Versuchsperson den
*) Ad. Sch^nidt, Experimentelle und klinische Untersuchungen über Funktionsprü-
fung des Darmes. II. Mitteilung. Über die Beziehungen der Fäzesgärung zur Darmgärung
und zu den Flatus. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 61. H. 5 und 6. S. 548—550. 1898.
Methoden zur l'ntersuclniiig der nicnschlirhon Filzos.
417
bevorstehenden Abgang von Flatus spürt, soweit in den After einf^M-filhrt,
daß die Birne oberhalb des Sphinkter zu lie-^^cn koninit. Das (lasometor
wird dabei so einiiestellt , dal» die Fliissi«:keit im iinlieren Teile erheblich
niedriger steht als in der Glocke. Sollen nun jetzt die i'rdaa entnommen
werden, so werden die beiden Klemmen f^cöitiiet und es wird infol^'e de.s er-
wähnten Standes des (Jasometers (ias angesoffen. Ist dies «j-eschehen. so worden
die Klemmen wieder angelegt, die lürne wird herausgenommen, in die
Schale mit Wasser getan und durch neues Offnen der Klemmen die noch
im Schlauche vorhandenen Gase nachgesogen, wobei sich das Kührensyslem
aus der Schale mit Wasser füllt. Das Ga.someter kann nach //r///yW) auch
mit konzentrierter Lösung von Chlormagnesium gefiillt sein, fber sonstige
zum Auffangen von Gasen geeignete Apparate vergleiche bei Hcnipel.*)
Ein Ein(lriiij>en von Luft ist bei tlicscni Verfalireii nicht immer y.u vcrmi-iden.
Es ist aber, wie schon erwiilint. für die Analyscnresuitate oline Bedentun^'. I,iift und
restierender N, werden auch liier von vornherein in Abrechnung gebracht, da N. im
Darm selbst nicht gebihlet wird.
Die Analyse der Hase.
Die Gasanalyse wird mit Hilfe der Apparate und .Methodik von
Hempel^) ausgeführt. Nach Ad. Schmidts*) Erfahrungen kann von vorn-
herein auf Bestimmung von Ammoniak und IL, S verzichtet werden, da
deren Mengen noch geringer als die Fehlergrenzen der Methode sind.
Alle absorbierbaren Gase werden durch absorbierende Mittel bestimmt,
die nichtabsorbierbaren durch Verpuffung.
Zunächst seien ganz kurz die hierzu nötigen Hcinpchchvw Apjiarair
geschildert :
Zur Entnahme des Gases aus dem Gasometer dient die //cwyjf/sche Gas-
bürette^) (Fig. 103). Sie besteht aus zwei Glasröhren, welche in eiserne Fiiße ciugesptzt
sind und durch einen ca. 120 on laniren dünnen (Junimischlaiicli miteinander vorbuiideii
sind. In den Gunimischlauch ist in der JNIitte ein Stück Glasrohr eingesclialtct. Die eine
der Röhren, die Meßröhre, läuft in ihrem oberen Ende in ein 3 n« langosf ', — 1 mm
weites starkwandiges Röhrcheu aus, an welches mittelst Draht ein kurzes Stück schwarzer
dichter Gunimischlauch l)efestigt ist. der mit einem (^hietscliliahn versehen ist. Die Meß-
röhre ist in 100 cw' eingeteilt. Die andere Röhn«. die Niveau röhre, dient, wenn beide
Röhren und der Gummischlauch vollständig mit Wasser gefüllt sind, zum FüUen ikUt
Entleeren der Meßröiire und zum Ansaugen des Gases in die Meürolire. l'm (ias aus
der Gasomcterglocke zu entnehmen, wird die vollständig mit Wasser gefüllte MeÜröhrc
durch ein feines, gebogenes, mit Wasser gefülltes Glasrohr mit dem am oberen Enile der
Gasometerglocke befindlichen nnd ebenfalls mit Ciummischlaucii armierten Glasrohr ver-
bunden. Der tibertritt von Gas aus der Gasometerglocke in die Mollröhre erfolgt dann
beim Senken der Niveauröhre. Auf diese Weise kiinnen das gesamte (iastjuantiini luid
auch einzelne Portionen desselben genau gemessen werden.
') W. llempel, Gasanalytischo Methoden. 3. Aufl. S. 25. Braunschweig l'.K)0.
*) W. Hempcl, 1. c. S. 22-2(5.
») W. Hewinh 1. c. S. 27-221.
*) Ad. Schmidt , Experimentelle und klinische Untersuchungen über Funkti«»iis-
prüfung des Darmes. I. Mitteilung. Über Fäzesgürungen. Deutsches Arcli. f. klin. Med.
Bd. 61. H. 3 und 4. S. 317. 1898. "
') W. Hempcl, 1. c. S. 20-33.
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arboittmothodm. V. 27
418
H. Lohrisch.
Fig. 103.
<w7
>
Fig. 104.
Zur Absorption absorbierharer Gase dient die Henqiehcha Absorptiouspipette')
für feste und flüssige Reageutien. Deren Konstruktion ist aus Fig. 104 ersichtlich. Sie
besteht aus zwei großen miteinander kommunizierenden Kugeln und einem doppelt ge-
bogenen starkwandigen Kapillarrohr. Die größere und länglich geformte Kugel Trird
durch den an ihrem unteren Ende befindlichen, durch Gummistopfen verschließbaren
halsförmigen Ansatz mit dem absorbierenden Mittel gefüllt. Diese Kugel faßt etwa
150««^; die zweite kleinere Kugel faßt etwa 100 cw^. Das in der Meßröhre abgemessene
Gasquantum wird in die Absorptionspipette überführt dadurch, daß die Meßröhre mit
dem oberen Ende des Kapillarrohres der Absorptionspipette mit Hilfe des daselbst be-
festigten Gummischlauchstückes und eines gebogenen dünnen Glasrohres verbunden
wird. Das Kapillarrohr der Absorptionspipette muß
dabei mit dem Absorptiousmittel gefüllt sein. Wenn
jetzt die Klemme am oberen Ende der Meßröhre
geöffnet und die mit Wasser gefüllte Niveauröhre
gehoben wird, so strömt das in der Meßröhre be-
findliche Gas in die Absorptionspipette über. Dabei
wird die Absorptionsflüssigkeit in die kleinere Kugel
zum Teil verdrängt. Es bleibt aber noch genügend
Absorptionsmittel in der großen Kugel zurück, um
auf das Gas einwirken zu können. Wenn das Gas
einige Minuten in der Absorptionspipette gelassen
worden ist, wird es in derselben Weise in die Meß-
röhre bei gesenkter Niveauröhre zurückgeleitet.
Man kann dann die
Menge des absorbier-
ten Gases unmittelbar
ablesen.
DieExplosion s-
p i p e 1 1 e ') von Hempel
(Fig. 105) besteht aus
einer dickwandigen Ex-
plosionskugel und einer
Niveaukugel , welche
durch einen überspon-
neuen Gummischlauch
miteinander verbanden
sind. Die Explosions-
kugel hat an ihrem
oberen Ende zwei dünne
Platindrähte (p) einge-
schmolzen, welche mit
einer Tauchbatterie in
Verbindung stehen und
dienen. Das untere Ende der Explosionskugel ist
Am oberen Ende der Explosionskugel ist , wie
dickwandiges Kapillarrohr angeschlossen , von dem
aus die Füllung der Absorptiouskugel durch Verl)indung mit der Meßlnirette unter
Heben und Senken der Niveaukugel erfolgt. Die Explosionen werden immer unter
Anwendung von Quecksilber als Sperrflüssigkeit angewendet. Das Quecksilber er-
möglicht es nämlich, nachträglich die durch die Verbrennung gebildete Kohlensäure zu
bestimmen, was bei Explosion über Wasser wegen der Absorption der Kohlensäure
durch das Wasser nicht möalich ist.
zur Entzündung brennbarer Gase
mit einem Glashahn geschlossen.
bei der Absorptionspipette, ein
») W. Hempel, Gasanalytische Methoden. 3. Aufl. S. 38. Braunschweig 1900.
2) W. Hempel, 1. c. S. 114—115.
Metliodcii zur üiitorsucluiii(T der menschliclicii Fiizos.
419
Zur Analyse des aus CO, , O., , H,,, CH, und N, hestehendi-ii Itann-
gasgemisches wird nun fojgendernialjen vorfaliron: Ks wird zunilchst das
gesamte Quantum der gesammelten Gase in dii Mcllröhre bestimmt. Das
gesamte in der Meßröhre ixifindlicho (Jas(|uantum wird sodann zur Ab-
sorption der CO, 0 in eine AI)sorpti(msi)ip('(t(' j^^olcitet, deren ^n-olic KuizpI
gefüllt ist mit kloinen, 1 — 2cm lanji:('n und zirka ')i>i»i dicken Ilöllclien
von eisernem feinmaschigen Drahtnetz und einer Ant'lüsung von 1 (icwjchts-
teil käuflichem Ätzkali in 2 Gewichtsteilen Wasser. Die Drahtnetznillchen
haben den Zweck, die absorbierende Fläche nach Möglichkeit zu vergröüern.
Nach 1 — 2 Minuten ist die CO2 vollständig absorbiert. Hierauf wird «las
Gas aus der Absorptionspipette wieder in die Mebröhre zurückgeleitet und
die Menge der absorbierten CO. notiert.
Fig. 10.5.
Nun folgt die Bestimmung des Oo-Gehaltes. -) Dazu wird die gesamte,
nunmehr CC^-freie Gasmenge aus der MeUröhre in eine zweite Absorp-
tionspipette überführt, deren Absorptionskugel gefüllt ist mit kleiiu-n Köll-
chen von Kupferdrahtnetz nnd einer Lösung, bestehend aus gleichen Teilen
einer gesättigten Lösung des in Stücken käuflichen anderthalbfach kohlen-
sauren Ammoniaks und einer einfach verdünnten Lösung V(ui Ammoniak
von 0"9;-i spezifischem Gewicht. Da das metallische Kupfer oft oberflächlich
mit etwas Fett überzogen ist, so kann man dies zweckmälligerweise «lurch
Anätzen mit etwas Salpetersäure vor der P.enutzung entfernen. Mit die.-<em
Kupferammoniakgemisch findet eine sehr rasche und vollständige Oj-Ab-
sorption statt. Hierauf erfolgt wiederum ri)erleitun,ü des Gasrestes aus
der Absorptionspipette in die Meliröhre mul Notierung des O, -Gehaltes.
') H'. Hrmpel, Gasanalytisclic Methoden. 3. Aufl. >. 1«1— l.S2. HrauiisrhwcJi; 1'J(hk
2) W. Ilrniiicl, 1. c. S. 142—144.
420 H. Lohrisch. Methoden zur Untersuchung der menschlichen Fäzes.
Zur Bestimmung des Hg in diesem Gasreste, der nunmehr ein Ge-
misch von H, , CH^ und Nj darstellt , verf cährt man nach Hempel i) in
folgender Weise: Hempel zeigte, daß der Wasserstoff aus einem derartigen
Gasgemisch durch Palladiumschwamm bei zirka 100" glatt absorbiert wird.
Zu diesem Zwecke verbindet man die Meßröhre mit dem einen Schenkel
einer U-förmig gebogenen Röhre von -imm lichter Weite und 20 cw Ge-
samtlänge, welche mit Ag Palladiumschwamm gefüllt ist. Der andere
Schenkel des U-förmigen Rohres wird mit einer gewöhnlichen Gaspipette
verbunden , d. h. mit einer analog der iVbsorptionspipette gebauten Pipette,
welche mit Wasser gefüllt ist und lediglich als Sperrvorrichtung dient.
Das U-förmige Rohr steht in einem großen Becherglas mit warmem Wasser
von 90 — 100". Man treibt nun das Gasgemisch aus der Meßröhre durch
Heben und Senken der Niveauröhre dreimal durch das Palladiumrohr hin
und her. Hierauf ersetzt man das heiße Wasser durch solches von Zimmer-
temperatur und führt den Gasrest noch zweimal hin und her, um den-
selben vollständig abzukühlen. Es gelingt so mit Sicherheit, den Wasser-
stoff bis auf die letzte Spur zu absorbieren. Das Gas wird dann wieder in
die Meßröhre überführt. Die nach der Absorption eingetretene Differenz
entspricht dem Wasserstoffgehalt + der Menge Sauerstoff, welche in der
in dem U-förmigen Rohre eingeschlossenen Luft enthalten war. Diese Luft-
menge läßt sich aber ein für allemal als Konstante ermitteln.
Der jetzt noch bleibende Gasrest enthält CH4 und N«. Hierin wird CH^
durch Verpuff ung in der Explosionspipette l)estimmt. Dazu werden etwa 15 cm^
des Gasrestes in der Meßröhre abgemessen. Zu diesen Ibcui^ wird durch
Senken des Mveaurohres zunächst eine beUebige Quantität Luft zugeführt
und das Gesamtquantum abgelesen. Das so entstandene Gemisch wird in
die Explosionspipette gebracht und dann noch so viel Luft in der Meß-
röhre abgemessen, als voraussichtlich zur vollständigen Verbrennung des
Gasrestes notwendig ist, und diese ebenfalls in die Explosionspipette über-
führt. Ein Volumen CH4 braucht zwei Volumen O2 und bildet ein Volumen
CO2 bei der Verbrennung. "-) Das Gasluftgemisch wird in der Pipette durch
tüchtiges Schütteln gemischt und explodiert. Nach der Explosion wird der
Gasrest zur Absorption der gebildeten COo in die Ätzkalipipette überführt.
Dann wird in der Meßröhre gemessen. Bekannt ist das Gesamtvolumen
des in die Explosionspipette überführten Geraisches von Gasrest und Luft.
Von diesem wird das Gesamtvolumen, welches nach der Explosion abge-
lesen wird, abgezogen. Der dritte Teil des verschwundenen Volumens ent-
spricht der CH^-Menge. Bei der Prozentberechnung des CH^ muß noch
das Volumen des Palladiumrohres mit berechnet werden.
Der nunmehr noch vorhandene Gasrest ist N,.
1). W. Hempel, Gasanalytische Methoden. 3. Aufl. S. 162—174. Braunschweig 1900.
-) W. Hempel, 1. c. S. 203.
Methodik der Milcliuiitersucliiiiii;.
^'on K. F. Edelstein, Charloftcnltiir^'.
Die Methodik der lYIilchuntersuchiing.
Diese Methodik soll in knapper Darstellunii- Ansahen enthalten, wie
man die Milch vom wissenschaftlichen Standpunkte ans untersucht. l)ie
Untersuchung der Milch vom Standpunkte des .Milchpraktikers, der Milcii-
hygiene und der polizeilichen Milchkontrolle kann hier nur ganz kurz, so-
weit sie in den Rahmen der verschiedenen Methoden hineinpal'.t. behan-
delt werden.
Die Milch als Sammelbegriff, gleich ob sie Menschen- oder Tiermilch
ist, stellt eine bläulich- oder gelblich-weiße, undurchsichtige Flüssigkeit
dar. Im Speziellen hat die Kuhmilch folgende Kigenschaften : Sie ist
gegen Lackmus amphoter; ihr spezifisches (Gewicht hidt sich in den
Grenzen zwischen 1028 — 103. Der Gefrierpunkt betragt im Mittel
— 0"555". Der Siedepunkt ist etwas höher als beim Wasser (-f-0-2").
Beim Kochen nimmt die Milch einen geli)lichen Farbenton an. Läßt
man sie bei gewöhnlicher Temperatur stehen, so sammelt sich das spezi-
fisch leichtere Fett in Form von Fettkügelchen an. Erhitzt man frische
Milch zum Sieden, so bleibt sie unverändert. Heim längereji Erhitzen bildet
sich an der Oberfläche ein Häutchen. welches wesentlich aus eingedanijjfter
Milch besteht. Beim längeren Stehen gerinnt die Milch freiwilli^^ initer
dem Einfluß der bakteriellen Zersetzung des Milchzuckers zu Milchsäure,
welche das Kasein ausfiUlt.
Versetzt man Milch mit Lab. so scheidet sich in dicker Masse der
Käsestoff und eine gelltliche Flüssigkeit aus: die sülie Molke.
Die Undurchsichtigkeit der Milch wird durch das in derselben in
gequollenem Zustande suspendierte Kasein hervorgerufen. Setzt man zur
Milch Alkali oder am besten Ammoniak zu, so löst sich darin (la< Kast-in
und es entsteht eine fast klare Flüssigkeit.
Die gelbhche Färltung rührt von dein im Milchfett enthaltenen Farb-
stoff her. Je fettärmer eine Milch ist. desto weißer ist ihr Aussehen.
Die Wärmekapazität der Kuhmilch ist geringer als die des Wassers,
d. h. man braucht zur Temperaturerhöhung von 1° für Milch weniger Ka-
lorien als für dieselbe MeuL^e Wasser. Die W.irmekai)azit;if beträgt nach
422
E. F. Edelstein.
Fleischmann^) 0'847 ; nach neueren Untersuchungen 2) desselben Forschers
0-935 (Vollmilch).
Läßt man die Milch gefrieren, so entmischt sie sich unter Erstarren
des größten Teils; nur ein ganz kleiner Teil bleibt flüssig. Dabei ändert
sich anscheinend der phvsikahsche Zustand des Kaseins. Fuld und Wohl-
gemuth ^) haben gezeigt, daß die Frauenmilch durch Gefrieren soweit ge-
ändert wird, daß beim nachträglichen Auftauen das Kasein direkt mit
Säuren fällbar ist. Sie führen diesen Umstand auf die physikahsche Än-
derung des Lösungszustandes zurück, in Avelchem sich das Kasein befindet.
Die Viskosität der warmen Milch ist geringer als die der kalten.
Die Milch setzt sich aus folgenden Bestandteilen zusammen:
Wasser, Eiweiß, Milchzucker, Fett, Salzen und einigen organischen Stoffen
wie Harnstoff, Purinbasen (Xanthin, Hypoxanthin) und Kreatin und Kreatinin.
Ferner Zitronensäure, in geringen Spuren Milchsäure, Orotsäure, Sulfo-
cyannatrium, Lezithin und Cholesterin. Außerdem enthält die Milch noch
Fermente und ( iase, und zwar : Kohlensäure, Stickstoff und Sauerstoff.
Die durchschnittliche Zusammensetzung der Kuhmilch ist folgende
{Faudnitz^) :
Wasser 88"/o
Trockensubstanz 12''/o
Fett 4-8Vo
Kasein 3Vo
Albumin und Globulin O'SVo
Gesamtstickstoff O'550/o
Extraktivstoff OOöVo
Eiweißstickstoff 0-57o
Kaseinstickstoff 0"45''/o
Milchzuckeranhydrit 4'4''/o
Zitronensäure 0-12— 0-2o/o
Harnstoff O-P/o
Asche O-T^/o
Gase 4-2— 8-6 Vol.-o/o
Der Gehalt der Kuhmilch an Salzen ist folgender (Söldner &) :
*) Fleischmann, Beiträge zur Physik der Milch, Betrachtungen über das sogenannte
schwedische .Abralim verfahren. Sitzungsberichte der bayr. Akad. d. Wiss. Bd. 4. 1874.
^) Fleischmann, Spezifische Wärme der Milch. Journ. f. Landw. Bd. 50. 33. 1902.
^) Fuld und WohJgemuth, Eine neue Methode zur Ausfällung des reinen Kaseins
aus der Frauenmilch durch Säure und Lab, sowie über die Natur der labhemmenden
Wirkung der Frauenmilch. Biochem. Zeitschr. 5. 118. 1907.
^) Baudnitz, „Die Milch", im Handbuch d. Kinderheilk. von Pfaundler-Schloss-
maun. Leipzig. €. W. Vogel. S. 133. 1910.
^) Söldner, Die Salze der Milch und ihre Beziehungen zu dem Verhältnis des
Kaseins. Landwirtsch. Versuchsstationen. Bd. 35. 351. 1889. — Hammarsten, Lehrbuch
d. physiol. Chem. Wiesbaden. 623. 1910.
Methodik der MilchunterBuchung. ^23
Asche 0-7ö._0-8o/o
CaO 1-98 im Mtor Milch
PaOß 1H2
Cl ()-9W ..
KoO 1-72
NaaO O-.")!
MgO 0-20
FeaOg nOOar) im Liter Milch (nach /;M»7t'>)
Die Frauenmilch ist auch amphoter, sie ist aber nach den l'nter-
suchungen von Coumuf-) etwas stiirker alkalisch als die Kuhmilch. l)as
spezifische Gewicht der Frauenmilch ist dasselbe wie das der Kuhmilch.
Ganz abnesehen davon, daß das Kasein der Frauenmilch andere
Eigenschaften aufweist als das der Kuhmilch, dab ferner das Frauenmilch-
fett im Gegensatz zum Kuhmilchfett nur Spuren von flüchtigen Sjluren
enthält, unterscheiden sich die beiden besonders im Gehalt an Albumin
und Kasein und auch im Milchzuckergehalt. Die Kuhmilch enthiilt Albumin
und Kasein im Verhältnis von 1:6, die Frauenmilch dagegen nur im Ver-
hältnis von 1:1. Die Zusammensetzung der Fraueninilch ist im hurch-
schnitt nach J. König ^) folgende :
Wasser 87-58"/o
Kasein 0-80Vo
Albumin 1-21 "/o
Stickstoffsubstanz 2-01 «/o
Fett :VT4'Vo
Milchzucker 6";) 7%
Asche 0-:iVo
Wie man daraus ersieht, ist der Aschegehalt viel geringer als iu
der Kuhmilch.
Nach Blauberg ^) enthalten 100 Teile Frauenmilch:
KjO OOC.'.IO
Na.O 00041)
Gab oo:;<u
MgO 0()0(;8
FegOa 0-002()
Gl 002114
I^Og 00204
soa 0O14;;
*) Bunge, Der Kali-, Natrium- und ( lilorpohalt der Milch, verplichon mit dem
anderer Nahrungsmittel und ih-ni Gesamtorpanismus der Siiupctiere. Zeitsrlir. f. Bio!.
10. 2Ur> und 30.'). 1874.
-) Courant, Über die Keaktion der Kuh- und Frauenmilch und ihre Beziehnnjfeii
zur Reaktion des Kaseins und der I'hospliate. Pßügers Arch. f. Physiol. 50. 109. 1H9L
') J. Küniff, Chemie der menschlichen Nahrunps- und (JenuOmittel. Berlin,
J. Springer. Bd. 2. öOS. 1U()4.
*) Zitiert nach Enf/el, „Die Frauenmilch", in Sommerfelds Hamlhuch der Milch-
kunde. S. 800. 1909.
424
E. F. Edelstein.
Nach Bahrdt und Edelstein i) enthält die Frauenmilch in 1000 Teilen
im Durchschnitt 1-93 m^ Eisenoxyd und 0"42 ^ CaO.
Nach einer neuerdings von Schloss'^) genau durchgeführten Analyse
der Frauenmilch hat diese folgende Zusammensetzung (Durchschnitt aus
8 Analysen) :
Im Liter Milch
Fett 37-88
N 1-847
Asche 1-839
CaO 0-3758
MgO 0-0857
K2O 0-5291
NaaO 0-1886
P^Ob 0-4045
Ci 0-5232
In folgender Tabelle (nach J. König ^) sei noch zum Vergleich die
Zusammensetzung der Frauen-, Kuh-, Ziegen-, Schaf-, Eselinnen- und
Stutenmilch in Prozenten angegeben:
Frau
Kuh
Esel
Schaf
(Milchsehaf)
Ziege
Stute
Spez. Gewicht .
Wasser ....
Kasein ....
Albumin ....
Stickstoff Substanz
Fett
Milchzucker . .
Asche
10298
87-58
0-80
1-21
201
3-74
(V37
0-30
1-0313
87-27
2-88
0-51
3-39
3-68
4-94
0-72
90-12
079
1-06
1-85
1-37
619
0-47
1-0355
83-57
4-17
0-98
515
6-18
417
0-93
10305
86-88
2-87
0-89
3-76
407
4-64
0-85
1 -0847
90-58
1-30
0-75
2-05
1-14
5-87
0-36
Die Eigenschaften der Milch anderer Tiere gleichen im großen
und ganzen denen der Kuhmilch. Die Ziegenmilch hat einen gelblicheren
Farbenton und ein spezifisches Aroma. Sie enthält meistens mehr Fett
und mehr Albumin als die Kuhmilch. Die Schafmilch zeichnet sich durch
ein höheres spezifisches Gewicht aus und ist sehr fettreich. Die Eselinnen-
milch nähert sich in ihren Eigenschaften der Frauenmilch, ist aber be-
deutend ärmer an Fett.
Die Entscheidung, von welcher Tierart die zur Untersuchung vorliegende
Milch abstammt, ist nicht einfach und die diesbezügliche Methodik noch
*) Bahrdt und Eddstein, Das Kalkangebot in der Frauenmilch. Jahrb. f. Kinder-
heilkunde. 72. Ergänzuugsheft 16. 1910 und Ein Beitrag zur Kenntnis des Eisengehalts
der Frauenmilch und seiner Beziehungen zur Säuglingsanämie. Zeitschr. f. Kinderheilk.
Bd. 1. 182. 1910.
^) Schloss, Die chemische Zusammensetzung der Frauenmilch auf Grund neuer
Analysen. Monatschr. f. Kinderheilk. 9. 636. 1911.
") König, Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genußmittel. Bd. 2. 1904.
598. 602. 655 und Sommerfeld, Handbuch der Milchkunde. 233. 1909.
Methodik der MilchiinterHucbuug. ^k>_r,
nicht sicher. Die Umikq/f?.c\\Q/^) Ueaktion dient zur riitorscheidiintr von
Frauen- und Kuhmilch. Heim Erwärmen von b cm^ Milch mit 2':) cm*
lOVoin^"! ^^h liuf 600 ,„!(] if) Miiintcii wird reine Frauenmilch violettrot,
reine Kuhmilch gelb gefiirbt.
Die Zusammensetzun«^' der Milch im allgemeinen i.st grol'tcn Schwan-
kungen unterworfen. Sie ist von sehr vielen Faktoren abhängig. Kine wich-
tige Rolle spielt die Individualität und die Kasse der Tiere. Die He.schaf-
fenheit der Milch wird auch von der Melkzeit beeinflullt. (icwiihidich ist
die Mittags- und Abendmilcli verschieden von der Morgenmilch.
Die Frauenmilch ist, besonders was ihren Fettgehalt anbelangt, vor
und nach dem Anlegen anders zusammengesetzt (Rci/hrr-).
Eine wesentlich andere Zusammensetzung besitzt die .Milch der ersten
Tage, die sogenannte Kolostralmilch. Das Kolostrum der Kuhmilch ist
dickflüssig, nicht amphoter, sondern entweder alkalisch oder sauer und be-
sitzt ein viel höheres spezifisches Gewicht. Die Menge der 'I'rockensubstanz
ist fast doppelt so groß wie bei der gewöhnlichen Milch, der Stickstoff-
gehalt sehr hoch. Ebenso verhält es sich mit dem Gehalt an Ali>umin und
Globulin. Der Zuckergehalt ist sehr gering.
Nach König'^) ist die mittlere Zusammensetzung des Kuhmilch-
kolostrums :
Wasser 75-07Vü
Trockensubstanz 24-9:io/o
Kasein 4i0o/o
Albumin und Globulin l'i-OOVo
Fett 3-97«/»
Zucker 2-28%
Asche lö^Vo
Die Zusammensetzung des Kolostrums der Frauenmilch unterscheidet
sich von der gewöhnlichen Frauenmilch durch ein erhöhtes spezifisches
Gewicht und durch einen viel größeren Gehalt an Eiweiß und Asche, be-
sonders an AlkaH.
Wie bei jeder chemischen Analyse ist auch bei der l'ntersuchung
der Milch die Entnahme des Untersuchungsmateriales von großer Wichtig-
keit. Bei der polizeilichen Milchkontrolle, wo es sich um den Nachweis der
verschiedenen \>rfälschungen und Nerwässerungen handelt, ist die Art der
Entnahme des Analysenmaterials eventuell vor Zeugen oder auch an Ort
und Stelle (Stallprobe) von entscheidender Bedeutung. Auch für wissen-
schafthche Untersuchungen muß die Milch in bestimmter Art zur Analyse
') Umikoß', Zur diffcrenzicllon clieinisclicii Itcaktioii der Knuicii- und Kiilunilrh
und über die Bestimmung der Laktatiousduuer der FraiieniMiist. .lalirl-. f Kind-Tliidk.
Bd. 42. 356. 1896.
-) Reijher, Über den Fettgehalt der Frauenmilch. Jalirbuch f. Kindcrheilk. Bd. 61.
601. 1905.
^) König, Chemie der menschlicheu Nahnings- und Geiiußmittel. Berlin. 2 »XXl IIHH.
426
E. F. Edelstein.
Fig. 106.
U
'u
u
:!3
entnommen werden. Vor allem muß darauf gesehen werden, daß eine
richtige Durchschnittsprobe vorliegt, und daß ferner die Milch bis zum
Zeitpunkt der Analyse an einem kühlen Ort aufbewahrt wird.
Es ist zu empfehlen, die Milch sofort zwecks Analyse zu
verarbeiten. Ist dies nicht möglich, so soll man sie längstens
2 Tage in einem gut funktionierenden Eisschrank stehen lassen.
Es ist unbedingt zu vermeiden, daß sie gerinnt, weil sie
in diesem Falle nicht genau abgemessen werden kann, und die
Entnahme einer Durchschnittsprobe erschwert wird. Ist sie doch
geronnen, so kann man sie für viele Zwecke der Analyse noch
immer gebrauchen , z. B. für die Bestimmung der Mineral-
bestandteile. Sie muß aber vorher tüchtig durchgerührt, am
besten in einem Schüttelapparat durchgeschüttelt werden.
Muß die Milch aus irgend welchen Gründen längere Zeit
stehen bleiben, so empfiehlt es sich, sie zu konservieren. Als
Konservierungsmittel kommen in Betracht: Kaliumbi-
chromat, Kupferammoniumsulfat, Formalin u. a. Die Wahl des
Konser\aerungsmittels richtet sich meistens danach, Avas man
in der Milch bestimmen will.
Formalin, die wässerige 40Voige Lösung des Formalde-
hyds, ist zur Konservierung sehr gut brauchbar; am besten
durch einen Zusatz von 0'05Vo- Man wird es meistens dann
anwenden, wenn man auch die Mineralanalyse ausführen will,
was man bei Gebrauch von Kaliumbichromat oder Kupfer-
jj- l— ammoniumsulfat selbstverständUch nicht machen kann.
Auch Kaliumbichromat ist zur Konservierung von Milch
zu empfehlen. Nach Eichlof^) wendet man am besten eine
Lösung von 1'032 spezifischem Gewicht an, und zwar setzt man
auf 100 om 3 Milch l cm^ dieser Lösung zu. Nach Weibull^)
erschwert das Kahumbichromat wie überhaupt jedes Konser-
vierungsmittel die GottUebsche Fettbestimraung.
Kupferammoniumsulfat, in einer Menge von 0*5 — 2^
auf 1 / angewandt, schützt die Milch bei kühler Aufbewahrung
sehr gut einige Wochen lang vor Zersetzung.
Es ist \äel genauer, die zur Analyse verwendete Milchprobe
zu wägen als abzumessen. Man verwendet dazu eine kleine
Spritzflasche, die auch in Grade eingeteilt sein kann. Sie wird vor und
nach der Entnahme der Probe gewogen.
i^i
-39
Bestimmung des spezifischen Gewichtes.
Diese Bestimmung kann man mit dem Laktodensimeter ausführen.
1) Eichlof, Über die Bestimmung des spezifischen Gewichts der mit Kaliumbi-
chromat konservierten Milch. Milch-Zeitung. 25. 511. 1896.
-) Weibull, Eine Beobachtung bei der Gottliehschen Methode der Fettbestimmung.
Zeitschr. f. Untersuch, der Nahrungs- u. Genußmittel. 17. 442. 1909.
Methodik der Milcliimtersuchung. 427
Das Laktodensiineter (nach Sorhlcf, Fif^. 106), ein hei 15» j^eaichtpg
Aräometer, gibt direkt das spezifische (iewicht der Milch ;iii. Man {^ioUt
die gut durchgerührte Milch in weite Standzylinder, senkt das hensiinetor
ein und achtet darauf, dali es sich freischwehend bewegen kann. Man wartet
eine kurze Zeit und liest dann die Stelle, his zu welcher ila> Aräometer
eintaucht, und zwar am unteren Meniskus ah. Da das Laktodensinieter auf
die Normaltemperatur von 15" geaicht ist, .so mulJ entweder die Milch die-
selbe Temperatur iiesitzen. oder man mul) an der abgelesenen Zahl eine
Korrektur vornehmen. Die Korrektur beträgt für 5" Temperaturdifferenz
0"001. I)ei Temperaturen unter 15" zieht man für jeden Temperaturgrad
00002 ab: bei Temperaturen über 15" addieit man diese Zahl zur abge-
lesenen. Für ganz genaue l»estinimungen kann man sich selbstverständlich
auch des Pyknometers oder der WcstpIuilschQu Wage bedienen. ')
Ist die Milch bereits geronnen und hat sie nicht allzu lange gestanden,
so kann man nach Weibull"-) die Milch wieder mit Ammoniak verflüssigen
und in dieser Milchammoniakmischuug die Ikstimmung des spezifischen
Gewichtes vornehmen. Die geronnene Milch rührt man gut durch, pipettiert
dann 100 on'^ in einen Krlenmeyerkolben und gibt 10 cm^ .Ammoniak zu.
Man schließt den Kolben gut zu, wartet .so lange, bis die Milch vollkommen
verflüssigt ist. millt das \olumen der ammoniakalischen Flüssigkeit und
bestimmt in dieser Mischung das spezifische (n'wicht.
Kennt man das Volumen der ursprünglich geronnenen .Milch, das
Volumen und das spezifische Gewicht des hinzugesetzten Ammoniaks, das
Volumen der Milchammoniakmischung und das spezifische (Jewicht der-
selben, so kann man daraus leicht das spe7'*ische (iewicht der ursi>rüng-
lichen Milch berechnen.
Nach Teichert^) erhält man nach diesem \'ei-fahi-en etwas zu ludie
Werte.
Zur Ermittlung des spezifischen Gewichtes des Milchserums stellt
man sich dasselbe her, indem man 100 cni^ .Milch mit 2 cm^ verdünnter
(20"/o) Essigsäure versetzt iiud auf 40^ erwärmt. Das spezifi.sche Gewicht
wird mittelst Pyknometers bestimmt.
Bestimmung der Trockensubstanz.
10 g Milch werden in einer Platin- oder NickeLschale (auch Porzellan-
schale) mit \ Tropfen Essigsäure und 10 cm^ Alkohol versetzt, auf dem
Wasserbade zur Trockne eingedampft, in einem Lufttrockenschrank bei
105" bis zur Gewichtskonstanz getrocknet und gewogen. M Man kann auch
*) Genaues über Bestimmungoii des spezifischen Gewichtes: Hirhrinijrr, M. \,
437 dieses Handbuches.
'-) Weihiill, Beitraitre zur Aualvse diM- Milcli; kann man (his spezifische Gewicht
einer Milch, die jjeronnen ist, genau bestimmen? Chem. Zeitunu'. 17. KuO. 18H3.
^) Teichert, Methoden zur UntersuchunL.' von Mildi- und .Molkerciprodiikten.
Stuttgart. 46. 1909.
■•) Die zulässige Fehlergrenze zweier Kontrollliostiranningen ist O'l-'i'"».
428
E. F. Edelstein.
das Trocknen im Vakuum vornehmen. Am besten bedient man sich so-
wohl zum Eindunsten sowie zum Trocknen der Milch des nach Soxhlet von
Johannes Greiner, München, konstruierten Trockenofens (Fig. 107) , welcher
mit 550/üigem Glyzerin geheizt wird. Der Vorteil dieses Ofens besteht darin,
daß die Temperatur bis höchstens 103^ aufsteigt und die Trockensubstanz
nicht gebräunt wird, was bei dem gewöhnlichen Trocknen durch den
Karamelisierungsprozeß des Milchzuckers unvermeidlich ist. Will man
größere Milchmengen eindampfen, bedient man sich verschiedener Auf-
saugungsmittel wie Gips,
Fig- 107. Glaspulver , geglühten
Quarzsand oder Seesand.
Nimmt man das Eintrock-
nen in einem Fof/e^schen
Blechschiffchen vor 1) , so
kann man zur gleichen
Zeit eine Fettbestimmung
daran anschheßen. Fleisch-
mann 2) empfiehlt , die
Trockensubstanz aus der
von ihm angegebenen For-
mel zu errechnen, und zwar
aus dem Grunde, weil nach
seiner Meinung die horn-
artig eingetrockneten Ei-
weißkörper kleine Mengen Wasser einschließen, die durch noch so sorg-
fältiges Trocknen nicht zu entfernen sind, und weil die durch langes Trocknen
eintretenden Oxydationen Ungenauigkeiten ergeben.
Unter der Voraussetzung, daß das spezifische Gewicht des Milchfettes
bei 150 0-93 im Durchschnitt beträgt und das der fettfreien Trockensub-
stanz l'ö, kann man aus dem spezifischen Gewicht und dem Fettgehalt
der Milch den Prozeutgehalt der Trockensubstanz aus folgender von Fleisch-
mann aufgestellten Formel berechnen :
t=l.2.f+ 2-665. i^O^i^M.
S
worin t = den Prozentgehalt der Trockensubstanz, f = den Prozentgehalt
des Fettes und s = das spezifische Gewicht der Milch bedeutet.
Diese Formel hat nur für Vollmilch Gültigkeit. Fleischmann hat die
Werte für f von 2-5— 5-5o/o und die für s von 1-0280— r0369 in die
Formel eingesetzt und daraus eine Tabelle zusammengestellt. Derselbe
^) Die Anwendung des VogeUah&n Schiffchens hat außerdem noch den Vorteil,
daß mau es in ein Wägegläschen (von bekanntem Gewicht) hineinschiebt und so zur
Wägung bringt. Dadurch wird die Trockensubstanz, die sehr hygroskopisch ist, vor
Wasseraufnahme während des Wagens geschützt.
*) Fleischmann, Lebrb. der Milchwirtschaft. Leipzig, Heinsius Nachfolger. 63 und
67. 1908.
Methodik der Milcluiiitcrsuchuiig.
429
Tabelle I.
Tabelle zur Ermittlung der Trockensubstanz der Milch nach
FI I isT.h ?>ifin ti.
p
2-665 ''**'• '-'°"l
8
100.«- 100
R
,,
Tansendstel
8
Tausendstel
^ OOi)
Tanseodstel
•
28-0
7-256
310
H014
34-0
h 76.)
1
7-283
1
8-040
1
87Hr,
2
7-309
2
8-064
>>
8-812
3
7-333
3
8088
3
H-837
4
7-360
4
8-112
4
8-863
5
7-384
5
8138
5
8-8H7
6
7-408
6
8-163
(5
8 913
7
7-432
7
8-186
7
8-937
8
7-462
8
8-213
8
8-962
9
7-486
9
8-238
9
8-9S8
29-0
7-513
320
8-264
35-0
9(»li'
1
7-533
1
8-288
1
9()37
2
7-560
2
8-31 -2
2
9-ui;i
3
7-586
3
8-33S
3
9<ISS
4
7-611
4
8-365
4
9 112
5
7-635
5
8-388
5
9 135
6
7-659
6
8-412
6
91 62
7
7-686
7
8-439
7
9- IS.-)
8
7-712
8
8-463
8
9 21(1
9
7-736
9
8-487
1 9
9-234
30-0
7-763
33-0
8-513
1 36-0
9-26(1
1
7-786
1
8-538
1
9-2S7
2
7-813
2
8-563
2
9 311
3
7-837
3
8-589
3
9-335
4
7-861
4
8613
4
9359
5
7-888
5
8639
5
9-383
6
7-912
6
8-664
6
9 410
7
7-938
7
8-688
7
9434
8
7-962
8
8-712
8
9-460
9
7-989
9
8-738
9
9-484
Forscher hat fest^-estellt, daß das spezifische (iewicht der fettfreien Trocken-
masse annähernd konstant ist, und daß es möjihdi ist, eine der 3 (irößen
(Fettgehalt, Trockenmasse und das spezifische Gewicht) diinh llcchnunj?
zu ermitteln, wenn 2 derselben bekannt sind.
Gleichung für die Fettberechnung:
. _ 100. s — 100
f = 0-8;'.H . t
•)••)•> .
Gleichung für das spezifische (Jewicht
1000
S =:
1000— H-7f>(t — 1-2. f)
Wiftr'^) schlägt vor, das spezifische (Jewicht der Milchtrockensubstanz
aus dem Fettgehalte derselben so auszurechnen: Die i'rozenti' i-Vit /-\\ischon
*) Witte, Fettgehalt und spez. (iewicht der Milchtrnckcnsub.>itaiiz. /citM-nr. i
Untersuch, d. Xahrungs- u. (Jenußmittel. 18. 464. VMJ.
430
E. F. Edelstein.
Tabelle IL
Tabelle zur Ermittlung der Trockensubstanz nach Fleischmann.
f
1-2 . f
f
1-2 . f
f
1-2 . {
f
1-2 .f
f
1-2 .f
f
1-2 - f
2-50
3-000
3-00
3-600
3-50
4-200
4-00
4-800
4-50
5-400
5-00
6-000
51
3012
Ol
3612
51
4-212
Ol
4-812
51
5-412
Ol
6 012
52
3-024
02
3-624
52
4-224
02
4-824
52
5424
02
6-024
53
3036
03
3636
53
4-236
03
4-836
53
5-436
03
6-036
54
3048
04
3 648
54
4-248
04
4-848
54
5-448
04
6-048
55
3-OSO
05
3-660
55
4-260
05
4-860
55
5-460
05
6-060
56
3072
06
3-672
56
4-272
06
4-872
56
5-472
06
6-072
57
3-084
07
3-684
57
4-284
07
4-884
57
5-484
07
6084
58
3-096
08
3-696
58
4-296
08
4-896
58
5-496
08
6-096
59
3-108
09
3-708
59
4-308
09
4-908
59
5-508
09
6108
2-60
3-120
3-10
3-720
3-60
4-320
4-10
4-920
4-60
5-520
5-10
6120
61
3-132
11
3732
61
4332
11
4-932
61
5-532
11
6-132
62
3-144
12
3-744
62
4-344
12
4-944
62
5-544
12
6-144
63
3-156
13
3-756
63
4-356
13
4-956
63
5-556
13
6-156
64
3-168
14
3-768
64
4-368
14
4-968
64
5-568
14
6-168
65
3-180
15
3-780
65
4-380
15
4-980
65
5-580
15
6-180
66
3-192
16
3 792
66
4-392
16
4-992
6(5
5-592
16
6-192
67
3-2U4
17
3-804
67
4-404
17
5004
67
5-604
17
6-204
68
3-216
18
3-816
68
4-416
18
5-016
68
5-616
18
6216
69
3-228
19
3-828
69
4-428
19
5-0-28
69
5-628
19
6-228
2-70
3-240
3-20
3-840
3-70
4-440
4-20
5-040
4-70
5-640
5-20
6-240
71
3-2:)2
21
3-852
71
4-452
21
5-052
71
5-652
21
6-252
72
3-264
22
3-8H4
72
4-464
22
5-064
72
5-664
22
6-264
73
3-276
23
3-876
73
4-476
23
5-076
73
5-676
23
6-276
74
3-288
24
3-888
74
4-488
24
5-088
74
5-688
24
6-288
75
3-300
25
3-900
75
4-500
25
5-100
75
5-700
25
6-300
76
3-312
26
3-912
76
4-512
26
5112
76
5712
26
6-312
77
3-324
27
3-924
77
4-524
27
5-124
77
5-724
27
6-324
78
3-336
28
3-936
78
4-536
28
5136
78
5-736
28
6-336
79
3348
29
3-948
79
4-548
29
5-148
79
5-748
29
6-348
2-80
3-360
3-30
3-960
3-80
4-560
4 30
5-160
4-80
5-760
5-30
6-360
81
3372
31
3972
81
4-572
31
5172
81
5-772
31
6-372
82
3-384
32
3-984
82
4-584
32
5 184
82
5-784
32
6-384
83
3-396
33
3-996
83
4-596
33
5196
83
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33
6-396
84
3-40S
34
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84
4 608
34
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84
5-808
34
6-408
85
3-420
35
4-020
85
4-6-20
35
5-220
85
5-820
35
6-420
86
3-432
36
4-032
86
4-632
36
5-232
86
5-832
36
6-432
87
3-444
37
4044
87
4-644
37
5-244
87
5-844
37
6-444
88
3-456
38
4-056
88
4-656
38
5-256
88
5-856
38
6-456
89
3-468
39
4-068
89
4-668
39
5-268
89
5-868
39
6-468
2-90
3-480
3-40
4-080
3-90
4-680
4-40
5-280
4-90
5-880
5-40
6-480
91
3-492
41
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91
4-692
41
5-292
91
5-892
41
6-492
92
3-504
42
4-104
92
4-704
42
5-304
92
5-904
42
6-504
93
3-516
43
4-116
93
4-716
43
5-316
93
5-916
43
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94
3-528
44
4-128
94
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94
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0-011
Methodik der Milchuntersucliimi'.
4:n
19"1 und 20"2 entsprochen einem spezifischen Gewicht von 140 und jedes
Zunehmen des Fettf^ehaltes um 11'^ o enstpriciit einem Sinken des spe-
zifischen (Jewichtes um 0'01"/o.
Gleichuni? für die fettfreie Trockensubstanz:
'O
Iv = , + , + ()-2(.,
• 4 D
Avobei d den abgelesenen Laktodensimetergrad und f den Fettgehalt bedeutet.
Prozentischer Fettgehalt der Trockensubstanz:
_ 100 -f
~ t
Spezifisches Gewicht der Trockensubstanz:
' ~ s.t — (lOO.s— KXI) ■
Diese Formeln gelten selbstverständlich im allgemeinen nur für nor-
male Kuhmilch.
Fett.
Das Fett befindet sich in der Milch im Zustande einer Emulsion von
feinen Tröpfchen. Schüttelt man eine kleine Menge Milch mit Äther, so
geht das Fett in den Äther über; durch Verdunsten des Äthers bleibt das
Fett zurück. Zur Darstellung eignet sich der beim IJeinigen iles Ka.seins
mit Äther erhaltene Fettextrakt. Sämthche quantitative Bestimmumisme-
thoden des Fettes beruhen auf dem Prinzip der Extraktion mit .\ther.
Das Fett der Kuhmilch besteht aus (ilyzeriden der höheren Fett-
säuren (Palmitin-, Stearin- und Oleinsäure) und der flüchtigen Fettsäuren,
und zwar der Butter-. Kaprin-. Kupron- und Kaprylsäure.
Das Frauenmilchfett enthält aulierordentlich geringe Mengen von
flüchtigen Fettsäuren. ')
Im Milchfett sind außerdem noch Lezithin und Cholesterin rnthalten.
Fettbestininiuny:.
Zur Fettbestimmung kann man sich folgender Methoden bedienen :
1. Gewichtsanalytische Bestimmung.
2. \'olumetrische Bestimmung.
3. Refraktometrische Bestimmung.
4. Aräometrische Bestimmung.
Gewichtsanalytisclie Be>tiMinuiiii:.
Methode nach Vogel.-)
Ein kleines Nickelschiffchen wird mit 15—20// ausgeglühtem Sand
oder einem anderen porösen Stoff, z. B. (lips, (Jlaspulver, Asbest, gefüllt.
') Ruj)pel, t}l)cr die Fette de- Frauenmilch. Zcitsehr. f. Biol. M 1. 1S«)5; Larts,
Untersuchung des Fettes von B'rauenmilch. Zcitschr. f. phjsiol. Chcin. 19. 3. Ü9. 1894.
-) Voffcl, Über Milchuntersuchuugcn. Berlin. Sprintror, 1885. (J — 113.
432 E.F.Edelstein.
In dieses so vorbereitete und gewogene Schiffclien werden 10 g Milch hinein-
gewogen und die Milch bis zur Trockne eingedampft. Dann umwickelt man
das Schiffchen mit fettfreiem Filtrierpapier, legt es in eine Patrone hinein
und extrahiert im Soxhletapparat 3 — 5 Stunden mit w^asserireiem Äther.
Hat man beim Soxhletapparat als Ätheraufnahmegefäß ein kleines
Kölbchen benutzt, so kann man, wenn man das Gewicht desselben kennt,
den Äther durch Abdampfen verjagen und den Kolben trocknen und wägen.
Sonst führt man die Ätherflüssigkeit quantitativ in ein vorher gewogenes
Bechergläschen über (2 — 3mal mit Äther nachspülen!), verdampft die
Ätherfettlüsung vorsichtig auf einem Dampfbad, trocknet das Becher-
gläschen bei 100« 1 Stunde lang und wägt. Die Gewichtszunahme bedeutet
den Fettgehalt.
Eine höhere Temperatur als 100" beim Trocknen ist möglichst zu
vermeiden wegen der damit verbundenen Gefahr der Fettzersetzung.
Methode nach Ädams^)
Eine etwas umständliche Methode ist die nach Adams, welche aber
sonst sehr brauchbare Resultate liefert.
Man tropft 6 — 7 g Milch (das genaue Abwägen kann man sich durch
eine kleine abtarierte und mit Strichen versehene Spritzflasche erleichtern)
auf einen 56 cm langen Filtrierpapierstreifen ( Schleicher & Schüll) auf,
und zw^ar so, daß man den Papierstreifen (der übrigens selbstverständlich
fettfrei ist) schwebend an beiden Enden mit Klammern befestigt. Nun tropft
man die ]\Iilch allmählich auf, wobei man achtgibt, daß die beiden Ecken
in einer Entfernung von mindestens 5 cm trocken bleiben. Man läßt den
Papierstreifen an der Luft trocknen, rollt ihn vorsichtig zusammen, trocknet
ihn nochmals 2 Stunden bei 100" und extrahiert im Soxhletapparat
5 — 8 Stunden.
Die ätherische Lösung wird genau so wie sonst in einem gewogenen
Kölbchen verdunstet und nach dem üblichen Trocknen gewogen.
Nach G 0 ttlieh-Röse. ^-)
Prinzip: Die Eiweißstoffe bzw. das Kasein der Milch werden in
Ammoniak gelöst und aus einer ammoniakalisch-alkoholischen Lösung das
Fett mit Äther-Petroläther durch Ausschütteln extrahiert.
10^ Milch w^erden in einem genau graduierten Zyhnder oder in be-
sonders zu diesem Zwecke hergestellten graduierten und mit geschliffenen
Stöpseln versehenen Schüttelbüretten 3) (Fig. 108) zunächst mit 2 cm^ eines
lOVoigen Ammoniaks versetzt und leicht geschüttelt.
') Lenz, Bericht über spezielle analytische Methoden. Zeitschr. f. aualyt. Chem.
27. 85. 1888.
-) Rose, Zur Analyse der Milch; Fettbestimmung. Zeitschr. f. angewandte Chem.
1. 100.1888; Gottlieb, Eine bequeme Methode zur Bestimmung des Fettes in der Milch.
Landwirtschaftliche Versuchsstationen. 40. 1. 1892.
^) Den sogenannten Gottliebschen Röhren (Fig. 108).
Methodik der Milclmntcrsucliung.
433
Fig. 108.
Nun werden nacheinander 10 cm^ absoluter Alkohol. 25 cw»> , -r
Äther und 25 cm^ I'etroliither hinzn{,^ef(igt uiul nach jeder Zu^'ahe f^t durcb-
geschüttelt. Nach kurzer Zeit trennt .sich die wä.s.serig-anunoniakali.scho
Schicht von der ätheri.schen und man liilit den Zylinder cinip' Stunden
stehen. Dann wird die Höhe der ätherischen Schicht ah-relesen und rin
aliquoter Teil derselben (20 oder ;50 cm^) mit einer l'ipette entnomuM-n
(die Pipette wird nachgespült!), in ein gewogenes kleines IJechergÜischen
hineingebracht und der Äther auf einem Dampfbad vorsichtig abgedampft
Das Bechergläschen wird bei 100" eine Stunde lang getrocknet
und gewogen.
Die in der entnommenen Menge Ätherlösung /um WiiLren
gebrachte Grammanzahl Fett wird auf die ganze .Uherscliicht
umgerechnet. Die Zahl gibt dann die in den abgewogenen 10 y
Milch enthaltene ]\Ienge Fett.
Statt die Milch abzuwägen, kann man auch 10 cm' Milcii
verwenden, hebert aber die ätherische Lösung bis auf 1*5 cw^
der Fettlösung ab. Die nach dem \erdunsten des Äthers gewogene
Fettmenge mit 10 multipliziert gibt dann direkt Gewichtspro-
zente an. ')
In neuerer Zeit haben Hesse-) und Eichlojl'^) das (lott-
lieb-Rösesche Verfahren abgeändert. Die GottächsdiQ Methode
liefert zu niedrige Werte. Hesse schlägt deshalb vor. die ätheri-
sche Fettlösung ganz abzuhebern, mit Äther einmal nachzuspiden
und noch einmal mit Äther und Petroläther au.szuschütteln. Da
aber das zweite Ausschütteln sehr geringe Mengen Fett liefert,
genügt es nach Eichlojf und Grimmer'^), wenn man nach dem
Abhebern der Fettlösung zweimal mit Äther nachspült, (ira-
duierte Zylinder fallen für diese Methode weg, da man ja nicht
mehr aliquote Teile, sondern die ganze Ätherschicht abhebert
und eine Umrechnung unnötig wird.
Der Schüttelkolben*) (vergl. Fig. 109, S. 434) wird leer gewogen, mit
lOcws Milch gefüllt und abermals gewogen. Dann wird l cm .\mmoniak
hinzugefügt und leicht umgeschüttelt. Nun setzt man nacheinander IOom*
absoluten Alkohol, 25 cm» wasserfreien Äther und 25 <m-' l'etrol.ither dazu,
schüttelt nach jeder Zugabe kräftig um und labt {\ Stunden stehen. .Mau
hebert jetzt die ganze Ätherschicht in einen kleinen (l5o cm») gewogen«'»
Erlenmeyerkolben. spült den Apparat zweimal mit je 25 cm^ Äther nach,
verdampft die Lösung, trocknet bei 105" und wägt.
') Rötiger, Lehrbuch der Nahningsmittcl-Chemio. Verlag J. Springer. S. 184. 1U07.
^) Hesse, Untersuchungen über die GottlirhscUe Fettbcstinininng. Molkprei-/.t*r.
17. 277.
') Eichloß' und Grimmer, Abgeändertes VorfahrtMi zur Hostimmung des Kctl»re-
haltes nach liöse-Gotflicb in Miloii- und Molkereiprudukten. Mib-hwirtsrhaftl. Zcntral-
blatt. G. 114. 1910.
*) Vertrieb des Apparates durcli /'. Funke d- Co., Berbn.
Abderhalden, Haodbach der biochemischen ArboiUmwthodcn. V. 28
434
E. F. Edelstein.
Die Gottlieb-Rösesche Methode ist zurzeit die beste und genaueste,
ihre Ausführung ist leicht und erfordert wenig Zeit.
Fig. 110.
Fig. 111.
Tolumetrisclie Bestimmung.
Nach Gerber.^)
^'ersetzt man Milch mit konzentrierter Schwefelsäui'e, so lösen sich
unter starker Wärmeentwicklung das Kasein und die Nichtfette. Das
Fett scheidet sich ab und wird in dem gleich-
zeitig zugesetzten Amylalkohol gelöst.
In für diesen Zweck hergestellte Gefäße
(Butyrometer Fig. 110 u. 111) werden 10 cm^
konzentrierter Schwefelsäure vom spezifischen
Gewicht 1-82 — 1-825, ferner vorsichtig llcm^
Milch und 1 cm^ Amylalkohol (Siedepunkt 128
bis 130") eingetragen, die Butyrometer mit
dicht schUeßenden Gummistöpseln zugestöpselt
und kräftig umgeschüttelt. Dann zentrifugiert
man 5 Minuten in einer hierfür hergestellten
Zentrifuge (Fig. 112 u. 113) und erwärmt die
Röhrchen kurze Zeit in einem Wasserbad von
Fig. 109.
60 — 700. 2) stellt man durch Drehen des Kautschukstopfens den Meniskus
so ein, daß er mit einem Hauptstrich der Skala zusammenfällt, so kann
man direkt die Prozente Fett ablösen.
') Gerber, Die Azidbutyrometrie als üniversalfettbestimmungsmethode. Chem.
Ztg. 16. 1839. 1892.
2) Nach Stein soll man nach dem Schleudern nicht mehr erwärmen. Vergleichende
Untersuchungen einiger Methoden zur Untersuchung des Fettes in der Milch. Milch-
wirtschaft!. Zentralbatt. V. 209. 1909.
Methodik der Milcliuntersuchung.
436
L'»'!!.
Höyherg^) hat zwecks besserer AI)lesunt,Ml('r P'ettscliicht voi .
dem Amylalkohol einen Farbstoff zuzusetzen, un<l zwar eine 2«/oif;e
hohsche Lösunf^- von Sudan III im \'erli;iltnis von ' ,o «l<'s Volumens. IUe
Fettschicht erscheint dann schön oran^^e, die untere (schwefelsaure) Schicht
violett gefärbt.
Die Methode nach Gerher eignet sich sehr \i\\{ für schm-llc Fettb»*-
stimmungen und wird besonders in der Molkcn-iina.xis viel verwendet. Sie
liefert sehr gute Werte. Vom Verfasser angestellte Versuche an H Proben
nicht fettreicher Frauenmilch (2— ;i-5Voj. in denen Fett nach (Jottlub und
Fig. 112.
Kig. IIH.
Gerher bestimmt wurde, haben eine sehr gute rbereinstimmung beider
Methoden ergeben.
Nach Untersuchungen von A. Stein '-) unterscheiden sich die Wert«
nach Gerher und die aus der aräometrischen Methode nach Soxhht höchstens
um O-Oöo/o.
Zum Ablesen eignen sich gut die Flachbutyrometer.
Eine Modifikation der 6'cW>e/-schen Azidobutyrometrie ist seine Sal-
. methode. 3) Dieselbe vermeidet die Anwendung von Schw efelsilure und den
Gebrauch des Amylalkohols. Das Prinzip ist wie folgt :
Eine alkalische Sallösung (das Salpulver besteht aus Ätznatrium und
Kaliumnatriumtartrat, etwas Kochsalz und einem roten Farbstoff) löst das
') llöiibcrg. Eine Methode zur Färhung des bei der (»'rr/irrschcn .\j!idobiit)To-
metrie abgeschiedi-ncii Mih-hfettes. Zeitsclir. f. Fleisch- u. Milohhygiene. 21. 46. 1910; n-
tiert nach Chein. ZeDtrallil. II. M'l'x VMO.
') A. Stein, 1. c.
') Gerber, Die „Sal"-Metii<»dc, ein neues säurefreies Verfahren lur »chnellou
Fettbestimmuug aller MUcharten. Milch-Zfg. 35. 37. llK)fi.
28»
436 E. F. Edelstein.
Kasein der Milch und die Kalksalze derselben. Das Fett wird wie bei der
vorherigen Bestimmung durch Zentrifugieren abgeschieden. Dasselbe mrd
in dem zugegebenen Isobutylalkohol gelöst und erscheint über der rot-
gefärbten alkalischen Lösung als farblose Fettschicht.
Die Bestimmung wird folgendermaßen ausgeführt:
1 1 cm^ Sallösung (hergestellt durch Lösen des käuflichen Salpulvers
in 1 l Wasser und nachträglicher Filtration), 10 cm^ Milch und O-ßmi^ „Butyl"
(Isobutylalkohol) werden in ein Gerbersches Butyrometer gebracht, tüchtig
durchgeschüttelt, in einem Wasserbade von 45'' 3 Minuten erwärmt und
wieder durchgeschüttelt. Dann zentrifugiert man 3 Minuten lang, bringt
wieder auf kurze Zeit in ein Wasserbad von 45° und Uest ab.
Auf ähnlichem Prinzip beruht das Verfahren nach Sichler'^), die so-
genannte Synazidbutyrometrie und die Neusalmethode nach Wendler.^) Die
letztere i^rüiten Nottbohm und Angerhausen ^) nach und fanden, daß sie recht
gute Ergebnisse liefert, und zwar mit der GottUeb-Eöse&cheji Methode ver-
glichen.
Neusal ist eine Mischung von Salizylsäuren und zitronensauren Salzen
und einem blauen Farbstoff. 250 g davon werden in 600 Wasser gelöst,
250 Neusalalkohol dazugegeben und mit Wasser auf 2 l aufgefüllt. *) 12 cm^
dieser Neusallösung werden mit 9'9 crn^ Milch in einem Butyrometer gut
geschüttelt, auf 3 Minuten in ein Wasserbad von 50'^ gebracht, nochmals
geschüttelt und wieder 3 Minuten auf 50" erwärmt. Dann zentrifugiert man
3 Minuten, erwärmt auf 45« und liest ab.
Über den Wert der beiden letzten Methoden kann man sich noch
kein abschheßendes Urteil erlauben. Bei genauen Bestimmungen soll man
sich jedenfalls der anderen, bewährten Methoden bedienen.
Das refraktometrisehe Terfahreii nach WoUiiy.
Modifikation nach Naumann.^)
Stellt man sich nach bestimmter Vorschrift eine Ätherfettlösung her
und bestimmt die Lichtbrechung, die ein Lichtstrahl beim Durchgang durch
diese Schicht erleidet, so kann man, vorausgesetzt, daß der Brechungs-
exponent des Milchfettes einen konstanten Wert hat, aus einer empirisch
berechneten Tabelle die Fettmenge bestimmen.")
^) Sichler und Richter, Ein Beitrag zur Beurteilung der Synazidbutyrometrie.
Milchwirtsch. Zentralbl. 1. 71. 1905.
-) Wendler, „Neusal". Neues säure- und alkalifreies Verfahren. Milcbzeitung. 39.
230. 1910.
^) Notthohm und Anf/erhausen, Nachprüfung der „Neusalmethode von Dr. Wendler"'
zur Fettbestimmung in der Milch. Zeitschr. f. Untersuch, der Nahrungs- und Genußmittel.
20. 495. 1910.
*) Diese Lösung ist gebrauchsfertig bei Dr. Gerfccr-Leipzig zu haben.
^) Nanmann, Untersuchung der Milch auf den Fettgehalt mit dem Wollnijscheii
Müch-Refraktometer. Leipzig 1900. Heinsius Nachf.
^) Über Refraktometrie siehe: Biehringer, Bd. 1. 568 dieses Handbuches.
Methodik der Milcliuntersiichuntf.
437
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438
E. F. Edelstein.
Man stellt die Fettlösung her, indem man 30 cm ^ einer auf IT'.^f'ge-
brachten Milch mit 3 cm^ Wollnf/scher Lauge 10 Minuten lang schüttelt.
Falls die Milch konserviert war (nach Naumann mit Kaliumbichromat in
ammoniakalischer Lösung), müssen 12 Tropfen konzentrierter Essigsäure
der Probe zugefügt werden. Dann werden (3 cm^ wassergesättigten Äthers
zugesetzt und 15 Minuten lang in einem Schüttelapparat geschüttelt.
Darauf zentrifugiert man 3 Minuten (in einer Gerbcrschen Zentrifuge) und
bringt die Mischung ^^^eder aufl7"5<>. Diese ganze Prozedur des Mischens,
Schütteins und Zentrifugierens wird in hierfür geeigneten, mit einem Glas-
stöpsel verschließbaren Probe-
gläschen (Fig. 114) vorge- Fig. 115.
nommen. Ein ganz kleiner
Teil von der durch Abzentri-
fugieren erhaltenen Ätherfett-
lösung wird mit Hilfe enger
Glasröhrchen entnommen und
auf das Prisma des Refrakto-
meters aufgetropft.
Fig. 114.
-* — -Marhe bei
30ecm
Fiißtmg
Das Refraktometer (Fig. 115) ist genau auf 17-5'' eingestellt. Dies
wird so bewerkstelligt, daß ein auf 17-5" eingestelltes Wasser durch das
Prismengehäuse fließt.
Das Refraktometer wird zunächst so eingestellt, daß es durch Auf-
tropfen von etwas auf 17-5o temperiertem, destilliertem Wasser den Null-
punkt der Skala anzeigt. Dann tropft man auf die sorgiältig gereinigten
Prismen wassergesättigten Äther auf und stellt genau durch Regulieren
der Mikrometerschraube auf den Skalenteil 20*6 ein. 1)
M Die von der Firma Zeiss jetzt gelieferten Milchrefraktometer sind auf diesen
Punkt bereits geaicht.
Methodik der Milchiintersuchung.
4:^9
Fig. 116.
Die WoJlni/sche Lauge stellt man nach Xauwanu her:
800.<7K()Ilin Standen werden in weni^^ Wasser gelöst, ii;i- 1, utm
Erkalten mit OOO^ Glyzerin gemischt und dazu !'()(» 7 Kupferoxy Hydrat
zugegeben. Diese Mischung wird auf HOOO cm^ autVct'iillt. Man lal'.t :\ \ TriL-p
stehen unter zeitweiligem starkem rmschütteln.
Die WoUni/-Naumamis,che Kefraktometermethode ist sehr genau, und
wenn einmal alles an Reagenzien und Apparaten Notwendige vorhereitct
ist, bequem und schnell auszuführen.
Aräoinetrische llethode nach Soxlilet. >)
Das Prinzip dieses Verfahrens beruht darauf, dal) aus einer alkalisch
gemachten Milch das Fett mit wassergesättigtem Äther extrahiert wird.
Diese Fettlösung wird
auf ihr spezifisches
Gewicht untersucht
und daraus der Fett-
gehalt berechnet.
Zur Ausführung
dieser Bestimmung
gehört zunächst der
von Greiner - Mün-
chen nach Soxhiet
ausgeführte Apparat
(Fig. 116), eine Kali-
lauge vom spezifi-
schen Gewicht 1*27
und ein wasserge-
sättigter Äther, her-
gestellt durch Schüt-
teln vom gewöhnli-
chen Äther (D. Q-l)
mit 1—2 Zehntel Vo-
lumen Wasser.
Da das Aräo-
meter auf eine Tem-
peratur von 17-5°
geaicht ist, muß so-
wohl die zu untersu-
chende Milch wie die
anzuwendenden Re-
agenzien auf diese
Temperatur gebracht
werden.
') F. Soxhiet, Aräometrische Motliodc zur ItostimmuM^r dos I-". •
Milch. Zeitschr. d. landwirtsch. Vereines in Bayern. S. 1. 1SH(). Kefer.it u.
f. analvt. Chemie. 20. 452. 1881.
ier
440
E. F. Edelstein.
Tabelle zur Bestimmung des Fettgehaltes der Milch aus dem spezifische n
Gewicht der Ätherfettlösung bei IT'ö".
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Fett
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Gew.
Fett
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2-18
1
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2
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3
2-22
4
2-23
5
2-24
6
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7
2-26
8
2-27
9
2-28
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2-30
1
2-31
2
2-32
3
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4
2-34
5
2-35
6
2-36
7
2-37
8
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9
2-39
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1
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2
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3
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4
2-45
5
2-46
6
2-47
7
2-49
8
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9
2-51
47-0
2-52
1
2-54
2
2-55
3
2-56
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2-57
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6
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2-71
2-72
2-73
2-74
2-75
2-76
2-77
2-78
2-79
2-80
2-81
2-83
2-84
2-86
2-87
2-88
2-90
2-91
292
2-93
2-94
290
2-97
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2-99
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3-27
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3-31
3-33
3-34
3-35
337
3-38
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3-40
3-41
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3-52
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4-82
4-84
4-85
4-87
4-88
4-90
4-92
4-93
4-95
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4'98
5-00
5-02
504
5-05
507
5-09
511
512
200 cm^ Milch werden in einer Schüttelflasche mit 10 cm^ Kalilauge
vom spezifischen Gewicht 1-27 und mit 60 cm^ Äther gut verschlossen und
kurze Zeit durchgeschüttelt. Dann wird die Flasche durch Hineinstellen in
ein großes Gefäß mit Wasser von IT'ö" auf diese Temperatur gebracht und
in kurzen Abständen 1/4 Stunde lang, am besten in senkrechter Richtung
Methodik der Milchuutersuchung. i i i
durchgeschüttelt. Nach etwa 15 Miiuiton scheidet sich eine khire Äther-
fettschicht ab. Die Flasche mit der Fettlüsung wird nun mittelst eines
Schlauches mit dem Kohr verbunden, in dom sich das Arilomcter befindet.
Das Rohr wird durch einen äußeren Mantel mit Wasser von ITf)" «rekühlt.
Mittelst eines Gummiballes drückt man die Atlierfettlösunj^' in das Kohr
hinein und schließt das letztere von unten mit einer Klemmschraube zu.
Man wartet einige Minuten, damit sich die Temperatur ausgleicht und
liest dann den Berührungspunkt der .Skala des in der Fettschicht schwim-
menden Aräometers mit dem unteren Meniskus der Ätherschicht ab. Aus
der von Soxhief empirisch aufgestellten Tabelle ermittelt man den Fett-
gehalt in Prozenten.
Lezithin.
Das in der Milch bzw. im Milchfett enthaltene I'hosjdiatid bat zuerst
Rosengren'^) isoliert, und zwar indem er die bei der Gottlicb-Jiösvüvhcn Methode
erhaltene Atherfettlösung mit wasserfreiem Äther nochmals extrahierte. Dabei
gewann er einen unlöslichen liückstand. der beim \erseifen mit Barvtwasser
eine Substanz lieferte, die aus Fettsäuren und aus riiosphorsäure bestand.
Burow'^) hatte das Lezithin derart bestimmt, daß er in eine angesäuerte
Alkoholäthermischung (100 Äther und 100 jVlkohol) Milch hineintropfen ließ,
nach 24 Stunden filtrierte und das Filtrat eindampfte. Der Rückstand wurde
mit Äther ausgezogen, der Äther verdampft und in diesem Rückstand
Phosphor bestimmt.
GWdn 3) bestimmt quantitativ das Lezithin in der Milch, indem er
eine bestimmte Menge Milch bis zur Trockne eindampft. Die Trocken-
substanz wird 1 — 2 Stunden im Trockenofen getrocknet, dann im Mörser
fein zerrieben und in eine Patrone gebracht. Man zieht sie zunächst
4 Stunden mit absolutem Alkohol und dann bis zur Erschöpfnng mit
Chloroform aus. Die gesammelten Äthcrchloroformauszüge werden ver-
dampft und der Rückstand wird in absolutem Äther aufgenommen. .Man
rührt gut durch, filtriert, befreit vom Äther und nimmt einen bestimmten
Teil vom getrockneten Rückstand ab, in welcheiu man Phosphor nach Srn-
waww bestimmt. Die erhalteue Menge PoOg multipliziert mit ll-;i«)()t> gilit
den Gehalt an Lezithin an.
Das Ausziehen mit Alkohol bietet insofern Schwierigkeiten, als man
über einem Wasser oder Dampfiiad tlen Alkohol kaum zu einem i)erma-
nenten Sieden bringen kann. Verfasser hat sich bei Lezithinbestinimiingen
im Laboratorium des Kaiserin Auguste Viktoria-Hauses mit gnti'ui Erfolge
der Doppelflasche nach Zelmanowitz^) (Fig. 117) als Alkohol-Aufnahme^
kolben bedient.
•) Rosengreu, Beitrag zur Frage „Cofflieh" oder „Admtis". Milchzoituiii:. 22. l'.X>4.
*) Burow , Der Lezithingehalt der Milch und soiiio Aldiüugigkeit vom rcl.itivpti
Hirngewichte des Säuglings. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 30. 495. liKX).
*) Glikin, Zur biologischen Bedeutung des Lezithins. Cher den Lezithin- und
Eisengehalt in der Kuh- und Frauenmilch. Biochom. Zcit-^chr. 21. 'MH. l".)(»y.
*) Zu haben bei den Vereinigten Fabriken für Laboratoriunisbedarf, Berlin.
442
E. F. Edelstein.
Fig. 117.
Dieser Kolben hat den Vorzug, daß man ein konstantes Sieden des
Alkohols erzielt, ohne letzteren direkt mit einer Flamme erhitzen zu
müssen, was bei einer längeren Behandlung mit Alkohol immer gefährlich
ist. Der äußere Raum der Flasche ist mit Wasser gefüllt, welches, zum
Kochen erhitzt, den Alkohol zum Sieden bringt.
Methode nach Nerking und Haensel.'^)
100 cm'i Milch werden unter Umrühren mit 200 cm^ Alkohol gefällt
und der gut abgesetzte Niederschlag filtriert. Nun wird einerseits der
Niederschlag mit dem
Filter 30 Stunden lang
in einer Soxhlethülse
mit Chloroform extra-
hiert, andrerseits das
alkoholische Filtrat bei
geringer Temperatur
(50—600) eingedampft
und der Rückstand bis
zur Erschöpfung mit
Chloroform ausgezogen.
Beide Extrakte werden
vereinigt , durch Ver-
dampfen Alkohol und
Chloroform verjagt, der
Rückstand mit Salpeter-
mischung verascht und
darin die Phosphorsäure
zunächst als Ammoni-
ummolybdenphosphat
gefällt. Dieses wird in
Ammoniak gelöst, die
Phosphorsäure als Ma-
gnesiumammonium-
phosphat gefällt und als
Pyrophosphat gewogen.
Die Menge Mg, P2 O7
mit 7*27 multipliziert
gibt den Gehalt an Le-
zithin an.
Nach dieser Methode fanden Nerking und Haensel in der Frauenmilch
im Mittel 0-0499''/o, in der Kuhmilch im Mittel 0-0629Vo Lezithin.
Alle diese Verfahren können keinen Anspruch auf Genauigkeit er-
heben. Die Isolierung der Phosphatide weist überhaupt noch große Mängel
1) Nerking und Haensel, Der Lezithingehalt der Milch. Biochem. Zeitschr. XIII.
348. 1908.
Methodik der Milcliuntcrsiichung. i lu
auf, weil dieselben infolge ihrer leichten Zerset/lichkeit verschiedenen \er-
änderun<ien unterworfen sind, über deren N;itur man noch keine t^eniitronde
Kenntnis besitzt. > )
Cholesterin.
Cholesterin, ein höherer Alkohol (nach H'i/iildus-) ein sekundärer, un-
gesättigter Alkohol), ist in sehr gerini-ei- Menge in der Kuhinilch. auch in
der Frauenmilch vorhanden. In welcher Form Cholesterin in der Milch
vorkommt, ob frei oder als Ester, darüber ist noch nichts Sicheres be-
kannt.
Emeißstoffe der Milch. »)
(Kasein, Albumin, Globulin.)
Das Kasein (der Käsestoff) ist in der Milch in ge(|uollenem Zustande
suspendiert und zwar als eine Kaseinkalziumverbindung.
Kreidl \m(\. Xeumann*) haben die Milch verschiedener Tiere ultru-
mikroskopisch untersucht ») und im Milchplasma außer Fettröpfchen noch
eine große Anzahl anderer in lebhafter Bewegung sich befindender Teilchen
beol)achtet. Diese Teilchen halten sie für Kasein. Sie haben nämlich Lö-
sungen von nach Hammursten dargestelltem Kasein mit dem Milcliplasma
verglichen, wobei sie feststellten, daß beide (Milchplasma und Kaseinlösung)
durch das Ultramikroskop gleich aussehen. Anders sieht das .Milchplasma
der Frauenmilch, durch das Ultramikroskop betrachtet, aus. Man sieht nur
Fettkügelchen, das übrige Plasma erscheint schwarz. Diese Cntersuchunuen
erklären vielleicht die schwere Fällbarkeit des Frauenmilchkaseins.
Das Kasein der Kuhmilch stellt man am besten nach der Methode
von Hammarsten «) dar.
Man verdünnt die Milch mit 4 Teilen Wasser und versetzt diese
Mischung mit soviel Essigsäure, daß etwa OT — 1// pro lOoo Flüssigkeit
enthalten ist.
Das Kasein scheidet sich in dicken Flocken ab ; es wird filtriert und
mit Wasser gewaschen. Das bei der Fällung mitgerissene Fett wird durch
Behandlung mit Alkohol und nachträglich durch Extrahieren mit Äther
entfernt. 0 Das entfettete Kasein wird in sehr verdünntem .Mkali gelöst,
und zwar wird es zunächst in einer Reibschale mit 'IhO cm^ Wasser über-
*) Siehe auch Schult zc und Winterstein, rbosphatide. Bd. 2 diost>< H.nidliurlios.
S. 256.
^) Windaus, über Cholesterin. Ber. d. deutsch, chom. (Jos. 41. Uli und 2.').'>S l',M)S.
*) Siehe auch Fr. SaiiiKrli/, Gruppe der nicht kristallisiorbanMi rroteine. III. l)io
Eiweißkörper der Milch. Bd. 2 dieses ILoKllKichcs. HHS.
*) Kreidl und Neumann, Ultramikroskopischc Betrachtuni/en über das Vorhalten
der Kaseinsuspension in der frischen Milcli und 1mm der (ierinniuijr. lyifif/rrs .\rrhiv,
Bd. 123. 523. 1908.
^) Siehe Schulz, Ultraraikroskop. Bd. 1. 283 dieses Ilandliuchcs
•) Hammarsten, Lehrb. d. physiol. Chemie. (518. ] 1)1(1.
') Diese Entfettung,' muß sehr gnUidlich sein und dauert sehr lange.
444 E. F. Edelstein,
gössen und dann unter starkem Rühren allmählich Natronlauge (1 : 10) zu-
getropft. Jetzt filtriert man, fällt wieder mit Essigsäure und wäscht gründ-
lich mit Wasser aus.
Diese Umfällung nimmt man einige Male vor und trocknet dann das
Kasein, am besten im Vakuumexsikkator über Schwefelsäure oder bei
60—700.
Die durch Lab entstandene Fällung, das Parakasein i), ist wie das
Kasein in Alkalien löslich.
Das Parakasein enthält Kalk und zu seiner Fällung mit Lab ist die
Gegenwart von Kalksalzen notwendig. Man kann dies sehr leicht be-
weisen, wenn man zu 100 em^ Milch, der man b cm^ einer P/oigen Na-
triumoxalatlösung zugesetzt hat, Lablösung zugibt und auf 40^ erwärmt.
Es erfolgt keine Gerinnung, weil das zur Ausfällung notwendige Kalzium
an Oxalsäure gebunden ist.
Erst auf Zusatz von wenig Chlorkalzium erfolgt die Gerinnung. 2)
Man kann das Kasein aus der Milch auch mit einer gesättigten
Magnesiumsulfatlösung ausscheiden 3), und zwar in einer in Wässer oder
verdünnter Salzlösung löslichen Form.
Man sättigt 100 cm^ Milch mit Magnesiumsulfat durch Schütteln mit
dem gepulverten Salz. Nun filtriert man durch ein Filter, das mit ge-
sättigtem Magnesiumsulfat befeuchtet ist und wäscht mit Magnesiumsulfat-
lösung nach. Der Niederschlag, ein Gemenge von Kasein und Fett und
etwas Globulin (Albumin wird nicht mitgefällt), wird durch Verrühren mit
Wasser gelöst. Die Lösung läßt man einige Zeit stehen, wobei sich das
Fett oben absetzt. Filtriert man nun von dem Fett ab und gibt Essig-
säure zu, so fällt das Kasein aus.
Ganz anders verhält sich die Frauenmilch in bezug auf die Kasein-
fällung. Auf Zusatz von Essigsäure fällt meistens kein Kasein aus; man
muß die Milch entsprechend vorbehandeln.
Fuld und Wohlgemuth '^) bedienen sich des Gefrierens, tauen nach-
träglich die Milch auf und fällen direkt mit Säure.
Wrohlewski '^) gibt folgende Methode an :
Man fällt in der Frauenmilch mittelst Ammoniumsulfat ein Gemenge
von Kasein und Albumin und filtriert ab. Der Niederschlag wird mit
SO^/oiger Ammoniumsulfatlösung gewaschen und mit Wasser verrieben,
wobei alles in Lösung geht.
Durch Dialysieren wird die Lösung vom Salz befreit, das Fett wird
mit Äther entfernt und das Kasein mit ^ Essigsäure gefällt. Das Ver-
*) Siehe Fr. Samuely, Bd. 2 der Arbeitsmethoden. 387.
^) E. Salkowski, Praktikum d. physiol. u. pathol. Chemie. S. 93. 1906.
^) E. Salkowski, Praktikum der physiol. u. pathol. Chemie. 91. 1906.
^) 1. c.
^) Wroblewski, Beiträge zur Kenntnis des Frauenkaseins und seine Unterschiede
vom Kuhkasein. Dissertation. Bern 1894.
Methodik der Milchuntcrsuchunc. itjj
fahren hat eigentlich nur historisches Interesse und liefert kein uanz
reines Präparat.
Viel besser ist die Methode von Kohntfc^), nach der man die MiUli
zuerst durch Zentrifugieren vom Fett befreit, die Magcmiilch mit ' 5 des
Gesamtvolumens r^ Essigsäure versetzt und ö Tage lang gegen ("liloroform
dialysiert. Das in feinen Flocken sich dabei ausscheidende Kasein wird
abfiltriert und in Alkohol und Äther gewaschen.
Die Dialyse führt man am besten in abgesprengten, mit Tergament-
papier umwundenen liechergläsern aus und stellt sie in ein mit Cliloroform-
wasser gefülltes Gefäß ein.
Ein sehr reines Frauenmilchkasein liefert das Verfahicn nach IJiufrl. «)
1 / Milch wird mit 700 on^ t^ Essigsäure verdünnt und in einer
großen Flasche auf 5000 mit Wasser aufgefüllt, geschüttelt und im Fis-
schrank 2 — 0 Stunden stehen gelassen. Dann wird der ganze Inhalt in ein
großes Gefäß gegossen und in ein Wasserbad von 40 — 4.')" hineingestellt.
Nach 1/4 Stunde, nachdem das Gemisch die Temperatur von HO" ange-
nommen hat, filtriert man durch ein doppeltes Filter.
Das Kasein, w^elches durch Albumin, F'ett und etwas Milchzucker
verunreinigt ist, wird vom Filter in eine Soxhlethülse abgeschalit und
darin durch Extraktion mit Äther vom Fett befreit. Das II()hi)rodukt wird
in einer Kugelmühle fein gepulvert und dann in einer großen Zentrifuge
nacheinander mit schwach essigsaurem Wasser, Alkohol und Äther so lange
gewaschen, bis das Kasein frei von Milchzucker und beigemengtem Eiwfii;
ist. Das schön weiße, an der Luft zerbröckelnde Pulver wird über ILSO^
im Exsikkator getrocknet. Die Ausbeute am Reinprodukt beträgt etwa 0-2*' o-
Eine bessere Ausbeute hefert das Verfahren nach Langstiin-Kddstein.^)
Frische Frauenmilch wird 1 Stunde lang zentrifngiert (HOOO Touren-
Zentrifuge), das angesetzte Fett abgeschöpft und die Magermilch mit ' ,, des
Gesamtvolumens ^ Essigsäure unter Umrühren versetzt. In wenigen Mi-
nuten setzt sich das grobflockig ausfallende Kasein zu Boden. Man gießt
von der trüben, darüber stehenden Flüssigkeit ab und wäscht das Kasein
durch inniges Umrühren und Zentrifugieren mit Wasser, Alkohol und
Äther. Es muß immer je eine halbe Stunde lang zentrifngiert werden.
Nachdem das Kasein im Soxhletapparat völlig vom Fett bt'freit ist,
wird es fein gepulvert und in vacuo über Schwefelsäure getrocknet Die
Ausbeute beträgt zirka 0*4"/o.
') Kohrak, Beiträge zur Kenntnis des Kaseins der Fraueninilch. rßiigefs .\rchiv.
Bd. 80. 1900.
2) En(ieJ, Eine oiufaclie Methode zur iiuantitativon Alischeidunjr ih-s Kuseius ans
gemeiner Frauonmilcli. Biochcni. Zeitsciir. 13 und Vcrjrleichondp Untorsncluinpen über d.is
Verhalten der Frauenmilch zu Säure und Lab. Ibid. 14. 2154. H'.). l'.K)S.
3) L(i)if/.'!fe{n-K'/<Is/ci>i, Über die Kinlieitlichkeit des Fraiienniilchkascin«- '"'"'■
f. Kinderlieilk. Bd. 72. Ergänzungsheft 1. lülü.
446 E. ¥. Edelstein.
Es kommt allerdings vor, daß ab und zu die Fällung nicht gelingt.
Eine Erklärung dafür wurde bis jetzt noch nicht gefunden.
Als Kriterium der Reinheit des Kaseins, sowohl des Kuhmilch- als
des Frauenmilchkaseins gilt folgendes :
Das Präparat darf keine positive MoUscJiRche Reaktion i) geben,
höchstens eine ganz minimale Andeutung einer violetten Färbung, ferner
keine Reaktion auf Zucker oder Eiweiß und muß fast aschefrei sein.
Das letztere gilt besonders für das Kuhrailchkasein.
ö'
Albumin.
Zur Darstellung des Albumins -) wird das Filtrat des Kaseinnieder-
schlags, welches Albumin, Milchzucker und Salze enthält, filtriert und am
besten in einem emaillierten Eisengefäß auf die Hälfte eingedampft. Das
Albumin scheidet sich in groben Flocken aus. Es wird abfiltriert, mit
heißem Wasser ausgewaschen und getrocknet.
Globulin.
Laktoglobulin stellt man nach Sehelien ^) dar, indem man Milch mit
Kochsalz sättigt, den Niederschlag abfiltriert, das Filtrat auf 35" erwärmt,
von dem restlichen Kasein abfiltriert und nun die Lösung mit Mag-
nesiumsulfat fällt. Dieser Niederschlag wird abfiltriert, in Wasser gelöst,
wieder mit Magnesium sulfat gefällt, nochmals gelöst, mit Chlornatrium
gefällt und dialysiert. Dabei scheiden sich Flocken aus, die man in
lO^/oiger Kochsalzlösung löst und auf Tö" erwärmt. Plierbei erfolgt eine
Gerinnung.
Sehr oft scheidet sich das Globulin bei der Dialyse nicht aus. Man
fällt dann am besten mit Alkohol und trocknet das gefällte Globulin mit
Alkohol und Äther.
Bestimmung des Stickstoffes in der Milch.
5 oder 10 cin^ Milch werden in einem Kjeldahlkolben mit 10 cni^
konzentrierter Schwefelsäure und 0*4 g gelbem Quecksilberoxyd versetzt
und über einer Flamme so lange erhitzt, bis eine klare, farblose Flüssigkeit
zurückbleibt. Man muß darauf achten, daß die Flüssigkeit nicht fast zur
Trockne eindampft, weil die Stickstoffbestimmung dann Fehler aufweist.
^) Die Molischsche Eeaktion führt man so aus, daß man ganz Menig Kasein in
n
j^ Natronlauge sorgfältig löst, zu dieser Lösung 1 — 2 Tropfen einer W/o^gQ^ alko-
holischen a-Naphthallösung zugil)t und mit 1 cm^ reiner konzentrierter Schwefelsäure
überschichtet (violetter Ring). Um auf Eiweiß oder Zucker zu prüfen, schüttelt man
etwas Kasein kurze Zeit mit Wasser und filtriert ab. Dieses Filtrat verwendet man für
die Reaktionen. Eiweiß : Trübung auf Zusatz von mit Salzsäure angesäuerter Phosphor-
wolframsäurelösung. Milchzucker : Reduktion der Fehlingschen Lösung.
-) E. Salkowski, Praktikum d. physiol. u. patholog. Chemie. 82. 1906.
^) Sehelien, Beitrag zur Kenntnis der Eiweißkörper der Kuhmilch. Zeitschr. f.
physiol. Chemie. Bd. 9. 445. 1885.
Methodik der Milchuntersuchung. <«■-
Nun wird nach dem Erkalten und Verdünnen mit ;» Teilen dostiliierton
Wassers die übliche Destillation nach Kjelduhl und zwiir in deujselhen
Kollien ausgeführt, unter Zugabe von etwas Talkuni (um das Stolien /u
verhindern), von 10 cwä einer -iöO/oigcn Natriumthiosultatlösun«; und
schlielJlich von konzentrierter HlV'/oiger Kalilauge bis zur stark alkalischen
lleaktion.
Als Vorlage bedient mau sich einer ^ oder I.' Schwefelsilure. ';
Aus dem Oesamtstickstoff der Milch kann man durch Multiplikati(m
mit einem entsprechenden Faktor den Kiweiligehalt der Milch berechnen. =»
Da die Milch außer deii Kiweillstoffen noch andere, wenn auch ge-
ringe Mengen stickstoffhaltiger Substanzen (Harnstoffdcrivate) u. a., z. I{.
Lezithin enthält, einen sogenannten Keststickstoff, so ist die Eiweili-
bestiuimung, aus Stickstoff berechnet, nicht ganz genau und giiit etwas zu
hohe Werte. Besonders gilt dies für Frauenmilch, für die li'u-tsrhd^) einen
Gehalt von 15 — 20Vo Reststickstoff, Caiuntcnr und Söldner*) einen etwas
niedrigeren Durchschnittsgehalt gefunden hat.
Man kann das Gesamteiweiß der Milch auch direkt liestinimcn. und
zwar nach folgenden Methoden:
Gesamteiweißbestimmung in der Milch.
Nach Ritthauseti.'')
25 g Milch werden in einen 500 cw3.;^Ie|')kolben hineingefüllt und
mit 400 ciit^ destilliertem Wasser verdünnt. Dann werden 10 nn^ Ku[tfer-
sulfatlösung (FehlingsdiG Lösung I) und ;-J — 4 crn^ einer Normalkalilauge
zugesetzt und bis auf die Marke mit Wasser aufgefüllt. .Man schüttelt um
und filtriert das ausgefällte Eiweiß durch ein trockenes Filter, dessen
Stickstoffgehalt bekannt ist. Das Filtrat muß fast neutnü oder höchstens
schwach sauer sein und ein Tropfen davon darf auf Zusatz von Natron-
») Bona, Bestimmung des Stickstoffes uacli Kjcldahl. Bd. 1. 34U dieses Hand-
buches.
-) Das Kasein enthält löGö^'o Stickstoff, das Mih-lialliumin l.VT?» „ X (Ch-hiilin
kann wegen der geringen Menge vernachlässigt werden;. Duraus ergibt sich der Faktor
für Gesamteiweiß 6-37. (Hammarsten, Zur Frage, ob das Kasein ein einheitlicher Stoff
ist. Zeitschr. f. physiol. Chemie. VII. 2(59. 1S83.) Slohniaun und Laiifjhrin (Kalorinifirischo
Untersuchungen über den Wärmewert der Xahrungsl)estanilteile und deren Id-rivate.
N. F. Journ. f. prakt. Chemie. 44. 349. 1891) berechneten den Faktor für Gesamteiweiß
zu 6-25, und zwar aus dem Stickstoffgehalt des Milcheiweißes, den sie auf kalorimetri-
schem Wege berechnet hatten (Iß^/o N).
ä) Rictschel, Über den Keststickstoff (i.T FraueniniU-h. .lalirb. f. Kinderheilk.
Bd. 64. S. 125. 190r,.
■») Cammrrcr und Söldner, Analyse der Kraui-nnüb-h. Kuluuilcli und Sttitenmilch.
Zeitschr. f. Biologie. Bd. 33. S. 535. Die Bestandteil.- .hr Fnini'n- iiiul Knlimibli. Ibid.
36. 278. 1898.
s) Rittimmen, Neue Methode zur Analyse der Milch und uiu-r ein vom Milrh-
zucker verschiedenes Kohlehydrat in der Kuhmilch. Journ. f. prakt. (. hemio. N. F. 16.
329. 1877.
448 E. F. Edelstein.
lauge weder eine Blaufärbung (gelöstes Kupfer) noch eine Trübung (Eiweiß)
geben.
Man wäscht den Niederschlag einigemal mit kaltem Wasser nach
und bestimmt im Niederschlag den Stickstoff nach Kjeldahl. Die Stick-
stoffzahl mit 6"37 multipliziert gibt die in 5 cm^ Milch enthaltene Eiweiß-
menge an. 1)
Nach Liehermann^) (Sebelien).^)
Während die Rifthausensche Methode auf der Fällbarkeit der Eiweiß-
stoffe durch Kupfersalze bzw. Kupferoxyd beruht, wird bei dieser Methode
zur Ausfällung der Eiweißstoffe Gerbsäure benutzt. Man muß die Fällung
in einer stark salzhaltigen Lösung vornehmen, weil nur in einer solchen
das Eiweiß quantitativ ausfällt.
20 g Milch werden mit 40 cm^ Wasser verdünnt, dazu werden 5 cm^
einer ISVoigen Kochsalzlösung gegeben und so lange mit einer Gerbsäure-
lösung (hergestellt durch Mischen von '20g Tannin, 40 cm^ 25Voiger Essig-
säure, 400 cm^ absoluter Alkohol und Auffüllen auf 1 l) versetzt, bis kein
merkbarer Niederschlag mehr ausfällt (20 — 30 cm^ Gerbsäurelösung). Der
Eiweißniederschlag wird filtriert, mit Wasser nachgewaschen und der Stick-
stoff nach Kjeldahl bestimmt.
Kaseinb e Stimmung.
Will man Kasein in der Milch bestimmen, so muß man es als solches
ausfällen, den Stickstoff bestimmen und daraus das Kasein durch Multi-
plikation mit 6'39 berechnen. Fast sämtliche Kaseinbestimmungsmethoden
beruhen auf diesem Prinzip.
Methode nach Hoppe-Segler.^)
20 cm» Milch w^erden mit Wasser auf 400 cin^ verdünnt und unter
Umrühren so lange mit einer sehr verdünnten Essigsäure versetzt, bis ein
flockiger Niederschlag entsteht; nun leitet man eine V2 Stunde lang Kohlen-
säure durch und läßt 12 Stunden bis zum Absetzen stehen. Es kommt
sehr oft vor, daß die über dem Kaseinniederschlag stehende Flüssigkeit
nicht ganz klar ist. Dann muß man diese Prozedur mit einer anderen
Portion wiederholen. Ist nach dem Ausfällen und Kohlensäureeinleiten und
nach dem 12stündigen Stehenlassen die Flüssigkeit klar, so wird das Ganze
^) Es ist nicht ganz leicht, den Eiweißniederschlag und Filter in den Kjeldahl-
kolben zwecks Oxydation hineinzubringen. Die Oxydation dauert ziemlich lange. Oft
wird man die an den Wänden sich absetzende Kohle mit etwas Wasser herunterspülen,
oft auch erneut Schwefelsäure zugeben müssen.
-) Liebermann, Über den Stickstoff- und Eiweißgehalt der Frauenmilch und der
Kuhmilch. Ann. Chem. 181. 90. 1876.
^) Sehelien , Studien über die analytische Bestimmungs weise der Eiweißkörper
mit besonderer Rücksicht auf die Milch. Zeitschr. f. phys. Chemie. 13. 144. 1889.
*) Hoppe-Seijler, Handbuch der physiol. u. pathol.-chem. Analyse. 1909. S. 723.
Methodik der Milcliuntersiichiinp. .1 iq
auf ein gewon-enos Filter filtriert und eiimial mit Wasser iiarhL" n.
(Etwas Kasein ^eht dabei in Lösung-.) Hierauf wird der Nied< : - mit
gewöhnlichem, dann mit absolutem Alkohol und Äther ausgeu.iMiitu, bei
1250 (Jas Filter samt Kasein getrocknet, gewogen und im l'latintiegcl voll-
kommen verbrannt und die Asche gewogen; die Differenz gibt die Menge
des Kaseins an. Statt das Kasein zur Wiigung /u bringen, kann man auch
im Niederschlag (nicht entfettet!) N bestimmen und durch .Multiplikation
mit 6o7 das Kasein berechnen. Diese Bestimmung kann für alle Milch-
arten verwendet werden, nur für die Frauenmilch gibt sie keine richtigen
Resultate.
Für die Kaseinbestimmung in der letzteren kann man sich mit
Vorteil der Methode von Enyel bedienen. Nach dieser gibt man zu hO cm^
Frauenmilch HO — .^5 011^ . Essigsäure hinzu, veidünnt auf i'nO mi^, .schüt-
telt gut um und läßt 2 Stunden bei einer Temperatur von U" stehen. Dann
wird das Ganze in ein Wasserbad von 40° gebracht, ' 'j Stunde lang er-
wärmt und filtriert und vom Niederschlag der Stickstoff bestimmt. Ebenso
ist für Kasein der Frauenmilch, wie auch übrigens der Kuhmilch, die
Methode von Schmidt^) anwendbar. Sie besteht in einer Modifikation
der Hoppe- Seylcrschon Methode, und zwar darin, (UiIj man 20 im^ Milch
lOfach mit Wasser verdünnt und mit einer 0'4<'/oigen Essigsäure so lange
versetzt, bis ein körnig-flockiger Niederschlag entsteht. Es wird dann unter
Erwärmen eine i/.. Stunde lang Kohlensäure eingeleitet und der Kaseinnieder-
schlag nach 24 Stunden filtriert. Der Niederschlag samt dem Filter wird
wie bei Hoppc-Seyhr getrocknet, gewogen und verasciit.
Methode nach Sebelien.-)
Sie beruht darauf, daß man das Kasein mit einer gesättigten Mag-
nesiumsulfatlösung ausfällt und wird wie folgt ausgeführt.
Eine Mischung von 20 </ Milch mit SO c///» einer gesättigten Mag-
nesiumsnlfatlösung wird mit gepulvertem Magnesium vollkommen gesättigt.
Der Niederschlag wird filtriert und (i Smal mit gesättigter Lösung von
Magnesiumsulfat gewaschen. Mit dem Kasein fällt hier auch das (il<»bulin
aus. Im Niederschlage wird der Stickstoff nach Kjddalil bestimmt und
durch Multiplikation mit 6*87 Kasein -f (ilobulin berechiu't.
Schlossmann ^) fällt das Ka.sein mit gesättigtem Kalialaun aus. 10 rm»
Milch mit ?> — 5 Teilen Wasser verdünnt, werden in ein Wasserbad von genau
40" gebracht und mit 1 cii)^ gesättigter Kalialaunlösum: verset/t. Man rührt
') Siehe bei Dogicl, Einiges über die Eiwoißkörper der P'raiicnmib'b und Kuli-
milch. Zeitschr. f. pbysiol. Clieinie. 9. ."iHl. ISS.'): Schmidt, M:iterialien zur 1'' '•■•nip dcc
Eisrenschafteii der Frauenmilch und Kuhniilcli. Dissortati.ui. Moskau 1*^^ ' mich
Dogicl; siehe auch Handburli von lloj>iH-Sc!/l(r. ]'MM. !>. <2ii.
-) Hoppc-Sejihr, II:nulliucii d. pliysiol. u. |tatliol.-clu'ni. .VnalvM' ,.
3) SchlossDiaiiu, Über die EiweiÜstoffe d.-r Mil. li und dir Mrtl.M!, n ,ir.
Zeitschr. f. pbysiol. Chemie. 22. 197. 1896-97.
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arboitumethodcn. V. 29
450 E.F.Edelstein.
um und wartet, bis das abgeschiedene Kasein sich absetzt. Sonst gibt man
noch 0'5 cm3 der Lösung tropfenweise hinzu. Man filtriert den Niederschlag,
wäscht ihn gut mit Wasser aus und bestimmt in ihm, noch feucht, den
Stickstoff nach Kjeldahl.
Eines vollkommen anderen Prinzipes bedient sich neuerdings Matthaio-
pulos^), und zwar bestimmt er das Kasein durch Titration. Das Prinzip
ist wie folgt : Auf Zusatz von verdünnter Säure zur Milch fällt das Kasein
aus, das Albumin dagegen bleibt als Säureverbindung gelöst. Wir wissen
ferner, daß das Kasein sich dem Phenolphtalein gegenüber wie eine Säure
verhält und mit Alkah in Wasser lösliche Salze bildet. Titriert man nun
einerseits gegen Phenolphtalein als Indikator das ausgefällte Kasein +
Flüssigkeit mit Natronlauge, so wird sowohl das Kasein wie alle anderen
sauren Verbindungen neutralisiert, und es wird eine bestimmte Menge
Natronlauge verbraucht. Titriert man aber andrerseits nur die vom Kasein
abfiltrierte Flüssigkeit, so werden nur die anderen sauer reagierenden
Körper neutrahsiert. Die Differenz der beiden Titrationen ergibt die für
Kasein verbrauchte Menge Natronlauge. Weili man nun, wieviel Gramm
Kasein 1 cm^ Natronlauge entspricht oder kennt man — mit anderen
Worten — das Äquivalentgewicht des Kaseins, so kann man daraus das
letztere berechnen. Das Äquivalentgewicht des Kaseins wird von Matthaio-
pulos aus dem Vergleich seiner Bestimmung und der nach Hoppe-Seyler
zu 0"11315 angenommen.
20 cw» Milch verdünnt man mit ^Ocrn^ Wasser und läßt dazu aus
einer Bürette so viel — Schwefelsäurelöung unter Umrühren zutropfen, bis
das Kasein in großen Flocken ausfällt. Nach kurzer Zeit filtriert man
durch ein trockenes Filter. Ist das Filtrat trübe, so gießt man es noch
einmal aufs Filter und dies wiederholt man so lange, bis das Filtrat voll-
kommen klar ist. Ist auf diese Weise ein klares Filtrat nicht zu erreichen,
so ist noch nicht alles Kasein ausgefällt, und man muß noch einige Zehntel
Schwefelsäure aus der Bürette zusetzen. Von dem klaren Filtrat werden
100 cw3 mit 1 (')>/ 3 Phenolphtalein versetzt und mit -^Natronlauge bis auf
schwach rot titriert.
Andrerseits setzt man zu einem Gemisch von 20 cni^ Milch + 80
Wasser genau so viel — Schwefelsäure zu, als man zur ersten Portion
zugegeben hat. Nun wird nicht filtriert, sondern die Mischung Kasein +
Flüssigkeit direkt nach Zugabe von 1 cni^ Phenolphtalein mit -^ Na OH bis
auf schwach rot titriert. Man berechnet die Zahl der verbrauchten Kubik-
zentimeter Normallauge bei der filtrierten Portion auf die ganze Menge
(also unter Berücksichtigung der zugesetzten Säure) aus der Formel
V) Matthaiopulos, Feststellung des Äquivalentgewichtes des Kaseins und eine neue
Methode zur Bestimmung desselben. Zeitschr. f. analyt. Chemie. 47. 492. 1908.
Methodik der Milcliuiitprsucliiiiig. <iij
jöö ' ^^'^ ^ ^^^ verhniuchten Kuliik/oiitiinotor Lauiro und a die zugesetzte
Menge Säure bedeutet, zieht diese iingereclmeten Ivuliik/iMitinioter von don
bei der zweiten Titration (ohne Filtrieren) verbrauchten Kubikzeutimetern
"Yö- Lauge ab und nniltipliziert diese Differenz mit oii:;!.'). I)as Resultat
ist die in '20 cm^ Milch enthaltene Kaseinnienge.
Nach Biirr und Birhcrkh ' ) soll man den KaseinniederschlaL-^ mindotciis
;-3mal mit heißem destillierten Wasser waschen und Kiltrat und \Va<ch-
wasser gemeinsam titrieren.
Die Methode von MattJiaiopuIos ist sehr be(|uem auszuführen, er-
fordert wenig Zeit und gibt recht gute Werte. Ob sie auch für Frauen-
milch zulässig ist, ist noch nicht nachgeprüft worden.
Nach Lehm nun.'-)
Diese Methode wird seltener angewandt, liefert al)er recht brauch-
bare Resultate, besonders, wenn man sich in die einzelnen Manipidationen.
die sehr sorgfältig ausgeführt werden müssen, eingeübt hat. Die .Methode
beruht darauf, daß das in der Milch befindliche suspendierte Kasein von
den anderen Milchbestandteilen durch einen porösen Tonteller mechanisch
getrennt wird.
Man bereitet sich zunächst die zu untersuchende Milch vor. indem man
eine bestimmte Menge Milch mit gleichen Teilen Wasser verdünnt und gut
durchmischt. 10 cm^ dieser Mischung werden nun zur Analyse gi-braucht. Der
Apparat, mittelst dessen die Trennung durchgeführt wird, besteht aus einem
Tonteller, der auf seiner oberen Fläche schwach konkav imd mit Achat poliert
ist. Dieser Teller wird auf eine Glasschale gestellt: lOrm^ der Milch-
mischung werden vorsichtig in die Mitte des Tellers aufgetropft, so dal)
die Milchflüssigkeit einen Kreis bildet. Nun wird das (ianze mit einer innen
etwas angefeuchteten (Ilasglocke bedeckt und 2— H Stunden stehen gelassen.
Das Serum und Albumin werden vom Ton aufgesaugt, und auf der Ober-
fläche des Tellers bleibt in Form einer dünnen Hautschicht das Kasein
und Fett zurück. Man schabt mittelst eines scharfen Spatels das Häutchen
vorsichtig ab und bringt es in einen Kjeldahlkolben.
Jetzt wird die Glasschale, auf der der Tonteller ruht, mit Wjism'i-
gefüllt und der Teller so aufgesetzt, daß seine untere Fläche das Was>er
berührt, und läßt wieder einige Zeit stehen. Durch den Druck des Wassers
von unten werden die kleinen in die obere Fläche des Tonteller< einge-
drungenen Kaseinreste wieder heraiisge|irelit; diese werden mit dein Spatel
abgeschabt und der anderen Kaseinportion im Kjeldahlkolben zuge-eben
Aus der Stickstoffbestimmung berechnet man die Kaseinmenge in
5cm3 Milch.
*) Burr und Berberich, Bcstinimuiig des Kaseingclialtcs der .Milch durch Titration
nach dem Verfahren von Matthaiojtulos. Ilildeslicimer Molkoreizeitung. 52. 1453. 1'.' '
-) Lehmann, f'her eine neue Motiiode der Kasein- und Fettbestimniung in der
Milch. Annal. d. Chemie. 189. 358. 1877.
29'
452 E.F.Edelstein.
Albuminbestimmung.
Das Filtrat des Kaseinniederschlags (erhalten sowohl bei der Methode
von Hoppe- Sei/ler als bei der nach Schmidt oder Engel) wird einige
Minuten erhitzt. Das dabei auskoagulierte Albumin (mit Globulin verun-
reinigt) wird durch ein gewogenes Filter filtriert, mit kaltem Wasser naeh-
gewaschen , bei 125^ getrocknet und gewogen.
Milchzucker.
Dampft man das Milchserum bis zur Sirupkonsistenz ein, so scheidet
sich die Laktose beim Stehenlassen durch reichliche Kristallisation aus.
Zur Darstellung verwendet man die süßen Molken. Durch Erhitzen ent-
fernt man das koagulierte Eiweiß und dampft das Filtrat bis zum Sirup
ein; am besten im Vakuum. Der auskristallisierte Milchzucker wird wieder-
holt umkristallisiert und stellt ein reines, weißes Präparat dar. Er redu-
ziert ebenso wie Traubenzucker eine alkalische Kupferlösung und dreht die
Polarisationsebene nach rechts. Seine spezifische Drehung i) (a)^ beträgt
52"35ö. Im Gegensatz zu Traubenzucker wird er von reiner Hefe nicht in
Gärung versetzt. Dagegen geht er durch gewisse Spaltpilze (Schizomyzeten)
in Alkoholgärung über.
Die Anwesenheit anderer Kohlehydrate in der Milch und dextrin-
artiger Substanzen ( Ritthausen ^), Bechamp^) u.a.) ist nach den Unter-
suchungen von Scheibe *) zumindest zweifelhaft.
Milclizuckerbestiinnuiiig.
Gewichtsanalytische Methode nach Soxhlet.^)
25 g Milch werden nach Ritthausen verdünnt, enteiweißt ") und durch
ein trockenes Filter filtriert. Je 100 cm^ des neutralen, höchstens schwach-
sauren Filtrates werden für die Zuckerbestimmung verwandt. Man stellt
sich eine Fehlingsche Lösung durch Mischen von gleichen Teilen Fehling I
und Fehling II her. 50 cm^ dieser Lösung werden in einer tiefen Porzellan-
schale über einem Drahtnetz bis zum Sieden erhitzt und zu dieser siedend
heißen Lösung 100 cw^ der Milchzuckerlösung (Filtrat) aus einer Pipette
eingetragen. Man erhält das Ganze 6 Minuten im Kochen, filtriert rasch
durch ein vorher schon vorbereitetes und gewogenes AUihnsches Piöhrchen
*) Für Cj2 Hjj 0,j . H^ 0; diese spezifische Drehung ist Ivonstant für Lösungen
bis 307o bei einer Temperatur von 20".
^) Eitthausen, 1. c.
^) Bechamp referiert in der Chem.-Ztg. 15, 126, 1891 aus der Sitzung der Society
chimique de Paris.
*) Scheibe, Die Bestimmung des Milchzuckers in der Milch durcli Polarisation
und Redulvtion. Zeitschr. f. anal. Chemie. 40. 1. 1901.
^) Soxhlet, Das Verhalten der Zuckerarteu zu alkalischen Kupfer- und (^ueck-
silberlösungen. Journ. f. prakt. Chemie. N.F. 21. 227. 1880.
^) Siehe Gesamteiweißbestimmung nach Bitthausen.
Methodik der Milchuntersuchuiig.
4:V^
l
FlB.ns.
und wäscht (luantitativ mit siedend heißem Wasser iiaeh. Der
an der Schale haftende rote Kiipferoxyduhiiedersehhi^: wird v .r
mit einer Guinmit'ahne und mit Juiülem Wasser ah'reliist. Ist da- i muit
vollkommen farblos, so wäscht man je Hmal mit Alkohol und Äther nach
und das AlUImschQ Köhrchen ist nunmehr zur I{e(|iiktioti des Kupferoxy-
duls zu Kupfer fertig. Das AUihnsc\n^ Kiihrchen (Fif,^ IIK) wird mittelst
eines einfach durchbohrten Gummistopfens auf eine
Saugflasche aufgesetzt und zur Bestimmung auf fol-
gender Weise präpariert :
Zunächst kommt eine Schicht ganz reinei-(das-
wollc, dann eine kleine Menge in Salpetersäure und
Wasser gereinigten Asbests, darauf wieder ganz wenig
Glaswolle und endlich eine 1 ^Z., cu/ hohe Schicht As-
best. Das Röhrchen wird zunächst unter ganz schwachem
Saugen mit Wasser gewaschen, bis das Waschwasser
vollkommen klar ist, dann .'imal mit Alkohol und
3nial mit Äther. Darauf wird es im Luftstrom erhitzt
und gewogen. Durch dieses so vorbereitete Piohr wird
das Kupferoxydul filtriert. Ist der Kupferoxydulnieder-
schlag, wie bereits erwähnt, ausgewaschen, so schreitet
man zur Reduktion. Das Röhrchen wird im Wasser-
stoffstrom nach vollständiger Entfernung der Luft
geglüht, bis sämtliches Kupferoxydul in Kupfer ver-
wandelt ist, was ungefähr ö Minuten in Anspruch
nimmt. Man läßt im Wasserstoffstrom erkalten und
wägt. Aus der durch Gewichtszunahme festgestellten
Menge Kupfer wird in der nach SoxJilet berechneten
Tabelle der entsprechende Gehalt an Milchzucker fest-
gestellt. Das Reduktionsvermögen der Laktose dem
Kupferoxyd gegenüber in alkalischer Lösung ist von
der Konzentration der Milchzuckerlösung abhängig.
Man muß sich deshalb genau an die angegebenen
Verdünnungen und an die Zeit der Reduktion halten.
Die Fchlim/schQ Lösung wird so hergestellt, dal', man einerseits JUIvM» »7
reines Kupfersulfat in einem öOO cm^-Melikolben in Wasser löst und auf
500 auffüllt. Andrerseits löst man unter Erwärmen ITHy weinsaures Kalium-
natrium in wenig Wasser, bringt diese Lösung in einen öOOfws.M,.|;|^oIben,
gibt 100 cm^ Natronlauge vom spez. Gew. VM zu imd füllt auf .^«k» auf.
Beide Lösungen sollen getrennt aufbewahi't und erst vor i\ry Bestimnnmg
gleiche Teile dovon gemischt werden.
Scheibe^) hat sich einer kleineu Modifikation bedient. Kr i'iiteiweißt
die Milch, indem er in einem Meßkolhen von :){)() cm ^ -Ja// .Milch mit
400 t»/* Wasser und ;> — -icni^ normaler Natronlauge versetzt. Dazu
— A^be.st
■ 67tLSifnfIfi
-Ashfxf
H
gibt
') Scheibe, 1. c.
454
E. F. Edelstein.
Tabelle zur Ermittlung des Milchzuckergehal tes aus dem reduzierten
Kupfer nach Soxhlet.
Kupfer
Milch-
zucker
mg
Kupfer
Milch
zucker
mg
Kupfer]
Milch-
zucker
mg
Kupfer
Milch
zucker
mg
Kupfer]
Milch-
zucker
mg
Kupfer]
Milch-
zucker
mg
140
141
142
143
144
145
146
147
148
149
150
151
152
153
154
loo
156
157
158
159
160
161
162
163
164
165
166
167
168
169
170
171
172
173
174
175
176
177
178
179
180
181
182
183
101-3
1021
102-8
103-6
104-3
105-1
105-8
106-6
107-3
108-1
108-8
109-6
110-4
111-1
111-9
112-6
113-4
1141
1149
115-7
116-4
117-2
117-9
118-7
119-4
120-2
120-9
121-7
122-4
123-2
123-9
124-7
125-5
126-2
127-0
127-8
128-6
129-3
130-1
130-9
1316
132-4
133-1
133-9
184
185
186
187
188
189
190
191
192
193
194
195
196
197
198
199
200
201
202
203
204
205
206
207
208
209
210
211
212
213
214
215
216
217
218
219
220
221
222
223
224
225
226
227
134-7
135-4
136-2
136-9
137-7
138-5
139-2
140-0
140-8
1415
1423
1431
143-8
144-6
145-4
146-2
146-9
147-7
148-4
149-2
149-9
150-7
151-4
152-2
152-9
153-7
154-4
1552
155-9
156-7
157-4
158-2
158-9
159-7
160-4
1612
161-9
162-7
163-4
164-2
164-9
165-6
166-4
167-1
228
229
230
231
232
233
234
235
236
237
238
239
240
241
242
243
244
245
246
247
248
249
250
251
252
253
254
255
256
257
258
259
260
261
262
263
264
265
266
267
268
269
270
271
167-9
168-6
169-4
1701
1709
171-6
172-4
1731
173-9
174-7
175-4
176-2
176-9
1777
178-5
179-3
180-1
180-9
181-6
182-4
183-2
184-0
184-8
185-6
186-3
187-1
187-9
188-7
189-4
190-2
1910
191-8
192-6
193-3
194-1
194-9
195-7
196-4
197-2
198-0
198-8
199-5
200-3
201-1
272
273
274
275
276
277
278
279
280
281
282
283
2H
285
286
287
288
289
290
291
292
293
294
295
296
297
298
299
300
301
302
303
304
305
306
307
308
309
310
311
312
313
314
315
201-9
202-7
203-5
204-3
2051
205-9
206-7
207-5
208-3
209-1
209-9
210-7
211-5
212-3
213-1
213-9
214-7
215-5
216-3
217-1
217-9
218-7
219 5
2203
221-2
2220
222-8
223-6
224-4
225-2
225-9
2-26-7
227-5
228-3
2290
229-8
230-6
231-4
2321
232-9
233-7
234-5
235-3
236-0
316
236-8
360
317
237-6
361
318
238-4
362
319
239-1
363
320
239-9
364
321
240-7
365
322
241-5
366
323
2423
367
324
243-0
368
325
243-8
369
326
244-6
370
327
245-4
371
328
2461
372
329
246-9
373
330
247-7
374
331
248-5
375
332
2493
376
333
2501
377
334
2509
378
335
251-7
379
336
252-5
380
337
253-3
381
338
254-2
382
339
2550
383
340
255-8
384
341
256-6
385
342
257-4
386
343
258-2
387
344
259-0
388
345
259-8
389
346
260-7
390
347
261-5
391
348
2623
392
349
263- 1
393
35)
263-9
394
351
264-7
395
352
265-6
396
353
266-4
397
354
267-2
398
355
268-0
399
356
268-8
357
269-6
358
270-4
359
271-3
272-1
272-9
273-8
274-6
275-5
2763
277-2
278-0
278-9
279 7
280-5
281-4
282-3
283-1
284-0
284-8
285-7
286-5
287-4
288-2
289-1
289-9
290-8
291-6
292-5
293 3
2942
2951
295-9
296-8
297-7
298-6
299-4
300-3
301-1
302-0
302-0
303-7
304-6
305-4
er 20 cm^ einer konzentrierten Fluornatriumlösung i), läßt eine halbe Stunde
stehen, füllt auf 500 auf, schüttelt um und filtriert. 100 c»^^ dieses Filtrates
werden wie oben verarbeitet.
') Zur Entfernung der Kalksalze, die bei der Bestimmung störend wirken.
Methodik der Milchuntersuchung. .jr,»-.
Statt das Kupferoxydnl zu roduzioren, k;inri man es auch als Kuifer-
oxyd Avägen, indem man das AllihnsvUc Kölirchcn unter I.uft ' rif?
so lange erhitzt, bis alles rote Kupferoxydul in schwarzes Kiii.i.i...\mi ver-
wandelt ist. Aus dem Kupferoxydul berechnet man «li«' .'iif-i"'' »"».i..
Menge Kupfer.
Nach der Methode von Vollhard^) kann man die Men^e des redu-
zierten Kupferoxyduls auch maßanalytisch ermitteln.-)
Das Prinzip beruht darauf, daß das Ku|t(croxydul in Salpetersilure
gelöst wird, worauf man das Kupfernitrat in Kupfi-rsidfat überführt und
mit Rhodanammonium titriert.
Man löst das Kupferoxydul mit einigen 'l'ropfj'u konzentrierter Sal-
petersäure, ver.setzt diese Lösung mit 2 on^ konzentrierter Schwefelsaure
und dampft auf dem Wasserbade bis zur Trockne ein. Das als Kückstand
verbleibende Kupfersulfat wird in Wasser aufgenommen, in einen ;100 <•»«*-
Meßkolben quantitativ übergespült und mit einer Natriumkarbonatlösung
so lange versetzt, bis ein Niederschlag entsteht. Durch Hinzufügen von
50 cm 3 einer kaltgesättigten schwefligsauren Lösung wird die Flüssigkeit
II
klar. Es muß mm vorsichtig aufgekocht und so viel Hhodanammonium-
lösung hinzugefügt werden, bis die blaugrüne Farbe verschwunden ist. Dann
füllt man auf 'dOO ciit^ mit Wasser auf, schüttelt um und tiltiirit diinii ein
trockenes Filter. Das überschüssige Rhodanammonium wird mit — Silber-
lösung unter Anwendung von Eisenammoniakalaun als Indikator ztirück-
titriert. Dazu werden 100 crn^ des klaren Filtrates mit einigi'u Tropfen
Salpetersäure angesäuert und unter Zugabe von ö cm» Eisenammoniakalaun
so viel Silberlösung hinzugefügt, bis die rote Farbe (Eisenrhodanidi ver-
schwunden ist.
Rechnet man die an Silbernitrat verbrauchte Menge auf die gesamte
Flüssigkeitsmenge CiOO) um und zieht diese Zahl von den hinznirefügten
Kubikzentimetern Rhodanlösung al». so weiß man. wie viel Klwidanlösung
zur Bildung des Kupferrhodanürs verbraucht wurde.
1 cm» ^ Rhodanlösung entspricht OVOiu, </ Kupfer ( I Mnl ML ( NS =
= 1 At. Cu).
Die L^msetzung dei- Kupfersalze in sclnvefligsaurer Lösung mit \m-
moniumrhodanid geschieht nach folgender Gleichung:
2CuS04 + L>NH,CNS + SO., +2IL()=2Cu(CNS)-h(NIL),SO, 4-2H,S(^.
Maßanalytische Methode nach Si>.r/i/it.
Sie beruht auf dem l'rinzip. dai; man feststellt, wieviel Kuhik/enti-
meter Fehling^i^her Lösung durch eine iM'stimmte Menge Zuckerlosung ver-
braucht werden.
') Siehe Gruhc, ZiuUi rhestinimung in Hd. 2 dieses Hiuidhiiolirs
•) Als Kontrollhestinmuing zu verwenden.
456 E.F.Edelstein.
Zu einer bestimmten Menge Milchzuckerlösmig, z. B. 5 cm^, gibt man
so viel Fehlingscher Lösung zu, bis nach einem 20 Minuten langen
Erwärmen in einem kochenden Wasserbade die Reduktion gerade be-
endet ist.
Man kann auch das Verfahren so anwenden, daß man sich die Zucker-
lösung in eine Bürette füllt, andrerseits eine bestimmte Menge, z. B. 20 cm^
Fehlingscher Lösung, in eine tiefe Porzellanschale genau abmißt, mit 50 cm^
Wasser verdünnt und zum Sieden erhitzt. Dann läßt man aus der Bürette
so lange die Zuckerlösung in die siedende Fehlinf/sche Lösung hineintropfen,
bis die blaue Farbe der Flüssigkeit verschwunden ist.
Die Erkennung dieses Punktes ist nicht ganz leicht, und um sich zu
vergewissern, daß alles Kupferoxyd reduziert ist, filtriert man einen kleinen
Teil ab, säuert mit etwas Salzsäure an und überzeugt sich, ob die Flüssig-
keit, mit Ammoniak alkalisch gemacht, nicht blau wird.
Dieser ersten Orientierungstitration folgen natürlich weitere, bei denen
man viel sicherer den Endpunkt feststellen kann.
20 ciii^ dieser Fehlingschen Lösung entsprechen 0"134(/ Milclizucker.
Diese maßanalytische Bestimmung ist ziemlich umständlich und liefert
nicht so genaue Piesultate wie die gewichtsanalytische.
Kefraktometrisclie Bestimmung des Milchzuckers.
Auf ähnliche Weise wie für das P\^tt hat sich Wollny auch für die
Bestimmung des Milchzuckers der refraktometrischen Methode bedient, und
zwar hat er aus der Ablenkung des Lichtstrahles beim Durchgang durch
ein Chlorkalziumserum den Gehalt an Laktose berechnet. Als Refraktometer
dient auch hier das Zeisssche Milchrefraktometer. Den dem abgelesenen
Refraktometergrad entsprechenden Milchzuckergehalt hat Wollny in einer
Tabelle zusammengestellt.
Man entnimmt mit dem TFo//Mj/schen Milchprobegläschen (Fig.l 14) 5 em^
Milch, versetzt sie mit 5 Tropfen einer 4 "/oigen Chlorkalziumlösung, verschließt
das Gläschen mit einem Korkstopfen, bindet es mit einem Bindfaden fest
zu und stellt es auf 10 Minuten in ein kochendes Wasserbad. Nach Ab-
kühlen in kaltem Wasser wird das Serum mittelst eines engen Glas-
röhrchens derart aufgesaugt, daß man das Glasröhrchen an einem Ende
mit einem Wattebäuschchen verschließt, so daß man dadurch das Serum
filtrieren kann. Ein Tropfen des Serums wird auf die Prismen des Re-
fraktometers aufgetropft und sofort bei 17*5'' abgelesen.
Diese Methode ist nur für die Milchzuckerbestimmung in der Kuh-
milch anwendbar ; in der Milch anderer Tiere ergeben sich bei ihrer Aus-
führung zu große Differenzen.
Die Laktose der Frauenmilch kann man mit dieser Methode über-
haupt nicht bestimmen.
Methodik der Milchuntcrsuohiiiig.
4:>7
Tabelle zur Berechnung des Milchzuckers hei der ref rak tomotrischen
Bestimmung.
Skalun-
Toile
31
2
3
4
5
6
7
8
9
40
1
2
3
4
5
6
7
8
9
50
1
2
3
4
5
6
7
8
9
60
M.-Z.
/o
1-75
1-80
1-85
1-90
i'.ti;
2-Ul
207
212
218
2-23
2-29
2-35
2-40
2-45
2-50
2-55
2-60
2-65
2-70
2-75
2-80
2-85
2-91
2-9G
301
30()
311
31(5
3-21
3-26
Skalen-
Teile
M.-Z.
6-1
2
3
4
5
6
7
8
9
70
1
2
3
4
5
6
7
8
9
80
1
2
3
4
5
6
7
8
9
90
3-31
3-30
3-42
3-47
3-52
3-57
3-62
367
3-72
3-77
3-82
3-87
3-93
3-98
403
4-08
413
418
4-23
4-28
4-33
4-38
4-44
4-49
4-Ö4
4-59
4-64
4-69
4-74
4-79
Skalon-
Toilo
9 1
2
3
4
5
6
7
8
9
100
1
2
3
4
5
6
7
8
9
HO
1
2
3
4
5
6
7
8
9
12-0
M. Z.
4-H4
4H9
4-9Ö
r)(M)
ÖO.')
.rlO
nlä
rv2()
5 2:)
r)-3:j
rv4o
04:)
irbO
550
ÖCO
5'(')5
5-70
5' 75
5 -HO
5 So
5-90
59.')
6(M)
605
6 K»
Gl 5
6 20
625
6-30
Ska!
•1.
12 1
2
3
4
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8
9
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1
2
3
4
5
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7
8
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1
2
3
4
5
t;
8
9
l.VO
6:^
G-40
G4G
r.M
G :.G
6G1
6r,6
G7I
67«)
G-81
GHG
6 91
(;-97
7 02
7<i7
712
7 17
722
727
7:«
7;i><
743
74s
753
7r)S
7(;3
7 «IS
773
7 7S
7S4
Die jK)lariin«'triscli<' Milcli/uckt'rlM'sliininiiii::.
Dieses Verfahren gründet sich auf der Kiiicnsehat't dt-r Mih'hziicker-
lösung, die Polarisationsebene zn drehen. Ans (h'ni spczifi.sclicn Drchuiif^-
vermögen des Milchzuckers, dem Drehungswinkel der Lösung und dem
spezifischen Gewicht der Lösung kann man den l'rozentgehalt der Milch
an Milchzucker ermitteln (Ge\\ichtspr«)zente).
Scheibe^) hat folgende Methode ausgearbeitet:
75 cm^ Milch werden mit 7"ö cm» einer 20" „igen ((;ewicht>pntzente)
Schwefelsäure und l-r> cni^ einer Quecksilhcrjodidlösung -) verset/t. auf
100 cm3 aufgefüllt und filtriert. Das Filtrat kann man in einem I <//"-llohr
bei n^ö" polarisieren.
*) Scheibe, 1. c.
2) Hergestellt aus 40 g Jodkalium in 200 em* Wasser gelöst, mit 65 g Qupck-
silberjodid geschüttelt, auf 500 cm^ aufgefüllt und vom eventucllcu geriiiffea ung<?lrt«ton
Quecksilberj odid abf iltriert.
458 E.F.Edelstein.
Bei Benutzung des Halbschattenapparates mit doppelter Quarzkeil-
kompensation von Schmidt und Hänsch entspricht ein Saccharimetergrad
0-1643 g Milchzucker in 100 cm^ Lösung, i)
Werden Polarisationsapparate mit Kreisteilung und Natriumlicht ge-
braucht, so wird bei 20" polarisiert und der Prozentgehalt aus der Formel
1903*7 a
X = T berechnet 2), wobei m die Menge der Milch in q, a = den
m 1 ^ -^
abgelesenen Drehungswinkel und 1 die Länge des Rohres bedeutet.
Zur Korrektur des durch das Volumen des Niederschlages hervor-
gerufenen Fehlers multipliziert man den gefundenen Wert mit 0'94, wenn
zur Untersuchung eine Milch von 2'5 — 5% Fett vorlag, bei Magermilch
mit 0-97.
Oppenheim ^) enteiweißt die Milch nach dem Vorschlag von Michaelis
und Bona*) mit kolloidalem Eisenhydroxyd.
Es werden 10 cm^ Milch mit 13 cm^ Wasser verdünnt und dazu
tropfenweise unter ITm schütteln 7 on^ Ferrum oxydatum dialysatum hin-
zufügt. Durch ein trockenes Filter wird filtriert und das Filtrat polarisiert.
Nach Oppenheimers Angaben sind die Werte um 0'3"/o höher als die
der Gewichtsanalyse.
Bestimmung der Mineralbestandteile in der Milch. ^)
Aschebestimniung : Zur Aschebestimmung wird zunächst eine ge-
wogene Menge Milch (will man eine Alkalianalyse durchführen, so nimmt
man 25 cm^) in einer gewogenen Platinschale mit einigen Tropfen Essig-
säure versetzt und bis zur Trockene eingedampft. Die Trockensubstanz wird
vorsichtig unter fortwährendem Fächeln des Bunsenbrenners verkohlt. Die
verkohlte Masse mrd mit heißem Wasser ausgelaugt, indem man die Kohle
vorsichtig zerbröckelt und die wässerige Flüssigkeit durch ein kleines,
aschefreies Filterchen unter mehrmaligem Auswaschen mit heißem Wasser
filtriert, bis ein Tropfen des Filtrates keine Chlorreaktion mehr gibt. (An-
säuern mit Salpetersäure und Zugabe von AgNOg.) Das Filterchen samt
zurückgehaltener Kohle wird wieder in die Platinschale zurückgelegt und
das Ganze durch kurzes Trocknen (im Trockenschrank) vom Wasser be-
freit. Darauf wird die Kohle so lange geglüht, bis sie nicht mehr sichtbar
ist und ein grauweißer Ptückstand zurückbleibt.
*) Bei 4 ch; Rohrlänge; Genaues über Polarisationsapparate siehe Biehringer,
Optische Uutersuchungsmethoden, 1, 583 dieses Handbuches.
^) Fleischmann , Lehrb. d. Milchwirtschaft. 72. 1908. Landolt, Das optische Dre-
hungsvermögen. 445. 1898.
') Oppenheim, Die Bestimmung des Milchzuckergehaltes der Milch mit der „Eiseu-
methode von MicJiaelis und Bona. Chem. Ztg. 33. 927. 1909.
*) Bona und Michaelis, Untersuchungen über den Blutzucker. Bloch. Zeitschr. 7.
329. 1908.
^) Die genaue Ausführung aller Operationen siehe: Aron, Aschenanalyse, Bd. 1
dieses Handbuches. 372.
Methodik der Milcliiiutpisucliuni;. i-,.,
Man muß sich dieses Auslaugeverfahrens bedienen . weil hei einem
über die Rotglut gehenden Erhitzen die bei dieser Temperatur flüchtiL'tn
Alkalichloride verloren gehen würden. Knthjllt der grauweiLie Hililotand
noch kleine Partikelchen von unverbraniiter Kohle, so benetzt man ihn
mit einigen Tropfen Wasser und glüht gelinde.
Durch Wiederholen dieser Prozedur kann man bis auf klein^^tp
Spuren, die von der Asche eingeschlossen sind, letztere von der Knhle be-
freien. Zu diesem Rückstand gießt man das durch Auslangen erhaltene
Filtrat in die Platinschale zurück, dampft auf einem Wasserbade bis zur
Trockene ein, glüht ganz kurz bis zur Rotglut und wiigt möglichst schnell
nach dem Erkalten.
Die Asche der Kuhmilch enthält folgende Bestandteile : Kalium.
Natrium, Kalzium, Magnesium, Eisen, Chlor, Phosphorsiiure, Schwefelsäure
und Kohlensäure.
Söldner'^) gibt die wahrscheinliche Zusammensetzung der Kuhmilch-
asche an :
Prozent
Chlornatrium 10-02
Chlorkalium OK")
Monokaliumphosphat l'i'TT
Dikaliumphosphat VC22
Kaliumzitrat ö-47
Dimagnesiumphosphat .... ."VTl
Magnesiumzitrat 4*0ö
Dikalziumphosphat 7"42
Trikalziumphosphat H-90
Kalziumzitrat 2yyi)?)
Kalziumoxyd -'vlH
an Kasein gelnmden
Nach König-) enthält die Kuhmilchascho in Prozenten:
K,0 24-60
Xa,0 ^-1^
Cab ■■^■■^■-^'^
MgO :^-^>^'
Fe,()3 ^'•-'••»
SO3 ^•^-
P.,(), -'••■-'«
ci i->-^^
Die durchschnittliche Zusammensetzung der Frauenmilchasche wird
ebenfalls von Söldner») wie folgt angegeben:
*) Söldner, 1. c. • t o 1 0 nr^'i v ■
2) Köni(f, Chemie der menschlichen Naliriinjrs- und (iemiümittol. IM. J^ lAki. i ' •
3) Söldner, Die Aschcnbestandtcilo des neiigchorenen Menschen und der Fm». ..-
milch. Zeitschr. f. Biolog. 44. 71. 1903.
460 E.F.Edelstein.
Prozent
KoO . 32-4
Na^O 13-1
CaO 13-9
MgO 1-9
Fe^Og 0-07
P,05 11-40
Sbs 3-3
Cl 21-7
Bestimmung der Alkalien.
Man kann den Ascherückstand (aus der Bestimmung der Asche)
direkt zur Ermittlung des Gehalts an Kaüum und Natrium benutzen.
Man löst die Asche in warmem Wasser unter Hinzufügung einiger
Kubikzentimeter verdünnter Salzsäure, erwärmt auf dem Wasserbade, bis
die Kohlensäure ausgetrieben ist und dampft ebenfalls auf dem Wasserbade
bis zur Trockene ein. Nun nimmt man mit etwas konzentrierter Salzsäure
auf, raucht diese bis zur Trockene ab und wiederholt dies zwei- bis drei-
mal. Dadurch ist die eventuell in der Asche vorhandene Kieselsäure un-
lösHch geworden. Nunmehr wird mit heißem Wasser und etwas Salzsäure
der Inhalt der Schale gelöst und vom eventuellen Rückstand abfiltriert.
Dieser besteht aus kleinsten Partikelcheu unverbrannter Kohle und gerin-
gen Mengen Kieselsäure.
Filtriert man nun einerseits durch ein vorher gewogenes (bei 105°
getrocknetes) aschefreies Filterchen und wägt den getrockneten Rück-
stand 4- Filter, verbrennt aber andrerseits das Filter in einem gewogenen
Porzellantiegel und wägt die zurückbleibende Kieselsäure, so erfährt man
aus der Differenz die Menge der noch unverbrannten, in der Asche bei-
gemengten Kohle.
Handelt es sich um eine ganz exakte Aschenbestimmung, so muß man
jene unverbrannte Kohlenmenge von der ursprünglichen Aschenmenge ab-
ziehen. Das salzsaure Filtrat wird mit etwas Eisenchlorid versetzt, zur
Trockene verdampft, der Rückstand mit heißem Wasser und einigen
Tropfen HCl aufgenommen, eventuell filtriert und das Filtrat zunächst mit
Chlorbaryum bis zum bleibenden Niederschlag (Umwandlung in Chloride)
und nachher mit gesättigter Barythydratlösung bis zur stark alkalischen
Reaktion versetzt (Magnesiumausfällung). Man filtriert den Niederschlag
ab, wäscht mit kaltem Wasser nach und versetzt das Filtrat mit Ammo-
niumkarbonat in stark ammoniakalischer Lösung (Ausfällen von Kalzium
und Baryum als Karbonate). Nachdem das Filtrat bis zur Trockene ein-
gedampft und durch Abrauchen von Ammonsalzen befreit (Vorsicht!)
worden ist, löst man den Rückstand mit Wasser und fällt nochmals mit
Ammoniumkarbonat + Ammoniak, Das Filtrat vdrA eingedampft, das Ab-
rauchen der Ammonsalze wiederum vorgenommen und der Rückstand in
Wasser und wenig Salzsäure gelöst.
Methodik der Milclmntersuchuiif,'. j/»i
Diese Lösung enthält nur Kalium- und Xatriumchlorid. nampft iii:in
die Lösung- in einer gewogeneu l'latinschalc bis zur Trockene ein "' i f
kurze Zeit schwach (bis zur Rotglut) und wiigt, so hat man die
der Alkalichloride.
Aus der wässerigen Lösung dieser Alkalichloride kann man das
Kalium mit Platinchlorid als Kaliiimplatinchlorid ausfällen') und auf diese
Weise auch das Natriumclilorid indirekt bestimmen. Statt durch trockene
Veraschung, wobei sich wegen der Flüchtigkeit der Alkaiicbloride kleine
Fehler einschleichen, ist diese Bestimmung auch mittelst der feuchten \ er-
aschung ausführbar. Die Neumamtsche Veraschungsflüssigkeit wird vor-
sichtig eingedampft, auf einem Finckener Turm die Schwefelsäure abge-
raucht, mit Wasser aufgenommen und wie oben weiterbeliandelt.
Es sei hier noch darauf hingewiesen, dal» man in der Asche direkt
Ca, Mg, K und Xa bestimmen kann. Die salzsaure Asclielüsung wird auf
ein bestimmtes \olumen aufgefüllt und in zwei Teile geteilt. In dem einen
bestimmt mau Kalium und Natrium, im anderen Magnesium imd Kalzium. «i
Bestimmung des Kalziums und Magnesiums.
25 cm^ Milch werden zunächst mit 10—15 cm^ konzentrierter Salpeter-
säure im Kjeldahlkoli)en bis auf ein kleines N'olumen eingedampft und dann
nach Neumann verascht. Nach der Veraschung und Zersetzung der Nitrosvl-
schwefelsäure durch Kochen spült man quantitativ die Flüssigkeit, nach-
dem sie kalt geworden, in ein Becherglas über, macht stark ammoniaka-
hsch und darauf schwach essigsauer, filtriert von dem eventuell ungelöst
bleibenden Eisenphosphat ab und fällt das Kalzium mit Animoniumoxalat
aus. Bestimmung als Oxyd. Das Filtrat des Kalziumoxalatniederschlages
wird auf Ys Volumen eingeengt, das darin befindliche Magnesium als
Magnesiumammoniumphosphat gefällt und als Magnesiumpvropliosphat ge-
wogen.
Man kann das Kalzium, das in der NctwunuiM-hcu N'eraschungsflüssii:-
keit als Kalziumsulfat vorliegt, auch direkt mit Alkohol fällen, durch einen
gewogenen Goochtiegel filtrieren und als Kalziumsultat zur Wriirung brin-
gen (Methode nach Aron ^).
Für die Bestimmung des Kalziums in der Frauenmilch .m)11 man min-
destens 100 cm* gebrauchen. ^ )
Bestimmung der Phosphorsiiure
10 cm» Milch werden nach Xciniiann verascht, die liii-ML'keit wird
unter der Voraussetzung, daß man nicht mehr als JO nn^ bäuremisrhunp
») Nach bekannten Methoden, Aschenanalyse ,!»•<>«. Bd. 1. 4ln di.M^ HamUHirhc»
'') Siehe Näheres Aron, Bd. 1. 400 dieses Ilandbiu-hes.
') II.Aroii, Eine ciiifaclie Methoih» zur Bcstiinniiini.' des Kalziuuib ... .ij^ani'"-'" "
Substanzen. Biocheni. Zeits» hr. IV. 2C)S. 19US.
^) Bahrdt und Edelstein, Das Kalkangehot in der Francnmilch. 72
heft. S. 16. 1910.
462 E. F. Edelstein.
zur Oxydation verbraucht hat, mit etwa 120 cm^ Wasser verdünnt, mit
50 cm^ einer öO^/oigen Ammoniumnitratlösung versetzt, auf etwa 70" er-
hitzt und die Phosphorsäure mit 40 cm^ Ammoniummolybdatlösung
gefällt.
Zur weiteren Bestimmung wird nach Neumann folgendermaßen ver-
fahren :
Nachdem man den Niederschlag tüchtig umgeschüttelt und das Ganze
15 Minuten hat stehen lassen, filtriert man durch einen Goochtiegel,
wäscht so lange mit eiskaltem Wasser, bis sowohl der Niederschlag, die
Wände des Goochtiegels sowie der Kolben, in welchem die Fällung vor-
genommen wurde, keine Spur mehr sauer reagieren. Darauf löst man den
gelben Niederschlag aus dem Goochtiegel in denselben Kolben mit einer
bestimmten Menge — Natronlauge hinein, bis die gelbe Färbung ver-
schwunden ist. Nach Zusatz von einigen Kubikzentimetern -^ Natronlauge
im Überschuß erhitzt man die farblose Flüssigkeit so lange, bis die Dämpfe
nicht mehr alkahsch reagieren (Prüfung mit feuchtem Lackmuspapier),
also alles Ammoniak verjagt ist.
Es ist zweckmäßig, vor dem Erhitzen 2 — 3 kleine Glaskügelchen in
die Flüssigkeit hineinzuwerfen, die das Stoßen der siedenden Flüssigkeit
verhindern.
Man läßt erkalten und titriert unter Zugabe von Phenolphtalein (Ptot-
färbung) mit -^ Schwefelsäure den zum Lösen des Phosphormolybdän-
niederschlages nicht verbrauchten Überschuß an Natronlauge bis auf farb-
los zurück.
Da aber Phenolphtalein der Kohlensäure gegenüber empfindlich ist,
so umgeht man die kleinen Fehler der Titration dadurch, daß man einen
Überschuß an -^ Schwefelsäure zugibt, durch längeres Sieden (30 Minuten)
die Kohlensäure vertreibt und nach dem Erkalten mit — Natronlauge bis
auf Rot zurücktitriert.
(NH,)3 PO, . 24 Mo O3 . 4 HNO3 -h 56 Na OH =
= 2 Na^ HPO4 + 24 Na^ Mo 0, + 4 Na NO3 + 6 NH3 -f- 32 H., 0.
1 cw 3 -^ Natronlauge entspricht P267 m^ Pg Og. 1) Will man nicht
das Neumannsche Titrationsverfahren benutzen, so kann man den gelben
Phosphormolybdänniederschlag in Ammoniak lösen, daraus die Phosphor-
säure als Magnesiumammoniumphosphat ausfällen und als Magnesiumpyro-
phosphat zur Wägung bringen. 2)
') 1 Mol. P2O5 entspricht 56 ^-Mol. NaOH oder 56? u-NaOH, 1 l n-NaüH
entspricht ^^ g P, O5, 1 cm^ = 2-535 mg P, 0„ 1 cm^ ^ NaOH = 1-267 mg P. 0^.
^) Genaue Vorschrift Aron, Ascheuanalyse. Bd. 1. 420 dieses Handbuches.
Methodik der Milchunterhuchiiiig. ^^^■^
Schwefelsäurebestimmung.
Die Milch enthält eine ganz gerini^n- Menge Schwofolsauro. dj«« In der
Asche enthaltene stammt wahrscheinlich nur aus den EiweiC.körpcrn der Milch.
25 — bO cm^ werden in einer Platinschale abgewogen, oingoclaiupft,
mit einer Salpetermischung (3 Gewichtsteile KN(Jj + 1 (iewichtst«-!! Na, CO,)
verascht, in Wasser gelöst, einigemal mit 8alzsiUire ahgeraucht und dann
Schwefelsäure als Barvumsnlfat bestimmt.
Chlor.
Zur Chlorbestimniung wird die eingedampfte .Milch (.") \n,„r^\ mit
einer Salpetermischung verascht, in Wasser aufgenommen un<l mit Sal-
petersäure so lange vorsichtig versetzt, bis keine Kohlensäureentwicklung
mehr stattfindet.
Man fällt dann mit — Sill)ernitratlösung oder einer empirischen Sjl-
berlösung das Chlor als Chlorsilber aus (20 rw^ Silbernitrat i. füllt auf Km» anf.
filtriert durch ein trockenes Filter und titriert im ali(iuoten Teil des Kil-
trates den Überschuß an Silbernitrat mit — IJhodankaliumlösung zurück.
unter Anwendung von Eisenammoniakalaun als Indikator.
Aus der gebrauchten Menge Silbernitrat beroclmet man durrji Cni-
rechnung auf die ganze Menge den (Jehalt an Chlor.
Es empfiehlt sich, nicht in der gewiilmlichen Asche der Milch das
Chlor zu bestimmen, weil bei der trockenen Veraschung \erluste an Chlor
unvermeidlich sind.
Eisen.
In Anbetracht der minimalen E.isonmenge, sowohl in der Frauen-' )
als in der Kuhmilch, soll man zur llestimmung mindestens ö<X) //, wo-
möglich noch mehr Milch verwenden. Die am meisten zu empfehlende Me-
thode ist die jodometrische nach Neunnuw.
Diese beruht auf dem Prinzip, dab in kleiner Menge vorhamlcnes
Eisen mit Zinkammoniumphosphat (piantitativ mit niedergeschlagen wird.
In salzsaurer Lösung scheidet das Eisi-n aus einer .lodkaliundösung
äquivalente Mengen Jod aus. die durch Titrieren mit Nafriuinthiosulfat be-
stimmt werden. 2)
Neueidings haben J.arlit' imd Fried i'^tihal'^) eine neue Methode vorge-
schlagen, und zwar eine kolorimetrische.
Prinzip : Eine eisenhaltige salzsaure Lösimg gibt mit Khodankaliuni
eine rote Farbe. Diese blutrote Färbung rührt von den» undissoziicrbaren
M Siehe Bahrdt und Edcls-fn'ii, Ein Boitne.' zur K.Miiitiiis des Kiscngehalt«- •!■••
Frauenmilch usw. Zeitschr. f. Kinderheilk. 1. 1H2. l'.llt).
-) (Jenaue Vorschrift: Arou, Aschenanaljse. Bd. 1, 414 dieses Handlm
') Lachs und Fricdt n/hal , Die Be.stiinuuuig des Eisens auf kaloruii-tr;-' iK-m
Wege. Biochem. Zeitschr. 32. 13U. l^tll.
464 E.F.Edelstein.
Eisenrhodanid her. Schüttelt man die Fhissigkeit mit Äther aus, so ent-
fernt man das undissoziierte Ferrirhodanid, welches in Äther lösUch ist. In
dem Maße, wie der undissoziierte Teil an Fe (CNS)3 entfernt ist, bildet sich
von neuem in der wässerigen Lösung ein undissoziierter Teil derselben, der
wieder in Äther geht.
Stellt man eine Reihe von ätherischen Lösungen von Eisenrhodanid
aus der Reihe nach verdünnten bekannten Eisenlösungen her, so kann
man sie als Vergieichslösungen mit der roten P^arbe der untersuchten
Flüssigkeit benutzen.
Man dampft 5 cm^ Milch in einer Platinschale ein, verascht sie,
nimmt die Asche mit 1 cm^ Wasser und 1 cm^ 6 X n-Salzsäure auf, ver-
setzt mit 1 crn^ konzentrierter Rhodankaliumlösung und schüttelt diese mit
1 crn^ Äther aus. Es entsteht dabei eine schöne rote Lösung, die man mit
der Farbenskala vergleicht.
Die Methode scheint sehr bequem zu seini), ist aber für Frauen-
milch nicht anwendbar. In 1 / Milch wurden r3 mg Eisen gefunden.
Die Vergleichslösungen stellt man sich her, indem man aus einer
Lösung, die 10~"* Fe • • • (0"0001 g Swertiges Eisen) in 1 crn^ enthält, in
eine Reihe Reagenzgläser 1 cm^ bzw. 0'8 bzw. 0*5 etc. cni^ überträgt. Genau
dasselbe macht man mit einer Lösung, die 10~^Fe*-- in 1 cni^ enthält.
Diese Reagenzgläser füllt man bis auf 1 cm^ mit Wasser auf, fügt zu
jedem 1 cm^ einer eisenfreien, 6fach normalen Salzsäure zu und versetzt
mit 1 cm^ konzentrierter Rhodankaliumlösung. Jede einzelne dieser
Lösungen wird mit 1 cm^ Äther aufgeschüttelt. Die ätherischen Schichten
stellen dann eine Farbentonskala dar.
Übrige Bestandteile der Milch.
Orotsäure, C5 H^ O2 X2 'H2 0.
Biscaro-Belloni -) haben diese Säure, die ihrer Konstitution nach ein
L^reid ist (mit Kaliumpermanganat oxydiert, liefert sie Harnstoff), in der
Milch entdeckt.
Sie ist anscheinend für die Milch spezifisch. Ob sie auch in der
Frauenmilch vorhanden ist, ist noch nicht nachgemesen. Man stellt sie
folgendermaßen dar : Mit Lab wird das Kasein in der Milch ausgefällt, das
Eiweiß durch Erhitzen unter Zusatz von etwas Essigsäure entfernt und
das Filtrat mit Natriumkarbonat bis zur schwachsauren Reaktion versetzt.
Zu dieser Lösung wird Kalziumkarbonat hinzugefügt und wieder filtriert.
Darauf fällt man die Säure mit basischem Bleiazetat aus, zersetzt den
*) Wenn, was noch nachzuprüfen ist, unter Anwendung von nur 5 c/«^ Milch eine
exakte Ermittlung des Eisengehaltes möglich ist, so bedeutet dieses Verfahren einen
Fortschritt, weil man sonst sehr große Mengen Analysenmaterial braucht und das Ein-
dampfen der Milch für die feuchte Veraschung sehr lästig und langwierig ist.
-) Biscaro und Belloni, Über einen neuen Bestandteil der Milch, zitiert nach
Chem. Zentralbl. Bd. 2. 63. 1905.
Methodik der Milcliiintersiiclmnjr. u\r^
Niederschlag mit Schwefelwasserstoff, filtriert vom IJlcisulfid ai) und dampft
das Filtrat ein. Der JUickstand wird in Wasser auff,'enommen, zur IUmiu-
gung mit Tierkohle aufgekocht und filtriert.
Man gibt zur Lösung AlkaU l»is zur scliwacli sauren Keaktion imd
dampft ein. Den kristallinischen Rückstand lidU man mit i;.')"/« Alkohol
2 Tage stehen. Auf diese WCise werden die Chloride (lUeichlorido) ent-
fernt. Es wird nochmals 24 Stunden mit wenig Alkohol dekantiert und
schließlich aus siedendem Wasser umkristallisiert.
Zitronensäure.
Die Kuhmilch enthält 0-12— 0-2"/o dieser Säure. Die Methode ihrer
quantitativen Bestimmung hat Scheibe^} ausgearbeitet. Sie beruht auf der
Eigenschaft der Zitronensäure, sich durch Oxydation mit Kaliundiiilintmat
in schwefelsaurer Lösung in Kohlensäure und Wasser /u verwandeln.
Nimmt man nun einen Cberschuli von Kaliumhichromat und titriert den
zur Oxydation nicht verbrauchten Teil mit einer Ferroammoniumsulfat-
lösung zurück, so erfährt man daraus die zur Oxydation verwendete .Menge
Bichromat und daraus den Gehalt an Zitronensäure. Die Methode wird wie
folgt ausgeführt.
400 cm ^ Milch versetzt man mit 4 cw* 2\'2facher n-Sehwefelsäure -),
kocht auf, gibt 10^ mit Wasser verriebene spanische Klärerde zu. kocht
nochmals auf, spült nach dem Erkalten in einem öOO (///^-MeLikolben und
füllt bis zur Marke auf. Das Filtrat muß völlig klar sein. Ist das niclit
der Fall, so muß die Klärung wiederholt werden.
100 cm^ des klaren Filtrates (entsprechend 80 cw/^ Milch) werden mit
so "siel Barytwasser versetzt, bis die in den 100 cm^ enthaltenen OH cw*
2V2fach n-H.,S04 neutralisiert sind und dampft bis zur Sirupkonsistenz ein.
Hierauf setzt man die Zitronensäure in Freiheit, indem unter rmrühren
H'2 c))i^ einer 2'/2fach n-Schwefelsäure zugesetzt werden, vermischt unter
weiterem Umrühren allmählich mit 20 cin^ absolutem Alkohol und nach
kurzem Absetzenlassen mit 00 cm^ Äther. Darauf saugt man den Nieder-
schlag (der ausgefällte Milchzucker) auf einer Siebplatte aus Porzellan ab.
und wäscht ihn mit einer Alkohol-Athermischung aus (20 cm ^absoluter .Mkohol
und 60 cm^ Äther). Das klare Filtrat wird mit alkoholischem .\mmoniak
bis zur bleibenden Trübung neutralisiert und in einem Destillierkolben
zunächst der Ätheralkohol abdestilliert und dann durch weitere Destillation
auf etwa 20 cui^ konzentriert. Dieser Bückstand wird mit «iO rni' absolutem
Alkohol im Wasserbad zum Kochen erhitzt und mit lOcw^ alkoholi>« Ihmu
Ammoniak die Zitronensäure als xVmmoniumsnlfat vollständig ausgefällt.
Man läßt einige Stunden stehen und dekantiert durch ein Filter von der
darüberstehenden Flüssigkeit ab. Das Ammoniumzitrat wird zur weiteren
') Scheibe, ülicr den rrsiiiiini: diT /itrononsäiirc als Bestandteil der Milcb. Dio
Laiulwirtschaftl. Vcrsuchijstatiuiieii. 3'J, 153. IH'.U.
■-) 1 Teil verdünnter Schwefelsäure (D = 116) mit 1 Teil Wasser verdouiit.
Abderhalden, Hundbuch der biochemischeu Arbpitsracthoden. V. 30
466 " E.F.Edelstein.
Reinigung mit 1 cm^ Schwefelsäure (2"5fach n), 1 cni^ Wasser und 60 cm^
absolutem Alkohol versetzt und wiederum mit 10 cm^ alkoholischem Am-
moniak gefällt.
Um das Absetzen des zitronensauren xAmmoniums zu beschleunigen,
erhitzt man eine halbe Stunde unter Zusatz von 2 — 8 g Ammoniumkarbonat
am Piückflullkühler. Man läßt einige Stunden stehen, bis die Flüssigkeit
ganz klar ist und der Niederschlag sich kristallinisch abgesetzt hat. Man
saugt ihn auf einer Porzellanplatte ab, wäscht mit absolutem Alkohol
nach, löst den Niederschlag in Wasser und konzentriert die Lösung auf
etwa 20 cmK
Diese konzentrierte Lösung des Ammoniumzitrates wird mit 20 — 30 cm^
(Überschuß) Kaliumbichromatlösung und unter Umschütteln mit 20 — 25 cm^
konzentrierter Schwefelsäure versetzt. Durch 1/4 stündiges Erhitzen auf etwa
80" wird die Zitronensäure in Kohlensäure und Wasser umgewandelt.
CßHgOv + :\ KsCroO, + 1 2 H2SO4 = 3 KoSO^ + 3 Cr^lSO^Ja + 16 U.,0 + 6 CO.,.
Die Lösung, die eigentlich grün sein müßte (Chromisalz), ist wegen
des Überschusses an Kaliumbichrom at etwas braun gefärbt. Man verdünnt
mit zirka 50 cm^ Wasser, setzt Ferroammoniumsulfat im Überschuß zu,
bis der grünbraune Farbenton in reines Grün übergeht und titriert mit
so\iel Bichromatlösung zurück, bis 1 Tropfen der Flüssigkeit mit 1 Tropfen
Ferrocyankalium zusammengebracht (Tüpfeln) keine Blaufärbung mehr gibt.
Auf 1 Mol. Zitronensäure braucht man 3 Mol. Kaliumbichromat. Die
Kaliumbichromatlösung stellt man sich her durch Lösen von 461 g des
Salzes zu 1 / (1 crn^ Kahumbichromatlösung entspricht 0-0102 g Zitronen-
säure); die Eisenlösung, indem man 150,7 Ferroammoniumsulfat (il/oÄrsches
Salz) in 700 cm^ Wasser löst, dazu 100 cm^ konzentrierter Schwefelsäure
zusetzt und auf 1 l auffüllt.
Nach E. Desmouliere'^) kocht man 200 cm ^ Milch kurze Zeit mit
100 cm^ 2%iger Essigsäure am Rücldlußkühler, filtriert nach dem Erkalten
und dampft 150 cni^ des Filtrats auf dem Wasserbade bis zur Sirupkon-
sistenz ein. Nach Zusatz von 2 — 3 g gereinigten Kieseigurs dampft man
weiter bis zur Trockene ein, setzt nach dem Erkalten 3 cm^ verdünnter
Schwefelsäure zu und läßt 2 — 3 Stunden stehen, unter zeitweiligem Um-
rühren. Man fügt nochmals 3 g Kieselgur hinzu und extrahiert das Ganze
mit kaltem, wassergesättigtem Äther aus, bis man 1000 cm^ Ätherauszug
hat. Der Äther wird bei niedriger Temperatur rasch abgedampft, der Rück-
stand in Wasser aufgenommen und auf ein bestimmtes Volumen auf-
gefüllt In einem bestimmten Teil der Flüssigkeit wird die Gesamtazidität
bestimmt und die Phosphorsäure, wenn sie anwesend ist. In einem anderen
Teil werden die flüchtigen Säuren bestimmt. Die Differenz soll die Menge
an vorhandener Zitronensäure ergeben.
*) Desmouliere , Untersuchung über die Bestimmung der Zitronensäure in der
Milch. Bull, de Sciences Pharmacol. 17. 588, 1910, zitiert nach Chem. Zentralblatt. 2.
1952. 1910.
Mctliodik der .Milchuntersuchuiig. i^•^J
Nach (lieser Methode fand Drstnouliere in \C\0 cm^ Kiiliinilch (>-22 o
(im Mittel), in 100 r///» Frauemnilch 0()7S 7 Zitroiicnsauiv. iJei AnwrMi '
dieser Methode in der Kranen-, Schaf- oder Ksciinncnmilcli soll ni.ui «in-
Menp:e der zuzugehenden Schwefelsiinrc auf 2 rm-^ hcraiisctzcn. Iii.- '/,,-
verlässigkeit dieses Verfahrens ist noch nicht nach}.M'i)rnft worden.
Aulierdem enthält die Milch noch verschiedene Enzyme oder Fer-
mente, und zwar:
1. eiweißspaltende (proteolytische),
2. kohlehydrats])altende (amylolytischei,
3. fettspaltende (Lipasen),
4. Oxydatiüus- und Ueduktionsfernientc (Uxydasen, Katal;i>t'n und
Reduktasen).
Der Anwesenheit der letzteren sind verschiedene Kcduktions- und
Oxydationseigenschaften der Milch gegenüber hestimintcn Ileagenzien zu-
zuschreiben. Bei einer Temperatur von über 75" werden diese Fermente
zerstört. Diese Eigenschaft ist zur praktischen Milchuntcrsuchunü' heran-
gezogen worden, und zwar zum Nachweis einer statlgdiabten Erhitzung
der Milch. In einer gekochten Milch kommen nämlich die Kcaktioncn nicht
mehr zustande. Das gilt aber bestimmt nur für die Oxydationsn-aktioncn.
weil die Reduktasen auch in gekochter Milch wieder erscheinen könnrn.
Dagegen sind die Reduktasereaktionen zur UntersuclHing darüber, ob finc
rohe Milch noch frisch ist, gut zu verwenden. ScI'ujukddi ') nimmt fol-
gende Unterscheidung vor:
Oxyd äsen besitzen:
1. die Fähigkeit, Wasserstoffsuperoxyd in Wasserstoff und Sain-rstoff
zu spalten (Superoxydase nach Rdudnitz);
2. die Fähigkeit, eine Reihe von Oxydationen zu vermitteln (Oxydase);
B. die Fähigkeit, nur bei Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyd die
Oxydationen auszulösen. Das H2O2 scheint beschleunigend zu wirken (in-
direkte Oxydase).
Reduktasen besitzen:
1. die Fähigkeit, Schwefelwasserstoff zu reduzieren (HydrogenaM-).
2. die Fähigkeit. Methylenblau zu entfärben :
o. die Fähigkeit, eine Mischung von alkoholischer Methylenblaiilösung
mit einer wässerigen Lösung von Formaldehyd {Schnrdvigcrs Reagens) zu
entfärben (Aldehydkatalase ).
Die einzelnen lieaktionen werden folgendermalien ausgeführt J
(Kydaseii.
Nach Arnold-) wird frische, umiekoclite Milch mit t majaktinktur
(hergestellt durch Auflösen von (iiiajakharz in Alkohol 1 verset/t, worauf
1) Selumanu, tJbor den Kinfluß oinificr Aldohyde. hosoiiders dos Formalin». auf dio
Oxydationsfcrmciito der Milch und des (ininnii aiabioiiin. /(>itsclir. f. II i. Infokti«>n«»-
kranklieitcn, Ud. 50. i)7. VMh und llandlnicii der Milrlikiind»- von >- . !/. A^JJ. VM<^}
^) Arnold, Einige neue Kcaktioncn der Milch. Zeitsclir. f. anal. Chemie. 21. 285. 1
30»
468 E.F.Edelstein.
sofort eine Blaufärbung- eintritt. Gekochte Milch zeigt diese Reaktion
nicht, ^lan kann statt Guajaktinktur auch einen Auszug von Guajakholz
mit Azeton verwenden, i) Nach Storch -) setzt man zu 10 cm^ ungekochter
Milch 1 Tropfen 0-2'^U\^%y Wasserstoffsuperoxydlösung und 2 Tropfen
2''/oig'er I'araplienylendiaminlösung zu und schüttelt stark um (Blaufärbung).
Wilkinson und Peters ^) bedienen sich zu dieser Reaktion des Benzidins
(Di-p-diamidodiphenyl) : Blaufärbung bei Zugabe von 2 cm^ einer 4''/oigen
alkohoUschen Benzidinlösung, 2 — 3 Tropfen Essigsäure und 2 cm^ einer
S^/oigöw Wasserstoffsuperoxydlösung zu 10 cui^ Milch.
Rothenfusser ^) führt diese Reaktionen nicht direkt in der Milch,
sondern im Serum aus. Er enteiweißt 100 cm^ Milch mit 6 cm^ Bleiessig
(Bleisubazetat), filtriert und versetzt 10 cm^ Serum mit 1 — 2 Tropfen
O'o7oigem Wasserstoffsuperoxyd. Als Reagens wendet er entweder einige
Tropfen von salzsaurem Paraphenylendiamin an (1 g dieser Verbindung in
15 cm^ Wasser gelöst und mit einer Auflösung von 2 g Guajakol in
135 cm^ 967oig'en Alkohols vermischt) oder 5 — 10 Tropfen einer 20/oigen
alkohoUschen Benzidinlösung unter Zusatz von etwas Essigsäure. Im ersten
Falle tritt bei einer ungekochten Milch eine violettblaue, im zweiten eine
kornblumenblaue Farbe auf.
Reduktasen.
Nach Schardinger ^) wird eine Mischung von alkoholischer Methylen-
blaulösung mit Formalin (5 cm^ gesättigter alkoholischer Methylenblau-
lösung gemischt mit 190 cwi^s Wasser und 5 ci>i^ Formalin) von fi'ischer, un-
gekochter Milch entfärbt.
Nach Barthel «) versetzt man 10 cm^ Milch mit 0'5 cm^ einer alko-
holischen Methylenblaulösung, überscliichtet mit einigen Kubikzentimetern
flüssigem Paraffin und stellt in ein Wasserbad von 40 — 45°. Tritt eine
Entfärbung nach einigen Minuten ein, so ist die Milch stark bakterien-
haltig. Tritt sie dagegen nicht innerhalb von 3 Stunden ein , so ist die
Milch als gut zu bezeichnen.
^) Arnold wwA Mentzel, Die Guajakprobe in der Praxis. Milchzeitung. 31. 247. 1902.
-) K. Storch, Eine Methode zur Unterscheidung von pasteurisierter und nicht
pasteurisierter Milch. Milchzeitung. 27. 374. 1898.
^) Wilkinson und Peters, Neue Reaktion zur Unterscheidung von roher und er-
hitzter Milch etc. Zeitschr. f. Untersuchung d. Nahrungs- u. Genußmittel. 16. 172. 1908.
*) Rothenftisser, Über den Nachweis von Fermenten unter besonderer Berück-
sichtigung der Milch. Zeitschr. f. Untersuchung d. Nahrungs- u. Genußmittel. Bd. 16.
63. 1908.
^) Schardinger, tJber das Verhalten der Kuhmilch gegen Methylenblau und seine
Verwendung zur Unterscheidung von ungekochter und gekochter Milch. Zeitschr. f.
Untersuchung d. Nahrungs- und Genußmittel. Bd. 5. 1113. 1902.
®) Barthel, Verwendbarkeit der Eeduktaseprobe zur Beurteilung der hygienischen
Beschaffenheit der Milcli. Zeitschr. f. Untersuchung d. Nahrungs- u. Genußmittel. Bd. 15,
385. 1908.
Methodik der .Milcliuntcrsuchung.
Der Nachweis mid die llcstinmiuii^r aiidcicr Ücstaiidtcilr dci >i:,.a.
die entweder zufiilli',^ oder ahsiciitlidi ( Vcrfiilscliuii^M'in in ihr vurkomiii-i,
(Konservierungsmittel wie Borsäure, 8ali/Als;iure, Fonnaldchyd : fei'
Mehl, /ucker, Saccharin, Schniutz etc.), gehürf nicht in den Hahnicn di>
Darstellung. M
Physikalische Methoden.
(Zun-leich eine T^ntersuchun;:- der Milch auf ihre \'erwasserung.)
Hierzu gehören die Bestininiungen :
1. der (icfricrpunktscriiicdrigung.
2. der elekirischcn Leitfähigkeit,
3. des Brechungsvermügens von Milchscniiii.
1. Gef'rierjMmk<sernie(lriü:iiriji:.
Unter dem Ciefrierpunkt verstehen wir den Tunkt, hei welchem eine
Lösung beginnt, ihr Lösungsmittel in fester Form . und zwar als Eis. aln
zuscheiden.
Es ist bekannt, daß, wenn man in einer Flüssigkeit eine Substanz
auflöst, der Gefrierpunkt dieser Lösung niedriger wird, als der «icfiicr-
punkt der Flüssigkeit selber. Die Differenz zwischen den (Jefrierpunktcii
der reinen Flüssigkeit und der Lösung ist die Gefrierpiinktserniedrigung.
Löst man z.B. in 100 o/i^ Wasser 1 _(/ Kochsalz, so sinkt der (Jefrieriiunkt
des Wassers von 0° auf — 0 6".
Kaoidt und Vaii't Hof haben gezeigt, dali die (Jefricrpmiktscrnie-
drigung für ein Grammolekül (Mol) für ein und dasselbe Lösungsmittel
eine konstante Grobe ist. Oder mit anderen Worten: Durch verschiedene
Substanzen, die in gleicher Menge ein und desselben Lösungsmittels im
Verhältnis ihrer Molekulargewichte gelöst werden, erniedi-igt sich der Ge-
frierpunkt des Lösungsmittels um eine gleiche Anzahl (irade, unabhängig
von der Natur des gelösten Stoffes (molekulare (lefrieriiunktserniedrigungi.
Man nimmt als Menge des Lösungsmittels lOUy an und als Meni:e
der aufgelöst(ui Substanz 1 //-Molekül. Die molekulare Gefrierpunktsernie-
drigung für Wasser beträgt im Mittel aus dem iieobachteten und dem
berechneten Wert 18-5.
Es ist ohneweiters verständlich, dal'i sich durch Zusatz von Wasser
zur Milch und durch die dadurch hervorgerufeiu' Konzentrationsänderung
auch der Gefrierpunktswert ändert. Die Bestimmung der Gefrierpimkt.ser-
niedrigung führt man genau so ans wie in aiuleren Lösungen. .\m b»'sten
im Beck)n(inn^c\\^^\\ Aj)parat. -)
Man muß die .Milch zuerst in Kiswasser tief al'külileii und bestimmt
zweckmäßig zuerst den (iefrierpunkt des Wassers und dann den der Milch.
') Diese für die Milclnvirtsrh.ift und Hygioiio tliißerst \vii-liti;.'iii \i< ■
findet man in einschlägigen Hiichern. z.H.: Sommcr/ihl, Ilaiidlnn-h der
1909; A'. Teichert, Untersnehung der .Milch- und Midkereiprodiikle. r.Mi'.l; /
Lehrbuch der Milchwirtschaft. 1908.
-) Genaues hierüber siehe Fricdeittlml, IM. 1. 501 dieses llandlmches.
470 E- F. Edelstein.
Zur Ausführung einer Bestimmung genügen etwa 4—8 cm^ Milch. Nach
Winter i) kann man die zur Milch zugesetzte Wassermenge aus folgender
a^ j)
Formel berechnen: E = V , wo V das Volumen der untersuchten Milch
a
bedeutet, a den normalen Gefrierpunkt der Milch, D die Gefrierpunkts-
erniedrigung und E das der Milch zugesetzte Volumen Wasser. Der Ge-
frierpunkt der Milch ist konstant und beträgt, wie schon erwähnt,
— 0-555 g im Mittel und schwankt zwischen —0-55 bis — 0-57. Der Ge-
frierpunkt der Frauenmilch ist größeren Schwankungen unterworfen. Die
Werte bewegen sich nach Koeppe-) zwischen 0-495— 0-63.
Koejjpe schreibt diese Schwankungen dem Einfluß der Nahrung, be-
sonders den Salzen der Nahrung zu.
2. Die elektrisclie Leitfähigkeit.
Reines Wasser einerseits und z. B. trockenes Salzsäuregas andrer-
seits leiten den elektrischen Strom nicht. Löst man dagegen das Salz-
säuregas in Wasser, so leitet diese Lösung sehr gut die Elektrizität.
Nach der von Arrhenius aufgestellten Theorie der elektrolytischen
Dissoziation erklärt man sich diesen Vorgang so, daß die in einer wässerigen
Lösung positiv und negativ elektrisch geladenen Teilchen (Ionen), in un-
serem Falle also die positiven Wasserstoffionen und die negativen Chlor-
ionen, die Träger der Elektrizität sind.
Mit zunehmender Verdünnung vergrößert sich die Dissoziation, d. h.
die Zahl der Ionen und die elektrische Leitfähigkeit nimmt zu, bis schließ-
lich bei unendlicher Verdünnung die Ionisation vollständig wird. Die Stärke
der Säuren und Basen hängt von dem Grade ihrer Ionisation ab , die
Stärke der Säuren im speziellen von der Konzentration der Wasserstoff-
ionen. Auch die Azidität und die Alkalität der Milch werden durch
die Konzentration der Wasserstoff- und Hydroxylionen bedingt. Saure und
geronnene Milch besitzen eine größere Leitfähigkeit. 3)
Über die von Kohlrausch ausgearbeitete Bestimmung und ihre Aus-
führung (gemessen am elektrischen Widerstand mittelst der Wheatstone-
schen Brücke) siehe Friedenthal, Band I dieses Handbuches.
Die Leitfähigkeit der Kuhmilch schwankt nach Koeppe^) zwischen
n3-9— 94-3 . 10-* bei 18" C, bei der Frauenmilch zwischen 14-9— 84-3 . 10-*.
Im Mittel : für Kuhmilch . . . 43-8 . 10-*
für Frauenmilch . . 22-6 . 10"*
') Winter und Parmentier, Die Kryoskopie der Milch etc. zit. nach dem ehem.
Zentralbl. 2. 1170. 1904.
^) Koep2)e, Vergleichende Untersuchungen über den Salzgehalt der Frauen- und
Kuhmilch. Jahrb. f. Kinderheilk. 47. 399. 1898.
^) Genaueres über Theorie und Methodik dieses Gebietes findet man in diesem
Handbuch: FriedeHlhal, Bd. 1. 534.
*) Koepjje, 1. c.
Methodik der Milchuntersuchiing. Ar\
Nach Binaghl^) dagegen ist sie für frische, uiiverfillschte Müch
ziemlich konstant.
Sie i)eträgt für die:
Schafmilch 49-4;> h\l'>
Zieociiiiiilch 4T-()1 I90G
Kuhmilch 47(>7_4«)-7)^
3. l)as Lichtbivchmii::svcnnös;eM des .Milchsrniiiis.
Das Serum normaler Milch scheint für ein- und dicscliie Milcliart
ziemhch konstante Brechungswerte zu liefern. Natürlich kommt es auch
auf die Art der Gewinnung des Serums an.
Nach Lythgoe und JS'urmherg'^ liefern die niedrigsten Werte das
Chlorkalziumserum, dann das Serum aus spontan geronnener Milcli : die
höchsten Werte das Essigsäureserura.
Mai und Bothenfiisscr^) und Georg Wiegner*) halten umfangreiche
Studien über die Art der Herstellung des Serums und seiner rntersurhiing
angestellt.
Das Chlorkalziumserum besteht aus Wasser, Milchzucker, Serum-
eiweiß, Mineralien und Zitronensäure. Wiegner hat für diese Bestandfeile
die spezifische Kefraktion bestimmt und hat nachgewiesen, dall die
spezifische Befraktion des Serums nur vom Aschegehalt, und zwar in kleinem
Maße abhängig ist. Die spezifische Befraktion berechnete er aus der
n- — 1 1
Formel B = — -—" .-, wo n den Brechunusexponenten und d die Dichte
n^ + l d ^ ^
bedeutet.
Zur Herstellung des Serums bedient man sich der sehr schnellen und
guten Methode nach Ackermann.^)
30 cm^ Milch werden mit 0""i5 cm^ Chlorkalziumlösung vom spezifi-
schen Gewicht 1-1375 versetzt und in ein Beagenzglas gefüllt. Man ver-
stopft das Beagenzglas mit einem einfach duichbdhrten (ininiMisti»|)fen.
Durch die Bohrung führt ein langes enges IJolir. das als llücktltir'ruhr
dient. Man setzt das Glas in ein siedendes Wasserltad und läßt !."> .Minuten
darin stehen. Dann wird es in kaltes Wasser von ITö" hineingestellt.
Das klare Serum wird auf seinen I^rechuntrsindex durch ein Kintaiich-
*) Binaghi, Die elL'ktrisclic Loitfaliigkcit der .Milch iiiul ihif .Viiwoiiduug /um
Nachweis der Verwässcrung und eines Zusatzes von Elektrolyten. IJioehem. Zeitschr.
29. 60. 1910.
*) LijtlKjoe und Xureuhcr;/, Vau Vi'igliifli dvr Methoden zur HarstollunL.' «h-s .Milcli-
serums, zitiert nach d. Cliem. Zentrallil. 1. CiUH. l'.KI9. .lourn. of Ind. and Kni.'in. (Mi«>m.
I. 38. 19Ü9.
") ^fai und llotlieuf unser . Heitrair»' zur Kenntnis der liichtlirccliuiiL; dc^ i m.ii-
kalziumserums der Milch. Zeitschr. f. L nters. v. Nahrungs- u. (ieniiüniitid. iid. Ul. 7. l'.MkH.
*) Wiegner (unter Mitwirkung von Yakmva), Über das I3recliiingsvennö(t<'ii und
das spez. Gewicht des t'hlorkalziunisennns der .Milch. .Milchwirtsch. Zentralld. V. 473. 1909.
^) Ackermann, Mitteilung üher den rcfraktometrischen Nachwi-is des WaKSer-
zusatzcs zur Milch. Zeitschr. f. Untersuch, d. Nahrungs- u. üenuüniittel. 13. 18G. 1907.
472 E.F.Edelstein.
refraktometer untersucht. Der Brechungswert der Kuhmilch beträgt im
Mittel 1-3502.
Es sei noch kurz bemerkt, daß für den Nachweis einer Verwässerung
der Milch oft auch die Nitrat reaktion verwendet wird. Die normale Milch
enthiilt fast nie salpetersaure Salze. Fällt also die Salpetersäureprobe
positiv aus, so rührt das von dem der Milch beigemischten nitrathaltigen
Wasser her. Man weist die Salpetersäure nach auf Grund der bekannten
Reaktion mit Diphenylamin (Blaufärbung).
Nach Moeslinger i) kocht man 100 cm^ Milch mit 1-5 cm^ einer
20Voigen Chlurkalziumlösung und filtriert. Ein halber Kubikzentimeter
dieses Filtrates wird tropfenweise zu 2 cm'^ einer schwefelsauren Diphenyl-
aminlösung hinzugefügt und einige Minuten stehen gelassen. Die Diphenyl-
aminlösung stellt man sich her, indem man 20 g Diphenylamin in 20 cm^
verdünnter Schwefelsäure löst und auf 100 cni^ mit reiner, Ivonzentrierter
Schwefelsäure auffüllt. Die Reaktion führt man am besten so aus, daß man
die ^lilch in einem Reagenzglas mit der schwefelsauren Diphenylamin-
lösung vorsichtig unterschichtet.
Nach Beiss und Sommerfeld 2) soll man vor allem darauf achten, daß
die Flüssigkeiten sich nicht erwärmen.
Der Säuregehalt der Milch.
Frische Milch reagiert gegen Lackmus amphoter. Diese Doppelreaktion
rührt w^ch. tioxMet^) vom neutralen Alkaliphosphat her, welches alkalisch
reagiert, und von dem sauren und sauer reagierenden Alkaliphosphat.
Durch Titration kann man den alkalischen und sauren Anteil feststellen.
Er fäUt verschieden aus, je nachdem man Phenolphtalein. Lackmoid oder
einen anderen Indikator anwendet. Überhaupt haben ..alle Titrationen mit
Indikatoren nur einen konventionellen Wert" {Baudnitz^).
Die wahre, absolute Reaktion (nach van Dam '") der potentielle Säure-
grad) hängt von der Konzentration der Wasserstoff- und Hydroxyl-Ionen
ab, und zwar von dem Verhältnis des Gehaltes der Wasserstoff-Ionen zum
Gehalt der Hydroxyl-Ionen (Fricdenthal).
Foä ß) hat denn auch mittelst der elektrometrischen Bestimmung nach-
gewiesen, daß die Reaktion der frischen Kuhmilch fast neutral ist.
^) Egger und Möslinger, Die Diphenylaminreaktion zum Nachweis der Salpeter-
säure in der Milch. Bericht über die 7. Versammlung baj-rischer Chemiker in Speyer.
Berlin 1889. S. 82.
■-) Sommerfeld, Handbuch der Milchkunde. 296. 1909.
^) Soxhlet, Beiträge zur physiologischen Chemie der Milch. Journ. f. prakt. Che-
mie. 6. 19. 1872.
*) Raudnitz, Bestandteile, Eigenschaften und Veränderungen der Milch in: Äsher-
Spiro, Ergebnisse d. Physiologie. 1903. 303.
^) van Dam, Beitrag zur Kenntnis der Labgeriunuug. Zeitschr. f. physiol. Chemie.
m. 295. 1909 und Milchwirtschaftl. Zentralbl. 5. 154. 1909.
") Foa, Die Reaktion der Milch und des Humor aqueus. vermittelst der elektro-
metrischen Methode untersucht. Compt. rend. soc. biol. 59. 51. 1905; zitiei't nach Malijs
•Jahresbericht d. Tierchemie. 226. 1905.
Motliotiik der Milcliuiitcrsuchuii;;. >-•.
van Dam luit mittelst der Restiininiin;,'- der olcktroinotorischon Kraft
(Konzentrationskette') den potentiellen SiUirc^M-ad (die Wasserstoffkon-
zentration) der Milch zu 0-16 — 0*.'52. K)"" ^^etundcn.
Der „konventionelle Wert" der Titration ist für <lir l'raxis nicht zu
unterschätzen. Man kann an ihm durch Verfrleichsversiichc unter Anwen-
dung eines bestimmten Indikators den (Jang der allmählichen Milchzer-
setzung studieren.
In Verbindung mit anderen Bestimmungen kann liie Titration wert-
volle Aufklärungen liefern.
Zur Ermittlung des Säuregehaltes der Milch wendet man am vorteil-
haftesten die Methode von Soxhlct- Henkel^) an.
50 cm^ Milch tritriert man unter tüchtigem Schütteln gegen Thenol-
phtalein (2 cm^ einer 2Voigen alkalischen Lösung) mit einer -^ Natronlauge
bis zu einer schwach-rötlichen Färbung. Die verbrauchten Kuliikzentimeter
Lauge mit 2 multipliziert geben die Azidität der .Milch an (Säuregrad).
Thärner^) und andere variierten die.se Methode, indem sie entweder
weniger oder eine verdünnte Milch oder schließlich eine ~ Natronlauge zum
Titrieren gebrauchten.
Die Resultate dieser Methoden sind nicht alle gleich, was selbstver-
ständlich ist, da z. 1). durch die Verdünnung zwar der tatsächliche (ielialt
der Säuren sich nicht ändert, aber bei dem Farbenumschlag der Indikatoren
eine Verschiebung eintritt (Michaelis und lionti, Frirdcnfhal*).
^lan hält .sich zweckmäßig bei Vergleichsbestiinmiiiigen an die eine
Methode (Soxhl et- Henkel).
Frische Kuhmilch verbraucht im Mittel &S — T'ö cnr^ ' Natronlauge.
■i
Läßt man die Milch an der Luft stehen, so beginnt, wie schon er-
wähnt, allmählich eine bakterielle Zersetzung (fbergang von Milch/ncker
in Milchsäure), sie wird sauerund hat immer mehr Neigunir zum (lerinnen.
Wird eine solche Milch ei-hitzt, so gerinnt sie. Darauf beruht die so-
genannte Kochprobe.
Man erhitzt einige Kubikzentimeter Milch in einem Ueagenzgla.s
unter Umschütteln zum Sieden mid überzeugt sich, ob sie geronnen i>t.
Auch die Zugabe von Alkohol zur Milch wird als Kriterium dafür
benutzt, ob diese schon zersetzt ist oder noch nicht.
Diese sogenannte Alkoholprobe wird ausgeführt, indem man Ldeiche
Teile Milch und Alkohol (GS vol.-" oig) in «'inem lleagenzglas nnter Um-
') Sielie Friedcnfhal, Bd. 1. 553 der Arbeitsmethoden.
=) Soxhht und Henkel, Titrationsapparat znr Bestininunifj des SäiirepolL-iltes der
Milch nach neuer Methode, ref. Chcni. /entralM. 2^1'^. 18S7 und Hfnke}, Dir « ■ '•• ,t
der Milch, deren Beziehungen zur Gerinnung beim Kochen und mit .\lkohol, u
bestimmuugsmethode, der Nerlauf der Säuerung. Milchwirtschaft!. Zentralld. 3. 340. llfUT.
') Thörncr, Zur Milchsäureliestimmung. Chcm. Zeitung. If). I4t'.'.) IS'VJ.
*) Siehe Bd. 1 u. 3 dieses Ilandlmches.
474 E. F. Edelstein.
schütteln mischt und feststellt, ob innerhalb einer Minute eine Gerinnung-
eintritt.
Außer der Milchsäuregärung findet in der sich zersetzenden Milch,
durch anärobe Bakterien veranlaßt, die sogenannte Buttersäuregärung
statt. Dabei entstehen flüchtige Fettsäuren, wie Buttersäure, Propionsäure,
Essigsäure. (Übrigens entwickeln auch ]\Iilchsäurebildner gleichzeitig flüchtige
Säuren in nicht geringer Menge, i)
Um den qualitativen und quantitativen Verlauf der Bildung flüchtiger
Säuren zu verfolgen, genügt die Bestimmung des Säuregrades nicht.
Man muß zur Destillation greifen, um im Destillate die flüchtigen
Säuren isoheren und bestimmen zu können. Die bisher übliche Wasser-
dampf-Destillation ist nicht ganz zuverlässig. Denn abgesehen davon, daß
auch Milchsäure mit Wasserdämpfen flüchtig ist, ist bei dieser Methode
eine Hydrolysierung des Fettes und der Eiweißstoffe der Milch und da-
durch ein Zerfall in flüchtige Säuren nicht zu umgehen.
Eine von IVelde und vom Verfasser ausgearbeitete Methode^), die auf
der Verbindung der Wasserdampf- mit der Vakuumdestillation beruht
(Vakuum-Dampfdestillation), gestattet die flüchtigen Fettsäuren ohne Ge-
fahr der Eiweiß- und Fettzersetzung und getrennt von der Milchsäure zu
bestimmen.
Hier wird nur ganz kurz die Methode angegeben; bezüglich der theo-
retischen Begründung und praktischen Ausführung sei auf die Original-
arbeiten hingewiesen.
100 ci)(^ Milch werden zunächst direkt 1 Stunde lang bei einer
Wasserbadtemperatur von 60° destilliert. Dabei gehen die freien ^) flüch-
tigen Fettsäuren über. Nach einer Stunde unterbricht man die Destillation,
entleert die Vorlage und destilliert weiter. Die Destillate werden getrennt
mit einer — NaOH gegen Phenolphtalein titriert.
Diese getrennte Titration gestattet eine Kontrolle der Destillation.
Das zweite Destillat darf höchstens V3 des ersten an ^ XaOH ver-
brauchen.
Will man auch die gebundenen flüchtigen Fettsäuren bestimmen, so
destiUiert man weitere zwei Stunden (je eine Stunde, etwa 700 cm^ Destillat,
wird titriert) unter Zusatz von 7 — 10 cm^ Phosphorsäure (D=l-12).
Die Milchsäure bleibt bei dieser Destillation im Rückstand. Ihre ge-
naue quantitative Bestimmung ist noch nicht durchgeführt.
1) Weigmann, Mykologie der Milcb. 44. 1911; i/awwars^ew, Lehrb. d. pbysiol.
Cbemie. 610. 1911.
^) E.Weide, Eine neue Metbode zur quantitativen Bestimmung flücbtiger Fett-
säuren. Biocb. Zeitscbr. 28. 504. 1910. — Bahrdt, Edelstein, Langstein, Weide: Unter-
sucbungen über Pathogenese der Verdauungsstörungen im Säuglingsalter. Zeitscbr. f.
Kinderheilkunde. 1. 139. 1910.
") Und die aus ihren Salzen durch andere, nicht flüchtige Säuren (z. B. Milch-
säure) freigemachten.
MetliDiiik der .Mililimitcrsiiclmiig. t-^
Schließlich vereini'^'t man iillc Dostillatc und hcstiiiinit durch Isolioruni,'
die Qualität und Quantität (Sill)orsalzo) der Fettsäuren.')
Die Destillation von 2i>i) cm^ frischer, roher Kuh milch Qv^Ah:
Ol cm3 ^ NaOII ohne l^).,
0-7 nii^ ^'J^ NaOH mit VA\
die Destillation von 250 cm^ frischer Frauenmilch 012 <//<« " NaOH.
Diese Methodik erliel)t solbstverständlicli keinen Anspruch auf \(ill-
ständii^keit. Die hygienische Seite der Untersuclunig konnte nur ganz kurz
gestreift werden. Bezüglich der bakteriologischen Prüfung der Milch muß
auf SpezialWerke, die mehr in den Rahmen der Mykologie hin<'ingehören,
verwiesen werden.
Aus der Fülle der Methoden wurden nur solche ausgewählt, denen
einerseits eine geschichtliche Hedeutung zukommt, die aber trotzdem in
manchen Fällen gut anwendbar sind. Andrerseits sind nur ganz sichere
in der Praxis erprobte Verfahren angegeben worden. Fndlicli ist auch die
neueste Literatur berücksichtigt. Die ihr entnommenen Bestimmungsmo-
thoden konnten auf ihre Tüchtigkeit noch nicht nachge[)rüft werden und
gelten wohl nur als Hinweis auf die Möglichkeit einer Verbesserung oder
einer Vereinfachung der bisher bekannten Methoden.
Bei schnell orientierenden Analysen (für Milchliyürieniker und Milch-
praktiker) kommen folgende Bestimmungen in Betracht :
1. Spezifisches Gewicht mit dem Laktodeusimeter nach So.rhlrt.
2. Fett (nach Gerber am schnellsten und für \'ollmilch genau genug).
t}
Trockensubstanz: Handelt es sich um normale Kuhmilch, so er-
mittelt man die Trockensubstanz aus der Fleisehnimw^^chon Formel, in die
man die gefundenen Werte von Fett und spezifischem (Jenicht einsetzt.
Sonst mujj man durch P^indampfen die Trockensubstanz bestimmen, kom-
biniert aber zugleich diese Bestimmung mit der Frmittlung des Fette.s.
Dadurch fällt natürlich die erste Fettbestimmung weg. Man spart insofern
an Material, indem man die in einem ro//r/sclieii Schiffchen eingedampfte
Milch bei lOo" trocknet (im .S'o./7//r/schen Trockenofen) und nach Fest-
stellung der Trockensubstanz mit wasserfreiem Äther extrahiert und so
das Fett bestimmt.
4. Säuregrad nach Soxhlet-Hetdel.
5. Farbe, Geruch, Geschmack. Alkohol- und Kochprolie, llenzidniprobe.
Es ist selbstverständlich, dal) sich daran eine Keim/iddum: der
Milch, oft auch die bakteriologische rntersurhuug anschliel^eu luui..
Bei Analysen für Stoffwechsel und andere Versuche wird man be-
stimmen :
') Pringsheim, Bd. 2 dieses Himdb. und liöhumn». im Kapifrl IVtt IM. 2 dir^w
Handb.
476 E.F.Edelstein. Methodik der Milcbuntersuchung.
1. Spezifisches Gewicht.
2. Fett nach Gottlieb-Böse.
3. Trockensubstanz.
4. Gesanitstickstoff nach Kjeldahl.
5. Gesamteiweißgehalt nach Ritthauseih
6. Das Filtrat davon (je 100 cm^)^) wird für die Laktosebestimmung
verwendet (Gewichtsanalytisch nach Soxhlet).
7. Kasein und Albumin nach Hoppe-Seijler oder für Frauenmilch nach
der Modifikation \o\\ Schmidt.
8. Gesamtasche und Mineralanalyse.
Nimmt man für die Trockensubstanz 25 cm^, so kann man damit
auch die unter 8. aufgezählte Analyse bestimmen.
Insgesamt wird man mit 160 — 180 crn^ Material auskommen.
Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, daß die Milch keine homo-
gene Lösung ist. Eine richtige Durchschnittsprobe ist infolgedessen für die
Genauigkeit der Analysen eine primäre Forderung.
Für Stoffwechselversuche können Milchproben und verschiedene Milch-
mischungen in großen Molkereien gleichmäßig gemischt und steriUsiert
werden.
So hergestellt, sind sie lange Zeit haltbar.
') Und zwar das Filtrat ohne Waschwasser!
Fettbestiiiiiiiuiig- iiacli Kuiiiagawa-Suto.
Von MuiHM) Kuimigawa, Tokio.
1. Begründung unseres Verseifungsverfahrens als Fett-
bestimmungsmethode.
Wir bestimmen mit unserer Methode ausschließlich die Menge der
hochmolekularen Fettsäuren im tierischen Material ohne Rücksicht darauf,
welchen Verbindungen diese angehören. Unter den tierischen Bestandteilen
ist gegenwärtig eine ganze Reihe von Verbindungen bekannt, welche im
^loleküle Fettsäureradikale enthalten. Dahin gehören Neutralfett. Lezithin,
Kuorin, Seife, Protagon, Zerebrin, Cholesterinester, Jekorin, Myelin, Lezith-
albumin usw. Mit dem Fortschritte der Biochemie scheinen immer noch
neue Zellenbestandteile entdeckt zu werden, die zur Gruppe der Phospha-
tide respektive der Lipoidsubstanzen gehören. Die meisten davon enthalten
ebenfalls im Moleküle Fettsäureradikale. Nach unserer ^Methode werden
nun alle genannten Verbindungen zunächst in ihre einzelne Komponenten
zerlegt und hieraus wird die Gesamtmenge der hochmolekularen Fettsäuren
quantitativ ermittelt. Im strengen Sinne ist demnach unser Verfahren keine
Fettl)estimmungsmethode, sondern ein Verfahren zur (piantitativen Be-
stimmung der gesamten hochmolekularen Fettsäuren im tierischen Material.
Fragt man indessen darnach, was man eigentlich mit den bisher bekannten
Methoden bestimmt, so würde darauf keiner der Autoren eine klare Ant-
wort geben können. Außer der Verseifungsmethode von Liehtrmann-Szekdy ^)
haben fast alle übrigen Fettbestimnmngsmethoden das Ziel, aus dem Organ-
pulver die in Äther respektive Petroläther löslichen Substanzen ad maximum
auszuziehen. Das so gewonnene Extrakt bezeichnet man als Fett; allein es
wird von dem einen oder anderen Extraktionsmittel viel zu viel verlangt,
wenn es aus den unzähligen \'erl)indungen tierischen Materials nur Neutral-
fett oder Verbindungen mit Fettsäurerailikalen (der Kürze halber Lipoid-
substanzen genannt), und zwar genau (juanlitativ ausziehen soll. Als natür-
liche Folge davon hat sich nach unseren Untersuchungen -) herausgestellt,
daß alle diejenigen Methoden, welche sich besonders hoher Ausbeutt'n
') V. Lichcnnann uml Szekclij, Eiue neue Metliodo der Fottbi'stiuiinuiif: in Fnttrr-
mitteln, Fleisch, Kot usw. Arch. f. d. ges. Physiol. 72. 300 (189.S).
■-) Kiimagawa-Suto, Fettbestinmuing. Zcitschr. f. Bioch. 8. 212 (19U8).
478 ^- Kumagawa.
erfreuen, wie die Alkohol-Chlorofonnmetliode von G. Rosenfeld'^), die
Alkoholmethode von E. Bogdanow-) usw. Ätherextrakte liefern, die 17'4 bis
46% an Verunreinigungen einschließen. Trotzdem entgehen noch über
10% der hochmolekularen Fettsäuren der Bestimmung, indem dieselben im
extrahierten Pulverrückstande zurückbleiben. Andere Methoden, welche aller-
dings viel feineres Fett mit ca. 5% Beimengungen liefern, wie die Me-
thode der direkten Ätherextraktion von Soxhlef, von E. Voif 3), diejenige
der direkten Petrolätherextraktion von W. Glik'm^) usw.. vernachlässigen
ebenfalls gegen lO^/o der hochmolekularen Fettsäuren. Die Verdauungs-
methode von Pßüger-Dormeyer ^j, welche diesen Verlust zu vermeiden
bezweckte, nimmt leider von neuem so beträchtliche Beimengungen auf,
daß dieselben 16*7 — 40% tles Ätherextraktes ausmachen. Trotzdem ent-
gehen auch bei dieser Methode über lO^/o der Fettsäuren der Bestimmung.
Diese Ergebnisse geben uns Beweisstücke dafür, daß alle diejenigen Me-
thoden, welche Tierfett ohne Beimengung aus dem Organpulver quantitativ
auszuziehen bezwecken, Unmögliches anstreben. Die Verseifungsmethode
von V. Liehermann- Sz^kely , die dem Prinzip nach unter den bisher be-
kannten Methoden der Fettbestimmung als die richtigste bezeichnet werden
darf, leidet wiederum daran, daß sie eine viel zu große Menge niederer Fett-
säuren mitbestimmt. Auch bei dieser Methode entgehen zudem noch etwa
9% der hochmolekularen Fettsäuren der Bestimmung.
Demnach gestatten uns keine der bisher gekannten Fettbestimmungs-
methoden, aus dem tierischen Material das Neutralfett allein quantitativ
zu isolieren. Umsoweniger sind wir imstande, die einzelnen Verbindungen
mit Fettsäureradikalen getrennt zu bestimmen. Sollte es uns einstweilen
auf irgend eine Weise geUngen, sämtliche Lipoidsubstanzen ohne Beimen-
gung aus dem Organpulver quantitativ auszuziehen, so würde das so ge-
wonnene Extrakt doch ein Gemenge von Verbindungen mit grundver-
schiedenen Molekül argrößen darstellen, das in keiner Hinsicht eine ver-
gleichbare Einheit bildet und daher unmöglich einfach als Fett bezeichnet
werden darf. Was für die genannten Verbindungen einzig gemeinsam ist, das
sind nur die hochmolekularen Fettsäuren. Demnach bilden die letzteren allein
für diese Gruppe von Verbindungen gemeinsame charakteristische Bausteine.
Zu den biologisch bedeutsamen Fragen muß zurzeit unzweifelhaft
auch das Problem der Fettbildung aus Eiweiß im Tierkörper gezählt
*) G. Rosenfeld, Zur Methodik der Fettbestimmung. Zeutr. f. iuu. Med. 21. Nr. 83.
833. (1900).
^) E. Bogdanow, Xeue Methode der Fettbestimmung in tierischen Substanzen,
Arch. f. d. ges. Physiol. 68. 431. (1897.)
*) E. Voif, Ein Beitrag zur Methode der Fettbestimmung. Zeitschr. f. Biolog.
35. 555. (1897.)
*) W. Glikin, Untersuchungen zur Methode der Fettbestimmung in tierischem
Material. Arch, f. d. ges. Physiol. 94. 107. (1903.)
^) E. Pflüger, Über die Entstehung von Fett aus Eiweiß im Körper der Tiere. Arch.
f. d. ges. Physiologie. 51. 277. (1892.) — Bormeyer, Die quantitative Bestimmung von Fetten,
Seifen und Fettsäuren in tierischen Organen. Arch. f. d. ges. Physiologie. 65. 90. (1897.)
Fettitostimmung nach Kumagawa-Suto. 479
werden. Zur Entscheidung^ dieser Frage ist gerade eine exakte Feststellung
der hochmolekularen Fettsäuren allein maßgebend, wie unter anderem auch
F. Sieytrt^) darüber folgendermalien sich iiul'iert: ,.Die fettige Degeneration
der pathologischen Anatomen kann nur P.ezug haben auf die Bildung
wasserunlöslicher Fette oder Fettsäuren, nicht aber auf die Bildung der
niedersten Fettsäuren, welche als solche und in ihi-en (Jlyzeriden noch
mehr oder weniger wasserlöslich sind, ebensowenig auf Milchsäure und
andere Oxysäuren, welche, obgleich ätherlöslich, doch an dem histologischen
Bilde der fettigen Degeneration sicher keinen Anteil nehmen. Der Nach-
weis echter Fettbildung muli also hinauslaufen auf einen Nachweis der
Entstehung hoher Fettsäuren, nicht etwa bloß einer Zunahme des Äther-
extraktes." /'. Krems-) sagt darüi)er ebenfalls: „Die maßgebende chemische
Leistung bei der Fettbildung im Organismus ist ausschließlich die Ent-
stehung der höheren Fettsäuren."
Demnach steht es fest, daß die Entscheidung der Fettbildungsfrage
aus Eiweiß im Organismus ohne einwandfreie Bestimmung sämtlicher hoch-
molekularen Fettsäuren ganz unmöglich ist. Leider sind alle bisherigen
Untersuchungen, welche sich mit dieser Frage beschäftigt haben, mit
mangelhaften Methoden angestellt worden. Daher bedürfen die bis jetzt
gewonnenen Resultate betreffs genannter Fragen einer erneuten Revision
mittelst einwandfreier Methoden.
Wenn wir somit vorschlagen, zur Fettbestimmung tierischen Materials
die hochmolekularen Fettsäuren allein zu berücksichtigen, so wird dies jedem
Unbefangenen im ersten Augenblicke etwas befremdend erscheinen, weil das
tierische Neutralfett regelmäßig Triglyzeride hoher und niedriger Fettsäuren
darstellt. Zieht man indessen die Zusammensetzung des Tierfettes etwas
genauer in Betracht, so wird man leicht einsehen, daß unsere Auffassung
durchaus begründet und zweckmäßig ist. Überblickt man in dem Werke
der Fettchemie von Beuediixt-lJher sowie im Buche von Leivkuu-itscJi die
sogenannten i/c//« ersehen Zahlen, welche bekanntlich die Menge der wasser-
unlöslichen, also hochmolekularen Fettsäuren in 100 fj Neutralfett angeben,
so betragen diese bei Säugetieren im Mittel 95'7. Demnach besteht
das Neutralfett der meisten Säugetiere zu OöwVo iius hochmolekularen
Fettsäuren. Die fehlenden 4'i5«/ü gehören dem (Jlyzerin und den niederen
Fettsäuren an. Die Menge der letzteren läßt sich aus der Beicherf-Meißlschen
Zahl leicht berechnen. Sie beträgt beim Säugetierfett im Mittel 0'765.
Rechnet man sie auf Buttersäure um, so erhält man 0*135"/o des
Neutralfettes. Ausgenommen Buttei'fett, einige Tranarten und Pflanzen-
öle, enthält also das Neutralfett flüchtige Fettsäuren in der Regel in einer
so geringen Menge, daß man sie für die gewöhnliche Analyse ohne
merklichen Fehler ganz vernachlässigen kann. Demnach halten wir es für
') F. Siegert, Das Vorhalten des Fettes bei der Antolysc dor l.ohor. Boitr. z.
ehem. Physinl. u. Pathol. 1. 114. (1901.)
*) F. Kraus-, Üher FettdoironcrutiuM und Fettinfiltration. Verhdi. d. Deutsch, pathol,
-Ges. 1903. 45.
480 M. Kumagawa.
berechtigt und zweckmäßig, die fehlenden 4"3"/o ganz als Glyzerin in An-
schlag zu bringen und den durch unsere Verseif ungsmethode festgestellten
Wert der hochmolekularen Fettsäuren aus praktischen Gründen durch
]\lultiplikation mit dem Faktor 1"046 in Neutralfett anzugeben, obwohl tat-
sächlich ein nicht geringer Teil derselben in Form von anderen Lipoid-
substanzen oder Phosphatiden existiert.
In der Stoffwechsel- und Ernähriingsphysiologie hat sich seit Jahr-
zehnten der Modus eingebürgert, die Menge der Eiweißk(irper aus Stick-
stoff und die der Kohlenhydrate aus der Reduktionskraft zu berechnen,
weil ihre quantitative Isolierung in den meisten Fällen fast unmöglich ist.
Nur die Fettbestimmung wurde in dieser Hinsicht stiefmütterlich be-
handelt. Der tief eingewurzelte Irrtum, daß sich das Fett allein durch
einfache Extraktion aus dem Organpulver genau quantitativ isolieren lasse,
hat uns bis jetzt zu groben Fehlern Veranlassung gegeben. Dieser Irrtum
ist um so auffiiUiger, als die indirekte Fettbestimmung von hochmolekularen
Fettsäuren aus ihrer größeren Stabilität und ihres größeren Prozentgehaltes
halber ungleich sicherer und genauerer ist, als die indirekte Bestimmung
von Eiweißkörpern oder Kohlehydraten.
Demnach glauben wir wohl mit Recht, daß die quantitative Fest-
stellung hochmolekularer Fettsäuren zurzeit unzweifelhaft die rationellste
Fettbestimmungsmethode ist und unsere Verseifungsmethode für die quan-
titative Untersuchung der Lipoidsubstanzen unter allen Umständen die
erste Grundlage bildet. Wenn hierzu noch in der Zukunft Methoden aus-
gearbeitet werden, welche uns gestatten, etwa, wie nach dem Vorgange von
Ä. Erlandsen i), einzelne Phosphatide und sonstige Lipoidsubstanzen quantita-
tiv zu isolieren, so würde man erst dann ein klares Bild erhalten, in welcher
Verteilung sich die Fettsäureradikalen an dem Aufbau der Zellen beteiligen.
II. Beschreibung der Methoden.
Seit der Publikation unserer Verseifungsmethode haben wir bis jetzt
öfters Gelegenheit gehabt, dieselbe in verschiedenen Fällen anzuwenden.
Nach diesen Erfahrungen haben wir es für zweckmäßig gefunden, unsere
Methoden in zwei Formen zu teilen :
1. Direkte Verseif ung.
2. Alkoholextraktion mit nachfolgender Verseifung des Alkohol-
extraktes.
Hiervon ist indessen die direkte Verseifung weitaus in den meisten
Fällen vorzuziehen. Sie stellt die Originalform dar, während die zweite
als eine Modifikation der ersteren anzusehen und nur in den Fällen
anzuwenden ist, wo die erstere nicht glatt zum Ziele führt. Daher brauche
ich im Folgenden nur die erstere etwas genauer zu beschreiben. Die Aus-
führung der zweiten Methode ergibt sich dann meist ohne weiteres.
1) A. Erlandsen, Uutersuchuugen über die lezithinartigeu Substanzen des Myokards
und der quergestreiften Muskeln. Zeitschr. f. d. pbysiol. Chem. 51. 71. (1907.)
Fettbestimmung nach Kumagawa-Suto.
481
Dampfbad. • g nat. Gr.
Fig. 120.
1. Direkte Verseifung.
Je nach dorn Umstände kann man das Material entweder in feuchtem
Zustande oder in Tulvcrform verseifen. Nur muß man hier von Anfaii}»:
an darauf achten, dali die Konzentration der Verseifungslauge in allen
Fällen ungefähr dieselbe bleibt, damit die bei der folgenden Übornontrali-
sation des Verseifungsgemisches mit Säure stets auftretende Ausscheidung
sich ganz glatt und vollständig verdichtet. Wenn man Organbrei im
feuchten Zustande verseift,
nimmt man je nach dem
Fettgehalt ») 5—20^ Substanz
für eine Bestimmung und gibt
hierzu ca. 7 — >^cm''' gesättigter
Natronlauge (l'oD — stets
mit einem kleinen Meßzylinder
abzumessen). Zu der Probe
von ca. bg Brei setzt man
außer Lauge noch etwa 14 cm^
Wasser und zu derjenigen von
ca. 10 g Brei entsprechend
etwa lOcw/^ Wasser hinzu usw.
Über 20^ Brei ist kein Wasser-
zusatz mehr nötig. Handelt
es sich um die Verseifung des
getrockneten Organpulvers, so
nimmt man je nach dem
Fettgehalt 2 — bg desselben
und gibt zweckmäßig 2b cm^
fünffacher Normalnatronlauge
( 20g NaH( ) in 100 nii^) hinzu.
Die \'erseifung geschieht
nun in der Weise, daß die in
einem Becherglas von 150 bis
200 cws Rauminhalt mit Lauge
versetzte Substanz auf dem
Wasserbade zwei Stunden zer-
kocht wird. Zweckmäßig be-
deckt man das Becherglas
mit einer nach oben zu einer
feinen Öffnung zugespitzten Glasglocke (Fig. 119). Die Temperatur steigt
im Innern derselben überall auf 100" G. Während der Verseifung wird
die Mischung ein paar Mal mit einem Glasstab umgerührt. Schon
nach etwa 10 Minuten erfolgt eine gleichmäßige Auflösun": der Sub-
Asbestfilter.
"j nat. Gr.
A = Asbest.
ir = entfettete
Watte.
') Die zweckniäßipp Meiit^e liochm(»lcUulaicr Fettsäuren, welche für eine Bestim-
muug in Wagiuij,' kommt, betrugt gegen {)2~0'd(j.
Abderhalden, Handbuch der biochemiechen Arbeitsmethoden. V. 31
482 ^- Kumagawa.
stanz bis auf wenige Flocken. Nach etwa zweistündigem Zerkochen
wird die Lösung noch warm in einen hermetisch scliließenden Scheide-
trichter von ca. 250 cw3 Rauminhalt hineingebracht. Das Becherglas
wird 2 — 3mal mit ein wenig warmem Wasser (etwa 5 cm^) ausgespült.
Nun wird die Mischung mit 30 cm^ 20^/oigeY Salzsäure (M D) überneutrah-
siert. Zu dem Zwecke werden am besten nach dem Erkalten des Trichters
bis auf etwa 40 — 50" C zunächst 20cm^ der Säure hineingegossen, dann wird
tüchtig geschüttelt und mittelst Leitungswassers gut abgekühlt. Alsdann werden
die übrigen 10 cw^ der Säure zugegeben und ganz ebenso weiter behandelt,
wie vorher. Es tritt dabei eine reichliche Ausscheidung auf. Nach guter
Kühlung werden nun 70 — 100 cm » Äthyläther hinzugegeben und tüchtig
geschüttelt. Tennung erfolgt meist sofort. Der Niederschlag verdichtet
sich hierbei zu einer dünnen Schicht in der Mitte. Die klare wässerige
Schicht wird nach einigen Minuten abgegossen. Der bräunlich ge-
färbte Äther wird vorsichtig in ein Becherglas umgegossen. Der Trichter
mit Niederschlag wird zweimal mit ein wenig Äther (5 — 10 cui^) aus-
gespült. Der Niederschlag wird alsdann mit etwa bcm^ Normalnatron-
lauge unter L^m schütteln nochmals aufgelöst. Diese alkalische Lösung wird
von neuem mit 30 — ÖOcm^ Äther tüchtig geschüttelt. Hierzu wird jene
stark saure wässerige Lösung der ersteren Schüttelung hinzugebracht und
nochmals gut geschüttelt. Die Reaktion wird hierbei sauer und die
restierende Fettsäure geht hierbei quantitativ in den Äther über. Durch
wiederholte Prüfung wurde festgestellt, daß sowohl in dem neu aus-
geschiedenen ganz geringen Niederschlage wie auch in dem Schüttelwasser
keine Spur Fettsäure mehr zurückbleibt. Der vereinigte Äther wird ver-
dunstet, dann nochmals mit absolutem Äther aufgenommen, durch Asbest-
filter (Fig. 120) abfiltriert und verdunstet (zum Verdunsten bedient man
sich am zweckmäßigsten der Einrichtung Fig. 121). Das so dargestellte
Ätherextrakt, das außer Fettsäuren P'arbstoff, Milchsäure und noch
unbekannte Beimengungen enthält, wird jetzt einige Stunden bei öO'' C
gut getrocknet und erst dann mit Petroläther extrahiert. Zu dem Zwecke
gießt man am zweckmäßigsten auf das noch warme Ätherextrakt aus dem
Trockenschrank sofort etwa 20—30«^/^ Petroläther unter sanftem Um-
schwenken des Becherglases allmählich hinzu. Es tritt hierbei in der Regel
eine milchige Trübung auf. Das Becherglas wird jetzt mit einem Uhrglas
bedeckt Va — 1 Stunde stehen gelassen , wobei der größte Teil der emulsions-
artigen Ausscheidung sich harzartig zu Boden niederschlägt. Hierauf wird
der Petroläther in ein vorher abgewogenes Becherglas von ca. 100 cm^
Rauminhalt durch Asbest abfiltriert, das farblose Filtrat verdunstet und
bei 50° C bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Diese wird nunmehr in
kurzer Zeit erreicht. Eine genügende Trocknung des Ätherextraktes vor der
Aufnahme desselben in Petroläther ist ganz besonders wichtig, um die
Fettsäuren in reiner, farbloser Form zu erhalten. Hierzu ist auch die Vor-
sicht unerläßlich, daß sowohl der letzte Äthyläther \^1e der Petroläther
absolut rein und trocken sind. Es ist eine bekannte Tatsache, daß hoch-
Fottbestimmuiig nach Kumagawa-Suto.
483
molekulare Fettsäuren heim Trocknen l)ei einer hohen Temperatur infolge
der Oxydation mehr oder wenif^er eine Gewichtsveränderung zeigen. Wir
haben indes durch wiederholte Kxtraversuche festgestellt, daß diese Oewichts-
änderung bei öö" (' und bei einer Trockendauer von einiger Stunden fast
unmerklich ist, wenn die Fettsäuren rein genug sind. Daher haben wir
vom umständlichen \'erfahren der Trocknung in Kohlensäure- respektive
Leuchtgasatmosphäre Abstand genommen. \'or jedei' Wägung wurde indes
das Becherglas mit Extrakt im evakuierten Exsikkator mit eingelegtem
Chlorkalzium erkaltet.
FiR. 121.
Einrichtung zum Verdiinstpn der leicht siedenden Flüssigkeiten mit
Thi»rin()rpgulator und Ventilator. ' u nat. Gr.
S/ = Stativ. Tr = Transmission. 1'= Ventilator. 55 = Schiitzscheibe.
U'6 =: Wasserbad mit Holzbifttüburzntf. R — Thermoregniator.
U'= Wasser. 5 = Drahtsicbmantel. Br = Bunsenbrenner. B = Becher
mit Äther, res. Petroläther.
Die so dargestellten Petrolätherextrakte enthalten stets etwas Chole-
sterin und eine noch unbekannte unverseifbare Substanz in ganz geringer
Menge. Es ist deshalb nötig, die beiden letzteren von den Fettsäuren zu trennen.
Quantitative Trennung der unverseifbaren Substanzen (Chole-
sterin + X) von den Fettsäuren.
Dieses \erfahren stellt gleichzeitig eine neue Methode zur ([uanti-
tativen Bestimmung des Cholesterins dar, weil die Menge der unbekannten
Substanz in den meisten Fällen anscheinend sehr klein ist und dieselbe
bei allen bisherigen Methoden der Cholesterinbestimmung stillschweigend
auch mitbestimmt worden ist.
31*
484 M. Kumagawa.
Das nach der Verseifung gewonnene Petrolätherextrakt wird noch-
mals in Petroläther aufgelöst, in einen Scheidetrichter hineingebracht und
das Becherglas gut ausgespült, so daß der hierzu verwendete Petroläther
N
im ganzen etwa 50 — 70 cm» beträgt. Dazu wird — absolut-alkohohsche
Kalilauge in einer solchen Menge hinzugegeben, daß diese einem etwa 30- bis
40fachen Volumen des ursprünglichen Petrolätherextraktes entspricht. Die
Mischung wird einmal tüchtig geschüttelt. Es entsteht hierbei stets eine
absolut klare Auflösung. Hierzu wird ebensoviel Wasser hinzugefügt, wie
die zugesetzte Menge Kalilauge , und ein paar Mal geschüttelt. Indem hier-
durch die Konzentration des Alkohols auf ungefähr 50«/o sinkt, erfolgt
jetzt sofort eine glatte Trennung der oberen Petroläther- und der unteren
Alkoholwasserschicht. Dabei bleiben die unverseifbaren Substanzen im Petrol-
äther zurück, während die Seife in die untere Alkohohvasserschicht über-
geht. Die abgetrennte alkoholische Seifenlösung wird noch einmal mit
30 — 50 cm3 neuen Petroläthers geschüttelt. Der vereinigte Petroläther wird
verdunstet und der Rückstand durch die Nachbehandlung von der geringen
Menge beigemengter Fettsäuren vollkommen befreit. Zu diesem Zwecke
wird das Petrolätherextrakt nochmals in ein wenig absoluten Alkohol auf-
gelöst, jetzt mit 0*5 — l'O cni^ — absolut-alkoholischer Natronlauge ver-
setzt, wiederum auf dem Wasserbade verdunstet und 15 — oO Minuten bei
100" C getrocknet. Der Pvückstand wird noch heiß mit Petroläther extra-
hiert, durch Asbest abfiltriert, verdunstet und nunmehr bei 100" C bis
zur Gewichtskonstanz getrocknet. Das so dargestellte Extrakt stellt ein
Gemenge von Cholesterin und noch unbekannter unverseifbarer Substanz
dar, deren Trennung zurzeit uns noch nicht gelungen ist.
Wie im Eingange angeführt, ist nur ein Teil der von uns darge-
stellten Fettsäuren als Triglyzeride vorhanden. Die übrigen sind in ver-
schiedenen Formen von Lipoidsubstanzen oder Phosphatiden verteilt. Will
man indes die Gesamtmenge hochmolekularer Fettsäuren i) aus praktischen
Gründen als Neutralfett angeben, so berechnet man. wie folgt:
[Petrolätherextrakt — (Cholesterin 4- X)] x 1-046 = Neutralfett.
Wie man sieht, ist die Ausführung der Methode sehr einfach. Man
kann gleichzeitig mehrere Bestimmungen in kurzer Zeit ausführen. Unter
den tierischen Bestandteilen durch direkte Verseifung mit gutem Erfolg
auf ihren Fettsäuregehalt untersucht worden sind: Skelettmuskulatur, Herz-
muskel, Leber, Milz, Nieren, Nebennieren, Haut, Haut mit Haaren, Knochen,
Magendarmstücke mit Schleimhaut, Lungen, Aszitesflüssigkeit, Pleuraerguß
usw. 2) Flüssigkeiten mit sehr geringem Fettgehalte werden zuerst bei
alkalischer Pieaktion auf eine passende Menge verdunstet und durch Zusatz
*) Die Reinheit der Petrolätherextrakte als hochmolekulare Fettsänreu wurde
von uns durch Elementaranalyse festgestellt (siehe Uriginalahhandlung).
°) Die Untersuchungen hierüber hat Y. Shimidzu sowie Rinji Watanahe ausge-
führt. Die Resultate darüber wird R. Watanahe demnächst berichten.
Fettbestimiming nach Kumagawa-Siito.
485
entsprechender Menge Lauge verseift. Von kleinen Tieren, wie Fröschen
und Mäusen, lassen sich ganze Tiere in toto be(iueni und glatt verseifen.
Für direkte Verseifung weniger gute Kesultate ergaben sich: Gehirn-
substanz, alle Bestandteile des l'.lutes, Filzes und alle j)flaiizliclien Mate-
eignen
rialien mit Zellulose- und 8tiirkegehalt. Diese
direkte \'erseifung nicht, weil die bei der rberneutrali-
sation des Verseifungsgemisches auftretende Ausschei-
dung sich nicht glatt verdichtet und dieselbe auf die
Ätherextraktion störend einwirkt. lilutplasma und I)lut-
serum lassen sich zwar ganz glatt verarbeiten . aber
die Ausbeute der Fettsäuren ist nach Shimidzu^chQY
Untersuchung aus unbekannten T^rsachen stets bedeu-
tend geringer als der wahre Wert. Alle genannten
Substanzen lassen sich viel zweckmäßiger nach der
folgenden Modifikation auf ihren Fettgehalt untersuchen.
2. Alkoholextraktion mit nachfolgender Ver-
seifung des Alkoholextraktes.
Handelt es sich um Flüssigkeiten wie Blut, de-
fibriniertes Blut, Blutplasma, Blutserum oder um
wasserhaltiges Material, wie Gehirnsubstanz, Fäzes
u. dgl., so wird eine passende Menge ^) derselben mit
dem 3 — 5fachem Volumen absoluten Alkohols über-
gössen und ül)er Nacht stehen gelassen. Dann wird die
Mischung abgenutscht und ein paar Mal mit absolutem
Alkohol ausgewaschen. Alsdann wird der Rückstand
mittelst des von uns angegebenen Heizextraktors '-)
(Fig. V2'2) 3—;") Stunden mit absolutem Alkohol ex-
trahiert. Die Erhitzung geschieht mit direkter Flamme,
indem der Extraktor auf eine Eisenschale mit auf-
gelegtem Asbestpapier gestellt wird. Um das Stoßen
zu vermeiden, wird die innere Fläche des Zylinder-
bodens mit Fluorwasserstoff rauh angeätzt. Nach der
vollendeten Extraktion wird der innere Zylinder mit
Substanz herausgenommen und das eingeengte Filtrat
des zum Abnutschen und Auswaschen benutzten Alko-
hols in den äußeren Zylinder hineingebracht. Hierzu
werden 7 — d^cm^ gesättigter Natronlauge (1-51))=')
gegeben und jetzt auf dem Wasserbade mit
sich insofern für die
<
_y
Heißextraktor. • j nat. Gr.
ii = R«ckflnßkUhler.
A"=: Destillierkolben.
EC:^ Kxtraktiongzylinder.
S = Siphon.
/'= Papierhlilse.
ir = Eiitf(>ttete Watte.
('=:; Kiufaoher Zylinder.
H= Drahtbakeo.
aufgesetztem
Kückflulikühler
1) Boi I51iit 10-30 cm\
-) Die gonauore Boschreiliung des Apparates fiiuiet sich in der Kum<t(iaua-Suto-
schen Abhandlung. Biocheni. Zeitschr. 8. 212 (1908>. — Der fast gleiche Extraktor
wurde schon vor uns von Herrn J. V. Berntrop beschrieben. (Zeitschr. f. angew. Chem.
1902. S. 122). Diese Publikation haben wir damals leider nicht gekannt.
') Die Menge der Natronlauge ist absichtlich im Überscluiü gewählt.
486 ^I- Kumagawa.
V2 — 1 Stunde verseift. Schließlich wird der Alkohol durch Entfernung des
Kühlers verjagt, der Rückstand in wenig Wasser durch Erwärmen auf-
gelöst und in den Scheidetrichter hineingebracht. Die weitere Verarbeitung
geschieht genau nach der oben beschriebenen Vorschrift bis auf die Chole-
sterintrennung.
In den mit Alkohol extrahierten Rückständen bleil)en in der Regel
Fettsäuren in so geringer Menge, daß sie für die gewöhnliche Analyse ohne
nennenswerten Fehler ganz vernachlässigt werden können. Will man sie
auch bestimmen, was bei genauer Fettbestimmung zur Kontrolle unerläßlich
ist, so verseift man den Rückstand genau nach der Vorschrift der direkten
Verseifung. Nur muß man nach der Verseif ung des mit Alkohol extrahierten
pflanzlichen Rückstandes die Überneutralisation im Becherglas selber vor-
nehmen und das Amylum durch gründliche Zerkochung bei stark saurer
Reaktion invertieren. Sonst erfolgt die nachfolgende Ätherextraktion nicht
glatt. Wenn man übrigens diese Maßregel nicht versäumt, so kann man
pflanzliches Material ohne viel Zellulosegehalt, wie Reis, von Anfang an
nach der ersten Methode direkt verseifen. R. Inaha 1) hat Reis, Gerste und
Fäzes ebenfalls nach dieser direkten Methode mit Erfolg auf ihren Fett-
gehalt untersucht.
Handelt es sich um getrocknete Substanz, wie pflanzliche Mehlarten,
so bleibt die vorherige Abnutschung mit Alkohol ganz weg. und die Sub-
stanz wird nach gründlicher Pulverisation sofort mittelst des Heizextraktors
mit absolutem Alkohol extrahiert usw.
Bestimmung des Fettes im Harne (bei Chylurie).
Das Fett des chylurischen Harnes kann ebenfalls auf zweierlei Art
bestimmt werden.
Als K. Suto etwa 50 cm^ des normalen Menschenharnes genau nach
unserer direkten Verseif ungsmethode verarbeitete, so resultierte stets eine
kleine Menge von Petrolätherextrakt , das natürlich keine Fettsäure ist.
Durch die Untersuchung von Kanal Yamada sowie von Samuro Kukiuchi
hat sich bald herausgestellt, daß das Petrolätherextrakt des normalen
Harnes nach der Verseifung nichts anderes ist als die aus der Hippur-
säure durch die Verseifung frei gewordene Benzoesäure, der etwas aro-
matische Oxysäuren und Phenole beigemengt sind. Um das Fett in dem
chylurischen Harne zu bestimmen , maß man demnach aus dem Petrol-
ätherextrakt diese Beimengungen ehminieren. Zu dem Zweck hat S. Ka-
kiuchi 2) eine modifizierte Methode ausgearbeitet. Kakiuchi stellte zu-
nächst fest, daß der Gehalt des normalen Harnes an hochmolekularen
Fettsäuren in Übereinstimmung mit S. Hijhhinette ^) in 10 l im Mittel
*) R. Inaha, Über die Fettbestimmungeu der Fäzes und einiger Nahrungsmittel
nach der neuen Methode von Kumagawa-Sufo. Biochem. Zeitschr. 8. 348 (1908).
^) Hierüber wird .S'. jS'aÄ;wc/w 'demnächst berichten.
") S. Hybhinette, Über die Gegenwart von nichtflüchtigen fetten Säuren im nor-
malen Menschenharne. Skand. Arch. VII. 380. 1897.
FettbestimniuDg nach Kuraagawa-Suto.
487
0'024 fi beträgt und somit dieser Wert für die gewöhnliche Analyse ganz
vernachliissigt werden darf. Nach Kukiuvhi werden ca. 50 cm^ chyluri-
schen Harns durch Zusatz von 14 rw^ gesättigter Natronlauge (l-oD)!)
verseift und weiter nach unserer Vorschrift verarbeitet. Alsdann wird das
Petrolätherextrakt in einen Porzellantiegel oder in eine Platinschale von
bekanntem Gewicht hineingebracht und im nebeuverzeichneten Evakuations-
apparat (Fig. 128) auf dem Wasserbade o Stunden durch die Wasserstrahl-
pumpe abgesaugt. Hierdurch entweichen Benzoesäure nebst Oxysäuren und
Phenolen vollständig. Nun wird der PehiUter herausgenommen und nach
dem Erkalten im Chlorkalziumexsikkator zurückgewogen. Dali sich die
Benzoesäure hierbei vollständig verflüchtigt, wurde durch Extraversuche
mit einem Gemenge von reiner Fettsäure und Benzoesäure festgestellt.
Fig. 123.
Vakuumverclainiifnngsa]iiiarat nacli Kakiuclii. 'j iiat. (ir.
Nach einer zweiten Methode kann man den Fettgehalt des chyluri-
schen Harns auf folgende Weise liestimmen. Der chylurische Harn enthält
bekanntlich stets mehr oder weniger Kiwcili aufgelöst. Wird dieses unter
Zusatz von Kochsalz und Essigsäure durch Aufkochen zur Koagulation ge-
bracht, so reißt der Eiweii'iniederschlag ([uantitativ Fett mit. Dieser Nieder-
schlag wird durch fettfreies Papier abfiltriert. Der Filter mit samt Nieder-
schlag wird mittelst unseres Heizextraktors mit absolutem Alkohol extra-
hiert und alsdann das Extrakt nach unserer Vorschrift verseift usw.
Kalduchi hat bei einem chylurischen Harne die beiden Methoden
vergleichend durchprobiert und dabei fast vollständig übereinstimmende Ke-
') Zur Verseifuiig dos llanis winl die >'iitroulaugc wegen des liarustoffgelialtes
etwa in doppelter Menge versetzt wie sonst.
488 M. Kumagawa. Fettbestimmung nach Kumagawa-Suto.
sultate erhalten. Im Besitze des Vakuum Verdampfungsapparates führt die
erstere Methode viel schneller und zweckmäßiger zum Ziele.
Fettverlust beim Trocknen wasserhaltigen Materials.
Me bisherigen Fettbestimmungsmethoden konnten nicht anders als
an getrockneten Pulvermassen angewendet werden. Man wußte deshalb nicht,
ob der Fettgehalt des frischen Materials nach dem Trocknen und Pulveri-
sieren auch unverändert bleibt. Da unsere Verseifungsmethode sich ebenso gut
am frischen Material wie am getrockneten Pulver anwenden läßt, so
hat Y. Shimidzu ^) diese Frage besonders untersucht. Shimidzu hat dabei
gefunden, daß der Fettverlust, wenn das Material in kleiner Menge (gegen
100 g) schnell getrocknet wird, nur einige Prozente beträgt, daß derselbe
dagegen ca. lOVo beträgt, wenn das Material in größerer Menge (gegen
400 g) verarbeitet wird und zum vollständigen Austrocknen desselben län-
gere Zeit in Anspruch genommen wird. Da dieser Befund für Stoffwechsel-
fragen und dergleichen große Tragweite besitzt und ferner Shimidzu ge-
rade für große Fleischmassen nur wenig Trockenversuche ausgeführt hat,
so hat Munemichi Tamura auf meine Veranlassung den Versuch auf etwas
breiterer Basis von neuem in Angriff genommen. Obwohl diese Unter-
suchungen noch nicht abgeschlossen sind, und es daher verfrüht wäre, schon
jetzt ein Urteil darüber zu äußern, so sei doch bemerkt, daß der Fettver-
lust beim Trocknen des frischen Materials nicht so bedeutend ist, wie
ihn Shimidzu seinerzeit gefunden hat. M. Tamura wird nach dem Abschluß
seiner Untersuchungen hierüber berichten.
') Y. Shimidzu, Ein Beitrag zur Kumagawa-SutoBchen Fettbestimmungsmethode.
Biochem. Zeitschr. 28. 237 (1910).
Partielle Hydrolyse der Nukleinsäuren.
Von P. A. Leveiie, New-York.
Die Arbeitsmethoden bei der partiellen Hydrolyse haben sich nicht
gleichmäßig auf alle Nukleinsänren ausgedehnt. Es ist deswegen zweck-
mäßiger, die Methoden, wie sie sich am bequemsten für jede einzelne
Nukleinsäure oder deren Bestandteile anwenden lassen, anzugeben.
Die Substanzen, welche seit dem Erscheinen des zweiten Bandes
dieses Handbuches entdeckt wurden, sind die folgenden : 1. Phos{)ho-d-ril)on-
säure (diese wird bei der Inosinsäure besprochen) ; 2. Zytidin ; 8. Uridin ;
3. Zytidin und Uridinphosphorsäure. (Die vier letzten Substanzen werden
bei der Hefenukleinsäure besprochen.)
Außerdem ist die Tritikonukleinsäure untersucht worden.
Inosinsäure ^):
/OH
d-Ribosephosphorsäure:0=P — 0 — CH.,— (CH0H)3C0H.
\)n
Die Methode zur Darstellung dieser Substanz hat sich verbessern
lassen. Man kann nun das Baryumsalz ohne Schwierigkeiten in kristal-
linischer Form erhalten. Das \erfahren ist das folgende :
20*0 g inosinsaures Baryum werden mit 500 cm^ P/oiger Salz-
säure gekocht. Nach dem Abkühlen wird Schwefelsäure bis auf 2%
zugegeben. Dann werden das Hypoxanthin und die Salzsäure mittelst Silber-
sulfat entfernt. Das überschüssige Silber fällt man mit Schwefelwasser-
stoff und die Schwefelsäure durch Neutralisieren mittelst Baryum-
karbonat. Es ist wichtig, das Baryumkarbonat frisch aus chemisch reinem
Baryumhydrat zu bereiten.
Das Filtrat enthält weder Stickstoff noch freie Phosphorsäure. Es wird
unter vermindertem Druck auf ein kleines Volumen eingeengt, wobei ein
basisches Baryumsalz der gepaarten Phosphorsäure neben wenig Baryumkar-
bonat sich abscheidet. Das Ganze wird mittelst Essigsäure in Lösung gebracht
und filtriert. Aus dieser Lösung wird das Baryumsalz mittelst absolutem
*) P. Ä. Lerene n. W. A. Jacobs, Über die Inosinsäure. Ber. d. Deutsch. Cliem. Ges.
Jahrg. 44. S. 746 (1911).
490 P. A. Levene:
Alkohol als amorpher Niederschlag gefällt. Nach Abfiltrieren und Waschen
mit Alkohol und Äther wird es getrocknet. Die Ausbeute beträgt OO^/o der
Theorie. Um es kristallinisch zu erhalten, wird das Produkt fein gepulvert
und mit 30 cm^ Wasser versetzt. Beim Umrühren geht die klebrig ge-
wordene Masse ziemlich rasch in Lösung. Aus dieser Lösung läßt sich
das kristallinische Baryumsalz erhalten. Die Kristallisation wird beschleunigt
durch Einimpfen und durch tüchtiges Reiben. Beim Stehen im Eisschrank
bildet die Substanz am Boden des Gefäßes eine dicke Kristallschicht, die
aus prachtvollen Aggregaten von sechseckigen Platten besteht. Die Mutter-
lauge enthält beträchtUche Mengen des Salzes. Wegen der leichten Bildung
von basischem Salz ist es jedoch nicht empfehlenswert, die Mutterlauge zu
konzentrieren. Zwecks Erhaltung des kristallinischen Salzes wiederholt man
die Fällung mittelst Alkohol und verfährt weiter, wie bei der ersten
KristaUisation.
.OH
Phospho-d-ribonsäure: 0 = P — 0— CH, (CH0H)3 COOK läßt
sich aus der d-Ribosephosphorsäure durch Oxydation mittelst Brom oder
mittelst Salpetersäure erhalten.
Salpetersäureverfahren: bO'O g inosinsaures Baryum werden
zur Gewinnung der Ribosephosphorsäure hydrolysiert und das Ba-Salz
der Substanz dargestellt. Dieses wird in Wasser gelöst und das Baryum
quantitativ mittelst Schwefelsäure entfernt. Das Filtrat wird unter ver-
mindertem Druck zum Sirup verdampft. Dieser wird in 30 cm^ Sal-
petersäure (sp. Gew. 1-2) gelöst und bei 40" C 24 Stunden stehen ge-
lassen. Die Lösung wird dann in vier Teilen separat behandelt. Jeder Teil
wird auf einem großen Uhrglas auf dem Wasserbade möglichst rasch unter
stetem Lim rühren zur Trockene verdampft. Auf diese Weise wird ver-
hältnismäßig wenig Phosphorsäure abgespalten. Das Produkt wird dann in
2 Liter Wasser gelöst, mit ein paar Tropfen Phenolphtalein versetzt und
sodann Kalkmilch bis zur neutralen Reaktion zugegeben. Die voluminöse
Fällung von Kalziumphosphat wird abfiltriert und das Filtrat gekocht.
Es bildet sich dabei ein Niederschlag. Die Mutterlauge wird auf 500 cm^
konzentriert und weiter gekocht. Diese Behandlung wird mehrere Male
wiederholt. Im Kalziumphosphatniederschlag werden beträchtUche Mengen
der gesuchten Substanz mitgerissen. Um diese zurückzugewinnen wird das
Kalziumphosphat in Wasser aufgeschwemmt und unter beständigem Turbi-
nieren mit Essigsäure versetzt, bis der Niederschlag vollständig gelöst
ist. Aus dieser Lösung wird die Phosphorsäure wieder mit Kalkmilch
gefällt. Aus den vereinigten Mutterlaugen, die neben der Phosphorver-
bindung viel essigsaures Kalzium enthalten, wird die erstere nach dem Kon-
zentrieren mittelst Bleiessig gefällt. Der Bleiniederschlag wird in Wasser
aufgeschwemmt und mittelst Schwefelwasserstoffes zerlegt. Das Filtrat wird
nach Abdunsten des Schwefelwasserstoffes, wie oben, mit Kalkwasser neu-
tralisiert und aufgekocht und das Kalziumsalz, wie oben, gewonnen. Die
Ausbeute beträgt 14 ^ oder öO^/o der Theorie.
Partielle Hydrolyse der Nukleinsäuren. 49 j^
Das Brom verfahren. T'O g ribosephosphorsaures Raryum werden
in Wasser aufgeschwomnit und das IJaryum quantitativ mittelst Schwefel-
säure entfernt. Die Lüsuui;- wird dann auf 25 on^ gebracht und dann
mit 5 g essigsaurem Kalzium und o g Drom versetzt. Die Mischung wird
geschüttelt, bis das Brom vollständig gelöst ist, und bei Zimmertemperatur
stehen gelassen. Nach 24 .Stunden ist das Brom fast verschwunden, und
da die Lösung noch stark die Orzinprobe zeigt, werden noch 5 g essigsaures
Kalzium und ;3 g Brom zugesetzt. Nach zwei Tagen ist die Orzinprobe
nur noch ganz schwach. Die Lösung wird erwärmt und das Brom mittelst
Kohlensäure vertrieben. Sie wird mit Wasser verdünnt, mit Schwefelsäure
auf Küiigopapier angesäuert und dann mittelst Sill)ersulfat vom Brom be-
freit. Das Filtrat wird mittelst Schwefelwasserstoff vom Silber und dann
von der Schwefelsäure ([uantitativ mittelst Baryt befreit. Das Filtrat wird
auf ein kleines Volumen eingeengt. Die Lösung wird mit dem gleichen Volumen
Alkohol versetzt. Der Niederschlag, der wegen Verunreinigung mit essig-
saurem Kalzium von etwas gelatinöser Beschaffenheit ist, wird abgesaugt
und mit Alkohol und Äther nachgewaschen. Die weitere Reinigung der
Substanz wird mittelst Bleiacetat wie bei dem oben angegebenen Verfahren
ausgeführt.
SpaltungderPhospho-d-ribonsäure. 4"0^ Kalziumsalz werden
in wenig Wasser und einem kleinen Überschuß von Schwefelsäure gelöst
und das Kalziumsulfat mittelst vier ^ olumen Alkohol gefällt. Es wird
abgesaugt, das Filtrat mit Ammoniak neutralisiert und eingedampft und
der Rückstand in 50 cm^ Wasser aufgenommen. Es wird dann 4 crn^
25Voiges Ammoniak zugegeben und dann Eisessig, bis die Lösung auf
Lackmus amphoter reagiert. Die Lösung wird im Einschlubrohr drei
Stunden auf KiO" erhitzt. Beim Steigen der Temperatur über diesen Grad
ist man der (xefahr der Bildung von Brenzschleimsäure ausgesetzt. Die
Lösung wird mit Wasser verdünnt und genau mittelst Bleiessig gefällt.
Das Filtrat wird sorgfältig mittelst Bleiessig und Baryt gefällt und der
Niederschlag abfiltriert. Dieser wird mittelst verdünnter Schwefelsäure zer-
legt und die überschüssige Schwefelsäure mittelst Bleikarbonat al)gestumpft.
Das Filtrat wird mit Schwefelwasserstoff behandelt und das Filtrat eine
Stunde mit Kadmiumkarbonat gekocht. Nach dem Filtrieren wird die
Lösung auf dem Wasseri)a(le zum Sirup eingedampft. Der Sirup wird mit
ein wenig ribonsaurem Kadmium geimpft und der Kristallisation über-
lassen. Nach 24 Stunden erstarrt das Ganze. Es wird nun mit wenig Wasser
verrührt und auf eine Nutsche gebracht. Die Ausbeute beträgt etwa 0*H g.
Zur Analyse wird die Substanz aus ganz wenig Wasser umkristallisiert.
Guanylsäure.M
In der Kenntnis dieser Säure ist kein wesentlicher Fortschritt ge-
macht worden. Dagegen ist es gelungen, das Guanosin in freiem Zustande
M P. A. Lerene und W. A. Jacohn , Über das Vorkommen des freien Gnanosius
in der Pankreasdrüse. Biochem. Zeitschr. Bd. 28. S. 127 (lUlü).
492 P. A. Levene:
aus der Pankreasdrüse zu gewinnen. Das Verfahren war das folgende :
Die Rohguanylsäure, welche direkt aus der Pankreasdrüse nach dem früher
angegebenen Verfahren dargestellt ist, wird mittelst eines Überschusses
von Ammoniak in heißem Wasser gelöst und auf einer Nutsche heiß in
Alkohol filtriert. Es bildet sich dabei ein Niederschlag des Ammoniumsalzes
der Guanylsäure; das Filtrat enthält das Guanosin. Wird das Filtrat bei
vermindertem Druck eingedampft, so scheidet sich das Guanosin in langen
prismatischen Nadeln ab. Zur Analyse braucht die Substanz nur einmal
aus verdünntem (etwa 60Voigem) Alkohol umkristallisiert zu werden.
Hef enukleinsäure. i)
Die Bedingungen zur partiellen Hydrolyse dieser Säure haben sich
mehrfach verbessern lassen. An dieser Stelle soll nur die Form angegeben
werden, in welcher sie zuletzt ausgeführt wurde. Die Einzelheiten des Ver-
fahrens sind nicht veröffentlicht und haben sich allmählich in den Arbeiten
von Levene, Jacobs und La Forge ent^^^ckelt.
Partielle Hydrolyse. Diese wird am besten mittelst verdünntem
Ammoniak ausgeführt. 100 r/ Nukleinsäure werden in einer Lösung, von
80"0 cm» Ammoniakwasser (sp. Gew. 0-90) und 420'0 cm^ Wasser aufgelöst
und drei und eine halbe Stunden im Autoklaven erhitzt. Die Temperatur
dieses Ölbades muß genau auf 170— 175" C gehalten werden. Kleinere
Quantitäten können im Einschmelzrohr hydrolysiert werden. Die Lösung wird
in denselben Verhältnissen bereitet, jedoch das Rohr braucht nur auf
135" C erhitzt zu werden.
Trennung der einzelnen Fraktionen. Das Reaktionsprodukt
läßt sich in drei Fraktionen teilen : die erste enthält das Rohguanosin ;
die zweite das Rohadenosin ; die dritte das Zytidin und die Uridinfraktion.
Guanosinfraktion. Das Rohprodukt scheidet sich aus dem
Produkte der Hydrolyse als gelatinöse Masse beim Abkühlen aus. Das
Verfahren zur Gewinnnung des reinen Guanosins hat sich nicht verändert.
Da aber einige Forscher bei der Darstellung der Substanz Mißerfolg
gehabt haben, so sollen die Einzelheiten des Verfahrens mit größerer
Genauigkeit wieder angegeben werden. Es muß erwähnt werden, daß
Guanosin sich nur dann in schönen Kristallen ausscheidet, wenn es von Ver-
unreinigungen frei ist. Um mit Leichtigkeit Kristalle zu erhalten, müssen
die folgenden Punkte beachtet werden.
Das Rohguanin wird in heißem Wasser gelöst und heiß mit Blei-
essig gefällt, so lange ein Niederschlag entsteht. Die Mischung wird heiß
filtriert und das Filtrat abwechselnd mit Ammoniak und Bleiessig versetzt.
Es bildet sich dabei ein Niederschlag. Dieser wird abfiltriert, in heißem
Wasser suspendiert, mittelst Essigsäure in Lösung gebracht und mit
Schwefelwasserstoff zersetzt. Das Gemisch wird wieder aufgekocht, heiß fil-
triert und das Filtrat nur mäßig eingedampft. Das Guanin scheidet sich in
*) P. A. Levene und W. A. Jacobs, tJber die Hefe-Nukleinsäure. Ber. d. Deutsch,
ehem. Ges. Jahrg. 43. S. 3150 (1910).
Partielle Hydrolyse der Nukleinsäuren. 493
langen, tyrosinähnlichen Kristallen aus. Bei weiterem Eindampfen der Mutter-
lauge erhält man wieder die gelatinierende Sub.stanz. Zur weiteren Reini-
gung wird die Substanz in heiltem Wasser suspendiert und soviel Ammoniak-
wasser allmählich zugesetzt, bis das Guanosin sich löst. Die Lösung wird
dann filtriert, beim Abkühlen scheidet sich das riuanosin in glänzendi-n
Massen.
Vernin^), C10H13N5O5. Bei dieser Gelegenheit soll auch das Ver-
fahren zur Darstellung des Vernins angegeben werden. E. Schulze hat neulich
bewiesen, daß das von ihm vor Jahren entdeckte Vernin mit dem Guanosin
identisch ist. Man muß also im Vernin das zuerst aufgefundene freie
Nukleosid anerkennen.
Wässerige Extrakte aus den auf Vernin zu untersuchenden Objekten
werden, nachdem sie zuvor von den durch Bleiessig fällbaren Substanzi-n
befreit worden sind, mit einer ^lerkurinitratlüsung versetzt. Die durch
dieses Reagens hervorgebrachten Niederschläge werden abfiltriert, mit
kaltem Wasser gewaschen, zwischen Fließpapier abgepreßt, dann mittelst
Schwefelwasserstoff zersetzt. Die Filtrate vom Schwefelquecksilber werden,
nachdem sie neutralisiert worden sind, auf ein geringes Volumen einge-
engt; es wird Sorge dafür getragen, daß während des Eindunstens die
Reaktion der Lösungen neutral bleibt. Aus den stark eingeengten Flüssig-
keiten scheidet sich nach dem Erkalten das Vernin aus. und zwar in vielen
Fällen anfangs als Gallerte ; letztere lieferte dann nach dem Wiederauflösen
in Wasser Kristalle. Der Merkurinitratniederschlag kann neben \'ernin
noch manche andere Substanzen enthalten, z. B. Asparagin, Glutamin,
Arginin und Tyrosin. Wegen seiner Schwerlöslichkeit in Wasser läßt sich
das Vernin leicht vom Asparagin, Glutamin und Arginin trennen. Alier
auch seine Trennung von dem Tyrosin, das sich speziell in den bei Ver-
arbeitung von Kürbiskeimpflanzen erhaltenen ^lerkurinitratniederschlägen
in kleiner Menge vorfindet, bietet keine Schwierigkeit, denn das
Vernin scheidet sich aus den bei Zerlegung jener Niederschläge erhaltenen
Lösungen meistens vor dem Tyrosin aus. Gesetzt aber, daß anfangs das
Vernin durch etwas Tyrosin verunreinigt ist, so kann man es davon be-
freien, indem man es in heißem Wasser löst und die beim Erkalten sich
ausscheidenden Kristalle nach kurzer Zeit abfiltriert und zwischen Filtrier-
papier abpreßt ; das Tyrosin geht dann in die Mutterlauge über. Das in
solcher Weise aus Kürbiskeimlingen dargestellte Vernin erweist sich nach
mehrmaligem Umkristallisieren aus Wasser als ganz frei von Tyrosin, wie
aus seinem Verhalten gegen das Millo)ische Reagens zu erkennen ist.
Xanthosin: CioHioOeN^ ^vird aus Guanosin bei der Behandlung
mittelst salpetriger Säure erhalten. Es kristallisiert mit Kristallwasser und
hat dann die Zusammensetzung Cjo H,2 0« N4 + IL ( ). Das Drehungsver-
mögen ist (y.) ^^ = 51"21'' in ca. SVoi-^'^i' alkalischer Lösung. Es besitzt keinen
scharfen Schmelzpunkt. Es wird nach folgendem Verfahren liargestellt.
') E. Schulze, Ein Beitrag zur Kenntnis des Vernins. Hoppc-Sei/Iers Zeitschr. f.
Physiol. Chem. Bd. 66. S. 128 (lUlO).
494
P. A. Levene
16 g Guanosin werden mit einer Lösung von 25 y Na NO2 in 75 cm^
Wasser aufgekocht. Das Guanosin scheidet sich beim Abkühlen wieder als
eine Gallerte aus, die mit einem Glasstab zerteilt wird. Es werden nun 25 cm^
Eisessig zugegeben. Nun wird tüchtig durchgeschüttelt, bis alles Guanosin
in Lösung gegangen ist und die heftige Stickstoffentwicklung aufgehört
hat, was nach etwa 5 Minuten der Fall ist. Die Lösung wird nun mit
dem gleichen Volumen Wasser versetzt und abgekühlt. Beim Reiben fängt
alsbald die Kristallisation des Xanthosins an, das sich als gelbes, kristalli-
nisches Pulver rasch am Boden des Gefäßes absetzt. Nach 24 Stunden
wird es abfiltriert. Die Ausbeute beträgt 6 g. Durch Umkristallieren unter
Anwendung von Tierkohle kann man es nicht von den gelben Beimengungen
befreien. Zu diesem Zwecke wird es in heißem Wasser gelöst, noch heiß
mit ein paar Tropfen Bleizucker versetzt und mit Schwefelwasserstoff be-
handelt. Nach dem Aufkochen wird das Schwefelblei abfiltriert und beim
Erkalten scheidet sich dann das Xanthosin in farblosen, glänzenden, öfters
zentimeterlangen Prismen ab. Es ist das schönste der Nukleoside. In kaltem
Wasser ist es nur wenig löslich, leicht aber beim Erhitzen. In heißem,
verdünntem Alkohol ist es auch löslich und kristallisiert beim Abkühlen
bei längerem Stehen langsam in harten Warzen ohne Kristallwasser.
Adenosinf raktion. Das Filtrat vom Guanosin enthält außer dem
Adenosin, Zytidin und Uridin noch phosphorhaltige Substanzen. Um diese
zu entfernen, wird das Filtrat bei vermindertem Druck eingedampft, mit
Ammoniakwasser deutlich alkalisch gemacht und mit 95%igem Alkohol so
lange versetzt, als sich ein Niederschlag bildet.
Der Niederschlag besteht aus den phosphorhaltigen Substanzen. Das
Filtrat enthält das Adenosin, Zytidin und Uridin. Das Adenosin wird als
Pikrat isoliert. Zu diesem Zwecke wird die alkoholische Lösung bis zur
Sirupkonsistenz eingedampft, mit Schwefelsäure bis zur sauren Reaktion
auf Lackmus versetzt und dann so lange mit Pikrinsäure behandelt, als sich
ein Niederschlag bildet. Das freie Adenosin wird nach dem früher ange-
gebenen Verfahren dargestellt.
Inosin aus Adenosin. Die Überführung des Adenosins in Inosin
läßt sich auf folgende Weise bewerkstelligen.
5"0 g Adenosin werden in einer Lösung von 20 g NaNO.^ in 60 cm^
Wasser heiß gelöst und die Lösung mit 20 cm^ Eisessig versetzt. Es be-
ginnt sofort eine lebhafte Stickstoffentwicklung. Nach einigen Stunden
wird die Mischung in Eis gestellt und mit verdünnter Schwefelsäure so
lange versetzt, bis sie auf Kongopapier schwach sauer reagiert. Die Lösung
wird dann mit mehreren Volumen absoluten iVlkohols versetzt und nach
einigem Stehen in einer Kältomischung abgesaugt. Das Filtrat wird mit
einigen Tropfen Ammoniak neutraUsiert und zum Sirup eingedampft. Der
Rückstand wird nochmals mit wenig Alkohol versetzt und wieder einge-
dampft. Er wird dann mit Essigsäureanhydrid übergössen und einige
Minuten gekocht. Der Überschuß von Anhydrid wird abdestilliert und der
Rückstand mit Chloroform ausgekocht. Nach 24stündigem Stehen im Eis-
Partielle Hydrolyse der Nukleinsäuren. 495
schrank \virtl von anorganischen Salzen abl'iltriei-t und das Chloroform
abgedunstet. Alle diese ()])erationen sollen bei niöglichst neutraler Iteaktion
vorgenommen werden, um Hydrolyse des Ribosids zu vermeiden. Auf die.se
Weise wird das entstandene Inosin in ein Azetylderivat übergeführt. Ohne
dieses zu isolieren, kocht man den lUickstand mit einem Tberschulj einer
verdünnten Darytlösung eine halbe Stunde. Das llaryum wird mit einem
kleinen riierschuli von Schwefelsäure gefällt und die Lösung dann, um kleine
Mengen aus dem Chlorofoiiii entstandener Salzsäure zu entfernen, mit wenig
Silbersulfat versetzt. Das Filtrat wird mit Schwefelwasserstoff behandelt,
der Überschuß des letzteren vertrieben und das Filtrat mit reinem Blei-
essig genau gefällt. Das Inosin kann nun mittelst lilei und Ammoniak
gefällt werden.
Zytidin und I' rid i n f raktion. Das Filtrat vom Adenosinpikrat
ist nicht ganz von Nukleosiden frei. L'm diese zu entfernen wird die
Lösung mit Schwefelsäure bis zu einem Gehalt von 2"/o versetzt und dann
zwei Stunden am Iiückflußkidder erhitzt. Die Pikrinsäure wird dann mittelst
Äther ausgeschüttelt. Die freien Purinbasen werden dann mit einer Lösung
von Merkurisulfat in oo/oiger Schwefelsäure gefällt. Na(di dem Zusatz
dieses Pvcagenses wird die Mischung über Nacht stehen gelassen. Das Filtrat
vom Niederschlage mnl vom Quecksilber und von Schwefelsäure befreit, auf
ein kleines Volumen eingedampft und dann mit einer konzentrierten Lösung
von Pikrinsäure versetzt, bis die Lösung zu opaleszieren anfängt. Es ist
ratsam, sie dann bei vermindertem Druck auf ein kleines \'olumen einzu-
dampfen und im Eisschrank über Nacht stehen zu lassen; es scheidet
sich dann das Zytidinpikrat aus.
Zytidin: C.H.aNgOe.
Zytidinpikrat: CgHiaNaOs Cg H2(N02)3 OH läßt sich aus dem
Rohi)rodukte durch LTnikristaUisieren aus Alkohol erhalten. Das Rohprodukt
wird in wenig kochendem absolutem Alkohol gelöst und die Lösung über
Nacht im Eisschrank stehen gelassen. Schmelzpunkt = 1S5 — 187" C
(unkorr.).
Zy tidinsulfat : (Cg H13 N3 Og), H.,SOi. Es wird aus dem Pikrate
dargestellt. Das Pikrat wird in heißem Wasser gelöst und die heiße Lösung
mit Toluol ausgeschüttelt. Sobald die Lösung sich allmählich abzukühlen
beginnt, wird sie mit Schwefelsäure bis zu saurer Reaktion auf Kongo ver-
setzt und die Pikrinsäure weiter mit Äther entfernt. Nach dem Entfernen
der Schwefelsäure wird die Lösung bei vermindertem Druck auf ein ganz
kleines Volumen eingedampft, mit Schwefelsäure angesäuert und mit Alko-
hol versetzt, bis die Lösung zu opaleszieien beginut. In kurzer Zeit
scheidet sich das Sulfat in langen prismatischen Nadeln aus. Schmelz-
punkt = 2^30 c. — I X I' ) -;; = + 34-ü«.
Zytidinchlorhydrat : CgHiaNsOß . HCl läßt sich auf ähnlicher
Weise, wie das Sulfat, erhalten. Schmelzpunkt = 218" C (unkorr.).
') Die Angabc von 29*7" C beruht auf einem licrechnungsfchlcr; die Messung
war dann bei 1» = 30" C ausgeführt.
496 P. A. Levene:
Tribenzoylzytidin: CgHioN3 05(C6H5CO)3 wird nach der Methode
von Schotten-Baumann aus irgend welchem anderen Salze erhalten. Schmelz-
punkt = 2050 C (unkorr.).
Uridin: CgHigN^Oß.
Uridin kann aus Zytidin durch Einwirkenlassen von salpetriger Säure
erhalten werden. Die Darstellung wird auf folgende Weise ausgeführt:
10 g Zytidin werden in 70"0 cm ^ Wasser gelöst, in die Lösung 30^ KaUum-
nitrit eingetragen und der Lösung 50 cm^ Eisessig zugegeben. Es beginnt
sofort eine lebhafte Entwicklung von Stickstoff. Nach 5 Stunden ist die
Reaktion vollständig beendigt. Die Lösung wird wieder etwas verdünnt,
mit 50"/oiger Kalilauge zuerst neutralisiert und dann mit derselben Lösung
bis zu einem Gehalt von 107o der Lauge gebracht. Diese Lösung wird
hierauf mit Benzoylchlorid benzoyliert. Das erhaltene Benzoylderivat ist
unlöslich in Wasser, leicht löslich in den meisten organischen Lösungs-
mitteln und kann nicht in gut kristallinischer Form erhalten werden; es
wird deshalb verseift, um die freie Substanz zu erhalten. Zu diesem Zwecke
wird das Benzoylderivat in 140"0 cm'^ Alkohol gelöst, zur alkoholischen Lösung
eine Lösung von 36*0 g Barythydrat in 800 cm^ Wasser zugegeben und
das Gemisch 1 Stunde am Rückflußkühler gekocht. Das Reaktionsprodukt
wird dann mit Schwefelsäure vom Baryt und vom größten Teile der Benzoe-
säure befreit; die noch in Lösung gebliebene Benzoesäure wird mit Äther
ausgezogen. Um das anhaftende Natriumchlorid zu entfernen, wird das
Reaktionsprodukt nach dem Ausziehen mit Äther mit Silbersulfat be-
handelt. Das Filtrat vom Silberchlorid wird vom überschüssigen Silber und
dann von der Schwefelsäure mittelst Barytwasser befreit. Auch nach allen
diesen Behandlungen enthält die Lösung außer dem Uridin noch kleine
Mengen von Verunreinigungen; um diese zu entfernen, wird das Uridin
mittelst Bleizuckerlösung und Barythydratlösung gefällt. Der Niederschlag
wird dann vom Blei mit einem Überschuß von Schwefelsäure und von
dieser quantitativ mit Barytlösung befreit. Die auf diese Weise erhaltene
Lösung wird bei vermindertem Druck bis zu einem ganz kleinen Volumen
eingedampft, in einer Schale in den Vakuumexsikkator gebracht und bis
zur Konsistenz eines Sirups eingeengt. Der sirupartige Rückstand wird dann
mit absolutem Alkohol gut umgerührt, bis die Substanz auskristallisiert.
Aus verdünntem Alkohol umkristallisiert, scheidet sich das Uridin in
langen prismatischen Nadeln aus. Schmelzpunkt 165" C (unkorr.), [a] ^^ =
:= + 6"38*' in ca. 9''/oiger wässeriger Lösung.
Die Darstellung aus der Nukleinsäure wird bei der Besprechung der
Zytidin- und Uridinphosphorsäure angegeben.
Zytidin- und Uridinphosphorsäure:
/OH /OH
0 = P 0 . C9 Hl, N3 O4 und 0 = P 0 . C« Hj^ No O5.
\0H \0H
I'artiello llyilrulysf der Nukleinsäuren. 4<j7
Die Darstclliinf^' der Pyriniidinnukleotido hcrulit auf der größeren Re-
sistenz dieser Komplexe im X'ergleich mit den Piirinkomplexen gegenüber
der Einwirkung der Mineralsiiuren. Wiilireiid die Piirinkomplexe durch
ZAveistündiges iM'hit/en mittelst 2" oiS'^i' Scliwetclsäure vollkommene Aufs|);il-
tnni! in riiosphorsäurci'ibose und Hase erleiden, bleiben die l'yrimidinkom-
ploxe bei dieser lleliandlunti iiröbtenteils intakt. Die Gewinnung der Sub-
stanz wird nun auf folgende Weise ausgeführt: Je 100 // der Nukleinsäure
werden in 1 / 2»/oiger Schwefelsäure 2 Stunden am Kückflulikühler im
Ölbade bei 125° C gekoeht. Die Flüssigkeit wird nur teilweise gekühlt und
mit reinem Silberoxyd bis zu einem Cberschuli an Silber versetzt. Die
Silbersalze der Pnriubasen scheiden sich dabei aus. Um die F'ällung zu
vervollständigen, läßt man das (icmisch über Nacht stehen und entfernt
die Silberpurine durch Filtration. Das Filtrat neutralisiert man mit che-
misch reiner Barytliisung. Es scheiden sich dadurch die Silbersalze der
Nukleotide mit Silberphosphat aus. Der Niederschlag wird in Schwefel-
säure gelöst und mit Schwefelwasserstoff vom Silber befreit. Das Filtrat
vom Silbersulfid wird mit Barytlösung genau auf Phenolphtalein neutrali-
siert, vom P)arytphosphat abfiltriert und bei vermindertem Druck fast bis
zur Trockne eingedampft. Ein Teil der Salze geht dabei in eine in Wasser
unlösliche Form über. Das Gemisch wird mittelst Essigsäure in Lösung
gebracht und die Lösung in absoluten Alkohol eingetragen. Die Baryumsalze
der Nukleotide scheiden sich dabei aus. Dieses Pvohprodukt ist schon voll-
ständig frei von Nukleinsäure oder von Purin enthaltenden Komplexen.
Beim Arbeiten mit der Hefenukleinsäure läßt sich das schon daran leicht
erkennen, daß die Purinkomplexe eine starke Orzinprobe geben und nach
kurzer Hydrolyse mittelst Mineralsäure FeliUnt/sdie Lösung reduzieren
Dagegen geben die Barytsalze der Pyrimidinuukleotide nur eine ganz
schwache Orzinprobe, nach Hydrolyse mittelst Mineralsäuren geben sie mit
Silbernitrat keinen Niederschlag der Purinsalze und auch keine Spur einer
Reduktion der FtJiHn(/sc\un\ Lösung. Die Substanzen sind optisch aktiv,
rechtsdrehend. Sie unterscheiden sich von Purinnukleotiden auch dadurch,
daß sie durch Nukleasen nicht angegriffen werden.
Hydrolyse mit verdünntem Ammoniak.
Zur Gewinnung der Pyrimidinkomplexe des Zytidins und Uridins aus
den Nukleotiden wird auf folgender Weise verfahren.
Die Lösung der Baryumsalze wird quantitativ von Baryum l)efreit.
Die resultierende Lösung reagiert stark sauer. Deswegen wird sie mit
wässerigem Ammoniak neutralisiert und dann mit einem Überschuß von
Ammoniak bis zu einem Gehalt von HVo versetzt. Die ammoniakalische
Lösung wird entweder im Einscliinelzrohre bei 1;35°C oder im Autoklaven
bei der Temperatur des Ölbades von 175° C H^'., Stunden erhitzt. Die Iso-
lierung der Pyrimidinkomplexe beruht auf ihrer Löslichkeit in Alkohol. Zum
Zwecke der Isolierung wird das Hydrolyseprodukt bei vermindertem Druck
bis zur Konsistenz eines Sirups eingedampft und der Hückstaud mit Al-
Abderhalden, Handbach der biochemischen Arbeitsmethodeu. V. 32
498 ' P. A. Levene:
kohol extrahiert. Der alkoholische Auszug wird bei vermindertem Druck
eingedampft, der Rückstand wieder mit Alkohol extrahiert und eingedampft.
Von diesem Punkte an kann man auf verschiedene Weisen verfahren. Der
Rückstand, welcher nach dem Eindampfen des alkoholischen Auszuges ent-
steht, wird mit Salpetersäure bis zu saurer Reaktion von Kongo versetzt.
Die Lösung wird in einer Kältemischung aufbewahrt. Das salpetersaure
Salz des Zytidins scheidet sich sofort aus. Um die Reaktion zu vervoll-
ständigen, wird der Mischung ein halbes Volumen Alkohol zugegeben.
Im Filtrat bleibt das Uridin in Lösung und kann als Benzoylderivat
erhalten werden. Das Filtrat vom salpetersauren Zytidin wird bei Zimmer-
temperatur im Vakuum-Exsikkator von Alkohol befreit und der Rückstand
nach Schotten-Baum ann benzoyliert. Es wird auf diese Weise das Dibenzoyl-
uridin erhalten.
Das zweite Verfahren wird auf folgende Weise ausgeführt : Der al-
koholische Auszug, welcher die Pyrimidinkomplexe enthält, wird von Alkohol
befreit und mit Pikrinsäure behandelt, die Lösung auf ein ganz kleines
Volumen bei vermindertem Druck eingedampft und bei — 10'' C stehen
gelassen. Es scheidet sich Zytidinpikrat aus. Dieses wird zur Reinigung
aus Alkohol umkristallisiert. Die Ausbeute aus 50 g der Baryumsalze der
Nukleotide beträgt 10 g. Die Mutterlauge von Zytidinpikrat wird mittelst
Schwefelsäure und Äther von Pikrinsäure befreit und die Schwefelsäure
quantitativ mit Barytlösung entfernt. Aus dieser Lösung läßt sich das
Uridin durch Fällen mit Bleiazetat und Baryt gewinnen. Zu diesem Zwecke
wird die Lösung mittelst basischem Bleiazetat gefällt, der Niederschlag ab-
filtriert und das Filtrat mit Barytlösung versetzt. Der Niederschlag wird
vom Blei mittelst Schwefelsäure und von dieser quantitativ mittelst Baryt-
ösung befreit. Man erhält dabei eine klare Lösung. Diese wird bei ver-
mindertem Druck eingedampft und der Rückstand in 95Voigem Alkohol
aufgenommen. Der alkoholische Auszug wird rasch auf dem Wasserbade
eingedampft. Es ist ratsam, den Rückstand einige Male in Alkohol zu lösen
und einzudampfen, um ihn möglichst von Wasser zu befreien. Beim Impfen
mit ganz wenig Uridin erstarrt der Rückstand zu einer krystallini sehen
Masse. Diese läßt sich leicht aus 957oigem Alkohol Umkristallisieren.
Tritikonukleinsäure. ^)
Aus der Tritikonukleinsäure werden Guanosin, Adenosin und Zytidin
auf dieselbe Weise , wie aus der Hefenukleinsäure, erhalten. Abgeändert
worden ist nur das Verfahren zur Darstellung der Nukleinsäure.
Darstellung: 23 kg Mehl aus Weizenembryonen werden mit 200/
Wasser gut durchgerührt, das Extrakt durch ein Tuch geseiht und
24 Stunden im Eisschrank stehen gelassen. Die trübe Flüssigkeit wird
dann vom Absatz abgegossen und nach Zugabe von 1 l 407oiger Salzsäure
') P. A. Levene uud F. B. La Forge, tJber die Tritikonukleinsäure. Ber. der Deutsch,
ehem. Ges. Jahrg. 43. 3164 (1910).
Partielle Hydrolyse der Nukleinsäuren. ^gg
mit einer Lösung von 80 r/ Pepsin versetzt. Nach 36stün(Jigem Stehen bei
gewöhnlicher Temperatur wird die Flüssigkeit vom ungelösten Xuklein ab-
gegossen und dieses mit etwa 50 / 0"2°/oiger Salzsäure aufgeschlemmt und
noch einmal 24 Stunden mit Pepsin der Verdauung unterworfen.
Nach dem Auswaschen wird das Nuklein in ca. ;')()/ Wasser aufge-
schlemmt und soviel KaHlauge zugegeben, bis fast vollständige Lösung ein-
tritt und die Flüssigkeit alkalisch reagiert. Dann wird mit einer gesättigten
Pikrinsäurelösung das Eiweiß ausgefällt. Das Filtrat hefert bei Zugabe von
Salzsäure einen flockigen Niederschlag, der sich bald zu einer festen Masse
zusammenl)allt. Die so erhaltene rohe Nukleinsäure wird in einem kleinen
Überschui) von Kalilauge gelöst, nach dem Filtrieren mit Essigsäure an-
gesäuert und durch Eingießen in das zehnfache \'()lumen Alkohol gefiUlt.
Nach dem Absetzen wird der verdünnte Alkohol vom Niederschlag
abgegossen und dieser unter starkem iVlkohol 24 Stunden stehen gelassen.
Dann wird er abfiltriert und mehrmals mit absolutem Alkohol und schließ-
lich mit Äther gewaschen und über Schwefelsäure im Vakuum getrocknet.
Die Ausbeute beträgt 325 g.
Zur weiteren Reinigung wird die Substanz in wenig Ammoniakwasser
gelöst und in einen großen I''berschuß (für 100 g 10 /) von Eisessig ge-
gossen. Nach dem Absetzen wird auf der Nutsche filtriert und mit Alkohol
und Äther gewaschen.
32*
Die Bestimmimg der Wasserstoftioneiikoiizentration
diircli Gasketten.
Von Leoiior Michaelis, Berlin.
1. Die Nernstsclie Formel. Wenn ein Metall in irgend eine Flüssig-
keit taucht, so nimmt es gegen dieselbe ein elektrisches Potential an. Zum
A'erständnis des Folgenden ist es notwendig, die Nernst&che Theorie dieser
Kontaktelektrizität wenigstens im Groben sich klar zu machen. Bei dieser
Theorie wird dem Metall die Fähigkeit zugeschrieben, mit positiver Elektrizität
geladene Atome, die sogenannten Ionen, in die Lösung zu senden, indem die
Metallplatte selbst, mit freier negativer Elektrizität geladen, zurückljleibt.
Umgekehrt haben Ionen dieses Metalls, welche etwa in der Flüssigkeit schon
gelöst vorhanden sind, das Bestreben, sich als unelektrisches Metallatom auf
der metallischen Oberfläche niederzuschlagen, indem sie die positive Elektri-
zität auf der Metalloberfläche in Freiheit setzen oder mit anderen Worten die
Metallplatte positiv aufladen. Es steht sich also der „elektrolytische Lösungs-
druck" des Metalls und der „Entladungsdruck" der gelösten Ionen einander
gegenüber. Und aus diesen beiden Kräften resultiert im Einzelfall das
wirkliche Potential. Der elektrolytische Lösungsdruek eines jeden Metalles
ist eine konstante Größe; der Entladungsdruck der Ionen dagegen ist
proportional ihrem osmotischen Druck in der Lösung oder, so weit es sich
um verdünnte Lösungen handelt, ihrer Konzentration. Daraus folgt die
für unsere Methodik wichtige Grundtatsache, daß das Potential eines
Metalles gegen eine Flüssigkeit nur von der Konzentration der in der
Lösung befindlichen Ionen des gleichen Metalls abhängt, und daß andrer-
seits aus dem Potential ein Schluß auf die Konzentration dieser Ionen
gezogen werden kann. Alle anderen lonenarten , die sich etwa daneben
noch in Lösung befinden, wirken nicht bestimmend auf das Potential.
Die Größe dieses Potentials ist also abhängig 1. von der Natur des
Metalles, 2. von der Natur des Lösungsmittels, '6. von der Konzentration
der in der Flüssigkeit gelösten Ionen dieses Metalles, 4. von der Tempe-
ratur. Die Größe des elektrischen Potentials E wird nach fernst durch
folgende Gleichung ausgedrückt:
E = RT log. nat. ^ .
c
Die Bestinimuiijf der Wasserstoff ioneakonzentratioii diircli Gasketten.
:m
Hier bedeutet Tl die ..Gaskonstante'', T die absolute Temperatur,
y die für das betreffende Metall charakteristische Konstante, c die Konzen-
tration der in der Flüssifikeit ijelöst enthaltenen Ionen desselben Metalle.s.
Die Konzentration wird nach (iramniolen pro Liter aeniessen. \'er\vandelt
man den natürlichen Loj^aritlnnus der IkMiuemlichkeit halber in den
dekadischen durch Multiplikation mit dem Modulus 0*4343, so ergibt sich
E = irr . o-4:u;'. . log-
X
c
In elektrochemischem Maße ist nun 0-4343. R = 0-0001983 Einheiten.
Daher ergibt sich schlielMich
(1) E = 0-0001 983. T. log-''
Volt.
2. Prinzip der Konzentrationskette. Wenn wir also die Konzen-
tration der gelösten Ionen bestimmen wollen, müssen vär das soeben
erläuterte Potential messen.
Wir haben nun keine allgemeine Methode, um den absoluten Wert
eines solchen Potentials zu messen , sondern wir können nur die elektro-
motorische Kraft einer galvanischen Kette bestimmen, welche erstens aus
unserer Elektrode als einem Pol und einer zweiten, willkürlichen, aber
immer gleich beschaffenen Vergleichselektrode als zweitem Pol besteht.
Als solche Vergleichselektrode wählen ^^^r der Einfachheit hall)er zu-
nächst die Normalelektrode, d. h. eine Lösung des betreffenden Metall-
salzes in solcher Konzentration, daß die freien Ionen des Metalls einfach
normal sind. Wir hätten z. B. die Auf-
gabe, die Konzentration, c, der Ag--
lonen in einer unbekannten Silbernitrat-
lüsung zu bestimmen. Dann setzen wir
folgendes galvanische Element zusammen
(Fig. 1 24).
Auf der linken Seite befindet sich
eine Silberelektrode, welche in die zu
messende Lösung mit der unbekannten
Ag--Konzentration c steckt, auf der
rechten Seite eine Silberelektrode, welche
in eine einfach normale Lösung von
Ag--Ionen, d. h. eine Mfach normale
Lösung von Silbernitrat taucht, deren
Ag-Ionengehalt infolge der unvollstän-
digen Dissoziation des Silbersalzes ge-
rade Ifach normal ist. Die beiden Flüssig-
keiten c und C berühren sich direkt.
Nunmehr schließen wir die beiden Pole durch einen .Metalldraht über ein
Voltmeter V und beobachten z. B. einen Strom von der elektromotori-
schen Kraft E = 00374 Volt bei einer Zimmertemperatur von 18° C.
Ag-"-
-Ag
Schema einur Silber- Konzentrationskelt«.
502 L- Michaelis.
Die gesamte elektromotorische Kraft dieses Elementes besteht nun
nach den Grundsätzen der Elektrochemie aus der Differenz des Poten-
tials der linken Elektrode und der rechten Elektrode, Ej — E,. Nun hat
E, den Wert
0-0001983 . T . log ^ und E, den Wert 0,0001983 . T . log ^. Im ganzen ist
c (j
aanei — — A-nAnmoa T M/^fv T i^„ T
E = E, — E, = 0-0001983 . T . [log -^ — log -^A
oder E = 0-0001983 . T . (log y — log c — log y + log C).
Die Konstante y fällt daher fort, als Ausdruck dafür, daß y nur von
der Natur der metallischen Elektrode abhängig ist und beiderseits die
gleiche Elektrodenart, Silber, ist. So ist also
(2) E =r 0-0001983 . T . (log C — log c).
In unserem Fall ist C = 1. daher log C = 0, und
E — —0-000 1983. T. log c
daher , E
l02- C = —
^ ^ 0000 1983 . T
oder mit Einsetzung der speziellen Werte für T und E
^"-^^-0-0001983(373 + 18) = - ^-^^^'^
Diese negative Zahl müssen wir. um ihren Numerus aus der Loga-
rithmentafel entnehmen zu können, in eine positive mit negativer Kenn-
ziffer umwandeln und schreiben dafür 03518 — 1.
Der dazu gehörige Numerus ist 0-225.
Wir haben somit gefunden, daß die Konzentration unserer Silber-
lösung 0-225 normal in Bezug auf Ag-Ionen ist.
3. Wasserstoflf-Konzentrationsketteii. Wollen wir nun diese Me-
thode zur Messung der H-Ionenkonzentration einer Lösung verwenden, so
müssen Avir Elektroden aus Wasserstoff anwenden. Es verhält sich nun eine
mit Platinschwarz überzogene Platinoberfläche, welche gasförmigen Wasser-
stoff absorbiert hat, in elektrochemischer Beziehung so, als ob sie aus me-
tallischem Wasserstoff bestünde ; das Platin hat keine elektromotorische
Wirksamkeit. Eine Legierung aus einem edlen und einem unedlen Metall
verhält sich nämlich elektromotorisch so, als ob sie allein aus dem unedleren
Metall bestände. Dabei ist aber zu beachten : 1. daß das Platin kein an-
deres, elektromotorisch wirksames Gas, wie O.2, Cl.^ u. dgl., absorbiert ent-
hält, 2. daß beide Platinelektroden sich in einer Wasserstoff atmosphäre
von gleichem Druck befinden, weil sie ohne die Erfüllung dieser Be-
dingung gegeneinander ein Potential zeigen würden, welches nichts mit
der gesuchten lonenkonzentration, sondern mit der verschiedenen Beschaffen-
heit der Elektroden zu tun hätte.
Die Bestimmung der Wasserstoffionenkonzentration durch Gasketten. 503
Fig. 125.
[
TS-5~«~B"
GalvanoTU
öcfi/auc/) m/f Verö/'pdiync/sf/üjS/^k.
^^^^
P/3r//j
■P/at/n
Theoretisch wäre es ebenso gut denkbar, die Phitinelektroden mit
Oo zu siitti^^en und die Hydroxylionenkonzontration zu messen, was ja für
die Bestimmung der Azidität bzw. Alkalität einer Flüssigkeit ebensogut
verwerti)ar wäre als die Bestimmung der II-Konzentration, denn aus der
Formel
[IIJ . [OH'] = Dissoziationskonstante des Wassers
läßt sich [H-] aus[OH'] und umgekehrt berechnen.
Es hat sich aber erwiesen, daß die Sauerstoffelektrode für die Praxis
uni)rauchbar ist, weil sie inkonstante Werte liefert.
Die Messung der Wasserstoff ionenkonzentration c einer unbekannten
Flüssigkeit würde sich demnach schematisch folgendermaßen gestalten:
Man setzt ein gal-
vanisches Element
zusammen, dessen
beide Elektroden
aus wasserstoffbe-
ladenem Platin be-
stehen. Die eine
Elektrode taucht
in eine Lösung,
deren H-Ionen-
konzentration be-
kannt ist, z. B.
einfach normal,
die andere in die
unbekannte Lö-
sung. Die beiden Flüssigkeiten werden durch eine flüssige, nicht metalli-
sche Leitung verbunden. Diebeiden Platinpole werden metallisch verbunden
und die elektromotoi'ische Kraft des Stromes gemessen.
4. Das T)iffusions]K)tentiaL Von besonderer Wichtigkeit ist es nun,
welche Flüssigkeit wir zur \'erbindung der beiden Lösungen benutzen sollen.
Der einfachste Fall ist der. daß man eine der beiden Flüssigkeiten. seli)st
dazu benutzt. Die Schwierigkeit liegt nun darin, daß an der BeriUirungsstelle
zweier verschiedener Flüssigkeiten eine Potentialdifferenz entsteht, welche die
EMK der Kette in unerwünschter Weise beeinflußt. Dieses „Diffusionspoten-
tial •' kann man nun in zweierlei Weise berücksichtigen. I'ntweder bringt man
es in Rechnung, in besonders einfachen Fällen, wo es sich berechnen läßt.
Die zweite, allgemeinere Methode besteht darin, daß man der Mittelflüssig-
keit eine solche Beschaffenheit erteilt, daß das Diffusionspotential ver-
schwindend klein wird. Die zweite Methode ist im allgemeinen vcuv-uziehen,
weil es nur wenige Fälle gil)t, in denen sich das Diffusionspotential auf
einfachem Wege genau berechnen läßt. Solche Fälle sind nändich nur
folgende :
Schema einer Wasserstoff-Konzenfrationskette.
504
L. Michaelis.
1. Wenn die beiden Flüssigkeiten nur je einen Elelitrolyten, und zwar
einen und denselben enthalten; die Konzentration dieses Elektrolyten
kann dann in den beiden Flüssigkeiten verschieden sein. Das Diffusions-
10
Potential e beträgt in diesem Falle e = R T In — oder = 0-0001983 . T . log -,
Co Co
wo Cj und Ca die beiden Konzentrationen des Elektrolyten bedeuten.
2. Wenn die beiden Flüssigkeiten zwei verschiedene Elektrolyt«,
aber in gleicher Konzentration enthalten. Dann ist
e = R T In
Ui + Vg
"2 +Vi
oder 000198;:
10
T.log
Ui+Vo
u
2+ Vi
wo Ui und Vi die Wanderungsgeschwindigkeiten des Kations bzw. Anions
des einen Elektrolyten, Uj und v^ die des anderen bedeuten. Ein solcher
Fall liegt z. B. vor, wenn die eine Flüssigkeit n HCl, die andere n NaClist.
Um diese Formel auswerten zu können , ist es nötig , die Wande-
rungsgeschwindigkeit der gebräuchlicheren Ionen zu kennen. Sie beträgt
für einige einwertige Ionen bei 18°:
u
v
U V
K-
64-67
F'
46-64
NH,- 64-4 OH' 174
Na-
43-55
Cl'
65-44
Tl- 66-00 HCOO' 46-7
Li-
;33-44
Br'
67-63
Ag- 54-02 CH3.COO' 35-0
Rb-
67-6
J'
66-40
H- 329-8
Cae-
68-2
SCN'
56-63
So ist z.B. das Diffusionspotential nHClXnNaCl bei 18«:
329-8 + 65-44
e = 0-0577 .log.
43-55 + 65-44
= 0-057 7. log. 0-5592
=:0-0577(0-7474—l) oder —0-0577.0-2526
= -0-0145 Volt.
Das — (Minuszeichen) gibt die Richtung des Diffusionspotentials an.
Es ist natürlich rein konventionell, welche Richtung man als + und welche
man als — bezeichnet. Es ist für die Verwertung des Diffusionspotentials
aber absolut notwendig, seine Richtung zu kennen, weil es von dieser ab-
hängt, ob man dasselbe zu der gemessenen EMK der Kette zu addieren
oder von ihr zu subtrahieren hat. Ein Beispiel wird zeigen, durch welche
Überlegung man das im Einzelfall herausbekommen kann
die Kette
Gegeben sei
1
2
3
PtH.3
l HCl
'^NaCl
a
3 C
Blutserum
PtH,
Das Potential a entsteht dadurch, daß die Platin-Ha-Elektrode H-Ionen
in die Flüssigkeit zu senden sucht, während andrerseits aus der Flüssig-
keit 2 H-Ionen in Form von H, sich auf der Elektrode abzuscheiden
Die Bestimmung clor Wasserstoffioueiikonzeutratioii durch Gasketten. äOn
•o
suchen. Ganz ähnlich entsteht das Potential d. Da aber in 2 mehr Il-lonen
gelöst sind als in 4. so Avcrden sich mehr positiv «geladene ll-lonen aus
2 zu entfernen suchen , als aus 4 , d. h. die Flüssijikcit 2 hat Lrcfjen 1
eine negative Ladung. Schliefen wir die beiden Elektroden metallisch, so
wird der positive Strom in der Richtung 5— 4 — ••') — 2 - 1 - SchlielJungs-
draht— 5 laufen.
Nunmehr betrachten wir das Diffusionspotential b. Es entsteht durch
die größere Wanderungsgeschwindigkeit des H' gegenüber dem Na*. Wenn
die Flüssigkeiten 2 und ;\ im Diffusionsaustausch miteinander stehen, so
suchen in der Zeiteinheit mehr ll-loncn von 2 nach li zu diffundieren,
als Na-Ionen von 8 nach 2. Infolgedessen findet sich in :> ein Cberschuli
von Il'-Ionen. und r> lädt sich positiv gegen 2. Es wird also positive
Elektrizität in der Richtung 2— o transportiert, also in entgegengesetzter
Richtung als vorher. Wenn wir die EMK der ganzen Kette messen, so
werden wir infolge des Diffusionspotentials b einen zu kleinen Wert be-
kommen, wir müssen infolgedessen das zu berechnende Diffusionspotential zu
dem gemessenen Wert der Kette addieren, um den reinen Wert der Kon-
zentrationskette zu bekommen.
Auch das Diffusionspotential c müßte man in dieser Weise berück-
sichtigen. Das ist aber im vorliegenden Fall nicht nötig, weil es an-
nähernd == 0 ist. Denn ^- NaCl ist chemisch dem Blutserum so ähnlich, daß
o
das Diffusionspotential vernachlässigt werden kann. Das Diffusionspotential
erreicht gewöhnlich nur in dem Fall einen merklichen Retrag, wenn eine
der beiden Flüssigkeiten H- oder OH-Ionen in größerer Menge enthält.
Für das Diffusionspotential ist ja nur der Unterschied in der Wanderungs-
geschwiudigkeit der verschiedenen lonenarten maligebend. und die IV und ( )H'
zeigen die von den übrigen Ionen abweichendsten, nändich größten Werte
für die Wanderungsgeschwiudigkeit.
Die zweite Methode, die Vernichtung des Diffusionspotentials, er-
fordert eine ganz bestimmte Beschaffenheit der Mittelflüssigkeit. Das Diffu-
sionspotential zwischen irgend zwei Flüssigkeiten wird nämlich dadurch
verkleinert, daß man zwischen dieselben eine möglichst konzentrierte Lösung
eines sehr leicht löslichen Elektrolyten einschaltet, dessen Anion und Kation
möglichst genau einander gleiche Wanderungsgeschwindigkeiten haben. Diese
Bedingung erfüllen nur zwei Salze: KCl und (NH4)N03. Ammoniumnitrat
hat den Vorzug noch größerer Löslichkeit, aber den Nachteil, dalj es in
Berührung mit alkalischen Flüssigkeiten Ammoniak abspaltet. Deshalb ist
im allgemeinen KCl vorzuziehen, welches den Zweck um so besser erfüllt.
in je höherer Konzentration es angewendet wiid. Im allgemeinen genügt
es also, einfach eine gesättigte Lösung von KCl zwischenzuschaltrn. um
das Diffusionspotential auf den praktisch zu vernachlässigenden Wert von
<C1 Millivolt herabzudrücken. Nur in seltenen Fällen ist dieses Mittel nicht
ganz sicher, wenn nämlich die IL oder Oll'-Konzcntration einer der Flüssig-
keiten erheblich grölJer als etwa 10~^ norm. ist. In diesem Fall hilft man sich
506
L. Michaelis.
nach Bjerrum ^) auf folgende Weise. Wie gesagt, ist die potentialvernichtende
Eigenschaft der KCl-Lösung um so größer, je konzentrierter sie angewandt
wird. Schaltet man nun in einem Versuch zwischen die beiden Lösungen
eine gesättigte KCl-Lösung, in einem zweiten Versuch eine halbgesättigte
KCl-Lösung und findet, daß die EMK der Kette in beiden Fällen ganz
gleich ist, so heißt das : schon durch die halbgesättigte KCl-Lösung
wird das Diffusionspotential ganz vernichtet; die Anwendung der ganz
gesättigten KCl-Lösung brachte keine Änderung mehr hervor. In
diesem Falle sind wir sicher, das Kontaktpotential wirklich vernichtet zu
haben.
Finden wir dagegen, daß mit ganz gesättigter Lösung die EMK der
Kette 0-202 Volt, mit halbgesättigter KCl-Lösung dagegen 0-204 Volt ist,
so heißt das : die halbgesättigte KCl-Lösung reichte zur völligen Vernichtung
des Diffusionspotentials nicht aus, denn die ganz gesättigte KCl-Lösung ver-
nichtete noch weitere — 0'002 Volt. Man kann nun mit einer für die
Praxis ausreichenden Genauigkeit annehmen, daß der wahre Wert der
Konzentrationskette erhalten wird, wenn man durch Extrapolation von den
0-204 Volt diese — 0*002 Volt noch einmal abzieht, also den Wert zu
0-206 Volt annimmt. Es handelt sich hier immer um sehr kleine Kor-
rekturen, so daß diese Extrapolation gestattet ist.
Für gewöhnlich ist aber die einfache Messung mit zwischengeschal-
teter gesättigter KCl-Lösung durchaus ausreichend.
5. Messung toii elektromotorischen Kräften. Nunmehr müssen
wir uns im Prinzip mit der Methode beschäftigen, mit der die EMK einer
Kette gemessen wird. Die beste ist die
Kompensationsmethode nach Poggendorff
und Du Bois- Regmond. Sie ist eine so-
genannte ..Nullmethode-' und beruht dar-
auf, daß man in den Stromkreis des zu
messenden galvanischen Elementes eine
zweite elektromotorische Kraft, welche
veränderlich und berechenbar ist. ent-
gegenschaltet und sie so reguliert, daß
die Summe der E M K im Stromkreis = 0
ist. Alsdann ist die gesuchte EMK gleich
der entgegengeschalteten, berechenbaren
EMK. (Fig. 126.)
Das Prinzip ist folgendes :
A sei ein galvanisches Element von
genau bekannter EMK. Die Drähte AC
und A D leiten gut , der Draht CD stellt
einen hohen Widerstand dar. Dann findet zwischen C und D der Abfall des
gesamten Potentials des galvanischen Elementes A statt. Der Punkt E
Fig. 126.
Schema der Messungsmethode.
1) Bjerrum, Zeitschr. f. physikal. Chemie. 53, 428 (1905).
Die Bestimmiuiir Jpi" Wasserstoffioiiciikoiizeiitration durcli (iaskettcn. f)Q7
sei verschieblich (..Hiiickeiikontakt"). Dann herrscht zwischen den Tunkten D
und E ein Potential, welches sich berechnet wie folut :
Totentialp-/,; : Potential/^_c= Widerstands-^; : Widerstand;; , .
Von den Punkten 1) und F. wird ein Nebenstronikreis h'G BDE ab-
geleitet, in den die zu messende EMK. i^und das Galvanometer 6^ einge-
schaltet ist. Durch Verschiebung gibt man dem Punkte /.' diejenifie Lage,
bei der das Galvanometer in Ruhestellung ist. Dann ist die gesuchte K.MK
des Elementes B gleich dem Potential zwischen den Punkten JJ und E und
diese wiederum
= EMK des Elementes A x :^—, — -, — .^~^
\\ iderstand c-d
Der Widerstand CD kann entweder in Form des Brückendrahtes be-
nutzt werden, wie es für Leitfähigkeitsbestimmungen in (iebrauch ist,
besser aber nimmt man an seiner Stelle zwei hintereinandergeschaltete
Widerstandssätze zu je 1 bis 1110 Ohm. Man legt sämtliche Stöpsel des einen
Rheostaten ganz beiseite und verteilt die des anderen zwischen die beiden
Rheostaten, so jedoch, daß der Gesamtwiderstand der Piheostaten zu-
sammen stets 1110 ü beträgt. Das Hin- und Herstöpseln einzelner Wider-
stände entspricht dann dem Verschieben des Brückenkontaktes.
6. StroniqueHe. Als Stromquelle, A, benutzt man am besten einen
gewöhnlichen Bleiakkumulator. Seine EMK, die für die weitere Rechnung
bekannt sein muü, muli vor jedem \'ersuch bestimmt werden.
Dies "cschieht auf fokende Weise: Vor Beginn des eigentlichen \'er-
r^"-
suches wird der Akkumulator nach dem Schema Fig. 126 und 127 eingeschaltet
und an Stelle des Elementes B ein ..Normalelement • von genau bekannter
und unveränderlicher EMK eingeschaltet. Dazu benutzt man gewöhnlich ein
W^estonelement, welches eine EMK von P019 ^'olt besitzt. Nunmehr wird
durch Fnistöpselung der Widerstände der Widerstand ED so reguliert, daß
der Stromkreis EDBGE stromlos ist. Dazu ist natürlich notwendig, daß die
Stromrichtung des Normalelementes in diesem Stromkreis der des Akku-
mulators entgegengesetzt geschaltet ist. Angenommen, dieser L^mstand sei
erreicht, wenn A'/^^ 1500 tl ist. dann ist
EMK Akkum. : EMKwestonel. = 1 1 lU ! ÜOO
und
11 l(t
EMKAkkum.= ^,,,, ■ lull) \ült.
oOO
Jedes Ohm, das sich in dem Pheostat entsprechend der Ürücken-
strecke DE befindet, entspricht denniach
1110 1-019 _ 1-010
600 ' 1110 ~ "()00 " ■
Zur dauernden Stromentnahme dai-f das Normalelement nicht benutzt
werden, sondern nur für den Zweck der Messung des Akkumulators.
Man kann nun viele Pechnungen ersjiaren. wenn man eine Strom-
quelle von 11 10 Volt benutzt. Dann bedeutet jedes Ohm der Brückenstrecke
508 L. Michaelis.
DE gerade 0-001 Volt. Eine solche Stromquelle benutze ich seit langem
durch folgende Anordnung. Zwischen die Punkte Ä und C wird ein regulier-
barer Vorschaltwiderstand eingeschaltet. Man erteilt nun der Strecke ED
den Widerstand 101912, der Strecke CE also den Rest (1110— 1019)=81 11
In B befindet sich das Normalelement von 1*019 Volt. Nun reguliert man
den Vorschaltwiderstand derartig, daß das Galvanometer genau stromlos
ist. Dann 'snrd die gesamte EMK des Akkumulators geteilt, ein Teil dieses
Potentials fällt auf dem Wege des Vorschaltwiderstandes ab, der andere, allein
für den Brückenstromkreis benutzte zwischen C und D. Da 1019 ü auf der
Strecke ED einer EMK von 1*0 19 Volt des Normalelements entsprechen,
so bedeutet jedes O des Rheostat ED genau 1 Millivolt. Die Bestimmung
der EMK l)is auf ganze Millivolt ist praktisch völlig ausreichend.
Schätzungen der Zehntelmillivolt sind aus der Höhe des Elektrometer-
ausschlags möglich. Findet man z. B. , daß der Wert 0'0507 nur eine
Spur zu groß, 0-0506 aber sehr merkUch zu klein ist, so wird man
0-05068 abschätzen.
Die genauere Beschaffenheit der einzelnen Teile des Apparates.
In Fig. 126 ist nun die gesamte Anordnung abgebildet, die wir im
Schema bisher kennen gelernt haben. Die einzelnen Teile des Apparats
haben des Näheren folgende Beschaffenheit:
a) Der Akkumulator.
Man benutzt einen gewöhnlichen, einzelligen Bleiakkumulator von be-
liebiger Größe. Er wird durch hochgespannten Gleichstrom geladen, indem
man den mit + vorbezeichneten Pol mit dem positiven Pol des Starkstromes
den mit — bezeichneten mit dem negativen Pol verbindet und 1 — 2 Glüh-
lampen (bei einem Strom von 110 Volt) zwischenschaltet. Die Ladung geschieht
solange, bis die Gasentwicklung im Akkumulator lebhaft zu werden beginnt,
was je nach der Kapazität des Akkumulators verschieden lange Zeit, meist
mehrere Stunden, in Anspruch nimmt. Jetzt ist der Akkumulator ..überspannt"
infolge der Beladung mit gasförmigem Hg und O2. Erst wenn der Akkumulator
mehrere Stunden durch einen Widerstand von 1000 — 2000 O geschlossen ge-
wesen ist (also einfach in dem Stromkreis des Versuches), beginnt er, eine
konstantere Ladung anzunehmen, welche zuerst >» 1*95 Volt ist und im Laufe
von Tagen oder Wochen, je nach Benutzung, um ein weniges, etwa auf
1-8 Volt abfällt. Dann tritt eine rapide weitere Entladung ein und der
Akkumulator muß aufs Neue geladen werden. Der Akkumulator muß während
des Versuches häufig auf seine EMK geprüft werden, oder wenn man mit
Vorschaltwiderstand arbeitet, muß dieser häufig reguUert werden, indem
stets das Normalelement als Vergleichsobjekt benutzt wird.
b) Der Vorschaltwiderstand.
Er ist nicht durchaus erforderhch, aber angenehm. Er besteht zweck-
mäßig aus einem festen Widerstand aus Kheotandraht von zirka 800 O,
510 L. Michaelis.
einem gröberen , von 5 zu 5 O regulierbaren Widerstand von insgesamt
100 11 und einem fein regulierbaren Scliieberwiderstand von insgesamt etwa
10 O. Durch die beiden regulierbaren Widerstände geschieht die gröbere
und zum Schluß die feine Regulierung des Vorschaltwiderstandes. Sehr zu
empfehlen ist statt dessen auch ein zusammengekoppelter gröberer und
feinerer regulierbarer Gleitwiderstand (wie in Fig. 4). ^)
c) Die Meßbrücke.
Die „Meßbrücke" ist entweder die von den Leitfähigkeitsbestim-
mungen her bekannte, oder sie besteht wie in Fig. 127 am besten aus zwei
gleichen Widerstandskästen zu je 1110 O, enthaltend:
1 X 1 Ll =
1
2 X 2a =
4
Ix 5 0 =
5
Ix 10 O =
10
2 X 20 O =
40
1 x 50 O =
50
1 X 100 O =
100
2 X 200 O =
400
1 X 500 O =
500
= 1110 o.
Bei Nichtgebrauch müssen die Stöpsel locker eingesteckt werden.
Zum Gebrauch werden zunächst alle Stöpsel des einen Rheostaten ent-
fernt. Die eingesteckten Stöpsel müssen fest eingedreht werden. Von Zeit
zu Zeit werden die Stöpsel mit Petroleum zur Säuberung abgerieben, im
Notfall mit Schmirgelpapier zart abgerieben.
d) Das Elektrometer.
Als Elektrometer kommen in Betracht: ein sehr empfindhches Nadel-
galvanometer, oder ein Spiegelgalvanometer, oder ein Saitengalvanometer,
oder ein Kapillarelektrometer. Zur Einübung der Methode dient zunächst am
einfachsten irgend ein empfindliches Nadelgalvanometer. Weiterhin aber
empfehle ich mit aller Entschiedenheit das Kapillarelektrometer, und zwar
in der Form, wie sie Ostivald gegeben hat. Einige ganz unbedeutende, dem
Zweck angepaßte Abänderungen hat das Kapillarelektrometer in der Form
erfahren, wie es der Apparatur für Gasketten (Vereinigte Fabriken für
Laboratoriumsbedarf) auf meine Veranlassung beigegeben wird.
Das Kapillar elektrometer AÜrd folgendermaßen für den Gebrauch
vorbereitet. Man verschaffe sich Quecksilber, welches von unedleren Me-
tallen absolut rein ist. Man erhält dies aus gewöhnhchem käuflichen Queck-
silber, indem man dieses mit einer starken Lösung von Merkuronitrat (in
destilliertem Wasser) längere Zeit durchschüttelt, dann die Merkuri-
nitratlösung abgießt, mehrere Male mit destilliertem (auf keinen Fall
*) Ein für diese Zwecke geeigneter Widerstand wird auf meine Veranlassung in
den Vereinigten Fabriken für Laboratoriumsbedarf vorrätig gehalten.
Die Bestiuinuui),' der WasserstoffioueiikoiiziMitratiou tlurcli (jusketten.
511
Leitunj^swasser mit Hp: in Berüliniii}^' hriiiiicn:) Wasser wuscht, das Queck-
silber in einer Porzellanschale mit Filtrierpapier trocken sautrt und filtriert.
Quecksilber wird filtriert, indem man ein {gewöhnliches Filter in einen
Trichter einpalit und in die Spitze des Filters mit einer feinen (nicht
rostiiienlj Nadel ein Loch stöllt.
Das so «^ereini^te Quecksilber wird in die offnuiii;- A einj-efüllt, bis
es in den anderen Schenkel überliinft und teilweise in die Ku^cl K ab-
tropft. Die Quecksilbermasse zer-
reißt dann und es bleii)t ein Niveau Fig.ias.
bei B bestehen. Man achte ja dar- A
auf, daß in der Kuj^el K so viel
H^ sich befindet, daß der ein-
geschmolzene riatinkontakt ganz
von Hg bedeckt ist.
Eine besondere Iieinigung der
Glaskapillare vor der Füllung ist
bei frischen Röhren nicht notwendig.
Schon gebrauchte Röhrchen lassen
sich nur mühsam zunächst mit
Schwefelsäurel)ichi'omatmis('hiing,
dann lange mit durchgesaugtem
destillierten Wasser, Alkohol, Äther,
Luft wieder reinigen.
Nach EinfüUung des Queck-
silbers wird in die Öffnung E
eine Mischung von 1 N'olum kon-
zentrierter Ha SOi + 6 \olum
Wasser eingefüllt, durch Wippen
die Luftblasen bei B entfernt , so
daß der Quecksilljermeniskus B die
Schwefelsäure gut i)erülirt. Die
beiden Zuleitungsdrähte müssen
stets kurz geschlossen werden, was
durch den Tauchkontakt C ge-
schieht, und nur unmittell)ar vor
dem Gebrauch darf dieser Tauchkontakt höclistens auf wenii^e Sekunden
geöffnet werden. Ist das Elektrometer in guter Ordnung, so darf sich der
Quecksilbermeniscus nach diesem Öffnen ab.^olut nicht bewegen.
Die Beobachtung des Quecksilbermeniskus geschieht durch ein kleines
Mikroskop, in dessen Okular eine Teilung eingeätzt ist. Auf die Außenseite
(die dem Mikroskop zugewandte Seite) der Kapillare wird ein Stück eines
Deckgläschens D mit Kanadabalsam befestigt, um die gewölbte Ol)erfläche der
Kapillare zu ebnen und das miki-oskopische Bihl des Meniscus zu verschärfen.
Das Kapillarelektrometer ist ein vorzügliches, ai)er in der Hand des
Ungeübten oft launisches Instrument. Bald ist es hochempfinillich. bald
Eapillarelektroineter (.ohne Stativ).
512
L. Michaelis.
in imbr.iuchbarer Weise unempfindlich. Einige Regeln werden nützlich sein,
wenn man das Elektrometer gut instand halten will.
^lan lasse das. Elektrometer nie ,. geöffnet" stehen.
Man schicke niemals einen starken Strom durch das Elektrometer.
Ist dies dennoch geschehen, so beobachte man, ob sich eine Gasblase am
Meniskus gebildet hat. Ist das der Fall, so bringe man durch Anblasen
der Öffnung Ä einen Tropfen Quecksilber von dem Meniskus nach K her-
über, um einen neuen Meniskus zu bilden. Außerdem beobachte man, ob
der ^leniskus nach dem Öffnen des Tauchkontaktes spontan steigt oder
fällt. Ist das der Fall, so lasse man das Elektrometer so lange kurz ge-
schlossen, bis nach dem Öffnen keine spontane Bewegung mehr eintritt.
Man überzeuge sich gelegentlich , ob der Meniskus frei beweglich ist,
indem man eine sehr schwache EMK an das Elektrometer anlegt. Als
solches kann man ein kleines galvanisches Element benutzen, das man
z. B. aus einem Kupferdraht, einem Messingdraht und dem angefeuchteten
Finger improvisiert. Mitunter ist die Beweghchkeit des Meniskus rein
mechanisch durch Staubteilchen beeinträchtigt. Gelingt es nicht, durch
leichtes Anblasen die Beweglichkeit wieder herzustellen, so blase man einen
neuen Meniskus ab. Sehr zu empfehlen sind die neuerdings von F. Köhler
(Leipzig) in den Handel gebrachten fertig gefüllten, zugeschmolzenen
Capillarelektrometerröhren.
e) Das Normalelement.
Das gebräuchhchste Normalelement ist das sogenannte Weston-
element. Man füllt ein H-förmiges Gefäß, dessen beide Schenkel mit
Zuführungsdrähten von
^'^"^^^' Platin versehen sind,
^f^^oWin auf der einen Seite mit
einer Schicht ganz reinen
Quecksilbers , auf der
anderen Seite mit einer
Schicht Kadmiumam-
algam. Dieses Amalgam
wird hergestellt durch
Zusammenschmelzen
von 1 Teil von ganz
reinem Kadmium und
7 — 8 Gewichtsteilen
^jMlilt reinen Quecksilbers. Das
Amalgam erstarrt bei
Zimmertemperatur zu
einem Brei. Es wird
flüssig in das H-Gefäß eingegossen und erstarrt in demselben bald. Die
Höhe der Schicht muß beiderseits so groß sein, daß die eingeschmolzenen
Platindrähte ganz verdeckt werden. Dann bereitet man sich eine ge-
Pash
W^-^-^J
" CdS04-Lc)sun9
«—Cd 5O4- Kristalle
Westonscbes Normalelement.
Die Bestimmuug der Wasserstoffioncnkouzentration diircli (iaskettc-n. f,l3
sättigte Lösung von reinem kristallisiertem Kadmiiimsulfat durch Verreiben
gleicher (lewichtsteile des Salzes und von Wasser. Die gesättigte Lösung
wird zu ^veiterem Ciebrancli abgegossen und von dem rcstierenden
Kristallbrei eine Schicht von etwa '^ nnn Höhe auf das Kadmium-
amalgam geschichtet. Kiiie andere Portiun des Breies mit etwas Mcr-
kurosulfat, etwas Quecksilber und etwas gesättigter Kadmiumsulfatlösnng
verrieben, dekantiert, die Kadmiumsulfatlösung abgegossen und durch neue
ersetzt und auf gleiche Weise mehrere Male mit Kadmiiuusulfatlösung ge-
waschen, um alle leicht löslichen Hg-Salze zu entfernen, die das Merkuro-
sulfat etwa als Verunreinigung enthalten haben könnte. Schlieltlich wird
die gewaschene Taste in einer b iio» hohen Schicht auf das Quecksilber
des H-(iefäßes geschichtet. Nun werden die Schenkel des Il-defälies mit
erbsgroßen Kristallen von Kadmiumsulfat beschickt und mit gesättigter
Kadmiumsulfatlösung angefüllt. Die beiden Schenkel werden mit ge-
schmolzenem Paraffin geschlossen, indessen man Sorge trägt, daß eine
Luftblase unter dem Paraffin bestehen bleibt, damit bei Ausdehimng durch
die Wärme das Gefäß nicht zersprengt wird. Auf das Paraffin kann man
noch eine Korkscheibe decken und darauf Siegellack gießen. Das Kleinent
ist sofort gel)rauchsfertig.
Die EMK des Westonelementes beträgt bei
0" 50 10« 150 20» 25" ;-)0»
1-01S9 1-018*) 1-01S9 1-0188 10186 1-0184 POISI Volt.
Die Abweichungen davon betragen I)ei Anwendung reiner Reagenzien
nicht mehr als höchstens + 02 Millivolt. Es können natürlich auch Ele-
mente benutzt werden, die einen etwa um 1 Millivolt abweichenden Wert
haben, nur muß diese Abweichung beständig und bekannt sein.
Das Normalelement darf niemals zu einer irgendwie erheblichen
Stromentnahme benutzt werden. Ist dies dennoch versehentlich geschehen
(Kurzschluß), so regeneriert sich das Element ganz allmählich erst wieder
spontan und darf zu ^lessungszwecken erst wieder benutzt werden, wenn
es eine konstante EMK angenommen hat, also am nächsten Tage.
Die physikalisch-technische Reichsanstalt üi)ernimmt die Aichung
solcher Normalelemente.
f) Die Gaskette.
Die Gaskette ist ein galvanisches Element, welches aus der Vergleich.s-
elektrode und der Untersuchungselektrode besteht. Als Vergleichselektrode
benutzt man entw^eder eine Wasserstoffelektrode mit einer genau bekann-
ten Säurelösung oder die Dezinormalkalomelelektrode. Die Herstellung der
Wasserstoffelektrode geschieht genau auf dem gleichen Wege, wie t's so-
gleich für die l^ntersuchungselektrode beschrieben werden wird, /u be-
sprechen ist nur noch die Säurelösung, mit welcher dieselbe gefüllt werden
soll. Diese muß folgende P.ediugungeu erfüllen: die Il-Konzeutration muß
genau bekannt sein und die Lösung muß so beschaffeu sein, daß das Dif-
fusionspotential gegen die Mittelflüssigkeit entweder verschwindend klein
Abderbal do n , Handbuch der biocberaiHcben Arbeittmethodrii. V. 33
§14 L. Michaelis.
oder genau berechenbar ist. Diesen Bedingungen wird durch eine der fol-
genden Anordnungen genügt :
Elektiodenflüssigkeit zugehörige Mittelflüssigkeit
a) Salzsäure (am besten ^) NaCl in gleicher Kon-
zentration (also gewöhn-
lich ^),
h) 0-01 n HCl + 0-1 n NaCl(d. h. 10 cm^ ^HCl -f
10 cm^ n . NaCl + 80 cm^ Wasser) . . . . Ol n NaCl,
c) noch besser: 10 cm^ n NaOH + 20cin'^ n Essig-
säure, mit dest. Wasser aufgefüllt auf 100 cm"- gesättigte KCl-Lösung.
Bei der Anordnung a) ist das Diffusionspotential nach der Formel
S. 504 berechenbar. Es beträgt:
Temperatur Volt
18« 0-0145
38" 0-0154.
Dieses Diffusionspotential mar) zu der gemessenen EMK der Gas-
kette addiert werden. Die H-Konzentration der Vergleichslösung, Tq HCl,
beträgt 0*09 1 n, weil die HCl in dieser Verdünnung zu 91% dis-
soziiert ist.
Die Anordnung h) ist von Bugarski so gewählt , weil durch das zu-
gefügte NaCl das Diffusionspotential ausgeschaltet werden sollte. Dieses be-
trägt aber in Wirküchkeit immer noch 0"0056 Volt, welche von der EMK
der Gaskette abgezogen werden müssen. Die H"-Konzentration der Ver-
gleichslösung beträgt nicht 0009(3 n, wie es einer reinen 0*01 HCl ent-
spräche, sondern weil die Dissoziation des HCl durch den Überschuß des
NaCl etwas zurückgedrängt wird, nur 0'0091 n.
Die Anordnung c) hat den Vorteil, daß das Diffusionspotential — 0 und
die H*-Konzentration der Vergleichslösung sehr genau bekannt, = 2o7 . 10~° n
ist. Sie hat aber den Nachteil, daß, weil die H--Konzentration der Vergleichs-
lösung so niedrig ist, die H •-Konzentration der Versuchslösung bald größer,
bald kleiner als diese sein wird, so daß man immer die Stromrichtung be-
achten muß, was bei den anderen Anordnungen in der Regel unnötig ist.
Die Kalomelelektrode.
Viel einfacher ist daher die für diesen Zweck von L. P. S. Sörensen'^)
eingeführte Dezinormalkalomelelektrode. Sie wird folgendermaßen hergestellt :
Das dazu geeignete Elektrodengefäß wird mit absolut reinem Quecksilber
so weit gefüllt, daß der an das untere Ende des Rohres R eingeschmolzene
1) S. P. L.Sörenscn, Enzymstudieii II. Biochem. Zeitschr. S. 131. 21 (1910).
Die Bestiminiui'' der \Vasserstoffioiiciik<mzoiitration durch Gasketten.
r.i:,
Fiff.lSO.
Platinkontakt sicher bedeckt wird. Dann schüttet man eine Messerspitze
Kalomel hinein, schüttelt es leicht mit dem Hf^- durch und füllt das ganzo
Gefäß mit einer sehr i>enau herfi:estellten — -Lösunj^ von KCl. I)ann ver-
schließt man das Gefäß mit dem Glasrohr /•', welches den l'latinkontakt ent-
hält und füllt dieses Kohr mit Quecksilber, in welches der Zuleitungsdraht
später hineingesteckt werden kann. Jetzt öffnet man den Hahn Ji, lüftet
den Verschluß^ und läßt die KCl-Lösung etwas au.sfließen, bis alle Luft-
blasen in dem Ableitungsrohr verdrängt sind, schließt dann li und A wieder.
Die Spitze C wird in eine Manne mit gesättigter KCl-Lösung getaucht,
wie in Fig. 126 zu sehen ist. Unmittelbar vor der Messung öffnet man den
Hahn B. Bei Nichtgebrauch ist er so-
fort wieder zu verschließen. An jedem
Untersuchungstage lasse man ein wenig
von der KCl-Lösung aus dem Gefäß
abfließen. Gelegentlich erneuere man
die Füllung. Das Quecksilber braucht
nicht erneuert zu werden.
Das Potential dieser Elektrode
gegen die -— n Wasserstoffelektrode be-
trägt nach den sehr sorgfältigen Mes-
sungen von Sörensen bei 18"= 0";>o77
Volt.
Findet man z. B., daß die EMK
einer Kette, bestehend aus der Ver-
suchselektrode und derKalomelelektrode
als Vergleichselektrode Ü"ol00 Volt be-
trägt, so weiß man, daß die Versuchs-
elektrode gegen die — n
die EMK
0-5100
—0-3377
IL-Elekt rollt'
KCl
Calomel
= 0-1723 Volt
Kalomelelektrode.
betragen würde, welcher Wert dann zur Rechnung benutzt wird.
Die Kalomelelektrode hat den großen ^■ort('il, daß
sie stets fertig
zur Untersuchung ist und man die Einleitung des IL und die öfters not-
wendige Instandsetzung der Platin-ll.^-Elektrode wenigstens an der Ver-
gleichselektrode spart, und daß ferner das Diffusionspotential gegen jede
beliebige KCl-Lösung = 0 ist. Sie hat ferner den Vorteil, daß bei noch .so
hoher IL-Konzentration der Versuchslösung keine Umkehr der Strom-
richtung eintritt und man auf die Stromrichtung überhaupt nicht mehr
zu achten hat, sobald alles einmal richtig montiert ist.
33*
516
L. Michaelis.
Die Gaselektrode.
Die Gaselektrode, welche zur Aufnahme der zu untersuchenden
Flüssigkeit dient, hat nach meinen Erfahrungen am besten und einfach-
sten folgende Anordnung (Fig. 131) :
Sie besteht aus dem Glasgefäß A, der Elektrode B und dem Schlauch C.
Die Elektrode wird am besten nicht durch ein Platinblech, sondern ein-
fach durch einen Platindraht dargestellt, welcher in einen Glasschliff ein-
geschmolzen ist. Oben trägt der Glastubus einen federnden Kontakt zur
Ableitung des Stromes.
Der Platindraht muß mit Platinschwarz überzogen werden. Man reinige
das Platin zunächst mit konzentrierter Salpetersäure und wasche diese
mit Wasser ab. Von jetzt an darf das Platin nicht mehr mit dem Finger
berührt werden. Nunmehr verbinde man die Platinelektrode mit dem n e-
gativen Pol eines Akkumulators
Fig. 131.
,-c
B~~-
Ho-iiir-
Wasserstoffelektrode.
(oder auch einer Batterie von zwei
hintereinander geschalteten Akku-
mulatoren), während man die feste
Platinelektrode des ..Platinierungs-
gefäßes" mit dem positiven Pol
verbindet. Das Gefäß wird mit
einer Lösung von 3% Platinchlo-
rid + einer minimalen Spur Blei-
azetat gefüllt und der Strom durch-
geleitet. Unter häufigem Drehen
der Elektrode lasse man den Strom
hindurchgehen. Das Platin über-
zieht sich mit einer sammetschwar-
zen Schicht von Platinschwarz. So-
bald dieser Bezug allseitig und gleichmäßig geworden ist, ist die Plati-
nierung beendet. Die Platinierung einer ganz neuen Elektrode geschieht
oft langsam und erfordert bis 5 Minuten, alle späteren Platinierungen der
Elektrode erfordern gewöhnhch nur 1 — 2 Minuten. Jetzt spüle man die
Elektrode gut mit destilliertem Wasser ab und unterwerfe sie sofort einer
kathodischen Polarisation. Das hat den Zweck, die dem Platinschwarz noch
anhaftenden Pieste von Platinchlorid zu reduzieren. Das ist unbedingt not-
wendig. Zu diesem Zweck benutzt man genau die gleiche Anordnung wie
beim Platinieren, nur fülle man das Gefäß nicht mit der Platinlösung,
sondern mit verdünnter Schwefelsäure. Man lasse die Gasentwicklung
einige Minuten vor sich gehen, spüle die Elektrode gut ab und bewahre
sie bis zum Gebrauch unter destilliertem Wasser einfach in dem Elek-
trodenrohr (Fig. 131) auf. Die Elektrode ist wenige ]Minuten nach dieser
Prozedur sofort gebrauchsfähig; das an manchen (Jrten vorgeschriebene
24stündige Wässern ist nach guter Pieduktion ganz überflüssig.
Die BestimmiiiiLT <lor Wasserstoffidiionk-onzentratioii iliirdi (iaslcelteii. ,")17
Die Platiniorung nuill von Zeit zu Zeit erneuert werden. Wird die
Elektrode immer nur mit eiweilifreien Lösungen gefüllt, so hält sie sich
oft viele Wochen lang gut. Im anderen Fall kann es vorkommen, dal» die
Platinierung alle paar Tage notwendig wird.
Die fertig platinierte Elektrode wird erst auf ihre Güte geprüft.
Dies geschieht am einfachsten, indem man eine Lösung von genau l)e-
kannter H-Konzentration mit ihr milit. Als solche \'ergleichslösung emp-
fehle ich:
10 cm^ n Na OH
20 ., n Essigsäure
70 ,, dest. AVasser.
Die Platinelektrode muß gegen die Kalomelelektrode bei 18" C die
EMK 0-6045 VoltM haben. Mehr als höchstens ±0001 \nlt Differenz
Fig. 132.
VF.L. BERLIN
H2SO4Ö-
Platiniernngs- nnd BeduktionsgefäU.
ist eigentlich unstatthaft, obwohl für die allermeisten Zwecke eine Ab-
weichung von 0-002 bis O-OO;» \'olt noch i^ai- nicht in Betracht kommt.
Pei längerem Gebrauch wird die Elektrode schlecht. Man bemerkt
das daran, daß ganz plötzlich unmögliche Resultate herauskommen. Kleine
Fehler macht die Platinelektrode nicht so leicht: wird sie schlecht, so
gibt sie sofort ganz unwahrscheinliche Pvesultate. Auch kommt es vor, dal5
eine Verschlechterung der Elektrode sich dadurch anzeigt, daß sie zur
') Für andere Temperaturen ist dieser Wert iiocli niclit mit dem ^'leiclien Grad
von Genauigkeit festgelegt. Mit praktisch genügender Genauigkeit kann man aber bis
zu etwa 24" C pro Grad 08 Millivolt zuziehen, so daß die EMK dieser Kette beträgt:
bei 18« C)()Ü4 j Volt
„20" 0(i()()l ..
„22» 0()078 „
,24" 0-60',l3 .,
518 L- Michaelis.
Einstellung eines konstanten Potentials ungebührlich lange Zeit braucht,
also etwa mehr als eine Stunde.
Zum Gebrauch füllt man die Elektrode zunächst mit der zu unter-
suchenden Lösung, ohne eine Luftblase in dem Elektrodenschenkel zu
lassen. Dann fülle man diesen mit Wasserstoffgas. Dieses wird entweder
in einem elektrolytischen Wasserstoffentwickler oder im Kippschen Ap-
parat entwickelt. Man wasche den H.j mit Kaliumperm anganatlösung zur
Oxydation oxydabler Gase und mit gesättigter HgCL-Lösung zur Ent-
fernung des Arsens. Der Wasserstoff muß natürlich absolut frei von
Luft sein. Man lasse den Wasserstoff längere Zeit durch ein kapillar-aus-
gezogenes Glasrohr strömen, führe dies Avährend des Durchströmens in
den offenen Schenkel des Elektrodengefäßes, schUeße dann mit einem
Quetschhahn den Hg-Strom und führe die Glaskapillare so tief ein, daß
der dann zuzuleitende Wasserstoff in dem kürzeren Schenkel des Elek-
trodengefäßes aufsteigt. Man lasse langsam soviel Wasserstoffgasblasen hin-
zu, bis die Platinelektrode nur mit der äußersten Spitze noch in die Flüs-
sigkeit taucht.
Der Umstand, daß die Platinelektrode sich erst allmählich mit Hs-Gas
sättigt, hat zur Folge, daß die E M K nicht sofort nach Ansetzung der Gas-
kette den definitiven richtigen Wert hat. Lst die Vergleichselektrode die
Kalomelelektrode, so wird die EMK der Kette im Laufe der Zeit zunächst
stets zunehmen, bis schließlich die Konstanz erreicht ist. Man mache gleich
nach Ansetzung der Kette eine Messung der EMK, wiederhole diese etwa
alle 10 Minuten und betrachte den Wert nicht eher als den definitiven, bis
sich in drei aufeinanderfolgenden Ablesungen im Zwischenraum von 10 Mi-
nuten absolut keine Änderung der EMK mehr zeigt.
Die Angaben in den Büchern, man solle die Elektrode zu einem
Drittel ihrer Länge eintauchen lassen, sind ganz unzweck-
mäßig. Die Einstellung des richtigen Potentials geschieht viel
schneller, wenn die Elektrode nur noch knapp eintaucht.
Bei eiweißhaltigen Flüssigkeiten, in denen der H, in Blasen stehen
bleibt, lasse man so viel H, hinein, daß die Elektrode nicht mehr ganz
eintaucht. Die kapillare Stromleitung an den Wänden der Wasserstoff-
bläschen ist hinreichend.
Die Ursache dieser Erscheinung scheint mir folgende zu sein:
Potentialbestimmend kann nur der eintauchende Teil der Elektrode sein.
Der definitive Wert des Potentials wird erreicht, sobald dieser eintauchende
Teil der Elektrode mit Wasserstoffgas gesättigt ist. Der Wasserstoff ge-
langt aber in diesen Teil der Elektrode nicht direkt aus dem Gasraum,
mit dem er ja nicht in offenem Austausch steht, sondern durch Diffusion aus
dem aus der Flüssigkeit herausragenden Teil der Platinelektrode. Der
Diffusionsweg des 'absorbierten Wasserstoffes aus dem überstehenden in
den eintauchenden Teil des Platins ist aber um so kürzer, je kürzer der
eintauchende Teil ist. Daher wird sich eine nur knapp eintauchende Elek-
trode schneller mit Ho sättigen als eine tief eintauchende.
Die Bestimmung der Wasserstoff ionenkonzentration durch (iaskctton. f-,19
Eine besondere Schwierigkeit bietet die Untersuchung,' von Flüssig-
keiten, die (Jase gelöst enthalten, wie CO,, Oj, NH3, t'l.,, N,. ^Vir müssen
hier zwei Fälle unterscheiden, entweder ist das betreffende (ias ..elektro-
motorisch wirksam" oder nicht. i)en ersten Fall stellt z. ]'.. CU dar. Füllen
wir das Elcktrodengefäli mit einer CI2 entwickelnden Flüssigkeit und füllen
in iil)licher Weise Wasserstoffgas ein, so wird sich der Gasraum und
schließlich auch das Platin mit etwas Cl., beladen. Wir haben somit nicht
mehr eine reine Hg-, sondern gleichzeitig eine Cl^-Elektrode vor uns, und
für die Größe des Potentials wird nicht allein di" Konzentration der ge-
lösten H'-Ionen, sondern auch die der Cl'-Ionen maßgebend sein. In einem
solchen Fall gibt uns daher die EMK der Kette gar keinen Aufschluß über
die Konzentration der H-Ionen. Besonders wichtig ist die in der physiologi-
schen Literatur überhaupt noch nicht bekannte Tatsache, daß auch NH^-lias
elektromotorisch wirksam ist. Man kann daher Flüssigkeiten, die NHj-Cias
entwickeln, nicht mit Gasketten messen. Den zweiten Fall stellt eine Flüssig-
keit dar, welche z. B. CO, gelöst enthält wie P)lut. CO2 ist, wie Höber nach-
gewiesen hat, elektromotorisch gar nicht wirksam und ein dem vorigen
Beispiel analoger Fehler kann daher nicht entstehen. Dafür entstehen zwei
andere Fehler: 1. Durch das Entweichen der Kohlonsäure in den Gasraum
aus der Flüssigkeit nimmt die Azidität der Flüssigkeit allmählich ab, so
daß nach Einstellung eines konstanten Potentials nicht die ursprüngliche,
sondern eine sekundär veränderte H-Ionenkonzentration gemessen wird.
2. Durch die Aufnahme von CO« wird der Partialdruck des Ha in dem Gasraum
geringer und damit die Potentialdifferenz geändert. Denn unsere Vergleichs-
elektrode ist eine solche, welche H, unter 1 Atmosphäre Druck enthält.
Der hierdurch verursachte Fehler ist allerdings nicht groß, denn der
..elektrolytische Lösungsdruck" eines zweiatomigen Gases, wie Hj, ist nur
der Quadratwurzel aus dem Gasdruck proportional ; daher ist es fast be-
langlos, ob der Wasserstoffatmosphäre einige Prozente CO2 beigemengt
sind oder nicht.
Durch diese Mitwirkung der CO., kommt es nun, daß die genaue
Bestimmung der H-Ionenkonzentration in physiologischen Flüssigkeiten be-
sondere Schwierigkeiten macht. Neuerdings ist es HassclbarJi ' ) gelungen,
auch diese Schwierigkeit zu beseitigen. Das Prinzip der Methode besteht
darin, daß er mit Hilfe eines besonders konstruierten Gefäßes zunächst
die Gaselektrode wie gewöhnlich zusammensetzt, durch Schütteln den (Jas-
austausch zwischen der Flüssigkeit und dem Gasraum bis zum eintreten-
den Gleichgewicht herbeiführt und schlielMich die so veränderte Flüssigkeit
durch eine frische Probe ersetzt unter Innehaltung des alten (iasraumes.
Jetzt kann die Flüssigkeit keine CO.. nnlir abgeben und der erste Fehler,
den die CO2 bewirkt, ist ausgeschaltet. Der zweite Fehler war ja,
wie wir sahen, zu vernachlässigen.
^) K. Ä. Ilasaclhdch , Elcktrnniotrisolio Keaktionsbestimmuiiir kohlensäurehaltiirer
Flüssigkeiten. Biocbem. Zcitsclir. Bd. 30. 3, 7. (1910.)
520 L- Michaelis.
Die mit dieser Methode erhaltenen Werte weichen nur sehr wenig von
(der der gewöhnlichen Methode ab, sobald man mit dem von mir ange-
gebenen Kunstgriffe des geringen Eintauchens der Elektrode arbeitet und
man mit einer Elektrode arbeitet, die sich erfahrungsgemäß schneU zur
Konstanz einstellt. Je kleiner das Volumen des Gasraumes ist, um so kleiner
ist der COg-Fehler. Man kann nun aber ohne Bedenken mit ganz kurzen
Platindrahtelektroden arbeiten , so daß der Gasraum weniger als 1 cm^
beträgt. Wenn man dann den etwa nach Ablauf der ersten halben
Stunde gemessenen Wert als den richtigen betrachtet, so wird man
keinen merklichen Fehler machen. Man muß nämlich bedenken, daß die
Definierung der Wasserstoffionenkonzentration in physiologischen Flüssig-
keiten keine sehr scharfe ist, und daher auch die Beanspruchung der aller-
höchsten Genauigkeit nicht in der Natur der Sache begründet ist. So
kann z. B. ein Blutserum , welches mit der Luft in Berührung steht,
in kurzer Zeit durch Abgabe von CO2 seine [H*] erheblich mehr ändern,
als der Ungenauigkeit der gewöhnlichen Messung entspricht. Immerhin
gibt die Methode von Hasselbach ein Mittel an die Hand, gegebenenfalls
die äußerste Genauigkeit zu erreichen, wenn die Umstände es lohnend er-
scheinen lassen.
Die zu messenden Flüssigkeiten dürfen ferner kein Toluol oder
Chloroform enthalten, welches die Platinoberfläche „vergiftet'' und zu
falschen Werten Anlaß geben kann, aber nicht muß, worüber Sörensen
(1. c.) genaue Untersuchungen angestellt hat. Mit Thymol gesättigte, kein
überschüssiges, festes Thymol enthaltende Flüssigkeiten geben dagegen
nach meinen Erfahrungen richtige Werte.
Spuren von HoS, die in eiweißhaltigen Lösungen durch Fäulnis ent-
stehen, vereiteln ebenfalls die Messungen, nach Sörensen.]
Die Berechnung der Wasserstoffionenkonzentration [H*] bzw.
des Wasserstoffexponenten ph aus der EMK.
Zunächst muß die Temperatur festgestellt werden, bei welcher die
Messung stattgefunden hat. Es ist im allgemeinen nicht notwendig, die
ganze Apparatur durch ein Wasserbad auf eine gewünschte konstante
Temperatur zu bringen, sondern es genügt durchaus, bei Zimmertemperatur
zu arbeiten und nach Einstellung eines konstanten Wertes der EMK nach-
träghch die Temperatur in der Flüssigkeit der Gaselektrode oder der
Kalomelelektrode mit einer Genauigkeit von ± 0-25o festzustellen. Es
empfiehlt sich am meisten, bei einer Temperatur von etwa 18*» zu ar-
beiten, weil die Standardwerte für diese Temperatur am sichersten fest-
gelegt sind.
Ist die EMK der Gaskette (nach Abzug des etwaigen Diffusions-
potentials) gegen irgend eine Vergleichselektrode festgestellt, so berechnet
Die Bestimmung der AVasserstoffionenkonzontration Jiircli Oaskctti'u. f)21
man zunächst die reduzierte EMK, d. h. diejenige EMK, welche bei Be-
nutzung der n . Hj -Elektrode erhalten worden wäre. Ist die \'ergleichs-
elektrode irgend eine Ho-Elektrode, so mul) man zunächst die H--Ionen-
konzentration derselben genau kennen. IM einer HCl-Lösung ist nun die
[H] gleich der Konzentration der HCl-Lösung, multipliziert mit dem Dis-
soziationsgrad, a, derselben. Dieser hängt ab von der Gesamtkonzentratiou
des gelösten Cl; wenn man also z.B. eine Lösung von 0*01 n. HCl
und 009 n . NaCl hat, so ist der Dissoziationsgrad der Salzsäure nicht
derjenige einer O'Ol n reinen HCl, sondern gleich dem einer O'l n
reinen HCl-Lösung. Folgende Tabelle gibt -/ für verschiedene Cl'-Kon-
zentrationen an:
Konzentration von
Cl (in Normalität a
oder Mol pro Liter)
1 . . 0-78
Ol 0-91
0-01 0-9(^)
0-001 .0-98.
Beispiel: Die Vergleichslösung sei
0-01 HCl + 0-1 NaCl.
Die Cl-Ionenkonzentration ist O'll, also sehr annähernd Ol. daher
a = 0-91 und [H-] = 00091 normal.
GeAYöhnlich wird man sich aber der — Kalomelelektrode als Vergleichs-
elektrode bedienen, und in diesem Fall findet man aus der gemessenen
EMK die Potentialdifferenz gegen die n . H2 -Elektrode einfach durch Sub-
traktion von O'onTT Volt.
Hat man auf diese Weise die Potentialdifferenz E gegen die n . H2-
Elektrode festgestellt, so findet man aus ihr [H-] durch die Anwendung
der Gleichung
lo"- rH'i = =
^ ^ ^ 0-00019881
Hier bedeutet T die absolute Temperatur, also 273" -ft, wo t die
Temperatur in Celsiusgraden ist. Der Faktor 00001983 T hat folgen-
den Wert:
für t= 16" Celsius 00573
17" 0-0Ö75
18" 0-0077
19" 0-OÖ79
20" 0-0581
21" 0-0583
22" 00585
23" 0-0587
24" 00589
25" 00591
522 L- Michaelis.
Es sei Z.B. EMK gemessen -^O'öST 7 Volt bei IT^ö^C, also E gefunden
= 0-2000 Volt, so ist
, ,„-, 0-2000
= 0-53 — 4
[H-] = 3-:39 . 10-^
Statt des Numerus kann man aber auch den Logarithmus selbst als
Maß für die Azidität angeben, und zwar, da dieser in allen für die
Physiologie in Betracht kommenden Fällen negativ ist, ohne das Minus-
zeichen, da ein Mißverständnis nicht möglich ist. Diesen Logarithmus ohne
das Minuszeichen nennt Sörensen den Wasserstoff exponenten, pn.
Es entspricht demnach z. B.
Ph [H-]
1-00 1-0.10-1
2-70 2-0.10-3
5-30 5-0 . 10-^ .
In der Tat ist der Wasserstoffexponent ein sehr bequemes Maß für
die Azidität, erstens weil seine Schreibweise sehr bequem ist, und zweitens,
weil sehr viele chemische Reaktionen zu dem W^asserstoffexponenten, also
dem Logarithmus von [H-] in einer einfacheren Beziehung stehen, als zu
der W^asserstoffionenkonzentration selbst.
Der Sicherheit halber muß man bei genauen Messungen stets zwei
gleiche Gaselektroden a und b und vor allem zwei Kalomelelektroden A und
B benutzen. Man mißt die Potentialdifferenzen
a — A
a— B
b— A
b— B
und muß in allen vier Fällen identische W^erte erhalten, womöglich bis auf
0'5 Millivolt übereinstimmend. Aber auch Abweichungen bis zu 2 und selbst
3 Millivolt geben noch so geringe Unterschiede, daß man sich meist mit
diesem Grad der Genauigkeit begnügen kann.
Versuchsbeispiel. 1)
Es sei die Aufgabe gestellt , mit Hilfe der Kalomelelektrode als Ver-
gleichselektrode in folgender Lösung die H-Ionenkonzentration x zu messen :
normal Na OH 10 cm^
normal Essigsäure 20 cm^
Wasser 10 cm^.
*) Ich empfehle dem Anfänger die praktische Ausführung gerade dieses Beispieles.
Die Bestimmung der AVasserstoffioneiikonzentration durch GäBkotteii. 523
Wir setzen die Kette an und fiiuleii hei IH» C
sofort die EM K =0-6000 Volt
nach 10 Minuten O'GOHO „
„20 „ 0-6045 „
„30 „ 0-604:) „
„ 2 Stunden 0-6045 „
. 8 « 0-6045 „
..24 0-(')045 „
Der endg-ültige Wert ist also 0-6045.
Wir ziehen zuniichst die Potentialdifferenz der Kalonielelektrode gegen
die Xorinal-H^-Elektrode, 0-3o77 Volt, ab und finden
0-6045
— 0-aa77
E= 0-2668 Volt
als EMK unserer Elektrode gegen y-Norinal-ll..-Klektrode.
Nun ist E = 0-0001 983. T( log 1 — lotix) oder, da log 1=0,
E = — 00001 983. T. log X
oder nach log x aufgelöst,
lOS" X =
*= 0-0001983. T
T ist in unserem Fall, wo die Temperatur 18° C betrug, 273 + 18 = 291,
und E = 0-2668, also
log X = — 4624
oder logx = 0-376 — 5
also x = 2-38.10-^
Wir finden also für unsere Flüssigkeit:
Ph = 4-62
und l H- 1 = 2-38 . 10-\
Von Interes.se ist nun die Feststellung, welchen Einfluli ein kleiner
Fehler in der Bestimmung der EMK auf den Ausgang der Rechnung hat.
Man kann sagen, daß unter Bedingungen, wie sie in physiologischen Ar-
beiten gegeben sind, die Genauigkeit der Bestimmung der EMK mit-
unter nur auf ± 0-003 Volt möglich ist. In unserem Fall würde also der
gefundene Wert von 0-6045 ungenau .sein bis auf ± .") Millivolt. Bei
EMK = 06075 würde sein
pu = 4676
[H-] = 2-11.10-5
und bei EMK = 0-6015 würde sein
p,i = 4568
[H-] = 2-70.10-^
Es ist also, bei einem Spielraum der EMK von ±3 Millivolt, die
Genauigkeit der IJestimmung von pa = ± 0-05 — O'Oö,
von [H-]=±10Vo ^lis 15% des (Jesamtwertes.
524 L. Michaelis. Die Bestimmung der Wasserstoffionenkonzentration etc.
In der soeben gemessenen Flüssigkeit läßt sich nun auch die H'-Kon-
zentration durch Berechnung bestimmen, und wir haben hier eine gute
Kontrolle für die Zuverlässigkeit der Messung. Die Flüssigkeit stellt nämlich
ein Gemisch von gleichen (molaren) Teilen Natriumazetat und Essigsäure
dar, und in einer solchen ist nach S. 1341 in Bd. III dieses Handbuchs
k . [Essigsäure]
[H-J —
a . [Natriumazetat] '
Die Dissoziationskonstante der Essigsäure, k, ist bei 1° = 18'86. 10^^
(vgl. Bd. III, S. 1339) der Dissoziationsgrad des Natriumazetats in einer
-^--Lösung, wie sie hier vorliegt, ist 0-78. Daraus berechnet sich
[H-] = 2-38 . 10-5 oder pn = 4-62
während gefunden wurde : 2*38 . 10"^ oder pn = 4'62.
Obige Flüssigkeit wurde auf meine Veranlassung in entgegen-
kommendster Weise von Sörensen und Köföd und gleichzeitig von mir bei
18" gemessen. In sehr zahlreichen Versuchen wurde von uns in überein-
stimmender Weise der obige Mittelwert gefunden, mit einer Abweichung
der einzelnen Versuche vom Mittel im Betrage von höchstens ± 0-6 Milli-
volt. Der Wert darf daher als ein zuverlässiger Standardwert betrachtet
werden, der dazu geeignet ist, die Potentialdifferenz der ^ n Kalomel-
elektrode gegen die n . Hg -Elektrode festzulegen. Es würde sich auf Grund
dieser EMK ergeben : 0*3378 Volt, in schönster Übereinstimmung mit dem
Sörensenschen Werte 0*3377 Volt.
Die Arl)eitsmetliO(l(Mi \m Versuclieii über
Aimpliylaxie.
Von llcniiiiiiii PieiffVr, Graz.
Einleitende Vorbemerkungen (zugleich Terminologie).
Mau versteht unter (aktiver) Anaphylaxie (Synonyme: AUeririe,
Überempfindlichkeit) jenen spezifischen, durch das \'orhandensein von Anti-
eiweißkörpern bedingten Ausnahmszustand, in welchem nach erstmaligem
parenteralen Eindringen und Zerfall von artfiemdem oder aber art-
gleichem und dann blutfremdem Eiweiß die \'ersuchstiere gegen die neue
Einbringung eben dieses EiweilJkörpers und keines anderen eine erhöhte
Empfindlichkeit erwerben. Das erste Eindringen von Überempfindlichkeit
erzeugendem Eiweiß wird Sensibilisierung (bzw. erste Injektion), das
Eiweiß selbst Sensibilisinogen (synonym Anaphylaktogen, Eiweiß oder
Antigen der \'orbehandlung) genannt. Das erste Eindringen erfolgt durch
parenterale Injektion, oder durch künstliches, oder endlich durch spontanes
Zugrundegehen von körpereigenem, aber blutfremdem Eiweiß. Während die
erste Injektion, ohne dem Tiere iSchadon zu tun, ertragen wird, erkrankt
oder stirbt es bei der zweiten (der sogenannten Trobeinjektion) unter
den typischen Symptomen des anaphylak tischen Shocks. Es ist dem-
nach das Auftreten des anaphylaktischen Shocks unter Yersuchsbedinguugen,
die normale Tiere nicht, oder in nennenswertem Ausmaße schwächer oder
aber in prinzipiell anderer Weise schädigen, das erste und wichtigste Kri-
terium des anaphylaktischen Zustande s.
Dieser entwickelt sich erst in längerer Zeit nach der ersten Injek-
tion, ein Zeitraum, welcher durch ein scheinbar normales Verhalten des
Tieres charakterisiert ist, sich mit dem geläufigen Degriff der Inkubations-
zeit deckt und präanaphylaktisches Stadium genannt wird.
Die Krankheitserscheinungen des anaphylaktischen Shocks sind be-
dingt durch das parenterale Auftreten von giftigen Spaltprodukten der
bei der Iieaktiou beteihgten Eiweißkörper. Man nennt dieses fertig gebil-
dete, an sich wirksame Gift Anaphylaxiegift (synonym Anaphylatoxin).
Es entsteht durch den Zusannnentritt dreier wesentlicher Faktoren: des
im überempfindlichen Tiere gebildeten Antieiweiß (synonym anaphylak-
tischer Keaktionskörper), des in ihm schon normalerweise disponiblen
526 H. Pfeiffer.
Komplements und des reinjizierten Antigens. Die Giftbildung erfolgt im
Sinne einer fermentativen Aufspaltung unter Bildung von Produkten mit
Peptoncharakter, und zwar auf Kosten des eingebrachten Antigens, wahr-
scheinlich aber auch auf Kosten des lebenden tierischen Eiweiß.
Das Überstehen eines Shocks schafft bei dem überempfindlichen Tiere
und zwar durch Verbrauch des Antieiweiß ein refraktäres Verhalten gegen
eine neuerliche Einverleibung des Antigens der Vorbehandlung, die soge-
nannte Antianaphylaxie. Diese kann vollständig oder komplett, unvoll-
ständig oder partiell sein, d.h. ein Tier erkrankt im antianaphylaktischen
Zustande gar nicht mehr (komplette) oder weitaus schwächer (partielle
Antianaphylaxie) — gleiche Versuchsbedingungen vorausgesetzt — , als im
anaphylaktischen Shock.
Die Antianaphylaxie ist spezifisch und gleichfalls ein exaktes Kriterium
einer überstandenen Überempfindlichkeit, wenn nachgewiesen werden kann,
daß ein Tier gegen Antigenmengen unempfindlich geworden ist, gegen
welche es innerhalb gewisser zeitlicher Grenzen mit einem anaphylak-
tischen Shock reagiert hatte.
Dabei muß aber dieser in seiner Wesenheit in zureichender Weise
an normalen Kontrollen sichergestellt, die tatsächlich entwickelt gewesene
Überempfindhchkeit einwandfrei erhärtet sein. Denn es schafft auch das
Überstehen anderer toxischer Einwirkungen — so z. B. eine Vergiftung mit
Pepton oder mit den Hämolysinen normaler Tiere oder mit toxischem
Harn — ebenso wie der anaphylaktische Shock einen Zustand vermin-
derter Reaktionsfähigkeit gegen ein an sich toxisches Agens. Diese
ist unspezifisch, ihrer Natur nach noch nicht geklärt, jedenfalls aber im
Gegensatz zur reinen Antianaphylaxie nicht bedingt durch Verbrauch und
Schwund des immunisatorisch gebildeten Antieiweiß. Wir haben deshalb
zwischen zwei, jedem anaphylaktischen Zustande folgenden Erscheinungen
zu unterscheiden: 1. zwischen der Antianaphylaxie (sensu strictiorÜ).
d. i. die Aufhebung der Reaktionsfähigkeit eines anaphylaktisch gewesenen
Tieres infolge des im anaphylaktischen Shock erfolgten Verbrauches von
Antieiweiß; sie ist spezifisch und 2. zwischen der verminderten Reaktions-
fähigkeit antianaphylaktischer Individuen. Sie äußert sich in einer
Unempfindlichkeit solcher Tiere gegen an sich toxische Agenzien bestimm-
ter Art (Eiweißzerfallsgifte). Sie ist nicht spezifisch.
Der Zustand der Antianaphylaxie führt nicht unmittelbar in den
normalen Zustand über, sondern es entwickelt sich in ihrem Gefolge durch
die Anwesenheit von anaphylaktogen wirkendem Eiweiß nach längerer oder
kürzerer Zeit neuerUch eine Überempfindlichkeit, die dann bei ungestörtem
Verlauf nach Monaten oder Jahren zur Norm führt.
Eine aktive Anaphylaxie läßt sich passiv durch parenterale Einbrin-
gung eines Serums eines überempfindlichen Tieres in genügenden Mengen
auf ein sonst unvorbehandeltes normales Tier übertragen, sogenannte pas-
sive Anaphylaxie. Sie kann nicht nur von einem Tier auf ein anderes
derselben Art (homologe), sondern auch mancher anderen Tierart über-
Die Arbeitsmethoden lici \'ersuchen iil)or Anaphylaxif. r,o"
tragen werden (heterologe passive Anaphylaxie). Diese Übertragung
nennt man passive Sensibilisierung. In ihrem (iofolge vfrankert sicii
nach den heute geltenden Anschauungen der auf das normale Tier über-
tragene Immunkörper in diesem rasch. Nach seiner \'erankerung kann durch
Reinjektiou dos KiweiU, mit welchem die aktive Anaphylaxie erzeugt wurde,
ein anaphylaktischer ^hock und alle weiteren Erscheinungen in ganz der-
selben Weise beobachtet werden, wie dies für die aktive Cberempfindlich-
keit beschrieben wurde.
Nach dem Erörterten ergibt sich für die Behandlung der Methodik
von Versuchen über Anaphylaxie die folgende Stoffeinteilung:
1. Die Kriterien des anaphylaktischen Shocks:
aj Krankheitserscheinungen und Tod;
h) die pathülogisch-anatomischen Veränderungen.
2. Der Nachweis einer aktiven Anaphylaxie:
a) Sensibilisierung;
b) die Reinjektion;
c) die Maßmethoden des anaphylaktischen Shocks;
cJ) die Differentialdiagnose des anaphylaktischen Shocks gegen-
über verwandten oder wesensgleichen, aber nicht anaphvlak-
tischen Vergiftungsbildern.
3. Der Nachweis einer homologen und heterologen passiven
Anaphylaxie:
a) die Sensibihsierung;
b) die Reinjektion;
c) die Malimethoden des anaphylaktischen Reaktionskörpers.
4. Der Nachweis einer x4ntianaphylaxie (Differentialdia-
gnose gegenüber der verminderten Reaktionsfähigkeit).
5. Der Nachweis organspezifischer anaphylaktischer Re-
aktionen:
a) mit heterologem und mit homologem Eiweiß;
b) mit körpereigenem Eiweiß.
6. Der Nachweis von Anaphylatoxin.
7. Der Nachweis des spezifischen Abbauvermögens mit
Seren anaphylaktischer Tiere:
a) durch Peptonbildung in den (Jemischen:
b) durch Änderung des Drehungsvermögens der (iemische.
1, Die Kriterien des anapiiylaktischen Shocks.
a) Die Kranklieitscrseheinnngen: Sie sind iiei dem klassischen
Versuchstiere, beim Meerschweinchen, ihrem Wesen nach verschieden, je
nachdem, ob die Redingungen zu einer rasch tödlich verlaufenden oder zu
einer protrahierteren tödlichen oder in(ienesung ausgehenden Erkrankung
gegeben sind, mit anderen Worten, ob in der Zeiteinheit größere oder
kleinere Giftmengen parenteral frei werden und zur Wirkung gelangen.
Dies hängt von den Versuchsvoraussetzungen ab. Bei intravenöser IJe-
528 H. Pfeiffer.
Injektion kompakter Dosen ^Ye^den bei hoch sensibilisierten Tieren stür-
mische Reaktionen, bei intravenöser Applikation kleiner und verdünnter
Eiweißmengen, oder bei intraperitonealer sowie subkutaner Injektion die
Erscheinungen der zweiten Kategorie erwartet werden dürfen.
Das letztere gilt für an sich unempfindlichere Tierarten (wie z. B.
für den Hund) oder für ungenügend sensibihsierte Meerschweinchen und
Kaninchen fast ausnahmslos.
a) Die Wirkung großer Dosen von der Blutbahn aus (der
perakute Krankheitsverlauf): Zur Zeit einer voll entwickelten Ana-
phylaxie sterben mit kompakten, an sich ungiftigen Antigendosen reinji-
zierte Meerschweinchen ganz plötzlich, oft blitzartig {Theohald Smithsches
Phänomen ^). Die Meerschweinchen verfallen zunächst in eine hochgradige
Exaltation, ohne aber daß diese, wie bei Hunden, in eine lang dauernde
Depression übergehen würde. Sie zeigen vielmehr eine plötzUch ein-
setzende schwerste Dyspnoe, Singultus, lebhafte periphere Krämpfe, die
sich insbesondere auf die Brustmuskeln, das Zwerchfell und die exspira-
torischen Bauchmuskeln lokalisieren und gehen in wenigen Minuten unter
krampfartigen Eespirationsbewegungen und Zyanose zugrunde. Dabei tritt
zunächst kein Abfall, sondern ein deutlicher Anstieg des Blutdruckes auf,
der dann rasch mit eintretendem Tode bis zur Abszisse abfällt. Eine Er-
holung von dem tiefen Druckniveau kann hier niemals, eine subakute,
durch Stunden währende Erkrankung der Tiere bei dieser Versuchsanord-
nung nur ganz ausnahmsweise beobachtet werden. Die Temperatur ganz
plötzlich zugrunde gegangener Tiere sinkt, wie eigene Erfahrungen gelehrt
haben, nur um 1 — 2" unter die Norm vor dem Tode ab.
Wie Untersuchungen von Äuer und Lewis"-), Biedl und Krmis'^) er-
gaben, sind diese Erscheinungen bedingt durch einen toxischen Krampf
der Bronchialmuskulatur, so daß trotz ausgiel)iger Respirationsbewegungen
kein Luftaustausch in den Lungen stattfinden kann. Der Tod tritt in
solchen Fällen jedenfalls durch Erstickung, nach den nicht unwidersprochen
gebliebenen Angaben der genannten Autoren infolge einer toxischen, bis
zum Tetanus führenden Reizung der Bronchialmuskeln ein.
ß) Die Folgen einer intravenösen Injektion kleiner ver-
dünnter Serummengen bzw. einer intraperitonealen Einverlei-
bung. Wesentlich anders verläuft der anaphylaktische Shock sowohl in
seiner äußeren Erscheinung, als auch essentiell unter den eben genannten
Versuchsbedingungen , wie viele hunderte einschlägige Erfahrungen uns
auch in Gemeinschaft mit S. Mita^) gelehrt haben.
^) Th. Smith, Degrees of susceptibility to diphtherie-toxin among Guinea-pigs.
Journ. of med. Res. 1904. Vol. 22.
-) Auer und Lewis, Acute anaphylaktic death in Guinea-pigs. Journ. of the Americ.
med. Assoc. Vol. 53. 1909. p. 6.
^) Bicdl und Kraus, Experimentelle Studien ülier Anaphylaxie. Wiener klinische
Wochenschr. 1910. Nr. 11. S. 844.
*) H. Pfeiffer, Wiener klin. Wochenschr. 1909. Nr. 1. S. 1. — H. Pfeiffer und
S. Mita, Studien über Eiweiß-Anaphylaxie. Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 4. H. 4. S. 410.
Die Arbeitsmethoden bei Versuchen ülier Anaphylaxie. ry)C)
Hier worden die Tiere unniliii:. laufen änj^^stlicli hin und her, kratzen
sirh, sind seh reck haft. Ihr Fell striiuht sieh, es tictcn cinzchie klonische
Zneknni^en auf. Ein lebhafter Sinuultus und die Kntlccrunj: fester, später
flüssiger, selbst blutiiicr Stiddc sowie von Harn dauern an. Die Haueh-
(k'cken sind piall gespannt, es besteht manchmal ein ausj^-esprochener Pru-
ritus eutaneus. Dieses vorübergehende liihl einer Krre^un^'' leitet aber bald
in eine ausgesprochene Depression hinüber, in welcher die Meerschwein-
chen von ^roßei' Mattigkeit und Muskelschwäche befallen werden. Sie legen
sich auf die Seite und bleiben so, langsam und tief atmend, durch Stun-
den hiiuhirch liegen. Intensivere (irade von Dyspnoe, wie sie bei einem
ganz akuten Verlaufe regelmäßig einti'eten . fehlen hier bis zur Agone
völlig. Führt der Shock zum tödlichen Ausgang, so tritt er in der weitaus
überwiegenden Mehrzahl der Fälle erst nach 1 — 2, ja selbst noch nach
8 Stunden ein. In solchen Fällen liegen die Tiere wie bewußtlos mit ge-
lähmten Extremitäten da. Manchmal tritt vorübergehend Dyspnoe auf.
regelmäßig bemerkt man aber ante exitum das Cheyne-Stokesschc Atmen.
Unter den genannten Yersuchsbedingungen steht im Mitteli)unkte
der anaphylaktischen Krankheitserscheinungen ein ganz enormes Absinken
der Körpertemperatur, welches auch in jenen Fällen deutlich ausgesprochen
ist, wo klinische Ersciieinungen völlig fehlen. Diese spezifische, von
H. Pfeifer^) als ..anaphylaktischer Temperatursturz" beschriebene
Schädigung im Wärmehaushalte kann 7 — 9" in Fällen von Erholung be-
tragen: bei Tieren, welche nach längerer Krankheitsdauer sterben, können
bis zum Tode sogar Temperaturdifferenzen von 11 — 18" unter die Aus-
gangstemperatur beobachtet werden. Dieses Phänomen kann, wie sich nach
Versuchen von Biedl und Kraus '-), insbesondere aber nach Versuchen von
E. Fricdberger und Gröber ^) am Kaninchen und Meerschweinchen ergab,
kaum anders denn als Ausdruck einer tiefen, hier im Mitteli)unkte der Er-
krankung stehenden, peripher ausgelösten Dlutdrucksenkung aufgefaßt
werden.
Dlutuntersuchungen während des anai)hylaktischen Shocks ergaben
beim Hund (Biedl und Kraus), später alxi- auch beim Meerschweinchen,
daß es seine Gerinnungsfähigkeit einbüßt oder sie doch wesentlich
herabgesetzt ist. Gleichzeitig vermindert sich die Zahl der Leukozyten im
Sinne einer schweren Leukopenie. Tritt Erholung ein. so schlägt diese
in eine ausgesprochene, oft ganz riesige (irade annehmende poly nu-
kleare Leukozytose um. die stunden- und tagelang anhalten kann.
Gehen die Tiere nicht zugrunde, so erholen sie sich rasch aus ihrer
Depression, werden wieder munter und freßlustig und zeigen am nächsten
Tage, von der eben erwähnten Leukozytose und einer oft sehr ausgespro-
») 1. c.
-) Biedl und Kraus, Kxporinientclle Studien über Anaphylaxie. Wiener klinische
Wochcuschr. 1909. Nr. 11. 8.8(58.
^) E. Friedlxrqir und (iröhcr, l^bor Anapiiyhixio. Zi-itsclir. f. hniinmitatsf. l'.Ul.
Bd. 9. II. 2. S. 216.
Abderhalden, Kandbuch dor biochemischen Arbeitsmethoden. V. 34
580
H. Pfeiffer.
ebenen Hyperthermie (E. Friedherger '^) abgesehen, keine Krankheitser-
scheinungen mehr. Nur die hochgradige und spezifische Abnahme ihres
Körpergewichtes bildet dann noch einen Ausdruck für die schwere Schä-
digung, welche sie durchgemacht haben.
Y) Die Folgen intraperitonealer Injektion kleiner und
kleinster Dosen von den Leibeshöhlen aus. Kleine Dosen rufen
meist auch bei dem so hoch empfindlichen Meerschweinchen keine schweren,
sondern nur ganz vage Allgemeinerscheinungen — geringe Mattigkeit,
Paresen der Hinterbeine, leichter Singultus — hervor, oder man vermißt
solche vollständig. Noch ganz schwache Schädigungen des ^'ersuchstieres
Fig. 133.
Fig. 134.
Geschwürsbildung am Applikationsorte.
Lokale Nekro.se.
spiegeln sich aber dann noch in aus-
giebigen Temperaturabfällen wieder, die
hier gerade oft das einzig nachweis-
bare Symptom sein können. Tritt Erholung ein, so kommt es auch hier zu
einer ausgesprochenen Leukozytose und Fieber. Wird selbst der kritische
Temperaturabfall bei einem Versuchstiere vermißt, so kann {E. Friedherger)
oft noch ein direkter Fieberanstieg das einzige und feinste Symptom einer
anaphylaktischen Erkrankung sein.
^) Die Folgen subkutaner Injektion. Selbst bei großen In-
jektionsdosen wird hier, entsprechend den ungünstigeren Resorptionsbedin-
gungen, niemals akuter Exitus (wie unter y. beschrieben) beobachtet, wohl
aber können mehr minder schwere Allgemeinerscheinungen der übrigen
*) E. Friedberger, Weitere Mitteilungen über die Beziehungen zwischen Über-
empfindlichkeit und Infektion. Berliner klin. Wocheuschr. 1910. Nr. 42.
Die Arlieitsinothddoii lioi Versuclioii iilior Anaphylaxie.
ö'U
Fiff. 135.
Kato<?orien auftreten. Ganz reirelmälii.ii' wird hier aber Fieber und eine
pohnukleäre Leukozytose, in leiclitesten Fällen .sogar primiii'. in schwereren
nach einem mehr minder
au8giel)igen Temperatur-
sturz wahrgenommen. Am
Orte der Finwii'kung aber
bilden sich die unter dem
Namen do^ ..Arthusschen
Phänomens" ') bekannten
Gewebsschädigungen aus.
Sie bestehen dai-in. dal» ein
an sich auch h)kal gänzlich
unschädliches Antigen nicht
wie bei den Kontrollen ulati
resorbiert wird, sondern zu-
erst zur Ödembildung, später
zu dem Auftreten von Hä-
morrhagien führt. Die Kutis
wird blal) . zunderartig
morsch, verwandelt sich in
den nächsten Tagen in einen
braunschwarzen, derben le-
derartigen Schorf und stößt
sich dann nach Tagen unter
Entwicklung eines tiefgrei-
fenden Geschwürs mit auf-
geworfenen steilen Rändern
ab. Dieses verheilt nach
Wochen (vgl. dazu die bei-
den Al)bildungen 1 :\i\ u. I :-U ).
Kurz zusammengofal'it
bestehen demnach die Er-
krankungserscheiuungen im
anaphylaktischen Shock
1. bei perakutem tödlichen
Verlauf in einer plötzlich
peripher ausgelösten Er-
stickung bei nur gering-
gradiger Abnahme von Tem-
peratur und I)lutdruck ;
2. bei schweren Fällen in
Fijf. 136.
^) Arthus, Injections r(?p6t6es de senini do clicval clicz \o lapiii. Coiiipt. rt'iid. de
la soci(?te biolog. 1903. T. 55. p. 20. — Sur la seroanapliylaxie du lapiii. Eheiida. 190H.
T. 60. p. 1143.
34*
532
H. Pfeiffer.
den geschilderten Allgemeinerscheinungen, Temperatursturz, Senkugig des arte-
riellen Blutdruckes. Leukopenie und vorzugsweise Aufhebung der Gerinnungs-
fähigkeit des Blutes mit sekundärer Fiebersteigerung und polynukleärer
Leukozytose ; 3. in leichtesten Fällen, ausscMießlich in primärer l)zw. sekun-
därer, einem Temperatursturz folgender Fiebersteigerung und Leukozytose:
4. bei subkutaner AppUkation in dem Auftreten von Ödemen und Nekrosen.
1)) Die patli()l()s?iscli-a)iatomisclien A>räii(leruiijfen: Sie sind natur-
gemäß in perakut zum Tode führenden Fällen anders als bei langsam ver-
laufenden oder in Erholung ausgehenden Versuchen.
x) Bei perakut zum Tode führendem Verlauf findet man ent-
sprechend der Tatsache, daß die Tiere an einer durch Krämpfe der Bron-
Fig. 137.
cbialmuskeln verursachten Erstickung sterben, ein mehr minder hochgradig
entwickeltes Lungenemphysem (^wer-Lew^ssches Phänomen '). Während bei
andersartig getöteten Meerschweinchen nach Öffnung des Thorax die Lungen
zurücksinken und dann nur mehr das hinterste Drittel des Brustraumes
einnehmen, füllen sie hier die Brusthöhlen völlig aus, indem sie in Form
starrer, maximal geblähter Säcke das Herz ganz oder fast vollständig über-
lagern. Sie können dabei anämisch, also auffallend blaß sein, ihre Schnitt-
flächentrocken. Doch finden sich auch häufig subpleurale oder auch tief im Ge-
webe sitzende ekchymotische bis flächenhafte Blutergüsse oder mehr minder aus-
1) 1. c.
Die Arlteitsnicthudeu liei Versuchen über Aiiapliylaxic.
öm
Fig. 138.
gobreitetos Liingontklt'ni.i \'^1. dazu Graetz i), des.sen vorzüglicher Arbeit ich mit
seiner Ziistiiiiiiiiiiigdie beigegcl)eiioii Fig. i;')r)uii(l 1. ".6 entnehme: P'ig. 1;J6 zeigt
das alveoläre Kmphy.sem dci- Ijiiilicii dcraitiger Tiere in vorzüglichor Weise,
Fig. 135 dasselbe, daneben ai)er auch den Jiefund von IMiitiingen, Fig. IHK
makrosko])iscli die Liingenblähnng.) Die IJauchorgane werden im Zustande
einer hochgradigen kongestiven llyperiimie angetroffen, iji der .Magen- und
Darmschleinihaut finden sich manchmal (insbesondere \m etwas pnttra-
hierterem Verlauf) lllutungen. Die Gallenblase ist bis zum Tlatzen mit
(Talle gefüllt.
ß) Bei protrahiertem tödlichen Veilaiif oder subletalen
Shocks. Hier fehlt das vlwer-Leii'issche Phänomen ausnahmslos, dem prinzi-
piell wesensverschiedenen Todesmechanismus
entsprechend. Hingegen ist die Hyperämie der
liauchorgane fast ausnahmslos anzutreffen,
daneben aber (häufiger bei Kaninchen als
bei Meerschweinchen) spärliche bis zahllose
Ekchymosen und flächenhafte Blutungen in
Magen- und Darm wand. Dafür sei die bei-
gegebene, einer eigenen Beobachtung ent-
nommene Fig. 1H7 ein Beleg.
Im Darme finden sich breiige bis
flüssige Faezes neben der Erscheinung einer
Gastroenteritis toxica. Als Ausdruck einer
Steigerung der Gallensekretion ist auch hier
die Gallenblase regelmäßig maximal durch
(ialle ausgedehnt. P)ei längerem Krankheits-
verlaufe, insbesondere aber bei subletal ver-
gifteten und 1 — 2 Tage später getöteten
Tieren finden wir manchmal massenhafte
ekchymotische Geschwürsbildungen in Magen
und Darm, daneben aber schwere bis
schwerste parenchymatöse und fettige Dege-
nerationen der Leber und insl)esondere dei
Fig. DM ein Beispiel.
Nieren. Für erstere gibt
2. Der Nachweis einer aktiven Anaphylaxie.
a) Die Sensibilisierung. Hnsouitt wwA .{»(Icr^^oii-) haben zuerst den
Nachweis erbracht, dal» schon ganz minimale Mengen einer artfremden
Eiweiß- oder Seiuinart genügen, um .\naphylaxie zu erzeugen. Man muli
') F. Graet:, Die Hidoutiinir drr LiiiiL'oiiMiilitin!: als Kriterium der .Vnaphylaxio.
Zeitschr. f. Immuuitatst'orsciig. Bd. 8. II. .') und (i. l'Jll. S. 740.
^) Rosenau \mA Anderson , A study of the cause df sudden death foliowinc tlic
injection nf horse seruni. Hyjr. Laitorator Washingtiui Bull. 25). lOOl!, The specific ua-
ture of Aiiaphylaxis. Journ. of infectious diseases 1".M)7. p. hh2.
534 H. Pfeiffer.
aber dabei berücksichtigen, daß, worauf insbesondere H. Pfeiffer und S. 3Iita^)
liing-ewiesen haben, zwischen dem anaphylaktogenen Vermögen verschiedener
Eiweißarten speziell dem Meerschweinchen gegenüber sehr große Unter-
schiede bestehen. So ist z. B. das an sich giftige Rinderserum wirksamer
als schwach giftiges Pferdeserum, dieses wieder wirksamer als z. B. Hühner-
eiweiß und Dotter. Alle diese aber übertreffen darin artgleiche oder körper-
eigene und blutfremde Eiweißkörper, wie z. B. die Augenlinse, das Nieren-
und Hodengewebe des Meerschweinchens für das Meerschweinchen um ein
Beträchtliches. Da die letzterwähnten Sonderfälle organ spezifischer Anaphy-
laxien der einschneidenden Differenzen in der Technik wegen für sich be-
sprochen werden sollen, gelten die hier zunächst zu machenden Angaben
nur für die Sensibilisierung mit artfremden Eiweißkörpern.
Soll mit irgend einer der Blut- oder Serum arten unserer Ver-
suchstiere vorbehandelt werden, ohne daß dabei besondere Fragen in Be-
tracht kommen, so hat die Materialbeschaffung und Verarbeitung meist
keine Schwierigkeiten. Zu betonen ist nur für diese und alle anderen zu
erwähnenden Versuche, daß man sich vor der Apphkation allzu großer Dosen
besonders bei Meerschweinchen hüte; Ol — 0"01 cm^ eines artfremden Ei-
weiß sind hier in der Regel vollauf hinreichend und außerdem geeigneter,
bei der Reinjektion gleichmäßige und intensive Ausschläge zu geben, als
allzu große Dosen. Doch sind auch weitaus kleinere Mengen (bis zu O'OOOOl cm^)
wirksam. Ebenso kann die Sensibilisierung in derselben Weise mit reinem
Serum oder mit defibriniertem Blute erfolgen. Nur ist es dann ent-
sprechend der sich entwickelnden oder ausbleibenden „Hämoglobinana-
phylaxie" geboten, die Reinjektion mit demselben Substrat vorzunehmen,
mit dem man vorbehandelte. Handelt es sich um hochtoxisches Material
(Versuche Portiers und Eichets am Aktinien- und Miesmuschelgift 2), Ver-
suche von Doerr und Baubitschek ^) mit Aalserum), so wird eine vorherige
Auswertung des Injektionsmateriales (fallende Mengen bei gleichartigen
und gleich schweren Versuchstieren und gleicher Einverleibungsart) oder
Entgiftung durch noch zu beschreibende Prozeduren am Platze sein,
damit man nicht schon bei der ersten Einspritzung dadurch Tiere
verliert.
Zur Trennung von Eiklar und Eidotter bediente sich der Verfasser
mit großem Vorteile der von P. Uhlenhuth^) seinerzeit vorgeschriebenen
Methode. In einem Becherglas wird Gelatine eben flüssig gemacht und der
durch Hin- und Wiedergießen vom Eiklar befreite Dotter in die Gelatine
^) //. Pfeifer und S. Mifct, Zur Kenntnis der Eiweißanaphjdaxie. Zeitschr. f. Im-
munitatsforschung. 11)10. Bd. 6. H. 5. S. 727.
^) Portier et Pichet, De l'action anaphylactique de certains veuius. Soc. de Inol.
1902. T. CLXX.
*) Doerr und Panhifschek, Toxin und anaphylaktisierende Substanz des Aalserums.
Berliner klin. Wochenscbr. 1908. Nr. 33.
*) P. Uhlenhuth und 0. Weidanz, Ausführung der biolog. Eiweißdifferenzierungs-
verfahren. Bei G. Fischer, Jena 1909.
Die Arbeitsmethoden bei Versuchen iilier Anajjliylaxie. Ö35
unverletzt versenkt. Durch rasches Erkalten erstarrt diese und man ver-
mag nun mit einer Pipette (ielatines(diiclit und Dotter zu durchstoDen und
aus dem Zentrum des letzteren den Dotter absolut rein zu liewinnen. was
für das Eiklar ja ohnehin keinen Scliwieriiikeiten l)ei:e^net.
l'm hei Versuchen mit erhitzten Kiweililösnufzen zu sensiliilisieren
und die Koaiiulation zu verhüten, veidünut man vorher nach Bt.srvdh-(i ')
die Seren auf das Drei- bis Zehnfache ihres \dhimen.s. Sie können dann.
ohne zu koagulieren, hohen Hitzegraden ausgesetzt werden.
Hat man, wie dies in der forensi.schen Praxis die Kegel ist. mit ge-
trockneten Eiweißkörpern zu ari)eiten, so ist es notwendig, sie in der Weise
mit ()-S()";„iger Kochsalzlösung oder mit schwacher Sodalösung zu extrahieren,
dal) heim Umschütteln stark schaumende, l)eim Dlute geli)liraun ge-
färbte, durch die Kochprobe sich deutlich trübende Extrakte (F. Vlilcnhufh)
entstehen.
Besteht der Verdacht, daß das zur Injektion kommende .Material
nicht steril ist, so wird man, um Tierverluste durch Infektion zu ver-
meiden, gut tun, durch Berkefeldkerzen zu filtrieren.
Was die Zahl der zur Sensibilisierung notwendigen Injektionen an-
langt, so genügt in der Pegel eine einzige. Dann aber, wenn möglichst
starke Ausschläge gewünscht, oder aber in das sensibilisierende Vermögen
einer Substanz (hochgradig verändertes Material!), oder in die Empfind-
hchkeit einer Tierspezies Zweifel gesetzt werden (weiße Maus), kann man
mehrmals mit kleinen Dosen an einigen aufeinander folgenden Tagen inji-
zieren. Dadurch sind einheitlichere und intensivere Ausschläge bei der
Reinjektion zu erzielen.
Was nun die Einbringungsart selbst betrifft, so wurden für die
Vorbehandlung bisher die sui)kutane, die intraperitoneide, intravenöse und
intrakardiale und intrazerebrale Methode gewählt. Die letztgenannte (Zie'^/rrfAv/)
wird heute wohl kaum mehr ausgeführt, da sie keine wesentlichen Vor-
teile bietet.
Die beim Meerschweinchen bisher am häufigsten geübte ist die intra-
peritoneale Sensibilisierung, wenn auch nach einigen Autoren die intra-
venöse gleichmäßigere und bessere Resultate geben soll, wovon wir uns
übrigens in eigenen Versuchen nicht vollauf überzeugen konnten. Hinsichtlich
der Injektionstechnik sei auf die bei der Peinjektion zu machenden An-
gaben, besonders ai)er auf die ausführlichen Anleitungen in den einschlägigen
Werken von F. Th. Müller-) und ('. Frudcmann^) verwiesen. Selbst-
verständlich ist es, daß die Versuchstiere bei entsprechender nnd hin-
reichender Nahrung während des präanaphyhiktischen Stadiums gehalten
werden müssen.
*) Besredka, De lu tuxiciti' dos Serums tlicrapcutiques et du nunrii do la doser.
Compt. rend. Soc. Biol. 1Ü07. T. 62. pag. 477.
-) P. Th. Müller, Technik d. sorodiaffnostisclien Metliodon. Bei ti. Fisclier. Jena
1910. 3. Aufl.
^) V. Friedemann, Taschenbuch der Inuuunitätslohre. Bei Barth, Leipzig 1910.
536 H. Pfeiffer.
Sollten Versuche über FütteruiiQ:sanapliylaxie angestellt werden,
so gelingt es leicht, den Tieren reichliche Mengen des betreffenden Ei-
weißkörpers, an Brot oder Hafer eingetrocknet, oder aber mit der Schlund-
sonde einzuführen. Bei letzterer Prozedur muß man sich aber, um Fehler-
quellen zu vermeiden, vor Verletzungen der Schleimhäute hüten, durch
welche eventuell Antigen eindringen könnte.
Was das zu Anaphvlaxieversuchen zu verwendende Versuchstier
anlangt, so ist, wenn nicht spezielle Fragestellungen in Betracht kommen,
wie schon aus früher Erörtertem hervorgeht, vermöge seiner hohen Emp-
findlichkeit das Meerschweinchen dazu am geeignetsten. Dabei muli man
absolut sicher sein, nicht nur ungebrauchte Tiere in Benützung zu nehmen,
sondern womöglich auch solche, welche von nicht anaphylaktischen Eltern
abstammen, da bekanntlich die Überempfindlichkeit von der Mutter auf
das Junge übergeht und das Fehlerquellen bedingen könnte. Die über-
wiegende Mehrzahl der Autoren verwendet 200 — 250 g schwere, also
jugendliche Tiere, da sie im allgemeinen bei der Reinjektion als empfind-
licher sich erwiesen haben, wie die ganz großen. Ohne aber die Empfind-
lichkeitsgrenzen hinaufzusetzen, kann man auch o50 — 400, selbst 450 g
schwere Tiere verwenden, die für ein Arbeiten mit dem anaphylaktischen
Temperatursturz sogar direkt gefordert werden. Die kurzhaarigen Rassen
sind im allgemeinen widerstandsfähiger, aber nicht weniger empfindlich,
als die sogenannte ..amerikanische". Die Zahl der Versuchstiere hängt
selbstredend von den Zwecken des Versuches ab, doch sollen im all-
gemeinen für einen einschlägigen Versuch nicht weniger als 4 Tiere ver-
wendet werden.
Um Kaninchen sicher zu sensibilisieren, gibt U. Friedemann^) die
nachfolgende Methode an: Die Tiere erhalten bei der ersten Injektion pro
\ kg Körpergewicht 1-0 cw 3 Serum intravenös und bleiben dann 4 Wochen
unbenutzt. Nach dieser Zeit erhalten sie neuerlich dieselbe Menge in die
Blutbahn. Dabei treten Krankheitserscheinungen auf, ohne aber den Tod des
Tieres herbeizuführen. 8 Tage später erfolgt die Probeinjektion wieder
mit derselben Menge. Ihr erliegen die Tiere fast ausnahmslos.
Ähnlich, aber noch ungünstiger sind die Verhältnisse am Hunde.
Mehrfache intravenöse Injektionen werden auch hier, um sichere und
gleichmäßige Resultate zu erzielen, geboten sein. Die notwendige Dosis ist,
dem größeren Gewicht entsprechend und der geringeren Empfindlichkeit der
Tiere Rechnung tragend, wesentlich größer. Biefll und Kraus % die dies-
bezüglich wohl über die reichsten Erfahrungen verfügen, sensibilisierten
mit je 3 — 5 cm^.
b) Die Eeiiijektioii. Um die einer Probeinjektion folgenden Krank-
heitserscheinungen mit Sicherheit als anaphylaktische bezeichnen zu dürfen,
») U. Friechmaiui, Über die Kriterien des anaphylaktischen Zustandes. Zeitschr.
f. Immunitätsforschg. 1909. Bd. 3. H. 7. pag. 726.
2) 1. c.
Die ArliL'itsuK'thodcii liei \'ersiicheri (ilicr Aiiapliylaxic. .-j;;?
ist es notwendig-, liinsielitlicli des /ii verwendenden Materials und seiner Ito-
sierung sowie der Technik gewisse Kautelen einzuhalten, will imin sich
nicht groben Intiiiiiern aussetzen. Da eine ganze Reihe aitfrenider Seren
und Eiweitikiirper auch auf unvorhehandelte Tiere an sich teils eine ge-
ringe, teils eine recht hetriichtliche (riftwii-kung iiunern. die sich in ihrer
Symptomatologie nicht von den Krscheinungen des anaj)liylaktischen
Shocks trennen lätit. teilweise durch die Wirkung von im Substrate
enthaltenen hämolytischen Xonnalambozeptorcu und Komi)lem('nten bedingt
ist. so mul» in jeder \'ersuchsreihe die Wirkung des Injektionsmaterials
mindestens an zwei gleich schweren und gleich grolien, sicher unvorbehan-
delten Kontrolltieren ausgeprobt, ihre Wirkungslosigkeit festgestellt oder
aber bei vorhandener toxischer Wii-kung — die Temperaturreaktion aus-
genommen mit Injektionsmengen gearbeitet werden, die untei- der am
Kontrolltier ermittelten Dosis toxica bzw. letalis liegen.
Um von vornherein solchen Fehler(|uellen auszuweichen, haben zuerst
Doerr und liaubitschek^) bei ihren Studien am Aalserum die toxische Kom-
ponente für die Probeinjektion teils durch zweistündiges Erhitzen auf »»no,
teils durch Zusatz von 0'4 — l"/oigei' konzentrierter Salzsäure uml nach-
träghches Neutralisieren mit Sodalösung zerstört und nun mit diesem an
sich für das unvorhehandelte Tier atoxischen, in vorzüglicliei- WCise alter
noch die anaphylaktischen Krankheitserscheinungen auslösenden Material
gearbeitet. In ähnlicher Weise kann man auch, wie eigene Kiiahrungen
lehrten"^), die Seren der gewöhnlichen Schlachttiere vor der Probeinjektion
inaktivieren und sie so ihres giftigen Kigenvermögens berauben. \'on Kör-
perzellen stammende Eiweiiikörper, z. P). das Eiweiß der Augenlinse, kami
man übrigens anch durch Trocknen über Schwefelsäure im N'akuum und
länger dauerndes Aufbewahren im trockenen Zustande, ohne ihre shock-
auslösenden Eigenschaften zu alterieren , für unvorbehandelte Tiere oder
andersartig präparierte Kontrollen entgiften. 3) Nur l)ei uanz indifferenten
Flüssigkeiten, wie bei Hühnereiklar, Hämoglobin, kann man diese Präpa-
rierung entbehren. Die Emulsionen mancher, auch artgleicher Organe (so
insbesondere der Niere) haben au sich eine iiuüerst intensive, dabei abei-
thermostabile TÜftwirkung, die nicht an dem /elleneiweü) selbst haftet.
Durch wiederholtes Waschen der Emulsion mit erneuten Mengen von Koch-
salzlösung kann man hier zu einem Ziele kommen. M
Will man mit der Auslösung des anai)hylaktischen Shocks auch noch
die Diagnose der Artzugehörigkeit des Antigens der \'orbehandlung ver-
binden, so genügt die Entiiiftiuig des Materials und seini' Kontrollierung
') 1. c.
-) //. Pfeiffer, Versuchstechiiisclio BcmerUiiiigoi» zum Nacluvcis des aiiapliylakti-
scheii Tempcratursturzos. Wiener kliii. Woclieiisclir. l'.lOi). Nr. ."U"). p:ii.'. 1227.
^) S. Mita, Ülier die Verwertbarkeit des aiiapliylaktisclien 'I'iMii|)cr:itiirstiirze<:.
Zcitschr. f. Imniunitätsforscliuiig. 1910. Bd. 5. T. 2 ii. 3. pag. 297.
^) II. rfeißer, Zur Organspezifität der Übereinpfindliolikcit. Elu'iida. r.tlO. I". ;{.
png. 358.
538 H. Pfeiffer.
am nicht präparierten Tiere keineswegs. Es ist vielmehr notwendig, hier,
um vor Täuschungen sicher zu sein, auch mit andersartigem Antigen vor-
behandelte Meerschweinchen in derselben Weise und mit demselben Ma-
terial zu behandeln. Das Ausbleiben des anaphylaktischen Shocks bei dem
einen, sein Auftreten bei den anderen sichert allein in zuverlässiger Weise
die gewonnenen Resultate des Versuches.
Was die Vorbereitung des Materials anlangt, so muß es selbstver-
ständKch auf Körpertemperatur erwärmt werden und — wenn man eine
größere Reihe von Tieren zu injizieren hat — auch im Wasserbade auf
Körpertemperatur erhalten werden. Wlihrend die Beimengung größerer
korpuskularer Elemente die Ergebnisse bei der subkutanen und intraperi-
tonealen Reinjektion nicht stören, sind solche bei direkter Applikation in die
Blutbahn strenge zu vermeiden.
Die Menge des Injektionsmaterials variiert selbstverständlich
nach der Art ihrer Einführung in den Tierorganismus. Es sei hier nur
die für das klassische Versuchstier, für das Meerschweinchen, übliche
Menge angegeben. Die subkutane Reinjektion, wie sie Arthus, Smith und
auch Otto'^) anwendeten, ist heute der geringen Allgemeinreaktion wegen
wohl ganz verlassen, wenn nicht speziell die lokalen Veränderungen beob-
achtet werden sollen. Selbst bei der Anwendung großer Serummengen
(5 — 10 cm^) wird man, ohne Beobachtung der Temperaturverhältnisse, aus
der Schwere der allgemeinen Symptome nicht immer zu einwandfreien Re-
sultaten kommen, Tod im anaphylaktischen Shock nur in einem recht ge-
ringen Prozentsatze der Fälle eintreten sehen.
Die intraperitoneale Injektion erfordert bei gut entwickelter Über-
empfindlichkeit Antigenmengen von 1 — 2 — 5 cml Damit kann man
regelmäßig deutliche Krankheitserscheinungen, manchmal den Tod der
Tiere in 2 — 4 Stunden, fast ausnahmslos aber schwere anaphylaktische
Störungen der Temperatur herbeiführen.
Am meisten eingebürgert hat sich heute die intravenöse Reinjektion,
und zwar ihrer hohen Wirksamkeit wegen, die sich in dem Eintreten des
akuten Todes der Tiere äußert. Hier liegt die Injektionsdosis niedriger,
sie beträgt im Mittel 0*1 — O'Ol cm^. Manche Autoren, so E. Friedherger
und Burkhardt^-) (in ihren Studien über die Inkubationszeit) verwenden
aber auch insbesondere dann weitaus größere Mengen (bis zu TO und
2*0 cm 3), wenn zu erwarten steht, daß die Uberempfindlichkeit nur in ge-
ringem Maße ausgebildet ist. Doch soll hier nachdrücklich von einer kritik-
losen Anwendung dieser Methode gewarnt werden, die bei dem raschen,
tödlichen Verlauf eingehende Beobachtungen am lebenden Tier schwierig
gestaltet, außerdem die Überprüfung des Resultates durch Feststellung
1) Otto, Das Thcobald Smithsche Phänomen der Serumüberempfindlichkeit.
V. Leuthold Gedenkschrift. 1905. Vol. 1.
2) E, Friedherger und ^wr^mrc?^, Weitere Untersuchungen über Eiweißanaphylaxie.
Zeitschr. f. Immunitätsforschung. Bd. 4. H. 5. pag. 690.
Die Arbeitsmethoden bei Versucfieii iilier Anaphyluxir. 5139
einer x\ntiaiiaphykixie dadiinli miiiiiitilicli macht, daß liiiufiy; alle Vcrsiirhs-
tiere im Shock bleiben.
Dieselben Menj^enverhältni.s.se fj^elten im allireiiieiiien für die intra-
kardiale, von P. Uhh'uhuth ') bevorziij^^e Kinsi)ritzuni;'. Er vorwondet U'2ö
bis 10 (')«•' reinen inaktiven Serums oder von rtlaii/.eneiweir.lösniiiien 1 mi^
der 10 — 25''/yiiien Extrakte. Doch sei, insbesondere bei fehlender l'biiiin;,
vor dieser Technik ausdrücklich ^^ewarnt. da sie an sich einen nicht un-
wesentlichen Eingriff darstellt.
Auch die xon Bcsredko -) infolge einer bestimmten Fragestellung
früher viel geübte intrazerebrale Methode wird in neuerer Zeit wenig ver-
wendet. Auch hier schwankt die injizierte Serumiiieuiie zwischen <»-2.') und
0-01 cin\
Was die Injektionstechnik anlangt, so ist ein aseptisches Arbeiten
für sämtliche Methoden ein hier nicht näher zu begründendes Postulat. Da
die subkutane und intraperitoneale Methode wohl keine Schwierigkeiten
mit sich bringt, so genügt der Hinweis, dal) man zweckdienlich ein Kück-
fließen des Materials und die damit zusammenhängende Engenauigkeit
durch Verschluß der Injektionsöffnung (Fas.sen der Haut mit l'ean, Ligatur!)
verhindert.
Die intravenöse Injektion geschi(dit beim Meerschweinchen in die
Jugulai-is des gefesselten Tieres. Das Gefäß wird durch einen von innen
unten nach oben zu aufsteigenden Hautschnitt sichtl)ar gemacht, rasch
freipräpariert und durch zwei Sperrpinzetten abgeklemmt. Dann wird die
Spritze zwischen ihnen in die .lugularis eingestoßen, nachdem man sich
vorher vergewissert, daß weder in der Spritze noch in der Kanüle Luft-
blasen vorhanden sind, und injiziert unter Lüftung der zentralen Pinzette
langsam und stetig die Flüssigkeit. Der Gehilfe faßt im Momente des
Zurückziehens der Kanüle die Einstichöffnung und ligiert sie. Naht mittelst
Michelklammern.
Die stets zu entbehrende und niclil empfehlenswerte intrazerebrale
Injektion wird nach vorheriger Trepanation des Tieres vorgenommen.
HinsichtUch des günstigsten Zeitpunktes für die Probeinjek-
tion wird heute allgemein der 10. — 21. Tag nach einer Sensibilisierung
mit mittlei'en Dosen angegeben. Nach den ausgedidniteii Erfahrungen von
Doerr und Ruß wird man aber dann, wenn nur mit minimalen Dosen
oder aber mit einem weitgehend veränderten Antigen vorbehandelt wurde,
noch länger warten. Vor dem 25. Tage ist ein positives Ergebnis hier
nicht zu erwarten.
Hat man somit die Reinjektion der auf Anaphylaxie zu prüfenden
Meerschweinchen und der Kontrollen vorgenommen, so ist nach den im
ersten Abschnitt wiedergegebenen Kriterien die I>eutung tler Versuchs-
n
') P. I'hlenliulh uixl Ilaendel, Untersuchungen über die pniktisdio Voiwertliarkoit
der Anaphylaxie. /(Mtsclir. f. IiiiiHiinitätsforschiiiit:. IM. 4. II. V^. patr. 7(51.
■') i.e.
540
H. Pfeiffer.
resultate dann eine leichte, wenn schwere Krankheitserscheinungen oder
gar der Tod der sensibilisierten Tiere eintritt, die Kontrollen aber gesund
bleiben. Bei der Protokollierung der Ergebnisse verfährt man zweckmäßig
in der aus der beigegebenen Tabelle 1 ersichtlichen Weise:
Tabelle 1.
5 Meerschweinchen, am 1. P'ebruar 1911 intraperitoneal sensibilisiert mit je 001 inak-
tivem Rinderserum, 1—3, 6, 7 intravenös reiujiziert mit Oo— Ol inaktivem Rinder-
serum (RSe), 4, 5. 8 und 9 reinjiziert mit 05 inaktivem Pferdeserum (PfSe). Tier
6—9 normale Kontrollen. Reinjektion am 15. Februar 1911.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
001 RSe
14. Tag
0-5
0-25
Ol
0-5
0-25
0-5
0-5
0-5
0-5
RSe
PfSe
RSe
PfSe
t 10 Minuten unter Krämpfen
t 20' unter schwersten Erscheinungen
Schwerste Erscheinungen, erholt sich
Keine Erscheinungen
Dazu ist zu bemerken, daß bei dieser allgemeinen klinischen Beur-
teilung der Resultate in ,, schwerste, schwere und leichte Erscheinungen"
bzw. „keine Erscheinungen" dem Belieben und der Erfahrung des ein-
zelnen Beobachters der weiteste Spielraum gelassen ist und ferner, daß so
die leichteren Formen anaphylaktischer Erkrankungen der Beobachtung
völlig entgehen. Es war daher dringend geboten, insbesondere für die
feineren Untersuchungen über Blutverwandtschaft, über die Möglichkeit,
verschiedene von einer Spezies stammende Eiweißkörper zu trennen,
in Fällen nur unausgesprochener Überempfindlichkeit exaktere, vor allem
objektiv feststellbare und feinere Kriterien zu verwenden. Sie sollen unter
einem mit der Maßmethode des anaphylaktisclien Shocks hier kurz be-
sprochen werden.
c) Die Maßiuethoden des anapliylaktischeu Shocks (H. Pfeiffer ^j.
Ihr Prinzip beruht auf dem Nachweis einer Überempfindlichkeit vermittelst
des anaphylaktisclien Temperatursturzes. Da das Phänomen einer Tempe-
raturerniedrigung an sich nichts Charakteristisches darstellt und auf die
Einwirkung der verschiedenartigsten Agenzien hin zustande kommt, be-
darf es hier einer bestimmten Versuchstechnik, welche es ermöglicht, die
Erscheinung als anaphylaktische sicherzustellen.
') //. Pfeiffer, Versammlung der Naturforscher und Ärzte in Salzlnug 1909.
Abgedruckt Vierteljahrschr. f. gerichtl. Medizin , 3. P'olge. Bd. 39. Suppl.-Heft. pag. 115.
Vgl. dazu auch S. Mita, Über die Verwertbarkeit des anaphylaktischen Temperatur-
sturzes. Zeitschr. f. Immunitätsforschung. 1910. Bd. 5. H. 2/3. pag. 297.
Die Arbeitsmetliodoii bei Versuchen über Anaphylaxie. ',4 )
Hinsichtlich der Auswahl der Versuchstiere — Meerschweinchen
gilt dasselbe, was bei der ISensibilisierun}^^ und Reinjcktion im all^'emeinen
gesagt wurde, nur sind hier etwas iiltcre Tiere im Anfanjjs^'ewicht von
300 — ;)50 r/ vorzuziehen, welche zur Zeit dos \'ersnches dann ein (Jewicht
von ;>Ö0 — tOO g erreicht haben. Sensibilisiernnj^- und Keinjektion werden,
wenn die \'ersuchsbcdinyungen nicht allzu ungünstig liegen, intraperitoneal
ausgeführt.
Das zur Reinjektion zu verwendende Antigen muf) vor der I'robe-
injektion — was übrigens für alle anai)hylaktischen Untersuchungen, nach
welcher Methode sie auch imniei* vorgenonmien werd(Mi mögen, gefordert
werden niuli — hi jenen Mengen und darüber hinaus an sicher nnvorbe-
handelten normalen und gleich schweren Versuchstieren ausgewertet wer-
den. Diese Titrierung hat bei intraperitonealer lleinjektion auf intrai)eri-
tonealem, bei intravenöser auf intravenösem Wege zu erfolgen. Krgibt es
sich dai)ei, daß dem betreffenden genuinen Serum in den zum \'ersuche
niitigen Mengen an sich beträchtliche giftige und temperaturherabsetzende
Wirkungen zukommen, so muH es bei 57" C ein- oder mehi-mals durch je
€iue Stunde inaktiviert werden. Auf diese Weise erreicht man es leicht,
das toxische Eigenvermögeu der Tierseren so weit zu zerstören, dali es
als Fehler(iuelle nicht mehr in Detracht kommt. Sollte bei nichtgenügender
Inaktivierung an den Kontrollen eine temperaturherabsetzende Wirkung l)e-
obachtet worden sein, so ist dies nach den gleich zu l)esprechenden (irund-
sätzen genau zu registrieren.
Es hat die Reinjektion frühestens 14, besser noch 21 Tage nach
der ^'orbehandlung mit jener inaktivierten Serum- oder Eiweiltmenge zu
erfolgen, die im Vorversuche sich als unwirksam erwies, bzw. die Tempe-
ratur der unvorbehandelten Kontrolltiere nur in geringerem Ausmabe als
l"^ C zu alterieren vermochte.
Da auch durch zu ausgiebiges Rasieren und Waschen namentlich bei
jungen Tieren und in der kalten Jahreszeit gleichfalls nicht auf den ana-
phvlaktischen Shock zurückzuführende, al.so unspezifische, wenn auch nur
ganz geringfügige Temperaturabnahmen herbeigeführt werden können, so
müssen die nur an einer eben genügend grolien Stelle der Rauchhaut ra-
sierten und desinfizierten Tiere möglichst schonend und rasch injiziert
und weiterhin in einem wohltemperierten Räume verwahrt werden, in wel-
chen sie schon 12 Stunden vor Anstellung des Versuches gebracht wurden.
Die Injektion darf selbstverständlich nur mit Materialien vorgenommen
werden, welche auf Körpertemperatur vorgewärmt wurden.
Weiterhin ist die rektal zu messende Normaltemperatur der Meer-
schweinchen von Tier zu Tier grolien Schwankungen unterworfen, .so kon-
stant sie auch bei entsprechender Rflege für ein und dasselbe Tier ist.
l>ei ganz grolien Tieren liegt sie im allgemeinen niedriger (.")S"S) als bei
mittelgroßen (HUO) oder bei jungen Tieren (;')'.t-;i). Es ist daher bei iler
Prüfung auf das Vorhanden.sein des anaphvlaktischen Temperatursturzes
immer kurz vor der Einverleibung, jedoch nach der Desinfektion der
542 H. Pfeiffer.
Injektionsstelle die Temperatur genau rektal zu messen und nun von
15 zu 15 Minuten ihr weiteres Verhalten zu verfolgen, bis sie, bei einem
positiven Ergebnis, wieder zur Norm zurückgekehrt ist.
\'erwendet man zur Reinjektion die Einverleibung in die Blutbahn,
so ist zu beachten, daß schon durch die dabei nötige Fesselung der Tiere
ihre Körpertemperatur um ein Geringes absinkt, nach der Befreiung der Tiere
aber sofort wieder ansteigt und bald die Norm wieder erreicht hat. Es ist des-
halb notwendig, hier als Ausgangspunkt der Messung jene Temperatur zu
nehmen, welche unmittelbar nach der Befreiung des Tieres festgestellt wurde.
Zur Temperaturbestimmung bedient man sich zweckmäßig eines nach
den Angaben W. Weichardts konstruierten kleinen , rasch und exakt messen-
den Thermometers, welches man tief in den Enddarm einführen kann. Es
ist von Gustav Eg er , Graz, Halbärthgasse , zu beziehen. Die Temperatur-
messung hat während des Abfalles alle Viertelstunden, während des An-
steigens alle halben Stunden so lange zu erfolgen, bis die Normaltempe-
ratur wieder erreicht ist.
Haben die Kontrollen auf die Injektion gar nicht reagiert, so kann
ein Temperaturabfall von mehr als l'S" C unter die Ausgangstemperatur
als in positivem Sinne entscheidend angenommen werden, d. h. er beweist,
daß zur Reinjektion das bei der Vorbehandlung verwendete Antigen ein-
gespritzt wurde, und gestattet noch unter Voraussetzungen die sichere
Diagnose ..anaphylaktischer Shock"', wo alle anderen bisher bekannt ge-
wordenen Symptome — mit Ausnahme von E. Friedbergers Fieberreak-
tion 1) — im Stiche lassen.
Um den Verlauf eines derartigen Versuches anschaulich zu machen,
empfiehlt es sich, das Resultat in Form einer Kurve in der Weise auf
einem Millimeterpapier einzuzeichnen, daß man auf der Ordinate für je
10 mm l^C, auf der Abszisse die seit der Injektion verflossene Zeit so
markiert, daß 12 mm. == 60 Minuten entsprechen.
Selbstverständlich ist aber, daß dort, wo andere Symptome, wie all-
gemeine Depression, Krampfzustände, Dyspnoe usw., sich vorfinden, auch
sie zur Diagnose mit herangezogen werden müssen. Bei leichteren Erkran-
kungsformen aber wird man auf die Temperaturreaktion allein allerdings
angewiesen sein.
Die beiden hier abgebildeten, einer Arbeit von H. Pfeiffer und S. Mita 2)
entnommenen Kurven w-erden den Verlauf solcher Versuche begreiflich
machen.
In Fig. 139« wurden zwei Meerschweinchen mit geringen Mengen von
Katzenblut intraperitoneal vorbehandelt. Das anaphylaktisch erkrankte Tier
erhielt O'ö Katzenblut (Ktzbl.), das andere, welches gesund bleibt, l"5 Hunde-
blut (Hdblt.) intraperitoneal.
') 1. c. ^T. 8.
^) H. Pfeiffer und S. Mita, Studie über Eiweißaiiaphylaxie. Zeitschr. f. Immunitäts-
forschung. Bd. 4. H. 4. pas,'. 410.
Die Arbeitsmethoden lici N'ersucheii über Anaphylaxie.
r)43
Fif»-. 1896 zei^t die Temperaturverhiiltnisso von zwei Mccrschweiiichpn,
welche mit Schweinesernin sensil)ili.sicrt wurdoii. Das erste Tier erliält ()•.') cm'
inaktiven Schweineseninis (S.). Tier -J (licsclhc Mcn^re inaktiven Pfonlc-
serums (l'f.) intraperitoneal, Menden, die sieh an nnvorheliandclfcn Kontrollen
als völlit; wirkungslos erwiesen hatten. Das erste Tier zeif::te einen Tem-
peratursturz bis H4'5<'C, das zweite i)eh;ilt seine Normaltemperatur zu-
nächst hei, erkrankt aber, als ihm einii>:e Stunden später glcichialls
Schweineserum injiziert wird . tödlich unter einem schweren Temperatur-
abfaU.
Auf dem Wege der Temperaturmessung gelingt es nun auch, zu einem
ziffernmäLiigen Ausdruck für die beobachteten Shockgrölien zu gelangen und
das, wie H.Jy'eil/'cr angegeben, S. Mifa^) des Näheren ausgeführt hat, in
der folgenden Weise:
In Erkrankungsfällen, die in F.rholung ausgehen, besteht regelmäßig
ein absoluter l'arallelismus zwischen der Schwere der bei einfacher Beob-
Fip. 139".
Fig. ISOft.
4^
38
36
J4
I
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rx/
1
1
1
1
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A
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V
y
X
t
Spezif Ita
t der Re
iktic
n .
II 1 1 1 1
1^3^56 7 89
Spezifität der Reaktion, achtuug eikeuiibareu Krkrankungs-
symptome und zwischen der Größe
der Temperatural)nahme und der
Zeit, die verstreicht. i)is das Tier
seine Normaltempt'ratur wieder er-
reicht. Heide der (J rolle des Shocks
direkt proportionale Faktoren können demnach als .Mall für den anaphylak-
tischen Sliock verwendet werden. Derücksichtigt man die Form der durch
fortgesetzte genaue Messung erhaltenen Temperaturkurven, so zeigt es sich,
daß sie im allgemeinen Dreiecksform besitzen, (ileich schwere N'ersuchsticre
vorausgesetzt, kann denin.icii die Größe des anaphylakti.schen Sjiocks au.sge-
drückt werden durch den Flächeninhalt jenes Dreiecks, welches die Temperatur-
abnahme zur Höhe, die Zeitdauer bis zur Erreichung der .Vusgangstem|»e-
ratur als Basis hat. Es ist demnach die Shockgröl'ie (Se) gleich dem halben
544
H. Pfeiffer.
Produkt aus der Größe der Temperatu rabnah nie (ta) und der Zeitdauer der
ta Z
anaphylaktischen Erkrankung (Z), Se = ^ , wobei als Einheit für ta =
Ol" C, für Z = 1 Minute zu wählen ist.
Andere Verhältnisse, die hier des Näheren nicht erörtert werden
können, liegen bei einem tödlichen A'eiiauf der Erkrankung vor. Als prak-
tisch brauchbar hat sich zur ziffernmäßigen Einschätzung dieser Ergeb-
ta i" Z t
nisse die empirisch gefundene Formel 87= 30.000 + 20.000 —
bewährt, wobei unter ta f die bis zum Tode eingetretene Temperatural)-
nahme in Zehntelgraden Celsius, unter Z y die bis zum Tode verflossene
Zeit in Minuten zu verstehen ist.
Einige praktische Ergebnisse werden die Protokollierung und Berech-
nung ohne weiteres klar machen.
Tabelle 2.
Entwicklung der Anaphylaxie.
(5. — 40. Tag.) Rinderserum.
Vorbehandlung.
Intervall.
Eeiujektion.
Temporatur-
Einderserura
Tage
Einderserum
abnahme
Zeit
Shock
Mittel
001
5
2 cm"^
0
0
(1
0
0-01
10
2 „
31
530
5.115
001
10
2 „
27
530
4.450
2.564
0 01
10
2 ,.
0
0
0
001
10
2 ,.
13
105
683
001
15
2 „
50
60 t
t 48.500
001
15
9
52
45 t
1 48.830
37.425
001
15
2
47
60 t
t 48.590
001
15
0
— r
36
210
3.780
•
0-01
20
9
-^ Vi
17
150
1.275
001
001
20
20
9
2 ,"
50
68
90 t
90 t
t 47.750
t 47.165
26.234
0-01
20
9
53
330
8.745
0-01
40
2 ..
5
90
225
001
40
2 ,.
10
75
375
24.131
001
40
2 „
61
75 t
t 47.213
001
40
9
6
75
450
Tabelle 2 (abgedruckt aus S. Mita, 1. c): Sie gibt die Entwicklung einer gegen
Rinderserum gerichteten Anaphylaxie. Besondere Kontrollen waren hier nicht nötig, da
schon frühere Versuche die völlige Ungiftigkeit des verwendeten Serums in den ange-
führten Mengen ergeben hatten. Die tödlichen, nach der S t-Formel berechneten Fälle
sind mit dem Kreuzeszeichen kenntlich gemacht, die Mittelwerte sind aus den einzelnen
Versuchsgruppen berechnet.
Diese Maßmethode ermöglicht es auch, mit an sich den Kontrollen
gegenüber nicht ganz ungiftigem Material ohne weiteres zu arbeiten und
Die Arbeitsmethoden bei Versuchen über Anaphylaxie.
045
jene ReaktionsfiröCion zu bestiiniiiou , die auf Kecliiiim^' des aiiapliylakti-
schen Shocks, nicht aber auf das toxische Ei^^enverniü^^i'U zu beziehen sind.
Zu dem /wecke ist es in soU'hen Fiilk'U nur notwendi},', die lloak-
tionsgrölien der Kontrollen von jenen der sensii)len Tiere abzuziehen , so
daß man den „reduzierten Shock" als rein anaphylaktischen berechnen kann.
Tabelle :>, derselben Arbeit S. Mitas entnommen, wird das (dme wei-
teres verständlich machen. Die Angaben beziehen sich auf Versuche über
Anaphylaxie gegen Uinderlinse.
Tabelle 3.
l\iiiilerlinsenanapb\ laxie.
Vorbehandlung
Beinjektion
2 o
Zeit
Shock
absolat
redn-
zi.rt
0
0
0
VjRindcrlinse
/2 »
11 ))
21
21
21
0"08 Rinderlinse, getrocknet
006 Meerschweinchcnlinse,
getrocknet
2"0 Rinderserum, inaktiv .
0 0() Meerschweinchenlinse
008 Rindorlinse
20 Rinderserum, inaktiv .
8
120
480
—
0
0
0
6
60
180
—
32
180
2.880
2.880
81
420
17.010
16.530
14
105
735
555
Vgl. dazu übrigens die gleichsinnigen Resultate von F. Kmsius '),
die gleichfalls mit Hilfe des anaphylaktischen Temperatursturzes gewonnen,
die Feinheit und Exaktheit der Metiiodik widerspiegeln, fber die (Jröl'ten-
bestimnning einer im Einzelfalle gegebenen Anaphylaxie aus den beim ana-
phylaktischen ^Shock gefundenen Werten vgl. //. Phijfcrs Monographie: Das
l'roblem der Eiweißanaphylaxie, Fischer, Jena 1910, S. 110 ff.
d) Die DitlVreiitialdiagnose des aiiaj^hylaktischen Shocks ireireii-
über verwantiten oder wesensgleichen, aber nicht anaphylaktischen
A'ergit'tuni^sbildern. Es wurde schon früher kurz erwähnt. dalJ manche
normale Tierseren toxisch auf das Meerschweinchen zu wirken vermögen.
Untersnchnngen yow F. UMcnhufh-) und später eigene^) sowie solche von
Doerr und Moldovan*) und E. FrirdhfTf/cr^') haben ergeben, dajj das dabei in
Erscheinung tretende Vergiftungsbild die grölite Ähnlichkeit mit dem des ana-
phylaktischen Shocks aufweist. Hier wie dort gehen die Tiere bei großen
Dosen und intravenöser Injektion akut unter den Erscheinungen einer Lungen-
') F. Kn<ftii(ii, Überempfindlichkeitsversuchc vom Auge aus. Archiv f. .\ngenhcilk.
1910. Bd. 67. II. 1. pag. 6. Krg.-Ilcft pag. 41».
^) F. UMenhnth , Zur Kenntnis der giftigen Kigenschafteu des Blutserums.
Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankli. Bd. 2ß. S. 3S4.
') //. J'fcifl'er, über die nekrutisierende Wirkung normaler Seren. Zeitschr. f.
Hygiene u. Infektionskrankh. Bd. 51. pag. 183 und Experimentelle Studien zur Lehre
von den Autointoxikationen. Bd. 56. pag. 419.
••) Doerr und Mohlorati, Analyse des rrä/.ipitationsphilnomens etc. Zeitschr. f.
Immunitätsforsch. 1910. Bd. 5. H. 2,3. pag. 125.
•'') Friedbcrger, 1. c.
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. V. 35
546 H. Pfeiffer.
blähuDg zugrunde, bei protrahierterem Verlauf beobachtet mau Tempe-
raturabfall, Somnolenz, Singultus, Paresen der Hinterbeine, Diarrhöen, Harn-
abgang, bei subkutaner Applikation schwere Nekrosenbildung. Die pathologisch-
anatomischen Erscheinungen decken sich gleichfalls völlig mit jenen der Ana-
phylaxie. Ja Ergebnisse von Doerr und ilfoMoyaw( I.e.), Graetz^ ), E . Friedher ger^)
und H. Pfeifer^) haben es trotz der Einwendungen von B. Kraus*) und
seiner Mitarbeiter sichergestellt, daU nicht nur eine ÄhnUchkeit, sondern
eine Identität der Erscheinungen vorliegt und daß bei solchen „Hämolysin-
vergiftungen" sich tatsächlich ein dem Anaphylaxiegift wesensgleiches Pro-
dukt bildet. Während aber dort die Giftbildung erfolgt durch den Zu-
sammentritt des im Tier immunisatorisch präformierten Antieiweiß und
dem ihn normalerweise eignenden Komplement mit dem atoxischen Antigen
der Reinjektion , tritt hier der hämolytische Normalambozeptor des art-
fremden Serums und des Komplements in A'erbindung mit dem lebenden
Eiweiß des Versuchstieres und gibt auf diese Weise Anlaß zur Giftent-
stehung. Diese ist also prinzipiell verschieden, die dabei entstehenden Pro-
dukte sind aber, wenigstens ihrer Wirkung nach zu urteilen, wesensgleich.
Da wir nun bei der Prüfung auf aktive Anaphylaxie häufig gezwungen
sind, mit heterologen Normalseren zu arbeiten, so ist bei jedem Versuche
unbedingt zu fordern , daß wir die Eigentoxizität des Materiales kennen
und ihr entweder dadurch, daß wir sie zerstören, oder wenigstens dadurch,
daß wir sie genau in Betracht ziehen, als Fehlerquelle ausweichen.
Es ist also, toxisches Material vorausgesetzt, nur aus den quanti-
tativen Ergebnissen ein sicherer Schluß auf das Vorhegen einer Anaphy-
laxie zulässig bzw. unter gewissen Kautelen auch aus der Prüfung auf
Antianaphylaxie: Daß dabei wieder der mit ziffernmäßigen Ergebnissen
arbeitende anaphylaktische Temperatursturz die verläßlichsten Ergebnisse
liefert, ergibt sich nach dem Vorgesagten von selbst und er hat sich uns
selbst, wie auch insbesondere Krusius (1. c.) bei der Differenzierung nahe
verwandter Blutarten oder an sich toxisch wirkender Organeiweiße (Preß-
saft von Nieren, Spermatozoenemulsionen usf.) besser bewährt als alle
anderen Methoden.
Soll eine Untersuchung über Anaphylaxie gegen Toxalbumine vorge-
nommen werden, wie dies z.B. von Eichet '°) für das Aktinien- und Mies-
nmschelgift durchgeführt wurde, so ist es selbstverständhch, daß dem Ana-
phylaxieversuch eine genaue qualitative und quantitative Analyse der gif-
tigen Agenzien am unvorbehandelten Tier vorauszugehen hat. Speziell für
Richets eben erwähnte Versuche ergab es sich, daß die hohe Giftwirkung
1) 1. c.
^) E. Friedherr/er imd seine Mitarbeiter. i)ber Anaphylaxie. XII — XV. Mitteihing.
Zeitschr. f. Immunitätsforsch. Bd. 9. Nr. 3. pag. 369.
'•^) H. Pfeiffer, Experimentelle Beiträge zu Kenntnis der Anaphylaxie etc. Zeit-
schrift f. Immunitätsforsch. 1911. Im Druck.
^) Biedl und Kraus, Über die Giftigkeit heterologer Sera und Kriterien der
Anaphylaxie. Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 1910. Bd. 7. H. 4. pag. 408.
5) 1. c.
Die Arbeitsmethoden lici Vprsiicheu ül)er Aiiaphylaxio. 5« 7
seiner PrJiparate sowohl in ilncin zcitliclicn Aiit'trctcii als auch in ihrer
Wesenheit streng untcrschicch'n werden konnte von den Kraiikiieits-
erscheinungen des anaphyhiktischen Shocks.
e) Die Prüfuni; der llanitoxi/ifät aiiaphylaktisclnr Tiere. Ver-
fasser i) hat knrzHch (hirauf aufiiicrksain gemacht, wie der Harn anaphy-
laktisch erkrankter Tiere ein enoi-iiies Ansteigen seiner geringen |iiivsiolo-
gischen Toxizität erkennen liiiU und hat gezeigt, dal) die damit im Meer-
schweinchenversuch erzielbaren Vergiftnngshihler identisch sind mit jenen
des anaphyhiktischen Shocks, so daß aus di-ni genannten Grunde, aber
auch aus vielfachen anderen Ergebnissen heraus es wahrscheiuHch geworden
ist, dal] das Anaphyhixiegift durch den Harn der Tiere ausgeschieden
werde. Es hat sich weiterhin ergeben, daß die Harntoxizität ein sehr emp-
findliches Kriterium für einen parenteralen Eiweil'tzerfall nicht nur im
anapliylaktischen Shock. sondern auch unter anderen dazu führenden \'er-
suchsbedingungen ist. Es seien dabei- kurz über die Methodik solcher bio-
logischer Harnanalysen einige Angaben gemacht.
Dem Harnspender, im gegebenen Falle dem anaphylaktisch erkrank-
ten Meerschweinchen, wird sofort nach der Injektion etwa in seiner Blase
vorhandener Harn durch sanftes, allmählich an Intensität zunehmendes
Pressen entleert und dann bei Männchen der Penis, bei Weibchen die
Urethralöffnung fest ligiert. Zu der Zeit, wo eine Harnfraktion untersucht
wTrden soll, wird sie auf gleiche Weise entleert und neuerdings ligiert.
oder aber das Tier getötet, die Blase steril entnommen und der Harn in
einer Eprouvette aufgefangen. Nach fünfstündiger Versuchsdauer sind
meist 4 — 6 cm^ Harn vorhanden, Mengen, die zur l'ntersuchung reichlich
genügen.
Der Harn wird nun mit 1—2 Tropfen Chloroform versetzt, gut durch-
geschüttelt und klar zentrifugiert. Da seine alkalische Peaktion^i nicht oder
fast nicht das Versuchsresultat stört, kann man den durch Zentrit'ugieren
geklärten Harn mit einer Kapillarpipette entnehmen und nun in der Menge
von je 2 cm^ zwei Meerschweinchen im Gewichte von HOO — ^iöO // injizieren,
dem ersten Tiere intraperitoneal, dem zweiten subkutan. Man beobachtet nim.
insbesondere beim ersten, ob allgemeine Krankheitserscheinungen auftreten.
die sich mit jenen des anaphylaktischen Shocks decken und ob sie stark, schwach
oder gar nicht ausgeprägt sind, und stellt durch fortlaufende Temperatur-
messungen die Temperaturkurve der Tiere bis zum Wiedereintritt zur Norm
fest. Da auch hier die Stärke desTemperaturabtalles der Stärke der allgemein
toxischen Wirkung absolut parallel geht, ist es durchaus zulässig, wie beim
anaphylaktischen Shock unti unter Benutzung der früher dafür erörterten
Formeln die Giftigkeit der Harne auszuwerten.
') H. Pfeifer, Zur Kenntnis der Anaphylaxie und Ilanidlysinveririftunir. Wiener
klin. Wochenschr. 1910. Nr. 42. pag. 1484. Kiieiida: Zur Kenntnis der photodynami-
schen Wirkuutron fluoroszioronih'r Stoffe. 1911. Nr. 1. pat:. 1.
-) Sauere Hanu> sind vor der Auswertung mit Natronlauge zu neutralisieren.
35*
548 H. Pfeiffer.
Hätte ein gegebener Harn die Temperatur um 4"C während eines
40 300
Zeitraumes von 5 Stunden herabgesetzt, so wäre S= — ^ — =6000. Es
enthält demnach der Harn in 1 «»^ — 300O E.
Bei dem subkutan injizierten Tiere beobachtet man insbesondere die
Injektionsstelle. Normaler Harn wird glatt resorbiert, solcher, der aus
einer Periode gesteigerten Eiweißzerfalls stammt, vermag in der Regel
die Kutis am Injektionsorte in wenigen Stunden unter Bildung einer Ne-
krose zu zerstören, welche in ihrem Aussehen und in ihrem weiteren Ver-
lauf — Eintrocknen zu einem braunen, lederartigen Schorf, Abstoßung,
Geschwürsbildung usw. — absolut jenem , als -^r^Äw.ssches Phänomen be-
schriebenen gleicht. Um auch hier die Wirkungsintensität verschiedener
Harne vergleichen zu können, ist es empfehlenswert, die Größe des zer-
störten Hautbezirkes nach 24 Stunden zu messen bzw. festzustellen, ob
der Harn glatt resorbiert wurde oder aber ein Infiltrat vorhanden ist.
Parallelversuche mit normalen Harnen werden die Differenzen der
Harngiftigkeit ohneweiters erkennen lassen.
3. Nachweis einer passiven Anaphylaxie.
Sie besteht in der Übertragung einer aktiven, durch Antigeninjek-
tionen erzeugten Überempfindlichkeit auf ein sonst unvorbehandeltes
Kontrolltier durch das Serum des überempfindlichen. Wir unterscheiden
dabei demnach zwei Akte: a) die passive Sensibilisierung, h) die Re-
injektion.
a) Die passive Sensibilisierung-. Arbeitet man innerhalb einer Tier-
spezies, z. P). nur mit Meerschweinchen (homologe passive Anaphylaxie), so
ist die Technik der Sensibilisierung nicht Avesenthch verschieden, wie wenn
man von einer Tierart auf eine andere, z. B. vom Kaninchen auf das Meer-
schweinchen die Überempfindlichkeit überträgt (heterologe passive Anaphy-
laxie). Es kann demnach die Versuchstechnik beider Formen unter einem
abgehandelt werden.
An die Spitze kann der Satz gestellt werden, daß die Übertragung
der Anaphylaxie von einem Tiere auf ein anderes mit jedem Immunserum
gelingt, welches in zureichender Menge freies Antieiweiß enthält und daß
es um so leichter möglich ist, je höherwertig dieses ist. Man wird deshalb
gut tun, insbesondere bei der Beantwortung prinzipieller Fragestellungen,
dem anaphylaktischen Versuche eine Auswertung der Immunprodukte
solcher Seren (Präzipitinreaktion, eventuell Bestimmung des hämolytischen
Immunambozeptors) nach den von L. Michaelis in Band III/2, Seite 1185 ff.
des vorliegenden Handbuches aufgestellten Grundsätzen vorauszuschicken.
Nach dem eben Gesagten sind auch die Mengen des Immunserums,
welche zu einer passiven Präparierung des normalen Tieres notwendig sind,
großen Variationen unterworfen und können um so kleiner gewählt werden,
je höher der Antieiweißgehalt eines Serums ist. Deshalb können wir hier
Die Arbeitsmethoden lici Vcrsuclien ülier Aiiapliylaxie. f^lQ
auch auf oine Wiedergalu' der in tWv iiltercii Litoratiii' iiltcr passive Ana-
phylaxie .uel)r;iuclili('h(^n Vcrsuchsmengen verzichtou ; noch leichter in An-
betracht des Tnistandes. dal» ebenso nialiu-ebciid wie die rriiitarifruntr für
den Nachweis des Shocks die Ment;e. die Art und Zeit der rriifnn^% mit
dem Antii^en ist. Während bei dem einen Srnim Ol rnt^ hinrciclicn. um
bei einer unter gleichen Itedingungen vorgenommenen Ueinjektiun noch
stürmische Symptome hervorzurufen, sind von einem anderen \0- 4()rin^
davon nötig. Was insbesondere das Serum von Meerschweinchen anlangt,
die ein einziges Mal durch kleine Mengen Antigen aktiv sensibilisi«'rt
wurden, so ist es zur Zeit der vollentwickeltcn Iberempfindlichkfit wohl
nötig, 2-0— 4-0 cin^ zu injizh-ren. E. Friedhcn/cr und Burckhirdt '), welche
in dieser Hinsicht über ganz einheitliche Resultate verfügen, verwendeten
unter ihren Versuchsi)ediugungen immer l-ö- 2"ö cm'K
Was die Injektionsart des Immunserums aidangt, so gelingt die pas-
sive Sensibilisieruug selbstverständlich mit jeder Art der parenteralen Zu-
fuhr. Will man rasch sensibilisieren oder verfolgt man, wie es insbeson-
dere von Doerr und Ruß-) geschehen ist, spezielle Fragestellungen, so
wird die Einbringung in die Vena jugularis notwendig sein. Genügt es,
nach 24 Stunden erst sichere Resultate zu gewinnen, so ist die intra-
peritoneale Applikation vorzuziehen. Dieser Weg ist es auch, welcher in der
überwiegenden Zahl der Versuche zur Präparierung eingeschlagen wurde.
W^as die Wahl des Versuchstieres anlangt, so ist unter allen Um-
ständen das hochempfindsame Meerschweinchen jedem anderen vorzuziehen,
weil hier die einheitlichsten und verläßlichsten Resultate erzielt wurden.
Das gilt von einer homologen Übertragung unbedingt, von einei- heterolo-
gen jedoch nur bedingungsweise.
Es haben nändich seither vielfach bestätigte Versuche von llilen-
huth und Hiundd^) weitei- erwiesen, dal'i ein vom Huhn stammendes
Immunseriini Meerschweinchen nicht überempfindlich machen konnte. Dal)
auch die Umkehrung des ^'ersuches nicht gelingt, zeigte Friedherger*):
Er vermochte mit einem Immunkörper von Kaninchen, welcher Meer-
schweinchen in \()i'ziiglicher Weise sensibilisierte, an \'ül;i'1ii nur zu nega-
tiven Resultaten zu gelangen. Der (irund für die.se Erscheinung ist offen-
bar darin gegeben, dali die Immunkörper, welche von einer, dem Wirtstiere
fernestehenden Spezies stammen, in ihm keine geeignete, in ihre zyto-
phileu (irni)pen einpassende haptophore (irupi)e besitzen.
Man wird also, wenn man das passiv-anaphylaktisierende Verhalten
eines, von einer bestimmten Tierart stammenden Serums mit Aussicht
») 1. c.
-) Doerr iiiul Uiiß, Stiuliiitn ülior .Viiapliylnxie. 2. Zeitsclir. t. Iiiiiiiiiiiitatsforsch.
Bd. 2. H. 1. pag. 109. Eltoiida: Studien ülior Aiiapliyla.xie. 3 n. 4. IM. ."{. H. 2. !«:ii.'. 1S1
und 7. 1<)0'J. pag. 70(5.
^) Vhlenhufh und llacndel, l'ntersiicliiiii<ren ülier die praktische Verwertharkoit
der Anaphylaxie ete. Zeitschr. f. Immnnitatsforsclii:. Hd. 4. II. (>. pa^'. 7(>1. l'.tOJ».
*) K. Friedberger und liurckh(tt<ll, 1. e.
550 H. Pfeiffer.
auf Erfolg studieren will, dieses an gleichartigen, oder aber an nahe ver-
wandten, insbesondere aber an einer empfindlichen Spezies studieren müssen.
Stammt der Immunkörper, wie im Falle ühlenhuths und Haenclels, von
Vögeln, so wird man \'ögel als Wirtstiere für ihn benutzen; stammt er
vom Kaninchen, so wird man, was der allgemeinen Gepflogenheit entspricht,
das hochempfindliche Meerschweinchen heranziehen.
Ist dabei der Fall gegeben, daß das Serum der auf das Vorüegen
aktiver Anaphylaxie zu prüfenden Spezies auf das Meerschweinchen toxisch
wirkt, so kann man diesen, die ^'ersuchstiere stark schädigenden, auf die
hämolytische Eigenwirkung zurückzuführenden Faktor durch vorhergehende
Inaktiviernng der Seren bei 57" ausschalten, ohne dadurch das passive
Sensibilisierungsvermögen wesenthch zu beeinträchtigen. Das gilt insbeson-
dere für die Übertragung einer Anaphylaxie vom Menschen auf das Meer-
schweinchen, die sicher möglich ist.
b) Die Reiujektion: Für die Dosierung und die Applikationsart
jenes Antigens, mit welchem die aktive Anaphylaxie erzeugt wurde und
dessen Wirksamkeit im passiv anaphylaktischen Versuche dargetan werden
soll, gelten dieselben Eegeln und Vorschriften wie bei der aktiven Ana-
phylaxie. Ich verweise diesbezüglich auf das dort Gesagte.
Nähere Angaben sollen nur über die Zeit gemacht werden, welche
zwischen der Präparierung und der Prüfung der Tiere vergehen muß,
damit man sicher positive Resultate erhält.
Dazu ist es notwendig, daß der bei der Sensibilisierung einverleibte
Immunkörper an die Zellen des Tieres verankert wird.
Soll die Sensibihsierung sowohl wie die Reiujektion von der Blutbahn
aus vorgenommen werden, so genügt, wie das die Versuche von Doerr
und Ruß gelehrt haben, schon ein Zwischenraum von 4 Stunden, um deut-
liche Ausschläge zu bekommen, jedoch war nach 12 Stunden das Maximum
der Reaktionsfähigkeit erreicht. Bei intraperitonealer Versuchstechnik, die
sich insbesondere beim Arbeiten mit dem anaphylaktischen Temperatur-
sturz empfiehlt, ist bei homologer Übertragung mindestens ein Zeitraum
von 24, besser von 48 Stunden zu fordern, bei heterologer oft erst nach
72 Stunden das Versuchsoptimum erreicht. Einschlägige noch unveröffent-
lichte Versuche bringt die nebenstehende Tabelle 4.
Zur passiven Sensibilisierung dienten hier die Seren von Kindern, die im Gefolge
einer Diphtherie-Antitoxinbehandlung größere Mengen Pferdeserum erhalten hatten und
dagegen überempfindlich geworden waren. Vorbehandlung und Reiujektion erfolgten
intraperitoneal. Die weiteren Details des Versuches ergeben sich aus der Tabelle.
Der Effekt der Reinjektion ist, wenn die Übertragung der Anaphy-
laxie gelungen war, ein echter anaphylaktischer Shock. Seine Beurteilung
als echte passiv anaphylaktische Erscheinung unterliegt denselben Kri-
terien, wie diese früher schon für die aktive Anaphylaxie ausgeführt
wurden.
Es verdient hier nur noch hervorgehoben zu werden, daß insbeson-
dere in Fällen , wo die aktive Anaphylaxie des Serumspenders , wie z. B.
Die Arbeitsmetlioileii hei \ iTsudicii iilier AiKipliylaxic.
öö 1
bei Versuchen vom MonseluMi auf das Mcerschweiiiclien, nicht sicher^'ostellt
ist, es unhedinj^t notwendjf? ist, Kontrollversuche in der Wi-ise anzustellen,
daß man eine Anzahl von Meerschweinchen mit dem Serum sicher nor-
maler, nicht anaphylaktischer Individuen in denselhen Men{,^*nverhiiltnissen
und zu (h'r gleichen Zeit vorbehandelt und reinjiziert, wie dies in der
tdi-^enden Tabelle geschehen ist. Sollten solche Tiere ein anderes Ver-
halten bei der Keinjektion zeigen als unvorbehandelte, so ist ihre Reak-
tion von jener der sensibilisierten als nicht spezifisch in .Vbzug zu
bringen.
Eine neuerliche Überprüfung der gewonnenen Resultate auf das XOr-
liegen einer Antianaphylaxie bei den überlebenden Tieren wird in allen
solchen Fällen von Voi'teil sein.
Tabelle 4.
Vorbehandlung
Intervall
Pat. Ser. 1. 2 cm^
. . 2. 3 „
n V ''• ^ ))
n n 4. O „
Normalserm 3 .,
■1 ^ ^1
24 St.
72 St.
48"st.
?7
Keinjektion
2 cw» PfSe. in.
Tempi'-
ratnr
Zeit
5
43
25
15
10
5
6
0
0
120
330
420
270
100
45
60
0
0
Absoluter
Shook
300
7095
Ö2.'i0
2U25
500
112
180
0
0
Kuduziorter
Shock
154
6940
51114
1S7'.»
354
c) Die Maßmethodeii des Immunkörpers (Methoden von /?. Doerr
und V. K. Büß ^). VjS kann unter Umständen, insbesondere bei speziellen
Fragestellungen von Wert sein, das passive Sensibilisierungsvei'mögen eines
Serums, demnach seinen Gehalt an frei kursierendem Antieiwcilj zu be-
stimmen. Dies ist unter Beobachtung der übrigen schon erörterten Kau-
telen nach L'. JJocrr und T^ A'. h'u/J mittelst der folgenden .Methoden
möglich :
X) Mabmethode bei konstantem Immunkörper und fallen-
den Antigenmengen. Man injiziert einer gröl^eren Anzahl von gleich
schweren und normalen Meerschweinchen eine konstant bleibende Menge
des zu untersuchenden Immunserums (je 1 mi'^ eines hocliwiM-tigen wie
z. B. präzipitierenden Kaiiinchenserums) intraperitoneal und prüft 24 Stun-
den darauf die passiv anaphylaktisch gewordenen Tiere durcli intravenöse
Einbringung fallender Mengen des korrespondierenden Eiweil'iantigens. Die
kleinste noch tödlich wirkende Dosis der Keinjektion gibt einen Vergleich.s-
punkt und demnach auch ein Maü für die Menge des einverleibten Immun-
körpers.
') 1. c.
552
H. Pfeiffer.
ß) Das Prinzip der fallenden Immunkörper- und konstanten
Antigenmenge. Auch die Umkehrung dieser Versuchsanordnung ist prak-
tisch brauchbar. Behandelt man mit fallenden Mengen eines Immunkörpers
vor (1-0 — O'l cni^ intraperitoueal) und reinjiziert intravenös nach 48 Stun-
den konstante Antigenmengen (1*0 cm% so gibt den Schwellenwert und
kleinste Immunserummenge, mit deren Vorbehand-
Eiweißmenge
der Reinjektion eben noch zu töten
Vergleichspunkt die
lung die gewählte
vermaa:.
Von der dritten Methodik — partielle Absättigung des Antieiweiß —
kann hier füglich abgesehen werden.
Von den hier wiedergegebenen hat sich die erste und zweite Technik
am besten bewährt. Doerr und Ruß schlagen als anaphylaktische
Immuneinheit ein Serum vor, von dem VO cm,^ intraperitoneal injiziert
ein Meerschweinchen von 250 g so empfindhch macht, daß 0-2cm^ Antigen
nach 24 Stunden intravenös nachgespritzt gerade noch akuten Tod aus-
lösen. Dies wäre das einfache Serum. Im Verhältnis zu ihm wäre ein zwei-
faches so beschaffen, daß mit 10 o;^^ vorbehandelte Meerschweinchen schon
auf 0-1 cm 3 Serum akut verenden, ein hundertfaches ein solches, welches
mit 0002 cm^ Antigen einen tödlichen Effekt erzielt usw.
4. Der Nachweis einer Antianaphylaxie.
Arbeitet man bei der Auslösung des anaphylaktischen Shocks unter
Versuchsbedingungen, welche die Kontrolltiere gar nicht schädigen, so sind
die Ergebnisse einer
^''^•'*''- neuerlichen Reinjektion
zur Feststellung einer
Antianaphylaxie leicht
zu beurteilen. Waren
bei der ersten Reinjek-
tion die Krankheitser-
scheinungen schwere
und fehlen sie hier, so
darf unzweifelhaft das
Ausbleiben der Reaktion
auf Antianaphylaxie zurückgeführt werden, welche in dem supponierten
Falle eine komplette ist.
Ein mit Hilfe des Temperatursturzes gewonnenes Beispiel dieser Art
bringt Fig. 140, welche ich einer Arbeit von H.Pfeiffer und S. Mita
(1. c.) entnehme:
Ein Meerschweinchen, welches mit Rinderserum sensil)ilisiert worden war, reagiert
auf die P^inverleibung von 1 cm^ inaktivierten, für die Kontrollen völlig unwirksamen
Rinderserums mit einer Temperaturabnahme von 3". Als es 24 und 48 Stunden später
neuerlich 1 cm'-^ Rinderserum erhält, fehlen alle Krankheitserscheinungen, seine Tempe-
ratur bleibt in durchaus normalen Grenzen. (Die vierte dieser Kurven wurde 96 Tage später
gewonnen und zeigt den neuerlichen Eintritt der Überempfindlichkeit.)
4^
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Die Aibeitsmetliodeii bei Versuchen über Anaphylaxie.
553
Was die hier eiii/uliultriKk- XCrsiiclistccliiiik :iiilaii^jl , >u m\h\ die-
selben Mengen dessellx'ii Injcktionsniatcrials auf denisfllicii Versuchsw('<»e
einzuspritzen, mit welchem der aiiaphylaktische Shock aus<,'elöst wurde.
Hinsichtlich des Zeitraumes, welcher verj^ehcn muli. damit eine Antiana-
phylaxie sich ausbilden kann, so ist dieser bei intravenöser Mctlutdik
kürzer als bei intraperitonealer, hän.u:t iibriL,'ens aber auch von der Mcuf^e
des bei der Trobeinjektion einverleibten Antigens und von der Ucaktions-
fähigkeit des Tieres ab. Im allgemeinen kann man sagen, dab bei intra-
Tabelle 5.
Entwicklung der A n t i a n u p li y 1 ;i x i e.
Tier
Tag
Vorbe-
handlung
PtVrde
Serum
Intervall
ReiDJ>>ktion
l'ferdo-
^ierum
TemiM'riitur-
abnabnic
in
Zehntel-
graden
Erholung
nach
Minuten
8 =
ta . Z
3.
4.
XI. 09
XI. 09
XI. 09
XI. 09
XI. 09
XI. 09
XI. 09
001
001
001
001
001
001
001
25 Tg.
24 St.
25 Tg.
24 St.
25 Tg.
24 St.
25 Tg.
24 St.
24 St.
25 Tg.
24 St.
24 St.
25 Tg.
24 St.
24 St.
25 Tg.
24 St.
1-5
1-5
l-ö
1-5
15
1-5
1-5
15
lo
1-5
1-5
1-5
20
20
20
20
20
61
6
50
12
30
13
69
10
0
41
4
o
92
24
0
72
10
360
60
4.50
180
420
120
540
180
o
450
60
30
480
180
0
660
180
10.980
180
12.600
1 .080
6.300
780
18.630
900
0
9.225
120
31)
22.080
2.160
0
23.760
90(1
venöser Injektion schon nach 2-4 Stunden eine au.sge.sprochene Abnahme
der Überempfindlichkeit nachweisbar sein kann. Es hat sich abi-r auch
hier ganz aUgemein die (iepflogcnheit herausgebildet, 12 — 24 Stunden ver-
gehen zu lassen, bis man eine neuerliche Injektion vornimmt, was schon
deshalb empfehlenswert ist, um einen anapliylaktischrn Shock sicher ab-
klingen zu lassen. Hat man den intraperitonealen Versuchsweg einge-
schlagen, so möge nie vor 24 Stunden geprüft werden, besser ist es noch,
wenn man recht bedeutende Reaktionsunterschiede erzielen will, selbst
48 Stunden zwischen beiden Einsi)ritzungen verstreichen zu lassen. Selbst
dann wird man nicht immer komplette .Vntianaphylaxien erwarten dürfen.
554 H- Pfeiffer.
sondern nur durch eine quantitative Abschätzung der Resultate den Ein-
tritt einer partiellen Unempfindlichkeit feststellen können. Daß auch dafür
die Methodik des anaphvlaktischen Temperatursturzes besonders geeignet
ist, liegt auf der Hand. Die beigegebene Tabelle ö (einer Arbeit von S. Mita
entnommen) wird dies besser als Worte illustrieren.
War das Antigen der Reinjektion nicht völlig unschädlich für die
normalen Kontrollen, so ist die Beurteilung des Ergebnisses einer neuer-
lichen Einspritzung viel schwieriger, weil, wie eingangs erörtert, neben der
auf den Verbrauch von Immunkörpern zurückzuführenden Antianaphylaxie
auch noch die verminderte Reaktionsfähigkeit in Betracht kommen kann.
Reagieren aber die sensiblen Tiere auf ein an sich toxisches Antigen bei
der neuerlichen Reinjektion beträchtlich schwächer als das erstemal, hin-
gegen stärker als die unvorbehandelten Kontrollen, so kann man diesen
Ausfall ohne weiteres auf Antianaphylaxie beziehen. Hätte z. B. ein gegen
Rinderserum sensibiUsiertes Tier auf l'O cm^ mit 4000 Einheiten reagiert,
die unvorliehandelte Kontrolle mit 250 Einheiten, wären demnach bei einem
reduzierten Shock das erstemal o750 Einheiten nachweisbar gewesen und
reagiert es neuerlich auf TO cni^ mit 400 Einheiten, so sind davon 150
auf ein partielles Erhaltenbleiben der Überempfindlichkeit, die Differenz
gegen 3750 = — 3600 E. als Antianaphvlaxie zu deuten.
Endlich sei noch ein Beispiel verminderter Reaktionsfähigkeit (nach
H. Pfeiffer und S. Mita) angeführt, aus welchem sich auch die Methodik
solcher Versuche ohne weiteres ergibt.
10 Meerschweinchen, welche mit 001—00001 Rinderserum vor 21 Tagen sensi-
bilisiert worden waren, erhielten nach dieser Zeit intraperitoneal je 2 cm^ völlig inak-
tivierten, für die Kontrollen gänzlich unschädlichen Materials und reagierten darauf
mit sehr beträchtlichen Shockgrößen bis zu 13.730 E., die demnach restlos als echte
anaphylaktische Ausschläge gedeutet werden müssen. Die zweite Reinjektion erfolgte
2 Tage später mit 2'0 cm^ ganz frischen, aktiven Rinderserums, welches unvorbe-
handelte Tiere des gleichen Gewichtes im Durchschnitte mit 18.000 E. schädigte. Die
antianaphylaktischen Tiere waren aber nunmehr gegen die ihnen einverleibte große Gift-
dosis entweder vollkommen oder nahezu vollkommen refraktär und lieferten einen
Mittelwert von 573 E. Sie waren, wenn man die 73 E. vernachlässigt, 36mal weniger
empfindlich gegen die Hämolj'sinwirkung als normale Tiere. Es ist einleuchtend, daß
dieses Resultat nicht allein aus einer Antianaphylaxie, sondern auch aus dem durch
eine verminderte Reaktionsfähigkeit erklärt werden muß.
5. Der Nachweis organspezifischer Reaktionen.
Solche w^urden zuerst von Kraus, Dörr und Sohma^), Andrejew^) mit
dem Linseneiweiß, H. Pfeiffer ») mit Erythrozyten und Linsen, H. Pfeiff'cr
*) Kraus, Dörr und Soma, Wiener klin. Wochenschr. 1908. Nr. 30. pag. 1084.
^j Andrejetv, Über Anaphylaxie mit Eiweiß tierischer Linsen. Arbeiten a. d.
kaiserl. Gesundheitsamte. 1909. Bd. 30. H. 2.
^) //. Pfeiffer, Über den anaphylaktischen Temperatursturz usw. Sitzungsbericht
d. kaiserl. Akademie d. Wissenschaften in Wien. 1909. Abt. III. Bd. 118.
Die Ailicitsmetliodcii lici Versiu-hcii ülit-r Aiuiiihylaxie. 555
und S. Mita^) mit Kiklar, Sj)cnnatozoen und von II. I'feijf'er-) mit Nioren-
eiweil) ausgeführt. l)ai)ei handelt es sich iiiii (h-ii Nachweis verschiedener von
einer i)estimmten Tierart stammemh-r Kiweillkörper. Diese können wieder
artfremde, oder arteigene, ja arteigene und körpereigene, dahei al»er hlut-
frein(h' sein.
Was die Durchfülirung soh-her minutiöser X'ersuciie aidangt. so \>\
eine mögUchste Reinheit sowolil des Kiweilles der Wtrheliandlung, als von
jenem der Ileinjektion (Irundvoraussetzung für kkire Ergehnisse. Die.se
Forderung kann für das EiweiÜ isoliert zu gewinnender Zellen leicht durch
wiederholtes Waschen in der Zentrifuge und Wiederersatz «Icr Kochsalz-
lösung erreicht werden. Dies gilt insbesondere für Erythrozyten und Sper-
matozoen. Will man spezielle Hamoglol)inana[)hylaxie erzeugen, so kann
man nach A. Kleins ^) Präzipitinversuchen so voriichen. dali man die ge-
waschenen Erythrozyten in Wasser löst und durch uachtriigliches Aus-
salzen mit Kochsalz die Stromata zur Ausfüllung bringt. Diese können
dann wieder durch wiederholtes Waschen von dem anhaftenden Hämogloliiii
befreit und zur Sensibilisierung verwendet werden. Handelt es sich um
Zellen von Organen oder Geweben, so ist ihre ..Keindarstellung" wohl un-
mögüch, da man immer undifferenzierte Zellelemente mitinjizieren muH. Ge-
rade hier aber ist es notwendig, um nicht die feineren Differenzen in <len
Reaktionen zu verwischen, so lange den fein verriebenen Organbroi Inder
Zentrifuge wiederholt zu waschen, bis die darüberstehende klare Flüssigkeit
jede Rotfärbung verloren hat.
Handelt es sich um die Untersuchung von artfremdem Material, so
ist der „Ictus immunisatorius" meist groß genug, daß eine einmalige In-
jektion mittlerer Dosen (z.B. \cm^ einer lO^/oigen Blutlösung) zu deutlich
entwickelten Anaphylaxien führt. Soll aber mit artgleichem Eiweiß gear-
beitet werden, so tritt die Überempfiudlichkeit oft erst nach mehrfacher In-
jektion deutlich in die Erscheinung. Die l'riiparierung ist dann 2 — ."'.mal
mit nicht zu großen, gleichfalls mittleren Mengen in Abständen von meh-
reren Tagen auszuführen.
Hinsichtlich des günstigsten Zeitpunktes der Keinjektion liegen die
Verhältnisse hier etwa so, wie bei schwach anajjhylaktogen wirkendem Fi-
weiß überhaupt, so daß vor dem 21. Tage wohl keine deutlichen .\us-
schläge zu erwarten sind. Es versteht sich von selbst, daß auch das Ei-
weiß für die Reinjektion ebenso zu behandeln ist als jenes bei der Sen-
sibilisierung.
Im ül)rigen gelten für solche Versuche die allgemeinen, oben fixierten
Regeln, die hier besonders strenge gehandhabt werden müssen. Nur von
einer quantitativen Durchführung der \ersuche sind auch deutliche Cnter-
schiede in den Reaktionen der Tiere zu erwarten. Auch hier hat sich das
*) 1. c.
-) H. Pfeißer, Zur (Irganspezifitiit der Ül>erejiipfiiitllicbkeit. Zeitschr. f. liunnmi-
tätsforsohiintr. Bd. 8. II. 3. liHU. \)ng. 3ä8.
•') A. Klein, Über Kr\ thniprazipitiiie etc. Zciitralld. f. Biikteriolopic. Abt. 1. VM).
Bd. 39. Nr. 3. pag. 303.
556 H. Pfeiffer.
Arbeiten mit der früher skizzierten Größenbestimmung" des anaphylakti-
schen Shocks aufs beste bewährt. (Vgl. dazu z. B. die gründlichen Versuche
von E. Krusius mit Linseneiweiß etc.) Dabei ist zu bedenken, daß, insbe-
sondere was die intraperitoneale Reinjektion anlangt, das erste Auftreten
und der Ablauf der Krankheitserscheinungen dann ein verlangsamter ist,
wenn Organbrei oder Zellemulsionen verwendet werden. In solchen Ver-
suchen bedarf es offenbar längerer Zeit, bis aus diesen im Tierleibe das
wirksame Zelleiweiß in Freiheit gesetzt wird und in Reaktion treten kann.
Es versteht sich von selbst, daß unter den eben erwähnten Versuchsbe-
dingungen die Einführung der Aufschwemmung in die Blutbahn wegen der
Bildung von Zellembolien zu schweren Fehlschlüssen Anlaß geben kann, die
Einspritzung in die Bauchhöhle daher unter allen Umständen vorzuziehen
ist. Wünscht man aber dennoch aus bestimmten Gründen die Blutbahn für
den Versuch zu benützen, so kann man sich noch in der Weise helfen,
daß man den gewaschenen Zellbrei bei hohem Druck in einer Buchner-
presse auspreßt, die Preßsäfte von Zelltrümmern und Sand in der Zentri-
fuge befreit und die nunmehr geklärte Flüssigkeit für die Injektion ver-
wendet. Ausgiebige Kontrollen an unvorbehandelten Tieren sind selbstver-
ständlich auch hier absolut notwendig.
Ein Beispiel einer spezifischen Rinder-Erythrozyten- und Serumana-
phylaxie bei Meerschweinchen ergibt die folgende, der mehrfach erwähnten
Arbeit von H. Pfeiffer und S. Mita entnommene Zusammenstellung der
Mittelwerte der erhaltenen Reaktionen; es reagierten:
Erythrozytentiere auf Erythrozytenlösung (in an sich
unschädlichen Dosen) mit 1.620 E. im Mittel
Serumtiere auf Erythrozytenlösung mit 30 E. „ ^^
Serumtiere auf Serum (in an sich unschädlichen Dosen)
mit 22.410 E. „ „
Erythrozytentiere auf Serum mit 11.040 E. „ „
Während also die mit Blutkörperchenlösungen normal vorbehandelten
Tiere gegen die Wiedereinbringung desselben Materiales 54mal empfind-
licher waren als die mit Serum sensibilisierten, reagierten die Hämoglobin-
tiere auf Serum nur halb so stark als Serumtiere. Vgl. übrigens dazu die
unter Maßmethoden des anaphylaktischen Shocks gebrachten Beispiele von
Linsenanaphylaxie.
Um das Sensibilisierungsvermögen körpereigener und blutfremder
Eiweißkörper zu prüfen, ging Andrejew für das Linseneiweiß so vor, daß
er eine der beiden Augenhnsen verwendete und mit der zweiten dann
sensibilisierte. Verfasser wies in Gemeinschaft mit Hertle V) die anaphylak-
togenen Eigenschaften von körpereigenem Nieren- und Hodeneiweiß nach,
indem eine Niere oder beide Hoden zerquetscht und dann in die freie
Bauchhöhle reponiert wurden. Nach 3 Wochen ergab die Reinjektion deut-
1) Hertle umlH.Pfeifer, Über Anaphylaxie gegeu artgleiches, blutfremdes Eiweiß.
Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 1911. Im Druck.
Die Arbeitsmethoden bei N'ersucheii über Anaphylaxie. 'y^n
liehe anapliylaktischo Ausschläfro. In iilmlichcr Weise könnte mit anderen
drüsigen Organen verfahren werden.
6. Der Nachweis von Anapliylatoxin (E. Friedberger).
\on besonderer liedeutnng für die Anaphylaxieforschung sind in
letzterer Zeit die lieagen/glasversuche geworden , unter ihnen wieder der
von E. Friedberger ^) zuerst eri)raehte Nachweis, dati l)eini Zusammentreffen
von Ambozeptor. Komplement und Antigen ein (Üft in vitro sieh bilde,
welches akut unter den Erscheinungen des anaphylaktischen Shocks die Tiere
zu töten vermag. Die dabei gebräuchliche \'ersuchstechnik, bei deren Wieder-
gabe wir uns an die Angaben E. Friedberger s anlehnen, ist die folgende:
Bei der (iewinnung von Anaph ylatoxiu aus Eiweißlösungen
spielen, wie E. Friedberger und C.Vallardi"-) zuerst erkannten, folgende
Faktoren eine Kolle, deren genaue Berücksichtigung eine conditio sine qua
non für die Erzielung giftiger Abgüsse biklct: Die Beschaffenheit (Wertig-
keit) und Menge des Ambozeptors (also des Immunserum.'^), die Antigenmenge,
die Komplementmenge und endlich die Zeitdauer sowie die äußeren Bedin-
gungen ihres gegenseitigen Aufeinanderwirkens. ^Vls optimal hat sich den
Autoren die nachfolgende Versuchsbedingung erwiesen:
Bereitung der Antisera: Kaninchen erhalten pro Kilogramm
Körpergewicht 1 cni^ Hammelserum intravenös eingespritzt. Nach ö Tagen
wird die Injektion wiederholt und nach weiteren 7— S Tagen eine Blut-
probe aus der Ohrvene entnommen. Wenn das Serum Hammeleiweill min-
destens 1 : 10.000 in wenigen Minuten bei Zimmertemperatur präzipitiert,
wird das Tier entblutet, das Serum abgeschieden und kurze Zeit bei öH"
inaktiviert. Ein zu langes Inaktivieren schädigt die Giftbildung ganz enorm,
muß daher vermieden werden.
Giftdarstellung: Mengen von je 2 cm^ des präzipitierenden Immun-
serums werden mit je 1 cm^ in gleicher "Weise inaktivierten ll.tmmel-
serums versetzt. Die Proben kommen auf eine Stunde in den Brut>chrank
und werden dann noch 24 Stunden bei Zimmertemperatur im Dunklen
stehen gelassen. Am nächsten Tage werden die rräzijiitate von der dar-
überstehenden Flüssigkeit abzentrifugiert, einmal, oder besser noch mehr-
mals mit physiologischer Kochsalzlösung zur Entfernung der letzten, an
sich giftig wirkenden Antiserumspuren gewaschen und mit je ;'» rw/' frischen
Meerschweinchenkomplements versetzt. Zur (iewinnung des Komplenn*nts
sollen selbstverständlich nur ungebrauchte, am besten ;iOO — .•'»;'>() y schwere
Meerschweinchen ausgeblutet und ihr Seium sofort verwendet werden. Die
Mischung von Präzipitat und Komplement wird wieder eine Stnntle Itei
l-iT^» und weitere 24 Stunden bei Zimmertem|)eratur stehen gelassen, zentri-
fugiert und der Abguß, welcher das freie Anapliylatoxin enthält, auf seine
') E. Friedberger, Weitere Uutersnchuni:cii iUn-r Eiweißan.Tpbvl.ixip. Zeitsrbr. f.
Immuuitiltsforsch. Bil. 4. H. ö. pag. 636.
'-) E. Fried hcri/ir \md C. VaUardi, über Aiiapliylaxie. S. Mut. /eirMiir. i inineim-
tätsforschung. Bd. 7. II. 1/2. pag. U4.
558
H. Pfeiffer.
Giftigkeit an Meerschweinchen von 200 — 250 g bei intravenöser Einspritzung
geprüft, und zwar in Mengen von durchschnittlich 3 cm^. Die Flüssigkeit
muß langsam und unter stetem Druck in die Halsvene aus der Spritze
entleert werden.
In den Fällen, wo eine Antigen-Antikörperverbindung zuerst kein
Gift liefert, gelingt es oft noch durch eine zweite oder dritte Digerierung
mit neuen Komplementmengen Gifte abzuspalten.
Im Folgenden sei eine übersichthche Zusammenstellung eines solchen
Versuches aus der Arbeit von E. Friedhcrger und C. VaUardi abgedruckt,
welche zugleich die Bedeutung wechselnder Ambozeptormengen anschaulich
macht: t. , ,, „
Tabelle 6.
Hammelserum in
Präzipit.
Kaniuehenserum
Komplemeutdosis
Eesultat
1:0
1:1
1:10
1 : 100
1:0
1:1
1:10
1:100
1 : 1 .000
1 : 10.000
1 : 100.000
20 cm^
20 „
2-0 „
2-0 „
2 0 ..
20 ..
2-0 „
2-0 „
2-0
2-0 „
2-0 „
3-0 cin^
30 „
3-0 ,.
30 „
30 „
30 „
3-0 „
3-0 „
30 „
30 „
30 „
gesund
anaphylaktisch
tot
n
gesund
anaphylaktisch
??
tot
leicht anaphylaktisch
gesund
Bei dieser Versuchsanordnung wird man, um die erhaltenen Resul-
tate mit Bestimmtheit auf Anaphylatoxinbildung zurückführen zu dürfen,
gut daran tun, wie es in Friedhergcrs Versuchen immer geschehen ist, in
gleich großen Versuchsmengen das verwendete Komplement für sich an
Kontrolltieren auf ihm etwa eignende Giftwirkungen zu prüfen. Solche
wurden übrigens bisher noch nie vorgefunden.
Auch eine Prüfung des ver-
wendeten Antiserums auf seine Giftigkeit ist zu Kontrollzwecken anzu-
raten, obwohl es ja durch das wiederholte Waschen der Präzipitate entfernt
wurde und für die Giftwirkung des Abgusses nicht in Betracht kommt.
Sie ist eine oft recht hohe und wesensgleich mit der des Anaphylatoxins.
Auf diesen eben besprochenen Versuchswegen konnten bisher mit ver-
schiedenen Serumarten, Blutschatten und Hämoglobinlösungen giftige Spalt-
produkte nachgewiesen werden. Bei Versuchen mit letzteren muß man nach
Friedherger und VaUardi die toxische Eigenwirkung des Hämoglobins mit
in Betracht ziehen.
In prinzipiell derselben Weise gelingt es, aus den verschieden-
artigsten Bakterienzellen, lebenden und abgetöteten, akut tödhch wir-
kendes Anaphylatoxin durch Einwirkung von Immunseren zu gewinnen.
Hier ist übrigens schon normales aktives Meerschweinchenserum an sich,
und das vermöge seines natürlichen Gehaltes an Ambozeptoren geeignet,
hinreichende Giftmengen zu liefern, worauf später des Näheren eingegangen
Die Arbeitsmethoden lioi Vorsucheii über AiuipliNlasii' 559
werden soll. I»ei solchen Vorsiichcn können dii' ll;iktori«'ii sowohl im leiten-
den als im al)L;et(iteten oder iickochtcn Znstaiidc verwendet werden. Ks ist
selbstverständlich, daß solche Stiimnu' hinsichtlich ihrei- Virnlenz usw. im
Tierversuch i^enau ausgewertet sein müssen. Zur (lifthildnn«,' verwendeten
E.Friedberger und seine Mitarbeiter') bisher \ilirii) Metschnikoff (im
Chloroformdampf abgetötet), Tvphusbazillen CUJigige Airarkultur), l'ro-
digiosus (24 Stunden alte Schrägagarkultur), Tuberkelbazillen (üppig ge-
wachsene Schrägagarkultur), Staphylococcus pyogenes aureus (24 Stunden
alte Schrägagarkultur). Die Bakterien werden entwedei' nach vorheriL^er
Abtötung im Dampfstrom, durch direktes Kochen oder durch Chloroform-
dämpfe in bestimmter Menge in Kochsalzlösung aufgeschwemmt und ge-
waschen, dann mit dem Immunserum meist 18 — 24 Stunden in Kontakt
gelassen. Dabei findet die Verankerung der Ambozeptoren an die P.akterien-
zellen statt. Sodann werden die beladenen Bazillen mit reichlichen Mengen
physiologischer Kochsalzlösung gewaschen, um überschub von Ambozeptoren-
serum zu entfernen, die eine Komplementablenkung hätten bedingen können.
Die gewaschenen Bakterienleiber werden dann in der Begel mit 4 cy//- nor-
malen und frischen Meerschweinchenkomplements versetzt und nach 24-
stündigem Aufenthalt im Kiisschrank oder bei Zimmertempei'atui- im
Dunklen abzentrifugiert. Der Abguß wird normalen Meerschweinchen intra-
venös injiziert und diese mit der bei Anaphylaxieversuchen üblichen Me-
thodik auf Krankheitserscheinungen geprüft. Die Injektion der Abgüsse
raulj stetig und langsam in die Vena jugularis vorgenommen werden.
Schwangere Tiere oder solche , die kurz vorher geboren haben , sind für
solche \'ersuche nicht verwendbar. In der jüngsten Zeit hat es sich den-
selben Autoren ergeben, dab auch normales Meerschweinchenserum an sich
— bestimmte Versuchsbedingungen vorausgesetzt — geeignet ist. vermöge
seines normalen Gehaltes an Antikörpern aus Bakterien akut wirksames
Anaphylatoxin abzuspalten. Die im Folgenden abgedruckten \'ersuclispara-
digmen mögen einen Einblick in die Mengenverhältni.sse sowohl beim Ar-
beiten mit Immun- als auch mit normalen Ambozejjtoren allein geben. Sie
sind den Ari)eiten von E. Friedberger und Goldschmidf d. c.) bzw. E.Fried-
berger und Schütze (1. c.) entnommen.
Bestiramunir iler Giftigkeit der liazilleii: Je ein Drittel dreitägiger
T3rphns-Schrägagarkultur wird in 4 cw' destillierten Wassers anfgenommen und 1", Stun-
den im Schiittclapparat geschüttelt.
Kin Meerschweinchen erhält die gesamte Aufschwemmung, nachdem ilie l-lilssiir-
keit auf O'S" „ Kochsalz geliracht worden ist. intraven<>?. .Vhgeselien von gerinL'i-r .\teni-
beschlcunigung keine Symptome.
A iiapli vlatox i nli ild iing : Je '„ einer ilreitagigen 'rvphus-Sclirairairarknltur
wird in physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt, mit fallenden Mengen von Ty-
phusimmuuserum vom Pferde versetzt. Alle Köhrchen, auf 10 cm^ aufgefüllt, kommen eine
Stunde in den Thermostaten von 37", dann 24 Stunden in den Kissclirank. I»ii- Bazillen
werden dann abzentrifugiert. sorgfältig gewasdien. mit je 4 rw' norniaU>u Meej>ch\\ein-
chenscrums versetzt. Am folgenden Tage Prüfung der Komplcineiitabi:iisse wie folgt:
•) E. Frirdhergcr und seine Mitarbeiter, fber Anaphylaxie. 12. — 15. Miit. Zeit-
schrift f. Immunitätsforsjch. lUU. Bd. 9. 11.3. patr. 3i'.'>.
560
H. Pfeiffer.
Kultnr-
menge
Iramun-
Serum
i s
^ X ©
CO .—
P S N
^
Krankbeits verlauf
Anggang
1
2
3
4
5
6
7
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»/, Kultur
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!)
005
Ol
0-25
0-5
10
2-5
5-0
100
4-0
4-0
40
40
40
40
40
40
40
40
3-5
4-0
40
4-0
30
4-0
deutliche Anaphylaxie
sehr schwere Anaphylaxie
keine Erscheinungen
leichte
erholt sich
Tod in 4 Stunden
erholt sich
Tod in 2 Stunden
2
r) rr -* rt
leht
Der Versuch läßt deutlich erkennen, wie auch hier ein Überschuß an
Immunserum ungünstig für die Giftabspaltung ist.
Bereitung von Anaphylatoxin mit Xormalserum: 0'2 g Tu-
berkelbazillen werden in 10 on^ Q-Sb^/oiger Kochsalzlösung fein verrieben
und suspendiert, so daß 1 cm^ = O'Ol </ Bazillen enthält. Hiervon werden
verschiedene Verdünnungen mittelst physiologischer Kochsalzlösung herge-
stellt und die Bakterien mit normalem Meerschweinchenkomplementserum
versetzt. Nach 16 — 18 Stunden langem Stehen bei 15'' wird zentrifugiert
und die Abgüsse intravenös geprüft:
Nr.
Kulturmenge
Komplement-
menge
Injektions-
dosis
Ausgang
1
2
3
4
002
001
0-002
0001
4-2
3-5
4-5
4-5
4-2
3-5
4-5
4-5
Tod nach 34 Minuten
Tod nach 12 Stunden
Leichte Erscheinungen, überleht
Keine Erscheinungen, lebt.
7. Der Nachweis des spezifischen Abbauvermögens von Seren
anaphylaktischer Meerschweinchen.
a) Durch den Nachweis inkoagulabler Spaltprodukte von Pepton-
charakter: Speziell für den Fall der Eiweißanaphylaxie haben H. Pfeifer
und »S*. Mita ^) zuerst bewiesen, daß bei der Digestion von Seren ana-
phylaktischer Meerschweinchen mit dem zugehörigen Antigen inkoagulable
Spaltprodukte auftreten, ein Ergebnis, welches mittlerweile insbesondere
durch die Friedbergersche Schule mit vollem Erfolge auch auf den Fall
der Bakterienanaphylaxie und der Anaphylatoxinbildung überhaupt aus-
gedehnt worden ist. Gleichzeitig und völlig unabhängig von diesen Besul-
taten und mit anderer Versuchstechnik hat E. Abderhalden^) den Nach-
weis des Auftretens proteolytischer Fähigkeiten in den Seren von mit Ei-
*) H. Pfeifer und S. Mita, Vorträge in der Gesellschaft für Morphologie und
Physiologie in Graz. 25. XI. 1909, dann : Experimentelle Beiträge zur Kenntnis der
Eiweiß-Antieivreißrealvtiou. Zeitschr. f. Immuuitätsforschg. Bd. 6. H. 1. 1910. pag. 18.
-) E. Abderhalden und Pinkussohn, Zeitschr. f. physiologische Chemie. Bd. 64.
pag. 100. 1910 (hei der Redaktion eingegangen am 6. XII. 1909).
Die Arbeitsmethoden bei Versuchen über Anaphylaxie.
r)üi
weiß vorbchniulolton Tiorcn orltracht uml ihn spiitcr auch aiil (hu Kall
der Ei\veiriaiiaphylaxio aiisch'hiioii köiiiicii.
H. Pfeijfir und S. MiUi vcrluhicii wie l'ol;^t: NacJKh'in wcdtT die Knt-
eiwoißungsmcthode von Dcvoto, noch jene von Mir/w/Hs und Rotm hier f?an{?-
bar war, wählten die Verfasser die Enteiweiliung durch die llit/e. l>a/u
muß iienierkt wei-den. daß, um Fehler durch mantrelhaftc Kuteiweißunt!; zu
vermeiden, unbedingt Kinübung in dir Technik und sod.inn von vorne-
herein kleine \'ersuchsniengen notwendig sind. Sonst sind |)ositive Hiiiret-
reaktionen auch bei den Kontrollnihrchen /u erwarten, die aber andrerseits,
wie Hunderte einschlagiger Kontroiiuntersuchinigen gelehrt haiien, bei j)ein-
lichster Einhaltung der Technik konstant vermeidbar sind. Ich betone hier
neuerdings die Schwierigkeiten derartiger Versuche, auf welche jüngst auch
ySfAewA; hingewiesen hat. Ich glaube aber, und das im Hinblicke auf die neuesten
Versuche von E. Friedhcnjer und S. Mifa und im Hinblicke auf die große Zahl
unserer Kontrollversuche, jeden Irrtum methodischer Art ausschließen zu dürfen.
Die zu untersuchenden Seren und Serumgeniische werden in der
Menge von 4 bis höchstens 8 cni^ mit der zehnfachen Menge destillierten
Wassers verdünnt und in einer I'orzellanschale auf dem Wasserbade bis zu
zirka 80" erhitzt. Noch besser hat sich mir in jüngster Zeit Kochen der
Flüssigkeiten in Erlenmeierkölbchen in dem siedenden Wasser des Bades
bewährt. Euter fortwährendem Weitererwärmen wird tropfenweise sehr stark
verdünnte Essigsäure so lange zugesetzt, bis eine eben deutlich saure He-
aktion gegen Lackmus nachweisbar wird, die rierinnung des Eiweiß groß-
flockig erfolgt, dieses sich vollständig abscheidet, die Flüssigkeit <lanel)en
vollständig wasserklar erscheint. Der Zusatz der Säure hat allmählich zu
erfolgen und es erfordert wie gesagt Übung, jene notwendige (Irenze der
Azidität regelmäßig zu treffen, bei welcher eine vollständige Ausscheidung
des Eiweiß erfolgt. Als Kriterien, daß der Zusatz der Säure in der richtigen
Weise erfolgt ist, dienen, besser als das Verhalten gegen Lackmus: 1. die
großflockige Ausscheidung der koagulablen Eiweißkörper: '2. die selbst bei
länger fortdauerndem Erhitzen fortbestehende, vollkommen wasserklare Be-
schaffenheit der Flüssigkeit und :). ihr \erhalten bei der Filtration. Sie
fließt wie reines Wasser rasch durch das Filter.
Nachdem zur Vergewisserung, daß auch alles in der Hitze koagulable
Eiweiß wirkUch ausgefällt ist, noch durch zirka 'M) Minuten weiter erhitzt
worden war, wurde filtriert, das Filtrat auf die ursprüngliche Menge ein-
gedampft und damit die Biuretprobe angestellt.
Ein vom Meerschweinchen gewonnenes Beispiel möge die iibri>:e \ Cr-
suchsanordnunü- klarmachen :
Vorbehand-
lung
001
001
001
001
PfS.
Kntblutet
nach
25 Tg.
Immun-
suruin
Antigen
nn"
2 PfSe.
2 RSe.
2 l'fSe.
2 RSe.
Priusipitst
Kinrptprobo di<r ml
eiwuilitcn Klü-»itflk"i<
positiv
nPL'ativ
positiv
iif^'ativ
Abderhalden. Handbuch der biochemischen Arbeit("niethoden. V.
3r.
562 H. Pfeiffer. Die Arbeitsmethoden bei Versuchen etc.
Nach früheren Ergebnissen von Abderhalden und P'mkussohn gelingt
es übrigens auch durch vorhergehende Digestion von Immunserum und
Antigen, Dialyse der Gemische und Anstellung der Biuretprobe mit der
Außenflüssigkeit den spezifischen Abbau der Gemische nachzuweisen.
b) Durch den Nachweis der Änderung- im Brechuiigsvermögen
(optische Methode nach E. Abderhalden). Die zur Beobachtung viel-
facher biologischer Fragestellungen verwendete optische Methode E. Abder-
haldens wurde in jüngster Zeit auch speziell zum Nachweise des fermen-
tativen Abbauvermögens von Seren für den Fall einer Eiweißanaphylaxie
bei Meerschweinchen und Kaninchen von ihm und Pinknssohn heran-
gezogen.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Versuchstechnik sei hier auf die
wiederholten Angaben der Autoren in der Zeitschr. f. physiol. Chemie,
Jahrg. 1909 — 1911 verwiesen. Ihr Prinzip besteht darin, daß bei der Ein-
wirkung von Fermenten, auf Lösungen eines Proteines, eines Peptones oder
eines Polypeptides das ursprüngliche Drehungsvermögen des Substrates in
ganz gesetzmäßiger Weise sich ändert. So kann mit einer bestimmten Fer-
mentlösung eine typische Kurve des unter seiner Einwirkung eintretenden
Abbaues erhalten werden. Abderhalden hebt insbesondere hervor, daß eine
Verfolgung der Änderung im Drehungsvermögen der Gemische von Immun-
seruni und Antigen nur mit sehr guten Polarisationsapparaten möglich ist.
Das Auftreten von Trübungen macht die Versuchsresultate unbrauchbar.
Ebenso muß die Lösung frei von zeUigen Bestandteilen des Blutes sowie
von Hämoglobin sein. Die Versuche werden so ausgeführt, daß in einem
Polarisationsrohr eine bestimmte Menge einer Antigenlösung (z. B. Pferde-
serum) eingefüllt und das entsprechende Immunserum zugesetzt wird. Nun
wird das auf 37° erwärmte Rohr in den Polarisationsapparat gebracht und
das Drehungsvermögen des Gemisches festgestellt. Jetzt liest man von Zeit
zu Zeit den Drehungswinkel ab und notiert die Werte. Als Kontrollen
dienen Versuche, in denen die betreffenden Immunseren unter Zusatz ent-
sprechender Mengen physiologischer Kochsalzlösung und die Seren normaler
Tiere -f- dem Antigen, bzw. 4- Kochsalzlösung auf die Änderung ihres
Drelmngsvermögens innerhalb derselben Versuchszeiten geprüft werden.
W^ährend in solchen eine nennenswerte Änderung des Drehungsvermögens
nicht auftritt, erfolgt diese in den erstgenannten Gemischen in typischer
Weise.
In den die Anaphylaxie betreffenden Versuchen von Abderhalden und
Pinkussohn wurden teils je 1 cm^ des betreffenden Immunserums + 0'5 An-
tigen + 5*5 physiologischer Kochsalzlösung, in anderen 0*25 Serum, 0'5 An-
tigen und 6' 75 physiologischer Kochsalzlösung verwendet.
Der Nachweis pliotodynamiseher Wii'kunü:on tluo-
resziereiuler Stoffe am lebenden W'ai'niblütcr.
Von Hermann Pfeiffer, (Jraz.
Da in der jüngsten Zeit durch einschliigige Arbeiten von M . Haus-
mann'^), Baubitschek^), Horbaczewski^) und H. P/eiJfrr*) die von Tappehur
entdeckte photodynamische Wirkung fhioreszierender und sensibilisierender
Stoffe auf Warmblüter ausgedehnt wurde und derartige Versuche auch für
die menschliche Pathologie nicht bedeutungslos scheinen, sei hier im Nach-
trage zu den Ausführungen Tappemers in Bd. III. 2 des vorliegenden
Handbuches über die Methodik beim Nachweise photodynamischer Wir-
kungen auf Warmblüter und die dabei in Erscheinung tretenden Er-
krankungssymptome kurz berichtet.
1. Die Vorbehandlung und Belichtung der Versuchstiere.
Die Wahl des Versuchstieres. Als feines Reagens, welches außer-
ordentlich charakteristische Krankheitserscheinungen darbietet, hat sich
sowohl W. H(n(S)na)ui als auch mir selbst die weiße Maus bewährt. Mindi-r
empfindlich ist das erwachsene Meerschweinchen, obwohl auch dieses Tier
mit schweren, selbst tödlichen Erkrankungen auf die Lichtwirkungen ant-
wortet. Es hat den \'orteil bedeutenderer Größe für sich, so daß es für
spezielle Fragestellungen, wie Verhalten der Leukozyten während der Er-
krankung, Studien über Ilarntoxizität, nicht wohl umgantien werden kann,
da derartige Versuche an der weißen Maus in zureichender Weise wohl
nicht gut durchführbar sind. An anderen Sjiezies licL-^en bis heute ein-
schlägige Untersuchungen nicht vor.
') ir. Jfausnian», Biochom. Zeitschr. 1909 iiiul 191(1. vorscli. .Vrlu'iteii.
-) liauhitschek, Zur Kenntnis der Patho^^enese der rollajrra. t'eutralbl f. Hak-
tpriologie. 0. 1910. Bd. 57.
^) Ilorhaczeirski, Das österreicliisoho Saiiitütswcscn. Boilapc zu Nr. 31. 1910.
^) //. Pfeiffer, Über die Wirkung dos Lichtes auf Kosin-Blutgemisrhc. Wiener
klin. Woclienschr. 190.'». Nr. 9 und 12. pag. 211. besonders aber: Weitere Heitrage zur
Kenntnis der Cboreniptiiulliclikrit usw. Zeitschr. f. Immunitatsforselur. 1911 im Priu'k.
36-
564 H. Pfeiffer.
Man wähle zu solchen Versuchen im allgemeinen gut genährte, er-
wachsene Mäuse mit einem Durchschnittsgewicht von 10 — 15 y, vermeide
ihrer erhöhten Empfindlichkeit wegen schwangere Tiere. Meerschweinchen
im Gewichte von 800 — 400 g sind einerseits groß genug , um genügende
Blut- und Harnmengen zu liefern, andrerseits aber auch nicht zu alt, um
schlecht zu reagieren. Man verwende bei subkutaner Zuführung des sensi-
bilisierenden Stoffes möglichst Tiere, die an Bauch und Lenden weiß sind,
da der Pigmentgehalt der belichteten Hautpartien abschwächend die Licht-
wirkung beeinflußt.
Die Vorbereitung der Tiere. Um die Lichtwirkung intensiver zu
gestalten, ist es empfehlenswert, weiße Mäuse von der Schwanzwurzel bis
zum Genick mit einer krummen Schere kurz zu scheren. Dabei hält der
Gehilfe das Tier mit einem Pean an der Genickhaut fest, der Experimentator
mit der buken Hand den Schwanz und führt mit der rechten die Schere.
Meerschweinchen werden zweckmäßig an Bauch und Lenden vom Rippen-
bogen bis zur Schambeinfuge rasiert.
Die Injektion wird bei Mäusen zweckmäßig subkutan unter die
Rückenhaut in Versuchsmengen von 0"5 — 0"2 cm^ des in 0"86% Kochsalz-
lösung gelösten Farbstoffes vorgenommen. Dabei faßt man mit einer Pin-
zette die Rückenhaut nahe dem Steiß, sticht die Kanüle ein und führt sie
unter steter Kontrolle des Fingers subkutan soweit als möglich bis unter
die Genickhaut vor und deponiert hier die Flüssigkeit. Während des Aus-
ziehens der Kanüle faßt man neuerdings mit der Pinzette die Einstich-
öffnung und hält sie, während man die Injektionsmasse, die Haut leicht
knetend, gleichmäßig verteilt, fortwährend fest. Verschluß der Injektions-
öffnung mit einer Michelklammer, um ein Rückströmen der Flüssigkeit zu
vermeiden.
Auch beim Meerschweinchen ist die subkutante Injektion, wenn man
prompte Wirkungen erzielen will, der intravenösen vorzuziehen. Man kann
den Tieren bequem 5 — 10 cni^ der Lösung unter die Bauchdecken ein-
spritzen und sie nach Verschluß der Einstichöffnung durch Ligatur gleich-
mäßig verteilen. Eine intravenöse Vorbehandlung hat das Aufsuchen der
Vena jugularis der gefesselten Tiere zur Voraussetzung. Dabei sind
die Kautelen zu beobachten, die für diesen Injektionsmodus schon von
L. Michaelis und F. Fuhrmann in Bd. III, 2 des vorUegenden Handbuches
angegeben wurden. Außer den später zu belichtenden behandelt man
immer auch eine größere Anzahl von Kontrolltieren in derselben Weise
vor, die im Dunklen bleiben, sowie eine Anzahl von Tieren, die, ohne
sensibilisiert worden zu sein, mit den vorbehandelten dem Lichte aus-
gesetzt werden.
Nach der Injektion, die außer an den zu belichtenden in der-
selben Weise und in denselben Versuchsmengen auch an späterhin im
Dunklen zu haltenden gleich schweren Kontrolltieren in zureichender Zahl
ausgeführt werden muß, warte man unter allen Umständen die unmittel-
baren Folgeerscheinungen ab, indem man die Tiere in geräumigen Käfigen
Der Nachweis photodynamischor Wirkiinpen fliioresziorcndcr Stoffe etc. f>f,5
oder (bei Mäusen) in GlasgefiUioii im Dimklfii liiilt.-. l)ies ^nlt insliosomioro
von Substanzen, die man auf ihre toxische Ei^'cnwiikiiiif? noch nicht sorg-
fältig ausgewertet hat. Sie kann unter Tniständen (wie /. l;. hei llimler-
galle) eine sehr hohe sein. Treten sclion im (iefoige der Sensibihsiening
Krankheitserscheinungen bei den Tieren auf. mui; mit einer Hehchtung
jedenfalls solange gewartet werden, bis die Tiere von ihrer \ergiftung sich
vollständig wieder eriiolt haben. Genützt man. wie dies zweckmiil'.ig i.st,
zum Nachweis solcher Wirkungen die Temperaturreaktion, so warte man
mit der Behchtung so lange, bis die Tiere ihre Ausgangstemperatur wieder
erreicht haben. Ist dies nicht der Fall, so lälU man mindestens 2 Stunden
nach der Injektion die Tiere im Dunklen, damit das Sensibilisans sich
gleichmäl.ig in der Haut verteile. Das zeigt sich bei stärker tingierenden
Farbstoffen, wie z. IJ. bei Eosin oder bei Hämatoporphyrin darin, dali die
Hautdecken die Farbe des betreffenden Körpers angenommen haben, im
ersten Falle rosenrot, im letztgenannten braunrot erscheinen, /wischen
Sensibilisierung und Belichtung möge kein zu langer Zeitraum eingeschaltet
werden, damit nicht eventuell durch eine Ausscheidung des Farbstoffes
negative Resultate vorgetäuscht werden.
Als Injektionsflüssigkeit wählt man am besten eine Lösung oder
Emulsion des Farbstoffes in 0-86Vo Kochsalzlösung. Man hüte sich vor
stark alkalischen, insbesondere aber vor einer sauren Reaktion, weil da-
durch die ^'ersuchstiere an sich schwer geschädigt werden. Um das sensi-
bilisierende Vermögen eines Körpers zu bestimmen, tut man gut daran,
zunächst seine Dosis toxica tolerata bei verschiedener Konzentration fest-
zustellen und darunter dann jene zu wählen, welche den Stoff in gröljter
Menge enthält. Hat sich unter steter Berücksichtigung der Resultate mit
uubelichteten Kontrollen eine photodynamische Wirkung feststellen lassen,
so geht man in neuen Versuchen mit der Injektionsdosis herab und ver-
suche, ob nicht doch an sicli unschädliche Mengen sensibilisierend wirken.
Von den bisher untersuchten Farbstoffen steht hinsichtlich seines
sensibilisierenden \'ermögens sowohl als auch hinsichtlich seiner fast völlig
fehlenden toxischen Eigenschaft auf .Mäuse und Meerschweinchen das reim*
krystallisierte Hämatoporphyrin in alkali.><cher L(isuug an erster Stelle. Noch
mit Mengen von OOUOI // kann mau bei 12 Stunden später vorgenommener
Behchtung die weiße Maus nach einem zweistündigen Aufenthalt im ridgeii-
lichte sicher töten, im Somienlicht mit noch kleineren Mengen. .Vuch
wasserlösliches Eosin hat sich mir als recht wirksam erwiesen; mit OiHiö*^
des Farbstoffes konnte noch gut sensibilisiert werden. <>. Unnh^) erhielt
mit (>2 — 0-4r) Eosin pro Kilogramm, .1. Jodllmun- und />'. lUisk'^) mit
0-2 0-4 Eosin, 01=()-2 Erythrosin chronische Effekte.
Soll, wie das insbesondere von lidithitsrluk und U'>rhac:ruski ge-
schehen ist, durch Fütterung, z. B. mit l'olenta oder, wie in den \er-
'- ') Zitiert nach Jodlhawr ii. Hiisl,-. .\rchiv. de [iliarmai-. <t de thcrapio. If). p. 2«U).
566 . Pfeiffer.
suchen Hausmanns, mit Buchweizen sensibilisiert werden, so muß das ver-
änderte Nahrungsregime längere Zeit hindurch eingehalten werden, bis
photodynamische Wirli:ungen im Lichte zur Beobachtung kommen. Mäuse
vertragen im allgemeinen die veränderte Nahrung selbst durch viele Monate
hindurch vorzüglich, Meerschweinchen sah ich Aviederholt bei ausschließ-
licher Polentanahrung nach 1 — 2 Monaten unter hochgradiger Kachexie im
Dunklen zugrunde gehen.
Die Belichtung kann man im Bogenlichte, besser noch, aber bei
der weißen Maus nur unter Einhaltung bestimmter Kautelen, auch im
Sonnenlichte vornehmen.
Benützt man eine Bogenlampe als Licht(iuelle, so empfiehlt sich eine
30 — 40 Ampere-Lampe, wie sie den Projektionsapparaten beigegeben ist.
In einer Entfernung von 80 — 100 cm von der Lichtquelle werden die Ver-
suchsmäuse — vorbehandelte und unvorbehandelte — in geräumigen Glas-
gefäßen, deren Boden mit einer dünnen .Schichte Torfmull bedeckt und
mit einem dünnen Drahtgeflecht verschlossen ist ausgesetzt. Um schäd-
liche Wärmewirkungen auszuschalten, muß das Licht in entsprechender und
ausgiebiger Weise unter steter Wasserkühlung gehalten werden. Will man
seine Wirkung noch intensiver gestalten, so kann man es ohne Schaden
leicht konvergent machen und in diesen Strahlenkegel die Tiere einbringen.
Die Zeitdauer der Belichtung, die natürlich von der Stärke der Lichtquelle
abhängt, ist darnach verschieden. Für stärker sensibilisierende Stoffe können
schon nach 1, sicher aber nach 2 Stunden tödliche Reaktionen erzielt werden,
während die Kontrollen dadurch keinen Schaden erleiden.
Ähnlich verfährt man bei der Verwendung von Sonnenlicht, muß aber
dabei äußerst vorsichtig sein und die Resultate immer mit unvorbehan-
delten normalen Mäusen kontrollieren, da bei zu langer Einwirkung
auch diese dadurch schwer geschädigt werden können, ja sogar im
direkten Sonnenlichte leicht eingehen. Im allgemeinen aber können durch
einstündige Bestrahlung einerseits starke photodynamische Wirkungen er-
zielt werden, andrerseits schaden solche unvorbehandelten Tieren nicht. Es
ist aus später zu erörternden (xründen am besten, alle 15 — 20 Minuten
die Körpertemperatur der Tiere festzustellen. Zeigt sich ein Abfall der
sensibiüsierten schon im Lichte, so kann man sicher sein, starke Re-
aktionen ausgelöst zu haben. Die normalen Kontrollen sollen während der
Behchtung nicht mehr als höchsten 40« Körpertemperatur aufweisen. Meist
kann man aber den Versuch viel früher abbrechen, bevor eine Schädigung
der normalen Tiere eingetreten ist.
Stark sensibilisierende fluoreszierende Stoffe, z. B. das Hämatopor-
phyrin. vermögen die Mäuse akut auch bei längerem Aufenthalte im diffusen
Tageslichte zu schädigen. Es ist selbstverständlich eine längere Be-
lichtungszeit notwendig, welche von den Kontrollen anstandslos vertragen
wird. Bei Beobachtung auf chronisch eintretende photodynamische Effekte
(lokale Nekrosen, Ekzeme usw.) müssen die Tiere oft tage- und wochenlang
im diffusen Tagesüchte verweilen. Dabei muß für möglichst gleichmäßige
Der Nachweis pliotodyiiamisplicr Wirkmifroii fluoreszieninler Moiie cic. ,'»57
Temperatur im Heobachtunti:sraum(' und für lU'inlicit der Ve^.sul•lls^Mflse^
sowie für zureichende und entsprechende Nalirunj,' gosor^^t, die Kontrollen
müssen unter dieselben \'ersuchshedinu:iin^''en gesetzt werden.
Meersch^Yeinchen belichtet man entweder gefesselt auf dein S|)ann-
brette oder aber in einem nicht m weiten (Jlaszylinder, in dem sie ge-
zwungen sind, aufrecht zu stehen und so ihren enthaarten Hauch dem
Lichte zuzuwenden. Verwendet man das Spainibrett. so ist es z\\eckm;dji^:,
außer der allgemeinen Wasserkühlung des Lichtes auf den Lauch der Tiere
noch eine zirka 2 c;;/ dicke Kühlkammer direkt aufzulegen, liier kann man
sich auch durch eine Berieselung des Lauches der Tiere helfen. Im Sonnen-
lichte sind bei diesen Spezies besondere Kautelen im Vergleiche zum IJogen-
lichte nicht notwendig. ^Lan beachte aber bei Verwendung des Spannbrettes,
daß schon normalerweise durch die Fesselung die Tiere einen nicht un-
beträchtlichen Shock durchmachen, der sich in .Mattigkeit und einer starken
Temperaturerniedrigung zu erkennen gibt, die allerdings rasch nach der
Befreiung überwunden, bei nicht sensibilisierten >L'ersch\veinchen rasch
wieder zur Norm zurückkehrt. Aus diesem (iiiimle hat der Verfasser in
letzter Zeit die Belichtung im Glasgefäß vorgezogen. Während man selbst-
redend im SonnenHchte sensibilisierte Tiere und die unvorbehandelten Kon-
trollen gleichzeitig aussetzen kann, ist dies beim Logenlichte nicht miiglich.
Die Tiere müssen dann nacheinander belichtet worden.
2. Die Krankheitserscheinungen.')
a) Die akute Erkrankung der weißen )Ians. Las l'^rkrankungs-
bild deckt sich absolut mit jenem der Müuseurämie. Mit Lrfelg sensi-
bilisierte ]\L\use zeigen im Lichte und das im (Jegensatze zu den unvor-
behandelten und belichteten Kontrollen, sofort das von U'. Hiiuswnnn be-
schriebene Juckphänomen, indem sie sich heftig die Schnaulze. Körper
und Schwanz ohne Unterlaß kratzen und putzen. Lald stellt sich eine auf-
fallende Lichtscheu und ein Aufregungszustand ein, so daß die Tiere sich
hinter den normalen Kontrollen zu verkriechen und so dem Licht** auszu-
weichen versuchen. Charakteristisch ist auch die bald folgende ödematö.se
Anschwellung von Kopf und ( »hren und Tränenflut). Bei grölleicn sensi-
bilisierenden Losen (OOUl Hämatoporphyrin in L'oganz schwach alkalischen
Lösungen) werden die Tiere in kurzer Zeit im Lichte matt imd somnolent
und gehen noch während der ISeliclitung zugrunde, naclulcui juanchmal
auch hier ein ganz kurz au.sgeprägtes Stadium der lleflexerrcgbarkoit
(Fußklonus, Anfälle tetanischer Starre, rauschähnliche Zustandsbilder) nach-
weisbar waren. Die noiinalen belichteten, sowie die sensibilisierten unbe-
lichteten Tiere bleiben völlig gesund.
Wird die sensibilisierende Dosis kleiner gewählt, so ist der gan/c
Krankheitsverlauf ein protrahierterer und charakteristischer. Die Tiere
') Dabei ist iiisl)esoii(lrT(' die Sensiltilisieruiig mit llainatoporpliviin uiiti Komh in
Betracht gezogen.
568
H. Pfeiffer.
Fig. 141.
überstehen die zweistündige Bestrahlung unter lebhaftem Juckreiz und ver-
fallen erst, wenn sie aus dem Lichte gebracht werden. In wenigen Minuten
oder in einer halben Stunde stellt sich Mattigkeit, später Somnolenz ein.
Bei Progredienz der Erscheinungen kann man nunmehr bald durch Kneifen
in das Hinterbein klonische Zuckungen des ganzen Tierkörpers auslösen,
ein Ausdruck gesteigerter Reflexerregbarkeit, der bald in Anfälle von
tetanischer Starre hinüberleitet. Sie bestehen darin, daß die Mäuse bei
sistierter Atmung, krampfhaft ausgestreckten Extremitäten und gebeugtem
Ilücken wie tot daliegen. Dieser Tetanus, der bis zu mehreren Minuten
dauern und sich durch viele Stunden immer wiederholen kann, währt
mehrere Sekunden bis einige Mi-
nuten. Dann kommt die Atmung
wieder in Gang, die Starre er-
schlafft, bis ein neuer Anfall die
Tiere befällt. Noch später über-
kommt die Tiere ein ganz eigen-
tümliches, rauschähnliches Zustands-
bild , in dem sie wie betrunken
herumtaumeln, bald aber wieder in
Tetanus verfallen und endlich nach
stundenlanger Agone unter Er-
löschen der Reflexe zugrunde gehen.
Während der ganzen Erkrankung
besteht eine auffallende Polyurie,
häufig werden breiige bis flüssige
Faezes entleert.
Interessant ist das Ver-
halten der Körpertemperatur,
welche wohl den feinsten Ausdruck
photodynamischer Schädigungen
darstellt (photodynamischer Tempe-
ratursturz, H. Pfeifer). Registriert
man die Körperwärme solcher Tiere vom Momente der Belichtung an, so wird
man bei mittleren und kleineren Dosen, während die Mäuse noch in jenem
Zustande von Aufregung sich befinden, häufig einen leichten Anstieg über
die Norm wahrnehmen. Als Vorläufer der Mattigkeit aber, und mit ihr
immer zunehmend, setzt ein Temperaturabfall ein, welcher, den Krankheits-
erscheinungen absolut parallel gehend, intra vitam zu Temperaturen von
24 — 20*" C führen kann. Daß es sich dabei nicht um agonale Erscheinungen,
sondern um ein wesentliches Erkrankungssymptom handelt, ergibt sich aus
den beigegebenen Kurven, von denen die erste (Fig. 141) die Körpertemperatur
eines letal, die andere eines subletal geschädigten Versuchstieres nebst den
Kontrollen wiedergibt. Es zeigt sich in dem ersten Falle, daß schon stunden-
lang vor Eintritt der Agone als erstes Anzeichen der Schädigung der ra-
pide Absturz der Körpertemperatur einsetzt und zu seinem Minimum ge-
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Der Nachweis photodyiiamisclier Wirkuiiiyroii fluoresziiTcmler Stoffe etc. 569
führt hat. Das subletal im Lichte f^oschädif^tc Tier {\'i:\. Fip. 142) -/.vi^x mit
Zunalime der Kraiii<lieitserscheinuii},^oii wieder jenen Temi»eratiirstiir/. I>is
zu 21-0^ C. während mit Ueginn der Wiedereriiohm«? die Temperatur all-
mählich wie(U'r zur Norm an.steip:t, später einem oft taj:ehin^' anhaltenden
Fieber I'hitz macht. Dabei bleibt, wie die Kontrollen der Kurven lehren,
die Körpertemperatur der belichteten unvorbeiiandelten und der .sensibili-
sierten unbelichteten Kontrollen normal.
Der Obduktionsbefund solcher im Lichte akut zup^nmde ij^ei/an-
gener Tiere charakterisiert sich häufig nur in einer hochgraditren Hyperämie
der Bauchorgane. I!ei etwas protrahierterem Verlauf aber finden sich nicht
selten die Erscheinungen einer akuten, meist hämorrhagischen Gastroen-
teritis, mittlere bis schwere fettige Degeneration insbesondere der Nieren,
aber auch der Leber und des Herzens. Auffallend ist auch die bis zum
Platzen prall mit Galle
gefüllte Gallenblase. Fig. 142.
b) Der chronisclie
Erkrankungsverlauf
der weißen Xaus. Er
ist die mildeste Form
der photodynamischen
Schädigung. Nach einem
mehr minder ausgespro-
chenen akuten \'orsta-
dium, welches, wie oben
geschildert, in Erholung
ausgeht, aber auch ohne
jede schwerere allgemeine
Krankheitserscheinung,
erkranken die Tiere ins- ^ '■ ■ '
besondere im diffusen
Tageslichte nach Tagen
bis Wochen unter Tränenfliir». der bald zu einer au.sgesprochenen Kon-
junktivitis überführt, kenntlich an den durch Sekret verklel)ten .\iigen.
Auch hier sind intensive Ödeme, insbesondere wieder am Kopf und (lenick.
aber auch am übrigen Körper wahrzunehmen. Der Pelz der Tiere wird
schäbig. Es entwickelt sich ein nässendes, oft einen (JrolUeil der Körper-
obei-fläche einnehmendes Ekzem oder ausgebreitete Hautnekrosen. Besonders
auffallend ist dabei eine Gangrän, welche die Ohrmuscheln ergreift und zu
einer Abstellung dieser Körperteile luhren kann. Die Tiere gehen schliel'.lich
kachektisch zugrunde, oder erholen sich, ins Dunkel gebracht, vollständig.
c) Die photod.vnainische Srliiidiü:uni,' des Meersciiweinchens
(H. Pfäß'cr). Im Lichte zeigen ältere Tiere aul'.er einer hochgradigen .\uf-
regung. Lichtscheu. Juckreiz und Polyurie meist keine schweren Krank-
heitserscheinungen. Werden die Tiere aber aus der Licht(|uelle entfernt.
so beginnt — eine Schädigung von genügender Intensität vorausgesetzt
570
H. Pfeiffer.
Fig. 143.
sich rasch ein außerordentlich charakteristischer Symptomenkomplex zu
ent^Yickeln. In seinem Zentrum steht wieder ein initialer, enorme Grade
erreichender Temperatursturz, der bei tödlichem Ausgange 10 — 16° unter
die Norm betragen kann. Dabei wird das Tier zunächst matt, sein Fell
sträubt sich in eigentümlicher Weise, die Hinterbeine sind paretisch. Später
schauert das Tier alle paar Minuten zusammen, zeigt konische Zuckungen
der Körpermuskulatur, wird später somnolent, und geht schließlich in
einer lange hingestreckten Agone oft unter Erscheinungen einer profusen
Diarrhöe zugrunde. Die Kontrohtiere bleiben völhg intakt. (\'gl. Fig. 143.)
Verfolgt man durch Blutent-
nahme (am besten hinter den
Ohren und aus der Genickgegend)
die Leukozytenzahl solcher Tiere,
so beobachtet man unmittelbar
nach der Entfernung aus dem
Lichte eine, oft sehr intensive
polynucleäre Leukocytose, die dann
mit Progredienz der Erscheinun-
gen rasch in eine Leukopenie über-
geht. Die peripheren Gefäße wer-
den dabei sehr häufig fast völlig
blutleer angetroffen, so daß oft
kaum aus der Vena jugularis ge-
nügende Mengen von Blut ge-
wonnen werden können. Tritt der
Tod nicht akut ein, so können
sich die Tiere unter Anstieg ihrer
Körpertemperatur allmählich er-
holen. In den nächsten Tagen be-
steht meist hohes Fieber fort und
es entwickeln sich nun an der
BeUchtungsstelle charakteristische Veränderungen. Während nicht behchtete
Tiere die Farbstoffe (Eosin und Hämatoporphyrin) reaktionslos resorbieren,
entwickelt sich bei belichteten zunächst ein teigiges Ödem, welches nach
2 Tagen in ein derbes Infiltrat sich umgewandelt hat. Dieses beginnt nach
48 weiteren Stunden mit der lebhaft entzündeten Haut nekrotisch zu werden,
vertrocknet zu einem rotbraunen, lederartigen Schorf, der sich von den un-
belichteten Hautpartien zu demarlderen beginnt; er stößt sich im weiteren
Verlaufe von den unbelichteten und gesund gebliebenen Hautpartien ab.
Das nunmehr zurückbleibende tiefgreifende Geschwür verheilt glatt im
A'erlaufe von Wochen. Manchmal kann auch Spättod unter hochgradiger
Kachexie zur Beobachtung kommen. Ebenso wie bei der Maus, kann auch
beim Meerschweinchen (vgl. dazu die Erfahrungen Lodes'^) an mit Polenta
^) Lode, Vortrag, Wissenschaft! Ärztegesellschaft in Innsbruck. Referat in Wiener
klin. Wochenschr. 1910. Xr. 31. p. 1160.
Der Nachweis pluitodynainisclicr Wirkungen fliuMcszicroiKlcr Stoffe etc. f,7[
gefütterten Meerschweinchen) je<ilich<' akute Erkrankung verniilit werden.
Die photodynaniischen ^Virkungen gehen sich dann noch in Haarausfall
und in dem Auftreten juckender Ekzeme zu erkennen.
Die pathologisch-anatomischen Veränderungen bestehen hei
akutem Krankheitsverlauf in hochgradiger Hyperümie der Uauchorgane und
vagen Degencrationserscheinungen, insbesondere der Nieren. Tritt der Tod
etwas später ein, so sind außerdem meist ekchvmotische Itlutungen in der
Magen- und Darmschleimhaut (seltener der Lungen) neben mehr minder
schw^eren Erscheinungen einer Gastroenteritis, außerdem leichte bis schwere
fettige Degenerationen von Nieren, Leber und Herz anzutreffen. Iias lilut
bleibt im Kadaver lange Zeit ungeronnen.
Hinsichtlich der Bestimmung der Harntoxizität solcher Tiere
unter dem Einfluß photodynamischer Wirkungen gelten dieselben (Innid-
sätze, wie ich sie in diesem Handbuche für die Harnuntersuchungen
während des anaphylaktischen Shocks aufgestellt habe.
über Mikropolarisation. '>
Von Emil Fischer, Berlin.
Zur Bereitung der Lösung dient das nebenstehend (Fig. 1 44) in natür-
licher Größe abgebildete Glasgefäß mit sorgfältig eingeriebenem Stöpsel.
In ihm mrd die Substanz und das Lösungsmittel abgewogen und
'^■^*^' dann die Lösung am besten durch Umschütteln hergestellt. Da
eine geringe Menge Flüssigkeit sich zwischen Glaswand und
Stöpsel setzen kann, so ist es nötig, diesen zum Schluß zu lüften,
^^^eder aufzusetzen und nochmals zu schütteln. Um das Mischgefäß
be(iuem wägen zu können, wird es in einen kleinen gläsernen
Zylinder eingestellt.
Das Pyknometer hat die gewöhnliche Form (Fig. 145) und ist
so dickwandig, daß es nur 0"07 cm^ faßt. Das Polarisationsrohr
von 5 cm Länge hat einen inneren Durchmesser von 1'5 mm und
faßt nicht mehr als Ol cm^. Es besteht aus weißem Glas, ist aber
ganz mit Hartkautschuk bekleidet. Für genauere Messungen verwendet man
ein ebenso konstruiertes Rohr von 10 cm Länge, dessen Inhalt dann aber
0"2 cm^ beträgt. Die Überführung der Flüssigkeit aus dem Misch-
Fig.us. gefäß in das Polarisationsrohr oder Pyknometer geschieht mit
einem engen Glasrohr, das zu einer Kapillaren ausgezogen ist.
Letztere muß so lang sein, daß sie bis auf den Boden des Polari-
sationsrohrs reicht, dessen Füllung dann keine Schwierigkeiten
bietet. Auf dieselbe Weise kann man die Flüssigkeit wieder aus
dem Polarisationsrohr entnehmen und in das Pyknometer ein-
führen. Die Wägung muß selbstverständlich mit einem empfind-
lichen Instrument ausgeführt werden. Es genügt aber dafür eine
gewöhnliche zweiarmige Wage, welche bei einer Maximalbelastung von 10 g
noch 0"05 mg zuverlässig angibt.
Die Abbiendung des polarisierten Lichtes mrd am besten der inneren
Weite des Polarisäüönsrohres angepaßt. |Die Ablesungen sind bei Anwen-
*) E. Fischer, Synthese von Polypeptischen. Sitzungsber. der Berliner Akademie.
1908, 552 ; vgl. Chem. Zentralbl. 1908. II. 315. Ferner : Über Mikropolarisation. Ber. d.
deutsch, chem. Gesell. 44. 129 (1911).
über Mikropolarisation.
573
dunii- von aasglühliclit sehr leicht aiisziifiihrcii. Natritiiiilidit, das auf
die ^('wölinliclio Weise (lunli \'ei(laiiii)feii von Clilonialriuiii oder Hrom-
iiatriuin in der ßwif>cft-¥\ininnv eizeii^t wird, ist allcrdinj^s zu scliwach,
um schaiio Ablesungen zu f^estatten. Vorzii'iliclie Dienste leistet da''e<'eii
der Polarisationsapparat der Firma Schmidt & Hatnsch in IJerlin, bei dem
homogenes Licht durch 8pektrab;eiief,Min<4- von iSVT«.s7-Licht her^^estellt
wird. Die Ablesungen werden mit diesem Apparat bei passender I'.Iend-
vorrichtung aucli im 10 r<>/-l!()lii- ii so scharf, dal) der mittlere Kehler
nur U-02" l)etr;igt.
Die Leistungsfähigkeit (\vv Methode ergibt -icli aus folgenden lie-
stimmungen mit Rohrzucker, für den |a|-*'" = + (jfVHf)" in 10"oiger
Lösung und + eß-Tß" in öVoiger wässeriger Lösung beträgt. >j Alle l'.e-
stimmungen sind bei 20" und mit D-Licht ausgeführt.
Der durch Ungenauigkeit der Wiigung entstehende Fehler könnte
durch die Denutzung feinerer Wagen noch erheblich herabge>etzt werden.
Aber in der jetzigen Form ist die Methode schon für die allermeisten
Fälle ausreichend, wenn es sich darum handelt, mit ö — 10 my Substanz
eine orientierende polarimetrische Bestimmung auszuführen.
Gewicht der
Rohrliinf;i.<
Substanz
Lösang
Spez. Gewicht
UrebTinf?
002140
0-211(50
1-043
349"
5
002230
0-24115
1-034
318"
5
0 02020
0-20705
1-037
3-38«
5
01)20()0
0-201S5
1041
342"
5
001043
0-21 21 H
1-017
1-67"
5
001015
0-21218
1-018
1-63°
5
001140
0-20882
1-019
1-88°
ö
000970
0-18405
1-018
1-80»
5
0-00575
0-1293U
1-018
1.52»
.5
0-01280
0-25790
1-016
3-39"
III
["1
•JO»
0(5 2
66-5
66-8
66 3
668
669
67-6
67 1
672
67 2
Die Lolarisationsröhren noch niehi* /u verengen, ist ans folgenden
Gründen nicht zweckmäßig: Postens wird dann die Kinfüllnng mit dem
kapillaren Glasrohr zu schwierig und zweitens gestattet die jetzige Weite
des Kohres noch die Klärung schwach getrübter Flüssigkeiten durch Sedi-
mentierung. Es ist nändich bei präparativeii .Vrbi'iten mit sehr kleinen
Mengen öfters unmöglich, ganz klare Lösungen herzustellen. KiUirt tue
Trübung von Substanzen her, die nicht allzu leicht sind, so klären sie sich
beim ruhigen Liegen im l'olarisationsrolir. l'.ei der oben angegebenen
Weite des l'olarisationsrohres tritt diese Klärung tatsächlich noch in
vielen Fällen ein.
Wenn statt Wasser andere i.ö>nngsmittel zur Anwendnm: kommen,
ist es ratsam, die leicht fliiclitiucii Flüssii^keiteii zu vermeiden, da bei (h-r
') ToUens, Ber. d. deutsch, cheiii. (icscll. Bd. 10. 1410(1877).
574 E. Fischer. Über Mikropolarisatioii.
geringen Menge der Lösung durch Verdunstung beim Umfüllen ziemlich
große Fehler entstehen können.
Gleichzeitig mit E. Fischer hat sich J. Donau ') im Laboratorium
von F. Emich in Graz damit beschäftigt, Kapillarröhren für polarimetrische
Beobachtungen zu verwenden: Donau benutzt Kapillarröhren aus schwarzem
Glas, die noch erheblich enger sind, als die zuvor erAvähnten, dafür aller-
dings auch kaum mehr die Klärung von trüben Flüssigkeiten gestatten
werden. Donau hat sich damit begnügt, die Verwendbarkeit solcher Ka-
pillaren für polarimetrische Zwecke gezeigt zu haben, ohne die Herstellung
von Lösungen und die Bestimmung des spezifischen Gewichtes in dem-
selben kleinen Maßstabe durchzuführen.
In dieser Kombination liegt aber der Hauptvorteil der Methode, die
in den letzten Jahren so häufig polarimetrische Bestimmungen gestattet
hat, wo man früher auf solche Beobachtungen wiegen Mangel an Material
verzichten mußte.
Die Firma Schmidt & Baensch in Berhn hefert zu ihren Polarisations-
apparaten auch die engen Röhren, sowie die beiden, oben erwähnten Glas-
gefäße. Letztere können übrigens auch von jedem geschickten Glasbläser
augefertigt werden.
1
^) Julius Donau, Polarimetrische Versuche mit kleinen Flüssigkeitsmengen.
Monatsh. f. Chemie. 29. 333 (1908) ; vgl. Chem. Zeutralbl. 1908, II. 475.
Die optische Metliode und ihre WrweiKluiig bei
biologischen Fnigestelliiiigen .
Von Kmil Abdcrhaldm, Hcrlin.
Mit dem Namen „optische Methode" hat dci Verfasser die Ver-
folgung biologischer Vorgänge mit Hilfe des Polarisationsapparatcs be-
zeichnet. Die P'eststellung des Abbaus bestimmter Substrate durch Fermente
durch fortlaufende Beobachtung des Drehungsvermögens (\(^< Ffi-incnt-
Substratgemisches ist wiederholt mit groi^eiu Erfolg durchgeführt worden.
Für diese bekannte Methode war eine besondere P>ezeichnung nicht nötiy.
Wir haben es hier meistens mit ganz klaren Verhältnissen /.u tun. Die
Bezeichnung ..optische Methode" ist für \orgänge gebraucht worden, bei
denen wir Drehungsänderungen feststellen können, ohne dall wir a priori
imstande sind, etwas über den ^'organg auszusagen, welcher der \'er-
änderung des optischen Verhaltens zugrunde liegt. Die optische Methmle
kann in dieser Form uns i)estimmte Vorgänge, die unserer Beobachtung
zunächst nicht zugänglich sind, zur Wahrnehmung bringen. Mit anderen
Methoden ist dann der Nachweis zu führen, welcher Art der \organg ist.
Ein Beispiel möge zeigen, in welcher Art die Anwendungsweise der
optischen Methode gedacht ist. Systematische l'utersuchungen hatten er-
geben, daß das Plasma resp. Serum von normalen Hunden seine Anfang.s-
drehung bei 87" beibehält. Veränderungen beobachtet man nur bei kranken
Tieren und speziell i)ei Infektionskrankheiten imd bei diesen vor allem bei
hohem Fieber. Ob ein regelmälüger Befund itei den erkrankten Tieren vor-
liegt, läßt sich zur Zeit nicht entscheiden. Das untersuchte Material ist
ein zu geringes. Feststehend ist dagegen der Befund, dad l'lasma resp.
Serum normaler Hunde seine Anfang.sdrehung beibehält. Fügt man /n
solcher Blutflüssigkeit einen Eiweißkörper. /. l\. Fiereiweiß oder aus Pro-
teinen gewonnene Peptone, dann bleibt unter normalen Verhältnissen das
Drehungsvermögeu do^ (Jemisches unverändert. Durch mehrere Jahre
systematisch durchgeführte \'ersuche hatten ergeben. dal.(iie l'iUMueleinente
des Blutes reich an Fermenten sind. Diese Beobachtung führte zu der
Forderung, daß das zu derartigen \'ersuchen verwendete Plasma resp. Serum
576 E.Abderhalden.
unter allen Umständen frei von aus den Zellelementen stammenden Pro-
dukten sein muß.
Zu ganz anderen Resultaten kommt man, wenn Plasma resp. Serum
von Hunden verwendet wird, denen vorher subkutan, intraperitoneal oder
intravenös Proteine oder Peptone eingeführt worden sind. Munmehr beob-
achtet man, daß das Plasma resp. Serum plus zugesetztem Eiweiß resp.
Pepton die Anfangsdrehung beständig ändert. Ein bestimmter Schluß über
die Art des Vorganges kann aus diesem Befund nicht gezogen werden.
Erst der Nachweis, daß Serum derart vorbehandelter Tiere mit Eiweiß
zusammengebracht, Peptonbildung erkennen läßt (Dialysierversuch), läßt
den Schluß zu, daß der Drehungsänderung ein Abbau von Eiweiß, durch
Fermente zugrunde liegt. Die parenterale Zufuhr von körperfremden
Eiweißstoffen resp. Peptonen, bewirkt das Auftreten, oder allgemeiner aus-
gedrückt, das Wirksamwerden von proteolytischen Fermenten im Plasma.
Nachdem nun festgestellt ist, daß der beobachteten Drehungsänderung eine
Formentwirkung zugrunde liegt, ist es nicht mehr nötig, von einem
optischen Verhalten des Plasmas unter den genannten Bedingungen zu
sprechen, wir sind jetzt vielmehr berechtigt, das Auftreten von Fermenten
und den dadurch bedingten Abbau bestimmter Substrate als Ursache der
Veränderung der Anfangsdrehung anzugeben. Die „optische Methode" er-
möglichte das Auffinden dieses biologischen Vorganges, dieser interessanten
Reaktion des Organismus auf die Zufuhr körperfremder Stoffe. Sie allein
vermochte jedoch den Prozeß, der der Drehungsänderung zugrunde liegt,
nicht aufzuklären.
Genau die gleichen Bemerkungen gelten für die Feststellung einer
Drehungsänderung eines Plasmarohrzuckergemisches. Wurde Plasma
von Hunden verwendet, denen Rohrzucker parenteral zugeführt worden
war, dann trat eine sehr deutliche Änderung der Anfangsdrehung auf.
Plasma von normalen Hunden zeigte keine Veränderung des optischen
Verhaltens. Hier war aus der ganzen Art der Drehungsänderung der
Schluß gegeben, daß das Plasma von Hunden, denen Rohrzucker
parenteral zugeführt worden war, Invertin enthält. Zwingend wurde diese
Schlußfolgerung jedoch erst durch den direkten Beweis einer Zerlegung des
zugesetzten Rohrzuckers in Dextrose und Laevulose mit Hilfe chemischer
Methoden.
Die optische Methode wird ohne Zweifel noch viele analoge Vorgänge
aufdecken. Haben wir doch sicher bei den verschiedensten In-
fektionskrankheiten eine Zufuhr artfremder Bestandteile!
Sollte der Organismus nicht auch hier Fermente mobil machen, um all
diesen Bestandteilen ihre spezifische Struktur zur nehmen? Vielleicht sind
hier Fermente vorhanden, die auf die Bausteine der Bakterienleiber spe-
zifisch eingestellt sind. Als Substrate wären in all diesen Fällen Produkte
aus den entsprechenden Mikroorganismen anzuwenden. So wurde beispiels-
weise versucht, aus Rotzbazillen durch partielle Hydrolyse Produkte zu
gewinnen, die dazu dienen sollten, im Plasma rotzki'anker Tiere spezifische
Die optische Methode und ihre Verwendung hei hiulop. Fra^esteUiinL'en. f)77
Fermente .uifztifindcn. Ferner wurde Tu berkeleiweill peptonisieit und
beobachtet, ol) Plasma von tuberkulösen 'riercn mit solchem IVpton eine
Änderung der Anfangsdrehunc <'i-gibt. hie l!(M>b;iclitiino-f'n waren durchwt'i^s
ermunternd.
Von der gleichen ( rrundlagc ausgt'liciid i>t auch gcprült woidcn. ob
im Plasma Schwangerer Fermente vorhanden sind, die Chorionzoiteri-
bestandteile abi)auen. Als Substrat /u diesen N'ersuchen diente Pepton, das
aus Plazenta gew^onnen war. Im Zusammenhang mit diesen Studien konnte
auch ein Einblick in das Vei'halten des Plasmas wahrend der Kklanipsie
gewonnen werden.
Die Anvvendungsmöglichkeit der optischen Methode als Pt'adfindei in
ist mit den genannten Peispielen noch keineswegs ei-schöpft. Fs sei nur
daran erinnert, daß die optische Methode sich auch bei A najdi vlaxie-
studien bewährt hat. Ferner düi-fte auch eine systematische N'erfol-
gung der Präzipitinbildung neue Einblicke in dieses interessante Phäno-
men bringen. Klinisch sind unzählige Fragestellungen angreifbar. Schon
die Feststellung des Drehungsvermögens des Plasmas untei- veischieilen-
artigen Verhältnissen mulJ zu bestimmten Resultaten führen, \erfasser
denkt hiei' an die verschiedenartigsten Infektionskrankheiten, an
Stoff Wechselstörungen, speziell an Diabetes etc.. ferner an Asthma.
an Epilepsie usw. In keinem Falle ist zu erwarten, dal» die optische
Methode auf bestimmte Fragestellungen ohne weiteres eine bestimmte Ant-
wort gibt. Sie wird einzig und allein auf bestimmte Eigentümlichkeiten
aufmerksam machen können. Es wäre z.B. denkbar, daß bei bestimmten
Fällen von Diabetes ein auffallend hohes Drehungsvermögen des Plasmas
vorhanden ist, das nach einer bestimmten Art dei' Ernährung sich in ganz
typischer Weise ändert. Das Drehungsvermögen des Plasmas läßt sich mit
wenig Plut in ganz kurzer Zeit feststellen. Ergibt ein großes Material
die gleichen Kesultate, dann ist der Boden gegeben zu exakteren, mit
anderen Methoden in Angriff zu nehmenden P'ragestellungen. Schon eine
große Reihe von Beobachtungen des Drehungsvermögens des Plasmas bei
verschiedenen Fällen von Diabetes, bei mannigfaltigen Infektionskrank-
heiten, z. B. bei der Pneumonie etc., dürfte Anhaltspunkte zu neuen Fragen
geben. Für die einzelne Untersuchung genügen "i -lOcm^ Blut. E> wird
am besten direkt in das mit Ammonoxalat besc-hickte Zentrifugierröhrchen
einlaufen gelassen. Nun schüttelt man ca. 5 Minuten und zentrifugiert.
Das Plasma füllt man in ein V* c^w-Polarisationsrohr und liest ab. Der
ganze Versuch nimmt höchstens 10 — 15 Minuten in Anspruch. Das Plasma
kann dann noch zu anderen Versuchen Verwendung finden. In vielen Fällen
lohnt es sich, das Drehungsvermögen des Plasmas ohne weiteren Zt^at/
wiederholt während mehrerer Stunden _al)zule.sen. Auch Beobachtimgcn nach
Zusatz von Peptonen etc. sind von Interesse. Verfasser hat l>is jetzt nach
dieser Richtung die Pneumonie und den Kotz eingehender studiert Ka
wäre sehr erwünscht, wenn in klinischen Laboratorien die optischen Metho-
den häufiger verwendet würde.
Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arboitemethodon. V. 37
578
E. Abderhalden.
Aus der Fülle von Fragestellungen, die sich ohne weiteies aus den bis
jetzt erhobenen Befunden ergeben, seien noch folgende erwähnt. Der nor-
male Organismus reagiert auf die Zufuhr ai'tfremder Stoffe mit der Mo-
bilmachung von Fermenten. Wie verhält sich der kranke Organismus V
Finden wir auch beim Diabetiker nach parenteraler Ilohrzuckerzufuhr In-
vertin im Rlute .-'
Weiterhin gibt uns die optische Methode die Möglichkeit in die Hand,
nicht nur den Verlauf von Infektionskrankheiten zu verfolgen, sondern wir
sind auch in der Lage, das Verhalten des Organismus nach Zufuhr von
Antiseris zu studieren.
Endlich ist die Möglichkeit gegeben, bei Verwendung bekannter Sub-
strate das Wachstum von Mikroorganismen optisch zu differenzieren.
Die verschiedenen Lebewesen greifen ein bestimmtes Substrat an ver-
schiedenen Stellen an. Die Folge ist. daß verschiedenartige Bruchstücke
entstehen. ITnsere Methoden reichen noch nicht aus, um diese selbst zu
identifizieren. Vorläufig müssen wir die fortlaufende Verfolgung der Ver-
änderung des Drehungsvermögens während des Wachstums der Mikroor-
ganismen als Erkennungsmittel eines spezifischen Abbaus zu Hilfe
nehmen.
Die gegebenen Beispiele lassen ohne weiters erkennen, daß die optische
Methode dazu berufen ist. noch nach vielen Pachtungen als Pfadfinderin
zu dienen. Es sind bis jetzt nur ganz wenige Probleme durchgearbeitet.
Es bedarf noch vieler Erfahrungen, um ihre Anwendung zu einer allge-
meinen zu gestalten. Die wesentlichste Schwierigkeit beim Fahnden auf
Fermente ergibt sich bei der Wahl des Substrates. Genuine Proteine
sind in den meisten Fällen nicht zur Stelle. Wo es immer geht, sollte man
von diesen ausgehen. Man könnte daran denken, bei der Prüfung auf
Fermente, die auf Mikroorganismen, d. h. auf bestimmte, diesen ange-
hörenden Bestandteile eingestellt sind, Preßsäfte aus diesen zu verwenden.
Meist scheitert jedoch ihre Anwendbai'keit am Auftreten von Trübungen
beim Zusammenbringen von Plasma resp. Serum und Preßsaft. Dazu kommt
noch, daß Kontrollversuche notwendig sind, weil im Preßsaft der Mikroor-
ganismen auch Fermente enthalten sind.
Bis jetzt erwiesen sich durch partielle Hydrolyse gewonnene Pro-
dukte am geeignetsten. Es sei die Darstellung von Seidenpepton genau
geschildert,
Darstellung von Seidenpepton,
Als Ausgangsmaterial verwendet man Seidenabfälle. Diese werden, nach-
dem sie 48 Stunden bei lOO" getrocknet worden sind, in TO^/oige (\o\. Proz.)
Schwefelsäure eingetragen. Am besten geht man von 1kg Seidenabfällen
aus und verwendet die öfache Menge Schwefelsäure. In neuerer Zeit hat
\'erf asser aber auch weniger angewandt. Bei Verwendung der ^fachen
Menge Avaren die Besultate noch ganz gute, während die Anwendung der
2fachen Menge unbefriedigende Besultate ergab. Es traten dabei schwer
Die iiptisclio Motliodc mnl ilin- Ncrwoiitlniif,' hei liioloL'. Kniirt'stelliiiiuroii. r)79
lösliche liallerti^^e rrodiiktf auf, ilic die \veit<'re \\'rarl)(Mtiiii<r sclir störten.
Die sclwotVlsaurc Lösuiil' liilit man 4 Taji:!' laiiii- bei 25" steluM». I>ann
wird die Lösung mit der lot'achcii Mciit^r Wasser vcrdiiiint. nachdem vor-
her das (iefäli mit der Seidcnpcptoidösnng in Kis gestellt worden ist.
Nun entfernt man die Schwcfelsiinre durch Zusatz der hcn-ciineten
Menge an festem, feingepulvertem Barvumhvdrowil. Ilicrhci wird fort-
während umgerührt. Am Ix'sten turhiniert man das (ieinisdi. Nadi etwa
iL^stündigem Stehen wiid dann das liaryunisnlfat durch doppelte Kalten-
filter filtriert odei' durch mit Tierkohle getriinkte. gehärtete Filter ahge-
nutscht. Dei- ßarvumsnlfatniederschlag wird wiederholt in der Ueihschale
mit destilliertem Wasser von 2.')" zerrieben imd wieder durch Filtration
oder durch Dekantieren vom Waschwasser getrennt. \'erfolgt man keine
besonderen Zwecke, so kann man den Baryumsulfatniedj'rschlag auch mit
Wasser auskochen. Fine (iefahr ist nur dann vorhanden, wenn die Neutra-
lisation der Schwefelsäure mit Baryt keine ^icuügende war. d. Ii. wenn
noch ein Cberschuli an Schwefelsäure oder an l!ai\t vorhanden ist.
Durch das Kochen besteht dann die Mödichkeit eines weiteren Abbaues
des Peptons bis zu Aminosäuren. Nachdem man sicli nochmals überzeiiirt
hat, dal'i die vereinigten Filtrate vom Baryumsulfatniedeischlau frei von
Schwefelsäure uml Baryt sind, wird unter vermindertem hruck bei einer
40" des Wasserbades niciit übersteigenden Temperatur eingeengt. Meistens
verläuft die Destillation ganz ghitt. manchmal jedoch verhindert lebhaftes
Schäumen der Flüssigkeit das F^im'ugeii. In diesem Fall kommt man am
besten zum Ziel, weini man die Seidenpeptonlösung während der Destil-
lation aus eiiu'm Scheidetrichter in den Destillationskolben eintro|ifen
läl.)t. Hat man die Seidenpei)tonlösung auf ein kh'ines \'olumen gebracht.
dann prüft man noch einmal auf Schwefelsäure und I^aryt. Aus unbe-
kannter Ursache entziehen sich oft ganz beträchtliche Mengen von Baryt
dem Nachweis. Es empfiehlt sich, auf alle Fälle eim- i'robe einzudampfen
und zu vera.schen. Ergibt sich ein Baryum enthaltende)- Rückstand, dann
verdünnt man am besten die Seidenpeptoidö.sung und erwärmt sie auf
etwa 60° und fügt nunmehr die berechnete Menge Schwefelsäure hinzu,
(iewöhnlich gelingt es dami leicht, die letzten Keste von llaryt zu
entfernen. Nunmelii- engt man die Seidenpeptonlösuni^ noch weit»'r
ein, bis sie dickflüssig wiid. .letzt ti'ägt man die gelbbraun gefärbte Lö-
sung unter beständigem l.'iiliren in absoluten Alkohol ein. I>ai)ei fallt
das Seidenpepton in I<'orm \on lielliielii gefärbten bis farblosen Flocken
aus. Es ist von Wichtigkeit, das Zuiiielien der Seidenpe|)tonlösung zu
einer bestimmten Menge Alkohol nui- so lange fortzusetzen, als das Seideu-
pepton sich sofort in fester Form und möglichst farbh)s abscheidet. So-
bald das Seidenpejjton in Sirupform im .Alkohol untersinkt, mnl» der Zu-
satz von Seidenpeptonlösung abi^cbrochen werden, d. h. man nimmt eine
neue Menge Alkohol und beobachtet hier dieselben \ Orsichtsmaliregeln
wie vorher. Man kann so aus \ kf/ Seidenabf.dlen leicht 2(K)— .-»(X)// und mehr
Seidenpepton erhalten. Dampft man die alkoholischen l'iltrate nochmals «'in
580
E. Abderhalden.
und wiederholt man den ganzen Prozeß, so kann man noch ganz beträcht-
liche Mengen von brauchbarem Seidenpepton gewinnen.
Noch reinere Präparate von Seidenpepton erhält man, wenn die
wässerige Seidenpeptonlösung möglichst stark eingedampft und dann der
Rückstand mit Methylalkohol ausgekocht wird. Die heiße methylalkoholische
Lösung wird dann in absoluten Äthylalkohol eingetragen. Die so darge-
stellten Präparate lösen sich in Wasser sehr leicht und geben eine hell-
gelb gefärbte Lösung. Die Reaktion der Lösung ist schwach sauer bis
amphoter. Die Substanz ist nicht hygroskopisch. Noch reinere Präparate,
die speziell für die optische Methode zu empfehlen sind, werden gewonnen,
wenn die wässerige Seidenpeptonlösung aus l/'/oiger Lösung mit lOVoigci"
Phosphorwolfram Säurelösung gefällt wird. Wird der Niederschlag in der
üblichen Weise mit Baryt zerlegt, dann erhält man schneeweißes Seiden-
pepton, das vollständig luftbeständig ist und absolut farblose Lösungen gibt.
In genau der gleichen Weise können nun auch Organe, Mikro-
organismen etc. partiell hydrolysiert werden. Die Erfahrung muß von
Fall zu Fall zeigen, ob der Abbau ein genügender ist oder ob er gar so
weit gegangen ist, daß die spezifische Struktur des Proteins ganz . ver-
wischt worden ist. Hier lassen sich keine allgemeinen Regeln angeben.
Man ist auf die Versuche selbst angewiesen. Bis jetzt sind aus Rotz-
bazillen, Tuberkelbazillen, Staphylokokken, aus Tier- und
Menschenblut, aus Plazenta, aus den verschiedenartigsten Organen
und zahlreichen Proteinen durch partielle Hydrolyse Produkte ge-
wonnen worden, die sich beim Suchen nach Fermenten bewährten. Selbst-
verständlich muß das Substrat genügend organische Substanz enthalten und
in einer Konzentration anwendbar sein, die ein deutliches Drehungsver-
mögen aufweist. Geht man von Lösungen aus, die sehr verdünnt sind, so
kann man nicht erwarten, deutliche Drehungsänderungen zu beobachten.
Es empfiehlt sich im allgemeinen, mit lO^oigen Lösungen der
Peptone in isotonischer Kochsalzlösung zu arbeiten. Diese müssen voll-
ständig klar und farblos sein. Sind Trübungen vorhanden, dann muß
filtriert werden. Oft genügt die Filtration durch ein gewöhnliches Filter.
Kommt man damit nicht zum Ziele, dann saugt man die Lösung am besten
durch eine Chamberlandkerze. Um gut vergleichbare Versuche durchführen
zu können, ist es sehr wünschenswert, von einer größeren Menge einer
bestimmten Peptonlösung auszugehen. Sie läßt sich leicht aufbewahren,
indem man das Pepton in physiologischer Kochsalzlösung löst, die man
vorher mit Chloroform geschüttelt hat. Oder man überschichtet die Lösung
des Peptons in physiologischer Kochsalzlösung mit Toluol. Die einzelnen
Proben entnimmt man dann mit einer Pipette.
Die größte Schwierigkeit in der Anwendung der Methode ergibt sich
aus dem Verhalten der Peptonlösung gegenüber dem Plasma re-
spektive Serum. Daß dieses selbst vollständig frei von Bestandteilen der
Formelemente des Blutes sein muß, wurde oben schon betont. Ist die
Peptonlösung sorgfältig dargestellt worden, so bleibt das Gemisch von
Die optisflio Mctliudr und ilirc Xeiwciiiliinp lioi liioloir. l-ragcstollungen. ;">K1
l'eptüii und l'.hitilüssii^kcil meist uaiiz klar. Kiitliiilt dage^'oii die Lioiiii^;
noch Spuren von Haiyt odei- Sclnvcfolsäuro oder sonstifi;e zum Pepton
nicht hinzui>ehören(h' Stoffe, wie /. \\. reichlich Salze, dann sind Trühunt^en
bis Fälluniicn unvernieidhar. Auf die Darstelhinj,'' des Peptons mul.) die
allergrößte Sorgfalt, verwendet werden. Bei allen wichtigen Versuchen
sind nur gereinigte Peptone zu verwenden. Das Ahfiltrieren entstandener Trü-
l)nngeii enii)fiehlt sich nicht. Kinnial können in <ien Xiderschlag Fermente
hineingegangen sein und ferner kann der llaiiptteil des Substrates niit-
gef'allen sein. Sobald sich hier Sciiwierigkeiten ergeben, prüfe man sorg-
fältig das verwendete Pepton. In einzelnen Fidlen erwies es sich als vorteil-
Vi-i. U(i.
haft, die Pei)tonlösung mit Phosphatgemisch zn versetzen. Kine allgemeinere
Erfahrung über den Nutzen dieses Zusatzes liegt nicht vor. Pemerkt sei
noch, (lall die Peptonlösung an und für sich auch boi längerer Aufbewahiun!?
sich nicht trüben darf. Tritt eine Trübung in der Stammlösung auf. dann
untersuche man genau die l'rsaclie der \'eränderunu-. Ilaiien sich Mikro-
organismen angesiedelt, dann ist die Lösung sofort zu verwerfen.
hu allgemeinen MTweiidet \('rfa>s(M- \ cii/'' Plasma und 1 -■//' der
lOVoii^en Peptonlösung. dazu koiumt dann, um das Polarisationsrohr zu
füllen, physiologische Kochsalzlösung. l»a Temperaturunterschiede nicht ohne
Finfluli auf das Drehungsvermögen von Lösungen sind, ist es von gröl-ter
Wichtigkeit, während der uanzen P.eobachtuuL'-sdauer bei gleicher Tem-
582 E. Abderlialdeii.
peratur zu arbeiten. Fast alle bisherioen Untersuchungen sind bei :>7" aus-
geführt worden. \' erwendet man zu den A'ersuchen die gewöhnlichen Po-
larisationsrohre, dann läuft man (iefahr, dali während des Al)lesens die
Temperatur sinkt. Bei großer f^bung reduziert sich die Ablesungszeit auf
ein Minimum. Besser ist es auf alle Fälle, Polarisationsrohre anzuwenden,
die von einem Mantel umgeben sind, der mit Wasser gefüllt werden kann.
(^'gl. die Fig. 146.)
Am besten geht man so vor, daß man den Mantel des Polarisations-
rohres mit Wasser von ca. 45" füllt. Man kontrolliert dann mit dem
Thermometer, bis der Mantel eine Temperatur von oT" zeigt. Jetzt füllt
man das Gemisch ein. Es ist unter allen Umständen besser, das ganze
Gemisch in einem Pteagenzglas vorzubereiten und nicht im Pohr selbst
zu mischen. Trübungen lassen sich so leicht vor dem Einfüllen erkennen.
Das Polarisationsrohr wird nicht gleich verunreinigt und steht zu weiteren
Versuchen bereit, falls eine Probe unbrauchbar ist.
Nun wird sofort das Drehungsvermogen aligelesen. Zu all diesen
Versuchen ist unter allen Umständen ein erstklassiges Instrument not-
Avendig. Arbeitet man mit einem der gewöhnlichen Polarisationsapparate.
dann läuft man Gefahr, durch Ablesungsfehler grolle Täuschungen zu
erleben. P)ewährt hat sich bis jetzt nur der dreiteilige LandoJt-Lipjnchsche
Polarisationsapparat. Er wird von der Firma Schmidt & Hänsch, Berlin,
nebst den nach den Angaben des \'erfasser für diesen Zweck konstruierten
Polarisationsröhren geliefert (vgl. die nebenstehende Abbildung). Nur Unter-
suchungen, die mit einem sehr guten Polarisationsapparat ausgeführt sind,
haben Anspruch auf Zuverlässigkeit. Die Ausschläge, die man bei der-
artigen Untersuchungen erhält, sind naturgemäß keine großen. Die einzelne
Ablesung muß daher mit großer Exaktheit vorgenommen werden können.
Am besten läßt man der sofortigen Ablesung nach .ö Minuten eine
ZAveite folgen. Nun hat das ganze (iemisch sicher o7°. A'on nun an liest
man in bestimmten Zeitabschnitten regelmäßig ab. Meist genügt es, wenn
alle Stunde abgelesen wird. Mehr als zwei Tage wird man meist nicht
beobachten. Unter allen Umständen muß man Kontrollversuche ausfiUiren.
und zwar bei jedem Einzelversuch. Einmal ist das Pepton als solches zu
prüfen, dann wird ein Bohr gefüllt mit der Peptonlösung und Plasma re-
spektive Serum von einem normalen Tier und endlich läßt man gleich-
zeitig einen Versuch mit dem inaktivierten Plasma (Erwärmen auf 60'^')
laufen. Durch die Kontrollversuche schließt man Täuschungen aus. ]\Ian
wird auch nie sich mit einem ^'ersuch liegnügen dürfen. Nur der mehr-
fach erhobene gleichsinnige Befund ist von Wert.
Meist verlaufen die Versuche in der geschilderten Weise ganz glatt.
Die Piesultate lassen sich in Kurven wiedergeben. Auf der ( )rdinate zeichnet
man z. B. die in bestimmten Zeiten festgestellte Drehung auf, und auf der
Abszisse trägt man die Zeiten ein.
Unbrauchbar werden die Versuche, wenn während der Beol)achtung
sich Trübungen und Fällungen zeigen. Es ist besser, in solchen Fällen den
Die optischo Motliiidc und iluf \ ciwciulimt,' liri liioloi:. Fr;igestelluii:;i-ii. _,is.i
Versuch ahznhrwlicn. Dui-cli das Ausfallen or^'^anischcr Substanzen kann
an und für sich ciiu; l)i('liun{i;siinderunj;- auftreten, (»hin' daC eine Kermcnt-
wirkuiii»- vorliegt. Setzt sich der Niederschlag im Köln- iili. dain> kann man
in besonderen Fällen auch weitei" beobachten. Man muri in diesem Fall
dann nur die Drehungsändernng vor der Fällung in lletracht ziehen und
dann gewissermalien für die weitere Beurteilung des \ erlaufs <les \er-
suches die nach der FäUung festgestellte Drehung als Anfangsdrehinig
betrachten. Man wird so vorgehen können, wenn es sich inn kostbares
Material handelt oder wenn man /.unächst nur orientierende Versuche
vornimmt.
Was die Länge der I'ölarisationsrohre anbetrifft, so wird man im
allgemeinen mit 1 (/>;/-Höhreii auskommen. Nur. wenn die Lösung intulge
des Farbstoffgehaltes des l'lasmas in gröl.ierer Schicht nicht genügend
durchsichtig ist'), wird man ' ., oder gar '., f////-IJohre anwemlen.
liCtztere eignen sich vorzüglich zur Bestimmung des Drehuiiüsver-
mögens von Plasma. Auch zum Studium der Präzipitinbilduug eignen >icli
diese kurzen Rohre sehr gut. I>ringt man zwei Sera zusammen, so wird
sich das Drehungsvermögen beider addieren, wenn nicht besondere \'erli;dt-
nisse vorliegen. Hat man Sera, die aufeinander eingestellt sind, dann
lassen sich oft deutlich beim Vermischen Werte beobachten, die mit dmi
berechneten nicht übereinstimmen. liier liegt noch ein weites I-"eld zu um-
fassender Anwenduugsweise der .Methode vor.
Die Anwendungsweise der optischen Methode zur Prüfung auf
Drehungsänderung bei Verwendung von Plasma und Le])t(Mdösung k.mn
in genau der gleichen Weise auch auf Polypeptide und Kohlehydrate
übertragen werden. Selbstverständlich kann auch ein eventueller Abbau
von Nukleinsäuren und deren Abbauprodukten verfolgt werden. Es sei ein
Beispiel angeführt. Ein Polarisationsrohr, das S cm' fallt, wird gefüllt mit
einem Gemisch von Oö ry^^ Serum, 0-ii ci»-^ einer ö» „igen Ilohrzucker-
lösung und 7 cm'^ physiologischer Kochsalzlösung. Nun wird die Anfangs-
drehung festgesteüt und dann von Zeit zu Zeit die Drehung abgelesen.
Zum Schlüsse sei nochmals betont, dab die optische Methode nui- als
eine Pfadfinderin aufzufassen ist. Sie <larf nie allein zur Entscheidung
eines bestimmten Problems verwendet werden. Die \'erfolgung respektive
Feststellung des Drehungsvermögens von Körperflüs.siukeiten mit imd ohne
Zusatz bestimmter Substrate ergibt in vielen Fällen Einblick in Vorgänge,
auf die wir sonst nicht so leicht aufmerksam wtM'den. Sind einmal l)e-
stimmte Beobachtungen gemacht, dann müssen direkte Methoden den
ganzen Vorgang analysieren.
') Schmidt <i- lUiusrh liefern Appanite mit .Nernststitt nml Karlpenliitirn . hh' (tcr
Ainvendunfr der optisclien Methode (>in uocli weiteres Feld ■;iiliern. ;il«. es his jetzt
der Fall war.
Die wichtigsten Methoden beim Arbeiten mit Pilzen
und Bakterien.
Von Franz Fnhrniann, Graz.
Anlage von Massenkulturen auf schräg erstarrten
Nährsubstraten.
Man benutzt als Nährböden entweder Nährgelatine, Nähragar, Blutserum
oder Gemische der genannten Nährsubstrate. Nach dem Vorgange von Paul
Lindner ^) dienen vierkantige Glasflaschen von etwa bO—^Ocm^ Rauminhalt
als Kulturgefälie. Diese Kulturflaschen werden wie Eprouvetten mit einem
Watteverschluß versehen und vor
^'^■^''- dem Einfiülen des Nährmittels
im Heißluftschrank bei 155 bis
160° C 2 Stunden trocken sterih-
siert. Je nachdem man eine
dickere, schräg erstarrte oder
dünnere flacherstarrte Nährbo-
denschichte benützen will, füllt
man mehr oder weniger vom ver-
flüssigten Nährsubstrat ein, steri-
lisiert dreimal diskontinuierlich
und läßt dann erstarren. Dabei
liegt die Flasche mit ihrer Breit-
seite entweder eben am Tisch
oder schräg durch Anbringen
einer Unterlage. Nebenstehende Fig. 147 zeigt uns die Kulturflasche mit
dem Nährsubstrat beschickt auf dem Tisch eben liegend und unter-
stützt zum schrägen Erstarren des Nährbodens. Mit Litiditer überein-
stimmend sei, abgesehen von ihrer geringeren Zerbrechhchkeit , als Vor-
teil derselben besonders hervorgehoben, daß sie ohne Gestell von selbst
sicher und fest steht. Außerdem bieten diese Kulturen die Annehmlichkeit,
beträchtliche Mengen von Bakterienmaterial auf der großen Nährboden-
Kulturflasche nach Paiil Lindnrr.
*) Faul Lindner, Mikroskopische BetriebskoutroUe in den Gäruugsgewerlieii. S.
Berlin, Paul Parey, 1909.
207.
Die wichtipstoii Motliodon \mm Arboitm mit l'ilziMi iiml Halitoruii. .",^0
Oberfläche zu erhalten, oliiic Venuireiiii^'uni.'-en het'üichteii /n müssen, dk»
l)ei der XerwendunL^' von Platten in iVtrischalen /ii Massenkiiltiiren .sich
nur allzuleicht einschleichen. Durch den verhältnisniärii^' en<ren Hals des
Kultursiefälies findet auch hei l;inf;erer /uchtdauer nur eine <;erin!.!:e Ver-
dunstung- statt, so dai; der Nährboden sein- lantic Zeit hindurch nicht
nennenswert eintrocknet. Zur Krzielnn^ von .Massenk idturen empfiehlt es
sich, die \>rimi)funi: diircli l'bergielk'ii mit der llakterienemulsion vorzu-
nehmen. Man schwemmt in einem Proberöhrchen mit steiiler O'Tö'^ „ij^er
C'hlornatriumlösung- eine Reinkultur der betreffenden liakterienart auf und
gielit nach .Vbflammung des Proberöhrchenrandes und des Kandes der
Kulturflasche die Bakterienaufschwemmung in das Kulturgefäb, bedeckt
damit durch vorsichtiges Neigen die ganze Nährbodenol)ertl;iche und schüttet
den Ilberschuli weg. Der benetzte Flaschenhals wird in der Flamme vor-
sichtig bis zum Trocknen erwärmt, dann kurze Zeit eihitzt und hierauf
dei- Wattebausch wieder eingesetzt. Auf diese Weise bedeckt man die jranze
Nährbodenoberfläche gleichmäßig mit Bakterien und eriiält innerhalb weniger
Tage eine Massenkultur, die man mit der sterilen Platinöise leicht ab-
heben kann.
Burris Tusclieverfahren zur Reinkultur aus einer Zeile.'»
Das Tuscheverfahren von Burri eignet sich zur Ileinkultur aus einer
einzelnen Zelle für alle züchtbaren Bakterienarten. Hefen- und Schimmel-
pilze und kann wegen seiner leichten Ausführbarkeit bestens empfohlen
werden. Auüerdem bietet es für das Studium der Koloniebildunt: und der
Vermehrung der P»akterien ein wertvolles Hilfsmittel.
Das Verfahren besteht aus zwei Teilen, der Lsolierung des Keimes
und der Zucht desselben. Der erste Teil, die Isolierung, ist in allen
Fällen die gleiche. Die Zucht dagegen kann allen Ansprüchen der be-
treffenden Mikrobenart angepabt werden, da der einmal i.solierte Keim
leicht in jedes beliebige Nährsubstrat eingebracht und unter den ver-
schiedensten Bedingungen gehalten werden kann. Zur .\usfiihrung der I.so-
lierung braucht man folgende (ierätschaften.
1. Fine (Jhisglocke von 10 — lö cm Durchmesser.
'J. Sterile Objektträger größeren Formates. Sehr zweckmäiiig sind
solche vom Formate H\ ::\'y ttnn. Die Objektträger sind entweder durch
Erhitzen in der Flamme unmittelbar v(U' dem (lebrauche zu sterilisieren
oder in kupfernen Büchsen im Heiriluftsterilisator keimfrei zu machen.
Sie müssen sehr gut entfettet sein. Am boti'u ist es. die Objektträirer mit
alkalireichei" Waschseife und Wasser unter Zuhilfenahme eines entfetteten
Wattebausches zu reinigen und senkiccht aufgestellt zu trocknen.
3. Sterile Deckgläser vom Formate IS : 18- 20 : 20 /////' und sterile
Deckglassplitter von unaefähr ."> — f) tiiin Seitenlänge. Ihori sterilisiert <lie
Deckgläser zwar unmittelbar in der Flamme, dabei irehen aber ziemlich
M Iiol)crt Burri, Das 'l'usclicvorfalircn. .Icna. (inst. Kisdior, l'.M)9.
586
F. Fuhr man 11.
viele zuiiTunde, zumindest verbiegen sich die meisten ein wenig. Aus
diesem Grunde ist es zweckmäßiger, sich gut gereinigte Deckgläser auf
Vorrat im Heißluftschrank zu sterilisieren. Die Deckgläschen kommen zum
Sterilisieren in höhere Glasdosen mit Falzdeckel und bleiben darinnen ge-
brauchsfertig aufbewahrt. Das Gleiche gilt für die Deckglassplitter, die man
aus Deckglasabfall mit dem Diamantstift herstellt.
4. Dann benötigt man frisch gegossene, sterile Gelatineplatten in
Petrischalen. ^lan verwendet eine lOo/oige Fleischwassergelatine. Nach
Burri können die Platten einige Tage alt sein. Ich habe mit älteren Platten
weniger gute Erfahrungen gemacht, da infolge der oberflächlichen Aus-
trocknung die aufgesetzten Tuschetropfen sehr häufig zu dick ausfallen
und sich sehr ungleichmäßig ausbreiten.
Fi«. 148.
5. Zum Auftragen der Tuschetropfen auf dem ( )bjektträger verwendet
man eine geschlossene Öse von 4 — 5 mm Durchmesser. Die Verteilung des
Impfmateriales in den Tropfen bewirkt man mit einer Öse von 1 mm Öff-
nung. In Fig. 148, B und C sind die beiden Ösen abgebildet.
6. Zur Verimpfung von den Tropfen auf die Gelatineplatte dient eine
feine Feder (Zeichonfeder) mit tadelloser Spitze. Die Feder sitzt in einem
Halter, der an Stelle des Holzstieles einen Glasstab zum Halten besitzt.
D der Fig. 148 zeigt uns die montierte Zeichenfeder.
7. Flüssige Tusche. Es empfiehlt sich die \'erwendung der für diese
Methode besonders von Günther-Wagner hergestellten Tusche, die von
Grübler d^' Comp, in Leipzig in zugeschmolzenen Glasröhren erhältlich ist. Die
Originaltusche wird mit 9 Teilen destillierten Wassers verdünnt und dann
V2 Stunde bei V2 Atmosphäre Druck im Autoklaven sterilisiert. Man tut
gut, die verdünnte Tusche in Proberöhrchen in Portionen von etwa 10 cm^
Dio wiflitigstoii Metlmtlcn liiini Ailiciti-ii mit l'ilzeii und B.iktorieii.
ÖS 7
abzuziehen, mit cinciu W .ittcliaiiscli /ii vcr^clilicUcii und daim orst im
Drucktopf zu sterilisieren. Nach der Sterilisation, nachdem die Waftever-
schUisse vollstiindio' ausjretrocknet sind, stidpt mau üIxt dieselheu noch
Zinnkapsehi. um ein Kintrocknen des lnhalt"s nach .Mötrhchkeit hintanzu-
halten. Zusätze von .Salzlösungen oder Nährsubstraten ziii- Tusche bewirken
eine .\usllockuui>- und sind zu vernn'iden.
Die Tu sc h eni etil od e fulU nun darauf, dali in der dünnen Tu.sche-
schichte die Üakterien und Heien, hei durchtallendeni Licht betrachtet, als
helle Stellen besonders aus;:>ezeichnet sichtbar sind. Wenn man nun in der
Tusche Bakterienmaterial so verteilt, dal', kleinste TniptVhen der Tusche-
bakterienmischuni»- meistens nur I Zelle enthalten, so ist diese in dem
kleinen Tropfen gut sichtbar, bzw. es ist leicht, jene Tiopfen auszu-
wählen und anzumerken, die nur eine Zelle enthalten. Der mit
dem sterilen Decki>las bedeckte Tuschetropfen mit dei- einen Zelle kann
nun (lauernd beoliachtet und die Koloniebilduuii- unt<'rsu(dit werden. .\b-
impfuni>en der entstandenen Kolonie ergeben also sicher Kul-
turen, die nur von einer einzigen Zelle abstammen, fberdies bleibt
beim Abheben des Deckgläschens der Tuschetropfen samt der
einzelnen Bakterienzelle an demselben haften und kann -o in
jedes beliebige Xährsubstrat übertragen werden. Man erhidt dann
dort eine Kultur, ausgehend v(ni einei- einzigen Zelle Diese Eigen.M'haft
(\{'s Haftenliieibens macht diese Heinzuchtmethode ,so aur.erordentlich wei1-
voU. \ iele Bakterien, wie gewisse Spirillen, rurpurbaktei-ien. Kisenbakterien
etc.. sind mit Hilfe dei' galleiligen Nährsubstrate schwierii:- oder häufig-
gar uiclil rein zu kultivieren. Mit dem Tuscheverfaliren iiclingt es sehr
leicht, indem mau einfach eine Zelle in das sterilisierlr .\usgangsmaterial
(Teichwasser etc.) Iiineinverimpft.
Tusche vei'liält sich übrigens gegenüber maucln ii l'.akteiienarteu als
wachstumshemmend, weshalb sichei' zum Zieli' bei allen Ai'feu um- die
Isolierung mit sofortigei' nacliheriger fberti'aiiunL; dei' einzelnen Zi'llc in
ein neues flüssiges Substrat fühi-t. .Man trachte daher immer. >o r.ivcli .ds
möglich zu aibeiten. Der .Vibeitsgaug ist nun folgende)-:
l m nuiglichst staubfrei zu aibeiten. überwischt man den Arbeit^^tisch
luit öOVoi.i^''"' Alkohol. .M;iu liiel'it d.inn mit 10" oJ,ii''i" Nährgelafiiie Platten
in Pe^nsche Schalen. Nach dem Erstarren derselben entnimmt mau dem
Kupferblechbehälter einen sterilen Objektträger oder sterilisier! einen
solchen durch Kiliitzeii in der Flamme. Nach dem Kikalteii legt mau ihn
auf den Tisch und bedeckt ihn sofort mit dei- ( ila^iilocke. .letzt glüht mau
die beiden Platinöseii ans und sterilisiert die Zeicheiifeder durch V(»r-
sichtiges Krhitzen in dei- Flamme. Mau /ielit zu dem Fnde die Feder samt
dem Halter rasch eiiiiiii- Male durch dir I lamme. Sic darf aber nicht ;^liHie!Ml
weiden, damit die Spitze nicht leidet. Nun stellt man noch ein (Jlav mit
Wasser liaiidgerecht in die Nähe.
.Man bringt nun rasch vier Tr«>pfeu Tusche mit di-r grol'ien (Vsc«
auf den steiilen ( )bjektträucr. etwa in dei- .\nordnuiig. \\i<' .1 iler I-'igur 1-4H
588 F- Fuhrmann.
zeigt. Damit die Tusclio in der Öse nicht ciiitiockiiet und einen Asclien-
rückstand beim Glülien gibt, spült man im bereitstehenden Wasser die
Öse knrz ab. Jetzt entnimmt man mit einer Phitinnadel etwas ]3akterien-
material und verteilt es rasch nnd tüchtig in den ersten Tuschetropfen.
Nun bringt man mit der kleinen Öse ein wenig vom ersten Tropfen in
den zweiten, verteilt wieder gleichmäliig, vom zweiten in den dritten usf.
Jetzt taucht man in den letzten Tropfen die Feder mit dei- kon-
kaven Seite ein, wobei man den Halter möglichst horizontal hält, wie es
E der Figur 148 zeigt. Auf der Gelatineplatte erzeugt man hierauf rasch
kleine Tuschpunkte, indem man bei fast senkrechter Haltung (h'r Feder
die Spitze derselben mit der Gelatineoberfläche kurze Zeit eben in Be-
rührung bringt, ohne die Gallerte zu verletzen. Die Federhaltung ist in
Figur 148/' wiedergegeben. So führt man in nächster Nähe 6 — 8 Punkte
aus und kontroUiert mit der i)-Linse von Zeiß und einem stärkeren Okular
die 'Iröpfchen sofort unter dem Mikroskop auf ihren Bakteriengehalt.
Finden sich keine Tröpfchen mit einer Zelle, sondern nur solche mit
mehreren, so legt man eine neue \'(M"dünnungsreihe an. Sehi* bald bekommt
man für die Beurteilung der Imi)fnienge eine groUe Übung. Aul^erdem
dürfen die Tröpfchen nicht gröUer ausfallen als das (iesichtsfeld der Zeiß-
hnsejPoder wenigstens E, um den ganzeii Tropfen auf einmal überschauen und
durchmustern zu können. Stimmt die ^'erdünnuug und die Tropfengröße, dann
schreitet man auf einer frischen Gelatineplatte zur endgültigen Ileinzucht.
Will man unmittelbar auf der Platte züchten, dann bringt man die
Tuschepunkte so an, daß regelmäßig in einem (ieviert verteilt, auf 18mm
Seitenlänge je 5 — 6 Punkte kommen. G der Figur 148 zeigt uns Unks unter
einem Deckglase die Anordming der Punkte für diesen Zweck.
Jetzt spült man die Feder in Wassei' ab odei' bei pathogenen Arten
am besten in einer Formollösung und trocknet mit einem weichen Tuche
ab. Nunmehr bedeckt man die Tuschepunkte mit einem sterilen Deckglas
und mikroskopiert bei stärkerer Vergrößerung Tropfen für Tropfen. Alle
jene Tröpfchen werden notiert, die nur eine einzige Zelle ent-
halten. In Figur 148 i/ ist ein solcher Tropfen mit nur einer Stäbchen-
bakterienzelle abgebildet. Er füUt das durch eine Kreisünie angedeutete
objektive Gesichtsfeld der i'-Linse von Zeiß nicht einmal aus. Sobald sich
nach einigen Stunden oder Tagen eine kleine Kolonie von der einzelnen
Zelle ausgehend gebildet hat, impft man nach Abnahme des Deckgläschens
unter mikroskopischer Kontrolle mit der Impfnadel in einen beliebigen
Nährboden ab.
In vielen Fällen wird man so zum Ziele kommen, in der Mehrzahl
der llntersuchungen aber nicht. Denn abgesehen davon, dal) die Tusche
selbst auf zahlreiche Bakterienarten wachstumshemmend wiikt. ist Nähr-
gelatine an und für sich ein Nährsubstrat, das sich vielfach zur Zucht
nicht eignet. Weitaus besser ist es daher, die Gelatine zui' Isolie-
rung zu verwenden und in einem anderen tauglicheren Substrat
zu züchten.
Die wichtigsten Metliodni lieini Arbeiten mit I'ilzon und B:ikt<'ri.-n.
')89
In (licscin Falle verfährt man folüciiilennal'icii: Ks werileii die Ver-
diiniiuiiiioii wie IViilicr aii^cHcheii aii^dei^t. dami die rrohetropfeii auf
einer (ielatiiie gemacht und hei entspnrhender \ erdüimiin- die endi^iilfiL'«-!!
Tröpfchen sofoit auf einer neuen (;('hitinei)latte her;.M'stellt. Man niaeht
sie aher nicht icuclmälli^ in kleinen Ahständen. sonch'rn in j^rölieren Ah-
ständen von 10 20ni)n. Dann hedeckf man jedes Tröpfchen mit einem
sterilen I)ecki>iassplittei-. der mit eim-r sterih-n Federzanji-e auff;ele^'t wird.
Nun unteisucht man die einzelnen 'l'röpfchen mikroskopisch und heht mit
der steiilen Tinzette diejenincn Deckpliittchen wieder al>. unter denen ein
Tröpfchen mit einer einziijen Zelle sich hefindet. Dabei hleiht das 'l'usche-
tröpfclieii samt der Zelle auf dem Deck^^läschen haften. So ^'clinj^^t es.
mit dem Deckiiläschen die isolierte Zelle in jedes beliel)i<re Niihrsuhstrat
zu übertrauen. wo dami die Vermehrung- erfoli>t. So wird man bei strenf?en
Anaerobiern die einzelne Zelle in ein Röhrchen mit verfliissi<rtem . auf
40" C abiickühlten A^ar einbringen und nach dem Untersinken sofort in
Eis oder kaltem Wasser erstarren lassen. Manche Leuchtbakterien erweisen
sich goiien Tusche empfindlich, weshall) man hier ei)enfalJs das Tusche-
verfahren nur zur Isolierunii- allein benutzt und die isolierte Zelle unj,'e-
säumt in einen passenden flüssigen Nährboden einträut.
Der Arbeitsgang ist zusammengefalit kurz folgender:
1. Anlage der vier Verdünnungen in den grolien Tusche-
tropfen auf dem Objektträger.
2. Herstellung der Probetröpfchen auf einer Gelatineplat t e.
3. Mikroskopie der Probetröpfchen mit einem stärkeren
Trockensystem in unbedecktem Zustande.
4. Wenn die Verdünnung richtig. Anlage der endgültigen Tusch-
tröpfcheu mit der Feder.
5. Bedeckung derselben mit einem sterilen Deckglas oder
sterilen Deckglassplittern, entsprechend dem verfolgten Zweck (Iso-
lierung und Wachstum oder nur Isolierung).
6. Mikroskopie der einzelnen Tröpfchen. Hezeichnuni: der
Tröpfchen mit einer Zelle im ersten Falle. Abtragen und Fin-
bringen der Tröpfchen mit einerZelle in beliebige andere Näh r-
mittel im zweiten Falle.
Selbstverständlich wii-d man bei Isolierunii mit nachheriirer Tber-
tragung der einzelnen Zelle immer eine Reihe von (i 10 Finzelkulturen
anlegen, da man es der Rakterienzelle ja nicht ansehen kann, ob sie auch
bei der Übertragung lebend war oder nicht.
Gewinnung von Sporen der Hefen auf dem Gipsblocke.
Die Sporenbildung bei den Saccharomyzeten pfle^^t dann am besten
und schnellsten einzutreten, wenn die Zellen sicli in LMilem Fi'iiährungs-
zustand befinden, sofern die übrigen für die Spornlation wesentlichen l!e-
dinu-unuen eincehalten werden. Diese bestehen darin, die wohlizenährten
590 F. Fuhrmann.
Zellen auf iiahruii<>sarme oder nahruiigsfreie Substrate zu l)riui>eu. die
feucht gehalten und dem Luft Sauerstoff leicht zugänglich sind. Wohl als
beste Unterlage bewährte sich der Gipsblock oder der in die Eprouvette
eingelegte ( Jipsstreifen. Zur Feuchthaltung dient steriles Leitungswassei-.
Der ursprünglich vou Engel schon angegebene (iipsblock wurde dann von
Emil Christian Hansen zweckentsprechend abgeändert und in dieser oder
ähnlicher Form auch jetzt für die Sporenuntersuchungen bei der Hefe
verwendet. Der (iipsblock ist ein Kegelstumpf von etwa 3 — 4: cm Höhe
und 5 6cm P.reite an der Basis; die obere Fläche besitzt einen Durch-
messer von 4: bctn. Man steht sich diese Gipsblöcke auf A'oi'rat selbst
her. indem man S liaumteile frischen (ups mit 3 Raumteilen ^^'asser zu
einem steifen Drei vei'rührt und diesen in eine entsprechende Dlechform
preßt, die aber nicht gefettet sein darf. Man steht dabei die Blech-
form mit der kleinen Fläche auf eine blanke (ilasplatte. Nach 2- 3 Stun-
den läßt sich der Block sehr leicht herausdrücken, sofern man daiaut
achtet, daß die lilechform keine Eindrücke hat. Der frische (iipsblock
wird ruin gi'ündlich in Wasser ausgekocht und dann in Filtrierpapier ge-
wickelt im Heil'iluftsterilisator bei 110" duich ein und eine hah)e Stunde
erhitzt. Dabei trocknet er stark aus und ist dann auch keimfrei. Jetzt ist
er gebrauchsfertig. ( ileichzeitig- bereitet man Schalen mit Deckeln vor,
die imr lose aufliegen und der Luft genügend Zutritt gestatten. Diese
Schalen soUen füi- di(^ angegebene (üpsblockgröße eine Höhe von 5 cm und
einen Durchmessei' \o\\ 8 cm aufweisen. Sie werden in Papier eingewickelt
und in der üblichen Weise trocken sterihsiert.
Die Hefe muß für die Gipsblocksporenkultur ebenfahs vorbereitet
Averden. Man züchte sie möghchst in einem flüssigen Nährsubsti'at. und
zwai' in zwei (ienerationen. bevor man zur Sporenzucht schreitet. Nach
den Untersuchungen von Hansen^ Aderhold u. a. tritt bei Hefen die
Sporulation schwer ein, wenn sie längere Zeit in stark alkoholhaltigen
Nährsubstraten sich befunden haben. Jede ältere Kultur weist diese
Erscheinung auf. Demnach soU die Aussaat zur Sporengewinnung von
gutgenährten, jungen Kulturen erfolgen, die in optimalen Ernährungs-
bedingungen und Temperaturverhältnissen waren. Bierhefen wird man
demnach vorher in ungehopfter Bierwürze, Weinhefe in Most usf. züchten. Man
legt eine erste Vorkultur an. die man einige Tage bei Zimmertemperatur
hält. Wählen wii' als Beispiel Bierhefe. Diese verimpfen wir in einen Kolben
mit steriler, durchlüfteter, nicht gehopfter Bierwürze und lassen sie einige
Tage hindurch gären. Von der entstandenen Bodensatzhefe überimpfen
wir mit einem sterilen (ilasrohr in eine frische Bierwürze und züchten
nunmehr bei 25" C durch 24 Stunden. Es hat sich wieder Bodensatzhefe
g^ebildet. die nun auf einen (iipsblock übertragen wird.
Dabei verfahren wir folgendermaßen:
Der (jipsblock wird aus dem Papier gewickelt und ohne Finger-
bertihrung in die eröffnete, sterile Kulturschale geroht. Nun entfernt man
die über der Satzhefe stehende Flüssigkeit der zweiten Vorkultur durch
Die wichtigsten Mctlioiloii heim Ailipiteii mit i'ilzcii iiml Hiiktorioij. r,g|
l'ii?. 14!l.
Kig. l-iO.
!
sehr vorsiclitiiics Al),üici;('ii. Ndn der r.(Mlt'iisat/lictf üIm rtrii;;! man iiitn mit
("iiicm sti'iik'ii (ilasrolir ein w.-nin mit ,|i,. ,,1mmc Fläche des (iijislilorkcs
1111(1 broitot sio über die ()l)crtl.i( lic ;iii>. Niiiiiiit-hr l:ii;t man. chiir die
(iil)shlockoi)('rflii('h(' zu hcspülcn. stcrilrs Wasser in die Sdialc laiif.-n :
das Wasser soll anfangs etwas über die Milte des Dlorkes reichen. Nach-
dem er sich von iintni viüli- diiichfeiichtet hat . i>t dann i^eiade der
richtii-c Wasserstand erreicht. Dann schlielW man (h-n Schalendeckel und
züchtet hei 25" C. Schon nach 24 Stunden werden wir die AnfiinLM- der
Sporenl)il(lnnu beobachten köniK'ii und nach 4^ Stund. -n ivichlicli tVrti^M'
Sporen. l"i^. 149 zeiiit nn>
die eben fertiu «gestellte (ii|»s-
l)locksj)orenkiiltiir im hnrch-
schnitt.
Ks wird natürlich iiiiler
den iieiiannteii Versuchsbe-
tliiiiiiiniicn besonders bei lim-
iicrer Beobachtnnusdaner
schwierig sein, eine solche
Sjjoi'enkultur rein zu erhalten.
Diesem Übelstand abzuhelfen,
verwendet Schiüfininy ein Hansenkölbclieii . in dein der
(iipsblock im kleinen aniicleut wird. Man kann sich aber
mit Ki)rouvetten ausüczeichnet helfen, in die man (iips-
streifen einbriniit. Für die Herstellung: der (iipsstr«'ifen
verwendet man rechtwinklig' al).U('boiii'iie Hlechstreifeii oder
Kahmeii. wie sie zur l'araffineinbettunii benutzt werden.
Den obeniiciiannten (üpsbrei ininiit man in diese auf
(ilasplatten liei>enden Formen in H \ iinii dicker Schicht.
Nach dem Frstarren kocht man die Streifen eine halbe
Stunde in Wasser aus und briniit sie noch feucht in die
sterilisierten mit Watte verschlossenen Froberöhrchen. Die
mit den (üjisstreifen beschickten IJöliichen werden dami
1 Stunde im Trockeiisclii ank bei 1 10" (' erhitzt und. sind
nun iiebraiichsfertiü.
Man verimpft das Hefenmaterial mit eiiu' Flatinü.se auf den oberen
Teil (Ws Streifens und lälit mm etw.i 1 mi hoch steriles Wasser ein-
flieüeu. Firsere Fii». löO zeitit die (iipsstreifenkulturridiren fertiii im l^Mier-
schnitt dar<:estellt.
Diese Si)(M-enzüchtuiiii auf (li|)sblöckeii und (iipsst reiten tand eiL:eiitlich
l)ei den 15akteriolo<j('ii viel zu weiiii; üeachtuiiL;. Die sjioreiibi blenden
F>akterien verhalten sich i;anz so w'w die Saccharoinyzeten. .Mit Hilfe
dieser Kulturmethoden bekommt man ebenfalls eine aiiberoi-dentlich rasche
und prompte Sporenbihliin.ü. Hesondei> bemerkenswert ist die (ileichmiibiijkeit
des Voriian^es in den meisten aiis^^csäteii Zellen. Natürlich nuib man auch
hier von iiinuen. uut i^cnährten und in voller l'.ntwicklun.ii bei:riffenen
592 F. Fuhrmanu.
Bakterien ausgehen. Man kann sowohl Flüssigkeits- als auch Agar- oder
Gelatinekulturen als Ausgangsmaterial wählen. Aber auch zur Untersuchung
der verschiedenen Entwicklungsstadien nicht sporenbildender Bakterienarten
ist die Zucht auf der Gipsplatte ausgezeichnet verwendbar, da hier die
vielen Involutionsformen sehr in den Hintergrund treten. Man vermeidet
ja die Anhäufung schädhcher Stoffwechselprodukte, die diese Formen be-
sonders hervorrufen. Es läßt sich so klar und einwandfrei entscheiden, wie
Bakterien, die in voller Lebenskraft sich befinden, auf den Mangel an
Nährmaterial reagieren und welche Organisationserscheinungen sich dabei
abspielen.
Kultur anaerober Bakterien.
Wenn auch die im V.Band der Arbeitsmethoden beschriel)en('ii Apparate
und Versuchsanstellungeu zur Gewinnung und Züchtung anaerober Bakterien-
arten ausreichen, so gestatten sie dennoch nicht, die Sauerstoffminima zu
bestimmen, bei denen Wachstum überhaupt noch stattfindet oder die
Sporenbildung und Sporenkeimung einsetzt. Für die physiologische Charak-
terisierung der Mikrobenarten sind solche Untersuchungen abei- äußerst
wertvoll, wie aus den schönen Arbeiten Arthur Meyers und seiner Schüler
hervorgeht.
Arthur Meyer^) und G. Bredemann-) haben nun eine Versuchsan-
ordnung zur Bestimmung der Sauerstoffminima angegeben, die in bezug
auf Brauchbarkeit und Genauigkeit für biologische Versuche vollauf genügt.
Meyer benutzt eine Art Exsikkator als Kulturgefäß, in dem aus dem
darin herrschenden Druck die vorhandene Sauerstoffmenge im Liter in
Milligrammen bestimmt wird. Für die Bestimmung der niederen Drucke
dient ein in das Kulturgefäß eingehängtes Quecksilbermanometer, während
größere Drucke in einem dem Kulturgefäß außen angeschlossenen Queck-
silbermanometer gemessen werden. Die Luft Verdünnung wird mit einer
öer«/Ä:-Luftpumpe von Arthur Pfeiffer in Wetzlar vorgenommen. Letztere
soll sich dafür ausgezeichnet bewähren, sofern eine Trockenröhre zwischen
Kultur und Pumpe zwischengelegt ist, um eine Durchfeuchtung des Öles
der Pumpe sicher hintanzuhalten. Von der Beschreibung der Pumpe kann
hier abgesehen werden, da dieselbe im ersten Band der Arbeitsmethoden,
S. 138 (samt der Literatur) beschrieben ist. Natürhch können auch Queck-
süberluftpumpen an die Stelle der Ölpumpe treten.
Die ,.Trockenröhre nach Arthur Meyer'' ist so zusammengesetzt,
daß sie einerseits organische Dämpfe der Kulturen möglichst durch kon-
zentrierte Schwefelsäure absorbiert und andrerseits jede Spur Wasserdampf
') A. Meyer, Apparat für die Kultur von anaeroben Bakterien und für die Be-
stimmung der Sauerstoffminima für Keimung, Wachstum und Sporenbildung der Bak-
terienspezies. Zentralbl. f. Bakt. 11. Abt. Bd. 15. 1906. S. 337.
-) G. Bredemann , Bacillus amylobacter A. M. et Bredemann in morphologischer,
physiologischer und systematischer Beziehung. Zentralbl. f. Bakt. II. Abt. Bd. 23.
1909. S. 411.
Die wichtigsten Motliodeii lioim Arhoiteii mit l'ilzcii timl Hakterion.
r»*»3
(Inrcli riiosi)liorpoiitoxy(l ciitrcnit. Ww aus V\<r. If)! /u .'iitiichincn ist. bosteht
dieser Trockenapparat aus ciueui U-Iiolir. ;iii dcvscu NCihiiidunKSteil iidch
ein kleines Sainnieli-efiir, fü,- ,lio abtn.ptVnde 11, SO^ an^^chraclit ist Jcdor
Sclieiikel des U-Kolires liat eine L;iii':c von :;9 rm uud eine innere Licliti»
von 4-5 cm. Beide Koluc trafen oben cinm sritli( licn Kohransatz und nnd
durch gutsitzende (ilas-
stopfen verschlossen. Der i-i«. 151.
Glasstoppel 0 hat unten
einen Dui'chinesser von
45 cm, oben 7 cm und ist
'dem hoch. Der Stopfen 0^
niiiit unten 2';j cm, oben
3"5 cm und ist ebenfalls
3 cm hoch. Beide Stöpsel
tragen einen Glasgriff.
Diese Trockenröhre
wird nun folgendei-malien
beschickt: In den Schen-
kel P kommt eine (iarnitur
von 6 — 8 kleinen. 4 cm
weiten Trichtern , deren
Stengel etwa 3 cm messen.
Sämtliche Trichterchen
sind durch einen dickeren
Eisendraht, dei- durch die
Stengel hindurchgeht, ver-
bunden. Um ein Abgleiten
zu vermeiden . wird der
Draht nach dem I^infiihren
unten hakenförmig- ge-
krümmt und oben zu einer
Öse geformt. Auf die
Trichterchen kommt dann
Phosphorpentoxyd (Pg Ög),
möglichst frei von \\ Og.
SoUte dieser stark flüchtige
Körper als Verunreinigung
vorhanden sein, so setzt
man die beschickte Röbre
einige Tage dem direkten
Sonnenlichte aus, woduirli er unschiidlicb gema<lit wiid. Nach Kinsci/en der
Trichtergarnitur verschliel'it man diesen Scbenkel mit dem gut durch \'aseline
gefetteten Stopfen und vergiel'it den noch obei* demselben treibleibenden
Ivöhreuteil mit geschmolzener, nicht lieir.er, amerikanischer Vaseline. In das
Rohr S kommen zuerst einige gröliere Binissteinstücke und dann kleine.
Abderhalden, Handbuch der biochemioohon Arbeil»methoden. V. 38
594
F. Fuhrmann.
die mit lionzentrierter Schwefelsäure durchtränkt sind. Die überschüssige
Hg SO4 fließt in den Ansatz des Verbindungsrohres ab, weshalb man ohne
weiteres mit Schwefelsäure die Bimssteinstücke nachfeuchten kann. Dann
wird der Stopfen, wie früher angegeben, dicht aufgesetzt. Der Schlauch-
ansatz des Schenkels P wird am besten mit einem festgekitteten MetaU-
schlauch mit der Luftpumpe verbunden, während vom Ansatz des Schenkels S
ein Druckschlauch zum Kulturgefälj führt.
Als „Kulturvakuum" dient ein zyUndrisches Glasgefäß mit ebenem
Boden und 4 cm breitem oberen Band (li), der sorgfältigst plangeschliffen
ist. Das Gefäß mißt im Innern
^'*^'^^'" 11 cm in der Breite und
ib cm in der Höhe. Als Ver-
^ / ] Schluß dient ein ebenfalls ge-
nau plangeschliffener Glas-
deckel mit leichter Wölbung,
der oben einen Tubus H mit
Fig. 152".
K
eingesetztem Hahnstopfen S trägt. Fig. 152 zeigt uns das ganze Kulturvakuum,
dessen Bauminhalt etwa 1400 cw^ beträgt. Der Tubus des Deckels ist in seiner
inneren Lichte nach oben auf 4 cm trichterförmig erweitert, so daß noch
über der Hahnbasis eine Binne t (vgl. Fig. 152 a) mit einer Tiefe von l"ä cm
verbleibt. Der ganze Hahnstopfen von u bis 0 mißt ungefähr 9'5 cm. Er be-
sitzt oben den Schlauchansatz s von ca. 9 mm Durchmesser und davon
abgehend geschlossen die beiden Handgriffe g von ca. 2 cm Länge. Der
Hahn ist hohl und hat eine Schhfffläche von 2"5 cm Breite. In der Mitte der
letzteren ist eine Bohrung l angebracht, die mit einer Binne r der Schliff-
fläche des Tubus korrespondiert. Diese Binne läuft senkrecht nach unten,
Üio wichtigsten iMcthoiion beim Arbeiten mit l'ilzcn und liiikterieu.
f>9^
wie aus der Fi^-. 102« oliiic Scliwicrijikcit /ii ciitiicliiiicn i>t. liilol{,'e dieser
siiuircichcii Konstruktion ist eine uusM-czeichnctc Dichtun;.' des Apparates
verhür^^t. Das untere Ende (\vs Ilalinliolzcns dai-f nicht ühcr die Konkavität
Fig. lüS.
Fig. 164.
r\
des Deckels InTVorra^'eii. damit heim Abziehen
desselben ein Zerbrechen des Hahnes sicher ver-
mieden ist.
Als Dichtungsmittel fiii' die Schliffflächeii
empfiehlt Arthur Meyer beim (Jebrauch ih's
Apparates in Temperatui-en unter 2>^'^ C wasser-
freies Lanolin (Adeps lanae pui'iss. anhydric. T.
38 — 40** C). P'ür höhere Temperaturen benutzt
Meyer ein geschmolzenes (Jemisch von 40 //
Wollfett und 80 _y Karnaubawachs. Damit werden
die Schhffe einiicfettet und die Masse durch
Drehen und Drücken dei- anfgepaliten Schliffteile
dazwischen gleichmälUg blasenfrei verteilt, /in-
Sicherung des Verschlusses zwischen Hahnbolzen
und Tubus wii-d die Rinne t noch mit frisclige-
schmolzenem Lanolin vergossen.
Zur Erleichterung (\v^ .Vbhebens des Deckels
vom Kulturvakuum dient der in Fig. 15;) abgebil-
dete Holzblock, wie ihn Hredemann (I.e.) an-
gibt. In diesen wiid das Kulturvakuum eing'c-
schoben und dann der Deckel, mit der flachen
Hand gehalten, seitlich wagrecht abgeschoben.
Nötigenfalls wäimt man den Deckelran<l vorsich-
tig' mit der Dunsenflamme an.
Zum Mes.sen der im Kulturvakuum herrschenden Drucke unter
Quecksilber dient das
♦.»:>
mm
Kulturmanometer A. Meyers.
Dasselbe ist unmittelbar au dem Kulfurschalentriiger n)if einer Kuijel-
aufhängevorrichtung angebracht, so dali es sich von selbst immer .«senk-
recht einstellen mub. Fig. l.')4 zeigt uns das einseitig geschlossene
Manometerrohr nach einer .\l)bildung aus Meyers Heschreibung in natür-
lichei" (ii'öl'ie. Dasselbe ist \'2^) txm lang und besitzt eine innere Lichte von
596
F. Fuhrmann.
Fig. 155.
5 mm, die an den für die Messung bestimmten Teilen genau eingehalten
ist. Der offene Schenkel besitzt bei K eine kugelförmige Erweiterung, die
sich nach unten in eine Verengung (j) von etwa 1-5 mm innerem Durch-
messer fortsetzt. ..15 mm vom untersten, äußersten Punkte der gebogenen
Stelle des Rohres entfernt ist im offenen Schenkel eine nach oben offene
6 mm lange Spitze (s) zum Abfangen der Luftl)lasen eingeschmolzen.*^' Das
Manometer wird bis 4 mm- über die genannte Spitze mit reinstem, trockenem
Quecksilber gefüEt. In die kugehge
Erweiterung K kommt zuerst ein
wenig Baumwolle, dann ein Gemenge
von Watte und echtem Rausch-
gold, um austretende Quecksilber-
dämpfe zu absorbieren.
Das Manometer ist an einer
vernickelten oder besser vergol-
deten Skala angebracht, die eine
durchgehende Mülimeterteilung
trägt. Meyer Heß zum leichteren
Ablesen je 5 mm durch Punkte
markieren und von 10 zu 10 mm^
beiderseits Zahlen einschlagen. An
der Manometerskala ist noch ein
in halbe Grade geteiltes Thermo-
meter angebracht, dessen Meß-
bereich zwischen -\- \2 und 4- 45°C
liegt.
Fig. 1 55 stellt die Kulturschale
mit dem daran aufgehängten Kul-
turmanometer dar. Bei K ist
letzteres in einer konischen Bohrung
mit einer Kugel aufgehängt. M ent-
spricht dem Manometerrohr, wäh-
rend S die Skala ist. An ihr be-
festigt ist noch das Thermometer T.
Das Manometer ist, wie ersichthch,
fertig gefüllt und enthält in der Erweiterung bereits die mit Schaumgold
gemischte Watte.
Um nun auch Drucke über 9b mm Hg messen zu können, bedient man
sich eines Quecksilbermanometers, das Arthur Meyer ^) für die Messung
der hohen Sauerstoffkonzentrationen unter Überdruck benutzt. ]Man schaltet
dann nur ein T-Stück zwischen Kulturvakuumgefäß und ^Manometer, wie
*) Arthur Met/cr, Apparat für die Kultur von Bakterien bei hohen Sauerstoff-
konzentrationen, sowie zur Bestimmung der Sauerstoffmaxiraa der Bakterieuspezies und
der Tötungszeiten bei höheren Sauerstoffkonzentrationen. Zentralbl. f. Bakt. IL Abt.
Bd. 16. 1906. S. 392.
Die wichtigstoii Methoden beim Arlteiteu mit Pilze» iiud Bakterien. 097
es Bredemann (1. c.) angibt. \'orerst sei
das Manonietor kurz beschrichcii. Dieser
l)ni('kiiior»ai)i)arat besteht aus einem Ilelier-
barouieter und einem offenen Manometer.
In der Fig. 15(3 bedeutet iidas IJarumeter
und M das Manometer. Beide sind auf
ein Brett von 100-1: c;w Hölie aufizemacht.
Das vertikale Brett ruht auf einem (iiiind-
brett mit Stellschrauben, um den Ai)i)arat
lotrecht einstellen zu können. Die Uöhreu
sind mit Milchi^lasplatten hinterkleidet. Das
Barometer tränt eine Haibmillimeterteilunii',
die korrespondierend vorne und hinten an-
gebracht ist, was die richtige Ablesung
sehr erleichtert. Das Manometer trägt eine
gleiche Einmillimeterteilung. Beide Ilöhren
haben ihren Nullpunkt unten am Ende der
]\Iilchglasplatten. Die Skala erstreckt sich
über 90c»«. Der rechte Manometerschenkel
trägt oben eine seitlich gekehrte kugelige
Erweiterung, von der eine Spitze mit 1/2 ''^'"'
Bohrung in das Rohr hineinragt. Diese Er-
weiterung ist mit einem (Jemisch von
Watte und echtem Blattgold angefüllt. Der
rechte Schenkel mündet in die entspre-
chende Bohrung eines Metallstückes, in
das er luftdicht eingekittet ist. Mit einer
Holländerverschraubung wird dann
der Druckschlauch angelegt. Dieser fiüirt f
nun zu dem schon früher genannten
T-Stück. Dasselbe ist in "Fig. 157 abge-
Fig. 167.
bildet. I\s hat an den beiden horizontalen Schenkeln einen .-ichr gut ge-
schliffenen Glashahn, au den sich die Schlauchansätze anschheCen. Der
598 F. Fuhrmann.
senkrechte Schenkel wird mit dem Schlauchansatz des Kulturvakuums (s)
durch einen guten Druckschlauch verbunden. Alle drei Hähne werden nun
geöffnet und je ein horizontaler Schlauchansatz mit der Luftpumpe und mit
dem Quecksilbermanomoter verbunden. Nun pumpt man bis zum gewünschten
Manometerstand aus. Jetzt schließt man zuerst den Hahn des Kulturvakuums,
dann die beiden anderen Hähne und nimmt Manometer und Pumpe ab.
„Man hat, wenn man in dieser Weise verfährt, allerdings keine an-
dauernde Kontrolle über den im Kulturvakuum herrschenden Druck, wie
das bei der Benutzung des Kulturmanometers, welcher sich im Kultur-
vakuum selbst befindet, der Fall ist. doch läßt sich der Druck jederzeit
leicht kontrollieren. Zu diesem Zwecke setzt man das System Kulturvakuum,
T-Rohr, Manometer und Luftpumpe wieder zusammen, öffnet nur die T-Rohr-
hähne und evakuiert, bis das Manometer den zu kontrollienden Stand an-
zeigt, dann erst öffnet man den Hahn des Kulturvakuums, es mulj nun
natürlich, wenn der Druck unverändert geblieben ist, auch der Quecksilber-
stand des Manometers unverändert bleiben." i)
Die Zucht mit dieser Apparatur wird nun folgendermaßen aus-
geführt:
Das unmittelbar vor dem Gebrauch sehr gut ausgekochte Nährsubstrat
wird möglichst rasch zu Platten verarbeitet, die dann nach dem Erstarren
sofort in den Schalenträger eingesteht werden. Hierauf wird maximal eva-
kuiert. SoU jedwede Spur von Sauerstoff entfernt werden, so stellt man noch
eine Schale mit alkaüscher PyrogalloUösung ein. (Siehe d. Handbuch, Bd. IV,
S. 1245, wo die am besten 0 absorbierenden Gemische angegeben sind. Li
diesem Falle verwendet man sofort die Lösung, da ja nachherige Wasser-
auffüUung ausgeschlossen ist.) LTm einen wasserdampfgesättigten Raum zu
haben, gießt man vorher in das Vakuumgefäß ein wenig Wasser. Die ver-
wendeten Petrischalen sollen einen Durchmesser von 10 mm haben. Man
kann auch an Stelle einer PyrogaUollösung die Durchspülung des Vakuums
mit Wasserdampf anwenden, um den Sauerstoff zu verdrängen. Li diesem
FaUe gießt man etwas mehr Wasser ein und erwärmt das Kulturvakuum
auf ca. 26° C. dann evakuiert man längere Zeit, wobei das Wasser im Sieden
bleibt. Man mui» dabei den ganzen Apparat bei dieser Temperatur halten.
Außerdem ist es zweckmäßig, in diesem Falle einen Schwefelsäureturm
zwischen Kulturgefäß und Trockenröhre noch einzuschalten, um in letztere
möghchst wenig Wasserdampf zu bekommen.
Viel wichtiger noch ist der M/yersche Apparat aber für die Züch-
tung in einer Atmosphäre von bestimmtem Sauerstoffgehalt. Um
nun zu möglichst genauen Ergebnissen zu gelangen, ist es notwendig, in
erster Linie den Nährboden so luftfrei als möglich zu haben. Bekanntlich
enthalten die an der Luft stehenden Gallerten, Agar, Gelatine und alle
flüssigen Nährsubstrate ziemlich beträchtliche Giengen Luft, also auch Sauer-
stoff, die sich unter dei- Luftpumpe nicht so leicht ohne weiteres entfernen
') Zitiert Bredemann, Zentralbl. f. Bakt.. II. Abt. Bd. 23. 1909. S. 413, 414.
Die wichtigsten Methoden beim Arbeiten mit Pilzen und Bakterien. r)99
lassen. Nach Bredemann (1. c.) vcii'iilnt inaii hei festen Niihrsiihstratrii in
der Weise, dali man sie schon vor (h-i' NCrinipliiniz im Xakuum mit «'in«»r
LeiU'htbaivterienknltur eini-ic Wochen hält, ans deren Kiliisclien tler M:int.'el
jedweilen Sauerstolles eisclilossen werden kann. Die ( iallertmihilMtdeii werden
1/2 Stunde im strömen(k'n Dampf eiliit/.t und dann ia<cli. w()m<i!.dicli auf
Eis erstarren i^elassen. Hii'ranf In-in.nt man die Kühiclien sofort mit «'liier
frischen Leuciithakterienknltur in das Knltnrvaknnm. da> am l'.nden niit
Wasser beschickt ist. Jet/t wird sofui't mö^licli^t weit evakuiert. Fhissi{;e
Nährböden werden «iieich beinindelt. mir jicht es bi-i ihnen sciim-ller. weil
man sie durcli lici'in^'es Krwiirmen mit (h'iii \'aknnmapparat im sehr hit't-
ver(iüiinten Kaum auskochen kann. Dalx'i i,Nt nur darauf zu achten. d;iL>
sie nicht durch zu starkes Schiiumen die Wattebäusche benetzen. Cnmittel-
bar vor der Verimpfuiiii- werden die Ilöhrclien erst ans (h'ni \akuum ent-
fernt, rasch infiziert und sofort in die gewünschte .Sauerstoffatnmspliäre
gebraclit.
Bestiin niunii' des Sauerstoffgehaltes und der driilie der
Evakuierung bei Verwendung {{(^^ Kulturmanometers.
Nachdem wir jederzeit den Di'uek und die Temperatur im Kultur-
raum bestimmen können, sind wii- in der Lage, auch den Sauerstoffgelialt
im Liter Kulturvakuum zu berechnen. Arthur Meijcr (\. v) gibt dafür dieFor-
mehi an. Für die l)estimmung ist besonders eine genaue Ablesnng des
Druckes und der Temperatur im Kultui'vakuum erfoi-derlich. 'Awr Lösung
der Frage, wieviel Sauerstoff in einem Liter vei-dünnter Fuff iles
•Kulturraumes von einem bestimmten Druck (p) in Millimetern
Quecksilber und einer bestimmten Temperatur (t) vorhanden sind,
müssen wir nach Arthur Meyer (1. c.) folgende Zahlen kennen:
den (behalt der Luft an Sauerstoff in \'olumprozeiiten = 209
das Gewicht von 1 l O bei 0" und 7H0 mm Quecksilbei--
druck in( irammen für die geogiai)liische Hreite voiUn" = 1 1292
die Tension des gesättigten Wasserdampfes bei der
Temjx'ratur t. ausgediiickt in (^)iu'cksill)erhöhen bei
0® und in 45° geograi)hischer Breite und am Meeres-
spiegel = <•
die Temperatur der .\tm()si)häi-e im Kidturvakmiiii
während der Druckai)lesung = t
den Druck in Millimetei-n (^)uecksilbei- ^rv Atmo-pli.ni
im Kultunaum '' V
den absoluten Nidlpimkt ~ 2TH'
r)ie Formel lautet für die Üe-timmung von Sauerstoff in (ii-.immen =
2U;9 27:'. + ( ) p e ybei t«) ^.^.,^
100 ■ 27;i -F t ■ 760
wenn es sich um einen wasserdampfgesättigten IJaum handelt.
Sobald man aber an Stelle des Wassers eine Kalilange einfüllt. w:i.<
für die Absorption entstehender Kohlen^:iiire mitunter notwendig ist. «lann
600 F. Fuhrmann.
inuü in obige Formel für e die Tension von Wasserdampf aus Kalilauge (k)
eingesetzt werden.
n- 17 11 .+ ^ 20-9 273+0 p— k(beito)
Die Formel lautet dann j^ . ^^^ ■ f^Q — • ^''^^^•
Meistens verfolgt man den Zweck, in einer ganz bestimmten Sauer-
stoffmenge im Liter züchten zu können und muß dann natürlich wissen,
bis zu welchem Druck (p) man zu evakuieren hat, um denselben bei der
bestimmten Temperatur zu erhalten. Da gilt die Formel [Arthur Meyer, 1906)
p - e (oder k) (bei t«) + fe- 100- 760).(27:3 + t)
p_e,^o(RiK; i tu j-^ 1-429. 20-9. 273 '
worin g den Gehalt an Sauerstoff, in mg ausgedrückt, im Liter des Gas-
gemisches bedeutet.
Zur rascheren Berechnung seien hier 2 Tabellen über die Tension
des Wasserdampfes über Wasser und die Tension des Wasserdampfes aus
Lösungen von Kaliumhydroxyd bei verschiedenen Temperaturen angeführt.
Tabelle I.
Tension des Wasserdampfes über Wasser.
(Aus Landolt-Börnstein, Physikalisch-chemische Tabellen, 1905.)
Temperatur C
mvi
15
12-728
16
13-505
17
14-450
18
15-383
19
16-367
20
17-406
21
18 503
22
19-661
23
20883
24
22-178
25
28-546
Temperatur C
mm
26
24-987
27
26-505
28
28103
29
29-785
30
31-555
31
33-416
32
35-372
38
37-427
34
39-586
85
41-853
36
44-230
In der folgenden Tabelle III (S. 602), die von Bredemann (1. c.) be-
rechnet ist, sind diejenigen Drucke p in MiUimetern angegeben, bis zu denen
bei den Temperaturen von J5 — 36'' C (t) zu evakuieren ist, wenn im
absolut trockenen Kulturvakuum (A) oder im Wasserdampf gesättigten
Kulturraum (B) ein Sauerstoff gehalt von O'l — 25 mg (g) im Liter vor-
handen sein soll.
Befindet sich aber eine Auflösung von KOH im Kulturvakuum, so
müssen die entsprechenden Tensionen aus Tabelle II den Werten der
Tabelle IIIA zugezählt werden. Als Beispiel diene folgendes:
Um einen Sauerstoffgehalt von 0-2 mg im Liter bei 16" C über
23-08 Vüig'^^r KOH-Lösung in Wasser im Kulturvakuum zu haben, muß
also ausgepumpt werden bis zum Druck
0-539 + 10-82 = 11-359 mm.
Wenn andere Lösungen eingestellt werden, muß deren Tension nachgesehen
und ebenfalls addiert werden.
Die wichtigsten Metliodea beim Arbeiten mit Tilzen und Bakterien
r.oi
Tabelle II.
Tension des Wasserdanipf es ans Liisungen von K O II.
(Entnommen ans liredeniann , Bacillns aniylobacter A. M. et Hrcdt-mann in niorpho»
logischer, physiolofrischer und systeinatiscbor Bi'ziohiiiitf. Zfiitralld f. Hakt. II. Abt.
Hd.23. l'.lll. S. 41.').)
10 KOH
20 KOH
30 KOH
10 KOH
20 K(lH
30 Kuli
4- 100 HjO
4- 100 HjO
+ 100 U.i( )
4- 100 Ji,u
4 Kh. 11 Ü
. l.M, M (J
Tempera-
9 09»/o
16-66%
23 0»»/o
'l'üinpcra-
B-09»/o
~1'
tur Grad C
KOH
KOH
KOH
tur (irad C
1
KOH
Koii
J\« fit
B
lilliniete
r
Milliinnt,.
r
1447
10-00
8-62
8-01
7-31
22-60
19 09
16-25
10-50
891
8-28
7-56
2300
19-(;h
16-75
14 92
1100
9-21
8-56
7-82
23 65
2047
17-43
15 52
11-70
9-64
8-97
8-19
24-00
20-92
17-80
15 86
1210
9-90
9-21
8-41
24-50
21-54
18-35
16 35
12-50
1016
9-46
8-63
2bm
22- 19
18-91
16-85
13-00
10-50
9-77
8-92
25-50
22 90
19-52
17-40
13-50
10-85
1009
9-22
26(X)
23-55
20-07
17-«'.l
13-95
11-17
10-39
9-49
26-50
24-26
20-68
1843
14-50
11-57
10-77
9-83
26-98
2495
21-27
18 96
1515
12-06
11 22
10-25
27-50
2573
21-94
1957
15-30
12-18
1133
10-35
27-93
26-38
22-51
2007
lG-00
12-74
11-85
10-82
28 60
2744
2341
20 89
16-35
13 03
12-12
1107
29-UO
, 2808
23-96
2138
17-00
1357
12-63
11-54
29-50
28-91
24-67
2202
17-50
14-01
1304
11-91
3000
29-76
25-40
22-67
18-00
14-46
13-45
12-29
30-65
30-89
2637
23-54
18-50
i 14-92
13-88
12-69
3100
31-51
26-91
24-03
19-00
15-39
14-33
13-09
31-50
32-42
27-70
24 73
19-40
15-78
14-68
13-41
32-13
33-61
28-72
25-65
20-00
16-38
1525
13 93
32-50
34-32
29-33
2621
2025
16-63
15-48
14-15
33-00
35-30
3018
2695
21-00
17-42
16-22
14-82
33-50
36-31
31-05
2776
21-50
17-96
16-72
15-29
34 00
37-34
31-94
2856
21-82
18-32
1706
15-59
34-50
38-40
1
32-86
29 38
Bestimmung des Sauerstoffjielialtes l)ei An wcihIuii;^ des (^hnck-
silluM-inniiomctoi-s (S. öHT).
Bei dieser Bestimmuiiii ist natürlich der llaromctcrstaiid mit in
Eechnunii zu ziehen. Sie ertolt»t nach Artliiir M/i/i r^) und (i. Ih(dnunnu-)
nach Ablesung- folgender Daten:
1. ..Die Höhe der Quecksilbersäule des Hai-onictcrs — b (also dio am
langen Schenkel abgelesene Zahl in nnv (1). weniiicr der abirelesenen Zahl
am kurzen Schenkel (k): 1 — k = I)).
2. Die Höhe der (,)uecksilbersaule ih-s Manometers = m."
') Arthur Meyer, Apparat für die Kultur von Bakterien bei liohon Sauerstoff-
konzentral ionen etc. Zentralblatt f. Bakt. 11. Abt. Bd. 10. 190«i. S. 395.
■-) G. Urcdrma/in, Bacillus amyloliacter A. M. et Breiieniann. /.-ntraibl. f. Bakt.
IL Abt. Bd. 23. 1909. S. 418.
602
F. Fuhrmann.
Tabelle
A. Druckhöhen (p),
bis zu welchen zu evak
aieren ist^ wenn
im absolut trockenen Kult
urraum
Temperatur
Grad C
0-1 mg
g =
0-2 »!<7
g =
Q-Zmg
g =
d'img
g =
0"5 m.g
g =
0-6 mg
g =
a-lmg
g =
O-Smgr
g =
0-9 mff
g =
l'O mg
g =
20m(7
P
= mm
15
0-268
0-537
0-805
1-074
1-342
1-611
1-879
2-148
2-416
2-684
5-369
16
0-269
0-539
0-808
1-078
1-347
1-616
1-886
2156
2-424
2-694
5-388
17
0-270
0-541
0-811
1-081
1-352
1-622
1-892
2-163
2-433
2-7U3
5-406
18
0-271
0-543
0-814
1-085
1356
1-627
1-899
2-170
3-441
2-712
5-425
19
0-272
0-544
0-817
1-089
1-361
1-633
1-905
2-178
2-450
2-721
5-443
20
0-273
0-546
0-819
1-093
1-366
1-639
1-912
2-186
2-458
2-731
5-464
21
0-274
0-548
0 822
1-096
1-370
1-644
1-918
2-193
2-466
2741
5-482
22
0275
0-550
0-825
1-100
1-375
1-650
1-925
2-200
2-475
2-750
5-500
23
0-276
0-552
0-828
1-104
1-380
1-655
1-931
2-208
2-483
2-759
5-518
24
0-277
0-554
0-831
1-107
1-384
1-661
1-938
2-215
2-492
2-768
5-537
25
0-278
0-556
0-833
1-111
1-389
1-667
1-944
2222
2 500
2-777
5-555
26
0-279
0557
0-836
1-115
1-394
1-672
1-951
2-230
2-508
2-788
5573
27
0-280
0-559
0-839
1-118
1-398
1678
1-957
2-237
2-516
2-797
5-593
28
0-281
0-561
0-842
1-122
1-403
1.683
1-964
2-244
2-525
2-806
5-611
29
0-281
0563
0-845
1-126
1-408
1-689
1-971
2-252
2-533
2-815
5-630
30
0-282
0-565
0-847
1-130
1-412
1-695
1-977
2260
2-542
2-824
5-649
31
0-283
0-567
0-850
1-134
1-417
1-700
1-984
2-268
2-550
2-834
5-667
32
0-284
0-569
0-853
1-137
1-421
1-706
1-990
2-275
2.559
2-843
5-686
33
0-285
0-571
0-856
1-141
1-426
1-711
1-997
2-282
2-567
2-852
5-705
34
0-286
0-572
0-858
1 144
1-431
1-717
2003
2 289
2575
2-862
5-723
35
0287
0-574
0-861
1148
1-435
1-723
2-010
2-296
2-584
2-871
5-742
36
2-288
0-576
0-864
1-152
1-440
1-728
2-016
2-304
2-592
2-880
5-761
B. Bruckhöl
len (p), b
s zu welchen zu evakuiere
n ist, we
nn in dei
1 w a s s e
) r d a m p f g e B ä 1 1
igtfn
Kultur-
Temperatur
Grad C
g =
0"1 mg
g =
0-2 mg
g =
0-3 W(/
g =
0+ mg
g =
0-5 mg
g =
0 6 mj
g =
0'7 mg
g =
0-8 mg
g =
09 mg
g =
l'O mg
g =^
20 mg
P
= vim
15
13-0
13-3
13-5
13-8
14-1
14-3
14-6
14-9
15-1
15-4
18-1
15-5
13-4
13-7
14-0
14-2
14-5
14-8
15-1
15-3
15-6
15-9
18-6
160
13-8
141
14-4
14-6
14-9
15-2
15-5
15-7
16-0
16-3
19-0
16-5
14-3
14-6
14-9
15-1
15-4
15-7
15-9
16-2
16-5
16-8
19-5
170
14-7
15-0
15-3
15-5
15-8
16-1
16-3
16-6
16-9
17-2
19-9
17 5
15-2
15-4
15 8
16-0
163
16-6
16-8
17-1
17-4
17-7
20-3
18-0
15-7
15-9
16-2
16-5
16-7
17-0
17-.^
17-6
17-8
181
20-8
18-5
16-2
16-4
16-7
170
17-2
17-5
17-8
18-1
18-3
18-6
21-3
19-0
16-6
16-9
17-2
17-5
17-7
18-0
18-3
18-5
18-8
19-1
21-9
19-5
171
17-4
17-7
18-0
18-2
18-5
18-8
19-0
19-3
19-6
22-3
200
17-7
17-9
18-2
18-5
18-8
191
19-3
19-6
19-9
201
22-8
20-5
18-2
18-5
18-7
19-0
19-3
19-6
19-8
20-1
20-4
20-6
23-4
210
18-8
19-1
19-3
19-6
199
20-1
20-4
20-7
21-0
21-2
24-0
21-5
19-3
19-6
19-6
20-2
20-4
20-7
21-0
21-3
21-6
21-8
24-6
22-0
19-9
20-2
20-5
20-8
210
21-3
21-6
21-9
221
22-4
25-2
22-5
20-5
20-7
21-1
21-4
21-6
21-9
22-2
225
22-7
23-0
25-8
23-0
211
21-4
21-7
22 0
223
22-5
22-9
23-1
23-4
23-6
26-4
23-5
21-8
22 0
22-3
22-6
230
232
23-5
23-7
240
24-3
27-0
240
22-5
22-7
230
23-3
23-6
23-9
241
24-4
24-7
250
27-7
24-5
23-2
23-4
23-7
24-0
24-2
24-5
24-8
25-1
25-4
25-7
28-4
25-0
23-8
241
24-4
24-7
24-9
25-2
25-5
25-8
26-1
26-3
29-1
25-5
24-6
24-8
25-1
25-4
25-7
25-9
26-2
26-5
26-7
27-0
29-8
26-0
25-3
25-5
25-8
261
26-4
26-7
26-9
27-2
27-5
27-8
30-6
26-5
26-0
26-3
26-5
26-8
27-1
27-4
27-7
28-0
28-2
28-5
31-3
27-0
26-8
27-1
27-3
27-6
27-9
28-2
28-5
28-7
290
29 3
32-1
27-5
27-6
27-9
28-1
28-4
28-7
29-0
293
29-5
29-8
30-1
32-9
28-0
28-4
28-7
29-0
29-2
29-5
29-8
30-1
30-3
30-6
30-9
337
28-5
29-2
29-5
29-8
30-0
30-3
30-6
30-9
311
31-4
81-7
34-5
290
30-1
30-4
30-6
30-9
31-2
31-5
31-8
32-0
32-3
32-6
35-4
Die wichtigsten Motliodon licim Arbeiten mit Pilzen untl Uuktoricn. i\()'.\
III.
bei den angegebenen Temperaturen ein (((iuhalt ((ji von O'l — 'Jö iinj im Litur vurliaipl.
e =
30 m^
g = e =
40 mg 5'0 mg
B =
6"0 mg
S =
7'0 mg
e =
8-0 mg
9 =
B'O mg
e =
lO'Om;
K
I50»ij/j ÜU 0 («y; 2ii 'J ii.g
_p_=__mni
8053
8-081
8-109
8137
8160
8- 193
9-221
8-249
8-277
8-3or)
8333
8-361
8-389
8-417
8-445
8-473
8-501
8-528
8-558
8-585
8-613
8-641
10-74
10-78
1081
10 8.')
10-89
1093
10-96
11 00
1104
1107
1111
11-15
1118
11-22
11-26
11-30
11-34
11-37
11-41
11-44
11-48
11-52
18-42
13-47
13-52
13 56
13 61
13()6
13 70
13-75
13-80
1384
13-89
13 94
13 98
1403
14(18
1412
14-17
14 21
14-26
14-31
14-35
14-40
16-11
18-79
1616
18 86
l(;-22
18 92
16-27
18 99
16 33
19 05
l()-39
19-12
16-44
19-18
16-50
19-25
1()55
1931
1661
19-38
16-67
19 44
16-72
19-51
16-78
19-57
l(')-83
19r.4
16-89
1971
l()-95
19 77
17 00
19-84
17 06
19-90
1711
19-97
1717
20(J3
17-23
20 10
17-28
20- 16
40 27
4041
40-55
4(m;9
4()-83
40-97
41 11
41 25
41 39
41 53
41 (17
41-81
4195
4208
42 22
42-3r5
42-50
42 (U
42-78
42-92
43()(j
43 20
53-88
54-06
54 25
54-44
54 63
54-82
5500
55-18
5537
55-55
55-73
55-93
5(5 11
5(5-30
56-49
5(5-67
56-86
5705
57-23
5742
57-61
'.. 12
«57 -.-{5
(57-5S
(57hl
6804
I5K-27
68-51
(5S-74
68-98
69 21
69-44
(5967
70 14
70-38
70-61
70 85
71-08
71-31
71-54,
71-771
72-ni
räum bei den angegebenen Temperaturen ein 0-üehalt (g) von 0*1 — 26 «13 im Liter vorbanden sein ioll.
g =
3'0 mg
4"0 mg
5'0 mg
g —
6'0 mg
g =
7'0 mg
g =
8-0 mg
g =
9'0 mg
g =
lO'Omj
g =
15 0 mg
g =: g =
200 mg 26*0 my
p = mm
20-8
21-3
21-7
222
226
231
23-5
24-0
24-5
25-0
25-6
26-1
267
27-3
27-9
28-5
29-2
29-8
30 5
31-2
31-9
32-6
33-5
34-2
34-9
35-7
36-5
37-3
38-2
23-5
240
24-4
249
25-3
25-8
26-2
26-7
273
27-8
28-3
28-9
29-5
30-1
30-7
313
31-9
32-6
333
340
34-7
35-5
36-1
36-9
37-7
38-5
39-3
402
411
26-2
266
27-0
27-5
28-0
28-4
28-9
29-4
300
30 5
31-1
31-6
32 2
32-8
334
34-0
34-7
35-4
360
36-7
37-4
38-2
38-9
39-7
40-5
41-3
42 1
43-0
43-9
28-8
29 2
29-7
302
30-7
312
31-7
32-2
327
33-2
33-8
34-3
34-9
35-5
362
36-8
37-4
381
38-8
39 5
40-2
410
41-7
42-0
433
44-1
449
45-8
46-7
31-5
32-0
324
32-9
33-4
339
34-4
34-9
35-4
35-9
36-5
37- 1
37-7
38-3
38-9
39-5
40 2
409
41 (5
423
430
438
44 5
45-3
46-1
4(5-9
47-7
48-6
49-5
342
34-7
35-1
35 6
38-1
366
37-1
37-6
38-2
38-7
39-2
39-8
40-4
410
41-7
42-3
430
437
44-3
450
45-8
46(5
473
481
48-9
49-7
50 5
51-4
52-3
36-9
37-4
37-8
38-3
38-8
39 3
39-8
40-3
40-9
41-4
420
42-6
43 2
43-8
44-4
450
45-7
46-4
47-1
47-8
48-6
49-4
501
50-9
51 7
52-5
53-4
543
551
396
4(J-1
40-5
41-0
41 5
42-0
425
43-0
43-6
441
44-7
453
45-9
46-5
472
47-8
48-5
49-2
499
50-7
51-3
52-1
52-9
537
54-5
553
56-2
571
57-9
53-0
535
54-0
54-5
550
55-5
561
5(5(5
57-2
57-8
58-4
590
596
60-2
609
61-6
623
63-0
637
64-4
652
65-9
66-8
(57(5
685
(593
70-2
71 1
720
liC) .1
67 U
67 5
6S-0
(585
690
696
70-2
708
71-4
720
72-6
79-9
80-4
80-9
81-4
820
82-6
832
838
84-4
85 1
857
8(52
Temperatnr
Orkd C
738
87t»
74-0
87 7
747
88-4 '
75-4
89 1
76-1
89 9
7(5-8
90 6
776
91 4
784
92 2
791
92 9
799
.1-1 v
80-7
81-5
'.!....
82-4
9(5 4
83 3
97:»
84 2
. ..^ .
85-1
i 86-1
1
lmi2
15-0
15 5
1(5-0
16 5
170
17 5
180
18 5
19 (»
19 5
j(lü
2») .■>
2111
2 15
22 0
225
■23 0
235
24(1
24 5
250
255
2(5-0
26-5
270
27 5
281»
285
2*>0
604
F. Fuhr man n.
Tabelle IV.
Manometerstand
mvi
Baro-
meter-
Btand
15" 160 170 igo 190 20" 21" 22" 23" 24"
250 26" 27"
28"
29"
30"
Sauerstoff mij
(=
95
,Atmosph.)
760 '|239 237
750 |i242 241
740 1245 244
236
239
242
235
238
241
233 232
236 235
240,238
230
233
236
228 227
231
235
230
233
225
229
231
223
227
230
222 220
225 223
228.226
218216214
22l|219
224 222
218
220
190
(= "/^ Atmosph.)
760
750
740
2051203 202 2011200:199
'208 206'205 204'202;201
210 209 208 206!205|204
197
200
203
196194
198197
201200
193
196
198
191
194
197
190
193
195
188
191
194
186 185
189 188
192,191
184
187
189
285
(= 7« Atmosph.)
760
750
740
171
173
175
170 169
172 171
174 173 172
168
170
167il65
169 168
171 170
164163
167
169
165
168
162
164
167
161
163
165
160158
162161
164 163
157
159
162
156
158
155
157
160159
153
155
157
380
(= V2 Atmosph.)
760
750
740
137136
1381.37
140 139
135134
137J136
138138
133 132
135 134
137 136
131
133
135
1311130
132 131
134 133
129128127126
1311129
132:131
128127
130129
125
126
128
124
125
127
123
124
126
475
(= ^/g Atmosph.)
760
102
102
101
101100
99
99
98
97
97
96
95
94
94
93
750
104
103
103
102 101
101
100
99
99
98
97
96
96
95
94
740
105
105
104
103103
102
101
101
100
99
98
98
97
96
95
92
93
94
570
(=74 Atmosph.
760
68
68
67
67
66
66
65
65
64 64
63 63
62
62
62
750
69
69
68
68
67
67
67
66
66 65
65 1 64
64
63
63
740
70
70
69
69
68
68
68
67
67 66
66 65
65
64
64
61
62
63
665
(= Vs Atmosph.)
760
34
34
34
34
33
33
33
33
32
32
32
32
31
31 i 31
; 750
35
34
34
34
34
34
33
33
33
33
33
32
32
32 31
|740
35
35
35
34
34
34
34
34
33
33
33
33
32
32 32
31
31
31
3. Die Teinperatur der Quecksilbersäule und der Luft im Kultur-
vakuum — t (Ablesung nach längerem Aufenthalt der Zusammenstellung
im Arbeitsraum).
Die Höhe der Quecksilbersäule p*, die dem negativen Druck im
Kulturraum entspricht, wird erhalten durch Subtraktion der Höhe m der
Quecksilbersäule des Manometers vom Barometerstand b.
p* = b — m.
Diese wirkliche Länge der Quecksilbersäule mul> auf die Länge der
Säule bei 0° (p°) reduziert werden nach der Formel:
pO = pt (1 — 0-000181 . t).
Jetzt rechnet man den Gehalt g des Kulturvakuums an Milligrammen
Sauerstoff nach der Formel
8'
20-9 273 + 0 p'
100 ' 273 + t '
o
760
1-4292 . 1000
Die wichtigsten Metliodeu l)eiui Arlieitou mit l'ilzcii iiiid Bakterien. (JOö
in der e = Tension des WasserdaiiiptVs dci- 'hilx-llc 1 ist. Ist Kalilautro im
Kiilturuefäl), wird an stelle von e k (Nt Talieile 11 eiui^n-sctzt.
Brc'deniann (l. v.) hat tür eine IJejIie Maiionieterstiiiide die /.u^'e|j(iri;.'en
Sanerstoffiiieiiiieii berechnet, die in 'ralielle 1\ (.S.tK)4) zuMunnienj.r,. stellt sind.
Mit Hilfe der vorhei' iicnaii heschrieheneii .\|)|)ai'at/,usaninieii<telhin;,'
lassen sieh demnach in sicherer Weise anai-rohe Knlturen vornehnieii nnd
Ueinziiclituniien anaerober lUikterien ausführen. Aulierdeni ist es niö^dich. mit
ausreichender (ienauiiikeit die Sanerstoffminima für M'^a'tative Üakterien-
zellen. für die Sporenbildunti und für die S])(»renkeimunii zu bestimmen.
Kultur unter erhöhtem Druck in Preßluft oder Preßsauerstoff.
Unter den mehrfach heschrii'benen Apparaten für rnter>ncluint,'- des
Bakterienwachstumes unter erhöhtem Di'uck in l'i-eliluft oder komprimiertem
Sauerstoff steht an erster Stelle derjenige von Arthur Mci/er.^) Die «xanze
Einrichtung' besteht aus einem Preliapparat und einem hruckraum
mit den Manometern etc.
Als Preßapparat dient eine Stahlflasche, die mit komi)riniiei-ter
Luft iiefüllt ist. Dieselbe hat einen Ivauminhalt von ca. 10 / und die
Luft steht unter einem Drucke von 100 löU kr/. An dem Stahlzylinder
wird mit Holländerverschranbun^- ein ..S-Automat" aniide^it. Derselbe ist
aus zwei Federmanometern, einem Druckreduzierventil, einem Sicherheit.s-
ventil und einem Absperrhahn zusammeniiestellt. Das Anschlulirohi- zur (ias-
tiberleitunii in den später zu beschreibenden Druckraum ist am besten
aus Kupfer gefertigt. Das der Stahlflasche zunächst stehende Manometer
dient zur Messung des (iesamtdruckes im Stahlzyhnder, aus dem sich der
Iidialt leicht berechnen läßt. Es darf aber nur Ins zu ein(Mn Drucke von
150 Ay/ gebraucht werden und trägt eine Skala mit einer Teilung: nach
10 %-Drucken. Die in der Flasche befindliche Luftmenge imi wird nach
der Formel m = p . 1 berechnet, in der j) den abgelesenen Manometerdnu'k
und 1 den auf der Stahlflasche angeschriebenen Rauminhalt derselben in
Litern bedeutet.
Das zweite Manometer gehört zum Druckreduzierventil und zeigt
an, unter welchem Druck das in den Druckraum einströmende (ias steht.
Es wird entweder für einen Maximaldruck von 1.') oder :\0 hy geliefert
und besitzt eine Skala mit 1 Ay/ Teilung. In Verbindung mit diesem Druck-
messer steht das Reduzierventil. Im wesentlichen besteht es aus einem
Reduzierventilkasten, in den die Preßluft aus einer beliebig veränderlichen,
aber kleinen Öffnung einströmt, wobei sie entspannt wird. Kin Ilebelwt'rk.
auf das eine Flügelschraube von außen einwirkt, besorgt die feine Verstellung
der Größe der Einströmöffnung. Herausschrauben der Flügelschraube ver-
mindeit den Druck. Ilineinschrauben eihöht ihn. Das Druckrednzierventil
ist durch ein Sicherheitsventil gesichert. Inbenützt soll die Druckredu/ier-
schraube des ^■entils immer so weit herausgeschiaubt sein, bis kein Feder-
druck mehr darauf herrscht, was sich am leichten (lang sofort bemerkbar
606
F. Fuhrmann.
Flg. 158.
macht. Zum Gebrauch schUeiit man den Automaten au die Stahlflasche
an, dann öffnet man langsam den Radhahn des Stahlzyhnders und über-
zeugt sich vom herrschenden Druck in demselben. Hierauf schraubt man
vorsichtig- die Fliigelschraube des Druckreduzierventils so weit hinein, bis
das Manometer desselben den gewünschten Arbeitsdruck anzeigt. Unter
diesem strömt dann nach Öffnung des Absperrliahnes am Automaten die
Preßluft so lange aus, als der Innendruck in der Stahlflasche ausreicht.
Der ..Druck räum" ist ein für Preßgase besonders konstruierter
Autoklav aus Kupfer, der auf 50 hj Druck geprüft ist und zum Arbeiten
bis 25 kg dient. Der Druck-
raum selbst ruht in einem
eisernen Mantel, der auf
einem Arbeitstisch mit 3
Schrauben fix befestigt
wird. Der Druckraum ist
mit Zapfen in diesen
Mantel fest eingelagert.
Fig. 158 zeigt uns den
ganzen Druckapparat in
A^rbindung' mit dem
Reduzierventil und der
Stahlflasche fertig zu-
sammengestellt. Mit
einem starken Mantel,
der mit drei Schrau-
ben am Tische befestigt
ist, ist in verschraub-
ten
Lagern der
eigent-
liche Druckraum fest ver-
bunden.
In der Fig. 159 ist
(las zylinderförmige Druck-
gefäß mit dem nebenhe-
genden Deckel wiedergege-
ben. Das Druckgefäß A'
ist 20 cm hoch und hat oben bei R einen äußeren Durchmesser von 15-5 cm,
unten einen solchen von 1;V5 cm und einen Piauminhalt von 2000 cm^. Oben
am KulturgefäL) ragt nach außen und innen ein 8-5 cm breiter Rand E vor. so
daß die Öffnung des Raumes nur 8'5 cm im Durchmesser mißt. Dieser breite
Rand besitzt vier konzentrische Ringrillen. ITnter dem Rande befindet sich
der dicht angelegte Eisenring E. in dem auf Zapfen drehbar der starke
Stahlbügel B mit der Schraube S ruht. Die Schraube drückt den Deckel
nieder. Der Deckel selbst ist aus Phosphorbronze gefertigt und nach oben
gewölbt. Mit einem 3'5 cm lireiten Rande, der ebenfalls 4 Rillen trägt,
sitzt er auf dem Rande des Kulturgefäßes auf. Außerdem paßt er mit der
Die wichtigsten Motliodeii beim Arlioit<ti mit Pil/on iitnl H:iktori<-n.
00'
wenig- vorspringenden IJiniileiste /•' n(.„;,,i in .lic (^ffnnn- do letzteren. In
den Deckel sind eini-cliitet inid verseliranht -J lliilireii (siehe Kjjr. ir,y,_ ^,„„
denen eine das Sicherheitsventil und die mit einem ll.ihne verschlieU-
hare AnsströnKiffnuni: tränt, die andere ein Mandmet.-r iiiul die mit
einem Hahne ahzu-schiiellende Kinstriimiilinung. Das Sicherhritsventil ist
ähnlich demjenigen des Druckreduzierventiles gehaut. Wichti- ist die
Kenntnis der Konstruktion des Einst röm h a h nes. weil des.sen
Dichtung al) und zu ausgewechselt werden muH. In Fig. 160 ist ein
Längsschnitt durch die
Teile desselben wiedei'ge- Fi«. 159.
geben. Arthur Meyer ^)
(I.e. S.n91) beschreibt den
Halm: ..Das Stück h sitzt
an dem »Einströmrohre«
seitlich an. DiePrelMuft tritt
dui'ch ein Loch / ein. der
Kanal a führt nach dem
Kulturräume, r ist die
Lederscheibe, welche beim
Zuschrauben des Hahnes
die Öffnung a schließt;
k ist eine Kautschukplatte,
welche zwischen die Rän-
der y. und 3 geklemmt
wird, wenn die Kappe d
überdas Stück b geschraubt
worden ist. Das Stück z
wirtl fest auf die Schraube 8
aufgeschraul)t und dichtet
dabei die Kaut.schukscheibe
an der Schraube ab. Das
Stück ^ der Schraube .v
paßt in das Loch des Zwi-
schenstückes 0 so. (lall es
sich leicht darin dreht.
Zieht man die Schraube s
an , so schUeßt man die
Öffnung a. Die Kautschuk-
platte k schlielit daueriK
Ki?. 160.
1 den \(tii ilii' Iiedeckten liaum in /' ab."
Dem Apparat ist ein entspi'echendes Federmanometer beigegeben,
dessen Skala nach ^likgDrnvV eingeteilt \<\. In den meisten Fällen ge-
') Arthur Meyer, Apparat für ilie Kultur von UaUtoricu bei hohen Sauerstoff-
konzeiitrationeii, sowie zur Bestimiiiiiniu' «It'r Saucrstnffiuaxinia der IJakterieuspezies und
der Tötungszeiten bei höheren Sauerstoffkouzentratiunen. /entnlM f Bakt. 11. Alit.
Bd. 16. 1906. S. 386.
608 F. Fuhrmann.
nügt dieses Maiioineter. Für relativ niedere Drucke unter 5 kg empfiehlt
sich die Anschaffung eines zweiten passenden Federmanometers, welches
eine in Vio % geteilte Skala mit dem Meßbereich von 1 — 5 kg aufweist.
Für die Messung sehr niedriger Überdrucke von 1 — 2 kg verwendet Arthur
Meyer sein ..Quecksilbermanometer'", das im vorhergehenden Abschnitt auf
Seite 597 bereits beschrieben ist.
Das Arbeiten mit diesen Apparaten gestaltet sich nun nach Arthur
Meyer (1. c. S. 893) folgendermaßen: ..Man stellt zuerst das Reduzierventil
des Preßgasapparates auf den Druck ein, bei dem das Wachstum statt-
finden soll, stellt dann die Kulturen in den Druckraum, dessen Boden man
mit etwas Wasser bedeckt hat und legt den Deckel auf.
Dazu wird die vorher in Wasser getauchte Gummischeibe, wenn sie
noch neu ist, am Rande mit einer -Marke (einem sehr kleinen Ausschnitt
z. B.) versehen und so auf den Rand des Deckels aufgelegt, daß die Marke
über der Zahl liegt, die sich am Rande des Deckels befindet. Der Deckel
wird dann so aufgelegt, daß seine Zahl über der in den Rand des Kultur-
gefäßes eingeschlagenen Zahl zu liegen kommt." Dann stellt man den
Bügel hoch und schraubt die Schraube desselben (s. Fig. 159) fest, damit
der Deckel stark niedergedrückt wird und so Rillen in die neue Scheibe
gepreßt werden. Alle Viertelstunden etwa 4 — 5mal wird die Schraube mit
dem Schlüssel maximal nachgezogen. Dann erst nimmt man den i\.pparat
in Gebrauch. Man verbindet den Preßapparat mit dem Druckapparat und
läßt nach richtiger EinsteUung des Reduzierventils durch Öffnen des Ein-
strömhahnes langsam so lange Preßluft einströmen, bis das Manometer des
Druckgefäßes den gewünschten Druck anzeigt. Dann schheßt man alle
Hähne. Bei der Entnahme der Kulturen ist darauf zu achten, daß nur
langsam die Luft aus dem Druckgefäße ausströmt, wozu die Auslaßöff-
nung unter dem Sicherheitsventil (Fig. 158) dient. Gallertige Nährböden
werden sonst von der rasch ausströmenden Luft vollständig zerrissen. Des-
halb vermindert man zuerst den Druck auf etwa 2 kg und schheßt
wieder den Druckraum. Jetzt lüftet man ein wenig die Verschlußschraube
am Bügel, damit der noch herrschende Überdruck den Deckel lockert.
Dann erst läßt man langsam die Preßluft vollständig austreten.
Die in dem Druckgefäß herrschenden Sauerstoff mengen werden
nun nach A. Meyer (1. c.) nach folgender Formel berechnet, wenn Feder-
manometer zur Anwendung kommen:
M-u- n- 1 ü PI u '^0"9 273-hO a + (k. 735-5) . ,_, ^^^.
Mdhgramm 0 in der Preßluft = -^-ir— . ^^^ , ^ . — — . 1-4292 . 1000.
100 2<o-f- 1 7dO
Darin bedeutet:
t = Lufttemperatur in dem Drucki-aum bei der Manometerablesung ;
a = Barometerstand bei der Aichung des Manometers;
k =: am Manometer in Kilogrammen abgelesener Druck im Druckraum ;
209 = Volumprozente 0 in der atmosphärischen Luft;
— 273 = absoluter Nullpunkt.
Die wichtigsten Methoden beim Arbeiten mit I'ilzou und Bakterien
»;(K»
7H5-Ö = Höhe oiiior Quccksilhcrsäuli' in Milliiiictcni. die bei 0" 1 kg ürurk
aiit den (^)ii;i(lratz('iitini('t('r aiisülil:
1 "421)2 = (k'wiclit eines Liters O hei li\{) intn (,Mn'ck>illiei-. <»' uuu -io- yeu-
iiTuphische lireite. in (Iranmien aiis^ediiickt.
Für das nowöhnliclie Federnianonieter ist t'ilr k 7>>(J einzusetzen. IV'i
den t'eiueii Federinaiiuineteni ist der Üaroinetersfand. hei dem sie L'e.iicht
wurden, angegeben.
Die folgende ZusainniensteUnng I enthalt die Konzentration des
Sauerstoffes in dem mit Preltluft gefüllten Kulturgefäli. ausgedrückt
in Milligrammen im Liter hei einem riieidruek von 2 — 20 Av/ und den
Temperaturen zwischen 17 und "JS" (' unter NCrwendnuL! de< Feilerniano-
meters. (Nach A. Meyer, 1. c. S. :>95.)
Tabelle I.
Am 1
Manometer
abgelesener
Druck
Luttt
umperatiir im Ürui-kge
fuU, (irad l
17
18
19
20
21
22 23
24
26
se
n*T
2
824
821
818
816
813
810
807
804
802
799
797
3
1097
1093
1089
1086
1082
1078
1075
1071
1067
10C)4
106(J
4
1372
1368
1363
1358
1354
1349
1344
1340
1335
1331
1326!
5
1642
1636
1631
1625
1620
1614
1609
161)3
1598
1593
1588
6
1915
1908
1902
1895
1889
1883
1876
1870
1863
1857
1851
7
2185
2177
2170
2163
2155
2148
2141
2133
2126
2119
2112
8
2458
2449
2442
2433
2424
241(5
2408
2399
2:i92
2--t84
2H76
9
2728
2718
2709
2700
2691
2682
2672
2()63
2654
2646
2637
10
3001
2990
2980
297(J
2960
2950
2940
2930
2920
2910
2900
11
3273
8262
3251
3240
3229
3218
3207
3196
3185
3175
MM
12
3546
3534
3522
3510
3498
3486
3474
3464
3451
:i439
34 2S
13
3819
3805
3793
3780
3767
3754
3741
3728
3716
3704
3692
14
4091
4077
4064
4050
4036
4022
4(X»9
3994
3982
39C>8
3955
15
4364
4349
4335
4320
4305
4 290
4276
426!
4247
4233
4219
20
5714
5694
5675
5655
5636
5617
5598
5578
5561
5542
5524
794
1057
1322
15X2
1845
2105
2.3r>8
2628
2891
31.54
3416
3679
3942
42(J5
5:)05
Wird zur Messung von Überdrucken unter '2 kg das ..Quecksilher-
manometer- benutzt, dann inuli besonders langsam die rrel''luft in das
DruckgefäU eingelassen werden. Aul'.erdem müssen die Apparate hmgere
Zeit in dem gleichtemperierten Arbeitsraum stehen, damit alle< L'leiclimär.iir
erwärmt ist.
Zur Berechnung der im Liter Druckluft vorhandenen Sauerstoffnienge
bestimmt man folgende Gröl'ten:
L Die Höhe der drückenden (.»uecksilbersäule (p'i Man liest
am Barometer den Quecksilberstand am langen (1) und kurzen {k) Schenkel
ab. 1—k = Barometerstand = b. Die gleiche Ablesun- macht man an der
Qupcksilhersiude d(>s Manometers. 1'- k'rr: .Manometerdruck =: m. Baronieter-
druck und .Manonn'terdruck addiert n-eben den Druck im Innern des TrcÜ-
gefiißcs (pM:
p' = b + m.
Abderhalden, Handbuch der biochemifchi-n Arbeiiinipthodcn. V. 39
610
F. Fuhr manu.
2. Temperatur (t) der Quecksilbersäulen und der Preßluft im Druck-
raum, t muß in beiden gleich groß sein, weshalb man die Zusammen-
stellung einige Zeit stehen läßt, bis der Temperaturausgleich erfolgt.
3. p* muß nun auf p^ reduziert werden, p" entspricht der Länge der
bei t Graden gemessenen Quecksilbersäule bei 0".
pO z= pt (1—0-000181 1).
4. Dann ist aus der Tabelle (8. 600) die Tension (e) des Wasserdampfes
über Wasser in Millimeter Quecksilber bei Temperatur t nachzusehen.
Die Berechnung der Sauerstoff menge im Liter der Preßluft in Milli-
grammen erfolgt nach der Formel:
20-9 2T3^fO po-e
100 273 + t 760 ■
worin die übrigen Größen dasselbe bedeuten, wie in der früheren Formel
auf S. 608.
Arthur Meyer (1. c. S. 396) hat eine Zusammenstellung ausgearbeitet,
die in Milligrammen die Sauerstoff mengen im Liter der Preßluft für Drucke
z^^1schen 760 und 1550»?«? Quecksilber und Temperaturen zwischen 17
und 28° C angibt und im folgenden als Tabelle II wiedergegeben ist.
Tabelle IL
Abgelesener u. berechneter ;
Überdruck
(pt)
Ijufttemperatur im Druckgefäß, Grad C
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
mm Hg.
760
275
274
272
271
270
268
267
265
264
263
261
260
800
290
288
287
286
284
283
281
280
278
277
275
274
850
308
307
305
304
302
301
299
298
296
295
293
292
900
327
325
324
322
320
319
317
316
314
312
311
309
950
345
344
342
340
339
337
335
334
332
330
329
327
1000
363
362
360
359
357
355
353
352
350
348
347
345
lOöO
382
380
378
377
375
373
372
370
368
366
364
362
1100
400
399
397
395
393
391
390
388
386
384
382
380
1150
419
417
415
413
411
409
408
406
404
402
400
398
1200
437
435
433
432
430
428
426
424
422
420
418
416
1250
456
454
452
450
448
446
444
442
440
438
436
434
1300
474
472
470
468
466
464
462
460
457
455
553
451
1350
492
490
488
486
484
482
480
478
476
473
471
469
1400
510
509
507
505
502
500
498
496
494
491
489
487
1450
529
527
525
523
520
518
516
514
512
509
507
504
1500
548
546
543
541
539
536
534
532
529
526
524
522
1550
566
564
561
559
557
555
552
550
547
545
542
540
1
An Stelle von Preßluft kann natürlich auch komprimierter Sauer-
stoff oder Stickstoff etc. verwendet werden. In diesem P'alle muß zu-
erst das käufliche komprimierte Gas auf seine Reinheit mit den ül)hchen
chemischen Methoden untersucht werden. Wenn ^Verunreinigungen vor-
liegen, so ist der Yolumprozentgehalt s an reinem Gase nach den gas-
analytischen Methoden zu ermitteln, nachdem man das verunreinigte Gas
von der Kohlensäure befreit hat.
Dio wichtigsten Methoden heim Arheiten mit l'ilzen und Uaktcrien. ßj \
Dil' lU'i-ccliiiiniii der Saiicrstoffmoiiirc in Miiii-iuiuuu-u un i.ilcT
erfolgt nach der aui' Seite (;U8 an.gcgchcnt'n Forim-l iür die IJcstimnnm^
des Luftsaiierstoffes, in der an Stelle der (Iröl'.e für 200 (\(iliiinj)i-n/i'iit o
dei- Lnft) s einj^esetzt wird. Sie lantet denmacli
s 273 + 0 760 + (k.73rr5) ,.-,,,,
100 273 + t 760 -i-i-'A "^
wenn das f»ewöhnlielie Federmanometer zur Anwendiinj^ },'elanf^t. Aualo;,'
kann man auch die Menden anderer komi)iimierter (iasc berechnen. Wird
nur mit schwachen Überdrucken bis 2% ^^earbeitet. so kann natürlich auch
das Cjuecksilbermanometer Verwenduuf»' finden. 15ei der IJerechnunj^ i.st die
Formel der Seite (310 entsprechend al)zuäud<'rii.
Gewinnung und Zucht der Eisenbakterien.
Malisch^) ist es gelungen, auch Keinkultureii von Hiseiibakterien zu
erhalten. Auch gibt er uns eine Reihe leicht zugänglicher Fundstellen für
die (iewinuung bekannt, auf die vorerst niihei' eingegangen werden soll.
Siderocapsa Treubii nov. gen. et nov. sp. (Molisch, 1. c.)
Eine weit verbreitete Wasserbakterie, die auf zalihcichen einiii-tauch-
ten Teilen höherer Wasserpflanzen des Süliwassers epiphy tisch lebt. Man
erhält sie rasch, wenn man ältere Sprossen von Floilea. liie l'nterseite
der Xyinphaeablätter oder ..Wiirzelhaare" von Salvinia auriculata mikro-
skopiert. Die Oberfläche dieser Teile erscheint von einer ockerfarbigen
Kruste überzogen, die von lauter kleinen hellen Höfen durchsetzt ist. l'.ei
der Behandlung' der Kruste mit dem Schiffsdwn IJeagcns auf .Vldeh\ d be-
merkt man in dem tiefrot umwallten runden Hof die i'.akterienzellen von
Kugelform.
Chlamydothrix sideropous n. sp. (Molisch, 1. c.)
Soll nach Molisch eine häufige Art si'in. die Fäden bildet und in
Haftscheiben auf Blättern verschiedener Wasserpflanzen festsitzt. Die Zell-
fäden speichern in ihrer Scheide an der Spitze kein Fiisen. wohl aber ist
ihre Basis und l)eson(lers die rundliche Haftscheibe von Fisenowdhydrat
durchsetzt. Die Zellen haben eine zylindrische (iestalt.
Auch die anderen Iv.seubakterien C/Iadothrix. t'renothrix. i.eptotlirix.
Clonothrix und (iallionella sind Wasserbewohner und finden sieb /iiinlich
häufig in den stärkei- eisenhaitiucn Wässern.
Nährsubstrat für die Zucht von Leptothrix ochracea. (Molisch. 1. c.)
100(1 ;/ Torfwasser,
0"2ofj Mangaii])ept()!i.
100 ,/ (ielatiiic.
') Jfan.s Molisch, Die Eiseukikterien. (iustav Fisciior. Jena lUlO.
39»
612 F. Fuhrmann. Die wichtigsten Methoden beim Arbeiten mit Pilzen etc.
Vor dem Erstarren durch Zusatz von Xormalkalilauge leicht alkahsch zu
machen.
Das Torfwasser wird durch Auskochen eines faustgroßen Stückes
Torfziegel in 1 Liter destilliertem Wasser hergestellt.
Manganpepton scheint eine sehr ungleiche Substanz zu sein, da
Molisch mit Proben verschiedener Herkunft mitunter schlechtere Erfolge
hatte. Er empfiehlt besonders das Manganpepton der chemischen Fabrik
List, Seelze bei Hannover.
Für die Reinzucht dieser Eisenbakterie empfiehlt Molisch die Anlegung
einer Rohkultur in einer O^öö^/oigen Manganpeptonlösung im Prager Lei-
tungswasser (Flußwasser), in der sich die Leptothrix besonders an der
Oberfläche als braune Haut ansiedelt. Von der Vorkultur legt man eine
Kultur in einer 2^/oigeB. Peptonlösung im Moldau (Fluß-)wasser an. In
dieser stickstoffreichen Nährlösung bilden die Fäden rasch Schwärmer aus,
die dann in der Plattenkultur mit dem erstgenannten Gelatinenährboden
reinsezüchtet werden.
Darstellung von Lipoiden aus (iehirn und andiMm
Geweben.
Von Sii^muiul Friliikrl, Wien.
In Folgendem sollen hauptsächlich die Methoden beschrioboii worden,
welche in unserem Institute zur Aufurheitung der Lipoide \'er\vendim},'
finden und insbesondere diejenigen, welche sich auf die Verarbeitung des
Gehirns beziehen. Für die anderen Organe müssen jeweilig die Methoden
abgeändert werden, nach speziellen Plrfahrungen, welche man erst bei der
Aufarbeitung gewinnt. Uns stehen solche Krfahruiigen für Leber, Neben-
niere, Niere, Placenta, Pankreas, Magen- und Darnischleinihaut, sowie für
Prostata zur Verfügung. AVir haben es bei einzelnen ( M<ranen v<)r<,'ezo;ren,
statt der Reihenfolge der Extraktionsrnittel : Aceton, l'etroläther. Alkolnd
oder Ligroin, gleich mit Petroläther zu beginnen und dir petrolätiieri.sche
Fraktion vorerst mit Aceton und dann erst mit Alkohol zu scheiden
fs. p. 685). Will man nur einzelne Substanzgruppen gewinnen und die übrigen
vorläufig nicht verari)eiten , so kann man, je nach l!e<l;irf. die hier be-
schriebene und vorgeschlagene Methodik entsprechend verkürzt anwenden.
Eine der wichtigsten Fragen und jedenfalls das schwierigste Problem
bei der Aufarbeitung und Gewinnung der Lipoide ist das Trocknen de.s
zu untersuchenden Materials. Wir haben nach dieser Richtung hin die
verschiedensten Versuche gemacht und keine in der Literatur vorhandene
Angabe unberücksichtigt gelassen und sind nun in der Lage, auf (Jrund
unserer sehr ausgebreiteten Erfahrung positive \'orschläge zu macln-n
und Verfahren anzugeben, deren wir uns selbst bedienen, die wir aber
keineswegs als endgidtig ansehen, weil wir vielmehr bemidit sind, unsere
Methodik fortwährend zu verbessern und die gute durch eine bessere zu
ersetzen. Nicht in letzter Linie kommt hier die (reldfrage sowi«» die Frage
nach der Feuergefährlichkeit der Aufarbeitung großer Massen in Betracht
Leider sind in letzter Zeit einige Kritiken der Methoden der Lipoid-
forschung erschienen, die lediglich vom Schreibtisch aus auf Crund von
Literaturexzerpten die Arbeitsmethoden beurteilen '); keineswegs aber können
solche Kritiken und Ratschläge einen Fortsciiritt auf diesem experimentell
sehr schwierigen (iebiete zeitigen, \ielmelir ist es notwendig, d.il. lediglich
die experimentell Lipoide bearbeitenden P'orscher ihre Erfahrungen aus-
tauschen und fortwährend \erbesserungen au ihrm Methoden einführen.
•) Vor allen soi hier auf ./. Ihimi, (."liomif und Biorhcmi" ' • Lipoide W
baden bei J. F. Bergmann, 1911, p. 27—44. verwiesen.
ßl_j. Sigmund Fränkel.
Entwässerung, Trocknung.
Die älteren Forscher bedienten sich zur Entwässerung, insbesondere
des Gehirns, des Äthylalkohols und diese Methodik, die nun weit über
100 Jahre alt ist, war bis in die letzte Zeit die vorherrschende. Die Me-
thodik der Alkoholbehandlung, die nicht nur eine Entwässerung, sondern
zugleich eine Extraktion ist, hat mehrere Kachteile. In den Alkohol gehen
außer dem Wasser auch die ungesättigten Phosphatide über und, wenn
man später heißen Alkohol verwendet, zugleich die gesättigten Verbindun-
gen überhaupt, so daß man mit dem Alkohol aus dem Gehirn bei kalter
und warmer Verwendung dieses Lösungsmittels bis auf das Kephalin, welches
in dem Phosphatidgemenge trotz seiner Unlöslichkeit in Alkohol zum Teil
in Lösung geht, fast alle lipoiden Substanzen extrahieren kann. Die großen
Schwierigkeiten, aus diesem extrahierten Gemenge dann die einzelnen
Gruppen und Substanzen zu isoheren, findet man ausführlich in Thudichums
Buch über Gehirnchemie 1) beschrieben. Ich habe in meiner Darstellung der
Gehirnchemie 2) besonders dieser Entwässerungs- und Extraktionsart die
großen Widersprüche und Mißerfolge auf diesem Gebiete zugeschrieben.
Auch A. Erlandsen 3) muß beim Herzen von der Alkoholtrocknung absolut
abraten und hält die Vakuumtrocknung für unanwendbar. Es ist auch seit
dieser Zeit, als von meiner Seite andere Vorschläge gemacht und von meinen
Mitarbeitern ausführlich durchgearbeitet wurden, die alte Methodik verlassen
worden und die meisten L^ntersuchungen auf diesem Gebiete haben tat-
sächhch die von uns vorgeschlagene Methodik benutzt, wenn auch einige,
wäe das immer bei einer neuen Arbeitsweise anfangs vorkommt, sich in
Modifikationen gefallen haben , die , wie wir sehen werden, das Verfahren
nicht gerade verbesserten, sondern eher verschlechterten.*)
Ursprünglich haben wir die Gehirne insbesondere, sowie auch andere
Organe, mit Aceton entwässert und für manche Zwecke, wo es sich nicht
um empfindliche Substanzen handelte, um Aceton zu sparen, einen großen
Teil des Wassers bei mäßiger Temperatur auf dem Wasserbade entfernt,
wobei sehr viel Wasser aus dem Gehirnbrei sich auspreßt und einfach ab-
geschüttet werden kann. Wir haben diese Methodik aber sehr bald ver-
lassen, da das Erwärmen des Hirns manche Substanzen dermaßen verän-
dert (insbesondere wenn man größere Quanten aufarbeitet und nicht rasch
genug operieren kann), daß die gesättigte Gruppe sehr stark gefärbt wird.
Das Trocknen mit reinem Aceton in der Kälte, welches wir gleichzeitig ver-
wendet haben, ist durchaus keine ideale Methode. Vor allem erfordert sie sehr
große Quanten Aceton, den man wegen seines Wassergehaltes später nicht
^) J. L. W. Thudichum, Die ehemische Konstitution des Gehirns der Menschen
und der Tiere. Tübingen bei F. Pietzcker. 1901. p. 74—87.
-) Sigmund Fränkel, Gehiruchemie in Asher-Spiro, Ergebnisse der Physiologie.
Vm. 212—253 (1909). Wiesbaden bei J. F. Bergmann.
^) Ä. Erlandsen, Untersuchungen über die lecithinartigen Substanzen des Myo-
cardiums und der quergestreiften Muskeln. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 51. 71 (1907).
*) Jakob Parnas, tJber Kephalin. Biochemische Zeitschrift. 22. 411 (1910).
Darstollmii.' von Lipoidon ans Gcinni mm ;imi"!';i w.mimu (jjrj
venvendcn kann. Ahci- man ist dcicli iii ilcr La^c, auf \Vf»i.'f. wenn
auch mit grolien Apparaturoii. vonviirts zu koiiiiucii und i;
<iut aufzuarhoiton. Diese Methodik der EntwilsstM'un^' mit Aeeton i
auch Jakob F<trutts üheriiomnien, aber nicht folyrerichti^r fori;.'
sofort die Henziuexti-aktion anscldori.
Das Trocknen von Hirn im N'akuum. \v«'l(h('s wohl d;i- im' .m-i. ■-. i.
haben wir mit unseren Apparaturen hddei" bei ixrölicn'ii <hi int, n n , ht
durchführen können, wie ja überhaupt das Trocknen koHoitlal«
im Vakuum bei mäßigen Temperaturen sehr schwierijr und nur aut
konstruierten Apparaten durchführbar ist. Mit kleinen, .sehr niedri«/ er-
\Yärmten Vakuura-Trockenschränken . wie sie in I-aboratorien übhch sind,
kann man so viel Material, wie mau es zur Aufarbeitung «h-r Lipoide bi»-
uötigt. nicht verarbeiten, und insbesondere, wenn mau (h-uauf hinzielt, nicht
nur Individuen zu isolieren, sondern auch deren Ilvdroly-e durchzuführeii.
keine guten Erfolge erzielen. Auch das Trocknen ohne N'akuum mit warmer
Luft, wie etwa mit dem E. S. Faustf<c\\Qn Apparate'), hat sich, für das
Gehirn wenigstens, nicht bewährt, während es bei anderen (ieweben. «lie
weniger lipoidreich sind, sicherlich von groliem Vorteil sein kann. 1'. h'uhoir-)
trocknete Herzen, die in kleine Stückchen geschnitten und auf flachen
Schalen ausgebreitet waren, bei Zimmertemperatur in einem geschwind
wechselnden Luftstrom. hervorgebi-acht durch einen kleinen elektrischen
Ventilator. Ä. Erlandscn 3) hat diese Methode (verändert) bei der Nerarbeitung
von Herzmuskeln verwendet. E.r konnte 5 ky Muskeln in M 48 Stunden
bis zum Pulver aufarbeiten.
.Man hat schon mehrfach den Vorschlag gemacht, zur Darstellung
von Cholesterin aus dem Gehirn letzteres in der Weise zu verarbeiten,
daß man das Wasser des Gewebes an anorganische Salze bindet und so
das feuchte Gewebe in ein trockenes Pulver verwandelt. Zuerst wurde (ups
für diese Zwecke benutzt.*) Es hat auch A. W imlnus ■^) (V\\^^ mit \ orteil bei
der Verarbeitung von Nieren auf Cholesterin und Cholesterinester ver-
wendet. .Man muH zu diesem Zwecke die dreifache Menge wasserfnden (ups zu
der fein zerriebenen Masse zusetzen, gut durcharbeiten und dann erhärten
lassen. .Man bekommt auf diese Weise wohl sehr rasch ein trockenes Pulver, aber
man vermehrt das Volumen auf das Vierfache, .so daß man sehr große Ext rak-
1) E.S.Faust, t)ber das FaiilHisffift Sepsiii. Aicliiv für experimentelle Patlir
und Pharmakologie. 51. 248 (1904).
-) r. liuhoir, Über den Locitiiinirelialt des Herzens und der Nien -< Vu-luv fnr
experimentelle Pathologie und Pharma k(dogie. 52. 173 (HK);')).
*) Ä. Erlandsen, Untersuchungen über die lecithinartigen Snbsian/.n j,
kardiums und der quergestreiften Muskeln, /eitsehr. f. physiol. Chemie. 51. 71 ....
*) U. A. hat <). L'osrtiliriin, <>ii tiie preparation of ciioh>t.rui froni bniin. Journ
of physiology. 34. 104 (I'.)ÜG), Cholesterin auf diese Weise dargestellt; ferner seine Mu-
arbeiterin M. Chri.stine Tebb, The Cholesterin of the brain. Journal of pli ysioloff) . •'»»
IOC. (I'.IOO). , , . ..,,.,
■ ) A. Windaus, Über die (|uantitative Bestimmung des Cholesterin« tind der l-hoie-
sterinester in einigen normalen und pathologischen Nieren. Zeitschr. f. phyuiol. Chcmio.
6.5. 110 (P.)IO).
616 Sigmund Fränkel.
tionsapparate benutzen muß; so kann man diese Methodik wohl nur mit Vorteil
bei kleinen Versuchen verwenden, wie es auch A. Windaus getan hat.
Für die Darstellung von Cholesterin und auch für Protagon hat man
vorgeschlagen, das zerkleinerte Hirn mit ungefähr der anderthalbfachen
Menge wasserfreien Natrium sulfats zu zerreiben und dann durch ein Sieb
zu reiben. B. Bünz i) hat zuerst dieses Verfahren vorgeschlagen, dann haben
A. C. Lochhead und W. Gramer ~) dieses ^'erfahren verwendet. Wir wurden
auf dieses Verfahren erst aufmerksam, nachdem wir mit Aladar Elfer eine
Methodik veröffentlicht hatten, Blut, insbesondere Blutserum mit Glauber-
salz zu trocknen und dann die Lipoide aus diesem trockenen Pulver zu
extrahieren. '^) Beim Serum ermittelten wir vorerst den Wassergehalt und
setzten dann um lO^/o mehr als die berechnete Menge gut ausgeglühten
Glaubersalzes zu. Um das ganze Wasser von 1 kg Serum zu binden, wären
nun theoretisch 610^ geglühten Glaubersalzes notwendig. Wir setzen aber
ca. 670 g pro 1 kg Rinderserum zu. In 1 — 2 Stunden ist das Serum zu
einer festen Kristallmasse erstarrt, die man im Stahlmörser oder auf der
Kugelmühle pulvern kann.
Dasselbe Verfahren nun verwendeten wir bei einer Reihe von Geweben,
insbesondere aber beim Gehirn. Da das Gehirn im Durchschnitt TO^/o Wasser
hat, kommt man mit viel weniger Glaubersalz aus als beim Serum.
142 Teile geglühten Glaubersalzes vermögen 180 Teile Wasser zu binden.
Auf 1 kg Hirn verbrauchen wir nur 600 g Glaubersalz, so daß die Be-
schwerung nur ßO^/o ausmacht, während die früher erwähnten Forscher
das Gewebe mit der anderthalbfachen Menge, also mit löO^/p beschweren.
Das ist durchaus kein unwesentlicher Vorteil.
iVber so gute Resultate dieses Verfahren in unseren Händen auch
gezeitigt hat, und so häufig wir es auch in verschiedenen Fällen angewendet,
so konnten wir uns doch bei unseren Erfahrungen nicht der Erkenntnis
verschüeßen. daß dieser Methodik einige Fehler anhaften. Als solche Fehler
sehen wir folgende an: Es ist sehr schwer, die Substanz nach dem Aus-
kristallisieren mit Glaubersalz in größeren Mengen sehr fein zu pulvern
und man hat viele große Kristalle vor sich, so daß die Extraktion sehr
lange dauert. Ein zweiter Nachteil, der sehr ins Gewicht fällt, ist, daß die
ungesättigten Phosphatide, insbesondere das Kephalin, wie wir schon in den
Untersuchungen mit E. Neuhauer ^) gezeigt haben, Glaubersalz in Petroläther
aufzulösen vermögen, und zwar etwa 17% ihres Eigengewichtes. Wir haben uns
auch überzeugt, daß bei der Verarbeitung des Gehirns nach dieser Methode das
dargestellte Kephalin deutlich die Reaktion der Schwefelsäuj-e gab. Ein weiterer
*) i?. Bünz , Ülier das Vorkommen von Cholesterinester im Gehirn. Zeitschr. f.
physiol. Chemie. 46. 47 (1905).
^) A. C. Lochhead und W. Gramer, On the phosphorus percentage of various sam-
ples of Protagon. Biochem. Zeitschr. 21. 321 (1909).
^) Sigmund Fränkel und Aladar Elfer, tlber ein Vei'fahren der Serumtrocknung.
Biochem. Zeitschr. 28. 330 (1910).
*) S. Fränkel und E. Neubauer, Über Kephalin. Biochem. Journ. 2. 350 (1907).
DarstelluiifT von Lipoiden ans (ichirn iimi iimlorcn Geweben. i;\1
Nachteil war, daß bei den Extraktioiion, selbst mit sciir leicht siedendem Tetrol-
äther, am Boden des Kxtraktionskolbens sich «-in weiiij/ mit Glatibf-rsalz {fo-
sättigte Flüssigkeit absetzte. Dieser letztere Naelifeil könnt.' aber durch
nenerlicli(\s AufnehnKMi des liodensatzes in retn.läther behoben werden.
AVir siiciiten nun nach einem anderen TrocknunL^sverfahren, • " '
all die Vorteile liat, die man durch das rrinzij) des Binden^ n.,„
Wasser an wasserfreie anorganische Salze erzielen kann, aber
ohne die bei unserer Glaubersalzmethode beobarhteten Nachteile ist. Wir
haben mit Vorteil versucht, sowohl bei Gehirn als auch bei I'.lut und Leber,
diese Gewebe in der Weise zur Trockene /.u bringen, dab wir sie mit
etwas mehr als der berechneten Menge wasserfreien , phosjjhorsauren
Natrons behandelten. Wir verwenden das Dinafriumphosjjhat . welches
12 Moleküle Kristallwasser bindet. Es ist zweckmäliig. das I>inatriuinj»h(K-
phat (gewöhnliches einfach saures jihosphorsaures Natron) selbst im Labd-
ratorium zu entwässern, um kein pyrophosphathaltiges .Material zu bekommen.
Bei der Bereitung hielten wir uns an eine Angabe von T. C Whitlod- und
C. E. Barfield^) und entwässerten das Salz bei einer Temperatur von \h{) bis
ITU". 142 Teile des wasserfreien Salzes binden nun 216 Gewichtsteile Wasser.
Für 1 hg Hirn mit 700 g Wasser benötigt man also mit einem Aufschlag
von etwa lOVo insgesamt 500 ^z des wasserfreien Natriumphosphates, so daU
theoretisch die Beschwerung nur oO^/o wäre, während sie beim Glaubersalz
ca. ßO^'/o beträgt. Aber wir haben bei Ausarbeitung^ liesi-r Methode beob-
achten können, daß sie gegenüber der Glaubersalzn-j. ihode noch einige an-
dere große Vorteile besitzt. Wenn man den Gehirr ^rei rasch in womöglich
im Thermostaten vorgewärmten Beibschalen mit uem Phosphat zusammen-
bringt, so bleibt die Masse flüssig und man sieht, wie eine konzentrierte
Salzlauge in der Masse verteilt ist. Bringt man nun rasch diese noch
warme Mischung in eine ebenfalls auf 40" gewärmte Presse, so gelingt
"es, einen sehr großen Teil des Natriumphosphats mitsamt dem Wasser
abzupressen. Auf diese Weise verringert man das \olumen sehr beträcht-
lich. Es beruht dies darauf, daß die Kristalle des Natriumplio>pliats mit
12 Mol. Wasser bei 85o schmelzen und selbst nach dem Kikalten bleiben
die geschmolzenen Kristalle nach Marx lange Zeit flü.ssig. werden dann
sirupartig und gestehen endlich zu einer seidenglänzenden, strahligen Ma^se.')
Die Methode des Arl)eitens mit Natriumphosj)hat bat nun iregen-
über den vorher beschriebenen nach unseren Frtaln ungen den \drteil. dalJ
man von Haus aus das Gewebe mit weniger Salz beschwert, daß man aber
einen großen Teil des Salzes und mit ihm des Wassers abpressen kann
und somit sowohl das Volumen als ancli das(;ewicht des zu extrahieren-
den Gutes ungemein verringert. Bei (b'i- l-ixtraktion gebt das Natriuni-
phosphat nicht in die Lösungsmittel, man erhält auch am l'.oden der Ex-
*) T.C.Whitlock und C. K. Harßcld, Kntwässoninp (I<t Nntriiimpliosphatkristallc.
Anieric. Chem. Journ. 22. 214 (IHitT).
'-) Gmclin-Kraul, llaiidlMicli ilcr :inoriranisrlnMi Clicinio. 7. .Vutl 2. 1. T 393 (liWB)
Heidelberg bei Carl \\ intiT.
618
Sigmund Frank el.
traktionsgefäße nicht die bei der Glaubersalzmethode beobachteten glauber-
salzgesättigten Tropfen. Hingegen ist es möghch, nach der Phosphat-
methode getrocknetes Hirn, Blut etc. zu einem ungemein feinen Pulver zu
zerreiben, welches sich sehr leicht und viel besser als mit Natriumsulfat ge-
trocknetes extrahieren läßt. Nur bei einem Leberversuch sahen wir. daß
beim Extrahieren mit siedendem Ligroin ein wenig geschmolzenes Natrium-
phosphat durch die Filter mitging, sich aber nachher leicht von den
organischen Substanzen durch Lösungsmittel trennen ließ.
Wir gehen in der Praxis in der Weise vor, daß wir die gewogene
Gehirnmasse mit ihrem halben Gewicht trockenen Natriumphosphats, das
wir in kleinen Portionen unter stetem Reiben zusetzen, in Schalen bei
Körpertemperatur verreiben, dann das verriebene Gut in warme Tücher
einschlagen, auf einer vorgewärmten Presse möglichst stark abpressen und
dann in großen Glocken über Schwefelsäure oder auch an der Luft erstarren
lassen. Hierauf läßt man das Gut, das man grob zerkleinert hat, durch
eine Fleischmaschine laufen, welche sehr klein gelochte Einsätze hat. Bei
diesem Prozeß zerfällt schon das Gut sehr leicht. Sollten sich noch feuchte
Stellen zeigen, so genügt ein mehrstündiges Einbringen in evakuierte
Glocken über Schwefelsäure, um die Masse in ein vöUig trockenes, unter
dem Pistill leicht zerfallendes feines Pulver zu verwandeln. Dieses wird
hierauf den weiteren Prozeduren, z. B. dem Laufen über eine Kugelmühle
resp. dem jetzt einsetzenden Extraktiousprozeß, unterworfen.
Von allen bis jeM versuchten und angewandten Verfahren erscheinen
uns für Gehirn die jVfe^hode der kalten Entwässerung mittelst Ace-
tons sowie die Methode des Trocknens mittelst Natriumphosphats
gegenwärtig als die besten. Das soll keinen Forscher auf diesem Ge-
biete abhalten, nach neueren und besseren Methoden zu suchen.
Auf eine alte Methodik möchten wir besonders aufmerksam machen,
von der wir glauben, daß sie für manche Zwecke bei zweckmäßiger
Modifikation zum Ziele führen kann. 1885 hat F. Baumstark'^') eine
Methodik beschrieben, bei welcher Gehirn in einem Gazenetze in einen
Exsikkator gehängt oder auf einen durchlöcherten Einsatzboden gelegt
wird, wobei am Boden des Exsikkators der achte Teil des Kubikinhal-
tes Äther vorhanden ist. Aus dem frischen Hirn tropft eine bluthaltige,
wässerige Lösung ab. Den Äther erneuert man von Zeit zu Zeit wieder.
Dann befreit man das Hirn von den Hirnhäuten, zerschneidet es in grö-
ßere Stücke und wickelt diese in Gaze und legt die Gehirnmasse so in
Äther ein, daß sie von Äther bedeckt ist. Die Gehirnmasse liegt auf
einem Einsatzboden, so daß das Gehirnwasser immer nach unten abfließen
kann. F. Baumstark beendete die Entwässerung trotz häufigen Wech-
seins des Äthers erst nach 2— ?) Monaten und extrahierte dann mit Äther
wieder zwei Monate. Man sieht gleich, daß eine solche Methodik für die
') F. Baumstark, Über eine neue Methode, das Gehirn chemisch zu erforschen und
deren bisherige Ergebnisse. Zeitschrift für physiologische Chemie. 9. 145 (1885).
Darstelluiifr von Lipoiden uns Gcliirn uml aiuleren i'i'i
gegemvärtif^-e Laboratoriumstccliiiik und für dir «rroricii Mrii-cii. tun die ps
sich handelt, in dieser Ansfülininj,^ völlij:,^ un^^eeigiiet ist. alu-r lifi tni-fi. n
Versuchen, diese Methode nach/uprüt'en, plaubon wir «loch -^
haben, dali man diesen Gedanken nicht ohneweitcrs verwerfen soll, son-
dern daß er ansbildunfisfähig ist. Wenn man das Geliirn nach Abzicli.-u
der Häute und Abwaschen vom Ühite. nachdem es die Fleischmaschine
passiert hat, in Scheidetrichter füllt, und in einem dnnkeln Räume mit
frisch über Natrium destilliertem Äther über^^iel.U und (h-n Schcidotrichtcr
.'Schließt, so findet man schon am nächsten Taj^e )» Schichten: 1. ''i'i'-
ätherische, über dem Gehirn stehende, 2. den Gehirnbrei, weicherauf»
dritten , opaUsierenden , sehr stark eiweißlialti^'^en Flüssi^^keit schwimmt.
Letztere kann man durch den Hahn des Scheidetrichters ablassen. Leider
hat Petroläther nicht dieselbe Wirkung, anscheinend, weil er sich viel we-
niger als Äther in Wasser löst. Wii- konnten, mehrfach den Äther wech-
selnd, ans einem (iehirnbrei von :»600 // insgesamt eine wässerige Lösnni,'
von Eiweißkörpern von 1700 cni^ abscheiden und abpressen. Im .\ther fanden
"wir dieselben Substanzen, wie in unseren Aceton- und retrolätherfrakti«inen.
Wir führen diese Versuche hier nur an, um zu zeigen, daß solche Er-
fahrungen älterer Forscher nicht ohneweiters wegen ihrer bisherigen Miß-
erfolge vom grünen Tische aus zu belächeln und zu verwerfen sind , son-
dern daß man sich bei Ausarbeitung eines solchen Gedankens, für !>e-
stimmte Zwecke wenigstens, wenn auch nach starker Modifikation der
Grundidee, ihrer noch sehr gut bedienen kann ; jedenfalls dann, wenn es
sich um die Kontrolle auf anderem Wege gefundener Resultate handelt,
um festzustellen, ob ein gewonnenes Produkt tatsächlich ein rrimärprodukt
oder etwa ein Spalt- oder Kunstprodukt ist.
Es v^'urde auch der Versuch gemacht. Lipoidi' direkt ans feuchten
Geweben zu isolieren. Man muß sich vor Augen halten, daß dabei, insbe-
sondere wenn man Äther oder Petroläther als Extraktionsmittel benüt/t,
wie dies bis jetzt geschehen ist, nur daran zu denken ist, daß man Chole-
sterin, Cholesterinester und die ungesättigten Phosi»hatide erhält. Ferner
ergibt sich eine andere Schwierigkeit nach der Richtung hin, tlaß einzelne
ungesättigte Phosphatide aus ihren wässerigen Pseudolösunucn mit Äther
nicht extrahierbar sind, wie dieses schon J. /.. H'. Tlnn/irlmm be-
kannt war.
Es ist bis jetzt nach keiner Richtung hin ein l'.eweis erbracht wor-
den, daß chemische Verbindungen zwischen Lipoiden und i;i\\eil'iköri)ern
existieren. Es ist dieses auch höchst unwahrscheiidich, da man nach Ex-
traktion von Geweben mit verschiedenen Lösungsmitteln nnd nach Ver-
dauung des Rückstandes doch wieder Phosi)hatide erhalten mül'.te, was
uns aber in unseren Versuchen durchaus nicht gelungen ist. Wir niü-en
daher die Existenz .solcher Lipoideiweißsubstanzen in chemischem Sinne
vorläufig leugnen: nnders ist aber an eine i)h\sikalische Verbindnn.T
zwischen beiden zu denken.
620 Sigmund Fränkel.
Gegen die Methodik, Gehirne mit Aceton zu trocknen, hat Ivar Bang^)
Einwendungen erhoben. Er vermißt den Beweis, daß Aceton die ent-
sprechenden Dienste leistet und wünscht Kontrolluntersuchungen über die
Zusammensetzung des Ätherextraktes einmal nach dem Trocknen und das
andere Mal nach Acetonbehandlung. Für solche Untersuchungen schlägt
er Herzmuskel als das bestgeeignete Material vor. Jedermann, der solche
Einwände erhebt, muß vorerst sagen, weshalb er sie erhebt, oder mindestens
ein Experiment ausführen, aber wir können bei unserem neuen Trocknungs-
verfahren mit Salz (Glaubersalz oder Natriumphosphat) genau die gleichen
Beobachtungen machen wie bei dem früheren Verfahren der Acetontrocknung,
müssen aber von vornherein sagen, daß eine Kontrolle einer Gehirnmethodik
am Herzmuskel durchaus nichts beweisen würde, denn die Phosphatide der
verschiedenen Organe sind, wie wir in zahlreichen Untersuchungen fest-
gestellt haben, verschieden und wir haben schon öfter darauf hingewiesen,
daß die Methodik der Lipoidextraktionen füi' jedes Organ erst adaptiert
werden muß und selbst Ivar Bang, welcher auf S. 41 dieses Verlangen an
uns stellt, sagt auf S. 28 wörtlich: ,,es ist demgemäß gar nicht gesagt, daß
ein Darstellungsverfahren, das sich für gewisse Organe bewährt hat, nun
auch allgemeine Gültigkeit besitzt; im Gegenteil, man muß überall für jedes
bestimmte Organ erst die Versuchsbedinguugen ausprobieren, auch kann
dasselbe Organ unter wechselnden Umständen sich recht verschieden ver-
halten'-, was wir alles um so eher bestätigen, als diese Behauptung
I. Bangs auf unseren Versuchen und auf unseren Darstellungen basiert.
Vorläufig haben wir über pathologische Organe noch nicht genügende Er-
falu'ungen, um ihnen unsere Methodik zu adaptieren, und gehen genau so
vor wie bei physiologischen. Jüngst hat Budolf AJlers ^) diese Methodik der
Acetonextraktion mit großem Vorteil bei der Untersuchung pathologischer
Gehirne (senile Demenz) verwendet und hierbei das Auftreten von Spaltungs-
produkten der hochkomplexen Phosphatide wahrscheinlich gemacht,
Methodik der Extraktion.
Als Ausgangsmaterial verwenden wir insbesondere bei Gehirnen
menschliches Material, da uns dieses leichter zugängUch ist als tierisches
und da auch der Lipoidgehalt ein höherer und die Gehirne sehr schwer sind.
Außerdem verwenden wir nach Maßgal)e der Versuche verschiedene
tierische Organe, welche möglichst frisch zur Verarbeitung kommen können.
Das auf eine der beschriebenen Weisen getrocknete Gut extrahieren wir
in großen metallenen Extraktionsapparaten (s. Fig. 161). Diese Extraktions-
apparate fassen imNutzraume zirka 2kg Extraktionsgut. Auf einem Siebboden
aus Zinn steht die Papierhülse aus schwedischem Filtrierpapier, in welche
das gewogene Gut eingefüllt wird. Das Hauptextraktionsgefäß ist aus Kupfer,
innen stark verzinnt, außen ist Quecksilberrot aufgetragen. Die Zuführungen
') Ivar Bang 1. c. p. 41.
^) Rudolf Allers, Zeitschr. f. d. gesamte Neurologie u. Psychiatrie. 5. 467 (1911).
Darstellung von Lipoiden aus (ioliirn und anderen Ol-wcI
Fiff. 161.
ICU.
Erklärung der Figur 161:
niolii- Ki'rrtireiljniiK,
021
KOHXDICinUND
kann man hei diesem Auslanf. wenn
lUhn A
- H
« C
I KxtraktiMir.
■2 Hotir für auriit«i|r«Ddo KsiraklioD*flaMl|rk*tl
'A I{i>t)errolir.
4 StatiT.
5 «li'ktriiirho lii>iKpl»lt«.
•i KtindkoUx-n uun (um.
7 Sriiiilrhon mit Ug.
8 (ilanrobr.
0 dnppxlt wirkendor Kublttr.
10 Knrkstopfen.
11
l'J Scbraaben.
sind aus Ziniimlir. die lliUine aus
Mcssinj; und iindcrst ^enau t'inf^o-
sehliitVn. Der Extraktionsapparat
ist nichts anderes als ein g^rolW-r
Soxhletapparat. Das weitere Kolir
für das aufsteiu^cnde Kxtraktions-
mittel ist mit Isolierschniir {j^ut
isoliert, um dir Kondensationen
innerliall) dieses Ktdires möf^liehst
liintanzuhalten und «larf nicht /u
en«; Ln'Nvählt sein. In unserem Falle
istsein äulierer Durchmesser 2':') cm.
An dem Hel)er aus Zinn haben
wir zwei neue N'orrichtuniren an-
gebracht (ich verdanke «lie Kon-
struktion dieses Apparates nu'inem
früheren Assistenten Dr. Wultrr
L. H<il/r).^) Der lieber tniirt in
halber Ilülie ein NerbinduuL^srohr
und einen Hahn .4. Wird der
Hahn geöffnet, so funktioniert der
Heber als kleiner Heber und es ist
möglich, mit dem grolien .\pparat
auch nur die Hälfte des tiutes.
mit der liiilfte des sonst nötigen
Lösimgsmittels /u extrahieren.
Aullerdem ist am unteren Teile
des Hebers ein .Vblaufndir mit
einem Dreiwegiiahn /»' eingerich-
tet, welcher es ermöglicht, erstens
jeweilig Proben zu entnehmen, so
daß man imtersuchen kann, ob
das I-Atraktionsmittel noch etwxs
aufnimmt oder nicht, zweitens
man noch einen Kühler zu.schaltot.
•) Norh nirlit pnhliziort.
622
Sigmund Frank el.
aus dem Kolben direkt die ganze Menge des Extraktionsraittels abdestil-
lieren. Durch diese Anordnung hat sich die Zeitdauer der Extraktion bei
vollgefülltem Extrakteur fast auf die Hälfte reduziert; der Grund liegt
darin . daß die Heberwirkung häufiger als früher bei den normal kon-
struierten Apparaten eintreten kann. Bei diesen kommt es sehr oft vor
und besonders, wenn man mit niedrig siedenden Extraktionsmitteln ar-
beitet, daß der Heber nicht in Aktion treten kann, weil der Auftrieb der
Dämpfe dem Überdruck der Flüssigkeitsmenge im Extrakteur mindestens
das Gleichgewicht hält. Man ist dann genötigt, die Heizung abzustellen
und den Kolben, der den Extrakt aufnimmt, abzukühlen, was mühsam und
zeitraubend ist. Der oben erwähnte Hahn A gestattet nun, durch einfaches
Öffnen den Druck der Flüssigkeitssäule plötzlich bedeutend zu erhöhen,
so daß der Heber zu ziehen beginnt. Man kann dann den Hahn schließen,
ohne daß die Hel)erwirkung davon beeinflußt würde. Der modifizierte
Soxhletapparat hat an seiner tiefsten Stelle einen großen Hahn C, durch
welchen mau eventuell zum Schluß alles Lösungsmittel in den Kolben ab-
lassen kann. Dieser Hahn C spielt eine Rolle, wenn durch irgend einen
Zufall das Heberrohr, beispielsweise durch Auskristallisieren der Substanz,
verstopft wird. Der Deckel des Apparates ist mittelst einer Kork-
dichtung auf das Hauptstück zugepaßt und mit sechs Stellschrauben
befestigt. Auf dem Deckel ist ein großer Schlangenkühler von über 1 m
Länge und doppelten Kühlflächen aufgesetzt, der oben wieder mittelst
Kork mit einem langen, nach abwärts gebogenen Glasrohr in Ver-
bindung steht, das in ein Gefäß mündet, in welchem Quecksilber das Rohr
sperrt. Der ganze Apparat wird auf einen großen Jenaer Rundkolben
mittelst Kork dicht aufgesetzt. Diesen Rundkolben heizt man entweder mit
einem elektrisch betriebenen Wasserbad oder auf einer großen elektrischen
Heizplatte. Bei den elektrischen Bädern und Heizplatten muß man darauf
sehen, daß die LTmschaltungen nicht in der Nähe vom Heizkörper sind,
sondern recht weit entfernt davon, damit nicht eventuell beim Umschalten
Funken abspringen und zu einer Zündung Veranlassung geben. Alle Korke,
welche genau passend und aus bestem, w^enig porösem Material sein sollen,
werden mit einem ziemlich wässerigen, dünnflüssigen Gipsbrei nach dem
Einfügen überstrichen, um eine erhöhte Dichtigkeit zu erzielen. So bildet
dieser Apparat ein völlig geschlossenes Ganzes, aus dem nur minimale
Mengen von Lösungsmitteln bei dem Quecksilberverschluß entweichen können.
Die Bruchgefahr ist eine geringe. Gegen den Siedeverzug geben wir ent-
weder mit Petroläther gewaschene Holzspäne oder Glaskapillaren in den
Kolben. Ist der Gang des Apparates einmal reguliert, so kann man ihn
ohne weitere Beaufsichtigung trotz der großen Mengen feuergefährlicher
Extraktionsmittel im Laboratorium laufen lassen. Große Vorsicht ist nur
notwendig bei der Befestigung des Kolbens, um einen Bruch desselben zu
verhüten, welcher natürlich dann, wenn Feuer in der Nähe wäre, zu einem
Brande Veranlassung geben könnte.
Daisti'lluii),' von IJpoitlcu aus Geliiru »ml aiulcrcn (iewfiten. (;o;j
Acetonextraktioii.
Die hier zu schildoriKic Art der i-Alraktioii liaht- idi
schon, woiiii auch nicht in (h-r hier ^cschihh'rtcn. atisf^cluhlclcn un.i imnn
fiziertcn Form als die Methode der I ruktionierten K\t rakt ion 1k-
schriehen, eine Methode, welche es erniöfilicht. schon bei der Kxtraktion di«-
verschiedenen (liuppen von Snhstanzen niö<:lichsl von einandei- durch Aii-
weiidim»>- passender Hxtraktionsmittel zn scheiden.»)
Wir führen aus Gründen, die ich anderweitii,' schon entwickelt habe.
bei Gehirn besonders zuerst die Extraktion mit Aceton durch. I-'ür die Wahl
dieses Lösuugsmittels treten wir aus mehreren (Jründen ein. \'or allem ex-
trahiert Aceton sehr «.iründlich die Gewebe, indem es alles Cholesterin auflöst,
ebenso alle Cholesterinester und dann auch die acetoidöslichen Phosphatide.
Es ist für jeden in der Gewebechemie ?]rfahrenen von vornherein verstilndlich,
dali bei einer solchen Extraktion auch andere, in die.sem Lösunirsmittel .sonst
nicht lö.sliche Substanzen bei der ersten Extraktion mitgeführt werden und
daß eine weitere Reinigung von diesen unter allen rmständen notwendig
sein wird, denn es handelt sich dann nicht um eine J.ösun^ in Aceton.
sondern um eine Lösung in einer acetoni;^-en ("liole>terinlösnn.ü etc. In
Wirklichkeit gehen sehr wenig acetonunlösliche Phosphatide mit in den
warmen Aceton hinein. Hingegen ist es sehr schwer, Cholesterin völlig mit
Aceton aus Hirn zu extrahieren und ganz kleine Mengen findet man dann
noch immer bei der Aufarbeitung der Kephalinfraktion (s. d.).
Wollte man mit kaltem Aceton die großen Mengen von Cholesterin
aus dem (lehirn extrahieren, so würde man eine sehr lange Zeit inid sehr
viel Aceton benötigen. AVir ziehen es nach unseren bisherigen Erfahrungen
vor, auf dem oben beschriebenen Extraktionsapparat mit Aceton zu e.\trahi<--
ren, der im Extrakteur etwa Körpertemperatur hat. Es .schwankt die Tempe-
ratur im Extraktionsgefäß natürlich sehr, je nach der Temperatur in» Labora-
torium. Warmes Aceton nimmt aus dem Gehirne die großen Massen von ( ho-
lesterin leicht auf, aber mit dem Aceton geht ein acetonlösliches Phosphatid mit.
welches man sowohl in den acetonigen Mutterlaugen findet, nachdem das
Cholesterin auskristallisiert ist, als auch in den alkoholischen Mutterlaugen
des Cholesterins. Aber es ist nicht gerade leicht, das Cholesterin völlig von
dem Phosphatid zu befreien. Bei den grol-eu Mengen von Cholesterin, mit
denen wir es zu tun haben, hat es sich manchmal bewahrt, das Cholesterin,
nachdem es roh aus dem Aceton auskristallisiert war. mit Wa.sser zu
waschen und dann erst dem Lmkristallisieren zuerst aus Aceton, spflter
aus BöVoigem Alkohol zu unterwerfen. Einigemal haben wir die uns von
Julius Mauthner empfohlene Methode, vorerst aus Eisessig und dann erst
aus 85"/oiiit'm Alkohol zu kristallisieren, angewendet und gute Erfolge er-
zielt. In den acetouiucn Mutterlaugen findet sich da> von un- u'it Jh>}.,rt
') Sif/miind Fninhrl, Ühcr l.ipoiili-. \ 1. Mittnlimg. tn)er ein neiips Verfahren der
fraktionierten K.Ktraktion der Geliirnlipdidc. üiocliein. Zpit>5i-hr. 19. 2:>4 (1909).
624 Sigmund Fränkel.
Elias^) beschriebene Phosphatid Leukopoliin, welches Kohlenhydratreaktionen
nach der Spaltung gibt, aber dieser Kohlenhydratspaltling ist keine Galak-
tose und reagiert nicht mit Hydrazinen. Es dürfte sich anscheinend um eine
vielleicht stickstoffhaltige Kohlenhydratsäure handeln. Die Aveitere Unter-
suchung wird erst Klarheit über die Natur dieser Substanz bringen.
In den Aceton gehen außer diesen zwei Hauptsubstanzen noch kleine
Mengen schmieriger Körper hinein und auch anderer färbender Substanzen,
wahrscheinlich auch organische Salze etc., welche man durch die Wasser-
behandlung zum größten Teil entfernen kann. Der Acetonextrakt des mensch-
lichen Gehirnes enthält der Hauptsache nach an Lipoiden nur freies Cho-
lesterin und Leukopoliin.
Petrolätherextraktion.
Nachdem man sich überzeugt, daß Aceton im Extraktionsapparat nichts
mehr aufnimmt, geht man zur Extraktion mittels Petroläther über. Die
früheren Untersucher haben ausschließlich mit Äther gearbeitet. Wir haben
aus mehreren Gründen den Äther vermieden. Äther sowie Petroläther
nehmen der Hauptsache nach nach unseren Befunden nur die ungesättigten
Phosphatide auf. Äther ist aber, wenn man ihn nicht ganz rein und frisch
destilliert für die Extraktion verwendet, bekanntlich eine stark oxydierende
Substanz, dabei bei weitem teurer und durchaus nicht bei großen Massen
ungefährlicher als der von uns vorgeschlagene und verwendete Petroläther.
J. Parnas 2) hat unsere Methodik zu modifizieren gesucht, indem er ohne
vorher mit Aceton zu erschöpfen, Benzin angewendet. Er bringt das viele
Cholesterin nun in die Benzinfraktion hinein. Ferner ist das eine bedeu-
tende Verschlechterung des Verfahrens auch nach der Richtung hin. daß
es nämlich durchaus nicht gieichgiltig ist, welche von den Petrolbenzinfrak-
tionen man für die Extraktion anwendet. Schon niedrig siedender Petrol-
äther nimmt ebenso wie Äther während der Extraktion die weißen Sub-
stanzen der gesättigten Gruppe mit, welche sich im Extraktionsgefäß am
Boden des Lösungsmittels ansammeln, insbesondere, wenn das Lösungsmittel
erkaltet ist. Nimmt man aber höhere Fraktionen der Petroleumkohlen-
wasserstoffe, so werden immer mehr und mehr von der gesättigten Gruppe
mitgenommen und gelöst, denn mit Ligroin z. B. kann man die ge-
sättigten Substanzen völlig aus dem Gehirn herausholen, was wir
auch mit Vorteil benützen. Will man daher nach unserem Vorschlag tat-
sächhch eine Methode der fraktionierten Extraktion anwenden, das heißt schon
während der Extraktion durch passende Wahl und passende Aufeinanderfolge
der Lösungsmittel eine Trennung der drei großen Gruppen der Lipoide, wie
wir sie vorgeschlagen haben : des Cholesterins und seiner Derivate, der unge-
sättigten Phosphatide und der gesättigten Phosphatide, Sulfatide und phosphor-
*) Sigmund Fränkel und Herbert Elias, Über Leukopoliin. Biochem. Zeitschr. 28.
320 (1910).
^) 1. c.
Dai-stellui)',' von Ij|ioi(lt'ii :nis (iiliim miil aiidcrcu r;. -.-i...., , .>
und schwefelfreien Sphinnoualaktosidc (iiirclifiilnvii, so venvcrulo man leuhl
siedeiuleii I'otroläthcr. Nach iiiiscivii Mrf.iliniii;;»'» ist es am In-stou. ciiicu
IVtroliitlici' zu vcM-wciideii, dessen höchste Kniktion hei .'.:)■ ü' jx.^
käut'lirhe l'etroläther entspricht dii'son Anfonh-nnip-n (hn«li;iu- i.ui,u Wir
raffinieren ihn duher durch luidestilheren mit einem !• rakth-niera:;' •
und entnehmen dem käutnchcii nur so viel, his das Thermometer au. ....
ansteigt. Der große iihrigi)hMi)ende Kest wird für andere /wecke verwendet.
Auf diese Weise erhalten wir nur sehr wenig von der gesilttigten Fraktion
in den Extrakt der ungesättigten riiosphatide. \>\ die Extraktion heendet.
so ^vird nach gutem Auskidilen des Petroliithers die Hauj»tmasse der pe-
trolätherischen Lösung in einem Fraktionierkolhen ahfraktioniert, der liest
mit der kleinen Menge gesättigter Suhstan/.en wird auf einem kleinen Filter
filtriert. .\m besten veiweudet man schwedische Filter, welche dieso allerleinste
Pulver ebenso wie Barytfilter zurückzuhalten vermögen. Die petrohitherisclie
Lösung wird nun einfach destilliert; wenn der größte Teil des I'etroläthers
abdestilliert ist und das Thermometer gegen 40" ansteigt, (h-stiliierf man
unter Anwendung von Vakuum weiter, und zwar vom \akuum der Wa.sser-
strahlpumpe. da sonst die Leitungen dei- Koll)enj)umpen zu sehr vom l'etrol-
äther trotz stärkster Kühlung angefüllt werden.
Scheidung des Petrolätlierextraktes.
Alkoholunlösliche Fraktion der ungesättigten Phosphatide :
Kephalin.
In den stark konzentrierten Extrakt gielit man hierauf etwa die
vierfache Menge absoluten Alkohols und rührt stark um. Im ersten
Moment fällt das Kephalin, welches die Ilaujttmasse des Extraktes
bildet, als eine noch flüssige, und zwar sehr dickflüssige .\Lisse, zu i'.oilen.
Man rührt sehr stark mit dicken Glasstäben um und nachdem sich ilie
alkoholische Lösung geklärt, kann man diese dekantierend abgiel'icn. Iii«'raul
gießt man nochmals absoluten Alkohol auf das gefällte Ke|(halin. rührt
wieder stark um, wobei sich dieses in eine feste, fast wachsartige .Masse
verwandelt. Zur Keinigung wird diese >L"isse nach sorgfältigem .\bgielien
und Abpressen des Alkohols mit einem Pistill wieder in nn'iglichst wenig
leicht siedendem Petroläther unter starkem Kühren gelöst. Sollte die Lösunir
nicht ganz klar sein, so schleu<lert man diese auf einer Zentrifuge aus.
Hierauf gießt man die klare Lösung in dünnem Strahle in etwa die
2 — Mache Menge absoluten Alkohols, rührt sie gut um. läßt absitzen, de-
kantiert die Lösung und behandeil den Niederschlag wiederholt unter
starkem Kneten mit absolutem .Mkohol. bis dieser fast farblos abhUift.
Wird ein solches Präparat nun im Vakuum über Schwefels inrr -'trocknet,
so erhält man es nach wenigen Tagen .schon als eine stark n-.>-ii.'e Masse,
die man mit dem Spatel leicht zerteilen und dann nach wiederholtem
Trocknen in ein feinstes, leicht gelbes Pulver verwandeln kann.
Beim Kephalin ist. wie bei keiner anderen Substanz, möglichst rasches
Arbeiten und möglichst rasches Entfernen der Lösungsmittel notwendig', da
Abderhalden, Handbuch der biochemischen ArbeiHmolhcHlen. V 40
(326 Sigmund Fränkel.
man statt einer leicht gelb gefärbten Masse eine schwarze Substanz infolge
der Oxydation erhält. Das so gewonnene Ivephalin ist durchaus noch keine
chemisch reine Substanz. Vor aUem enthält es , wie alle Beobachter über-
einstimmend gefunden haben, in rohem Zustande noch verschiedene Aschen-
bestandteile. Schon Thudichum hat vorgeschlagen, das nach seiner Methode
dargestellte Kephalin über Wasser zu reinigen ^ ), und in unseren Unter-
suchungen mit E. Neubauer^) haben wir tatsächlich für die Elemeutaranalysen
Kephalin über AVasser gereinigt, indem wir es in diesem durch feines
Verreiben zur Quellung brachten, abschleuderten und mit Säure fällten.
Diese Reinigungsmethode ist keineswegs eine ideale. Man verliert sehr viel
von der Substanz, um zu Präparaten zu gelangen, welche stimmende Ana-
lysenzahlen geben. Dem Umstände, daß die Eeinigung des Kephalins schwie-
rig ist , ist es zuzuschreiben , daß im F. Hof }neister sehen Laboratorium
von F. Falk ^) das Gehirnkephalin zuerst als Diaminomonophosphatid
beschrieben wurde, entgegen den Angaben von Thudklnun und daß erst,
nachdem wir mit £". iVewifmer'^) das in der beschriebenen AVeise gereinigte
Kephalin analysiert und genaue Zahlen für ein Monoaminomonophosphatid
erhalten haben, J. Farnas nachher im Straßburger Laboratorium zu gleichem
Eesultate Avie wir gelangen konnte.*)
Alkohollösliche Fraktion der ungesättigten Phosphatide.
Die alkohollösliche Fraktion wird nun im Vakuum stark eingeengt
und hierauf wieder mit absolutem Alkohol aufgenommen, wobei sich manch-
mal noch kleine Mengen einer Substanz, die wahrscheinlich mit Kephalin
identisch ist. ausscheiden. Die alkoholische Lösung gibt, wie schon Thu-
dichum beobachtet hat, mit einer schwach ammoniakalischen alkoholischen
Bleiacetatlösung einen Niederschlag. Thudichum hat diesen Niederschlag
weiter untersucht und aus demselben eine phosphor- und stickstoffhaltige
Substanz, das Myelin , sowie eine verwandte : das Paramyelin gewonnen.
Bei unseren Untersuchungen mit i?ir/?örd' i>örr 5) haben wir den Bleinieder-
schlag nach Ausw^aschen mit Alkohol in Benzol gelöst, und aus der benzohgen
Lösung wieder mit Alkohol gefällt. Als wir aber die Bleiverbindungen hierauf
in alkoholischer Suspension in der Wärme mit Schwefelwasserstoff behandel-
ten, erhielten wir eine kristallisierende Substanz mit sauren Eigenschaften,
welche sich als völhg frei von Phosphor und Schwefel erwies, aber stickstoff-
haltig war und ungesättigten Charakter zeigte. Die Untersuchung dieser Sub-
stanz sowie die Ermittlung ihrer Spaltungsprodukte ist noch nicht beendet.
Thudichum hat vorgeschlagen, das im Überschuß zugesetzte Blei mit
Schwefelw^asserstoff aus dem alkohoüschen Filtrat zu entfernen, was wir aus dem
1) 1. c. p. 129, 130.
-) S. Fränke.J u.E. Neiihmter, Über Kephalin. Biochemische Zeitschr. 21. 321 (1909).
^) Fritz Falk, Zur Kenntnis des Kephalins. Biochemische Zeitschr. 16. 187(1908).
*) Jakob Parnas, Über Kephalin. Biochemische Zeitschrift. 22. 411 (1910).
*) Noch nicht veröffentlicht.
Darstellung' vnn l,i|iuii|(>ii :ui> (idiirn mnl iiKlrnjr (:••«. .1 ^9<t
(irunde veniicidcii, weil das Scliwi'lcll.lci mcisf knlloidal .ni-^ijUlt und kniiin zu
entfernen ist. Es ist viel saulieivr und eint'aclicr. das Hl.-i ..l ( i,l,,il,l,i ahzu-
sclieiden. indem man tropfenweise eine ahsolut alkoholisclic - ;ic* zu der
hlt'ijialtiiicn Lösung- zusetzt, his irerade KonL'«)|>a|»it'r aurierst srliwaiu ' rd
DerNiederscIdau- von Cldorhlei resp. C'hlorhlciammoniak setzt sich s. .,, -..i ali
und kann leicht ai)filtriert wenh'U. Man liltricit nun. fu^t di<' Lösuiit: im Va-
kuum wieder ein, nachih-m man mit einer Spur alkoholischen Ainujoniaks
die Spur freier Salzsäure ahLrestumjjft hat. hie konzentrierte lÄlsung wird
nun mit reinem, wasserfreiem Aceton ausirefällf. wieder in Alkcdiol Lrelüst
und wieder mit Aceton liefiillt. Aus dem so darj^estellten l'raparat hahen
wir dann als Chlorcadmiumverhindunir das Sahidin L'ewonnen. In den
Mutterlauiien des Sahidins fanden wir kaum Spuren von andi-ien Suhstanzen.
Dieses Sahidin erwies sich als nicht identisch mit ( )volecithin.M
Ich möchte an dieser Stelle eine llemerkunt,' über die N'erwenilunj; von
Cadmiumsalzi II in der Analyse dei- Phosphatide einschalten. Uii.sj're Kennt-
nisse über die Lecithiii{iruppe heiuheii. wie jeder, der sich nur ein wniit' in
dei' Literatur dieser Veri)iiidunf:('ii zureclitu'efuiideii. weil», auf der Aiiaivse
der riatinverhindun^- von Strecker und auf den .\iialyseii der Cadmiuni-
verbiiidungen vieler Autoren . iiishesonders von Strich r und Thid/idium.
Kiiii<i('S Mißtrauen getreiiülxT der N'erwciidun^ von Cadmiumsalzeii erreijten
Mitteilungen von Krlandstn, welcher angibt. dal\ die ('lilorcadmiumf;illuiij;eii
nicht quantitativ sind, teilweise weil es alkohollösliche Stoffe gibt, welche
von Chlorcadmium gefällt werden, die jedocli keine riiosphatide sind lunl
weil auch die Cd-Verbindungen in bezug auf die ('- und ll-/alilen aiiden-
Resultate geben, als die freien Substanzen, während die N- und I '-Werte
nicht differieren. Wir haben bei \'erwenduiig von Chlorcadmium bei den
Hirnphosphatideii. das wir lediglich bei Sahidin und l,euki>|ioliiii benutzt,
nicht die gleichen p]rfaliruiigeii gemacht, können aber davor nur
warnen, wahllos in rhosphatidgemisclie, wie ..Lecithin''. Catlminmlösung liineiu-
zuschütten und aus der Analyse „Schlüsse iilier die Zersetzung" zu ziehen.
wie es kritiklos W. Hcubmr-) tut.
Die gesättigte Gruppe.
Wenn man Hirn mit Aceton und Tetroläther oder mit l'etroläther allein
oder auch mit Äther ers(höpft hat. so hinterbleibt in die.sem eine (iruppe
gesättigter Substanzen, welche man mit verschiedenen Lösungsmitteln, am
besten in der Siedehitze derselben, extrahieren kann, und <lie beim Krkalten
sich meist kristallisiert aus dem Lösungsmittel ab.^;cheiden. Die Substanzen,
welche man auf diese Weise erhält, hat man vor mehr als KH» Jahren
.schon beobachtet und sie matiere blanche genannt. rrs|)rtin;;lich hat man
sie noch mit Cholesterin verunreinigt erhalten, aber die sp.teren Forscher
') S. Fränkel w. Kurt fJnmrt, CImt S.iliidm. llio.li.ni / ' "" "MO).
-) W. Hdiliiii f. Hci.liaflitiiiijrcii (iImt (!!-• /..-..•i/liclik. t .- • f.
oxpcr. Pathol. u. Pharmakol. öi». 420 (l'H)8i.
40»
628 Sisrmund Fränkel.
haben diese weiße Substanz mit Äther gereinigt und sie so sicherlich cho-
lesterinfrei bekommen. Diese weiße Substanz der französischen P'orscher
tauchte dann, in jedenfalls nicht reinei-em Zustande, in Deutschland unter
dem Namen Protagon auf. Alle Forscher haben diese Substanz in der Weise
dargestellt, daß sie Hirne, eventuell nach vorhei'igem Trocknen, mit siedendem
Alkohol — entweder mit absolutem oder mit So^/gigem — auskochten oder
bei 450 ausholten und die weißen Absätze dann durch Kristallisation reinigten.
Gegen die Annahme, daß dieses Protagon ein einheitlicher Körper sei.
haben zahlreiche Untersucher mehr oder weniger berechtigte Einwände er-
hoben. Die eine Gruppe behauptete, daß dieses Protagon eine Mischung
von Cerebrosiden und Lecithin sei, was sicher unrichtig ist, da Lecithin
nach dem Ausäthern gar nicht mehr darin vorkommen kann, während an-
dere Forscher Trennungen mit mehr oder weniger eingreifenden Mitteln
vornahmen und einen phosphorhaltigen und einen phosphorfreien Anteil
erhalten konnten. Insbesondere Thudichum hat das große Verdienst, da-
rauf hingewiesen zu haben, daß man phosphorfreie Substanzen und phos-
phorhaltige im sogenaimten Protagon unterscheiden muß.
Hingegen haben andere Forscher an der einheitlichen Natur des
Protagons festgehalten. So insbesondere Gamgee^), sowie A. Kossei und
Freytag-) und in letzter Zeit entgegen allen Einwänden W. Cramer.^) Letz-
terer isolierte sein Protagon, indem er zuerst die Hirnmasse mit 967oig'eni
Alkohol in einer Schüttelmaschine verarbeitete und dann im Eisschrank
absetzen heß. Nach 3 — 4 solchen Extraktionen wurde mit Äther so lange
geschüttelt, bis Lecithin und Cholesterin völlig entfernt waren. Hierauf
wurde der ungelöste Ftückstand an der Luft von Äther befreit und die
braune resultierende Masse leicht in feines Pulver verwandelt, aus dem
nach der Methode von Gamgee mit warmem Alkohol, sowie mit siedendem
absoluten Alkohol extrahiert wurde. Bei letzterem Verfahren wurde der
siedende absolute Alkohol auf das Pulver gegossen und die Mischung 1 bis
2 Minuten im Wasserbad unter Schütteln belassen und die Lösung nach
Cramer durch einen Heißwassertrichter in ein eisgekühltes (xefäß filtriert.
Die Extraktion wurde zweimal wiederholt und das rohe kristallinische
Produkt mit Äther gewaschen und im Vakuum getrocknet. Für die Pie-
kristallisation goß er siedenden absoluten Alkohol auf das Protagon, kochte
ca. 1 Minute und filtrierte. Das so dargestellte Produkt erwies sich in be-
zug auf Ptefraktion und spezifische Drehung bei allen Darstellungen aus
Ochsenhirn als identisch. Dieses veranlaßt Cramer, das Protagon für eine
einheitliche Substanz zu halten, während er die gegenteiligen Resultate, ins-
besondere der amerikanischen Kollegen, Posner und Gies^), in der Weise er-
0 Gamgee, Textbook of physiological chemistry. London, p. 427 (1880); A.Gamger
und E. BlankcnJiorn, Protagon. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 3. 360 (1879).
2) Ä. Kossei nnä H.Frci/ta;/, Nervenmark. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 17. 431 (1893.)
^) W. Cramer, Journal of physiology, 31. 31 (1904); Ä. C. Lochhead und W. Cramer,
Biochemical Journal. 2. 350 (19b7).
*) E. B. Posner und W. J. Gies, Protagon. Journ. of biol. chemistry. 1. 59 (1905).
Darstelluiiff von M|)(ii(loii uns (.cliim iiu.i iiKlcten (.. .v.Imu
(i29
klärt, (lal.i die wochsolndcii l'liosiihoriiicii^cii Im-iid rinkii<tal!i;ipr..|i dvr
Präparate einer Hydrolyse /ii/uschreilK'ii sind, indfin .la. . pm-
tagon bei längerer Kinwirknng von sied.-ndrm AlkolK.I sich zcrset/t
Die anderen rntersnelier hingegen halicii rin«- llcihc von M«'th««len
angegeben, um aus (li<'seni l'rotagon .sowohl phosphorhaltige al.s auch ins-
lu'sondere iihosphortVcic Snbstaii/cn zu gewinnen. l>as größte Venlienst
nach dieser IJiehtnng hin ist 'l'liudichuni /nzuschrcibcn. welcher zwei >olrhe
phosphorfreie Substanzen isoliert und beschrieben hat. von denen er aurh
die Konstitution zum Teil feststellen konnte. Er benannte sie Phrenosin und
Kerasin. Andere Forscher nannten diese phosphorfreien Sidistanzen Cerebro-
side, aber wie ich glaul)e. haben auch die.se Forscher die ('erel)rosi(U' niclit in
einem reineren Zustande in Händen gehabt als Thudiihum. Krst als (innujcf^)
und Thi erfehl er'-) das sogenannte Pseudocerebrin oder Ci-rebroii kristallisiert
erhielten und Thierf ekler'') die Hydrolyse durchfidirte. welche bis anf einen
Punkt identische Resultate mit T/iuilichinns*) llydiolyse des Phrenosin
gab. konnte man von einer reinen isolierten Substanz s|)rechen. .Man mulit«'
die Frage aufwerfen, warum die verschiedenen Forscher — und wir zählen
die ersten Namen unserer Wissenschaft dazu — so verschiedene Pesultate
erhielten und an welchem Punkte ihre Methodik scheiterte'.' Wenn man
die Verfahren, welche Thurfeldtr zur IsolieriniLT de^ Cerebrons iiiuner
w(^chseln(l veröffentlicht hat. betrachtet und sieht, mit welchen .S-hwierig-
keiten er zu kämpfen hatten luid erst nach wievielfachem l'mkristallisieren
er aus dem phosphorfreien rTenienge Cerebron isolierte, so wird man Fol-
gendes darüber aussagen können. Die C'erebroside oder, wie ich sie be-
nannte , die Sphingogalaktoside geben sehr wech.selnde Stickstoffzahlen,
welche immer höher liegen als die Stickstoffzahl ([v< reinen Cerebrons.
sowie seiner aus den Spaltungsprodukten berechneten theoreti.schfn For-
mel. FiS mulj daher in grober Menge eine zweite Substanz, mindestens
eine, neben dem Cerebron vorhanden sein, welche mit dem Cerebron ge-
mischt physikalisch ähnliche Eigenschaften zeigt nnd anch sehr nahe ver-
wandte oder identische Spaltungsprodukte gibt. JSo hat von all den ana-
lysierten Cerebrosiden verschiedener Darsteller nur das Cerebron so niedrige
Stickstoffzahlen. Es ist gaj- kein Zweifel, dali Cerebron kein Spaltling ist,
.sondern direkt im (lehirn vorkommt, und nach unseren rntersuchnngen
besteht kein Zweifel, und darin stimmen wir mit J'osncr und (iits iiberein.
dal'. Tku(lichi())is Phrenosin mit dem Ceri bron identisch i<t. aber (iaiiujer
und Thierfrlder hal)en entschieden da- \Cr(licn>f. dab >ie die.se Substanzen
in weitaus reinerem Zustande in I Linden hatten: man kann Thier-
f'rJdrrs Verdienst nicht bestreiten, gezeigt /n haben. dal\ die FettsiUire,
iini die es sich handelt, nicht Stearinsäure, wie 'rintdichuin inni wie anch
•) fimuf/K. Ti'XtlMK.k i<\ i.li\sioloL'ir;il rlifiiiistn-. Loiiilmi. |> 441 (lS.*<(h
-) //. Tliirrfrh/rr und /:'. ]\'öni>r. (Iflmii /i-itsrlir. f. pli^siol. ( lu-uiie 30. äi:?!!".**»!
') //. Thicrfelder. Cercltron. Zcitsclir. f. plivsiol. Chomi«'. \.\. >\ «11104 »». ibid. 44
3fl6 (190:>), ibitl. '46. 5lS (1905). il-i.l 49 'iSC, (HKMJt.
*) 1. c. p. 182 ff.
55Q Sigmund Fräiikel.
Kossel angenommen haben, ist, sondern eine Oxysäure, die Cerel)ronsäure.
Es ist nun die Frage, was ist denn das eine oder die mehreren anderen
Cerebroside, welche vom Cerebron so schwer trennbar sindV
Fernerhin hat man die Frage aufgeworfen, was die phosphorhaltigen
Anteile dieser weißen Materie sind. Mehrere Forscher, insbesondere aber
Kossei und Freytag haben darauf hingewiesen , daß in dieser weißen Ma-
terie neben Phosphor auch größere Mengen Schwefel vorhanden sind, und
zwar in Form von Schwefelsäure. Thudichum selbst erwähnt nur nebenbei
solche Sulfatide, ohne besonderen Wert darauf zu legen und hat nur ein
Phosphatid als Cadmiumsalz isoliert und als Sphingomyelin beschrieben.
Viele Forscher haben den Schwefelgehalt entweder geleugnet oder nur wenig
Schwefel gefunden. Wir haben in allen unseren Präparaten ohne Aus-
nahme neben Phosphor auch Schwefel gefunden. Man muß nun fragen,
ob der phosphorhaltige Anteil ein gesättigtes Phosphatid ist und daneben
ein Sulfatid vorkommt, oder ob es sich um ein Phosphorsulfatid als
Individuum handelt. Die Methodik der Verarbeitung dieser weißen Materie
muß daher so eingerichtet sein, daß sie allen diesen aufgeworfenen Fragen
gerecht wird und daß man jedenfalls dazu kommt, Substanzen darzu-
stellen, und zwar in solchen Mengen, daß man an ihre Hydrolyse gehen
kann, da die bloße Analyse so komplizierter Gel)ilde, wenn sie auch rein
dargestellt sind, vorläufig nichts besagt, ebensowenig wie etwa beim
Eiweiß, solange wir nichts über die Spaltlinge aussagen können.
Die Methoden der Trennung des phosphor- und schwefelhaltigen
Anteiles der gesättigten Gruppe von den Cerebrosiden sind um so mannig-
faltiger, als alle Forscher auf diesem Gebiete sehr große, fast unüberwind-
liche Schwierigkeiten fanden. Thudichum hat die weiße Materie mehrfach
aus Alkohol umkristallisiert und so den Phosphorgehalt bis auf 0"8Vo
heruntergedrückt. Die weitere lieinigung führte er nach einer Methode
durch, die wir die Bleimethode nennen wolhn.
Die feuchte weiße Materie wird im Mörser mit einer alkoholischen
Bleizuckerlösung, welche kleine Mengen von Ammoniak enthält, zerrieben und
in heißen 85<>/oigen Alkohol eingetragen. Dann setzt man noch weiter
Bleizucker und Ammoniak der heißen Lösung zu. so lange noch ein Nieder-
schlag entsteht. Man filtriert heiß und kocht den Bleiniederschlag er-
schöpfend mit Alkohol aus. Die in heißem Alkohol gelöst gebliebenen Cere-
broside fallen iieiin Abkühlen aus und werden aus absolutem Alkohol um-
kristallisiert, wobei zuerst Phrenosin ausfällt, später Kerasin. In der Mutter-
lauge ist noch Sphingomyelin und Kerasin enthalten, die durch Cadmium-
chlorid trennbar sind, da nur das Sphingomyelin eine Cadmiumverbin-
dung gibt. Das rohe Phrenosin wird durch fraktionierte Kristallisation
vom Kerasin befreit, und zwar in der Weise, daß die alkoholische Lösung
zwischen 50" und 40*^ Phrenosin in Piosetten auskristallisieren läßt. Die Bil-
dung dieser Ptosetten hört bei 28" auf und die über denselben stehende
Flüssigkeit bleibt klar, bis sie auf 26" ausgekühlt ist. Dann fällt das Ke-
rasin als dichte aelatinöse Wolke aus. Das Phrenosin wird durch 8maliges
DaistelliiiifT von Lipoiden ;iii8 (ichirn und anderen O ,;;;|
Umkristallisi(Mon kcrasiiifici ^rcwoniicii. Das so gewoniHMn- l'liniiu>in
war aber iiocli nicht frei von l^liospliafidcn. Cm fs von »ii.-.-n vi.;" i
reinigen, wnrde riirenosin mit Clilorcadminm \«'r>;«'tzt, <la- In/terc ...n.ii
Schwefelwasserstoff zerle^n u\\i\ dii" ^anzt' iMi^cliun«; mit -r.ihm M«mi;,'C'U
Äther behandelt. Die «•elbc l'hosphatid-Schwcfelcadmiiimverbindun'/ l.Wt
sich in Äthei' au! und wird abliltiicrt . wülirmd das Threnosin u,
bleibt. Man löst nun (l;is Phrenosin in hcil'icm Alkohol, filtriert vom S<-Iiw.'-
felcadmiuni nnd kristallisiert abermals. So ^rei-cinijirte l'raparati- cnthlHtfii
aber noch immer '/•: ^^^^ <^^in ^zanzes Troznit rhos|iliatid. welch.', di«»
Pllementaranalyse stark beeinflußt. T/iirr/'r/drr hat die Trcnninrj' von Ccn-
broii und riiosphatiden auf. eine andere W eise ;ui>LM'tidirt. die aber naeh
seinen zahlreichen Angaben und nach un.screr Nacli|iriitiing auch niciit \ulli'_'
gute Resultate liefert. Er entwässert') (iehirn mit Aceton und extrahiert
mit Äther. Bei 0" kristallisiert aus dem Äther eine weil'.e Mas.se au.s. welche
man dem (iehirnbrei zufügt und das (ianze wird mit H;')%ig«'m Alkcdioj
bei 45" bis 50 '^ wiederholt ausgezogen. Die ausfallenden Massen wäscht man
mit Äther, trocknet und löst in Methylalkohol, welcher 75%, Chlontfonn
enthält. Auf einen Teil der weißen Materie nimmt man ."» Teile des Lö>nni:^-
mittels und löst unter leichtem Erwärmen, filtriert nnd lallt verschlossen
stehen. Es scheidet sich an der Oberfläche eine weiCie .Masse ab . ebenso
aus dem ausgekühlten Filtrat. Durch wiederholtes Umkristallisieren erhalt
man eine harte weiße Kruste, welche sich an dei- Olierfläche abscheidet.
Alle Abscheidungeu, auch die aus der Mutterhuige, werden vereinigt und
in der HOfachen Menge eines r.ösungsmittels. bestehend aus 1 Teil Chloro-
form und 4 Teilen Methyhükohol. heiß gelöst. Die auskristallisierende Masse
wird mit einem Zinkreagens i)eliaiidelt. Man erhält die.^'s durch SusjuMidieren
von Zinkhydroxvd in Methylalkohol, Einleiten von Ammoniak uiul /ufüiien
von Ammoniumacetat. Man löst das Cerebron heiß in Methylalkohol, welcher
10% Chloroform enthält, setzt das Reagens zu und kneht, bis si<-h eine
flockige Masse ausscheidet, welche fast alle phosphorlialtiiren Substanzen
enthält. Hierauf filtriert man. Das sich ausscheidende Cerebron kristalli-
siert man noch einmal aus der Chloroformmetliyialk(diolmischung um. In
.seiner jüngsten Arbeit gibt llncrfddcr-] an. daß er nel»en dem Cerebnm
eine dem Cerebron sehr ähnliche und schwer von ihm abtrenid>are Substanz
gefunden. Er arbeitet bei der Darstellung i\Q)> Cerebrons gegenwärtig in di-r
Weise, daß er die fein zerhackte lliinmas.se auf (dasplatteu in «liinner
Schicht aufträgt. Die Platten liegen auf einer mit dicker Samlschicht Ih«-
deckten Eisenplatte und werden durch unterstellte Rrenner .so erwärmt.
daß die Temjjeratur des Sandes an keiner Stelle :)()ö bis 5;i" übersteigt. Ein
über den Platten angebrachter Flügelventilator sorgt für rasche Erneue-
rung der Luft. In den ersten drei Stniuleii wird die Ma->e vXwa alle
') F. Ki/tn/inra iirnl //. r/iicrf'rl'frr, V\tor das Cert-bron. /eitsrhi. I. jih>»iol. Ch«IU.
49. 286 (190G).
'-) Ilirmann Löhnuii;/ und //. T/ihrtihlir, TIht ila- ' rrohroD. W MiHolunt:
Zeitschr. f. physiol. ( liom 08. 4t)4 (li)lO).
g32 Sigmund Fräukel.
10 Minuten mit einem Spatel gewendet, dann seltener. Nach 10 Stunden
hat sie eine Wassermenge, welche zwischen 72 und Tö^/o des Gewichtes
des frischen Gehirns schwankt, abgegeben und eine helle Heischfarbe an-
genommen, sie verbleibt nun noch längere Zeit im Exsikkator und wird
darauf im Soxhlet^chen Extraktionsapparat mit Äther ausgezogen, und
zwar unter zweimaligem Wechsel des Äthers je 3 — 4 Stunden. Die in den
ätherischen Lösungen erfolgenden Abscheidungen trennt man auf der
Zentrifuge, zerteilt den Bodensatz in frischem Äther, zentrifugiert wieder
und wiederholt die Behandlung nochmals für den Fall, daß der Äther noch
gefärbt ist Nach einem, wie die Verfasser angeben, unendlich mühsamen
Verfahren verarbeiten sie nun die so erhaltene weiße Masse. Nur die
Grundzüge des Verfahrens sind veröffentlicht. Zunächst erfolgt eine 6mal
wiederholte Umlösung aus 75"/o Chloroform enthaltendem Methylalkohol.
Hierauf werden die weißen Massen in großen Mengen heißen, den fünften
Teil Chloroform enthaltenden Methylalkohols gelöst und die beim Abkühlen
innerhalb gewisser Temperaturgrenzen erfolgenden Abscheidungen mittelst
Filtrierens durch Warmwassertrichter voneinander getrennt. Auf diese W^eise
trennen sich die kristallisierenden Anteile von den später ausfallenden
amorphen. Eine weitere Trennung innerhalb der so gewonnenen Frak-
tionen läßt sich durch wiederholte Extraktion mit 10»/o Chloroform ent-
haltendem Methylalkohol und weiterhin mit Methylalkohol bei öO" erzielen.
So konnten Löhnung und Thierfelder Cerebron und die amorphe Substanz
trennen. Aber sie können nicht angeben, ob diese amorphe Substanz nicht
etwa verunreinigtes Cerebron ist oder ob es sich um einen von den übrigen
Forschern schon beobachteten Körpei- handelt.
Bei unseren zahlreichen Untersuchungen haben wir schließlich zu
einer Methodik gegTiffen, die wir als den Ausbau eines schon von Kossei
und Freytag^) beschriebenen Verfahrens angesehen haben wollen. Man hat
früher die Cerebroside in der W^eise gewonnen, daß man die Gehirnsub-
stanz mit siedendem Barytwasser versetzt und aus dem abgeschiedenen
Gemisch die Cerebroside mit Alkohol auszog. Kossei und Freytag lösten
Protagon (die weiße Materie) in Methylalkohol und versetzten die Lösung
bei W^asserbadtemperatur mit einer methylalkoholischen Lösung von Ätz-
bai-yt, wobei sich sofort ein voluminöser Niederschlag bildete. Nach dem Dige-
rieren der Flüssigkeit einige Minuten lang auf dem Wasserbade trennt man
den Niederschlag ab. wäscht ihn mit barythaltigem Methylalkohol einmal,
zerteilt ihn hierauf in Wasser und zerlegt die Barytverbindung mit Kohlen-
säure, filtriert hierauf den Niederschlag ab, wäscht ihn mit Alkohol und
zieht ihn sodann bei 50" mit absolutem Alkohol aus, wobei nach den An-
gaben der beiden Forscher die Verunreinigungen, welche sonst den Cere-
brosiden hartnäckig anhaften, insbesondere die Barytseifen der höheren
Fettsäuren, nur zu geringem Teil in Lösung gehen. Die letzten Reste baryt-
') A. Kossei und Fr. Frenfan, tlber einige Bestandteile des Nervenmarks und ihre
\ erliieitun<>- in den Geweben des Tierkörpers. Zeitsehr. f. phys. Chem. 17. 431 (1893).
Daistt'lliuii,' Villi l.ipdiilcii aus (irhirii iiiiil aiiih n i, t,.v\.-|.fn. |j;j^-j
haltiiicr W'rliiiuluiigcii werden ciitlcnit. iiidciii man sie zunnchht anmht
lind wieder mit Kolilensänre läiif^^or boliaiidelf. |)en alij^^et rennten Nieder-
schlag' nimmt man mit absoUitom Alkohol hei ;')()" auf. Aus den» Alkohol
kristallisiert hei Zimmertemperatur zunächst Cerehrin (^Cerehriir ist wohl
identisch mit Thudiclmms riireiiosinK nach 2 Stunden vorwie^'en«! Kt-ra'iin
und durch Smali^cs rmkristallisieren aus Alkohol kann man dieM- h.-iden
Substanzen voneinander trennen. /vV.sv/ und Fni/tn;/ haben aber den in
Alkohol unlöslichen Küekstand. welcher die Phosphatide und Sulfatide ent-
halten niul». in ihrei- Tutersuchun},' nicht weiter bi-riicksichti;:!.
Wir haben durch den Ausbau dieser Methodik, die nach unseren Krfah-
runtiiMi durchaus die beste uiid einfachste ist und weitaus allen übri<,'en. inslxj-
sondere den T/iier/'chler^c]wn mühselifren und kaum literarisch darstellbaren
\'erfahren überlegen ist. jedenfalls bis jetzt bei der weiteren Trennunt: die
besten Krfolge gehal)t. Wie oben angegeben, extrahieren wir die mit Aceton
und Petroläther völlig erschöpften (Jehirne mit siedendem absolutem Al-
kohol. Nach dieser FAtraktion finden wir in den Kückständen Ai-> (iehirns
nur mehr minimale Mengen mit Lösungsmitteln extrahierbarer Anteile. Die
Absätze aus dem absoluten Alkohol werden mit den kleineren Meiiiren
weißer Absätze aus dem Petroläther einfach vereinigt und im I-Asikkator
vöUig nach vorhergehendem gründlichen Auspressen von Äthylalkohol be-
freit. Mau miil'i sehr schart' alle Protag(Hi- und ("ereliro'^iilpriiparate pressen,
um die groi'ieii Mi'iigeii Mutterlauge, welche sie einsclilielien, zu entfernen,
da sonst jedes I'mkristallisieren iUr.^prisch ist. Hie ganz trockene Masse
wird in siedendem absoluten Meth\iailkoliol. und zwar in der gerade aus-
reichenden Menge gelöst, wobei sie fast ohne jeden llückstand in \Äi-
sung geht. In diese siedende Flüssigkeit lassen wir so lange methyl-
alkoholische Atz])arytlösung-, dargestellt aus reinstem, mehrfach iimkri-
stallisiertem Atzbaryt in absolutem .Metliylalkohid. ziiflier.en. so lange
noch ein Niederschlag in der schwach sie(len(len Flüssigkeit entsteht und
bis die Flüssigkeit, die über dem Niederschlag steht, deutlich Phenol-
phtalein rot färbt. Hierauf läßt man die Flüssigkeit auskühlen, filtriert
den Methylalkohol ab. in welchem nur geringe Mengen organischer Sub-
stanz enthalten sind. Nach gutem Abpressen des Nieilerschlages auf der
Nut^che "^verteilt man den Niederschlag' in destilliertem Wasser und leitet,
nachdem der Niederschlag sehr fein verrieben ist. unter öfterem iMirch-
leiben Kohlensäuie ein. Nach mehrstündigem Durchleiten der Kohlen-
säure wird die Masse auf der Niitsche möglichst scharf abge.sau'jt. mehrere
Male mit destilliertem Wasser durchgewaschen. woi»ei noch kleine Men^ni
eines gelben Farbstoffes mitgehen, und hierauf mit «M'." „igem Alkohol und
.M'hheiilich mit kleineren Mengen alisoluten AtliylalkohoF gewa,<chen. Nun
wird die Masse mit siedendem alisoluten Atliylalkoh<»l aus-rliolt . welcher
nur äul.'ierst geringe Mengen phosphorhaltiLM-r Substanzen mitlost. Die
Haui)tmasse aller i)hosph(M-- und xliwefeliialtigen Verbindungen hinuejjen
bleibt, wie wir uns überzeui;t haben, in dem von A'fis>v/ und l'n iftatj nicht
weiter untersuchten liarvtrückstand. Dieser besteht aus den Sub>tan/en.
634 Sigmund Frank ol.
welche Thudichum aiischeiiieiid als Sphingomyelincadmiumchlorid darge-
stellt, und zwar in Form von Barytsalzen.
Phosphorsulfatidfraktion.
Wir arbeiten den Barytrüekstand in folgender Weise auf :
Verfahren a) : Mit etwa 5o/oiger Salzsäure wird der unlösliche Rück-
stand angerieben und so lange mit der verdünnten Salzsäure kalt ausge-
waschen, bis alles kohlensaure Baryum und das in den sauren Sub-
stanzen salzartig gebundene Baryum entfernt ist. Sobald das Filtrat mit
Schwefelsäure keinen Niederschlag mehr gibt, wird die Masse mit
Wasser so lange ausgewaschen, bis aus dem Filtrat die Chlorreaktion
verschwindet. Dann wird die Masse mit wenig kaltem Alkohol gewaschen
und hierauf aus absolutem Alkohol umkristallisiert. Man erhält so eine
sehr stark saure Substanz, mit deren Untersuchung wir beschäftigt
sind. Wird sie in siedendem Methylalkohol gelöst und wieder methylalko-
holische Barytlösung zugesetzt, so fällt das Barytsalz der Substanz aus,
welches glatt in Chloroform in der Kälte löslich ist. ('l)enso in Ligroin.
Als wir diese Beobachtung gemacht hatten, haben wir unser Verfahren
abändern können.
Verfahren b): Die phosphorschwefelhaltige Hirn säure, wie wir
sie vorläufig nennen wollen, erhält man aus dem oben beschriebenen,
Baryumkarbonat enthaltenden Barytniederschlag nach vorhergehendem
Auskochen mit absolutem Äthylalkoi^^jl und so durchgeführtem Befreien
von Cerebrosiden . in Form ihres Baryumsalzes , indem man den
in absoluten Alkohol unlöslichen Rückstand mit Chloroform anreibt, und
zwar mit sehr viel Chloroform oder noch besser mit Ligioiu und von
dem suspendierten und äußerst schwer durch Filtration entfernbaren
Baryumkarbonat durch wiederholtes Zentrifugieren befreit, bis bei wei-
terem Zentrifugieren in den Gläsern kein Bodensatz mehr sichtbar und
nur auf der Oberfläche eine kleine weiße iVusscheidung zu bemerken ist.
Von dieser trennt man durch Abrahmen mittelst eines kleinen Löffels.
Nach dem Einengen der Chloroform-, resp. Ligroinlösung des Baryumsalzes
kann man dieses entweder aus Chloroform auskristallisieren lassen oder
durch Alkohol fällen.
Aufarbeitung der Cerebroside.
Die Cerebroside trennen wir nun durch wiederholtes l^mkristal-
lisieren aus siedendem absoluten Methylalkohol mit einer zur völligen
Lösung nicht ausreichenden Menge. Bei diesem Verfahren erhält man
in absolutem Methylalkohol lösliches Cerebron, welches genau die empi-
rische Zusammensetzung und die Spaltlinge, wie sie Thierfeldcr be-
schreibt, zeigt und eine in Methylalkohol unlösliche, aber aus absolutem
Alkohol kristallisierl)are Substanz, w^elche weitaus stickstoffreicher ist als
Cerebron und welche als Spaltlinge ebenfalls Cerebronsäure und Sphin-
Daistellunir viui Lipoiden aus (ipliiiii uiid :iii»Ini<'ii j;«'«i I.in (^-y^
gosin, aber koint' (Jahiktosc liefert, soiidcni ciiif reduzierende Suh.staii/.
die sich mit Hydra/.iiicn nicht vcrliindct, ali.T aus WasM-r und aus Alkohol
in makroskopischen Kiistallcn krisfalhsicrt. Durch wicih-rholtc Scli
ans nn/nrcichcmk'n Monircn Methylalkohol und <chli<-i;iich durch
holtes Umkristallisieren ans der fünt'/elinfaclien Meiii/e eines '*'••
gleicher Teile von Methylalkohol und Methylacetat kann man d;. ,
von dieser Substanz befreien, <liese aber wie(h'r durch wiederholtes Ausko« hü
mit Methylalkohol sowie Methylalkohol-Methylacetatgeinisch und narhhen-
lixsen des Rückstandes in absolutem Athylalkoliol frewinnen. Mit (h-r Aus-
arbeituns- dieser hier skizzierten, nunmehr sehr vereinfacht<'n Methodik,
welche meinen Mitarbeitern vlA/f/ar FJi'er und Kurt Limurt zu verdanken
ist, sind wir gej^enwärtiji- beschilft iirt.
Das so dargestellte Cerebron hatte den Schmelzpunkt de> J'hirr/rHrr-
sehen Cerebrons, erwies sich aber als aschehaltiL^ \Vii- haben diese beiden
Cerebrosidpräparate durch Auswaschen mit kalter P/oif^er w.isseri^rer Salz-
säure fast aschefrei machen können, sahen aber hierlu'i. dal'i die Schmelz-
punkte der gewaschenen Präparate absanken.
p]s bleibt noch ein Verfahren zu erwähnen, welches (}. Ji'i.sr/ihini
und Christine Tchh angegeben haben, welches es erlauben soll, bei der Kx-
traktion aus dem Gehirn direkt die Zerebroside von den Phosphatiden zu
trennen. Dieses Verfahren l)eruht darauf, dali Pyridin die Cerebroside
schon in der Kälte, die gesättigten Phosphatide erst in der Wärme löst.
Wir haben dieses Verfahren nicht direkt mit (iehirn. aber mit dei
weißen Materie nachgeprüft und haben nicht ilas aiiL-^egebene Kesultat er-
reicht, ein Resultat, welches überdies nicht durch .\naly<en und Det.iil-
angaben belegt ist.
Otto Rosenheim schläft niunlicli voi-. da< plio^phorlialtii:e >pliinLM)-
myelin und die phosi)liorfreien (ialaktoside separat zu extrahieren, indem
er Pyridin als Lösungsmittel verwendet. Kr vt'ht dabei so vor. «lall er zu-
erst das (iehirn mit kaltem Aceton entwässert inid vnn Cholesterin und
Extraktivstoffen befreit. Ilieiaiif erschöpft er das (iehirn mit Äther oder
Petroläthei-. vei-mahlt den llück>tand auf eim'r Midde und erwärmt das
Pulver mit :■} \ol. Pyridin 10 Minuten laui^ bei HU 4()" und läl'.t auf I;'»"
vor der Filtration ai)knhleii. Man erhidt ein klares rötliche«- KAtrnki. weh-lie-;
Absorptionsbanden ähnlich jenem iU'^ Häniochromo^en-« zeigt. Die>er Kx-
tralit bi'konimt fortschreitend eine olivengrüne Farbe: man glelit ihn in
S 4 Vol. .Vceton und erhält ein schweres Pi-äzi|titat von unreinen (Jalak-
tosiden. welches im rohen Zustande nngefiUir '/./'/i. Phosphor enthält und
durch fraktioniei'te Kristallisation in •_' Ilanptteile geschieden wt-rdeii kann:
in das Phrenosin und Kerasin aus Hö^/oig«^'»' Alkohol bei :',(•)" imd bi-i 0«. Die
letzten Spui'en Phosphor können mit essigsaurem llh-i nml ("Idorcadmium
- nach lliudiihum odei- mit /inkannnonacetat nach Thicrjrhlrr
oder durch rmkiistallisieren aus Fisessig nach IT. /v "• A entfernt wer-
den. Das Sphingomyelin wird nun in der Weise dargestellt, «lal'. man da>
Gehinijmlver mit ;j \'ol. reinem Pyridin bei 40-45» eine «.Stund.- lani:
686 Sigmiiiiil Fränkol. Darstellung von Lipoiden aus Gehirn n. anderen Geweben.
erhitzt, das wuiiiu' klare Filtrat kühlt iiiaii auf Eis bis zur Zimiiiertenipe-
ratui" von IT)". Die Lösuu^- wird j>rüiih('hopalisiereud und es setzt sich ein
durchsieht i<i er voluniinnser Niederschlai^- . welchei- als weißes, iiichthyfiro-
skopisches Pulver nach der Filtration und nach dem Waschen mit Aceton
erhalten wird. Dieses Rohprodukt enthält ;)"/o Phosphor und kann dann
nach den frfilicrcn ^'('rf'ahren von 0. Jiosenheim und Tehb gereinigt werden. i)
Die fraktionierte Extraktion der Gewebe mit Ausschluß von Gehirn.
Während beim (jehiru die fraktionierte Extraktion mit Aceton, leicht-
siedendem Petroläther. abs. Alkohol odei' wahlweise mit Ligroin sich uns
als die zweckmäi'iigste sich erwiesen, konnten wir bei anderen Geweben die
Erfahrung machen, dal) nicht unter allen Umständen diese Heihenfolge ein-
gehalten wei'den soh. Vielfach hat es sich als besser erwiesen, das Oi'gan-
pulver vorerst mit Petroläther zu extrahieren und dann erst mit Alkohol.
Der petrolätherische Extrakt wird dann zuerst mit Aceton ausgefällt, der
Niederschlag wieder in Petroläther gelöst und wiederholt mit Aceton ge-
fällt. Besonders bei l'ntersuchungen der Leber, welche Aladar Elfer aus-
geführt, hat sich dieses Verfahren bewährt.
Hingegen hat bei Untersuchungen des Blutes auch diese Modifikation
im Stiche gelassen und Julius Neim/aim und Edinnnd Hermann haben das
A'erfahren, sowohl für »Serum als auch für rote P>lutkörperchen in dei' Weise
angewendet, daß vorei'st mit 95''/oigem Alkohol und dann mit Petroläther
extrahiert wurde. Engt man die alkohohsche Lösung bei hohem \'akuum
ein, so kann man sowohl die Sterine als auch die Phosphatide, welche vorher
in Petroläther nicht in Lösung gingen, nun mit Petroläther aus der einge-
engten Flüssigkeit bei-auslösen und der weiteren Bearbeitung unterziehen.
Während im Gehirn kaum Fett zu finden ist, so^ daß dieses die
Trennungsverfahien nicht alteriert, ergibt sich bei den anderen fetthaltigen
Geweben die große Schwierigkeit, die Phosphatide und die Cholesteringruppe
vom Fette zu befreien. AVir haben nach dieser Pachtung hin die besten
Erfolge bei der Auslaugung der Aceton- und Petrolätherfraktion mit kaltem
95°/oigem Alkohol gesehen. ^)
M Otto Rosenheim und Christ ine Tebb, Journal of Phj'siology. 40. Proc. of Physiol.
Soc. Juli (1910).
'-) .S'. Ffänke.J und G. A. Pari, Über die Phosphatide des Rinderpankreas. Biochem.
Zeitschr. 17. 68 (1909).
Die Metliodik der Plaiiktoii-liit<'rsii(liuiig.
\ Oll Vik1<»r llcnscn, Ki<'l.
Der Herr Horaiisiichcr hat «lic Frciindliclikcit u'i-liaht. micli an»/ii-
fordeni. über die Methodik der Gcwiimunf; des Planktons /.n hfricliten.
Da die Sache eist iicuerdiiius die Aufinerksaiiikcit wi-itcrcr Kn-ix- auf
sich iiezoi>eii hat. ulauhe ich /.uiiächst die .\I»i«hi und die Bcdciitmi;:
dieser Metliodik durch eine flM'i-sicht dessen, was gewonnen werden voll,
klären zu dürfen.
Der Stoffwechsel im Meere hat fiii- uiixTe the(n-etiNclien .\n-rhauiin'_'"'ii.
soweit sie weiiiustens das Entstehen und Verirehen der rheinischen \'ei-
biudnniicn in den Oruanismeii betreffen, erhebliche Üedeiitiin;:. da ja die
Meeresflächen fast Va '''''" Pandflächen der Knie aiHinacheii. Das Siudiiini
des Stoffwechsels im .Meere hat trej^enüber dem iles Stoffwechsels auf dem
Lande seine Vorteile und seine Schwierijjkeiteii. .\iif dem Lande lieiren
Her<>e. Täler. Flüsse und Seen. AVald. Wiese. Heide. Moor iiiid NVii>te in
buntem Wechsel nebeneinander. Ks sind dorl überdies die ri7.ii>t;iiuic.
von denen die AVisseuschaft auszugehen hat. wenn >ie sich mit dem Wclt-
rätsel beschäftii>en will, in so ausiicdelintem Malie durch den Menschen
i?estört. daU das Auffinden und die .Viiswertunti des natürlichen (ie-
.schehens überall in hohem (irade erschwert ist. \«m den kultivierten Land-
flächen sind wohl Mittelwerte durch den Krtrajr an ilüln'n. (iras. Getreide.
Weinbau und Holz »ewonneii worden, aber wieviel orü^anische Substanz
die Wurzeln i>ebildet haben und wieviel davon durch Insekten. Schne<-ken.
W^ürmer. Säuiictiere und \öin'\ verzehrt \\(»rdeii ist. dafür fehlt so /iendirh
jede Vorsteiliinu sowie die Methodik, solche N'orsteiliiii;; zu ji-ewinneii. Wir
wissen mir. daß diese Zehrunucn zuweilen ^^rol't ^^emiir werden künnen.
um die f>anze P>nte zu vernichten, abt-r mittlere Werte fehlen franz. Wenn
auch durch Spezialkultureii die Ma<<e der Wurzeln uikI bei Hüben di-r
Blätter sich hat feststellen ho-en. -o feiill doch tür das (b-schehen auf
freiem Felde und mm i;ar liir die Lrzu>tan(le eine AbschätznuL'.
Im Meer treffen wir auf rrziistände. Die W.iudlnniren. •'- '■;■•- .ti«i-.»<
den Menschen Ix'wirkt sind, müssen trotz aller Kla'.'m i b.r
als verschwindend klein erachtet werden. Kine ixvwi
in der (|uantitativen Bestimmuni: der irut beweirlicheii Meerrson:ani<iiu'n
638 Viktor Heusen.
vor. Es läßt sich durch quantitative Bestiminuu» der Menge von Fisch-
eiern uud nanieutlich von Fischbrut, die in recht regehnäßiger Verteilung
im Wasser umhertreibt, ein angenähertes Urteil über die Quantität der Fische
mit der Zeit recht wohl geAvinnen. Die Möglichkeit glaube ich an einigen
für diesen Zweck ausgeführten F^xpeditionen in die Nordsee ^) und ferner
durch die Ergebnisse (luantitativer Befischung des Atlantischen Ozeans 2)
nachgewiesen zu haben. Sehi" fleißige Arbeiten von A])stem ^j, die auf der
Fahrt der Yaldivia ausgeführt wurden, haben dann auch für den Indischen
und Stillen Ozean fast genau die gleichen Zahlen an Fischeiern und kleinen
Fischchen ergeben, so daß die Möglichkeit, selbst über diese, sonst der
Bestimmung unzugänglichen Organismen ein Urteil zu gewinnen, zwar
noch sehr fern liegt, aber für energische Anstrengungen in einiger An-
nähci'ung erreichbar erscheint. Es liegt etwas ferner und ist weniger
wichtig, die Menge der Cetaceen, Robben und Seevögel zu schätzen, eine
Menge, die nicht unbegrenzt ist. Hier liegt aber der Fall vor. daß der
Mensch die Urzustände erheblich verändert hat. Die in den warmen Meeren
lebenden Schlanaen und Schildkröten haben für den Stoffwechsel des Meeres
äußerst geringe Bedeutung.
Der Ausgangspunkt des Stoffwechsels liegt wie auf dem Lande so
im Meere in der CO2, dem anorganisch gebundenen N und den Mineral-
salzen, die allerdings im Meer nur in Lösungen zur Verfügung stehen. Mit
Hilfe des Lichtes entwickeln sich daraus die Pflanzen, aber hier zeigt
sich ein gewaltiger Unterschied zwischen Land und Meer. In ersterem
Fall entwickelt sich das Leben der Hauptsache nach über der Öbeiiläche.
im Meer in der Oberfläche, wohin also das Licht immer nur in einer
geTvissen Abschwächung dringen kann. Dieser Unterschied ist von ge-
ringerer Bedeutung als der. daß die Landpflanzen feststehen, so daß die
CO2 an ihnen vorbei treibt, und daß sie Wurzeln haben, durch deren Aus-
breitung sie sich Mineralien und gebundenen N anzueignen vermögen. Die
Meerespflanzen treiben, abgesehen von einigen Uferpflanzen, niemals
Wurzeln und bleiben deshalb, sobald sie immer treiben müssen, sehr klein
und niedrig gebaut. Weshalb Wurzeln an treibenden Pflanzen entweder
nicht möglich oder schädlich sind, ist leicht zu sagen. Die ganze Pflanze
schwebt im Mutterboden, sie ist selbst in gewissem Sinn Wurzel: außer-
dem würde ein Wurzelgeflecht sie noch mehr innerhalb einer begrenzten
Wasserschicht fesseln, als dies schon ohnehin der FaU ist. Es bedürfen
aber die Meerespflanzen ebensowohl eines stetigen Wechsels ihrer Um-
gebung wie die Landpflanzen. Diesen Wechsel bewirken sie in vielen
Fällen durch Entwicklung von Geißeln, vielleicht auch durch stoßweiße Be-
wegung ihres Exoplasmas, in anderen Fällen haben sie die Fähigkeit, durch
') Uen.sen u. Apstein, Die Nordsee-Expedition 1895. Wiss. Meeresunters. Kiel. N. F.
Bd. 5. 1897.
-) F. Hensen, Übersicht und Resultate der quantitativen Untersuchungen. Er-
gebnisse der Plankton-Expedition der Humboldt-Stiftung. Bd. 5. S. 354. Kiel, Lipsius. 1911.
^) Ajistein, Mitteilungen d. deutschen Seefischervereins. Bd. 17. S. 251. 1901. Berlin.
Die MftiKxlik der IManktou-L iiteniiichuinf ß-jy
Kiitwickluii^ von Fcti. vidlriclit aiicli .iiiirli Kiit\Nickliiii^' von < «mi
Miifzustci^cu. um zu ;in(lricii /cifen wicdn- /ii <inki-n un<l h» «tic IJm-
iichiniii zu »'rnciiciii.
Wie auf dein Lande xi duiclilaiift ain-li im .Mct-r iin Auidl »lii
Tflanz('U|H(idukti()n einen Kreislauf. Ki' wandert von 'lier zu Tier und ver-
wandelt sicli dabei zum ^iröllten 'l'eil wieder in >eiMe l'rliestandteile CO,
und niedei-e X-Vorbinduniicn. Kin kleiner Rest sinkt in Form alt^^M-storlwiior
Tierleiher zu Hoden und wird auf die-em Weiie teilweise aufgelöst. In
nicht sehr ;irolien Tiefen finden sich Schalenreste anj.M'liauft. in sehr ;rr«)tleii
Tiefen scheinen aber auch diese vollständig der Auflösunj.»^ zn verfallen. Man
sollte ulauben. dal'» hier (mu lii'oller rnterschied ue;.fenüber «lem Lande
jieiicu mülUe. aber auch doit verschwinden die Tierleiber, die wcL'en «ler
starken /euizunt»- der Tiere mindestens so zahlicirh sein müssen, wie die
Tierwelt ist. die wir im Frühlingsanfang um un< erblicken, .so <iut wie
spurlos. Ein anderer Teil der Tflanzen findet nicht als Nahnin«r der Tiere
Verwenduni>. Dieser Teil überwiest auf dem Lande, mindestens im l'r/u-
stand, noch heute den als Nahrung verbrauchten Teil i:anz enoini. I>er
Anteil, der von Früchten. Blättern. Wurzeln und Holz verzelirt wird, ist
zwar nicht abi>-eschätzt. abei- zweifellos minimal. Im Meei* lieirt die Sache
anders. F'>s finden sich zwar in gewissen Zonen kalten \\'assers Abla;:e-
rung-en kieselschalitier Algen, aber sehr ausgedehnt >ind diese Fhichen
doch nicht. Namentlich ergibt aber die direkte Bestimmung <les lebenden
l'flanzengehaltes des Ozeans, dali in den warmen Meeren stets und in den
kalten salzigen Gewässern durch längere Perioden ilas N'olunien th'r
rflanzen das Yohmien der Tiere nicht bedeutend übertrifft. Wir -ind
zwar zui'zeit ül)ei- das Volumen dei' Bakterien inid der klein>ten. nur
noch durch Filter und Zentrifuge gewinnbaien Organisnn'ii des .sogenannten
Xanoplanktons ungenügend unterrichtet, aber auch das Volumen der
kleinsten tierischen Wesen ist noch unbekannt. Jedenfalls ist <lie Ttlanzen-
masse im Meer dem tierischen Bestand geg-enüber unvergleichlich viel ge-
ringer. ;\\< auf dem Lande. Kin Überschuß der l'flanzeiiproduktion findet
dennoch statt: im Norden, jedenfalls zu Zeiten der Wucherung, die .sowohl
für Diatomeen, wie auch für Peridiniales festgestellt sind, im warmen
Wasser kontinuierlich. Ol» die abgotoibenen Pflanzen den Me<'re>boden
ozeanischer Tiefe erreichen, ist bisher nicht sicher ermittidt. In «lern
Stillen Ozean finden sich grol'ie (Jebiete. auf denen noch di«* Zahne vor-
weltlichei- Haifische ohne jeden Tberzug organischen Schlamms vielfach
gefunden woiden sind. Dagegen ist in anderen (legemlen ein Kohle hal-
tender, oft >ehi' weicher Schlamm heraufgeholt worden, F- bleibt hier hImt
die .Möglichkeit bestehen, dal', die derberen Beste der Fferve-etationen
hingeflossen und diese Schlammassen nicht auf <lie l'lanklonpflanzen
zu beziehen sind. Fs werden in diesen Schlammassen Bakterien gi'funden.
die dann wohl zn eim-r Auflösung der den Bo<len erreichenden pflan/licheii
und tierischen Massen beitragen. Im ganzen |)rävaliert der Kindruck. daÜ
nur in Küstennähe und wenigsten- in Abhängigkeit von den KU^Ien Ah-
640 Viktor Hensen.
lageruiigeii organischer Substanzen stattfinden, daß aber auf dei' Hoclisee
die ganze Produktion zu anorganischen Verbindungen aufgelöst wird. Wir
hätten demnach auf der Hochsee einen sehr vollständigen Kreislauf der
organischen Produktion, während auf dem Lande in den Urzustände^
dieser Kreislauf sehr unvollständig ist. Die Untersuchung des Verhaltens
im Meer hat bisher nur sehr unvollkommen ausgeführt werden können,
sie wird sehr wesentlich mit dei- Untersuchung der Erzeugung der or-
ganischen Substanz dort zusammenhängen. Ich betone die Untersuchung-
im Meer, das heißt in der Hochsee, weil die Untersuchung des Verhaltens
in den süßen Gewässern durch den Einfluß der verschiedensten Materien
von den Ufern aus sehr verwickelt wird. In meiner zitierten, jetzt er-
scheinenden Arbeit über die Ergebnisse der Planktonexpedition glaube ich
den Nachweis führen zu können, daß wegen genügend großer Gleich-
mäßigkeit der Verteilung der Planktonorganismen wohl die Aussicht be-
steht, ein im großen gesichertes Resiütat ülier die dortigen Vorgänge und
Produktionen zu gewinnen. Die Methodik der Untersuchungen ist noch
in der Entwicklung begriffen und zweifellos noch sehr verbesserungsfähig-,
aber die Grundlagen für ein erfolgreiches Verfahren sind doch gesichert.
Die Methodik.
Die Aufgabe, Plankton, das heißt alles wesenthch treibende Material,
für chemische Untersuchungen zu gewinnen, ist leicht oder schwer, je
nachdem, was dabei beabsichtigt mrd. Das einfachste Verfahren ist dies,
mit einer Art Schmetterüngnetz, das mit einem der Absicht entsprechenden,
mehr oder weniger dichten Zeug bespannt ist. die Oberfläche horizontal
zu dui'chfahren. Größere Formen werden dabei spärlicher, die kleinen
Formen reicldicher und massenhafter gefangen, aber je nach der Tages-
und Jahreszeit wird sich in den kalten Gew^ässern das Ergebnis sehr
verschieden gestalten. Das Netz wird über einem breiten Behälter mit
Wasser umgestülpt und mehrfach abgespült und diese Prozedur eine ent-
sprechende Keihe von Malen wiederholt. Man erhält eine dichte Ansamm-
lung der Organismen, mit der dann zweckentsprechend weiter zu ver-
fahren ist. Da die Massen in verschiedenen Wassertiefen verschieden und
verschieden zusammengesetzt sind, ist auch versucht worden, diesen Hori-
zontalfang in verschiedenen Wassertiefen auszuführen. Sobald diese Tiefen
erheblich sind, muß das Netz größer genommen und vom Boot aus ge-
zogen werden. Dies Verfahren ist sehr unsicher, weil der Widerstand der
Schnur, an dem das Netz befestigt ist, bei etwas größerer Tiefe sehr ins
Gewicht fällt; die Schnur bildet eine, nach der Geschwindigkeit des Zuges
wechselnde Bucht und es ist sehr schwer zu bestimmen, in welcher Tiefe
eigentlich gefischt wird, auch fängt das Netz, während es aufgezogen
wird, noch etwas in den dazwischen gelegenen Wasserschichten, w^enn nicht
eine Schlußvorrichtung- angebracht ist.
Behufs der chemischen Untersuchung lassen sich die größeren Orga-
nismen aus dem Fang heraussuchen, es ist aber selbst für diese die Be-
Die Mc'tlindik- il.r 1'l:iiikt..ii-l ntcrsuchuni:.
i>il
stimmuiiii' (U^^ Wassornohalts mihlicli. weil sie mristcii rf oiI.t mit
iiiancliorlci Fortsätzoii hcdcckt. .I.iIht nur iiiivollkoiimin, ,|,.,ii an-
liaiii-oiidcii Wasser zu hcfrcicii >iii(l . Willircii»! >\r <-i\\ ,,|iol al>.
•ii'spült Wassorvcrlust ciicidcn wcnlcii. Uri Fonncn aus - wird
aucli der Asclicnrhalt der Ornauisuh-u durch dio anli;iii;.Mi,u- >>avM'r zu
uugeuau hestiimnt werden. (Jauz telilciin-i wird die liest iujuiuiit: des
Wasserji-elialts uicht zu niaclieu sein, aber die (Jr;.Mnisnien wntUu y umU
ihrem Ernährunj^szu.stand versehieih'u wasscrhalti«; sein, so dati der IVhlrr
bei sorgfältiger Behaudhiu- ihn- untersin-htcn Form keine firoUc Itcdeutnng
haben dürfte. Die Trennung (h'i- kleineren Organismen hltlt sieh in die.MT
Weise nielit ausführen. Es bh-ibt nichts ül>rig. als für diesen /weck das
sog', monotone Tiankton abzuwarten und zu benutzen. Fs kommen Zeiten
vor, wo in dem kalten Wasser eine (Jruppe von I'lanktonten , z.H. die
Kieselalgen (Chaetoceras) oder die Phvtoflagellate Ceratinm tri|)os. so .sehr
überwiegt, daß alle anderen rianktonten dagegen ver.scjiwinden. Letztere
werden zwar durehaus nicht fehlen, im Gegenteil auch vermehrt .sein. af»er
ihr (Jewieht tritt gegen das Gewicht der ganzen Masse doch sehr zurück.
Fm soh'he monotonen Fänge zu gewinnen, eignet sich <las Fischen mit
hoi-izoiitalem Zug am meisten, weil dabei die Bewohner tieferer Wasser-
sciiiehten fortfallen. r>ei völliger Windstille entsteht zuweilen im Sommer
eine grüne Rahmsehicht im Wasser, die jeweilig aus Algen einer Art be-
steht und die neben der bezügüchen Art fast nichts Fremdes enthalt, in
den sog. Schwärmen finden sich gleichfalls Masx-u von Tieren einer .\rt.
Diese Scliieht eignet sich besonders für chemisehe Analysen. Es ist (hibei
aber zugleich die Zahl dei- Zellen bei Pflanzen oder der TierarttMi bei
der Analyse tierischer Planktonten auf die später anzugebende Wei.se fest-
zustellen, wenn die Analysen allgenu'im'r nutzbar gemacht werden sollen.
Auf diese Weise erfährt man nämlich den Gehalt von einer bestimmten
Anzahl Zellen oder von den Tieren einer Art. Wenn dann später die Ge-
samtanalysen gemischter Fänge gemacht werden um! diese Fänge gezählt
sind, kami bestimmt werden, wie sich der Befund an Eiweiß. Fetten.
Kohlehydraten und Salzen etwa auf die Formgruppen «ies Fangs verteilt.
Auch die \olumina dei- einzelnen ()rganismengrupi)en zu bestimmen, kami
auf Grund solchei' Zählungen ausgefidiit werden, l.ofnnann ^) hat in dieser
Richtung den Anfang gemacht. Er hat die Ilaujjtformen nach ihren ver-
schiedenen L)imensionen gemessen und auf (Jrund diest-r Messungen unter
Beachtung der Pjuzelheiten der Formen Modelh« angefertigt. <leren Vohinieu
dann bestimmt wuide. Soweit diese Modelle richtige Mittellonnen .sind.
kann lediglich auf Giiiiid der Zählungen der \'oIunisanteil . den sie an
dem Fang haben, berechnet werden. Die Autiraben. die für etwas exaktere
Analysen gelöst werden müssen, sind also recht groß, aber es läßt sich
doch erkennen, daß sie i;('löst werden können utid dal- «l-i- l'''-it/ einJL'er
>) Lohmami, T'ntersiicluini,'en zur !• .•st>tolliiii>j .l.-s v..llMHmHi!<'H (Jrhalt* At*
Meeres an Pluukton. W isseiiscli. MeeresuiiUTSuciiun^MMi. Kifl. N. I U'l 10- ^ '•*! •'••>*'
Abderhalden, Handbuch der biochemiacben Arb«llsnicthodeD. V. H
(342 Viktor Henseii.
Reiiianalysen es eriiiöijlicbon kann, auch dem Aufbau solcher Organismen,
die gesondert zu gewinnen nicht möghch ist, näher zu Ivommen.
Wenn dem Stoffwechsel näher getreten werden soll, muß die gesamte
Masse des Planktons bestimmt werden, die im Meer oder doch wenigstens
in begrenzten Regionen eines Meeresteils vorhanden ist. Dies kann nicht
dui'ch Horizontalzüge, sondern luir durch Vertikalzüge erreicht werden.
Diese Züge werden dadurch ausgeführt, daß ein Netz auf den Boden
hinabgelassen und dann von da aus senkrecht aufgezogen wird. Ein und
dasselbe Netz wird dann vergleichbare Fänge geben, die alles enthalten,
was die Wassersäule, deren Querschnitt durch das Netz filtriert wird, an
fangbarem Material enthält. Die Forderung ist freihch leichter zu stellen
als zu erfüllen. Wenn das Meer die Tiefe von 4000 bis 5000m hat, so
ist die Zeit, die erforderhch ist, um ein Netz so tief hinabzulassen und
wieder aufzuziehen, sehr groß. Der Aufzug kann nicht rascher als 1 m die
Sekunde sein und nur ein sehr günstig für den Zweck konstruiertes Netz
wird rascher als 1 m die Sekunde sinken. Außerdem muß die Tiefe aus-
gelotet sein , weil man nicht wird fühlen können . wann das Netz den
Boden berührt, dazu ist das Gewicht des hängenden Seils viel zu groß.
Nur wenn mit einer Lotmaschine gefischt Averden kann, wird die Boden-
berührung erkannt werden können. In der erforderlichen Zeit von 13o*3 Mi-
nuten oder 2 2 Stunden treibt das Schiff, das ja nicht verankert werden
kann, eine sehr erhebhche Strecke, kann aber doch mit Hilfe des Pro-
pellers ziemlich am Platz gehalten werden. Jedoch der Zeitverlust ist ein
so lästiger, daß viele solche Fänge schwer ausgeführt werden können. Es
ergibt sich aber, daß ganz überwiegend die Masse von Plankton imr bis
höchstens 400 m Tiefe geht , so daß nur für besondere Zwecke das Netz
tiefer zu gehen braucht. An flacheren Stellen kann man noch fühlen, wenn
das Netz den Boden erreicht hat, hier ist also die genannte Aufgabe
leichter zu erfüllen und muß erfüUt werden.
Bei solchen Fängen handelt es sich immer um Stichproben: es
ist also zunächst die Frage zu erörtern . welchen Wert solche Stichproben
für die Bestimmung des Planktongehalts haben. Es ist wesentUch Sache
der Praxis, hier die Entscheidung zu bringen, doch hat auch die Theorie
mitzusprechen. Die Praxis bestätigt in einer größeren Reihe von Fällen
die Brauchbarkeit der Stichproben, die freilich im Verhältnis zur Meeres-
fläche immer imr äußerst klein sind. Die Zählungen der Fänge der
Planktonexpedition führen den Nachweis, daß von einer Anzahl seltener
Tierarten in 4 Ins 6 sich folgenden Fängen gerade nur 1 Tier der Art
auf der Strecke von 1000 und mehr Kilometern gefangen wurde, also
die Verbreitung so gleichmäßig gefunden wurde, wie sie nach der Größe
der Netzöffnung gefunden werden konnte. Wenn der Fang 100 oder
1000 und mehr Individuen aufbrachte, schwankten die Zahlen natürhch
stärker, aber auch hier wurden gewisse Arten so gleichmäßig gefangen,
daß die Nachl)arfänge um weniger als ö^/o verschieden waren. Wenn
aber solche Fänge noch als wesentlich gleich angesehen werden, die
Die Mctlioilik <lcr I'hiiikton-l'ntcrsuclumif.
(U3
•JT
noch iiiihl um i\i\> Doppelte voiieiiiMu.ler :ili\veirlieii, .>o um- fü,- manrhc
gilt faiiMharo Foniieii diese (ileiclilieit in <leni (lel.iet des wannen Wassers
eiliohlich hänfi.urr vorhanden als eine dariiher liinausp-hemle 1".. -I. :. hhi-it.
Es gal) al)er doch licwiss,. Tierarten. di(. entschieden viel nu. r wr-
teilt waren, die also Neigun<; hatten, sich zusainnienziischaren. lür solclio
I-'idlo kann nur eine Vermchnnif; der Stichprohen /n eini-rermaüen txenücendcn
Üesnltaten führen.
Der analysierende Chemiker ari»eitet immer mit Michpiolien iiiui er
ist dazu herechtigt. weil die Zahl der Molekide x-lhst in der kleinsten
Stichprobe eine überwältigend grolie ist. Da es .sich bei Stichprolun des
Planktons um relativ wenige suspendierte Teilchen handelt . le^-t sich die
Frage, wie genau solche Stichproben den wirklich vorhandenen Zustand
darstellen und dar-
stellen können, sehr '"'■'f- '•'=■
nahe. Dabei ist von
der Annahme aus-
zugehen, daß die
Teilchen im Wa.s-
ser vollkommen
gleichmäßig ver-
teilt sind und
dabei möglichst
dicht liegen. Diese
Forderung wird er-
füllt, wenn jedes Teil-
chen, d. h. für diesen
Fall jede Planktonten-
art in der Mitte einer
sechseckigen Säule,
deren Höhe gleich dem kleinen Durchmesser des Sechseckquerschnittes ht.
liegt. Da aber die Dichte sich nach der Tiefe zu verändert . genügt es.
wenn angenommen wird, daß jede rianktonteiiart so in der Mitte der Säuh'
hegt, daß sie. an die Oberfläche projiziert, die Mitte seines Sechsecks ein-
nininit. Je mehr Planktonten vorhanden >ind. desto kleiner wird die Sech.*»-
eckfläche werden, in der er liegt.
Sei nun zunächst entsprechend der Fig. 162 das Sechseck für einen
Planktonten genau von so großem Querschnitte, wie die Fläche des fis«-lienden
Netzeingangs, der in der Figur als ein runder, kontinuierlich gezeichneter
Kreis hervortritt, dann können drei Fidle eintreten. Wenn der Mitlel-
piinkt des Netzeinganges irgendwo durch die weiße Fläche himlnrcligeht.
wird immer nur der eine Planktont 1 gefangen weiden können. (Jeht alnT
die Mitte des Netzeinganges durch die gestrichelte Fläche, so worden die
zwei Planktonten I und II gefangen werden, (ieht aber die Mitte durch
die gekreuzt schraffierte Fläche, so wird kein'.Planktont erbeutet wenlen.
Die Wahrscheinlichkeiten dieser Fälle verhalten sich wie die «'ntsprechendon
41»
644
Tiktor Hensen.
Fla dien des Sechseckes , d. h. wie 92'5 zu 3' 7 5. Wird der Netzeiiii^ang- so
klein . wie es der gestrichelte Kreis andeutet , so hört die Möglichkeit, daß
zwei Planktonten gefangen werden, auf, dagegen steigt die Gefahr, daß
kein Planktont gefangen wird. Wenn sich die Zahl der Planktonten,' die
innerhalb der Fläche des fischenden Netzeinganges liegen, vermehrt, so
wird immer noch die Zahl der Planktonten eine wechselnde sein, je nach
der Lage, die das Zentrum des fischenden Netzeinganges gehabt hat. Die
mathematischen Formeln zur Berechnung der möglichen Unterschiede sind
schwerfällig , ich habe aber , um einen Begriff über die bezügUchen Chancen
der Fänge zu geben, eine kleine Tabelle graphisch festgestellt, die hier folgt :
Aufstellung Nr. 2. Wahrscheinlichkeit des Fanges.
Wenn sich unter
der Fläche des
Netzeinganges
finden
1
o
3
4
5
6
7
8
9
10
n
^ a
S a
wird in
100 Zügen die
in der letzten
Kolonne ver-
zeichnete An-
zahlPlanktonten
gefangen
3-75
925
3-75
—
100
2911
46 42
24-47
100
2-61
7-95
7961
9-83
100
2104
7206
BIO
0-34
0-46
100
3913
4144
916
10-27
100
2-97
32-20
35 65
29-08
99-9
23-53
64 50
11-97
100
2-ßl
29-18
44 56
23-65
100
12-57
1934
4977
17-53
0-79
100
3-32
4-70
3701
3913
6-56
9-08
99-80
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Diese Tabelle weist nach, daß sich mit der steigenden Zahl der Plank-
tonten unter dem Netzeingang die Zahl fehlerhafter Fangmöglichkeiten ver-
mehrt und daß die Chancen völlig richtiger Fänge entsprechend vermindert
werden. Dagegen werden die Prozente der möglichen Anzahl von Planktonten,
die fälschlich gefangen werden könnten, mit den steigenden Zahlen immer
kleiner. Liegen in der Netzeingangsfläche 10 Planktonten vor, so kann der
Fehler noch 20Vo betragen, hegen dort 100 Planktonten, so beträgt er
nur 3-4Vo, bei 28.000 betragt er l-2"/o und bei 100.000 nur noch 0-3Vo-
Diese Ilechnung setzt aber eine vollkommen gleichmäßige Ver-
teilung der Planktonten voraus, die nicht zutreffen kann, weil die meisten
Formen sich willkürlich bewegen können, und außerdem durch die Bewegung
des Wassers durcheinandergewirbelt werden müssen. Ginge die Bewegung
auch nur soweit, daß jeder Planktont bis an die Grenze seiner Sechseck-
fläche kommen könnte, so würden, wie ein Blick auf die Figur zeigt, statt
0 1 und 2 bis zu 7 Planktonten gefangen werden können, und nichts
spricht dafür, daß diese Grenze eingehalten werden muß. Ein Überschreiten
dieser Grenze wäre übrigens weniger störend, wenn viele Planktonten im
Die M.thoilik dfi riankton-IHtersm-luiia'. lUÖ
Bereich des Netzeinsan-es lioo^en, also wenn die Flache dn ScV,,..- 1.. ii..;,,
ist. Dies theoretische Verhalten ist daher sehr stiirend, nan, , |,
für diejenigen, die den Nachweis führen wollen, dali die Vcrtpilunu' der
Planktonten ungleichniäliig .sei. Die Praxis lautet etwas anders. K> hat si.-h
zwar unter unseren etwa lOo.ooo /ahl.'ii kein Kall gefunden, in dem
90'»/., der Fiiuge nur 1 und lU" „ keinen oder i> l'lankf.mten' " i,t
hätten, aher das hegt zum Teile daran, dai; in k.-in.-in Strome. ..,.; .,.-s
Ozeans so viele Fänge gemacht worden sind. dal. diese Kerhnun- lutte
sich genügend prüfen lassen. Fs findet sich aher doch auf der siebenten
der jetzt veröffentlichten /ähltahellen von der .Mziope. einem Wurm mit
ganz gewaltigen Augen, der daher auf die Jagd angewiesen ist. die fol-
gende Fangreihe :
0.4.1 . 1 .1 .1 .1.2.2.1 .ö.l.(;.^<.] .C.O. I . 1 . I . 1 .7.2.4.(13.20).
Kig. 163.
Vig. 164.
Das sind 24 Fänge, die sich auf einer .'^trecke \oii 4o<H» /.;;> folgten
Die fangende Fläche des Netzeinganges hat THf) an- betragen. Wi. man
sieht, fällt nur der eine Fang von 8 Stück aus der nach ol>i;;er I i-
tiing zu erwartenden Reihe. Die Stromgebiete waren SargassoM c. Kanarien-
strom. Nord-A(|uatorialstroHi uiul (iuineastrom. also sehr \ersehiedene
Strömungen. Dennoch könnte nach den /ahlen allein nicht In-hauptol
werden, dali ein sicherer rnterschied in der Dichte der Tiere • '
Nur wenn man die Zahlenfolge zergliedert, wird ein trewisser Tut .< d
der \erteilung wahrscheinlich. Ich habe die Fangreihe wo.nt'irh we-.ii der
groiien Beweglichkeit der Tiere ausgewiddt. Ks wird er fui
nicht zu hoch gespannte .Vnforderun.ireii die Stichproben irt'nügen können.
646
Viktor Hensen.
namentlich wenn größere Netzeingänge gewählt werden und wenn die Fänge
aus einem Stromgebiete vereint und deren Mittelwert genommen wird.
Die Netzform, mit der die Hauptplanktoiimasse gefischt wird, zeigt
die Fig. 163. Daran sind zu unterscheiden 1. ein dichter konischer, den Ein-
ürano- erheblich verengender Aufsatz Ä. 2. das eigentliche Netz B aus
Müllergaze Nr. 25 (früher Nr. 20 bezeichnet) mit einem Schutznetz aus
einem weitmaschigen gewöhnlichen Fischnetz bestehend. Dies Übernetz
hat die Aufgabe, das eigentliche Netz bei zu großem Innendruck zu stützen
und vor Zerreißung auf diese Weise zu schützen. Außerdem kann der Ap-
parat daran angefaßt werden, während das Netzzeug selbst leicht zerreißt,
wenn rauhe Hände es anfassen; 3. der Filtriereimer C, in den die ge-
Fig. 165.
fangene Masse schließlich hineingespült wird und der sich von einem
unteren Ring, an dem das Netz befestigt ist. abtrennen läßt.
Das eigentUche Netz besteht aus eigentümlich gewebten, sehr feinen
seidenen Fäden (Fig. 164). Die Poren haben eine Seitenlänge von im INlittel
0-049 mm. Die Fig. 163 zeigt ein Stück dieses Gewebes vergrößert. Es war
nötig, die Filtrationsgröße dieses Gewebes zu bestimmen. Dazu hat der
in Fig. 165 im Durchschnitt gezeichnete Apparat gedient.
Ein geschlossenes Rohr, Ä, ist an seinem einen Ende mit der zu
untersuchenden Müllergaze B geschlossen. Durch das Rohr C wird in D
filtriertes Wasser mit einer durch feine Hahnstellung regulierbaren Ge-
schwindigkeit eingeleitet. In dem zweiten Rohr E steht ein Manometerrohr.
in dem Blechkasten F, der mit Wasser gefüllt
ist. Aus der Tülle G eines umhiülenden Kastens läuft das aus dem Rohr
Der ganze Apparat liegt
nie Mctliuilik ,l,.r l'limktiiii-l'iitcrsucliiiiii:.
«J4T
A hinaus filtriorciule Wasser. l);is ahlaiitciidc Wasst-r wird ii, . ,,1. ,„ McU-
K^efäß eine bestimmte Aiizaiil von SckiiiKicii auft,M'i'ang.n und treiiiessen.
Auf diese Art wird also bestimmt, wieviel Wasser sich unter bestimniffm
Druck durch den cm- der Gaze entleert. Die verschiedenen lleobachtun
werden j^raphisch verzeichnet und zu einer Knrve verarbeitet. Von di'
Kurve sind die gleich zu verzeichnenden Zahlenreihen gewonnen. Man
könnte iilauben, da!', diese Zahlenreihen besser durch eine j;eei^r,„.ff. Formel
zu gewinnen wären. Das ist aber nicht zutreffend, denn es zeigt sich, daü
das Wasser nicht lediglich dinch die Poren fliebt, sondern dali es mit einer
mit dem Druck wachsenden Quote durch die Seidenfäden .selbst hindurrh
filtriert, so daß die Filtrationsgrüße nur empirisch bestimmt werden kann.
Eine solche Hestimmung entnehme ich den Tabellen in meiner Methodik'),
sie lautet für Seidengaze Nr. 25 (früher Xr. '20):
Druck
cm
Filtrat
cm^ Sek.
Ol
Ü-2
0-3
0-4
0-5
0-6
0-7
0-8
09
10
0 2393
0-4627
()C)760
0-8808
1-0788
1-2712
1-4Ö82
1-G406
1-8195
1-9950
0-2234
0-2133
0-204S
01980
01924
01870
0-1824
0-1789
01755
01726
iJruck
an
Kiltrat
cm^ See.
1-1
2 1676
12
2-3374
1-3
2-5047
1-4
2-6697
1-5
2-8327
1-6
2-9939
1-7
3-1530
1-8
3-:Ul)S
1-9
3-4670
2-0
3(i218
0 1698
01673
OlCl.")!!
Oir)3n
111612
1)1591
01 57s
015(')2
0-1548
Wenn g die Deschleunigung der Schwere, d den Druck bedeutet, so
bestimmt sich die dem Druck äriuivalente Geschwindigkeit v nach ib-r
Formel 2g.d = vi
Nicht jedes Stück der (iaze gibt genau dieselbe FiltrationsgröiW'.
auch hat das Zeug die Eigenschaft, bei längerem (iebrauch zu .><chriim|den
und dann namentlich bei schwachem Druck .»^chh'chter zu filtrieren.
Der konische Aufsatz aus dichtem Zeug dient vieU-n Zwecken. Kr
hindert die Aufnahme von Schlick, falls das Netz den Hoden berührt und
er beugt den Verlusten durch die Orbitalbewegung der Wellen vor. .Vnf
der See steigt das Wasser unter der Wellenoberfläche .schnell genug, um
je nach Größe der Welle Geschwindigkeiten von ()-."> bis 1 /// und darüber
zu erreichen. Dazu kann sich das Schlingern und Stampfen des Schiffes
addieren. Das Netz, das mit O'ö /// (ieschwindigkeit aufgezogen zu wenlen
pflegt, wird in solchem Fall relativ sinken und sein Fang, der besonders
an der großen oberen l'eriitherie abgesetzt ist. wird ausgespült un<l
geht verloren. Wenn aber ein dichter unbeweglicher .\ufsatz uic in Fig. l«i;;
vorhanden ist, so wird der Fang in diesen llauni liinein'j-psnült und wird in
') Heiisrii , Metliotlik. Krtrol)iiissc ilcr l'Iaiiktou- Kxpptiition. IM \ li
Kit'l 1895.
S. 8«
648 Viktor Heiisen.
den nächsten Sekunden voll wieder in das Netz zurückkehren. Ferner wird
durch den dichten Aufsatz auch noch die Eingangsöffnung stark verengt.
Dadurch wird verhindert, daß die absteigende Orbitalbewegung der
Welle den Druck im Netz sehr in die Höhe treiben kann, weil das Wasser
ja nur durch die verengte Eingangsöffnung in den Netzraum hineinströmen
kann. Wäre die Mündung nicht verengt, so würde außerdem auch zu viel
Oberflächenwasser filtriert werden und es würde, weil gerade die Ober-
fläche von gewissen Planktonten besonders dicht bewohnt wird, der
Fang fehlerhaft und meistens zu groß werden. Der Gegendruck im Netz,
der während des Aufzugs einen Teil des vor der Mündung stehenden
Wassers beiseite schiebt, hört plötzlich auf zu wirken, sobald das Netz
über die Wasseroberfläche gehoben wird und jetzt muß alles Wasser, das
sich in dem Apparat befindet , filtrieren. Wäre die p]ingangsöffnung so
weit wie die Netzöffnung, so würde sehr viel Oberflächenwasser aufge-
nommen und filtriert werden; da die Eingangsöffnung aber stark verengt
ist, wird die Masse des Oberflächenwassers nur unbedeutend vermehrt.
Sehr wesentlich ist es. daß der Druck an der Netzwand durch die Ver-
engung des Eingangs sehr herabgesetzt wird, so daß die zarten Planktonten
möglichst wenig leiden.
Je kleiner die Wassermasse ist, die in der Zeiteinheit infolge der
Hebung des Apparats durch den Eingang in das Netz hineinströmt, desto
geringer muß der Filtrationsdruck sein, der diese Wassermasse durch die
Netzwand treibt, desto langsamer wird das Wasser durch die Poren hin-
durchfließen. Zu dem Innendruck addiert sich freilich noch ein Zug an der
Außenwand des Netzkonus, der von dem Winkel des Netzkonus abhängt
und der von dem Innendruck fast unberührt bleil)t.
Für das in Fig. 163 gezeichnete Netz berechnet sich, daß bei der ge-
wöhnlichen Zuggeschwindigkeit von 50 cm die Sekunde der untere Piand
einer Pore schon nach 0-000097 Sekunden die Lage des oberen Randes
erreicht.
Der Strom durch die Pore beträgt höchstens 40'4 cm die Sekunde.
Daher wird ein Planktont in der genannten Zeit nur die Strecke von
0'0039 cui durchlaufen können. Ist sein Radius oder seine Länge größer
als diese o9 y-, so kann er nicht nach außen gelangen, sondern wird durch
den unteren Rand der Pore wieder in das Netz zurückgeworfen und legt
sich der festen, äußerst langsam filtrierenden Netzwand an. Diese hat, wie
die Fig. 164 zeigt, eine relativ bedeutende i\.usdehnung. Die Eigenbewegung
der Planktonten, die hierbei in Betracht kommen, ist 2 bis 3 mm in der
Sekunde, also so langsam, daß sie nicht mitzi'ihlt. Die zurückgeworfenen
Planktonten legen sich neben größeren Formen namentlich auf dem oberen
Rand des Netzes, wo der Innendruck am stärksten ist, fest und tragen
zu einer weiteren Verengung der Poren bei, so daß hier neben Wasser nur
die Bakterien und die allerkleinsten Formen noch durchschlüpfen können.
Daher werden noch viel kleinere Planktonten gefangen, als es der
Porenweite des Netzes entspricht.
Die Mctliddik der l'luiiktoii-l'iitersiirhiiuj;. (^t|
Wenn das Xet/ aus dem \V;iss('r frchohcii wird, tritt der ^rolie
Übelstand ein, dal) der bis dahin etwa 8 mm betrap-ndi- linifiidnirk auf
das 20()t'acho und höher austeilt und unter diesem hnick (h-r etwa .')<J<) /
betrasencU' Wasserinhalt durch die i'oreu euth'ert wird, habe! ^'ohen dann
alle sehr kleinen Tlauktouteu, soweit sie sieh ni<ht /wischen den Haaren
und Borsten der größeren Planktonten festgelegt haben, verloi-en.
Dieser Übelstand ist unvermeidlich, liU'it sich aber verringern, wenn
ein anderer Netztypus, den ich vorgeschlagen habe, der al)er noch nicht ge-
nügend geprüft worden ist, verwendet wird. Ein rechteckiges Net/ mit unten
und oben gleichem Kahmen von 16ö und 61 nn Seite, also einer Kin^'anirs-
öffnuug wie bisher von Ol cW- Fläche, wird mit einer \)() im ludien Net/-
wand. deren Fläche HO 780 cm^ sein würde, bespannt. Darunter findet sich
ein l)eutel aus dichterem Zeug, in den der Fang hinab!.i-espült wird, um
schhelMich durch einen Hahn zu weiterer Verarbeitung entleert /u werden.
Bei dem Herausheben dieses Netzes würden nur öO / Wasser /u entleeren
sein, aulierdem würde die aufsteigende Orbitalliewegung der Wellen den
Fang nicht entleeren können, weil die Netzwände senkrecht stehen. Die
Vermeidung dieser (iefahr macht den diciiten .Vufsat/ des jetzt im Ge-
brauch befindlichen Planktonnetzes entbehrlich und die neue Netzform kann
sehr viel rascher sinken, setzt auch dem Aufzug nicht soviel Widerstand
entgegen, als dies die jetzt üblichen Netzformen tun. Die Gefahren bei
Berühren des Bodens bleiben freilich bestehen, auch könnten kräftige
Schwimmer dieser Eingangsform leichter ausweichen, als bei dem in Fig. KW.
gezeichneten Netz, endlich kann die absteigende Ürbitalbewegung schäd-
lich sein.
Die Berechnung der Wirkung dieses Netzes ist folgende. In das auf-
steigende Netz kann nicht mehr Wasser einströmen, als aus ihm liinaus-
filtriert. daher besteht die Hauptgleichung: Einsti-om = Ausstrum.
Wird das Netz mit der Sekundengeschwindigkeit Vo von 50 cm auf-
gezogen und sei die Eingangsöffnung 1000 cm ^^ so könnten öO 000 cm Mn
der Sekunde einströmen, aber weil eine Netzwand hinter der (')ffnuni.'
ausgespannt ist, stellt sich diesem Einstrom ein hrnck '^o im Netz, der
die Filtration durch die Netzwand zu erzwingen hat. entgegen. Da die
Netzwand oi'ösOcm- beträgt, niülUen in der Sekunde durch den (,»uadraf-
zentimeter filtrieren öO.OOO : r.^oSO = lö.'UC) cm».
Nach der auf S.647 gegebeueu Tal)elle erfordert diese Filtration einen
Druck f\ von 0-742 cm Wasser. Der Druck, der der Bewegung von Ob Sek./«
ä(|uivalent ist. berechnet sich nach der Formel vV2 g = d. wobei ich 2 g
für Kiel zu 1962 cm rechne, v die (ieschwindigkeit und d »len Druck be-
deutet. Der Druckwert do wird danach I.Ucm. Die.sem Aubendruck steht
der obige Innendruck von So - 0-742 entgegen. Der zur Verfügung stehende
Überdruck beträgt also do— 5oi=d, also \U 0-742 = 0-:)l»8 cm. Nach
der Formel v — | 2 g . d erhalte ich durch den Druck von 0-ä08 «•»» eine
Einstromgeschwiudigkeit von v, —M'lh Sek. cm. Diese (Ieschwindigkeit ist
zu gering, die (ieschwinditzkeit von öo cm war zu groll. Die Summe der
650
Viktor Heil seil.
Vo + V,
2
also
50 + 34-25
2
gibt den Wert
beiden Geschwindigkeiten halbiert
für den Einstrom von 42- 125 = v.
Durch Division von v, mit 32-580 ergibt sich, daß dabei 1-293««
durch jeden Quadratzentimeter des Netzes filtrieren müßten. Die Tabelle
ergibt, daß um diese Filtration zu bewirken, ein Druck Sg, von {1-612 cm
erforderlich ist. Daraus ergibt sich der Überdruck am Netzeingang zu
do — §2 = ^3 l-'i-i — 0-61 2 = 0-723.
Mit der Geschwindigkeit des Einstroms. die dieser Überdruck her-
vorbringt, wird die Annäherungsrechnung fortgeführt. Auf diese Weise
hat sich die nachfolgende TabeUe berechnen lassen.
Zuggeschwindigkeit pro Sek. /cm
100
75
50
25
Äquivalenter Druck d = Sek. 'c»m . .
Druck im Xetz o — Sek. /cm . . . .
Druck am Eingang d — o = Sek./cm .
Ein- und Ausstrom pro Sek. cm^ . .
Ein- und Ausstrom pro Im . . . .
Fläche des fangenden Eingangs . .
Koeffizient pro Quadratmeter Fläche
5-0975
1-373
3-7243
S5479
85479
855
11-7
2-8672
0-9404
1-9268
61534
82025
820
1219
1-34
0-559
0-781
38989
77978
780
12-82
0-31858
0-202
0-11658-
15170
60680
607
16-453
Die Tabelle zeigt den Unterschied der Filti-ationsgröße . der durch
Verschiedenheiten der Zuggeschwindigkeit verursacht wird, auch können
die Wirkungen von Verschiedenheiten der Größe der Netzwand sowie die
Unterschiede des Ertrages gleichgebauter Netze verschiedener Größe be-
rechnet werden. Die absolute Größe derPlanktonmas.se, die auf die Ein-
heit der Wasseroberfläche entfäUt . läßt sich durch diese Rechnung nicht
feststellen. Die Rechnung beruht auf der Annahme, daß auf der ganzen
Netzwand ein gleicher Druck steht. Diese Annahme trifft nicht zu,
.sondern es findet sich ein Druckgefälle. Am Elingang ist der Druck
größer als der Mitteldruck, und da hier bereits viel Wasser abfiltriert,
sinkt der Druck nach der Endfläche des Netzes mehr und mehr ab. Der
große Druck an dem Eingang mindert den Überdruck, daher wird weniger
Wasser in das Netz hineinfließen, als die Rechnung nachweist. Wahrschein-
lich findet außerdem wegen der Rauhigkeit der Netzwand an deren Außen-
fläche ein gewisser Zug statt. Es läßt sich daher die wahre Filtrations-
größe nur empirisch bestimmen. Zu diesem Zweck wird die Eingangs-
öffnung auf das 20- bis 40fache verengt und eine Reihe von Zügen mit
dieser verengten Öffnung ausgeführt. Zugleich werden einige Züge mit der
fi'eien Eingangsöffnung an dem gleichen Ort zu gleicher Zeit ausgeführt.
Dann wird die Zahl derjenigen Planktonten, die sicher fangbar und in
größerer Anzahl in den Fängen vorhanden sind, bestimmt. Bei den mit
kleiner Öffnung gemachten Zügen ist der Innendruck so klein, daß nur
1 oder 2% der Wassermasse, die wirklich hätte filtriert werden können,
Dir MctliddiU ihr l'laiiktcui-l nti-rsucluiii^'. (jf,!
verloren i^eht, wie die IJcclHum«'- feststellt. Mau eit'alirf als«», wie /ahlreich
die Anzahl der hezügliclien Tlanktoiiteii unter dem »Juadratnieter der (MH»r-
fläche ist. Die Züpc mit dem licicn Kin<2:anü ert^ehen einen l»otrarhtliclieii
Verlust der bezüiilieheii Tlanktonten. Kine Division der ^'ej'undeneii Zahl
in die Zcahl, die sieh aus den Zü^^en mit verengter .Mündung als l'lank-
tontengehalt unter dem Quadratmeter ergehen hat. giht als Quotient. -n
den Faktor, mit dem der Fang des Netzes mit ',„//'- Kin-iang zu multi-
plizieren ist, um den (behalt unter Im* der Oherfläehe kennen zu lernen.
Selbstverständlieh mulj die Tiefe des Vertikalzuges die gleiche sein. Da
die fischende Fläche des Eingangs bei diesem ^'ersuch ermittelt wird, ist
damit auch festgestellt, wieviel Was.ser in einem Netzzug bestimmter
Länge filtriert worden ist. Für das liisher gebrauchte groüe Tlanktonteii-
netz hat sich so der Netzt'aktor zu IIVÖ ergeben.
Exakter ist dem An.schein nach das Schlauchvertalireii. E^ kann
freilich nur zum Fang von Formen, die recht zahlreich vorhanden sind,
also namentlich zum Fang des Nanoplanktons dienen, weil damit etwa
oOOmal weniger gefangen wird als mit dem l'lanktonnetz, aber es bringt
dagegen absolut alles auf, was in der durchfischten Wasserschidit vor-
handen ist. Loltmann hatte für seine Untersuchungen in dem Mittelmeer
und später in dem Kieler Hafen Wasser aus bestimmten Tiefenschichten
gewonnen, indem er einen (Jarteiischlauch bis zu dieser Tiefe hinabgehen
lieb und dann von dort Wasser aufpumpte und analysierte , indem er das
Wasser teils durch gehärtete Filter oder selbst durch Seidentaffet liltrierte
und für die feinsten Flanktonten zentrifugierte. Eine genügend kräftige
Zentrifuge würde noch gestatten, selbst die Bakterien zu sammeln um!
direkt zu zählen . nur ist dicht am Lande soviel an Schmutz und tierischen
Exkrementen in dem Wasser vorhanden, dab dadurch die Zählung er-
schwert werden kann. Für die Ozeanforschung kommt es darauf an. zu
bestimmen, was in der ganzen Was.sersäule an organischem Material vor-
handen ist. Ich habe in den Ergebnissen lid. V. (>. . S. -jo vorge.scldag<-n.
einen (Jartenschlauch von 'lOO m Länge und 'Inti Fichfeniinrclunes.MM-.
der an dem Ende mit einem (Jewicht besclnveit ist und de>>en andere>
Ende am Deck liegt, senkrecht hinabgehen zu lassen. Dabei wiid dann
eine Wassersäule, die den Querschnitt der Fichtenweite des Schlauches
hat. gleichsam ausgestochen. Dann wird die Schlauchmündung an Deck
geschlossen und <las unteie Ende des S<'hlanches in die Höhe i:ezoL.'en.
Jetzt wii-(l die Schlauchmiindung an Deck geöfliiet und aus dieser wird
der Inhalt des Schlauches, der vom unteren Ende her an Deck geholt innl
dort aulgewunden wird, in bereitstehende (iefäiie entleert. Hierbei wird
(las Wasser aus verschiedenen Tiefen liir sich geuoiuuii mi>l analy.siert
werden können. Es werden etwa .')(»/ Was.ser liei tlieseiii NCrtahren ver-
arbeitet werden müssen. Zum eistenmal auf der antarktix'hen Fahrt von
Fllchner wird das \'erfahren verwendet werdeu. Da zunächst nicht einzu-
sehen ist. was den Erfolg dieses Verfahrens hin<lern sollte, wini es .schon
hiei- erwähnt. F.ei dem kleinen (,)uei-.<chnitt y\i'< S, lil.ni.hes haften ihm «ii«-
652 Viktor Hensen.
Fehler der Stichproben in hohem Maße an. doch hat dies für das Nano-
plankton, das sehr hohe Zahlenwerte zu geben pflegt, geringe Bedeutung.
Größere Tiefen als 200 m dürften mit dem Schlauch kaum erreicht
werden können.
Um den Inhalt größerer Tiefen zu bestimmen, kann ein doppeltes
^'erfahren dienen.
1. Dieser Inhalt kann in einfachster AVeise durch Stufenfänge Ije-
stimmt werden. Es werden an demselben Ort Fänge aus geringer Tiefe
und dann eine Reihe Fänge aus immer steigender Tiefe gemacht. Es läßt
sich dann durch die Zählungen die Vermehrung des Gehalts an Planktonten
in den Tiefenzügen und durch das Auftreten sowie durch die besondere
Vermehrung der tiefgehenden Formen ein Urteil über den Bestand der
tieferen Wasserschichten gewinnen.
2. Es werden für diesen Zweck b,esondere Schließeinrichtungen ver-
wendet. Diese Aufgabe wurde früher mit dem C^^«^schen Schließnetz zu
lösen versucht. Dieses Netz ist so eingerichtet, daß es geschlossen in die
Tiefe geht. Im Beginn des Aufzuges beginnt ein PropeUer. der eine
Schraubenmutter dreht . zu laufen. Dabei bewegt sich die Schraubenmutter
an einer Schraubenstange aufwärts. Bei deren Aufwärtsbewegungen löst
sich zunächst eine Vorrichtung, die bis dahin das Netz geschlossen hielt,
so daß das Netz jetzt zu fangen beginnt. Nachdem dann die Schrauben-
mutter eine längere Strecke an der Schraube aufwärts gestiegen ist, löst
sie die Haltedrähte, an denen bis dahin das Netz hing. Das Netz sinkt
daher etwa 2 Fuß hinab und wird dann an anderen Drahtseilen so geh alten,
daß die Netzbügel zuschlagen. Fortan bleibt durch eine Verschlußeinrichtung
das Netz dauernd geschlossen. Hierbei ist der große Übelstand, daß sowohl
dadurch, daß das Netz fällt, wie auch dadurch, daß es sich zusammenlegt,
ein großer Teil des Inhaltes, namentlich soweit er an dem oberen Rand des
Netzes lagert . ausgeschwemmt wird. Es eignet sich daher dies Netz nicht
zur quantitativen Bestimmung des Inhaltes der tiefen Schichten.
Ein zweiter, jetzt sehr vielfach gebrauchter Apparat wird als Nansen-
netz bezeichnet. Der obere Teil dieses besteht aus dichtem Zeug, es geht
offen in die Tiefe, fällt daher etwas langsam. Es ist daran die zuerst in
Helgoland gebrauchte Schließeinrichtung angebracht, die, für Horizontalzug
bestimmt . für diesen Zweck recht brauchbar ist. Nachdem nämlich das
Netz eine beliebige Strecke der Tiefe durchfischt hat, wird ein Gewicht
an dem Drahtseil hinabgeschickt. Dies Gewicht löst dann die Haltetaue,
an denen bisher das Netz hing, los. Das Netz sinkt und wird dann durch
eine Schlinge, die um den unteren Teil des dichten Zeuges gelegt ist,
gefangen, zugeschnürt und so verschlossen an Deck geholt. Es besteht also
wieder der Übelstand, daß vor dem Schluß durch den Fall und das Zu-
sammenschnüren des Netzes ein wesentlicher Teil des Fanges ausgespült
werden muß.
Eine Verbesserung der Einrichtung ist dann durch den dänischen
Forscher Joh. Petersen in \'orschlag gebracht, der durch ein hinabgesandtes
Die Motlmdik il<r l'laiiktoii-rntorsiirhuiii;.
i"-\
Gewicht zwei über dem Net/einjr;in^' aufgebrachte Klappen löste, die fortan
den Netzein^'^ni": verschlossen. Icii lialx' diese Kinrichtunir in einit?en DotaiLs
modifiziert und es sind u. a. von Apstrin'^) mit dieser Kinrichtnii}.' W'
Uesultate über die Verteilung' des Tlanktons in ilen verschiedenen ini'u-
schichten auf den Untersuchungsfahrten des ..Poseidon" in der N(»rd- und
Ostsee gewonnen worden. Eine recht ^^ute \'erbesserun;z dieser Kinriclitunn
ist von dem hiesigen Mechaniker Zwirkert, der die meisten l'lanktonapparate
beschafft, erfunden. Sie wird in nebenstehender Fig. UW» abgebildet. Mine
zunächst senkrecht stellende Metall-
scheibe Fig. 10») A wird durch ein
hinabgleitendes (lewiclit in beliebiger
vig.\««h.
Fig. 166.1.
Tiefe aus der senkrechten Lage befreit und füllt dann, indem sie sich durch
eine besondere Einrichtung der Führung horizontal umlegt, auf den Net/-
eingang, den sie dauerml schheUt, Fig. KitW^. Hei di.'sen SchlieUnet/en
kommen häufig Mißerfolge vor. weil nicht alles bei .Hergang regelrecht
funktioniert. Die gezeichnete Einrichtung scheint mir die obwaltenden
Schwierigkeiten am besten zu lösen.
1) Apsfeh, , riankto.) der Nord- und Uslsec WissoiKch. Mccre««ntcniuchu..
Kiel. N. F. Bd. 9. lyo«"). S. 1.
654
Viktor He 11 sc 11.
Fis. 107.
Für die Untersuchung der Flüsse, der Süßwasserseen und der
Tümpel sind viele Apparate angegeben worden, doch handelt es sich dabei
meistens um Horizontalfänge und die Untersuchung des Wassers der Ober-
fläche oder bestimmter Tiefen. Meines Erachtens dürfte das Schlauchver-
fahren die meisten dieser Apparate ersetzen können und sich als das genaueste
Verfahren erweisen, soweit es sich um quantitative Bestimnmngen handelt.
Auf diese Methoden wird daher hier nicht eingegangen, eine recht ein-
gehende Beschreibung der üblichen Methoden ist von Kolkwitz veröffent-
licht, auf die verwiesen sein mag. i)
Im ganzen macht sich die Tendenz geltend, mit kleinen Stichproben,
also entsprechend mit kleinen Netzen zu arbeiten. Dabei wird der Gedanke
verfolgt, dafj die Untersuchung kleiner Stichproben Arbeit erspare, daher
leichter durchführbar sei. Ich kann dem nicht beistimmen. Große Stich-
proben, also Fänge mit größe-
rem Netz stellen das Verhalten
in dem Wasser besser fest
als kleine Stichproben. Wenn
man sich begnügen muß, nur
einen geringen Anteil des
Fangs genau zu analysieren.
so gibt doch immer die gleich
große analysierte Probeent-
nahme des großen Fangs
ein besseres Bild als die des
kleinen Fangs. Die Multi-
plikation der untersuchten
Fangmasse mit der Zahl, die
den Gehalt z. B. für ImH )ber-
fläche oder für eine größere
Masse geben soll, wird ein weniger fehlerhaftes Resultat geben, wenn die
Quote einem größeren, als wenn sie einem kleinen Fang entnommen
wurde. Außerdem enthält der große Fang noch genügende Mengen seltener,
schon mit bloßem Auge erkennbarer Formen, die in dem gleichen kleinen
Fang zu selten sind oder ganz fehlen.
Der Fang des Netzes wird durch Bewerfen oder Bespritzen in den
angehängten Filtriereimer gespült, hier konzentriert und dann aus dem
Eimer sorgfältig entleert und in den Filtrator (Fig. 167) gebracht, um dort
möglichst von Wasser befreit in die Konservierungsgefäße gebracht zu
werden. Der Filtrator ist ein Becher mit unten durchbrochener Wand, in
die die Müllergaze oder dichtes Zeug, selbst gehärtetes Filtrierpapier ge-
spannt werden kann. Der untere Rand des Bechers ist sehr niedrig, aber
möglichst breit, er wird mit der Gaze überzogen und auf eine untergelegte
*) B. Kolkivitz, Entnahme- und Beobachtungsinstrumente für biologische Wasser-
untersuchungen. Mitteilungen aus der kgl. Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Ah-
■svässerbeseitigung in Berlin. 1907. Heft 9. S. 111.
Die Metliotlik der Plaiikton-l'utersuchiiiKj. ^'^r^r^
(ihisplatte (j aiiiiiopicrit. so dali hier Wasser nicht i-mwcj.Ucn kam». Im.-
Pressung wird duich den Kahincn bewirkt, d.T .-mf den Keil A mit Hilfe
der Schraubenmutter M fest aufgedrückt wird. Weil sich die ^T .1. .
Planktonten gegen die filtrierende Wand festlegt, liiiift das \.
langsam ab und selbst sehr kleine Tlanktonten gehen nicht mehr durch
die Gaze. Nachdem der Fang genügend konzentriert worden ist. hebt man
den Filtrierbecher vom Glase, auf dem die grüßte Masse des Fangs h ■
ab und entleert den Fang in die Sammelgefnile mid <ler noch au der Waii»t
des Filtrators anhaftende Fang wird mit Feichtigkeit durch eine Spitz-
flasche abgespült und gesammelt.
Der Fang wird in Alkohol, Formol, Osmiumsäurelösung von 1' „ od.-r
einer 2-o°/o\gen Lösung von doppeltchromsaurfm Kali kon.serviert. Fiiie all-
seitig gilt konservierende Lösung ist bisher meines Wissens nicht ge-
funden und wird sich auch kaum finden lassen, weil die Kigenschaften
der verschiedenen Formen den Konservierungsflüssigkeiten gegenüber zu
verschieden sind. Die konservierten Massen sollen nicht lange aufl)ewahrf
werden, weil dabei Veränderungen und Auflösnngen der Hüllen stattfinden
können. Manche weichen Planktonten. namentlich die des Nanoplanktons
werden durch die Konservierung ganz unkenntlich: sie müssen frisch oder
doch nur mit etwas Osmiumsäuredampf behandelt, untersucht werden.
Nachdem sich die Masse 24 Stunden lang abgesetzt hat, wird ihr
Volumen bestimmt. Wegen der oft sehr zahlreich in den Fängen enthaltenen
sperrigen Massen kann aus diesen durch Absetzungen entstandenen \o-
lumenmessungen nicht viel gefolgert werden, nur bekommt man einen An-
halt dafür, wie groß die Verdünnung werden muß, um für die Z;dilung
vorzubereiten. Für die Volumenbestimmung sehr kli'iner Fänge hat Aj>-
stein^) einen zweckmäßigen Apparat angegeben. Ich gehe aber auf das
Verfahren zur Volumenbestimniung nicht weiter ein. weil sich bisher er-
geben hat, daß doch immer nur die Zählung gute Hesultate gegeben hat.
Es hat aber, wie schon erwähnt, Lohmann begonnen, das mittlere \'olumen
der einzelnen Planktontenarten plastisch nachznbild(Mi und auf diese Wei.se
deren \'olumen im einzelnen festzustellen, .so daß mit Hilfe der Zählungen
das wahre Volumen der Fänge würde festgestellt werden können wenn
die mittleren Volumina aller Planktonten bekannt sein werden.
Für die Zählungen wird der ganze Fang in Wasser auf ein ange-
messenes Volumen gebracht und von diesem Volumen werden mit Hilfe
des Schüttelgefäßes (Fig. 168) Stichproben entnommen. Für diesen Zweck
dient die Stempelpipette B, ein Glasrohr, in dem eine Heihe von Kork-
scheiben, die nach Px-darf durch kleine Schrauben zusammengepreßt werden
können, an einer Führungsstange befestigt sind und an deren unterem
Ende ein messingner Ilohlz\ linder befestigt ist. Widireiid die Flüssigkeit
stark durchschüttelt wird, stößt man das (Jlasrohr auf den Boden des
•; Apfitcin, Neue Apparate für Mecresforscliuiicr. Mitteilungen cl. Deutsch. Sco-
fischerei-Vcreins. Uerlin. IDU'.K -Ni. 11.
656
Viktor Hensen.
Fig. 168.
Schüttelgefäßes und fängt dadurch die beabsichtigte Quote des Volumens
aus der ganzen Masse heraus. Der Messingzyliiider ist so ausgedreht, daß
der Raum zwischen ihm und der Glaswand genau das verlangte Volumen
enthält. Dies Volumen wird durch Wägungen festgestellt. Es sind Pipetten
zu benutzen , die ^'olumina von 0"1, 0'2, 0"5, 5 und 10 cm^ fassen. Diese
Einrichtung ist erforderlich, um während des Schüttelns die Proben ent-
nehmen zu können. Zugleich muß die Pipette eine weite Mündung haben,
um die Fehler, die die Stichproben suspensierter Teile mit sich bringen,
möglichst zu vermindern. Eine gewöhnliche
Pipette mit enger Mündung kann für diese Ent-
nahmen nicht dienen.
Die Pipette wird dann auf eine liniierte
Glasplatte entleert und ihr Inhalt an Planktonten
wird ausgezählt. Bei der Zählung von Blutkörper-
chen pflegt man nur eine Anzahl von Quadraten
der entsprechend geteilten Zählkammer zu be-
stimmen und zieht nicht die Größe des Tropfens
in Rechnung. Bei den Planktonzählungen muß
der ganze Pipetteninhalt ausgezählt werden, was
bessere Resultate gibt. Zuerst werden nur die
Volumina von 0"1 cm^ gezählt und sofern es sich
dabei um Diatomeen handelt, läßt man das
Präparat trocken werden, weil dann die kiesel-
schaligen Formen am deutlichsten hervortreten.
Da zu gewissen Zeiten über 100 Millionen einer
Diatomeenart gefangen werden, müssen eigentlich
10.000 Stück durchgezählt werden, aber jeden-
falls sollten über 1000 Stück durchzählt sein.
Es empfiehlt sich in solchem Fall, jedes 100
durch eine hingelegte Marke zu registrieren, da
man dabei die Augen nicht von dem Mikro-
skop zu entfernen braucht und die Stelle, wo
100 erreicht worden sind , nicht aus dem Auge
verliert. Bei diesen Zählungen darf keine zu
kleine Vergrößerung verwendet werden.
Man glaubt freilich die Formen deutlich genug bei kleiner Ver-
größerung erkennen zu können; meine Versuche haben aber gezeigt, daß
eine Nachzählung desselben Präparates mit stärkerer Vergrößerung ergibt,
daß 20o/o und mehr bei der zu kleinen Vergrößerung übersehen sind. Da
sich mit kleiner Vergrößerung bequemer zählen läßt, wird, glaube ich, in
dieser Richtung oft gesündigt. Die Diatomeen mittlerer Größe sollten
immer bei mindestens 200f acher Vergrößerung gezählt werden. Nachdem
^) Hensen, Über die Bestimmung des Planktons. 5. Berieht d. Kommission z. wiss.
Unters, d. deutschen Meere. 1887.
Die Methodik der ri.uiktoii-l ntersucluiiik'. (;;,7
von den kleineren Formen genufj: ^^ezälilt \\(»r(l('ii sind, ciit nimmt man für
die Zählung' der größeren Formen «rrölien' NOIumina und schwürlicrc« Ver-
größerung- und schreitet so fort, bis man ein Vohimcn von 10r»M» hat ni'hmcii
können. Auf die größten und daher kMcht sichthan-n Formen wird seh!
lieh der ganze Rest dnnli/ählt. Für diese /Mhliingen Itrauchf man n
keine Bedeckung durch Deckgläser. Die ( )l)jekte legen sich auf (hm ■ uum.
fest, selbst wenn das Präparat eingetrocknet ist. sind kaum N'erschiebnii""
zu fürchten. Um die größeren Volumina zu zählen, bedarf es <:roi;er < ■
platten und überhaupt sind Einrichtungen ei-forderlich. um da.«; Träparat
mechanisch sicher den Kolonnen der (ilasplatte entlang schieben zu können.
Ich habe dafür ein großes Zähhnikroskop anfertigen lassen, an dem
mittelst zweier Schrauben die Verschii'bungen bewirkt werden und an dein
immer sichtbar wird, in welcher Richtung die Bewegung gegan^'en ist. M
Dann schadet es nichts, wenn man bei der Zählung gestört wird. Meistens
begnügt man sich mit gewöhnlichen Mikroskopen, an denen dann Hinrich-
tungen für die mechanische Bewegung der Platte getroffen sind. Für
Zählungen kleinerer Fänge genügt dies auch, aber es muTp betont wenien,
daß die Re.sultate mit großen Fängen erheblich genauer werden. Für das
Nanoplankton und die Zentrifugenfänge kommen nur sehr kleine N'olumina
zur Zählung, die aber starke Vergrößerungen erfordern, unter Deckt:las
geschehen müssen und entsprechend schwierigei'. unbetiuemer. auch wohl
noch weniger genau sind. Überhaupt müssen vorläufig die .\nforderung<'n
an Genauigkeit nicht hoch gespannt werden. Das ganze Fntersuchnngsb'ld
ist noch so wenig bebaut, die Unterschiede der Dichte sind nach den
Jahreszeiten und nach den Gewässern noch so groß, daß feinere Unter-
schiede vorläufig bedeutungslos sind.
Die Mühen und Kosten, die mit der (Jewinnung und Verarbeitiiuf;
einer Fangreihe verbunden sind, werden so grol'i. daß dagegen die Kosten
eines guten Unter.suchungsapparates sehr zurückstehen. Da aber der
Apparat meistens erst später in der erforderlichen Ausdehnung ange-
schafft wird, drückt darauf die Cieldfrage und bewirkt eine Sparsamkeit,
die nicht proportional dem Zwecke und tU'u Konten des ganzen Fnter-
nehmens ist. Das drückt dann nicht nur (h-n Frfolg der bezüghchen
Untersuchung hinunter, sondern scluuligt auch noch ih'U Kredit besserer
Untersuchungen.
Die Zählungen, die restlos durchgeführt werden können, sind selbst-
verständlich möglichst genau. Die Fehlergrößen und deren Wahrscheinlich-
keiten bei Zählungen, bei denen auf den ganzen Fang aus Teilzählungen
geschlossen werden muß, sind von Ahbr in meimi- Methodik rechnungs-
mäßig genau nachgewiesen. Je größer die Summen sind, die u« /;ddt wurden,
und je häufiger die Probeentnahmen waren, von denen schließlich das
Mittel zu nehmen ist, desto geringer sind wahrscheinlich die Fehler, alter
es können dennoch die Zählunirrn um große Prozentzahlen falsch aii>^faIlon.
Wenn etwa die Cjuadratwurzel der in dem Fang enthaltenen Anzahl durch-
zählt worden ist, so werden die wahrscheiidichen Fehler hei ZflhlunpiMi,
Abderhalden. Handbuch der biochemischen ArbciUinethoden. V. 4-
658
Viktor Hensen. Die Methodik der Plankton-Untersuchung.
die über 100 Stücke hinausgehen, nur einige Prozente betragen. Für Ge-
naueres darf auf die ausführliche Abhandlung Abbes verwiesen werden.
Sind die Formen so klein, daß von ihnen ein Teil bei dem Fang oder
doch bei der Hebung des Netzes über den Wasserspiegel verloren gehen
muß , so werden die Resultate der Zählung sehr unsicher. Wenn die zu
vergleichenden Fänge nahe das gleiche Volumen haben, kann der Fang
der kleinen Planktonten vielleicht noch proportional, wenngleich immer un-
vollständig sein, sind aber die Volumina erheblich verschieden, so werden
sich in dem größeren Volumen noch mehr der kleinen Planktonten ge-
halten haben als in dem kleinen Volumen. Die Zählungen werden nicht
einmal über die relative Dichte dieser Formen ein richtiges Bild geben
können. Unter allen Umständen wird es richtig sein, das Schlauchverfahren
anzuwenden, wo es auf die Verfolgung dieser Nanoplanktonten ankommen
sollte. Für flache Gewässer läßt sich auch immer ein Schlauch von größerem
Lumen, als dem für die Befischung der Hochsee angegebenen, verwenden.
Dadurch fallen dann die Stichproben entsprechend zuverlässiger aus.
Zum Schluß sei noch eine kleine Übersicht über die Zusammen-
setzung der Netzfänge in der Beltsee in verschiedenen Jahren und Jahres-
zeiten, wie sie von K. Brandt ') gefunden worden ist, hier mitgeteilt.
Frozen tische Zusammensetzung der trocknen Fänge.
Datum
Eiweiß
Fett
Kohle-
hydrat
Oi-
ganisch
Asche
SiO,
Asche
ohne
SiOj
3. Oktober 1892 21-84
13. Oktober 1892 2024
15. November 1892 2101
14. Februar 1893 2041
15. März 1893 13-4Ö
4. April 1893 ! 15-56
5. Mai 1893 3654
18. August 1893 i! 33 56
18. September 1893 21-29
23. Februar 1894 ! 58-80
212
2-26
3-21
4-35
2-58
4-24
1-58
8-72
3-20
7-40
66-10
68-95
6007
45-50
23 66
18-79
23-07
38-31
29-30
22-88
90-06
91-45
84-29
71-17
3969
38-59
6119
80-59
63-79
89-08
914
8-55
15-71
29-68
6008
61-41
38-81
19-41
36-14
10-92
4-95
4-59
9-59
16-33
4716
51-26
2700
10-95
26-40
2-31
4-99
3-96
6-12
13-35
12-92
10-15
11-81
8-46
9-74
8-61
Der Gehalt der Asche an Kieselsäure entfällt fast allein auf die
Diatomeen, eine Bestimmung des Zellulosegehaltes würde sich auf die Haupt-
masse der anderen Pflanzen beziehen, eine Bestimmung des Chitingehaltes
würde hauptsächhch den Bestand an Krebsen treffen. Dabei wird es sich
immer nur um eine annähernde Scheidung der Bestandteile eines Fanges
und der Mischung der Meeresbewohner handeln können.
*) K. Brandt, Beiträge zur chemischen Zusammensetzung des Planktons. Wiss.
Meeresuntersuchungen. N. F. Kiel. Bd. 3. 1898.
Das Arbeiten mit Orgaueiweii].
Von .1. Pohl, Prag.
Das Blut hat, mit Ausnahme (Ut respiratoiisclicii. (»iiiotischcii und
Alkahfunktion. nur sehr wenige selbständige chemische Autgal>en: so könnten
sich, da die als Vorstufe der Antitoxinbildung angenommene Ahstoliung
toxophorer (iruppen zu keiner bisher nachweisbaren Änderung in der
analytischen Zusammensetzung der Organe geführt hat. auch dit- wesent-
lichsten Phasen der Antigenleistung in ihm abspielen, wofür <lie um-
fassende Änderung seiner Zusammensetzung während des Ininiunisierungs-
prozesses (Leukozytose, Globulinverniehrung, Fibrinvermehning) spricht.
Die überwiegende Anzahl aller anderen Funktionen geht in den Or-
ganen vor sich. Während nun seit Bestand einer e.xperimenteJlen rhysio-
logie die Funktionen selbst tausendfältig studiert worden sind , ist dem
Substrat derselben weit weniger Aufmerksamkeit geschenkt worden.
Zu den elementaren Bestandteilen jeder Zelle gehören ihre Kiweili-
körper.
Ansatz und Abbau, also Wachstum und Mästung einerseits. Hunger
und Krankheit andrerseits, kurz der Gesamtstoffwechsel, ob normal. t)b
abnormal, verlaufen unter ihrer Beteiligung und müssen sich zahlcnni.il'iir
an ihnen äußern.
Vergeblich sucht man für diese theoretisch konstruierten zellulären
Vorgänge nach den entsprechenden analytischen Belegen.
Die Leichtigkeit, mit der die Eiweilikörper des Blutes, der .Milch,
der Sekrete zugänglich sind, ist der äußere (Irund dafür gewesen. dalJ
sich die Eiweiüchemie und Fliweißbiologie vorwiegend mit ihnen als .\usi:ang.s-
material befaßt hat. So beschäftigt sich auch die moderne Iniiruinuclicnjie
überwiegend mit dem Serum, während eventuelle ()rgan\. : un^jen
kaum in Betracht gezogen worden sind. Trsache hieifür ist (ia.s rnver-
trautsein mit einer Methodik, dit» es gestattet, aus Organen dem SiM'uni
ähnliche, (luantitative Bestimmungen zulassende Lösungen zu gewinnen.
Nachdrücklichst auf eine solche hinzuwei-^m. das Verfahren zur l'.estinwnung
qualitativer und ([uantitativer .\ndeningen des Kiwcir.bf^t.-indes sowie seine
Anwendungsfähigkeit zu l)eschrcil)('n. ist .\ufgabe nachlulgend. r /u-- unnu-n-
stellung.
660 J- Pohl.
Der Ausdruck Organeiweiß bringt den literarischen Kampf zwischen
Voit und Pßüger über dieses Thema in Erinnerung. Voit definierte jenes
als das in den Organen befindliche, im Stoffwechsel nicht direkt angreif-
bare, fest gebundene Eiweiß im Gegensatz zu dem in den Säften gelösten,
nicht organisierten Vorrats- oder zirkulierenden Eiweiß ; ursprünglich
meinte er auch, daß sich die Zersetzungen an letzterem abspielen. Pßüger i)
stürzte diese Lehre : er wies nach, daß die Oxydation zellulär von statten
geht. Daß das Nahrungseiweiß erst nach vorangegangener Organisation
oxydabel sei, scheint ihm sicher. Wo aber und wie der zelluläre Aufbau
erfolgt, wie der Weg vom Organischen zum Organisierten geht, das
ist bis heute dunkel geblieben. Pflüger schließt seinen der Widerlegung
Voits gewidmeten Aufsatz mit folgendem Passus : „Wenn die Wissenschaft
einmal so weit fortgeschritten sein wird, zu entscheiden, ob alle Moleküle,
die in der Zelle oxydiert werden, vorher Bestandteile der organisierten
Materie gewesen sein müssen, wird es sich vielleicht herausstellen, daß
wir einen Streit um des Kaisers Bart führten. Da die lebendige organi-
sierte Materie die Nährstoffmoleküle chemisch verarbeiten soll, so muß
sie dieselben doch packen, d. h. in ihren Bestand in bestimmter W^ise
einfügen. Nun wird es von der Begriffsbestimmung abhängen, ob ein solches
zur Bearbeitung gepacktes Nährstoffmolekül, weil in die Organisation ein-
gefügt, als Bestandteil der organisierten Materie anerkannt werden soll
oder nicht. Es gibt ja gewiß in der organisierten Zellsubstanz sogar ver-
schiedene Arten organisierter Eiweißmoleküle."
Die seitherige Erfahrung lehrt mich, daß in den ausgespülten Organen
tatsächlich nur Eiweißkörper vorhanden sind, die gänzlich von
denen des Blutserums verschieden sind. Es gibt somit ein Organ-
eiweiß respektive Organeiweißkörper.
Gegenüber weit ausgreifenden allgemeinen Ausführungen aber ist es
notwendiger, die stofflichen Änderungen der einzelnen Organe unter wech-
selnden Bedingungen zahlenmäßig kennen zu lernen. Voraussetzung hierzu
ist die Kenntnis der Zelleiweißkörper. Im Vergleich zu der Fülle von Tat-
sachen, die in dem letzten Dezennium über die Abbau- und Spaltungs-
produkte der direkt zugänglichen Eiweißkörper erforscht worden sind,
stehen wir auf diesem Gebiete trotz seiner außerordentlichen Wichtigkeit
in den Anfängen.
I.
Die parenchymatösen Organe enthalten nach den landläufigen An-
schauungen Gewebsglohuline , Nukleoproteine , Stromine (Stützsubstanzen).
Die wichtigsten Angaben bezüglich der wasserlösenden, salzlösUchen koa-
gulablen Eiweißkörper sind folgende: Ploß') fand in der Leber 1. einen
^) Pßüger, Über einige Gesetze des Eiweißstoffwechsels. Archiv f. Physiol. Bd. 54.
S. 333. 1893. '
-) Floß, Jßügers Archiv. Bd. 7. 371. 1893.
l)as Arlniiiri Ulli Or^^aiiGiwoiO. ^\(\\
bei 45" koa<iul;il)kMi . in Essig und Sal/silun« lüsliclicii. j.'anz v«>nlaM!i«'»v'n
Eiweißkörper; -J. ein bei 70" koaf^Milablcs Niikleoalbuinin (heut«« ^\^
man die Nukleoalbiiniinc als iiikoairulablc Eiw»'ilikör|»t'i i ; :\. *Mn»*n '
koaijiilal)len Körper. Ifnl/ihuriou^) deutete zuerst dit- Oriraii.']- ;,. i
für Nukleoalbnniinc idciitiscb mit riowcbsfiln'inogcn. Sp.itcr !»•
in der Leber ein im Cberschuli von Kssiirsiiuro Ii-jcht löslirli-
globin, ein bti OS — 70" ausfüUbarcs (;inlinlin. daneben ein \n!
und etwas Albumin.
Bottazzi^) gewann 1805 aus der Milz ein /vtoglobnlin 7. kna.tni-
lierbar bei 49", ein Protein, koagulierbar bei (WJ — iHi", ein Zytoglobulin .'i.
bei 74 — 74" koagiilierbar, und Zvtoalbumine.
Die Muskeleiweilikörper, wie si(^ durch v. Fürth ^) eine grundht h--
Revision erfahren haben, sowie die Schilddrü.M'ueiweibkörper. ilie von Ostruhl
genau beschrieben worden sind, mögen bei der nachfolgenden /n<ainnien-
stellung ausgesclilossen bleiben. Tm^^ere Kenntnis.se der eigentlichen Nnkl<-o-
proteine basieren auf den Forschungen von Kassel, II<tnini(irstcn , UnUi-
burton, Gamgee, Wohlgenmth , Umher, liuruin , Xeunmmi . Mnidtl,
Levene u. a. m. und sind in, anderen Teilen dieses Werkes beschrieben, /nr
Darstellung derselben wurden meist die Filtrate koagulierter ( »rgane be-
nützt oder die gekochten Organfiltrate mit rikrins,iMre-Essigs;inre und
dann mit Alkohol gefüllt. Dab hierdurch nur der kleinste Teil der tat.sichlich
vorhandenen Nukleoproteine in Intersuchung gezogen wurde, winl aus
der folgenden Darstellung erhellen.
Die Gewinnung einer Organeiweißlösung. die ich wegen ihn-r \W-
ziehung zum Protoplasma und der Homologie /ihm l!lMti)lasnia als(h-gan-
plasma bezeichne, hat ein vollständiges Freisein von P.lutbestandteilen zur
we.sentlichen Voraussetzung. Am besten benutzbar ist die Leber. Niere,
Milz, Plazenta. Herz, kurz Organe mit leicht pr;ii)arierbaren zuführenden
(iefäl'.cn : doch auch aus dem (iehirn, peripheren Nerven, nicht minder
aus embryonalen Organen, ja .selbst aus dem Kalfbliiterorganismus la>M-ii
sich derartige Kiweibauszüge gewinnen. Die Ausspülung, die bei der L.-ber
von der Vena cava rückläufig erfolgt, wird mit einer kalziunifreim. au-
reinstem Kochsalz dargestellten 0-8"/oigen Kochsalzlösung so lange durch-
geführt, bis das Spülwasser aus den abführenden (Jefäl^on farblos abhkuft.
Für qualitative Arbeiten genügt es, das völlig entblutete Organ so-
dann zu einem Brei zu zerkleinern, eventuell durch ^iebe .bn, l,/iii.r,.v.,.n
und den mit entsprechenden Mengen physiologischer Koch-..
Toluol- oder Benzolzusatz tüchtitr durchgeschüttelten Organbrei 24 Stimden
in der Kälte stehen zu lassen. Dann wird filtriert, die ersten .\nteile .«ind
») W. D. HaUihiirtoii , Tlif piotcids of kiilin'v am! livi-r i. Uv .louri»*i ol pUv-
siology. Vol. 13. 808. 1880.
■^) Boifazzi, Los siilistanros albiiminoides «le la rii-' Arrh iIäI H
S. 453.
") V. Fürth, Über die EiweiUkorpor des Muskelplasma- ■ vi-" • ' •^»
S. 231. 1895.
662 J. Pohl.
gewöhnlich trüb, nach wiederholtem Zurückgießen des Filtrates erhält man
aber schließlich völlig klare, in ihrem Aussehen an ein Blutserum erinnernde
Lösungen. Selbst aus glykogenhaltigen Lebern wird schüeßlich ein hellgelbes
Plasma gewonnen.
Für quantitative Arbeiten ist es besser, den Organbrei nach Durch-
pressen durch Siebe auf Glasplatten im Ventilator bei Zimmertemperatur
rasch zu trocknen. Die getrockneten Pulver i) verwahrt man über konzen-
trierter Schwefelsäure, wodurch sie wochen- und monatelang unverändert
bleiben. Die weitere Verarbeitung siehe im Folgenden S. 667. Doch sei her-
vorgehoben , daß in wechselnden Verhältnissen schließüch ein Teil der Ge-
webseiweißkörper wasserunlöslich wird, somit rasches Verarbeiten wohl immer
zu empfehlen ist.
II. Eigenschafteu der Orgauplasineu.
Das Organplasma gibt alle Farben- uud Fällungsreaktionen der Ei-
weißkörper, so z. ß. eine positive Glyoxylsäure, positive Xanthoprotein- und
3/i/^wsche Pteaktion.
Mit Neutralsalzen kann man Fällungen erzwingen.
So gibt konzentrierte Kochsalzlösung innerhalb 24 Stunden flockige
FäUung: das Filtrat gibt auf Eintragen von Kochsalz in Substanz neuer-
Uch einen Niederschlag; das Filtrat hiervon, verdünnt, gibt wieder mit
Ammonsulfatfällung und selbst das weitere Filtrat läßt auf Säurezusatz
noch spärliche Flocken ausfallen. Bei Verwendung konzentrierter Ammon-
sulfatlösung ist eine deutliche, spatiengesonderte, fraktionierte Scheidung
in verschiedene Eiweißindividuen nicht möglich.
Die Eigenschaften solcher Organplasmen ähneln in vielem den durch
ein homologes Verfahren gewonnenen Muskelplasmen. Schon durch die be-
kannte Micschersche Beobachtung vom Schwund der Muskelsubstanz beim
Aufbau der Genitaldrüsen des Lachses ist eine gegenseitige Beziehung
zwischen Muskel und parenchymatösen Organen zu vermuten. Immerhin
bestehen zwischen Muskel- und Organplasma deutliche Unterschiede. 2)
Aus den Organplasmen läßt sich durch verdünnte Essigsäure (0"1 bis
0"2''/o), besonders sicher nach Zusatz kleiner Mengen gesättigter Kochsalz-
lösung (z. B. auf 100 an" Plasma 5 — 6 cm^ konzentrierter Kochsalzlösung)
ein flockig ausfallender Körper gewinnen, der im Gegensatz zur Säure-
fällung aus verdünntem Serum(Para-)globuhn in Neutralsalzen unlöslich ist,
er sei in Folgendem als Essigsäurekörper bezeichnet.
Dieser Eiweißkörper ist optisch inaktiv, durch Diffusion nicht fällbar,
sondern nur in Form einer opaleszenten visziden Kolloidlösung zu erhalten.
Die Kolloidlösung koaguliert nicht, gewinnt aber dieses Vermögen sofort
^) W. Wiechowski, Eine Methode zur chemischen und biologischen Untersuchung
überlebender Organe. Hofmeisters Beiträge. 9. 240. 1907.
-) Näheres über dieses Verhalten siebe in meiner Arbeit „Über Organeiweiß".
Hofmeisters Beiträge. Bd. 7. S. 390. 1905.
Das Arbeiten mit ürifaneiweiO. ^-j
auf Salzzusatz und ohonso wird du- KssiKsaun-lallmii.' i.ci «miht
diffundierten Lösunii erst naci» Salzzusat/. iiiö^dich. Uiinli ''
kung ist der Or^anciweil^körper l)is auf kleine Heste ^■'
daulich. Höchst eigenartig und sicher von hiolngischcr Ü-
Koagulationstemperatur. Er koaguliert (sowohl im
als auch aus der Säurefallung in Alkali gelöst) hei uuffall<'iid ji
Temperatur, hei 38—39° vollst!lndi^^ ja seihst hei 3;') und partiell ii«mIi
hei tieferer Temperatur. Die Plasnialiisungcn hahen üherhaiipt,
sonst Glohuline, die Tendenz, allmählich schon hei /imni<Mt<'m|tti:itui .üi-
zufallen. Diese Koagulationst'äliii.;k('if wird aufgchohcn oder gehemmt
durch Blutserum respektive die Bltiteiweillkürper. Kalziumznsatz zum i'.ltit-
serum hebt dessen hemmende Wirkung auf.
Die analytische Zusammensetzung des Essigsilurekörpers erhellt ans
folgenden Werten zweier ISestimmuu'xen:
i^V'llUVll fTtillt/ll ^«»»V'lVl I '1^ O * lill III Uli jii^
1 n
C 4T-21Vo 4H-43»/o
N ltv35Vo ir.-TlVo
H CTDVo ♦■»•9HVo
S 0-97% U'.tOV,
P — l-3'^o
Mit Rücksicht auf die Koagulationsfiihitrkeit. die fast restlose Ver-
daulichkeit der Ausfällbarkeit (iurcli schwache Säuren, wie Kohlensäure,
die Salzfällungsgrenzen, die Uugiftigkeit hei intravenöser Injektion war ich
anfangs geneigt, diesem Körper (Jlohulinnatur zuziischreihen. Schon in
meiner ersten Mitteilung schrieb ich. dali aber doch auf eine lie/ieluing
zwischen dem Plasmaglobuliu und den Nukleoproteiden einzu;:ehen sein wird.
„Speziell wird das Hainiiuirstoi'^dhc a-Nukleoproteid des Pankreas, das dem
Gewebsfibrinogen (Wooldridge). dem Zellglobulin (H(illi/>urtott). dem .Muskel-
albumin nahestehen soll, sowie auch das \i'o/il(/cmui/iM-\\o Li-berprotein zu
besprechen sein." Vor allem aber ist das mir damals entgangene l»
sehe Pankreasproteid hier einzubeziehen. Nun konnte ich .seitdem le.^t-
stellen, daß der Essigsäurekörper tyi)i.^che ()r/inreakti(ui gibt.
Das Absorptionsbaud des ( Mzinfarbstotfes in Amylalkohol war . !•.
bei Arabinose zwischen C und D, respektive zwischen ss.') und 102. \m
einem Schweinsleberessigsäurekörper zwischen ,^1V.') und «H» der Skala meines
Spektralapparates.
Der Komplex enthält .somit sicher eine Pentose. Der Peichtum der
Organe an Pentosen erhellt bereits aus früheren Pefunden: ich erinnert*
nur an die quantitative Studie von (.'ntml'i der unter BenUt/nng «les
Furfnrolverfahrens für eine Leber allein einen (iehalt von IS.'' Mr den
Muskel einen solchen von 7-:'.s annimmt und ber.Mf^ auf die .
») Grund, Clior doii (ii-lialt des (Jrpaiiisnuis an gebundenen Pcnlown
f. phys. Cheni. Bd. 35. S. 131. 1U02.
664 J.Pohl.
zipielle Bedeutung seines Befundes hinweist. Es scheint mir wichtig, zu
betonen, daß auch in den Organplasmen pentosehaltige Eiweißkörper von
geradezu universeller Verbreitung vorliegen.
Ferner ließ sich im Essigsäurekörper nach Salzsäurehydrolyse ein
Purinkörper nachweisen. Verfuhr ich nach dem ümberschen Verfahren,
so erhielt ich kein Guanin, wenn ich aber die eingeengte Schlußlösung mit
ammoniakalischem Silber fällte, den mit Schwefelwasserstoff zersetzten
Niederschlag filtrierte und einengte, so gab die Lösung die charakteristi-
sche Salpetersäurereaktion, die Sublimatreaktion positiv, die Weidehche
Chlorreaktion bheb negativ. Trotz der kleinen Mengen des Ausgangsmate-
rials, wodurch naturgemäß nur qualitative Reaktionen vorgenommen w^er-
den konnten , entscheiden diese Erfahrungen . daß der Essigsäurekörper
ein Nukleoproteid ist, wofür sich seither auch Hammarsten^) ausge-
sprochen hat.
Die Bezeichnung Nukleoproteid ist in chemischem Sinne zu nehmen,
dem Kern allein gehören die löslichen Organeiweißkörper nicht an.
Am nächsten steht der Körper dem Umber&chen Pankreasproteid
und ist vielleicht mit ihm identisch. Den Umfang der Verdaulichkeit des-
selben lehren folgende Zahlen: 1-06 chlorfrei gewaschener und getrockneter
Hundeleberessigsäurekörper hinterläßt nach mehrtägiger Pepsinsalzsäure-
verdauung einen unansehnlichen, braun pigmentierten Rückstand von
0-011 g.
Zur erschöpfenden Charakteristik eines Eiweißkörpers gehört neben
der Feststellung der Eigenschaften des unveränderten genuinen Stoffes
die Beschreibung seiner Spaltungspi'odukte. Da aber die Emil FischerschQ
Methode der Aminosäurebestimmung und noch weniger das Kossel-Kut-
schersche Verfahren der Basenbestimmung quantitativ sind , es außerdem
mir nicht möghch war, jene großen Mengen an Material darzustellen, wie
sie zur Anwendung dieser Methoden Voraussetzung sind (eine ganze
Schweinsleber liefert nur ?)2ö g lufttrockenes Pulver, aus dem nach Be-
handlung mit Toluolazeton nur 8*2 g unseres Körpers gewonnen werden,
ebenso aus 10 Jcg frischer Rindsleber nur 23 g), so bediente ich mich des
Ffaundler-Gümbehchen Verfahrens zur Bestimmung der N-Verteilung.
Zur Beurteilung der gewonnenen Zahlen sei hervorgehoben, daß im
Gegensatz zu den Bluteiweißkörpern eine Reinigung des Essigsäurekörpers
in strengem Sinne nicht möglich ist ; während man Globulin, Albumin mit
den fällenden Salzlösungen auswaschen, wiederholt lösen und fällen kann,
ist dies hier nicht zulässig. Beim Auflösen des sauren Niederschlages in
Alkali bildet sich äußerst leicht Alkalialbuminat. Beim Neutralisieren ent-
weicht Schwefelwasserstoff, ein Beweis für eine stattgehabte Zystinzer-
setzung. Die Proben sind dann niemals klar und geben, im Gegensatz zum
ursprünglichen Plasma, bereits mit i/e Ammonsulfat reichliche Niederschläge.
*) Hanimarsten, Lehrb. d. physiol. Chem. 9. Aufl. 1910.
Das Arlieiten mit Organeiweiß.
'l'.ll.rllc
Gesamt-X in "j
II
s
SS,
NH3-N
Mouoamiiio-
säure-N . . .
Melanin- und
Diamino-
säuro-N . . .
IfiOOi 15'.»
70Ü 81
61-5 ,Ü14
31-43 ^'^1
ber. 26.7)
III
15-98
7-77
63-64
0-53|
IV
5.5 ».
15-i»8
7-0
594
1-37
3223
VI
15-24 15 24 i:)H3 l.")'.!
7-79 7 2 K«J r. }
66 05
147j
2i4'..('2:,()| "S. •^-"
30-5 28 59
33-60
2596 26-74
66 5 V)H-3 62 6 Di.« Zahlen :=
I Prozent ile«
l-7j| (tesanit-N
.24 9 i>ie Zahlen
Prozent «ies
Gesanit-N
Die Tabelle zeigt, daß drr Essigsäurekörpcr sich im wcsoiitliclieii di-n
Serumeiweilikörpern nähert, es fällt z. K das Mittel der .Moiioaniinosaun'n
mit 63^0 zwischen die entsprechenden (Mohnlin- nnd AllHnniiiwcrt«'.
Neben dem durch ()-2''/o Essi^sänre fällbanMi Kürper ciithaltiMi <iif
Plasmen noch einen zweiten Eiweilikörper. r)erselln' ist diinh ^deirh
niedrige Temperatur, wie der erste, nicht austVdlbar. ist ebenfalls inaktiv
und nach dem positiven x\usfall der Orzinreaktion pentosenhalti^'. somit
wohl ebenfalls ein Nukleoproteid. hoch sei hervortrehoben, dali sich das
Spektralband der amylalkoholischen Lösung in Einzclidieitt'U etwas anders
verhält als das des ersteren. Hat man ein I'lasma mit ü-2" oiger IN-i«;-
säure ausgefällt, sättigt das Filtrat mit Ammonsiilfat in Substanz, s<» er-
hält man das zweite Proteid mit den eben bcschrifbcncn Eigenschaften.
Fasse ich zusammen, so ergibt sich, dal'i die löslichen OrganeiwfiÜ-
körper trotz der Ähnlichkeit der fiesamtanalyse und desamthydnilvse toto
coelo vom Blutserum verschieden sind.
Nach pAtraktion mit physiologischer Kochsaizlö.sung kann man die
Organpnlver noch mit 0-05% Soda extrahieren, die IJückstände dun-h
Diffusion aufschließen. Die möglichen Verfahren zur .\ufsfelbmi: einer
Gesamtbilanz der luweilikörper eines Organs, wie sie sich auf (irund vor-
stehender Erfahrungen entwickelt hallen, sind von W'iic/ioirski ') /MH'Mumru-
gefaßt worden und mögen hier wegen ihrer allgemeinen Anwendbarkeit noch
einmal Platz finden.
') Ifaufiniann , f'ber die \ t'rteiliiii;r des Sticiv>totls im hiwiMümon-Mn
f. phjsiol. ( liom. 27. S. 104. Tahtdlc IV. 1899.
*) Rothera, Zur Kenntnis der Stickstoff lündung im Kiwoiß. Ho/meülert Heit:
V. 447. 1904.
=>) Wicrhoic.ski, I.e. Ihfmcisfers Beitrage IM «1 "^ "ri" lOnT
666 J- Pohl.
Tabelle 2. Schema I.
Organ, ausgespült bei 30°
getrocknet, mit Toluol ver-
mählen und erschöpft
I. Toluolextrakt Rückstand mit Alkohol er-
schöpft
II. Alkoholextrakt Rückstand mit OS^/oiger
Kochsalzlösung erschöpft
(Filtration)
III. Filtrat „Plasma" Rückstand mit 0-U57oiger
Sodalösung erschöpft (Fil-
tration)
IV. Filtrat Rückstand (in Säuren und
Laugen lösl. Eiweißkörper
Schema II.
Mit Toluol und Alkohol extrahiertes Organpulver mit
0'87oiger NaC-Lösung vermählen und auf dem Filter
eiweißfrei gewaschen
v
Plasma" Rückstand mit OOöVoiger Soda ver-
mahleu und gegen dieselbe Flüssig-
keit dialysiert, danu zentrifugiert
Öpaleszentlösliche Organfraktiou Rückstand
zusammen mit Fraktion IV des
vorhergehenden Schemas
Schema III.
Mit Toluol und Alkohol extrahiertes Organpulver mit0057qiger
Sodalösung vermählen und gegen dieselbe Flüssigkeit dialy-
siert. Suspension gegen OOö^/o Sodalösung dialysiert, hierauf
mit der gerade ausreichenden Menge Kaliumazetat gefällt
und filtriert, Umfallen, bis das Filtrat eiweißfrei ist
Filtrat-Plasma -f Rückstand nach Dialyse zentri-
Fraktion IV des Schema I fugiert und durch Zentrifugieren
völlig ausgewaschen
V. Zentrifugat opaleszent VI. Rückstand
III.
Das Arbeiten mit Organen erstrebt verschiedene Ziele, von denen
die wesentlichsten hier angeführt werden mögen :
a) Die Feststellung spezifischer Giftwirkungen derselben (Nebenniere,
Hypophyse, Schilddrüse),
b) Darstellung von Zytotoxinen, Antikörpern,
c) Fermentisolierung und Fermentbestimmung,
d) Änderung ihrer quantitativen Zusammensetzung unter physio-
logischen und pathologischen Verhältnissen.
Die folgenden Ausführungen können sich nur mit dem letztgenannten
Problem befassen, da die ersteren bereits an anderen Stellen dieses Werkes
eine zusammenfassende Darstellung gefunden haben.
Das Arlifiton mit (»rt^aia-iweiß. gg-j
Die nacli^c'wicst'iic .M()j,'lichk«'it tlcr l.solicnm^ »•iii/.j'liuT < ' -:•■ iß.
kürper gestattet nminuihr, an lu'stiimiit»' Itiolo^^ische Viimvu !i n.
Vor allem erhebt sich die Fra<,M': Ändert sich di«- Zu ,ng
eines Organes in hezu^ auf seine Eiweillkörner hei hestininiten Krknin-
kungen V
Als Beispiel einer Methodik in dieser Kichtung sn auf d. Iie
Orf/dnicisters^) über die Änderung des Kiwellihestandes der Nien; aurrh
Entzündung hingewiesen.
Zur Feststellung von ^■eränderungen dieses ( »r-raiiplasmas wurde in
diesen Versuchen, die nunmehr sehen einige Jahre zurüekdatieren, ähnlich
uie es sonst beim Blutserum üblieh ist, durch Bringen des Nierenpla>ma«
auf eine Konzentration von 25, 3:i und .'jO" o Amninnsulfat ein«- quanti-
tative Vorstellung über die Zusammensetzung des Organs gewonnen. Die
Nieren werden, womöglich unmittelbar nach dt-m Tode des Tieres, direkt
von der Arteria renalis aus mit ph\siologischer Kochsaizlösuii'»' durcli>pult
und möglichst vollkommen vom Blute befreit.
Wegen des ziemlich großen Widerstandes, den die Klüs.sigkeit in
den Nierengefäßen findet, eignet sich hierzu am besten eine .')0— lOOrm»
fassende Spritze. Zur Ausspülung benötigt man nur einige Minuten. Hier-
auf werden die Nieren von der Kapsel und den Ililusgefiltieii befreit, zer-
kleinert, der Brei gewogen, mit der doppelten Gewichtsmenirc j)iiysiolo^Mscher
Kochsalzlösung und einigen Tropfen Toluol verset/t und in einen ver-
schlossenen Glaszylinder aufbewahrt: das Filtrat wird nun. wie oben aus-
geführt, fraktioniert. In der Norm ergab sich das \erh,dtnis von
SSVü Sättig, (homolog mit Euglobulin) :50"/o Ges.-tJlobuliiu Ku- u. B.<eudgloh.):
6 ööö
lOOVo Sättig.
100
Bei allen Formen akuter Nephritis trat nun eine derartig»' \erantic-
rung ein, daß es auf Kosten der diitten Fraktion zur NCrmdining der
ersten und zweiten kam. Z. B. war das Verhidtnis na«'h Sublimatne|djritis
37:77.- 100. Nach Kaliumbicliromat ;iO:r4:l(K). .lodoform l;V<«:r.."): UH),
Diphtherietoxin 24:92:100. Weitere Details mögen in der (Jriginalarboit
nachgesehen werden.
Zur Feststellung ([uantitativer Organverändi-rnngen bediene ich mich
seither eines empfehlenswerteren Verfahrens: Das. wie oben bcschrieU-n.
erhaltene Organpulver wird in bestimmten Meniren bald mit. bald ohne
vorhergehende Toluolextiaktion in der rulvermühle -) mit plivMtdogischer
Kochsalzlösung zerrieben und gewöhidich in l%iger Lösung nach Tohiol-
zusatz 24 Stunden stehen, respektive um ein«- völlige und gleichnulUigo Ex-
traktion zu ermöglichen, verschlossen liegen golas.^en. \ om Filirat wird ein
') Orqelmeister , Äiulortuig des Ei\vcißl»estiindes der Xicro durch Ki
Zcitsphr. f. exper. Path. u. Tliorap. H<l. 3. S. 11\. l'.MM"..
-') Wirrlwirsh-i, Dieses Hamllnicli. Bd. 3. S. 1^1*7. T-MO.
668
J. Pohl.
möglichst großer Teil (z. B. 50 cm^) nach Zusatz von etwas gesättigter Koch-
salzlösung mit O^'i^/oiger Essigsäure ausgefällt. Die Fällung wird nach mehr-
stündigem Stehen bei Zimmertemperatur mit O'SVoigei" Kochsalzlösung ei-
weißfrei, dann mit heißem Wasser chlorfrei gewaschen, schließlich nach
Behandlung mit Alkohol und Äther getrocknet und gewogen und auf das
Gesamtvolumen , respektive immer auf 1 g Organpulver berechnet. In
einer weiteren Probe, z. B. 25 cm^, bestimmt man Gesamteiweißgehalt des
Plasmas und eigens den Gesamteiweißgehalt des Organpulvers. Man ver-
gleicht somit pro Gramm Organpulver Gesamteiweißgehalt mit dem Gehalt
der in physiologischer Kochsalzlösung löslichen Eiweißkörper und der Menge
des Essigsäureproteids unter den verschiedenen biologischen Verhält-
nissen.
Es folgen zunächst Beispiele über den Einfluß des Hungers auf den
Eiweißquotienten, auf die Eiweißbilanz. Es ist längst bekannt, daß im
Hunger die einzelnen Organe an Gewicht abnehmen, und zwar in ver-
schiedenem Ausmaße. Die Verteilung dieser Abnahme auf die einzelnen
Eiweißkörper war erst festzustellen. Zum Vergleich müssen zunächst
Normal werte angeführt werden.
Tabelle 3.
N 0 r m a 1 k a n i n c li e u , 2 kff Gewicht, Leber mit T o 1 u o 1 extrahiert.
Versuchs-Nr.
Gesamteiweiß pro 1 ;/ trockenes Pulver .
Gesamteiweiß pro 100 c/»^ Plasma 1 : 100
0'2°/oige Essigsäurefälluug in 100 cm^
Plasma
Tabelle 4.
Huugerversuch e, Kaninchen, Leber mit Toluol extrahiert.
Versuchs-Nr.
3
i
5
14./n.
1450
23./IL
1030
7./xn.
2700
i9./xn.
1980
100
0-735
100
0-559
100
4-7
0-0125
1-6
0115
20
2-6
0012
1-6
0-088
15
Gewicht zu Beginn
den Versuches .
Gewicht zu Ende
den Versuches .
Gesamteiweiß pro
1 g trockenes Pul-
ver
Gesamteiweiß des
Plasma ausl :100
0-27oigeEssigsäure-
tälluug in 100 cm^
Plasma . . . .
14/IL
1550
21./n.
860
0-83
0038
0-022
Das Arlifitcu mit Organciwciß.
669
Die Zahlen zeif^^en, dal» beim Kaiiiiiclicn durrh lliiiim-r eine Ver-
schiebung- der Oiganei\v('ir,(iuotienten stattfindet, has Shwindon der Fett©
und Kohlehydrate erklärt die absolute /unahnie der (Ji-samteiwciliwcrt«';
die wasserlöslichen KiweiCkörper sind stark vcrniind ie
\vurden somit sicher zur /erset/un<,', zur l'.efriedijjiin^' drs Ki
herangezogen, ein Moment, das auf ihre i)hysi(»lo{.,'isclu' Im^m,,. >, ,,,, .,-;
Dieser Versuchstyi)us ist wohl als (irundlage für fernere Venu. h. u\u-t
die Assimilation zu verwerten. Welcher Art müssen die 1 -r
sein, die am schnellsten zur Wiederherstellung; des normalen V.iw h-
gewichts führen? Sind die abiureten Spaltungsprodukt«' im tfan/.on oder
fraktioniert — auch in dieser Richtung imstande, die nativt-n NAhrstoffe
zu ersetzen? Als Grundlage für diese und iihidiehf Versuche ist es
wünschenswert, die Karnivoren heranzuziehen: diesem /wecke dion'-n
folgende Tabellen.
Tabelle .'-).
X II rill .1 1 - n u n (1 r 1 r li (■ r , Tu] ii n 1 1- \ 1 r:i li i 1- rt
\'oisuchs-Xr.
Gesamteiweiß prn 1 </
Gesamteiweiß pro lUO cm^
Plasma 1 : 100 ...
0'27oige Essigsäurefäl-
lung auf 1 ff ....
0-67
0-209
31% I 0-217 327o :l 0-25 '33-4" , 0 24
0-127 1 18%
0123il8-37o;; 018
24«
(116
33 4',
21\
Tabeli.' (>.
H uiulcleber. Hunger versuche.
Versuchs-Nr.
10
11
12;i
l.olior
Gewicht zu Beginn I 4./XII.
i 6200
Zu Ende des Ver- 12./XII.
suches . . . . 5000
Gesamteiweiß pro
1 ff U-746
Gesamteiweiß des
Plasmas von 1 q
(auf 100) . . '. 0164
0-2"/o Essigsäure
auf 1 ff . . . . I ö 109
lOO'/o
21-97o
14-57o
2./I.
8600
lO./I.
7200
0 794
Niert»
100»/o
C. 11
H6U)
h(-.u)
24. II.
64r)ü
r>4:)0
0 7ri8
!(«•
0-263; i:)«o 0 2K7 37
0-119 1 337o t>-'"^
I) ICC
Trotz andauernden Hungers ist also beim Hunde /war ein ZuiiJok-
gehen, aber kein dem Kaninchen hemologes machtiges Absinken des Essig-
670
J. Pohl.
Säurekörpers der Leber zu verzeichnen (siehe die Prozentzalilen). Hier spielen
gewiß Rasse und Fiitterungsart vor dem Hungerversuch sehr bedeutsam mit.
So war es merkwürdig, wie munter der letzte Hund trotz IStägigem Hun-
gern war: voll Temperament und Beweglichkeit konnte er nach dieser Zeit
kaum zum Stillstehen auf der Wage gebracht werden. Gerade für Gift-
wirkungen, die am Hunde quoad Einflußnahme auf das Organeiweiß durch-
zuführen sein werden, ist es von Wichtigkeit zu wissen, daß der verringerten
Nahrungsaufnahme für die Leberzahlen keine rasch eintretende Bedeutung
zukommt.
Von der Vorstellung ausgehend, daß in der Darm wand als der
Stelle der Eiweißsynthese oder der Eiweißanhydrierung sich Ansatz oder
Verbrauch äußern könnte, wurde in folgenden Versuchen der Gehalt der
Darmschleimhaut an unseren Eiweißkörpern unter wechselnden Verhält-
nissen bestimmt (Tabelle 6).
Tabelle 7.
Darmschleimhautversuche.
Gefütterte Hunde.
Versuchs-Nr.
13
14
Gesamteiweiß pro 1 g .
Plasmaeiweiß pro 1 g .
Essigsäurekörper pro 1 g
0-738
0-3004
015
]00°/o
40-67o
20-2«/o
0-75
0-254
018
ioo°/o
33-887o
24»/o
HuDgerhunde.
Yersuchs-Nr.
15
16
Bemerkung .
Gesamteiweiß pro
1^
Plasmaeiweiß pro
1,9
Essigsäurekörper
pro \ g . . . .
2 Hungertage
0767
0192
0-11
looVo
^" in
U-2'''
15 Hungertage
0-804
0-180
0-087
1007o
22-47o
10-8%
Tier des Versuchs 16
von26-15auf20-35Ä-,(7
abgenommen, wird
verblutet
Die Hungerdarmschleimhautversuche des Hundes stimmen prinzipiell
mit den Leberhungerversuchen am Kaninchen: die absoluten Eiweißmengen
pro Gramm ürganpulver gehen in die Höhe, die löslichen Eiweißkörper,
insbesondere die Essigsäurekörper, schwinden beträchtlich.
Das Arbeite» mit Oreaneiwciü
671
Von Giften, die den Eiweiübestand aiit;n'if<-ii uii.l ...i, ,i,.w,u tin
Einfluß auf die Leber zu erwarten war. wühlte irh ri,.,.,.!.,,, ,,.,.» \ r.
senik. i)
\('rsueli 17. Ein 17r)0.7 Kaninchen erlnilt <k»1 P in ml' ij;
per OS am 12./1. Am 15./!. tot. Die Sektion er|,'ilit njaximale I..Imm verf-ttung.
Die pro 1 ^ mit Toluol behandelten I'ulver.-^ erholMu.n W.Tto der
Leber waren: Oesamteiweil'. =: O-THi'. lüsliche Eiweil'.körper utn«H4. mit
Essigsäure fällbar = O-OId.").
Der Vergleich mit den Normal/ahlen S. (JßH ortribt <nmit ein.. :.nr.4.r.
ordentliehe Verarmung an löslichen Eiweißkörpern:
Wesentlich übereinstimmend verläuft die (trale rhosph(irint(.\ikation
am Hunde:
Versuch 18. Hund (Uuo erhält 5 o///» l'hosphoröl (0 2 auf UKJ) per os.
Am 3. Tag 4400, tot vorgefunden. Typische Kettleber.
Die Eiweißwerte: (iesamteiweilt^OTlto. lösliche Eiweir.körper — 0 1 IK.
Essigsäurekörper = O'Ob'^.
Die schwere Schädigung der Lober beziehe ich auf den direkten In-
sult durch das mit Phosphor überladen(> 151ut. eine Intoxikationsforni. wie
sie ausschließlich beim Menschen vorkommt.
Führt man den Phosphor subkutan zu. dann ist die Lebereiweili-
schädigung trotz hochgradiger Verfettuni: nicht nachweisbar gewp.«ien.
Versuch 19. Hund 7820, erhält an .") Tagen je 1 cm' ()"_*° oi!-'**^ Phos-
phoröl subkutan. Am (3. Tage Gi)50, wird verblutet. Leber: mikroskopische
Fettinfiltration.
Eiweißverteilung: Gesamteiweiß pro 1 // = 0'724. lösliches EiweiÜ =
0"257, Essigsäure fällbar = 0'1548.
Hier ist als Maß der Into.xikation die Fettbestimmung ent.scheidend.
Jedenfalls zeigt der Versuch, was bei der Proteusnafur der Vergiftungs-
bilder mit P ohnehin zu erwarten, daß sich eine hochgradige Störun«: des
Fettgehalts völlig unabhängig vom Eiweißbestande vollziehen kann.
Über den Verlauf der Arsenik versuche nur kurz folgendes:
Versuch 20. Kaninchen von 1()3()// i;dll nach zweimal OH2.7
AS2O3 p. K. in 4 Tagen auf 900^ Gewicht.
1 g Leberpulv. gibtO-7Gesamteiweißmit Oil Plasmaeiweiß 11. (»-07 I i»
in Prozenten: 100 : L'> '"
Versuch 21. Kaninchen von 1C)20 7 fällt nach zweimal o()2 /;
AsoOsp. K. in 3 Tagen auf 1470// (iewicht.
l^Leberpulv. gibt 073 Ge.samteiw. mit 0 1:17 Pla>maei\\. u.uu:k>i..sMg.s.-Kurp.
in Prozenten: loO L^ : l-^'-*
In ähuHcher Weise geht nach wicdeiholten Aderlässen, d'- '-r
starker Gewichtsabnahme bis zum Tode der Tiere dnivl.'.fnlü-f w.-
Menge des Essigsäureproteitls beträchtlich herunter. I
') Siehe die zu ähnlichen Rosnltatra gflant.'en«lf .\
chemischen Veränderungen in I'hosphorleborn. Hiochem. /«-i'.
672 J.Pohl. Das Arbeiten mit Organeiweiß.
vorstehenden Erfahrungen zusammenfassend, der Satz aufstellen, daß jeder
zu deutlichem Gewichtsverlust führende Prozeß, möge er auf welche Art
auch immer ausgeführt worden sein, sich in einer mehr minder deutlichen
Abnahme unserer Leberproteide spiegelt: eine Spezifität kommt diesem
Befund nicht zu. So möchte ich noch erwähnen, daß Immunisierung
von Tieren mit heterologem Serum bis zum Auftreten kräftigster, schon
bei Zimmertemperatur erfolgender Präzipitation durchaus zu keiner Ände-
rung der Eiweißquotienten zu führen braucht, falls die Tiere keine Ge-
wichtsabnahme zeigen. Tritt aber der letztere Fall ein, so kommt es auch
hier zur beschriebenen Änderung im Organeiweißbestand.
Vorstehende Ausführungen mögen die Anregung zu weiteren Ver-
suchen mit Bestimmung der Eiweißkörper der Organe unter wechselnden
Bedingungen geben. Ich schließe mit folgendem Ausspruch E. Abderhaldens ^ ) :
„Organeiweiß" unter normalen und pathologischen Verhältnissen zu unter-
suchen, hat viel Verlockendes für sich. Es ist ein reizvoller Gedanke, dem
rein morphologischen Studium pathologischer Zellabartungen eine genauere
Kenntnis der Lebensprozesse der veränderten Zelle an die Seite zu setzen,
denn, daß nicht äußere Strukturverschiebungen das Wesen krankhafter
Prozesse ausmachen, sondern ganz offenbar in erster Linie Veränderungen
im gesamten Stoffwechsel der Zelle, ist ganz klar."
*) E. Abderhalden , Klinische Eiweißuntersuchungen. Zeitschr. f. exp. Pathol. u.
Ther. Bd. 2. S. 648. 1906.
N. C. Stau a/iiü
Druck von Gottlieb Gistel & Cie. in Wien.