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Full text of "Handbuch der biochemischen arbeitsmethoden"

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HANDBUCH 


DER 


BIOCHEMISCHEN  ARBEITSMETHODEN. 


V.BAND. 

I.  TEIL. 


HANDBUCH 


DER 


iMISCHEN  km 


BEARBEITET   VON 

Prof.  Dr.  E.  Abderhalden,  Berlin  —  Prof.  Dr.  W.  Autenrieth,  Freiburg  i.  Br.  —  Prof.  Dr.  H.  Bech- 
hold,  Frankfurt  a.  M.  -  M.  T.  Burrows,  New-Tork  —  Prof.  Dr.  A.  Carrell,  New-Tork  —  Dr.  phil. 
Edelstein,  Berlin  —  Exz.  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Emil  Fischer,  Berliu  —  Prof,  Dr.  Otto  Polin,  Boston  — 
Prof.  Dr.  Sigmund  Fränkel,  Wien  —  Priv.-Doz.  Dr.  Fühner,  Freiburg  i.  Br.  —  Priv.Doz.  Dr.  Fuhrmann, 
Graz  —  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  V.  Hensen,  Kiel  —  Prof.  Dr.  M.  Kumagawa,  Tokio  —  Priv.-Doz.  Dr.  E.  Letsche, 
Tübingen  —  Dr.  phil.  P.  A.  Levene,  New- York  —  Prof.  Dr.  Lockemann,  Berlin  —  Dr.  med.  H.  Loh- 
risch,  Chemnitz  —  Prof.  Dr.  E.  S.  London,  St.  Petersburg  —  Prof.  Dr.  Macallum,  Toronto  —  Prof.  Dr. 
Leonor  Michaelis,  Berlin  —  Prof.  Dr.  Morawitz,  Freibnrg  i.  B.  —  Prof.  I)r  Franz  Müller,  Berlin  — 
Prof.  Dr.  Hermann  Pfeiffer,  Graz  —  Prof.  Dr.  Pohl,  Prag  —  Prof.  Dr.  Pregl,  Innsbruck  —  Priv.-Doz. 
Dr.  Ernst  G.Pringsheim,  Halle  a.  S.  —  Priv.-Doz. Dr.  H.Pringsheim,  Berlin  —  l'riv.-Doz.  Dr.  Rohde, 
Heidelberg  —  Dr.  med.  und  phil.  P.  Rona,  Berlin  —  Dr.  phil.  van  Slyke,  New-York  —  Hofrat  Prof.  Di. 
J.  Stoklasa,  Prag  —  Prof.  Dr.  J.  Traube,  Berlin   —  Priv.-Doz.  Dr.  Völtz,  Berlin. 


HERAUSGEGEBEN   VON 

PROF.  DR.  EMIL  ABDERHALDEN, 

DIREKTOR. DES  PHYSIOL.  INSTITUTES  DER  TIERÄRZTL.  HOCHSCHULE,  BERLIN. 


FÜNFTER  BAND. 


ERSTER  TEIL. 


MIT  168  TEILS  MEHRFAEBIGEN  TEXTABBILDUNGEN. 


URBAN    &    SCHWARZENBERG 

BERLIN  WIEN 

N.,    FRIEDRICHSTRASSE  105b  I.,    M AXIMILI ANST  R ASSE  4 

1911. 


Vorwort. 


In  Band  1 — 4  des  Handbuchs  der  biochemischen  Arbeitsmethoden 
sind  die  einzelnen  Methoden  nach  den  einzelnen  Operationen  und 
den  einzelnen  Stoffen  geordnet.  So  finden  sich  zum  Beispiel  die 
Methoden  zur  Isolierung  der  Verbindungen,  die  im  Harn  vor- 
kommen, einzeln  nach  diesen  geordnet.  Diese  Art  der  Wiedergabe 
der  Methoden  genügt  nicht  für  alle  Fälle.  Sehr  oft  kommt  man 
in  die  Lage,  mehrere  Stoffe  nebeneinander  bestimmen  zu  müssen. 
Oft  bringt  auch  im  Einzelfalle  die  Art  des  Ausgangsmateriales, 
aus  dem  man  einen  bestimmten  Stoff  gewinnen  möchte,  Besonder- 
heiten mit  sich.  Der  vorliegende  Band  soll  derartige  Lücken  aus- 
füllen. Er  gibt  Anweisung,  wie  man  Gesamtblut,  Harn,  Milch  etc. 
auf  die  einzelnen  Bestandteile  verarbeitet.  Bei  der  Wiedergabe  der 
einzelnen  Methoden  ist  Rücksicht  auf  das  in  den  bereits  erschie- 
nenen Bänden  Enthaltene  genommen  worden,  doch  nur  dann,  wenn 
ein  Hinweis  ohne  Störung  des  Zusammenhangs  möglich  war.  Die 
einzelnen  Methoden  sind  auch  hier  wiederum  so  geschildert,  daß 
direkt  nach  den  Vorschriften  gearbeitet  werden  kann. 

Der  vorliegende  Band  bringt  ferner  neben  manchen  Ergän- 
zungen zu  den  bereits  erschienenen  Bänden  des  Werkes  noch  zahl- 
reiche neue  Kapitel.  Es  sind  speziell  die  Grenzgebiete  der  Biochemie 
berücksichtigt  worden.  Weitere  Ergänzungsbände  sollen  in  größeren 
Zeitabschnitten  fortlaufend  über  Verbesserungen  alter  Methoden  und 
Ausarbeitung  neuer  berichten. 


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Berlin,  den  15.  August  191L 


Emil  Abderhalden. 


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InhaltsYerzeiclinis. 


Sc-itc 

Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  \'on  Priv.-Doz. 

Dr.  Hermanu  Fühner,  Freiburg  i.  Br 1 

Methoden   zur  Bestimmung  des  Blutdrucks.    Von   Priv.-Doz.  Dr.  Erwin  Roh  de, 

Heidelberg 125 

Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.  Von 

Priv.-Doz.  Dr.  E.  Letsche,  Tübingen 139 

Die  Blutgerinnung.  Von  Prof.  Dr.  P.  Morawitz,  Freiburg  i.  B 223 

Die  vollständige   Analyse   eines   24stündigen   Urins.    Von   Prof.  Dr.  Otto  Fol  in, 

Boston 281 

Nachweis  und  Bestimmung  der  Eiweißabbauprodukte  im  Harn.  Von  Dr.  med. 

und  phil.  P.  Rona,  Berlin    ...  •  ....         295 

Bestimmung  der  Reaktion  mittelst  Indikatoren.  Von  Dr.  med.  und  phil.  P.  Rona, 

Berlin 317 

Nachtrag  zur  Gefrierpunktsbestimmung.  Von  Dr.  med.  und  phil.  P.  Rona,  Berlin  328 

Methoden  zur  Untersuchung  der  menschlichen  Fäzes.  Von  Dr.  med.  H.  Lohrisch, 

Chemnitz 331 

Methodik  der  Milchuntersuchung.  Von  Dr.  phil.  E.  F.  Edelstein,  Berlin       .    .    .421 

Fettbestimmung  nach  Kumagawa-Suto.    Von  Prof.  Dr.  M.  Kumagawa,  Tokio     .  477 

Partielle  Hydrolyse  der  Nukleinsäuren.  Von  Dr.  phil.  P.  A.  Levene,  New- York    .  489 

Die  Bestimmung   der  Wasserstoffionenkonzentration   durch   Gasketten.    Von 

Prof.  Dr.  Leonor  Michaelis,  Berlin 500 

Die  Arbeitsmethoden  bei   Versuchen   über   Anaphylaxie.    Von  Prof.  Dr.  Herrn. 

Pfeiffer,  Graz     .    .' 525 

Der    Nachweis    photodynamischer    Wirkungen    fluoreszierender    Stoffe    am 

lebenden  Warmblüter.  Von  Prof.  Dr.  Herrn.  Pfeiffer,  Graz 563 

Über  Mikropolarisation.  Von  Exz.  Geh.  ßat  Prof.  Dr.  Emil  Fischer,  Berlin     .    .    .  572 

Die  optische  Methode  und  ihre  Verwendung  bei  biologischen  Fragestellungen. 

Von  Prof.  Dr.  E.  Abderhalden,  Berlin 575 

Die  wichtigsten  Methoden  beim  Arbeiten  mit  Pilzen  und  Bakterien.    Von 

Priv.-Doz.  Dr.  Franz  Fuhrmann,  Graz 584 

Darstellung  von  Lipoiden  aus  Gehirn  und  anderen  Geweben.  Von  Prof.  Dr.  Sigm. 

Fränkel,  Wien     .    .    .    .   ■ 613 

Die  Methodik  der  Plankton-Untersuchung.  Von  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Viktor  Hansen, 

Kiel 637 

Das  Arbeiten  mit  Organeiweiß.  Von  Prof.  Dr.  J.  Pohl,  Prag 659 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf 
biologiseliem  Wege. 

Von  Hermaini  Füliuer,  Freiburg  i.  Br. 

Einleitung. 

Bioloii'ische  Methoden  finden  einmal  zum  qualitativen  Nach- 
weis von  Giften  Verwendung-  und  besitzen  hier  namentlich  forensisch- 
toxikologische Bedeutung;  sie  können  aber  auch  zu  quantitativen  Be- 
stimmungen von  Giften,  in  erster  Linie  zur  Gehalts-  und  Wertbestim- 
mung von  Chemikahen  und  Drogen  herangezogen  werden  und  haben  dann 
hauptsächlich  pharmazeutisch-medizinisches  Interesse. 

Die  wichtigsten  bisher  in  beiden  Richtungen  bekannt  gewordenen 
Methoden  sind  nachstehend  zusammengestellt. 

Zum  Nachw^eis  der  meisten  anorganischen  Gifte  sind  biologische 
Proben  überflüssig.  Die  vielgenannte  biologische  Methode  zum  Nachweis 
von  Arsenik  ist  wohl  rasch  und  bequem  ausführbar  und  in  forensischen 
Fällen  wenigstens  als  Vorprobe  verwendbar;  aber  angesichts  der  scharfen 
und  sichereren  chemischen  Proben  tritt  ihre  P)edeutung  hier  zurück.  Anders 
bei  organischen  Giften.. Selbst  bei  Substanzen,  die  sich  chemisch  und  mikro- 
chemisch gut  charakterisieren  lassen,  wie  das  Strychnin,  wird  in  forensi- 
schen Fällen  doch  kein  Sachverständiger  neben  dem  chemischen  Nachweis 
auf  den  charakteristischen  Tierversuch  am  Frosche  oder  der  hier  empfind- 
licheren weißen  Maus  verzichten  wollen.  Erst  der  positive  Ausfall  von 
charakteristischen  chemischen  und  biologischen  Proben  bietet 
bei  derartigen  Pflanzengiften  die  Gewähr  für  die  Richtigkeit 
der  Diagnose. 

Gilt  dies  schon  für  Substanzen  wie  das  Strychnin,  welche  leicht  in 
reiner  kristallinischer  Form  aus  Leichenmaterial  gewonnen  worden  können, 
so  ist  solches  in  noch  höherem  Malie  der  Fall  bei  Produkten,  die  nicht 
kristallinisch  und  auch  kaum  in  reiner  Form  aus  forensischem  Material 
zu  isoheren  sind.  Hier  wird  in  vielen  Fällen  der  biologische  Nachweis  wich- 
tiger sein  als  der  chemische,  z.  B.  bei  Aconitin,  Nicotin  und  Veratrin.  15ei 
noch  komplizierter  gebauten  Giften  vollends,  wie  bei  den  sogenannten 
Toxalbuminen  Abrin,  Ricin  u.  a.  oder  den  tierischen  Giften,   versagen  die 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemischen  Arbeitsmethoden.  V.  1 


N.  C.  Stau  Ctütm 


2  H.  Füll  11  er. 

chemischen  Nachweismethoden  durchaus  und  wir  sind  zum  Nachweis  dieser 
Substanzen  ausschheßlich  auf  biologische  Proben  angewiesen. 

Die  chemischen  Identitätsreaktionen  der  organischen  Gifte  bestehen 
zumeist  nur  in  rasch  vergänglichen  Farbenreaktionen,  welche  überdies  mit 
einer  Zerstörung  des  Giftes  verbunden  sind.  Bei  den  meisten  biologischen 
Proben  dieser  Gifte  wird  die  betreffende  Substanz  nicht  zerstört,  sondern 
kann  aus  dem  Versuchsobjekt  wiedergewonnen  werden.  Außerdem  lassen 
sich  die  Yergiftungserscheinungen  am  lebenden  Objekt  häufig  in  Form 
einer  Kurve  oder  einer  Photographie  aufnehmen  und  so  dauernd  fixieren, 
was  für  forensische  Fälle  besonders  wertvoll  erscheint. 

Erwähnt  sei  noch,  daß  viele  biologische  Proben  auch  mit  den  nicht 
völlig  rein  dargestellten  Giften  einwandfreie  Resultate  ergeben,  während 
eine  große  Anzahl  der  chemischen  Identitätsreaktionen,  an  unreinem 
Material  angesteUt,  unsicher  werden  oder  völlig  versagen. 

Im  übrigen  ist  es  durchaus  nicht  die  Aufgabe  biologischer  Pieak- 
tionen,  die  chemischen  Proben  zu  ersetzen  oder  überflüssig  zu  machen.  Es 
wird  in  den  meisten  Fällen  durch  den  biologischen  Nachweis  lediglich  die 
Sicherheit  des  chemischen  Befundes  erhöht  werden.  Im  Prinzip 
empfiehlt  es  sich,  irgend  ein  unbekanntes  Gemenge  nicht  einfach  einem 
Tiere  beizubringen,  um  seine  Giftigkeit  zu  erweisen,  sondern  man  wird 
dasselbe  nach  dem  bewährten  Gange  der  toxikologisch-chemischen  Analyse 
erst  in  verschiedene  schon  weitgehend  gereinigte  Bestandteile  zerlegen  und 
erst  mit  diesen  etwaige  chemische  und  biologische  Pteaktionen  anstellen.  Alle 
biologischen  Prüfungen  sind  mit  neutral  reagierenden  Lösungen  auszuführen. 

Quantitative  biologische  Bestimmungen  finden  heute  Verwen- 
dung zur  Prüfung  von  Desinfektionsmitteln,  von  Digitalisblättern,  Fieber- 
mitteln, Nebennierenpräparaten  u.a.m.,  Methoden,  welche  sich,  wie  auch 
die  qualitativen  Proben,  leicht  noch  vermehren  lassen. ') 

Unter  ..biologischem  Nachweis"  von  Giften  verstehen  wir  den 
Nachweis  derselben  unter  Verwendung  lebender  pflanzlicher  oder 
tierischer  Objekte.  Es  kann  sich  dabei  um  vollständige  Organismen 
oder  deren  Teile  handeln.  Ausschlaggebend  ist,  daß  die  Objekte  leben, 
denn  wir  woUen  aus  den  veränderten  Funktionen  eines  Lebewesens  oder 
seiner  Teile  oder  dadurch,  daß  wir  das  Leben  vernichten,  auf  die  An- 
wesenheit von  Gift  schließen.  Das  biologische  Objekt  dient  uns  als 
„lebendes  Reagens".  Demnach  ist  z.B.  der  Nachweis  von  Kohlenoxyd 
unter  Verwendung  von  Blut  kein  biologischer  Nachweis,  denn  hierbei  ist 
nur  der  Blutfarbstoff,  nicht  aber  die  lebende  rote  Blutzelle  erforderhch. 
Zum  Nachweis  von  Saponinen  hingegen  bedarf  man  lebender  Blutkörper- 
chen, welche  durch  diese  Gifte  zerstört,  hämolysiert  werden. 

Die  Gliederung  des  Stoffes  erfolgt  nachstehend  nach  biologischen 
Objekten;  diese  sind  in  folgender  Anordnung  behandelt: 


*)  Vgl.  W.  Strauh,  Physiologische  Wertbestimmung  von  Drogen,  speziell  der  Folia 
Digitalis.  Münchener  med.  Wocheuschr.,  1910,  Nr.  37,  S.  1941. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  3 

Schimmelpilze,  Bakterien,  Protozoen,  Blut,  der  Frosch  und  seine  Teile 
(Skelettmuskel,  Nervmuskelpräparat,  Herz,  Gefäßpräparat,  Auge),  Maus, 
Kaninchen,  Mensch. 

Möglichst  ausgiebig-  zur  Charakterisierung  der  Gifte  ist  der  Frosch 
und  seine  isolierten  Organe  herangezogen  worden,  während  von  einer  Ver- 
wendung von  Objekten,  welche  operative  Eingriffe  am  Warmblüter  er- 
fordern, abgesehen  wurde.  Es  käme  hier  auch  einzig  die  isolierte  Gebär- 
mutter zur  Wertbestimmung  von  Mutterkornpräparaten  nach  Kehrer  in 
Betracht. 

Schimmelpilze. 

Zahlreiche  Prüfungen  über  die  Empfindlichkeit  von  Schimmelpilzen, 
Giften  gegenüber,  sind  schon  angestellt  worden.  Hier  soll  aus  den  Ergeb- 
nissen derselben  nur  erwähnt  werden,  daß  Schimmelpilze  wie  auch  Hefen 
im  allgemeinen  Giften  gegenüber  recht  widerstandsfähig  sind,  und  zwar  in 
viel  höherem  Maße,  als  Algen  und  Blütenpflanzen. 

Diese  Eigenschaft  der  Schimmelpilze  ist  von  Bedeutung  für  den  hier 
zu  besprechenden  Nachweis  von  Arsenik  mit  Hilfe  gewisser 
Schimmelpilze,  welche  noch  bei  hohem  Arsengehalt  ihres  Nährbodens 
gedeihen  können. 

Die  in  Betracht  kommenden  Pilze  entwickeln  beim  Wachsen  auf 
arsenhaltigem  Substrat  charakteristischen  Knoblauchgeruch  und  diese 
Geruchsreaktion  ist  eine  derart  intensive,  daß  sie  zum  Nachweis  selbst 
kleinster  Mengen  von  Arsenik  Verwendung  finden  kann. 

Die  Tatsache,  daß  in  feuchten  Zimmern  mit  arsenhaltigen  Tapeten 
Knoblauchgeruch  unter  Umständen  auftritt,  war  seit  langer  Zeit  bekannt 
und  ist  schon  18:')9  von  L.  Gmelin  und  später  von  anderen  P'orschern 
näher  untersucht  worden.  Daß  dieses  Auftreten  flüchtiger  Arsenverbindungen 
aber  auf  die  Einwirkung  von  Schimmelpilzen  zurückzuführen  ist.  wurde 
erst  1892  von  B.  Gosio  i)  erkannt  und  wurde  von  ihm  auch  zu  einer  Me- 
thode des  Arsennachweises  ausgearbeitet. 

Der  Nachweis  von  Arsen  und  seinen  Verbindungen. 

Nicht  alle,  als  Verunreinigung  der  Luft  sich  findenden  Schimmelpilze 

.  (Mucor-,    Aspergillus-,   Penicilliumarten)    besitzen    die    Eigenschaft,   feste 

Arsenverbindungen  in  flüchtige,   nach  Knoblauch   riechende  Verbindungen 

zu  verwandeln.  Diese  Eigenschaft  ist  auf  einige,  von  Gosio  ..Arsenschimmel- 


^)  B.  Gosio,  Azione  di  alcune  muffe  sui  composti  fissi  d'arsenico.  Rivista  d'igiene 
e  sanitä  pubblica.  1892.  p.  201.  —  Derselbe.  Action  de  quelques  moisissures  sur  les 
compos^s  fixes  d'arsenic.  Arch.  italiennes  de  Biologie.  T.  18.  p.  253  (1893).  —  Der- 
selbe, Zur  Frage  wodurch  die  Giftigkeit  arsenhaltiger  Tapeten  bedingt  wird.  Bcr.  d. 
Deutsch,  ehem.  Gesellsch.  30.  S.  1024  (1897).  —  Die  Entdeckung  von  Gosio  wurde  von 
0.  EmmerJing  [Bcr.  d.  Deutsch,  ehem.  Gesellsch.  30.  S.  1025  (1897)]  angezweifelt,  aber 
von  zahlreichen  Untersuchern,  wie  Cli.  R.  Sanger,  Morpurgo  und  Brunner,  Baumert, 
Abel  und  Buttenberg  vollauf  bestätigt. 

1* 


4  H.  F  ü  h  u  e  r. 

pilze"  genannte  Arten  beschränkt  und  findet  sich  sehr  gut  ausgeprägt  bei 
dem  von  diesem  Forscher  zum  Arsennachweis  empfohlenen  Penicillium 
brevicaule.i) 

Man  kultiviert  den  Pilz  auf  Kartoffelkeilen,  hält  die  Kulturen  bei 
Zimmertemperatur  und  impft  1 — 2mal  im  Jahre  um.  Die  Kulturen  sind 
mindestens  1  Jahr  lang  lebensfähig.  Die  alten  mit  einem  Überzug  von  hell- 
braunen Sporen  bedeckten  Kulturen  sind  zum  Überimpfen  auf  frische  Kartoff  el- 
stücke  und  auf  Xährsubstrate,  welche  auf  Arsen  geprüft  werden  sollen,  geeignet. 

Zur  Herstellung  frischer  Kartoffelkulturen  sticht  man  mit  einem 
weiten  Korkbohrer  aus  rohen,  gewaschenen  und  geschälten  Kartoffeln  Zy- 
hnder  aus.  spaltet  diese  durch  einen  Schrägschnitt  in  zwei  Keile,  die  man 
in  Reagenzgläser  bringt,  auf  deren  Boden  sich  etwas  Watte  befindet.  Die 
Reagenzgläser  werden  mit  einem  Wattepfropf  verschlossen  und  entweder 
im  Autoklaven  bei  l'Ö — 2  Atmosphären  20 — 30  Minuten  oder  im  Dampf- 
kochtopf 1  Stunde  sterilisiert.  Man  kann  die  Reagenzgläser  auch,  in  ein 
Becherglas  gestellt,  in  das  kochende  Wasserbad  einhängen.  .  Über  die  Re- 
agenzgläser stülpt  man  ein  weiteres  Becherglas,  läßt  1  Stunde  im  Wasser- 
bad stehen  und  dann,  nach  Abdrehen  der  Heizung,  in  demselben  erkalten. 
Dieses  Erhitzen  und  Abkühlenlassen  wiederholt  man  an  drei  aufeinander- 
folgenden Tagen.  Es  hat  den  Zweck,  die  resistenten  Kartoffelsporen  zum 
Auskeimen  zu  bringen  und  die  Keime  nachher  abzutöten.  Hat  sich  am 
Boden  der  Reagenzgläser  Kondenswasser  angesammelt,  so  gießt  man  dieses 
ab  und  ersetzt  die  naß  gewordenen  Wattepfropfe  durch  neue  in  der  Flamme 
abgebrannte.  Auf  die  sterilen  Keile  impft  man  dann  etwas  braunes  Sporen- 
material mit  einem  Platindraht  in  bekannter  Weise,  unter  Vermeidung 
von  Infektion  durch  Luftkeime,  und  bringt  die  Reagenzgläser  in  den  Brut- 
schrank (Temperatur  oO — 32").  Sind  die  Kartoffelstücke  sehr  naß,  so 
wachsen  die  Pilze  bis  zur  oberflächlichen  Austrocknung,  derselben  langsam. 
Bei  richtigem  Feuchtigkeitsgehalt  der  Kartoffelstücke  ist  nach  24stün- 
digem  Wachstum  die  Pilzkolonie  schon  gut  sichtbar.  Nach  2  Tagen  hat 
sich  ein  weißer  Pilzrasen  gebildet.  Nunmehr  läßt  man  bei  Zimmertemperatur 
weiter  wachsen. 

Fig.  1  zeigt  in  einem  Reagenzglase  einen  Kartoffelkeil  und  in  dem 
daneben  befindlichen  einen  solchen  mit  einer  Schimmelpilzkultur  nach  drei- 
tägigem Wachstum.  Die  Kultur  bildet  einen  rein  weißen  Rasen  vom  Aus- 
sehen eines  Wattebausches.  Etwa  nach  2  Wochen  beginnt  die  Bildung 
brauner  Sporen. 

Als  Nährboden  für  Penicillium  brevicaule  kommt  zum  Zwecke  des 
Arsennachweises  Kartoffelbrei  und  Brotbrei  in  Betracht.  Kartoffel  ist  für 
manche  Untersuchungen  weniger  geeignet  als  Brot,  da  ihre  Wasserauf- 
nahmefähigkeit eine  begrenzte  ist.  xlußerdem  haben  manche  Kartoffelsorten 
einen  eigentümlichen  Geruch,  welcher  bei  der  Geruchsdiagnose  des  Arsens 


^)  Der  Pilz  kann  von  Dr.  G.  Grübler  d-  Co.,  Leipzig  imd  von  VroL  Kral,  Prag, 
bezogen  werden. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


Fig.l. 


störend  sein  kann.  Darum  ist  nach  Abel  und  Buttenherg  i)  Brot  der  Kar- 
toffel vorzuziehen,  und  zwar  möglichst  geruchloses  Grau-  oder  Weilibrot 
nach  Entfernung  der  Rinde.  Bei  richtigem  Feuchtigkeitsgehalt  wächst  auf 
Brot  und  Kartoffeln  Penicillium  brevicaule  rasch,  auch  wenn  dieselben  zur 
Arsendiagnose  mit  zerhackten  Leichenteilen ,  Kot,  Harn  etc.  vermengt  sind. 
Penicillium  brevicaule  zeigt  in  Rein- 
kulturen, im  Gegensatz  zu  anderen 
Schimmelpilzen,  keinen  muffigen 
Geruch,  so  daß  der  Knoblauchgeruch 
in  Arsenkulturen  rein  zur  Geltung 
kommt. 

Die  wertvollste  Eigenschaft 
des  Penicillium  brevicaule  ist  aber, 
daß  der  Knoblauchgeruch  noch  bei 
sehr  geringen  Arsenmengen  auftritt. 
Nach  Abel  und  Buttenherg  ist  die 
äußerste  Grenze  der  Reaktion  für  die 
arsenige  Säure  1/100 — 1/1000  ui^, 
für  die  wasserunlöslichen  Produkte 
/S't7iee/6'sches  Grün ,  Schweinf urter 
Grün,  Realgar  und  Auripigment 
etwa  1/100 121^,  während  metalli- 
sches Arsen  nur  in  Mengen  von 
1/10^ m^  an  nachzuweisen  ist.  Auch 
die  modernen  organischen,  als 
Arzneimittel  dienenden  Arsenver- 
bindungen, wie  kakodylsaures 
Natron,  Atoxyl,  Arsazetin  und 
Salvarsan,  werden  von  Penicillium 
brevicaule  unter  Auftreten  von 
Knoblauchgeruch  zersetzt. 

Da  die  Empfindlichkeit  der 
Reaktion  mit  der  Empfindlichkeit 
des  Geruchsorgans  des  Untersuchers 
schwankt,  so  kann  die  Methode  nur 
zum  qualitativen  Arsennachweis 
dienen. 

Die    flüchtigen,    durch  Einwirkung    der  Schimmelpilze    entstehenden 
Verbindungen  bestehen  zum  kleinen  Teil  aus  Arsenwasserstoff,  AsHs,  zum 


Eeinkultur  von  Pünicilliura  biuvicaulo. 


größeren,    wie    BigUielli"-)    (1900) 


nachgewiesen 


hat,     aus     Diäthvlarsin, 


^)  R.  Abel  und  P.  Buttenherg,  Über  die  Einwirkung  von  Schimmelpilzen  auf  Arsen 
und  seine  Verbindungen.  Der  Nachweis  von  Arsen  auf  biologischem  Wege.  Zeitschr.  f. 
Hygiene  u.  Infektionskrankh.  32.  S.  449  (1899). 

-)  P.  Biginelli,  Zusammensetzung  und  chemische  Konstitution  des  arsenikhaltigen 
Gases  der  Tapeten.  (1.  Mitteilung.)  Atti  R.  Accad.  dei  Lincei  Roma.  (5.)  9.  II.  p.  210  und 


6  H.  Fübner. 

AsH(C2H5)2.  Die  Gegenwart  von  Arsenwasserstoff  in  den  Gasen  läßt  sich 
objektiv  durch  die  Bettendorf  sehe  Silbernitratprobe  erweisen,  wozu  aller- 
dings bemerkt  werden  muß,  daß  in  den  Untersuchungsflaschen  neben 
Arsenwasserstoff  noch  andere  Silberlösung  schwärzende  Gase  (Schwefel- 
wasserstoff) auftreten  können. 

Wichtig  ist,  daß  die  Antimouverbindungen  unter  der  Einwirkung 
von  Schimmelpilzen  keine  riechende  Verbindung  geben.  Hingegen  erzeugen 
die  Pilze  bei  Gegenwart  fester  Selen-  und  Tellurverbindungen,  nach 
Maassen  i),  flüchtige  riechende  Verbindungen.  Die  Selenverbindungen  liefern 
ein  merkaptanähnlich  riechendes  Gas;  die  Tellurverbindungen  aber  ein 
solches,  dessen  Geruch  von  dem  Arsenknoblauchgeruch  nicht  zu  unterscheiden 
ist.  Alle  von  Maassen  untersuchten  Schimmelpilze  liefern  mit  Tellurver- 
bindungen diesen  Geruch,  dabei  auch  solche,  welche  Arsenverbindungen  nicht 
vergasen,  ein  Unterschied,  welcher  sich  differentialdiagnostisch  verwerten  läßt. 

Der  Hauptvorzug  der  biologischen  Methode  des  Arsennachweises 
gegenüber  den  chemischen  Methoden  besteht  darin,  daß  organisches  Ma- 
terial, z.  B.  von  Leichen,  direkt,  ohne  vorherige  Zerstörung  der  organi- 
schen Substanz,  zum  Arsennachweis  Verwendung  finden  kann.  In  einem 
Versuche  an  einem  Kaninchen,  welches  mit  bOmg  arseniger  Säure  (in 
Form  des  offizinellen  Liquor  Kali  arsenicosi  [5^]  in  oOcm^  Wasser  mit 
der  Schlundsonde  beigebracht)  vergiftet  worden  war,  konnte  im  Harn,  der 
vor  dem  Tode  des  Tieres  ausgeschieden  wurde,  in  solchem,  der  aus  der 
Blase  des  toten  Tieres  entnommen  wurde,  dann  im  Magen-  und  Darm- 
inhalt ,  in  Xiere,  Leber  und  Herz  Arsenik  durch  die  Pilzreaktion  festgestellt 
werden,  nicht  hingegen  im  Gehirn  des  Tieres. 

Bei  Abwesenheit  von  Tellur  (Selen)  hat  sich  die  Methode  nament- 
lich beim  Vorhandensein  viel  organischen  Materials  mit  geringem 
Arsengehalt  oder  in  Fällen,  wo  zahlreiche  Arsenproben  neben- 
einander vorzunehmen  sind,  nützlich  erwiesen.  Sehr  geeignet  ist  sie  auch 
zur  Verfolgung  der  A r s e n a u s s c h e i d u n g  in  den  Exkreten  bei  therapeu- 
tischer Verwendung  von  Arsenpräparaten.  Li  forensischen  Fällen  kann 
sie  nicht  als  ausschließliche  Methode  verwandt  werden.  Doch  bei 
ihrer,  der  Marshschen  Probe  nahezu  gleichkommenden  Empfindlichkeit, 
wird  sie  als  Vorprobe,  welche  mit  einem  nur  äußerst  geringen  Arsen- 
verlust durch  Vergasung  verbunden  ist  und  deren  Material,  wenn  nötig, 
nachträglich  zur  weiteren  chemischen  Prüfung  gebraucht  werden  kann, 
wertvolle  Dienste  leisten  können. 

Ausführung  der  Prüfung.'-)  Gekrümeltes,  möglichst  geruchloses 
Weiß-  oder  Graubrot  (ohne  Ptinde)  wird  mit  dem  zu  untersuchenden,  fein 


Gaz.  chim.  ital.  31.  I.  p.  58;  refer.  Chem.  Zentralbl.  1900.  II.  S.  1067.  (II.  Mitteilung.) 
Ibidem.  S.  1100. 

M  A.  Maassen,  Die  biologische  Methode  Gosios  zum  Nachweis  des  Arsens  und 
die  Bildung  organischer  Arsen-,  Selen-  und  Telhirverbindungen  durch  Schimmelpilze  und 
Bakterien.  Arb.  a.  d.  Kaiserl.  Gesuudbeitsamte.  18.  S.  475  (1902). 

-)  Nach   Abel  und  Butfenberg,  1.  c.  S.  464. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  7 

zerkleinerten  Material  innig-  gemischt  und  mit  so  viel  Wasser  versetzt,  daß 
ein  fester,  nicht  zu  nasser  Brei  entsteht.  Bei  Flüssigkeiten  wird  so  viel 
trockenes  Brot  zugesetzt,  als  zur  vollständigen  Aufsaugung  nötig  ist.  Re- 
agiert das  Untersuchungsmaterial  alkalisch,  so  muß  es  mit  Weinsäure  neu- 
tral oder  bequemer  sauer  gemacht  werden.  Der  Säureüberschuß  wird  durch 
Zusatz  von  reinem  Calciumcarbonat  beseitigt.  Desgleichen  wird  saures  Ma- 
terial durch  Calciumcarbonat,  von  welchem  ein  Überschuß  vorhanden  sein 
kann,  neutrahsiert.  In  schwach  saurem  Material  gedeihen  die  Pilze  am  besten. 

Die  dicke  Masse  bringt  man  in  Erlenmeyerkolben  von  mindestens 
100  cm^  und  gibt  auf  die  Oberfläche  noch  Inseln  von  reinem  feuchten  Brot, 
damit  sich  auf  diesen  die  Schimmelpilze  erst  ansiedeln  und  von  ihnen  aus 
das  als  Nährsubstrat  oft  weniger  günstige  Untersuchungsmaterial  allmäh- 
lich durchwuchern  können. 

Enthält  das  Untersuchungsmaterial  anorganische  Desinfektionsmittel, 
wie  Quecksilberchlorid,  Silber-  oder  Kupfersalze,  so  muß  dasselbe  erst  mit 
Schwefelwasserstoff  behandelt  werden,  da  die  Metalle  das  Pilzwachstum 
hemmen  könnten.  Flüchtige,  desinfizierende  Zusätze,  wie  Chloroform,  Toluol, 
Formaldehyd.  Phenole  wird  man  zum  Teil  durch  Erhitzen  auf  dem  Wasser- 
bade entfernen,  zum  Teil  durch  reichliche  Verdünnung  des  Materials  mit 
Brot  unschädlich  machen  können. 

Neben  den  Kulturen  mit  dem  zu  untersuchenden  Material  wird  man 
stets  eine  Kontrollkultur  anlegen,  um  festzustellen,  ob  das  verwandte 
Brot  und  Wasser  arsenfrei   sind    und  die  Pilzkultur  entwicklungsfähig  ist. 

Die  mit  Wattebausch  verschlossenen  Kolben  werden  nunmehr  im 
Dampfkochtopf  oder  Autoklaven  sterihsiert  und  nach  dem  Erkalten  mit 
sporenhaltigen  Kulturen  beschickt.  Hat  man  alte  vertrocknete  Pieagenzglas- 
kulturen,  so  kann  man  sie  mit  sterilem  Brunnenwasser  oder  Nährbouillon 
durchschütteln  und  mit  der  Sporenaufschwemmung  den  Brei  im  Erlen- 
meyerkolben übergießen.  Jüngere  Kulturen  auf  Kartoffelkeilen  läßt  man 
am  besten  in  toto  in  die  Erlenmeyerkolben  gleiten,  natürlich  mit  der 
nötigen  Vorsicht,  um  Luftinfektion  zu  vermeiden.  Den  Erlenmeyerkolben 
verschließt  man  gut  mit  abgebranntem  Wattepfropf,  darüber  mit  dichter 
Gummikappe  und  setzt  ihn  in  den  Brutschrank  in  eine  Temperatur  von  oO  bis 
32«.  Bei  Gegenwart  von  Arsenik  kann  man  in  günstigen  Fällen  schon  nach 
24  Stunden  und  früher  i)  Knol)lauchgeruch  wahrnehmen,  der  dann  zunimmt, 
je  mehr  die  Pilzrasen  wachsen.  Bei  geringer  Entwicklung  muß  man  den 
Wattepfropf  bei  der  Geruchsprüfung  abnehmen.  Hat  man  an  einer  kräftig 
riechenden  Kultur  gerochen,  so  muß  man  erst  geraume  Zeit  zuwarten,  bis 
man  die  Diagnose  an  einer  schwach  riechenden  Kultur  stellen  kann. 

Der  Geruch  hält  sich  in  den  Kulturen,  auch  ohne  (iummikappe  und 
selbst  bei  kleinen  Arsenmengen,  mehrere  Monate  lang. 

M  Beim  Zusammenbringen  einer  frischen  kräftig  gewachsenen  Pilzkultur  mit 
arsenhaltigem  Material  in  Pulverform,  mit  dem  mau  die  Kultur  einfach  bestreuen  kann, 
läßt  sich  Knoblaucligeruch  oft  schon  nach  3 — 4  Stunden  wahrnehmen.  (Morpurgo  und 
Brunner.) 


8  H.  Fühner. 

Bakterien. 

Die  Bakterien  (Scliizomyzeten ,  Spaltpilze)  gehören  morphologisch 
zu  den  niedrigsten  Pflanzen  und  haben  verwandtschaftliche  Beziehungen 
zu  den  Algen  und  den  Schlauchpilzen  (Askoniyzeten).  Sie  sind  einzeUig, 
fast  immer  chlorophyllfrei  und    besitzen   meist  Stäbchen-  oder  Kugelform. 

Man  unterscheidet  vegetative  Formen,  die  sich  durch  einfache 
Querteilung  vermehren,  und  Dauerformen,  Sporen,  welche  auf  geeignetem 
Nährboden  ..auskeimen"  und  sich  biologisch  von  den  vegetativen  Formen 
durch  viel  größere  Besistenz  gegenüber  physikaUschen  und  chemischen 
Schädigungen  auszeichnen. 

Yon  den  Bakterien  leben  manche  als  Saprophyten.  Medizinische  Be- 
deutung besitzen  aber  vor  allem  die  parasitären  Formen,  die  als  Krank- 
heitserreger in  Betracht  kommen  und  zu  deren  Vertilgung  — Desinfek- 
tion —  man  teils  auf  physikaUschem ,  teils  auf  chemischem  Wege 
gelangt. 

An  dieser  Stelle  können  nur  die  chemischen  Desinfektions- 
mittel und  ihre  Wertbestimmung  an  Bakterien  als  Testobjekten 
besprochen  werden,  Methoden,  welche  auf  den  grundlegenden  Arbeiten  über 
Desinfektion  von  Robert  Koch'^)  basieren. 

Bei  der  Prüfung  von  Desinfektionsmitteln  an  Bakterien  müssen  zwei 
Punkte  streng  unterschieden  werden:  Die  entwicklungshemmende 
und  die  b  a  k  t  e  r  i  e  n  t  ö  t  e  n  d  e  Wirkung  derselben.  -)  Bei  Substanzen,  welche 
z.  B.  als  innere  Desinfizientien  an  Menschen  und  Tieren  angewandt  werden, 
wird  es  zumeist  genügen,  wenn  sie  imstande  sind,  die  Entwicklung  der 
Bakterien  zu  hindern,  ohne  dieselben  abzutöten.  Die  Entwicklungshemmung 
von  Bakterien  zu  erreichen  gelingt  relativ  leicht  und  durch  viele,  auch  für 
den  Tierkörper  wenig  giftige  Stoffe.  Zur  iVbtötung  derselben,  sofern  sie 
mit  einem  zu  prüfenden  Desinfektionsmittel  überhaupt  möglich  ist,  ist  viel 
intensivere  Einwirkung  nötig.  Alle  bisher  bekannten  bakterientötenden 
Mittel  sind  auch  für  den  Tierkörper  giftig  und  es  ist  bis  heute  kein 
brauchbares  Mittel  gefunden,  Bakterien  im  Tierkörper  abzutöten,  wie  dies 
bei  krankheitserregenden  Protozoen  möglich  ist. 

Verbringt  man  Bakterien  in  einen  Nährboden,  der  eine  bestimmte 
Menge  eines  Desinfektionsmittels  enthält,  so  wachsen  sie  darin  nicht  weiter; 
sie  sind  in  ihrer  Entwicklung  gehemmt.  Impft  man  sie  aber  auf  einen  ge- 
eigneten neuen  Nährboden  über,  so  wachsen  sie  normal.  Zur  Entwicklungs- 
hemmung der  Milzbrandbazillen  genügt  nach  B.  Koch  der  Gehalt  einer 
Nährgelatine  von  1 : 1  Million  an  Quecksilberchlorid.  In  dieser  entwicklungs- 
hemmenden Konzentration  werden  die  Bakterien  nicht  primär  abgetötet, 
sondern  sie  sterben  erst  sekundär  an  Degeneration  nach  langem  Ver- 
weilen   in    dem    gifthaltigen   Nährboden.    Bei   der   Entwicklungshemmung 


*)  B.  Koch,  Über  Desinfektion.  Mitteilungen  a.  d.  kaiserl.  Gesundheitsamte.  1881. 
^)  Th.  Faul,  Entwurf  zur  einheitlichen  Wertbestimmung  chemischer  Desinfektions- 
mittel. Berlin  1901.  S.  5. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  9 

kommt  lediglich  die  Konzentration  der  giftigen  Stoffe  in  Frage.  Diese 
Konzentration  ist  für  dasselbe  Desinfiziens  bei  verschiedenen  Hakterien- 
arten  sehr  verschieden  und  schwankt  auch  bei  denselben  Individuen  sehr 
bedeutend  je  nach  der  Zusammensetzung  des  Nährbodens,  der  Temperatur, 
dem  Feuchtigkeitsgrad,  dem  Alter  der  Kulturen  usw. i)  Verbringt  man 
Ikkterien  hingegen  in  starke  Sublimatlösungen  und  läßt  sie  eine  be- 
stimmte Zeit  darin  verweilen,  so  werden  sie  abgetötet  und  wachsen  auch 
nach  völliger  Entfernung  des  an  ihnen  haftenden  Giftes  auf  einem  neuen 
Nährboden  nicht  weiter.  Bei  Abtötung-  kommt  neben  der  Konzentra- 
tion der  Giftlösung  noch  ihre  Einwirkungsdauer  in  Betracht,  die  im 
allgemeinen  desto  kürzer  sein  kann,  je  stärker  die  Lösung  ist. 

Von  ausschlaggebender  Bedeutung  für  die  desinfizierende  Wirkung 
chemischer  Produkte  ist  das  Medium,  in  welchem  sich  die  I)akterien  be- 
finden. Gelingt  es  in  feuchter  Luft  leicht,  z.  B.  durch  Chlor,  Bakterien  ab- 
zutöten, so  ist  dessen  Wirkung  in  organischem  Material  sehr  vermindert,  da 
es  zur  Oxydation  desselben  verbraucht  und  für  die  IJakterien  dadurch  unwirk- 
sam wird.  Auch  Metallsalze,  z.  B.  Sublimat,  verlieren  in  eiweißhaltigen  Lösungen, 
mit  denen  die  Metallsalze  Fällungen  geben,  viel  von  der  Litensität  ihrer 
Wirkung.  Weniger  ist  diese  Abnahme  der  Wirkung  in  Eiweißlösungen  fest- 
zustellen bei  aromatischen  Desinfektionsmitteln  (Phenol,  Lysol  usav.). 

Bei  der  Prüfung  der  Desinfektionsmittel  erhält  man,  wie  bei  allen 
biologischen  Wertbestimmungen  keine  absoluten,  sondern  nur  relative 
Werte,  die  auf  irgend  eine  Vergleichseinheit  zurückgeführt  werden  müssen. 
Vergleichbar  sind  die  Resultate  verschiedener  Versuche  nur  dann,  wenn 
sie  unter  genau  denselben  Bedingungen  ausgeführt  sind.  Die  zu  prüfenden 
Desinfektionsmittel  werden,  je  nach  dem  Zwecke,  dem  sie  dienen  sollen, 
mit  Substanzen  von  bekannter  Wirksamkeit  verglichen:  so  für  die  Luft- 
desinfektion mit  Formalin,  für  Flüssigkeitsdesinfektion  mit  Subhmat  oder 
Phenol,  für  Wunddesinfektionsmittel  mit  Jodoform. 

Da,  wie  gesagt,  die  entwicklungshemmende  Wirkung  chemischer  Des- 
infektionsmittel unter  sonst  gleichen  Bedingungen  lediglich  von  der  Kon- 
zentration der  Lösung  abhängt,  während  der  bakterizide  Wert  gleichzeitig 
eine  Funktion  der  Einwirkungszeit  darstellt  {Krönuj  und  Paul),  so  müssen 
auch  die  Methoden,  welche  dazu  dienen,  genannte  Werte  zu  bestimmen, 
wesentlich  von  einander  verschieden  sein.  Nachstehend  sind  die  wichtigsten 
•  heute  gebrauchten  Methoden  wiedergegeben.  2) 

1.  Methoden   zur  Bestimmung    der  entwicklungshemmenden  Kraft 

chemischer  DesinfektionsmitteL 

Bei  der  Anstellung  von  Versuchen  über  Entwicklungshemmung  ist 
es  nötig,    daß    außer    der  Konzentration  des  zu  prüfenden  Desinfektion.s- 

')  Th.  Paul,  ].  c.  S.  6. 

-)  Ich  folge  in  meinen  Ausfüliriuigcii  hier  hauptsächlich  der  Darstellung  von 
K.  Laitlicnheimer  in  seiner  Publikation:  Phenol  und  seine  Derivate  als  Desinfektions- 
mittel. Berlin  1909. 


10  H.  Fühuer. 

mittels  alle  anderen  Bedingungen  durchaus  gleich  sind,  damit  wirklich  ver- 
gleichbare Resultate  erzielt  werden. 

Von  solchen  Bedingungen,  die  geeignet  sind,  das  Resultat  der  Unter- 
suchung zu  beeinflussen,  ist  in  erster  Linie  die  verschiedene  Resistenz  der 
benutzten  Testbakterien  zu  nennen.  Verschiedene  Stämme  derselben  Bak- 
terienart können  sich  gegen  schädigende  äußere  Einflüsse  wesentlich  ver- 
schieden verhalten. 

Auch  die  Zahl  der  dem  Desinfiziens  ausgesetzten  Keime  scheint  das 
Ergebnis  zu  beeinflussen,  und  zwar  in  dem  Sinne,  daß  vollständige  Ent- 
wicklungshemmung bei  größerer  Einsaat  schwieriger  zu  erreichen  ist,  wie 
wenn  nur  wenige  Bakterien  dem  Nährboden  zugesetzt  werden. 

Ferner  wird  das  Resultat  wesenthch  durch  die  Wahl  des  zur  An- 
wendung kommenden  Nährsubstrates  beeinflußt.  Je  eiweißreicher  ein  Me- 
dium ist,  in  dem  die  entwicklungshemmende  Kraft  eines  Desinfiziens  ge- 
prüft wird ,  desto  mehr  wird  letzteres  in  seiner  Wirkung,  den  Bakterien 
gegenüber,  beeinträchtigt  werden.  Dies  gilt,  wie  schon  oben  bemerkt,  in 
höherem  Maße  für  die  eiweißfällenden  Metalle,  wie  Quecksilber  und  Silber, 
als  für  die  Phenole  und  ihre  Derivate. 

Wichtig  ist  dann  auch,  daß  die  Versuche  bei  bestimmter,  sich  gleich- 
bleibender Temperatur  ausgeführt  werden.  Die  Entwicklungshemmung,  die 
ein  Desinfiziens  auszuüben  vermag,  wird  am  geringsten  bei  dem  Tempe- 
raturoptimum des  zur  Prüfung  verwandten  Mikroorganismus  sein.  Je  mehr 
die  Temperatur  sich  von  dem  Optimum  nach  oben  oder  unten  hin  ent- 
fernt, desto  mehr  wird  die  Entwicklungshemmung  in  Erscheinung  treten, 
was  bemerkenswert  ist  insofern,  als  bei  Bestimmung  der  keimtötenden 
Kraft  eines  Desinfiziens  die  Verhältnisse  umgekehrt  liegen. 

Da  die  Entwicklungshemmung  bedeutend  einfacher  festzusteUen  ist 
als  die  abtötende  Wirkung  einer  Substanz,  letztere  aber  viel  wichtiger  er- 
scheint, so  wird  die  Prüfung  der  Entwicklungshemmung  zumeist  als 
Vorprobe  in  Betracht  kommen.  Substanzen,  welche  sich  bei  dieser 
Prüfung  als  sehr  wirksam  erweisen,  werden  mit  größerer  Wahrscheinhch- 
keit  abtötende  Kraft  besitzen,  als  solche,  die  schon  im  ersten  Falle  ver- 
sagen. 

Als  Testbakterien  werden,  je  nach  den  Zwecken,  welchen  ein  Desin- 
fektionsmittel dienen  soll,  verschiedene  Arten  in  Betracht  kommen.  Viel 
gebraucht  werden  Diphtherie-,  Typhus-  und  Kolil)azillen,  dann  aber  nament- 
lich Staphylo-  und  Streptokokken.  Die  Bakterien  verwendet  man  in  1  oder 
2  Tage  alter  Bouillonkultur. 

Ausführung  der  Prüfung.^)  In  einer  Reihe  steriler  Reagenz- 
röhren werden  mit  sterilem  destillierten  Wasser  Verdünnungen  des  Des- 
infiziens hergestellt  in  steigender  Konzentration,  z.  I).  im  Verhältnis 
1  :  100,  1  :200,  1  :  :-iOO,  1  :  400  usf.  Von  diesen  Verdünnungen  wird  je 
1  cm"  mit  steriler  Pipette  entnommen  und  in  Röhrchen  gegeben,  die  genau 


*)  Nach  K.  Lanbenheimer,  1.  c.  S.  4. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  W 

9  cni^  Bouillon  enthalten.  Es  entsteht  also  eine  weitere,  lOfache  Verdün- 
nung-  des  Antisepticums,  das  demnach  in  der  Bouillon  in  einem  Verhält- 
nis 1:1000,  1:2000  usw.  enthalten  ist.  Nachdem  auf  die  geschilderte 
Weise  die  Reihe  vorbereitet  ist.  wird  in  jedes  Iiöhrchen  ein  Tropfen  der 
P>ouillonkultur  der  als  Testobjekte  dienenden  Bakterien  mittelst  steriler 
Pipette  eingebracht.  Es  wird  so  erreicht,  daß  eine  annähernd  gleiche 
Zahl  von  Keimen  in  der  gleichen  Menge  desselben  Xährmediums  sich  be- 
findet. Als  Versuchstemperatur  wird  die  für  die  betreffenden  Bakterien 
optimale  gewählt. 

Die  Röhrchen  w^erden  jeden  Tag  auf  Wachstum  untersucht  und  Ent- 
wicklungshemmung dann  angenommen,  wenn  die  Bouillon  während  der 
Dauer  der  Beobachtung,  Avelche  8  Tage  beträgt,  steril,  d.  h.  klar  bleibt. 
Zur  Kontrolle  dient  ein  Röhrchen ,  das  nur  10  cm^  Bouillon  plus  einem 
Tropfen  Bakterienkultur  enthält. 

Diese  Methode  ist  dann  gut  verwendbar,  wenn  die  zu  untersuchenden 
Desinfektionsmittel  mit  der  Bouillon  gemischt  keine  Trübungen  und  Nieder- 
schläge geben.  Ist  letzteres  der  Fall,  so  können  die  Resultate  hierdurch 
unrichtig  ausfallen  und  man  wird  statt  Bouillon  besser  Agar  verwenden, 
der  dann  zwar  voraussichtlich  auch  durch  das  betreffende  Desinfektions- 
mittel getrübt  werden  wird,  aber  die  Trübung  wird  hier  nicht  so  störend 
sein,  wie  in  der  Bouillon,  weil  der  Nährboden,  zu  dünner  Schicht  erstarrt, 
genügend  durchsichtig  bleibt,  um  das  Aufgehen  der  Bakterienkolonien  er- 
kennen zu  lassen,  welche  sich  in  voller  Deutlichkeit  von  dem  diffus  ge- 
trül^ten  Agar  abheben.. 

Die  Versuchsanordnung  bei  dieser  Methode  ist  ähnlich  wie  die  vor- 
stehend beschriebene ,  nur  werden  die  von  dem  Desinfiziens  hergestellten 
Verdünnungen  in  der  Menge  von  1  cin'^  nicht  in  Bouillon,  sondern  in  9  vin^ 
verflüssigten  und  auf  42«  abgekühlten  Agar  gegeben.  Eine  gleichmäßige 
Verteilung  des  Antiseptikums  im  Nährsubstrat  wird  durch  Umrühren  mit 
einer  Platinspirale  erreicht.  Nun  erfolgt  wieder  die  Beimpf ung  der  Röhr- 
chen mit  je  einem  Tropfen  der  Bakterienbouillonkultur  und  nach  noch- 
maUgem  gründlichen  \'ermischen  mit  der  Platinspirale  Ausgießen  des  Agars 
in  Petrischalen.  Entwicklungshemmung  ist  auch  hier  nur  dann  anzunehmen, 
wenn  jegliches  Bakterienwachstum  ausbleibt,  d.  h.  keine  Kolonien,  auch  bei 
Beobachtung  mit  der  Lupe,  sichtbar  werden.  Das  Arbeiten  mit  Agar  ist 
zwar  etwas  umständUcher  Avie  mit  Bouillon,  aber  die  Beurteilung  der  Re- 
sultate ist  leichter. 

2.  Methoden  zur  Bestimmung  der  keimtötenden  Kraft  chemischer 

Desinfektionsmittel. 

Zur  Bestimmung  der  abtötenden  Wirkung  von  Desinfektionsmitteln 
sind  zahlreiche  Methoden  ausgearbeitet  worden,  als  deren  erste  die  von 
Bobert  Koch  angegebene  ,,Seidenfadenmethode"  zu  nennen  ist,  welche 
auch  heute  noch  vielfach  Verwendung  findet.   Das  Prinzip  dieser  Methode 


12  H.  Fühuer. 

besteht  darin,  daß  sterile,  etwa  1  cm  lange  Seidenfäden  mit  einer  Bakterien- 
bouillonkultnr  getränkt,  im  Brutschrank  getrocknet  und  dann  eine  be- 
stimmte Zeit  in  das  zu  prüfende  Desinfektionsmittel  getaucht  werden. 
Verbringt  man  die  Fäden  hernach,  nach  mögUchster  Entfernung  des  Des- 
infektionsmittels, in  sterile  Bouillon,  so  läßt  sich  nach  Verlauf  eines  Tages 
erkennen,  ob  die  Bakterien  abgetötet  wurden  oder  nicht. 

Die  Verwendung  von  Seidenfäden  hat  den  großen  Nachteil,  daß  es 
sehr  schwierig  ist,  die  Desinfektionsmittel  wieder  aus  denselben  zu  ent- 
fernen. Die  Substanzen  werden  zum  Teil  in  die  Bouillon  mit  übertragen 
und  können  hier  Entwicklungshemmung  hervorrufen  und  dadurch  Abtötung 
vortäuschen. 

Dieser  Übelstand  wird  vermieden,  wenn  statt  der  Seidenfäden  mit 
ihrer  porösen  Oberfläche  z.  B.  Gummistückchen  (Johnston)  oder  Glasfäden 
(Buttersack)  verwendet  werden,  oder,  wie  in  dem  Verfahren  von  Krönig 
und  Paul,  die  böhmischen  Tariergranaten. 

Die  Methode  von  Krönig  und  Paul  gilt  als  die  exakteste  aller 
bekannten  Methoden  und  soll  hier  in  der  von  K  Lauhenheimer  etwas  ver- 
einfachten Form  wiedergegeben  werden. 

Prinzip  der  Methode.  Schon  M.  Gruber ^)  hatte  eine  Pteihe  von 
Leitsätzen  aufgestellt,  die  bei  der  Wertbestimmung  von  Desinfektionsmitteln 
zu  berücksichtigen  sind.  Nach  Krönig  und  Paul  -)  müssen  hierbei  folgende 
Bedingungen  eingehalten  werden. 

1.  Die  für  eine  vergleichende  A'ersuchsreihe  benutzten  Bakterien 
müssen  gleiche  Widerstandsfähigkeit  haben. 

2.  Die  Anzahl  der  zu  den  einzelnen  Versuchen  verwendeten  Bakterien 
muß  annähernd  die  gleiche  sein. 

3.  Die  Bakterien  müssen  in  die  desinfizierenden  Lösungen  gebracht 
werden,  ohne  daß  etwas  von  dem  Nährsubstrat,  auf  dem  sie  gezüchtet 
wurden,  mit  übertragen  wird. 

4.  Die  Desinfektionslösungen  müssen  während  der  Einwirkung  stets 
die  gleiche  Temperatur  haben. 

5.  Nach  der  Einwirkung  der  desinfizierenden  Mittel  müssen  die  Bak- 
terien wieder  möglichst  vollständig  von  diesen  befreit  werden. 

6.  Die  Bakterien  müssen ,  nachdem  sie  der  Einwirkung  der  desinfi- 
zierenden Lösungen  ausgesetzt  wurden,  auf  gleichen  Mengen  desselben 
günstigen  Nährbodens  bei  gleicher  Temperatur,  wenn  möglich  beim  Opti- 
mum, zum  Wachstum  gebracht  werden. 

7.  Die  Zahl  der  noch  entwicklungsfähig  gebliebenen  Bakterien  muß 
nach  Ablauf  derselben  Zeit  festgestellt  werden.  Aus  diesem  Grunde  können 
nur  feste  Nährböden  benutzt  Averden. 

8.  Handelt  es  sich  um  wissenschaftliche  Untersuchungen,  dürfen  die 
Konzentrationen   der  Lösungen    nicht    nach  Gewichtsprozenten   verglichen 


')  M.  Gruber,  Über  die  Methoden  zur  Prüfung  von  Desinfektionsmitteln.  Zentralbl. 
f.  Bakteriologie  und  Parasitenkunde.  Bd.  11.  S.  115.  (1892.) 
2)  Th.  Paul,  1.  c.  S.  9. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  13 

werden,  sondern  es  müssen  äquimolekulare  Menj^en  der  betreffenden  Stoffe 
zur  Anwendung-  kommen. 

Diesen  Postulaten  suchten  Krönig  und  Paul  durch  folgende  \' er- 
such sauordnung  gerecht  zu  werden,  i)  Von  den  Bakterien  wird  eine 
wässerige  Aufschwemmung  bereitet  und  diese  nach  dem  Filtrieren,  durch 
das  gröbere  Teile  entfernt  werden,  an  sorgfältig  gereinigte  Tariergranaten 
gleicher  Größe  angetrocknet.  Eine  gewisse  Menge  dieser  mit  Bakterien 
beschickten  Granaten  bringt  man  in  die  auf  einer  bestimmten  Temperatur 
gehaltene  Desinfektionslösung,  nimmt  eine  bestimmte  Anzahl  dei'selben 
nach  verschiedenen  passend  gewählten  Zeitabschnitten  heraus  und  befreit 
sie  durch  Behandeln  mit  geeigneten  Chemikalien,  die  ihrerseits  wiederum 
durch  Wasser  abgespült  werden,  vom  anhängenden  Desinfiziens.  Die  Gra- 
naten werden  darauf  in  Reagenzgläschen  mit  etwas  Wasser  geschüttelt, 
wobei  die  Bakterien  von  den  Granaten  losgesprengt  werden.  Hierauf 
mischt  man  die  so  erhaltene  wässerige  Bakterienaufschwemmung  mit  einem 
geeigneten,  festwerdenden  Nährboden,  gießt  in  Petrischalen  aus  und  stellt 
nach  gewissen  Zeitabschnitten  die  Zahl  der  bei  einer  bestimmten  Tempe- 
ratur entwickelten  Kolonien  fest. 

Als  Testbakterien  werden  von  Dauerformen  die  durch  B.  Koch  in  die 
Desinfektionstechnik  eingeführten  Milz br and sporen  und  von  vegetativen 
Formen  Staphylokokken  zumeist  verwandt,  und  zwar  am  besten  der 
resistente  Staphylococcus  pyogenes  aureus. 

Ausführung  der  Prüfung.  Böhmische  Tariergranaten  v.erden 
durch  einen  Satz  von  zwei  Sieben  sortiert,  und  solche  ausgesucht,  die 
einen  Durchmesser  von'  1'5 — 2  nun  haben.  Auf  die  absolute  Größe  der 
Granaten  kommt  es  hierbei  nicht  an,  sondern  nur  darauf,  dal5  alle  Gra- 
naten von  gleicher  Größe  sind.  Diese  werden  sorgfältig  von  anderweitigen 
Beimengungen  befreit  und  dann  dreimal  mit  auf  1 :  .'J  verdünnter  roher 
Salzsäure  gekocht.  Die  Säure  wird  durch  gründliches  Spülen  zuerst  mit 
gewöhnlichem ,  dann  mit  destilliertem  Wasser  entfernt.  Es  folgt  eine 
Waschung  mit  absolutem  Alkohol,  mit  Äther  und  wieder  mit  absolutem 
Alkohol  und  zum  Schlüsse  ein  nochmahges  Abspülen  mit  destilliertem 
Wasser.  Die  so  gereinigten  Granaten  werden,  vor  Staub  geschützt,  ge- 
trocknet und  schließlich  im  Heißluftschrank  steriUsiert.  Sie  sind  nunmehr 
zur  Aufnahme  der  Keime  bereit. 

Die  Staphylokokkenkulturen  verwendet  man,  nachdem  sie  1 — 2  Tage 
im  Brutschrank  bei  zirka  ST-ö"  gestanden  haben.  Die  Milzbrandkulturen, 
zu  deren  Anlegung  man  am  besten  eine  frische,  aus  der  Milz  einer  un- 
mittelbar vorher  an  Milzbrand  gestorbenen  Maus  gewonnene  Reinkultur 
benutzt,  hält  man  drei  Tage  lang  bei  zirka  1^4"  C,  um  die  IMldung  von 
Sporen  zu  veranlassen.  Die  Zubereitung  der  Bakterienemulsion  geschieht 
in  folgender  Weise.  Von  einer  gut  gewachsenen  Schrägagarkultur  wird  der 
Bakterienbelag  in  IQcni,^  sterile  physiologische  Kochsalzlösung  aufgenommen 


1)  Th.  Faul,  1.  c.  S.  10. 


14 


H.  Füll  11  er. 


und  diese  Aufschwemmung  durch  ein  steriles  doppeltes  Faltenfilter  filtriert, 
um  gröbere  Partikelchen  zurückzuhalten  und  die  Keime  möglichst  zu  iso- 
lieren. Diese  Suspension  kommt  mit  20  g  der  gereinigten  Granaten  in  ein 
Erlenmeyerkölbchen  und  wird  mit  denselben  gründlich  geschüttelt.  Die 
übrige  Flüssigkeit  wird  abgegossen  und  die  Granaten  in  einen  Trichter 
gebracht,  dessen  Hals  mit  einem  kleinen,  losen  Wattepfropf  verschlossen 
ist.  Man  läßt  gut  abtropfen. 

Die  vollständige  Trocknung  erfolgt  in  dem  von  Kröniy  und  Paul 
angegebenen  sterilisierbaren  Trockenkasten  0  (Fig.  2).  Dieser  Kasten 
besteht  aus  einem  inneren  rechteckigen  flachen  Kasten  aus  Nickelblech 
von  28 ('^^^  Länge,  11cm  Breite  und  ^cm  Tiefe,  der  mit  einem  Siebboden 

Fig.  2. 


Trockenkasten  von  Krönifj  und  Paul.  (Nach  Paul.) 


aus  Nickeldrahtnetz  versehen  ist  und  zur  Aufnahme  der  Granaten  dient. 
Um  gleichzeitig  zwei  verschiedene  Sorten  von  Granaten  trocknen  zu  können, 
ist  der  Kasten  der  Länge  nach  in  zwei  Abteilungen  geteilt.  Dieser  Kasten 
steht  innerhalb  eines  geräumigen,  mit  gut  schließendem  Überfangdeckel 
versehenen  Blechgefäßes  aus  Zink  in  einer  flachen  Schale  mit  gekörntem, 
entwässertem  Chlorcalcium.  Zum  Trocknen  der  Granaten,  was  etwa 
12  Stunden  in  Anspruch  nimmt,  wird  der  Kasten  in  den  Eisschrank  ge- 
stellt. Bei  der  niederen  Temperatur  und  vor  Licht  geschützt  l)ehalten  die 
Milzbrandsporen   ziemUch   lange   ihre  Widerstandsfähigkeit  gegen  Desinfi- 


0  Trockenkasten  (M.  55),  Thermostat  (M.  65),  Platinsiebe  (zirka  M.  12)  etc. 
sind  von  der  Firma  Dr.  B.  Bohrheck  Nachfolger,  Berlin  NW.,  Karlstraße  20a  zu  be- 
ziehen. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  liiologischem  Wege. 


15 


zientien;  erst  allniälilich  geht  diese  zurück  und  nach  Ablauf  mehrerer 
Monate  beträgt  sie  nur  noch  einen  Bruchteil  der  ursprünghcheii.  Die  mit 
Staphylokokken  beschickten  Granaten  müssen,  trotz  der  Aufbewahrung  im 
Eisschrank,  innerhalb  woniger  l'age  aufgebraucht  werden. 

Die  in  dieser  AVeise  hergestellten  Granaten  können  jetzt  den  Desin- 
fektionsmitteln ausgesetzt  werden.  Die  Desinfektionsmittel  selbst  befinden 
sich  in  der  Menge  von  20 cm^ 

in  kleinen  Glasdosen  mit  über-  Fig.s. 

greifendem  Deckel,  die  zur  Er- 
langung einer  gleichmäßigen 
Temperatur  der  Lösungen  auf 
das  Drahtnetz  eines  Ostirahl- 
schen  Thermostaten (Fig.3) 
gestellt  werden. 

Wie  schon  früher  er- 
wähnt, wird  die  Wirkung  von 
Desinfektionsmitteln  sehr  we- 
sentUch  durch  die  Temperatur 
beeinflußt,  bei  welcher  die  Ver- 
suche ausgeführt  werden,  und 
man  wird  nur  dann  unter  sich 
vergleichbare  Resultate  erhal- 
ten, wenn  bei  allen  Untersu- 
chungen gleiche  Temperaturen 
eingehalten  werden.  Da  die 
meisten  Desinfektionsprozesse 
bei  Zimmertemperatur  vor  sich 
gehen,  wählt  man  zweckmäßig 
18"  als  Temperatur  der  Des- 
infektionslösungen. Um  auch 
im  Sommer,  wenn  die  Tem- 
peratur in  den  Laboratorien 
höher  steigt,  unter  gleichen 
Bedingungen  arbeiten  zu  kön- 
nen, befindet  sich  unter  dem 
Drahtnetz  des  Thermostaten, 
das  die  Schälchen  mit  den  Des- 
infektionsmitteln   trägt ,     eine 

Kühlschlange  aus  Bleirohr,  die  an  die  Wasserleitung  angeschlossen  werden 
kann,  so  daß  in  ihr  ständig  kühles  Wasser  zirkuliert.  Ein  durch  eine 
Gasflamme  getriebenes  Rührwerk  sorgt  für  eine  gleichmäßige  \'erteilung 
der  Wärme  in  dem  Wasserbade. 

Nach  etwa  einer  halben  Stunde  haben  die  Desinfizientien  in  dem 
Thermostaten  die  Temperatur  von  18*^  angenommen  und  werden  nunmehr 
mit  den  Testobjekten  beschickt. 


Thorraostat  nach  Tr»7/(.  Ostwald.  ^Xach  Paul.) 


16 


H.  Fühner. 


Fig.  4. 


Man  entnimmt  zu  diesem  Zwecke  dem  Trockenkasten  eine  Anzahl 
der  Granaten  mit  einer  vorher  ausgeglühten  Pinzette  mit  P latinarmen 
und  bringt  sie  auf  ein  kleines  Platinsiebchen  (Fig.  4),  von  dem  sie 
alle  gleichzeitig  in  die  Desinfektionslösung  geschüttet  werden.  Für  jede  zu 
gießende  Agarschale  Averden  5  Granaten  benötigt.  In  dem  Desinfiziens 
steht  ein  zweites  Platinsiebchen,  auf  das  die  Granaten  einzeln  unter  der 
Flüssigkeit  mit  steriler  Pinzette  aufgelegt  werden.  "Wollte  man  die  Granaten 
auf  dem  ersten  Platinsiebchen  Hegend  direkt  in  die  Lösungen  bringen,  so 
würden  sich  kleine  Luftbläschen,  die  den  Granaten  anhaften,  nicht  ver- 
meiden lassen.  Eine  gleichmäßige  Benetzung  der  angetrockneten  Keime  mit 
den  Desinfizientien  würde  aber  dadurch  verhindert. 

Nach  bestimmten  Zeiten  werden  die  Platinsiebchen  mit  den  Granaten 
herausgenommen  und  in  ein  Schälchen  mit  sterilem  Wasser  gebracht,  um 
so  den  größten  Teil  des  anhaftenden  Desinfiziens  zu  entfernen.  Die  eigent- 
liche Unschädlichmachung  des  Desinfektionsmittels  erfolgt  in  einer  zweiten 

Ifeihe  von  Schalen,  welche  das  zu  diesem  Zwecke 
geeignete  Reagens  enthalten,  das  seinerseits  durch 
nochmaliges  10  Minuten  dauerndes  Waschen  mit  de- 
stilhertem  Wasser  zu  entfernen  ist.  Der  vorstehend 
geschilderte  Waschprozeß  muß  mit  ganz  besonderer 
Sorgfalt  ausgeführt  werden,  da  bei  allen  Desinfek- 
tionsvorsuchen eine  Hauptschwierigkeit  darin  be- 
steht, nach  Ablauf  der  gewünschten  Zeit  die  weitere 
Einwirkung  des  Desinfiziens  möglichst  schnell  aufzu- 
heben und  zu  verhindern,  daß  Spuren  des  Mittels 
auf  die  Nährböden  mit  übertragen  werden ,  wo  sie 
entwicklungshemmend  wirken  können. 

Während  es  Geppert^)  gelang,  Subhmat  durch 
Schwefelammon  zu  fällen  und  es  so  in  eine  für 
Mikroorganismen  unschädliche  Verbindung  überzuführen,  ist  gerade  für  die 
in  der  Praxis  wichtigsten  Substanzen,  Phenole  und  Kresole,  kein  Mittel  bekannt, 
das  sie  in  ihrer  Wirkung  zu  neutralisieren  vermöchte.  Am  meisten  eignen 
sich  zur  Entfernung  des  Phenols  und  seiner  Derivate  verdünnte  Alkahen, 
wie  Ammoniak,  Natron-  oder  Kalilauge,  eine  Methode,  die  auch  von 
Krönirj  und  Paul  empfohlen  wird.  Nach  Laubenheimer  aber  gelingt  es 
schon  durch  einfaches  Wässern  der  Granaten,  sowohl  Desinfektions- 
mittel aus  der  Phenolreihe,  wie  auch  Sublimat  vollständig  zu  entfernen, 
und  so  ein  besonderes  Reagens  zu  ihrer  Neutralisation  entbehrlich 
zu  machen.  Das  Wässern  gestaltet  sich  nach  genanntem  Autor  folgender- 
maßen : 

Die  Granaten  werden  auf  dem  Platinsiebchen  aus  der  Desinfektions- 
lösung nach  der  beabsichtigten  Zeit  herausgenommen  und  auf  dem  Sieb 
liegend  für  etwa  eine  halbe  Minute  in  einer  2  cm  hohen  Petrischale  durch 


Platinsiebchen.  Nat.  Größe. 
fNach  Paul.) 


\)  Geppert,  Zur  Lehre  von  den  Antisepticis.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1889.  S.  789. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  liiologischem  Wege.  {~^ 

Hin-  und  Herbewegen  mit  etwa  bOcm^  sterilem  destillierten  Wasser  ober- 
flächlich abgespült.  Darauf  kommen  sie  in  eine  zweite  Schale  mit  50  cm^ 
Waschwasser,  worin  sie  5  Minuten  verweilen.  Schliclilich  werden  sie  ein- 
zeln mit  steriler  Pinzette  in  eine  dritte  Schale,  die  ebenfalls  50  f'y/<3  steriles 
Wasser  enthält,  eingelegt;  hier  bleiben  sie  nochmals  10  Minuten.  Damit  ist 
der  Waschprozeß ,  der  ungefähr  15  Minuten  dauert,  beendet.  In  der  ersten 
Schale  wird  schon  die  Hauptmenge  des  Desinfiziens  entfernt.  Hier  lälit 
man  die  Granaten  aber  nur  ganz  kurz,  um  eine  Nachwirkung  der  wenn 
auch  schon  stark  verdünnten  Substanzen  nicht  aufkommen  zu  lassen.  Die 
letzten  Reste  werden  durch  die  zweite  und  dritte  Waschung  entfernt, 
wobei  Sorge  zu  tragen  ist,  daß  die  Granaten  in  den  Schalen  möglichst 
isoliert  hegen  und  daß  sie  ferner  stets  von  frischem  Wasser  umspült 
werden,  was  durch  vorsichtiges  Bewegen  der  Schalen  leicht  zu  erreichen  ist. 

Nachdem  die  Granaten  so  behandelt,  werden  sie  mit  steriler  Pinzette 
zu  je  5  Stück  in  Reagenzröhrchen  übertragen,  die  Pycni^  steriles  Wasser 
enthalten.  Die  so  mit  Granaten  beschickten  Röhrchen  werden  serien- 
weise, zu  je  6—9  Stück,  in  der  Hand  kräftig  geschüttelt,  um  die  an- 
haftenden Keime  abzulösen  und  in  das  Schüttelwasser  überzuführen.  L)abei 
ist  darauf  zu  achten,  daß  nicht  etwa  Wassertröpfchen  an  den  Watte- 
pfropf gelangen ,  wodurch  viele  Keime  der  Untersuchung  entzogen  werden 
könnten.  Die  in  dem  Wasser  suspendierten  Keime  können  nunmehr  auf 
das  Nährsubstrat  übertragen  werden,  um  die  noch  lebensfähigen  Individuen 
zur  Entwicklung  zu  bringen.  Um  aber  den  Vorgang  der  Abtötung  von 
Bakterien  durch  ein  Desinfiziens  quantitativ  verfolgen  zu  können,  müssen 
die  noch  vermehrungsfähigen  Keime  gezählt  werden,  was  nur  mit  Hilfe 
fester  Nährböden  möglich  ist.  Hierbei  kommt  in  erster  Linie  Nähragar  in 
Betracht,  da  nach  Einwirkung  der  Desinfektionsmittel  die  Mikroorganismen 
bei  optimalen  Temperaturen,  also  meist  bei  oT"^,  gehalten  werden  sollen.  Zu 
empfehlen  ist  ein  2°/oiger  Agarnährboden,  aus  bestem  Rindfleisch  hergestellt. 
\'on  dem  verflüssigten  und  auf  42**  abgekühlten  Agar  werden  l'2c)n^  in 
die  Röhrchen  gegeben,  welche  die  von  den  Granaten  abgeschüttelten  Keime 
enthalten.  Dabei  müssen  die  Röhrchen  während  des  Zugießens  des  Agars 
ständig  um  ihre  Längsachse  gedreht  werden,  damit  von  dem  herabfließenden 
Nährboden  die  Innenwände  vollständig  bespült  und  alle  keimhaltigen 
Wassertröpfchen  aufgenommen  werden.  Mit  einer  Platinspirale  wird  dann 
der  xA.gar  und  das  Schüttelwasser  mit  den  abgelösten  Keimen  vermischt 
und  in  Petrischalen  ausgegossen.  Es  ist  notwendig,  von  den  nach  den  ein- 
zelnen Einwirkungszeiten  hergestellten  Proben  mehrere  Kulturen  anzulegen 
und  aus  der  oft  schwankenden  Zahl  der  aufgegangenen  Kolonien  das 
Mittel  zu  ziehen.  Drei  Proben  genügen  nach  Lauhenheimer. 

Nach  einer  dreitägigen  Bebrütungszeit  der  Platten  erfolgt  die  Aus- 
zählung der  zur  Entwicklung  gelangten  Kolonien,  d.  h.  es  wird  festgestellt, 
wie  viele  Keime  nach  bestimmter  Einwirkungszeit  des  Desinfiziens  noch 
vermehrungsfähig  geblieben  sind.  Die  Platten  länger  wio  :'.  Tage  im  Brut- 
schrank zu  lassen  ist  nicht  nötig.  •• 

Abderhalden.  Handbuch  der  biochemischen  Arbeitsmethoden.  V.  ') 


18  H.  Fühner. 

Will  man  an  Stelle  von  Staphylokokken  und  Milzbrand  andere  patho- 
gene  Bakterien,  z.  B.  Diplitheriebazillen  oder  Streptokokken,  zu  den  Prü- 
fungen verwenden,  so  ist  die  Granatenmethode  nach  H.  Bechhold^)  nicht 
brauchbar,  da  diese  Bakterien  durch  das  Austrocknen  stark  geschädigt 
werden.  Über  eine  Methode ,  welche  in  diesem  Falle  benutzt  werden  kann, 
vgl.  H.  BechJwld  und  P.  Ehrlich^-)  und  H.  Bechhold.^)  Zur  Prüfung  von 
Wundstreupulvern  als  Ersatzmittel  für  das  Jodoform  kann  eine  von 
B.  Heile*)  angegebene  Methode  Verwendung  finden. 

Protozoen. 

Die,  wie  die  Bakterien,  einzelligen  Protozoen  werden  von  der 
zoologischen  Systematik  an  den  Anfang  der  Tierreihe  gestellt.  Als  para- 
sitäre Erreger  zahlreicher  Krankheiten,  darunter  der  Malaria,  der  tro- 
pischen Schlafkrankheit  und  der  Syphilis,  besitzen  sie  hohe  medizinische 
Bedeutung. 

Die  pathogenen  Protozoen  unterscheiden  sich  von  den  pathogenen 
Bakterien  biologisch  vor  allem  dadurch,  daß  sie  eine  viel  geringere  Resistenz 
äußeren  Faktoren  gegenüber  als  letztere  besitzen.  Dies  bedingt,  dal^  eine 
Kultur  derselben  außerhalb  des  Tierkörpers  bisher  nicht  gelungen  ist,  da- 
mit hängt  aber  auch  zusammen ,  daß  Wertbestimmungen  chemischer  Büttel 
zu  ihrer  Abtötung  außerhalb  des  Tierkörpers  nicht  die  praktische  Be- 
deutung zukommt,  wie  bei  den  Bakterien,  da  Übertragung  der  Para- 
siten durch  Wasser,  Gebrauchsgegenstände  etc.  kaum  vorkommt.  j\Iit  der 
geringen  Widerstandsfähigkeit  der  pathogenen  Protozoen  gegenüber  Ver- 
änderungen ihres  chemischen  MiUeus  hängt  auch  zusammen,  daß  bei 
ihnen,  im  Gegensatz  zu  den  Bakterien,  eine  Abtötung  im  tierischen  Or- 
ganismus durch  Arzneimittel  unter  günstigen  Bedingungen  gelingt,  wie 
dies  seit  langer  Zeit  von  der  Malaria  durch  Chinin,  von  der  Syphilis 
durch  Quecksilber  bekannt  ist.  Gifte,  denen  sich  die  Arsenpräparate 
in  ihren  Wirkungen  anreihen. 

Auf  die  bekannten  ..chemotherapeutischen"  Untersuchungen  von 
Ehrlich  und  seinen  Schülern  zur  Auffindung  praktisch  brauchbarer  orga- 
nischer Arsenverbindungen  für  die  Bekämpfung  der  Schlafkrankheit,  der 
Syphilis  und  anderer  Protozoenerkrankungen  von  Mensch  und  Tieren  kann 
hier    nicht    eingegangen    werden.    Hinsichtlich    der    Methodik    der    Wert- 


M  H.  Bechhohl,  Desinfektionsmittel  niul  ihre  Prüfung.  Zeitschr.  f.  angewandte 
Chemie.  Bd.  22.  S.  2033  (1909). 

-)  H.  BechhoJd  und  P.  Ehrlich,  Beziehungen  zwischen  chemischer  Konstitution 
und  Desinfektionswirkung.  Zeitschr.  f.  phjsiol.  Chemie.  Bd.  47.  S.  177  (1906). 

^)  H.  Bechhohl,  Halbspezifische  chemische  Desinfektionsmittel.  Zeitschr.  f.  Hygiene 
u.  Infektionskrankh.  Bd.  64.  S.  113  (1909). 

*)  B.  Heile,  Experimentelle  Prüfung  neuer  Antiseptica.  Sammlung  klin.  Vorträge 
(Volkmann).  N.  F.  Xr.  388.  Leipzig  1905. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  liinlogischem  Wege.  I9 

bestimmung'  derartiger  Substanzen  im  Tierversuch  sei  auf  die  einschlägige 
Literatur  \)  verwiesen. 

An  dieser  Stelle  sollen  lediglich  die  einfach  auszuführenden  Prüfungen 
an  leicht  zugänglichen  und  kultivierbaren  Protozoen  besprochen  worden. 
Als  solche  kommen  Süß  wasserin  fusorien  und  von  diesen  in  erster  Linie 
..Paramäcien'"  in  Betracht.  Derartige  an  Infusorien  angestellte  Versuche 
besitzen  wenigstens  als  Vor  proben  für  die  Prüfung  an  pathogenen  Formen 
einige  Bedeutung,  insofern  viele  Gifte,  wie  das  Chinin,  die  arsenige  Säure 
und  die  Quecksilbersalze,  sich  auch  hier  als  sehr  wirksam  erweisen. 

Die  Herstellung  einer  „Paramäcienkultur"  kann  nach  R.  Hertivifj-) 
in  folgender  Weise  geschehen.  Teilstücke  der  Kiemen  und  des  Fußes  der 
Teichmuschel  (Anodonta)  werden  ins  Wasser  gelegt,  worauf  sich  nach 
einigen  Tagen  Paramäcien  am  Wasserrande  oben  ansammeln.  Diese  über- 
trägt man  mit  gut  gereinigter  Pipette  in  etwa  10 1  haltende  Flaschen, 
die  als  Zuchtgefäße  mit  stark  geschütteltem,  altem,  ausgefaultem  Teich- 
wasser gefüllt  sind  und  hängt  darein  an  einer  Schnur  ein  Gazebeutelchen  mit 
zerkleinerten  Salatblättern.  Das  Gazebeutelchen  mit  den  Blättern  verbringt 
man  vor  dem  Einhängen  für  einige  Zeit  in  kochendes  Wasser.  Bald  entwickeln 
sich  in  der  Flasche  zahlreiche  Fäulnisbakterien,  die  den  Paramäcien  zur 
Nahrung  dienen.  Die  Salatblätter  muß  man  etwa  alle  4 — 6  Wochen  wechseln. 
Namentlich  in  den  Wintermonaten  gelingt  das  Anlegen  einer  solchen 
Kultur  schlecht.  Man  verschafft  sich  dann  am  besten  Impfmaterial  aus 
einem  zoologischen  LTniversitätsinstitut.  Eine  gute  Kultur  kann  sich  jahre- 
lang halten.  Man  entnimmt  die  Tiere  von  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit. 

Aus  Heuaufgüssen  (Heu .  das  man  mit  Leitungswasser  übergießt  und 
vor  Staub  geschützt  faulen  läßt)  bekommt  man  gewöhnlich  nicht  die  großen 
Paramäcien,  sondern  kleinere  Formen,  meist  Colpidien. 

Die  häufig  vorkommenden  Paramäcienformen  sind  Paramaecium 
Aurelia  und  P.  caudatum.  Fig.  5  zeigt,  einer  Arbeit  von  H.  Koreiit- 
schewshy^)  entnommen,  Paramaecium  caudatum,  und  zwar  A  und  B  in 
normalem  Zustande,  C — F  nach  Vergiftung.  Die  Länge  des  Tieres  be- 
trägt 0*1 — 0'^6mui.  Eine  Vertiefung  in  dem  Tiere,  die  den  Zugang  zur 
jNIundöffnung  (b)  darstellt,  heißt  Peristomum  (p).  Vom  Munde  (h)  aus  führt 
das  Schlundrohr  (f)  zu  einer  Nahrungsvakuole  (d),  w^ohin  die  aufgenommene 
Nahrung  (Bakterien)  gelangt.  Nachdem  diese  Nahrungsvakuole  eine  gewisse 


')  Kisskalf  uml  Harfmann ,  Traktikum  der  Bakteriologie  und  Protozoologie.  T.  II. 
Jena  1910.  —  0.  Neven,  Über  die  Wirkungsweise  der  Arzneimittel  bei  Trypanosomiasis. 
Dissertat.  Gießen  1009.  —  ./.  Morgenroth  und  L.  Halb)  rstaedfer ,  Über  die  Beoin- 
flussung  der  experimentellen  Trypanosomeninfektion  durch  Chinin.  Sitzungsber.  d.  K. 
preuß.  Akademie  d.  Wissensch.  l'hysikal.-mathemat.  Klasse,  1910.  S.  732.  —  P.  Ehrlich 
und  6'.  Hata,  Die  experimentelle  Chemotlierapic  der  Spirillosen.  Berlin  1910. 

■-)  Zitiert  nach  S.  r.  l'rowacek,  Taschenbuch  der  mikroskopischen  Technik  der 
Protistenuntersuchung.  Leipzig  1909.  S.  70.  2.  Aufl. 

')  W.  Korentschewskij,  Vergleichende  pharmakologische  Untersuchungen  über  die 
Wirkung  von  (Üften  auf  einzellige  Organismen.  Arcliiv  f.  oxporim.  Pathol.  u.  l'harmakid. 
Bd.  49.  S.  7  (1903). 

9* 


20 


H.  Fühner. 


Fig.  5. 


Größe  erreicht  hat,  löst  sie  sich  vom  Schlund  ab  und  vollführt  ihren  Kreis- 
lauf im  Körper  der  Infusorie  (d^ — dg),  wobei  die  Nahrung  allmählich  ver- 
daut und  aufgesogen  wird.  An  Stelle  der  abgegangenen  Vakuole  bildet  sich 
eine  neue.  Das  Fortführen  des  Wassers,  der  löslichen  Extraktivstoffe  etc. 
wird  mittelst  zweier  pulsierender  Vakuolen  (a)  bewerkstelligt.  Die  Flüssig- 
keit sammelt  sich  in  denselben  durch  Vermittlung  von  8  Bildungsvakuolcn 
an.  Das  Pulsieren  geschieht  rhythmisch ,  in  regelmäßigen  Zeitzwischen- 
räumen und  ist  abhängig  von  der  Temperatur,  vom  Sauerstoff  des  Wassers 
und  von  vielen  anderen  Einflüssen  auf  die  Infusorie.    Das  ganze  Tier  ist 

von  einer  festeren  Ecto- 
plasmaschicht  l)edeckt. 
Unter  dieser  befinden 
sich  nadelartige  Bil- 
dungen ,  Trichozysten 
(x)  genannt,  die  auf 
Reizung  hervorge- 
streckt    werden.     Im 

Protoplasma      liegt 
außerdem   der  INIacro- 
nucleus    (e)    und    der 
Micronucleus  (i). 

Fig.  5  C  zeigt  ein 
Tier  nach  der  Einwir- 
kung einer  verdünn- 
ten Natronlauge 
(1:5000-1:7000), 
welche  nicht  mehr  töd- 
lich wirkt,  sondern  nur 
Quellung  und  Klärung 
des  Protoplasmas  zur 
Folge  hat.  Fig.  D—F 
zeigt  die  Einwirkung 
von  freiem  Coffein. 
Durch  das  Coffein  wird 


Paramaeciuni  caudatum.  A  Normal,  Vergr.  230.  B  Normal ; 

halbschematisch.  Vergr.  130.   C — F  in  gleicher  Vergr.  mit  JB 

vergleichbar.     C  Nach  Alkaliwirkung.    D — F  Nach  Coffein- 

wirknng.   (Nach  Kortnt  seh  ewsky.) 


(am  besten  in  einer 
Konzentration  1:1400)  vor  allem  eine  Veränderung  der  pulsierenden  Va- 
kuolen hervorgebracht.  Das  Pulsieren  wird  langsamer  und  hört  schließlich 
ganz  auf.  Die  Vakuolen  vergrößern  sich  zugleich  mehr  und  mehr,  vereinigen 
sich  schließlich  und  das  Tier  nimmt  Kugelform  an.  Trotz  dieser  starken 
anatomischen  Veränderung  können  sich  solche  Tiere  noch  lebhaft  bewegen 
und  werden  durch  die  genannte  Konzentration  nicht  getötet.  Das  Coffein 
ist  überhaupt  für  Paramäcien  auffallend  wenig  giftig. 

Meist  wird  man  in  quantitativen  Versuchen  an  Protozoen  davon  ab- 
sehen, die  genaueren  anatomischen  Veränderuiigen  der  Tiere  zu  verfolgen, 
sondern   sich   damit  begnügen,   die   tödlichen    Grenzdosen   der    Gifte 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  21 

festzustellen.  Dies  geschieht  am  besten  durch  Prüfung  auf  dem  (Mtjekt- 
träger  „im  hängenden  Tropfen"  (in  einer  kleinen  feuchten  Kammer),  wo- 
bei man  je  einen  Tropfen  Protozoenkultur  und  zu  prüfende  Lösung  ver- 
mischt. Genaue  wirksame  Grenzdosen  festzustellen  ist  häufig  nicht  mög- 
lich, da  einzelne  Individuen  in  einer  Probe  sich  als  viel  widerstandsfähiger 
erweisen,  wie  andere.  Beim  Tode  der  Infusorien  beobachtet  man  unter 
dem  Mikroskop  ein  Zerfließen  und  Platzen  derselben  und  als  totes  Tier 
bleibt  nur  noch  ein  leeres  Gebilde  zurück,  das  von  JS'euhaus^)  als  ..Schatten" 
bezeichnet  wird,  da  es  an  die  lUutkörperchenschatten  erinnert. 

Wie  durch  derartige  Versuche  an  Infusorien  Ilesultate  erhalten  wer- 
den können,  die  den  Verhältnissen  bei  pathogenen  Protozoen  entsprechen, 
zeigen  die  bekannten  Untersuchungen  von  Binz^)  über  die  Wirkung  des 
Chinins.  Noch  Lösungen  1:50000  des  salzsauren  Salzes  lähmen  Para- 
mäcien  nach  einigen  Stunden,  während  Lösungen  von  1:5000  innerhalb 
25 — 30  Minuten  den  Tod  der  Tiere  herbeiführen.  Salzsaures  Cinchonin 
und  Cinchonidin  erweisen  sich  dagegen  mehrfach  schwächer  wirksam. 
was  auch  ihrer  geringeren  antipyretischen  Kraft  entspricht.  . 

Daß  aber  derartige  \'ersuche  auch  andere  Resultate  ergeben  koinien 
als  die  Prüfungen  am  kranken  Tier  und  Menschen ,  lehren  die  Unter- 
suchungen von  Tappeiner  ^)  und  seinen  Schülern.  Von  diesen  Untersuchern 
waren  Derivate  des  Chinolins  und  Acridins  aufgefunden  worden, 
die  im  Paramäcienversuch  bedeutend  stärker  als  Chinin  wirkten,  sich  aber 
bei  der  Behandlung  von  Malariafällen  als  unwirksam  erwiesen. 

Blut 

Frisches  (..lebendfrisches'')  lUut  verschiedener  Tiere  findet  sowohl  zum 
qualitativen  Nachweis  von  Giften,  wie  auch  zur  (piantitativen  P)estimmung 
derselben  Verwendung  auf  Grund  mehrerer  ihm  zukommender  Eigen- 
schaften. 

Das  aus  dem  Pdutgefäße  ausfließende  I>lut  gerinnt  je  nach  der  Tier- 
art mehr  oder  weniger  rasch  meist  schon  nach  einigen  ^Minuten.  Äußere 
ITmstände  können  die  Gerinnung  beschleunigen  oder  hemmen.  Bei  der 
Gerinnung,  welche  unter  chemischer  Beteiligung  von  Kalksalzen  erfolgt, 
verwandelt    sich    das    im    Blutplasma    gelöste    Fibrinogen    in    Fibrin- 


*)  H.  Neuhans,  Versuche  über  Gewöhnung  an  Arsen,  Antimon,  Quecksillier  und 
Kupfer  bei  Infusorien.  Arch.  internation.  de  Pharmacodyn.  et  de  Thörap.  '1".  20.  p.  35)8 
(1910). 

'-)  Vgl.  C.Binz,  Vorlesungen  über  Pharmakologie.  2.  Aufl.  S.  552  und  ferner 
G.  Grethc,  Über  die  Wirkung  verschiedener  Chininderivate  auf  Infusorien.  Deutsch.  Arch. 
f.  klin.  Med.  Bd.  5(5.  S.  18<J  (1896). 

^)  H.  Tappeiner ,  Über  die  Wirkung  der  Phenylchinolino  und  Phospbino  aut 
niedere  Organismen.  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  56.  S.  3(59  (1896).  —  Ä.Jodlhatier, 
Über  die  Wirkungen  des  -f-Phenylchinaldins  und  des  Methylpliosphins.  Deutsch.  Ardi.  f. 
klin.  Med.  Bd.  59.  S.  154  (1897).  —  ./.  Maiuuiherti,  Über  die  Wirkungen  von  Chiniu- 
derivaten  und  Phosphinen  bei  Malariafiebern.  ll)id.  S.  185. 


22  H.  Füll  11  er. 

Blutegelextrakt  (Hiriulin)  oder  Salze,  die  Kalk  fällen,  wie  Ammonium- 
oxalat  oder  Natriumeitrat  verhindern  die  Gerinnung,  letztere  Salze, 
wenn  sie  in  Menge  von  0*2  (Oxalat)  bis  0"4%  (Citrat)  im  Blute  ent- 
halten sind.  Kälte  verzögert  die  Gerinnung.  Beschleunigt  wird  sie  durch 
Rühren  oder  Schlagen.  Rührt  man  das  aus  einem  Blutgefäße  entnommene 
Blut  mit  einem  Glasstabe  kräftig  um,  so  setzt  sich  das  Fibrin  an  demselben 
in  Fäden  ab  und  kann  durch  Auswaschen  mit  Wasser  gereinigt  werden- 
Das  ..defibriuierte"  Blut  ist  zu  den  nachstehend  angegebenen  Versuchs- 
methoden brauchbar. 

Man  verwendet  am  häufigsten  zu  den  Prüfungen  aus  dem  Schlacht- 
hause bezogenes,  möglichst  frisches  (nicht  etwa  durch  Kochsalzzusatz  kon- 
serviertes) Rinderblut,  das  sich  kalt  (im  Eisschrank)  aufbewahrt,  2  bis 
;\  Tage  brauchbar  erhält.  Vor  der  Verwendung  kollert  man  das  Blut  durch 
ein  mit  0"9"/oiger  (sogenannter  physiologischer)  Kochsalzlösung  angefeuch- 
tetes Tuch,  auf  dem  noch  etwa  vorhandene  Fibrinflocken  zurückbleiben. 
Stellt  man  das  Blut  in  einem  hohen  Zylinder  in  den  Eisschrank,  so  trennt 
es  sich  langsam  in  zwei  Schichten:  einen  oberen  gelben  dünnflüssigen  Teil, 
das  Serum  und  einen  unteren  dickflüssigen,  die  roten  Blutkörperchen. 
Ist  das  Serum  stark  rot  gefärbt,  so  ist  das  Blut  entweder  nicht  mehr 
frisch  oder  es  hat  Wasser  oder  sonst  ein  Zusatz  eine  teilweise  Auflösung 
der  Blutkörperchen  veranlaßt.  Eine  raschere  Trennung  von  Serum  und 
Blutkörperchen,  als  diese  spontane,  erreicht  man  dui'ch  Zentrifugieren.  Um 
..gewaschene"  Blutkörperchen  zu  erhalten,  hebert  man  nach  dem 
Zentrifugieren  das  Serum  ab  und  ersetzt  es  durch  0'9%ige  Kochsalzlösung. 
Man  schüttelt  durch  (zu  starkes  Schütteln  schädigt  die  Blutkörperchen 
mechanisch!),  zentrifugiert  von  neuem  und  wiederholt  dies  2 — ;>mal. 

Von  anderen  Blutarten  kommt  hier  noch  das  von  Kaninchen  und 
Meerschweinchen  in  Betracht. 

Kaninchenblut  entnimmt  man  ohne  Schädigung  des  Tieres  in 
Giengen  bis  zu  5  und  lOciii^  aus  einer  Ohrvene.  Dazu  eignen  sich  lang- 
ohrige Tiere  besser  als  kurzohrige.  Etwas  unterhalb  der  Mitte  des  einen 
Ohres  klemmt  man  am  äußeren  Rande  eine  Arterienklemme  fest,  um  venöse 
Stauung  herbeizuführen.  Ein  Gehilfe  hält  dann  das  Tier  mit  beiden  Händen 
am  Kopf,  eine  Hand  über  die  Augen  legend,  die  andere  am  Hinterkopf. 
Mit  dem  Arm  dieser  zweiten  Hand  hält  er  das  Tier  gegen  seinen  Körper 
angedrückt  fest.  Man  entfernt  mit  einer  Schere  die  Haare  an  einer  Stelle 
der  gestauten  und  stark  hervortretenden  Vene  und  wäscht  diese  Ohrgegend 
mit  einem  in  2''/oige  Natriumcitratlösung  getränkten  Wattebausch  ab.  Das 
Blut  entnimmt  man  mit  einer  Injektionsspritze  (Rekordspritze)  von  2  oder 
5  cm^  (Fig.  6),  welche  man  mit  2Voi8er  Natriumcitratlösung  ausgespritzt 
hat  (um  Gerinnung  bei  der  Blutentnahme  zu  vermeiden).  Man  sticht  mit 
der  scharfen  und  nicht  zu  engen  Nadel  in  die  gestaute  Vene  parallel  zu 
dieser  und  gegen  den  Blutstrom  (also  nach  der  Ohrspitze  zu)  (Fig.  7)  die 
Nadel  der  leeren  Spritze  ein  und  zieht  den  Stempel  derselben  langsam 
zurück.  Ist  man  im  Lumen  der  Vene,  so  füllt  sich   dabei   die  Spritze  mit 


Nachweis  imd  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wcfre. 


28 


Blut.  Ist  dies  geschoheii,  so  entleert  man  den  Spritzeninhalt  in  einen  mit 
physiologischer  Kochsal/lösung-  ausoespiilten  Mellzylindcr  mit  Stöpsel  und 
schüttelt  hier  mit  einigen  Glasperlen,  um  Gerinnung  herbeizuführen,  durch. 
Man  verdünnt  dann  mit  physiologischer  Kochsalzlösung  bis  auf  das  ge- 
wünschte Volumen  und  filtriert  durch  einen  losen  Wattebausch  vom  Fibrin 
ab.  Nach  Herausnahme  der  Spritzennadel  aus  der  Ohrvene  kann  man  die 
Klemme,  welche  zur  Stauung  der  Vene  diente,  nunmehr  an  der  Einstich- 
stelle für  einige  Zeit  anbringen,  um  weitere  Blutung  zu 
Fig.  ß.  verhindern.    Stärkere  Blutfüllung   am    Kaninchenohr    und 

besseres  Flielien  des  Blutes  erzielt  man  durch  Abwaschen 
des  (Jhres  mit  einem  mit  Toluol  oder  Xylol  getränkten 
Wattebausch. 

Braucht  man  größere  Blutmengen,  so  entnimmt  man 
diese  am  besten  aus  einer  in  Äther-  oder  Urethannarkose 
des  Tieres  freigeleg- 
ten 1)  Halsarterie  (Ca- 
rotis). Man  präpa- 
riert diese  in  mög-  • 
liebster  Ausdehnung 
frei,  legt  dann  zw^ei 
Ligaturen  möglichst 
weit  oben  ( köpf wärts) 


Fig.  7. 


1,0  — 


Rekordspritze. 


massage 


kann 
\'on  mittelgroljen  Kaninchen    1 
M  e  e  r  s  c  h  w  e  i  n  c  h  e  n  1 )  1  u  t 


in  ^jo  cni  Entfeniung 
voneinander  an  und 
schneidet  zwischen 
beiden  Ligaturen  das 
Gefäß  durch.  Man 
legt  dann  das  frei- 
l)ewegliche  Gefäß- 
ende in  einen  Zy- 
linder mit  Glasstöp- 
sel und  schneidet  es 
nahe  der  Ligatur  an. 
Das  Blut  spritzt  in 
starkem  Strahl  in 
das     Gefäß.     Durch 

Kompression    des 

Bauches    und    Herz- 

man    die    ausfließende 

assen  sich  SO 
kann    man , 


Blutentnabroe  aus  dem  Kaninchenohr. 


Blutmenge   noch    etwas  vermehren 
-100  c^//''  Blut  gewinnen, 
ohne    das  Tier  zu  schädio:on 


ent- 


in Mengen  von  2 — h  cm^   direkt  aus   dem    Herzen    mit   der   Spritze 
nehmen.  Hierzu  spannt  man  ein  großes  Tier  auf  einem  Brette  auf,  durch 

^)  Präparation  siehe   hei  /.'.  /•'.  Fuchs,    Physiologisclies  rraktikum    für  Mediziner. 
Wiesbaden  1906.  S.  62. 


24  H.  Fübner. 

Festbinden  an  den  Beinen  und  Fixieren  des  Kopfes.  Dann  wird  der  Tliorax 
zur  Orientierung  über  den  Herzschlag  abgetastet  und  auf  der  linken  Seite 
geschoren.  Nach  Entfernung  der  Haare  kann  die  Haut  etwas  gewaschen 
werden.  Mit  einer  Pvekordspritze  mit  weiter  scharfer  Xadel  sticht  man  in 
der  Herzgegend  auf  der  linken  Seite  des  Brust])eins  zwischen  den  Rippen 
ein  und  zieht  den  Stempel  an.  Kommt  kein  Pdut,  so  zieht  man  die  Spritze 
wieder  heraus  und  macht  an  anderer  Stelle  einen  neuen  Einstich.  Bei 
gutem  Gehngen  der  Blutentnahme  erholt  sich  das  Tier  rasch  nach  dem 
Losbinden  von  dem  Brett  und  kann  nach  längerer  Zeit  von  neuem  punktiert 
werden.  AVill  man  das  Tier  ganz  entbluten,  so  geschieht  dies  durch  Ein- 
schnitt in  den  Hals  und  Abwärtshalten.  Ein  großes  Tier  hat  bis  zu  14  cni'^  Blut. 
Zur  biologischen  Charakterisierung  von  Giften  finden  zwei  Eigen- 
schaften des  Blutes  Verwendung: 

1,  diejenige,  daß  die  roten  Blutkörperchen  durch  viele  Agenzien 
derart  geschädigt  werden,  daß  die  den  roten  Inhalt  bildende  Hämoglobin- 
lösung austritt,  ein  Vorgang,  welcher  Hämolyse  (Hcuiihurger)  ge- 
nannt wird, 

2.  diejenige,  daß  die  roten  Blutkörperchen  durch  manche  Gifte  zu- 
sammengeballt, verklebt  werden,  eine  Erscheinung,  die  man  als  Aggluti- 
nation oder  Konglutination  bezeichnet. 


'ö 


1,  Hämolyse. 

Das  normale  Blut  ist  auch  in  dünner  Schicht  undurchsichtig,  ..deck- 
farben";  durch  die  Auflösung  der  Blutkörperchen  wird  es  vollkommen  klar 
und  durchsichtig,  ..lackfarben".  Die  Aufhellung  der  undurchsichtigen  Blut- 
schicht, das  Durchsichtigwerden,  ist  das  Kennzeichen  der  eingetretenen 
Hämolyse. 

Abgesehen  von  mechanischen  Einwirkungen  (Zerreiben  mit  Sand) 
oder  Temperaturwechsel  (Gefrieren  und  Wiederauftauen,  Erwärmen  auf 
60 — 70*')  kann  Hämolyse  herbeigeführt  werden  durch  folgende  Substanzen: 
1.  Wasser.  2.  Säuren  und  Basen.  B.  Fettlösende  Substanzen.  4.  Spezifische 
Blutgifte. 

Die  roten  Blutkörperchen  sind  kleine  mit  Flüssigkeit  gefüllte  Säck- 
chen. Sie  besitzen  eine  semipermeable  Hülle,  welche  zum  Teil  eiweiß-,  zum 
Teil  fettartiger  Natur  (Lipoide:  Cholesterin,  Lecithin)  ist.  Der  Inhalt  der 
Blutkörperchen  ist  beim  höheren  Wirbeltiere  mit  einer  Lösung  von  etwa 
0-9"/o  Kochsalz  oder  einer  solchen  von  8*5 Vo  Bohrzucker  ,, isotonisch".  In 
derartiger  Lösung  werden  Blutkörperchen,  z.  B.  des  Rindes,  weder  schrumpfen 
(durch  Austritt  von  W^asser  durch  die  semipermeable  Hülle),  noch  an  ^'o- 
lumen  zunehmen  (durch  Wasseraufnahme).  Schrumpfung  der  Blutkörper- 
chen, welche  hierbei  sogenannte  StechapfeLform  annehmen,  findet  statt  in 
mehrprozentigen  .,hyperisotonischen''  Salzlösungen,  N'olumzunahme  in  ..hy- 
poisotonischen"  Lösungen,  z.  B.  von  OßVo  NaCl.  Wird  die  Salzlösung, 
in  welche  die  Rinderblutkörperchen    gebracht    werden,    noch    weiter    ver- 


IflWfEKTT  UKItAKT 
M  C.  SiaU  Colltie 


Nachweis  uiiil  Bestiminiuifj'  von  (üitoii  auf  liiologisclioni  Wcjre.  •>;"■) 

dünnt,  so  ist  ihre  ^'oll^Hznllahme  eine  derartig  starke,  daß  die  Hülle  gesprengt 
^Yird,  also  lliimolyse  eintritt.  Manelie  lUutarten.  z.  B.  Hundeblnt.  sind  gegen- 
über Verniinderunii'  des  osnioti.schen  Druckes  vielenipfindliciier  als  llindcrltlut. 

Mit  Frosehblutkörperclien  ist  eine  0"6Voige  Lösiniii  von  Na("l  im 
osmotischen  Gleichgewicht. 

Die  Ilämolyse  dm'ch  Alkalien  und  Säuren  ist  in  erster  Linie  auf  das 
Vorhandensein  freier  OH-  und  H-Ionen  zurückzuführen.  Doch  nicht  aus- 
schließlich. Lösungen  organischer  Säuren  und  Alkalien  wirken  stärker 
hämolytisch,  als  man  nach  ihrer  lonenkonzentration  erwarten  sollte  {Fiilnier 
und  Ncuhmur'^).  Hämolyse  durch  Kaliumhydroxyd  wird  herbeigeführt  bei 
einer  Konzentration  von  ü"04o/o  im  Blute,  durch  Ammoniak  von  0"4"  o  und 
durch  Trimethylamin  von  0-5«/o.  Ebenso  von  0-002Vo  Salzsäure.  OOOTVo 
Ameisensäure  und  002Vo  Essigsäure.  Bei  der  Plämolyse  durch  Säuren, 
z.  T.  auch  durch  Alkalien,  findet  Braunfärbung  des  gelösten  Blutes  statt, 
infolge  von  Hämatinbildung. 

Eine  große  Gruppe  hämolytischer  Agenzien  bilden  die  Lipoide  (Cho- 
lesterin, Lecithin)  lösenden  Substanzen.  Diese  Gruppe  fällt  größtenteils  mit 
der  pharmakologischen  Gruppe  der  indifferenten  Nai'cotica  zusammen. 
Hierher  gehören  Chloroform,  Chloralhydrat ,  Äther,  Alkohole,  L^rethane. 
Ester.  Um  eine  Vorstellung  von  der  Wirkungsstärke  dieser  Substanzen 
zu  geben,  sei  erwähnt,  daß  (nach  Fähner  und  Neuhauer)  die  hämolytische 
Wirkung  auftritt  beim  Äthylalkohol  in  Konzentration  von  15°/„,  Athyl- 
urethan  9Vo  und  Äthylacetat  (Essigester)  4o/o-  Chloralhydrat  ist  etwas 
wirksamer  als  Äthylacetat. 

Die  hier  angegebenen  Werte  sind  nur  relative,  unter  sich  vergleich- 
bare, keine  absoluten.  Unter  anderen  Versuchsbedingungen  (z.  B.  anderer 
Zeitdauer  der  Einwirkung,  anderer  Temperatur)  erhält  man  andere  Werte. 
In  einem  in  Fig.  8  wiedergegebenen  Versuche  ist  die  hämolytische  Grenze 
für  den  Äthylalkohol  bei  etwa  137o  gelegen.  In  diesem  \'ersuche  wurden 
zu  je  5  crn^  Alkohollösung  ö  cin^  ö^/oiger  Blutaufschwemmung  gegeben. 
Die  Alkoholkonzentration  der  10«»^  Flüssigkeit  betrug  11 — 16%.  Der 
Versuch  wurde  bei  Zimmertemperatur  ausgeführt.  Eine  Stunde  nach  dem 
Ansetzen  des  Versuches  lag  die  hämolytische  (irenze  bei  16Vo-  ^-^^i^'h  drei 
Stunden  bei  lö^/o.  Die  photographische  Aufnahme  wurde  erst  20  Stunden 
nach  dem  Ansetzen  der  Proben  gemacht. 

Die  Hämolyse  durch  die  bisher  genannten  Substanzen  besitzt  zum 
Nachweis  von  Giften  keine  nennenswerte  praktische  Bedeutung.  Man  könnte 
sie  aber  z.  B.  verwerten  zur  ([uantitativen  Bestimmung  von  Fusel- 
öl (Gärungsamylalkohol)  im  Äthylalkohol,  da  die  höheren  Alkohole 
hämolvtisch  wirksamer  sind,  als  die  niederen.  =)    Praktisch  wichtig  ist  die 


')  Jf.  Fiihner  und  E.  Nettbauer ,  Hämolyse  durch  Substanzen  homologer  Reihen. 
Arch.  f.  exp.  Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  56.  S.  344  (l'JOT). 

^)  A.  J.  ./.  VainJeveldc,  Üher  die  Anwendung  liiohigischor  Methoden  zur  Analyse 
von  Nahruugsstoffen.  Biochem.  Zcitschr.  Bd.  1.  S.  1  llitOG)  uiul  II.  nUnur  und  K.  Neu- 
bauer, 1.  c. 


2^ 


H.  Fühiier. 


Hämolyse  aber  hauptsächlich  zum  Nachweis  der  spezifischen  Blut- 
gifte, welche  sich  vor  den  bisher  genannten  Substanzen  durch  eine  hämo- 
lytisch außerordentlich  viel  größere  Wirksamkeit  auszeichnen. 

Zu  den  spezifischen  Blutgiften  gehören  in  erster  Linie  artfremde 
Sera.  Normales  Blutserum  einer  Tierart  kann  die  Blutkörperchen  einer 
anderen  auflösen.  Starke  Hämolysine  finden  sich  dann  in  giftigen  tieri- 
schen Sekreten,  wie  dem  Gifte  von  Schlangen,  Kröten,  Spinnen,  Bienen. 
Ferner  gehören,  als  toxikologisch  wichtig,  namentlich  zahlreiche  Pflanzen- 
produkte  hierher.  Schon  manche  Bakterien  produzieren  hämolytisch  wirk- 

Fig.  S. 


Hämolyse  durch  Äthylalkohol. 

same  Stoffe;  auch  finden  sich  solche  in  höheren  Pilzen,  nach  Kohert 
z.  B.  in  dem  sehr  giftigen  Knollenblätterschwamm,  Amanita  phalloides  und 
nach  Boehm  in  der  Lorchel,  Helvella  esculenta.  Vor  allem  aber  gehört  hierher 
die  Gruppe  der  Saponine  und  ihnen  nahestehender  Pflanzengifte,  welche 
in  zahlreichen  Pflanzen  vorkommen. 

Aus  einer  größeren  Tabelle  von  B.  Koherf^)  sei  hier  die  Wirkungs- 
stärke der  wichtigsten  Saponine  wiedergegeben,  verglichen  mit  Chloral- 
liydrat  und  Solanin. 

1)  R.  Kohert,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Saponinsubstanzen.  Stuttgart  1904.  S.18. 
—  Vgl.  ferner  ./.  Gadamer,  Lehrlnich  der  chemischen  Toxikologie.  Göttingen  190V).  S.444. 


Niicliweis  iiiul  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


U       I) 


Cliloralhydrat 

Solanin     

Guajaksaponin 

Quillajasapotoxin 

(Juillajasaui'c  {als  Xa-Salz)  .    .    . 

Saponin.  puriss.  Merck 

Roßkastanicnsaponiii 

Senegin     

Agrostommasapotoxia 

Agrostemmasaponin 

Levant.  Seifenwurzclsapotoxin 
Molanthin  des  Sclnvnrzkümmels 
Digitonin  des  Fiugerliuts      .    .    . 
Cyclamin  des  Alpenveilchens 
Sarasaponin  der  Sarsaparille    .    . 
Dioscin  der  Dioscorea  Tok.  Mak. 


Völlipu  Häinolyse 
erfolgt  noch  bei 


1:20 
1  :«:3(J0 
löst  kaum 
1  : 1(1000 
1  :  101)00 
1:10000 
1:12000 
1:12000 
1:15000 
1 : 50000 
1 : 20000 
1 : 75000 
l:8OU00 
1 : lOOüOO 
1:125000 
1:400000 


Autor 


Kruskftl 

Kohert 

Frlehoes 

Koh/rf 

IIojIdkoiu 

l'achoriikoiv 

Weil.  Kohert 

Atlas 

Kriiskal 

H ran  dl 

Kruskal 

Robert 

Kriishal 

Tufanow 

c.  Schtih 

Honda 


Die  hier  angegebenen  Werte  beziehen  sich  auf  Bestimmungen,  welche 
an  IVoigen  Rinderblutkochsalzaufschwemraungen  ausgeführt  wurden.  Wichtig 
ist,  daß  die  gewaschenen  Bhitkörperchen  gegen  Saponine  viel  empfind- 
licher sind  als  ungewaschene  bei  Gegenwart  des  Serums.  So  fand  Kruskal^) 
als  Wert  für  die  hämolytische  Wirkung  am  Agrostemmasapotoxin.  wie  in 
der  Tabelle  angegeben,  am  normalen  l%igen  Blut  den  Wert  J  :  15.000.  An 
gewaschenen  Blutkörperchen  zu  P/o  in  ^aCl  1 :  38.000.  Dieser  Unterschied 
dürfte  auf  den  Lipoidgehalt  des  Serums  zurückzuführen  sein ,  denn ,  wie 
Ransom  -)  entdeckte,  kann  Saponin  durch  Cholesterin  entgiftet  werden. 

Die  hämolvtische  Methode  eignet  sich  vor  allem  zum  Nachweis 
dieser  Pflanzengifte  speziell  der  Saponine  und  ist  von  A'.  Brunurr^) 
und  .7.  Rühle^)  zum  Nachweis  von  Saponin  in  schilumenden  Getränken 
(Limonaden)  verwandt  worden. 

Ausführung  der  hämolytischen  Versuche.  Eine  auf  Sapt)iiin 
zu  prüfende  Substanz  löst  man  in  0*9"/oiser  Kochsalzlösung  auf.  Von  de- 
fibrinierten  und  gewaschenen  Rinderblutkörperchen  stellt  man  eine  P/oigc 
Aufschwemmung  gleichfalls  in  physiologischer  Kochsalzlösung  her.  Hat  man 
nur  sehr  geringe  Saponinmengen,  so  führt  man  die  Untersuchung  unter 
dem  Mikroskop  aus.  Man  gibt  einen  Tropfen  der  Blutaufschwemmung  auf 
einen  Objektträger,  bedeckt  ihn  mit  einem  Deckglase  und  stellt  etwa 
;)00fache  \>rgrößerung  des  Mikroskopes  ein.  Labt  mau  dann  seitlich 
einen  Tropfen  Saponinlösung  zufheßen,   so  kann  man  die  allmähliche  .\uf- 


')  N.  Kruskal,  Über  Agrostemma  Githago  L.  Dorpater  pharmakol.  Inst.-Arb.  Bd.  0. 
S.  126  (1891). 

-)  /-'.  liausoni,  Saponin  und  sein  Gegi.Migift.  Deutsdie  med.  Wochenschr.  1901. 
S.  194.  —  Vgl.  auch  .1.  Windaus,  Über  die  Entgiftung  der  Saponine  durch  Cholesterin. 
Ber.  d.  D.  ehem.  Ges.  Bd.  42.  S.  238  (1909). 

'■')  K.  lirunncr  und  J.  Rä/ilc,  zitiert  nacli  ./.  Cadamn-,  Lehrbuch  d.  ehem.  i'cxi- 
kologie.  Göttingen  1909.  S.  446. 


2B  H.  Fühner. 

hellung  des  Präparates  durch  dieselbe  gut  verfolgen.  Die  Blutkörperchen 
quellen  erst  und  werden  stark  lichtbrechend,  um  darauf  gewissermaßen 
zu  verlöschen.!) 

Hat  sich  die  Substanz  als  hämolytisch  wirksam  erwiesen,  so  ist  zu 
ihrer  weiteren  Charakterisierung  als  Saponin  noch  ihre  Entgiftung  durch 
Cholesterin  festzustellen.  Das  Cholesterin  löst  man  zu  P/q  in  Äther  und 
gibt  von  dieser  Lösung  soviel  zu  der  Lösung  des  Saponins  in  physiolo- 
gischer Kochsalzlösung,  daß  auf  20  Teile  Saponin  1  Teil  Cholesterin  kommt. 
Man  schüttelt  tüchtig  durch  und  erwärmt  im  offenen  Becherglase  einige 
Stunden  auf  40".  Diese  Lösung  wird  dann,  wenn  sie  ein  typisches  Saponin 
enthielt,  nicht  mehr  hämolytisch  wirken. 

Bei  genügenden  Mengen  Material  untersucht  man  in  kleinen  oder 
größeren  Pieagenzgläsern.  Immer  sind  Kontrollproben  gleichzeitig  anzu- 
setzen und  zu  beobachten.  Hat  man  eine  Reihe  lleagenzgläser  mit  ver- 
schiedenen Mengen  hämolytischer  Substanz  angesetzt,  so  kann  man  die 
fortschreitende  Aufhellung  von  der  am  stärksten  wirksamen  Konzentration 
bis  zu  der  schwächsten  gut  verfolgen.  In  den  Gläsern,  in  welchen  sich  die 
Blutkörperchen  nicht  lösen,  setzen  sie  sich  am  Boden  derselben  ab.  Man 
muß  zu  den  Proben  immer  gut  durchgemischte  Blutkörperchcnaufschwem- 
mung  verwenden.  Auch  verfährt  man  derart,  daß  man  das  Blut  zur  lösen- 
den Flüssigkeit  zusetzt  und  nicht  umgekehrt.  Nach  dem  Zusatz  muß  sofort 
gut  umgeschüttelt  werden,  um  P)indung  der  lösenden  Substanz  nur  etwa 
an  die  unterste  Schicht  der  Blutkörperchen  zu  vermeiden.  Für  die  meisten 
toxikologischen  Versuche  am  Blute  wird,  wie  bei  dem  Saponinnachweis, 
die  Ausführung  bei  Zimmertemperatur  geschehen.  Bei  vergleichender 
Prüfung  wird  man  nach  3 — 4  Stunden  die  hämolytische  Grenze  ablesen. 

Über  die  Natur  und  Herkunft  eines  hämolytisch  wirksamen  Saponins 
kann  man  aus  der  Intensität  der  Wirkung  bei  Vergieichung  mit  der 
Kobertschen  Tabelle  einige  Anhaltspunkte  gewinnen. 

2.  Agglutination, 

Die  Tatsache,  daß  es  Pflanzenstoffe  gibt,  welche  an  roten  Blutkörper- 
chen deren  Zusammenkleben,  Agglutination,  neuerdings  auch  Kongluti- 
nation  genannt,  herbeiführen  können,  wurde  1887  von  B.  Kohert  und 
seinem  Schüler  Stülmark'"-)  an  dem  wichtigsten  hierhergehörigen  Produkte, 
dem  Piicin,  entdeckt  und  ist  seither  häufig  zu  toxikologischer  Charakteri- 
sierung dieser  Substanzen  gebraucht  worden,  für  welche  beweisende  che- 
mische Reaktionen  nicht  bekannt  sind.  Derartige  giftige  Pflanzen  produkte 
(„Toxalbumine"),  wie  das  Ricin  der  Ricinussamen,  das  Abrin  der 
Paternostererbsen,  das  Crotin  der  Crotonsamen  und  das  Robin  der  Rinde 
der  falschen  Akazie,  besitzen  die  gemeinsame  Eigenschaft,  daß  sie  bisher 


1)  J.  Gadamer,  1.  c.  S.  447. 

2)  //.  Sfilhnark,    Über  Ricin.  Dorpater  pharmakol.  Inst.-Arb.  Bd.  3.  S.  59.  Stutt- 
gart 1889. 


Nachweis  uiul  Bestimmung  von  Giften  auf  liiologischem  AVege.  •>i\ 

in  einwandfreier  Weise  von  ihrem  Jiegieiteiweili  nieht  hctivit  werden 
konnten  und  daß  Versuchstiere  gegen  steigende  Dosen  derselhen  wie  gegen 
Bakterientoxine  immunisiert  werden  können  (KhrUchJ. 

Toxikologische  Bedeutung  besitzt  in  erster  Linie  das  Ricin,  das  aus 
Preltrückständon  der  Kicinussamen  gewonnen  wird.  Solche  Ricinusprel»- 
rückstände  haben  bei  ihrem  geringen  Werte  schon  zur  X'erfiilschung  von 
Preßkuchen  anderer  ölhaltiger  Samen,  die  als  Futtermittel  Vei-\veiidinig  finden, 
gedient,  und  Erkrankung  der  damit  gefütterten  Tiere  herl)eigeführt. 

Ausführung  der  Agglutinationsprüfung.  Handelt  es  sich 
darum,  eine  Substanz  auf  den  Gehalt  an  Klein  zu  untersuchen,  so  kann 
man  nach  Koherf^)  in  folgender  Weise  vorgehen:  Man  zerreibt  den 
trockenen  Rückstand  innig  mit  mindestens  der  lOfachen  Menge  physiolo- 
gischer Kochsalzlösung  und  filtriert  nach  24  Stunden.  Das  Filtrat  hält  das 
vorhandene  Ivicin  in  Lösung.  Die  Prüfung  des  Filtrates  geschieht  in  der 
Weise,  daß  man  einen  Teil  davon  einem  Kaninchen  (s.  d.)  unter  die  Haut 
spritzt,  einen  anderen  Teil  mit  etwa  demselben  Volumen  oder  mehr  einer 
2''/oigen  Mischung  von  defibriniertem  Rinderl)lut  mit  physiologischer  Koch- 
salzlösung (2  cm^  Blut +  98  cm^  0-9Voiger  Na Cl-Lösung)  vermengt.  Bei  grö- 
ßerem Ricingehalt  des  Auszuges  tritt  rasch  Agglutination  ein.  Bei  geringem 
Gehalt  kann  die  Blutprobe  unsicher  oder  negativ  ausfallen,  während  das 
injizierte  Kaninchen  nach  mehreren  Tagen  doch  noch  erkrankt  und  stirbt. 

Eine  verdünnte  wässerige  Ricinlösung  läßt  sich  nach  Cushnij'-)  da- 
durch anreichern,  daß  man  in  dieselbe  gewaschene  Fibrinflocken  einträgt, 
auf  welche  sich  das  Gift  niederschlägt.  Die  mit  Wasser  gewaschenen 
Flocken  werden  mit  verdünnter  Sodalösung  behandelt,  in  welcher  sich  das 
Ricin  löst.  Die  Sodalösung  neutralisiert  man  mit  Salzsäure  und  stellt  nun 
mit  dieser  Lösung  den  Agglutinations versuch  an. 

Die  Agglutinationsprobe  kann  dadurch  empfindlicher  gestaltet  werden, 
daß  man  mit  Kochsalzlösung  gewaschene  Blntköi-perchen  verwendet,  da 
das  Serum  nach  Kohert  die  Piicinwirkung  hemmend  beeinflußt.  Aul'ierdem 
empfiehlt  sich  die  Verwendung  des  empfindlicheren  Mecrschweinchcnblutes 
an  Stelle  von  Rinder-  oder  Kaninchenblut  zu  der  Aggiutinationsprobe. 

Stillmarl-  fand,  dal.)  bei  2''/oiger  Blutkochsalzmischung  Piicin  in  Kon- 
zentration 1:40.000  Kaninchenblut  vollständig,  bei  einer  Verdünnung 
1:160.000  nur  noch  spurenweise  aggiutiniert ,  während  Meerschweindien- 
blut  in  Kmizentration  1:160.000  vollständig,  in  solcher  von  1  :  (JOO.OOO 
immerhin  noch  schwach  zusammengeballt  wii'd. 

Von  der  Vollständigkeit  der  Agglutination  üi)rrzengt  mau  sich  iliiich 
Filtration  des  aggiutinierten  Blutes  durch  Filtrierpapier,  durch  das  die 
nichtagglutinierte    Blutkörperchenaufschwemmung     ungehindert    himlurch- 

')  /t".  Kohcrf,  Einige  Notizen  über  die  Bedeiitiini:  mul  den  liiologisclien  Narliweis 
von  vegetabilischen  Agghitininen  und  Hämolysinen.  Landwirtsch.  \'ersuclisstalionen. 
Bd.  71.  S.  258.  Berlin  1909. 

-)  A.  R.  Cushnijf  über  das  Ricinusgift.  Arch.  f.  exp.  Patliol.  u.  Pharmakol.  Bd.  41. 

S.  446  (1898). 


30  H.  Fühner. 

geht.  Ist  das  Filtrat  nach  der  Agglutiuationsprobe  noch  rot  gefärbt,  so  ist 
die  Agglutination  unvollständig.  Bei  geringen  Blutmengen  stellt  man  die 
Probe  statt  im  Pieagenzglas  in  einem  kleinen  Uhrglase  an  und  verfolgt 
die  Erscheinung  unter  dem  Mikroskop.  Kontrollproben  sind  auch  hier 
dringend  nötig,  da  ebenso  wie  spontane  Hämolyse  auch  spontane  Agglu- 
tination der  Blutkörperchenaufschwemmung  vorkommen  kann. 

^'om  Ricin  unterscheidet  sich  das  Abrin,  der  Giftstoff  der  Pater- 
nostererbsen fJequiritisamen)  in  seiner  Blutwirkung  nur  sehr  wenig.  Nach 
Hellin  ^)  wirkt  im  Gegensatz  zum  Ricin  das  Abrin  stärker  auf  Hunde-  als 
auf  Kaninchenblut  ein. 

Leichter  als  Abrin  ist  vom  Ricin  das  Crotin,  der  Giftstoff  der 
Crotonsamen  zu  unterscheiden.  Nach  Elf  Strand^)  agglutiniert  dieses  das 
defibrinierte  Rinderblut,  hingegen  nicht  das  Blut  von  Meerschweinchen. 
Kaninchenblutkörperchen  aber  werden  durch  dasselbe  hämolysiert.  Hierbei 
erweist  sich  das  Blut  verschiedener  Kaninchen  als  verschieden  empfindlich. 

Auf  Grund  verschieden  starker  Blutwirkung  lassen  sich  vom  Ricin 
noch  andere  hierhergehörige  Substanzen  unterscheiden,  so  nach  Robert  und 
Lau^)  das  aus  der  Rinde  der  falschen  Akazie  gewonnene  Robin. 

Neuerdings  wurde  von  Wienhaus  *)  und  Assmann  ^)  unter  Kohert 
aus  Schminkbohnen  ein  Phasin  und  aus  Sojabohnen  ein  Sojaphasin 
genanntes  eiweißhaltiges  Produkt  hergestellt,  von  denen  namentlich  das 
letztere  eine  der  Ricinagglutination  täuschend  ähnliche  Agglutination  von 
Kaninchenblutkörperchen  herbeiführt.  Doch  auch  dieses  Produkt  läßt  sich 
vom  Ricin  dadurch  unterscheiden,  daß  es  auf  Blutarten,  die  vom  Ricin  agglu- 
tiniert werden,  nicht  einwirkt;  besser  aber  lassen  sich  diese  Phasine  von  dem 
giftigen  Ricin  durch  ihre  geringe  Giftigkeit  für  Kaninchen  (s.  d.)  unter- 
.scheiden.  ^) 

Der  Frosch  und  seine  isolierten  Organe. 

Im  mittleren  Europa  sind  hauptsächhch  zwei  Froscharten')  leicht 
und  in  größerer  Menge  zu  erhalten 0):  Der  Wasserfrosch,  Rana  escu- 

M  H.  Hellin,  Der  giftige  Eiweißkörper  Abrin  und  seine  Wirkung  auf  das  Blut. 
Dissert.  Rostock  1901. 

■-)  M.  Elfstrand,  Über  blutkörperchenagglutinierende  Eiweiße.  Görbersdorfer  Ver- 
öffentlichungen, heraiisgeg.  v.  B.  Kohert.  Bd.  1.  S.  11.  Stuttgart  1898. 

^)  Lau,  Über  vegetabilische  ßlutagglutinine.  Dissert.  Rostock  1901. 

*)  0.  Wienhaus,  Zur  Biochemie  des  Phasins.   Biochem.  Zeitschr.  Bd.  18.  8.228(1909). 

^)  F.  Assmann ,  Beiträge  zur  Kenntnis  pflanzlicher  Agglutinine.  Fjiiigers  Arch. 
Bd.  137.  S.  489  (1911). 

^)  Über  den  Nach  weis  von  Ricin  vgl.  auch  Miessner,  Über  die  Giftigkeit  der 
Ricinussamen.  Mitteil.  d.  Kaiser  Wilhelms-Instituts  für  Landwirtschaft  in  Bromberg.  Bd.  1. 
S.  217.  Berlin  1909. 

"')  Zur  Biologie  des  Frosches  vgl.  Fr.  K.  Knauer,  Das  Leben  unserer  heimischen 
Lurche  und  Kriechtiere.  Dresden  1905.  —  Fr.  Hempelmann,  Der  Frosch.  Leipzig  1908. 
—  Die  Anatomie  des  Frosches  ist  ausführlich  dargestellt  in  F.  Gaupp,  A.  Eckers  und 
B.  Wiedersheims  Anatomie  des  Frosches.    3.  Aufl.  3.  Bände.  Braunschweig  1896  —  1904. 

*)  Wasserfrösche  liefert  Fischer  Fritz  Norak,  Köpenik  bei  Berlin.  Die  Varietät  Ridi- 
bunda  in  Größen  von  40— 150.9'  A.v.  Kordes,   Zoolog.  Handlung,  N.-Becskerek  (Un- 


Nacliweis  uiul  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  ;-i] 

lenta  mit  seiner  für  I)iologische  \'ersuche  gleichwertigen  ^'carietät.  dem 
Seefrosche,  R.  esc.  Var.  ridibunda  nml  der  Gras-  oder  Taufrosch. 
Rana  fusca  (temporaria).  Beide  Arten  sind  zum  biologischen  Tüftnach- 
weis  erforderlich,  denn  sie  reagieren  manchen  Giften  gegeniil)er  verschieden. 
Da  die  Frösche  sich  im  Winter  verkriechen,  so  ist  deren  Beschaffimii- 
in  den  kalten  Wintermonaten  oft  schwierig.  .Man  versieht  sich  für  den 
Winter  am  besten  im  Herbst  mit  einer  genügenden  Anzahl  dersellien  und 
bewahrt  sie  in  kühlem  Räume  in  Rehältern  mit  langsam  fliebendem  oder 
öfters  erneuertem  Wasser  auf.  Die  Sterblichkeit  namentlich  größerer  Wasser- 
frösche ist  in  der  Gefangenschaft  häufig  eine  recht  beträchtliche.  Die  Tiere 
erliegen  parasitären  Infektionen.  Als  häufige  Krankheitserscheinung  beob- 
achtet man  das  Auftreten  von  Hautdefekten,  vorzugsweise  an  der  Schnauze. 
Die  Grasfrösche  halten  sich  meist  besser  in  der  Gefangenschaft.  Fütte- 
rung  der  Frösche   ist   unnötig.    In   den  Frühjahrs-   und   Sommermonaten 

Fig.  9. 


Links:    Kanu  fiisca.  4:^  (/.  Rechts:  Kana  es  cu  lenta.    tß  7.  Heide  männlich. 
Aufnahme  vom  r2.  November  1909. 

wird  man  zu  den  biologischen  Prüfungen  immer  möglichst  frisch  gefangene 
Tiere  verwenden. 

Der  Wasserfrosch  ist  auf  dem  Rücken  meist  grün,  der  (Jrasfrosch 
braun  gefärbt.  Doch  ist  die  grüne  Färbung  des  Wasserfrosches  durch- 
aus unbeständig.  Abgesehen  davon,  daß  die  Eigenfarbe  der  Tiere  zwischen 
hell  und  dunkel  je  nach  der  R)eliclitung  etc.  wechselt,  findet  man  häufig 
braun  gefärbte  Wasserfrösche.  Konstanter  erscheint  die  P'ärbung  der  Raucli- 
haut,  welche  beim  \Vasserfrosch  weiß,  beim  (irasfrosch  gelb  ist.  Da.< 
sicherste  Unterscheidungsmerkmal  für  beide  Arten  iuetet  die  Kopff(»rni 
und  hier  namentlich  die  verschiedene  Länge  der  Sclniauzc.  von  den  Augen 
an  gerechnet.  Die  Schnauze  ist.  wie  Fig.  9  zeigt,  bei  l!ana  fusca  kurz  und 
stumpf,  bei  Rana  esculenta  länger  und  mehr  zugespitzt. 

garn).    Durch  Vormitthimr  der  Diener  an    physiologisclien  und  piiarmakologischen  L  ui- 
vorsitätsinstitutcn  können  Wasserfnisciie  und  aucii  (Irasfrosclie  liezotron  werden. 


32  H.  Füll n er. 

Auf  der  Photographie  sind  zwei  fast  gleichschwere  männUche  Tiere 
dargestellt.  Die  Aufnahme  ist  Anfang  November  gemacht.  Zu  dieser  Zeit 
sind  bei  Rana  fusca  die  Daumenschwielen  beim  männlichen  Tiere  schon 
deutlich  hervortretend,  bei  Rana  esculenta  noch  wenig.  Die  stark  ausge- 
prägten Daumenballen  mit  den  vor  der  Brunstzeit  auftretenden  schwieligen 
Verdickungen  sind  neben  den  Schallblasen  (diese  nur  bei  R.  esculenta!)  die 
besten  äußeren  Kennzeichen  für  männliche  Frösche.  Erwähnt  sei  noch, 
daß  die  männlichen  Tiere  meist  kleiner  als  die  weiblichen  sind.  Bei  Rana 
esculenta  schwellen  die  Daumenballen  erst  später  an,  damit  zusammen- 
hängend, daß  die  Paarungszeit  der  Wasserfrösche  später  als  die  der  Gras- 
frösche eintritt.  Die  Paarungszeit  der  Grasfrösche  fällt  in  das  erste  Früh- 
jahr, die  der  Wasserfrösche  erst  in  die  Monate  Mai  und  Juni.  Frosch- 
laich und  Kaulquappen,  welche  man  im  Frühjahr  findet,  stammen  darum 
meist  von  Grasfröschen,  im  Sommer  von  Wasserfröschen.  Dieser  Hinweis 
mag  genügen  zur  Identifizierung  der  zu  toxikologischen  Versuchen  dienen- 
den Kaulquappen.  1)  Kaulquappen  haben  häufig  \'erwendung  gefunden  zu 
vergleichenden  Bestimmungen  des  Wirkungsgrades  von  Giften,  ^'on  solchen 
seien  hier  lediglich  Overtons-)  bekannte  Untersuchungen  über  die  Wir- 
kungsstärke der  Narcotica  genannt. 

A.  Beschreibung  der  Instrumente  und  Apparate.^) 

Zur  Herstellung  der  bei  der  Prüfung  von  Giften  nötigen  physiologi- 
schen Präparate,  wie  isolierte  Skelettmuskeln.  Herz,  Auge,  bedient  man 
sich  ausschließlich  anatomischer  Scheren  und  Pinzetten.  Messer  sind 
nicht  nötig.  Von  Pinzetten  braucht  man  eine  sogenannte  Hakenpinzette, 
geeignet  zum  Erfassen    der    glatten  Haut   des  Frosches,    außerdem    zwei 


')  über  genauere  anatomische  Unterscheidungsmerkmale  der  verschiedenen  Kaul- 
quappenarten vgl.  F.  Werner,  Die  Reptilien  und  Amphiliien  Österreich-Ungarns  und  der 
Okkupationsländer.  Wien  1897.  S.  113. 

-)  E.ÖDerton,  Studien  über  die  ^Narkose.  Jena  19U1.  —  Vgl.  auch  l.Bany  und 
E.Overton,  Studien  über  die  Wirkung  des  Kobragiftes.  Biochem.  Zeitschr.  Bd.  31. 
S.  243  (11)11). 

'*)  Die  im  Texte  beschriebenen  Apparate  etc  sind  die  im  Pharmakologischen 
Institut  der  Universität  Freiburg  i.  Br.  gebräuchlichen.  Sie  können,  sofern  keine 
andere  Bezugsquelle  angegeben  ist,  durch  den  Mechaniker  des  genannten  Institutes, 
Herrn  Lantzsch,  zu  nachstehenden  Preisen  bezogen  werden:  Froschbrett  mit  beweg- 
lichem Stab  und  Klammern  (Fig.  11)  5  M.  —  Kymographion  (Registrierapparat)  von 
E.  Ziinmeriiiaiin,  Berlin  N.  4,  Chausseestraße  6  (Fig.  12,  13)  140  M.  —  Stativ  mit  drei 
Muffen  und  Aluminiumschreibhebel  (Fig.  15)  35  M.  —  Stativ  mit  Zahnstange  und  Trieb, 
dazu  ein  Stab,  2  Muffen,  2  offene  Muffen,  1  Stab  mit  Brettchen  (Fig.  15)  45  M.  — 
Zeitmarkicruhr  (Fig.  18)  90  M.  —  Markierhebel  (Fig.  19)  8  M.  —  Jaqitetsche  Zeit- 
markieruhr von  E.  Zimmermann,  Berlin  X.  4.  Chausseestraße  6  (Fig.  52)  125  M.  — 
Akkumulatoren  (Gülcher)  (Fig.  20)  pro  Zelle  16  M.  —  Induktorium  (Fig.  20)  30  M.  — 
Reizelektrode  (Fig.  20)  10  M.  —  (^uecksilberschlüssel  (Fig.  20)  10  M.  —  Abblender  nach 
O.Frank  von  Mechaniker  W.  Schmidt,  Inhaber  C.  Schunk,  Gießen  (Fig.  21)  40  M.  — 
AVippe  (Fig.  22)  7  M.  —  Feuchte  Kammer  (Fig.  39)  22  M.  —  Herzkammer  mit  4  Ka- 
nülen und  3  Herzklammern  (Fig.  52)  5^50  M.  —  Muskelklemme  (Fig.  56  und  57 /v) 
12  M.  —  Mausbrett  (Fig.  61)  — '80  M.  —  Kaninchentrichter  (Fig.  64)  17  M. 


Nachweis  imd  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


;-i3 


größere  und  zwei  feine  Pinzetten.  Von  Scheren  genügt  eine  grödere  mit 
spitzem  und  stumpfem  lilatt  und  eine  ebensolche  feine.  Die  Scheren  sind 
der  lleinigung  wegen  auseinandernehmbar. 

Als  Unterhige  zum  Herstellen  der  Froschpräparate  dienen  flache 
Eßteller  neben  dicken  einseitig  matten  (ilasplatton  in  der  (Irölie 
24 :  '24  cm. 

Zur  Freilegung  des  Herzens  am  nichtnarkotisierton  Frosche  muli  das 
Tier  gefesselt  werden.  Dies  geschieht  vermittelst  starker  liaumwollfiidcn. 
welche  in  Form  von  Schlingen  (Fig.  10)  dem  Frosche  um  die  Peine  gelegt 
werden,  worauf  man  das  Tier  auf  einem  Prettchen  der  Größe  20:  10  cm 
{Focke  verwendet  für  die  Digitalisprüfung  (s.d.]  längere  Froschbretter)  da- 
durch befestigt,  daß  die  Fäden  durch  in  das  Prettchen  eingesägte  Spalte  ge- 
zogen werden  (vgl.  Fig.  ;)4).  Die  Spalte  können  in  schräger  Pichtuiig  in 
das  Prettchen  gesägt  werden,  damit  Zurückgleiten  der  durchgezogenen 
Fäden  bei  Bewegungen  des  Tieres  weniger  leicht  möglich  ist.  Für  viele 
Versuche    verwendbar    ist    ein    gestieltes   Froschbrett   (Fig.  11),    auf 


Fig.  10. 


Fig.  11. 


Froschbrett  mit  Fußschlinge. 


Gestieltes  Froschbrett  mit  FnOklammern. 


welchem  der  Frosch  mit  vier  Drahtklammern  in  vorhandenen  ("Öffnungen 
befestigt  wird  und  das  den  Vorteil  besitzt,  mit  einem  daran  beweglich  an- 
gebrachten eisernen  Stabe  in  den  Muffen  der  Stative  befestigt  werden  zu 
können.  Will  man  den  auf  dem  Froschbrette  befestigten  Frosch  elektrisch 
reizen,  etwa  zum  Nachweis  von  Veratrin,  und  die  Muskelzuckungen  gra- 
phisch registrieren,  so  kann  dies,  wie  aus  Fig.  26  ersichtlich  ist,  auf  dem 
vorliegenden  Froschbrett  geschehen.  Ein  besonders  zu  diesem  Zweck  ge- 
bautes Froschbrett  ist  vor  kurzem  von  Boehm ')  beschrieben  worden. 

Zur  graphischen  Aufzeichnung  der  Muskelzuckungen,  der  Herzbewe- 
gung etc.  ist  ein  Kegistrierapparat ,  ein  sogenanntes  Kymographion 
erforderlich.  Zur  Aufnahme  der  im  Texte  wiedergegebenen  Kurven  diente 
ein  Instrument  von  K.  Zinniicriuann,  Perlin,  welches  bei  billigem  Preise 
den  Vorzug  besitzt,  für  raschen  und  sehr  langsamen  Gang  verwendbar  zu 
sein.  Der  in  Fig.  12  und  \?>  abgebildete  Api>arat  kann  sowohl  mit  ver- 
tikal-, als  auch  horizontal  rotierender  Trommel  l)enutzt  werden.    Zin-  Aus- 


M  /'.  Boehm,  Zwei    kleine  Apparate    für   Froschversucho.    .\rch.  f.  exp.  Tathol.  ». 
Phurmakol.  Bd.  63.  S.  159  (1910). 

Abderhalden.  Handbuch  der  biochemischen  Arbeitsmethoden.  V.  3 


34 


H.  Füll  11  er. 


^'°-^--  lotuDg      der     Höhenlage 

dient  Schraube.?;  zur  Ver- 
änderung  der  Geschwin- 
digkeit    der     Trommel, 
Friktiousscheibe      und 
-rolle  F,  mittelst  welcher 
die    jeweilige    Geschwin- 
digkeit des  Uhrwerkes  im 
Verhältnis  1 :6  verändert 
und   der  Trommel   über- 
mittelt werden  kann.  Die 
größte     Geschwindigkeit 
erhält    die   Trommel   bei 
Stellung    der    Eolle    am 
Zentrum     der     Scheibe. 
Durch    Verstellung     der 
liolle  gegen  die  Peripherie 
wird  die  Umdrehungszeit 
bis  auf  etwa  das  öfache 
verlangsamt.  Um  die  Ver- 
schiebung bequem  bewir- 
ken zu  können,  muß  die 
Achse    und   die   mit  ihr 
verbundene  Scheibe 
außer  Kontakt  mit 
der  Eolle   gebracht 
werden.    Dies    ge- 
schieht durch  Hoch- 
drehen   der    unter 
der  Grundplatte  be- 
findlichen   Schrau- 
be S.  Das  Uhrwerk 
wird  mittelst  Schlüs- 
sel t  aufgezogen  und 
durch  den  Hebel  B 
arretiert     bzw.     in 
Gang  gesetzt. 

Bei  W  lassen 
sich  verschieden 
große  Windflügel 
aufstecken  und  kann 
durch  den  größten 
derselben  die  Ge- 
schwindigkeit bis  auf  ca.  1  Stunde  pro  Umdrehung  ( =  500  mm)  redu- 
ziert werden.  Hierbei  muß  die  Friktionsrolle  an  der  Peripherie  der  Scheibe 


Kymographion. 


Fig.  1; 


Kymographion. 


Nachweis  imd  Bestimmung  vdii  (iiftcn  auf  liinlotrisclicin  W  rge. 


35 


stehen.  Eine  weitere  Ixeduktion  der  Unidrehungsj>esch\vindij^keit  wird 
erreicht  durch  Einschaltung-  des  Ankerganges  u  und  i*rh;Ut  liiei-hei  die 
Trommel  eine  Umdrehungsgeschwindigkeit  von  etwa  4 — 24  Stunden  pro 
Umdrehung.  Das  lunsclialten  des  Ankerganges  wird  nach  Lösen  der 
Schraube  x,  durch  ruckweises  Hochdrücken  des  vorstehenden  Kästchens  u 
bewirkt.  Es  ist  erforderhch,  den  Ankergang  mögUchst  momentan  aus-  oder 
einzuschalten. 

Die  größte  Umdrehungsgeschwindigkeit  des  Instrumentes  beträgt  (bei 
Verwendung  ohne  die  AVindt'lügel  und  Stellung  der  Friktionsrollc  im  Zen- 
trum) 10 — 15  Sekunden  pro  Umdrehung.  Doch  kann  das  Instrument 
für  besondere  Zwecke  von  der  Firma  mit  noch  größerer  Umdrehungsge- 
schwindigkeit geliefert  werden. 

Die  Trommel  des  Kymographions  wird  mit  (ilanzpapicr  M  über- 
zogen. Zu  dem  Zwecke  wird  das  Instrument  horizontal  gestellt  und  die 
Trommel  durch  Hochdrehen  der  Schraube  S  leicht 
beweglich  gemacht.  Dann  wird  die  rauhe  Papier- 
fläche mit  einem  Schwämme  leicht  angefeuchtet 
und  die  gummierten  Ränder  des  Papieres  über- 
einander geklebt.  Das  Papier  darf  keine  Falten 
machen  und  muß  überall  gleich  gut  an  der 
Trommelfläche  anUegen.  Nun  wird  das  Papier  unter 
schnellem  Drehen  der  Trommel  in  horizontaler  Lage 
berußt.  Dies  geschieht  im  Saume  einer  rußenden 
Gasflamme.  Um  die  Gasflamme  stark  rußend  zu 
machen,  leitet  man  das  Gas  durch  eine  Flasche 
(Fig.  14),  welche  eine  Mischung  gleicher  Teile 
Benzin  und  Benzol  (Benzol  allein  rußt  zu  stark, 
Benzin  zu  schwach! )  enthält.  Das  Gas  entströmt  einem 
rechtwinkelig  gebogenen  Glasrohr,  dessen  Spitze 
ausgezogen  ist.  Zum  Berußen  rückt  man  langsam 
Trommelbewegung    mit   der  Spitze    der  Gasflaiiunc 


Fig.  U. 


Berussnngsflasche. 


bei  möglichst  rascher 
über  der  Papierfläche 
hin  und  her.  Für  feine  Aufzeichnungen  auf  der  Papierflächc  darf  die  Be- 
rußung keine  zu  starke  sein.  Nach  Fertigstellung  einer  Kurve  wird  die 
Trommel  nach  Hochschrauben  des  oberen  Lagers  M  aus  dem  K\  niogra- 
phion  genommen,  das  berußte  Papier,  unter  Festhalten  an  seiiu-m  oberen 
llande  mit  einem  Finger,  in  der  Nähe  der  zusammengeklebten  IJäiider 
durch  einen  Messerschnitt  gespalten  und  die  Kurve  dann  lackiert.  Zum 
Lackieren  verwendet  man  eine  Lösung  von  gebleichtem  Schellack  in 
OeVoiS^'n»  Alkohol.  Da  der  gebleichte  Schellack  unter  AVasser  aufbewahrt 
Avird,  so  muß  er  erst  gepulvert  und  das  Pulver  «.•etrocknet  wc>rdeu.  be\(ir 
man  es  im  Weingeist  auflöst.  Das  \erhältnis  ist  l:10(\'ol.).  Die  Kurven 
werden  an  beiden  Enden  mit  Pinzetten  erfaßt  und  durch  dif  in  einer 
])hotograi)hischen  Schale  befindliche  Lacklösung  gezogen,  dann 


getrockuet. 


')  Durch  die  das  Ivymograpbioii  liefernde  Firma  zu  hezielien. 


36 


H.  Fühner. 


Am  besten  werden  die  Kurven  nach  dem  Trocknen  noch  ein  zweites  Mal 
lackiert,  um  sie  besser  vor  Beschädigung  zu  schützen.  Widerstands- 
fähiger wird  die  Lacklösung  noch  durch  Zusatz  von  l^/o  venezianischem 
Terpentin. 

Zur  Ausführung  der  angegebenen  Versuche  sind  mindestens  drei 
Stative  nötig  ,  wie  sie  in  Fig.  15  wiedergegeben  sind.  Davon  zwei  ein- 
fache, wie  das  in  der  Figur  vorn  befindliche,  und  eines  mit  Zahnstange 
und  Trieb  (in  der  Figur  hinten) ,  welche  vertikale  Verstellung  der  an  der 


Stativstange  befestigten  Apparate  ermöglichen 
„Muffen'-    und  kleinere  Stativteile, 
hebeln ,    Herzkammer ,    Froschbrett 


Fig.  15. 


<^^$i 


Zu  den  Stativen  gehören 
welche  der  Befestigung  von  Schreib- 
etc.  am  Stativ  dienen.  Oberhalb  des 
Fußes  der  Stative  befindet  sich  eine 
endlose  Schraube,  deren  Drehung  die 
Drehung  der  Stativstange  um  die  senk- 
rechte Achse  bewirkt,  eine  Vorrichtung, 
welche  zum  Anlegen  des  Schreibhebels 
an  eine  berußte  Papierfläche  nützlich  ist. 
Zu  den  Stativen  werden  außerdem 
winkelförmige,  mit  Stab  in  den  Muffen 
zu  befestigende  Stücke  geliefert,  welche 
eine  dünne  Achse  tragen,  an  der  ein 
Schreibhebel  befestigt  werden  kann. 
Dieser  findet  zur  Aufzeichnung  von 
Herz-  und  Skelettmuskelbewegung  auf 
der  berußten  Papierfläche  des  Kymo- 
graphions  Verwendung. 

Das  beste  Material  zur  Herstellung 
von  Schreibhebeln  sind  Strohhalme,  in 
einer  Qualität,  wie  sie  in  Kaffeehäusern 
gebraucht  werden.  Die  Länge  solcher 
Strohhalm  Schreibhebel  beträgt  durch- 
schnittlich 20 — 2b  cm.  Zur  Herstellung 
des  Schreibhebels  wird  der  Strohhalm 
in  der  Nähe  des  einen  Endes  in  seiner 
Mitte  ein  Stück  weit  gespalten  und  durch 
den  Spalt  die  aus  ihren  Lagern  in  dem  Winkel  genommene  Schreibhebelachse 
eingeführt,  nachdem  die  eine  der  beiden  zum  Festklemmen  des  Schreibhebels 
bestimmten  kleinen  Scheiben  von  ihr  abgeschraubt  ist.  Diese  wird  dann 
wieder  aufgesetzt  und  der  Strohhalm  festgeklemmt.  Xahe  der  einen  kleinen 
Scheibe,  welche  mit  einer  Piinne  versehen  ist,  befindet  sich  eine  kleine 
Schraube  an  der  Achse,  an  der  ein  Faden  angebracht  und  von  hier  aus  über 
die  Scheibe  gelegt  wird.  Derselbe  trägt  an  seinem  freien  Ende  ein  Gewicht 
oder  einen  kleinen  mit  Schroten  zu  füllenden  Becher.  Für  die  Aufzeich- 
nung der  Herzbewegung  wird  der  längere  Arm  des  Schreibhebels  an 
der   Achse    entlastet    (Fig.  16).    Zur   Aufnahme    von    Skelettmuskel- 


stative. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  liiolu^jischeni  W  etfo. 


37 


Fig.  16. 


zuckuiiiren    wird    er    hingegen    mit    Gewicht    von    r)0— lOOy    i)elastet 
(Fig.  17). 

In  den  Strohhahn.schreihhehel  werden  in  der  Weise,  wie  die.s  Fig.  17 
zeigt,  beiderseits  von  der  .Vch.se  mit  glühendem  Draht  eine  Anzahl  Löcher 
eingebohrt.  Die  Schreibfaline  des  Helyels  kann 
aus  Sclireibpapier  hergestellt  werden.  Der 
Strohhalm  wird  zur  Befestigung  der  Papier- 
fahne an  seinem  vorderen  Ende  gespalten 
und  in  den  Spalt  das  Papier  eingeklemmt. 
Zur  Fixierung  dient  Radfahrkitt  (Kautschuk- 
lüsung).  Die  Papieii'ahne  am  Aluminium- 
schreibhebel kann  mit  Siegellack  befestigt 
werden.  Die  Schreibfahne  wird  an  ihrem 
Ende  fein  zugeschnitten  und  nach  der 
Kymographionfläche  hin  gebogen. 

Auf  der  berußten  Fläche  der  Kymo- 
graphiontrommel  wird  unter  die  Herz-  oder 
Skelettmuskelkurve  die  Zeit  aufgezeichnet, 
je  nach  der  Umdrehungsgeschwindigkeit  des 
Instrumentes  in  Sekunden  oder  10,  oO,  60  Se- 
kunden. Zur  Zeitmarkierung  verwendet 
man  einen  mit  Schreibhebel  versehenen 
Elektromagneten  und  eine  Kontaktuhr 
nach  Bowditch.  Die  gewöhnlich  gebrauchte  Bowditchsche  lihr  hat  den 
Nachteil,  daß  Elektromagnet  und  Uhr  beständig  unter  Strom  stehen,  welcher 
nur  im  Moment  der  Zeitmarkierung  unterbrochen  wird.  Dies  bedingt  eine  starke 


Aliiminiamschreibhebel. 


l-'ig.  17. 


Strohhalmschreibhebel. 


Inanspruchnahme  der  den  Strom  liefernden  Kiemente.  Eine  verbesserte  der- 
artige Zeitmarkieridn-  wurde  nach  Angaben  von  Herrn  Prof.  Stniuh.  vom 
Mechaniker  des  Pharmakologischen  Institutes.  Freiburu  i.  IJ..  Herrn  Lotitcftrh, 
hergestellt.    Diese   besitzt   statt   der  Melallscheibe   des   alten  Modells  eine 


38 


H.  Fühner. 


Fig.  18. 


rotierende  Hartgummischeibe^)  (Fig.  18).  Auf  der  Scheibe  befinden  sich 
acht  an  verschiedenen  Stellen  unterbrochene  konzentrische  Ringe,  auf 
welchen  ein  auf  jeden  Kreis   einstellbarer  Hebel  schleift.    Beim  (xang   der 

Uhr  fällt  der  Hel)el  in  die  Lücken  der 
Kreise  und  schließt  hierbei  für  kurze 
Zeit  den  elektrischen  Strom.  Dabei  wird 
der  mit  Uhr  und  Element  verbundene 
Markiermagnet  (Fig.  19)  gleichzeitig 
durchströmt  und  der  Schreibhebel  an- 
gezogen und  wieder  entfernt,  was  auf 
dem  Kymographion  verzeichnet  wird. 
In  den  Stromkreis  schaltet  man  zweck- 
mäljig  einen  Quecksilberschlüssel  ein,  um 
völlige  Unterbrechung  des  Stromes  zu 
ermöglichen.  Als  Stromquelle  verwendet 
man  Akkumulatoren  (2 — 4  Volt). 

Die  Zeitmarkieruhr  ist  verwendbar 
zur  Aufzeichnung  von  1,  2,  3,  4,  5,  10, 
30  und  60  Sekunden.  Zur  Aufzeichnung 
von  Vö  Sekunden  und  Sekunden  existiert 
eine  kleine  von  Jaquet  konstruierte 
Uhr  (vgl.  Fig.  52),  welche  recht  brauch- 
bar, aber  teuer  ist. 

Der  Markierhebel  kann  am  glei- 
chen Stativ  wie  der  die  Muskelkurve 
aufzeichnende  Schreibhebel  angebracht 
werden ,  wie  z.  B.  aus  Fig.  36  ersichtlich.  Besser  ist  derselbe  an  einem 
zweiten  Stative  unterzubringen,  wobei  man  ihn  am  bequemsten  entgegen 
der  Trommelbewegung   des  Kymographions  aufstellt. 


Zeitraarkieruhr. 


Fig.  19. 


Markiermagnet. 


Ob  ein  Muskel  oder   Nerv   eines  üntersuchungstieres   gelähmt   oder 
tot  ist,  läßt  sich  dem  Organ  nicht  ohneweiteres  ansehen.  Es  läßt  sich  dies 

1)  Diese  ist  dem  Mechaniker  des  Pharmakologischen  Institutes  in  Freibarg,  Herrn 
Lantzsch  geschützt. 


Nachweis  und  Bestimmuug  von  (litten  auf  biologischem  Wege. 


39 


aber  feststellen  durch  Reizung  des  hetroffenden  Orf^nines.  und  hierzu  dient 
am  besten  diejeniiie  durch  den  elektrischen  Strom.  Zur  AusführunL;  der- 
artiger Prüfung  dient  das  folgende  Instrumentarium: 

Als  StrouKiuelle  ein  Akkumulator.  lU'i  Benutzung  solcher  muli  man 
ein  kleines  (Taschen-)Voltmeter  besitzen,  um  das  Element  von  Zeit  zu 
Zeit  zu  prüfen.  Ein  frisch  geladener  Akkumulator  zeigt  auf  dem  \'olt- 
meter  eine  Spannung  von  2*1 — 2'S  Volt  an.  Dieselbe  geht  beim  (Jcbrauch 
allmählich  zurück.  Sobald  sie  sich  r8  Volt  nähert,  muß  das  Element  frisch 
aufgeladen  werden.  Die  Art  und  Weise,  wie  dies  geschieht,  ist  aus  der 
dem  Akkumulator  beigegebenen  Gebrauchsanweisung  zu  ersehen. 

Zur  elektrischen  Heizung-,  welche  für  die  Zwecke  des  biologischen  (iift- 
nachweises  ausschließlich  mit  Induktionsströmen  (faradischen  Strömen) 


Fig  -20. 


K  E 

Anordnung  zur  elektrischen  Reizung. 


geschieht,  ist  die  in  Fig.  20  wiedergegebene  \'ersuchsanordnung  empfeh- 
lenswert. 

Sie  besteht  aus  Akkumulator f.-l),  Quecksilberschlüssel (' Sa  liidiiktorium 
und  Elektrode  (E),  untereinander  verbunden  durch  isolierte  Kupferdrjthte. 

Der  Quecksilberschlüssel  (S)  dient  zur  öffnmig  und  Schlielimi^' 
des  Stromes.  Ist  das  Quecksilber  in  dem  Porzellannapfe  nach  längerem 
Gebrauche  mit  einer  Oxydschicht  bedeckt .  so  muH  rs  erneuert  werden. 
Die  Oxydation  wird  verzögert,  wenn  man  das  (^)uecksill)er  beim  (Gebrauch 
des  Schlüssels  mit  liOVoig^m  Alkohol  überschichtet. 

Die  Reizelektrode  (E)  endigt  gabelförmig  in  zwei  Drähten,  die  zur 
Berührung  des  Muskels  oder   zum  Darüberlegen    des  Nerven    dienen    imd 


40  H.  Fühner. 

durch  Verschiebung-   des  Knopfes  (K)   in   ihrer   gegenseitigen  Entfernung 
verstellt  werden  können. 

Das  kleine  abgebildete  Induktorium  ist  für  vorliegende  Zwecke 
ausreichend.  Es  besteht  in  der  Hauptsache  aus  der  primären  Rolle  (1 1), 
der  sekundären  Rolle  (1  2)  und  dem  mit  der  Schraube  (Sc)  verstellbaren 
Hammer  (Ha).  Die  sekundäre  Rolle  des  Apparates  ist  um  eine  horizontale 
Achse  drehbar.  Je  mehr  die  sekundäre  Rolle  in  ihrer  Stellung  zur  primären 
dem  rechten  Winkel  sich  nähert,  desto  schwächer  wird  der  induzierte 
Strom.  Der  Hebel  (H)  ermöglicht  Kurzschluß,  so  daß  kein  Strom  in  die 
Elektrode  gelangt.  Man  kann  mit  dem  Apparat  sowohl  mit  Einzelinduktions- 
schlägen wie  tetanisierend  reizen.  Ist  der  Hammer  (Hd)  durch  die  Schraube 
(Sc)  fest  an  den  weichen  Eisenkern  der  primären  Rolle  angedrückt,  so  er- 
hält ein  von  der  Elektrode  berührter  Muskel  bei  Schließung  des  Schlüssels 
(S)  einen  Schließungs-,  beim  Wiederöffnen  einen  Öffnungsinduktions- 
schlag  und  wird  in  beiden  Fällen  mit  einer  Einzelzuckung  antworten,  stärker 
hierbei  bei  der  Öffnung  als  bei  der  Schließung  des  Stromes.  Dreht  man 
die  Schraube  (Sc)  aber  etwa  1  mm  weit  zurück ,  so  daß  der  Hammer 
zwischen  ihr  und  dem  Eisenkern  hin-  und  herschwingen  kann,  so  bekommt 
man  so  lange  andauernde  Reizung  des  Muskels,  als  der  Schlüssel  ge- 
schlossen ist.  Man  nennt  diese  fortwährend  durch  die  Hammerbewegung 
unterbrochene  Reizung  des  Muskels  eine  tetanisierende,  weil  der  Muskel 
durch  sie  in  den  Zustand  einer  Dauerkontraktion  (Tetanus)  versetzt  wird. 

Wie  erwähnt,  zuckt  der  Muskel  stärker  bei  der  Reizung  mit  Öffnungs- 
ais mit  Schließungsinduktionsschlägen.  Will  man  einen  Muskel  oder  ein 
Nervmuskelpräparat  wiederholt  rhythmisch  mit  gleichstarken  Schlägen 
reizen,  so  muß  man  entweder  den  Öffnungs-  oder  den  Schließungsinduk- 
tionsschlag  unwirksam  machen,  ihn  ..abblenden-'.  Dies  kann  geschehen 
durch  Anwendung  des  Kurzschlußhebels  (H)  oder  bequemer  durch  Ver- 
wendung von  zwei  Quecksilberschlüsseln,  wie  dies  beim  Nachweis  von 
Veratrin  (vgl.  Fig.  27)  angegeben  ist.  Für  länger  fortzusetzende  rhyth- 
mische Reizung  ist  die  manuelle  Abbiendung  besser  durch  mechanische  zu 
ersetzen.  Ein  einfacher  gut  funktionierender  rotierender  „Abblender"  ist 
von  0.  Frank  i)  angegeben  worden.  Derselbe  findet  hier  zum  Nachweis  von 
Curarin  am  Nervmuskelpräparat  Verwendung  und  besteht  aus  folgenden 
Teilen  (Fig.  21): 

Auf  einem  Hartgummistück,  dessen  Form  aus  Fig.  21  zu  ersehen 
ist,  sind,  um  eine  Walze  drehbar,  drei  in  ihrer  Lage  zueinander  verstell- 
bare Messingstücke  (Kreissektoren),  Flügel,  befestigt.  Die  Unterbrechung  ge- 
schieht durch  zwei  Hebel,  Messingbügel,  die  mit  zwei  Quecksilberschlüsseln 
(vgl.  Fig.  27)  vergleichbar  sind.  Der  eine  Schlüssel  ist  in  den  primären, 
der  andere,  der  Kurzschlußschlüssel,  in  den  sekundären  Leitungskreis  ein- 
geschaltet. Jeder  Hebel  wird  durch  ein  Gummiband  an  die  Platin  spitze 
einer  mit  den  Polschrau])en  leitend  verbundenen  Schraube  angedrückt  und 


*)  Beschrieben  in    der  Dissertation  von  K.  Seitz:    Der   periodische  Wechsel    der 


Erregbarkeit  des  Herzmuskels.  Gießen  1906.  S.  17. 


Nacliwcis  uiicl  Bestininuiiiijr  vnn  Giften  auf  Mologischcm  Wei^e. 


41 


ist  an  der  Boriihiungsseite  mit  einem  Platinstroifen  versehen.  I)er  kleine 
Flüiiel  hebt  hei  seiner  Drehung-  den  in  dei-  /cichiuing  links  hclindliclicn 
lUitiel ,  die  beiden  grolien  Fliiacl  den  reehts  lielindlichen  von  ihrem  An- 
schlag ab  und  öffnen  so  den  Stromkreis.  I)ie  l)rehunü-  der  lliigel  erl'olj^t 
im  Sinne  eines  Uhrzeigers.  Wenn  wie  in  Fig.  4:-)  die  beiden  Pole  des  Ab- 
blenders  rechts  (wovon  einer  auf  der  Kiickseite    der  Ilartgumniiplatte)  in 

Fiff.  21. 


Fiff.  22. 


Rotierender  Abblender  nach  O.  Frnnk. 

den  primären,  die  beiden  links  in  den  sekun- 
dären Stromkreis  eingeschaltet  sind,  in  welch 
letzterem  auch  das  Xervmuskelpr;ij)arat  in 
Nebenschlieljung  sich  l)efindet,so  erhält  man  bei 
der  gezeichneten  Stellung'  der  Flügel  (Fig.  21 ) 
rhythmische  Schheßungszuckung.  Wird  bei 
geschlossenem  Kurzschlußschlüssel  des  sekun- 
dären Stromkreises  der  primäre  Stromkreis 
geöffnet  (die  in  der  Figur  gezeichnete  Stel- 
lung!), so  bleibt  dies  ohne  Finwirkung 
auf  das  Xervmuskelpräparat.  P)ei  weitei-er 
Drehung  der  Flügel  wird,  solange  der  primäre  Hebel  noch  geöffnet  ist. 
der  sekundäre,  gleiclifalls  ohne  Wirkung,  geöffnet.  Solange  er  aber  offen, 
erfolgt  Schließung  des  primären  Kreises,  die  eine  Muskelzuckung  auslöst, 
während  die  darauf  folgende  Schließung  des  sekundären  Kreises  wieder  wir- 
kungslos bleibt.  Wechselt  man  die  Pole  um,  so  erhält  man  (H'fnnngs.schläge. 

Der  Apparat  wird  in  die  Muffe  eines  Stativs  i'ingespannt  und  mit  ge- 
wünschter Geschwindigkeit  durch  einen  Flektronu)tor  in  rnnirehung  versetzt. 

Zum  Nachweis  von  Curarin  am  Xervmuskelpräparat  ist.  wie  aus 
Fig.  4;3  ersichtlich  ist,  noch  ein  Strojnwender.  eine  sogenannte  Wippe 
nötig  (Fig.  22).    Dieselbe    besteht  aus    einem  Ibdzblock  mit  i\  Quecksilber- 


wippe. 


42  H.  Fühner. 

näpfen,  die  leitend  mit  6  Klemmschrauben  in  Verbindung  stehen.  Zu  dem 
Curarinversuch  wird  die  kreuzförmige  Drahtverbindung  zwischen  Napf  4,  5 
und  3,  G  entfernt.  Wird  die  ^Yippe  so  in  die  Stromkreise  eingeschaltet, 
wie  dies  aus  Fig.  43  hervorgeht,  so  kann  durch  Umlegen  des  Drahtgestells 
abwechslungsweise  die  Stromzuführung  zum  Muskel  direkt  oder  zum  Nerven 
erfolgen. 

B.  Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  am  ganzen  Frosch. 

Eine  Anzahl  forensisch  wichtiger  organischer  Gifte  läßt  sich  durch 
das  Vergiftungsbild,  welches  sie  nach  subkutaner  Injektion  an  Fröschen 
hervorrufen,  gut  charakterisieren.  Die  Beobachtungen  am  Frosch  können 
dann  im  Verein  mit  chemischen  Identitätsreaktionen  häufig  zur  sicheren 
Diagnose  solcher  Gifte  führen.  Die  ^\^chtigsten,  auf  diese  Weise  am  Frosch 
erkennbaren  Gifte  sind  die  folgenden : 

Die  zentral  (Gehirn,  Rückenmark)  erregenden:  Strychnin,  Pikro- 
toxin,  Cicutoxin,  Nico'tin.'  Das  zentral  lähmende  Colchicin.  Die 
peripher  (Muskel,  Nervenende)  erregenden:  Guanidin  und  Veratrin,  die 
peripher  lähmenden:  Curarin  und  Coniin.  Die  Skelettmuskelgifte:  Coffein 
und  Theobromin  und  die  Herzmuskelgifte:  Digi talin,  Digitoxin, 
Strophanthin,  Helleborein,  Aconitin  und  Muscarin.  Mit  der  hier 
vorgenommenen  Einteilung  soll  nur  angezeigt  werden,  welches  die  hervor- 
stechendsten und  zum  biologischen  Nachweis  dienenden  Wirkungen  der 
betreffenden  Gifte  sind.  Auf  andere  Wirkungen  derselben ,  z.  B.  zentrale 
Lähmung  im  Anschluß  an  die  zentrale  Erregung,  wird  bei  der  Beschreibung 
der  Hauptwirkung  hingewiesen  werden. 

Nur  wenn  der  Verdacht  auf  das  Vorhandensein  eines  der  genann- 
ten oder  ähnlich  wirkender  Gifte  vorhegt,  hat  es  Sinn,  eine  zu  prüfende 
Lösung  Fröschen  zu  injizieren,  und  auch  hier  ist  bei  den  Substanzen 
Aconitin,  Coffein,  Guanidin,  Muscarin,  Theobromin,  Veratrin, 
sobald  nur  geringe  Giftmengen  für  die  Untersuchung  zur  Verfügung 
stehen,  nicht  der  ganze  Frosch,  sondern  das  für  die  Diagnose  besonders 
in  Betracht  kommende  isolierte  Organ,  wie  Herz-  oder  Skelettmuskel,  zu 
der  Prüfung  zu  verwenden. 

Handelt  es  sich  darum,  die  Giftigkeit  einer  Substanz  überhaupt 
darzutun,  so  injiziert  man  mit  den  zu  prüfenden  Lösungen  nicht  Frösche, 
sondern  die  dem  Menschen  näherstehenden  Warmblüter.  Bei  kleinen 
Substanzmengen  verwendet  man  weiße  Mäuse,  bei  größeren  Katzen  oder 
Hunde. 

Zur  Injektion  von  Fröschen  sowohl,  wie  von  Warmblütern,  wie  zu 
allen  andern  biologischen  Versuchen,  dürfen  nur  neutrale  Lösungen 
Verwendung  finden.  Zur  Neutralisation  von  Alkalien  verwendet  man  Salz- 
säure oder  Weinsäure.  Zur  Neutrahsation  von  Säuren  Natronlauge  oder 
NatriumkarlDonat.  Geringer  Natriumkarbonatüberschuß  schadet  zur  sub- 
kutanen Injektion  nichts,   während  jeder  Säureüberschuß  reizt.    Lösungen, 


Nachweis  und  IJestimmmig  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  4;», 

welche  Tieren  subkutan  injiziert  werden,  müssen  frei  sein  von  anor{iaiii- 
schen  Salzen  in  nennenswerten  Mengen,  namentlich  von  Kalium-  und 
Ammnniumsalzen. 

Subkutane  Injektion  au  Fröschen.  Zur  Prüfung  auf  Gifte 
dürfen  nur  gesunde  Frösche  gebraucht  werden.  Tiere,  welche  aufge.stoUcne 
Schnauzen  oder  sonstige,  namentlich  an  der  P.auchseite  auftretende  Haut- 
defekte  (Decubitus)  zeigen,  sind  hierzu  ungeeignet.  I)ie  Dosierung  der  (Jifte 
bei  allen  Tierversuchen  erfolgt  nach  dem  Körpergewicht  der  Tiere.') 
Kleinere  Frösche  von  etwa  .'iO  g  sind  größeren  Tieren,  wegen  der  geringe- 
ren zur  Vergiftung  nötigen  Mengen,  vorzuziehen. 

Zur  \'('rgiftung  bestimmte  Tiere  werden  in  geeigneten  Töpfen  mit 
l)rahtdeckel  bei  Zimmertemperatur  gehalten  und  tiiglich  mit  frischem 
Wasser  abgespült.  Frösche,  welche  im  Winter  aus  kaltem  Itaume  entnom- 
men werden,  reagieren  langsamer  und  zum  Teil  anders  als  Tiere,  die  bei 
Zimmertemperatur  erst  mehrere  Tage  gehalten  wurden. 

Man  prüft  den  Frosch  vor  der  Injektion  einer  zu  untersuchenden 
Lösung  erst,  ob  er  sich  normal  rasch  aus  der  Kückenlage  umdreht  und 
normal  springt.  Zu  beobachten  ist  auch  die  meist  unregelmiiliig  erfolgende 
Lungenatmung,  erkennbar  an  der  Bewegung  der  Flanken,  und  die  regel- 
mälJiger  erfolgende  Kehlbewegung.  Ferner  wird  man  eine  Zühlung  der 
Herzschläge  vor  Beginn  des  Versuches  anstellen.  ]Man  kann  bei  richtiger 
Haltung  des  Frosches  gegen  das  Licht  -)  die  Herzschläge  meist  deutlich 
an  Hebungen  und  Senkungen  der  Brustwand  auf  beiden  Seiten  des  Brust- 
beins erkennen.  L'nter  dem  Mikroskop  ist  endlich  an  einer  ausgespannten 
Schwimmhaut  '^)  die  normale  Blutzirkulation  festzustellen. 

Die  Injektion  von  riiftUisungen  an  Fröschen  wird  meist  subkutan  vor- 
genommen. 

Die  Haut  (\q<.  Frosches  läßt  sich  in  großen  Falten  von  der  darunter- 
liegenden Körpermuskulatur,  an  welcher  sie  nur  an  einzelnen  Stellen  fest- 
geheftet ist,  abheben.  In  die  Zwischenräume  zwischen  Haut  und  Muskulatur, 
in  die  sogenannten  Lymphsäcke,  injiziert  man  die  zu  prüfenden  (üfte. 
Man  kann,  je  nach  dem  Zwecke,  welchen  man  mit  der  Injektion  verfolgt. 


')  Zu  genaueren  Dosierungen  sind  nur  männliche  Frösche  brauchbar,  da  das  (ie- 
vvicht  der  weiblichen  Tiere  durch  das  wechselnde  Gewicht  der  Eierstöcke  großen 
Schwaiikuntren  unterworfen  ist. 

-)  Man  erfaßt  hierzu  den  Frosch  fest  mit  einer  ILiiid.  wie  zur  subkutanen  In- 
jektion (s.  d.)  und  hält  mit  dem  Daumen  der  anderen  Hand  den  Kopf  des  P'rosches 
durcli  Druck  auf  die  Kehle  nach  hinten.  Hierdurch  wird  die  Haut  glatt  gespannt  und 
werden  die  störenden  Atembeweguntren  wälirend  der  Hrrzlieoliaclitung  unterdrückt. 

'')  Alan  hält  den  Frosch  mit  der  Holilhand,  streckt  ein  Bein  aus  und  legt  dessen 
Fuß  auf  einer  Glasplatte  (9;  12)  auf,  welche  auf  dem  objekttische  des  .Mikroskopes 
liegt.  Mit  2  Fingern  derselben  Hnnd  liält  man  zwei  /elien  auseinander  und  entfaltet  so 
die  Schwimniliaut ,  auf  deron  äußeren  Kand  das  Mikroskop  eingestellt  wird.  Es  darf 
auf  den  Fuß  kein  starker  Druck  ausgeübt  werden,  sonst  unterdrückt  man  die  Zir- 
kulation in  den  (iefäßen.  Auch  darf  der  Druck  kein  w  »«ch  sei  nd  e  r  sein:  Bei  -'  " 
stehender  Zirkulation  kann  durch  solchen  aktive  Bewegung  der  Blut-.inb"  voi'/it;iii 
■werden. 


44  H.  Fühner. 

in  den  Päickenlymphsack  (unter  die  Rückenhaut)  oder  in  den  (Jberschenkel- 
lymphsack  oder  in  den  Brust-  und  Bauchlymphsack  injizieren.  Am  meisten 
ist  für  den  Giftnachweis  die  Injektion  in  den  Brustlymphsack  zu  emp- 
fehlen, da  bei  dieser  die  injizierte  Flüssigkeit  nicht  wieder  ausfließen  kann, 
was  bei  Injektion  in  Schenkel-  und  Rückenlymphsack  selten  ganz  ver- 
mieden wird.  Zur  Injektion  in  den  Brustlymphsack  erfaßt  man  den  mit 
einem  Handtuch  eventuell  erst  abgetrockneten  Frosch  mit  der  Hohlhand 
über  seinem  Rücken ,  hält  mit  4.  und  5.  Finger  den  Leib  und  die  ausge- 
streckten Hinterbeine  und  zwischen  2.  und  '6.  Finger  das  eine  Vorderbein, 
während  das  andere  durch  Zurückdrücken  mit  dem  Daumen  fixiert  wird. 
Mit  der  anderen  Hand  führt  man  die  Nadel  der  gefüllten  Injektions- 
spritze seitlich  in  die  Mundhöhle  ein  und  schiebt  dann,  die  unter  der  Haut 
liegende  Nadelspitze  mit  dem  Auge  verfolgend,  diese  seitUch  vom  Brust- 
bein vorsichtig  vor,  bis  etwa  in  die  Herzgegend.  Hier  angekommen,  ent- 
leert man  den  Inhalt  und  zieht  die  Nadel  zurück.  Die  Nadel  muß  dicht 
unter  der  Haut  vorgeschoben  werden,  was  leicht  ohne  Durchstechen  der- 
selben nach  außen  hin  gehngt,  wenn  der  Frosch  gut  festgehalten  wird. 
Macht  die  Brusthaut  hierbei  Falten,  so  durchsticht  man  namentlich  die 
dünne  Haut  des  Grasfrosches  leicht. 

Als  Injektionsspritze  für  Frösche  ist  eine  Rekordspritze  (vgl.  S. 23) 
von  2  oii^  mit  genügend  langer  Nadel  empfehlenswert.  Die  Mengen, 
welche  man  Fröschen  auf  einmal  injiziert,  bewegen  sich  in  den  Grenzen 
von  1/2—3  cm\ 

Nach  der  Injektion  setzt  man  das  Versuchstier  auf  einen  Teller  unter 
eine  Glasglocke,  notiert  das  vorher  festgestehte  Gewicht  des  Tieres,  die 
Zeit  der  Injektion  und  die  Menge  der  injizierten  Flüssigkeit.  Zweckmäßig 
wird  man,  um  den  Frosch  dauernd  feucht  zu  erhalten,  einige  Kubikzenti- 
meter Wasser  auf  den  Teller  gießen.  Vom  Zeitpunkt  der  Injektion  an  ist 
das  Tier  genau  zu  beobachten  und  vom  Normalen  abweichendes  A'erhalten 
zu  notieren.  Hat  man  eine  alkoholische  oder  saure  Flüssigkeit,  die  reizend 
wirken,  injiziert,  so  springt  das  Tier  gleich  nach  der  Injektion  lebhaft 
unter  der  Glasglocke.  Allmählich  tritt  Beruhigung  ein  und  erst  jetzt  kann 
man  etwa  vorhandene  Wirkungen  der  genannten  Gifte  beobachten. 

1.  Der  Nachw^eis  von  Strychnin. 

Die  durch  Strychnin  am  Frosch  hervorgerufenen  Krämpfe  sind  im 
Gegensatz  zu  den  durch  Pikrotoxin  bedingten  charakterisiert  durch  vor- 
wiegende StreckstelluQg  der  Hinterbeine,  so  daß  das  in  Fig.  23 
wiedergegebene  Vergiftungsbild  zustande  kommt. 

Diese  Streckkrämpfe,  der  sogenannte  Tetanus,  treten  an  Wasser- 
fröschen und  Grasfröschen  nach  kleinen  Strychnindosen  in  gleicher  Weise  auf. 
Der  Wasserfrosch  ist  gegen  Strychnin  etwas  empfindlicher  als  der  Grasfrosch. 

Bei  kleinen  Fröschen  von  25— oO^j'  Gewicht,  welche  in  Zimmertempe- 
ratur gehalten  wurden,  beginnen  die  ersten  Zeichen  einer  Strychninwirkung 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


45 


bei  Dosen  von  5/1000  mg  des  Nitrats.  Dieselben  bestehen  in  einer  leichten 
„Steig-erung  der  Reflexe"  beim  Wasserfroseh ,  dadnrch  nachzuweisen, 
dal.)  man  den  Frosch  leise  auf  dem  Rücken  i)erührt,  wobei  er,  oft  blitz- 
schnell, manchmal  unter  schwachem  (,)uaken,  zusammenzuckt.  Ilci  dieser 
Dose  ist  beim  Grasfrosch  meist  noch  keine  Wir- 
kung zu  sehen.  Pi«.  23. 

Bei  Dosen  von  1/100  mg  des  Nitrats  wird 
bei  l)eid('n  Froscharten  die  Reflexsteigerung  deut- 
lich und  hält,  namentlich  beim  Wasserfrosch,  mehrere 
Stunden  an. 

/wischen  2  100  und  5/100  «7^^  des  Nitrats 
liegen   für  mittelürolje  Frösche    die    niedersten  Te- 


^-j 


'6: 


\V 


tanus  hervorrufenden  Dosen.  Rei  5/100  mg  zeigen 
die  Tiere  nach  etwa  10  Minuten  Reflexsteigerung, 
nach  20 — oO  Minuten  erfolgen  auf  äuljeren  Reiz, 
z.  B.  beim  Beklopfen  des  Tellers,  die  ersten  tetani- 
schen  Anfälle.  Anfangs  sind  dieselben  noch  von  kurzer 
Dauer,  und  die  Tiere  ziehen  nach  dem  Streckkrampf 
die  Hinterbeine  wieder  an.  Später  werden  diese 
dauernd  gestreckt  gehalten  und  die  Krämpfe  erfolgen 
scheinljar  ohne  äußeren  Anstoß.  Die  Vorderbeine 
werden  während  der  Krämpfe  übereinander  gekreuzt. 
Zur  Anfertigung  der  Zeichnung  wurde  ein  Grasfrosch 
gewählt ,  da  bei  diesen  die  Starrheit  der  Beine, 
verbunden  mit  Dehnung  der  Schwimmhäute,  liesser 
ausgeprägt  ist  als  bei  Wasserfröschen. 

Bei  Dosen  von  etwa  1  mg  Strychninnitrat  be- 
ginnt neben  der  Erregung  schon  eine  daiauffolgende 
Lähmung  1)    sich  geltend   zu  machen.  Die  Lähmung 
tritt  in  auffälliger  Weise  nur  an  Wasserfröschen  zu-       //||'\^    M, 
tage  und  betrifft    bei    diesen    sowohl    das   Zentral-      //' \(        //,, 
nervensystem,  wie  die  motorischen  Nervenenden  im      [[  [/^       ^1 
Muskel    (Curarinwirkung).     Sie    tritt    leichter    bei 
Warmfröschen  (im  Sommer)  als  I)ei  Kaltfröschen  auf. 

Dosen    von    mehreren    Milligrammen    be- Rana  fuBca.  strvchninu.t«nD». 
wirken  beim  Wasserfrosch  fast  keinen  Tetanus  mehr, 

sondern  nur  Lähmung.  Solange  die  Herztätigkeit  der  Frösche  nach  den 
Strychningaben  eine  ausreichende  ist,  erholen  sich  dieseli)en  selbst  nach 
großen  Dosen  wieder,  wenn  man  sie  in  öfter  gewechseltem  Wasser  liegen 
läßt.  In  dieses  wird,  oft  erst  nach  \ Crlauf  mehrerer  Tjure,  alles  Strvchnin 
wieder  ausueschieden. 


a: 


')  Vgl.  E.  PokIssoii ,    Ülier  die  lälinionilo  Wirliiing  des  Stiychnins.    Arch.  f.  exp. 
I'athol.  u.  Pharmakol.  Bd.  26.  S.  •>>  (181)0). 


46 


H.  Fühiier. 


Kohert^)  und  nach  ihm  Focke-)  empfehlen  als  empfindhcher  zum 
Strychninnachweis  sog.  ..Reflexfrösche",  d.  h.  geköpf te  Tiere  oder  solche,  denen 
das  Gehirn,  wie  beim  Veratrinnachweis  angegeben  ist,  zerstört  wurde.  Reflex- 
frösche  sitzen  noch  normal,  zeigen  aber  keine  spontanen  Bewegungen  mehr. 

Erwähnung  verdient,  daß  von  anderen  toxikologisch  wichtigen  Alka- 
loiden  noch  das  Brucin,  Thebain,  Morphin  und  Coffein  Tetanus  an 
Fröschen  hervorrufen,  aber  erst  in  viel  größeren  Dosen  als  das  Strychnin, 
von  welchem  diese  Alkaloide  außerdem  leicht  durch  chemische  Identitäts- 
reaktionen unterschieden  werden  können. 

Zum  Nachweis  von  Strychninraengen ,  welche  kleiner  sind  als  etwa 
2/100  mg,  sind  Versuche  an  der  weißen  Maus  (s.  d.)  anzustellen. 

2.  Der  Nachweis  von  Pikrotoxin  und  Cicutoxin. 

Ein  ganz  anderes  Vergiftungsbild  als  das  Strychnin  ruft  das  zweite 
toxikologisch  wichtige  Krampf  gif  t,  das  Pikrotoxin,  hervor,  welches  mit 
Strychnin,  Brucin,  Chinin  und  Pikrinsäure   den   bitteren  Geschmack  teilt. 

In  Fig.  "24  sind  Frösche  in  mehreren  Stellungen  abgebildet,  me  sie 
für  die  Pikrotoxinvergiftung  typisch  sind.  Im  Gegensatz  zur  Streckstellung 


Fig.  24. 


Kana  esciilenta.  Pikrotoxinstellungen. 

im  Strychninkrampf  beobachtet  man  hier  Überwiegen  der  Innervation  der 
Beuger  an  den  Hinterbeinen. 

1)  R.  Robert,  Lehrbuch  der  latoxikationen.  Bd.  1.  Stuttgart  1902.  S.  191.  —  Der- 
selbe, Über  die  Bedeutung  des  biologischeu  Giftuachweises  für  die  gerichtliche  Mediziu. 
Ber.  d.  Deutsch,  pharmazeut.  Gesellsch.  Bd.  13.  S.  330  (1903). 

-)  C.  Pocke,  Die  Heranziehung  physiologischer  Versuche  zum  qualitativen  und 
quantitativen  Nachweis  krimineller  Strychninvergiftung.  Vierteljahrsschr.  f.  gerichtl. 
Medizin.  3.  Folge.  Bd.  37.  S.  28  (1909). 


Nachweis  und  Bestimmung  von  (iifteu  auf  hiologischem  Wclto.  47 

All  iiiittolyroCicn  AVasserfröschen  (etwa  öO  g)  hat  eine  Dose  von 
1/10  m^  l'ikrotoxin  keine  Wirkung. 

2, 10  mg  zeiii't  eine  erst  nacli  mehreren  Stunden  deutlich  werdend«* 
AVirkunii,  welche  (hirin  bestellt,  dal)  das  Tier  sich  nicht  mehr  auf  seine 
Vorderl)eine  stützt  und  die  Hinterbeine  schon  vorwiegend  in  Ijeugcstdlung 
hält.  Zugleich  beobachtet  man  Dehnung  der  Schwimmhäute.  Die  Stellung 
■wird  auf  Reizung  des  Tieres  mehr  ausgeprägt.  Der  Thorax  ist  gebläht. 
Spontane  Bewegungen  werden  kaum  ausgeführt.  Kii'impfe  treten  bei  dieser 
Dose  noch  nicht  auf.  Noch  nach  24  Stunden  besteht  bei  den  Tieren 
Steifigkeit  und  Disposition  zur  Einnahme  der  charakteristischen  ..Pikro- 
toxinstelluii  g". 

5  10  mg.  Etwa  V4  Stunden  nach  der  Injektion  tritt  der  erste 
Krampfanfall  auf,  nachdem  vorher  schon  die  charakteristische  Stellung  ein- 
genommen wurde.  Im  Krampfanfall  können  die  Tiere  auf  den  Iiücken  ge- 
schleudert werden  und  von  hier  wieder  in  die  Bauchlage.  Plötzliche  Ent- 
leerung der  Luft  aus  dem  geblähten  Thorax  unter  starkem  Schrei  wird 
bei  dieser  Pikrotoxindose  meist  noch  nicht  beobachtet.  Die  Krämpfe  halten 
mehrere  Stunden  an  und  nehmen  allmählich  an  Intensität  ab.  Auch  die 
Pikrotoxinstellung  ist  weniger  ausgesprochen  wie  zu  Anfang.  Werden  die 
Frösche  mit  Wasser  abgespült  und  in  solchem  aufbewahrt,  so  können  sie 
am  anderen  Tag  noch  leben,  sind  aber  meist  noch  gelälimt.  ••  10  nxj  l'ikro- 
toxin ist  für  mittelgroße  Frösche  etwa  die  tödliche  Grenzdose. 

1  mg.  Nach  einer  halben  bis  einer  Stunde  stellen  sich  nach  dem 
Prodromalstadium  Krämpfe  ein,  die  anfangs  tetanischen  Charakter  haben 
können.  Meist  noch  später  kommen  spontan  oder  häufig  noch  besser  auf 
Heizung  sehr  starke  Krampfanfälle  zur  Beobachtung,  die  durch  starke 
Blähung  des  Thorax  und  dessen  plötzHch  erfolgende  Entleerung  ver- 
bunden mit  starkem  Schrei  (namentlich  bei  männlichen  Fröschen)  aus- 
gezeichnet sind.  Krämpfe  mit  und  ohne  Schrei  können  sich  noch  mehrere 
Stunden  lang  wiederholen.  Sie  werden  allmählich  schwächer  und  schließ- 
lich stirbt  das  völlig  gelähmte  Tier.  Erholung  nach  so  starker  Pikro- 
toxinvergiftung  der  Frösche  ist  selten.  Bemerkenswert  an  der  Pikrotoxin- 
vergiftung  des  Frosches  ist  der  langsame  Verlauf  selbst  iiei  tödlichen  Dosen. 

Bei  Vorhandensein  von  genügend  Material  kann  neben  dem  \'ersnch 
am  Frosche  ein  solcher  an  kleinen  Fischen  ausgeführt  werden.  Nach 
JJraf/endor//"^)  steri)eii  kleine  Karpfen  von  Oö — 07  </  (iewicht  in  Wasser, 
welches  auf  250  cw^  10  mg  Pikrotoxin  enthält,  nach  2V.;  Stunden.  Mit  ö  mg 
nach  7,  mit  1  mg  nach  etwa  9,  mit  0*4 — iHi  mg  nach  etwa  16  und  mit 
0*2  mg  nach  etwa  24  Stunden.  Nach  Goupil  -)  sind  von  Sülhvasserfischen 
gegen  Pikrotoxin  am  empfindlichsten  die  Plötze,  weniger  Döbel,  Blei.  Barsch 
und  Schleihe,  am  wenigsten  die  Barbe. 


')  Gg.  Dragendorjf',  Die  gericbtlich-chemische  Ermittlung   von  Giften.    Göttingen 
1895.  S.  344. 

-)  Ch.  VilKi-/,  l'u'cis  de  Toxicoloirie.  Paris  19()7.  p.  040. 


48  H.  Fühner. 

Zum  Nachweis  von  Pikrotoxin  eignen  sich  auch  die  gegen  das  Gift 
sehr  empfindlichen  Crustaceen.  Nach  PZaw«^  i)  sterben  Flußkrebse,  denen 
1/2  mg  Pikrotoxin  injiziert  wurde,  nach  5  Minuten  unter  den  heftigsten 
Krcämpfen,  während  sie  gegen  Strvchnin  sehr  widerstandsfähig  sind. 

Das  Cicutoxin  besitzt  am  Frosche  genau  dieselbe  Wirkung  wie  das 
Pikrotoxin. 

Auch  hier  pflegt  den  Krampferscheinungen  nach  Boehm  2)  ein  Pro- 
dromalstadium mit  charakteristischer  Beinstellung  vorauszugehen.  Nach 
Dosen  von  1  —3  mg  treten  nach  20  Minuten  bis  1 V2  Stunden  die  Krämpfe 
auf  mit  anfänglich  starkem  Schrei.  Schließlich  folgt  allgemeine  Lähmung 
und  Tod  oder  Erholung  des  Tieres.  Erholung  nach  schweren  Krämpfen 
erfolgt  beim  Cicutoxin  häufiger  als  beim  Pikrotoxin.  Der  Verlauf  der  Cicu- 
toxinvergiftung  am  Frosch  ist  ein  noch  langsamerer  als  derjenige  der 
Pikrotoxinvergiftung. 

Erwähnt  sei  noch,  daß  nach  Boehm  ^)  auch  die  Barytsalze  am  Frosche 
ähnUche  Vergiftungssymptome   wie  Pikrotoxin   und  Cicutoxin  hervorrufen. 

3.  Der  Nachweis  von  Nicotin. 

Durch  das  Nicotin  kann  fast  ebenso  schnell  wie  durch  die  Blau- 
säure der  Tod  von  Warmblütern  herbeigeführt  werden.  Auch  die  Vergif- 
tungserscheinungen am  Frosch  treten  rasch  auf.  Von  den  zahlreichen  Wir- 
kungen des  Nicotins  ist  namentlich  eine  zu  seinem  Nachweis  unter  Ver- 
wendung des  Frosches  geeignet,  welche  außer  dem  Nicotin  keinem  anderen, 
ihm  toxikologisch-chemisch  oder  in  seiner  Wirkung  nahestehenden  Gifte 
zukommt;  eine  Wirkung,  die  zentral  bedingt  ist,  und  darin  besteht,  daß 
der  Frosch  nach  Injektion  von  Nicotinlösungen  schon  nach  wenigen  Mi- 
nuten in  sitzender  Stellung  die  Hinterbeine  über  dem  Rücken  in  die 
Höhe  zieht,  so  daß  sich  die  Fersen  einander  nähern,  bei  stärkerem  Grade 
der  Wirkung  sich  berühren,  oder  die  Beine  sich  sogar  über  •  dem  Rücken 
kreuzen  (vgl.  Fig.  25). 

Die  Erscheinungen,  welche  salzsaures  Nicotin  an  Wasseriröschen 
von  etwa  ;)0  g  hervorruft,  sind  folgende : 

1/10  mg.  Wenige  Minuten  nach  der  Injektion  in  den  Brustlymph- 
sack sistiert  die  Atmung.  An  Stelle  der  Atembewegungen  beobachtet  man 
Flimmern  und  Zittern  der  Flanken.  Das  Tier  sitzt  bewegungslos,  mit  an- 
gezogenen Hinterbeinen,  welche  etwas  über  den  Rücken  emporgehoben  sind. 
Die  Fersen  berühren  sich  aber  bei  dieser  Dose  nicht.  Die  Hinterbeine 
werden  fester  als  normal  an  den  Rücken  angedrückt.  Diagnostisch  ver- 
wertbar ist  die  Haltung  der  Wasserfrösche  nach  Injektion  von  nur  Vio  ^^^0 


^)  Ch.  Vihert,  Precis  de  Toxicologie.  Paris  1907.  p.  540. 

-)  li.  Boehm,  Über  den  giftigen  Bestandteil  des  Wasserschierlings  (Cicuta  virosa) 
und  seine  Wirkungen;  ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Krampfgifte.  Arch.  f.  exp.  Pathol. 
u.  l'harniakol.  Bd.  5.  S.  289  (,1876J. 

^)  B.  Boehm,  Cl)er  die  Wirkungen  der  Barytsalze  auf  den  Tierkörper.  Arch.  f.  exp. 
Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  3.  S.  216  (1875). 


Nachweis  und  Bestimmimg  von  Gif  ton  auf  biologischem  Wege. 


49 


Fig.  25. 


Nicotiiichloiiiydrat  nicht.  Am  aiiff;illendst(Mi  nach  dieser  kh-inen  I)osp  ist  dio 
in  etwa  5  Minnten  eintretoiide  l'.e\vo^iin<islosi^keit  und  der  Atniunir.^still- 
stand  des  Tieres.  Diese  Erscheinungen  währen  im  Durchschnitt  eine  Stunde. 
Dann  ist  die  Atmung  zurückgek<dirt  und  das  Tier  bewegt  sich  wieder  normal. 

'2  U)  mg.  Bald  nach  Injektion  dieser  Menge  tritt  Atmungsstillstand 
ein.  Dann  beobachtet  man  wieder  Bewegungslosigkeit  des  Tieres.  Flimmern 
der  Flanken  und  hier  schon  regelmäßig  das  etwa  nach  .'>  Minuten  erfol- 
gende Eniporziehen  der 
Hinterbeine  über  den 
Iiücken.  Man  kann  die 
typische  Stellung  noch 
deutlicher  zur  (Geltung 
l)ringen,  Avenn  man  die 
Beine  des  Frosches  über 
seinem  Bücken  in  die 
Höhe  schiebt.  Sie  wer- 
den dann  hier  festge- 
halten. Weniger  cha- 
rakteristisch für  die 
Nicotinwirkung  als  die 
Beeinflussung  der  Stel- 
lung der  Hinterbeine  in 
der  angegel)enen  Weise 
ist  eine  solche  der  Vor- 
derbeine. Diese  werden 
meist  nach  unten  an  den 
Bauch  angelegt.  Allmäh- 
lich sinken  die  in  ab- 
normer Haltung  befind- 
lichen Hinterbeine  in  die 
Kormalhaltung  zurück. 
Nach  2  bis  o  Stunden 
kehren  Atmung  und 
spontane  Bewegungen 
wieder. 

5/10  mg.  Hier  sind  die  geschilderten  Erscheinungen  noch  ausgeprägter 
und  die  Erholung  erfolgt  später. 

1  mg.  Schon  nach  1 — 2  Minuten  tritt  Atmungsstillstand  und  Flimmern 
der  Flanken  auf.  Nach  :'>  .Minuten  beginnt  das  Emporziehen  der  Hinter- 
beine über  den  Kücken,  während  die  Vorderbeine  noch  in  normaler  Stel- 
lung sich  befinden.  Nach  etwa  5  Minuten  erträgt  der  Frosch  Rückenlage 
und  die  Vorderbeine  sind  nunmehr  an  den  Leib  nach  unten  angelegt.  Nach 
10  Minuten  ist  das  Flimmern  dei-  Flankenmuskulatnr  vorüber  und  die 
Beine  werden  weniger  kräftig  über  dem  Kücken  emporgezogen.  Die  typische 
Haltung  der  Hinterbeine  ist  bei  dieser  Dose  in  etwa  ;>()  Minuten  vorüber 

Abderhalden.   Hundbach  der  biochemischen  ArbcitsmctbodcD.  V.  4 


Bana  escnlenta.  NicotiusteUungcu. 


50  H.  Fühner. 

und  die  Hinterbeine  erschlaffen.  Die  Muskulatur  des  Tieres  nimmt  bei 
dieser  und  größeren  Nicotingaben  einen  eigeutümliclien  Zustand  der  Steif- 
heit an ,  so  daß  man  den  Frosch  in  Körperstellungen ,  wie  sie  Fig.  25  C 
wiedergegeben,  bringen  kann,  welche  lange  Zeit  beibehalten  werden.  Ton 
genannter  Dose  erholen  sich  die  Frösche  regelmäßig  wieder. 

Auch  an  Grasfröschen  ruft  das  Nicotin  die  typische  Beinstellung 
hervor,  sogar  schon  in  Dosen  von  1/10  mg.  Doch  ist  die  Erscheinung 
bei  den  etwas  weniger  empfindlichen  Wasserfröschen  besser  zu  beob- 
achten. 

Wichtig  ist,  daß  namentlich  dem  Co  nun,  welches  bei  dem  Gang  der 
toxikologischen  Analyse  gleichzeitig  mit  dem  Nicotin  ausgeschüttelt  wird, 
die  hier  beschriebene  Wirkung-  auf  den  Frosch  vollständig  fehlt.  Ebenso 
fehlt  sie  dem  Pilocarpin  und  dem  synthetischen  Muscarin.  Dies  ist 
insofern  beachtenswert,  als  am  isoherten  Muskel  das  Muscarin  und  in 
schwächerem  Maße  auch  das  Coniin  tonische  Kontraktion  wie  das  Nicotin 
hervorrufen. 

4.  Der  Nachweis  von  Colchicin. 

Die  biologischen  Reaktionen,  welche  für  das  Colchicin  bekannt 
sind,  genügen  allein  nicht,  das  Gift  mit  Sicherheit  nachzuweisen.  i\.ber 
die  kombinierte  Verwendung  chemischer  und  biologischer  Reaktionen  er- 
möglicht dieses. 

Die  Frösche  sind,  wie  Jahohj^y  gezeigt  hat,  gegen  reines  Colchicin 
auffallend  wenig  empfindlich. 

10  mg  mittelgroßen  Wasserfröschen  in  den  Brustlymphsack  injiziert, 
bleiben  ohne  jede  Wirkung. 

20  mg.  Nach  einigen  Stunden  zeigen  sich  schwache  zentrale  Wir- 
kungen. Legt  man  den  Frosch  auf  den  Rücken,  so  dreht  er  sich  wieder- 
holt um,  ermüdet  dann  aber  und  erträgt  längere  Zeit  Rückenlage.  Bei 
männhchen  Tieren  ist  beim  Streichen  über  den  Rücken  leicht  der  soge- 
nannte ..Quakreflex''  auszulösen.  Spontan  bewegt  sich  der  Frosch  nicht, 
verhält  sich  also  wie  ein  Tier,  dem  das  Großhirn  zerstört  wurde.  Bei 
regelmäßigem  Abspülen  erholt  sich  der  Frosch  in  2—3  Tagen  wieder  völlig. 

40  Wig.  Etwa  eine  Stunde  nach  der  Injektion  erträgt  das  Tier  zeit- 
weise Rückenlage  und  befindet  sich  in  einem  Zustand  leichter  Narkose. 
Nach  2  Stunden  erscheint  die  Bauchhaut  gerötet.  24  Stunden  nach  der 
Injektion  erträgt  der  Frosch  lange  Zeit  hindurch  Rückenlage.  Thorax- 
atmuug  fehlt  und  Kehlbewegung  ist  selten.  Bei  Berührung  der  Flanken 
tritt  Thoraxblähung  und  Exspiration  unter  Quaken  ein.  Spontan  bewegt 
sich  der  Frosch  nicht.  Nach  2 — 3  Tagen  bemerkt  man  wieder  bessere  Be- 
weglichkeit und  auch  die  Atmung  wird  wieder  sichtbar.  Trotz  dieser  an- 
fänglichen Remission  erfolgt  keine  völlige  Erholung.  Fortschreitende  zentrale 


^)  C.  JakobJ,    Pharmakologische   Untersuchung   über   das   Colchicuingift.    Arch.  f. 
€xp.  Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  27.  S.  125  (1890). 


Nachweis  und  Bestimmung  von  (jit'tcii  auf  liiologischem  Woge.  5^ 

Lähmung-  macht  sich  mehr  und  mehr  geltend.  Nach  etwa  einer  Woche 
kann  das  Tier  sich  nicht  mehr  ans  der  llückenhige  umwenden,  die  Keflexe 
(Anziehen  der  Heine  auf  Kneifen  (h'r  Zehen)  sind  aber  noch  erhalten. 
Später  kann  der  Frosch  nicht  mehr  normal  sitzen.  l)ie  JIcinc  ^[leiten  aus 
und  das  Tier  liegt  auf  dem  IJauche.  Nach  et\\a  2  Wochen  hat  die  Haut,  wehdie 
schon  längere  Zeit  hindurch  dunkel  war,  wachsartigen  (Jlanz  angenommen 
(,, Wachshaut").  Die  Reflexe  verschwinden  dann  immer  mehr  und  mehr, 
meist  zuletzt  der  Kornealreflex.  Öffnet  man  bei  dem  völlig  reflexlosen  Tier 
den  Thorax,  so  findet  man  das  Herz  noch  ki-äftig  schlagend. 

Diese  Angaben  über  die  Wirkung  des  Colchicins  sind  nach  F.eobach- 
tungen  an  gesunden  Was.serfröschen  gemacht,  und  zwar  wurden  <li(' Ver- 
suche bei  Zimmertemperatur  (lö — 18")  angestellt.  Mit  steigender  Tem- 
peratur nimmt  die  Giftigkeit  des  Colchicins  für  Frösche  aulier- 
ordentlich  zu  (Fühier'^).  Gesunde  kleine  Wasserfrösche  (ohne  Hautdefekte) 
lassen  sich  bei  einer  Temperatur  von  HO — ;>2°  mehrere  Wochen  im  Thermo- 
staten halten,  wenn  man  sie  täglich  mit  Wasser,  welches  bei  derselben 
Temperatur  gehalten  wird,  abspült.  Injiziert  man  Fröschc^n.  welche  ö  bis 
6  Tage  bei  dieser  Temperatur  gehalten  wurden  und  hier  sich  normal  be- 
fanden —  die  Tiere  fidiren  bei  diesen  Temperaturen  sehr  lebhafte  Bewe- 
gungen aus  —  Colchicindosen  von  Ol — 1  mg,  so  sterben  sie  im  \erlauf 
von  2 — 5  Tagen  unter  den  Erscheiimngen  fortschreitender  zentraler  Läh- 
mung, wie  sie  bei  großen  Colchicindosen  in  der  Kälte  auftreten  und  hier 
sich  sehr  langsam  entwickeln.  Die  Giftigkeit  des  Colchicins  ist  bei  dieser 
Temperatur  für  die  Frösche  annähernd  öOOmal  höher  als  bei  Zimmertem- 
peratur. 

Zum  Nachweis  von  Colchicin  unter  Verwendung  von  Fröschen  kann 
man  in  der  Weise  vorgehen,  daß  man  das  verdächtige,  die  chemische  l'ol- 
chicinprobe  gebende,  möglichst  gereinigte  Material  einem  bei  Zimmertem- 
peratur gehaltenen  Wasserfrosche  von  25 — HO  g  injiziert  und  diesen  in 
etwas  W'asser,  das  täglich  öfters  gewechselt  wird,  2  Tage  sitzen  lälit.  Das 
Wasser,  in  welches  der  Frosch  Harn  und  Kot  entleerte,  wird  filtriert  und 
eingedampft  und  kann  wieder  zu  chemischen  und  biologischen  Frohen  (\'er- 
such  an  der  weißen  Maus)  dienen,  da  das  Colchicin  vom  Frosche  in  wirk- 
samer Form  wieder  im  Harn  ausgeschieden  wii-d.  Hat  der  Frosch  2  Tage 
hindurch  l)ei  Zimmertemperatur  keine  \'ergiftungserscheinungen  gezeigt 
—  Mengen,  bei  denen  der  Frosch  schon  in  der  Kälte  Wirkungen  zeigt, 
werden  in  forensisch-toxikologischen  Fällen  wohl  nie  vorhanden  sein  —  so 
verbringt  man  ihn  zugleich  mit  mehreren  Kontrollfröschen  derselben  (Jröße 
in  den  Thermostaten  von  HO — i\2°.  Sind  Colchicinmengen  von  liiifi  und 
darüber  dem  Tiere  injiziert  worden,  so  stirbt  es  im  TiuMinostaten  im  Ver- 
lauf von  2 — H  Tagen,  bei  geringeren  Mengen  tritt  der  Tod  häufig  erst 
nach  4  Tagen  und    später   ein.    Die  Kontrollfrösche    müssen    in  'b-r-rlben 


')  H.  Fühncr,    l  ber    den   tu.xikologischen  Nachweis    des  Colchii-ins.    Arcli.  f.  rxp. 
Pathul.  u.  Pharmakol.  Bd.  63.  S.  3(55  (1910). 

4» 


52  H.  Fühner. 

Zeit  durchaus  normal  bleiben.  Bei  Vorhandensein  von  genügend  Material 
wird  man  zweckmäßig  zur  Bestätigung  der  ersten  Probe  noch  einen  Frosch 
injizieren,  welcher  schon  einige  Zeit  im  Thermostaten  gehalten  wurde. 

Als  charakteristisch  für  das  Colchicin  und  für  den  biologischen  Nach- 
weis am  Frosche  verwertbar  ist  demnach  seine  geringe  Giftigkeit  bei  nie- 
derer Temperatur  und  seine  außerordentlich  gesteigerte  Giftigkeit  bei 
höheren  Temperaturen.  Andere  Gifte,  welche  beim  Gange  der  toxikologischen 
Analyse  zugleich  mit  dem  Colchicin  in  die  Ausschüttelungsflüssigkeiten 
übergehen  können,  wie  Pikrinsäure,  Pikrotoxin,  Strophanthin,  Digi- 
toxin und  Veratrin,  zeigen  derartige  Differenzen  nicht.  Bei  Zimmer- 
temperatur unwirksame  Mengen  dieser  Gifte  sind  auch  bei  30 — 320  nicht 
imstande,  den  Tod  von  Fröschen  herbeizuführen. 

Zur  weiteren  biologischen  Charakterisierung  des  Colchicins  können 
Versuche  an  der  weißen  Maus  (s.  d.)  oder  Katze  angestellt  werden. 

5.  Der  Nachweis  von  Guanidin  und  Methylguanidin. 

Das  Guanidin  selbst  besitzt  keine  forensisch-toxikoloo-ische  Bedeu- 
tung,  hingegen  kommt  solche  dem  Methylguanidin  zu,  welches  nach 
Achelis'^)  als  normaler  Bestandteil  des  Harns  vorkommt  und  nach  Brieger-) 
bei  der  Fäulnis  von  Fleisch  sich  bildet.  Injiziert  man  Fröschen  Auszüge 
von  Leichenteilen,  so  können  demnach  Wirkungen  des  Methylguanidins 
oder  Guanidins,  welche  bei  beiden  Substanzen  die  gleichen  sind,  auftreten. 
Die  Kenntnis  derselben  ist  darum  für  den  Gerichtsarzt  und  Gerichts- 
chemiker wichtig. 

Zur  Prüfung  sind  kleine  lebhafte,  möglichst  frisch  gefangene  Wasser- 
frösche (oder  auch  Grasfrösche)  von  20 — 30  g  geeignet. 

Vom  salzsauren  Guanidin  ist  für  kleine  Wasserfrösche  1mg  die 
unterste  Grenze,  bei  welcher  noch  charakteristische  Wirkungen  am  ganzen 
Tier  beobachtet  werden  können.  Doch  meist  undeutlich. 

2  mg  sind  am  normalen  Frosche  im  allgemeinen  deutlich  wirksam. 
Etwa  20  jNlinuten  nach  der  Injektion  in  den  Brustlymphsack  beobachtet 
man  bei  der  Atmung  des  Tieres  eine  eigentümlich  wogende  Bewegung  der 
Flanken.  Nach  dieser  Zeit  und  oft  schon  früher  treten  sogenannte  fibril- 
läre  (faszikuläre)  Zuckungen  in  der  Nähe  der  Injektionsstelle  auf,  also  zu- 
nächst an  den  Vorderbeinen  und  der  Bauch-  und  Seitenmuskulatur,  später 
auch  in  der  Muskulatur  des  Kückens.  Sehr  auffällig  sind  auch  die  sich 
unter  der  Einwirkung  des  Guanidins  einstellenden  Bewegungen  des  Aug- 
apfels. Zuckungen  in  der  Muskulatur  des  Oberschenkels  erfolgen  erst 
später,  etwa  nach  »/^ — 1  Stunde.  Bei  diesen  kleinen  in  den  Brustlymphsack 
injizierten  Dosen  beobachtet  man  meist  kein  Fortschreiten  derselben  bis 
zu  den  Füßen.  Erst  bei  größeren  Dosen. 


*)    W.  Achelis,    Über  das  Vorkommen  von  Methylguanidin  im  Harn.    Zeitsclir.  f. 
physiol.  Chemie.  Bd.  50.  S.  10  (1906/1907). 

*)  L.  Brieger,  Untersuchungen  über  Ptomainc.  3.  Teil.  Berlin  1886.  S.  34. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  bioloirischem  Woue.  53 

Diese  eigentümliche  Wirkuii'^  des  (Juanidiiis  ist  eine  rein  lokale 
'\Virknn<>'  auf  den  mit  der  Substanz  in  P>eriihrun{jr  kommenden  Muskel  bzw. 
die  motorischen  Nervenenden  in  dem  Muskel,  welche  durch  das  (luanidin 
erreiit  werden.  Das  progressive  X'ordriiiiien  des  Guanidins  liilU  sich  am 
besten  bei  Injektion  in  den  Lymphsack  des  Oljerschenkels  verfoliren,  wobei 
die  Guanidinzuckuni^en  längere  Zeit  auf  die  injizierte  Korperseite  be- 
schränkt bleiben. 

Die  Erscheinuniien  nach  2  mri  Guanidiniumchlorid  bleiben  mehrere 
Stunden  lang  ungeschwächt  l)estehen.  Nachdem  sie  schon  nachgelassen, 
treten  sie  beim  Abspülen  des  Frosches  wieder  verstärkt  auf.  Zu  erwähnen 
ist  noch  die  bei  dieser  Dose  schon  zur  Beobachtung  gelaiiüende  I'.lähung 
des  Thorax.  Rückenlage  erträgt  der  Frosch  nicht.  24  Stunden  nach  der 
Injektion  ist  das  Tier  wieder  völlig  normal. 

Während  solch  kleine  Guanidindosen  nur  die  motorischen  Nerven- 
enden in  den  Skelettmuskeln  erregen,  besitzen  große  Dosen  auch  zentral 
erregende  AVirkung,  die  sich  in  krampfhaften  Zuckungen  der  Deine  äußert. 
Auf  die  zentrale  Erregung  folgt  zentrale  Lähmung,  bei  welcher  der  Frosch 
reflexlos  wird.  In  diesem  Stadium  sind  anfimglich  vom  freigelegten  Nervus 
ischiadicus  (über  dessen  I'räparation  und  Reizung  vgl.  beim  Nachweis  von 
Curarin)  aus  durch  elektrische  Reizung  noch  Zuckungen  der  zugeliöi'ii;en 
I:)einmuskeln  auszulosen.  Endlich  werden  aber  auch  die  durch  das  (iuani- 
din  zuerst  erregten  motorischen  Nervenenden  nach  Art  des  Curarins  ge- 
lähmt (Fi(Ji)ier^),  so  daß  elektrische  Reizung  des  N.  ischiadicus  ohne  Er- 
folg bleibt,  während  direkte  Muskelrei/ung  noch  wirksam  ist.  Durch 
Guanidin  zentral  und  peripher  gelähmte  Frösche  erholen  sich  meist 
nicht  mehr. 

Zum  Nachweis  des  Guanidins  und  Methylguanidins  dient  lediiilich  die 
erregende  Wirkung  auf  das  motorische  Nervenende.  Diese  Wirkung  kann 
am  isolierten  Muskel  (s.  d.)  auch  graphisch  registriert  werden. 

Zuckungen  von  ähnlicher  Intensität,  wie  sie  (iuanidin  und  >h'thyl- 
guanidin  am  Frosche  hervorbringen,  verursacht  auch  das  toxikologisch  nicht 
in  Betracht  kommende  Tetraäthylammoniumchlorid,  dami  aber  von 
Alkaloiden  namentlich  auch  das  Nicotin.  Bei  diesem  treten  die  Zuckungen 
schnell  nach  der  Injektion  auf  und  gehen  sehr  rasch  vorüiier.  In  gerin- 
gerem Malie  kommt  diese  Wirkung  auch  l)ei  Injektion  von  Aconitinlösungen 
zur  Beobachtung.  Rhysostigmin,  welches  eine  ähnliche  Erscheinung  am 
Warmblüter  hervorruft,  ist  in  dieser  Hinsicht  am  Frosche  unwirksam. 
Eine  Verwechslung  des  Guanidins  oder  Methylguanidins  mit  den  tertiären 
Alkaloiden  Aconitin  und  Nicotin  auf  (Jrund  dieser  Muskelwirkimg  ist  da- 
durch ausgeschlossen,  daß  bei  Ausschüttelunii  mit  Chloroform  und  .\ther 
letztere  aufgenommen  werden,  das  (iuanidin  aber,  wie  das  Curarin.  Mus- 
carin  und  andere  (luartärc  Ammoniumverliindinigen.  zurückltleibt. 


')  //.  Fiihncr,    Cnrarestudion.   I.   Die  peiipliore  Wirkuntr  <les  Guanidins.   A' •'•    '' 
exp.  Patbol.  u.  Pliarmakol.  Bd.  58.  S.  2(5  (1<)()7). 


54  H.  Fühiier. 

6.  Der  Nachweis  von  Veratrin, 

Der  Veratriunachweis  gelingt  am  ganzen  Frosche  noch  gut  mit 
1/100  mg  Substanz,  während  1/1000  mg  unwirksam  ist. 

Das  salzsaure  Veratrin  mittelgroßen  Wasserfröschen  (bis  zu  50  g% 
welche  bei  Zimmertemperatur  gehalten  werden,  in  den  Brustlymphsack  in- 
jiziert, hat  folgende  Wirkungen. 

1/100  m^.  10  Minuten  nach  der  Injektion  springt  der  Frosch  unbeholfen. 
20  Minuten  nachher  ist  schon  deutliche  Veratrinwirkung  vorhanden,  dadurch 
charakterisiert',  daß  der  erste  Sprung  des  Tieres,  welcher  nicht  spontan, 
sondern  nur  auf  Reizung  ausgeführt  wird,  sehr  steif  und  ungeschickt  aus- 
fällt, während  die  sich  an  diesen  anschließenden  Sprünge  bald  wieder  nor- 
mal sind.  Dieser  ,, Veratrin effekt''  entwickelt  sich  allmählich  noch  besser. 
Reizt  man  den  ruhig  sitzenden  Frosch  nach  ungefähr  einer  Stunde  etwa 
durch  Kneifen  der  Zehen,  so  erfolgt  mühsam  unter  Dehnung  und  Streckung 
der  Glieder  endlich  der  erste  schwerfällige  Sprung.  Der  zweite  Sprung 
wird  auf  Reizung  schon  leichter  und  gewandter  ausgeführt  und  bald  be- 
wegt sich  das  Tier  wieder  normal.  Läßt  man  es  10  Minuten  sitzen,  so  ist 
die  Erscheinung  von  neuem  in  typischer  Weise  auszulösen.  Rückenlage 
erträgt  der  Frosch  nach  dieser  kleinen  Dose  nicht.  Abgesehen  von  der 
genannten  Muskelwirkung  sind  keine  Vergiftungserscheinungeu  vorhanden. 
Die  Muskelwirkung  hält  meist  einen  Tag  lang  an. 

5/100 121^.  Der  typische  Veratrineffekt  ist  bei  Mengen  von  3 — 6/100  m^ 
des  salzsauren  Salzes  am  besten  ausgeprägt.  Besser  als  bei  kleinen  Dosen 
tritt  hier  auf  Reizung  namentUch  die  rasch  erfolgende  Streckung  der 
Hinterbeine  und  die  sehr  langsam  verlaufende  Beugung  zutage.  Der  grö- 
ßeren Dose  entsprechend  dauert  die  Erscheinung  hier  längere  Zeit  an. 

1/10  mg.  Hier  sind  auch  schon  neben  der  Muskelwirkung  Erscheinungen 
zentraler  Erregung  und  Lähmung  vorhanden.  Die  auffäUige  Streckung  der  Hin- 
terbeine bei  Sprüngen,  welche  einige  Zeit  nach  der  Injektion  ausgelöst  W' erden, 
hat  schon  tetanischen  Charakter.  Nach  20  Minuten  erträgt  das  Tier 
Rückenlage.  Nach  einer  Stunde  ist  es  reflektorisch  nur  schwer  zu  erregen 
und  die  Muskulatur  zeigt  eine  eigentümliche  Steifheit,  wie  sie  auch  nach 
größeren  Dosen  von  Nicotin  (s.  d.)  auftritt,  so  daß  der  Frosch  behebig  er- 
teilte Stellungen  der  Beine  beibehält.  Von  dieser  Dose  erholt  sich  das 
Tier  im  Verlaufe  einiger  Tage  wieder,  vor  der  vollständigen  Erholung  ein 
Stadium  mit  typischer  Muskelwirkung,  wie  nach  den  kleineren  Dosen, 
durchlaufend. 

Tödlich  sind  Dosen  von  5/10 — 1  mg,  nach  denen  der  charakteristi- 
sche Veratrineffekt  nicht  mehr  deutUch  zur  Geltung  kommt  und  von  An- 
fang an  Lähmungserscheinungen  in  den  Vordergrund  treten. 

Der  Veratrinzustand  der  Frösche  kann  leicht  graphisch  regi- 
striert werden.  Zu  diesem  Zwecke  zerstört  man  bei  dem  Tiere,  nachdem 
die  Erscheinung  deutlich  ausgeprägt  ist,  das  Gehirn  mit  einer  starken 
Nadel  (oder  dem  spitzen  Blatt  einer  kleinen  Schere),  welche  in  der  Mittel- 


Naclnveis  mal  Bestimmung  von  Giften  auf  liiologischem  Wege. 


55 


linie  des  Körpers  in  der  Höhe  des  hinteren  Endes  der  beiden  freiliegen- 
den Troninielfelle  ein<:i:ehohrt  wird.  Die  richtige  Stelle  findet  man  leicht,  wenn 
man  mit  der  Nadel  über  dem  Schädel  genau  in  der  Mitte  nach  dem 
Kücken  zu  streicht.  Am  Ende  des  Kopfes,  an  der  erwähnten  Stelle,  fühlt 
man  eine  Vertiefung,  in  welche  man  die  Nadel  einbohrt  und  sie  dann  in 
den  Schädel  vorschiebt,  in  dem  man  durch  Hin-  und  Ilerbewegen  das  (ie- 
liirn  zerstört.  Ist  die  Operation  gelungen,  so  erträgt  der  Erosch  nach 
derselben  llückeulage.  P^in 

kleiner  Blutverlust  aus  der  ^'^"  ^®" 

Einstichstelle  ist  belanglos. 

Der  Erosch  wird  nun 
auf  dem  gestielten  Erosch- 
brett  in  Piauchlage  mit  vier 
Klammern  fixiert,  worauf 
an  einem  IJeine  die  Achilles- 
sehne freipräpariert  wer- 
den muß.  (Vgl.  Eig.  26.) 
Nach  Anlegung  eines  Haut- 
schnittes in  der  Eersen- 
gegend,  wodurch  die  Achil- 
lessehne sichtbar  wird, 
sticht  man  mit  einer  ge- 
bogenen, mit  Faden  ver- 
sehenen chirurgischen  Na- 
del dicht  unter  der  glän- 
zenden Sehne  durch  und 
knüpft  den  Eaden  um  den 
Euß  (vgl.  Eig.  26  L),  um 
Illutungen  aus  (lefäßen, 
welche  dicht  unter  der 
Sehne  liegen  und  bei  deren 
Präparation  leicht  verletzt 
werden,  zu  vermeiden.  Dann 
präpariert  man  die  an  ihrem 
unteren  Ende  abgeschnit- 
tene Sehne  ein  Stück  weit  nach  oben  frei,  durchsticht  sie  (mit  dem  spitzen 
Blatt  einer  feinen  Schere)  und  bringt  an  ihr  einen  Haken  an.  welchen 
man,  nachdem  das  Eroschbrett  in  vertikaler  Stellung  im  Stativ  befestigt 
worden  ist.  nach  unten  hin  mit  dem  Schreibhebel  durch  einen  Draht  ver- 
bindet.  Die  Achse  des  Schreildiebels  wird  mit  etwa  öO;/ belastet  (Eig. 26). 

An  dem  Erosche  soll  nun  der  Musculus  gastrocnemius.  in  welchen  die 
Achillessehne  nach  oben  hin  übergeht,  elektrisch  gereizt  werden.  Die  An- 
ordnung hierzu  ist  aus  Eig.  26  und  Eig.  27  gut  ersichtlich.  Die  eine 
Stromzuführnng  kann  durch  einen  am  l)esten  erst  in  kleiner  Elamnio  aus- 
geglühten   Lamettafaden    (Eig.  27  Z>J    zu    dem   Drahte    ireschehen ,    welcher 


Bana  esculenta.   Verpucheaiiordniinp  zur  Pleklrischen  Reizung; 
des  Musculus  ^'astrocniTnius. 


56 


H.  Fi'ihner. 


Sehne    und    Schreibhebel   verbindet.    Die    zweite   Zuleitung    erfolgt    durch 


einen  Draht  (Fig.  21 D),  welcher  zu  einer  Klemmschraube  führt,  die  von 
einer  starken,  das  Knie  des  Frosches  durchbohrenden  Nadel  getragen  wird. 
Die  Nadel  dient  zugleich  zur  Fixierung  des  Froschbeines  auf  dem  Frosch- 
brett. Viel  bequemer  für  diesen  Reizungsversuch  ist  die  Verwendung  des 
früher  (S.  33)  erwähnten  Froschbrettes  nach  Boehm. 

Der  Froschmuskel   soll    nun  rhythmisch  alle  4  oder  5  Sekunden  mit 

von  gleicher  Stärke  gereizt  werden.    Da  die  Öff- 
nung   des    Stromes   wirk- 


Einzelinduktionsschlägen 


Fig.  27. 


samer  ist  als  dessen  Schlie- 
ßung,   so    kann    nur   mit 
Öffnungs-  oder  mitScliIie- 
ßungsschlägeu      gereizt 
werden. 

Zur  ,,  Abbiendung" 
der  einen  oder  anderen 
Art  von  Schlägen  existieren 
mechanische  Vorrichtun- 
gen, wie  eine  solche  S.  40 
angegeben  ist.  Für  den 
Veratrinnachweis  ist  diese 
Appai'atur  überflüssig.  Man 
kann  hier  manuell  nach 
der  Uhr  rhythmisch  reizen 
unter  Verwendung  von 
2  (^)uecksilberschlüsseln  zur 
Abbiendung ,  welche ,  wie 
aus  P^ig.  27  ersichtlich, 
in  den  primären  und  se- 
kundären Stromkreis  ein- 
geschaltet werden. 

Will  man  den  Frosch 
mit  Schließuugsschlä- 
gen  reizen,  so  schließt  man 
von  den  anfänglich  offen- 
stehenden Schlüsseln  erst  Si.  Hierbei  zuckt  der  Gastrocnemius.  Dann  schUeßt 
man  S^,  öffnet  S^  und  dann  wieder  Ä,,  was  alles  keine  Zuckung  auslöst. 
Um  mit  Öffnungs  seh  lägen  zu  reizen,  schließt  man  zuerst  Ä,, 
was  wirkungslos  bleibt,  dann  S-^ ,  gleichfalls  ohne  Wirkung.  Öffnet  dann 
S.2,  wieder  ohne  Wirkung  und  endlich  S^,  wobei  der  Muskel  zuckt.  Dieses 
Spiel  der  Schlüsselhebel  wird 
weis  ist  es  gleichgültig,  ob 
verwendet. 
Reizt   man   einen   normalen 


Versuchsanordnung  zur  Abbiendung  der  Öffnungs-  oder 
Schließungsinduktionsschläge. 


regelmäßig 


man  Öffnuugs- 


wiederholt.  Für  den  Veratrinnach- 
oder  Schheßungsschläge   zur 


Reizung 


Froschffastrocnemius   mit    einem    wirk- 


samen Induktionsschlag,  so  führt  dieser 


eine  Zuckung 


aus.  Bei  graphischer 


Nacliweis  und  Bestimmung  von  (üften  auf  biologischem  Wc/c  57 

Registrierung-  unter  Verwendung  einer  rnidrehnngsgeschwindigkeit  des 
Kyniographions  von  etwa  Tö  cm  in  der  Sekunde  erhiilt  ni.-ui  Kurven  mit 
einem  (lipfelpunkt.  wie  solche  in  Fig.  40  r<  wiedergegeben  sind.  Unter 
diesen  Kurven  ist  die  Zuckung  eines  Muskels  nach  \eratrinvergiftung  auf- 
gezeichnet (Fig.  40/0,  dadurch  auffallend,  daß  die  Kurve  hier  iMIipfel- 
punkte  besitzt.  Ahnlich  wie  diese  am  isolierten  Froschmuskel  aufgenom- 
menen Kurven  sehen  diejenigen  aus,  welche  man  vom  ganzen  Frosch  nach 
Veratrinvergiftung  erhält.  Reizt  man  den  Frosch  regelmäbig-  alle  4 — 5  Se- 
kunden, so  verschwindet  allmählich  der  zweite  Gipfel  der  Zuckunti  und 
nach  10 — 20maliger  Reizung  zeichnet  der  Muskel  normale  Zuckungen  auf. 
Nach  einer  Pause  von  mehreren  Minuten  labt  sich  eine  neue  Serie  charak- 
teristischer Kurven  aufnehmen.  Fig.  38  zeigt  eine  derartige,  ebenfalls 
am  isolierten  Muskel  gewonnene  Kurvenreihe,  bei  langsamei'em  Trommel- 
gang  (1  )n})i  pro  Sekunde)  und  unter  Reizung  mit  4-Sekundenüffnungs- 
schlägen  aufgenommen. 

Gibt  eine  Substanz  oder  ein  bei  der  toxikologisch-chemischen  Analyse 
erhaltener  Rückstand  die  chemischen  Reaktionen  des  Veratrins,  so  ist  von 
vornherein  vorzuziehen,  die  luologische  Prüfung:  auf  das  Gift  nicht  am 
ganzen  Frosch,  sondern  am  isolierten  Froschmuskel  vorzunehmen,  in 
der  Weise,  wie  weiter  unten  angegeben. 

Erwähnung  verdient,  daß  ein  von  Jdcohj^)  durch  Oxydation  von 
Colchicin  erhaltenes,  von  ihm  Oxydicolchicin  genanntes  Produkt,  an 
Fröschen  veratrinähnliche  Wirkung  hat,  und  daß  solche  Wirkung  nach 
Santesson-)  auch  durch  größere  Dosen  von  Glyzerin  hervorgerufen 
werden  kann. 

7.  Der  Nachv^reis  von  Curarin,   Coniin  und  von  anderen  Substanzen 

mit  Curarinwirkung. 

Wenn  auch  die  toxikologische  Bedeutung  des  reinen  Curarins.  von 
welchem  gutes  Kalebassencurare  etwa  lO^o  enthält,  eine  nur  geringe 
ist,  so  muß  doch  der  biologische  Nachweis  desselben  hier  besprochen  wer- 
den, da  Curarinwirkung  einer  großen  (Jruppe  von  Substanzen  zukommt. 

Während  sich  bei  Vergiftungen  von  Fröschen  mit  Sui)stanzen,  die 
zentral  oder  peripher  erregend  wirken,  oft  ein  charakteristisches  Ver- 
giftungsbild entwickelt,  ist  dies  bei  Substanzen,  welche  von  Anfang  au  zen- 
tral oder  peripher  lähmend  wirken,  nicht  der  Fall. 

Injiziert  man  einem  Frosche  ein  Gift,  welches  zentral  lähmt,  z.  15. 
ein  Narcoticum  wie  Urethan  in  Menge  von  02  ,7  'u\  2  cin^  in  den  lirust- 
lymphsack,  so  beobachtet  man  nichts  weiter,  als  daß  das  Tier    sich    nach 


')  C.  JacohJ ,  riiarmakolotrische  Untcrsuchunsr  über  das  (  ololiicumirift.  Aroli.  f. 
exp.  Pathol.  u.  Pliarmak..!.  Bd.  27.  S.  141  (18iKJ). 

*)  C.  G.  Santesson ,  Einiges  über  die  Wirkung  des  Glyzerins  und  des  Veratrins 
auf  die  (juergestreifte  Muskelsubstanz  (Frosch).  Skandinav.  .\rch.  f.  Pliysiol.  Bd  14. 
S.  1  (l'JÜ3). 


58 


H.  Fiihner. 


5 — 10  Minuten  nicht  mehr  aus  der  Rückenlage  umzudrehen  vermag,  daß 
auch  die  Aterabewegungen  des  Thorax  meist  eingestellt  sind,  während  der 
Herzschlag  noch  deutlich  an  rhythmischen  Bewegungen  der  Brustwand  zu 
erkennen  ist.  Reflexbewegungen  sind  am  Anfang  auf  Kneifen  der  Beine 
noch  auszulösen,  bald  ist  aber  völlige  Reflexlosigkeit  eingetreten. 

Denselben  nur  etwas  langsameren  Verlauf  nimmt  die  Vergiftung  bei 
einem  Frosche,    welchem    man    eine    genügende  Dose  Curarin  (Vioo  mg 
oder  Vio  mg  gutes  Kalebassencurare)  injiziert  hat,   welches  im  Gegensatz 
zum  Urethan  den  Frosch  nur  peripher  lähmt,   und  zwar  hier  die  motori- 
schen   Nervenenden    in    den 
'^'  ■  ■  Skelettmuskehi. 

Beide  Frösche  sind  ohne 
eingehendere  Prüfung  nicht 
voneinander  zu  unterscheiden. 
Der  durchgreifende  Unter- 
schied beider  Vergiftungen 
läi)t  sich  aber  leicht  unter 
Zuhilfenahme  von  elektri- 
scher Reizung  feststellen. 
Zu  dem  Zwecke  präpariert 
man  den  Nervus  ischiadi- 
cus,  den  Hauptnerv  des 
Froschbeines. 

Man  l)ringt  dazu  den 
bewegungslosen  Frosch  in 
Bauchlage  und  legt  mit  einem 
Scherenschnitt  in  der  Mitte 
eines  Oberschenkels  (vgl. 
Fig.  28 )  dessen  Muskulatur 
frei.  Beim  Auseinanderziehen 
der  Haut  treten,  zum  Teil 
noch  von  einer  feinen  Haut  (Faszie)  bedeckt,  o  Muskeln  hervor:  Der  Mus- 
culus glutaeus  magnus  (a),  der  Musculus  semimembranosus  (b) 
und  zwischen  beiden  der  Musculus  ileofibularis  (c).  Der  Nerv  liegt  in 
der  Tiefe  zwischen  M.  semimembranosus  und  M.  ileofibularis.  Spaltet  man 
die  zwischen  beiden  Muskeln  liegende  Faszie  vorsichtig,  so  lassen  sich  die 
Muskeln  mit  einer  Pinzette  leicht  auseinanderschieben  und  der  Nerv  er- 
scheint als  glänzender  weißer  Strang  (e),  begleitet  von  der  schwarzen  Ar- 
terie (d),  welche  ihn  zum  Teil  überbrückt.  Bei  weiterem  Auseinander- 
ziehen der  Muskulatur  kommt  seitUch  noch  die  Hauptvene  des  Beines  (f) 
zum  Vorschein. 

Unter  den  Nerven  schiebt  man  schonend  eine  feine  Pinzette,  wobei 
man  sucht,  dieselbe  zwischen  Arterie  und  Nerv  durchzuführen.  Ist  dies  ge- 
lungen, so  kann  man  durch  Verschieben  der  Pinzette  nach  rechts  und 
links  den  Nerven  in  einer  Ausdehnung  von  1  cui  und  mehr  frei  über  der 


Freilegung  des  Nervns'iscliiadicus. 


Niichweis  uiul  Bestimmung  von  Giften  auf  l)i<»lofrisch('m  Wege.  59 

Pinzotto  liegend  erhalten.  \on  hier  aus  legt  man  ihn  über  die  umgebogenen 
Knden  der  Reizelektrode  (Fig.  20  A'),  was  alles  ohne  Zerrung  des  emi»fiiid- 
lichen  Nerven  geschehen  mnl». 

Hei  dem  Urethanfrosch  wird  man  bei  größtem  Uollcnabstand  des 
Induktionsapparates  bei  tetanisiorender  Reizung  Zuckung  im  rntorschenkel 
und  FulJe  auslösen  können.  Rei  dem  mit  Curarin  vergifteten  Frosche,  so- 
bald die  Wirkung  des  (iiftes  eine  vollständige  ist,  wird  man  auch  l)ei 
völlig  übereinandergeschobenen  Rollen  des  Apparates,  zwar  durch  Strom- 
schleifen vielleicht  Zuckungen  der  Muskulatur  in  der  Nähe  der  gereizten 
Stelle,  aber  nicht  im  Unterschenkel  und  Ful)  erhalten  können.  Dali  es  sich 
hier  bei  völlig  oder  nahezu  übereinandergeschobenen  Kollen  um  Strom- 
schleifen handelt,  durch  welche  die  Muskulatur  direkt  gereizt  werden,  lälit 
sich  dadurch  zeigen,  daß  die  Muskelzuckungen  nicht  mehr  auftreten,  wenn 
man  den  Nerven  möglichst  weit  nach  ol)cn  (zentralwärtsj  freilegt  und 
hier  abschneidet.  Wird  nun  das  äußerste  Nervenende  bei  der  Reizung  über 
die  Elektrode  gebrückt,  so  werden  die  früheren  durch  Stromschi  -ifen  her- 
vorgerufenen Zuckungen  ausbleiben.  AVährend  bei  völliger  Curarinlähmung 
die  Muskulatur  vom  Nerven  aus  nicht  erregbar  ist,  können  Muskel- 
zuckungen beim  direkten  Aufsetzen  der  Elektrode  auf  einen  Reinmuskel 
in  normaler  Weise  schon  bei  einem  Rollenabstande  von  8 — lö  ciit  der  ge- 
bräuchlichen Induktionsapparate  ausgelöst  werden.  Es  ist  charakteristisch 
für  die  Substanzen  mit  typischer  Cur arin Wirkung,  daß  sie  in  Dosen, 
welche  ausreichend  sind,  die  Reizübertragung  vom  Nerven  auf  den  Muskel 
zu  blockieren,  den  Muskel  selbst  intakt  lassen  und  diese  Eigenschaft  läßt 
sich  zum  biologischen  Nachweis  derartiger  Produkte  verwerten. 

Rei  Vorhandensein  von  genügend  Untersuchungsmaterial  kann  zur 
weiteren  Charakterisierung  vorhandener  Curarinwirkung  ein  bekannter  \'er- 
sucli  von  Claude  Beniard^)  dienen. 

Man  setzt  einen  normalen  kleinen  Wasserfrosch  in  eine  (ilasschale 
mit  übergreifendem  Deckel  (Petrischale)  und  gibt  dazu  einen  Wattebausch, 
der  mit  Äther  getränkt  ist.  Nachdem  der  Frosch  Rückenlage  erträgt,  wird 
er  herausgenommen  und  wie  oben  lieschrieben ,  unter  \'ermeidung  von 
Rlutungen  aus  den  leicht  verletzbaren  (iefäßen.  der  Nervus  ischiadicus  in 
möglichster  Ausdehnung  präpariert.  Unter  diesem  zieht  man  einen  starken 
RaumwoU-  oder  Seidenfaden  durch,  schiebt  zwischen  Faden  und  Nerv 
einen  dünnen,  mit  Ringerlösung  getränkten  Watteliausch  (Fig.  '1\^)  und 
schnürt  dann  durch  Anlegen  eines  Knotens  den  ( )bersclienkel  unter 
dem  Nerven  fest  ab.  Die  Ligatur  muß  so  fest  liegen,  daß  bei  der  Reob- 
achtung  der  Schwimmhaut  unter  dem  Mikroskop  (s.  S.  4:D  keine  Zirkula- 
tion mehr  wahrgenommen  werden  kann.  Der  Wattebausch  wird  dann  über 
dem  Nerven  zu  dessen  Schutz  vor  Vertrocknung  zusannnengelogt  und  von 
Zeit  zu  Zeit  mit  Ringerlö.sung  befeuchtet.     Der  Nerv    darf    von  der  Haut. 


*)  Cl.  Brrnard,  Lerons  sur  les  effets  des  stibsfances  toxitjues  et  mt-dieainentcuscs. 
Paris  1857.  p.  320.  Nnuveau  tirage.  Taris  1883.  p.  320. 


60 


H.  Füll u er. 


Fig.  29. 


des  schädlichen  Sekretes  wegen,  nicht  berührt  werden.  Nachdem  sich  der 
Frosch  von  der  Narkose  erholt  hat,  Avird  ihm  die  auf  Curarinwirkung  zu 
prüfende  Lösung  injiziert.  Ist  Curarinwirkung  vorhanden,  so  ist  Lähmung 
des  Tieres  nach  i/., — 1  Stunde  eingetreten.  Die  Lösung  hat  sich  überall 
im  Körper  des  Frosches  verbreitet,  mit  Ausnahme  des  umschnürten  Beines, 
in  welchem  die  Zirkulation  ausgeschaltet  wurde.  Taucht  man  nunmehr  den 
Fuß  des  nicht  ligierten  Beines  in  verdünnte  Essigsäure,  so  zuckt,  wenn 
die  Curarinlähmung  voUständig  ist.  nur  das  hgierte  Bein,  während  in  dem 
anderen  vergifteten  Beine  Zuckungen  ausgeschlossen  sind.  Der  Versuch 
zeigt  zugleich,  daß  die  Empfindung  des  Frosches  noch  vorhanden  ist,  daß 
also  die  in  der  Haut  liegenden  sensibeln  Nervenenden  durch  das  Gift  nicht 
gelähmt  werden.  Die  Leitung  erfolgt  noch  normal  von  der  Haut  zum 
Eückenmark  und  von  hier  zurück  auf  das  abgebundene  Bein.  Dieser  soge- 
nannte Reflexbogen   ist   also   für   das   abgebundene   Bein   intakt,   welches 

natürhch  auch  reagiert, 
wenn  es  selbst  durch 
Säure  oder  anderweitig 
gereizt  wird. 

Das  Vorhanden- 
sein schwächerer  Grade 
von  Curarinwirkung  läßt 
sich  noch  durch  den 
Versuch  am  isoherten 
Nervmuskelpräpa- 
rat (s.d.)  nachweisen. 
Gesunde  Frösche 
ertragen  große  Curarin- 
dosen  und  scheiden  das 
Gift  im  Harn  wieder 
aus.  Mit  dem  Harn  können  von  neuem  andere  Frösche  vergiftet  werden. 
Nach  der  Untersuchung  von  Tillie^)  hat  an  Wasserfröschen  mittlerer 
Größe  (etwa  50  g)  1/1000  mg  Curarin  (Boehin)  keine  Wirkung.  1/100  mg 
lähmt  noch  nicht  vollständig,  hingegen  genügen  1-5/100—2/100  mg  zur 
Herbeiführung  völliger  Pteflexlosigkeit  im  Verlauf  von  V2 — 1  Stunde.  Nach 
diesen  Dosen  erholen  sich  die  in  etwas  Wasser  gehaltenen  Frösche  nach 
1 — 3  Tagen  wieder.  Nach  größeren  Dosen  dauert  die  Erholung  entsprechend 
länger. 

Das  Curarin  ist  eine  quartäre  Ammoniumverbindung.  Führt  man  die 
tertiären  Alkaloidbasen  durch  Methyherung  in  quartäre  Verbindungen  über, 
so  bekommen  sie  fast  alle  mehr  oder  weniger  stark  ausgeprägte  Curarin- 
wirkung. Allerdings  wird  hierbei  von  keinem  methylierten  x\lkaloid  die 
Wirkunesstärke  des  Curarins  erreicht.    Zu   den    am  stärksten  wirksamen 


Fropchpräparation  nach  Cl.  Bernard. 


^)  J.  Tillie,   Über  die  Wirkungen  des  Curare  und  seiner  Alkaloide.  Arcb.  f.  exp. 
Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  27.  S.  1  (1890). 


Nachweis  iiiiil  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  gl 

Produkten  f>ehüren  inethvliertes  Strychnin  und  Atropin  uiul  diese  sind  etwa 
hundertnial  wenii^er  wirksam  am  Frosch  als  das  Curarin.M  Diese  niethylierten 
Produkte  könueu  toxikolo^nsche  P>edeutuuü;'  gewiuuen,  da  sie  ueuerdiniis  zum 
Teil  in  den  Arzueischatz  eingeführt  wurden  (z.  B.  Atroi)iuuietlivluitrat  als 
Eumydrin  und  Apomorphinbrommethylat  als  Euporphiii).  Auch  die  ali- 
phatischen quartären  Ammoniumverhinduui'en ,  wie  Tetramethvlamuio- 
niumchlorid  und  synthetisches  Muscarin  haben  Curariuwirkuug. 

Die  erwähnten  quartären  Ammoniumverhiuduuucu  hahcu  als  P»asen 
das  (Jemeiusame,  daü  sie  sich  mit  Äther  und  Chloroform  aus  ihreu  Lö- 
sungen nicht  ausschütteln  lassen.  Hierdurch  kann  eiue  Verwcchsluug  mit 
tertiären  Alkaloidbasen,  welche  Curarinwirkung  besitzen,  vermieden  werden. 

Von  tertiären  Basen  mit  Curarinwirkuug  ist  am  bemerkenswertesten 
das  Coniin^),  da  bei  ihm  Lähmung  zustande  kommt  ohne  vorheriges  Er- 
regungsstadium. Die  C'urarinwirkung  kann  neben  chemischen  Reaktionen 
eventuell  zur  Charakterisierung  des  Coniins  dienen.  Allerdings  tritt  die- 
selbe erst  bei  größeren  Mengen  deutlich  in  Erscheinung. 

Co  nun,  als  salzsaures  Salz  fi/trcZ;)  kleinen  Wasserfröschen  in  den 
Brustlymphsack  injiziert,  hat  folgende  Wirkung: 

1  mg.  Bleil)t  ohne  Wirkung. 

5  mg.  Nach  V, — 1  Stunde  wird  das  Tier  schlaff  und  erträgt  Piücken- 
lage.  Die  Reflexe  erlöschen  aber  bei  dieser  Dose  nicht  völlig  und  nach 
einigen  Stunden  ist  das  Tier  wieder  erholt. 

10  mg.  Nach  15  Minuten  erträgt  das  Tier  Riickeidage  und  ist  bald 
völlig  reflexlos.  Der  Herzschlag  bleibt  gut  äußerlich  sichtbar.  Legt  man 
1 — 2  Stunden  nach  der  Injektion  den  Nervus  ischiadicus  eines  Beines  frei, 
so  erhält  man  keine  Zuckung  des  Fußes  bei  elektrischer  Reizung,  während 
die  Muskulatur  direkt  gut  erregbar  ist.  Legt  man  den  l-'rosch,  bei  welchem 
der  Herzschlag  äußerlich  gut  sichtbar  bleil)t,  in  etwas  Wasser,  so  hat  er 
sich  bis  zum  nächsten  Tage  völlig  erholt  und  auf  Pieizung  des  Nerven  er- 
folgen die  Zuckungen  des  Beines  wieder  in  normaler  Weise. 

20  mg.  Wirkt  wie  10  nie/.  Hier  ist  nach  mehreren  Stunden  der  Herz- 
schlag äußerlich  kaum  mehr  sichtl)ar,  trotzdem  man  das  Herz  liei  Eröff- 
nung des  Thorax  noch  schlagend  finden  kann.  Diese  Menge  kann  als  töd- 
hche  Grenzdose  angesehen  werden.  Jedenfalls  ist  das  Coniin  für  P'rösche 
verhältnismäßig  schädlicher  als  Curarin  und  Erholung  erfolgt  nach  der 
mehrfachen  Dose  der  peripher  wirksamen  Menge  seltener. 

Curarinwirkuug  besitzt  dann  von  tertiären  Alkaloiden  noch  das 
Cytisin»),   dann   vor   allem  das  Strychnin  (vgl.  dessen  Nachweis  S.  44) 


M  tlber  den  Wiikuugsgrail  methylierter  Alkaloidc  vgl.  //.  Hihhlirandt ,  Zur 
Pharmakologie   der   Animoniuml»asen.    Arcli.  f.  exp.  I'atiiol.  u.  Pharniakol.    Hd.  53.    S.  84 

(ino:>). 

-')  (iirariiiwiikuiig  licsit/t  (his  Coniin.  hydroi-hhn-. Merck.  Ks  kommen  aber  nach 
Borhm  [Arch.  f.  exp.  l'athol.  u.  Pharmakol.  Hd.  15.  S.  432  (1882)]  und  an.icren  Unter- 
sucIktm  ancli   Coniiiisorten  ohiip  ausgesprocliene  Curarinwirkuiiir  an   Fnisclien  vor. 

')  /.'.  liadziivilloiricz.  Über  Cytisin.  /.'.  Kobcrtu  Arbeiten  a.  d.  pbarniak.)!.  Institut 
Dorpat.  Bd.  2.  S.  73  (1888). 


62  H.  Fühner. 

und  ausgeprägter  das  Brucin.  Die  beiden  letztgenannten  Alkaloide  haben 
in  großen  Dosen  namentlich  für  Wasserfrösche  ausgesprochen  peripher 
lähmende  Wirkung,  die  beim  Brucin  ohne  vorausgehendes  Krampfstadium 
sich  ausbildet.  Bei  Grasfröschen  beobachtet  man  selbst  bei  großen  Brucin- 
dosen  tetanische  Krämpfe  vor  dem  Eintritt  der  Lähmung,  während  solche 
beim  Curariu  niemals  auftreten. 

8.  Der  Nachweis  von  Coffein  und  Theobromin. 

• 

Die  Purinderivate  lassen  sich  biologisch  am  Frosche  durch  eine 
eigentümliche  Muskelwirkung  charakterisieren,  die  namentlich  am  iso- 
lierten Muskel  (s.  d.)  noch  in  großer  Verdünnung  nachzuweisen  ist.  Gibt 
irgend  eine  zu  prüfende  Substanz  die  chemischen  Reaktionen  der  Purin- 
derivate, so  ist  von  vornherein  die  biologische  Prüfung  nicht  am  ganzen 
Frosche,  sondern  am  Muskelpräparat  anzustellen.  Die  Muskelwirkung  ist 
auch  am  ganzen  Tier  zu  beobachten  und  hier  viel  ausgeprägter  an  Gras- 
fröschen als  an  Wasserfröschen.  An  Wasserfröschen  treten  aber  nach 
Schniiedcherr/'^)  neben  der  Muskelwirkung  noch  tetanische  Anfälle,  wie  nach 
Strychninvergiftung,  auf,  und  diese  Tatsache  verlangt  ein  näheres  Eingehen 
auf  die  Wirkung  vor  allem  des  Coffeins  am  ganzen  Frosch,  um  einer 
etwaigen  Verwechslung  mit  den  früher  erwähnten  Krampf  giften  vorzu- 
beugen. 

Injiziert  man  Wasserfröschen  mittlerer  Größe  (bis  zu  50  (?')  wässerige 
Lösungen  reinen  Coffeins  subkutan  in  den  Brustlymphsack,  so  beobachtet 
man  folgendes: 

1  mg.  Diese  Dose  hat  keine  deutliche  Einwirkung. 

5  mg.  Eine  Stunde  nach  der  Injektion  zeigt  der  Frosch  gesteigerte 
Reflexerregbarkeit  und  quakt  bei  leichter  Berührung  des  Rückens.  Der  Thorax 
ist  gebläht.  Beim  Springen  werden  die  Zehen  (Schwimmhäute)  gespreizt. 
Die  Wirkung  dieser  Menge  geht  nach  einigen  Stunden  vorüber. 

10  mg.  (1  ciu^  einer  lo/oigen  Lösung).  Bald  nach  der  Injektion  wer- 
den die  Vorderbeine  starr  und  nach  innen  verdreht  gehalten.  Später  wer- 
den auch  die  Hinterbeine  steif,  so  daß  alle  Bewegungen,  namentlich  das 
Umdrehen  aus  der  Rückenlage  sehr  schwerfällig  und  steif  geschehen.  Der 
Thorax  ist  gebläht.  Allmählich  tritt  Reflexsteigerung  auf.  Beim  Sprung  ist 
prononzierte  Streckstellung  der  Hinterbeine  auffällig,  aber  kein  Tetanus. 
Die  Steifheit  geht  nach  mehreren  Stunden  vorüber  und  die  Reflexsteige- 
rung tritt  stärker  hervor.  Beim  Sprung  werden  die  Beuger  aber  stärker 
innerviert  als  die  Strecker,  so  daß  Pikrotoxinstellung  der  Hinterbeine  auf- 
tritt. Es  dauert  mehrere  Tage,  bis  sich  der  Frosch  von  dieser  Dose  er- 
holt hat. 


*)  0.  Schmiedeher g,  Über  die  Verschiedenheit  der  Coffeinwirkung  an  Rana  tem- 
poraria  L.  und  Rana  esculenta  L.  Arch.  f.  exp.  Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  2.  S.  02 
(1874). 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Weirc.  gj) 

2i)ing  i-2('m^  oinor  1"  ßig^'n  Lösiinc-).  P.akl  nach  diT  Injektion  l»e- 
ginnt  (las  .Steihvonlen  der  Vorder-  und  Hinterheine.  Die  Vorderheine  werden 
gekreuzt ,  die  Hinterheine  stark  an  den  Körper  angezogen.  Naeh  cint-r 
Stunde  ist  die  Steifheit  der  lieine  geringer  und  Keflexsteigerung  deuthch 
geworden.  Bei  Berührung  des  Körpers  erfolgt  reflektorisch  Streckung  der 
Hinterheine.  Auch  tetanische  Anfälle  können  auftreten,  wie  sie  die  Strvchnin- 
wirkung  charakterisieren  Nach  dieser  Dose  erholen  sich  die  Frösche  meist 
nicht  mehr. 

An  (irasfröschen  tritt  durch  Coffein  kein  Tetanus  auf.  sondern  nur 
die  Muskelwirkung. 

Theobroinin  ist  nach  Filehnc^)  für  Frösche  etwas  giftiger  :\\< 
Coffein  und  ruft  auch  am  Wasserfrosch  keinen  Tetanus  hervor. 

Zum  Nachweis  der  Turinderivate  sind  in  jedem  Falle  Grasfrösche  zu 
verwenden,  da  sie  die  Muskelwirkung  besser  zeigen  als  Wasserfrösche. 

9.  Der  Nachweis  von  Giften  mit  Digitalinwirkung. 

„Eine  Anzahl  zum  größten  Teile  stickstofffreier  Pflanzenhestandteile, 
von  denen  die  meisten  zu  den  Glykosiden  oder  Pentosiden  gehören,  wirkt, 
abgesehen  von  quantitativen  Unterscliieden,  in  so  gleichartiger  Weise  auf 
das  Herz  der  verschiedensten  Tierarten,  daß  jede  dieser  Substanzen  in 
bezug  auf  den  Charakter  dieser  Wirkung  wie  eine  getreue  Kopie  der 
anderen'  erscheint.  Sie  werden  schlechtweg  als  ..11  erzgifte"  i)ezeichnet. 
Direkte  Wirkungen  auf  das  Nervensystem  lassen  sich  mit  Sicherheit  weder 
an  Menschen  noch  an  Tieren  nachweisen." 

„Zu  dieser  Gruppe,  die  durch  die  praktisch  wichtigen  wirksamen  Be- 
standteile der  Digitahs  purpurea,  das  Digitalin  und  Digitoxin,  charakte- 
risiert wird,  gehören  die  nachstehend  aufgeführten  Stoffe  "^j;  Digitalin, 
Digitoxin.  Strophanthin,  Antiarin,  Oleandrin,  Scillain,  Adonidin, 
Helleborein,  Convallamarin ,  Cheiranthin  u.  a.  Als  Beispiel  der 
Wirkung  dieser  Produkte  sei  hier  auf  diejenige  von  g- Strophanthin 
eingegangen,  welches  als  kristallinisches  Produkt  mit  dem  Vorzug  kon- 
stanter Zusammensetzung  den  guter  Wasserlöslichkeit  verbindet  und  darum 
namentlich  als  Testsubstanz  zu  vergleichenden  quantitativen  Bestimmungen 
zu  empfehlen  ist. 

Injiziert  man  mittelgroßen,  in  Zimmertemperatur  gehaltenen  (iras- 
fröschen  3)  {oOg)  von  kristallisiertem  Strophanthin  (M<  rck)  die  stark 
wirksame  Menge  von  1  lOnig  in  einem  Kubikzentimeter  Wasser  gelöst 
in  den  Brustlymphsack,  so  tritt  Herzstillstand  nach  Vi — '  .,  Stunde  ein. 
An  der  Brustwaud    sind   äußerlich   keine  Bewegungen   des  Herzens    mehr 


')  W.  Filehnc,  i'ber  einige  Wirkungen  desXanthins,  des  Caffeins  und  mehrerer 
mit  ihnen  verwandter  Körper.  Archiv  f.  (Anat.  u.)  Physiol.  188G.  S.  77. 

-)  0.  Schmicdt'bcnj ,    Grundriß   der  rhurmaknlogie.    (5.  Aufl.  Leipzig  l'JÜO.  S.  i88. 

*)  Wegen  ihrer  größereu  Emp  f  indliclikei  t  gegenülier  Sulistanzen  mit  Digi- 
talinwirkung sind  für  Prüfungen  am  ganzen  Tier  ürasfrösche  vorzuziehen. 


64  H.  Fübiier. 

wahrzunehmen  und  die  Zirkulation  in  den  Schwimmhäuten  stockt.  Nach- 
dem der  Herzstillstand  eingetreten,  wird  der  Frosch  unruhig  und  springt 
und  bewegt  sich  häufig.  Aus  der  Rückenlage  dreht  er  sich,  trotz  des  ein- 
getretenen Herzstillstandes,  noch  gut  um  und  springt  normal.  Nach  und 
nach  wird  die  Atmung  seltener  und  es  macht  sich  allgemeine  Erstickung 
bemerkbar.  Die  Pupillen  werden  eng  und  das  noch  normal  sitzende  Tier 
öffnet  wiederholt  weit  das  Maul.  Allmählich,  nach  etw  a  einer  Stunde,  wird 
der  Frosch  schlaff  und  beginnt  Rückenlage  zu  ertragen.  Die  Lähmung 
schreitet  langsam  weiter  bis  zur  völligen  Reflexlosigkeit. 

Etwa  1/100222^  ist  die  tödliche  Grenzdose  für  mittelgroße  Frösche. 
Es  kann  mehrere  Stunden  währen,  bis  durch  diese  Dose  Herzstillstand 
sich  ausbildet  und  daran  anschließend  Erstickung  des  Tieres  zustande 
kommt. 

Öffnet  man  den  Thorax  des  Frosches  nach  eingetretenem  Herzstill- 
stand, so  findet  man  das  Herz  blutleer  (blaß)  und  maximal  kontrahiert. 
Es  hat  sich  der  für  die  Digitalissubstanzen  charakteristische  systolische 
Stillstand  des  Herzens  ausgebildet. 

Das  Zustandekommen  des  systolischen  Herzstillstandes  läßt  sich 
graphisch  registrieren.  Um  eine  gute  Aufzeichnung  der  Herzbewegungen 
zu  erhalten,  muß  der  Frosch  vollkommen  unbeweglich  sein.  Zerstört  man 
nur  das  Gehirn  des  Tieres,  so  ist  dies  nicht  der  Fall.  Zerstört  man  aber 
auch  das  Rückenmark,  so  werden  Herzschlag  und  Resorption  sehr  beein- 
trächtigt. Man  wird  darum  den  Frosch  am  besten  narkotisieren.  Zur 
Herbeiführung  einer  tiefen  Narkose  sind  für  mittelgroße  Frösche  2cm^ 
einer  10"/oigen  Lösung  von  Urethan  nötig,  welche  man  den  Tieren  in 
den  Brustlymphsack  (ohne  Verletzung  der  Brustmuskulatur :  Blutungen 
vermeiden!)  injiziert.  Nach  5  bis  10  Minuten  erträgt  der  Frosch  Rücken- 
lage, in  welcher  man  ihn  1/2 — 1  Stunde  lang  vor  Anstellung  des  Versuches 
beläßt.  Die  Reflexlosigkeit  dauert  12 — 24  Stunden  an. 

Der  Frosch  wird,  auf  dem  Teller  mit  dem  Kopfe  gegen  den  Ope- 
rierenden liegend,  in  folgender  Weise  präpariert:  Mit  einer  Hakenpinzette 
erfaßt  man  in  der  Mitte  des  Unterkiefers  die  glatte  Haut  und  schneidet 
eine  kleine  Lücke  in  dieselbe  ein.  Durch  diese  wird  das  stumpfe  Blatt  der 
Schere  eingeschoben,  der  Hautzipfel  mit  der  Pinzette  erfaßt  und  ein 
mittlerer  Hautlappen  bis  in  die  Bauchgegend  präpariert,  der  am  besten 
nicht  breiter  als  2  cm  ist.  Jedenfalls  muß  man  sich  hüten,  zu  weit  seithch 
die  Haut  einzuschneiden,  da  hier  Gefäße  liegen,  deren  Verletzung  starke 
Blutung  zur  Folge  hat,  und  Blutungen  müssen,  um  die  Herztätigkeit 
intakt  zu  erhalten,  möglichst  vermieden  werden.  Nachdem  der  Haut- 
lappen (Fig.  45 d)  über  den  Bauch  gelegt  ist ,  wird  mit  der  Pinzette  der 
oberste  knorpelige  Teil  des  Brustbeins  (a)  erfaßt,  genau  in  der  Mitte  ge- 
spalten und  dieser  Schnitt  durch  Eingehen  mit  dem  stumpfen  Scheren- 
blatt, welches  dicht  unter  dem  Knochen  (um  einer  Herz  Verletzung  vorzu- 
beugen) vorgeführt  wird,  durch  die  Mitte  des  knöchernen  Brustbeinteiles  (h) 
verlängert.    Der   sich   an    diesen   weiter    unten    anschließende    knorpehge 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


Of) 


Teil  (c)  Nvird  nicht  median,  sondern  nacli  links  herüber  dnrchtrennt ,  um 
eine  Verletzuiiii'  der  mittleren  IJauchveiR'  zu  vermeiden.  Ili.s  an  da.s  Kndc 
des  knorpeligen  Brustheinteiles  Avird  der  Schnitt  i-eführt  und  der  Krosch 
jetzt  auf  dem  gestielten  Froschbrett  mit  Klammern  (Fig.  HO)  befestigt. 
Das  linke  Hinterbein,  in  welches  die  zu  prüfende  Flüssigkeit  injiziert  wird, 
kann  l)ei  dem  tief  narkotisierten  Tiere  frei  gelassen  werden ,  zur  be- 
quemeren N'ornahme  der  Injektion.  I)ie  \orderbeine  werden  so  befestigt, 
daß  dabei  der  Thoraxschnitt  weit  klafft  und  das  Herz  freiliegt.  I)as  Herz 
ist  noch  in  dem  Herzbeutel  eingeschlossen,  w^elcher  mit  feiner  Pinzette  am 


Fig.  30. 


Graphische  Registrierung  der  Herztätigkeit,    a  Uerzklammer. 


unteren  Ende  erfaßt  und  nach  oben  hin  bis  zur  Teilung  der  Aorta  er- 
öffnet wird.  Die  Herzspitze  wird  mit  einer  feinen,  aus  Federdraht  ge- 
bogenen Herzklammer  (Fig.  80a)  erfaßt.  An  dieser  ist  mit  einem  Faden 
ein  Haken  befestigt,  der  in  eines  der  Löcher  am  Schreibhcbel  eingehängt 
wird.  Das  Froschbrett  wird  in  ein  vertikal  verstellbares  Stativ  eingespannt, 
(""her  demselben  wird  der  durch  Achsenbelastung  in  seinem  lungeren  «lie 
Papierfahne  tragenden  Arme  fast  völlig  entlastete  Schreibhebel  befestigt. 
Zum  Einhängen  des  Hackens  in  den  Schreibhebel  wird  das  Froschbrett 
schräg  gestellt.    Nach    dem  Einhängen    kann    durch   Drehen    des  Hrettes, 

Abderhalden,  llandbnch  der  biochemischen  Arbeitsmethoden.  V.  5 


66 


H.  Fühner. 


nach  der  Horizontaleil  zu ,  der  Schreibhebel  richtig  eingestellt  werden.  Vor 
dem  Eintrocknen  schützt  man  das  Herz  durch  einen  um  dasselbe  aufge- 
bauten hohen  Wall  aus  Watte,  welche  mit  Ringerlösung  getränkt  ist.  (In 
der  Figur  nicht  gezeichnet.) 

Die  rhythmischen  Bewegungen  des  Schreibhebels  werden  auf  der  be- 
rußten Papierfläche  des  Kymographions  aufgezeichnet.  Unt^r  diese  Kurve 
werden  Zeitmarken  geschrieben.  Der  Markiermagnet  wird  in  einem  zweiten 


Stative  befestigt  und 
unter  dem  Herzhebel 
zeichnet  eine  Zeitlang 
dem  Frosche  die 
Hierzu  sticht  man   an 


am  bequemsten  entgegen 
aufgestellt.    (In    der  Figur 

die  normale  Herztätigkeit 
ftlösung     in     den    linken 

dem   nicht   fixierten  Beine 


der  Troramelbewegung 
nicht  gezeichnet.)  Man 
auf  und  injiziert  dann 
Ober  schenkelly  mph  sack, 
die  mit  feiner  scharfer 


Nadel  versehene  gefilUte  Injektionsspritze  etwa   1  cm  unterhalb   des  Knie- 


Fig.  31. 


Fig.  32. 


Raua  fusca.   öö  g. 

Weiblich.     Narkose.    Herzfreilegung. 

Strophanth.   cristall.    1  mg    bei    (+). 

Herzstillstand  nach    14  Minuten. 

(3/i  Größe  der  Originalkurven.) 


Rana  fusca.  45  g. 

Weiblich.    Narkose.    Herzfreilegung.   Strophanth. 

cristall.    ^/^o  mg    bei    (+).     Herzstillstand   nach 

30  Minuten. 


gelenkes  in  die  Haut  des  Unterschenkels  ein  und  führt  von  hier  die  Nadel 
unter  Streckung  des  Beines  vorsichtig  unter  der  Haut  vor  bis  unter  die 
Oberschenkelhaut.  Man  injiziert  und  zieht  die  Nadel  zurück;  dann  wird  das 
Bein  im  Kniegelenk  gebeugt.  Diese  Maßnahmen  sollen  einem  Ausfließen  der 
Injektionsflüssigkeit  aus  der  Injektionsstelle  vorbeugen.  Ist  die  Injektion  vor- 
sichtig ausgeführt,  so  wird  man  (bei  völlig  reflexlosem  Tier)  in  der  Aufzeich- 
nung des  Schreibhebels  keine  Verschiebung  oder  Veränderung  wahrnehmen. 
Man  bezeichnet  den  Moment  der  Injektion  auf  der  berußten  Fläche 
des  Kymographions.  Drei  beigegebene  Kurven,  welche  unter  den  oben  ge- 
schilderten Bedingungen  aufgenommen  wurden,  zeigen  die  Wirkung  von 
verschieden  großen  Dosen  Strophanthin.  cristall.  Merck  {1  mg,  ^U^yng, 
Vioo«^^),  das  drei  narkotisierten  Grasfröschen  in  den  Oberschenkellymph- 
:sack    injiziert   wurde 


Kurve    Fig.  31  und  32    wurden    in    ^/^  Größe    des 


Nachweis  und  Bestimmung  von  (üften  auf  biologischem  Wege. 


67 


Originals,  Kurvo  Fi^-.  ';);)  in  hullter  Ori^iinal^irölic  wiodoriicnciion.  Da  hei 
Aufzoichiiunii-  der  (Jiftwirkuni;'  hier  nicht  die  Form  der  Kinzelkurvo  der 
Herzpulse,  sondern  das  Gesamtbild  der  Kurvenschar  von  Interesse  ist.  so 
wurde  nach  dem  Vorgange  von  M.  Straub^)  bei  so  langsamem  Trommel- 
gange registriert,  daß  vom  iSchreibhebel  auf  dem  bei'uliten  Papier  nur  eine 
einzige  ununterbrochene  Silhouette  ausgewischt  wurde.  Wie  beim  isolierten 
Herzen  ist  auch  hier  der  Anstieg  der  „Silhouettenkurve-  bis  zum  end- 
gültigen systolischen  Stillstand  des  Herzens  um  so  steiler,  je  rascher  die 
Vergiftung  verläuft.  Uei  Aufnahme  der  ersten  und  zugleich  steilsten  Kurve 
trat  der  Stillstand  nach  14  .Minuten,  bei  der  zweiten  nach  ;iU  und  l)ei  der 
dritten  nach  105  Minuten  ein. 

Obgleich  diese  Kurven  an  sich  das  Vorhandensein  einer  Substanz 
mit  Digitalinwirkung  in  der  Injektionsflüssigkeit  hinreichend  klar  beweisen, 
so  kann  man  doch  zur  weiteren  Charakterisierung  des  vorhandenen  Still- 


Fig.  33. 


Kana  fusca.  50  j.  Weiblich.  Urethannarkose  (2  cm^  10°l„So\.).  Herzfrei legnng.    ff^t^Vf  .Ji 
Strophanthin.  cristall.  */io<>  '"JS  bei  (  +  )    im  Oberschenkellymphsack.    Herzstillstand  nach  150  Minnten. 

Zeit  in  Minuten.  (Halbe  Größe  der  Originalkurve.) 


Standes  noch  einen  Tropfen  einer  ^V/oinPi^  Atropinlösung  auf  das  still- 
stehende Herz  auftropfen.  Tritt  hier  nicht  bald  wieder  regelmäßige  Herz- 
tätigkeit ein,  so  ist  die  in  der  injizierten  Lösung  vorhandene,  den  Herz- 
stillstand herbeiführende  Substanz  jedenfalls  kein  Muscarin.  Obgleich 
Muscarin  keinen  systolischen,  sondern  diastolischen  Stillstand  des  Herzens  am 
Frosche  hervorruft,  so  kann  unter  Umständen  bei  der  graphischen  Kegi- 
strierung  der  Tätigkeit  des  Herzens  am  ganzen  Frosche  doch  .systolischer 
Stillstand,  wenigstens  solcher  in  halber  Höhe  der  systolischen  Kontraktion, 
vorgetäuscht  werden.  Auch  ist  nach  dem  Stillstand  des  Herzens  dieses 
auf  seinen  Kontraktionszustand  zu  untersuchen.  Tritt  der  Herzstillstand 
innerhalb   1 — 2  Stunden    ein.    so    ist    das  Herz    des  (irasfrosches    immer 


M   W.  Straub,  Quantitative  Untersuchungen  über  den  Chemismus  der  Strophanthin- 
virkuiig.  Biochem.  Zeitschr.  Bd.  28.  S.  392  (1910). 

5» 


68  H.  F (ihn er. 

stark  kontrahiert  und  blutleer.  Kommt  aber  der  Stillstand  des  Herzens 
erst  sehr  spät  zustande,  nach  12 — 24  Stunden,  so  ist  derselbe  kein  rein 
systolischer  mehr,  sondern  er  ist  ein  mehr  oder  weniger  diastolischer. 

Zu  bemerken  ist,  daß  für  den  qualitativen  Nachweis  der  Digitalis- 
substanzen der  Versuch  am  ganzen  Frosch ,  namenthch  unter  Injektion  in 
den  Oberschenkellymphsack  wichtiger  ist,  als  der  allerdings  empfind- 
lichere Versuch  am  isolierten  Herzen  (s.  d.).  An  isoherten  Herzen  sind 
die  Substanzen  mit  Digitalin Wirkung  von  den  ihnen  nahestehenden  Sapo- 
ninen  nicht  einfach  zu  unterscheiden,  da  auch  diese  Produkte  am  iso- 
lierten Organe  systolischen  Stillstand  hervorrufen.  Hingegen  ist  dies  nicht 
der  Fall  bei  Injektion  in  den  Oberschenkellymphsack,  aus  welchem  sie  nicht 
genügend  resorbiert  werden,  um  Herzstillstand  herbeizuführen.  Sie  bringen 
hier  nur  lokal  die  Muskulatur  in  der  Nähe  der  Injektionsstelle  zum  Ab- 
sterben. 1) 

10.  Die  Wertbestimmung  von  Digitalisblättern  und  -präparaten. 

Als  wirksame  Glykoside  sind  nach  Schmiedeberg  f)  in  den  Digitalis- 
blättern Digitoxin,  Digitalin  und  Digitalein  enthalten,  unter  welchen  dem 
Digitoxin  die  stärkste  Wirkung  zukommt.  Das  Digitoxin  ist  in  reiner 
Form  3)  in  Wasser  nur  spurenweise  lösUch.  Es  findet  sich  aber  in  der 
Pflanze  in  löslicher  Form,  und  zwar  nach  B.  Gottlieb  *)  als  Glykotannoid, 
als  Verbindung  mit  Gerbsäure,  welche  in  reinem  Wasser  zwar  auch  wenig, 
aber  in  verdünnten  Alkalien  leicht  löslich  ist. 

Der  Gehalt  der  Blätter  an  den  drei  wirksamen  Bestandteilen  ist  ein 
mit  dem  Standort  der  Pflanze  und  dem  Jahrgang  derselben  wechselnder.  Um 
dem  verordnenden  Arzte  ein  immer  gleichwirksames  Arzneimittel  zu  liefern, 
werden  die  Digitalisblätter,  wie  auch  die  daraus  hergestellten  Präparate 
neuerdings  auf  einen  bestimmten  Wirkungswert  eingestellt  und  dies  ge- 
schieht ausschließUch  auf  biologischem  Wege  durch  Dosierung  am  Frosche. 

Zur  Wertbestimmung  der  Digitalisblätter  und  -präparate  sind  bereits 
zahlreiche  Methoden  ausgearbeitet  worden.  Hier  soll  in  erster  Linie  das 
am  eingehendsten    geprüfte  Verfahren    von    Focke^)    besprochen    werden, 


0  B.  Kobert,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Sapouinsubstanzen.  Stuttgart  1904.  S.  16. 

^)  0.  Schmiedeherg ,  Untersuchungen  über  die  pharmakologisch  -wirksamen  Be- 
standteile der  Digitalis  purpurea  L.  Archiv  f.  experim.  Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  3. 
S.  16  (1875). 

3)  H.  Kiliani,  Über  ß-Digitoxin.  Archiv  d.  Pharmazie.  Bd.  233.  S.  315  (1895).  — 
Derselbe,  Über  Digitoxin.  Ibid.  Bd.  234.  483  (1896). 

*)  B.  Gottlieh  und  R.  Tambach,  Über  Digipuratum.  Münchener  med.  Wochenschr. 
Jahrg.  58.  S.  10  (1911). 

^)  C.  Focke ,  Die  physiologische  Wertbestimmung  der  Digitalisblätter.  Archiv  d. 
Pharmazie.  Bd.  241.  S.  128  und  669  (1903).  —  Derselbe,  Weiteres  zur  physiologischen 
Prüfung  der  Digitalisblätter.  Ibid.  Bd.  245.  S.  646  (1907).  —  Derselbe,  Der  jetzige 
Stand  der  physiologischen  Digitalisprüf uug,  ihr  Wert  für  die  Praxis  und  für  die 
Forschung.  Ibid.  Bd.  247.  8.544(1909).  —  Derselbe,  Die  kurzzeitige  Injektious- 
methode  der  physiologischen  Digitalis-  und  Strophanthusprüfung.  Ibid.  Bd.  248.  S.  345 
(1910). 


Nachweis  und  n<'stimmuntr  vmi  fiifton  auf  liinlügisclicm  W  ego.  [^\) 

welches  sich  an  ein  durch  Hans  Mcycr  aniiere^^es  ^'el•fahl•on  von  /uiin)- 
hein  ^ )  anschließt. 

Das  Prinzip  der  Methode  von  Fockc  ist  foli^endcs:  Von  einem 
wässerigen  Auszug  der  Diiiitalisl)lätt('r  wird  einem  ( irasfrosche ,  dessen 
Herz  freigelegt  ist,  eine  bestimmte  Menge  injiziert  und  es  wird  heohachtct. 
in  welcher  Zeit  Herzstillstand  eintritt.  Injiziert  man  (I rast' röschen  von 
20 — ?)0  fj  von  einem  10'V(,igen  Ijifuse  den  vierzigsten  Teil  ihi-es  Gewichtes 
in  zwei  Hiilften  verteilt  in  die  ()l)erschenkellymi)hsäcke,  so  soll  der  Herz- 
stillstand durchschnittlich,  bei  Anstellung  von  mindestens  vier  Versuchen, 
zwischen  9  und  11   .Minuten  eintreten. 

Blätter,  welche  dieser  Forderung  entspi-echen .  haben  nach  Focke 
einen  „Valor"  von  4*0 — 4:*5.  Dieser  Wert  wird  berechnet  aus  der  Glei- 
chung: \'  =  ,  worin  p  das  Gewicht  des  Frosches,  d  die  injizierte  Dose 

und  t  die  'Zeit  bezeichnet,  welche  von  der  Injektion  des  Tieres  bis  zum 
Herzstillstand  vergeht.  Hat  man  z.  B.  einen  Frosch  von  24  (/  (Gewicht,  so 
erhält  er  0-^  cm^  des  10"  oigt'"  Infuses.  Vergehen  10  Minuten  bis  zum 
Stillstand,  so  ergibt  sich  der  Wert  4"0.  Dieser  Wert  der  Blätter  kann  auch 
in  .schlechten  Jahren  erhalten  und  darum  als  Xormalwert-)  ange- 
nommen werden.  Auf  ihn  wird  die  Droge  in  Jahren  mit  stärker  wirkender 
Ernte  eingestellt. 

Ausführung  der  Prüfung.  Zu  der  Prüfung  eignen  sich  am  besten 
möglichst  gleichgrolte  Grasfrösche  im  Gewichte  von  20 — l-i.")  //.  Im  Sommer 
sollen  dieselben  frisch  gefangen,  aber  immerhin  einige  Tage  in  (Jefangen- 
schaft  vor  x\nstellung  der  Versuche  gehalten  sein.  Für  den  Winter  werden 
die  Tiere  im  September  gefangen  und  in  nicht  zu  kaltem  liaume  (Kellen 
aufbewahrt.  Von  Mai  bis  Oktober  sind  beide  Geschlechter  gleich  brauch- 
bar. Von  November  an  nur  männliche  Tiere. 

Die  Tiere  werden  aus  dem  kühlen  Ivaume  2 — )i  Tage  vor  Anstellung 
der  Versuche  in  Töpfen  oder  Gläsern  in  den  rntersuchungsraum  gestellt, 
dessen  Temperatur  auf  18 — 20'^  (auch  im  Sommer  nicht  höher!)  ge- 
halten wird. 

Zur  Prüfung  ist  ein  Blechkasten  nötig,  welcher  eine  (Grundfläche 
von  28:55  c»/  und  12  cw  Höhe  hat.  \\\  einer  Seitenwand  ist  oben  und 
unten  je  eine  mit  Kork  verschlielibare  Öffnung  angebracht.  Die  erste  ist 
zum  Eingießen  von  heißem  Wasser  bestimmt,  die  untere  dient  zum  Ab- 
lassen desselben.  Zur  eventuellen  Abkühlung  kann  dinch  lien  Scharnier- 
deckel des  Kastens  Eis  eingebracht  werden.  Auf  diesen  Kasten  werden 
die  dünnen  und  etwa  lO:  27  c/y/messenden  Froschbretter  gelegt  lU'ltst  dem 
halb  so  breiten,  scmst  aber  ganz  gleichartigen  Thermometerbrett.  Auf  letz- 
terem ist  dauernd  ein  gutes  Thermometer   so   befestigt,   daß   der  Queck- 


^)  H.  Ziegenbein,    AVertltestininiuiig    der    I)iL'italisl)l;ittcr.    An-liiv    d.   Pharinazio. 
Bd.  240.  S.  454  "(1902). 

-)  Vgl.  ..Fol.  Digital,  titrat."   der  Firma  i'aisar  .(    Lm-ti:,   Halle  a.  S. 


70  H.  Fühner. 

silberbeliälter  dem  Holz  flach  aufliegt;  zum  Abschluß  gegen  die  Außenluft 
ist  das  untere  Thermometerende  von  einem,  mit  Heftzwecken  befestigten 
hellen  Flanellappen  bedeckt.  Diejenigen  Untersuchungsbrettchen,  die  gerade 
zum  Versuch  dienen,  müssen  vorher  ebenso  trocken  sein  wie  das  Thermo- 
meterbrett. 

Durch  Erwärmen  der  Frösche  ist  es  in  der  kalten  Jahreszeit  immer 
möglich,  die  Empfindlichkeit  derselben  so  weit  zu  erhöhen,  daß  sie  in  nor- 
maler Weise  reagieren.  Abkühlung  in  der  heißen  Jahreszeit  erweist  sich 
seltener  als  nötig. 

Soll  eine  Wertbestimmung  von  Digitalisblättern  vorgenommen 
w'erden,  so  vergleicht  man  die  zu  untersuchende  Probe  am  besten  mit  den 
„Fol.  Digital,  titrat."  des  Handels,  die  einen  Valor  von  4'0  besitzen. 
Unter  Verwendung  dieses  Testpräparates  prüft  man  zunächst  die  Reak- 
tionsfähigkeit der  Frösche.  Man  muß  an  den  Tieren  bestimmen,  ob 
die  Normalprobe  den  angegebenen  Xormalwert  besitzt.  Ist  dies  der  Fall, 
so  kann  die  zu  prüfende  Blätterprobe  in  gleicher  Weise  untersucht  wer- 
den. Ergibt  die  Normalprobe  zu  hohe  oder  zu  niedere  Werte,  so  muß  ent- 
sprechend abgekühlt  oder  erwärmt  werden.  Die  Feststellung  der  Normal- 
werte wird  erleichtert  durch  die  Beobachtung  der  Pulsfrequenz  der 
Tiere.  Etwa  40 — 60  Pulsschläge  pro  Minute  sind  das  Pdchtige.  Bei  30  bis 
40  Schlägen  ist  es  erheblich  zu  kühl;  bei  höherer  Frequenz  als  60  ist  es 
zu  warm.  Bei  einiger  Übung  reichen  4 — 5  Frösche  aus  zur  Feststellung 
der  richtigen  Temperatur.  So  lange  dann  die  gleiche  Witterung  andauert, 
braucht  man  nur  jeden  Tag  dasselbe  Temperaturoptimum  im  Zimmer  her- 
stellen und  wird  dann  gleichmäßige  Resultate  erhalten  können.  Sobald  sich 
aber  die  Witterung  ändert,  muß  zur  ^'ermeidung  von  Fehlern  an  der  Nor- 
malprobe aufs  neue  das  Temperaturoptimum  bestimmt  werden.  Damit  stehen 
die  Wertprüfungen  immer  auf  festem  Boden. 

Hat  sich  bei  der  Vorprobe  mit  dem  Testpräparat  eine  Temperatur- 
reguherung  durch  den  Kasten  als  notwendig  erwiesen,  so  wird  dieser  eine 
halbe  Stunde  vor  der  Untersuchung  auf  die  gewünschte  Temperatur  ge- 
bracht. Auf  ihm  befinden  sich  dann  neben  dem  Thermometerbrett  schon 
vier  leere  Froschbretter  und  das  Glas  mit  der  Injektionsflüssigkeit. 

Der  Frosch  wird  an  den  Beinen  mit  vier  Schlingen  aus  dicken  Baum- 
wollfäden versehen,  welche  dann  durch  Einschnitte  des  Froschbrettes  gezogen 
werden  (Fig.  10  und  Fig.  34.  Hier  ist  ein  kleineres  Froschbrett,  als  im 
Texte  angegeben,  aufgezeichnet).  Zwischen  den  Armen  beginnend,  schneidet 
man  einen  kleinen  Hautlappen  nach  unten  hin  ab  (Fig.  34),  erfaßt  dann 
von  der  Seite  her  den  unteren  knorpeligen  Teil  des  Brustbeins  (Fig.  45  c) 
mit  der  Pinzette,  geht  mit  stumpfem  Scherenblatt  hier  ein  und  schneidet 
dann  nach  oben  hin  eine  kleine  viereckige  Öffnung.  Man  erblickt  das 
pulsierende  Herz  nur  zum  kleinen  Teil.  Namentlich  der  Herzventrikel  liegt 
tiefer  unten.  Man  schneidet  nunmehr  den  feinen  Herzbeutel  der  Länge 
nach  auf  und  drückt  dann  leicht  auf  den  Unterleib  in  der  Ventrikelgegend. 
Der  \'entrikel   wird    dadurch    herausgepreßt    und    liegt    nun    frei,   wie  in 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biolofrischem  Wege. 


71 


Fig.  34  (largostellt.  Die  Lücke  darf  nur  so  groß  sein ,  dal)  gerade  der 
Ventrikel  herausgedrückt  \verden  kann.  Ist  die  (')ffninig  «rrölier,  so  wird 
leicht  hei  Bewegungen  des  Tieres  die  Leber  herausgedrängt,  was  verniied«'n 
werden  muli  In  der  angegebenen  Weise  werden  zuniichst  zwei  Frösche 
präpariert.  Da  man  zur  Bemessung  der  Dosis  das  Frosch^n'wicht  kennen 
muß,  so  >Yird  das  Froschbiett  samt  dem  Tier  gewogen  und  das  vorher 
bekannte    Gewicht    des   Brettes 

abgezogen.    Das    Froschgewicht  Fig.  34. 

wird  notiert.  Nach  dem  AViegen 
wird  das  Brett  mit  dem  Tier 
sofort  wieder  auf  den  Kasten 
gelegt,  damit  es  im  ganzen  etwa 
V4  Stunde  lang  von  unten  die- 
jenige Temperatur  erhält,  die 
das  Brettchenthermometer  zeigt. 
Dabei  wird  das  Herz  nach  Rhyth- 
mus und  Schlagzahl  beobachtet. 
Ein  Tier,  welches  (z.B.  im  Fe- 
bruar, März)  ein  schlaff  de- 
generiertes, auch  nach  einigem 
Warten  allzu  träge  arbeitendes 
Herz  besitzt,  wird  durch  ein 
neues  ersetzt.  Wenn  aber  die 
Herztätigkeit,  wie  doch  meistens 
der  Fall,  gut  ist,  so  erhalten 
die  beiden  ersten  Tiere  ihi-e 
Injektion.  Die  Spritze  wird  mit 
der  zu  untersuchenden  Lösung 
einmal  durchgespritzt;  dann  wird 
das  bestimmte  Quantum  so  ver- 
teilt, daß  der  eine  Oberschenkel 
rasch  ungefähr  die  Hälfte ,  der 
andere  den  Rest  erhält.  Hierzu 
wird  die  möglichst  fein  zuge- 
schliffene Spitze  der  dünnen 
Nadel  der  Injektionsspritze  etwas 
unterhalb  des  Knies  in  den  L'n- 
terschenkellymphsack  eingesto- 
chen und  von  da  aus  vorsichtig, 

dicht  unter  der  Haut,  nach  dem  Oberschenkellymphsack  vorgeführt  bis 
etwa  in  seine  Mitte.  Die  Injektion  darf  nicht  in  die  Muskulatur,  sondern 
nur  in  den  Lymphsack  vorgenommen  werden.  Bei  \'erwen(hmg  einer  l'einin 
Nadel  und  Einführung  vom  rnterschenkeliyniphsack  aus  ist  ein  Austheln-n 
der  Flüssigkeit  aus  der  Einstichstelle  so  gut  wie  ausireschlossen.  Nach  der 
Injektion  wiid  die  Nadel  rasch  zurückgezogen  und  sofort  auf  der  (lanel)en 


Rana  fusrn.   I'reilegung  des  HvrzpDR. 


rl 


H.  Fühner. 


liegenden  Uhr  die  Zeit  der  Injektion  festgestellt.  Focke  empfiehlt,  dann 
aus  einer  kleinen,  in  einem  Glase  Wasser  stehenden  Pipette,  je  einen 
Tropfen  auf  die  Kehle,  das  Herz  und  den  Oberschenkel  des  Tieres  zu 
träufeln  und  jeden  Oberschenkel  sogleich  zwischen  zwei  Fingerkuppen 
einige  Male  sanft  nach  der  Leistengegend  hin  zu  massieren.  Nunmehr 
kommt  das  Brett  mit  dem  Frosche  wieder  an  seinen  Platz  und  die  Injek- 
tionszeit wird  notiert.  Während  man  auf  die  Wirkung  bei  den  ersten 
Tieren  wartet,  präpariert  man  die  beiden  folgenden.  Sobald  bei  einem  Tiere 
der  Kamm ers tillstand  eingetreten  und  notiert  ist,  wird  wieder  ein  trockenes 
Brettchen  auf  den  Kasten  gelegt,  das  Tier  aber  durch  Zerstörung  von  Ge- 
hirn und  Piückenmark  getötet  und  zur  eventeUen  Berichtigung  des  ersten 
Gewichtes  ohne  das  Froschbrett  gewogen.  (Dabei  wird  natürlich  die  inji- 
zierte Dosis  mitgewogen  und  abgezogen.  Die  aufgeträufelten  Wassertropfen 
bleiben  außer  Betracht;  mindestens  ebensoviel  Flüssigkeit  hat  das  Brett- 
chen aufgenommen.) 


Nr. 


Temperatur 


g  ü  " 


S    3 


B   eö   ,■   'S 


X 


a 
e  »  s 


des 
Brett- 
chens 


Kana    fusca. 


Quelle  und 

Datum  des 

Bezuges 


Ge- 
schlecht 


Gewicht 


Präparat 


Injizierte 
Flüssigkeits- 

nienge 

relativ  zum 

Froschgewicht 


Dosis 


d 


Injektion 


Uhr 


C  o   r 


Stillstand 


Uhr 


also  Zeit 


Durch- 
schnitt 


^'^1°^-  (=  d^) 


Bemerkungen 


Ein  übersichtliches  Protokoll  ist  durchaus  nötig.  Focke  verwendet  das 
vorstehende  Formular.  In  die  Kolumne  „Cor"  trägt  man  die  Schlag- 
zahlen kurz  vor  der  Injektion  ein.  auch  nach  Belieben  z.  B.  den  Beginn 
der  ,,Herzperistaltik".  Die  übrigen  Pveihen  verstehen  sich  nach  dem  bisher 
Gesagten  von  selbst. 

Die  zu  prüfenden  Lösungen  werden  nach  Focke  in  folgender  Weise 
hergestellt : 

a)  Das  Blatt  er  infus.  Wenn  man  nicht  sicher  weiß,  daß  das  Blätter- 
pulver scharf  getrocknet  war,  so  wird  es  zuerst  bei  60 — 80"  mäßig  aus- 
gebreitet eine  halbe  Stunde  lang  nachgetrocknet.   Darauf  gibt  man  2  g  in 


Nachweis  und  Bestiinuiuug  von  (Jiften  auf  liiolopischom  Wo'jp.  "j;^ 

einen  kleinen  rorzellansallientopf.  der  in  rin  <iTöl,jeres  Oefäli  gestellt  wird. 
In  letzteres  wird  soviel  kochendes  Wasser  ge^^ossen.  dali  es  bis  zur  hallirn 
Hcihe  des  rorzellantöpfchens  reicht.  Dann  werden  in  einem  weiten  Kcagenz- 
glase  knapp  24  ciu'-^  Wasser  mit  einem  Znsatz  von  s  Tropfen  einer  r)"  ^igen 
wässerigen  Sodalösung  gekocht  und  dieses  schwach  alkalische  Wasser  ko- 
chend auf  das  Pulver  geschüttet.  Man  rührt  mit  einem  (ilasstai)e  schnell 
einige  Male  um,  so  dal)  alle  Klümpchen  verschwinden,  legt  den  Deckel  fest 
auf  und  läßt  20  Minuten  ziehen.  Nunmehr  wird  durch  ein  Läppchen  von 
altem  feinen  Taschentnchleinen  in  ein  l{eagenzrolir  filtriert,  wobei  das 
Läppchen  möglichst  kräftig  ausgeprelit  wird.  Man  erhält  fast  20c/y/^  Kil- 
trat:  bis  zu  diesem  Quantum,  welches  am  IJeagenzglase  markiert  ist.  wird 
mit  Wasser  durch  eine  l'ipette  nacligefüllt,  so  dali  stets  ein  10''  oii-^«'^  Lifiis 
entsteht.  Das  Filtrat  ist  immer  trübe:  das  stört  die  rntersuchung  nicht. 
Sollte  die  Trübung  einmal  gar  zu  erheblich  aussehen,  so  darf  das  fertige 
Infus  noch  durch  ein  zweites  Läppchen  gepreßt  werden:  aber  dann  wird 
natürlich  nicht  noch  einmal  bis  zu  20  cin^  ergänzt.  Keinesfalls  darf  durch 
Papier  nachfiltriert  werden,  da  ein  wechsehider  Teil  der  wirksamen  Sub- 
stanzen durch  dasselbe  zurückgehalten  wird.  Das  Infus  wird  vor  Sonnen- 
licht geschützt  gehalten  und  spätestens  einige  Stunden  nach  der  Herstel- 
lung untersucht.  Wenn  die  ersten  zwei  Versuche  ergeben,  daß  die  Probe 
ausnahmsweise  vermuthch  einen  Wert  unter  ;Vb  hat.  .so  werden  löcmsdes 
Infuses  in  einem  Schälchen,  welches  in  einem  schwach  kochenden  Wasser- 
bade steht,  unter  großer  Vorsicht  auf  10  c;y^«  eingedunstet.  Die  von  diesem 
löVois'Pii  Infuse  gegebenen  Dosen  werden  dann  auf  die  des  lO^-oig'^'i 
umgerechnet.  Bei  diesem  schwachen  Eindunsten  geht,  nach  Fockes  Kontroll- 
versuchen, nichts  von  der  Wirkung  verloren.  Pei  Proben  mit  einem  Wert 
unter  2-5,  welche  aber  bei  Blättern  frischer  Ernte  kaum  vorkommen,  wird 
ein  207oises  Infus  neu  hergestellt. 

/>)  Tinct.  Digitalis  und  andere  alkoholhaltige  Digitalis- 
präparate. Hier  wird  der  Alkohol  durch  vorsichtiges  Einengen  auf  dem 
Wasserbade  zum  größten  Teile  entfernt  und  der  Rückstand  mit  Was.ser 
aufgenommen.  Bei  Tiuct.  St  lopli.nithi  ist  ein  Entfernen  des  Alkohols  nicht 
nötig;  an  dessen  Stelle  tritt  die  Wasserverdüunimg.  auf  deren  (Jrad  viel 
ankommt.  Wenn  man  mit  der  normalen  Tinct.  Stroplianthi  (Komln^)  den 
Valor  100  erzielen  will,  wie  ihn  durchschnittlich  diese  Tinktur  besitzt,  .so 
verdünnt  man  l  mt^  mit  19  c/^/MVasser.  Der(M-ad  der  Verdünnung  ist  in 
diesem  Falle  nach  Fockc  von  beträchtlichem   Einfluß  auf  das  Kesultat. 

c)  Trockene  Präparate  der  Digitalisgrup|)e  werden  zu  ihrei-  Prü- 
fung zuerst  in  demjenigen  Stärkeverhältnis  wässerig  gelöst,  das  vermutlich 
ihrem  Vorhandensein  im  lOo/oiri'«"'»  Atifguß  der  Mutterdroge  entspricht:  bei 
der  Prüfimg  wird  die  Lösung  nach  Bedarf  konzentrierter  genonnnen.  Ist 
das  Pulver  nur  (oder  fast  nini  alkohollöslich,  .so  wird  zuerst  eine  starke 
alkoholische  Lösung  hergestellt,  dann  diese  allmählich  unter  langsamem 
Bührcn.  damit  das  (ielöste  nicht  ausfällt,  mit  Wa.s.ser  !)is  zur  gewün.'^chten 
Verdünnung  gemischt.  .Mehr  als  10<>/o  Alkohol  sollte  darin  nicht  verbleiben. 


74  H-  Fühner. 

Neben  der  beschriebenen,  von  Focke  sehr  genau  ausgearbeiteten  Me- 
thode, welche  bei  genügender  Vertrautheit  mit  derselben  sicher  brauchbare 
Werte  bei  der  Prüfung  der  Digitalisprodukte  ergibt,  existieren  noch  andere 
Prüfungsmethoden  am  Frosche,  von  denen  einige  hier  kurz  beschrieben 
seien.  Eine  Zusammenstellung  und  Kritik  derselben  findet  sich  bei  Ch.  W. 
Edmunds  and  Worth  Haie  \)  und  bei  Focke.  2) 

Während  bei  Focke  den  Hauptfaktor  für  die  Wertbestimmung  der 
Digitalispräparate  die  Zeit  darstellt,  welche  von  der  Injektion  bis  zum 
Herzstillstand  vergeht,  bestimmt  Gottiieh^)  die  kleinste  Menge,  welche 
innerhalb  30  bis  höchstens  45  Minuten  den  Stillstand  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  bei  Verwendung  gleichgroßer  Grasfrösche  (von  etwa  oO  g)  herbei- 
führt. Man  kann  diese  kleinste  Dose  als  „Einheit^'  bezeichnen  und  die 
Wertigkeit  nach  der  Zahl  solcher  Einheiten  pro  Gramm  Präparat  aus- 
drücken. Das  frisch  bereitete  Infus  eines  gut  wirksamen  Digitalispulvers 
muß  demnach  mindestens  40 — 50  Einheiten  auf  1  g  der  angewandten 
Blätter  enthalten.  Bei  den  stärksten  Blättersorten  entspricht  das  frisch  be- 
reitete Infus  von  1  g  aber  mitunter  bis  120  Einheiten. 

x\bweichend  hiervon  bestimmt  E.  M.  Houghton  *)  am  Frosche  die 
minimal  tödliche  Dose  der  Digitalispräparate,  d.h.  die  Menge,  welche 
im  Verlaufe  von  12  Stunden  bei  Injektion  in  den  Brustlvmphsack  des  nicht 
operierten  Frosches  den  Tod  des  Tieres  herbeiführt.  Die  Ausführung  er- 
folgt in  der  Weise,  daß  von  zwei  Gruppen  von  Fröschen,  welche  alle 
möglichst  dasselbe  Gewicht  haben,  die  eine  mit  einer  Testlösung,  die 
andere  mit  der  zu  prüfenden  Lösung  in  gleichen  Konzentrationen  injiziert 
wird.  Die  Dosen  bilden  eine  Reihe  von  geringerer  bis  zu  größerer  Stärke, 
aber  bei  der  einen  Froschgruppe  genau  ebenso  wie  bei  der  anderen.  Nach 
12  Stunden  wird  bei  jeder  Gruppe  die  Zahl  der  Toten  notiert.  Zu  jeder 
Prüfung  ist  natürlich  eine  mehrfache  Wiederholung  mit  enger  werdenden 
Dosengrenzen  erforderlich,  so  daß  gewöhnlich  vier  Tage  für  eine  Prüfung 
nötig  sind.  Allerdings  können  mehrere  Proben  gleichzeitig  untersucht  wer- 
den. Diese  Methode  ist  von  allen  sicher  die  einfachste  und  be(|uemste,  hat 
aber  den  Nachteil,  daß  man  zu  ihrer  Ausführung  viel  mehr  Frösche  braucht, 
als  bei  den  erstgenannten. 

Die  Wertbestimmung  der  Digitalisprodukte  unter  Verwendung  des 
isolierten    Froschherzens,    welche    Schmiedeherg '">)    der    Prüfung    am 


')  Ch.  W.  Edmunds  and  W.  Haie,  Tlie  physiological  Standartizatioii  of  Digitalis. 
Washington.  Hygienic  Laboiatory.  Bulletin  Nr.  48.  December  1908. 

'^)  C.  Focke,  Betrachtung  der  neuen  in-  und  ausländischen  Arbeiten  über  die 
Digitalisprüfung.  Arch.  d.  Pharmazie.  Bd.  248.  S.  365  (1010). 

^)  R.  Goftlieb,  tfber  die  physiologische  Wertbestimmuug  von  Arzneimitteln.  Mün- 
chener med.  Wocheuschr.,  1908.  Xr.  24.  —  R.  Gottlieh  und  R.  Tambach,  Über  Digi- 
puratum.  Ibid.  1911.  Nr.  1.  S.U. 

^)  E.  M.  Houghton  zitiert  nach  Focke,  1.  c. 

^)  0.  Schmiedehercj ,  Untersuchungen  über  die  Bestimmung  des  pharmakologischen 
Wirkungswertes    der    getrockneten    Blätter    von  Digitalis    purpurea.    Archiv  f.  experim 
Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  62.  S.  305  (1910). 


Nachweis  iiinl  Bestimmung  von  (iiften  auf  liiologiscliem  Wctre.  75 

ganzen  Frosche  vorzieht  und  von  welcher  Straub^)  vermutet,  dal»  sie 
leistungsfähiger  sein  wird,  namentlich  zur  Bestimmung  absoluter  Werte, 
ist  auf  ihre  Brauchbarkeit  bisher  noch  nicht  geniigcnd  untersucht  worden. 

11.  Der  Nachweis  von  Aconitin. 

\'on  den  verschiedenen  in  Aconitum-  und  Delphiniumarten  sich 
findenden  Alkaloiden  besitzt  namentlich  das  Aconit  in  aus  Aconitum 
Napellus  toxikologische  Bedeutung.  In  dieser  Pflanze  ist  neben  einem 
kristallinischen  ein  amorphes  ,.Aconitin-  enthalten.  Ersteres  ist 
giftiger  und  für  den  toxikologischen  Nachweis  wichtiger  als  das  amorphe 
Produkt,  das  aber  dieselbe  charakteristische  Wirkung  wie  das  kristallinische 
Produkt  aufweist. 

Wie  für  den  Menschen  und  die  höheren  Wirbeltiere  ist  auch  für  <len 
Frosch  das  Aconitin  auljerordentlich  giftig,  was  für  den  toxikologischen 
Nachweis  des  Produktes  von  Bedeutung  ist,  da  sich  bei  Vergiftungen  meist 
nur  kleine  Mengen  wirksamer  Substanz  finden. 

Selbst  Mengen  von  1  1000  721^  des  salz  sauren  kristallinischen 
Aconitins  (Merck)  sind  am  Frosche  nicht  unwirksam.  Injiziert  man 
kleinen  W^asserfröschen  (30 r/)  diese  Menge  in  den  Brustlymphsack,  so 
treten  im  Verlauf  der  nächsten  Stunden  Lähnuingserscheinungen  auf,  welche 
etwa  zwei  Tage  anhalten  und  durch  leichte  Ermü(li)arkeit  des  Frosches 
gekennzeichnet  sind.  Das  vergiftete  Tier  dreht  sich  mehrei-e  Male  gut  aus 
der  Kückenlage  um,  erschlafft  dann  aber  völlig  und  erträgt  längere  /eir 
Pkückenlage. 

1/100/22^"  hat  schon  die  charakteristische  und  für  den  toxikologischen 
Nachweis  verwertbare  Herzwirkung.  Bei  einiger  Cbung  lälit  sich  diese 
Wirkung  am  unverletzten  Frosche  durch  die  Brustwand  hindurch  erkennen. 
Es  ist  aber  vorzuziehen,  das  Herz  in  der  beim  Nachweis  von  Substanzen 
mit  Digitalinwirkung  angegebeneu  Weise  freizulegen,  um  die  Erscheinung, 
die  hier  erst  deutlich  verfolgt  werden  kann,  zu  beobachten  oder  besser 
gleich  graphisch  zu  registrieren.  Man  kann ,  am  besten  wieder  am  narkoti- 
sierten Frosche,  hier  genau  dieselben  Kurven  erhalten,  wie  sie  beim  \'er- 
suche  am  isolierten  Herzen  (s.  d.)  wiedergegeben  sind. 

BoeJun-)  unterscheidet  als  Aconitinwirkung  folgende  drei  am  frei- 
gelegten Herzen  zu  beobachtende  Stadien:  1.  ein  Stadium  der  Beschleuni- 
gung der  Herzschläge:  2.  ein  Stadium  der  Herzkrämpfe:  H.  ein  Stadium 
des  Herzstillstandes.  \'on  diesen  drei  Stadien  ist  dasjenige  der  ..llerz- 
krämpfe".  die  heute  meist  als  „Herzperistaltik"  bezeichnet  werden, 
dem  Aconitin  besonders  eigentündich  und  für  den  Nachweis  verwertbar. 
Die  Erscheinung  beginnt  an  den  \'orhöfen  und  geht  dann  auf  den  Ven- 
trikel über.    Auf  dem  Höhepunkt  der  Peristaltik  entleert  das  Herz  .seinen 


')   W.  Sfraid),  Quantitative  T'ntcrsucliuniron  über  den  C'liomismus  der  Strophantliin- 
wiikung.  Biochem.  Zeitsclir    Bd.  2S.  S.  4(l7  (liHU). 

-)  Ji.  lioihni,  Studien  über  Ilerzgifte.  Würzliurg  1871.  S.  2t> 


76 


H.  Fühner. 


Fig.  35. 


Inhalt  so  gut  wie  gar  nicht,  sondern  derselbe  wird  unter  wurmförmigen 
Bewegungen  der  Herzwand  im  Herzen  hin  und  her  geschoben.  Der  Ventrikel 
bekommt  hierbei  ein  eigentümlich  fleckiges  Aussehen:  Dunkle  vorgewölbte 
Stellen  wechseln  mit  hellen  kontrahierten  ab,  so  daß  ein  Bild  entsteht,  das 
festzuhalten  in  Fig.  35  versucht  worden  ist.  Kohert  i)  spricht  nicht  unpassend 
von  einer  „Maulbeerform"  des  Herzens.  Je  nach  der  Aconitindose  und 
dem  Zustande  der  Frösche  geht  diese  Erscheinung  rascher  oder  langsamer 
wieder  in  eine  regelmäßige  Herztätigkeit  über,  welche  aber  bedeutend  ver- 
langsamt ist  und  bei  welcher  der  Vorhof  viel  häufiger  als  der  Ventrikel 
pulsiert.  Auf  das  Stadium  der  langsamen  Pulse  folgt,  wenigstens  bei 
größeren  Dosen  als  Vioo^'^^/i  Stillstand  des  Herzens  in  Diastole. 

Bei  dieser  Dose  von  Vioo  i^W  salzsaurem  kristallinischen  Aconitin 
beobachtet  man  an  den  Fröschen,  namenthch  in  der  Nähe  der  Injektionsstelle, 
ausgeprägte  fibrilläre  Zuckungen,  wie  nach  Guanidininjektion.  Die  Erschei- 
nung geht   in   etwa  einer  Stunde  vorüber.    Nach    dieser  Zeit    erträgt  der 

Frosch  dauernd  Rückenlage  und 
wird  schließlich  völlig  reflexlos.  Hält 
man  das  Tier  in  etwas  Wasser,  so 
erholt  es  sich  von  der  curarin- 
artigen  Lähmung  in  einigen  Tagen 
wieder. 

1/10  222^.  Hier  ist  der  Ver- 
lauf der  Vergiftung  ein  rascherer. 
Die  Peristaltik  dauert  meist  nur 
kurze  Zeit  an  und  nach  etwa  einer 
Stunde  steht  das  Herz  dauernd  in 
Diastole  still.  Der  Frosch  erholt 
sich  nicht  wieder. 
Bemerkenswert  ist  noch  als  Erscheinung  an  Fröschen  nach  Injektion 
wirksamer  Aconitindosen  eine  starke  Sekretion  der  Haut  und  im  Zusammen- 
hang mit  der  schlechten  Herztätigkeit  häufiges  Aufsperren  des  Maules. 
Von  Lahorde  und  Duquesnel^)  ist  zum  biologischen  Nachweis  des 
Aconitins  die  graphische  Registrierung  der  Herzkurve,  welche  sie  am 
ganzen  Frosch  aufnahmen,  empfohlen  worden.  Demgegenüber  ist  zu  be- 
merken, daß  nicht  gerade  selten  die  charakteristische  Herzperistaltik  nach 
Injektion  von  Aconitin  oder  aconitinhaltigen  Extrakten  am  ganzen  Frosche 
vermißt  wird,  und  daß  dieser  Nachweis  darum  ein  unzuverlässiger 
ist.  Hingegen  lassen  sich  am  isolierten  Herzen  (s.  d.)  noch  kleinste 
Mengen  Aconitin  mit  Sicherheit  nachweisen  (Fühner). 

Das  dem  Aconitin  nahestehende  Delphinin  bringt  ähnliche  Erschei- 


Aconitinwirkimg  am  Herzen. 


nungen  am  Herzen   hervor 


wie  ersteres,   hat   aber  toxikologisch 


nur  ge- 


^)  (Kohert)  Kako/rski^    Über  den  direkten  Einfluß  verschiedener  Substanzen  auf 
das  Herz.  Arch.  internation.  de  Pharmacodyn.  et  de  Therapie.  T.  15.  p.  lOG  (1905). 

^)  J.V.Laborde  et  H.Dtiquesnel,  Des  Aconits  et  de  l'Aconitine.  Paris  1883.  p.  267. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  (iiften  auf  biologischem  Wege. 


I  I 


ringe  Hcdciitung.  \'oii  den  Digitalisprodnkton ,  wcldie  g'h'ichfulls  iVri- 
staltik  iW<,  Froschherzens  hervorrufen,  unterscheidet  sich  die  Aconitin- 
peristcaltik  durch  viel  längere  Dauer  und  den  Ihergang  in  diastoHschen 
Stillstand  des  Herzens  im  Gegensatz  zum  systolischen  Stillstand  hei  den 
Digitalisprodukten. 

12.  Der  Nachweis  von  Muscarin. 

Das  reine  Muscarin,  der  wirksame  Bestandteil  des  Fliegenpilzes, 
besitzt  keine  forensisch-toxikologische  Iledeutung.  Bei  Vergiftungen  mit 
Fliegenpilzen  wird  die  Diagnose  immer  am  leichtesten  auf  botanisch- 
mikroskopischem  Wege  zu  stellen  sein.  Wichtig  ist  aber  die  Kenntnis  der 
charakteristischen  Herzwirkung  des  Muscarins  am  Froschherzen,  da  beim 
Faulen  von  Eiweilistoffen  Produkte  mit  Muscarinwirkung  entstehen  können 
(Brieger^),  da  solche  im  normalen  Harn  vorkommen  iHarnisen^),  Fühncr^) 
und  durch  Oxydation  von  Cholin  erhalten  werden  (=  künstliches  Mus- 
carin von  Schmiedeherg  und  Haniack*). 

Das  Muscarin  ruft,  wie  z.  B.  die  Kalisalze,  am  Froschherzen  dia- 
stolischen Stillstand  hervor,  welcher  aber  nach  Schtnicdchcrg^')  da- 
durch ausgezeichnet  ist,  daß  er  durch  A tropin  aufgehoben  wird,  wie  er 
auch  am  atropinisierten  Herzen  nicht  mehr  auftritt. 

Zur  Verfolgung  der  Erscheinung  am  Frosche  ist  Freilegung  des 
Herzens  erforderlich  (vgl.  darüber  die  Angaben  beim  Nachweis  von  Sub- 
stanzen mit  Digitalinwirkung).  Man  injiziert  dem  auf  dem  Froschbrett  auf- 
gebundenen Tiere  die  zu  prüfende  Lösung  in  den  Oberschenkellymphsack 
und  beobachtet  die  Herztätigkeit.  Während  beim  systolischen  Stillstand, 
hervorgerufen  durch  Substanzen  mit  Digitalinwirkung,  der  Ventrikel  des 
Herzens  infolge  maximaler  Kontraktion  blaß  erscheint,  ist  er  hier,  im 
diastolischen  Stillstand,  bei  maximaler  Füllung  dunkel.  Mechanische  Reizung 
löst  noch  Einzelpulse  aus.  Gibt  man  auf  den  stillstehenden  Ventrikel  einen 
Tropfen  einer  halbprozentigen  oder  auch  schwächeren  Lösung  von  Atropin- 
sulfat,  so  treten  schon  sehr  rasch  wieder  regelmäßige  Herzpulse  auf  und 
bald  erscheint  die  Herztätigkeit  normal  wie  zuvor.  Bei  graphischer  Regi- 
strierung der  Herztätigkeit  des  narkotisierten  Frosches  kann  man  nach 
Muscarinvergiftung  beobachten,  daß  beim  Schwächerwerden  der  l'ulse  die 
Kurve,  welche  der  Schreibhebel  aufzeichnet,  nicht  mehr  vollständig  zur 
Abszisse    absinkt,    so    daß   systolische  Wirkung,   wie    bei  Digitaliskörpern. 

»)  L.  Brieger,  tlber  Ptomaine.  Berlin  1885.  S.  48. 

-)  E.  Harmsen,  Zur  Toxikologie  des  Fliegenschwamraes.  Archiv  f.  experim.  l'athol. 
u.  Pharmakol.  Bd.  50.  S.  449  (1903). 

')  //.  Kühner,  Cher  chis  Verhalten  des  synthetischen  Muscarins  im  Tierkurper. 
Archiv  f.  experim.  Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  (>1.  S.  L'Sf)  (19Ü9). 

*)  0.  Schmiedcbet-g  und  K.  Harnack,  t)her  die  Synthese  des  Muscarins  und  über 
muscarinartiu'  wirkende  Amniniiiund>;is(Mi.  Archiv  f.  experim.  l'athid.  u.  IMiarmakol.  Bd.  6. 
S.  101  (1«77). 

•')  0.  Schmiedeberg  und  /.'.  Koppe,  Das  Muscarin ,  das  giftige  Alkahdd  de8 
Fliegenpilzes.  Leipzig  1869.  S.  29. 


78  H.  Fühner. 

vorgetäuscht  wird.  Jedenfalls  gelingt  es  am  isolierten  Herzen  (s.  d.) 
viel  besser,  den  charakteristischen  diastolischen  Herzstillstand  durch 
Muscarin  aufzuzeichnen  als  am  Herzen  in  situ,  ^Yenn  auch  hier  durch 
Atropin  die  Muscarinwirkung  als  solche  gekennzeichnet  werden  kann. 

Bei  der  schwierigen  Zugänglichkeit  des  reinen  natürlichen  Muscarins 
haben  Angaben  über  dessen  Wirkungsstärke  am  Frosche  keine  praktische 
Bedeutung.  Vom  künstlichen  durch  Oxydation  von  Cholin  hergestellten 
Produkte  ist  05 — liiig  für  kleine  Wasserfrösche  die  mittlere  tödUche 
Dose,  Der  Tod  erfolgt  nach  vorausgehendem  Herzstillstand  durch  allmäh- 
liche Erstickung  des  Tieres.  Doch  können  sich  Tiere  auch  von  größeren 
Muscarindosen  wieder  erholen.  Bemerkenswert  ist  die  außerordentlich 
wechselnde  Resistenz  der  Frösche  nach  Jahreszeit  und  Individuum 
gegenüber  der  Muscarinherzwirkung.  Genaueres  über  diese  Differenzen  ist 
bei  der  Prüfung  am  isolierten  Herzen  angegeben. 

C.  Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  an  isolierten  Organen. 

a)  Prüfungen  am  Skelettmuskel. 

r)er  isolierte  Skelettmuskel  des  Frosches  läßt  sich  zur  Charakteri- 
sierung mehrerer  Gifte  verwenden,  deren  Nachweis  hier  zu  besprechen  ist. 

Herstellung  des  Präparates.  Als  Muskel  wird  am  besten  der 
leicht  zu  präparierende  Wadenmuskel,  Musculus  gastrocnemius,  des 
Frosches  gebraucht.  Zu  dessen  Gewinnung  wird  der  Frosch  mit  einem 
Scherenschlag  geköpft  und  dem  Tier  darauf  durch  Einführung  einer 
stumpfen  Nadel  (Stricknadel)  in  den  Wirbelkanal  das  Rückenmark  zer- 
stört. Hierbei  bekommt  der  Frosch  einen  Streckkrampf  (Tetanus)  und 
entleert  den  Inhalt  der  Harnblase.  Bei  Kaltfröschen  hält  der  Streck- 
krampf längere  Zeit  an.  Neben  diesem  Krampf  beobachtet  man  häufig 
Zuckungen  einzelner  Muskelpartien.  Man  erfaßt  den  Frosch  an  den  Hinter- 
beinen, eröffnet  mit  einem  breiten  Scherenschnitt  die  Bauchhöhle,  ent- 
fernt deren  Inhalt  und  schneidet  dann  das  Tier  in  der  Mitte  quer  durch 
über  die  Wirbelsäule.  Von  der  zurückbleibenden  hinteren  Körperhälfte 
erfaßt  man  die  über  dem  Rücken  abstehende  Haut  zwischen  Daumen 
und  Zeigefinger  der  einen ,  die  Wirbelsäule  ebenso  mit  der  anderen  Hand 
und  zieht  die  Haut  über  Hinterkörper  und  Schenkel  ab.  Beim  Erfassen 
von  Haut  und  Wirbelsäule  zwischen  Daumen  und  Zeigefinger  nimmt  man 
zweckmäßig  ein  Handtuch  zu  Hilfe.  Das  abgehäutete  Froschhinterteil  spaltet 
man  oben  im  Becken  in  zwei  Hälften.  Die  eine  bewahrt  man  bis  zur  Ver- 
wendung in  einer  feuchten  Kammer  (Petrischale  mit  einigen  Tropfen  Ringer- 
lösung) auf,  von  der  anderen  wird  der  Musculus  gastrocnemius  präpariert. 
Die  Muskelpräparation  geschieht  am  besten  auf  einer  dicken  Glasplatte. 
Zur  Präparation  müssen  die  Instrumente  sowie  die  Glasplatte  rein  sein 
(kein  Hautsekret !).  Der  Musculus  gastrocnemius  geht  unten  in  eine  starke 
weiße  Sehne,  die  Achillessehne,  über.  Zur  Isolierung  des  Muskels 
schneidet  man  die  Sehne  unterhalb  der  Ferse  durch ,  erfaßt  sie  mit  einer 


Nachweis  und  IJestimimmg  von  Gifteu  auf  liiologisclicm  Wege. 


79 


Pinzette  und  präpariert  den  Muskel  bis  an  seinen  Ansatz  in  der  Knie- 
gegend frei.  Den  Muskel  mit  der  einen  Hand  iniiner  veiinittcist  der  l'in- 
zette  an  der  Achillessehne  haltend  und  hochzichcnd .  durchschneidet  man 
zunächst  unterhall)  des  Knicizelcnks  den  Unterschenkel  und  dann  olicrhalh 
den  Oberschenkel  und  hat  nunmehr  ein  Präparat  des  isolierten  Muskels,  wie 
aus  Fig.  36 -B  ersichtlich  ist. 


Fig. 30. 


Versnchsanordnung  zara  Einhängen  des  Muskels  in  Li^songen. 

Will  man  lediglich  feststellen,  oh  irgend  eine  zu  untei-suchendc  Lö- 
sung den  Muskel  chemisch  reizt,  so  dall  Kontraktionen  desselben  ausgelöst 
werden,  so  kann  er  ohne  die  Knochenteile  präpariert  und  direkt  an  seiner 
Insertionsstelle  am  Oberschenkelknochen  abgeschnitten  werden.  .Man  legt 
ihn  dann  zunächst  in  eine  Schale  mit  etwa  ;}0  cm' ..I!  ingerlösung'M  und 

')  Die  froschisotonische  nach  S.  liittqer  hergestellt«'  Losung  hat  foI»?enile  Zu- 
sammensetzung: Natriumhicarl>oiiat  Ol  //.  trockenes  talciunichloiid  Ol  y.  KaliMmchlori«! 
0075  r/,  Natriumchlorid  ()0//.  destilliertes  NVasser  1/.  Das  NatriuuihicarlM.nat  muß  im 
destillierten  Wasser  erst  vollständig  gelöst  sein,  bevor  das  C'alciumchlorid  zugesetzt  wird. 


80  H.  Fühner. 

beobachtet,  ob  derselbe  hier  ruhig  bleibt.  (In  O'TVoig^i'  sogenannter  ..phy- 
siologischer Kochsalzlösung''  können  Zuckungen  auftreten,  welche 
durch  Zusatz  von  Calciumchlorid  unterdrückt  werden.)  Ist  dies  der  Fall, 
so  verbringt  man  den  Muskel  nach  etwa  1/2  Stunde  in  die  zu  prüfende 
Lösung.  Zur  graphischen  Kegistrierung  der  hier  auftretenden  Zuckungen 
dient  die  in  Fig.  36  wiedergegebene  \'ersuchsanordnung. 

Zur  Fixierung  am  Schreibhebel  wird  der  Muskel  nach  Durchbohrung 
der  an  seinem  oberen  Ende  noch  vorhandenen  Sehnen-  und  Knochenteile 
(mit  der  Scherenspitze  oder  einer  Ahle)  mit  einem  etwa  10  cm  langen 
Draht  versehen,  dessen  freies  Ende  umgebogen  wird,  zum  Einhängen  in 
eines  der  Löcher  des  Schreibhebels.  In  die  Achillessehne  wird  ein  kleiner 
Haken  eingebohrt,  was  am  besten  gelingt  beim  Auflegen  der  Sehne  auf 
ein  Korkstückchen.  Dieser  Haken  wird  an  einem  starken  mehrfach  ge- 
bogenen Draht  (Fig.  36  A  und  B)  befestigt ,  der  oben  ein  Stück  Hart- 
gummi trägt,  zum  Einklemmen  im  Stativ.  Die  den  Schreibhebel  tragende 
Muffe  wird  in  der  Höhe  so  eingestellt,  daß  der  Schreibhebel  horizontal 
steht.  Bis  zur  Yerbringung  in  die  zu  prüfende  Giftlösung  wird  der 
Muskel  in  Ringerlösung  eingesenkt,  und  zwar  so  tief,  daß  er  völlig  von 
Flüssigkeit  bedeckt  ist.  Zum  Einsenken  dient  ein  zweites  Stativ  mit  Zahn- 
stange und  Trieb,  welches  eine  kleine  horizontale  Holzplatte  trägt,  auf  die 
ein  die  Ringerlösung  enthaltender  Zylinder  gestellt  wird.  Je  nach  der  Weite 
des  Zyhnders  sind  10 — 20  cni^  Flüssigkeit  nötig,  um  den  Muskel  völlig  in 
die  Lösung  untertauchen  zu  können.  Bei  richtiger  Aufstellung  des  Zylin- 
ders kann  der  Muskel  ohne  Erschütterung  in  die  Flüssigkeit  verbracht  und 
wieder  daraus  entfernt  werden.  Unter  dem  Schreibhebel  oder  bequemer  an 
einem  dritten  Stativ  kann  ein  Markiermagnet  zur  Aufzeichnung  der  Zeit 
angebracht  werden. 

1.  Der  Nachw^eis  von  Guanidin. 

Zum  Nachweis  kleiner  Guanidin  mengen  verwendet  man  am  besten 
kleine  lebhafte  Grasfrösche  (20 — 30  p'),  deren  Gastrocnemien  sehr  emp- 
findlich gegenüber  Guanidinlösungen  sind.  Die  Muskeln,  in  mit  Ringerlösung 
hergestellte  Guanidinlösungen  (salzsaures  Salz)  eingelegt,  zeigen  nach  5  bis 
15  Minuten  anfangs  schwache,  später  stärker  werdende  Zuckungen,  welche 
durch  große  Unregelmäßigkeit  ausgezeichnet  sind:  Bald  zuckt  das  Kopf- 
ende des  Muskels,  bald  das  Sehnenende,  bald  erfolgen  die  Zuckungen  rasch, 
bald  langsam ;  oft  sind  sie  auf  einzelne  kleine  Muskelbündel  lokalisiert, 
dann  zuckt  wieder  der  ganze  Muskel  auf  einmal.  Sehr  auffallend  ist  die 
Erscheinung  an  den  abgehäuteten  in  Guanidinlösung  eingelegten  Füßen 
zu  sehen. 

Die  Guanidinempfindlichkeit  der  Frösche  ist  sehr  verschieden.  Ab- 
gesehen davon,  daß  die  Grasfrösche  meist  empfindUcher  sind  als  die 
Wasserfrösche,  zeigen  sich  auch  Unterschiede  an  den  Tieren  derselben 
Art.  In  der  Kälte  treten  die  Zuckungen  verspätet  auf.  Am  besten  geeignet 
sind  in  Zimmertemperatur  gehaltene  Frösche  und  Prüfimg  der  Lösungen  in 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


Hl 


Zimmertemperatur.  Durch  Guanidiiilüsunscn  1:  10.000  hekoinmt  man  nahezu 
immer  charakteristische  Zuckungen  an  (Jastrocneniicn.  l)ie  aulicrst«'  (Ircn/e, 
bei  (Um-  /uckunficn  im  alli^cincincii  auftreten,  sind  L()suii}.Tn  1:15.000  bis 
1 :  20.000. 

Die  Guanidinzuckuniien  lassen  sich,  wenn  sie  in  genii<ren(h'r  Inten- 
sität vorhanden  sind,  graphisch  registrieren,  wie  Fig.  :i7  zeigt.  Kurven 
ist  bei  kingsamem,  Kurve  h  bei  rascherem  Gange  des  Kymographions  aui- 
genommen.  Zur  Registrierung  dient  am  besten  ein  an  der  Ach.se  wenig 
belasteter  Strohhahnschreibhei)el. 

Fig.  37. 


a 


JJJl..-,v..^a.-....JüL^^ 


Bana  esculenta.   Männlich.  30  j.  Isolierter  Muse,  gastrociiemins.  Gniinidin.  HCl.  1  :  lOOO. 
a  langsamer,  b  rascherer  Trommelgang.  Zeit  =  Sekunden. 


Optimale  Zuckungen  der  Gastrocnemii'ii  von  Gra.sfröschen  bekommt 
man  in  Lösungen  von  salzsaurem  Guanidin  1  :  2000 — 1:5000.  liier  können 
die  Zuckungen  etwa  1  Stunde  lang  anhalten,  in  Lösungen  1  :  1000  und 
stärkeren  gehen  dieselben  rasch  vorüber.  Dies  ist  darauf  zurückzufiiliren. 
daß  die  anfängliche  Erregung  (h'A  motori.schen  Nervenendes  im  Muskel, 
welche  durch  das  Guanidin  hervorgerufen  wird,  allmählich  in  eine  ciirarin- 
ähnliche  Lähmung  dessellien  übergeht  und  dies  in  stärkeren  Lösungen 
rascher  erfolgt  als  in  schwachen.  Dringt  man  einen  derartig  gelähmten 
Muskel  in  lliiigerlösung  zurück,  so  treten  erneut  Zuckungen  auf.  welche 
anfangs  maximal  sind,  später  abnehmen  und  verschwinden.  Die  (Juanidin- 
wirkung  ist  also  eine  reversible  (Fiilmer). 

Abderhalden,  Handlnich  der  biochemischen  Arbeitsmethoden.  V.  6 


82 


H.  Fühner. 


Zu  bemerken  ist,  daß  die  Guanidinzuckungen  durch  Calciumchlorid. 
ähnlich  wie  diejenigen,  welche  durch  Natriumchlorid  am  isolierten  Muskel 
hervorgerufen  werden,  unterdrückt  werden  können.  Es  ist  darum  zweck- 
mäßig, für  die  Guanidinversuche  keine  stärker  kalkhaltige  Ringerlösung 
als  die  auf  S.  79  angegebene  zu  verwenden.  Die  Guanidinzuckungen  werden 
ferner  unterdrückt  durch  Curarin  und  andere  Substanzen  mit  Curarin- 
wirkung  (q  u  a  r  t  ä  r e  A  m  m  o  n  i  u  m  v  e  r b  i  n  d  u n  g  e  n).  Über  Substanzen,  Avelche 
die  gleiche  Wirkung  wie  das  Guanidin  besitzen,  vgl.  den  Guanidinnachweis 
am  ganzen  Frosche. 

Bei  allen  Prüfungen  auf  Guanidin  ist  der  Gastrocnemius  des  einen 
Beines  als  Kontrollpräparat  in  Pdngerlösung  zu  legen  und  nur  der 
zweite  in  die  zu  prüfende  Flüssigkeit  zu  verbringen. 

2.  Der  Nachweis  von  Veratrin. 

Das  Veratrin  läßt  sich  besser  und  mit  weniger  Substanz  am  iso- 
lierten Gastrocnemius  als  am  ganzen  Tiere   (s.  d.)   nachweisen,   gleichfalls 

Fis.  38. 


Kana  esculenta.  35  3.    Männlieh.  Isolierter  Muse,  gastrocnemius.   o  Normale  Zuckungen.  6  Nachdem 
5  Minuten  in  Veratrin  HCl  1  :  1  Million  eingehäugt.   Zeit  =  Sekunden. 

unter  Verwendung  von  Einzelinduktionsschlägen.  Der  Muskel  kann  hierbei 
wieder,  wie  angegeben,  präpariert  und  zu  Anfang  der  Prüfung  in  einen 
mit  Ringerlösung  gefüllten  Zylinder  eingehängt  werden.  Die  Zuleitung  des 
Stromes  erfolgt  einerseits  durch  einen  Lamettafaden,  welcher  an  dem  vom 
Muskel  zum  Schreibhebel  führenden  Draht  angeschlungen  wird,  anderseits 
durch  den  in  einem  Hartgummistück  isolierten,  als  Muskelhalter  dienenden 


Nachwpis  und  Bestininiunir  von  Gifton  auf  biologischom  Wege. 


öo 


winkelig  gebogenen  Draiit.    an    dessen   freiem  Ende   eine  Klemmschraube 
befestigt  werden  kann. 

Die  Reizung  erfolgt  wieder  wie  l^eim  ganzen  Tier  mit  (")ffnuiig.s-  oder 
Schließungsinduktionsschlägen  alle  '6 — 5  Sekunden.  Wie  Fig.  ;i8,  Kurve  « 
zeigt,  welche  unter  diesen  Bedingungen  aufgenommen  wiu'de,  zeichnet  man 
erst,  solange  der  Muskel  in  Ilingerlösung  sich  befindet,  eine  Serie  normaler 


Fig.  89. 


Fcuchtu  Kammer  mit  KtTvmuskelpraparut. 


Muskelzuckungeii  auf  bei  langsamem  Trommelgang.  Dann  verbringt  man  den 
Muskel  in  die  aufVeratrin  zu  prüfende  Lösung.  Enthält  diese  Veratrin  im 
Verhältnis  1  :1  Million  in  Ilingerlösung  gelöst,  so  kann  man  schon  nach 
Ö  Minuten  eine  Serie  dikroter  (zweigipfeliger)  Zuckungen  bekommen,  wie 
in  Fig.  ;)8 /;.  In  dieser  Versuchsanordnung  braucht  man  I<) — 20  o;»^ 
Veratrinlösung  obiger  Konzentration  (=1  100- 2  100  m^tj)  zum  positiven 
Ausfall  der  Reaktion. 

6» 


84  H.  Fühner. 

Man  kann  aber  an  empfindlichen  Muskeln  kleiner  gesunder  Wasser- 
frösche noch  mit  1  cui^  einer  Lösung  von  salzsaurem  Veratrin  1 :  500.000 
bis  1 : 1  Million  (=  1/500 — 1/1000  mg)  den  charakteristischen  Veratrin- 
effekt hervorbringen,  Avenn  man  die  isolierten  Gastrocnemien  nicht  in  die 
Lösung  einhängt,  sondern  mit  derselben  bepinselt.  Dies  geschieht  am  besten 
in  einer  „feuchten  Kammer",  in  welcher  der  Muskel  aufgehängt  wird 
und  in  der  zugleich   die  elektrische  Reizung   vorgenommen  werden   kann. 

Fig.  89  zeigt  eine  solche  Kammer,  welche  sowohl  zur  direkten 
Muskelreizung,  wie  sie  hier  zur  Verwendung  gelangt,  als  auch  zur  in- 
direkten Reizung  des  Muskels  vom  Nerven  aus  (vgl.  Curarinnachweis)  Ver- 
wendung findet. 

Die  in  der  Abbildung  wiedergegebene  Kammer  besteht  aus  einer 
Glasglocke,  welche  in  die  kreisförmige  Rinne  eines  Hartgummitellers  paßt. 
Ein  an  diesem  angebrachter  Metallstiel  ermöglicht  die  Befestigung  am 
Stativ.  In  der  Kammer  befinden  sich  zwei  in  der  Höhe  verstellbare  kleine 
Stative,  eines  zur  Fixierung  des  Muskels,  das  zweite  zum  Halten  des  Nerven 
am  Nervmuskelpräparat  bestimmt.  Die  zwei  (in  der  Zeichnung)  hinteren 
Klemmschrauben  dienen  der  Zuleitung  des  elektrischen  Stromes  zum  Muskel, 
die  zwei  vorderen  zum  Nerven.  Am  Muskelpräparat  wird,  wie  aus  der  Ab- 
bildung ersichtlich,  ein  Stück  des  Oberschenkelknochens  zum  Festklemmen 
in  der  Stativkammer  belassen.  Das  kleine  Stativ  ist  mit  der  einen  Klemm- 
schraube metallisch  verbunden.  Die  zweite  Zuleitung  vermittelt  ein  Lametta- 
faden von  der  zweiten  Klemmschraube  zum  Muskel.  Boden  und  Wände  der 
Kammer  werden  zum  Teil  mit  nassem  Filtrierpapier  belegt,  um  den  Muskel 
vor  dem  Austrocknen  zu  schützen.  Der  Schreibhebel  befindet  sich  in  dieser 
Versuchsanordnung  unter  der  Kammer.  In  einer  Entfernung  von  3 — 5  mm 
von  der  Achse  kann  der  Muskel  für  den  Veratrinversuch  mit  50 — 70  g 
belastet  werden. 

Fig.  40  zeigt  in  der  oberen  Reihe  zwei  durch  Einzelinduktions- 
schläge ausgelöste  Einzelzuckungen  eines  normalen  unvergifteten  Gastro- 
cnemius.  In  der  unteren  Reihe  eine  Einzelzuckung,  aufgezeichnet  5  Minuten 
nach  Bepinseln  der  Oberfläche  des  Muskels  mit  einem  in  Veratrinchlor- 
hydrat (1:500.000  in  Ringerlösung)  getauchten  Haarpinsel.  Die  Kurven 
sind  bei  raschem  Trommelgang  aufgenommen.  Natürlich  können  auch  in 
dieser  Versuchsanordnung  Reihen  wie  in  Fig.  38  aufgenommen  werden. 
Nach  je  etwa  5  Minuten  Pause  läßt  sich  wieder  eine  neue  charakteristische 
Reihe  mit  allmählich  abnehmender  Zweigipfeligkeit  der  Zuckungen  auf- 
nehmen. Der  Veratrineffekt  läßt  sich  auch  bei  kleinen  Veratrinmengen 
stundenlang  zeigen.  Veratrinlösungen,  welche  stärker  sind  als  1 :  100.000, 
eignen  sich  weniger  gut  zur  Herbeiführung  des  charakteristischen  Vera- 
trineffektes. In  Lösungen  des  salzsauren  Salzes  der  Konzentration  1 :  10.000, 
in  welche  Gastrocnemien  eingehängt  werden,  geht  die  Erscheinung  bald 
vorüber.  In  Lösungen  1 :  1000  und  auch  schon  1 :  10.000  zeigen  die  Mus- 
keln beim  Einhängen  tonische  Kontraktion  wie  in  Nicotinlösung.  Nachdem 
das  Maximum  der  Kontraktion  erreicht  worden  ist,  bleibt  der  Muskel  nicht 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


Rn 


etwa  in  dieser  Kontraktionsstollunf?  wie  i)eiin  Nicotin,  sondern  zoifrt  Tonus- 
schwanknniien  M,  so  dal)  der  Schreibhehel  eine  Wellenlinie  aufzeichnet,  wo- 
bei sich  die  Kontraktur  lanj^sani  wieder  löst. 

Antagonistische  Beeinflussung  des  Veratrineffektes  ist  heohachtet 
worden  durch  Kaliumchlorid  (Biichanan),  Äther  (Locket  und  Stro- 
p  h  a  n  t  h  i  n  (La  wjley) . 

Fig.  40. 


Kana  esculenta.  35  j/.    Männlich.  Isolierter  Miisc.  gastrocneinius  in  feuchter  Kammer. 

a  2  normale  Zuckungen,    b  1   Zuckung  ü  Minuten    nach  Bepinpelu    mit  Veratrin  HCl   1  :  500.000. 

Bei  (-f-)  Kyniographiou  arretiert.  Zeit  =  Sekunden. 

Über  veratriniihnliche  Wirkung-  bei  anderen  Substanzen  vgl.  die  An- 
gaben bei  Nachweis  des  Giftes  am  ganzen  Frosche. 

3.  Der  Nachweis  von  Coffein  und  Theobromin. 

Die  pharmakologisch  wichtigen  Purinderivate.  Coffein.  Theobromin 
mid  Theophyllin.  las.>^en  sich  biologisch  durch  eine  Heaktion  am  Skelett- 

*)  C.  G.  Saittcüson,  Kiniirfs  iilicr  die  Wiikuiis:  des  (ily/erins  und  des  V'onitrins 
auf  die  quergestreifte  Muskelsubstanz  (Frosch).  Skandiauv.  Arch.  f.  i'li\si.d.  IM.  14. 
S.  20  (19Ü3). 


86 


H.  Füll n er. 


muskel  des  Frosches  charakterisieren,  welche  zwar  nicht  sehr  empfindlich 
ist,  aber  dennoch  unter  Umständen  zum  Nachweis  dieser  Substanzen  Ver- 
wendung finden  kann,  da  dieselben,  sobald  sie  toxikologische  Bedeutung 
gewinnen,  auch  schon  in  größeren  Mengen  vorhanden  sein  müssen. 

Die  Reaktion  besteht  darin,  daß  die  Purinderivate,  voran  das  Coffein, 
den  Skelettmuskel  in  einen  Zustand  der  Verkürzung  und  Starre  ver- 
setzen, eine  Erscheinung,  welche  derjenigen  der  Totenstarre  oder  der  Er- 
starrung durch  Wärme  an  die  Seite  zu  stellen  ist.  Wie  hier,  so  findet 
auch  bei  der  Ausbildung  der  ,,Coffeinstarre"  ein  Gerinnungsvorgang 
im  Innern  der  Muskelfibrille  statt,  wobei  der  erst  durchsichtige  Inhalt 
unter  Wasseraustritt  undurchsichtig  wird. 

Legt  man  einen  ganzen  Musculus  gastrocnemius  eines  Grasfrosches 
in  eine  starke,  etwa  l^/oige  Coffeinlösung  (in  Ringerlösung)  ein.  so  beob- 
achtet man  maximale  Kontraktion,   Hart-  und  Undurchsichtigwerden   des 

Fig.  41. 


Rana  temporaria.  Muskelzupfpräparat.  A  normal.   B  nach  Coffeineinwirkung.  Vergr.  SOfach. 


Muskels.  Auch  noch  beim  Einlegen  des  Muskels  in  eine  Lösung  1 :  1000 
findet  allmählich  Kontraktion  desselben  statt.  Doch  ist  der  Gerinnungsvor- 
gang unter  diesen  Bedingungen  schlecht  zu  beobachten.  Gut  verfolgen  läßt 
sich  derselbe  nur  an  den  isolierten  Muskelfasern,  an  einem  „Zupfprä- 
parat"  des  Muskels.  Zum  Nachweis  der  Purinderivate  sind  Muskeln  des 
Grasfrosches  zu  verwenden,  da  an  ihnen  die  Erscheinung  noch  in  größerer 
Verdünnung  ausgelöst  wird  als  an  Muskeln  des  Wasserfrosches. 

Ausführung  der  Prüfung.  Von  einem  kleinen  munteren  Gras- 
frosche stellt  man  ein  von  der  Haut  befreites  Präparat  der  Hinterbeine 
her  und  verbringt  dasselbe  in  eine  feuchte  Kammer  (Petrischale  mit  wenig 
Ringerlösung).  Entsprechend  der  Längsrichtung  der  Muskulatur  des  Ober- 
oder Unterschenkels  schneidet  man  ein  etwa  ^2  c"^  langes  Stückchen  aus 
irgend  einem  Muskel  aus,  verbringt  es  auf  ein  Uhrglas  und  zerfasert  es 
in  einem  Tropfen  Ringerlösung  mittelst  zweier  Präpariernadeln.  Fig.  41^ 


Naclnveis  uiul  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  g7 

zeigt  bei  etwa  80f:\rhor  Voroninonino-  einen  Ausschnitt  aus  einem  so  ge- 
wonnenen Zupf  Präparat.  (Jiltt  man  liier/u  einen  Tropfon  Coffcinlösunti:,  so 
beüi)achtet  man  unter  dem  Mikroskop  rasclu's  /usaninH'nkriimiiK'n  und 
sofortiges  Undurchsichtigwerden  der  anfänglich  geraden  und  durchscheinen- 
den Muskelfasern.  Das  Präparat  nimmt  die  Form  an,  wie  dies  inKig.  41i^ 
dargestellt  ist.  Nach  SchiuiedcOerf/^)  genügt  eine  Coffeinkonzentration 
1 :  4000  zur  Auslösung  des  (ierinnungsvorganges.  Nach  P)estimmungen  von 
JacobJ  und  GoIoirhisJd")  an  den  Doppelsalzen  mit  Natriumsalicvlat  ist  das 
Theobromin  etwa  halb,  das  Theophyllin  etwa  ein  Viertel  so  wirksam 
als  das  Coffein  an  den  Muskelfibrillen  von  (Trasfröschen. 

b)  Prüfungen  am  Nervmuskelpräparat. 
Der  Nachweis  von  Curarin. 

Das  Nervmuskelpräparat  des  Frosches,  bestehend  aus  dem  Musculus 
gastroenemius  und  dem  diesen  innervierenden  Nervus  ischiadicus, 
soll  hier  lediglich  in  seiner  Verwendung  zur  Charakterisierung  von  Sub- 
stanzen mit  Curarin  Wirkung  besprochen  werden.  Das  Nervmuskelprä- 
parat besitzt  hierzu  dem  ganzen  Frosche  gegenüber  den  \'orzug,  dali  man 
die  Curarinwirkung  graphisch  registrieren  kann  und  daß  sich  hierbei  noch 
geringe  Grade  der  Curarinwirkung,  welche  nicht  /.nv  völligen  peripheren 
Lähmung  des  Tieres  führen,  als  solche  kennzeichnen  lassen. 

Reizt  man  den  mit  seinem  Nerven  in  Zusammenhang  präparierten 
Musculus  gastroenemius  eines  gesunden  kräftigen  Frosches  rhythmisch  in- 
direkt (d.  h.  vom  Nerven  aus)  alle  2 — )')  Sekunden  mit  Einzel-(()ffnungs- 
oder  Schließungs-llnduktionsschlägen,  so  bekommt  man  bei  graphischer 
Registrierung  eine  nur  äußerst  langsam  absinkende  Reihe  von  Zuckungen. 
Der  Anfang  einer  solchen  Reihe  nahezu  gleichhoher  Zuckungen  ist  in 
Fig.  42  a  wiedergegeben.  Eine  ähnliche  Reihe  erhält  man  auch  bei  direkter 
Reizung  des  Muskels  (Fig.  42  c).  Anders  beim  Frosche  nach  Curarinver- 
giftung.  Stellt  man  hier  ein  Nervmuskelpräparat  her  zu  einer  Zeit,  in 
welcher  der  Frosch  noch  nicht  vollständig  perii)her  gelähmt  ist,  und  reizt 
rhythmisch  vom  Nerven  aus,  so  erhält  man  statt  der  langgestreckten,  oft 
erst  nach  mehrstündiger  Reizung  langsam  absinkenden  Reihe  stark  ver- 
kürzte sogenannte  ..Ermüdungsreihen".  Der  vollständigen  Lähmung  der 
motorischen  Nervenenden  geht  nach  Boehm  ^)  ein  Stadium  leichter  Ermüd- 
barkeit derselben  voraus  und  dieses  kann  zum  Nachweis  von  Substanzen 
mit  Curarinwirkung  verwertet  werden. 

*)  0.  Schmiedeherg,  Grundriß  der  Pliarmakologie.   Ij.  Aufl.  Leipzig  löUD.  S.  i)5. 

*)  C.  Jacobj  und  Golowinsk-i,  Ein  Beitrag  zur  Frage  der  vcrscliiedenen  Wirkung 
des  Coffeins  auf  Rana  esculenta  und  Rana  temporaria.  Aroli.f.  exp.  I'atliol.u.  riiaruiakol. 
Supplement.  1908.  S.  293. 

•')  Ji.  liorhni,  Einige  Beoliaclitungon  über  die  Nerveueudwirkungen  des  Curarin. 
Arch.  f.  oxp.  Patliol.  u.  riiarmakol.  Bd.  35.  S.  H;  (IS'.I.')). 


88 


H.  F (ihn er. 


Fie. 


Will  man  derartige  Ermüdungsreihen 
42  6   wiedergegeben   ist,   so   muß   man 


erhalten ,   wie   eine   solche   m 
das   Nervmuskelpräparat   des 


FiR.  42. 


Frosches  herstellen,  solange  das  Tier  noch  nicht  reflexlos  ist,  also  Reiz- 
übertragung vom  Nerven  auf  den  Muskel  noch  erfolgt.  Bei  Injektion  läh- 
mender Giftmengen  muß  weitere  Giftzufuhr  zum  Nervenende  durch  Unter- 
brechung der  Zirkulation,  etwa  20 — oO  Minuten  nach  Injektion  der  Lösung 
in  den  Brustlymphsack,   verhindert  werden,   zu  einer  Zeit,   wo    das  Tier 

noch  vermag,  sich 
aus  der  Rückenlage 
umzuwenden.  Ist  der 
Frosch  hierzu  nicht 
mehr  imstande ,  so 
bekommt  man  bei 
Applikation  von  Ein- 
zelinduktionsschlä- 
gen am  isolierten 
Nervmuskelprä  parat 
vom  Nerven  aus 
meist  keine  Zuckun- 
gen mehr. 

Zu  dem  Ver- 
suche bedarf  man 
einer  gut  funktionie- 
renden Abblendungs- 
vorrichtung,  um  den 
Muskel  teils  direkt, 
teils  indirekt  rhyth- 
misch alle  2 — o  Se- 
kunden durch  Öff- 
nungs-   oder   SchUe- 

ßungsinduktions- 
schläge  reizen  zu 
können.  Neben  dem 
Abblender  ist  ein 
Stromwender  (Wip- 
pe), eine  feuchte 
Kammer,  Induktions- 
apparat,  Quecksilberschlüssel  und   Akkumulator   erforderlich. 

Die  Versuchsanordnung  ist  in  Fig.  43  dargestellt.  Der  primäre 
Stromkreis  verbindet  den  Akkumulator  (Ä)  mit  Quecksilberschlüssel  (S), 
primärer  Rolle  (1,)  und  zwei  Polen  des  Frankschen  Abblenders  (Ab); 
der  sekundäre  Stromkreis  verbindet  die  sekundäre  Rolle  des  Induktions- 
apparates (L)  mit  den  beiden  anderen  Polen  des  Abblenders.  Von  diesen 
Polen  führen  außerdem  zwei  Drähte  zu  der  Wippe  ( W),  und  zwar  zu  den 
Quecksilbernäpfen  1  und  2.    Von   der  Wippe   gehen  von  den  Quecksilber- 


'Kana  esculenta.  65  g.  Weiblich.  2  Nervmuskelpräparate  nach  Curarinvergiftung. 

a  Nervenreizung    am    normalen,  6  am  vergifteten  Präparat,   c  Direkte  Mnskel- 

reizung  am  vergifteten  Präparat,   3  Sekunden-Öffnungsschläge. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


89 


Kig.  43. 


Ky 


H 


-rm 


■,Ö  ,''■ 


näpfen  3—6  vier  Drähte  zu  den  Klemmschrauben  der  feuchten  Kammer  (A7/ 
und  Fiii'.  ;59).  Davon  führen  (in  der  Fiy-.4;3)  die  Drähte  von  Napf  3  uml  4 
zum  kleinen  Stativ  in  der  Kammci-.  \velches  den  Nerven  (Xj  träp:t.  wäh- 
rend die  Drähte,  welche  von  Napf  '>  und  G  ah^'ehen,  der  Stromzufüliruiig 
zum  .Muskel  (M)  dienen.  Diese  geschieht  einerseits  durch  das  kleine,  den 
Muskel  tragende  Stativ,  andrerseits  durch  einen,  Klemmschraube  und 
Muskel  verbindenden,  ausgeglühten  Lamettafaden  (L).  Der  Abblendcr. 
welcher  in  der  Muffe  eines  Stativs  befestigt  ist,  wird  am  besten  mit  einem 
langsam  gehenden  Elektromotor  in  Umdrehung  versetzt,  und  zwar  für  den 
Curarinnachweis  so,  daß 
eine  Umdrehung  in  2 
oder  3  Sekunden  erfolgt. 
Herstellungdes 
Nervmuskelpräpa- 
rates. Nachdem  der  in 
den  Brustlymphsack  in- 
jizierte Frosch  begin- 
nende Lähmung  zeigt, 
wird  der  Kopf  abge- 
schnitten und  das  Rü- 
ckenmark zerstört.  Dann 
schneidet  man  das  Tier, 
nach  Eröffnung  der 
Bauchhöhle  und  Ent- 
fernung der  Eingeweide. 
unter  den  Armen  durch, 
zieht  die  Haut  von  dem 
Hinterkörper  ab  und 
legt  zur  weiteren  Prä- 
paration auf  eine  reine 
Glasplatte.  Hier  entfernt 
man  noch  etwa  vorhan- 
dene Eingeweidereste 
(Niere,  Blase)  und  legt 
dadurch  die  beiden  aus 
der  ^Yirbelsäule  austre- 
tenden  und    nach    den 

Hinterbeinen  ziehenden  glänzenden  Nervenstränge  frei  (vgl.  Fig.öl)).  Mit  oinem 
Scherenschnitt  halbiert  man  nun  die  Wirbelsäule  unter  Schonung  der  Nerven- 
stränge und  verlängert  diesen  Schnitt  genau  median  durch  das  Becken  des 
Frosches  hindurch.  Bei  der  Schnittfühning  durch  das  I5ecken  werden  die  Hinter- 
beine zweckmäßig  in  der  Schenkelbeiige  maximal  nach  oben  gebeugt.  Wird 
der  Schnitt  nicht  genau  durch  die  Mitte  des  Beckens  geführt,  so  wird 
leicht  das  Nervenbündel  der  einen  Seite  verletzt.  Das  eine  Bein  wird  nun 
in  eine  Petrischale  mit  etwas  Bingerlösung   gebracht,    während    von    dem 


Yersncheanordnung   zur    rhythmischen    elektrischen  Keizunir   de« 
Nervmuskelpräparatos  mit  Öffnungs-    oder  .Schlii-Uunnsinduktious- 

schlagen. 


90 


H.  Fühner. 


anderen  das  Nervmuskelpräparat  hergestellt  wird.  Das  Aussehen  des 
fertigen  Präparates  ist  aus  Fig.  44  B  zu  entnehmen.  Zur  Präparation 
schiebt  man  die  Schere  an  der  AustrittssteUe  der  Nerven  aus  der  Wirbel- 
säule platt  unter  denselben  durch  und  schneidet  die  Wirbelsäule  quer  ab, 
so  daß  ein  Stück  derselben  (a)  mit  dem  Nervenstrang  in  Zusammenhang 
bleibt.  Dieses  Stück  erfaßt  man  mit  der  Pinzette  und  präpariert  den  Nerven- 
strang frei,  soweit  er  im  Becken  verläuft.  Dann  dreht  man  das  Präparat 
auf  die  Bauchseite  um,  damit  man  den  Nervus  ischiadicus  am  Oberschenkel 
isoüeren  kann.  Zu  dem  Zwecke  zieht  man  die  Muskulatur  des  Oberschenkels 
auseinander  (vgl.  Fig.  44  Ä) ,  geht  mit  dem  stumpfen  Scherenblatt  unter 
dem  Nerven  durch  und  durchschneidet  die  Muskulatur  des  Oberschenkels 
und  den  Oberschenkelknochen  fc)^  dessen  halbe  Länge  mit  dem  Knie  in  Ver- 


Fig.  44. 


Herstellung  des  Nervmnskelpräparates. 

bindung  bleiben  muß.  Der  Nerv  wird  durch  kräftiges  Auseinauderziehen 
der  Muskulatur  nach  obenhin  weiter  verfolgt  und  freigelegt  und  die  Ver- 
bindung mit  dem  Beckenstücke  durch  Entfernung  der  noch  vorhandenen 
Muskel-  und  Knochenteile  hergestellt.  Die  kleineren  Seitenäste  des  Nerven- 
bündels werden  abgeschnitten  (Fig.  44  5  in  der  Nähe  von  b)  und  schließ- 
lich auch  die  den  Nerven  begleitende  schwarz  aussehende  Arterie  entfernt.  Am 
Oberschenkel  wird  der  Nerv  dann  bis  zu  seiner  Gabelung  und  diese  weiter- 
hin bis  zum  Knie  verfolgt.  Während  der  ganzen  Präparation  darf  der  Nerv 
niemals  mit  der  Pinzette  erfaßt  werden.  Als  Handhabe  dienen  immer 
entweder  das  Stück  noch  vorhandener  Wirbelsäule  oder  Ober-  und  Unter- 
schenkel. Der  Nerv  wird  jetzt  auf  ein  mit  Piingerlösung  getränktes  Watte- 
stück gelegt  und  der  Oberschenkelknochen  von  den  ihn  noch  umgebenden 
Muskelstücken  bis  zum  Knie  befreit.  Dann  wird  der  Musculus  gastro- 
cnemius  (d)  in  früher  (S.  TSj  angegebener  Weise  im   Zusammenhang  mit 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  91 

der  Achillessohne  (e)  präpariert  und  der  Unterschenkel  untcrlialh  des  Knies 
abfjeschnitten.  Das  fertifie  Xervmuskelpräparat  wird  vermittelst  des  Ober- 
schenkelknochens in  der  Stativkhunnier  der  fenchten  Kammer  l)efesti<:t, 
nachdem  vorher  noch  ein  Ilaken  in  der  Achillessehne  angebracht  wurde. 
Der  Nerv  wird  über  die  P'dektroden  des  für  ihn  bestimmten  Ilartiiummitroges 
gelegt  und  in  seiner  ganzen  Länge  bis  zum  Beginn  des  Versuches  mit  in 
liingerlösnng  getränkter  Watte  bedeckt.  Der  Muskel  ( Fig.  4;>  M)  wird  durch 
ein  Stück  Draht  mit  dem  unterhalb  der  feuchten  Kammer  befindlichen 
Schreibhebel  (H).  der  in  der  Nähe  der  Achse  (H)  mit  öO— TO.r/  (di  belastet 
ist,  verl)un(len,  außerdem  in  der  Kammer  mit  dem  zweiten  Pol  durch  einen 
Lamettafaden  (L). 

Zu   Beginn   des  Versuches   stellt   man    die  Wippe   erst   so  ein,    daß 
der  Muskel   elektrisch    gereizt  wird.     Man   stellt   die  sekundäre  Rolle  des 
Induktionsapparates  zunächst  möglichst  weit  entfernt  von  der  j)rimären  und 
nähert  dann  so  lange,  bis  der  Muskel  auf  der  berußten  Fläche  des  Kymo- 
graphions  ^/Ty;  maximale  Zuckungen  aufzeichnet.  Maximal  sind  die  Zuckungen 
z.  B.   bei   Rollenabstand    12   oder    10  on,   wenn    diesell)en    auch    bei    wei- 
terer Annäherung,  z.  B.  bei  6  oder  7  cm,  nicht  mehr  höher    werden.    Die 
Reizung  des  Muskels  darf  nur  so  stark  sein,   daß   sich   keine  Kontraktur 
desselben  ausbildet.  Diese  Erscheinung  besteht  darin,  daß  der  Muskel  sich 
bei  übermaximalen  Reizen  nicht  mehr  auf  seine  ursprüngliche  Länge  aus- 
dehnt.   Nachdem    man  festgestellt   hat,   daß   die  N'ersnchsanordnung  keine 
Störungen    aufweist   und   der  Muskel   bei   etw^a    10  cm   Rollenabstand    bei 
direkter  Reizung  maximale  Zuckungen    gibt,    schaltet   man  die  Wippe  um 
auf  die  Nervenreizung.  Bei  unvergiftetem  Nerven  bekommt  man  von  diesem 
aus  Zuckungen  des  Muskels  bei   viel   größerem  Rollenabstand    als    bei  di- 
rekter  Muskelreizung.    Beim    mit   Curarin    teilweise    vergifteten  Präparat 
wird    man    erst    vielleicht    bei    10    oder    15  cm    Rollenabstand    maximale 
Zuckungen  vom  Nerven  aus  erhalten.    Nachdem    man    diese  Grenze   mög- 
lichst rasch  festgestellt  hat,  läßt  man  bei  ihr  eine  erste  ..P>müdungsreihe"' 
aufzeichnen.    Zeigt  der  Muskel  nur  noch   schwache  Zuckungen ,    so    öffnet 
man  den  Quecksilberschlüssel  und  läßt  das  Präparat  10  Minuten  lang  sich 
erholen.  Dann  wird  eine  zweite  und  nach  abermaligen  Pausen    eine  dritte 
und    vierte    Reihe    aufgezeichnet.    Die    Reihen    werden    jedesmal    kürzer. 
Schließlich  bekommt  man  selbst  bei  völlig  übereinandergeschobenen  Rollen 
des  Induktionsapparates  keine  Zuckungen  mehr.  Man  reizt  dann  den  Muskel 
statt    mit    Finzelinduktionsschlägen    mit    kurz    dauernden    tetanisierenden 
Strömen  anfangs  bei  etwa  10  cm  Rollenabstand.    Scbließlich   werden  auch 
diese  Reize  unwirksam  und  das  Nervmuskeli)räparat  ist  indirekt  völlJLr  un- 
erregbar geworden.  Jetzt  zeichnet  man  wieder  mit  Kinzelinduktionsschbigeii 
bei  direkter  Muskeheizung  eine  längere  Reihe    auf.    um    sich   von  der  In- 
taktheit des  Muskels  zu  überzeugen.    Ist  die  Vergiftung  des  Frosches  zur 
Zeit  seiner  Präparation  schon    zu    weit    vorgeschritten,    so   bekommt  man 
bei  Einzehnduktionsschlägen  selbst  bei  völlig  übereinandergeschobenen  KolifU 
des  Induktionsapparates  keine  Zuckungen  mehr.  Meist  ist  aber  dann  wenig- 
stens die  tetanisierende  Reizung  noch  wirksam. 


92 


H.  Fühner. 


Hat  man  niu'  Giftmengen  zur  ^^erfügung,  welche  nicht  zur  völligen 
Lähmung  des  Frosches  führen,  so  wird  man  am  besten  bei  dem  zur  Prü- 
fung dienenden  Frosche  erst  das  eine  Bein  nach  Cl.  Bernard  (vgl.  S.  59,  60) 
präparieren,  dann  den  Frosch  vergiften  und  nach  etwa  1  Stunde  die  Nerv- 
muskelpräparate herstellen.  Man  prüft  erst  das  vergiftete,  dann  das  durch 
die  Ligatur  vor  der  Gifteinwirkung  geschützte  Bein.  Auf  diese  Weise  wer- 
den auch  noch  geringe  Grade  von  Curarinwirkung  festgestellt  werden 
können.  Die  in  Fig.  42  wiedergegebenen  Kurven  sind  in  dieser  Weise, 
allerdings  unter  Verwendung  lähmender  Curarinmengen,  von  demselben 
Wasserfrosche  gewonnen. 

c)  Prüfungen  am  Herzmuskel. 

Das  isolierte  Herz  des  Frosches  soll  hier  in  seiner  Verwendung 
zum  Nachweis  von  Digitalisprodukten,  von  Aconitin  und  Muscarin 

und  zur  quantitativen  Bestim- 


FiR.  45. 


mung    des    letzteren  bespro- 
chen werden. 

Zur  Herstellung  des  Prä- 
parates verwendet  man  am 
besten  große  Wasserfrösche 
(60 — 100  g).  Bei  einiger 
Übung  gelingt  die  Einführung 
einer  Kanüle  in  das  pulsie- 
rende Herz  aber  auch  an 
kleineren  Tieren. 

AnfertigungdesPrä- 
parates.  Zur  Isoüerung  des 
Herzens  braucht  man  neben 
einer  Hakenpinzette  und  einer 
größeren  Schere  zwei  feine 
Pinzetten  und  eine  feine 
Schere.  Dann  ist  starker 
Leinenfaden,  Herzkanüle  und 
Herzklammer  weiterhin  nötig. 
Das  isoKerte  Herz  wird  in 
einer  Glaskammer  (Fig.  52) 
befestigt,  an  deren  Boden 
Eingerlösung  sich  befindet, 
durch  welche  Sauerstoff  perlt. 
Die  Herzbewegung  wird   auf 

einen    leichten   Schreibhebel    übertragen,    welcher    sie    auf    der    berußten 

Papierfläche  des  Kymographions  in  gewünschter  Vergrößerung  aufschreibt. 

Unter  der  Herzkurve  wird  die  Zeit  aufgezeichnet. 

Vor  Beginn  der  Präparation  füllt  man  eine  kleine  Kristalüsierschale 

mit  Ptingerlösung  und  legt   in   dieselbe   die   der  Größe   des  Frosches  ent- 


Präparation  des  Froschherzens.  I. 


Nachweis  uiitl  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


9a 


sprechende  Herzkanüle  (Fiii.  49),  damit  sie  sich  iu  ihrem  unteren 
Drittel  mit  liiniierlösuiit'-  füllt.  Aulienloin  le^t  man  zwei  je  etwa  20  cm 
lange  Leinent'ädeii  zurecht  zum  Al)binden  des  Herzens.  Dann  ergreift  man 
den  Frosch  mit  der  einen  Hand,  führt  die  Schere  in  das  Maul  ein  und 
schneidet  den  Kopf  ab,  wobei  der  Unterkiefer  stehen  bleibt.  Nach  Zer- 
störung des  Rückenmarks  wird  der  Frosch  auf  einen  gewöhidichen  Teller 
gelegt,  wobei  der  l'nterkiefer  zweckmäßig  auf  dem  Tellerrand  aufliegt.  Das 
Tier  ist  mit  der  Kopfseite  zunächst  dem  Operierenden  zugekehrt.  Mit  einer 
Hakenpinzette  erfaßt  man  die  Haut  am  Unterkiefer  und  präpariert  mit  der 


Fig.  in. 


Schere  einen  großen 
und  breiten  Haut- 
lappen (Fig.  45  d), 
welcher  über  den 
Bauch  umgelegt  wird. 
Zur  Entfer- 
nung des  für  das 
Herz  schädhchen 
Hautsekretes  wird 
die  Schere  nunmehr 
abgewaschen.  Dann 
wird  das  obere  knor- 
pehgeEnde  des  Brust- 
beins fa^  mit  gewöhn- 
licher Pinzette  erfaßt 
und  in  der  Mitte 
gespalten.  Dieser 
Schnitt  wird  weiter 
nach  unten  hin  durch 
das  Brustbein  (b,  c) 
vei'längert,  wobei  der 
stumpfe  Ast  der 
Schere  dicht  unter 
dem  Knochen  vor- 
geschoben wird.  Der 
Schnitt  wird  in  die  Bauchmuskulatur  fortgesetzt,  in  welche  dann  zwei  seit- 
liche Einschnitte  zur  Erweiterung  der  Lücke  gemacht  werden.  Dem  gleichen 
Zwecke  dient  das  hierauf  folgende  Abtragen  des  Brustbeins  auf  beiden  Seiten 
bis  zu  den  Knochen  der  oberen  Extremität  (Fig.  4(j./').  Hierbei  ist  darauf 
zu  achten,  daß  die  Leber  und  namentlich  die  daransitzende  (iallenblase  nicht 
verletzt  wird.  Nunmehr  wird  der  Teller  umgedreht,  so  dali  die  Kopfseite  des 
Frosches  vom  Operierenden  abgekehrt  ist.  ri)er  dem  pulsiereniien  ller/en 
sieht  man  als  dünne  durchsichtige  Haut  den  Herzbeutel,  der  manchmal  bei 
der  Durchtrennung  des  Brustbeins  schon  angeschnitten  wird.  Diesen  erfaßt 
man  an  irgend  einer  Stelle  mit  feiner  Pinzette,  .schneidet,  sofern  er  nech 
unverletzt,  eine  Öffnung  in  (lenseli)en,   die  man    dann    nach  oben  hin   er- 


Präparation  des  FroschherzeuB.  IT. 


94 


H.  Fühner. 


weitert,  so  daß  der  Herzbeutel  bis  oben  an  seine  Anheftungsstellen  an  den 
Aorten  vollständig  gespalten  ist  und  das  Herz  (ö?  =  Vorliof,  e  =;  \'entrikel) 
frei  daliegt.  Bemerkt  sei  noch,  daß  manchmal  die  Lungen  prall  gefüllt  sind 
und  die  weitere  Präparation  des  Herzens  stören.  Nach  einem  kleinen  Ein- 
schnitt fallen  dieselben  zusammen. 

Die  beiden  Aortenbögen  (Fig.  46  a  und  b)  kommen  aus  einem  gemein- 
samen Stamme,  der  seinerseits  aus  dem  Bulbus  cordis  (c)  hervorgeht. 
Unter  der  Verzweigungsstelle  der  Aorta  schiebt  man  eine  feine  Pinzette 
vorsichtig  durch,  erfaßt  mit  derselben  den  einen  bereitliegenden  Faden 
und  zieht  ihn  unter  dem  Gefäße  hindurch.  Die  beiden  Fadenenden  schlingt 
man  schon,  wie  in  der  Figur  sichtbar,  übereinander,  um  später  die 
Ligatur  rascher  anlegen  zu  können.  Man  erfaßt  dann  eine  kleine  Stelle  der 

Wand     des     linken    Aorten- 
^'^  *^-  bogens    mit    feiner    Pinzette 

und  schneidet  mit  feiner 
Schere  das  Gefäß  an.  Die 
Öffnung  muß  so  groß  sein, 
daß  man  mit  der  Kanüle  be- 
quem eingehen  kann.  Hierzu 
hält  man  mit  der  linken  Hand 
den  Zipfel  der  blutenden 
Aorta,  mit  der  rechten  Hand 
führt  man  die  zum  Teil  mit 
Ringerlcsung  gefüllte  und 
durch  einen  Finger  oben  ver- 
schlossene Kanüle  in  den  Spalt 
ein  (vgl.  Fig.  47). 

Sobald  man  mit  der 
Kanüle  bis  in  den  Bulbus  ein- 
gedrungen ist,  ist  der  Ver- 
schluß derselben  nicht  mehr 
nötig.  Man  erfaßt  nunmehr  mit  der  Pinzette  der  linken  Hand  den  Herz- 
beutel an  der  Stelle  der  Vereinigung  beider  Aorten  und  versucht  mit  der 
rechten  die  Kanüle  vom  Bulbus  in  den  Ventrikel  vorzuschieben  (in  der 
Richtung  des  Pfeiles !).  Dies  gelingt  dem  Ungeübten  nicht  leicht.  Man  muß 
hierbei  den  Widerstand  der  Herzklappe  über\\inden.  Doch  nicht  mit  Gewalt 
bohrend,  sondern  durch  vorsichtiges  Vor-  und  Zurückschieben  der  Kanüle. 
Man  dringt  in  das  Herz  leicht  und  ohne  Beschädigung  desselben  ein  im  Mo- 
ment der  Systole,  d.  h.  wenn  der  Ventrikel  seineu  Inhalt  auspreßt  und  die 
Klappe  geöffnet  ist.  Man  muß  suchen,  die  Kanüle  nach  hinten  und  zugleich 
nach  der  linken  Seite  (des  Frosches)  vorzuschieben.  Am  besten  übt  man  sich 
erst  an  toten  Fröschen,  bevor  man  die  IsoUerung  am  lebenden  Tier  versucht. 
Das  Eindringen  der  Kanüle  in  den  Ventrikel  gehugt  mit  einem  Schlag. 
Man  muß  dann  darauf  achten,  daß  dieselbe  nicht  wieder  herausgleitet,  was 
beim  nunmehr  vorzunehmenden  Zuziehen  der  Fadenschlinge  um  die  Aorta 


Präparation  des  Froschherzens.  III. 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


95 


leicht  vorkommen  kann,  namentlich  wenn  der  ausgezogene  Teil  der 
Kanüle  für  das  vorhegende  Froschherz  zu  kurz  ist.  Hevor  man  die  Li- 
gatur fest  zuzieht,  überzeugt  man  sich  davon,  dal'»  die  Kanülenspitze  tat- 
sächlich in  den  Ventrikel  hineinragt,  durch  vorsichtiües  Betasten  (W^  Ven- 
trikels mit  einem  Finger.  Man  kann  die  harte  Kanüle  durch  die  Ilcrzwand 
hindurch  leicht  fühlen.  Über  dem  ersten  Knoten  der  Ligatur  schlingt  man 
einen  zweiten,  zieht  fest  an  und  schneidet  die  Fäden  ab.  Das  Herz  pulsiert 
an  der  Kanüle,  in  ^velche  zum  Teil  Blut  eingedrungen  ist.  das  bei  richtiger 
Lage  der  Kanüle  sich  auf  und  ab  bewegt.  Man  entleert  das  Blut  aus  der 
Kanüle  mit  einer  in   dieselbe   passenden  Pipette  (Fig.  51)  und  ersetzt  es 

5 — 6maUger  Blutentnahnie    und  Ersatz    durch 


Fig.  48. 


durch  Ringerlösung.  Nach 
Ringerlösung  gelangt 
nur  noch  wenig  Blut  in 
die  Kanüle  aus  dem 
Herzen.  Man  schneidet 
dann,  indem  man  die 
Kanüle  hochhebt .  zu- 
nächst die  beiden  Aorten 
ab.  dann  ein  feines  Ge- 
fäül)ändchen ,  welches 
von  hinten  her  an  den 
Ventrikel  geht,  das  Fre-  ^ 
nulum,  und  endlich  die 
in  den  Sinus  venosus 
(Fig.  48  c)  einmündende 
Hohlvene  (d).  Hierbei 
mul'i  man  die  Kanüle 
•  in  horizontaler  Lage 
möglichst  hoch  halten 
und  dann  die  Vene  mög- 
lichst tief  nach  unten 
abschneiden.  Vorzuzie- 
hen ist  die  Anlegung 
einer  zweiten  Ligatur 
um  die  Hohlvene,  bevor  man  sie  abschneidet,  da  bei  länger  dauernden  \'er- 
suchen  ein  Undichtwerden  der  anfänglich  gut  schließenden  \'()rhofklai)pen 
vorkommt.  Der  Ungeübte  läßt  sich  zur  Anlegung  dieser  Ligatur  am  besten 
die  Herzkanüle  durch  einen  Assistenten  in  die  Höhe  halten,  legt  erst  eine 
weite  Fadenschlinge  um  die  Vorhöfe  (bj  und  schiebt  diese  Schhnge,  sie 
mit  zwei  Pinzetten  allmählich  zuziehend,  immer  mehr  nach  hinten,  .^o 
daß  der  Venensinus  möglichst  vollständig  am  Herzpräparat  verbleibt.  Ist 
die  Ligatur  gelegt  und  mit  zweitem  Knoten  versehen .  so  werden  die 
Fäden  abgetrennt  und  unter  der  Ligatur  das  (Jeweite  durchschnitten.  Bei 
einiger  Cbung  kann  man  die  Ligatur  auch  allein  anlegen.  Zu  dem  Zwecke 
spannt  man  Hohlvenensinus  und  Hohlvene  bei  Anlegung  der  Ligatur  mög- 


Präparation  des  Froschherzens.    IV. 


96 


H.  Fühner. 


Fig.  49. 


Fig.  50. 


liehst  dadurch  an,  daß  man  die  Kanüle,   wie  in  der  Figur  ersichtlich  ist, 
quer  über  die  Kehle  legt. 

Durch  wiederholtes  Aussaugen  mit  der  Pipette  und  Einfüllen  von 
Ringerlösung  ersetzt  man  das  noch  vorhandene  Blut  durch  die  Salzlösung, 
welche  bei  gelungener  Präparation  des  Herzens ,  bei  der  allmählich  regel- 
mäßig wiedereinsetzenden  Herztätigkeit,  in  der  Kanüle  auf  und  absteigt. 
Man  entfernt  die  vorhandene  Lösung  in  der  Kanüle  solange  sie  noch 
rötlich  gefärbt  erscheint,  da  selbst  geringe  Blutreste  Anlaß  zu  Gerinnsel- 
bildung geben  und  die  Kanüle  zum  Teil  verstopfen  können.  Bewegt  sich 
bei  kräftiger  Herztätigkeit  die  Flüssigkeit  in  der  Kanüle  nicht 
entsprechend  mit,  so  ist  die  Kanüle  in  ihrem  engen  Teile  ver- 
legt. Dies  kann  geschehen  durch  Blutgerinnsel  oder  durch  Luft- 
blasen, oder  dadurch,  daß  die  Kanüle  zu  tief  in  dem  Ventrikel 
steckt,  so  daß  die  Herzwand  das  Kanülenende  klappenartig 
verschließt.  Luftblasen  kann  man  durch  Aussaueen  mit  der 
Pipette  entfernen,  oft  auch  Blutgerinnsel.  Steckt 
die  Kanüle  zu  tief  im  Herzen,  so  sucht  man 
das  Herz  etwas  mehr  an  der  Kanüle  herabzu- 
schieben. Ungenügendes  Pulsieren  in  der  Kanüle 
wird  natürlich  auch  dann  beobachtet  werden, 
wenn  die  Kanülenspitze  nicht  bis  in  den  Ven- 
trikel hineinreicht.  Nach  Abnahme  der  ersten 
Ligatur  gehngt  es  dann  noch  manchmal,  die 
Kanüle  tiefer  in  den  Ventrikel  vorzuschieben. 

An  der  Herzspitze  wird  nunmehr  die  aus 
Federdraht  gebogene  Herzklammer  (Fig.  30«), 
die  mit  einem  Faden  versehen  ist,  festgeklemmt. 
Die  Herzklammer  muß  genügend  breite  Enden 
haben,  die  den  Herzmuskel  beim  Festklemmen 
nicht  verletzen.  Kanüle,  daneben  Kanülenende 
mit  daran  festgebundenem  Herzen  mit  Herz- 
klammer sind  in  Fig.  49  und  50  in  natürlicher 
Größe  wiedergegeben.  Zur  Herstellung  der  Herz- 
kanülen  ist  hier  zu  bemerken,   daß  dieselben 


Herzkanüle.  ,         .  .  .  -ui-i         i 

(Nat.  Größe.)  am    bcstcu  m  emem  Mikrobrenner    ausgezogen 
und    mit    einer    kleinen    Verdickung    versehen 


Isoliertes  Herz. 


werden,  welche  aber  auch  fehlen  kann.  Nach  dem  Ausziehen  wird  das 
Ende  der  Kanüle  auf  feinem  Schmirgelpapier  schräg  abgeschliffen.  Um 
das  Abgleiten  des  Herzens  von  der  Kanüle  zu  verhindern,  wird  das  Ende 
derselben  mit  Glasätztinte  etwas  rauh  gemacht.  Die  in  Fig.  51  ver- 
kleinert wiedergegebene  Pipette  wird  aus  einem  weiteren  Glasrohr  aus- 
gezogen, mit  einem  Stück  Gummischlauch  und  kleinem  Kork  versehen. 
Das  kapillare  Ende  der  Pipette  wird  so  lang  gelassen,  daß  beim  maxi- 
malen Einführen  der  Pipette  in  die  Herzkanüle  das  Pipettenende  bis  in 
das  Kanülenende  reicht,  aber  nicht  darüber  hinau.s,   weil  sonst  das  Herz 


Nacliwcis  und  Bestimmung,'  von  (üftcn  auf  biologischem  Wege. 


f»? 


leicht  durchstochen  wird.  Je  weiter  die  Pipette  aber  in  das  Kaniilenende 
vorreicht,  desto  hesser  laut  sich  mit  derselhon  der  llcrzinhalt  ciitlecrfn. 
Die  llerzkanüle  mit  dem  pulsierenden  Heizen  wird  in  dem  Kork  der 
Herzkammer  (Fig.  52)  befestigt,  der  Fach-n  durch  die  untere  (')ttiiung 
der  Herzkammer  gezogen  und  durch  einen  Drahthaken  mit  (h-m  mogHchst 
entlasteten  Schreibhebel  verbunden.  Sauerstoffzufuhr  durch  die  am  Boden 
der  Herzkammer  befindliche  Kingerlösung  erweist  sich  namentheh  am  Anfang 
des  \'ersuches  als  nützlich,  um  das  Herz  in  geordnete  Tiitigkeit 
zu  bringen.  Im  späteren  Verlauf  des  \'ersuches  kann  dieselbe  sehr 


FiR.  51 . 


Fig.  62. 


U 

Pipette  für 

Herzkandle. 

(Verkleinert.) 


Isoliertes  Froschherz  in  Herzkammer  tiber  Kinp.Tl.'SUDK.   SauerstofTdurohleituni;. 

Jiiquelsche  Zeitmarkieruhr. 


eingeschränkt  werden.  Je  höher  die  Aulientemperatur  bei  Anstelhiiig  th's  \er- 
suches  ist,  desto  nötiger  erweist  sich  die  Zufuhr  von  Sauerstoff  zum  Herzen. 
Hat  die  Präparation  des  Herzens  im  Sommer  längere  Zeit  in  Anspruch  ge- 
nommen, so  ist  der  Herzmu.skel  erstickt.  Hier  lälit  sich  dann  eklatant  der 
belebende  Einfluli  des  Sauerstoffs  beobachten,  den  man  in  diesem  Falle  so  rasch 
durch  die  liingerUisung  streichen  läl'.t,  dali  diese  zerstäubt  wird  und  das  Herz 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemischen  Arbeitsmothoden.  V.  ( 


98  H.  Fühner. 

besprüht.  Ist  das  Herz  nicht  wiederzubeleben,  so  kann  dies  eventuell  daran 
liegen,  daß  der  Venensinus  zu  kurz  abgebunden  ist,  wodurch  die  Herz- 
tätigkeit gehemmt  wird  (Staun ins). 

Unregelmäßige  Herztätigkeit  kann  mechanisch  bedingt  sein  durch  zu 
weites  Hineinragen  der  Herzkanüle  in  den  Ventrikel.  Sie  kommt  aber  auch 
als  pathologische  Erscheinung  bei  kranken  Fröschen  vor.  Solche  Herzen 
sind  zu  verwerfen.  Unbrauchbar  ist  auch  das  Herzpräparat  zu  Vergiftungs- 
versuchen, wenn  dasselbe  rinnt.  Dies  kann  bedingt  sein  durch  schlechtes 
Abbinden  der  Aorta  oder  der  Hohlvene,  häufiger  aber  durch  eine  Ver- 
letzung des  Vorhofs  bei  der  Präparation  oder  durch  Verletzung  des  Ven- 
trikels mit  der  Herzklammer. 

Zur  graphischen  Registrierung  der  Herztätigkeit  verwendet  man  einen 
möglichst  entlasteten  einarmigen  Schreibhebel  aus  Aluminium  oder  Stroh. 
Auch  ist  darauf  zu  achten ,  daß  die  Schreibfahne  eine  feine  Spitze  hat  und 
die  auf  der  berußten  Papierfläche  zu  ül)erwindende  Pteibung  eine  geringe 
(Papier  nicht  zu  dick  berußen!)  ist. 

Das  isolierte  Froschherz  hält  sich  in  feuchter  Kammer  im  winter- 
kalten Räume,  selbst  ohne  Sauerstoffzufuhr,  mehrere  Tag  lang,  ebenso  im 
Sommer  bei  Sauerstoffzufuhr. 

1.  Der  Nachweis  von  Giften  mit  Digitalinwirkung. 

Wie  beim  Nachweis  von  Giften  mit  Digitalinwirkung  am  ganzen 
Frosche  erwähnt  wurde,  ist  das  Auftreten  eines  systolischen  Herzstillstandes 
nach  Injektion  der  Giftlösung  in  einen  Lymphsack  beweisender  für  das 
Vorhandensein  eines  Produktes  mit  typischer  Digitalinwirkung,  als  der 
Versuch  am  isoUerten  Herzen.  Hier  verursachen  auch  die  den  Digitahs- 
glykosiden  chemisch  und  pharmakologisch  nahestehenden  Saponine  systo- 
hschen  Herzstillstand,  während  sie  am  ganzen  Tier  zu  schlecht  resorbiert 
werden,  um  diese  Wirkung  zu  entfalten.  Hingegen  ist  das  isolierte  Frosch- 
herz geeignet,  das  Vorhandensein  noch  sehr  geringer  Mengen  von 
Produkten  mit  Digitalinwirkung  nachzuweisen,  welche  am  ganzen  Tier 
keinen  Herzstillstand  mehr  hervorrufen. 

Zu  bemerken  ist ,  daß  nach  Straub  ^)  für  Versuche  am  isoherten 
Herzen  der  Wasserfrosch  ebensogut  brauchbar  ist  wie  der  Grasfrosch, 
während  bei  Versuchen  am  ganzen  Tier  der  Grasfrosch,  Avegen  seiner 
größeren  Empfindhchkeit  gegenüber  Produkten  mit  Digitalinwirkung,  zur 
Prüfung  derselben  vorzuziehen  ist. 

Injiziert  man  einem  Wasserfrosche  (50^)  1 — 2cm^  einer  Lösung  von 
Strophanthin  Boehringer  (das  annähernd  ebenso  wirksam  ist  wie  das 
kristallisierte  Produkt  von  Merck)  1:10.000  (=1/10— 2/10  m^)  in  den 
Brustlymphsack,  so  geht  das  Tier  im  Verlauf  eines  Tages  zugrunde  und 
es  zeigt  sich  bei  demselben  am  freigelegten  Herzen  systohscher  Stillstand. 


')  W.  Strauh ,     Quantitative  Untersuchungen  über  den  Chemismus  der  Strophan- 
thinwirkung.  Biochem.  Zeitschr.  Bd.  28.  S.  395  (1910) 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  99 

l  cm^  einer  Lösun^^  dcssclheii  rr;ii)ar;ites  ]  :  1(H).(H)0  (=  lldi)  nifit 
bleibt  am  ganzen  Wasserfrosche  ohne  sichtbare  Wiiküii;^'.  Am  isolieiteu 
Herzen  des  Wasserfrosches  hinbiegen  brin«^t  nach  F.  Trmdrhnhurg'^)  die 
Menge  von  Icrn^  einer  Lösung-  1 :5(M».(K)0  (  =  2  l(MM>//ixf)  im  N'erhmf  einer 
Stunde  systolischen  Stillstand  hervor.  Die  Substanz  muti  natürlich  in  IJinger- 
lösung  gelöst  sein  und  wird  nach  Entleerung  des  isoliert<'n  Herzens  von 
der  darin  befindlichen  IMngerlösnng  in  die  Kanüle  eingebracht,  nachdem 
erst  die  normale  llerztiitigkeit  registriert  ist.  Man  markiert  auf  der  Kurve 
den  Zeitpunkt  des  Einbringens  der  Lösung. 

Charakteristisch  für  die  Hauptvertreter  der  Produkte  mit  higitalin- 
wirkung  ist  die  relativ  langsame  Wirkung.  Der  Stillstand  tritt  auch  bei 
starker  Stroplianthinlösung  niemals  sofort  auf,  sondern  erst  nach  ö  bis 
15  Minuten  und  darül)er.  Hierdurch  unterscheiden  sich  diese  Substanzen 
mehr  oder  weniger  von  den  Saponinen,  bei  welchen  in  stärkeren  Lö.sungen 
fast  sofortiger  systolischer  Stillstand  des  Herzens  zustande  kommen  kann 
(P.  Trendelenhurcj).  Auch  in  noch  anderer  Weise  lassen  sich  die  Saponine 
von  den  Digitalissul)stanzeu  unterscheiden.  Eine  Saponinlüsung  wird  durch 
Digerieren  mit  Cholesterin  für  das  Froschherz  entgiftet,  während  dies  beim 
Strophanthiu  etc.  nicht  der  Fall  ist  {Karnülow  2). 

Quantitative  Anhaltspunkte  über  die  Konzentration  einer  Lösung  an 
Digitalisprodukten  lassen  sich  nach  Straub  ^)  am  isolierten  Herzen  aus  der 
Form  der  Gesamtkurve,  welche  im  Verlaufe  der  Vergiftung  aufgezeichnet 
wird,  gewinnen,  sofern  man  sich  erst,  wie  dies  Straub  für  das  Strophanthiu 
getan  hat.  an  einer  Anzahl  isolierter  Herzen  die  Wirkungsstufen  ver- 
schieden starker  Lösungen  aufgezeichnet  hat.  Man  verwendet  hierzu  wieder, 
wie  bei  der  Prüfung  am  ganzen  Frosch  angegeben  wurde,  sehr  langsamen 
Oang  des  Kymographions,  um  ..Silhouettenkurven-  aufzuzeichnen.  Wie  am 
ganzen  Tier,  so  fällt  auch  am  isolierten  Herzen  der  Anstieg  der  Kurve 
um  so  steiler  aus ,  je  größer  die  Konzentration  der  Lösung  an  wirksamer 
Substanz  ist.  Es  ist  zu  erwarten,  daß  zur  ([uantitativen  Bestimmung  das 
ausgeschnittene  Herz  leistungsfähiger  ist  als  der  ganze  Frosch,  da  bei 
letzterem,  wie  aus  den  ^■ersuchen  von  Focke  hervorgeht,  die  Uesorptions- 
geschwindigkeit  nur  schwer  zu  beherrschen  ist. 

2.  Der  Nachweis  von  Aconitin. 

Wenn  der  Versuch  am  ganzen  Frosche  (s.  d.)  die  Anwesenheit  von 
Aconitin  auch  meist  einwandfrei  durch  die  Herzwirkung  (Peristaltik) 
erkennen  läßt,  so  sind  dazu  doch  von  dem  kristallisierten  Produkt  in  Form 
des  salzsauren  Salzes  Mengen  bis  1, 100  m.Q  nötig.    Tberdies   versagt  die 

*)  P.  Trendelenburg,  Vergleichende  Untersuchung  über  den  WirkungsmeclKinismus 
und  die  Wirkungsintensität  glykosidischer  Herzgiftc.  Arch.  f.  e.xperim.  l'atliol.  u.  l'hariua- 
kologic.  Bd.  61.  S.  25fi  (1909). 

-)  Karaiiloir,  tlii.T  Kut-iiftung  glykosidischor  Herzgiftc  durch  Cholesterin  in  Ver- 
suchen am  ausgeschnittenen  Froschherzen.  Biochem.  Ztschr.  Bd.  l\'2.  S.  14n  (1911). 

3)  W.  Straub,  1.  c. 


100  H-  Fühner. 

Reaktion  in  nicht  zu  seltenen  Fällen  vollständig.  Hingegen  lassen  sich 
am  isolierten  Herzen  noch  Mengen  von  1/1000  mg  des  Salzes  mit  Sicher- 
heit nachweisen  (Fühner),  was  darum  besonders  wichtig  ist,  weil  für  das 
Aconitin  keine  empfindlichen  und  beweisenden  chemischen  Identitäts- 
reaktionen bekannt  sind. 

Um  eine  die  charakteristische  Peristaltik  zeigende  Kurve  vom 
isolierten  Herzen  zu  bekommen,  wird  man   in   folgender  Weise  vorgehen: 

Man  verdünnt  das  auf  Aconitin  zu  prüfende  Material  mit  Ringer- 
lösung im  Verhältnis  1 :  10,  1 :  100,  1 :  1000,  1 :  10.000  und  1 :  100.000. 
Von  jeder  Verdünnung  genügen  einige  Kubikzentimeter.  In  das  normal 
pulsierende  isolierte  Herz  eines  gesunden  Wasserfrosches,  das  bis  dahin 
mit  einem  Inhalt  von  etwa  i/,  cm^  Ringerlösung  gearbeitet  hat  und  von 
dem  man  eine  Zeitlang  die  Herztätigkeit  aufzeichnete,  verbringt  man,  nach 
Entleerung  der  Ringerlösung  mit  der  Pipette,  V2  c^><^  der  auf  Aconitin  zu 
prüfenden  Flüssigkeit  in  Verdünnung  1 :  100.000.  Enthält  die  Lösung  im 
Kubikzentimeter  etwa  1/1000  mg  Aconitin,  so  wird  man  an  dem  Herzen 
folgende  Beobachtungen  machen  können. 

Ist  die  Herzaktion  im  Anfange  des  Versuches   eine   langsame ,   z.  B. 
bei  Kaltfröschen,  so  wird  sie  im  Verlaufe  von  etwa  10  Minuten  beschleu- 
nigt und  die  anfänglich  hohen  Pulse  werden  niedriger.  Zweckmäßig  saugt 
man  die  in  der  Kanüle  enthaltene  Lösung  im  Verlaufe  des  Versuches  etwa 
alle  10  Minuten  mit  der  Pipette  zurück  und  gibt   sie   von   neuem  in  das 
Herz.  Man  erreicht  auf  diese  Weise   bessere  Durchmischung   der  Flüssig- 
keit.   Nach  etwa  20  Minuten   kann   sogenannte  Halbierung   am  Herzen 
auftreten,  d.  h.  auf  zwei  Vorhofpulse  kommt  nur  ein  Ventrikelpuls,  was  in 
der  Aufzeichnung  auf  der  berußten  Fläche  durch  seltenere  und  meist  wieder 
höhere  Pulse   zum  Ausdruck   kommt.    Es   kann   dann   vorübergehend   ein 
Stadium  der  Periodenbildung  beobachtet  werden,  wobei  auf  regelmäßige 
Serien  von  2 — 6  Pulsen   ein  Puls   ausfällt.    Die  Herzaktion   kann   hierauf, 
bei  dieser  geringen  Giftmenge,   wieder   eine   nahezu  normale  werden.    Ist 
im  Verlaufe    einer    halben  Stunde   von  Beginn    der  Vergiftung    an    keine 
weitere  Wirkung,  wie   etwa    unregelmäßige  Herztätigkeit   oder   die   durch 
fast  vollständige  vorübergehende  Stillstände  und  auffallend  unregelmäßige, 
abwechselnd    große    und    kleine   Pulse    im   Kardiogramm    gekennzeichnete 
Peristaltik  (Fig.  öo^)  aufgetreten,    so  entleert  man  den  Herzinhalt  und 
gibt  wieder  V2  ^»^^  derselben  Verdünnung  1 :  100.000  in  das  Herz.  Ist  die 
Menge    von   1/1000  mg  kristaUisiertem  Aconitin  im  Kubikzentimeter  der 
Lösung   enthalten,    so  wird  sich  20 — 30  Minuten  nach  Zugabe  der  neuen 
Menge,  also  jedenfalls  im  Verlaufe  der  ersten  Stunde  der  Vergiftung 
mit  ziemlicher  Sicherheit  Peristaltik  einstehen,  am  Herzen  selbst  kenntlich 
durch  wurmförmige,  hin-  und  herwogende  Bewegungen  der  Herzmuskulatur. 
Auf  ein  Stadium  kleiner  Pulse  folgt  meist  ein  solches  mit  großen  Pulsen. 
Oder  das  Herz  kommt  nach  1 — 2  Stunden   zum   völligen   diastolischen 
Stillstand  des  Ventrikels,  während  der  Vorhof  noch  eine  Zeitlang  weiter 
pulsiert.  Dieser  Stillstand  läßt  sich  beseitigen.  Man  entleert  dazu  den  Herz- 


Nachweis  ui.d  Btstimmung  von  Giften  auf  biologischem  ^Vege  \{ji 

Inhalt  und  ersetzt  ihn  durch  Kinj^erlösung.  Durch  wiederholtes  Ansaugen 
und  Zurückpressen  der  Kingerlösuu^-  in  den  Ventrikel  mit  der  Pipette 
wird  das  Herz  rhythmisch  gedehnt  und  allmählich  nimmt  es  wieder  seine 
geordnete  Tätigkeit  auf.  Die  Pulse  werden  nach  und  nach  grüßer.  aber  die 

Fi«.  B3. 


Rana  escnlenta.  86  g.  Männlich.  Isoliertes  Herz.    VerRiftanR  durch  Aconitin.  crisUll. 
HCl   1  :  100.000.     n  normale    HerzthtiKkeit.    /)  Peristaltik.    <•  fin.ile   rulgverlangsamung. 

Zeit  =  Sekunden. 

Herzaktion  ist  gegenüber  früher  stark  verlangsamt.  Man  kann  den 
Herzinhalt  noch  1 — 2mal  entleeren  und  durch  Pingerlösung  ersetzen.  Meh- 
rere Stunden  nach  der  Vergiftun«;- ist  die  Herztätiirkeit  wieder  vollkommen 
regelmäüig.  Aber  der  Ventrikel  pulsiert  langsam  bei  normaler  Vorhoft;itii:- 
keit  (Fig.  5a  c).   8— 16  Vorhofpul.se   können   auf   eine  Vcntrikelkoutraktion 


102  H.  Fühner. 

kommeü.  Dieses  ist  das  letzte  charakteristische  Stadium  der  Aco- 
nitinwirkung  am  Froschherzen,  das  mau  aber  bei  so  kleiueu  Giftmeugen 
nicht  immer  erhält.  Unter  den  angegebenen  Bedingungen  kann  das  mit 
Eingerlösung  pulsierende  Herz  von  kleinen  wirksamen  Aconitinmengen  sick 
wieder  völlig  erholen. 

Hat  die  zu  prüfende  Lösung  im  Verlaufe  einer  Stunde  keine  Peri- 
staltik und  keinen  diastolischen  Herzstillstand  hervorgerufen,  so  entfernt 
man  sie  aus  dem  Herzen  und  prüft  die  nächst  höhere  Konzentration 
(1 :  10.000)  in  der  angegebenen  Weise. 

Es  kommt,  wenn  auch  selten,  vor,  daß  diastolischer  Stillstand  des 
Herzens  im  ^^erlauf  der  ersten  Stunde  der  Einwirkung  von  schwachen 
Aconitinlösungen  eintritt  ohne  voraufgehende  deutliche  Peristaltik.  Man 
wird  dann  das  Herz  in  der  oben  angegebenen  Weise  mit  Piingerlösung  be- 
handeln, nach  Entleerung  der  Giftlösung.  In  solchen  Fällen  kann  Peristaltik 
beim  Auswaschen  eintreten.  Geht  aber  auch  hier  die  Herzaktion  ohne  Peri- 
staltik und  Pulsverlangsamung  in  normale  Herztätigkeit  über,  so  gibt  man 
von  neuem  die  erste  Giftlösung  zu.  Es  kann  jetzt  immer  noch  Peristaltik 
auftreten.  Ist  dies  nicht  der  Fall,  so  entfernt  man  die  Lösung  und  prüft 
das  ausgewaschene  Herz  auf  normale  Pieaktionsfähigkeit  durch  Einbringen 
einer  Lösung  von  salzsaurera  Aconitin  1:100.000.  Zeigt  durch  diese 
Lösung  das  Herz  im  Verlauf  der  ersten  halben  Stunde  deutlich  ausgeprägte 
Peristaltik,  so  ist  es  unwahrscheinlich,  daß  die  erste  zu  prüfende  Lösung 
Aconitin  enthielt  oder  sie  enthielt  neben  Aconitin  ^'erunreinigungen,  welche 
das  Zustandekommen  der  typischen  Aconitinwirkung  verhindern. 

Die  beigegebenen  Kurven  sind  einem  Versuche  entnommen,  bei 
welchem  das  Herz  eines  großen  Wasserfi'osches  mit  einer  Lösung  von 
Aconitin  HCl  1 :  100.000  (d.  h.  1/100  mg  im  Kubikzentimeter)  vergiftet 
wurde.  Nach  Einbringung  des  ersten  1/2  cm^  der  Lösung  zeigte  das  Herz^ 
dessen  normale  Tätigkeit  aus  Fig.  53  a  zu  ersehen  ist ,  schon  nach  5  Mi- 
nuten die  in  Fig.  53  b  aufgezeichnete  Peristaltik.  Nachdem  diese  vorüber 
war,  wurden  die  Pulse  wieder  größer  und  langsamer.  Die  in  Fig.  53c 
wiedergegel)enen  langsamen  Pulse  wurden  eine  Stunde  nach  Beginn  der 
Vergiftung  aufgezeichnet,  nachdem  noch  dreimal  von  neuem  i/,  cnt^  der 
Lösung  1 :  lOOClOO  in  das  Herz  gegeben  worden  war.  Auf  dieses  Stadium  folgt 
scliließhch,  bei  immer  seltener  werdenden  Pulsen,  der  diastolische  Stillstand. 

Es  ist  zu  bemerken,  daß  das  Stadium  der  langsamen  Pulse  selbst 
bei  der  Konzentration  der  Aconitinlösung  1 :  10.000  (1/10  mg  im  Kubik- 
zentimeter) fast  nie  vor  V2 — V4  Stunden  eintritt.  Bei  dieser  starken 
Aconitinlösung  ist  die  Peristaltik  schlecht  ausgeprägt.  Deshalb  ist  es  bei 
Prüfung  einer  unbekannten  Lösung  angebracht,  erst  mit  weitgehenden  Ver- 
dünnungen zu  beginnen.  Optimale,  lang  andauernde  Peristaltik  erhält  man 
bei  Lösungen  des  kristallisierten  Aconitins  in  Konzentration  1 :  200.000  bis 
1 :  500.000,  wobei  die  Menge  von  1/0  cm^  meist  ausreicht. 

Ganz  denselben  Verlauf  der  Vergiftung  kann  man  mit  amorphem 
salzsauren    Aconitin  (Merck)   bekommen,   nur   ist   dasselbe   schwächer 


Nachweis  und  Bestimmung  vun  (iiften  auf  biolo(,'ischein  Wege.  iQjj 

wirksam  als  das  kristallisiorte  Produkt.  Auch  mit  einer  durch  Iliu^M-rlösunf? 
verdünuten  Tinct.  Acouiti  lassen  sich  die  j^^deichen  Erschcinnn^'en  er- 
halten. Bei  der  Tinktur  namentlich  wird  öfters  erst  beim  Auswaschen  des 
vergifteten  Herzens  mit  Ringerlösung  die  Peristaltik  in  typischei-  Weise 
beobachtet. 

Unter  den  angegebenen  Bedingungen  dürfte  es  an  jedem  normalen 
Froschherzen  (Wasserfrosch;  Grasfrösche  sind  in  dieser  Ilichtung  bisiier 
nicht  geprüft!)  gelingen,  geringste  Aconitinmengen  nachzuweisen. 

3.  Der  Nachweis  von  Muscarin. 

Wie  DigitaHsprodukte  und  Aconitin  ist  auch  das  Muscarin  in 
geringerer  Menge  am  isolierten  Herzen  nachzuweisen  als  anj  ganzen 
P'rosche.     - 

Bemerkenswert  bei  der  Muscarinwirkung  ist  vor  allem,  wie  schon 
bei  der  Besprechung  des  Giftes  in  seiner  Wirkung  am  ganzen  Tiere  (s.  d.) 
hervorgehoben  wurde,  die  wechselnde  Resistenz  der  P" rösche  ihr  gegen- 
über. Diese  findet  sich  nicht  nur  am  ganzen  Tiere  ausgeprägt,  etwa  ab- 
hängig von  verschiedener  Piesorptionsgeschwindigkeit  von  den  Lymphsäcken 
aus,  sondern  auch  am  isolierten  Herzen. 

Bei  Verwendung  von  künstlichem,  durch  Oxydation  von  C'holin  her- 
gestelltem salzsauren  Muscarin  in  Ringerlösung  gelöst,  ist  am  isolierten 
Herzen  von  empfindlichen  Wasserfröschen  durch  eine  Lösung  1  :  100.000 
(in  Menge  von  Va  om^  in  die  Herzkanüle  gebracht)  noch  deutliche  Ver- 
minderung der  Pulshöhe  und  durch  Lösung  1 :  50.000^1 :  75.000  noch  dia- 
stolischer Stillstand  zu  erzeugen.  An  unempfindlichen  Herzen  wird  der 
Stillstand  oft  erst  durch  Lösungen  1 :  10.000.  manchmal  nur  durch  1:5(MM> 
hervorgerufen  {Fühner  und  Bosenoiv  ^ ). 

Fig.  54a  zeigt  die  Wirkung  von  '^Ucm^  einer  Lösung  von  salz- 
saurem Muscarin  1 :  50.000  an  einem  wenig  empfindlichen  Froschherzen. 
Beim  Entfernen  der  Ringerlösung  aus  dem  Herzen  steigt  die  Höhe  der 
Herzpulse  etw^as  an.  Sie  nehmen  aber  sofort  nach  Einbringen  der  Muscarin- 
lösung  stark  ab.  Diese  Verringerung  der  l'ulshöhe  (..negativ-inotrojte 
Wirkung")  ist  die  einzige  Wirkung  dieser  Lösung.  Nach  EntfernuuLf  der 
Giftlösung  und  Ersatz  durch  Pingerlösung  steigen  die  Pulse  wieder  au 
und  bei  wiederholtem  Auswaschen  kehrt  die  Herztätigkeit  bald  zur  Norm 
zurück. 

Fig.  54  i  zeigt  die  Wirkung  einer  Muscarinlösung  1 :  10.000  an  dem- 
selben Herzen.  Nachdem  die  Pulse  kleiner  geworden  sind,  tritt  rasch  dia- 
stoHscher  Stillstand  auf,  nur  noch  einmal  unterbrochen  durch  eine  Ven- 
trikelkontraktion. Dem  vollständigen  Stillstand  kann  eine  Serie  verlang- 
samter Pulse  (..negativ-chronotiope  Wirkung")  vorausgehen  .    wie    /..  B.  in 


*)  H. Fühner  (und   A'.  Roticumr),  I'lior  das  \orhalti'n  tlos  s\  ntlu-tisclicn  Muscarin» 
im  Tierkörper.  Arch.  f.  cxi..  I'atlml.  n.  l'liarmakol.  BdOl.  S.  284  (1909). 


104 


H.  Füll  11  er. 


Fig.  55.  Dieser  diastolische  Herzstillstand   läßt  sich  durch  gründliches  und 
häufig   wiederholtes   Auswaschen   mit  Ringerlösung   vollständig  beseitigen. 


Fig.  54. 


Bana  esculenta.  65  3.  Männlich.  Isoliertes  Herz,  n   Vergiftung  durch  Muscarin  HCl  1:50.000  (bei  M). 
h  Vergiftung   durch  Muscarin  HCl  1  :  10.000  (bei  3/).    Bei  (  |  )  Kingerlösung  entleert    oder  Herz  aus- 
gewaschen.  Zeit  =:  10  Sekunden. 

Am  längsten  dauert  es,  bis  auch  der  Vorhof  wieder  normal  pulsiert,  der 
durch  das  Muscarin  im  Gegensatz  zum  Aconitin  und  den  Substanzen  mit 
Digitaliswirkung  früher  in  seiner  Tätigkeit  beeinträchtigt  wird  als  der  Ven- 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  liiologischem  Wejfe. 


lOf) 


trikel.  Erst  wenn  die  Voiiiofpulse  wieder  kräftii^  und  normal  erfolgen,  ist 
das  Muscarin  völlif,^  aus  dem  Herzen  ausgewaschen,  was  nach  stiirkcrer 
Vergiftung  etwa  20  Minuten  in  Anspruch  nimmt.  Das  Herz  reagiert  dann, 
einer  neuen  Muscarinvergiftung  gegenüber,  wieder  wie  ein  normales  Herz. 
Man  kann  an  demselben  Herzen  bis  zu  20  Muscarinvcrgiftungen  verschie- 
dener (irade  vornehmen,  ein  Umstand,  welcher  die  genaue  (|uant  itative 
Bestimmung  des  Muscarins,  und  zwar  nicht  nur  des  synthetischen, 
sondern  auch  des  natürlichen  Produktes,  am  isolierten  Froschherzen  er- 
möglicht {Fiihncr^). 

Dieselben  Wirkungen,  wie  sie  hier  beschrieben  sind,  lassen  <\r\\  am 
isolierten  Herzen  auch  durch  Lösungen  von  Kaliumchlorid  hervorbringen. 
Doch  unterscheidet   sich    der 

diastolische   Stillstand    durch  Fig.bb. 

eine  Kalilösung  prinzipiell  vom 
Muscarinstillstand  dadurch, 
daß  er  durch  Atropin  nicht 
beseitigt  werden  kann. 

Fig.  55  zeigt  Muscarin- 
stillstand wieder  an  demselben 
Herzen  wie  oben  und  durch 
dieselbe  Lösung  1:10.000. 
Während  des  Stillstandes  wur- 
de zu  der  Muscarinlösung  in 
der  Herzkanüle  etwas  einer 
schwachen  Lösung  von  Atro- 
pinsulfat  zugesetzt  und  der 
Kanüleninhalt  durch  leichtes 
Ansaugen  durchmischt.  Dald 
schon  traten  schwache,  allmäh- 
lich stärker  werdende  Pulse 
auf  und  nach  einiger  Zeit 
war  die  Herztätigkeit  wieder 
eine  normale.  Das  Atropin 
läßt  sich  durch  Auswaschen 
aus  dem  Herzen  nicht  mehr  derart  beseitigen,  dal'»  das  .Muscarin  von  neuem 
wirksam  wird.  Noch  geringste  Spuren  von  Atrojjin  hindern  das  Zustande- 
kommen des  Muscarinstillstandes.  Nach  Hdninck-)  genügt  schon  am 
ganzen  Frosch  die  Menge  von  1  400  wi/?  Atropin.  um  die  Muscarin- 
wirkung  aufzuheben.  Die  am  isolierten  Herzen  wirksamen  Atropinmengen 
dürften  noch  bedeutend  geringere  sein  und  ist  hiermit  zugleich  eine 
Methode  zum  Nachweis  kleiner  Atropinmengen  gegeben. 

*)  H.  Fühner,  Die  (luantitative  Bestimmung  des  synthetischen  .Muscarins  auf  phy- 
siologischem Wege.  Arch.  f.  exp.  Pathol.  u.  Pharmakol,   Hd.  59.  S.  17".l  (IDOH). 

")  K.  Hariiark,  ÜhoT  die  Wirkung  ties  .Vtropin  und  Thysostigniin  auf  Pupille  und 
Herz.  Arch.  f.  e.\p.  Pathol.  u.  riuumakol.  Bd.  2.  S.  331  (1874).    -      Noch    wirksamer    in 


Baaa  escalenta.  öbg.  Mäonlirh.  Igoliortrs  Herz.  ViTSiftunfT 

durch   Muscarin    (M).     Stillstand    hescititft  durch   .Atropin- 

7.ugahe>(A>.  Bei  (  |  )  Kinj^erlosung  rntferiit  oder  Horz  »uü- 

gewascht'n.   Zeit  =:  10  Sekunden. 


106  H.  Fühner. 

d)  Prüfungen  am   Gefäßpräparat. 

Wertbestimmung  von  Nebennierenpräparaten  und  Adrenalin- 
lösungen, 

Zur  Prüfung-  der  Wirkung  von  Substcanzen,  ^Yelche  yne  das  Adre- 
nalin (Suprarenin)  die  Gefäßweite  beeinflussen,  findet  nach  einem 
Vorschlage  von  Straub  ein  Gefäßpräparat  des  Frosches  Verwendung, 
welches  nach  A.  Läwen  i)  und  P.  Trendelenhurg  2)  in  folgender  Weise  her- 
gestellt wird. 

Einem  möglichst  großen  Wasserfrosche  (100  f/  und  darüber)  wird  der 
Kopf  abgeschnitten  und  das  Rückenmark  sorgfältig  ausgebohrt. 

Der  Frosch  wird,  auf  einem  Teller  auf  dem  Rücken  liegend,  mit 
dem  Kopfe  nach  dem  Präparierenden  gewendet.  Mit  Schere  und  Pinzette 
wird  die  Haut  in  etwa  2  an  breitem  Lappen  von  der  Brust  bis  in  die 
Schenkelgegend  abpräpariert  und  über  die  Oberschenkel  gelegt  (Fig.  56). 
Hierauf  folgt  die  Entfernung  des  Brustbeins,  das  von  den  Oberarmknochen 
abgeschnitten  und  in  die  Höhe  gehalten  wird.  Man  sieht  an  seinem  unteren 
Ende,  von  der  vorderen  Bauchwand  zum  Herzen  ziehend,  genau  in  der 
Mittellinie,  die  große  Bauchvene,  welche  man  durch  einen  Scherenschnitt 
abtrennt.  Dann  wird  die  Bauchdecke  unterhalb  des  Brustbeins  quer  durch- 
schnitten, ein  Lappen  von  2  cm  Breite  (je  1cm  zu  beiden  Seiten  der  Vene) 
nach  unten  zu  präpariert  und  ül)er  den  Hautlappen  gelegt.  Nunmehr  wird 
der  Teller  umgedreht.  Man  präpariert  die  Blase  des  Frosches  vorsichtig 
(unter  Schonung  der  Bauchvene)  und  möglichst  tief  nach  unten  von  der 
vorderen  Bauchwand  ab  und  schneidet  sie  zusammen  mit  dem  Mastdarm 
heraus.  Eine  Ligatur  um  Mastdarm  und  Blase,  wie  sie  die  Abbildung 
(Fig.  56c)  zeigt,  ist  überflüssig.  Hingegen  müssen  beiderseits  die  von 
den  Schenkelvenen  aufwärts  zur  Xierengegend  ziehenden  Venae  renales  ad- 
vehentes  mit  feiner  Pinzette  unterstochen  und  mit  Ligaturen  (d)  abgebunden 
werden.  Xun  werden  unter  Schonung  der  schwarz  aussehenden  über  der 
Wirbelsäule  herabziehenden  Aorta  (a)  sämtliche  Bauchorgane  entfernt,  l)is 
herauf  zum  Herzen,  welches  gleichfalls  entfernt  oder  mit  der  Aorta  in 
Verbindung  gelassen  wird.  Der  Frosch  wird  auf  das  Froschbrett  horizontal 
gelagert  und  kann  an  den  Armen  mit  zwei  Klammern  fixiert  werden.  Darauf 
wird  eine  möglichst  fein  ausgezogene  Kanüle  (AoK)  in  die  Aorta  etwa  1  cm 
oberhalb  ihrer  Gabelung  über  der  Wirbelsäule  dm'ch  eine  mit  einem  Scheren- 


dieser  Richtung  als  das  Atropin  ist  nach  E.  Harnack  und  H.  Mei/er  [Untersuchungen 
über  die  Jaborandialkaloide.  Ibid.  Bd.  12.  S.  369  (Anmerk.)  (1880)]  das  dem  Atropin 
nahestehende  Duboisin. 

*)  A.  Läicen  ,  Quantitative  Untersuchungen  über  die  Gefäßwirkung  von  Suprarenin. 
Archiv  f.  experim.  Pathol.  u.  Pharraakol.  Bd.  51.  S.  415  (1904). 

-)  F.  TrenddeHbiirg,  Bestimmung  des  Adrenalingehaltes  im  normalen  Blut  sowie 
beim  Abklingen  der  Wirkung  einer  einmaligen  intravenösen  Adrenalininjektiou  mittelst 
phYsiologischer  Meßmethode.  Archiv  f.  experim.  Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  63.  S.  161 
(1910). 


Nachweis  uiitl   Bcstimmiin;,'  vuii  Giftoii  .inf  liiulugischem  Wege. 


107 


Fi^.  6U. 


AoK 


schnitte  hergestellte 
Öffnung  eingeführt. 
Die  Kanüle  wird,  etwa 
Vyriit  lang,  ans  einem 
dickwandigen  Kapil- 
larrohr  ausgezogen 
(die  in  der  Figur 
gezeichnete  längere 
Kanüle  ist  unnötig). 
Die  Kanüle  wird  in 
die  Aorta,  unter  wel- 
che vorher  ein  Faden 
gelegt  wurde ,  bis 
dicht  oberhalb  der 
Gabelung  derselben 
vorgeschoben,  festge- 
bunden und  mit  einer 
Klammer  am  Stativ 
in  richtiger  Lage  be- 
festigt. Zur  Einbin- 
dung ist  die  Kanüle 
schon  mit  Ringer- 
lösung gefüllt  von 
einer  2Ianotte?,chen 
'Flasche  (250  cm^) 
aus,  welche  durch 
einen  etwa  40  an  lan- 
gen (nimmischlauch 
mit  der  Kanüle  ver- 
bunden ist.  Der 
ClUmmischlauc  li  wird 
mit  einem  Quetsch- 
halin  versehen ,  der 
während  der  Einfidi- 
rung  der  Kanüle  in 
die  Aorta  soweit  ge- 
öffnet ist,  dali  die 
Ringerlösung  lang- 
sam aus  der  Kanüle 

tropft.       (Junimi- 
schlaucli  und  Kanüle 
müssen  frei  von  Luft- 
blasen sein.   Lut'tl)la- 

sen,  in  dieiiefiHJc  gelangt,  kiiiincii  diese  verstojjfi-n  (Luftembolie)  und  das  l'r.i- 
parat  unbrauchbar  machen.  Sitzt  die  Aortenkanüle  hchtiu:,  so  fliel'it  bei  geöff- 


Frogcbgcniliprapnrnt. 


108 


H.  Fühner. 


Fig.  57. 


netem  Quetschhahn  schon  Flüssigkeit  durch  die  hintere  Extremität  und  aus 
der  Bauch vene(/jj,  in  welche  jetzt  die  Venenkanüle  (VK)  eingeführt  wird.  Man 
lagert  hierzu  zweckmäßig  den  Haut-  und  Muskellappen  auf  einen  Kork  (e), 
auf  welchem  er  mit  Nadeln  angeheftet  werden  kann.  Durch  eine  mit  der  Schere 
hergestellte  Schnittöffnung  wird  die  Kanüle  in  das  Gefäß  geschoben.  Die  Venen- 
kanüle muß  dünnwandig  und  innen  möglichst  weit  sein.  Man  zieht  sie  am 
besten  aus  einem  Reagenzglase  in  Länge  von  10 — 12  ««aus.  Sie  kann  an 
der  Einführungsstelle  einen  äußeren  Durchmesser  von  Imm,  an  der  um- 
gebogenen Ausflußstelle  einen  solchen  von  2  mm  haben.  Ein  Festbinden 
der  Kanüle  in  der  Bauchvene  ist  überflüssig.  Zur  Unterstützung  der  Venen- 
kanüle, welche  derart  gelagert  werden 
muß,  daß  das  Gefäß  keine  Knickung  er- 
leidet, dient  ein  zweiter  Kork  (f).  — 
Die  Mariottesche  Flasche  (Fig.  57  MF), 
durch  deren  Heben  und  Senken  die 
Ausflußgeschwindigkeit  der  Tropfen  aus 
der  Venenkanüle  reguliert  werden  kann, 
wird  so  eingestellt,  daß  in  der  Minute 
30 — 40  Tropfen  ausfließen.  Dazu  genügt 
am  Anfang  des  Versuches  eine  Ein- 
stellung der  Flasche  10 — 15  cm  über 
dem  Präparat. 

Die  zu  prüfende  Flüssigkeit  wird 
jeweils  in  Menge  von  1  cm^  mit  einer 
mit  feiner  Nadel  versehenen  Spritze  in 
das  Innere  des  Gummischlauches  ein- 
gespritzt. Dies  geschieht  nahe  der  An- 
satzstelle des  Gummischlauches  an  die 
Aortenkanüle  (Stelle  J).  Letztere  muß  so 
fest  durch  die  Klammer  (Fig.  56  u.  57  A') 
am  Stativ  gehalten  werden,  daß  eine 
Verschiebung  während  der  Injektion 
nicht  vorkommt.  Die  Flüssigkeit  wird 
langsam  eingespritzt  (Dauer  etwa  15  Sekunden),  wobei  man  darauf  achtet, 
daß  während  der  Injektion  in  dem  Glasrohr  der  Mariotteschen  Flasche 
die  Ringerlösung  jedesmal  gleichhoch  (etwa  1  cm)  steigt,  der  Druck  in  dem 
Apparat  also  jedesmal  in  gleicher  Weise  gesteigert  wird.  Ein  Größerwerden 
der  Tropfenzahl  ist  bei  dieser  geringen  Drucksteigerung  kaum  wahrzunehmen. 
Die  Zahl  der  fallenden  Tropfen  wird  graphisch  registriert.  Zu  solchem 
Zwecke  existieren  verschiedene  elektrische  Registrierapparate,  die  aber 
alle  ab  und  zu  versagen.  Als  viel  brauchbarer  und  niemals  versagend  hat 
sich  eine  von  Herrn  Prof.  Straub  angegebene  Vorrichtung  erwiesen,  die  man 
sich  leicht  selbst  herstellen  kann  (Fig.  58).  Es  wird  dazu  ein  20  cm  langer 
Strohhalm  (vgl.  die  Angabe  S.  36)  aufgespalten  und  an  der  Achse  eines 
Schreibhebelwinkels  in  der  Mitte  seiner  Länge  fixiert.  An  seinem  vorderen 


Gefäßpräparat  mit  Bnrchströmnngsvorrichtung. 


Nachweis  uud  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  We^'e. 


\W 


Ende  wird  mit  Siefjellack  ein  etwa  lOnu  horausnifjcnder  diinnoror  Stroh- 
halm eingekittet,  welcher  die  Papierfahne  zur  Auf/.eicimnnj;  auf  dt-r  be- 
rußten Trommel  trügt.  In  das  zweite  Ende  wird  ein  doppelt  recht  winkelig,' 
gebogenes  Glasröhrchen  (Fig.  58)  eingekittet,  an  dessen  freiem  Ende  ein 
„Deckglas"  (D)  aufgeschmolzen  ist.  Dieser  Arm  des  Schrcibhebels  wird 
durch  einen  in  der  Mitte  mit  einem  Ann  langen  Schiit/  ver.sehenen  rJumuii- 
streifen  (G)  federnd  getragen,  welcher  seinerseits  oben  von  einem  Stativ- 
stück gehalten  wird.  Zur  Anspannung  des  Ciummisti-eifciis  ist  an  dem 
Hebelarm,  verstellbar,  ein  kleines  (iewicht  (Boj  augebracht.  Ein  zweites 
Gegengewicht  (BJ  kann  an  der  Achse  des  Schreii)hel)els  angehängt  werden. 
Die  (lewichtsstellung  wird  nach  den  Ausschlägen ,  die  der  Schr('il)hel»cl  auf 
der  berußten  Trommel  gibt,  reguliert.  Man  stellt  das  Froschbrett  so  hoch 

Fig.  58. 


Schreibbebel  zur  Tropfenregistriernng  nach  Stniuh. 

ein.  daß  die  Tropfen  aus  einer  Höhe  von  10  -JOrm  auf  das  Deckglas  des 
Sclu'eibhebels  und  von  da  in  eine  Glasschale  fallen. 

Über  der  Kurve,  welche  der  Schreii)hebel  auf  dem  Kvmographiou 
verzeichnet,  wird  durch  einen  Markiermagneten  die  Zeit  in  Minuten  auf- 
genommen. Nach  Abschluß  des  Versuches  wird  auf  den  lackierten  Kurven 
ausgezählt,   wie  viele  Tropfen  in  der  Minute   auf   den  Schreibhebel  fielen. 

Injiziert  man  Adrenalinlösuiigen  in  angegebener  Weise  in  den  (Jummi- 
schlauch,  so  erfolgt  durch  Verengerung  der  (iefäßc  sehr  rasch  eine  \Crmin- 
derung  der  Zahl  der  Tropfen,  wi'lche  aus  der  Vencnkaniilc  ausfließen.  Fig.  ')l> 
zeigt  zwei  Kurven,  welche  nacheinander  an  demselben  Pr;ii)arate  nach  Ein- 
spritzung verschieden  starker  Adrenalinlösungen  aufgenommen  wurden.  Die 
injizierten  Adrenalinlösungen  hatten  die  Konzentration  1  :  H»  .Millionen 
(kurve  a)  und  Irö  .Millionen  ( Kurve />).  Diese  Injektionen  wurden  an  einem 


110 


H.  Füliner. 


Froschpräparate  bald  nach  seiner  Herstellung  vorgenommen.  Es  muß  be- 
merkt werden,  daß  nach  P.  Trendelenhurg  die  Empfindlichkeit  des  Prä- 
parates anfangs  eine  Adel  geringere  ist  als  später,  nachdem  erst  einige 
Stunden  lang  Ringerlösung  durch  dasselbe  geleitet  wurde,  eine  Erschei- 
nung, welche  an  die  allmählich  zunehmende  EmpfindUchkeit  des  isoherten 


Fig.  ng. 


Bana  esculeuta.     85  </.    Weiblich.    Gefäßpräparat.    Bei  (-[-)  Adrenalininjektion,    a  1  :  10  Millionen 
1  cm^.    6  1:5  Millionen  1  em^.    Oben  Zeit  in  Minuten.  Unten  Tropfenregistrierung. 


Froschherzens  gegenüber  dem  Muscarin  erinnert.  Empfindliche  Frosch- 
präparate geben  noch  mit  Adrenalinlösungen  1 :  100  Millionen  regelmäßig- 
deutliche Ausschläge.  Die  Abnahme  der  Tropfenzahl  ist  der  Adrenalin- 
konzentration   proportional,     wie     die    in   Fig.  60    wiedergegebenen    an 


Fig.  60. 


Kana  esculenta.     125  g.  Weiblich.     Die  Injektionen    fanden  bei   \,  in  der  angegebenen  Eeihenfolge 

von  l:5Mill.  absteigend  statt,  sobald  das  Präparat  sich  wieder  von  der  vorangehenden  Injektion 

erholt  hatte    und  die  Tro]){enzalil    wieder    auf  33 — 35  in  der  Minute  angestiegen  war.     Dauer  der 

Versuche  1^  4  Stunden.  (.Nach  P.  Trendelenhurg .) 


einem  ungewöhnlich  empfindlichen  Präparate  aufgenommenen  Kurven 
zeigen.  Auch  von  Anfang  an  zeigt  sich  eine  verschiedene  Empfindlichkeit 
der  Versuchsfrösche ,  so  daß  jedes  Präparat  erst  geaicht  werden  muß. 

Bei  der  Gehaltsbestimmung  von  Nebennierenpräparaten  oder  der  Do- 
sierung von  Adrenalinlösungen  sind  folgende  Punkte  zu  beachten. 


Nachweis  und  Bcstinimimg  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  ]  ]  1 

Nach  Ilerstolluii.^  des  Präparates  und  Einstelliiim  der  TroptVii/ahl 
auf  30 — 40  pro  Minute  wird  eine  Probeinjciition  einer  frisch  licrtrcstclltcn 
Adrenalinlüsung  (L.  Suprarenin,  hydrochloric.  synthet.  Hoechst)  1  :  10  Mil- 
lionen gemacht.  Ist  das  Präparat  eini)findHch.  so  wird  man  von  Anfaii}.'-  an 
schon  einen  starken  Ausschlag,  etwa  wie  ohen  hei  1:;')  Millionen  hc- 
kommen.  Nachdem  die  Wirkung  dieser  ersten  Injektion  ahgcklungcn  ist, 
was  man  durch  vorühergeliende  Druckerhöhung  beschleunigen  kann,  in- 
jiziert man  \  on^  der  zu  prüfenden  Flüssigkeit,  von  welcher  man  erst 
weitgehende  \erdünnnugen  mit  Piingerlösung  hergestellt  hat.  Ist  die  erst 
injizierte  Probe  unwirksam,  so  geht  man  zu  geringeren  \'erdünnungen  des 
Untersuchungsmaterials  über,  bis  man  zu  einem  Wirkungsgrade  von  obiger 
Lösung  1 :  10  Millionen  gelangt  ist.  Im  Anschlull  an  die  Injektion  einer 
so  wirksamen  Probe  wird  mau  von  neuem  die  Testlösung  prüfen,  um  zu 
kontrollieren,  ob  das  Präparat  noch  die  ursprüngliche  Phnpfindlichkeit  bei- 
behalten hat. 

^  Nach  Verlauf  von  mehreren  Stunden  schwellen  die  Froschextremi- 
täten stark  an  (Ödembildung),  was  al)er  die  weitere  ^'erwendung  des 
Präparates  durchaus  nicht  J)eeinträchtigt.  Dasselbe  kann  selbst  mehrere 
Tage  hindurch  Verwendung  finden,  wenn  es  vor  dem  Vertrocknen  bei 
Nichtgebrauch  durch  Bedecken  mit  nasser  Watte  geschützt  und  in  niederer 
Temperatur  (Eisschrank)  gehalten  wird. 

Von  allen  l)iologischen  Methoden  zur  Gehaltsbestimmung  von  Adre- 
nalinlösungen  ist  die  hier  beschriei)ene  die  empfindlichste.  Eine  andere 
Methode  ist  beim  Froschauge  (s.  d.)  beschrieben.  Adrenalindosiernng  ist 
nach  ßatelli  u.  a.  möglich  durch  lilutdruckversuche  an  höheren  Wirbel- 
tieren. Ferner  sind  zu  dem  /wecke  der  isoherte  Kaninchenuterus  {Fränkd  ') 
und  Rinderarterien  (0.  B.  Meyer-)  benutzt  worden.  Zur  Kritik  dieser  Me- 
thoden vgl.  P.  Trendelenhurg  ^)  und  E.  BröJdmj  und  P.  Trcndelenlmrg.  *) 

e)  Prüfungen  am  Auge. 

Eine  größere  Anzahl  von  Giften  besitzt  die  Eigenschaft,  bei  lokaler 
Applikation  auf  das  Auge  die  Pui)ille  zu  erweitern  oder  zu  verengern, 
manche,  wie  das  Atropin,  in  so  hohem  Maße,  dali  noch  kleinste  Mengen 


')  Ä.  Frauke! ,  Über  den  Gehalt  des  Blutes  an  Adrennliu  bei  chronischer  Ne- 
phritis und  Morbus  Basedowii.  Archiv  f.  cxperim.  Pathol.  u.  Pharmakol.  IM,  00.  S.  30.'> 
(1909). 

*)  0.  B.  Meyer,  Über  einige  Eigenschaften  der  Gefäßmuskulatiir  mit  bosondorcr 
Berücksichtigung  der  Adrenalinwirkung.  Dissertat.  Würzburg  1906. 

^)  r.  Trendehnhurfi ,  1.  c. 

*)  E.  lirükiny  und  /'.  Trcndelenhiirtj ,  Ül)er  den  Adrenalinnachweis  unil  den  Adrc- 
nalingelialt  im  menschlichen  Blute.  Deutsciies  Arch.  f.  klhi.  Medizin  (1911).  —  Eine  Zu- 
sammenstellung der  gesamten  bis  heute  vorliegenden  Li  teratnr  (ib  er  das  Ad  re  na  liu 
findet  sich  in  der  Abhandlung  von  G.  Iku/ir.  Die  normale  und  pathologische  Physio- 
logie des  chromaffinen  Gewebes  der  Nebennieren.  Lubarach-Ustcrtags  Ergebnisse  der 
pathologischen  Anatomie.  Jahrg.  14  (1910). 


j^|2  H.  Fühiier. 

derselben  angezeif^t  werden.  Zum  Nachweis  dient  aber  in  der  Praxis  nicht 
das  Auge  des  Frosches  hierfür,  sondern  das  viel  empfindhchere  Auge  der 
Katze  oder  noch  besser,  speziell  für  Atropin  und  ihm  verwandte  Gifte, 
dasjenige  des  Menschen  (s.  d.). 

Pupillen  er  Weiterung  (Mydriasis)  auch  am  Froschauge  bewirken 
neben  Atropin  die  diesem  nahestehenden  Alkaloide  Hom atropin, 
Scopolamin,  Duboisiu,  Tropacocain,  Cocain,  dann  vor  allem  auch 
das  Adrenalin  (Suprarenin). 

Pupillenverengerung  (Miosis)  wird  hervorgerufen  durch  Physo- 
stigmin,  Muscarin,  Nicotin,  Pilocarpin. 

In  der  Pupillenwirkung  dieser  Substanzen  bestehen  zum  Teil  Unter- 
schiede: Legt  man  ein  isoliertes  Froschauge,  welches  erst  im  Dunkeln  ge- 
halten wurde  und  dessen  Pupille  dabei  weit  geworden  ist,  in  eine  iVoige 
Lösung  von  Pilocarpin-  oder  Physostigminsalz ,  so  verengert  sich  die  Pu- 
pille. Bringt  man  ein  Froschauge  erst  in  V2''/oige  Atropinlösung ,  so  wird 
es  hier  weit.  Nach  der  Atropinwirkung  erweist  sich  nur  noch  das  Physo- 
stigmin  als  wirksam,  Pilokarpin  nicht  mehr.  Legt  man  hingegen  ein  Auge 
erst  in  Curarin  (oder  Curare),  so  hat  zwar  noch  das  Pilocarpin  verengende 
Wirkung,  aber  nicht  mehr  das  Physostigmin.  >)  Zur  toxikologischen  Charakte- 
risierung von  Pilocarpin  und  Physostigmin  dürfte  die  Keaktion  nicht 
empfindlich  genug  sein. 

Die  hauptscächliche  Verwendung,  welche  das  enukleierte  Froschauge 
gefunden  hat,  ist  diejenige  zur  quantitativen  Bestimmung  des 
Adrenalins  (Ehrmann^). 

Herstellung  des  Präparates.  Man  geht  mit  starker  Schere  in 
das  Maul  eines  Frosches  (Wasser-  oder  Grasfrosch)  ein  und  schneidet  mit 
einem  Schlage  den  die  Augen  enthaltenden  Kopfteil  möglichst  weit  nach 
hinten  ab.  Der  Kopf  wird  in  der  MitteUinie  halbiert.  Mit  Schere  und  Pin- 
zette lassen  sich  die  Augen  nach  Abtrennung  der  Kopfhaut  leicht  und 
ohne  Verletzung  (ohne  daß  der  Augapfel  seinen  Inhalt  entleert)  aus  der 
Augenhöhle  herauspräparieren. 

Wertbestimmung  von  Adrenalinlösungen. 

Die  isolierten  Augen  werden  nach  Ehrmann  in  kleine,  unten  ge- 
schlossene Glastrichterchen  von  O'ö  cm^  Inhalt,  welche  in  ein  Reagenzglas- 
gestell hineingesetzt  werden  können,  die  Pupille  nach  oben  gekehrt,  ver- 
bracht und  zu  dem  einen  Auge  die  mit  physiologischer  (d.  h.  O-T^/oiger) 
Kochsalzlösung  verdünnte  Adrenalinlösung,  zu  dem  anderen  Auge  desselben 
Tieres  nur  physiologische  Kochsalzlösung  zugefügt.  Das  zweite  Auge  dient 
zur  Kontrolle.    Die  Pupille  des  ersteren  erweitert  sich,   und   zwar  ist  die 


^)  Vgl.  W.  E.  DLron,  Colchicine  with  special  reference  to  its  mode  of  actiou  on 
bone-marrow.  .Joiini.  of  Physiol.  Vol.  37.  p.  53  (1908). 

■-)  R.  Ehrmann,  über  eine  physiologische  Wertbestimmung  des  Adrenalins  und 
seinen  Nachweis  im  Blut.  Archiv  f.  experim.  Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  53.  S.  97  (1905). 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischoin  Wege. 


li:^ 


GescliAvindi^keit  der  Erweiteruiio'  und  der  (Ji-iid  dersclhen  ahhilnfri^r  von 
der  vorhandenen  AdrenaIiimien«,^eJ)  Zweckmäßig  verwendet  man  durch  vor- 
heriiie    intensive  Beliclitun;^'  verengte  rnpillcn  für  (Umi  N'crsucli. 

\on  Adrenalin  (Siipraicnin.  hydrochlor.  Höchst)  Ix-wirken  Verdün- 
nungen von  1  :  1  Million  noch  maximale  Erweiterung  der  Pupille, 
1:10  Millionen  hat  noch  deutliche,  1:20  .Millionen  keine  Wirkung  mehr. 

Die  Methode  ist  zu  orientierenden  quantitativen  \'ersuchen  sehr 
bequem  und  brauchbar.  Für  größere  Versuchsreihen  erfordert  sie  zuviel 
Froschmaterial.  Für  solche  ist  die  zugleich  genauere  Methode  am  Gefiiß- 
präparat  (s.  d.)  nach  Läwen-Trendelenhurg  vorzuziehen. 

Weiße  Maus. 

Weiße  Mäuse  sind  zu  Versuchen  leicht   zu   beschaffen,   da   sie  in 
vielen  wissenschaftlichen  I>aboratorieu,  namentlich  in  pharmakologischen  und 
hygienischen  Universitätsinstitu- 
ten,   ausgedehnte    ^'erwendung  Fig.  ci. 
finden     und    darum     von     den 
Dienern      derselben      gezüchtet 
werden. 

Cber  Mäusezucht  vgl. 
F.  Fuhrmann,  Die  wichtigsten 
Methoden  beim  Arbeiten  mit 
Pilzen  und  J Bakterien,  in  F.Ab- 
derhaldens Handbuch  der  l)ioche- 
mischen  Arbeitsmethoden.  Bd.  3. 
2.  Teil.  Berlin  1910.  S.  1269. 

Gefüttert  werden  die  Mäuse  mit  Brot  oder  Weizenkörnern  und  Wasser. 
Zu  Versuchen,  welche  mehrere  Tage  andauern,  nimmt  man  die  Tiere  aus 
dem  Käfig,  verbringt  sie  in  I^>echergläser  mit  etwas  Watte  und  verschließt 
mit  beschwertem  Drahtnetz.  Man  ergreift  die  Mäuse  am  besten  am  Schwanz 
mit  einer  Tiegelzange. 

Zu  prüfende  Substanzen  werden  den  Mäusen  entweder  i)er  os  oder 
subkutan  beigebracht.  Man  kann  die  zu  untersuchende  Substanz  mit  Siil'i- 
holzpulver  innig  vermengen  und  mit  Sirui»  daraus  l'illen  herstellen,  welche 
man  nach  dem  Trocknen  zum  Fressen  gibt  oder  man  kann  nach  FJtrIirh 
die  Substanz  auf  ..Cakes"  verteilt-)  verfüttern. 

Will  man  die  Maus  subkutan  injizieren,  so  geschieht  dies  am  besten 
unter  die  liückenhaut.  Beiiuem  zur  Injektion  ist  ein  kleines  Mausbrett 
(Fig.  61),    i)estehend    aus    einer   auf    einem   Brettchen    befestigten  Draht- 

')  Gute  plidtoiriapliische  Wio(lor!.'al)(Mi  iiornialor  und  (lincli  .Vdrcnalin  erwoitorter 
Froschpupilleu  finden  sich  hei  /•;.  Alnhrluthtcii  und  F.  Thies,  Weitere  Stmlicn  üher  das 
physiologische  Verhalten  von  1-.  d-  und  dl-Siii)rarenin.  Zeitsclir.  f.  phvsiol.  C'hem.  Bd.  59. 
S.  25  (llKni). 

-)  Albert-Cakes  werden  mit  der  Lösunir  getrankt,  sodann  ijetrooknet.  zerrielicn 
und  mit  Hilfe  von  Wasser  oder  Milcli  nach  Zusatz  von  UO //  Giidin  pro  Cakc  zu  i!i<i::- 

.\  bda  r  h  alden  ,  Handbach  der  biochoinischon  Arbeitsmethoden.  V.  g 


Jlausbrett. 


114 


H.  Fühner. 


Fig.  62 


rinne,  in  welclie  das  am  Sch^vanze  gehaltene  Tier  von  vorn  her.  den 
Pvücken  nach  oben,  hineingezogen  wird,  worauf  man  den  Schwanz  unter 
dem  Hebelarm  festklemmt. 

Man  wird  Mäusen,  welche  ein  Gewicht  von  10— 20(/  haben,  im  Durch- 
schnitt eine  Flüssigkeitsmenge  bis  zu  1  cm^  injizieren.  Zur  Injektion  von 
Bruchteilen  eines  Kubikzentimeters  ist  eine  Li  eh  er  (/sehe  Glas  spritze 
von  1  ciii^  Inhalt  (Fig.  62)  mit  feiner  Nadel  geeignet.  Zur  Vornahme  der 
Injektion  unter  die  Rückenhaut  erfaßt  man  mit  der  Pinzette  oberhalb  des 
Schwanzes,  quer,  eine  größere  Hautfalte,  sticht  die  Nadel  der  gefiülten 
Spritze  in  die  Längsrichtung  der  Falte  ein  und  schiebt  sie  unter  der 
Rückenhaut  möglichst  weit  nach  der  Nackengegend  vor.  Je  tiefer  man  die 
Injektion  vornimmt,  desto  besser  wird  ein  Auslaufen  der 
Flüssigkeit  aus  der  Einstichstelle  vermieden.  Nach  Zurück- 
ziehen der  Nadel  kann  man  von  der  Injektionsstelle  leicht 
nach  oben  hin  massieren  und  das  Tier  dann  aus  dem  Halter 
befreien. 

1.  Der  Nachweis  von  Colchicin. 

Das  Colchicin  ruft  an  höheren  Wirbeltieren  charak- 
teristische Vergiftungserscheinungen  hervor,  welche  zu  seiner 
Identifizierung  verwertet  werden  können.  Zur  tödlichen  Ver- 
giftung von  Katzen  ist  etwa  1  mr/  reines  Colchicin  pro  Kilo 
Tier  erforderlich.  Der  Colchicinvergiftuug  eigentümlich  ist 
ihr  langsamer  Verlauf.  Injiziert  man  einer  Katze  eine  töd- 
liche Dose,  so  verstreichen  mehrere  Stunden,  bis  die  ersten 
Vergiftungssymptome,  bestehend  in  Erbrechen  und  Durch- 
fällen, sich  zeigen.  Unter  Erstickungskrämpfen  erfolgt  der 
Tod  des  Tieres  meist  später  als  nach  7  Stunden.  Bei  der 
Sektion  findet  man  im  Magendarmkanal  gewöhnlich  zahl- 
reiche Blutungen. 

Colchicinmengen,  wie  sie  zur  tödlichen  Vergiftung  von 
Katzen  nötig  sind,  werden  in  forensischen  Fällen  nur  selten 
zur  Prüfung  am  Tier  vorhanden  sein.  Bei  den  meist  vor- 
liegenden kleinen  Mengen  ist  der  Vergiftungsversuch  an  der  w^eißen  Maus 
anzustellen.  Für  diese  Tiere  ist,  bei  einem  Gewicht  von  15 — 20  g,  die  tödliche 
Dose  zwischen  5/100  und  2  10  mg  gelegen  {Fühner^).  Injiziert  man  Mäusen 
die  Colchicinlösung  etwa  in  obigen  Mengen  unter  die  Riickenhaut,  so  fressen 
sie  nach  der  Injektion  oft  noch  mehrere  Stunden  lang.  Später  machen  sie 
einen  kranken  Eindruck,  fressen  nicht  mehr,  bewegen  sich  nur  wenig  und  der 
vor  der  Vergiftung  geballte  Kot  ist  jetzt  flüssig.  Die  Atmung  wird  allmählich 

liehst  kousisteutem  Teig  augerührt,  der  auf  Glasplatten  ausgerollt  und  nach  Zerschnei- 
den in  kleine  Plüttchen  getrocknet  wird.  —  P.  Ehrlich,  Chemotherapeutische  Trypauo- 
somenstudien.  Berliner  klin.  Wocheuschr.,  Nr.  9 — 12  (1907). 

1)  H.  Fühner,    tiber    den  toxikologischen  Nachweis   des  Colchicins.    Arch.  f.  exp. 
Pathol.  u.  Pharmakol.  Bd.  63.  S.  364  (1910). 


Liübergspritze. 


Nachweis  und  UcstininnuijLr  von  (üften  auf  l)iolo^ischem  \Vi-ire.  |J5 

stark  verlang-samt  iiiid  iiimnit  perioclisclicii  Charaktor  an,  Moist  erst  nach 
24  Stunden  und  später  erliegen  die  Tiere  der  \erjiittinig.  Charakteristisch 
für  das  Cok'liicin  ist  auch  bei  der  Maus  in  erster  Linie  der  lanj^same 
Verlauf  derselben.  Blutungen  im  Dannkaiial.  wclclic  auch  hei  der  Katze 
fehlen  können,  sind  bei  Mäusen  nicht  heol)achtet. 

Fällt  dieser  Versuch  an  der  ^veiljen  Maus  und  ein  solcher  am  Frosch 
(s.  d.),  zu  welchem  gleichfalls  kleine  Colchicinniengen  ausreichen,  nel)en  den 
chemischen  Reaktionen,  positiv  aus,  so  kann  der  Nachweis  von  Colchicin 
als  gelungen  angesehen  werden. 

2.  Der  Nachweis  von  Strychnin. 

Zum  Strychninnachweis  sind  nach  y-V/Zr/,- M  nur  junge  Mäuse  im 
A.lter  von  am  besten  14 — Hi  Tagen  geeignet,  welche  ein  (iewicht  von 
4 — 5  g  besitzen.  Ältere  Tiere  sind  viel  weniger  empfindlich.  Zur  Injektion 
der  kleinen  Mäuse  mit  der  auf  Strychnin  zu  prüfenden  Flüssigkeit  wer- 
den dieselben  am  besten  am  Schwanz  erfaßt,  und  unter  Festhalten  des 
Tieres  durch  einen  Gehilfen,  vorsichtig  oberhalb  der  Schwanzgegend,  mit 
scharfer  feiner  Nadel  einstechend,  unter  die  llückenliaut  injiziert.  Hei  Ge- 
genwart von  Strychninsalz  in  Menge  von  etwa  2  100(1 /»,i?  bekommt  die 
Maus  5 — 10  Minuten  nach  der  Injektion  Krämpfe,  verbunden  mit  charak- 
teristischer Zitterbewegung  des  Schwanzes,  die,  wie  Fig.  fJ.'l  zeiiit. 
nach  dem  Vorgange  von  Falck  graphisch  aufgezeichnet  werden  kann.  Dazu 
befestigt  man  am  Schwanz  des  Tieres  einen  denselben  um  1  <ii>  über- 
ragenden feinen  Draht,  legt  das  Tier,  das,  sobald  der  erste  Streckkrampf 
aufgetreten  war,  leicht  Seitenlage  erträgt .  in  solcher  auf  ein  gestieltes 
Froschbrett  und  befestigt  dieses  in  dem  durch  Trieb  und  Zahn  vertikal 
verstellbaren  Stativ.  Zur  llegistrierung  bringt  man  das  Kymographion  mit 
herunter  Papierfläche  in  horizontaler  Lage  unter  das  Froschbrett,  wel- 
ches man  durch  Drehen  am  Stativ  bis  ganz  nahe  über  die  Trommel  herab- 
senkt. Man  legt  die  Maus  an  den  unteren  Rand  des  Froschbrettes  und 
läßt  den  dasselbe  überragenden  Schwanz  lose  auf  der  Papierfläche  schleifen. 
Durch  beständig  regulierendes  Heben  und  Senken  des  Froschbrettes  über 
der  Trommel  gelingt  es  leicht,  die  Schwanzbewegung  vom  Aufti'eten  der 
anfänglichen  schwachen  Zitterbewegungen  bis  zu  den  sjjäteren  starken  Au.*^- 
schlägen  kontinuierlich,  in  mehreren  Heihen  untereinander,  auf  der  be- 
rubten  Papierfläche  zur  Aufzeichnung  zu  bringen.  .Man  verfolii:t  die  Kr- 
scheinung  etwa  eine  Stunde  lang.  I)ie  Zeitmarkierung  in  Sekunden  kann 
nachträglich,  bei  gleicher  Geschwindigkeit  der  Tronnnel  wie  während  des 
Versuches,  auf  dieser  aufgezeichnet  werden.  Wie  Fig.  «»H  zeigt,  sind  die 
Zitterbewegungen  des  Schwanzes  etwa  1<)  .Minuten  nach  der  Injektion,  al.><o 
bald  nach  dem  Auftreten  der  ersten  Streckkrämjjte  des  Tieres  sehr  klein 


')  F.  A.  Fahle,  Beitrajj  /um  Nachweis  des  8tnchiiui>.  \  uitcljaiir^sciir.  1.  gcrniiu. 
Med.  N.  F.  Bd.  41.  S.  345  (1^84). 


116 


H.  Fühner. 


und  rasch  (a),  steigern  sich  aber  bei  der  genannten  Dose  bis  zu  starken 
und  zugleich  viel  langsameren  Bewegungen  (d)  im  Verlaufe  von  Vi  Stunden. 
Dieser  Versuch  an  der  weißen  Maus  hat  ungefähr  dieselbe  Empfind- 
lichkeitsgrenze wie  die  chemische  Probe  mit  Kaliumbichromat  und  Schwefel- 


Fig.  63. 


^^,l^/,^»»wA»>^^n/,%«(?/;j^,||j^ 


■■^r^mUmiMiii 


■^mifk$iMlßlll00 


.^^,■i^llli^^wr'<0^«tlifmß^^ 


Weiße  Maus.    4-5  j/. 


',10011 '"!/  Strychuiunilrat.    ZitterbeweRung  des  Schwanzes,    a   10,  ü  15,    c 
d  40  Minuten  nach  der  Injektion.  Zeit  :=  Sekunden. 


säure  und  kann,  mit  dieser  vereint,   bei   positivem  Ausfall   als  beweisend 
für  die  Gegenwart  von  Strychnin  angesehen  werden. 

Zur  Herbeiführung  der  Strvchninkrämpfe  an  jungen  weißen  Mäusen 
genügen  geringere  Giftmengen   als  bei  Fröschen  (s.  d.).    Nach  Fcdclx  sind 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege.  I17 

zwar  hei  sehr  kleinoii  Fröschen  (Wasserfrüsche  von  i'y)  auch  schon  Mengen 
des  Nitrats  von  5/1000  //i.t>  hierzu  ausreichend.  Doch  sind  sohli  kleine 
Frösche,  im  Gef?ensatz  zu  kk'inen  Mäusen,  nicht  immer  zu  heschaft'en  und 
dann  sollen  namentlich  hei  kleinen  Fröschen  schon  gerinn:fü}iige  Ver- 
letzungen, ohne  Vergiftung.  Tetanus,  wenn  auch  nur  ausnahmsweise,  her- 
beiführen können,  was  jedenfalls  an  der  weißen  Maus  nicht  der  Fall  ist. 
Der  Versuch  an  der  weißen  Maus  erscheint  darum  nicht  nur  empfind- 
licher, sondern  auch  beweiskräftiger  als  derjenige  am  P'roscli. 

3.  Wertbestimmimg  von  Schilddrüsenpräparaten. 

Eine  interessante  Methode  zur  Wert  bestimm  ung  von  Schild- 
drüsenpräparaten ist  von  BeklHunt^)  ausgearbeitet  worden.  Sie  ba- 
siert auf  der  Beobachtung,  daß  weiße  Mäuse,  die  mit  wirksamer  Schild- 
drüsensubstanz einige  Zeit  gefüttert  wurden,  gegenüber  der  \'ergiftung 
mit  Acetonitril  eine  außerordentlich  gesteigerte  Resistenz  bekommen. 
Bezüglich  der  Ausführung  der  Methode  muß  auf  die  Originalarbeiten  des 
genannten  Autors  und  die  Nachprüfung  derselben  durch  F.  Trendeleubunj  -) 
verwiesen  werden. 

Kaninchen. 

.     Kaninchen  ^)  sollen  hier  in  ihrer  \'erwendung  zum  Nachweis  des  Ki- 

cins  und  zur  Wertbestimmung  von  Fiebermitteln  besprochen  werden. 

Man   hält   die  Tiere   während   der  Versuche  in    trichterförmigen 

Blechkästen   (Fig.  64)   mit   doppeltem  Siebboden,   unter   die   ein  (JefiU) 

zum  Auffangen  des  Harns  gestellt  wird. 

1.  Der  Nachweis  von  Ricin. 

Will  man  die  Lösung  einer  Substanz,  welche  im  \'ersuch  am  Blute 
(s.d.)  Agghitinationswirkung  gezeigt  hat,  als  llicin  charakterisieren,  so 
muß  ihre  (Giftigkeit  durch  subkutane  Injektion  am  Kaninchen  erwiesen 
werden,  da  auch  ungiftige  auf  gleiche  Weise  wie  das  Hicin,  und  zwar  aus 
Bohnen  dargestellte  Träparate,  die  sogenannten  l'hasine,  auf  rote  Blut- 
körperchen stark  agglutinierend  wirken,  sich  aber  vom  Kicin,  Abrin  etc. 
durch  geringe  Giftigkeit  am  Kaninchen  unterscheiden.  IJicin  tötet  Kanin- 
chen noch  in  Mengen  von  Ol  712^"  pro  Kilo  Tier  und  darunter  [Kobert*), 
während  von  Phasiu  selbst  Dosen  von  10 /jj.ij  unwirksam  sind. 

*)  li'rid  Hunt  and  Atherthon  Seidel!,  Studios  on  Thyroiii.  HyLnciiic  Laboratory 
Bulletin  Nr.  47.  Washington  1909. 

^)  /'.  Tretulelcnhurfi,  ülior  (Ion  Xiicliwcis  toxischer  Stoffe  im  Hliitc  thyreoidekto- 
mierter  Tiere.  Biochem.  /eitsciir.  Bd.  29.  8.  H9()  (l'.lloi. 

^)  U.Gerhardt,  Das  Kauinciien.  Leipzig  1910.  —  A.  Srhumaun,  Das  Kaninchen. 
Stuttgart  (s.  a.). 

*)  R.  Kohert,  Kini^e  Notizen  iilu  r  die  Bcdoutunv'  und  ih'U  Idologischen  Nachweis 
von  veufotahilischen  Agirlutininen  und  Hiimolysinen.  Die  Landwirtschaft!.  Versuchs- 
stationen. Berlin.  Bd.  71.  S.  258  (1909). 


118 


H.  Füll  11  er. 


Zur  Prüfung  auf  Ricin  wird  die  Lösung  einem  Kaninchen  subkutan 


Prüfung 


der 


Fig.  64. 


unter  die  Ptückenhaut  injiziert,  in  der  weiter  unten,   bei  der 
Fiebermittel,  beschriebenen  Weise. 

Bei  Injektion  größerer  Ricinmengen  (etwa  1  mg  pro  Kilo  Tier) 
beobachtet  man  nach  Fr.  Müller'^)  folgende  Erscheinungen:  In  den 
ersten  12 — 14  Stunden  verhält  sich  das  Tier  durchaus  normal,  nimmt 
Nahrung  zu  sich  und  scheidet  Harn  in  gewohnter  Menge  aus.  Nach  24  bis 
oO  Stunden  tritt  die  tödliche  Giftwirkung  plötzlich  hervor.  Das  Tier 
fällt  um,  kann  allgemeine  Krämpfe  zeigen,  liegt  dann  bald  schlaff  auf 
Bauch  oder  Seite  und  kann  sich  nicht  mehr  aufrichten.  Krämpfe  können 
noch  wiederholt  auftreten,  werden  aber  allmählich  schwächer  und  etwa 
I/o  Stunde  nach  dem  ersten  Anfall  tritt  der  Tod  ein.  Doch  kann  auch  der 

Tod  ohne  Krämpfe  nach  vorausgehender 
kurzer  Atemnot  und  bald  einsetzender 
schlaffer  Lähmung  des  Tieres  eintreten. 
In  den  letzten  Lebensstunden  zeigen 
sich  häufig  profuse  Diarrhöen.  Erhö- 
hung oder  Verminderung  der  wirk- 
samen Dose  des  Ricins  ist  nur  von 
Einflul)  auf  das  Stadium  der  Inku- 
bation, d.  h.  das  Stadium  vor  dem 
Einsetzen  der  akuten  Erscheinungen. 
Dieses  kann  bei  geringen  Dosen  mehrere 
Tage  andauern. 

Bei  der  Sektion  des  verendeten 
Tieres  ist  als   charakteristisch    für  die 
Ricinvergiftung   besonders   der  Befund 
von   selten   des  Darmes   anzusprechen. 
Hier  finden  sich  viele  Blutungen,  dann 
besonders    auffallend    Schwellung     und 
Rötung    der   Pei/erschen   Pla(i[ues.    Da- 
neben findet  man  Schwellung  und  Rö- 
tung der  retroperitonealen  Lymphdrüsen.    Für  die   lokale  Wirkung  des 
Ricins   ist   dann   noch    typisch   die  sulzige  Nekrose   des  Gewebes,   welche 
sich  an  der  Injektionsstelle  unter  der  Rückenhaut  ausbildet. 


Kaninchen  trichter. 


2.  Wertbestimmung  von  Fiebermitteln. 

Nach  der  von  21.  Kiliani  -)  ausgearbeiteten  ^lethode  verfährt  man  in 
der  Weise,  daß  man  am  Kaninchen  durch  subkutane  Injektion  steriUsierter 
Kulturen  von  Bacterium   coli  Fieber   erzeugt   und   dieses  Fieber   durch 


*)  Fr.  Müller,  Beiträge  zur  Toxikologie  des  Ricins.  Arch.  f.  exp.  Pathol.  u.  Phar- 
makologie. Bd.  42.  S.  .30.5  (1899). 

'-)  M.  Kiliani,  Piiarmakologische  Wertliestimmimg  der  technischen  Fiebermittel. 
Arch.  internatiou.  de  pharmacodyn.  et  de  therapie.  T.  20.  p.  333  (1910). 


Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


119 


Fig.  66. 


Eingabe  dor  zu  prüfondou  Substanz  h('ial)zuilriick(Mi  .sucht  wobei  die  Wir- 
kung derselben  mit  derjenigen  von  in  ihrer  Wirkung  bekannten  Ki<-bfM- 
mitteln,  wie  Antipyrin  oder  I'vramidon.  vergHchen  wird. 

Herstellung  der  Bakterienkultur.  Eine  niindesten.s  3 — 4  Wochen 
in  einem  auf  SO—))!"  (nicht  höher!)  eingestellten  Thermostaten  gewachsene 
('oli-Iiouillonkultur  filtriert  man  durch  ein  Ton-(Pukal-)fiiter.  L)er  Uiickstand 
der  Filtration  >Yird  vom  Filter  abgeschal)t,  in  der  zu  feiner  \erteilung 
eben  genügenden  Glyzerinmenge  im  Achatmörser  gut  verrieben  und  eine 
Viertelstunde  bei  etwa  100"  erhitzt,  was  einmal  Sterilisierung  und  zweitens 
AufschlieÜung  der  liakterienleiber,  welche  die  Hauptmenge 
des  Fiebergiftes  enthalten,  bezweckt. 

Die  Fieber  er  Zeugung  am  Kaninchen  geschieht 
durch  sui)kutane  Injektion  dieser  Bakteriensuspension,  und 
zwar  erhalten  davon  Tiere  unter  1500  </  0-2  cm '^  in  2  cin^ 
Filtrat  der  Kultur,  Tiere  iilier  1500  (j  die  doppelte  Menge. 
Zur  subkutanen  Injektion  des  Kaninchens,  welche 
am  besten  unter  die  lUickenhaut  vorgenommen  wird,  hebt 
man  hier  eine  grüljere  Falte  auf  und  sticht  mit  der 
scharfen  Nadel  der  gefüllten  Injektionss[)ritze  (2 — 5  crn^) 
in  der  Längsrichtung  der  Falte  ein.  Xov  Entleerung  der 
Spritze  wird  man  sich  durch  liefühlen  überzeugen,  ob  die 
Nadelspitze  unter  der  Haut  liegt.  Man  entleert  den 
Spritzeninhalt,  zieht  die  Nadel  zurück  und  verteilt 
durch  leichte  Massage  die  unter  die  Haut  gebrachte 
Flüssigkeit. 

Vor  der  Injektion  der  Kolikultur  mibt  man  die 
Temperatur  des  Tieres.  Die  normale  Temperatur  des 
Kaninchens,  im  Mastdarm  gemessen,  betragt  durchschnitt- 
lich oD".  Die  Breite  der  Tagesschwankung  des  Nornial- 
tieres  beträgt  höchstens  1°.  Doch  erfolgt  diese  Verände- 
rung langsam  und  allmählich,  niemals  kritisch,  wie  bei 
Verabreichung  eines  Fiebermittels. 

Die  Temperaturmessung  des  Kaninchens  geschieht  im  Mastdarm 
mit  einem  gekrümmten  Thermometer  (Fig.  65).  Man  setzt  sich  zur  Vor- 
nahme der  Messung  auf  einen  Stuhl  inid  hidt  das  Tier,  .^ein  Hinterteil 
nach  auswärts,  auf  den  Beinen  fest.  Dann  ergreift  man  mit  einer  Il.ind 
kräftig  den  Schwanz  des  Tieres,  drückt  dabei  mit  dem  Handgelenk  zu- 
gleich den  gekrümmten  Rücken  nach  unten  durch,  zur  besseren  Streckung 
des  Darmes,  und  führt  mit  der  anderen  Hand  das  mit  (")1  eingefettete 
Thermometer  etwa  10  cm  tief  (bis  zu  der  Krümmung)  ohne  Anwendung 
von(iewalt  in  den  Mastdarm  ein.  Sobald  die  Temperatur  nicht  nndir  weiter 
steigt,  liest  man  ab  und  zieht  das  Thermometer  zurück.  Frühestens  vier 
Stunden  nach  Injektion  der  Kultur  wird  durch  zweimalige  Temperaturmessung 
im  Abstand  von  ^  ., — 1  Stunde  die  Höhe  des  Fiebers  festgestellt  und  dann 
das  zu  prüfende  Antipyreticum  gegeben. 


Kaniiichenthermoroetcr. 


120 


H.  Fühner. 


Handelt  es  sich  um  Feststellung  der  Wirksamkeit  an  sich,  so 
gibt  man  dem  Tiere  die  zu  prüfende  Substanz  in  Menge  von  etwa  O'ö  g  pro 
Kilo  innerlich  in  Lösung  oder  als  Pulver.  Letzteres  kann  geschehen,  in- 
dem man  dem  durch  einen  Gehilfen  gehaltenen  Tiere  das  Maul  mit  einer 
Kieferklemme  aufhält  und  das  in  einem  Glasrohr  befindliche  trockene 
Pulver  möglichst  tief  in  den  Pachen  schüttet.  Durch  Zuhalten  der  Nase 
veranlaßt  man  das  Tier  zum  Schlucken.  Diese  Methode  eignet  sich  nament- 
lich für  in  "Wasser  schwerlösUche  Präparate.  Leichtlösliche  Substanzen  gibt 
man  in  wässeriger  Lösung  mit  der  Schlundsonde  in  den  Magen.  Hierzu 
ergreift  ein  Gehilfe  das  Tier  mit  einer  Hand  erst  an  den  Ohren  und  er- 
faßt dann  mit  der  anderen  nacheinandei'  Hinter-  und  Vorderbeine  des 
herabhängenden  Tieres.  Man  führt  darauf  den  in  Fig.  66  gezeichneten, 
runden,  12  cm  langen  Holzknebel  seitlich  in  das  Maul  ein.  Der- 
selbe wird  vom  Gehilfen  mit  der  ersten,  über  den  Kopf  grei- 
fenden Hand,  im  Maul  in  richtiger  Lage  festgehalten.  Man 
sucht  dann  durch  das  Loch  in  dem  Knebel  eine  etwa  3  mm 
dicke  und  30  cm 


Fig.  üG. 


lange 


Sonde  in  den  Magen  des  Tieres  einzu- 


Kaninchen- 
knebel. 


kung 


der 


führen.  Hierbei  muß  man  an  der  hinteren  Rachenwand  entlang 
gehen  und  vermeiden,  in  die  Luftröhre  zu  gelangen.  Das  Ein- 
führen der  mit  Seife  oder  Öl  glatt  gemachten  Sonde  muß  leicht 
und  ohne  Anwendung  von  Gewalt  gelingen.  Spürt  man  Wider- 
stand, so  zieht  man  zurück  und  schiebt  von  neuem  vor.  Als 
Sonde  verwendet  man  einen  weichen  Nelatonkatheder.  Ist  der- 
selbe zu  Inegsara,  so  wird  ein  eingesteckter  Draht  mit  einge- 
führt und  nachher  entfernt.  x\n  dem  Ende  der  Sonde  befindet 
sich  ein  Stück  (Tummischlauch  und  ein  kleiner  Trichter,  in 
welchen  man  die  Flüssigkeit  gießt.  Fließt  der  Trichterinhalt 
nicht  ab,  so  muß  man  das  Abfließen  durch  leichtes  Vor-  und 
Zurückziehen  der  Sonde ,  Kneten  des  Gummischlauches  oder 
Druck  auf  die  Flüssigkeitsoberfläche  zu  erreichen  suchen. 

Nachdem  die  Substanz  in  Pulverform  oder  Lösung  in  den 
Magen  gebracht  wurde,  muß  die  Temperatur  nach  ^U  Stunde  und 
später  noch  wiederholt  gemessen  werden,  um  eine  etwaige  Wir- 

Substanz  feststellen   zu  können.  Als  Substanzwirkung  kann  eine 

1 , 


Temperatursenkung  von  mindestens  \'2  Grad  im  Verlaufe  von  einer  bis 
längstens  zwei  Stunden  (je  nach  der  Resorptionsgeschwindigkeit  des  Prä- 
parates) angesehen  werden. 

Zur  Feststellung  wirksamer  Minimalgaben  eignet  sich  besser 
die  Subkutanapplikation,  wobei  pro  Kilo  Tier  0'025 — Ol  gegeben  werden 
kann  und  eine  Wirkung  von  mindestens  ^/o  Grad  1  Stunde  nach  der  Injek- 
tion eingetreten  sein  muß. 

^'on  den  beiden  im  Texte  wiedergegebenen  Kurven  (nach  Kiliani) 
zeigt  die  erste  (Fig.  67)  die  fiebererzeugende  Wirkung  einer  Kolibakterien- 
suspension  am  Kaninchen  und  die  allmähliche  Rückkehr  der  Temperatur 
des  Tieres  zur  Norm. 


Nachweis  und  Bostinimung  von  Giften  a'if  Itiologischem  Wepe. 


llM 


Fig.  68  zeigt  an  einem  anderen  Tier,  das  mit  gleielier  Üakterien- 
menge  ^vie  das  erste  infiziert  wurde,  ein  voriihergeheiules  starkes  Al)sink«'n 
der  Kurve  durch  die  Menge  von  50  7/1;;'  Tyraniidon.    (irölicrc  Hosen  der 


FiR.  67. 

S  S 


fO  9 


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33" 


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1 

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iiO» 


3.90 


Kaniiielun  von  20i0  y.    Fieber  durch  subkutany  InJBktion  von  0  4  cm'  Bakt<>rieusaspeiision   im 
40  cm^  Kolibouillonfiltrat.  Injektion  bei  +.   (Nach  Kiliani.) 


Antipvretika  können  unter  den  angegebenen  Bedingungen    dauenuk'    Ent- 
fieberung der  Tiere  bewirken. 


/n"         f2 


Fig.  CS. 
«  G 


S  fO 


4/^ 


6*0 


39' 


+ 

+ 

x 

1 

^-^ 

k--' 

\ 

/•  , 

+ 

^^\ 

^ 

y 

w 


'tO' 


39° 


Kaninchen  von  IÖ5O3.  I-ieber  durcb  Injektion  wie  oben  (  +  1.   liei  -j — f-  üubkntaue  Injektion 
von  0'05<7  Pyramidon.    Wirkung:  Vorübergehende  TeinporatursenkuDg.   (Nach  Kilinni.) 


Auf  die  voraussichtliehe  Wirkung  einer  am  Kaninchen  gcjjrüften 
Substanz  beim  fiebernden  Menschen  ist  vor  allem  ans  dem  N'cr^ucli 
bei  innei'licher  Darreichung  ein   lliickschluC»  möglich. 


Mensch. 


Auf  die  (legenwart  einer  Anzahl  von  (üften  kann  der  rnter>ucher 
im  Verlaufe  einer  toxikologischen  Analyse,  nanu'ntlich  bei  N'ornahnie  von 
l)e>tillati()nen.  schon  durch  eigentümliche  (;eruciis(|ualitäten  mancher 
Gifte  aufmerksam  werden.  Hierher  gehören  Substanzen,  wie  Chlor.  Drom. 
Jod.  Phosphor,    P)lausiiure.    Alkohol,    .\tlier.    Chloroform,   Jodo- 


122  H.  Füll n er. 

form,  Phenol  und  Kresole,  Nitrobenzol,  Anilin,  Pyridin,  Piperidin, 
Chinolin  und  von  Alkaloiden  namentlich  Coniin  und  Nicotin. 

Sehr  wichtig  zur  Erkennung  vieler  Substanzen  ist  ihre  Prüfung  auf 
der  Zungenspitze.  Durch  bitteren  Geschmack  machen  sich  Strychnin, 
Brucin,  Chinin,  Colchicin,  Pikrotoxin,  Pikrinsäure  bemerkbar, 
während  Cocain  und  ihm  in  der  Wirkung  nahestehende  Produkte  durch 
Lähmung  der  sensiblen  Nervenenden  Gefühllosigkeit  hervorrufen,  Aconit  in 
und  Veratrin  dagegen  durch  deren  Erregung  ein  Gefühl  des  i3rennens 
erzeugen. 

Der  Nachweis  hautreizender  und  namentUch  blasenziehender  Sub- 
stanzen, wie  in  erster  Linie  des  Cantharidins,  geschieht  am  besten  am 
eigenen  Körper.  Man  löst  dazu  den  zu  prüfenden  Piückstand  in  Avenig 
heißem  Mandelöl,  tränkt  damit  ein  Stückchen  Watte  und  befestigt  dies 
an  einer  empfindlichen  Stelle  der  Brusthaut  oder  des  Arms  mit  etwas 
Heftpflaster.  Noch  durch  1/10  mg  Cantharidin  kann  Blasenbildung, 
durch  geringere  Mengen  Hautrötung  hervorgerufen  werden.  Gleichzeitige 
Anbringung  eines  zur  Kontrolle  nur  mit  Öl  getränkten  Wattebausches  ist 
empfehlenswert. 

Versuche  am  Menschen  kommen  weiterhin  vor  allem  dann  in  Frage, 
wenn  es  sich  um  den  Nachweis  kleiner  Mengen  von  Giften  handelt,  die, 
wie  Physostigmin  und  A tropin,  durch  ihre  Beeinflussung  der  Pupillen- 
weite (vgl.  die  Angaben  beim  Froschauge)  charakterisiert  werden  können. 
Am  wichtigsten  und  zugleich  am  empfindlichsten  ist  der  Nachweis  des 
A  tropin  s  und  der  ihm  nahestehenden  Alkaloide  Scopol  am  in,  Duboi- 
sin  etc.,   welche   das  Atropin  zum  Teil  noch  an  Wirksamkeit  übertreffen. 

Zur  Prüfung  am  Menschenauge  muß  der  aus  organischem  Material 
gewonnene  Piückstand  weitgehend  gereinigt  sein,  namentlich  darf  derselbe 
nicht  sauer,  eher  etwas  alkalisch,  gegen  Lackmus  reagieren.  Zur  Prüfung 
werden  2 — ?>  Tropfen  einer  wässerigen  Lösung  mit  Pipette  oder  Glasstab 
in  den  Bindehautsack  des  einen  Auges  gebracht,  während  das  zweite  Auge 
der  Kontrolle  dient.  Natürlich  muß  man  sich  vor  Anstellung  des  Versuches 
von  der  Pupillengleichheit  bei  der  Versuchsperson,  am  besten  durch  Mes- 
sung, überzeugt  haben.  Nach  ein  und  zwei  Stunden  untersucht  man,  ob 
Pupillendifferenz  vorhanden  ist.  Schwache  Grade  können  nur  durch  Mes- 
sung festgestellt  werden.  Nach  Feddersen ')  tritt  am  gesunden  Menschen- 
auge noch  durch  1 — 2  zebiitauseiulstel  Millis;T}Uiim  Atropin  erkennbare 
Pupillenerweiterung  auf. 

Von  quantitativen  Bestimmungen  des  Wirkungswertes  von 
Arzneimitteln,  die  in  Selbstversuchen  vorgenommen  werden  können,  sei 
hier  eine  von  H.  Braun  u.  a.  2)  ausgearbeitete  Methode  der  vergleichenden 


')  Zitiert  nach  J.  Krattcr,  Beiträge  zur  Lelire  von  den  Vergiftungen.  Leipzig 
1905.  S.  120. 

'^)  Vgl.  F.  M.  Recke,  Vergleichende  experimentelle  Untersuchungen  lokalanästheti- 
scher  Mittel.  Dissertat.  Leipzig  1903. 


Nachweis  unil  Bestiiniming  von  Giften  auf  hiologiscliem  Wege. 


123 


Wertbestimmunii-  lokalanästhesierender  Mittel,  welche  als  Ersatz 

für  das  Cocain  in  Betracht  kommen,  fi:enannt. 


Übersicht  der  im  Texte  erwähnten  Gifte  in  alphabetischer 

Reihenfolge. 


Abrin:  Nachweis  am  Blut. 

Aconitin:  Nachweis  am  pan/en 
Frosch,  am  isolierten  Frosch- 
herzen, an  der  menschlichen 
Zunge. 

Adrenalin:  Wertbestimmung-  der 
Lösungen  am  Froschauge,  am 
Gefäßpräparat. 

Arsenik:  Nachweis  durch  Schimmel- 
pilze. 

Atropin:  Nachweis  am  isolierten 
Herzen,  am  Froschauge,  am 
Menschenauge. 

Cantharidin:  Nachweis  an  der 
menschlichen  Haut. 

Chinin:  Wirkung  auf  Protozoen, 
Nachweis  an  der  menschlichen 
Zunge. 

Cicutoxin:  Nachweis  am  ganzen 
Frosch. 

Cocain:  Nachweis  an  der  mensch- 
lichen Zunge. 

Coffein:  Wirkung  auf  Protozoen, 
Nachweis  am  ganzen  Frosch, 
am  Froschmuskel. 

Colchicin:  Nachweis  am  ganzen 
P'rosch,  an  der  Maus. 

Coniin  :      Nachweis      am 
Frosch. 

Crotin:  Nachweis  am  Blut. 


ganzen 


Curarin:  Nachweis  am  ganzen 
Frosch, am  Nervmuskelpräparat. 

Desinfektionsmittel :  Wertbe- 
stimmung an  Bakterien. 

Digitalinwirkung,  Produkte  mit 
solcher:  Nachweis  am  ganzen 
Frosch,  am  Froschherzen. 

Digitalisblätter  und  -i>räpa- 
rate:  Wertbestimmung  am 
ganzen  Frosch. 

Fiebermittel:       Wertbesti 
am   Kaninchen. 


mmung 


Guanidin:  Nachweis  am  ganzen 
Frosch,  am  Froschmuskel. 

Lokal  an  äst  he  tica  :  Wertbestiin- 
mung  an  der  menschlichen 
Haut. 

Methyl guani  diu  vgl.  (iuanidin. 

Muscarin:  Nachweis  am  ganzen 
Frosch,  Nachweis  und  Bestim- 
mung am  isolierten  Herzen. 


Nicotin  :     Nachweis 
Frosch. 


am      tran/en 


Physostigmin :       Nachweis       am 
Froschauge,  am  .Menschenauge. 

Pikrotoxin:    Nachweis  am  ganzen 
Frosch. 

Pilocarpin:  Nachweis    am   Frosch- 
auge. 


124     H.  Fühner.  Nachweis  und  Bestimmung  von  Giften  auf  biologischem  Wege. 


Ricin:  Nachweis  am  Blut,   am  Ka- 
ninchen. 

Saponin:  Nachweis   am  Blut. 

Schilddrüsenpräparate  :    Wert- 
bestimmung an  der  Maus. 

Scopol  am  in:  Nachweis  am  Frosch- 
auge, am  Menschenauge. 

Solanin:  Nachweis  am  Blut. 


Strophanthin  vgl.  Produkte  mit 
Digitalinwirkung. 

Strychnin:  Nachweis  am  ganzen 
Frosch,  an  der  Maus. 

Theobrom  in  vgl.  Coffein. 

Tierische  Gifte:  Nachweis  am 
Blut. 

Veratrin :  Nachweis  am  ganzen 
Frosch,  am  isolierten  Skelettmus- 
kel, an  der  menschlichen  Zunge. 


Methoden  zur  Bestiiiimniii»-  des  lUiitdrucks. 

\'oii  ErwiiJ  Rohde,  lleidulberg. 

Wenn  wir  von  Blutdruckmessung  schlechtweg  sprechen,  so  meinen 
wir  die  Messung  des  arteriellen  Drucks,  und  zwar  des  Seitendrucks  in  den 
großen  Arterien  des  Körpers.  Auch  bei  der  unblutigen  Blutdruckmessung 
am  Menschen ,  für  die  derzeit  eine  Reihe  von  Methoden  ausgebildet  sind, 
sucht  man  den  Druck  in  einer  möglichst  grol'ien  Arterie,  und  zwar  am 
Oberarm  zu  i)estimmen.  Der  Biochemiker  dürfte  kaum  in  die  Lage  kommen, 
diese  kUnischen  Methoden  am  Menschen  anzuwenden :  hingegen  fällt  es 
noch  in  das  Grenzgebiet  l)iochemischer  Untersuchungen,  sich  im  Tier- 
experiment gegebenenfalls  selbst  über  die  Wirkung  chemischer  Substanzen 
auf  die  Kreislaufsverhältnisse  orientieren  zu  können.  Alle  gröberen  Kin- 
wirkungen  auf  den  Kreislauf  führen  zu  Veränderungen  des  Aortendrucks, 
Wir  erschUeßen  deshalb  Kreislaufswirkungen  der  Substanzen  zunächst  aus 
dem  Blutdruckversuch,  in  welchem  man  eine  Messung  des  Aortendrucks 
mit  einer  exakten  Schreil)ung  der  rulsfre(iuenz  verbindet  unti  zugleich  ein 
Urteil  über  die  Qualität  des  Herzschlages  gewinnt;  duich  Keizung  der 
Herz-  und  Gefäßnerven  und  durch  andere  experimentelle  Kingriffe  während 
des  lUutdruckversuchs  ergibt  sich  eine  nähere  Analyse  der  Kreislauf.s- 
änderung.  Eine  kurze  Darstellung  der  Methoden ,  die  sich  den  /wecken 
des  Biochemikers  entsprechend  auf  eine  erste  Orientierung  beschränkt, 
mag  deshalb  auch  in  diesem  Handbuch  am  Platze  sein.  Sie  soll  dem  Bio- 
chemiker praktische  Winke  für  die  Anstellung  eines  Blutilruckvcrsuches 
geben  und  durch  eine  Besprechung  der  gei)räuchlichsten  Itegistiicrapparate 
und  ihrer  Leistungen  die  Wahl  des  für  den  betreffenden  Fall  geeigneten 
Apparates  erleichtern. 

Verbindet  man  mit  dem  blutdruckregistrierenden  Apparate  eine  vmU 
ständig  in  die  Karotis  eingeführte  Kanüle,  so  mißt  man.  da  dieses  Gefäß  fast 
rechtwinklig  aus  der  Aorta  entspringt,  den  Seitendruck  in  diesem  Haupt- 
stamm  des  Gefälibaumes.  Der  Aortendruck  hängt  bekanntlich  von  der  in 
der  Zeiteinheit  vom  Herzen  in  das  (iefäß.^^ystem  beförderten  Blutmenge, 
dem  Zufluß  der  Aorta,  und  andererseits  vom  Abfluß,  d.  h.  von  den  Wider- 
ständen der  kleinen  Arterien  ab.    Die  bei  der  Tätigkeit   der  Organe  stets 


126  E.  Roh  de. 

wechselnden,  durch  lokale  Gefäßerweiterung  oder  Gefäßverengerung  ver- 
änderlichen AViderstände  in  den  einzelnen  Gefäßprovinzen  werden  durch 
kompensatorische  Verengung  oder  Erweiterung  anderer  Gefäßprovinzen 
leicht  ausgeglichen ,  solange  sie  sich  in  physiologischen  Grenzen  halten. 
Aber  auch  darüber  hinausgehende  Veränderungen  vermag  der  Organismus 
auszugleichen,  wenn  sie  nicht  allzu  große  Gefäßgebiete  betreffen,  so  daß 
lokale  Kreislaufstörungen  noch  keineswegs  auf  den  Blutdruck  in  der  Aorta 
zurückzuwirken  brauchen.  Sie  müssen  durch  Pleth3'smographie  und  andere 
Methoden  festgestellt  werden.  Auch  Änderungen  des  Gesamtwiderstandes 
im  Gefäßbaum  werden  zunächst  durch  Änderungen  der  Herztätigkeit. 
Änderungen  der  Herztätigkeit  durch  Veränderungen  der  Vasomotion  kom- 
pensiert. Erst  wenn  diese  Regulationseinrichtungen  des  Kreislaufes  nicht 
mehr  hinreichen,  kommt  es  zu  Veränderungen  des  mittleren  Druckes  in 
der  Aorta.  Abweichungen  von  dem  normalen  Mitteldruck  in  der  Aorta 
weisen  sonach  schon  auf  weitgehende  Störungen  des  Kreislaufes  hin.  Es 
ist  begreiflich ,  daß  die  richtige  Deutung  aller  für  den  Zustand  des  Kreis- 
laufes im  Blutdruckversuch  gewonnenen  Anzeichen  eigentlich  die  gesamte 
Kreislaufsphysiologie  zur  Voraussetzung  hat. 

Zur  Vorbereitung  des  Blutdruckversuches  gehören  die  Instandsetzung 
des  Apparates .  die  Narkose  und  Präparation  des  Tieres  und  die  Ver- 
bindung der  Karotis  mit  dem  Blutdruckapparat. 

Heftige  Muskelbewegungen  des  Tieres  verändern  den  Blutdruck ;  des- 
halb erleichtert  die  Immobilisierung  den  Versuch.  Auch  hiervon  abgesehen 
wird  man  aber  die  Versuchstiere ,  wenn  es  der  Versuch  irgendwie  erlaubt, 
zu  narkotisieren  wünschen.  Hierfür  sind  aber  nur  solche  Mittel  verwendbar, 
die  die  Kreislaufsverhältnisse  nicht  selbst  wesentlich  verändern.  Für  die 
Kaninchen  entspricht  das  Urethan  dieser  Anforderung.  Es  wird  am  besten 
etwa  V2  Stunde  vor  i\.nstellung  des  Versuchs  in  der  Dosis  von  1 — V/29 
pro  Kilogramm  in  lO^'oiger  Lösung  mit  der  Schlundsonde  in  den  Magen 
der  Tiere  injiziert.  Auch  andere,  für  den  Kreislauf  unschädliche  Substanzen 
der  Alkoholgruppe,  wie  der  Bromisovalerianylharnstoff  (Bromural)  oder 
das  Bromdyäthylazetamid  (Neuronal),  können  Verwendung  finden.  Hingegen 
beeinflussen  narkotisierende  (xaben  von  Chloralhydrat  den  Kreislauf  in  allzu 
störender  Weise.  Für  Katzen  ist  die  Äthernarkose  wohl  das  brauchbarste 
Verfahren.  Für  Hunde  wird  meist  die  Kombination  von  Morphin  mit  nach- 
folgender Äthernarkose  benützt ;  Chloroform  ist  wegen  seiner  starken  Kreis- 
laufwirkung ausgeschlossen.  Das  Morphin  muß  dabei  in  einer  Gabe  von 
etwa  7 — Hmg  pro  Kilogramm  einige  Zeit  vor  Anstellung  des  Versuchs  sub- 
kutan injiziert  werden.  Die  so  vorbereiteten  Tiere  sind  dann  der  Äther- 
narkose leicht  zugänglich,  doch  hat  das  Morphin  den  Nachteil,  das  Vagus- 
zentrum zu  erregen  und  eine  bedeutende  Pulsverlangsamung  besonders  am 
Hund  hervorzurufen;  schon  dies  beweist,  daß  der  Kreislauf  nach  solchen 
Morphingaben  keineswegs  normal  ist. 

Keines  der  üblichen  Narkotika  ist  demnach  völlig  einwandfrei.  Dies 
gilt  insbesondere  für  die  Versuche  an  Hunden  und  Katzen.  Feinere  Pteak- 


Methoden  zur  Bestimmung  des  Blutdrucks.  1  «>~ 

tionen  der  Herz-  und  Gefäßnerven,  z.  B.  die  Wirkung'  des  Nerv,  depressor. 
Averden  mehr  oder  weniger  durch  alle  Narkotika  i^estört.  Es  l)leil)t  sonach 
nichts  ül)riii-.  als  die  am  narkotisierten  Tier  beobachteten  P'.rsclu'inun^M'n 
auch  an  dem  knrarisierten  Tiere  zn  kontrollieren.  Die  l)ei  den  enfjUscht-n 
Physiologen  übliche  Dezerebriernng  (Abtreiniung  des  (irollhirns  vom 
Hirnstanim)  setzt  erst  recht  pathologische  Verhältnisse  für  den  Kn'i>laiif. 
so  gut  diese  Methode  für  andere  Zwecke  brauchbar  sein  mag.  Auch  die 
Kurarisierung  nml>  vorsichtig  und  nur  mit  den  eben  wirksamen  Gaben 
durchgeführt  werden.  Schlechte  Kuraresorten,  welche  neben  den  auf  die 
motorischen  Nerven  wirksamen  Kurarinen  auch  sogenannte  Kurine  ent- 
halten, schädigen  gleichfalls  den  Kreislauf.  Das  sogenannte  ("urarilM.  die 
Lösung  eines  guten  und  auf  gleichmäbige  Wirksamkeit  eingvstcllten.  wenn 
auch  noch  unreinen  Kurareextraktes  wird  deshalb  den  Experimentatoren 
ein  erwünschtes  Hilfsmittel  sein.  Man  injiziert  das  Kurarepräparat  intra- 
venös, bis  die  Reizung  des  bloßgelegten  Ischiadikus  unwirksam  wird,  respek- 
tive bis  die  spontane  x\tmung  aufhört.  Nach  Einleitung  künstlicher  Re- 
spiration durch  eine  Trachealkanüle  ist  der  Blutdruck  sehr  regelmäßig.  Die 
Kurarisierung  hat  aber  den  Nachteil,  daß  das  Verhalten  der  Respiration 
und.  des  Bewegungsapparates  während  des  I'lutdruckversuches  nicht  gleich- 
zeitig beobachtet  werden  kann. 

Ist  das  Versuchstier  durch  ein  Narkotikum  oder  Kurare  immobilisiert 
und  aufgebunden,  so  wird  die  Karotis  freigelegt,  ihr  peripheres  Ende 
ligiert.  das  zentrale  mittelst  einer  Klemmpinzette  abgeklemmt  und  in 
das  so  isolierte  Stück  eine  passende  Glaskanüle  in  der  Richtung  nach 
dem  Herzen  eingeführt.  ]\Ieist  werden  auch  die  Gefäß-  und  Herznerven 
zum  Zweck  ihrer  Funktionsprüfung  im  Versuche  isoliert  und  auf  Fäden 
gelegt. 

Die  Kanüle  und  ihre  Verbindung  zu  dem  blutdruckschreibenden  Apparate 
muß  mit  einer  gerinnungshemmenden  Flüssigkeit  gefüllt  werden.  Als  solche 
sind  verschiedene  Flüssigkeiten  empfohlen.  Für  Hunde  und  Kaninchen  ist 
eine  ca.  25%ige  Magnesiumsulfatlösung  sehr  geeignet.  Für  Katzen  ist  dieses 
Salz  aber  besonders  giftig,  so  daß  schon  der  Übertritt  geringer  Mengen  der 
MagnesiuraKisung  bei  fallendem  Blutdruck  zu  schwerer  Kreislaufschädigunu^ 
führt.  Für  Katzen,  alier  auch  sonst  für  alle  Versuche,  in  denen  größere  Blut- 
druckschwankungeu  zu  erwarten  sind,  sind  deshalb  gesättigte  Natriumkar- 
bonatlösungen respektive  Bikarbonatlösungen,  die  nach  langem  Stehen  wahr- 
scheinlich IVofach  kohlensaures  Natron  enthalten,  vorzuziehen.  Ein  (iemisch 
des  einfach  und  doppelt  kohlensauren  Salzes:  auf  4  /  Wasst'r  lS6_f/  Natrium- 
bikarbonat und  286y  Natriumkarbonat  ist  geeignet.  Will  man  mit  Sicher- 
heit die  Störung  des  Blutdruckversuches  durch  Gerinnung  verhindern,  so  ist 
es  noch  zweckmäßig,  etwas  Blutegelextrakt  in  die  Karotiskanüle  zu  bringen. 
Hierfür  steht  derzeit  der  durch  Jacobj-')  in  eine  relativ  reine  und  konzen- 


*)  Curaril  I  und  II.  Chemische  Werke  vorm.  Dr.  Heiurioh   Hvk.  Berlin. 
-)  Franz,  tJber  den  die  Blutirerinnunir  aufhebenden  Bestandteil  des  niediziii'«-'"" 
Blutegels.  Archiv  f.  exp.  Path.  u.  Pharm.  IL.  S.  342.  VMS. 


128  E.  Rohde. 

trierte  Form  gebrachte  Bestandteil  des  gerinnungshemmenden  Blutegel- 
extraktes ,  das  Hirudin ,  zur  Verfügung.  1  mg  des  Präparates  verhindert 
die  Gerinnung  von  l-bcm^  Blut. 

Zur  Messung  und  graphischen  Registrierung  des  Blutdruckes  dienen 
das  Manometer  und  das  Kymographion.  Während  über  die  Kymographien 
wenig  zu  sagen  sein  wird,  weil  ihre  Konstruktionen  im  wesentlichen  den 
praktischen  Anforderungen  genügen,  müssen  wir  der  Besprechung  der 
Manometer  einen  größeren  Platz  einräumen,  da  bei  der  sehr  verschiedenen 
Güte  der  einzelnen  Instrumente  nur  eine  richtige  Handhabung  und  Kritik 
brauchbare  Piesultate  ergeben  kann. 

Zunächst  sollen  die  Kymographien,  dann  erst  die  Manometer  be- 
sprochen ^Yerden.  weil  zum  Verständnis  der  Kurvenbilder  im  Kapitel  über 
Manometer  die  Kenntnis  der  Schreibflächen  gehört. 

Das  Kymographion. 

Die  Aufzeichnung  der  vom  Manometer  wiedergegebenen  Blutdruck- 
schwankungen geschieht  an  einer  bewegten  Fläche,  und  zwar  entweder 
durch  Ptuß-  oder  Tintenschreibung  auf  Papier  oder  durch  photographische 
Fixierung  eines  Lichtpunktes.  ]\Ian  erhält  so  Kurven,  deren  Abscissen  die 
Zeit,  deren  Ordinaten  die  Druckwerte  darstellen. 

Nur  die  Papierregistrierung  soll  hier  besprochen  werden;  über  die 
photographische  Registrierung  siehe  die  ausführhche  Darstellung  in  Tiger- 
stedts  Handbuch  der  physiologischen  Methodik.  Bd.  I.  1.  (Leipzig.  Verlag 
von  S.  Hirzel.  1910.) 

Das  gebräuchhchste  Kymographion  ist  das  Ludivig-BaUzarsdie  Kymo- 
graphion; seine  Schreibfläche  befindet  sich  auf  einer  mit  Papier  umklebten 
Trommel,  die  durch  ein  Uhrwerk  in  Rotation  gesetzt  wird.  Die  Umdre- 
hungsgeschwindigkeit kann  durch  Wechselräder  beliebig  verändert  werden; 
sie  variiert  etwas  nach  der  Federspannung  und  muß  deshalb  stets  durch 
eine  gleichzeitige  Zeitschreibung  kontrolliert  werden.  Das  Papier  wird  nach 
dem  Aufkleben  auf  die  Trommel  gleichmäßig  und  nicht  zu  dicht  über  einer 
leuchtenden  Gasflamme  berußt,  nach  dem  Versuch  abgeschnitten  und  die 
Kurve  in  verdünntem  Spirituslack  (V'3  des  käuflichen  Präparates  in  2/3  ab- 
solutem Alkohol)  fixiert. 

Für  vertikale  Schreibung ,  z.  B.  für  den  Schwimmer  des  Hg-Mano- 
meters  ist  diese  Trommelschreibung  ohne  weiteres  brauchbar ,  für  Bogen- 
schreibung  dagegen,  wie  sie  sich  bei  den  meisten  elastischen  Manometern 
findet,  stellt  die  zylindrisch  gekrümmte  Trommeloberfläche,  zumal  bei 
größereu  Exkursionen,  eine  Fehlerquelle  dar  wegen  der  wechselnden  Stärke 
der  Anlagerung.  Für  manche  Versuche  ist  deshalb  eine  der  neueren  Kon- 
struktionen vorzuziehen,  bei  denen  ein  längerer  berußter  Papierstreifeu 
um  2  Trommeln  läuft  und  eine  ebene  Fläche  zur  Schreibung  besitzt 
(Schleif  en-Kym  ographi  on ) . 

Für  die  großen  und  trägen  Exkursionen  des  Quecksilber-Manometers 
haben  sich  Kymographien  mit  endlosem  Papier  und  Tintenschreibung  gut 


Methoden  zur  Bestiminiiii''  des  Blutdrucks. 


129 


bewährt.  Das  weiße  Tapior  wickelt  sich  von  einer  Trommel  ab,  zieht  in 
ebener  Fläche  am  Schreiber  vorbei  und  wird  von  einer  zweiten  Trommel 
aufgewickelt:  der  Schreibei-  ist  an  der  Spitze  des  Schwimmers  befestigt 
und  wird  mit  roter  Tinte  Cmit  2/3  Wasser  verdünnt)  beschickt. 


ff    11        Fig. 69. 


\ 


PaB  Kymoffr:iphioii.   nach   Lutiwiij  »ind  Paltzar.   '  ,. 

Zur  Zeitschreibun«^'  benutzt  man  ciifweder  ein  käufliches  ,t:raplii- 
sches  Chronometer  nach  Ja([uet '),  welches  1  und  '  V,  Sekunde  zu  mar- 
kieren erlaubt  oder  aber  ein  elektrisches  Si<riial,  welches  mit  einem  ent- 
sprechend konstruierten  Uhrwerk  verlumden  ist. 

')  Jai/iic/,  Stuilicii  ülior  jj;rapliisolio  Zoitregistricruiiir.  Zt'itsclir.  1.  liiologie.  1M»U. 
XXVIIl.  S.  1. 

Abderbalduu,  Handbuch  der  biochemischen  Arbeiteinethodvn.  V.  t) 


130  E.  Rohde. 

Die  Manometer. 

Die  Wahl  des  Instrumeutes  ergibt  sich  aus  den  Anforderungen,  die 
an  die  genaue  Wiedergabe  der  im  Kreislauf  auftretenden  Druckschwan- 
kungen gestellt  werden.  Solcher  Druckschwankungen  gibt  es  langsamere 
und  schnellere ;  die  schnelleren  werden  durch  die  einzelnen  Herzschläge 
hervorgerufen  und  finden  ca.  1 — 4mal  in  der  Sekunde  statt,  die  lang- 
sameren gehen  synchron  der  Atemrhythmik  oder  sie  verdanken  ihre  Ent- 
stehung irgend  welchen  Eingriffen,  z.  B.  einer  Vagusreizung  oder  dem  Ein- 
wirken eines  Kreislaufgiftes. 

Zur  Druckregistrierung  stehen  uns  nun  verschieden  konstruierte  Mano- 
meter zur  Verfügung.  Um  ihre  Leistungen  und  damit  ihr  Anwendungsgebiet 
genau  präzisieren  zu  können,  müssen  wir  mit  wenigen  Worten  auf  die 
Konstruktion  und  die  Theorie  der  Manometer  eingehen,  i) 

Unter  einem  Manometer  versteht  man  ein  Instrument,  das  zur  Re- 
gistrierung hydrostatischen  Druckes  dient ;  es  besteht  aus  einer  mit  Flüssig- 
keit 2)  gefüllten  Röhre ,  die  an  einem  Ende  durch  eine  Kanüle  mit  dem 
Lumen  des  Gefäßsystems  in  Verbindung  steht;  am  anderen  Ende  wird  die 
Größe  des  einwirkenden  Druckes  an  der  Größe  von  Gegenkräften  gemessen, 
welche  durch  Verschiebung  der  Flüssigkeit  erzeugt  werden  und  diesem  das 
Gleichgewicht  zu  halten  vermögen.  Als  solcher  Gegenkräfte  bedient  man 
sich  der  Elastizität  einer  Gummimembran,  einer  Feder  oder  einer  Flüssig- 
keitssäule. Jedem  Druck  entspricht  eine  bestimmte  Gleichgewichtslage,  also 
eine  bestimmte  Ausbuchtung  der  Gummimembran,  eine  bestimmte  Durch- 
biegung der  Feder  oder  die  Hebung  der  Flüssigkeitssäule  auf  eine  be- 
stimmte Höhe.  Die  einzelnen  Manometer  unterscheiden  sich  nun  im  wesent- 
lichen durch  die  Größe  der  Fiüssigkeitsverschiebung ,  die  nötig  ist,  um 
denselben  Druck  hervorzurufen;  je  größer  diese  Flüssigkeitsverschiebung 
ist,  desto  größer  ist  der  Ausschlag,  d.  h.  desto  „empfindlicher"'  ist  das 
Instrument  für  Druckdifferenzen,  desto  leichter  entstehen  aber  Entstellun- 
gen der  Kurve,  d.  h.  desto  geringer  ist  seine  ..Güte".  Denn  nur  bei  ganz 
langsamen  Druckschwankungen  verschiebt  sich  die  Flüssigkeit  und  mit  ihr 
die  eigentliche  Registriervorrichtung  (Spiegel,  Schreibhebel  oder  Schwimmer) 
nur  bis  zur  Gleichgewichtslage,  bei  schnellen  dagegen  gerät  diese  ganze 
„wirksame  Masse"  infolge  ihrer  Trägheit  um  den  Gleichgewichtspunkt  in 
Schwingungen;  die  erhaltene  Kurve  entspricht  also  nicht  mehr  der  wirk- 
lichen Druckschwankung,  sondern  ist  durch  die  Eigenschwingungen  des 
Manometers  entstellt,  und  um  so  mehr  entstellt,  je  träger  diese  Eigen- 
schwingungen sind. 

Eine  exakte  Analyse  der  Beziehungen,  die  zwischen  den  verschiedenen 
statischen  und  dvnamischen  Konstanten  der  Instrumente   und   ihrer  Güte 


*)  Eine  ausführliche  kritische  Darstelhing  und  Literaturangabe  findet  sich  von 
0.  Frank  im  Handbuch  der  physiologischen  Methodik  (Leipzig.  S.  Hirzel.  1911).  Bd.  2. 
IV.  Abteilung. 

-)  Luftmanometer  sind  ihrer  großen  Fehlerquellen  wegen  verlassen. 


Methoden  zur  Bestimmuug  dos  Blutdrucks.  \}\i 

bestehen,  verdanken  wir  den  experinient('llenUnt('rsu('liiin<,'enF<(-A-.s'),//ür/Ä/t>'*) 
und  neuerdint^s  namentlich  (h'n  eiiifiolicnden  theoretisch-experinu'ntdU'n 
Arbeiten  0.  Franks.  •')  Frank-  kam  bei  seiner  Analyse  zu  dem  Resultat,  dall 
bei  den  schnollen  I)riicksch\vai)knnp:on  des  Kreislaufes  neben  einer  \iq- 
nüj^enden  ilmpfindlichkeit  dos  Instrumentes  vor  allem  eine  hohe  Zahl  der 
Eigensclnvinj^ungen  für  die  Güte  eines  Manometers  mal,')!i;ebend  ist.  und 
zwar  aus  folgenden  Gründen:  das  Schädigende  für  die  Druckregistrierung 
sind  die  Trägheitskräfte  des  Manometersystems;  sie  sind  abhängig  von 
der  Größe  der  ..wirksamen  Masse".  Diese  Größe  läßt  sich  —  nach  Frank  — 
nun  nicht  nur  berechnen,  sondern  auch  experimentell  messen  durch  He- 
stimmung  der  Schnelligkeit  der  Eigenschwingung:  je  größer  die  Zahl  der 
Schwingungen  in  der  Zeiteinheit  ist.  desto  kleiner  ist  die  wirksame  Masse, 
desto  kleiner  die  zur  Geltung  kommenden  Trägheitskräfte,  um  so  genauer 
folgt  also  das  Manometer'  den  zu  messenden  Druckschwankungen  und  um- 
gekehrt kann  man  aus  einer  kleinen  Schwingungszahl  auf  eine  geringe 
Güte  des  Manometers  schließen.  Die  Verbesserungsbestrebungen  Franks 
gingen  deshalb  in  erster  Linie  darauf  hinaus,  die  wirksame  Masse  soweit 
zu  verkleinern,  daß  bei  möglichst  hoher  Schwingung.szahl  eine  möglichst 
geringe  dynamische  Entstellung  der  Kurve  resultierte.*) 

Im  folgenden  soll  der  historischen  Entwicklung  gemäli  zuerst  das 
Quecksilbermanometer  und  dann  das  (iummi-  und  Federmanometer  be- 
handelt werden,  zuletzt  sollen  an  Kurvenbildern,  die  gleichzeitig  mit  beiden 
Manometern  aufgenommen  sind,  die  theoretisch  entwickelten  Leistungs- 
differenzen auch  experimentell  veranschaulicht  werden. 

Quecksilber-Manometer. 

Das  älteste  und  auch  heute  noch  gebräuchlichste  Blutdruckmanometer 
ist  das  Ludwigsche  Quecksilbermanometer;  es  besteht  aus  einer  l'-förmig 
gebogenen  Ilöhre  von  (Yö  cm  Durchmesser,  das  zur  Hälfte  mit  Hg  gefüllt 


1)  Fick,  Ein  neuer  Wollenzeicliner.  Ges.  Schriften.  III.  S.  593  und  608.  1877. 

-)  Hürthlc,  Beiträge  zur  Hämodynauiik.  Pffii;/rrs  Arciiiv.  43.  S.  :i99.  1888:  47. 
S.  1.  1890:  49.  S.  29.  1891:  55.  S.  319.  1893.  —  VWr  die  Leistung  des  Tonograplien. 
Ibid.  82.  S.  .j15  1900. 

^)  ().  Frank,  Kritik  der  elastischen  Manometer.  Zeitschr.  f.  Biologie.  44.  S.  44''>. 
1904.  —  Theorie  des  Kolln'iimanometors.  Iliid.  45.  S.  40.').  19U4.  —  Der  l'uls  in  den 
Arterien.  Il)i(l.  46.  S.  441.  1905.  —  Statik  der  .Menilirannianonieter  untl  der  Lufttrans- 
raissiou.  lliid.  48.  S.  489.  190().  —Dynamik  der  Mcmliranmannmeter  und  der  Lnftfrans- 
mission.  Il)id.  50.  S.  309.  1908. 

'l  .\nf  die  experimoutpllcu  und  theoretischen  Kiuwaudc,  die  neuerdiiii:s  \un 
Ilin-tliU  und  Sciuifer  {lliirthlv,  Betrachtungen  über  die  tlK'orctisciien  und  praktisolien 
Bestrebungen,  Instrumente  zur  Registrierung  der  im  Kreislauf  auftretenden  Dnick- 
schwankungen  lierzustellen  etc.;  /'//»Vr/<'/-.s  Archiv.  137.  S.  145 ff.;  VI.  Schaf, r.  Kritische 
Randglossen  zu  den  theoretischen  Untersuchungen  von  <>.  Frank  über  Manometer. 
Ibid.  137.  S.  250,  1910)  gegen  die /V«/<A:sclie  Theorie  erhoben  worden  sind,  haben  wir  hier 
keine  Veranlassung  einzugehen,  da  ihre  Aussetzungen  sich  auf  Unterschiede  der  Güte 
der  Manometer  beziehen,  die  für  das  praktische  Bedürfnis  nicht  mehr  in  BetracUt 
kommen,  für  welches  diese  Zeilen  L'eschriebeu  sind. 

9* 


132 


o 


E.  Kohde. 


Fig.  70. 


ist.  Der  eine  Schenkel  des  Rohres  ist  mit  Flüssigkeit  gefüllt  und  durch 
eine  starre  Röhre  (Bleirohr)  luftblasenfrei  mit  der  Arterienkanüle  des  Ver- 
suchstieres verbunden.  Die  andere  Manometerröhre  ist  offen;  auf  der  Hg- 
Kuppe  dieser  Seite  sitzt  ein  „Schwimmer"  (s)  aus  Stahl  oder  Aluminium,  der 
durch  einen  übergezogenen  Gummischlauch  am  Einsinken  in  das  Quecksilber 
gehindert  wird  und  allen  Sch\Yankungen  des  Quecksilbers  folgt.  Dieser 
Schwimmer  schreibt  mit  einer  am  oberen  Ende  befindlichen  Spitze  die 
Schwankungen  der  Hg-Säule  auf  berußtes  Papier  oder  mittels  einer  Tinten- 
feder auf  weißes  Papier;  durch  einen  herabhängenden,  leicht   beschwerten 

Faden  wird  der  Schreiber  an  das  Kymographion 
angedrückt.  Um  die  Verbindung  zwischen  Arterie 
und  Manometer  herzustellen,  füllt  man  zunächst 
mit  einer  Spritze,  die  durch  einen  Dreiweghahn 
einerseits  mit  dem  Manometer,  andrerseits  mit  dem 
Bleirohr  in  Verbindung  steht,  letzteres  luftfrei  mit 
gerinnungshemmender  Flüssigkeit;  dann  setzt  man 
das  Manometer  unter  einen  gewissen  Überdruck, 
der  etwas  geringer  sein  soll  als  der  zu  erwartende 
mittlere  Blutdruck,  verbindet  Bleirohr  und  Arterien- 
kanüle durch  einen  kurzen  Gummischlauch  und 
öffnet  zuletzt  den  Hahn  zwischen  Manometer  und 
Bleirohr. 

Um  nach  einem  Experiment  die  Blutdruck- 
liöhen  zu  messen,  löst  man  die  Kanüle  aus  der 
Arterie  und  schreibt  nun  die  Abszissenlinie  auf;  von 
dieser  Null-Linie  aus  läßt  sich  die  Höhe  des  Blut- 
drucks ohne  weiteres  mit  Zirkel  und  Maßstab  durch 
Verdoppelung  der  erhaltenen  Werte  bestimmen.  Zur 
Auszählung  der  Pulszahl  trägt  man  aus  der  Zeit- 
schreibung die  Strecke  für  10 — 30  Sekunden  in  die 
Pulskurve  ein  und  zählt  mehrere  solcher  Strecken 
durch. 

Xach  den  obigen  Auseinandersetzungen  kann 
das  Quecksilbermanometer  nur  als  ein  Instrument 
sehr  geringer  Güte  betrachtet  werden,  weil  es  wegen 
seiner  großen  wirksamen  Masse  eine  außerordentlich  kleine  Schwingungs- 
zahl hat  (ca.  Iraal  in  1  Sekunde);  und  doch  kann  man  ihm  wegen  der 
Bequemhchkeit  der  Handhabung  die  Brauchbarkeit  nicht  absprechen,  aller- 
dings unter  der  Voraussetzung,  daß  man  sich  über  die  Beschränkung  seiner 
Leistungsfähigkeit  klar  bleibt. 

Die  Folge  nämlich  der  erwähnten  langsamen  Schwingungen,  d.  h.  der 
großen  Trägheit  der  wirksamen  Masse  muß  die  sein,  daß  alle  schnellen 
Druckschwankungen,  besonders  die  der  einzelnen  Pulse,  unrichtig  wieder- 
gegeben werden,  und  zwar  meist  zu  klein,  daß  langsamere  Druckschwan- 
kungen, also  z.  B.  die  Atemschwankungen  oder  Vaguspulse  zwar  richtiger, 


Kegistrierende  Quecksilber- 
manometer.  ^4. 


Methoden  zur  Bestimimiüg  des  Blutdrucks.  1;-^;} 

aber  oft  noch  durch  Interferenz  der  Eigenscliwinf^Min^en  entstellt  zu  hoch 
oder  zu  niedri}^'  ausfallen  können,  so  dali  die  re.sultierende  Kurve  nur  als 
eine  an<>enähert  richtii^e  Wiederi>abc  des  mittleren  I>lutdruckes 
betrachtet  werden  darf. 

Aber  auf  die  Messung  dieses  mittleren  Blutdrucks  kommt  es  ja  bei 
biochemiscluMi  Arbeiten  hauptsächlich  an .  wenn  von  einer  Substanz  ein 
Eintiuij  auf  die  Höhe  des  lllutdrucks  festgestellt  werden  soll. 

Der  für  die  praktische  Verwendung  nicht  zu  unterschiitzende  \  (»rteil 
dieses  Manometers  ist  der,  daß  seine  Empfindlichkeit,  wenn  man  fürKcin- 
heit  des  Quecksilbers  sorgt,  fast  unverändert »)  l)leil)t,  dall  es  keiner  Aichung 
bedarf,  daß  man  vielmehr  von  der  Abszissenlinie  aus  die  Druckhöhe  direkt 
mit  dem  Zentimetermaß  abmessen  kann'-),  endlich  daß  bei  zwei  iil)er- 
einander  geschriebenen  Kurven  die  Punkte  gleicher  /eitmomente  stets  in 
derselben  Ordinate  liegen. 

Die  Leistungsfähigkeit  des  Quecksilbermanometers  ist  nach  dem  be- 
sagten nur  eine  recht  beschränkte,  sie  versagt  ganz,  wo  schnellere  Druck- 
schwankungen aufgeschrieben  werden  sollen,  so  daß  es  nur  zu  einer  An- 
deutung der  einzelnen  Pulse  kommt :  al)er  auch  bei  langsameren  Druck- 
schwankungen können  durch  Interferenz  beträchtliche  Entstellungen  selbst 
des  mittleren  Blutdrucks  entstehen.  Schon  Mare//  hat  deshalb  durch  Dämp- 
fung, d.  h.  durch  Einschaltung  eines  Ileibungswiderstandes  an  irgend  einer 
Stelle  zwischen  Arterie  und  Manometer  eine  Verbesserung  des  Hg-Mauo- 
meters  versucht;  in  der  Tat  gelingt  es  durch  vorsichtige  Ik-nutzung  dieses 
Hilfsmittels,  die  Wirkung  der  Eigenschwingung  fast  ganz  zu  beseitigen. 
Die  erhaltenen  Kurven  entsprechen  nach  der  heutigen  Anschauung  ziem- 
lich genau  dem  mittleren  Blutdruck.  =^)  Man  bringt  zu  diesem  Zwecke.  z.B. 
an  der  Schlauchverbindung  zwischen  Arterienkanüle  und  Verbindungsrohr, 
eine  Schraubklemme  an  und  zieht  sie  vorsichtig  so  weit  an.  daß  die  Atem- 
schwankungen fast  verschwinden  und  die  rulsschwankungen  noch  eben 
notiert  werden.  Zieht  man  die  Schraube  noch  stärker  au.  so  verschwinden 
auch  diese  und  die  Notierung  des  mittleren  Blutdrucks  ist  natürlich  noch 
etwas  genauei"  doch  dürfte  dies  kein  Vorteil  gegenüber  dem  \'erlust  der 
Pulsaufzeichnung  sein.  Ein  Nachteil  dieser  Dämpfung  macht  sich  aber  bei 
größeren  Schwankungen  des  mittleren  Blutdrucks  geltend:  durch  die  schmale 
Dämpfungsöffnung  gleicht  sich  nämlich  der  Druck  durch  Flüssigkeitsver- 
schiebung nur  so  langsam  aus.  daß  die  Kurve  zeitlich  immer  etwas  hinter 
der  wahren  Druckschwankung  zurückbleiben  und  die  wahre  (rröße  einer 
Schwankung  um  so  kleiner  angeben  wird .  je  schneller  diese  zur  Norm 
zurückkehrt  (vgl.  Kurve  III,  S.  loS). 


^)  FfiirfJih',  Sficlis'  und  lÜetncnin,  Vorfjloich  des  mittleren  Blutdrucks  in  K.ip'ii>. 
und  Krurulis.  l'ßiUjers  Archiv.   CX.  S.  421.   1*JÜ5. 

-)  Natürlich  unter  \'erdopplung  der  erhaltenen  Werte. 

^)  Frank,  loc.  cit.  —  r.  Kriis,  Cher  die  BestimnuniL'  de>  Mitteldrucks  durch  das 
(^uecksilbernianonieter.    I)>t   liois-hcytuoiids  Arciiiv  f.  riiysinl.  1878.  S.  41'.>. 


134 


E.  Rohde. 


Elastische  Manometer. 

Wie  man  sieht,  verzichtet  man  bei  Benutziinsi-  des  Quecksilbermano- 
meters auf  eine  genaue  Schreil)ung  von  Form  und  Verlauf  jedes  einzelnen 
Pulsdruckes  wie  der  Atemschwankungen ;  stellt  man  die  Forderung,  auch 
diese  richtig  darzustellen,  so  muß  man  ein  Manometer  mit  kleinerer  wirk- 
samer Masse  benutzen,  deren  Trägheit  so  gering  ist,  daß  ihre  Eigenbewe- 
gungen den  wahren  Druckablauf  nur  unmerklich  entstellen. 

Eine  solche  Leistungsfähigkeit  besitzen  die  elastischen  Manometer; 
bei  ihnen  wird  die  Elastizität  von  Gummi,  von  Metall  oder  einer  kleinen 
Luftblase  als  Gegenkräfte  benutzt.  Fick^)  war  (1877)  der  erste,  der  im 
Federmanometer  ein  solches  Instrument  konstruierte;  auf  seinen  genaueren 
Bau  wollen  wir  hier  nicht  eingehen,  da  es  in  der  alten  Form  verlassen  ist 
und  in  seinen  Prinzipien  weiter  unten  beim  Fra«Ä:schen  Federmanometer  be- 
schrieben werden  wird.  Zuvor  sollen  vielmehr   die  in  den  meisten  Labora- 


Fig.  71. 


Elastisches  Manometer,  nach  Härthle-Gad. 
c  die  elastische  Membran,    n  die  Schi-eibfeder.    b  Schreiber  der  Nullinie,    l  Leitungsrohr 

zu  dem  Blutgefäß. 

torien  heute  gebrauchten  Manometer  von  Hürthle-)  (Tonometer  1888)  und 
Gad-Coivl^^  *)  (1890)  besprochen  werden.  Beim  Hürthlescheiü  Tonometer 
ist  eine  kleine  mit  Wasser  gefüllte  Manometerkapsel  verschlossen  durch 
eine  straff  gespannte  Gummimembran  von  nur  7  nun  Durchmesser  (oder  noch 
weniger);  die  Manometerkapsel  ist  durch  eine  möghchst  kurze  wasserge- 
füllte Piöhre  mit  der  Arterie  verbunden.  Die  auch  bei  hohen  Drucken  nur 
sehr  geringen  Ausbuchtungen  der  Gummimembran  werden  mittels  eines 
Hebels  vergrößert  aufgeschrieben;  im  Gad-Coivlsdieji  Apparat  ist  an  die 
Stelle  der  Gummimembran   eine   kleine,   kreisförmig   gewellte   Blechplatte 

')  Fick,  Ein  neuer  Wellenzeichner.  Ges.  Schriften.  III.  593.  1877. 

^)  Hürthle,  Beiträge  zur  Hämodynamik.  Pflngers  Archiv.  43.  S.  399. 

^)  Gud,  Zentralbl.  f.  Physiol.  1889.  S.  318.' 

^)  Coicl,  Ül)er  Blutwellenzeichner.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.  1890.  S.  564. 


Methoden  zur  Bestimmuiifj  des  Blutdrucks.  ];-»fj 

gesetzt.  Gegenüber  doni  Quecksilhornianometcr  hodouteten  diese  Instru- 
mente einen  großen  Fortscliritt ;  konnte  iiinii  doch  mit  ihnen  die  jjrrolien 
Dnickschwanknngen  feststellen,  die  diii-ch  jede  Ilerzkoiitraktion  im  (lefiUi- 
system  liervorgeriit'en  werden,  den  soi^enaniiten  Pulsdnick,  den  man  nach  den 
Erfahrungen  am  Hg-Manometer  nur  für  relativ  unbedeutend  gelialteu  hafte. 

Neuerdings  sind  nun  diese  Verbesserungsbestrebuugen  weiterhin  ganz 
bedeutend  gefördert  worden  durcli  die  Arbeiten  Franks.  Zur  weiteren  Ver- 
ringerung der  wirksamen  Masse  setzte  er  im  (»pti.schen  .Manometer')  an 
Stelle  der  Hebelschreibung  eine  Spiegelvorrichtuiig,  welche  die  Exkursionen 
einer  Gummimembran  durch  Ablenkung  eines  Lichtstrahls  photograi»hisch 
zu  registrieren  erlaubt.  Da  diese  Spiegelschreii)ung  als  fast  masselos  zu 
betrachten  ist  und  auch  eine  weitere  Verkleinerung  der  wirksamen  .Masse 
durch  geeignetere  Konstruktion  der  llühren  und  der  Manometerkapsel  erzielt 
wurde,  so  konnte  eine  Schwingungszahl  des  Instrumentes  von  18()/Sek. 
erreicht  werden  ;  mit  einer  so  geringen  Trägheit  dürfte  dies  Manometer 
allen  pruckschwankungen  des  Kreislaufes  gerecht  werden  ;  seine  Güte  ist 
etwa  ISOOmal  größer  als  die  des  Hg-Manometers. 

Vorzügliche  Resultate  scheinen  auch  BnyUss  und  Star/in;/'^)  mit  der 
Photographie  der  \'oIumschwankungen  einer  kleinen  in  einer  Glaskapillare 
eingeschlossenen  Luftblase  gehabt  zu  haben;  die  Kapillare  ist  auf  der  einen 
Seite  geschlossen,  auf  der  anderen  Seite  mit  der  Arterie  durch  wasser- 
gefüllte Piöhren  verbunden. 

Die  Benutzung  dieser  letzteren  Modelle  ist  jedoch  zu  umständlich,  als 
dali  sie  für  den  praktischen  Gebrauch  in  Betracht  käme;  unter  \'erzicht  auf 
eine  solche  extreme  Güte  hat  deshalb  Frank  neuerdings  ein  Federmauo- 
meter^i)  konstruiert,  dessen  Schwinuungszahl  50/Sek.  beträgt  und  das  bei 
einer  Empfindlichkeit  von  1  cm  Hebelausschlag  pro  100  nun  Hg-Druck 
noch  immer  öOOuial  besser  ist  als  das  Quecksilbernianometer.  Es  hat  prak- 
tisch den  großen  Vorteil  der  Hebelschreibung  auf  berußtem  Papier,  so  dali 
seine  Handhabung  eine  relativ  sehr  einfache  ist.  Seine  Güte  reicht,  wie  Ver- 
gleiche mit  dem  weit  besseren  optischen  Manometer  ergeben  haben,  durchaus 
hin,  um  die  Pulsschwankungen  mit  genügender  Treue  aufzuzeichnen.  Als 
Typus  eines  elastischen  Manometers  sei  es  hier  ausführlicher   besprochen. 

In  der  Konstruktion  schließt  es  sich  an  das  von  A.  Firk*)  (ISTT) 
augegebene.  von  Hiirt/ile-')  modifizierte  Federmanometer  an,  seine  einzelnen 
Teile  sind  jedoch  auf  Grund  der  theoretischen  fberlegungen  von  Frank 
so  gebaut,  daß  wohl  eine  für  diese  Konstruktion  maximale  Güte  erreicht  ist. 
Die  Anordnung  ist  folgende  (vergl.  Fig.  72):  Von  der  Arterie  führt  eine 
Metallkanüle,  die  durch  einen  Hahn  ver.schließbar  ist.  vermittelst  eines  fest 
anschraubbaren  Metallkonus   an  eine   F."»  <-ih  weite,  winklig  gebogene  (Mas- 

')  Frank,  Ein  neues  Spiegclmanomoter  von  liöchster  tülte.  Zoitsclir.  f.  Hiol.  ").'l. 
545,  1910. 

-)  Bai/liss  und  S/aiiiuf/,  Internat.  Monatssclir.  f.  .Vnat.  n.  ^ll_\^i^ll.   11.  S.  420. 
^)  Frank  und  Fetter,  Ein  neues  Federmanometer.  Zeitsehr.  f.  Bi<d.  54.  15)10. 
*)  Inc.  cit. 
^)  K.  Jliirfhle,  Bciträso  zur  Hämodynamik.  /;///<</./•.>•  Archiv.  4:i.  S  300    1SR8. 


136 


E.  Rohde. 


Fig.  72. 


röhre,  au  deren  Ende  sich  die  Manometerkapsel  befindet;  ihre  0"9  r^^Mveite 
Öffnung  ist  von  einer  Gummimembran  mittlerer  Spannung-  verschlossen; 
die  Köhre  selbst  ist  luftfrei  mit  ausgekochtem  Wasser  gefüllt.  Auf  der 
Gummimembran  liegt  von  außen  eine  Pelotte  auf,  die  durch  eine  Stahl- 
feder fest  angedrückt  wird;  die  Feder  ist  an  ihrem  anderen  Ende  festge- 
klemmt und  kann  durch  eine  Schraube  (a)  in  ihrer  Spannung  verändert 
werden.  Die  Bewegungen  der  Feder  werden  durch  einen  kleinen  besonders 
konstruierten  Schreibhebel  auf  berußtes  Papier  aufgeschrieben. 

Die  Druckschwankungen  im  Arterienrohr  pflanzen  sich  also  durch 
die  inkompressible  Flüssigkeit  fort  und  bewirken  durch  geringfügige  Ver- 
schiebung der  Flüssigkeit  (pro  100  ww  Hg  =  0"6  )iim^)  eine  Ausbuchtung  der 
Gummimembran  und  damit  eine  geringe  Durchbiegung  der  Feder,  deren 
Wert  von  dem  Hebel  aufgeschrieben  wird ;  man  gibt  der  Feder  von  An- 
fang an  eine  solche  Spannung,  daß  der  iVusschlag  des  Hebels  für 
100)111)1  Hg  =  1  ci)t  ist.  Die  elastische  Gegenkraft  wird  bei  dieser  Konstruktion 

im  wesentlichen  (bis 
90Vo)  durch  die  Fe- 
der geleistet ,  nur 
zum  geringen  Teil 
von  der  Gummimem- 
bran, die  hauptsäch- 
lich abdichtende 
Funktion  hat.  Vor 
dem  einfachen  Gum- 
mimanometer (Tono- 
graph,i?//r^A/el888) 
hat  dieses  Federma- 
nometer deshalb  den 
Vorzug  der  gleich- 
mäßigen Empfind- 
lichkeit, so  daß  man 
nicht  gezwungen  ist,  vor  und  nach  jedem  Versuch  eine  Aichung  vorzunehmen. 
Die  Aichung  des  Instrumentes  geschieht  so,  daß  man  zunächst  die 
Abszisse  feststellt  durch  Lösen  der  Arterienkanüle;  dann  verbindet  man 
diese  Kanüle  mit  einem  Gummischlauch,  der  sich  gabelnd  zu  einem  gra- 
duierten Hg-Manometer  und  einer  genügend  großen  luftdichten  Spritze 
oder  einem  mit  Luft  gefüllten  Gummiballon  führt.  Durch  Einpressen  von 
Luft  erhöht  man  sukzessive  den  Druck  und  markiert  die  Hebelstellung  bei 
verschiedenen  Drucken.  Ist  die  Empfindlichkeit  des  Federmanometers  rich- 
tig eingestellt,  so  entspricht  1  mm  Höhe  =  10  ))U)i  Hg-Druck. 

Daß  für  den  praktischen  Gebrauch  den  Vorteilen  einer  genauen  Re- 
gistrierung Nachteile  einer  gewissen  Umständlichkeit  der  Handhabung 
gegenüber  stehen,  kann  nicht  weiter  wundernehmen.  Ganz  besonders 
peinlich  ist  auf  die  Fernhaltung  von  Luftblasen  Wert  zu  legen;  sie  setzen 
die  Güte  des  Manometers  stark  herab. 


Kopf  des  Federraanoraeters  (nach  Frank  und  Fetter). 


Methoden  zur  Bestiminung  des  Blutdrucks.  I37 

Dio  Benrtcilunii'  der  Dnicksclnvankmi^cii  auf  den  Kurven  ist  ferner- 
hin nicht  so  leiciit  wie  hei  denen  des  Hg-Manonieters,  (hi  kleine  Druck- 
differenzen we^en  des  jieriniien  Ausmaßes  nicht  so  sinnfidh^^  iiervortrcten. 
Zur  genauen  Ausmessunj^'  (h'r  Kurven  wird  man  eines  Kurvenanalysa- 
tors-)  nicht  enthehren  können:  es  ist  dies  ein  j)iiltfürniif,^er  Apparat,  auf 
dem  die  Kurve  hefestijit  wird.  An  ilnn  sind  hcwe-ilich  zwei  Malistähe  an- 
gehracht,  die  mit  einer  Lupe  und  Sclirauhen  scharf  auf  die  Kurve  einj^^cstcllt 
werden  ;  auf  diese  Weise  können  alle  Dimensionen  genau  ausgemessen  werden. 

Zum  Schlüsse  seien  zum  \'ergleich  der  L('istun;4>l;ihigk('it  des  Queck- 
silher-  und  Federmanometers  noch  einige  Kurven  besprochen,  die  mit 
beiden  Instrumenten  gleichzeitig  geschrieben  sind:  besser  als  Worte  werden 
diese  l^ihler  die  wesentlichsten  Untei'schiede  ihrer  Güte  zeigen  können. 

Die  Kurven  sind  in  der  Weise  gewonnen,  daß  die  Karotis  eines 
Kaninchens  (T  rethannarkose)  durch  eine  T-förmige  Arterienkanüle  einerseits 
mit  einem  Hg-]\Ianometer.  andererseits  mit  einem  T^n/^/Aschen  Fedennano- 
meter  .verbunden  wurde  und  die  Schreiber  beider  Instrumente  möglichst 
genau  üb<'i"einan(ler  an  ein  Kvmographion  angelegt  wurden  ;  beide  Mano- 
meter schreiben  also  von  derselben  ..Verkoppelungsstelle".  Alle  Kurven 
sind  von  links  nach  rechts  zu  lesen;  Zeit  in  '5  Sekunde. 

Fig.  73. 

/VVV  V 


•»••«»«Ä»^ 


Kurve  I  (F\ix.l3).  Normale  Blutdruckkurve:  11  g- .Manometer  (oben):  </ _  un. 
gedämpft.  /^=:  gedampft,  c=^ausgosclialtct.  Die  großen  Schwaiikiuigeu  des  ungedämpften 
Manometers  rühren  von  der  Atemrhythmik  her;  auf  sie  setzen  sich  die  kleineu,  oft 
schlcclit  crkeniiliaron  Pulsseh\vaiikiing(>ii.  Nach  der  Dänipfiniir  versclnvindeu  die  .\tiMn- 
schwaiikuugen  fast  ganz.  Auch  die  l'iilse  ;<ind  beträclitlidi  kleiner,  trrtcn  aber  utn-h  diMit 
Hell  iiinl  gleichmäßig  hervor. 

Fe  dcrman  oraeter  (unten) :  Die  Druckschwaiikung  Itei  jedrm  cinzflncn  l'ulse 
(Tulsdruck)  ist  als  etwa  20— 30mal  größer  anfgezeielmet  als  durcii  das  Htr-Manouieter 
(11  Dini  dieser  Kurve  =  ca.  100  »jw  der  Ilg  Kurve);  auch  die  Form  der  einzelnen  Druck- 
schwankung ist  deiitlicli  zu  erkennen.  Die  Atemschwankungen  der  Kurve  erscheinen  nach 
Dämpfung  und  Anssclialtuug  des  Ilg-Manomi'fcrs  {li  und  r)  großer  als  während  der  un- 
geiliimpften  Schwingungen  (rt),  und  zwar  weiren  der  Ausschaltung  der  Kilckwirkung  von 
Eigenschwingungen  des  t^)uecksilbers  auf  die  Hhitdruckwellen  au  der  \  crkoppelungsstellc. 

Kurve  II  (Fig.  74).  Heizung  des  rechten  \agus  mit  Induktiousstrom  (X); 
obeu;  ungedämpftes  (^)uecksilberinanometer;   unten:  Federmanometer. 

')  Jatjucf ,  Studien  ülicr  graplii^^rlic  Zeitregistrierunir.  Zeitschr.  f.  B-"'  '""'"' 
XXVIII.  S.  35. 


138 


E.  Rohde.  Methoden  zur  Bestimmung  des  Blutdrucks. 


Aus  dem  Vergleich  der  Vaguspulse  oben  und  unten    geht    klar  hervor,    daß  die 
Form  des  einzelnen  Pulses  beim  Hg-Manometer    nicht    durch  den  wahren  Druckablauf, 


Fig. 74. 


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llJlW.lÄ#W»Ws*ÄWM 


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^y-V- 


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"-w^^-^ 


miMmimm^iJ»»»***^^*^^^^^^^^^ 


H ,i,|„..|„,..in MiiiiuiiMMMiiiMiiipi|iMniMniiiiuMiir.i.üiiilii'.uimm[|[iiiiii[i,iilü;illliUlllllllllll»lllllinillllllllllllllllllllllllllllllinillinillllllUllllllll 

sondern  im  wesentlichen  durch  die  Trägheit  der  Eigenschwingung  des  Instrumentes  und 
die  Schnelligkeit  der  Pulsfolge  Ijestimmt  wird.  Der  Puls  erscheint  verhältnismäßig  groß 
und  zu  breit  bei  langsamer  Schlagfolge,  zu  klein  bei  schneller.  Die  Größe  der  maximalen 
Druckschwankung  ist  durch  das  Hg-Manometer  ziemlich  richtig  wiedergegeben. 

Fig.  75. 


^I\wl>w#.^^^NWJ\^^KW^^:^w^^^^ 


f,j\ni\M\f\K*NWN^' 


,sl^^I#W'^^^^^N^'''"^w^^J#Am 


iiiiM  niii  iiini  I  IUI  II  n  Uli  L  lim  w  II i  i  1 1 1 1 1 1 1  u  i  u  1 1 1  MI  I  u  11 11 1 1 1 1  n  I  1 1 '  u  1 1  1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1  n  11 1 1  m  I  m  1 1  n  I 


Kurve  III  (Fig.  75).  Vagusreizung  (X);  oben:  gedämpftes  Quecksilbermano- 
meter; unten:  Federmanometer.  Kleinen  und  langsamen  Druckschwankungen  folgt  das  ge- 
dämpfte Hg-Manometer  mit  genügender  Treue,  bei  großen  Schwankungen  dagegen  bleibt 
die  Kurve  infolge  der  starken  Reibung  in  der  engen  Dämpfungsstelle  hinter  dem  wahren 
Druckablauf  zurück:  sie  erreicht  den  tiefsten  Punkt  später  als  das  Federmanometer 
und  steigt  langsamer  an  als  dieses.  Die  Größe  der  Blutdruckschwankung  wird  zu- 
dem ganz  falsch  wiedergegeben  :  nach  der  Quecksilberkurve  scheint  sie  nur  ca.  Ys  des 
Wertes  zu  betragen,  den  sie  nach  der  Aufschreibung  durch  das  Federmanometer  tat- 
sächlich erreicht  hat. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  lUutes  in  seine 

einzelnen  Bestandteile. 

Von  E.  Letsclie,  Tiihinnon. 

Die  äußere  Beschaffenheit  des  Blutes  und  die  Beohachtunji-.  daß  es 
bei  ruhigem  Stehen  und  nicht  eintretender  Gerinnung  sich  trennt  in  einf 
klare,  schwachgelb  gefärbte  Lösung  und  ein  gefärbtes  Sediment,  lassen  es 
für  viele  Zwecke  geraten  erscheinen,  diese  beiden  Teile  getrennt  für  sich 
zu  untersuchen.  Da  al)er  das  Blut  ja  je  nach  den  rmständon  —  Tierart, 
Temperatur,  Sauerstoff-  und  Kohlensäuregehalt  usf.  —  nach  dem  \'erlassen 
der  Gefäße  rascher  oder  langsamer  gerinnt,  so  ist  die  Aufgabe,  die  lieiden 
Teile  getrennt  für  sich  zu  erhalten,  keine  ganz  einfache. 

Als  Einleitung  gewissermaßen  ist  deshalb  zu  l)ehandeln  : 
I.  Beschreibung  der  Methoden  zur  Gewinnung  von  Plasma,  Serum   und 
Formelementen. 
Hieran  schließen  sich : 
II.  Methoden  zur  Bestimmung  des  relativen  \'olumens  bzw.  Gewichts  von 

Formelemeuteu  und  Plasma  bzw.  Serum. 
III.  Trockensubstanzbestimmung;  Nachweis  und  Bestimmung  von  Ammoniak, 

Kohlensäure  und  Aschenbestandteilen. 
I\'.  Methoden  zur  Untersuchung  des  Plasmas  und  Serums')  auf  einzelne 

Bestandteile. 
V.  I'ntorsuchung  der  Formelemente  auf  einzelne  Bestandteile. 
VI.  Verfahren  zur  Bestimmung  verschiedener  Bestandteile  in  einer  Bhit- 

portion. 
VII.  I)estimmung   der  \'erteilung    einzelner   Bestandteile    auf    Serum    uml 
Formelemente. 

I.  Gewinnung  von  Plasma,  Serum  und  Fonnelementen. 

1.  Plasma. 

Reines  Plasma  von  Säugetierblut  ohne  irgend  welchen  Zusatz  zu  er- 
halten, gelingt  nur  l)ei  Blutarten,  die,  wie  z.  B.  Pferdeblut,  selir  langsam 
gerinnen  und  deren  Formelemente  genügenil  rasch  sich  absetzen. 

^)  Es  sind  in  diesem  Absclinitto  auch  Methoden  mit  aufgenommeu ,  die  dazu 
dienen,  das  Blut  als  Ganzes  auf  gewisse  Bestandteile,  für  deren  Isolierung,  Nachweis 
und  BcstimmuniT  im  Plasma  bzw.  Serum  besondere  Methoden  nicht  austrearbeitet  sind, 
zu  untersuchen. 


140  E.  Letsche. 

Man  läßt  in  diesem  Falle  das  Blut  direkt  aus  einem  Gefäß  in  einen 
nicht  zu  weiten,  stark  abgekühlten  Glaszylinder  einfließen  und  füllt  den 
Zylinder  möaiichst  vollständig  mit  Blut  an,  um  zu  verhüten,  daß  Wasser 
an  den  oberen  Teilen  des  Zylinders  sieh  kondensiert,  die  gebildeten 
Tropfen  in  das  Blut  zurückfließen  und  dadurch  die  Auflösung  geringer 
jNIengen  Blutkörperchen  bewirken.  An  einem  kühlen  ( )rt,  möglichst  bei  0^ 
läßt  man  den  Zylinder  ruhig  stehen;  dabei  setzen  die  Blutkörperchen  sich 
zu  Boden  und  das  Plasma  steht  als  klare,  leicht  abhebbare  Schicht  über 
dem  Sediment. 

Das  l>lut  der  meisten  übrigen  Wirbeltiere  gerinnt,  soweit  darüber 
Untersuchungen  angestellt  worden  sind,  selbst  beim  Abkühlen  und  bei 
Einhaltung  gleich  nachher  zu  erwähnender  Vorkehrungen  zu  rasch,  als 
daß  es  gelingen  könnte,  Plasma  und  Formelemente  zu  trennen. 

Wohl  aber  gelingt  dies  bei  dem  Blut  von  Vögeln,  Reptilien,  Amphibien 
und  Fischen,  wie  Delezenne^)  gezeigt  hat.  Sein  Verfahren  ist  folgendes 2): 

Eine  peinlich  saubere  Kanüle  (ausgekocht)  führt  man  in  die  Karotis 
eines  Vogels  (Truthenne,  Gans,  Ente  verwendete  Delezenne)  ein;  mit  ihrer 
Hilfe  fängt  man  das  Blut,  das  man  peinlich  vor  der  Berührung  mit  der 
Wunde  schützen  muß,  direkt  in  einem  Zentrifugenglas  auf.  Die  gereinigten 
Zentrifugengläser  werden  mit  destilliertem  Wasser  ausgekocht  und  vor 
Staub  geschützt  aufbewahrt.  Mit  Hilfe  der  Zentrifuge  {Delezenne  verwendet 
eine  solche  von  Fr.  Bunne,  Heidelberg,  die  2400 — 2600  Touren  in  der 
Minute  macht)  trennt  man  Plasma  und  Formelemente.  In  der  Regel  ge- 
nügt 10  Minuten  langes  Ausschleudern,  doch  läßt  man  die  Zentrifuge 
zweckmäßig  jedesmal  ^U  Stunde  gehen.  Man  hebt  das  Plasma  vorsichtig  ab 
und  zentrifugiert  nochmals  7,  Stunde;  Abheben  und  Zentrifugieren  wieder- 
holt man  mindestens  zweimal.  Nur  auf  diese  Weise  erhält  man  etwa  im 
Laufe  von  2  Stunden  ein  Plasma,  das  vollkommen  frei  von  zelligen  Ele- 
menten (vor  allem  Blutplättchen)  ist. 

Schützt  man  das  zuletzt  abgehobene  Plasma  durch  mehrere  Papier- 
schichten vor  Staubteilchen  und  Keimen  aus  der  Luft,  so  bleibt  das  Plas- 
ma bei  einer  Temperatur  von  7 — 16"  über  einen  Monat  flüssig. 

Bei  allen  übrigen  Blutarten  muß  man  sich  damit  begnügen,  ein 
Plasma  zu  erhalten,  das  durch  bestimmte  Zusätze  un gerinnbar  gemacht 
worden  ist. 

Die  gerinnungshemmende  Wirkung  von  Peptonlösungen^),  die  in 
die  Blutbahn  injiziert  wurden,  ist  zur  Gewinnung   größerer  Plasmaquanti- 


^)  C.  Delezenne,  Aper^-u  general  sur  la  coagulation  du  sang  cbez  les  vertdbr^s. 
Compt.  Reud.  de  la  Soc.  de  Biol.  49.  507  (1897). 

°)  C.  Delezenne,  Recherches  sur  la  coagulation  du  saug  chez  les  oiseaux.  Archiv 
de  Physiol.  V.  9.  347/52  (1897). 

^)  A.  SV/;»;/f7i'-Miihlheim,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Peptons  und  seiner  physiolo- 
gischen Bedeutung.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.,  1880.  (Physiol.  Abt.)  33/56.  Fano,  Ver- 
halten des  Peptons  und  Tryptous  gegen  Blut  und  Lymphe.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol. 
1881.  (Physiol.  Abt.)  277/96. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        141 

täten  für  chemische  I'ntersiichiingen  bis  jetzt  nur  wenig  verwendet  worden. 
Ebenso  hat  man  bis  jetzt  die  von  H(i;/cn(f't^)  beobachtete  Wirkiiii«,'  von 
lUutegelextrakt  für  diese  /wecke,  soweit  ich  sehe,  nur  weui;,^  an^'u- 
wandt,  trotzdem  es  auf  (irund  der  Arbeiten  von  Fr.  Fninz-)  und  von 
A.  Bodong'^)  möglich  ist,  Hirudin  in  reiner  und  leicht  dosierbarer  Form  zu 
gewinnen.*) 

Schuf enhebii  und  Bodong"^)  verfahren  zur  Gewinnung  von  Iliru- 
dinplasma  folgendermaßen : 

Man  stellt  eine  Lösung  von  beispielsweise  40  uig  Hirudin  in  physio- 
logischer Kochsalzlösung  (5 — 10  aii'^)  her  und  läßt  in  diese  das  Iliut  z.H. 
aus  der  Karotis  eines  Hundes  einfiieljon.  Man  läßt  soviel  \\\\\\  zufließen, 
daß  auf  1  on^  Blut  etwa  O'l  mg  Hirudin  kommt  —  in  unserem  Falle  also 
400  cw3  Blut. 

Dieses  Blut  bleibt  tagelang  ungeronnen,  und  es  wird  mit  Hilfe  dieses 
Verfahrens  wohl  auch  möglich  sein,  noch  größere  (^)uantitäten  Ülut.  als 
Schittenhchn  und  Bodong  sie  verwendeten,  ungerinnbar  zu  machen  und  in 
der  üblichen  Weise  zur  Gewinnung  von  Plasma  zu  verwerten. 

Die  Mittel,  die  gegenwärtig  beinahe  ausschließlich  Verwendung  finden, 
wenn  es  sich  darum  handelt,  größere  Plasmamengen  zu  gewinnen,  sind 
Oxalate  und  Fluoride. 

Daneben  finden  in  ganz  untergeordneter  Weise  auch  noch  andere 
Substanzen,  z.  B.  Natriumzitrat,  Xatriummetaphosphat,  MgSOi,  und  andere 
Neutralsalze  Verwendung.  \'on  Magnesiumsulfat  z.  B.  wendet  man  auf  ein 
Volumen  gesättigter  Lösung  am  besten  3  Volumina  Blut  an  und  mischt 
möglichst  gut  und  rasch. 

Durch  die  große  Magnesiumsulfatmenge  wird  natürlich  der  osmotische 
Druck  des  Plasmas  gegenüber  den  Blutkörperchen  enorm  erhöht:  die  Folge 
ist  zumindest  ein  reichlicher  Austritt  von  Wasser  aus  den  Formelementen 
und  man  wird  demzufolge  ein  solches  Plasma  für  ((uantitative  Unter- 
suchungen an  Plasma  oder  F'ormelementen  der  Änderung  der  Konzen- 
trationsverhältnisse wegen  kaum  anwenden  können. 

Die  Anwendung  von  Oxalaten  und  Fluoriden  der  Alkalimetalle 
und  des  Ammoniums  begegnet,  abgesehen  von  ihrer  kalkfällenden  Wirkung, 
keinen  prinzipiellen  Bedenken  und  bringt  auch  nicht  die  bei  Anwendung 
von  Xeutralsalzen,  wie  Magnesiumsulfat,  oft  recht  störenden  rnannelunlich- 
keiten  der  Verarbeitung  außerordentlich  stark  salzhaltiger  Lösungen  mit  sich. 


')  ./.  7>.  Jhn/crnff,  Vhev  die  Einwirkunsr  eines  Sekretes  des  offizinellen  Bluti-irt-is 
auf  die  Gerinnbarkeit  des  IJlutes.  Arcb.  f.  oxperini.  Patli.  u.  Pharm.  18.  2US  17  USS4). 

'-)  Fr.  Franz,  Über  den  die  Blutgerinnung'  aufhebenden  Bestandteil  des  uiedizini- 
scluMi  Blutegels.  Areh.  f.  experini.  Patii.  u.  Pharm.  49.  342  (Ui  (I')Ü3). 

■')  A.  Bodo  IUI,  tWv  Hirudin.   Arch.  f.  experini.  Path.  u.  Pliarm.  52.  242  lil   (UHl.'i). 

^)  Das  Hirudin  wird  von  der  Firma  F.  Sachsse  <(•  Comp,  in  Leipzig  fabriknuilüif 
hergestellt. 

^)  A.  Schitioihchn  u.  A.  lioiloiuj.  Beiträge  zur  Frage  der  Bhiiirfriniiung  mit  im- 
sonderer  Berücksichtigung  der  Ilirudinwirkung.  Arcli.  f  i>\prrim.  Patli.  u.  Pliarm.  <>4. 
217/44.  S.  241  (PJUG). 


142  E.  Letsche. 

Nach  Arfhus  und  Fages^)  verwendet  man  von  Oxalaten  soviel  daß 
die  Mischung  von  Blut  und  Oxalatlösung  schließlich  auf  1000  Teile  1  Teil 
Oxalat  enthält. 

Man  fängt  z.  B.  in  25  cni^  Oxalatlösung  von  O'OVo  225  crn^  Blut 
direkt  aus  einem  Gefäß  (ob  Arterie  oder  Vene  ist  gleichgültig)  auf,  mischt 
gut  und  trennt  durch  Zentrifugieren. 

Anstatt  eine  etwa  l%ige  Lösung  zum  Auffangen  des  Blutes  zu  ver- 
wenden, kann  man  auch  konzentriertere  Lösungen  oder  direkt  auch  festes 
Salz  benutzen.  \oy  allem  in  letzterem  Falle  sorgt  man  durch  gutes 
Rühren  des  Gemisches  für  rasche  und  vollständige  Mischung.  Bei  Anwen- 
dung von  festem  Salz  kann  man,  um  rasch  eine  vollständige  Mischung 
von  Blut  und  Oxalat  zu  erreichen,  zweckmäßig  sich  folgenden  Kunstgriffes 
bedienen  :  Man  bringt  die  für  das  zu  erwartende  Blut(|uantum  —  z.  B. 
500  cm^  Blut  —  nötige  Menge  Kaliumoxalat  —  in  diesem  Falle  0*5  g  — 
in  einen  Meßzylinder,  gibt  die  zur  Lösung  eben  nötige  Menge  warmen 
Wassers  zu  und  verteilt  die  Lösung  durch  Neigen  und  Drehen  des  Gefäßes 
über  seine  innere  Wandung  bis  zu  der  Höhe,  welche  das  Blut  erreichen 
wird.  Beim  Verdunsten  des  Wassers  wird  das  Oxalat  als  dünne  Schicht 
die  W^andung  des  Gefäßes  gleichmäßig  bedecken  und  es  ist  dadurch  eine 
raschere  Mischung  gesichert. 

Für  die  Verwendung  von  Fluoriden  gilt  genau  das  gleiche,  nur 
empfiehlt  es  sich  nach  den  Angaben  von  Arthus  und  Pages  ^%  auf  1000  Teile 
Mischung  etwa  Vb  g  Fluorid  anzuwenden. 

Eine  etwas  höhere  Konzentration  des  Oxalats  oder  Fluorids  —  im 
ersteren  Fall  bis  zu  etwa  O'250/o,  im  letzteren  bis  zu  etwa  0"3Vo  —  ist 
in  vielen  Fällen  ganz  zweckmäßig. 

2.  Serumgewinnung. 

Leichter  als  Plasma  ist  Serum  zu  erhalten;  frei  von  Beimengungen, 
die  aus  den  Formelementen  stammen,  vor  allem  frei  von  Blutfarbstoff  er- 
hält man  Serum  nach  folgendem  allgemein  bekannten  und  geübten  Ver- 
fahren: Man  fängt  das  Blut  in  einem  vollkommen  trockenen  Gefäß,  das 
möglichst  auf  Körpertemperatur  erwärmt  ist,  auf  und  läßt  das  Gefäß  samt 
Inhalt  ruhig  stehen.  Nach  einiger  Zeit  beginnt  das  Blut  zu  gerinnen  und 
es  bildet  sich  auf  der  Oberfläche  eine  dicke  Haut.  Diese  klebt  meist 
ziemlich  fest  an  der  Gefäßwand  ;  mit  Hilfe  eines  Messers  löst  man  sie 
vorsichtig  ab  und  erreicht  auf  diese  Weise,  daß  der  Blutkuchen  sich  ganz 
gleichmäßig  zusammenzieht  und  das  Serum  vollkommen  klar  ausgepreßt 
wird.  Ganz  frei  von  Blutfarbstoff  erhält  man  das  Serum  nur,  wenn  man 
während  und  nach  dem  Auffangen  des  Blutes  die  Bildung  von  Konden- 
sationswasser unmöglich  macht.  Dies  erreicht  man  während  des  Auffangens, 
wie  oben  erwähnt,  am  besten  dadurch,  daß  man  das  Auffanggefäß  auf  Körper- 


*)  M.  Arthus  und  C.  Pages,  Nouvelle  thöorie  chimique  de  la  coagulatiou  du  sang. 
Arcli.  de  PhysioL  (Y.)  2.  739/46  (1890). 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Hinten  in  seine  einzelnen  Bcstandt<'Uo         ]  \-' 

tempei-Mtur  vorwärmt  und  es  möglichst  bis  zum  Rando  mit  Ulut  nul'üllt.  Ist 
letzteres  nicht  möglich,  so  sorge  man  dafür,  dal»  der  nicht  mit  Ulut  ^^v- 
füllte  Teil  des  Gefälles  sich  nicht  rascher  als  das  Blut  ahkidilt.  Am  hestcu 
erreicht  man  dies  dadurch,  dal»  man  das  Oefiili  in  eiiicni  mäliig  warmen 
Raum  ruhig  stehen  lälU. 

Das  eben  geschilderte  Verfahren  hat  neben  dein  \urzug.  bei  sorg- 
fältiger Ausführung  ein  vollkommen  hänu)globinfreies  Serum  zu  liefern, 
den  einen  Nachteil,  für  die  Gewinnung  größerer  Serummengen  ziendich 
zeitraubend  zu  sein. 

Rascher  kommt  man  zum  Ziel,  wenn  man  das  Rlut  sofort,  nachdem 
es  den  Körper  verlassen  hat,  mit  einem  Holzstab  ..schlägt"  (kräftig  rührt); 
das  Fibrin,  das  sich  an  dem  Stab  als  elastisch-faserige  zusammenhängende 
Masse  abscheidet,  heraushei)t  und  das  defibrinierte  Blut,  nachdem  man 
es  zuvor  kolliert  hat,  zentrifugiert.  Das  über  dem  Blutkörix-rchensediment 
stehende,  meist  etwas  gefärbte  Serum  hebt  man  dann  mit  Hilfe  eines  Hebers 
ab,  den  man  an  seinem  längeren  Schenkel  zweckmäbig  mit  einem  Kautschuk- 
schlauck  und  einem  Quetschhahn  versieht,  um  die  Ausflußgeschwindigkeit 
regulieren  und  das  Abfließen    nach  Belieben  unterbrechen  zu  können. 

Statt  durch  Schlagen  mit  einem  Holzstab  kann  man  vor  allem  kleinere 
Blutmengen  auch  defibrinieren  durch  kriiftiges  Schütteln  mit  reinem  (^)ueck- 
silber,  das  Fibrin  durch  Kollieren  abtrennen  und  dann  die  Trennung  von 
Serum  und  Formelementen  in  üblicher  Weise  vornehmen. 

3.  Gewinnung  der  Formelemente. 

a)  Rote  Blutkörperchen. 

Rote  Blutkörperchen,  denen  jedenfalls  nur  geringe  Mengen  von  Leuko- 
zyten und  Blutplättchen  beigemengt  sind,  erhält  man  am  besten  in  folgen- 
der Weise'): 

Frisches  Pferdeblut  2),  das  mit  OTVo  Ammonoxalat  ungerinnbar  ge- 
macht worden  ist,  wird  bei  etwa  3000  Umdrehungen  in  der  Minute  etwa 
15  Minuten  lang  zentrifugiert.  Das  Plasma  und  die  oberste  Schicht  des 
Sediments  werden  abgehoben  und  die  untere  feste  Blutkörperchenschicht 
mit  0"9o,oiger  Kochsalzlösung  vermischt.  Nach  erneutem  1.')  Mimiten  langem 
Zentrifugieren  wird  die  abgeschiedene  Kochsalzlösung  abgeholfen  und  der 
ganze  Prozeß  noch  2mal  wiederholt. 

Für  Zwecke,  bei  denen  es  darauf  ankommt,  rote  Blutkörperchen  voll- 
kommen frei  von  Leukozyten  und  Blutplättchen  zu  erhalten,  verfahren 
Abd  er  ha  hl  eil  und  Deetjeu  in  folgender  Weise-''): 


^)  E.  Abderhalden,  Abbau  einitrer  Polypeptide  diircli  dir  rdutkörperchen  dos 
Pferdes.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  51.  3:U  (il>()7). 

^)  Ebenso  verfäbrt  man  natürlich  bei  jeder  anderen  Hlutart:  auch  k.tun  mau  für 
die  Gewinnung  von  Erythrozyten  von  dcfibrinierteni  lilut  ausgehen. 

'■')  E.  Abderhalden  und  Deetjen,  Weitere  Studien  über  den  Altl)au  einiger  Poly- 
peptide durch  die  roten  lUutkörjierchen  und  die  Blutplättchen  des  Pferdeblutes.  Zeit- 
schrift f.  physiol.  Chemie.  53.  28U  d'.lüTj. 


144  E.  Letsche. 

Pfercleblut  wird  durch  Zusatz  von  0"15Vo  Ammonoxalat  ungerinnbar 
gemacht  und  zentrifugiert:  das  Plasma  wird  abgegossen  und  die  oberste 
an  Leukozyten  reiche  Schicht  des  Sediments  abgehoben.  Das  übrige  Sedi- 
ment vermischt  man  mit  einer  Lösung  von  0-9''/o  Kochsalz  und  Ol^/o 
Ammonoxalat,  zentrifugiert  Avieder  und  filtriert  nach  dem  Abheben  der 
Flüssigkeitsschicht  das  Gemisch  der  roten  Blutkörperchen,  Blutplättchen 
und  noch  vorhandenen  Leukozyten  durch  eine  mehrfache  Lage  von  Filzi) 
auf  einer  Nutsche.  Die  Filzschicht  durchtränkt  man  vorher  mit  Plasma, 
das  man  durch  Zusatz  einiger  Tropfen  Chlorkalziumlösung  zur  Gerinnung 
gebracht  hat.  Blutplättchen  und  Leukozyten  werden  vollständig  zurückge- 
halten. Die  Erythrozyten  werden  nach  dem  Filtrieren  noch  omal  mit  Koch- 
salzlösung verrührt  und  zentrifugiert. 

b)  Leukozyten. 

Zentrifugiert  man  ungerinnbar  gemachtes  P)lut,  so  setzen  sich  die 
Leukozyten,  als  die  spezifisch  leichteren  Formelemente,  auf  den  Erythro- 
zyten ab.  Über  den  Leukozyten  findet  man  bei  genügend  langem  Zentri- 
fugieren  eine  Schicht  von  Blutplättchen.  Während  es  nun,  wie  wir  nachher 
sehen  werden,  ohne  allzu  große  Schwierigkeiten  gelingt,  Blutplättchen  frei 
von  anderen  Beimengungen  zu  erhalten,  bereitet  die  Gewinnung  von  Leuko- 
zyten aus  Blut  bis  jetzt  unüberwindUche  Schwierigkeiten,  wenigstens  so- 
weit es  sich  um  Mengen  handelt,  die  für  chemische  Untersuchungen  aus- 
reichen. Untersuchungen,  die  sich  mit  der  Zusammensetzung  der  Leuko- 
zyten beschäftigen,  sind  angestellt  worden  an  Leukozyten  aus  Eiter  und 
aus  lymphatischen  Organen. 

c)  Blutplättchen. 

Zur  Gewinnung  dieser  Elemente  verfährt  il/osm -)  folgendermaßen: 
Man  läßt  das  Blut  direkt  aus  der  Karotis  oder  Jugularis  in  einen 
Maßzylinder  fließen,  der  je  nach  der  zu  erwartenden  Biutmenge  ein  ge- 
wisses Quantum  einer  2''/oigen  Ammonoxalatlösung  in  O'TVoiger  Kochsalz- 
lösung enthält.  Sobald  die  Mischung  das  lOfache  des  angewandten  Volums 
Ammonoxalatlösung  erreicht  (also  0"2Vo  Ammonoxalat  enthält),  bringt  man 
sie  auf  die  Zentrifuge  und  schleudert  aus,  bis  eine  Trennung  der  verschiedenen 
Bestandteile  des  Blutes  nach  ihrem  spezifischen  Gewicht  erreicht  ist  (2  bis 
7  Stunden).  Das  Blut  zeigt  dann  in  der  Kegel  eine  4fache  Schichtung. 
Über  den  roten  Blutkörperchen  findet  man  eine  je  nach  der  Blutmenge 
bis  5  mm  dicke  graurötliche  Lage,  die  neben  vorwiegend  Leukozyten  reich- 


')  Noch  besser  erreicht  man  den  gewünschten  Zweck  durch  Filtrieren  durch  eine 
längere  nicht  zu  fest  gepreßte  Watteschicht;  Abderhalden  und  Mcuucaring ,  Über  den 
Abbau  einiger  Polypeptide  durch  die  roten  Blutkörperchen  und  die  Blutplättchen  des 
Rindes.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  55.  377  (1908)  verwenden  eine  2b  cm  hohe  Watte- 
schicht. 

'-)  R.  Mosett,  Die  Herstellung  wägbarer  Mengen  von  Blutplättchen.  Arch.  f.  Anat. 
u.  Phys.  1893.  (Phys.  Abteil.)  352. 


Methodeu  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.         ij;, 

lieh  Erytlirozyten  und  ehvas  IJliitplättchon  enthiilt.  Darüber  folf,'t,  wie  eine 
zarte  Decke,  eine  weißliche  Schicht,  die  von  Krytiirozyton  und  Leukozyten 
vollkoiiinicn  frei  ist  und  aus  den  gewünschten  Plättchon  besteht.  .Mit  Hilfe 
einer  kleinen  Saugpipette  kann  man  diese  Schicht  leicht  ahhehen. 

Morawitz^)  wendet  zu  einer  vollständigen  .Vhtreiinung  der  Dliitpliitt- 
chen  fraktioniertes  Zentrifugieren  an. 

Aus  der  Karotis  eines  Tieres  entHiinint  man  Dliit  und  fängt  es  in 
Fluornatrium  oder  Natriummetaphosphatlösnng  auf.  so  dal«  die  Konzen- 
tration an  diesen  Zusätzen  0-2  I)zw.  2%  beträgt.  Die  Mischung  hat  sofort 
und  recht  ausgiebig  zu  geschehen,  am  besten  durch  l'mstülpen  des  mit 
einem  Olasstopfen  versehenen  Gefäßes.  (Man  wählt  für  diesen  Zweck  bes.ser 
verschiedene  kleine  (Jefäße  zu  je  1 00  ny/^  statt  eines  größeren.)  Dann  zen- 
trifugiert  man;  die  Dauer  läßt  sich  nicht  von  vornherein  bestimmen.  .Mit 
einiger  Übung  erkennt  man  bald  den  richtigen  Zeitpunkt  zum  Luter- 
brechen. '-) 

Trifft  man  den  richtigen  .Moment,  so  haben  sich  die  Erythrozyten 
vollständig  abgesetzt;  darüber  findet  sich  eine  Schicht,  die  Leukozyten  und 
wenig  riättchen  enthält.  Das  Plasma  ist  mehr  oder  weniger  weililich  ge- 
trübt—  von  der  Hauptmenge  eben  der  Plättchen.  ^Lan  hebt  das  Plasma  ab, 
läßt  aber  eine  etwa  2  cm  hohe  Schicht  über  dem  Sediment  stehen  und  zen- 
trifugiert  das  Plasma  o — 4  Stunden  mit  einer  (ieschwindigkeit  von  etwa 
2000  Touren.  Die  Plättchen  haften  dann  als  grauweißer  Pelag  am  lioden 
des  Gefäßes  und  lassen  sich  durch  Abspülen  mit  physiologischer  Kochsalz- 
lösung von  dem  anhängenden  Plasma  befreien. 

Das  von  Morawitz  angegebene  Verfahren  haben  auch  Ahdrrhihlen 
und  Deetjen^)  und  Schittenhehn  und  Bodong^)  benutzt.  Die  beiden  letz- 
teren benutzten  eine  Zentrifuge '')■  deren  Geschwindigkeit  beliebig  geändert 
und  jederzeit  genau  festgestellt  werden  kann  und  verfahi'en  folgender- 
maßen: 

Das  Blut  wird  wie  üblich  in  Oxalatlösung  aufgefangen.  Nach  3-  bis 
4stündigem  Stehen  haben  sich  bei  Pferdeblut  der  größte  Teil  der  Erythro- 
zyten und  Leukozyten  zu  Doden  gesetzt.  Das  blutkörperchenarme,  aber 
plättchenreiche  Plasma  wird  vor.sichtig  abgehebert  und  auf  die  elektrisch 
betriebene  Zentrifuge  •'"')  gebracht.  Man  schleudert  das  Plasma  zunächst 
15  Minuten  bei  1600  Umdrehungen  aus.  Dabei  .setzen  Erythrozyten  und 
Leukozyten  sich  vollkommen  ab.  Die  vorsichtig  von  den  Körperchen  abge- 

M  Morawitz,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Bhitgerinnung.  Deutsches  Arch.  f.  klin. 
Med.  79.  21  .ö/:«  (1904). 

-)  Fluoridphisma  scheidet  sich  rascher  ah  als  Salzplasnia. 

')  Abderhalden  und  Deetjen,  Weitere  Studien  ülier  ihn  Aldiau  einiger  I'oly- 
peptide  usf.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  5^^  28ö  (l'.)07). 

■*)  A.  Schittitihclm  und  Jiodniif/,  Beitrage  zur  Krage  der  BlutuHMiiiiuniL' u-f  \"'li  f. 
c.xperim.  Path.  u.  Pharm.  54.  220  (1S)0()). 

•')  Solche  Zentrifugen  werden  von  der  Firma  S/jindlcr  «c  llaor  in  dottjugen 
nach  der  Aiigahe  von  ('.  Jacob  i/  gehaut  und  inaclieu  his  zu  .'lälH)  Imdrehungen  iu  ilcr 
.Minute. 

A  bdur  h  ul  den  ,   Handbuch  der  biochemischen  Arbeitemethodun.  V.  10 


146  E.  Letsche. 

gossene  leicht  getrübte  Flüssigkeit  zentrifugiert  man  jetzt  15  Minuten  bei 
3200  Umdrehungen.  Die  Flüssigkeit  ist  dann  vollkommen  klar  und  die 
Plättchen  haften  als  zäher  weißgrauer  Belag  am  Boden  des  Gefäßes. 

Bei  Blutarten,  deren  Formelemente  sich  nicht  so  leicht  absetzen  wie 
die  des  Pferdebluts,  hält  man  folgende  Bedingungen  ein:  Man  fängt  das 
Blut,  z.  B.  Hundeblut,  in  Fluornatriumlösung  auf,  so  daß  die  Fluoridkon- 
zentration  schließhch  O'o7o  beträgt.  Man  schleudert  sofort  40  Minuten  bei 
1600  Umdrehungen  aus  zur  Abscheidung  von  Erythrozyten  und  Leukozyten. 
Dann  schleudert  man  nochmals  10  ^linuten  bei  1600  und  nach  erneutem 
Abheben  o  Minuten  bei  2100  Umdrehungen  aus,  um  schheßUch  das  milchige 
Plasma  noch  30 — 40  Minuten  bei  3200  Umdrehungen  zu  zentrifugieren 
zur  Abscheidung  der  Blutplättchen,  die  dann,  wie  oben  schon  angedeutet 
wurde,  mit  O^Q^/oiger  NaCl-Lösung  abgespült  werden  können.  Es  ist  nicht 
zweckmäßig  —  jedenfalls  für  manche  Zwecke  nicht  — ,  die  Plättchen  in 
NaCl-Lösung  aufzuschwemmen  und  dann  wieder  auszuschleudern.  Die  vor- 
her schon  mit  recht  großen  ^'erlusten  arbeitende  Methode  wird  dadurch 
noch  verlustreicher. 

(1)  Stroma. 

Im  Anschluß  an  die  Methoden  zur  Isolierung  der  Formelemente  seien 
hier  noch  die  Methoden  zur  Isolierung  des  Stroma  aufgeführt. 

Als  erster  hat  wohl  Wooldridge  i)  das  Stroma,  und  zwar  nach  folgen- 
dem Verfahren,  zu  isolieren  versucht. 

Frisch  geschlagenes  Blut  wird  mit  einem  mehrfachen  Volum  2<'/oiger 
Kochsalzlösung  versetzt  und  zentrifugiert.  Der  nach  dieser  ersten  Be- 
handlung bleibende  Bodensatz  wird  noch  mehrere  Male  mit  Kochsalz- 
lösung auf  der  Zentrifuge  ausgewaschen,  bis  das  anhaftende  Serum  ent- 
fernt ist.  Der  aus  einem  Gemenge  verschiedener  Formelemente  bestehende 
Brei  wird  in  das  h — 6fache  Volumen  Wasser  eingetragen  und  das  Ganze 
kräftig  durchgeschüttelt.  Dann  fügt  man  vorsichtig  so  lange  Äther  zu, 
bis  die  Flüssigkeit  vollkommen  durchsichtig  ist.  Jetzt  kommt  sie  von 
neuem  auf  die  Zentrifuge,  um  die  Leukozyten,  die  wenig  verändert  in 
der  Feuchtigkeit  schwimmen,  abzuscheiden;  das  Zentrifugieren  muß  man 
eventuell  so  oft  wiederholen,  bis  ein  Bodensatz  sich  nicht  mehr  bildet. 

Der  nun  erst  vollkommen  klaren  Flüssigkeit  setzt  man  eine  P/oige 
Lösung  von  Natriumbisulfat -)  tropfenweise  zu;  ist  eine  genügende  Menge 
von  dieser  Salzlösung  zugegeben,  so  trübt  sich  die  klare  Flüssigkeit  bis 
zu  einem  ähnUchen  Grade  wie  unverändertes  Blut;  alsbald  ballen  sich  die 
ausgefällten  Stromata  zusammen  und  setzen  sich  zu  Boden. 

Ist  das  Stroma  einmal  geschrumpft,  so  quillt  es  auch  nach  langem 
Waschen  mit  destilliertem  Wasser  nicht  wieder  auf.  Da  es  in  verdichtetem 


^)  L.  Wooldridge,  Zur  Chemie  der  Blutkörperchen.  Arch.  f.  Anat.  u.  Phys.  1881. 
Phys.  Abteil.  389. 

^)  Das  saure  Salz  ist  der  prinzipiell  auch  brauchbaren  Säure  vorzuziehen ,  weil 
.sich  dadurch  eine  Zersetzung  des  Hämoglobins  vermeiden  läßt. 


Mothodon  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzoliii'u  liesiandteile.         147 

Zustand  leicht  filtrierbar  ist,    so  kann    man    alle  lU'imenj^'un^M'ii    ausziehen 
rait  Ausnahme  einer  Spur  zersetzten  Hämoi>lol)ins. 

Die  gesamten  im  Obigen  beschriebenen  OjK-rationen  lassen  sich  bei 
niedriger  Temperatur  in  wenigen  Tagen  ausführen. 

Ein  einfacheres  und  wie  mir  scheint  besseres  \' erfahren  hat  J'<is- 
cuccl^)  angegeben. 

Er  verfährt  folgendermaßen: 

Man  lädt  die  Blutscheiben  des  defibrinierten  Blutes  sich  abscheiden 
(eventuell  zentrifugiert  man),  hebert  das  überstehende  Serum  ab  und  ver- 
setzt den  Blutkörperchenbrei  -}  mit  dem  15 — 20fachen  \'olum  einer  Vs  ge- 
sättigten Ammonsulfatlösung.  Nach  gutem  Umrühren  labt  man  die  Blut- 
scheiben sich  absetzen,  hebert  die  überstehende  Ammonsulfatlösung  ab. 
zentrifugiert  das  Sediment  und  gießt  die  überstehende  Flüssigkeit  ab.  l)er 
Bodensatz  wird  in  ganz  dünner  Schicht  auf  flachen  Torzellantassen  aus- 
gebreitet und  l)ei  Zimmertemperatur  eintrocknen  gelassen.  Je  rascher 
dieses  Eintrocknen  erfolgt,  desto  beciuemer  gestaltet  sich  die  weitere  Dar- 
stellung. Die  trockene  Masse »)  wird  in  kaltem  Wasser  verteilt,  worin  der 
Farbstoff  sich  löst,  während  die  Stromata  am  Boden  sich  ansammeln;  sie 
bleiben  in  dieser  Lösung  ungefähr  24  Stunden  bei  0".  Dann  wird  das  Wasser 
über  dem  Bodensatz  durch  Dekantieren  so  oft  gewechselt,  bis  es  voll- 
kommen farblos  bleibt:  anfangs  kann  man  zum  Waschen  Leitungswasser 
verwenden,  zum  Schluß  l)enutzt  man  destilliertes  Wasser.  Zuletzt  werden 
die  Stromata  auf  einem  Filter  gesammelt  und  mit  destilliertem  Wasser 
sorgfältig  ausgewaschen. 

Die  von  Piettre  und  Fi/«  angegebene  Methode*)  benutzt  zum  Lack- 
farbenmachen des  Blutes  Äther,  ein  \'erfahren,  das  wegen  der  Möglichkeit 
der  Aufnahme  ätherlöslicher  Substanzen  aus  dem  Stroma  nicht  ganz  ein- 
wandfrei sein  dürfte. 

Das  Verfahren  ist  folgendes: 

In  einen  Scheidetrichter  von  etwa  ;i  /  Inhalt  bringt  man  lutior/»^ 
physiologischer  Kochsalzlösung  und  öOOc//^^  Blutkörperchenbrei  von  der 
Dichte  Fll  und  mischt  das  Ganze  gut  durch.  Dann  fügt  man  •JöO  r;;/» 
Äther  zu  und  schüttelt  vorsichtig  um.  Der  Äther  kommt  in  P)erührnng 
mit  den  Blutkörperchen  und  bewirkt  Hämolyse.  Die  anfängliche  Emulsion 
klärt  sich;  es  sind  2  Schichten  erkennbar:  eine    untere    durchsichtige,  die 


')  0.  Pascucci,  Zusammensetzung  des  lilutsclieilionstrumas  und  ilif  HänioI\^o 
Hofmeisters  Beitr.  6.  54:^  (l'.)05). 

'-)  Der  Blutkörperchenbrei  kann  eventuell  vorher  durch  Waschen  mit  2' «iger 
NaCl-Lösung  von  Serumbestandtoilen  licfroit  werden  r  Wooldridijr),  doch  ist  das  nicht 
unl)edingt  notwendig. 

'■')  Man  kommt  auch  manchmal  zum  Ziel,  wenn  man  den  feuchten  Blutktirper- 
ohenbrei  in  viel  destilliertes  Wasser  einträgt.  Nach  24  Stunden  haben  sich  die  ent- 
färbten Stromaten  abgesetzt  und  können,  wie  oben,  wciterbohandclt  werden.  I)ie  I>ar- 
stellung  auf  diesem  Wege  gelingt  nicht  immer  und  die  Ausbeute  ist  meist  eine  unvoU- 
Jiommeue. 

*)  IHcttre  et  Vila,  Le  stroma  des  gloluiles  rouges.  L'ompt.  Kend.  14.").  787/ '.KJ  (1906). 

10* 


148  E.  Letsche. 

eine  konzentrierte  Hämoglobinlösung  darstellt,  und  eine  obere  flockig  ge- 
trübte, welche  die  Gesamtheit  der  freien  Stromata  und  der  noch  nicht 
hämolysierten  Körperchen  enthält.  Die  untere  Schicht  läßt  man  ausfließen, 
ersetzt  sie  durch  ein  kleineres  Volum  physiologischer  Kochsalzlösung  und 
schüttelt  von  neuem,  um  die  Hämolyse  zu  vervollständigen.  Man  läßt  die 
untere  Schicht  wieder  ab  und  wäscht  die  Ätherschicht  so  lange  mit  salz- 
haltigem Wasser,  bis  dieses  keine  färbende  Substanz  mehr  aufnimmt.  Die 
Stromaflocken  sammelt  man  dann  auf  einem  Filter. 

II.  Bestimmung  des  relativen  Volums  beziehungsweise  Gewichts 
von  Formelementen  und  Plasma  oder  Serum. 

1.  Methoden,   welche  die  Beobachtung  benutzen,  daß  gewisse  Be- 
standteile des  Blutes  entweder  nur  im  Plasma  (oder  Serum)  oder 
nur  in  den  Formelementen  sich  befinden  oder  daß   dem  Blut  zu- 
gesetzte fremde  Stoffe  nicht  in  die  Blutkörperchen  eindringen. 

Die  älteste  hierher  gehörige  Methode  ist  die  von  Hoppe- Seyler  ange- 
gebene ^) ,  bei  welcher  man  die  Mengen  Fibrin,  die  einerseits  in  einer  ge- 
wogenen Menge  Blut,  andrerseits  in  einer  gewogenen  Menge  Plasma  sich 
finden,  bestimmt. 

Man  bestimmt  in  einer  Portion  Blut  (10 — -iOcm^)  den  Fibriugehalt 
nach  der  an  anderer  Stelle  beschriebenen  Methode.  -)  Eine  zweite  größere 
Blutportion  fängt  man  in  einem  in  Eis  stehenden  Standzylinder  auf,  läßt 
die  Blutkörperchen  sich  senken,  entnimmt  mit  einer  ebenfalls  gekühlten 
Pipette,  die  der  zur  ersten  Bestimmung  angewandten  Bkitmenge  gleiche 
Plasmamenge  und  bestimmt  in  ihr  das  Fibrin  genau  ebenso  wie  im  Blut. 
Bedeutet  a  den  Prozentgehalt  des  Blutes  an  Fibrin, 
b     „  „  „     Plasmas  an  Fibrin, 


ferner 


X  den  Prozentgehalt  des  Blutes  an  Plasma, 

y     ,;  „  „        „        ;,  Körperchen, 

z     „  „  „        „        „  Serum, 

so  gelten  die  Beziehungen: 

x  =  — ;  y— 100  —  x;  z  =  x  —  a. 

b 

Diese  Methode  wird  wegen  ihrer  nicht   allzu  hohen  Genauigkeit  nur 

wenig  angewandt. 

Methode  von  Bunge. 

C.  Schmidt^)    hat  festgestellt,    daß    in    der   Zwischenflüssigkeit    des 
Blutes    das  Natron    vorherrscht,    in    den    Körperchen    dagegen    das  Kali. 

^)  Hoppe- Seyler -Thierf eider,  Handbuch  der  physiol.-  u.  pathologisch-chemischen 
Analyse.  8.  Aufl.  Berlin  1909.  S.  682. 

2)  Dieses  Handbuch.  Bd.  2.  8.376(1910). 

ä)  C.  Schmidt,  Charakteristik  der  epidemischen  Cholera.  Leipzig  und  Mitau  1850. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestantitoile.        I4f^ 

G.  Sacharjin  i)  hat  die  Vermutung  ausfresprochon,  dali  in  gewissen  lilutarten 
das  Natron  nur  im  Serum ,  nicht  in  den  Körperchen  sich  fin(h'.  Dieser 
Vermutung  ist  G.  Bumje-)  nachgegangen  und  hat  darauf  folgende  Methode 
gegründet: 

Man  bestimmt  in  einer  gewogenen  Menge  defibrinierten  Blutes  nach 
einem  der  später  zu  besprechenden  ^'erfahren  das  Natron  und  in  gleicher 
Weise  das  Natron  des  Serums. 
Bezeichnet  dann 

a  den  Prozentgehalt  des  Blutes  an  Natron, 
b     „  „  „    Serums  an  Natron, 

X     „  „  .,     Blutes  an  Serum, 

so  gilt  wie  bei  der  Methode  von  Hoppe-Seyler  die  Bezielmng 

a.lOO 

"  =  -¥— 

Die  Methode  liefert  Werte,  die  mit  den  Zahlen,  die  nach  anderen 
Methoden  gew^onnen  worden  sind,  recht  gut  übereinstimmen.  Sie  ist  aber 
natürlich  nur  anwendbar  bei  Blutarten,  für  welche  die  von  Sacharjin  aus- 
gesprochene Vermutung  zutrifft,  und  zwar  ist  dies  nach  Ahderhalden »)  das 
Blut  vom  Pferd,  Schwein  und  Kaninchen. 

Für  dieses  Verfahren  ist  natürlich  prinzipiell  jede  Substanz  hrau(lil)ar, 
die  entweder  nur  im  Serum  oder  nur  in  den  Fonnelementen  sich  findet, 
wie  z.  B.  Fett  und  Kalk,  welche  beiden  nach  Abderhalden  *)  in  den  Form- 
elementen fehlen. 

Schlielilich  steht  auch  wohl  nichts  im  Wege,  diese  Methode  auch  auf 
nicht  geronnenes  oder  ungerinnbar  gemachtes  Blut  anzuwenden. 

Methode  von  Stewart.^) 

Das  Prinzip  der  Methode  ist  folgendes:  Ein  Farbstoff,  der  im  Serum 
löslich  ist  und  weder  in  die  Körperchen  eindringt  noch  in  merklicher 
Weise  den  osmotischen  Druck  des  Serums  beeinflulit,  wird  in  bestimmter 
Menge  einem  bestimmten  \'olum  oder  Gewicht  von  defibriniertem  Blut  zu- 
gefügt. Das  i^dut  wird  geschüttelt,  bis  der  Farbstoff  gleichmäbig  verteilt 
ist  und  wird  dann  zentrifugiert.  Aus  der  Menge  des  Farbstoffs,  der  in 
einer  gegebenen  JMengo  des  gefärbten  Serums  enthalten  ist.  kann  die  Menge 
des  Serums  im  Blut  leicht  errechnet  werden.  Als  Farbstoff  verwendet 
man  Hämogloblin,  das  man  nach  dem  Verfahren  von  Hoppc-Scyler^)  oder 


1)  G.  Sacharjin,  Zur  Blutanalyse.    Virchows  Arcli.  Bd.  21.  :-i37  (18(51). 

^)  O.Jhoiqe,  Zur  quantitativen  Analvse  des  Blutes.  Zeitsrlir.  f.  Bioloirie.  12. 
191  (187()). 

^)  E.  Ahderhalden,  Zur  (juantitativen  vergleichenden  .\nalyse  des  Blutes.  Zeitschr. 
f.  physiol.  Chomic.  25.  Go/115  (18i)8). 

*)  E.Abderhalden,  Zur  quantitativen  vergleichenden  Analyse 'lc>  lUnfes.  Zeitschr. 
f.  physiol.  Chemie.  25.  109  (1898). 

')  B.  N.  Stewart,  The  relative  volume  of  corpuscles  and  plasuia  in  blood.  Joum. 
of  l'hysiol.  24.  35G/93  (1899). 

«)  Iloppe-Seyler-Thicrf eider,  Handbuch  etc.  8.  Aufl.  1909.  S.  408. 


150  E.  Letsche. 

sonst    einem    anderen    brauchbaren  Verfahren    herstellt,    wiederholt    um- 
kristallisiert und  schließhch  trocknet. 
Das  Verfahren  ist  folgendes : 

Ein  genau  gewogenes  oder  gemessenes  Quantum  Blut  mrA  zentri- 
fugiert,  bis  eine  große  Quantität  klaren  Serums  sich  abscheidet ;  möglichst 
viel  von  diesem  vollkommen  körperchenfreien  Serum  wird  genau  gemessen 
oder  gewogen.  5 — Ibcm^  (genau  zu  bestimmen!)  werden  in  einer  Reib- 
schale  sorgsam  mit  einer  gewogenen  Quantität  Hämoglobin  zerrieben.  Man 
nimmt  gewöhnlich  soviel  Hämoglobin,  daß  eine  1 — 2''/oige  Lösung  von 
Hämoglobin  im  Serum  entsteht.  Von  dieser  Lösung  gibt  man  eine  bestimmte 
Menge  dem  Blutkörperchensediment  zu,  mischt  das  Sediment  gut  mit  der 
Lösung  und  zentrifugiert  wieder,  bis  eine  rötliche  oder  schwärzlich  rötliche 
Serum  schiebt  sich  abgetrennt  hat,  die  als  „gefärbtes  Serum"  bezeichnet 
sei.  Auch  diese  Schicht  muß  vollkommen  frei  von  Blutkörperchen  sein.  Man 
hebt  von  diesem  Serum  wieder  einen  Teil  ab  und  vergleicht  ihn  mit  der 
Lösung  von  Hämoglobin  in  Serum,  und  zwar  in  der  Weise,  daß  man  die 
Hämoglobinlösung  mit  frischem  Serum  oder  mit  Wasser  verdünnt,  bis  sie 
die  Farbe  des  „gefärbten  Serums"  zeigt,  was  man  mit  Hilfe  eines  Kolori- 
meters  feststellt. 

Aus  der  Menge  Serum  oder  Wasser,  die  man  der  ursprünglichen 
Hämoglobinlösung  hinzufügen  muß,  kann  man  die  Menge  Serum,  mit 
welcher  jedes  Gramm  oder  jeder  Kubikzentimeter  der  Hämoglobinlösung, 
die  man  dem  Sediment  zugefügt  hat,  vermischt  worden  sein  muß,  und 
deshalb  auch  die  Menge  Serum,  die  im  Sediment  nach  der  Entfernung  der 
ersten  Serumportion  zurückgeblieben  ist,  unmittelbar  entnehmen.  Das 
spezifische  Gewicht  des  defibrinierten  Blutes  und  Serums  wird  immer  be- 
stimmt, so  daß  die  Menge  Serum  im  Blut  sowohl  in  Kubikzentimeter  auf 
100  cw^  als  auch  in  Gramm  auf  100^  Blut  angegeben  werden  kann. 
Bedeutet 

V  das  angewandte  Blutvolum, 

V     „    Volum  der  ersten  Serumportion, 

v'    „        „         „    Hämoglobinlösung,  die  man  dem  Sediment  zugefügt  hat, 

a     „        „       Serum  oder  Wasser,  das  jedem  Kubikzentimeter  von  v'  zu- 
gefügt werden   mußte,    um   seine  Färbung  der   des    gefärbten  Serums 

gleich    zu    machen ,   dann    gilt   die    Beziehung  ^-^^ — '-—  =  Volum 

des  Serums  in  100 cm^  Blut. 

Die  Hämoglobinbestimmung  ist  die  einzige  Messung,  die  nicht  mit 
gleich  großer  (xenauigkeit  wie  die  anderen  ausgeführt  werden  kann,  aber 
die  Entfernung  und  Bestimmung  der  größeren  Serumportion  vor  dem  Zu- 
fügen der  Hämoglobinlösung  reduziert  den  Fehler  aus  dieser  Quelle. 

Beispiel : 
Ibcm^  Blut  zentrifugiert, 
43"5cm3  klares  Serum  abgehoben; 
0"384r/  Hämoglobin  werden  in  35  «w^  Serum  gelöst  und 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandtcilo.        ]",| 

Ibcm^  der  klaren    Lösunji:   dem    Blutkörperchensedinient     zugefügt.    Man 

mischt  gut  und  zentrifugiert  wieder; 
21-bcin^  Serum  (..gefärbtes  Serum")  werden  abgehoben: 
20)1^  der  Iliimoglobinlösung  geben  mit  IM) cm^  Serum  vom   lihit  dessell)en 

Tieres  genau  die  gleiche  Färi)ung,    wie  sie  das  ..gefärbte  Serun»- 

aufweist. 
Also  wurden  Q-San^  Serum  in  dem  Sediment  gemischt  mit  je  einem 
Kubikzentimeter  der  Hiimoglobinlüsung,  die  dem  Sediment  zugefügt  worden 
ist,   und  es  müssen  somit  nach  der  Entfernung  von  43'5cm3  Serum  noch 
15  X  O'S  =  12 c»i^  Serum  im  Sediment  enthalten  gewesen  sein. 

Dies  gibt  4;Vö  +  12  =  55-5nM=»  Serniii  in  Ibnn^  IWut,  somit  74'Ucw* 
Serum  in  100  cni^  Blut. 

Zum  Vergleich  sei  noch  angeführt,  daß  bei  einem  anderen  lllut  ergeben 
haben  die  Methode  von  Hoppe-Seyler  b'6'11  cm^ ,  die  Methode  von  Stewart 
b9'2'dcm^,  die  Leitfähigkeitsmethode  59'39cw3  Serum  in  lOOcm^Blut;  so- 
mit gibt  die  Methode  recht  befriedigende  Resultate. 

2.  Methoden,    welche    Bestandteile,    die    in    Formelementen    und 

Zwischenflüssigkeit    sich  finden,    im  Blute,    Serum   (Plasma)    und 

Körperchen  gesondert  bestimmen  und  hieraus  das  Verhältnis  von 

Formelementen  zu  Serum  (Plasma)  ermitteln. 

Methode  von  Hoppe-Seyler.'^) 

Die  Methode  beruht  auf  der  experimentell  begründeten  Annahme,  daß 
bei  Trennung  von  Plasma  (Serum)  und  Formelementen  durch  verdünnte 
Kochsalzlösung  (0"9VoiS)  keine  Proteinstoffe  aus  den  Körperchen  aus- 
treten. Sie  verwendet  zur  Berechnung  folgende  experimentell  zu  ermittelnden 
Größen : 

1.  Gehalt  des  P>lutes  an  Proteinstoffen; 

2.  Gehalt  der  Formelemente  an  Protein  Stoffen : 

3.  Gehalt  des  Serums  an  rroteinstoffen.  Die.>^e  Daten  braucht  man  für 
defibriuiertes  Blut;  wünscht  man  die  entsprechenden  Verhältnisse  an  Bhit. 
wie  es  aus  dem  Körper  strömt,  kennen  zu  lernen,  so  hat  man 

4.  den  Gehalt  des  Blutes  an  Fibrin  noch  zu  bestimmen. 

Die  Ausführung  gestaltet  sich  folgendermaßen:  Man  fängt,  wenn  es 
sich  um  defibriuiertes  Blut  handelt,  ;'. ,  im  anderen  Falle  4  einzelne  Blut- 
portionen auf. 

In  der  1.  Portion  —  5 — \Octn^  — ,  die  man  in  einem  mit  l'hrglas 
versehenen,  tarierten  Becherglas  auffängt  und  nach  dem  Krkalten  wägt, 
bestimmt  man  den  Gesamteiweißgehalt  nach  der  Methode,  die  sich  an 
anderer  Stelle-')  beschrieben  findet. 


*)  Hoppe- Serjler-Thin-felder ,    Handbuch    ilor    physiologisch-     und    pathologisch- 
chemischen  Analyse.  8.  Aufl.  19Ü9.  S.  (582. 

•-)  Dieses  Ilandbuch.  Bd.  2.  S.  373  (lyiU). 


152  E.  Letsche. 

Als  2.  Portion  fängt  man  wieder  etwa  5 — 10  cni^  Blut  in  einem 
Fibrinbestimmungsapparat  1),  den  man  gewogen  und  dann  auf  Körper- 
temperatur erwärmt  hat,  auf,  bringt  das  Blut  durch  Schlagen  zur  Ge- 
rinnung 2),  wägt  nach  dem  Erkalten  und  mischt  die  Flüssigkeit  in  einem 
größeren  Becherglas  mit  dem  zehnfachen  Volumen  einer  Mischung  von 
1  Teil  gesättigter  Chlornatriumlöung  und  9  Teilen  Wasser.  Man  bringt 
jetzt  die  Flüssigkeit  quantitativ  in  die  Gläser  einer  Zentrifuge,  schleudert 
1 — 2  Stunden  aus,  gießt  die  überstehende  Flüssigkeit  völlig  klar  ab,  mischt 
den  zurückbleibenden  Blutkörperchenbrei  mit  derselben  Salzlösung,  zentri- 
fugiert  wieder,  gießt  von  neuem  ab  und  verfährt  nochmals  in  der  gleichen 
"Weise.  Sind  auf  diese  Weise  alle  Serumbestandteile  entfernt  dann  werden 
die  in  den  Zentrifugengläsern  sich  findenden  Eückstände  mit  möglichst 
wenig  Wasser  in  ein  Becherglas  gebracht,  durch  Alkohol  gefällt  und  zur 
Bestimmung  der  Proteinstoffe  in  der  gleichen  Weise  wie  oben  das  Gesamt- 
blut weiter  behandelt. 

Eine  3.  Portion  Blut  fängt  man  in  einer  auf  Körpertemperatur  er- 
wärmten Schale  auf,  bedeckt  die  Schale  und  läßt  ruhig  stehen.  Von  dem 
nach  eingetretener  Gerinnung  allmählich  aus  dem  Blutkuchen  austretenden 
Serum  wägt  man  b—lOcm^  in  einem  Becherglas  ab  und  bestimmt  in 
dieser  Portion  die  Serumeiweißkörper.  Geht  man  von  defibriniertem  Blut 
aus,  so  wird  man  dieses  ausschleudern  und  das  abgehobene  Serum  in 
gleicher  Weise  wie  oben  beschrieben  weiter  behandeln. 

Schließlich  benützt  man  die  4.  Portion  noch  zu  der  Bestimmung 
des  Fibringehaltes  des  Blutes  nach  dem  an  anderer  Stelle  1)  beschriebenen 
Verfahren. 

Die  in  1,  2  und  4  erhaltenen  Zahlen   rechnet   man   auf   100  g  Blut 
um;  die  in  3  erhaltenen  Zahlen  auf  100«/  Serum, 
Bezeichnet  dann 

a  den  Prozentgehalt  des  Blutes  an  Eiweißstoffen: 

b     „  „  von  Fibrin  +  Eiweißstoffen   in   den  Formelementen; 

c     „  „  des  Serums  an  Eiweißstoffen; 

d     „  „  „     Blutes  an  Fibrin; 

ferner 

X  den  Prozentgehalt  des  Blutes  an  Serum; 

y     „  „  „         ■„       ,;     P^rmelementen; 

z     „  „  „         ,j       „     1  lasma; 

so  ist 

x  =  ^^100;  y  =  100— (x-t-d);  z=rx-hd. 

Schließlich  stammt  von  Hoppe- Seyler  noch  ein  weiteres  Verfahren^), 
das  im  wesentUchen  mit  dem  eben  beschriebenen   übereinstimmt.    Wegen 


1)  Siehe  dieses  Handbuch.  Bd.  2.  S.  376  (1910). 

~)  Bei  defibriniertem  Blut  vereinfacht   sich  das  Verfahren   in  leicht  ersichtlicher 
Weise. 

3)  Hoiype-Seißer-Thierfelder,  Handbuch  etc.  8.  Aufl.  1909.  S.  683. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des   ßlutos  in  seine  einzelnen  Bestancitfilc  1  ");> 

der  bei  diesem  Verfahren  notwendi^^en  kolorimetrischfii  liestiiniiiuiiy;  ist 
dieses  \'erfalireu  vielleicht  etwas  wenif^er  «;enau,  bietet  aber  bei  lUutartcn. 
deren  Formeleniente  nicht  oder  nur  schwer  sich  absetzen  (aucli  mit  Hilfe 
der  Zentrifuge  nicht),  den  Vorteil,  dali  ein  Verlust  an  Formelementen  ohne 
P^influli  auf  das  liesultat  der  IJestimmunti-  ist. 

In  einer  ersten  Blutportion  bestimmt  man  den  (iesamteiweillgehalt 
des  Blutes  genau  so  wie  auf  S.  ir»!  angedeutet. 

Die  zweite  Blutportion  wird  zunächst  genau  entsprechend  dem.  was 
bei  dem  vorhergehenden  Verfahren  für  ihre  Bearl)eitung  angegeben  wurde, 
behandelt .  wobei  es  nichts  zu  bedeuten  hat .  wenn  beim  Waschen 
des  Formelementesediments  von  diesem  etwas  verloren  geht.  In  einem 
genau  allzumessenden  Quantum  des  von  Serumbestandteilen  freien  ühit- 
körperchenbreis  bestimmt  man  das  Gesamteiweili,  in  einem  zweiten  die 
Menge  des  Blutfarbstoffes  auf  kolorimetrischem  Wege.i) 

Die  dritte  Portion  verwendet  man  zur  (luantitativen  Bestimmung  des 
Fibrins-),  wobei  die  abgegossenen  und  abfiltrierten  Waschflüssigkeiten 
sorgfältig  gesammelt  und  zur  Blutfarbstoffbestimmung   verwendet  werden. 

Eine  vierte  Portion  dient  schließlich  zur  P>estimmung  der  Serum- 
eiweißkörper,   wobei    man    wie  bei  der  vorhergehenden  Methode  verfährt. 

Die  in  1,  8  und  4  erhaltenen  Werte  rechnet  man  auf  100^  Blut 
bzw.  Serum  um.  die  in  2  erhaltenen  auf  ein  bestimmtes  Volumen  der 
Flüssigkeit. 

Bezeichnet 
a  den  Prozentgehalt  des  Blutes  an  Proteinstoffen; 
b     ,,  „  „  „       r    Fibrin: 

c     „  „  „  „      „    Blutfarbstoff: 


j; 

V 

« 

n 

» 

n 

n 

^» 

V 

d     „  ,.  „     Serums  an  i^roteinstoffen: 

e  das  Yerhiiltnis  von  Proteinstoffen  zu  Blutfarbstoff  in  den   Kfirpei-chon 
und  ferner 

w  den  Prozentgehalt  des  Blutes  an  Proteinstoffen  der  Ivürpercheii; 

X     „  „  „         „        „  Serum: 

y     ;,  ;,  „         „        „  l'lasma: 

z     „  „  „         „        „  Körperchen: 

so  ist 


[a-(.-  +  bn  100_.  ^,^^^^.  ,=ioO-(x  +  b). 


w  =  c .  e ;  X  _  , 

d 

Methode  von  M.  und   L.  Bleibtreu. 

Eine  Methode,    die    ebenfalls    die    im  lUut  enthaltt-nen  Fiweibkörper 
zum    Ausgangspunkt     der    Bestimmung     des    Verhältnisses     von    Serum 


')  Franz  Miilhr,  dieses  Handbuch.  Bd.  2.  S.  705  ff.  (1910). 

•-)  Dieses  Ilandbucli.  Bd.  2.  S.  376.  Die  Fibrinbestimnuing  fällt  in  defibriniortom 
Blute  luitürlich   weg.  und  es  bniuclit  dann   nur  die  Blutfarbstoffltestimmun!.'  in  I'ortiou  :3 


ausgeführt  zu  werden. 


154  E.  Letsche. 

(Plasma)  und  Forraelementen  macht,  haben  M.  und  L.  Bleibtreu  ausge- 
arbeitet.^) 

Das  Prinzip  der  Methode  ist  folgendes :  Mischt  man  Blut  mit  phy- 
siologischer Kochsalzlösung  und  läßt  man  die  Formelemente  sich  zu  Boden 
senken,  so  ist  in  der  Flüssigkeit  der  Prozentgehalt  an  Eiweiß  bzw.  Stickstoff 
in  dem  Maße  vermindert,  als  der  Flüssigkeit  Salzlösung  zugefügt  worden  ist. 

Ist  die  zu  der  Mischung  angewandte  Blutmenge  =  a ,  das  zugefügte 
Volumen  Kochsalzlösung  :=  b  und  bezeichnet  x  den  echten  Bruch ,  mit 
welchem  man  das  Blutvolum  a  multiplizieren  muß,  um  das  darin  enthal- 
tene Flüssigkeitsvolum  zu  erfahren,  so  beträgt  die  Gesamtmenge  der  in 
der  Mischung  enthaltenen  Plüssigkeit  ax  +  b. 

Verwendet    man    ein    bestimmtes    Volum    dieser    Salzlösung-Serum- 

mischung  zur  Analyse,  so  muß  man  dieses  Volum  mit  — — l    multiplizie- 
*  -^  ax-l-b 

ren,  um  das  darin  enthaltene  Volum  Serum  zu  bekommen.    Z.  B.  sind   in 

5  cm^  des  Gemisches  5  .  — —,-  cm^  Serum  enthalten. 

ax+b 

Ergibt    dann   die   Stickstoffbestimmung ,    daß   in   diesem  Volum  e  g 

Eiweiß  (Stickstoff  auf  Eiweiß  umgerechnet)  enthalten  sind,  so  erhält  man: 

in  5 r  cm^  Serum  e  q  Eiweiß; 

ax  +  b  -^ 

eine  zweite  Verdünnung  ergibt: 

in  5 ^—^  cm  ^  Serum  e,  g  Eiweiß. 

a^x  +  bi  ' -^ 

Somit  sind  in  5  cm^  Serum  enthalten: 

^iX  +  bi    ,  ax  +  b  . 

Ci  -^^ bzw.  e  g  Eiweiß. 

ajX  ax 

Diese  beiden  Mengen  müssen  aber  gleich  sein;  also 

a^x  +  bi        ax  +  b 


ajX  ax 


Hieraus  ergibt  sich  dann : 


.         ,  bi  b 

x(e— Ci)  —  ei e 


aj  a 


Aus  dieser  Gleichung  läßt  sich  x  berechnen  und  damit  kennt  man 
auch  das  Volum  der  körperlichen  Elemente  1 — x. 

Macht  man  statt  2  Mischungen  deren  drei,  so  hat  man  eine  2fache 
KontroUe,  indem  man  x  aus  der  1.  und  2.,  der  1.  und  3.  und  aus  der 
2.  und  3.  Mischung  berechnen  kann. 

Natürlich  kann  man  auch  das  unvermischte  Serum  bei  dieser  Me- 
thode mitbenutzen;  das  zugehörige  b  ist  dann  eben  =  o;  in  diesem  Falle 
vereinfacht  sich  die  obige  Gleichung  für  x  auf 


*)  Max  Bleibtreu  und  Leopold  Bleibtreu,  Eine  Methode  zur  Bestimmung  des  Volums 
der  körperlichen  Elemente  im  Blut.  Pflügers  Archiv.  51.  151/228  (1892). 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        löf» 


(e— e,)  x  =  e, 


a, 


wobei   e  den  Eiweißwert  für  das  unvoi-diinnte  Serum  bedeutet. 

Die  ganze  Arbeit  bei  dieser  Metliodc  l)estelit  also  darin  -  im  ein- 
fachsten Fall  —  den  EiweiÜgehalt  des  Serums  und  den  Kiweiligchalt  des 
Gemisches  von  Serum  +  Kochsalzlösung,  die  man  nach  dem  Zentrifiigieren 
des  mit  0"9Voiger  Kochsalzlösung  verdünnten  liiutes  erhält,  zu  bestimmen. 

Neben  den  im  Vorhergehenden  aufgeführten  [Methoden,  die  sich  che- 
mischer Verfahren  zur  Ermittlung  des  Verhältnisses  von  Formelementen 
zu  Zwischenflüssigkeit  bedienen,  gibt  es  noch  Methoden,  die  bestimmte 
physikalische  Eigenschaften  von  lUut  und  Seruin  (Plasma)  für  den  ange- 
gebenen Zweck  benützen,  auf  die  hier  nur  verwiesen  sei. 

Es  gehören  hierher  die  von  Schrott enhach'^)  angegebene  .Methode, 
welche  das  spezifische  Gewicht  von  Blutkörperchen,  Plasma  und  Blut  ver- 
wertet und.  ferner  die  Leitfähigkeitsmethoden,  die  ziendich  gleichzeitig  von 
Roth,  Tancjl-Biigarszhj  und  Stewart^)  angegeben  worden  sind. 

III.  Bestimmung  des  Trockenrückstandes,  des  Ammoniaks, 
der  Kohlensäure  und  der  Asclienbestandteile. 

1.  Trockenrückstand. 

Die  Bestimmung  der  Trockensubstanz  im  Blut ,  Plasma  und  Serum 
geschieht  am  einfachsten  in  der  allgemein  geübten  Weise,  daü  man  in 
einem  mit  gut  schliei'iendem  Deckel  versehenen  Wägegläschen  mit  möglichst 
breitem  Boden  ein  bestimmtes  Quantum  abwägt,  den  Inhalt  bis  zum  Ver- 
dunsten der  Hauptmenge  Wassers  auf  zirka  1>0»  hält  und  schließlich  liei 
115 — 120°  bis  zur  (iewichtskonstanz  trocknet. 

Vor  kurzer  Frist  hat  Shackell'^)  ein  Verfahren  angegeben,  das  eine 
bei  höh(!rer  Temperatur  möglicherweise  eintretende  \'erän(lernng  vollkom- 
men ausschließt. 

Ausgehend  von  der  Tatsache,  daß  im  hohen  \'akuum  Eis  verdampfen 
kann,  ohne  zuvor  in  die  flüssige  Phase  überzugehen,  läßt  Shackell  beson- 
ders stark  wasserhaltige  Substanzen  in  einer  Eis-Kochsalzmischung  ge- 
frieren. Dann  bringt  er  die  gefrorene  [Masse  in  einen  mit  Schwefelsäure 
(konzentriert)  beschickten  Exsikkator  und  evakuiert  diesen  möglichst  rasch 
mit  einer  Quecksilberpumpe  auf  einen  Druck  von  wenigen  Bruchteilen  eines 
.Millimeters. 

Besondere  Rücksicht  muß  genommen  werden  I.  darant.  daß  der  Ex- 
sikkator gut  geari)eitet  ist,  und  2.  daß  er  ein  hohes  \'aknuni  dauernd  hält 


')  II.  Schrottenhach ,  Kino  Mctliodo  vaw  Bpstinimnnj,'  dos  Volum-  und  (iowiclits- 
verlulltuisscs  von  rotcti  Blutkorperchon  und  IMasma  im  Hlut  durch  Wagung.  Pjltlycrs 
Archiv.  123.  312  22  (1908). 

-)  Siehe  Zentrallil.  f.  Thys.  11.  S.  271,  2<)7.  332  (1S97). 

»)  L.  F.  Shackell,  .\n  improved  method  of  Ucsiccation  witli  some  applications  to 
biological  problcms.  Am.  Journ.  of  Phys.  24.  324  40  (1905M. 


156  E.  Letsche. 

(als  Dichtungsmittel  dient  eine  Mischung  von  5  Teilen  Vaselin  und  o  Teilen 
Paraffin);  3.  muß  die  Masse  durch  und  durch  gefroren  sein;  4.  muß  die 
H2SO4  von  Zeit  zu  Zeit  bewegt  werden,  damit  eine  raschere  Aufnahme 
der  Wasserdämpfe  möglich  ist.^) 

In  4mal  24  Stunden  sind  nach  den  Angaben  von  Shackell  Flüssig- 
keiten wie  Milch  oder  Blut  vollkommen  eingetrocknet  und  der  Rückstand 
gewichtskonstant.  Wie  wenig  Veränderungen  sich  dabei  abspielen,  dafür 
spricht  die  von  Shackell  angeführte  Tatsache,  daß  nach  dem  ..Eindampfen" 
von  Blut  der  Rückstand  —  bis  auf  die  Körperchenelemente,  die  natürlich 
zerstört  sind  —  in  physiologischer  Kochsalzlösung  sich  leicht  löst  und 
das  Eiweiß  dieser  Lösung  in  gewohnter  Weise  koaguliert  werden  kann. 

2.  Ammoniakbestimmun^. 

Zur  Bestimmung  des  Ammoniaks  in  Blut,  Plasma  und  Serum  kommen 
im  wesentlichen  folgende  Methoden  in  Betracht: 

a)  Methode  von  Folin.-) 

Das  Prinzip  der  Methode  besteht  darin,  das  durch  bestimmte  Zusätze 
in  Freiheit  gesetzte  Ammoniak  bei  niederer  Temperatur  durch  einen  star- 
ken Luftstrom  abzusaugen  und  in  titrierter  Säure  aufzufangen. 

Die  hierzu  nötige  Apparatur  findet  sich  an  einer  früheren  Stelle  be- 
schrieben. 3)  Die  Ausführung  für  Blut  ist  folgende: 

50  cm^  Blut  werden  in  einem  Aräometerzyhnder  abgemessen  und  der 
Zylinder  in  Eis  eingepackt.  Man  gibt  dann  zu  dem  Blut  etwa  16  (7  Koch- 
salz, 25  crn^  Methylalkohol  und  zuletzt  2  g  getrocknete  oder  5  g  kristalli- 
sierte Soda  und  leitet  5  Stunden  lang  einen  kräftigen  Luftstrom  (600  bis 
700  l  Luft  pro  Stunde)  durch  die  Mischung.  Nach  den  ersten  2  Stunden 
ist  es  wegen  des  Schäumens   notwendig,    nochmals   25  cm^  Methylalkohol 

zuzugeben.    Die  Vorlage  soll   nur  etwa  10  c/w»  —  Schwefelsäure  neben  Was- 

ser  enthalten.  Während  der  letzten  15  ^linuten  der  Luftstrombehandlung 
oder  besser  nach  Beendigung  derselben  muß  die  Vorlage  in  Wasser  von 
30 — 350  eingetaucht  werden,  damit  die  in  der  Flüssigkeit  zurückgehaltene 
Kohlensäure  mit  dem  Luftstrom  vor  der  Titrierung  entweicht.  Das  Blut  muß 
möglichst  frisch  sein,  weil  man  sonst  zu  hohe  und  auch  in  anderer  Weise 
unzuverlässige  Resultate  erhält. 

Ebenso  gute  Resultate  gibt  auch  die  Methode  von  Krüger  und 
Beich^)  in  der  Modifikation  von  Schittenhelm.^) 

*)  Dies  erreicht  mau  eiafach  durch  vorsichtiges  Hiu-  uud  Herbewegeu  des  Ex- 
sikkators. 

^)  Otto  Folin,  Eine  neue  Methode  zur  Bestimmung  des  Ammoniaks  im  Harn  und 
anderen  tierischen  Flüssigkeiten.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  37.  161/76  (1902/03). 

«)  Dieses  Handbuch.  Bd.  3.  S.  765  (1910). 

*)  M.  Krüger  und  0.  Reich,  Zur  Methodik  der  Bestimmung  des  Ammoniaks  im 
Harn.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chom.  39.  165  (1903). 

^)  A.  Schittenhehn,  Zur  Methodik  der  Ammoniakbestimmung.  Zeitschr.  f.  physiol. 
Chem.  39.  73/80  (1903). 


Methodeu  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  iu  seine  einzelnen  Bestandteile.        157 

Sie  beruht  darauf,  das  durch  NaoCOa  frei  gemachte  Ammoniak  im 
Vakuum  ahzudestillieren.  Sie  ist  vor  allem  da  aui  Tlatz,  wo  es  nicht 
möglich  ist,  die  für  die  /o/i«sche  Methode  notwendige  hohe  (Jeschwindig- 
keit  des  Luftstroms  zu  erreichen  und  führt  viel  i-ascher  zum  Ziel  als  die 
Folinsche  Methode. 

Man  führt  die  Bestimmung  in  folgender  Weise  aus: 
25 — 50  cwi3  ]]i,it  versetzt  man  im  Destillierkolben')  mit  10</(hlor- 
natrium  und  soviel  festem  Natriumkarbonat,  bis  deutlich  alkalische  Re- 
aktion eintritt.  Hierzu  genügt  meist  1  (/.  Man  setzt  den  Kolben  dann  ins 
Wasserbad  und  verbindet  ihn  mit  der  als  Vorlage  dienenden,  im  Eis- 
wasser  stehenden  Peli(/ot&chen  llöhre,    die    man   mit  10 — HO  cw^  —  HCl 

und  einigen  Tropfen  Rosolsäure  beschickt  hat.  An  dem  zweiten  Schenkel 
der  Peligotröhre  wird  die  Saugpumpe  angeschlossen  imd  der  ganze  Ap- 
parat sofort  so  gut  wie  möglich  evakuiert.  Sobald  das  Vakuum  den  höchsten 
Grad  erreicht  hat,  werden  durch  den  am  Kolben  angebrachten  mit  Quetsch- 
hahn versehenen  Schlauch  20  cni'^  Alkohol  zugegeben  und  jetzt  das  Wasser- 
bad auf  eine  Temperatur  von  etwa  4:)''  gebracht.  In  der  Folge  gibt  man 
von  10  zu  10  Minuten  je  15 — 20  cm^  Alkohol  auf  dieselbe  Weise  zu,  even- 
tuell auch  noch  15 — 20  cm^  Wasser,  falls  die  Flüssigkeit  zu  rasch  ein- 
dampft. Zum  Schlulj  werden  zur  Verjagung  der  Wassertropfen  in  der 
Überleitungsröhre  nochmals  10  cm^  Alkohol  zugegeben.  Nach  30 — 40  Mi- 
nuten ist  die  Bestimmung  zu  Fnde  geführt.  Es  wird  jetzt  durch  einen 
Quetschhahn  die  Pumpe  von  der  Peligotschen  Röhre  abgeschlossen  und 
darauf  durch  vorsichtiges  Öffnen  des  an  dem  Kolben  angebrachten 
Quetschhahus  die  Luft  langsam  einströmen  gelassen. 

Die  vielfach  angewandte  ältere  Methode  von  Nencki  und  Zahski-) 
gibt  nach  den  Angaben  FoUns^)  und  von  E.  Gräfe*)  bei  Blut  leicht  zu 
hohe  Zahlen. 

3.  Bestinimuug  der  Kohlensäure. 

Neben  der  Kohlensiiure,  die  nur  physikalisch  absorbiert  oder  in  leicht 
dissoziierender  organischer  lUndung  im  Blut.  Serum  oder  I'lasma  sich  findet, 
ist  stets  ein  Teil  als  Karbonat  bzw.  Bikarbonat  von  Alkalien  im  Blut  enthalten. 
Für  die  Bestimmung  des  ersteren  Teils  dienen  die  gasanalytischen  Methoden, 
wie  sie  im  Bd.  ?>  dieses  Handbuchs  beschrieben  sind.  Wir  behandeln  hier 
nur  die  B)estimmung  der  Gesamtkohlensäure,  also  die  Summe  der  beiden 
oben  erwähnten  Formen. 


*)  Die  für  die  Bestimmung  nötige  Apparatur  ist  in  Bd.  3  dieses  Ilandliuclios  auf 
S.  768  abjreliildct  uml  lu'scbriehen. 

-)  M.  Xoicki  und  ./.  Zahski.  Cb(M-  die  Bestimmuutr  dos  .\iiimoniaks  m  iniix mu 
Flüssigkeiten  und  Geweben.  Zeitsdir.  f.  pliysiol.  Clieiii.  ;W.   l'.Ki  2tl'.HliK)ll. 

*)  O.  Foliu,  Eine  neue  Methode  zur  Bestimmung  des  Ammoniaks  usf.  Zeitschr. 
f.  physiol.  Cbcm.  37.  161  7()  (VMl  ;i). 

■■)  E.  Gni/i,  Metbodiscbes  zur  Amnuiniakbostinimungin  tieriscbfii  Cfwi'licn.  Zoitst^lir. 

f.  physiol.  Cbem".  48.  30U  14  (1906). 


158 


E.  Letsche. 


Für  diesen  Zweck  sind  verschiedene  Apparate  und  Methoden  ange- 
geben 1)  worden,  deren  einfachste  und  zugleich  auch  recht  genaue  mir  fol- 
gende 2)  zu  sein  scheint. 

Das  Prinzip  der  Methode  ist  folgendes: 

Durch  Oxalsäurezugabe  verdrängt  man  aus  dem  Blut  die  Kohlen- 
säure und  fängt  sie  in  titrierter  Baryumhydroxydlösung  auf.  Den  hierzu 
nötigen  Apparat  zeigt  nebenstehende  Figur.  Er  besteht  aus  2  etwa  100  cm^ 
fassenden  Glasflaschen  Ä  und  B  mit  weitem  Hals,  die  durch  ein  gebogenes 
Glasrohr  C  miteinander  verbunden  sind;  das  Glasrohr  muß  an  seinen 
Enden  sehr  sorgfältig  in  die  Flaschenhälse  eingeschUffen  sein.  Am  Fla- 
schenhals und  Glasrohr  findet  sich  jederseits  je  ein  kleiner  gläserner 
Stachel,  der  zur  Aufnahme  eines  Gummiringes  dient,  welcher  Glasrohr  und 
Flaschen  fest  zu  einem  Ganzen  verbindet.  Die  Flasche  Ä  besitzt  ein  ebenfalls 

genau  eingeschliffenes  Ansatzstück, 
^'^'  "■  das  durch  einen  Glashahn  luftdicht 

verschlossen  werden  kann. 

Die  Bestimmung  geschieht  in 
folgender  Weise.  Die  Flasche  A  wird 
mit  doppelt  soviel  konzentrierter 
wässeriger  Oxalsäurelösung  be- 
schickt, als  man  Blut  anzuwenden 
gedenkt;  es  genügen  3 — 5  cm^  Blut 
für  eine  Bestimmung.  Man  setzt 
dann  das  Ansatzstück  D,  dessen 
Schliff  leicht  eingefettet  ist,  ein, 
setzt  die  Glasröhre  C  auf  und  be- 
festigt sie  beiderseits  mit  Gummi- 
^  bändchen.  Schließlich  füllt  man 
in  die  Flasche  B  möglichst  rasch 
80  ciii^  Barytlösung  (im  Liter  3"5^ 
Baryumhydroxyd  und  0"25(/Chlor- 
baryum  enthaltend),  verbindet  so- 
fort mit  dem  anderen  Ende  von  C  und  saugt  durch  den  Ansatz  D 
rasch  die  Luft  ab.  Man  schließt  den  Hahn  E  und  prüft,  ob  der  Apparat 
luftdicht  schließt  in  der  Weise,  daß  man  durch  vorsichtiges  Schwen- 
ken die  Verbindungsteile  im  Innern  benetzt  und  zusieht,  ob  das  Ein- 
treten kleiner  Luftbläschen  zu  erkennen  ist.  Ist  dies  der  Fall,  so  muß 
der  Apparat  neu  hergerichtet  und  gefüllt  werden.  Der  Apparat  wird,  Avenn 
er  gut  schließt,  gewogen  und  dann  in  folgender  Weise  mit  Blut  beschickt. 
Man  saugt  das  Blut  durch  ein  Stückchen  Kautschukschlauch  durchs*  in  yl 
langsam  hinein  —  wobei  man  sorgsam  darauf  achtet,  keine  Luft  mit  ein- 


')  Siehe  Fr.  Kratis,  Über  die  Alkaleszenz  des  Blutes  und  ihre  Änderung  durch 
den    Zerfall    der    roten    Blutkörperchen.    Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharm.    26.  186  (1890). 

*)  W.  Dibbelt,  Zur  Methodik  der  Kohlensäurehestimmung  im  Blut.  Arbeiten  aus 
dem  pathol.  Institut  zu  Tübingen  fP.  v.  Bmmigarten).  6.  228  (1908). 


Methoileu  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        ]  r>(i 

treten  zu  lassen.  Da.s  IJhit  kann  etweder  vorher  aus  einem  GefiUi  mit 
einer  gut  schlieljenden  Spritze  entnommen  sein  oder  al)er  kann  man  es 
mit  Hilfe  von  Hohlnadel  und  Kautsehukschlaueh  ans  dem  Illutg:efäri  direkt 
in  den  Apparat  überleiten. 

Mau  entfernt  dann  alles  lilut  außerhalb  des  Hahns  und  .schliebt  dauu 
den  Apparat  wieder. 

Jetzt  braucht  man  den  Apparat,  den  man  bei  :;7"  stehen  lälit.  nur 
ab  und  zu  umzuschüttein.  um  die  auf  der  liarvtlösung-  sich  bildende  Haut 
von  BaCOg  zu  entfernen,  llildet  sich  keine  Haut  mehr,  dies  ist  nach 
2 — 3mal  24  Stunden  »)  der  Fall,  dann  öffnet  man  Hahn  A'  lan;isam,  ent- 
fernt B  vom  Apparat,  entnimmt  von  der  vollkommen  klaren  Flüssitrkeit, 
die  üiier  dem  Niederschlag-  von  ISaCOg  steht,  ■JOnH-'  und  titriert  mit  Oxal- 
säurelösung von  bestimmtem  (iehalt.  Hat  man  einen  Teil  der  IJarytlösung 
vor  dem  Versuch  titriert ,  so  sind  alle  Daten  zur  Berechnung  der  CO»- 
Menge  vorhanden. 

Verwendet  man  zur  Titration  eine  Oxalsäure,  die  im  Liter  V4(X)  fj 
Oxalsäure  enthält,  so  entspricht  l  cm'^  dieser  Lösung  Q'2hcm^  CO,  bei  no 
und  TGO  nun  Druck. 

Wurde  für  20  crn^  Darvtlösung 

vor  dem  Versuch  verbraucht  .  .  172  on'^  Oxalsäure 
nach   „  „  „  .  .     1-2    .. 

lO'O  cni^  Oxalsäure 

so  entspricht  diese  Differenz  bei  Anwendung  von  80 c/»^  Barvtlosuug 

4  X  10-0  X  0-25  cm3  COg  =  10  an^  CO.,. 

4.  Bestimmunii:  der  Asclienbestandteile. 

Die  Veraschung  von  Blut,  Plasma  oder  Serum  geschieht  nach  den 
schon  an  früherer  Stelle  eingehend  behandelten  Grundsätzen.-)  Ebenso  er- 
folgt die  qualitative  L'ntersuchung  der  Asche  und  die  Bestimmung  ein- 
zelner Bestandteile  nach  den  an  jener  Stelle  ausführlich  angegebenen 
Regeln. 

Nur  für  die  Bestimmung  von  Fluor  und  von  Jod  seien  einige  neuere 
Methoden  angeführt. 

Zur  Piestimmung  des  Fluors  im  Blut  vorfährt  /jhirek '^)  folgen- 
dermaßen: 

Das  Blut  wird  zur  Trockene  verdampft  und  das  Gewicht  des 
Trockenrückstandes  bestimmt;  der  Rückstand  wird  auf  dem  Wasserbad 
mit  soviel  reinstem  Natriumhydroxyd  (e  natrio)  erwärmt,  dali  sicher  alle 
Phosphorsäure  als  tertiäres  Phosphat  in   Lösung  geht  und  noch  ein  Fber- 


')  Die  Menge  der  angewandten  O.xalsäure  verl)ürgt  oin  Storill)loihon  auch  bei 
längerem  Stehen  im  Brutschrank. 

=*)  Hans  Aron,  Aschenanalyse.  Dieses  Handl)uch.  Bd.  1.  S.  372  428  (litO'.t». 

')  E.  Zdarek,  t'lior  die  Verteiluntr  des  Fluni-s  in  den  Ortrancu  des  Menschen. 
Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  69.  127,39  (,1910). 


160  E.  Letsche. 

schuß  an  Na  OH  vorhanden  ist.  Diese  Masse  wird  in  der  Porzellanschale 
wieder  eingedampft  und  verkohlt.  Die  Kohle  wird  mit  Wasser  ausgezogen 
und  bei  mäßiger  Hitze  verbrannt.  Die  Asche  wird  mit  HjO  ausgezogen 
und  diese  Lösung  mit  dem  ersten  Auszug  vereinigt. 

Der  H2O  unlösliche  Teil  der  Asche  wird  mit  verdünnter  Salzsäure 
längere  Zeit  behandelt,  dann  wird  filtriert  und  das  Ungelöste  auf  dem  Filter 
gut  ausgewaschen  und  der  Filter  verascht,  der  Glührückstand  mit  kohlen- 
saurem Xatronkali  innig  gemengt  und  bei  eben  ausreichender  Hitze  auf- 
geschlossen. Die  erkaltete  Schmelze  wird  in  Wasser  gelöst,  die  Lösung 
filtriert  und  im  Filtrat  die  Fluorbestimmung  gewichtsanalytisch  durch- 
geführt. 

Im  wasserlösUchen  Teil  der  Organasche  wird  zunächst  die  über- 
schüssige Soda  mit  Salzsäure  bis  zu  schwach  alkalischer  Reaktion  abge- 
stumpft, hierauf  mit  FeClg  in  der  Wärme  die  Phosphorsäure  gefällt,  die 
sehr  voluminösen  Niederschläge  gut  absitzen  gelassen,  auf  einem  Saugfilter 
gut  abgesaugt  und  gewaschen.  Eventuell  wurde  der  Niederschlag  nochmals 
gelöst  und  Avieder  gefällt.  Beim  Eindampfen  der  großen  Flüssigkeitsmengen 
scheidet  sich  manchmal  noch  eine  kleine  Menge  von  Eisenphosphat  aus, 
die  durch  Filtrieren  entfernt  wird.  Dann  wird  die  Analyse  in  der  üblichen 
Weise  weitergeführt  und  das  Fluor  als  Kalziumfluorid  bestimmt. 

Den  qualitativen  Nachweis  führt  man  in  der  in  diesem  Handbuch, 
Bd.  1,  S.  401  angegebenen  Weise. 

Zum  Nachweis  und  zur  Bestimmung  von  Jod  verfährt  BourceP) 
folgendermaßen: 

Man  versetzt  das  Serum,  in  welchem  allein  das  Jod  in  nicht  dialy- 
sierbarer  Form  sich  findet  2),  mit  jodfreier  Kalilauge,  dampft  die  Mischung 
ein  (bei  stets  alkaüscher  Pieaktion)  und  trocknet  den  Rückstand  bei  100". 
Die  trockene  Masse  wird  pulverisiert  und  dann  mit  reinem  Kaliumhydro- 
xyd in  einer  Nickelschale  geschmolzen.  Man  läßt  abkühlen,  erschöpft  die 
Schmelze  mit  heißem  Wasser,  bis  dieses  nicht  mehr  alkalisch  reagiert.  Die 
vereinigten  Flüssigkeiten  dampft  man  etwa  auf  die  Hälfte  ein  und  fügt 
der  kalten  Lösung  allmählich  verdünnte  HjSO^  (auf  1  Gewichtsteil  reiner 
konzentrierter  Hg  SO4  5  Gewichtsteile  Wasser)  zu,  wobei  man.  um  eine  Er- 
wärmung zu  verhüten,  von  Zeit  zu  Zeit  kühlt.  Ist  die  Lösung  neutral,  dann 
fügt  man  einige  Tropfen  KOH  zu,  um  wieder  deutüch  alkalisch  zu  machen 
und  fügt  unter  Umschütteln  langsam  V2  Volum  95°/oigen  Alkohol  zu.  Der 
größere  Teil  des  KoSO^  fällt  als  feines  Pulver  aus.  Man  saugt  an  der 
Pumpe  ab  und  wäscht  mit  Alkohol  (30  auf  100).  Das  Filtrat  engt  man  auf 
Vs  ein  und  fällt  A^ieder  mit  Alkohol,  saugt  den  Niederschlag  von  K2  SO4  ab, 
wäscht  ihn  und  engt  das  Filtrat  wieder  ein.  Dui'ch  mehrmalige  Wieder- 
holung dieser  Operation  kann  man  beinahe  alles  K2SO4   entfernen,   wobei 


^)  P,  Botircet,  Recherches  et  dosage  colorimetrkiue  de  petites  quantit^s  de  Tiode 
dans  les  matieres  organiques.  Compt.  Rend.  128.  1120  (1899). 

-)  Gley  et  Bourcet,  Pr^sence  de  Tiode  dans  le  sang.  Compt.  Rend.  130. 
1721/24  (1900). 


Methoden  zur  Aiifarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        ]{\\ 

das  Jod,  wenn  welches  vorhanden  ist,  sich  in  den  alkalischen  in  Alkohol 
löslichen  Teilen  ansammelt.  Die  letzte  Flüssigkeit  wird  in  einer  Nickel- 
schale eingedampft  und  der  Kiickstand  h'icht  ge<,diiht,  wobei  die  letzten 
Anteile  organischen  Materials  zerstört  werden.  Den  abgekühlten  Kilckstand 
nimmt  man  in  einem  Minimum  Wasser  auf,  filtriert  und  macht  das  .lod 
hei  Gegenwart  von  CS«  durch  nitrose  (Jase  frei.  Die  Jiestimmung  erfolgt 
kolorimetrisch  nach  den  Angaben  an  anderer  IS  teile,  ij 

IV.  Untersuchung  des  Plasmas  und  Serums-^  auf  einzelne 

Bestandteile. 

1.  Eiweißstoffe. 

Von  Kiweil^körpern  finden  sich  im  Serum  d'lasma)  Serumalliumin, 
Serumglobulin,  Fibrinogen,  Fibrinoglobulin,  Serumnukleoproteid  und  Serum- 
mukoid.  Ihre  Darstellung  aus  dem  Plasma  bzw.  Serum  sowie*  ihre  (luan- 
titative  Bestimmung  ist  schon  von  Fr.  Samuely  im  VA.  -J  die.ses  Hand- 
buches in  erschöpfender  Weise  i)ehandelt  worden  und  es  dürfte  genügen 
hier  auf  die  dort'')  gegebene  Darstellung  zu  verweisen. 

2.  Fette  und  fettartige  Substanzen. 

a)  IJestandteile  der  echten  Fette. 

Zum  Nachweis  und  zur  Destimmnng  von  ..J^ett"  aus  Organen  und 
Körperflüssigkeiten  sind  im  Laufe  der  Zeit  eine  Iieihe  von  Methoden  aus- 
gearbeitet worden,  die  alle  im  wesentlichen  darauf  ausgehen,  mit  Hilfe 
verschiedener  Lösungsmittel  die  in  den  Organen  usw.  enthaltene  Summe 
von  Fett  und  fettartigeu  Substanzen  zu  isolieren  und  dieses  (iemenge  in 
geeigneter  Weise  in  seine  verschiedenen  Bestandteile  —  Neutralfett.  Lezi- 
thin, Jecorin,  Protagon  usw\  —  zu  zerlegen.  Die  verschiedenen  Methoden 
liefern  bei  Anwendung  auf  eine  und  dieselbe  Substanz  keine  übereinstim- 
menden Resultate,  und  zwar  hängt  dies,  wie  KunuKjaiia  und  Suto  *)  in 
einer  umfangreichen  Arbeit  gezeigt  haben,  jedenfalls  zum  Teil  von  der  .\rt 
des  Extraktionsmittels  ab,  das  je  nach  den  Umstanden  mehr  oder  wenii^er 
von  nichtfettartigen  Substanzen  mitlöst. 

1)  Dieses  Ilaudlmcli.  Bd.  1.  S.  428  (1909). 

'-)  Eine  reinliche  Scheidung  der  .Methoden  zur  UntersucluniL'  von  riasnia,  von 
Serum  und  von  Blut  habe  ich  nicht  durchführen  zu  müssen  geplauht.  Denn  einmal 
wäre  dadurch  manche  überflüssige  Wiederholung  nötig  geworden,  da  ja  die  Aufarbeitung 
dieser  drei  Flüssiirkeitou  im  wesentlichen  die  gleiche  ist  und  dann  sind  für  manche  Be- 
standteile nur  .Mt'thodfii  zum  Nachweis  etc.  im  Serum,  für  andere  nur  Methoden  zur 
Isolierung  aus  dem  Blut  ausgearbeitet  worden.  Es  erschien  mir  deshalb  zweck maüiger, 
auch  Methoden  zur  Isolierung  einzelner  Bestandteile  aus  dem  lllut  in  diesem  Abschnitt 
mit  aufzuführen. 

■')  Dieses  Handbuch.  Bd.  2.  S.  357  77  (1910). 

*)  Kutuagawa  und  Suto,  Ein  neues  Verfahren  zur  (|uantitativen  Bestimmung  des 
Fettes  und  der  unverseifbaren  Substanz  in  tierischem  Material  nelist  Kritik  einiger  go- 
bräuclilichcr  Methoden.   Biochem.  Zeitschr.  8.  IVdWAl  ( 19US|. 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemischeo  Arbeitsmethoden.  V.  11 


162  E.  Letsche. 

„Was  von  den  Bestandteilen  des  Ätherextraktes  für  das  Fett  charak- 
teristisch ist,  das  sind  nur  hohe,  d.  h.  nicht  flüchtige  wasserunlösliche  Fett- 
säuren.-' 1)  Da  sich  deren  Menge  verhältnismäßig  leicht  feststellen  läßt,  arbei- 
teten KuDiagawa  und  Suto  hierfür  eine  genaue  Methode  aus.  Über  die  Be- 
gründung und  Berechtigung  dieses  Verfahrens  ist  das  Original  nachzusehen.-) 

Das  für  pulverförniiges  Material  von  Kumayaiva  und  Suto  ange- 
gebene Verfahren  hat  Shimidzu^)  zur  Anwendung  auf  Blut  (defibriniert), 
Blutplasma,  Blutserum  und  Blutkörperchenbrei  etwas  modifiziert.  Man  ver- 
wendet zur  Bestimmung  der  Fettsäuren  in  den  angeführten  Flüssigkeiten  etc. 
folgende  ..kombinierte  Alkoholextraktion''.*) 

10  on^  Blut  (bei  Blutkörperchen  wohl  ein  entsprechendes  Gewicht) 
werden  mit  der  4fachen  Menge  Qö^/oigen  kalten  Alkohols  versetzt  und  der 
Niederschlag  nach  einiger  Zeit  abgenutscht.  Der  Rückstand  wird  im  Heiß- 
extraktor^)  mit  absolutem  Alkohol  kochend  extrahiert.  Die  vereinigten 
Alkoholfiltrate  werden  verseift  (für  10  cm^  Blut  verwendet  Shimidzu  2  g 
Na  OH),  verdunstet,  der  Rückstand  in  wenig  heißem  Wasser  aufgelöst  und 
in  folgender  Weise  nach  Kuntagaira-Sufo^)  w^iterbehandelt. ^) 

Man  bringt  die  Lösung  in  einen  hermetisch  schließenden  Scheide- 
trichter von  ca.  250  cm^  Rauminhalt.  Das  Becherglas,  in  dem  die  Versei- 
fungsflüssigkeit  verdunstet  w^urde,  wird  2 — Hmal  mit  ein  wenig  warmem 
Wasser  (etwa  5  cm^)  ausgespült.  Nun  wird  die  Mischung  mit  30  cm^  20Voigei* 
Salzsäure  (11  D)  tiberneutralisiert.  Zu  dem  Zweck  werden  am  besten  nach 
dem  Erkalten  des  Trichterinhaltes  bis  auf  etwa  40 — 50«  C  zunächst  20  cdi'^ 
der  Säure  auf  einmal  hineingegossen,  der  Trichter  dann  tüchtig  geschüttelt 
und  mittelst  Leitungswassers  gut  abgekühlt.  Alsdann  werden  die  übrigen 
10  cm^  der  Säure  gegeben  und  ganz  ebenso  wie  vorher  behandelt.  Es  tritt 
dabei  eine  reichhche  Ausscheidung  auf.    Nach  guter  Kühlung  werden  nun 


1)  Kumagaira  und  Suto,  Ein  neues  Verfahren  zur  quantitativen  Bestimmung  des 
Fettes  und  der  unverseif baren  Substanz  in  tierischem  Material  nebst  Kritik  einiger  ge- 
bräuchlicher Methoden.  Biochem.  Zeitschr.  8.  250  (1908). 

^)  Kmnagaica  und  Suto,  Ein  neues  ^'erfahren  zur  quantitativen  Bestimmung  des 
Fettes  und  der  unverseifbaren  Substanz  in  tierischem  Material  nebst  Kritik  einiger  ge- 
bräuchlicher Methoden.  Biochem.  Zeitschr.  8.  340/46  (1908). 

^)  Shimidzu,  Ein  Beitrag  zur  Kumac/awa-Sutoschen  Fettbestimmungsmethode. 
Biochem.  Zeitschr.  28.  237/73  (1910). 

*)  Shimidzu,  Ein  Beitrag  zur  Ku7nagawa-SutoschGn  Fettbestimmungsmethode. 
Biochem.  Zeitschr.  28.  261  (1910). 

5)  Dieser  Heißcxtraktor  ist  ähnlich  dem  Bd.  1.  S.  183.  Fig.  363  beschriebenen 
Stockschen  Apparat  so  eingerichtet,  daß  die  heißen  Dämpfe  durch  das  Extraktionsgut 
treten  und  das  Kondensat  ebenfalls  seinen  Weg  durch  die  zu  extrahierende  Substanz 
nehmen  muß. 

^)Ktiiu(i(iau-a  und  Suto,  Ein  neues  Verfahren  zur  quantitativen  Bestimmung  des 
Fettes  und  der  unverseifbaren  Substanz  in  tierischem  Material  nebst  Kritik  einiger  ge- 
bräuchlicher Methoden.  Biochem.  Zeitschr.  8.  338  (1908). 

')  Im  Rückstande  des  Blutes  verblieben  die  Restfettsäuren  in  ganz  minimaler 
Menge.  Will  man  auch  diese  noch  gewinnen,  so  wird  man  diesen  Rückstand  mit  einigen 
Kubikzentimetern  Na  OH  (20  5-  in  100  cw")  verseifen  und  jxd,ch.  Ktimagmva-Suto  mit 
dem  obigen  zusammen  behandeln. 


Methoden  zur  Aiifarlieitung  des  lilutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.         iHä 

70 — 100  fm*  Äthyliither  hinziigef^eben  und  das  (Jcinenge  tüchti«^  goschiittolt. 
Trennung  erfolgt  meist  sofort.  Der  Niederschlag  verdichtet  sich  hierhei  zu  einer 
dünnen  Schicht  in  der  Mitte.  Die  klare  wässerige  Schicht  wird  nach  einigen 
Minuten  abgelassen.  Der  briiunlich  gefärbte  Äther  wird  vorsichtig  in  ein 
Beclierglas  umgegossen  und  der  Trichter  mit  Niederschlag  2nial  mit  ein 
wenig  Äther  (.')  40f>/r^)  ausgespült.  Der  Niederschlag  wird  alsdann  mit  etwa 
5  ctn^  Normalnatronlauge  unter  Schütteln  nochmals  aufgelöst  und  diese 
alkalische  Lösung  von  neuem  mit  30 — öOcw^  Äther  tüchtig  geschüttelt.  Daim 
wird  jene  stark  saure  wässerige  Lösung  der  ersten  Schüttelung  hineinge- 
bracht und  nochmals  gut  geschüttelt.  Die  Reaktion  wird  hierbei  sauer  und 
die  restierende  Fettsäure  geht  hierdurch  (|uantitativ  in  den  Äther  über. 
(Durch  wiederholte  Prüfung  wurde  festgestellt,  dali  sowohl  in  dem  neu  aus- 
geschiedenen, ganz  geringen  Niederschlage,  wie  auch  in  dem  Spülwasser 
keine  Spur  Fettsäure  mehr  zurückbleibt.)  Die  vereinigten  Ätheranszüge 
werden  verdunstet,  der  lUickstand  dann  nochmals  mit  absolutem  Äther 
aufgenommen,  die  Lösung  durch  Asbest  filtriert  und  verdunstet.  Dieses 
Ätherextrakt,  welches  auüer  Fettsäuren,  Farbstoff.  Milchsäure  noch  andere 
Beimengungen  enthält,  wird  jetzt  bei  50"  einige  Stunden  gut  getrocknet 
und  erst  dann  mit  Tetroläther  extrahiert.  Zu  dem  Zwecke  gielit  man  am 
besten  auf  den  noch  warmen  Ätherrückstand  sofort  etwa  20 — ;»0  cni^  Petrol- 
äther  unter  sanftem  Umschwenken  des  Becherglases  allmählich  auf.  Es 
tritt  hierbei  in  der  Regel  eine  milchige  Trübung  auf.  Das  Becherglas  wird 
jetzt  mit  einem  Uhrglas  bedeckt  und  V2 — 1  Stunde  stehen  gelassen,  wo- 
bei der  größte  Teil  der  emulsionsartigen  Ausscheidung  sich  als  Harz  am 
Boden  niederschlägt.  Hierauf  wird  der  Petroläther  durch  Asbest  abfilti-iert. 
das  farblose  Filtrat  verdunstet  und  der  Rückstand  bei  50»  bis  zur  Gewichts- 
konstanz, welche  nunmehr  in  kurzer  Zeit  erreicht  wird,  getrocknet.  Line 
genügende  Trocknung  des  Ätherextraktes  vor  der  Aufnahme  desselben  in 
Petroläther  ist  ganz  besonders  wichtig,  will  man  die  Fettsäuren  in  reiner 
farbloser  Form  erhalten. 

Die  Ausführung  der  Methode  ist  äuüerst  einfach.  Hervorzuheben  ist 
der  Umstand,  dali  man  mittelst  dieser  .Methode  in  einem  Tage  mehrere 
Bestimmungen  mit  Leichtigkeit  ausführen  kann. 

Die  nach  dei-  Verseifungsmethode  dargestellten  Fettsäuren  werden  in 
einem  Scheidetrichter  mit  etwa  50 — 70  cm^  Petroläther   aufgelöst ,    hierzu 

wird  "  absolut  alkoholische  Kalilauge  in  einer  solchen  Menge  zugesetzt,  dali 

dieselbe  etwa  das  :')0 — 40fache  Volum  des  betreffenden  l'etrolätherextraktes 
beträgt. 

Die  Mischung  wird  einige  Male  tüchtig  geschüttelt.  Fs  entsteht  hier- 
bei   stets   eine    absolut    klare    Auflösung.    Hierzu    wird    genau    ebensoviel 

Wasser  aeKeben  w'w  die  zugesetzte  Menü-e  der  .  -Kalilauge    beträgt    und 

das  Ganze  ein  paar  Mal  geschüttelt.  Indem  hieidtinli  die  Konzentration 
des  Alkohols  auf  ungefähr  50  Volumprozent  sinkt,  erlolirt  jetzt  sofort  eine 

11» 


jß4  E-  Letsche. 

glatte  Trennung  der  oberen  Petroläther-  und  der  unteren  Alkoliolschicht. 
Dabei  gehen  die  unverseifbaren  Substanzen  in  den  Petroläther  über,  wäh- 
rend die  Seife  in  der  unteren  Alkoholschicht  aufgelöst  zurückbleibt.  Die 
abgetrennte  alkohoUsche  Seifenlösung  wird  noch  einmal  mit  30  bis  40  cm^ 
reinem  Petroläther  geschüttelt.  Die  vereinigten  Petrolätherauszüge  werden 
verdunstet  und  der  Rückstand  dui-ch  eine  Nachbehandlung  von  geringen 
Mengen  beigemengter  Fettsäure  vollkommen  befreit.  Zu  diesem  Zwecke  wird 
das  Petrolätherextrakt  nochmals   in   wenig  Alkohol  aufgelöst,   mit  0-5  bis 

1*0  cm^  ^  alkoholischer  Natronlauge  versetzt ,  wiederum  auf  dem  Wasser- 
bade verdunstet  und  15 — 30  Minuten  bei  100"  getrocknet.  Der  Rückstand 
wird  noch  heiß  mit  Petroläther  extrahiert,  durch  Asbest  abfiltriert,  ver- 
dunstet und  nunmehr  bei  100°  C  bis  zur  Gewichtskonstanz  getrocknet. 
Der  so  isolierte  Anteil  stellt  ein  Gemenge  von  Cholesterin  und  noch  un- 
bekannter unver  seif  barer  Substanz  dar. 

(Die  Bestimmung  des  Cholesterins,  am  besten  nach  der  Digitonin- 
methode  von  Windaus  erfolgend,  ist  später  beschrieben.) 

1))  Jekorinartige  Substanzen  und  Lezithin. 

Nach  dem  eben  beschriebenen  Verfahren  wird  nur  die  Summe  der 
höheren  Fettsäuren  —  gleichviel  in  welcher  Form  auch  sie  im  Blut  sich 
finden  —  bestimmt. 

Für  viele  Zwecke  ist  es  nun  aber  von  Interesse,  einzelne  dieser  Kom- 
ponenten zu  isoUeren;  hierzu  können  folgende  Verfahren  dienen. 

Das  von  Drechsel  zuerst  aus  Pferdeleber  isolierte  .,  Je  kor  in"  gewann 
Baldi^)  nach  folgendem  Verfahren  aus  Blut. 

Das  Blut  wird  aus  der  Karotis  des  Tieres  (Pferd)  in  einem  Gefäß 
aufgefangen  und  sofort  mit  absolutem  Alkohol  gut  durchgeschüttelt.  (Es 
ist  hierzu  mindestens  das  3 — 4fache  \'olumen  des  angewandten  Blutes 
nötig.)  Der  feinflockige  Niederschlag  (aus  etwa  7  /  Blut)  wird  bei  Zimmer- 
temperatur wiederholt  mit  Alkohol  ausgezogen,  so  lange  bis  dieser  nichts 
mehr  aufnimmt.  Die  vereinigten  Alkoholauszüge  werden  bei  70 — 80"  ver- 
dampft und  der  dickflüssige  Rückstand  mit  Äther,  der  die  Hauptmenge 
des  Rückstandes  leicht  löst,  behandelt.  Die  Ätherlösung  läßt  man  absitzen,  fil- 
triert und  fällt  das  Filtrat  mit  Alkohol.  Der  Niederschlag  wird  wieder  in 
Äther  gelöst,  nochmals  mit  Alkohol  gefällt  und  dieses  Verfahren  so  lange 
wiederholt,  bis  in  der  Alkoholmutterlauge  durch  Ho  PtClg  kein  Niederschlag 
mehr  hervorgerufen  wird  —  das  Lezithin  also  entfernt  ist. 

Der  Niederschlag  wird  auf  einem  Filter  gesammelt,  getrocknet  und 
steht  dann  ein  gelb  bis  braun  gefärbtes,  sehr  hygroskopisches  Pulver  dar, 
das  beim  Kochen  mit  Lauge  Fehlingsche  Lösung  reduziert  unter  gleich- 
zeitiger Bildung  von  Seife. 


^)  Dario  Baldi,    Einige   Beobachtungen    über    die  Verbreitung    des  Jekorins    im 
tierischen  Organismus.   Arch.  f.  Anat.  u.  Phys.  1887.    Physiol.  Abteil.  Suppl.  S.  100/108. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        J^ßf) 

Nach  Mayer'^)  stellt  man  Blutjekorin  nach  der  Methode  von 
Drrchfiel  in  foljxonder  Weise  her.  l'/.^ — '2  1  frisches  lilut  werden  mit  der 
f>leiclien  Men;.ie  Alkohol  liino^ere  Zeit  ^^eschüttelt  (5  X  Stniidcni.  Mit  dem 
Kückstand  wird  diese  Prozedur  noch  ;»mal  wiederholt  und  die  vereini^^tcn 
Alkoliülauszüf^e  werden  sukzessive  im  Vakuumapparat  bei  einer  Temperatur 
zwischen  ;}8  und  40"  abdestilliert.  Der  Al)dami)tunfisriickstand  wird  erst  zur 
Entfernung  von  Lezithin  und  Fett  mehrere  Male  mit  absolutem  Alkohol 
behandelt,  bis  dieser  sich  nicht  mehr  fiirhte  und  dann  in  wasserhaltigem 
Äther  aufgenommen  (1  Teil  Wasser,  'A  Teile  Athen.  Nach  iM  StunckMi  — 
nicht  früher,  damit  der  Äther  sich  vollkommen  klar  absetzt  wird    fil- 

triert und  die  völlig  klare  Ätherlösung  vorsichtig  mit  absolutem  Alkohol 
versetzt.  Das  Jekorin  fällt  als  weilUich  gelber  Niederschlag  aus .  der  sich 
schnell  absetzt,  so  dab  die  darüber  stehende  Flüssigkeit  sich  leicht  abgieben 
läßt.  Die  Substanz  wird  dann  sofort  wieder  in  Äther  gelöst  und  nach  dem 
Filtrieren  mit  absolutem  Alkohol  gefällt. 

Nachdem  diese  Prozedur  noch  4— 6mal  wiederholt  worden  ist.  wird 
das  Jekorin  mehrere  Male  mit  absolutem  Alkohol  gewaschen  und  dekan- 
tiert und  schlieblich  im  üecherglas  mit  den  letzten  Kcsten  der  anhaften- 
den Flüssigkeit  in  einen  gut  vakuumhaltenden  Exsikkator  gebracht  und 
tagelang  über  Phosphorpentoxyd  getrocknet. 

Wenn  man  besonders  darauf  achtet,  dab  die  Atherlösungen  vor  dem 
Zusatz  des  absoluten  Alkohols  völlig  klar  sind,  erhält  man  ein  fast  weißes 
Präparat,  das  in  einem  möglichst  gut  schliebenden  (iefäli  sich  nur  ganz 
wenig  gelb  färbt. 

Nach  diesem  Verfahren  erhielt  Mayer  aus  Rinder-  und  Pferdeblut 
N-,  P-,  S-  und  Na-haltige  Substanzen,  die  auch  nach  dem  Kochen  mit  Säuren 
kein  Reduktionsvennögen  zeigten.  Die  Substanz  ist  nicht  hvgroskojjisch 
und  löst  sich  in  Wasser  vollkommen  klar  mit  schwach  alkalischer  Reaktion. 

Das  Jekorin  aus  Hundeblut  reduziert  dagegen  sehr  stark,  ist  außer- 
ordentlich hygroskopisch  und  gibt  alle  für  Leberjekorin  charakteristischen 
Reaktionen.  Beim  Kochen  mit  NaüH  entweichen  ül)elriechende  Dämpfe, 
die  Flüssigkeit  erstarrt  nach  längerem  Kochen  zu  einer  seifenartigen 
Gallerte  —  beides  Reaktionen,  welche  —  nach  Mayer  —  das  Pferde-  und 
Rinderl)lut jekorin  nicht  zeigen. 

Um  diese  (oder  ähnliche?)  N-,  P-  und  S-haltigen,  reduzierenden  Sub- 
stanzen in  größerer  zu  eingehender  rntersuchung  ausreichender  Menge  zu 
erhalten,  empfiehlt  es  sich,  .sehr  große  IJlutmengen  anfzuariieiten.  Dabei 
ist  man  aber  gezwungen,  das  Serum  nach  dem  Knteiweißen  im  X'akuum 
zur  Trockene  einzudampfen.-)  Dies  gelingt  in  später  zu  beschreibender 
Weise  ohne  allzu  großen  Schwierigkeiten. 


')  F.  Mayer,  Über  Blutjekorin  und  über  das  physikalisch-chemische  Verhalten 
des  Zuckers  im  I?lut.  Bioch.  Zeitschr.  4.  .'i4n  (1007). 

*)  E.  Lctschc,  Beiträge  zur  Kenntnis  d(>r  (irganischen  Bestandteile  des  Serums. 
Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  53.  31  (1907). 


iQß  E.  Letsche. 

Den  vollkommen  trockenen  Rückstand  extrahiert  man  zur  Isolierung 
der  Lipoide  im  Soxhlet  mit  Äther.  Die  etwas  eingeengte  Ätherlösung  fällt 
man  mit  Azeton  vollständig  aus,  löst  den  Niederschlag  ^Yieder  in  Äther 
und  fällt  nochmals;  dieses  Lösen  und  Wiederausfällen  wiederholt  man  im 
ganzen  etwa  5mal.  Dann  löst  man  nochmals  in  Äther  und  fällt  jetzt  mit 
absolutem  Alkohol.  Niederschlag  und  Lösung  trennt  man  mit  Hilfe  der 
Zentrifuge.  Der  Niederschlag  ist  in  Äther  auch  feucht  nicht  mehr  löslich; 
man  löst  ihn  in  wenig  Wasser,  fügt  Alkohol  zu,  bis  die  sich  einstellende 
Trübung  zu  einem  Niederschlag  sich  verdichtet  hat  und  trennt  Nieder- 
schlag und  Lösung  wie  oben  mit  Hilfe  der  Zentrifuge.  Löst  man  den 
Niederschlag  nochmals  in  HgO  und  sucht  mit  Alkohol  zu  fällen,  so  bleibt 
eine  Fällung  meist  aus.  entsteht  aber  sofort  auf  Zusatz  von  Äther  zu  der 
alkoholisch  wässerigen  Lösung.  Man  filtriert  diesen  Niederschlag  auf  einem 
gehärteten  Filter  ab,  wäscht  mit  Äther  gut  aus  und  trocknet  über  H,  SO4. 
Der  graue  bis  gelbbraune  Niederschlag  zeigt  alle  Eigenschaften  des  Drechsel- 
schen  Jekorins. 

Die  vereinigten  Mutterlaugen  dieses  ...Jekorins''  werden  verdunstet, 
der  Rückstand  in  Alkohol  aufgenommen  und  diese  Lösung  mit  HsPtClg 
versetzt.  Der  reichliche  Niederschlag  wird  in  Äther  gelöst  und  durch  Al- 
kohol aus  dieser  Lösung  wieder  gefällt;  er  stellt  die  Platinchloriddoppel- 
verbindung eines  Lezithins  dar. 

Handelt  es  sich  darum  festzustellen,  ob  in  dem  aus  dem  Serum  oder 
Blut  mit  Hilfe  von  Äther  oder  einem  ähnlichen  Extraktionsmittel  ausge- 
zogenen Gemenge  auch  der  zweite  wesentliche  Bestandteil  der  echten  Fette 
sich  findet,  so  benutzt  man  für  diesen  Zweck  am  besten  die  von  Tangl 
und  Weiser^)  ausgearbeitete  Methode,  die  wir  später  beim  Glyzerin  noch  auf- 
führen werden. 

c)  Cholesterin,  Cholesterinester  und  Oxycholesterine. 

Zur  Prüfung  auf  freies  Cholesterin  und  dessen  Isolierung  aus 
dem  Serum  verfuhr  ich  folgendermaßen'-): 

Das  eiweißfreie  Serum  wird  im  Vakuum  zur  Trockene  eingedampft 
und  der  Rückstand  so  lange  mit  Äther  extrahiert,  bis  nichts  mehr  auf- 
genommen wird.  Diese  Ätherlösung  engt  man  etwas  ein  und  versetzt  sie 
mit  Azeton,  so  lange  noch  ein  Niederschlag  entsteht.  Man  trennt  den 
Niederschlag  ab,  löst  ihn  nochmals  in  Äther  und  wiederholt  die  Fällung 
mit  Azeton;  dieses  Lösen  in  Äther  und  Wiederfällen  mit  Azeton  wiederholt 
man  zweckmäßig  3 — 4mal. 

Die  Äther-Azetonmutterlaugen  werden  vereinigt  und  im  Vakuum  ein- 
geengt.   Der  Rückstand   wird    durch  Schütteln   mit  Wasser  von    eventuell 


*)  F.  Tangl  und  St.  Weiser,  Über  den  Glyzeringehalt  des  Blutes.  Pßügers  Arch. 
115.  S.  155  (1906). 

^)  E.  Letsche,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  organischen  Bestandteile  des  Serums. 
Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  53.  S.  65  (1907). 


Methoden  zur  Aufarboitnng  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        1(^7 

vorhandenen  wasserlöslichen  Substanzen  befreit.  Sollten  (lalx'i  (ijc  jn  Wasser 
iiiilöslic'hen  Bestandteile  sich  nur  schwer  und  hin^'sam  abscheiden,  so  kann 
man  die  Abscheidnn«^-  durch  Kochsalz/.usatz  erleichtern  und  beschleunif^en. 
Man  trennt  die  wässerige  Flüssigkeit  im  Scheidetrichter  ab ;  sie  reagiert 
in  der  Regel  schwach  sauer  und  kann  somit  Seifen,  die  Cholesterin  in 
Lösung  halten  würden,  nicht  enthalten.  Man  wäscht  die  wasserunlöslichen 
Bestandteile  wiederholt  mit  Wasser  (oder  eventuell  Kochsalzlösunjji  und 
nimmt  sie  in  Äther  auf.  Diese  Lösung  trocknet  man  über  Na-^SO,  und 
läßt  sie  teilweise  verdunsten ;  durch  vorsichtigen  Zusatz  von  Alkohol  zu 
der  stark  eingeengten  Lösung  erreicht  man  die  Abscheidung  fester  Stoffe, 
die  man  auf  Ton  über  konzentrierter  H2SO4  trocknet.  Die  vollkommen 
wasserfreie,  gelb  gefärl)te  Masse  behandelt  man  in  der  Wärme  mit  wenig 
Alkohol ;  dabei  bleibt  eine  ohne  weiteres  Umkristallisieren  reine,  bei  TG" 
schmelzende  Verbindung  zurück,  die  den  nachher  zu  beschreibenden  Pal- 
mitinsäurecholesterinester  darstellt. 

Reim  teilweisen  Verdunsten  der  alkoholischeu  Lösung  fällt  Cholcstcriu 
in  den  charakteristischen  Tafeln  aus;  nach  2maligem  Umkristallisiereu  aus 
Alkohol  ist  es  rein  und  schmilzt  bei  144 — 145°.  Aus  etwa  30^  Serum 
(Pferdeblut)  erhält  man  auf  diese  Weise  etwa  O30  g  reines  Cholesterin. 
Für  die  quantitative  Restimmung  ist  das  später  beschriebene  Verfahren  von 
Windaus  zu  empfehlen. 

Zur  Isolierung  der  im  Serum  vorkommenden  Cholesterinester 
verfährt  man  nach  Hürthle^)  am  besten  in  folgender  Weise: 

Zur  Darstellung  des  Öl  sä  urecholesteri  nesters  wird  das 
Serum  mit  dem  Hfachen  ^'olum  Alkohol  von  96%  gefällt  (Alkohol  I),  gut 
durchgeschüttelt  und  über  Nacht  stehen  gelassen.  Dann  wird  die  Flüssig- 
keit auf  einer  Nutsche  abgesaugt  und  das  Filtrat  in  die  Kälte  gestellt, 
wobei  meist  bis  zum  nächsten  Tage  einige  Nadeln  ausfallen,  die  aus  Cho- 
lesterinoleat  bestehen;  ihre  Menge  ist  jedoch  sehr  gering,  so  dad  man  das 
erste  Filtrat  füglich  weggießen  kann. 

Der  von  Flüssigkeit  möglichst  befreite  Serumrückstand  wird  weiter 
mit  Alkohol  zerrieben,  und  zwar  wieder  mit  der  ;'>fachen  Menge  des  ur- 
spriniglich  verwendeten  Serums  (Alkohol  II).  Der  Brei  wird  in  eine  Fla*?che 
gebracht  und  mindestens  über  einen,  besser  über  "J — t)  Tage  bei  ;14 — 40** 
extrahiert,  wobei  die  Flasche  häufig  umzuschüttein  ist.-)  Nach  dieser  Zeit 
wird  der  Alkohol  wieder  abgesaugt  und  enthält  nun  fast  die  ganze  Menge 
des  im  Serum  vorhandenen  Ölsäureesters  in  Lösung.  Die  Flüssigkeit  wird 
nun  in  die  Kälte  gestellt,  wo  sie  bahl  trüb  wird  und  bis  zum  nächsten 
Tage  mit  nadeiförmigen  Kristallen  erfüllt  ist.  die  den  Fster  darsti'llen. 
War  er  in  reichlicher  Menge  im  Serum  enthalten,  so  fällt  ein  Teil  schcm 
bei  Zimmertemperatur  aus;  um  ihn  vollständig  zu  gewinnen,  ist  es  nötig, 


')  Jliirfhle,  riiordie  Fettsäurecliolesteiinester  des  Blntsoriims.  Zoitsclir   f.  pliysiol. 

Chemie.  21.  331  (ISOö/ÜG). 

*)  E.  W.  liroirn,    A  note    du    tlit-  Cliolesterinesters    of  Hiids  bloiui.     Am.  Joiirn. 
of  Physiol.  2.  306  9  (1899)  empfiehlt,   einen  langsamen  Lnftstrom  durchzuleiton. 


168  E.  Letsche. 

den  Alkohol  mit  Wasser  zu  verdünnen  und  in  der  Kälte  stehen  zu  lassen;  die 
letzten  Reste  lassen  sich  aber  nur  durch  Verdampfen  des  Alkohols  gewinnen. ') 

Die  aus  dem  Alkohol  II  gewonnenen  Kristalle  zeigen  häufig  wie  der 
Alkohol  selbst  eine  gelbliche  Färbung  und  schmelzen  zwischen  o7  und  40". 
Zur  Reindarstelluug  werden  sie  ein  oder  mehrere  Male  bis  zur  Konstanz 
des  Schmelzproduktes  umkristallisiert,  am  besten  wiederum  aus  Alkohol; 
man  stellt  die  Kristalle  mit  Alkohol  in  den  Wärmeschrank  (40")  und 
schüttelt  öfters  um;  zweckmäßig  ist  es  ferner,  nicht  gleich  die  ganze  zur 
Lösung  nötige  Alkoholmenge  zuzusetzen,  sondern  fraktioniert  zu  lösen,  da 
der  höher  schmelzende  Palmitinsäureester .  falls  er  dem  Präparat  beige- 
mengt ist,  als  der  schwerer  lösliche  erst  in  den  2.  oder  o.  Alkoholauszug 
übergeht.  Hat  man  zum  Umkristallisieren  nicht  soviel  Zeit  zur  ^'erfügung, 
so  kann  man  die  Kristalle  auch  in  Äther  lösen,  filtrieren  und  das 
Filtrat  unter  beständigem  Umrühren  in  heißen  Alkohol,  dem  etwas 
Äther  zugesetzt  ist,  einfheßen  lassen.  In  diesem  Falle  ist  aber  darauf 
zu  achten,  daß  der  Ester  nicht  schon  direkt  ausfällt,  denn  dann 
kristallisiert  er  nicht  mehr,  sondern  bleibt  ölig.  Die  Kristallbildung  geht 
sehr  langsam  vor  sich  und  der  Alkohol  darf  daher  nicht  zu  rasch  er- 
kalten und  der  Äther  nicht  zu  rasch  verdunsten.  Niemals  kristalhsiert  der 
Ester  auch  in  reinem  Zustande  so  schneU  wie  z.  B.  das  Cholesterin. 

Läßt  man  das  2.  Alkoholextrakt  des  Blutserums  (siehe  Ölsäureester) 
stehen,  so  sieht  man  in  manchen  Fällen  zuerst  kleine  Plättchen  auftreten, 
welche  auf  der  Oberfläche  ein  Häutchen  bilden.  Werden  diese  auf  dem 
Filter  gesammelt,  so  zeigen  sie  beim  Trocknen  starken  Seidenglanz  und 
einen  Schmelzpunkt,  der  in  verschiedenen  Versuchen  zwischen  70  und  80"  C 
liegt.  Dieser  Körper  stellt  den  Palmitinsäureester  des  Cholesterins 
dar:  um  ihn  vollständig  aus  dem  Serum  zu  gewinnen,  muß  man  dasselbe, 
nachdem  es  schon  zweimal  mit  Alkohol  behandelt  worden  ist,  mit  einer  Mischung 
von  Alkohol  und  Äther  mehrere  Tage  bei  etwa  40«  C  extrahieren,  so  lange, 
als  diese  Mischung  aus  dem  Serum  noch  etwas  aufnimmt.  Läßt  man  die  ver- 
einigten Extrakte  stehen,  so  kristallisiert  zuerst  der  Palmitinsäureester  aus 
und  nachher  häufig  noch  eine  gewisse  Menge  des  Ölsäureesters.  Um  den 
Zeitpunkt  nicht  zu  verpassen,  in  welchem  der  Palmitinsäureester  ausge- 
fallen ist  und  der  Ölsäureester  auszufallen  beginnt,  tut  man  gut,  die  ge- 
bildeten Kristalle  zu  wiederholten  Malen  zu  sammeln  und  ihren  Schmelz- 
punkt zu  bestimmen. 

Zur  Pieindarstellung  werden  die  Kristalle  in  Äther  gelöst  und  filtriert, 
das  Filtrat  bis  zur  leichten  Trübung  mit  absolutem  Alkohol  versetzt  und 
zur  KristaUisation  in  die  Kälte  gestellt.  Auch  heißes  Azeton  eignet  sich 
zum  Umkristalüsieren  des  Palmitinsäureesters. 


^)  In  manchen  Fällen  treten  im  Alkohol  II  vor  der  Bildung  der  langen  Nadeln 
des  ölsäureesters  sehr  kleine  Nadeln  oder  Plättchen  auf.  welche  zuerst  ein  Häutchen 
an  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  bilden;  sie  müssen  auf  einem  Filter  gesammelt  und 
getrennt  aufbewahrt  werden,  da  sie  nicht  den  Ölsäure-,  sondern  den  Palmitinsäureester 
des  Cholesterins  darstellen. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        ](',(] 

Handelt  es  sich  um  die  quantitative  Isolierunf,»-  dieser  Cho- 
lesterinester,  so  wird  das  Serum  in  der  oben  f^^'sciiildcrten  Weise  mit 
Alkoiiol  und  Äther  vollständig  extrahiert.  Des  weiteren  verfährt  man  ^n-nan 
wie  oben  und  dampft  die  alkoholisch-wässerif^en  liösunj^cii  d.inn  ein.  wobei 
man  die  letzten  Keste  Cholesteryloleat  erhält,  allerdin'::s  auf  Kosten  schöner 
Kristallbildung'. 

'/.UV  (juantitativen  Bestimmung  des  Cholesterins  wird  man 
den  Ätherextrakt  erst  verseifen  und  zur  weiteren  liehandlung  zweckmäßig 
das  \>rfahren  von  Bitter^)  benützen,  das  so  wie  es  für  Fett  verwendet 
wird,  hier  wiedergegeben  sei.-) 

Etwa  r)0  ,r/ Fett  werden  abgewogen,  in  eine  etwa  1',,/  fassende  I'or- 
zellanschale  gebracht  und  hier  mit  lOO  cw/r'  Alkohol  auf  dem  Wasserbad 
gekocht.  Zu  der  Lösung-  gibt  man  dann  eine  Natriumalkoholatlüsung .  die 
man  so  herstellt.  daU  man  8^  Natrium ^j  in  160  cm^  99<'/oioCiii  Alkohol 
ohne  zu  kühlen  auflöst. 

Diese  Alkoholatlösung  gießt  man  unter  beständigem  Umrühren  noch 
warm  in  die  alkoholische  Fettlösung.  Man  erwärmt  dann  noch  einige  Zeit 
auf  dem  Wasserbad,  bis  der  Alkohol  entwichen  ist;  hierauf  fügt  man  das 
zirka  1'  flache  Gewicht  des  verwendeten  Fettes  an  Kochsalz  und  so  viel 
Wasser  zu,  daß  der  Inhalt  sich  ganz  oder  doch  zum  größten  Teile  autlöst.  Dies 
ist  wünschenswert,  um  eine  innige  Mischung  der  Seife  mit  dem  Salz  zu 
erzielen.  (Das  Salz  muß  natürlich  so  gereinigt  sein,  daß  der  Äther  keine 
Stoffe  aus  demselben  extrahieren  kann.)  Es  wird  iiiiii  unter  häufigem  Um- 
rühren zur  Trockene  verdampft.  Dies  kann  im  Anfang  direkt  über  einer 
kleinen  Ga.sflamme  geschehen;  sobald  aber  ein  ]>rei  sich  zu  bilden  beginnt, 
muß  die  Verdampfung  auf  dem  Wasserbad  fortgesetzt  werden.  Um  die  Masse 
ganz  trocken  zu  erhalten,  erwärmt  man  schließlich  noch  im  Trocken- 
schrank bei  zirka  SO".  Man  beginnt  dann  mit  dem  Pulverisieren  direkt  in 
der  Schale,  sobald  der  Trockenheitszustand  es  erlaubt.  Nachher  wird  die 
Masse  noch  weiter  im  Trockenschrank  belassen  und  schlielilich  zu  einem 
feinen  Pulver  verarbeitet,  das  dann  noch  wann  in  einen  Kxsikkator  über 
konzentrierte  Schwefelsäure  gestellt  wird.  Alsdann  schreitet  man  zur  Ex- 
traktion in  einem  geräumigen  Soxhictschvn  Extraktionsai)])arat.  Mit  \orteil 
verwendet  man  die  käuflichen,  schon  entfetteten  Papierhülsen  aus  dichtem 
Filtrierpapier.  Das  in  die  Hülse  gebrachte  Seifenpulver  bedeckt  man  mit 
einem  entfetteten  Wattebausch,  um  das  Hinübertreten  von  Teilen  des 
feinen  Pulvers  in  die  Flüssigkeit  zu  verhindern.  Die  Extraktion,  welche 
mit  gewöhnlichem  Äther  vorgenommen  werden  kann,  soll  ca.  0  Stunden 
dauern.    Unten  im  Gefäß    trübt    sich    der  .\ther    anfangs    gewöhnlich  ein 


')  Riffer,  Clior  die  .Mctliodcn,  die  zur  Alisclioidunir  dor  Cliolostoriii.-  ;iii>  den 
Fetten  und  ihrer  quantitativen  Bestimmung  vcrwenditar  sind,  /eitsclir.  f.  idivsiol.  Chemie. 
34.  430  (1901/2). 

-)  Ätherextrakt  aus  Serum  liißt  sieh   in  entspreciicnder  NVeise  verarhiiten. 

')  Die  vom  Petroleum  herrüliremlen,  dem  Natrium  anliaftenden  oru'anisi  luii  IJesto 


müssen  abgeschaht  werden. 


170  E.  Letsche. 

wenig.  Das  rührt  davon  her,  daß  sich  Glyzerin  in  fein  verteiltem  Zustande 
ausscheidet.  In  kurzer  Zeit  schlägt  sich  aber  dieses  Glyzerin  am  Boden 
und  an  den  Wandungen  des  Gefäßes  nieder,  so  daß  die  Lösung  klar  wird. 
Zur  Entfernung  noch  vorhandener  Spuren  von  Seife  und  Glyzerin  gießt 
man  den  ätherischen  Extrakt  in  einen  ^/^ — 1 1  haltenden  Erlenmeyer- 
kolben  und  wäscht  mit  frischem  Äther  einige  Male  nach.  Durch  dieses 
Umgießen  hat  man  das  in  das  Extraktionskölbchen  übergegangene  Glyzerin 
zum  allergrößten  Teile  entfernt,  indem  es  an  den  Wandungen  des  ersten 
Gefäßes  festhaften  bleibt.  Der  Äther  wird  dann  abdestilliert  und  der 
Destillationsrückstand  auf  dem  Wasserbad  in  ganz  wenig  Alkohol  gelöst. 
Alsdann  gießt  man  unter  Umschwenken  nach  und  nach  so  \iel  Wasser  zu, 
bis  der  Erlenmeyerkolben  annähernd  gefüllt  ist.  Man  bringt  die  gefällte 
Substanz  auf  ein  Papierfilter  und  wäscht  mit  reinem  Wasser  etwas  nach. 
Nun  wird  der  so  gereinigte  Körper  im  Filter  getrocknet,  indem  man  das- 
selbe in  einem  Trichter  in  einen  Trockenschrank  bringt  und  hier  bei  zirka 
60"  beläßt.  Mit  einem  kleinen  Spatel  wird  nun  sorgfältig  so  viel  als 
möglich  von  dem  getrockneten  Produkt  in  ein  gewogenes  Erlenmeyerkölb- 
chen  gebracht.  Die  letzten  Pieste  des  Cholesterins  auf  dem  Filter  spült 
man  mit  Äther  in  das  gewogene  Gefäß.  Der  Äther  wird  dann  wieder  ab- 
destilliert oder  direkt  verdunstet  und  der  Piückstand  im  Trockenschrank 
bei  100 — 120"  vollständig  getrocknet  und  dann  gewogen. 

Da  diesem  Ätherrückstand  wohl  immer  noch  andere  Substanzen  bei- 
gemengt sind ').  empfiehlt  es  sich  für  gewisse  Zwecke,  auf  den  Rückstand 
eines  der  von  Obermüller '^)  oder  Lewko witsch  ^)  angegebenen  Verfahren 
anzuwenden  oder  das  Cholesterin  mit  Hilfe  der  von  Windaus  *)  aufge- 
fundenen Komplexverbindung  von  Cholesterin  mit  Digitonin  zu  isolieren 
und  quantitativ  zu  bestimmen. 

Obcrmüller  verfuhr  so,  daß  er  den  beim  \'erdunsten  des  Äthers 
bleibenden  Ptückstand  in  Schwefelkohlenstoff  löste,  und  so  lange  von  einer 
bromhaltigen  Schwefelkohlenstofflösung  von  bestimmtem  Gehalt  zusetzte,  bis 
eine  ins  Gelbrot  stechende  Farbenerscheinung  auftrat. 

Leivkowitsch  gil)t  folgende  zwei  Methoden  an : 

Cholesterin  wird  mit  der  U/ofachen  Menge  Azetanhydrid  am  Rück- 
flußkühler gekocht,  das  Reaktionsprodukt  auf  dem  Filter  mit  warmem 
Wasser   gewaschen,    bis   die   saure    Reaktion   verschwunden  ist   und    das 


*)  Das  ergibt  sich  unter  anderem  aus  den  Angaben  von  Obermüller,  Weitere  Bei- 
träge zur  quantitativen  Bestimmung  des  Cholesterins.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  16.  143 
(1892),  der  ein  ganz  ähnliches  Verfahren  zur  Isolierung  des  Cholesterins  anwendet  wie  Bitter 
und  dabei  durchschnittlich  11%  mehr  Cholesterin  findet,  als  er  zuvor  zugesetzt  hatte. 

-)  Siehe  bei  1. 

^)  Lewkowifsch,  Zur  quantitativen  Bestimmung  des  Cholesterins.  Berichte  d.  Deutsch. 
Chem.  Gesellsch.  25.  65  (1892). 

■*)  Windaus,  Über  die  Entgiftung  der  Saponine  durch  Cholesterin.  Berichte  d. 
Deutsch.  Chem.  Gesellsch.  42.  245  (1909).  Siehe  auch  Windaus,  Über  die  quantitative 
Bestimmung  des  Cholesterins  und  der  Cholesterinester  in  einigen  normalen  und  patho- 
logischen Nieren.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  65.  110  (1910). 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelneu  Bestandteile.         1  7  1 

Filter  samt  Niederschlag  in  einem  Kolben  mit  einer  genau  gemessenen 
Menge  titrierter  alkoholischer  KaHlösung  gekocht.  Das  verbrauchte  Alkali 
wird  durch  Zurücktitrieren  des  Überschusses  bestiiiiuit.  Für  die  Hercch- 
nuug  ist  zu  berücksichtigen,  daß  1  Molekül  Cholesterin  I  .Vzetylgruppe 
bindet. 

Das  Cholesterin  wird  in  Chloroform  gelöst  (für  o")//  etwa  oOcm^CHClj) 
und  mit  25 c;»^  einer  nach  v.  Hübl  bereiteten  Lösung  von  Jod  und  Sublimat 
in  Alkohol  versetzt.  Der  Cberschuli  an  Jod  wird  mit  Thiosulfat  znrück- 
titriert.  da  1  MolekiU  Cholesterin  2  Atome  Jod  addiert,  ist  die  Berechnung 
eine  einfache  Sache. 

Diese  Methode  ist  genauer  und  führt  rascher  zum  Ziele,  als  die  vor- 
her beschriebene  Azetatmethode. 

Das  genaueste  Verfahren  ist  zweifellos  das  von  W'uulaus'^)  ausge- 
arbeitete, das  darauf  beruht,  daß  freies  Cholesterin  mit  Digitouiu  ein 
recht  beständiges  Additionsprodukt  liefert.  Es  gestattet  freies  Cholesterin 
und  Ester  nacheinander  in  einer  Portion  zu  bestimmen. 

Man  verfährt  folgendermaßen :  Das  zu  untersuchende  .Material  löst 
man  in  der  öOfachen  Menge  kochenden  95"  „igen  Alkohols  und  versetzt 
mit  einer  lo/oigen  Lösung  von  Digitonin  in  Alkohol  ('.'O"/,,),  so  lange  noch 
ein  Niederschlag  entsteht.  Nach  mehreren  Stunden  wird  auf  dem  Gooch- 
tiegel  abgesaugt,  mit  Alkohol  und  Äther  gewaschen,  bei  100°  getrocknet 
und  gewogen. 

Aus  der  Menge  A  des  Additionsproduktes  läßt  sich  die  Menge  C  des 
Cholesterins  berechnen : 

A :  C  =  1539-06  :  38ß-35  2)  oder  C  =  A  x  0-243 1 . 

Das  Filtrat  des  Digitonincholesterids  wird  konzentriert,  nach  Zusatz 
von  Wasser  mit  Petroläther  oder  Äther  ausgeschüttelt ;  das  überschüssige 
Digitonin  bleibt  in  der  wässerig-alkoholischen  Flüssigkeit .  wähn-nd  Chole- 
sterinäther.  Fette  und  andere  Lipoide  in  den  Petroläther  übergehen.  .Man 
destilliert  den  Petroläther  ab,  verseift  den  Rückstand  mit  Natriumäthylat 
in  der  Hitze,  isoliert  das  gebildete  Cholesterin  durch  Ausschütteln  mit 
Petroläther  und  bestimmt  das  Cholesterin  nach  der  Digitoninmethode. ») 

Neben  Cholesterin  finden  sich,  wie  Lifschütz*)  gezeigt  hat,  auch 
noch  sogenannte  O.xycholesterine  im  Plut.  Ihr  Nachweis  wird  in  folgender 
Weise  geführt : 


')  A.  Windaus,  Über  die  ([uantitative  BestimnuniL'  des  Cholesterins  und  der 
(holestcriiicster  in  oinitrfMi  normalen  und  pathologischen  Nieren.  Zeitschr.  f.  i)hysiol. 
Chemie.  65.  llU/117  (1910). 

-)  M.-G.  des  Additionsproduktes  beziehungsweise  von  Cholesterin. 

^)  Da  das  Digitonin  recht  wertvoll  ist,  cnipfielilt  es  sich,  es  jeweils  wiederzu- 
gewinnen. Dies  ist  leicht  möglich  dadurch,  daü  man  das  Addifionsprodukt  etwa 
10  Stunden  mit  Xylol  extrahiert  (im  Apparat  von  Stock,  siebe  Belichte  d.  Deutsch. 
Chem.  Gesellsch.  39.  15)76  (1906),  eine  Abliildung  findet  sich  dieses  Handbuch.  Bd.  1. 
S.  183.  Fig.  363).  wobei  das  Digitonin  i|uantitativ  in  das  .\ylol   ülierL'cht. 

^j  Lifschütz,  Die  Oxydationsprodukte  des  (  holestcrins  in  den  tierischen  Organeu. 
Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  53.  140  (1907). 


172  E.  Letsche. 

Frisches,  noch  lebenswarmes  Rinderblut  wird  auf  dem  Wasserbad 
gut  eingetrocknet.  Die  bräunlich  schwarze,  fast  steinfeste  Masse  wird 
möglichst  fein  zermahlen  und  mit  Benzin  6 — 8  Stunden  lang  extrahiert. 
Nach  der  Beseitigung  des  Benzins  bleibt  eine  dunkelbraune,  weiche,  sehr 
dickflüssige  und  ziemlich  klebrige  Fettmasse  zurück,  die  selbst  über  100"'  C 
zwar  völlig  klar  durchsichtig  ist,  aber  doch  schwer  beweglich  und  dick- 
flüssig bleibt.  Sie  betrug  l'o — l'SVo  vom  Trockenblut.  Die  rohe  Fettmasse 
wird  nun  mit  alkoholischem  Kali  verseift.  Nach  dem  Erkalten  des  Ver- 
seifungsgemisches  scheidet  sich  eine  erhebliche  Menge  kristaUinischer  Sub- 
stanz aus.  Das  Gemisch  wird,  ohne  vorheriges  Filtrieren,  mit  etwa  dem 
gleichen  Volum  Wasser  vermengt,  dreimal  mit  Äther  tüchtig  ausgeschüttelt 
und  die  vereinigten  ätherischen  Lösungen  mit  Wasser  wiederholt  gewaschen, 
bis  sie  gegen  Phenolphtalein  neutral  reagieren.  Nach  dem  Verdunsten 
des  Äthers  und  Verjagen  des  Wassers  mit  absolutem  Alkohol  auf  dem 
Wasserbade  scheidet  sich  zunächst  eine  erhebliche  Menge  weißer,  glänzender 
Plättchen  aus,  die  unter  dem  Mila-oskop  die  bekannten  Cholesterintafeln 
erkennen  lassen  und  die  nach  dem  völligen  Eintrocknen  der  Substanz  in 
einer  wesentlich  überwiegenden  Menge  hellgelber,  fetter,  amorpher  Masse  ein- 
gebettet sind. 

Den  Nachweis,  daß  es  sich  bei  dem  Bückstand  um  ein  Gemenge  von 
Cholesterin  und  Oxycholesterinen  handelt,  führt  man  nach  Lif schütz  mit 
Hilfe  der  LiehemiannscheJi  Cholestolreaktion  und  mit  Hilfe  der  von  Lifschütz 
angegebenen  Essigschwefelsäurereaktion,  die  reines  Cholesterin  nicht  gibt. 

Man  stellt  sie  in  folgender  Weise  an^):  Man  löst  wenige  Milligramme 
des  Rückstandes  in  Eisessig  (etwa  2 — 3  crn^)  und  setzt  zur  kalten  Lösung  4  bis 
5  Tropfen  konzentrierter  H..  SO^  zu.  Dabei  färbt  sich  die  Lösung  ohne  Selbst- 
erwärmung schwach  rotgelb,  wird  beim  Stehen  intensiv  grün  und  zeigt 
alsdann  ein  sehr  charakteristisches  Absorptionsspektrum  in  Gestalt  eines 
schmalen  tiefdunklen  Streifens  im  Bot  zwischen  C  und  d  und  eines  ebenso 
schmalen,  aber  viel  schwächeren  Streifens  auf  D.  Die  Farbe  hält  sich  10  bis 
15  Stunden  und  geht  dann  durch  Grüngelb  in  Braungelb  über.  Das  Spektrum 
aber  ist  selbst  nach  24  Stunden  noch  scharf  sichtbar. 

3.  Kohlehydrate. 

Zum  Nachweis  und  zur  Bestimmung  des  im  Blut  (Gesamtblut,  Plasma 
oder  Serum)  sich  findenden  Zuckers  sind  eine  Reihe  von  Methoden  aus- 
gearbeitet worden,  deren  Unterschiede  zur  Hauptsache  in  der  Art  der  Vor- 
bereitung der  Lösung  für  die  eigentliche  Zuckerbestimmung  liegen.  Im 
folgenden  ist  auf  diesen  Punkt  besonders  Rücksicht  genommen ;  der  Nach- 
weis und  die  Bestimmung  des  Zuckers  erfolgt  in  jedem  Falle  nach  Regeln, 
die  schon  an  früherer  Stelle  -)  beschrieben  sind. 

*)  Lifschütz,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Zusammensetzung  des  Wollfetts.  Berichte 
d.  Deutsch. "Cbem.  Gesellsch.  31.  1133  (1898). 

^)  Dieses  Handbuch.  Bd.  2.  S.  85/183 ;  speziell  der  Beitrag  von  B.  Tollens  und 
der  von  K.  Grube. 


Metboilen  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        {~^■J 

Hat  man  die  Aufnabo,  den  /uckor;,''ohalt  des  Blutes  so  wie  es  im 
Körper  strömt,  festzustellen,  so  ist  es  von  wesentlicher  Bedeutung,  das 
Blut  so  aufzufangen,  dali  (ilykolvse  nicht  eintreten  kann.  I>ies  erreicht 
man  dadurch,  dall  man  das  Itlut  direkt  aus  der  Arterie  oder  Vene  in 
Alkohol  oder  in  einer  heilien  Salzlösung  auffängt ;  di(\so  beiden  Wege  sin<l 
nur  zur  IJestimniung  des  Zuckers  in  dem  lUut  als  Ganzem  brauchbar; 
oder  aber  man  fiingt  das  Blut  in  Fluornatrium  auf,  das  elienfidls  im- 
stande ist,  die  Glykolyse  zu  hemmen. 

Glukose. 

Bei  der  Vorbereitung  zur  Bestimnmng  der  (ilukose  im  Plasma  oder 
Serum  verfahren  Bona  und  Michaelis^)  folgendermalien : 

50  c;// 3  Plasma  oder  Serum  werden  mit  der  löfachen  Menge  Wasser 
versetzt,  mit  Essigsäure  schwach  angesäuert  (etwa  so  weit,  bis  die  anfänglich 
entstehende  Trübung  sich  wieder  aufzuhellen  beginnt.)  Zu  der  Flüssigkeit, 
deren  Volum  genau  festgestellt  wird,  fügt  man  dann  auf  je  U)()rni^  Flüssig- 
keit 20 — 25^  Kaolin  in  kleinen  Portionen  unter  stetem  Um-schütteln  hinzu; 
ist  aller  Kaolin  zugefügt,  so  kann  der  Niederschlag  sofort  abgesaugt 
werden.  (Spuren  von  Kaobn,  die  anfänglich  vielleicht  mit  durchgehen, 
werden  am  besten  erst  nach  Einengen  des  Filtrats  durch  Filtrieren  ent- 
fernt.) Das  Filtrat  wird  genau  gemessen  —  es  beträgt  gewöhidich  */b 
der  Gesamtflüssigkeit '^j  —  und  auf  dem  Wasserbad  bis  zur  geeigneten 
Konzentration  eingeengt.  In  dieser  Flüssigkeit  kann  die  Zuckerbestini mnng 
titrimetrisch ,  gravimetrisch  oder  polarimetrisch  bestimmt  werden. 

Für  Blut  ist  dieses  Verfahren  der  Enteiweibung  nicht  brauchbar,  da 
die  FiUlung  des  Hämoglobins  nicht  ([uantitativ  erfolgt.  Für  Blut  empfiehlt 
sich  aber  folgendes  Verfahren,  das  Oppler  und  Rona^)  angegeben 
haben  und  das  auch  Moeckel  und  Frank*)  mit  gutem  Erfolg  für  Plasma 
und  für  Blut  angewandt  haben. 

Das  durch  Fl  Na  ungerinnbar  gemachte  Blut  wird  in  einem  geräu- 
migen Kolben  auf  das  lOfache  mit  destilliertem  Wasser  verdünnt.  Die 
Eisenlösung  (Liquor  ferri  oxydati  dialysati  und  nicht  Liiinor  ferri  oxy- 
chlorati)  wird  mit  IL,  O  etwas  verdünnt  und  in  dünnem  Strahl  unter  be- 
ständiger lebhafter  Bewegung  des  (iefäbes  der  Blutlösnng  hinzugefügt.  Von 
der  Eisenlösung  (unverdünnt)  sind  für  \fj  Hundeblut  in  dci-  Hegel  Sem', 
für  \g  Kaninchenblut  -l-bcm  genügend.  Ein  Tberschub  innerhalb  gewisser 


')  liona  und  Michaelis,  Untersuchungen  iilier  den  Blutzueker.  Biuchoui  Zeitsciir. 
7.  330  (1908). 

-)  Da  die  Konzentration  des  Filtrats  dieselbe  ist,  wie  die  der  im  Kaolin  zurück- 
bleibenden P'lüssigkeit,  kann  die  gefundene  Znckennenge  auf  die  (.iesamtflüssigkeit  um- 
gerechnet werden. 

*)  Oppler  und  h'ona,  Untersuchunsren  über  Blutzucker.  III.  Biocbem.  Zeitschr. 
13.  122  (1908). 

*)  Moeckel  und  Frank,  Kin  einfaches  \erfaliren  der  Blutznckcrbestjmmuug. 
Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  65.  323/29  (1910);  69.  85,88  (1910). 


174  E.  Letsche. 

Grenzen  ist  unschädlich ;  die  Bluteisenmischunii-  bleibt  unter  häufigem  Um- 
schütteln etwa  10  Minuten  stehen,  dann  fügt  man  1  g  fein  gepulvertes  Mg  SO4 
auf  einmal  hinzu  und  schüttelt  kräftig  1 — 2  Minuten  lang;  damit  ist  die 
Enteiweißung  vollendet.  Ist  sie  gut  gelungen,  so  erfolgt  die  totale  Aus- 
flockung schnell  und  die  darüber  stehende  klare  farblose  Flüssigkeit  ist  zur 
Filtration  fertig.  Zeigt  eine  mehr  oder  weniger  ausgesprochene  Färbung  eine 
unvollständige  Fällung  des  Hämoglobins  an,  so  fügt  man  nochmals  Eisenlösung 
zu,  je  nach  den  Umständen  einige  Tropfen  bis  mehrere  Kubikzentimeter:  ein 
weiterer  Elektrolytzusatz  ist  unnötig.  Das  Volum  der  Flüssigkeit  samt  Nieder- 
schlag wird  genau  bestimmt;  die  klare  farblose  Lösung  wird  vom  Niederschlag 
durch  ein  Faltenfilter  abfiltriert,  der  Rückstand  auf  dem  Filter  ausgepreßt 
und  eventuell  noch  ausgeschleudert.  Das  wasserklare,  eiweißfreie  Filtrat, 
dessen  Volumen  ebenfalls  genau  festgestellt  wird,  wird  mit  wenigen  Tropfen 
verdünnter  Essigsäure  angesäuert  und  dann  bei  vermindertem  Druck 
(15  iHiii  Hg)  und  45"  Wasserbadtemperatur  auf  wenige  Kubikzentimeter 
(3—5)  eingeengt  und  quantitativ  in  einen  graduierten  Standzylinder  von 
10 cm^  Inhalt  übergeführt.  Man  bestimmt  das  Volum  genau,  filtriert  und 
führt  jetzt  die  Zuckerbestimmung  polarimetrisch  oder  titrimetrisch  aus. 
Für  die  polarimetrische  Bestimmung  ist  die  Berechnung  folgende: 
Sei  c  der  aliquote  eingeengte  Teil,  z  der  am  Polarimeter  abgelesene 
Zuckergehalt  in  c  (prozentisch),  1  das  Volum  der  Gesamtflüssigkeit  (Blut- 

c  z  1 
Eisenlösung  und  Z  der  nicht  eingeengte  aliquote  Teil),  dann  ist  x  =      ^' 

Li  .   lUU 

mg  Zucker  in  der  zur  Untersuchung  verwendeten  Menge  Blut. 

Die  bei  den  eben  beschriebenen  Methoden  der  Enteiweißung  des 
Blutes  notwendige  Verdünnung  mit  Wasser  hat  ein  ziemhch  zeitraubendes 
Eindampfen  der  Filtrate  im  Vakuum  zur  Folge.  Dies  umgeht  man  bei  An- 
wendung der  folgenden  Methode  von  Bang.^)  Ein  Zentrifugenröhrchen 
von  zirka  200  c»^^  Inhalt  Mird  mit  100  cm?  ^  Alkohol  beschickt  und  gewogen. 
Nach  dem  Zusatz  von  etwa  30 — hOcm^  Blut  (direkt  aus  der  Ader)  wird 
wieder  gewogen.  Man  zerteilt  die  Blutkoagula  fein  mit  dem  Glasstabe, 
spült  diesen  mit  zirka  bOcm'^  Alkohol  ab  und  zentrifugiert  eine  Stunde. 
Die  Flüssigkeit  wird  von  dem  Rückstand,  der  fest  an  dem  Röhrchen  haftet, 
abgegossen  und  der  Rückstand  wieder  mit  100  cyy/^  Alkohol  zerrührt  und 
zentrifugiert  (V^  Stunden).  Die  Flüssigkeit  wird  abgegossen  und  der  Rück- 
stand zum  dritten  Male  mit  50 cm?»  Alkohol  verrührt  und  zentrifugiert 
(V2  Stunde).  Die  vereinigten  Flüssigkeiten  werden  auf  dem  Wasserbad  bis 
zu  lOcw^  konzentriert,  in  einen  Meßzylinder  übergeführt,  auf  30 — 40 cm^ 
(je  nach  der  Blutmenge  und  dem  Zuckergehalt)  ergänzt.  Man  setzt  2 — 3^ 
Kaolin  am  besten  portionsweise  hinzu ,  schüttelt  durch  und  filtriert.  Im 
Filtrat  läßt  sich  der  Zucker  bequem  nach  der  Bang^^^w.  Methode  be- 
stimmen. 


^)  /.  Bang,   Über  die  Bestimmung  des  Blutzuckers.  Biochem.  Zeitschr.  7.  327/28 
(1908). 


Motlioileii  zur  Aiifaiheituiij,'  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        1  7;, 

Die  von  Waymouth  Reid^)  angegebene  Methode  der  pjitoiweii'.iin«; 
])enutzt  für  diesen  Zweck  die  Fällharkeit  der  Kiweiliköipcr  durch  I'hosphor- 
wolframsiiure.  Auch  Vosburgh  \m(\  RicJinrds'-)  halten  sich  dieses  Verfahrens 
mit  gutem  Erfolg  bedient  und  M<tc  Lcod-^)  gibt  ihm  den  \'orzug  vor  dem 
Verfaiiren  von  Schenk*),  das  vielfach  Anwendung  findet;  letzteres  soll  etwas 
zu  niedrige  Zahlen  geben,  offenbar  weil  durch  Suldiiiiat  ein  Teil  der  redu- 
zierenden Substanzen  gefüllt  wird. 

Das  Verfahren  von    Wai/ntoufJi  Reid  ist  folgendes: 

Man  liillt  das  Blut  direkt  vom  I'dutgefidJ  in  ein  müglichst  hohes 
Becherglas  3),  das  mit  25U  r»^»  phosphorwolframsäure «)  beschickt  und 
mit  einem  Glasstab  mit  Kautschukkappe  versehen  ist,  einflieilen.  Die  .Menge 
des  Blutes  betrage  etwa  ÖU  cm'^\  vor  und  nach  dem  Zufliellenlassen  des 
Blutes  wird  genau  gewogen.  Man  erhitzt  dann  auf  dem  Ölbad  zum  Kochen 
und  hält  die  .Masse  im  Kochen,  bis  der  f^iweißniederschlag  als  bröcklige 
Masse  sich  absetzt.  Nach  dem  Abkühlen  filtriert  man  die  klare  überstehende 
Flüssigkeit  ab,  neutralisiert  annähernd  dälit  aber  die  Reaktion  schwach 
sauer)  und  zerreibt  den  Niederschlag  in  einer  Ueibschale  zu  einer  —  nach 
Aussehen  und  Korngröße  —  schokoladeähnlichen  Masse.  Man  fügt  etwas 
kaltes  Wasser  zu  und  saugt  den  Niederschlag  trocken.  Dieses  Zerreiben 
und  Auswaschen  des  Niederschlages  wiederholt  man  etwa  .'Jmal.  Die  Wasch- 
wässer werden  jedesmal  annähernd  neutralisiert,  schließlich  in  einem  schief- 
liegenden Jenaer  Kolben  bis  auf  etwa  hO nn'^  eingeengt  und  diese  Flüssig- 
keit mit  dem  Hauptfiltrat  vereinigt.  Man  dampft  das  Ganze  in  der  Schale 
auf  etwa  40  c;;^^  pjj^^  neutralisiert  genau  (Lackmus),  filtriert  durch  ein 
aschefreies  Filter  in  einen  100  cw3-Meßzylinder  und  wäscht  das  Filtrat 
mit  Wasser  nach,  bis  das  Gesamtfiltrat  etwa  85  cm'*  beträgt.  In  dieser 
Flüssigkeit  bestimmt  dann  Rcid  den  Zucker  nach  der  J///A>?schen  Methode 
durch  Wägung  des  ausgeschiedenen  Knprooxyds. 

Alkohol  zum  Enteiweißen  von  Serum  oder  Blut  verwendett'u  Dastrc, 
Pavy  und  Siau  u.  a. 

Das  Verfahren  von  Dastre'^)  ist  folgendes: 

Man  läßt  das  Blut  direkt  aus\'ene  oder  Arterie  in  etwa  die  lifache  Menge 
Alkohol  einfließen.  Man  trennt  den  Niederschlag  ab,  preßt  ihn  aus.  trocknet 


*)  Wai/iiioufh  heid ,  A  method  for  the  estimation  of  sugar  in  blood.  .lourn.  of 
Physiol.  20.  BIG  21  (18%). 

'-)  Ch.  II.  VosJ)uryh  and  A.  X.  h'icliards ,  On  oxporimental  study  of  tlie  suirar 
content  and  extravascular  coai/ulation  of  the  blood  after  adniinistration  of  adfenalin. 
Amer.  Journ.  of  Physiol.  9.  34  01  (l'.HK^I. 

*)  J.  F.  B.  Mac  Liod,  A  comparison  of  tlie  niethods  of  JUid  and  Sclinik  for 
quantitative  estimation  of  the  reducing  substance  in  blood.  Journ.  of  biolog.  Cliein. 
5.  443'52  (1908,09). 

••)  Fr.  Schenk,  Über  Bestimmunfr  und  rmsetznng  des  Blutzurkcrs.  I'iiioitrg 
Archiv.  55.  203/11    (1894).    Findet  sich  in    diesem  IIandl)uch  Bd.  2.  S.  184  beschriobon. 

^)  Die  Masse  schäumt  l)eim   Kochen  unter  l'mständen  ziemlich  stark. 

«)  70.9  Phosphorwolframsäure  und  20  chc'  Salzsäure  von  der  Dichte  1.  12  ver- 
dünnt mau  auf  1000  cw/'. 

')  Ä.  Dastrc,  Lanalyse  do  Sucre  dans  le  sang.  Arch.  de  lMi\  s  \"  1  Ser.  IM ).  1891  .'i33  46. 


176  E.  Letsche. 

ihn  bei  etwa  80"  und  zieht  ihn  wiederholt  mit  Alkohol  aus,  nachdem  man 
ihn  vorher  fein  zerrieben  hat.  Man  verdampft  die  Lösung  (am  besten  im 
Vakuum),  sollte  sie  noch  etwas  gefärbt  sein,  so  entfärbt  man  sie  mit  Tier- 
kohle, die  zw'ar  aus  wässeriger,  nicht  aber  aus  alkoholischer  Lösung  Zucker 
adsorbiert.  Den  beim  Eindampfen  bleibenden  Rückstand  nimmt  man  mit 
Wasser  auf,  bringt  diese  Lösung  bei  Anwendung  von  25 — 50  cni^  Blut  auf 
80 — 100  cm^  und  führt  in  dieser  Lösung  die  Zuckerbestimmung  aus. 

Das  an  derselben  Stelle  von  Dastre  noch  angegebene  2.  Verfahren 
scheint  mir  keine  Vorteile  zu  bieten.  Es  besteht  darin ,  daß  man  mit 
Oxalat  ungerinnbar  gemachtes  Blut  tropfenweise  in  eine  kochende,  etwa 
lOVoige  Nag  S04-Lösung  (4 — 6faches  Volum  des  anzuwendenden  Blutes),  die 
man  vorher  mit  Essigsäure  angesäuert  hat,  einfließen  läßt  und  dann  Nieder- 
schlag und  Lösung  in  gleicher  Weise  wie  oben  weiter  behandelt. 

Das  im  folgenden  zu  beschreibende  Verfahren  von  Pavi/  und  Siau^) 
entspricht  im  wesentlichen  dem  von  Ban(/  (siehe  oben)  angegebenen. 

Man  läßt  das  Blut  -  etwa  30  c/y^^  —  in  die  lOfache  Menge  Alkohol 
einfließen  und  läßt  24  Stunden  stehen;  nach  dieser  Zeit  rührt  man  den 
Niederschlag  auf  und  kocht  den  Inhalt  des  Becherglases  im  Wasserbad  auf. 
Man  kolliert,  nimmt  den  Eiweißniederschlag  vom  Tuch  ab  und  zerreibt  ihn 
in  der  Reibschale  zu  einem  feinen  Pulver;  das  Pulver  wird  mit  100  bis 
150  cm^  Alkohol  nochmals  aufgekocht,  der  Niederschlag  abfiltriert  und  die 
ganze  Manipulation  nochmals  wiederholt.  Die  vereinigten  Filtrate  engt 
man  auf  dem  Wasserbad  bei  einer  60*^  nicht  übersteigenden  Temperatur 
unter  vermindertem  Druck  ein  bis  zur  Trockene.  Zum  Rückstand  gibt 
man  10  c;;^^  Aluminiumhydroxydpaste  2)  und  20  cm^  Wasser,  kocht  das 
Ganze  auf  dem  Sandbad  lebhaft  auf,  filtriert,  bringt  Filtrat  und  Wasch- 
wasser auf  100  cni^  und  bestimmt  den  Zucker  nach  Pav>/s  oder  einer 
anderen  ^lethode. 

Virtueller  Zucker. 

Alle  die  bis  jetzt  beschriebenen  Methoden  verfolgen  den  Zweck,  die 
Glukose,  soweit  sie  im  Blut  frei  oder  nur  in  ganz  loser  Bindung  sich  findet, 
in  möglichst  reiner,  vor  allem  eiweißfreier  Lösung  zu  erhalten  und  dann 
zu  bestimmen. 

Nach  den  Untersuchungen  von  Lepine  vor  allem  findet  sich  im  Blut 
noch  sogenannter  „virtueller"  Zucker,  der  einer  direkten  Bestimmung  nicht 
zugänglich  ist.  Man  muß  ihn  vielmehr  zuvor  durch  Hydrolyse  in  Freiheit 
setzen.  Das  Verfahren,  das  Lupine  und  Boulud  ^)  zum  Nachweis   und  zur 

^)  F.  W.  Pavy  and  R.  L.  Statt,  An  experimental  enquiry  upon  Glykolysis  in  drawn 
blood.  Journ.  of  Physiol.  27.  451/56  (1901/02). 

")  Die  Aluminiumhydroxydpaste  stellt  man  aus  Kalium-  oder  Ammoniumalaun 
durch  Zugabe  von  Ammoniak  her;  man  wäscht  den  Niederschlag  alkalifrei  und  bewahrt 
den  Niederschlag  feucht  bis  zur  Verwendung  auf.  Durch  diese  Paste  werden  die  letzten 
Eiweißreste  und  auch  Farbstoffe  sicher  entfernt. 

")  Lepine  et  Boulud,  Sur  le  Sucre  total  du  sang.  Conipt.  Rend.  147.  226/28 
(1908);  ferner:  Sur  le  Sucre  total  du  plasma  et  des  globules  du  sang.  Compt.  Rend. 
149.  583/86  (1909). 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandtoüp.        ]77 

Bestimmung  dieses  virtuellen  Zuckers  verwenden,  ist  im  wesentliclu'n  tol- 
lendes. In  einem  Teile  des  enteiwcitUen  Hlutes  bestimmt  man  den  in 
freiem  Zustande  vorgebildeten  Zucker  nadi  einem  der  erprobten  Verfahren, 
in  einer  zweiten  I'robe  spaltet  man  den  gebundenen  Zucker  ab,  indem  man 
das  wie  vorher  erhaltene  Extrakt  unter  Druck  im  Wasserbad  erhitzt.  Die 
Lösung  enthiilt  dabei  Fluorwasserstoffsäure,  und  zwar  geben  Lupine  und 
Boulud  auf  500  an^  Flüssigkeit  5  cni'^  einer  oOVoif^en  Fluorwasserstoff- 
säure. Das  Erhitzen  dauert  in  der  Regel  28 — 32  Stunden;  dabei  empfiehlt 
es  sich  aber,  einige  in  gleicher  Weise  angesetzte  Proben  verschieden  lang 
zu  erhitzen.  Die  Probe,  in  der  der  Zuckerwert  die  höchste  Höhe  erreicht, 
ist  die  richtige. 

Erhitzt  man  zu  kurz,  so  ist  es  möglich,  daß  noch  nicht  aUer  Zucker 
frei  gemacht  wurde,  und  erhitzt  man  zu  lange,  so  besteht  die  (iefalir,  daß 
ein  Teil  des  Zuckers  wieder  zerstört  wird. 

Nach  älteren  Angaben  von  Lepine  und  Boiihul  handelt  es  sich  bei 
diesem  virtuellen  Zucker  zum  mindesten  teilweise  um  (Uukuronsäure,  denn 
sie  sagend):  ..Es  kommt  vor,  daß  der  aus  P)lut  hergestellte  Auszug,  ohne  daß 
er  mit  Säure  in  lierührung  kam,  bei  der  polarimeti-ischen  Prüfung  keinen 
Zucker  anzeigt  und  höchstens  eine  ganz  schwache  Peduktionskraft  auf- 
weist. Nach  dem  Kochen  mit  Säuren  findet  man  eine  deutliche  Rechts- 
drehung und  eine  hohe  Reduktionskraft.  Unterwirft  man  den  Auszug  der 
Vergärung  mit  Bierhefe,  so  beobachtet  man  nach  der  \'ergärung  eine 
Linksdrehung,  die  nach  dem  Kochen  in  eine  Pvechtsdrehuug  übergeht,  wo- 
bei gleichzeitig  eine  wesentlich  stärkere  Ileduktionskraft  zu  beobachten  ist. 
Ferner  gelingt  es  aus  dem  Auszug  mit  Hilfe  von  p-Ih'omphenyihydrazin 
die  für  (ilukuronsäure  charakteristische  \erbindung  zu  erhalten." 


'» 


Glukuronsäure. 

Daß  Glukuronsäure.  die  wohl  auch  Pavi/  und  Siau  als  Phenyl- 
hydrazinverbindung  in  Händen  gehabt  haben'-),  im  Blut  sich  findet,  ist 
durch  P.  Mayer  sichergestellt. 

Er  führt  den  Nachweis  der  Glukuronsäure  in  folgender 
Weise  ^) : 

2  /  Ochsenblut  läßt  man  möglichst  frisch  sofort  nach  dem  Schlachten 
in  die  n(\ch  Abeles *)  vorbereitete  Zinkazetatlösung  einfließen  (die  Zinkazetat- 
lösung stellt  man  her  aus  einem  dem  anzuwendenden  Plut  gleichen  \olum 
absoluten  Alkohols  und  ^^/p  vom  Gewichte  des  Blutes   an  Zinkazetat.   Die 


*)  Lepine  et  Boulud,  Sur  l'acide  glycuronique  dans  le  sang  du  chien.  Compt. 
Rend.  135.  139  40  (1902). 

-')  F.  W.  l'anj  and  JL  L.  Siau,  On  tho  nature  of  tho  suir.ir  prosont  in  niirraal 
blood,  urine  and   niusele.  Joiirn.  of  Phys.  26.  282  90  (1900  01). 

^)  P.  Malier,  t'ber  eine  bisher  iiiil)pkanute  reduzierende  Substanz  des  liiiitos. 
Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  32.  öl 8/3(1  (1901). 

*)  Äbfics,  Über  ein  Verfaliren  zum  Entei weißen  des  Blutes  für  die  Zuokerl'estim- 
mung.  Zeitsclir.  f.  physiol.  (heni.  15.  495  504  (1891». 

Abderh,-ildeii  .   llandhuch  der  biochemischen  Arbeitsmethoden.  V.  12 


178  ^-  Letsche. 

trübe  Lösung  wird  mit  dem  darin  suspendierten  ziemlich  reichlichen  Nieder- 
schlag direkt  verwendet).  Wenn  die  Mischung  eine  gleichmäßige  schwarz- 
graue  Masse  bildet,  in  der  sich  keine  roten  Blutklümpchen  mehr  finden, 
verarbeitet  man  sie  in  folgender  Weise  weiter:  Man  filtriert  durch  ein  mit 
Alkohol  angefeuchtetes  Filter,  wäscht  mit  90 — 95o/oigem  Alkohol  nach, 
bringt  den  Rückstand  auf  ein  mit  Alkohol  angefeuchtetes  Stück  Leinwand 
und  preßt  mit  der  Handpresse  scharf  aus.  Der  Preßrückstand  wird  mit 
Alkohol  zu  einem  feinen  Schlamm  zerrieben,  filtriert  und  der  Rückstand 
wieder  ausgepreßt.  Die  gewöhnhch  etwas  trüben  Filtrate  werden  zur  Ent- 
fernung des  überschüssigen  Zinks  mit  einer  konzentrierten  Lösung  von  Na,  GO3 
(1:5)  unter  Umrühren  bis  zu  schwach  alkalischer  Reaktion  versetzt.  Das 
ausfallende  ZnCOä  sowie  das  überschüssige  ausfallende  Nag  CO3  klären  die 
Lösung,  die  vollkommen  klar  und  beinahe  farblos  filtriert.  Eine  im  Filtrat 
manchmal  nachträglich  noch  auftretende  Trübung  von  ZnCOj  wird  durch 
Filtrieren  entfernt  und  dieses  Filtrat  schließlich  mit  verdünnter  Essigsäure 
bis  zu  schwach  saurer  Reaktion  versetzt. 

Durch  die  wiederholte  Behandlung  der  Rückstände  mit  Alkohol  wächst 
die  Flüssigkeit  schließlich  auf  etwa  6^  an,  die  im  Vakuum  bei  40 — 50''  bis  auf 
etwa  500  cm'^  eingeengt  werden.  Diese  Lösung  fällt  man  mit  Bleiessig  und 
Ammoniak,  um  alle  störenden  Körper  möglichst  zu  entfernen.  Der  in 
H2O  suspendierte  Niederschlag,  in  dem  der  größte  Teil  des  Zuckers  und 
die  zu  isolierende  Glakuronsäure  in  gepaarter  Form  übergehen,  wird  mit 
HgS  zerlegt. 

Nach  der  Abtrennung  des  ausgeschiedenen  Bleisulfids  und  der  Ent- 
fernung des  überschüssigen  HoS  durch  einen  Luftstrom  engt  man  die 
Lösung  wieder  im  Vakuum  bis  auf  etwa  Vs  des  Volums  vor  dem  Zusatz 
von  Bleiessig  und  Ammoniak  ein.  Diese  Lösung  erhitzt  man  unter  Zusatz 
von  so  viel  konzentrierter  H2SO4,  daß  eine  etwa  l%ige  Lösung  entsteht, 
etwa  1  Stunde  im  Autoklaven,  um  die  Glukuronsäure  aus  ihren  gepaarten 
Verbindungen  in  Freiheit  zu  setzen.  Man  neutralisiert  alsdann  genau  mit 
NaaCOg,  versetzt  mit  einem  Überschuß  von  p-Bromphenylhydrazinazetat 
(in  unserem  Falle  etwa  3  g)  und  erwärmt  im  kochenden  Wasserbad  unter 
möglichster  Vermeidung  von  Luftzutritt,  i)  Dies  erreicht  man  am  ein- 
fachsten dadurch,  daß  man  über  das  in  das  Wasserbad  gehängte  Becher- 
glas eine  Glasschale  stülpt,  so  daß  der  über  der  Flüssigkeit  befindliche 
Raum  hauptsächlich  von  Wasserdämpfen  erfüllt  ist. 

Nach  etwa  10  Minuten  langem  Erwärmen  beginnt  die  Ausscheidung 
von  Kristallen,  die  man  nach  dem  Erkalten  der  Lösung  an  der  Pumpe  ab- 
saugt und  mit  absolutem  Alkohol  so  lange  wäscht,   bis   dieser  farblos  ab- 


')  Es  ist  dies  notwendig,  weil  die  p-Bromphenylh\  drazinverbindung  der  Glukuron- 
säure bei  Wasserbadtemperatur  gegen  Sauerstoff  empfindlich  ist.  Weiter  ist  zu  beachten, 
daß  die  freie  Glukuronsäure  namentlich  in  warmer  Lösung  gegen  Säuren  sehr  emp- 
findlich ist  und  man  muß  deshalb  einen  Überschuß  an  freier  Essigsäure  vermeiden. 
Das  erreicht  man  am  besten    durch  Anwendung    von    p-Bromphenylhydrazinchlorhydrat 


und  der  eben  erforderlichen  Menge  Natriumazetat. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        1  79 

läuft.  Die  auf  dem  Filter  bleibende,  prachtvoll  li(lit^''('lhe  Verbindun^^  cha- 
rakterisiert .sich  durch  ihren  Sclnnei/punkt  (227  22!)'')  und  ihre  l'idös- 
lichkeit  in  Alkohol  als  j^lukuronsaures  p-Uroniphenyliiydrazin. 

Fruktose. 

Von  Monosacchariden  scheint  auller  (ilukosc  nur  noch  I-iiiktosc  im 
IJlut  enthalten  zu  sein. 

Zum  Nachweis  von  Fruktose  im  IJlut  verfuhren  Seuhery  und 
Strauss^)  folj^endermaßen: 

Das  ülut  wird  sofort  nach  dem  Austritt  aus  dem  Körper  mit  Essifj- 
säure  bis  zur  deutlich  sauren  Reaktion  versetzt  und  auf^M-kocht.  I)abei 
koaguHert  die  Hauptmenge  des  vorhandenen  Kiweilles.  man  filtriert  die 
Koagula  ab  und  engt  das  klare  Filtrat,  das  deutlich  sauer  reagieren  nuilV 
im  Vakuum  bei  einer  400  nicht  übersteigenden  Temperatur  bis  zum  dünnen 
Sirup  ein:  die  Iveaktion  muH  auch  während  (\e^  Kindampfens  sauer  bleiben. 
Der  dünnflüssige  Verdampfungsrückstand  wird  dann,  unbekümmert  um 
feste  Ausscheidungen,  die  aus  Salzen  oder  Albumin  bestehen,  mit  halb  so- 
viel Alkohol  von  98"  o^  wie  das  ursprüngliche  Flüssigkeitsvolum  betrug,  auf 
dem  Was.serbade  ausgekocht.  In  etwa  ö  Minuten  wird  die  Haujjtmenge 
der  vorhandenen  Fruktose  ausgezogen;  die  erkaltete  Lösung  wird  filtriert 
und  das  Auskochen  mit  Alkohol  nacli  F)efeuchten  des  Kückstaufles  mit 
wenig  Wasser  wiederholt. 

Die  vereinigten  alkoholischen  Auszüge  werden  nach  eventuellem  iioch- 
maUgen  Filtrieren  mit  Tierkohle  entfärbt.  In  einem  ah(iuoten  Teil  be- 
stimmt man  die  Menge  reduzierender  Substanz  und  berechnet  sie  auf 
Lävulose.  Den  Hauptteil  der  alkoholischen  Flüssigkeit  engt  man  ein,  setzt 
die  für  Lävulose  berechneten  ;>  Moleküle  Methyl])henylhydrazin  zu,  lälit 
einige  Stunden  stehen  und  filtriert,  wenn  sich  ein  Niederschlag  gebildet 
hat.  Dann  fügt  man  dem  Filtrat  bzw.  der  ursprünglichen  I>üsung  die  der 
angewandten  Methylphenylhydrazinmenge  gleiche  Gewichtsmenge  öC/oige 
Essigsäure  zu  und  eventuell  noch  so  viel  Alkohol,  bis  die  F'lüssigkeit  ganz 
klar  ist.  Die.se  wird  schlielilich  ;i — 5  Minuten  auf  kochendem  Wasserbad 
oder  besser  24  Stunden  auf  40°  erwärmt. 

Hei  größeren  Mengen  Fruktose  erhält  man  das  Osazon  direkt  kri- 
stallinisch, eventuell  nach  Zusatz  weniger  Tropfen  Wasser. 

Jiei  geringen  Mengen  erhält  man  zunächst  ein  (')1,  das  beim  Reiben 
fest  wird.  Am  sichersten  kommt  man  durch  starke  Abkühlung  ( Kälte- 
mischung  aus  festem  C().>  und  Äther)  zum  Ziel.  Zu  diesem  Zweck  trennt 
man  das  öl  von  der  Mutterlauge,  dekantiert  es  mit  Wasser  und  trocknet 
es  im  Vakuum  über  H-^SOi.  Dann  löst  man  es  in  absolutem  Alkohol,  fil- 
triert und  stellt  die  Lösung  in  die  Kältemischung,  wobei  sofort  die  Aus- 
scheidung von  Kristallen  beginnt.  Man  saugt  ab,  wä.scht  mit  kaltem  (Kfllte- 


')  C.  Neuherfi  und  Strauss,  Tber  Vorkommen  und  Nachweis  von  Fruchtzucker  in 
4en  menschlichen  Körpersäften.  Zeitschr.  f.  physiol.  Cheni.  36.  232  (1902). 

10* 


180  E.  Letsche. 

mischung!)  Alkohol  und  kiüstallisiert  aus  heißem  Wasser  unter  Zusatz  von 
etwas  Pyridin  um. 

Beim  Einengen  erhält  man  das  Osazon  in  sehr  feinen  gelblichen 
Nadeln  von  F.  P.  158— 160°. 

Tierisches  Gummi. 

Von  Polysacchariden  ist  von  Freund'^)  sogenanntes  tierisches 
Gummi  aus  Blut  in  folgender  Weise  erhalten  worden: 

4  l  Ochsenblut  werden  unter  Benutzung  von  Zn  C  O3  enteiweißt ,  der 
Niederschlag  abfiltriert,  mehrmals  mit  heißem  Wasser  aufgekocht,  gewaschen 
und  das  Filtrat  samt  Waschwasser  bei  möghchst  niederer  Temperatur  auf 
1  l  eingedampft.  Man  fällt  dann  nach  den  Angaben  von  Landwehr^)  mit 
CuSO^  und  Na  OH  das  tierische  Gummi  aus,  filtriert  die  Fällung  ab, 
wäscht  sie  gut  aus,  löst  sie  in  verdünnter  Salzsäure  und  versetzt  diese 
Lösung  so  lauge  mit  NH3 ,  als  der  Niederschlag  von  CuiOH).,  sich  noch 
löst;  dann  fügt  man  3  Volumina  95Voig"en  Alkohol  zu  und  erwärmt  auf  60". 
Der  Niederschlag  wird  abfiltriert,  mit  Alkohol  gewaschen,  in  leicht  mit 
Salzsäure  angesäuertem  Wasser  gelöst,  nochmals  mit  Alkohol  gefällt  und 
dann  mit  Alkohol  und  Äther  gewaschen.  Man  erhält  so  ein  gelblichweißes 
Pulver,  das  sich  in  HgO  vollkommen  klar  löst,  Pieduktionsfähigkeit  aber 
erst  nach  dem  Kochen  mit  Säuren  zeigt. 


'ö' 


4.  Extraktivstoffe. 

a)  N-haltige  Extraktivsnbstanzen. 

Harnstoff. 

Zur  IsoUerung  von  Harnstoff  aus  Serum  oder  Blut  verfährt  man 
nach  Hoppe-Seyler^)  folgendermaßen: 

Frisches  Blut  wird  mit  dem  3 — 4fachen  Volum  starken  Alkohols  gut 
gemischt  und  diese  Mischung  24  Stunden  stehen  gelassen.  Man  filtriert 
nach  dieser  Zeit,  wäscht  den  Rückstand  mehrere  Male  mit  Alkohol  und 
engt  Filtrat  und  Waschalkohol  bei  mäßig  hoher  Temperatur,  am  besten 
im  Vakuum,  ein.  Die  erkaltete  Lösung  säuert  man  dann  mit  Essigsäure 
stark  an,  schüttelt  sie  mit  Chloroform  zur  Entfernung  von  Fett,  Phospha- 
tiden, Cholesterinestern,  Seifen  etc.  aus,  wäscht  die  Chloroformlösung  mit 
Wasser  und  engt  Hauptflüssigkeit   und  Waschwasser   zur  Entfernung  von 


*)  Freund,  tJber  das  Vorkommeu  von  tierischem  Gummi  im  normalen  Blut. 
Zentralbl.  f.  Physiol.  6.  345  (1892). 

-)  E.  Lcindirehr,  Ein  neues  Kohlehydrat  im  menschlichen  Körper.  Zeitschr.  f. 
physiol.  Chemie.  8.  122/128  (1883/84). 

Man  fügt  zu  der  alkalischen  Lösung  CuSO^,  so  lange  als  das  gebildete  Cu(OH), 
sich  noch  löst ;  beim  Kochen  dieser  Lösung  scheidet  sich  die  basische  Cu-Verbindung 
in  bläulichweißen  Flocken  aus. 

^)  Hoppe-Seyler-Thierfelder,  Handbuch  der  physiol.  u.  pathol. -ehem.  Analyse.  8.  Aufl. 
1909.  S.  651. 


Methoden  zur  Aufarbeitunir  des  Blutes  in  soino  eiiizolneii  licsuiadttile.        l<jl 

Alkohol  stark  ein.  Dann  iiiacht  man  mit  HoSO^  stark  sauor  nnd  versetzt 
zur  Entfernnng  von  Eiweißresten,  Kreatinin  und  cventnell  vorhandenen 
Basen  mit  Phosphorwolframsäure ') ,  so  ian^^e  noch  ein  Niederschlag,'  ent- 
steht. Der  Niederschlag-  ist  mit  Hi,S()4haltigem  Wasser  zu  waschen:  dif^ 
vereinigten  Filtrate  werden  mit  Barytwasser  iii)ers;ittigt,  der  Niederschlaf,' 
abfiltriert,  mit  Wasser  ausgewaschen  nnd  ans  dem  Filtrat  der  f^her- 
schui)  an  Baryt  durch  Kohlensaure  entfernt.  Man  filtriert  vom  BaCO;,  ah, 
engt  das  Filtrat  l)ei  müßiger  Wiirme  auf  ein  kleines  \'olum  ein  nnd  fällt 
den  Harnstoff  mit  Merkurinitrat,  wobei  man  /.um  Neutralisieren  der  frei 
werdenden  Salpetersäure  Baryt  verwendet;  die  Flüssigkeit  soll  stets  sauer 
bleil)en.  Der  Niederschlag  wird  abfiltriert,  mit  Wasser  (wenig)  gewaschen, 
in  Wasser  zerteilt  und  durch  Ho  S  zerlegt.  Nach  der  Entfernung  des  (^)neck- 
silbersulfids  vertreibt  man  aus  dem  Filtrat,  das  neben  salpetersaurem 
Harnstoff  höchstens  noch  geringe  Mengen  P)a(N()3).  enthalten  soll,  durch 
Erwärmen  auf  dem  Wasserbad  oder  durch  Luftdurchleiten  dmch  die  Lösung 
den  H^S,  versetzt  die  Lösung  mit  Baryumkarbonat ,  solange  noch  eine 
Umsetzung  stattfindet,  filtriert  und  dampft  die  Lösung  bei  mäßiger  Tem- 
peratur zur  Trockene  ein.  Den  lUtckstand  zieht  man  mit  absolutem  Alko- 
hol aus,  setzt  der  filtrierten  Lösung  ein  gleiches  Volum  Essigäther  (zur 
Entfernung  von  eventuell  gelöstem  Ba(N03)2  zu,  filtriert  wieder  und  lallt 
die  Lösung  verdunsten.  Durch  wiederholtes  Auflösen  des  Bückstandes  in 
absolutem  Alkohol  und  Versetzen  dieser  Lösung  mit  Essigester  erhält  man 
den  Harnstoff  schließlich  vollkommen  rein  und  kann  ihn,  wenn  man  unter 
Einhaltung  (|uantitativer  Kautelen  gearbeitet  hat,  zur  (juantitativen  Be- 
stimmung auf  gewogenem  Filter  zur  Wägung  bringen. 

Salkoivski^)  isohert  den  Harnstoff  in  Form  der  Verbindung  mit 
Salpetersäure  in  folgender  Weise: 

Man  fällt  das  Blut  mit  der  mehrfachen  Menge  absoluten  Alkohols, 
verdunstet  den  Auszug,  mit  dem  man  den  Waschalkohol  vereinigt  hat,  bei 
gelinder  Wärme  zur  Trockene,  nimmt  den  Bückstand  in  absolutem  Alko- 
hol auf  und  verdunstet  nach  dem  Filtrieren  abermals  zur  Trockene.  Auf- 
nehmen in  absolutem  Alkohol  und  Wiederverdunsten  haben  so  oft  zu  gi^ 
schehen,  bis  der  Bückstand  sich  vollkommen  klar  in  absolutem  Alkohol 
löst,  zum  Zeichen,  daß  alle  anorganischen  Salze,  vor  allem  Kochsalz,  voll- 
kommen entfernt  sind.  Man  verdunstet  dann  ein  letztes  Mal  und  gibt  zu 
dem  Bückstand  nach  starkem  Abkühlen  Salpetersäure.^)  (D  1,  iM  Nach 
24  Stunden  wird  der  Niederschlag  auf  einem  glatten  Filter  gesammelt  und 
mit  eiskalter   Salpetersäure    gewaschen;    die    überschüssige    Salpetersäure 


')  Die  PhosplKirwolframsiiure  muß  natürlich  darauf  hin  geprüft  sein,  oh  sie  nicht 
am  Ende  Harnstoff  ehcnfalls  fällt. 

'-)  E.  Salkoicski,  Cher  den  Nachweis  nnd  dit-  iJcstiinmunir  v..n  Harnstoli  in  iv<>r- 
perflüssiixkeiten  und  Organen.  Arbeiten  aus  dem  path.  Institut  zu  Boiiiii.  FJorlin.  IIir<cli- 
wald,  1ÜU6.  581. 

*)  Die  Salpetersäure  muß  durch  Auskochen  v(in  niederen  Oxyden  des  Slickstolls 

befreit  sein. 


182  E.  Letsche. 

entfernt  man  am  besten,  indem  man  das  Filter  auf  Filtrierpapier  legt. 
Man  bringt  dann  das  Filter  in  den  Trichter  zurück,  wäscht  zur  Entfernung 
von  Fett  und  Fettsäuren  mit  absolutem  Alkohol  und  Äther  und  kann 
nach  dieser  Behandlung  das  Harnstoffnitrat  auf  dem  Filter  zur  Wägung 
bringen. 

Zur  Kontrolle,  ob  das  Harnstoffnitrat  frei  ist  von  anorganischen 
Salzen,  verascht  man  das  Harnstoffnitrat  (ganz  oder  nur  einen  aliquoten 
Teil)  vorsichtig  in  einem  Platintiegel,  wobei  ein  Rückstand  nicht  bleiben 
darf;  bleibt  ein  merklicher  Rückstand,  so  führt  man  ihn  mit  H2SO4  oder 
HCl  in  Sulfat  oder  Chlorid  über  und  bringt  das  hieraus  auf  NaNOg  be- 
rechnete Gewicht  in  Abzug. 

Beide  oben  aufgeführten  Verfahren  sind  recht  zeitraubend  und  er- 
fordern große  Sorgfalt,  sobald  es  sich  um  quantitative  Bestimmungen 
handelt.  Man  kann  für  diese  Zwecke  aber  auf  eine  Reindarstellung  des 
Harnstoffes  verzichten  und  im  Anschluß  an  Schöndorff'^)  in  folgender  Weise 
verfahren. 

Verfahren  nach  Schöndorff: 

1  Volumen  Blut  wird  mit  2  Volumina  Phosphorwolframsäure-Salz- 
säuremischung versetzt  und  geschüttelt.  (Die  Phosphorwolframsäure-Salz- 
säuremischung ist  hergestellt  aus  1  Volurateil  konzentrierter  HCl  D  M24 
und  9  Volumteilen  lOVoigefi"  Phosphorwolframsäurelosung,  die  natürlich 
Harnstoff  nicht  fällen  darf.)  Nach  5  Minuten  wird  eine  Probe  abfiltriert 
und  nochmals  mit  1  Volumen  Säuremischung  versetzt;  bleibt  die  Probe 
2  Minuten  klar,  so  ist  die  Fällung  vollständig,  andernfalls  hat  man  der 
ganzen  Lösung  noch  ein  B.  Volum  Säuremischung  zuzugeben.  Im  allge- 
meinen reicht  man  mit  2  Volumina  Säuremischung  aus.  Die  Mischung 
wird  nach  24  Stunden  filtriert  und  das  Filtrat  (Filtrat  I)  mit  soviel  Kal- 
ziumhydroxydpulver 2)  in  einer  Reibschale  zerrieben,  bis  die  Masse  alkalisch 
reagiert;  man  filtriert  wieder  (Filtrat  H).  Sollte  die  Flüssigkeit  beim  Zer- 
reiben mit  Kalzium hydroxyd  eine  blaue  Farbe  annehmen,  so  wartet  man 
mit  dem  Filtrieren,  bis  diese  Farbe  wieder  verschwunden  ist,  was  oft 
mehrere  Stunden  dauert. 

Zur  Bestimmung  des  aus  dem  Harnstoff  entstehenden  NH3  wägt 
man  auf  einer  Schnellwage  10^  kristallisierte  Phosphorsäure  ab,  bringt  sie 
in  ein  Erlenmeyerkölbchen,  läßt  hierzu  aus  einer  Bürette  eine  entsprechende 
Menge  des  Filtrates  H  laufen  und  erhitzt  in  einem  Trockenschrank 
4V2  Stunden  auf  150".  Nach  dem  Erkalten  wird  die  am  Boden  befindliche 
sirupartige  Masse  in  warmem  Wasser  gelöst,  die  Lösung  in  einem  De- 
stillierkolben übergespült  und  das  gebildete  NH3    nach  Zusatz   von  Na  OH 


^)  B.  Schöndorff,  Eine  Methode  der  Harristoffbestimmung  in  tierischen  Organen 
und  Flüssigkeiten.  Pflügers  Archiv.  62.  1—57  (1896). 

")  Dieses  Pulver  erhält  man  in  der  Weise,  daß  man  gebrannten  Kalk  mit  soviel 
Wasser  versetzt ,  daß  er  zu  einem  feinen  Pulver  zerfällt.  Man  zerreibt  und  trocknet 
unter  Abschluß  von  Luft. 


1  CIN' 


genügt 


voU- 


Fipr.  77. 


Methotlcu  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        jH^ 

und  Talk  in  vorgelegte  titrierte  Schwefelsäure  überdestilliert.  Die  über- 
schüssige HjSO^  titriert  man  uiifer  Verwendung  eines  geeigneten  Indi- 
kators (Laknioid- Malachitgrün)  mit  Lauge  zurück. 

Ist  man  vor  die  Aufgabe  gestellt,  in  kleinen  Bliitniongen  —  \veiiiL'«'n 
Kubikzentimetern  —  den  Harnstoffgehalt  zu  bcstiinmen,  so  wird 
man  sich  mit  gutem 
Erfolg  der  Methode 
von  Barcroft^)  be- 
dienen, die  in  folgen- 
dem beschrieben  ist. 

Die  Methode  be- 
ruht auf  der  schon 
früher  für  ähnliche 
Zwecke  verwendeten 
Zersetzung  von  Harn- 
stoff (und  Ammon- 
salzen)  durch  unter- 
bromigsaure      Salze. 

Das     Blut    — 


kommen  ^  läßt  man 
in  das  öOfache  Vo- 
lum absoluten  Alko- 
hols einfließen.  Nach 
•J4stündigom  Stehen 
filtriert  man  die  Lö- 
sung in  die  Schale  Ä 
(siehe  Fig.  77),  die 
etwa  5  an  Durch- 
messer hat  und  5  mm 
tief  ist.  Man  setzt 
die  Schale  auf  ein 
Wasserbad  und  läßt 
den  Alkohol  bei  etwa 
65°  verdunsten;  sind 
die  ganzen  .')()  cm'-^  in 
die  Schale  filtriert,  dann  läßt  man  den  Niederschlag  mit  20  cm'  Alkohol 
einige  Zeit  stehen,  filtriert  und  vereinigt  die.ses  Filtrat  mit  dem  ersten. 
Auf  diese  Weise  ist  man  sicher,  allen  Harnstoff  auszuziehen.  Man  läßt  die 
Flüssigkeit  dann  vollständig  verdunsten,  löst  den  Kückstand  in  1  <•//*» 
40"/oioPi' ^*«^^'H,  wonach  alles  zur  Bestimmung  fertig  ist.  Die  Hestimmung 
selber  erfolgt  in  dem  aus  der  nobeustehenden  Figur  ersichtlichen  Apparat. 


(1903). 


')  J.  Barcroff,  Tlie  pstimatioii  of  urea  in  liloixl.    Journ.  of  Tliysiol.   29     ^'" 


134  E.  Letsche. 

Ä  ist  die  eben  schon  erwähnte  Schale,  auf  deren  Rand  der  Deckel  B 
gut  aufgeschliffen  ist;  dieser  Deckel  trägt  in  der  Mitte  oben  eine  Öffnung 
und  einen  Ansatz  zur  Befestigung  eines  Kautschukschlauchs ,  der  in  der 
aus  der  Figur  ersichtlichen  Weise  mit  der  Manometerröhre  Ä'  in  Verbindung 
steht.  Der  Manometerschenkel  Ä'  ist  in  Kubikzentimeter  geteilt;  das  Kaliber 
der  Röhre  ist  so  eng ,  daß  1  crn^  eine  Länge  von  25 — 30  cm  einnimmt; 
jeder  Teilstrich  entspricht  Vioo  «"^i  mit  Leichtigkeit  kann  man  noch  V4 
dieser  Teilung  abschätzen.  Der  Nullpunkt  dieses  Schenkels  Ä'  ist  oben  ein 
Stück  unterhalb  des  Hahns.  Der  Schenkel  B'  des  Manometers  ist  in  Milli- 
meter geteilt.  Da  Stickstoff  in  Wasser  1)  nur  ganz  wenig  löslich  ist,  kann 
man  die  Unterschiede  der  Gasvolumina  bei  gleichbleibendem  Druck  fest- 
stellen. 

Die  beiden  Manometerröhren  sind  in  einen  doppelt  durchbohrten 
Stopfen  eingelassen,  der  in  ein  Glasgefäß  E\  dessen  Form  aus  der  Figur 
ersichtlich  ist,  eingesetzt  ist.  Am  unteren  Ende  von  £"  ist  die  Kautschuk- 
kappe F'  angebracht,  über  welcher  sich  eine  Schraube  mit  Platte  G'  findet, 
die  gestattet,  die  Kautschukkappe  stärker  oder  schwächer  zusammenzu- 
drücken und  dadurch  den  Stand  der  Absperrflüssigkeit  zu  ändern.  Ein 
Teil  der  Manometerröhren,  ferner  E'  und  F'  sind  mit  der  Absperrflüssig- 
keit vollkommen  angefüllt,  wobei  sorgfältig  darauf  zu  achten  ist,  daß  nir- 
gends Luftbläschen  hängen  bleiben. 

Die  Eichung  des  Apparates  geschieht  am  besten  in  der  Weise,  daß 
man,  wie  bei  einem  Versuch,  eine  genau  bekannte  Menge  Harnstoff  zer- 
setzt und  feststellt,  wieviel  Kubikzentimeter  N  geliefert  werden;  es  ist  dies 
deshalb  zweckmäßig,  weil  bei  der  Zersetzung  von  Harnstoff  durch  unter- 
broraigsaure  Salze  bekanntlich  nie  100%  des  N  als  solcher  in  Freiheit 
gesetzt  werden,  sondern  nur  rund  92 Vo- 

Die  weitere  Ausführung  der  Bestimmung  gestaltet  sich  folgender- 
maßen. Nachdem  man  den  in  Ä  befindüchen  Rückstand  in  1  cm^  40Voiger 
Na  OH  gelöst  und  in  die  Lösung  das  Gefäß  F  mit  etwa  0"5  cm^  Brom- 
lauge gestellt  hat,  setzt  man  den  Deckel  B,  der  schon  vorher  durch  D  mit 
der  Manometerröhre  verbunden  wurde ,  auf  die  Schale  Ä  und  verbindet 
beide  durch  passend  geformte  Federn;  der  Rand  von  J  ist  leicht  eingefettet. 
Man  bringt  dann  den  Apparat  samt  einem  gleichgebauten  und  gleichgroßen 
Kontrollapparat  in  ein  Wasserbad  von  konstanter  Temperatur,  schließt 
dann  den  Hahn ,  liest  das  Volumen  in  A'  und  den  Druck  in  B'  ab  und 
läßt  dann  durch  Umkippen  von  F  die  Reaktion  eintreten.  Ist  die  Reaktion 
zu  Ende,  so  wird  bei  gleichem  Druck  in  B\  wie  vor  dem  Versuch  —  dies 
läßt  sich  leicht  mit  Hilfe  der  Schraube  G'  erreichen  —  das  Volumen  in  Ä' 
abgelesen  und  nach  Maßgabe  der  Kalibrierung  die  Menge  des  Harnstoffes 
bestimmt. 

Die  Methode  liefert  recht  gute  Resultate. 


')    Noch    besser     ist     eine     gesättigte    Lösung     von    Chromsäure     als    Absperr- 
flüssigkeit. 


Mothndcu  zur  Aiifarl)eituiig  des  Blutes  in  seine   einzelnen  Bestandteile        ig.^ 

Karbaminsäure. 

Daß  karbaminsäure  Salze  im  Blut  sich  tuuloii.  li;it  Dm-hf«/ ^)  in  fol- 
gender Weise  gezeigt: 

150 — 200  cw/^  farbloses,  klares,  durch  Zciitrifugficrcn  gewonnenes 
Serum  werden  mit  dem  Hfachen  \olum  käutlichcii  absoluten  Alkohols  ge- 
fällt. Man  filtriert  vom  ausgeschiedenen  Eiweiß  ab  und  versetzt  die  al- 
koholische Flüssigkeit  mit  einer  konzcnti-ierten  wässerigen  Lösung  von 
CaCU;  die  anfängliche  Trübung  bullt  sich  rasch  zu  groben  Flocken  zu- 
sammen und  wird  abfiltriert.  Das  Filtrat  versetzt  man  mit  soviel  reiner 
20''/oig('T  wässeriger  KOIl-Lösung,  bis  die  Reaktion  deutlich  alkalisch  ist. 
Dabei  entsteht  ein  kleisterähnlicher  Niederschlag,  der  Ca(()H).,.  CaCOa  und 
karbaminsauren  Kalk  enthält.  Man  filtriert  ihn  ab.  wäscht  mit  absolutem 
Alkohol,  preßt  ihn  möglichst  zwischen  Filtrierpapicr  al)  und  trocknet  ihn 
über  Schwefelsäure. 

Der  ganz  trockene  Niederschlag  wird  fein  zerrieben  und  in  einem 
luftdicht  verschlossenen  Gefäß  einige  Zeit  mit  destilliertem  AVasser  ge- 
schüttelt. Man  läßt  absitzen,  filtriert  und  füllt  die  klare  Lösung  in  eine 
mit  Wasserstoff  gefüllte  Retorte.  Man  erhitzt  den  Retorteninhalt  allmäh- 
lich zum  Kochen;  dabei  läßt  man  durch  eine  geeignete  Vorrichtung  die 
aus  der  Retorte  abziehenden  Gase  und  Dämpfe  durch  verdünnte  Saksäure 
streichen.  Der  Retorteninhalt  trübt  sich  schon,  bevor  die  Flüssigkeit  kocht; 
die  Trübung  erweist  sich  bei  näherer  Untersuchung  als  CaCOs;  in  der  vor- 
gelegten Salzsäure  findet  sich  NH3. 

Sowohl  das  in  der  Retorte  abgeschiedene  CaCOs,  als  auch  das  in  die 
Vorlage  übergehende  Ammoniak  können  zur  (piantitativen  Restimmung  der 
in  der  klaren  Lösung  enthaltenen  Karbaminsäure  dienen,  wobei  der  Be- 
rechnung folgende  Reaktionsgleichung  zugrunde  zu  legen  ist: 

Ca(COONH., ).,  +  2  HoO  =  CaCÜs  -|-  (N  H^o  CO3. 

In  neuerer  Zeit  haben  Mac  Leod  und  Haskins  -)  eine  Methode  zur 
quantitativen  Bestimmung  von  Karbamaten  beschrieben,  deren  Prin- 
zip das  folgende  ist: 

In  1  ctn^  Blut  wird  unter  Benutzung  des  Apparates  von  Banm/t  und 
Haidane  —  eine  Abbildung  findet  sich  im  Bd.  :\  dieses  Handbuches  auf 
S.  685  —  der  Gesamtkohlensäuregehalt  bestimmt.  Einen  zweiten  Kubik- 
zentimeter desselben  r)lutes  schüttelt  man  im  Wägeglas  mit  einem  flier- 
schuß  von  NH4  0H-haltiger  Baryundiydroxydlösung.  dadurch  werden  die 
Karbonate  gefällt,  während  die  Karbamate  in  Lösung  bleiben.  Die  gebil- 
deten Karbonate  werden  entfernt  und  in  der  Lösung  die  Kohlensäure  be- 
stimmt. Die  Differenz  zwischen  der  ersten  und  zweiten  Bestimminig  er- 
gibt die  COo-Menge,  die  auf  Rechnung  der  Karbaminsäure  zu  setzen  ist. 


*)  DrechseJ,  Über  die  ü.\ydatii)n  von  Glykokoll,  Leuzin,  Tyrosin  sowie  aber  das 
Vorkommen  von  Karbaminsäure  im  Blut.  Journ.  f.  prakt.  Chem.  12.  417/2G  (187ö). 

■')  Mdc  Leod  and  Haskins,  The  quantitative  estimation  of  carbamates.  Am.  Journ. 
<>f  Physiol.  12.  444  56  (1905). 


186  ^-  Letsche. 

Die  Ausführung  ist  folgende:  Das  Blut  wird  direkt  aus  einem  Blut- 
gefäß in  einem  Zentrifugenglas  von  12 — 16  cm^  Faßraum  aufgefangen. 
Man  gibt  etwas  Quecksilber  in  das  Glas ,  verstopft  gut  und  defibriniert 
durch  kräftiges  Schütteln.  Während  man  das  defibrinierte  Blut  zentrifu- 
giert,  beschickt  man  2  Wägegläschen  —  J  und  B  —  von  etwa  25  cm^ 
Faßraum  mit  je  1  crn^  klarer  Ba(0H)2 -Lösung,  2  c/y^^  ausgekochtem  Wasser 
und  O'b  cm^  einer  l^/oigen  Chlorbaryumlösung.  In  jedes  Gefäß  gibt  man 
dann  1  crn^  Blutserum  und  in  das  Gefäß  A  noch  o'ö  cm^  einer  lOVoigen 
Ammoniaklösung.  Beide  Gefäße  w-erden  gut  zugestopft ,  das  Gefäß  A  in 
einem  Schüttelapparat  geschüttelt  und  Glas  5  15  Minuten  lang  in  einem 
Wasserbad  auf  60"  erwärmt.  Dadurch  wird  alles  Karbamat  in  Karbonat 
übergeführt.  Dann  kühlt  man  das  Gefaßt  ab,  fügt  seinem  Inhalt  noch 
S'bcm^  lOVoiges  NH3  zu  und  schüttelt  ebenfalls.  Nach  je  ^^stündigem 
Schütteln  bringt  man  den  Inhalt  jeden  Glases  in  ein  Zentrifugengläschen, 
verstopft  gut  und  zentrifugiert  15 — 20  Minuten  auf  einer  Zentrifuge  mit 
hoher  Tourenzahl. 

Von  jedem  Zentrifugenglas  bringt  man  dann  7  ci>^3  (=:0-5  cm^  Serum) 
je  in  ein  Gefäß  des  Barcroff-Hah/anescheu  Apparats,  gibt  eine  zur  Neu- 
tralisierung beinahe  hinreichende  Menge  gesättigter  wässeriger  Weinsäure- 
lösung hinzu  —  diese  Menge  muß  durch  eine  vorherige  Titration  festge- 
stellt werden  —  und  bringt  je  0"25  tm^  Weinsäure  in  die  Schälchen  H 
des  Apparates.^) 

Die  Gefäße  werden  mit  den  Manometern  verbunden  und  die  Tem- 
peratur an  einem  Vio"  angebenden  Thermometer  abgelesen.  Ist  die  Tem- 
peratur in  den  Gefäßen  konstant  geworden,  was  durch  die  Manometer  an- 
gezeigt wird,  dann  läßt  man  die  Säure  aus  den  Schälchen  in  die  Flüssig- 
keit in  A  und  B  einfheßen  und  schüttelt  die  Gefäße  kräftig.  Ist  alles  Gas 
ausgetrieben,  dann  senkt  man  die  Gefäße  wieder  in  das  Wasserbad,  in 
dem  sie  vor  dem  Zugeben  der  Weinsäure  aus  den  Schälchen  sich  befan- 
den und  läßt  sie  auf  die  frühere  Temperatur  abkühlen.  Man  liest  die 
Flüssigkeitsmenisken  in  den  Manometern  ab  und  macht  die  Berechnung 
folgendermaßen:  Die  Ablesung  an  dem  Manometer  B  wird  abgezogen  von 
der  an  A  (da  die  Gefäße  A  und  B  praktisch  den  gleichen  Faßraum  haben, 
so  ist  diese  Subtraktion  statthaft).  Die  Differenz  multipliziert  man  mit 
dem  Inhalt  von  Gasgefäßen  und  Meßröhren.  Dieser  letztere  Wert  dividiert 
durch  10.000  ^)  gibt  die  Anzahl  Kubikzentimeter  CO2,  die  aus  Karbamat 
stammen. 

1  cin'^  COo  (0°,  760  jinii)  entspricht  0-0036  g  Kalziumkarbamat  (siehe 
auch  Bd.  3  dieses  Handbuches.  S.  685/88.) 

*)  Siehe  Fig.  228,  Bd.  3.  S.  685.  Die  eingehende  Beschreibung  des  Apparates  und 
seiner  Benutzung  ist  dort  einzusehen. 

^)  Die  Flüssigkeit  in  den  Barometerröhren  ist  eine  Lösung  von  Chromsäure  in 
Wasser  von  der  Dichte  1030.  Wäre  Wasser  in  den  Manometerröhren,  so  wäre  der  Faktor 
mit  dem  zu  dividieren,  wäre  der  Barometerdruck  in  Millimeter  Wasserdruck,  d.  h.  die 
Zahl  10.300.  Hat  man  aber  eine  Flüssigkeit  von  oben  angegebenem  spezifischen  Ge- 
wicht, so  ist  nur  eine  Regulierung  der  Dezimalen  erforderlich. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteil.-.        ift,^ 

Kreatin. 

Den  Nachweis  von  Kreatin  im  Blut  zu  führen  ist  nicht  {,'anz  leicht. 

Bei  Anwendung  von  viel  Serum  habe  ich  mit  folgendem  Verfahren 
Erfolg  gehabt.»)  Das  Serum  wird  durch  das  ;ifache  N'olum  lM;%igen  Al- 
kohol gefällt;  nach  etwa  'M]  Stunden  wird  filtriert  und  der  Niederschlag 
ausgewaschen.  Die  vereinigten  alkoholischen  Filtrate  werden  im  Vakuum 
bei  einer  Temperatur  von  etwa  40 — 4i)°  zur  Trockene  ('ingedami)ft.  Der 
Trockenrückstand  wird  erst  mit  Äther,  dann  mit  absolutem  Alkohol  er- 
schöpfend behandelt  und  das  hierbei  ungelöst  Bleil)ende  mit  Wasser  ge- 
schüttelt, bis  dieses  nach  wiederholtem  Erneuern  nichts  mehr  aufnimmt 
(als  Bückstand  bleiben  Eiweißreste).  Die  wässerige  Lösung  wird  auf  dem 
Wasserbad  bis  zur  Bildung  einer  Kristallhaut  an  der  Oberfläche  eingeengt; 
durch  Einleiten  von  gasförmiger  Salzsäure  in  das  Filtrat  von  dieser  kri- 
stallinischen Ausscheidung  bis  zur  Sättigung  erreicht  man  die  Abschei- 
dung einer  groben  Quantität  anorganischen  Materials  (vor  allem  von 
NaCl-).  Aus  dem  Filtrat  entfernt  man  mit  Hilfe  von  Kuprooxyd  die  Salz- 
säure und  eventuell  in  Lösung  gehendes. Cu  durch  H<,S  und  engt  die  Lö- 
sung möglichst  weit  ein,  fällt  mit  Bleiessig  und  engt  das  durch  H,  S  blei- 
frei gemachte  Filtrat  nach  der  Entfernung  des  PbS  zum  Verjagen  der  Essig- 
säure bis  zur  Trockene  ein.  Den  Rückstand  nimmt  man  mit  Wasser  (wenig) 
auf,  versetzt  mit  Chlorzinklösung  und  erhält  dabei  die  bekannten  warzen- 
förmigen Kristalle  von  Kreatininchlorzink.  Der  Weg  ist  recht  mühsam  und 
führt  nicht  immer  zum  gewünschten  Ziel. 

C.Voit  gibt  an  3):  ..Ich  habe  im  Kälberblut  kein  Kreatinin  nach- 
weisen können,  doch  gelang  es  nach  Neubauers  Methode,  das  Kreatin  quan- 
titativ zu  bestimmen."  Nähere  Angaben  finden  sich  nicht. 

Zur  (juantitativen  Bestimmung  des  Kreatins  verfährt  man 
nach  MeUanhy^)  folgendermaßen: 

Man  fällt  das  Serum  mit  der  etwa  ;'.facheii  Menge  Alkohol,  filtriert 
die  Lösung  nach  einigem  Stehen,  wäscht  den  Niederschlag  mit  etwa 
OOVoifeP'ii  Alkohol  aus  und  engt  die  Filtrate  bei  einer  57"  nicht  überstei- 
genden Temperatur  bis  zur  Trockene  ein.  Den  Rückstand  nimmt  man  mit 
Wasser  auf  und  bestimmt  in  einem  Teil  dieser  Lösung  das  eventuell  vor- 
handene Kreatinin  nach  dem  Verfahren  von  Folin.  ■■)  Einen  anderen  Teil 
bringt    man    nach    dem  Vorgange    von  Gottlieb    und   StaiK/assim/ir'')    auf 


•)  Letsche,  Beitrai^e  zur  IveiiatiHS  der  organischcMi  Hestandteilo  des  Serums. 
Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  53.  107  (15)07). 

■-')  Dabei  wird  allerdings  das  Kreatin  jedenfalls  zum  Teil,  wenn  nicht  vollständig, 
in   Kreatinin  übergeführt. 

^)  ('.  Voit,  l'bor  das  Verhalten  des  Kreatins,  Kreatinins  uml  Harnstoffs  im  Tier- 
körpcr.  Zeitschr.  f.  Biol.  4.  77/162  (1868). 

*)  E.  Mrlinn/»/.  Croatin  and  Croatinin.  .Tourn.  of   l'hysiol.  3«.  447  87  ( l'.»()7  OS). 

*)  Eine  eingehende  Beschreibung  dieser  Methode  siehe  tlieses  Handbuch.  IM.  3. 
S.  787. 

*)  B.  Gottlieb  und  Stau (jastiiii r/er.  Über  das  Verhalten  des  Kreatins  boi  der  Auto- 
lyse.  Zeitschr.  f.  physi(d.  Chem.  52.   1/41  (ll»07). 


188  E.  Letsche. 

einen  Gehalt  von  etwa  2"2''/o  HCl  und  erwärmt  diese  Lösung  auf  einem 
lebhaft  kochenden  Wasserbad  etwa  o  Stunden.  Dann  bringt  man  die  Lö- 
sung aus  dem  Erlenmeyerkölbchen ,  in  dem  sie  erwärmt  wurde,  in  eine 
Schale  und  dampft  sie  zur  Trockene  ein.  Der  Trockenrückstand  wird  in 
H2  0  gelöst,  die  Lösung  mit  natronalkalischer  Pikrinsäurelösung  versetzt, 
nach  5  Minuten  in  einen  MelJkolben  filtriert  und  auf  das  erforderliche 
Volum  verdünnt.  Von  etwa  ausgeschiedenen  kohligen  Zersetzungsprodukten 
filtriert  man  erst  vor  der  Bestimmung  ab  und  führt  diese  selbst  nach  den 
Angaben  von  Folin  (siehe  oben)  aus. 

Harnsäure. 

Harnsäure  scheint  als  normaler  Bestandteil  zwar  im  Blut  der  Vögel 
regelmäßig  vorzukommen,  im  Blut  der  Säugetiere,  auch  des  Menschen, 
aber  zu  fehlen.  Dagegen  tritt  sie  unter  bestimmten  pathologischen  Um- 
ständen bei  diesen  auf  und  man  führt  ihren  Nachweis  dann  in  folgen- 
der Weisel): 

Blut  —  Serum  oder  Plasma  werden  genau  entsprechend  behandelt  — 
wird  auf  das  3 — öfache  mit  Wasser  verdünnt;  die  Mischung  wird  mit 
einigen  Tropfen  verdünnter  Essigsäure  (D  =  l'OoSö)  eben  angesäuert  und 
im  kochenden  Wasserbad  2)  koaguliert.  Man  läßt  die  Mischung  etwa  15  bis 
20  Minuten  im  kochenden  Wasserbad,  bis  das  Eiweiß  in  braunen  Flocken 
sich  zu  Boden  setzt,  filtriert  heiß  und  kocht  den  Rückstand  wiederholt  mit 
Wasser  aus.  Die  vereinigten  Filtrate  engt  man  auf  dem  Wasserbad  ein, 
filtriert  einige  neuerlich  sich  ausscheidende  Eiweißflocken  ab  und  fällt  aus 
dieser  Lösung  die  Harnsäure  nach  dem  Verfahren  von  Salkowski- 
Ludwig.  '^) 

Hat  man  von  vornherein  unter  Beobachtung  quantitativer  Kautelen 
gearbeitet,  so  kann  das  Verfahren  zur  quantitativen  Bestimmung  der 
Harnsäure  dienen. 

Die  in  Arbeit  zu  nehmende  Blutquantität  richtet  sich  natürüch  nach 
der  zu  erwartenden  Harnsäuremenge. 

Schröder  hat  aus  Blut  von  Gänsen  bei  Anwendung  von  nur  etwa 
60  cw3  Blut  noch  6  mg  Harnsäure  erhalten.  Fetren  hat  bei  Verwendung 
von  etwa  200  cm,^  Menschenblut  (von  Kranken)  noch  Harnsäure  sicher 
nachweisen  können,  während  v.Jaksch  selbst  in  300  cm^  normalem  Menschen- 


*)  Das  Verfahren  ist  mit  kleinen  Abänderungen  benutzt  worden  unter  anderen  von 
Schröder,  Über  den  Harnsäuregehalt  des  Blutes  und  der  Leber  der  Vögel.  Beiträge  zur 
Physiol.  C.Ludwig  gewidmet.  Leipzig  1887.  S.  93.  —  K.  Pefren,  Über  das  Vorkommen 
von  Harnsäure  im  Blut  bei  Menschen  und  Säugetieren.  Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharm.  41. 
267/69  (1898).  —  v.  Jaksch,  Über  die  klinische  Bedeutung  des  Vorkommens  von  Harn- 
säure und  Xanthinbasen  im  Blut,  den  Exsudaten  und  Transsudaten.  Zeitschr.  f.  Heilk. 
Bd.  11.  415  42  (1890). 

^)  Andere  verdünnen  stärker  (bis  zum  lOfachen  Volum)  oder  koagulieren  durch 
Kochen  auf  dem  Drahtnetz  und  fügen  die  Essigsäure  erst  der  zum  Kochen  erhitzten 
Lösung  zu. 

^)  Das  Verfahren  findet  sich  genau  beschrieben:  Dieses  Handbuch.  Bd.  3.  S.  888. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        1h9 

blut  keine  Spur  von  Harnsäure  mit  Hilfe  des  angegebenen  Verf.ilirciis  nai 
finden  können. 

Brugsch  und  Schittcnhdm'^)  bereiten  das  Blut  zur  l'ntersuchung  auf 
Harnsäure  und  ihrer  quantitativen  Bestimmung  nach  dem  N'erfahren  von 
Ludtvicj-SalkoH'ski  oder  nach  dem  Verfahren  von  Krihjir-  Sihnid-)  in 
folgender  Weise  vor: 

Das  aus  einer  Vene  (oder  Arterie)  strömende  Blut  wird  mit  Ammon- 
oxalat  (O'o  (j  auf  '200  cni^  Blut)  aufgefangen.  Durch  Tnirühren  mit  ein<'m 
Glasstab  sorgt  man  für  innige  Mischung  des  Salzes  mit  dem  Blut  und 
verhindert  so  die  (Jerinnung.  Man  zentrifugiert  und  hel)t  das  riasma  dann 
ab.  (Will  man  auch  die  Blutkörperchen  auf  Harnsäure  untersuchen,  .so 
werden  sie  mit  0"9%igPr  Kochsalzlösung,  der  etwas  Ammonoxalat  zuge- 
setzt ist,  gewaschen.)  Die  Knteiweißung  geschieht  in  der  W\'ise,  dal»  man 
das  Plasma  (Serum  oder  Gesamthlut,  auch  P>lutkörperchen)  in  das  mehr- 
fache Volum  kochender  '  oVo^ger  KH.J'O^-Lösung  einflieiien  liilit;  das 
Koaguhim  wird  nach  dem  Abfiltrieren  mit  heißem  Wasser  ausgewaschen. 
Die  vereinigten  Filtrate  werden  auf  dem  Wasserbad  stark  eingeengt  und 
diese  Lösung  zur  Bestimmung  der  Harnsäure  verwendet. 

Die  zweite  Ai't  der  Enteiweißung,  das  P)lut  in  etwa  öVoige  niit  Essig- 
säure angesäuerte  siedende  NaCl-Lösung  einfließen  zu  lassen,  scheint  mir 
besonders  bei  Verwendung  der  Luduig  Salkoivskischon  Methode  dci-  Ilarii- 
säurebestimmung  der  großen  NaCl-Quantitäten  wegen  nicht  besonders 
empfehlenswert  zu  sein. 

Für  große  Blutmengen  —  mehrere  Liter  —  ist  nach  Brugsrh  und 
Schittenhelm^)  folgendes  Verfahren  zur  EnteiweiTiung  zu  empfehlen: 

Man  läßt  das  Blut  in  etwa  2 — oVoige  Koli-Lösung  -  ein  dem  an- 
zuwendenden Blut  mindestens  gleiches  Volum  —  einfließen ,  erhitzt  die 
Mischung  auf  dem  Drahtnetz  zum  Kochen  und  koaguliert  durch  tropfen- 
weisen Zusatz  von  verdünnter  Essigsäure;  will  man  ganz  sicher  sein,  alle 
Harnsäure  aus  dem  Koagulum  zu  entfernen,  so  trägt  man  dieses  nochmals 
in  etwa  öVoig"^  Kalilauge  ein  und  verfährt  nochmals  in  gleicher  Weise  wie 
anfangs.  Die  Filtrate  engt  man  dann  ein  und  führt  den  Nachweis  oder 
eventuell  die  quantitative  Bestimmung  nach  einer  der  oben  angegebenen 
Methoden  zu  Ende. 

Hypoxanthin. 

\'on  Verbindungen,  die  der  Harnsäure  nahestehen,  hat  Salkuirski  in 
leukämischem  P)lut  Hypoxanthin  nach  folgendem  Verfahren  nachgewiesen.*) 

*)  Th.  Bnnjsck  und  A.  Schittinlulni,  Zur  Stoffwechselpathologio  der  (liclit.  Zeit- 
schrift f.  exp.  Path.  u.  Ther.  4.  4;}8/45  (1007). 

-)  Beschreibung  tler  Methode  siehe  dieses  Handbuch.  Bd.  3.  S.  88.i.  Itruijsch 
und  SchittetihcJin  geben  dieser  Metliode  den  Vorzug. 

^)  Brugsch  w.  Schittetihclm ,  Zur  Stoffwechsclpatlrologif  der  (iirbt.  Zeitsfhr,  f. 
experim.  Path.  u.  Ther.  4.  438  45  (1907). 

■•)  Sftlkoirslci ,'*i'Rc\{Yi\]iQ  zur  Kenntnis  diT  I.i'ukaniic.  \irr/i<nr.s  .\n-hi\.  Ud.  50. 
174210  (1870).  —  Nacii  der  gleichen  Methode  arl-eiteie  auch  ^alomon,  BeitniL''-  zur 
Lehre  von  der  Leukämie.  Arcli.  f.  Anat.  u.  Physiol.  1876.  7G2/77. 


190  E.  Letsche. 

Das  Blut  wurde  durch  Kochen  (ohne  irgend  welchen  Zusatz)  koaguliert; 
dabei  wurde  die  Reaktion  schwach  sauer.  Das  Koagulum  wurde  abfiltriert, 
mehrmals  mit  heißem  Wasser  gewaschen  und  das  Filtrat  zuerst  auf  freiem 
Feuer,  dann  auf  dem  Wasserbad  eingeengt.  Die  sirupartige  Flüssigkeit 
wurde  bei  24stündigem  ruhigem  Stehen  gelatinös,  ohne  daß  eine  kristal- 
linische Fällung  zu  beobachten  war.  Die  Gallerte  wurde  in  wenig  Wasser 
gelöst,  man  gab  dann  Alkohol  zu,  kochte  mit  dem  Alkohol  auf,  trennte 
den  durch  Alkohol  hervorgerufenen  Niederschlag  nach  dem  Erkalten  ab, 
wusch  ihn  wiederholt  mit  Alkohol  und  engte  die  alkoholischen  Filtrate 
schließlich  bis  zum  Sirup  wieder  ein.  Dann  wurde  mit  Ammoniak  über- 
sättigt, eine  Fällung  abfiltriert  und  das  Filtrat  mit  Silbernitrat  gefällt.  Der 
Niederschlag  wurde  ausgewaschen,  mit  HgS  zerlegt  und  das  Filtrat  vom 
AgaS  zur  Trockene  eingedampft.  Das  gelbliche  Pulver  löste  sich  bis  auf 
einen  kleinen  Eest  in  verdünnter  H.,  SO4.  Auch  beim  Übersättigen  dieser 
Lösung  mit  Ammoniak  entstand  kein  Niederschlag,  also  fehlte  Harnsäure. 

Die  ammoniakalische  Lösung  wurde  wieder  mit  AgNOa  gefällt,  der 
Niederschlag  nach  dem  Auswaschen  mit  Wasser  in  Salpetersäure  (D  =  ri) 
heiß  gelöst;  beim  Abkühlen  dieser  Lösung  schieden  sich  die  charakteristi- 
schen Kristalle  von  Hvpoxanthinsilberoxyd  aus. 

Aminosäuren. 

Mit  Hilfe  der  von  Fischer  und  Bergell^)  angegebenen  Methode 
ist  es  gelungen,  Glykokoll  im  normalen  Rinderblut  nachzuweisen  und  die 
Gegenwart  einer  anderen  x\minosäure  wahrscheinlich  zu  machen.  Man  ver- 
fährt folgendermaßen  2): 

Möglichst  frisches  Rinderblut  (5  l  wird  mit  der  gleichen  Menge  H.,0. 
der  doppelten  Menge  2''/oi8'er  H  Gl  und  der  doppelten  Menge  5Voiger  Sub- 
limatlösung versetzt.  Der  Eiweißniederschlag  wird  nach  kurzem  Stehen 
abgesaugt,  das  Filtrat  durch  H2S  vom  Hg  befreit  und  der  überschüssige 
H-jS  durch  einen  Luftstrom  verjagt.  Das  P'iltrat  wird  genau  neutralisiert 
und  dann  je  6  l  Filtrat  (=  1  /  Blut  im  Vakuum  bei  einer  60°  nicht  über- 
steigenden Temperatur  des  Heizwassers  auf  500  cm^  eingeengt.  Man  fügt 
jetzt  diesen  bOO  cni^  Lösung  soviel  oo7oig'e  Natronlauge  zu,  daß  rotes 
Lackmuspapier  kräftig  gebläut  wird  (etwa  l'b  cm^),  saugt  die  sich  hierbei 
ausscheidenden  Phosphate  ab  und  schüttelt  nunmehr  die  völlig  klare,  in 
dicker  Schicht  gelbliche  Flüssigkeit  mit  etwa  100  c»i^  einer  öVoigen  äthe- 
rischen [i-Naphtalinsulfochloridlösung  9  Stunden  lang.  Von  3  zu  3  Stunden 
wird  die  Reaktion  der  Lösung  geprüft  und  falls  eine  Abschwächung  der 
alkalischen  Reaktion  eingetreten  ist,  wieder  etwas  Na  OH   zugefügt.    Man 


^)  E.  Fischer  und  P.  Bergeil,  Über  die  ß-Naphtaliusulfoderivate  der  Aminosäuren. 
Berichte  der  Deutsch.  Chem.  Gesellsch.  35.  III.  3779  (1902). 

■^)  Ä.  Bingel,  Über  die  Gewinnung  von  Glykokoll  aus  normalem  Blut.  Zeitschr. 
f.  physiol.  Chem.  H.  S.  57.  384  (1908). 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        \c^\ 

trennt  den  Äther  al),  filtriert  die  wässerige  Lösunf,^  siluort  mit  HCl  <in 
und  schüttelt  die  sich  hierl)ei  bildende  starke  Fülhinji  mit  Äther  aus.  Der 
Äther  wird  mit  H.>(>  <>:ewaschen.  nach  Zusatz  von  weni},^  Wasser  alidcstil- 
liert  und  der  gelbe  ölige  Rückstand  mit  NII3  bis  zur  schwach  alkalischen 
Reaktion  versetzt.  Ungelöst  bleibt  das  Amid  der  [i-Naphtalinsiilfosaure, 
das  man  durch  2 — omaliges  Ausschütteln  mit  Äther  entfernt.  Aus  der 
schwach  ammoniakalischen  wässerigen  Lösung  scheidet  man  durch  HCl 
die  Naphtalinsulfoverbindungen  ab,  schüttelt  sie  mit  Äther  aus,  wäscht  die 
Ätherlösung  mit  Wasser  und  destilliert  schließlich  den  Äther  nach  Zugabe 
von  wenig  Wasser  ab.  Der  Rückstand  wird  mit  Wasser  auf  etwa  .'>(.»  cm'^ 
gebracht,  auf  dem  Wasserbad  erwärmt  und  das  VuLrelöste  abfiltriert.  Das 
erkaltende  Filtrat  wird  mit  [i-NaphtalinsulfogiykokoU  geimpft:  die  Ausschei- 
dung erfolgt  dann  rasch  und  wird  im  Eisschrank  vervollständigt. 

Der  bei  der  ersten  Rehandlung  mit  Wasser  ungelöst  bleibende  Rück- 
stand wird  ein  zweites  und  eventuell  noch  ein  drittes  Mal  mit  wenig 
Wasser  erwärmt  und  heiü  filtriert. 

Durch  wiederholtes  Umkristallisieren  ist  das  [i-Naphtalinsulfogiyzin 
zu  reinigen. 

Bemerkenswert  ist.  daß  das  von  Amid  befreite  IJohjjrodukt  in  alko- 
hohsch-ammoniakalischer  Lösung  die  Ebene  des  polarisierten  Lichtes  nach 
rechts  dreht.  Es  enthält  also  das  Rohprodukt  zweifellos  die  Naphtalin- 
sulfo Verbindung  entweder  einer  höheren  Aminosäure  oder  einer  poly- 
peptidartigeu  Substanz. 

Weniger  glücklich  als  Bingel  war  Hotvell^),  der  ebenfalls  die  ^i-Naph- 
talinsulfochloridmethode  anwandte,  zur  Enteiweißung  aber  ein  \"crfahren 
benutzte,  das  in  anderen  Fällen  vielleicht  gute  Dienste  leisten  kann.  Er 
trennt  die  Aminosäuren  durch  Dialyse  ab  und  verwendet  dazu  Kollodium- 
membranen, die  er  in  folgender  Weise  herstellt: 

Man  stellt  sich  eine  etwa  5 — 67oi^e  Lösung  von  Schießbaumwolle 
in  einem  Gemisch  von  gleichen  Teilen  absolutem  Alkohol  und  .Vthcr  her 
und  gießt  die  Lösung  in  einen  Erlenmeyerkolben  von  dem  Faßraum,  den 
die  Membran  etwa  haben  soll  (Houell  wandte  solche  mit  2öü  cm^  Inhalt 
an).  Unter  gleichmäßigem  Rotieren  des  Kolbens  verteilt  man  die  Lösung 
über  die  innere  Oberfläche  des  Kolbens  und  läßt  unter  beständigem  gleich- 
mäßigem Drehen  den  Überschuß  wieder  ausfließen.  Das  Drchcu  muß  einige 
Minuten  fortgesetzt  werden,  bis  die  Schicht,  welche  die  (ilaswandung  be- 
deckt, oberflächlich  trocken  geworden  ist.  Die  Flasche  wird  jetzt  mit 
Wasser  gefüllt,  die  Membran  am  Kolbenhalsrand  mit  Hilfe  eines  Messers 
abgelöst  und  mit  Hilfe  eines  Glasstabes  oder  eines  Spatels  vorsichtig  auch 
ein  Stück  weit  von  der  Wandung  des  Halses  losgelöst.  Man  entleert  jetzt 
die  Flasche  und  kann  die  ganze  Membran  be(iuem  1os1ös(mi.  dadurch,  daß 
man  einen  Wasserstrom    zwischen   (ilaswand    und    Membiau    fließen    läßt. 


M  W.  H.  Jlowell ,  Note  upon  the  presence  of  aniido  aoids  in  the  Mood  and 
lymphe  as  detcrmiued  bv  the  ß-Naphtalinsulfochloride  reaotion.  Am.  Journ.  u£  rbjsiol. 
17.  273  79  (1906,07). 


192  E.  Letsche. 

Ist  die  Membran  auf  diese  Weise  losgelöst,  so  läßt  sie  sich,  ohne  Schaden 
zu  nehmen,  aus  dem  Kolben  herausziehen;  bis  zum  Gebrauch  bewahrt  man 
sie  unter  Wasser  auf.  Für  die  Dialyse  kittet  man  in  die  Öffnung  dieser 
„Kollodiumflasche"  mit  Hilfe  von  Kollodium  eine  Glasröhre  von  30  bis 
40  cDi  Länge  und  sichert  diese  Verbindung  durch  Umwickeln  mit  Bind- 
faden. (Das  Rohr  hat  den  Zweck,  zu  verhindern,  daß  beim  Zunehmen  der 
Flüssigkeitsmenge  in  der  „Flasche"  infolge  des  osmotischen  Druckes  der 
Inhalt  überfließt.) 

Die  „Flasche"  beschickt  man  mit  Blut  oder  Serum,  hängt  sie  in  ein 
Gefäß  mit  2 — 4  l  Wasser  und  dialysiert  5 — 24  Stunden.  Das  Dialysat,  in 
dem  die  Aminosäuren  sich  finden  müssen,  engt  man  auf  50 — 100  cm^  ein 
und  benutzt  die  eingeengte  Flüssigkeit  direkt  für  die  Reaktion  mit 
ß-Naphtalinsulfochlorid.  i)  Zur  Entfernung  der  Aminosäuren  aus  dem  Serum 
(Blut)  genügt  es,  5 — 6  Stunden  zu  dialysieren ;  dialysiert  man  länger,  so 
trübt  sich  die  sonst  klare  Flüssigkeit  infolge  des  Durchtrittes  von  etwas  Globulin. 

Aus  Serum  von  einem  Fall  von  akuter  Leberatrophie  haben  Neu- 
berg und  Richter  Leucin  und  Tyrosin    in  folgender  Weise  isoliert. 2) 

Das  abgehobene  Serum  heß  beim  Stehen  im  Eisschrank  über  Nacht 
Tyrosin  in  beinahe  vollkommen  reinem  Zustande  ausfallen.  Das  Filtrat 
dieser  spontanen  Kristallisation  wird  mit  Essigsäure  bis  zu  eben  wahr- 
nehmbarer saurer  Reaktion  versetzt  und  diese  Flüssigkeit  in  etwa  das 
öfache  Volumen  kochend  heißen  Wassers  einfließen  gelassen,  und  zwar  nur 
so  rasch,  daß  das  Kochen  nicht  unterbrochen  wird.  Man  filtriert,  wäscht 
das  Koagulum  mit  heißem  Wasser  aus  und  engt  die  vereinigten  Filtrate 
auf  etwa  20  cm^  ein.  Dieser  vollkommen  eiweißfreie  Sirup  ist  nach 
48  Stunden  zu  einem  Kristallbrei  von  vorwiegend  Leucin  und  wenig  Tyro- 
sin erstarrt.  Man  rührt  den  Brei  mit  10 cm'^  Eiswasser  an  und  saugt  die 
Kristalle  ab.  Tyrosin  und  Leuzin  werden  durch  kochenden  Alkohol  ge- 
trennt, wobei  Leuzin  in  den  Alkohol  geht  und  beim  Verdunsten  des  Al- 
kohols in  reinem  Zustande  zu  erhalten  ist.  Das  Filtrat  von  Leuzin  und 
Tyrosin  wird  nach  dem  Verfahren  von  Kossei  und  Kutscher^)  auf  Lysin, 
Arginin  und  Histidin  untersucht,  wobei  sich  das  Vorhandensein  von  Lysin 
in  ziemhch  reichlicher  ]\Ienge  und  das  Fehlen  von  Arginin  und  Histidin  ergab. 

Proteinsäuren.*) 
Zu  den  N-haltigen  Extraktivsubstanzen  sind  schließlich  auch  noch  die 
Proteinsäuren,   deren  Nachweis  und  Isolierung  aus  dem  Blut  in  folgender 
Weise  gelungen  ist,  zu  rechnen. 

^)  Die  weitere  Verarbeitung  ist  die  gleiche  ^Yie  bei  Bingel. 

-)  Neuler g  und  Richter,  t)ber  das  Vorkommen  von  freien  Aminosäuren  im  Blut 
bei  akuter  Leberatropbie.  Deutsche  med.  Wocheuschr.  1904.  S.  499. 

^)  A.  Kossei  und  Fr.  Kutscher,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Eiweißkörper.  Zeitschr. 
f.  physiol.  Chemie.  31.  165  (1900). 

Eine  genaue  Beschreil)ung  der  Methode  samt  ihren  Verbesserungen  findet  sich 
in  diesem  Handbuch.  Bd.  2.  S.  498 ff. 

•*)  Broirinski,  Über  die  Gegenwart  von  Proteiusäuren  im  Blut.  Zeitschr.  f.  physiol. 
Chemie.  58.  134/46  (1908). 


Metlioden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzclnon  Ik-strind».!!.. 

Dcfihriniertes  Pferdeblut  wird  /iir  Ahtreiimui^'  der  Fonneleiiicnte 
ausgeschleudert.  Das  abgchohene  Serum  verdünnt  man  mit  dem  gleichen 
Volum  Wasser,  säuert  mit  Kssii^säure  an  und  entfernt  durch  Ilitzekoagu- 
lation  die  Kiweilikörper.  Der  Kiweiliniedcrschlag-  wird  kollicrt,  ansgeprellt 
und  mit  Wasser  nochmals  aufgekocht.  Ihc.  \ ereinigten  l'iltratc  werden  im 
Vakuum  eingeengt,  die  eingeengte  Flüssigkeit  nochmals  unter  Zusatz  von 
etwas  Essigsäure  aufgekocht  und  wieder  filtriert.  Sind  dir  eben  erwähnten 
Manipulationen  richtig  ausgeführt,  so  enthält  die  Flüssigkeit  nnr  noch 
Si)uren  von  Fiweiß.  Die  aus  etwa  100 1  Serum  erhaltene  Flüssigkeit  wird 
bei  essigsaurer  Ileaktion  solange  mit  Quecksilberazetat  versetzt,  als  noch 
ein  Niederschlag  entsteht.  Dieser  Niederschlag  (I)  enthält  Crochrom  iiml 
Antoxyproteinsäure. 

Das  Filtrat  dieses  Niederschlags  wird  mit  Soda  und  Quecksilber- 
azetat bis  zum  Auftreten  von  gelbem  (.»uecksilbero.xvd  versetzt:  Nieder- 
schlag II  enthaltend  Oxy-  und  Alloxyproteinsäure. 

Niederschlag  I  wird  durch  H.,S  zerlegt,  das  HgS  abfiltriert  und  d<r 
HgS-Überschuß  durch  einen  Luftstrom  verdrängt. 

Durch  Ca(0H)2  fällt  man  die  Phosphorsäure,  entfernt  den  Kidküber- 
schul)  durch  Kohlensäure  und  engt  das  Filtrat  von  CaCOg  bis  zum  Sirup 
ein.  Diesen  gießt  man  in  viel  96 "/oigen  Alkohol,  filtriert  den  Niederschlag  nach 
24  Stunden  ab  und  löst  ihn  in  etwa  Va  ^  Wasser.  Man  säuert  mit  F]ssig- 
säure  an  und  fügt  Kupferazetat  zu.  solange  noch  ein  Niederschlag  ent- 
steht. Dieser  grünbraune  Niederschlag  ( A)  wird  abfiltriert ;  das  Filti'at 
hiervon  gibt  nach  vorsichtigem  Neuti-alisieren  mit  Ammoniak  nach  mehreren 
Stunden  einen  hellgrünen  Niederschlag  (B),  dessen  Filtrat  (C)  zui-  T'nter- 
suchung  auf  Antoxyproteinsäure  dient. 

Die  beiden  Niederschläge  A  und  B  werden  durch  H-^S  von  Kupfer 
befreit  und  aus  dem  Filtrat  vom  CuS  der  Schwefelwasserstoff  verjagt.  Die 
Lösungen  enthalten  nach  AusAveis  der  Reaktionen  beide  Urochrom. 

Auf  Antoxyproteinsäure  wird  das  Filtrat  (C)  in  folgender  Weise 
untersucht.  Das  Kupfer  entfernt  nuin  durch  IIjS,  den  Cberschul»  an  letz- 
terem aus  dem  Filtrat  vom  CuS  durch  einen  Luftstrom  und  fällt  den 
Kalk  mit  Oxalsäure.  Aus  dem  Filtrat  vom  Kalziumoxalat  zieht  man  durch 
Äther  die  Essigsäure  aus,  die  essigsäurefreie  Lösung  schüttelt  man  zur 
Entfernung  eventuell  mitgerissener  Säuren  der  Alloxyproteinsäurcgruppe 
mit  frisch  gefälltem  Bleihydroxyd,  das  Filtrat  wird  durch  Baryt  von  über- 
schüssigem Blei  und  das  neuerliche  Filtrat  durch  Kohlensäuri'  von  über- 
schüssigem Baryt  befreit.  Das  Filtrat  vom  BaC(>3  wiid  im  \'akuum  ein- 
geengt und  aus  dieser  Lösung  das  Baryumsalz  der  Antoxyproteinsäure 
durch  Zusatz  von  Alkohol  gefällt.  Zu  weiterer  Beinignng  löst  man  das 
I'>aryumsalz  in  HoO,  versetzt  die  Lösung  mit  der  zur  Ausfidlung  des 
Baryums  eben  notwendigen  Menge  von  Na. SO4.  fällt  mitAgN(>3  vorsichtig 
das  in  der  Lösung  sich  findende  Chlor  aus  und  fügt  dann  zur  AnsfiUlunR 
der  Antoxyproteinsäure  als  Silbersalz  AgNOj  zu. 

Abderli  aldon  ,  Handbuch  der  biochemischen  Arboitsmothodpo.  V.  13 


194  E.  Letsche. 

Zur  Untersuchung  auf  Oxy-  und  Alloxyp  rotein  säure  wird  der 
wie  oben  beschrieben  erhaltene  Niederschlag  II  verwendet. 

Durch  H2  S  entfernt  man  das  Quecksilber;  aus  dem  Filtrat  vom 
HgS  verjagt  man  den  Schwefelwasserstoff  durch  einen  Luftstrom  und  gibt 
zu  der  Lösung  Ba  (ÜH)2 ;  den  Überschuß  entfernt  man  durch  Kohlensäure 
und  fügt  zum  Filtrat  vom  BaCOs  Bleiessig,  wodurch  AUoxyproteinsäure 
gefällt  und  von  Uxyproteinsäure  getrennt  wird. 

Der  Bleiniederschlag  wird  mit  Oxalsäure  (soviel  bis  Kongopapier 
blau  wird)  zersetzt;  dem  Filtrat  fügt  man  Ba(0H)2  zu,  entfernt  den 
Überschuß  an  letzterem  durch  Kohlensäure  und  engt  das  Filtrat  vom 
BaCOg  auf  wenige  Kubikzentimeter  ein.  Durch  Eintragen  dieser  Lösung 
in  starken  Alkohol  wird  alloxyproteinsaures  Baryum  gefällt,  das  man  wie 
oben  bei  der  Antoxyproteinsäure   beschrieben   in   das  Silbersalz  überführt. 

Aus  dem  Filtrat  vom  Bleiniederschlag  der  Alloxyproteinsäure ,  das 
die  Oxyproteinsäure  enthalten  muß,  fällt  man  durch  Nag  CO3  das  Blei; 
zum  Filtrat  vom  basischen  Bleikarbonat  fügt  man  Quecksilberazetat  bis 
zum  Gelbwerden  (von  Hg  0)  der  Fällung.  Dieser  Niederschlag  wird  in  der 
bei  der  Antoxyproteinsäure  beschriebenen  Weise  in  das  Baryumsalz  und 
dieses  in  das  Silbersalz  übergeführt. 

Über  die  Charakterisierung  dieser  Säuren  ist  die  von  Bona  ^)  in 
diesem  Handbuch  gegebene  Darstellung  nachzusehen. 

Dort  findet  sich  auch  eine  Methode  beschrieben  zur  quantitativen 
Bestimmung  der  Proteinsäuren  im  Blute.  2) 

b)  N-freie  Extraktivsubstanzen. 

Milchsäure. 

Zur  IsoUerung  und  gleichzeitigen  quantitativen  Bestimmung  von 
Milchsäure  im  Blut  verfahren  Saito   und  Katsuyama^)  folgendermaßen: 

Das  gewogene  Blut  wird  mit  dem  6fachen  Volumen  96Voigen  Alkohols 
versetzt  und  nach  12stündigem  Stehenlassen  unter  zeitweisem  LTmrühren 
abfiltriert.  Der  Rückstand  wird  noch  4— 5mal  mit  Alkohol  (96 Vo)  aus- 
gezogen und  ausgepreßt. 

Aus  den  vereinigten  Alkoholauszügen  wird  der  Alkohol  abdestilliert, 
der  Rückstand  in  wenig  Wasser  aufgenommen,  mit  einigen  Tropfen  Soda- 
lösung schwach  alkalisch  gemacht  und  zur  Entfernung  der  Fette  etwa 
5mal  mit  Äther  geschüttelt.  Die  entfettete  Flüssigkeit  wrd  mit  dem 
gleichen  Volum  mäßig  verdünnter  Phosphorsäure  angesäuert  und  6mal 
mit  dem  öfachen  ^'olum  Äther  geschüttelt.  Der  nach  dem  Abdestillieren 
des  Äthers  zurückbleibende  Sirup  wird   mit  Barytwasser   neutralisiert,  ein 


»)  Dieses  Handbuch.  Bd.  3.  S.  819  (1910). 

*)  Dieses  Handbuch.  Bd.  3.  S.  823  (1910). 

*)  Saito  und  Katsuyama,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Milchsäurebildung  im 
tierischen  Organismus  bei  Sauerstoffmangel.  Zeitschr.  f.  physiol.'  Chem.  32.  214/30 
(S.  217)  (1901). 


I 


Methoden  zur  Aufarl)citun),f  dos  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile'.        nj^j 

hierbei  entstehender  Niederschlafj:'  abfiltiicrt  und  aiisf^e waschen.  I)ie  {ge- 
samten Filtrate  werden  nach  dem  Ausfällen  des  Baryts  mit  verdünnter 
H2SÜ4  auf  dem  Wasserbad  konzentriert  und  mit  Äther  erschöpft.  Von  den 
klar  abgegossenen  Atherextrakten  wurde  der  Äther  al)destilliert.  der  liück- 
stand  mit  Wasser  und  überschüssigem  /inkoxyd  gekocht,  heili  filtriert  und 
gut  ausgewaschen.  Die  filtrierte  Losung  wurde  in  einem  gewogenen  Schillchcn 
auf  dem  Wasserbade  auf  ein  kleines  A'olumen  verdunstet  und  unter  /usat/. 
von  einigen  Tropfen  Alkohol  zur  Kristallisation  stehen  gelassen. 

Ganz  ähnlich  verfahren  auch  andere  Untersucher  bei  der  Isolierung; 
eine  kleine  Abänderung,  die  vielleicht  eine  kleine  Abkürzung  der  Arbeit 
bedeutet,  hat  Loekemann^)  getroffen.  Er  verfährt  bis  zum  Verdunsten  des 
die  Milchsäure  enthaltenden  Äthers  genau  wie  Salto  und  Kdtsuyanut.  I>ann 
aber  ist  sein  Verfahren  folgendes : 

Der  beim  Abdestillieren  des  Äthers  bleibende  Kückstand  wird  mit 
HgÜ  aufgenommen  und  diese  Lösung  mit  PbCüa  (das  frei  von  löslichen 
Bleisalzen  sein  soll)  einige  Zeit  erwärmt.  Man  läßt  abkühlen,  filtriert, 
entbleit  2)  das  Filtrat  mit  H.,  S,  entfernt  aus  dem  neuen  Filtrat  vom  l'bS 
den  H,  S  durch  Erwärmen  der  Lösung  auf  dem  Wasserbad  und  entfärbt 
das  Filtrat,  falls  es  noch  gefärbt  sein  sollte,  mit  'J'ierkohle.  Dann  kocht 
man  die  Lösung  längere  Zeit  mit  ZnCOj,  filtriert  heiß  und  läßt  das  Filtrat 
im  Vakuum  über  H,  SO4  verdunsten,  wobei  das  /inklaktat  in  Kristallen 
sich  ausscheidet. 

Äthylalkohol. 

Äthylalkohol  hal)en  Jolli/  und  Food  in  normalem  Blut  nachweisen 
können.  JoUy  ^j  wendet  zum  Nachweis  folgendes  Verfahren  an : 

500 .r/  Rinderblut  werden  mit  dem  doppelten  Gewicht  einer  gesättigten 
Nag  SOi-Lösung  versetzt,  das  Ganze  gut  gemischt  und  sofort  einer  lang- 
samen Destillation  unterworfen.  Man  läßt  etwa  öOcy/zMibergehen  und  i)rüft 
in  diesem  Destillat  auf  Alkohol  durch  vorsichtigen  Zusatz  einer  verdüuiiten 
Chromsäurelösung,  die  gestattet,  Alkohol  noch  in  einer  Verdünnung  von 
1 :  5000  nachzuweisen. 

Ein  Teil  des  Destillats  dient  zur  Herstellung  von  Jodoform  und 
schließhch  verwendet  man  eine  Probe  zur  Herstellung  des  nach  Ananas 
duftenden  Athylbutyrats. 

Food*)  läßt  das  Blut  ohne  Zusatz  und  sucht  durch  wiederholte 
Fraktionierung  möglichst  reinen  Alkohol    zu  erhalten.    Kr   erhitzt   Blut    so 


')  Locl-cmann,  Nachweis  von  Fleischniilrhsäure  im  Blut,  T'rin  und  Zendirospinal- 
flüssigkeit  eklauiptisclier  Frauen.  Deutsche  med.  Wochensclir.  53.  2W  (ISKM")). 

*)  In  manchen  Fallen  soll  nach  Angahen  von  Locktmaiin  mit  H,  S  kein  Nieder- 
schlag entstehen.  Die  Intersuchung  mulJ  aber  trotzdem  in  der  angegebenen  Weise 
weitergeführt  werden. 

^)  JoUi/,  Sur  l'oxydation  du  glucose  dans  le  sang.  Compt.  Rend.  137.  771/72  (1903). 

*)  W.  Hutson  Food,  Note  on  thc  presence  of  alcohol  in  nnrinal  blood  and  tissiies 
and  its  rolation  to  calorifaction.  Journ.  of  l'hysiol.  34.  430/43  (IDOG). 

13* 


196  E.  Letsche. 

rasch  als  möglich  auf  100"  und  destilliert  dann  aus  einem  Kochsalzbad  so 
lange,  bis  eine  genügend  scheinende  Menge  übergegangen  ist.  Dieses  erste 
Destillat  wird  durch  mehrmaliges  —  bis  zu  12  Mal  —  Fraktionieren  ge- 
reinigt, bis  man  schließlich  1 — 'dcm^  eines  neutralen  farblosen  Destillats 
erhält,  das  durch  seine  Brennbarkeit,  sein  Verhalten  gegen  verdünnte 
Chromsäurelösung,  durch  die  Bildung  von  Jodoform-  und  Äthylbutyrat  als 
Äthylalkohol  sich  charakterisiert. 

* 

Glyzerin. 

Neben  freiem  Äthylalkohol  findet  sich  auch  der  biologisch  wichtigste 
dreiwertige  Alkohol,  das  Glyzerin,  in  freiem  Zustande  im  Blut. 

Die  Bestimmung  geschieht  am  besten  nach  dem  Zeisehah&w  Jodid- 
verfahren  i)  unter  Einhaltung  der  zur  Vorbereitung  des  Blutes  für  diesen 
Zw'eck  von  Tangl  und  Weiser  -)  angegebenen  Vorschriften : 

1  kg  Blut  (ganz  ebenso  gestaltet  sich  natürlich  das  Verfahren  auch 
bei  Verwendung  von  Plasma  oder  Serum)  wird  in  2 — o  l  967oigen  Alkohols 
unter  beständigem  Umschütteln  aufgefangen.  Zur  Ermittlung  des  Gewichtes 
des  angewandten  Blutes  ist  die  Flasche  mit  Alkohol  vorher  und  nachher 
zu  wägen.  Nach  etwa  24stündigem  Stehen  wird  der  Niederschlag  abgesaugt, 
in  einer  Schale  mit  Alkohol  zerrieben  und  nochmals  auf  das  Filter  gebracht. 
Diese  Prozedur  wiederholt  man  zweimal  und  preßt  den  Niederschlag  in  einer 
Buchnerpresse  (300  Atmosphären)  aus.  Aus  den  vereinigten  Filtraten  wird 
der  Alkohol  al)destilliert ;  schäumt  die  im  Kolben  bleibende  Flüssigkeit  zu 
stark;  so  geschieht  das  Eindampfen  in  Porzellanschalen  auf  dem  Wasser- 
bad, bis  die  letzten  Spuren  des  Alkohols  verschwunden  sind,  was  in  5  bis 
6  Stunden  der  Fall  ist.  Besondere  Vorsicht  ist  darauf  zu  verwenden,  daß 
keine  Eindampfungsringe  an  der  Wand  der  Schale  sich  bilden,  weil  sonst 
Glyzerin  Verluste  unvermeidlich  sind.  Man  verhütet  ihre  Bildung  dadurch, 
daß  man  jede  halbe  Stunde  mit  Wasser  die  Schalenränder  nachspült.  Die 
zurückbleibende,  schmutzig-grünUchgelbe  Flüssigkeit  versetzt  man  nach  dem 
Ansäuern  mit  Essigsäure  mit  Phosphorwolframsäure,  solange  noch  ein 
Niederschlag  entsteht  3)  (Essigsäure  verwendet  man  statt  HaSO^,  um  die 
Zahl  der  Substanzen,  die  man  entfernen  muß,  nicht  noch  zu  erhöhen). 
Der  Niederschlag  wird  mit  Hilfe  der  Zentrifuge  entfernt  und  mit  schwach 
essigsaurem  Wasser  wiederholt  gewaschen.  Filtrat  und  Waschflüssigkeit 
wird  zur  Entfernung  von  Fett,  Phosphatiden,  Cholesterin  mit  unter  60*^ 
siedendem  Petroläther  ausgeschüttelt,  bis  eine  Probe  beim  Verdunsten 
keinen  Rückstand  mehr  hinterläßt.  Die  jetzt  vollständig  von  Eiweiß,  Fett, 
Lezithin    und  Cholesterin    befreite    wässerige    Flüssigkeit    wird    auf    dem 


*)  S.  Zeisel  und  R.  Fanto,  Über  ein  neues  ^"erfahren  zur  Bestimmung  des 
Glyzerins.  Zeitschr.  f.  d.  landwirtschaftliche  Versuchswesen  in  Österreich.  Bd.  5.  729 
(1902). 

-)  Fr.  Tangl  und  St.  Weiser,  Üher  den  Glyzeringehalt  des  Blutes  nach  Unter- 
suchungen mit  dem  ZeisehQh&n  Jodidverfahreu.  Pßüyers  Archiv.  115.  152  (190G). 

'■^)  Zur  Entfernung  von  Eiweiß. 


Methoden  zur  Aufarhcituiif^  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        19? 

Wasserbad  einpreenfft.  mit  überschüssiger  konzcntrierti'r  llarytldsmi^r  (um 
Sulfate,  Phosphate  uiid  rhosphorwolfranisäure  zu  entfenien)  versetzt  umi 
der  Barytüberschuit  durch  CO.,  entfernt.  Das  Filtrat  vom  liaCO,  wird 
mitsamt  den  Waschwässern  auf  dem  Wasserl)ad  bis  auf  etwa  läOrm' 
ein«ieengt.  Auch  hier  düifen  sich  keine  Eindampfungsringe  bilden.  Zur  Knt- 
fernung  von  Chloriden  hißt  man  die  eingeeni^te  Lösung  in  die  4-  bis  r)fache 
Menge  96Voiti'en  Alkohols  einflielien,  wuscht  den  Niederschlag  mit  absolutem 
Alkohol  und  engt  Filtrat  und  Waschalkohol  ein.  Zur  Entfernung  der  letzten 
Reste  von  Chloriden  i)ehandelt  man  die  Lösung  mit  frisch  gefälltem  Ag.  (J  und 
engt  das  Filtrat  vom  AgCl-Niederschlag.  den  man  mit  IMV'oigeni  Alkohol 
wäscht,  unter  allmählichem  Zusatz  von  Wasser  —  um  sicher  allen  Alkohol 
zu  entfernen  —  auf  etwas  weniger  als  öOcw^  ein.  Man  bringt  die  gelbliche 
Flüssigkeit  in  ein  Meßkrtlbchen  zu  öOcni^,  füllt  mit  Wasser  zur  Marke  auf  und 
unterwirft  20 cm^  —  bei  Anwendung  von  Ihr/  Blu-t  400//  Blut  entsprechend 
—  dem  Jodidverfahren.  Diese  '20 cm^  engt  man  in  dem  Siedekiilijchen  des 
Jodidapparates  in  einem  starken  Luftstrom,  den  man  durch  das  Kölbchen 
oberhalb  der  J'lüssigkeit  streichen  läßt,  auf  einem  schwach  geheizten 
Wasserbad  auf  die  vorgeschriebenen  bcm^  ein.  Wegen  der  Ausführung  der 
Bestimmung  sei  auf  die  in  Band  2  dieses  Handbuches  auf  Seite  2 IC)  18 
von  Röhmunn  gegebene  Darstellung  verwiesen. 

Azeton. 

Der  Nachweis  und  die  l>estimmung  von  Azeton  im  Blut  kann 
in  folgender  Weise  ausgeführt  werden.  ^) 

100  ciii'-'^  VAwi  verdünnt  man  mit  der  4 — 5fachen  Menge  einer  1-  bis 
27oigen  Lösung  von  primärem  Kaliumphosphat :  von  diesem  Gemisch 
werden  unter  guter  Kühlung  etwa  100 ctn^  abdestilliert;  das  Destillat 
wird  mit  H.,  S()^  angesäuert  und  nochmals  der  Destillation  unterworfen, 
wobei  man  wieder  etwa  Vi — \4  überdestillieren  läßt.  In  diesem  neuen 
Destillat,  das  man  natürlich  auch  zur  Anstellung  der  Azetonreaktionen 
verwenden  kann,  bestimmt  man  das  Azeton  nach  Mcsnui/cr-Hupjxrf.-) 

Statt  das  Blut  zu  verdünnen  und  das  Azeton  al)destillieren.  ohne 
die  Eiweißkörper  zu  entfernen,  ist  es  manchmal  zweckmäßig,  das  Blut 
zu  enteiweißen.  Emhden  und  Kalhcrhih  verwenden  das  Verfahren  von 
Schenk^)  für  diesen  Zweck  und  destillieren  dann  400-  500r///3  des  eiweili- 
freien  Filtrats. 

Will  man  in  normalem  Blut  Azeton  in  der  Form  von  l)il)enzal;i/eton 
nachweisen,  so  werden  mindestens  öOO (•///='  Blut  —  noch  besser  aber 
w-esentlich  größere  Quantitäten  einem  der  oben  skizzierten  ^'erfahren  untor- 


')  G.  Emhdeu  uiul   /•'.  Kalberlah,  Über  Azetonbildunir  in  der  Leber.    Ilof'meüters 
Beiträge.  8.  122  (1908). 

-)  Über  die  Ausführung  dieser  Bestimniiuiir  siehe  dieses  Handbuch.  Bd.  3.  S.  912 

(191Ü). 

»)  Siehe  dieses  Handbuch.  Bd.  2.  S.  1H4  (.1910). 


]gg  E.  Letsche. 

worfen;  durch  wiederholtes  Destillieren  sucht  man  ein  möglichst  azeton- 
reiches Destillat  zu  erhalten  und  fängt  das  letzte  Destillat  schUeßUch  in 
Reagenzgläsern  zu  je  15 — 20  cni^  auf.  Der  Inhalt  jeden  Glases  wird  mit 
2cni^  10^/oiger  Natronlauge  und  2  Tropfen  Benzaldehyd  versetzt,  die 
Flüssigkeit  zur  Lösung  des  Benzaldehyds  umgeschüttelt  und  der  Inhalt  der 
gut  zu  verschUeßenden  Gläser  bei  Zimmertemperatur  sich  selbst  überlassen. 
Im  Verlauf  mehrerer  Tage  geht  die  anfängliche  Trübung  in  einen  Nieder- 
schlag über;  man  saugt  ihn  ab,  wäscht  ihn  alkalifrei  und  löst  ihn  in 
wenig  heißem  Alkohol;  dieser  Lösung  fügt  man  bis  zur  beginnenden 
Trübung  Wasser  zu  und  läßt  sie  langsam  abkühlen.  Der  Schmelzpunkt  des 
Kondensationsproduktes  ist  schon  nach  einmaligem  Umkristallisieren  — 
sicher  aber  nach  zweimaUgem  ■ —  der  richtige,  nämlich  112°. 

Hat  man  die  Aufgabe,  im  Blut  vorgebildetes  Azeton  neben  Ge- 
samtazeton (vorgebildetes  -f-  Azeton  aus  Azetessigsäure)  zu  bestimmen, 
so  führt  folgendes  Verfahren  von  Emhden  und  Engel'^)  ziemUch  rasch 
und  sicher  zum  Ziel. 

In  500  fw« 3  des  nach  der  Methode  von  Schenk-)  gewonnenen  Blut- 
filtrats  bestimmt  man  in  der  oben  angegebenen  Weise  das  Gesamtazeton 
nach  Messinfier-Huppert. 

Eine  ebenfalls  500  cm^  betragende  Filtratmenge  wird  genau  neutrali- 
siert. Durch  eine  Vakuumdestillation,  deren  Geschwindigkeit  man  so  regu- 
liert, daß  in  50—60  Minuten  etwa  100  rm^  Destillat  übergehen,  entfernt 
man  das  vorgebildete  Azeton  und  bestimmt  es  in  bekannter  Weise.  Nach 
Beendigung  der  Vakuumdestillation  säuert  man  die  im  Destillationskolben 
zurückgebhebene  Flüssigkeit  an  und  destilliert  das  ..Azeton  aus  Azetessig- 
säure'" bei  Atmosphärendruck  ab. 

Während  die  vorerwähnten  Methoden  zum  Nachweis  und  zur  Be- 
stimmung des  Azetons  im  Blut,  die  Verarbeitung  recht  erheblicher  Blut- 
mengen nötig  machen,  genügen  bei  der  von  Oppenheimer  ^)  angege- 
benen Methode,  die  auf  Versuchen  von  Deuiges*)  beruht,  ganz  kleine 
Blutmengen  (etwa  3 — 5  crn^). 

Das  Prinzip  der  Methode  ist  folgendes:  Azeton  gibt  beim  Erhitzen 
mit  saurem  Quecksilbersulfat  einen  in  H-.O  unlöslichen  Niederschlag  von 
der  Zusammensetzung:  (2  Hg  SO,  3  Hg  0)3 .  4  CO  (CH3),  (?). 


')  G.  Emhden  und  H.  Engel,  Über  Azetefsigsäurebilduug  in  der  Leber.  Hofmeisters 
Beitr.  11.  323  (1908). 

*)  Fr.  Schenk,  Über  Bestimmung  und  Umsetzung  des  Blutzuckers.  Pflüyers  Arch. 
55.  203  11  (1894).  Das  Verfahren  besteht  darin,  daß  man  Blut  (Serum)  auf  das  Doppelte 
verdünnt,  dieser  Lösung  auf  1  Volumen  Blut  erst  2  Volumina  2*'/oiger  Salzsaure,  dann 
2  Volumina  ö'/oiges  Sublimat  zufügt.  Also  kommen  auf  100  cm^  Blut  (Serum)  erst 
100  Wasser,  dann  200  cm^  Salzsäure  und  200  cm^  Sublimatlösung. 

')  C.  Oppenheimer,  Über  einen  bequemen  Nachweis  von  Azeton  in  Harn  und  an- 
deren Körperflüssigkeiten.  Berliner  klin.  "NVochenschr.  36.  828/29  (1899). 

*)  Deniges,  Sur  les  fonctions  organiques  pouvant  se  combiner  au  sulfate  mer- 
curique.  Compt.  Rend.  126.  1868  (1898).  —  Idem.  Combinaison,  recherche  et  dosage 
de  l'ac^tone  ordinaire  avec  le  sulfate  mercurique.  Compt.  Rend.  127.  963  (1898). 


Methoden  zur  Aufarbcituug  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        ^99 

Man  versetzt  etwa  '6  cni^  Blut  mit  so  viel  Reagens,  bis  kein  Nieder- 
schlag mehr  entsteht.  (Das  Reagens  stellt  man  sich  her,  indem  man  äO^/ 
Quecksilberoxyd  (via  humid,  parat.)  in  einer  Lösung  von  200  (7/<»  kon- 
zentrierter H-^SOi  und  100  an»  Wasser  löst.)  Man  braucht  zu  dem  ange- 
gebenen Zweck  etwa  das  lOfache  Volumen  Reagens.  Das  Illut  gerinnt  zu 
einer  tiefbraunen  Masse;  man  liißt  den  Niederschlag  sich  absetzen  imd 
prüft,  ob  die  überstehende  Flüssigkeit  auf  Zusatz  von  noch  mein-  Reagens 
nicht  noch  einen  Niederschlag  gibt.  Wenn  nicht,  dann  setzt  mau  noch  etwa 
2 — o  cin'^  Reagens  zu,  filtriert,  fügt  noch  etwas  Schwefelsaure  zu  (die  Lö- 
sung muß  stark  sauer  sein)  und  erwärmt.  Ein  weiDer  Niederschlag,  der  in 
einem  Überschul)  von  HCl  sich  löst,  zeigt  Azeton  (bzw.  Azetessigsäurei  an. 

Zur  quantitativen  Bestimmung  fällt  man  das  Blut  erst  mit  dem 
Reagens,  überzeugt  sich  in  einer  anderen  (|ualitativen  Probe,  ob  viel  oder 
wenig  Azeton  vorhanden  ist  und  fügt  dann  je  nach  Umständen  einen 
Überschuß  von  25 — .•')0  ciii^  Reagens  zu ,  nachdem  man  aber  zuerst  den 
Eiweißniederschlag  abfiltriert  hat.  ^lan  bringt  die  Lösung  in  ein  Stöpsel- 
glas (gut  eingeschliffener  Stopfen I),  verschnürt  und  erhitzt  die  Flasche 
eine  halbe  Stunde  im  Wasserbad.  Nach  dem  Abkühlen  sammelt  man  den 
Niederschlag  auf  einem  Gooch-Tiegel,  wäscht  ihn  erst  mit  Wasser  säure- 
frei, schließlich  dann  noch  mit  Alkohol  und  Äther  und  wägt  nach  dem 
Trocknen.  Das  Gewicht  des  Niederschlages  wird  zur  Berechnung  der 
Azetonmenge  mit  O'Or);")  multipliziert.  Der  Faktor  005;')  entspricht  einer 
Formel:  5  Hg  SO, .  7  Hg  ü  .  3  CO  (CHj),. 

Oxybuttersäure. 

Außer  Azeton  und  Azetessigsäure  kann  —  vor  allem  bei  Diai)etikern  — 
auch  noch  der  .-i.  Azetonkörper ,  die  ,i-Oxybuttersäure.  mauchnial  im 
Blut  sich  finden. 

Zu  ihrem  Nachweis  hat  Geelinui/den  folgenden  Weg  einge- 
schlagen. M 

100 — 200  (■>)/=*  Blut  werden  mit  600  c^^/^  Wasser  verdünnt:  hierzu 
gibt  man  12^  KOH  in  Substanz,  digeriert  erst  24  Stunden  bei  Zimmer- 
temperatur und  dann  auf  kochendem  Wasserbad  bis  zur  Lösung  des  Nie- 
derschlages. Nach  dem  Erkalten  säuert  man  mit  verdünnter  ILSO^  an 
{[00  cut'^  genügen  in  der  Regel;  die  Säure  entli;ilt  in  llioOc^//^  70  cm»  kon- 
zentrierter H-.SO,).  füllt  auf  1000  cm3  mit  Wasser  auf  und  filtriert  in  einem 
2  l  fassenden  Meßkolben.  Zum  Filtrat  gibt  man  '  ..  XOlumen  einer  10"  eigen 
Phosphorwolframsäurelösung  (100//  Phosphorwolframsäure  +  loo  <•///»  kon- 
zentrierte IL  SO,  auf  1000  ««3  gebracht),  filtriert  den  voluminö.sen  Nieder- 
schlag ab,  mißt  das  Filtrat  genau,  versetzt  mit  NH;,  bis  zu  alkalischer 
Reaktion,  dampft  ein  und  bestiiiiiiit  in  dieser  Lösung  die  .'i-Oxybuttersäure 
nach  Maynus-Lcvij.  -) 

')  n.Chr.  Gecliiiiinilcu,  t'lior  den  AzctoiikuriKTirfliult  «ier  (»rn;iiio  :ui  (  onia  dia- 
beticum  Verstorhcncr.  Zeitschr.  f.  pliysifd.  Clioni.  58.  l'M\  (l'.KiH()*.M. 

•-)  Die  Methode  ist  ausfiihrlicii  in  diesem  Handbuch  beschrielien.  Bd.  8.  S.  5)29  (1910). 


200  E.  Letsche. 

Indoxyl,  Indol  und  Skatol. 

In  ganz  geringer  Menge  finden  sich  im  Serum  schließlich  noch  In- 
doxyl, Indol  und  Skatol,  zu  deren  Nachweis  Hervieux  folgende  Verfahren 
ausgearbeitet  hat. 

Zum  Indoxylnachweis ')  wird  Serum,  mit  dem  gleichen  Volum 
Wasser  verdünnt,  durch  Erwärmen  auf  dem  Wasserbad  unter  Zusatz  von 
basischem  Bleiazetat  enteiweißt;  entsteht  auf  Zusatz  von  basischem  Blei- 
azetat kein  Niederschlag  mehr,  dann  entfernt  man  den  Niederschlag, 
wäscht  ihn  aus  und  fällt  aus  dem  Filtrat  den  Bleiüberschuß  mit  Hilfe 
einer  konzentrierten  Nag  SO^-Lösung;  man  filtriert  von  neuem,  macht  das 
Filtrat  mit  Soda  schwach  alkahsch  und  engt  es  auf  dem  Wasserbad  auf 
etwa  20  cm^  eiu.  Die  anfänglich  farblose  Flüssigkeit  dunkelt  mehr  und 
mehr  nach.  Man  fügt  ihr  ein  gleiches  Volum  Isatinchlorhydratlösung  (0"05  g 
Chlorhydrat  im  Liter)  zu  und  bringt  dann  7  Minuten  auf  das  kochende 
Wasserbad.  Man  kühlt  ab  und  schüttelt  die  Lösung  mit  CHCI3  aus,  das 
hierbei  eine  leicht  gelbhche  Farbe  annimmt.  Wäscht  man  das  CHCI3  mehr- 
mals mit  verdünnter  Kalilauge  (2:1000),  so  wird  die  Lösung  in  CHCI3 
rosafarben.  Verdunstet  man  den  Hauptteil  des  Lösungsmittels,  so  wird  die 
Probe  sehr  deutlich.  Dampft  man  die  Lösung  schließlich  im  Platintiegel 
zur  Trockene  ein  und  erhitzt  man  den  Piückstand  vorsichtig,  so  verflüch- 
tigt sich  die  Substanz  unter  Bildung  violetter  Dämpfe  von  Indirubin.  Die 
Menge  Indoxyl,  die  im  Blut  sich  findet,  ist  außerordentlich  klein. 

Zum  Nachweis  von  Indol  und  Skatol-)  wird  das  Serum  mit 
dem  gleichen  \'olum  Wasser  verdünnt  und  wiederholt  mit  Benzol  aus- 
geschüttelt. Die  hierbei  sich  bildende  Emulsion  bringt  man  auf  ein  mit 
Wasser  angefeuchtetes  Filter;  das  Wasser  und  eventuell  noch  vorhandene 
Blutkörperchen  gehen  durchs  Filter;  die  Emulsion  bleibt  oben.  Hat  sich 
die  Emulsion  getrennt,  so  hebt  man  das  Benzol  ab  und  weist  das  Indol 
und  Skatol  mit  Hilfe  der  p-Dimethylaminobenzaldehydreaktion  3)  nach. 

Man  bringt  zu  diesem  Zweck  10  cm^  der  verdünnten  Benzollösung 
von  Indol  und  Skatol  in  eine  Ileagierröhre,  fügt  2  cm^  einer  alkoholischen 
Dimethylaminobenzaldehydlösung  (1  g  in  25  cm'^  90Voig<?n  Alkohol)  zu, 
schüttelt  um  und  bringt  mit  Hilfe  einer  sehr  fein  ausgezogenen  Pipette 
einige  Kubikzentimeter  Salzsäure  auf  den  Boden  der  Flüssigkeit,  ist  Indol 
und  Skatol  vorhanden,  so  bildet  sich  an  der  Berührungsstelle  eine  karmin- 
rote Scheibe. 

5.  Anorganische  Salze. 

Verascht  man  Blut  (Plasma  oder  Serum),  so  erhält  man  die  Summe  aller 
vorher  in  der  Lösung  vorhandenen  anorganischen  Bestandteile  in  der  Asche. 


')  ('.  Hervieux,  Recherches  de  l'indoxyle  daus  le  sang.  Compt.  Reud.  de  la  Soc.  de 
Biol.  56.  022  (1904). 

'-)  Herricux,  Recherches  sur  la  presence  de  l'iudol  et  du  scatol  dans  le  saug. 
Compt.  Reud.  de  la  Soc.  de  Biol.  56.  623/25  (1904). 

=>)  E.  Fischer,  Über  das  Methylketol.  Anualeu  d.  Cliem.  242,  372  (1887). 


Methoden  zur  Aufarl)eitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bcstiimitnile.        201 

Da  bei  der  Verbrennung^-  von  Eiweii»  Schwefelsäure  unU  l'ho>iihor- 
säure  «•ebildet  werden,  so  ist  zum  mindesten  ein  Teil  dieser  Substanzen, 
müiilieherweise  aber  auch  noeh  andere  Aschenbestandleile  (Alkalien),  auf 
diese  (Quelle  zurückzuführen.  Weiter  ninl)  man  mit  der  Mö|j[lichkeit  rechnen, 
daß  die  neu  gebildete  H,S()^  und  Hsl'Oi  Salzsäure  und  Kohlensäure  ver- 
dränjit  haben  könnten.  Es  ist  darum  ohne  weiteres  klar,  dall  die  Ver- 
aschuui;'  uns  kein  klares  P.ild  von  der  Art  und  der  Menj^e  der  anorfz-anischen 
Salze,  die  vori>el)ildet  im  Serum  sich  finden,  «leben  kann. 

Eine  direkte  Restimmnngsmethode  einzelner  anoriianisrher  Uestand- 
tt'ile  im  Hlut  oder  Serum  ist,  so  viel  ich  sehe,  kaum  je  anifegcben  worden. 
Nur  über  die  IJestimmung'  von  CINa,  das  nach  Bwjarszkij  und  Tau;/!^) 
den  Hauptbestandteil  der  anorganischen  Bestandteile  des  Serums  bildet, 
macht  V.  Hösslin  2)  folgende  Angaben : 

Die  Bestimmung-  des  CINa  wird  mit  h  cm'^  Serum  vorgenommen, 
das  verdünnt  und  mit  lIXOa  versetzt,  stets  ziemlich  klar  durchs  Filter 
g-eht.  Kontrollversuche  bei  Veraschung-  bzw.  Enteiweiliung  und  nachfoliren- 
der  Bestimmung  ergaben  höchstens  einen  Unterschied  von  o-OUöST  bis 
O'Olll-i  y  XaCl  auf  \i}0  crn^  Serum.  Angaben  über  die  zur  Chlorbestim- 
mung angewandte  Methode  fehlen. 

Die  bei  direkter  Veraschung  unvermeidlichen  l'jisicherheiten  über 
die  Deutung  der  erhaltenen  Resultate  vermindern  sich,  ohne  sich  übrigens 
ganz  ausschalten  zu  lassen,  bei  Einhaltung  folgenden  \'erfahrens »): 

Man  fällt  das  Blut  (Serum  oder  Plasma)  mit  der  mehrfachen  (min- 
destens öfachen)  ]\Ienge  96Voig('n  Alkohols,  filtriert  durch  ein  aschefreies 
Filter  und  wäscht  den  Niederschlag  erst  mit  heiliem  Alkohol,  dann  mit 
Wasser  (heiß)  aus. 

Den  alkoholischen  Auszug  verdunstet  man  bei  mäßiger  Wärme  (nicht 
über  60"),  zieht  den  lUickstand  mit  absolutem  Alkohol  aus,  verdunstet 
diese  Lösung  wieder  und  zieht  den  neuen  Kückstand  mit  vollkommen 
trockenem,  alkoholfreiem  Äther  aus;  dieser  Äther  nimmt  die  I'hosi)hatide 
auf;  die  in  absolutem  Alkohol  und  in  Äther  unlöslichen  Rückstände  löst 
man  in  Wasser  und  vereinigt  diese  Lösung  mit  dem  wässerigen  Auszug. 
Die  wässerige  Lösung  wird  ebenfalls  eingedunstet,  der  Rückstand  ire- 
trocknet.  verascht  und  die  Asche  nach  bekannten  Kegeln  der  (lualitativen 
Analyse  unter.sucht  oder  zur  (luantitativen  Bestimmung  einzelner  Uestand- 
teile  verwendet. 

Der  bei  der  Fällung  des  Blutes  mit  Alkohol  entstehende  Niederschlag 
wird,  nachdem  man  ihn,  wie  oben  angegei)en,   gewaschen  hat,   getrocknet 


')  67.  Duriarszkn  und  F.  TaiKjl,  rhysikaliscii-chemisciio  rntorsucliunsren  liluT 
die  molekularen  I\onz(>ntratinnsverli;iltnisse  des  Blutserums.  l'jlii(/ci:f  Arcluv.  71»  '<"n 
(1898). 

■-)  /•.  Iliiss-Iin,  Beitrag  zur  Frage  der  chemischen  Veränderung  des  Blutes  uiicb 
Aderlässen.  Hofmeisters  Beitr.  8.  4:^,38  (lOnC). 

^)  Sicho  JIopjJc-S>!/lcr-Tlüer/i lii, r.  Ilandl..  d.  phvs.  u.  path.-chem.  Anahse.  8.  Aufl. 
Berlin,  Hirsch wald,  VMJ.  S.  C45. 


202  E.  Letsche. 

und  für  sich  verascht.  Er  enthält  die  Phosphate  der  alkahschen  Erden 
neben  Proteinen.  Die  Asche  wird  mit  Salzsäure  ausgezogen  und  dann  die 
Lösung  in  bekannter  Weise  weiterverarbeitet. 

V.  Untersuchung  der  Formelemente  auf  einzelne  Bestandteile. 

Die  Methoden,  die  für  den  in  der  Überschrift  angegebenen  Zweck 
Verwendung  finden,  sind  in  der  Hauptsache  die  gleichen  wie  bei  der  Unter- 
suchung von  Blut,  Plasma  oder  Serum.  Dieser  Umstand  sowie  die  weiteren, 
dali  die  Zahl  der  in  den  Formelementen  nachgewiesenen  Bestandteile  wesent- 
lich kleiner  ist  als  im  Serum,  und  daß  die  Formelemente  weniger  oft 
Gegenstand  einer  eingehenden  chemischen  Untersuchung  gewesen  sind,  lassen 
es  verständlich  erscheinen,  daß  die  Zahl  der  speziell  für  die  Untersuchung 
der  Formelemente   ausgearbeiteten  Methoden   eine   recht  beschränkte   ist. 

Von  den  3  verschiedenen  Arten  geformter  Elemente  hat  man  die 
Blutplättchen  und  die  Leukozyten  bis  jetzt  nicht  in  Mengen  gewinnen 
können,  die  für  eine  eingehende  chemische  Untersuchung  ausgereicht 
hätten.  Über  die  Zusammensetzung  und  die  Bestandteile  der  Blutplättchen 
weiß  man  deshalb  so  gut  wie  nichts;  das  wenige,  was  man  über  die  Be- 
standteile der  Leukozyten  weiß,  ist  festgestellt  worden  bei  der  Untersuchung 
von  Eiterkörperchen.  ^) 

Ich  darf  daher  diese  beiden  Arten  von  geformten  Elementen  füglich 
übergehen  und  werde  mich  auf  die  Beschreibung  einiger  Methoden  zur 
Untersuchung  der  Erythrozyten  beschränken. 

1.  Emeißstoffe. 

Unter  den  Eiweißstoffen  der  Erythrozyten  nimmt  der  Blutfarbstoff 
sowohl  seiner  Menge  als  auch  seiner  biologischen  Bedeutung  nach  die 
erste  Stelle  ein. 

Auf  diesen  Bestandteil  näher  einzugehen,  muß  ich  mir  versagen,  weil 
in  diesem  Handbuch  sowohl  seine  Darstellung  2)  als  auch  seine  ({uantitative 
Bestimmung  3)   schon    eingehend    beschrieben  worden  sind.    Außerdem   ist 

')  Die  Isolierung  des  nach  Hupperf  in  den  Leukozyten  des  Blutes  sich  finden- 
den Glykogens  ist  bei  den  Methoden  zur  Untersuchung  der  Erythrozyten  an  geeigneter 
Stelle  beschrieben. 

'')  Fr.  N.  Schulz,  Darstellung  von  Blutfarbstoffkristallen.  Dieses  Handbuch.  Bd. 2. 
S.  339  (1910). 

■■')  Franz  Müller,  Die  Blutkörperchenzähluug  und  Hämoglobinbestimmung.  Bd.  3. 
S.  707/41  (1910). 

Bezüglich  der  auf  S.  741  sich  findenden,  recht  absprechenden  Beurteilung  des 
iZV(/werschen  Spektrophotometers  verweise  ich  auf  meine  Notiz:  Zur  Spektrophotometrie 
des  Blutes.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  63.  313/14  (1909). 

Ich  habe  dort  hervorgehoben,  daß  in  der  unter  meiner  Leitung  ausgeführten 
Arbeit  von  E.  E.  Butterficld,  Über  die  Lichtextinktion  des  Blutfarbstoffs  [Zeitschr.  für 
physiol.  Chemie.  62.  173  (1909)]  alle  spektrophotometrischen  Resultate  mit  Hilfe  des 
ifw/werschen  Spektrophotometers  gewonnen  worden  sind,  und  ich  kann  heute,  auf  Grund 
weiterer  1 '/„jähriger  Erfahrung  den  Schlußsatz  jener  Notiz  über  die  Brauchbarkeit  des 
Instruments  in  geübten  Händen  nur  vollauf  bestätigen. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Hestaniiteile.        203 

erst  vor  kurzem  an  anderer  Stelle ')  eine  einziehende  l);ir.stellun[r  der  (iewin- 
nung.  (|ualitativen  nnd  (|uantitativen  liestiinnuin^^  {los  Iliiniogloltins  erschienen. 

Ininieriiin  aber  mitten  hier  einiüc  Worte  über  die  (iewinnun;.'  von 
Hämoglohinkristallen  nach  der  Aikoholniethodc;  aus  Pferde-  und  liindfr- 
blut  auf  Grund  von  Erfahrun<ien,  mit  deren  weiterer  Ausarbeitung  icli  noch 
beschäftigt  bin,  Platz  finden. 

Blutkörperchen,  die  man  entweder  durch  freiwilliges  Sedinientieren 
(Pferdeblut)  oder  durch  Ausschleudern  mit  Hilfe  der  Zentrifuge  isoliert 
hat,  wäscht  man  wiederholt  (mindestens  2mal)  mit  0-9°/oiger  NaCl-L()sung 
auf  der  Zentrifuge. 

Den  Blutkörpercheubrei  versetzt  man  dann  mit  etwa  dem  gleichen 
\'olumen  ausgekochten  Wassers  von  etwa  40^  bringt  die  Mischung  zweck- 
mäßig ebenfalls  auf  35 — 40"  und  trennt  die  Lösung  von  den  ungelöst«'n 
Körperchen,  deren  Menge  nicht  mehr  allzu  grolj  ist,  und  dem  Stronia  mit 
Hilfe  der  Zentrifuge.  Die  abgehol)ene  Lösung  kiüilt  man  dann  auf  0'^  ab 
und  versetzt  sie  mit  ebenfalls  gekühltem  absolutem  Alkohol,  den  man  unter 
beständigem  Umschütteln  der  Lösung  in  dünnem  Strahl  zuflielien  läUt 
(andernfalls  bilden  sich  leicht  amorphe  (ieriiinsel).  Bei  Pferdeblut  verwende 
ich  auf  5  Volumen  Blutlösung  ein  Volumen  Alkohol,  bei  Rinderblut  auf 
3 — 4  Volumen  ein  Volumen.  Man  bringt  die  Mischung  bei  Pferdeblut  in 
Eis,  bei  Rinderblut  am  besten  in  eine  Kälteniisclmng  (Eis  und  Kochsalz). 
Bei  Anwendung  von  Pferdeblut  ist  nach  12  Stunden  in  der  Regel  die  ganze 
Mischung  zu  einem  Kristallbrei  erstarrt,  bei  Rinderblut  ist  mindestens 
24stündiges  Stehen  notwendig.  Die  Kristalle  trennt  man  von  der  Mutter- 
lauge am  leichtesten  und  raschesten  mit  Hilfe  der  Zentrifuge,  wobei  es 
sich  empfiehlt,  die  (iläser  vor  dem  Einfüilen  des  Kristallbreies  abzukühlen. 

Zum  Umkristallisieren  dieser  ersten,  mit  Hilfe  von  Alkohol  erhaltenen 
Kristalle  verfahre  ich  in  folgender  Weise:  Die  gut  ausgeschleuderten 
Kristalle  übergießt  man  mit  soviel  ausgekochtem  Wasser  von  etwa  40°, 
daß  ein  Teil  der  Kristalle  auch  beim  Erwärmen  der  Mischung  auf  iSO  bis 
35"  noch  ungelöst  bleibt.  Man  trennt  mit  Hilfe  der  Zentrifuge  (ielöstes 
und  Ungelöstes  und  stellt  die  Lösung  in  schmelzendes  Eis.  Nach  wenigen 
Stunden  (3—4)  beginnt  beim  Pferdeblut  die  Kristallisation  und  nach 
12  Stunden  haben  sich  meist  große  Mengen  von  Kristallen  ausgeschieden. 
Bei  Rinderblut  ist  langes  Stehen  erforderlich.  Dieser  Umstand  bringt  es 
mit  sich,  daß  die  Kristalle  aus  Rinderblut  meist  methämoglobinhaltig  sind, 
während  in  dem  auch  noch  ein  :>.  Mal  umkristallisierten  Pferdehänn>globin 
spektrophotometrisch  nachweisbare  (^)uantitäten  von  Met-Hb  sich  nicht  finden. 

Neben  Hämoglobin  findet  sich  nach  Wooldr'idije^)  Paraglobulin, 
das   man   am   besten    aus    dem  Stroma,  nach    dem    oben^i    beschriebenen 


')  K.  Bürker,  Gewinnung,  (lualitative  und  «itiantitative  Hestiinmunjr  des  Hämo- 
globins.  Tigerstedt,  Handbuch  der  physiolog.  Methodik.  Leipzig  bei  Hirzel  (lUlO). 

=)  li.  Woolrlriihfc.  Zur  Kenntnis  der  Blutkörperchen.  .\rch.  f.  .\nat.  u.  Phys.  18H1. 
(Physiol.  Abteilung)  S.  38U. 

")  Siehe  S.  146. 


204  E.  Letsche. 

Verfahren  gewonnen,  isoliert,  indem  man  das  Stroma  mit  melirprozentiger 
(etwa  5Vo)  NaCl-Lösung  schüttelt,  wobei  Paraglobulin  in  Lösung  geht. 
Durch  Sättigen  der  Lösung  mit  Kochsalz  fällt  das  Paraglobulin  aus  und 
kann  eventuell  durch  Lösen  und  Wiederausfällen  gereinigt  werden. 

In  den  Kernen  der  Yogelblutkörperchen  findet  sich  Histon.  Die  Iso- 
lierung der  Kerne  sowohl,  als  auch  die  Darstellung  des  Histons  findet 
sich  an  früherer  Stelle  i)  schon  beschrieben. 

Zur  quantitativen  Bestimmung  des  G-esamteiweißes  in  den 
Blutkörperchen  sind  die  gebräuchlichsten  Methoden  folgende  beiden: 

Man  trägt  die  gewogene  Blutkörperchenmasse  quantitativ  (mit  Hilfe 
von  etwas  Wasser)  in  die  4 — öfache  Menge  kochenden  Wassers;  dann 
fügt  man  tropfenweise  Essigsäure  zu  der  kochenden  Lösung,  bis  der 
Niederschlag  gut  ausflockt  und  die  Lösung  vollkommen  klar  ist.  Man  fil- 
triert auf  ein  gewogenes  aschefreies  Filter,  wäscht  erst  mit  Wasser,  dann 
mit  Alkohol  und  schließlich  mit  Äther,  trocknet  den  Rückstand  bei  110", 
wägt,  verascht  und  zieht  die  Asche  von  dem  zuerst  ermittelten  Ge- 
wicht ab. 

Der  2.  Weg  besteht  darin,  daß  man  den  Blutkörperchenbrei  erst  mit 
wenigen  Tropfen  verdünnter  Essigsäure  versetzt  und  dann  das  4 — ofache 
Volum  Alkohol  zuaibt.  Man  läßt  dann  einitie  Stunden  stehen,  besser  ist 
es,  noch  einige  Zeit  auf  dem  Wasserbad  zu  kochen,  Avobei  man  den  ver- 
dunstenden Alkohol  ersetzt,  filtriert  den  Niederschlag  ab,  wäscht  ihn  erst 
mit  Alkohol,  dann  mit  Wasser,  wieder  mit  Alkohol  und  zum  Schluß  mit 
Äther,  trocknet  und  wägt.  Das  erste  alkoholisch-wässerige  Filtrat  dampft 
man  zur  Trockene  ein,  zieht  den  Piückstand  erst  mit  Alkohol,  dann  mit 
Äther  aus  und  bringt  das  Ungelöste  auf  ein  gewogenes  Filter;  man  wäscht 
gut  aus,  trocknet  und  wägt  und  verascht  mit  dem  zuerst  erhaltenen 
Niederschlag.  Dieses  Verfahren  ist  unbedingt  notwendig,  weil  der  ersten 
Fällung  mit  Alkohol  meist  geringe  Eiweißmengen  entgehen. 

2.  Fett  und  fettartige  Bestandteile. 

Nach  den  Untersuchungen  von  Abderhalden  2)  finden  sich  echtes  Fett 
und  Fettsäuren  (bzw.  natürlich  fettsaure  Alkaüen)  in  den  Blutkörperchen 
nicht.  Dagegen  findet  sich  Lezithin,  das  man  nach  Wooldridge^)  in  fol- 
gender Weise  aus  dem  Stroma  isolieren  kann: 

Isolierung  von  Lezithin. 

Man  zieht  das  frische  Stroma  bei  etwa  45"  mit  80 — QO^/oigem  Alko- 
hol aus.    Beim  Erkalten  fällt  Cholesterin  aus;  das  Filtrat  von  dieser  Aus- 


0  H.  Steudel,  Histone  und  Protamine.  Dieses  Handbuch.  Bd.  2.  4-42/43  (1910). 

^j  E.  Abderhalden,  Zur  vergleichenden  quantitativen  Analyse  des  Blutes.  Zeitschr. 
f.  physiol.  Chemie.  25.  65  (1898). 

^)  L.  Wooldridqe,  Zur  Chemie  der  Blutkörperchen.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol. 
1881.  (Physiol.  Abt.)  389. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  ia  seine  einzelnen  Bostandfcilc.       205 

Scheidung-  wird  bei  40— 45o  einged;unpft  und  der  Kiickstand  mit  abso- 
lutem Alkohol  aufgenommen.  Dabei  bleibt  etwas  Humatin  unj^elöst.  Ver- 
setzt man  diese  Lösung  mit  einer  Lösung  von  Platinchlorid  in  absolutem 
Alkohol,  der  man  zuvor  ein  paar  Tropfen  konzentrierter  HCl  zugefügt  hat, 
so  erhiilt  man  einen  kristallinisciu'n  gelblichwciben  Niederschlag,  der  sich  in 
Chloroform  bis  auf  einen  kleinen  liest  löst.  Der  beim  \('rdunsten  des 
Chloroforms  bleibende  Kiickstand  gibt  bei  der  Analyse  auf  eine  Formel 
(C42Hs2NP08)2H2PtCl6,  dls  von  Strecker  aufgestellt  wurde"),  stimmende 
Zahlen. 

Cholesterinisolierung. 

Cholesterin  hat  ebenfalls  Wooldriclrjc-)  aus  dem  Stroma  gewonnen, 
und  zwar  dadurch,  daß  er  das  Stroma  wiederholt  mit  kaltem  Petroliither 
auszog,  der  beim  Verdunsten  Cholesterin  frei  von  Fett  und  phosphorhalti- 
gen  Beimengungen  hinterließ. 

Direkt  aus  den  Blutkörperchen  erhielt  Hepner^)  Cholesterin  nach 
folgendem  Verfahren,  das  er  auch  zur  annähernden  quantitativen 
Bestimmung  benutzte. 

Blutkörperchen  werden  aus  Oxalatblut  durch  Zentrifugieren  gewonnen, 
mit  etwa  dem  6fachen  Volumen  ii^/^^/nigQi'  NaCl-Lösung  durchgerührt  und 
wieder  zentrifugiert.  (Ein  anderer  Weg  ist  der,  daß  man  Blut  gerinnen 
läßt  und  den  Blutkuchen  nach  24stündigem  Stehen  durch  Mull  preßt,  um 
das  Fibrin  abzutrennen,  und  die  durchgepreßte  Masse  dann  zentrifugiert.) 

Für  ([uantitative  Zwecke  trocknet  man  eine  kleine  Probe  der  Blut- 
körperchen bei  110 — 115",  um  durch  Vergleich  des  Gewichtes  der  feuchten 
und  trockenen  Probe  den  Trockensubstanzgehalt  der  untersuchten  Blut- 
körperchenniasse  zu  erfahren.  Die  gewogene  Hauptmenge  der  Blutkörper- 
chen wird  mit  dem  4fachen  Volum  Alkohol  verrührt  und  die  Mischung 
48  Stunden  in  den  Wärmeschrank  gestellt;  nach  dieser  Zeit  saugt  man 
den  Niederschlag  ab,  zerreibt  ihn  mit  -/;^  der  ursprünglich  angewandten 
Alkoholmenge  und  bringt  die  Masse  wieder  auf  einige  Zeit  in  den  Wärme- 
schrank. Schließlich  erhitzt  man  die  Mischung  zum  deutlichen  Kochen  auf 
dem  Wasserbad,  saugt  den  Niederschlag  ab  und  zerreibt  ihn  nochmals 
mit  Alkohol.  Die  alkoholischen  Auszüge  werden  eingeengt  und  die  letzten 
Beste  Alkohol  durch  Abdampfen  nach  Zusatz  von  Wasser  verjagt.  Die  wäs- 
serige Flüssigkeit  bringt  man  zusammen  mit  etwaigen  festen  Ausscheidun- 
gen mit  Hilfe  von  Äther  in  einen  Scheidetrichter  und  schüttelt  sie  wieder- 
holt mit  Äther  aus  (mindestens  5mal  je  etwa  10  Minuten  lang).  Der  Äther 


')  Es  würde  also  ein  Palmitinsäure  und  Ölsäure  enthaltendes  Lezithin  vorliege», 
wobei  zu  beacbtcu  bleibt,  daß  die  Aualyse  allein  keine  bestimmten  Seldüssc  auf  das 
Vorluindeiiseiu  oder  ^"elilen  bestimmter  Säuren  zuläßt. 

^)  L.  Wooldriclf/c,  Zur  Chemie  der  Blutkörperchen.  Areh.  f.  .\nat.  u.  Phys.  1881 
(Phys.  Abteil.)  389. 

')  E.  llepiur,    Über  den  C'li(>b-;tcrin;.'elialt  der  Hlntktirpertlini     l'i!r,„.  r.i   Andiiv. 

73.  595/GU6  (1S'J8). 


206  E.  Letsche. 

wird  abdestilliert;  den  Rückstand,  der  beim  Verdunsten  des  Äthers  bleibt, 
kocht  man  mit  Essigäther  aus,  läßt  abkühlen  und  filtriert  die  Essigäther- 
lösung vom  Ungelösten  ab.  Dieses  letztere  spült  man  mit  kaltem  Essig- 
äther so  lange  nach,  bis  der  Essigäther  nichts  mehr  aufnimmt  (Probe  auf 
Uhrglas  verdunsten  lassen!).  Der  Essigätherextrakt  wird  mit  Tierkohle 
gekocht  und  in  einem  tarierten  Kolben  filtriert.  Nach  dem  Abdestillieren 
des  Essigäthers  hinterbleibt  Cholesterin  neben  einer  ganz  minimalen  Ver- 
unreinigung (unwägbar).  Nach  einmaligem  Umkristallisieren  zeigt  das 
Cholesterin  den  richtigen  Schmelzpunkt  von  144 — 145*'.  An  Stelle  der 
etwas  zeitraubenden  Behandlung  des  Ätherrückstandes  mit  Essigäther  wird 
es  sich  zweifellos  empfehlen,  die  von  Windaus  angegebene  und  oben  be- 
schriebene Digitoninmethode  zur  Isolierung  und  quantitativen  Bestimmung 
anzuwenden. 

3.  Kohlehydrate, 

Glukose. 

Daß  entgegen  älteren  Angaben  nicht  bloß  im  Serum,  sondern  auch 
in  den  Formelementen  Zucker  sich  findet,  haben  Bona  und  Michaelis'^) 
gezeigt.  Zur  ([uantitativen  Bestimmung^)  des  Zuckers  haben  sie 
die  Blutkörperchen  in  folgender  Weise  verarbeitet: 

Die  Blutkörperchen  werden  ^/^  Stunden  mit  3000  Touren  pro  Minute 
abzentrifugiert ,  mit  ClNa-Lösung  wiederholt  gewaschen  und  möglichst 
weitgehend  zusammen  zentrif ugiert ,  mit  bekannten  Mengen  von  destil- 
liertem Wasser  in  einem  vorher  tarierten  Kolben  gespült  und  ihre 
Menge  durch  Wägung  festgestellt.  Dann  werden  je  50^  Blutkörperchen  auf 
2000  cw'^  mit  Wasser  aufgefüllt.  Zu  der  lackfarbenen  Flüssigkeit  wird 
eine  auszuprobierende  Menge  Eisenhydroxydlösung  zugegeben,  dann  noch 
eine  geringe  Menge  (zirka  10  g)  eines  Elektrolyten,  wozu  man  am  besten 
ein  Sulfat  wählt,  weil  die  zweiwertigen  Anionen  gegen  das  kathodische 
Eisenhydroxyd  viel  wirksamer  sind  als  die  einwertigen.  Am  besten  ver- 
wendet man  MgSO^;  unangebracht  ist  dieses,  wenn  der  Zucker  nachher 
vergoren  werden  soll;  in  diesem  Falle  wählt  man  K.2SO4,  NagSO^  oder  ZnS04. 
Der  Zusatz  von  Eisenlösung  soll  soweit  getrieben  werden,  daß  eine  abfil- 
trierte Probe  nur  noch  ganz  wenig  Hämoglobin  enthält.  Dann  wird  die  Flüs- 
sigkeit durch  mehrere  sehr  große  Faltenfilter  abfiltriert  und  ein  großer, 
aliquoter  Teil  weiter  verarbeitet.  Jetzt  wird  die  Entfernung  des  Hämo- 
globins durch  nochmaligen  Zusatz  von  kleineren  Mengen  Eisenlösung  ohne 
Schwierigkeit  beendet,  wieder  ein  möglichst  großer  aUquoter  Teil  ab- 
filtriert, das  nun  wasserklare,  eiweißfreie  Filtrat  bei  leicht  essigsaurer 
Reaktion  auf  ein  mögUchst  kleines  Volumen  eingeengt,  derart,  daß  der 
zugegebene  Elektrolyt  gerade  ganz  in  Lösung  bleibt  und  polarisiert. 


^)  P.  Bona  und  L.  Michaelis,  Uiitersucliungeu  über  den  Blutzucker.  Bloch.  Zeitschr. 
16.  61  (1909). 

'■')  Ebenso  wird  man  auch  zum  qualitativen  Nachwels   des  Zuckers  verfahren. 


Methodoii  zur  Aufaibeituiig  des  Blutog  iii  seine  ciiizelaou  Bestandteile.        207 

Beispiel:  f>9</ BlutkürpeiTlien  werden  auf  ein  Voluineii  von  3890 ct/j» 
geJjracht,  iniiegriffen  10  (/  ZnSO^  und  400  cw»  Eisenlösung.  Hiervon  werden 
durch  Filtration  wiedergewonnen  2()r)0  cm\  noch  eine  Spur  Ililnio<ilol)in 
enthaltend.  Es  werden  hiezu  löO  oh^  halbverdünnte  Eisenlösung  zugefügt. 
Das  nunmehr  häino<:l()l)in-  und  eiweilifreie  Filtrat  (^^BO  r-»/^)  wird  auf 
24  oii'^  eingeengt  und  polarisiert,  {befundene  Drehung  0"2TOo.  Daraus  be- 
rechnet sich  der  Zuckergehalt  pro  100  (/  Blutkörperchen  zu 

24  X  2810  X  HHOO  x  100 
'    ■   100  X  2580  X  2ö(i9  X  69 ' 

Nach  den  Angaben  von  D'pinc  und  Boulud  ^)  findet  sich  die  (ilykuron- 
säure  nur  in  den  Blutkörperchen  (jedenfalls  beim  Hund).  Ihr  Nachweis  in 
den  Körperchen  ist  in  genau  der  gleichen  Weise  zu  führen  wie  Maijrr  ihn 
im  Blut  geführt  hat  (siehe  S.  18). 

Glykogen. 

Glykogen  soll  sich  nach  Angaben  von  Huppert  in  den  Leukozyten 
finden.  Der  Weg,  auf  dem  Huppert  dieses  Polysaccharid  nachweisen  konnte, 
ist  folgender  2): 

Da  es  wahrscheinlich  ist,  daß  das  Glykogen  in  den  farblosen  IJlut- 
köi-perchen  sich  findet,  das  Fibrin  aber  viel  Leukozyten  einschliel'it  und 
auch  nach  Huppcrfs  Erfahrung  das  (ilykogen  aus  festen  Massen  nur  schwer 
in  das  Lösungsmittel  üliergeht,  wird  das  Blut  nur  in  ungeronnenem  Zu- 
stande untersucht. 

Das  Blut  3)  wird  sofort  bei  der  Entleerung  mit  Vio  Volum  (oder  mehr) 
gesättigter  Kupferazetatlösung  gemischt,  wobei  das  Blut  einen  mällig  dicken 
homogenen  von  Gerinnseln  freien  Brei  bildet.  Darauf  wird  das  Blut  noch 
mit  mehi'  gesättigter  Cu-azetat-Lösung  versetzt,  wenn  das  beim  Kochen 
entstehende  Gerinnsel  nicht  grol)körnig  ausfallen  soll.  Für  Kalbsblut  genügt 
im  ganzen  Vio  Volum,  für  anderes  Blut  nimmt  man  zweckmäbig  \  4  \'(tlum 
der  Azetatlösung.  Die  Mischung  wird  dann  auf  das  IV2 — 2fache  verdünnt, 
mit  Na  011  liis  zur  schwach  sauren  oder  neutralen  Reaktion  versetzt,  eine 
Zeitlang  im  SicMlen  erhalten  und  durch  Faltenfilter  heili  filtriert:  der 
Niederschlag  wird  sorgfältig  vom  Papier  befreit,  wenn  nötig  mittelst  eines 
feinmaschigen  ]\Ietallsiebes  und  in  der  Regel  noch  2mal  ausgekocht.  Ein 
öfteres  Auskochen  erhöht  die  Ausbeute  an  Glykogen  nur  unwesentlich.  Die 
vereinigten  Filtrate  werden  zunächst  auf  freier  Flamme,  dann  auf  dem 
Wasserbad  so  weit  eingeengt,  dali  das  Natriumazetat  in  der  Kälte  eben 
noch  in  Lösung  bleibt. 


*)  Lf'pinc  et  Boulud,   Sur  Tacide  glycuroniquc  du  sang.  Compt.  Reud.  136.  1037. 

-)  Huppert,  Über  das  Vorkommen  von  (;iykii;,'i'n  in  lUnt  niid  Kiter.  Zeitschr.  f. 
physiol.  Chem.  18.  S.  151  (1894). 

*)  Von  Hundeblnt  gentigen  200  <j  zum  einwandfreien  Nachweis;  bei  Rindorblut 
erhält  man  mit  500  g  ein  zweifelhaftes,  mit  1  kg  ein  vcülig  überzeugendes  Resultat.  Am 
besten  verarbeitet  man,  wenn  möglich,  25— 3  kg  auf  einmal. 


208  E.  Letsche. 

Zur  Entfernung  des  Kupfers  versetzt  man  die  Lösung-  jetzt  mit 
Schwefelamnioniuni,  säuert  dann  mit  Essigsäure  an  und  erwärmt  auf  dem 
Wasserbad,  wobei  das  Schwefelkupfer  sich  meistens  gut  absetzt.  Es  wird 
alsdann  mittelst  der  Saugpumpe  durch  ein  Asbestfilter  filtriert  und  im 
Filtrat  der  Eiweißrest  in  bekannter  Weise  durch  JodquecksilberkaUum  und 
Salzsäure  gefällt;  der  Eiweiliniederschlag  wird  wieder  durch  ein  Asbest- 
filter, das  man  zuvor  durch  konzentrierte  Salzsäure  von  Ferriverbindungen 
befreit  hat'),  filtriert.  Das  scheinbare  einfachere  Verfahren,  das  Schwefel- 
kupfer und  den  Eiweißniederschlag  zusammen  abzufiltrieren,  empfiehlt  sich 
nicht,  weil  das  Filtrieren  unverhältnismäßig  viel  Zeit  in  Anspruch  nimmt 
und  das  Glykogen  dann  ebensolang  mit  der  Salzsäure  in  Berührung 
bleibt. 

Das  eiweißfreie  Filtrat  wird  wie  iibhch  mit  2  Vol.  Alkohol  (96Vo) 
versetzt,  der  Niederschlag  auf  einem  Asbestfilter  gesammelt  und  mit 
OßVoig'C"!  Alkohol  gewaschen.  Ist  der  Niederschlag  noch  nicht  weiß,  so 
kann  er  noch  einmal  in  HgO  gelöst  und  durch  Alkohol  wieder  gefällt  wer- 
den. Das  Glykogen  ist  dann  schon  so  rein,  daß  man  mit  ihm  alle  gewöhn- 
lichen Reaktionen  anstellen  kann. 

Die  Asbestfilter  sind  den  Papierfiltern  vorzuziehen,  nicht  bloß  weil 
sie  dichter  sind,  sondern  auch  hauptsächlich  deshalb,  weil  sie  sich  leichter 
auswaschen  lassen  und  das  Glykogen  von  ihnen  mit  viel  weniger  Wasser 
vollkommen  entfernt  werden  kann,  als  von  Papierfiltern.  Bei  den  Papier- 
filtern ist  ferner  eine  Verunreinigung  des  Glykogens  durch  Stärke  u.  dgl. 
zu  befürchten. 

4.  Extraktivsubstanzen 

scheinen  in  den  Körperchen  sich  nicht  oder  jedenfalls  nur  in  ganz  unter- 
geordneter Menge  zu  finden.  Nur  Harnstoff  ist  von  Schöndorff  nachge- 
wiesen und  bestimmt  worden  nach  einem  Verfahren,  daß  im  vorhergehen- 
den schon  beschrieben  worden  ist. 2)  Er  verfuhr  dabei  so,  daß  er  das  er- 
wähnte ^'erfahren  einmal  auf  Blut  und  einmal  auf  das  Serum  anwandte, 
nachdem  er  zuvor  das  Verhältnis  von  Serum  zu  Körperchen  in  dem  an- 
gewandten Blut  nach  dem  Verfahren  von  Bleibtreu  ^)  bestimmt  hatte. 
Durch  einfache  Piechnung  war  dann  der  Harnstoffgehalt  der  Körperchen 
zu  erfahren. 

5.  Anorganische  Bestandteile 

der  Blutkörperchen  werden  in  entsprechender  Weise  wie  im  Serum  nach- 
gewiesen und  bestimmt. 


*)  Es  tritt  andernfalls  im  FiltrcXt  freies  Jod  auf,  das  sich  mit  dem  Glykogen  ver- 
bindet, was  wohl  besser  vermieden  ^yird. 
-)  Siehe  S.  182. 
=*)  Siehe  8.  153. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        '>(')f\ 

VI.  Verfahren  zur  Bestimmung  verschiedener  Bhitbestandteile 

in  einer  Blutportion. 

(fiesamtl)liitanalvso. ') 

Mail  \v;i<it  otwa  50  <7  Serum  2)  oenan  ab.  gielJt  es  in  das  inchrfachc 
Volum  Alkohol'),  macht  die  Mischung'  mit  verdünnter  E.ssigsäure  el»en 
sauer  und  läßt  einige  Zeit  —  am  besten  24 — 48  Stunden  —  .stehen. 

Man  bringt  dann  auf  ein  gewogenes  a.schefreies  Filter  und  wuscht 
mit  kaltem  Alkohol  aus.  (Filtrat  1  =  Hanptfiltrat  +  Waschalkohol  kalt.) 
Dann  wuscht  man  nacheinander  einige  Male  mit  heißem  Alkohol,  dann  mit 
Äther,  schließlich  nochmals  mit  Alkohol.  Diese  Waschflüssiijkeiten  seien  als 
Filtrat  2  bezeichnet.  Zum  Schluß  wäscht  man  den  Niederschlag  noch  mit 
heißem  Wasser  aus,  bis  auch  dieses  nichts  mehr  aufnimmt  (Filtrat  :'.). 

A.  Der  Filterrückstand  enthält  die  überwiegende  Menge  der  Protein- 
stoffe und  in  Wasser  unlösliche  Salze.  P^s  wird  zur  Entfernung  des  Wassers 
nochmals  mit  Alkohol  gewaschen,  bis  zu  konstantem  Gewicht  bei  110 — TJO* 
getrocknet,  gewogen  und  schließlich  mit  dem  Teil  der  Proteinstoffe,  die 
in  das  wässerig  alkoholische  Filtrat  (1)  übergegangen  sind,  zusammen 
verascht. 

B.  Das  Filtrat  1  wird  bei  einer  00"  nicht  übersteigenden  Temperatur 
auf  dem  Wasserbad  verdunstet  und  der  Rückstand  mit  dem  Filtrat  2  über- 
gössen und  zerrieben.  ]\Ian  läßt  absitzen,  dekantiert  auf  ein  kleines  asche- 
freies gewogenes  Filter  und  wäscht  den  Pvückstand  wiederholt  mit  Alkohol 
und  Äther.  Schließlich  zerreibt  man  den  in  Alkohol  und  Äther  unlöslichen 
Teil  noch  mit  dem  Filtrat  ;->  und  filtriert  durch  das  eben  schon  benutzte 
Filter,  fängt  dieses  wässerige  Filtrat  aber  getrennt  von  dem  alkoholisch- 
ätherischen auf. 

Man  bringt  das  Ungelöste  (juantitativ  auf  das  Filter  und  wäscht  es 
mit  Wasser  aus.  Der  auf  dem  Filter  bleibende  Rückstand  wird  getrocknet, 
gewogen  und  zusammen  mit  dem  ersten  Filterrückstand  verascht.  Das 
Gewicht  der  beiden  getrockneten  Filterrückständo,  vermindeit  um  die  Summe 
der  Asche,  gibt  das  Gewicht  der  in  dem  angewandten  Serum  (P.lut  etc.) 
enthaltenen  Proteinstoffe. 

Der  wässerige  Auszug  (ursprünglich  Filtrat  ;'>)  wird  auf  dem  Wasser- 
bad verdunstet  (in  gewogener  Schale),  der  Rückstand  bei  llU"  getrocknet, 
gewogen,  verascht  und  die  Asche  wieder  gewogen.  Der  alkoholisch-ätherische 
Auszug  (ursprünglich  Filtrat  2)  enthält  die  Hauptmenge  der  Fette,  Phos- 
phatide etc.  und  Extraktivstoffe.  Er  wird  bei  einer  (iO"  nicht  übersteigen- 
den Temperatur  auf  dem  Wasserbad  verdunstet  und  schließlich  über  H.^S(>^ 


')  Hoppe-Sei/Ier-Thifr/rh/er,  Ilandl.ueli.  S.  Aull.  6t'.2ff.  (VMM 
-)  Bei  Verwendung    von  Blut    wird    man    den  Blutkuclien    erst  mecbaniscii   zer- 
kleinern und  dann  die  Masse  in  der  oben    zu    beschreibenden  Weise  weitcrvenirbeiten. 
')  Das  3— 4faclie  Volum  wird  meist  geniitren,  doch  hat  man  schon  bis  zu  lö  Vo- 
lumina Alkoliol    angewandt,    z.  B.  Erben,    Chemische  /usammensetziuig    des  Blutes  bei 
Tuberculosis  pulmonum.  Zeitschr.  f.  Heilkunde.  26.  24ö  (1895). 

A  btl  p  r  li  a  I  den  .  Handbuch  der  biochemischen  Arbeifsmethodon.  V.  14 


25^0  ^-  Letsche. 

getrocknet.  Der  Rückstand  wird  mit  Äther  ausgezogen,  das  Äther  unlösliche 
abfiltriert  und  wiederholt  mit  Äther  gewaschen. 

1.  Der  Rückstand  —  das  ÄtherunlösUche  wird  mit  Wasser  in  eine 
tarierte  Schale  gespült,  die  Aufschwemmung  auf  dem  Wasserbad  zur 
Trockene  gebracht,  der  Rückstand  bei  110"  getrocknet  und  gewogen.  Das 
Gewicht  gibt  die  Summe  der  in  Alkohol  löslichen  Extraktivstoffe.  Das  Ge- 
wicht der  Asche,  vermehrt  um  das  Gewicht  der  Asche  des  wässerigen 
Auszugs  (siehe  oben),  gibt  die  Summe  der  löslichen  Salze.  Viel  genauer  ist 
es  freilicii,  die  beiden  Aschen  zu  vereinigen,  mit  Wasser  auszukochen  und 
das  wasserlösliche  von  eventuell  wasserunlöslichen  zu  trennen.  Das  letztere 
wäre  dann  dem  Rückstand  zuzuzählen,  den  man  beim  Veraschen  der  Pro- 
teinstoffe bekommt. 

2.  Das  ätherische  Filtrat  wird  bis  auf  ein  kleines  Volumen  abde- 
stilliert, in  ein  gewogenes  Becherglas  übergeführt  und  der  Kolben  mit  Äther 
und  Alkohol  nachgespült.  Bei  mäßiger  Wärme  verdunstet  man  die  Lösung 
auf  dem  Wasserbad  und  trocknet  den  Rückstand  vor  der  Wägung  im  Va- 
kuum über  Ha  SO4.  Dann  löst  man  den  Rückstand  in  Alkohol,  fügt  alkoho- 
lische Kalilauge  zu,  kocht  die  Mischung  etwa  1  Stunde  auf  dem  Wasser- 
bad, verdunstet  nach  dem  Verseifen  den  Alkohol  und  löst  den  Rückstand 
im  Wasser.  Diese  Lösung  wird  mehrmals  mit  Äther  ausgeschüttelt. 

Die  vereinigten  Ätherlösungen  werden  verdunstet,  der  Rückstand 
mit  Petroläther  aufgenommen,  wobei  das  eventuell  vorhandene  Cholesterin 
in  Lösung  geht.  Nach  dem  Verdunsten  des  Petroläthers  bestimmt  man  das 
Cholesterin  nach  Windaus.  Vermutet  man  in  dem  Petrolätherrückstand 
neben  Cholesterin  noch  andere  Substanzen,  so  schüttelt  man  das  Filtrat 
vom  Digitonincholesterid  nach  dem  Ansäuern  mit  Salzsäure,  mit  Äther 
oder  Petroläther  aus  und  vereinigt  den  Rückstand  dieses  Auszugs  mit  der 
von  der  \'erseifung  herrührenden  wässerigen  alkalischen  Lösung  und  unter- 
sucht sie  in  früher  geschilderter  Weise  (S.  162  ff.). 

In  diesem  Teil  findet  sich  der  Phosphor  der  Phosphatide,  den  man 
am  besten  nach  der  Neuman7tscheTi  Methode  bestimmt. 

Berechnungen  über  die  Menge  des  Fetts  aus  der  Differenz  des  Ge- 
wichtes des  Ätherauszugrückstandes  und  dem  Resultat  der  Phosphorsäure- 
bestimmung berechnet  auf  ein  beliebiges  Lezithin,  z.B.  Distearyllezithin  1), 
sind  natürlich  sehr  willkürUch,  mögen  aber  trotzdem  für  manche  Zwecke 
ganz  wertvoll  sein. 

Zur  Bestimmung  von  Erythrozyteneiweiß  und  Fibrin  in 
einer  Blutportion  verfährt  Erben ^)  folgendermaßen: 

In  einem  Wägegläschen  von  etwa  oO  cm^  Inhalt  werden  zuerst  0"025 
bis  O'O:-)  rj  wasserfreies  Ammonoxalat  abgewogen ,  dann  läßt  man  unter 
dauerndem  Umrühren  das  Blut  hineinfließen  und  wägt  nach  dem  Erkalten. 


')  Welchem  Gewicht  natürlich  noch  das  Cholesterin  zuzuaddieren  ist. 
-)  Erben,  Chemische   Zusammensetzung   des   Blutes  usf.    Zeitschr.  f.  Heilkunde. 
26.  245  (1895). 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        211 

Hierauf  wird  das  flüssig'  iiebliebene  Blut  in  2  Zfutrifu^ioi-nilirchen  ausge- 
schleudert und  das  klare  I'lasnia  in  einem  Wä«iej^l;iscl)en  gewogen.  Dann 
spült  mau  das  Plasma  mit  etwas  ^Vasser  in  ein  IJechergläsclien  un<l  bringt 
es  durch  ein  kleines  Tröpfchen  Chlorkalziumlösung  zur  Gerinnung.  Das 
Fibrin  wird  mit  Hilfe  von  (Jlasstäbchen  zerteilt,  erst  mit  O'DVoiger,  dann 
mit  konzentrierter  NaCl-Lösung  zur  Entfernung  verschiedener  Leukozyten- 
bestandteile gewaschen,  auf  gewogenem  Filter  gesammelt,  getrocknet  und 
gewogen. 

Das  Filtrat  vom  Fibrin  wird  mit  Was.ser  verdünnt  und  mit  dem 
gleichen  Volumen  einer  konzentrierten  neutralen  Ammonsulfatlösung  zur 
Ausfällung  des  Globulins  M  versetzt.  Dasselbe  wird  auf  einem  gewogenen 
Filter  gesammelt,  mit  halbgesättigter  Ammonsulfatlösung  gut  gewaschen, 
weiterhin  mit  Alkohol  und  mit  Äther  behandelt  und  schlielilich  durch 
Trocknen  bei  120"  wasserunlö.slich  gemacht. 

Schließlich  wäsclit  man  mit  heißem  Wasser,  trocknet,  wägt,  verascht 
und  zieht  das  Gewicht  der  Asche  vom  Gewicht  des  Niederschlages  ab. 

Das  Sediment  2),  von  dem,  me  oben  erwähnt,  das  zellfreie  Plasma 
abgenommen  wurde,  wird  mit  O'OYoift'ei'^aCl-Lösung  =5),  mit  der  man  zu- 
erst das  Wägegläschen  ausgespült  hat,  aufgeschüttelt.  Man  schleudert  die 
Blutkörperchen  aus,  hebt  die  klare  Flüssigkeit,  aus  der  man  etwa  noch 
aufgeschwemmte  Erythrozyten  durch  abermaliges  Zentrifugieren  in  einem 
neuen  Ptöhrchen  gewinnen  kann,  ab,  schwemmt  das  Sediment  wieder  in 
0"97oige  XaCl-Lösung  auf,  zentrifugiert  wieder  und  verfährt  in  der  gleichen 
Weise  noch  etwa  2mal. 

Erben  führt  dann  die  Bearbeitung  in  folgender  Weise  weiter :  Die  von 
Waschflüssigkeit  möglichst  befreiten  Erythrozytensedimente  werden  mit 
wenig  Wasser  in  ein  Becherglas  gespült,  dort  mit  der  If) fachen  .Menge 
absoluten  Alkohols  gefällt  und  der  Niederschlag  so  weiter  behandelt  wie 
oben  beim  Plasma,  auch  das  Filtrat  von  der  Alkoholfällung  ist  wie  oben 
weiterzubehandeln. 

Soweit  ich  sehe,  wäre  also  nach  dem  Verfahren  von  Erben  das 
Plasma  vollständig  abzuheben,  zu  wägen  und  die  Differenz  zwischen  Blut- 
gewicht und  Plasmagewicht  als  ..Blutkörperchen"    in  Picchnung  zu  setzen. 


*)  über  die  ßestinimun<(  des  Albumins  niaclit  Erben  keine  Angaben.  Dio  Bestim- 
mung würde  in  der  Weise  auszuführen  sein,  daß  man  die  verschiedenen  wasserigen  Fil- 
trate  vereinigt,  einengt  (bei  etwa  60")  bis  zur  Trockene  und  schließlich  den  Rückstand 
über  Schwefelsäure  trocknet,  dann  würde  man  die  trockene  Masse  mit  Alkohol  und 
anschlioüeud  mit  Atlicr  erschöpfen;  das  Ungelöste  wird  bei  120'^  getrocknet  und  die 
trockene  Masse  mit  heißem  Wasser  erschöpft.  Das  Ungelöste  wird  nach  neuerlicher  Be- 
handlung mit  Alkohol  und  Äther  getrocknet,  gewogen  und  verascht.  Die  Asche  zieht 
man  von  dem  Gewicht  des  Trockonrückstandes  ab  und  setzt  die  Differenz  als  Albumin 
in  Rechnung.  (Auch  durch  Dialyse  kann  man  dio  Ilauptmenge  anorganischer  Salze  ent- 
fernen.) 

-)  Das  Sediment  enthält  natürlicli  auch  dio  Loukozyton. 

^)  Erben  wandte  3"oig<^  Kochsalzlösung  an.  docii  sdieint  mir  0-9',(,igc  der  osmo- 
tischen Verhältnisse  wegen  empfehlenswerter. 

14* 


91-7  E.  Letsche. 

Dabei  begeht  man  einen  Fehler,  dessen  Größe  unkontrollierbar  und  wechselnd 
ist.  Es  empfiehlt  sich  deshalb  nach  der  Analyse  des  Plasmas  und  nach 
dem  Auswaschen  der  Körperchenmalie  in  einem  aliquoten  Teil  dieses 
Sediments  das  Volumen  der  Blutkörperchen  zu  bestimmen  und  einen  anderen 
aüquoten  Teil  in  der  oben  geschilderten  Weise  zu  untersuchen.  Zur  Be- 
stimmung des  Körperchenvolums  hätte  man  das  Verfahren  von 
Warburcj^)  anzuwenden. 

Nach  dem  Waschen  der  Körperchen  mit  einer  isotonen  Kochsalzlösung 
werden  bcrn^  des  Blutkörperchenbreis  mit  bcm^  einer  isotonen  Natrium- 
sulfatlösung vermischt  und  die  Mischung  zentrifugiert.  In  dchi^  der  über 
dem  Sediment  stehenden  Flüssigkeit  bestimmt  man  den  Chlorgehalt  durch 

Titration  mit  —AgNOs  und  Chromat  als  Indikator.  Aus  dem  gefundenen 

Chlor  kann  man,  da  der  Titer  der  zum  Wäschen  der  Blutkörperchen  be- 
nutzten NaCl-Lösung  als  bekannt  vorausgesetzt  wird,  errechnen,  wieviel 
Kubikzentimeter  NaCl-Lösung  in  den  angewandten  öciii^  Blutkörperchen- 
brei sich  finden  und  kennt  damit  natürlich  auch  das  Volum  der  Blut- 
körperchen. 

Wendet  man  größere  Blutquantitcäten  an,  als  sie  für  die  oben  ge- 
schilderte quantitative  Gesamtblutanalyse  nötig  sind,  so  lassen  sich  bei 
Einhaltung  des  gleichen  Verfahrens  —  wobei  natürlich  die  Veraschung 
wegfällt  —  die  einzelnen  Bestandteile  des  Blutes  nacheinander  aus  einer 
Blutportion  isolieren. 

Es  wird  sich  dieses  Verfahren  aber  nur  dann  empfehlen,  wenn  die 
zur  Verfügung  stehende  Blutmenge  relativ  klein  ist.  Denn  wollte  man  bei 
einer  kleinen  Blutmenge  für  jede  nachzuweisende  oder  zu  isoherende  Sub- 
stanz eine  l)esondere  Portion  in  Arbeit  nehmen,  so  könnte  es  leicht  dahin 
kommen,  daß,  auch  wenn  eine  gesuchte  Substanz  im  Blut  vorhanden  ist, 
ihr  Nachweis  mißlingt,  weil  eben  die  zur  Untersuchung  verwendete 
Quantität  ungenügend  war.  Hat  man  größere  Blutmengen  zur  Verfügung, 
so  ist  es  meist  zweckmäßiger,  für  jede  Substanz  eine  besondere  Blutportion 
in  Arbeit  zu  nehmen,  schon  deshalb,  weil  bei  Befolgung  der  oben  gege- 
benen Vorschriften  der  für  die  Untersuchung  nötige  Zeitaufwand  mit 
wachsender  Blutmenge  ebenfalls  erheblich  größer  wird. 

In  manchen  Fällen,  besonders  bei  Aufarbeitung  sehr  großer  Blut- 
mengen, ist  es  auch  ganz  empfehlenswert,  das  Blut  (Serum,  Plasma)  nach 
Entfernung  der  Proteinstoffe  zur  Trockene  einzudampfen.  Man  kann  zu 
diesem  Zweck  in  folgender  Weise  verfahren.  ^) 

Serum  wird  mit  verdünnter  Essigsäure  eben  angesäuert  und  mit  dem 
dreifachen  Volumen  907oigen  Alkohols  versetzt.  Die  alkoholisch  wässerige 


*)  Otto  Warhurg,  Über  Beeinflussung  der  Oxydationen  in  lebenden  Zellen  nach 
Versuchen  an  roten  Blutkörperchen.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  69.  ■452/62  (1910). 

^)  E.  Letsche,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  organischen  Bestandteile  des  Serums. 
Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  53.  31/112  (1907). 


Methoden  zur  Aufarbeitung  des  Blutes  in  seine  einzelnen  Bestandteile.        213 

f'lüssigkoit  bleibt  über  dem  Niederschlag  unter  wiederholtem  rmsehüttdn 
36 — 48  Stunden  stehen,  dann  trennt  man  sie  durch  Kollieren  von  dem  Nieder- 
schlag; diesen  zerreibt  man  mit  Alkohol  (96Voi{?)  zu  einem  dünnen  Hrei 
und  erwärmt  auf  dem  Wasserbad  auf  30 — 35",  wonach  man  den  Nieder- 
schlag noch  warm  auf  der  Nutsche  absaugt;  den  noch  feuchten  Nieder- 
schlag zerreibt  man  —  er  darf  dabei  nicht  an  den  Fingern  kleben,  ist 
dies  der  Fall,  so  muß  die  liehandlnng  mit  Alkohol  wiederholt  werden  — 
und  extrahiert  ihn  erst  mit  Alkohol,  dann  mit  Äther. 'j  Diese  Extrakte 
vereinigt  man  mit  dem  alkoholisch-wässerigen  Hauptfiltrat. 

Dieses  Hauptfiltrat  wird  im  Vakuum  bei  einer  40"  jedenfalls  nicht 
wesentlich  übersteigenden  "J'emperatur  eingedampft.  (Dei  genügend  großen 
\'akuumapparaten  geht  diese  Arbeit  sehr  rasch.-)  Der  beim  Eindampfen 
bleibende  Rückstand  wird  noch  feucht  auf  Ton  gebracht,  in  einzelne  Stücke 
zerteilt  und  im  Vakuum  über  H.,  SO4  getrocknet.  Anderen  Tags  ist  die 
Masse  in  der  Pvegel  soweit  trocken,  daß  sie  sich  zu  einem  groben  Pulver 
zerreiben  läßt:  nach  weiterem  1 — 2tägigem  Stehen  über  H.^  SO^  zerreibt 
man  möglichst  rasch  zu  einem  staubfeinen  Pulver,  trocknet  noch  ein  drittes 
Mal  und  füllt  das  sehr  hygroskopische  Pulver  möglichst  rasch  in  vollkommen 
trockene  Gläser,  die  sofort  mit  Paraffin  verschlossen  werden. 

Zur  Zerlegung  in  einzelne  der  weiteren  Untersuchung  leichter  zugäng- 
liche Fraktionen  extrahiert  man  die  vollkommen  trockene  Masse  der  Reihe 
nach  mit  Petroläther.  Äther,  Alkohol  fOO"  0)  und  Wasser. 

Ganz  einwandfrei  ist  dieses  Verfahren  des  Eindampfens  auch  beim 
Einhalten  einer  niedrigen  Temperatur  nicht ;  es  gehen  geringe  Mengen 
N-haltiger  Stoffe  unter  Abspaltung  von  NH3  in  die  Brüche ;  wie  weit  Phos- 
phatide dabei  sich  zersetzen,  wäre  erst  noch  zu  prüfen. 

VII.  Bestimmung  der  Verteilung  einzelner  Bestandteile  des 
Blutes  auf  Serum  (Plasma)  und  Formelemente. 

Die  erste  Aufgabe,  die  man  für  den  angegebenen  Zweck  zu  lösen 
hat,  ist  die  Feststellung  des  Verhältnisses  von  Serum  und  Formelementen 
in  dem  zu  untersuchenden  Blut ;  von  ihrer  genauen  Lösung  hiingt  die 
Genauigkeit  der  übrigen  Bestimmungen  sehr  wesentlich  ab.  ^^'elches  der 
in  Ab.schnitt  II  angegebenen  Verfahren  man  zur  Bestimmung  dieses  Ver- 
hältnisses anwenden  wird ,  hängt  im  speziellen  Fall  unter  anderem  auch 
davon  ab,  über  welcher  Stoffe  Verteilung  man  Aufklärung  wünscht.  Für 
manche  Zwecke  mag  das  \'erfahren   von  Steirart  gewisse  \'orteile  bieten; 


')  Diese  Extrakte  —  Alkohol  und  Äther  —  können  zur  Isolierung  von  Chole- 
steriuestern  nach  Iliirfhlc  verwendet  werden.  Der  Mederschlatr  ontliält  wesentliche 
Mengen  wasscrlösliclier  Bestandteile  nicht  ;  um  ganz  sicher  zu  gelien,  daß  man  alles  Lös- 
liche entfernt  hat,  kann  man  den  Niederschlag  erst  bei  120°  trocknen  und  dann  mit 
Wasser  auskochen  und  diese  Lösung  zum  Hauptfiltrat  zutrchon. 

-)  Bei  ziemlich  primitiven  Einrichtungen,  die  mir  zur  \  erfügung  standen,  nahm 
das  Eindampfen  der  aus  7  l  Serum  resultierenden  Fliissigkeitsmengc  (rund  etwa  35  0 
2', — 3  Tage  bei  9stündigcr  täglicher  Arbeitszeit  in  Anspruch. 


2;[4  ^-  Letsche. 

bei  bestimmten  l^Jiitarten  (Pferd,  Schwein,  Kaninchen)  kommt  man  am 
raschesten  zum  Ziel,  wenn  man  dem  von  Bunge  angegebenen  Verfahren, 
das  Natron  im  Gesamtblut  und  Serum  zu  bestimmen,  folgt.  Einer  allge- 
meineren Verwendung  ist"  das  Bleibtreusche  Verfahren  fähig.  Handelt  es 
sich  um  die  A'erteilung  der  Eiweißstoffe,  so  wird  man  eines  oder  das 
andere  von  Hoppe-Seylers  Verfahren  anwenden,  da  man  hierbei  ja  eben 
diese  Stoffe  bestimmt. 

Hat  man  das  Verhältnis  von  Serum  und  Körperchen  auf  die  eine 
oder  andere  Art  ermittelt,  so  braucht  man  nur  die  Substanz,  deren  Ver- 
teilung ermittelt  werden  soll,  einmal  im  Blut  und  einmal  im  Serum  zu 
bestimmen  1)  und  hat  damit  die  Zahlen,  die  zur  Berechnung  nötig  sind, 
ermittelt. 

Hat  man  die  Aufgabe,  alle  wichtigeren  im  Blut  sich  findenden  Sub- 
stanzen in  ihrer  Verteilung  auf  Serum  und  Formelemente  zu  bestimmen, 
so  wird  man  sich  am  besten  an  die  Angaben  von  Hoppe- Seyler-Thierf eider  ^) 
halten. 

Man  bestimmt  mit  Hilfe  einer  der  auf  Seite  151  beschriebenen 
Methoden  Hoppe-Seylers  das  Verhältnis  von  Serum  zu  Formelementen. 
Dabei  wird  der  Prozentgehalt  des  Serums  an  Proteinstoffen  und  der  Pro- 
zentgehalt des  Blutes  an  Proteinstoffen  der  Blutkörperchen  direkt  be- 
stimmt. Die  letztere  Bestimmung  fällt  aber  etwas  zu  niedrig  aus,  wenn 
man,  wie  an  anderer  Stelle  3)  angegeben  wird,  die  Gesamtasche  von  dem 
Gewicht  des  trockenen  Filterrückstandes  abzieht ;  denn  diese  Gesamtasche 
enthält  auch  das  Eisen  aus  dem  Hämoglobin.  Um  diesen  Fehler  zu  elimi- 
nieren, bestimmt  man  den  Eisengehalt  einer  Blutportion,  berechnet  das 
Kesultat  auf  100  ^r  Blut  und  addiert  das  Ptesultat  dieser  Bestimmung  zu 
der  Differenz  von  Trockengewicht  des  Eiweißniederschlags  und  Gewicht 
der  in  ihm  enthaltenen  Asche  (beide  Größen  natürlich  ebenfalls  auf  100^ 
Blut  berechnet).  Die  Zahl,  die  man  auf  diese  Weise  erhält,  gibt  an,  wie- 
viel Gramm  Proteinstoffe  in  100^  Blut  auf  die  Blutkörperchen  entfallen; 
wieviel  Proteinstoffe  in  lOOg  Blut  auf  das  Serum  kommen,  erfährt  man, 
wenn  man  den  Prozentgehalt  des  Serums  an  Proteinstoffen  umrechnet 
auf  die  Menge  Serum,  die  in  100 r/  Blut  enthalten  ist. 

Man  führt  dann  weiter  eine  Blutfarbstoffbestiramung  nach  einer  der 
von  Franz  Müller  ^)  beschriebenen  ^lethoden  aus.  Der  gefundene  Prozent- 
gehalt gibt  zugleich  auch  an,  wie  viel  Hämoglobin  in  der  in  100 //  Blut 
enthaltenen  Blutkörperchenmenge  sich  findet,  da  ja  das  Hämoglobin  nur 
in  den  Körperchen  vorkommt. 

Wenn  man  die  auf  diesem  Wege  gefundene,  in  100 .9  Blut  enthaltene 
Hämoglobinmenge  abzieht  von  der  Proteinmenge,  die  in  den  Blutkörperchen 


1)  Nach  Methoden ,  die  weiter  oben  beschrieben  sind. 

^)  Hoppe-Sei/ler-Thi(>rf eider,    Handbuch     der   physiol.   u.   pathol.-chem.   Analyse. 
8.  Aufl.  Berlin  1909.  S.  685." 

3)  Dieses  Handbuch.  Bd.  2.  S.  373  (1910). 
*)  Dieses  Handbucb.  Bd.  3.  S.  705 ff.  (1910). 


Methoden  zur  Aufarbeitung  der  Lynipho  in  iliro  einzelnen  licstandtcile.       21;") 

von  lOOy  lUut  sich  findet,  so  erfährt  man  die  Mcn^r^  der  Protoinstoffe. 
die  neben  dem  ISkitfarbstoff  in  den  inutkörperchcn  von  lOOy  lUiit  ent- 
halten ist. 

Weiterhin  bestimmt  man  in  etwa  HD — iSOmi^  Jilnt  Cholesterin,  I'hos- 
phatide,  lösliche  und  unlösliche  Salze  ^).  rechnet  die  Resultate  auf  lOOy 
Blut  um  und  führt  die  ji^leichen  Bestimmunjien  in  einer  entsprechenden 
Menge  Serum  aus.  Die  im  Serum  erhaltenen  Werte  sind  dann  auf  die 
Menge  Serum,  die  WOg  Blut  enthalten,  umzurechnen. 

Zieht  man  diese  Zahl  ab  von  der  ersten  fiii-  das  Bhit  hestimmten, 
so  erfährt  mau  die  Mengen  der  bestimmten  Stoffe,  wie  sie  in  den 
Blutkörperchen  von  100  9  Blut  sich  finden. 

Genau  das  gleiche  Verfahren  ist  anzuwenden  für  Zucker,  für  Harn- 
stoffe, Milchsäure  usw.,  für  Trockensubstanz  und  Aschenliestandtcilc. 

Untersuchung  der  Lymphe. 

Die  Bestandteile  der  Lymphe  (und  des  Chylus)  sind  ([ualitativ  die 
gleichen  wie  die  des  Blutes. 

Die  geformten  Elemente  Leukozyten  und  unter  Umständen  auch 
Erythrozyten  hat  man  bis  jetzt  der  Schwierigkeit  ihrer  Gewimiung  wegen 
noch  nicht  zum  Gegenstand  chemischer  Untersuchungen  gemacht. 

Zur  Untersuchung  der  Lymphe,  des  Lymphplasmas  und  Lyrnj)!!- 
serums  finden  die  gleichen  Methoden  wie  beim  Blut  Anwendung-,  irgend 
welche  Besonderheiten  sind  nicht  zu  beachten. 

Methoden  zur  Aufarbeitung  der  Zerebrospinalflüssigkeit. 

Untersuchungen  über  die  Zusammensetzung  normaler  menschlicher 
Zerebrosi)inalflüssigkeit  sind  bis  jetzt  kaum  gemacht  worden.  Die  unter- 
suchten Hüssigkeiten  stammten  vielmehr  entweder  von  Kranken,  bei  welchen 
eine  Entziehung  dieser  Flüssigkeit  duich  Punktion  vom  ärztlichen  Stamlpunkte 
aus  geboten  schien  oder  aus  Leichen.  Dagegen  ist  von  gesunden  Kälbern 
stammende  Zerebrospinalflüssigkeit  von  Xaivnitzki  eingehend  untersucht 
worden.  Ob  die  zu  untersuchende  Flüssigkeit  von  gesunden  oder  kranken 
Individuen  stammt,  ist  für  die  zu  befolgende  Methodik  nebensächlich,  wenn 
auch  pathologische  Zerebrospinalflüssigkeit  in  ihrer  Zusammensetzung  so- 
wohl nach  der  (|ualitativen  als  auch  nach  der  t|nantitativen  Seite  Ab- 
weichungen von  normaler  Flüssigkeit  zeigen  wird. 

Bei  der  Untersuchung  der  Zerebrospinalflüssigkeit  sowie  l)ei  der  Be- 
stimmung einzelner  ihrer  Bestandteile  hat  man  sich  im  grol'.en  und  ganzen 
an  die  für  das  Serum  gebräuchliche  und  im  Vorhergehenden  ausführlicli  be- 
schriebene Methodik  zu  halten.  Für  die  Isolierung  und  ÜestinniinuL'-  (MuiL'er 


')  Die  Bestimmung  kann  im  Ansoliluli  an  das  im  Abschnitt  \  1  wipilerjfcgcbene 
Verfahren  crfoliri'n  :  oder  abpr  iianii  man  joden  einzelnen  Bestandteil  nach  den  früher 
beschrioboiicn   Methoden  in  einer  Itesonderen   Blut])orfion   uml  einer  Itesondercn  iSeruiu- 

portion  bcstimiuen. 


216  E.  Letsche. 

Bestandteile  sind  im  Folgenden  eine  Anzahl  Methoden  beschrieben,  die 
sich  gegenüber  den  entsprechenden  Methoden,  die  für  das  Serum  in  An- 
wendung kommen,  meist  durch  größere  Einfachheit  auszeichnen. 

Die  Einteilung  entspricht  der  beim  Blutserum  eingehaltenen ;  es  finden 
sich  nebeneinander  Methoden  zur  Isolierung  und  zur  quantitativen  Be- 
stimmung ,  da  zur  Isolierung  und  zum  Nachweis  der  einzelnen  Bestandteile 
in  der  Piegel  Methoden  Anwendung  finden,  die  ohne  weiteres  auch  für 
quantitative  Zwecke  brauchbar  sind. 

1.  Eiweißstoffe. 

Zur  quantitativen  Bestimmung  von  Serumglobulin  verfährt 
Panzer^)  folgendermaßen: 

50  on^  Flüssigkeit  werden  durch  einige  Tröpfchen  verdünnter  Essig- 
säure neutralisiert  und  die  Lösung  bei  40"  mit  MgS04  gesättigt.  Der 
Niederschlag  wird  auf  gewogenem  Glaswollfilter  abfiltriert,  mit  gesättigter 
MgSO^-Lösung  gewaschen  und  auf  dem  Trichter  bei  110*^  getrocknet,  um 
das  Eiweiß  zu  koagulieren.  Alsdann  wäscht  man  mit  Wasser  aus,  trocknet 
wieder  und  wägt. 

Das  Filtrat  dieser  Fällung,  durch  Dialyse  von  der  Hauptmenge 
Salze  befreit,  scheidet  beim  Kochen  und  nachherigen  Ansäuern  mit  ver- 
dünnter Essigsäure  eine  beträchtliche  Menge  koaguherbares  Eiweiß  — 
Serumalbumin  —  aus. 

Das  gleiche  Verfahren  benutzte  auch  Halliburton. -) 

Zur  Bestimmung  des  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  enthaltenen  Ge- 
samteiweiß  verfährt  FrenJcel-Heiden^)  folgendermaßen: 

Die  Flüssigkeit  (3 — 10  cm^)  wird  mit  der  10 — lofachen  Menge  Al- 
kohol gefällt,  der  Niederschlag  nach  24stündigem  Stehen  auf  einem  kleinen 
Filter  gesammelt,  sorgfältig  ausgewaschen  und  zur  N-Bestimmung  nach 
Kjeldahl  verwendet. 

Nauratzki*)  dagegen  fällt  die  Eiweißstoffe  durch  Hitzekoagulation 
bei  ganz  schwach  essigsaurer  Reaktion.  Den  Eiweißniederschlag  sammelt 
er  auf  gewogenem  Filter,  wäscht  ihn  gründlich  aus  (mit  Wasser,  Alkohol 
und  Äther),  trocknet  ihn  bei  100"  und  wägt. 

2.  Kohlehydrate. 

Zum  Nachweis  von  Glukose  in  Z.-Flüssigkeit  von  Gesunden  hat 
Nawratzki^)  folgenden  Weg  eingeschlagen: 

')  Th.  Panzer,  Zur  Kenntnis  der  Zerebrospinalflüssigkeit.  Wiener  klin.Wochenschr. 
1899.  805  7. 

-)   }V.  D.  Halliburton,  On  cerebrospinal  fluid.  Journ.  of  Physiol.  10.232  58(1889). 

')  Frenkel-Heiden,  Zur  Chemie  der  Zerebrospinalflüssigkeit.  Biochem.  Zeitschr. 
2.  188'89  (1907). 

*)  Xawratzki,  Zur  Kenntnis  der  Zerebrospinalflüssigkeit.  Zeitschr.  f.  physiol. 
Chemie.  23.  532  (1897). 

*)  Nawratzki,  Zur  Kenntnis  der  Zerebrospinalflüssigkeit.  Zeitschr.  f.  phvsiol.  Chemie. 
23.  532  (1897). 


Methodeu  zur  Aufarbeitiuig  der  Zerebrospinalfliissigkeit  in  ilire  einz.  Bestandteile.     2 1  7 

Zur  Fällung  von  Eiweiß  wird  die  Lösunj;^  mit  dorn  nichrfaclicii  Volum 
Alkohol  versetzt,  das  Filtrat  bei  etwa  40"  (am  besten  im  Vakuum)  einge- 
dampft und  der  Rückstand  mit  Wasser  aufgenommeu.  Diese  Lösung  wird 
mit  neutralem  Bleiazetat  versetzt,  der  Niederschlag  ausgewaschen  und  das 
Filtrat  (samt  Waschwasser)  entbleit  mit  H., S.  Das  Filtrat  von  I'l>8  wird 
stark  eingeengt  und  zwar  etwa  auf  '/oi  des  ursprünglicheu  \'oluniens. 

In  dieser  Lösung  läßt  sich  Glukose  nachweisen  mit  Hilfe  des  l'ola- 
risationsapparates ,  mit  Hilfe  der  Reduktionsproben  von  Fchlhuj  und  Sy- 
lander  und  mit  Hilfe  der  Gärprobe.  Weiter  gelingt  auch  die  Darstellung 
von  Glukosazon  nach  dem  üblichen  \erfahren. 

Panzer'^]  weist  mit  Hilfe  der  gleichen  Reaktionen  die  Gegenwart  von 
Glukose  nach,  nachdem  er  für  diesen  Zweck  die  Zerebrospinalflüssigkeit 
in  folgender  Weise  vorbereitet  hat : 

Etwa  100  cm"^  Z.-Flüssigkeit  werden  mit  Essigsäure  schwach  ange- 
säuert. Zu  dieser  Lösung  fügt  man  Bleizucker,  solange  noch  eine  FiUlung 
entsteht.  Das  Filtrat  macht  man  mit  NH3  alkahsch,  filtriert  wieder  und 
wiederholt  die  Fällung  mit  NH;,  und  Bleizucker  so  lange,  als  noch  eine 
P^ällung  auftritt.  Die  verschiedenen  durch  NH3  und  Bleizucker  erhaltenen 
Niederschläge  werden  in  gelinder  Wärme  mit  Hilfe  von  HaSO^  zersetzt, 
das  Filtrat  genau  neutralisiert  und  diese  Lösung  zur  Isolierung  von  Phenyl- 
glukosazon  verwendet. 

Diese  beiden  Methoden  eignen  sich  bei  Einhaltung  (luantitativer 
Kautelen  natürlich  auch  zur  quantitativen  Bestimmung  der  Glukose, 
dabei  verdient  die  erstere  Methode  m.  E.  den  Vorzug.  Statt  die  Flüssigkeit 
mit  Hilfe  von  Alkohol  vom  Eiweiß  zu  befreien,  kann  man  natürlich  auch 
Hitzekoagulation  hierzu  verwenden  oder  eine  der  von  Rona  und  Michaelis 
angegebenen,  bei  der  Blutzuckerbestimmung  beschriebenen  Methoden. 

3.  Fett  und  fettiihnliche  Substanzen. 

Geringe  Mengen  Fett,  Fettsäuren  und  Cholesterin  hat  J'diuer  in 
der  Z.-Flüssigkeit  eines  Falles  von  Hydrokephalus  (jualitativ  nachweisen 
können,  indem  er  die  eiweißfreie  Flüssigkeit  sowohl  l)ei  alkalischer  wie 
bei  saurer  Reaktion  ausschüttelte  und  die  Ätherauszüge  ..in  der  gewohn- 
ten"  Weise  aufarbeitete. 

Zum  Nachweis  und  zur  Isolierung  von  Cholesterin,  das  in 
normaler  Flüssigkeit  nicht  zu  finden  ist,  hat  Piginni-)  Lumbaiflüssigkeit 
von  Geisteskranken  in  unten  zu  beschreibender  Weise  aufgearbeitet. 

25  cjii'-^  I^umbalflüssigkeit  werden  im  Scheidetrichter  wiederholt  mit 
Äther  ausgeschüttelt.    Der    nach    dem  \'erdunsten    des    Äthers    bleibende 


^)  J'h.  Panzer,  Zur  Keiuituis  drr  Zerebrospinalfliissigkeit.  Wiener  klin.  WocIionscLr. 
1899.  80.Ö. 

-)  G.  Pifihini,  Über  den  Cbolesterinsrelialt  der  I.umlialflüssigkeit  einiger  Geistes- 
krankbeiten.  Zcitschr.  f.  pbysioi.  Cbemie.  61.  508,11")  (19Ü9). 


218  E.  Letsche. 

Rückstand  wird  in  siedendem  absoluten  Alkohol  gelöst  und  nach  dem  Ver- 
fahren von  Ritter'^)  verseift. 

Die  Verseifung  gelingt  ebensogut  in  Benzol,  wenn  man  kleine  Stücke 
Natrium  und  soAdel  absoluten  Alkohol  hinzufügt,  bis  das  Natrium  ganz  ge- 
löst ist.  Nach  3 — 4stündigem  Sieden  am  Rückflußkühler  filtriert  man  und 
wäscht  die  Benzollösung  so  oft  mit  destilliertem  Wasser,  bis  dieses  nicht 
mehr  alkalisch  reagiert.  Die  Benzollösung  wird  dann  langsam  verdunstet, 
der  Rückstand  in  Alkohol  gelöst,  und  die  Lösung  zum  Sieden  erhitzt, 
während  man  ihr  soviel  Wasser  zugießt,  bis  sie  eben  trüb  wird.  Man  klärt 
die  Lösung  dann  wieder  durch  ein  paar  Tropfen  Alkohol,  filtriert  sie 
warm,  engt  sie  auf  ein  kleines  Volumen  ein  und  läßt  sie  langsam  abkühlen. 

Die  Rückstände ,  die  man  beim  Verdunsten  des  Alkoholauszuges  er- 
hält, den  man  nach  Bitters  oder  dem  oben  beschriebenen  Verfahren  ge- 
wonnen hat,  enthalten  oft  außer  dem  gesuchten  Cholesterin  auch  noch  an- 
dere Substanzen,  welche  die  Kristallisation  und  die  Abscheiduug  des  Cho- 
lesterins hindern.  Um  diese  Substanzen  zu  entfernen,  fällt  man  nach 
Fiyhini  die  alkoholische  Lösung  mit  Bleizucker,  der  diese  Substanzen 
zum  großen  Teil  niederschlügt.  Das  Filtrat  wird  entbleit,  auf  ein  kleines 
Volum  eingeengt  und  das  auskristallisierende  Cholesterin  durch  Umkristal- 
lisieren aus  Alkohol  gereinigt.  Sollte  es  nicht  mögUch  sein,  Kristalle  zu 
erhalten,  so  löst  man  den  beim  Verdunsten  des  Alkohols  bleibenden  Rück- 
stand in  Chloroform  und  versucht,  mit  dieser  Lösung  die  Cholesterin- 
reaktion  zu  erhalten. -j 

4.  Extraktivstoffe. 

a)  N-haltige  Substanzen. 

Harnstoff  hat  Cuvazzani^)  einfach  in  der  Weise  nachgewiesen, 
daß  er  die  neutrale  Lösung  einengte  —  SOan^  auf  zirka  18  cm'^  —  und 
in  dieser  Lösung  nach  Hü/ners  Methode  den  Harnstoff  mittels  Bromlauge 
zersetzte. 

Gumprecht*)  weist  den  Harnstoff  ebenfalls  mit  Hilfe  der  eben  er- 
wähnten Methode  nach,  sucht  aber  den  Harnstoff  zuerst  durch  Behandlung 
der  Z.-Flüssigkeit  in  folgender  AVeise  in  möglichst  reiner  Lösung  zu  er- 
halten: 42  cm 3  Flüssigkeit  werden  mit  120  c;;^^  Alkohol  versetzt,  der 
Niederschlag   nach  etwa  24stündigem  Stehen    abfiltriert   und   mit  Alkohol 

M  Riffer,  Über  die  Methoden,  die  zur  Abscheidung  des  Cholesterins  aus  den 
Fetten  und  ihrer  quantitativen  Bestimmung  verwendbar  sind.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie. 
34.  430  (1901/02).  Vgl.  auch  S.  169  dieser  Arbeit. 

=)  Zweifellos  wird  auch  hier  statt  der  beschriebenen  Reiniguugsmethode  das  Ver- 
fahren von  Windaus  zur  Isolierung  des  Cholesterins  gute  Dienste  leisten.  —  Ferner 
wird  man  die  vereinigten  alkalischen  wässerigen  Lösungen  zur  Bestimmung  der  Fett- 
säuren —  vielleicht  nach  dem  Verfahren  \on  Kumagawa-Suto  —  verwenden  können. 

=*)  E.  Cavazzani,  Weiteres  über  die  Zerebrospinalflüssiffkeit.  Zentralbl.  f.  Phvsiol. 
10.  145  147  (1896). 

■•)  Gumprecht,  Cholin  in  der  normalen  und  pathologischen  Spinalflüssigkeit  etc. 
Verhandlungen  des  Kongresses  für  innere  Medizin.  Wiesbaden  1900.  S.  326/48. 


Methoden  zur  Aufarbeitung  der  Zerebrospinalflüssigkeit  in  ihn«  ciii/,  Ri-standteile.     2l!l 

ausgewaschen.  Das  Filtrat  engt  man  bei  einem  Druck  von  weniger  als 
200  mm  und  bei  möglichst  niederer  Badtemperatur  (zirka  35 — 40")  auf 
etwa  10  cm^  ein  und  läßt  diesen  Rest  im  Vakuum  über  HoSO^  bei  Zimmer- 
temperatur verdunsten.  Der  Hückstand  wird  in  Alkohol  aufgenonnnen,  die 
Lösung  filtriert  und  zur  Harnstoffbestimmung  verwendet. 

Wie  Cavazzani^),  so  hat  auch  Panzer  llydrokephalusfliissigkeit  auf 
Harnstoff  untersucht;  während,  wie  oben  angedeutet,  Cavazzdni  Harnstoff 
nachweisen  konnte  mit  Hilfe  eines  recht  einfachen  Verfahrens,  \?>t  Panzer^) 
der  Nachweis  auf  folgendem  Wege  nicht  geglückt. 

Die  Z.-Flüssigkeit  wird  mit  dem  ofachen  Volum  Alkohol  versetzt; 
der  Eiweißniederschlag  wird  abfiltriert  und  mit  Alkohol  gewaschen.  Filtrat 
und  Waschflüssigkeit  dampft  man  znr  Trockene  ein;  den  lUickstand  zieht 
man  mit  Alkohol  aus,  verdunstet  diese  Lösung  wieder  und  löst  den  Kück- 
stand  in  Wasser  (möglichst  wenig).  Auf  Zusatz  von  konzentrierter  reiner 
HNO3  waren  Kristalle  von  salpetersaurem  Harnstoff  nicht  zu  erhalten; 
auch  Merkurini  trat  gab  nur  eine  ganz  unbedeutende  Trübung. 

Die  Angaben  über  den  Cholingehalt  der  Zerebrospinalflüssigkeit 
sind  sehr  widersprechend.  Die  differenten  Hesultate  hegen  sicher  nicht  an 
kleinen  Verschiedenheiten  der  Methodik,  sondern  sind  zweifellos  dadurch 
zu  erklären,  daß  Cholin  bei  gewissen  Krankheiten  auftritt,  bei  anderen  da- 
gegen nicht.  In  normaler  Zerebrospinalflüssigkeit  scheint  es  zu  fehlen, 
wenigstens  macht  Nmvratzki  über  seinen  Nachweis  in  der  Z.-Flüssigkeit 
von  Kälbern  keine  Angaben. 

Donath  verfährt  zum  Nachweis  von  Cholin  in  der  Z.-Flüssigkeit 
von  Epileptischen  in  folgender  Weise  ^) : 

20 — 'i)0  cm'^  der  Flüssigkeit  werden  mit  O'ö — 1  cni^  einer  ö"  oig^"» 
reinen  Lösung  von  NaaCOs  versetzt,  um  Kalzium,  Magnesium  und  Eisen 
zu  entfernen.  Das  Filtrat  von  diesem  Niederschlag  wird  im  Wasserbad  znr 
Trockene  verdampft  und  der  Rückstand  mit  absolutem  Alkohol  aufgenom- 
men. Diese  Lösung  wird  mit  einigen  Tropfen  HCl  eben  angesäuert  und 
wieder  zur  Trockene  verdunstet.  Den  Piückstand.  der  neben  Cholinehl(U-- 
hydrat  auch  noch  anorganische  Chloride  enthält,  löst  man  zur  Abtrennung 
eben  dieser  anorganischen  Chloride  wieder  in  absolutem  Alkohol  und  ver- 
setzt diese  Lösung  mit  einer  alkoholischen  Lösung  von  riatinchloridehlor- 
wasserstoff.  Der  Niederschlag  wird  abfiltriert,  mit  Alkohol  uewasclien,  ge- 
trocknet und  gewogen. 

Donath  löst  dann  die  Kristalle  in  Wasser,  läßt  die  Lösung  laui^sam 
verdunsten  und  sucht  die  Kristalle  noch  auf  Grund   ihres  Lichtbrechungs- 


*)  Siehe  Anni.  3,  S.  218. 

-)  7'/i.  Panzer,  Zur  Kenntnis  der  Zerebrospinalflüssigkeit.  Wiener  klin.  Wochenschr. 
1899.  80.-)  7. 

■')  J.  Donath,  Detection  of  thc  (  holiiu'  in  tlie  cprebrospinal  fluid  by  means  of 
tlie  Polarisation  niicroscope.  Jouni.  of  Physiol.  33.  21119  (1905/06).  —  Siehe  auch 
./.  Donath,  Yorkomnion  und  Boiioutung  des  Cholins  in  der  Zerebrospinalflüssigkeit  etc. 
Zeit.-chr.  f.  physin],  (  hrmie.  39.  .Ö2()  44  (1903). 


220  E.  Letsche. 

Vermögens  (Doppelbrechung)  und  ihrer  chromatischen  Polarisation  zu  cha- 
rakterisieren. 

Gumprechf^)  verfährt  in  ganz  ähnlicher  Weise,  begnügt  sich  aber 
nicht  mit  der  Isoüerung  der  Platindoppelverbindung,  sondern  zerlegt  diese 
mit  H.,S.  filtriert  den  Niederschlag  ab  und  prüft  noch  mit  Hilfe  einiger 
weiterer  Reaktionen  auf  Cholin.  (JK  gibt  Nadeln  und  lichtkaffeebraune 
Prismen,  AuCIg  gibt  Kristalle,  Phosphormolybdänsäure  gibt  Fällung  usf.) 

Rosenheiiii^)  unterläßt  die  etwas  mühsame  Isoherung  und  Pieinigung 
der  Platinverbindung  und  gibt  zu  einer  Probe  des  Rückstandes  von  der 
AlkohoUösung,  wie  sie  zur  Isolierung  der  Platinverbindung  gewonnen  wird, 
eine  starke  Lösung  von  Jod  in  Jodkalium.  Dabei  bilden  sich  die  charak- 
teristischen Kristalle  von  Cholinperjodid. 


h)  N-freie  Extraktivstoffe. 

Guniprecht^)  isoliert  Milchsäure  aus  Z.-Flüssigkeit ,  indem  er 
diese  mit  Schwefelsäure  ansäuert,  mit  Äther  die  saure  Lösung  wieder- 
holt ausschüttelt,  den  Äther  verdunstet  und  den  Rückstand  in  wenig 
Wasser  aufnimmt.  Mit  dieser  Lösung  sollen  dann  die  Milchsäurereaktionen 
angestellt  werden. 

Lehndorf  und  Batiingarien*)  schütteln  die  angesäuerte  Zere- 
brospinalflüssigkeit  ebenfalls  mit  Äther  aus;  sie  verdunsten  dann  den 
Äther  und  nehmen  den  Rückstand  in  Wasser  auf.  Sie  machen  dann  weiter 
folgende  Angabe:  ..Ferner  suchten  wir  die  Identität  der  Milchsäure  durch 
die  Abspaltung  des  Aldehyds  und  Überführung  desselben  in  Jodoform  fest- 
zustellen. Den  sicheren  Nachweis  aber  erbrachten  wir  durch  die  Darstel- 
lung der  charakteristischen  Zinklaktatkristalle  und  durch  deren  Analyse." 
Nähere  Angaben  über  die  Methodik  fehlen. 

Eine  eingehende  Beschreibung  zur  Isolierung  von  Milchsäure  aus 
Zerebrospinalflüssigkeit  gibt  Lockemann^),  dessen  Verfahren  bei  den  Me- 
thoden zur  Untersuchung  des  Serums  beschrieben  ist. 

5.  Anorganische  Bestandteile. 

Zur  Bestimmung  der  Asche  der  Zerebrospinalflüssigkeit  dampft 
man  eine  gemessene  (oder  gewogene)  Quantität  der  Flüssigkeit  in  gewogener 
Schale  ein.  Handelt  es  sich  zugleich  um  eine  Trockensubstanzbestim- 


*)  Gumpt-echf,  Cholin  in  der  normalen  u.  pathol.  Spinalflüssigkeit  etc.  Verhandl. 
d.  Kongr.  f.  innere  Med.  ^Viesbaden  1900.  S.  326/48. 

-)  0.  Kosenheim,  Choline  on  the  cerebrospinal  fluid.  Journ.  of  Phvsiol.  35. 
465/72  (1906/07). 

^)  Gumprecht,  siehe  oben  bei  1. 

*)  H.  Lehndorf  und  Ä.  Baumgarten,  Zur  Chemie  der  Zerebrospinalflüssigkeit. 
Zeitschr.  f.  exp.  Path.  u.  Ther.  4.  330/55  (1907). 

^)  Lockemann,  Über  den  Kachweis  von  Fleischmilchsäure  im  Blut,  Urin  und 
Zerebrospinalflüssigkeit  eklamptischer  Frauen.  Deutsche  med.  Wochenschr.  53.  299 
(1906).  Siehe  auch  S.  195. 


ö 


Methoden  zur  Aufarbeitung  der  Zercbrospiualf  lüssigkcit  in  ihre  einz.  Bestandteile.     22 1 

mun^-,  SO  wird  man  zunächst  bei  llU"  trocknen  und  wiipfon.  Danach  ver- 
ascht man  und  wägt  wieder.  Dai)ei  empfiehlt  es  sich,  bei  nicht  allzu  hoher 
Temperatur  die  Veraschung  auszuführen  und  eine  Spirituslampe  statt  der 
Gasflamme  anzuwenden,  da  das  Gas  infolge  seines  S-Gehaltes  vielfach  die 
Ursache  ist,  daß  der  HaSO^-Gehalt  /u  hoch  gefunden  wird. 

Handelt  es  sich  um  die  Bestimmung  einzelner  anorganischer  Bestand- 
teile, so  kann  man  zur  Bestimmung  der  Hg  1*0 1  nach  Donath^)  in  fol- 
gender Weise  verfahren:  Man  kocht  nach  dem  Ansäuern  mit  verdünnter 
Essigsäure  die  Flüssigkeit  auf,  filtriert  von  dem  Niederschlag  ab  und  fällt 
die  Phosphorsäure  mit  molybdänsaurem  Ammonium.  Die  weitere  Behand- 
lung des  Niederschlages  geschieht  in  der  von  Neumami  angegebenen  Weise 
auf  titrimetrischem  Wege. '•^) 

Den  Gehalt  an  Chloriden  bestimmten  Lanc/aw  und  Hulpeni^)  mit 
Hilfe  der  Methode  von  Volhard-Salkowski  zweifellos  in  der  einfach  nur 
verdünnten  Zerebrospinalflüssigkeit,  wie  dies  auch  v.  Hösslin*)  am  Serum 
ausführte. 

Die  Alkalimetalle  bestimmt  man  entweder  nach  den  Angaben  von 
Nawratzli  oder  nach  dem  Verfahren  von  Halliburton. 

Nawratzki  ^)  verascht  die  eingedampfte  Zerebrospinalflüssigkeit  und 
löst  den  Bückstand  in  einigen  Tropfen  HCl;  diese  Lösung  wird  mit  XH^ 
alkalisch  gemacht  und  ein  hierbei  auftretender  Niederschlag  von  Phos- 
phaten abfiltriert:  das  Filtrat  wird  mit  Ammonoxalat  versetzt,  der  Nieder- 
schlag durch  Filtrieren  entfernt,  das  neue  Filtrat  mit  IJafOH).  im  Cber- 
schuß  versetzt ,  der  Niederschlag  von  Barvumoxalat  ai)filtriert ,  aus  dem 
Filtrat  der  Baryt  durch  H0SO4  entfernt  und  nach  der  Entfernung  des 
BaSO^  dieses  Filtrat  unter  Zusatz  von  (NH4)2C03  eingedampft,  gelinde 
geglüht  und  gewogen.  Der  Bückstand,  der  aus  einem  Gemenge  von 
KsSO^  +  NaoSOi  besteht,  wird  in  wenig  HoO  gelöst,  diese  Lösung  mit 
HCl  angesäuert  und  aus  ihr,  nachdem  man  zum  Kochen  erhitzt  hat,  die 
H2SO4  durch  vorsichtigen  Zusatz  von  BaCL  entfernt.  Einen  etwaigen 
Überschuß  von  BaCU  entfernt  man  durch  wenige  Tropfen  sehr  verdünnter 
H2  SU4. 

Das  Filtrat  wird  nach  dem  Einengen  mit  Platinchloridlösuug  versetzt, 
die  Lösung  unter  Zusatz  von  konzentrierter  HCl  bis  fast  zur  Trockene 
abgedampft  und  mit  starkem  Alkohol  übergössen.  Das  auf  diese  Weise 
isoUerte  KoPtClß  wird  auf  gewogenem  Asbestfilter  gesammelt,  getrocknet 
und  im  Ho-Strom  reduziert.  Nach  dem  Ausziehen  des  KCl  wägt  man  das 


*)  J.  Donath,  Der  Phosphorsäuregehalt  der  Zerebrospinalflüssigkeit.  Zoitschr.  f. 
physiol.  Chem.  42.  141  48  (10U4). 

^)  Das  Nähere  siehe  dieses  Handbuch.  Bd.  1.  419  (1909). 

^)  Landau  und  Ualpern,  Beitrag  zur  Chemie  der  Zerebrospinalflüssigkeit.  Bioch. 
Zeitschr.  9.  72  (1908). 

•■)  Siehe  den  Artikel  über  Blut.  S.  201. 

5)  Nawratzki,  Zur  Kenntnis  der  Zerebrospinalflüssigkeit.  Zeitsoiir.  f.  physiol.  Chem. 
23.  5:J2  (1897). 


222      E.  Letsche.  Methoden  zur  Aufarbeitung  der  Zerebrospinalflüssigkeit  etc. 

Platin,  berechnet  hieraus  den  Kaliumgehalt  und  hat  damit  die  Möglich- 
keit, aus  dem  Gewicht  des  Gemenges  A'on  Na.,  SO4  +  K,  SO4  auch  das  Na- 
trium zu  errechnen. 

Das  Verfahren  von  Halliburton'^)  ist  etwas  einfacher  und 
kürzer : 

Etwa  300  cm^  Z.-Flüssigkeit  werden  in  einer  Platinschale  im  H.,  0- 
Bad  eingetrocknet;  der  Rückstand  wird  auf  dem  Wasserbad  2 — Smal  mit 
rauchender  Salpetersäure  zur  Trockene  eingedampft  —  um  die  organische 
Substanz  zu  zerstören  —  und  der  Rückstand  ebenfalls  2 — 3mal  mit  kon- 
zentrierter HCl  eingedampft,  um  die  Nitrate  in  Chloride  überzuführen.  Zur 
Lösung  dieser  Chloride  fügt  man  Ba(0H)2  bis  zu  eben  alkaUscher  Reak- 
tion, um  Kalk,  Magnesia  und  Phosphorsäure  zu  entfernen.  Man  filtriert, 
wäscht  den  Niederschlag  gut  aus  (mit  heißem  Wasser),  engt  Filtrat  und 
Waschwasser  auf  dem  Wasserbad  ein  und  entfernt  geringe  Mengen  Ba(OH)o 
mit  Hilfe  von  (NH4)2C03.  Ist  das  BaCOj  durch  Filtrieren  entfernt,  dann 
dampft  man  das  Filtrat  in  einer  Platinschale  zur  Trockene  ein,  erhitzt 
den  Rückstand  auf  Dunkelrotglut,  um  eventuell  noch  vorhandene  Spuren 
organischer  Substanz  und  die  Ammonsalze  zu  entfernen.  Der  Rückstand 
wird  gewogen  und  dann  in  HoO  gelöst;  aus  dieser  Lösung  fällt  man  in 
bekannter  Weise  das  KaUum  als  luPtClo  und  wägt  dieses  entweder  direkt 
oder  nachdem  man  wie  oben  Pt  aus  dem  KaPtClg  hergestellt  hat. 

Hat  man  nur  die  Aufgabe,  Kalium  allein  zu  bestimmen,  so  mag 
man  die  von  Myers  2)  angegebene  Methode  anwenden,  die  darauf  beruht, 
daß  Kaliumsalze  mit  Na3Co(N02)6  schwer  lösUches  K3Co(N02)6  geben, 
daß  man  mit  Kaliumpermanganat  diese  Verbindung  oxydiert  und  mit 
Hilfe  von  Oxalsäure  den  hierzu  nötigen  Verbrauch  an  Permanganat 
feststellt. 


*)  W.  D.  Hallibtirton,  On  the  cerebrospiual  fluid.  Journ.  of  Phvs.  10.  232  58 
(1889). 

^)  F.  C.  Mijers,  The  cerebrospinal  fluid  in  certain  forms  of  iusanitv,  with  special 
reference  to  the  content  of  potassium.  Journ.  of  biol.  Chemistry.  6.  115/31  (1909). 


Die  ßlutgeriiiiiung. 

Von  P.  3Iorjnvitz,  Freiburg'  i.  B. 

I.  Einleitung. 

Eine  Besprechung  der  Methoden ,  die  zum  Studium  und  zur  Auf- 
klärung des  Vorganges  der  Blutgerinnung  dienen,  ist  insofern  keine  ganz 
leichte  Aufgabe,  als  die  theoretischen  Vorstellungen  über  das  Wesen  dieses 
Prozesses  auch  heute  noch  —  trotz  zalilreicher  Fortschritte  —  recht  weit 
auseinandergehen.  Dieser  Umstand  bi-ingt  es  mit  sich,  dalj  auch  das 
methodische  Vorgehen  der  einzelnen  Autoren  sehr  verschieden  ist.  Es  iril)t 
auf  diesem  Gebiete  nur  wenige  Verfahren,  die  allgemeine  Anerkennung 
finden.  Vielfach  schafft  sich  jeder  l'ntersucher  seine  eigene  Arbeitsmethode 
oder  er  paßt  sie  seinem  Gedankengange  au,  indem  er  das  \'orgehen  älterer 
Beobachter  modifiziert. 

A.  Neuere  Anschauungen  über  Blutgerinnung, 

Es  erscheint  mir  notwendig,  dem  methodologischen,  rein  technischen 
Teil  eine  kurze  theoretische  Erörterung  der  modernen  Vorstellungen  über 
das  Wesen  des  Gerinnungsvorganges  vorauszuschicken.  Sonst  müssen  die 
späteren  Ausführungen  vielfach  unverständlich  bleit)en.  Eingehend  ist  die 
Theorie  der  Blutgerinnung   bei  Leo  Loch^)  und  Monurit::-)  besprochen. 

Man  kann  den  Gerinnunusvorgang  zweckmäüig  in  zwei  Phasen  ein- 
teilen :  Die  erste  Phase  umgreift  alle  \'eränderungen,  welche  die  eigentliche 
GerinnuniT,  den  Übergang  des  Fibrinogens  in  Fibrin,  vorbereiten. 

Über  die  einzelnen  Vorgänge  während  dieser  ersten  Phase  ist  man 
sich  noch  durchaus  nicht  einig.  Alexander  ScJnnidt^)  betrachtet  die  Ge- 
rinnung als  einen  fermentativen  Vorgang.  Nach  seiner  Ansicht  besteht 
die  erste  Phase  des  Prozesses  in  allen  Veränderungen,    die    im  Blute   die 


*)  L.  Loch,  Neuere  Arbeiten  über  die  BlutgeriiiimniLr  etc.  Ridclimu.  /.Mifr:illil  \  I. 
SA.  (1907). 

^)  Moraivitz,  Die  Geriunnng  des  Blutes.  Oppenheimers  Haiidb.  d.  Binoiieiuie.  Hd.  2. 
2  (1908). 

*)  Alexander  Schmidt,  Zur  Blutlehre.  Leipzig  1892  niid  W  oitori'  Beiträge  zur 
Blutlchre.  Wiesbaden  1895. 


224  P-  Morawitz. 

Entstehung  von  Fibriiifermeiit  veranlassen.  Das  strömende  Blut  (inner- 
halb der  Gefälle)  ist  frei  oder  doch  nahezu  frei  von  Fibrinferment.  Aus 
diesem  (irunde  bleibt  es  auch  im  lebenden  Organismus  flüssig.  Erst  wenn 
Blut  in  vitro  oder  in  vivo  in  Kontakt  mit  benetzbaren  Fremdkörpern 
kommt  —  auch  die  tote  oder  veränderte  GefälUvand  kann  als  Fremdkörper 
wirken  — .  werden  die  Veränderungen  eingeleitet,  deren  Folge  die  Bildung 
von  Fibrinferment  (Thrombin,  Thrombase)' ist.  Welches  sind  nun  diese 
^'orgäng(' V  Alexander  Schmidt  hat  seine  eigenen  Ansichten  über  diese 
Frage  im  Laufe  seiner  Untersuchungen  mehrfach  verändert.  Es  wird  ge- 
nügen, hier  die  von  ihm  in  seinen  letzten  Arbeiten  niedergelegte  Theorie 
wiederzugeben.  Diese  gipfelt  darin,  daß  die  Bildung  von  Fibrinferment  ein 
zellulärer  Vorgang  ist,  respektive  daß  die  zelligen  Elemente  des  Blutes 
wie  auch  der  übrigen  Körperflüssigkeiten  sich  an  der  Gerinnung  beteihgen. 
Nur  durch  ein  Zusammenwirken  von  Zellen  —  Schmidt  denkt  in  erster 
Linie  an  Leukozyten  —  und  Plasma  kann  Fibrinferment  entstehen.  Im 
Plasma  findet  sich  nämlich  eine  unwirksame  Vorstufe  des  Thrombius,  ein 
Prothrombin.  Aus  den  Blutzellen  treten  unter  geeigneten  Bedingungen 
(Berührung  mit  Fremdkörpern!),  vielleicht  auch  nach  Zerfall  von  weißen 
Blutkörperchen,  zymoplastische  Substanzen  in  das  Plasma  aus,  die 
das  Prothrombin  in  den  aktiven  Zustand  überführen.  Geringe  Giengen 
zymoplastischer  Substanzen  sollen  allerdings  auch  schon  im  zirkulierenden 
Plasma  gelöst  vorhanden  sein ,  doch  ist  ihre  Wirkung  durch  einen  noch 
unbekannten  Mechanismus  gehemmt.  Das  Fibrinferment  oder  Thrombin 
entsteht  demnach  durch  das  Zusammen-  oder  Aufeinanderwirken  zweier 
Körper,  von  denen  der  eine  ursprünglich  dem  Plasma  angehört  (Pro- 
thrombin), der  andere  (zymoplastische  Substanz)  vorwiegend  den  Blutzellen 
entstammt.  In  ähnlicher  Weise  wie  zymoplastische  Substanzen  soll  auch 
eine  vorübergehende  Erhöhung  der  Alkaleszenz  des  Plasma  (durch  Zusatz 

von   —Na OH)  die  LImwandlung  von  Prothrombin  in  wirksames  Thrombin 

befördern. 

Nach  dieser  von  Schmidt  entwickelten,  hier  nur  in  groben  Zügen 
skizzierten  Anschauung  ist  also  die  Schnelligkeit  der  Fermententwicklung 
im  wesentlichen  abhängig  von  dem  Umfange  der  Schädigungen,  denen 
die  zeUigen  P^lemente  des  Blutes  unterworfen  sind.  Je  größer  die  Be- 
rührungsfläche des  Blutes  mit  Fremdkörpern  ist,  je  rauher  und  unebener 
diese  selbst  sind,  um  so  schneller  und  ausgiebiger  wird  sich  die  Abgabe 
zymoplastischer  Substanzen,  mithin  also  die  Bildung  der  Thrombase,  voll- 
ziehen müssen. 

Dieser  Auffassung  von  der  ersten  Phase  des  Gerinnungsvorganges 
wurde  durch  Arthus^)  alsbald  eine  andere  gegenübergestellt.  Arthns  und 
Pages-)  entdeckten  die  Bedeutung  der  Kalksalze  für  den  Gerinnungsvor- 


•)  Arthns,  Recherches  sur  la  coagulation  du  sang.  These  de  doct.  Paris  1890. 
■-)  Arfliiis  und  Paffes,    Nouvelle   tlieoiie    chimique    de    la    coagulation    du    sang. 
Arch.  de  Physiol.  T.  22.  739—746  (1890). 


Die  Blutgeriniunig.  095 

gang.  Ohne  Kcalksalze  keine  Gerinnung  I  Dieser  Satz  wurde  bald  von  vielen 
Seiten  bestätigt.  Während  al)er  Art/ms  und  I'chtlharlmj'^)  im  Zweifel 
waren,  an  welcher  Stelle  die  Kalkwirkiing  einsetzt  —  sie  dachten  speziell 
auch  an  die  Bedeutung  der  Ca-lenen  für  die  fbcrfiihrung  des  Fibrinoi^cns 
in  Fibrin  — .  ergibt  sich  aus  den  Arbeiten  Haiiini(iysff)is-)  mit  Sicherheit 
Folgendes:  Ionisierte  Kalksalze  sind  während  der  ersten  l'liase  des  (Je- 
rinnungsvorganges  notwendig,  sie  ermöglichen  die  Umwandlung  der  unwirk- 
samen Vorstufe  des  Fibrinfermentes,  des  Prothrombins,  in  aktives  Thrombin. 
Dagegen  kann  die  zweite  Phase  der  Gerinnung,  die  Reaktion  zwischen 
fertigem  Thrombin  und  Fibrinogen,  auch  bei  Abwesenheit  ionisierter  Kalk- 
salze ablaufen. 

In  dieser  Lehre,  die  sich  aus  den  Arl)eiten  von  Artlius,  l'ckdharhKj 
und  besonders  H(t)iin(arsfen  ergibt,  haben  die  zymoplastischen  Substanzen 
Schmidts  keinen  Platz  mehr  gefunden.  Die  beiden  Vorstelluni:sr(!ihen  standen 
sich  bis  vor  wenigen  Jahren  ziemlich  unvermittelt  gegenüber.  (Nebenbei 
mag  hier  erwähnt  werden,  dalj  die  Lehre  von  den  zymoplastischen  Sub- 
stanzen im  ganzen  recht  wenig  bekannt  war  und  demgemäß  auch  wenig 
diskutiert  wurde.)  Nach  Schmidt,  der  übrigens  die  liedeutung  der  Kalk- 
salze überhaupt  bestreitet,  wäre  das  Prothrombin  im  Plasma  enthalten,  die 
zymoplastischen  Substanzen  hingegen  stammten  vornehndich  aus  den  P>lut- 
zellen.  I)emgegenül)er  wird  nach  Arthu.s  und  Hammarsten  gerade  das 
Prothrombin  von  den  Zellen  geliefert  und  trifft  im  Plasma  auf  Kalksalze, 
die  dann  die  w^eitere  Umwandlung  in  wirksames  Thrombin  übernehmen. 

Versuche,  die  hier  vorliegenden  Widersprüche  aufzuklären,  sind  von 
Fuld  und  Spiro^)  und  Moraicitz*)  unternommen  worden.  Ihre  Arbeiten 
führten  etwa  zu  folgenden  Ergebnissen :  Sicher  sind  Kalksalze  für  die  Ent- 
stehung des  Thrombins  erforderlich.  Insofern  behält  Arflius  recht.  Aber 
die  Anschauungen  A.  Schmidts  sind  hiermit  nicht  unvereinbar.  Zahlreiche 
Erfahrungen  weisen  darauf  hin .  dab  aulier  den  Kalksalzen  mindestens 
zwei  fermentähidiche  Körper  zur  Entstehung  des  Thrombins  beitragen : 
Die  eine  findet  sich  bereits  im  zirkulierenden  Plasma  und  entspricht  dem 
Prothrombin  Schmidts.  Es  ist  von  Morawitz  und  Nolf'>)  Thromboi^en 
genannt  worden.  Der  andere  Körper  stammt  nach  Fuld-Spiro  und  Mora- 
witz vornehmlich  aus  den  zelligen  Elementen  des  Blutes.  Wahrscheiidich 
ist  er  in  erster  Linie  ein  Derivat  der  IMutpliittchen,  vielleicht  auch  der 
Leukozyten.    Er   tritt   erst   extravaskulär   auf  gewisse  Reize    hin    aus  ilen 


^)  Pekelharing,  Über  die  Bedeutung  der  Kalksalze  für  die  Gerinnung  des  Bhites. 
Internat.  Beiträge  f.  Bud.  l'trclioics-  Festsclirift.  I  (1891 1. 

^)  Hammarsten ,  Über  die  Bedeutung  der  bislicben  Kalksalzc  für  die  Faserstoff- 
gerinnung. Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  Bd.  22.  8.333(1896).  —  Derselbe:  Weitere 
Beiträge  zur  Kenntnis  der  Fibrinbildung.    Zeitschr.  pliysiol.  Cheni.  Bd.  28.  S.  98  (1899). 

')  Fuld  und  Spiro,  Der  Einfluß  einiffer  irerinnungslioniinemlen  Agentien  auf  das 
Vogelplasma.  Jlofmcis-tcrs  Beiträge.  Bd.  5.  S.  171  (1904). 

■•)  Morawitz,  Die  Chemie  der  Blutgerinnung.  Ergebnisse  d.  Physiol.  IV.  S.  307  (19(t.'»). 

^)  Xolf,  Coiitributidii  h  IV-tudc  de  la  cohlmiI.  du  sang.  3"' memoire.  .\rrh.  inti-rnut. 
do  rhysiologie.   VI.  IL  1  (1908). 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemischen  Arbeitsmotbnden.  V.  15 


226  P-  Morawitz. 

Zellen  in  das  Plasma  über.  Wie  man  sieht,  entspricht  Herkunft  und 
Wirkungsweise  dieses  Körpers  durchaus  dem  der  Schmidtschen  zymo- 
plastischen  Substanzen.  Man  könnte  ihn  unbedenklich  mit  diesen  identi- 
fizieren, wenn  nicht  die  gerinnungsbef ordernden  Stoffe  der  Zellen  nach 
Fuld  und  Moraicitz  ganz  andere  chemische  Eigenschaften  hätten,  als  sie 
Schwidt  seinen  zymoplastischen  Substanzen  zuschreibt.  Letztere  sollen 
alkohollöslich  und  hitzebeständig  sein,  während  die  Thrombokiuase  ferment- 
ähnlich ist,  also  sehr  labil  gegen  chemische  Einflüsse  verschiedener  Art, 
besonders  gegen  hohe  Temperaturen.  Es  erscheint  daher  berechtigt,  die 
Thrombokinase  nicht  kurzerhand  den  zymoplastischen  Substanzen  gleich- 
zusetzen. 

Hiernach  hätte  man  sich  die  erste  Phase  der  Gerinnung  folgender- 
maßen zu  denken:  Verläßt  Blut  das  Gefäßsystem,  treten  seine  geformten 
Elemente  in  Kontakt  mit  benetzbaren  Fremdkörpern,  so  erfolgt  eine  Ab- 
gabe von  Thrombokinase  in  das  Plasma.  Dieses  enthält  bereits  Throm- 
bogen  und  ionisierte  Kalksalze,  nach  Nolf^)  auch  schon  eine  gewisse 
Menge  Thrombokinase  (Thrombozym).  Durch  ein  Zusammenwirken  der  drei 
Faktoren  entsteht  Thrombin. 

Wahrscheinlich  ist  der  Ablauf  der  Erscheinungen  aber  noch  kompli- 
zierter, als  das  nach  den  eben  gegebenen  Ausführungen  scheinen  mag. 
Zunächst  dürften  nach  Loeh  -)  und  Murasdww  3)  u.  a.  gerinnungshemmende 
Körper  eine,  einstweilen  allerdings  noch  Avenig  geklärte  PioUe  spielen. 
Vielleicht   sind   sie   für   den  flüssigen  Zustand  des  Blutes  von  Bedeutung. 

Hiernach  wäre  das  strömende  Blut  in  erster  Linie  deshalb  flüssig, 
weil  Thrombokinase  entweder  gar  nicht  oder  doch  in  zu  geringer  Menge 
in  das  Plasma  übertritt,  so  lange  das  Blut  innerhalb  lebender  Gefäße 
weilt.  Aber  auch  bei  der  Gerinnung  in  vitro  scheint  in  der  Regel  nur  ein 
Teil  des  gesamten  Thrombogenvorrates  in  Thrombin  übergeführt  zu  werden. 
Durch  Zusatz  von  Thrombokinase  zu  Blutserum  (also  nach  vollendeter 
Gerinnung)  kann  man  die  Bildung  neuer,  oft  sehr  beträchtlicher  Thrombin- 
mengen  hervorrufen. 

Indessen  scheinen  auch  diese  zuletzt  wiedergegebenen  Untersuchungen 
und  Theorien  noch  nicht  allen  bisher  beobachteten  Tatsachen  gerecht  zu 
werden.  Auch  heute  noch  bestehen  Meinungsverschiedenheiten  über  die 
wichtigsten  Fragen  der  Gerinnungslehre. 

Zunächst  werden  die  beiden  wichtigsten  Tatsachen,  die  man  Alexander 
Schmidt  verdankt,  neuerdings  energischer  als  früher  bestritten.  Das  ist 
die  fermentative  Natur  des  Gerinnungsvorganges  auf  der  einen,  die  Beteili- 
gung und  ausschlaggebende  Piolle  der  Blutzellen  auf  der  anderen  Seite. 


')  liolf,  1.  c. 

^)  Loeb,  Versuche  über  einige  Bedingungen  der  Blutgerinnung  etc.  Virchou-s 
Arch.  Bd.  170.  S.  A.  (1904). 

')  Murascheir ,  Über  die  Spezifizität  des  Fibriufermentes  und  seiner  Vorstufen. 
Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  80.  S.  187  (1904). 


Dio  Blutgerinnung.  227 

Schon  vor  langer  Zeit  hat  Wooldridge^)  auf  (irund  von  Vorsuchon 
an  Peptonplasma  behauptet,  die  Geriiuiunf?  sei  ül»erhaupt  kein  fernwu- 
tativer  Prozeß,  sondern  Ausdruck  der  NCrhindunir  zweier  Fihrin()ü:eno,  also 
der  fjegenseitiL^en  Fälhin;;'  zweier  Kolloide.  l)i('se,  das  A-  und  B-l'ihrinogen. 
finden  sich  schon  im  strömenden  Pdute.  Das  Plasma  selbst  enthalt  also 
schon  von  vornherein  alles,  was  zur  (lerinnun«.^'  erforderlich  ist.  Inner- 
halb lebender  Gefäße  bleibt  es  aber  trotzdem  flüssig,  da  gewisse,  unbe- 
kannte Faktoren  die  Vereinigung  der  beiden  Fibrinogene  hindern. 

Nolf^)  hat  neuerdings  diese  Theorie  in  stark  veränderter  l'orm 
wieder  aufgenommen  und  den  neugewonnenen  P)efunden  angopalU.  In  vielen 
F'ragen  nähert  er  sich  den  Anschauungen  von  Fuld-Spiro  und  Mormritz. 
Indessen  bestreitet  er  die  Fermentnatur  des  Gerinnungsvorganges,  (ierinnung 
entsteht  vielmehr  durch  gegenseitige  Fällung  mindestens  dreier  Kolloide,  die 
in  zwei  Phasen  vor  sich  geht:  Zunächst  vereinigen  sich  bei  gleichzeitiger 
Anwesenheit  ionisierter  Kalksalze  Thrombogen  und  Thrombozym  (letzteres 
entspricht  ungefähr  der  Thrombokinase  anderer  Autoren).  Dann  erfolgt  die 
Fällung  des  Fibrinogens.  Alle  zur  CJerinninig  notwendigen  Substanzen  finden 
sich  schon  im  zirkulierenden  Plasma.  Allerdings  enthalten  auch  die  Zellen 
des  Blutes  und  der  Gefäßwände  Throml)ozym,  das  wahrscheinlich  ebenfalls 
in  das  Plasma  übertritt.  Sc/uin'dfs  Fibrinferment  ist  nach  Nol/  nicht  Vr- 
Sache,  sondern  Produkt  der  Gerinnung.  Innerhalb  lebender  Gefäße  bleibt 
Blut  nicht  deswegen  flüssig,  weil  ihm  ein  für  die  Gerinnung  notwendiger 
Faktor  (etwa  Thrombozym)  fehlt,  sondern  vornehmlich  deswegen,  weil  die 
drei  Kolloide  an  sich  nur  geringe  Neigung  haben  miteinander  zu  reagieren. 
Ihre  Vereinigung  erfolgt  erst  unter  dem  Einfluß  gewisser  thrombo- 
plastischer  Substanzen  mit  größerer  Geschwindigkeit.  Die  Zahl  solcher 
Substanzen ,  die  für  die  Gerinnung  nicht  absolut  erforderlich  sind .  sie 
aber  doch  in  hohem  Grade  befördern,  ist  sehr  groß.  Alle  Gewebe,  jedes 
Protoplasma  enthält  sie.  Dagegen  ist  das  Thrombozym  nur  den  Zellen  des 
l>lutes  und  der  Gefäßwände  eigen.  Auch  Berührung  mit  Fremdkörpern 
verschiedener  Art  wirkt  thromboplastisch.  Gewebsextrakte  enthalten  meist 
ein  Gemisch  von  Thrombozym  (Thrombokinase)  und  thromboplastischen 
Substanzen,  die  etwa  den  zymoplastischen  Substanzen  A.  Schmidts  ent- 
sprechen. Gelingt  es,  Gewebszellen  ganz  frei  von  Blut  und  Gefäi'en  zu  ge- 
winnen (z.B.  Sperma),  so  kann  man  in  ihnen  nur  thromboplastLsehe  Sub- 
stanzen, nicht  aber  Thrombozym  nachweisen. 

Die  Bedeutung  thromboplastischer  Wirkungen  energisch  betont  zu 
haben,  ist  iVo//5  Verdienst.  Indessen  kannte  man  solche  Wirkungen  schon 
früher:    Bordcf  und   Gengou'^)   fingen  Blut    in   paraffinierten  Gefälk'u  auf. 


')   Wooldridye,  Die  Geiiiinun':  des  liliitcs.  l»outscli  von  J/.  r.  Frei/,  l.cipziir  IHKl. 

^)  Xolf,    Contribution    ä  lY'tude   de   la   coagulation  du  sang.  3*  ni«?moire.    Arcli. 
internat.  de  riiysiol.  VI.  II.  1  (l'JOS). 

^)  Bordi't-dctuioK ,    Recherclies  sur  la  coagulation  du  sanir.    Ann.  Instit.  /'(/-'"»■ 
Bd.  17.  S.  822.  (H)03). 

15* 


228  P-  Morawitz. 

entfernton  die  zelligen  Elemente  durch  die  Zentrifuge  und  gewannen  ein 
völlig  zellfreies  Plasma.  Dieses  blieb  flüssig,  so  lange  es  in  paraffinierten 
Gefaijen  verweilte.  Füllte  man  es  aber  in  ein  Glasgefäß  mit  benetzbaren 
AVänden.  so  erfolgte  schon  in  kurzem  Gerinnung.  Hier  hatte  also  das 
Plasma  sicher  .schon  alles  zur  Gerinnung  Notwendige  enthalten.  Aber  die 
gerinnungserzeugenden  Substanzen  konnten  erst  dann  miteinander  reagieren, 
als  durch  Einführung  einer  benetzbaren  Fläche  ein  thromboplastisch 
wirkender  Faktor  gegeben  war. 

In  dieselbe  Kategorie  gehören  auch  vermutlich  einige  Beobachtungen 
am  ..Peptonplasma"  ;  dieses  gerinnt  spontan  gar  nicht  oder  doch  nur  sehr 
langsam.  Dagegen  läßt  es  sich  meist  durch  Verdünnen  mit  destilliertem 
^Vasser  oder  durch  leichtes  Ansäuern  zur  Gerinnung  bringen. 

Zu  wesentlich  anderen  Vorstellungen  als  die  übrigen  Beobachter  ist 
Leo  Loeh^)  gekommen.  Er  ging  von  der  Untersuchung  der  Blutgerinnung 
bei  Wirbellosen  aus,  bei  denen  die  Verhältnisse  viel  einfacher  liegen. 
Bei  ^ielen  Wirbellosen  beobachtet  man  überhaupt  keine  eigentliche  Ge- 
rinnung sensu  strictiori.  Die  Blutstillung  geschieht  lediglich  durch  Agglu- 
tination der  amöboiden  Zellen  des  Blutes,  die  sich  zusammenballen,  ver- 
filzen und  hierdurch  einen  Verschluß  des  blutenden  Gefäßes  bewirken. 
(Übrigens  läßt  sich  ein  analoger  Vorgang  auch  bei  Wirbeltieren  überall 
nachweisen.  Kurz  vor  der  Gerinnung  tritt  eine  auch  schon  makroskopisch 
sichtbare  Agglutination  von  Leukozyten  und  Blutplättchen  ein.)  Meist  be- 
schränkt sich  bei  Wirbellosen  der  Gerinnungsvorgang  auf  diese  Aggluti- 
nation. Ein  fibrinogenähnlicher  Eiweißkörper  existiert  nicht.  Einige  Deka- 
poden zeigen  aber  Verhältnisse,  die  der  Wirbeltiergerinnung  an  die  Seite 
zu  stellen  sind.  Es  tritt  bei  ihnen  nämUch  eine  Art  von  zweiter  Gerinnung 
ein,  die  durch  Unlöslichwerden  eines  Fibrinogens  entsteht.  Zwei  Gruppen  von 
Substanzen  veranlassen  diese  zweite  Gerinnung:  erstens  das  Thrombin 
und  zweitens  in  den  Geweben  enthaltene  Koaguline.  Loeb  ist  nicht  der 
Ansicht,  daß  die  Koaguhne  als  Kinasen  Avirken,  er  denkt  daran,  daß  sie 
auch  bei  Wirbeltieren  direkt  am  Fibrinogen  angreifen.  Die  Gewebskoaguline 
würden  also  prinzipiell  ähnlich  wirken  wie  Thrombin.  Immerhin  darf  man 
beide  Körper  nicht  identifizieren,  denn  das  Thrombin  ist  auch  bei  Abwesen- 
heit von  Ca-Salzen  wirksam,  es  bedarf  ihrer  nur  zu  seiner  Entstehung.  Die 
Koaguline  wirken  dagegen  nur  bei  Gegenwart  von  Ca-Ionen.  Das  Thrombin 
ist  ferner  in  der  Wirbeltierreihe  nicht  spezifisch  adaptiert,  die  Gewebs- 
koaguline zeigen  ausgesprochene  Spezifität.  Verschiedenartige  Substanzen 
besitzen  also  hiernach  die  Fähigkeit,  Fibrinogen  in  Fibrin  umzuwandeln. 
Im  übrigen  hebt  Loeb  mit  Recht  hervor,  daß  heute  jeder  Theorie  der  Blut- 
gerinnung bei  der  außerordentlichen  Komplikation  der  Erscheinungen  und 
der  Unmöglichkeit,  mit  reinen  Körpern  zu  arbeiten,  eine  gewisse  Un- 
sicherheit anhaften  muß. 


')  L.  Loeb,  siehe  die  zusammenfassende  Darstellung  im  Biochemischen  Zentralbl. 
VI.  S.  A.  (1907). 


Die  Blutgerinnung.  229 

Kndlicli  maff!;  not'li  bemerkt  werden,  daß  neuerdiniis  Houell^\  und 
Bettcjer-)  den  gerinnunf^shefürdernden  Substanzen  der  Zellen  und  Oewebe 
überhaupt  jede  gröl5ere  liedeutunj^'  für  die  Entstehung  des  Thronibins  ab- 
sprechen. Zusatz  von  Gewebsextrakten  soll  nicht  anders  wirken ,  als  der 
irgend  welcher  indifferenter  Substanzen  mit  großer  Oberfliiche  (Kohle, 
Glaspulver  etcj.  Wie  sich  hiermit  die  von  Loch  u.  a.  nachgewiesene  Spezifität 
der  Extrakte  in  Einklang  bringen  lälit,  scheint  mir  unverstiindlich.  Es 
gehen  also  die  Anschauungen  noch  recht  weit  auseinander.  Zum  \'er- 
ständnis  der  hier  gegebenen  methodologischen  Darstellung  mag  aber 
Folgendes  betont  werden :  P^in  hoher  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  spricht 
dafür,  daß  das  Thrombin  durch  Zusammenwirken  mindestens  dreier  Fak- 
toren entsteht.  Zwei,  nämlich  Thrombogen  und  Kalksalze,  finden  sich 
sicher  schon  im  zirkuliei'enden  Plasma,  die  Thrombokinase  (oder  das 
Thrombozym  Xolfs)  wird  wohl  vorwiegend  erst  extravaskulär  von  den  ge- 
formten Elementen  an  das  Plasma  abgegeben.  Verschiedene  Einflüsse,  be- 
sonders Berührung  mit  Fremdkörpern,  sind  im  Stande,  die  Entstehung  des 
Throml)ins  zu  beschleunigen.  Diese  Erscheinung  wird  nur  zum  Teil  da- 
durch erklärt,  daß  die  Zellen  bei  ausgedehnter  Bezeichnung  mit  Fremd- 
körpern schneller  zerfallen,  respektive  zur  Abgabe  der  ihnen  entstammenden 
gerinnungsbefördernden  Stoffe  veranlaßt  werden.  Sicher  ist  der  Einfluß 
der  Berührung  mit  Fremdkörpern  auch  noch  ein  anderer:  nach  Erfahrungen 
von  Bordet-Gengou  und  Xolf  befördert  sie  auch  die  (ioriimnng  des  zell- 
freieu  Plasma. 

Sehr  wenig  ist  über  die  zweite  Phase  der  (ierinimng.  die  Cber- 
führung  des  Fibrinogens  in  Fibrin,  bekannt.  Möglicherweise  handelt  es  sich 
um  eine  Spaltung  des  Fibrinogenmoleküls,  wie  Heuhner^)  vermutet.  Das 
Fibrinogen  soll  dabei  in  Fibrin  und  das  von  Hammarsün*)  entdeckte 
Fibi-inglobuliu  gespalten  werden.  Letzteres  ist  löslich  und  im  Serum  nach 
vollendeter  Gerinnung  nachweisbar.  'SRch  Huiskainj)^)  ist  es  aber  gar  nicht 
erforderlich,  das  Fibringlobulin  als  eine  für  die  (lerinnung  wichtige  Sub- 
stanz anzusehen.  I)<'nn  es  gelingt  durch  Fällung  mit  Fluornatiium  Fibrinogen- 
lösungen  zu  erhalten,  die  frei  von  Fibringlobulin  sind.  Dieses  entsteht 
daher  wahrscheinlich  nicht  erst  während  der  Gerinnung,  sondern  ist  schon 
von  vorneherein  in  den  Fibrinogenlösungen  enthalten,  entweder  als  ein- 
fache Beimengung  oder  in  lockerer  Verbindung  mit  dem  Fii)rinogen. 

Kurz  nach  vollendeter  Gerinnung  beginnt  der  Blutkuchen  sich  zu- 
sammenzuziehen und  läßt  Serum   austreten.    Fiü-    diese  Retraktion    des 


*)  Howell,  The  coagulatioii  nt  lilood.  l'lic  Clovclanil  medic.  Journ.  Januar  und 
Februar  (1910).  S.  A. 

^)  Kettger,  The  coagulation  of  hlood.  Araeric.  .)<mrii.  of  Tliysiol.  Ndl.  1*4.  p.  406 
(11)09).  S.  A. 

^)  Heuhner,  Die  Spaltung  des  Fibrinogens  bei  der  Fibringerinnung.  Arcb.  f.  oxpcr. 
Pathol.  Bd.  49.  S.  229  (1903). 

")  llammarsten,  Über  das  Filjrinogen.   Jylihfcrs  Arcli.   Bd.  22.  S.  502  (18H0). 

5)  Huiskamp,  Zur  Fibringlolnilinfrage.  Zoitscbr.  physiol.  Chemie.  Bd.  44  (1905) 
S.  A.  und  Bd.  46  (1905).  S.  A. 


230  ^-  Morawitz. 

Blutkiichons  sind  nach  Le  Sourd  und  Paf/niez^),  Ärthus  und  Chapiros^) 
u.  a.  die  lilutplättclien  nialjgebend.  Das  Fibrin  ist  zwar  selbst  elastisch, 
indessen  fehlt  die  Iletraktion  stets  im  zellfreien  Plasma.  Die  Elastizität 
des  Fibrins  allein  reicht  also  nicht  aus.  Ebenso  soll  die  Retraktion  bei 
manchen  Krankheiten  (hämorrhagischen  Diathesen)  aufgehoben  sein. 

Fibrinolyse.  Bisweilen,  allerdings  nicht  gerade  häufig,  beobachtet 
man  eine  Auflösung  des  Fibringerinnsels  nach  vollendeter  Gerinnung.  Hier 
dürfte  ein  eiweiliverdauendes  Ferment  im  Spiele  sein,  das  nach  Rulot »)  u.  a. 
wohl  den  Leukozyten  entstammt.  Besonders  intensiv  ist  die  Fibrinolyse 
bei  experimenteller  Phosphorvergif tung ,  nach  gewissen  Leberschädigungen 
{Doi/on*),  .Vo//»)  und  im  Leichenblute  {Morau-itz%  Wohlgemutlv).  Starke 
Fibrinolyse  kann  Fehler  in  der  Deutung  von  Gerinnungsversuchen  ver- 
anlassen. 

B.  Allgemeiner  Gang  einer  Untersuchung  der  Gerinnungsfähigkeit 

des  Blutes. 

Zunächst  ist  die  Gerinnungszeit  mit  einer  der  weiter  unten  be- 
schriebenen Methoden  festzustellen.  Finden  sich  irgend  welche  Abweichungen 
von  der  Norm,  so  hat  man  zu  untersuchen,  ob  dafür  das  Substrat  der 
Gerinnung,  das  Fibrinogen,  oder  das  Thrombin  verantwortlich  ist.  Setzt 
man  zu  dem  gar  nicht  oder  doch  nur  sehr  langsam  gerinnenden  Blute  eine 
Fibrinogenlösuug  und  erweist  sich  diese  schon  in  kurzer  Zeit  geronnen, 
so  liegt  wahrscheinlich  keine  Störung  in  der  Bildung  des  Thrombins  vor. 
Die  Ursache  der  Gerinnungshemmung  ist  vielmehr  in  Änderungen  des  Ge- 
rinnungssubstrates, seil,  des  Fibrinogens,  zu  suchen.  Man  wird  dann  prüfen 
müssen,  ob  sich  in  dem  mangelhaft  gerinnenden  oder  ganz  ungerinnbaren 
Blute  überhaupt  noch  Fibrinogen  nachweisen  läßt.  Das  geschieht  z.  B.  durch 
Zusatz  von  Ammonsulfat  nach  der  von  Reye^)  (s.  S.  271)  beschriebenen  Me- 
thode. Die  Erfahrung  spricht  dafür,  daß  ein  Fehlen  des  Fibrinogens  nur  in  den 
allerseltensten  Fällen  als  Ursache  einer  Gerinnungsstörung  in  Frage  kommt. 

Bleibt  dagegen  auch  die  dem  Blute  nachträglich  zugesetzte  Fibrinogen- 
lösung  ungeronnen  oder  gerinnt  sie  nur  langsam,  so  müssen  Störungen  in 


^)  Le  Sourd  et  Pagniez,  Recherches  sui'  le  rolo  des  plaquettes  sanguines  etc. 
Journ.  de  Pbysiol.  et  de  Pathol.  gener.  15  jauvier  1909.  T.  11.  p.  1 — 11. 

-)  Arthus  et  Chapiros,  Etudes  sur  la  retraction  du  caillot  sanguin.  Arch.  internat. 
de  Physiol.  Mai  1908.  Fase.  III.  p.  298. 

^)  Rulot,  Interventioa  des  Leucocytes  dans  Tautolyse  de  la  fibrine.  Arch.  internat. 
de  Physiol.  T.  1  (1904).  fasc.  11  et  III. 

•*)  Doyen,  Zahlreiche  Beitr.  in  den  Compt.  rend.  soc.  Biol.  Bd.  58  (1905). 

^)  Nolf,  Lcs  modifications  de  la  coagiüation  du  sang  chez  le  chien  apres  exstir- 
pation  du  foie.  Arch.  intern,  de  Physiol.  T.  3  (1905/06). 

^)  Moratvitz,  Über  einige  postmortale  Blutveränderungen.  Hofmeisters  Beiträge 
Bd.  8  (1906).  S.  1. 

')  Wohlf/emuth ,  Pathologische  Fermentwirkuugen.  Berliner  kliu.  Wochenschr. 
Nr.  48  und  49*  (1910). 

®)  Reije,  Über  Nachweis  und  Bestimmung  des  Fibrinogens.  I.-D.  Straßburg  1898. 


Die  Blutgerinuung.  t)-«,  1 

der  P»ilfliiiig'  und  Wirkung?  des  Thromhins  vorlieji-en.  Diese  sind  duim  im 
einzelnen  zu  analysieren.  Hier  kommt  Folf^endes  in  Betracht:  rn}>:enü{^ende 
Mentre  des  ThromI)ot!:ens  im  zirkulicrouden  Plasma.  Mangel  an  ionisierten 
KalksalzfMi.  ferner  unzureichende  Ilildung,  respektive  Alt^Mhe  von  Thromho- 
kinase  ('rhromhozym  von  Xolf)  seitens  der  «ieformten  Elemente.  Kn<llich 
können  auch  Antikörperwirkungen  hemmend  eintreten. 

Sehr  einfach  gestaltet  sich  der  Nachweis  einer  unzureichenden  Kon- 
zentration der  Ca-Ionen.  Zusatz  mäliiger  Mengen  ionisierter  Kalksalze  muß 
dann  die  Gerinnung  beschleunigen  respektive  ermöglichen.  Im  anderen 
Falle  ist  er  wirkungslos.  Bisher  ist  noch  nichts  Sicheres  darüber  bekannt, 
ob  Mangel  an  Kalksalzen  überhaupt  in  der  Pathologie  irgendwo  eine  Bolle 
als  gerinnungshemmender  Faktor  spielt.  Viel  häufiger  liegt  die  l'rsache 
mangelhafter  Gerinnung  in  Störungen  der  Entstehung  respektive  Wirkung 
der  Thrombokinase  (z.B.  bei  der  Hämophilie,  bei  hämorrhagischen  Dia- 
thesen Leberkranker  etc.).  Der  Nachweis  gelingt  leicht:  Zusatz  von  Thrombo- 
kinase muL)  in  solchen  Fällen  prompte  Gerinnung  zur  P'olge  haben.  Nur 
sehr  selten  scheint  Mangel  an  Thrombogen  vorzuliegen ,  z.  B.  bei  experi- 
menteller Phosphorvergiftung.  Dann  wird  weder  Zusatz  von  Thrombokinase 
noch  von  Kalksalzen  imstande  sein,  die  Gerinnungshemmung  zu  überwinden; 
wohl  kann  aber  das  betreffende  ])lut  noch  auf  Zusatz  fertigen  Fibrinferments, 
also  z.  B.  auf  Serumzusatz ,  gerinnen.  Endlich  wäre  noch  die  Frage  der 
Gerinnungshemmung  durch  ., Antithrombine"  zu  erörtern.  Man  prüft  auf 
diese,  indem  man  zu  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeit  steigende  .Mengen 
von  Thrombin,  z.B.  Blutserum,  setzt.  Beruht  die  (ierinnungshemmung 
teilweise  oder  ausschlielilich  auf  der  Anwesenheit  solcher  Antithrombine, 
so  werden  kleine  Fermentmengen  wirkungslos  bleiben,  größere  dagegen 
Gerinnung  bewirken.  Am  einfachsten  lassen  sich  diese  Verhdtnisse  am 
Hirudin,  der  gerinnungshemmenden  Substanz  des  Blutegels,  studieren. 
Wahrscheinlich  kommen  gerinnungshemmende  Körper  auch  schon  im  nor- 
malen Blutplasma  vor. 

II.  Methoden  zur  Bestimmung  der  Gerinnungszeit. 

A.  Allgemeines  und  Fehlerquellen. 

Unter  (ierinnungszeit  versteht  man  den  Zeitiaum.  den  Blut  außer- 
halb der  (iefäße  bis  zum  Festwerden  braucht.  Die  (ierinnungszeit  ist  keine 
feststehende  Größe.  Sie  ist  von  zahlreichen,  zum  Teil  w(tliil)ekannten  Fak- 
toren al)hängig.  Nur  wenn  man  diese  stets  gleichmäßig  zu  g:estalten  ver- 
mag, darf  man  auf  vergleichbare  Werte  rechnen.  GerinnungsbestimuHingen. 
die  mit  verschiedenen  Methoden  ausgefühit  worden  sind,  können  mitein- 
ander nicht  in  Beziehung  gebracht  werden. 

Folgende  Momente  beeinflussen  die  (ierinnungszeit: 
1.  Berührung    mit  benetzbaren  Fremdkörpern    kürzt    die  (ie- 
rinnungszeit   um    so  mehr  ab,   je  größer   die    Berührungsfläche   i.st.    Eine 
größere  Blutmenge  wird  daher  in  einem  (Jlasgefäße  längere  Zeit  zur  (»e- 


232 


P.  Morawitz. 


riiiiiunj^'  brauchen  als  eine  kleinere,  bei  der  die  mit  den  Glaswänden  in 
lierühnin;^'  tretende  Oberfläche  verhältnismäßig  groß  ist.  Aus  demselben 
Grunde  l)esclileunigen  Verunreinigungen  und  Rauhigkeiten  der  Oberfläche 
des  Glases  den  Gerinnungsablauf.  Zu  Gerinnungsbestimmungen  müssen 
daher  stets  gleichgroße  Blutmengen  \'erwendung  finden,  außerdem  Glas- 
gefäße von  gleicher  Größe,  die  vor  Gebrauch  sorgfältig  (Wasser,  Alkohol, 
Äther)  zu  säubern  und  vor  Verstaubung  zu  schützen  sind. 


FiR.  78 


Min.  40 


10 

Einfluß  der  Temperatur 


20  30 

auf  die  Gerinnungszeit.  (Nach  Bärker.) 


40°  C. 


2.  Änderungen  der  Temperatur  sind  von  großem  Einfluß  auf 
die  Gerinnungszeit.  Die  nebenstehende  Kurve  illustriert  deutUch  dieses 
Verhalten  (Fig.  78). 

Gerade  im  Bereich  der  sogenannten  Zimmertemperatur  (15 — 20°) 
sind  Abweichungen  von  wenigen  Graden  sehr  bedeutungsvoll,  wie  die 
Kurve  Biirkers  ^)  zeigt.    Dasselbe    ergibt  sich   auch  aus   den  mit  anderer 


')  Bürl-er,    Ein  Apparat  zur  Ermittlung  der  Blutgerinnungszeit.    Pflügers  Arch. 
Bd.  118.  S.  452  (1907). 


Die  Blutgeiiuiiiing.  9;^;.j 

Methodik  ausj^eführtcii  Versuchen  von  Kottmann.^)  Danach  betrug  die 
Gerinnungszeit  norniakMi  nienschüchen  1  Hutes  bei  40"  zirka  <J',  bei  20" 
mehr  als  20'.  Temperaturkonstanz  ist  also  absolut  eiiorderücli.  Methoden, 
die  hierauf  keine  Kücksicht  nehmen,  bieten  groi)e  Fchlcniucilen. 

;').  Ausgcih^hntere  lierührung  mit  (lewcben  {/..  W.  der  Wundfliiche) 
und  iUutgerinnseln  kürzt  die  (Jerinnungszeit  al).  Wahrscheinlicii  beruht 
das  zum  Teil  auf  Abgabe  von  Thromi)okinase,  respektive  zymoplastischer 
Substanzen  von  den  zertrümmerten  Geweben  an  das  Illut.  N'iellciciit  werden 
auch  die  Blutzelien  selbst  iieeinflußt.  Fertiges  Tiirombin,  wie  es  sich  z.  B. 
in  lüutgerinnseln  findet,  verkürzt  ebenfalls  die  (Jerinnungszeit,  und  zwar 
viel  stärker,  als  man  das  nach  Maßgabe  des  geringen  G(;haltes  der  Ge- 
rinnsel an  Fibrinferment  erwarten  sollte.  Bordet  und  Gcnfjou-)  nehmen 
an,  daß  zugesetztes  Fibrinferment  durch  einen  Vorgang,  der  mit  bekannten 
autokatalytischen  Prozessen  in  Parallele  gesetzt  werden  kann,  die  schnelle 
Bildung  großer  Fermentmengen  im  Blute  auslöst.  Ob  diese  Erkliirung  zu- 
treffend ist,  steht  noch  dahin.  Die  starke  Verkürzung  der  Gerinnungszeit 
nach  Zusatz  von  Blutgerinnseln  ist  aber  unbestreitbar. 

Für  praktische,  respektive  methodische  Zwecke  ergibt  sich  hieraus: 
Man  soll  Blut  zum  Zwecke  einer  Bestimmung  der  Gerinnungszeit  möglichst 
so  entnehmen,  daß  keine  Berührung  mit  Geweben  stattfindet,  d.  h.  also 
durch  \'enenpunktion.  Falls  aber  das,  wie  so  häufig  beim  Menschen,  nicht 
tunlich  sein  sollte,  muß  man  stets  die  Tiefe  des  Einstiches  in  die  Haut 
möglichst  gleichmäßig  bemessen,  auch  jedes  Pressen  und  jeden  Druck  in 
der  Umgebung  der  AVundränder  vermeiden,  um  nicht  durch  Beimengung 
von  Gewebsflüssigkeit  ganz  unkontrollierbare  \erhältnisse  zu  schaffen. 
Endlich  hat  man  dafür  zu  sorgen,  daß  die  I>lutstropfen  der  "Wunde  schnell 
entquellen. 

"Wunden,  in  denen  sich  bereits  Gerinnsel  gebildet  haben,  scillen 
nicht  noch  einmal  zur  Blutentnahme  für  Gerinuungsbestimmungen  benutzt 
werden;  denn  die  Blutstropfen,  die  mau  dann  erhält,  gerinnen  meist  sehr 
rasch.  Dieselbe  Vorsichtsmaßregel  sollte  auch  im  Tierversuch  beobachtet 
werden.  Hat  man  in  irgend  ein  Blutgefäß  eine  Kanüle  eingebunden,  so 
sollte  man  diese  nur  einmal,  nicht  aber  mehrfach  zur  Blutentnahme  be- 
nutzen, besonders  wenn  zwischen  der  ersten  und  zweiten  Entnahme  längere 
Zeit  verstrichen  ist.  Sonst  wird  man  oft  bei  der  zweiten  Blutentnahme  — 
selbst  wenn  man  die  Kanüle  inzwischen  mit  Kochsalzlösung  ausgespritzt 
hat  —  eine  starke  Beschleunigung  der  (lerinnung  feststellen  können,  die 
rein  lokal  bedingt  ist  und  mit  einer  allgemeinen  Änderung  der  (Jerinn- 
barkeit  gar  nichts  zu  tun  hat.  Manche  Versuche,  besonders  die  älteren 
Beobachtungen    über    die    gerinnungsbefördernde    Wirkung    der    (ielatine. 


')  KottiiKDui,  Der  Koagiilnviskosimeter  etc.  Zeitschr.  f.  kliii.  Med.  Bil.  69.  S.  415 
(1910). 

-)  Bortht-Gengou ,  Rech,  snr  la  coagiilatioii  du  saiii;.  4önic  niöin.  .Sur  lo  pouvoir 
coagulaiit  du  serum.  Anu.  de  l'instit.  Pasfcur.  T.  18  (11)04).  S.  98— 115. 


234  ^-  Morawitz. 

leiden  an  diesem  Mangel  der  Methodik.  Man  tut  daher  gut,  im  Tierver- 
such die  Blutentnalime  an  verschiedenen  Stellen  und  stets  mit  unge- 
brauchten, sorgfaltig  gereinigten  Kanülen  auszuführen.  Die  durch  Ein- 
binden der  Glaskanüle  geschädigten  Gefäßwandzellen  können  möglicher- 
weise auch  schon  eine  schnellere  Blutgerinnung  veranlassen. 

4.  Der  Gasgehalt  des  Blutes  ist  nicht  ohne  Einfluß  auf  die  Ge- 
rinnungszeit. Kohlensäurereiches  Blut  gerinnt  nach  A.  Schmidt  u.  a.  lang- 
samer als  C0.2-armes.  Auch  das  verdient  Beachtung.  Ein  wechselnder  Gas- 
gehalt des  Blutes  kommt  als  Fehlerquelle  besonders  für  die  Methoden 
in  Betracht,  die  mit  gestautem  Armvenenblut  arbeiten.  Wie  groß  die  prak- 
tische Bedeutung  der  vermehrten  C0.2-Spannung  ist,  scheint  noch  nicht 
genauer  untersucht  zu  sein.  Jedenfalls  geht  Deetjen'^)  zu  weit,  wenn  er 
eine  wesentliche  Ursache  der  Gerinnung  des  Blutes  in  einer  Abnahme 
seiner  COo-Spannung  (bedingt  durch  Entweichen  von  CO..  in  die  Atmosphäre) 
erblickt. 

Werden  alle  diese  Fehlerquellen  berücksichtigt,  arbeitet  man  stets 
mit  gleicher  Methodik,  so  findet  man  eine  ziemlich  weitgehende  Konstanz 
der  Gerinnungszeit.  Das  gilt  für  ein  und  dasselbe  Individuum,  aber  auch 
für  verschiedene  Individuen  derselben  Spezies.  Ein  Einfluß  von  Tageszeit 
und  Nahrungsaufnahme  ist  nicht  deutlich  zu  erkennen.  Bürker-)  nimmt 
ein  Minimum  der  Gerinnungszeit  gegen  2  Uhr  nachmittags  an.  Andere 
{Addis '^),  Hartmann  ^)  fanden  keine  Gesetzmäßigkeit  nach  dieser  Richtung. 

Da  die  meisten  Methoden  zur  Bestimmung  der  Gerinnungszeit  nicht 
ganz  einfach  sind,  sollte  man  sich  erst  dann  an  die  Untersuchung  wissen- 
schaftlicher Fragen  machen,  wenn  man  am  Normalen  zuverlässige  Werte 
zu  gewinnen  vermag. 

Eine  praktisch  bedeutsame  Frage  bleibt  noch  zu  erörtern :  Gibt  die 
Bestimmung  der  Gerinnungszeit  in  vitro  wirklich  ein  zuverlässiges  Bild 
von  den  Vorgängen,  die  sich  beim  Verschluß  blutender  Wunden  im  Orga- 
nismus abspielen?  Liegen  dort  nicht  vielleicht  ganz  andere  Verhältnisse 
vor,  die  eine  Übertragung  der  bei  Versuchen  in  vitro  gewonnenen  Vor- 
stellungen gar  nicht  gestatten? 

Wahrscheiidich  sind  nun  allerdings  die  Vorgänge  beim  Verschluß 
blutender  Gefäße  der  Gerinnung  in  vitro  nicht  ohne  weiteres  an  die  Seite 
zu  setzen.  Im  ersten  Falle  spielt  sicher  die  Agglutination  der  Blutplättchen 
und  Leukocyten  und  die  dadurch  bedingte  Pfropfbildung  eine  vielleicht 
ebenso  bedeutende  Rolle,  wie  die  eigentliche  Fibringerinnung.  Trotzdem 
zeigen  doch  fast  alle  Individuen,  die  schwer  stillbaren  Blutungen  unter- 
worfen sind,    die  Erscheinung  einer  verminderten  Gerinnbarkeit   in  vitro. 


^)  Deetjen,  Zerfall  und  Leben  der  Blutplättchen.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  Bd.  63. 
Heft  1  (1909). 

-)  Biirker,  1.  c. 

^)  Addis,  The  coagulatiou  Time  of  the  blood  etc.  Edinb.  med.  Journ.  July  1910.  S.  A. 

■*)  Hartmann,  Zur  Frage  der  Blutgerinnungszeit.  Münchener  med.  Wochenschr. 
Kr.  IG  (1909). 


Die  Bhitgcriiiniini,'.  t)q?^ 

Insofern  besteht  also  ein  /usanimoiilianti.  I)ag('j,^'n  darf  man  den  Satz 
nicht  umkehren :  Eine  verzögerte  Gerinnung  hrauclit  nicht  notwendigcr- 
^Yeise  mit  einer  starken  Neigung  zu  I^hitungen  einherzugehen  {Hbwmn 
und  Skidcn^). 

Im  Folgenden  können  nicht  alle  .Methoden  zur  Bestimmung  der  Tle- 
rinnungszcit  beschrieiien  werden.  Ihre  Zahl  ist  Legion.  Ich  heschriinke  mich 
auf  die  ^'erfahren,  deren  Brauchbarkeit  durch  zuverliissiy-e  Beobachtun«: 
feststeht. 

B.  Methoden  zur  Bestimmung  der  Gerinnungszeit. 

1.  Methode  von  Vierordt.-)  Sie  ist  das  älteste  aller  brauchltaren 
Verfahren  zur  Bestimmung  der  Gerinnungszeit.  Auch  heute  noch  findet 
sie  hier  und  da  N'erwendung. 

Vierordt  saugt  Blut  in  sorgfältig  gereinigte  und  getrocknete,  beider- 
seits offene  kapillare  Glasröhren  von  1  mm  Durchmesser  und  5  cm  Länge. 
Ein  durch  Einstich  in  die  Haut  gewonnener  Blutstropfen  wird  mit  dem 
Ende  einer  der  Glasröhren  berührt.  Das  P)lut  tritt  sofort  durch  Kapillar- 
attraktion in  das  Glasröhrchen  ein.  Man  sorgt  dafür,  dali  die  Blutsäule 
stets  gleich  lang  ausfällt,  etwa  i^mm.  In  die  Röhre  wird  nun  von  der 
anderen  Seite  ein  weilles,  durch  Alkohol  und  Äther  entfettetes  und  ge- 
trocknetes Pferdehaar  eingeführt.  Die  Länge  des  Haares  beträgt  \{)cm.  Es 
wird  durch  die  Blutsäule  hindurchgeführt  und  von  Zeit  zu  Zeit,  etwa  alle 
^/a  Minute,  um  ein  kleines  Stück  weiter  vorgezogen.  So  lange  das  Blut 
noch  nicht  geronnen  ist,  bleiben  die  durch  das  Blut  durchgeführten  Partien 
des  Haares  ungefärbt.  Mit  Beginn  der  Gerinnung  bedeckt  sich  das  Haar 
mit  rötlichen  Niederschlägen.  Das  Ende  der  Koagulation  wird  dadinch  be- 
zeichnet, daß  keine  neuen  Niederschläge  entstehen  und  das  Haar  bei 
weiterem  ^■orziehen  wieder  weiß  erscheint. 

Als  Geriimungszeit  gilt  der  Zeitraum  vom  Einströmen  des  Blutes  in 
die  Ginsröhre  bis  zur  Vollendung  der  Fibrinabscheiduug.  Er  beträgt  nach 
Vierordt  bei  einem  gesunden  Menschen  im  Durchschnitt  9V4''  mit 
Schwankungen  von  7  bis  11'  (Zimmertemperatur).  Diese  Zeit  ist  recht 
lang,  wenn  man  die  ausgedehnte  Berührung  des  Blutes  mit  der  Glaswan»l 
berücksichtigt.  Vierordt  sucht  nicht  den  Beginn,  sondern  das  Ende  der 
Gerinnung  zu  bestimmen.  Bestimmung  des  Gerinnungsbeginnes  soll  weniger 
e.xakt  sein. 

Nach  Sahli''-)  kann  man  mit  l'icmn/ts  Methode,  auch  in  ursprüng- 
licher (iestalt,  brauchbare  Resultate  erhalten.  Doch  sind  verschiedene 
Fehlermöglichkeiten    zu    berücksichtigen,    z.  B.    Temperaturschwankuiigen. 


•)  Ilinmau  und  Sladen ,  Mcasurcmciit  of  tlie  Coairnlatio  Time  of  tlio  hiood.  aiiil 
its  Application.  Johns  Ifojikins  H<»s|).  Bull.   \'nl.  18.  .Tuiii-.Iuli   1907.  S.  A. 

-)  Vierordt,  Aldi.  f.  lh'iii<iiii(i('.  H.l.  10  (1878).  zitiirt  naoli  Kottmann  uiiil  Lidsky. 
Vergl.  Zitat  S.  226. 

^)  Sahli,  Ül)or  «las  Wosoii  der  llämophilitv  /citsclir.  t.  kliii.  .Mni.  Hd.  .V)  S.  2W 
(19ÜÖ). 


236 


P.  Morawitz. 


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Man  muß  daher  stets  an  einer  normalen 
Person  Kontrollbestimmimgen  vornehmen, 
und  z^var  unter  gleichen  Temperaturbedin- 
o-ungen.  Tiefe  Einstiche  in  die  Haut  sind 
ebenfalls  nötig.  Tropfen  auf  Tropfen  soll  in 
schneller  Folge  aus  der  Wunde  quellen.  Man 
vermeide  Druck  und  Pressen  der  Wund- 
ränder. Die  Pteinigung  der  Haut  (x\lkohol, 
Äther)  geschehe  stets  gleichmäßig. 

Modifikation  der  Fierort/ifschen 
Methode  ^Vivch-Kottmann  undLidskt/.'^) 

Die  Verbesserung  lietrifft  in  der  Haupt- 
sache Herstellung  konstanter  Temperatur- 
verhältnisse. Der  ganze  Apparat  wird  in 
eine  Thermosflasche  versenkt  (Fig.  79). 

Die  Glasröhre  11  ist  mit  Hilfe  des 
Korkstopfens  12  in  eine  mit  Wasser  von 
beliebiger  Temperatur  gefüllte,  horizontal 
gelagerte  Thermosflasche  versenkt.  In  den 
temperierten  Luftmantel  der  Glasröhre  wird 
der  armierte  Metallstab  1  eingeschoben  und 
das  Luftsystem  durch  den  Kork  8  abge- 
schlossen. Vorher  hat  man  die  durch  die 
Klammer  4  an  den  Metallstab  befestigte 
Kapillare  7  in  der  von  Vierordt  beschriebenen 
Weise  mit  Blut  gefüllt.  6  ist  das  in  der  oben 
beschriebenen  Art  präparierte  Pferdehaar. 
Es  wird  von  Zeit  zu  Zeit  um  ein  kleines 
Stück  durch  die  Blutsäule  vorgeschoben.  Alle 
halbe  Minute  kontrolliert  man  den  Ablauf 
der  Gerinnung  dadurch,  daß  man  durch  Vor- 
ziehen des  Eisenstabes  sich  den  mit  7  be- 
zeichneten Punkt  des  Pferdehaares  sichtbar 
macht.  Die  durch  den  Zapfen  iO  verschlossene 
weitere  Öffnung  im  Kork  8  dient  dazu,  die 
Kapihare  durchzuziehen  und  sichtbar  zu 
machen.  Die  Besichtigung  soll  immer  nur 
möglichst  kurze  Zeit  in  Anspruch  nehmen. 
Der  Zapfen  10  muß  beim  Zurückschieben 
die  Öffnung  in  Kork  8  wieder  gut  ver- 
schUeßen.  Die  Kapillare  5  dient  nur  zur 
leichten  Führung  des  Pferdehaares.  Dieses 
wird  sofort   nach   Füllung   der  Kapillare  4 


^)  Kottmann-Lidskn ,  Die  Vierordt?,Qh&  Methode  für  Geriunungsbestimmungen  etc. 
Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  69.  S.  431  (1910). 


Die  Blutgerinnung. 


2^7 


Fig.  80. 


mit  Blut  (lurch  die  lllutsäiilo  hindiirchi^cfülirt.  Ein  diirdi  Kork  8  gchieckics 
ThennouK'tt'r  ^il)t  die  im  Liiitmantcl  lienschcndc  'i'ciiiper.itur  ;iii. 

Bisher  haben  nur  Kotfiiiann  und  Lldskij  (1.  c. )  mit  diesem  \'('rfahrcii 
gearbeitet.  Der  ^'orteil  dieser  Methode  der  Fierorrf/schen  gegenüber  Hegt 
darin,  dali  man  nicht  gezwungen  ist,  jedesmal  au  uornuden  Personen 
Koutrolhmtersuchungen  unter  gleichen  äul.jeren  Bedingungen  (Temperatur I) 
anzustellen.  P)eginn  und  Ende  der  Gerinnung  lassen  sich  mit  hinreichender 
Genauigkeit  bestimmen.  Die  beiden  Werte  liegen  nach  Kottmatin  nicht 
sehr  weit  auseinander. 

2.  Methode  von  Wriglit.'^)  Auch  diese  i)eruht  auf  der  Brstiiuiiuuig 
der  Gerinnungszeit  in  Glaskapillaren.  Wrujlit  hat  sein  \'ert'ahren  mehrfach 
abgeändert  und  verbessert.  In  England  und  Amerika  ist  es  viel  in  (iebrauch. 
Das  Prinzip  ist  folgendes  :  Eine  größere  Beihe  genau  gleicher  Glasröhren 
wird  mit  Blut  gefiUlt  und  nach  einer  i)estimmten  Zeit  ausgeblasen.  Die 
Blutprol)en  werden  nach  Wright  als  „flüssig",  ,.gerinnend"  und  ..geronnen" 
bezeichnet.  Geronnen  ist  das  Blut  dann,  wenn  die  Kapillare  nicht  mehr  aus- 
geblasen werden  kann.  Findet  sich  beim  Ausblasen  auf  Filtrierpapiei'  ein 
kleines  Eibrinfädcheu,  so  ist  das  Blut  nicht  mehr  flüssig,  sondern  gerinnend. 

Das  ursprüngliche  >Fr^y/A^sche  Verfahren  gestaltete  sich  im  ein/einen 
folgendermaßen:  Ein  halbes  bis  ein  Dutzend  Glaskapillareu  von  0  2'^  mm 
Durchmesser  werden  so  graduiert,  daß  sie  eine  Blut- 
säule von  5  cm  Länge  aufzunehmen  vermögen.  Ein 
durch  Einstich  in  die  Eingerbeere  gewonnener  Bluts- 
tropfen  wird  mit  einer  der  Glasröhren  aufgesogen. 
Nach  Füllung  des  Röhrchens  notiert  man  die  Zeit  der 
Blutentnahme.  Dann  wird  die  Wunde  al)gewischt  und 
ein  neuer  Blutstropfen  in  einem  zweiten  Glasröhrchen 
aufgefangen  usw.  Die  Füllung  immer  neuer  Kapillaren 
geschieht  in  Zwischenräumen  von  V4  bis  \  a'i  ebenso 
auch  später  das  Ausblasen  des  Blutes.  Pressen  der 
Wuudränder  zum  Zwecke  eines  besseren  Blutzuflusses 
ist  verboten. 

Zur  Herstellung  konstanter  Temperaturbedin- 
gungen empfiehlt  Wright  sein  Koagulometer.  Es 
ist  das  ein  mit  Wasser  von  bestimmter  Temperatur 
gefüllter  Metallzylinder,  der  von  einer  eng  anlii'genden 
Flanelltasche  umgeben  ist.  In  diese  Tasche  werden 
die  Glasröhrchen  nebst  einem  Thermometer  schon  vor  Beginn  des  \'er- 
suches  eingeschoben  und  vorgewärmt.  Am  besten  füllt  man  den  .Metall- 
zylinder mit  Wasser  von  18r)".  Bei  dieser  Temperatur  wird  eine  im  Laufe 
des  ^'ersuches  eintretende  Ai)kühlung  des  Wassers  keine  nennenswerte 
Fehlenjuelle  abgeben  können  (Fig.  80). 

')  Wrif/ht,  An  a  motliod  uf  detcrmining  tlic  condition  of  blood  ooagulability  etc. 
Brit.  med.  Journ.  II.  [).  223  (18Ü3).  —  Dersell)e,  Un  souie  new  procedures  for  the 
examiuation  of  the  blood  etc.  Lancet.  London  1*J02.  II.  S.  M. 


Koaguloinotor  von  Wriijhl. 

(.Viis  lieznnfon-Lnbli , 

Trait(5  d'Hi'iiiatoIogio, 

l'iiris  1904.) 


238  P-  Morawitz. 

Wright  nahm  dann  noch  weitere  Modifikationen  vor.  Die  eine  be- 
trifft die  Herstellung  der  Glaskapillaren  von  dem  erwünschten  Durch- 
messer. Die  Methode  ist  einfach  und  elegant:  Ein  Glasrohr  wird  in  eine 
Kapillare  ausgezogen  und  mit  bmm^  Quecksilber  geeicht.  Man  wird  beim 
Verschieben  des  Quecksilberfadens  eine  Stelle  finden,  in  der  die  Queck- 
silbersäule in  der  Glaskapillare  gerade  eine  Länge  von  5  cm  hat.  Die  obere 
und  untere  Grenze  dieser  Partie  wird  markiert  und  die  Kapillare  in  der 
Weise  abgeschnitten,  daß  das  eine  ihrer  Enden  mit  einer  der  Marken  zu- 
sammenfällt, das  andere  sich  etwa  1—2  cm  über  der  anderen  Marke  be- 
findet. In  dieser  Weise  stellt  man  sich  eine  größere  Zahl  Kapillaren  her, 
die  man  beim  ^'ersuch  bis  zur  oberen  Marke  mit  Blut  füllt. 

In  letzter  Zeit  hat  Wright  Temperaturkonstanz  nicht  mehr  mit  Hilfe 
des  Koagiilometers ,  sondern  durch  ein  Wasserbad  von  l&b°  hergestellt. 
Die  einzelnen  Kapillaren  werden  aufrecht  hineingestellt,  das  obere  Ende 
überragt  den  Wasserspiegel.  Eine  Mischung  von  Wasser  und  Blut  wird 
durch  die  zwischen  Wasser  und  Blut  eingeschlossene  Luftsäule  verhindert. 
Will  man  die  Kapillaren  in  Wasser  vorwärmen,  so  muß  man  ihr  unteres 
Ende  durch  eine  Gummikappe  verschließen. 

Die  Wrightsche  Methode  dürfte  manchen  anderen,  besonders  neueren 
\'erfahren  gegenüber  kaum  A'orteile  bieten.  Da  das  Lumen  der  Kapillaren 
nur  0"2rv?»m  weit  ist,  sind  die  Gerinnungszeiten  sehr  kurz.  Bei  37"  ist 
die  Gerinnungszeit  z.  B.  normalerweise  weniger  als  2'.  Das  ist  nicht  er- 
wünscht, da  Differenzen  im  allgemeinen  um  so  besser  zum  Ausdrucke 
kommen  und  um  so  sicherer  sind,  je  länger  die  normale  Gerinnungszeit  ist. 
Außerdem  ist  es  nicht  ganz  einfach,  die  für  die  Füllung  so  vieler  Kapillaren 
nötigen  Blutmengen  zu  bekommen.  Wright  empfiehlt  im  Notfalle  zahlreiche 
Stiche  oberhalb  des  Nagelbettes  anzulegen.  Dadurch  vermeidet  er  allerdings 
den  Fehler,  den  eine  beginnende  Gerinnung  in  der  Wunde  mit  sich  bringt; 
aber  die  ^Methode  wird  für  den  Untersuchten  recht  lästig. 

3.  Andere  Kapillarmethoden. 

a)  Methode  von  Sahrazks.'^)  Das  in  großen  Tropfen  aus  dem 
vorher  mit  Alkohol  gereinigten  und  getrockneten  Ohrläppchen  hervor- 
quellende Blut  wird  in  Glaskapillaren  aufgesogen.  Diese  sollen  einen  Durch- 
messer von  1  mm  bei  einer  Länge  von  10  cm  haben.  Sie  bestehen  aus 
möglichst  dünnem  Glase  und  werden  sorgfältig  mit  Salzsäure,  Soda, 
Wasser,  xVlkohol,  Äther  gereinigt  und  trocken  unter  aseptischen  Kautelen, 
vor  Staub  geschützt,  aufbewahrt.  Es  ist  nach  Sahrazes  ziemlich  schwierig, 
stets  Kapillaren  von  genau  1  mm  Durchmesser  zu  beschaffen.  Kleinere  Ab- 
weichungen (von  Vio— 'Vlo'>*w^)  sollen  aber  das  Resultat  nicht  wesenthch 
trüben.  Eventuell  könnte  man  sich  auch  des  oben  (S.  238)  erwähnten  Ver- 
fahrens von  Wright  zur  Herstellung  gleichmäßiger  Glaskapillaren  be- 
dienen. 


*)  Sahrazks,  Procede  de  determinatioii  du  debut  de  la  coagulatiou  du  sang.  Fol. 
haematol.  III.  p.  432  (1906). 


Die  Blutgerinnung. 


239 


j 


Vor  Beginn  des  Versuches  werden  die  Kapillären  an  mehreren  Stellen 
mit  der  Feile  eingeschnitten,  um  das  später  iiiiti^'e  /erl)reclien  zu  er- 
leichtern. 

Zur  Herstellung  konstanter  Temperatur  dient  eine  (ila.sglocke  mit 
doppeltem  Boden,  der  mit  Wasser  gefüllt  wird.  Man  wählt  die  Temperatur 
des  Wassers  so,  daß  in  der  Kammer,  respektive  oberhalb  des  inneren 
Bodens,  eine  Temperatur  von  185"  herrscht.  Im  Sommer,  bei  hoher 
Zimmertemperatur,  soll  man  einige  P^isstücke  statt  Wasser  zwischen  den 
I)op])elboden  brin- 
gen (Fig.  81).  ^''*■^^• 

Zwei  Kapil- 
larrohre und  das 
Thermometer  lie- 
gen horizontal  auf 
einem  kleinen  (ie- 
stell  in  der  ge- 
schlossenen Kam- 
mer. Der  \'ersuch 
kann  begonnen 
werden,  wenn  sich 
das  Thermometer 
auf  18"5''  einge- 
stellt hat.  Dann 
wird  der  Einstich 
in  das  Ohrläpp- 
chen gemacht,  der 
erste  Tropfen  fort- 
gewischt, der  zwei- 
te und  dritte  aspi- 
riert und  die  Zeit 
der  Füllung  genau 
notiert.  Die  Kai)il- 
laren  legt  man 
dann  sogleich  mit 

der  Pinzette  an  den  alten  Platz  in  der  Kammer  (Anfassen  mit  den  Fingern 
soll  möglichst  vermieden  werden).  Die  Glasglocke  wird  ge.><chlossen.  Jetzt  hat 
der  Beobachter  vorwiegend  die  Temi)eraturkonstanz  aufrecht  zu  erhalten 
(eventuell  durch  leichtes  Anwärmen  der  Kammer,  respektive  kurzes  Lüften 
der  Glasglocke).  Es  soll  leicht  gelingen,  die  gewünschte  TemjK'i'atur  einige 
Minuten  hindurch  zu  erhalten,  (ileichzeitig  üi)erzeugt  man  sich  durch  vor- 
sichtiges Neigen  der  (ihiskammer  mitsamt  den  horizontal  gelagerten  Kapil- 
laren davon,  dali  sich  die  Blutsäule  in  ihnen  noch  gut  verschiebt,  entsprechend 
der  Neigung  gegen  die  Horizontale.  Ist  das  nicht  mehr  der  Fall,  beginnt  die 
Blutsäule  scheinbar  zu  adhärieren,  so  nimmt  man  die  zuerst  gefüllte  Glas- 
röhre heraus  und  zerbricht  sie  an  der  vorher  eingekerl)ten  Stelle.  Ein  feines 


Methode  von  Snbrmfs. 


240  P.  Morawitz. 

Fibrinfädchen,  das  sich  zwischen  den  Bruchenden  ausspannt,  zeigt  die  ein- 
getretene Gerinnung  an.  Dann  ist  auch  die  andere  Kapillare  nahe  am 
kritischen  Punkte  angelangt.  Sobald  eine  deutliche  Zunahme  der  Viskosität 
des  I>lutes  beim  Neigen  der  Kammer  eintritt,  wird  auch  das  zweite 
Röhrchen  zerbrochen.  Sollte  man  das  zu  früh  ausgeführt  haben  (kein 
Fibrinfädchen  beim  Bruche  sichtbar),  so  wird  der  Versuch  wiederholt. 
Dann  ist  aber  die  Gerinnungszeit  schon  durch  den  ersten  Versuch  appro- 
ximativ festgelegt.  Nach  der  Methode  von  Sahrazes  beträgt  sie  für  den 
Normalen  zirka  9 — 10'.  Das  entspricht  recht  gut  den  von  Vier or dt  mit 
gleichkahbrigen  Kapillaren  bestimmten  Werten. 

Mängel  der  /SViftro^esschen  Methode  sind :  Unbequeme  Herstellung  der 
konstant  temperierten  Kammer.  Ungenügende  Verschiebung  der  Blutsäule 
beim  Neigen  der  Kapillare  schon  längere  Zeit  vor  beginnender  Gerinnung. 

h)  Methode  von  Schultz.'^)  Blut  wird  in  einer  Hohlperlenkapillare 
aufgefangen  (Fig.  82). 

Die  einzelnen  Glieder  der  Kapillare  werden  in  bestimmten  Zeitab- 
schnitten abgebrochen  und  in  abgemessenen  Quanten  physiologischer  Koch- 
salzlösung ausgeschüttelt.  Man  kann  hierdurch  den  Gerinnungsvorgang  in 
Stadien  zerlegen  und  sukzessive  Fortgang  und  Abschluß  der  Gerinnung 
feststellen. 

Die  Gerinnungsröhre  besteht  aus  einem  Teilstück  mit  12  eng  an- 
einanderliegenden kugeligen  Auftreibungen,  die  in  einen  kurzen  Stiel  aus- 
laufen. Die  Auf- 
^'^'  ^^'  blasungen     sollen 

möglichst  kongru- 


ent sein,  die  Inter- 
vallstücke      kurz 
und  von  dem  ur- 
Methode Yon  Schultz.  sprünglichen 

Durchmesser  der 
Kapillare.  Sind  sie  zu  weit,  so  kann  die  Beobachtung  dadurch  gestört 
werden,  daß  bei  Abbrechen  einer  Hohlperle  Gerinnsel  aus  der  nächsten 
Perle  mit  hinausgerissen  werden.  Man  muß  dann  sofort  noch  eine  Kugel 
abbrechen.  Die  Intervallstücke  sind  einseitig  geritzt  und  werden  der  Mar- 
kierung entsprechend  gebrochen.  Die  Füllung  eines  Röhrchens  erfordert 
ein  bis  zwei  Tropfen  P)lut. 

Der  Gerinnungsversuch  gestaltet  sich  folgendermaßen :  Das  Röhrchen 
ist  sorgfältig  mit  Wasser,  Alkohol  und  Äther  gesäubert  und  getrocknet. 
Man  läßt  von  seinem  Ende,  an  dem  sich  die  Perlen  befinden,  Blut  ein- 
treten, trocknet  nach  vollendeter  Füllung  etwa  außen  anhaftendes  Blut  ab 
und  legt  die  Kapillare  auf  eine  Unterlage,  den  Stiel  etwas  höher  gerichtet, 
um  ein  Zurückfließen   von   Blut   aus   den  Hohlperlen  in  den  Stiel  zu  ver- 


*)  Schnitz,    Eine    neue  Methode    zur    Bestimmung    der   Gerinnungsfähigkeit    des 
Blutes.  Berliner  klin.  Wochenschr.  Nr.  12  (1910). 


Die  lilutgeriniuiiig. 


■J41 


c.'il^'en/- 


Fig.  83. 


A 


/l 


^ 


I 


[y 


B 


meiden.  Inzwischen  wird  ein  Keafienzglas^estell  mit  li^  odci-  l'4  K 
gläsern  aufgestellt  und  jedes  (ilas  mit  1  cm''  physiologischer  Kochsalz- 
lösung beschickt.  In  gemessenen  Zeitabständen  bricht  man  nunmehr  eine 
Ilohlperle  nach  der  anderen  ab  und  wirft  sie  in  das  numcrici-te  (ilas. 
-Man  i)eol)achtet  dabei  Entleerung  und  Aufschwemmung  des  IJJutes  in  der 
Kochsalzlösung.  Anfangs  ist  nichts  von  geronnenen  Teilchen  wahrneinnbar, 
in  einem  der  folgenden  Gläser  zeigen  sich  dann  zum  ersten  Male  kleine 
Gerinnsel  (Sp.).  Ein  größeres  Gerinnsel,  dessen  Umfang  kleiner  als  die 
Hiilfte  der  Hohlperle  ist.  wird  mit  f  bezeichnet.  Als  iMidstadium  ist  der 
Punkt  anzusehen,  bei  dem  die  Hohlperle  ganz  von  Gerinnseln  erfüllt  ist 
und  beim  Schütteln  nur  geringe  Mengen 
roter  lilutscheiben  in  der  Salzlösung 
aufgeschwemmt  wei'den  (ftt)- 

Fehlermöglichkeiten  liegen  haupt- 
sächlich in  einer  etwaigen  ungleich- 
mäßigen Qualität  der  Gerinnungsröhr- 
chen.  1)  Für  Temperaturkonstanz  ist  in 
irgend  welcher  Weise  Sorge  zu  tragen, 
lierührung  der  Kapillare  mit  den  Fingern 
müßte  W'ohl  vermieden  werden,  wenn 
man  den  Versuch  bei  einer  niedrigeren 
Temperatur  als  37°  anstellt. 

Durch  Venenpunktion  gewonnenes 
Illut  gerinnt  nach  Schultz  in  11 — 15', 
ülut  aus  dem  Ohrläppchen  in  2 — 5'. 

4.  Methode  von  Milian'^),  ver- 
bessert \on  Binman  und  Sladen^) 
lObjektträgermethode). 

MiJkm  läßt  Blutstropfen  auf  eine 
lleihe  sorgfältig  gereinigter  Objektträger 
fallen  und  notiert  die  Zeit  des  Ein- 
stiches sowie  des  Auffangens  der  ein- 
zelnen Tropfen.  Die  Gerinnung  ist  voll- 
endet, wenn  man  den  Objektträger 
senkrecht  aufrichten  kann,  ohne  Ände- 
i'ung  der  Konturen  des  Tropfenprofils. 


» 


1/ 


Mi-thodf  von  Milian. 

Konturen  des  Bliittropfcns  vor(.l)  iiud'nach^/l^ 

der  Gerinnung.  (Aus  Ilintiinn  und  Slmltii.) 


Im  anderen  Falle  sti-ömt  das  Hluf 


natürlich  an  die  tieferen  Partien.  Der  Tropfen  nimmt  die  Gestalt  einer 
Träne  an  (Fig.  83). 

Auf  möglichst  gleiche  Temperaturverhältnisse  ist  Rücksicht  /u  nehmen. 

Hinman  und  Sladen  empfehlen  besonders  auch  die  Gröl'ie  der  Tropfen 
zu  beachten  und  ausschließlich  solche   von  4 — i'tnini  Durchmesser    zu  vei- 


^)  Erhältlich   bei  der  Firma  Eberhardt  vonii.   Nippe,   Herliii. 

-)  Milian,  Techniqiie  poiir  retiulc  rliui(i;!f  (h'   hi  coagulatioii  du  sang.  Soc.  med. 
des  hop.  Paris  1901. 

^)  llinman  und  Sladen ,  1.  c. 
Abderhalden,  Handbuch  der  biochemischen  Arbeitsmetbodeu.  V.  10 


242 


P.  Morawilz. 


wenden.  Eine  größere  Zahl  Objektträger  wird  mit  Alkoliol  und  Äther  sorg- 
fältig gereinigt  und  getrocknet.  Dann  macht  man  den  Stich  in  das  Ohr- 
läppchen des  zu  Untersuchenden.  Der  erste  Tropfen  wird  fortgewischt.  Er 
l)ildet  sich  nämlich  relativ  langsam  und  ist  aus  diesem  Grunde  (Bei- 
mischung von  Gewebssaft)  nicht  verwertbar.  Erst  die  folgenden  sind 
brauchbar.  Die  Gerinnungszeit  wird  von  dem  Augenblicke  der  Tropfen- 
bildung in  der  Wunde  ab  gerechnet,  nicht  von  dem  AugenbUcke  des  Auf- 
fangens mittels  Objektträger. 

Die  Aufnahme    des  Tropfens  durch  den  Objektträger   gestaltet   sich 
etwas    anders    als  bei  Milian.    Der  Tropfen  fällt  nicht  auf  die  Glasplatte. 

sondern   wird  bei 
Fig.  84.  horizontaler    Hal- 

tung des  Ohrläpp- 
chens durch  leichte 
Berührung  mit 
dem  Objektträger 
auf  diesen  über- 
tragen. Der  Ob- 
jektträger wird 
dann  schnell  um- 
gedreht und  auf 
eine  Skala  gelegt. 
Alle  Tropfen,  die 
mehr  als  6  und 
weniger  als  4:  mm 
im  Durchmesser 
haben,  wischt  man 
fort,  der  Rest  dient 
zur  Gerinnungs- 
bestimmung nach 
Milian  (s.  oben). 
Recht  gut 
läßt  sich  der  Ge- 
Methode von  Milinn  bei  durchfullendem  Lichte.  A  vor,  B  nach  der  Gerinnung.     rinnUngSaDiaUl  061 

(Aus  Hin.:an  und  Sladen.)  SeukreCht     geSteU- 

tem  Objektträger 
auch  im  durchfallenden  Lichte  verfolgen.  Solange  noch  (Fig.  84)  keine  Gerin- 
nung erfolgt  ist,  sammelt  sich  das  Blut  vornehmüch  in  den  abhängigen 
Partien  des  Tropfens.  Diese  sind  dann  weniger  lichtdurchlässig.  Nach  Ge- 
rinnung des  Tropfens  erscheint  das  Zentrum  dunlder. 

Hinman  und  Sladen  finden  zwischen  ihrer  und  der  Brodie-Busselschen 
Methode  gute  Übereinstimmung,  vorausgesetzt,  daß  die  Größe  der  Tropfen 
sich  zwischen  4  und  6  mm  bewegt.  Bei  Zimmertemperatur  beträgt  die  Ge- 
rinnungszeit 7—8'.  Bei  kleineren  Tropfen  ist  sie  kürzer.  Die  Methode  ist 
sehr  einfach  und  bequem.    Der  Haupteinwand   liegt   darin,    daß   die  Ver- 


Die  Blutgerinnung'.  .>^;^ 

dunstung'  zuweilen  eine  erheMiche  Kollo  spielen  kann,  besonders  bei  stark 
verlangsamter  (Jerinnung.  Hhtman  und  Sladvn  konnten  in  iler  Tat  bei 
Kontrollversiiclien  in  der  feuchten  Kammer  eine  Verzögerung  gegenüber 
der  gewöhidicben  Olijektträgerniethode  feststellen.  Indessen  glaul)en  sie. 
dal)  dieser  Fehler  praktisch  nur  von  geringer  l'.edeutung  ist. 

Über  Herstellung  konstanter  Teniperaturbedingungen  finden  sich  in 
den  bisherigen  Mitteilungen  keine  Angaben.  Falls  man  keine  Möglichkeit 
hat,  bei  konstanter  Temperatur  zu  arbeiten,  wird  man  auf  absolute  Werte  ver- 
zichten und  immer  Kontrollversuche  an  normalen  Personen  unter  gleichen 
Bedingungen  ausführen. 

5.  Methode  von  Bürker.^)  Ein  Tropfen  lUut  wird  in  den  Hohl- 
schliff eines  Objekttriigers  gebracht.  Dessen  obere  Seite  ist  matt .  der 
ganze  Objektträger  quadratisch  zugeschnitten.  Er  kommt  auf  einen 
Konus  von  Kupferblech  zu  liegen,  der  in  einem  Hartgummiring  steckt. 
Der  Hartgummiring  ist  soweit  viereckig  ausgesägt,  daü  das  quadratische 
Giasstück  auf  den  Kupferkonus  gelegt  werden  kann.  Ein  viereckiges  Hart- 
gummistück kann  weiterhin  so  auf  den  Objektträger  aufgelegt  werden,  dab 
es  ihn  mit  Ausnahme  des  Hohlschliffes  selber  zudeckt.  Dort  ist  die  kleine 
Hartgummischeibe  rund  durchlocht,  fber  das  ganze  System  kommt  dann 
noch  ein  Hartgummideckel  mit  Handgriff. 

Auf  diese  Weise  ist  das  Glasstück  oben  und  seitlich  von  einem 
schlechten  Wärmeleiter  umgeben,  sitzt  aber  mit  der  XJnterfläche  dem  guten 
Wärmeleiter  Kupfer  auf. 

Der  Kupferkonus  taucht  in  Wasser  ein,  was  dadurch  erreicht  wird, 
daß  die  Hartguramischeibe  auf  den  oberen  Rand  eines  mit  Wasser  ge- 
füllten, zylindrischen  (iefäßes  aus  Messing  aufgesetzt  ist.  Der  obere  Hand 
des  Gefäßes  paßt  in  eine  Rinne  auf  der  l^nterfläche  der  Hartgummi- 
scheibe. Letztere  kann  mit  Hilfe  des  Griffes  um  eine  vertikale  Achse  ge- 
dreht werden.  Bei  der  Drehung  rühren  einige  unten  an  der  Gummischeibe 
befestigte  Schaufeln  das  Wasser  um. 

Das  auf  drei  Füßen  ruhende,  mit  einem  Halm  und  einer  Steigröhre 
versehene  Messinggefäß  ist  also  nach  oben  durch  die  Hartgummischeibe 
und  seitlich  durch  eine  ringsum  befestigte  Filzplatte  vor  nicht  gewünschter 
Wärmcab-  und  -Zufuhr  geschützt.  Das  Gefäß  kann  von  unten  her  mit 
Hilfe  einer  kleinen  Gasflamme  erwärmt  und  dadurch  das  Wasser  samt 
Kupferkonus  und  (Jlasstück  genau  auf  derselben  Temjjeratur  erhalten 
werden.  Ein  Thermometer,  durch  eine  Bohrung  der  Hartgummischeiltf 
durchgesteckt,  mißt  die  Tempei-atur  des  Wassers. 

So  ist  dafür  Sorge  getragen,  daß  das  im  Hohlschliff  des  (ilasstückes 
befindliche    Blut   möglichst   genau  die  Temperatur  des  Wassers  annimmt. 

Ausführung  eines  Versuches:  Wasser  wird  zunächst  im  zylin- 
drischen Gefäß  auf  2')"  gebracht  und  mit  Ililfe  eines  kleinen  regulierbaren 


')  Biirkcr,    Kiu    Apparat    zur    Knnittlung^    tlor    Gerinnungsztit.    iJiUgcm    .^n-li 
Bd.  118.  S.  452  (1907). 

lÜ* 


94.4  P-  Morawitz. 

Gasbrenners  auf  dieser  Temperatur  erhalten.  Die  Wassermenge  beträgt 
zirka  1  Liter.  Dann  wird  das  Glasstück,  besonders  der  Hohlschliff,  mit 
Wasser  ausgespült  und  mit  einem  feinen  leinenen  Tuche,  das  schon  öfter  ge- 
waschen wurde,  mit  Äther- Alkohol  abgerieben  und  getrocknet.  Etwaige 
Stäubchen  und  Fäserchen,  die  noch  zurückgeblieben  sind,  beseitigt  man 
mit  einem  feinsten  Haarpinsel. 

Darauf  kommt  in  die  Mitte  des  Hohlschliffes  ein  Tropfen  ausge- 
kochten, destillierten  Wassers.  Dieses  befindet  sich  in  einer  Bürette,  die 
mit  der  Mariotteschen  Anordnung  für  konstanten  Ausfluß  versehen  ist. 
Der  Druck ,  unter  dem  das  Wasser  austritt ,  beträgt  10  cm  Wassersäule. 
Zur  Fernhaltung  von  CO,  ist  ein  Natronkalkröhrchen  vorgelegt. 

Glasstück  +  Wassertropfen  wird  dann  auf  den  erwärmten  Kupfer- 
konus gelegt  und  einige  Zeit  gewartet,  bis  es  die  gewünschte  Temperatur 
angenommen  hat. 

Dann  wird  mit  Hilfe  der  Franckeschen  Nadel  ein  Blutstropfen  aus 
der  Fingerbeere  entnommen  und  in  den  vorgewärmten  Wassertropfen 
fallen  gelassen.  Sofort  setzt  man  den  Deckel  wieder  auf  und  bringt  ein 
zeitmessendes  Instrument  in  Gang. 

Nunmehr  reinigt  man  die  Spitze  eines  fein  ausgezogenen  Glasstabes. 
Der  zirka  Q-bcm  dicke  Stab  ist  18  cm  lang  und  von  13 — IScut  zu  einem 
feinen  (ilasfaden  ausgezogen,  der  an  der  Spitze  zirka  0*2 — 0-3;^«»  dick 
ist.  Um  ihn  an  der  Spitze  abzurunden,  wird  er  einen  Augenblick  in  eine 
leuchtende  Gasflamme  gehalten.  Man  muß  stets  eine  Reihe  solcher  Glas- 
stäbe vorrätig  halten.  Die  Reinigung  geschieht  durch  Eintauchen  in 
Äther-Alkohol,  dann  wird  der  Glasstab  vorsichtig  mit  dem  Leinentuch 
getrocknet. 

Nach  der  ersten  V2  Minute  des  Versuches  dreht  man  die  Hart- 
gummischeibe mit  Hilfe  des  Handgriffes  um  90",  hebt  den  Deckel  ab, 
geht  mit  dem  Glasstab  in  die  Mitte  des  Blutwassertropfens  und  beschreibt 
bis  zur  Peripherie  des  Tropfens  fünf  Spiraltouren,  um  Blut  und  Wasser 
zu  mischen,  ohne  aber  die  Basis  des  Blutwassertropfens  zu  vergrößern. 
Darauf  wird  der  Deckel  wieder  aufgesetzt,  der  Glasfaden  von  anhaftenden 
Spuren  Blut  und  Wasser  gereinigt. 

Nach  der  zweiten  V2  Minute  wird  wieder  gedreht  (um  90°)  und  mit 
der  Spitze  des  Glasfadens  in  einem  Durchmesser  durchgefahren  oder  ent- 
lang eines  Halbkreises  und  so  fort,  alle  V2  Minute,  bis  man  den  ersten 
Fibrinfaden  ziehen  kann.  Die  Bestimmungen  sind  bis  auf  V2  Minute  genau. 

Auf  thermoelektrischem  Wege  bestimmte  Bürker  die  Differenz 
zwischen  Temperatur  des  Wassers  und  des  Tropfens  als  sehr  gering, 
zirka  O'ö". 

Die  Bürkersche  Methode  ist  in  den  letzten  Jahren  am  Krankenbette 
viel  verwendet  worden.  Die  Resultate  sollen  bei  größerer  Übung  zuver- 
lässig sein. 

(Der  Apparat  ist  bei  Universitäts-Mechaniker  Albrecht-Tühhv^en  zu 
haben. ) 


Die  Bliitgerinnmiif. 


24: 


Fig.  85. 


7) 


B 


1 


^ 


C. 


^ 


6.  Methode  von  Brodle  und  Bussel.  ')  Du-^r  Methode  enthält 
ein  neues,  originelles  Prinzip:  Ein  Blutstropfen  wird  in  einer  feuchten 
Kammer  durch  einen  tangential  gerichteten  Luftstrom  in  Ilewegung  ge- 
setzt und  diese  Bewegung  durch  das  Mikroskop  bei  schwacher  VergröDerung 
beobachtet.  Ist  das  Blut  geronnen,  so  hört  die  Bewegung  auf. 

Im  einzelnen  sieht  man  dabei  Folgendes:  Im  Beginn  des  \ersuches 
genügen  sehr  schwache  Luftstöße  schon,  den  Tropfen  in  rotierende  Be- 
wegung- zu  setzen.  Die  Blutkörperchen  bewegen  sich  einzeln,  ohne  Hiiufchen 
zu  bilden.  Allmählich  fangen  sie  an  zu  verklumpen,  wobei  hellere  Zwischen- 
räume auftreten.  Sehr  bald  hört  dann  jede  stärkere  Bjeweglichkeit  auf.  I)ie 
Blutzellen  geben  zw-ar  einem  Luftstrom  noch  ein  wenig  nach,  federn  aber 
sofort  in  ihre  alte  Lage  zurück.  Dieser  Zeitpunkt,  in  dem  also  der  Bluts- 
tropfen zwar  noch  durch  den  Luftstrom  ein  wenig  von  der  Peripherie  nach  dem 
Zentrum  hin  zusammengedrückt  werden 
kann,  seine  Form  aber  sofort  wieder  an- 
nimmt und  alle  sonstigen  Bewegungen 
zirkulärer  Art  im  Tropfen  aufgehört 
haben,  ist  der  Augenblick  der  Gerinnung. 
Der  Zeitpunkt  ist  nach  einiger  Dbung 
ziemlich  leicht  zu  bestimmen. 

Das  zur  Ausführung  der  Methode 
von  Brodle  und  Bussel  angegebene  In- 
strument   besteht    aus   einer    runden, 

.    ,  ,     ,  1       .)  1        -x  Schema   dos  Bro(/(>-ii'«sse/scben  Koaguloraeters  im 

zirka      1  cm      hohen      und      O  cm     nreiten    Querschnitt.  Modifikation  von  Boggs.  (Nach  Boggs.) 

Luftkammer  Ä,  die  nach  unten  durch 

eine  Glasplatte,   nach  oben  durch  einen  leicht  abnehmbaren,   ebenfalls  mit 

Glaseinlage  versehenen  Metalldeckel  D-K  abgeschlossen  wird  (Fig.  8.")). 

Die  seitlichen  Wände  bestehen  bei  dem  ursprünglichen  .\pparat  aus 
einem  Metallhohlring,  in  dem  behebig  temperiertes  Wasser  zirkulieren 
kann.  Ein  Ein-  und  ein  Ausflußrohr  dienen  der  Wasserzirkulation.  Außer- 
dem ist  in  den  durchbrochenen  Deckel  D-E  ein  Glaskonus  B  eingelassen, 
dessen  abgestun)pftes  unteres  Ende  zur  Aufnahme  des  Blutstropfens  dient. 
Die  seitliche  Wand  der  Kammer  ist  nun  weiterhin  noch  von  dem  Bohre  C 
durchsetzt.  Dieses  steht  nach  außen  mit  einem  kleinen  Gebläse  in  \'er- 
bindung  und  ist  an  seiner  Einmündung  in  die  Kammer  zu  einer  feinen 
Spitze  ausgezogen,  die  so  angeordnet  ist,  daß  bei  geschlossener  Kammer 
der  durch  C  eintretende  Luftstrom  gerade  die  Oberfläche  des  Konus  />' 
tangential  berührt.  Die  eingeblasene  Luft  entweicht  durch  eine  oder  zwei 
kleine  Öffnungen,  die  man  beliebig  anbringen  kann. 

Boggs-)  hat  den /?roc??>-i^MSs<??schen Apparat  durch  Fortlassen  desWassei- 
mantels  vereinfacht.  (Zu  beziehen  durch  Univ. -Mechaniker  .l/ArrcA^Tübingen.  i 


')  Brodle  uuil  Rüssel,    TIh"  tlcterminatioii  of  tlio  coaofulation  ef  MmikI.  .Fourii.  of 
Physiol.  XXI.  p.  403  (1897). 

^)  Bof/f/s,    Some  clinical  aspccts  of  blond  coaf,'nlation.    Iiiti-niat.  Cliiiic-     \ -l    1 
18tli  Seriös  (1<)U7),  S.  A. 


24H  P-  Moraw  itz. 

Ausführung  eines  Versuches:  Der  unter  den  gewöhnlichen  Vor- 
sichtsmaljregeln  aus  Ohr  oder  Fingerbeere  gewonnene  Blutstropfen  (er 
soll  nicht  zu  groß  sein)  wird  mit  der  glattgeschliffenen  Oberfläche  des 
Glaskonus  B  berührt.  Es  ist  leicht ,  auf  diese  Weise  einen  Tropfen  genau 
von  der  Größe  der  geschliffenen  Glasfläche  zu  bekommen.  Dann  wird  die 
Kammer  schnell  geschlossen  und  umgekehrt  (D-E  nach  unten)  unter  das 
Mikroskop  gelegt.  Nun  beobachtet  man,  indem  man  von  Zeit  zu  Zeit  durch 
Druck  auf  das  Gebläse  einen  leichten  Luftstrom  gegen  den  Tropfen  richtet, 
die  Bewegungen  der  Erythrozyten.  Diese  zeigen  sukzessive  die  oben  (S.  245) 
beschriebenen  A'eränderungen.  Der  zeitliche  Ausgangspunkt  für  die  Ge- 
rinnungsbestimmung ist  nicht  der  Augenblick  der  Karamerfüllung,  sondern 
das  Erscheinen  des  Blutstropfens  in  der  Wunde.  Ein  für  allemal  muß  man 
sich  daran  gewöhnen,  das  Ende  der  Gerinnung  erst  dann  anzunehmen, 
wenn  die  oben  näher  beschriebene  „elastische  radiale"  Bewegung  des 
Tropfens  eingetreten  ist.  Die  Zusammenballung  der  Blutkörperchen  oder 
eine  mehr  oder  minder  ausgesprochene  Zunahme  der  Viskosität  des 
Tropfens  darf  nicht  als  Endpunkt  angesehen  werden.  Allerdings  ist  auch 
die  elastisch-radiale  Bewegung  nach  Hinman  und  Sladen  (1.  c.)  nur  eines 
der  vielen  Momente  im  Gerinnungsprozeß,  aber  doch  jenes,  dessen  Eintritt 
am  schärfsten  bestimmt  werden  kann.  Pratt^),  Murphy  und  Gould'-)  haben 
frühere  Stadien  als  Endpunkte  angesehen.  Daher  stammen  wohl  auch  die 
einander  widersprechenden  Angaben  über  die  normale  Gerinnungszeit,  so- 
weit sie  mit  diesem  Instrument  gewonnen  wurden.  Pratt  gibt  4 — 5'  an, 
Murphy  und  Gould  3'  12",  Brodie-Kussel  bei  einer  Temperatur  von  20'> 
7 — 8'.  Hinman  und  Sladen  finden  als  Durchschnitt  von  214  Beob- 
achtungen 6'  40".  Auch  bei  ihnen  sind  die  Schwankungen,  selbst  l)ei  ein- 
und  derselben  Versuchsperson,  recht  bedeutend.  Auch  finden  sie  starke 
Tagesschwankungen.  Das  widerspricht  den  Erfahrungen  von  Addis  ^)  und 
Hartmann.  *) 

Die  Differenzen  erklären  sich  zum  Teile  wohl  auch  durch  die  ver- 
schiedene Größe  der  glatt  geschliffenen  Glasfläche  des  Konus  B.  Je  größer 
diese  ist,  um  so  größer  fällt  auch  der  Tropfen  aus.  Hierdurch  verändert 
sich  natürlich  die  Gerinnungszeit.  Man  wird  also  stets  die  Fläche  des 
Konus  messen  und  nur  solche  Befunde  miteinander  vergleichen  dürfen,  die 
mit  ganz  gleichen  Instrumenten  gewonnen  wurden. 

Auch  die  Art  des  Anblasens  ist  von  Belang.  Je  häufiger  man  den 
Tropfen  durch  den  Luftstrom  in  Bewegung  setzt,  um  so  schneller  gerinnt 
er.  Auch  sieht  man  dann  nicht  selten  am  Rande  des  Tropfens  Ein- 
trocknungserscheinungen, die  natürlich  ebenfalls  die  Gerinnung  beeinflussen 


M  Pratt,  Observations  upon  tbe  coagiilation  time  of  blood,  and  blood  plates. 
Journ.  Med.  Research.  V.  p.  120  (1903). 

-)  Murphji  and  Gould,  Coagulation  time  of  tbe  blood,  a  comparison  between  the 
Wright  and  the  Br odie- Rüssel  m^irnm^nis  etc.  Boston.  Med.  and  Surg.  Journ.  p.  45  (1!)04). 

^)  Addis  1.  c. 

*)  Hartmann  1.  c. 


Die  Blutgorinmiiif,'.  .^i- 

(S.  24o).  Man  soll  also  nicht  zu  liiiufi^-  und  nicht  zu  stark  hlason.  Voll- 
ständige Konstanz  lälit  sich  wohl  schwer  erreichen,  ein  Faktor,  der  ent- 
schieden am  allermeisten  der  Zuverlässigkeit  dieser  Methode  Ahhruch  tut. 
Natürlich  ist  der  Glaskonus  nach  jedem  Versuche  Sorgfalt i«.;;  zu 
reinigen  und  ahzutrocknen.  Am  hesten  arheitet  man  in  einem  koii>tant 
temperierten  Räume.  Den  Wassermantel  von  Brodie-Bussel  halte  auch  ich 
mit  Bof/gs  für  unnötig.  Mit  dem  Gebläse  bringt  man  ja  doch  von  /cit  zu 
Zeit  andere  temperierte  Luft  in  die  Kammer. 

Nach  eigenen  Erfahrungen  scheint  es  mir,  dal'i  die  so  geistreich  er- 
sonnene  Methode  im  ganzen  mehr  Fehlenjuellen  bietet  als  die  meisten 
anderen.  Jedenfalls  erhält  man  nur  bei  sehr  großer  fbung  einigermalten 
zuverlässige  Resultate. 

7.  Methode  von  Morawitz  und  Bicrirh.^)  Das  Hlut  wiid  nicht 
durch  Hautschnitt,  sondern  beim  Menschen  durch  Venenpunkti(»ii .  lici 
Tieren  aus  einer  Arterie  entnommen.  Dadurch  vermeidet  man  r>eimi>(hung 
gerinnungsbefördernder  Substanzen  aus  Haut  und  Geweben.  Die  zweite 
Abweichung  den  vorher  erwähnten  Methoden  gegenüber  besteht  darin.  daU 
nicht  mit  einem  einzigen  Blutstropfen,  sondern  mit  gröl'ieren  lilutmengen 
gearbeitet  wird.  Die  Gerinnungszeit  ist  natürlich  viel  länger  als  bei 
anderen  Methoden.  Das  erscheint  vorteilhaft,  insofern  als  Unterschiede  der 
(xerinnungszeit  sich  dann  deutlicher  und  schärfer  mai-kicrou. 

Ausführung  eines  Versuches:  Die  leicht  gestaute  Armvene  wird 
mit  einer  sauberen,  trockenen  oder  auch  mit  Kochsalzlösung  ausgespritzten, 
10  cm^  fassenden  Spritze  punktiert.  Alkali  (etwa  von  der  zum  Auskochen 
verwandten  Sodalösung)  darf  der  Spritze  nicht  anhaften.  Je  bcm^  lllut 
kommen  in  sorgfältig  gereinigte  (Wasser,  Alkohol,  Äther)  Wiegegläschen, 
die  von  gleicher  Größe  und  Gestalt  sind.  Sie  werden  in  eine  mit  Thermo- 
meter versehene  feuchte  Kammer  gestellt.  Annähernde  Temperaturkonstanz 
läßt  sich  durch  P'iillen  eines  Teiles  der  Kammer  mit  Wasser  von  wechselnder 
Temperatur  herstellen.  GewöhnHch  habe  ich  bei  20^  gearbeitet.  Die  Wiege- 
gläschen sollen  schon  einige  Zeit  vor  Beginn  des  X'ersuches  verschlossen 
in  die  temperierte  Kammer  gestellt  werden,  damit  sie  die  gewünschte 
Temperatur  annehmen. 

Ist  der  Versuch  im  (lange,  so  lüftet  man  von  Zeit  zu  Zeit  den 
Deckel  der  Kammer  und  überzeugt  sich  durch  leichtes  Neigen  der  (iläschen 
von  dem  Zustande  des  Blutes.  Den  Gerinnungsbeginn  erkennt  man  au 
einem  leichten  rötlichen  Belag  an  den  (ilaswänden.  Vollendet  ist  die  Ge- 
rinnung, wenn  die  Oberfläche  des  Blutes  erstarrt  ist  und  der  Neigung 
des  (iläschens  nicht  mehr  folgt.  Der  Deckel  soll  nicht  häufiger  als  alle  2' 
gelüftet  werden.  Möglichst  gleichmäßiges  Vorgehen  beim  Herausnehmen 
und  Neigen  der  Gläschen  ist  anzustreben.    Die  (ierinnung  erfordert  unter 


')  Morawitz  und  liicrich ,    Ül)er    die  Pathogenese    der    dioliimisrhen    Bhitiingen 
Arcli.  f.  experim.  l^vtliol.  u.  Pharm.  Bd.  56.  S.  ll.'i  (I'.IOC)). 


248  P-  Morawitz. 

diesen  Bedinnungen  lö— 20'.  Eine  Differenz  von  'iO^/o  kann  noch  in  den 
Bereicli  der  Fehler  fallen.  Nur  größere  Differenzen  dürfen  berücksichtigt 
werden. 

Fehler(|H('llen  sind :  1.  Der  wechselnde  Gasgehalt  des  Blutes.  Es  muß 
sich  das  hei  starker  Stauung  besonders  bemerkbar  machen.  Blut,  das  viel 
CO2  enthält,  gerinnt  langsamer.  2.  Ungenügende  Übereinstimmung  beim 
Verfahren  zur  Kontrolle  der  Gerinnung.  In  dem  einen  Falle  wird  das 
Wiegegläschen  samt  Inhalt  stärker  bewegt  als  in  dem  anderen.  3.  Ungleich- 
mäßige Bestimmung  des  Endpunktes  der  Gerinnung.  Diese  zieht  sich  über 
eine  Zeit  von  mehreren  Minuten  hin.  Man  muß  also  daher  durchaus  einen 
bestimmten  Punkt  als  Endpunkt  fixieren.  Am  meisten  schien  mir  hierfür 
das  Erstai-ren  der  Oberfläche  des  Blutes  geeignet  zu  sein. 

Die  Methode  soll  möghchst  in  Kombination  mit  einer  der  anderen 
angewendet  werden,  die  nur  kleine  Blutmengen  erfordert.  Findet  man  mit 
beiden  Verfahren  Gerinnungsänderungen  im  gleichen  Sinne ,  so  ist  damit 
Gewähr  für  die  Richtigkeit  der  Beobachtung  gegeben. 

8.  Methode  von  Buckmaster. '^)  Ein  Blutstropfen  wird  in  einer 
Drahtschlinge  aufgefangen  und  in  einer  feuchten  Kammer  bei  beliebiger 
Temperatur  beobachtet.  Von  Zeit  zu  Zeit  wird  die  Drahtschlinge  um  ihre 
Achse  gedreht.    Man    kann    dann  leicht   mit   einer  Linse  das  Hinabsinken 


»^ 


der  roten  Blutkörperchen  im  Tropfen  beobachten.  Es  geschieht  ziemlich 
schnell.  Gerinnung  ist  dann  eingetreten,  wenn  sich  so  viel  Fibrin  gebildet 
hat ,  daß  die  Blutkörperchen  bei  Drehung  der  Schlinge  nicht  mehr  schnell 
nach  unten  sinken. 

Die  Vorteile  dieser  Versuchsanordnung  sind  nach  Buchvastcr  folgende: 
1.  Die  Einfachheit  der  Methode;  2.  die  geringen  Blutmengen,  die  man  braucht: 
;>.  der  Kontakt  mit  Fremdkörpern  ist  auf  das  geringste  Maß  beschränkt: 
4.  das  Blut  wird  nicht  geschüttelt  oder  umgerührt;  5.  die  Bestimmung 
des  Endpunktes  ist  scharf  und  bis  auf  zirka  V2  Minute  genau.  Als  Durch- 
schnittszeiten für  menschliches  Blut   gibt   Buckmaster  folgende  Werte  an: 

20»  C 8'  45'', 

31°  C .5'  45", 

38«  C 5'  56", 

390  C 2'  56' 


j'/ 


Wichtig  für  die  Ausführung  des  Versuches  ist  vor  allem  gleichmäßige  Ge- 
stalt und  Größe  der  Platinöse,  respektive  Drahtschlinge.  Natürlich  muß  sie 
vor  Beginn  des  Versuches  sorgfältig  gereinigt  und  getrocknet  werden.  Für 
die  Blutentnahme  selbst  kommen  die  auch  sonst  üblichen  Kautelen  in  Be- 
tracht. Der  Apparat  läßt  sich  leicht  improvisieren:  Man  nimmt  einen 
schmalen,  rechteckigen  Holzkasten,  der  an  seinen  beiden  Längswänden 
Fenster  hat.  Die  Platinöse  wird  mittelst  ihres  Stieles  so  durch  eine  Öffnuni>- 


*)  Buchmaster,  Model  of  a  new  form  of  coagulometer.  7.  internationaler  Physio- 
logenkongreß. Heidollierg  1907. 


Die  IJllltge^illllllll;L^  9it) 

in  eiiKU'  dor  SchnialseitxMi  des  Kastens  dui-cliiiesteckt.  dall  die  liliitstropfon 
gerade  zwischen  den  beiden  Olasscbeiben  erseiieint.  Die  Distanz  zwischen 
Glasscheibe  und  Drahtschiinge  muß  so  gewählt  sein,  daß  man  den  Tropfen 
von  außen  mit  einer  guten  Stativlupe  genau  einstellen  kaim.  Auch  die  l'm- 
drehung  der  Drahtschlinge  kann  von  außen  mit  Hilfe  des  Stieles  besorgt 
werden.  Zur  Herstellung  konstanter  Temperatur  und  einer  feuchten  Atmo- 
sphäre dient  eine  kleine  Wasserwanne  am  lioden  des  Apparates.  Der 
Deckel  Nvird  von  einem  Thermometer  durchsetzt. 

Eigene  Erfahrungen  mit  dieser  Methode  l)esitze  ich  nicht. 

9.  Der  Koaguloviskosimeter  von  Kottmann.  •)  Neu  und  originell 
ist  der  Weg,  den  Kottnutnn  kürzlich  mit  der  Konstruktion  des  Koagulovis- 
kosimeters  beschrieben  hat.  Sein  Prinzip  ist  folgendes:  IjälJt  man  ein  mit 
Flüssigkeit  gefülltes  Gefäß  um  eine  senkrechte  Achse  rotieren,  so  werden 
die  der  (iefäßwand  benachbarten,  periphersten  Flüssigkeitsschichten  in  die- 
selbe Rotation  geraten.  In  Abhängigkeit  von  dem  Viskositätsgrade  der 
Flüssigkeit  überträgt  sich  die  Rotation  in  nach  dem  /entrum  abnehmender 
Weise  auch  auf  die  anderen  Schichten.  Ein  genau  in  die  Mitte  der  Flüssig- 
keit eintauchendes  Schäufelchen,  das  nicht  direkt  mit  in  Rotation  versetzt 
^Yird.  muß  also,  falls  es  beweglich  anuebracht  ist,  eine  Ablenkung  erfahren. 
Diese  ist  um  so  stärker,  je  schneller  das  mit  Flüssigkeit  gefüllte  Gefäß 
rotiert  und  je  viskoser  die  Flüssigkeit  ist.  Da  nun  Blut  während  der  Ge- 
rinnung durch  Ausscheidung  des  Fibrins  seine  Viskosität  ändert,  seil, 
viskoser  wird,  muß  sich  der  Gerinnungseintritt  durch  eine  stärkere  Ab- 
lenkung des  Schäufelchens  dokumentieren.  Durch  eine  geeignete  \'orrichtung 
wird  verhindert,  daß  die  Schaufel  selbst  in  rotierende  Bewegungen  gerät. 

Die  genauere  Beschreibung  des  Apparates  ist  an  der  Hand  der  neben- 
stehenden Zeichnungen  (Fig. 86,  1—6)  verständlich.  ..Das  Nickelgefäß  .-1  mit 
dem  inneren  Durchmesser  von  \ciii  wird,  nachdem  es  mit  der  zu  unter- 
suchenden Flüssigkeit  gefüllt  ist,  mit  einer  vertikalen  Metallhülse  //  wasser- 
dicht verbunden,  damit  es  während  der  Untersuchung  in  ein  Wasserbad 
mit  konstanter  Temperatur  getaucht  werden  kann.  Die  vertikale  Hülse  7) 
wird,  wie  in  Fig.  1  und  5  ersichtlich,  auf  ein  inneres  Metallrohr  geschoben, 
das  durch  einen  uhrwerkartigen  Motor  in  rotierende  Bewegung  versetzt 
wird.  Dadurch  überträgt  sich  die  gleiche  Botation  auch  auf  die  Metall- 
hüLse  B  und  durch  diese  auf  das  Gefäß  mit  der  rntersuclinngsflüssigkeit 
(Blut,  Milch,  Fibrinogenlösung).  Das  Gefäl'i  mit  Flüssigkeit  macht  also  eine 
konstante  Tourenzahl  pro  Minute. 

Für  Bestimmungen  des  KoagiilationsverlautVs  von  Blut  erwies  sich 
eine  Tourenzahl  von  12 — 15  pro  Minute  am  günstigsten.  Hält  man  in  allen 
Versuchen  die  gleiche  Tourenzahl  ein.  so  erhält  man  gut  vergh'ichbare 
Resultate. 


M 


Kottmaitii,    Dor    Koagiiloviskosimctor    mit    speziolliM-  Borürksii-htiirmi!,'    ^^iMiicr 
klinischen  Venveiull.arkcit  etc.  Zoitschr.  f.  kliii.  Md.  Bd.  G<>.  S.  41.'»  (ÜMO). 


250 


P.  Morawitz. 

Fig.  86. 


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Die  Bhitgeiiiiuiing. 


'2:>i 


KrI  iiu  ter  u  II  K    (1  tj  r   Ki(f.  80,   1-0. 
Figur  1.  LängsBchnItt. 
Kipur  2.   Ansicht  von  oben. 

Figur  ;>.  AuBicht  von  oben  eines  Querschnittes  oberhulb  dar  Spiralfedi'r  ./. 
Figur  4.   Ansicht  von   oben  eines  Quorschuittus  obf-rhalb  der  Dn-hscheibt*  G. 

Figur  S.   GofiilJ,   Metallhülse,  MotuUrohr,  Scbilut'elchen   und  Achse.   Vergrößerung  der  i>iit)itii>-rli.'n- 
den   J'artie  der   Figur  1. 

Figur  6.   Quersclinitt  von  5  durch  da.s  Schilufelchen. 

A  =  GefülJ.     J3  —  rotierende  MetallhiilHe.     C  =  Schäufelchen.     /)  =  Achse.     E  =  BUgol. 

F  =  Tragarm   mit  Lagerung,   (j  —  Drehscheibe,  an  der  Peripherie  gc^.ahnt.   //  --.  gezahntes 

Handrad  für  Drehscheibe.   ■/  =  Spiralfeder.   A' =  Zeiger.    L—  Korkzapfen  zum   VorschluU 

der  Tliermoflasohe.  ^f  =  Zifferblatt.  A'  =  Achsenführung.   O  ==  Zapfensteinlagor. 

In  das  Gefäß  A  taucht  mm  senkrecht  und  lionauestons  zentriert  die 
feststehende,  aber  äulJerst  leicht  in  Rotation  versctzharc  stählerne  Achse  I) 

ein,    die    durch    das    Zapfe n- 


Fig.  87. 


M 
SS 
gO 
TS 
70 

es 

60 
SS 

so 
«/ 

3S 
30 
2S 
20 
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■fO 

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f  2    3 


*  s  e  7  s  s  -fo  -ff  /z  f3  »^  fS  re  -f?  1^  fS  20  zi  sz  ;s 


lager  0  mit  dem  Bügel  E  ver- 
bunden ist.  Sie  träfi:t  an  ihrem 
unteren  Ende  das  Schäufel- 
chen C,  an  ihrem  oberen  einen 
Zeiger  und  ist  aulterdem  mit 
einer  feinen  Spiralfeder  ./  ver- 
bunden. Die  Spiralfeder,  die 
außerdem  noch  (s.  Fif?.  ^lU)  an 
einem  festen  Punkt  befesti,ü:t 
ist,  verhindert  eine  freie  Mit- 
rotation des  Schäufelchens 
mit  der  Flüssigkeit  und  ge- 
stattet diesem  nur  einen  ge- 
wissen Ausschlag,  liieser  Aus- 


n    ^    30   <f^   so 


so      70     ao    so     rOO    ffO     ^^O    tSO   /«<?    fSO   rSO    rro    fSO   fSO  200  *r    ZiJ  Z3i    i-J  ZS3 


Zwei   Geriunung.'ikurven  mit  dem  Koaguloviekosimeter  gewonnen.     Nach  Kollmnitn. 
^^^^^— ^^  =  Kurve  I.  A  normales  Blut.   B  Blut  eines  Haemophilen. 

— =  Kurve  II.   Blut  des  Haemophilen  bei  Zusatz  von  Ulutsoruni. 

— — — — —    _;    Kurven  Itl.  Desgl.  +  Thrombokinase. 


schlag,  der  dem  (ierinuungsgrade  respektive  der  Viskosität  der  unter- 
suchten Flüssigkeit  proportional  ist.  wird  durch  den  Zeiger  A'  in  vergröliertem 
Maßstabe  auf  dem  Zifferblatte  .1/  /um  Ausdruck  irebracht." 


t>52  r.  Morawitz. 

Für  die  Gerinniingsbestimmung  des  IJlutes  genügt  ein  Zeigerausschlag 
bis  90**,  also  eine  nur  einmalige  Umdrehung  der  Schaufel  vollständig.  Bei 
Viskositätsbestimnmngen  anderer  Flüssigkeiten  läßt  sich  durch  eine  in  der 
Originalarbeit  näher  beschriebene  Vorrichtung  durch  Verschieben  des 
Flügels  F  auch  eine  mehrfache  Umdrehung  des  Zeigers  möglich  machen. 
An  Stelle  des  Schäufelchens  kann  man  auch  einen  Zylinderansatz  an  die 
Achse  D  anbringen.  Dadurch  gestalten  sich  die  Ausschläge  größer,  die 
Gerinnungszeit   wird    abgekürzt   und  die  Methode   noch   weiter  verfeinert. 

Das  Blut  wird  durch  Venaepunctio  entnommen.  Es  soll  nicht  erst 
mit  einer  Spritze  aspiriert  werden,  sondern  direkt  aus  der  Vene  durch 
einen  kleinen  Metallansatz  in  das  Nickelgefäß  A  eintreten.  Für  Temperatur- 
konstanz ist  durch  \'ersenkung  des  Nickelgefäßes  in  ein  Wasserbad  gesorgt, 
das  sich  in  einer  Thermosflasche  befindet.  Fig.  1  gibt  diese  Verhältnisse 
klar  wieder. 

Die  beiden  nebenstehenden  Kurven  (Fig.  87)  erläutern  die  mit  dieser 
Methode  gewonnenen  Resultate.  Bei  20°  ist  die  Gerinnung  in  etwa  20' 
vollendet,  der  Beginn  scheint  etwas  weniger  konstant  zu  sein.  Bei  40"  ge- 
rinnt das  l)lut  schon  in  6'.  Für  das  Studium  der  Gerinnungsverhältnisse 
Haemophiler  und  Kropf  kranker  hat  sich  der  Apparat  in  den  Händen  Kott- 
DKums  bewährt. 


Von  allen  hier  aufgeführten  Methoden  scheint  die  zuletzt  erwähnte 
den  ^'orzug  zu  verdienen.  Eigene  Erfahrungen  stehen  mir  leider  nicht  zu 
Gebote,  iberlegt  man  aber  die  mannigfaltigen  Fehlerquellen,  denen  die 
meisten  übrigen  Verfahren  unterworfen  sind,  so  wird  man  die  Vorteile 
des  Kottmcrnnschen  x\pparates  anerkennen.  Einer  ausgedehnteren  Verwen- 
dung steht  leider  der  hohe  Preis  (475  Frcs.)  im  Wege.  (Der  Apparat  wird  in 
dem  Sanitätsgeschäft  31.  Schaerer,  A.-G,  Bern,  Bubenbergplatz,  hergestellt.) 

Viel  gerühmt,  besonders  von  klinischer  Seite,  wird  auch  die  Bürkersche 
M(^thode.  Immerhin  scheint  sie  mir  viel  mehr  Fehlermöglichkeiten  zu 
bieten  als  der  Koaguioviskosimeter.  Für  letzteren  fällt  ganz  besonders  die 
Tatsache  ins  Gewicht,  daß  keine  größere  Übung  erforderlich  ist,  da  alle 
Bewegungen  durch  maschinelle  Kräfte  besorgt  werden. 

Endlich  mag  noch  darauf  hingewiesen  werden,  daß  quantitative  Throm- 
binbestimmungen  im  Blutserum,  wie  sie  z.  B.  von  Birnbaum  und  Osten^) 
versucht  worden  sind,  selbstverständlich  nicht  dasselbe  bedeuten,  wie  die 
direkte  Bestimmung  der  Gerinnungszeit.  Ich  möchte  diesen  Punkt  nach- 
drücklich hervorheben,  da  immer  wieder  Bestrebungen  sich  geltend  machen, 
beide  Begriffe  zu  konfundieren  und  eine  Methode  der  Gerinnungsbestimmung 
auf  die  Untersuchung  des  Fermentgehaltes  im  Blutserum  zu  gründen.  Das 
ist  nicht  zulässig;  denn  ein  großer  Teil  des  bei  der  Gerinnung  gebildeten 
Thrombins    wird    mit    den  Fibringerinnseln    entfernt,    eine  weitere,    sehr 


*)  Birnbaum  und  Osten,  Untersuchungen  über  die  Gerinnung  des  Blutes  während 
der  Menstruation.  Arch.  f.  Gynäkol.  Bd.  80.  H.  2.  S.  373  (19Üö). 


Die  Blutgerinnung.  Of,;.^ 

f^Tolio  Menge  geht  bald  nach  vollendeter  Gerinnnng  in  die  imwirksanie 
Modifikation  des  Metathronihins  üixjr  (S.  274).  Anlierdeni  ist  die  (le- 
rinnungszeit  ja  nicht  allein  von  der  Menge  des  Thronibins ,  sondern  auch 
sehr  wesentlich  von  der  SchneUigkeit  der  Ferniententwicklnng  alihiin^ng. 

111.  Methoden  zur  Gewinnung  fibrinogenhaltiger  Flüssigkeiten. 

Die  hier  erwähnten  Methoden  dienen  ziii-  (Jewinnnng  von  Lösungen, 
die  das  Reagenz  auf  Fihrinferment  und  seine  Vorstufen  darstellen.  Diese 
Lösungen  sollen  daher  1.  nicht  von  selbst  gerinnen  und  2.  trotzdem  Fibri- 
nogen in  gerinnungsfähigem  Zustande  enthalten.  Es  gii)t  viele  .Möglich- 
keiten zur  Herstellung  solcher  Lösungen.  Am  idealsten  entspricht  eine 
reine  Fibrinogenlösung  dieser  Aufgabe.  Sie  soll  nur  Fibrinogen  enthalten, 
dagegen  keine  anderen  Eiweißkörper  und  vor  allem  keine  Vorstufen  de.s 
Thrombins.  Für  gewisse  Zwecke  kommen  auch  noch  andere  Plasmaarten 
in  Betracht.  Allerdings  sind  sie  als  Indikatoren  für  Thrombin  nicht  gleich- 
wertig. Die  Ursachen  für  die  Stabilität,  also  die  mangelhafte  (Jerinnbarkeit 
dieser  Plasmaarten,  können  eben  sehr  verschiedenartig  sein.  Manche  werden 
nicht  allein  durch  Thromben,  sondern  auch  schon  durch  eine  der  Thrombin- 
vorstufen  zur  (rerinnung  gebracht,  ein  Zeichen  dafür,  daß  alles,  was  sonst 
zur  Thrombinbildung  nötig  ist,  bereits  in  diesen  Lösungen  präe.xistiert.  So 
gerinnt  z.  B.  das  an  sich  stabile  Gansplasma  sehr  schnell  auf  Zusatz  von 
Muskelextrakt.  Man  darf  nun  aber  keineswegs  daraus  schließen :  dei'  .Muskel- 
extrakt enthält  Thrombin.  De  facto  enthält  er  auch  nur  eine  Vorstufe  des 
Thrombins.  Alles ,  was  sonst  zur  Gerinnung  erforderlich  ist ,  findet  er  im 
Plasma.  Auf  diesen  Punkt  ist  längere  Zeit  nicht  ausreichend  geachtet 
worden.  Gerade  der  Umstand,  daß  der  eine  Untersucher  dieses,  der  andere 
jenes  stabile  Plasma  als  Pieagenz  für  Thrombin  wählte,  hat  zu  manchen 
Unklarheiten  geführt. 

Manche  stabile  Plasmaarten  verdanken  ihre  Beständigkeit  ausschließlich 
dem  Mangel  löslicher  Kalksalze.  Hier  wird  natürlich  schon  Zusatz  von  Kalk- 
salzen allein  Gerinnung  hervorrufen  können.  Stets  muß  man  sich  also  über- 
legen, ob  das  Reagenz  auf  Thrombin.  das  man  anwendet,  außer  dem 
Fibrinogen  auch  noch  andere  Substanzen  enthält,  die  den  Geriiuiiingsvoi-- 
gang  zu  beeinflussen ,  respektive  auszulösen  vermögen. 

A.  Fibrinogenlösungen. 

1.  Fibrinogenlösung  nach  IJ((iii unirsfrii.^) 

Prinzip  der  Methode:  Das  Fibrinogen  wird  aus  Blutplasma  xhon 
bei  halber  Sättigung  mit  Kochsalz  ausgefällt,  die  antleren  Eiweilikörper  erst 
bei  höheren  Konzentrationen.  Das  durch  Kociisalz  niedergeschlagene  Fiitri- 
nogen  wird  durch  mehrfache  Wiederholung  von  Fällung  und  Lösung  gereinigt. 


')  Hammarsten  ,  t*bcr  die   BcilputunL'  tior  lösliolion  Kulksalze  für  die  Fasorstoff- 
gerinnuDg.  Zeitschr.  f.  pliysiol.  Clicmio.  Bd.  22.  8.  33."i  (ISilC)). 


254  P-  Morawitz. 


Man  geht  ain  besten  vom  Pferdeblut  aus.  Dieses  wird  im  Schlacht- 
hause in  einem  großen  Gefäße  aufgefangen,  das  etwas  Kalium-  oder  Natrium- 
oxalat  in  Lösung  enthält.  Die  Menge  der  Natriumoxalatlösung  ist  so  zu 
bemessen,  daß  die  Konzentration  des  Salzes  nach  Auffangen  des  aus  der 
Wunde  strömenden  Blutes  etwa  0*2 — 0"5<'/o  beträgt.  Will  man  ungefähr 
5  Liter  Pferdeblut  auffangen,  so  kann  man  in  das  zum  Auffangen  be- 
stimmte Gefäß  zuvor  bOOcm^  2 — 3Voi^er  Natriumoxalatlösung  bringen.  Das 
so  gewonnene  „Oxalatblut"  gerinnt  nicht,  da  es  keine  ionisierten  Kalk- 
salze enthält. 

Ich  folge  nun  der  von  Nolf^)  angegebenen  Methodik,  die  einige  Ver- 
besserungen des  ursprüngUchen  Hammarstenschen  Verfahrens  enthält: 
Das  Oxalatblut  wird  gleich  nach  seiner  Ankunft  aus  dem  Schlachthause 
scharf  abzentrifugiert,  das  abgehobene,  vollständig  zellfreie  Plasma  (800  bis 
^00  cni^)  auf  0"  abgekühlt  und  bei  niedriger  Temperatur  filtriert.  Schon 
Hammarsten  hat  empfohlen,  das  Plasma  längere  Zeit,  etwa  eine  Nacht, 
bei  niederer  Temperatur  stehen  zu  lassen.  Es  fällt  dabei  ein  nukleoproteid- 
haltiger  Niederschlag  aus,  der  Proferment  enthält,  also  wohl  Thrombogen 
und  Thrombokinase.  Erst  nach  Entfernung  dieses  Niederschlages  kann  man 
mit  einiger  Sicherheit  darauf  rechnen,  wirklich  brauchbare  Fibrinogen- 
lösungen  zu  erhalten,  d.  h.  also  Lösungen,  die  nur  auf  Zusatz  von  Thrombin 
gerinnen. 

Das  eiskalte,  filtrierte  Plasma  wird  mit  wenig  verdünnter  Essigsäure 
gegen  Lackmuspapier  neutralisiert  und  reines ,  kalkfreies  Kochsalz  zuge- 
setzt, bis  die  Flüssigkeit  ein  spezifisches  Gewicht  von  lllO  angenommen 
hat.  Das  Fibrinogen  fällt  nun  in  großen,  sich  zusammenballenden  Flocken 
aus.  Diese  können  leicht  mit  einem  Hornlöffel  oder  einem  siebartigen  In- 
strument aus  dem  Plasma  in  800 — 900  cm^  destillierten  Wassers  übertragen 
werden.  Das  destillierte  Wasser  soll  eine  Spur  Natriumoxalat,  etwas  Koch- 
salz und  f}cm^  einer  gesättigten  Sodalösung  enthalten.  Man  nimmt  also 
die  Fällung  des  Fibrinogens  stets  bei  neutraler,  die  Lösung  bei  leicht 
alkahscher  Reaktion  vor  (Heubner^).  Arbeitet  man  mit  Pferdeplasma,  so 
ist  allerdings  dieser  Kunstgriff  nicht  so  wichtig.  Auch  ohne  ihn  gewinnt 
man  brauchbare  Fibrinogenlösungen.  Anders  bei  Rinderplasma.  Ohne 
Neutrahsation  gehngt  es  meist  überhaupt  nicht,  durch  Halbsättigung  mit 
Kochsalz  das  Fibrinogen  zur  Ausflockung  zu  bringen.  Ebenso  löst  sich  das 
aus  Rinderplasma  niedergeschlagene  Fibrinogen  nur  bei  leicht  alkalischer 
Reaktion. 

Die  erste  Fällung  des  Pferdefibrinogens  löst  sich  meist  schnell  und 
vollständig.  Die  Lösung  kann  durch  Umrühren  der  Flüssigkeit  befördert 
werden.  \'om  Ungelösten  filtriert  man  ab.  Nun  wird  die  klare,  leicht 
alkalische  Flüssigkeit  durch  vorsichtigen  Zusatz  dünner  Essigsäure  wieder 

*)  ^olf,  Contril).  ä.  l'ötude  de  la  coagulation  du  sang.  3^  memoire.  Arch.  internat. 
de  Physiol.  VI.  H.  1.  SA.  p.  3  (1908). 

^)  Heubner,  Die  Spaltung  des  Fibrinogens  bei  der  Fibringerinnung.  Arch.  f. 
«xperimen.  Pathol.  und  Pbarm.  Bd.  49.  S.  229  (1903). 


Die  Blntjjcrinniiiig.  _  ,  , 

gej^en  Lackiims  neutralisiert.  Bildet  sich  dabei  ein  leiehter.  firohilockijrer 
Niederschlag,  so  ist  er  durch  Gaze  ahzufiltrieren.  Das  I-iltrat  wird  ab- 
gekühlt und  in  derselben  Weise  mit  Kochsalz  gefüllt  wie  das  l'lasnia.  Der 
zweite  Niederschlag  kann,  wenn  er  an  Masse  gegen  den  ersten  zurücksteht, 
in  etwas  weniger  Wasser  (400— '->()() cm'^)  übertragen  werden.  Man  l'iihrt 
nun  in  dieser  Weise  mit  Fällen  und  Lösen  des  Fibrinogens  fort.  Doch  soll 
das  Wasser ,  in  dem  man  den  ;».  Niederschlag  auflöst,  keinen  ( )xalatzusatz 
mehr  erhalten.  Der  4.  Niederschlag  wird  in  etwa  150 — 300 cw^  Wasser 
übertragen.  Dem  Wasser  hat  man  vorher  ein  wenig  Soda  (5 — 0  Tropfen 
auf  ;')00cw?3)  zugesetzt.  Man  fügt  nun  noch  so  viel  Koehsalz  hinzu,  dali 
die  Salzkonzentration  ungefähr  P,„  beträgt.  Die  Fibrinogenlösung  bleibt 
bis  zum  nächsten  Tage  bei  0°  stehen  und  wird  durch  Leinen  kollert. 

1  Liter  Plasma  gibt  ungefähr  LöO — iiOOcnt'-^  Fibi-inogenlösuug.  Trotz 
großer  Verluste  bei  der  Reinigung  ist  diese  Lösung  zu  konzentriert.  Sie 
wird  zum  Versuch  mit  der  5-  bis  lOfachen  Menge  l^/oiger  Kochsalzlösung 
verdünnt. 

Zuw^eileu  erlebt  man  trotz  aller  Vorsieht  Spontangerinnungen  der 
Fibrinogenlösung.  Es  müssen  also  Vorstufen  des  Thrombins  auch  noch  in  die 
letzte  Fibrinogenfällung  übergegangen  sein.  In  anderen  Fällen  gerinnt  die 
Fibrinogenlösung  zwar  nicht  von  selbst ,  wohl  aber  auf  Zusatz  von  Kalk 
oder  Gewebsextrakt  +  Kalk.  Auch  solche  Lösungen  sind  keine  zuverlässigen 
Indikatoren  für  Thrombin. 

Eine  gute  Fibrinogenlösung  soll  nur  auf  Zusatz  von 
Thrombin  gerinnen.  Durch  Morawitz^),  Noif-),  Schittmhehu  und 
Bodouff^),  Rettger*)  ist  jetzt  oft  genug  festgestellt  worden,  dab  man 
solche  Lösungen  gewinnen  kann.  Gegenteilige  Angaben  von  Pckdbariwj^) 
und  Mellanhy  ^')  kann  ich  nicht  anerkennen.  Nolf  weist  allerdings  darauf 
hin ,  daß  auch  die  sogenannten  reinen  Fibrinogenlösungen  sicher  nicht  im 
strengen  Sinne  des  Wortes  ..rein"  sind.  d.  h.  nur  Fibrinogen  enthalten. 
Häufig  führen  sie  auch  noch  etwas  Thrombogen.  Durch  stärkere  \'er- 
dünnung  läßt  sich  der  störende  Einfluß  des  Thrombogens  beseitigen.  .Vo//' 
arbeitet  meist  mit  Fibrinogenlösungen,  die  so  stark  verdünnt  sind,  daß 
sich  eben  noch  ein  dünnes,  gallertiges  Fibrinogengerinnsel  bilden  kann. 

Am  leichtesten  und  sichersten  gelingt  die  Darstellung  von  Fibrinogen 
aus  Pferdeplasma.  Rinderplasraa  ist  weniger  geeignet :    denn  erstens   fällt 


')  Morauitz,  Zur  Kenntnis  der  Vorstufen  des  Fibrinferments.  Ho/tucistfrs  Bei- 
trage. IV.  S.  381  (1903). 

-')  Noif  I.  c. 

^)  Schittenhelm  und  Bodong,  Beitrug  zur  Frage  der  Blutgerinnung  etc.  Arcli.  f. 
experim.  Pathol.  u.  Pharm.   Bd.  54.  S.  217  (1Ü05  0(5). 

••)  Rettgir,  The  coagulation  of  hlond.  Anier.  .lourn.  of  rii\siol.  Noi.  24.  1.  Juli, 
p.  406  (1909). 

'")  l'ekelharing,  Ein  paar  Bemerkungen  über  Fihrinferment.  Biochem.  Zoitschr. 
Bd.  11.  1  (1908). 

«)  Mellanby,  Coagulation  of  hlood.  Journ.  of  Pliysiol.  Vol.  38.  p.  28  (HH)8()9). 


•256 


P.  Morawitz. 


das  l'ihrinoiion  mir  hei  sehr  sorgfältiger  Neutralisation  des  Plasma  (s.  oben) 
aus  und  zweitens  zeigt  das  Präzipitat  oft  eine  feiuflockige  Konsistenz  und 
wenig-  Neigung,  sich  zusammenzuballen.  Es  ist  daher  oft  schwierig,  den 
Niederschlag  in  destilliertes  Wasser  zu  übertragen.  Zuweilen  läßt  sich  das 
Zusammenballen  durch  Zusatz  von  ein  wenig  Alkali,  z.  B.  Soda,  befördern. 
Die  Flocken  steigen  dann  nach  oben,  so  daß  man  dekantieren  kann.  Auch 
die  Lösung  des  Fibrinogens  in  destilliertem  Wasser  gelingt  bei  Rinder- 
plasma schlecht.  Man  hat  große  Verluste.  Die  Gewinnung  einwandfreier 
Fibrinogenlüsungen  aus  Piinderblut  erfordert  Übung  und  Geduld.  Immerhin 
ist  es  mir,  als  mir  kein  Pferdeplasma  zu  Gebote  stand,  gelungen,  gute 
Fibrinogenlüsungen  aus  Rinderblut  herzustellen. 

Hattger  empfiehlt  Katzenblut.  Zur  Entfernung  jeder  Spur  von  Oxalaten 
dialysiert  er  zum  Schluß  seine  Fibrinogenlösung  gegen  0'97oige  kalkfreie 
Kochsalzlösung. 


2.  Fibrinogenlösung  nach  A.  Schmidt  und  Mellanhij  (I.e.). 


Von  verschiedenen  Seiten   ist 
mit  Unrecht)  der  Vorwurf  gemacht 


der  Hammarstenschen  Methode  (wohl 
worden ,  sie  sei  zu  eingreifend.  Das 
Fibrinogen  sollte  bei  mehrfacher  Kochsalzfällung  andere  Eigenschaften  an- 
nehmen, speziell  an  Gerinnungsfähigkeit  einbüßen. 

A.  Schmidt  hatte  daher  einen  anderen  Weg  der  Fibrinogendarstellung 
beschritten.  Das  Prinzip  der  Methode  ist  folgendes :  Aus  stark  verdünntem 
Plasma  (O.xalatplasma,  Vogelplasma  etc.)  wird  das  Fibrinogen  durch  ge- 
linden Essigsäurezusatz  ausgefällt,    abzentrifugiert   und   in  Wasser  gelöst. 

Mdlanhij  verfährt  in  folgender  Weise:  Vogelplasma  (über  dessen  Ge- 
winnung s.  S.  264)  wird  mit  20  Volumina  destillierten  Wassers  verdünnt. 
Es  entsteht  kein  Niederschlag.  Nun  fügt  man  vorsichtig  und  tropfenweise 
O-p/o  Essigsäure  hinzu.  Schnell  bildet  sich  ein  massiger  Niederschlag.  Er 
wird  abzentrifugiert  und  in  destiUiertem  Wasser  gelöst.  Die  Menge 
destillierten  Wassers  entspricht  der  ursprünglichen  Plasmamenge. 

Diese  Fibrinogenlüsungen  gerinnen  bereits  langsam  auf  Zusatz 
Kalksalzen,  schnell  mit  verschiedenen  Gewebssäften.  Sie  enthalten  — 
der  Art  der  Herstellung  ist  das  ja  auch  nicht  anders  zu  erwarten  —  neben 
Fibrinogen  offenbar  auch  noch  alle  Thrombinvorstufen.  Daher  sind  sie  den 
Hammurstensdhen  Fibrinogenlösungen  nicht  gleichwertig.  Als  zuverlässige 
Indikatoren  für  Thrombin  dürfen  sie  nicht  gelten. 


des 

von 

bei 


3.  Seröse  Körperflüssigkeiten.  (Natürliche  Fibrinogenlösungen.) 

Seit  Buchanan  und  A.  Schmidt  werden  seröse  Trans-  und  Exsudate 
häufig  zu  Gerinnungsversuchen  verwandt.  Sie  sind  nun  keineswegs  immer 
..reine-  Fibrinogenlösungen,  sondern  enthalten  häufig  auch  noch  einen  Teil 
oder  gar  die  Gesamtheit  der  zur  Gerinnung  erforderlichen  Substanzen.  Die 
meisten  entzündlichen  Exsudate  gerinnen  entweder  bereits  in  den  serösen 
Höhlen  des  Körpers  oder  bald  nach    ihrer  Entleeruns'.    Doch   verläuft   die 


Die  Blutgerinuiiiig.  957 

Gerinnunf;'  meist  zöiicrnd  und  verschleppt,  verglichen  mit  der  des  lilutes. 
Offenbar  findet  sich  in  den  meisten  Exsudaten  ziemlich  wi'uij^^  Thi-omim- 
kinaso.  Dementsprechend  beschleuniget  Zusatz  von  Oewebssaft  die  (icrinnunji: 
in  hohem  (hade.  Spontan  scheiden  die  Exsudate  um  so  schneller  Filirin 
aus,  je  zellreicher  sie  sind. 

Es  gibt  aber  auch  seröse  Flüssigkeiten,  die  überhaupt  nicht  sjjontan 
gerinnen,  sich  auch  auf  Zusatz  von  Kalksalzen  und  Gewebssaft  nicht  ver- 
ändern, sondern  nur  durch  Thrombin  zur  Koagulation  gebracht  werden. 
vSolche  Transsudate  sind  nicht  gerade  häufig.  Das  perikardiale  Transsudat 
des  Pferdes  zeigt  diese  P^igentümlichkeit  {A.  Schmidt  ^),  Arthus-).  Auch 
der  menschlichen  Hydrokeleflüssigkeit  können ,  allerdings  nicht  in  allen 
Fällen,  alle  Fermentvorstufen  fehlen.  Sie  gerinnt  also  mn-  noch  auf  Throm- 
binzusatz  und  entspricht  in  ihren  Eigenschaften  am  meisten  einer  guti-ii, 
nach  Hamniarsfett  dargestellten  Fibrinogenlösung.  Der  Angabe  Mcllanhi/s, 
daß  jede  Flydrokeleflüssigkeit  durch  Gewebssaft  zur  (ierinnung  gebracht 
werden  kann,  möchte  ich  die  Befunde  A.  Sclnnidts  sowie  einzelne  eigene 
Beobachtungen  gegenüberstellen. 

Will  man  einen  zuverlässigen  Indikator  für  Thrombin  haben,  so  kann 
man  sich  solcher  Transsudate  bedienen.  Immerhin  scheint  eine  Fibrinogen- 
lösung dem  Zweck  besser  zu  entsprechen.  Denn  kleine  Tlirombinmengen 
sind  bisweilen  in  Transsudaten  wirkungslos.  Diese  enthalten  offenbar  un- 
bekannte gerinnungshemmende  Körper,  die  die  Wirkung  kleiner  Thrombin- 
mengen  (z.  B.  einiger  Tropfen  Blutserum)  zu  paralysieren  vermögen. 

B.  Plasmata,  deren  Stabilität  durch  Neutralsalze  bedingt  ist. 

Alle  Neutralsalze  können  in  genügender  Konzentration  die  Blut- 
gerinnung hemmen  oder  verzögern.  Man  bedient  sich  dieser  Tatsache  viel- 
fach zur  Gewinnung  von  Fibrinogenlösungen,  die  zum  Nachweis  gei'innungs- 
beförderuder  Substanzen  geeignet  sind.  Nach  BiKjlia  ^)  ist  die  gerinnungs- 
hemmende Wirkung  von  der  lonenkonzentration  abhängig.  Wenig  ionisierte 
Salze  sind  schwach  wirksam. 

Für  praktische  Zwecke  kommen  nur  Salze  der  Alkalien  und  alkalischen 
Erden  in  Frage.  Salze  der  Schwermetalle  sind  zwar  auch  wirksam .  aber 
der  Vorgang  ist  irreversibel.  Echte  Fibringerinming  läßt  sich  in  diesen 
Lösungen  nicht  mehr  erzielen. 

1.  Die  kalkfällenden  Salze. 

(Jxalate,  Fluoride  und  Zitrate  hemmen  schon  in  sehr  geringer  Kon- 
zentration die  Gerinnung.  Das  ist  verständlich,  da  ionisierte  Kalksalze  für 
die  Bildung  des  Thrombins  unerläßlich  sind    (s.  S.  224).    Durch    die    kalk- 


*)  A.  Schmidt,  Zur  Blutleluc.  Leipzig  1892. 

*)  Arthus,  Le  tiaiissucliit  peritoneal  du  chcval  coutient-il  uii  Profibriiifcrniout? 
C.  r.  Soc.  Biol.  T.  56.  S.  388  (1904). 

")  BiKjJia,  Azioni  anticoagulantc  dci  cationi  etc.  Areli.  di  fisiol.  \()1.3.  fit.  n. 
L.  Loch,  Bloch.  Cbl.  VI.  19U7.  S.  A. 

Abderhuldou,  Handbuch  der  biochemischen  Arbeitsmethoden.  V.  17 


258 


P,  Morawitz. 


fällenden  Salze  ^Yird  also  vor  allem  die  Entstehung  des  Throrabins.  erst 
in  zweiter  Linie  die  Wirkung  des  fertigen  Fibrinfermentes  gehemmt. 
Zitronensaures  Natron  wirkt  zwar  nicht  kalkfällend  {Ä.  Schmidt  i),  Pekel- 
haHng  2) ,  hebt  aber  nach  Sahhatani  3)  die  Ionisierung  der  Kalksalze  auf. 
Damit  ist  aber  die  Bedingung  für  das  Flüssigbleiben  des  Blutes  gegeben. 

Ein  Znsatz  von  P/00  Natriumoxalat  genügt.  Blut  ungerinnbar  zu 
maclien  {Art lins  und  Pages ^).  Man  fängt  also  das  aus  den  Gefäßen 
striimeude  Blut  in  i/,o  Volumen  1— 2Vo  Natriumoxalatlösung  auf.  Das  auf 
diese  Weise  gewonnene  Oxalatblut,  respektive  -plasma  gerinnt  nicht 
spontan,  wohl  aber  auf  Zusatz  genügender  Thrombinmengen  sowie  bei  Kalk- 
zusatz.   Gewebssäfte  können  im  ( )xalatplasma   keine  Gerinnung   be^^^rken. 

Immerhin  ist  Oxalatplasma  kein  sehr  gutes  Reagenz  auf  Thrombin. 
Geringe  Thrombinmengen  bleiben  häufig  überhaupt  ohne  Wirkung.  Bisweilen 
bilden  sich  aber,  ähnlich  wie  im  Fluoridplasma .  auf  Serumzusatz  nur 
partielle  Gerinnungen.  Nur  zum  geringsten  Teil  dürfte  diese  Erscheinung 
auf  eine  direkte  gerinnungshemmende  Wirkung  der  Oxalate  zu  beziehen 
sein.  Wahrscheinlich  liegen  auch  noch  andere  Momente  vor,  denen  man 
auch  in  Ilydrokeleflüssigkeiten  (s.  S.  257)  begegnet.  Ob  es  sich  hier  um 
echte  Anti'körperwirkungen  oder  um  Adsorptionserscheinungen  handelt,  ist 
noch  nicht  sicher  bekannt. 

Oxalatplasma  gerinnt  regelmäbig  auf  Zusatz  löslicher  Kalksalze,  z.  B. 
Kalziumchlorid,  wenn  man  deren  Menge  so  wählt,  daß  nur  ein  geringer 
flierschui)  von  Kalziumchlorid  im  Plasma  entsteht.  Stärkere  Kalzium- 
konzentrationen wirken  hemmend  (0-6— P/o  CaCU).  Aber  selbst  wenn 
man  den  Kalkzusatz  richtig  berechnet,  verläuft  die  Gerinnung  doch  oft 
ziemlich  zögernd.  Das  liegt  daran,  daß  ein  Teil  der  Fermentvorstufen  von 
dem  oft  voluminösen  Ca-Oxalatniederschlag  zu  Boden  gerissen  wird.  Nach 
Rettger  (1.  c.)  kann  man  das  dadurch  vermeiden,  daß  man  Oxalatplasma 
längere  Zeit  gegen  eine  kalkfreie,  0'9Voig'P  Kochsalzlösung  dialysiert.  Das 
Plasma  bleil)t  füssig.  Geringe  Spuren  von  Kalksalzen  rufen  aber  eine 
schnell  verlaufende,  typische  Gerinnung  hervor.  Das  Prothrombin,  respek- 
tive die  Fermentvorstufen  bleiben  im  Oxalatplasma  mehrere  Tage  erhalten. 

Das  Fluoridplasma  wird  nach  Arthus  durch  Auffangen  von  Blut 
in  einer  Lösung  von  Natriumfluorid  gewonnen.  Die  Konzentration  des 
Salzes  muß  etwa  2°/oo  betragen.  Sonst  wird  die  Jaerinnung  nicht  vöUig 
unterdrückt.  Natriumfluorid  besitzt  also  trotz  erheblich  niedrigeren  Mole- 
kulargewichts (42j  schwächere  gerinnungshemmende  Eigenschaften  als 
Natriumoxalat  (152).  Nach  Sabbatani  ist  die  Ca-fällende  Kraft  eines  Gram- 
moleküls Na  Fl  \iermal  schwächer,  als  die  eines  Grammoleküls  Natrium- 
oxalat. 


^)  Schmidt^  Weitere  Beiträge  zur  Blntlehre.  Wiesbaden  1895. 
'-)  Fekelharing ,  Untersuchiingeu  über  das  Fibriiifermeut.  Amsterdam  1892. 
^)  Sabhatini,     Fouction   biologique  du    calcium.    Arch.    ital.   de   Biologie.  T. 
p.341  (1903). 

*)  Arthus  uud  Pages  1.  c. 


39. 


Die  Blutgeriunung.  or^O 

Fluornatriumplasma  bleibt  ebenso  wie  ()\alati)la.sina  flii.ssit,^  weil 
es  keine  Ca-Ionen  enthält.  Immerhin  unterscheidet  es  sich  von  <lie.sem 
doch  nach  einij^en  Itichtun^vn :  »Stellt  man  sich  niimlich  in  der  trewühn- 
lichen  Wcisi' ,  durch  llall)sättii>uni''  mit  Kochsalz,  aus  Fluornatriumplasma 
eine  Fil)rinogenl()sung  her  und  läßt  diese  gegen  kalkfreie  ()-'.)"/oig('  K(»cli- 
salzlösung  dialysieren,  so  tritt  in  der  Fibrinogcnlüsung  alsbald  (Jerinnuu},^ 
ein  (Rettger^).  Mit  Oxalatplasma  geHngt  der  Versuch  nicht.  Natriumfluorid 
beeinflußt  daher  wahrscheinlich  die  Kalksalze  des  Plasma  in  anderer  Wei.se 
als  das  Oxalat.  Offenbar  wird  der  Kalk  nicht  vollständig  gefiUlt.  sondern 
bleibt  zum  Teil  in  nicht  ionisierter  Form  in  Lösung,  nach  licWjer  in  loser 
F5indung  mit  den  Fluoriden.  Dialyse  kann  diese  Bindung,  an  der  sich 
vielleicht  auch  Eiweillkörper  beteihgen,  sprengen;  es  tritt  dann  ])romj)te 
Gerinnung  ein,  ohne  daß  man  Kalk  zusetzen  muß. 

Fügt  man  dem  Fluoridplasma  Chlorkalzium  in  solcher  Menge  hinzu, 
daß  alles  Fluornatrium  ausgefüllt  wird  und  ein  leichter  Kalküberschuß  im 
Plasma  entsteht,  so  erfolgt,  ganz  im  Gegensatz  zum  \erlialten  des  (Jxalat- 
plasma,  meist  doch  keine  Gerinnung.  Diese  Beobachtung  ist  verschieden 
gedeutet  worden.  r)ie  von  Arthus  gegebene  Erklärung  lautet  folgender- 
maßen :  Fluorsalze  hemmen  die  Gerinnung  auf  zweierlei  Weise.  Erstens 
analog  den  Oxalaten  durch  Bindung  der  Kalksalze,  zweitens  aber  auch 
durch  Beeinflussung  der  geformten  Elemente  des  Blutes.  Diese  sollen  durch 
die  toxische  Wirkung  des  XaFl  verhindert  werden  ,  gerinnungsbefördernde 
Substanzen  an  das  Plasma  abzugeben.  Das  Fluoridplasma  soll  also  kein 
oder  nur  wenig  Prothrombin,  speziell  Thrombokinase  enthalten.  Anders 
deuten  Bordct  und  Gemjou  -)  diese  Erscheinung.  Setzt  man  die  berechnete 
Menge  Ca  OL  zu  Fluoridplasma,  so  entsteht  ein  massiger  Niederschlag, 
der  nicht  allein  aus  Ca  FL  besteht,  sondern  auch  Fiweil».  speziell  Fibri- 
nogen, sowie  Thronibokinase  zu  Boden  reißt.  Dadurch  soll  sich  die  Fnge- 
rinubarkeit  des  Plasma  erklären. 

Nach  Nolf  (1.  c.)  ist  das  mit  Kalk  versetzte,  an  sich  ungerinnbare 
Fluornatriumplasma  (le  plasma  fluore  recalcifie)  das  beste  Reagenz  auf 
Thrombozym  (Thrombokinase).  Es  enthält  Fibrinogen  und  Thrombogen  und 
unterscheidet  sich  durch  seinen  reichlichen  Thrombogengehalt  von  einer 
nach  Hain  mattsten  bereiteten  Fil)rinogenlösung.  Der  richtige  CaCU-Zusatz 
wird  am  besten  durch  Berechnung  ermittelt.  ( )der  man  setzt  so  lange 
Ca  Clj-Lösung  tropfenweise  hinzu,  als  sich  noch  Niederschlag  bildet.  Dieser 
wird  abgeschleudert. 

Neuerdings  hält  lictfr/er  diese  P^eobachtungen  am  Fluoridplasma  für 
unzutreffend.  Bei  sorgfältiger  \ermeidung  jedes  Ca-Cberschusses  soll  es 
ganz  gut  gelingen,    auch  Fluoridplasma   durch  Kalkzusatz    zur  (Jerinnung 


*)  Rettger,    The  coapiilatiou   of  blood.    .Vmcr.  Joiirn.  of  riiysiol.     XXIW    1.  .Iiili. 
p.  40ß  (1909).' 

-)  Bordct  et  (icttyou,    Kecli.  sur   la  coaLriilaiiuii  du  sauj,'.    3"  möm.,  Contrilnition 
A  rdtiule  du  plasma  fluore.  Aunal.  de  l'Instit.  I'asfeur.  T.  18  p.  26—40  (1904). 

17* 


260 


P.  Morawitz. 


ZU  Ijiiugen.  Also  muß  das  Fluoridplasma  erstens  alle  zur  Gerinnung  nötigen 
Faktoren  enthalten.  Zweitens  kann  aber  der  Fluoridnied erschlag  diese  Sub- 
stanzen offenbar  auch  nicht  vollständig  zu  Boden  reißen  respektive  immo- 
bilisieren. 

Die  Eigenschaften  des  Natriumfluoridplasma  sind  also  noch  nicht 
vollständig  geklärt.  Seine  Stabilität  verdankt  es  jedenfalls  in  erster  Linie 
dein  Kalkmangel. 

Gegen  die  \'erwendung  des  Fluornatriumplasma  als  quahtatives  und 
(juantitatives  Reagenz  auf  Thrombin  {Arthus^)  sprechen  früher  erörterte 
Gründe  (vgl.  S.  258). 

Das  Zitratplasma  wird  durch  Auffangen  von  Dlut  in  einer  Lösung 
von  Xatriumzitrat  gewonnen.  Die  Konzentration  dieses  Salzes  muß  4^00 
betragen,  damit  das  Blut  sicher  flüssig  bleibt.  Es  erfolgt  kein  Nieder- 
schlag von  Ca-Zitrat.  Trotzdem  ist  das  Ca  gebunden  und  für  die  Ferment- 
bildung nicht  verfügbar.  Das  Zitratplasma  findet  neuerdings  oft  bei 
Immunitätsuutersuchungen  Verwendung. 


2.  Andere  Neutralsalze. 

Die  gerinnungshemmende  Wirkung  der  meisten  nicht  kalkbindenden 
Salze  beruht,  wie  schon  A.  Schutidt  feststellte,  auf  der  Fähigkeit  der 
Neutralsalze  in  genügender  Konzentration  die  Fermentbildung  zu  unter- 
drücken. Die  Wirkung  fertigen  Thrombins  wird  erst  bei  sehr  starker  Salz- 
konzentration paralysiert. 

Das  Magnesiumsulfatplasma  (A.  Schmidt).  2V2 — 3  Volumina  Blut 
werden  in  1  Volumen  schwefelsaurer  Magnesialösung  von  28^/0  aufgefangen. 
Die  Mischung  wird  sofort  tüchtig  durchgeschüttelt  und  zentrifugiert.  Das 
zellfreie  Magnesiumsulfatplasma  kann  entweder  in  dieser  Form  wochenlang 
im  Eisschrank  aufgehoben  werden  (  Wohlgemuth  -) ,  oder  man  kann  es  nach 
A.  Schnidt  schnell  über  Schwefelsäure  trocknen  und  pulverisieren.  Das 
Pulver  behält  seine  Brauchbarkeit  beliebig  lange.  Zum  Versuch  wird  die 
erforderliche  Menge  Pulver  in  einem  lleagenzglase  mit  dem  siebenfachen 
Gewicht  Wasser  durchgeschüttelt  und  nach  einigen  Stunden  vom  Ungelösten 
abzentrifugicrt  respektive  abfiltriert. 

Das  auf  die  eine  oder  andere  Weise  gew^onnene  Magnesiumsulfat- 
plasma gerinnt  aus  sich  selbst  heraus  nicht  mehr,  obwohl  es  alle  zur  Ge- 
rinnung nötigen  Faktoren  enthält.  In  der  angegebenen  Konzentration  unter- 
drückt das  Salz  meist  auch  die  Wirkung  zugesetzten  freien  Thrombins. 
Erst  wenn  man  das  Salzplasma  hinreichend  verdünnt,  kommt  zugesetztes 
Thronibin  zur  Wirkung.  Nach  Wohlgemuth  (1.  c.)  genügt  schon  eine  geringe 
Verdünnung  {Icmi  Wasser  auf  2cm^  Salzplasma),    um   durch  Zusatz  von 


')  Arthus,  Un  r^actif  quantitatif  du  Fibrinferment.  Journ.  de  Physiol.  T.  4. 
p.  1.  (1902). 

'-')  Wohlfjemuth ,  Eine  neue  Methode  zur  quantitativen  Bestimmung  des  Fibrin- 
ferments etc.  Biochem.  Zeitschr.  Bd.  27.  S.  79  (1910). 


Die  Blutgerinnung.  9^^j 

Fibrinfermont  respektive  Serum  (lorinuung'  zu  erhalten.  \'on  selb.st  ge- 
rinnt das  verdünnte  Magnesiumsulfatplasnia  nicht.  Bisweilen  bleibt  es  sopar 
bei  einer  Verdünnuni?  mit  dei-  zehnfachen  Wassernienfi:e  flüssig.  Nach 
A.  Schmidt  ist  man  nicht  imstande,  lianz  bestimmte  (|Uantitative  An^^aben 
über  die  jeweils  zweckmäßige  ^'erdünnung  des  Salzplasma  zu  machen.  Sie 
hängt  sehr  von  der  Tierspezies  ab.  Schmidt,  der  meist  mit  Pferdeblut 
arbeitete,  vei'dünnte  das  Plasma  auf  das  achtfache,  um  «'inen  brauchbaren 
Indikator  für  Thromltin  zu  gewinnen.  In  ]\'ohl(jcmuths  Versuchen  (Blut 
von  Kaninchen  und  Hund)  genügten  schon  viel  geringere  Zusätze.  In  jedem 
Falle  wii'd  man  also  den  optimalen  (irad  der  Verdünnung  festzustellen 
haben,  d.  h.  den  (Jrad,  bei  dem  das  Plasma  auf  Fermentzusatz  schnell 
gerinnt,  spontan  aber  flüssig  bleibt.  Mäliig  verdünntes  Salzplasma  kann 
auber  durch  Thrombin  auch  noch  durch  zymoplastische  Substanzen  zur<ie- 
rinuung  gebracht  werden. 

Magnesiumsulfatplasma  dient  also  als  Reagenz  auf  Thrombin .  even- 
tuell auch  auf  zymoplastische  Substanzen.  Es  kann  auch,  ebenso  wie 
Oxalatplasma,  das  Ausgangsmaterial  zur  Herstellung  von  P'ibrinogenlösungen 
bilden.  Das  Fibrinogen  wird  zunächst  durch  völlige  Sättigung  mitMgSO^ 
niedergeschlagen,  der  Niederschlag  dann  weiter  nach  der  S.  253  angegebenen 
Methode  Hammarstnis  verarbeitet.  Praktischer  ist  es  aber  wohl,  vom 
Oxalatplasma  auszugehen. 

Das  Kochsalzplasma  (Bordet-Geuf/ou^).  15 cm^  Blut  werden  in  5r<y/3 
20"/oiger  Kochsalzlösung  aufgefangen,  die  Blutsalzmischung  wird  zentrifugiert. 
Das  b^/oige  Salzplasma  hält  sich  lange  ohne  zu  gerinnen  oder  seine  sonstigen 
Eigenschaften  zu  ändern.  Verdünnt  man  das  Salzplasma  mit  destilliertem 
Wasser  auf  das  vierfache,  so  gerinnt  es  in  V,  '^is  V*  Stunden  spontan, 
bei  Zusatz  von  Thrombin  schon  bei  geringeren  Verdünnungen.  Es  enthält 
selbst  zunächst  kein  Thrombin.  sondern  nur  dessen  \'orstufen,  verhält  sich 
also  genau  wie  Magnesiumsulfatplasma. 

Die  beiden  eben  erwähnten  Plasmaarten  empfehlen  sich  besonders 
wegen  der  Leichtigkeit  ihrer  (iewinnung  für  Gerinnungsversuche.  Immer 
sind  dann  aber  die  optimalen  Verdünnungen  genau  festzustellen,  sonst  l)e- 
kommt  man  keine  zuverlässigen  P)efunde. 

Das  (Jallensalzi)lasma.  Gallensalze  wirken  in  vitro  geiiiinuiigs- 
hemmend.  und  zwar  durch  denselben  Mechanismus,  wie  die  übrigen  Neutral- 
salze, nur  in  viel  geringerer  Konzentration.  Läßt  man  Hundeltlut  in  Kinder- 
galle strömen,  so  bleibt  bei  einem  Verhältnis  von  1  Teil  (ialle  zu  5  Teilen 
Blut  jede  Gerinnung  aus,  bei  einem  solchen  von  1  :  1(»  bis  1  :  15  ist  die 
Gerinnung  mehr  oder  weniger  verzögert.  Unter  1:2(>  ist  keine  deutliche 
Verzögerung  mehr  nachweisl)ar.  Stärker  gerinnungshemmend  wirken  chol- 
saure  Salze  (z.  B.  die  Matnersvhe  Galle).  Bei  einem  Zusatz  von  I^q  bleibt 
die  Gerinnung  oft  ganz  aus,  ist  aber  immer  stark  verzögert. 


')  Borrief  ot   Gengou,    Rccli.  siir  la  cnau'iil.    ilii    san-:.    Annal.  iK'  Tlnstit.  /'asfiur. 
T.  17.  p.  822  (lyuüj. 


262  P-  Morawitz. 

Ungerinnbares  Gallensalzplasma  enthält  kein  fertiges  Throrabin,  wohl 
aber  dessen  Vorstufen.  Schon  bei  mäßiger  Verdünnung  mit  Wasser  erlangt 
es  die  Fähigkeit  der  Koagulation  wieder.  Nach  Ausfällung  der  Kalksalze 
durch  Natriumoxalat  ist  die  nachfolgende  Verdünnung  unwirksam ,  das 
Plasma  bleibt  flüssig. 

Galleusalze  wirken  stark  hämolytisch.  Doch  ist  ihre  gerinnungs- 
hemmende Eigenschaft  nicht  auf  Hämolyse  zu  beziehen ;  denn  sie  läßt  sich 
auch  in  blutkörperchenfreien  Fibrinogenlösuungen  demonstrieren. 

Für  die  Erklärung  cholämischer  Blutungen  im  Organismus,  die  oft 
mit  einer  erhebhchen  Verminderung  der  Gerinnbarkeit  einhergehen,  kommt 
sicher  nicht  eine  direkte  gerinnungshemmende  Wirkung  der  im  Blute 
Leberkranker  kreisenden  Gallenbestandteile  in  Frage  {Morawitz  und  Bierich  \). 

Gallensalzplasma  ist  im  ganzen  kein  guter  Indikator  für  Thrombin 
oder  dessen  Vorstufen,  da  es  gar  zu  leicht  schon  bei  mäßiger  Verdünnung 
spontan  zu  gerinnen  pflegt,  ganz  im  Gegensatz  zum  MagnesiumsuKatplasma. 

C.  Methoden  zur  Gewinnung  möglichst  unveränderten,  stabilen 

Blutplasmas. 

Da  Blutplasma  in  vitro  meist  starke  Neigung  zur  Gerinnung  zeigt, 
sind  besondere  Vorsichtsmaßregeln  zur  Gewinnung  möglichst  unveränderten 
Plasmas  erforderlich,  eines  Plasmas,  das  keinen  gerinnungshemmenden 
Zusatz  erhält.  Besonders  geeignet  erweist  sich  hier  Blutplasma  von  Vögeln 
und  niederen  AVirbeltieren.  Dieses  ist,  wie  Delezenne  ^)  zuerst  zeigte,  unter 
gewissen  Bedingungen  viel  stabiler  als  Säugerblut.  Aber  auch  aus  diesem 
kann  man  ziemlich  stabile  Plasmata  herstellen,  die  besonders  früher  viel- 
fach für  Geriunungsversuche  Anwendung  fanden. 

1.  Zellfreies  Pferdeblutplasma  nach  A.  Schmidt.^) 

Das  Plasma  wird  durch  Abkühlung  und  Filtration  gewonnen.  Nur 
Pferdeblut  ist  geeignet.  Das  Blut  anderer  Tiere  hat  einmal  eine  zu  starke 
Gerinnungstendenz.  Dann  sedimentieren  aber  auch  alle  anderen  Blutarten 
zu  langsam  und  unvollständig,  während  sich  die  Blutzellen  gerade  im 
Pferdeblut  besonders  schnell  und  vollständig  absetzen. 

Pferdeblut  wird  in  hohen,  vorher  sorgfältig  gekühlten  Glaszylindern 
aufgefangen.  Sie  stehen  in  Eis  oder  in  einer  Kältemischung.  Das  Blut 
kühlt  sich  rasch  ab  und  bleibt  flüssig.  Sobald  seine  Temperatur  auf  etwa 
0"  gesunken  ist  und  die  geformten  Elemente  sich  abgesetzt  haben,  wird 
das  Plasma  vorsichtig  dekantiert  und  auf  ein  Filter  aus  einer  dreifachen 
Lage  Filtrierpapier  gebracht  (Papier  von  Schleicher  &  Schüll,  Nr.  598).  Das 


*)  Morawitz  und  Jiicrich,  Über  die  Pathogenese  der  choliimischen  Blutungen. 
Arch.  f.  experim.  Pathol.  u.  Pbarmakol.  Bd.  56.  S.  115  (1906). 

^)  Delezenne,  Rech,  sur  la  coagulation  du  sang  chez  les  oiseaux.  Arch.  de  Physiol. 
T.  9.  p.  .333-;352  (1897). 

■')  A.  Schmidt,  Zur  Blutlehre.  Leipzig  1892.  S.  7. 


Die  Blulgerinimng.  9g3 

Filter  befindet  sich  in  einem  Doppeltrichter,  der  mit  einer  Killtemischunf? 
gefüllt  ist.  Man  hat  nun  die  Aufgabe,  auch  ^väh^'nd  des  Fiitrationspni/' 
die  Temperatur  des  Plasmas  nicht  über  +  ()•;')"  steijj^en  und  andniM-n- 
nicht  viel  unter  den  Gefrierpunkt  sinken  zu  lassen.  Im  erstei'en  Fall«'  ^'ehen 
zu  viele  Blutzellen  (hauptsächlich  Blutplättchen  und  Leukozyten),  die  sich 
noch  nicht  abgesetzt  hatten,  durch  das  Filter,  im  anderen  Falle  gerät  die 
Filtration  ins  Stocken.  Aullerdem  löst  sich  ein  Teil  der  Blutzellen  während 
des  Gefrierens  auf;  es  gelangen  dann  /elli)estandteile  in  das  Plasma  und 
wii-ken  gerinnungserzeugend.  Hat  man  solche  Zwischenfälle  vermieden,  so 
bleibt  das  zellfieie  Plasniafiltrat  selbst  bei  einer  Temperatur  von  1.")"  oft 
viele  Stunden  lang,  ausnahmsweise  sogar  24  Stunden  flüssig  und  kann  zu 
Gerinnungsversuchen  verwandt  werden.  Niemals  erhiilt  man  aber  Plasma, 
das  spontan  gar  keine  Neigung  zur  (ierinnung  zeigt.  Je  intensiver  die  Ge- 
frierung im  Filter  war,  je  mehr  Zellen  durch  das  Filter  durchgegangen 
sind,  um  so  größer  ist  die  Gerinnungstendenz.  Es  ist  gut.  die  Filtration 
in  einem  kühlen  Baume  vorzunehmen. 

Im  Laufe  einer  Stunde  erhält  man  bis  öOcm^  Filtrat,  oft  aber  nur 
viel  weniger.  Hoher  Filtrationsdruck  ist  erforderlich.  Daher  geht  man 
zweckmäCiig  von  grollen  Plasmamengen  aus. 

Auf  jeden  Fall  bleibt  die  Gewinnung  (ki^  abgekühlten,  zellfreien 
Plasma  schwierig.  Auch  kann  ich  nicht  glauben,  dalJ  es  als  Indikator  für 
Throml)in  und  seine  Vorstufen  viel  leistet.  Die  Stabilität  ist  ja  keine 
absolute ,  aulierdem  ist  sie  großen  Schwankungen  unterworfen. 

2.  Stabiles  Säugerplasma  in  paraffinierten  (Jefäßen  (Uordrf- 

Gengon  ^). 

Da  die  Berührung  mit  benetzbaren  Fremdkörpern  den  ersten  Anstoß 
zur  Gerinnung  gil)t,  kann  Auffangen  von  Blut  unter  Ol  {Freund-)  oder  noch 
besser  in  paraffinierten  Gefäßen,  in  denen  jede  Möglichkeit  der  lU-netzung 
ausgeschlossen  ist,  die  Gerinnung  erhel)lich  behindern  oder  hintanhalten. 

Man  versieht  zunächst  eine  Anzahl  sorgfältig  gereinigter  Zentii- 
fugengläser  innen  mit  einem  Überzug  sauberen  und  sterilen  Paraffins. 
Paraffin  von  niedrigem  Schmelzpunkte  ist  vorzuziehen.  Sonst  macht  man 
die  Erfahrung,  daß  eine  sehr  spröde  Paraffinschiebt  doch  einer  gewissen 
Benetznng  mit  Blut  zugänglich  ist.  P^ine  Mischung  von  festem  Paraffin 
mit  Paraff.  li(iuidum  ist  am  meisten  zu  empfehlen.  Der  Schmelzpunkt  liege 
nur  wenig  über  40^'.  Vaseline  oder  Ol  ist  nicht  recht  brauchbai',  da  es 
während  des  Zentrifugierens  leicht  von  den  Wänden  des  Glasgefäßes  ab- 
gleitet. Die  Zentrifugiergiäschen  sind  .sorgfältig  voi-  dem  Eindringen  von 
Staub  zu  schützen,  am  besten  durch  P.edecken  mit  Stanniol,  das  man  auch 
beim  Zentrifucieren  als  Deckel  auf  don  Gläsern  beläßt.  Auch  die  zur  P>lut- 


')  Bordet-GfUf/oii ,  1.  c.  S.  2(51. 

-)  Freund,    Ein  Beitrag    zur  Keiiiitnis    der  Blutgerinnung.     NViiMitr    med.  .lalirb. 
46-48  (1886). 


264 


P.  Morawitz. 


entnähme  dienende  Glaskanüle  sowie  die  sich  anschließenden  Glas-  und 
Gummirohre  müssen  mit  einem  Paraffinüberzug  versehen  werden. 

Man  i)efestigt  nun  die  Kanüle  auf  die  gewöhnliche  Weise  in  einer 
der  Arterien  des  Versuchstieres ,  läßt  die  zuerst  ausfließenden  Blutmengen 
abtropfen  und  füllt  dann  schnell  die  Ghäser,  die  sofort  wieder  zugedeckt 
und  zentrifugiert  werden.  Ist  kein  Fehler  passiert,  hat  man  speziell  jedes 
Eindringen  von  Staub  u.  dgl.  zu  vermeiden  gewußt,  so  tritt  keine  Ge- 
rinnung ein.  ^lan  kann  nach  kurzer  Zeit  das  zellfreie  Plasma  mit  einer 
paraffinierten  Pipette  abheben. 

Dieses  Plasma  hält  sich  nur  so  lange  flüssig,  als  es  in  paraffinierten 
Gefäßen  verweilt.  In  gewöhnlichen  Glasgefäßen  wird  es  regelmäßig  mit 
größerer  oder  geringerer  Geschwindigkeit  fest.  Es  enthält  also  alles,  was 
zur  Gerinnung  erforderlich  ist.  Trotzdem  entsteht  in  ihm  doch  erst  dann 
Thronihin.  wenn  eine  Kontaktwirkung  benetzbarer  Fremdkörper  gegeben  ist. 

Zur  Ausführung  von  Gerinnungsversuchen  ist  dieses  Plasma  seiner 
geringen  Stabilität  wegen  wenig  geeignet.  Größere  Übung  und  sorgfältige 
Technik  ist  außerdem  Vorbedingung  für  die  Gewinnung  des  Plasma  in 
Paraffin  röhrchen. 

n.  Vogelplasma  nach  Delezenne.^) 

Vogelblut  und  Blut  niederer  Wirbeltiere  zeichnet  sich  durch  größere 
Stabilität  in  vitro  vor  dem  Säugerblute  aus. 

Es  gelingt  ^^ogelblut  nach  einem  von  Delezenne  angegebenen  Ver- 
fahren ohne  jeden  gerinnungshemmenden  Zusatz  lange  Zeit  außerhalb  des 
Körpers  flüssig  zu  erhalten  und  durch  die  Zentrifuge  ein  zellfreies  Vogel- 
plasma zu  gewinnen,  das  nur  wenig  oder  überhaupt  keine  Neigung  zur 
Koagulation  aufweist.  Am  l)esten  macht  man  den  Versuch  mit  Gänsen 
oder  Truthähnen.  Hühner  sind  wegen  der  kleineren  Verhältnisse  weniger 
geeignet.  Auch  habe  ich  einige  Male  die  Beobachtung  gemacht,  daß  Hühner 
schon  beim  Aufbinden  auf  das  Operationsbrett  oder  beim  ersten  Haut- 
schnitt plötzlich  starben  (Shokwirkung?). 

Nach  Fuld  2)  verfährt  man  zur  Gewinnung  von  Vogelplasma  in 
folgender  Weise:  Das  Blut  wird  aus  der  Karotis  entnommen,  von  der 
mau  ein  längeres  Stück  freilegen  kann  als  von  der  Brachialis.  Das  Tier 
wii-d  ohne  Narkose  —  der  Eingriff  ist  kaum  schmerzhaft  —  aufgebunden 
und  durch  einige  untergeschobene  Keile  gestützt.  Der  Hals  soll  möglichst 
gerade  und  unverdreht  liegen.  Nun  reinigt  man  das  Operationsfeld  von 
Federn  (am  besten  durch  Rupfen)  und  durchtrennt  die  Haut  in  der  Mittel- 
linie, wobei  es  meist  zu  kleinen  Blutungen  aus  Hautvenen  kommt.  Diese 
werden  gestillt,  bevor  man  weiter  geht.  Nun  geht  man  möglichst  stumpf, 
scharf  in  der  Mittellinie,  zwischen  den  Muskeln  in  die  Tiefe,  ohne  den 
Puls  zu  suchen.   Ist   man  bis  auf  die   ziemlich  tief  gelegene  linke  Arterie 


1)  Delezenne,  1.  c.  S.  262. 

-)  FuJd ,    Ül)ei'    das    Zeitgesetz    des    Fibrinferments.    Hofmeisters   Beitr.    Bd.  2. 
S.  514  (1902). 


Die  Blutf'erinuunff. 


'15 


265 


gekommen,  so  tritt  diese  deutlich  aus  der  Wunde  hervor.  I)as  rechte  Ge- 
fäß lie^t  unmittelbar  dahinter.  Man  legt  das  (iefäli  nun  auf  einen  Streifen 
Flic'lipapior  und  bindet  in  gewühnliclier  Weise  eine  absolut  sauborc  <ilas- 
kanük-  ein.  Nun  ^vird  das  Blut  in  /cntrifugengläschen  aufgcfaugm.  die 
mit  einem  reichlichen  Stück  Stanniolpapier  bedeckt  sind.  Unmittelbar  vor 
Gebrauch  uird  das  Stanniol  mit  einem  Kohr  von  der  Weite  der  (iefaCt- 
kaniile  durchstoßen.  In  diese  Öffnung  führt  man  die  Kanidc  ein  .  so  daß 
man  also  das  Stanniol  auch  beim  Auffangen  des  Blutes  nicht  abzuheben 
braucht.  Sofort  nach  Füllung  des  Gläschens  mit  Blut  wird  das  Stanniol- 
papier verschoben  und  hierdurch  wieder  ein  völliger  Abschluß»  erzielt.  Das 
Auswechseln  der  (Jcfäße  geschehe  schnell.  Durch  mehrmaliges  Zentrifiigieren 
und  Abheben  (jedes  Glas  mit  einer  frisch  gereinigten  ri])ette)  erhält  man  ein 
körperchenfreies,  stabiles  Plasma.  Wälirend  des  Zentrifugierens  bleil)en  die 
Gläschen,  respektive  auch  die  Fächer  der  Zentrifuge  mit  Stanniol  bedeckt. 

Alle  diese  Vorsichtsmaßregeln  sind  l)is  zur  völligen  Entfernung  der 
zelhgen  Elemente  nötig.  Bis  dahin  darf  das  Blut  nur  mit  völlig  staul>- 
freien  Gegenständen  in  Berührung  kommen.  Fuhl  rät,  die  Zentrifugen- 
gläschen und  besonders  auch  die  Pipetten,  die  zum  Abheben  des  Plasmas 
dienen,  vorher  auszudampfen.  Ich  habe  mich  mehrfach  mit  gutem  Erfolge 
paraffinierter  Gläser  und  Kanülen  bedient.  Das  zellfreie  Plasma  ist  viel 
weniger  zur  Gerinnung  geneigt  und  kann  —  auch  in  nicht  paraffinieiten 
Glasgefäßen  —  unter  Umständen  wochenlang  gehalten  werden .  ohne  zu 
gerinnen.  Sehr  hiiufig  erlebt  man  es  aber  doch,  daß  schon  während  des 
Zentrifugierens  oder  kurz  danach  eines  oder  das  andere  der  Köhrchen 
partielle  Gerinnung  zeigt.  Der  noch  nicht  geronnene  Plasmaanteil  aus  diesen 
Gefäßen  darf  nicht  weiter  verwendet  werden,  (iewöhnlich  liegt  hierbei  ein 
Fehler  der  Technik  vor,  besonders  Unsauberkeit  eines  der  Glasgefäße,  mit 
denen  das  noch  zelleuhaltige  Plasma  in  Berührung  kommt. 

Außer  der  Karotis  kommt  für  die  Blutentnahme  noch  die  Art. 
brachialis  (im  Sulcus  bicipitalis  internus  des  Flügels)  oder  die  Vena  ju- 
gularis  respektive  brachialis  in  Betracht.  Die  Blutentnahme  aus  der  Vene 
—  technisch  einfacher  als  die  aus  der  Karotis  —  ist  vielleicht  weniger 
zu  empfehlen,  da  das  Blut  sich  nur  tropfenweise  entleert  und  hierdurch 
die  Möglichkeit  der  Verunreinigung  durch  Staubpartikel  in  hölieroin  (irade 
gegeben  ist. 

Das  ungerinnbare,  zellfreie  \ogelplasma  ist  kein  guter  Indikator  für 
Thrombin.  Ebenso  wie  die  meisten  anderen  ..natürlichen"  Plasmaarten 
(Hydrokeleflüssigkeit ,  Oxalatplasma  etc.)  enthält  es  gerinnungshemmende 
Körper  (L.  Locb^),  Murascheiv-).  Zusatz  von  wenig  Tlirombin.  /.  15.  Blut- 
serum, ruft  häufig  nur  langsam  verlaufende  oder  unvollständige  (ierinnungen 
hervor.  Dagegen  ist  Gansplasma  ein  sehr  gutes  Reagenz  auf  Thrombokinase 


*)  L.  Loch,  Versuche  üher  einige  Bedingungen  der  Blutgerinnung  etc.  Virchotrs 
Arch.  Bd.  176.  S.  A.  (1'.IÜ4). 

-)  Murascluir,  tlicr  die  Spezifizität  des  Fibrinferments  uiul  seiner  Vorstufen. 
Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  80.  S.  187.  0^04). 


266  P.  Morawitz. 

respektive  zymoplastische  Substanzen.  Eine  Spur  Gewebssaft  genügt  schon, 
das  Plasma  in  wenigen  Minuten  zu  vollständiger  Gerinnung  zu  bringen. 
Das  Gansplasma  enthält  also  Thrombogen,  Fibrinogen  und  Kalksalze.  Es 
fehlt  ihm  an  Thrombokinase  oder  diese  ist  doch  nur  in  geringen  Mengen 
vorhanden. 

Gansplasma,  das  längere  Zeit  hindurch  im  Eisschrank  aufbewahrt 
wurde,  bleibt  bisweilen  auch  auf  Zusatz  von  Gewebssaft  flüssig,  obwohl 
es  noch  mit  Thrombin  gerinnen  kann.  Nach  HewleW^)  handelt  es  sich 
möglicherweise  um  Unwirksamwerden  des  Thrombogens. 

Aus  sich  selbst  heraus  (etwa  durch  Verdünnen  mit  Wasser,  Durch- 
leiten von  CO2  oder  Neutralisieren)  ist  sorgfältig  bereitetes  Gansplasma 
nur  schwer  oder  gar  nicht  zur  Gerinnung  zu  bringen  (im  Gegensatz  zu 
Peptonplasma). 

-t.  Plasma  niederer  Tiere  (Fische,  Krustazeen). 

Das  Blut  der  Batrachier  und  Fische  weist  nach  Delezenne  (1.  c.)  ähn- 
liche Eigentümlichkeiten  auf,  wie  Vogelplasma,  d.  h.  eine  gewisse  StabiUtät 
in  vitro,  falls  es  unter  Vermeidung  jeden  Kontaktes  mit  Geweben, 
Staub  etc.  entnommen  wird.  Ich  gebe  die  Technik  der  Gewinnung  von 
Fischplasma  nach  Nolf.^) 

Ein  Katzenhai  (Scyllium  catulus)  wird  vertikal  aufgehängt,  mit  dem 
Kopf  nach  unten.  Man  schneidet  den  Schwanz  des  Tieres  in  der  Höhe 
der  letzten  Dorsalflosse  ab.  Es  erfolgt  trotz  Eröffnung  der  Kaudalarterie 
keine  Blutung,  da  der  arterielle  Druck,  der  sehr  niedrig  ist,  durch  die 
Körperlage  ungefähr  auf  0  reduziert  wird.  Nun  führt  man  in  die  Arterie 
eine  ganz  saubere  Glaskanüle  ein.  Sie  wird  tief  in  das  Lumen  des  Gefäßes 
hineingestoßen  und  soll  durch  seithche  Kompression  auch  die  darunter- 
begende,  ebenfalls  eröffnete  Vene  schließen.  Die  Umgebung  der  Arterien- 
kanüle wird  durch  Wattetampons  gut  abgedeckt,  um  jede  Beimischung 
von  Gewebssaft  zu  vermeiden.  Dann  wird  das  Tier  nach  sorgfältiger  Fixa- 
tion der  Kanüle  in  horizontale  Körperhaltung  gebracht  und  unter  Ein- 
leitung künstlicher  Pvespiration  entblutet.  Die  ersten  Blutstropfen  läßt  man 
ablaufen,  die  folgenden  werden  in  paraffinierten  Gefäßen  aufgefangen  und 
sofort  zentrifugiert.  Das  dekantierte  Plasma  behält  in  paraffinierten  Ge- 
fäßen seinen  flüssigen  Zustand  unbegrenzt  lange  bei.  In  Glasgefäßen  ge- 
rinnt es  meist  langsam  im  Gegensatze  zu  Gansplasma,  das  auch  hier 
flüssig  bleibt.  Verdünnung  mit  Wasser  befördert  die  Gerinnung  des  Fisch- 
plasnia.  Im  übrigen  verhält  sich  letzteres  —  besonders  gegenüber  Gewebs- 
saft —  ähnlich  wie  Gansplasma. 

Bei  Teleostiern  ist  die  Tendenz  zur  spontanen  Gerinnung  größer, 
die  Gewinnung  eines  stabilen  Plasma  weniger  leicht. 


*)  Hewlett,  Über  die  Einwirkung  des  Peptonblutes  auf  Hämolyse  und  Bakteri- 
zidie  etc.  Arch.  f.  experim.  Pathol.  u.  Pharm.  Bd.  49.  S.  307  (1903). 

-)  Xolf,  La  coagulation  du  sang  des  poissons.  Arch.  internat.  de  Physiol.  Vol.  4. 
S.A.  (,1906). 


Die  Blutgeriuuuiii?.  0p,7 

Blutplasma  Wirbelloser.  Eini^^e  der  ^rölieren  Krustazeenartt-n 
liefern  f2:enün:ende  lUiitinont-on.  Es  läßt  sich  bei  ihnen  ein  Plasma  ohne 
oder  doch  nur  mit  i'orin^er  (ierinnuufrstendenz  gewinnen.  \'ei-fahren  zur 
Gewinnuni^-  von  Krustazeenplasma  sind  von  L.  Loch  i)  uml  P.  S'olf-)  an- 
gegeben worden.  Es  mag  hier  erwähnt  werden,  daü  manciic  Krustazeen 
zwar  auch  eine  echte  Eibrinogengerinnung  haben  wie  Wirbeltiere,  dalJ 
aber  außerdem  eine  dieser  (ierinnung  vorhergehende  Agglutination  und 
Verklumpung  der  Amöbozyten  des  Blutes  eine  Art  vdii  erster  Gerinnung 
darstellt,  die  für  die  spontane  Blutstillung  bei  diesen  Tieren  bedeutung.s- 
voU  ist.  Bei  anderen  Wirliellosen  ist  eine  echte  Fibringerinnnng  überhaupt 
nicht  nachweisbar,  z.  B.  bei  Limulus.  Dagegen  ist  die  Agglutiiiati(ui  der 
Amöbozyten  ganz  allgemein  verbreitet.  Bei  der  Languste  iralinurus 
vulgaris)  und  dem  Hummer  (Ilomarus  vulgaris)  tritt  zu  der  Agglutination 
eine  nachträgliche  zweite  Gerinnung,  die  viel  Ähnlichkeit  mit  der  Fil)rin- 
gerinnung  der  Wirbeltiere  hat. 

Blutentnahme  bei  der  Languste  (Palinurus  vulgaris)  nach  AW. 
Man  wählt  große  Tiere  und  entnimmt  ihnen  oO — GOcm^  Blut  durch  Ampu- 
tation eines  Beines.  Die  Tiere  vertragen  den  Eingriff  gut  und  bleiben  am 
Leben,  ^'or  der  Blutentnahme  wird  das  dazu  gewählte  Bein  (gewöhnlich 
das  vorletzte)  sorgfältig  gereinigt  und  in  Höhe  des  letzten  Gelenkes  ab- 
geschnitten. Zuweilen  tritt  danach  Autotomie  ein.  Das  Blut  entleert  sich 
ziemlich  schnell,  falls  keine  stärkeren  Muskelbänder  in  der  rmgebung 
des  Gefäßes  liegen.  Sonst  kann  es  vorkommen,  daß  es  sich  durch  Aggluti- 
nation der  Amöbozyten  wieder  schließt.  Beim  Hummer  gewinnt  man  das 
Blut  nach  L.  Loch  am  besten  durch  Inzision  ins  Al)domen. 

Da  das  Blut  der  Krustazeen  in  vitro  meist  ziemlich  schnell  nach  der 
sogenannten  ersten  Gerinnung,  der  Agglutination  der  Amöbozyten.  durch 
Ausscheidung  des  Fibrinogens  ganz  fest  wird,  so  ist  es  notwendig,  sich 
durch  bestimmte  Methoden  ein  stabiles,  für  (lerinnungsversuche  brauch- 
bares Plasma  zu  verschaffen. 

Nach  L.  Loch  kann  man  zu  diesem  Zwecke  in  folgender  Weise  ver- 
fahren : 

1.  Ilummerblut  wird  in  destilliertem  Was.ser  aufgefangen.  Man  wählt 
1  N'olumen  Wasser  für  2 — 4  Volumina  Blut.  Die  Flüssigkeit  wird  filtriert. 
Das  Plasma  gerinnt  aus  sich  selbst  heraus  nicht  mehr,  oder  doch  nur 
langsam. 

'2.  Hummerblut  wird  während  der  Blutentnahme  geschüttelt,  um  die 
Agglutination  der  Amöbozyten  zu  befördern,  dann  sogleich  filtriert,  has 
Filtrat  versetzt  man  mit  Wasser  im  Verhältnis  von  20  Teilen  Blut  zu 
14  Teilen  Wasser.  Diese  Mischung  wird  sofort  eine  hallte  Stunde  lang  auf 


*)  L.  Loeb,  über  die  Koafrulatiou  des  Blutes  eiüiiL'er  Arthropudeii.  Boitr.  z.  ehem. 
Physiol.  u.  Pathol.  V.  S.  191  (19U4).  —  Derselbe,  Untersiichuneen  über  BUitgeriunung. 
Ebenda.  VI.  S.  2(iO  (1905). 

■-')  F.Xolf,  La  i'oagulatiuii  chcz  les  tTUstacüs.  Arch.  intcniat.  .If  I'b\siol.  \ol.  7. 
II.  VI.  S.A.  (1909)- 


268  P.  Morawitz. 

52"  erwärmt.  Die  Lösung  gerinnt  aus  sich  selbst  heraus  nicht  mehr,  wohl 
aber  auf  Zusatz  gerinnungsbefördernder  Substanzen,  z.  B.  Gewebssaft  oder 
Extrakten  aus  Amöbozyten. 

3.  Endlich  kann  man  aus  Hummerblut  auch  eine  Fibrinogenlösung 
herstellen.  Das  Blut  wird  wieder  wie  oben  durch  Schütteln  von  den  Amöbo- 
zyten befreit  —  man  erkennt  die  vöUige  Ausscheidung  dieser  Zellen  an 
der  Flockenbildung  in  der  sonst  klaren  Flüssigkeit  — ,  dann  mit  einem 
größeren  Volumen  gesättigter  Kochsalzlösung  versetzt.  Man  fügt  dem  Ge- 
misch Kochsalz  in  Substanz  bis  zur  Sättigung  hinzu  (Berechnen  der 
Menge!).  Der  nach  4 — 9  Stunden  abfiltrierte  Niederschlag  wird  in  destil- 
liertem Wasser  gelöst.  Diese  Fibrinogenlösung  ist  haltbar,  sie  gerinnt  nur 
auf  Zusatz  gerinnungsbefördernder  Stoffe. 

4.  Nach  Nolf  gelingt  es  auch,  Langustenplasma  ohne  jeden  Zusatz  in 
der  Weise  zu  erhalten,  daß  man  Blut  aus  einem  Hinterbein  des  Tieres 
(die  ersten  Tropfen  soll  man  nicht  verwenden!)  in  paraffinierten  Gläsern 
auffängt,  sofort  zentrifugiert  und  das  abgehobene  zellfreie  Plasma  bei  0" 
aufhebt.  Es  bleibt  unter  diesen  Bedingungen  lange  flüssig  und  gerinnt  auch 
bei  gewöhnhcher  Temperatur  erst  in  mehreren  Stunden. 

Die  in  verschiedener  Weise  gewonnenen  Plasmata  der  Krustazeen 
gerinnen  auf  Zusatz  von  Gewebsextrakten  oder  Extrakten  von  Amöbozyten. 
Anwesenheit  von  Kalksalzen  ist  dabei  erforderUch.  Thrombin  und  Gewebs- 
saft von  Wirbeltieren  sind  in  einer  von  Krustazeenplasma  hergestellten 
Fibrinogenlösung  unwirksam  und  vice  versa.  Weitere  technische  Einzelheiten 
finden  sich  bei  L.  Loeh. 

D.  Plasmata,  deren  Stabilität  vornehmlich  durch  gerinnungs- 
hemmende Substanzen  bedingt  ist. 

1.  Das  Peptonplasma. 

Wittepepton  verhindert  zwar  nicht  in  vitro,  wohl  aber  bei  intra- 
venöser Injektion  unter  gewissen  Bedingungen  die  Gerinnung  (Schmidt- 
Mühlheim'^) ^  Fano^).    Die  Gerinnungsunfähigkeit  dauert  mehrere  Stunden. 

Man  wählt  für  den  Versuch  am  besten  Hunde  oder  Katzen.  Die  Tiere 
müssen  zuvor  12 — 24  Stunden  gehungert  haben.  Die  Injektion  der  Pepton- 
lösung  erfolgt  durch  eine  in  die  Vena  iugularis  eingeliundene  Kanüle 
(herzwärts!).  Das  Pepton  wird  in  kochender  Kochsalzlösung  gelöst.  Man 
stellt  sich  eine  etwa  3 — 5<»/oige  Peptonlösung  her.  Diese  ist  nach  Ab- 
kühlung und  Filtration  zur  Injektion  verwendbar.  Will  man  das  Blut 
völlig  ungerinnbar  machen,  so  empfiehlt  es  sich,  mindestens  0*3  g  Pepton 
pro  Kilogramm  Tier  zu  injizieren.  Lieber  wilhlt  man  noch  etwas  höhere 
Dosen,  doch  nicht  über  0"6  (/.    Sonst    sind  Todesfälle   während   oder  kurz 


^)  Schmidt-Miihlheim,  Zur  Kenntnis  des  Peptons  und  seiner  physiologischen  Be- 
deutung. Arch.  f.  Anal  u.  Physiol.  Physiol.  Abt.  S.  33—56  (1880). 

-)  Fano,  Über  das  Verhalten  des  Peptons  und  Tryptons  zu  Blut  und  Lymphe. 
Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.  Physiol.  Abt.  S.  277—297  (1881). 


Die  Blutgerinnung.  o^jq 

nach  (lor  Infusion  zu  befürchten.  Ferner  geschehe  die  Injektion  müghchst 
schnell.  Spritzt  man  die  «bleiche  Dosis  langsam  ein.  so  wird  das  lilut 
häufig  nicht  ganz  ungerinnbar.  \uu  der  Peritonealhöhle  ans  sind  sehr 
starke  Gaben  erforderlich,  um  überhaupt  eine  Änderung  der  (ierinnbarkeit 
zu  bewirken. 

Kaninchen  und  Meerschweinchen  sind  für  Peptonversuche  ungeeignet. 
Zuweilen  bekommt  man  bei  ihnen  überhaupt  keine  Änderung  der  (Jerin- 
nungsfähigkeit,  bisweilen  sogar  eine  Beschleunigung.  Eine  sichere  Pcpton- 
wirkung  liilit  sich  hingegen  wieder  bei  Vögeln  beobachten.  Auch  die.se 
lälit  man  am  besten  tags  zuvor  hungern. 

Inniittelbar  nach  der  Injektion  werden  die  Tiere,  falls  sie  nicht 
narkotisiert  waren,  somnolent,  der  IHutdruck  sinkt  stark,  zuweilen  .setzen 
die  Atembewegungen  aus.  Man  mub  dann  zur  künstlichen  liespiration 
greifen.  Todesfälle  sind  selten,  falls  man  nicht  sehr  große  Peptonmengcn 
verwendet. 

Das  zirkulierende  Blut  wird  schon  kurz  nach  der  Injektion  unge- 
rinnbar.  Erst  nach  mehreren  Stunden  geht  dieser  Zustand  allmählich  vor- 
über. Gleichzeitig  wird  das  Tier  gegen  die  gerinnungshemmende  Wii-kung 
einer  zweiten  Peptoninjektion  immun.  (Pepton-  oder  Peptozymimmunität.) 
Die  Immunität  dauert  nur  wenig  über  24  Stunden. 

Ungerinnbares  Blut,  kurz  nach  der  Injektion  der  Karotis  entnommen, 
bleibt  in  vitro  oft  lange  Zeit,  zuweilen  unbegrenzt  lange  flüssig.  Ebenso 
verhält  sich  das  Peptonplasma.  Es  laut  sich  leicht  durch  Zentrifugieren 
gewinnen. 

Das  Peptonplasma  hat  zu  vielen  Untersuchungen  über  das  Wesen 
der  (Jerinnung  gedient  {Wooldridye^),  Xolf  1.  c).  Es  enthält  einen  gerin- 
nungshemmenden Körper,  ein  Antithromlnn.  Dieser  wird  unter  dem  Ein- 
flüsse der  Peptoninjektion  in  der  Leber  gebildet.  Er  kann  zugesetztes 
Thrombin  unwirksam  machen.  Daher  gerinnt  Peptonplasma  nur  schwer 
und  langsam  auf  Zusatz  fermenthaltigen  Serums.  Sonst  finden  sich  im 
Peptonplasma  alle  zur  Gerinnung  nötigen  Faktoren,  also  Fibrinogen.  Kalk- 
salze, Thrombogen  und  Kinase.  Trotzdem  reagieren  sie  aus  noch  unbe- 
kannten (iriinden  nur  schwer  oder  doch  nur  auf  bestimmte  Beize  mit- 
einander. Berührung  mit  benetzbaren  Fremdkürperu  genügt  nicht,  es 
müssen  andere  zymoplastische  Faktoren  eingreifen.  In  diesem  Sinne  wirkt 
Verdünnen  des  Plasma  mit  destilliertem  Wasser,  Einleiten  von  C'0.j,  Neu- 
tralisation mit  Essigsäure.  Besonders  wirksam  ist  Zusatz  von  (iewebssaft. 

Nach  Nolf  ist  das  Peptonplasma  das  beste  Beagenz  auf  ..throml>o- 
plastische''  Substanzen.  Indessen  sollte  es  doch  nur  mit  \orsicht  \'er- 
wendnng  finden ;  seine  P^igenschaften  sind  nicht  konstant,  auch  liegen  die 
Verhältnisse  gerade  hier  sehr  verwickelt. 

Nicht  jedes  Pepton  .schlechthin,  sondern  nur  bestimmte  Sorten,  be- 
sonders  gerade   das   Pepton   y\'ltte,    löst    diese    eigenartige   Beaktion    im 


')   WooJdridge,  Die  (ieriiuiung  des  Blutes.  Deutsch  von  M.  r.  Frey.  Leipzig  If'Ol 


270  ?■  Morawitz. 

Organismus  aus.  Andere  Albumosengemische  sind  vielfach  wenig  oder  gar 
nicht  wirksam. 

Ähnlich  wie  Pepton  wirkt  eine  Reihe  anderer,  scheinbar  gar  nicht 
zusammengehöriger  Substanzen,  die  Delezenne'^)  unter  dem  Namen  ..Körper 
der  Peptongruppe"  umschreibt.  Dazu  gehören:  Aalserum,  Krebsmuskel- 
und  Schneckenextrakte  und  mannigfaltige  Auszüge  aus  den  Geweben  nie- 
derer Tiere. 

2.  Hirudinplasma. 

Durch  Blutegelextrakt  oder  Hirudin  läßt  sich  die  Gerinnung  aufheben 
resp.  verzögern.  Wirksame  Extrakte  erhält  man  durch  Trocknen  der  in 
Alkohol  konservierten  Blutegelköpfe.  Die  Köpfe  werden  dann  möglichst 
fein  gepulvert  und  mehrere  Stunden   mit  Wasser  extrahiert  (Dickinson^-). 

Das  von  JakobJ  und  Franzi)  aus  Blutegelköpfen  hergestellte  Hiru- 
din (Firma  Sachse  da  Cie.,  Leipzig)  ist  ein  sehr  stark  gerinnungshemmend 
wirkender  Körper.  Hirudin  ist  zurzeit  sicher  das  beste  Mittel,  die  Blut- 
gerinnung im  Organismus  zum  Zwecke  physiologischer  Versuche  für  län- 
gere Zeit  aufzuheben.  Denn  es  ist  die  einzige  gerinnungshemmende  Sub- 
stanz, die  relativ  wenig  toxisch  ist.  1  mg  Hirudin  genügt  in  vitro  und  in 
vivo,  um  die  Gerinnung  von  5  crn^  Blut  zu  verhindern.  Einer  ausgedehn- 
teren Anwendung,  speziell  auch  bei  größeren  Tieren,  steht  nur  der  hohe 
Preis  des  Hirudins  im  Wege.  (Ebenso ,  wie  das  Krogh  [Skandin.  Arch.  f. 
Physiol,  Bd.  20,  190SJ  getan  hat,  möchte  auch  ich  an  dieser  Stelle  darauf 
hinweisen,  daß  der  Preis  des  Hirudins ,  einer  Substanz ,  die  ausschUeßlich 
wissenschafthchen  Zwecken  dient,  ganz  unverhältnismäßig  hoch  ist.  Hier 
sohten  doch  nicht  allein  rein  kaufmännische  Gesichtspunkte  maßgebend 
sein  !) 

Auch  in  vitro  ist  Hirudin  wirksam,  sogar  im  trockenen  Zustande 
als  Pulver.  Es  ist  also  nicht  erforderlich.  Blut,  dessen  Gerinnung  man 
hemmen  will,  in  einer  Hirudinlösung  aufzufangen.  Einige  Körnchen  trockenen 
Hirudins  sind  auch  schon  genügend. 

Hirudin  ist  ein  Antithrombin.  Es  neutralisiert  eine  bestimmte  Menge 
Fibrinferment.  Demgemäß  gelingt  es  nur  schwer,  Hirudinplasma  durch 
Fermentzusatz  zur  Gerinnung  zu  bringen.  Ob  das  überhaupt  möglich  ist, 
hängt  von  der  Menge  des  vorhandenen  Hirudins  ab,  auch  von  der  Stärke 
der  Fermentlösung. 

Gewebsextrakte  können,  falls  der  Hirudinzusatz  nicht  gar  zu  groß 
ist,  ebenfalls  das  Plasma  zur  Gerinnung  bringen.  Offenbar  erfolgt  hierbei 
im  Hirudinplasma  eine  massenhafte  Thrombinbildung. 


*)  Delezenne,  AVirkung  des  Aalserums  und  der  Organextrakte  auf  die  Blutgerin- 
nung. Arch.  de  Physiol.  p.  646  (1897). 

-)  Dickinson ,  Notiz  über  den  Blutegelextrakt  und  seine  Wirkung  auf  das  Blut. 
Journ.  of  Physiol.  11.  p.  566  (1890). 

^)  Franz,  Über  den  die  Blutgerinnung  aufhebenden  Bestandteil  des  medizinischen 
Blutegels.  Arch.  f.  experim.  Path.  u.  Pharm.  Bd.  49.  S.  342  (1903). 


Die  Blutgerinnung.  071 

E.   Quantitative  Bestimmung  des  Fibrinogens. 

Die  Sfhwiorifikeit  einer  exakten  quantitativen  liestininuing  des  Fi- 
brinof>en.s  liei>t  in  der  Trennung  dieses  Eiweilikörpers  von  den  anderen 
Glol)ulineii .  die  ähnliche  Eigenschaften  hahcn.  Folgende  Methoden  sind 
heute  im  ( iebrauch  : 

1.  Bestimmung  des  Fibrinogens  durch  Wägen  des  daraus 
gebildeten  Fibrins.  Die  Resultate  dieser  Methode  sind  wahrschcinlicli 
recht  unsicher.  Denn  abgesehen  davon,  daß  der  Übergang  von  Fibrinogen 
in  Fibrin  wohl  kein  quantitativer  ist  (vgl  Hanunarstm^) ,  Herihnn-'^), 
Huiskamp^  dürfte  es  schwer  sein,  das  Fibrin  von  all  seinen  Einschlüssen, 
von  allen  mitgerissenen  Substanzen  nachträglich  zu  befreien.  Auch  die 
Fibrinolyse  kann  bei  längerem  AYaschen  mit  Salzlösungen  Fehler  bedingen. 

2.  Die  Methode  der  fraktionierten  Ilitzekoagulation  wurde 
zuerst  von  FrHeriaj*)  geübt.  Die  Koagulationstemperatur  liegt  unter  der 
anderer  Globuline.  Fredericq  schlägt  vor,  Bittersalzplasma  IT)  Minuten  lang 
auf  60"  zu  erwärmen  und  die  ausgeschiedenen  Gerinnsel  zu  wiegen.  Leider 
ist  die  Gerinnung  bei  der  genannten  Temperatur  nach  Hainmarsten  un- 
vollständig. Die  Methode  gibt  zu  niedrige  Werte. 

3.  Bestimmung  des  Fibrinogens  durch  Fällung  mit  Essig- 
säure {Doijon,  Morel,  Peju^).  Als  Material  dient  Natriumfluoridi)lasma. 
Dieses  wird  mit  verdünnter  Essigsäure  versetzt,  und  zwar  auf  12  rn/^ 
Plasma  1  ciii'-^  der  Essigsäurelösung.  Der  Niederschlag  wird  abfiltriert, 
koaguliert,  gew^aschen,  getrocknet  und  gewogen.  Die  Werte  sollen  denen 
entsprechen,  die  man  durch  Hitzekoagulation  oder  nach  der  später  zu  beschrei- 
benden Bei/escheji  Methode  erhält.  Mir  erscheint  es  wenig  vorteilhaft,  an 
ganz  unverdünntem  Plasma  zu  arbeiten.  Denn  die  mitgerissenen  Anteile, 
die  den  anderen  Globulinen  entstammen,  sind  um  so  größer,  je  stärker  die 
Konzentration  der  Eiweißlösung  ist. 

4.  Salzfällungsmethode  nach  Bet/e^)  (resp.  nach  Pon/Cf^  und 
Spiro'').  Die  ^Methode  geht  von  der  Tatsache  aus,  daß  Fibrinogen  durch 
Neutralsalze  leichter  ausgesalzen  wird  als  die  anderen  Globuline. 

Blut  wird  in  B^/^iger  Lösung  von  Na  Fl  aufgefangen.  Man  wählt  Menge 
der  Lösung  und  des  Blutes  so,    daß   in  diesem   eine  Fluornatriumkonzen- 


')  Hammarsfen,  Ülior  den  Faserstoff  und  seine  Entstehung  aus  dem  Filirinogen. 
Pflügers  Arch.  Bd.  30.  S.  437  (1883). 

-)  Heubner,  Die  Spaltung  des  Fibrinogens  bei  der  Fibringerinnung.  Arch.  f. 
experim.  Path.  u.  rharm.  Bd.  49.  S.  229  (1903). 

^)  Hiiiskainp,  Zur  Fibringlobulinfrage.  Zeitschr.  f.  phvsiol  Chemie.  Bd.  44.  S.  A. 
(1905). 

*)  Fredericq,  Untersuchungen  über  die  Konstitution  des  Blutplasmas,  (.laml.  i'ans, 
Leipzig  1S78. 

^)  J)oi/o>i ,  Morel,  Peju,  Proc6d(5s  de  dosage  du  fibrinogeue.  C.  rend.  soc.  biol. 
T.  58.  p.  657  (19Ü5). 

*)  Beye,   über  Nachweis  und  Bestimmung  des  Fibrinogens.  I.-D.  Straßburg  1898. 

')  Porges  u.  Spiro,  Die  Gloiniline  des  Blutserums.  Hofmeisters  Beitrau'e.  Bd.  3. 
S.  277  (1903). 


272  P-  Morawitz. 

tration  von  0'56— O'ßo/o  besteht.  Zu  2  c^^^^  dieses  Plasma  setzt  man  aus 
einer  Bürette  gesättigte  neutrale  Ammonsulfatlösung,  deren  Dichtigkeit  bei 
19"  1-240  betragen  soll.  Nach  Zusatz  der  Salzlösung  füllt  man  die  Plasma- 
Salzmischung  mit  destilhortem  Wasser  auf  10  cm^  auf  und  läßt  einige 
Stunden  stehen.  Das  Fibrinogen  beginnt  bei  Zusatz  von  l'ö — 1*7  cm^  Am- 
moniumsulfat auszufallen.  Die  P'ällung  ist  bei  2*5 — 2'7  cm^  beendet,  falls 
man  2  citt^  Plasma  nimmt  und  immer  auf  10  cui"  auffüllt.  Bei  2*8  cm^ 
Ammoniumsulfatzusatz  beginnt  schon  die  Fällung  der  Globuline.  Daher  ist 
bei  Verwendung  der  Methode  zur  (quantitativen  Fibrinogenbestimmung  vor 
allem  eine  Kollision  mit  der  Globulinfällung  zu  vermeiden.  Das  geschieht 
am  besten,  ^venn  man  das  Plasma,  wie  oben  angegeben,  auf  das  öfache 
verdünnt.  Im  unverdünnten  Plasma  geht  die  obere  Grenze  der  Fil)rinogen- 
fällung  in  die  untere  der  Globulinfraktion  ohne  Grenze  über. 

Im  Serum  finden  sich  sehr  geringe  Mengen  eines  Eiweißkörpers 
mit  den  Salzfällungsgrenzen  des  Fibrinogens.  2  cm'^  Serum  geben  nämlich 
bei  Zusatz  von  22 — 2*9  cm^  Ammonsulfat  und  nachfolgender  Auffüllung 
auf  10  cm'i  Gesamtflüssigkeit  Trübung  und  feine  flockige  Ausscheidung. 
"Wahrscheinlich  handelt  es  sich  hier  um  das  Hammarsten^che  Fibrin- 
g  1 0  b  u  1  i  n. 

Beije  empfiehlt  schließlich  folgendes  einfachere  \'erfahren:  Je  12  cm^ 
klaren  Fluornatriumplasmas  werden  mit  je  P)0  cm^  destillierten  Wassers 
verdünnt,  mit  je  16  cm,^  Ammonsulfatlösung  gefällt  und  bis  zum  Absetzen 
des  Niederschlages  stehen  gelassen.  Man  bringt  dann  die  flockigen  Aus- 
scheidungen auf  ein  gewogenes  Filter,  wäscht  mit  entsprechend  verdünnter 
Ammonsulfatlösung  so  lange  nach,  als  das  Filtrat  noch  Eiweißreaktion 
gibt.  Dann  wird  der  Niederschlag  an  der  Luft  getrocknet  und  bei  80"  im 
Trockenofen  koaguüert.  Der  jetzt  unlöslich  gewordene  Niederschlag  wird 
mit  heißem  W^asser  schwefelsäurefrei  gewaschen,  dann  mit  Alkohol  und 
Äther  behandelt,  zuletzt  bei  100"  getrocknet  und  gewogen. 

In  12  ciii^  Ptinderplasma  findet  Eet/e  0-042 — 00424  r/  Fibrinogen, 
was  einem  mittleren  Prozentgehalt  des  Plasma  von  0-3479  entspricht. 

Das  Ausw^aschen  des  Ammonsulfats  aus  dem  Niederschlag  ist  zeit- 
raubend. Porges  und  Sjjiro  haben  die  Methode  dadurch  sehr  vereinfacht, 
daß  sie  N-Bestimmungen  vor  und  nach  Ausfällung  des  Fibrinogens  im 
Plasma  vornehmen.  Das  Fibrinogen  wird  also  überhaupt  nicht  gew^ogen, 
sondern  aus  der  Differenz  berechnet.  Natürlich  ist  kein  Ammonsulfat  ver- 
wendbar. Porges  und  Sjnro  empfehlen  Natriumsulfat. 

4fach  verdünntes  Plasma  wird  mit  Y^  Volumen  warmer  gesättigter 
Natrium  Sulfatlösung  versetzt.  Man  läßt  den  Niederschlag  sich  absetzen. 
Wegen  der  Eigenschaften  des  Natriumsulfats  muß  die  ganze  Prozedur  bei 
zirka  32"  vorgenommen  werden,  und  zwar  sowohl  die  Sättigung  der  Na- 
triumsulfatlösung,  als  auch  die  Fällung  des  Plasma.  Man  läßt  die  Plasma- 
salzmischung mehrere  Stunden  lang  —  unter  Vermeidung  jeder  Ver- 
dunstung —  bei  dieser  Temperatur  im  Brutschrank  stehen ,  z.  B.  in  zu- 
gekorkten Meßzylindern.    Danach  wird   bei  derselben  Temperatur  filtriert. 


Die  Bliitgerinming.  i;«?-» 

Die  N-Bestiinmung  geschieht  nach  Kiddald.  Xatüilicii  sind  <lio  Vor- 
diinnungen  in  Hochnung  zu  ziehen.  Mau  überzeuge  sich  stets  von  der 
N-Freiheit  des  Natriuuisulfats.    Es   enthält  oft  Spuren  von  Annu(>nsalz«'n. 

Das  V'erfaliren  von  Heye,  besonders  in  der  ihm  von  Spiro  und 
Porgf'S  gegebenen  Form,  dürfte  zurzeit  die  beste  und  be(|U('inste  Methode 
zum  Nachweis  wie  zur  quantitativen  r)estimnniug  des  Filtrinogeiis  sein. 
Ganz  zuverhissige  Werte  gibt  sie  aber  wohl  schon  deshali»  nicht,  weil  der 
Niederschlag  wahrscheinlich  stets  geringe  Anteile  der  anderen  <ilobulin- 
fraktionen  enthiUt. 

5.  Methode  von  Wohlgemuth.^)  ?>  cm^  frisch  der  Ader  entciuellen- 
den  Blutes  werden  mit  1  oir^  20"/üiger  Magnesium sulfatlösung  gemischt, 
die  Mischung  zentrifugiert  und  das  Salzplasma  abgehoben. 

Eine  Keihe  von  Reagenzgläsern  wird  nun  mit  absteigenden  Mengen 
des  Salzplasma  beschickt,  die  Volumdifferenzen  mit  1"  „iger  kalkfreier 
Kochsalzlösung  ausgeglichen  und  nun  in  jedem  (Häschen  je  1  cm'^  der 
lOfach  verdünnten  Fibrinfermentlösung  hinzugefügt  (Serum).  Dann  kommen 
alle  Gläschen  nach  i;^mschütteln  24  Stunden  in  den  Eisschrank.  Danach 
kontrolliert  man,  ob  Gerinnung  eingetreten  ist.  Die  ersten  beiden  (Wäs- 
chen, die  viel  Plasma  und  daher  auch  viel  Magnesiumsulfat  enthalten, 
sind  in  der  Kegel  flüssig  geblieben.  Die  folgenden  zeigen  komplette,  die 
mit  sehr  stark  verdünntem  Plasma  partielle  oder  überhaupt  keine  (rerin- 
nung.  So  zeigen  z.  !>.  in  einer  Serie  die  Uöhrchen  mit  lo  und  ()")  i-m^ 
Plasma  keine  Gerinnung,  zwischen  ü'25  und  OOIG  etn^  Plasma  ist  überall 
ein  mehr  oder  weniger  ausgedehntes  Gerinnsel  zu  sehen,  die  Proben  mit 
0-008  und  0-004  cm^  Plasma  sind  flüssig  geblieben. 

Als  Fibrinogeneinheit  setzt  Wohlj/emuth  diejenige  Menge  Plasma,  die 
noch  gerade  ausreicht,  um  in  Gegenwart  eines  Überschusses  an  Thrombin 
ein  deutlich  erkennbares  Gerinnsel  zu  bilden.  Man  erhält  also  keine  abso- 
luten, sondern  nur  Vergleichswerte. 

Vielleicht  wären  gerade  bei  dieser  Methode  Störungen  durch  Fibrino- 
lyse  noch  genauer  zu  berücksichtigen.  Geringe  resp.  mällige  Fibrinolyse 
kann  auch  bei  niedriger  Temperatur  erfolgen. 

IV.  Gerinnungsbefördernde  Substanzen. 

Gerinnungsauslösende  und  -befördernde  Substanzen  kann  man  zweck- 
mäßig in  solche  einteilen,  die  fertiges  Thrombin  enthalten  —  die  Uein- 
darstellung  dieses  Körpers  ist  bisher  nicht  geglückt  —  und  in  solche,  in 
denen  sicli  zwar  kein  fertiges  Throndtin,  wohl  aber  Throndiinvorstufen 
(Thrombogen  und  Thrombokinase)  finden.  Auch  kalksalze,  z.  R  Kalzium- 
chlorid, können  als  gerinnungsbefördernde  Substanzen  gelten,  endlich  auch 
noch  eine  dritte  Gruppe  von  Körpern,  die  zwar  zur  Fennentltildimg  nicht 


>)   Wohhiemiilh,    Eine   neue  Metlioilc   zur   ([luuititativiii   Hcstimmmi>r   dos  Kiliriii- 
fermeuts  etc.  JBiochom.  Zeitschr.  Bd.  27.  S.  Yd  (^lülU). 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemischen  Arbeitsmethoden.   V.  18 


274 


P.  Morawitz. 


erforderlich  sind,  wohl  aber  in  noch  unbekannter,  unspezifischer  Weise  die 
Entstehuno-,  vielleicht  auch  die  Wirkung  des  Fibrinferments  begünstigen. 
Das  wären  die  zymoplastischen  Substanzen  Schmidts,  die  thromboplastischen 
Substanzen  Xolfs.  Aber  die  Anschauungen  über  die  Wirkung  solcher  Körper 
sind  noch  wenig  geklärt. 

Durch  genügenden  Thrombinzusatz  kann  man  jede  überhaupt  ge- 
rinnungsfähige Flüssigkeit  zur  Koagulation  bringen.  Die  inaktiven  Vor- 
stufen des  Thrombins  sind  aber  natürlich  nur  dort  wirksam,  wo  die  son- 
stigen Vorl)edingungen  der  Fermentbildung  gegeben  sind.  Flüssigkeiten, 
die  nur  Kalksalze  sowie  Thrombokinase  enthalten,  werden  zwar  imstande 
sein,  Vogelplasma  oder  Peptonblut  zur  Gerinnung  zu  bringen,  in  den  pro- 
plastischen Flüssigkeiten  A.  Schmidts,  in  Fibrinogenlösungen,  sind  sie  aber 
ohne  Wirkung. 

A.  Thrombinlösungen. 

1.  Die  am  einfachsten  zu  gewinnende  Thrombinlösung  ist  Blutserum. 
Sein  Thrombingehalt  ist  recht  schwankend,  im  ganzen  gering,  d.h.  also, 
daß  selbst  ziemlich  große  Serummengen  nur  langsam  Fibrinogenlösungen 
und  andere  fibrinogenhaltige  Flüssigkeiten  zur  Gerinnung  zu  bringen  ver- 
mögen. lUutserum ,  das  längere  Zeit,  etwa  mehrere  Tage  gestanden  hat, 
ist  weniger  wirksam  als  ganz  frisches.  Die  Fermentarmut  des  Blutserums 
erklärt  sich  durch  2  Momente:  Erstens  wird  ein  Teil  des  bei  der  Gerin- 
nung gebildeten  Thrombins  auf  dem  Fibrinnetz  adsorbiert  und  mit  diesem 
entfernt  und  zweitens  geht  ein  erheblicher  Teil  des  einmal  entwickelten 
Thrombins  bald  nach  vollendeter  Gerinnung  in  eine  unwirksame  Modifi- 
kation, das  Meta thrombin  über,  aus  der  es,  wie  schon  A.  Schmidt  fand, 
wieder  in  Freiheit  gesetzt  werden  kann.  Auffallend  arm  an  Thrombin  ist 
das  Blutserum  des  Pferdes. 

Nachweis  von  Metathrombin  im  Serum.  Das  Verfahren  —  es 
ist  bereits  von  A.  Schmidt  verwendet  worden  —  gestattet  es,  in  einfacher 
Weise  aus  fermentarmem  Serum  stark  wirksame  Lösungen  herzustellen. 
Das  kann  unter  Umständen  zweckmäßig  sein,  besonders  dann,  wenn  man 
die  Dauer  von  Gerinnungsversuchen  abkürzen  oder  sich  schnell  überzeugen 
will,   ob  eine  Flüssigkeit  fibrinogenhaltig  ist.    Pferdeserum   wird  mit  dem 

gleichen  Volumen  ~  Na  OH  versetzt  und  nach  Vi — V2  Stunde  mit  ^  H,  SO4 

neutralisiert.  Die  fermentative  Kraft  des  Serums  hat  dann  sehr  stark 
zugenommen,  gemessen  an  der  Gerinnungszeit  einer  Fibrinogenlösung. 
Folgender,  von  mir  früher  ausgeführter  Versuch  mag  das  illustrieren : 


Pferdeserum 
frisch 


Fibrinogen 


Temperatur 


Aktiviert 


Geronnen  nach 


5  Tropfen 


5  crn^ 
5    « 


350 
350 


nicht 
ja 


3V2  Stunden 
8  Minuten 


Die  Bliitgeriiiuung.  Otä 

Die  Wirkungen,  die  man  durch  Zusatz  des  frleichen  Voluniciis  -NaOH 

erhält,  sind  übrigens  nocii  niclit  maximal.  Noch  g:röljere  Fermentmen'^'cii 
kann  man  in  Freiheit  setzen,  wenn  man  auf  je  10cm»  Serum  '«Stunde 
lang  2 — 4  c;m»  Normalnatronlauge  einwirken  lätit.  Zu  lange  Wirkung  der 
Na  OH  kann  aber  das  Ferment  wieder  zerstören.  Ebenso  verliert  das  mit 
Alkali  aktivierte  Serum  bei  längerem  Stehen  ziendich  rasch  wieder  seinen 
Fermentreichtum.  Auch  Zusatz  nicht  aktivierten,  thrombinhaltigen  Serums 
setzt  den  Fermentgelialt  herab. 

Noch  besser  und  mit  noch  kleineren  Alkalizusätzen  gelingt  die  Ak- 
tivierung des  Metathrondjins  in  dialysiertem  Pferdeserum  (A.  Sfliitiidf  '). 
Hier  genügt  schon  Zusatz  von  0*1 — 0'2  rm^  ^/lo-Normalnatroidauge  pro 
Kubikzentimeter  Serum.  Stärkere  Alkalikonzentrationen  zerstören  das 
Thrombin  leicht. 

Auch  durch  Säurezusatz  —  etwa  in  entsprechender  Menge  —  und 
nachfolgende  Neutralisation  wird  die  fermentative  Kraft  wesentlich  ver- 
stärkt, aber  doch  nicht  in  dem  Maße  wie  durch  Alkali. 

Rinder-,  Hunde-,  Katzenserum  zeigen  diesell)e  Erscheinung.  Doch 
sind  die  in  Freiheit  gesetzten  Fermentmengen  geringer. 

Daß  das  Metathrombin  Kinase  sei,  wie  Mellanbif-)  meint,  ist  ganz 
unwahrscheinlich. 

2.  Thrombin  nach  A.  Schmidt.  Die  Methode  geht  darauf  aus. 
eine  möglichst  eiweißai'me,  dabei  doch  wirksame  Thrombinlösung  zu  ge- 
winnen. Man  läßt  eine  bestimmte,  nicht  zu  kleine  ISlutmenge  spontan  ge- 
rinnen. Sobald  Serum  abgepreCjt  ist,  wird  dieses  mit  dem  20facheii  \'olu- 
men  Alkohol  (Oö^/o)  gefällt.  Der  Alkohol  bleibt  einige  Tage  bis  mehrere 
.Monate  über  dem  Niederschlage  stehen.  Die  Dauer  der  Alkoholwirkung 
scheint  nur  von  geringer  Bedeutung  für  die  Wirksamkeit  der  später  zu 
gewinnenden  Thrombinlösung  zu  sein.  Will  man  diese  aus  dem  Nieder- 
schlage herstellen,  so  wird  der  Alkohol  al)filtriert,  das  Präzipitat  getrocknet 
und  mit  Wasser  extrahiert. 

Wirklich  eiweißarme  Thrombinlösungen  erhidt  man  nur  bei  kurz- 
dauernder Wasserextraktion.  Sonst  geht  auch  ziemlich  viel  Eiweiß  in  Lösung. 
Das  scheint  übrigens  der  Tlirombinwirkung  nicht  hinderlicii  zu  sein. 

Die  Thrombinlösung  ist  natürlich  reich  an  Salzen.  Der  Salzgehalt 
läßt  sich  durch  Dialyse  gegen  0"9Voige  Salzlösung  vermindern.  .Metathrombin 
fehlt  in  diesen  Thrombinlösungen.  Wahrscheiidich  bewirkt  .Mkohol  schon 
eine  Cberführung  in  Thi-ombin. 

Nach  Rdtger^)  werden  möglichst  eiweißfreie  Thrombinlösungen  durch 
kurzes  Aufkochen  nicht  vollständig  inaktiviert,  wohl  aber  eiweißreiche.  Diese 
Tatsache  soll  gegen  die  Fermentnatur  des  Tlirond)ins  sprechen. 


')  Ä.  Schmidt,  Zur  Bliitlehro.  Leipzig  1892.  S.  209. 

■')  Mellanby,  The  coagulation  of  blood.  Joiini.  of  IMiysiol.  Vol. 38.  i).2S  (li)US DD) 
*)  Rettger,    Tlic  coagulation   of  lilood.    Americ.  Jouni.  of  IMiysiol.   \'«il.  24    ^r  4. 
p.  406  (1909). 

18* 


276  P-  Moraw  itz. 

Fängt  man  Blut  direkt,  ohne  es  vorher  gerinnen  zu  lassen,  unter  Al- 
kohol auf,  so  läßt  sich  aus  dem  Niederschlage  später  kein  Thrombin  ex- 
trahieren, ein  Zeichen  dafür,  daß  das  Thrombin  nicht  schon  im  zirkulieren- 
den Blute  vorgebildet  war.  Alkohol  scheint  die  Thrombinvorstufen  zu 
zerstören. 

o.  Thrombin  nach  HowelU)  Eine  größere,  durch  Schlagen  von 
Schweinsblut  gewonnene  Fibrinmenge  wird  in  fließendem  Wasser  bis  zu 
völliger  Hämoglobinfreiheit  gewaschen.  Das  erfordert  mehrere  Stunden  und 
muß  von  Zeit  zu  Zeit  durch  Kneten  mit  der  Hand  unterstützt  werden. 
Die  weiße  Fibrinmasse  wird  dann  möglichst  fein  verteilt  und  für  2 — 3  Tage 
im  Eiskasten  mit  S^/oiger  Kochsalzlösung  extrahiert,  dann  filtriert,  zuerst 
durch  Gaze,  später  durch  Filtrierpapier.  Das  etwas  trübe,  stark  thrombin- 
haltige  Filtrat  Avird  zur  Entfernung  der  Eiweißkörper  mehrfach  tüchtig 
mit  dem  halben  Volumen  Chloroform  durchgeschüttelt  und  filtriert,  wobei 
der  Chloroformniederschlag  auf  dem  Filter  bleibt.  Diese  Prozedur,  die  man 
mit  der  Schüttelmaschine  vornehmen  kann,  ist  so  lange  fortzusetzen,  als 
das  Filtrat  noch  trübe  ist  oder  beim  Kochen  noch  eine  deutliche  Fällung 
gibt.  Endlich  gewinnt  man  eine  wasserklare,  nahezu  eiweißfreie  Lösung, 
die  immer  noch  ziemlich  viel  Thrombin  enthält.  (Geprüft  an  einer  Fibri- 
nogenlösung.)  Die  Methode  ist  umständlich,  liefert  aber  nach  üowell  sehr 
wirksame  Thrombinpräparate.  Das  zum  Ausschütteln  benutzte  Chloroform 
kann  durch  Destillation  wieder  gewonnen  werden. 

Um  dieses  Thrombin  in  einen  haltbaren  Zustand  überzuführen,  läßt 
man  geringe  Mengen  (5 — 10  cm^)  der  Thrombinbildung  bei  35 — 40"  mög- 
hchst  schnell  in  Uhrschälchen  eintrocknen.  In  diesem  Zustande  hält  es 
sich  unbeschränkt,  während  es  in  wässeriger  Lösung,  auch  bei  Chloroform- 
zusatz, ziemlich  schnell  an  Wirkung  einimßt.  Will  man  aus  dem  einge- 
trockneten Thrombin  wieder  eine  Lösung  herstellen,  so  verreibt  man  den 
im  Uhrgläschen  befindlichen,  leicht  gelben  Belag  mit  etwas  Wasser,  dem 
man  einige  Kochsalzkristalle  zusetzt. 

Das  Thrombin  wird  aus  diesen  Lösungen  durch  Halbsättigung  mit 
Ammonsulfat  niedergeschlagen. 

B.  Andere  gerinnungsbefördernde  Substanzen. 

1.  Thrombogen  {Morawitz,  No^f,  1.  c.)  findet  sich  im  Blutplasma 
und  Blutserum,  vielleicht  auch  noch  in  den  Blutplättchen.  Es  ist  gegen 
Erwärmen  empfindlich  und  wird  bei  einer  Temperatur  von  56 — 60"  inak- 
tiviert. Auch  unter  gewissen  natürlichen  und  experimentellen  Bedingungen 
scheint  es  zerstört  zu  werden.  Es  fehlt  z.  B.  in  den  proplastischen  Flüssig- 
keiten, die  auf  Zusatz  von  Thrombokinase  und  Kalksalzen  nicht  gerinnen, 
ebenso  in  den  nach  Hanunarsten  bereiteten  Fibrinogenlösungen ,  falls  sie 
stärker  verdünnt  sind.  Endlich  kann  man  auf  experimentellem  Wege  durch 


^)  Howell,    The    preparation    and    properties    of  Thrombin  etc.    Amer.  Joarn.  of 
Physiol.  Vol.  26.  Nr.  7.  S.  A.  (1910). 


Die  liluttreriniiung.  ^t-j 

subakuto  Phosphorintoxikation  das  Thrombosen  (und  Fibrinoj/on)  hei 
Hunden  zum  X'erschwindcn  bringen.  Aus<^e\vachsene  Hundo  erhalten  na<-h 
L.Loeb^)  innerlialb  ^ — 10  Taf::en  7— ^<mal  l)-07 //  I'hosphor  per  os  oder 
etwas  kleinere  Dosen  subkutan  in  Form  von  l%is-'<'i>i  I'hosj)li(»röl.  hoch 
roafjieren  einzelne  Hunde  J4'ef^f*u  die  Intoxikation  recht  verschieden:  daher 
gelinj^t  der  Versuch  nicht  in  jedem  Falle.  Kaninchen  scheinen  nach  ei^n-nen 
Beobachtungen  ungeeignet  zu  sein.  IJeim  Hunde  verliert  aber  das  I5lut 
gegen  F]nde  des  Lebens  meist  sukzessive  mehr  und  mehr  seine  (;erinid»ar- 
keit.  Schließlich  bleibt  es  ganz  flüssig.  Hs  enthält  dann  kein  Fibrinogen 
mehr,  aber  auch  kein  Thrombogen.  Das  lälit  sich  durch  geeignete  Kom- 
binationsversuche zeigen. 

Auch  im  lUutserum  findet  sich  nach  vollendeter  Gerinnung  noch 
Thrombogen.  Durch  Zusatz  von  Throml)okiiiase  lassen  sich  im  iJlutserum 
neue,  oft  sehr  große  Fermentmengen  in  Freiheit  setzen,  die  man  durch 
Zufügen  einer  Fibrinogenlösung  nachweisen  kann. 

Thrombogen  wird  nur  im  I)lute  bzw.  in  der  Lymphe  gefunden.  Die 
Gewebe  enthalten,  falls  man  für  Entfernung  aller  Dlutspuren  sorgt .  kein 
Thrombogen. 

2.  Gerinnungsbefördernde  Substanzen  der  Zellen  (Zymopla- 
stische  Substanzen,  Thrombokinase).  Zynioplastische  Substanzen  nach 
A.  Schmidt.')  Zellen  verschiedener  Organe  werden  auf  dem  Wasserbade 
mit  Kückflußkühler  mit  siedendem  Alkohol  mehrfach  extrahiert,  die  alkoholi- 
schen Auszüge  vereinigt  und  eingedampft.  Man  erhält  einen  gelblichen, 
vornehmlich  aus  Lipoiden  bestehenden  Rückstand,  der  in  Was.^er  aufge- 
schwemmt und  fein  verteilt  die  Geriniuing  des  verdünnten  Magnesium- 
sulfat-, Gallensalzplasma  und  mancher  Transsudate  stark  beschleunigt. 
A.  Schmidt  nahm  an,  die  zymoplastischen  Substanzen  spalteten  Thrombin 
aus  seinem  Proferment  (Thromi)ogen)  ab.  Xolf  denkt  an  thromboplastische 
Wirkungen  unspezifischer  Natur.  Die  Substanzen  sollen  nur  ilen  Keaktions- 
ablauf  verkürzen. 

Die  Wirkung  der  zymoplastischen  Substanzen  mülUe  wohl  noch  ge- 
nauer untersucht  werden.  Ich  habe  bei  Versuchen  mit  ÜlutM'rum .  zymo- 
plastischen Substanzen  und  Fibrinogenlösungen  deutliche  Uesultate  über- 
haupt nicht  gesehen. 

Thrombokinase  (Throndiozym  von  Solf).  Diese  soll  bei  Gegen- 
wart von  Kalksalzen  mit  dem  Thi'ombogen  des  Plasma  wirksames  Thi-om- 
bin  bilden  resp.  die  Gerinnung  veranlassen.  Nach  Morauitz  ist  die  Tlirom- 
bokinase  ein  allgemeines  Protoplasuia])rodukt.  nach  Xolf  findet  sie  sich 
indessen  nur  in  den  Zellen  des  JMutes  und  der(iefäße.  In  Organextrakten 
hat  man  nach  yolf  zwar  stets  Thrombokinase,  daneben  aber  noch  unspe- 
zifische,  thromboplastisch  wirkende  Substanzen.    In  i.solierten  /elh'u .    z.  H. 


')  L.  Loch,  Weitere  Unteisuchuiigen   über    BliitgeriiimuiL'.    Hofmeisters  Boiträje. 
Bd.  5.  S.  534  (1904). 

2)  Ä.  Schmidt,  Zur  Blutlolire.   Leipzig  1892. 


278  P.  Morawitz. 

Spermatozoen,  soll  Thromboki nase  fehlen,  ebenso  bei  niederen  Tieren,  Bak- 
terien etc.  Diese  Fragen  müßten  wohl  noch  genauer  als  bisher  untersucht 
werden.  Man  gewinnt  die  Thrombokinase  durch  Extraktion  sorgfältig  ent- 
bluteter und  gereinigter  Organe  mit  Kochsalzlösung.  Gewöhnlich  habe  ich 
gleiche  Mengen  Organbrei  und  Kochsalzlösung  genommen,  ca.  V* — V2  Stunde 
mit  der  Maschine  geschüttelt  (manuelles  Schütteln  genügt  auch),  dann  die 
^Mischung  mehrere  Stunden  lang  in  den  Eisschrank  gestellt.  Danach  wird 
dekantiert  und  die  trübe  aussehende  Kochsalzlösung  zu  Gerinnungsver- 
suchen verwendet. 

Es  hat  nach  meiner  Erfahrung  keinen  Wert,  danach  zu  streben, 
möglichst  klare  Lösungen  herzustellen.  Je  klarer  eine  Lösung  ist,  um  so 
geringer  ist  die  Intensität  ihrer  Wirkung.  Preßsäfte  von  Geweben,  die  mit 
der  Buchnerpresse  hergestellt  waren,  zeigten  sich  weniger  wirksam,  als  die 
mit  der  oben  beschriebenen  Methode  gewonnenen  Extrakte. 

Besonders  wirksame  Gewebsextrakte  erhält  man  aus  Thymus,  Lymph- 
knoten, Leber.  Die  gerinnungsbefördernde  Wirkung  ist  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  spezifisch  für  die  einzelnen  Tierarten  (L.Loe^M, -Mw-sascÄew' 2). 

Wenige  Tropfen  Thrombokinase  kürzen  die  Gerinnung  des  Blutes  in 
toto  ungemein  ab.  Sie  bringen  ferner  Gansplasma,  Peptonplasma  und 
abgekühltes  Pferdeplasma  schnell  zur  Gerinnung,  während  sie  in  den 
echten  proplastischen  Plüssigkeiten  Schmidts  unwirksam  bleiben,  ebenso 
in  Fibrinogenlösungen.  Die  Kinase  bedarf  zu  ihrer  Wirkung  der  Ca-Ionen. 
Daher  vermag  sie  im  Oxalat-  und  Fluoridplasma  keine  Wirkung  zu 
entfalten. 

Da  die  Thrombokinase  sehr  labil  ist,  gelingt  es  nur  schwer  und  un- 
vollkommen, sie  zu  konservieren.  Gewebsextrakte  werden  trotz  Zusatz  von 
Toluol  oder  Chloroform  in  wenigen  Tagen  fermentativ  unwirksam,  ja  es 
treten  während  der  Autolyse  sogar  gerinnungshemmende,  hitzebeständige 
Körper  auf  (Conradi^).  Alkohol- und  Azetonfällung  vernichtet  ebenfalls  die 
gerinnungsbeschleunigende  Wirkung,  ebenso  höhere  Temperaturen  (ca.  70  bis 
80").  Durch  Eintrocknen  bei  niederer  Temperatur  (ca.  35 — 40")  im  Vakuum 
gehngt  es  hingegen,  ein  trockenes  Gewebepulver  herzusteUen,  das  wenig- 
stens in  gewissem  Maße  sich  die  gerinnungsbefördernden  Eigenschaften 
bewahren  kann. 

Die  Thrombokinase  beschleunigt  nicht  allein  die  Gerinnung  des  Blutes 
in  vitro,  sondern  vermag  auch  bei  intravenöser  Injektion  durch  intravas- 
kuläre Gerinnungen  (vornehmlich  im  Pfortadergebiet  und  rechten  Herzen) 
tödlich    zu  wirken,    während   Injektionen    von    Fibrinferment    selbst    nur 


')  L.  Loeh,  Versuche  über  einige  Bedingungen  der  Blutgerinnung  etc.  Virchows 
Arch.  Bd.  176.  S.  A.  (1904). 

-')  Muraschew,  Über  die  Spezifizität  des  Fibrinferments  und  seiner  Vorstufen. 
Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  80.  S.  187  (1904). 

^)  Conradi,  Über  die  Beziehungen  der  Autolyse  zur  Blutgerinnung.  Hofmeisters 
Beiträge.  Bd.  2.  S.  136  (1901/02). 


Die  ßlutgerinimiig.  971) 

selten    deletär   vorlaiifon    (Wooldr'uhje^),  Bo(/f/s -\,  Conradi^),    A.  KüiiUr'}, 
Edelherrj '''). 

Bei  niederen  Tieren,  spezieil  Krustazeen,  sciieiiien  die  (iewehssäfto  einen 
Körper  zu  enthalten,  der  nicht  wie  eine  Kinase,  sondern  wie  Thronihin  wirkt. 
Er  bedarf  aber  zu  seiner  \Virkun^-  der  Kalksalze  (L.  Loeh^),  Xolf''). 

C.  Quantitative  Bestimmung  des  Thrombingehaltes. 

Der  \ersuch  einer  quantitativen  Bestinimunj:;  des  Thronibinj^'ehaltcs 
kann  folgendes  bezwecken:  1.  Messung-  des  Thronibingehaltes  in  fjncr 
Lösung,  z.  B.  im  Serum  und  1\  Bestimm ung  der  bei  der  (lerinniing  über- 
haupt gebildeten  Thromljinnienge.  Diese  l)eiden  Dinge  sind  nicht  ich'iitisch; 
denn  ein  erheblicher  Teil  des  Thrombins  wird  ja  nach  vollendeter  (Gerin- 
nung schnell  unwirksam.  Der  Thrombingehalt  des  Serums  kann  also  nie 
einen  brauchi)aren  Indikator  weder  für  die  Gerinnungszeit,  noch  für  die 
während  der  (ierinnung  gebildeten  Thrombinmengen  abgeben. 

Man  mißt  den  Thrombingehalt  in  der  Art,  daü  man  die  Zeit  be- 
stimmt, die  eine  fibrinogenhaltige  Flüssigkeit  bis  zur  vollendeten  (Jerinnung 
braucht.  Starke  Thrombinmengen  wirken  natürlich  schneller  als  geringe. 
Ob  aber  eine  direkte  Abhängigkeit  der  Gerinnungszeit  von  der  Ferment- 
menge in  Form  einer  einfachen  Proportion  vorliegt,  ist  noch  unsicher,  fber 
das  Zeitgesetz  des  Fibrinferments  herrscht  nämlich  noch  keine  völlige 
Übereinstimmung  (vgl.  Fuld%  Martin%  L.  Locb^^). 

1.  Quantitative  Bestimmung  des  Thrombins  im  Serum  (nach 

WohlgciHuth^^). 

Eine  Reihe  von  Reagenzgläsern  wird  mit  absteigenden  Mengen  Serum 
beschickt,  die  Volumdifferenzen  mit  den  entsprechenden  Quantitäten  1"  oiger 
kalkfreier  Kochsaklösung   ausgegUchen    und    nun   zu   jeder   Portion  2  <ni^ 


^)  Wooldridge,  Über  intravaskuläre  Gerinnungen.  Aich. f.  Aiiat.  11.  Physiol.  Physiol. 
Abt.  S.  397  (1886).* 

-)  Bogys,  L'ber  Beeinflussung  der  Gerinnungszeit  des  Blutes  etc.  Deutscli.  Aroli. 
f.  klin.  Med.  Bd.  79.  S.  531)  (1904). 

')  Conrad i,  1.  c. 

■•)  Ä.  Köhler,  Über  Thrombose  und  Transfusion.  I.-D.  Dorpat  1877. 

')  EdeJberfi,  Ül)er  die  Wirknii-iron  des  Fibrinfermentes  im  Organismus.  Arch.  f. 
exper.  Pathol.  u.  Pharm.  Bd.  11.  S.  283  (18<S0). 

^)  L.  Loeb,  Über  die  Koagulation  des  Blutes  einiger  Arthropoden.  Ilofmtistfrs 
Beiträge.  Bd.  5.  S.  191  (1904)  und  Bd.  6.  S.  2()()  (1905). 

"')  Xolf,  La  coagulation  chez  les  crustaces.  Arcb.  intcrnat.  de  Pli\siol.  \  ..t  s  11  1 
S.  A.  (1909). 

*)  Fuld,  Über  das  Zeitgesetz  des  Fibrinferments.  Hofmeisters  Beitnigi-.  Bd.  2. 
S.  514  (1902). 

^)  Marti»,  Observations  upon  Fibrin-ferment  in  the  venoms  of  snakes  etc.  Jonrn. 
of  Physiol.  Vol.  33.  p.  207  (1905). 

'")  L.  Loch,  Einige  neuere  Arbeiten  über  die  Blutgerinnung  ln'i  Wirlicllosen  und 
Wirbeltieren.  Biociicm.  Zentralbl.  Bd.  6.  S.-A.  (19u7). 

")  U'ohh/cmitfh,  Eine  neue  Methode  zur  quantitativen  Hestiramung  des  Fibrin- 
fermentes etc.  Biochem.  Zeitsclir.  l!d.  27.  S.  79  (1910). 


280 


P.  Morawitz.  Die  Blutgerinnung. 


eines  nach  Ä.  Schmidt  bereiteten  Magnesiiimsulfatplasma  gesetzt.  Die  Gläs- 
chen kommen  auf  24  Stunden  in  den  Eisschrank.  Danach  überzeugt  man 
sich,  in  welchen  Gläschen  totale,  in  welchen  partielle  Gerinnung  einge- 
treten ist  und  welche  endlich  ganz  flüssig  geblieben  sind.  Man  bestimmt 
so  den  Grenzwert  der  koagulierenden  Kraft  einer  Thrombinlösung. 

Man  könnte  natürlich  auch,  wie  das  früher  ganz  allgemein  geschehen 
ist,  mit  größeren  Thrombinmengen  arbeiten  und  die  Zeit  bis  zur  vollen- 
deten Gerinnung  bestimmen.  Auch  auf  diese  Weise  muß  man,  falls  man 
stets  gleiche  Mengen  Serum  und  Fibrinogenlösung  nimmt,  brauchbare  Ver- 
gleichswerte erhalten.  Es  wäre  zu  untersuchen,  ob  die  Resultste  beider  Me- 
thoden sich  ungefähr  entsprechen. 

2.  Bestimmung  der  Kurve  der  Thrombinbildung  in  gerinnendem 

Blute  (nach  Ärthus^). 

Während  oder  kurz  vor  Beginn  der  Gerinnung  wird  der  Vorgang 
der  Fermentbildung  plötzlich  durch  Zusatz  von  Fluornatrium  unterbrochen. 
Das  Fluornatrium  wirkt  kalkfällend,  verhindert  also  die  Entstehung  neuer 
Fermentmengen,  nicht  aber  die  Wirkung  des  schon  gebildeten  Thrombins. 
Man  setzt  soviel  Fluornatrium  hinzu,  daß  dessen  Konzentration  im  Blute 
etwa  2 — 30/00  beträgt.  Ein  bestimmter,  stets  gleicher  Teil  des  entkalkten 
Blutes  wird  sofort  in  kalkfreie  Fibrinogenlösung  übertragen  und  die  Ge- 
rinnungszeit dieser  Lösung  bestimmt.  Falls  man  das  Verfahren  mit  mög- 
lichst zahlreichen,  gleichzeitig  oder  nahezu  gleichzeitig  gewonnenen  Blut- 
proben und  während  der  verschiedensten  Stadien  des  Gerinnungsvorganges 
wiederholt,  kann  man  eine  Kurve  der  Fermententstehung  während  der  Ge- 
rinnung konstruieren.  Nach  Arthiis  steigt  die  Fermentproduktion  nach  Ent- 
leerung des  Blutes  aus  den  Gefäßen  zunächst  langsam,  kurz  vor  der  Ge- 
rinnung aber  sehr  steil  an.  Auch  der  Abfall  nach  vollendeter  Koagulation 
erfolgt  rasch. 

3.  Quantitative  Schätzung  des  gesamten,  bei  der  Gerinnung 

gebildeten  Thrombins. 
Man  fängt  Blut  in  einer  Lösung  auf,  die  ein  Antifibrinferment  ent- 
hält, am  besten  Hirudin.  Das  Hirudin  hat  wahrscheinlich  (|uantitative 
Beziehungen  zum  Thrombin,  es  neutralisiert  eine  bestimmte  Menge  des 
Fermentes.  Je  mehr  Thrombin  sich  bildet,  um  so  größere  Mengen  Hirudin 
werden  auch  erforderlich  sein,  die  Gerinnung  zu  hemmen.  Ich  habe  ge- 
wöhnlich 6  cm^  Blut  in  5  Tropfen  {0-2b  cm^)  l°/ooiger  Hirudiulösung  auf- 
gefangen. Hierdurch  wird  die  Gerinnung  normalen  Blutes  deutlich,  wenn 
auch  nicht  sehr  stark  verzögert.  Bei  Hämophilie  und  anderen  hämorrhagischen 
Diathesen  zeigt  eine  sehr  starke  Verzögerung,  eventuell  sogar  Aufhebung 
der  Koagulation  an,  daß  man  es  nicht  mit  einer  verlangsamten,  wahr- 
scheinlich auch  quantitativ  ungenügenden  Fermeutl)ildung  zu  tun  hat. 

')  Ärthus,    Etüde    sur   la   productiou  du  Fibriufermeut   dans  le  sang  extrait  des 
vaisseaux.  C.  r.  Soc.  Biol.  T.  53.  p.  1024  (1901). 


Die  Yollstäiidige  Analyse  eines  24stün(ligen  l'i'ins. 

Von  Otto  FoUu,  Boston. 

Die  vollständige  Analyse  des  Urins  in  Verbindunii  mit  umfassender 
Stoffwechseluntersuchung  ist  etwas  verschieden  von  demjenigen  Analysen- 
gang,  bei  dem  nur  der  eine  oder  der  andere  Bestandteil  allein  berück- 
sichtigt wird.  Der  Experimentator  muß  mit  den  anzuwendenden  .Methoden 
natürlich  so  vertraut  sein,  dali  weder  Zeit  noch  Urin  durch  überflüssige 
Wiederholungen  der  Bestimmungen  verloren  gehen.  Wenn  der  Forscher  die 
nötige  Vertrautheit  und  Fertigkeit  in  der  Ausführung  der  betreffenden 
Methoden  besitzt,  kann  er  das  sonst  übliche  Vorgehen,  alle  Analysen 
doppelt  auszuführen,  vorteilhaft  unterlassen,  so  daß  die  Hälfte  des  I'rins 
und  beträchtlich  an  Zeit  gespart  werden.  Bei  Betrachtung  der  erhaltenen 
analytischen  Besnltate  ist  es  gewöhnlich  möglich,  festzustellen,  ob  irgend 
ein  wesentlich  anderes  Resultat  gezeitigt  wurde  als  dasjenige,  welches  unter 
den  Bedingungen  des  betreffenden  \'ersuches  zu  erwarten  war.  ..Tber- 
raschende"  Ph'gebnisse  müssen  dann  natürlich  durch  Wiederholung  der 
Analyse  nachgeprüft  werden.  Eine  solche  nachherige  Wiederholung  bildet 
eine  w^ertvoUere  Kontrolle  der  Richtigkeit  der  Analyse,  als  wenn  von  Anfang 
an  mechanisch  zwei  Bestimmungen  nebeneinander  ausgeführt  werden. 

Aufsamnielii  des  24stiincligen  Urins. 

Das  Sammeln  des  täglichen  Frins  sollte  an  irgend  eiiu'm  l)estimmten 
frühen  Morgen  beginnen,  so  daß  sich  der  Nachturin  immer  mit  dem  Harn 
des  vorhergehenden  Tages  findet.  Der  Grund  dafür  ist  der  Fmstand.  daß 
der  nächtliche  TTrin  durch  die  am  vorhergehenden  Tage  genossene 
Nahrung  wesentlich  beeinflußt  ist.  Für  das  zuverlässige  Sammeln  des 
Harns  sind  Verständnis  und  Sorgfalt  erforderlich.  r)ei  der  Defäkatiou 
der  Versuchsjjerson  muß  zu  gleicher  Zeit  der  Frin  getrennt  in  einem 
Becher  oder  einem  passenden  (tefäß  aufgefangen  werden.  Bei  einem  weili- 
lichen  Individuum  muß  das  Sanimelgefäß  in  zwei  Al)teilungen  geteilt  sein, 
um  eine  vollständige  Trennung  des  Frins  von  den  Fäzes  sicher  hewerk- 
steUigen  zu  können. 


282  Otto  Polin. 

Aufbewahrung  des  Urins. 

Wenn  der  Urin  richtig  konserviert  wird,  liann  er  in  den  meisten 
Fällen  fast  unbegrenzte  Zeit  lang  aufbewahrt  werden.  Die  einzige  Verän- 
derung, die  stattfindet,  ist  die  Umbildung  eines  Teiles  des  Kreatinins  in 
Kreatin.  Gewisse  Urine,  solche  von  Fieberkranken,  oder  Urine,  welche 
nicht  deutlich  sauer  sind,  können  nicht  aufbewahrt  werden  wegen  der 
Bildung  von  Urat-  und  Phosphatniederschlägen,  deren  Gegenwart  die 
Analysenresultate  beeinträchtigt.  Um  eine  wirksame  Konservierung  des 
Urins  zu  bewerkstelligen,  fügt  man  vorteilhaft  5 — 10  cm^  einer  lOVoigen 
Chlorofornilösung  von  Tliymol  zu  einer  24stündigen  Urinmenge.  Diese 
Lösung  sollte  in  die  Zweiliterflasche,  in  der  der  Harn  aufgefangen 
werden  soll,  vor  dem  Aufsammeln  gefügt  werden.  Es  ist  sehr  wünschens- 
wert, daß  man  jede  Urinmenge,  welche  entleert  wird,  unmittelbar  in  jener 
Flasche  aufsammelt.  Beiläufig  möge  erwähnt  sein,  daß  verunreinigter  Harn 
bereits  einige  Stunden  bevor  irgend  eine  bemerkenswerte  Vermehrung  seines 
Ammoniakgehaltes  wahrzunehmen  ist,  den  charakteristischen  Fäulnisge- 
ruch aufweist.  Durch  rasches  Vorgehen ,  d.  h.  durch  sofortige  Ausführung 
der  Säurebestimmung,  der  Ammoniak-,  Harnsäure  und  Kreatininbestimmung, 
in  genannter  Reihenfolge,  können  solche  Urine  gelegentlich  für  die  Analyse 
gerettet  werden.  In  derartigen  Fällen  sollte  man  eine  zweite  Am.moniak- 
bestimmung  nach  Verlauf  von  3 — 6  Stunden  ausführen.  Wenn  das  nun 
erhaltene  Resultat  mit  demjenigen  der  ersten  Bestimmung  übereinstimmt, 
ist  die  Zersetzung  des  Urins  noch  nicht  so  erheblich,  daß  die  anderen  ana- 
lytischen Ergebnisse  beeinträchtigt  sind. 

Bei  der  Analyse  des  Urins  kann  Zeit  und  Mühe  gespart  werden, 
wenn  man  die  Bestimmung  zu  richtiger  Zeit  und  in  zweckmäßiger  Reihen- 
folge vornimmt.  Beispielsweise  sollte  die  Säure-  und  Ammoniakbestimmung 
zuerst  ausgeführt  werden,  und  zwar  nebeneinander,  indem  man  dieselbe 
20  oder  25  cm^-Pipette  zum  Abmessen  des  Urins  benutzt.  Gleichfalls 
sollten  die  Gesamtstickstoff-  und  Harnstoffbestimmungen  zusammen  be- 
gonnen werden,  indem  man  auch  hierbei  zum  Abmessen  des  Urins  dieselbe 
5  c/w^-Pipette  verwendet.  Die  Harnsäurebestimmung  sollte  immer  am  ersten 
Tag  angefangen  werden,  denn  bei  vielen  Urinen  beginnt  die  Harnsäure 
bereits  am  Ende  des  ersten  Tages  oder  am  zweiten  Tage  auszufallen  und, 
wenn  dies  geschieht,  ist  es  praktisch  unmöglich,  zuverlässige  Zahlen  für 
die  Harnsäure  zu  erhalten. 

Im  Folgenden  findet  sich  eine  Beschreibung  der  Methoden  zur  voll- 
ständigen Analyse  des  Harns.  Sind  die  betreffenden  Methoden  schon  in 
früheren  Bänden  dieses  Handbuches  beschrieben,  dann  ist  auf  die  ent- 
sprechenden Seiten  verwiesen. 

Urinvolumen. 

Für  alle  Bestimmungen  genügen  750—800  cm^  Urin. 
Zum  Messen  der  täglichen  Urinmenge  sind  gewöhnliche  Meßzylinder 
genau  genug.    Zu  Untersuchungen,    die   mehrere  24stündige    Urinmengen 


Die  voUstäiuligc  Aualyse  eines  248tündigeu  Urius.  oc", 

beanspruchen,  ist  es  empfehlenswert,  vor  Beginn  der  Analyse,  in  Hinsirht 
auf  die  Berechnungen,  den  Harn  auf  ein  bestimmtes,  für  den  hetrcffendcn 
Fall  geeignetes  Mali  zu  verdiinnen.  Es  ist  dann  wünschenswert,  das  spezi- 
fische Gewicht  vor  und  nach  der  Verdiinnung  zu  nchnion. 

Spezifisches  Gewicht. 

Für  die  spezifische  (iewichtsbestiminung  des  l'rins  hat  man  gewöhn- 
lich kurze  Spezial-Areometer  gebraucht,  die  das  spezifische  (iewicht  von 
1000 — l'OüO  anzeigen.  Solche  Instrumente  werden  häufig  zu  niederen 
Preisen  an  Ärzte  verkauft.  Sie  sind,  wie  ich  gefunden  habe,  nur  für  looo, 
das  spezifische  Gewicht  des  Wassers,  genau  und  sind  äuberst  unzuverlässig 
bei  den  Graden,  bei  denen  in  unserem  Falle  die  Genauigkeit  am  häufigsten 
gebraucht  wird,  zwischen  1-015  und  1-035.  Es  sollte  ein  hoch  graduierter 
Areometer,  der  zwischen  1-000  und  l-OGO  anzeigt  und  mindestens  V,0  an 
lang  ist,  benutzt  werden.  Mit  einem  solchen  Areometer  kann  das  spezi- 
fische (iewicht  des  Urins  in  dem  Meßzylinder  genommen  werden,  in  dem 
das  Volumen  abgemessen  wird. 

Die  Gesanitazidität  des  Urins. 

In  den  letzten  Jahren  sind  mannigi'altige  Erörterungen  und  viel 
experimentelles  Material  über  die  Natur  der  Azidität  des  Harns  und  die 
Prinzipien,  die  diesen  Bestimmungen  zugrunde  liegen,  mitgeteilt  worden.  • ) 
Indessen  ist  bis  jetzt  noch  kein  Indikator  für  die  Titration  jener  Azidität 
vorgeschlagen  worden,  der  so  geeignet  ist,  wie  Phenolphtalein,  für  die 
Bestimmung  der  Gesamtmenge  der  freien  Säure  im  Urin. 

Die  Titration  der  Gesamtazidität  des  Urins  wird  wie  folgt  ausge- 
führt (Folin).-^) 

Zu  25  cni^  Urin,  in  einem  Erlenmeyerkolben  befindlich,  fügt  man  iH)// 
pulverisiertes,  genau  neutndisiertes  Kaliumoxalat  und  '2  oder  ;'»  Tropfen  einer 
P/oigen  alkoholischen  Phenolphtaleinlösung,  schüttelt  2  Minuten  lang  um 
und  titriert,  indem  man  noch  weiter  schüttelt,  mit  Zehntelnormal-Natron- 
lauge,  bis  eine  schwache  aber  unverkennbare  Kosafärbung  auftritt.  Dann 
wird  das  Resultat  auf  die  ganze  24stündige  Urinmenge  mit  Rücksicht  auf 
Zehntelnormal-Säure  umgerechnet. 

Die  zugefügte,  beträchtliche  Menge  Oxalat  dient  einem  doppelten 
Zweck.  Es  wird  dadurch  die  störende  Wirkung  des  Calciums  beseitigt,  und 


')  /i'.  Ilöber,  Die  Acidität  des  Harns  vom  Standpunkte  der  lonenlelire.  Hofmiixtera 
Beiträge,  Bd.  .S,  S.  525.  1V)Ü3.  —  //.  Ih-rfnr,  iMier  Ilarnaciditat.  Hofmeisters  Beitrage, 
Bd.  6.  S.  177.  1905.  —  L.  HduIo-soii  ,  Gloicliirowicht  zwischen  Bas(Mi  nnd  Säuron  im 
tierischen  Organismus.  Ergebnisse  der  riiysioh.gic,  Bd.  y.  S.  254.  l'.MJ'.l.  —  Derselbe. 
Zur  Kenntnis  des  lonengleicbgewichts  im  Organismus.  III.  Messungen  der  normalen 
Harnaciditat.  Biochomische  Zeitsclirift.  Bd.  24,  S.  40.  liHO. 

')  O.Folin,     riie    acidity    of    urino.     American    .lounial    of    i'l)>-i"lnL'\.    V<>I.  9 
p.  265.  1903. 


284  Otto  Fol  in. 

ferner  wird  der  schädliche  Einfluß  der  Ammoniaksalze  auf  ein  Minimum 
vermindert.  Der  letztere  Effekt  wird  zum  Teil  durch  Erniedrigung  der 
Temperatur  der  Lösung  hervorgerufen.  Durch  den  Zusatz  scheint  die  Hydro- 
lyse der  Ammonsalze  fast  gänzlich  verhindert  zu  sein.  Es  ist  wenigstens 
eine  Tatsache,  daß  eine  Ammoniumsalzlösung,  welche  mit  Kaliumoxalat  in 
beschriebener  Weise  gesättigt  ist,  sich  Phenolphtalein  gegenüber  fast  neutral 
verhält,  mehr  als  eine  ähnliche  Lösung,  welche  nur  abgekühlt  ist. 

Außer  der  Gesamtazidität  des  Urins  ist  es  manchmal  wünschenswert, 
die  Mineralazidität  zu  bestimmen  oder  das  Verhältnis  zwischen  an- 
organischen Säuren  und  anorganischen  Basen,  welche  sich  im  Urin  finden. 
Diese  Bilanz  könnte  natürlich  einerseits  durch  Bestimmung  des  gesamten 
Chlors,  Phosphors  und  Schwefels  und  andrerseits  durch  Feststellung  des 
gesamten  Natriums,  Kaliums,  Calciums  und  Magnesiums  ermittelt  werden. 
Einfacher  wird  sie  direkt  nach  folgender  Methode  bestimmt  (FoUn).'^) 

In  einer  Platinschale  wird  nicht  weniger  als  0"o  g  und  nicht  mehr 
als  0*6  g  reines,  trockenes ,  gekörntes  Kaliumkarbonat  genau  abgewogen. 
Nachdem  man  25  cm^  Urin  zugefügt  hat,  wird  die  so  erhaltene  alkalische 
Lösung  auf  einem  Sandbad  oder  einem  elektrischen  Ofen  zur  Trockene  ver- 
dampft. Wenn  der  Inhalt  der  Schale  völlig  trocken  ist,  wird  unter  Rot- 
glut über  einem  Radialbrenner,  welcher  breit  genug  ist,  um  die  ganze 
Grundfläche  der  Schale  zugleich  zu  erhitzen,  geglüht.  Das  Erhitzen  sollte 
ungefähr  noch  eine  halbe  Stunde  unterhalten  werden,  nachdem  bereits  alle 
sichtbaren  Ammoniakdämpfe  ausgetrieben  worden  sind.  Am  Ende  dieses 
Zeitpunktes  ist  immer  noch  Ammoniak  im  Rückstand  vorhanden.  Der  Rück- 
stand wird  jetzt  erkalten  gelassen  und  nun  durch  Zusatz  von  ungefähr  10  cm^ 
Wasser  gänzlich  durchfeuchtet.  Früher  benutzte  man  Wasserstoffsuperoxyd; 
jedoch  erfüllt  Wasser  denselben  Zweck.  Das  Wasser  löst  die  alkalische 
Schicht,  welche  die  organische  Substanz  bedeckt,  und  bewirkt  dadurch 
daß  gewisse  Stickstoffverbindungen,  die  bei  trockener  Hitze  beständig  sind, 
entbunden  werden.  Die  resultierende  Lösung  wird  jetzt  wieder  zur  Trockene 
verdampft  und  dann  wieder  eine  Stunde  lang  unter  Rotglut  mittelst  des 
Radialbrenners  erhitzt.  Danach  ist  der  Rückstand  noch  mehr  oder  weniger 
durch  unverbrannte  Kohle  schwarz  gefärbt,  aber  er  ist  jetzt  frei  von  Am- 
moniakverbindungen. Die  rückständige  Masse  wird  nun  sogleich  gelöst  und 
mit  Wasser  und  75 — 100  cm^  Zehntelnormal-Salzsäure  in  einen  Erlenmeyer- 
kolben  gespült.  Diese  Säuremenge  sollte  genügend  sein,  um  die  Lösung 
sauer  zu  machen.  Zu  der  sauren  Lösung,  die  ein  wenig  Kohle  suspen- 
diert enthält,  setzt  man  zwei  Tropfen  Phenolphtaleinlösung  zu  und  kocht 
dann  fünf  Minuten  lang,  um  die  Kohlensäure  zu  vertreiben.  Nach  Abküh- 
lung und  Zusatz  einer  geringen  Menge  (ungefähr  1  g)  neutralen  Kalium- 
oxalates  wird  die  Lösung  mit  Zehntelnormal-Natronlauge  bis  zu  einer 
schwachen,  aber  unverkennbaren  Rosafärbung  titriert.  Bis  auf  eine  (gering- 


^)  0.  Folin,    The    acidity    of   uriue.    American   Journal    of   Physiology,    Vol.  9. 
p.  265.  1903. 


Die  vollständige  Analyse  eines  24stiuuligen  Urins.  i)^5 

fügige)  Menge  von  suspendierter  Kohle  in  der  Lösung  nmli  der  Endpunkt 
der  Titration  klar  und  unverkennbai-  sein.  Wenn  erwünscht,  kann  die  Kohl<- 
durch  Filtration  entfernt  werden. 

Ehe  man  die  Resultate  der  Bestimmung  in  /ehntclnormal-Säure  um- 
rechnet, ist  es  natürlich  erforderlich,  den  Wert  des  zu  Beginn  der  Ojicra- 
tion  zugesetzten  Kaliumkarbonates   festzustellen.    Dies  wird  so  ausgeführt, 
daß  man   eine  geringe   bekannte  Menge   des  Salzes  mit  einem  fbcisdiuli 
von  Normalsäurc  erhitzt,  dann  abkühlt  und  titriert.  Der  Wert  des  Kalium- 
karbonats   plus    dem    des    Natriumhydrates,    das    bei    der    Kndtitration 
verbraucht  wird,  subtrahiert  von  dem  Wert,    welcher  der  zugefügten  Xor- 
malsalzsäure  entspricht,  repräsentiert   das  zwischen  anorganischen  Säuren 
und  anorganischen  Basen    (Metallen   im  Urin)  bestehende  \'erhältnis.   Die 
so  bestimmte  Miueralazidität  stellt  nicht  den  l'berschub  an  freier  Mineral- 
azidität dar,  welche  tatsächlich  in  dem  Harn  enthalten  ist.  Kin  Teil  dieser 
Azidität   ist  nämlich  durch  organische  Verbindungen   neutralisiert,  wie  sie 
in  den  organischen  Sulfaten  vorkommen.  Ein  anderer  und  beträchtlicherer 
Teil  ist  durch  Ammoniak  neutrahsiert.  Unter  Berücksichtigung  dieser  für 
Ammoniak  und  für  die  organischen  Sulfate  in  Betracht  kommenden  Werte 
wird    die    freie   Mineralazidität    des   Urins    bestimmt.    Zur    Berichtigung 
des  Wertes   für   die   organischen  Sulfate  macht  Folln  die  empirische  An- 
nahme,   daß    sowohl    die    ..ätherischen"    Sulfate    als    auch    der    ..neutrale 
Schwefel"    als    Schwefelsäure    anwesend    sind,    in    der    eine    Hälfte    der 
Azidität   durch   organische  Verbindungen  neutralisiert    ist.   Da   luni   diese 
organischen  Verbindungen   während   des  Glühens  zerstört   werden,   würde 
eine   Hälfte   der  Azidität   frei   gemacht,    die   sich   aus    der   Schwefelsäure 
des  neutralen  Schwefels   und    der  ätherischen  Sulfate,    wie  sie  gewöhnlich 
bestimmt  werden,  berechnet. 

Ammoniak. 

Im  Zusammenhang  mit  systematischen,  vollständigen  Harnanalysen 
ist  es  wichtig,  nur  Methoden  zu  gebrauchen,  welche  ein  Minimum  an  Zeit 
erfordern.  Die  Folin?>c\iQ  Luftstrom methode  zur  Bestimmung  des  Ammo- 
niaks entspricht  dieser  Anforderung  (vgl.  Bd.  HI  dieses  Werkes,  2.  S.  T«Ui) 
und  ist  außerdem  im  ganzen  zuverlässiger  als  irgend  eine  andere  Methode, 
wenn  man  einmal  mit  dem  in  dem  betreffenden  Laimratorium  zur  \'erfügung 
stehenden  Luftstrom  genau  vertraut  geworden  ist. 

Über  den  Gebrauch  dieser  Methode  sind  die  folgenden  Mitteilungen 
beachtenswert.  Es  ist  erforderlich,  daß  die  Genauigkeit  der  Methode  für  einen 
bestimmten  Apparat  und  Luftstrom  gründlich  ausgeprüft  ist.  Dies  sollte  so 
ausgeführt  werden,  daß  man  das  Ammoniak  in  dem  erhältlichen,  reinsten 
Ammoniumsulfat  bestimmt  und  die  Kesultate  durch  Destillation  nach  der 
gewöhnlichen  Kjeldahl-Methode  nachprüft.  Andere  Ammoniuinsal/e.  wie  zum 
Beispiel  die  Chloride,  sollten  für  diesen  Zweck  nicht  benutzt  werden,  ilenn 
sie  enthalten  fast  immer  Pyridinbaseu,  welche  bei  der  Destillation  mit  über- 


286 


Otto  Folin. 


gehen  wüi-den   und    als  Ammoniak   zur  Titration   kämen.   Je  geringer  das 
Volumen  ist,  welches  man  braucht,  je  schneller  und  leichter  wird  das  Am- 
moniak  durch   den  Luftstrom    übergetrieben.    Bei  einem 
Fig.  88.  ziemlich  schwachen  Strom  sind  20  cm^  Urin  25  cm ^  vor- 

zuziehen. Es  ist  kaum  nötig,  die  Luft  mit  Schwefelsäure 
zu  waschen ,  wie  es  Klercker  empfiehlt  (vgl.  1.  c.  S.  766), 
da  die  gebrauchte  Luft  meistens  Außenluft  ist  oder  mit 
Wasser  gewaschen  wird,  indem  sie  die  Luftpumpe  passiert. 
Für  das  früher  angegebene  Absorptionsrohr  (vgl.  1.  c. 
S.  766,  Fig.  259)  sollte  man  die  im  Folgenden  angeführte, 
verbesserte  Form  benutzen. 

Harnstoff. 

Folins  Methode  (Bd.  III  dieses  Werkes,  2,  S.  778). 
Wenn  diese  Methode  richtig  ausgeführt  wird,  gibt  sie 
sehr  zuverlässige  Resultate.  Die  beiden  Hauptfaktoren, 
welche  beachtet  werden  müssen,  sind:  erstens,  daß  das 
Erhitzen  so  lange  fortgesetzt  wird,  bis  aller  Harnstoff  zer- 
setzt ist:  zweitens,  daß  die  Destillation  so  reguliert  wird,  daß  sie  eine 
volle  Stunde  durchgeführt  werden  kann,  ohne  daü  der  Inhalt  des  Destil- 
lationskolbens trocken  wird.  Die  im  Folgenden  angegebene,  bis  jetzt  noch 
nicht  veröffentlichte  Modifikation  der  ursprünglichen  Methode  erleichtert 
die  Bestimmung. 

Für  die  Zersetzung  ist  eine  Temperatur  von  ungefähr  150"  erfor- 
derhch.  Bei  dieser  Operation  bedient  man  sich  vorteilhaft  etwas  Chlorjod- 
quecksilbers, HgClJ.  Diese  Substanz  ist  deshalb  außerordentlich  empfehlens- 
wert, da  sie  ein  Indikator  für  die  Temperatur  in  Verbindung  mit  der 
Zersetzung  des  Harnstoffes  ist.  Chlorjodquecksilber,  HgClJ,  ist  ein  hellrotes 
Pulver,  welches  bei  1250  gelb  wird  und  bei  153"  schmilzt.  Es  wird  dar- 
gestellt, indem  man  in  einem  geschlossenen  Rohr  molekulare  Mengen  reinen 
Chlorquecksilbers  und  Jodquecksilbers  6 — 8  Stunden  lang  auf  ungefähr  160° 
erhitzt.  1)  Das  pulverisierte  Produkt  wird  dann  in  kleinen  Glaskolben 
(Jena-Glas)  von  ungefähr  0'5  cm^  Inhalt  verschlossen  aufbewahrt.  Wenn 
richtig  ausgeführt,  kann  man  solche  Gefäße  unbegrenzt  lange  benutzen, 
um  die  Temperatur  153"  anzeigen  zu  lassen. 

In  einem  Kjeldahlkolben  (von  500  cm'i  Inhalt)  werden  nun  5  cin^ 
Urin  eingemessen  und  20  g  Magnesiumchlorid,  2 — 5  cm^  konzentrierte  Salz- 
säure, ein  kleines  Stück  Paraffin  und  einige  Tropfen  roter  Alizarinlösung  zu- 
gesetzt. Der  Mischung  wird  schließlich  in  das  oben  beschriebene  Glaskölbchen, 
das  als  Temperaturanzeiger  dient,  zugefügt.  Der  Kolben  wird  nun  in  auf- 
rechter Stellung  über  eine  passende  Flamme  gebracht.  Das  überschüssige 
Wasser  wird  abgedampft.  Die  Mischung  wird  nach  und  nach  heißer,  bis  der 


1)  Köhler,  Über  Quecksilberclilorjodid.  Ber.  Chem.  Ges.,  Bd.  12,  S.  1187,  1879. 


Die  vollständige  Analyse  eines  248tüniligcn  Urins.  287 

Indikator  im  Glaskölltclien  zunächst  gelb  wird  und  schliflllicli  schmil/t. 
Dieses  Stadium  sollte  in  ungefiihr  IT)  Minuten  erreicht  werden,  und  zwar 
so,  daß  die  Mischung  dann  noch  sauer  reagiert. 

Von  diesem  Punkte  an  handelt  es  sich  nur  noch  um  die  Art  und 
AVeise  des  Erhitzens,  damit  —  während  ein  und  einer  halhen  Stunde  laut;  — 
kein  Wasser  mehr  entweicht  und  die  noch  vorhandene  Salzsäure  zurück- 
bleibt. Ein  gewöhnlicher  Kühler  wird  natürlich  am  besten  diesem  Zwecke 
dienen.  Wenn  ein  solcher  Kühler  benutzt  wird,  ist  es  vorteilhaft,  das  Er- 
hitzen vorher  einige  Minuten  länger  fortzusetzen,  damit  das  Wasser  ent- 
weicht, welches  im  oberen  Teil  des  Kjeldahlkolbens  zurückgelilieben  ist.  Ehe 
man  die  Verbindung  mit  dem  Kühler  herstelllt,  fügt  man  noch  zwei  oder 
drei  Tropfen  konzentrierter  Salzsäure  zu. 

An  Stelle  eines  gewöhnlichen  Kühlers  kann  man  sich  eines  Keagenz- 
rohres  von  20  cm  Länge,  das  mit  kaltem  Wasser  gefüllt  ist,  bedienen. 
Indem  man  dieses  Reagenzglas  am  Halse  des  Kolbens  mittelst  eines 
Korkes  befestigt,  so  daß  eine  Hälfte  davon  sich  außerhalb  des  Halses 
des  Kjeldahlkolbens  befindet,  kann  man  die  Operation  ohne  Mühe  beenden, 
vorausgesetzt,  daß  die  Flamme  so  reguliert  wird,  daß  die  Mischung  nicht 
zu  stark  siedet.  Sollte  das  Produkt  in  dem  Kolben  rot  werden,  so  müßte 
mnn  tropfenweise  Salzsäure  hinzufügen,  bis  die  Lösung  wieder  gelb  ist. 

Nach  Verlauf  von  anderthall)  Stunden  wird  das  Erhitzen  unterbrochen 
und  der  Kolben  etwas  abgekühlt.  Hiernach  ^Yerden  350 — 400  cni^  Wasser 
(am  besten  heißes  Wasser)  und  L5 — 20  cm^  lOVoigt'i'  Natronlauge  zuge- 
fügt. Nachdem  darauf  das  Ammoniak  überdestilliert  worden  ist ,  wird  ge- 
kocht, dann  abgekühlt  und  titriert.  Die  Destillation  sollte  mindestens  eine 
Stunde  unterhalten  werden,  da  das  Ammoniak  selten  in  kürzerer  Zeit  völlig 
übergetrieben  wird. 

Die  erhaltene  Menge  des  Harnstoffstickstoffs  sollte  zunächst  in 
Prozent  des  gesamten  Stickstoffs  ausgerechnet  werden.  Wenn  die  24stün- 
dige  Menge  des  Gesamtstickstoffs  mehr  als  12  (j  beträgt,  sollte  der  Prozent- 
gehalt des  Harnstoffstickstoffs  nicht  weniger  als  87Vo  betragen.  Wenn  der 
Stickstoff  viel  mehr  als  12  (j  ausmacht,  sollte  der  Prozentgehalt  desselben 
als  Harnstoff  noch  höher  sein.  Andrerseits,  wenn  der  Gesamtstickstoff 
sehr  niedrig  ist  (4 — 7  (/),  kann  der  Prozentsatz  des  Harnstoffstickstoffs 
bis  auf  GO"/o  oder  weniger  sinken.  ^) 

Gesanitstickstoff. 

Vgl.  Bd.  III  dieses  Werkes,  S.  2:10. 

Kreatin  und  Kreatinin. 

\'ul.  Dd.  HI  dieses  Werkes,  2,  S.  7S7. 


')  0.  FoHh,  Approximativ  complote  analyses  of  tliirty  , normal'  nrines.  Amoricaa 
Journal  of  Physiology.  Vol.  13,  S.  CC,  l'.IUö. 


288  Otto  Fol  in. 


Harnsäure. 

(Vgl.  Fol  ins  xMethode:  Dieses  Handbuch,  Bd.  III,  2,  S.  889.) 
Die  Harnsäurebestimniuno-  sollte  an  dem  Tage  beginnen,  an  dem 
der  Harn  gesammelt  ist.  Wenn  aber  einmal  mit  Ammoniumsulfat  und 
Ammoniak  beiseite  gesetzt  ist,  schadet  es  nicht,  wenn  die  Bestimmung 
erst  nach  einigen  Tagen  beendet  wird.  Zweitägiges  Stehenlassen  ist  übrigens 
empfehlenswert.  Wenn  mehrere  aufeinanderfolgende  24stiindige  Harn- 
mengen zu  analysieren  sind,  kann  der  letzte  Teil  der  Bestimmung,  das  ist 
die  Ultration  und  Titration,  vorteilhaft  verschoben  werdeu,  bis  wenigstens 
fünf  oder  sechs  Bestimmungen  zusammen   vorgenommen   werdeu   können. 

Purinbasen. 

Die  beste  zu  Gebote  stehende  Methode  für  die  Bestimmung  der 
Purinbasen  im  Urin  ist  wahrscheinlich  diejenige  von  Krüger  und  Schuld 
(Bd.  III,  2,  S.  886).  Selbst  diese  Methode  ist  aber  nicht  so  zuverlässig, 
wie  es  wünschenswert  wlire.  Ein  befriedigender  Beweis  dafür,  daß  die 
Stickstoffkolloide  des  Harns  nicht  zum  Teil  als  Purinbasen  bestimmt 
werden,  ist  noch  nicht  geliefert  worden.  Es  ist  auch  möglich,  daß  unter 
Umständen  die  Summe  der  Harnsäure  und  der  Purinbasen,  die  durch  diese 
Methode  erhalten  wird,  geringer  ist  als  der  W^ert,  welcher  sich  für  die 
Harnsäure  allein  nach  der  oben  angegebenen  Ammoniumsulfatmethode  ergibt. 
Da  ferner  die  Bestimmung  mehr  als  ein  Viertel  der  gesamten  24stündigen 
Urinmenge  verlangt,  paßt  diese  Methode  nicht  sehr  gut  in  den  Plan  der 
vollständigen  Harnanalyse,  den  wir  in  diesem  Kapitel  verfolgen.  Weitere 
Modifikationen  der  Methode  zwecks  einer  allgemeineren  Anwendung  sind 
sehr  nötig. 

Anorganische  Sulfate,  ätherische  Sulfate  und 
„neutraler"  Schwefel. 

Bei  der  Bestimmung  der  Sulfate  im  Urin  werden  die  zuverlässigsten 
Resultate  erhalten,  wenn  man  die  anorganischen  Sulfate  direkt  nach  der 
i^o^mschen  Methode  ermittelt  (Bd.  III,  2,  S.  799).  Die  gesamten  Sulfate 
sind  vielleicht  am  leichtesten  zu  bestimmen  nach  der  zweiten  FoUn^ohQYi 
Methode,  welche  in  demselben  Band  (S.  799)  beschrieben  ist.  Die  Sal- 
kouskische  Methode  (S.  797)  ist  auch  gebrauchsfähig,  aber  es  sollten  bei 
Anwendung  dieser  Methode  folgende  Vorsichtsmaßregeln  beobachtet  w^erden: 
Erstens  ist  es  besser,  den  Urin  nicht  auf  dem  Wasserbade  zu  erhitzen, 
ehe  man  vom  Baryumsulfat  abfiltriert ;  zweitens  ist  es  nicht  ratsam,  das 
Baryum Sulfat  feucht  mit  Alkohol  zu  waschen,  da  sonst  etwas  von  dem 
Niederschlag  durch  das  Filter  geht;  drittens  sollten  immer  Gooch-Tiegel 
für  Sulfatbestimmungen  benutzt  werden,  und  viertens  geben  25  cm^  Urin 
ebenso  genaue  Resultate  für  Sulfate  als  100  cm^ 


Die  vollständige  Aualyse  eines  24stnndigeii  Urins.  o^f) 

Die  Men^e  der  Totalsulfato  iiiiiiiis  derjeiiii,^en  der  aiiorf^anischen  Sul- 
fate ergibt  die  ätherischen  Sulfate. 

Der  Oesanitschwefel  niiiiiis  desjenigen  der  (iesanitsulfate  izua  <kii 
sogenannten  Neutralschwcfel. 

Alle  die  verschiedenen  Fraktionen  sollten  aiit  Schwefel  uni^^erechnct 
werden  und  nicht  auf  SO3  oder  H^SO^. 

Gesamtscliwefel. 

Jede  der  Xatrinniporoxyd-Methoden.  die  auf  S.  70')  Im;.  J5(1.  HJ.  2 
dieses  Handbuches  beschriel)en  worden  sind,  gibt  ziemlich  genant-  llcsnl- 
tate.  Das  von  Folin  angegebene  Verfahren,  S.  79().  gibt  gewib  zuwr- 
lässige  Eesnltate,  vorausgesetzt,  daß  der  Baryuinsulfatniederschlag  zwei 
Tage  vor  der  Filtration  gestanden  hat. 

Benedicts  Methode  ^),  die  durch  Denis  -)  modifiziert  wurde,  ist  ge- 
eigneter als  irgend  eine  der  I'eroxydmcthodcn  und  scheint  ebenso  genaue 
Resultate  zu  geben  wie  das  Fo/i«sche  Verfahren.  Diese  Methode  wird  wie 
folgt  ausgeführt. 

Zu  20  cm^  Urin,  welche  sich  in  einer  l'or/ellanverdauiiifunL'^s- 
schale  von  ungefähr  12  cm^  Durchmesser »)  befinden,  fügt  mau  mittelst 
einer  Pipette  oder  Bürette  5  cm^  einer  Lösung,  die  2;")%  Kupfernitrat 
(kristall.),  25  cw^  Natriumchlorid  und  1()'^  „  Ammoniumuitrat  enthält.  Ks 
wird  auf  dem  Dampfbad  oder  über  einer  kleinen  Flamme  zur  Trockene 
verdunstet,  dann  gelinde  mit  einer  schwachen  Flamme  erhitzt  und  nun 
allmähg  der  Gasstrom  verstärkt,  bis  die  Schale  zur  IJotglut  erhitzt  ist. 
Die  letztere  Temperatur  wird  10 — lö  Minuten  unterhalten.  Man  lälU  nun 
abkühlen  und  fügt  10 — 20  cm'^  U)^'qVJ,^y  Salzsäure  hinzu.  Nachdem  man 
einige  Minuten  gelinde  erwärmt  hat,  resultiert  eine  klare  Lösung.  Man 
gießt  jetzt  in  einen  Erlenmeyerkolben  von  200  cm«  Inhalt,  füllt  mit  Wasser 
bis  100  oder  150  em^  auf,  erhitzt  bis  zum  Kochen  und  fügt  tropfenweise 
25  cm^  einer  lO^/oigen  Baryumchloridlösung  hinzu.  Dann  läßt  man  einige 
Stunden  stehen  und  filtriert  hierauf  in  einem  tarierten  Gooch-Tiegel.  Es 
muß  ein  Knntrollversuch  mit  \{)  on'^  der  oxydierenden  Lösiuilt  ausgeführt 
werden,  da  Kupfernitrat  gewöhnlich  Spuren  von  Sulfat  enthält.  Die  Menge 
des  so  gefundenen  Sulfates    muß  beim  Endresultat  berücksichtigt  werden. 


o'- 


liidikan. 

Die  (luantitativen  Methoden,  welche  für  die  Bestimmung  des  Indikans 
vorgeschlagen  wui-deu.  sind  ungeeignet,  weil  sie  mehrere  Hunderte  Kubik- 


*)  S.  R.  Benec/icf,  The  estiniation  nf  total  sulpiiiir  in  urino.  .lonrniil  of  Bioloiricnl 
Chemistry.  Vol.  6.  p.  3()3.  1905). 

2)   IV.Dciiifi,    Tlio  (Ictorniination  of  total  sulpluir  in   iirino.    .I..urn:il  d   liiological 

Chomistry.   Vol.  8.  p.  4Ü1.    IDIU. 
*)  Ungefähr  4'5  Zoll. 

Abderhalden.  Handbuch  der  bicchcmischen  Arboitiincthrdon.  V.  ]'^ 


290  Otto  Folin. 

Zentimeter  Urin  erfordern  (vgl.  Bd.  III,  2,  S.  843).  In  Ermangelung  irgend 
einer  exakten  quantitativen  Methode  wird  das  folgende  Verfahren  (Folin), 
trotzdem  es  noch  unvollkommen  ist.  in  Amerika  ausschließlich  gebraucht. 
Es  gibt  immerhin  wertvollen  Aufschluß. 

Zu  einem  Hundertstel  der  24stündigen  Urinmenge,  in  einem  Reagenzrohr 
(von  25—30  crn^  Inhalt)  befindlich,  fügt  man  2  cni^  einer  lOVoigen  Kupfer- 
suifatlösung  und  5  cm^  Chloroform  hinzu.  Dann  füUt  man  das  Reagenzglas 
mit  konzentrierter  Salzsäure  und  schließt  die  Öffnung  des  Rohres  mit  dem 
Daumen  (Gummihütchen),  stülpt  einigemal  um,  bzw.  man  wartet,  bis  die 
Chloroformschicht  die  intensivste  Farbe  erreicht  hat.  Der  Farbenton  wird 
dann  mit  demjenigen  der  Fehlingschen  Lösung  verglichen,  die  man  als 
Standardlösung  gebraucht  und  die  mit  dem  Wert  100  bezeichnet  wird. 
Der  Vergleich  wird  so  ausgeführt,  daß  man  10  cni^  einer  frischen  Fehling- 
schen Lösung  in  ein  zweites  Reagenzglas  von  derselben  Größe  gießt  und 
dann  die  zwei  Reagenzgläser  nebeneinander  hinter  einem  Schirm  hält,  so 
daß  nur  die  Chloroformschicht  am  Grunde  des  ersten  Reagenzglases  und  ein 
entsprechender  Teil  des  zweiten  Reagenzrohres  unter  dem  Schild  sichtbar 
sind.  Wenn  die  blaue  Farbe  der  Fehlingsdien  Lösung  tiefer  ist  als  die 
der  Indikanlösung,  wird  die  erstere  Probe  mit  einer  abgemessenen  Menge 
Wasser  verdünnt,  bis  die  beiden  Färbungen  annähernd  gleich  sind.  Wenn 
die  Chloroformlösung  die  intensivere  Farbe  zeigt,  wird  ähnlich  wie  vorher 
mit  einer  abgemessenen  Menge  Chloroform  verdünnt.  Die  für  das  Indikan 
so  erhaltenen  Werte  werden  einfach  mit  20,  50,  100,  125  etc.  ausgedrückt. 

Es  ist  unmöglich,  diese  Farbvergleichung  exakter  zu  gestalten.  Wenn 
man  die  Farbe  der  Indikanlösung  mittelst  eines  Kolorimeters  prüft,  ist  sie 
sehr  verschieden  von  derjenigen  der  Fehlingschen  Lösung,  selbst  wenn 
sie  rein  blau  erscheint. 

Phosphate. 

Die  volumetrische  Bestimmung  der  Phosphorsäure  im  I^rin  durch 
direkte  Titration  mit  einer  Normal-Uranlösung  ist  leicht,  schnell  und  ge- 
nügend genau  auszuführen,  wenn  man  die  erforderlichen  Normallösungen 
zur  Hand  hat. 

Die  Substanz,  welche  als  Ausgangsmaterial  für  die  Darstellung  der 
Normallösungen  am  geeignetsten  ist,  ist  unzweifelhaft  das  zweifachsaure 
Kaliumphosphat,  KH2PO4.  Es  scheint  schwierig  zu  sein,  dieses  Salz  käuf- 
lich rein  zu  erhalten,  aber  es  wird  leicht,  wie  folgt,  in  reinem,  kristalli- 
nischem Zustande  gewonnen : 

Zu  200  cm^  Wasser,  in  einem  Literbecherglas  befindlich,  fügt  man 
100  g  reiner,  konzentrierter  Phosphorsäure  (Höo/o)  und  einige  Tropfen 
Methvlorangelösung.  Man  erhitzt  die  Lösung  auf  ungefähr  90''  und  setzt 
dann  nach  und  nach  reines,  wasserfreies  Kaliumkarbonat  hinzu,  bis  die 
Lösung  die  deutliche,  rote  Färbung,  welche  sie  der  freien  Phosphorsäure 
verdankt,   zu  verlieren  beginnt.    Wenn   dieser  Punkt  erreicht  ist,  versetzt 


Dio  vollständige  Analyse  eines  24stiindige»  rrin>.  4>qi 

man  noch  mit  otwas  riiosphorsiUire  (1 — 8  cm^),  diimit  siclior  ein  t^oriiiL"!- 
Überschuß  an  Säure  vorhanden  ist.  An  der  wurmen  liösun;,»-  füj?t  man  huu- 
sam  unt(M-  Umrühren  ungefalir  100  cm^  Alkohol  hiii/u.  kühlt  einige  Minuti-u 
lang  unter  tlieliendem  Wasser  und  filtriert  dann  dnrch  einen  Üüchner- 
trichter  ab.  Man  wäscht  nun  mit  Alkohol  4-  oder  ömal  nach  und  trocknet 
zwischen  Filtrierpapier.  Ausbeute  110—120^.  Das  so  erhaltene  kristalli- 
nische Salz  ist  reines  Kilo  ro^  und  enthält  kein  Kristallwasser.  I)ie  daraus 
bereiteten  Standard-l'hosphatlösungen  bleiben  fast  unbeschränkt  unverändert. 

Eine  Lösung,  welche  2  mg  Phosphor  (P)  auf  1  cm^  enth.dt.  wird  ge- 
wonnen, indem  man  8-78^  KH2PO4  in  Wasser  löst  und  dann  zum  Liter 
auffüllt. 

Die  Standard-Uranlüsung  wird  am  besten  aus  reinem  l'ranazetat 
dargestellt.  Mau  löse  30  g  in  ungefähr  1  /  Wasser,  füge  öO  cm^  Eis- 
essig hinzu  und  lasse  die  Lösung  einige  Tage  lang  stehen,  so  daß  sich  die 
ungelöste  Substanz  zu  Boden  setzt.  Man  ziehe  nun  die  klare,  oben  auf- 
schwimmende Lösung  so  vollständig  wie  möglich  ab.  Diese  Lösung  muli 
jetzt  so  eingestellt  werden,  daß  25  cm^  der.selben  genau  gleich  2örw<3  der 
obigen  Phosphatlösung  entsprechen,  so  daß  1  cm^  2  nifj/  P  entspricht.  I  )ie 
erforderliche  Titration  wird,  wie  folgt,  ausgeführt:  Man  mißt  2ö  cm^ 
Phosphatlösung  in  einen  200  cw^-Erlenmeyerkolben  und  setzt  25  cni^ 
einer  Lösung  hinzu,  welche  ungefähr  6^  Natriumchlorid,  4  f/  Kaliumchlorid. 
lg  x\mmoniumchlorid  und  10g  Natriumazetat  pro  Liter  enthält.  Nun  wird 
die  verdünnte  Phosphatlösung  zum  Sieden  erhitzt  und  während  sie 
noch  heiß  ist,  in  die  Uranlösung  aus  einer  Püirette  zufließen  gelassen,  bis 
zwei  Tropfen  der  heißen  Mischung,  die  man  mittelst  eines  in  eine  Spitze 
ausgezogenen  Glasrohres  entnommen  hat,  auf  einer  Porzellanplatte  mit  ein 
wenig  pulverisiertem  Ferrocyankalium  eine  schwache,  aber  deutlich  rötliche 
Farbe  hervorrufen.  I'nter  Zugrundelegung  der  Titrationswerte  wird  die 
Uranlösung  verdünnt,  so  daß  sie  genau  der  Phosphatlösung  entspricht. 

Zur  Bestimmung  der  Phosphate  im  Urin  mißt  man  50  cm^  in  einen 
Erlenmeyerkolben,  erhitzt  zum  Sieden  und  titriert  wie  vorher  bei  der 
Phosphatlösung,  d.  h.  bis  zwei  Tropfen  der  Mischung  mit  etwas  pulveri- 
siertem Ferrocyankalium  die  Anwesenheit  einer  Spur  unverbrauchten  Uran- 
azetates  anzeigen.  Wenn  bereits  zuviel  Uranazetat  vorhanden  ist,  kann  die 
Titration  noch  so  durchgeführt  werden,  daß  man  2  r//r'  der  Standard- 
Phosphatlösung  zufügt  und  nach  dem  Erhitzen  bis  zum  Sieden  wieder 
mit  der  Uranlösung  titriert. 

Chlor. 

Volhardsche  Methode.  Diese  ausgezeichnete  und  genaue,  allgemein 
gebräuchliche  Methode  ist  jeder  anderen  für  die  Bestimmung  des  Chlors 
im  Urin  überlegen. 

Erforderliche  Lösungen: 

1.   "^-Silbernitrat  (K*)'.)*»^  im  Liter). 

19» 


ö 


292  Otto  Fol  in. 

2.  ^-x\mmoniiimthiocyanat.  Es  werden  8 — 9(/  des  reinen  Salzes  in 
1000 — llOOcms  Wasser  gelöst.  Diese  Lösung  wird  dann  unter  Zuhilfe- 
nahme der  Titration  mit  der  Silbernitratlösung  und  durch  Hinzufügen  der 
erforderlichen  Menge  Wasser  zehntelnormal  gemacht. 

'6.  Eisenalaun  (gesättigte  Lösung). 

4.  Salpetersäure  (1  Teil  konzentrierter  HNO3  und  3  Teile  Wasser). 
Mau  muß  aufkochen,  um  die  Stickstoffoxyde  zu  entfernen  und  dann  vor 
Licht  geschützt  aufbewahren. 

Die  Titration  wird,  wie  folgt,  ausgeführt: 

Man  mißt  10  cm^  Urin  in  einen  100  cy>^ 3.  Stöpselkolben  (Glas)  und 
fügt  20 — 30  cm 3  Wasser,  20  cw^^  Salpetersäure,  2  cm»  Alaunlösung  und 
20  a» 3  Silbernitratlösung  in  genannter  Reihenfolge  hinzu.  Man  schüttelt 
nun  ein  wenig,  damit  sich  der  Chlorsilberniederschlag  zusammenballt.  Jetzt 
füllt  man  den  Meßkolben  bis  zur  Marke  mit  Wasser.  Dann  wird  zuge- 
stöpselt, und  der  Kolben  einige  Male  umgedreht,  damit  sich  die  Flüssigkeit 
vollständig  mischt.  Man  gießt  darauf  durch  ein  trockenes  Filter  und  ent- 
nimmt mit  einer  Pipette  50  cni^  für  die  Titration.  Der  Überschuß  des 
Silbernitrates  wird  mit  der  ^-Thiocyanatlösung  titriert.  Der  Endpunkt, 
eine  rötliche  Färbung,  ist  sehr  scharf. 

Dieses  Verfahren  schließt  eine  kleine  üngenauigkeit  ein  wegen  des 
Volumens,  welches  der  Chlorsilberniederschlag  in  dem  Meßkolben  ein- 
nimmt, aber  sie  ist  so  gering,  daß  sie  vernachlässigt  werden  kann. 

Anstatt  den  Überschuß  des  Silbernitrates  in  einer  filtrierten  Portion 
der  Mischung  zu  titrieren,  kann  man  auch  das  Ganze  in  Gegenwart  des 
Silberchlorids  titrieren.  Dieses  Verfahren  erfordert  keinen  Meßkolben  und 
erspart  auch  die  Filtration.  Diese  vereinfachte  Methode  ist  aber  weniger 
genau  und  gibt  Werte,  welche  1 — 5Vo  zu  niedrig  sind. 

Natrium  und  Kalium. 

Lehmann,  Bunge,  Salkowski,  Munk  und  Neumann  haben  Zusatz 
verschiedener  Reagenzien  zum  Urin  empfohlen,  ehe  Verdampfung  und 
Oxydation,  die  für  die  Bestimmung  des  Natriums  und  Kahums  erforder- 
lich sind,  vorgenommen  werden.  Das  einfache  Verfahren,  den  Urin  zu  ver- 
dampfen und  zu  veraschen  ohne  irgend  einen  Zusatz,  ergibt  aber  auch 
durchaus  befriedigende  Resultate. 

Man  verdampfe  50  cm^  Urin  in  einer  Platinschale  (von  ungefähr 
250  cw?3  Inhalt)  zur  Trockene ,  erhitze  den  Rückstand  eine  Stunde  lang, 
anfangs  sehr  vorsichtig,  bis  zur  schwachen  Rotglut  über  einem  Radialbrenner 
(wie  es  bei  der  Mineralazidität-Bestimmung  beschrieben  ist,  vgl.  S.  284).  Man 
kühlt  nun  ab,  setzt  20  c/h^  Wasser  hinzu,  verdunstet  und  erhitzt  wieder 
eine  Stunde  lang  über  dem  Radialbrenner  bis  zur  schwachen  Rotglut.  Es 
bleibt  dann  nur  eine  geringe  Menge  Kohle  zurück.  Jetzt  löse  man  die 
Salze  in  heißem  Wasser  und  einigen  Tropfen  Salzsäure.  Dann  füge  man 
einen  Überschuß   von   gesättigter   Baryumhydratlösung  hinzu   und   erhitze 


Die  vollständige  Analyse  eines  24standifreM  Urins.  <K)'^ 

zum  Sieden.  Hierdurch  werden  Ca,  Mg,  Hjl'O^  und  HjSOi  ult^^eschiedcu. 
Es  wird  auf  einem  (iooch-Ticfiel  filtriert  und  mit  lieiLtcm  Wasser  aus- 
gewaschen. Der  Übersehul)  an  Ilarviim  wird  nun  /iiniiehst  aus  doni  alkalischen 
Filtrat  mittelst  gewaschenen  Kohlcnsäuregases  gefüllt :  dann  wird  durch  einen 
Gooch-Tiegel  filtriert  und  ausgewaschen.  Filtrat  und  ^Vas(•hwasser  werden 
mit  verdünntei-  Salzsäure  angesäuert,  indem  man  sich  eines  Tropfens 
Methylorange  als  Indikator  bedient. 

Nun  hat  man  eine  Lösung  von  Natrium-  und  Kaliumchloriden.  Diese 
Lösung  wird  in  einer  tarierten  Platinschale  verdampft  und.  wenn  trocken, 
wird  der  Rückstand  10  Minuten  lang  allmählich  bis  znr  gelinden  IiotLdut 
erhitzt.  Dann  lälit  man  in  einem  pAsikkator  20  Minuten  lang  abkühlen  und 
wiegt.  Die  Gewichtszunahme  entspricht  dem  Natrium-   und  Kaliiimchlorid. 

Das  Kalium  muli  jetzt  in  dem  Salzgemisch  getrennt  bestimmt  werden. 
Die  gewöhnliche  Platinchloridmethode  ist  im  allgemeinen  vorzuzieh<'n; 
ebensogute  Resultate  werden  aber  auch  mit  der  Cberchlorsäuremethode 
erhalten. 

Man  löst  die  Chloride  in  einer  sehr  geringen  Menge  Wasser  auf  und 
setzt  einige  Tropfen  verdünnter  Salzsäure  hinzu.  Dann  fügt  man  einen 
Überschult  von  Platinchlorid,  4 — ömal  so  viel  HjPtCl,;  als  das  gesamte 
Gewicht  der  Salze  beträgt,  in  einer  lO'Voigen  Lösung  hinzu  und  lällt  bei 
niedriger  Temperatur  (Tö"  C)  verdampfen,  bis  der  Schaleninhalt  nach  dem 
Erkalten  trocken  erscheint.  Jetzt  wird  95Voiger  Alkohol  zugegeben,  durch 
einen  Gooch-Tiegel  filtriert,  mit  Alkohol  gewaschen  und  iu'i  Ilü"  ge- 
trocknet und  dann  gewogen.  Das  Gewicht  des  Kaliumchlorplatinats  multi- 
pliziert mit  dem  Faktor  Ü"oOö()  gibt  das  entsprechende  (Jewicht  des  Kalium- 
chlorids. Diese  Zahl  subtrahiert  von  dem  ui-sprünglichen  (iewicht  der 
Chloride  ergibt  das  vorhandene  Xatriumchlorid. 

Calcium  und  Magnesium. 

Gemäß  der  kürzlich  von  McCruddtn  ausgeführten  Verbesserung 
der  alten  Fresenius-Xeuhcmiirs(^\\QW.  Methode  wii-d  die  Iiestimmum:  des 
Calciums  und  Magnesiums  wie  folgt  vorgenommen. \) 

Zu  200  cm^  Urin,  in  einem  Erlenmeyerkolben  befindlich,  werden 
zwei  Tropfen  einer  P/oitt^'ni  roten  Alizarinlösung  gefügt,  dann  wird  vor- 
sichtig tropfenweise  verdünnte  Salzsäure  zugesetzt,  bis  die  l'arbe  des  Indi- 
kators anfängt  gelb  zu  werden.  Zu  dem  neutralen  oder  etwas  sauren  l'rin 
gibt  man  zunächst  10  cm»  einer  annähernd  2"/oirf"  Salzsäure  und  10  (■;/<» 
einer  2"5'*/oigen  O.xalsäure  hinzu.  Dann  erhitzt  man  sorgfältig  zum  Sieden, 
bis  der  Calciumoxalatniederschlag  ein  körniges  Aussehen  zeigt.  Zu  der 
gelinde  siedenden  Lösung  werden  10 — ib  cm^  einer  3"  oigen  Ammonium- 
oxalatlösung  gefügt,  und  zwar  so,   daß  man  von  Zeit  zu  Zeit  auf  einmal 


*)  F.  Mc  Cruddin,  Tlie  (iu;intitativo  Separation  of  calcium  antl  niaifnosiiun  in 
preseuce  of  phosphates  and  sniull  amoiints  of  iron  devised  especially  for  thc  an.i 
of  fords,  urine  and  fcces.  Journal  of  Biological  Cheniistry.  Vol.  7.  p.  82.  lUlU 


294  Ot<^o  Fol  in.  Die  vollständige  Analyse  eines  24stündigen  Urins. 

einige  Tropfen  zugibt.  Auf  diese  Weise  wird  der  größte  Teil  des  Calciums 
bei  deutlich  saurer  Reaktion  niedergeschlagen  und  die  gleichzeitige  Bildung 
von  Calciumphosphat  verhindert.  Die  Mischung  läßt  man  zur  Abkühlung 
stehen.  Wenn  gänzlich  abgekühlt,  setzt  man  langsam  8  cm^  einer  20''/oigen 
Natriumazetatlösung  hinzu,  indem  man  beständig  rührt;  dann  läßt  man 
die  Mischung  über  Nacht  stehen.  Die  Gefahr,  einen  Niederschlag  zu  er- 
halten, welcher  mit  Calciumphosphat  verunreinigt  ist,  wird  bei  obigem  Vor- 
gehen vollständig  beseitigt.  Am  folgenden  Tage  wird  der  Niederschlag  auf 
einem  kleinen  aschfreien  Filter  gesammelt  und  mit  einer  kalten,  P/gigen 
Lösung  von  Ammonoxalat  gewaschen,  bis  das  Waschwasser  keine  Chlor- 
reaktion mehr  gibt.  Der  Niederschlag  wird  dann  getrocknet,  in  einem 
tarierten  Platintiegel  erhitzt  und  mit  einem  Gebläse  geglüht,  bis  er  vollstän- 
dig in  Calcium oxyd  übergeführt  ist. 

Zu  dem  in  eine  Porzellanschale  gegossenen  Filtrat  und  Waschwasser, 
welche  Flüssigkeiten  das  Magnesium  enthalten,  werden  20  cm^  konzentrierter 
Salpetersäure  gegeben.  Das  Gemisch  wird  dann  fast  bis  zur  Trockene  verdampft. 
Wenn  ziemlich  trocken  und  wenn  keine  Stickoxyde  mehr  entweichen,  setzt 
man  10  cm^  konzentrierter  Salzsäure  hinzu  und  verdunstet  die  Lösung  wieder 
fast  zur  Trockene.  Nach  Verdünnung  mit  Wasser  auf  ungefähr  80  cm^ 
versetzt  man  unter  beständigem  Umrühren  tropfenweise  mit  Ammoniak, 
bis  die  Lösung  alkalisch  ist.  Dann  werden  25  cm^  verdünnten  Ammoniaks 
(sp.  Gew.  0"96)  langsam  unter  Rühren  zugesetzt  und  schließlich  wird  die 
Mischung  (an  einem  kühlen  Orte)  über  Nacht  stehen  gelassen.  Der  Nieder- 
schlag wird  nun  auf  einem  kleinen  Filter  gesammelt  und  mit  alkoholischer 
Ammoniaklösung  (1  Teil  Alkohol,  1  Teil  verdünnten  Ammoniaks,  3  Teile 
Wasser)  frei  von  Chloriden  gewaschen.  Der  getrocknete  Niederschlag  und 
das  Filterpapier  werden  in  einem  gewogenen  Platintiegel  geglüht.  Nach 
dem  Abkühlen  wird  das  Magnesiumpyrophosphat,  Mgj  Ps  O7 ,  gewogen. 


Nachweis  iiiul  Bestimm  im  t>-  der  Eiweil)al)bau- 

produkte  im  Harn. 

Von  P.  Koiia,  Berlin. 

Bestimmung  des  Gesamtstickstoffs. 

Bestimmung-  nach  Kjeldahl  vgl.  Band  I,  S.  ;540. 

Nach  Untersuchungen  von  C.  C.Erdmann^)  können  stick.stoffhaltige 
Verbindungen,  die  die  Gruppen  ^N.CH.,,  — NH.CH;,  oder  ^rNfCM^ij 
enthalten,  bei  der  Digestion  mit  HaSO^  nach  Kjehhihl  Mono-,  l»i-  oder 
Trimethvlamin  liefern.  Die  Bestimmung  von  Alkvlamin  neben  Ammoniak 
läßt  sich  in  der  Weise  bewirken,  dal'i  man  nach  dem  Aufschlull  mit  H.  So, 

und  Katalysator  zunächst  die  Gesamt-X-Meuüe  durch  Titration  des  in  — n- 

>"  Kl 

Säure  überdestillierten  Gemisches  mit —-n-Na  011  ermittelt.  Dann  fügt  man 

zu  der  neutralen  Flüssigkeit  5^10  c;//^  einer  Mischung  von  i'O"  oiger  NaOll 
und  30"/oiger  Sodalösung  hinzu,  füllt  l)is  zur  Marke  auf  •_';">()  oder  .")(>(»  »w^ 

auf,   fügt   für   jeden   Kubikzentimeter  ttt-u-NH:;  0-1  y   gelbes    HgO    hinzn. 

schüttelt  eine  Stunde  bei  Lichtabschluli,  liißt  \-l  Stunden  lang  absitzen, 
filtriert  durch  Watte  und  bestimmt  in  200  oder  i^')!)  (W^  des  Filtrates  das 
Alkvlamin  durch  Destillation  und  Titration.  Die  Menge  (V'^^  dnrch  IlgO 
absorbierten  Ammoniaks  ergibt  sich  aus  der  Differenz. 

Bei  der  Bestimmung  des  Stickstoffs  nach  KjildnJil  in  fetten  Sub- 
stanzen empfiehlt  J.  A. Broun-),  um  das  lästige  Schäumen  zu  vermeiden, 
die  Substanz  nach  der  Behandlung  mit  H.^SO^  auf  100  cm ^  mit  Wasser  zu 
verdünnen,  auf  -iOciH^  einzudampfen  und  dann  mit   Alkab   /ii  destilbereii. 

C.Beger'^)  empfiehlt  den  AufsclduÜ  von  fettreicher  .Milch  in  einem 
langhalsigen  Bundkoll)en  mit  30  c/»^  Phosphorschwefelsiiure  und  einem 
Tropfen  Hg  vorzunehmen.  Den  Hals  des  Kolbens  und  einen  Teil  des  I\oi- 


*)  C.  C.  Erdmann,  Ül)er  Alkylamiiio  ;ils  Tioduktp  der  A7<  /'/«/»/-Boliainllimir.  Joiii-n. 
Biolog.  Chem.  8.  41  (1910);  Chem.  Zcntralbl.  1'.»1U.  II.  7(50.  Vgl.  auch  Joiirii.  Biol.  Chora. 
9.  85  (1911). 

-)  J.  Ä.  Broun,  Notiz  über  die  Hostimimiiiir  dos  X  nach  KUI'lahl  in  f<'ttrn  Sub- 
stanzen. Chem.  News.  102.  51  (1910). 

•')  C.  Beyer,  Aus  der  analytischen  Praxis.  Zeitschr.  f.  aualw.  Lh«'niH'.  4i».  iJT 
(1910). 


96  P.  Rona. 

benbauches  umgebe  man  mit  einem  Belag  von  Bleiblech.  Der  Aufschluß- 
kolben steht  auf  einem  Stativ  unter  einem  Winkel  von  45»  geneigt  und 
die  Mündung  rage  in  einen  mit  Blei  röhren  versehenen  Abzug. 

Die  KJeldahhche  Methode  ist  wohl  in  ihrer  ursprünglichen  Form,  wie 
auch  speziell  in  Gw«M«?^s  Modifikation  (Anwendung  von  K2SO4)  mit  einem 
Fehler  behaftet,  so  daß  die  Stickstoffwerte  ein  wenig  zu  niedrig  ausfallen 
{R.  Koefoed^).  Der  Grund  hierfür  ist,  daß  während  der  Zersetzung  mit 
Säure  durch  Verdampfung  oder  noch  wahrscheinlicher  infolge  Zersetzung 
des  Ammoniumsulfats  ein  \'erlust  an  Stickstoff  entsteht.  Man  soll,  um  diese 
Verluste  zu  vermeiden,  die  Stickstoff bestimmung  womöglich  nach  der 
ursprünglich  von  Kjddahl  angegebenen  Form  ausführen  und  die  Dauer  der 
Erwärmung  (3 — 5  Stunden)  nicht  unnötig  verlängern.  Wo  das  von  Kjeläahl 
angegebene  Verfahren  nicht  genügt,  wo  aber  die  Zersetzung  nach  Gunning 
vorgenommen  werden  kann,  soll  nach  Koefoed  die  Dauer  der  Erwärmung 
möglichst  abgekürzt  werden. 

Nach  A.  C.  Andersen-)  ist  Platinchlorid  als  Katalysator  zu  verwerfen, 
da  es  erhebliche  Stickstoffverluste  verursacht. 

Bei  Bestimmungen  nach  KJeldahl  wird  nach  der  Beschreibung  von 
Koefoed  der  zu  untersuchende  Stoff  mit  10  cm^  konzentrierter  Ha  SO4  und 
0"2h  g  CuO  3 — 5  Stunden  erwärmt,  die  Flüssigkeit  mit  fein  gepulvertem 
KMn04  oxydiert  und  in  den  von  Kjeldahl  angegebenen  Kupferkolben  3) 
mit  ca.  2Q0  cm'^  Wasser  gebracht.  Mit  50  cm^  ca.  33%igei'  Natronlauge 
wird  soviel  abdestilliert,  daß  sich  in  der  Vorlage  100  cm^  sammeln.  Bei 
Bestimmungen  nach  Kjeldahl- Gmming  wird  nach  der  im  Carlsberg-Labo- 
ratorium geübten  Weise  die  Substanz  Y,  Stunde  mit  20  cm-  H2SO4,  ti  g 
K2SO4  und  O'ö  g  CuO  erwärmt;  dann  werden  noch  15^  K2SO4  hinzugefügt 
und  die  Zersetzung  ohne  Oxydation  mit  Kaliumpermanganat  durchgeführt. 
Bei  der  Destillation  werden  10  cni^  Natronlauge  verwendet. 

Erfolgt  der  Säureaufschluß  bei  der  Kjeldahl-^iethode  in  Gegenwart 
einer  Quecksilberverlnnduug ,  so  muß  für  eine  Zerlegung  des  gebildeten 
Amidomerkurisulfats  Hg(NH3)2  SO4  gesorgt  werden,  was  vorteilhaft  mit  dem 
von  C.  Neuberg  empfohlenen  Natriumthiosulfat  geschehen  kann.  Wird 
jedoch  zu  der  noch  schwefelsauren  Flüssigkeit  das  Natriumthiosulfat  hin- 
zugefügt, so  kann  ein  Teil  der  flüchtigen  schwefeligen  Säure  in  die  Vor- 
lage gelangen  und  so  deren  Säuretiter  erhöhen.  Um  von  vornherein  diesem 
Fehler    vorzubeugen,    empfiehlt    C.  Neuberg*)    neuerdings    an    Stelle    des 


^)  R.  Koefoed,  Einige  Bemerkungen  über  die  jodometrische  Säuretitrierung  und 
ül»er  KjHdahls  Stickstoffbestimmung.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chom.  69.  421  (1910). 

-)  Ä.  C.  Andersen,  Einige  Bemerkungen  über  N-Bestimmung  nach  Kjeldalil.  Skand. 
Arch.  f.  Phys.  25.  96  (1911). 

^)  tiber  den  Einfluß  des  Glases  bei  dem  AjeZc?aÄ?-Verfahren  vgl.  E.  Jalowetz, 
Wocbenschr.  f.  Brauerei.  21.  393  (1904).  —  //.  T.liroini,  Ebenda.  21.  165  (1904).  — 
K.  Bartelf  und  IL  Schönewuld,  Ebenda.  21.  523  und  793  (1904). 

*)  C.  Nctibery,  Zur  Ausführung  der  Ä7cW«/»?-Bestimmung.  Biochem.  Zeitschr.  24. 
435  (1910). 


Nachweis  und  Bestimmung  der  Eiwoißaldiauprndukf.'  im  Harn.  297 

Natriunithiosiilfats  das  gleichfalls festeKaliinnxantho^'i'iiat  (C,Hi(  ».('SSKi 
anzinveruien,  und  zwar  etwa  10  .9  für  0'4  r/  HfjO.  Das  xaiitli(j<,M'nsaun. 
Kaliiiin  liefert  selbst  bei  saurer  Reaktion  niehts  ins  Destillat,  was  den  Titer 
verändert.  In  alkalischer  Lösung-  zerlegt  es  das  Aniidoiiicrkurisulfat  glatt 
wie  Alkalisulfid. 

Die  von  Kjeldahl  ausgearbeitete  jodometrische  Säuretitrierung  wird 
im  Carlsberg-Laboratorium  folgendermaßen  ausgeführt'):  Das  Titrieren 
wird  immer  in  dem.selben  Flüssigkeitsvolumen  (lüO  cm^)  vorgenommen,  und 
zwar  so,  dal)  man  bei  der  Ammoniakdestillation    so    viel    in    die  in  einem 

Erlenmeyerkolben    vorgelegte    Säure  {ih  cm-^  ca. —-n-HaSOj) überdestilliert, 

daß  die  totale  Flüssigkeitsmenge  KJOr///^'  beträgt:  wird  Destillation  nicht 
vorgenommen,  so  wird  mit  ausgekochtem,  destilliertem  Wasser  bis  100 rw/s 
aufgefüllt.  Man  gibt  dann  10  c^x^  öo/^iggi^  j^^j^limi^jodidiösung,  2n//3  2"„igor 
Stärkelösung  (mit  NaCl  gesättigt)  und  endlich  2cm^  47oiger  Kaliumjodat- 
lösung  und  beendet  das  Titrieren  immer  biimen  derselben  Zeit.  Zweck- 
mäßig verwendet  man,  um  die  genaue  Zeit  zu  bestimmen,  ein  Minntenglas 
für  zwei  Minuten,  welches  gleichzeitig  mit  dem  Kalium jodatzusatz  in  l!e- 
trieb  gesetzt  wird;  im  Anfang  kann  die  Thiosulfatlüsung  ziemlich  schnell 
in  den  Kolben  laufen,  wenn  man  durch  Schütteln  für  gute  .Mischung  sorgt; 
wenn  aber  die  Farbe  rein  dunkelblau  geworden  ist,  setzt  man  nur  tropfen- 
weise zu.  Es  ist  unnötig,  die  genaue  Stärke  der  verwendeten  ca.  — -n-Säure 

zu  kennen,  dagegen  muß  die  Stärke  der  Thiosulfatlösung  mit  möglichst 
großer  Genauigkeit  bestimmt  werden.  Als  l'rtitersubstanz  verwemlet  man 
mit  großem  Vorteil  Natriumoxalat  (S.  P.  L.  Sörensen).  Eine  abgewogene 
Menge  dieses  im  Vakuum  über  H2  SO4  getrockneten  Salzes  wird  nach 
Sörensen  über  eine  Spiritusflasche  dekomponiert,  in  eine  bestimmte  Säure- 
menge aufgelöst  und  die  Kohlensäure  durch  Kochen  verjagt.  Der  Minder- 
verbrauch an  Thiosulfat,  den  das  in  dieser  Weise  teilweise  gesättigte  \'o- 
lumen  Säure  gegen  den  Thiosulfatverbrauch  derselben  Sänremenge  zeigt, 
gibt  den  Titer  der  'J'hiosulfatlösung.  Verwendet  man  ayNa.^C'sO*  und 
beträgt  der  Minderverbrauch  i)  cm'^  Thiosulfatlösung,  so  ist  diese 

100  X  28-02  X  a    normal 
134-00  X  b       ■  "14-01  ' 
Nach  Lunge  kann  man  auch   wasserfreies  Natriumkarbonat    verwen- 
den. Eine  abgewogene  Menge  entwässertes  Salz  wird  zur  teilweisen  Sätti- 
gung einer  bestimmten  Säuremenge    benutzt;    wenn  man  ayNa,  CO,  ver- 
wendet und  der  Minderverbrauch  an  Thiosulfat  l)f^//'  beträgt,  so  wird  die 

Thiosulfatlüsung 

100  X  28-02  X  a    normal 

iÖiv[>Ö~x'b       •    14-01  ■ 

Was  den  bei  der  azidimetrischen   Titrierung  angewandten    Indikator 

betrifft,    so   bestätigt   de  Jäger   die    gute  Anwendbarkeit    des    von  Spaeth 

•)  Vgl.  /.'.  Koefoed,  1.  c. 


298 


P.  Rona. 


Fig.  89. 


empfohlenen  Luteols  (0-2o/oige  alkoholische  Lösung.  Zu  50  cm^  Flüssigkeit 
setzt  man  4 — 5  Tropfen).  Hat  man  den  Ammoniakgehalt  durch  Sättigung 
der  überschüssigen  Hg  SO4  bestimmt  unter  Anwendung  von  Luteol,  so  kann 

man  nach  Zusatz  von  Phenolphtalein ,  das  auch 
sofort  zugesetzt  werden  kann,  den  Gehalt  an  Am- 
moniak auch  noch  nach  der  Formolmethode  be- 
stimmen. 1)  A.  W.  Bosworth  und  W.  Eissing-)  em- 
pfehlen die  Titration  mit  Vi4-04  n-Lauge  vorzu- 
nehmen. Einem  Kubikzentimeter  Lauge  entsprechen 
1  mg  N ;  die  Berechnung  wird  daher  sehr  ver- 
einfacht. 

Hinsichtlich  der  Appai^atur  sind  verschiedene 
Vorschläge  gemacht  worden.  3)  Einen  praktischen 
Destillationsaufsatz  zur  Ammoniakbestimmung  em- 
pfiehlt A.  Berthold *)  (vgl.  Fig.  89). 

Die  Lauge  wird  dabei  in  den  Laugentrichter 
eingefüllt  und  durch  geringes  Anheben  des  Schluß- 
stiftes nur  so  viel  Lauge  in  den  Kolben  gelassen, 
daß  noch  ein  Flüssigkeitsverschluß  bestehen  bleibt. 


Zur  Bestimmung  des  X  in  Substanzen,  die  den  Stickstoff  in  Form 
von  Nitraten,  Nitriten,  Nitro-,  Nitroso-,  Azo-,  Diazo-,  Hydrazin-,  Zyan-Ver- 
bindungen enthalten,  verfährt  man  nach  den  S.  356  (Band  I)  beschrie- 
benen Verfahren. 

Als  Ergänzung  mögen  noch  folgende  Methoden  hier  erwähnt  werden: 

Zur  Bestimmung  des  Stickstoffs  in  Phenylhydrazin,  Hydrazonen  und 
Osazonen  verfährt  J.  Milhauer  wie  folgt.  ■^) 

0*2  g  Substanz  werden  in  einem  Kolben  in  50  011^  Wasser  gelöst,  mit 
?>g  in  l^/oiger  Schwefelsäure  gewaschenem  Zinkpulver  versetzt  und  hierauf 
werden  durch  einen  Glastrichter  langsam  50  fw^  konzentrierter  Schwefelsäure 
zugegeben.  Die  Flüssigkeit  wird  vorsichtig  auf  dem  Drahtnetze  erhitzt,  so 
daß  eine  zu  heftige  Wasserstoffent^^^cklung  vermieden  wird.  Nach  been- 
deter Reduktion  wird  ein  Tropfen  Quecksilber  hinzugegeben  und  bis  zur 
vollständigen  Entfärbung  zum  Sieden  erhitzt.  Nach  dem  Abkühlen  der 
Flüssigkeit  auf  100«  werden  2  g  Kaliumpersulfat  hinzugesetzt:  darauf  wird 
weiter  erhitzt,  nach  etwa  V,  Stunde,  wenn  die  Flüssigkeit  vollkommen  klar 


^)  L.  de  Jager,  Über  Luteol.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  67.  115  (1910). 

^)  A.  W.  Bosicorth  und  W.  Eissing,  Eine  Bürette  und  Xormallösungen  für  die 
N-Bestimmung  nach  Kjeldahl.  Zeitschr.  f.  analyt.  Chem.  42.  711  (1903). 

^)  Vgl.  hierzu  auch  „Ammoniak".  —  Einen  neuen  Aufsatz  zur  Ammoniakdestil- 
lation beschreiben  Hciibner  und  Wiegner.  Journ.  f.  Landw.  57.  385  (1910). 

*)  A.  Berthold,  Neuer  Destillationsaufsatz  zur  Ammoniakbestimmung.  Chem.-Ztff. 
33.  1292  (1910). 

*)  J.  Milhauer,  Über  die  quantitative  Bestimmung  des  N  in  Hydrazonen  und 
Osazonen  nach  Kjeldahl.  Zeitschr.  f.  analyt.  Chem.  42.  725  (1903). 


Nachweis  und  Bestimmung  der  Eiweißaliltaupmdukte  im  Harn.  900 

geworden  ist,  wird  das  gebildete  Ammoniak  wie  heim  KjclduhUchcn  Ver- 
fahren bestimmt. 

Die  Bestimmung  des  Stickstoffes  in  Nitraten,  Nitro-  iiiid  Nititj.-o- 
verbindungen  ist  nach  .1/.  Kriü/cr  folgendermaßen  auszuführen: 

0"1 — 0"3 //  Substanz  werden  in  einem  Uundkolben  mit  etwa  20  «m^ 
Wasser  oder  bei  in  Wasser  schwer  löslichen  Körpern  mit  2U  cin^  Alkohol, 
darauf  mit  10  ciu^  /inkchlorürlösung  und  \\)  (/  /innschwamm  versetzt. 
Alsdann  erwärmt  man  über  kleiner  Flamme  bis  zur  vollständigen  Entfiir- 
])ung  des  Gemisches  und  bis  zur  Lösung  des  Zinns.  Ist  diese  erfolgt,  so 
fügt  man  vorsichtig  nach  dem  Erkalten  der  Flüssigkeit  und.  wenn  .Mkohol 
angewendet  war,  nach  seiner  \'erdunstung  20  n» '  konzentrierter  Schwefel- 
säure hinzu,  dampft  bis  zur  Entwicklung  reichlicher  Schwefelsäuredämpfe 
ein  und  verbrennt  weiter  wie  beim  Kjeldahhchen  \'erfahren. 

Die  Reduktion  von  Nitrat-N  zum  Ammoniak-N  vollzieht  sich  sehr 
glatt,  wenn  man  als  Reduktionsmittel  Aluminiumschnitzel  verwendet,  vor 
allem  in  Gegenwart  von  Quecksilber  als  Katalysator.  Man  bringt  die  i)e- 
treffende  Substanz  in  einen  Destillationskolben,  setzt  5 — 6/7  Aluminium 
und  2  ciit^  einer  gesättigten  HgCL-Lösung,  darauf  150 — 200  Wasser  zu. 
läßt  nach  beendigter  Reaktion  Lauge  zu  und  fängt  das  Ammoniak  in  der 
mit  der  n-Säure  beschickten  Vorlage  auf.  Gegen  Ende  der  Destillation  zer- 
stört man  die  eventuell  gebildete  geringe  Menge  Merkuriammoniumverbin- 
dung  durch  einige  Kubikzentimeter  Natriumhypophos[)hitlösung.  1  rm^ 
n-Säure  entspricht  0'085  </  NaNOs  und  0-054  </  N.,  Oß  (Pozzi-Kscof^). 

Der  Gesamtstickstoff  im  Harn  labt  sich  auch  mit  Vermeidung  der 
Ammoniakdestillation  nach  dem  7y/e/(/rt/?/-Aufschlur>  mittelst  der  Fonnol- 
methode  durchführen.  Man  wird  allerdings  kaum  in  die  Lage  kommen,  die 
ohnehin  einfache  Al)destilIation  des  Ammoniaks  durch  eine  andereMethode 
zu  ersetzen.  F.  Rona  und  Ii.  Ottenhcrg-)  geben  hierzu  folgende  Vorschrift: 

b  cm'^  Harn  werden  mit  \0  cm^  konzentrierter  Schwefelsäure  und 
5 — 8  Tropfen  einer  P  oigen  Platinchloridlösung  als  Katalysator  aufge- 
schlossen 3) .    mit    ca.  100  nw'^  destiUiertem   Wasser   (luantitativ    in    einem 


')  Pozzi-Escot,  Reduktion  der  Salpetersäure  zur  Stufe  des  Anunoniakstiekstnffs 
und  ein  neues  Verfahren  zur  Bestinmuuii:  der  Nitrate.  Ann.  (hini.  anal.  appl.  14.  445 
(1910);  C.  r.  Acad.  sc.  149.  1380  (1910).  —  Vgl.  auch  Sa/h;  Allgemciuc  Moth<.de  zur 
Bestinimunsf  des  Nitratstickstoffs.  Ann.  Cliim.  analyt.  appl.  15.  lO:?  (lOKt).  —  Ferner 
E.  Cahoi,  The  Analyst.  35.  307.  —  C.  Frahof,  Ann.  Chini.  anal.  appl.  15.  219.  —  Vor- 
züglich geeignet  zur  Reduktion  zu  Ammoniak  in  alkalischer  Lösung  ist  die  Dcrardaschc 
Legierung,  die  aus  50  Teilen  Kupfer,  5  Teilen  Zink  und  45  Teilen  .Muniinium  besteht. 
Noch  energischer  wirkt  eine  Legierung,  die  aus  59"  0  AI,  397,,  ^'"  "'"•  -"/o  -i^»  hesteht. 
Vgl.  Zeitschr.  f.  analvt.  Ciieni.  33.  11:5;  3«.  50.  —  Bezüglich  des  Verfahrens  der  Stirk- 
stoffbestimmung  in  Bodenauszügen  von  /•;.  A.  Mitsein  rficli  vgl.  77».  Zeller,  Lantlw.  Ver- 
suchsstation. 71.  4:^7  (1910).  Drusch.  (Iieni.-Zti:.  33.  1249  (1910).  —  l'niktische  Be- 
merkungen über  die  A/V  /(/«/(/-Methode  findet  man  noch  C.  //.  J»ius,  .Tourn.  of  Iiul.  .ind 
Engin.  Chem.  2.  546  uiid  /'.  L.  Hihhanl,  Ebenda.  4G3  (1910). 

'-)  r.  Roua  und  I\.  Ottinhcrfi,  Zur  Methodik  der  Stickstoffbestiuimung  im  ll.un. 
Biociiem.  Zeitschr.  24.  354  (1910). 

^)  Vgl.  hierzu  jedoch  A.  C.  Andersen,  1.  c.  S.  29G. 


300  P.  Rona. 

ca.  dbOcm-^  fassenden  Erlenmeyerkolben  gespült,  mit  6—7  Tropfen  einer 
Lackmuslösung  (Lackmus  von  Kuhel-Tiemann ,  von  Kahlhaum  bezogen) 
versetzt,  ca.  20  crn^  SSVoige  Na  OH  hinzugefügt,  dann  an  der  Wasserleitung 
abgekühlt  und  nach  dem  Erkalten  der  Flüssigkeit  weiter  33o/oige  Natronlauge 
zuerst  kubikzentimeterweise,  dann,  wenn  die  blaue  Farbe  nicht  mehr  so 
schnell  verschwindet  (wenn  nötig,  unter  Kühlung)  tropfenweise  hinzuge- 
geben,   bis    die  Farbe    eben    blau    geworden    ist.    Dann   macht    man    die 

Flüssigkeit   mit  -J-Säure  wieder  schwach  sauer  oder  neutral  und  fügt  nun 

5 

wieder  bis  zur  deutlich  blauen  Farbe  -^-Lauge  hinzu.  Dann  wird  tropfen- 
weise ^-Säure  hinzugefügt,   bis   eben   die   erste  deutliche  x\bweichung 

nach  dem  Violett  auftritt,  l^m  diesen  Punkt  deutlich  zu  erkennen,  muß  man 
eine  Vergleichslösung  von  rein  blauer  Farbe  benutzen,  die  folgendermaßen 

hergestellt  wird:  150  c»?^  destilliertes  Wasser  werden  mit  1  cm^ —-Natron- 

lauge  und  10  Tropfen  Lackmus  versetzt.  Bei  der  Verwendung  dieser  Lö- 
sung ist  der  Umschlag  stets  mit  Leichtigkeit  erkennbar.  Nun  fügt  man 
zu  der  so  neutralisierten  Lösung  30  cm^  Formaldehyd,  das  vorher  unter 
Anwendung  von  Phenolphtalein   gerade   bis   zur  beginnenden  llosafärbung 

neutralisiert  worden  ist,  titriert  mit  —Lauge,  fügt  noch,  sobald  die  Farbe 

beginnt  blau  zu  werden,  1  cm^  einer  V2Voigen  alkohoUschen  Phenolphtalein- 
lösung  hinzu  und  titriert  weiter  bis  zum  ersten  Auftreten  der  violetten 
Farbe,  die  als  Mischfarbe  von  Lackmus  und  Phenolphtalein  entsteht.  Die 
Anzahl  der  verbrauchten  Kubikzentimeter  Na  OH  gibt  direkt  die  entspre- 
chende NH3-  bzw.  Stickstoffmenge  an.  Die  ganze  Prozedur  des  Titrierens 
nimmt  etwa  10  Minuten  in  Anspruch. 

Die  Methode  läßt  die  Phosphate  des  Harnes  unberücksichtigt.  — 
Nach  der  Vorschrift  von  de  Jager  ^)  werden  diese  aus  dem  Harn  zuerst 
entfernt.  40  cm^  Harn,  5  (/Natrium azetat  werden  mit  lO^/oiger  Eisenchlorid- 
lösung bis  zur  rotbraunen  Färbung  versetzt,  auf  50  cm^  mit  Wasser  auf- 
gefüllt, durchgeschüttelt,  die  Flüssigkeit  annähernd  gewogen  und  nach  dem 
Kochen  bis  zur  völligen  Ausflockung  das  verdampfte  Wasser  auf  der  Wage 
ersetzt.  10  cm^  Filtrat  (=8cw?3  Harn)  w'erden  wie  üblich  unter  Zugabe 
von  Kupfersulfat  und  Kaliumsulfat  mit  5  cm^  konzentrierter  H2SO4  zerstört. 
Das  Reaktionsprodukt  wird  mit  Wasser  verdünnt  und  mit  10  cm^  lO^/oiger 
Natriumsulfidlösung  zur  Abscheidung  des  Kupfers  so  lange  gekocht,  bis  der 
gesamte  Schwefelwasserstoff  entfernt  ist.  Hierauf  wird  auf  100  cm^  mit  Wasser 
verdünnt  und  50  cm^  Filtrat  unter  Anwendung  von  Phenolphtalein  neutralisiert. 

Man  macht  zuerst  schwach  alkalisch  und  setzt  dann  tropfenweise —-n- Säure 
bis  zur  Entfärbung  und  — -n-Lauge  bis  zum  ersten  schwachen  Rot  zu.  Nach 

^)  de  Javier,  Die  Formoltitration  zur  Bestimmung  des  Gesamtstickstoffs.  Zeitschr. 
f.  physiol.  Chem.  67.  1  (1910). 


Nachweis  und  Bcstiinimintr  der  Eiwpißahbatiproduktf  im  Harn. 


oUl 


Zugabe  von  6  cm*  neutralisiertem  Fornialdehyd  wird  wieder  bis  zun»  ersten 
schwachen  Rot  mit  Lau^e  titriert.  Die  jetzt  verbrauchten  Kubikzentimeter 

Lauge  geben  die  Ammoniakmenge  direkt  in  T^-n-lviii)ikzentimeter. 


._./■ 


Bestimmung  des  Kohlenstoffs  organischer  Substanzen  auf 

nassem  Wege. 

(Vgl.  Band  I,  S.351I.) 

Als  Nachtrag  zu  den  im  ersten  P>and  beschriebenen  \ erfahren  sei 
die  Methode,  wie  sie  in  der  tierphvsiologischen  Versuchsstation  in  Buda- 
pest (Fr.  Tamjl)  angewendet  wird ,  genau  be- 
schrieben, i) 

Der  aus  Jenenser  Glas  geblasene,  gut  ge- 
kühlte Aufschließkolben  (Fig.  90)  ist  ganz  glatt, 
hat  keinen  angeschmolzenen  Ansatz.  Im  Kolben- 
hals ist  eine  Schliff  stelle,  die  ein  luftdichtes  p]in- 
setzen  des  Kühlers  ermöglicht.  Zur  Sicherung  der 
Dichtung  ist  der  obere  Rand  des  Kolbens  umge- 
krämpt,  wodurch  um  den  Kühler  eine  kreis- 
förmige Rinne  gebildet  wird,  die  man  mit  einigen 
Tropfen  konzentrierter  HaSO^  anfüllt. 

In  den  Kolben  paßt  luftdicht  ein  Kühleinsatz, 
der,  wie  die  Figur  zeigt,  bis  zur  kugelförmigen 
Erweiterung  des  Kolbens  herabreicht  und  silmt- 
liche  Ansätze  trägt.  Die  Ansätze  a  und  }>  dienen 
zum  Zu-  und  Ableiten  des  strömenden  Kühlwassers. 
Die  mittlere  Röhre  (c),  die  bis  10  bis  12  mm  über 
den  Boden  des  Kolbens  reicht,  setzt  sich  nach  oben 
in  eine  kugelförmige  Erweiterung  fort,  die  in 
Längsschnitt  in  Fig.  UO  abgebildet  ist.  Der  seit- 
liche Ansatz  rr/)  dient  zur  Zuleitung  der  COj-freien 
Luft  während  der  Verbrennung,  die  Schliffstelle 
im  Halse  (ej  zum  luftdichten  Einsetzen  des  Glas- 
stöpseis (f)\  in  den  Trichter  (g)  wird  die  nötige 
Menge  Ho  SO4  gegossen  und  durch  leichtes  Lüften 
des  Glasstöpsels  (f)  in  kleinen  Portionen  in  den 
Kolben  gelassen.  Die  überschüssige  HoSO^,  die  im  Trichter  bleibt,  dient  zur 
Dichtung.    Durch   den  Kühler  geht  auch  die  llöhre  ilü.  die  seitlich  miten 


')  Fr.  7'anf/l  und  (i.  i\  Kcresz/i/,    Zur  MctliodiU   dor  Bi'stiiuniuu;:  des  Kolilciist«>ffs 
organischer  Sulistauzeu  auf  nassem  Wege.  Bioeliem.  Zeitsclir.  32.  2t)ü  (lUll).  Herr  Prof. 
laiiffl  hatte  die  Güte  gehaht,  das  Manuskript  dieser  Mitteilung  für  die  „Arbeitsn 
zur  Verfiiguni:  zu  stellen,  wofiir  ihm  aucli  an  dieser  Stelle  gedankt  sei.   Die  i. 
Beschreibung  ist  ein   wörtlicher  Alulruck  der  wesentlichen  Teile  dos  Manuskrii  • 


302 


P.  Rona. 


mündet  und  oben  in  einen  Ansatz  (h)  ausläuft.  Sie  dient  zum  Ableiten  der 
durch  d — c  zugeleiteten  Luft.  Der  PFw^^sche  Kühler  ist  nur  insofern  mo- 
difiziert, als  die  Röhre  (h)  in  den  Kühler  versetzt  wurde,  wodurch  die 
chromhaltigen,  flüchtigen  Produkte  besser  zurückgehalten  werden. 

Die  Zusammenstellung  des  ganzen  Apparates  zeigt  Fig.  91. 

Die  mit  25Voi&er  KOH-Lösung  gefüllte  \Yaschf lasche  (1)  und  der 
Natronkalkturm  (2)  reinigen  die  in  den  Apparat  gesaugte  Luft  von  CO2, 
die  H2SU4  in  der  AVaschflasche  (^5^  entwässert  sie.  Der  Auf schließkolben  (^^^ 
ist  an  einem  Stativ  über  einen  mit  einer  Asbestplatte  bedeckten  Dreifuß 
befestigt;  unter  dem  Dreifuß  befindet  sich  ein  Bunsenbrenner,  der  in  der 
Zeichnung  nicht  abgebildet  ist.  Die  Waschflasche  (5)  enthält  wenig  kon- 
zentrierte H2SO4.  Dann  folgt  ein  Verbrennungsrohr  in  einem  Verbrennungs- 
ofen, wie  es  zu  Elementaranalysen  verwendet  wird.  Die  Verbrenn nngsröhre 
ist   nur   in    einer   Länge    von  30 — 40  cm  mit  Cu(3-Asbest  gefüllt.    Dieser 


Fig.  91. 


Wasser  -i:::T 


Lz/Ti 


A 


VerbrennuJiffS-  d 

o/en 


Petten?[o/fer  'sehe 
Ai/ire 


Teil  der  Röhre  ward  wie  bei  der  Elementaranalyse  bis  zum  Glühen  des 
CuO  angeheizt.  Hinter  der  angeheizten  Strecke  folgt  eine  etwa  6 — 8  cm  lange 
Strecke,  die  mit  körnigem  PbO,  gefüUt  ist,  das  sich  zwischen  2  Asbest- 
pfropfen befindet.  Dieser  Teil  der  Röhre  ist  von  einer  mit  einem  Thermo- 
meter versehenen  Metallkapsel  umgeben,  die  von  unten  mit  einem  kleinen 
Bunsenbrenner  angeheizt  wird.  (Der  Verbrennungsofen  ist  in  der  Zeichnung 
nicht  angegeben.) 

Tamjl  benutzt  einen  elektrischen  Ofen,  doch  kann  natürhch  ebenso 
gut  ein  mit  Gasflammen  geheizter  verwendet  werden.  Neuerdings  benutzt 
Tangl  den  /Ve_(7?schen  i)  Doppelofen,  in  dem  2  Verbrennungen  gleichzeitig 
ausgeführt  w^erden  können.  Er  leistet  in  derselben  Zusammenstellung  mit 
derselben  Röhrenfüllung,  wie  sie  Fregl  für  die  Elementaranalyse  angibt, 
ausgezeichnete  Dienste. 

Nach  der  Verbrennungsröhre  folgt  eine  Waschflasche  (8),  die  etwas 
mit  H2SU4  angesäuertes  Wasser  enthält,    damit   die   durchgesaugte   Luft 


1)  Ber.  d.  doutsch.  ehem.  Ges.  XXXVIII.  II.  1905. 


Nachweis  und  Bostiramuiig  der  Eiweißabbaupiodukte  im  Harn.  ;i();l 

mit  Wasserdampf  gesättigt  in  die  liarytrölire  (9)  tritt.  Harytröhren  sind 
zwei  hintereinander  geschaltet:  die  erste  dJj  fallt  :'.0()  c/// '  I'.arytwasser,  die 
zweite  (lOj  kleinere  lOO  ciu-K  Letztere  dient  nur  zui'  Kontrolle  und  ver- 
mittelt die  Verbindung  mit  der  Saugieitung  resj).  Wasserstraldpunipt'. 

Die  einzelnen  Teile  des  Apparates  sind  mittelst  m(igli«-hst  knrzi-r 
Kautschnkschlauchstückc  miteinander  luftdicht  vcrl Minden. 

Vor  allem  ül)erzeugt  man  sich  davon,  ob  alle  Teile  des  Apparates  luft- 
dicht schheßen.  Dann  bringt  man  8 — 10 .y  vorher  bis  zum  Schmelzen  erhitztes 
Kaliumbichromat  in  den  Aufschlielikolben ,  setzt  den  Kiihh'r  ein  und  saugt 
noch  vor  der  Einschaltung  der  Barytröhreu  in  langsamem  Strom  Luft 
durch  den  Apparat,  um  ihn  vollstäudig  mit  C().,-freier  Luft  zu  füllen. 
Gleichzeitig  wird  der  C'uO  enthaltende  Teil  der  N'erbrennuuüsrühre  bis  zur 
Rotglut,  der  PbOa  enthaltende  Teil  auf  150— ISO"  C  erhitzt. 

Nachdem  der  Apparat  genügend  durchventiliert  ist  (V* — V2  Stunde), 
werden  die  Barytröhren  eingeschaltet  und  die  zu  verbrennende  Substanz 
in  den  AufschlulJkolben  gebracht.  Soll  eine  feste  Substanz  verbrannt  werdeu, 
so  werden  genau  gewogene  CT— O'of/  derselben  eventuell  in  Stanniol  gewickelt, 
nach  Herausheben  des  Kühlers  in  den  Kolben  geworfen.  Soll  eine  flüssii!;e 
Substanz  verbrannt  werden,  z.  B.  Harn,  so  kann  man  sie  mittelst  einer 
geeichten  Pipette  nach  Entfernung  des  Stöpsels  durch  die  Röhre  c  in  den 
Kolben  fließen  lassen.  Was  an  der  Röhrenwand  haftet,  wird  später  durch 
die  zufließende  IL  SOi  in  den  Kolben  gespült.  \'om  Harn  nimmt  man  ge- 
wöhnlich f)  ciN'\  Dann  wird  der  Stöpsel  (fj  eingesetzt  und  in  den  Trichter (yy 
die  H2SO4  gegossen. 

Man  erhitzt  jedesmal  die  zur  \'ei  brennung  benutzte  reine  konzen- 
trierte H.2SO4  vorher  längere  Zeit,  damit  jede  Spur  eventuell  darin  vor- 
handener C-haltiger  Substanzen  zerstört  werde.  Aus  demselben  (Jruude 
wird  das  Kalibichromat  geschmolzen. 

Nachdem  der  Wasserstrom  durch  den  Kühler  in  (iang  gesetzt  ist, 
setzt  man  mit  dem  Durchsaugen  von  Luft  ein.  Den  Luftsti'om  regelt  man 
so,  daß  pro  Sekunde  2 — o  Bläschen  durch  das  P>arytwasser  streichen.  Dann 
beginnt  man  mit  der  äußerst  vorsichtigen  Zuführung  der  RjSO^,  indem 
man  den  Stöpsel/  sehr  w'enig  und  langsam  lüftet,  so  daß  nur  einige 
Tropfen  HoSO^  durch  die  Röhre  c  in  den  Kolben  fließen.  Die  Keaktion 
ist,  besonders  wenn  kohlenhydrathaltige  Substanzen  verbrannt  werden,  eine 
sehr  heftige,  die  Gasentwicklung  besonders  anfangs  eine  sehr  stürmische, 
so  daß  man  die  H2SÜ4  nur  in  sehr  kleinen  Portionen  und  langsam  zu- 
fließen lassen  kann.  Man  bringt  so  allmählich  die  ganze,  zu  einer  \erbren- 
nung  nötige  H.2SO4  (\:'>0 — 140  cm ^)  in  den  Kolben. 

Sobakl  die  ganze  H,  SO4  im  Kolben  ist  und  die  (iaseutwicklung  auf- 
gehört hat,  beginnt  man  mit  dem  vorsichtigen  Erhitzen  des  Kolbens,  das 
man  so  lange  erhöht,  i)is  der  Kolbeninhalt  in  leidiaftes  Sieden  gerät,  und 
erhitzt  so  lange,  bis  die  Zersetzung  vollkommen  beendet  ist.  Das  erkennt 
man  daran,  daß  die  Gasentwicklung  —  feine    Bläschenbildung  —  aufhört 


304 


P.  Roua. 


und  der  Kolbeninhalt  eine  dunkelgrüne  Färbung  annimmt,  was  nach  2-  bis 
2V2Stiindigem  Sieden  immer  eintritt. 


Nach    Abstellen    der   Flamme    wird    noch 


/*' 


1/2  Stunde 


lang  Luft 


Fig.  92. 


durchgesaugt,  um  alle  CO2  in  die  Barytröhren  zu  schaffen. 

Während  der  ganzen  Zeit  muß  das  CuO  in  der  Verbrennungsröhre 
in  Kotglut  erhalten  und  sorgfältig  darauf  geachtet  werden,  daß  die  Tempe- 
ratur der  PbO..  nicht  über  180 — 200"  C  steigt.  So  werden  einerseits  die 
flüchtigen  unvollständigen  Oxydationsprodukte  in  der  CuO-Schichte  voll- 
ständig verbrannt  und  andrerseits  die  flüchtigen  S-  und 
Cl-haltigen  Verbindungen  im  PbOg  sicher  zurückgehalten. 
Wird  das  PbOg  stärker  erhitzt,  so  gehen  sehr  leicht  Halo- 
genverbindungen in  das  Barytwasser  über  und  machen 
die  C-Bestimmung  unbrauchbar. 

\Verden  die  oben  angegebenen  Versuchsbedingungen 
genau  eingehalten,  so  kann  man  selbst  bei  viel  N-,  Cl- 
und  S-haltigen  Substanzen  im  Barytwasser  weder  Nitrat-, 
noch  Sulfat-,  noch  Cl-Ionen  nachweisen. 

Das  Titrieren  des  Barytwassers  erfolgt  dann  in  der  be- 
kannten Weise.  Gewöhnhchwird  eine 0*06 — 0-09  n-Ba[0H]2- 
Lösung  benutzt,  die  mit  005  n-HCl  und  Phenolphtalein 
als  Indikator  titriert  wird. 

Hat  man  einen  Doppelverbrennungsofen,  so  kann 
man,  wie  schon  erwähnt,  2  Verbrennungen  zu  gleicher 
Zeit  in  ca.  3  Stunden  ausführen. 


Als  Ergänzung  zu  Band  I,  S.  360,  sei  hier  der  von 
Spiro  bei  den  nassen  Kohlenstoffbestimmungen  empfohlene 
Aufschlußkolben  noch  einmal  abgebildet^),  da  die 
Fig.  Nr.  491  mit  einem  Fehler  behaftet  ist  (Fig.  92). 


Ammoniak  (vgl.  Band  HI,  S.  765). 

Die  verschiedenen  Methoden  der  Ammoniakbestim- 
mung beruhen  entweder  auf  der  Austreibung  des  Am- 
moniaks im  Vakuum  oder  durch  einen  Luftstrom  (Folin,  vgl.  S.  765).  Nach 
dem  ersten  Prinzip  arbeiten  V.  Henriqties  und  S.  P.  L.  Sörensen  ^)  folgender- 
maßen :  Der  Apparat  ist  nach  demselben  Prinzip  wie  der  von  Krüger  und  Beich 
konstruiert,  nur  ist  der  Destillationskolben  mit  einem  Scheidetrichter  versehen 


*)  Nach  Neiihauer-Hinjpert,  Analj'se  des  Harns.  11.  Aufl.  S.  514. 

*)  V.Henriques  und  S.P.L.  Sörensen,  t)ber  die  quantitative  Bestimmung  der  Amino- 
säuren etc.  durch  Formoltitration.  2.  Mitteilung.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  64.  136 
(1910).  —  An  dieser  Stelle  sei  erwähnt,  daß  E.J.  Slagle  neuerdings  zur  Aufbewahrung 
großer  Mengen  Harn  für  die  (juantitative  Analyse  empfiehlt,  zu  je  1  ?  Harn  5  «n*  kon^ 
zentrierter  HjSO^  zuzufügen  und  einzudampfen.  Man  erhält  so  einen  festen,  pulverisier- 
baren, in  Wasser  leicht  löslichen  Rückstand.  Journ.  of  Biol.  Chem.  8.  77  (1910). 


Nachweis  und  Bcstimuuiiig  der  Eiweißabbauprodukte  im  Harn. 


;'rr, 


und  als  Kühlcapparat  dient  ein  verzinnter  Mctallkülilcr,  der  älter  dem  (Msti-n 
Schenkel  der  als  Vorla.ue  dienenden  /VV/V/o/schen  iJöhre  antjebracht  ist.  l)i(' 
Vorlage,  die  während  der  Destillation  nicht  fickühlt  wird,  wird  mit  ca.  nornialcr 
SehwetVlsäine  beschickt  und  der  auf  dem  zweiten  Schenkel  der  /V/jr/o/scheii 
Ilöhre  angebrachte  Destillieraufsatz  wird  mit  der  tileichen  Siinre  i^espült.  Nach- 
dem die  zu  destillierende  Lösung-  in  den  Koliien  gebracht  wurden  ist.  wird 
durch  den  Scheidetrichter  eine  ca.  halbnormale  Lösung  von  Bariiimhvdr- 
oxyd  in  Methylalkohol  zugesetzt  (bei  sehr  ammoniakreicher  Lösinig  eine 
gesättigte  Lösnng  von  liariumhydroxyd  in  Methylalkohol),  und  zwar  s<» 
viel,  dal.)  nach  der  Abdestillation  des  Ammoniaks  die  Flüssigkeit  noch 
einen  deutlichen  Überschul»  an  Uarinmhydroxyd  enthält  (mindestens  \Orw^). 
"Während  der  Destillation  bei  ca  IT)  nn»  Druck  wird  der  Kolben  in  Wasser 
von  40*'  erwärmt  und  ein  schwacher  Strom  von  kohlensäiirefreier  Lnl'f 
wird  durch  den  Kolben  geleitet.  Eine  einmalige  Destillation  genügt,  wenn 
der  Kolbeninhalt  in  leibhaftem  Sieden  gehalten  und  fast  bis  zur  Trockene 
abdestilliert  wird.  Bei  größeren  Ammoniakmengen  (z.  1!.  in  mit  Salz.säure 
gekochtem  Harn)  ist  es  notwendig,  den  Destillationsrückstand  in  ein  wenig' 
Salzsäure  zu  lösen  und  nach  Zusatz  vom  Überschul)  an  methylalkoholischer 
Barytlösung  noch  einmal  beinahe  bis  zur  Trockene  zu  destillieren.  Sollte 
das  abgetriebene  Ammoniak  quantitativ  bestimmt  werden,  so  wurde  das 
Destillat  quantitativ  in  einen  Kupferkolben  für  Kjeldahldestillation  gespült, 
das  Ammoniak  in  ül)liclier  Weise  abdestilliert  und  jodometrisch  bestimmt 
(vgl.  hierzu  S.  297). 

Die  Austreibung  des  Ammoniaks  mittelst  Luftstroms  nach  dem  Prin- 
zip von  FoUn  benutzt  Fh.A.  Kobfr^):  die  Methode  kann  auch  beim  Kjeldahl- 
prozeß  angewendet  werden.  Nach  dem  Säureaufschluli  in  üblicher  \Veiso 
verdünnt  man  die  erkaltete  ]\Iasse  mit  Wasser,  und  zwar  mit  Itö  cw^  bei 
Anwendung  von  2b  on^  konzentrierter  H., S<)^,  mit  40  n/^"'  bei  einer  von 
lOcnt^.  Dann  läßt  man  auf  Zimmei'temperatur  abkühlen  und  stellt  den  Apparat 
zusammen.  Die  eingestellte  Säure  befindet  sich  in  dem  mit  einem  Fnlin- 
schen  Rohr  versehenen  Zylinder  A  (Fig.  UH).  die  zu  untersuchende  Lösung  im 
Kolben  B  und  in  C  so  viel  Natronlauge,  die  genügt,  <lie  Lösung  in  B  deut- 
lich alkalisch  zu  machen.  Das  Bohr  T  soll  nicht  mehr  als  1  cm  tief  in  die 
Lösung  tauchen.  Man  saugt  mit  einer  Schnelligkeit,  daß  ca.  1 — '2  Mimiten 
erforderlich  sind,  um  alles  Alkali  zu  übei-führen.  Durch  Einschaltung  einer 
Klemmschraube  bei  X  kann  der  Luftstrom  schon  vor  dem  Zufiii:en  des 
Alkalis  reguliert  werden  (auf  ca.  lUO  Blasen  pro  Minute).  \N'ährend  des 
Zutritts  des  Alkali  muß  der  Kolben^  geschwenkt  werden,  damit  Säure 
und  Alkali  sich  ordentlich  mischen.  Dann  entfernt  man  i'.  verbindet  mit 
einem  ammoniakfreie  Luft  liefernden  .Vpparat  n\u\  läßt  die  Luft  in  einem 
Tempo  durchtreten,  daß  in  .1  keine  Säui-e  durch  Schäumen  verloren  geht. 
Es  empfiehlt  sich,  möglichst  karbonatfreie  (am    besten  elektrolytisch    <lar- 


')  Ph.  Ä.  Kobcr,    Ein  neuer  Apparat    zur    (juautitativon   Verflüchtigung  d<<    v»" 
moniaks.  J.  Amer.  Chem.  Soc.  30.  li:U  (lUUS). 

Abderhalden.  Handbuch  der  biochemischen  Arboitsmctboden.  V.  2t) 


306 


P.  Rona. 


gestellte)  Natronlauge  zu  verwenden.  Das  Übertreiben  kann  in  einer  Stunde 
beendet  werden.  Auch  bei  Anwesenheit  von  Mg  HPO4  wird  kein  Ammoniak 
zurückp-ehalten ,  wenn  man  nur  genügend  überschüssiges  Alkali  (ca.  40^0 
mehr  als  zum  Neutralisieren  der  Säure  erforderlich  ist)  anwendet.  1)  Bei 
der  i^o?mschen  Ammoniakbestimmung  kann  der  beschriebene  Saugapparat 
verwendet  werden,  wenn  an  Stelle  des  hohen  Zylinders  ein  Kjeldahlkolben 
genommen  wird  und  statt  1  g  trockenem  K0CO3  5 — 10  nu'^  gesättigte 
K.,  CO3 -Lösung  mit  einer  Pipette  bei  Y  eingeführt  wird. 


Fig.  93. 


/'umpi 


Einen  Ammoniakdestillierapparat  mit  Laugenzuführung,  der  sich  be- 
sonders zu  Massenuntersuchungen  eignet,  beschreibt  Hud.  Michel.  -) 

Bei  der  Bestimmung  von  Ammoniak  und  Harnstoff  im  Blut  ver- 


^)  Vd.  liiorzu  Ph.  A.  Eoher ,  Die  quantitative  Destillation  des  Ammoniaks  mit- 
telst Durchlüftung.  J.  Amcr.  Chem.  Soc.  32.  689  (1910)  und  (JiU  und  Grindley,  Stick- 
stoffdestillation nach  der  Kober^ah^n  Methode.  Ebenda.  31.  1249  (1910).  Vgl.  auch 
J.Sebelien,  Chem.  Ztg.  1909.  Nr.  87.  Daris ,  J.  Amer.  Chem.  Soc.  31.  56  (1909).  Über 
NH„-Bestimmung  bei  Anwesenheit  von  viel  Trippelphosphat  vgl.  Folin,  Journ.  biol.  chem. 
8.  497  (1910). 

-)  Rtid.  Michel,  Anordnung  eines  Ammoniakdestillierapparates  mit  Laugenzu- 
führung. Chem.  Ztg.  34.  620  (1910). 


Nachweis  und  Bestimmuni:  der  Eiweißabbauproduktc  im  Harn.  *»(t7 

fahren  CG.  Wolf  und  Mc  Kim  Murr iof  wie  folgt'):  Das  geschlagene  und 
(lurch  Glaswolle,  daiiii  (lurch  ein  I^cintueh  filtrierte  Illut  (100  cm')  wird 
mit  'yO  nn^  s>vs;ittii;t('r  Koclisalzliisung  versetzt,  unter  (iaiicrnileni  KühnMi 
werden  2i)0  cm'-^  Methylalkohol  /uiicfügt ;  man  filtriert  und  hcstiimnt  in 
100  cni'^  das  Ammoniak  nach  Znsatz  von  \0  rm'-^  2  n-Sodalösuug  indem 
man  es  im  Vakuum    (vor  dem  Evakuiei-en    werden   einige   rdmstcinstüeke 

zugesetzt)    in  zwei  Vrechsehche  Hascia'U    mit   je  2ö  cm^  ^   n-ll.X),  iiher- 

destilliert,  was  bei  40 — 50°  40  Minuten  in  Anspruch  nimmt.  Der  Iidialt 
beider  Vorlagen  wird  vereint,  zur  Austieibung  der  Kohlcusäinc  einige 
Minuten  im  Sieden  erhalten  und  mit  Natronlauge  mit  alizariusulfosaurem 
Natrium  als  Indikator  titriert.  Im  lUickstand  wird  der  Harnstoff  nach 
Folin  bestimmt. 

Schwefel  (vgl.  Band  III,  S.  794  und  dieser  Band.  S.  2H8). 

Bei  schwerer  oxydierbaren  biologischen  Produkten  schlagen  ('.  C  L. 
Wolf  und  E.  Österherg  -)  in  Anlehnung  an  die  von  bencdict  angegebene 
Methode  folgendes  Verfahren  vor:  Man  bringt  die  zu  analysierende  Sub- 
stanz in  einen  birnenförmigen,  ;)()0  r;»'*  fassenden  Kolben  mit  einem  langen 
Hals.  Dazu  fügt  man  20  cm^  rauchende  Salpetersiiure .  erhitzt  zuerst  auf 
einer  kleinen  Flamme  und  läßt  dann  schlieblich  so  lange  sieden,  bis  die 
Flüssigkeit  frei  von  festen  Bestandteilen  ist.  Das  Kochen  wird  so  lange 
fortgesetzt,  bis  keine  Salpetrigsäuredämpfe  mehr  aufsteigen.  Die  so  zer- 
setzte Substanz  wird  dann  (piantitativ  mit  destilliertem  Wasser  in  eine 
150  cm'^  große  l'orzellanschale  oder  -Tiegel  mit  abnehmbarem  Deckel  über- 
tragen und  20  c»r^  7ye^?(T/i('/sche  Lösung  (kristallisiertes  Kui)fernitrat  2<>()y. 
Natrium-  oder  Kaliumchlorat  öO^/,  destiUiertes  Was.ser  \{)00  im^)  hinzu- 
gefügt. Man  läßt  die  Mischung  in  einem  Sandbade  verdampfen .  bis  sie 
ganz  trocken  ist.  Darauf  wird  die  Schale  auf  freier  Flamme  erhitzt  und 
die  Hitze  allmählich  gesteigert,  bis  der  Boden  des  GefälJes  rotglühend  ist. 
Auf  dieser  Temperatur  wird  sie  20  Minuten  gehalten.  Dann  läßt  man  die 
Schale  abkühlen,  fügt  2b  cm^  Salzsäure  (1:4)  hinzu  und  erwärmt  den  In- 
halt der  Schale,  bis  der  ganze  schwarze  Bodensatz  in  derselben  aufgelöst 
ist.  Die  Lösung  wird  dann  in  einen  öoo  on^  grolVn  Krlennieyerkolbeii 
übertragen,  ungefähr  ir)0  cmMV asser  zugefügt  und  die  Lösung  1.')  Minuten 
lang  gekocht.  Dann  läßt  man  sie  abkühlen  und  ein  paar  Stunden  stehen, 
am  besten  über  Nacht.  Zum  Schluß  filtriert  man  sie  dinrh  einen  kleinen 
Trichter.  Alsdann  wird  Bariumchlorid  tropfenweise  so  lange  zugesetzt,  bis 


*)  C.  G.  Wolf  und  Mr  Kim  Marriot,    Bestimmung  von  Ammoniiik-   und   Harnstoff 
im  Blut.  Biochem.  Zeitschr.  26.  16.0  (1910). 

-)  C.  G.  L.  Wolf  und  Kiuil  ös/<  rlicrg,  Die  «luantitativo  Bestimmung  von  Scliwi'fel 
und  Phosphor.  Biochom.  Z.  29.  429(1910).  Zur  Scliwofcdbestimmumr  vtrl.  noch:  Sf'i-J" 
Rifson,  A  C(nnparison  i)f  the  metliods  for  the  (dimination  i)f  total  snli)iiur  in  i;: 
The  biochem.  Journ.  4.  337  (1909)  und  Tho  use  of  harium  pero.xyd  in  tlie  elimiuation 
of  total  sulphur  in  urine.  Ehoiula.  4.  34.^  (1909):  >'/.  A'.  lUiicdict ,  Tho  dotemiination 
of  total  sulphur  in  urine.  Journ.  of  liiid.  Cheni.  8.  499  (.1910). 

20* 


308  P.  Rona. 

kein  Niederschlag  mehr  entsteht,  einige  Stunden  stehen  gelassen  und 
durch  einen  Goochtiegel  filtriert.  Das  schwefelsaure  Barium  wird  mit 
heißem  Wasser  gewaschen,  bis  die  Spülflüssigkeit  bariumfrei  ist.  Dann 
wird  geglüht  und  gewogen.  Das  Schäumen  fetthaltiger  Substanzen  verhin- 
dert man  durch  Hinzufügen  von  5  cin^  5  n-Salpetersäure,  wenn  die  Lösung 
zur  Trockenheit  vcrclampft  ist. 

Als  Nachtrag  zur  Bestimmung  der  Sulfatschwefelsäure  (Band  III, 
S.  797)  sei  noch  die  von  B.  v.  Lengyel  vorgeschlagene  Fällung  mittelst 
alkohoUscher  Strontiumchloridlösung  erwähnt.  \)  2bcm^  des  vorher  filtrierten 
Harnes  werden  auf  das  dreifache  verdünnt,  mit  bcm'^  verdünnter  Salzsäure 
angesäuert,  bis  nahe  zum  Sieden  erhitzt  und  mit  50 cw^  Strontiumchlorid- 
lösung (gesättigte  Lösung  von  SrCls  in  99o/nigem  Alkohol:  100,9'  der  Lösung 
enthalten  0-817(7  wasserfreies  SrCl^)  tropfenweise  gefällt.  Dann  werden 
noch  \hOcm^  95Voiger  Alkohol  zugefügt,  der  Flüssigkeitsstand  markiert, 
einige  Stunden  mit  aufgelegtem  L'hrglas  auf  dem  Wasserbade  stehen  ge- 
lassen, dann  noch  Avarm  bis  zur  Marke  aufgefüllt  und  in  der  Kälte  stehen 
gelassen,  bis  der  Niederschlag  sich  absetzt.  Nach  dem  vollständigen  Er- 
kalten \äv&  die  überstehende  Lösung  durch  ein  Filter  gegossen,  der  Nieder- 
schlag dreimal  dekantiert,  mit  Alkohol  auf  ein  Filter  gespritzt  und  mit 
wässerigem  xVlkohol  bis  zum  Verschwinden  der  Chlorreaktion  gewaschen. 
Man  äschert  das  Filter  mit  dem  Niederschlag  ein,  glüht  das  Sr  SO4  einige- 
mal unter  Zufügen  von  einigen  Tropfen  verdünnter  Hg  SO4  schwach. 

Ist  eine  Reinigung  des  Bariumsulfatniederschlages  nötig  (vgl.  Band  III, 
S.  798),  so  verfährt  man  nach  Briif/chiumn^)  so,  daß  man  den  Nieder- 
schlag im  Platintiegel  mit  ?> — 4  Troi)fen  konzentrierter  HCl  und  mit  einigen 
Kubikzentimetern  Wasser  versetzt ,  die  Klümpchen  mit  einem  Glasstab  zer- 
teilt und  die  Flüssigkeit  etwa  2  Minuten  lang,  ohne  da[i  diese  ins  Sieden 
kommt,  über  der  Flamme  erwärmt.  Die  über  dem  Niederschlag  stehende 
Flüssigkeit  wird  durch  ein  kleines  Filter  gegossen,  das  angegebene  Ver- 
fahren fünfmal  wiederholt.  Nun  erst  wäscht  man  aus  und  prüft  das  Wasch- 
wasser mit  H2  SO4  auf  lösliches  Barytsalz.  Ist  das  Filtrat  ganz  oder  bis 
auf  Spuren  frei  von  Baryt,  so  sammelt  man  den  Niederschlag  auf  dem  Filter, 
trocknet  ihn  und  schüttet  in  einen  gewogenen  Platintiegel.  Dieses  Filter, 
wie  auch  das  erste,  auf  dem  der  Barytniederschlag  gesammelt  wurde, 
verbrennt  man  in  der  Platinspirale  und  glüht  nun  die  Asche  mit  dem 
Niederschlag  im  Tiegel.  Man  befeuchtet  den  Niederschlag  mit  verdünnter 
Schwefelsäure,  verdunstet  die  Flüssigkeit  vorsichtig,  glüht  den  Tiegel  wieder 
und   wägt  dann.  3)    Nach   M.  J.  Van't  Kruijs*)    kann    man    statt   konzen- 


')  B.  c.  Lcngijel,  Pßügers  Archiv.   104.  514  (1904). 

-)  G.  BrügelntariH,  Zeitschr.  f.  analyt.  Chemie.  16.  22. 

•')  In  Bd.  III,  S.  798,  6.  Zelle  von  oben  ist  der  Satz  :  „Man  dampft  das  in  den 
Platintiegel  etc."  zu  streichen. 

*)  M.  D.  Van't  Kruijs,  Die  quantitative  Bestimmung  von  Ba  SO^  neben  Substanzen, 
welche  das  Resultat  beeinflussen.  Zeitschr.  f.  analyt.  Chemie.  49.  393  (1910) ;  vgl.  auch 
Chem.  Weekblad.  6.  73.0  (1909). 


Nachweis  und  ßestiininiiii!,'  iler  Eiwclüaliliaiiprixlulcto  im  H;ini.  ,,,(<f 

trierter  HCl  auch  eine  Mischung-  von  .".  'IVilcn  HCl  und    i   Teil  HNO,  an- 
wenden; in  diesem  Falle  genü^^t  die  halbe  Stärke  (lUVo'- 

Aminosäuren. 

Über  weitere  Ausbildung-  der  Forniolniethode  von  1'.  Ifrttri<jufs  und 
S.  P.  L.  Sörensen  ist  bereits  in  dem  Nachtrage  zu  Hand  III  (S.  HUT)  be- 
richtet worden.  ^) 

Bezüglich  der  Anwendung  der  Natron-  oder  Ilarytiiingc  wird  von 
Sörensen^)  darauf  hingewiesen,  daß  es  in  kari)onat-  und  phosphatfrcicii 
Lösungen  gleichgültig  ist,  ob  nian  bei  der  Formoltitration  die  eiiu*  oder  die 
andere  anwendet.  Kohlensäure-  und  phosphorsäurelialtige  Flnssigkfiten 
müssen  vorher  mit  Bariumchlorid  und  Barytlauge  behandelt  werden,  wodurch 
die  Kohlensäure  und  die  Phosphorsäure  als  Bariumsalze  gefällt  werden :  in 
dem  Filtrat  kann  dann  die  Neutralisation  mit  Lackmus))apier  als  Indikator  nmi 
die  darauffolgende  Formoltitrierung  bis  zu  stark  roter  Farbe  mit  riienol- 
phtalein  ausgeführt  werden.  In  karbonat-  oder  phosphathaltigen  Lösungen 
ist  Barytlauge  der  Natronlauge  vorzuziehen.  Nur  in  Fällen,  wo  Barium- 
verbindungen  störende  Niederschläge  hervorrufen,  ist  es  notwendig,  bei 
der  Titrierung  Na  OH  zu  verwenden.  In  solchen  Fällen  ist  der  Lmschlag 
jedoch  nicht  so  scharf. 

Zur  Bestimmung  des  Gehaltes  der  Proteinstoffe  und  ihrer  S|)alt- 
produkte  an  peptidgebuudonem  Stickstoff  verfahren  V.  Hrnrh/ios  und 
J.  K.  GjakUiäl- ■'■)  wie  folgt,  wol)ei  als  Beispiel  die  von  diesen  Forschein 
an  M'i^^e  -  Pepton  durchgeführte  l'ntersuchung  mitgeteilt  werden  soll. 
25 cm3  Lösung  eines  zirka  4%igen  >F/7/e-Peptons  (mit  einem  N-liehalt  von 
bT2bmg  in  bcm'^)  werden  in  einem  Melikolben  bis  auf  200cm^  verdünnt, 
nach  vorheriger  genauer  Neutralisierung  mit  Lackmuspapier.  \'ou  dieser 
Lösung  werden  40  c/y/^'  zur  Formoltitrierung  genommen,  andere  40  <•//<' 
zur  Ammoniakbestimmung.  Die  Formoltitrierung  ergab  i;>-44/>'//  forniol- 
titrierbaren  Stickstoff,  die  NHa-Bestimmung  OSO/////  N  als  NH,.  Mithin 
beträgt  die  Menge  des  Aminosäure-N  1204 >//</.  —  2bci)i^  der  ursprünglichen 
Peptonlösung  werden  in  eine  Porzellanschale  gebracht,  'Jöoii-^  konzentrierter 
HCl  hinzugefügt,  die  Flüssigkeit  bis  zur  Trockene  eingedampft,  von  neuem 


*)  über  die  Formohnetbode  vgl.  u.  a.  O.  r.Spindhr,  Beiträge  zur  Haruanalyse. 
Schweizeriscbo  "Wochonscbr.  f.  Cbem.  u.  Pliann.  47.  7()7  (lUlO);  A'.  Hjöni-Amlirsni  und 
Maritis  Laurifzcn,  Über  Säure-  uud  Amuiuniakbostandtrilo  im  Irin  und  ibrc  klinisrlie 
Anwendung.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  64.  21  (191U) :  //.  M'ilfatfi,  Zur  Formoltitrierung 
der  Aminosäuren  im  Harn.  Ebenda.  66.  152  (I'.IIO):  L.  '/«•  Jai/n-,  Cber  den  KinfluÜ  di-s 
Harnstoffs  auf  die  Bestiminung  des  Aminosäurengeliaites  nach  der  Fonnoltitrieruugs- 
methode.  Ebenda.  67.  1U5  (U)10). 

-)  N.  /'.  L.  Sörensen,  Bemerkungen  über  die  B^trmoltitriernng.  insliesondoro  über 
die  Anwendung  von  Natronlauge  oder  Barytlauge  bei  dcrsclluMi.  Biochem  /eifsclir.  2ö. 
1  (lyiO). 

")  r.  Henriques  und  ./.  A'.  tijaJilbük,  Über  die  quantitative  Bestimmung  der  im 
Proteine  oder  in  dessen  Al)bauproduliten  vorhandenen  reptidliindun!.'en.  Deutsche  physiol. 
Chemie.  67.  8  (1910). 


310  P.  Rona. 

Salzsäure  hinznjiofüsit  und  wieder  bis  zur  Trockene  eingedampft.  Den  Kest 
bringt  man  mit  Hilfe   von  Wasser  in  einen  lOOcw^'-Meßkolben.  Die  stark 

braun  gefärbte  Flüssigkeit   entfärbt   man   durch  Fällung   mit  —-n-AgNOg 

(20  fw3  — -n-Silbernitratlösung  und  4('ms  2n  BaCla-Lösungi)  und  verdünnt 

bis  zur  Marke  (+  0-2 cni'^  für  das  gefällte  Silbercblorid).  Von  dem  nun 
schwach  gelblichen  Filtrate  führt  man  öOcrn^  in  einen  100 cm^-Kolben  über, 
man  neutralisiert  die  Flüssigkeit  genau  mit  Lackmuspapier  und  verdünnt 
bis  zur  Marke.  Von  dem  Inhalt  des  Kolbens  nimmt  man  40  cm^  (=  bcm^ 
der  ursprünglichen  Lösung)  zur  Formoltitrierung  und  40  cm^  zur  Ammoniak- 
bestimmung. Es  wurden  gefunden  'My^Omg  formoltitrierbarer  N  und  4"05w^ 
NH3-N,  also  ,-j2"75»/(/ Aminosnuren-N.  Wurde  dieselbe  Menge  Peptonlösung 
1  Stunde  mit  konzentrierter  HCl  gekocht  und  wie  oben  verfahren,  so  wurden 
gefunden  41*72  w/_7  formoltitrierter  N,  IVOöwf/NHg-N  und  o7'77  wr/ Amino- 
säuren-N;  nach  12stündigem  Kochen  mit  zirka  20Voiger  HCl  war  die 
Menge  des  Aminosäurestickstoffs  40'54»^^.  Um  den  Spaltungsgrad  auszu- 
drücken, gibt  man  die  Menge  des  noch  ferner  lösbaren  peptidgebundenen  N 
in  Prozenten  der  vorhandenen  Menge  Aminosäurestickstoffs.  Li  dem  ge- 
gebenen Beispiel  w^ar  die  Gesamtmenge  des  Aminosäurestickstoffs  40"54;/i^; 
durch  zweimaliges  Eindampfen  auf  dem  Wasserbad  mit  HCl  fand  man 
32'7o?;?r/  Aminosäuren-X,  es  waren  mithin  noch  Tl^mg,  d.  h.  19'2o/o 
peptidgebundenen  Stickstoffs  übrig.  Der  Fehler  der  Methode  beträgt 
zirka  0*56  w_9  N. 

Über  die  Bestimmung  des  Aminstickstoffs  im  Harn  nach  van  Slyhe 
vergl.  die  Mitteilung  dieses  Autors  in  der  zw^eiten  Hälfte  dieses  Bandes. 

Harnstoff  (vgl.  Band  HI,  S.  774). 

In  jüngster  Zeit  geben  V.  Heuriques  und  >S'.  A.  GammeUoft  '•^)  in  einer 
Mitteilung,  in  der  auch  andere  Harnstoffbestimmungsmethoden  kritisch 
beleuchtet  werden,  folgendes  Verfahren  zur  Bestimmung  des  Harnstoffes 
im  Harn  an.  In  5  cm^  Harn  wird  zuerst  bestimmt,  wieviel  einer  lOVoigen 
Phosphorwolframsäurelösung  (in  V/.n-HoSOi)  nötig  ist,  um  gerade  eine 
vollständige  Fällung  hervorzurufen.  Sodann  mißt  man  in  einem  100  (-//^ä. 
Kolben  10(vy«3Harn,  setzt  die  vorher  bestimmte  Menge  der  Phosphorwolfram- 
säurelösung hinzu  und  füllt  den  Kollien  bis  zur  Marke  mit  V2  n-H2  SO4. 
Die  Flüssigkeit  bleibt  nun  —  nach  Mischung  —  so  lange  stehen ,  bis  der 
Bodensatz  sich  gerade  gesetzt  hat,  und  wird  dann  filtriert.  Von  dem 
Filtrate  bringt  man  2mal  10 c^^^^  jn  Reagenzgläser  aus  Jenaglas,  welche 
sodann  —  mit  Zinnfolie  bedeckt  —  IV2  Stunden  bei  150»  autoklaviert 
werden.  Der  Inhalt  der  Gläser  wird  nun  in  entsprechende  Kolben  gebracht 

*")  V.  Hcnriques  und  L.  A.  GammeUoft,  Einige  Bemerkungen  über  Harustoff- 
bestimmung  im  Harn.  Skandin.  Arch.  f.  Physiologie.  25.  153(1911). 

^)  Vgl.  .s'.  P.  L.  Sörcnscn  und  //.  Jessen  Hansen,  Über  die  Ausführung  der  Formol- 
titrierung in  stark  farbigen  Flüssigkeiten.  Biochem.  Zeitschr.  7.  407  (1908). 


Nachweis  und  Bestimmung  der  Eiweißaliliaiiproiliiktc  im  Harn.  :',i  ] 

und  die  Ammoniakmenge  entweder  durch  I)iircldiiftung  (nach  /iisat/  von 
kohlensaurem  Natrium)  oder  durch  Destilhition  im  Vaknnm  (nach  Zusatz 
von  Ilariumhvdroxvd  in  Methylalkohol  gelöst)  bestimmt. 

Kreatinin  (vgl.  I')and  III,  S.  788). 

Zur  Darstellung  des  Kreatinins  aus  dem  Harn  geben  Folln  und  ß/un<  /: 
neuerdings  folgende  Methode  an  ^) : 

In  ungefähr  8  l  frischen  Harns  wird  unter  lÜUircn  cinr  licil'ie  alko- 
holische Lösung,  die  ungefähr  125^  Pikrinsäure  enthält,  zugefügt,  hie 
Mischung  bleibt  über  Nacht,  stehen,  es  wird  dann  die  überstehende  Flüssig- 
keit abgegossen,  das  Sediment  auf  der  Nutsche  mit  verdimnter  rikrinsäure 
und  kaltem  Wasser  gut  ausgewaschen,  dann  in  zirka  400  cm^  lauwarmem 
Wasser  suspendiert  und  zirka  60^  gepulvertes  KaliundDikarbonat  hinzu- 
gefügt. Der  Kolben  wird  in  warmes  Wasser  von  55 — 60*^  getaucht  und 
sorgfältig  geschwenkt,  bis  die  Entwicklung  von  CO,  aufhört.  Die  Temi)e- 
ratur  muß  dabei  auf  45 — 50°  gehalten  werden.  Beim  Einspritzen  von 
Alkohol  in  den  Kolben  hört  das  Schäumen  auf.  Sobald  sich  keine  Kohlen- 
säure mehr  entwickelt,  wird  der  Kolben  in  kaltes  Wasser  gestellt  und 
nach  einigen  Stunden  die  Ileaktionsflüssigkeit  filtriert  und  mit  50''/oiger 
Essigsäure  bis  zur  bleibenden  sauren  Reaktion  vorsichtig  angesäuert.  Wenn 
sich  keine  Kohlensäure  mehr  entwickelt,  wird  die  Lösung  durch  einen 
Tberschuß  von  alkoholischer  Chlorzinklösung  gefällt  und  so  das  Chlorzink- 
doppel.salz  erhalten.  Die  Fällung  ist  gewöhnlich  in  1—2  Tagen  beendet. 
Der  Niederschlag  wird  auf  einem  Duchnerfilter  gesammelt  und  gründlich 
gewaschen.  Durch  Lösung  des  Chlorzinkdoppelsalzes  in  10"/oigci"  Schwefel- 
säure und  Fällen  der  Lösung  mit  Azeton,  Alkohol  oder  Äther  erhält  man 
ein  neues  Salz  von  der  Formel:  Kreatinin  2  SO4,  ZnSOi,  8H.M>.  Kreatinin- 
zinkalaun.  das  als  Ausgangsmaterial  für  die  Darstellung  reinen  Kreatinins 
dienen  kann.  Es  wird  zunächst  durch  Umkristallisieren  aus  Wasser  nach 
Behandlung  mit  Tierkohle  gereinigt.  Zu  einer  10"  oigen  Lösung  des  reinen 
Produktes  in  heißem  Wasser  wird  die  zur  Bildung  der  Schwefelsäure  be- 
rechnete Menge  Bariumazetat  in  Lösung  zugidugt  und  in  die  Mischung 
zur  Fällung  des  Zinks  Schwefelwasserstoff  eingeleitet.  Das  Filtrat.  das  nur 
noch  Kreatinin  und  Essigsäure  enthält ,  wird  bei  50"  im  \akuum  zur 
Trockene  eingedampft,  der  Ilückstand  zur  Entfernung  des  Restes  Essig- 
säure mit  wenig  kaltem  Alkohol  gewaschen.  Die  Ausbeute  an  Kreatinin  ist 
fast  quantitativ. 

Zur  Überführung  trockenen  Kreatins  in  kristallisiertes  Kreatinin'-) 
wird  das  Kreatin  in  eine  Fla.^^che  mit  (ilasstöp.^^el  gebracht  untl  zugestöpselt 
in  ein  gewöhnliches  irdenes  Gefäß  gestellt,  dessen  Deckel  fest  verschlossen 


')  Folin  and  BJanck,  Tlic  preparation  of  Creatinine  from  urine.  Joiirii.  l'iol. 
Chem.  8.  39ö  (1910). 

-)  O.  Folin  and  W.  Denis,  Tlie  propnration  «f  Creatinine  from  creatiiu«.  .li>iiin. 
biol.  Chem.  8.  399  (1910). 


312  P-  Rona. 

ist.  Dieses  wird  in  Wasser  im  Autoklaven  auf  41/2  Atmospliüren  drei 
Stunden  lang-  erhitzt,  dann  abgekühlt.  Zur  Reinigung  wird  es  mit  kaltem 
Alkohol  gewaschen  oder  mit  sehr  wenig  absolutem  Alkohol  gekocht. 

Ein  neues  billiges  Kolorimeter,  das  außer  zur  Bestimmung  von  Blut- 
farbstoff, Eisen  und  Indikan  auch  zu  der  von  Kreatinin  nach  der  Folin- 
schen  Methode  geeignet  ist,  geben  H^.  Authenrieth  und  ,7.  Koenigs- 
herger  an.  ^) 

An  dieser  Stelle  sei  auch  darauf  hingewiesen,  daß  bei  der  Angabe 
der  nötigen  Reagenzien  bei  der  Fo/iwschen  Methode  in  Band  III,  S.  787  zwei 
störende  Druckfehler  stehen  gebUeben  sind.  Es  sollen  daher  die  erforder- 
lichen Reagenzien  hier  wieder  aufgezählt  werden: 

1.  Eine— -n-Kaliuml)ichromatlösung  ( 24-54  ^  pro  Liter). 

2.  Eine  annähernd  gesättigte  (l-2''/oige)  Pikriusäurelösung. 
lO^/oige  Natronlauge. 


o 
i). 


Zur  Isolierung  des  Kreatinins  aus  Suppenwürzen  sowie  aus  ge- 
ringen Mengen  Fleischextrakt   schlägt   Micko-)   folgendes    Verfahren  vor: 

Eine  wässerige  Lösung  von  10  g  Liehigschem  Fleischextrakt  wird 
mit  Bleiessig  bei  Zimmertemperatur  ausgefällt,  auf  1  /  mit  Wasser  ver- 
dünnt, nach  mehrstündigem  Stehen  filtriert,  das  Filtrat  nach  Zusatz  von 
HCl  auf  dem  Wasserbade  eingedampft,  vom  Chlorblei  abfiltriert,  das  ein- 
geengte Filtrat  mit  mehrfachem  Volumen  heißen  Alkohols  vermischt,  nach 
dem  Abkühlen  filtriert,  das  Filtrat  ganz  eingedampft,  der  Rückstand  mit 
80 — 100  ('»^3  Wasser  aufgenommen,  die  mit  Na  OH  neutralisierte  Flüssig- 
keit mit  10  r»/ 3  einer  Lösung  von  '200  g  pulverigem  Natriumbisulfit  in  1  / 
Wasser  und  mit  ebensoviel  einer  Lösung  von  130  cm^  CuSOi  in  1 1  Wasser 
versetzt,  aufgekocht,  nach  dem  Abkühlen  filtriert.  Aus  dem  von  Xanthin- 
basen  befreiten  Filtrat  wird  die  schwefelige  Säure  durch  Zusatz  von  HCl 
und  Eindampfen  auf  dem  Wasserbad  vertrieben,  dann  das  Kupfer  mit  H.2S 
gefäUt.  Das  Filtrat  wird  eingedampft,  mit  heißem  Alkohol  ausgezogen, 
dieser  Vorgang  (zur  Entfernung  der  Chloralkalien)  wiederholt,  bis  die  Salz- 
rückstände  keine  oder  nur  geringe  Reaktion  nach  Jafe  geben.  Der  erhal- 
tene Sirup  wird  mit  ca.  50  cm^  verdünnter  H,  SO4  (1 :  3)  und  mit  30VoigPi' 
Phosphorwolframsäurelösung  gefällt,  der  Niederschlag  nach  zweitägigem 
Stehen  gefällt,  der  Niederschlag  mit  stark  verdünnter,  mit  Hg  SO4  ange- 
säuerter Phosphorwolframsäurelösung  gewaschen,  dann  abgesaugt,  in  heißem 
Wasser  aufgeschwemmt,  mit  Baryumhydroxyd  versetzt,  bis  zur  alkalischen 
Reaktion.     Der   Niederschlag    wird    abfiltriert,    mit    heißem    Wasser    ge- 

')  ir.  Authenrieth  und  J.  Koenigsherger,  t)ber  ein  neues  Kolorimeter  und  dessen 
Verwendung  zur  Bestimmung  von  Blutfarbstoff,  Eisen,  Indikan  und  Kreatinin.  Münchener 
med.  AVochenschr.  57.  998  (1910). 

^)  K.  Mirko,  Über  Isolierung  des  Kreatinins  aus  Extrakten.  Zeitscbr.  f.  Unters. 
Nahrangs-  u.  Genußm.  19.  426  (1910). 


Nachweis  unil  HostiminmiLr  der  Kiweißahbaiiprodiikto  im  Harn.  ;;j;j 

waschen,  das  Filtrat  mit  verdünnter  Ho  SO,  neutralisiert,  die  neutrale 
Flüssigkeit  bis  zum  Sirup  eingedamjjft.  Zur  Ihcrt'ührun;^  des  unter  der 
Einwirkung  des  Baryumhydroxyds  gebildeten  Kreatins    löst   man  den  Sirup 

in  etwa  10 — 15  n>i3_-n-H2  SO4  und  50  tw^  Wasser  auf,  dampft  ein,  nimmt 

den  Küekstand  in  50«»-'  Wasser  auf  und  dampft  die  Flüssigkeit  noch- 
mals ein.  Der  Sirup  wird  mit  wenig  Wasser  in  einen  Kolben  gebracht, 
die  konzentrierte  Lösung  mit  heibem  Alkohol  vermischt,  bis  zum  nächsten 
Tag  stehen  gelassen,  die  klare  Flüssigkeit  vom  ungelösten  abgegossen,  der 
Alkohol  durch  Destillation  verjagt,  wieder  mit  hciliem  Alkohol  vermischt 
und  wieder  der  Alkohol  verjagt.  Die  in  saurem  Alkohol  unlöslidu'u  An- 
teile des  Sirups  werden  zur  Gewinnung  der  darin  enthaltenen  kleinen 
Mengen  Kreatinin  in  sehr  wenig  Wasser  gelöst,  mit  siedendem  Alkohol 
vermengt  und  wie  oben  verfahren.  Die  alkoholischen  Auszüge  werden  durch 
Destination  vom  Alkohol  befreit,  der  Pdickstand  wird  in  25 — 30  cm  ^  Wasser 
aufgenommen,  die  zum  Sieden  erhitzte  Lösung  wird  mit  P)leihydro.\yd  ver- 
setzt bis  zur  alkalischen  Reaktion  und  die  Mischung  mit  dem  mehrfachen 
Volumen  absoluten  Alkohols  verdünnt.  Die  nach  mehrstündigem  Stehen 
filtrierte  Flüssigkeit  wird  nach  Abdestillieren  des  Alkohols  mit  ll.jS  be- 
handelt, zum  Sirup  eingedampft,  das  Kreatinin  ins  l'ikrat  übergeführt,  dies 
in  das  salzsaure  Kreatinin  übergeführt.  Zu  diesem  Zwecke  wird  das  l'ikrat 
mit  verdünnter  HCl  erwärmt,  die  freigewordene  Pikrinsäure  durch  Schütteln 
der  noch  heißen  Flüssigkeit  mit  Toluol  beseitigt,  die  wässerige  Lösung  des 
salzsauren  Kreatinins  eingedampft.  Die  feuchte  Kristallmasse  wird  mit 
einem  Gemisch  von  1/3  Azeton  und  -J^  absolutem  .Vlkohol  gewaschen 
(Schm.  243—2440). 

Phenole  (vgl.  Band  III,  S.  823). 

C.  Xeuberf/  und  A.  Hildesheini  er  ^)  zeigen,  dab  die  Angalien  Moosrrs 
(vgl.  Band  III,  S.  82G)  über  die  Brauchbarkeit  der  Phosphorsäure  für  die 
direkte  jodometrische  Phenol- bzw.  Kresolbestimmung  bei  Herbivorenharnen 
unzutreffend  sind.  Für  Pflanzenfresser  und  Diabetikerurinen  ist  die  von 
Neuherg  angegebene  Modifikation  des  Kossk'r-Pcnni/si:\\on  ^■erfahrens  an- 
zuwenden. 

Eine  Methode  zur  getrennten  Bestimmung  von  Phenol  und  Parakresol 
im  Harn  geben  J7.  Siegfried  und  li.  Ziwincrniann'-)  an.  Die  (irundidee  der 
Methode  ist  die  folgende:  Bei  der  ersten  Bestimmung  wird  diejenige  Menge 
Br(6,)  ermittelt,  die  das  Phenol  und  das  Kresol  zusanunen  verbrauchen, 
indem  aus  ersterem  Tribromphenol,  aus  letzterem  rril)romkresol  entsteht. 
bei  einer  zweiten  diejenige  Menge  Br(/>2),  die  bei  der  ri)erführung  des 
Phenols  in  Tribromphenol  und  des  Krcsols  in  Dibromkresol  verbraucht  wird. 


')  C.  Xruhfrc/  und  A.  llildcsheimer,  Die  Bc-^tiininiinL'  <ler  Tlieiitdo  im  Hiinlei- 
haru.  Biochem.  Zeitsclir.  28.  52.Ö  (llUO). 

-)  M.  Siegfried  uud  R.  Ziminrrmann,  Metiiode  zur  jrctroiuiten  Bestimmung  von 
Phenol  und  Parakresol  im  Harne.  Biochem.  Zeitschr.  29.  3(5S  (1910). 


314  !'•  Rona. 

Die  eriorclerlichen  Reagenzien  sind: 

1.  — -n-Xatriumthiosulfatlösung. 

2.  Kaliumbromatbromidlüsimg,  im  Liter  0"834^  Kaliumbromat  und 
2*97  Kaliurabromid  enthaltend. 

3.  50/oige  Jodlialiiimlösiing,  die  nach  Ansäuern  mit  verdünnter  Schwe- 
felsäure Stärkelösung  nicht  bläuen  darf. 

4.  Lösliche  Stärke. 

5.  Schwefelsäure  (1:1). 

6.  Ca.  25°/oige  Salzsäure. 

Die  Bestimmung  von  h-^  erfolgt  wie  folgt:  In  einer  ca.  500  nw^  fassen- 
den, mit  Glasstopfen  versehenen  enghalsigen  Flasche  versetzt  man  die  genau 
gemessene  Menge  der  wässerigen  Lösung  des  Phenolgemisches  (100  cm-) 
mit  20 — 30  cw3  Schwefelsäure  (1:1),  schüttelt  um  und  fügt  aus  einer 
Bürette  unter  Umschwenken  zunächst  so  viel  Kaliumbromidbromatlösung 
dazu,  bis  sich  beim  Schütteln  der  Niederschlag  zusammenballt  und  die 
Flüssigkeit  deutlich  gelb  gefärbt  ist.  Dann  läßt  man  noch  den  achten  Teil 
der  angewandten  ]\Ienge  Bromlauge  hinzufließen  und  läßt  die  Mischung 
gut  verschlossen  unter  öfterem  kräftigem  Schütteln  1  Stunde  lang  stehen. 
Hierauf  wird  unter  Vermeidung  von  Bromverlust  durch  Glaswolle  in  25  bis 
30  cm^  5"/oige  KJ-Lösung  filtriert,  die  erste  Flasche  mit  Wasser  gut  nach- 
gespült, mit  diesem  zur  Absorption  freier  Bromdämpfe  gut  durchgeschüttelt 
und  mit  diesem  Wasser  der  Niederschlag  ausgewaschen.    Im  Filtrat   wird 

mit  -T-n-Thiosulfatlösung  das  Jod  titriert.  —  Bei  der  Bestimmung  von  bo 

wird  die  gleiche  Menge  der  Lösung  des  Phenolgemisches  wie  bei  der  ersten 
Bestimmung  in  einer  mit  Glasstopfen  versehenen  Literflasche  mit  ca.  30  cm^ 
257oiger  HCl  versetzt  und  bis  auf  ca.  500  c»t^  Wasser  verdünnt.  Dann 
fügt  man  unter  gleichmäßigem  langsamen  Umschwenken  diejenige  Menge 
Bromatbromidlösung  hinzu,  die  nach  der  ersten  Bestimmung  bis  zur  Gelb- 
färbung der  Flüssigkeit  verbraucht  wurde  und  läßt  die  Mischung  ohne  zu 
schütteln  gut  verschlossen  15  Minuten  stehen.  Nach  dieser  Zeit  versetzt 
man  die  ^lischung  mit  25 — 30  cm^  5o/oiger  KJ-Lösung,  schüttelt  allmählich 
um,  bis  die  Flüssigkeit  gleichmäßig  gefärbt  ist  und  läßt  die  Mischung  eine 
Stunde  vor  Licht  geschützt   stehen.    Darauf   schüttelt   man  mehrere  ]\Iale 

kräftig  durch  und   titriert   das   freie  Jod  mit  — -n-Natriumthiosulfatlösung. 

Sind  X  und  1/  die  gesuchten  ^Mengen  Parakresol  bzw.  Phenol,  so  ist 
X  —  0-67605  (&i— 62)  und  y  =  05884  h  —  0-3923  b^.  —  Den  Titer  der 
Bromatbromidlösung  bestimmt  man  in  folgender  Weise :  In  einer  ver- 
schheßbaren  Flasche  von  ca.  250  cm^  Inhalt  werden  100  ciit^  Bromat- 
bromidlösung mit  10  m3  25Voiger  HCl  und  mit  15  cm^  5Voiger  KJ-Lösung 

vermischt.  Das  freie  Jod  wird  mit  ^-n-Thiosulfatlösung  titriert,   wobei   die 

Stärkelösung  erst  gegen  Ende  der  Reaktion  zugefügt  wird.  1  cm^  Thio- 
sulfatlösung  =  0-007992  Br. 


Nachweis  und  Bestimmung  der  KiwelÜalibiiuprudukti'  im  Harn.  315 

Hippursäure  (vgl.  Band  III,  S.  820). 

Eine  von  Dalin »)  vorgeschlagene  Darstellungsweise   der  Hippursiinre 
ist  die  folgende: 

Man  dampft  800 — 500  cm^  Harn  auf  dem  Wasserbade  auf  zirka 
100  cm^  ein,  säuert  stark  mit  H.PO^  an  und  extrahiert  ca.  12  Stunden 
lang  mit  Essigester  im  Extraktionsapparat.  Der  Essigester  wird  zur  Ent- 
fernung des  Harnstoffs  viermal  mit  konzentrierter  Kochsalzlösung  ausge- 
schüttelt, mit  Wasser  gewaschen  und  mit  Wassordanipf  destilliert.  Man 
kocht  den  wässerigen  Rückstand  mit  Tierkohle,  filtriert  und  läl'it  erkalten. 
Dabei  kristallisiert  ein  groüer  Teil  der  Hippursäure  aus.  Das  Filtrat  von 
den  Kristallen  wird  mit  Benzol  -t-  Äther  ausgeschüttelt,  die  wässerige  Lösung 
zur  Trockene  eingedampft  und  der  Rückstand  mit  den  vorher  ausgeschie- 
denen Kristallen  vereinigt. 

Urobilin  (vgl.  Band  III.  S.  854). 

NachAveis:  Man  mischt  20  ^m^  Harn  mit  4y  pulverisiertem  Zink- 
azetat, gibt  20  cm^  OöVoigen  Alkohol  hinzu ,  rührt  einige  Sekunden  um, 
läßt  absitzen  und  filtriert.  Die  Empfindlichkeit  der  Reaktion  nimmt  zu, 
wenn  man  mit  dem  Filtrieren  1 — 2  Stunden  wartet.  Besonders  geeignete 
Zinksalze  sind:  Valerianat,  Laktat,  Azetat,  weniger  geeignet  sind  das  basi- 
sche Karbonat,  Chlorid,  Sulfat  ( IFei^^^  2). 

Als  klinisches  Reagens  für  Urobilinogen,  iTobilin  und  Blut  soll  man 
nach  A.  Florcnce^)  zu  2 — o  crn^  Harn  das  Doppelte  eines  aus  50  _f/  Pyri- 
din, 50^  Chloroform,  50^  Alkohol  und  7"5(/ Zinkazetat  hergestellten  Rea- 
genzes hinzuftigen.  Grüne  Fluoreszenz  zeigt  Urobilin  an,  eine  allmähliche 
Fluoreszenz  UrobiUnogen,  grünliche  Färbung  mit  nachfolgender  Fluoreszenz 
Biliverdin,  Rotfärbung  Blut. 

Eine  Methode,  um  Urobilinogen  in  kleinen  Mengen  Serum  nach- 
zuweisen, beschreibt  W.  Bildebrandt*).  Auf  weißer  Porzellanschale  wird 
zu  einem  Tropfen  Serum  (vorteilhaft  auf  Chloroform  schwiniiiiend)  ein 
Tropfen  des  Ehrlichschen  p-Dimethylaminobenzaldehycireagens  hinzugefügt ; 
ein  zweiter  Tropfen  Serum  ohne  jeden  Zusatz  von  Reagens  dient  zur 
Kontrolle.  Die  bei  gewöhnlicher  Temperatur  auftretende  Rotfärbung  ist 
auch  bei  mäßigem  Uroi)ilingehalte  des  Serums  deutlich. 

Inosit  (vgl.  Band  HI,  S.  828). 

Die  ScJirrerschQ  Reaktion  auf  Inosit  ist  von  E.  Stilk-oirs/,i  ••)  folgt'U- 
dermaßen  verbessert  worden:  Man  löst  eine  Spur  der  für  Inosit  gehaltenen 


*)  //.  D.  Dahin,  Das  Schicksal  von  Natriumhenzoat  im  menschlichen  Orjranisimis. 
Journ.  of  hiol.  Chom.  7.   103  (1910). 

2)   Wcitz,  Journ.  Pharm.  Chem.  (7).  1.  533  (1910)  ;  vgl.  Chem.  Zentralhl.  II.  öOl  (IIMO). 

ä)  Florence,    Journ.  Pharm.  Chim.  (7).  2.    KU)  (19ü9). 

*)   IF'.  Ilildebrandt,    Über  I'roliilin  im   Hhite.    .Mütichener  med.  Wochenschr.    öT. 

2574  (I'JIU). 

^)  Salkowski,    Über    eine  Verhesscrung    der  .SWjfrcrschen    Reaktion    auf    Inosit. 
Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  69.  478  (1910). 


316     P.  Rona.   Nachweis  uiid  Bestimmung  der  Eiweißalibauprodukte  im  Harn. 

Substanz  in  1—2  Tropfen  Salpetersäure  (Dichte  1-2),  setzt  1  Tropfen 
lOVoige  Chlorkalziunilösung-,  1  Tropfen  1— 2«/oigerPlatinchloricllösung  hin- 
zu, verdampft  vorsichtig  unter  Aufblasen  und  Umschwenken  auf  einem 
Porzellantiegeldeckcl.  Bei  Gegenwart  von  Inosit  tritt  rosarote  bis  ziegelrote 
Färbung  ein. 

Indol  (vgl.  Band  III,  S.  837). 

Da  Jod  bei  Anstellung  der  Jaß'e»c\\en  Indikanreaktion  Skatol  vor- 
täuschen und  mäßige  Mengen  ludikan  verdecken  kann,  soll  man  nach 
B.  Spiethoß'^)  nach  dem  Ausschütteln  mit  Chloroform  den  Inhalt  des  Be- 
agensglases  filtrieren.  Ist  Skatol  neben  Jod  vorhanden,  so  verschwindet 
beim  Trocknen  des  Filters  die  blaue  Jodstärkefärbung,  die  zunächst  den 
ganzen  Filter  einnimmt;  der  rote  Skatolniederschlag  verbleibt  hingegen 
am  Boden  des  Filters. 

Bezüghch  der  Skatolreaktion  von  Takaoki  Sasaki^)  (vgl.  Bd.  III, 
S.  lo4S)  gibt  SasalH  ergänzend  an,  daß  die  bei  der  Reaktion  anzuwendende 
konzentrierte  H2SO4  eine  Spur  Ferrisalz  (in  100  g  konzentrierter  H0SO4 
ca.  0*0002  f/ Fe  als  Ferrisalz)  enthält.  Am  besten  verfährt  man  so,  daß  man 
einen  Tropfen  iVoiger  wässeriger  Ferrisulfatlösung  zu  100^  eisenfreier  kon- 
zentrierter H2SO4  zusetzt. 


^)  B.  Spiethoff,  Eine  einfache  Methode  zur  Differenzierung  von  Jod,  Indikan, 
Skatol  bei  der  Ja//eschen  Indikanreaktion.  Müuchener  med.  Wocheuschr.  57.  1066 
(1910). 

-)  Takaoki  Sasaki,  Über  eine  empfindliche  Skatolreaktion.  Biochem.Zeitschr.  29. 
395  (1910j. 


Bestimmung   der  Keaktion  mittelst  Indikatoi-eii. 

Von  P.  Roiia ,  Berlin. 

Bei  der  Messung-  der  waliren  Reaktion  einer  Flüssisikeit  kommt  neben 
der  elektrometrischen  Methode  die  mittelst  Indikatoren,  das  ..kolorimetri- 
sche  Verfahren-,  in  Betracht.  Wie  es  in  Band  I.  8.  560  anseinandci-Liosetzt 
ist,  beruht  die  Methode  auf  dem  Prinzip,  daß  das  Umschlaij:si>-('biet  der 
verschiedenen  Indikatoren  bei  verschiedener  Wasserstoffionenkonzentration 
liegt ;  aus  der  Beobachtung  der  Farbennuance  der  mit  dem  Indikator  ver- 
setzten Flüssigkeit  kann  man  daher  direkt  auf  die  Wasserstoffionenkon- 
zentration schließen.  Die  Farbennuancen  beziehungsweise  Umschlagspunkte 
einiger  wichtiger  Indikatoren  gibt  die  folgende  Tabelle  1 .  die  aus  Band  I 
übernommen  ist,  an. 

Umschlagspunkte  der  gebriiuchlichsten  Indikatoren  in  dem  für  den 
Physiologen  wichtigen  Gebiet  um  den  Neutralit:its])nnkt  herum  zeigt  die 
Tabelle  IL 

Um  die  genaue  Ausarbeitung  der  Indikatorenmethode  hat  sich  -S'.  P. 
L.  Sürensen  die  größten  Verdienste  erworben,  i)  Wir  benutzen  bei  der 
Beschreibung  dieses  Verfahrens  möglichst  getreu  die  Ausführungen  dieses 
Forschers.  Zuerst  prüfe  man  die  zu  untersuchende  Flüssigkeit  Lackmus- 
papier gegenüber;  ist  sie  alkalisch,  prüft  man  ihr  Verhalten  weiter  gegen 
Phenolphtalein,  ist  sie  sauer,  gegen  Methylorange.  Nun  kann  der  Bereich, 
innerhalb  dessen  die  AVasserstoffionenkonzentration  der  Lösung  zu  suchen 
ist,  weiter  eingeengt  werden.  Ist  z.  B.  die  Lösung  gegen  Lackmus  sauer, 
gegen  Methylorange  alkalisch,  so  nimmt  man  einen  Indikator,  des.>^eu 
Umschlagspunkt  zwischen  dem  des  Lackmus  und  dem  des  Mt-thylorange 
liegt,  z.  B.  das  p-Xitrophenol.  Nun  mißt  man  in  möglichst  gleich  großen, 
farblosen  Probiergläsern  folgende  Phosphatgemische  ab : 

I  II  111         IV         V         VI        VII      VIII 

i  II    K  11  lii  U  z  c  II  t  i  111  0  t  ('  r  ii 

Primäres  Phosphat   .     .  10     O-Tö     ii-f)     !>()     S-0     7-0     f.<>     .VO 
sekundäres  Phosphat    .     0     U-i^")     o-f)     ro     2-(>     :".n     1»»     .V(» 


*)  S.  F.  L.  Sürensen,  Enzymstudieu.  Biocliem.  Zcitsclir.  21.  201  (litUO). 


318 


P.  Roua. 


Tabelle 


Indikator 


Mauvein 


Koügorot 


2nH- 


InH- 


1-10-1 
nH- 


110-2 
nH- 


1-10-3 
nH- 


110-4 
nH- 


110-5 
nH- 


1-10-6 
nH- 


gelb 


g-ruu 


blau 


blau 


VI 


olett 


blau 


bla  u 


Alizarinsulf  0-        gelb- 
saures Natrium  I    grün 


Rosolsäure 


Phenolpbtalein 


violett 


Schar- 
lach 


braun 


rot 


gelb 


hell- 
bräun- 
lich 


hell- 
bräun- 
lich 


farblos 


a-Naphtolben-        ,.  , 
^'''''  '    gelb 


Tropäoliu  0 


Trinitrobenzol 


gelb 


grün-         

gelb    I 


farblos 


Benzopurpurin 


Safranin 


blau 


blau- 
violett 


violett 


rot- 
violett 


I    gelb, 
rosa    I    Stich 
:      rot 


blau        lila 


rosen- 
rot 


^^ 


A'i. 


Tabelle 


Indikator 

10  nH-^ 

4-4 
10  nH- 

—  5-4 
10  nH- 

—  6-2 
10  nH- 

—  6-5 
10  nH- 

Methylorange 

rotgelb 

gelb 

(maximal) 
gelb 

(maximal) 
gelb 

, 

Alizarinrot 

gelb 

gelb 

orangerosa 

rot 

rot 

Rosolsäure 

— 

blaßgelb 

blaßgelb 

blaßgelb 

gelb, 
Stich  rosa 

Lackmus 

— 

— 

rot 

rot 

rotviolett 

Neutralrot 

—                   — 

— 

— 

— 

Phenolphtalein 

— 

— 

— 

/ 

-   7 

Bestimmuu'^  der  Reaktion  mittelst  Indikatoren. 


:uo 


T. 


1-10-7     1-10-8 

iiH-        nH- 

110-9 

nH- 

1-10-10 
nH- 

110-11 
nH- 

1-10-12 

nH- 

1-10-13 

nH- 

110-1* 
nH- 

110-15! 

iill- 

— 

_  !    _ 

— 

— 

— 

• — 

violett- 
rot 

gelb- 
rot 

— 

— 

! 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

1 
1 

lila 

1 
violett  .      — 

— 

rosa 

rot 

— 

— 

— 

— 

— 

'3  ^-^-e» 

1 

— 

farblos 

rosa 

rot 

— 

— 

— 

rot, 
schnell 
farblos 

rot 
einfal- 
lend, 
gleich 
darauf 
farblos 

— 

— 

1 

—     '    grün 

grün- 
blau 

— 

— 

— 

— 

-:- 

— 

—      1       — 

grün- 
gelb 

rot- 
orange 

°     orange 

— 

— 

— 

—          —           — 

— 

farblos 

orange      ^«*-      /f* 
"     orange   farblos 



— 

— 

— 

— 

— 

gelb, 
Stich- 
rot 

rosa         — 

! 

~~ 

— 

-    -  r°ro;"-|-'^"i 

II. 


—6-8            _     -7-1 
10  nH-            10  nH- 

10  nH^ 

10  nH- 

— S                  ^— 8'3 

10  nH-      !     10  nH- 

1 

—9  2 
10  „H- 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

- 

rot               — 

— 

— 

— 

— 

röter 

maxim.  rotimaxim.  rot 

( 

— 

— 

— 

— 

rotviolett 

violett 

.  ,  , .     '      blau- 
^'^«1^"        violett 

blau- 
violett 

_               fast 
reinblau 

maxim. 
rot 

rot,  Stich  1    orange- 
orange           rot 

orange 

orange- 
gelb 

gelber 

maxim. 
gelb 

— 

— 

farblos 

farblos 

farblos. 

rosa 

rot    (nicht 
maximal) 

1 

320  P-  Rona. 

Das  sind  Gemische,  die  dem  Konzentrationsbereiche  der  Wasserstoff- 
ionen entsprechen,  das  p-Nitrophenol  umfaßt.  In  I  (Ph  =  4'53)  ist  p-Nitro- 
phenol  so  gut  wie  farblos  i),  in  VIII  (Ph  =  6*81)  griinüchgelb  z^Yischen  diesen 
zwei  Grenzpunkten  lassen  sich  die  übrigen  Gemische  nach  den  Wasserstoff- 
ionenkonzentrationen scharf  einreihen.  Von  der  zu  untersuchenden  Lösung 
werden  nun  auch  10 cm-  in  ein  entsprechendes  Reagenzglas  abgemessen,  in 
jedes  Glas  eine  passende  Menge  der  Indikatorlösung  eingetröpfelt,  wonach 
die  Farbe  der  Lösungen  nach  gutem,  aber  vorsichtigem  Umschütteln  ver- 
glichen wird.  Sörensen  empfiehlt  Reagenzglasgestelle  zu  verwenden,  deren 
am  zweckmäßigsten  35  bis  40*'  gegen  den  horizontalen  geneigten  Boden 
mit  einem  P)latt  reines  Papier  bedeckt  ist  und  die  so  eingerichtet  ist,  daß 
eine  Drehung  des  Gestelles  von  35  bis  40"  um  dessen  Längsachse  es  er- 
möglicht, quer  durch  die  gesamten  vorliegenden  Reagenzgläser  gegen  das 
w^eiße  Papier  als  Hintergrund  unbehindert  zu  sehen. 

Sollten  die  Anzahl  Tropfen  des  angewendeten  Indikators  nicht  ge- 
nügen ,  eine  deutliche  Färbung  hervorzurufen ,  so  muß  man  zu  allen 
Reagenzgläsern  noch  mehr  Indikatorlösung  (3,  6  bis  12  Tropfen  je  nach 
Bedarf)  zufügen.  Durch  Einschaltung  neuer  Vergleichsmischungen  kann 
die  Methode  noch  verschärft  werden. 

Äußerst  ausführliche  und  genaue  Untersuchungen  über  die  Fehler- 
quellen der  kolorimetrischen  Methode  der  Reaktionsbestimmung  verdanken 
wir  S.  P.  L.  Sörensen.  Auf  Grund  seiner  Untersuchungen  müssen  dabei 
folgende  Punkte  berücksichtigt  werden : 

1.  Eigenfarbe  der  Versuchsflüssigkeit.  FaUs  die  zu  unter- 
suchende Lösung  nicht  farblos  ist,  ist  es  vorteilhaft,  um  die  Unterschiede 
des  Farbentons  zu  verdecken,  die  Vergleichsflüssigkeiten  mit  verdünnten 
Lösungen  passender  Farbstoffe  bis  zum  gleichen  Farbentone  zu  versetzen. 
Die  Färbungsmittel  müssen  natürlich  denselben  Farbenton  geben  innerhalb 
des  ganzen  in  Frage  kommenden  Bereichs  der  AVasserstoffionenkonzen- 
trationen.  Als  angemessene  Färbungsmittel  der  Vergleichsflüssigkeiten  bei 
der  Messung  solcher  Lösungen,  die  bei  den  enzj^natischen  Spaltungen  in 
Frage  kommen,  schlägt  Sörensen  folgende  vor: 

a)  Bismarckbraun  {0*2^  in  1/  Wasser), 

b)  Helianthin  II  (0-1^  in  800  cm^  93 Voigem  Alkohol  +  20007^3  Wasser), 

c)  Tropäolin  0  (0-2  (/  in  1/  Wasser), 

d)  Tropäohn  00  (0-2^  in  1 1  Wasser), 

e)  Curcumein  {0'2g  in  600  cm^  93ö/oigem  x\lkohol  +  400  cm^  Wasser), 

f)  Methylviolett  {6-02(/  in  11  Wasser), 

g)  Baum\volll)lau  (Ol^  in  H  Wasser). 


')  Wird  der  Normalitätsfaktor  einer  Lösung  in  bezug  auf  Wasserstoffioneu  durch 
die  Größe  10— i'  angegeben,  so  schlägt  .S'öre^se«  für  den  numerischen  ^Yert  des  Potenz- 
exponenteu  den  Namen  Wasserstoffionenexponent  und  die  Schreibweise  Ph  vor.  Unter 
dem  Wasserstoff ionenexponenten  einer  Lösung  wird  demnach  der  Briggsche  Logarithmus 
des  reziproken  Wertes  des  ■  auf  Wasserstoffioneu  bezogenen  Normalitätsfaktors  der 
Lösung  verstanden. 


Bestimmuuf,'  dor  Reaktion  mittol-t   Imlikatuicii.  ;;•>! 

Vm  (1er  Verglcichsflüssiiikeit  fi'cgehonen  Falls  eine  passende  Trühunvr 
zu  verleihen  (ohne  wesentliche  Änderung  der  lonenkonzentration),  kann 
eine  wässerige  Aufschweninmng  von  frisch  gefiilltem  r.ai'iuinsnlfat  /u^ri'geben 
werden.  Die  Anschweminung  wird  bereitet  durch  \eriiiischen  von  2  rm^ 
einer  O'I  n-Bariunichloridlösung  und  2  ein''  einer  oi  n-KaHiiinsuHatliisuii'r. 

2.  Einflul»  der  Neutralsalze.  Der  l'nischlagspunkt  der  Indikatoren 
wird  in  verschiedenem  Maße  durch  die  Gegenwart  der  Neutralsalze  beein- 
flußt. L.  Michaelis  und  P.  Bona  ')  wiesen  eindringlich  auf  diese  Fehleniuelle 
hin.  So  ist  z.B.  Methylviolett  in  einer  <M  n-HCH-Lösung  mit  (KK).")  n-Kl;r 
rein  blau,  in  einer  O'I  n-HCl-Lösung  mit  (»•;')  n-KBr  rein  grün.  Beim  Kongo- 
rot hingegen  hat  es  den  Anschein,  als  sei  die  Il-lonenkonzentration  durch 
Zusatz  eines  Neutralsalzes  zurückgegangen.  Eine  große  Ileihe  von  Indi- 
katoren wird  durch  die  Neutralsalze  beeinflußt  2):  was  die  meisten  Indi- 
katoren anlangt,  wird  jedoch  die  Neutralsalzwirkung  bei  Salzkonzentrationen 
von  0*3  bis  0'5  ii  (d.  h.  2 — 3mal  der  Salzgehalt  des  Blutes)  zwar  merkl)ar, 
ist  aber  nicht  so  groß,  daß  die  Messungsergebnisse  unbrauchbar  wären. 
Nur  beim  Methylviolett  und  der  zu  dieser  Gruppe  gehörenden  Indikatoren 
(Mauvein,  Gentianaviolett ,  Methylgrüii)  ist  die  Salzwirkung  eine  solche, 
daß  man  gezwungen  ist,  sie  immer  zu  berücksichtigen  (Sönusen).^)  Um 
ein  Beispiel  über  das  Ausmaß  der  durch  die  Neutralsalze  bedingten  Fehler 
bei  verschiedenen  Indikatoren  zu  geben,  sei  ein  \'ersuch  aus  der  Arljeit 
von  Sörensen  angeführt. 

Bei  drei  Lösungen  bestand  A  aus  reiner  O'Ol  n-Salzsäure,  in  B  und 
C  w^aren  außer  der  gleichen  Menge  Salzsäure  noch  KCl  in  solchen  Mengt-n. 
daß  die  gesamte  Chloridkonzentration  i)l  n  beziehungsweise  0-3  n  betrug. 

Wert  von  Ph  in 
A  B  (" 

Die  angewandte  Meßmethode 

mittelst  Berechnung  gefunden    .     .     .  202  2()4  2"0L) 

elektrometrische  ]\Iessung       ....  201  201  2-05 

Kolorimetrische  Messung  mittelst : 

Methylviolett 2-22  2-04  \V\ 

Mauvein 222  204  1-91 

Gentianaviolett 2-22  2-0ö  1-89 

Methylgrün 228  2-05  iS'2 

p-Benzolsulfonsäure-azo-diphenylamin 

(Tropäolin  00)      ......  200  204  202 

Methaningelb  extra 199  2-04  21)4 

Benzolazodiphenylamin 2(U  204  2*04 

p-Toluol-azo-benzylamin 2n4  202  2()2 

1)  L.  Michaelis  und  l'.Rona,    Zur  l'Yairc    «It'r  lii'stimmun.i:   «Icr  ll-Konzt'iitr;.fl..n 
durch  Indikatoren.  Zoitschr.  f.  Klektrochomie.  19ll8.  251  —  253. 

2)  L.  Michaelis  und  1'.  Bona,   Der  Einfluß  der  Neutralsalze  auf  die  ludikatün-ii. 
Biochem.  Zeitschr.  23.  CA  (1909). 

»)  1.  c.  S.  2Ü9. 

Abderhalden,  Handbuch  dor  biochemischen  Arbeilsmethodeu.  V.  21 


322  P-  Rt^na. 

Die  Tabelle  beweist  die  beschränkte  Brauchbarkeit  der  vier  ersten 
Indikatoren.  Bei  höheren  Salzkouzentrationen  geben  auch  die  vier  letzteren 
Indikatoren  Werte,  die  mit  den  elektromotorisch  gewonnenen  schlecht 
übereinstimmen. 

Eine  sorgfältige  Berücksichtigung  erfordert  der  ,,  Salzfehler "  der  In- 
dikatoren bei  der  Bestimmung  der  Pieaktion  bei  salzreichen  Lösungen.  Um 
die  Größe  dieses  Fehlers  bei  Untersuchungen  des  Meer  was  sers  (mit 
zirka  35" 'oo  ^sdz)  festzustellen,  verfuhren  S.  P.  L.  Sorensen  und  S.  Paützsck 
folgendem! alöen  i) :  Eine  Probe  Meerwasser  von  bekanntem  Salzgehalt  wurde 
mittelst  1/5  n-Salzsäure  schwach  aber  deutlich  sauer  gemacht,  wonach  eine 
Durchleitung  von  Wasserstoff  die  Kohlensäure  hinaustrieb.  Dann  wurde 
die  Flüssigkeit  durch  kohlensäurefreie  Natronlauge  ganz  oder  zum  Teil 
neutrahsiert  und  die  Wasserstoffionenkonzentration  ist  durch  Zusatz  einer 
kleinen  Menge  eines  passenden  Puffergemisches  2)  (Zitrat-  oder  Borat- 
mischuugen)  nach  Wunsch  festgelegt  und  während  des  ganzen  Versuches 
festgehalten  worden.  Die  H-Ionenkouzentration  wurde  nun  sowohl  elektro- 
metrisch  als  kolorimetrisch  gemessen.  Der  ., Salzfehler"  war  dann  die 
Differenz  zweier  Messungen,  indem  sowohl  die  Verdünnung  des  Meer- 
wassers als  auch  die  Salzwirkung  der  zugefügten  kleinen  Mengen  von 
HCl,  Na  OH  und  Puffermischung  vernachlässigt  werden  kann.  Die  Be- 
stimmungen wurden  mit  Wasserproben  von  entweder  zirka  35Voo  oder 
mit  zirka  20''/oo  Salzgehalt  ausgeführt.  Füi'  die  verschiedenen  Indikatoren 
wurden  in  Mittelwerten  folgende  Korrektionen  gefunden : 

a)  p-Nitrophenol  35o/oo  Salz:  — 012 

20«/oo     ,.   :— 0-08 
h)  Neutralrot  35Voo     „   ■  +010 

2OV00     V    ■  +0-05 

c)  a-Naphtholphtalein3)  350/00     -   :  —016 

200/00     ,'   :-011 

d)  Phenolphtalein  35o/oo     „    :  —0-21 

200/00     ..    :-016 

Die  Zahlen  sind  wie  folgt  zu  verstehen.  Ist  die  Korrektion  zu  — 012 
gefunden  worden,  so  bedeutet  das,  daß  eine  Meerwasserprobe,  deren 
wahrer  Wasserstoff  ionenexponent  Ph  durch  genaue  elektrometrische  Messung 
ermittelt,  z.  B.  gleich  612  ist.  bei  der  kolorimetrischen  Bestimmung  die- 
selbe Farbstärke  wie  ein  Phosphatgemisch,  dessen  Wasserstoffionenexponent 
gleich  6*24  ist,    zeigen  wird.    Das   richtige  Resultat   der  kolorimetrischen 


^)  S.  P.  L.  Sorensen  und  S.  PaJitzsch,  t)ber  die  Messung  der  Wasserstoffionen- 
konzentration des  Meerwassers.  Biochem.  Zeitschr.  24.  387  (1910). 

-)  Vgl.  Sorensen,  Euzymstudien.  Biochem.  Zeitschr.  21.  201  (1909). 

^)  Bei  Benutzung  von  Phosphatmischungeu;  bei  Anwendung  von  Boratmischungen 
ist  die  Korrektur  — 0'22  bzw.  —0  17. 


Bestimmung  der  Reaktion  mittelst   Imlikatoron.  ;;•>;•; 

Messung  erhält  man  daher,  wenn  man  nicht  mit  dem  wahren  Was-erstoff- 
ionenexponenten  der  Veriilcichstliissi^kcit  (y'J4.  sondern  mit  dem  int(»l;:i'  d<s 
i^alzfehlers  (— Oi2)  korriiiiei-fen  (CyJ4  —  i)\-2  —  C.l^)  reclinct.  Mit  solch. -n 
Kautelen  ausgeführte  kolorimctrisehe  Messungen  der  Wasscrstoffioncii- 
konzentration  haben  einen  Fehler  im  WasserstoffioniMiexponcnten.  der  nie 
mehr  als    ±0'1  beträgt  und  gewöhidich  weit  geringer  ist. 

3.  Einfluß  zugesetzter  Antiseptika:  Toliiol  oder  Chlorol'orm. 
Die  Untersuchungen  von  Sörenscn  zeigen,  daß  die  Genauigkeit  der  kolori- 
metrischen  Messung  mittelst  Methylvioletts,  Mauveins  und  ähnlicher  Indi- 
katoren nicht  durch  Toluol  beeinflulJt  wird,  während  Chloroform  nach- 
teilig wirken  kann.  \'on  den  Indikatoren  der  Azogru|)i)e  werden  die 
saureu  gar  nicht  durch  Toluol  oder  Chloroform  beeinflußt,  während  die 
basischen  in  toluol-  oder  chloroformgesättigten  Flüssigkeiten  ganz  unbrauch- 
bar sind. 

4.  Änderungen  in  der  Stärke  oder  der  Nuance  der  Indi- 
katorfarben. Bei  Methylviolett  und  dem  verwandten  Mauvein,  (ientiana- 
violett,  Methylgrün  muß  man  einigermaßen  schnell  arbeiten,  denn  die 
Farbe  dieser  Indikatoren  infolge  molekularer  Umlagerung  schwächt  sich  in 
einer  gewissen  Zeit  (schon  nach  ^  4  .Stunde)  ab  und  auch  die  Nuance  wird 
etwas  abgeändert.  Bei  sehr  schwer  löslichen  Indikatoren  kann  eine  Ände- 
rung der  Farbe  infolge  teilweiser  Ausscheidung  des  Indikators  eintreten. 
Während  die  sauren  Indikatoren  der  Azogruppe  (z.  B.  Tropäolin  00 
[p-Benzolsulfonsäure-azo-diphenylamin|)  gewöhnlich  in  wässeriger  Lösung 
verwendet  werden  können  und  die  Stärke  und  Nuance  der  Farbentöne 
selbst  über  Nacht  sich  nicht  ändert,  müssen  die  basischen  Indikat(»ren 
dieser  Gruppe  (z.  B.  Benzol-azo-diphenylamin)  in  alkoholischer  Lösung  ge- 
braucht werden  und  die  Fari)e  nimmt  beim  Stehen  an  Stärke  ab.  weil  der 
Farbstoff  nach  und  nach  ausflockt.  Je  zusammengesetzter  ein  Indikator 
ist,  desto  schwer  lösUcher  ist  er  gewöhnlich  und  desto  störender  i>t  die 
erwähnte  Fehler(|uelle. 

ö.  Von  sehr  großem  Einfluß  sind  die  Eiweißstoffe  und  deren 
Abbauprodukte,  die  als  amphotere.  kolloidale  Körper  sich  mit  sauren 
oder  basischen  Farbstoffen  zu  verbinden  i)efäliigt  sind.  Diese  VerbinduiiL'en 
fallen  aus  oder  bleiben  in  (kolloidaler)  Lösung  und  hindern  so  die  koloii- 
metrische  Messung  merkhch  oder  vereiteln  diese  ganz.  Die  l'ntersuchungen 
von  Sörenscn  zeigen,  daß  Methylviolett  und  verwandte  Indikatoren  auch 
durch  genuine  Eiweißkörper  nur  wenig  beeinflußt  werden,  während  die 
zahlreichen  Indikatoren  der  Azogruppe  sämtlich  .^o  liut  wie  uid)rauchbar 
sind,  wenn  einigermaßen  bedeutemle  Mengen  l'roteinstoffe  von  kolloidaler 
Natur  gegenwärtig  sind.  Von  Bedeutung  ist  in  dieser  Hinsicht  die  Zusammen- 
setzung der  Indikatoren.  In  solchen  Fällen,  in  welchen  dieselbe  nicht  genuine, 
sondern  irgendwie  abgebaute  Proteine  enthält,  können  die  einfacher  /'i- 
sammengesetzten  Indikatoren  der  Azogrujjpe  oft  vollkommen  zuverlä>- 
Werte  geben,  während  die  komplizierter  zusammenge.setzten  Vertreter  der 
-Gruppe,  vor  allem  das  Kongorot,  ganz  unbrauchbar  sind.  Sehr  instruktiv 

21* 


324  P.  Rona. 

zeigt  die  vorliegenden  Verhältnisse  folgender  Versuch  von  Sörensen'^)  über 
den  Einfluß  der  Proteinstoffe  auf  die  Indikatoren.  Folgende  drei  Lösungen 
wurden  untersucht :  a)  eine  schwach  salzsaure ,  etwa  2°/oige  Leimlösung, 
h)  eine  schwach  schwefelsaure,  etwa  2"  o^ge  Lösung  von  Wittepepton, 
c)  eine  schwach  salzsaure,  etwa  2Voige  Lösung  von  genuinem  Hühnereiweiß. 

Wert  vou  Ph  in 
ah  c 

Angewandte  Meßmethode  : 

Elektrometrisch 2*56  2-59  2-49 

Kolorimetrisch : 

mit  Methylviolett 2-61  2-55  2-53 

„  Mauvein 2-58  2-52  2-50 

„  Benzol- azo-anilin 2-65  2-61  2*81 

„  p-Benzolsulfonsäure-azo-anilin ....  2"61  2"68  3'07 

„  Benzol-azo-benzylanilin 2*53  2-57  ^3"34 

,,  p-Benzolsulfonsäure-azo-benzylanilin      .  2-69  2*83  ^3*68 

„  Kongorot 3-50  3-99  55-30 

Da  der  Einfluß  auf  die  Farbenänderung  der  Indikatoren  bei  dem 
genuinen  Eiweiß  sich  zuweilen  anders  als  bei  den  Abljauprodukten 
äußert,  ist  die  Farbenänderung  gelegenthch  ein  gutes  Zeichen  für  den 
fortschreitenden  Abbau.  Vermischt  man  z.  B.  2)  4:0  on^  einer  0"57oigen 
genuinen  Hühnereiweißlösung  mit  10 cti/^  1-n-Salzsäure  und  versetzt  das 
Gemisch  sofort  mit  Tropäolin  00,  so  nimmt  die  Lösung  eine  rote  Farbe 
an,  die  im  Laufe  von  etwa  einer  Stunde  in  Gelb  übergeht.  Dies  rührt 
davon  her,  daß  das  gebildete  Azidalbumin  den  Indikator  in  noch  höherem 
Maße  bindet ,  als  es  genuines  Eiweiß  tut :  so  kann  die  vorschreitende 
Azidalbuminbildung  leicht  verfolgt  werden.  —  Gibt  man  zu  der  salzsauren 
Eiweißlösung  wirksame  Pepsinlösung,  so  wird  das  gebildete  Azidalbumin 
in  weniger  kompUzierte  Körper  gespaltet ;  die  das  TropäoHn  nur  in  ge- 
ringem Maße  binden.  Infolgedessen  wird  der  Farbenwechsel  von  Piot  zu 
Gelb  langsamer  vor  sich  gehen  und  zuletzt,  wenn  der  Pepsinabbau  die 
Oberhand  gewinnt,  Halt  machen,  wonach  die  Flüssigkeit  nach  und  nach 
wieder  rot  wird.  ^) 

Auf  Grund  seiner  Untersuchungen  empfiehlt  Sörensen  folgende  Indi- 
katoren, die  den  Bereich  der  Wasserstoffionenkonzentrationen  Ph  von 
0"1  bis  12'7  beherrschen,  zu  denen  noch  das  neuerdings  empfohlene 
a-Naphtholphtalein*)  (mit  einem  guten  Umschlag  zwischen  Ph  =  7-26 
und  Ph  =  8*58)  hinzukommt. 

*)  Sörensen,  1.  c.  S.  217. 

^)  Sörensen,  1.  c.  S.  219. 

^)  Vgl.  auch  L.  Michaelis  und  H.  Davidsohn,  Die  isoelektrische  Konstante  des 
Pepsins.  Biochem.  Zeitschr.  28.  1  (1910). 

*)  S.  P.  L.  Sörensen  und  S.Palitzsch,  Über  einen  neuen  Indikator,  a-Xaphthol- 
phtaleiu ,  mit  Umschlag  in  der  Nähe  des  Neutralpunktes.  Biochem.  Zeitschr.  24.  381 
(1910). 


I 


Bcstimniiiii'.'^  dor  Reaktion  mittelst   Intlikatorrn.  uor^ 

Nr.     1.  Methvlviolott l'u  ~    0"1 3-2 

„      2.  Mauveiii —    O'l —  2-9 

„      3.  Benzol-azo-diphonvlainiii —     \-2 —  2*1 

„      4.  p-Beiizolsulfonsäiire-azo-(li|)Ii(Miylainiii     .     ..  \A~  l'-C» 

5.  m-Heiizolsiilfoiisäuro-azo-diplioiivlaiiiin    .     ..    -     \-> —  2-;i 

„      (■).  P)('iiz()l-nzn-l)('iizylanilin -      2-3—    3-;i 

,,      7.  p-Jl('iiZ()lsulloii.^;iiire-azo-l)('ii/ylaiiiliii  .      .    „    —     1-9 —  S'H 
„      8.  p-15enz()lsulfoiisäure-azo-metaclilui(lialliyl- 

anilin r=    20    -  4() 

„      '.1.  Denzol-azo-diinethylaiiilin      =    21i —  4U 

„    10.  p-Benzol.sulfünsäure-azo-dimethylaiiilin    .    ..    —    31 —  44 

„    11.  Benzol-azo-a-naphthylamin —    ."'.•T   -  .'>() 

„    12.  p-Benzolsiilf()iisäure-azo-'/-iiaphtliylamiii      ..    =    ;Vi)       .'>" 

..    13.  p-Nitro])lu'iiol —    5-Ü—  TU 

„    14.  Neutralrut =    IrS-     S-Q 

„    15.  Rosolsaure rz:    6-9       H-0 

„    16.  p-BenzoIsuIfonsäure-azo-a-naphthol     .     .    ..   =    7'6 —  H"9 

„    17.  Phenolphtaleiii =    8-3— 10-() 

„    18.  Thyiiiolphtalein =    9-3— lO-ö 

„    19.  p-Xitrobonzol-azo-salizylsäure =  lOl  — 12'1 

..    20.  p-Benzolsiilfonsiiure-azo-re.sorzin =  IM-   12-7 

Die  Messung-  der  normalen  Ilarnazidität  auf  kolorimctriscliom 
Wege  hat  L.  J.  Hcnderson^)  in  folgender  Weise  ausgeführt:  Eine  lleilie 
von  Lösungen  mit  bekannter  Wasserstoffionenkonzentration  wurde  durch 
Mischen  verschiedener  Mengen  einer  schwachen  Säure  mit  ihrem  Natrium- 
salz hergestellt.  Die  Zusammensetzung  und  annähernde  Wasserstoffionen- 
konzentration der  benutzten  Lösungen  zeigt  folgende  Tabelle: 


Na  H,  PO4        Na„  HPU, 

(H) 

Iiiilikator 

00010  II 
00010  11 

OOOfiOn 
0-0023  u 

4. 10-«  II 

l.lO     7ll 

2.10-7  II     ' 
5 .  10-7  II 
1  .10    on 
2 .  10-«  II 
."1.10-0  11 
1  .1(1—^  u 
2.10    ftu 

Xeutralrot 

■ 

p-Nitniiilicinil 

CH3  ■ COOH 

CHj-COONa 

00009  II 
00023  II 
00046  11 
00092  11 
0-02:-^0  II 

0()4(;o  II 

OU920  II 

0-0920  n 
00920  n 
00920  II 
0-0920  ü 
00920  II 
0-0920  II 
00920  u 

Diese  Lösungen  in  Flaschen  von  250 cw^  wurden  mit  dein  erforder- 
lichen Indikator  versetzt  (Konzentration  des  Neutralrots  om M M )5<'/o ,  des 
p-Nitrophenols  008**/o)    und  dienten  als  \'ergleichslösung   hei    der  Bestim- 

')  L.  J.  Hinderson,  Zur  Keuntuis  der  Ioiieiii,'lcicliiiiii:ou  im  Orirauismus.  II.  Mes- 
sungen der  normalen  Ilarnazidität.  Biochem.  Zeitschr.  24.  40  (19101 


326 


P.  Rona. 


mung  der  Harnazidität.  Bei  jeder  Bestimmung  wurden  10  cm ^  ganz  frischen 
Harns  in  eine  2:^0 ciu^  fassende  Flasche  gebracht,  mit  Wasser  verdünnt 
und  mit  p-Nitrophenol  versetzt.  Die  Konzentration  der  Wasserstoffionen 
wurde  nun  abgeschätzt  entweder  durch  Feststellung  der  Standardfarbe, 
mit  der  die  Farbe  der  Harnprobe  übereinstimmte,  oder,  wenn  diese  zwischen 
zwei  der  Standardlösungen  lag,  Avurde  aus  den  Unterschieden  der  Farben- 
nuancen durch  rohe  Abschätzung  die  Konzentration  der  Wasserstoffionen, 
bestimmt.  War  die  Azidität  geringer  als  die  Konzentration  der  Wasser- 
stoffionen von  2.10"',  so  wurde  eine  andere  Probe  mit  Xeutralrot  ver- 
setzt und  die  Farbe  mit  der  Xeutralrotseite  verglichen.  Die  infolge  der 
Verdünnung  eingetretene  Verminderung  der  Konzentration  der  Wasser- 
stoffionen betrug  in  den  Versuchen  durchschnittlich  ungefähr  ein  Viertel. 
Um  die  Indikatorenmethode  zur  Messung  der  Azidität  des  Magen- 
saftes brauchbar  zu  machen,  hatten  L.  Michaelis  und  H.  Davidsohn^)  die 
Aichung  der  Umschlagspunkte  der  entsprechenden  Indikatoren  im  Magen- 
saft selbst  vorgenommen,  indem  gleichzeitig  in  einer  Gaskette  die  Wasser- 
stoffionenkonzentration des  Magensaftes  festgestellt  wurde.  Die  folgende 
Tabelle  zeigt,  welche  Wasserstoffionenkonzentration  des  Magensaftes  den 
verschiedenen  Nuancen  der  einzelnen  Indikatoren  entspricht.  Die  Zahlen 
bedeuten  die  Anzahl  Wasserstoffgrammionen  im  Liter. 


Ol 
1  .  10- 


0-032 

1 .  lu-'-' 


001 
=  1  .  10- 


00032 
=  1 .  10-'  = 


Methylviolett . 
Tropäolin  .  . 
Kongorot    .    . 

Methylorange 
Lackmus     .    . 
p-Nitrophcnol 
Xeutralrot  .    . 


grün 

burgunderrot 
blau ,     Nieder- 
schlag 
rot 
rot 

farblos 
himbeerrot 


grün 

burgunderrot 
blau,     Nieder- 
schlag 
rot 
rot 

farblos 
himbeerrot 


grün 
orange 
blau,  Nieder- 
schlag 
rot 
rot 

farblos 
himbeerrot 


grünblau 

orange 

blauviolett, 

Niederschlag 
rot 
rot 

farblos 
himbeerrot 


0-001 
=   1  .  10- 


0-0001 

:     1    .   10- 


000001 
=  1  .  10 


0000001 
=  1  .  10-" 


00000001 
=   1  .  10-' 


blau 
gelb 
blauviolett, 

Niederschlag 
rot 
rot 

farblos 
himberrot 


violettblau 
gelb 

schmutzig- 
rot 
orange 
rot 
farblos 
himbeerrot 


blauviolett 

gelb 

rot 


violett 

gelb 

rot 


gelb  gelb  gelb 

Sticli  violett  violett  violett 

Stich  gelb  gelb  gelb 

himbeerrot  himbeerrot  orange 

Anmerkung:  Bei  Mischfarben  ist  die  dominierende  zuletzt,  die  modifizierende 
zuerst  genannt.  Wenn  bei  Methylviolett  die  Farbennuance  schwierig  zu  beurteilen  ist, 
■was  mitunter  vorkommt,  so  orientiere  man  sieb  an  einer  Kontrolle  von  1  Tropfen  Indi- 
kator auf  1  c;«"  destillierten  Wassers. 


violett 

gelb 

rot 


*)  L.  Michaelis  und  H.  Davidsohn,  Die  Bedeutung  und  die  Messung  der  Magen- 
saftazidität. Zeitschr.  f.  experim.  Pathol.  u.  Therapie.  8.  1  (1910). 


Bestimm II II''  der  Koiiktimi  mittelst  Indikatoren. 


'o 


Bei  der  Anwciidunii  der  bescliriel)eiieii  Methode  ist  es  ausreirh 
vier  Keagenz^läsehen  mit  je  einem  Kiiliik/.ciitiiiietcr  des  filtrierten  Ma^^'f-ii- 
inhalts  zu  versetzen  und  als  Indii<ator  Metliylviolctt  (UOilVo^  wii 
Tro])aolin  (0-25Vo  in  öOVo  Alkohol),  Konüorot  (O-rif)"/,,,  wilsseri;;)  luni 
Methyloranpe  (0"2r)"/o,  wässerij^i  zu  verwi-ndcn.  Die  Farben  werden  im 
durchfallenden  Lichte  beobachtet  und  mit  der  Tabelle  verglichen,  ans  der 
die  Azidität  dann  sofort  abzulesen  i.st.  Nur  bei  sehr  \veni«r  sauren  Mafien- 
Säften  könnte  es  sich  mitunter  als  zweckmäUi^'  erNveisen.  zur  Kiintiolle 
noch  einen  der  drei  zuletzt  genannten  Indikatoren  zu  gebrauchen. 

Zum  Schlul'i  mul'i  noch  einmal  hervorgehoben  werden,  dab.  obgleich 
die  überaus  bequeme  Indikatorenmethode  zur  orientierenden  Feststellung 
der  Wasserstoffionenkonzentration  vollkommen  hinreicht,  infolge  der  er- 
wähnten Fehler(|uellen  als  Standardmethode  der  Heaktionsmessung  das 
elektrometrische  \'erfahreu  angesehen  werden  mulJ. 


Nachtrag  zur  Grefrierpunktsbestimmuug. 

(Vgl.  Band  I,  S.  498.) 
Von  P.  Koiia,  Berlin. 

In  neuerer  Zeit  sind  einige  A'orschläge  in  der  Ausführung  des  kryo- 
skopischen  Verfahrens  mit  kleinen  Flüssigkeits mengen  gemacht 
worden. 

T.  Kinoshita  i)  verfuhr  dabei  folgenderweise :  Die  Oberfläche  des 
Therraometerteils ,  der  im  Gefrierrohr  steckt,  wird  mit  Ausnahme  des 
Quecksilberbehälters  mit  Paraffin  überzogen  und  dieser  mit  aschenfreiem 
Filtrierpapier  ganz  dicht  umwickelt,  dieses  wird  mit  gereinigten  Baum- 
wollfäden daran  fest  gebunden.  Dann  wird  das  Thermometer  in  die  zu 
untersuchende  Flüssigkeit  gesteckt,  um  das  Filtrierpapier  damit  zu  tränken; 
dieses  bedeckt  man  mit  Percha  lamellata  (Merck)  und  verbindet  wieder  fest 
mit  Fäden.  Zuletzt  wird  das  Thermometer  in  das  Gefrierrohr  gebracht,  und 
zwar  ohne  Anwendung  von  Umrühren  und  Impfen  und  zunächst  mit  Weg- 
lassung der  Luftmantelröhre.  Beginnt  hierauf  das  Thermometer  rapid  zu 
fallen,  so  wendet  man  zum  Schlüsse  des  Experiments  die  anfangs  weg- 
gelassene Luftmantelrühre  wieder  an  und  bestimmt  dann  den  Gefrierpunkt. 
Zur  Untersuchung  sind  o— 4,  höchstens  ban^  Flüssigkeit  nötig.  Diese 
Methode  besitzt  nach  B.  Burian  und  K.  Drucker  prinzipielle  Fehler,  der 
von  dem  Weglassen  des  Rührens  herrührt.  Bei  fehlendem  Rühren  kann 
es  geschehen,  daß  die  Erstarrungswärme  selbst  einen  recht  langsamen 
Wärmeverlust  nicht  zu  decken  imstande  ist.  Weitere  Unzukömmlichkeit 
ist,  dal')  die  nicht  gerührte  Flüssigkeit  in  sich  ungleich  temperiert  ist. 
Ferner  ist  die  Methode  keineswegs  einfach  und  verlangt  immer  noch  3 — 4cm3 
Flüssigkeit. 

Bereits  im  Jahre  1903  haben  Guye  und  Bogdan  ^)  bei  der  (xefrier- 
punktsbestimmung  nach  Beckmann  Vorrichtungen   getroffen,    die  die  An- 


*)  Tosalcu  Kinoshita,  Über  eiue  Modifikation  des  kryoskopischen  Verfahrens  für 
Untersuchung  kleiner  Flüssigkeitsmengen.  Biochem.  Zeitschr.  12.  390  (1908). 
^)  G^^ye  und  Bogdan,  Journ.de  ehem.  Phys.  1.  385  (1903). 


Nachtrag,'  zur  (iefripipiinktsliostimimmi^.  -^^'j 

Wendung  von  nur  1 — 1-bcm^  Flüssigkeit  gestatten,  indem  sie  ein  Thermo- 
meter mit  sehr  kurzem  Quecksilhergefäß  (9wm  Lilnjze  und  iinmn  (^uer- 
durchmesser,  Gradlänge  zirka  lc7n)  benutzten.  l)ii'  'l'hi'niKdiictt'rrühn'  hat 
einen  fixen  Nullpunkt,  die  Skala  reicht  von  — ö"  bis  +1.')»  und  ist  in 
Zwanzigstelgrade  geteilt.  Die  Ahlesungsgenauigkeit  I»eträ«.'-t  001 «.  Die  Aus- 
führung ist  die  \on  Baoult  angegebene;  als  Kältebad  dient  verdampfeiKb-r 
Äther,  als  lUihrer  wird  das  Thermometer  selbst  benutzt. 

Da  die  Ablesungsgenauigkeit  bei  der  Methodik  von  Gui/r  und  Ji<>'j</(ui 
für  manche  Zwecke  unzureichend  ist,  benutzen  7i»m/»  und  Dnichr^ }  ein 
Thermometer,  dessen  Quecksilbergefäß  bei  einer  Länge  von  \hn)n  einen 
Durchmesser  von  Imin  besitzt.  Seine  mit  Stickstoff  gefüllte  Kai)illare  ist 
so  eng,  daß  eine  Gradlänge  von  2'!  cm  erzielt  wiid.  Die  Skala  hat  den 
Umfang  von  — 5"  bis  -f  P  und  ist  in  Fünfzigsteigrade  geteilt.  Es  gelingt 
leicht,  mit  der  Lupe  auf  0-002  bis  OOO:)"  genau  abzulesen.  Bunan  und 
Drucker  benutzen  ein  Kiskochsalzkältebad  und  wenden  einen  kleinen  Platin- 
rührer  mit  Glasgriff  an.  Die  Form  des  Gefrier-  und  des  Manti-irohres  ist 
so  wie  in  der  x\pparatur  von  Gui/e  und  Bugddu.  Die  beiden  Kohre  besitzen 
vollkommen  gleiche  Gestalt.  Dem  Gefrierrohr  fehlt  der  seitliche  Ansatz  zur 
Einführung  der  Impfkapillare;  dieser  ist  durch  eine  im  Stopfen  des  Ge- 
frierrohres angebrachte  Dohrung  ersetzt,  durch  die  die  Impfkapillare  beipiem 
von  oben  in  die  unterkühlte  Flüssigkeit  hineingebracht  werden  kann.  Jedes 
der  beiden  Rohre  besteht  aus  einem  weiten  oberen  und  einem  engen 
unteren  Abschnitt.  Der  letztere,  der  das  (^)uecksilbergefäri  des  Thermo- 
meters und  die  Versuchsflüssigkeit  aufnimmt,  hat  einen  Durchmesser  von 
l-kmm.  Zur  Ausführung  der  Messung  sind  IV-.'''"'  Flüssigkeit  eben  noch 
hinreichend.  Die  Temperatur  des  Kältebades  darf  höchstens  2"  unter  dem 
Gefrierpunkt  der  \'ersuchsstörung  liegen.  Bei  Beobachtung  dieser  Kegel 
stimmen  die  Ergebnisse  des  kleinen  Apparates  mit  denen  au  dem  ursprüng- 
lich ^e6'Ä;ma7^wschen  gewonnenen  auf  +  OOOö"  überein. 

Was  die  Anwendung  der  (iefrierpunktsbestimmunir  anlangt,  so  er- 
geben sich  bei  den  verschiedenen  physiologischen  Flüssigkeiten  keine 
wesentlichen  Unterschiede  in  der  Ausführung.  Bei  der  (iefrierpuukts- 
bestimmung  des  Blutes  ist  es  gleich,  ob  man  Serum,  defibriniertes  Blut 
oder  Gesamtblut  anwendet.  Hingegen  ist  die  Art  der  (iewinnung  des  Blutes 
auf  den  Gefrierpunkt,  ob  spontan  abgesetztes  oder  durch  /entrifugieren 
gewonnenes,  von  Einfluß.  Änderung  des  Blutes  im  Gehalt,  an  <  lasen,  dann 
verschiedene  Einwirkungen .  wie  Narkose ,  Vergiftung ,  lieeinflussen  den 
Gefrierpunkt.  Unter  normalen  Verhältnissen  ist  die  (Jefrierpnnktserniedri- 
gung  des  Blutes  konstaut  zwischen  — O'ölT  und  — 0r)ü2.  Bei  der 
(iefrierpunktsl)estimmung   der  .Milch   ist   ebenfalls  auf  die  (iewinnungsart 


*)  R.Btiridii  uml   A.  Drucker,    Gefrierpuiiktsiiiossniigi'ii  au  kleinen  Flüssigk.  •- 
mcugen.  Zcntralhl.  f.  Pliysiol.  23.  772  (1910).  Der  Apparat  wir.l  von    der  P^iniia  Uo^zc, 
Leipzig,  geliefert. 


330  P-  Rona.  Nachtrag  zur  GefrierpunktsbestimmuDg. 

und  Zeit  Päicksicht  zu  nehmen;  die  normale  ^lilch  hat  eine  konstante 
Gefrierpunktserniedrigung;  sie  ist  isotonisch  mit  dem  zugehörigen  Blut- 
serum. Eine  Schaumbildung  beim  Rühren  ist  zu  vermeiden.  —  Beim 
Harn  ist  24stündiger  Mischharn  oder  eine  mittelst  Ureterkatheter  ge- 
wonnene Probe  zu  verwenden.  —  Bei  der  Kryoskopie  von  Organen  i) 
wird  der  Brei  des  untersuchten  Organes  in  das  Gefrierrohr  gebracht 
oder  man  benutzt  den  wässerigen  Auszug  der  zerkleinerten  (Jrgane,  der 
durch  Auskochen  mit  Wasser  und  Auspressen  der  Organstücke  gewonnen 
wird.  Der  filtrierte  klare  Saft  wird  dann  zur  Gefrierpunktsbestimmung 
verwendet. 


*)  Sabbatani,    Arch.  cli  Fisiologia.  4  (1906),    -Journ.  de  Phvs.  et  Pathol.  gen.  III. 
—  Frederique,  Bull  de  l'Acad.  Royale  de  Med.  de  Belgique.  19Ü2. 


Metliodeii  zur  Untersucliiiiig  der  iiiensclilicheii  I'iizcs. 

Von  Hans  Lohrisch,  Choiiiiiitz. 

A.  Vorbereitung  des  Untersucliungsmaterlales. 

Das  Sammeln  des  frischen  Kotes, 

Das  Auffangen  des  Kotes  wird  am  l)esten  in  (ilas^efällcn  vorge- 
nommen. Diese  entsprechen  in  ihrer  Form  etwa  den  im  klinischen  Kran- 
kenbetj'iebe  gebräncblichen  Lriugläsern,  haben  aber  breiteren  Durchmesser 
und  sind  am  besten  mit  einem  luftdicht  schlicliendcn  Deckel  versehen. 
Zweckmäßig  sind  die  Gläser  aus  dickem  Glas,  dmnit  sich  die  Versuchs- 
person eventuell  darauf  setzen  kann.  Praktisch  ist  es  auch,  wenn  die 
Gläser  so  hoch  sind,  daß  sie  direkt  in  das  Becken  eines  Wasserklosetts 
gestellt  werden  können,  so  daß  die  betreffende  Person  die  Fäzes,  auf  dem 
Klosett  sitzend,  direkt  in  das  Glas  entleeren  kann.  Dabei  kann  gleich- 
zeitig Urin  entleert  werden,  ohne  daß  die  Fäzes  mit  I'rin  vermischt 
werden. 

Eine  etwaige  Beimeii.i,niiijf  von  Urin  zu  den  Fäzes  kann  eventuell  schon  erkannt 
werden  au  einer  stark  alkalischen  Reaktion  und  Geruch  nach  Ammoniak  und  mikro- 
skopisch durch  das  Vorhandensein  von  reichlicher  phosphorsaurcr  Amni(>niaknia!.'nosia 
(Sargdeckelkristalle).  Einwandfrei  kann  die  Anwesenheit  lieigemischten  L'rins  gezeigt 
werden  durch  den  Nachweis  reichlichen  Chlors,  das  sich  normalerweise  nur  sehr  spür- 
lich  im  Kote  findet.  Dazu  stellt  man  sich  nach  Hecht  *)  ein  ziemlich  konzentriertes 
wässeriges  Stuhlextrakt  her,  filtriert  und  versetzt  das  Filtrat  mit  Saliietersäure;  dann 
tropft  man  so  lange  lOVois^'  Argentum  nitricum-Losiing  dazu,  als  noch  ein  Nieder- 
schlag entsteht.  Bei  urinfreien  Stühlen  kommt  höchstens  eine  leichte  Opaleszenz  vor. 
Starker  Chlorgehalt  wird  durch  reichliche  Trübung  oder  käsigen  Niederschlag  nach- 
gewiesen. 

Bestimmung  der  feuchten  Kotmenge. 

a)  Wägung.  Zur  Bestimmung  der  .Menge  des  feuchten  Kotes  wird 
der  Kot  in  den  el)en  beschricl)enen  verschliel.ibaren  (dasgefälien.  deren  (ie- 
wicht  bekannt  und  am  besten  in  das  Glas  eingeritzt  ist,  aufgefangen. 
Kommt  es  auf  ganz  exakte  AVägungen  an.  so  muß  der  Peckel  eingeschlit'fen 
und  luftdicht  schliebend  sein.    Sehr    harfer  und  trockener  Kot  kann  auch 


1)  Ad.  Hecht,  Die  Fäzes  des  Säuglings  und  des  Kindes.  Die  Bedeutung  und  Technik 


ihrer  Untersuchung.  S.  3.  Berlin  und  Wien  1910. 


332 


H.  Lohrisch. 


Fig.  95. 


Fig.  94. 


Fig. 

CD 


iL 


L 


im  offenen  Glas  oder  auf  offener  flacher  Schale  aufgefangen  und 
gewogen  werden,  da  der  Wasserverlust  hierbei  in  der  zur  Wägung 

nötigen  Zeit  unbedeutend  ist.  Soll  der  Gesamtkot 
einer  längeren  Versuchsperiode  bestimmt  Averden, 
so  wird  jede  einzelne  Kotportion  in  ein  gewogenes 
Glas  für  sich  entleert,  einzeln  gewogen  und 
das  Gesamtgewicht  aus  den  Einzelportionen 
berechnet. 

h)   Volumetrische   Messung.    Hierzu 
dient  ein  von  Strashurger  \)  angegebenes  zylin- 
drisches  Gefäß    mit   aufgeschliffenem   Deckel, 
welches    ein    Steigrohr    trägt    (Fig.  94).    Das 
Gefäß    ist   entweder    auf    200   oder    400  cm^ 
geaicht.  Der  Kot  wird  in  das  Glas 
hineingebracht  und  das  Gefäß  mit 
Wasser  aus  einem  Meßzylinder  ge- 
füllt.    Eingeschlossene    Luft    wird 
durch  Umrühren   mit  einem  Holz- 
spatel vertrieben.  Es  wird  bis  zur 
obersten  Marke  des  Steigrohrs  auf- 
gefüllt.   Das   Volumen    der   Fäzes 
entspricht  der  Aichungszahl  des  Ge- 
fäßes,  vermindert    um    die  Menge 
des  gebrauchten  Wassers. 

Um  kleine  Mengen  Kot  ab- 
zumessen, dient  der  in  Fig.  95  ab- 
gebildete kleine  Strasburg  er^ohOi 
Apparat-):  Dieser  stellt  eine  Bürette 
dar.  die  bei  der  Marke  0  abge- 
schnitten ist.  In  derselben  befindet 
^ !__-+_  11  ,,|„|.  sich  ein  kleiner  verschiebbarer 
^^^^1^^^^  Kork,  der  in  der  Mitte  mit  einer 
^^^  ~  ^^^^  glühenden  Nadel  durchlocht  ist  und 
der  durch  einen  Glasstab  vorge- 
schoben werden  kann.  Zur  Abmessung  wird  zunächst 
der  Kork  bis  über  die  gewünschte  Marke  hinaus  in  das 
Rohr  hineingeschoben.  Mit  Hilfe  eines  Holzspatels  wird 
der  Kot  in  das  Rohr  gedrückt,  ohne  daß  sich  Luft  da- 
zwischen ansammelt.  Dann  schiebt  man  mittelst  des 
Glasstabes  den  Kork  bis  zur  geA\1inschten  Marke  vor, 
streicht  den  überschüssigen  Kot  vorn  am  Rohr  mit  dem 
Hokspatel  ab  und  kann  nun  das  gewünschte  Kotquantum 
in  Form  einer  Kotsäule  aus  dem  Rohre  herausdrücken.       O 

0  J-  Strashtirc/er ,    Untersuchungen    über    die    Bakterienmenge    in    menschlichen 
Fäzes.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  46.  H.  5  u.  6.  S.  7  des  Sep.-Abdr. 
^)  J.  Strasimrger,  1.  c.  S.  8  des  Sep.-Abdr. 


m 


Methoden  zur  Untersuchung  der  mensclilichen  Fiizcs.  -^•y} 

Einen    ganz    ähnlichen    Apparat    hat    neucnlings    auch  Sato^)   an'M-rohcn 
(Fig.  96). 

Dünnflüssige  Stühle  werden  am  besten  in  graduierten  Stand/vlindtTii 
gemessen. 

Konservierung  des  Kotes. 

Um  den  feuchten  Kot  für  einige  Zeit  auf/uhewahren ,  d.  Ii.  um  die 
im  Kote  stattfindenden  Fäulnis-  und  Gärungsprozesse  auf  einige  Zeit  zu 
unterbrechen,  empfiehlt  es  sich,  den  feuchten  Kot  mit  einer  gemessenen 
Menge  dünner  Karbollösung  ((>25Vo)  oder  mit  Chloroform wasser  zu  über- 
gießen oder  zu  verrühren  und  in  luftdicht  schlieiJendcu  (iläsern  aufzube- 
wahren. Stützer-)  empfiehlt  für  Tierkot,  100^  frischen  verriebenen  Kot 
mit  1  cnt^  Schwefelkohlenstoff  zu  versetzen  und  das  Gemisch  in  einem 
Glasgefäß  luftdicht  abzuschließen.  I)al)ei  tritt  i)esonders  in  den  Löslichkeits- 
verhältnissen  der  N-haltigen  Substanzen  keine  Veränderung  ein.  hir  Me- 
thode ist  auch  für  menschlichen  Kot  geeignet. 

Im  allgemeinen  empfiehlt  es  sich,  für  Analysenzwecke  den  Kot  mög- 
lichst schnell  zu  trocknen,  um  Zersetzungsvorgänge  und  die  Tätigkeit  im 
Kote  vorhandener  Fermente  möglichst  rasch  zu  uiiferlneclien. 

Abgrenzung  des  Kotes. 

Wenn  es  sich  darum  handelt,  den  gesamten  Kot  von  einer  bestimmten 
Ernährungsperiode  zu  sammeln  (bei  Ausnutzungsversuchen  usw.),  so  ist 
eine  genaue  Abgrenzung  desselben  erforderlich.  Benutzt  wird  hierzu  nach 
dem  Vorgang  von  Ad.  Schmidt  ^)  am  besten  pulverisiertes  Karmin.  Soll 
beispielsweise  der  Kot  von  3  Tagen  gesammelt  werden,  so  gibt  man  ,iin 
Morgen  des  ersten  \'ersuchstages  mit  Beginn  der  Versuchsnahrung  ()-;i 
Karmin  in  einer  Oblate  (oder  in  einem  anderen  Vehikel,  falls  ilie  \erab- 
reichung  der  (Jblate  den  Versuchszwecken  zuwidei-läuft).  ebenso  am  Ende 
des  dritten  Tages  mit  der  letzten  Mahlzeit  wiederum  ()•;'.  Kai-min.  Bei  der 
Aufsammlung  des  Kotes  muß  nun  Beginn  und  Ende  der  Ausscheidung 
roten  Karminstuhles  genau  beobachtet  werden.  Im  vorstehend  angegebenen 
Falle  würde  der  am  Beginn  und  Ende  der  Versuchsperiode  rotgefärbte 
Kot  und  der  zwischen  den  roten  Portionen  liegende  Kot  zu  sammeln  sein. 
W^ürde  man  das  zweite  Karminpulver  erst  am  Beginn  des  vierten  Tages 
mit  der  ersten  Nahrungsaufnahme  geben,  so  würde  der  zu  Ende  des  \'er- 
suches  entleerte  Karminkot  natürlich  nicht  mit  zu  sammeln  sein.  Die  Tren- 
nung des  Karminkotes  von  dem  vorhergehenden    und   dem    am   Knde  des 


*)  Ts.  Sato,  Üher  die  Bestimmungen  der  Bakterienmenge  in  den  Fäzes  des  Men- 
schen. Zcitschr.  f.  e.xp.  l'uthol.  u.  Ther.  Bd.  7.  II.  1.  S.  431.  r.dd. 

-)  A.Stutzer  (Berichterstatter),  K.Merrcs  und  L.Selilhr,  Die  Uutei-suchunp  ties 
Kotes  auf  (behalt  an  Stickstoff,  der  in  Form  von  Stoffwechselprodiditen  darin  entlialten 
ist.  Biochcm.  Zeitschr.  Bd.  9.  S.  313—317.   lOON. 

')  All.  Srhniidt,    Die  Funklionspnifun^f  des   Darmes  mittelst  der  rruliek'>>t. 
2.  Aufl.  Wiesbaden  1908. 


334  H.  Lohrisch. 

Versuches  nachfolgenden,  nicht  zum  Versuche  gehörigen  Kot  muß  sehr 
sorgfältig  geschehen.  Es  empfielilt  sich  hierzu  das  Aufsammeln  jeder  Kot- 
portion in  einem  Glase  für  sich.  Im  Glasgefäß  kann  man  zu  Anfang  und 
zu  Ende  des  Versuches  besonders  sehen,  ob  der  Karminkot  die  unterste 
oder  oberste  Schicht  bildet,  was  zur  Orientierung  bezüglich  der  Abgren- 
zung oft  wichtig  ist.  Am  besten  gelingt  die  Abgrenzung  bei  sehr  hartem, 
geformten  und  dickbreiigen  Kote.  Schwierig  kann  es  oft  sein,  bei  diar- 
rhoischen Stühlen  eine  richtige  Trennung  vorzunehmen.  Zur  Abtrennung 
benutzt  man  18 — 20  6m  lange  und  IV2 — 2  cm  breite  flache  Holzspatel. 
Die  nicht  zum  gewünschten  Kote  gehörigen  Teile  werden  mit  dem  Spatel 
aus  den  Gläsern  entfernt.  Kommt  es  nicht  auf  exakte  Wägung  der  feuchten 
Kotmenge  an,  so  kann  man  den  Kot  auch  in  flache  Porzellanschüsseln  ent- 
leeren lassen,  in  denen  die  Abgrenzung  mittelst  des  Spatels  mitunter  noch 
leichter  und  übersichtlicher  vor  sich  geht. 

Trocknung  und  Pulverisierung  des  Kotes. 

Zunächst  ist  der  gesammelte  Kot  lufttrocken  zu  machen.  Zu  diesem 
Zweck  wird  entweder  der  gesamte  feuchte  Kot  in  einer  gewogenen  großen 
Porzellanschale  vereinigt  (in  den  Sammelgläsern  haftende  Reste  werden 
mit  dem  Spatel  und  mit  Wasser  entfernt  und  mit  dem  Gesamtkot  ver- 
einigt) und  auf  dem  Wasserbade  bei  50 — 60"  eingedampft,  oder  es  wird 
nur  eine  kleine  Menge  (10 — 15  g)  des  gut  durchrührten  feuchten  Kotes 
in  einer  kleinen  gewogenen  Porzellanschale  abgewogen  und  hierin  auf  dem 
Wasserbade  getrocknet.  Nach  dem  Eintrocknen  wird  gewogen  und  der 
Wasserverlust  festgestellt. 

Der  lufttrockene  Kot  wird  nun  sorgfältig  und  ohne  Verluste  aus  der 
Porzellanschale  entfernt;  der  an  der  Wand  der  Schüssel  oft  sehr  adhärente 
Kot  muß  mit  Hilfe  eines  scharfen  zum  Schaben  geeigneten  Instrumentes 
(schmales  scharfes  Stemmeisen  oder  dergleichen)  abgekratzt  werden,  so 
daß  die  Schüssel  nach  Möglichkeit  gesäubert  ist.  Dann  wird  der  Kot  ent- 
weder in  einer  Porzellanreibeschale  oder  im  Mörser  grob  zerstampft  oder 
in  einer  Handmühle  grob  geschroten.  Der  grob  zerkleinerte  Kot  ist 
nun  noch  nach  Möglichkeit  zu  pulverisieren.  Dies  geschieht,  indem  man 
die  gesamte  Kotmenge  portionsweise  in  einer  Porzellan-  oder  Glasreibe- 
schale mittelst  eines  Pistills  zu  Pulver  verreibt,  oder  indem  man  eine  der 
gebräuchlichen  Futtermittelmühlen  benutzt,  von  denen  Scheunert^)  beson- 
ders die  Märkersche  Mühle  empfiehlt  und  abbildet:  diese  erfordert  aber 
das  Vorhandensein  maschineUer  Einrichtungen.  Sehr  wichtig  ist  es,  bei  der 
Pulverung  ohne  Verluste  zu  arbeiten. 

Da  der  Kot  während  des  Pulverisierens  in  seinem  Feuchtigkeitsge- 
halt Änderungen  erfahren  haben  könnte,  ist  es  ratsam,   die  gesamte  pul- 

^)  Ä.  Schcwrert,  Methoden  zur  Untersuchung  des  Speichels  und  des  Inhaltes  des 
Verdauungsschlauches  und  der  Fäzes  der  Pflanzenfresser.  Handbuch  der  biochemischen 
Arbeitsmethoden,  herausgegeben  von  E.  Abderhalden.  Bd.  3.  S.  269.  Berlin  und 
Wien  1910. 


Methoden  zur  Untersuchung  der  menschlichen  Fäzes.  ,  ,  , 

vorisierte  Kotmon<io  wiodor  in  die  ursprünijiichc  Schale,  in  der  der  Kot 
lufttrocken  t>pni;iclit  wurde  und  in  der  vielleicht  noch  ein/eine  kleine  Kot- 
partikelchen  hatten,  /ur(ickzui)rin^('n .  noch  einmal  zu  wiejicn  und  dieses 
Gewicht  als  das  des  lufttrockenen  Kotes   füi-  die  IJerechnuiij.''  einzustellen. 

Die  Aufbewahrung  des  lufttrockenen  Kotpulvers  erfolgt  in  Flaschen  und 
Gläsern  mit  eingeschliffenem  (dasstöpsel  oder  dicht  schlieJiciHlem  Kork  in 
Räumen,  deren  Feuchtigkeitsgrad  nicht  zu  sehr  schwaidvt. 

Hecht  ^)  empfiehlt,  um  das  F'.indami»fen  abzukürzen,  folgende  Methoijc 
von  Poda:  Sic  beiuht  darauf,  dalJ  der  Siedepunkt  der  zu  verdampfenden 
Hüssigkeit  durch  wiederholten  Alkoholzusatz  erniedrigt  wird.  .Man  l;il>t  zu- 
nächst den  Kot  in  der  rorzellanschale  4  Stunden  auf  schwachsiedendem 
Wasserbade  trocknen.  Dann  versetzt  man  ihn  mit  50  crn^  Alkohol  und 
verrührt  ihn  mit  einem  Glasstab  oder  Holzspatel.  Nach  einer  Stunde  noch- 
mals Zusatz  von  25  cm^  Alkohol,  eventuell  noch  ein  drittes  Mal  dieselbe 
Menge.  Auf  diese  Weise  hat  der  Kot  dann  noch  2— 5Vo  Wasser  und  lälit 
sich  schnell  l)ei  100''  zur  Gewichtskonstanz  bringen. 

Vorsichtsmaßregeln  beim  Eindampfen  und  Trocknen. 

Beim  Eindampfen  können  Fehler  entstehen  dadurch,  dali  sich  aulier 
dem  Wasser  noch  andere  Substanzen  (Fettsäuren,  aromatische  Substanzen, 
Ammoniak)  verflüchtigen.  Deshalb  dampft  man  von  vornherein,  um  diese 
Verluste  möglichst  niedrig  zu  gestalten,  bei  nicht  zu  liohen  Tempei-aturcn 
ein.  Um  NHs-Verluste,  die  spätere  N-Bestimmungeu  fehlerhaft  machen 
könnten,  zu  vermeiden,  verrührt  man  die  feuchten  Fäzes  vor  dem  Kin- 
dampfen  mit  einer  geringen  Menge  stark  verdünnter  Schwefelsäure  oder 
Weinsäure  (P/o)  oder  gibt  ein  paar  Oxalsäurekristalle  zu.  Kleine  Mengen 
feuchten  Kotes  können  zur  möglichsten  Vermeidung  aller  Fehlei'quellen  im 
Exsikkator  getrocknet  werden.  Die  Luft  im  F'xsikkator  kann  dabei  duich 
Wasserstoff,  Methan  und  Stickstoff  ersetzt  werden,  auch  kann  im  \akuum 
getrocknet  werden. 

Besondere  Vorsicht  erfordert  die  Behandlung  stark  fetthaltiger  Stühle. 
Hier  erfolge  schon  das  Eindampfen  bei  niederer  Temperatur.  Da  der 
lufttrockene,  stark  fettige  Kot  oft  grobe  Klumpen  bildet  und  sich  sehr 
schwer  pulverisieren  läßt,  ist  es  zweckmälüg,  den  Kot  vor  dem  Eindami'fen 
mit  einer  genau  gewogenen,  etwa  lOfachen  Menge  gewaschenen  und  ge- 
glühten Seesandes  zu  vermischen.  Hierdurch  wird  beim  Trocknen  das  Zu- 
sammenballen zu  großen  Klumpen  verhindert  und  das  l'ulverisieren  des 
lufttrockenen  Kotes  erleichtert.  Der  Sandzusatz  kann  auch  erst  vor  der 
Pulverung  erfolgen.  Immerhin  läßt  sich  auch  der  mit  Sand  versetzte  Fett- 
stuhl häufig  nicht  zu  einem  Pulver  verari)eiten,  und  man  inuli  sich  <lann 
mit  einer  gröberen  Beschaffenheit  begnügen  und  etwaige  dadurch  Itedingte 
Fehler  später  durch  eine  größere  Zahl  von  Analysen  auszugleichen  suchen. 


')  Äd.  Hecht,  Die  Fäzes  des  Säuglings  und  des  Kindes.  Die  Bedeutung  und  Teclmik 


ihrer  Untersuchung.  S.  8.  Berlin  und  Wien  1910. 


336  H.  Lohrisch. 

Derartigen  stark  fetthaltigen  Stuhl  kann  man  auch  nicht  bei  100^  trocknen, 
da  das  Fett  sich  sonst  an  der  Oberfläche  des  Stuhles  ansammelt.  Lieber 
lasse  man  solche  Stühle  30 — 40  Stunden  im  Wasserdampftrockenschrank 
und  wiege  dreistündlich  bis  zur  Gewichtskonstanz. 

B.  Untersuchungsmethoden. 

Messung  des  spezifischen  Gewichtes. 

Ganz  dünnflüssige  Fäzes  können  direkt  mit  dem  Aräometer  auf  ihr 
spezifisches  Gewicht  geprüft  werden. 

Eine  genauere  Prüfung  ist  die  Wägung  im  Pyknometer.  Hierzu 
verfährt  man  nach  Ad.  Schmidt^}  in  folgender  Weise:  Breiige  und  feste 
Fäzes  werden  in  einem  bekannten  Verhältnisse  mit  Wasser  bis  zm^  flüs- 
sigen Konsistenz  verdünnt  und  vermischt,  wobei  alle  im  Kot  enthaltenen 
Gasblasen  entfernt  werden  müssen.  Die  Fäzes  müssen  frei  von  makrosko- 
pisch erkennbaren  Bestandteilen  sein,  weshalb  am  besten  nur  Stuhlgänge 
von  schlackenfreier  Nahrung  benutzt  werden.  Von  diesen  gleichmäßig  ver- 
rührten Fäzes  werden  10  5^  abgewogen  und  mit  20  cm^  destilliertem  Wasser 
unter  Vermeidung  A'on  Verlusten  im  Mörser  fein  verrieben  und  zur  Ent- 
fernung eventueller  Luftblasen  eine  Zeitlang  stehen  gelassen.  Die  Masse 
wird  dann  auf  eine  Temperatur  von  15^  C  gebracht,  unter  sorgfältigem 
I'mrühren  in  das  Pyknometer  gefüllt  und  gewogen. 

Das   spezifische  Gewicht  = , 

b  —  a 

a  =  Gewicht  des  leeren  trockenen  Pyknometers. 

b  =  Gewicht  des  mit  destilliertem  Wasser  von  L5°C  gefüllten  Pykno- 
meters. 

c  =  Gewicht  des  mit  Fäzesmischung  gefüllten  Pyknometers. 

Hecht  2)  erwähnt  eine  einfache  Methode  von  H.  Strauss,  die  darauf 
beruht,  daß  man  in  dem  oben  beschriebenen  Strasburg  ersehen  Meßglase 
(S.  232,  Fig.  94)  das  Volumen  einer  genau  gewogenen  Menge  Kot  be- 
stimmt. Das  spezifische  Gewicht  =  dem  Quotienten  aus  Gewicht  und 
Volumen. 

V.  Oefele^)  geht  folgendermaßen  vor:  Eine  Kotprobe  wird  in  destil- 
Uertes  Wasser  gebracht;  bei  sinkendem  Kot  Avird  konzentrierte  Kochsalz- 
lösung, bei  schwimmendem  Kot  absoluter  Alkohol  zugesetzt,  bis  die  Kot- 
menge schwebt.  Die  Flüssigkeit,  in  welcher  der  Kot  schwebt,  hat  das  gleiche 
spezifische  Gewicht  wie  der  betreffende  Kot  selbst  und  kann  mittelst  des 
Aräometers  untersucht  werden. 


*)  Ad.  Schtnidf  und  J.  Strashurger,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen  und 
krankhaften  Zustande.  S.  109.  2.  Aufl.  Berlin  1905. 

'-)  Ad.  Hecht,  Die  Fäzos  des  Säuglings  und  des  Kindes.  Die  Bedeutung  und  Technik 
ihrer  Untersuchung.  S.  12.  Berlin  und  Wien  1910. 

*)  F.  V.  Oefele,  Technik  der  chemischen  Untersuchung  des  menschlichen  Kotes. 
S.  14.  Leipzig  1908. 


Methoden  zur  Uutorsucliung  der  menschlichen  Fäzes.  'J,\\i 

Die  chemische  Reaktion  der  Fäzes. 

Dk'  eiiifuchslo  Methode  zur  l{e;ikti()iispriit'iin<j  besteht  darin.  thiC  man 
einen  Streifen  mit  destilliertem  Wasser  ani^el'cuchteten  roten  und  Idaiu-n 
Laekmuspapieres  mit  dem  Kot  auf  der  einen  Seite  in  r.erührun^'  ltrin;:t 
und  auf  der  anderen  Seite  den  Farhenwechsel  beohaehtet.  A</.  Schmiilt*) 
empfiehlt  das  aus  dem  reinen  Lackmu.sfarbstoff  darf?estellte  A/.olithmin- 
papier. 

Die  quantitative  Prüfung  des  Säure-  oder  Alkaligehaltes  wird  nach 
Bl(iuberg-)  in  folgender  Weise  ausgeführt:  20 — ÖO//  des  frischen  Kotes  werden 
mit  Wasser  gut  vermischt;  dann  wird  die  lOfache  Menge  gekochten  destil- 
lierten Wassers  zugesetzt  und  mit  IMienolphtaleinals  Indikator  und  - — Xftrmal- 

natronlange  oder  -j-Normalsalzsäure  titriert,  wobei  gut  umgerührt  werden  muH. 

Statt  zu  titrieren  kann  man  auch  neutrales  Lackmuspapier  tüpfeln.  l)ie 
Menge  der  verbrauchten  Säure  oder  Lauge  wird  für  100  g  Kot  berechnet 
und  angegeben. 

Bestimmung  der  Kottrockensubstanz. 

Der  nach  dem  auf  S.  834 — 3H5  beschriebenen  Verfahren  lufttrocken 
gemachte,  pulverisierte  und  gewogene  Kot  ist  noch  nicht  wasserfrei.  T'in 
ihn  völlig  trocken  zu  machen,  muß  er  bei  hoher  Temperatur  bis  zur  (Je- 
wichtskonstanz  eingetrocknet  werden.  Dies  geschieht  so,  daß  ein  kleines 
Quantum  (einige  Gramm)  des  gut  gemischten  lufttrockenen  Kotpulvers  in 
einem  dicht  verschließbaren  Wiegegläschen  abgewogen  und  im  Trocken- 
schrank  bei  100—105"  getrocknet  wird.  Das  Gläschen  mit  dem  Kote  wird 
alle  2 — ij  Stunden  bei  aufgesetztem  Deckel  gewogen,  bis  Gewichtskonstanz 
eingetreten  ist.  Damit  ist  die  Trocknung  des  Kotes  beendet.  Der  hieri)ei 
ermittelte  Wasserverlust  +  dem  \'erluste,  der  beim  Eindampfen  entstanden 
ist,  ergibt  den  Wassergehalt  des  feuchten  Kotes. 

Untersuchung  der  Fäzes  auf  N -haltige  Bestandteile. 

Die  X-haltigeu  Substanzen,  die  im  Kote  vorkoniuieu,  sind  entweder  Nabrnnirs- 
reste  oder  Produkte,  die  vom  Körper  selbst  stammen.  Letztere  sind  entweder  Bestand- 
teile der  Darrawand  selbst  oder  werden  durch  die  Darmschleimiiaut  in  den  Dann  aus- 
geschieden. 

Makroskopischer,  mikroskopischer    und  inikrocheniisclier  Nachweis 

N-haltiger  Sul)staii/en. 

Außer  groben,  den  Fäzes  außen  anhaftenden,  ohne  weiteres  sicht- 
baren Beimengungen   von  Schleim,   Eiter  und  l'.lnt    können    eiweißhaltige 

')  Äd.  Schmidt  und  ./.  Stra.iburt/er,  Die  Fäzes  des  Mensclien  im  normalen  timl 
krankhaften  Zustande.  S.  106.  2.  Aufl.  Berlin  1905. 

-)  M.  Blauberg,  E.xpcrimentello  und  kritische  Studien  liborSäuglingsfazes.  b.4:i-  4J. 
Berlin  1897. 

Abderhalden,  llaudbuch  der  bioclieiiiischeii  Arbüitsmethod»'!!.  V.  22 


338  H.  Lohrisch. 

Partikelchen  makroskopisch  nur  sichtbar  gemacht  werden,  wenn  der  Kot 
nach  Ad.  Schmidts  Vorgang  in  der  Reibeschale  sorgfältig  mit  Wasser  ver- 
rieben (so  daß  keine  zusammenhängenden  Fäzespartikelchen  mehr  sichtbar 
sind)  und  auf  einer,  am  besten  schwarzen  Unterlage  (schwarzer  Teller. 
Makroskopierteller)  in  dünner  Schicht  ausgebreitet  wird. 

Hierzu  wird  nach  Ad.  Schmidt '^)  in  folgender  Weise  verfahren:  Der 
ganze  Stuhl  wird  zunächst  mit  dem  Holzspatel  gründlich  durcheinander 
gerührt  und  davon  eine  etwa  walnußgroße  Probe  in  eine  größere  Porzellan- 
reibeschale von  ca.  12  cm  Durchmesser  gebracht.  Hierin  wird  der  Kot  mit 
dem  Pistill,  zunächst  ohne  Wasserzusatz,  später  unter  sehr  langsamem  Zu- 
setzen destillierten  Wassers  auf  das  Feinste  bis  zu  dünnflüssiger  Konsi- 
stenz verrieben.  Diese  Art  der  Yerreibung  ist  für  alle  makrosko- 
pischen Kotuntersuchungen  von  größter  Wichtigkeit.  Ganz  dünn- 
flüssige Fäzes   können   ohne  Verreiben   makroskopisch  untersucht  werden. 

Auf  dem  Makroskopierteller  werden  dabei  von  aus  der  Nahrung 
stammenden  Eiweißresten  sichtbar  kleine  oder  größere  weißgraue  Binde- 
gewebsfetzen.  Sehnen- und  Knorpelstückchen,  kleine  Partikelchen  elastischen 
Gewebes.  Fleischstückchen  als  rotbraune,  leicht  zerdrückbare  und  mit  der 
Nadel  teilbare  Körnchen,  Pieste  von  zu  hart  gebratenem  Fleisch  und  zu 
scharf  gebratenem  Ei  (Spiegelei),  unter  Umständen  auch  Reste  von  Gehirn 
und  Leber,  Knochen  und  Gräten.  Bei  ausschließlicher  oder  vorwiegender 
Milchnahrung  finden  sich  in  Säuglingsstühlen  nicht  selten  außen  gelbhche, 
innen  milchig-weiße  Kaseingerinnsel.  Zu  erwähnen  sind  ferner  die  Noth- 
nagehdiQYi  gelben  Körner  -),  die  eben  an  der  Grenze  der  makroskopischen 
Erkennbarkeit  stehen.  Sehr  häufig  wird  man,  um  die  genannten  Substanzen 
identifizieren  zu  können,  die  mikroskopische  resp.  mikrochemische  Unter- 
suchung heranziehen  müssen. 

Bindegewebe  erscheint  im  Mikroskop  grobstreifig  und  undurch- 
sichtig und  enthält  zahlreiche  elastische  Fasern.  Bei  Zusatz  oO^oiger  Essig- 
säure verschwindet  die  Struktur  völlig,  die  elastischen  Fasern  treten  deut- 
licher hervor.  Kalilauge  löst  Piindegewebe  auf.  Bringt  man  mit  der  Kali- 
lauge etwas  Kupfersulfatlösung  unter  das  Deckglas,  so  kann  man  an  den 
Bindegewebsresten  häufig  eine  schöne  Biuretreaktion  erkennen.  Auch  die 
Xanthoproteinreaktion  (Gelbfärbung  beim  Erwärmen  mit  konzentrierter 
Salpetersäure)  gelingt  gut,  und  man  kann  Bindegewebe  dadurch  gut  von 
pflanzlichen  Gebilden  unterscheiden.  Dünne  Jodlösung  färbt  das  Bindege- 
webe gelb,  dünne  Eosinlösung  rosa.  Ganz  dünne  Bindegev^■ebsflöckchen 
können  auf  schwarzer  Unterlage  Schleimflöckchen  täuschend  ähnlich  sehen. 
Gegen  Verwechslungen  schützen  die  genannten  Reaktionen,  besonders  der 
Essigsäurezusatz,  wobei  Schleim  im  Gegensatz  zum  Bindegewebe  eine  aus- 
gesprochen fädige  Struktur  annimmt. 


^)  Ad.  Schmidt,  Die  Funktionsprüfung  des  Darmes  mittelst  der  Probekost.  S.  15. 
2.  Aufl.  Wiesbaden  1908. 

-)  Ad.  Schmidt  und  .7.  Strashurger,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen  und 
krankhaften  Zustande.  S.  62—64.  2.  Aufl.  Berlin  1905. 


Mothodon  zur  Untersuchung  clor  menschlichen  Fäzes.  j^;^9 

Kleine   Fetzen    elastischen    Gewebes    ^eben    im    Mikroskop   das 
charakteristische  Bild  eines  Gewirres  glänzender  Fasern. 

Fleischstückchen  lassen  sich  unter  dem  I)ockf,Mase  t^latt  zu  dünner 
Schicht  zerdrücken  und  sind  kenntlich  an  der  (in  makroskopisch  sichtbaren 
Stücken  immer  erhaltenen)  Querstreitunj,^  Bei  Essi}j;säurezusatz  ([uellcn  die 
Fasern  auf  und  werden  strukturlos.  Kalilaui>e  löst  sie.  Biuret-  und  Xantho- 
proteinreaktion  liehen  sie  ebenso  wie  das  l}indef?ewebe.  Mit  Millons 
Reagens  (=  salpetersaures  Quecksilberoxydul;  Quecksilber  wird  in  dem 
gleichen  Gewicht  Salpetersäure  gelöst  und  mit  gleichen  Teilen  Wasser  ver- 
dünnt; das  Reagons  muß  stets  frisch  sein,  alte  Lösungen  kann  man  durch 
Zusatz  einiger  Tropfen  Kaliumnitritlösung  auffrischen)  erwärmt,  findet 
Verlust  der  Struktur  und  liotfärbung  statt.  Die  Muskelfasern  geben  nach 
Hecht  ^)  die  Eiweißreaktion  besonders  schön  dann,  wenn  ihnen  der  Gallen- 
farbstoff  entzogen  worden  ist  (Hydrobilirubin  durch  Alkohol,  Bilirubin  durch 
Chloroform).  Die  von  Nothnagel  sogenannten  gelben  Körner,  mohnkorn- 
große  gelblichbraune  Gebilde,  bestehen  mikroskopisch  aus  kleinen  gelben 
Schollen,  die  zuweilen  von  Schleim  umhüllt  sind.  Nach  Ad.  Schmidt-)  i^'md 
auch  diese  gelben  Körner  Reste  von  Muskelstückchen.  Kerne  sind  in  den 
Fleischresten  nur  bei  Störung  der  Pankreasfunktion  zu  finden.  Sie  sind 
sichtbar  zu  machen  durch  Färbung  mit  dünner  Methylenblaulösung  unter 
Essigsäurezusatz. 

Die  Kaseingerinnsel  bestehen  mikroskopisch  aus  netzartig  struktu- 
rierten Milchresten,  in  denen  sich  Schleim-,  Fett-  und  sonstige  Kot- 
partikelchen finden.  Sie  geben  die  genannten  Eiweißreaktionen  und  färben 
sich  leicht  mit  Jod  und  Eosin.  Auch  die  gelben  Körner  können  Kasein 
enthalten. 

Makroskopisch  erkennbare,  von  der  Darmwand  stammende  eiweiß- 
haltige Produkte  sind  Schleim,  Eiter  und  Blut. 

Schleim  ist  makroskopisch  ohne  weiteres  sichtbar,  wenn  er  in  flüssigen 
Stuhlgängen  in  groben  Fetzen  schwimmt  oder  (wie  bei  der  Enteritis  membra- 
nacea)  in  großen  Mengen  und  groben  Bändern  und  Stücken  entleert  wird. 
Sonst  ist  zur  Sichtbarmachung  kleiner  Schleimmengen  der  Kot  wie  oben 
sorgfältig  mit  Wasser  zu  verreiben.  Auf  dunklem  Untergrunde  sieht  man 
dann  leicht  die  durchsichtigen,  glasigen,  größeren  und  kleineren  Schlcim- 
flocken.  Eventuell  muß  zur  Untersclieidung  das  Mikroskoj)  herangezogen 
werden.  Hierbei  stellt  sich  der  Schleim  dar  als  eine  strukturlose  oder  ganz 
schwachstreifige  durchsichtige  Masse  mit  Einlagerung  von  Detritus  und 
Zellen  (Darmepithelien).  Auf  Zusatz  von  HO'Voiger  Essigsäure  wird  der 
Schleim  dichter,  undurchsichtig  und  zeigt  eine  ausgesprochen  streifig- 
fädige  Struktur,  wodurch  er  sich  vom  Bindegewebe  unterscheidet.  Ein 
weiteres  Unterscheidungsmerkmal   des    Schleimes   gegenüber   Bindegewebe 


')  Ad.  Hecht,  Die  Fäzes  des  Säuglinjjrs  und  des  Kindes.  S.  65.  Berlin  und 
Wien  1910. 

-)  Ad.  Schmidf  und  .7.  Strafthurf/rr,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen  «nd 
krankhaften  Zustande.  S.  G4.  2.  Aufl.  Berlin  l'JO.'i. 

9'i* 


340  H.L  ohrisch. 

ist  seine  Widerstandsfühigkeit  gegen  Pepsin  —  H  Cl ;  Bindegewebe  löst  sich 
in  Pepsin  —  H  CI  in  wenigen  Stunden.  In  zweifelhaften  Fällen  kann  durch 
die  makroskopische  Färbung  entschieden  werden,  ob  es  sich  um  Schleim 
oder  Bindegewebe  handelt.  Ad.  Schmidt^)  verfährt  dazu  folgendermaßen: 
Einige  Flocken  des  Schleimes  werden  in  Wasser  gut  gereinigt  und  in  einem 
Pieagenzglase  mit  2^j.2''/'oVj^em  Sublimatalkohol  geschüttelt,  um  den  Schleim 
zu  härten  und  größere  Flocken  zu  zerkleinern.  Dann  läßt  man  sedimen- 
tieren,  gießt  den  Sublimatalkohol  ab  und  füllt  destilliertes  Wasser  auf,  das 
man  mit  einigen  Tropfen  Biondischen  Dreifarbengemisches  ( Grübler- 
Dresden),  lg  auf  oOon^  Wasser,  versetzt.  Damit  Avird  umgeschüttelt, 
sedimentiert ,  abgegossen  und  das  Sediment  mit  destilHertem  Wasser  ge- 
waschen. Schleimflocken  färben  sich  dabei,  wenn  sie  nicht  zu  zahlreich 
oder  fetthaltig  sind ,  grün-  oder  blaugrün,  alle  anderen  tierischen  Gewebs- 
bestandteile  rot.  Bei  Anstellung  der  Probe  darf  die  Reaktion  des  Stuhles 
nicht  zu  weit  vom  Neutralen  abweichen. 

Hecht-)  hat  folgende  Färbung  zur  Differentialdiagnose  des  Schleims 
gegenüber  anderen  Gebilden  als  brauchbar  gefunden:  2<'/oiges  wässeriges 
Brillantgrün  und  P/o^ge  Neutralrotlösung  werden  zu  gleichen  Teilen  ge- 
mischt, so  daß  die  Flüssigkeit  in  der  Farbe  der  Ehrlichschen  Triazid- 
lösung  gleicht.  Setzt  man  nun  einen  Tropfen  dieser  Lösung  einem 
Klümpchen  Stuhl  auf  dem  01)jektträger  zu  und  mischt  den  Kot  mit  der  Farbe 
innig,  so  färlit  sich  alsbald  die  gesamte  Stuhlmasse  spinatgrün,  während 
die  Flüssigkeit  rot  wird.  Es  wird  nun  ein  Filtrierpapierstreifen  aufgelegt 
und  darüber  gestrichen,  um  die  überschüssige  Flüssigkeit  zwischen  Deck- 
glas und  Objektträger  auszupressen  und  abzusaugen.  Schon  bei  schwacher 
Vergrößerung  sieht  man,  daß  in  der  grün  gefärbten  Stuhlmenge  der  Scheim 
fädig  ausgefällt  und  leuchtend  rot  gefärbt  ist.  Bindegewebe  färbt  sich  blau- 
grün. Zellprotoplasma  färbt  sich  dunkelgrün.  Rot  färben  sich  außer  dem 
Schleim  nur  noch  die  Zellkerne  und  Bakterienleiber,  rotviolett  die  Pflan- 
zenzellmembranen. Die  Reaktion  beruht  auf  dem  sauren  Charakter  des 
Schleimes.  Bei  stark  alkahscher  Reaktion  des  Stuhlganges  gelingt  sie  nicht. 

Im  allgemeinen  ist  der  Schleim,  der  aus  dem  Dickdarm  stammt, 
grobflockig  und  enthält  viele  Epithelien  und  Rundzellen,  welche  den  Schleim 
oft  so  dicht  durchsetzen,  daß  er  direkt  weiß  aussieht  und  undurchsichtig 
wird.  Schleim,  der  aus  dem  Dünndarm  stammt,  tritt  in  kleinen  und 
kleinsten  Flöckchen  auf,  enthält  wenig  Zellen,  meist  nur  spärliche  Zell- 
kerne und  viel  Bakterien  und  ist  nicht  selten  durch  Gallenfarbstoff  gelb  ge- 
färbt respektive  enthält  bei  mikroskopischer  Betrachtung  Bilirubinkristalle. 

Die  von  Nothnagel  sogenannten  hyalinen  Schleiminseln  sind 
homogene,  matt  durchscheinende  Klümpchen  von  etwa  Askarideneigröße 
und  meist  rundlicher  Form.  Woraus  diese  Gebilde*  bestehen,  ist  noch  nicht 


')  Ad.  Schmidt  und  J.  Sfrashurc/er,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen  und  krank- 
haften Zustande.  S.  35.  2.  Aufl.  Berlin  1905. 

-)  Ad.  Hecht,  Die  Fäzes  des  Säuglings  und  des  Kindes.  S.  53.  Berlin  uiul 
\Vien  1910. 


Methoden  zur  Uutersucbiui!;  der  inonscliliclicii   I'a/cv  ;•  ii 

bekannt.  Sie  lassen  sicli  in  lOVnJJ^'C'i'  HCl  anflüscii.  werden  durch  Essi"- 
säure  nicht  .ucfällt  und  enthalten  nie  irj^-endwelche  Kinschlüsse.  Nach 
Äd.  Schmidt^)  bestehen  sie  nicht  aus  Schleim. 

Eiter  kann  dem  Stuhi.üaiii:-  aul'ien  in  j^rolier  Menp'  anhaften.  Kleine 
Menden  sind  makroskopisch  sichtbar  zu  machen  durch  sorfj^fiilti^^'s  \'erreiben 
des  Kotes  und  Ausbreiten  auf  schwarzem  Teljei-.  Hierbei  erscheint  reiner 
Eiter  in  Form  kleiner  linsenförmii^ier  ^raugelhhcher  Häufehen  und  Trü]ifehen, 
die  mikroskopisch  aus  Eiter  bestehen. 

Blut  ist  in  frischem  Zustande  makroskopisch  und  inikroskopi.sch  leicht 
zu  erkennen,  schwerer  zersetztes  Blut.  Reichliche  Beimengung  zersetzten 
Blutes  macht  die  bekannte  Teerfarbe  des  Kotes.  In  zweifelhaften  Fällen  sind 
die  chemischen  Blutproben  heranzuziehen. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  der  Fäzes  zeigt  Muskelbi-uch- 
stticke  auch  dann,  wenn  makroskopisch  keine  Fleischreste  zu  sehen  sind. 
Es  handelt  sich  dabei  um  kleine  weißliche  und  gelbe  Stückchen  mit  rund- 
lichen Ecken  oder  gröbere  zusammenhängende  gut  erhaltene  Fasern,  die 
mit  (,)uerstreifung  versehen  und  mikroskopisch  wie  oben  zu  identifizieren 
sind.  Auch  Bindegewebsstückchen  und  elastische  Fasern  sind 
mikroskopisch  zu  sehen,  auch  wenn  sie  makroskopisch  nicht  sichtbar  sind. 

Pflanzliche  Ei\veißreste  sind  mikroskopisch  erkennbar  in  Form 
der  unverdaulichen  Kleberzellen  des  Brotes,  die  ihren  eiweißhaltigen  Inhalt 
behalten  haben.  Die  Zellwände  sind  dabei  so  fest  und  undurchgängig,  daß 
es  mikrochemisch  nicht  gelingt,  den  Zelliuhalt  als  Eiweiß  nachzuweisen. 

Abbildungen  zu  dem  \'orstehenden  sind  bei  Ad.  Schniidf-)  einzuseiien. 

(  heniischer  Naclnveis  der  N-lialtiiten  Substanzen. 
liestinimunjJT  des  Gesamt-N  im  Kote. 

Der  Gesamt-N-(iehalt  der  Fäzes  wird  nach  Kjtldnhl  bestimmt.  Das 
Prinzip  dieses  Verfahrens  ist,  sämtlichen  N  durch  Kochen  mit  konzen- 
trierter Schwefelsäure  in  schwefelsaures  Ammoniak  überzuführen.  Aus  diesem 
wird  das  Ammoniak  nach  Übersättigung  mit  Lauge  durch  Destillation  au.*;- 
getrieben  und  in  Xormalschwefelsäure  aufgefangen.  Fm  die  Zerstörung  der 
organischen  Substanzen  l)eim  Kochen  mit  Schwefelsäure  möglichst  zu 
fördern,  wird  Quecksilber  oder  ein  Schwermetalloxyd  zugefügt. 

Bei  diesem  Vorfahren  wird  iiulier  tlcni  onrnnisclion  N  auch  der  als  Auiniouiak 
schon  vorhandene  X  niitbestimnit.  Nicht  mitl)esfiinrat  wird  der  N  etwa  vorliandener  Nitrate, 
da  die  Salpetersäure  der  Nitrate  durcli  die  Schwefelsäure  frei  wird  und  heim  Kochen 
entweicht.  Der  hierdurch  entstellende  Fehler  ist  belanglos,  da  die  MeuL'e  etwa  vor- 
handener Nitrate  in  den  menschlichen  Fäzes  minimal  ist.  Zusatz  von  Benztiesaure  neben 
der  Schwefelsäure  ermötrlicht  alier  ain-li  die  MitbestimmunL'  «lieses  N. 


')  Ad.  Schmidt  und  .7.  Strashurcier,   Die  Fäzes   des  Menschen    im    normalen  und 
krankhaften  Zustande.  S.  88.  2.  Aufl.  Berlin  l'.lOri. 

*)  Ad.  Üchmidt  und  J.  StrasOiiri/cr,  1.  c.    Taf.  I — \  I. 


342  H.  Lobrisch. 

Benötii^t  werden  an  Reagentien: 

Ein  Schwofelsiiureffemisch,  das  aus  3  Teilen  reiner  konzentrierter  und  1  Teil 
rauchender  H„  SO4  besteht,  oder  aus  800  reiner,  200  rauchender  H„SO^  und  100  Phos- 
phorsäureanhydrit. Natronlauge,  eine  Lösung  von  500 r/  Ätznatron  in  500 c«*^  Wasser- 
Schwefelkaliumlösung  4'0:]00-0.    die  nach  mehrtägigem  Stehen   zu  filtrieren  ist.    Talk. 

Quecksilber.  -. -Normal-H^  SO^    und  -^ -Normal-NaOH.  Cochenilletinktur. 

Zur  Ausführung  werden  langhalsige  A7e?c^«7i7-Kolben  aus  hartem  Glas  und  der  für 
6—8  gleichzeitige  Bestimmungen  eingerichtete  /ye ?(?«/; ?-Destillierapparat  mit  Kühler  be- 
nutzt. Das  aus  dem  Destillationskolben  abgehende  Destillationsrohr  muß  einen  Kugel- 
ansatz haben,  um  das  Überspritzen  von  Lauge  zu  verhindern.  Ebenso  muß  das  in  die 
Vorlage  tauchende  Glasrohr  eine  kugelige  Ausbuchtung  besitzen,  um  ein  Zurücksaugen 
der  vorgelegten  ILSO4  zu  verhüten. 

Zur  Bestimmung  wird  der  lufttrockene  pulverisierte  Kot  benutzt, 
dessen  Trockensubstanz  bestimmt  ist.  Von  diesem  werden  zirka  2  g  im 
Wiegegläschen  gewogen  und  in  einen  der  langhalsigen  Zye?c?aÄ/-Kochkolben 
gebracht.  Das  Hineinschütten  des  pulverförmigen  Kotes  in  den  Kolben  muß 
sehr  vorsichtig  geschehen ,  um  Verluste  und  Haften  des  Kotes  im  Kolben- 
hals zu  vermeiden.  Man  benutzt  dazu  am  besten  einen  langen,  Aveiten,  ab- 
solut trockenen  Glastrichter,  der  möglichst  nahe  bis  an  den  Boden  des 
Kolbens  reicht.  In  diesen  schüttet  man  vorsichtig  den  Kot  hinein  und  be- 
fördert die  im  Trichter  anhaftenden  Kotpartikelchen  mit  Hilfe  eines 
trockenen  Haarpinsels  mit  langem  Stiele  bis  in  den  Kolben  hinein  und 
achtet  darauf,  daß  an  dem  Pinsel  nichts  hängen  bleibt.  Man  kann  den 
Kot  auch  in  Stanniolpapier  eingewickelt  in  den  Kolben  bringen.  Nun 
übergießt  man  den  Kot  mit  20  cni^  des  Ho  SOi-Gemischs  und  fügt  dazu 
einen  Tropfen  Hg,  etwa  Olc/»^  am  besten  mit  einer  Kapillarpipette  ab- 
gemessen. Zweckmäßig  ist  es  nun,  das  Kölbchen  zugestöpselt  12  bis 
24  Stunden  stehen  zu  lassen,  nachdem  man  vorher  gut  durchgeschüttelt 
hat.  Man  vermeidet  dadurch  zu  starkes  Schäumen  beim  Kochen.  Zum 
Kochen  setzt  man  den  Kolben  schräg  geneigt  auf  ein  Sandbad  unter  den 
Abzug,  erhitzt  erst  langsam,  um  Schäumen  und  Spritzen  zu  vermeiden, 
dann  mit  voller  Flamme.  In  einigen  Stunden  wird  der  Kolbeninhalt  wasser- 
hell, A\orauf  der  Kochprozeß  beendet  ist.  Etwaige  beim  Kochen  durch 
Spritzen  im  Kolbenhalse  haftende  schwarze  Partikelchen  spült  man  durch 
vorsichtiges  Schütteln  und  Schwenken  der  Lösung  in  den  Kolben  zurück 
und  kocht  nochmals  auf. 

Die  wasserklare  Lösung  ist  nun  verlustlos  in  den  Destillationskolben, 
einen  zirka  V2  ^  fassenden  Kochkolben,  zu  Iningen.  Zu  diesem  Zwecke  füllt 
man  nach  Erkalten  der  Lösung  in  den  Ä^e^t/o /«/-Kolben  langsam  bOcm^ 
Aq.  dest.  zu,  schwenkt  um  und  gießt  die  wieder  heißgewordene,  jetzt  ver- 
dünnte Lösung  in  den  Destillationskolben  über.  Es  scheidet  sich  dabei 
etwas  Quecksilbersulfat  aus,  welches  bei  mehrmaligem  Nachspülen  in  Lösung 
geht.  Man  spült  2 — 3mal  nach,  so  daß  man  zum  Pvcinspülen  des  Kjeldahl- 
Kolbens  im  ganzen  nicht  mehr  als  200  c;;«!^  Wasser  braucht.  Hierauf  kühlt 
man  den  Kolben  unter  der  Wasserleitung,  setzt  rasch  nacheinander  50  om* 
Natronlauge    (vorsichtig   wegen   eventuellen    starken    Schäumens),    iOan^ 


Methoden  zur  Uiitersuchuii''  di-r  iiunschlicheu  Fäzes. 


.  >  1  •> 


Schwefelkaliumlösuni;',  einen  reicliliclicii  Kaffeelöffel  Talk  und  iiochinals 
öOcm^  Lauge  zu.  verschließt  sofort,  ehe  NH3  entweichen  kann,  mit  dem 
Destillationsrohr,  bringt  den  Kolben  auf  das  schon  vorgewärmte  Sand- 
bad  und    lallt    nun    die  Destillation   in  eine  X'orlagc  (/•>/<•// ///«"//rr-Kolbeni, 

welche  mit  öOtw»— -Normal-H.,  SO4  beschickt  ist,  vor  sich  gehen. 

Der  Zusatz  von  Schwefelkalium  hat  den  Zweck,  etwa  vorhandenes  Qiiecksillter- 
amid  zu  zerlegen  und  das  (^)uecksill)er  zu  fällen.  Durch  den  Talkzusatz  wini  starkes 
Stoüou  der  Fliissiirkeit  heim  Kochen  verhindert.  Wichti','  ist  auch,  daU  der  Destillier- 
kolben auf  ein  vorher  schon  erhitztes  Sandbad  gebracht  wird.  Geschieht  die  Erwärmung 

der  Mischung  zu  laugsam,  so  erfolgt  zuweilen  ein  rasches  Ansaugen  der^:— Normal- HjSO^ 

aus  der  Vorlage  in  den  Destillationskolben.  Erfolirt  während  der  Destillation  gelegent- 
lich ein  derartiges  stärkeres  Ansaugen,  so  ist  die  Erhitzung  eventuell  noch  durch  eine 
zweite  Gasflamme  zu  verstärken. 

Nach  20  Minuten  Koch/eit  kann  man  darauf  rechnen,  dali  die 
Destillation  vollendet  ist.  Soll  dann  der  Kochprozeli  unterbrochen  werden, 
so  öffnet  man  zunächst  den  Yerschlull  des  Destillierkolbens  und  löscht  dann 
erst  die  Flamme.  Das  in  die  Vorlage  tauchende  Rohr  wird  mit  Wasser  in 

die  Vorlage  hinein  ab-  und  durchgespült.  Hierauf  wird  mit  — -Normal-Na  <  »H 

austitriert,  wieviel  Kubikzentimeter  der  vorgelegten  H,  SO4  durch  Ammoniak 
gesättigt  worden  sind.  Indikator  ist  Cochenilletinktur,  von  der  etwa  lUcw^ 
zugegeben  werden.  Die  Menge  der  gesättigten  H.,  81)4  =  der  Zahl  der  vorge- 
legten Kubikzentimeter  H,  SO^,  minus  der  Zahl  der  zum  Titrieren  gebrauchten 
Kubikzentimeter  Normallauge.  Die  Zahl  der  in  der  verwendeten  KotnnMige 
enthaltenen  Milligramme  N   erhält  man,    wenn    man  die  Zahl    der    durch 

NH3  gesättigten  Kubikzentimeter  —-Normal-Ho  SO4  mit  2-s  multipliziert 
(1  cm^  — -Xormal-NaOH  enthält  ^Vs  "'^  Na  OH  und  entspricht   IT-öm//  N  H3 

0 

oder  1^5  =  2-8  mg  N). 

Bei  jeder  N-Bestimmung  ist  mindestens  eine  Kontrollanalyse  auszu- 
führen. Die  N-PJestimmungen  können  auch  mit  feuchtem  Kote  ausireführt 
werden.  Man  vermeidet  dabei  etwaige  beim  Trocknen  entstehende  N 11  .- 
^'erluste. 

NiU'Jnveis  lösHcher  und  kosigulabler  Eiweilikörper  in  «len  Fäzes. 

Der  Nachweis  geschieht  im  witsserigen  Fäzesextrakt.  In  jedem  Stuhlgang  findet 
sich  dabei  ein  mit  Essigsäure  in  der  Ivälte  fällbarer  Eiweißkörper,  das  Nuklen- 
proteid  der  Fäzes.  Dieses  ist,  wie  alle  Nukleine,  eine  Verbindung  von  Eiweißk<irporn 
mit  der  Nukleinsäure.  Es  ist  aber  kein  einlieitlicher  Körper,  sondern  ein  (iemisch  ver- 
schiedener Nukleoproteide  und  Nukleine.  Eine  hervorstechende  Eigenschaft  des  FAzes- 
nukleoproteids  ist  seine  F'ähigkeit,  sich  im  Essigsäureüberschuß  nach  vorheriger  Aus- 
fällung wieder  zu  lösen.  Das  Nukleoiuotoid  entstammt  den  Zellkernen,  bei  deren  Zerfall 
es  frei  wird.  Das  Vorkommen  dieses  Eiweißkörpers  im  Kote  i-rklärt  sich  so,  daß  Zell- 
zerfall im  Darmkanal  jederzeit  in  ausgedehnter  Weise  stattfindet,  iinlcm  sowold  mit  der 
Nahrung  eingeführte  Zellen  verdaut  werden  als  auciv  Darmepithelien  in  großer  Vi 
degenerieren    und     zerfallen.     Die    Nukleoproteide     werden    zum     allerL'rcCti  n     1. 


344  H.  Lohrisch. 

Eiweiß  und  Nukleine  gespalten,  diese  können  weiterhin  in  die  Nnkleiubaseu  (Puriu- 
körper)  zerfallen.  'Der  Essigsäureuiederschlag  besteht  aber  nicht  nur  aus  den  Kuklein- 
substanzen,  sondern  auch  aus  Muzin  und  Kasein.  Vom  Kasein  nimmt  man  an,  daß 
es  im  Kote  Erwachsener  normalerweise  nicht  vorkommt. 

Die  Müzine  sind  Glykoproteide,  die  bei  der  Spaltung  in  einen  Eiweißkörper 
und  ein  Kohlehydrat  zerfallen.  Sie  sind  im  Gegensatz  zum  Nukleoproteid  stets  phos- 
pborfrei,  lösen  sieb  im  Essigsäureüberschuß  nicht  und  spalten  beim  Kochen  mit  7-57oiger 
Salzsäure  schon  nach  wenigen  bis  höchstens  10  Miauten  eine  stark  reduzierende  Sub- 
stanz ab,  während  das  Nukleoproteid  erst  nach  längerem  Kochen  eine  schwache  Reduk- 
tion gibt.  Nach  den  spärlichen  bisher  vorliegenden  Untersuchungen  kommt  Schleim  im 
normalen  Stuhle  bei  normaler  Beschaffenheit  der  Darmschleimhaut  nicht  vor,  sondern 
nur  in  patliologischen  Fällen.  Man  kann  sich  im  allgemeinen  damit  begnügen,  den 
Schleim  makroskopisch  und  mikroskopisch  nachzuweisen. 

Unter  pathologischen  Verhältnissen  ist  der  Xuldooproteidgehalt  der  Fäzes  ge- 
steigert. Ferner  kommt  unter  pathologischen  Verhältnissen  in  den  Fäzes  Albumin 
vor,  welches  in  der  Hauptsache  von  der  Darmwand  selbst  abstammt  (Serumalbumin). 
Noch  seltener  treten  Aibumosen  auf.  Ihr  Erscheinen  deutet  auf  eine  schwere 
Schädigung  des  Darmes  hin,  braucht  aber  nicht  in  jedem  Falle  auf  Störungen  der  Re- 
sorption von  Nahrungseiweiß  zu  beruhen. 

Verfahren  nach  Schloessmann.'^) 

Der  {gemeinsame  Nachweis  des  genuinen  Eiweißes  und 
der  Aibumosen  ist  in  einwandfreier  Weise  erst  möglich,  wenn 
das  Nukleoproteid  entfernt  und  das  nukleoproteidfreie  Filtrat 
klar  ist. 

Zur  Entfernung  des  Nukleoproteids  benutzt  man  seine  Eigenschaft, 
mit  dünner  Essigsäure  auszufüllen.  INlau' verwendet  nach  Schloessmann  ^) 
SOVoige  Essigsäure,  muß  abei*  sehr  vorsichtig  zusetzen,  um  einen  Über- 
schuß von  Essigsäure  zu  vermeiden,  in  dem  sich  das  Nukleoproteid  wieder 
lösen  könnte.  Es  kommt  also  darauf  an,  das  Fällungsmaximum  zu  treffen, 
was  bei  Übung  und  Geduld  möglich  ist.  Von  der  oO^/oigen  Essigsäure  sind 
selbst  in  Fällen,  wo  nur  geringe  Mengen  Nukleoproteid  vorhanden  sind, 
immer  noch  einige  Tropfen  nötig,  ehe  das  FäUungsmaximum  erreicht  ist. 
Als  Hilfsmittel  zur  sicheren  Ermittlung,  ob  alle  fällbare  Substanz  nieder- 
geschlagen ist,  empfiehlt  Schloessmann^)  wiederholtes  Filtrieren  der  Lö- 
sung vom  Niederschlage.  Das  Filtrat,  welches  meist  klar  oder  nur  schwach 
getrübt  ist,  wird  dann  mit  wenigen  Tropfen  5 — 10"/oigei"  Essigsäure  ver- 
setzt. Entsteht  dabei  keine  weitere  Trübung,  so  ist  die  x\usfällung  be- 
endigt. 

Tsuchiya^)  schlägt  hierzu  noch  folgendes  vor:  Um  die  Nukleoprotcide  vor  An- 
stellung der  Eiweißprobe  möglichst  vollständig  zu  entfernen,  was,  wie  erwähnt,  zuweilen 
schwierig  ist,  ist  es  zweckmäßig,  die  Reaktion  der  Flüssigkeit  genau  mit  Lackmus  zu 
prüfen  und  bei  saurer  Reaktion  eine  kleine,  bei  neutraler  eine  mittelgroße,  bei  alkali- 
scher eine  große  Menge  Essigsäure  zuzusetzen,    so    daß    die  Eudreaktion  immer  mäßig 

^)  H.Schloe.ssmann,  Über  Nachweis  und  Auftreten  gelösten  Eiweißes  in  den  Fäzes 
Erwachsener.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  60.  H.  3  u.  4.   1906.  S.  5  des  Sep.-Abdr. 

")  J.  Tsuchiya,  Über  das  Auftreten  des  gelösten  Eiweißes  in  den  Fäzes  Erwach- 
sener und  sein  Nachweis  mittelst  der  Biuretreaktion.  Zeitschr.  f.  exp.  Pathol.  u.  Ther. 
Bd.  5.  1908.  S.  3  des  Sep.-Abdr. 


Mcthotleu  zur  L'iitcrsiicliiuii,'  der  meiischlirbon  Fiizos. 


345 


stark  sauer  ist.  Ferner  rät  Tsuchij/a^),  das  Ilydroltiliriiliin  nuigliclist  reichlich  uiib  dem 
Extrakt  zu  entfcMiicn,  da  Ilyilrdliilinibin  ziiwcilfii  schon  allein  Binretroaktion  üilit,  Hicr/ii 
soll  das  lljdroliiliruliin  mittelst  Chloroform  aus  dem  mit  Alkidiol  versetzten  Extrakt  aus- 
geschüttelt werden  (Alkohol  ist  nötig,  weil  Chloroform  ohne  Alkohol  nur  sehr  wenitr 
Farbstoff  aufnimmt).  Näheres  über  diese  beiden  Modifikationen  Tsuchii/as  siehe 
S.  346-H47. 

Der  Nuklcoprotcidiiiederschlati'  mulJ  nun  alit'iltriort  wcnlun.  liicr/u 
benutzt  man  nach  Schlocssniann'')  Filter,  die  mit  Kieseiguhr  bestreut  sind. 
Kieseiguhr  ist  imstande,  feinste  Trübungen  zurückzuhalten.  Doch  muH  man, 
Avie  Schloessmann^)  zeigte,  peinlichst  vermeiden,  die  Extrakte  mit  Kiesel- 
guhr  zu  schütteln,  weil  Kieseiguhr  wie  alle  porösen  Substanzen  imstande 
ist,  Eiweiß  festzuhalten.  Schhessmann  fand  z.  B.,  daß  es  in  einer  0"5%ig<'n 
Serumlösung  gelang,  durch  energisches  Schütteln  mit  viel  Kieseiguhr  alles 
Albumin  zu  binden,  so  dal)  eine  Eiweißreaktion  im  Filtrat  nicht  mehr  zu 
erzielen  war. 

Im  einzelnen  ist  nach  Schhessmann  -)  folgendermalVn  zu  vor- 
fahren : 

Die  Fäzes  (Tagesmenge)  werden  unter  langsamem  Zusetzen  von 
Wasser  gut  verrieben  und  weiterhin  mit  Wasser  bis  zu  ziemlich  dünn- 
flüssiger Konsistenz  (ca.  500  cni^)  verdünnt.  Einige  Stunden  stehen  lassen. 
Filtrieren  durch  doppeltes  Faltenfilter.  Trübes  Filtrat  zur  Klärung  durch 
ein  mit  wenig  reinem  Kieseiguhr  beschicktes  Filter  filtrieren.  Danach  ist 
das  Filtrat  klar.  Durch  sehr  vorsichtigen  Zusatz  von  :>()"  Jgt'r  Essigsäure 
Ausfällen  der  Nukleoproteide  im  Ileagenzglase.  Die  hierltei  entstehende 
Trübung  wird  durch  doppeltes  Filter  ein-  beziehentlich  mehrmals  ab- 
filtriert. 

a)  Erhält  man  dadurch  wasserklare  Filtrate,  so  überzeugt  man  sich 
durch  Zusatz  von  wenigen  Tropfen  3— ö^/oiger  Essigsäure,  ob  alles  Nu- 
kleoproteid  ausgefällt  ist  und  stellt  dann  die  Eiweißprobe  an. 

h)  Bleiben  die  Filtrate  trüb,  so  läßt  man  sie  jetzt  nochmals  durch 
ein  kleines  mit  wenig  Kieseiguhr  bestreutes  Filter  hindurchgehen  und 
untersucht  in  den  nunmehr  stets  klaren  Lösungen  auf  Eiweiß,  nachdem 
man  zuvor  die  Kontrollprobe  auf  vollständige  Entfernung  der  Nukleine 
gemacht  hat. 

Die  Prüfung  des  klaren  und  nnkleoproteidfreien  Filtrats  auf  YA- 
weiß  wird  vorgenommen  als  Essigsäurekochjjrobe  unter  Na Cl-Zusatz  (bei  zu 
geringem  Salzgehalt  der  Fäzes  wird  die  Reaktion  undeutlich),  als  Salpeter- 
säure-IJingprobe  und  als  Ferrozyankalium])robe.  Die  Menge  des  vorhan- 
denen Eiweißes  kann  entweder  mit  dem  /.W^^ttV/schen  Beagens  oder,  wie 
neuerdings  TsncJtii/a^)  vorschlägt,  mit  einer  l%iii:(^»  alkoholischen  IMios- 
phorwolframsäurelösung(Fhosphorwolframsäure  FO,  Salzsäure  frO,  OßO/oi^'t^i' 


')  H.  SchlocssDianii,  Über  Nachweis  und  Auftreten  gelösten  EiwiiLies  m  li.-n  1- ,i/.> 
Erwachsener.  Zeitschr.  f.  kliu.  Med.  Bd.  GO.  II.  3  u.  4.  VXÄ).  S.  7  des  Scii.-Abdr. 

2)  //.  Schlocsswann,  1.  c.  S.  9  des  Sep.-Alulr. 

^)  J.  Tsuchii/a,  Die  volumetrische  Eiweißl)estimmuuir  mittelst  der  l'iiospbor\\<dl- 
ramsäure.  Zentralbl.  f.  innere  Med.  Nr.  24.  S.  ÜÜ5— (JUi>.  IVtOS. 


346  H.  Lohrisch. 

Alkohol  lOO-O)  bestimmt  werden.  Diese  Lösung  soll  vor  allen  Dingen  für 
geringe  Eiweißmengen  genauer  arbeiten  als  das  Esbachsche  Eeageus. 
TsucUya  hat  dafür  besonders  geaichte  Meßgläschen  angegeben. 

Um  zu  unterscheiden,  ob  der  Eiweißniederschlag  aus  Albumin  be- 
steht oder  ob  daneben  noch  Albumosen  vorhanden  sind,  gibt  es  folgende 
quahtative  ünterscheidungsmöghchkeiten  (Schloessmann  i): 

Vorsichtiges  und  langsames  Erwärmen  des  bei  der  Ferrozyankaliumprobe  ent- 
standenen Xiederschlages.  Sind  Albumosen  in  der  Fällung,  so  lösen  sich  dieselben  bei 
ca.  70°  wieder  auf  und  die  Trübung  schwindet  mehr  oder  weniger.  AVeun  man  nun, 
ohne  -weiter  zu  erhitzen,  das  Reagenzglas  rasch  abkühlt,  so  fallen  die  Albumosen  wieder 
aus  und  die  Trübung  nimmt  zu. 

Setzt  man  zu  dem  vom  XukleoiDroteid  befreiten  klaren  Filtrate  Salpetersäure  im 
Überschuß  zu,  so  bleibt  ein  Eiweißniederschlag  bestehen,  ein  Albumoseniederschlag  löst 
sich  im  Überschuß  von  Salpetersäure  wieder. 

Die  mit  Essigsäure  stark  angesäuerten  Lösungen  werden  zu  Ve  ilres  Yolumens 
mit  konzentrierter  Kochsalzlösung  versetzt.  Hierbei  gibt  es  schon  in  der  Kälte  bei 
starkem  Eiweißgehalt  einen  Niederschlag.  Löst  sich  dieser  beim  Erwärmen,  so  besteht 
er  nur  aus  Albumosen.  Sind  Alliumin  und  Albumosen  vorhanden,  so  scheiden  sich  die 
Albumosen  aus  dem  warmen  Filtrate  der  gekochten  Mischung  beim  Erkalten  wieder 
aus,  während  Eliweiß  auf  dem  Filter  zurückbleibt. 

Wie  Schloessmann  -)  bemerkt,  werden  durch  diese  :\lbumosenproben 
immer  nur  erheblichere  xllbumosenmengen  nachgewiesen,  so  daß  also  selbst 
spurweise  Trübungen  berücksichtigt  werden  können. 

Erinnert  sei  hierliei  daran,  daß  das  im  Filtrat  nachweisbare  Eiweiß 
mit  dem  unverdauten  Nahrungseiweiß  in  keinem  Zusammenhange  steht. 

Simon^)  hat  vorgeschlagen,  wenn  sich  beim  Abfiltrieren  des  Xukleoproteids  durch 
Papierfilter  keine  klare  Lösung  erhalten  läßt,  die  Trübung  im  Überschusse  der  Essig- 
säure wieder  zu  lösen  und  dann  die  Eiweißproben  anzustellen.  SchJoessrnann*)  hat  aber 
gezeigt,  daß  sich  das  wieder  gelöste  Nukleoproteid  durch  Ferrozyankalium  zum 
Teil  ausfällen  läßt.  Mau  ist  also  bei  diesem  Verfahren  Täuschungen  ausgesetzt,  und 
der  Ferrozyankaliumniederschlag  darf  nur  dann  als  Eiweißniederschlag  gelten,  wenn  er 
deutlich  stärker  ist,  als  es  der  Nukleoproteidniederschlag  war. 

Vereinfachtes  Verfahren  zum  gemeinsamen  Nachweise  von 
Albumin    und    Albumosen    mit    Hilfe     der    Biuretreaktion    von 

Tsuchiya. ») 

Das  Prinzip  der  Methode  besteht  darin,  daß  man  zunächst  im  wäs- 
serigen Fäzesextrakt  die  Nukleoproteide  sich  vollkommen  niederschlagen 
läßt  und  das  Hvdrobilirubin  möulichst  entfernt.  Wenn  man  alsdann  in  das 


*)  E.  Schloessmann,  Über  Nachweis  und  Auftreten  gelösten  Eiweißes  in  den  Fäzes 
Erwachsener.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  60.  H.  3  u.  4.  1906.  S.  16  u.  17   des  Sep.-Abdr. 

^)  H.  Schloessmann,  1.  c.  S.  20  des  Sep.-Abdr. 

^)  0.  Simon,  Über  das  Vorkommen  und  den  Nachweis  gelöster  Eiweißkörper  in 
den  Fäzes.  Arch.  f.  Verdauungskrankheiteu.  Bd.  10.  H.  3.  1904^^  S.  197—203. 

'')  H.  Schloessmann,  1.  c.  S.  8  des  Sep.-Abdr. 

^)  J.  Tst(chi>/a,  Über  das  Auftreten  des  gelösten  Eiweißes  in  den  Fäzes  Erwach- 
sener und  sein  Nachweis  mittelst  der  Biuretreaktion.  Zeitschr.  f.  exp.  Pathol.  u.  Thcr. 
Bd.  5.  1908. 


Methoden  zur  Untersuchung  der  nicnschlirlion  Fäzes.  J5^7 

SO  behaiulelte  Fäzesoxtrakt  ein  kleines  Stück  Kui)fei-snlfata*,''jir  hineinwirft, 
quillt  dieses  nach  einiger  Zeit  auf  und  saugt  die  nukleoproteid-  und  hv<ir()- 
bilinibinfreie  Flüssigkeit  an.  Taucht  man  diesen  Kupfersulfatagar  sodann 
in  Natronlauge,  so  zeigt  sich,  wenn  in  den  Fäzes  gelöstes  Eiweiß  enthalten 
ist,  die  Biuretreaktion. 

Die  Herstellunff  des  Kupfersulfatagars  geschieht  folgendermaßen:  2  <i  Agar-Agar 
werden  mit  100  cin'^  Wasser  in  einer  Pnrzellanschale  gekocht,  bis  das  Ganze  irchist  ist. 
Zu  dieser  dickflüssigen  Lösung  Zusatz  von  10  cin^  einer  10"/uigpu  Kupfersulfatlösung 
und  Umrühren  derselben.  Abgießen  der  Mischung  in  Glasröhrchen  von  ungefähr  20  bis 
30  cm  Länge  und  08 — 10  cm  Durchmesser.  Diese  (ilasrohrchen  sind  vorher  an  einem 
Ende  mit  einem  Kork  verschlossen  worden.  Nachdem  die  Lösung  hineingegossen  ist. 
verschließt  man  auch  das  offene  Ende  mit  einem  Kork  oder  einem  metallischen  Deckel, 
um  das  Austrocknen  zu  verhüten.  Der  Agar  läßt  sich  dann  feucht  lange  Zeit  aufbe- 
wahren. Zum  Gebrauclie  schiebt  man  den  Kork  auf  der  einen  Seite  des  Glasnihrcliens 
immer  weiter  in  dasselbe  hinein,  so  daß  der  erstarrte  Kupfersulfatagarzylinder  auf  der 
anderen  Seite  heraustritt,  wo  man  für  die  Versuche  etwa  1  cm  dicke  Scheiben  abschnei- 
den kann. 

Die  Methode  wird  in  folgender  Weise  ausgeführt:  Eine  tauheneigrojje 
Menge  der  gut  vermischten  ganzen  Fäzesmenge  wird  unter  Zusatz  von 
Wasser  nochmals  verriehen  und  bis  zu  ziemlich  dünnflüssiger  Konsistenz 
verdünnt.  Von  dieser  Flüssigkeit  gibt  man  10  c^w^n  einen  Porzellanmür.ser 
und  prüft  mit  Lackmus  genau  die  Reaktion.  Je  nach  der  Art  der  Reaktion 
fügt  man  mehr  oder  weniger  10*' o igen  Eisessigalkohol  (lO'Ocm^  Eisessig: 
90  cm»  95%igem  Alkohol)  dazu,  am  besten  folgendcrmaiien: 

bei  mäßig  saurer  Reaktion  0*5  cni^, 

bei  schwachsaurer  oder  neutraler  Reaktion  l'O  cm^, 

bei  schwachalkalischer  Reaktion  1'5  cm^, 

bei  starkalkalischer  Reaktion  2*0 — 2-5  cni^. 

Nach  dem  Zusatz  von  Eisessigalkohol  wird  die  ganze  Masse  wiederum 
gut  verrieben.  Hierauf  setzt  man  ca.  5  cm^  Chloroform  hin/u  und  verreibt 
3mal.  Dann  gießt  man  die  ganze  Flüssigkeit  in  ein  Reagenzglas  und  liilU 
sie  stehen.  Nach  einigen  ]\Iinuten  sinken  die  groben  Partikelchen  des  Fäzes- 
extraktes zusammen  mit  dem  Chloroform  zu  Boden,  während  sich  eine 
meist  hellgelbe,  manchmal  schwach  bräunlichgelbe,  feingetrübte  Flüssigkeit 
oben  abscheidet.  Diese  letztere  gießt  man  in  ein  zweites  Reagenzglas  und 
wirft  ein  Scheibchen  Kupfersulfatagar  hinein.  Eine  Stunde  danach  nimmt  man 
die  Agarscheibe  heraus  und  w^äscht  sie  mit  Wasser  aus.  Ist  das  Fäzesextrakt 
eiweißreich,  so  behält  der  Agar  zumeist  seine  schöne  tiefblaue  Farbe; 
wenn  Eiweiß  nur  in  Spuren  oder  gar  nicht  vorhanden  ist.  so  ist  er  bräun- 
lich-hell] )lau  gefärbt.  Man  schneidet  nun  ein  kleines  Stück  von  dem  Scheib- 
chen ab  und  bringt  dasselbe  in  ein  Porzellanschälchen  oder  in  eine  auf 
weißem  Papier  stehende  Glasschale. 

Ist  in  den  Fäzes  gelöstes  F.iweiß  vorhanden,  so  tritt  auf  Zusatz  von 
verdünnter  Natron-  resp.  Kalilauge  am  Pande  des  Scheiiichens  sofort  eine 
schöne  Biuretreaktion  von  hellvioletter  Farbe  mit  einem  Stich  ins  Blaue 
auf.  Die  ganze  Untersuchung  kann  in   1 '  .  Stunden  beendet  .sein. 


348  H.  Lohrisch. 

Unterscheidung   zwischen   Nukleoproteid   und   Muzin. 

Hierzu  sind  die  oben  erwähnten  Eigenschaften  des  Muzins  (frei  von 
Phosphor,  im  Essigsäureüherschuß  nicht  löshch,  Abspalten  eines  reduzieren- 
den Körpers  beim  Kochen  mit  HCl)  zu  benutzen.  Das  Reduktionsvermögen 
wird  festgestellt,  indem  mau  den  auf  dem  Filter  gesammelten  Niederschlag 
abhebt,  mit  T'öVoiger  HCl  im  Wasserbad  ca.  10  Minuten  kocht,  filtriert, 
kühlt,  mit  starker  Natronlauge  alkalisiert,  Kupfersulfat  zusetzt  und 
erhitzt. 

Um  zu  entscheiden,  ob  ein  auf  Essigsäurezusatz  erfolgender  Nieder- 
schlag P-haltig  ist  oder  nicht ,  wird  in  folgender  Weise  verfahren :  Der 
Niederschlag  wird  mit  der  30fachen  Menge  eines  Gemisches  von  3  Teilen 
KNO3  und  1  Teil  Na.,  CO3  geschmolzen,  die  Schmelzmasse  in  Wasser  ge- 
löst, vorsichtig  HNO3  zugesetzt,  HNO,  durch  Kochen  ausgetrieben  und  die 
Flüssigkeit  im  Wasserbade  eingeengt.  Dann  wird  mit  salpetersam-er  Lö- 
sung von  molybdänsaurem  Ammonium  und  Magnesiamixtur  gefällt  und  die 
P-Säure  als  Magnesiumpyrophosphat  gewogen  {Hecht ^). 

Brutschrankprobe   nach  Äd.  Schmidt-)   zum   Nachweis    gelösten 

Eiweißes  in  den  Fäzes. 

Hierzu  wird  das  Strashurgersche  Gärungsröhrchen  (Fig.  100,  S.  370) 
benutzt.  In  das  Grundgefäß  kommt  von  dem  gut  durchrührten  unverdünnten 
Kot,  dessen  Reaktion  genau  festgestellt  wird,  eine  zirka  walnußgroße  Por- 
tion (bei  sehr  harten  Stühlen  weniger,  bei  weichen  mehr,  bei  flüssigen 
füllt  man  ganz  ein),  die  mit  dem  Holzspatel  und  Wasser  gut  verrührt 
Avird.  Das  Röhrchen  wird  dann  wie  bei  der  Anstellung  der  Gärungsprobe 
(S.  370 — 371)  verschlossen  und  für  24  Stunden  bei  37°  in  den  Brutschrank 
gebracht.  Nach  dieser  Zeit  notiert  man  die  Höhe  des  durch  eventuelles  Gas 
verdrängten  Wassers  im  Steigrohr,  öffnet  das  Grundgefäß  und  prüft  die 
Reaktion  seines  Inhaltes.  Deutlicher  Umschlag  der  Reaktion  nach  der  al- 
kalischen Seite,  intensiver  Fäulnisgeruch,  dunklere  Färbung  des  Kotes  und 
mäßige  oder  geringe  Gasentwicklung  zeigen  das  Vorhandensein  einer  Ei- 
Aveißfäulnis  an.  Auch  hierbei  faulen  nur  vom  Darm  selbst  stammende  Ei- 
weißkörper, nicht  etwa  Reste  des  Nahrungseiweißes. 

Nachweis  der  Albumosen  nach   Ury.^) 


Die  Tagesmenge  der  Fäzes  wird  mit  2''/oiger  Essigsäure  verrieben, 
dann  auf  1  l  aufgefüllt  und  filtriert.  Das  gesamte  Filtrat  wird  auf  300  bis 
400  cm^-  eingeengt,  mit  der  gleichen  Menge  96Voigeni  Alkohol  oder  etwas 


')  Ad.  Hecht,  Die  Fäzes  des  Säuglings  und  des  Kindes.  8.54.  Berlin  und 
Wien  1910. 

-)  Ad.  Sclimidt,  Die  Funktiouspmfung  des  Darmes  mittelst  der  Probekost.  S.  20 — 21. 
2.  Aufl.  Wiesbaden  1908. 

^)  H.  Vrij,  Zur  Methodik  des  Albumosennachweises  in  den  Fäzes.  Arcb.  f.  Ver- 
dauungskrankheiten. Bd.  9.  H.  3.  S.  219—249.  1903. 


Methoden  zur  Lutersucluiug  der  luenscliliclicii  KUzus.  \ui 

mehr  versetzt,  jedenfalls  so  lan^e,  bis  ein  Niederschlag  erfolgt.  Filtration. 
Das  Filtrat  wird  neuerdings  stark  eingeengt  und  mit  der  ^fachen  Menge 
absolutem  Alkohol  gefüllt.  Der  Niederschlag  wird  mit  Alkohol  bis  zur  Farb- 
losigkeit  des  Alkohols  ausgewaschen,  mit  Äther  nachgewasch.-n  und  ver- 
rieben. Man  extrahiert  nun  den  Niederschlag  grinidlich  mit  wenig  (etwa 
15  cm-i)  warmem  Wasser  und  Kalilauge  und  filtriert.  l)as  tief  schwarz- 
braune Filtrat  wird  mit  H.^O,  bis  zur  Gelbfärbung  gekocht  und  nach  dem 
Erkalten  mit  verdünnter  Kupfersulfatlösung  versetzt.  Es  tritt  dann  bei 
Anwesenheit  von  Albumosen  Biuretreaktion  ein. 

Nachweis  des  verdaulichen  Nahriingseiweißes  im  Kot  nach 

Ad.  Schmidt. 0 

Mit  den  vorstehenden  Untersuchungsmethoden  werden,  wie  schon  er- 
wähnt, nur  Eiweißsubstanzen  nachgewiesen,  die  vom  Körper  resp.  von  der 
Darmschleimhaut  selbst  stammen. 

Schmidt^)  hat  nun  folgendes  Verfahren  angewendet,  um  die  Mt-nge 
des  etwa  noch  vorhandenen  verdaulichen  Nahrungseiweilies  schätzungsweise 
bestimmen  zu  können.  Das  Prinzip  ist  das  der  künstlichen  Nachverdamnig 
des  gereinigten  Bodensatzes  einer  zentrifugierten  Kotaufsclnvemmimg.  wo- 
bei aus  dem  Sediment  alle  Eiweilibestandteile  verschwinden. 

Von  der  gleichmäßig  verrührten  Masse  des  frischen  Kotes  mißt  man 
mit  dem  Strasburfferschen  oder  Äf loschen  Glasrohr  (S.;-332,  Fig.  95  u.  96)  eine 
annähernd  0-25(7  Trockensubstanz  enthaltende  Menge  ab.  Dieselbe  betrögt 
bei  mittlerer  Konsistenz  des  Kotes  durchschnittlich  1  cni^.  bei  harter  etwa 
0-8  cm^,  bei  flüssiger  etwa  H  cni^.  Dieses  Qu-intum  wird  mit  wenigen 
Kubikzentimetern  destillierten  Wassers  in  einem  (ilas-  oder  Achatmörser 
aufs  feinste  verrieben  und  in  ein  Schleudergiäschen  der  gewöhnlichen  Iland- 
zentrifuge  mit  soviel  Wasser  gespült,  daß  das  etwa  9—10(^3  fassende 
Gläschen  bis  oben  gefüllt  ist.  Erscheint  die  Verdünnung  für  ein  schnelles 
Zentrifugieren  nicht  groß  genug,  so  verteilt  man  den  Inhalt  auf  2—4  Gläs- 
chen, die  man  alle  mit  Wasser  auffüllt. 

Jetzt  wird  etwa  '/o  Minute  lang  zentrifugiert,  die  trübe  Flüssigkeit 
vom  Bodensatz  abgegossen  und  der  letztere  durch  kräftiges  Ausschütteln 
mit  destilliertem  Wasser  von  neuem  aufgeschwemmt.  Nach  Wiederholung 
des  Verfahrens  wird  statt  Wasser  ()-4"/oit4't'  IK'1-Lösung  aufgegossen,  um- 
geschwenkt, ausgeschleudert  und  dasselbe  der  Reihe  nach  mit  Alkcthol, 
Äther,  Alkohol  und  Wasser  wiederholt.  Im  ganzen  wird  also  siebenmal  je 
V2  Minute  zentrifugiert,  wobei  der  I5odensatz  durch  sukzessive  Lösung 
seiner  Bestandteile  immer  mehr  abnimmt,  so  daß  die  eventuell  vorher 
geteilten  Portionen  bald  wieder  vereinigt  werden  können.  Nachdem  das 
letzte  Wasser  vom  Bodensatz  abgegossen  ist,  wird  er  mit  8  c/zH  Magensaft 


*)  Ad.  Schmidt  und  ./.  Sfrasbitrf/cr,    Die  l'iizes  des  Menschen    im   nornmlen  und 
krankhaften  Zustande.  S.  55— »6.  2.  Aufl.  Berlin  l'.XJö. 


350 


H.  Lohrisch. 


Fig.  97. 


resp. Pepsin-Salzsäurelösung  aufgeschwemmt  und  in  dasMeßgiäschen(Fig.97 1) 
gegossen. 

Dieses  Meßgläschen  besitzt  dieselbe  Länge  wie  die  übrigen  Schleuder- 
gläschen und  an  seinem  unteren  Ende  eine  2  cm  lange  Verjüngung,  welche 
sich  zieraUch  scharf  an  das  weitere  obere  Ende  ansetzt.  Der  lichte  Durch- 
messer des  oberen  6  cw  langen  Endes  beträgt  IV2  c>w,  der  des 
unteren  Ansatzes  O'o  cm.  Dieser  Ansatz  trägt  eine  von  unten 
ausgehende  Millimeterskala  (im  ganzen  20  mm)  und  faßt  somit 
etwa 0-4  cm\  d.  h.  pro  Teilstrich  002  cm^  Flüssigkeit.  Das  ganze 
Röhrchen  faßt  8 — 9cm-^ 

In  diesem  Meßgläschen  wird  jetzt  nochmals,  und  zwar 
besonders  sorgfältig  zentrifugiert  und  die  Höhe  des  Boden- 
satzes an  der  Skala  des  verdünnten  Endes  abgelesen.  Sollte 
dessen  Höhe  über  20  mm  hinausgehen,  so  verteilt  man  die  auf- 
geschüttelte Flüssigkeit  auf  2  Gläschen.  Nach  erneutem  gründ- 
lichen Aufschütteln  wird  das  Gläschen  mit  einem  gutsitzenden 
Stöpsel  verschlossen  und  in  den  Brutschrank  gelegt.  Nach 
24  Stunden  wird  es  herausgenommen  und  von  neuem  zentri- 
fugiert. Die  Differenz  der  Bodensatzhöhen  vor  und  nach  der 
Verdauung  gibt  den  Maßstab  für  die  Menge  der  verdauten 
Eiweißreste  (Muskelfasern,  Bindegewebe)  ab. 

Der  Magensaft  wird  am  besteio  so  hergestellt,  daß  die  Schleimliaut  eines  Schweine- 
magens abpräpariert,  gehackt  und  mit  bl  0-27oigei'  Salzsäure  versetzt,  kollert,  filtriert 
und  mit  2-5.(/  Thymol  versetzt  wird.    Dieser  Magensaft    bleibt    lange  wirksam  {Hecht'-). 

Qualitativer  Nacliweis  des  Kaseins. 

Für  den  Kaseinnachweis  kommen  nur  Säuglings-  und  Kiuderfäzes 
in  Frage.  Es  wird  dabei  nach  Biedert^)  in  folgender  Weise  verfahren: 
Die  frischen  Fäzes  Averden  zunächst  mit  destilliertem  Wasser  und  dünnem 
Salzwasser,  sodann  mit  sehr  verdünnter  Salzsäurelösung  ausgezogen.  Darauf 
wird  gewöhnliche  Natronlauge  zugesetzt  und  filtriert.  Im  Filtrat  fällt  diu-ch 
Essigsäure  ein  starker  Niederschlag  aus.  Was  sich  davon  im  Überschuß 
von  Essigsäure  löst ,  ist  Kasein  (Paranuklein). 

Die  quantitativen  Methoden  zum  Nachweis  des  Kaseins  sind  alle 
höchst  ungenau. 

Biologische  Differeuzieruiig  der  Eiweißkörper  im  Fäzesextrakt. 

In  neuerer  Zeit  hat  man  versucht,  den  Nachweis  der  Abstammung 
des  Fäzeseiweißes,  ob  Nahrungseiweiß  oder  Körpereiweiß,  auf  biologischem 


^)  Ad.  Schmidt  und  J.  Strasburger,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen  und 
krankhaften  Zustande.  S.  55.  2.  Aufl.  Berlin  1905. 

-)  Ad.  Hecht,  Die  Fäzes  des  Säuglings  und  des  Kindes.  S.  66.  Berlin  und 
Wien  1910. 

^)  Zit.  nach  Ad.  Schmidt  und  J.  Strashurger ,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  nor- 
malen und  krankhaften  Zustande.  S.  134.  2.  Aufl.  Berlin  1905. 


Metlioili'ii   zur  rntorsucliuiig  der   iihiivc1,1;,'1i,.ii    t'Uzes.  'V',! 

Wege  zu  erbringen.  Sc/iloessmann^)  benutzte  hier/u  Menschen-  nnd  HühniT- 
antiserum  vom  Fällungsverniöiien  1:25  000.  Die  lleaktion  wiinle  in  tlen 
vom  Nukleoproteid  befreiten  essigsauren  Fäzesfiltratcn  angestellt,  und  zwar 
wurden  Olc//?^  Immunsernm  auf  2 nn-^  Fiizesextrakt  zugesetzt.  Die  Priizi- 
pitinreaktion  mit  dem  ^lenschenantiserum  war  immer  prompt  positiv. 

Svhloessmann  liomcrkt,  daß  man  mit  der  praktisclicii  Vcrwortuui^  der  Ucsultute 
dieser  biologischen  Eiweißproheii  in  den  Fäzes  seiir  vorsirlitig  sein  muß.  Nach  Ihcht^) 
hat  es  keinen  Wert,  im  Stuhl  auf  biologischem  Wege  nach  Nahrungseiweiß  zu  faluiden, 
denn  Hamburger  hat  gefunden .  daß  das  Eiweiß  bereits  im  Magen  seine  Arteigenheit 
verliert. 

Nacliweis    der  Abbau-    uiid    Zersetzuiigsproilukte    des  FiweiUes   und 
der  Nukleinsäuren.  Purinbasen  und  Harnsäure  (Alloxnrkörper|. 

Der  Nachweis  der  Nukleiue  in  den  Fäzes  und  ihrer  Abbauprodukte, 
der  Purinbasen  (Xanthin,  Hypoxanthin,  Guanin,  Adenin  und  der  Harn- 
säure) erfolgt  nach  Krüger  und  Schittenhclm'-^-  *)  in  folgender  Weise :  Die 
ganze  frische  Tagesmeuge  der  Fäzes  wird  mit  1 — 2 /Wasser,  dem  1.")  bis 
20 cm^  konzentrierter  H.,  SO^  zugesetzt  sind,  zirka  o  Stunden  über  freier 
Flamme  am  Rückfluükühler  erhitzt.  Diese  Fäzesabkochung  wird  mit  Na- 
tronlauge alkalisch  und  dann  mit  10 — 20  0)1"^  Eisessig  sauer  gemacht  und 
auf  dem  Wasserbad  während  kurzer  Zeit  erhitzt,  wobei  man  lOg  Oxal- 
säure zusetzt,  um  den  Kalk  auszufällen.  Nach  dem  Erkalten  füllt  mau  auf 
1500— 3000  cw^  auf  und  filtriert  durch  ein  trockenes  Faltenfilter.  Ist  der 
Niederschlag  sehr  massig,  so  muß  man  ihn  mit  heijjem  Wasser  vom 
Filter  spritzen,  in  einer  essigsauren  Lösung  von  Natriumazetat  aus- 
schwemmen, erwärmen,  filtrieren  und  die  Filtrate  vereinigen.  Ein  Teil  des 
Filtrats ,  etwa  ')QOciit^,  wird  in  einem  Kollieu  mit  Natronlauge  alkalisch 
gemacht,  Natriumbisulfitlösung  (auf  100 cy;^^  Filtrat  lOcni'^)  hinzugefügt  nnd 
zum  Kochen  erhitzt.  Dann  fügt  man  ebensoviel  10"  „ige  Kupfersulfatlösung 
hinzu  und  hält  die  Flüssigkeit  noch  durch  einige  Minuten  im  Sieden.  Der 
entstehende  flockige  Niederschlag,  der  die  Kupferoxydulverbiuduugen  der 
Purinkörper  (Harnsäure  und  Purinbasen)  enthält,  wird  auf  ein  Falten- 
filter gebracht,  ausgewaschen  und  mit  dem  Filter  in  einen  l-'ällungskolbeu 
zurückgebracht.  Man  fügt  zirka  200cm»  Wasser  hinzu,  schüttelt  kräftig 
durch,  erhitzt  zum  Sieden  und  fügt  eine  Na.^  S-Lösung  hinzu  (die  man  durch 
Einleiten  von  Ho  S  in  eine  l"/oige  Natronlauge  hergestellt  Imti  so  Inn-e.  bi< 


')  IL  Schloessmann ,  Über  Nachweis  und  Auftreten  gelösten  Eiweißes  iu  den 
Fäzes  Erwachsener.  Zeitschr.  f.  Iclin.  Medizin.  Bd.  (»0.  11.  'i  uud  4.  19()(;.  S.  l'.t  und  20 
des  Sep.-Abdr. 

'-)  Ad.  Hecht,    Die    Fäzes    des    Säuglings    uiul    des    Kindes.    S.  70.    Rorli»    und 

Wien  1910. 

')  Zit.  nacli  Ad.  Hecht ,  lUe  Fäzes  des  Säuglings  und  drs  i\iiii  v  -.47—48. 
Berlin  uud  Wieu  1910. 

*)  A.  Schittenhelm,  Die  Purinkörper  der  Fäzes  uebst  Untersuchungon  nber  die 
Purinbasen  der  Darmwand,  der  Gallo  und  des  Pankreassaftes.  Deutsches  Archiv  f.  klio. 
Medizin.  Bd.  81.  H.  5  und  0.  S.  427-429.  1904. 


352  H.  Lohrisch. 

Bleiazetatpapier  deutlich  gebräunt  wird.  Man  kocht  noch  einige  Minuten, 
säuert  mit  lOVoig^^'  Essigsäure  an  und  erhitzt  noch  weiter,  bis  das 
Schwefelkupfer  sich  zusammenballt.  Tritt  dies  nicht  ein  und  klärt  sich  die 
über  dem  Niederschlag  stehende  Flüssigkeit  nicht  genügend,  so  ge- 
nügt stets  die  Zugabe  von  5 — 10  cm^  gesättigter  Aluminiumazetat- 
lösung, um  nach  kurzem  Aufkochen  eine  absolute  Klärung  zu  er- 
zielen. Der  Niederschlag  wird  nun  abfiltriert.  Er  muß  jedoch,  um  Verluste 
zu  vermeiden,  nach  dem  ersten  Abfiltrieren  nochmals  mit  Wasser  aus- 
gekocht und  abgesaugt  werden.  Die  vereinigten  Filtrate  werden  unter  Zu- 
satz von  10  cm^  10"/oiger  Salzsäure  zur  Trockne  gebracht  und  der  die 
Purinbasen  enthaltende  Trockenrückstand  mit  öcm^  Salzsäure  und  etwas 
Wasser  in  der  Wärme  versetzt.  Nach  dem  Erkalten  filtriert  man  von  dem 
geringen  Rückstande,  der  sich  in  braunen  Flocken  ausgeschieden  hat,  ab, 
wäscht  mehrmals  mit  Wasser  und  kann  nun  die  Purinbasen  nach  der 
Kupfer-  oder  Silberfällungsmethode  bestimmen. 

Kupferfällungsmethode:  Man  erhitzt  das  Filtrat  zum  Sieden,  macht 
es  mit  Ammoniak  schwach  alkalisch,  fügt  10 cni^  Natriumbisulfitlösung 
und  10cm3  Kupfersulfat  hinzu,  erhält  o  Minuten  im  Sieden,  filtriert  durch 
ein  Faltenfilter  aus  schwedischem  Papier,  wäscht  mit  heißem  Wasser  nach 
und  bestimmt  den  Stickstoff  nach  Kjeldahl. 

Silberfällungsmethode:  Das  Filtrat  wird  mit  Ammoniak  schwach 
alkahsch  gemacht  und  mit  l{)cm'^  ammoniakalischer  Silberlösung  und  20  cm^ 
lOVoigem^'Ha  versetzt.  Nun  fügt  man  10  c^/^»  ßVoigf'r  Dinatriumphosphat- 
lösung  und  5  cm-  einer  Magnesiaraischung  hinzu,  wodurch  sich  ein  Nieder- 
schlag von  phosphorsaurer  Ammoniakmagnesia  bildet.  Hierdurch  wird  das 
Absetzen  des  Niederschlages  begünstigt  und  die  Filtration  des  Silbernieder- 
schlages beschleunigt.  Nach  zweistündigem  Stehen  filtriert  man  den  Nieder- 
schlag ab,  wäscht  ihn  ammoniakfrei,  spritzt  ihn  mit  heißem  Wasser  in 
einen  runden  Kolben,  vertreibt  das  Ammoniak  durch  Magnesia  usta-Zusatz, 
kocht  und  bestimmt  den  Stickstoff  der  zurückbleibenden  Silberverbindungen 
der  Purinbasen  nach  Kjeldahl. 

Der  geringe  bräunliche  Filterrückstand  enthält  die  etwa  in  den  Fäzes 
enthaltene  Harnsäure  und  dient  zum  Nachweis  derselben  (typische  Kri- 
stalle, Murexidprobe).  Ist  das  Vorhandensein  von  Harnsäure  erwiesen,  so 
kann  die  Menge  derselben  durch  direkte  Wägung  oder  durch  Berechnung 
aus  dem  Stickstoffgehalt  l)estimnit  werden. 

Reindarstellung  der  Nukleinsubstanzen  nach  Micko.^) 

10  (/  pulverisierter  Trockenkot  werden  mit  200  cm^  2-5Voi8em  Salz- 
säurealkohol 20  Stunden  stehen  gelassen,  dann  filtriert.  Das  salzsaure 
Filtrat  enthält  keine  nennenswerten  Mengen  organisch  gebundenen  Phos- 
phors.  Der  Filterrückstand  wird  mit  100  cm^   2-5o/oigem  Salzsäurealkohol, 


')  Zit.  nach    H.  Ury,    Zur  Methodik    der    Fäkaluntersuchuiigen.    Deutsche    med. 
Wochenschr.  Nr.  41.  S.  722.  1901. 


Methoden  zur  T'iitorsiicluinir  der  iiicusclilichcn  Filzes.  ;.jr,u 

sodann  mit  Alkohol  bis  zur  pjitfärhun^-  dv^^  Filtr.itos  f?ew,ischon.  l>;imi 
wird  er  mit  2-r)Voiger  wässeriger  Salzsäure  nochmals  <i:riindlich  oxtraliicrt 
und  bis  zur  Chlorfreiheit  ausgewaschen.  Der  feuchte  lUickstand  wird  in 
einem  Melikolben  mit  100  om^  l"/,jiger  8odalösung  übergössen,  aufs  Vohimen 
2dO cm^  gebracht,  gut  durchgeschüttelt,  20  Stunden  stehen  gelassen  und 
dann  filtriert.  Von  dem  alkalischen  Filtrate  werden  l^xw^  mit  H)r„i^ 
2-b°io'iS<^'i'  liC\  versetzt:  Trübung  durch  Ausfall  der  Xukleinsubstanzen.  Zu- 
satz von  weiteren  2cm^  2'ö''/üi"er  HCl,  sodann  von  10()o>r'  '.•(;"  jir<-m 
Alkohol.  Mäßig  reichlicher  flockiger  Niederschlag.  Filtration,  Trocknung. 
AVägung. 

Bestimmung  des  Nukleinphosphors. 

Zur  Bestimmung  des  Nukleinphosphors  im  Kote  empfiehlt  Hirlit ') 
nach  Kossei  zu  verfahren:  2 — ög  fein  gepulverten  Kotes  werden  in  einer 
Porzellanschale  3— 4mal  mit  100  cni/^  Alkohol  auf  dem  Wasserbade  ge- 
kocht, vom  Alkohol  wird  abfiltriert.  Der  Kot  wird  dann  im  Soxhietapparat 
mit  Äther  extrahiert  und  trocken  mit  10 — 20  rm^  20%is:t'r  Salzsäure  ver- 
rieben. Hierauf  werden  bis  SOcnt^  20Voi."'Pi'  Sabcsäure  und  nach  12  l»is 
20  Stunden  locm^  lO'Yoig^i'  Tanninlösung  zugefügt.  Es  wird  umgerührt 
und  durch  ein  aschefreies  Filter  abfiltriert.  Sodann  erfolgt  Waschen  des 
Rückstandes  mit  Salzsäure  und  tanninhaltigem  Wasser,  bis  größere  Filtrat- 
mengen  keine  IM^iCaktion  mehr  geben.  Nun  wird  das  Filter  getrocknet, 
mit  Alkohol  und  Äther  gewaschen,  getrocknet  und  sodann  die  feuchte 
P-Bestimmung  nach  Neutnann  ausgeführt.  Dazu  werden  20c)n^  Kjeldahl- 
schwefelsäure  mit  15 — 20^  Ammoniumnitrat  allmählich  eingetragen.  Dann 
wird  mit  molybdänsaurem  Ammonium  und  Magnesiamixtur  gefällt  und  aus 
der  pyrophosphorsauren  Magnesia  der  P  berechnet. 

Nach  TJry '-)  läßt  sich  der  Nukleinphosphor  durch  Extraktion  der 
Fäzes  mit  V2VoiS'6r  Natronlauge  erhalten.  Die  Tagesmenge  Kot  wird  mit 
V2%ig6r  Natronlauge  gründlich  extrahiert,  auf  das  \'olumen  1000 c/»'  ge- 
bracht und  filtriert.  \00 cm^  des  Filtrats  werden  zur  Sirupskonsistenz  ein- 
gedickt, alsdann  unter  Zusatz  von  20 g  Salpetermischung  geschmolzen,  die 
Schmelze  in  Wasser  gelöst  und  darin  in  der  üiilichcn  Weise  der  1'  bi»- 
stimmt.  Es  läßt  sich  dabei  allerdings  nicht  vermeiden,  dal»  auch  kleine 
Mengen  anorganischen  Phosphors  mit  ins  Filtrat  übergehen. 

Indol,  Skatol,  Phenole,  Oxysäureii. 

Der  qualitative  Nachweis  dieser  Fäulnisprodukte  wird  in  folgender 
Weise  ausgeführt  (zitiert  nach  Ad.  Schmidt^): 


')  Ad.  Hecht,  Die  Fäzes  des  Säuglings  und  des  Kindes.  S.  31— 32.  Berlin  und 
Wien  1910. 

'-)  H.  Urij,  Zur  Methodik  der  Fäkaluutersuchuugcn.  Unit^clir  iiumI  Worhenschr. 
Xr.  41.  S.  722.  1901. 

^)  Ad.  Schmidt  und  J.  Slrashurfjn-,  Die  Fäzes  des  iMniselien  im  noriDiilon  und 
kraukhaften  Zustande.  S.  143-144.  2.  Aufl.  Berlin  lUÜö. 

Abderhaldon  ,  Handbuch  d«M-  liinibi'niischon  Arbeitsiiu'tlmdi'n.  V.  23 


354  H.  Lobrisch. 

Die  Fäzes  werden  mit  Wasser  zu  dünnem  Brei  verrieben  und  der  dritte 
Teil  des  Volumens  abdestilliert.  Dieses  Destillat  I  enthält  Indol.  Skatol, 
Phenole  und  freie  Fettsäuren.  Destillat  I  wird  mit  Natriumkarbonat 
übersättigt  und  zum  zweiten  Male  destilliert,  wobei  die  Fettsäuren  an 
Natrium  gebunden  zurückbleiben.  Dieses  neue  Destillat  II  enthält  Indol, 
Skatol  und  Phenole,  wird  mit  Ätzkali  stark  alkahsch  gemacht  und 
wiederum  destilliert,  wobei  die  Phenole  zurückbleiben.  Das  neue  Destillat  III 
enthält  Indol  und  Skatol.  Die  im  DestiUat  II  zurückgebliebenen  Phenole 
werden  nach  Ansäuern  des  Rückstandes  mit  Schwefelsäure  abdestilliert 
und  im  Destillat  IV  nachgewiesen. 

Der  von  der  1.  Destillation  zurückgebliebene  Fäzesrückstand  wird 
mit  Schwefelsäure  angesäuert ,  eventuell  eingeengt  und  mit  mehreren  Por- 
tionen Äther  ausgeschüttelt ,  das  ätherische  Extrakt  Avird  abgedampft,  der 
Rückstand  mit  etwas  Wasser  aufgenommen  und  darin  mit  Millons  Reagens 
auf  die  Anwesenheit  von  Oxy säuren  geprüft.  Der  Nachweis  von  Oxysäuren 
ist  erbracht,  wenn  nach  Zusatz  von  Millons  Reagens  unter  Erwärmung 
Rotfärbung  auftritt. 

Nachweis  der  Phenole  (Destillat  IV):  Rotfärbung  oder  roter  Nieder- 
schlag beim  Kochen  mit  Millons  Reagens. 

Violette  bis  blauschwarze  Färbung  einer  vollkommen  neutralen  Lösung 
durch  einige  Tropfen  verdünnter  Eisenchloridlösung. 

Bromwasserzusatz  gibt  milchige  Trübung  und  dann  einen  Niederschlag 
von  gelbweißen  seideglänzenden  Nadeln   oder  Flocken   von  Tribromphenol. 

Nachweis  von  Indol  und  Skatol  im  Destillat  III. 

Indol:  Auf  Zusatz  einiger  Tropfen  Salpetersäure,  die  etwas  salpetrige 
Säure  enthält,  Rotfärbung. 

Auf  Zusatz  von  Nitroprussidnatriumlösung  und  Natronlauge  tiefe 
violettblaue  Färbung,  die  auf  Zusatz  von  Eisessig  rein  blau  wird. 

Ein  mit  starker  Salzsäure  befeuchteter  Fichtenspahn  wird  durch  al- 
koholische Indollösung  kirschrot  gefärbt. 

Skatol:  Auf  Zusatz  von  salpetrige  Säure  enthaltender  Salpetersäure 
weißUche  Trübung. 

Auf  Zusatz  von  Nitroprussidnatriumlösung  intensive  Gelbfärbung,  auf 
Zusatz  von  1/2  Volumen  Eisessig  nach  Kochen  allmählich  eintretende  Violett- 
färbung. 

In  konzentrierter  Salzsäure  löst  sich  Skatol  mit  Violettfärbmm-. 


^&* 


Quantitativer  Indol  nach  weis. 

In  den  Fäzes  ist  vorwiegend  Indol  vorhanden,  weniger  Skatol.  Zum 
quantitativen  (und  auch  qualitativen)  Nachweis  des  Indols  dient  das  Ehr- 
lichsche  Dimethvlamidobenzaldehvd.  Nach  ^Id  Schmidt^)  und  Bnuin- 


*)  Ad.  Schmidt,  Über  den  Nacbweis  uud  die  Bestimmimg  des  Indols  in  den  Fäzes 
mittelst  der  Ehrlichscheu  Dimethylamidobenzaldehydreaktion.  Müncbeuer  med.  Wochen- 
scbrift.  190:3.  Nr.  17.  S.  721—722. 


I 


Methoden  zur  L'ntersuchuug  der  iiieiisclili<li«'ii  Fäzes.  355 

stark^)  gibt  eine  TV/oige  alkoholische  Lösung'  dos  l'J/ulichsvlmi  Kcai^'oiis 
unter  Zusatz  von  konzentrierter  Salzsäure  mit  Indoilösiinjjen  eine  rote,  mit 
SkatoUösungen  eine  blaue  Färbung  von  anlicrordentliclicr  Intensität.  l)ie 
Spektren  der  durch  das  Reagens  gebildeten  Farbstoffe  sind  charakteri- 
stisch: Das  Indol  zeigt  einen  Streifen  zwischen  I)  und  A'.  bei  I)  be^'innend, 
das  Skatol  zwei  Streifen,  einen  an  Stelle  des  Indolstreifens  und  einen  zweiten 
zwischen  C  und  B.  Skatol  kann  in  den  Fäzese.xtrakten  nur  an  dem  zweiten 
Streifen  erkannt  werden.  Die  Dlaufärbung  des  Skatols  schwindet  bei  der 
lleaktion  vollständig  gegenüber  der  llotfärbung  durch  Indol. 

Baumstark  hat  durch  das  Extinktionsverfahren  festgestellt,  dali  1  an* 
einer  IndoUösung  von  o  nif/  auf  1000  «»3  absoluten  Alkohol  y>  rm^  absoluten 
Alkohol  zur  Verdünnung  braucht,  um  den  Absorptionsstreifen  gerade  noch 
sichtbar  zu  lassen.  Diese  Testlösung  benutzt  Baumstark -)  zu  folij-endt-r 
schatzungsweisegenauenquantitativenBestimmungdesIndolgehaltesderFiiy.es: 

Je  nach  der  Konsistenz  der  Stühle  werden  2'5 — 8  g  oder  bei  flüssigen 
Stühlen  10  g  Fäzes  abgewogen  und  mit  40  cm^  absolutem  .\lkohol  so  lange 
verrieben,  bis  keine  gröberen  Fäzespartikelchen  mehr  erkennbai*  sind.  Nach 
kurzem  Stehenlassen  wird  durch  ein  nasses  Filter  filtriert.  Dei- Filterrück- 
stand gibt  nun  keinen  positiven  Ausfall  der  Reaktion  mehr,  ein  Reweis, 
daß  alles  Ridol  extrahiert  ist.  Zu  10  cm^  des  Filtrats  werden  1  cm'^  Khrlich- 
sches  Reagens  und  1  cm^  konzentrierte  Salzsäure  tropfenweise  zugeführt 
und  10  Minuten  laug  tüchtig  geschüttelt.  Von  dieser  je  nach  Ausfall  der 
Reaktion  rosaroten  bis  dunkelroten  Lösung  wird  1  cm^  so  lange  verdünnt, 
bis  der  Absorptionsstreifen  gerade  noch  sichtbar  ist  (Taschenspektroskop). 
Alle  Verdünnungen  müssen  inReagenzgiäschen  von  derselben  Weite  geschehen. 

Je  1  an^  der  oben  erwähnten  Testlösung  und  der  zu  untersuchenden 
Stuhlreaktion  sind  nun  mittelst  des  Extinktionsverfahrens  auf  dieselbe 
Konzentration  gebracht  und  können  deshalb  in  einer  (ileichung  zusammen- 
gestellt werden.  In  derselben  ist  Menge  und  Indolgehalt  der  Testlösung 
und  Menge  der  verdünnten  Stuhlprobe  bekannt. 

Berechnung:  Ist  x—  der  gesuchten  ludoluienge  der  zur  Roaktiim  heuutzton 
10  nii^  des  Stuhlfiltrats  und  y  =  der  Summe  aus  dem  zur  Verdüunuug  benutzten  1  cm* 
der  Reaktion  +  der  nötigen  Verdünnungsflüssigkeit,  so  lautet  die  für  jede  Ber.'cli- 
nuug  gültige  P\)rmel  x  —  OÜUOUlö  X  y. 

Diese  Berechnung  ergibt  sich  aus  folgendem:  In  1(X)0  c//i '  der  Testlösung  ist 
O005  Indol  enthalten,  in  1  cm^  demnach  0(X)OOO.J  Indol. 

Dieser  eine  Kubikzentimeter    ist    mit    3  c;«'    verdünnt,    so    daÜ    die  Mentre  von 

0000005  Indol  in  4  cw'  aufgelost  ist.    Dies  ist  die  Testlösung.    In    1  cm'   derselben  ist 

,         0000005  ,    ,  , 
üann  - — -. Indol. 


\)  R.  Baumstark,  Bestimmungen  der  Fäulnisprodukte  im  Urin  und  in  den  Fäzes 
mit  Benutzung  der  EhrlichschQn  Aldeiiydreaktion.    Münchener  med.  Wochcnschr.    1903. 

Nr.  17.  S.  722-72:5. 

'-)  Ji.  ßauni.stark,  \er\vcrtung  der  A7ii7/r/»schen  I)imetiiylamidol>enzaldchydro.ik- 
tion  für  eine  quantitative  Indolprobe  in  den  Fäzes  nebst  Untersucbuiigen  über  die 
Eiweißfäulnis  im  Darme.  Archiv  für  Verdauungskrankheiten.    Rd.  9     II.  li.  S.  iü4— 2f»ö. 

1903. 

23» 


356  H.  Lohrisch. 

Ist  nuu  X  =  der  gesuchten  Indolmenge  der  10  cm^  Stuhlfiltrat,  die  zur  Her- 
stellung der  Probe  benutzt  \Yurden.  und  v  =  der  Menge  der  verdünnten  Probe,  in  der 
1  c»i^  der  10  zur  Reaktion    benutzten  Kubikzentimeter    des  Stuhlfiltrats    enthalten    ist, 

j-     r.         1            0000005  X  12  X  y         ,  ,^     ,         .,     t     t.    , 

so  lautet  die  Formel  x  = ;; .  und  zwar   12mal,    weil    die  Probe    von 

10  cm^,  von  der  1  cm^  verdünnt  wurde,  nach  der  Ausführung  der  Reaktion    auf  12  cm^ 

12 

angewachsen  ist.  Nach  Ausrechnung   der  Division  —— und  der  Multiplikation  0"000005x  3 

resultiert  die  Formel  x  =  0000015  X  y. 

Es  erübrigt  dann  noch  die  ■weitere  Ausrechnung  des  Indolgehaltes  der  täglichen 
Stuhlmeuge. 

Bei  der  Extraktion  der  Fäzes  mit  Alkoliol  geht  Urobilin  mit  über. 
Der  Absorptionsstreifen  desselben  stört  bei  der  oben  genannten  Verdün- 
nung nicht.  Da  das  Urobilinogen  (Hydrobilirubinogen)  die  gleiche  Reaktion 
wie  Indol  gibt,  so  ist  vor  Anstellung  der  Probe  darauf  zu  achten,  daß 
dieser  Körper  entfernt  wird.  Das  kann  durch  Überführung  in  Hydrobili- 
rubin  mittelst  Jodtinktur  oder  Chlorzink  oder  durch  Ausschütteln  mit 
Petroläther  geschehen  {Äd.  Schmidt  ^). 

V.  Moraczewski  2)  hält  die  quantitative  Indolbestimnmng  mit  Hilfe 
einer  Xitroverl)indung  des  Indols  für  exakter  als  die  BaumstarJcsche  Me- 
thode. Er  verfährt  folgendermaßen:  30 — 40  g  Kot  bei  fester  Konsistenz 
(entsprechend  mehr  bei  flüssiger,  jedoch  nie  mehr  als  100  g)  werden  in 
einem  IbOO  c»i^  fassenden  Kolben  mit  700  cwi^  Wasser  versetzt  und  daraus 
unter  Anwendung  eines  Deflegmators  für  stark  schäumende  Flüssigkeiten 
500  cm^  abdestiUiert.  Da  die  Fäzes  meist  schwach  alkalisch  reagieren,  so  ist 
kein  Zusatz  von  Alkalien  erforderhch.  Ein  Zusatz  von  Säuren  führt  zu 
Verlusten,  obgleich  das  Kochen  dabei  entschieden  ruhiger  verläuft.  Das 
Schäumen  der  Flüssigkeit  kann  durch  sorgfältiges  Überwachen  der  Flamme, 
besonders  beim  Beginn  des  Kochens,   in  Grenzen  gehalten  werden. 

Von  den  500  cvi,^  des  Destillates  werden  nach  gutem  Umschütteln 
150  cni^  genommen,  mit  10  Tropfen  konzentrierter  Schwefelsäure  und  1  g 
Kieseiguhr  versetzt,  kräftig  geschüttelt  und  klar  filtriert.  In  dem  Filtrat 
erzeugen  2 — 8  Tropfen  einer  27ooi§'en  Xatriumnitritlösung  eine  Rosafär- 
bung, welche  nach  2 — 3  Stunden  ihren  Höhepunkt  erreicht  hat. 

Die  so  gewonnene  Lösung  wird  mit  einer  Stammlösung  im  Kolori- 
meter  von  Woljf^)  verglichen.  Die  Stammlösung  wird  folgendermaßen  be- 
reitet: 1  cm3  lo/oiger  IndoUösung  (ir«A/6aM7/?-Berlin)  wird  in  500  cm^  Wasser 
genau  gelöst,  davon  5  cm^  abpipettiert  und  in  einen  Meßkolben  mit  zehn 
Tropfen  Schwefelsäure  und  2 — 5  Tropfen  Xatriumnitritlösung  versetzt  und 
auf  100  cm^^  aufgefüllt.  Jeder  Kubikzentimeter  enthält  0-000002  Indol.  Mit 
der  Stammlösung  werden  die  100  cm.'^  des  Destillates   verglichen   und  von 


^)  Ad.  Schmidt  und  J.  Strasburger,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen  und 
krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  145.  Berlin  1905. 

-)  W.  i\  Moraczewski,  Über  den  Mangel  von  Relation  zwischen  Harnindikan  und 
Kotindol.  Archiv  für  Yerdauungskrankheiten.  Bd.  14.  S.  375—381.  1908. 

^)  G.  und  //.  Kriiss,  Spektralanalyse  und  Kolorimetrie.  S.  17.  Leipzig  und  Ham- 
burg 1891. 


Methoden  zur  Untersuchung  der  menschlichen  Fäzes.  J\r^"7 

der  zu  prüfeiKlon  Lösiin"-   so   laiifre   ab<?egos.sen ,   bis  die  l'ariiciiiuieusitilt 
auf  beiden  Gesichtsfeldern  gleich  ist. 

Leuziu  und  T.yro.sin. '    -) 

Diese  Aiuinosiiuren  sind  sowohl  Produkte  der  fermentativen  Eiweißverdauung  als 
auch  der  hakteriellen  Eiweißzersetzung.  Sie  erscheinen  in  den  Fäzes  nur  luiter  patlmlo- 
gischen  Verhältnissen. 

Zum  Nachweis  stellt  man  ein  alkoholisches  Extrakt  der  vorher 
mit  Äther  entfetteten  Fäzes  her,  filtriert,  dampft  ein  und  löst  den  Rück- 
stand in  kochendem  Wasser.  In  dem  Rückstände  kristallisieren  beim  Ein- 
dampfen die  Kristalle  von  Leuzin  und  Tyrosin  aus. 

Oder  man  kann  den  mit  Wasser  wieder  aufgenommenen  Rückstand 
des  alkoholischen  p]xtraktes  mit  Bleiazetat  versetzen,  das  überschüssige 
Blei  mit  Hg  8  entfernen  und  bis  zur  Trockne  eindampfen.  Aus  dem  Rück- 
stande wird  mit  heißem  Alkohol  das  Leuzin  und  mit  heißem  Wasser  das 
Tyrosin  extrahiert. 

Das  Leuzin  kristallisiert  in  den  bekannten  runden  Kugeln  und  KnolltMi. 
zersetzt  sich  gegen  297"  (korr.).  Am  einfachsten  ist  der  Nachweis  des  Leuzins 
als  Leuzinkupfer  durch  Zusatz  einer  kochenden  Lösung  von  Kupferazetat  zur 
kochenden  wässerigen  Leuzinlösung  oder  indem  man  eine  konzentrierte  Lö- 
sung von  Leuzin  und  Kupferchlorid  vorsichtig  mit  Barytwasser  versetzt.  Es 
fallen  l)laßblaue  rhombische  Tafeln  aus,  die  im  Wasser  sehr  schwer,  in  Methyl- 
alkohol unlöslich  sind.  Tyrosin  kristallisiert  in  den  lickannten  Nadcl- 
büschen.  Es  färbt  sich,  mit  Millons  lleagens  erwärmt,  rot.  Erwärmt  man 
etwas  trockenes  Tyrosin  mit  etwas  konzentrierter  Ho^O^  in  einem  Ehr- 
glase  auf  dem  Wasserbade  Va  Stunde,  verdünnt  die  erkaltete  Lösung  mit 
Wasser,  neutralisiert  mit  Baryumkarbonat,  filtriert  und  dampft  ein.  so 
enthält  dann  die  Flüssigkeit  Tyrosinsulfosäure  und  gibt  auf  Zusatz  von 
etwas  säurefreiem  Eisenchlorid  prachtvolle  Violettfärl)ung. 

Aniuioniak. 

Bei  reichUcher  Anwesenheit  von  Ammoniak  in  den  Fäzes  kann  man 
unter  Umständen  schon  durch  den  Geruch  einer  wässerigen  leicht  er- 
wärmten Fäzesaufschwemmung  und  die  Blaufärbung  eines  darüber  gehal- 
tenen roten  Lackmuspapieres  freies  Ammoniak  nachweisen. 

Quantitative  Bestimmung.  Am  geeignetsten  ist  die  von  /vV/Vy^r 
mi^  Beich^)   angegebene  Methode   zur   l'estiinmung   des    llarnaninioniaks. 


^)  Ad.  Schmidt,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  nnrnmlcn   und  krankhaften  Zustande. 
2.  Aufl.  S.  141-142.  Berlin  1905. 

^)  Ad.  Uecht,    Die  Fäzes   des  Säuglings    und  des  Kindes.    S.  73—74.    Berlin  und 

Wien  1910. 

3;  M.  Krüger  und  O.  h'eich.  Zur  Methodik  der  Bestinunung    des  Ammoniaks  im 
Harne.  Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  Bd.  39.  H.  2.  S.  1(55-182.  1903. 


358  H.  Lohrisch. 

die  von  Schittcnhehn  i)  für  die  Untersuchung  der  Fäzes  modifiziert  wor- 
den ist. 

Krüger  und.  Beich'-)  haben  dazu  folgenden  Apparat  angegeben:  Ein  ca.  1/  fassen- 
der Destillationsrundkolben  ist  mit  einem  doppelt  durchbohrten  Kautschukstopfen  ver- 
sehen. Die  eine  Bohrung  geht  in  eine  nach  unten  verengerte,  in  die  Flüssigkeit  tau- 
chende Röhre,  welche  an  ihrem  äußeren  rechtwinklig  abgebogenen  Ende  mit  einem 
dickwandigen  Kautschukschlauch  und  Klemme  versehen  ist.  Die  andere  Bohrung  nimmt 
eine  Überleitungsröhre  auf,  welche  mit  dem  einen  Schenkel  einer  dreikugligen  Peligot- 
schen  Röhre  verbunden  ist.  Die  Peligotröhre  dient  als  Vorlage  und  befindet  sich  in 
einem  Gefäß  mit  Eiswasser.  Der  zweite  Schenkel  der  Peligotröhre  besitzt  ebenfalls  einen 
Kautschukstöpsel,  durch  dessen  Bohrung  ein  kugel-  oder  birnenförmiger  Destillierauf- 
satz (wie  bei  der  ÄjfWß/fZ-Bestimmung)  geht.  Das  freie  Ende  des  Aufsatzes  ist  durch 
einen  dickwandigen  Gummischlauch,  der  durch  Quetschhahn  geschlossen  werden  kann, 
mit  einer  Tro»//"schen  Flasche  verbunden,  deren  zwei  weitere  Tuben  einerseits  mit 
einem  Manometer,  andrerseits  mit  einer  Wasserstrahlpumpe  in  Verbindung  stehen.  Der 
Destillationskolben  taucht  etwa  bis  zu  Vs  ^'^  ^^"^  Wasserbad  ein.  Die  Methode  von 
KriU/er  und  Reich  beruht  also  auf  dem  Prinzip  der  Vakuumdestillation. 

Die  Bestimmung  wird  so  ausgeführt  3),  daß  zunächst  die  Peligotröhre 

mit    10 — oO  cm^  —-Normalsalzsäure    gefüllt   wird,    der   man    als  Indikator 

einige  Tropfen  einer  P/oigen  alkoholischen  Rosolsäurelösung  zusetzt.  Dann 
füllt  man  den  Destillationskolben  mit  25 — bOcni^  der  aufs  feinste  mit 
i/gO/oiger  Salzsäure  verriebenen  und  auf  ein  bestimmtes  Volumen  aufge- 
füllten Fäzes  und  gibt  im  Destillationskolben  ca.  10  g  Natriumchlorid  und 
darauf  soviel  Natriumkarbonat  zu,  bis  deutliche  alkalische  Reaktion  vor- 
handen ist.  Hierzu  genügt  meist  1  g.  Hierauf  wird  der  Kolben  ins  Wasser- 
bad gesetzt  und  mit  der  gefüllten  Peligotröhre  verbunden.  An  den  zweiten 
Schenkel  der  Peligotröhre  wird  die  Wasserstrahlpumpe  angeschlossen.  Nun 
wird  sofort  so  gut  wie  möglich  evakuiert.  Sobald  das  Vakuum  den  höchsten 
Grad  erreicht  hat,  werden  durch  den  am  Kolben  angebrachten  Quetschhahn 
ca.  20  crn^  Alkohol  zugegeben  und  nun  das  Wasserbad  auf  eine  Tempe- 
ratur von  ca.  43"  gebracht.  In  der  Folge  gibt  man  von  10  zu  10  Minuten 
15^20  cm^  Alkohol  auf  dieselbe  Weise  zu,  eventuell  auch  noch  10 — 15  cm^ 
Wasser,  falls  die  Flüssigkeit  zu  rasch  eindampft.  Zum  Schlüsse  werden 
zur  Verjagung  der  Wassertropfen  in  der  Überleitungsröhre  nochmals 
10  cm^  Alkohol  zugegeben.  Nach  30 — 40  Minuten  ist  die  Bestimmung  zu 
Ende  geführt.  Es  wird  nun  durch  den  Quetschhahn  die  Wasserstrahlpumpe 
von  der  Peügotröhre  abgeschlossen  und  darauf  durch  vorsichtiges  Öffnen 
des  am  Destillationskolben  angebrachten  Quetschhahus  die  Luft  langsam 
zum  Einströmen  gebracht.  Die  Temperatur  des  Wasserbades  soll  43 — 44" 
nicht  übersteigen.    Danach   spült   man  den  Inhalt  der  Peligotröhre  in  ein 

Becherglas   und  titriert  mit  -rr-Normalnatronlauge    zurück.     Der    Farben- 


^)  A.  Schittenhelm,  Zur  Methodik  der  Ammoniakbestimmung.  Zeitschr.  f.  phys. 
Chem.  Bd.  39.  H.  1.  S.  72—80.  1903. 

-)  M.  Krüger  und  0.  Reich,  Zur  Methodik  der  Bestimmung  des  Ammoniaks  im 
Harne.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  Bd.  39.  H.  2.  S.  170—171.  1903.  (Abbildung.) 

^)  A.  Schittenhelm,  1.  c.  S.  76—78. 


Methoden  zur  Untersuchuug  der  meiischlichon  Filzes.  350 

Wechsel  der  Rosolsiiurc  heim  Übergan^^e  von  saurer  zu  alkalischer  Reak- 
tion und  uniiiekehrf  ist  sehr  scharf,  offenbar  infol^^e  der  Anwesenheit  von 
Alkohol. 

Die  Anzahl  der  zur  Neutralisation  des  Ammoniak  verbrauchten  Kubik- 
zentimeter — -Xormalsäure  multipliziert  mit  l'T  jzibt  die  Monpe  von  Am- 
moniak in  Milligramm  an.  welche  in  der  zur  Destillation  verwendeten  PVizcs- 
menge  enthalten  war.  Multii)likation  mit  l-i  statt  IT  gibt  die  Menge  von 
Ammoniakstickstoff  in  Milligramm  an. 

Die   Hakterienwäj;ung:  nach  Strashnrü:er. 

Zu  den  stickstoffhaltigen  Fäzesbestandteilen  gehbren  auch  die  Bak- 
terien, 

Das  Prinzip  der  Strasburc/ersvhen ')  Methode  zur  Feststellung  der 
Bakterienmengen  in  den  Fäzes  ist  folgendes:  Verreibt  man  die  Fäzes  mit 
Wasser  und  zentrifugiert  die  Aufschwemmung,  so  sammeln  sich  die  grö- 
beren Teile  am  Boden  an,  die  Bakterien  bleiben  dagegen,  da  sie  annähernd 
dasselbe  spezifische  tiewicht  wie  die  Flüssigkeit  haben,  suspendiert.  (Jiedt 
man  nun  diese  Flüssigkeit  ab,  macht  sie  durch  reichlichen  Zusatz  von  Al- 
kohol leichter  und  zentrifugiert  von  neuem,  so  erhalt  man  jetzt  die  Bak- 
terien als  Sediment.  Die  Bakterien  werden  getrocknet  und  gewogen.  (Jeht 
mau  dabei  von  einer  bestimmten  Menge  Material  aus  mit  t)ekanntein  (ie- 
halt  an  Trockensubstanz ,  so  kann  man  berechnen ,  wieviel  Prozent  der 
Trockensubstanz  aus  Bakterien  bestehen  bzw.  wieviel  von  trockenen  Bak- 
terien an  einem  Tage  mit  den  Fäzes  entleert  werden. 

Die  ursprüngliche  Strashurf/ersche  Methode  ist  von  Berycr  und 
TsucJiiya^)  und  von  Khrcnpfordt '^)  in  einigen  Punkten  abgeändert  wor- 
den, wodurch  genauere  Resultate  erzielt  werden. 

Es  wird  daher  die  SfrasburCj/ersche  Methode  mit  den  Modifikationen 
der  genannten  Autoren  zweckmäßig  in  folgender  Weise  ausgeführt: 

Zur  Untersuchung  gelangt  stets  die  ganze  Stuhlmenge  von  24  Stun- 
den. Sofort  nach  der  Entleerung  kommen  die  Stühle  in  den  Eisschrank 
und  bleiben  hier  bis  zum  Beginne  der  sobald  wie  möglich  vorgenommenen 
Untersuchung.  Es  ist  wichtig,  zur  Untersuchung  Stühle  von  möglichst 
gleichmäßiger  Konsistenz  zu  verwenden,  um  ein  e.\aktes  Abmessen  zu  er- 
möglichen. Es  werden  daher  die  festen  Stühle,  nachdem  sie  gut  durchge- 
rührt und  ihr  Volumen  in    dem  Strasburgcr?.chen    Glase   (Fig.  04.  S.  :-i:i2) 

')  J.  Strasburger,  Untorsiiclmngen  iilu-r  die  Bakterieiiiiieiigc  in  incnsclilicln'»  l"a/.<'s. 
Zeitschr.  f.  kliu.  Med.'  Bd.  4«.  H.  h  u.  6.  S.  (5-10  des  Sep.-.Vbdr. 

")  Fr.  Berger  und  J.  Tsurhii/a,  Untersuchungen  iilier  die  Hakterienmonge  der 
Fäzes  unter  nonnalcMi  und  [latlinlogischen  Verliältnissen  und  ihre  Hei'infliissnnL'  thirrh 
Caloiuel  und  Wasserstut'lsuijeru.x^d.  /eitschr.  f.  exp.  I'athoh>i:ie  u.  IMicniiuc.  IM  7.  M  '2. 
S.  438-440.  1910. 

•')  M.  FJirenpfordt ,  Kritik  der  Strasliitri/irscUvu  \ViiLniui:sinetli(»il«'  dti  Kotluk- 
terien  hinsiclitlich  ilirer  absoluten  Werte.  Zeitsrlir.  f.  e.xp.  l'atliol.  u.  'llu-r.  IM  7  M  '' 
S.  4.J5— 4Gü.  I'JIO. 


360  H.  Lohrisch. 

festgestellt  worden  ist,  mit  der  Hälfte  ihres  Volumens,  sehr  harte  Stühle  mit 
dem  gleichen  Volumen  Wasser  verdünnt  und  zu  einer  breiartigen  Beschaffen- 
heit verrieben.  Das  Volumen  dünnbreiiger  und  flüssiger  Stühle  kann  direkt 
in  weiten  Glasmeßzylindern  gemessen  werden.  Auch  sie  werden  sorgfältig 
verrieben,  um  eine  gleichmäßige  Verteilung  aller  Bestandteile  zu  erhalten. 
Ein  kleiner  für  die  Untersuchung  speziell  bestimmter  Teil  der  so  vorbe- 
reiteten Stuhlmasse  wird  nun  in  einem  kleinen  Porzellanmörser  noch  ein- 
mal aufs  feinste  verrieben.  Von  dieser  Masse  werden  alsdann  im  Meß- 
zylinder bestimmte  Mengen,  welche  2  cm^  der  ursprünglichen  Stühle  ent- 
sprechen müssen  (von  normal  konsistenten  Stuhlgängen  gewöhnlich  3  cm^; 
von  Stühlen,  die  sehr  hart  waren  und  infolgedessen,  wie  oben  erwähnt, 
mit  dem  gleichen  Volumen  Wasser  verrieben  wurden,  4cm^:  von  dünn- 
flüssigen Stühlen  dagegen  mehr,  bis  zu  10  cm^),  abgemessen  und  zur  Be- 
stimmung der  Trockensubstanz,  eine  zweite  ebenso  abgemessene  Portion 
zur  Bestimmung  der  Bakterienmenge  verwendet.  Zur  Trockensubstanzbe- 
stimmung wird  die  abgewogene  Kotmenge  in  einem  Abdampfschälchen  mit 
der  gleichen  oder  doppelten  Menge  Alkohol  verrührt,  auf  dem  Wasserbade 
lufttrocken  gemacht  und  im  Trockenschrank  oder  Exsikkator  bis  zur  Ge- 
wichtskonstanz getrocknet.  Die  zur  Bakterienwägung  abgemessene  Kotmenge, 
die  also  2  cm^  des  ursprünglichen  Kotes  enthält,  wird  nun  mit  40  cm^ 
O'öVfliger  HCl  gut  verrieben  und  mit  geringer  Kraft  5  Minuten  lang 
mittelst  elektrischer  Zentrifuge  bei  1500  Umdrehungen  pro  Minute  aus- 
geschleudert. Die  über  dem  Bodensatz  befindliche  trübe  bakterienhaltige 
Flüssigkeit  wird  abgesaugt  und  in  einen  Meßzylinder  gegossen,  der  Boden- 
satz erneut  mit  Salzsäurelösung  verrieben  resp.  im  Zentrifugenglas  mit 
Salzsäure  vermischt  und  ausgiebig  durchgeschüttelt,  wieder  in  derselben 
Weise  wie  oben  zentrifugiert  (5  Minuten,  1500  Umdrehungen)  und  dieses 
Verfahren  etwa  5 — 6mal,  selten  noch  ein  7.  Mal  wiederholt,  bis  die  Flüssig- 
keit nach  dem  Zentrifugieren  fast  klar  ist.  Um  eine  möglichst  gute  und 
gleichmäßig  verteilte  Bakterienaufschwemmung  zu  erhalten  und  das  Zu- 
sammenbacken von  Bakterienhäufchen  tunlichst  zu  vermeiden,  raten  Berger 
und  Tsuchiya,  möglichst  große  Flüssigkeitsmengen  zu  verwenden,  so  daß 
am  Schlüsse  der  wiederholten  Ausschleuderungen  mindestens  200,  meist 
sogar  250 — 3U0  cm^  salzsaurer  bakterienhaltiger  Flüssigkeit  im  ZyUnder 
enthalten  sind.  Nun  wird  die  ganze  Flüssigkeit  nochmals,  und  zwar  kräftig 
(5  Minuten,  2000  Umdrehungen)  in  einzelnen  Portionen  ausgeschleudert. 
Der  hierbei  erhaltene,  manchmal  noch  recht  beträchtliche  Bodensatz  zeigt 
mikroskopisch  neben  sonstigen  Fäzesbestandteilen  noch  ziemlich  reichliche 
Bakterienhäufchen.  Der  Bodensatz  wird  deshalb  nochmals  mit  Salzsäure- 
lösung versetzt,  durchgeschüttelt  und  ausgeschleudert  (5  Minuten,  1500  Um- 
drehungen pro  Minute).  In  dem  nunmehr  sich  ergebenden  Bodensatze  sind 
kaum  noch  Bakterien  nachzuweisen.  Die  gesamte  Bakterienaufschwemmung 
wird  jetzt  mit  96"/oigem  Alkohol  in  gleicher  Menge  versetzt,  über  24  Stun- 
den auf  dem  Wasserbade  bei  40^  C  unter  mehrmals  erneutem  Alkoholzu- 
satz auf  etwa  bQ  cm'^  eingeengt,  alsdann  nochmals  mit  96°/ui8'em  Alkohol 


Methoilcu  zur  Untersiicliun;.'  di-r  moiiscliliclinn  Filzes.  ;j»;i 

versetzt  und  mit  i>Toijor  (Jeschwindinkcit  ö  Minuten  lan;.,'  aus^'cschlcudort. 
Die  nun  den  Bodensatz  bildenden  IJakterien  werden  schließlich  mit  aliso- 
lutem  Alkohol  auspewasehen.  Hierauf  wiril  mit  Atlicr  entfettet.  Zu  diesem 
Zwecke  wird  das  Zentrifujieniilas  mit  einem  Oiimmikork  verschlossen. 
Strasburr/cT^)  empfiehlt,  da  der  Kork  leicht  al»si)rin<rt  und  dadnn-h  \er- 
luste  eintreten  kömien.  durchbohrte  (iummikorke  zu  verwenden  und  das 
Loch  des  Pfropfens  erst  nach  dem  Aufsetzen  mit  einem  (dasstabe  zu  ver- 
schließen (Sato'^)  rät,  Korkpfropfen  zum  Verschluß  zu  nehmen,  da  der 
Äther  den  (Jummi  angreife).  Die  so  verschlossenen  riläschen  werden  zur 
Entfettung  24  Stunden  schräg  hingelegt.  Dann  wird  der  Äther  abgegos.sen, 
der  Bodensatz  mit  Alkohol  in  ein  gewogenes  Schälchen  gebracht .  abge- 
dampft, getrocknet  und  gewogen.  Die  P)erechnung  ist  nach  Stroshun/t r^) 
folgende:  Bekannt  ist  das  Oewicht  der  Trockensubstanz  (a)  von  '2  nn> 
frischem  Kot  und  das  Trockengewicht  der  Bakterien  (b)  in  einer  ebenso 
großen  Portion.  Wird  der  Prozentgehalt  des  trockenen  Kotes  an  trockenen 

Bakterien  mit  x  bezeichnet,  so  ist  x  = .    Um  die  Gesamtmenge  der 

a 

Bakterien  in  24  Stunden  zu  finden,  wird  das  \'olumen  des  frischen  Tages- 
kotes (c)  (Durchschnitt  aus  3  Tagen)  bestimmt.  Das  Gewicht  der  trockenen, 

in  einem  Tage  entleerten  Bakterien  ist  dann  — .  c. 

Ehrenpfordt*)  empfiehlt,  daß  der  Untersucher  in  allen  EinzeUiestiminunuren  pein- 
lichst genau  die  obige  Methodik  einhält,  besonders  immer  gleiche  AnsschlciidiTungszcit 
und  Umdrehungszahl  beilieliiilt.  um  vergleichbare  Resultate  zu  erhalten.  Kiirentlich 
müßte  nach  Ehrenpfordt  zunächst  jcd(>r  Untorsucher  einiire  NormalstiUilc  venirlteitfu 
und  seine  übrigen  Werte  dann  in  Beziehung  zu  den  gefundenen  Normalwerton  setzen. 
denn  die  Werte,  die  die  einzelnen  Autoren  mit  der  niclit  oder  weniir  modifizierten 
Strasbiir (/ersehen  Methode  erzielt  hal)cn,  gehen  noch  sehr  auseinander. 

Zum  Absaugen  der  bakterienhaltigen  salzsauren  Flüssigkeit  und  zu- 
letzt des  Alkohols  über  dem  Bodensatz  hat  Stnishurcjer '>)  eine  gut  funk- 
tionierende Saugvorrichtung  angegeben  (Fig.  98). 

Erforderlich  sind  zwei  Spritzflaschen,  deren  Gummipfropfen  jeder  3  Durch- 
bohrungen aufweist.  Durch  das  erste  Loch  geht  ein  Glasrohr  bis  beinahe  auf  den  (inind 
eines  jeden  Gefäßes  und  ist  außen  scliräg  abgebogen.  Das  zweite  Loch  trägt  ein  kurzes 
Piöhrclien.  Durch  einen  (nnnmischlauch  von  etwa  2.5  c»«  Länge  siml  difse  Hnlircheu 
beider  Flaschen  miteinander  verbunden.  In  einem  Stativ  ist  die  eine  Flasche  mit  der 
Mündung  nach  unten  befestigt,    die  andere  Flasche    stellt    unter  ihr.    Das    dritte  Loch 


*)  Ad.  Schmidt  und  J.  Strashnrger,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen  und 
krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  2;38.  Anmerkunir  3.  Berlin  190."). 

-)  7'5.  Sato,  Über  die  Bestimmuniren  der  BakterienmenL'e  in  den  Fäzes  des  Men- 
schen. Zeitsclir.  f.  exp.  Pathol.  u.  Ther.  B.l.  7.  11.  1.  S.  4H2.   l'.tlU. 

«)  Ad.  Schmidt  und  J.  Strasburger,  1.  c.  S.  258-259. 

*)  M.  Ehrenpfordt.  Kritik  der  Sfrasbiiri/i  r^chou  \Väguii<:smetlniiien  dor  Kotliak- 
terien  hinsichtlich  ihrer  absoluten  Werte.  Zeitsclir.  f.  e.xp.  raflinl.  u.  'I'lior.  Bd.  7.  11  2. 
S.  465.  1910. 

^)  J.  Strashnrger,  UntersucliuiiL'en  über  die  Bakteriiiimenu'e  in  den  menscblKlicu 
Fäzes.  Zeitschr.  f.  klin.  Medizin.  Bil.  W.   H.  ;'>  und  t».  S.  9  des  Sep.-Al'dr. 


362 


H.  Lohrisch. 


der  oberen  Flasche  ist  durch  einen  Glasstab  verschlossen,  das  der  unteren  Flasche  bleibt 
offen.  Das  obere  Gefäß  wird  mit  Wasser  gefüllt.  Öffnet  man  jetzt  die  bei  a  angebrachte 
Schlauchklemme,  so  läuft  Wasser  in  das  untere  Gefäß,  dessen  Luft  durch  das  offene 
Loch  im  Stopfen  entweicht.  Durch  das  Rohr  h  wird  Luft  eingesaugt.  Dieses  Rohr  bringt 
man  nun  noch  in  Verbindung  mit  einem  Gefäß,  in  welches  die  bakterienhaltige  Flüssig- 
keit hineingesaugt  werden  soll.  Letzteres  trägt  einen  mit  zugespitztem  Glasrohre  und 
Klemme  versehenen  Schlauch  c.  Bei  Benutzung  des  Apparates  wird  erst  die  Klemme  a 
geöffnet,  dann  das  Eöhrchen  bei  c  zum  Absaugen  benutzt,  wobei  die  dort  befindliche 
Klemme  eine  genaue  Regulierung  der  Geschwindigkeit  erlaubt.  Ist  die  obere  Flasche 
leer    gelaufen,    so  wird    der    Schlauch  h 

abgenommen,  an  das  entsprechende  Rohr  Fig-  98-  Fig.  99. 

der  unteren  Flasche  befestigt,  desgleichen 
das  Glasstäbchen,  welches  das  dritte  Loch 
im  Pfropfen  verschließt,  ausgetauscht  und 
man  braucht  nur  noch  die  beiden  Flaschen 
umzuwechseln ,  um  von  neuem  ansaugen 
zu  können. 

Einfacher  und  ebenso  zweck- 
mäßig scheint  die  von  Sato'^)  an- 
gegebene mit  Gummiballon  armierte 
Absaugpipette  (Fig.  99)  zu  sein. 

Um  die  Bakterien  aus  stark 
fetthaltigen  Stühlen  zu  isoheren, 
setzt  Strasburger  '-)  der  ersten  Stuhl- 
emulsion   Alkohol    und    Äther    zu 


gleichen  Teilen  zu  und  bringt  dieses  Gemisch,  nachdem  es  gründUch  verrieben 
worden  ist,  in  das  Zentrifugenglas.  Beim  Ausschleudern  bilden  sich  drei 
Schichten ,  zu  oberst  die  alkoholisch-ätherische  Fettlösung ,  dann  folgt  die 
bakterienhaltige  Mittelschicht  und  endlich  ein  Bodensatz.  Die  Mittelschicht 
wird  abgesaugt;  zu  dem  Rückstände  kann  man  noch  etwas  Alkohol  und 
Äther  zusetzen,  ihn  verreiben  und  nochmals  zentrif ugieren ,  worauf  man 
die  gesamte  alkoholisch-ätherische  Fettlösung   absaugt  und  weggießt.    Der 


*)  Ts.  Sato,  Über  die  Bestimmungen  der  Bakterienmenge  in  den  Fäzes  des 
Menschen.  Zeitschr.  f.  experim.  Pathol.  u.  Therapie.  B.  7.  H.  2.  S.  431.  1910. 

^)  J.  Strasbtirf/er ,  Untersuchungen  über  die  Baktorienmenge  in  den  menschlichen 
Fäzes.  Zeitschr.  f.  klin.  Medizin.  Bd.  46.  H.  5  u.  6.  S.  21  des  Sep.-Abdr. 


Methoden  zur  Unteisiicluiiig  der  ineiisclilic-heii  Fäzes.  ;^»j;.» 

Bodensatz  wird  (hmn  wie  oben  weiter  verarbeitet.  Die  ;ihf,'esauj,'t»'  Mittel- 
schicht muß  natürlich  den  später  ahj;o<,^ossenen  baktericidialti^r,.,,  nussig- 
keiten  zuiiefügt  werden. 

Gefärbte  Bakterien  p  r  ä  parate. 

Die  Mikrooriianismon  müssen  von  den  üliritron  Kothestandteilcti  >:ctrciint  wfrd.-n. 
Hierzu  wird  ähnlich  verfahren,  wie  bei  der  i>/ra>ihiir;/(r>c\n'\i  Baktoricnwa^rnnt:.  .Mau 
verreibt  eine  kleine  E'äzesmenge,  etwa  von  der  Größe  einer  halben  Erbse,  mit  einigen 
Kubikzentimetern  Wasser,  zentrifuiriert  und  gießt  dann  vom  IJodensatze  die  trübe  Flüssig- 
keit ab,  verdünnt  einen  Teil  derselben  mit  2  Teilen  Ü6"  „igem  Alkohol  und  zentrifugiert 
von  neuem.  Von  dem  jetzt  erhaltenen  bakterienhaltigen  Bodensatze  bringt  man  eine 
kleine  Menge  auf  den  Objektträger,  läßt  die  Flüssigkeit  ablaufen  und  verfeilt  die 
Bakterien  in  gleichmäßiger  Sehicht  auf  den  Objektträger,  indem  man  einen  zweiten 
0])jcktträger  aufdeckt  und  von  dem  ersten  abzieht.  Es  entsteht  so  eine  sehr  feine  gleich- 
mäßige Schicht,  welche  über  der  Flamme  fixiert  wird.  Zur  Färbung  kommen  iu  Be- 
tracht Lö/Jicrs  Methylenl)lau.  zehnfach  verdünnte  wässerige  L<isung  von  Karbidfuchsin, 
das  ZiVA/sche  Karliolfiichsiu  zum  >i'achweise  von  Tuberkelbazillen,  starke  Lu(/»l>c\\e 
Lösung  (Jod  l'O,  Jodkali  2'0,  Aqua  dest.  SO'O)  zur  Färbung  granulosebaltiger  Pilze. 

Um  ein  tjbersichtsbild  über  die  Kotflora  zu  bekommen,  eignet  sich  sehr  gut  die 
Färbung  nach  Weigert-Escheridi,^),  eine  modifizierte  GramfürliuiiLr.  Hierzu  benötigt 
man:  Gentianaviolettlösung  (2  g  Gentianaviolett  werden  mit  2CMJ  r;//'  A(|ua  dest.  eine 
halbe  Stunde  gekocht  und  filtriert;  die  Lösung  ist  lange  haltbar);  Anilinalkohol  (11  cm* 
Alk.  absol.  werden  mit  Sc/«'  Anilimil  gemischt);  Lxf/ohcho  Lösung;  Anilinölxybd  zu 
gleichen  Teilen;  reines  Xylol.  Man  mischt  die  Gentianaviolettlösung  mit  dem  Anilinöl- 
alkohol  im  Verhältnis  vonSVo^tVo)  färbt  damit  eine  halbe  Minute  und  tupft  mit  Fließ- 
papier ab.  Dann  bringt  man  LugolschQ  Lösung  auf  den  Objektträger  und  tupft  gleich 
wieder  ab.  Dann  läßt  man  Anilincilxylol  auftropfen  und  wieder  aliflieüen  so  lansre,  bis 
keine  blaue  Farbe  mehr  abgegeben  wird,  spült  zum  Schluß  einmal  mit  reinem  Xybd 
ab  und  trocknet.  Zur  Nachfärbung  dient  schwache  wässerige  Fuchsinlösung  oder  eine 
mit  gleichen  Teilen  Alkohol  aI)solut.  versetzte  konzentrierte  alknh<dische  FuchsinlösunL'. 
die  mau  über  das  Präparat  laufen  läßt  und  sofort  mit  reichlich  Wasser  alispült.  Man 
sieht  im  Präparat  blau  und  rot  gefärbte  Bakterien.  Über  die  Deutung  dieser  Bilder  vgl. 
Strasburger'-)  und  Conibe^). 

Der  Nachweis  von  Fett  in  den  Fäzes. 

Die  Fette  der  menschlichen  Fäzes  sind  in  der  Hauptsache  die  höheren  unlöslichen 
Fettsäuren,  d.h.  Gemische  von  Öl-,  Palmitin-  und  Stearinsäure  und  deren  Salze  (P'ett- 
seifen)  und  Glyzerinester  (Neutralfette).  Weniger  für  die  menschlichen  Fäzes  kommen 
in  Betracht  die  flüchtigen  Fettsäuren  und  die  fettähnlicbcn  Ktü-per  (I.ipoide:  Chole- 
stearin ,  Lezithin). 

Makroskopischer,    niikroskopisclier    und   inikroclu  inix-Inr  Nachweis 

von  Fett. 

Jeder  Stuhl  enthält  Fett.  Bei  abnorm  ^n'oller  Fettaiisscheidunir  ist  da.s 
Fett  im  Kot  makroskopisch  oft  ohne  weiteres  erkennbar  (tontarbii^cr  Fett- 

>)  Zitiert  nach  .7.  Strashurgcr:  Äd.  Schmidt  und  ./.  Straxliurgrr,  Die  Fii7.cs  dos 
Menschen  im  normalen   und  krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  2(il.  IJerlin   191).'». 

-)  Ad.  Schmidt  und  .7.  Strashurgcr,  Die  Fäzes  de^  Mcnsclim  im  norni;ilen  und 
krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  265-279. 

*)  A.  Combe,  Die  intestinale  Autointoxikation  und  ilire  Hchandlunir.  CltorseUtt 
von  C.  WegeJe.  S.  145—147.  Stuttgart  1909. 


364  H.  Lohrisch. 

stuhl ;  flüssiges  an  der  Luft  erstarrendes  Neutralfett).  Geringere  Grade  von 
Fettstühlen  erkennt  man  an  der  lehm artigen  salbigen  Konsistenz  der 
Fäzes  und  der  helleren  Farbe.  In  seltenen  Fällen  (bei  starken  Diarrhöen) 
kommen  nach  Ad.  Schmidt^)  kleine  weißgelbliche  weiche  Fettklümpchen 
vor,  die  im  Mikroskop  als  Fett  zu  identifizieren  sind. 

Neutralfett  erscheint  im  mikroskopischen  Präparat  in  Form  matt- 
glänzender, unregelmäßig  begrenzter  Schollen  und  Platten  und  in  Form 
von  meist  gelbhch  gefärbten  Tropfen.  Die  Tropfen  sind  ohne  weiteres  als 
Neutralfett  anzusprechen.  Die  Schollen  können  durch  Erhitzen  zum  Schmelzen 
und  Zusammenfließen  gebracht  werden  und  erstarren  beim  Abkühlen  wieder 
zu  undurchsichtigen  Schollen.  Das  Neutralfett  ist  unlöslich  in  Wasser,  wenig 
löslich  in  kaltem  Alkohol,  leicht  löshch  in  Äther,  Chloroform  und  heißem 
Alkohol.  Mit  Uberosmium säure  färbt  sich  Neutralfett  gelbbraun  bis  schwarz, 
mit  alkoholischer  Lösung  von  Sudan  III  rot. 

Die  freien  höheren  Fettsäuren  erscheinen  im  Stuhl  zum  Teil  als 
unregelmäßige  Schollen ,  die  meist  kleiner  und  kompakter  sind  als  die 
NeutraUettschollen,  oder  in  Form  der  bekannten  langen,  dünn  geschwungenen, 
spitz  auslaufenden,  ungefärbten  Fettsäurenadeln.  Mikrochemisch  unterscheiden 
sie  sich  vom  Neutralfette  dadurch,  daß  sie  in  kaltem  Alkohol  leicht  löslich 
sind.  Osmium  und  Sudan  färben  die  Nadeln  nicht,  wohl  aber   die  Schollen. 

Seifen  kommen  ebenfalls  als  Schollen  und  als  Kristalle  vor.  Die 
Schollen  sind  undurchsichtig,  meist  eckig  begrenzt,  größer  und  kleiner, 
leicht  zerbrechlich,  von  kristallinischem  Bruch.  Zum  Teil  sind  sie  hellgelb 
bis  gelbbraun  gefärbt  (Nothnagels  gelbe  Kalksalze  =  fettsaurer  Kalk).  Zum 
Teil  sind  die  Kalkseifen  ungefärbt .  weiß.  Eine  andere  Form  der  Seifen 
sind  die  Yon  Ad.  Schmidt'^)  beschriebenen  ..Kringelformen",  ..runde  Gebilde 
mit  erhabenem  Kande  und  vertieftem  Zentrum.  Sie  haben  bei  oberfläch- 
licher Betrachtung  große  Ähnlichkeit  mit  Bandwurmeiern,  die  noch  dadurch 
erhöht  wird,  daß  der  Ptand  manchmal  eine  feine  radiäre  Strichelung  zeigt, 
auch  im  Zentrum  findet  sich  bei  einigen  kristallinische  Zeichnung.  Sie  sind 
nicht  immer  wohlausgebildet,  sondern  häufig  zerbröckelt  und  kommen 
farblos  oder  gelb  gefärbt  vor". 

Die  Seifenkristalle  sind  ungefärbte  Nadeln,  die  kürzer,  plumper, 
dicker  und  weniger  spitz  sind  als  die  Fettsäurenadeln  und  oft  in  Form 
von  Drusen  und  Büscheln  auftreten. 

Die  meisten  der  Schollen,  Kringel  und  Nadeln  sind  Kalkseifen.  Nach- 
weis :  Erwärmung  des  mit  H,  SO4  versetzten  mikroskopischen  Präparates. 
Die  Seifen  sind  dann  verschwunden ;  nach  dem  Erkalten  treten  Gipskristalle 
in  Form  feiner  Spieße  und  langgezogener  Rhomben  auf. 

Einfaches  Erwärmen  löst  die  Seifen  nicht.  Beim  Erhitzen  eines  mit 
30°/oiger  Essigsäure  innig  vermischten  Fäzespartikelchens  auf  dem  Objekt- 


M  Ad.  Schmidt,  Die  Fuuktionsprüfung  des  Darmes  mittelst  der  Probekost. 
2.  Aufl.  S.  16.  Wiesbaden  1908. 

-)  Ad.  Schmidt  und  J.  Strasburg/er ,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen  und 
krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  67.  Berlin  1905. 


Mothoileii  zur  Untcrsuchiuig  der  nienschliclicii  Filzes.  ;-jg5 

träger  bei  aufgelegtem  Deckglas  schinelzen  die  Seifen  zu  FeHsaun-tropfon, 
die  mikroskopisch  gut  zu  sehen  sind  und  heim  Krkaltcn  rasch  mit  einem 
Kuck  zu  undurchsichtigen  Schollen  erstarren.  Siiurcn,  Alkalien  und  .Vmmoniak 
^virken  auf  die  Seifen  in  der  Kälte  nicht  ein.  Ebensowenig  wirken  lösend 
heißes  Wasser,  Äther  und  Alkohol.  Durch  Osmiumsäure  und  Sudan  findet 
keine  Färbung  statt. 

Um  alle  ,')  Formen  des  Fettes  durch  Färbung  gleichzeitig  differen- 
zieren zu  können,  soll  ein  hei  Hecht '^)  zitiertes,  von  Jakohson  angegebenes 
Verfahren  geeignet  sein:  Das  Stuhlpriiparat  wird  auf  dem  Oiijektträger 
mit  einer  verdünnten  Karholfuchsinlösung  (4—0  Tropfen  Karbolfnchsin  auf 
ein  Reagenzglas  xV([ua  dest.)  behandelt.  Mit  dieser  Lösung  färben  sich  die 
Neutralfetttröpfchen  nicht,  die  Seifen  färben  sich  rosa,  die  freien  Fett- 
säuren aber  leuchtend  rot.  Auf  diese  Weise  gelingt  es,  Tröpfchen,  die 
ätherlöslich  sind  und  die  Färbung  mit  Osmium  annehmen ,  die  man  also 
für  Neutralfett  gehalten  hätte,  als  freie  Fettsäuren  zu  erkennen.  Jakobson 
fand  diese  lleaktion  besonders  in  pathologischen  Säuglingskoten.  Halit  hält 
die  Reaktion  nich<:  für  beweisend  zur  Diagnose  eines  ausschlielilich  aus 
freier  Säure  bestehenden  Tröpfchens. 

Der  chemisclie  Nac.lnveis  des  Fettes. 

Der  chemische  Nachweis  des  Fettes  ergibt  sich  zum  Teil  aus  den 
vorstehenden  mikrochemischen  Reaktionen. 

Ganz  grob  ist  die  Anwesenheit  von  Fett  zu  demonstrieren,  wenn  man 
die  Fäzes  mit  Äther  verreibt  und  einige  Tropfen  des  abgehobenen  Äthers  auf 
Fließpapier  verdunsten  läßt;  es  hinterbleibt  ein  mit  Wasser  nicht  zu  ent- 
fernender Fettfleck.  P'erner  ist  zum  einfachen  chemischen  Nachweis  des 
Fettes  im  Stuhl  das  oben  beschriebene  mikroskopische  Kssigsäurepräparat 
(Kochen  mit  Essigsäure)  geeignet,  in  dem  man  nach  dem  Erhitzen  die 
Fettsäuretröpfchen  sehr  schön  sehen  kann. 

Bestimmung  der  Gesamtfettmenge  als  Gesaratätherextrakt. 

Die  Fette  Averden  mit  Äther  im  Soxhletapparat  extrahiert,  lin 
alles  Fett  zu  bekommen,  ist  es  nötig,  vorher  die  mit  Äther  nicht  extra- 
hierbaren Seifen  zu  spalten.  Dies  geschieht  folgendermaben :  Eine  größere 
Quantität  der  in  der  früher  geschilderten  Weise  lufttrocken  gemachten 
pulverisierten  Fäzes  wird  in  einem  PorzellanschiUchen  mit  Poigen»  H^'l- 
Alkohol  Übergossen  und  verrührt  und  auf  dem  Wasserbade  zur  Trockne 
eingedampft.  Hierbei  ist  öfter  umzurühren  und  gut  zu  mischen,  da  sich 
bei  sehr  fetthaltigen  Stühlen  das  Fett  gern  an  der  Oberfläche  und  an  der 
Wand  der  Schale  ansammelt.  Darauf  wird  wieder  pulverisiert  und  luft- 
trocken gemacht.  Zur  Extraktion  werden  Proben  von  2~:^<|  des  gespaltenen 
Kotes  im  Wiegegläschen  abgewogen  und  in  die  zur  Extraktion  nötige  l'ajiier- 
patrone  gebracht.  F^xtrahiert  wird  drei  Tage  lang  mit  wasserfreiem  Äther 


^)  Ad.  Hecht,    Die    Fiizos    des    Säuglings    und    dos    Kindes.    S.  ll'.i.    Uerliii    und 
AVieii  1910. 


;^gg  H.  Lohrisch. 

auf  dem  Wasserbade,  welches  zweckmäßiger  Weise  durch  GKihlampen  er- 
wärmt wird.  Das  in  dem  untersten  Kolben  des  Apparates  angesammelte 
Ätherextrakt  wird  eingedampft,  wieder  mit  Äther  aufgenommen  und  in 
ein  kleines  gewogenes  Becherglas  filtriert,  woliei  das  Filter  sorgfältig  mit 
Äther  auszuwaschen  ist.  Das  Filtrat  wird  eingedampft.  Etwa  im  (xlase  noch 
vorhandene  Ätherdämpfe  werden  durch  P^inblasen  von  Luft  mittelst  eines 
Glasrohres  in  das  mit  der  Öffnung  nach  unten  gehaltene  Glas  entfernt. 
Dann  wird  im  Exsikkator  über  Hg  SO4  getrocknet  und  gewogen.  Stets  sind 
1 — 2  Kontrollanalysen  auszuführen. 

Man  erhält  auf  diese  Weise  das  Gesamtätherextrakt. 

Rosenfeld  ^)  empfiehlt  zur  Bestimmung  des  Gesamtätherextraktes 
folgende  kürzere  Methode:  Die  wie  oben  mit  HCl-Alkohol  gespaltenen  Fäzes 
werden  in  der  Papierpatrone  eine  halbe  Stunde  lang  in  Alkohol  in  einem 
Becherglase  auf  dem  Wasserbade  ausgekocht.  Nach  Trocknen  der  Patrone 
^1rd  sie  oben  zugebunden  und  6  Stunden  im  Soxhletapparat  mit  Chloro- 
form extrahiert.  Alkoholextrakt  und  Chloroformextrakt  werden  jedes  für 
sich  zur  Trockene  eingedampft,  mit  Äther  wieder  aufgenommen,  wie  oben 
filtriert  und  die  Filtrate  vereinigt. 

In  dem  Gesamtätherextrakt  sind  auch  die  flüchtigen  Fettsäuren 
(deren  Nachweis  s.  S.  386  und  387)  und  die  Lipoide  enthalten.  Für  die 
Zwecke  der  gewöhnlichen  Fäzesanalyse  sind  diese  geringfügigen  Bei- 
mengungen unwesenthch.  Wenn  Wert  darauf  gelegt  wird,  diese  Substanzen 
zu  vermeiden,  können  sie  entfernt  v;erden. 

Die  Entfernung  der  flüchtigen  Fettsäuren  aus  dem  Ge- 
samtätherextrakt geschieht  durch  Auswaschen  des  Extraktes  mit  heißem 
Wasser.  Man  gießt  etwas  heißes  Wasser  auf  das  trockene  Extrakt,  schwenkt 
öfters  um  und  filtriert  durch  ein  kleines  glattes  Filter,  auf  welchem  etwaige 
von  dem  Wasser  mit  aufgenommene  Fetttropfen  zurückbleiben.  Diese  Pro- 
zedur wird  häufig  wiederholt.  Hierauf  werden  das  Bechergläschen  mit  dem 
Reste  des  Ätherextraktes  und  das  Filter  im  Trockenschrank  und  Exsikkator 
getrocknet,  das  Fett  des  Filters  mit  Äther  in  das  Becherglas  mit  dem 
Rest  des  Ätherexiraktes  zurückgespült.  Dann  wird  eingedampft  und  wie 
oben  getrocknet  und  gewogen. 

Lipoide. 

Die  Entfernung  des  Cholestearins  2)  geschieht  unter  Benutzung 
der  Tatsache,  daß  Cholestearin  nicht  verseifbar  ist.  Wenn  also  das  Ge- 
samtätherextrakt  verseift  und  dann  mit  Äther  extrahiert  wird,  so  geht 
nur  das  Cholestearin  in  den  Äther  über.  Die  Ausführung  ist  so,  daß  das 
trockene  Gesamtätherextrakt  mit  alkoholischer  Normal-Kalilauge  (auf  etwa 
lg  Extrakt  zirka  20 g  Lauge)   zirka    V2  Stunde  auf  dem  Wasserbade  ge- 


1)  Zitiert    nach  Ad.  Schmidt    uud  J.  Straslurger ,    Die  Fäzes    des  Mensclien   im 
normaleu  und  krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  151.  Berlin  1905. 

2)  Zitiert  nach  Ad.  Schmidt   und    ./.  Strasbiirger ,  1.  c.  S.  153. 


Mctlioilcu  zur  liitorsucliiiiig  der  niciischliclHMi   Käze>^.  -jk-? 

kocht  wird.  I)anii  wird  eingedanii)ft  und  dci-  lliicksland  mit  Atlicr  ans{?e- 
zogcii.  In  doni  ätherisfiion  Auszuj^o  ist  das  Cholcstoariii  cntlialtcn.  I>r»r 
Ixiickstaml  wird  mit  ivichlich  Wasser  f^olüst.  mit  vcrdiimitcr  H.,  SO^  aiif^e- 
säuert.  Die  dadurch  wieder  gewomieiieii  Fettsäuren  wenh-n  durch  Schütteln 
mit  Äther  oder  durch  Filtration  und  Auswaschen  des  das  Fett  enthaltenden 
Filters  mit  Äther  i^ewonnen. 

Kassel^)  empfiehlt  folgendes  Verfahren:  Nerseifunir  ^V^y^  in  reichlich 
Äther  wieder  gelösten  Gesamtätherextraktes  mit  einigen  Kuhik/entimetern 
Xatriumalkoholat  (durch  Auflösen  von  Oiör/  Natrium  in  einer  möglichst 
geringen  Menge  99''/oigc^n  Alkohols  in  der  Wärme  hergestellt;,  l'mschütteln 
und  dreistündiges  Stehenlassen  hei  Zimmertemperatur.  Alifiltrieicn  der 
Seifen,  welche  durch  Waschen  mit  Äther  vom  Cholestearin  hefreit  werden. 

Beide  Methoden  hal)t'n  den  unvermeidlichen  Chelstand,  dal'i  ganz 
kleine  Mengen  Seifen  in  den  Ätherauszug  des  verseiften  Fettes  mit  iiher- 
gehen  können. 

Der  qualitative  Nachweis  des  Cholestearins  in  dem  ätherischen 
Auszug  des  verseiften  Gesamtätherextraktes  geschieht  so.  dai'i  der  ätherische 
Auszug  eingedampft  und  der  Rückstand  mit  heillem  Alkohol  aufgenommen 
wird.  Läßt  man  auf  dem  Objektträger  einen  Tropfen  der  alkoholischen 
Lösung  verdampfen,  so  bleibt  das  Cholestearin  in  Form  der  bekannten 
rhombischen  Tafeln,  im  Mikroskop  gut  sichtbar,  zurück.  Oder  man  versetzt 
eine  Lösung  des  Cholestearins  in  Chloroform  mit  H2  SO4 :  man  erhält  bei 
Anwesenheit  von  Cholestearin  eine  blutrote,  später  purpurrote  Färbung. 

Die  quantitative  Bestimmung  des  Cholestearins  ge.schieht 
durch  Eindampfen  des  ätherischen  Auszuges  aus  dem  verseiften  Gesanit- 
ätherextrakt  und  Wägung  des  Rückstandes.  Dabei  ist  zu  bedenken,  daß 
leicht  etwas  Seife  mit  in  das  Extrakt  gegangen  sein  könnte.  Tm  sie  zu 
entfernen,  behandelt  man  das  eingetrocknete  Cholestearinextrakt  mit 
mehreren  kleinen  Portionen  Alkohol  und  1 — 2  Tropfen  Salzsäure,  wobei 
Cholestearin  ungelöst  bleil)t,  während  die  Seifen  gelöst  werden. 

Neben  dem  Cholestearin  kommt  das  ihm  nahe  verwandte  Koprostear  in 
vor.  Dieses  ist  ebenso  in  Äther  löslich  wie  Cholestearin,  labt  sich  incht 
verseifen,  wird  also  ebenso  gewonnen  wie  Cholestearin.  Es  ist  abt-r  in 
heibem  und  kaltem  Alkohol  löslich  und  kristallisiert  aus  der  alkoholi<clien 
Lösung  in  feinen  langen  biegsamen  Nadeln  aus.  Chloroform-Koprostearin- 
lösung,  mit  IL  SO4  versetzt,  bleibt  anfangs  gellt  und  wird  erst  nach 
längerem  Stehen  orange-puri)urrot. 

Bei  der  eben  erwähnten  Behandlung  des  Cholestearinrückstandes  mit 
Alkohol  und  Salzsäure    wird    auch    etwa    vorhandenes  Koi)rostearin  gelöst. 

Lezithin,  eine  Fisterverbindung  des  Glyzerins  mit  zwei  (Jruppon 
Fettsäuren  und  J'hosphorsäure,  wobei  die  l'hosphorsäure  andererseits  sich 
in  Esterverbindung  mit  Cholin  befimlet.    kommt  in  kleineu  Mengen   auch 


')  Zitiert    iiacli  A.  Scinni'/f    und    J.  Sfra.sfnitytr,     i»it'    l"a/.es    dos    .Meii.>chcii    un 
normalen  und  krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  1j3.  Berlin  liKJ."). 


368  H.  Lohrisch. 

in  den  Fäzes  vor  und  gellt  mit  in  das  Ätherextrakt  über.  Bei  der  Ver- 
seilung des  Gesamtätherextraktes  wird  es  gespalten.  Sein  Fettsäureanteil 
bleibt  bei  den  Seifen.  Sein  Glyzerinphosphorsäureanteil  geht  bei  der  Ent- 
fernung der  Cholalsäure  (vgl.  ..Nachweis  der  Gallensäuren",  S,  389)  als 
giyzeriuphosphorsaurer  Baryt  mit  ins  Waschwasser  über.  Eventuell  kann 
das  Lezithin  als  ganzes  bestimmt  werden  aus  dem  Phosphorgehalte  des 
verseiften  Gesamtätherextraktes,  w^obei  Hoppe- Seyler^)  folgendermaßen  ver- 
fährt: Die  wässerige,  durch  Äther  vom  Cholestearin  befreite  Seifenlösung 
wird  mit  einem  Überschuß  von  Salpeter  versetzt,  in  der  Platinschale  zur 
Trockne  verdunstet ,  der  Rückstand  bis  zur  Entfernung  der  Kohle ,  aber 
nicht  länger,  geschmolzen,  die  Schmelze  nach  dem  Erkalten  in  heißem 
Wasser  gelöst ,  im  Becherglase  mit  starker  Salpetersäure  unter  Bedeckung 
des  Glases  stark  sauer  gemacht,  einige  Zeit  im  offenen  Glase  zur  Ent- 
fernung der  Untersalpetersäure  auf  dem  Wasserbade  digeriert,  dann  mit 
einer  Lösung  von  molybdänsaurem  Ammoniak  in  Salpetersäure  gefällt  und 
12  Stunden  stehen  gelassen.  Der  hierauf  abzufiltrierende ,  nicht  w^eiter  zu 
waschende  Niederschlag  von  phosphormolybdänsaurem  Ammoniak  wird  in 
verdünntem  Ätzammoniak  gelöst,  die  Lösung  mit  klarer  ammoniakalischer 
Magnesialösung  gefällt,  12  Stunden  kalt  stehen  gelassen,  der  Niederschlag 
auf  kleinem  Filter  gesammelt,  mit  verdünntem  Ammoniak  gewaschen,  ge- 
trocknet, stark  geglüht  bis  zur  Entfernung  der  Kohle,  im  Exsikkator  er- 
kalten gelassen  und  gewogen.  Man  findet  das  Gewicht  der  pyrophosphor- 
sauren  Magnesia;  dieses  mit  7"27  multipUziert,  ergibt  das  Lezithin  des 
Ätherauszuges  als  Distearyllecithin. 

Quantitative  Bestimmung  des  Neutralfettes,  der  Seifen  und 
Fettsäuren  nach  Fr.  Müller.-) 

Zunächst  werden  die  lufttrocken  pulverisierten  Fäzes,  die  ohne 
Schwefelsäurezusatz  getrocknet  sein  müssen,  mit  Äther  im  Soxhletapparat 
extrahiert.  Das  hierbei  gewonnene  Extrakt  enthält  die  Neutralfette  und 
Fettsäuren.  Die  in  der  Patrone  zurückgebliebene  Substanz  wird  hierauf  mit 
Salzsäurealkohol  gespalten  und  nochmals  mit  Äther  extrahiert.  Dieses  zweite 
Extrakt  enthält  die  aus  den  Seifen  abgespaltenen  Fettsäuren.  Aus  dem 
ersten  Extrakte  werden  die  flüchtigen  Fettsäuren,  wie  oben  beschrieben, 
mit  heißem  Wasser  entfernt,  der  Ptückstand  getrocknet,  gewogen  und 
nach  erneuter  Lösung  in  Ätheralkohol  mit  alkoholischer  KaUlauge  zur  Be- 
stimmung des  Säuregrades  titriert.  Hierzu  verwendet  man  eine  alkoholische 

-^--j--- Norm  alkalilauge,    als    Indikator    Phenolphtalein.     Fr.  Müller    legte 

der  Berechnung   das  Molekulargewicht   der   Stearinsäure   zugrunde   (1  cm^ 

—-Normalkalilauge  —  0*0284:  Stearinsäure) ;  es  werden  also  die  Anzahl  der 


I 


')  Zitiert    nach    Ad.  Schmidt    und  ,7.  Strashurger ,    Die  Fäzes    des  Menschen   im 
normalen  und  krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  167.  Berlin  1905. 
-)  Zitiert  nach  Ad.  Schmidt  und  J.  Stra<^burger ,  1.  c.  S.  153 


Methoiloii  zur  riitorstichiinir  der  iiiciiscliliclipn  Fäzes. 

verbrauchten  Kuhik/.ciitiiuetcr  — -Xoniialkalihuif^p  mit  O-o'is-}  luuliiiiii/.urt 
und  das  Produkt  als  Fettsäuren  von  dem  (iewiclitc  des  Extraktes  al»|,'o- 
zogen.  Der  liest  entspricht  (h'm  Xeutralfett  (+  Cholesterin  -|- Lezithin i. 
Zur  Entfernung'  (\g>  Cholcsfenns  ist  nach  der  Titration  einzu- 
dampfen und  wie  oben    mit  alkoholischer  Kalilau^^e  vollends   zu    verseifen. 

Nachweis  der  Kohlehydrate. 
Stärke. 

Stärke  koinnit  in  den  Fäzes  vor  entweikr  in  Form  isolierter  freier  oder  in  Zellii- 
losehüllen  eingeschlossener  Stärkekörner.  Freie  SUlrkekörner  finden  sich  bei  gemischter 
Kost  mit  reichlicher  Stärkeliei^'ahe  in  geringer  Zahl  in  jedem  Stnlile.  noch  reichliclier. 
weun  die  Stärke  in  ZelluluschiUlon  eingeschlossen  genossen  wird. 

Mikrochemischer  Nachweis. 

Der  Nachweis  der  Stärke  in  den  Fäzes  kann  mikroskopisch  so  er- 
folgen, daß  man  nach  Ad.  Schmidt  ^)  ein  Fäzespartikelchen  mit  einem 
Tropfen  starker Z?/r/o/scher  Lösung  (FO  Jod,  2-0  Jodkali.  öUO  A(pia  destj  auf 
dem  Objektträger  mit  Hilfe  einer  Präpariernadel  innig  vermischt,  unter 
dem  Deckglase  in  dünner  Schicht  ausbreitet  und  bei  volleni  Licht  umt 
schwacher  Vergrößerung  betrachtet.  Man  sieht  dann  die  Stärkekörner  wohl 
erhalten  oder  fragmentiert,  tief  dunkelblau  gefärbt,  frei  oder  in  Zellulose- 
hüllen eingeschlossen. 

Fällt  das  Jodpräparat  negativ  aus,  so  ist  damit  noch  nicht  bewiesen, 
dal)  keine  Stärke  im  Kote  vorhanden  ist.  Es  läßt  sich  dann  mitunter 
chemisch  Stärke  nachweisen. 

Chemischer  Nachweis. 

L)er  Nachweis  von  Stärke  kann  gelingen,  wenn  man  den  Kot  mit 
Wasser  aufkocht ,  filtriert,  das  Filtrat  einengt  und  mit  L^/y^/scher  Lösung 
auf  P)laufärbung  fahndet. 

Exakter  wird  der  chemische  Nachweis  von  Stärke  so  ausgeführt,  daß 
die  Stärke  durch  halbstündiges  Kochen  des  pulverisierten  trockenen  Kotes  mit 
27oiger  HCl  am  llückflußkühler  zu  Zucker  invertiert  wird.  Man  neutralisiert 
bis  zur  schwachsauren  Ileaktion,  filtriert  etwa  vorhandenes  Eiweiß  ab  imd 
prüft  nach  Trommer  oder  mit  l'henylhydrazin.  Nimmt  man  10"  «ige  IUI. 
so  braucht  man  nur  einige  Minuten  ohne  liückflnlikühler  zu  kochen.  Hei  sehr 
geringen  Zucker-  respektive  Stärkemengen,  wo  die  Tromm erprobe  zuweilen 
versagt,  empfiehlt  Strashurger -)  folgende  Phenylhydrazinprobe: 

Man  gibt  in  ein  Peagenzglas  ö  Trojtfeu  iciiies  Phenylhydra/in, 
V2  cm^  Eisessig  oder  1  cni^  oOVoige  Essigsäure.  4  c///'  der  zu  untersuchenden 

^)  Ad.  Schniiilt ,  Die  FunktionsprüfnnL'  des  Darmes  mittelst  der  IVnheknst.  2.  .\iifl. 
S.  18.  Wieshaden  1908. 

")  Ad.  Schmuif  und  ./.  Strashiinjcr,  l»if  l-azes  drs  .Menschen  im  »urmaicu  uuii 
krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  173."  Berlin  1«H.)5. 

Abderhalden  ,   Ilaudbuch  der  biochcmiccbcn  Arboilsmethoden.  V.  24 


370 


H.  Lobrisc h. 


Flüssigkeit  und  kocht  l  Minute  über  kleiner  Flamme.  Dann  setzt  man 
4 — 5  Tropfen  Natronlauge  vom  spezifischen  Gewichte  V16  zu,  so  dali  die 
Flüssigkeit  sauer  bleibt,  kocht  noch  etwas  und  läljt  erkalten.  Man  weist 
dann  in  der  Flüssigkeit  die  Phenylglukosazonkristalle  nach,  deren  Bildung 
in  einigen  Minuten  bis  zu  einer  halben  Stunde  erfolgt. 


Fig.  100. 


Nachweis  der  Stärke  durch  die  Ad.  SchDtidt&Qhe  Gärungs- 
probe. ^'-) 

Die  Probe  bezweckt,  etwa  vorhandene  Stärke  im  Kote  bei  Brut- 
schranktemperatur zur  Vergärung  zu  bringen.  Sie  zeigt  nur  die  Stärke 
an,  welche  in  einer  für  die  Verdauungssäfte  leicht  an- 
greifbaren Form  mit  den  Fäzes  ausgeschieden  wird, 
d.  h.  also  die  freiliegende  und  eventuell  die  in  dünne 
zarte  Zellulosehüllen  eingeschlossene  Stärke.  Diejenige 
Stärke,  die  von  dickwandigen,  für  die  Verdauungs- 
säfte undurchdringlichen  /ellwänden  umschlossen  ist, 
wird  durch  die  Brutschrankprobe  nicht  gefunden.  Die 
Brutschrankprobe  bestimmt  also  im  Gegensatz  zu  den 
sonstigen  quantitativen  Stärkebestimmungsmethoden  nur 
die  Stärke,  welche  eigentlich  hätte  verdaut  werden  müssen. 
Das  Prinzip  der  Methode  ist  das  der  Nachverdauung. 
Die  Stärke  wird  durch  die  im  Kote  vorhandene  Diastase 
verzuckert  und  der  Zucker  durch  die  Darmbakterien  unter 

Vergärung    gebracht.    Man    berück- 
in   den   ersten   24  Stunden   ent- 
stehenden Gasmengen. 

Die  Ausführung  erfolgt  mit  Hilfe  des  von  Stras- 
burger ^)  angegebenen  Gärungsröhrchens  (Fig.  100): 
Von  dem  gut  durchrührten  Kote,  dessen  Reaktion  geprüft 
ist,  werden  mittelst  Holzspatels  zirka  bg  abgeteilt,  von 
harten  Stühlen  weniger,  von  dünnen  Stühlen  mehr,  so  daß 
stets  annähernd  dieselbe  Menge  Trockensubstanz  ver- 
arbeitet wird.  Das  Gärungsröhrchen  besteht  aus  einem 
Grundgefäß  a,   in   welches    der   Kot    hineingegeben    und 

dem 

Das 

Ende   eine  kleine  Öffnung.    Das  Köhrchen  b 


Gasentwicklung 


zur 


sichtigt   dabei   nur   die 


mit  Wasser  gut  verrührt  wird. 

leeren    Ptöhrchen    c    unter 

Röhrchen  c  trägt  am  oberen  ^.,^^   ^.„v.  ^.^,i^^  ^^^^^^.^ 

wird  bis  zum  Rande  mit  Wasser  gefüllt  und  muß  nun  unter 


in 

Dann  wird   der  Gummipfropfen   mit 
von   Luftblasen    aufgesetzt. 


Vermeidung 


Vermeidung 


')  Ad.  Schmidt  und  J.  Straslmrger ,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen  und 
krankiiaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  178—180.  Berlin  1905. 

^)  Ad.  Sclimidt,  Die  Fuuktionsprüfuug  des  Darmes  mittelst  der  Probekost.  2.  Aufl. 
S.  20—21.  Wiesbaden  1908. 

^)  J.  Sfrasburger ,  Experimentelle  und  klinische  Untersuchungen  über  Funktions- 
prüfung des  Darmes.  III.  Mitteilung.  Die  Grenzen  physiologischer  und  pathologischer 
Nachgärung  menschlicher  Fäzes.  Deutsches  Archiv  f.  klin.  Medizin.  Bd.  61.  H.  5  und  6. 
S.  596.  1898. 


Methoden  zur  Untersuchung  der  niensclilichcn  Filzes. 


Fig.  101. 


von  Luftzutritt  auf  den  mit  dem  (Jruiidgpfiil.je  und  dem  ItiiluThcn  '■  direkt 
in  Vorl)indung'  stehenden  doppolt  durcliholirtcii  r;ummil<ork  ;tuf;.'('-etzt 
werden.  Man  verfährt  hierzu  am  he.sten  so,  dal.)  man  das  mit  Kot  {ge- 
füllte Grnudgefäß  mit  dem  Köiirchen  r.  indein  man  es  nniL'-ckchrt  lialt. 
auf  das  Köiirchen  h  aufsetzt.  Dabei  liilU  sich  das  Kinscjdici'icn  von  Luft 
vollständig  vermeiden.  Das  fertige  Präparat  kommt  für  24  Stunden  hei 
37*^  in  den  Brutschrank.  Wenn  sich  Gas  entwickelt,  so  tritt  dieses  aus 
dem  Grundgefäß  in  das  nöhrchen  h  ein  und  verdrängt  das  Wasser  des 
Gläschens  b  nach  dem  Steigrohr  c,  in  dem  die  Höhe  des  Wasserstandes 
nach  24  Stunden  abgelesen  werden  kann.  Kohlehydratgärung  wird  ange- 
nommen,   wenn    nach    24   Stunden   etwa   die    Hälfte   des  Steiirrohres    mit 

Wasser  gefüllt  ist,  wenn  die  Iieaktion  do^  Kotes 
deuthch  sauer  geworden  ist,  weim  der  Kot  im 
geöffneten  Grundgefäß  nach  Buttersäure  riecht 
und  die  Farbe  des  Kotes  heller  geworden  ist. 

Das  Strasbuff/erschQ  Gärungsröhrchen  ist  vcm  eiu- 
zoliKMi  Autorou  oline  zwiiiiroiidcii  (iniud  modifiziert 
worden.  Erwähnt  sei  hier  das  modifizierte  (jäninirsridircheu 
von  Münzer  ^),  dessen  Konstruktion  aus  der  Fig.  IUI  zu 
ersehen  ist.  Das  Verhindungsrohr  zwischen  a  und  1/ 
reicht  hier  bis  an  die  Spitze  von  h  hinauf  und  besitzt 
außerdem  ein  seitliches 
Ansatzrohr,  welches 
mit  (iummischlauch 
und  t^uetschhahn  ar- 
miert ist.  Das  Rohr  c 
trägt  an  Stelle  seiner 
Öffnung  einen  kleinen 
offenen  Zapfen.  Diese 
Konstruktion  des  Röhr- 
chens soll  es  erm()g- 
lichen ,  den  Apparat 
ohne  Luftbeimischung 
zusammenzusetzen.  Er- 
wähnt  sei    ferner  eine 

Modifikation       von 
Amann .  -)  Dieser  Appa- 
rat (Fig.  102)   Iiosteht 

aus  einem  L'rIcinnci/er-Kolhcn  mit  flachem  Roden  von  ungefalir  .")Ofwj'  Inhalt,  dessen 
obere  Öffnung  mit  einem  doppolt  durchbohrten  Gunimipfropfen  versrhlosscu  ist.  Die 
eine  Durchbohrung  w ird  mit  einem  Glasstab  verschlossen .  während  iu  die  andere 
ein  U-förmi<r  g(d)ogenos  Glasrohr  gestockt  ist.  das  die  Verbindung  zu  einem  zweiten 
F-förmigon  Rohre  herstellt,  dessen  linke  Hälfte  in  Kubikzentimeter  eingeteilt  ist.  Zur 
Ausführung  der  rntersuchung  verreibt  man  zirka  1  _</  Fäzes  mit  10,7  Wasser  in  einer 
Reibeschalo  und  gibt  ilie  Masse    in    den  Glaskolben,    setzt    den  Gummiknrk    ohne    den 


Fig.  lO'J 


1)  E.  Miinzer,  Ein  neues  Gärungsnihrchen  zur  Restimiuung  der  Stuhlgürnng  nach 
Schtnidt-SfrasOurffer  nebst  Beiträgen  zur  Stuhluntersuchung.  Archiv  f.  Verdanungskrankh. 
Bd.  14.  S.  25-33".  1908. 

-)  Zitiert  nach  A.  Combe ,  Die  intestinale  .\iitointoxikation  und  ilire  Behandlnng. 
Übersetzt  von  C.  Weyele.  S.  149.  Stuttgart   l'.KJS). 

24» 


372  H.  Lohrisch. 

Glasstab  auf,  füllt  das  graduierte  U-förmige  Rohr  zur  Hälfte  mit  Wasser.  Dann  neigt 
man  den  ganzen  Apparat,  um  die  Luft  zu  entfernen  und  das  Niveau  des  Wassers  mit 
dem  Nullpunkt  der  Einteilung  in  Übereinstimmung  zu  bringen,  wobei  der  Glasstab  als 
Kolben  dient  und  entweder  tiefer  eingestoßen  oder  weiter  herausgezogen  wird,  bis  der 
Zweck  erreicht  ist.  Danach  bringt  man  den  Apparat  für  12  Stunden  bei  37"  in  den 
Brutschrank.  Dann  läßt  man  auf  Zimmertemperatur  erkalten  und  kann  die  gebildete 
Gasmenge  in  Kubikzentimetern  ablesen. 

Quantitative  Stärkebestimmung. 
Zur  quantitativen  Bestimmung  des  Stärkegehaltes  der  menschlichen 
Fäzes  ist  am  geeignetsten  eine  von  Strasburger '^'  ^)  revidierte  und  auch 
für  die  Bestimmung  sehr  kleiner  Stärkemengen,  wie  sie  in  den  mensch- 
lichen Fäzes  häufig  sind,  als  recht  genau  erkannte  Methode,  deren  Prinzip 
darauf  beruht,  die  Stärke  in  Dextrose  zu  invertieren,  das  der  Dextrose 
entsprechende  Kupferoxydul  in  schwefelsaures  Kupfer  überzuführen  und 
dieses  im  Filtrat  mit  Hilfe  der  Kupfer-Rhodanürmethode  von  Volhard- 
Pßüger  auszutitrieren.  Die  hierzu  nötigen  Reagentien  sind  folgende : 

Fehlin (ßche  Lösung  nach  Ällihns  Vorschrift: 
a)  34.639  g  Kupfervitriol  mit  5  Mol.  Kristall wasser,  mit  Wasser  auf  500  cni^  gebracht. 
h)  173  </  Seignettesalz -f- 125  f/  KOH  mit  Wasser  auf  bQO  cm^  gebracht. 

Normalsilberlösung. 

10  ^ 

Normal-Rhodanammoniumlösung. 

Salpetersäure  vom  spezifischen  Gewichte  1-2,  der  einige  Harnstoffkristalle  zuge- 
setzt sind,  um  die  salpetrige  Säure  zu  vermeiden. 

Konzentrierte  Schwefelsäure. 

Konzentrierte  Sodalösung. 

Kalt  gesättigte  wässerige  Lösung  von  schwefliger  Säure. 

Kalt  gesättigte  wässerige  Eisenammoniakalaunlösung. 

An  Meßgefäßen  sind  erforderlich  2  Büretten  für  die  Fehlingsche  Lösung,  je  eine 
Bürette  für  die  Rhodan-  und  Silberlösuug ,  je  ein  geaichter  Kolben  von  50,  100,  200 
und  300c»*3  Inhalt. 

Ausführung:  Der  lufttrockene  Kot  wird  möglichst  fein  pulverisiert, 
um  die  Zellulosehüllen  zu  eröffnen.  Ca..  2  g  lufttrockener  Kot  werden  genau 
abgewogen,  in  einem  300  cm»  fassenden  Kolben  (Liehermann,  Erlenmeyer) 
mit  100  cm^  2Voiger  HCl  versetzt  und  auf  dem  Sandbade  IV2  Stunden 
am  Rückflußkühler  gekocht.  Dann  wird  mit  Natronlauge  nahezu  neutralisiert 
und  durch  ein  Asbestfilter  ((roocMiegel)  mit  Hilfe  einer  starken  Saugpumpe 
filtriert,  mit  Wasser  sorgfältig  nachgewaschen  und  das  Filtrat  genau  auf  das 
Volumen  von  200  mu^  gebracht.  Es  ist  zweckmäßig,  wenn  man  vor  dem 
Filtrieren  den  nach  dem  Kochen  zurückgebliebenen  Fäzesbodensatz  gut  ab- 
setzen läßt  und  die  darüber  stehende  Flüssigkeit  zunächst  möglichst  von 
dem  Bodensatz  getrennt  auf  das  Filter  gibt,  so  daß  der  Rückstand  erst 
gegen  Ende  der  Filtration  ganz  auf  das  Filter  kommt.  Es  ist  dies  des- 
halb zweckmäßig,  weil  der  Rückstand  das  Filter   oft  sehr  stark  verstopft, 


^)  .7.  StrasJjurger ,  Über  den  quantitativen  Nachweis  der  leicht  angreifbaren 
Kohlehvdratc  (Stärke  und  ihrer  Abkömmlinge)  in  menschlichen  Fäzes.  Archiv  f.  d.  ges. 
Physiof.  Bd.  84.  S.  173—190.  1901. 

■^)  Ad.  Schmidt  und  J.  StrasUirger,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen  und 
krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  174—177.  Berlin  1905. 


Metlioden  zur  Untersucliuinr  der  inenschlichon  Fäzes.  1^73 

SO  daß  das  Filtrieren  aiilicroniciitlicli  law^v  Zeit  in  Aii>i)iU(h  iiiniun.  ii.i.s 
auf  200  cnt'^  gel)raflite  Fiitrat  ist  meist  noch  nicht  ^^•^nz  i<hir:  deshall.  til- 
triert  man  nochmals  durch  ein  trockenes  Faltcnl'iltcr.  NOn  dem  nunmehr 
klaren  Filtrat  werden  50cm-'  zur  Zuckerl)estimmun<^-  nach  \'olliar/l-J'/h'if<r 
benutzt.  Man  bringt  die  50  c/m»  in  ein  etwa  ;>()0  cm^  fassendes  BecheiL 
in  welchem  sich  60  cm^  FcIiIw(/9,chor  Lösung  und  ;-i5c;;<3  destilliertes 
Wasser  befinden.  Das  l)echerglas  wird,  mit  einem  UJirglas  oder  mit  einer 
Petrischale  zugedeckt,  in  einen  an  einem  Stativ  befestigten  Metallring  ein- 
g'ehängt  und  in  ein  heftig  sieriendes  Wasserbad  so  tief  eingetaucht,  dal» 
das  Wasser  etwa  1  rm  über  dem  Uande  der  Flüssigkeit  steht.  I)as  Wasser- 
bad darf  nicht  aus  dem  Kochen  kommen.  Nach  genau  .'»()  Minuten  ist  das 
Glas  herauszunehmen  und  zu  der  Flüssigkeit  ca.  i;-^0  cw^  kaltes  destilliertes 
Wasser  zuzufügen.  Darauf  wird  mittelst  Saugi)umpe  durch  ein  .\sbestfilter- 
rcihrchen,  wie  es  von  Strasburr/er ')  angegeben  ist,  die  Flüssigkeit  abge- 
saugt, das  Kupferoxydul,  welches  der  Wand  und  dem  Boden  des  (ilases 
anhaftet,  mit  Hilfe  destillierten  Wassers  und  eines  am  Ende  mit  «lummi 
üi)erzogenen  Glasstabes  in  das  Filterröhrchen  gebracht  und  mit  Wasser 
ausgewaschen.  Dabei  mub  immer  Flüssigkeit  über  dem  Asbest  stehen,  da- 
mit kein  Kupferoxydul  mit  durchgerissen  werden  kann.  Statt  des  Filter- 
röhrchens  kann  man  nach  meinen  Erfahrungen  auch  sehr  gut  einen  l'or- 
zellantiegel  mit  siebartig  durchlöchertem  Doden  (6r'ooc//tiegel).  der  ge- 
nügend mit  x\sbest  belegt  ist,  zum  Absaugen  benutzen,  ohne  Kupferoxydul- 
verluste befürchten  zu  müssen.  Nunmehr  setzt  man  das  Filterröhrchen 
oder  den  6^oocAtiegel  mit  dem  Kupferoxydul  auf  eine  reine  Saugflasche 
auf,  löst  das  Oxydul  in  nicht  zuviel  Salpetersäure  vom  spezifischen  (ie- 
wichte  r2,  wobei  ein  Fhrglas  auf  den  Trichter  gelegt  wird,  damit  die  beim 
Lösen  aufschäumende  Flüssigkeit  nicht  verspritzt.  Man  wartet  nun.  bis  das 
salpetersaure  Kupfer  ohne  Anwendung  der  l'umpe  in  die  Flasche  getropft 
ist  und  wäscht  dann  das  Filter  mit  reichlich  Wasser  unter  Anwendung 
der  Pumpe  aus.  Die  nunmehr  grünlich  gefärbte  gesamte  Flüssigkeit  wird 
aus  der  Saugflasche  in  eine  Porzellanschale  ohne  \'erluste  gebra<-ht.  mit 
72 — 1  cm^  konzentrierter  Schwefelsäure  versetzt  und  im  Abzug  auf  dem 
Wasserbad  abgedampft,  bis  alle  Salpetersäure  abgeraucht  ist.  Es  bleiben 
Kristalle  von  schwefelsaurem  Kupfer  zurück,  die  in  Wasser  gelöst  und  in 
ein  geaichtes  ;300  n«Muilbchen  gespült  werden.  Dann  fügt  man  zur  Hin- 
dung der  überschüssigen  Hg  SO4  konzentrierte  Sodalösung  zu.  bis  eben  ein 
bleibender  Niederschlag  entsteht.  Dieser  wird  von  äOc»/'  kaltgesättigter 
schwefliger  Säure,  die  nun  zugesetzt  wird,  wieder  gelöst.    Man    kocht  die 

Flüssigkeit  auf  und  fügt  sogleich  aus   der  Bürette  y^- Normal  -  llhodanam- 

moniumlösung  zu.  bis  die  blaugrüne  Farbe  verschwunden  ist.  Es  bildet  sich 
bei  Gegenwart  von  schwefliger  Säure  ein  reichlicher  Niederschlag  von  weil'.eni 
Kupferrhodanüi-.  Der  Zeitimnkt  des  \erschwindens    der    i^riineii  Farbe   ist 


1)  Ad.  Schmidt  und  ./.  Slmsbiirger,    Die  Fäzes    des  Menschen   im   nonnaleu   und 
krankhaften  Znstande.  2.  Anfl.  S.  175."  Berlin  liKi."^. 


374 


H.  Lohrisch. 


in  der  Flüssigkeit  nicht  immer  leicht  zu  erkennen.  Nach  meinen  Erfah- 
rungen ist  es  zweckmäßig,  bei  Benutzung  von  2  g  menschlicher  Fäzes  etwa 

50  cm3   — Xormal-Rhodanammoniumlösung  zuzusetzen,  womit  also  Rhodan- 

ammonium  im  Überschuß  zugesetzt  ist.  Das  überschüssige  Rhodanammonium 

muß  mit  —-Normallösung  von  salpetersaurem  Silber  zurücktitriert  werden, 

um  die  Menge  des  zur  Kupferrhodanürl)ilduug  verbrauchten  Rhodans  zu 
erfahren.  Zu  diesem  Zwecke  läßt  man  die  Flüssigkeit  erkalten,  füllt  bis 
zur  Marke  300  mit  Wasser  auf  und  schüttelt  energisch  um.  Nun  filtriert 
man  durch  ein  trockenes  doppeltes  Filter  so  lange,  bis  die  Flüssigkeit 
wasserklar  ist  und  mißt  zur  Titration  100  cm''  in  einem  geaichten  Kolben 
ab,  bringt  sie  in  ein  Becherglas,  setzt  bO  cm'^  mit  Harnstoff  versetzter 
Salpetersäure  vom  spezifischen  Gewicht  r2  und  10  an^  einer  kalt  gesät- 
tigten Eisenammoniakalaunlösung  zu,  worauf   die  Flüssigkeit   eine  tiefrote 

Farbe  annimmt.   Dann  läßt  man  so  lange  -T:-Normal-Silberlösung   aus    der 

Bürette  zufließen,  bis  ein  schwach  gelb-rötlicher  Farbenton  das  Ende  der 
Titration  anzeigt;  oder  man  setzt  etwas  Silberlösung  im  Überschuß  zu  und 
titriert  mit  Rhodanlösung  zurück,  wobei  sich  die  Endreaktion  (Übergang 
in  Gelbbraun)  besonders  gut  markiert. 

Da  nur  der  dritte  Teil   der  Flüssigkeit  zur  Titration  mit  der  Silber- 
lösung benutzt  wird,  so  ist  die  Menge  der  verbrauchten  Silberlösung   mit 

0  zu  multiplizieren.  Nach  Abzug  derselben  von  dem  Volumen  der  angewen- 
deten Rhodanlösung  wissen  wir,  ^\ieviel  Rhodan  an  Kupfer   gebunden   ist. 

1  c;«3  — -Normal-Rhodanammoniumlösung  zeigt  6'?» 2 /y«// Kupfer  an.  Der  zu- 
gehörige Wert  für  Zucker  ist  in  der  folgenden  von  Pflüger  aufgestellten 
Tabelle  aufzusuchen. 

Tabelle   der    zusammengehörigen  Werte   für  Zucker   und  Kupfer  (die  Zahlen    bedeuten 


Milligri 

imme '). 

Zucker 

Kupfer 

Zucker 

Kupfer 

Zucker 

Kupfer 

6-25 

18-94 

28 

66-2 

45 

100-7 

12 

32-8 

29 

68-2 

46 

102-7 

13 

34-9 

30 

70-2 

47 

104-7 

14 

370 

31 

72-3 

48 

106-7 

15 

391 

32 

74-3 

49 

108-8 

16 

41-2 

33 

76-3 

50 

110-8 

17 

43-3 

34 

78-4 

51 

112-8 

18 

45-4 

35 

80-4 

52 

114-9 

19 

47-5 

36 

82-4 

53 

116-9 

20 

49-6 

37 

84-4 

54 

1190 

21 

51-7 

38 

86-5 

55 

1210 

22 

53-8 

39 

88-5 

56 

123-0 

23 

55-9 

40 

90-5 

57 

125-1 

24 

580 

41 

92-6 

58 

127-1 

25 

601 

42 

94-6 

59 

1292 

26 

621 

43 

96-6 

60 

131  2 

27 

64-2 

44 

98-6 

')  Nach  Ad.  Schmidt  und  .7.  Strashurger,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen 
und  krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  176.  Berlin  1905. 


Methoden  zur  l'ntersnchung  der  menschlichen  Filzes«.  j^-rsy 

Die  für  Zucker  gefundene  Zahl  ist  mit  dem  von  Soxhlrt  und  Lintner 
und  Diill  gefundenen  Faktor  U-04  zu  multipli/icren .  um  den  Wort  für 
Stärke  zu  bekommen. 

Die  Methode  ist  trotz  ihrer  Feinheit,  hinsichtlich  deren  sie  andere  Methnd.n 
übertrifft,  nicht  ganz  fehlerfrei.  Wie  Strashurgcr^)  gezeigt  hat,  wird  mit  der  .Motlidde 
immer  etwas  zu  wenig  Zucker  (ca.  6  mg)  gefunden.  Weiter  entstehen  zuweilen  Feliler, 
wenn  es  sich  um  die  Bestimmung  sehr  kleiner  Zuckermengen  hanilelt.  Ks  wird  dahei. 
wie  schon  PjUiger  zeigte,  so  wenig  Kupferoxydul  und  in  so  feiner  Stauhfurm  alige- 
schieden,  daß  es  leicht  dtircli  das  Asbestfilter  mit  iiindurciitreht.  Um  diesen  TbeUtand 
zu  vermeiden,  empfieidt  I'Jliujer.  wo  es  sich  um  selir  geringe  Mentren  Zucker  handelt, 
ein  bekanntes  Quantum  Zucker  zuzufügen,  welcher  nachtraglicii  bei  der  Berechnung  in 
Abzug  gebracht  wird.  Man  kann  sich  zu  diesem  Zwecke  eine  mit  2-27oit'er  HCl  ver- 
setzte und  dadurch  lialtbar  gemachte  Traubcnzuckerlösunf,'  von  bekanntem  Zuckerge- 
halte vorrätig  lialteu  und  mit  einer  Bürette  abmessen.  Die  datiei  vorwendete  Säure  ist 
durch  entsprechenden  Alkalizusatz  zu  neutralisieren. 

Weiterhin  können  unter  Umständen  Fehler  entstehen,  wenn  der  Stuhl  pathid«i- 
gischcrwcise  stark  sclileinilialtig  ist,  da  Muzin  beim  Kochen  einen  reduzierenden  Korjter 
abspaltet.  Man  muß  deshalb,  wenn  es  sich  um  gndjere  öchleimlieimengungen  handelt, 
den  Schleim  mechanisch  mit  der  Pinzette  zu  entfernen  versuchen.  Bei  feineren  Schleim- 
beimengungen, die  sich  mechanisch  nicht  entfernen  lassen,  empfiehlt  Slrashurger^)  die 
K.xtraktion  der  Fäzes  mit  Kalkwasser.  Doch  fülirt  auch  diese  nicht  zum  Zi(de.  da  nach 
Ad.  Schmidt  der  Darmschleini  durch  diiniu'  alkalische  Lösungen  nur  schwer  gelöst  winl. 
Hier  läuft  also  eventuell  ein  kleiner  Fehler  mit  unter. 

Auch  der  l'rozeß  der  Invertierung  mit  verdünnter  Säure  ist  kein  iranz  einwand- 
freier. Es  wird  nämlich  nicht  alle  Stärke  in  Zucker  umgewandelt,  sondern  neben  der 
Inversion  findet  eine  gei'ingfügige  Reversion  statt,  welche  einsetzt,  wenn  die  Verzucke- 
rung etwa  bis  zur  Hälfte  vorgeschritten  ist.  Die  oben  an^'egebene  Kochzeit  von 
lYj  Stunden  ist  nach  dem  Vorgange  AUihns  von  Sirafthurgcr  beibehalten  worden,  weil 
es  damit  gelingt,  ca.  'JoVo  ''^i'  Stärke  zu  invertieren.  Deshallt  ist  es  auch  richtiger,  zur 
Berechnung  der  Stärkemengo  die  gefundene  Zuckermenge  mii  OiU  zu  multiplizieren. 
Die  Multiplikation  mit  O'ü,  die  sonst  srebräuchlich  ist,  würde  nur  richtig  sein,  wenn 
mau  auf  die  Inversion  sämtlicher  Stärke  rechnen  könnte. 

Fehler  können  bei  der  Inversion  auch  entstehen,  wenn  in  den  Fäzes  sehr  viide 
pflanzliche  Reste  (Gemüse  usw.)  enthalten  sind.  Die  in  den  l'flanzen  immer  vorhandenen 
Hemizclhiloscn  (Hexosane,  Pentosane)  werden  beim  Kochen  mit  dünnen  Säuren  eben- 
falls in  ihre  Zucker  (Ilexosen,  Pentosen)  umgewan<lelt  und  würden  daher  die  Zucker- 
menge zu  groß  machen.  Fiu-  die  menschlichen  Fäzes  dürfte  dieser  Umstaiul  nur  bei 
Personen,  die  reichlicli  Vegctabilien  genießen,  in  P'rage  kiunnien.  Die  ilie  Inversion  be- 
gleitende Reversiou  scheint  gerade  bei  Anwesenheit  untl  \erzu<-kerung  tler  llemizelhi- 
losen  noch  mehr  ins  Gewicht  zu  fallen  wie  bei  der  Hydrolyse  der  Stärke,  so  daß  mau 
bei  P^inhaltung  verschiedener  Kochzeiten  in  den  Kontrollanalysen  Differenzen  erhalten 
kann.  Am  geeignetsten  sind  daher  zur  Bestinunung  der  Stärke  Kote,  die  von  einer 
möglichst  heniizellulosefreien  Diät  stammen.  .\  u  f  jeden  Fall  ist  es  nötig,  bei  .\  n- 
we  ndung  der  Met  ho  de  die  Koch  zeit  vnn  1',  Stunden  peinlichst  einzu- 
halten. 

Nötig  ist  es  auch,  aii  und  zu  die  /-V/i/i/iysche  I.ösuul'  auf  etwaige  Sell>streiluk- 
tion  zu  prüfen. 

Die  gewichtsanalytischen  Kupfernietlmden  (Heduktinn  des  Oxyduls  zu  Kupl.r 
nach  Allihn,  Wägung  des  Kupferoxyduls  nach   lyHign)  leiden    an  dem   l'.-l.I.i     .l.iü  1h  i 


')  J.  Strasburger,  Über  den  (luantitativen  Nachweis  der  leicht  angroilbarcn  Kohle- 
hvdrate  (Stärke  und  ihrer  Abkömmlinge)  in    menschlichen   Fäzes.    Arch.  f.  d.  ge».  l'hyi*. 

Bd.  84.  S.  184.  1001. 

'-)  J.  Strashurgcr,  1.  c.  S.  180. 


376  H.  Lohriscli. 

ihnen  Veruureinigungeu,   die    mit    dem  Kupferoxydul    aus    den  Fäzes  niedergeschlagen 
werden,  mitgewogen  werden. 

Zucker. 

Die  menschlichen  Fäzes  enthalten  bei  normaler  Verdauung  keinen  Zucker.  Bei 
schweren  Störungen  der  Darmverdauung  kann  Zucker  in  geringen  Mengen  vorkommen. 

Zum  qnalitativen  Nachweis  extrahiert  man  den  Zucker  mit  Wasser, 
indem  frische  oder  trockene  pulverisierte  Fäzes  mit  Wasser  ausgekocht 
werden.  Im  Filtrat.  wekdies  am  besten  auf  dem  Wasserbade  noch  einge- 
engt wird,  wird  mit  Hilfe  der  Trommer-,  Ni/lander-  oder  Phenylhydrazin- 
probe  auf  Zucker  untersucht.  Diese  Zuckerreaktionen  können  aber  gestört 
werden,  wenn  gleichzeitig  mit  dem  Zucker  All)umosen  oder  Peptone  extra- 
hiert worden  sind;  diese  Eiweißsubstanzen  können  unter  Umständen  Kupfer- 
lösungen reduzieren.  Sicherer  ist  es  daher  nach  JJffelmann  i),  den  Kot  mit 
Alkohol  zu  extrahieren,  den  filtrierten  Alkohol  zu  verjagen,  den  Rückstand 
mit  Wasser  aufzunehmen  und  hierin  die  Zuckerprobe  anzustellen.  Nach  Blau- 
herg~)  ist  es  zweckmäßig,  ca.  ?>g  der  Trockensubstanz  mit  Thymolwasser  zu 
extrahieren,  wobei  die  im  Becherglas  befindliche  Substanz  einige  Stunden  im 
W^asserbade  leicht  erwärmt  wird.  Nach  Filtration  und  Nachwaschen  mit  Thy- 
molwasser werden  die  Eiweißkörper  durch  Bleiazetat  und  basischessigsaures 
Blei  abgeschieden.  Der  Überschuß  des  Bleis  wird  durch  Einleiten  von  CO2 
und  Abfiltrieren  entfernt,  das  Filtrat  abgedampft  und  auf  Zucker  untersucht. 

Die  Schniidtsche  Gärungsprobe  ist  zum  qualitativen  Nachweis  von 
Zucker  dann  geeignet,  wenn  die  Nahrung  völlig  frei  von  Stärke  und  an- 
deren leicht  aufschließbaren  Kohlehydraten  war. 

Zum  (luantitativen  Nachweis  ist  es  nötig,  das  mit  Wasser  oder 
nach  Ijff'elmann  oder  Blauberg  von  einer  gewogenen  Fäzesmenge  gewonnene 
Filtrat  bis  zu  einem  gewissen  Quantum  (200 — ?)00  cm ^')  aufzufüllen.  Von 
dieser  Zuckerlösung  wird  dann  ein  bestimmter  Anteil  (50 — 100  crn^)  nach 
Strasburger  mit  Fehlingscher  Lösung  gekocht  und  der  Zucker  mittelst  der 
Kupferrhodanürmethode  bestimmt.  Diese  Bestimmung  mißlingt  aber  leicht 
dann,  wenn  der  Zuckergehalt  zu  gering  ist.  Strasburger  macht  darauf  auf- 
merksam, daß  schon  ein  Zuckergehalt  der  Fäzestrockensubstanz  von  72^05 
der  dem  Nachweis  von  V/^  mg  Zucker  und  2V2  w?^  Cu  entsprechen  würde, 
sich  nicht  mehr  mit  Sicherheit  quantitativ  bestimmen  läßt. 

Befreiung-  eines  Fäzesextraktes   von  allen  Kolileliydraten   und   von 

Eiweiß. 

Um  ein  Fäzesextrakt  mit  Sicherheit  von  allen  Kohlehydraten  zu  befreien,  ver- 
fährt Strashiirger^)   in    folgender  Weise:    Ca.  3.9  der  getrockneten    fein  pulverisierten 

*)  Zit.  nach  Äd.  Schmidt  und  J.  Sfrasburger,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  nor- 
malen und  krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  169.  Berlin  1905. 

-)  M.  Blauberg,  Experimentelle  und  kritische  Studien  über  Säuglingsfäzes.  S.  39. 
Berlin  1897. 

*)  J.  Strashurger,  Über  den  quantitativen  Nachweis  der  leicht  angreifbaren  Kohle- 
hydrate (Stärke  und  ihrer  Abkömmlinge)  in  menschlichen  Fäzes.  Arch.  f.  d.  ges.  Phys. 
Bd.  84.  S.  183.  1901. 


Methoden  zur  Untersuchung  der  menschlichen  FäzcB.  3' 


I  I 


Fäzos  werden,  um  die  Stärke  zur  Quolhuifj  zu  bringen,  mit  ICH)  cm*  \V:i  .de 

am  Riickflußkühlor    gekoclit,    dann    mit  Pankroasdiastase    versetzt    und    imi n    1 
IJrutschrank    gelassen.     Dann    liilit    man    die  Kliissigkeit    nacli  Zusatz  von  Hit-rl  ■ 
22"  C  2  Tage  gären.  Die  Reaktion  ist  danach  schwach  sauer.    Um  alles  Eiweiß  zu  ent- 
fernen, wird  nach  Zusatz  von  etwas  Kssiirsäure  gekocht  und  sorgfältig  filtriert.  I>a8  Fil- 
trat  zeigt  mit   Kalilauge  nnd  Kupfersullat   keine  Spur  von  Karlii-iinaktinii. 

Tleniizclliiloscn. 

Schon  oben  wurde  erwähnt,  daß  bei  der  Hydrolyse  der  im  Kot  enthaltenen  Stärke 
die  erhaltene  Dextrosemenge  zu  groß  ausfallen  kann,  wenn  Ilemizellulosen  im  Kote  vor- 
banden sind. 

Der  Xamc  ..Ilemizellulose"  stammt  von  E.  Schuhe'),  der  damit  diejenigen  Zell- 
wandbestandteile bezeichnete,  die  weder  zur  Stärke  noch  zur  Zellulose  gehören  nnd  mit 
verdünnten  Mineralsäurcn  hydrolysierl)ar  sind.  In  den  Tflanzcn  kommen  vorwiou'end 
vor  Hexosaue  (tJalaktan)  und  noch  häufiger  Pentosane  (Araiian,  Xylan);  ihre  Zucker 
sind  Galaktose,  Arabinose  und  Xylose.  Ist  bei  einer  Stärkebestimmung  im  K<tte  damit 
zu  rechnen,  daß  Heniizcllulosen  vorhanden  sind  und  das  Resultat  stiiren  könnten,  so 
ist  es  nötig,  sich  von  der  Anwesenheit  oder  Abwesenheit  dieser  Substanzen  zu  über- 
zeugen. 

Pentosane.  Zusatz  einer  kleinen  Menge  Phloro<,'hi/in  zu  einer  Probe 
des  HCl-sauren  zuckerhaltigen  Filtrates  der  mit  2"  „i»fi'  I^^'l  gekochten 
Fäzes  und  darauf  folgendes  Erwärmen  gibt  bei  Anwesenlieit  von  Pentosen 
kirschrote  Färbunu'. 

Ist  die  Probe  positiv,  so  ist  es  nötig,  durch  (juan  t  it  ativc*  Pestini- 
mung  der  Pentosen  das  zu  grobe  Resultat  der  Stärkt'l)estimmuug  nach 
Strasburger  wenigstens  annähernd  richtig  zu  stellen.  Benutzt  wird  das 
Verfahren  von  Tollens^),  welches  darauf  beruht,  dab  die  Pentosane  und 
Pentosen  bei  Destillation  mit  HCl  Furfurol  geben:  Kie  Dcstilhiliiin  wird 
ausgeführt  mit  2 — 5  g  lufttrockenem  Kot  oder  mit  einem  bestimmten 
Quantum  der  salzsauren  Zuckerlösung.  Es  wird  mit  Salzsäure  vom  spezi- 
fischen Gewichte  1-06  destilliert,  und  zwar  .so,  dab  man  stets,  sobald  .■•.()«•>»* 
abdestilliert  sind,  ?>0  cin^  derseli)en  Säure  in  den  Destillationskolben  naeh- 
gießt  und  im  ganzen  400  rm^  überdestillier<'n  läßt.  Das  dabei  gebildete 
Furfurol  wird  im  Destillat  durch  Phlorogluzin  ausgefällt.  Den  Niederschhig, 
das  Furfurolphlorogluzid ,  sammelt  man  in  mit  Asbest  beschickten  Por- 
zellan-ÖoocÄ-Tiegeln  niul  wäscht  ilin  mit  löOcw«  Wasser  aus.  Die  Tiegel 
werden  dann  4  Stunden  im  Wassertrockenschranke  bi-i  ;i7 — 98'^  C  ge- 
trocknet, in  Wiegegläser,  welche  sofort  verschlossen  werden,  gegebm.  in 
diesen  in  den  Exsikkator  gebracht  und  nach  dem  Erkalten  im  Kxsikkator 
mit  den  Wiegegläsern  gewogen.  Auf  diese  Wei.^^e  vermeidet  man  Papier- 
filter und  den  Einfluß  der  hygroskopischen  Eigenschaften  tles  PhloroLrlu- 
zids,  und  die  Resultate  werden  sicherer  und  konstanter  als  es  früher  mög- 
lich war.  Für  Pidorogluzidmengen  von  ;]0—'dOi)  mg  kann  man  die  entspre- 


*)  E.Schulze,  Zur  Chemie  der  pflanzliclien  Zellmembranen.  II. Abhandlunir.  Zeit- 
schrift f.  phys.  Chem.  Bd.  39.  l'.)U3. 

'-)  B.  Tollcns,  Ül)er  die  Bestimmung  der  Pentosen  und  Pentosaue  Zeif#cbr.  f. 
phys.  Chem.  Bd.  36.  S.  239-243.  1902. 


378  H-  Lohrisch. 

chenden  Werte  an  Furfurol,  Arabinose,  Araban,  Xylose,  Xylan,  Pentose  und 
Pentosan  aus  einer  bei  Tollens^)  mitgeteilten  ausführlichen  Tabelle,  Avelche 
von  Kröher  stammt,  ablesen. 

Die  Zahlen  für  Pentose  und  Pentosan  sind  in  dieser  Tabelle  die 
Mittelzahlen  aus  Arabinose  und  Xylose  und  Araban  und  Xylan,  die  man 
anwendet,  wenn  man  mit  Gemengen  von  Arabinose  und  Xylose  zu  tun  hat 
oder  wenn  man  nicht  weiß,  welche  Pentose  in  der  untersuchten  Substanz 
sich  befindet. 

Ebendaselbst  finden  sich  auch  Formeln  zur  Berechnung  von  Furfurol, 
Pentosan  und  Pentose,  wenn  das  Phlorogluzid  weniger  als  30  mri  oder  mehr 
als  .-KX)  mg  wiegt. 

Es  darf  nicht  übersehen  werden,  daß  den  Pentosen-  und  Pentosan- 
bestimmungen  noch  immer  zahlreiche  Mängel  anhaften,  die  ihre  Genauig- 
keit beeinträchtigen.  Sie  gehören  in  die  Pteihe  der  konventionellen  Me- 
thoden, bei  denen  es  auf  peinlichstes  Innehalten  der  Bedingungen 
sehr  ankommt. 

Hexosane.  Der  Nachweis  des  Galaktans  würde  so  zu  führen  sein,  daß 
das  HCl-saure  zuckerhaltige  Filtrat  der  Fäzes  eingedampft  und  der  syrupose 
Rückstand  mit  Salpetersäure  vom  spezifischen  Gewichte  1-15  auf  dem  Wasser- 
bade erwärmt  wird.   Bei  Anwesenheit  von  Galaktose  entsteht  Schleimsäure. 

Im  allgemeinen  kommen,  wie  gesagt,  die  Bestimmungen  im  mensch- 
lichen Kote  kaum  in  Frage. 

Will  man  speziell  die  Ausnutzung  einer  Hemizellulose  im  mensch- 
lichen Darme  feststellen,  so  ist  darauf  zu  achten,  daß  außer  der  Hemi- 
zellulose weder  Zucker  noch  Stärke  in  der  Versuchszeit  genommen  werden. 
Es  genügt  dann,  im  Fütterungsmaterial  und  im  Kote  den  Zuckergehalt 
nach  Strashiirger  festzustellen  und  miteinander  zu  vergleichen,  wie  ich  2) 
dies  bei  Versuchen  über  die  Ausnutzung  der  Hemizellulose  des  Agars  ge- 
tan habe.  Um  vergleichbare  Ptesultate  zu  erhalten,  ist  bei  jeder  einzelnen 
Untersuchung  peinlichst  genau  nach  den  Strasburg er?,chQ\\  Vorschriften 
(Kochzeit!)  zu  verfahren. 

Nachweis  der  Rohfaser  und  Zellulose. 

Uuter  Rohfaser  versteht  mau  alles  das,  das  nach  Behandlung  von  Pflanzen- 
teilen mit  Wasser,  verdünnten  Säuren  und  Alkalien.  Alkohol  und  Äther  ungelöst  zurück- 
bleibt. Der  Hauptanteil  der  Rohfaser  besteht  aus  Zellulose,  daneben  sind  noch  ent- 
halten Lignin,  Eutin  und  Ascheubestandteile,  welche  mit  zunehmendem  Alter  der 
Pflanze  die  ursprünglich  reine  Zellulose  innig  durchdringen  und  inkrustieren. 

Die  Zellulose  gehört  nach  der  heutigen  Auffassung  zu  den  Polysacchariden, 
und  zwar  ist  sie  ein  Anhydrid  der  Dextrose  von  der  Formel  n  (CgHi^Oj). 


*)  B.  ToUens,  Über  die  Bestimmung  der  Pentosen  und  Pentosane.  Zeitschrift  f. 
phys.  Chemie.  Bd.  36.  S.  239—243.  1902.  Die  Tabelle  (TabeUe  zur  Umwandlung  von  Phlo- 
rogluzid in  Furfurol,  Pentosan  usw.  von  E.  Kröher)  befindet  sich  am  Ende  des  Bandes. 

-)  //.  Lohrisch,  Der  Vorgang  der  Zellulose-  und  Hemizellulosenverdauung  beim 
Menschen  und  der  Nährwert  dieser  Substanzen  für  den  menschlichen  Organismus.  Zeit- 
schrift f.  exp.  Pathol.  u.  Ther.  Bd.  5.  S.  14  —  16  des  Separatabdruckes.  1908.  (Daselbst 
ausführliche  Literatur  über  Hemizellulosen.) 


Methoden  zur  Untersuchung  der  menschlichen  Fäzes.  3-0 

Makroskopischer,    inikroskopiscliri-    imkI    niikroclicmlsrlicr 

Nachweis. 

Abgesehen  von  sehr  ji^robon  I'flanzonresten,  die  ohne  weiteres  in  dio 
Aufien  fallen,  kann  man  sieh  einen  niaki-oskopi sehen  I'!ini)liek  in  den 
Gehalt  der  Fäzes  an  pflanzlichen  Bestandteilen  nur  verschafti-n,  wenn 
man  eine  größere  gut  durchmischte  Fäzesmenge  nach  Ad.  Sc/nnidt  aufs 
feinste  mit  Wasser  verreibt  und  auf  dem  Makroskopierteller  ausbreitet 
Man  sieht  dann  die  gelblich-bri'uiidich  oder  grünlich  gefärbten  /ellulose- 
reste,  die  sich  schon  durch  ihre  harte  Beschaffenheit  als  pflanzliche  (le- 
bilde  ausweisen. 

In  zweifelhaften  Fällen  ist  mikroskopisch  zu  untersuchen.  Jeder 
.Stuhl,  der  von  einer  Vegetabilien  enthaltenden  Kost  stammt,  enthält  mi- 
kroskopisch sichtbare  Partikel  von  Rohfaser  und  Zellulose,  die  in  den  ver- 
schiedensten Formen  auftreten  können  (l'arenchymzehen,  verholzte  und  un- 
verholzte  Membranen.  P^pidermis,  spiralige  Gefälje,  Pflanzenhaare,  liräun- 
liche  Spelzenreste,  Kakaoreste,  Bruchstücke  der  Kleberzellenschicht.  Cotyle- 
donen,  Kartoffelzellen.  Steinzellen  aus  Birnen  u.v.a.).  (Jute  Abbildungen 
hierzu  sind  bei  ScJimidt  und  Strashurger^]  einzusehen. 

Mikrochemisch  wird  Zellulose  nachgewiesen  durch  ihre  Figen- 
schaft,  sich  mit  Jodchlorzinklösung  violett  zu  färben.  Die  Färbung  beruht 
darauf,  daß  die  Zellulose  durch  Jodchlorzink  in  einen  amyloidartigen  Körper 
überführt  wird. 

Dabei  ist  immer  zu  bedenken,  daß  es  natürlich  nur  die  reine,  nicht  mit  inkru- 
stierenden Substanzen  (Liirnin.  Kutin)  durchsetzte  Zelbilose  ist.  die  diese  Rcaktiiui  deut- 
lich gibt.  \'erhoIzte  und  verkorkte  Zellulose  (=  Rohfaser)  gibt  die  Reaktion  nicht  oder 
nur  undeutlich,  weil  die  inkrustierenden  Substanzen  dem  Reagens  das  Kindringen  in 
die  Zellulose  sehr  erschweren.  Finden  sich  also  reinviolett  gefärbte  Teilchen,  so  sind 
diese  als  Roinzolhiloso  anzusehen.  Reine  Zellulose  ist.  wie  ich-,"')  nachwies,  für  den 
Menschen  verdaulich,  waiirsclieiiilich  durcli  eine  Zytase.  Verdaut  werden  vom  normalen 
Darm  ca.  60%  'ler  eingeführten  Zellulose.  Immerhin  setzt  die  Zellulose  den  Verdauungs- 
säften einen  viel  größeren  Widerstand  entgegen,  als  die  sonstigen  Nalirunirsliestandteile, 
woraus  sich  der  relativ  große  Teil  unverdauter,  an  sich  aber  verdaulicher  Zellulose  in 
den  Fäzes  erklärt.  Ein  gewisser  Anteil  der  Zellulose  unterliegt  im  Darm  einer  bak- 
teriellen Zersetzung,  wobei  Essigsäure,  Buttersäure,  Wasserstoff  und  ('11^  gebildet  wer- 
den. Die  rein  violett  gefärbten  Partikel  im  Kot  stellen  also  immer  verdauliche 
Zellulose  dar,  weil  eben  reine  Zellulose  an  sich  verdaulicli  ist.  Zellulose,  die  mit  Ihdz- 
und  Kutinstoffen,  den  inkrustierenden  Substanzen,  verunreinigt  ist,  also  Rohfaser,  färbt 
sich  mit  Jodchlorzink  gelblich-lträunlicb  oder  L'ar  nidit.  Derartige  Ridifaserteilclien  sinti 
natürlich  unvcrdaulicii.  Amaiin*}  unterscheidet  neuerdings  verdaulidie  und  unverdauliche 

M  Ad.  Schmidt  und  J.  Sfrushurgrr,  Die  Fäzes  des  Menschen  im  normalen  und 
krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  Taf.  VI  mid  VII.  Berlin   \\)()h. 

-)  H.  Lohrisch,  Über  die  Bedeutung  der  Zellulose  im  Haushalte  des  Menschen. 
Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  Bd.  47.  II.  2  und  3.  S.  2t)0— 252.   I'IUC)  (Literatur). 

^)  II.  Lohrisch,  Der  Vorgang  der  Zellulose-  und  llemizeUulosenverdauung  beim 
Menschen  und  der  Nährwert  dieser  Substanzen  für  den  menschlichen  Organismus.  Zeit- 
schrift f.  exp.  Pathol.  u.  Ther.  Bd.  5.  MIOS. 

•*)  J.  Ämattn,  La  reclierclie  microciiimiciue  de  la  cellnlose  digerable  tlans  les  nia- 
tieres  f^cales.  Revue  medicale  de  la  Suisse  Romande.  XXX'n^  Annt5e.  Nr.  2.  2<1  fi'vrier 
1909.  Sep.-Abdr. 


3gO  H.  Lohrisch. 

Zellulose.  Mit  letzterer  bezeichnet  er  die  gelblich  gefärbten  unverdaulichen  Rohfaser- 
teilchen. Das  ist  nach  dem  Vorstehenden  insofern  zu  beanstanden,  als  hierbei  der  prin- 
zipielle Unterschied,  der  zwischen  Rohfaser  und  Zellulose  besteht,  nicht  genügend  be- 
tont wird.  Man  sollte  doch,  worin  es  besonders  die  ältere  Literatur  sehr  fehlen  läßt, 
stets  scharf  zwischen  Rohfaser  und  Zellulose  unterscheiden.  Wenn  man  dies  tut,  kann 
man  auch  nicht  von  verdaulicher  und  unverdaulicher  Zellulose  reden,  denn  es  gibt  eigent- 
lich keine  unverdauliche  Reinzellulose. 

Um  die  Jodchlorzinkreaktion  recht  deutlich  zu  bekommen,  ist  es 
zweckmäßig,  das  Reagens  nicht  zu  konzentriert  zu  nehmen,  worauf  auch 
Amann^)  hinweist  und  folgende  Zusammensetzung  vorschlägt:  Reines  Zink- 
chlorid 10-0,  Jodkali  2-5,  Jod  0-25,  Aqua  dest.  10-0.  Zur  Technik  empfiehlt 
er  Zentrifugieren  des  mit  Wasser  verriebenen  Kotes  und  Untersuchung 
des  Sediments,  von  dem  ein  Tropfen  auf  dem  Objektträger  mit  einem 
Tropfen  der  obigen  Lösung  vermischt  wird. 

Die  Zellulose  färbt  sich  ferner  blau,  wenn  man  einem  vorher  mit 
Liigohdier  Lösung  vermischten  Präparat  Schwefelsäure  ( 2  H2  SO^ :  1  H._j  0) 
oder  Phosphorsäure  zufheßen  läßt.  Ferner  wird  Zellulose  durch  frisch  be- 
reitete Kupferoxydammoniaklösung  gelöst. 

Lignin  färbt  sich  nach  Vorbehandlung  mit  Phlorogluzinalkohol  in 
Salzsäure  violett  rot. 

Kutin  nimmt  bei  Zusatz  von  Kalilauge  einen  gelben  Farbenton  an 
(Ad.  Schmidt  -). 

Der  quantitative  Nachweis  der  Rohfaser  und  Zellulose. 

Rohfaser. 

Die  Rohfaser  ist  ihrer  Zusammensetzung  nach  naturgemäß  chemisch  niemals 
exakt  zu  definieren,  sondern  ist  je  nach  Art  und  Alter  der  Pflanzen  ganz  verschieden 
zusammengesetzt.  Deshalb  liefern  auch  die  gebräuchlichen  Methoden  zur  Darstellung 
der  Rohfaser  niemals  ein  gleichmäßig  zusammengesetztes  Produkt,  sondern  die  erhaltene 
Rohfaser  wird  stets  nach  der  Beschaffenheit  des  pfhxnzlichen  Materials  und  der  Art  der 
angewendeten  chemischen  Ageutien  eine  andere  Zusammensetzung  haben.  Darum  ist  es 
auch  schwierig,  bei  quantitativen  Rohfaserbestimmuugen  in  den  Kontrollaualjsen  genau 
übereinstimmende  Resultate  zu  erhalten.  Häufig  ist  eine  größere  Anzahl  Analysen  nötig, 
um  brauchbare  Resultate  zu  erzielen.  Es  sei  daher  gleich  von  vornherein  darauf  hinge- 
wiesen, daß  es  bei  den  Rohfaserbestimmungen  dringend  nötig  ist,  bei  der  Verarbeitung 
eines  bestimmten  Materials  bei  den  erforderlichen  mehrfachen  Analysen  peinlichst  darauf 
zu  achten,  daß  in  bezug  auf  Kochzeiten.  Zusammensetzung  der  Reagentien,  Hitzegrade  usw. 
ganz  gleichmäßige  Verhältnissse  herrschen. 

Zur  Ausführung  der  quantitativen  Rohfaserbestimmung  benutzt  man 
am  besten  das  alte  Weender  Verfahren  von  Henneberg  und  Stoh- 
mann^)  mit  einigen  von  Wattenberg^)  und  v.  Knicrieni^)  angegebenen  Ver- 
besserungen. Dasselbe  wird  folgendermaßen  ausgeführt: 


1)  ./.  Ämannf  La  recherche  microchimique  de  la  cellulose  digerable  dans  les 
matieres  fecales.  Revue  mödicale  de  la  Suisse  Romande.  XXX™«»  Annee.  Nr.  2.  20  fevrier 
1909.  S.  4  des  Sep.-Abdr. 

-)  Äd.  Schmidt  und  ■/.  Strashurger,  Die  Fäzes  des  Mensclien  im  normalen  und 
krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  78.  Berlin  1905. 

•■'j  Literatur  vgl.  bei  H.  Lohrisch,  Über  die  Bedeutung  der  Zellulose  im  Haus- 
halte des  Menschen.  Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  Bd.  47.  H.  2  und  3.  S.  203-207.  1906. 


Methodeu  zur  Untersuchuii),'  der  iiienscliliclicii  Filzes.  -i 

Ca.  l\  (j  lufttrockene  pulverisierte  Filzes  (sehr  fettreiche  werden  vor- 
her mit  Äther  extrahiert)  werden  mit  r)0  cm»  öVoiger  Schwefel.säure  und 
150  cm^  Wasser  unter  Ersatz  des  verdampfenden  Wassers  •/,  Stunde  lang 
in  einer  Porzellanschale  p:ekocht,  zum  .Vhsetzen  stehen  j^elassen,  die  Flüs.sig- 
keit  mit  einem  kleinen  (Uashcher  abgehoben,  der  Rückstand  zweimal  mit 
Wasser  ausgekocht,  die  jedesmal  abgeholiene  Flüssiiikeit  mit  der  ersten 
vereinigt.  Der  Rückstand  wird  danach  ganz  in  dersellien  Weise  mit  einer 
Mischung  von  50  cm^  50/oiger  Kalilauge  und  150c///3  Wasser,  dann  mit 
Weisser  behandelt  und  zuletzt  auf  ein  gewogenes  Filter  gebracht.  Die  kali- 
haltige  Flüssigkeit  wird  soweit  als  möglich  mit  dem  Heber  abgehoben,  der 
Absatz  mit  dem  Inhalt  des  Filters  vereinigt,  letzteres  bis  zum  Verschwin- 
den der  alkalischen  Reaktion  ausgewaschen,  dann  das  Sediment  aus  den 
schwefelsaurehaltigen  Flüssigkeiten  dai'auf  gegeben,  darauf  sukzessive  mit 
Wasser,  Alkohol  und  Äther  voUstiindig  ausgewaschen,  getrocknet  und  ge- 
wogen. Der  Wert  für  Asche  und  Proteinsubstanz  (N  x  6"25)  wird  von  der 
Rohfaser  in  Abzug  gebracht. 

Der  Nachteil  des  Verfahrens  liegt  in  der  viel  zu  langen  Dauer,  da 
man  gezwungen  ist,  vor  dem  Abhei)ern  zu  warten,  bis  Sedimentierung  ein- 
getreten ist,  was  oft  lange  Zeit  in  Anspruch  nimmt.  Wattruhcrg  hat  daher 
vorgeschlagen,  sich  statt  des  lästigen  Al)heberns  eines  mit  Gaze  und  FlielJ- 
papier  überzogenen  Trichters,  der  mit  einem  Saugapparat  in  \'erbin(iung 
steht,  zu  bedienen.  Auf  diese  Weise  kann  man  die  sauren  und  alkalischen 
Flüssigkeiten  schnell  und  so  vollständig  von  dem  Rückstände  absaugen, 
daß  kaum  einige  Kubikzentimeter  bleiben.  Es  empfiehlt  sich  daliei.  die  ge- 
kochten Flüssigkeiten  möglichst  heiß  abzusaugen.  \'orteilhaft  ist  es  auch, 
zum  Kochen  Porzellanschalen  zu  benutzen,  welchen  nach  Wattenhery  genau 
im  Niveau  von  200  c^y^^  unter  der  Glasur  ein  blauer  Ring  eingebrannt  ist. 
Dadurch  läßt  sich  der  Flüssigkeitsstand  während  des  Kochens  durch  Nach- 
füllen bis  zum  Ring  stets  regulieren,  v.  Knkricnt  empfiehlt  als  wesent- 
lich zeitsparend  die  Anwendung  der  Zentrifuge  zum  Absetzen  der  Rück- 
stände. 

Ein  neueres  Verfahren,  welches  bessere  Resultate  geben  soll ,  ist  das 
Glyzerin-Schwefelsäure  verfahren  von  Könige): 

3  g  lufttrockene  pulverisierte  Fäzes  werden  mit  200  g  Glyzerin  vom 
spezifischen  Gewichte  l'2o,  welches  20  g  konzentrierte  Schwefelsäure  im 
Liter  enthält,  bei  lo.H— 137"  1  Stunde  am  Rückflußkidder  gekocht.  Man 
läßt  erkalten,  verdünnt  die  gekochte  Masse  auf  ca.  ;')(.)(»  r»/^  kocht  noch- 
mals auf  und  filtriert  heiß  durch  einen  mit  Asbest  ausgelegten  (VoocZ/schen 
Tiegel  mit  Hilfe  der  Saugpumpe.  Der  Rückstand  im  Tieirid  wird  mit  reich- 
lich heißem  Wasser,  erwärmtem  Alkohol.  Alkoholäther  inid  Äther  ausgt»- 
waschen,  bis  das  Filtrat  farblos  abläuft.  Tritt  beim  Filtrieren  \erstoplimg 
ein,  so  kaini  man  den  Nieder.schlag  im  Tiegel  mit  einem  Spatel  vorsichtig 
von  der  Mitte  tler  Asbestfläche  nach  den  Seiten  schieben.    !'•"    '' ■'■-''"• 


')  ./.  König,   Die  Zolliiicniliniu  und  ilin-  liostaudtoilo  iii   »'lifiiiisc-iit  r    uuu 
logischer  Hinsicht.  Luiulwirtschattlichc  Versuchsstatioinu    IM   (m    S   .L')     110.  1'.' 


382  H.  Lohriscb. 

Tiegel  wird  dann  getrocknet  (105»)  und  gewogen,  der  Inhalt  im  Tiegel 
verascht  und  der  Tiegel  mit  der  Asche  gewogen.  Die  Differenz  zwischen 
beiden  Gewichten  gibt  das  Gewicht  der  aschefreien  Rohfaser. 

Nochmals  sei  darauf  hingewiesen,  daß  die  Kö>iigsche  Rohfaser  in  ihrer  Zusam- 
mensetzung mit  der  durch  andere  Verfahren  gewonnenen  Rohfaser  keineswegs  identisch 
ist.  Sicherlich  werden  auch  durch  die  Einwirkung  von  Säuren,  Alkalien  und  Glyzerin- 
schwefelsäure Rohfaserbestandteile  in  verschiedenstem  Umfange  gelöst  und  gehen  beim 
Abheben  und  Filtrieren  verloren.  Für  die  Weender  Methode  hat  man  darauf  aufmerk- 
sam gemacht,  daß  speziell  elastisches  Gewebe  nicht  gelöst  wird  und  als  Rohfaser  mit 
bestimmt  wird,  worauf  bei  der  Untersuchung  von  Fäzes,  die  von  einer  reichlich  Fleisch 
enthaltenden  Nahrung  stammen,  zu  achten  ist. 

Zellulose. 

Alles,  was  bezüglich  der  Ungenauigkeit  der  Rohfasermethoden  gesagt  wurde,  gilt 
in  gleichem  Sinne  für  die  Bestimmung  der  Zellulose.  Zur  Reindarstellung  und  quan- 
titativen Bestimmung  der  Zellulose  sind  wir  wie  bei  der  Rohfaserbestiramuug  gezwungen, 
die  Zellulose  aus  einem  Gemisch  von  Eiweißsubstanzen,  Fett,  Kohlehydraten,  inkrustie- 
renden Substanzen  und  Hemizellulosen  möglichst  rein  herauszuschälen.  Keine  der  bis- 
herigen Methoden  ist  so  beschaffen,  daß  es  dabei  nachweislich  ohne  Zelluloseverluste 
abginge.  Denn  die  angewendeten  chemischen  Mittel  wirken  bei  den  verschiedenen  Me- 
thoden entweder  zu  schwach,  und  wir  erhalten  dann  keine  Reinzellulose,  oder  sie  wirken 
zu  energisch,  und  dann  gibt  es  eben  Zelluloseverluste.  Den  richtigen  Mittelweg  inne  zu 
halten  besteht  vorläufig  noch  keine  Möglichkeit.  Wir  wissen  nicht,  bis  zu  welchem 
Grade  der  Konzentration  bei  der  Untersuchung  zellulosehaltigen  Materials  auf  Rein- 
zellulose wir  chemische  Mittel  einwirken  lassen  dürfen,  wenn  sie  in  ihrer  lösenden 
resp.  oxydierenden  Wirkung  eben  vor  der  Zellulose  Halt  machen  sollen.  Dazu  reichen 
unsere  Kenntnisse  von  der  chemischen  Beschaffenheit  reiner  Zellulose  noch  nicht  aus. 
Wissen  wir  doch,  daß  schon  verdünnte  Säuren  und  Alkalien  Zellulose  lösen  können. 
Es  herrschen  also  auch  hier  unkontrollierbare  Verhältnisse,  und  deshalb  kann  an  die 
Zellulosemethoden  im  allgemeinen  nicht  der  strenge  Maßstab  bezüglich  peinlichster 
Übereinstimmung  der  Kontrollaualysen  angelegt  werden,  der  bei  anderen  quantitativen 
chemischen  Methoden  selbstverständlich  unerläßlich  ist.  Man  muß  sich  also  bei  Be- 
nutzung jeder  Zellulosemethode  von  vornherein  darüber  klar  sein,  daß  jede  Methode 
eine  anders  beschaffene  Zellulose  liefert.  Ferner  leiden  fast  alle  Zellulosemethodeu  an 
dem  Fehler,  daß  sie  viel  zu  lange  Zeit  in  Anspruch  nehmen,  was  ihrer  Verwendung 
sehr  im  Wege  steht.  Die  beste  Zellulosemethode  wird  immer  die  sein,  die  es  ermög- 
licht, die  Bestimmungen  in  möglichst  kurzer  Zeit  auszuführen  und  möglichst 
reine,  d.h.  von  den  sonstigen  Rohfaserbestandteilen  befreite  Zellulose  zu  gewinnen. 

Dieser  Forderung  scheint  mir  noch  am  meisten  trotz  mancher  unten 
zu  erwähnender  Einwände  die  von  Simon  und  Lohrisch'^-  -)  angegebene 
Methode  zur  Reindarstellung  und  quantitativen  Bestimmung  der  Zellulose 
zu  entsprechen.  Die  Methode  knüpft  an  an  eine  von  G.  Lange  angegebene, 
immerhin  noch  sehr  umständliche  Methode,  bei  der  die  Zerstörung  der  der 
Zellulose  beigemischten  Substanzen  durch  schmelzendes  Alkali  erfolgt,  ohne 
daß  dabei  die  eigentliche  Zellulose  zerstört  wird.  Dieser  Vorgang  wird  auch 


^)  0.  Simon  und  H.  Lohriscli ,  Eine  neue  Methode  der  quantitativen  Zellulose- 
bestimmung in  Nahrungsmitteln  und  Fäzes.  Zeitschr.  f.  phvsiol.  Chemie.  Bd.  42.  H.  1  u. 
2.  S.  55-58.  1904. 

^)  H.  Lohrisch,  Über  die  Bedeutung  der  Zellulose  im  Haushalte  des  Menschen. 
Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  Bd.  47.  H.  2  u.  3.  S.  215—219.  1906. 


Methoden  zur  Untersuchung  der  menschlichen  Fäzes.  3f^jj 

bei  der  Mctliode  SiD/oii-Lo/iriscIi  Itcimtzt,  die  W  iikiiiiii  des  Atzkiilis  ;il>or 
uoch  durch  Zusatz  von  ILO.,  unterstützt  und  srlilirClich  otwaii^e  in  Lösuiifjr 
gegangene  Zellulose  durch  Alkohol  wieder  ausgefällt,  im  einzelnen  wird  wie 
folgt  verfahren:  Zirka  o— 5  (/  feinst  pulverisierte  lufttrockene  Fäzes  werden 
in  ein  zirka  500  cin^  fassendes  Kecherglas  gebracht  mid  zunächst  mit 
100 — 150  cm^  heii'ieni  Wasser  übergössen.  .Mit  dem  (Jlasstabe  wird  die 
Substanz  in  dem  Wasser  möglichst  fein  verrührt,  so  dal')  von  dem  Fäzes- 
pulver keine  gröberen  Bröckel  mehr  sichtbar  sind.  Zu  dieser  Anfschweni- 
mung  setzt  man  nun  soviel  (Tramm  Atzkali  in  Stangen,  daß  eine  50"  oig»^ 
Lauge  entsteht.  Es  erfolgt  beim  Schmelzen  des  Alkalis  starke  Erhitzung 
und  lebhaftes  Aufschäumen,  weshalb  der  Alkalizusatz  nur  portionsweise  er- 
folgen darf.  So  wird  erreicht,  daß  das  Ätzkali  bereits  im  schmelzenden 
Zustande  bei  starker  Hitze  auf  die  inkrustierenden  Substanzen  und  son- 
stigen Fäzesbestandteile  einwirken  kann.  Nachdem  sich  alles  Kali  gelöst 
hat,  kocht  man  eine  Stunde  im  Wasserbade.  Nach  dieser  Zeit  ist  ein 
großer  Teil  der  Substanz  gelöst.  Man  läßt  die  Flüssigkeit  ziemlich  erkalten 
und  setzt  dann  3 — b  cm^  SOVoiges  HA),,  (Merck j  zu.  l)er  Zusatz  muß  vor- 
sichtig tropfenweise,  am  besten  aus  einer  Meßpipette  erfolgen,  da  die  Flüs- 
sigkeit stark  aufschäumt.  Sollte  das  Aufschäumen  so  intensiv  sein,  daß 
der  Inhalt  des  Bechergiases  den  Rand  desselben  zu  überschreiten  droiit.  so 
genügt  es,  aus  der  Spritzflasche  eine  kleine  Menge  960  o'gen  Alkolnds  auf- 
zuspritzen, um  das  Überschäumen  zu  verhindern.  Unter  dem  H.,().,-Zusatz 
tritt  eine  neuerliche  starke  Erhitzung  ein,  bei  der  noch  die  letzten  Ueste 
organischer  Substanzen  außer  der  Zellulose  zerstört  und  zersprengt  werden, 
(ileichzeitig  entfärbt  sich  die  Flüssigkeit.  Selbst  anfangs  tiefschwarz  au.s- 
sehende  Flüssigkeit  erscheint  jetzt  hellgelb  oder  hellbraim.  Das  bietet  den 
Vorteil,  das  man  etwa  noch  ungelöste  Brocken  erkennen  kann,  in  welchem 
Falle  man  noch  ^/j — V4  Stunde  im  Wasserbade  kocht.  Nachdem  die  helle 
Flüssigkeit  etwas  abgekühlt  ist,  setzt  man  das  halbe  \'olumen  96%igen  Alkohols 
zu.  Oft  mischen  sich  die  Flüssigkeiten  nicht  sofort.  Der  Alkohol  schwimmt 
oben  auf  wie  Öl  auf  Wasser.  Es  genügt  dann  ein  tropfenweiser  Zusatz 
von  6  7  nn^  konzentrierter  Essigsäure,  welche  Zellulose  nicht  angreift, 
um  eine  gleichmiißige  Mischung  zu  erzielen.  Die  etwa  gelöst  gewesene  Zel- 
lulose fällt  als  feiner  Niederschlag  aus.  Die  FUissigkeit  ist  dabei  natürlich 
noch  so  stark  alkalisch,  daß  alle  Eiweißstoffe  in  Lösung  bleibt'U.  Nun  wiid 
möglichst  heiß  duich  ein  gehärtetes  Filter  (Schhic/icr  und  Schul/  Nr.  575, 
24  cm  Durchmesser)  abfiltriert.  Das  Filtrieren  geht  meist  so  schnell  von- 
statten, daß  man  eine  Saug])unipe  nicht  nötig  hat.  Der  Ilückst.-md  im 
Filter  ist  unlösliche  4- lösliche  Zellulose -|- Asche.  Lm  aus  dem  Bückstand 
schon  den  größten  Teil  des  Alkalis  zu  entfernen  und  sich  dadurch  das 
spätere  Filtrieren  zu  erleichtern,  ist  es  zweckmäßig,  noch  1  2nial  mit 
heißem  Wasser  nachzuwaschen,  was  eiienfalls  sehr  schnell  vor  sich  geht. 
Nunmehr  wird  der  Bückstand  vom  Filter  ins  Becherglas  zurückgespritzt, 
mit  reichlich  warmem  Wasser  aufgenommen,  auf  einem  gewogenen  Filter 
{Schlächer  und  Schüll  Nr.  5,^!i .    12^  .,  cm   Durchmesser)    filtriert    und  mit 


334  H.  L ohrisch. 

heißem  Wasser  ausgewaschen,  bis  das  Spülwasser  keine  alkalische  Reaktion 
mehr  gibt.  Dieses  Filtrieren  geht  ebenfalls  rasch  vor  sich,  zumal  wenn 
man  darauf  achtet,  daß  zunächst  die  im  Becherglase  überstehende  Flüs- 
sigkeit getrennt  vom  Sediment  auf  das  Filter  gebracht  wird.  Dann  wird 
mit  verdünnter  warmer  Essigsäure  zur  Entfernung  der  anorganischen 
Salze  gewaschen,  die  Essigsäure  ward  mit  Wasser  ausgewaschen,  zuletzt 
wird  mit  heißem  Alkohol  und  Äther  gewaschen,  getrocknet  und  gewogen. 
Der  Aschegehalt  muß  von  dem  Gewicht  in  Abzug  gebracht  werden.  Ein 
etwaiger  N-Gehalt  ist  so  geringfügig,  daß  er  vernachlässigt  werden  kann. 
Vorherige  Extraktion  sehr  fettreicher  Fäzes  mit  Äther  ist  nicht  nötig. 

Die  Methode  ist,  wie  ich  mich  durch  reichliches  und  laugjähriges  Arbeiteu  da- 
mit überzeugt  habe,  durchaus  brauchbar,  weuu  es  sich  darum  handelt,  Ausuutzungs- 
versuche  anzustellen,  bei  denen  es  auf  einen  Vergleich  zwischen  der  eingeführten  und 
ausgeschiedenen  Zellulose  ankommt.  AVenn  man  hierbei  im  Fütterungsmaterial  und  im 
Kot  die  Zellulose  mit  der  Methode  bestimmt  und  dabei  größten  Wert  darauf  legt,  daß 
die  Kochzeiten  in  allen  Analysen  peinlichst  genau  eingehalten  werden,  daß  immer  die 
gleichen  Mengen  Lauge  und  B^O^  bei  gleicher  Hitze  angewendet  werden,  so  erhält  man 
Analysenresultate,  die  sich  sehr  wohl  verwerten  lassen  und  vor  allen  Dingen  genügen,  um 
die  zugeii'ihrte  mit  der  ausgeschiedeneu  Zellulose  zu  vergleichen.  Scheunert  ^>  ^)  fand  die 
Differenzen  in  den  Kontrollanalyseu  größer  als  bei  anderen  Methoden  und  führt  dies 
zurück  vor  allem  auf  die  Verwendung  des  HjO,,  welches  Zellulose,  zumal  bei  Gegen- 
wart von  Alkali,  in  der  Tat  stärker  anzugreifen  scheint  als  andere  Chemikalien.  Läßt 
man  aber  das  llfi^  weg,  so  begibt  man  sich  damit  des  Vorteils,  reine  Zellulose  zu 
bekommen.  Ich  würde  deshalb  lieber  eine  etwas  größere  Differenz  in  den  Resultaten 
der  Koutrollanalysen  vorziehen,  zumal  diese  Differenzen  bei  sorgfältigster  Herstellung 
ganz  gleichmäßiger  Verliältnisse  bei  Ausführung  der  Analysen  meiner  Erfahrung  nach 
nie  so  groß  werden  können,  um  das  Resultat  erheblich  zu  trüben.  Ich^)  habe  erst  in 
neuerer  Zeit  gelegentlich  eines  Hundeversuchs  wieder  gezeigt,  daß  sich  damit  doch  recht 
brauchbare  Analysen  ausführen  lassen.  Gelegentlich  allerdings  trifft  man  wohl  einmal 
Fälle  an,  in  denen  auch  in  zahlreichen  Analysen  keine  rechte  Übereinstimmung  zu  er- 
zielen ist.  Hier  spielt  offenbar  die  Beschaffenheit  des  Untersuchungsmaterials  eine  Rolle. 
In  solchen  Fällen  muß  man  sich  eben  mit  einem  Mittelwerte  aus  den  am  meisten  über- 
einstimmenden Analysen  zufrieden  geben.  Führt  man  aber  dabei  eine  genügend  große 
Anzahl  Analysen  aus,  so  ist  die  Fehlerbreite  dann  auch  keine  allzu  große.  Es  sind  also  die 
Scheunertschen  Bedenken  nicht  unberechtigt.  Die  Mängel  der  Methode  sind  aber  in  den 
geschilderten  eigenartigen  ^'erhältnissen  begründet  und  werden  sich  vorläufig  noch  nicht 
vermeiden  lassen.  Die  Einwände  Scheunerts  treffen  übrigens  jede  andere  Methode  eben- 
so, auch  z.  B.  die  weiter  unten  erwähnte  Zellulosemethode  von  Kö)iig.  Auf  den  Alkohol- 
zusatz logt  Scheunert  keinen  Wert.  Dies  ist  für  viele  Fälle  wohl  richtig,  wenn  keine 
Zellulose  in  Lösung  gegangen  ist.  Wo  aber  Zellulose  gelöst  ist,  muß  sie  durch  Alkohol- 
zusatz gefällt  werden,  sonst  würde  sie  mit  dem  Filtrate  zu  Verlust  gehen,  was  die 
Fehler  der  Methode  noch  mehr  vergrößern  würde.  Es  ist  deshalb,  da  man  nie  wissen 
kann,  ob  Zellulose  in  Lösung  geht,  in  jedem  Falle  angebracht,  den  Alkoholzusatz  zu 
verwenden. 


*)  Ä.  Scheunert  und  E.  Lötsch,  Vermag  der  Hund  Zellulose  oder  Rohfaser  zu  ver- 
dauen? Biochem.  Zeitschr.  Bd.  20.  H.  1  u.  2.  S.  10— 2L  1909. 

-)  A.  Scheunert  und  E.  Lötsch,  Über  die  quantitative  Zellulosebestimmung  mit 
Hilfe  der  Methoden  von  „Lange"  und  „Simon  und  Lohrisch".  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie. 
Bd.  65.  H.  3.  S.  219-231.  1910. 

^)  H.  Lohrisch,  Bemerkungen  zur  Frage  der  Zelluloseverdauung  beim  Hunde  und 
iiber  die  Methoden  der  quantitativen  Zellulosebestimmung.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie. 
Bd.  09.  H.  2.  S.  113—151.  1910. 


Methoden  zur  Untersuchiiug  der  inensrhlichon  FMzos.  •)m', 

Schcunert  und  Latsch^)  füluTu  unsere  Methode  in  foljronder  W»  ■- 
modifiziert  und  vereinfacht  aus : 

1—2  (/  fein  gemahlene  Substanz  wird  in  einem  Hec  lier^,'lase  mit 
100  rw 3  kaltem  Wasser  verrührt,  in  weiches  nach  und  nach  1()(»  y  Kali- 
staniien  einj^etrai^en  werden.  Nach  Lösuul;-  (h's  Kalis  wird  auf  (h-m  sie- 
denden AVasserhade  eine  Stunde  lan^'  erhitzt,  dann  <lurch  ein  },'ehartetes 
Schleicher-ScIiüU-VWtoY  al)fiitrieit  und  bis  zum  unj^efarbten  Ai>tlier.en  des 
Filtrats  mit  heiliem  Wasser  nachirewaschen.  hann  spritzt  iii.ni  (h-n  Kück- 
stand  vom  Filter  in  das  Becherf^las  zurück,  filtriert  durch  ein  ;,'ewo<^enes 
Filter  und  wäscht  mit  heißem  Wasser  nach  bis  zum  Verschwinden  di-r  al- 
kalischen Reaktion  des  Filtrats.  Hierauf  wä.scht  man  mit  :y\oV^i-r  heiücr 
Essitisäure  dreimal,  spült  abermals  mit  heij'.em  Wasser  nach  bis  zum  Ver- 
schwinden der  saureu  Keaktion,  wäscht  mit  Alkohol  und  Äther  und  trocknet. 
Der  Aschegehalt  ist  vom  Gewichte  abzuziehen. 

Bei  diesem  N'fifalircu  wird  die  Zellulose  natürlich  iiiciit  so  rein  erhalten  wie  lici 
Sinion-Lohrifich.  Iiiimerhiii  wird  mau  auch  hei  gleichmäßiger  Anwendung  dieses  Verfahrens 
vergleicliliaro  Resultate  erzielen  können. 

Erwähnt  sei  noch  das  Königsche^)  Verfahren  der  Zellulosedarstellunir, 
welches  ebenfalls,  trotz  Anwendung-  von  H.^O,,  gute  Resultate  geben  soll, 
aber  sehr  umständlich  und  langwierig  ist. 

Das  Verfahren  gestaltet  sich  zunächst  genau  so  wie  das  oben  ange- 
gebene Könif/ache  Rohfaserverfahren.  Es  wird  mit  (dyzerinschwefelsäure 
gekocht,  durch  den  Goor//-Tiegel  filtriert  und  der  Rückstand  mit  warmem 
Alkohol  und  Äther  gewaschen.  Nun  wird  der  Rückstand  mit  dem  Asl»e>t 
aus  dem  Tiegel  in  ein  etwa  800  cin'^  fassendes  llecherglas  gebracht  und 
mit  ca.  150  cin'^  chemisch  reinem  dreigewichtsprozentigen  H.J).,  und 
10  cm^  24''/oigem  Ammoniak  versetzt  und  ca.  12  Stunden  stehen  gelassen. 
Dann  werden  10  ciu'-^  liOVoiges  Wasserstoffsupero.xyd  zugesetzt,  der  Zusatz 
noch  einige  Male  wiederholt  und  auch  noch  einige  Male  5  cni^  24:Voiger  Am- 
moniak zugegeben,  bis  die  Masse  weili  geworden  ist.  Dann  erwärmt  man 
2  Stunden  im  Wasserbade  und  filtriert  wieder  durch  Asbest.  Der  gewaschene 
Rückstand  wird  samt  dem  Asbest  mit  7.")  cnt^  Kupfero.xydammtmiak  er- 
wärmt und  dann  durch  einen  G^oocÄ-Tiegel  filtriert.  Das  Filtrat  wird  mit 
300  cms  SOVoigem  Alkohol  versetzt  und  stark  gerührt.  Hierdurch  scheidet 
sich  die  Zellulose  in  großen  Flocken  (piantitativ  wieder  aus.  Sie  winl  auf 
dem  Filter  gesammelt,  gewogen  und  verascht. 

Von  größter  Wichtitrkeit  ist  es,  hei  der  Ausführung  Vdii  .\  us  n  ut  zu  ngs  vor- 
suchen, hei  denen  es  darauf  ankommt,  die  Menge  iler  eingeführten  mit  der  wieder 
ausgeschiedenen  Zellulose  zu  vergleichen,  darauf  zu  achten,  daß  zur  FOtteriinjf 
nicht  reine  Zellulosepräparate  henutzt  worden,  die  mit  einer  »ler  ge- 
nannten Zellulosemethodon  hergestellt  worden  sinii.   Srli,  um  rt")  neigt*:  luim- 


')  A.  Schcunrrf  und  I'J.  JJifsrh,  \ermag  der  Hund  Ztdluhtse  oder  Hohfaser  zu 
verdauen?  Biochem.  Zeitschr.  Bd.  20.  H.  1  u.  2.  S.  18-10.  lUit'.». 

2)  .7.  Könifi,  Die  Ztdlmemhran  und  ilire  Bestandteile  in  cIk  iiiiM-lier  und  piivhio- 
logischer  Hinsicht.  Landwirtschaftliche   Versuchsstationen.  Bil.  <).">    S   .'-."i      lld    l'.H>fi. 

«)  A.  Sciuumrt  und  E.  LiU.srh,  I.  c.  S.  10—21. 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemischen  Arlii«it<methoden.  V.  2.» 


386  H.  Lohrisch. 

lieh,  daß  Zellulose,  die  mit  einer  der  obigen  Methoden  dargestellt  ist,  bei  nochmaliger 
Behandlung  mit  der  gleichen  Methode  ziemlich  beträchtliche  Substanzverluste  erleidet. 
Es  kann  also,  wenn  eine  künstlich  dargestellte  verfütterte  Reinzellulose  im  Kote  noch- 
mals in  der  gleichen  Weise  behandelt  wird,  ein  Zelluloseverlust  im  Kote  vorgetäuscht 
werden,  der  dann  fälschliclierweise  als  verdaute  Zellulose  gebucht  wird.  Als  Material 
für  Zellulosefütterungen  dürfen  danach  nur  natürliche  Pflanzenpräparate  (getrocknetes 
fein  gemahlenes  Weißkraut')  u.a.)  benutzt  werden,  deren  Zellulosegehalt  durch  eine 
der  Methoden  bestimmt  werden  muß.  Selbstverständlich  muß  zur  Bestimmung  der  Zellulose 
im  Fütterungsmaterial  und  in  den  Fäzes  immer  dieselbe  Methode  angewendet  werden. 

Nachweis  von  Umsetzungsprodukten  der  Kohlehydrate  und 

Zellulose. 

Flüchtige  Fettsäuren. 

Die  flüchtigen  Fettsäuren  (Ameisensäure,  Essigsäure,  Buttersäure, 
Propionsäure)  erhält  man  durch  Destillation.  Hoppe- Seyler'^)  geht  so  vor,  daß 
die  Fäzes  zunächst  mit  Alkohol  extrahiert ,  filtriert,  das  Filtrat  mit  kohlen- 
saurem Natron  neutraUsiert,  zur  Trockene  eingedampft,  der  Rückstand  in 
Wasser  gelöst,  mit  verdünnter  Schwefelsäure  angesäuert  und  destilliert  wird. 

Nach  Hecht  ^'  *)  ist  einfacher  folgendes  Verfahren :  50  (j  feuchte  ge- 
wogene Fäzes  werden  mit  8  l  Wasser  in  einen  großen  Piundkolben  ge- 
spült und  mit  20  ern^  konzentrierter  Orthophosphorsäurelösung  von  Syrups- 
konsistenz  versetzt.  Nun  wird  mittelst  einer  großen  Kupferblase  eine  leb- 
hafte Wasserdampfdestillation  vorgenommen  und  das  erste  Liter  und  dann 

die  folgenden  8  Liter  gesondert  mit  -^-Normallauge    auf    ihren    Säuregehalt 

titriert. 

Die  überdestillierten  flüchtigen  Fettsäuren  können  durch  folgende 
chemischen  und  mikrochemischen  Pieaktionen  identifiziert  werden:  Ein  Teil 
des  ersten  abdestilherten  Liters  wird  mit  Natronlauge  fast  neutralisiert 
und  schwachsauer  eingedampft.  Nachdem  die  Flüssigkeit  auf  kaum  1  cm^ 
eingeengt  ist,  wird  kalt  filtriert  und  das  Filtrat  mit  Zerituitrat  versetzt. 
Ein  Tropfen  davon  auf  den  Objektträger  gebracht,  läßt  besonders  nach 
leichtem  Anwärmen  charakteristische  radialfaserige  Aggregate  mit  nega- 
tivem Brewster^Qh^:R  Polarisationskreuz  erkennen,  wodurch  A  m  e  i  s  e  n  s  ä  u  r  e 
nachgewiesen  wird.  Ameisensäure  gibt  ferner  mit  neutralem  Eisenchlorid 
bei  neutraler  Reaktion  eine  Dunkelrotfärbimg  der  Lösung  und  beim  Kochen 
einen  gelben  Niederschlag. 

Das  übrige  Destillat  wird  mit  Kalkmilch  abgestumpft  und  gleich- 
falls schwachsauer  eingedampft.    Die   konzentrierte  Lösung   der   Kalksalze 


*)  H.  Lohrisch,  Bemerkungen  zur  Frage  der  Zelluloseverdauung  beim  Hunde  und 
über  die  Methoden  der  quantitativen  Zellulosebestimmung.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie. 
Bd.  69.  H.  2.  S.  144.  1910. 

^)  Zit.  nach  Ad.  Hecht,  Die  Fäzes  des  Säuglings  und  des  Kindes.  S.  111  — 112. 
Berlin  und  Wien  1910. 

'')  Ad.  Hecht,  1.  c.  S.  112—113. 

*)  Ad.  Hecht ,  Das  Verhalten  der  Fettsäurebildung  im  Darminhalt  des  Säuglings. 
Münchener  med.  Wochenschr.  1910.  Nr.  2.  S.  63— G7. 


Methoden  zur  Untersuchung  der  mcnsclilicheu  Fiizes.  j^mT 

wird    wieder    kalt    filtriert    und    (lar.iiifhiii    werden    folt^NMidc    Proben    au- 
gestellt: 

Ein  Tropfen  wird  mit  etwas  Iranx Initrat.  Nairiiiiuiuniuat  nnd 
Ameisensäure  versetzt.  Ks  selieiden  sich  liesonders  nach  leichteni  j-lnv.in; 
und  raschem  Abkühlen  scliöiu'  nicht  polarisierende  Tetraeder  und  Okta.  i=  . 
von  Uranylazetat  aus,  was  für  Essigsäure  beweisend  ist.  Hssigsiiine  ;.Mbt 
mit  neutralem  Eisenchlorid  dieselbe  Reaktion  wie  AmeisensiUire.  Heim  Er- 
wärmen mit  einem  (lemisch  gleicher  Volumina  konzentrierter  H.,S(»^  und 
Alkohol  tritt  der  charakteristische  Essigsäureäthylestergeruch  auf. 

Eine  andere  Probe  wird  mit  Raryumazetat  versetzt.  Es  erscheinen 
Pseudooktaeder,  die  im  polarisierten  Licht  als  dojipeltbrechend  un<l 
DurchwachsungszwiUinge  erkannt  werden.  Hierdurch  wird  die  Pr(>pi((n- 
säure  erkannt. 

Der  Rest  der  Kalksalzlösung  wird  mit  Kupfernitrat  versetzt,  worauf  die 
Kupfersalze  der  Propionsäure,  der  Buttersäure  und  der  Valerian- 
säure  in  meist  sehr  charakteristischen  Formen  (besonders  die  Valeriaii- 
säurekristalle)  auskristallisieren.  Die  Buttersäurekristalle  sind  an  der  cli.i- 
rakteristischen  Schwalbenschwanzzwillingsform  zu  erkennen. 

Milclisäiire. 

Der  nach  der  Entfernung  der  flüclitigeu  Fettsäuren  zni-iickbli-ibende 
Destillationsrückstand  kann  nach  Sfrasl'Utyer^)  in  folgemier  Weise  ztn- 
quantitativen  Bestimmung  von  Müchsäure  verwendet  werden:  Der  Destil- 
lationsrückstand wird  mit  Wasser  verdünnt,  mit  Baryt  ausgefällt,  filtriert 
und  nachgewaschen.  Das  Filtrat  wird  durch  CO.^  von  überschüssigem 
Baryt  befreit,  bei  mäßiger  Temperatur  (nicht  über  70" C')  eingeenirt  und 
dreimal  mit  der  lOfachen  Menge  Alcohol  absol.  ausgezogen.  Nach  \'erdnn- 
sten  des  Alkohols  versetzt  man  den  Rückstand  mit  der  gleichen  MenL'e 
Phosphorsäure  und  schüttelt  mit  der  iDfachen  Menge  Äther  ca.  fünfmal 
aus.  Da  etwas  Phosphorsäure  mitgerissen  resp.  gelöst  wird,  so  sucht  man 
durch  Dekantieren  sowie  Verdunsten  des  Äthers  und  nochmaliges  LöstMi 
in  diesem  die  Phosphorsäure  zu  entfernen.  Nunmehr  wird  der  Äther  ver- 
trieben, der  Rückstand —  Milchsäure  in  Wasser  gelöst  nnd  die  .Menge  durch 
Titration  bestimmt. 

Der  (jualitative  Na(diweis  der  Milchsäure  in  dem  zur  .Vusschütteluni: 
benutzten  Äther  geschieht  so,  dall  man  im  Reagenzglase  zu  .')  <-;//^  des 
Äthers  2  Tropfen  einer  10"/oi&e'>  Eisenchloridlösung  zu.setzt .  worauf  die 
bekannte  gelbgrüne  bis  intensiv  grüne  Färbung  des  Äthers  din-ch  Bildung 
von  milchsaurem  Eisen  eintritt.  Statt  der  Fisenchloridlösuni:  kann  auch 
das  Uffelmaniische  Reagens  (H  Tropfen  Kisenchloridlösung:  ÜO  cm»  l^/oiper 
Karbolsäurelösung)  genommen  werden.  Die  amethystblaue  Farbe  des  Re- 
agens wird  durch  Milchsäure  in /eisiggelb  oder  (ielbtrriin  verwandelt. 

*)  A(L  Schmidt   und  .7.  Slruahutyir,     Die   Fäzes  des   M.i,x,1i,mi   im   iionnil.'ii    und 
Jiraukhaften  Zustande.  2.  Auflage.  S.  202.  Berlin  llHJö. 

9ji» 


388  H.  Lohrisch, 

Nachweis  von  Gallenbestandteilen. 
Galleiisäuren. 

Die  Gallensiiurcn  (Glykochol-  uiul  Taurocholsäure)  erscheinen  unverändert  nur 
unter  pathologischen  Verhältnissen  (starke  Durchfälle,  mangelhafte  Reduktionsprozesse) 
in  den  menschlichen  Fäzes  "wieder.  Unter  normalen  Umständen  wird  der  größere  Teil 
der  Säuren  im  unteren  Dickdarm  resorbiert,  der  kleinere  Teil  im  Dickdarm  unter  dem 
f^influsse  der  Fäulnis  gespalten  in  Glykochol,  Taurin  und  Cholalsäure.  Es  ist  also,  um 
Gallensäure  nachzuweisen,  unter  normalen  Verhältnissen  insbesondere  auf  Cholalsäure 
zu  fahnden. 

Um  die  Cholalsäure  rein  darzustellen,  ist  es  nötig,  sie  zu  isolieren 
durch  Extraktion  der  P'äzes  mit  Alkohol  und  Entfernung  der  Fettkörper 
aus  dem  alkoholischen  Extrakte  durch  Fällung  mit  Barvtlösung.  Hoppc- 
Seijler'^)  verfährt  in  folgender  Weise:  Man  extrahiert  die  J'äzes  mit  Alkohol, 
filtriert,  dampft  unter  Zusatz  von  etwas  Essigsäure  auf  dem  Wasserbade 
zum  Syrup  ein  und  zieht  den  Rückstand  mit  kaltem  W^asser  aus.  Das  Un- 
gelöste wird  mit  Barytwasser  übergössen  und  nach  Zufügen  von  etwas 
Wasser  erwärmt.  Man  leitet  jetzt  Kohlensäure  bis  zur  neutralen  Reaktion 
ein,  erhitzt  zum  Sieden,  filtriert  heiß,  erschöpft  den  Rückstand  durch 
Auskochen  mit  heißem  Wasser  und  dampft  die  vereinigten  heiß  filtrierten 
Auszüge  auf  ein  kleines  Volumen  ein.  Nach  dem  Erkalten  wird  etwas  Äther 
und  dann  Salzsäure  zugefügt,  gut  umgerührt  und  eine  Zeitlang  stehen 
gelassen,  wobei  der  Äther  verdunsten  kann.  Man  filtriert  die  ausgeschiedene 
Cholalsäure  ab,  wäscht  mit  Wasser,  löst  in  Alkohol,  dampft  die  alkoholische, 
nötigenfalls  mit  Tierkohle  entfärbte  Lösung  auf  ein  kleines  Volumen  ein 
und  läßt  zur  Kristallisation  stehen.  Die  ausgeschiedenen  Kristalle  werden 
mit  Hilfe  der  Pettenkoferschen  Reaktion  auf  Cholalsäure  geprüft. 

Pettenko/ersche  Probe.  Fügt  man  zu  einer  etwas  Cholalsäure  ent- 
haltenden wässerigen  Flüssigkeit  im  Reagenzglas  etwas  Rohrzucker  und  dann 
allmählich  tropfenweise  unter  Umschütteln  konzentrierte  H.,  SO^ ,  indem 
man  durch  Erwärmen  oder  Abkühlen  in  kaltem  Wasser  die  Temperatur 
auf  etwa  70"  erhält,  so  tritt,  wenn  die  zunächst  gefällte  Cholalsäure  durch 
den  w^eiteren  Zusatz  der  Schwefelsäure  wieder  gelöst  ist  und  noch  weitere 
Schwefelsäure  zugesetzt  wird,  eine  zuerst  kirschrote,  dann  prachtvoll 
purpurrote  Färbung  der  Flüssigkeit  ein,  die  sich  im  Verlaufe  von  8  Tagen 
unter  allmählichem  Dunklerwerden  in  eine  blaurote  Farbe  umwandelt. 
Diese  Reaktion  beruht  auf  der  Einwirkung  des  Furfurols,  welches  aus  dem 
Zucker  durch  Schwefelsäure  gebildet  wird.  Die  purpurrote  Lösung  zeigt, 
hierzu  am  besten  mit  Alkohol  verdünnt,  einen  Absorptionsstreifen  rechts 
von  />,  einen  zweiten  bei  E.  Anwesenheit  von  Eiweißstoffen,  viel  Farb- 
stoffen oder  oxydierenden  Substanzen   kann   die  Reaktion  beeinträchtigen. 

Der  Xachweis  der  gepaarten  Gallensäuren  und  der  Cholal- 
säure geschieht  nach  Hoppe-Sei/ler  folgendermaßen:  Man  extrahiert  die 
Fäzes  mit  Alkohol,  filtriert,  entfernt  den  größten  Teil  des  Alkohols  durch 

')  Zitiert  nach  Äd.  Schmidt  und  J.  Strctfthuryer ,  Die  Fäzes  des  Menschen  im 
normalen  und  krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  218.  Berlin  1905. 


Methodeu  zur  Untersucliung  der  incusi-liliclieii  Filzes.  h«ij 

Kindanipfen,  macht  mit  Salzsäure  sauer,  dann  mit  Barvtwasser  stark 
alkalisch,  leitet  CO.,  ein,  erhitzt  zum  Kochen,  filtriert  heil',  nml  kocht  den 
Ivückstand  noch  mehrmals  mit  Wasser  aus.  Die  vereini.^tcn  Kiltrate  werden 
auf  ein  kleines  Volumen  ei uticd, impft.  Reim  Krkaltcn  scheidet  sich  cholal- 
saurer  Baryt  ah,  während  .iilykocholsaurer  und  taurochdlsaurer  I'>ar>t  in 
Lösung  bleiben.  Der  cliolalsaure  l'.aryt  wird  durch  Deliandeln  mit  Salz- 
säure, wie  oben  ano-egeben,  in  Cholalsäure  überfidirf.  Zur  weiteren  Tren- 
nung der  Glykocholsäure  von  der  Taurocholsäure  dient  das  verschiedene 
Verhalten  dieser  Säuren  gegen  Bleizuckerlösung,  (llykocholsäure  und  Cholal- 
säure werden  durch  Bleizucker  gefällt,  während  dabei  nur  sehr  geringe 
Mengen  Taurocholsäure  mitgerissen  werden,  wenn  die  Flüssigkeit  nicht 
stark  alkalisch  ist.  Nach  der  Ausfällung  dieser  Säuren  kann  die  Taurochol- 
säure durch  Bleiessig  und  etwas  Ammoniak  gefällt  werden.  Cber  die  ver- 
schiedenen Methoden  zur  Identifizierung  der  S;iui-en  außer  der  Pcttcn- 
kof ersehen  Reaktion  vgl.  Hoppe- Sc f/1  er. ' ) 

Die  Cholalsäure  geht  auch  in  das  Ätherextrakt  der  Fäzes  mit  über. 
Wenn  man  den  vom  Cholestearin  befreiten  getrockneten  Kückstand  des 
Gesamtätherextraktes  (vgl.  S.  o68)mit  Barytwasser  unter  Erwärmen  schüttelt, 
so  kommt  es  zur  Bildung  von  Pjarytseifen  und  cholalsaurem  Baryt.  Die 
Seife  wird  abfiltriert  und  mit  heißem  Wasser  gewaschen.  Der  cholalsäure 
Baryt  geht  ins  Waschwasser  über  und  kann  wie  oben  weiter  verarbeitet 
werden. 

Nach  Uri/  2)  werden  die  gepaarten  Gallensäuren  und  die  Cholalsäure 
in  folgender  Weise  nachgewiesen :  Mau  extrahiert  die  Fäzes  mit  Alkohol, 
filtriert,  engt  auf  ein  geringes  Flüssigkeitsquautum  ein,  säuert  mit  HCl 
an,  macht  mit  Barytwasser  stark  alkali.sch,  leitet  CO.,  ein  und  erhitzt 
zum  Kochen.  Es  wird  heiß  filtriert  und  der  Bückstaud  mehrere  Male  mit 
Wasser  ausgekocht.  Hierauf  werden  die  Filtrate  vereinigt,  eingedampft 
und  der  Kückstand,  um  etwa  gepaart  anwesende  (i aliensäuren  zu  veiseifen, 
mit  2b cm^  3H%iger  Natronlauge  8  Stunden  gekocht,  indem  das  Wasser 
immer  wieder  durch  heißes  ersetzt  wird.  Dann  säuert  man  mit  Schwefel- 
säure an,  schüttelt  mit  Äther  aus  und  löst  den  Ätherrückstand  in  wenig 
verdünnter  Natronlauge  und  prüft  auf  Cholalsäure  mittelst  der  I'rftrn- 
^q/erschen  Probe.  Die  Botfärbung  allein  genügt  nicht ;  man  gießt  daher 
die  Lösung  in  Eisessig  und  sieht  nun,  ob  die  Fliissiirkeit  rot  gefärbt  ist 
und  das  charakteristische  Spektrum  zeigt. 

Gallenrarljstoft'e. 

Die  Farbstoffe  der  Galle,  die  in  den  Darm  crjrosspii  wird,  werden  ziim  größeren 
Teil  im  Urin  und  in  den  Fäzps  ausgeschieden.  lU>r  Ilauptantoil  der  ausgeschiediMioii 
Gallenfarbstoffc    kommt    auf    die    Fäzes.    Drr  normale    Fazesfarlistoff    ist  Hvdroliili- 


*)  F.  Hoppe-Sci/ler  und  //.  Thirrfeldcr,  Hainllnicli  der  pliysiologiscli-  und  paflio- 
logisch-chemischen  Analyse.  VII.  Aufl.  Berlin  l'.)03. 

*)  Zitiert  nach  Ad.  ffrchf.  Die  Fäzes  des  Sänglintfs  und  des  Kimlis  .'^.  HJj  liciini 
und   Wien  lUlÜ. 


390  ^-  Lohrisch. 

ruliin,    entstanden  durch  Reduktion    des  Bilirubins,     die    im    Blinddarm    und    oberen 
Teile  des  Dickdarms  staltfindet. 

Früher  nahm  man  an.  daß  das  Hydrobilir  ubin  der  Fäzes  und  das  Uro bil in  des 
Harns  identisch  seien.  Jetzt  wissen  wir,  daß  das  nicht  der  Fall  ist,  denn  Hydrobilirubin 
enthält  nach  Mahf  9-45Vo  N,  das  Urobiliu  \\Vic\\  Garrod  und  HopUns  4117o  N.  Neuer- 
dings hat  Fromholdt  >)  noch  ein  hydrobilirubinartiges  Pigment  dargestellt  mit  ö'OSVo  ^• 
Nach  Fromholdt  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  daß  die  Zahl  dieser  Körper  sich  noch 
vermehren  läßt,  und  er  hält  es  deshalb  für  richtiger,  von  einer  Hydrobilirubiugruppe  zu 
sprechen,  in  die  die  genannten  Pigmente  und  eventuell  auch  noch  andere  hineingehören, 
die  in  ihren  spektralen  Eigenschaften  gleich,  in  ihrem  N-Gehalte  aber  verschieden  sind. 

Hydrobilirubin. 

Qualitativer  Xach weis.  Die  einfachste  Methode  ist  die  Sublimat- 
probe von  Äd.  Schmidt.^)  Diese  wird  so  ausgeführt,  daß  man  von  den 
möglichst  frischen  Fäzes  ein  etwa  hasel-  bis  walnußgroßes  Stück  im  Morser 
mit  einer  nicht  zu  kleinen  Menge  konzentrierter  wässeriger  Sublimatlösung 
(Sublimat  25-0,  Na  Cl  2*5,  Aqua  dest.  500-0)  fein  verreibt  und  das  Gemisch 
in  einem  zugedeckten  Petrischälchen  bis  24  Stunden  stehen  läßt.  Es  färben 
sich  dann  sehr  schnell  alle  hvdrobilirubinhaltigen  Teilchen  intensiv  ziegel- 
rot infolge  von  Bildung  des  leuchtend  roten,  gelb  fluoreszierenden  Queck- 
silberchlorid-Hydrobilirubins ,  so  daß  die  ganze  Stuhlmenge  diese  Farbe  an- 
nimmt. Am  schönsten  kommt  die  Farbe  an  ganz  frischen  Fäzes  heraus. 
Kot,  der  längere  Zeit  gestanden  hat,  gibt  rotbraune  bis  schmutzigbraune 
Farbe. 

Eine  weitere  qualitative  Probe  besteht  im  Nachweis  der  Fluores- 
zenz des  Hydrobilirubins: 

10cm3  wässerigen  geklärten  (Kieseiguhr)  Fäzesextraktes  werden  mit 
10  cm  3  alkoholischer  Zinkazetatlösung  (lOVoige  Zinkazetatlösung  in  abso- 
lutem Alkohol)  im  Reagenzglas  vermischt  und  umgeschwenkt.  Ein  etwa 
entstehender  Niederschlag  wird  abfiltriert.  Im  Filtrat  Fluoreszenz. 

Oder  3):  Eine  kleine  ^lenge  Kot  wird  im  Reagenzglas  mit  saurem  xVlkohol 
Übergossen  und  eine  Zeitlang  stehen  gelassen.  Wenn  Gelb-  oder  Braun- 
färbung des  Alkohols  aufgetreten  ist,  wird  derselbe  abgegossen  und  mit 
ein  paar  Tropfen  Ammoniak  und  Chlorzinklösung  versetzt.  Oder  man  ver- 
setzt ein  mit  ammoniakhaltigem  Wasser  hergestelltes  und  filtriertes  Fäzes- 
extrakt mit  Chlorzink.  Es  entsteht  ein  dunkelroter  Niederschlag,  welcher 
auf  ein  Filter  gebracht  und  mit  ammoniakhaltigem  Alkohol  ausgezogen 
wird.  Es  tritt  dann  sehr  schön  die  Fluoreszenz  auf.  ferner  kann  man  das 
Hydrobilirubin  in  dieser  Lösung  an  seinem  charakteristischen  Spektrum 
erkennen:  das  alkalische  Hydrobilirubin  hat  zwischen  h  und  F,  näher  an 
h  gelegen ,  einen  Absorptionsstreifen ;  beim  Ansäuern  der  Lösung  rückt  der 
Streifen  nach  F  zu. 


1)  G.  Fromholdt ,  Beiträge  zur  Urobilinfrage.  Zeitschr.  f.  exp.  Path.  u.  Therapie 
7.  Bd.  H.  3.  S.  717.  1910. 

-)  Ad.  Schmidt  und  .7.  Strashurger ,  Die  Fäzes  dos  Menschen  im  normalen  und 
krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  220—221.  Berlin  1905. 

"j  Zitiert  nach  Ad.  Schmidt  und  J.  Strashurger ,  1.  c.  S.  221. 


Mcthndpii  zur  UiitorsiiclmiiL''  der  iiioii<cliliclifii   Fäzes.  -u\t 

Lcukohydrobiliriihiii  wird  in  dem  saiiroii  iilkdliolisclicn  Kxtrakt 
bei  Zusatz  von  C'Iilor/iiik  und  Ammoniak  odci-  aiicli  dnrrli  i  j  Tropfen 
Jodtinktur  sehr  leicht  in  Ilydrohiliruhiii  unij^n'wandeit. 

Oder'):  ?> — 4<7  Stuhl  werden  mit  :\Ovni'^  Amvlalkohol  verrieben  nnd 
im  Filtrat  das  charakteristische  Spektrum  das  Ilydrobilirubins  anf^rcsnciif. 

Zu  diesen  rroben  können  auch  getrocknete  Fiizcs  verwendet  werden. 

Die  i)ekannten  tont'arbiiien  Fett  stuhle  kommen  beim  .Menschen 
im  allgemeinen  dann  zur  Ucobachtuny,  wenn  der  (Jallezuthib  zinn  I»arm 
abgeschnitten  ist.  Hier  ist  der  Mangel  an  iiydrobilirnbin  mittelst  (h-r 
Sublimatprobe  ohne  weiteres  zu  erkennen.  Es  gibt  in  seltenen  Fähen  aber 
auch  acholische  Stühle  bei  erhaltenem  (iaileznnuli  in  den  I>arm.  liei 
denen  die  weiße  Farbe  lediglich  durch  den  Fettgehalt  bedingt  ist.  Solche 
Stühle  werden,  wenn  man  sie  mit  Äther  entfettet,  wieder  iu-aun :  lerner 
klärt  die  SubUmatprobe  auf.  Weiter  können  diese  acholischen  Sfühle  aber 
auch  dadurch  bedingt  sein,  daß  das  Bilirubin  durch  eine  zu  weit  geheii(h' 
Reduktion  zu  Leukohydrobilirubin  umgewandelt  worden  ist.  In  diesem  Falle 
wird  der  Stuhl,  wenn  man  ihn  an  der  Luft  stehen  lidit.  an  der  Ober- 
fläche durch  Oxydation  wieder  braun.  Die  Sublimatprobe  gibt  mit  Leuko- 
hydrobilirubin ebenfalls  schöne  llotfärbung. 

Quantitativer  Nachweis.  Die  Methoden  zum  ([uantitativen  Nach- 
weis des  Hydrobilirubins  sind  schwierig  ausznführen  und  sind  nicht  als 
ganz  exakt  zu  bezeichnen,  da  das  Hydrobilirubin  ein  leicht  veränderlicher 
Körper  ist.  Sie  liefern,  wie  schon  oben  (Fromholdt)  erwähnt,  nicht  imnu'r 
gleichmäßig  zusammengesetzte  Pigmente  (N),  während  die  optischen  pjgen- 
schaften  der  Pigmente  übereinstimmen.  Es  ist  deshalb  eigentlich  nöti^^  in 
den  dargestellten  Pigmenten  immer  den  N-Gehalt  zu  bestinnnen.  Alle  .Me- 
thoden stützen  sich  auf  die  von  Friedrich  Midier  ursprün^dich  angege- 
bene Methode  zur  Darstellung  des  Uroliilins  aus  dem  Hai-n.  Das  Ver- 
fahren von  Müller-)  wird  in  folgender  Weise  ausgeführt,  wobei  einiire 
kleine  Modifikationen  von   Tsuchiija-BriKjsrh^)  berücksitditiüt  sind: 

Eine  gewogene  Menge  des  frischen  oder  trockenen  pulverisierten 
Kotes  wird  mit  Wasser  verdünnt  und  mit  heißer  Barytmischung  (1  Vol. 
gesättigte  Chlorbaryumlösung -j- r^Vol.  gesättigte  BarythydratlösuuLr)  ver- 
rieben, aufgekocht,  filtriert  und  der  Filterrückstand  noch  mehrmals  mit 
heißer  Barytmischung  und  Wasser  gewaschen,  wodurch  das  Ilydrobiliinlün 
dem  Niederschlag  bis  auf  einen  kleinen  Best  entzogen  wird.  Dann  wird 
im  Filtrat  das  überschüssige  Baryt  durch  konzentrierte  Natriumsidt'atlösiini; 
entfernt,  mit  Schwefelsäure  nahezu  neutralisiert,  filtriert  uud  das  Filtrat 
mit  feingepulvertem  Ammoniumsulfat  (etwa  »/j — V,  \  ol.  der  Lösunu-)  ver- 


')  Zitiert  nach  Äd.  Hecht,  Die  Ftizes  des  Süngliniufs  und  lics  Kindes.  S.  \ÜA). 
Berlin  und  Wien  1910. 

^)  Zitiert  nacli  Ad.  Scluuidf  nnd  ./.  S/nislnirt/cr,  Die  Füzos  dos  Mensrlion  im 
normalen  und  krankhaften  Zustande.  2.  Aufl.  S.  222—223.  Berlin  IWO'o. 

■')  ./.  'J'f!iirhii/a  (mitLreteilt  von  77i.  lirtnisrh).  IJcitriiire  zin-  Krasro  der  I  r<iliiliiiaii>- 
scheidnmr.  Zeitsriir.  f.  oxperini.  I'atind.  n.  TiuMapii".   Bd.  7.   H.  1     S.  X^I     :^<'.)    l'iin 


392  H.  Lohrisch. 

setzt  und  unter  häufigem  Umrühren  und  Schütteln  24  Stunden  stehen  ge- 
lassen. Enthält  die  Lösung  dann  bei  der  spektroskopischen  Untersuchung 
noch  Hydrobilirubin,  so  wird  das  Aussalzen  mit  Ammoniumsulfat  wieder- 
holt. Andernfalls  wird  filtriert.  Durch  Schwenken  des  Gefäßes  mit  dem 
rückständigen  Salze  läßt  sich  an  der  Wand  haftender  Farbstoff  leicht  ab- 
lösen. Dann  spült  man  Salz  und  Gefäß  mit  dem  Filtrat  auch  auf  das 
Filter  aus  und  wäscht  das  Filter  zuletzt  mit  gesättigter  Ammoniumsulfat- 
lösung. Wenn  das  Filter  mit  dem  Niederschlage  oberflächlich  lufttrocken 
geworden  ist,  wird  es  in  einem  Kolben  mit  aufgesetztem  Kühlrohr  nach 
Zusatz  von  verdünnter  Schwefelsäure  mit  einer  Mischung  von  1  Teil  Äther 
und  2  Teilen  Alkohol  in  der  Wärme  ausgezogen.  Das  Hydrobilirubin  löst 
sich  in  dem  schwefelsauren  Ätheralkohol.  Ein  dreimaliges  Extrahieren  ist 
gewöhnlich  genügend.  Die  Lösung  wird  nun  klar  abfiltriert  und  der  Rück- 
stand wiederholt  mit  schwefelsäurehaltigem  Alkohol  ausgewaschen.  Wenn 
die  ätherisch-alkohohsche  Lösung  stark  verdünnt  ist,  so  wird  sie  auf  dem 
heißen  Wasserbade  mittelst  des  Luftgebläses  eingeengt,  um  ihr  eine  gewisse 
Konzentration  zu  geben.  Das  Volumen  der  Lösung  wird  dann  genau  ge- 
messen und  auf  seinen  P^arbstoffgehalt  untersucht. 

Tsuchiya-Brugsch  empfehlen  zur  quantitativen  Bestimmung  des  Hy- 
drobilirubins  in  der  Lösung  als  exakteste  Methode  die  spektrophoto- 
metrische  Bestimmung  mit  dem /vöm^-3far^ew5schen  Spektralphoto- 
meter. Eine  genaue  Beschreibung  dieser  Methodik  siehe  bei  Tsuchiya- 
Brugsch.  1 ) 

Es  kann  auch  gewichtsanalytisch  bestimmt  werden  so,  daß  man  in 
der  Farbstofflösuug  Chloroform  auflöst  und  die  Mischung  in  einem  Scheide- 
trichter mit  etwa  dem  doppelten  Volumen  Wasser  schüttelt.  Das  Chloro- 
form nimmt  den  Farbstoff  auf,  setzt  sich  nach  einiger  Zeit  ab  und  kann 
abgelassen  werden.  Nach  dem  Verdunsten  desselben  bleibt  der  Farbstoff 
zurück,  welcher  getrocknet  und  gewogen  wird. 

Will  man  aus  der  ätherisch-alkoholischen  Lösung  das  Hydrobilirubin 
in  wässeriger  Lösung  haben,  so  führt  man  nach  Tsuchiya-Brugsch'^)  das 
Hydrobihrubin  wie  vorstehend  in  Chloroform  über,  läßt  das  Chloroform  aus 
dem  Scheidetrichter  ab  und  wäscht  es  in  dem  doppelten  Volumen  Wasser. 
Dem  Chloroform  läßt  sich  das  Urobilin  durch  langsames  Schütteln  mit 
schwach  Ammoniak  enthaltendem  Wasser  entziehen,  wobei  zu  beobachten 
ist,  daß  bei  Gegenwart  von  viel  Ammoniak  leicht  eine  sich  nur  sehr  lang- 
sam in  ihre  Bestandteile  scheidende  Emulsion  entsteht. 

Fromholdt  ^)  macht  darauf  aufmerksam,  daß  bei  der  Hydrobilirubin- 
darstellung  möglichste  Schonung  des  leicht  veränderlichen  Farbstoffes  ge- 


M  J-  Tsiichiija  (mitgeteilt  von  Th.  Brugsch),  Beiträge  zur  Frage  der  Urobilinaus- 
scheidung.  Zeitschr.  f.  experim.  Pathol.  u.  Therapie.  Bd.  7.  H.  1.  S.  353—357.  1910. 

-)  J.  Tsuchii/a  (mitgeteilt  von   Th.  Bnigsch),  1.  c.   S.  359. 

')  G.  Fromholdt,  Beiträge  zur  Urobilinfrage,  Zeitschr.  f.  experim.  Pathol.  u.  The- 
rapie. Bd.  7,  H.  3.  S.  716-717.  1910. 


Methotlen  zur  riitcrsucliuiiL^  dor  in«Mi.srhlii*h(Mi   Fiizps  -'»r; 

boten  erscheint,  ^veshall)  besonders  starkes  Erwärmen  vermieden  werden 
soll.  Nach  seinen  Ani^al)en,  die  für  das  Urobilin  des  Urins  ;.n'macht  sind, 
würde  man  für  die  Fäzes  so  vorzugehen  haben,  dati  man  eine  bestimmte 
Menge  Fäzes  mit  salzsaiirem  Wasser  fein  verreibt  und  extrahiert  und  das 
Extrahieren  solange  fortsetzt,  bis  man  sicher  ist,  dali  alles  Ilydroliilirubin 
aus  den  Fäzes  entfernt  ist.  Das  klar  filtrierte  P'äzesextrakt.  welches  even- 
tuell eingeengt  wird,  wird  dann  zum  Aussalzen  des  Hydrobilirubins  mit 
Ammoniumsulfat  versetzt.  Hierauf  Filtrieren.  Lösen  des  Niederschlags  mit 
mögüchst  wenig  Natronlauge  in  Wasser.  Filtrieren,  behandeln  des  Filtrats 
mit  der  obigen  Barytmischung,  solange  noch  ein  Niederschlag  entsteht. 
Filtrieren.  Befreiung  des  Filtrats  vom  überschüssigen  Baryt  mit  Natriiun- 
phosphat  und  etwas  Natriumsulfat.  Filtrieren  (Abnutschen).  Ansäuern  des 
Filtrats  mit  Salzsäure  und  Aussalzen  mit  Ammoniumsulfat.  Filtrieren. 
Trocknen  des  abfiltrierten  Niederschlags  im  Vakuum  über  Kal/iumchlorid. 
Extraktion  des  trockenen  Niederschlages  mit  Chloroformalkohol  (:)0:1). 
Filtrieren.  Fällen  des  Hydrobilirubins  aus  dem  im  \'akuum  eingeengten 
Extrakt  mit  Petroläther. 

V.  Moraczewshi^)  verfährt  zum  ([uantitativen  Ilydrobilirubiniiachwels 
einfacher  so,  daß  er  einen  sauren  alkoholischen  Fäzesauszug  im  Spektro- 
photometer  untersucht.  Die  Absorptionsstreifen  für  saures  Hydrobilirubin 
sind  so  charakteristisch,  und  es  braucht  der  alkoholische  Auszug  eine  so 
große  Verdünnung,  daß  dal)ei  die  anderen  Kotfarbstoffe  nicht  in  Frage 
kommen. 

Außer  dem  schon  erwähnten  Apparat  von  KönKj-Martem  können  be- 
nutzt   werden   die  Spektrophotometer  von   Vierordt,  Hiifnrr  oder  GUni.  -) 

Bilirubin. 

Qualitativer  Nachweis:  Hierzu  wird  die  Ad.  Schinidt^^che^)  Sub- 
limatprobe benutzt,  die  in  derselben  Weise  wie  oben  angestellt  wird.  Da- 
bei färben  sich  alle  bilirubinhaltigen  Teilchen  durch  Oxydation  des  Bili- 
rubins zu  Biliverdin  grün.  Die  Probe  kann  also  gelegentlich  Hydi-obilirnbin 
und  Bilirubin  gleichzeitig  anzeigen.  Auch  kann  darin  der  Nachweis  kleinster 
bilirubinhaltiger  Teile  mikroskopisch  geführt  werden. 

Die  GmelimchQ  Probe:  Zusatz  von  salpetrige  Säure  enthaltender 
Salpetersäure  zu  den  Fäzes  bewirkt  schnellen  Farbenumschlag  der  gold- 
gelben Bilirubinfarbe  in  Grün,  Blau,  Violett.  Bot  und  (ielb.  Die  Probe  wird 
am  besten  so  ausgeführt,  daß  man  auf  die  in  einer  flachen  (Jlasschale  befind- 
liche Salpetersäure  kleine  Tropfen  der  mit  Wasser  fein  verriebenen  Fäzes 
fallen  läßt.  Sie  gelingt  nur  bei  reichlichem   P.ilinibingelialt. 


*)  W.  r.  Morarzcwski,  Über  den  Maiiird  v«mi  Holatioii  zwischoii  lianiiiulikaii  und 
Kotindol.  Arcli.  f.  Yerdamingskrankh.  Bd.  14.  S.  378.   li)U8. 

2)  Netibauer-IIiippcrf,    Analyse  des  Harns.  11.  Aufl.  S.  48-Ü4.  ^Viesl.adcn  l'.MO. 

^)  Ad.  Schmidt  und  J.  S/rashiirijcr,  Die  Fäzes  des  .McnscluMi  im  iionualeii  und 
krankhaften  Zustand.  2.  Aufl.  S.  220-221.  Berlin  11)05. 


394  H.  Lolirisch. 

Empfindlicher  ist  die  Probe  von  Nahnyama.'^)  Hierzu  wird  benötigt 
eine  lOo/oige  BaClo-Lösung  und  eine  Mischung  von  99  Teilen  95o/oigem 
Alkohol  und  1  Teil  rauchender  Salzsäure ,  in  der  auf  1  ?  4  ^  Eisenchlorid 
aufgelöst  sind.  Man  mischt  nun  eine  Stuhlaufschwemmung,  der  man  nötigen- 
falls eine  Spur  Xa^SOi  zusetzt,  mit  der  Chlorbaryumlösung  zu  gleichen 
Teilen,  zentrifugiert  und  gießt  die  über  dem  Barytniederschlag  stehende 
Flüssigkeit  ab.  Der  Xiederschlag  wird  sodann  mit  2  crn^  des  an  zweiter 
Stelle  genannten  Reagens  übergössen  und  zum  Sieden  erhitzt.  Die  über  dem 
Niederschlag  stehende  Hüssigkeit  färbt  sich  bei  Anwesenheit  von  Bilirubin 
grün  oder  blaugrün. 

Quantitativer  Nachweis. 2)  Die  frischen  Fäzes  werden  mit  der 
Fr.  MüUerschen  Barytmischung  verrieben,  filtriert,  der  Rückstand  mit 
wenig  Essigsäure  angesäuert  und  mit  Chloroform  ausgeschüttelt.  Aus  der 
Chloroformlösung  wird  das  essigsaure  Salz  durch  Schütteln  mit  mehreren 
Portionen  Wasser  entfernt;  dann  AAird  die  Chloroformlösung  durch  Zusatz 
von  Alkohol  filtrierbar  gemacht  und  aus  dem  Filtrate  der  Alkohol  durch 
erneutes  Schütteln  mit  Wasser  wieder  entfernt.  Die  im  Scheidetrichter 
abgeschiedene  Chloroformlösung,  die  den  Farbstoff  enthält,  wird  verdunstet, 
der  Rückstand  getrocknet  und  gewogen. 

Der  Nachweis  von  Blut  in  den  Fäzes. 

Blut,  welches  aus  dem  Magen  oder  aus  den  oberen  Darmabschuitten 
stammt,  wird  als  Hämatin  ausgeschieden.  Hierauf  beruht  der  chemische 
Nachweis  des  Blutes.  Der  Nachweis  des  Hämatins  kann  nach  verschiedenen 
Methoden  erfolgen: 

Teiclimannsche  Häminprobe:  Ein  kleines  auf  Blut  verdächtiges 
Kotpartikelchen  wird  mit  nicht  zu  wenig  Eisessig  auf  dem  vorher  erwärm- 
ten Objektträger  verrieben  und  nach  Zusatz  einer  Spur  Kochsalz  oder 
auch  eines  Tropfens  gewöhnlichen  Wassers  langsam  über  einer  kleinen 
Flamme  erwärmt.  Der  Eisessig  soll  dabei  nicht  ins  Sieden  kommen  und 
muß,  wenn  er  sehr  schnell  verdunstet,  eventuell  noch  einmal  ersetzt  werden. 
Nach  dem  Eintrocknen  und  Abkühlen  wird  ein  Tropfen  Wasser  oder  Gly- 
zerin zugesetzt,  das  Deckglas  aufgelegt  und  das  Präparat  im  Mikroskop 
auf  die  Anwesenheit  von  braunen .  in  rhombischen  Prismen  auftretenden 
Hä minkristallen  untersucht.  Die  Kristalle  sind  unlöslich  in  Wasser,  Alko- 
hol, Äther,  Essigsäure  und  kalter  Salpetersäure,  lösUch  in  kochender  Sal- 
petersäure, in  konzentrierter  Schwefelsäure,  verdünnter  Kalilauge  und  Am- 
moniak. 

Exakter  sind  die  folgenden  Proben: 

Weber-vau  Deenscbe  Probe:  5 — 10  r/  der  gut  mit  dem  Holzspatel 
durchrührten  Fäzes  werden  in  einer  Reibeschale  mit  Wasser,  dem  1/3  Vol. 


*)  Zitiert  nach  Ad.  Hecht,  Die  Fäzes  des  Säuglings  und  des  Kindes.  S.  161. 
Berlin  und  AVien  1910. 

-)  Zitiert  nacii  Ad.  Schmidt  und  J.  Strashurger ,  Die  Fäzes  des  Menschen  im 
normalen  und  krankhaften  Zustande.  2.  Auflage.  S.  223.  Berlin  1905. 


Metliddon  zur  rntorsuolimi|?  der  menscblicheu  i'iues.  uqr^ 

Eisessig  zugesetzt  ist,  bis  zur  flüssigen  Konsistenz  vorrielicii.  Jliorvon 
nininit  man  eine  größere  Portion  in  ein  weites  Reagenzglas  und  schwenkt 
vorsichtig  (nicht  zu  stark,  um  Emulsionsbildung  zu  vermeiden)  mit  Äther 
um.  Dann  läßt  man  den  Äther  absetzen  und  klären.  Falls  dies  sehr  langsam 
geschieht,  setzt  man  einige  Tropfen  .\lkohol  zu. 

Man  kann  nun  entweder  nach  Wchir  in  dem  hei  Anwesenheit  von 
Hämatin  bräunlich  gefärbten  Äther  das  Spektrum  des  saui-en  liämatins 
nachweisen.  Dieses  zeigt  einen  intensiven  schmalen  Streifen  in  Kot  zwischen 
CundD  und,  gegen  diesen  an  Stärke  bedeutend  zurücktretend,  drei  weitere 
Streifen  in  Gelb,  auf  der  Grenze  zwischen  Gelb  und  (Jrün  und  auf  der 
Grenze  zwischen  Grün  und  Blau;  der  letztere  ist  meist  nur  schwer  erkennbar. 

Oder  man  verfährt  nach  vcm  Dcen:  Dem  abgehobenen  Äther  setzt  man 
lOTropfen  frisch  bereiteterGuajaktinkturund20— :;OTropfen  altes  ozonisiertes 
Terpentinöl   zu.   Bei  Anwesenheit  von  Hämatin    fäil)t  sich  der  Äther  blau. 

In  neuerer  Zeit  ersetzt  man  die  Guajaktinktnr  durch  einige  Körn- 
chen pulverisierten  Guajakharzes  und  das  Terpentinöl  durch  20 — .•'.()  Trojjfen 
iWerc/tsches  Perhydrol.  Man  kann  die  Guajaktinktnr  auch  durch  frisch  be- 
reitete Aloinlösung  (ü-a  Aloin.  pulv.  auf  lO'O    TüVoigen  Alkohol)  ersetzen. 

Einigermaßen  fetthaltige  Stühle  werden  vorher  am  besten  mit  Äther 
entfettet. 

Die  Uenzidinprobe. 

Eiue  noch  feinere  Methode  ist  die  von  Schlesinger  und  Holst  ^i  anffesrelteiic,  bei 
der  Benzidin  verwendet  wird.  Die  Bcnzidiureaktion  üliertrifft  nacii  Walthtr-)  die 
mittelst  Guajaktinktnr  und  Ah)in  angestellten  Blutproben  an  Scbärfe  ganz  wesentlich, 
so  daß  beim  negativen  Ausfall  der  Benzidinreaktion  das  Vorhandensein  von  Blut  mit 
der  größten  Sicherheit  ausgeschlossen  werden  kann.  Der  positive  Ausfall  der  Benzidin- 
reaktion ist  nur  unter  gewissen  Vorsichtsmaßregeln  zu  verwerten.  Walther  stellte  fest, 
daß  noch  Verdünnungen  von  frischem  Blut  im  Verhältnis  1  :  250000  l)ei  Anwendung 
der  Bcnzidiniaktion  deutliche  Grünfilrbung  hervorrufen.  Es  werden  sdion  minimale 
Mengen  von  Fleisch  oder  sonstigem  mit  der  Nahrung  eingeführten  Blut  damit  naclige- 
wiesen.  Deshalb  ist,  wenn  man  auf  okkulte,  aus  den  Verduuungsorgani'ii  sdlist  stam- 
mende Blutungen  fahndet,  streng  darauf  zu  halten,  daß  der  Kot  von  einer  absolut  fleisch- 
und  blutfreieu  Kost  stammt    (was  übrigens    auch   für  die  oben  genannten  Proben  gilt). 

Ferner  kann  auch  bei  vrdliger  Abwesenheit  von  Blut  durch  oxydierende  Fer- 
mente tierischer  oder  pflanzlicher  Herkunft,  wie  sie  häufig  im  Stuhle  vorkommen,  ein 
positiver  Ausfall  der  Benzidinreaktion  liervorgerufen  werden,  was  .sV/i/<. vi/Ji/cr  und  llolat 
dadurch  zu  verhindern  suchen,  daß  sie  sehr  kleine  Mengen  Fäzes  benutzen  und  die 
Fenneute  vor  Anstellung  der  Probe  durcli  KocIkmi  zerstören.  Krst  unter  diesen  Vor- 
sichtsmaßregeln gestattet  der  positive  Ausfall  der  Benzidinreaktion.  auf  die  Anwe-i-n- 
heit  von  Blut,  das  dem  Magen  oder  Darm  entstammt,  zu  sehließen. 

Ausführung:  Man  stellt  sich  zunächst  eine  annähernd  konzentrierte 

Lösung   von  Benzidin    (Merck)   in   Eisessig   dadurch    her.    dal'i    man    eine 


0  E.  SchJesiiu/cr  und  /'.  Holst,  Vergleichentle  Untersuchungen  über  den  Nachweis 
von  Minimalblutungen  in  den  Fäzes  nel)st  einer  neuen  Modifikation  der  Benzidinprobo. 
Deutsche  med.  Wocbenschr.  Nr.  36.  S.  1444—1447.  lUOC). 

-)  E.  Walther,  Über  die  \'erwendung  des  Benzidins  für  den  lUutnacbweis,  im  be- 
sonderen über  seine  Anwendungsweise  in  der  gerichtsärztlichen  Pra.xis.  Deutsche  med. 
Wochenschr.  Nr.  7.  S.  309.  1910. 


396  H.  Lohriseh. 

Messerspitze  Benzidiu  in  einem  sauberen  Reagenzglä sehen  mit  etwas  Eis- 
essig (etwa  2cm^,  wenn  mehrere  Proben  auszuführen  sind,  entsprechend 
melir)  übergießt,  einige  Male  umschüttelt  und  dann  beiseite  stellt.  Das 
Benzidin  löst  sich  leicht.  Um  eine  konzentrierte  Lösung  zu  erhalten,  tut 
man  jedoch  gut,  während  der  weiteren  Handhabungen  diese  Benzidineis- 
essiglösung  noch  einmal  durchzuschütteln. 

Eine  kleine  etwa  erbsengroße  Menge  der  zu  untersuchenden  Fäzes 
wird  mit  einem  Glasstabe  in  ein  sauberes,  etwa  zu  ein  Fünftel  mit  Wasser 
gefülltes  Reagenzglas  gebracht  und  durch  rührende  Bewegungen  mit  dem 
Glasstabe  in  dem  Wasser  aufgeschwemmt. 

Dann  wird  das  Gläschen  durch  einen  Wattepfropfen  verschlossen 
und  die  Aufschwemmung  über  der  Flamme  einmal  zum  Aufkochen  ge- 
bracht, was  beim  ruhigen  Hineinhalten  in  die  Flamme  in  wenigen  Minuten 
geschieht. 

Jetzt  gießt  man  in  ein  reines  Reagenzgläschen  etwa  10 — 12  Tropfen 
der  konzentrierten  Eisessigbenzidinlösung  und  fügt  etwa  2\/o — 3  cm^  37oig6S 
Wasserstoffsuperoxyd  hinzu.  Damit  ist  das  Reagens  fertig,  dessen  Inhalt, 
wenn  er  seine  Farl)e  unverändert  behält,  zugleich  eine  Kontrolle  der  Re- 
agentien  und  des  Reagenzglases  ist. 

Hierzu  fügt  man  1 — 3  Tropfen  der  gekochten  Fäzeslösung  durch  ein- 
faches Ausgießen  aus  dem  geneigten  Reagenzgläschen  nach  vorherigem 
leichten  Durchschütteln. 

Bei  Anwesenheit  von  Blut  färbt  sich  die  durch  die  wenigen  Tropfen 
der  dünnen  Fäzeslösung  nur  in  geringem  Gi-ade  getrübte  hellgelb-bräun- 
liche Lösung  schön  grün,  blaugrün  oder  blau.  Je  stärker  der  Blutgehalt 
ist,  desto  mehr  herrscht  das  Blau  vor. 

Folgende  Modifikation  der  Probe  von  Schlesinger  und  Holst  schlägt 
Messersckmidf^)  vor  und  bezweckt  damit  die  Zerstörung  etwa  anwesender 
reduzierender  Stoffe  und  Fermente  durch  Verreiben  des  Extraktes  mit 
Essigsäure  und  Neutralisation  alkalischer  Fäzes. 

Eine  Messerspitze  Benzidin  wird  in  2  cm'^  Eisessig  gelöst.  Diese  Mi- 
schung muß  jedesmal  frisch  gemacht  werden,  da  sie  nicht  lange  haltbar 
ist.  In  2  m<3  Wasser,  dem  man  einige  Tropfen  Eisessig  zugesetzt  hat,  ver- 
reibt man  mittelst  Glasstabes  in  einem  Reagenzglas  ein  erbsengroßes  Stück 
Kot  (von  flüssigen  Fäzes  Va  crn^)-  Zu  3  Tropfen  dieser  Fäzeslösung  wer- 
den 1 — 11/2  «>^3  (nicht  mehr!)  3''/oiges  H.,  0«  zugefügt.  Hierzu  setzt  man 
1 — 2  cni^  der  Benzidineisessiglösung. 

Es  empfiehlt  sich  nicht,  zur  Anstellung  der  Probe  Fließpapiere,  die 
mit  den  Reagentien  getränkt  sind,  zu  verwenden,  z.  B.  Benzidinpapier,  da 
dabei  leicht  Täuschungen  unterlaufen  {Walther ■^. 


*)  Th.  Messerschmidt ,  Zum  klinischen  Nachweis  von  Blut  in  den  Fäzes.  Münchener 
med.  Wochenschr.  Nr.  8.  S.  389.  1909. 

2)  E.  Walther,  Über  die  Verwendung  des  Benzidins  für  den  Blutnachweis,  im  be- 
sonderen über  seine  Anwendungsweise  in  der  gerichtsärztlichen  Praxis.  Deutsche  med. 
Wochenschr.  Nr.  7.  S.  310.  1910. 


Methoden  zur  Untcrsuchuiij,'  der  nieiiscliliclicii  Fa/.es.  397 

Die  Phcnolplitaliiiprohe  iiiicli  IJoas.') 

Das  Phonolphtalin  ist  als  Uliitreagens  zuerst  von  Iraiizüsischer 
Seite  empfohlen  worden.  Boas  benutzt  es  in  folf^endcr  Weise: 

Das  Reagens  ist  eine  alkalische  Lösung  von  I'henolphtalein.  das  durch 
Zink  zu  Phenolphtalin  reduziert  und  nach  Boas  in  folgender  Weise  herge- 
stellt wird:  1  c/  I'henolphtalein  und  25//  Kalium  hydr.  fus.  werden  in  l(M)j/ 
Wasser  gelöst  und  10  (/  Zinkpulver  hinzugegeben.  Die  anfiinirlich  rote  Mi- 
schung wird  unter  beständigem  lUihren  und  Schütteln  so  lange  bei  kleiner 
Flamme  gekocht,  bis  vollständige  Entfärbung  eingetreten  ist.  Dann  wird 
heiß  filtriert.  Zum  Zwecke  der  besseren  Haltbarkeit  tut  man  gut.  der 
Lösung  etwas  überschüssiges  Zinkpulver  zuzusetzen.  Die  Haltbarkeit  ist 
unbegrenzt. 

Der  feste  Kot  wird  mit  Wasser  bis  zur  Dünnflüssigkeit  verrieben, 
etwas  Eisessig  zugesetzt,  verrührt,  Äther  zugefügt,  langsam  im  Reagenz- 
glas geschwenkt,  der  Äther  in  ein  reines  Reagenzglas  abgegossen,  zum 
Äther  20  Troi)fen  des  Reagens  zugegeben  (da  das  Reagens  sich  bei  Be- 
rührung mit  dem  Sauerstoff  der  Luft  leicht  oxydiert,  so  ist  es  zweck- 
mäßig, bevor  man  es  zu  dem  Ätherextrakt  zufügt,  einige  Tropfen  ablaufen 
zu  lassen),  leicht  geschüttelt  und  schließlich  '^ — 4  Tropfen  H^  ( ).,  zugesetzt. 
Hierbei  wird  bei  Anwesenheit  von  Blutfarbstoff  das  Phenolphtalin  zu  Phenol- 
phtalein  oxydiert  und,  da  es  sich  in  alkalischer  Löstmg  befindet,  je  nach 
dem  stärkeren  oder  schwächeren  Blutgehalt  mehr  oder  weniger  rosa  bis 
intensiv  rosarot  gefärbt.  Bei  starkem  Blutgehalt  l)leibt  die  Rotfärbung  län- 
gere Zeit  bestehen,  l)ei  schwächerem  l)laßt  sie  bereits  nach  einigen  Mi- 
nuten ab. 

Bei  hohem  Blutgehalt  der  Fäzes  ist  der  Zusatz  von  11.,  ()o  nicht  nötig. 
Bei  geringem  Blutgehalt  dagegen  ist  der  HaOj-Zusatz  immer  nötig.  Das 
ist  praktisch  insofern  von  Bedeutung,  als  bei  einer  schon  ohne  Zusatz  von 
E-oOi  auftretenden  Rotfärbung  unbedingt  ein  starker  Blutgehalt  angenom- 
men werden  kann  und  umgekehrt.  Ferner  ist  bei  Ausfühiung  der  Probe 
zu  beachten,  daß  das  Ätherextrakt  nicht  zu  sauer  .sein  darf.  Im  Notfalle 
kann  man  nachträglich  tropfenweise  lOVoi^ie  Kalilauge  zufügen. 

Ihrer  Schärfe  nach  steht  die  Phenolphtalinprobe  zwischen  der  Fr«'6frschcn  tiuajak- 
probe  und  der  Benzidinprobe.  Auch  bei  der  Plienolphtalinprobe  ist  die  Einhahung  meh- 
rerer fleischfreier  'J'age  unerläßlich. 

Der  Nachweis  von  Fermenten  in  den  Fäzes. 

Trypsiii. 

Hierzu  eignen  sich  klare  Fäzesextrakte,  die  nach  Frank  und  Schitfrn- 
helm')  in  folgender  "Wei.se  hergestellt  werden:   Die  Fäzes  werden  in  einem 


*)  J.  Boa.s,  Die  riicnoliiiitalinpriilK'  als  Reagens  auf  okkulte  Hlutuniron  <1<'S  M:igon- 
darmkanales.  Deutsche  med.  Wochenschr.  Nr.  2.  S.  62— 64.  l'.Ml. 

-)  Fr.  Frank  und  A.  Schitteuhcliii,  Wnkinxwww  und  Nacliwi'is  von  'li\]i.'-iii  wnu 
Eropsin  im  Magen-Darmkanal.  Zeitsdir.  f.  e.\p.  ratli..|,  u.  'I'li.r.  Ud.8.  Hl.  S.2I6    l'.iK). 


398 


H.  Lohrisch. 


Verhältnisse  von  1:2  bis  1:4  mit  Wasser  angerülirt  und  durch  gehärtetes 
Filtrierpapier  auf  der  Nutsche  mit  Hilfe  der  Wasserstrahlpumpe  abfiltriert. 
Das  so  erhaltene  Extrakt  läßt  man  noch  durch  ein  Beichel-Filter  passieren. 
Die  auf  diese  Weise  erhaltene  bakterienfreie  Fäzeslösung  stellt  eine  zu- 
meist der  Farbe  der  Fäzes  entsprechend  gefärbte  klare  Flüssigkeit  dar, 
welche  meist  neutral  oder  schwach  alkahsch,  in  seltenen  Fähen  schwach 
sauer  reagiert.  Man  kann  natürlich  auch  Extrakte  herstellen  in  der  Art, 
wie  es  früher  (S.  345)  beschrieben  worden  ist.  Diese  sind  aber  nicht  bak- 
terienfrei und  müssen  bei  ihrer  Verwendung  mit  Chloroform  resp.  Thymol 
versetzt  werden.  Das  Extrakt  wird  mit  konzentrierter  Natriumbikarbonat- 
lösung, wenn  nötig,  leicht  alkalisch  gemacht. 

Am  einfachsten  gestaltet  sich  der  Nachweis  des  Trypsins.  wenn  man 
zu  kleinen  Quantitäten  des  Extraktes  im  Reagenzglase  eine  Fibriuflocke 
oder  ein  mit  Eiereiweiß  oder  Hammelserum  {Frank  und  Schittenhelm  i) 
gefülltes  i¥e^/sches  Röhrchen  gibt  und  für  24 — 36  Stunden  bei  37"  in  den 
Brutofen  steht. 

Trypsinnachweis  durch  das  Plattenverfahren  von  Müller- 
Schlecht^-) 
Das  Prinzip  des  Verfahrens  ist  folgendes:  Bringt  man  zur  Prüfung 
auf  proteolytische  Fermente  kleine  Tröpfchen  des  zu  untersuchenden  Ma- 
terials auf  die  Oberfläche  einer  sogenannten  Lö/f7er-Serum platte  (Petri- 
schale mit  einer  dicken  Schicht  erstarrten  Blutserums)  und  hält  die  so 
beschickte  Platte  bei  50 — 60"  im  Brutschrank,  so  zeigt  sich  an  Stelle  jedes 
Tröpfchens  bei  Anwesenheit  von  Ferment  eine  nach  und  nach  sich  ver- 
größernde dellen-  oder  muldenförmige  Einsenkung.  Ist  kein  Ferment  vor- 
handen, so  bleibt  die  Dellenbildung  aus. 

Müller- Schi  echt  fanden,  ^^•enn  sie  mit  Hilfe  der  Serumplatte  den  normalen  Darm- 
inhalt prüften,  eine  bis  zum  untersten  Dünndarm  fortschreitende  Zunahme  der  proteo- 
lytischen Fermentwirkung.  Im  Dickdarmstuhle  finden  sich  mir  noch  Reste  von  Trypsin 
oder  gar  keines.  Es  ist  also  nötig,  wenn  man  im  menschlichen  Kote  Trypsin  nach- 
weisen will,  einen  Dünndarmstuhl  zu  erhalten.  Dieser  Dünndarmstuhl  ist  durch  Abführ- 
mittel zu  erzielen.  Täuschungen  können  bei  positivem  Ausfalle  der  Plattenprobe  dann 
vorkommen,  wenn  der  Stuhl  Eiter  enthält,  da  man  dann  die  Wirkung  von  proteolyti- 
schem Leukozytonferment  nicht  ausschließen  kann.  Um  sich  hierüber  zu  orientieren, 
genügt  meist  der  makroskopische  resp.  mikroskopische  Nachweis  von  Eiter.  Eine  hin- 
reichend sichere  Differenzierung  gelingt  durch  eine  einfache  biologische  Methode.  Das 
Pankreastrypsin  läßt  sich  nämlich  von  proteolytischem  Leukozytenfermeut  durch  Zusatz 
des  Blutserums  von  Kaltblütern  oder  Vögeln  unterscheiden,  insofern  geringe  Mengen 
des  Kaltblüter-  resp.  Vogelserums  durch  ihren  Gehalt  an  Antitrypsin  die  Dellenbildung 
durch  den  trypsinhaltigen  Stuhl  verhindern  können.  Gegenüber  dem  Leukozytenferment 
besitzt  das  Kaltblüterserum  aber  keine  gröbere  Hemmungskraft.  ^Mrd  also  eine  ausge- 
sprochene Dellenbildung  schon  bei  Zusatz  geringer  Mengen  von  Kaltblüter-  bzw.  Vogel- 
blutserum gehemmt,    so    handelt    es    sich   um  Pankreastrypsin.    Blutbeimengungen  zum 

*)  Fr.  Frank  und  A.  Schittenhelm ,  Vorkommen  und  Nachweis  von  Trypsin  und 
■  Erepsin  im  Magen-Darmkanal.  Zeitschr.  f.  exp.  Pathol.  u.  Ther.  Bd.  8.  H.  1.  S.  242.  1910. 

■■*)  Ed.  Müller  und  H.  Schlecht ,  Über  die  Prüfung  der  Pankreasfunktion  durch 
Trypsinbestimmungen  in  den  Eäzes.  Med.  Klinik.  Nr.  16.  S.  573— 575  u.  Nr.  17.  S.  616— 618. 
1909. 


Methoden  zur  Untersucluui'r  il<'r  meiischliclicn  I-azi 


399 


Darminhalt  können  durch  den  Gehalt  des  Blutserums  an  Antitrypsin  die  Wirkung  des 
Fäzestrypsins  auf  die  Platte  nur  dann  lu-nuncn.  wenn  das  Bhit  in  s(»  (,Toüen  Monifcn 
vorhanden  ist,  daß  es  schon  makroskopiscli   ulnic  weiteres  t'rkcnnliar  ist. 

Die  Seruiuplutte  wird  nach  Müller  iiiid  Schlexht  aus  KindorMut- 
serum  mit  Zusatz  von  Traubenzuckerbouillon   hergestellt. 

Herstellung  der  'rrauhcnz  uck  erlxi  iiill  on  :  \  ky  mageres  Rindfleisch,  gewicht 
und  von  Fett  und  Sehnen  l)efreit,  wird  mit  2  /  destilliertem  Wasser  im  Emailletopf  ver- 
setzt und  mit  einem  starken  Glasstab  gut  umgerührt  und  unter  stetigem  rmrühreii 
V4  Stunde  auf  dem  Gasbrenner  kochen  gelassen.  Der  Topf  mit  Inlialt  wird  vi»r  und 
nach  dem  Kochen  gewogen  und  der  Gewichtsverlust  durch  Zusatz  von  destilliertem 
Wasser  ergänzt.  Das  Fleischwasser  wird  durch  ein  ausgespanntes  Leinwimdtucli  in  einen 
vorher  abgewogenen  Emailletopf  koliert  und  der  Rest  dun-iigepreßt.  Dann  werden  1% 
Pepton,  sicc.  und  Ü"5Vo  Kochsalz  zugefügt  und  unter  fleißigem  Umrühren  wiederum 
10  Minuten  gekocht.  Der  Topf  wird  durch  Deckel  verschlossen  und  im  Kaltwasserbad 
abgekühlt.  Dann  wird  durcli  Filtriertuch  filtriert  (ganz  klar!),  in  gesäuberten  Bierflaschen 
mit  Patentverschluß  abgefüllt  und  2  Stunden  im  Danipftopf  sterilisiert.  Aus  der  P'leisch- 
wasservorratslösung  wird  neutrale  Bouillon  bereitet.  Dazu  wird  das  Fleisch wasser  neu- 
tralisiert (auf  1  l  etwa  20  cm^  Xormalnatronlauge),  im  Wasserbade  gründlich  aufire- 
kocht  und  durcli  ein  doppeltes  Filter  filtriert.  Zu  lUO  cm^  dieser  neutralen  B(niillon 
kommen  10  cni^  107oi?er  Trauhenzuckerlösung.  Die  Mischung  wird  im  ^\'asserl)ade  ge- 
kocht und  mit  Xormalnatronlauge  sorgfältig  neutralisiert. 

Herstellung  der  Platte:  2  Teile  Riuderblutserum  werden  mit  ITeil  Trauben- 
zuckerl)ouillon  versetzt  und  sorgfältig  geschüttelt.  Man  erhält  auf  diese  Weise  das 
„Lö/f7er-Serum",  mit  dem  man  die  „Lö/^7er- Platten"  derart  gießt,  daß  in  den  zuvor  ste- 
rilisierten Petrischalen  eine  dicke  Schicht  möglichst  undurchsichtigen  weißgelblichen 
Serums  in  dem  auf  85 — 90"  eingestellten  Sterilisator  erstarrt.  Nach  3— 4stündigem  Ver- 
weilen im  Sterilisator  läßt  mau  das  erstarrte  Serum  langsam  abkühlen.  Nacii  Abnahme 
des  Glasdeckels  wird  das  Koudenswasser  durch  Umdrehen  der  Platten  entfernt.  Wieder- 
holte Sterilisation  ist  nicht  nötig.  Die  Serumplatte  ist  dann  gelungen,  wenn  sie  von  er- 
hel)licher  Dicke  und  vollkommen  glatter  trockener  Oberfläche  ist.  so  daß  die  ausge- 
säten Tröpfchen  nicht  auslaufen  können.  Mau  läßt  deshalb  die  sterilisierten  Platten 
einige  Tage  ablagern  oder  nach  Wegnahme  des  Glasdeckels  bei  55 — 60"  einige  Zeit 
nachtrocknen. 

Der  Trypsinuachweis  mittelst  des  Platteuvert'ahrens  ge- 
staltet sich  nun  folgendermaßen: 

Die  zu  untersucliende  Person  erhält  früh  nüchtern  einen  hohen  Kin- 
lauf  oder  eine  Glyzerinspritze  zur  Iveinigung  der  untersten  Darmabschnitte. 
Nach  erfolgtem  Stuhlgang  wird  eine  Probemahlzeit  (löO  g  Fleisch  und 
150^  Kartoffelbrei)  verabreicht.  Eine  halbe  Stunde  danach  Darreichung 
eines  Abführmittels  (0'2 — 0*3  Kalomel  oder  0%')  Purgen,  eventuell  t)-J  Ka- 
lomel  mit  0"i — 0".'>  Purgen  zusammen).  Der  damit  erzielte  meist  dünn- 
flüssige Dünndarmstuhl  wird  zum  (lualitativen  Nachweis  des  Trypsins  so 
verwendet,  daü  man  kleine  Stuhltröpfchen  mit  einer  Platinöse  oder  einem 
Glasstäbchen  auf  eine  abgeteilte  Fläche  der  Serumplatte  bringt  und  dieselbe 
24  Stunden  bei  50— 60"  im  Brutschrank  hält.  Die  Anwesenheit  von  Trypsin 
zeigt  sich  durch  Bildung  deutlicher  Dellen.  Die  Dellenbildung  tritt  bei  nor- 
malem Fermentgehalt  meist  sehr  rasch  in  kaum  einer  halben  Stunde  ein.  Fehlt 
nach  24  Stunden  jede  Dellenbildung,  so  ist  kein  wirksames  Tryjtsin  vorhanden. 

Ist  der  Stuhl  zu  dickl)reiig.  so  verreibt  man  ihn  mit  Glyzerinwas.ser. 
AVenn  nötig,  wird  mit  Sodalösung  alkalisiert.  bis  Lackmus|)apier  eben  eine 


400  H-  Lohrisch. 

alkalische  Reaktion  zeigt.  Scheut  man  sich  vor  der  Verabreichung  von  Ab- 
führmitteln,  so  kann  man  auch  den  spontan  entleerten  Stuhlgang  nach 
der  Verreibung  mit  Glyzerinwasser  und  Alkalisierung  in  der  beschriebe- 
nen Weise  verwenden.  Allerdings  ist  dann  die  Dellenbildung:  meist  eine 
recht  geringe. 

Zur  genaueren  quantitativen  Bestimmung  des  Trypsins  sind  dünn- 
flüssige Stühle  nötig.  Diese  werden  in  einem  Porzellanmörser  aufs  sorg- 
fältigste verrieben.  Alsdann  werden  mit  einer  Meßpipette  Verdünnungen 
des  verriebenen  unfiltrierten  Stuhles  mit  Glyzerinwasser  hergestellt.  Man 
macht  diese  Verdünnungen  am  zweckmäßigsten  in  Porzellanschälchen  oder 
Uhrgläschen  oder  auf  Porzellanplatten,  in  denen  eine  Anzahl  Vertiefungen 
enthalten  sind.  Müller  und  Schlecht  empfehlen,  was  den  Grad  der  Ver- 
dünnungen betrifft,  die  Stuhlverreibung  5-,  10-,  20-,  50-,  100-  und  200fach 
mit  Glyzerinwasser  zu  verdünnen.  Die  Serumplatte  wird  in  8  numerierte 
Abschnitte  durch  Tintenstriche  eingeteilt  und  die  einzelnen  Abschnitte  mit 
Tinte  numeriert.  In  das  erste  Feld  kommt  dann  in  Gestalt  von  4  bis 
6  Tröpfchen  die  unverdünnte  Stuhlverreibung,  in  die  nächsten  6  Felder 
nacheinander  die  obenerwähnten  Verdünnungen  mit  Glyzerinwasser.  Vor 
der  Aussaat  wird  jede  Verdünnung  nochmals  sorgfältig  verrieben.  Ist  man 
der  tadellosen  Herstellung  einer  Serumplatte  nicht  sicher,  so  kommen  in 
das  8.  Feld  Tröpfchen  einer  wirksamen  künstlichen  Trypsinlösung.  Die  so 
beschickte  Platte  wird  auf  24  Stunden  bei  50—60°  in  den  Brutschrank 
gestellt.  Ist  ein  solcher  nicht  zur  Verfügung,  so  kann  man  die  Platte  nach 
Zusatz  von  Chloroform  oder  ThymoUösung  zu  der  Stuhlverreibung  bei  87" 
halten.  Das  letzte  Ablesen  der  Resultate  erfolgt  erst  nach  24  Stunden. 

Kniaskof^)  empfiehlt  neuerdings,  da  das  Serum  ein  immerhin  ziemlich  teures 
Material  und  nicht  immer  zu  beschaffen  ist  und  da  die  Serumplatten  leicht  verderben, 
zur  Trypsinprobe  Platten  zu  gießen  mit  Gelatine,  welche  mit  Formaliu  vorbehandelt 
ist.  Eine  derartig  behandelte  Gelatine  verflüssigt  sicli  bei  höheren  Temperaturen  nicht. 
Ihre  Empfindlichkeit  gegen  Trypsin  bleibt  aber  erhalten.  Diese  Platten  werden  folgen- 
dermaßen hergestellt: 

10— loVoige  Gelatine  wird  auf  einem  Wasserbade  in  destilliertem  Wasser  aufge- 
löst, neutralisiert,  filtriert,  dann  in  Petrischalen  bis  zur  Bildung  einer  gleichmäßigen 
Schicht  in  ca  Vg  cm  Höhe  ausgegossen.  Man  läßt  die  Gelatine  erstarren  und  gießt  auf 
ihre  Oberfläche  eine  107oige  Formalinlösung.  Nach  12—24  Stunden  wird  das  Formalin 
entfernt;  darauf  werden  die  Schalen  mit  der  erstarrten  Gelatineschicht  während  V2  bis 
1  Stunde  mit  fließendem  Wasser  abgespült,  bis  der  Formalingeruch  verschwunden  ist. 
Die  Gelatineoberfläehe  wird  dann  vorsichtig  mittelst  Fließpapieres  abgetrocknet,  worauf 
die  Platten  fertig  sind.  Sie  müssen  vor  Austrocknen  geschützt  werden. 

Bei  diesen  Platten  sind  ganz  unbedeutende  Vertiefungen  bei  Einwirkung  schwacher 
Trypsinlösungen  infolge  der  Durchsichtigkeit  der  Gelatine  nicht  ganz  deutlich  erkenn- 
bar. Sie  werdei\  aber  deutlicher,  wenn  die  Gelatine  mit  einem  Farbstoff  versetzt  wird. 
Zu  diesem  Zwecke  empfiehlt  Kniaskof  die  i^^rr/sche  Tusche.  Man  setzt  der  flüssigen 
Gelatine  vor  Füllung  der  Petrischalen  soviel  Tropfen  Tusche  zu,  bis  die  Gelatine  rauch- 
grau aussieht.  Nach  der  Einwirkung  der  Trypsinlösung  wird  die  Gelatineoberfläche  mit 
Wasser  abgespült.  Es  treten  dann  die  kleinen  Vertiefungen  auf  dem  dunklen  Grunde 
der  gefärbten  Gelatine  deutlich  hervor. 


1)  Kniaskof,  Platten  für  die  Trypsinprobe.  Med.  Klinik.  Xr.  3.  S.  108.  1911. 


Methoden  zur  l'iitorsiichuiijj  der  mouschlichcn  Fdzes.  AQt 

Die   Kapsolmethodc  von   Müller  iiiul   Schlcrltt.^) 

Die  Kapselmethode  ist  eine  ModifikatiDii  (k-r  Sahlii^dieu  (ilutoid- 
kapselprobe,  bei  der  die  Kapseln  bekaiintlidi  mit  Jodoform  ^cUWU  sind. 
Mülle?-  und  Schlecht  benutzen  iiicrzu  die  nach  Anf^alx'ii  von  Iiuniprl  lior- 
gestellten  Capsulae  f^eloduratae.  Es  sind  dies  (ielatinekajisehi,  die  in 
alkoholischer  Forinalinlösun^'  so  j^'-ehärtet  sind,  dali  sie  nur  durch  das 
Pankreastrypsin  rasch  gelöst  werden.  Sie  sind  mit  tVin  pulverisiertem 
Holzkohlenstaub  gefüllt  und  sind  als  Capsulae  geloduratae  c.  carb.  Viiin.  0-:-J 
von  der  Firma  G.  Pohl  in  Schöid)aum  bei  Danzig  zu  beziehen. 

Für  die  Kapselprohe  mnli  in  der  oben  geschilderten  Wei.se  ein  Diinn- 
darmstuhl  geschaffen  w(!rden.  Etwa  10—1;')  cw^  der  möglichst  dünnfliis- 
sigen  8tuhlprobe  werden  unter  Zusatz  von  Chloroform  oder  einigen  Thymol- 
ki'istallen  in  ein  kleines  Glasgefäü  gefüllt,  welches  so  weit  .sein  mul),  daU 
die  Kapsel  darin  frei  schwimmen  kann.  Der  Stuhl  darf  nicht  filtriert 
werden.  Es  genügt,  etwaige  gröbere  Brocken  sorgfältig  zu  verreiben.  Wenn 
nötig,  wird  mit  Sodalösung  alkalisiert.  Die  in  das  Glasgefäß  gefüllte  Stulil- 
probe  wird  nun  mit  einer  (ieloduratkapsel  beschickt  und  l)ei  .-iT"  im  lirut- 
ofen  gehalten.  Die  Temperatur  von  ;>7"  darf  nicht  erheblich  überschritten 
werden,  weil  sonst  die  Kapsel  sich  spontan  lösen  kann.  Der  Moment  der 
Kapsellösung  zeigt  sich  dadurch  an,  daß  der  austretende  Kohlenstaub  die 
Flüssigkeit  schwarz  färbt.  Ist  innerhalb  24  Stunden  die  Kapsel  ungelöst, 
so  ist  kein  Trypsin  im  Stuhl  enthalten.  Bei  normalem  Trypsintiehalt  ist 
die  Kapsel  in  '/g — 1  Stunde  gelöst.  Je  weniger  Trypsingehalt  vtuiiandcn 
ist,  desto  länger  dauert  die  Lösung.  Es  läßt  sich  also  schon  durch  Fest- 
stellung der  Lösungszeit  eine  annähernde  quantitative  Abschätzung  des 
Trypsingehaltes  ermöglichen.  Um  genauere  quantitative  Angaben  zu  machen, 
verfährt  man  wie  beim  Plattenverfahren,  indem  man  in  der.sellten  Weise, 
wie  oben  geschildert,  mit  lOVoi&e"^  Glyzerinwasser  verdünnt  und  in  jede 
der  Verdünnungen  eine  Kapsel  legt. 

Die  Kaseinmethode  von  Gross")-Koslowsky.^) 

Das  Prinzip  der  ^lethode  besteht  darin,  daß  das  Kasein,  in  Alkali 
leicht  löslich,  im  Gegensatz  zu  seinen  Verdauungsprodukten  bei  Essigsäure- 
zusatz leicht  ausfällt.  Zur  Stuhluntersuchung  stellt  man  sich  am  besten 
eine  V2Vooige  Lösung  des  Kaseins  her,  indem  man  Uö  ^  des  Caseinum 
purissimum  Grübler  in  1  /  einer  P/oo'^Pn  Sodalösung  unter  Erhitzen  löst. 
Die  Fäzes  werden  in  einer  Reibeschale  mit  der  dreifachen  Menge  Po.jger 
Sodalösung   zu   einer   ganz    gleichmäßigen    Masse   aufgeschwemmt    und  so 


*)  Ed.  Müller  und  11.  Schlecht,  Über  die  Prüfung  der  r:inkrea.sfiinktion  durch 
Trypsiubestimmungen  in  den  Fäzes.  Med.  Klinik.  Nr.  17.  S.  617.  190*.». 

*)  0.  Gross,  Zur  Funktionsprüfung  des  Pankreas.  Houtsche  med.  W  ochenschr. 
Nr.  1(5.  S.  706—708.  1909. 

^)  S.  Kosloic^ky,  Der  Nachweis  des  Trypsins  in  den  P'äzes  und  seine  diajfuostisclic 
Bedeutung  (Untersuchung  mit  der  Kaseinmethode  von  Gross).  I.-D.  Greifswahi  iy09. 

Abd  e  rh  .il  den  ,  Handbuch  der  biochemischen  Arbeitamethoden.   V.  JA) 


402 


H.  Lohrisch. 


lange  filtriert,  bis  man  ein  klares  g-elbgefärbtes  Filtrat  erhält,  was  gewöhn- 
lich rasch  der  Fall  ist.  Bekommt  man  kein  ganz  klares  Filtrat,  so  läßt 
man  die  Trübung  absetzen  und  benutzt  die  darüberstehende  klare  Flüssig- 
keit. In  ein  kleines  Kölbchen  bringt  man  100  crn^  der  Kaseinlösung  und 
setzt  10  cm^  der  Kotaufschwemmung  zu,  bringt  die  Mischung  in  den 
Thermostaten  bei  38 — 40°  C  und  sieht  an  kleinen ,  von  Zeit  zu  Zeit  ent- 
nommenen Proben  nach,  wenn  auf  Zusatz  von  P/oiger  Essigsäure  eine 
Trübung  nicht  mehr  auftritt,  d.  h.  wenn  alles  Kasein  verdaut  ist. 

Es  hat  sich  gezeigt,  daß  in  allen  Fällen,  bei  denen  es  sich  nicht  um  eine  Er- 
krankung des  Pankreas  oder  einen  Verschluß  der  Pankreasausführungsgänge  handelt, 
Trypsin  in  den  Fäzes  nachzuweisen  ist.  Um  einen  möglichst  starken  Trj-p singehalt  der 
Fäzes  zu  erzielen,  ist  eine  stark  eiweißhaltige  Nahrung  zu  verabreichen,  eventuell  kann 
auch  ein  mildes  Abführmittel  gegeben  werden.  Die  Verdauungszeit  des  Kaseins 
schwankt  zwischen  8  und  15  Stunden,  gewöhnlich  beträgt  sie  12 — 14  Stunden.  Durch 
geeignete  Verdünnungen  der  Fäzes  kann  man  auch  annähernd  quantitative  Schlüsse 
ziehen. 

Die  Seidenpeptonmethode. 

Dieselbe  ist  von  Abderhalden^)  für  den  Nachweis  peptolyti- 
scher  Fermente  im  Darmkanal  eingeführt  worden.  Man  löst  V2  9  des 
Seidenpeptons  -)  in  1  011^  des  nach  Frank  und  Schittenhehn  ^)  hergestellten 
Fäzesextraktes  auf,  wobei  sofort  zu  alkalisieren  ist.  Das  Gemisch  wird  im 
Brutofen  bei  37 — 40°  1^ — 3  Tage  gehalten.  Dabei  fällt',  wenn  reichlich 
Ferment  vorhanden  ist ,  Tyrosin  in  kristallinischer  Form  aus ,  erkennbar 
makroskopisch  oder  nach  Sedimentieren  im  Sediment  mikroskopisch  als 
schöne  in  Büschelform  angeordnete  Nadeln.  Ist  nichts  ausgefallen,  so  kommt 
die  Lösung  für  einige  Tage  in  den  Eisschrank,  wobei  dann  zuweilen  das 
Tyrosin  erst  ausfällt.  Bleibt  die  Lösung  dauernd  klar,  so  ist  kein  Ferment 
vorhanden. 

Die  Seidenpeptonmethode  kann  auch  bei  Anwesenheit  von  Erepsin 
positiv  ausfallen. 

Die  Kernprobe  von  Ad.  Schmidt.^) 

Schmidt  fand,  daß  die  Kerne  der  Zellen  im  Gegensatz  zum  Binde- 
gewebe nur  vom  Pankreassekret,  nicht  aber  vom  Magensaft  verdaut  werden. 


*)  E.  Abderhalden  und  Fl.  Medigreceanu,  Über  das  Vorkommen  von  peptolytischen 
Fermenten  im  Mageninhalte  und  ihr  Nachweis.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  Bd.  57. 
S.  317.  1908,  ferner  E.  Abderhalden  und  A.  ScJntfenhelm,  Über  den  Nachweis  peptoly- 
tischer  Fermente.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  Bd.  61.  S.  421.  1909. 

^)  Über  die  Darstellung  des  Seidenpeptons  vergl.  E.  Abderhalden  und  Eugen 
Steinheck,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Wirkung  des  Pepsins  und  der  Salzsäure.  Zeitschr. 
f.  physiol.  Chemie.  Bd.  68.  S.  293.  1910. 

^)  Fr.  Frank  und  A.  Schittenhehn ,  Vorkommen  und  Nachweis  von  Trj'psin  und 
Erepsin  im  Magendarmkanal.  Zeitschr.  f.  experim.  Pathol.  u.  Therapie.  Bd.  8.  H.  1.  S.  242 
und  246.  1910. 

*)  Ad.  Schmidt,  Die  Funktionsprüfung  des  Darmes  mittelst  der  Probekost.  2.  Aufl. 
S.  35—36.  1908. 


Methoden  zur  l  utersiicliuiig  ilcr  inciischiichcn  Fäzes. 

"Wenn  also  unverdaute  Gewebskerne  in  <lcn  Fäzes  wieder  erscheinen,  so 
kann  man  daraus  nach  Schmidt  den  sieheren  Seidul)  auf  un;.'eiiii};ende 
Funktion  des  Pankreas  ziehen. 

Die  Probe  Avird  so  angestellt,  daß  man  die  v.w  untersu(hen<ie  l'crson 
einen  kleinen  Fleisehwürfel ,  der  sieh  in  einem  P>entelchen  von  S»'iden;;;ize 
befindet,  versehlueken  läßt,  und  zwar  mehrere  'raj^n'  hintereinander  mittajxs. 
Die  Peutelchen  werden  im  Kote  leieht  wiederjrefundcn ,  besonders  wenn 
man  den  zusehnürenden  Seidenfaden  recht  lanj^  liilit,  und  es  wird  dann 
in  dem  in  dem  Säekchen  enthaltenen  Fleischreste  entweder  frisch  mit 
Essigsäure  oder  Methylenblaulösung  oder  nach  vorausgegangener  Härtung 
in  gefärbten  Schnitten  auf  die  Anwesenheit  von  Kernen  gesucht. 

Die  Fleischwürfel  werden  so  hergestellt,  daü  fi-isches  Fleisch  in  Wür- 
fel von  ca.  ^/o  cm  Seitenlänge  geschnitten  und  in  Alkohol  aufbewahrt  wii-d. 
Nach  der  Härtung  werden  die  Würfel  in  kleine  (iazebeutelchen  getan  und 
wieder  in  Alkohol  aufbewahrt.  Vor  dem  Gebrauche  sind  die  gefüllten  lieutel 
mehrere  Stunden  zu  entwässern. 

Gegenüber  mehreren  Einwänden,  die  in  neuerer  Zeit  gegen  diese  Probe  gemarht 
\vorden  sind  (i>rar/5cA'),  Hesse'-)  und  die  sich  darauf  gründen,  daß  die  Kerne  schon  im 
^Magensaft  gelöst  werden,  hat  Sfrauch'^)  neuerdings  bei  Verwendung  natürlicher  Ver- 
dauungssäfte  gezeigt,  daß  die  Zellkerne  nur  vom  Pankreassaft  gelöst  werden,  daß  also 
die  Grundlagen  der  Sehmidtschen  Probe  richtig  sind  und  daß  die  Probe  mit  Recht  zum 
Kachwcis  von  Pankreasferment  verwendet  wird.  Zu  dem  gleichen  Kesidtat  ist  nach  einer 
Mitteilung  von  Ad.  Sclimidf*)  vor  kurzem  Kashiirado  gelaugt,  der  fand,  daß  weder 
Magensaft  noch  Darmsaft  die  Kerne  in  einem  für  den  Ausfall  der  Probe  wesentlichen 
Grade  angreifen.  Dagegen  löst  reiner  Pankreassaft  —  und  zwar  auch  der  nicht  akti- 
vierte —  die  Kerne  schnell. 

Kashiwado  hat  die  Schiiiidtsche  Kernprobe  in  folgender  Weise  ver- 
einfacht: Die  Kerne  der  Thymusdrüse  lassen  sich  durch  ^■erdauung  des 
Thymusgewebes  im  Magensaft  leicht  isolieren.  Die  isolierten  Kerne  werden 
mit  Alkohol  und  Äther  gewaschen,  mit  Alaun-Hämatoxylin  gefärbt,  getrocknet 
und  mit  Lykopodium  vermischt  in  einer  Oblate  gereicht.  Im  nächsten  oder 
übernächsten  Stuhl  werden  die  Stellen,  an  denen  Lykopodium  vorhanden 
ist,  mikroskopiert,  und  man  erkennt  dann  die  gefäibten  Kerne,  wenn  sie 
unverdaut  geblieben  sind,  leicht  wieder.  Sind  sie  verdaut,  so  bieilit  nur  das 
auffällige  Lykopodium  zurück. 

Diese  Modifikation  gibt  nach  Ad.  Sc/imidfs  bisherigen  Krfahrungen 
dieselben  Pvesultate  wie  die  ursprüngliche  Kernprobe. 

')  Th.  Brugsch,  Experimentelle  Beiträge  zur  funktionellen  Darn^liagno-^tik. 
Zeitschr.  f.  expcrim.  Path.  u.  Therapie.  Bd.  6.  H.  2.  S.  361-362.  1901». 

'')  A.  Hesse,  Zur  Bewertung  der  Schiiiidt^vhcn  Kernpridte.  Zcitsclir.  1.  ixju mn. 
Pathol.  u.  Therapie.  Bd.  7.  H.  1.  S.  01-93.  Vgl.  ferner  .V.  ru/i  !»',*/< ;irvA-,  Die  K.-rn- 
prohe  von  Prof.  Ad.  Srlmn'df.  Zeitsriir.  f.  experini.  Pathol.  u.  Thnrapio.  Bd.  8.  H.  2. 
S.  353-357.  1910. 

•')  /'/v/r.  Strtiuch,  liii'  Grundhige  der  Ail.  .•x-iniifif^ctwu  Imi  m'i-diC.  Deutsches 
Areh.  f.  kliu.  Med.  Bd.  101.  S.  128-136.  1910. 

^)  Ad.  Schmidt,  Diskussionsbemerkung  zu  dem  Vortrag  von  Wintcmitz,  Über  eine 
neue  Methode  zur  Fuuktionsprüfung  des  Pankreas.  28.  deutscher  Kongreß  für  innere 
Medizin.  Wiesbaden.  21.  April  191L 

26« 


404  H.  Lohrisch. 

Erepsin. 

Erepsin  ist  im  menschlichen  Dünndarminhalt  und  in  den  Fäzes  mit 
Sicherheit  nachgxnviesen  worden. 

Zum  Nachweis  in  den  Fäzes  werden  die  Eigenschaften  des  Erepsins 
benutzt,  durch  die  es  sich  vom  Trypsin  unterscheidet,  daß  es  nämlich,  wie 
Abderhalden'^)  und  seine  Mitarbeiter  nachgewiesen  haben,  gewisse  Poly- 
peptide, z.  B.  Glyzyl-glyzin  spaltet,  was  Trypsin  nicht  tut,  und  daß  es  ferner 
natives  Eiweiß  (Fibrinflocken,  i¥e^/sches  Röhrchen)  nicht  angreift.  Störend 
wirkt  aber  bei  der  Differenzierung  zwischen  Trypsin  und  Erepsin  der  Um- 
stand, daß  beide  Kasein  spalten  und  die  Seidenpeptonreaktion  geben. 
Peptone  werden  vom  Erepsin  schnell  gespalten. 

Die  zu  zweit  genannte  Eigenschaft  des  Erepsins,  natives  Eiweiß  nicht 
anzugreifen,  ist  zum  Nachweis  des  Erepsins  so  zu  verwerten,  daß  auf  An- 
wesenheit von  Erepsin  geschlossen  werden  kann,  wenn  Fibrinflocke  und 
Mettsche  Röhrchen  unangegriffen  bleiben  bei  gleichzeitiger  Lösung  von 
Kasein  und  bei  positiver  Seidenpeptonprobe. 

Nach  Brugsch^)  empfiehlt  es  sich,  zu  bciii'^  einer  P/ooig^n  Witte- 
Peptonlösung  1  cm^  Fäzesextrakt  zuzusetzen  und  das  Reagenzglas  mit  dem 
Gemisch  40 — 72  Stunden  bei  37*^  zu  halten.  Ist  dann  die  vorher  positive 
Biuretreaktion  negativ  geworden,  so  spricht  dies  für  das  Vorhandensein 
von  Erepsin,  wenn  es  nicht  gelingt,  Trypsin  nachzuweisen. 

Frank  und  Schittenhelm^)  raten  wegen  der  dem  Trypsin  und  Erepsin  gemeinsamen 
Eigenschaft,  Kasein  zu  verdauen,  die  Kaseinmethode  von  Gross  zum  Nachweis  des 
Trypsins  in  den  Fäzes  nicht  zu  verwerten  oder  nur  in  Kombination  mit  anderen  Me- 
thoden. Indessen  scheint  es  nach  den  neuesten  Untersuchungen  von  Brugsch  und  Masuda*}, 
als  ob  die  kaseolytische  Wirkung  der  Fäzesextrakte  in  der  Hauptsache  auf  das  Trypsin 
zu  beziehen  ist.  Die  geringere  kaseolytische  Wirkung  des  Erepsins  und  Bacterium  coli- 
Extraktes  kann  bei  der  doch  immerhin  großen  Verdünnung  der  Fäzesextrakte  unbe- 
rücksichtigt bleiben. 

Diastase. 

Der  Nachweis  der  Diastase  geschieht  so,  daß  der  verzuckernde  Ein- 
fluß der  vorhandenen  Diastase  auf  eine  Stärkelösung  geprüft  wird,  wobei 
Jodlösung  als  Indikator  dient. 


*)  Vgl.  hierzu  Emil  Abderhalden  und  Y.  Teruuchi,  Studien  über  die  proteolytische 
Wirkung  der  Preßsäfte  einiger  tierischer  Organe  sowie  des  Darmsaftes.  Zeitschr.  f. 
physiol.  Chemie.  Bd.  49.  S.  1.  1906. 

^)  Th.  Bruc/schf  Experimentelle  Beiträge  zur  funktionellen  Darmdiagnostik.  Zeit- 
schrift f.  exper.  Path.  u.  Therapie.  Bd.  6.  H.  2.  S.  359.  1909. 

^)  Fr.  Frattk  und  A.  Schiftenhelm ,  Vorkommen  und  Nachweis  von  Trypsin 
und  Erepsin  im  Magendarmkanal.  Zeitschr.  f.  exper.  Path.  u.  Therapie.  Bd.  8.  H.  1. 
S.  253.  1910. 

*)  Th.  Brugsch  und  N.  Mastida,  Über  das  Verhalten  des  Dünndarmsaftes  und 
-Extraktes,  ferner  des  Extraktes  einiger  Bazillen  (Koli,  Streptokokken)  gegenüber 
Kasein,  Lezithin,  Amylum.  Ein  Beitrag  zur  fanktionell-diagnostischeu  Prüfung  der 
Fäzes  auf  Fermente  des  Pankreas.  Zeitschr.  f.  exper.  Path.  u.  Therapie.  Bd.  8.  H.  3. 
S.  617-623.  1911. 


Metlindon  zur  Untersucliuiii.'  der  ineiisclilichcn  Fäzes.  mj^, 

Die  Methode  wird  nach  Wohlyenmth  '  -)  in  foi'rcndcr  Weise  ausgo- 
fiihrt:  Eine  auf  der  IIand\vap:e  abiiewo^ene  Men^^e  von  öy  frischem  Kot  wird 
in  einer  Keiheschale  mit  20 rm»  einer  l<'/oi&('n  Kochsalzlösung;  verrieben, 
und  zwar  in  der  Weise,  dal»  man  von  dem  abf,^emessenen  (Quantum  Koch- 
salzlösung- erst  ein  paar  Kubikzentimeter  zufüp:t,  so  lanf,'e  verreibt,  bis  man 
einen  vollkommen  homo<^enen  Brei  hat ,  wieder  etwas  Kochsalzlösun};  zu- 
füj.5t  und  verreibt  und  .<;o  weiter  verfahrt,  bis  man  die  •.'csamte  i-'liissi^;- 
keitsmenge  mit  dem  Kote  verrieben  hat.  Dann  liiüt  man  noch  :K)  Minuten 
bei  Zimmertemperatur  stehen,  rührt  in  der  Zwischenzeit  hiiufiji:  um  und 
verteilt  nun  den  dünnen  flüssigen  Brei  in  gleichmäßiger  Weise  (je  10  rm') 
auf  2  Zentrifugierröhrchen ,  die  genau  gegeneinander  tariert  sind  und  eine 
Graduierung  tragen.  Dann  wird  so  lange  zentrifugiert ,  bis  die  festen  Be- 
standteile sich  abgesetzt  haben,  was  innerhalb  ö— 10  Minuten  erreicht  ist. 
und  nun  die  Plöhe  des  festen  Rückstandes  und  der  Flüssigkeitsmcuge  an 
der  Graduierung  der  beiden  Röhrchen  abgelesen  und  notiert.  Hat  man  vor 
der  Übertragung  des  Breies  auf  die  Zentrifugierröhrchen  noch  einmal 
gründlichst  durchgerührt,  so  wird  man  nach  Beendigung  des  Zentrifugierens 
finden,  daß  der  Rückstand  in  beiden  Röhrchen  die  gleiche  Höhe  einnimmt. 
Glaubt  man.  daß  der  Rückstand  bei  weiterem  Zentrifugieren  noch  mehr 
zusammensinken  würde,  so  läßt  man  die  Zentrifuge  noch  weitere  5  Minuten 
laufen.  Bei  einer  elektri.schen  Zentrifuge  genügt  es.  die  (Jläschen  höchstens 
15  Minuten  lang  in  Betrieb  zu  halten. 

Alsdann  gießt  man  das  überstehende  fermenthaltige  Fäzesextrakt  ab 
und  bestimmt  die  Diastase  mittelst  eines  Iieihenversuchs.  Zu  diesem  Zwecke 
benutzt  man  9  Reagenzgläschen,  auf  die  man  das  Ferment  verteilt.  Die 
Fermentverteilung  nimmt  man  so  vor,  daß  man  die  ersten  drei  Gläschen 
mit  10,  0"5  und  O-'lbcin^  des  unverdünnten  Fäzesextraktes  i)eschickt  und 
weiterhin  so  fortfährt,  daß  jedes  Gläschen  die  Hälfte  von  dem  vorher- 
gehenden erhält.  Das  erreicht  man  am  beiiuemsten.  wenn  man  mit  der 
8-  respektive  64fachen  Verdünnung  des  ursprünglichen  Fäzesextraktes 
arbeitet.  Glas  4,  5  und  6  erhalten  dann  DO,  O'ö  und  0-2öcm3  der  Hfachen 
Extraktverdünnung,  Glas  7,  8  und  '.'  erhalten  10.  (»"ö  und  o-2ö<7»3  der 
64fachen  Extraktverdünnung,  so  daß  die  einzelneu  Gläser  folgende  Ferment- 


mengen  enthalten : 

Glas  1 

Glas  2 

Glas  H 

DO 

0-5 

0-25 

Glas  4 

Glas  5 

(Jlas  6 

0-125 

00625 

oo:U2 

Glas  7 

Glas  8 

Glas  9 

0-0156 

0-0078 

0-0():i9. 

•)  J.  Wohlgemuth,  (M»er  eine  iieiio  Metlimle  zur  (iiiaiititativeu  Bestimmunir  dw 
diastatischen  Fermentes.  Biocliem.  Zeitscbr.  H»l.  !>.  H.  1   u.  2.  S.  1— 9.  11KJ8. 

')  .7.  Wohlficmuth  ,  Beitra-r  zur  funktionellen  Diairiiostik  des  Pankreas.  Beiuii'  r 
klin.  Wochenschr!  Nr.  3.  S.  92-95.   191U. 


406  H.  Lohrisch. 

Die  VerdünDung  macht  mau  sämtlich  mit  P/oiger  Kochsalzlösung 
und  ergänzt  die  fehlende  Menge  in  den  einzelnen  Gläschen  mit  derselben 
Lösung,  um  überall  gleichmäßige  Kochsalzkonzentration  zu  erhalten.  Dann 
kommen  zu  jeder  Fermentprobe  bcm^  IVoiger  Stärkelösung.  Die  Gläschen 
werden  sodann  mit  einem  Kork  oder  Wattestopfen  fest  geschlossen  und 
auf  24  Stunden  in  den  Brutschrank  bei  38"  gestellt.  Nach  x\blauf  der 
Frist  werden  sie  herausgenommen,    mit  kaltem  Leitungswasser   bis   etwa 

1  Finger  breit  vom  Rande  aufgefüllt,  mit  je  1  Tropfen  —-Normaljod- 
lösung versetzt  und  nun  die  unterste  Grenze  der  Wirksamkeit  (limes)  be- 
stimmt, d.  h.  dasjenige  Gläschen,  in  dem  zum  ersten  Male  ein  blauer 
Farbenton  auftritt. 

Angenommen,  Glas  7  sei  als  Hmes  zu  bezeichnen,  so  würde  Glas  6 
mit  0-0312  Extrakt  dasjenige  Glas  sein,  in  dem  sämtliche  Stärke  mindestens 
bis  zum  Dextrin  abgebaut  ist.  Aus  diesem  Glase  berechnet  sich  die  Größe 
des  Fermentes  in  der  Weise,  daß  die  Anzahl  Kubikzentimeter  einer 
iVoigen  Stärkelösung  bestimmt  werden,  die  durch  lau"-  der  Fermentlösung 
in  der  für  den  Versuch  angewandten  Zeit  bis  zum  Dextrin  total  abgebaut 
wird.  Es  ergibt  sich  folgende  rechnerische  Überlegung: 

0-0312  Extrakt  bauen  in  24  Stunden  bei  38»  bcrn^  IVoiger  Stärke- 
lösung ab. 

1-0  Extrakt  baut  in  24  Stunden  bei  38"  160-3  c;«^  lo/^iger  Stärke- 
lösung ab. 

Die  diastatische  Kraft  eines  Kubikzentimeters  Extrakt  aus  Fäzes  be- 
zeichnet Wohlgemuth  mit  Df.  Im  angenommenen  Beispiele  würde  also 
Df  =  160-3)  sein ,  d.  h.  die  diastatische  Kraft  beträgt  160-3  Diastaseein- 
heiten. 

Nun  muß  man  weiter  in  Rechnung  setzen  die  Menge  des  Rückstandes, 
die  in  bg  Kot  enthalten  ist.  Angenommen,  es  wären  beim  Zentrifugieren 
für  den  Rückstand  2-bcm'^  und  für  die  Menge  des  Extraktes  7-5 cm^  ge- 
funden  worden,    so  würde  1  cm^  Rückstand   entsprechen  — ^  c^m^  Extrakt 

—  ?>cm^  Extrakt.  Da  nun  1  cm^  Extrakt  =  160-3  Fermenteinheiten  ist,  so 
entspricht  1  cm»  Rückstand  3  x  160-3  =  480-9  Fermenteinheiten.  Dem- 
nach würde  sich  aus  diesem  Beispiel  für  die  Diastasemenge  im  Kot  der 
Wert  ergeben  :  Df  f'  =  480-9 ,  wobei  Df  f '  bedeuten  würde  die  Diastase- 
konzentration  in  1  cm^  Kotrückstand  unter  gleichzeitiger  Angabe  der 
Zeit  und  der  Temperatur,  die  bei  Ausführung  des  Versuches  zur  Ver- 
wendung kamen. 

Will  man  nun  noch  die  Diastasemenge  für  den  Gesamtkot  berechnen, 
so  braucht  man  nur  das  Gewicht  in  Beziehung  zu  setzen  zu  der  Menge 
des  Ausgangsmaterials  und  zu  dem  Werte,  den  man  für  Df  g^j^  gefunden  hat. 

In  dünnen  Fäzes  ist  die  Diastasemenge  viel  größer  als  in  festen  Fäzes,  dabei  so 
gleichmäßig  verteilt,  daß  Kontrollbestimmiingen  sich  erübrigen.    Diastasewerte   von  470 


Methoden  zur  Untcrsuchiiiif,'  der  ineiischlichon  Fäzes.  4.(j7 

bis  5U0    sind    luuli    Wuhltiemuth   und    \l'i/itliuuseii  ')   l)uridischnitts\viTi.  .     .  ,,,     ,,1 

große  Diastasemengeu  im  Stuhle  zu  erhalten,  niuli  eine  jreeifrnete  Diät  (fcifehcii 

Die  Diät  muß  bewirken,  daß  das  Pankreas  möglichst  viel  Sekret    liefert    und    dui;    dir 

Stuhl  möglichst  homogen   und  alkalisch   ist,  da  die  Diastase  in  saurem  .Mr  ' 

sam  ist.    Es    soll    dcslialb    eine    gemischte  Kost    mit    wesentlicher    Kin-. 

Kohlehydrate  gegeben  werden  (Milch  mit  Tee  und  Kaffee,  Bouillon,  Schubefleis« 

Kalb  und  Rind,  Eier,  weißer   Käse.  Weißbrot.    Butter).     Diese   Diät    wird    2  Tag"    l.iut 

gegeben  und  erst  am  zweiten  und  dritten  Tage  der  Stuiil  auf  Diastase  untersucht.   Am 

Tage  vor  der  Diät  und  an  den  beiden  nächsten  Tagen  wird  abends  ein   mildes  LaxanK 

(Rhabarber,  Sagrada,  Kurella)  gcgelien. 

Die  zum  Versuche  nötige  Stärkelösung  wird  aus  der  löslichen  Stärk«-  von  Kahl- 
baum hergestellt.  Die  Bereitung  der  P/oigen  Lösung  geschieht  so,  d:iß  man  die  genau 
abgewogene  Menge  Stärke  in  das  entsprechende  Quantum  kalten  destillierten  Wassers 
einträgt  und  so  lauge  rührt,  bis  sich  eine  gleichniäßigi'  Suspensiim  (.'eliildct  hat.  Dann 
wird  die  Mischung  in  einer  Porzellanschalc  auf  dem  Wasserbade  unter  stetem  Cmrüiiren 
erwärmt,  bis  sie  sich  aufhellt,  was  innerhalb  8 — 10  Minuten  erreicht  ist.  Auf  diese 
Weise  erhält  man  eine  ganz  homogene.  leicht  opake  Lösung.  Dieselbe  muß  natürlich 
erst  stark  gekühlt  werden,  bevor  sie  zum  \'ersuch  verwendet  wird.  Sie  hält  sich  zwar 
mehrere  Tage,  doch  ist  es  zweckmäßig,  möglichst  frische  Lösungen  zu  verwenden. 

Zuweilen  ist  es  schwierig,  dasjenige  Gläschen  zu  bestimmen,  in  dem  man  den 
ersten  blauen  Farbenton  deutlich  wahrnimmt.  Man  beiregnet  manchmal  Röhrchen,  in 
denen  neben  einem  starken  Rot  (Erythrodextrin)  ein  leichter  Idauer  Farbenton  vurhan- 
den  ist.  Wenn  man  schwankt,  ob  dieses  Röhrchen  schon  als  unterste  Grenze  aufzu- 
fassen ist,  so  gibt  man  zweckmäßig  noch  einen  Tropfen  Jodlösung  in  dieses  Gläschen 
und  beobachtet  beim  Umschütteln,  ob  der  blaue  Farltenton  Itestehen  bleibt  oder  durcii 
eine  rotbraune  Färbung  verdrängt  wird. 


Gleichzeitige  Ausführuiii,^  der  KaspininetlKMle    ((irossl   uinl   der 
Diastjisenu'thode  ( Wolili;eimitli ). 

Wenn  es  darauf  ankommt,  beide  Fermente  jik'it'hzeiti','-  zu  bostimnien. 
so  verfährt  Wi/uhausen-)  praktischerweise  folgendermalien:  Er  licnutzt  ein 
Fäzesfiltrat  und  führt  zwei  Reihenversuche  mit  je  12  Glaschen,  die  in  zwei 
kleinen  Regalen  untergebracht  sind,  aus.  Die  Gläschen  beschickt  er  in  fol- 
gender Weise: 

Je  2  Gläschen  mit  0-25  und  O'!  cm^  unverdünntem  Filtrat: 

je  5  Gläschen  mit  O'ö,  0-4,  0-25,  O'IB  und  Ol  n,i^  des  lofach  ver- 
dünnten Filtrats; 

je  a  Gläschen  mit  OOn,  0-25  und  0-1  nn-'   des    lUOfadi    verdünnten 

Filtrats; 

je  2  Gläschen  mit  05  und  0-25  cw»  des  lOOOfach  verdünnti-n  Filtrat.^. 

Die  12  Gläschen  der  einen  Reihe  werden  mit  je  bcm^  IVoig«*!'  Stilrke- 
lösung,  die  12  der  anderen  Reihe  mit  je  öcm^'  lVooip:Pr  l^^i^^^i"'*'^""!-'  '^*'- 
schickt  und  die  Proben  in  der  obigen  Weise  weitergeführt.  Die  l'msetaung 
von  l  cni^  lo/ooiger  Kaseinlösung  durch  1  cm^  Filtrat  =  tryptische  Fer- 
menteinheit, wovon  sich  normalerweise  immer  mehr  als  2(Hl  Fiidteiten  finden. 


')  O.J.Wi/nhause»,  Zur  ([uantitativeii   FunktionsprUfuuL'  de-^  Pankreas.    Berliner 
klin.  Wochenschr.  Nr.  30.  S.  1401J-1407.  PJOU. 
2)  ().  ./.  WijuhauKvii,  1.  c.  S.  1407. 


408  H.  Lohrisch. 

Der  Nachweis  anorganischer  Bestandteile. 

Der  Nachweis  erfolgt  durch  Analyse  der  Fäzesasche. 

Quantitative  Bestimmung  der  Fäzesasche. 

Zur  Veraschung  wird  ganz  trockener  und  fein  pulverisierter  Kot  ver- 
wendet. Ein  abgewogenes  Quantum  davon  wird  im  Platin-  oder  Porzellan- 
tiegel vorsichtig  erhitzt,  zunächst  bei  Rotglut  verkohlt  und  schließlich  bis 
zum  völligen  Weißwerden  der  Asche  geglüht.  Der  Tiegel  wird  zur  Abküh- 
lung im  Exsikkator  aufbewahrt  und  dann  gewogen. 

Analyse  der  Fäzesasche. 

Hoppe- Sei/ler  ^ )  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  bei  der  obigen 
Veraschung  ein  Teil  der  hierbei  nachweisbaren  Schwefelsäure  und  Phos- 
phorsäure nicht  als  anorganisches  Salz  im  Untersuchungsmaterial  enthalten 
zu  sein  braucht,  sondern  erst  während  der  Veraschung  aus  dem  organisch 
gebundenen  Schwefel  der  Protein  Stoffe  entstanden  bzw.  aus  den  Phosphor- 
säure enthaltenden  Lezithinen  und  phosphorhaltigen  Proteiden  abgespalten 
werden  kann;  ferner,  daß  Kohlensäure  und  Salzsäure  während  der  Ver- 
aschung durch  Schwefelsäure  und  Phosphorsäure  ausgetrieben  werden 
können.  Um  diese  Fehlerquellen  nach  Möglichkeit  zu  vermeiden,  verrührt 
man  die  Fäzes  nach  Hoppe-Seyler  2)  mit  einem  großen  Überschuß  von 
Alkohol,  filtriert  und  zieht  den  Rückstand  zunächst  mit  verdünnter  Essig- 
säure und  darauf  mit  verdünnter  Salzsäure  aus.  Man  erhält  auf  diese 
Weise  eine  alkoholische,  eine  essigsaure  und  eine  salzsaure 
Lösung. 

Die  alkoholische  und  essigsaure  Lösung  werden  vereinigt,  ein- 
gedampft und  verascht.  3)  Hierzu  bringt  man  den  beim  Eindampfen  ver- 
bleibenden Rückstand  in  eine  IMatinschale,  welche  mindestens  das  sechs- 
fache Volumen  der  zu  veraschenden  Substanz  faßt.  Ist  diese  Substanz 
spröde,  knistert  und  zerspringt  sie  beim  Erhitzen,  so  bedeckt  man  zunächst 
die  Schale  und  erhitzt  bedeckt  so  lange,  als  man  noch  Knistern  hört.  Dann 
entfernt  man  den  Deckel.  Das  Erhitzen  ist  nur  langsam  zu  steigern,  um 
dem  Wasser  und  gasförmigen  Destillationsprodukten  hinreichend  Zeit  zum 
ruhigen  Entweichen  zu  lassen,  denn  bei  zu  rapidem  Entweichen  der  Gase 
können  Substanzpartikelchen  mit  fortgerissen  werden  und  Verluste  an  Asche 
bedingen.  Man  erhitzt  in  dieser  Weise  höchstens  bis  zu  beginnender  Rot- 
glut und  erhält  bei  dieser  Temperatur,  bis  keine  Dämpfe  oder  Nebel  mehr 
entweichen  und  die  Kohle  fest  und  unbeweglich  geworden  ist.  Man  läßt 
dann  erkalten,  übergießt  die  erkaltete  Kohle  mit  ein  wenig  Wasser,  ver- 
reibt sie  unter  demselben  möghchst  fein,  erhitzt  nach  Zusatz  von  noch 
mehr  Wasser  zum  Sieden  und  filtriert   durch  ein  aschefreies  Filter,   wel- 


1 


^)  F.  Hoppe-Seyler  und  H.  Thierfelder,  Handbuch  der  physiologisch-  und  pathologisch- 
chemischen Analyse.  7.  Aufl.  Berlin  1903.  i^  541.  S.  471. 
2)  Hoppe-Sei/Jer-Thierfelder,  1.  c.  §  687.  S.  553. 
»)  Hoppe-Scyhr-Thierfelder,  1.  c.  §  426.  S.  391. 


Methoden  zur  Untersuchiiiig  der  menschlichen  Fitzes  inq 

ches  mit  heißem  Wasser  senüj^ciid  aus^^ewaschen  wird,  riatinscliale,  Filu-r 
und  Kohle  werden  j>ut  im  Lufthade  jj^etrocknet,  die  trockenen  Substanzen 
mit  dem  Filter  in  der  Schale  aljermals  hei  schwacher  Kotj/hit  erhitzt,  nach 
dem  Plrkalten  wieder  mit  Wasser  verriehen  und  in  der  ohij,'en  Weise  he- 
handelt.  Das  Filtrat  wird  mit  dem  ersten  vereini^^t.  Nnn  werden  Schale. 
Filter  und  Kohle  wieder  getrocknet,  allmählich  his  zum  hefti;,'en  (iliihen 
erhitzt  und  so  lange  im  Glühen  erhalten,  bis  die  Kohle  völlig  oder  bis  auf 
geringe  Spuren  verschwunden  ist.  Da  die  Kohle  stets  noch  Sjjuren  lüs- 
licher  Salze  zurückhält,  so  ist  auch  diese  Asche  noch  mit  Wasser  zu  ex- 
trahieren, das  Filtrat  mit  den  vorherigen  zu  vereiniiicn  und  die  ganze 
Flüssigkeitsmenge  auf  dem  Wasserbade  einzuengen.  ])ie  im  Wasser  un- 
löslichen Aschebestandteile  werden  nun  mit  verdünnter  Salzsäure  erwärmt. 
und  wenn  hierbei  Eisenoxyd  zurückbleiben  sollte,  bis  zur  völligen  Lösung 
mit  konzentrierter  Salzsäure  auf  dem  Wasserbade  digeriert. 

Man  erhält  auf  diese  Weise  einen  wässerigen  iiiid  eim-n  Salz- 
säuren Auszug  der  Asche. 

In  dem  wässerigen  Auszuge  können  nach  Hoj>pr- Sei/Urs'^)  Vor- 
schriften nachgewiesen  werden:  Kohlensaure  und  phosithorsaure  .\lkalien. 
Schwefelsäure,    Salzsäure,    Phosphorsäure,    Kalk.    Kali,  Natron,  Kieselsäure. 

In  dem  salzsauren  Auszuge  wird  geprüft  auf  Kalk,  Magnesia,  Thos- 
phorsäure  und  Eisen.-) 

Die  direkt  aus  den  Fäzes  extrahierte  salzsaure  Lösung  wiid  eben- 
falls verdampft  und  verascht,  die  Asche  mit  Salzsäure  aufgenommen  und 
auf  Phosphor  und  Eisen  untersucht,  s) 

Veraschung  auf  nassem  Wege. 

Die  von  A.  Neumann  *)  angegebene  ^'eraschung  auf  nassem  Wege 
ist  sehr  zweckmäßig  deshalb,  weil  das  zu  veraschende  Material  nicht  ge- 
trocknet werden  muß.  weil  die  Veraschung  .sehr  befiuem  vor  sich  geht 
und  Verluste  durch  Erhitzen  und  Fortfließen  ausgeschlossen  sind.  Mit  der- 
selben kann  man  nur  die  Metalle  und  die  nicht  flüchtigen  Säuren  be- 
stimmen. Salzsäure  und  Kohlensäure  entweichen.  Das  Prinzip  der  feuchten 
Veraschung  ist  Oxydation  der  Substanz  mittelst  eines  Gemisches  von  Sal- 
peter- und  Schwefelsäure  und  Vermeidung  der  Verkohlung  durch  langsames 
beständiges  Hinzufügen  des  Säuregemisches. 

Die  feuchte  Veraschung  mit  dem  Säuregemisch  wird  in  einem  gut 
funktionierenden  Abzug  ausgefiüirt.  Die  Fäzes  können  feucht  oder  ge- 
trocknet verwendet  werden.  Eine  Portion  derselben  wird  in  einem  Kund- 
kolben mit  5 — 10  cmr^  Säuregemisch  (gleiche  Vohnnenteile  konzentrierter 
Schwefel-  und  Salpetersäure)  übergössen  und  mit  mäßiger  Flamme  erwärmt. 
Es  steigen  dann  braune  Dämpfe  auf.  Wenn  die  Entwicklung  dieser  Dämpfe 


V)  F.  Hopj)c-Sei/ler  und   //.  TUicrj'tltUr,  Ilandlnu'h  der  physicdoiri-''''-   und   pitli 
logisch-chomisehcn  Analyse.  7.  Aufl.  Berlin  11MJ3.  S  431.  S.  394—390. 
2)  Hoppe-Sojler-fhierfrlihr,  1.  c.  ?5  432.  S.  398-307. 
■')  Ifo/>pr-Sn/hr-T/iifrfrl(fn:  I.e.  §  (587.  S.  553:  5?  432.  S.  3%- 31)7. 
^j  Zit.  inu-h  Hoppr-Sriffer-T/iifrfr/dcr,  I.e.  $5  428—430.  S. .393—394. 


410  H.  Lohrisch. 

geringer  ^^1rd,  gibt  man  aus  einem  Halmtrichter  tropfenweise  weiteres  Ge- 
misch zu  und  fährt  damit  fort,  bis  ein  Nachlassen  der  Reaktion  eintritt 
und  die  Intensität  der  braunen  Dämpfe  abgeschwächt  erscheint.  Um  zu 
entscheiden,  ob  die  Substanzzerstörung  beendet  ist,  unterbricht  man  das 
Hinzufließen  des  Gemisches  für  kurze  Zeit ,  erhitzt  aber  weiter ,  bis  die 
braunen  Dämpfe  verschwunden  sind,  und  beobachtet,  ob  sich  die  Flüssig- 
keit im  Kolben  dunkler  färbt  oder  noch  schwärzt.  Ist  das  der  Fall,  so 
läßt  man  Mieder  Säuregemisch  zufließen  und  wiederholt  nach  einigen  Mi- 
nuten obige  Probe.  Färbt  sich  die  hellgelbe  oder  farblose  Flüssigkeit  bei 
weiterem  Erhitzen  nicht  mehr,  dann  ist  die  Veraschung  beendet.  Die 
Flüssigkeit  wird  beim  Erkalten  völlig  wasserhell.  Man  fügt  nun  etwa  3mal 
so  viel  Wasser  hinzu  als  Säuregemisch  verbraucht  wurde ,  erhitzt  und 
kocht  etwa  5 — ^10  Minuten,  wobei  braune  Dämpfe,  welche  von  der  Zer- 
setzung der  entstandenen  ISitrosylschwefelsäure  herrühren,  entweichen.  Die 
so  erhaltene  Lösung  der  Aschebestandteile  kann  zur  qualitativen  und  quan- 
titativen Untersuchung  auf  alle  Basen,  mit  Ausnahme  von  Ammoniak,  und 
auf  nichtflüchtige  Säuren  benutzt  werden.  Es  lassen  sich  vor  allen  Dingen 
darin  nachweisen  und  quantitativ  bestimmen  Kalium,  Natrium,  Kalzium  und 
Magnesium.  Bezüglich  Einzelheiten  in  der  Darstellung  und  Bestimmung 
der  einzelnen  Elemente  ist  bei  Hopi^e-Seyler^)  nachzulesen. 

Kalorimetrische  Fäzesuntersuchung. 

Die  kalorimetrische  Fäzesuutersucliuno-  ist  dann  anzuwenden,  wenn  es  darauf  an- 
kommt, Vergleiche  anzustellen  zwischen  der  Energiemenge  der  eingeführten  Nahrung 
und  der  Energiemenge,  die  den  Organismus  im  Kote  verläßt,  vorausgesetzt,  daß  dabei 
nicht  Wert  gelegt  wird  auf  die  Einzelbestimmung  von  N,  Fett,  Kohlehydraten,  Zellu- 
lose usw.  Derartige  Bestimmungen  sind  an  Säuglingsfäzes  von  SchJosfmami  -),  an  den 
Fäzes  Erwachsener  von  Lohrisch  '■')  ausgeführt  worden. 

Die  Bestimmungen  werden  am  besten  mit  Hilfe  des  Hempelscluen^) 
Kalorimeters  ausgeführt,  welches  nach  folgendem  Prinzip  arbeitet:  Die  zu 
untersuchende  Substanz  wird  unter  einem  Überdruck  und  Überschuß  von 
Sauerstoff  im  luftleeren  Raum  verbrannt.  Es  wird  dadurch  erreicht,  daß 
alle  Elemente  so  hoch  wie  möglich  oxydiert  werden,  so  daß  die  gesamte 
latente  Energie  des  betreffenden  Stoffes  in  Wärme  überführt  wird.  Damit 
die  entwickelte  Wärme  sich  nicht  im  Räume  verliert,  wird  sie  gezwungen, 
sich  in  einem  bestimmten  Medium,  nämlich  in  Wasser,  auszubreiten.  Die 
Erwärmung  des  Wassers  wird  direkt  thermometrisch  gemessen  und  daraus 
die  der  Wärmeentwicklung  entsprechende  Kalorienmenge  berechnet. 

Das  Hempehche  Kalorimeter  enthält  folgende  Teile  (Abbildungen  der 
verschiedenen  Teile  siehe  bei  Hempel'^). 

M  F.  Hoppe-Seijler  und  H.  Thierf eider,  Handbuch  der  physiologisch-  und  patho- 
logisch-chemischen Analyse.  7.  Aufl.  Berlin  1903.  §433-451.  S.  397— 410. 

-j  A.  Schlossmann,  t)ber  die  Bedeutung  kalorimetrischer  Untersuchungen  für 
klinische  Zwecke.  Berliner  klin.  Wochenschr.  Nr.  12.  S.  264—265.  1903. 

^)  H.  Lohrisch,  Kalorimetrische  Fäzesuntersuchungen.  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie. 
Bd.  41.  H.  4.  S.  308-320.  1904. 

■*)   W.Hempel,  Gasanalytische  Methoden.  S.  375— 396.  3.  Aufl.  Braunschweig  1900. 

5)   W.  Hempel,  1.  c.  S.  379-389. 


Methoilon  zur  l'utersucliung  der  mcnscliliclion  1- .  j  j  ] 

1.  Kincn   l'icüapparnt.    in    dein    ilii'  zu   iintersuchciulcu  fein  pulvtMini.'i  ■ 
zu  Blockclien  gepreßt  worden. 

2.  Eine  Autoklave  aus  FhiUcisen  von  ca.  200  cm'  Inhalt.  Der  Vorschluü  di-r 
Autoklave  wird  durch  ein  aufschraubbares  Kopfstück  -^fehihlet.  Dieses  trägt  ein  Schrau- 
benventil, oiiipu  Flanschonrolirausatz  und  zwei  KlektnxbMi.  Am  unteren  l'i  '  '  '  :.f- 
stückes  sind  zwei  Eisenstahe  aniire'bracht,  welche  an  ihren  Enden  je  eine  IM  n 
und  in  die  Autoklave  hineinragen. 

3.  Eine  Sauerstoffbombe  mit  Manometer,  welche  an  den  Flanschenrohransatz  an- 
zuschrauben ist. 

4.  Das  eigentliche  Kalnriineter.  Dieses  besteht  ans  einem  Metallgefüß,  welches 
das  Kalorimeterwasser  enthält  und  in  einem  Abstände  von  ca.  2  cm  in  einem  Molzj^e- 
fäßo  aufL'eliängt  ist.  In  das  Metallgofäß  wird  die  Autoklave  eingesetzt,  ferner  ein  feines 
Thorinonieter  und  eine  Rührvoniclitung.  Das  Ganze  wird  durch  einen  Deckel  abge- 
schlossen, welcher  Öffnungen  für  das  Thermometer,  das  Rührwerk  und  die  Elektro- 
den hat. 

Eine  Brennwertbestimmung  mit  diesem  Kalorimeter  gestaltet  sich 
nun  folgendermajjen: 

Ca.  1  y  des  lufttrockenen  Fäzespulvers  wird  mit  Hilfe  des  l'reliappa- 
rates  zu  einem  IJlückchen  gepreßt.  Gleichzeitig  wird  ein  1 1  on  Junger 
Zwirnsfaden,  dessen  Brennwert  bekannt  ist,  mit  in  die  Sul)stanz  Iuikmu- 
gedrückt.  Das  FJlöckchen  wird  gewogen.  Nun  wird  es  an  einem  Ol  nim 
dicken  Platindraht,  der  zwischen  den  im  Kopfstücke  der  Autoklave  befind- 
lichen beiden  Platinösen  ausgespannt  wird,  mit  dem  einen  Ende  des  Zwirns- 
fadens aufgehängt ,  so  dab  der  Block  jetzt  in  einem  kleinen  Platintiegel 
schwebt,  der  in  ein  an  den  beiden  Platinüsen  aufgehängtes  Tonschälcht-n 
eingesetzt  ist.  Durch  den  Tiegel  werden  etwa  abbröckelnde  Teilchen  des 
Blockes  aufgesammelt  und  so  der  Verbrennung  zugänglich  gemacht.  Die 
Autoklave  wird  hierauf  fest  verschlossen,  der  Sauerstoffbehälter  an  den 
Flanschenrohransatz  angeschraubt,  durch  einströmenden  Sauerstoff  die  in 
der  Autoklave  vorhandene  Luft  verdrängt  und  dann  die  Autoklave  bei 
einem  Druck  von  20 — 21  Atmosphären  unter  Kontrolle  des  Manometers 
mit  Sauerstoff  gefüllt  und  durch  das  Schraubenventil  abgeschlossen.  Dann 
wird  die  Autoklave  in  das  .Metallgefäß  des  Kalorimeters  eingesetzt,  wel- 
ches genau  1/  destillierten  Wassers  enthält.  Die  Temperatur  dieses  Wassers 
muß  um  ca.  lö»  C  kälter  als  die  umgebende  Luft  .<;ein.  Mau  erreicht  dies 
durch  vorherige  Mischung  des  Wassers.  Nachdem  man  noch  das  Wühr- 
werk  in  das  Metallgefäß  gebracht  hat,  wird  der  Apparat  durch  den  Deckel, 
welcher  das  Thermometer  und  die  zwei  Elektroden  trägt,  geschIoss(M».  Die 
Elektroden  werden  mit  einem  kleinen  zweizeiligen  Akkumulator  verbunden. 
Nun  beginnt  die  eigentliche  Verbrennung.  Mittelst  der  lltdirvorrichtung 
wird  so  lange  gerührt,  bis  das  Wasser  eine  konstante  Temiieratur  ange- 
nommen hat.  Darauf  wird  gezündet  und  unter  beständiL-^em  Imrühren  mit 
einer  Lupe  an  einem  in  V/öo''C  eingeteilten  Thermometei-  die  Erwär- 
mung des  Wassers  abgelesen.  Mit  dem  Thermometer,  desst-n  Fehler  genau 
bekannt  sind,  kann  man  auf  V '.,50  Orad  genau  ablesen.  Ist  z.B.  der  Kalorien- 
faktor (der  Kalorienfaktor  des  Kalorimeters  ist  diejenige  WännemenKe. 
welche  nötig  ist,  um  den  im   Kalorimeter  vorhandenen  einen  Liter  ^^  asser 


412  H.  Lohrisch. 

um  1"C  ZU  erwärmen;  er  muß  für  jeden  Apparat  besonders  bestimmt 
werden)  des  betreffenden  Kalorimeters  r3583,  die  Menge  des  verbrannten 
Kotes  1*1058^  und  betrug  die  Erwärmung  des  Wassers   3'925*',    so   ist 

der  Brennwert  für  lg  des  betreffenden  Kotes ,  .^^,'. — ^Kalorien.  Da- 

-^  1-1058 

von  ist  der  Brennwert  des  Zwirnsfadens  in  Abzug  zu  bringen.  Jede  Brenn- 
wertbestimmung mulj  doppelt  ausgeführt  werden. 

Ich  fand  die  direkt  kalorimetrisch  hestimmteii  Brennwerte  der  Fäzes  immer 
etwas  höher  als  die  aus  den  Analysen  herechneten,  was  wohl  an  kleinen  Ungenauig- 
keiten,  die  bei  den  Analysen  unvermeidlich  sind,  liegt.  So  werden  beispielsweise  bei 
der  Analyse  Lezithin  und  Cholestcarin  durch  Äther  mit  extrahiert  und  als  Fett  be- 
rechnet, während  ihre  eigentlichen  Brennwerte  höher  sind.  Die  Methoden  der  Kohle- 
hydratbestimmuug  leiden  au  den  früher  geschilderten  Ungenauigkeiteu.  Meist  wird  bei 
den  üblichen  Analysen  auch  die  Zellulose  vernachlässigt,  ebenso  die  Gallenfarbstoffe, 
Gallensäuren  und  sonstige  organische  Säuren,  die  im  Kote  vorkommen  und  die  bei  den 
Brennwertsbestimmungen  mitbestimmt  werden. 

Getrennte  Bestimmung  von  Sekreten  und  Nahrungsresten  in 
normalen  Fäzes  nach  Ury. '  -) 

Es  kann  als  sicher  angenommen  werden,  daß  der  normale  Darm  des  Erwach- 
senen mit  großer  Exaktheit  diejenigen  Xahrungssubstanzen,  die  durch  den  Verdauungs- 
prozeß in  Lösung  gebracht  worden  sind,  auch  völlig  resorbiert,  so  daß  normale  Darm- 
entleerungen keine  wasserlöslichen  kristalloiden  Substanzen  (Zucker)  und  wasserlösliche 
Eiweißkörper  (Albumosen,  Albumine)  enthalten.  Von  dieser  Tatsache  ausgehend  gelangt 
Ury  zu  einer  annähernden  Feststellung  des  vom  Darm  selbst  gelieferten  Kotanteiles, 
indem  er  die  normalen  Fäzes  mit  destilliertem  Wasser  gilindlichst  verreibt  und  filtriert. 
Man  kann  dann  annehmen,  daß  unter  nonnalen  Verhältnissen  nur  die  von  der  Darm- 
wand selbst  gelieferten  Sekrete  in  das  wässerige  Extrakt  üliergehen,  während  die  Nah- 
rungsreste auf  dem  Filter  zurückbleiben.  Naturgemäß  ist  diese  Trennung  der  Sekrete 
von  den  Nahrungsresten  keine  exakte;  es  kann  sich  dabei  immer  nur  um  eine  an- 
nähernde Bestimmung  handeln.  Wenn  auch  als  sicher  anzunehmen  ist,  daß  erhebliche 
wasserlösliche  Reste  per  es  eingeführter  Nahrungsmittel  nicht  in  das  wässerige  Extrakt 
übergehen,  so  kann  andrerseits  die  Frage  nicht  unbedingt  bejaht  werden,  ob  in  der 
Tat  das  gesamte  Sekret  in  das  w  ässerige  Extrakt  übergeht.  Dies  tun  z.  B.  nicht  wasser- 
unlösliche Stoffe  (Fette),  die  im  Dickdarm  ausgeschieden  werden,  ebenso  nicht  abge- 
stoßene Darmepithelien,  ebensowenig  in  den  Darmkanal  ausgeschiedenes,  aber  mit  den 
Fettsäuren  zu  fettsaurem  Kalk  umgesetztes  Kalziumpliosphat.  Unter  Berücksichtigung 
dieser  Fehlerquellen  ist  aber  die  Methode  annähernd  richtig. 

Es  wird  so  verfahren,  daß  die  feuchte  Tageskotmenge  oder  der  von 
einer  größeren  Zeitperiode  gesammelte  feuchte  Stuhl  frisch  gewogen  wird. 
Der  größere  genau  abgewogene  Teil  des  frischen  Kotes  wird  mit  destil- 
liertem Wasser  aufs  feinste  verrieben,  auf  ein  Volumen  von  ca.  1000  bis 
1500  crn^  gebracht  und  durch  mehrere  Faltenfilter  filtriert.  Das  Filtrat 
wird  auf  ein  bestimmtes  Volumen  mit  destilliertem  Wasser  aufgefüllt. 
Darin  konnte  Ury  nachweisen:  HCl,  geringe  Mengen  Ho SO4.  P-Säure  (öOcm.^ 


*)  H.  Vry,  Zur  Methodik  der  Fäkaluntersuchungen.  Deutsche  med.  "Wochenschr. 
Nr.  41.  S.  718—723.  1901. 

2)  H.  Ury,  Zur  Lehre  von  den  Abführmitteln.  I.  Archiv  für  Verdauungskrank- 
heiten. Bd.  14.  S.  411-423.  1908. 


Methoden  zur  Untersuchung  der  nieusehliclMn   Fiizos. 

Filtrat    mit  Essig'säuro   versetzen;   filtrieren;    mit    I  ranlösunj;    reichl. 
Niederschlag),  Kalk.  Maf:;nesia,  Kaliniii,  Xatriuin,  Ammoniak,  ^'erin^,'<'  Men- 
gen Eisen.  Vom  (iesamtstickstoff   jiini^cn    ins  Filtrat    ühcr   ca.  247o,   von 
clor  Trockensnhstan/  ca.  21"  o-  vom  Ca  ca.  7%. 

Der  kleinere  znriickf,'el)liebene  Teil  des  frischen  Kotes  wird  ^.- 
trocknet,  die  Trockensubstanz  bestimmt  und  in  der  iil»lichen  Weise  ana- 
lysiert. 

Der  Gang  der  Fäzesuntersuchung  zum  Zwecke  der  Funktions- 
prüfung des  Darmes  nach  Ad.  Schmidt. ') 

Unbedingtes   Erfordernis   für   diese  Fäzesuntersnchiing   ist   die  \'er- 

abreichung    der    Ad.  Schmidtscheu    Probediät.     Dieselbe    besteht    aus 

folgendem : 

Morgens:  ^  o  ^  Milch  oder  Tee  oder  Kakao,  wenn  möglich  mit  viel  .MiNli. 
Dazu   1  Semmel  mit  Dutter  und  1  weiches  Ei. 

Frühstück:  1  Teller  Ilaferschleimsuppe.  mit  Milch  gekocht,  durchgeseiht 
(Salz-  oder  Zuckerzusatz  erlaubt),  eventuell  kann  auch  Mehlsuppe  oder 
Porridge  gereicht  werden. 

Mittags:  1/4  Pfund  gut  gehacktes  mageres  liindfleisch ,  mit  Dutter  leicht 
übergebraten  (inwendig  roh),  dazu  eine  nicht  zu  kleine  Portion  Kar- 
toffelbrei (durchgesiebt). 

Nachmittags:  wie  morgens,  aber  kein  Ei. 

Abends:  ^  o  /  Milch  oder  1  Teller  Suppe  (wie  zum  Frühstück).  Dazu  eine 
Semmel  mit  Butter  und  1 — 2  weiche  Eier  (oder  lUdirei).  Eventuell 
ist  hierzu  noch  etwas  Wein,  dünner  Kaffee  zur  Milch.  Douillon  und 
etwas  gewiegter  kalter  Kalbsbraten  zu  gestatten. 

Für  exakte  klinische  Untersuchungen  und  quantitative  Analysen   eignet  sich  die 

folgende  detaillierte  Prohediät  von  Ad.  Schmidt : 

Morgens:  Ob  l  Milch  (oder,  wenn  Milch  schlecht  vertragen  wird,  Ü.')  /  Kakao,  aus  20  </ 
Kakaopulver,  lO^r  Zucker,  4UÜ  (/  Wasser  und  100  17  Milch  bereitet),  dazu  50  7 
Zwieback. 

Vormittags:  05/  Haferschleim  [aus  40  .</  Hafergrütze,  10//  Butter,  200//  Milch,  ;«»0  </ 
Wasser,  1  Ei  und  etwas  Salz  bereitet  (durchgeseiht)]. 

Mittags:  125//  gehacktes  Rindfleisch  (Rohgewicht),  mit  20 // Butter  leicht  übergebraten, 
so  daß  es  inwendig  noch  roh  bleibt,  dazu  250//  Kartoffelbrei  (aus  190/;  ge- 
mahlenen Kartoffeln,  1(X) //  Milch,  10/;  Butter  und  etwas  Salz  bereitet!. 

Nachmittags:  wie  morgens. 

Abends:  wie  vormittags. 

D;i  diese  Diiit  sich  für  Ausnutzungsversuche  usw.  sehr  gut  eignet,  so  seien  noch 

folgende  Einzelheiten  hierzu  mitgeteilt: 

Die  Kost  enthalt  15/  Milch,    2  Eier,    100  i?  Zwieback.    80//  Hafergrütze,    50^ 

Butter,  125^  Rindfleisch,  190 // Kartoffeln.  Daraus  ergibt  sich,  nach  *v;itrtv»iv/i/^rrArr»| 

berechnet,  folgende  Zusammensetzung: 


*)  Ad.  Schmidt,  Die  Funktionsprüfung  des  Darmes  mittelst  der  Trobekost.  2.  Aufl. 
S.  1-37.  1908. 

'^)  A.  Schwenkcnbechcr,  Die  Nälirwertberechuung  tischfertiger  Speisen.  l.-D.  Mar- 
burg 1900. 


414 


H.  L  ohrisch. 


1-5  /  Milch  .  . 
2  Eier  .... 
100  g  Z\\iel)ack 
80  g  Hafergrütze 
50  .g  Butter  .  . 
125  q  Rindfleisch 
190  ))  Kartoffeln 


Eiweiß 


Fett 


Kohle- 
hydrate 


450 
11-3 
8-55 
1-76 
0-37 
261 
395 


53-2 
109 
0-98 
1-2 
42-2 
1-96 
0-28 


67-6 

0-5 

751 

8-2 


39-9 


9503 


110-72 


191-3 


Hieraus  resultiert  bei  Berechnung  des  Eiweißes  mit  57  Kai.,  des  Fettes  mit 
9-3  Kai.,  der  Kohlehydrate  mit  4-1  Kai.  ein  Gehalt  der  Probediät  an  2355'5  Rohkalorien. 
Die  direkte  Verbrennung  der  Probediät  im  Kalorimeter  bestimmte  ich*)  zu  2  366-3  Kai. 
also  eine  recht  gute  Übereinstimmung.  Das  Tro  ckenge-nicht  einer  eintägigen  Probe- 
diät, die  auf  dem  Wasserbad  scharf  eingetrocknet  wurde,  fand  ich  in  mehreren  Versuchen 
zu  430  ,r/.  Der  Zellulosegehalt  der  eintägigen  Probediät  beträgt,  nach  Simon-Lohrisch 
bestimmt,  0-8916^7.-) 

Die  erstgenannte  Probekost  wird  gewöhnlich  3  Tage  lang,  eventuell 
auch  noch  länger  gegeben,  auf  jeden  Fall  so  lange,  bis  ein  Stuhl,  welcher 
sicher  nur  von  dieser  Diät  stammt,  zur  Verfügung  steht.  Eventuell  wird 
mit  0''dg  Karmin  abgegrenzt.  Die  Fäzes  sollen  möghchst  frisch  untersucht 
werden.  Die  Untersuchung  zerfällt  in  folgende  Abschnitte: 

I.  Makroskopische  Untersuchung.  Prüfung  des  frisch  entleerten 
Stuhles  auf  Farbe,  Konsistenz,  Geruch,  grobe  Beimengungen  von  Schleim. 
Blut  und  Eiter,  Würmern,  Steinen.  Sodann  sorgfältigste  Verreibung  eines 
zirka  walnusgroßen  Teiles  des  gut  vermischten  Stuhlganges  in  der  Por- 
zellanreibeschale wie  früher  geschildert  und  Besichtigung  des  verriebenen 
Stuhles  auf  dem  schwarzen  Makroskopierteller  (S.  o38).  Daselbst  Prüfung 
auf  Zellulosereste ,  Bindegewebe ,  Sehnenstückchen ,  Muskelreste,  Kartoffel- 
reste, Fettreste,  Schleim,  Eiter. 

Eventuell  mikroskopische  Besichtigung  der  makroskopisch  gefundenen 
Teilchen. 

IL  Mikroskopische  Untersuchung.  3  Präparate: 

1.  Besichtigung  eines  kleinen,  in  dünner  Schicht  unter  dem  Deckglase 
ausgebreiteten  Partikelchens  des  unverriebenen  Kotes  (Muskelbruchstücke, 
gelbe  Kalksalze,  ungefärbte  Seifen,  Fettsäure-  und  Fettseifennadeln,  Neutral- 
fett, Kartoffelzellen,  Zellulosereste,  Kakaoreste,  Schleim,  Eiter,  Parasiteneier). 

2.  Das  früher  (S.  364 — 365)  beschriebene  erhitzte  Essigsäurepräparat, 
in  dem  die  flüssigen  oder  erstarrten  Fettsäureschollen  eine  annähernde 
Abschätzung  des  Fettgehaltes  des  Stuhlganges  ermöglichen. 

3.  Ein  mit  starker  Lugohcher  Lösung  innig  vermischtes  Fäzes- 
partikelchen    (S.  369)    in   dünner    Schicht   (freie  Stärkekörner,    in    Zellu- 

')  H.  LohriscJi,  Kalorimetrische  Fäzesuntersuchungen.  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie. 
Bd.  41.  H.  4.  S.  315.  1904. 

-)  H.  Lohrisch,  Über  die  Bedeutung  der  Zellulose  im  Haushalte  des  Menschen. 
Zeitschr.  f.  phys.  Chemie.  Bd.  47.  H.  2  und  3.  S.  239.  1906. 


Methoden  zur  Untorsiichimir  iler  iiii'ii>clilii-iicii   i'.i/js. 

losehüllen    eiiiiieschlossene  Stärke,  l)lun,uefarl)te  .lodpil/e,  trell);r<  ; 
Zellen,  Milchsiiurebazillcn  inul  Sarcine). 

III.  Chemische  Untersuchnn^':   Tniinni^-    der    Keakti(»n 
Sublimatprobe  (S.  ;)'.)()  lunl  H93).  llrutschrankprobe  (S.  84H  und  ;Mtt     .'.7 j). 
Untersuchuni^-  auf  gelöstes  Eiweiß  (S.  :i44     :546). 

Gewinnung  und  Analyse  der  Darmgase. 

Bei  den  Darmgasen  können  wir  unterscheiden  zwischen  den  direkt 
im  Darm  gebildeten  und  als  solche  entleerten  Gasen  (l)ickdarnigase)  und 
denen,  die  bei  der  Nachgärung  des  Kotes  im  Brutschrank  (  Ürutschrank- 
probe  von  Ad.  Schmidt  vgl;  S.  ;U8  und  570 — 372)  entstehen  (Nach- 
gärungsgase). 

Die  Üic-lvLlarm-  und  XachgärungSfraso  sind  Gemische  von  C0„  (entsteht  liesmi- 
ders  aus  den  Kohlehydraten  und  der  Zellulose,  in  geringem  Grade  aus  Eiweiß).  11,  (ent- 
steht aus  Zellulose,  Kohlehydraten  und  Eiweiß),  CH^  (entsteht  l)ei  der  Vergiirung  der 
Zellulose  und  der  Kohlehydrate  und  hei  der  Zersetzung  des  Eiweißes),  N^  und  (),.  N,- 
und  0.,-Beiinengungeu  zu  den  (jasen  sind  stets  künstliche.  Sie  stammen  zum  Teile  von 
verschluckter  Luft  her.     Der  N2  kann  auch  aus  dem  Blut  ins  Darmlumen  diffundieren. 

Ammoniak.  H^S  und  Methylmerkaptnn  sind  nur  in  uaiiz  irerini/cn  MenL'en  in  den 
Darmgasen  enthalten.  Ammoniak  entsteht  bei  der  Eiweißfäulnis.  H.jS  kommt  nielit  re- 
gelmäßig vor,  sondern  meist  nur  bei  Genuß  bestimmter  schwefelhaltiger  Nahrungsmittel 
(Zwiebel,  Knoblauch.  Rettich).  Sie  können  im  allgemeinen  vernachlässigt  werden. 

Es  werden  untersuclit  entweder  die  dem  Darm  direkt  entnommenen  Dickdann- 
gase oder  die  Nachgärungsgase.  Wenn  es  darauf  ankommt,  sich  über  die  Zusammen- 
setzung der  im  Darme  selbst  entstehenden  Gase  zu  orientieren,  so  ist  natürlich  die 
direkte  Untersuchung  der  Dickdarmgase  der  sicherste  Weg.  Es  ist  nach  .!</.  .^  '  '  -M 
Untersuchungen  aber  auch  angängig,  aus  der  Zusammensetzung  der  hei  der  N  ag 

des  Kotes  entwickelten  Gase  Rückschlüsse  auf  die  Dickdanngase  selbst  zu  ziehen.  Es 
hat  sich  gezeigt,  daß  die  Nachgärungsgase  ihrer  Zusammensetzung  nach  ohne  weiteres 
mit  den  Dickdarmgasen  identifiziert  werden  können.  Auch  quantitativ  geht  die  Nach- 
gärung mit  der  Darmgärung  parallel.  Man  kann  sich  deshalb,  wenn  es  aus  äußeren 
Gründon  nicht  möglich  ist.  Dickdarmgase  direkt  zu  gewinnen,  mit  der  Untersuchung 
der  Nachgärungsgase  begnügen. 

Eine  quantitative  Bestimmung  der  Dickdarmgase  (etwa  von  24  Stunden)  ist  nicht 
möglich,  da  das  Aufsammeln  derselben  außerordentlich  schwierig  ist.  Mau  kann  die 
Menge  der  Dickdarmgase  nur  relativ  beurteilen  aus  ihrem  N,-  und  CII^-Gelialte.  Beim 
vergleichenden  Studium  der  Dickdarm-  und  Nachgäruugsgase  ergab  sich  nämlich,  daß 
die  Gasbildung  innerhalb  des  Darmes  um  so  gerin?er  ist,  je  höher  der  prozentigo  (Je- 
halt  der  Flatus  an  N,  und  CH^  ist;  auch  die  Menge  der  Nachgärungsgase  ist  tun  so 
geringer,  je  mehr  sie  N,  und  CH4  enthalten.*) 

Die  Gewinnnnü:  der  (iase. 

Nachgärungsgase.  Ad.  Schmidt^)  verfährt  so,  dalj  er.  um  ge- 
nauere Analvsen  und  größere  Gasmengen    zu  erhalten ,    die   ganze  Tages- 


*)  Ad.  Schmidt,    Experimentelle    und  klinische   Untersuchungen  über  I  ih- 

prnfuug  des  Darmes.  TU  Mitteilung.  Über  die  Bezichuiijren  der  Käzesgärung  zu-  '  ng 

und    zu    den  Fhitus.  Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  Ol.  H.  h  u.  G.  S.  öl  .'S. 

^)  Ad.  Schmidt,    Experimentelle   und    klinische   Untersuchungen  über  Kunktiun»- 

prüfung  des  Darmes.  II.  Mitteilung.  Über  die  Beziehuniren  der  l-'i.  ' '  -ii- 

gärung  und  zu  den  Flatus.  Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  Ol.   11  *< 

^)  Ad.  Schmidt,    Experimentelle    und  klinische  Untersuchungen  über  1 
prüfmig  des  Darmes.    I.  Mitteilung.    Über  Fäzesgärungen.    Deutsches  Arch.  f.  klm.  -Mca. 
Bd.  61.  H.  8  und  4.  S.  287—288. 


416  H.  Lohrisch. 

portion  des  frischen  Kotes  mit  sterilisiertem  Wasser  verrührt,  in  einem 
Glase  mit  durchbohrtem  Kautschukstöpsel  luftfrei  verschließt  und  in  den 
Brutschrank  stellt.  Durch  den  Kautschukstöpsel  leitet  ein  Glasrohr  mit  an- 
schheßendem  Eöhrensystem  die  gebildeten  Gase  durch  den  Deckel  des 
Brutschrankes  hindurch  in  ein  mit  konzentrierter  Kochsalzlösung  gefülltes 
Gasometer.  Das  ganze  Röhrensystem  wird  vorher  möghchst  vollständig  mit 
Wasser  gefüllt.  Es  ist  nicht  immer  möglich,  es  gänzlich  von  Luftblasen 
zu  befreien,  doch  bedingt  dies  keinen  größeren  Fehler,  weil  der  Kot  so 
wie  so  während  der  Zeit  der  Entleerung  bis  zur  Verarbeitung,  besonders 
wiihrend  des  Verrührens,  mit  der  Luft  in  Berührung  kommt  und  daher 
stets  ein  gewisses  Quantum  Luft  einschheßt.  Auch  läßt  sich  der  Fehler 
durch  Berechnung  des  Luftquantums  aus  dem  Og-Gehalte  des  entwickel- 
ten Gases  berechnen.  Ein  gewisser  Fehler  wird  dadurch  bedingt,  daß  in 
den  Fäzes  bei  der  Entleerung  Gase,  die  schon  im  Darm  gebildet  wurden, 
eingeschlossen  sind,  die  also  streng  genommen  nicht  zu  den  Nachgärungs- 
gasen, sondern  zu  den  Dickdarmgasen  gerechnet  werden  müssen.  Aus 
dieser  P'ehlerquelle  ist  wahrscheinlich  ein  etwaiger  N2 -Gehalt  der  Nach- 
gärungsgase (der  nach  Abzug  der  Luft  restiert)  zu  erklären.  Zum  Auf- 
fangen der  Gase  wird,  wie  erwähnt,  ein  kleines  Gasometer  benutzt,  welches 
ähnhch  wie  ein  Spirometer  gebaut  ist.  Die  Gase  treten  von  unten  her  in 
die  Gasometerglocke  ein  und  werden  durch  ein  am  oberen  Ende  der 
Glocke  angebrachtes  Rohr  mittelst  der  weiter  unten  beschriebenen  Entnahme- 
apparate entnommen.  Für  kleinere  Kotmengen  kann  man  auch  das  Strashurger- 
sche  Gärungsröhrchen  (Fig.  100,  S.  370)  benutzen.  Ganz  geeignet  scheint  mir 
auch  zur  Entnahme  von  Gasen  aus  dem  Gärungsröhrchen  die  früher  (Fig.  lOL 
S.  371)  beschriebene  Münzersche  Modifikation  des  Strasbnrf/erschen  Gä- 
rungsröhrchens  zu  sein,  bei  welchem  das  Gas  aus  dem  seithch  ange- 
schmolzenen Glasrohr  direkt  entnommen  werden  kann,  zumal  wenn  man 
das  Münzersche  Röhrchen  für  größere  Mengen  Kot  und  Gas  entsprechend 
größer  konstruieren  würde. 

Dickdarmgase.  Zur  Aufsammlung  der  Dickdarmgase  hat  Ad. 
Schmidt^)  folgendes  Verfahren  angegeben:  Ein  Gasometer,  dessen  Glocke 
völlig  mit  konzentrierter  NaCl-Lösung  gefüllt  ist,  hat  am  oberen  Ende 
dieser  Glocke  einen  Fortsatz  in  Gestalt  eines  Glasrohres.  Dieses  Glasrohr 
ist  durch  einen  Gummischlauch  mit  dem  in  den  Anus  einzuführenden  An- 
satzstück verbunden.  Dieses  stellt  eine  langgestielte  Hartgummibirne  mit 
zahlreichen  feinen  seitlichen  Öffnungen  dar.  Der  Gasometer  und  Ansatz- 
stück verbindende  Schlauch  ist  unmittelbar  über  der  Gasometerglocke  und 
unmittelbar  vor  dem  Ansatzstück  mit  Klemmen  zu  verschließen.  Das  ganze 
Röhrensystem  ist  mit  Ausnahme  des  Ansatzstückes  ebenfalls  mit  konzen- 
trierter Kochsalzlösung  gefiült.  Das  Ansatzstück  liegt  beständig  in  einer 
Schale  mit  destilliertem  Wasser  und  wird,   wenn  die  Versuchsperson  den 


*)  Ad.  Sch^nidt,  Experimentelle  und  klinische  Untersuchungen  über  Funktionsprü- 
fung des  Darmes.  II.  Mitteilung.  Über  die  Beziehungen  der  Fäzesgärung  zur  Darmgärung 
und  zu  den  Flatus.  Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.  Bd.  61.  H.  5  und  6.  S.  548—550.  1898. 


Methoden  zur  l'ntersuclniiig  der  nicnschlirhon  Filzos. 


417 


bevorstehenden  Abgang  von  Flatus  spürt,  soweit  in  den  After  einf^M-filhrt, 
daß  die  Birne  oberhalb  des  Sphinkter  zu  lie-^^cn  koninit.  Das  (lasometor 
wird  dabei  so  einiiestellt ,  dal»  die  Fliissi«:keit  im  iinlieren  Teile  erheblich 
niedriger  steht  als  in  der  Glocke.  Sollen  nun  jetzt  die  i'rdaa  entnommen 
werden,  so  werden  die  beiden  Klemmen  f^cöitiiet  und  es  wird  infol^'e  de.s  er- 
wähnten Standes  des  (Jasometers  (ias  angesoffen.  Ist  dies  «j-eschehen.  so  worden 
die  Klemmen  wieder  angelegt,  die  lürne  wird  herausgenommen,  in  die 
Schale  mit  Wasser  getan  und  durch  neues  Offnen  der  Klemmen  die  noch 
im  Schlauche  vorhandenen  Gase  nachgesogen,  wobei  sich  das  Kührensyslem 
aus  der  Schale  mit  Wasser  füllt.  Das  Ga.someter  kann  nach //r///yW)  auch 
mit  konzentrierter  Lösung  von  Chlormagnesium  gefiillt  sein,  fber  sonstige 
zum   Auffangen    von    Gasen  geeignete  Apparate    vergleiche    bei  Hcnipel.*) 

Ein  Ein(lriiij>en  von  Luft  ist  bei  tlicscni  Verfalireii  nicht  immer  y.u  vcrmi-iden. 
Es  ist  aber,  wie  schon  erwiilint.  für  die  Analyscnresuitate  oline  Bedentun^'.  I,iift  und 
restierender  N,  werden  auch  liier  von  vornherein  in  Abrechnung  gebracht,  da  N.  im 
Darm  selbst  nicht  gebihlet  wird. 

Die  Analyse  der  Hase. 

Die  Gasanalyse  wird  mit  Hilfe  der  Apparate  und  .Methodik  von 
Hempel^)  ausgeführt.  Nach  Ad.  Schmidts*)  Erfahrungen  kann  von  vorn- 
herein auf  Bestimmung  von  Ammoniak  und  IL, S  verzichtet  werden,  da 
deren  Mengen  noch  geringer  als  die  Fehlergrenzen  der  Methode  sind. 

Alle  absorbierbaren  Gase  werden  durch  absorbierende  Mittel  bestimmt, 
die  nichtabsorbierbaren  durch  Verpuffung. 

Zunächst  seien  ganz  kurz  die  hierzu  nötigen  Hcinpchchvw  Apjiarair 
geschildert : 

Zur  Entnahme  des  Gases  aus  dem  Gasometer  dient  die  //cwyjf/sche  Gas- 
bürette^)  (Fig.  103).  Sie  besteht  aus  zwei  Glasröhren,  welche  in  eiserne  Fiiße  ciugesptzt 
sind  und  durch  einen  ca.  120  on  laniren  dünnen  (Junimischlaiicli  miteinander  vorbuiideii 
sind.  In  den  Gunimischlauch  ist  in  der  JNIitte  ein  Stück  Glasrohr  eingesclialtct.  Die  eine 
der  Röhren,  die  Meßröhre,  läuft  in  ihrem  oberen  Ende  in  ein  3  n«  langosf  ',  —  1  mm 
weites  starkwandiges  Röhrcheu  aus,  an  welches  mittelst  Draht  ein  kurzes  Stück  schwarzer 
dichter  Gunimischlauch  l)efestigt  ist.  der  mit  einem  (^hietscliliahn  versehen  ist.  Die  Meß- 
röhre ist  in  100  cw'  eingeteilt.  Die  andere  Röhn«.  die  Niveau  röhre,  dient,  wenn  beide 
Röhren  und  der  Gummischlauch  vollständig  mit  Wasser  gefüllt  sind,  zum  FüUen  ikUt 
Entleeren  der  Meßröiire  und  zum  Ansaugen  des  Gases  in  die  Meürolire.  l'm  (ias  aus 
der  Gasomcterglocke  zu  entnehmen,  wird  die  vollständig  mit  Wasser  gefüllte  MeÜröhrc 
durch  ein  feines,  gebogenes,  mit  Wasser  gefülltes  Glasrohr  mit  dem  am  oberen  Enile  der 
Gasometerglocke  befindlichen  nnd  ebenfalls  mit  Ciummischlaucii  armierten  Glasrohr  ver- 
bunden. Der  tibertritt  von  Gas  aus  der  Gasometerglocke  in  die  Mollröhre  erfolgt  dann 
beim  Senken  der  Niveauröhre.  Auf  diese  Weise  kiinnen  das  gesamte  (iastjuantiini  luid 
auch  einzelne  Portionen  desselben  genau  gemessen  werden. 

')  W.  llempel,  Gasanalytischo  Methoden.  3.  Aufl.  S.  25.  Braunschweig  l'.K)0. 

*)  W.  Hempcl,  1.  c.  S.  22-2(5. 

»)   W.  Hewinh  1.  c.  S.  27-221. 

*)  Ad.  Schmidt ,  Experimentelle  und  klinische  Untersuchungen  über  Funkti«»iis- 
prüfung  des  Darmes.  I.  Mitteilung.  Über  Fäzesgürungen.  Deutsches  Arcli.  f.  klin.  Med. 
Bd.  61.  H.  3  und  4.  S.  317.  1898.  " 

')  W.  Hempcl,  1.  c.  S.  20-33. 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemischen  Arboittmothodm.   V.  27 


418 


H.  Lohrisch. 


Fig.  103. 


<w7 


> 


Fig.  104. 


Zur  Absorption  absorbierharer  Gase  dient  die  Henqiehcha  Absorptiouspipette') 
für  feste  und  flüssige  Reageutien.  Deren  Konstruktion  ist  aus  Fig.  104  ersichtlich.  Sie 
besteht  aus  zwei  großen  miteinander  kommunizierenden  Kugeln  und  einem  doppelt  ge- 
bogenen starkwandigen  Kapillarrohr.  Die  größere  und  länglich  geformte  Kugel  Trird 
durch  den  an  ihrem  unteren  Ende  befindlichen,  durch  Gummistopfen  verschließbaren 
halsförmigen  Ansatz  mit  dem  absorbierenden  Mittel  gefüllt.  Diese  Kugel  faßt  etwa 
150««^;  die  zweite  kleinere  Kugel  faßt  etwa  100  cw^.  Das  in  der  Meßröhre  abgemessene 
Gasquantum  wird  in  die  Absorptionspipette  überführt  dadurch,  daß  die  Meßröhre  mit 
dem  oberen  Ende  des  Kapillarrohres  der  Absorptionspipette  mit  Hilfe  des  daselbst  be- 
festigten Gummischlauchstückes    und    eines    gebogenen    dünnen    Glasrohres    verbunden 

wird.  Das  Kapillarrohr  der  Absorptionspipette  muß 
dabei  mit  dem  Absorptiousmittel  gefüllt  sein.  Wenn 
jetzt  die  Klemme  am  oberen  Ende  der  Meßröhre 
geöffnet  und  die  mit  Wasser  gefüllte  Niveauröhre 
gehoben  wird,  so  strömt  das  in  der  Meßröhre  be- 
findliche Gas  in  die  Absorptionspipette  über.  Dabei 
wird  die  Absorptionsflüssigkeit  in  die  kleinere  Kugel 
zum  Teil  verdrängt.  Es  bleibt  aber  noch  genügend 
Absorptionsmittel  in  der  großen  Kugel  zurück,  um 
auf  das  Gas  einwirken  zu  können.  Wenn  das  Gas 
einige  Minuten  in  der  Absorptionspipette  gelassen 
worden  ist,  wird  es  in  derselben  Weise  in  die  Meß- 
röhre bei  gesenkter  Niveauröhre  zurückgeleitet. 
Man  kann  dann  die 
Menge  des  absorbier- 
ten Gases  unmittelbar 
ablesen. 

DieExplosion  s- 
p  i  p  e  1 1  e ')  von  Hempel 
(Fig.  105)  besteht  aus 
einer  dickwandigen  Ex- 
plosionskugel und  einer 
Niveaukugel ,  welche 
durch  einen  überspon- 
neuen  Gummischlauch 
miteinander  verbanden 
sind.  Die  Explosions- 
kugel hat  an  ihrem 
oberen  Ende  zwei  dünne 
Platindrähte  (p)  einge- 
schmolzen, welche  mit 
einer  Tauchbatterie  in 
Verbindung  stehen  und 
dienen.  Das  untere  Ende  der  Explosionskugel  ist 
Am  oberen  Ende  der  Explosionskugel  ist ,  wie 
dickwandiges  Kapillarrohr  angeschlossen ,  von  dem 
aus  die  Füllung  der  Absorptiouskugel  durch  Verl)indung  mit  der  Meßlnirette  unter 
Heben  und  Senken  der  Niveaukugel  erfolgt.  Die  Explosionen  werden  immer  unter 
Anwendung  von  Quecksilber  als  Sperrflüssigkeit  angewendet.  Das  Quecksilber  er- 
möglicht es  nämlich,  nachträglich  die  durch  die  Verbrennung  gebildete  Kohlensäure  zu 
bestimmen,  was  bei  Explosion  über  Wasser  wegen  der  Absorption  der  Kohlensäure 
durch  das  Wasser  nicht  möalich  ist. 


zur  Entzündung  brennbarer  Gase 
mit  einem  Glashahn  geschlossen. 
bei    der    Absorptionspipette,    ein 


»)  W.  Hempel,  Gasanalytische  Methoden.  3.  Aufl.  S.  38.  Braunschweig  1900. 
2)  W.  Hempel,  1.  c.  S.  114—115. 


Metliodcii  zur  üiitorsucluiii(T  der  menschliclicii  Fiizos. 


419 


Zur  Analyse  des  aus  CO, ,  O., ,  H,,,  CH,  und  N,  hestehendi-ii  Itann- 
gasgemisches  wird  nun  fojgendernialjen  vorfaliron:  Ks  wird  zunilchst  das 
gesamte  Quantum  der  gesammelten  Gase  in  dii  Mcllröhre  bestimmt.  Das 
gesamte  in  der  Meßröhre  ixifindlicho  (Jas(|uantum  wird  sodann  zur  Ab- 
sorption der  CO,  0  in  eine  AI)sorpti(msi)ip('(t('  j^^olcitet,  deren  ^n-olic  KuizpI 
gefüllt  ist  mit  kloinen,  1 — 2cm  lanji:('n  und  zirka  ')i>i»i  dicken  Ilöllclien 
von  eisernem  feinmaschigen  Drahtnetz  und  einer  Ant'lüsung  von  1  (icwjchts- 
teil  käuflichem  Ätzkali  in  2  Gewichtsteilen  Wasser.  Die  Drahtnetznillchen 
haben  den  Zweck,  die  absorbierende  Fläche  nach  Möglichkeit  zu  vergröüern. 
Nach  1 — 2  Minuten  ist  die  CO2  vollständig  absorbiert.  Hierauf  wird  «las 
Gas  aus  der  Absorptionspipette  wieder  in  die  Mebröhre  zurückgeleitet  und 
die  Menge  der  absorbierten  CO.  notiert. 


Fig.  10.5. 


Nun  folgt  die  Bestimmung  des  Oo-Gehaltes. -)  Dazu  wird  die  gesamte, 
nunmehr  CC^-freie  Gasmenge  aus  der  MeUröhre  in  eine  zweite  Absorp- 
tionspipette überführt,  deren  Absorptionskugel  gefüllt  ist  mit  kleiiu-n  Köll- 
chen  von  Kupferdrahtnetz  nnd  einer  Lösung,  bestehend  aus  gleichen  Teilen 
einer  gesättigten  Lösung  des  in  Stücken  käuflichen  anderthalbfach  kohlen- 
sauren Ammoniaks  und  einer  einfach  verdünnten  Lösung  V(ui  Ammoniak 
von  0"9;-i  spezifischem  Gewicht.  Da  das  metallische  Kupfer  oft  oberflächlich 
mit  etwas  Fett  überzogen  ist,  so  kann  man  dies  zweckmälligerweise  «lurch 
Anätzen  mit  etwas  Salpetersäure  vor  der  P.enutzung  entfernen.  Mit  die.-<em 
Kupferammoniakgemisch  findet  eine  sehr  rasche  und  vollständige  Oj-Ab- 
sorption  statt.  Hierauf  erfolgt  wiederum  ri)erleitun,ü  des  Gasrestes  aus 
der  Absorptionspipette  in  die  Meliröhre  mul  Notierung  des  O, -Gehaltes. 


')   H'.  Hrmpel,  Gasanalytisclic  Methoden.  3.  Aufl.  >.  1«1— l.S2.  HrauiisrhwcJi;  1'J(hk 
2)   W.  Ilrniiicl,  1.  c.  S.  142—144. 


420  H.  Lohrisch.  Methoden  zur  Untersuchung  der  menschlichen  Fäzes. 

Zur  Bestimmung  des  Hg  in  diesem  Gasreste,  der  nunmehr  ein  Ge- 
misch von  H, ,  CH^  und  Nj  darstellt ,  verf  cährt  man  nach  Hempel  i)  in 
folgender  Weise:  Hempel  zeigte,  daß  der  Wasserstoff  aus  einem  derartigen 
Gasgemisch  durch  Palladiumschwamm  bei  zirka  100"  glatt  absorbiert  wird. 
Zu  diesem  Zwecke  verbindet  man  die  Meßröhre  mit  dem  einen  Schenkel 
einer  U-förmig  gebogenen  Röhre  von  -imm  lichter  Weite  und  20  cw  Ge- 
samtlänge, welche  mit  Ag  Palladiumschwamm  gefüllt  ist.  Der  andere 
Schenkel  des  U-förmigen  Rohres  wird  mit  einer  gewöhnlichen  Gaspipette 
verbunden ,  d.  h.  mit  einer  analog  der  iVbsorptionspipette  gebauten  Pipette, 
welche  mit  Wasser  gefüllt  ist  und  lediglich  als  Sperrvorrichtung  dient. 
Das  U-förmige  Rohr  steht  in  einem  großen  Becherglas  mit  warmem  Wasser 
von  90 — 100".  Man  treibt  nun  das  Gasgemisch  aus  der  Meßröhre  durch 
Heben  und  Senken  der  Niveauröhre  dreimal  durch  das  Palladiumrohr  hin 
und  her.  Hierauf  ersetzt  man  das  heiße  Wasser  durch  solches  von  Zimmer- 
temperatur und  führt  den  Gasrest  noch  zweimal  hin  und  her,  um  den- 
selben vollständig  abzukühlen.  Es  gelingt  so  mit  Sicherheit,  den  Wasser- 
stoff bis  auf  die  letzte  Spur  zu  absorbieren.  Das  Gas  wird  dann  wieder  in 
die  Meßröhre  überführt.  Die  nach  der  Absorption  eingetretene  Differenz 
entspricht  dem  Wasserstoffgehalt  +  der  Menge  Sauerstoff,  welche  in  der 
in  dem  U-förmigen  Rohre  eingeschlossenen  Luft  enthalten  war.  Diese  Luft- 
menge läßt  sich  aber  ein  für  allemal  als  Konstante  ermitteln. 

Der  jetzt  noch  bleibende  Gasrest  enthält  CH4  und  N«.  Hierin  wird  CH^ 
durch  Verpuff  ung  in  der  Explosionspipette  l)estimmt.  Dazu  werden  etwa  15  cm^ 
des  Gasrestes  in  der  Meßröhre  abgemessen.  Zu  diesen  Ibcui^  wird  durch 
Senken  des  Mveaurohres  zunächst  eine  beUebige  Quantität  Luft  zugeführt 
und  das  Gesamtquantum  abgelesen.  Das  so  entstandene  Gemisch  wird  in 
die  Explosionspipette  gebracht  und  dann  noch  so  viel  Luft  in  der  Meß- 
röhre abgemessen,  als  voraussichtlich  zur  vollständigen  Verbrennung  des 
Gasrestes  notwendig  ist,  und  diese  ebenfalls  in  die  Explosionspipette  über- 
führt. Ein  Volumen  CH4  braucht  zwei  Volumen  O2  und  bildet  ein  Volumen 
CO2  bei  der  Verbrennung. "-)  Das  Gasluftgemisch  wird  in  der  Pipette  durch 
tüchtiges  Schütteln  gemischt  und  explodiert.  Nach  der  Explosion  wird  der 
Gasrest  zur  Absorption  der  gebildeten  COo  in  die  Ätzkalipipette  überführt. 
Dann  wird  in  der  Meßröhre  gemessen.  Bekannt  ist  das  Gesamtvolumen 
des  in  die  Explosionspipette  überführten  Geraisches  von  Gasrest  und  Luft. 
Von  diesem  wird  das  Gesamtvolumen,  welches  nach  der  Explosion  abge- 
lesen wird,  abgezogen.  Der  dritte  Teil  des  verschwundenen  Volumens  ent- 
spricht der  CH^-Menge.  Bei  der  Prozentberechnung  des  CH^  muß  noch 
das  Volumen  des  Palladiumrohres  mit  berechnet  werden. 

Der  nunmehr  noch  vorhandene  Gasrest  ist  N,. 


1).  W.  Hempel,  Gasanalytische  Methoden.  3.  Aufl.  S.  162—174.  Braunschweig  1900. 
-)   W.  Hempel,  1.  c.  S.  203. 


Methodik  der  Milcliuiitersucliiiiii;. 

^'on   K.  F.  Edelstein,  Charloftcnltiir^'. 

Die  Methodik  der  lYIilchuntersuchiing. 

Diese  Methodik  soll  in  knapper  Darstellunii-  Ansahen  enthalten,  wie 
man  die  Milch  vom  wissenschaftlichen  Standpunkte  ans  untersucht.  l)ie 
Untersuchung  der  Milch  vom  Standpunkte  des  .Milchpraktikers,  der  Milcii- 
hygiene  und  der  polizeilichen  Milchkontrolle  kann  hier  nur  ganz  kurz,  so- 
weit sie  in  den  Rahmen  der  verschiedenen  Methoden  hineinpal'.t.  behan- 
delt werden. 

Die  Milch  als  Sammelbegriff,  gleich  ob  sie  Menschen-  oder  Tiermilch 
ist,  stellt  eine  bläulich-  oder  gelblich-weiße,  undurchsichtige  Flüssigkeit 
dar.  Im  Speziellen  hat  die  Kuhmilch  folgende  Kigenschaften :  Sie  ist 
gegen  Lackmus  amphoter;  ihr  spezifisches  (Gewicht  hidt  sich  in  den 
Grenzen  zwischen  1028 — 103.  Der  Gefrierpunkt  betragt  im  Mittel 
—  0"555".  Der  Siedepunkt  ist  etwas  höher  als  beim  Wasser  (-f-0-2"). 

Beim  Kochen  nimmt  die  Milch  einen  geli)lichen  Farbenton  an.  Läßt 
man  sie  bei  gewöhnlicher  Temperatur  stehen,  so  sammelt  sich  das  spezi- 
fisch leichtere  Fett  in  Form  von  Fettkügelchen  an.  Erhitzt  man  frische 
Milch  zum  Sieden,  so  bleibt  sie  unverändert.  Heim  längereji  Erhitzen  bildet 
sich  an  der  Oberfläche  ein  Häutchen.  welches  wesentlich  aus  eingedanijjfter 
Milch  besteht.  Beim  längeren  Stehen  gerinnt  die  Milch  freiwilli^^  initer 
dem  Einfluß  der  bakteriellen  Zersetzung  des  Milchzuckers  zu  Milchsäure, 
welche  das  Kasein  ausfiUlt. 

Versetzt  man  Milch  mit  Lab.  so  scheidet  sich  in  dicker  Masse  der 
Käsestoff  und  eine  gelltliche  Flüssigkeit  aus:  die  sülie  Molke. 

Die  Undurchsichtigkeit  der  Milch  wird  durch  das  in  derselben  in 
gequollenem  Zustande  suspendierte  Kasein  hervorgerufen.  Setzt  man  zur 
Milch  Alkali  oder  am  besten  Ammoniak  zu,  so  löst  sich  darin  (la<  Kast-in 
und  es  entsteht  eine  fast  klare  Flüssigkeit. 

Die  gelbhche  Färltung  rührt  von  dein  im  Milchfett  enthaltenen  Farb- 
stoff her.  Je  fettärmer  eine  Milch  ist.  desto  weißer  ist  ihr  Aussehen. 

Die  Wärmekapazität  der  Kuhmilch  ist  geringer  als  die  des  Wassers, 
d.  h.  man  braucht  zur  Temperaturerhöhung  von  1°  für  Milch  weniger  Ka- 
lorien als  für  dieselbe  MeuL^e  Wasser.    Die  W.irmekai)azit;if  beträgt  nach 


422 


E.  F.  Edelstein. 


Fleischmann^)  0'847  ;  nach  neueren  Untersuchungen  2)  desselben  Forschers 
0-935  (Vollmilch). 

Läßt  man  die  Milch  gefrieren,  so  entmischt  sie  sich  unter  Erstarren 
des  größten  Teils;  nur  ein  ganz  kleiner  Teil  bleibt  flüssig.  Dabei  ändert 
sich  anscheinend  der  phvsikahsche  Zustand  des  Kaseins.  Fuld  und  Wohl- 
gemuth  ^)  haben  gezeigt,  daß  die  Frauenmilch  durch  Gefrieren  soweit  ge- 
ändert wird,  daß  beim  nachträglichen  Auftauen  das  Kasein  direkt  mit 
Säuren  fällbar  ist.  Sie  führen  diesen  Umstand  auf  die  physikahsche  Än- 
derung des  Lösungszustandes  zurück,  in  Avelchem  sich  das  Kasein  befindet. 

Die  Viskosität  der  warmen  Milch  ist  geringer  als  die  der  kalten. 

Die  Milch  setzt  sich  aus  folgenden  Bestandteilen  zusammen: 
Wasser,  Eiweiß,  Milchzucker,  Fett,  Salzen  und  einigen  organischen  Stoffen 
wie  Harnstoff,  Purinbasen  (Xanthin,  Hypoxanthin)  und  Kreatin  und  Kreatinin. 
Ferner  Zitronensäure,  in  geringen  Spuren  Milchsäure,  Orotsäure,  Sulfo- 
cyannatrium,  Lezithin  und  Cholesterin.  Außerdem  enthält  die  Milch  noch 
Fermente  und  ( iase,  und  zwar :  Kohlensäure,  Stickstoff  und  Sauerstoff. 

Die  durchschnittliche  Zusammensetzung  der  Kuhmilch  ist  folgende 
{Faudnitz^) : 

Wasser 88"/o 

Trockensubstanz 12''/o 

Fett 4-8Vo 

Kasein 3Vo 

Albumin  und  Globulin O'SVo 

Gesamtstickstoff O'550/o 

Extraktivstoff OOöVo 

Eiweißstickstoff 0-57o 

Kaseinstickstoff 0"45''/o 

Milchzuckeranhydrit 4'4''/o 

Zitronensäure 0-12— 0-2o/o 

Harnstoff O-P/o 

Asche O-T^/o 

Gase 4-2— 8-6  Vol.-o/o 

Der  Gehalt  der  Kuhmilch  an  Salzen  ist  folgender  (Söldner  &) : 


*)  Fleischmann,  Beiträge  zur  Physik  der  Milch,  Betrachtungen  über  das  sogenannte 
schwedische  .Abralim verfahren.  Sitzungsberichte  der  bayr.  Akad.  d.  Wiss.  Bd.  4.  1874. 

^)  Fleischmann,  Spezifische  Wärme  der  Milch.  Journ.  f.  Landw.  Bd.  50.  33.  1902. 

^)  Fuld  und  WohJgemuth,  Eine  neue  Methode  zur  Ausfällung  des  reinen  Kaseins 
aus  der  Frauenmilch  durch  Säure  und  Lab,  sowie  über  die  Natur  der  labhemmenden 
Wirkung  der  Frauenmilch.  Biochem.  Zeitschr.  5.  118.  1907. 

^)  Baudnitz,  „Die  Milch",  im  Handbuch  d.  Kinderheilk.  von  Pfaundler-Schloss- 
maun.  Leipzig.  €.  W.  Vogel.  S.  133.  1910. 

^)  Söldner,  Die  Salze  der  Milch  und  ihre  Beziehungen  zu  dem  Verhältnis  des 
Kaseins.  Landwirtsch.  Versuchsstationen.  Bd.  35.  351.  1889.  —  Hammarsten,  Lehrbuch 
d.  physiol.  Chem.  Wiesbaden.  623.  1910. 


Methodik  der  MilchunterBuchung.  ^23 

Asche 0-7ö._0-8o/o 

CaO 1-98  im   Mtor  Milch 

PaOß 1H2 

Cl ()-9W    .. 

KoO 1-72 

NaaO O-.")! 

MgO 0-20 

FeaOg nOOar)  im  Liter  Milch  (nach /;M»7t'>) 

Die  Frauenmilch  ist  auch  amphoter,  sie  ist  aber  nach  den  l'nter- 
suchungen  von  Coumuf-)  etwas  stiirker  alkalisch  als  die  Kuhmilch.  l)as 
spezifische  Gewicht  der  Frauenmilch  ist  dasselbe  wie  das  der  Kuhmilch. 
Ganz  abnesehen  davon,  daß  das  Kasein  der  Frauenmilch  andere 
Eigenschaften  aufweist  als  das  der  Kuhmilch,  dab  ferner  das  Frauenmilch- 
fett im  Gegensatz  zum  Kuhmilchfett  nur  Spuren  von  flüchtigen  Sjluren 
enthält,  unterscheiden  sich  die  beiden  besonders  im  Gehalt  an  Albumin 
und  Kasein  und  auch  im  Milchzuckergehalt.  Die  Kuhmilch  enthiilt  Albumin 
und  Kasein  im  Verhältnis  von  1:6,  die  Frauenmilch  dagegen  nur  im  Ver- 
hältnis von  1:1.  Die  Zusammensetzung  der  Fraueninilch  ist  im  hurch- 
schnitt  nach  J.  König  ^)  folgende : 

Wasser 87-58"/o 

Kasein 0-80Vo 

Albumin 1-21  "/o 

Stickstoffsubstanz 2-01  «/o 

Fett :VT4'Vo 

Milchzucker 6";)  7% 

Asche 0-:iVo 

Wie  man  daraus  ersieht,  ist  der  Aschegehalt  viel  geringer  als  iu 
der  Kuhmilch. 

Nach  Blauberg ^)  enthalten  100  Teile  Frauenmilch: 

KjO OOC.'.IO 

Na.O 00041) 

Gab oo:;<u 

MgO 0()0(;8 

FegOa 0-002() 

Gl 002114 

I^Og 00204 

soa 0O14;; 

*)  Bunge,  Der  Kali-,  Natrium-  und  (  lilorpohalt  der  Milch,  verplichon  mit  dem 
anderer  Nahrungsmittel  und  ih-ni  Gesamtorpanismus  der  Siiupctiere.  Zeitsrlir.  f.  Bio!. 
10.  2Ur>  und  30.').  1874. 

-)  Courant,  Über  die  Keaktion  der  Kuh-  und  Frauenmilch  und  ihre  Beziehnnjfeii 
zur  Reaktion  des  Kaseins  und  der  I'hospliate.  Pßügers  Arch.  f.  Physiol.  50.  109.  1H9L 

')  J.  Küniff,  Chemie  der  menschlichen  Nahrunps-  und  (JenuOmittel.  Berlin, 
J.  Springer.  Bd.  2.  öOS.  1U()4. 

*)  Zitiert  nach  Enf/el,  „Die  Frauenmilch",  in  Sommerfelds  Hamlhuch  der  Milch- 
kunde. S.  800.  1909. 


424 


E.  F.  Edelstein. 


Nach  Bahrdt  und  Edelstein  i)  enthält  die  Frauenmilch  in  1000  Teilen 
im  Durchschnitt  1-93  m^  Eisenoxyd  und  0"42  ^  CaO. 

Nach  einer  neuerdings  von  Schloss'^)  genau  durchgeführten  Analyse 
der  Frauenmilch  hat  diese  folgende  Zusammensetzung  (Durchschnitt  aus 
8  Analysen) : 

Im  Liter  Milch 

Fett 37-88 

N 1-847 

Asche 1-839 

CaO 0-3758 

MgO 0-0857 

K2O 0-5291 

NaaO 0-1886 

P^Ob 0-4045 

Ci 0-5232 

In  folgender  Tabelle  (nach  J.  König  ^)  sei  noch  zum  Vergleich  die 
Zusammensetzung  der  Frauen-,  Kuh-,  Ziegen-,  Schaf-,  Eselinnen-  und 
Stutenmilch  in  Prozenten  angegeben: 


Frau 


Kuh 


Esel 


Schaf 
(Milchsehaf) 


Ziege 


Stute 


Spez.  Gewicht  . 
Wasser  .... 
Kasein  .... 
Albumin  .... 
Stickstoff  Substanz 

Fett 

Milchzucker  .  . 
Asche 


10298 
87-58 
0-80 
1-21 
201 
3-74 
(V37 
0-30 


1-0313 
87-27 
2-88 
0-51 
3-39 
3-68 
4-94 
0-72 


90-12 
079 
1-06 
1-85 
1-37 
619 
0-47 


1-0355 
83-57 
4-17 
0-98 
515 
6-18 
417 
0-93 


10305 

86-88 
2-87 
0-89 
3-76 
407 
4-64 
0-85 


1  -0847 
90-58 
1-30 
0-75 
2-05 
1-14 
5-87 
0-36 


Die  Eigenschaften  der  Milch  anderer  Tiere  gleichen  im  großen 
und  ganzen  denen  der  Kuhmilch.  Die  Ziegenmilch  hat  einen  gelblicheren 
Farbenton  und  ein  spezifisches  Aroma.  Sie  enthält  meistens  mehr  Fett 
und  mehr  Albumin  als  die  Kuhmilch.  Die  Schafmilch  zeichnet  sich  durch 
ein  höheres  spezifisches  Gewicht  aus  und  ist  sehr  fettreich.  Die  Eselinnen- 
milch nähert  sich  in  ihren  Eigenschaften  der  Frauenmilch,  ist  aber  be- 
deutend ärmer  an  Fett. 

Die  Entscheidung,  von  welcher  Tierart  die  zur  Untersuchung  vorliegende 
Milch  abstammt,    ist  nicht  einfach  und  die  diesbezügliche  Methodik  noch 


*)  Bahrdt  und  Eddstein,  Das  Kalkangebot  in  der  Frauenmilch.  Jahrb.  f.  Kinder- 
heilkunde. 72.  Ergänzuugsheft  16.  1910  und  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Eisengehalts 
der  Frauenmilch  und  seiner  Beziehungen  zur  Säuglingsanämie.  Zeitschr.  f.  Kinderheilk. 
Bd.  1.  182.  1910. 

^)  Schloss,  Die  chemische  Zusammensetzung  der  Frauenmilch  auf  Grund  neuer 
Analysen.  Monatschr.  f.  Kinderheilk.  9.  636.  1911. 

")  König,  Chemie  der  menschlichen  Nahrungs-  und  Genußmittel.  Bd.  2.  1904. 
598.  602.  655  und   Sommerfeld,  Handbuch  der  Milchkunde.  233.  1909. 


Methodik  der  MilchiinterHucbuug.  ^k>_r, 

nicht  sicher.  Die  Umikq/f?.c\\Q/^)  Ueaktion  dient  zur  riitorscheidiintr  von 
Frauen-  und  Kuhmilch.  Heim  Erwärmen  von  b  cm^  Milch  mit  2':)  cm* 
lOVoin^"!  ^^h  liuf  600  ,„!(]  if)  Miiintcii  wird  reine  Frauenmilch  violettrot, 
reine  Kuhmilch  gelb  gefiirbt. 

Die  Zusammensetzun«^'  der  Milch  im  allgemeinen  i.st  grol'tcn  Schwan- 
kungen unterworfen.  Sie  ist  von  sehr  vielen  Faktoren  abhängig.  Kine  wich- 
tige Rolle  spielt  die  Individualität  und  die  Kasse  der  Tiere.  Die  He.schaf- 
fenheit  der  Milch  wird  auch  von  der  Melkzeit  beeinflullt.  (icwiihidich  ist 
die  Mittags-  und  Abendmilcli  verschieden  von  der  Morgenmilch. 

Die  Frauenmilch  ist,  besonders  was  ihren  Fettgehalt  anbelangt,  vor 
und  nach  dem  Anlegen  anders  zusammengesetzt  (Rci/hrr-). 

Eine  wesentlich  andere  Zusammensetzung  besitzt  die  .Milch  der  ersten 
Tage,  die  sogenannte  Kolostralmilch.  Das  Kolostrum  der  Kuhmilch  ist 
dickflüssig,  nicht  amphoter,  sondern  entweder  alkalisch  oder  sauer  und  be- 
sitzt ein  viel  höheres  spezifisches  Gewicht.  Die  Menge  der  'I'rockensubstanz 
ist  fast  doppelt  so  groß  wie  bei  der  gewöhnlichen  Milch,  der  Stickstoff- 
gehalt sehr  hoch.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  dem  Gehalt  an  Ali>umin  und 
Globulin.  Der  Zuckergehalt  ist  sehr  gering. 

Nach  König'^)  ist  die  mittlere  Zusammensetzung  des  Kuhmilch- 
kolostrums : 

Wasser 75-07Vü 

Trockensubstanz 24-9:io/o 

Kasein 4i0o/o 

Albumin  und  Globulin l'i-OOVo 

Fett 3-97«/» 

Zucker 2-28% 

Asche       lö^Vo 

Die  Zusammensetzung  des  Kolostrums  der  Frauenmilch  unterscheidet 
sich  von  der  gewöhnlichen  Frauenmilch  durch  ein  erhöhtes  spezifisches 
Gewicht  und  durch  einen  viel  größeren  Gehalt  an  Eiweiß  und  Asche,  be- 
sonders an  AlkaH. 

Wie  bei  jeder  chemischen  Analyse  ist  auch  bei  der  l'ntersuchung 
der  Milch  die  Entnahme  des  Untersuchungsmateriales  von  großer  Wichtig- 
keit. Bei  der  polizeilichen  Milchkontrolle,  wo  es  sich  um  den  Nachweis  der 
verschiedenen  \>rfälschungen  und  Nerwässerungen  handelt,  ist  die  Art  der 
Entnahme  des  Analysenmaterials  eventuell  vor  Zeugen  oder  auch  an  Ort 
und  Stelle  (Stallprobe)  von  entscheidender  Bedeutung.  Auch  für  wissen- 
schafthche  Untersuchungen  muß  die  Milch  in  bestimmter  Art  zur  Analyse 

')  Umikoß',  Zur  diffcrenzicllon  clieinisclicii  Itcaktioii  der  Knuicii-  und  Kiilunilrh 
und  über  die  Bestimmung  der  Laktatiousduuer  der  FraiieniMiist.  .lalirl-.  f  Kind-Tliidk. 
Bd.  42.  356.  1896. 

-)  Reijher,  Über  den  Fettgehalt  der  Frauenmilch.  Jalirbuch  f.  Kindcrheilk.  Bd.  61. 

601.  1905. 

^)  König,  Chemie  der  menschlicheu  Nahnings- und  Geiiußmittel.  Berlin.  2  »XXl  IIHH. 


426 


E.  F.  Edelstein. 


Fig.  106. 


U 

'u 

u 


:!3 


entnommen  werden.  Vor  allem  muß  darauf  gesehen  werden,  daß  eine 
richtige  Durchschnittsprobe  vorliegt,  und  daß  ferner  die  Milch  bis  zum 
Zeitpunkt  der  Analyse  an  einem  kühlen  Ort  aufbewahrt  wird. 

Es  ist  zu  empfehlen,  die  Milch  sofort  zwecks  Analyse  zu 
verarbeiten.  Ist  dies  nicht  möglich,  so  soll  man  sie  längstens 
2  Tage  in  einem  gut  funktionierenden  Eisschrank  stehen  lassen. 
Es  ist  unbedingt  zu  vermeiden,  daß  sie  gerinnt,  weil  sie 
in  diesem  Falle  nicht  genau  abgemessen  werden  kann,  und  die 
Entnahme  einer  Durchschnittsprobe  erschwert  wird.  Ist  sie  doch 
geronnen,  so  kann  man  sie  für  viele  Zwecke  der  Analyse  noch 
immer  gebrauchen ,  z.  B.  für  die  Bestimmung  der  Mineral- 
bestandteile. Sie  muß  aber  vorher  tüchtig  durchgerührt,  am 
besten  in  einem  Schüttelapparat  durchgeschüttelt  werden. 

Muß  die  Milch  aus  irgend  welchen  Gründen  längere  Zeit 
stehen  bleiben,  so  empfiehlt  es  sich,  sie  zu  konservieren.  Als 
Konservierungsmittel  kommen  in  Betracht:  Kaliumbi- 
chromat,  Kupferammoniumsulfat,  Formalin  u.  a.  Die  Wahl  des 
Konser\aerungsmittels  richtet  sich  meistens  danach,  Avas  man 
in  der  Milch  bestimmen  will. 

Formalin,  die  wässerige  40Voige  Lösung  des  Formalde- 
hyds, ist  zur  Konservierung  sehr  gut  brauchbar;  am  besten 
durch  einen  Zusatz  von  0'05Vo-  Man  wird  es  meistens  dann 
anwenden,  wenn  man  auch  die  Mineralanalyse  ausführen  will, 
was  man  bei  Gebrauch  von  Kaliumbichromat  oder  Kupfer- 
jj-   l—     ammoniumsulfat  selbstverständUch  nicht  machen  kann. 

Auch  Kaliumbichromat  ist  zur  Konservierung  von  Milch 
zu  empfehlen.  Nach  Eichlof^)  wendet  man  am  besten  eine 
Lösung  von  1'032  spezifischem  Gewicht  an,  und  zwar  setzt  man 
auf  100  om 3  Milch  l  cm^  dieser  Lösung  zu.  Nach  Weibull^) 
erschwert  das  Kahumbichromat  wie  überhaupt  jedes  Konser- 
vierungsmittel die  GottUebsche  Fettbestimraung. 

Kupferammoniumsulfat,  in  einer  Menge  von  0*5 — 2^ 
auf  1  /  angewandt,  schützt  die  Milch  bei  kühler  Aufbewahrung 
sehr  gut  einige  Wochen  lang  vor  Zersetzung. 

Es  ist  \äel  genauer,  die  zur  Analyse  verwendete  Milchprobe 
zu  wägen  als  abzumessen.  Man  verwendet  dazu  eine  kleine 
Spritzflasche,  die  auch  in  Grade  eingeteilt  sein  kann.  Sie  wird  vor  und 
nach  der  Entnahme  der  Probe  gewogen. 


i^i 


-39 


Bestimmung  des  spezifischen  Gewichtes. 

Diese  Bestimmung  kann  man  mit   dem  Laktodensimeter   ausführen. 


1)  Eichlof,  Über  die  Bestimmung  des  spezifischen  Gewichts  der  mit  Kaliumbi- 
chromat konservierten  Milch.  Milch-Zeitung.  25.  511.  1896. 

-)  Weibull,  Eine  Beobachtung  bei  der  Gottliehschen  Methode  der  Fettbestimmung. 
Zeitschr.  f.  Untersuch,  der  Nahrungs-  u.  Genußmittel.  17.  442.  1909. 


Methodik  der  Milcliimtersuchung.  427 

Das  Laktodensiineter  (nach  Sorhlcf,  Fif^.  106),  ein  hei  15»  j^eaichtpg 
Aräometer,  gibt  direkt  das  spezifische  (iewicht  der  Milch  ;iii.  Man  {^ioUt 
die  gut  durchgerührte  Milch  in  weite  Standzylinder,  senkt  das  hensiinetor 
ein  und  achtet  darauf,  dali  es  sich  freischwehend  bewegen  kann.  Man  wartet 
eine  kurze  Zeit  und  liest  dann  die  Stelle,  his  zu  welcher  ila>  Aräometer 
eintaucht,  und  zwar  am  unteren  Meniskus  ah.  Da  das  Laktodensinieter  auf 
die  Normaltemperatur  von  15"  geaicht  ist,  .so  mulJ  entweder  die  Milch  die- 
selbe Temperatur  iiesitzen.  oder  man  mul)  an  der  abgelesenen  Zahl  eine 
Korrektur  vornehmen.  Die  Korrektur  beträgt  für  5"  Temperaturdifferenz 
0"001.  I)ei  Temperaturen  unter  15"  zieht  man  für  jeden  Temperaturgrad 
00002  ab:  bei  Temperaturen  über  15"  addieit  man  diese  Zahl  zur  abge- 
lesenen. Für  ganz  genaue  l»estinimungen  kann  man  sich  selbstverständlich 
auch  des  Pyknometers  oder  der    WcstpIuilschQu  Wage  bedienen. ') 

Ist  die  Milch  bereits  geronnen  und  hat  sie  nicht  allzu  lange  gestanden, 
so  kann  man  nach  Weibull"-)  die  Milch  wieder  mit  Ammoniak  verflüssigen 
und  in  dieser  Milchammoniakmischuug  die  Ikstimmung  des  spezifischen 
Gewichtes  vornehmen.  Die  geronnene  Milch  rührt  man  gut  durch,  pipettiert 
dann  100  on'^  in  einen  Krlenmeyerkolben  und  gibt  10  cm^  .Ammoniak  zu. 
Man  schließt  den  Kolben  gut  zu,  wartet  .so  lange,  bis  die  Milch  vollkommen 
verflüssigt  ist.  millt  das  \olumen  der  ammoniakalischen  Flüssigkeit  und 
bestimmt  in  dieser  Mischung  das  spezifische  (n'wicht. 

Kennt  man  das  Volumen  der  ursprünglich  geronnenen  .Milch,  das 
Volumen  und  das  spezifische  Gewicht  des  hinzugesetzten  Ammoniaks,  das 
Volumen  der  Milchammoniakmischung  und  das  spezifische  (Jewicht  der- 
selben, so  kann  man  daraus  leicht  das  spe7'*ische  (iewicht  der  ursi>rüng- 
lichen  Milch  berechnen. 

Nach  Teichert^)  erhält  man  nach  diesem  \'ei-fahi-en  etwas  zu  ludie 
Werte. 

Zur  Ermittlung  des  spezifischen  Gewichtes  des  Milchserums  stellt 
man  sich  dasselbe  her,  indem  man  100  cni^  .Milch  mit  2  cm^  verdünnter 
(20"/o)  Essigsäure  versetzt  iiud  auf  40^  erwärmt.  Das  spezifi.sche  Gewicht 
wird  mittelst  Pyknometers  bestimmt. 

Bestimmung  der  Trockensubstanz. 

10  g  Milch  werden  in  einer  Platin-  oder  NickeLschale  (auch  Porzellan- 
schale) mit  \  Tropfen  Essigsäure  und  10  cm^  Alkohol  versetzt,  auf  dem 
Wasserbade  zur  Trockne  eingedampft,  in  einem  Lufttrockenschrank  bei 
105"  bis  zur  Gewichtskonstanz  getrocknet   und  gewogen.  M  Man  kann  auch 


*)  Genaues  über  Bestimmungoii  des  spezifischen  Gewichtes:  Hirhrinijrr,  M.  \, 
437  dieses  Handbuches. 

'-)  Weihiill,  Beitraitre  zur  Aualvse  diM-  Milcli;  kann  man  (his  spezifische  Gewicht 
einer  Milch,  die  jjeronnen  ist,  genau  bestimmen?  Chem.  Zeitunu'.  17.  KuO.  18H3. 

^)  Teichert,  Methoden  zur  UntersuchunL.'  von  Mildi-  und  .Molkerciprodiikten. 
Stuttgart.  46.  1909. 

■•)  Die  zulässige  Fehlergrenze  zweier  Kontrollliostiranningen  ist  O'l-'i'"». 


428 


E.  F.  Edelstein. 


das  Trocknen  im  Vakuum  vornehmen.  Am  besten  bedient  man  sich  so- 
wohl zum  Eindunsten  sowie  zum  Trocknen  der  Milch  des  nach  Soxhlet  von 
Johannes  Greiner,  München,  konstruierten  Trockenofens  (Fig.  107) ,  welcher 
mit  550/üigem  Glyzerin  geheizt  wird.  Der  Vorteil  dieses  Ofens  besteht  darin, 
daß  die  Temperatur  bis  höchstens  103^  aufsteigt  und  die  Trockensubstanz 
nicht  gebräunt  wird,  was  bei  dem  gewöhnlichen  Trocknen  durch  den 
Karamelisierungsprozeß  des  Milchzuckers  unvermeidlich  ist.  Will  man 
größere  Milchmengen  eindampfen,  bedient  man  sich  verschiedener  Auf- 
saugungsmittel wie  Gips, 
Fig- 107.  Glaspulver ,      geglühten 

Quarzsand  oder  Seesand. 
Nimmt  man  das  Eintrock- 
nen in  einem  Fof/e^schen 
Blechschiffchen  vor  1) ,  so 
kann  man  zur  gleichen 
Zeit  eine  Fettbestimmung 
daran  anschheßen.  Fleisch- 
mann 2)  empfiehlt ,  die 
Trockensubstanz  aus  der 
von  ihm  angegebenen  For- 
mel zu  errechnen,  und  zwar 
aus  dem  Grunde,  weil  nach 
seiner  Meinung  die  horn- 
artig  eingetrockneten  Ei- 
weißkörper kleine  Mengen  Wasser  einschließen,  die  durch  noch  so  sorg- 
fältiges Trocknen  nicht  zu  entfernen  sind,  und  weil  die  durch  langes  Trocknen 
eintretenden  Oxydationen  Ungenauigkeiten  ergeben. 

Unter  der  Voraussetzung,  daß  das  spezifische  Gewicht  des  Milchfettes 
bei  150  0-93  im  Durchschnitt  beträgt  und  das  der  fettfreien  Trockensub- 
stanz l'ö,  kann  man  aus  dem  spezifischen  Gewicht  und  dem  Fettgehalt 
der  Milch  den  Prozeutgehalt  der  Trockensubstanz  aus  folgender  von  Fleisch- 
mann aufgestellten  Formel  berechnen : 

t=l.2.f+  2-665.  i^O^i^M. 

S 

worin   t  =  den  Prozentgehalt  der  Trockensubstanz,   f  =  den  Prozentgehalt 
des  Fettes  und  s  =  das  spezifische  Gewicht  der  Milch  bedeutet. 

Diese  Formel  hat  nur  für  Vollmilch  Gültigkeit.  Fleischmann  hat  die 
Werte  für  f  von  2-5— 5-5o/o  und  die  für  s  von  1-0280— r0369  in  die 
Formel   eingesetzt    und   daraus   eine   Tabelle   zusammengestellt.    Derselbe 


^)  Die  Anwendung  des  VogeUah&n  Schiffchens  hat  außerdem  noch  den  Vorteil, 
daß  mau  es  in  ein  Wägegläschen  (von  bekanntem  Gewicht)  hineinschiebt  und  so  zur 
Wägung  bringt.  Dadurch  wird  die  Trockensubstanz,  die  sehr  hygroskopisch  ist,  vor 
Wasseraufnahme  während  des  Wagens  geschützt. 

*)  Fleischmann,  Lebrb.  der  Milchwirtschaft.  Leipzig,  Heinsius  Nachfolger.  63  und 
67.  1908. 


Methodik  der  Milcluiiitcrsuchuiig. 


429 


Tabelle  I. 

Tabelle  zur  Ermittlung  der  Trockensubstanz  der  Milch  nach 

FI I  isT.h  ?>ifin  ti. 


p 

2-665 ''**'• '-'°"l 

8 

100.«-   100 

R 

,, 

Tansendstel 

8 

Tausendstel 

^   OOi)                       

Tanseodstel 

• 

28-0 

7-256 

310 

H014 

34-0 

h  76.) 

1 

7-283 

1 

8-040 

1 

87Hr, 

2 

7-309 

2 

8-064 

>> 

8-812 

3 

7-333 

3 

8088 

3 

H-837 

4 

7-360 

4 

8-112 

4 

8-863 

5 

7-384 

5 

8138 

5 

8-8H7 

6 

7-408 

6 

8-163 

(5 

8  913 

7 

7-432 

7 

8-186 

7 

8-937 

8 

7-462 

8 

8-213 

8 

8-962 

9 

7-486 

9 

8-238 

9 

8-9S8 

29-0 

7-513 

320 

8-264 

35-0 

9(»li' 

1 

7-533 

1 

8-288 

1 

9()37 

2 

7-560 

2 

8-31 -2 

2 

9-ui;i 

3 

7-586 

3 

8-33S 

3 

9<ISS 

4 

7-611 

4 

8-365 

4 

9  112 

5 

7-635 

5 

8-388 

5 

9  135 

6 

7-659 

6 

8-412 

6 

91 62 

7 

7-686 

7 

8-439 

7 

9- IS.-) 

8 

7-712 

8 

8-463 

8 

9  21(1 

9 

7-736 

9 

8-487 

1              9 

9-234 

30-0 

7-763 

33-0 

8-513 

1         36-0 

9-26(1 

1 

7-786 

1 

8-538 

1 

9-2S7 

2 

7-813 

2 

8-563 

2 

9  311 

3 

7-837 

3 

8-589 

3 

9-335 

4 

7-861 

4 

8613 

4 

9359 

5 

7-888 

5 

8639 

5 

9-383 

6 

7-912 

6 

8-664 

6 

9  410 

7 

7-938 

7 

8-688 

7 

9434 

8 

7-962 

8 

8-712 

8 

9-460 

9 

7-989 

9 

8-738 

9 

9-484 

Forscher  hat  fest^-estellt,  daß  das  spezifische  (iewicht  der  fettfreien  Trocken- 
masse annähernd  konstant  ist,  und  daß  es  möjihdi  ist,  eine  der  3  (irößen 
(Fettgehalt,  Trockenmasse  und    das   spezifische  Gewicht)   diinh  llcchnunj? 
zu  ermitteln,  wenn  2  derselben  bekannt  sind. 
Gleichung  für  die  Fettberechnung: 

.  _    100.  s  — 100 
f  =  0-8;'.H  .  t 


•)••)•>  . 


Gleichung  für  das  spezifische  (Jewicht 

1000 


S  =: 


1000— H-7f>(t  — 1-2.  f) 
Wiftr'^)  schlägt  vor,  das  spezifische  (Jewicht  der  Milchtrockensubstanz 
aus  dem  Fettgehalte  derselben  so  auszurechnen:  Die  i'rozenti'  i-Vit  /-\\ischon 


*)  Witte,    Fettgehalt    und    spez.    (iewicht    der    Milchtrnckcnsub.>itaiiz.    /citM-nr.  i 


Untersuch,  d.  Xahrungs-  u.  (Jenußmittel.  18.  464.  VMJ. 


430 


E.  F.  Edelstein. 


Tabelle  IL 
Tabelle  zur  Ermittlung  der  Trockensubstanz  nach  Fleischmann. 


f 

1-2  .  f 

f 

1-2  .  f 

f 

1-2  .  { 

f 

1-2  .f 

f 

1-2  .f 

f 

1-2  -  f 

2-50 

3-000 

3-00 

3-600 

3-50 

4-200 

4-00 

4-800 

4-50 

5-400 

5-00 

6-000 

51 

3012 

Ol 

3612 

51 

4-212 

Ol 

4-812 

51 

5-412 

Ol 

6  012 

52 

3-024 

02 

3-624 

52 

4-224 

02 

4-824 

52 

5424 

02 

6-024 

53 

3036 

03 

3636 

53 

4-236 

03 

4-836 

53 

5-436 

03 

6-036 

54 

3048 

04 

3  648 

54 

4-248 

04 

4-848 

54 

5-448 

04 

6-048 

55 

3-OSO 

05 

3-660 

55 

4-260 

05 

4-860 

55 

5-460 

05 

6-060 

56 

3072 

06 

3-672 

56 

4-272 

06 

4-872 

56 

5-472 

06 

6-072 

57 

3-084 

07 

3-684 

57 

4-284 

07 

4-884 

57 

5-484 

07 

6084 

58 

3-096 

08 

3-696 

58 

4-296 

08 

4-896 

58 

5-496 

08 

6-096 

59 

3-108 

09 

3-708 

59 

4-308 

09 

4-908 

59 

5-508 

09 

6108 

2-60 

3-120 

3-10 

3-720 

3-60 

4-320 

4-10 

4-920 

4-60 

5-520 

5-10 

6120 

61 

3-132 

11 

3732 

61 

4332 

11 

4-932 

61 

5-532 

11 

6-132 

62 

3-144 

12 

3-744 

62 

4-344 

12 

4-944 

62 

5-544 

12 

6-144 

63 

3-156 

13 

3-756 

63 

4-356 

13 

4-956 

63 

5-556 

13 

6-156 

64 

3-168 

14 

3-768 

64 

4-368 

14 

4-968 

64 

5-568 

14 

6-168 

65 

3-180 

15 

3-780 

65 

4-380 

15 

4-980 

65 

5-580 

15 

6-180 

66 

3-192 

16 

3  792 

66 

4-392 

16 

4-992 

6(5 

5-592 

16 

6-192 

67 

3-2U4 

17 

3-804 

67 

4-404 

17 

5004 

67 

5-604 

17 

6-204 

68 

3-216 

18 

3-816 

68 

4-416 

18 

5-016 

68 

5-616 

18 

6216 

69 

3-228 

19 

3-828 

69 

4-428 

19 

5-0-28 

69 

5-628 

19 

6-228 

2-70 

3-240 

3-20 

3-840 

3-70 

4-440 

4-20 

5-040 

4-70 

5-640 

5-20 

6-240 

71 

3-2:)2 

21 

3-852 

71 

4-452 

21 

5-052 

71 

5-652 

21 

6-252 

72 

3-264 

22 

3-8H4 

72 

4-464 

22 

5-064 

72 

5-664 

22 

6-264 

73 

3-276 

23 

3-876 

73 

4-476 

23 

5-076 

73 

5-676 

23 

6-276 

74 

3-288 

24 

3-888 

74 

4-488 

24 

5-088 

74 

5-688 

24 

6-288 

75 

3-300 

25 

3-900 

75 

4-500 

25 

5-100 

75 

5-700 

25 

6-300 

76 

3-312 

26 

3-912 

76 

4-512 

26 

5112 

76 

5712 

26 

6-312 

77 

3-324 

27 

3-924 

77 

4-524 

27 

5-124 

77 

5-724 

27 

6-324 

78 

3-336 

28 

3-936 

78 

4-536 

28 

5136 

78 

5-736 

28 

6-336 

79 

3348 

29 

3-948 

79 

4-548 

29 

5-148 

79 

5-748 

29 

6-348 

2-80 

3-360 

3-30 

3-960 

3-80 

4-560 

4  30 

5-160 

4-80 

5-760 

5-30 

6-360 

81 

3372 

31 

3972 

81 

4-572 

31 

5172 

81 

5-772 

31 

6-372 

82 

3-384 

32 

3-984 

82 

4-584 

32 

5  184 

82 

5-784 

32 

6-384 

83 

3-396 

33 

3-996 

83 

4-596 

33 

5196 

83 

5  796 

33 

6-396 

84 

3-40S 

34 

4-008 

84 

4  608 

34 

5-208 

84 

5-808 

34 

6-408 

85 

3-420 

35 

4-020 

85 

4-6-20 

35 

5-220 

85 

5-820 

35 

6-420 

86 

3-432 

36 

4-032 

86 

4-632 

36 

5-232 

86 

5-832 

36 

6-432 

87 

3-444 

37 

4044 

87 

4-644 

37 

5-244 

87 

5-844 

37 

6-444 

88 

3-456 

38 

4-056 

88 

4-656 

38 

5-256 

88 

5-856 

38 

6-456 

89 

3-468 

39 

4-068 

89 

4-668 

39 

5-268 

89 

5-868 

39 

6-468 

2-90 

3-480 

3-40 

4-080 

3-90 

4-680 

4-40 

5-280 

4-90 

5-880 

5-40 

6-480 

91 

3-492 

41 

4  092 

91 

4-692 

41 

5-292 

91 

5-892 

41 

6-492 

92 

3-504 

42 

4-104 

92 

4-704 

42 

5-304 

92 

5-904 

42 

6-504 

93 

3-516 

43 

4-116 

93 

4-716 

43 

5-316 

93 

5-916 

43 

6-516 

94 

3-528 

44 

4-128 

94 

4-728 

44 

5-328 

94 

5-928 

44 

6-528 

95 

3-540 

45 

4-140 

95 

4-740 

45 

5-340 

95 

5-940 

45 

6-540 

96 

3-552 

46 

4-1Ö2 

96 

4-752 

46 

5-352 

96 

5-952 

46 

6-552 

97 

3-564 

47 

4-164 

97 

4-764 

47 

5-364 

97 

5-964 

47 

6-564 

98 

3-576 

48 

4-176 

98 

4-776 

48 

5-376 

98 

5-976 

48 

6-576 

99 

3-5S8 

49 

4-188 

99 

4-788 

49 

5-388 

99 

5-988 

49 

6-588 

Für  Tau8end<t« 

von 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

f  ist 

zu  addie 

ren 

0-001 

0002 

0004 

0-005 

0006 

0-007 

0-008 

0-010 

0-011 

Methodik  der  Milchuntersucliimi'. 


4:n 


19"1  und  20"2  entsprochen  einem  spezifischen  Gewicht  von  140  und  jedes 
Zunehmen  des  Fettf^ehaltes  um  11'^  o  enstpriciit  einem  Sinken  des  spe- 
zifischen (Jewichtes  um  0'01"/o. 

Gleichuni?  für  die  fettfreie  Trockensubstanz: 


'O 


Iv  =  ,  +  ,  +  ()-2(., 

•  4  D 

Avobei  d  den  abgelesenen  Laktodensimetergrad  und  f  den  Fettgehalt  bedeutet. 
Prozentischer  Fettgehalt  der  Trockensubstanz: 

_  100 -f 

~       t 

Spezifisches  Gewicht  der  Trockensubstanz: 

'    ~  s.t  — (lOO.s—  KXI)  ■ 

Diese  Formeln  gelten  selbstverständlich  im  allgemeinen  nur  für  nor- 
male Kuhmilch. 

Fett. 

Das  Fett  befindet  sich  in  der  Milch  im  Zustande  einer  Emulsion  von 
feinen  Tröpfchen.  Schüttelt  man  eine  kleine  Menge  Milch  mit  Äther,  so 
geht  das  Fett  in  den  Äther  über;  durch  Verdunsten  des  Äthers  bleibt  das 
Fett  zurück.  Zur  Darstellung  eignet  sich  der  beim  IJeinigen  iles  Ka.seins 
mit  Äther  erhaltene  Fettextrakt.  Sämthche  quantitative  Bestimmumisme- 
thoden  des  Fettes  beruhen  auf  dem  Prinzip  der  Extraktion  mit  .\ther. 

Das  Fett  der  Kuhmilch  besteht  aus  (ilyzeriden  der  höheren  Fett- 
säuren (Palmitin-,  Stearin-  und  Oleinsäure)  und  der  flüchtigen  Fettsäuren, 
und  zwar  der  Butter-.  Kaprin-.  Kupron-  und  Kaprylsäure. 

Das  Frauenmilchfett  enthält  aulierordentlich  geringe  Mengen  von 
flüchtigen  Fettsäuren. ') 

Im  Milchfett  sind  außerdem  noch  Lezithin  und  Cholesterin  rnthalten. 

Fettbestininiuny:. 

Zur  Fettbestimmung   kann   man    sich  folgender  Methoden  bedienen : 

1.  Gewichtsanalytische  Bestimmung. 

2.  \'olumetrische  Bestimmung. 

3.  Refraktometrische  Bestimmung. 

4.  Aräometrische  Bestimmung. 

Gewichtsanalytisclie   Be>tiMinuiiii:. 
Methode  nach    Vogel.-) 
Ein  kleines  Nickelschiffchen    wird    mit   15—20//  ausgeglühtem  Sand 
oder  einem    anderen   porösen  Stoff,  z.  B.  (lips,  (Jlaspulver,  Asbest,   gefüllt. 

')  Ruj)pel,  t}l)cr  die  Fette  de- Frauenmilch.  Zcitsehr.  f.  Biol.  M    1.    1S«)5;  Larts, 
Untersuchung  des  Fettes  von  B'rauenmilch.    Zcitschr.  f.  phjsiol.  Chcin.  19.  3.  Ü9.  1894. 
-)  Voffcl,  Über  Milchuntersuchuugcn.  Berlin.  Sprintror,  1885.  (J  — 113. 


432  E.F.Edelstein. 

In  dieses  so  vorbereitete  und  gewogene  Schiffclien  werden  10  g  Milch  hinein- 
gewogen und  die  Milch  bis  zur  Trockne  eingedampft.  Dann  umwickelt  man 
das  Schiffchen  mit  fettfreiem  Filtrierpapier,  legt  es  in  eine  Patrone  hinein 
und    extrahiert   im  Soxhletapparat  3 — 5  Stunden  mit  w^asserireiem  Äther. 

Hat  man  beim  Soxhletapparat  als  Ätheraufnahmegefäß  ein  kleines 
Kölbchen  benutzt,  so  kann  man,  wenn  man  das  Gewicht  desselben  kennt, 
den  Äther  durch  Abdampfen  verjagen  und  den  Kolben  trocknen  und  wägen. 
Sonst  führt  man  die  Ätherflüssigkeit  quantitativ  in  ein  vorher  gewogenes 
Bechergläschen  über  (2 — 3mal  mit  Äther  nachspülen!),  verdampft  die 
Ätherfettlüsung  vorsichtig  auf  einem  Dampfbad,  trocknet  das  Becher- 
gläschen bei  100«  1  Stunde  lang  und  wägt.  Die  Gewichtszunahme  bedeutet 
den  Fettgehalt. 

Eine  höhere  Temperatur  als  100"  beim  Trocknen  ist  möglichst  zu 
vermeiden  wegen  der  damit  verbundenen  Gefahr  der  Fettzersetzung. 

Methode  nach  Ädams^) 

Eine  etwas  umständliche  Methode  ist  die  nach  Adams,  welche  aber 
sonst  sehr  brauchbare  Resultate  liefert. 

Man  tropft  6 — 7  g  Milch  (das  genaue  Abwägen  kann  man  sich  durch 
eine  kleine  abtarierte  und  mit  Strichen  versehene  Spritzflasche  erleichtern) 
auf  einen  56  cm  langen  Filtrierpapierstreifen  ( Schleicher  &  Schüll)  auf, 
und  zw^ar  so,  daß  man  den  Papierstreifen  (der  übrigens  selbstverständlich 
fettfrei  ist)  schwebend  an  beiden  Enden  mit  Klammern  befestigt.  Nun  tropft 
man  die  ]\Iilch  allmählich  auf,  wobei  man  achtgibt,  daß  die  beiden  Ecken 
in  einer  Entfernung  von  mindestens  5  cm  trocken  bleiben.  Man  läßt  den 
Papierstreifen  an  der  Luft  trocknen,  rollt  ihn  vorsichtig  zusammen,  trocknet 
ihn  nochmals  2  Stunden  bei  100"  und  extrahiert  im  Soxhletapparat 
5 — 8  Stunden. 

Die  ätherische  Lösung  wird  genau  so  wie  sonst  in  einem  gewogenen 
Kölbchen  verdunstet  und  nach  dem  üblichen  Trocknen  gewogen. 

Nach  G 0 ttlieh-Röse.  ^-) 

Prinzip:  Die  Eiweißstoffe  bzw.  das  Kasein  der  Milch  werden  in 
Ammoniak  gelöst  und  aus  einer  ammoniakalisch-alkoholischen  Lösung  das 
Fett  mit  Äther-Petroläther  durch  Ausschütteln  extrahiert. 

10^  Milch  w^erden  in  einem  genau  graduierten  Zyhnder  oder  in  be- 
sonders zu  diesem  Zwecke  hergestellten  graduierten  und  mit  geschliffenen 
Stöpseln  versehenen  Schüttelbüretten  3)  (Fig.  108)  zunächst  mit  2  cm^  eines 
lOVoigen  Ammoniaks  versetzt  und  leicht  geschüttelt. 


')  Lenz,  Bericht  über  spezielle  analytische  Methoden.  Zeitschr.  f.  aualyt.  Chem. 
27.  85.  1888. 

-)  Rose,  Zur  Analyse  der  Milch;  Fettbestimmung.  Zeitschr.  f.  angewandte  Chem. 
1.  100.1888;  Gottlieb,  Eine  bequeme  Methode  zur  Bestimmung  des  Fettes  in  der  Milch. 
Landwirtschaftliche  Versuchsstationen.  40.  1.  1892. 

^)  Den  sogenannten  Gottliebschen  Röhren  (Fig.  108). 


Methodik  der  Milclmntcrsucliung. 


433 


Fig.  108. 


Nun  werden  nacheinander  10  cm^  absoluter  Alkohol.  25  cw»>  ,  -r 

Äther  und  25  cm^  I'etroliither  hinzn{,^ef(igt  uiul  nach  jeder  Zu^'ahe  f^t  durcb- 
geschüttelt.  Nach  kurzer  Zeit  trennt  .sich  die  wä.s.serig-anunoniakali.scho 
Schicht  von  der  ätheri.schen  und  man  liilit  den  Zylinder  cinip'  Stunden 
stehen.  Dann  wird  die  Höhe  der  ätherischen  Schicht  ah-relesen  und  rin 
aliquoter  Teil  derselben  (20  oder  ;50  cm^)  mit  einer  l'ipette  entnomuM-n 
(die  Pipette  wird  nachgespült!),  in  ein  gewogenes  kleines  IJechergÜischen 
hineingebracht  und  der  Äther  auf  einem  Dampfbad  vorsichtig  abgedampft 
Das  Bechergläschen  wird  bei  100"  eine  Stunde  lang  getrocknet 
und  gewogen. 

Die  in  der  entnommenen  Menge  Ätherlösung  /um  WiiLren 
gebrachte  Grammanzahl  Fett  wird  auf  die  ganze  .Uherscliicht 
umgerechnet.  Die  Zahl  gibt  dann  die  in  den  abgewogenen  10  y 
Milch  enthaltene  ]\Ienge  Fett. 

Statt  die  Milch  abzuwägen,  kann  man  auch  10  cm'  Milcii 
verwenden,  hebert  aber  die  ätherische  Lösung  bis  auf  1*5  cw^ 
der  Fettlösung  ab.  Die  nach  dem  \erdunsten  des  Äthers  gewogene 
Fettmenge  mit  10  multipliziert  gibt  dann  direkt  Gewichtspro- 
zente an. ') 

In  neuerer  Zeit  haben  Hesse-)  und  Eichlojl'^)  das  (lott- 
lieb-Rösesche  Verfahren  abgeändert.  Die  GottächsdiQ  Methode 
liefert  zu  niedrige  Werte.  Hesse  schlägt  deshalb  vor.  die  ätheri- 
sche Fettlösung  ganz  abzuhebern,  mit  Äther  einmal  nachzuspiden 
und  noch  einmal  mit  Äther  und  Petroläther  au.szuschütteln.  Da 
aber  das  zweite  Ausschütteln  sehr  geringe  Mengen  Fett  liefert, 
genügt  es  nach  Eichlojf  und  Grimmer'^),  wenn  man  nach  dem 
Abhebern  der  Fettlösung  zweimal  mit  Äther  nachspült,  (ira- 
duierte  Zylinder  fallen  für  diese  Methode  weg,  da  man  ja  nicht 
mehr  aliquote  Teile,  sondern  die  ganze  Ätherschicht  abhebert 
und  eine  Umrechnung  unnötig  wird. 

Der  Schüttelkolben*)  (vergl.  Fig.  109,  S.  434)  wird  leer  gewogen,  mit 
lOcws  Milch  gefüllt  und  abermals  gewogen.  Dann  wird  l  cm  .\mmoniak 
hinzugefügt  und  leicht  umgeschüttelt.  Nun  setzt  man  nacheinander  IOom* 
absoluten  Alkohol,  25  cm»  wasserfreien  Äther  und  25  <m-' l'etrol.ither  dazu, 
schüttelt  nach  jeder  Zugabe  kräftig  um  und  labt  {\  Stunden  stehen.  .Mau 
hebert  jetzt  die  ganze  Ätherschicht  in  einen  kleinen  (l5o  cm»)  gewogen«'» 
Erlenmeyerkolben.  spült  den  Apparat  zweimal  mit  je  25  cm^  Äther  nach, 
verdampft  die  Lösung,  trocknet  bei  105"  und  wägt. 


')  Rötiger,  Lehrbuch  der  Nahningsmittcl-Chemio.  Verlag  J.  Springer.  S.  184.  1U07. 
^)  Hesse,    Untersuchungen    über  die  GottlirhscUe  Fettbcstinininng.    Molkprei-/.t*r. 

17.  277. 

')  Eichloß'  und  Grimmer,  Abgeändertes  VorfahrtMi  zur  Hostimmung  des  Kctl»re- 
haltes  nach  liöse-Gotflicb  in  Miloii-  und  Molkereiprudukten.  Mib-hwirtsrhaftl.  Zcntral- 
blatt.  G.  114.  1910. 

*)  Vertrieb  des  Apparates  durcli  /'.  Funke  d-  Co.,  Berbn. 

Abderhalden,  Haodbach  der  biochemischen  ArboiUmwthodcn.  V.  28 


434 


E.  F.  Edelstein. 


Die    Gottlieb-Rösesche  Methode   ist   zurzeit  die  beste  und  genaueste, 
ihre  Ausführung  ist  leicht  und  erfordert  wenig  Zeit. 


Fig. 110. 


Fig.  111. 


Tolumetrisclie  Bestimmung. 

Nach  Gerber.^) 

^'ersetzt  man  Milch  mit  konzentrierter  Schwefelsäui'e,   so   lösen  sich 
unter    starker   Wärmeentwicklung    das    Kasein    und    die    Nichtfette.    Das 
Fett  scheidet  sich  ab  und  wird  in  dem  gleich- 
zeitig zugesetzten  Amylalkohol  gelöst. 

In  für  diesen  Zweck  hergestellte  Gefäße 
(Butyrometer  Fig.  110  u.  111)  werden  10  cm^ 
konzentrierter  Schwefelsäure  vom  spezifischen 
Gewicht  1-82 — 1-825,  ferner  vorsichtig  llcm^ 
Milch  und  1  cm^  Amylalkohol  (Siedepunkt  128 
bis  130")  eingetragen,  die  Butyrometer  mit 
dicht  schUeßenden  Gummistöpseln  zugestöpselt 
und  kräftig  umgeschüttelt.  Dann  zentrifugiert 
man  5  Minuten  in  einer  hierfür  hergestellten 
Zentrifuge  (Fig.  112  u.  113)  und  erwärmt  die 
Röhrchen  kurze  Zeit  in  einem  Wasserbad  von 

Fig.  109. 


60 — 700. 2)  stellt  man  durch  Drehen  des  Kautschukstopfens  den  Meniskus 
so  ein,  daß  er  mit  einem  Hauptstrich  der  Skala  zusammenfällt,  so  kann 
man  direkt  die  Prozente  Fett  ablösen. 


')  Gerber,  Die  Azidbutyrometrie  als  üniversalfettbestimmungsmethode.  Chem. 
Ztg.  16.  1839.  1892. 

2)  Nach  Stein  soll  man  nach  dem  Schleudern  nicht  mehr  erwärmen.  Vergleichende 
Untersuchungen  einiger  Methoden  zur  Untersuchung  des  Fettes  in  der  Milch.  Milch- 
wirtschaft!. Zentralbatt.  V.  209. 1909. 


Methodik  der  Milcliuntersuchung. 


436 


L'»'!!. 


Höyherg^)  hat  zwecks  besserer  AI)lesunt,Ml('r  P'ettscliicht  voi . 
dem  Amylalkohol  einen  Farbstoff  zuzusetzen,  un<l  zwar  eine  2«/oif;e 
hohsche  Lösunf^-  von  Sudan  III  im  \'erli;iltnis  von  '  ,o  «l<'s  Volumens.  IUe 
Fettschicht  erscheint  dann  schön  oran^^e,  die  untere  (schwefelsaure)  Schicht 
violett  gefärbt. 

Die  Methode  nach  Gerher  eignet  sich  sehr  \i\\{  für  schm-llc  Fettb»*- 
stimmungen  und  wird  besonders  in  der  Molkcn-iina.xis  viel  verwendet.  Sie 
liefert  sehr  gute  Werte.  Vom  Verfasser  angestellte  Versuche  an  H  Proben 
nicht  fettreicher  Frauenmilch  (2— ;i-5Voj.  in  denen  Fett  nach  (Jottlub  und 


Fig.  112. 


Kig.  IIH. 


Gerher  bestimmt  wurde,  haben  eine  sehr  gute  rbereinstimmung  beider 
Methoden  ergeben. 

Nach  Untersuchungen  von  A.  Stein '-)  unterscheiden  sich  die  Wert« 
nach  Gerher  und  die  aus  der  aräometrischen  Methode  nach  Soxhht  höchstens 
um  O-Oöo/o. 

Zum  Ablesen  eignen  sich  gut  die  Flachbutyrometer. 

Eine  Modifikation  der  6'cW>e/-schen  Azidobutyrometrie  ist  seine  Sal- 
.  methode. 3)  Dieselbe  vermeidet  die  Anwendung  von  Schw efelsilure  und  den 
Gebrauch  des  Amylalkohols.  Das  Prinzip  ist  wie  folgt : 

Eine  alkalische  Sallösung  (das  Salpulver  besteht  aus  Ätznatrium  und 
Kaliumnatriumtartrat,  etwas  Kochsalz  und  einem  roten  Farbstoff)  löst  das 

')  llöiibcrg.  Eine  Methode  zur  Färhung  des  bei  der  (»'rr/irrschcn  .\j!idobiit)To- 
metrie  abgeschiedi-ncii  Mih-hfettes.  Zeitsclir.  f.  Fleisch-  u.  Milohhygiene.  21.  46.  1910;  n- 
tiert  nach  Chein.  ZeDtrallil.  II.  M'l'x  VMO. 

')  A.  Stein,  1.  c. 

')  Gerber,  Die  „Sal"-Metii<»dc,  ein  neues  säurefreies  Verfahren  lur  »chnellou 
Fettbestimmuug  aller  MUcharten.  Milch-Zfg.  35.  37.  llK)fi. 

28» 


436  E.  F.  Edelstein. 

Kasein  der  Milch  und  die  Kalksalze  derselben.  Das  Fett  wird  wie  bei  der 
vorherigen  Bestimmung  durch  Zentrifugieren  abgeschieden.  Dasselbe  mrd 
in  dem  zugegebenen  Isobutylalkohol  gelöst  und  erscheint  über  der  rot- 
gefärbten alkalischen  Lösung  als  farblose  Fettschicht. 

Die  Bestimmung  wird  folgendermaßen  ausgeführt: 

1 1  cm^  Sallösung  (hergestellt  durch  Lösen  des  käuflichen  Salpulvers 
in  1  l  Wasser  und  nachträglicher  Filtration),  10  cm^  Milch  und  O-ßmi^  „Butyl" 
(Isobutylalkohol)  werden  in  ein  Gerbersches  Butyrometer  gebracht,  tüchtig 
durchgeschüttelt,  in  einem  Wasserbade  von  45''  3  Minuten  erwärmt  und 
wieder  durchgeschüttelt.  Dann  zentrifugiert  man  3  Minuten  lang,  bringt 
wieder  auf  kurze  Zeit  in  ein  Wasserbad  von  45°  und  Uest  ab. 

Auf  ähnlichem  Prinzip  beruht  das  Verfahren  nach  Sichler'^),  die  so- 
genannte Synazidbutyrometrie  und  die  Neusalmethode  nach  Wendler.^)  Die 
letztere  i^rüiten  Nottbohm  und  Angerhausen  ^)  nach  und  fanden,  daß  sie  recht 
gute  Ergebnisse  liefert,  und  zwar  mit  der  GottUeb-Eöse&cheji  Methode  ver- 
glichen. 

Neusal  ist  eine  Mischung  von  Salizylsäuren  und  zitronensauren  Salzen 
und  einem  blauen  Farbstoff.  250  g  davon  werden  in  600  Wasser  gelöst, 
250  Neusalalkohol  dazugegeben  und  mit  Wasser  auf  2  l  aufgefüllt.  *)  12  cm^ 
dieser  Neusallösung  werden  mit  9'9  crn^  Milch  in  einem  Butyrometer  gut 
geschüttelt,  auf  3  Minuten  in  ein  Wasserbad  von  50'^  gebracht,  nochmals 
geschüttelt  und  wieder  3  Minuten  auf  50"  erwärmt.  Dann  zentrifugiert  man 
3  Minuten,  erwärmt  auf  45«  und  liest  ab. 

Über  den  Wert  der  beiden  letzten  Methoden  kann  man  sich  noch 
kein  abschheßendes  Urteil  erlauben.  Bei  genauen  Bestimmungen  soll  man 
sich  jedenfalls  der  anderen,  bewährten  Methoden  bedienen. 

Das  refraktometrisehe  Terfahreii  nach  WoUiiy. 

Modifikation  nach  Naumann.^) 

Stellt  man  sich  nach  bestimmter  Vorschrift  eine  Ätherfettlösung  her 
und  bestimmt  die  Lichtbrechung,  die  ein  Lichtstrahl  beim  Durchgang  durch 
diese  Schicht  erleidet,  so  kann  man,  vorausgesetzt,  daß  der  Brechungs- 
exponent des  Milchfettes  einen  konstanten  Wert  hat,  aus  einer  empirisch 
berechneten  Tabelle  die  Fettmenge  bestimmen.") 


^)  Sichler  und  Richter,  Ein  Beitrag  zur  Beurteilung  der  Synazidbutyrometrie. 
Milchwirtsch.  Zentralbl.  1.  71.  1905. 

-)  Wendler,  „Neusal".  Neues  säure-  und  alkalifreies  Verfahren.  Milcbzeitung.  39. 
230.  1910. 

^)  Notthohm  und  Anf/erhausen,  Nachprüfung  der  „Neusalmethode  von  Dr.  Wendler"' 
zur  Fettbestimmung  in  der  Milch.  Zeitschr.  f.  Untersuch,  der  Nahrungs-  und  Genußmittel. 
20.  495.  1910. 

*)  Diese  Lösung  ist  gebrauchsfertig  bei  Dr.  Gerfccr-Leipzig  zu  haben. 

^)  Nanmann,  Untersuchung  der  Milch  auf  den  Fettgehalt  mit  dem  Wollnijscheii 
Müch-Refraktometer.  Leipzig  1900.  Heinsius  Nachf. 

^)  Über  Refraktometrie  siehe:  Biehringer,  Bd.  1.  568  dieses  Handbuches. 


Methodik  der  Milcliuntersiichuntf. 

437 

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438 


E.  F.  Edelstein. 


Man  stellt  die  Fettlösung  her,  indem  man  30  cm ^  einer  auf  IT'.^f'ge- 
brachten  Milch  mit  3  cm^  Wollnf/scher  Lauge  10  Minuten  lang  schüttelt. 
Falls  die  Milch  konserviert  war  (nach  Naumann  mit  Kaliumbichromat  in 
ammoniakalischer  Lösung),  müssen  12  Tropfen  konzentrierter  Essigsäure 
der  Probe  zugefügt  werden.  Dann  werden  (3  cm^  wassergesättigten  Äthers 
zugesetzt  und  15  Minuten  lang  in  einem  Schüttelapparat  geschüttelt. 
Darauf  zentrifugiert  man  3  Minuten  (in  einer  Gerbcrschen  Zentrifuge)  und 
bringt  die  Mischung  ^^^eder  aufl7"5<>.  Diese  ganze  Prozedur  des  Mischens, 
Schütteins  und  Zentrifugierens  wird  in  hierfür  geeigneten,  mit  einem  Glas- 
stöpsel verschließbaren  Probe- 
gläschen (Fig.  114)  vorge-  Fig.  115. 
nommen.  Ein  ganz  kleiner 
Teil  von  der  durch  Abzentri- 
fugieren  erhaltenen  Ätherfett- 
lösung wird  mit  Hilfe  enger 
Glasröhrchen  entnommen  und 
auf  das  Prisma  des  Refrakto- 
meters aufgetropft. 


Fig. 114. 


-* — -Marhe  bei 
30ecm 
Fiißtmg 


Das  Refraktometer  (Fig.  115)  ist  genau  auf  17-5''  eingestellt.  Dies 
wird  so  bewerkstelligt,  daß  ein  auf  17-5"  eingestelltes  Wasser  durch  das 
Prismengehäuse  fließt. 

Das  Refraktometer  wird  zunächst  so  eingestellt,  daß  es  durch  Auf- 
tropfen von  etwas  auf  17-5o  temperiertem,  destilliertem  Wasser  den  Null- 
punkt der  Skala  anzeigt.  Dann  tropft  man  auf  die  sorgiältig  gereinigten 
Prismen  wassergesättigten  Äther  auf  und  stellt  genau  durch  Regulieren 
der  Mikrometerschraube  auf  den  Skalenteil  20*6  ein.  1) 


M  Die  von  der  Firma  Zeiss  jetzt    gelieferten  Milchrefraktometer  sind  auf  diesen 
Punkt  bereits  geaicht. 


Methodik  der  Milchiintersuchung. 


4:^9 


Fig.  116. 


Die  WoJlni/sche  Lauge  stellt  man  nach  Xauwanu  her: 
800.<7K()Ilin  Standen  werden    in  weni^^  Wasser   gelöst,    ii;i- 1,    utm 

Erkalten   mit  OOO^  Glyzerin    gemischt    und    dazu    !'()(» 7  Kupferoxy Hydrat 

zugegeben.  Diese  Mischung  wird  auf  HOOO  cm^  autVct'iillt.  Man  lal'.t  :\     \  TriL-p 

stehen  unter  zeitweiligem  starkem   rmschütteln. 

Die    WoUni/-Naumamis,che  Kefraktometermethode  ist  sehr  genau,  und 

wenn  einmal  alles   an  Reagenzien  und  Apparaten    Notwendige    vorhereitct 

ist,  bequem  und  schnell  auszuführen. 

Aräoinetrische  llethode  nach  Soxlilet. >) 

Das  Prinzip  dieses  Verfahrens  beruht  darauf,  dal)  aus  einer  alkalisch 
gemachten  Milch  das  Fett  mit  wassergesättigtem  Äther  extrahiert  wird. 
Diese  Fettlösung  wird 
auf  ihr  spezifisches 
Gewicht  untersucht 
und  daraus  der  Fett- 
gehalt berechnet. 

Zur  Ausführung 
dieser  Bestimmung 
gehört  zunächst  der 
von  Greiner  -  Mün- 
chen nach  Soxhiet 
ausgeführte  Apparat 
(Fig.  116),  eine  Kali- 
lauge vom  spezifi- 
schen Gewicht  1*27 
und  ein  wasserge- 
sättigter Äther,  her- 
gestellt durch  Schüt- 
teln vom  gewöhnli- 
chen Äther  (D.  Q-l) 
mit  1—2  Zehntel  Vo- 
lumen Wasser. 

Da  das  Aräo- 
meter auf  eine  Tem- 
peratur von  17-5° 
geaicht  ist,  muß  so- 
wohl die  zu  untersu- 
chende Milch  wie  die 
anzuwendenden  Re- 
agenzien auf  diese 
Temperatur  gebracht 
werden. 


')  F.  Soxhiet,  Aräometrische  Motliodc  zur  ItostimmuM^r  dos  I-".  • 
Milch.  Zeitschr.  d.  landwirtsch.  Vereines  in  Bayern.  S.  1.  1SH().  Kefer.it  u. 
f.  analvt.  Chemie.  20.  452.  1881. 


ier 


440 


E.  F.  Edelstein. 


Tabelle  zur  Bestimmung  des  Fettgehaltes  der  Milch  aus  dem  spezifische  n 
Gewicht  der  Ätherfettlösung  bei  IT'ö". 


Spez. 
Gew. 


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Spez. 
Gew. 


Fett 


Spez. 
Gew. 


Fett 

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Spez. 
Gew. 


Fett 

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Spez. 
Gew. 


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2-08 

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209 

3 

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4 

211 

5 

212 

6 

213 

7 

214 

8 

2-16 

9 

2-17 

44-0 

2-18 

1 

219 

2 

2-20 

3 

2-22 

4 

2-23 

5 

2-24 

6 

2-25 

7 

2-26 

8 

2-27 

9 

2-28 

45-0 

2-30 

1 

2-31 

2 

2-32 

3 

2-33 

4 

2-34 

5 

2-35 

6 

2-36 

7 

2-37 

8 

2-38 

9 

2-39 

46-0 

2-40 

1 

2-42 

2 

2-43 

3 

2-44 

4 

2-45 

5 

2-46 

6 

2-47 

7 

2-49 

8 

2-50 

9 

2-51 

47-0 

2-52 

1 

2-54 

2 

2-55 

3 

2-56 

4 

2-57 

5 

2-o8 

6 

2-60 

47-7 
8 
9 

48-0 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

490 
1 
2 

3 

4 
5 
6 
7 
8 
9 
500 
1 
2 

3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 
51-0 
1 
2 

3 

4 
5 
6 
7 
8 
9 
520 
1 


2-61 
2-62 
2-63 
2-64 
2-66 
2-67 
2-68 
2-70 
2-71 
2-72 
2-73 
2-74 
2-75 
2-76 
2-77 
2-78 
2-79 
2-80 
2-81 
2-83 
2-84 
2-86 
2-87 
2-88 
2-90 
2-91 
292 
2-93 
2-94 
290 
2-97 
2-98 
2-99 
3-00 
301 
3'03 
304 
305 
3-06 
308 
3-09 
310 
311 
312 
314 
315 


52-3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

530 
1 
2 

3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

54-0 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

55-0 
1 
2 

3 

4 
5 
6 
7 
8 
9 
56-0 
1 
2 

3 

4 
5 
6 

7 
8 


316 
317 
3-18 
3-20 
3-21 
3-22 
3-23 
3-25 
3-26 
3-27 
3-28 
3-29 
3-30 
3-31 
3-33 
3-34 
3-35 
337 
3-38 
3-39 
3-40 
3-41 
3-43 
3-45 
3-46 
3-47 
3-48 
3-49 
3-51 
3-52 
3-53 
3-55 
3-56 
3-57 
3-59 
3-60 
3-61 
3-63 
3-64 
3-65 
3-67 
3-68 
3-69 
3-71 
3-72 
3-73 


56-9 

570 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

58-0 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

590 
1 
2 

3 

4 
5 
6 
7 
8 
9 

60-0 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

610 
1 
2 
3 
4 


3-74 
375 
3-76 
3-78 
3-80 
3-81 
3-82 
3-84 
3-85 
3-87 
3-88 
3-90 
3-91 
3-92 
3-93 
3-95 
396 
3-98 
3-99 
401 
4-02 
403 
4-04 
406 
407 
409 
411 
412 
414 
415 
416 
4-18 
4-19 
4-20 
4-21 
4-23 
4-24 
4-26 
4-27 
4-29 
4-30 
4-32 
4-33 
4-35 
4-36 
4-37 


61-5 
6 
7 
8 
9 

620 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

630 
1 
2 
3 
4 


9 
64-0 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 
65-0 
1 
2 

3 

4 
5 
6 
7 
8 
9 
66-0 


4-39 

4-40 
4-42 
4-44 
4-46 
4-47 
4-48 
4-50 
4-52 
4-53 
4-55 
4-56 
4-58 
4-59 
4-61 
4-63 
4-64 
4-66 
4-67 
4-69 
4-70 
4-71 
4-73 
4-75 
4-77 
4-79 
4-80 
4-82 
4-84 
4-85 
4-87 
4-88 
4-90 
4-92 
4-93 
4-95 
4-97 
4'98 
5-00 
5-02 
504 
5-05 
507 
5-09 
511 
512 


200  cm^  Milch  werden  in  einer  Schüttelflasche  mit  10  cm^  Kalilauge 
vom  spezifischen  Gewicht  1-27  und  mit  60  cm^  Äther  gut  verschlossen  und 
kurze  Zeit  durchgeschüttelt.  Dann  wird  die  Flasche  durch  Hineinstellen  in 
ein  großes  Gefäß  mit  Wasser  von  IT'ö"  auf  diese  Temperatur  gebracht  und 
in  kurzen  Abständen  1/4  Stunde  lang,  am  besten  in   senkrechter  Richtung 


Methodik  der  Milchuutersuchung.  i  i  i 

durchgeschüttelt.  Nach  etwa  15  Miiuiton  scheidet  sich  eine  khire  Äther- 
fettschicht ab.  Die  Flasche  mit  der  Fettlüsung  wird  nun  mittelst  eines 
Schlauches  mit  dem  Kohr  verbunden,  in  dom  sich  das  Arilomcter  befindet. 
Das  Rohr  wird  durch  einen  äußeren  Mantel  mit  Wasser  von  ITf)"  «rekühlt. 
Mittelst  eines  Gummiballes  drückt  man  die  Atlierfettlösunj^'  in  das  Kohr 
hinein  und  schließt  das  letztere  von  unten  mit  einer  Klemmschraube  zu. 
Man  wartet  einige  Minuten,  damit  sich  die  Temperatur  ausgleicht  und 
liest  dann  den  Berührungspunkt  der  .Skala  des  in  der  Fettschicht  schwim- 
menden Aräometers  mit  dem  unteren  Meniskus  der  Ätherschicht  ab.  Aus 
der  von  Soxhief  empirisch  aufgestellten  Tabelle  ermittelt  man  den  Fett- 
gehalt in  Prozenten. 

Lezithin. 

Das  in  der  Milch  bzw.  im  Milchfett  enthaltene  I'hosjdiatid  bat  zuerst 
Rosengren'^)  isoliert,  und  zwar  indem  er  die  bei  der  Gottlicb-Jiösvüvhcn  Methode 
erhaltene  Atherfettlösung  mit  wasserfreiem  Äther  nochmals  extrahierte.  Dabei 
gewann  er  einen  unlöslichen  liückstand.  der  beim  \erseifen  mit  Barvtwasser 
eine  Substanz  lieferte,  die  aus  Fettsäuren  und  aus  riiosphorsäure  bestand. 

Burow'^)  hatte  das  Lezithin  derart  bestimmt,  daß  er  in  eine  angesäuerte 
Alkoholäthermischung  (100  Äther  und  100  jVlkohol)  Milch  hineintropfen  ließ, 
nach  24  Stunden  filtrierte  und  das  Filtrat  eindampfte.  Der  Rückstand  wurde 
mit  Äther  ausgezogen,  der  Äther  verdampft  und  in  diesem  Rückstand 
Phosphor  bestimmt. 

GWdn  3)  bestimmt  quantitativ  das  Lezithin  in  der  Milch,  indem  er 
eine  bestimmte  Menge  Milch  bis  zur  Trockne  eindampft.  Die  Trocken- 
substanz wird  1 — 2  Stunden  im  Trockenofen  getrocknet,  dann  im  Mörser 
fein  zerrieben  und  in  eine  Patrone  gebracht.  Man  zieht  sie  zunächst 
4  Stunden  mit  absolutem  Alkohol  und  dann  bis  zur  Erschöpfnng  mit 
Chloroform  aus.  Die  gesammelten  Äthcrchloroformauszüge  werden  ver- 
dampft und  der  Rückstand  wird  in  absolutem  Äther  aufgenommen.  .Man 
rührt  gut  durch,  filtriert,  befreit  vom  Äther  und  nimmt  einen  bestimmten 
Teil  vom  getrockneten  Rückstand  ab,  in  welcheiu  man  Phosphor  nach  Srn- 
waww  bestimmt.  Die  erhalteue  Menge  PoOg  multipliziert  mit  ll-;i«)()t>  gilit 
den  Gehalt  an  Lezithin  an. 

Das  Ausziehen  mit  Alkohol  bietet  insofern  Schwierigkeiten,  als  man 
über  einem  Wasser  oder  Dampfiiad  tlen  Alkohol  kaum  zu  einem  i)erma- 
nenten  Sieden  bringen  kann.  Verfasser  hat  sich  bei  Lezithinbestinimiingen 
im  Laboratorium  des  Kaiserin  Auguste  Viktoria-Hauses  mit  gnti'ui  Erfolge 
der  Doppelflasche  nach  Zelmanowitz^)  (Fig.  117)  als  Alkohol-Aufnahme^ 
kolben  bedient. 


•)  Rosengreu,  Beitrag  zur  Frage  „Cofflieh"  oder  „Admtis".  Milchzoituiii:.  22.  l'.X>4. 

*)  Burow ,  Der  Lezithingehalt  der  Milch  und  soiiio  Aldiüugigkeit  vom  rcl.itivpti 
Hirngewichte  des  Säuglings.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  30.  495.  liKX). 

*)  Glikin,  Zur  biologischen  Bedeutung  des  Lezithins.  Cher  den  Lezithin-  und 
Eisengehalt  in  der  Kuh-  und  Frauenmilch.    Biochom.  Zcit-^chr.  21.  'MH.  l".)(»y. 

*)  Zu  haben  bei  den  Vereinigten  Fabriken  für  Laboratoriunisbedarf,  Berlin. 


442 


E.  F.  Edelstein. 


Fig.  117. 


Dieser  Kolben  hat  den  Vorzug,  daß  man  ein  konstantes  Sieden  des 
Alkohols  erzielt,  ohne  letzteren  direkt  mit  einer  Flamme  erhitzen  zu 
müssen,  was  bei  einer  längeren  Behandlung  mit  Alkohol  immer  gefährlich 
ist.  Der  äußere  Raum  der  Flasche  ist  mit  Wasser  gefüllt,  welches,  zum 
Kochen  erhitzt,  den  Alkohol  zum  Sieden  bringt. 

Methode  nach  Nerking  und  Haensel.'^) 

100  cm'i  Milch  werden  unter  Umrühren  mit  200  cm^  Alkohol  gefällt 
und   der   gut   abgesetzte  Niederschlag   filtriert.    Nun    wird    einerseits   der 

Niederschlag  mit  dem 
Filter  30  Stunden  lang 
in  einer  Soxhlethülse 
mit  Chloroform  extra- 
hiert, andrerseits  das 
alkoholische  Filtrat  bei 
geringer  Temperatur 
(50—600)  eingedampft 
und  der  Rückstand  bis 
zur  Erschöpfung  mit 
Chloroform  ausgezogen. 
Beide  Extrakte  werden 
vereinigt ,  durch  Ver- 
dampfen Alkohol  und 
Chloroform  verjagt,  der 
Rückstand  mit  Salpeter- 
mischung verascht  und 
darin  die  Phosphorsäure 
zunächst  als  Ammoni- 
ummolybdenphosphat 
gefällt.  Dieses  wird  in 
Ammoniak  gelöst,  die 
Phosphorsäure  als  Ma- 
gnesiumammonium- 
phosphat gefällt  und  als 
Pyrophosphat  gewogen. 
Die  Menge  Mg,  P2  O7 
mit  7*27  multipliziert 
gibt  den  Gehalt  an  Le- 
zithin an. 

Nach  dieser  Methode  fanden  Nerking  und  Haensel  in  der  Frauenmilch 
im  Mittel  0-0499''/o,  in  der  Kuhmilch  im  Mittel  0-0629Vo  Lezithin. 

Alle  diese  Verfahren  können  keinen  Anspruch  auf  Genauigkeit  er- 
heben. Die  Isolierung  der  Phosphatide  weist  überhaupt  noch  große  Mängel 


1)  Nerking  und  Haensel,  Der  Lezithingehalt  der  Milch.  Biochem.  Zeitschr.  XIII. 
348.  1908. 


Methodik  der  Milcliuntcrsiichung.  i  lu 

auf,  weil  dieselben  infolge  ihrer  leichten  Zerset/lichkeit  verschiedenen  \er- 
änderun<ien  unterworfen  sind,  über  deren  N;itur  man  noch  keine  t^eniitronde 
Kenntnis  besitzt.  > ) 

Cholesterin. 

Cholesterin,  ein  höherer  Alkohol  (nach  H'i/iildus-)  ein  sekundärer,  un- 
gesättigter Alkohol),  ist  in  sehr  gerini-ei-  Menge  in  der  Kuhinilch.  auch  in 
der  Frauenmilch  vorhanden.  In  welcher  Form  Cholesterin  in  der  Milch 
vorkommt,  ob  frei  oder  als  Ester,  darüber  ist  noch  nichts  Sicheres  be- 
kannt. 

Emeißstoffe  der  Milch. ») 
(Kasein,  Albumin,  Globulin.) 

Das  Kasein  (der  Käsestoff)  ist  in  der  Milch  in  ge(|uollenem  Zustande 
suspendiert  und  zwar  als  eine  Kaseinkalziumverbindung. 

Kreidl  \m(\.  Xeumann*)  haben  die  Milch  verschiedener  Tiere  ultru- 
mikroskopisch  untersucht »)  und  im  Milchplasma  außer  Fettröpfchen  noch 
eine  große  Anzahl  anderer  in  lebhafter  Bewegung  sich  befindender  Teilchen 
beol)achtet.  Diese  Teilchen  halten  sie  für  Kasein.  Sie  haben  nämlich  Lö- 
sungen von  nach  Hammursten  dargestelltem  Kasein  mit  dem  Milcliplasma 
verglichen,  wobei  sie  feststellten,  daß  beide  (Milchplasma  und  Kaseinlösung) 
durch  das  Ultramikroskop  gleich  aussehen.  Anders  sieht  das  .Milchplasma 
der  Frauenmilch,  durch  das  Ultramikroskop  betrachtet,  aus.  Man  sieht  nur 
Fettkügelchen,  das  übrige  Plasma  erscheint  schwarz.  Diese  Cntersuchunuen 
erklären  vielleicht  die  schwere  Fällbarkeit  des  Frauenmilchkaseins. 

Das  Kasein  der  Kuhmilch  stellt  man  am  besten  nach  der  Methode 
von  Hammarsten  «)  dar. 

Man  verdünnt  die  Milch  mit  4  Teilen  Wasser  und  versetzt  diese 
Mischung  mit  soviel  Essigsäure,  daß  etwa  OT  — 1//  pro  lOoo  Flüssigkeit 
enthalten  ist. 

Das  Kasein  scheidet  sich  in  dicken  Flocken  ab ;  es  wird  filtriert  und 
mit  Wasser  gewaschen.  Das  bei  der  Fällung  mitgerissene  Fett  wird  durch 
Behandlung  mit  Alkohol  und  nachträglich  durch  Extrahieren  mit  Äther 
entfernt.  0  Das  entfettete  Kasein  wird  in  sehr  verdünntem  .Mkali  gelöst, 
und  zwar  wird  es  zunächst  in  einer  Reibschale  mit  'IhO  cm^  Wasser  über- 


*)  Siehe  auch  Schult zc  und  Winterstein,  rbosphatide.  Bd.  2  diost><  H.nidliurlios. 
S.  256. 

^)   Windaus,  über  Cholesterin.  Ber.  d.  deutsch,  chom.  (Jos.  41.  Uli  und  2.').'>S   l',M)S. 

*)  Siehe  auch  Fr.  SaiiiKrli/,  Gruppe  der  nicht  kristallisiorbanMi  rroteine.  III.  l)io 
Eiweißkörper  der  Milch.  Bd.  2  dieses  ILoKllKichcs.  HHS. 

*)  Kreidl  und  Neumann,  Ultramikroskopischc  Betrachtuni/en  über  das  Vorhalten 
der  Kaseinsuspension  in  der  frischen  Milcli  und  1mm  der  (ierinniuijr.  lyifif/rrs  .\rrhiv, 
Bd.  123.  523.  1908. 

^)  Siehe  Schulz,  Ultraraikroskop.  Bd.  1.  283  dieses  Ilandliuchcs 

•)  Hammarsten,  Lehrb.  d.  physiol.  Chemie.  (518.   ]  1)1(1. 

')  Diese  Entfettung,'  muß  sehr  gnUidlich  sein  und  dauert  sehr  lange. 


444  E.  F.  Edelstein, 

gössen  und  dann  unter  starkem  Rühren  allmählich  Natronlauge  (1 :  10)  zu- 
getropft. Jetzt  filtriert  man,  fällt  wieder  mit  Essigsäure  und  wäscht  gründ- 
lich mit  Wasser  aus. 

Diese  Umfällung  nimmt  man  einige  Male  vor  und  trocknet  dann  das 
Kasein,    am   besten    im   Vakuumexsikkator   über   Schwefelsäure   oder    bei 

60—700. 

Die  durch  Lab  entstandene  Fällung,  das  Parakasein  i),  ist  wie  das 
Kasein  in  Alkalien  löslich. 

Das  Parakasein  enthält  Kalk  und  zu  seiner  Fällung  mit  Lab  ist  die 
Gegenwart  von  Kalksalzen  notwendig.  Man  kann  dies  sehr  leicht  be- 
weisen, wenn  man  zu  100  em^  Milch,  der  man  b  cm^  einer  P/oigen  Na- 
triumoxalatlösung  zugesetzt  hat,  Lablösung  zugibt  und  auf  40^  erwärmt. 
Es  erfolgt  keine  Gerinnung,  weil  das  zur  Ausfällung  notwendige  Kalzium 
an  Oxalsäure  gebunden  ist. 

Erst   auf  Zusatz   von   wenig  Chlorkalzium   erfolgt   die   Gerinnung.  2) 

Man  kann  das  Kasein  aus  der  Milch  auch  mit  einer  gesättigten 
Magnesiumsulfatlösung  ausscheiden  3),  und  zwar  in  einer  in  Wässer  oder 
verdünnter  Salzlösung  löslichen  Form. 

Man  sättigt  100  cm^  Milch  mit  Magnesiumsulfat  durch  Schütteln  mit 
dem  gepulverten  Salz.  Nun  filtriert  man  durch  ein  Filter,  das  mit  ge- 
sättigtem Magnesiumsulfat  befeuchtet  ist  und  wäscht  mit  Magnesiumsulfat- 
lösung nach.  Der  Niederschlag,  ein  Gemenge  von  Kasein  und  Fett  und 
etwas  Globulin  (Albumin  wird  nicht  mitgefällt),  wird  durch  Verrühren  mit 
Wasser  gelöst.  Die  Lösung  läßt  man  einige  Zeit  stehen,  wobei  sich  das 
Fett  oben  absetzt.  Filtriert  man  nun  von  dem  Fett  ab  und  gibt  Essig- 
säure zu,  so  fällt  das  Kasein  aus. 

Ganz  anders  verhält  sich  die  Frauenmilch  in  bezug  auf  die  Kasein- 
fällung. Auf  Zusatz  von  Essigsäure  fällt  meistens  kein  Kasein  aus;  man 
muß  die  Milch  entsprechend  vorbehandeln. 

Fuld  und  Wohlgemuth '^)  bedienen  sich  des  Gefrierens,  tauen  nach- 
träglich die  Milch  auf  und  fällen  direkt  mit  Säure. 

Wrohlewski  '^)  gibt  folgende  Methode  an : 

Man  fällt  in  der  Frauenmilch  mittelst  Ammoniumsulfat  ein  Gemenge 
von  Kasein  und  Albumin  und  filtriert  ab.  Der  Niederschlag  wird  mit 
SO^/oiger  Ammoniumsulfatlösung  gewaschen  und  mit  Wasser  verrieben, 
wobei  alles  in  Lösung  geht. 

Durch  Dialysieren  wird  die  Lösung  vom  Salz  befreit,   das  Fett  wird 

mit  Äther  entfernt  und  das  Kasein  mit  ^  Essigsäure    gefällt.    Das    Ver- 


*)  Siehe  Fr.  Samuely,  Bd.  2  der  Arbeitsmethoden.  387. 
^)  E.  Salkowski,  Praktikum  d.  physiol.  u.  pathol.  Chemie.  S.  93.  1906. 
^)  E.  Salkowski,  Praktikum  der  physiol.  u.  pathol.  Chemie.  91.  1906. 
^)  1.  c. 

^)  Wroblewski,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Frauenkaseins  und  seine  Unterschiede 
vom  Kuhkasein.  Dissertation.  Bern  1894. 


Methodik  der  Milchuntcrsuchunc.  itjj 

fahren  hat  eigentlich  nur  historisches  Interesse  und  liefert  kein  uanz 
reines  Präparat. 

Viel  besser  ist  die  Methode  von  Kohntfc^),  nach  der  man  die  MiUli 
zuerst  durch  Zentrifugieren  vom  Fett  befreit,  die  Magcmiilch  mit  '  5  des 

Gesamtvolumens  r^  Essigsäure  versetzt  und  ö  Tage  lang  gegen  ("liloroform 

dialysiert.  Das  in  feinen  Flocken  sich  dabei  ausscheidende  Kasein  wird 
abfiltriert  und  in  Alkohol  und  Äther  gewaschen. 

Die  Dialyse  führt  man  am  besten  in  abgesprengten,  mit  Tergament- 
papier  umwundenen  liechergläsern  aus  und  stellt  sie  in  ein  mit  Cliloroform- 
wasser  gefülltes  Gefäß  ein. 

Ein  sehr  reines  Frauenmilchkasein  liefert  das  Verfahicn  nach  IJiufrl. «) 

1  /  Milch  wird  mit  700  on^  t^  Essigsäure    verdünnt    und    in    einer 

großen  Flasche  auf  5000  mit  Wasser  aufgefüllt,  geschüttelt  und  im  Fis- 
schrank  2 — 0  Stunden  stehen  gelassen.  Dann  wird  der  ganze  Inhalt  in  ein 
großes  Gefäß  gegossen  und  in  ein  Wasserbad  von  40 — 4.')"  hineingestellt. 
Nach  1/4  Stunde,  nachdem  das  Gemisch  die  Temperatur  von  HO"  ange- 
nommen hat,  filtriert  man  durch  ein  doppeltes  Filter. 

Das  Kasein,  w^elches  durch  Albumin,  F'ett  und  etwas  Milchzucker 
verunreinigt  ist,  wird  vom  Filter  in  eine  Soxhlethülse  abgeschalit  und 
darin  durch  Extraktion  mit  Äther  vom  Fett  befreit.  Das  II()hi)rodukt  wird 
in  einer  Kugelmühle  fein  gepulvert  und  dann  in  einer  großen  Zentrifuge 
nacheinander  mit  schwach  essigsaurem  Wasser,  Alkohol  und  Äther  so  lange 
gewaschen,  bis  das  Kasein  frei  von  Milchzucker  und  beigemengtem  Eiwfii; 
ist.  Das  schön  weiße,  an  der  Luft  zerbröckelnde  Pulver  wird  über  ILSO^ 
im  Exsikkator  getrocknet.  Die  Ausbeute  am  Reinprodukt  beträgt  etwa  0-2*'  o- 
Eine  bessere  Ausbeute  hefert  das  Verfahren  nach  Langstiin-Kddstein.^) 
Frische  Frauenmilch  wird  1  Stunde  lang  zentrifngiert  (HOOO  Touren- 
Zentrifuge),  das  angesetzte  Fett  abgeschöpft  und  die  Magermilch  mit  '  ,,  des 

Gesamtvolumens  ^  Essigsäure  unter  Umrühren  versetzt.  In  wenigen  Mi- 
nuten setzt  sich  das  grobflockig  ausfallende  Kasein  zu  Boden.  Man  gießt 
von  der  trüben,  darüber  stehenden  Flüssigkeit  ab  und  wäscht  das  Kasein 
durch  inniges  Umrühren  und  Zentrifugieren  mit  Wasser,  Alkohol  und 
Äther.  Es  muß  immer  je  eine  halbe  Stunde  lang  zentrifngiert  werden. 

Nachdem  das  Kasein  im  Soxhletapparat  völlig  vom  Fett  bt'freit  ist, 
wird  es  fein  gepulvert  und  in  vacuo  über  Schwefelsäure  getrocknet  Die 
Ausbeute  beträgt  zirka  0*4"/o. 


')  Kohrak,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Kaseins  der  Fraueninilch.  rßiigefs  .\rchiv. 

Bd.  80.  1900. 

2)  En(ieJ,  Eine  oiufaclie  Methode  zur  iiuantitativon  Alischeidunjr  ih-s  Kuseius  ans 
gemeiner  Frauonmilcli.  Biochcni.  Zeitsciir.  13  und  Vcrjrleichondp  Untorsncluinpen  über  d.is 
Verhalten  der  Frauenmilch  zu  Säure  und  Lab.  Ibid.  14.  2154.  H'.).  l'.K)S. 

3)  L(i)if/.'!fe{n-K'/<Is/ci>i,  Über  die  Kinlieitlichkeit  des   Fraiienniilchkascin«-      '"'"'■ 
f.  Kinderlieilk.  Bd.  72.  Ergänzungsheft  1.  lülü. 


446  E.  ¥.  Edelstein. 

Es  kommt  allerdings  vor,  daß  ab  und  zu  die  Fällung  nicht  gelingt. 
Eine  Erklärung  dafür  wurde  bis  jetzt  noch  nicht  gefunden. 

Als  Kriterium  der  Reinheit  des  Kaseins,  sowohl  des  Kuhmilch-  als 
des  Frauenmilchkaseins  gilt  folgendes : 

Das  Präparat  darf  keine  positive  MoUscJiRche  Reaktion  i)  geben, 
höchstens  eine  ganz  minimale  Andeutung  einer  violetten  Färbung,  ferner 
keine  Reaktion  auf  Zucker  oder  Eiweiß  und  muß  fast  aschefrei  sein. 

Das  letztere  gilt  besonders  für  das  Kuhrailchkasein. 


ö' 


Albumin. 

Zur  Darstellung  des  Albumins  -)  wird  das  Filtrat  des  Kaseinnieder- 
schlags, welches  Albumin,  Milchzucker  und  Salze  enthält,  filtriert  und  am 
besten  in  einem  emaillierten  Eisengefäß  auf  die  Hälfte  eingedampft.  Das 
Albumin  scheidet  sich  in  groben  Flocken  aus.  Es  wird  abfiltriert,  mit 
heißem  Wasser  ausgewaschen  und  getrocknet. 

Globulin. 

Laktoglobulin  stellt  man  nach  Sehelien  ^)  dar,  indem  man  Milch  mit 
Kochsalz  sättigt,  den  Niederschlag  abfiltriert,  das  Filtrat  auf  35"  erwärmt, 
von  dem  restlichen  Kasein  abfiltriert  und  nun  die  Lösung  mit  Mag- 
nesiumsulfat fällt.  Dieser  Niederschlag  wird  abfiltriert,  in  Wasser  gelöst, 
wieder  mit  Magnesium sulfat  gefällt,  nochmals  gelöst,  mit  Chlornatrium 
gefällt  und  dialysiert.  Dabei  scheiden  sich  Flocken  aus,  die  man  in 
lO^/oiger  Kochsalzlösung  löst  und  auf  Tö"  erwärmt.  Plierbei  erfolgt  eine 
Gerinnung. 

Sehr  oft  scheidet  sich  das  Globulin  bei  der  Dialyse  nicht  aus.  Man 
fällt  dann  am  besten  mit  Alkohol  und  trocknet  das  gefällte  Globulin  mit 
Alkohol  und  Äther. 

Bestimmung  des  Stickstoffes  in  der  Milch. 

5  oder  10  cin^  Milch  werden  in  einem  Kjeldahlkolben  mit  10  cni^ 
konzentrierter  Schwefelsäure  und  0*4  g  gelbem  Quecksilberoxyd  versetzt 
und  über  einer  Flamme  so  lange  erhitzt,  bis  eine  klare,  farblose  Flüssigkeit 
zurückbleibt.  Man  muß  darauf  achten,  daß  die  Flüssigkeit  nicht  fast  zur 
Trockne    eindampft,    weil  die  Stickstoffbestimmung    dann  Fehler  aufweist. 

^)  Die  Molischsche  Eeaktion  führt  man  so    aus,  daß    man   ganz  Menig  Kasein  in 

n 

j^  Natronlauge  sorgfältig  löst,  zu  dieser  Lösung  1 — 2  Tropfen  einer  W/o^gQ^  alko- 
holischen a-Naphthallösung  zugil)t  und  mit  1  cm^  reiner  konzentrierter  Schwefelsäure 
überschichtet  (violetter  Ring).  Um  auf  Eiweiß  oder  Zucker  zu  prüfen,  schüttelt  man 
etwas  Kasein  kurze  Zeit  mit  Wasser  und  filtriert  ab.  Dieses  Filtrat  verwendet  man  für 
die  Reaktionen.  Eiweiß  :  Trübung  auf  Zusatz  von  mit  Salzsäure  angesäuerter  Phosphor- 
wolframsäurelösung. Milchzucker :  Reduktion  der  Fehlingschen  Lösung. 

-)  E.  Salkowski,  Praktikum  d.  physiol.  u.  patholog.  Chemie.  82. 1906. 

^)  Sehelien,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Eiweißkörper  der  Kuhmilch.  Zeitschr.  f. 
physiol.  Chemie.  Bd.  9.  445.  1885. 


Methodik  der  Milchuntersuchung.  <«■- 

Nun  wird  nach  dem  Erkalten  und  Verdünnen  mit  ;»  Teilen  dostiliierton 
Wassers  die  übliche  Destillation  nach  Kjelduhl  und  zwiir  in  deujselhen 
Kollien  ausgeführt,  unter  Zugabe  von  etwas  Talkuni  (um  das  Stolien  /u 
verhindern),  von  10  cwä  einer  -iöO/oigcn  Natriumthiosultatlösun«;  und 
schlielJlich  von  konzentrierter  HlV'/oiger  Kalilauge  bis  zur  stark  alkalischen 
lleaktion. 

Als  Vorlage  bedient  mau  sich  einer  ^  oder    I.'   Schwefelsilure. '; 

Aus  dem  Oesamtstickstoff  der  Milch  kann  man  durch  Multiplikati(m 
mit  einem  entsprechenden  Faktor  den  Kiweiligehalt  der  Milch  berechnen. =» 

Da  die  Milch  außer  deii  Kiweillstoffen  noch  andere,  wenn  auch  ge- 
ringe Mengen  stickstoffhaltiger  Substanzen  (Harnstoffdcrivate)  u.  a.,  z.  I{. 
Lezithin  enthält,  einen  sogenannten  Keststickstoff,  so  ist  die  Eiweili- 
bestiuimung,  aus  Stickstoff  berechnet,  nicht  ganz  genau  und  giiit  etwas  zu 
hohe  Werte.  Besonders  gilt  dies  für  Frauenmilch,  für  die  li'u-tsrhd^)  einen 
Gehalt  von  15 — 20Vo  Reststickstoff,  Caiuntcnr  und  Söldner*)  einen  etwas 
niedrigeren  Durchschnittsgehalt  gefunden  hat. 

Man  kann  das  Gesamteiweiß  der  Milch  auch  direkt  liestinimcn.  und 
zwar  nach  folgenden  Methoden: 

Gesamteiweißbestimmung  in  der  Milch. 
Nach  Ritthauseti.'') 

25  g  Milch  werden  in  einen  500  cw3.;^Ie|')kolben  hineingefüllt  und 
mit  400  ciit^  destilliertem  Wasser  verdünnt.  Dann  werden  10  nn^  Ku[tfer- 
sulfatlösung  (FehlingsdiG  Lösung  I)  und  ;-J — 4  crn^  einer  Normalkalilauge 
zugesetzt  und  bis  auf  die  Marke  mit  Wasser  aufgefüllt.  .Man  schüttelt  um 
und  filtriert  das  ausgefällte  Eiweiß  durch  ein  trockenes  Filter,  dessen 
Stickstoffgehalt  bekannt  ist.  Das  Filtrat  muß  fast  neutnü  oder  höchstens 
schwach  sauer  sein  und  ein  Tropfen  davon    darf   auf  Zusatz    von  Natron- 


»)  Bona,  Bestimmung  des  Stickstoffes  uacli  Kjcldahl.  Bd.  1.  34U  dieses  Hand- 
buches. 

-)  Das  Kasein  enthält  löGö^'o  Stickstoff,  das  Mih-lialliumin  l.VT?»  „  X  (Ch-hiilin 
kann  wegen  der  geringen  Menge  vernachlässigt  werden;.  Duraus  ergibt  sich  der  Faktor 
für  Gesamteiweiß  6-37.  (Hammarsten,  Zur  Frage,  ob  das  Kasein  ein  einheitlicher  Stoff 
ist.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  VII.  2(59.  1S83.)  Slohniaun  und  Laiifjhrin  (Kalorinifirischo 
Untersuchungen  über  den  Wärmewert  der  Xahrungsl)estanilteile  und  deren  Id-rivate. 
N.  F.  Journ.  f.  prakt.  Chemie.  44.  349.  1891)  berechneten  den  Faktor  für  Gesamteiweiß 
zu  6-25,  und  zwar  aus  dem  Stickstoffgehalt  des  Milcheiweißes,  den  sie  auf  kalorimetri- 
schem Wege  berechnet  hatten  (Iß^/o  N). 

ä)  Rictschel,    Über    den    Keststickstoff    (i.T    FraueniniU-h.    .lalirb.  f.  Kinderheilk. 

Bd.  64.  S.  125.  190r,. 

■»)  Cammrrcr  und  Söldner,  Analyse  der  Kraui-nnüb-h.  Kuluuilcli  und  Sttitenmilch. 
Zeitschr.  f.  Biologie.   Bd.  33.  S.  535.    Die  Bestandteil.-  .hr  Fnini'n-  iiiul  Knlimibli.    Ibid. 

36.  278.  1898. 

s)  Rittimmen,  Neue  Methode  zur  Analyse  der  Milch  und  uiu-r  ein  vom  Milrh- 
zucker  verschiedenes  Kohlehydrat  in  der  Kuhmilch.  Journ.  f.  prakt.  (.  hemio.  N.  F.  16. 
329.  1877. 


448  E.  F.  Edelstein. 

lauge  weder  eine  Blaufärbung  (gelöstes  Kupfer)  noch  eine  Trübung  (Eiweiß) 
geben. 

Man  wäscht  den  Niederschlag  einigemal  mit  kaltem  Wasser  nach 
und  bestimmt  im  Niederschlag  den  Stickstoff  nach  Kjeldahl.  Die  Stick- 
stoffzahl mit  6"37  multipliziert  gibt  die  in  5  cm^  Milch  enthaltene  Eiweiß- 
menge an.  1) 

Nach  Liehermann^)  (Sebelien).^) 

Während  die  Rifthausensche  Methode  auf  der  Fällbarkeit  der  Eiweiß- 
stoffe durch  Kupfersalze  bzw.  Kupferoxyd  beruht,  wird  bei  dieser  Methode 
zur  Ausfällung  der  Eiweißstoffe  Gerbsäure  benutzt.  Man  muß  die  Fällung 
in  einer  stark  salzhaltigen  Lösung  vornehmen,  weil  nur  in  einer  solchen 
das  Eiweiß  quantitativ  ausfällt. 

20  g  Milch  werden  mit  40  cm^  Wasser  verdünnt,  dazu  werden  5  cm^ 
einer  ISVoigen  Kochsalzlösung  gegeben  und  so  lange  mit  einer  Gerbsäure- 
lösung (hergestellt  durch  Mischen  von  '20g  Tannin,  40  cm^  25Voiger  Essig- 
säure, 400  cm^  absoluter  Alkohol  und  Auffüllen  auf  1  l)  versetzt,  bis  kein 
merkbarer  Niederschlag  mehr  ausfällt  (20 — 30  cm^  Gerbsäurelösung).  Der 
Eiweißniederschlag  wird  filtriert,  mit  Wasser  nachgewaschen  und  der  Stick- 
stoff nach  Kjeldahl  bestimmt. 

Kaseinb  e  Stimmung. 

Will  man  Kasein  in  der  Milch  bestimmen,  so  muß  man  es  als  solches 
ausfällen,  den  Stickstoff  bestimmen  und  daraus  das  Kasein  durch  Multi- 
plikation mit  6'39  berechnen.  Fast  sämtliche  Kaseinbestimmungsmethoden 
beruhen  auf  diesem  Prinzip. 

Methode  nach  Hoppe-Segler.^) 

20  cm»  Milch  w^erden  mit  Wasser  auf  400  cin^  verdünnt  und  unter 
Umrühren  so  lange  mit  einer  sehr  verdünnten  Essigsäure  versetzt,  bis  ein 
flockiger  Niederschlag  entsteht;  nun  leitet  man  eine  V2  Stunde  lang  Kohlen- 
säure durch  und  läßt  12  Stunden  bis  zum  Absetzen  stehen.  Es  kommt 
sehr  oft  vor,  daß  die  über  dem  Kaseinniederschlag  stehende  Flüssigkeit 
nicht  ganz  klar  ist.  Dann  muß  man  diese  Prozedur  mit  einer  anderen 
Portion  wiederholen.  Ist  nach  dem  Ausfällen  und  Kohlensäureeinleiten  und 
nach  dem  12stündigen  Stehenlassen  die  Flüssigkeit  klar,  so  wird  das  Ganze 


^)  Es  ist  nicht  ganz  leicht,  den  Eiweißniederschlag  und  Filter  in  den  Kjeldahl- 
kolben  zwecks  Oxydation  hineinzubringen.  Die  Oxydation  dauert  ziemlich  lange.  Oft 
wird  man  die  an  den  Wänden  sich  absetzende  Kohle  mit  etwas  Wasser  herunterspülen, 
oft  auch  erneut  Schwefelsäure  zugeben  müssen. 

-)  Liebermann,  Über  den  Stickstoff-  und  Eiweißgehalt  der  Frauenmilch  und  der 
Kuhmilch.  Ann.  Chem.  181.  90.  1876. 

^)  Sehelien ,  Studien  über  die  analytische  Bestimmungs weise  der  Eiweißkörper 
mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Milch.  Zeitschr.  f.  phys.  Chemie.  13.  144.  1889. 

*)  Hoppe-Seijler,  Handbuch  der  physiol.  u.  pathol.-chem.  Analyse.  1909.  S.  723. 


Methodik  der  Milcliuntersiichiinp.  .1  iq 

auf  ein  gewon-enos  Filter  filtriert  und  eiimial  mit   Wasser  iiarhL"  n. 

(Etwas  Kasein  ^eht  dabei  in  Lösung-.)  Hierauf  wird  der  Nied<  :  -  mit 

gewöhnlichem,  dann  mit  absolutem  Alkohol  und  Äther  ausgeu.iMiitu,  bei 
1250  (Jas  Filter  samt  Kasein  getrocknet,  gewogen  und  im  l'latintiegcl  voll- 
kommen verbrannt  und  die  Asche  gewogen;  die  Differenz  gibt  die  Menge 
des  Kaseins  an.  Statt  das  Kasein  zur  Wiigung  /u  bringen,  kann  man  auch 
im  Niederschlag  (nicht  entfettet!)  N  bestimmen  und  durch  .Multiplikation 
mit  6o7  das  Kasein  berechnen.  Diese  Bestimmung  kann  für  alle  Milch- 
arten verwendet  werden,  nur  für  die  Frauenmilch  gibt  sie  keine  richtigen 
Resultate. 

Für  die  Kaseinbestimmung  in  der  letzteren  kann  man  sich  mit 
Vorteil  der  Methode  von  Enyel  bedienen.  Nach  dieser  gibt  man  zu  hO  cm^ 

Frauenmilch  HO — .^5  011^  .  Essigsäure  hinzu,  veidünnt  auf  i'nO  mi^,  .schüt- 
telt gut  um  und  läßt  2  Stunden  bei  einer  Temperatur  von  U"  stehen.  Dann 
wird  das  Ganze  in  ein  Wasserbad  von  40°  gebracht,  ' 'j  Stunde  lang  er- 
wärmt und  filtriert  und  vom  Niederschlag  der  Stickstoff  bestimmt.  Ebenso 
ist  für  Kasein  der  Frauenmilch,  wie  auch  übrigens  der  Kuhmilch,  die 
Methode  von  Schmidt^)  anwendbar.  Sie  besteht  in  einer  Modifikation 
der  Hoppe- Seylcrschon  Methode,  und  zwar  darin,  (UiIj  man  20  im^  Milch 
lOfach  mit  Wasser  verdünnt  und  mit  einer  0'4<'/oigen  Essigsäure  so  lange 
versetzt,  bis  ein  körnig-flockiger  Niederschlag  entsteht.  Es  wird  dann  unter 
Erwärmen  eine  i/..  Stunde  lang  Kohlensäure  eingeleitet  und  der  Kaseinnieder- 
schlag nach  24  Stunden  filtriert.  Der  Niederschlag  samt  dem  Filter  wird 
wie  bei  Hoppc-Seyhr  getrocknet,  gewogen  und  verasciit. 

Methode  nach  Sebelien.-) 

Sie  beruht  darauf,  daß  man  das  Kasein  mit  einer  gesättigten  Mag- 
nesiumsulfatlösung ausfällt  und  wird  wie  folgt  ausgeführt. 

Eine  Mischung  von  20  </  Milch  mit  SO  c///»  einer  gesättigten  Mag- 
nesiumsnlfatlösung  wird  mit  gepulvertem  Magnesium  vollkommen  gesättigt. 
Der  Niederschlag  wird  filtriert  und  (i  Smal  mit  gesättigter  Lösung  von 
Magnesiumsulfat  gewaschen.  Mit  dem  Kasein  fällt  hier  auch  das  (il<»bulin 
aus.  Im  Niederschlage  wird  der  Stickstoff  nach  Kjddalil  bestimmt  und 
durch  Multiplikation  mit  6*87  Kasein  -f  (ilobulin  berechiu't. 

Schlossmann  ^)  fällt  das  Ka.sein  mit  gesättigtem  Kalialaun  aus.  10 rm» 
Milch  mit  ?> — 5  Teilen  Wasser  verdünnt,  werden  in  ein  Wasserbad  von  genau 
40"  gebracht  und  mit  1  cii)^  gesättigter  Kalialaunlösum:  verset/t.  Man  rührt 


')  Siehe  bei  Dogicl,  Einiges  über  die  Eiwoißkörper  der  P'raiicnmib'b  und  Kuli- 
milch.  Zeitschr.  f.  pbysiol.  Clieinie.  9.  ."iHl.  ISS.'):  Schmidt,  M:iterialien  zur  1''  '•■•nip  dcc 
Eisrenschafteii  der  Frauenmilch  und  Kuhniilcli.    Dissortati.ui.  Moskau  1*^^  '   mich 

Dogicl;  siehe  auch  Handburli  von  lloj>iH-Sc!/l(r.   ]'MM.  !>.  <2ii. 

-)  Hoppc-Sejihr,   II:nulliucii  d.  pliysiol.  u.  |tatliol.-clu'ni.  .VnalvM'     ,. 

3)  SchlossDiaiiu,  Über  die  EiweiÜstoffe  d.-r  Mil.  li   und  dir  Mrtl.M!,  n  ,ir. 

Zeitschr.  f.  pbysiol.  Chemie.  22.  197.  1896-97. 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemischen  Arboitumethodcn.  V.  29 


450  E.F.Edelstein. 

um  und  wartet,  bis  das  abgeschiedene  Kasein  sich  absetzt.  Sonst  gibt  man 
noch  0'5  cm3  der  Lösung  tropfenweise  hinzu.  Man  filtriert  den  Niederschlag, 
wäscht  ihn  gut  mit  Wasser  aus  und  bestimmt  in  ihm,  noch  feucht,  den 
Stickstoff  nach  Kjeldahl. 

Eines  vollkommen  anderen  Prinzipes  bedient  sich  neuerdings  Matthaio- 
pulos^),  und  zwar  bestimmt  er  das  Kasein  durch  Titration.  Das  Prinzip 
ist  wie  folgt :  Auf  Zusatz  von  verdünnter  Säure  zur  Milch  fällt  das  Kasein 
aus,  das  Albumin  dagegen  bleibt  als  Säureverbindung  gelöst.  Wir  wissen 
ferner,  daß  das  Kasein  sich  dem  Phenolphtalein  gegenüber  wie  eine  Säure 
verhält  und  mit  Alkah  in  Wasser  lösliche  Salze  bildet.  Titriert  man  nun 
einerseits  gegen  Phenolphtalein  als  Indikator  das  ausgefällte  Kasein  + 
Flüssigkeit  mit  Natronlauge,  so  wird  sowohl  das  Kasein  wie  alle  anderen 
sauren  Verbindungen  neutralisiert,  und  es  wird  eine  bestimmte  Menge 
Natronlauge  verbraucht.  Titriert  man  aber  andrerseits  nur  die  vom  Kasein 
abfiltrierte  Flüssigkeit,  so  werden  nur  die  anderen  sauer  reagierenden 
Körper  neutrahsiert.  Die  Differenz  der  beiden  Titrationen  ergibt  die  für 
Kasein  verbrauchte  Menge  Natronlauge.  Weili  man  nun,  wieviel  Gramm 
Kasein  1  cm^  Natronlauge  entspricht  oder  kennt  man  —  mit  anderen 
Worten  —  das  Äquivalentgewicht  des  Kaseins,  so  kann  man  daraus  das 
letztere  berechnen.  Das  Äquivalentgewicht  des  Kaseins  wird  von  Matthaio- 
pulos  aus  dem  Vergleich  seiner  Bestimmung  und  der  nach  Hoppe-Seyler 
zu  0"11315  angenommen. 

20  cw»  Milch  verdünnt  man  mit  ^Ocrn^  Wasser  und  läßt  dazu  aus 
einer  Bürette  so  viel  —  Schwefelsäurelöung  unter  Umrühren  zutropfen,  bis 

das  Kasein  in  großen  Flocken  ausfällt.  Nach  kurzer  Zeit  filtriert  man 
durch  ein  trockenes  Filter.  Ist  das  Filtrat  trübe,  so  gießt  man  es  noch 
einmal  aufs  Filter  und  dies  wiederholt  man  so  lange,  bis  das  Filtrat  voll- 
kommen klar  ist.  Ist  auf  diese  Weise  ein  klares  Filtrat  nicht  zu  erreichen, 
so  ist  noch  nicht  alles  Kasein  ausgefällt,  und  man  muß  noch  einige  Zehntel 
Schwefelsäure  aus  der  Bürette   zusetzen.    Von  dem    klaren  Filtrat  werden 

100  cw3  mit  1  (')>/ 3  Phenolphtalein  versetzt  und  mit  -^Natronlauge  bis  auf 

schwach  rot  titriert. 

Andrerseits    setzt   man  zu  einem  Gemisch    von    20 cni^  Milch  +  80 

Wasser  genau  so  viel  —  Schwefelsäure  zu,    als    man    zur  ersten  Portion 

zugegeben  hat.  Nun  wird  nicht  filtriert,    sondern  die  Mischung  Kasein  + 

Flüssigkeit  direkt  nach  Zugabe  von  1  cni^  Phenolphtalein  mit  -^  Na  OH  bis 

auf  schwach  rot  titriert.  Man  berechnet  die  Zahl  der  verbrauchten  Kubik- 
zentimeter Normallauge  bei  der  filtrierten  Portion  auf  die  ganze  Menge 
(also    unter    Berücksichtigung    der    zugesetzten    Säure)    aus    der   Formel 


V)  Matthaiopulos,  Feststellung  des  Äquivalentgewichtes  des  Kaseins  und  eine  neue 
Methode  zur  Bestimmung  desselben.  Zeitschr.  f.  analyt.  Chemie.  47.  492.  1908. 


Methodik  der  Milcliuiitprsucliiiiig.  <iij 

jöö '  ^^'^  ^  ^^^  verhniuchten  Kuliik/oiitiinotor  Lauiro  und  a  die  zugesetzte 

Menge  Säure  bedeutet,  zieht  diese  iingereclmeten  Ivuliik/iMitinioter  von  don 
bei  der  zweiten  Titration  (ohne  Filtrieren)  verbrauchten  Kubikzeutimetern 

"Yö- Lauge  ab  und  nniltipliziert  diese  Differenz  mit  oii:;!.').   I)as  Resultat 

ist  die  in  '20 cm^  Milch  enthaltene  Kaseinnienge. 

Nach  Biirr  und  Birhcrkh  ' )  soll  man  den  KaseinniederschlaL-^  mindotciis 
;-3mal  mit  heißem  destillierten  Wasser  waschen  und  Kiltrat  und  \Va<ch- 
wasser  gemeinsam  titrieren. 

Die  Methode  von  MattJiaiopuIos  ist  sehr  be(|uem  auszuführen,  er- 
fordert wenig  Zeit  und  gibt  recht  gute  Werte.  Ob  sie  auch  für  Frauen- 
milch zulässig  ist,  ist  noch  nicht  nachgeprüft  worden. 

Nach  Lehm  nun.'-) 

Diese  Methode  wird  seltener  angewandt,  liefert  al)er  recht  brauch- 
bare Resultate,  besonders,  wenn  man  sich  in  die  einzelnen  Manipidationen. 
die  sehr  sorgfältig  ausgeführt  werden  müssen,  eingeübt  hat.  Die  .Methode 
beruht  darauf,  daß  das  in  der  Milch  befindliche  suspendierte  Kasein  von 
den  anderen  Milchbestandteilen  durch  einen  porösen  Tonteller  mechanisch 
getrennt  wird. 

Man  bereitet  sich  zunächst  die  zu  untersuchende  Milch  vor.  indem  man 
eine  bestimmte  Menge  Milch  mit  gleichen  Teilen  Wasser  verdünnt  und  gut 
durchmischt.  10  cm^  dieser  Mischung  werden  nun  zur  Analyse  gi-braucht.  Der 
Apparat,  mittelst  dessen  die  Trennung  durchgeführt  wird,  besteht  aus  einem 
Tonteller,  der  auf  seiner  oberen  Fläche  schwach  konkav  imd  mit  Achat  poliert 
ist.  Dieser  Teller  wird  auf  eine  Glasschale  gestellt:  lOrm^  der  Milch- 
mischung werden  vorsichtig  in  die  Mitte  des  Tellers  aufgetropft,  so  dal) 
die  Milchflüssigkeit  einen  Kreis  bildet.  Nun  wird  das  (ianze  mit  einer  innen 
etwas  angefeuchteten  (Ilasglocke  bedeckt  und  2— H  Stunden  stehen  gelassen. 
Das  Serum  und  Albumin  werden  vom  Ton  aufgesaugt,  und  auf  der  Ober- 
fläche des  Tellers  bleibt  in  Form  einer  dünnen  Hautschicht  das  Kasein 
und  Fett  zurück.  Man  schabt  mittelst  eines  scharfen  Spatels  das  Häutchen 
vorsichtig  ab  und  bringt  es  in  einen  Kjeldahlkolben. 

Jetzt  wird  die  Glasschale,  auf  der  der  Tonteller  ruht,  mit  Wjism'i- 
gefüllt  und  der  Teller  so  aufgesetzt,  daß  seine  untere  Fläche  das  Was>er 
berührt,  und  läßt  wieder  einige  Zeit  stehen.  Durch  den  Druck  des  Wassers 
von  unten  werden  die  kleinen  in  die  obere  Fläche  des  Tonteller<  einge- 
drungenen Kaseinreste  wieder  heraiisge|irelit;  diese  werden  mit  dein  Spatel 
abgeschabt   und   der  anderen  Kaseinportion  im   Kjeldahlkolben   zuge-eben 

Aus  der  Stickstoffbestimmung  berechnet  man  die  Kaseinmenge  in 
5cm3  Milch. 


*)  Burr  und  Berberich,  Bcstinimuiig  des  Kaseingclialtcs  der  .Milch  durch  Titration 
nach  dem  Verfahren  von  Matthaiojtulos.    Ilildeslicimer  Molkoreizeitung.  52.  1453.   1'.'    ' 

-)  Lehmann,    f'her  eine  neue  Motiiode   der  Kasein-    und    Fettbestimniung  in  der 
Milch.  Annal.  d.  Chemie.  189.  358.  1877. 

29' 


452  E.F.Edelstein. 

Albuminbestimmung. 

Das  Filtrat  des  Kaseinniederschlags  (erhalten  sowohl  bei  der  Methode 
von  Hoppe- Sei/ler  als  bei  der  nach  Schmidt  oder  Engel)  wird  einige 
Minuten  erhitzt.  Das  dabei  auskoagulierte  Albumin  (mit  Globulin  verun- 
reinigt) wird  durch  ein  gewogenes  Filter  filtriert,  mit  kaltem  Wasser  naeh- 
gewaschen ,  bei  125^  getrocknet  und  gewogen. 

Milchzucker. 

Dampft  man  das  Milchserum  bis  zur  Sirupkonsistenz  ein,  so  scheidet 
sich  die  Laktose  beim  Stehenlassen  durch  reichliche  Kristallisation  aus. 
Zur  Darstellung  verwendet  man  die  süßen  Molken.  Durch  Erhitzen  ent- 
fernt man  das  koagulierte  Eiweiß  und  dampft  das  Filtrat  bis  zum  Sirup 
ein;  am  besten  im  Vakuum.  Der  auskristallisierte  Milchzucker  wird  wieder- 
holt umkristallisiert  und  stellt  ein  reines,  weißes  Präparat  dar.  Er  redu- 
ziert ebenso  wie  Traubenzucker  eine  alkalische  Kupferlösung  und  dreht  die 
Polarisationsebene  nach  rechts.  Seine  spezifische  Drehung  i)  (a)^  beträgt 
52"35ö.  Im  Gegensatz  zu  Traubenzucker  wird  er  von  reiner  Hefe  nicht  in 
Gärung  versetzt.  Dagegen  geht  er  durch  gewisse  Spaltpilze  (Schizomyzeten) 
in  Alkoholgärung  über. 

Die  Anwesenheit  anderer  Kohlehydrate  in  der  Milch  und  dextrin- 
artiger Substanzen  ( Ritthausen ^),  Bechamp^)  u.a.)  ist  nach  den  Unter- 
suchungen von  Scheibe  *)  zumindest  zweifelhaft. 

Milclizuckerbestiinnuiiig. 

Gewichtsanalytische  Methode  nach  Soxhlet.^) 

25  g  Milch  werden  nach  Ritthausen  verdünnt,  enteiweißt ")  und  durch 
ein  trockenes  Filter  filtriert.  Je  100  cm^  des  neutralen,  höchstens  schwach- 
sauren Filtrates  werden  für  die  Zuckerbestimmung  verwandt.  Man  stellt 
sich  eine  Fehlingsche  Lösung  durch  Mischen  von  gleichen  Teilen  Fehling  I 
und  Fehling  II  her.  50  cm^  dieser  Lösung  werden  in  einer  tiefen  Porzellan- 
schale über  einem  Drahtnetz  bis  zum  Sieden  erhitzt  und  zu  dieser  siedend 
heißen  Lösung  100  cw^  der  Milchzuckerlösung  (Filtrat)  aus  einer  Pipette 
eingetragen.  Man  erhält  das  Ganze  6  Minuten  im  Kochen,  filtriert  rasch 
durch  ein  vorher  schon  vorbereitetes  und  gewogenes  AUihnsches  Piöhrchen 


*)  Für  Cj2  Hjj  0,j  .  H^  0;  diese  spezifische  Drehung  ist  Ivonstant  für  Lösungen 
bis  307o  bei  einer  Temperatur  von  20". 

^)  Eitthausen,  1.  c. 

^)  Bechamp  referiert  in  der  Chem.-Ztg.  15,  126,  1891  aus  der  Sitzung  der  Society 
chimique  de  Paris. 

*)  Scheibe,  Die  Bestimmung  des  Milchzuckers  in  der  Milch  durcli  Polarisation 
und  Redulvtion.  Zeitschr.  f.  anal.  Chemie.  40.  1.  1901. 

^)  Soxhlet,  Das  Verhalten  der  Zuckerarteu  zu  alkalischen  Kupfer-  und  (^ueck- 
silberlösungen.  Journ.  f.  prakt.  Chemie.  N.F.  21.  227.  1880. 

^)  Siehe  Gesamteiweißbestimmung  nach  Bitthausen. 


Methodik  der  Milchuntersuchuiig. 


4:V^ 


l 


FlB.ns. 


und  wäscht  (luantitativ  mit  siedend  heißem  Wasser    iiaeh.    Der 
an    der    Schale    haftende    rote     Kiipferoxyduhiiedersehhi^:    wird    v  .r 

mit  einer  Guinmit'ahne  und  mit  Juiülem  Wasser  ah'reliist.  Ist  da-  i muit 
vollkommen  farblos,  so  wäscht  man  je  Hmal  mit  Alkohol  und  Äther  nach 
und  das  AlUImschQ  Köhrchen  ist  nunmehr  zur  I{e(|iiktioti  des  Kupferoxy- 
duls zu  Kupfer  fertig.  Das  AUihnsc\n^  Kiihrchen  (Fif,^  IIK)  wird  mittelst 
eines  einfach  durchbohrten  Gummistopfens  auf  eine 
Saugflasche  aufgesetzt  und  zur  Bestimmung  auf  fol- 
gender Weise  präpariert : 

Zunächst  kommt  eine  Schicht  ganz  reinei-(das- 
wollc,  dann  eine  kleine  Menge  in  Salpetersäure  und 
Wasser  gereinigten  Asbests,  darauf  wieder  ganz  wenig 
Glaswolle  und  endlich  eine  1  ^Z.,  cu/  hohe  Schicht  As- 
best. Das  Röhrchen  wird  zunächst  unter  ganz  schwachem 
Saugen  mit  Wasser  gewaschen,  bis  das  Waschwasser 
vollkommen  klar  ist,  dann  .'imal  mit  Alkohol  und 
3nial  mit  Äther.  Darauf  wird  es  im  Luftstrom  erhitzt 
und  gewogen.  Durch  dieses  so  vorbereitete  Piohr  wird 
das  Kupferoxydul  filtriert.  Ist  der  Kupferoxydulnieder- 
schlag, wie  bereits  erwähnt,  ausgewaschen,  so  schreitet 
man  zur  Reduktion.  Das  Röhrchen  wird  im  Wasser- 
stoffstrom nach  vollständiger  Entfernung  der  Luft 
geglüht,  bis  sämtliches  Kupferoxydul  in  Kupfer  ver- 
wandelt ist,  was  ungefähr  ö  Minuten  in  Anspruch 
nimmt.  Man  läßt  im  Wasserstoffstrom  erkalten  und 
wägt.  Aus  der  durch  Gewichtszunahme  festgestellten 
Menge  Kupfer  wird  in  der  nach  SoxJilet  berechneten 
Tabelle  der  entsprechende  Gehalt  an  Milchzucker  fest- 
gestellt. Das  Reduktionsvermögen  der  Laktose  dem 
Kupferoxyd  gegenüber  in  alkalischer  Lösung  ist  von 
der  Konzentration  der  Milchzuckerlösung  abhängig. 
Man  muß  sich  deshalb  genau  an  die  angegebenen 
Verdünnungen  und  an  die  Zeit  der  Reduktion  halten. 
Die  Fchlim/schQ  Lösung  wird  so  hergestellt,  dal',  man  einerseits  JUIvM»  »7 
reines  Kupfersulfat  in  einem  öOO  cm^-Melikolben  in  Wasser  löst  und  auf 
500  auffüllt.  Andrerseits  löst  man  unter  Erwärmen  ITHy  weinsaures  Kalium- 
natrium in  wenig  Wasser,  bringt  diese  Lösung  in  einen  öOOfws.M,.|;|^oIben, 
gibt  100  cm^  Natronlauge  vom  spez.  Gew.  VM  zu  imd  füllt  auf  .^«k»  auf. 
Beide  Lösungen  sollen  getrennt  aufbewahi't  und  erst  vor  i\ry  Bestimnnmg 
gleiche  Teile  dovon  gemischt  werden. 

Scheibe^)  hat  sich  einer  kleineu  Modifikation  bedient.  Kr  i'iiteiweißt 
die  Milch,  indem  er  in  einem  Meßkolhen  von  :){)()  cm  ^  -Ja//  .Milch  mit 
400  t»/*  Wasser  und  ;> — -icni^  normaler  Natronlauge  versetzt.    Dazu 


—  A^be.st 

■  67tLSifnfIfi 
-Ashfxf 


H 


gibt 


')  Scheibe,  1.  c. 


454 


E.  F.  Edelstein. 


Tabelle  zur  Ermittlung  des  Milchzuckergehal  tes  aus  dem  reduzierten 

Kupfer  nach  Soxhlet. 


Kupfer 


Milch- 
zucker 


mg 


Kupfer 


Milch 
zucker 


mg 


Kupfer] 


Milch- 
zucker 


mg 


Kupfer 


Milch 
zucker 


mg 


Kupfer] 


Milch- 
zucker 


mg 


Kupfer] 


Milch- 
zucker 


mg 


140 
141 
142 
143 
144 
145 
146 
147 
148 
149 
150 
151 
152 
153 
154 
loo 
156 
157 
158 
159 
160 
161 
162 
163 
164 
165 
166 
167 
168 
169 
170 
171 
172 
173 
174 
175 
176 
177 
178 
179 
180 
181 
182 
183 


101-3 
1021 
102-8 
103-6 
104-3 
105-1 
105-8 
106-6 
107-3 
108-1 
108-8 
109-6 
110-4 
111-1 
111-9 
112-6 
113-4 
1141 
1149 
115-7 
116-4 
117-2 
117-9 
118-7 
119-4 
120-2 
120-9 
121-7 
122-4 
123-2 
123-9 
124-7 
125-5 
126-2 
127-0 
127-8 
128-6 
129-3 
130-1 
130-9 
1316 
132-4 
133-1 
133-9 


184 
185 
186 
187 
188 
189 
190 
191 
192 
193 
194 
195 
196 
197 
198 
199 
200 
201 
202 
203 
204 
205 
206 
207 
208 
209 
210 
211 
212 
213 
214 
215 
216 
217 
218 
219 
220 
221 
222 
223 
224 
225 
226 
227 


134-7 
135-4 
136-2 
136-9 
137-7 
138-5 
139-2 
140-0 
140-8 
1415 
1423 
1431 
143-8 
144-6 
145-4 
146-2 
146-9 
147-7 
148-4 
149-2 
149-9 
150-7 
151-4 
152-2 
152-9 
153-7 
154-4 
1552 
155-9 
156-7 
157-4 
158-2 
158-9 
159-7 
160-4 
1612 
161-9 
162-7 
163-4 
164-2 
164-9 
165-6 
166-4 
167-1 


228 
229 
230 
231 
232 
233 
234 
235 
236 
237 
238 
239 
240 
241 
242 
243 
244 
245 
246 
247 
248 
249 
250 
251 
252 
253 
254 
255 
256 
257 
258 
259 
260 
261 
262 
263 
264 
265 
266 
267 
268 
269 
270 
271 


167-9 
168-6 
169-4 
1701 
1709 
171-6 
172-4 
1731 
173-9 
174-7 
175-4 
176-2 
176-9 
1777 
178-5 
179-3 
180-1 
180-9 
181-6 
182-4 
183-2 
184-0 
184-8 
185-6 
186-3 
187-1 
187-9 
188-7 
189-4 
190-2 
1910 
191-8 
192-6 
193-3 
194-1 
194-9 
195-7 
196-4 
197-2 
198-0 
198-8 
199-5 
200-3 
201-1 


272 
273 

274 
275 
276 
277 
278 
279 
280 
281 
282 
283 
2H 
285 
286 
287 
288 
289 
290 
291 
292 
293 
294 
295 
296 
297 
298 
299 
300 
301 
302 
303 
304 
305 
306 
307 
308 
309 
310 
311 
312 
313 
314 
315 


201-9 
202-7 
203-5 
204-3 
2051 
205-9 
206-7 
207-5 
208-3 
209-1 
209-9 
210-7 
211-5 
212-3 
213-1 
213-9 
214-7 
215-5 
216-3 
217-1 
217-9 
218-7 
219  5 
2203 
221-2 
2220 
222-8 
223-6 
224-4 
225-2 
225-9 
2-26-7 
227-5 
228-3 
2290 
229-8 
230-6 
231-4 
2321 
232-9 
233-7 
234-5 
235-3 
236-0 


316 

236-8 

360 

317 

237-6 

361 

318 

238-4 

362 

319 

239-1 

363 

320 

239-9 

364 

321 

240-7 

365 

322 

241-5 

366 

323 

2423 

367 

324 

243-0 

368 

325 

243-8 

369 

326 

244-6 

370 

327 

245-4 

371 

328 

2461 

372 

329 

246-9 

373 

330 

247-7 

374 

331 

248-5 

375 

332 

2493 

376 

333 

2501 

377 

334 

2509 

378 

335 

251-7 

379 

336 

252-5 

380 

337 

253-3 

381 

338 

254-2 

382 

339 

2550 

383 

340 

255-8 

384 

341 

256-6 

385 

342 

257-4 

386 

343 

258-2 

387 

344 

259-0 

388 

345 

259-8 

389 

346 

260-7 

390 

347 

261-5 

391 

348 

2623 

392 

349 

263- 1 

393 

35) 

263-9 

394 

351 

264-7 

395 

352 

265-6 

396 

353 

266-4 

397 

354 

267-2 

398 

355 

268-0 

399 

356 

268-8 

357 

269-6 

358 

270-4 

359 

271-3 

272-1 
272-9 

273-8 
274-6 
275-5 
2763 
277-2 
278-0 
278-9 
279  7 
280-5 
281-4 
282-3 
283-1 
284-0 
284-8 
285-7 
286-5 
287-4 
288-2 
289-1 
289-9 
290-8 
291-6 
292-5 
293  3 
2942 
2951 
295-9 
296-8 
297-7 
298-6 
299-4 
300-3 
301-1 
302-0 
302-0 
303-7 
304-6 
305-4 


er  20  cm^  einer  konzentrierten  Fluornatriumlösung  i),  läßt  eine  halbe  Stunde 
stehen,  füllt  auf  500  auf,  schüttelt  um  und  filtriert.  100  c»^^  dieses  Filtrates 
werden  wie  oben  verarbeitet. 


')  Zur  Entfernung  der  Kalksalze,  die  bei  der  Bestimmung  störend  wirken. 


Methodik  der  Milchuntersuchung.  .jr,»-. 

Statt  das  Kupferoxydnl  zu  roduzioren,  k;inri  man  es  auch  als  Kuifer- 
oxyd  Avägen,  indem  man  das  AllihnsvUc  Kölirchcn    unter  I.uft  '  rif? 

so  lange  erhitzt,  bis  alles  rote  Kupferoxydul  in  schwarzes  Kiii.i.i...\mi  ver- 
wandelt ist.  Aus  dem  Kupferoxydul  berechnet  man  «li«'  .'iif-i"'' »"».i.. 
Menge  Kupfer. 

Nach  der  Methode  von  Vollhard^)  kann  man  die  Men^e  des  redu- 
zierten Kupferoxyduls  auch  maßanalytisch   ermitteln.-) 

Das  Prinzip  beruht  darauf,  daß  das  Ku|t(croxydul  in  Salpetersilure 
gelöst  wird,  worauf  man  das  Kupfernitrat  in  Kupfi-rsidfat  überführt  und 
mit  Rhodanammonium  titriert. 

Man  löst  das  Kupferoxydul  mit  einigen  'l'ropfj'u  konzentrierter  Sal- 
petersäure, ver.setzt  diese  Lösung  mit  2  on^  konzentrierter  Schwefelsaure 
und  dampft  auf  dem  Wasserbade  bis  zur  Trockne  ein.  Das  als  Kückstand 
verbleibende  Kupfersulfat  wird  in  Wasser  aufgenommen,  in  einen  ;100  <•»«*- 
Meßkolben  quantitativ  übergespült  und  mit  einer  Natriumkarbonatlösung 
so  lange  versetzt,  bis  ein  Niederschlag  entsteht.  Durch  Hinzufügen  von 
50  cm 3   einer  kaltgesättigten  schwefligsauren  Lösung    wird   die  Flüssigkeit 


II 


klar.  Es  muß  mm  vorsichtig  aufgekocht  und    so  viel      Hhodanammonium- 

lösung  hinzugefügt  werden,  bis  die  blaugrüne  Farbe  verschwunden  ist.  Dann 
füllt  man  auf  'dOO  ciit^  mit  Wasser  auf,  schüttelt  um  und  tiltiirit  diinii  ein 

trockenes  Filter.  Das  überschüssige  Rhodanammonium  wird  mit  —  Silber- 
lösung unter  Anwendung  von  Eisenammoniakalaun  als  Indikator  ztirück- 
titriert.  Dazu  werden  100  crn^  des  klaren  Filtrates  mit  einigi'u  Tropfen 
Salpetersäure  angesäuert  und  unter  Zugabe  von  ö  cm»  Eisenammoniakalaun 
so  viel  Silberlösung  hinzugefügt,  bis  die  rote  Farbe  (Eisenrhodanidi  ver- 
schwunden ist. 

Rechnet  man  die  an  Silbernitrat  verbrauchte  Menge  auf  die  gesamte 
Flüssigkeitsmenge  CiOO)  um  und  zieht  diese  Zahl  von  den  hinznirefügten 
Kubikzentimetern  Rhodanlösung  al».  so  weiß  man.  wie  viel  Klwidanlösung 
zur  Bildung  des  Kupferrhodanürs  verbraucht  wurde. 

1  cm» ^  Rhodanlösung  entspricht  OVOiu,  </  Kupfer  (  I  Mnl   ML  (  NS  = 

=  1  At.  Cu). 

Die  L^msetzung  dei-  Kupfersalze  in  sclnvefligsaurer  Lösung  mit    \m- 

moniumrhodanid  geschieht  nach  folgender  Gleichung: 

2CuS04  +  L>NH,CNS  +  SO., +2IL()=2Cu(CNS)-h(NIL),SO,  4-2H,S(^. 

Maßanalytische  Methode  nach  Si>.r/i/it. 

Sie  beruht  auf  dem  l'rinzip.  dai;  man  feststellt,  wieviel  Kuhik/enti- 
meter  Fehling^i^her  Lösung  durch  eine  iM'stimmte  Menge  Zuckerlosung  ver- 
braucht werden. 


')  Siehe   Gruhc,  ZiuUi  rhestinimung  in   Hd.  2  dieses  Hiuidhiiolirs 
•)  Als  Kontrollhestinmuing  zu  verwenden. 


456  E.F.Edelstein. 

Zu  einer  bestimmten  Menge  Milchzuckerlösmig,  z.  B.  5  cm^,  gibt  man 
so  viel  Fehlingscher  Lösung  zu,  bis  nach  einem  20  Minuten  langen 
Erwärmen  in  einem  kochenden  Wasserbade  die  Reduktion  gerade  be- 
endet ist. 

Man  kann  auch  das  Verfahren  so  anwenden,  daß  man  sich  die  Zucker- 
lösung in  eine  Bürette  füllt,  andrerseits  eine  bestimmte  Menge,  z.  B.  20  cm^ 
Fehlingscher  Lösung,  in  eine  tiefe  Porzellanschale  genau  abmißt,  mit  50  cm^ 
Wasser  verdünnt  und  zum  Sieden  erhitzt.  Dann  läßt  man  aus  der  Bürette 
so  lange  die  Zuckerlösung  in  die  siedende  Fehlinf/sche  Lösung  hineintropfen, 
bis  die  blaue  Farbe  der  Flüssigkeit  verschwunden  ist. 

Die  Erkennung  dieses  Punktes  ist  nicht  ganz  leicht,  und  um  sich  zu 
vergewissern,  daß  alles  Kupferoxyd  reduziert  ist,  filtriert  man  einen  kleinen 
Teil  ab,  säuert  mit  etwas  Salzsäure  an  und  überzeugt  sich,  ob  die  Flüssig- 
keit, mit  Ammoniak  alkalisch  gemacht,  nicht  blau  wird. 

Dieser  ersten  Orientierungstitration  folgen  natürlich  weitere,  bei  denen 
man  viel  sicherer  den  Endpunkt  feststellen  kann. 

20  ciii^  dieser  Fehlingschen  Lösung  entsprechen  0"134(/  Milclizucker. 

Diese  maßanalytische  Bestimmung  ist  ziemlich  umständlich  und  liefert 
nicht  so  genaue  Piesultate  wie  die  gewichtsanalytische. 

Kefraktometrisclie  Bestimmung  des  Milchzuckers. 

Auf  ähnliche  Weise  wie  für  das  P\^tt  hat  sich  Wollny  auch  für  die 
Bestimmung  des  Milchzuckers  der  refraktometrischen  Methode  bedient,  und 
zwar  hat  er  aus  der  Ablenkung  des  Lichtstrahles  beim  Durchgang  durch 
ein  Chlorkalziumserum  den  Gehalt  an  Laktose  berechnet.  Als  Refraktometer 
dient  auch  hier  das  Zeisssche  Milchrefraktometer.  Den  dem  abgelesenen 
Refraktometergrad  entsprechenden  Milchzuckergehalt  hat  Wollny  in  einer 
Tabelle  zusammengestellt. 

Man  entnimmt  mit  dem  TFo//Mj/schen  Milchprobegläschen  (Fig.l  14)  5  em^ 
Milch,  versetzt  sie  mit  5  Tropfen  einer  4 "/oigen  Chlorkalziumlösung,  verschließt 
das  Gläschen  mit  einem  Korkstopfen,  bindet  es  mit  einem  Bindfaden  fest 
zu  und  stellt  es  auf  10  Minuten  in  ein  kochendes  Wasserbad.  Nach  Ab- 
kühlen in  kaltem  Wasser  wird  das  Serum  mittelst  eines  engen  Glas- 
röhrchens derart  aufgesaugt,  daß  man  das  Glasröhrchen  an  einem  Ende 
mit  einem  Wattebäuschchen  verschließt,  so  daß  man  dadurch  das  Serum 
filtrieren  kann.  Ein  Tropfen  des  Serums  wird  auf  die  Prismen  des  Re- 
fraktometers aufgetropft  und  sofort  bei  17*5''  abgelesen. 

Diese  Methode  ist  nur  für  die  Milchzuckerbestimmung  in  der  Kuh- 
milch anwendbar ;  in  der  Milch  anderer  Tiere  ergeben  sich  bei  ihrer  Aus- 
führung zu  große  Differenzen. 

Die  Laktose  der  Frauenmilch  kann  man  mit  dieser  Methode  über- 
haupt nicht  bestimmen. 


Methodik  der  Milchuntcrsuohiiiig. 


4:>7 


Tabelle    zur   Berechnung    des  Milchzuckers    hei   der  ref rak tomotrischen 

Bestimmung. 


Skalun- 
Toile 


31 
2 

3 
4 
5 
6 

7 
8 
9 

40 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

50 
1 
2 

3 

4 
5 
6 
7 
8 
9 
60 


M.-Z. 

/o 


1-75 
1-80 
1-85 
1-90 

i'.ti; 

2-Ul 
207 
212 
218 
2-23 
2-29 
2-35 
2-40 
2-45 
2-50 
2-55 
2-60 
2-65 
2-70 
2-75 
2-80 
2-85 
2-91 
2-9G 
301 
30() 
311 
31(5 
3-21 
3-26 


Skalen- 
Teile 


M.-Z. 


6-1 
2 

3 

4 
5 
6 
7 
8 
9 

70 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

80 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

90 


3-31 
3-30 
3-42 
3-47 
3-52 
3-57 
3-62 
367 
3-72 
3-77 
3-82 
3-87 
3-93 
3-98 
403 
4-08 
413 
418 
4-23 
4-28 
4-33 
4-38 
4-44 
4-49 
4-Ö4 
4-59 
4-64 
4-69 
4-74 
4-79 


Skalon- 
Toilo 


9  1 
2 

3 
4 
5 
6 

7 
8 
9 

100 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 

HO 
1 
2 

3 

4 
5 
6 
7 
8 
9 
12-0 


M.  Z. 


4-H4 
4H9 
4-9Ö 

r)(M) 

ÖO.') 
.rlO 
nlä 

rv2() 
5  2:) 

r)-3:j 
rv4o 
04:) 

irbO 
550 
ÖCO 
5'(')5 
5-70 
5' 75 
5 -HO 

5  So 
5-90 
59.') 
6(M) 
605 

6  K» 
Gl  5 
6  20 
625 
6-30 


Ska! 
•1. 


12  1 
2 

3 

4 
.'» 

r> 

8 

9 

13() 

1 
2 

3 
4 
5 
() 

7 
8 
9 

14(1 

1 
2 

3 
4 
5 

t; 

8 

9 

l.VO 


6:^ 

G-40 
G4G 
r.M 
G  :.G 

6G1 

6r,6 

G7I 
67«) 
G-81 
GHG 

6  91 
(;-97 

7  02 
7<i7 
712 
7  17 
722 
727 

7:« 
7;i>< 
743 
74s 
753 
7r)S 
7(;3 

7  «IS 
773 

7  7S 
7S4 


Die  jK)lariin«'triscli<'  Milcli/uckt'rlM'sliininiiii::. 

Dieses  Verfahren  gründet  sich  auf  der  Kiiicnsehat't  dt-r  Mih'hziicker- 
lösung,  die  Polarisationsebene  zn  drehen.  Ans  (h'ni  spczifi.sclicn  Drchuiif^- 
vermögen  des  Milchzuckers,  dem  Drehungswinkel  der  Lösung  und  dem 
spezifischen  Gewicht  der  Lösung  kann  man  den  l'rozentgehalt  der  Milch 
an  Milchzucker  ermitteln  (Ge\\ichtspr«)zente). 

Scheibe^)  hat  folgende  Methode  ausgearbeitet: 

75  cm^  Milch  werden  mit  7"ö  cm»  einer  20"  „igen  ((;ewicht>pntzente) 
Schwefelsäure  und  l-r>  cni^  einer  Quecksilhcrjodidlösung -)  verset/t.  auf 
100  cm3  aufgefüllt  und  filtriert.  Das  Filtrat  kann  man  in  einem  I  <//"-llohr 
bei  n^ö"  polarisieren. 


*)  Scheibe,  1.  c. 

2)  Hergestellt  aus  40  g  Jodkalium    in  200  em*  Wasser    gelöst,    mit    65  g  Qupck- 
silberjodid  geschüttelt,  auf  500  cm^  aufgefüllt  und  vom  eventucllcu  geriiiffea  ung<?lrt«ton 

Quecksilberj  odid  abf iltriert. 


458  E.F.Edelstein. 

Bei  Benutzung  des  Halbschattenapparates  mit  doppelter  Quarzkeil- 
kompensation von  Schmidt  und  Hänsch  entspricht  ein  Saccharimetergrad 
0-1643  g  Milchzucker  in  100  cm^  Lösung,  i) 

Werden  Polarisationsapparate  mit  Kreisteilung  und  Natriumlicht  ge- 
braucht, so  wird  bei  20"  polarisiert  und  der  Prozentgehalt  aus  der  Formel 

1903*7    a 

X  = T  berechnet  2),  wobei  m  die  Menge  der  Milch  in  q,  a  =  den 

m        1  ^  -^ 

abgelesenen  Drehungswinkel  und  1  die  Länge  des  Rohres  bedeutet. 

Zur  Korrektur  des  durch  das  Volumen  des  Niederschlages  hervor- 
gerufenen Fehlers  multipliziert  man  den  gefundenen  Wert  mit  0'94,  wenn 
zur  Untersuchung  eine  Milch  von  2'5 — 5%  Fett  vorlag,  bei  Magermilch 
mit  0-97. 

Oppenheim  ^)  enteiweißt  die  Milch  nach  dem  Vorschlag  von  Michaelis 
und  Bona*)  mit  kolloidalem  Eisenhydroxyd. 

Es  werden  10  cm^  Milch  mit  13  cm^  Wasser  verdünnt  und  dazu 
tropfenweise  unter  ITm schütteln  7  on^  Ferrum  oxydatum  dialysatum  hin- 
zufügt. Durch  ein  trockenes  Filter  wird  filtriert  und  das  Filtrat  polarisiert. 

Nach  Oppenheimers  Angaben  sind  die  Werte  um  0'3"/o  höher  als  die 
der  Gewichtsanalyse. 

Bestimmung  der  Mineralbestandteile  in  der  Milch.  ^) 

Aschebestimniung :  Zur  Aschebestimmung  wird  zunächst  eine  ge- 
wogene Menge  Milch  (will  man  eine  Alkalianalyse  durchführen,  so  nimmt 
man  25  cm^)  in  einer  gewogenen  Platinschale  mit  einigen  Tropfen  Essig- 
säure versetzt  und  bis  zur  Trockene  eingedampft.  Die  Trockensubstanz  wird 
vorsichtig  unter  fortwährendem  Fächeln  des  Bunsenbrenners  verkohlt.  Die 
verkohlte  Masse  mrd  mit  heißem  Wasser  ausgelaugt,  indem  man  die  Kohle 
vorsichtig  zerbröckelt  und  die  wässerige  Flüssigkeit  durch  ein  kleines, 
aschefreies  Filterchen  unter  mehrmaligem  Auswaschen  mit  heißem  Wasser 
filtriert,  bis  ein  Tropfen  des  Filtrates  keine  Chlorreaktion  mehr  gibt.  (An- 
säuern mit  Salpetersäure  und  Zugabe  von  AgNOg.)  Das  Filterchen  samt 
zurückgehaltener  Kohle  wird  wieder  in  die  Platinschale  zurückgelegt  und 
das  Ganze  durch  kurzes  Trocknen  (im  Trockenschrank)  vom  Wasser  be- 
freit. Darauf  wird  die  Kohle  so  lange  geglüht,  bis  sie  nicht  mehr  sichtbar 
ist  und  ein  grauweißer  Ptückstand  zurückbleibt. 


*)  Bei  4  ch;  Rohrlänge;  Genaues  über  Polarisationsapparate  siehe  Biehringer, 
Optische  Uutersuchungsmethoden,  1,  583  dieses  Handbuches. 

^)  Fleischmann ,  Lehrb.  d.  Milchwirtschaft.  72.  1908.  Landolt,  Das  optische  Dre- 
hungsvermögen. 445.  1898. 

')  Oppenheim,  Die  Bestimmung  des  Milchzuckergehaltes  der  Milch  mit  der  „Eiseu- 
methode  von  MicJiaelis  und  Bona.  Chem.  Ztg.  33.  927.  1909. 

*)  Bona  und  Michaelis,  Untersuchungen  über  den  Blutzucker.  Bloch.  Zeitschr.  7. 
329.  1908. 

^)  Die  genaue  Ausführung  aller  Operationen  siehe:  Aron,  Aschenanalyse,  Bd.  1 
dieses  Handbuches.  372. 


Methodik  der  Milcliiiutpisucliuni;.  i-,., 

Man  muß  sich  dieses  Auslaugeverfahrens  bedienen .  weil  hei  einem 
über  die  Rotglut  gehenden  Erhitzen  die  bei  dieser  Temperatur  flüchtiL'tn 
Alkalichloride  verloren  gehen  würden.  Knthjllt  der  grauweiLie  Hililotand 
noch  kleine  Partikelchen  von  unverbraniiter  Kohle,  so  benetzt  man  ihn 
mit  einigen  Tropfen  Wasser  und  glüht  gelinde. 

Durch  Wiederholen  dieser  Prozedur  kann  man  bis  auf  klein^^tp 
Spuren,  die  von  der  Asche  eingeschlossen  sind,  letztere  von  der  Knhle  be- 
freien. Zu  diesem  Rückstand  gießt  man  das  durch  Auslangen  erhaltene 
Filtrat  in  die  Platinschale  zurück,  dampft  auf  einem  Wasserbade  bis  zur 
Trockene  ein,  glüht  ganz  kurz  bis  zur  Rotglut  und  wiigt  möglichst  schnell 
nach  dem  Erkalten. 

Die  Asche  der  Kuhmilch  enthält  folgende  Bestandteile :  Kalium. 
Natrium,  Kalzium,  Magnesium,  Eisen,  Chlor,  Phosphorsiiure,  Schwefelsäure 
und  Kohlensäure. 

Söldner'^)  gibt  die  wahrscheinliche  Zusammensetzung  der  Kuhmilch- 
asche an : 

Prozent 

Chlornatrium 10-02 

Chlorkalium OK") 

Monokaliumphosphat l'i'TT 

Dikaliumphosphat VC22 

Kaliumzitrat ö-47 

Dimagnesiumphosphat      ....     ."VTl 

Magnesiumzitrat 4*0ö 

Dikalziumphosphat 7"42 

Trikalziumphosphat H-90 

Kalziumzitrat 2yyi)?) 

Kalziumoxyd -'vlH 

an  Kasein  gelnmden 

Nach  König-)  enthält  die  Kuhmilchascho  in   Prozenten: 

K,0 24-60 

Xa,0 ^-1^ 

Cab ■■^■■^■-^'^ 

MgO :^-^>^' 

Fe,()3 ^'•-'••» 

SO3 ^•^- 

P.,(), -'••■-'« 

ci i->-^^ 

Die  durchschnittliche  Zusammensetzung  der  Frauenmilchasche  wird 
ebenfalls  von  Söldner»)  wie  folgt  angegeben: 

*)  Söldner,  1.  c.  •      t    o  1    0   nr^'i    v     ■ 

2)  Köni(f,  Chemie  der  menschlichen  Naliriinjrs- und  (iemiümittol.  IM.  J^  lAki.  i  '    • 

3)  Söldner,  Die  Aschcnbestandtcilo  des  neiigchorenen  Menschen  und  der  Fm».  ..- 
milch.  Zeitschr.  f.  Biolog.  44.  71.  1903. 


460  E.F.Edelstein. 

Prozent 

KoO .  32-4 

Na^O 13-1 

CaO 13-9 

MgO 1-9 

Fe^Og 0-07 

P,05 11-40 

Sbs 3-3 

Cl 21-7 

Bestimmung  der  Alkalien. 

Man  kann  den  Ascherückstand  (aus  der  Bestimmung  der  Asche) 
direkt  zur  Ermittlung  des  Gehalts  an  Kaüum  und  Natrium  benutzen. 

Man  löst  die  Asche  in  warmem  Wasser  unter  Hinzufügung  einiger 
Kubikzentimeter  verdünnter  Salzsäure,  erwärmt  auf  dem  Wasserbade,  bis 
die  Kohlensäure  ausgetrieben  ist  und  dampft  ebenfalls  auf  dem  Wasserbade 
bis  zur  Trockene  ein.  Nun  nimmt  man  mit  etwas  konzentrierter  Salzsäure 
auf,  raucht  diese  bis  zur  Trockene  ab  und  wiederholt  dies  zwei-  bis  drei- 
mal. Dadurch  ist  die  eventuell  in  der  Asche  vorhandene  Kieselsäure  un- 
lösHch  geworden.  Nunmehr  wird  mit  heißem  Wasser  und  etwas  Salzsäure 
der  Inhalt  der  Schale  gelöst  und  vom  eventuellen  Rückstand  abfiltriert. 
Dieser  besteht  aus  kleinsten  Partikelcheu  unverbrannter  Kohle  und  gerin- 
gen Mengen  Kieselsäure. 

Filtriert  man  nun  einerseits  durch  ein  vorher  gewogenes  (bei  105° 
getrocknetes)  aschefreies  Filterchen  und  wägt  den  getrockneten  Rück- 
stand 4-  Filter,  verbrennt  aber  andrerseits  das  Filter  in  einem  gewogenen 
Porzellantiegel  und  wägt  die  zurückbleibende  Kieselsäure,  so  erfährt  man 
aus  der  Differenz  die  Menge  der  noch  unverbrannten,  in  der  Asche  bei- 
gemengten Kohle. 

Handelt  es  sich  um  eine  ganz  exakte  Aschenbestimmung,  so  muß  man 
jene  unverbrannte  Kohlenmenge  von  der  ursprünglichen  Aschenmenge  ab- 
ziehen. Das  salzsaure  Filtrat  wird  mit  etwas  Eisenchlorid  versetzt,  zur 
Trockene  verdampft,  der  Rückstand  mit  heißem  Wasser  und  einigen 
Tropfen  HCl  aufgenommen,  eventuell  filtriert  und  das  Filtrat  zunächst  mit 
Chlorbaryum  bis  zum  bleibenden  Niederschlag  (Umwandlung  in  Chloride) 
und  nachher  mit  gesättigter  Barythydratlösung  bis  zur  stark  alkalischen 
Reaktion  versetzt  (Magnesiumausfällung).  Man  filtriert  den  Niederschlag 
ab,  wäscht  mit  kaltem  Wasser  nach  und  versetzt  das  Filtrat  mit  Ammo- 
niumkarbonat in  stark  ammoniakalischer  Lösung  (Ausfällen  von  Kalzium 
und  Baryum  als  Karbonate).  Nachdem  das  Filtrat  bis  zur  Trockene  ein- 
gedampft und  durch  Abrauchen  von  Ammonsalzen  befreit  (Vorsicht!) 
worden  ist,  löst  man  den  Rückstand  mit  Wasser  und  fällt  nochmals  mit 
Ammoniumkarbonat  +  Ammoniak,  Das  Filtrat  vdrA  eingedampft,  das  Ab- 
rauchen der  Ammonsalze  wiederum  vorgenommen  und  der  Rückstand  in 
Wasser  und  wenig  Salzsäure  gelöst. 


Methodik  der  Milclmntersuchuiif,'.  j/»i 

Diese  Lösung  enthält  nur  Kalium-  und  Xatriumchlorid.  nampft  iii:in 
die  Lösung-  in  einer  gewogeneu  l'latinschalc   bis  zur  Trockene  ein     "'  i  f 
kurze  Zeit  schwach  (bis  zur  Rotglut)  und  wiigt,   so   hat  man  die 
der  Alkalichloride. 

Aus  der  wässerigen  Lösung  dieser  Alkalichloride  kann  man  das 
Kalium  mit  Platinchlorid  als  Kaliiimplatinchlorid  ausfällen')  und  auf  diese 
Weise  auch  das  Natriumclilorid  indirekt  bestimmen.  Statt  durch  trockene 
Veraschung,  wobei  sich  wegen  der  Flüchtigkeit  der  Alkaiicbloride  kleine 
Fehler  einschleichen,  ist  diese  Bestimmung  auch  mittelst  der  feuchten  \  er- 
aschung  ausführbar.  Die  Neumamtsche  Veraschungsflüssigkeit  wird  vor- 
sichtig eingedampft,  auf  einem  Finckener  Turm  die  Schwefelsäure  abge- 
raucht, mit  Wasser  aufgenommen  und  wie  oben  weiterbeliandelt. 

Es  sei  hier  noch  darauf  hingewiesen,  dal»  man  in  der  Asche  direkt 
Ca,  Mg,  K  und  Xa  bestimmen  kann.  Die  salzsaure  Asclielüsung  wird  auf 
ein  bestimmtes  \olumen  aufgefüllt  und  in  zwei  Teile  geteilt.  In  dem  einen 
bestimmt  mau  Kalium  und  Natrium,  im  anderen  Magnesium  imd  Kalzium. «i 

Bestimmung  des  Kalziums  und  Magnesiums. 

25  cm^  Milch  werden  zunächst  mit  10—15  cm^  konzentrierter  Salpeter- 
säure im  Kjeldahlkoli)en  bis  auf  ein  kleines  N'olumen  eingedampft  und  dann 
nach  Neumann  verascht.  Nach  der  Veraschung  und  Zersetzung  der  Nitrosvl- 
schwefelsäure  durch  Kochen  spült  man  quantitativ  die  Flüssigkeit,  nach- 
dem sie  kalt  geworden,  in  ein  Becherglas  über,  macht  stark  ammoniaka- 
hsch  und  darauf  schwach  essigsauer,  filtriert  von  dem  eventuell  ungelöst 
bleibenden  Eisenphosphat  ab  und  fällt  das  Kalzium  mit  Animoniumoxalat 
aus.  Bestimmung  als  Oxyd.  Das  Filtrat  des  Kalziumoxalatniederschlages 
wird  auf  Ys  Volumen  eingeengt,  das  darin  befindliche  Magnesium  als 
Magnesiumammoniumphosphat  gefällt  und  als  Magnesiumpvropliosphat  ge- 
wogen. 

Man  kann  das  Kalzium,  das  in  der  NctwunuiM-hcu  N'eraschungsflüssii:- 
keit  als  Kalziumsulfat  vorliegt,  auch  direkt  mit  Alkohol  fällen,  durch  einen 
gewogenen  Goochtiegel  filtrieren  und  als  Kalziumsultat  zur  Wriirung  brin- 
gen (Methode  nach  Aron  ^). 

Für  die  Bestimmung  des  Kalziums  in  der  Frauenmilch  .m)11  man  min- 
destens 100  cm*  gebrauchen.  ^ ) 

Bestimmung  der  Phosphorsiiure 

10  cm»  Milch  werden  nach  Xciniiann  verascht,  die  liii-ML'keit  wird 
unter  der  Voraussetzung,  daß  man  nicht  mehr  als  JO  nn^  bäuremisrhunp 


»)  Nach  bekannten  Methoden,  Aschenanalyse  ,!»•<>«.  Bd.  1.  4ln  di.M^  HamUHirhc» 

'')  Siehe  Näheres  Aron,  Bd.  1.  400  dieses  Ilandbiu-hes. 

')  II.Aroii,  Eine  ciiifaclie  Methoih»  zur  Bcstiinniiini.' des  Kalziuuib  ...  .ij^ani'"-'"  " 
Substanzen.  Biocheni.  Zeits»  hr.  IV.  2C)S.  19US. 

^)  Bahrdt  und  Edelstein,  Das  Kalkangehot  in  der  Francnmilch.  72 
heft.  S.  16.   1910. 


462  E.  F.  Edelstein. 

zur  Oxydation  verbraucht  hat,  mit  etwa  120  cm^  Wasser  verdünnt,  mit 
50  cm^  einer  öO^/oigen  Ammoniumnitratlösung  versetzt,  auf  etwa  70"  er- 
hitzt und  die  Phosphorsäure  mit  40  cm^  Ammoniummolybdatlösung 
gefällt. 

Zur  weiteren  Bestimmung  wird  nach  Neumann  folgendermaßen  ver- 
fahren : 

Nachdem  man  den  Niederschlag  tüchtig  umgeschüttelt  und  das  Ganze 
15  Minuten  hat  stehen  lassen,  filtriert  man  durch  einen  Goochtiegel, 
wäscht  so  lange  mit  eiskaltem  Wasser,  bis  sowohl  der  Niederschlag,  die 
Wände  des  Goochtiegels  sowie  der  Kolben,  in  welchem  die  Fällung  vor- 
genommen wurde,  keine  Spur  mehr  sauer  reagieren.  Darauf  löst  man  den 
gelben  Niederschlag  aus  dem  Goochtiegel  in    denselben  Kolben   mit   einer 

bestimmten    Menge  —  Natronlauge    hinein,    bis    die    gelbe    Färbung    ver- 

schwunden  ist.  Nach  Zusatz  von  einigen  Kubikzentimetern  -^  Natronlauge 

im  Überschuß  erhitzt  man  die  farblose  Flüssigkeit  so  lange,  bis  die  Dämpfe 
nicht  mehr  alkahsch  reagieren  (Prüfung  mit  feuchtem  Lackmuspapier), 
also  alles  Ammoniak  verjagt  ist. 

Es  ist  zweckmäßig,  vor  dem  Erhitzen  2 — 3  kleine  Glaskügelchen  in 
die  Flüssigkeit  hineinzuwerfen,  die  das  Stoßen  der  siedenden  Flüssigkeit 
verhindern. 

Man  läßt  erkalten  und  titriert  unter  Zugabe  von  Phenolphtalein  (Ptot- 

färbung)  mit  -^  Schwefelsäure     den    zum    Lösen    des    Phosphormolybdän- 

niederschlages  nicht  verbrauchten  Überschuß  an  Natronlauge  bis  auf  farb- 
los zurück. 

Da  aber  Phenolphtalein  der  Kohlensäure  gegenüber  empfindlich  ist, 
so  umgeht  man  die  kleinen  Fehler  der  Titration  dadurch,  daß  man  einen 

Überschuß  an  -^  Schwefelsäure  zugibt,  durch  längeres  Sieden  (30  Minuten) 

die  Kohlensäure  vertreibt  und  nach  dem  Erkalten  mit  —  Natronlauge    bis 

auf  Rot  zurücktitriert. 

(NH,)3  PO, .  24  Mo  O3  .  4  HNO3  -h  56  Na  OH  = 
=  2  Na^  HPO4  +  24  Na^  Mo  0,  +  4  Na  NO3  +  6  NH3  -f-  32  H.,  0. 

1  cw 3 -^  Natronlauge    entspricht    P267  m^  Pg  Og.  1)    Will    man   nicht 

das  Neumannsche  Titrationsverfahren  benutzen,  so  kann  man  den  gelben 
Phosphormolybdänniederschlag  in  Ammoniak  lösen,  daraus  die  Phosphor- 
säure als  Magnesiumammoniumphosphat  ausfällen  und  als  Magnesiumpyro- 
phosphat  zur  Wägung  bringen.  2) 


')    1    Mol.    P2O5    entspricht  56  ^-Mol.  NaOH    oder    56?    u-NaOH,    1  l  n-NaüH 
entspricht  ^^  g  P,  O5,  1  cm^  =  2-535  mg  P,  0„  1  cm^  ^  NaOH  =  1-267  mg  P.  0^. 
^)  Genaue  Vorschrift  Aron,  Ascheuanalyse.  Bd.  1.  420  dieses  Handbuches. 


Methodik  der  Milchunterhuchiiiig.  ^^^■^ 

Schwefelsäurebestimmung. 

Die  Milch  enthält  eine  ganz  gerini^n-  Menge  Schwofolsauro.  dj««  In  der 
Asche  enthaltene  stammt  wahrscheinlich  nur  aus  den  EiweiC.körpcrn  der  Milch. 

25 — bO  cm^  werden  in  einer  Platinschale  abgewogen,  oingoclaiupft, 
mit  einer  Salpetermischung  (3  Gewichtsteile  KN(Jj  +  1  (iewichtst«-!!  Na, CO,) 
verascht,  in  Wasser  gelöst,  einigemal  mit  8alzsiUire  ahgeraucht  und  dann 
Schwefelsäure  als  Barvumsnlfat  bestimmt. 

Chlor. 

Zur  Chlorbestimniung  wird  die  eingedampfte  .Milch  (.")  \n,„r^\  mit 
einer  Salpetermischung  verascht,  in  Wasser  aufgenommen  un<l  mit  Sal- 
petersäure so  lange  vorsichtig  versetzt,  bis  keine  Kohlensäureentwicklung 
mehr  stattfindet. 

Man  fällt  dann  mit  —  Sill)ernitratlösung  oder  einer  empirischen  Sjl- 

berlösung  das  Chlor  als  Chlorsilber  aus  (20  rw^  Silbernitrat  i.  füllt  auf  Km»  anf. 
filtriert  durch  ein  trockenes  Filter  und  titriert  im  ali(iuoten  Teil  des  Kil- 

trates  den  Überschuß  an  Silbernitrat   mit  —  IJhodankaliumlösung    zurück. 

unter  Anwendung  von  Eisenammoniakalaun  als  Indikator. 

Aus  der  gebrauchten  Menge  Silbernitrat  beroclmet  man  durrji  Cni- 
rechnung  auf  die  ganze  Menge  den  (Jehalt  an  Chlor. 

Es  empfiehlt  sich,  nicht  in  der  gewiilmlichen  Asche  der  Milch  das 
Chlor  zu  bestimmen,  weil  bei  der  trockenen  Veraschung  \erluste  an  Chlor 
unvermeidlich  sind. 

Eisen. 

In  Anbetracht  der  minimalen  E.isonmenge,  sowohl  in  der  Frauen-' ) 
als  in  der  Kuhmilch,  soll  man  zur  llestimmung  mindestens  ö<X)  //,  wo- 
möglich noch  mehr  Milch  verwenden.  Die  am  meisten  zu  empfehlende  Me- 
thode ist  die  jodometrische  nach  Neunnuw. 

Diese  beruht  auf  dem  Prinzip,  dab  in  kleiner  Menge  vorhamlcnes 
Eisen  mit  Zinkammoniumphosphat  (piantitativ    mit  niedergeschlagen  wird. 

In  salzsaurer  Lösung  scheidet  das  Eisi-n  aus  einer  .lodkaliundösung 
äquivalente  Mengen  Jod  aus.  die  durch  Titrieren  mit  Nafriuinthiosulfat  be- 
stimmt werden. 2) 

Neueidings  haben  J.arlit'  imd  Fried i'^tihal'^)  eine  neue  Methode  vorge- 
schlagen, und  zwar  eine  kolorimetrische. 

Prinzip :  Eine  eisenhaltige  salzsaure  Lösimg  gibt  mit  Khodankaliuni 
eine  rote  Farbe.  Diese  blutrote  Färbung  rührt  von  den»   undissoziicrbaren 


M  Siehe  Bahrdt  und  Edcls-fn'ii,  Ein   Boitne.'    zur  K.Miiitiiis    des  Kiscngehalt«-    •!■•• 

Frauenmilch  usw.  Zeitschr.  f.  Kinderheilk.  1.  1H2.  l'.llt). 

-)  (Jenaue  Vorschrift:  Arou,  Aschenanaljse.  Bd.  1,  414  dieses  Handlm 

')  Lachs  und  Fricdt n/hal ,    Die    Be.stiinuuuig    des    Eisens    auf    kaloruii-tr;-' iK-m 

Wege.  Biochem.  Zeitschr.  32.  13U.  l^tll. 


464  E.F.Edelstein. 

Eisenrhodanid  her.  Schüttelt  man  die  Fhissigkeit  mit  Äther  aus,  so  ent- 
fernt man  das  undissoziierte  Ferrirhodanid,  welches  in  Äther  lösUch  ist.  In 
dem  Maße,  wie  der  undissoziierte  Teil  an  Fe  (CNS)3  entfernt  ist,  bildet  sich 
von  neuem  in  der  wässerigen  Lösung  ein  undissoziierter  Teil  derselben,  der 
wieder  in  Äther  geht. 

Stellt  man  eine  Reihe  von  ätherischen  Lösungen  von  Eisenrhodanid 
aus  der  Reihe  nach  verdünnten  bekannten  Eisenlösungen  her,  so  kann 
man  sie  als  Vergieichslösungen  mit  der  roten  P^arbe  der  untersuchten 
Flüssigkeit  benutzen. 

Man  dampft  5  cm^  Milch  in  einer  Platinschale  ein,  verascht  sie, 
nimmt  die  Asche  mit  1  cm^  Wasser  und  1  cm^  6  X  n-Salzsäure  auf,  ver- 
setzt mit  1  crn^  konzentrierter  Rhodankaliumlösung  und  schüttelt  diese  mit 
1  crn^  Äther  aus.  Es  entsteht  dabei  eine  schöne  rote  Lösung,  die  man  mit 
der  Farbenskala  vergleicht. 

Die  Methode  scheint  sehr  bequem  zu  seini),  ist  aber  für  Frauen- 
milch nicht  anwendbar.  In  1  /  Milch  wurden  r3  mg  Eisen  gefunden. 

Die  Vergleichslösungen  stellt  man  sich  her,  indem  man  aus  einer 
Lösung,  die  10~"*  Fe •  •  •  (0"0001  g  Swertiges  Eisen)  in  1  crn^  enthält,  in 
eine  Reihe  Reagenzgläser  1  cm^  bzw.  0'8  bzw.  0*5  etc.  cni^  überträgt.  Genau 
dasselbe  macht  man  mit  einer  Lösung,  die  10~^Fe*--  in  1  cni^  enthält. 
Diese  Reagenzgläser  füllt  man  bis  auf  1  cm^  mit  Wasser  auf,  fügt  zu 
jedem  1  cm^  einer  eisenfreien,  6fach  normalen  Salzsäure  zu  und  versetzt 
mit  1  cm^  konzentrierter  Rhodankaliumlösung.  Jede  einzelne  dieser 
Lösungen  wird  mit  1  cm^  Äther  aufgeschüttelt.  Die  ätherischen  Schichten 
stellen  dann  eine  Farbentonskala  dar. 

Übrige  Bestandteile  der  Milch. 

Orotsäure,  C5  H^  O2  X2 'H2  0. 

Biscaro-Belloni  -)  haben  diese  Säure,  die  ihrer  Konstitution  nach  ein 
L^reid  ist  (mit  Kaliumpermanganat  oxydiert,  liefert  sie  Harnstoff),  in  der 
Milch  entdeckt. 

Sie  ist  anscheinend  für  die  Milch  spezifisch.  Ob  sie  auch  in  der 
Frauenmilch  vorhanden  ist,  ist  noch  nicht  nachgemesen.  Man  stellt  sie 
folgendermaßen  dar :  Mit  Lab  wird  das  Kasein  in  der  Milch  ausgefällt,  das 
Eiweiß  durch  Erhitzen  unter  Zusatz  von  etwas  Essigsäure  entfernt  und 
das  Filtrat  mit  Natriumkarbonat  bis  zur  schwachsauren  Reaktion  versetzt. 
Zu  dieser  Lösung  wird  Kalziumkarbonat  hinzugefügt  und  wieder  filtriert. 
Darauf   fällt   man  die  Säure   mit    basischem  Bleiazetat   aus,   zersetzt   den 


*)  Wenn,  was  noch  nachzuprüfen  ist,  unter  Anwendung  von  nur  5  c/«^  Milch  eine 
exakte  Ermittlung  des  Eisengehaltes  möglich  ist,  so  bedeutet  dieses  Verfahren  einen 
Fortschritt,  weil  man  sonst  sehr  große  Mengen  Analysenmaterial  braucht  und  das  Ein- 
dampfen der  Milch  für  die  feuchte  Veraschung  sehr  lästig  und  langwierig  ist. 

-)  Biscaro  und  Belloni,  Über  einen  neuen  Bestandteil  der  Milch,  zitiert  nach 
Chem.  Zentralbl.  Bd.  2.  63.  1905. 


Methodik  der  Milcliiintersiiclmnjr.  u\r^ 

Niederschlag  mit  Schwefelwasserstoff,  filtriert  vom  IJlcisulfid  ai)  und  dampft 
das  Filtrat  ein.  Der  JUickstand  wird  in  Wasser  auff,'enommen,  zur  IUmiu- 
gung  mit  Tierkohle  aufgekocht  und  filtriert. 

Man  gibt  zur  Lösung  AlkaU  l»is  zur  scliwacli  sauren  Keaktion  imd 
dampft  ein.  Den  kristallinischen  Rückstand  lidU  man  mit  i;.')"/«  Alkohol 
2  Tage  stehen.  Auf  diese  WCise  werden  die  Chloride  (lUeichlorido)  ent- 
fernt. Es  wird  nochmals  24  Stunden  mit  wenig  Alkohol  dekantiert  und 
schließlich  aus  siedendem  Wasser  umkristallisiert. 

Zitronensäure. 

Die  Kuhmilch  enthält  0-12— 0-2"/o  dieser  Säure.  Die  Methode  ihrer 
quantitativen  Bestimmung  hat  Scheibe^}  ausgearbeitet.  Sie  beruht  auf  der 
Eigenschaft  der  Zitronensäure,  sich  durch  Oxydation  mit  Kaliundiiilintmat 
in  schwefelsaurer  Lösung  in  Kohlensäure  und  Wasser  /u  verwandeln. 
Nimmt  man  nun  einen  Cberschuli  von  Kaliumhichromat  und  titriert  den 
zur  Oxydation  nicht  verbrauchten  Teil  mit  einer  Ferroammoniumsulfat- 
lösung  zurück,  so  erfährt  man  daraus  die  zur  Oxydation  verwendete  .Menge 
Bichromat  und  daraus  den  Gehalt  an  Zitronensäure.  Die  Methode  wird  wie 
folgt  ausgeführt. 

400  cm  ^  Milch  versetzt  man  mit  4  cw*  2\'2facher  n-Sehwefelsäure -), 
kocht  auf,  gibt  10^  mit  Wasser  verriebene  spanische  Klärerde  zu.  kocht 
nochmals  auf,  spült  nach  dem  Erkalten  in  einem  öOO  (///^-MeLikolben  und 
füllt  bis  zur  Marke  auf.  Das  Filtrat  muß  völlig  klar  sein.  Ist  das  niclit 
der  Fall,  so  muß  die  Klärung  wiederholt  werden. 

100  cm^  des  klaren  Filtrates  (entsprechend  80  cw/^  Milch)  werden  mit 
so  "siel  Barytwasser  versetzt,  bis  die  in  den  100  cm^  enthaltenen  OH  cw* 
2V2fach  n-H.,S04  neutralisiert  sind  und  dampft  bis  zur  Sirupkonsistenz  ein. 
Hierauf  setzt  man  die  Zitronensäure  in  Freiheit,  indem  unter  rmrühren 
H'2  c))i^  einer  2'/2fach  n-Schwefelsäure  zugesetzt  werden,  vermischt  unter 
weiterem  Umrühren  allmählich  mit  20  cin^  absolutem  Alkohol  und  nach 
kurzem  Absetzenlassen  mit  00  cm^  Äther.  Darauf  saugt  man  den  Nieder- 
schlag (der  ausgefällte  Milchzucker)  auf  einer  Siebplatte  aus  Porzellan  ab. 
und  wäscht  ihn  mit  einer  Alkohol-Athermischung  aus  (20  cm  ^absoluter  .Mkohol 
und  60  cm^  Äther).  Das  klare  Filtrat  wird  mit  alkoholischem  .\mmoniak 
bis  zur  bleibenden  Trübung  neutralisiert  und  in  einem  Destillierkolben 
zunächst  der  Ätheralkohol  abdestilliert  und  dann  durch  weitere  Destillation 
auf  etwa  20  cui^  konzentriert.  Dieser  Bückstand  wird  mit  «iO  rni'  absolutem 
Alkohol  im  Wasserbad  zum  Kochen  erhitzt  und  mit  lOcw^  alkoholi>«  Ihmu 
Ammoniak  die  Zitronensäure  als  xVmmoniumsnlfat  vollständig  ausgefällt. 
Man  läßt  einige  Stunden  stehen  und  dekantiert  durch  ein  Filter  von  der 
darüberstehenden  Flüssigkeit  ab.    Das  Ammoniumzitrat  wird  zur  weiteren 


')  Scheibe,    ülicr  den  rrsiiiiini:  diT  /itrononsäiirc  als  Bestandteil  der  Milcb.  Dio 
Laiulwirtschaftl.  Vcrsuchijstatiuiieii.  3'J,  153.  IH'.U. 

■-)  1  Teil  verdünnter  Schwefelsäure  (D  =  116)  mit  1   Teil  Wasser  verdouiit. 

Abderhalden,  Hundbuch  der  biochemischeu  Arbpitsracthoden.  V.  30 


466  "  E.F.Edelstein. 

Reinigung  mit  1  cm^  Schwefelsäure  (2"5fach  n),  1  cni^  Wasser  und  60  cm^ 
absolutem  Alkohol  versetzt  und  wiederum  mit  10  cm^  alkoholischem  Am- 
moniak gefällt. 

Um  das  Absetzen  des  zitronensauren  xAmmoniums  zu  beschleunigen, 
erhitzt  man  eine  halbe  Stunde  unter  Zusatz  von  2 — 8  g  Ammoniumkarbonat 
am  Piückflullkühler.  Man  läßt  einige  Stunden  stehen,  bis  die  Flüssigkeit 
ganz  klar  ist  und  der  Niederschlag  sich  kristallinisch  abgesetzt  hat.  Man 
saugt  ihn  auf  einer  Porzellanplatte  ab,  wäscht  mit  absolutem  Alkohol 
nach,  löst  den  Niederschlag  in  Wasser  und  konzentriert  die  Lösung  auf 
etwa  20  cmK 

Diese  konzentrierte  Lösung  des  Ammoniumzitrates  wird  mit  20 — 30  cm^ 
(Überschuß)  Kaliumbichromatlösung  und  unter  Umschütteln  mit  20 — 25  cm^ 
konzentrierter  Schwefelsäure  versetzt.  Durch  1/4 stündiges  Erhitzen  auf  etwa 
80"  wird  die  Zitronensäure  in  Kohlensäure  und  Wasser  umgewandelt. 

CßHgOv  +  :\  KsCroO,  +  1 2  H2SO4  =  3  KoSO^  +  3  Cr^lSO^Ja  +  16  U.,0  +  6  CO.,. 

Die  Lösung,  die  eigentlich  grün  sein  müßte  (Chromisalz),  ist  wegen 
des  Überschusses  an  Kaliumbichrom at  etwas  braun  gefärbt.  Man  verdünnt 
mit  zirka  50  cm^  Wasser,  setzt  Ferroammoniumsulfat  im  Überschuß  zu, 
bis  der  grünbraune  Farbenton  in  reines  Grün  übergeht  und  titriert  mit 
so\iel  Bichromatlösung  zurück,  bis  1  Tropfen  der  Flüssigkeit  mit  1  Tropfen 
Ferrocyankalium  zusammengebracht  (Tüpfeln)  keine  Blaufärbung  mehr  gibt. 
Auf  1  Mol.  Zitronensäure  braucht  man  3  Mol.  Kaliumbichromat.  Die 
Kaliumbichromatlösung  stellt  man  sich  her  durch  Lösen  von  461  g  des 
Salzes  zu  1  /  (1  crn^  Kahumbichromatlösung  entspricht  0-0102  g  Zitronen- 
säure); die  Eisenlösung,  indem  man  150,7  Ferroammoniumsulfat  (il/oÄrsches 
Salz)  in  700  cm^  Wasser  löst,  dazu  100  cm^  konzentrierter  Schwefelsäure 
zusetzt  und  auf  1  l  auffüllt. 

Nach  E.  Desmouliere'^)  kocht  man  200  cm ^  Milch  kurze  Zeit  mit 
100  cm^  2%iger  Essigsäure  am  Rücldlußkühler,  filtriert  nach  dem  Erkalten 
und  dampft  150  cni^  des  Filtrats  auf  dem  Wasserbade  bis  zur  Sirupkon- 
sistenz ein.  Nach  Zusatz  von  2 — 3  g  gereinigten  Kieseigurs  dampft  man 
weiter  bis  zur  Trockene  ein,  setzt  nach  dem  Erkalten  3  cm^  verdünnter 
Schwefelsäure  zu  und  läßt  2 — 3  Stunden  stehen,  unter  zeitweiligem  Um- 
rühren. Man  fügt  nochmals  3  g  Kieselgur  hinzu  und  extrahiert  das  Ganze 
mit  kaltem,  wassergesättigtem  Äther  aus,  bis  man  1000  cm^  Ätherauszug 
hat.  Der  Äther  wird  bei  niedriger  Temperatur  rasch  abgedampft,  der  Rück- 
stand in  Wasser  aufgenommen  und  auf  ein  bestimmtes  Volumen  auf- 
gefüllt In  einem  bestimmten  Teil  der  Flüssigkeit  wird  die  Gesamtazidität 
bestimmt  und  die  Phosphorsäure,  wenn  sie  anwesend  ist.  In  einem  anderen 
Teil  werden  die  flüchtigen  Säuren  bestimmt.  Die  Differenz  soll  die  Menge 
an  vorhandener  Zitronensäure  ergeben. 


*)  Desmouliere ,  Untersuchung  über  die  Bestimmung  der  Zitronensäure  in  der 
Milch.  Bull,  de  Sciences  Pharmacol.  17.  588,  1910,  zitiert  nach  Chem.  Zentralblatt.  2. 
1952.   1910. 


Mctliodik  der  .Milchuntersuchuiig.  i^•^J 

Nach   (lieser  Methode  fand  Drstnouliere   in  \C\0  cm^  Kiiliinilch  (>-22  o 
(im  Mittel),  in   100  r///»  Frauemnilch  0()7S  7  Zitroiicnsauiv.  iJei  AnwrMi  ' 
dieser  Methode    in  der  Kranen-,    Schaf-  oder  Ksciinncnmilcli    soll  ni.ui  «in- 
Menp:e  der   zuzugehenden  Schwefelsiinrc    auf  2  rm-^    hcraiisctzcn.    Iii.-   '/,,- 
verlässigkeit  dieses  Verfahrens  ist  noch  nicht  nach}.M'i)rnft  worden. 

Aulierdem  enthält  die  Milch  noch  verschiedene  Enzyme  oder  Fer- 
mente, und  zwar: 

1.  eiweißspaltende  (proteolytische), 

2.  kohlehydrats])altende  (amylolytischei, 

3.  fettspaltende  (Lipasen), 

4.  Oxydatiüus-  und  Ueduktionsfernientc  (Uxydasen,  Katal;i>t'n  und 
Reduktasen). 

Der  Anwesenheit  der  letzteren  sind  verschiedene  Kcduktions-  und 
Oxydationseigenschaften  der  Milch  gegenüber  hestimintcn  Ileagenzien  zu- 
zuschreiben. Bei  einer  Temperatur  von  über  75"  werden  diese  Fermente 
zerstört.  Diese  Eigenschaft  ist  zur  praktischen  Milchuntcrsuchunü'  heran- 
gezogen worden,  und  zwar  zum  Nachweis  einer  statlgdiabten  Erhitzung 
der  Milch.  In  einer  gekochten  Milch  kommen  nämlich  die  Kcaktioncn  nicht 
mehr  zustande.  Das  gilt  aber  bestimmt  nur  für  die  Oxydationsn-aktioncn. 
weil  die  Reduktasen  auch  in  gekochter  Milch  wieder  erscheinen  könnrn. 
Dagegen  sind  die  Reduktasereaktionen  zur  UntersuclHing  darüber,  ob  finc 
rohe  Milch  noch  frisch  ist,  gut  zu  verwenden.  ScI'ujukddi  ')  nimmt  fol- 
gende Unterscheidung  vor: 

Oxyd  äsen  besitzen: 

1.  die  Fähigkeit,  Wasserstoffsuperoxyd  in  Wasserstoff  und  Sain-rstoff 
zu  spalten  (Superoxydase  nach  Rdudnitz); 

2.  die  Fähigkeit,  eine  Reihe  von  Oxydationen  zu  vermitteln  (Oxydase); 
B.  die  Fähigkeit,    nur  bei  Gegenwart    von  Wasserstoffsuperoxyd  die 

Oxydationen  auszulösen.    Das  H2O2  scheint  beschleunigend  zu  wirken  (in- 
direkte Oxydase). 

Reduktasen  besitzen: 

1.  die  Fähigkeit,    Schwefelwasserstoff   zu    reduzieren  (HydrogenaM-). 

2.  die  Fähigkeit.  Methylenblau  zu  entfärben : 

o.  die  Fähigkeit,  eine  Mischung  von  alkoholischer  Methylenblaiilösung 
mit  einer  wässerigen  Lösung  von  Formaldehyd  {Schnrdvigcrs  Reagens)  zu 
entfärben  (Aldehydkatalase ). 

Die  einzelnen   lieaktionen   werden  folgendermalien  ausgeführt  J 

(Kydaseii. 

Nach  Arnold-)  wird  frische,  umiekoclite  Milch  mit  t majaktinktur 
(hergestellt  durch  Auflösen    von  (iiiajakharz  in   Alkohol  1    verset/t,    worauf 

1)  Selumanu,  tJbor  den  Kinfluß  oinificr  Aldohyde.  hosoiiders  dos  Formalin».  auf  dio 
Oxydationsfcrmciito  der  Milch  und  des  (ininnii  aiabioiiin.  /(>itsclir.  f.  II  i.  Infokti«>n«»- 

kranklieitcn,  Ud.  50.  i)7.   VMh  und  llandlnicii  der  Milrlikiind»-  von  >-  .    !/.  A^JJ.  VM<^} 

^)  Arnold,  Einige  neue  Kcaktioncn  der  Milch.  Zeitsclir.  f.  anal.  Chemie.  21.  285.  1 

30» 


468  E.F.Edelstein. 

sofort  eine  Blaufärbung-  eintritt.  Gekochte  Milch  zeigt  diese  Reaktion 
nicht,  ^lan  kann  statt  Guajaktinktur  auch  einen  Auszug  von  Guajakholz 
mit  Azeton  verwenden,  i)  Nach  Storch  -)  setzt  man  zu  10  cm^  ungekochter 
Milch  1  Tropfen  0-2'^U\^%y  Wasserstoffsuperoxydlösung  und  2  Tropfen 
2''/oig'er  I'araplienylendiaminlösung  zu  und  schüttelt  stark  um  (Blaufärbung). 
Wilkinson  und  Peters  ^)  bedienen  sich  zu  dieser  Reaktion  des  Benzidins 
(Di-p-diamidodiphenyl) :  Blaufärbung  bei  Zugabe  von  2  cm^  einer  4''/oigen 
alkohoUschen  Benzidinlösung,  2 — 3  Tropfen  Essigsäure  und  2  cm^  einer 
S^/oigöw  Wasserstoffsuperoxydlösung  zu  10  cui^  Milch. 

Rothenfusser  ^)  führt  diese  Reaktionen  nicht  direkt  in  der  Milch, 
sondern  im  Serum  aus.  Er  enteiweißt  100  cm^  Milch  mit  6  cm^  Bleiessig 
(Bleisubazetat),  filtriert  und  versetzt  10  cm^  Serum  mit  1 — 2  Tropfen 
O'o7oigem  Wasserstoffsuperoxyd.  Als  Reagens  wendet  er  entweder  einige 
Tropfen  von  salzsaurem  Paraphenylendiamin  an  (1  g  dieser  Verbindung  in 
15  cm^  Wasser  gelöst  und  mit  einer  Auflösung  von  2  g  Guajakol  in 
135  cm^  967oig'en  Alkohols  vermischt)  oder  5 — 10  Tropfen  einer  20/oigen 
alkohoUschen  Benzidinlösung  unter  Zusatz  von  etwas  Essigsäure.  Im  ersten 
Falle  tritt  bei  einer  ungekochten  Milch  eine  violettblaue,  im  zweiten  eine 
kornblumenblaue  Farbe  auf. 

Reduktasen. 

Nach  Schardinger  ^)  wird  eine  Mischung  von  alkoholischer  Methylen- 
blaulösung mit  Formalin  (5  cm^  gesättigter  alkoholischer  Methylenblau- 
lösung gemischt  mit  190  cwi^s  Wasser  und  5  ci>i^  Formalin)  von  fi'ischer,  un- 
gekochter Milch  entfärbt. 

Nach  Barthel «)  versetzt  man  10  cm^  Milch  mit  0'5  cm^  einer  alko- 
holischen Methylenblaulösung,  überscliichtet  mit  einigen  Kubikzentimetern 
flüssigem  Paraffin  und  stellt  in  ein  Wasserbad  von  40 — 45°.  Tritt  eine 
Entfärbung  nach  einigen  Minuten  ein,  so  ist  die  Milch  stark  bakterien- 
haltig.  Tritt  sie  dagegen  nicht  innerhalb  von  3  Stunden  ein ,  so  ist  die 
Milch  als  gut  zu  bezeichnen. 


^)  Arnold  wwA  Mentzel,  Die  Guajakprobe  in  der  Praxis.  Milchzeitung.  31.  247.  1902. 

-)  K.  Storch,  Eine  Methode  zur  Unterscheidung  von  pasteurisierter  und  nicht 
pasteurisierter  Milch.   Milchzeitung.  27.  374.  1898. 

^)  Wilkinson  und  Peters,  Neue  Reaktion  zur  Unterscheidung  von  roher  und  er- 
hitzter Milch  etc.  Zeitschr.  f.  Untersuchung  d.  Nahrungs-  u.  Genußmittel.  16.  172.  1908. 

*)  Rothenftisser,  Über  den  Nachweis  von  Fermenten  unter  besonderer  Berück- 
sichtigung der  Milch.  Zeitschr.  f.  Untersuchung  d.  Nahrungs-  u.  Genußmittel.  Bd.  16. 
63.  1908. 

^)  Schardinger,  tJber  das  Verhalten  der  Kuhmilch  gegen  Methylenblau  und  seine 
Verwendung  zur  Unterscheidung  von  ungekochter  und  gekochter  Milch.  Zeitschr.  f. 
Untersuchung  d.  Nahrungs-  und  Genußmittel.  Bd.  5.  1113.  1902. 

®)  Barthel,  Verwendbarkeit  der  Eeduktaseprobe  zur  Beurteilung  der  hygienischen 
Beschaffenheit  der  Milcli.  Zeitschr.  f.  Untersuchung  d.  Nahrungs-  u.  Genußmittel.  Bd.  15, 
385.  1908. 


Methodik  der  .Milcliuntcrsuchung. 

Der  Nachweis   mid  die  llcstinmiuii^r    aiidcicr   Ücstaiidtcilr  dci     >i:,.a. 
die  entweder  zufiilli',^  oder  ahsiciitlidi  ( Vcrfiilscliuii^M'in  in  ihr  vurkomiii-i, 
(Konservierungsmittel    wie    Borsäure,    8ali/Als;iure,    Fonnaldchyd :    fei' 
Mehl,  /ucker,  Saccharin,  Schniutz  etc.),  gehürf  nicht  in  den  Hahnicn  di> 
Darstellung.  M 

Physikalische  Methoden. 

(Zun-leich  eine  T^ntersuchun;:-  der  Milch  auf  ihre  \'erwasserung.) 
Hierzu  gehören  die  Bestininiungen : 

1.  der  (icfricrpunktscriiicdrigung. 

2.  der  elekirischcn  Leitfähigkeit, 

3.  des  Brechungsvermügens  von  Milchscniiii. 

1.  Gef'rierjMmk<sernie(lriü:iiriji:. 

Unter  dem  Ciefrierpunkt  verstehen  wir  den  Tunkt,  hei  welchem  eine 
Lösung  beginnt,  ihr  Lösungsmittel  in  fester  Form  .  und  zwar  als  Eis.  aln 
zuscheiden. 

Es  ist  bekannt,  daß,  wenn  man  in  einer  Flüssigkeit  eine  Substanz 
auflöst,  der  Gefrierpunkt  dieser  Lösung  niedriger  wird,  als  der  «icfiicr- 
punkt  der  Flüssigkeit  selber.  Die  Differenz  zwischen  den  (Jefrierpunktcii 
der  reinen  Flüssigkeit  und  der  Lösung  ist  die  Gefrierpiinktserniedrigung. 
Löst  man  z.B.  in  100  o/i^  Wasser  1  _(/ Kochsalz,  so  sinkt  der  (Jefrieriiunkt 
des  Wassers  von  0°  auf  — 0  6". 

Kaoidt  und  Vaii't  Hof  haben  gezeigt,  dali  die  (Jefricrpmiktscrnie- 
drigung  für  ein  Grammolekül  (Mol)  für  ein  und  dasselbe  Lösungsmittel 
eine  konstante  Grobe  ist.  Oder  mit  anderen  Worten:  Durch  verschiedene 
Substanzen,  die  in  gleicher  Menge  ein  und  desselben  Lösungsmittels  im 
Verhältnis  ihrer  Molekulargewichte  gelöst  werden,  erniedi-igt  sich  der  Ge- 
frierpunkt des  Lösungsmittels  um  eine  gleiche  Anzahl  (irade,  unabhängig 
von  der  Natur  des  gelösten  Stoffes  (molekulare  (lefrieriiunktserniedrigungi. 

Man  nimmt  als  Menge  des  Lösungsmittels  lOUy  an  und  als  Meni:e 
der  aufgelöst(ui  Substanz  1 //-Molekül.  Die  molekulare  Gefrierpunktsernie- 
drigung für  Wasser  beträgt  im  Mittel  aus  dem  iieobachteten  und  dem 
berechneten  Wert  18-5. 

Es  ist  ohneweiters  verständlich,  dal'i  sich  durch  Zusatz  von  Wasser 
zur  Milch  und  durch  die  dadurch  hervorgerufeiu'  Konzentrationsänderung 
auch  der  Gefrierpunktswert  ändert.  Die  Bestimmung  der  Gefrierpimkt.ser- 
niedrigung  führt  man  genau  so  ans  wie  in  aiuleren  Lösungen.  .\m  b»'sten 
im  Beck)n(inn^c\\^^\\  Aj)parat. -) 

Man  muß  die  .Milch  zuerst  in  Kiswasser  tief  al'külileii  und  bestimmt 
zweckmäßig  zuerst  den  (iefrierpunkt  des  Wassers  und  dann  den  der  Milch. 

')  Diese  für  die  Milclnvirtsrh.ift    und   Hygioiio    tliißerst    \vii-liti;.'iii   \i<    ■ 
findet    man    in    einschlägigen   Hiichern.    z.H.:   Sommcr/ihl,  Ilaiidlnn-h  der 
1909;  A'.   Teichert,  Untersnehung  der  .Milch- und  Midkereiprodiikle.   r.Mi'.l;   / 
Lehrbuch  der  Milchwirtschaft.  1908. 

-)  Genaues  hierüber  siehe  Fricdeittlml,  IM.  1.  501  dieses  llandlmches. 


470  E-  F.  Edelstein. 

Zur  Ausführung  einer  Bestimmung  genügen  etwa  4—8  cm^  Milch.  Nach 
Winter  i)  kann  man  die  zur  Milch  zugesetzte  Wassermenge  aus  folgender 

a^ j) 

Formel  berechnen:  E  =  V ,  wo  V  das  Volumen  der  untersuchten  Milch 

a 

bedeutet,  a  den  normalen  Gefrierpunkt  der  Milch,  D  die  Gefrierpunkts- 
erniedrigung und  E  das  der  Milch  zugesetzte  Volumen  Wasser.  Der  Ge- 
frierpunkt der  Milch  ist  konstant  und  beträgt,  wie  schon  erwähnt, 
— 0-555  g  im  Mittel  und  schwankt  zwischen  —0-55  bis  — 0-57.  Der  Ge- 
frierpunkt der  Frauenmilch  ist  größeren  Schwankungen  unterworfen.  Die 
Werte  bewegen  sich  nach  Koeppe-)  zwischen  0-495— 0-63. 

Koejjpe  schreibt  diese  Schwankungen  dem  Einfluß  der  Nahrung,  be- 
sonders den  Salzen  der  Nahrung  zu. 

2.  Die  elektrisclie  Leitfähigkeit. 

Reines  Wasser  einerseits  und  z.  B.  trockenes  Salzsäuregas  andrer- 
seits leiten  den  elektrischen  Strom  nicht.  Löst  man  dagegen  das  Salz- 
säuregas in  Wasser,  so  leitet  diese  Lösung  sehr  gut  die  Elektrizität. 

Nach  der  von  Arrhenius  aufgestellten  Theorie  der  elektrolytischen 
Dissoziation  erklärt  man  sich  diesen  Vorgang  so,  daß  die  in  einer  wässerigen 
Lösung  positiv  und  negativ  elektrisch  geladenen  Teilchen  (Ionen),  in  un- 
serem Falle  also  die  positiven  Wasserstoffionen  und  die  negativen  Chlor- 
ionen, die  Träger  der  Elektrizität  sind. 

Mit  zunehmender  Verdünnung  vergrößert  sich  die  Dissoziation,  d.  h. 
die  Zahl  der  Ionen  und  die  elektrische  Leitfähigkeit  nimmt  zu,  bis  schließ- 
lich bei  unendlicher  Verdünnung  die  Ionisation  vollständig  wird.  Die  Stärke 
der  Säuren  und  Basen  hängt  von  dem  Grade  ihrer  Ionisation  ab  ,  die 
Stärke  der  Säuren  im  speziellen  von  der  Konzentration  der  Wasserstoff- 
ionen. Auch  die  Azidität  und  die  Alkalität  der  Milch  werden  durch 
die  Konzentration  der  Wasserstoff-  und  Hydroxylionen  bedingt.  Saure  und 
geronnene  Milch  besitzen  eine  größere  Leitfähigkeit.  3) 

Über  die  von  Kohlrausch  ausgearbeitete  Bestimmung  und  ihre  Aus- 
führung (gemessen  am  elektrischen  Widerstand  mittelst  der  Wheatstone- 
schen  Brücke)  siehe  Friedenthal,  Band  I  dieses  Handbuches. 

Die  Leitfähigkeit   der  Kuhmilch    schwankt   nach  Koeppe^)   zwischen 
n3-9— 94-3  .  10-*  bei  18"  C,  bei  der  Frauenmilch  zwischen  14-9— 84-3  .  10-*. 
Im  Mittel :  für  Kuhmilch     .     .     .  43-8  .  10-* 
für  Frauenmilch      .     .  22-6  .  10"* 


')  Winter  und  Parmentier,  Die  Kryoskopie  der  Milch  etc.  zit.  nach  dem  ehem. 
Zentralbl.  2.  1170.  1904. 

^)  Koep2)e,  Vergleichende  Untersuchungen  über  den  Salzgehalt  der  Frauen-  und 
Kuhmilch.  Jahrb.  f.  Kinderheilk.  47.  399.  1898. 

^)  Genaueres  über  Theorie  und  Methodik  dieses  Gebietes  findet  man  in  diesem 
Handbuch:  FriedeHlhal,  Bd.  1.  534. 

*)  Koepjje,  1.  c. 


Methodik  der  Milchuntersuchiing.  Ar\ 

Nach  Binaghl^)  dagegen  ist  sie  für  frische,  uiiverfillschte  Müch 
ziemlich  konstant. 

Sie  i)eträgt  für  die: 

Schafmilch 49-4;>     h\l'> 

Zieociiiiiilch 4T-()1      I90G 

Kuhmilch 47(>7_4«)-7)^ 

3.  l)as  Lichtbivchmii::svcnnös;eM  des  .Milchsrniiiis. 

Das  Serum  normaler  Milch  scheint  für  ein-  und  dicscliie  Milcliart 
ziemhch  konstante  Brechungswerte  zu  liefern.  Natürlich  kommt  es  auch 
auf  die  Art  der  Gewinnung  des  Serums  an. 

Nach  Lythgoe  und  JS'urmherg'^  liefern  die  niedrigsten  Werte  das 
Chlorkalziumserum,  dann  das  Serum  aus  spontan  geronnener  Milcli :  die 
höchsten  Werte  das  Essigsäureserura. 

Mai  und  Bothenfiisscr^)  und  Georg  Wiegner*)  halten  umfangreiche 
Studien  über  die  Art  der  Herstellung  des  Serums  und  seiner  rntersurhiing 
angestellt. 

Das    Chlorkalziumserum    besteht   aus    Wasser,    Milchzucker,    Serum- 

eiweiß,  Mineralien  und  Zitronensäure.    Wiegner  hat   für  diese  Bestandfeile 

die    spezifische    Kefraktion    bestimmt    und    hat    nachgewiesen,   dall    die 

spezifische  Befraktion  des  Serums  nur  vom  Aschegehalt,  und  zwar  in  kleinem 

Maße    abhängig   ist.     Die   spezifische   Befraktion   berechnete    er   aus    der 

n- — 1     1 
Formel  B  =  — -—"  .-,    wo  n  den  Brechunusexponenten    und  d    die  Dichte 
n^  +  l     d  ^       ^ 

bedeutet. 

Zur  Herstellung  des  Serums  bedient  man  sich  der  sehr  schnellen  und 
guten  Methode  nach  Ackermann.^) 

30  cm^  Milch  werden  mit  0""i5  cm^  Chlorkalziumlösung  vom  spezifi- 
schen Gewicht  1-1375  versetzt  und  in  ein  Beagenzglas  gefüllt.  Man  ver- 
stopft das  Beagenzglas  mit  einem  einfach  duichbdhrten  (ininiMisti»|)fen. 
Durch  die  Bohrung  führt  ein  langes  enges  IJolir.  das  als  llücktltir'ruhr 
dient.  Man  setzt  das  Glas  in  ein  siedendes  Wasserltad  und  läßt  !.">  .Minuten 
darin  stehen.  Dann  wird  es  in  kaltes  Wasser  von  ITö"  hineingestellt. 
Das    klare    Serum    wird    auf    seinen  I^rechuntrsindex    durch    ein  Kintaiich- 


*)  Binaghi,  Die  elL'ktrisclic  Loitfaliigkcit  der  .Milch  iiiul  ihif  .Viiwoiiduug  /um 
Nachweis  der  Verwässcrung  und  eines  Zusatzes  von  Elektrolyten.  IJioehem.  Zeitschr. 
29.  60.  1910. 

*)  LijtlKjoe  und  Xureuhcr;/,  Vau  Vi'igliifli  dvr  Methoden  zur  HarstollunL.'  «h-s  .Milcli- 
serums,  zitiert  nach  d.  Cliem.  Zentrallil.  1.  CiUH.  l'.KI9.  .lourn.  of  Ind.  and  Kni.'in.  (Mi«>m. 
I.  38.  19Ü9. 

")  ^fai  und  llotlieuf unser .  Heitrair»'  zur  Kenntnis  der  liichtlirccliuiiL;  dc^  i  m.ii- 
kalziumserums  der  Milch.  Zeitschr.  f.  L  nters.  v.  Nahrungs- u.  (ieniiüniitid.  iid.  Ul.  7.  l'.MkH. 

*)  Wiegner  (unter  Mitwirkung  von  Yakmva),  Über  das  I3recliiingsvennö(t<'ii  und 
das  spez.  Gewicht  des  t'hlorkalziunisennns  der  .Milch.   .Milchwirtsch.  Zentralld.  V.  473.  1909. 

^)  Ackermann,  Mitteilung  üher  den  rcfraktometrischen  Nachwi-is  des  WaKSer- 
zusatzcs  zur  Milch.  Zeitschr.  f.  Untersuch,  d.  Nahrungs-  u.  üenuüniittel.  13.   18G.  1907. 


472  E.F.Edelstein. 

refraktometer    untersucht.    Der  Brechungswert   der  Kuhmilch   beträgt   im 
Mittel  1-3502. 

Es  sei  noch  kurz  bemerkt,  daß  für  den  Nachweis  einer  Verwässerung 
der  Milch  oft  auch  die  Nitrat reaktion  verwendet  wird.  Die  normale  Milch 
enthiilt  fast  nie  salpetersaure  Salze.  Fällt  also  die  Salpetersäureprobe 
positiv  aus,  so  rührt  das  von  dem  der  Milch  beigemischten  nitrathaltigen 
Wasser  her.  Man  weist  die  Salpetersäure  nach  auf  Grund  der  bekannten 
Reaktion  mit  Diphenylamin  (Blaufärbung). 

Nach  Moeslinger  i)  kocht  man  100  cm^  Milch  mit  1-5  cm^  einer 
20Voigen  Chlurkalziumlösung  und  filtriert.  Ein  halber  Kubikzentimeter 
dieses  Filtrates  wird  tropfenweise  zu  2  cm'^  einer  schwefelsauren  Diphenyl- 
aminlösung  hinzugefügt  und  einige  Minuten  stehen  gelassen.  Die  Diphenyl- 
aminlösung  stellt  man  sich  her,  indem  man  20  g  Diphenylamin  in  20  cm^ 
verdünnter  Schwefelsäure  löst  und  auf  100  cni^  mit  reiner,  Ivonzentrierter 
Schwefelsäure  auffüllt.  Die  Reaktion  führt  man  am  besten  so  aus,  daß  man 
die  ^lilch  in  einem  Reagenzglas  mit  der  schwefelsauren  Diphenylamin- 
lösung  vorsichtig  unterschichtet. 

Nach  Beiss  und  Sommerfeld  2)  soll  man  vor  allem  darauf  achten,  daß 
die  Flüssigkeiten  sich  nicht  erwärmen. 

Der  Säuregehalt  der  Milch. 

Frische  Milch  reagiert  gegen  Lackmus  amphoter.  Diese  Doppelreaktion 
rührt  w^ch.  tioxMet^)  vom  neutralen  Alkaliphosphat  her,  welches  alkalisch 
reagiert,  und  von  dem  sauren  und  sauer  reagierenden  Alkaliphosphat. 
Durch  Titration  kann  man  den  alkalischen  und  sauren  Anteil  feststellen. 
Er  fäUt  verschieden  aus,  je  nachdem  man  Phenolphtalein.  Lackmoid  oder 
einen  anderen  Indikator  anwendet.  Überhaupt  haben  ..alle  Titrationen  mit 
Indikatoren  nur  einen  konventionellen  Wert"   {Baudnitz^). 

Die  wahre,  absolute  Reaktion  (nach  van  Dam '")  der  potentielle  Säure- 
grad) hängt  von  der  Konzentration  der  Wasserstoff-  und  Hydroxyl-Ionen 
ab,  und  zwar  von  dem  Verhältnis  des  Gehaltes  der  Wasserstoff-Ionen  zum 
Gehalt  der  Hydroxyl-Ionen  (Fricdenthal). 

Foä  ß)  hat  denn  auch  mittelst  der  elektrometrischen  Bestimmung  nach- 
gewiesen, daß  die  Reaktion  der  frischen  Kuhmilch  fast  neutral  ist. 

^)  Egger  und  Möslinger,  Die  Diphenylaminreaktion  zum  Nachweis  der  Salpeter- 
säure in  der  Milch.  Bericht  über  die  7.  Versammlung  baj-rischer  Chemiker  in  Speyer. 
Berlin  1889.  S.  82. 

■-)  Sommerfeld,  Handbuch  der  Milchkunde.  296.  1909. 

^)  Soxhlet,  Beiträge  zur  physiologischen  Chemie  der  Milch.  Journ.  f.  prakt.  Che- 
mie. 6.  19.  1872. 

*)  Raudnitz,  Bestandteile,  Eigenschaften  und  Veränderungen  der  Milch  in:  Äsher- 
Spiro,  Ergebnisse  d.  Physiologie.  1903.  303. 

^)  van  Dam,  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Labgeriunuug.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie. 
m.  295.  1909  und  Milchwirtschaftl.  Zentralbl.  5.  154.  1909. 

")  Foa,  Die  Reaktion  der  Milch  und  des  Humor  aqueus.  vermittelst  der  elektro- 
metrischen Methode  untersucht.  Compt.  rend.  soc.  biol.  59.  51.  1905;  zitiei't  nach  Malijs 
•Jahresbericht  d.  Tierchemie.  226.  1905. 


Motliotiik  der  Milcliuiitcrsuchuii;;.  >-•. 

van  Dam  luit  mittelst  der  Restiininiin;,'-  der  olcktroinotorischon  Kraft 
(Konzentrationskette')  den  potentiellen  SiUirc^M-ad  (die  Wasserstoffkon- 
zentration) der  Milch  zu  0-16 — 0*.'52.  K)""  ^^etundcn. 

Der  „konventionelle  Wert"  der  Titration  ist  für  <lir  l'raxis  nicht  zu 
unterschätzen.  Man  kann  an  ihm  durch  Verfrleichsversiichc  unter  Anwen- 
dung eines  bestimmten  Indikators  den  (Jang  der  allmählichen  Milchzer- 
setzung studieren. 

In  Verbindung  mit  anderen  Bestimmungen  kann  liie  Titration  wert- 
volle Aufklärungen  liefern. 

Zur  Ermittlung  des  Säuregehaltes  der  Milch  wendet  man  am  vorteil- 
haftesten die  Methode  von  Soxhlct- Henkel^)  an. 

50  cm^  Milch  tritriert  man  unter  tüchtigem  Schütteln  gegen  Thenol- 

phtalein  (2  cm^  einer  2Voigen  alkalischen  Lösung)  mit  einer  -^  Natronlauge 

bis  zu  einer  schwach-rötlichen  Färbung.  Die  verbrauchten  Kuliikzentimeter 

Lauge  mit  2  multipliziert  geben  die  Azidität   der  .Milch  an  (Säuregrad). 

Thärner^)  und  andere  variierten  die.se  Methode,  indem  sie  entweder 

weniger  oder  eine  verdünnte  Milch  oder  schließlich  eine  ~  Natronlauge  zum 

Titrieren  gebrauchten. 

Die  Resultate  dieser  Methoden  sind  nicht  alle  gleich,  was  selbstver- 
ständlich ist,  da  z.  1).  durch  die  Verdünnung  zwar  der  tatsächliche  (ielialt 
der  Säuren  sich  nicht  ändert,  aber  bei  dem  Farbenumschlag  der  Indikatoren 
eine  Verschiebung  eintritt  (Michaelis  und  lionti,  Frirdcnfhal*). 

^lan  hält  .sich  zweckmäßig  bei  Vergleichsbestiinmiiiigen  an  die  eine 
Methode  (Soxhl et- Henkel). 

Frische  Kuhmilch  verbraucht  im  Mittel  &S — T'ö  cnr^    '  Natronlauge. 

■i 

Läßt  man  die  Milch  an  der  Luft  stehen,  so  beginnt,  wie  schon  er- 
wähnt, allmählich  eine  bakterielle  Zersetzung  (fbergang  von  Milch/ncker 
in  Milchsäure),  sie  wird  sauerund  hat  immer  mehr  Neigunir  zum  (lerinnen. 

Wird  eine  solche  Milch  ei-hitzt,  so  gerinnt  sie.  Darauf  beruht  die  so- 
genannte Kochprobe. 

Man  erhitzt  einige  Kubikzentimeter  Milch  in  einem  Ueagenzgla.s 
unter  Umschütteln  zum  Sieden    mid    überzeugt   sich,   ob   sie  geronnen  i>t. 

Auch  die  Zugabe  von  Alkohol  zur  Milch  wird  als  Kriterium  dafür 
benutzt,  ob  diese  schon  zersetzt  ist  oder  noch  nicht. 

Diese  sogenannte  Alkoholprobe  wird  ausgeführt,  indem  man  Ldeiche 
Teile  Milch   und  Alkohol  (GS  vol.-"  oig)    in    «'inem  lleagenzglas    nnter    Um- 


')  Sielie  Friedcnfhal,  Bd.  1.  553  der  Arbeitsmethoden. 

=)  Soxhht  und  Henkel,    Titrationsapparat  znr  Bestininunifj    des  SäiirepolL-iltes  der 
Milch  nach  neuer  Methode,    ref.  Chcni. /entralM.  2^1'^.  18S7    und   Hfnke},    Dir    «    ■ '••  ,t 
der  Milch,  deren  Beziehungen  zur  Gerinnung  beim  Kochen  und  mit  .\lkohol,  u 
bestimmuugsmethode,  der  Nerlauf  der  Säuerung.  Milchwirtschaft!.  Zentralld.  3.  340.  llfUT. 

')  Thörncr,  Zur  Milchsäureliestimmung.   Chcm.  Zeitung.   If).  I4t'.'.)    IS'VJ. 

*)  Siehe  Bd.  1  u.  3  dieses  Ilandlmches. 


474  E.  F.  Edelstein. 

schütteln  mischt  und  feststellt,  ob  innerhalb  einer  Minute  eine  Gerinnung- 
eintritt. 

Außer  der  Milchsäuregärung  findet  in  der  sich  zersetzenden  Milch, 
durch  anärobe  Bakterien  veranlaßt,  die  sogenannte  Buttersäuregärung 
statt.  Dabei  entstehen  flüchtige  Fettsäuren,  wie  Buttersäure,  Propionsäure, 
Essigsäure.  (Übrigens  entwickeln  auch  ]\Iilchsäurebildner  gleichzeitig  flüchtige 
Säuren  in  nicht  geringer  Menge,  i) 

Um  den  qualitativen  und  quantitativen  Verlauf  der  Bildung  flüchtiger 
Säuren  zu  verfolgen,  genügt  die  Bestimmung  des  Säuregrades  nicht. 

Man  muß  zur  Destillation  greifen,  um  im  Destillate  die  flüchtigen 
Säuren  isoheren  und  bestimmen  zu  können.  Die  bisher  übliche  Wasser- 
dampf-Destillation ist  nicht  ganz  zuverlässig.  Denn  abgesehen  davon,  daß 
auch  Milchsäure  mit  Wasserdämpfen  flüchtig  ist,  ist  bei  dieser  Methode 
eine  Hydrolysierung  des  Fettes  und  der  Eiweißstoffe  der  Milch  und  da- 
durch ein  Zerfall  in  flüchtige  Säuren  nicht  zu  umgehen. 

Eine  von  IVelde  und  vom  Verfasser  ausgearbeitete  Methode^),  die  auf 
der  Verbindung  der  Wasserdampf-  mit  der  Vakuumdestillation  beruht 
(Vakuum-Dampfdestillation),  gestattet  die  flüchtigen  Fettsäuren  ohne  Ge- 
fahr der  Eiweiß-  und  Fettzersetzung  und  getrennt  von  der  Milchsäure  zu 
bestimmen. 

Hier  wird  nur  ganz  kurz  die  Methode  angegeben;  bezüglich  der  theo- 
retischen Begründung  und  praktischen  Ausführung  sei  auf  die  Original- 
arbeiten hingewiesen. 

100  ci)(^  Milch  werden  zunächst  direkt  1  Stunde  lang  bei  einer 
Wasserbadtemperatur  von  60°  destilliert.  Dabei  gehen  die  freien  ^)  flüch- 
tigen Fettsäuren  über.  Nach  einer  Stunde  unterbricht  man  die  Destillation, 
entleert  die  Vorlage  und  destilliert  weiter.  Die  Destillate  werden  getrennt 

mit  einer  —  NaOH  gegen  Phenolphtalein  titriert. 

Diese  getrennte  Titration  gestattet  eine  Kontrolle  der  Destillation. 
Das  zweite  Destillat  darf  höchstens  V3  des  ersten  an  ^  XaOH  ver- 
brauchen. 

Will  man  auch  die  gebundenen  flüchtigen  Fettsäuren  bestimmen,  so 
destiUiert  man  weitere  zwei  Stunden  (je  eine  Stunde,  etwa  700  cm^  Destillat, 
wird  titriert)  unter  Zusatz  von  7 — 10  cm^  Phosphorsäure  (D=l-12). 

Die  Milchsäure  bleibt  bei  dieser  Destillation  im  Rückstand.  Ihre  ge- 
naue quantitative  Bestimmung  ist  noch  nicht  durchgeführt. 


1)  Weigmann,  Mykologie  der  Milcb.  44.  1911;  i/awwars^ew,  Lehrb.  d.  pbysiol. 
Cbemie.  610.  1911. 

^)  E.Weide,  Eine  neue  Metbode  zur  quantitativen  Bestimmung  flücbtiger  Fett- 
säuren. Biocb.  Zeitscbr.  28.  504.  1910.  —  Bahrdt,  Edelstein,  Langstein,  Weide:  Unter- 
sucbungen  über  Pathogenese  der  Verdauungsstörungen  im  Säuglingsalter.  Zeitscbr.  f. 
Kinderheilkunde.  1.  139.  1910. 

")  Und  die  aus  ihren  Salzen  durch  andere,  nicht  flüchtige  Säuren  (z.  B.  Milch- 
säure) freigemachten. 


MetliDiiik  der  .Mililimitcrsiiclmiig.  t-^ 

Schließlich  vereini'^'t  man  iillc  Dostillatc  und  hcstiiiinit  durch  Isolioruni,' 
die  Qualität  und  Quantität  (Sill)orsalzo)  der  Fettsäuren.') 

Die  Destillation  von  2i>i)  cm^  frischer,  roher  Kuh  milch  Qv^Ah: 

Ol  cm3  ^  NaOII ohne  l^)., 

0-7  nii^  ^'J^  NaOH mit   VA\ 

die  Destillation  von  250  cm^  frischer    Frauenmilch   012  <//<«  "    NaOH. 

Diese  Methodik  erliel)t  solbstverständlicli  keinen  Anspruch  auf  \(ill- 
ständii^keit.  Die  hygienische  Seite  der  Untersuclunig  konnte  nur  ganz  kurz 
gestreift  werden.  Bezüglich  der  bakteriologischen  Prüfung  der  Milch  muß 
auf  SpezialWerke,  die  mehr  in  den  Rahmen  der  Mykologie  hin<'ingehören, 
verwiesen  werden. 

Aus  der  Fülle  der  Methoden  wurden  nur  solche  ausgewählt,  denen 
einerseits  eine  geschichtliche  Hedeutung  zukommt,  die  aber  trotzdem  in 
manchen  Fällen  gut  anwendbar  sind.  Andrerseits  sind  nur  ganz  sichere 
in  der  Praxis  erprobte  Verfahren  angegeben  worden.  Fndlicli  ist  auch  die 
neueste  Literatur  berücksichtigt.  Die  ihr  entnommenen  Bestimmungsmo- 
thoden  konnten  auf  ihre  Tüchtigkeit  noch  nicht  nachge[)rüft  werden  und 
gelten  wohl  nur  als  Hinweis  auf  die  Möglichkeit  einer  Verbesserung  oder 
einer  Vereinfachung  der  bisher  bekannten  Methoden. 

Bei  schnell  orientierenden  Analysen  (für  Milchliyürieniker  und  Milch- 
praktiker) kommen  folgende  Bestimmungen  in  Betracht : 

1.  Spezifisches  Gewicht  mit  dem  Laktodeusimeter  nach  So.rhlrt. 

2.  Fett  (nach  Gerber  am  schnellsten  und  für  \'ollmilch  genau  genug). 


t} 


Trockensubstanz:  Handelt  es  sich  um  normale  Kuhmilch,  so  er- 
mittelt man  die  Trockensubstanz  aus  der  Fleisehnimw^^chon  Formel,  in  die 
man  die  gefundenen  Werte  von  Fett  und  spezifischem  (Jenicht  einsetzt. 
Sonst  mujj  man  durch  P^indampfen  die  Trockensubstanz  bestimmen,  kom- 
biniert aber  zugleich  diese  Bestimmung  mit  der  Frmittlung  des  Fette.s. 
Dadurch  fällt  natürlich  die  erste  Fettbestimmung  weg.  Man  spart  insofern 
an  Material,  indem  man  die  in  einem  ro//r/sclieii  Schiffchen  eingedampfte 
Milch  bei  lOo"  trocknet  (im  .S'o./7//r/schen  Trockenofen)  und  nach  Fest- 
stellung der  Trockensubstanz  mit  wasserfreiem  Äther  extrahiert  und  so 
das  Fett  bestimmt. 

4.  Säuregrad  nach  Soxhlet-Hetdel. 

5.  Farbe,  Geruch,  Geschmack.  Alkohol-  und  Kochprolie,  llenzidniprobe. 
Es    ist    selbstverständlich,    dal)    sich    daran    eine    Keim/iddum:    der 

Milch,    oft  auch  die  bakteriologische  rntersurhuug  anschliel^eu  luui.. 

Bei  Analysen   für  Stoffwechsel    und    andere  Versuche    wird  man  be- 
stimmen : 


')  Pringsheim,  Bd.  2  dieses  Himdb.    und  liöhumn».    im   Kapifrl    IVtt    IM.  2  dir^w 
Handb. 


476  E.F.Edelstein.  Methodik  der  Milcbuntersuchung. 

1.  Spezifisches  Gewicht. 

2.  Fett  nach  Gottlieb-Böse. 

3.  Trockensubstanz. 

4.  Gesanitstickstoff  nach  Kjeldahl. 

5.  Gesamteiweißgehalt  nach  Ritthauseih 

6.  Das  Filtrat  davon  (je  100  cm^)^)  wird  für  die  Laktosebestimmung 
verwendet  (Gewichtsanalytisch  nach  Soxhlet). 

7.  Kasein  und  Albumin  nach  Hoppe-Seijler  oder  für  Frauenmilch  nach 
der  Modifikation  \o\\  Schmidt. 

8.  Gesamtasche  und  Mineralanalyse. 

Nimmt  man  für  die  Trockensubstanz  25  cm^,  so  kann  man  damit 
auch  die  unter  8.  aufgezählte  Analyse  bestimmen. 

Insgesamt  wird  man  mit  160 — 180  crn^  Material  auskommen. 

Ergänzend  sei  noch  darauf  hingewiesen,  daß  die  Milch  keine  homo- 
gene Lösung  ist.  Eine  richtige  Durchschnittsprobe  ist  infolgedessen  für  die 
Genauigkeit  der  Analysen  eine  primäre  Forderung. 

Für  Stoffwechselversuche  können  Milchproben  und  verschiedene  Milch- 
mischungen in  großen  Molkereien  gleichmäßig  gemischt  und  steriUsiert 
werden. 

So  hergestellt,  sind  sie  lange  Zeit  haltbar. 


')  Und  zwar  das  Filtrat  ohne  Waschwasser! 


Fettbestiiiiiiiuiig-  iiacli  Kuiiiagawa-Suto. 

Von  MuiHM)  Kuimigawa,  Tokio. 

1.  Begründung  unseres  Verseifungsverfahrens  als  Fett- 

bestimmungsmethode. 

Wir  bestimmen  mit  unserer  Methode  ausschließlich  die  Menge  der 
hochmolekularen  Fettsäuren  im  tierischen  Material  ohne  Rücksicht  darauf, 
welchen  Verbindungen  diese  angehören.  Unter  den  tierischen  Bestandteilen 
ist  gegenwärtig  eine  ganze  Reihe  von  Verbindungen  bekannt,  welche  im 
^loleküle  Fettsäureradikale  enthalten.  Dahin  gehören  Neutralfett.  Lezithin, 
Kuorin,  Seife,  Protagon,  Zerebrin,  Cholesterinester,  Jekorin,  Myelin,  Lezith- 
albumin  usw.  Mit  dem  Fortschritte  der  Biochemie  scheinen  immer  noch 
neue  Zellenbestandteile  entdeckt  zu  werden,  die  zur  Gruppe  der  Phospha- 
tide respektive  der  Lipoidsubstanzen  gehören.  Die  meisten  davon  enthalten 
ebenfalls  im  Moleküle  Fettsäureradikale.  Nach  unserer  ^Methode  werden 
nun  alle  genannten  Verbindungen  zunächst  in  ihre  einzelne  Komponenten 
zerlegt  und  hieraus  wird  die  Gesamtmenge  der  hochmolekularen  Fettsäuren 
quantitativ  ermittelt.  Im  strengen  Sinne  ist  demnach  unser  Verfahren  keine 
Fettl)estimmungsmethode,  sondern  ein  Verfahren  zur  (piantitativen  Be- 
stimmung der  gesamten  hochmolekularen  Fettsäuren  im  tierischen  Material. 
Fragt  man  indessen  darnach,  was  man  eigentlich  mit  den  bisher  bekannten 
Methoden  bestimmt,  so  würde  darauf  keiner  der  Autoren  eine  klare  Ant- 
wort geben  können.  Außer  der  Verseifungsmethode  von  Liehtrmann-Szekdy  ^) 
haben  fast  alle  übrigen  Fettbestimnmngsmethoden  das  Ziel,  aus  dem  Organ- 
pulver die  in  Äther  respektive  Petroläther  löslichen  Substanzen  ad  maximum 
auszuziehen.  Das  so  gewonnene  Extrakt  bezeichnet  man  als  Fett;  allein  es 
wird  von  dem  einen  oder  anderen  Extraktionsmittel  viel  zu  viel  verlangt, 
wenn  es  aus  den  unzähligen  \'erl)indungen  tierischen  Materials  nur  Neutral- 
fett  oder  Verbindungen  mit  Fettsäurerailikalen  (der  Kürze  halber  Lipoid- 
substanzen genannt),  und  zwar  genau  (juanlitativ  ausziehen  soll.  Als  natür- 
liche Folge  davon  hat  sich  nach  unseren  Untersuchungen  -)  herausgestellt, 
daß    alle    diejenigen   Methoden,    welche    sich    besonders   hoher  Ausbeutt'n 


')  V.  Lichcnnann  uml  Szekclij,  Eiue  neue  Metliodo  der  Fottbi'stiuiinuiif:  in  Fnttrr- 
mitteln,  Fleisch,  Kot  usw.  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.  72.  300  (189.S). 

■-)  Kiimagawa-Suto,  Fettbestinmuing.  Zcitschr.  f.  Bioch.  8.  212  (19U8). 


478  ^-  Kumagawa. 

erfreuen,  wie  die  Alkohol-Chlorofonnmetliode  von  G.  Rosenfeld'^),  die 
Alkoholmethode  von  E.  Bogdanow-)  usw.  Ätherextrakte  liefern,  die  17'4  bis 
46%  an  Verunreinigungen  einschließen.  Trotzdem  entgehen  noch  über 
10%  der  hochmolekularen  Fettsäuren  der  Bestimmung,  indem  dieselben  im 
extrahierten  Pulverrückstande  zurückbleiben.  Andere  Methoden,  welche  aller- 
dings viel  feineres  Fett  mit  ca.  5%  Beimengungen  liefern,  wie  die  Me- 
thode der  direkten  Ätherextraktion  von  Soxhlef,  von  E.  Voif  3),  diejenige 
der  direkten  Petrolätherextraktion  von  W.  Glik'm^)  usw..  vernachlässigen 
ebenfalls  gegen  lO^/o  der  hochmolekularen  Fettsäuren.  Die  Verdauungs- 
methode von  Pßüger-Dormeyer  ^j,  welche  diesen  Verlust  zu  vermeiden 
bezweckte,  nimmt  leider  von  neuem  so  beträchtliche  Beimengungen  auf, 
daß  dieselben  16*7 — 40%  tles  Ätherextraktes  ausmachen.  Trotzdem  ent- 
gehen auch  bei  dieser  Methode  über  lO^/o  der  Fettsäuren  der  Bestimmung. 
Diese  Ergebnisse  geben  uns  Beweisstücke  dafür,  daß  alle  diejenigen  Me- 
thoden, welche  Tierfett  ohne  Beimengung  aus  dem  Organpulver  quantitativ 
auszuziehen  bezwecken,  Unmögliches  anstreben.  Die  Verseifungsmethode 
von  V.  Liehermann- Sz^kely ,  die  dem  Prinzip  nach  unter  den  bisher  be- 
kannten Methoden  der  Fettbestimmung  als  die  richtigste  bezeichnet  werden 
darf,  leidet  wiederum  daran,  daß  sie  eine  viel  zu  große  Menge  niederer  Fett- 
säuren mitbestimmt.  Auch  bei  dieser  Methode  entgehen  zudem  noch  etwa 
9%  der  hochmolekularen  Fettsäuren  der  Bestimmung. 

Demnach  gestatten  uns  keine  der  bisher  gekannten  Fettbestimmungs- 
methoden, aus  dem  tierischen  Material  das  Neutralfett  allein  quantitativ 
zu  isolieren.  Umsoweniger  sind  wir  imstande,  die  einzelnen  Verbindungen 
mit  Fettsäureradikalen  getrennt  zu  bestimmen.  Sollte  es  uns  einstweilen 
auf  irgend  eine  Weise  geUngen,  sämtliche  Lipoidsubstanzen  ohne  Beimen- 
gung aus  dem  Organpulver  quantitativ  auszuziehen,  so  würde  das  so  ge- 
wonnene Extrakt  doch  ein  Gemenge  von  Verbindungen  mit  grundver- 
schiedenen Molekül argrößen  darstellen,  das  in  keiner  Hinsicht  eine  ver- 
gleichbare Einheit  bildet  und  daher  unmöglich  einfach  als  Fett  bezeichnet 
werden  darf.  Was  für  die  genannten  Verbindungen  einzig  gemeinsam  ist,  das 
sind  nur  die  hochmolekularen  Fettsäuren.  Demnach  bilden  die  letzteren  allein 
für  diese  Gruppe  von  Verbindungen  gemeinsame  charakteristische  Bausteine. 

Zu  den  biologisch  bedeutsamen  Fragen  muß  zurzeit  unzweifelhaft 
auch    das  Problem    der    Fettbildung    aus    Eiweiß    im    Tierkörper    gezählt 


*)  G.  Rosenfeld,  Zur  Methodik  der  Fettbestimmung.  Zeutr.  f.  iuu.  Med.  21.  Nr.  83. 
833.  (1900). 

^)  E.  Bogdanow,  Xeue  Methode  der  Fettbestimmung  in  tierischen  Substanzen, 
Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.  68.  431.  (1897.) 

*)  E.  Voif,  Ein  Beitrag  zur  Methode  der  Fettbestimmung.  Zeitschr.  f.  Biolog. 
35.  555.  (1897.) 

*)  W.  Glikin,  Untersuchungen  zur  Methode  der  Fettbestimmung  in  tierischem 
Material.  Arch,  f.  d.  ges.  Physiol.  94.  107.  (1903.) 

^)  E.  Pflüger,  Über  die  Entstehung  von  Fett  aus  Eiweiß  im  Körper  der  Tiere.  Arch. 
f.  d.  ges.  Physiologie.  51.  277.  (1892.)  —  Bormeyer,  Die  quantitative  Bestimmung  von  Fetten, 
Seifen  und  Fettsäuren  in  tierischen  Organen.  Arch.  f.  d.  ges.  Physiologie.  65.  90.  (1897.) 


Fettitostimmung  nach  Kumagawa-Suto.  479 

werden.  Zur  Entscheidung^  dieser  Frage  ist  gerade  eine  exakte  Feststellung 
der  hochmolekularen  Fettsäuren  allein  maßgebend,  wie  unter  anderem  auch 
F.  Sieytrt^)  darüber  folgendermalien  sich  iiul'iert:  ,.Die  fettige  Degeneration 
der  pathologischen  Anatomen  kann  nur  P.ezug  haben  auf  die  Bildung 
wasserunlöslicher  Fette  oder  Fettsäuren,  nicht  aber  auf  die  Bildung  der 
niedersten  Fettsäuren,  welche  als  solche  und  in  ihi-en  (Jlyzeriden  noch 
mehr  oder  weniger  wasserlöslich  sind,  ebensowenig  auf  Milchsäure  und 
andere  Oxysäuren,  welche,  obgleich  ätherlöslich,  doch  an  dem  histologischen 
Bilde  der  fettigen  Degeneration  sicher  keinen  Anteil  nehmen.  Der  Nach- 
weis echter  Fettbildung  muli  also  hinauslaufen  auf  einen  Nachweis  der 
Entstehung  hoher  Fettsäuren,  nicht  etwa  bloß  einer  Zunahme  des  Äther- 
extraktes." /'.  Krems-)  sagt  darüi)er  ebenfalls:  „Die  maßgebende  chemische 
Leistung  bei  der  Fettbildung  im  Organismus  ist  ausschließlich  die  Ent- 
stehung der  höheren  Fettsäuren." 

Demnach  steht  es  fest,  daß  die  Entscheidung  der  Fettbildungsfrage 
aus  Eiweiß  im  Organismus  ohne  einwandfreie  Bestimmung  sämtlicher  hoch- 
molekularen Fettsäuren  ganz  unmöglich  ist.  Leider  sind  alle  bisherigen 
Untersuchungen,  welche  sich  mit  dieser  Frage  beschäftigt  haben,  mit 
mangelhaften  Methoden  angestellt  worden.  Daher  bedürfen  die  bis  jetzt 
gewonnenen  Resultate  betreffs  genannter  Fragen  einer  erneuten  Revision 
mittelst  einwandfreier  Methoden. 

Wenn  wir  somit  vorschlagen,  zur  Fettbestimmung  tierischen  Materials 
die  hochmolekularen  Fettsäuren  allein  zu  berücksichtigen,  so  wird  dies  jedem 
Unbefangenen  im  ersten  Augenblicke  etwas  befremdend  erscheinen,  weil  das 
tierische  Neutralfett  regelmäßig  Triglyzeride  hoher  und  niedriger  Fettsäuren 
darstellt.  Zieht  man  indessen  die  Zusammensetzung  des  Tierfettes  etwas 
genauer  in  Betracht,  so  wird  man  leicht  einsehen,  daß  unsere  Auffassung 
durchaus  begründet  und  zweckmäßig  ist.  Überblickt  man  in  dem  Werke 
der  Fettchemie  von  Beuediixt-lJher  sowie  im  Buche  von  Leivkuu-itscJi  die 
sogenannten  i/c//« ersehen  Zahlen,  welche  bekanntlich  die  Menge  der  wasser- 
unlöslichen, also  hochmolekularen  Fettsäuren  in  100  fj  Neutralfett  angeben, 
so  betragen  diese  bei  Säugetieren  im  Mittel  95'7.  Demnach  besteht 
das  Neutralfett  der  meisten  Säugetiere  zu  OöwVo  iius  hochmolekularen 
Fettsäuren.  Die  fehlenden  4'i5«/ü  gehören  dem  (Jlyzerin  und  den  niederen 
Fettsäuren  an.  Die  Menge  der  letzteren  läßt  sich  aus  der  Beicherf-Meißlschen 
Zahl  leicht  berechnen.  Sie  beträgt  beim  Säugetierfett  im  Mittel  0'765. 
Rechnet  man  sie  auf  Buttersäure  um,  so  erhält  man  0*135"/o  des 
Neutralfettes.  Ausgenommen  Buttei'fett,  einige  Tranarten  und  Pflanzen- 
öle, enthält  also  das  Neutralfett  flüchtige  Fettsäuren  in  der  Regel  in  einer 
so  geringen  Menge,  daß  man  sie  für  die  gewöhnliche  Analyse  ohne 
merklichen  Fehler  ganz  vernachlässigen  kann.  Demnach  halten  wir  es  für 


')  F.  Siegert,  Das  Vorhalten  des  Fettes  bei  der  Antolysc  dor  l.ohor.  Boitr.  z. 
ehem.  Physinl.  u.  Pathol.  1.  114.  (1901.) 

*)  F.  Kraus-,  Üher  FettdoironcrutiuM  und  Fettinfiltration.  Verhdi.  d.  Deutsch,  pathol, 
-Ges.  1903.  45. 


480  M.  Kumagawa. 

berechtigt  und  zweckmäßig,  die  fehlenden  4"3"/o  ganz  als  Glyzerin  in  An- 
schlag zu  bringen  und  den  durch  unsere  Verseif ungsmethode  festgestellten 
Wert  der  hochmolekularen  Fettsäuren  aus  praktischen  Gründen  durch 
]\lultiplikation  mit  dem  Faktor  1"046  in  Neutralfett  anzugeben,  obwohl  tat- 
sächlich ein  nicht  geringer  Teil  derselben  in  Form  von  anderen  Lipoid- 
substanzen  oder  Phosphatiden  existiert. 

In  der  Stoffwechsel-  und  Ernähriingsphysiologie  hat  sich  seit  Jahr- 
zehnten der  Modus  eingebürgert,  die  Menge  der  Eiweißk(irper  aus  Stick- 
stoff und  die  der  Kohlenhydrate  aus  der  Reduktionskraft  zu  berechnen, 
weil  ihre  quantitative  Isolierung  in  den  meisten  Fällen  fast  unmöglich  ist. 
Nur  die  Fettbestimmung  wurde  in  dieser  Hinsicht  stiefmütterlich  be- 
handelt. Der  tief  eingewurzelte  Irrtum,  daß  sich  das  Fett  allein  durch 
einfache  Extraktion  aus  dem  Organpulver  genau  quantitativ  isolieren  lasse, 
hat  uns  bis  jetzt  zu  groben  Fehlern  Veranlassung  gegeben.  Dieser  Irrtum 
ist  um  so  auffiiUiger,  als  die  indirekte  Fettbestimmung  von  hochmolekularen 
Fettsäuren  aus  ihrer  größeren  Stabilität  und  ihres  größeren  Prozentgehaltes 
halber  ungleich  sicherer  und  genauerer  ist,  als  die  indirekte  Bestimmung 
von  Eiweißkörpern  oder  Kohlehydraten. 

Demnach  glauben  wir  wohl  mit  Recht,  daß  die  quantitative  Fest- 
stellung hochmolekularer  Fettsäuren  zurzeit  unzweifelhaft  die  rationellste 
Fettbestimmungsmethode  ist  und  unsere  Verseifungsmethode  für  die  quan- 
titative Untersuchung  der  Lipoidsubstanzen  unter  allen  Umständen  die 
erste  Grundlage  bildet.  Wenn  hierzu  noch  in  der  Zukunft  Methoden  aus- 
gearbeitet werden,  welche  uns  gestatten,  etwa,  wie  nach  dem  Vorgange  von 
Ä.  Erlandsen  i),  einzelne  Phosphatide  und  sonstige  Lipoidsubstanzen  quantita- 
tiv zu  isolieren,  so  würde  man  erst  dann  ein  klares  Bild  erhalten,  in  welcher 
Verteilung  sich  die  Fettsäureradikalen  an  dem  Aufbau  der  Zellen  beteiligen. 

II.  Beschreibung  der  Methoden. 

Seit  der  Publikation  unserer  Verseifungsmethode  haben  wir  bis  jetzt 
öfters  Gelegenheit  gehabt,  dieselbe  in  verschiedenen  Fällen  anzuwenden. 
Nach  diesen  Erfahrungen  haben  wir  es  für  zweckmäßig  gefunden,  unsere 
Methoden  in  zwei  Formen  zu  teilen : 

1.  Direkte  Verseif ung. 

2.  Alkoholextraktion  mit  nachfolgender  Verseifung  des  Alkohol- 
extraktes. 

Hiervon  ist  indessen  die  direkte  Verseifung  weitaus  in  den  meisten 
Fällen  vorzuziehen.  Sie  stellt  die  Originalform  dar,  während  die  zweite 
als  eine  Modifikation  der  ersteren  anzusehen  und  nur  in  den  Fällen 
anzuwenden  ist,  wo  die  erstere  nicht  glatt  zum  Ziele  führt.  Daher  brauche 
ich  im  Folgenden  nur  die  erstere  etwas  genauer  zu  beschreiben.  Die  Aus- 
führung der  zweiten  Methode  ergibt  sich  dann  meist  ohne  weiteres. 


1)  A.  Erlandsen,  Uutersuchuugen  über  die  lezithinartigeu  Substanzen  des  Myokards 
und  der  quergestreiften  Muskeln.  Zeitschr.  f.  d.  pbysiol.  Chem.  51.  71.  (1907.) 


Fettbestimmung  nach  Kumagawa-Suto. 


481 


Dampfbad.  •  g  nat.  Gr. 


Fig.  120. 


1.  Direkte  Verseifung. 

Je  nach  dorn  Umstände  kann  man  das  Material  entweder  in  feuchtem 
Zustande  oder  in  Tulvcrform  verseifen.  Nur  muß  man  hier  von  Anfaii}»: 
an  darauf  achten,  dali  die  Konzentration  der  Verseifungslauge  in  allen 
Fällen  ungefähr  dieselbe  bleibt,  damit  die  bei  der  folgenden  Übornontrali- 
sation  des  Verseifungsgemisches  mit  Säure  stets  auftretende  Ausscheidung 
sich    ganz   glatt    und    vollständig    verdichtet.     Wenn    man    Organbrei    im 

feuchten  Zustande  verseift, 
nimmt  man  je  nach  dem 
Fettgehalt »)  5—20^  Substanz 
für  eine  Bestimmung  und  gibt 
hierzu  ca.  7 — >^cm'''  gesättigter 
Natronlauge  (l'oD  —  stets 
mit  einem  kleinen  Meßzylinder 
abzumessen).  Zu  der  Probe 
von  ca.  bg  Brei  setzt  man 
außer  Lauge  noch  etwa  14  cm^ 
Wasser  und  zu  derjenigen  von 
ca.  10  g  Brei  entsprechend 
etwa  lOcw/^  Wasser  hinzu  usw. 
Über  20^  Brei  ist  kein  Wasser- 
zusatz mehr  nötig.  Handelt 
es  sich  um  die  Verseifung  des 
getrockneten  Organpulvers,  so 
nimmt  man  je  nach  dem 
Fettgehalt  2 — bg  desselben 
und  gibt  zweckmäßig  2b  cm^ 
fünffacher  Normalnatronlauge 
( 20g  NaH( )  in  100  nii^)  hinzu. 
Die  \'erseifung  geschieht 
nun  in  der  Weise,  daß  die  in 
einem  Becherglas  von  150  bis 
200 cws  Rauminhalt  mit  Lauge 
versetzte  Substanz  auf  dem 
Wasserbade  zwei  Stunden  zer- 
kocht wird.  Zweckmäßig  be- 
deckt man  das  Becherglas 
mit  einer  nach  oben  zu  einer 
feinen  Öffnung  zugespitzten  Glasglocke  (Fig.  119).  Die  Temperatur  steigt 
im  Innern  derselben  überall  auf  100"  G.  Während  der  Verseifung  wird 
die  Mischung  ein  paar  Mal  mit  einem  Glasstab  umgerührt.  Schon 
nach    etwa    10  Minuten    erfolgt    eine    gleichmäßige    Auflösun":    der    Sub- 


Asbestfilter. 

"j  nat.  Gr. 

A  =  Asbest. 

ir  =  entfettete 

Watte. 


')  Die  zweckniäßipp  Meiit^e  liochm(»lcUulaicr  Fettsäuren,  welche  für  eine  Bestim- 
muug  in  Wagiuij,'  kommt,  betrugt  gegen  {)2~0'd(j. 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemiechen  Arbeitsmethoden.  V.  31 


482  ^-  Kumagawa. 

stanz  bis  auf  wenige  Flocken.  Nach  etwa  zweistündigem  Zerkochen 
wird  die  Lösung  noch  warm  in  einen  hermetisch  scliließenden  Scheide- 
trichter von  ca.  250  cw3  Rauminhalt  hineingebracht.  Das  Becherglas 
wird  2 — 3mal  mit  ein  wenig  warmem  Wasser  (etwa  5  cm^)  ausgespült. 
Nun  wird  die  Mischung  mit  30 cm^  20^/oigeY  Salzsäure  (M  D)  überneutrah- 
siert.  Zu  dem  Zwecke  werden  am  besten  nach  dem  Erkalten  des  Trichters 
bis  auf  etwa  40 — 50"  C  zunächst  20cm^  der  Säure  hineingegossen,  dann  wird 
tüchtig  geschüttelt  und  mittelst  Leitungswassers  gut  abgekühlt.  Alsdann  werden 
die  übrigen  10  cw^  der  Säure  zugegeben  und  ganz  ebenso  weiter  behandelt, 
wie  vorher.  Es  tritt  dabei  eine  reichliche  Ausscheidung  auf.  Nach  guter 
Kühlung  werden  nun  70 — 100  cm »  Äthyläther  hinzugegeben  und  tüchtig 
geschüttelt.  Tennung  erfolgt  meist  sofort.  Der  Niederschlag  verdichtet 
sich  hierbei  zu  einer  dünnen  Schicht  in  der  Mitte.  Die  klare  wässerige 
Schicht  wird  nach  einigen  Minuten  abgegossen.  Der  bräunlich  ge- 
färbte Äther  wird  vorsichtig  in  ein  Becherglas  umgegossen.  Der  Trichter 
mit  Niederschlag  wird  zweimal  mit  ein  wenig  Äther  (5 — 10 cui^)  aus- 
gespült. Der  Niederschlag  wird  alsdann  mit  etwa  bcm^  Normalnatron- 
lauge unter  L^m schütteln  nochmals  aufgelöst.  Diese  alkalische  Lösung  wird 
von  neuem  mit  30 — ÖOcm^  Äther  tüchtig  geschüttelt.  Hierzu  wird  jene 
stark  saure  wässerige  Lösung  der  ersteren  Schüttelung  hinzugebracht  und 
nochmals  gut  geschüttelt.  Die  Reaktion  wird  hierbei  sauer  und  die 
restierende  Fettsäure  geht  hierbei  quantitativ  in  den  Äther  über.  Durch 
wiederholte  Prüfung  wurde  festgestellt,  daß  sowohl  in  dem  neu  aus- 
geschiedenen ganz  geringen  Niederschlage  wie  auch  in  dem  Schüttelwasser 
keine  Spur  Fettsäure  mehr  zurückbleibt.  Der  vereinigte  Äther  wird  ver- 
dunstet, dann  nochmals  mit  absolutem  Äther  aufgenommen,  durch  Asbest- 
filter (Fig.  120)  abfiltriert  und  verdunstet  (zum  Verdunsten  bedient  man 
sich  am  zweckmäßigsten  der  Einrichtung  Fig.  121).  Das  so  dargestellte 
Ätherextrakt,  das  außer  Fettsäuren  P'arbstoff,  Milchsäure  und  noch 
unbekannte  Beimengungen  enthält,  wird  jetzt  einige  Stunden  bei  öO''  C 
gut  getrocknet  und  erst  dann  mit  Petroläther  extrahiert.  Zu  dem  Zwecke 
gießt  man  am  zweckmäßigsten  auf  das  noch  warme  Ätherextrakt  aus  dem 
Trockenschrank  sofort  etwa  20—30«^/^  Petroläther  unter  sanftem  Um- 
schwenken des  Becherglases  allmählich  hinzu.  Es  tritt  hierbei  in  der  Regel 
eine  milchige  Trübung  auf.  Das  Becherglas  wird  jetzt  mit  einem  Uhrglas 
bedeckt  Va — 1  Stunde  stehen  gelassen ,  wobei  der  größte  Teil  der  emulsions- 
artigen Ausscheidung  sich  harzartig  zu  Boden  niederschlägt.  Hierauf  wird 
der  Petroläther  in  ein  vorher  abgewogenes  Becherglas  von  ca.  100  cm^ 
Rauminhalt  durch  Asbest  abfiltriert,  das  farblose  Filtrat  verdunstet  und 
bei  50°  C  bis  zur  Gewichtskonstanz  getrocknet.  Diese  wird  nunmehr  in 
kurzer  Zeit  erreicht.  Eine  genügende  Trocknung  des  Ätherextraktes  vor  der 
Aufnahme  desselben  in  Petroläther  ist  ganz  besonders  wichtig,  um  die 
Fettsäuren  in  reiner,  farbloser  Form  zu  erhalten.  Hierzu  ist  auch  die  Vor- 
sicht unerläßlich,  daß  sowohl  der  letzte  Äthyläther  \^1e  der  Petroläther 
absolut  rein  und  trocken  sind.  Es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  daß   hoch- 


Fottbestimmuiig  nach  Kumagawa-Suto. 


483 


molekulare  Fettsäuren  heim  Trocknen  l)ei  einer  hohen  Temperatur  infolge 
der  Oxydation  mehr  oder  wenif^er  eine  Gewichtsveränderung  zeigen.  Wir 
haben  indes  durch  wiederholte  Kxtraversuche  festgestellt,  daß  diese  Oewichts- 
änderung  bei  öö"  ('  und  bei  einer  Trockendauer  von  einiger  Stunden  fast 
unmerklich  ist,  wenn  die  Fettsäuren  rein  genug  sind.  Daher  haben  wir 
vom  umständlichen  \'erfahren  der  Trocknung  in  Kohlensäure-  respektive 
Leuchtgasatmosphäre  Abstand  genommen.  \'or  jedei'  Wägung  wurde  indes 
das  Becherglas  mit  Extrakt  im  evakuierten  Exsikkator  mit  eingelegtem 
Chlorkalzium  erkaltet. 


FiR. 121. 


Einrichtung  zum  Verdiinstpn  der  leicht  siedenden  Flüssigkeiten  mit 

Thi»rin()rpgulator  und  Ventilator.  '  u  nat.  Gr. 

S/  =  Stativ.   Tr  =  Transmission.  1'=  Ventilator.  55  =  Schiitzscheibe. 

U'6  =:  Wasserbad      mit     Holzbifttüburzntf.     R  —  Thermoregniator. 

U'=  Wasser.  5  =  Drahtsicbmantel.  Br  =  Bunsenbrenner.  B  =  Becher 

mit  Äther,  res.  Petroläther. 

Die  so  dargestellten  Petrolätherextrakte  enthalten  stets  etwas  Chole- 
sterin und  eine  noch  unbekannte  unverseifbare  Substanz  in  ganz  geringer 
Menge.  Es  ist  deshalb  nötig,  die  beiden  letzteren  von  den  Fettsäuren  zu  trennen. 

Quantitative  Trennung   der   unverseifbaren   Substanzen  (Chole- 
sterin  +  X)  von  den  Fettsäuren. 

Dieses  \erfahren  stellt  gleichzeitig  eine  neue  Methode  zur  ([uanti- 
tativen  Bestimmung  des  Cholesterins  dar,  weil  die  Menge  der  unbekannten 
Substanz  in  den  meisten  Fällen  anscheinend  sehr  klein  ist  und  dieselbe 
bei  allen  bisherigen  Methoden   der  Cholesterinbestimmung   stillschweigend 

auch  mitbestimmt  worden  ist. 

31* 


484  M.  Kumagawa. 

Das  nach  der  Verseifung  gewonnene  Petrolätherextrakt  wird  noch- 
mals in  Petroläther  aufgelöst,  in  einen  Scheidetrichter  hineingebracht  und 
das  Becherglas  gut  ausgespült,    so  daß  der  hierzu  verwendete  Petroläther 

N 
im   ganzen    etwa    50 — 70  cm»    beträgt.    Dazu    wird  —  absolut-alkohohsche 

Kalilauge  in  einer  solchen  Menge  hinzugegeben,  daß  diese  einem  etwa  30-  bis 
40fachen  Volumen  des  ursprünglichen  Petrolätherextraktes  entspricht.  Die 
Mischung  wird  einmal  tüchtig  geschüttelt.  Es  entsteht  hierbei  stets  eine 
absolut  klare  Auflösung.  Hierzu  wird  ebensoviel  Wasser  hinzugefügt,  wie 
die  zugesetzte  Menge  Kalilauge ,  und  ein  paar  Mal  geschüttelt.  Indem  hier- 
durch die  Konzentration  des  Alkohols  auf  ungefähr  50«/o  sinkt,  erfolgt 
jetzt  sofort  eine  glatte  Trennung  der  oberen  Petroläther-  und  der  unteren 
Alkoholwasserschicht.  Dabei  bleiben  die  unverseifbaren  Substanzen  im  Petrol- 
äther zurück,  während  die  Seife  in  die  untere  Alkohohvasserschicht  über- 
geht. Die  abgetrennte  alkoholische  Seifenlösung  wird  noch  einmal  mit 
30 — 50  cm3  neuen  Petroläthers  geschüttelt.  Der  vereinigte  Petroläther  wird 
verdunstet  und  der  Rückstand  durch  die  Nachbehandlung  von  der  geringen 
Menge  beigemengter  Fettsäuren  vollkommen  befreit.  Zu  diesem  Zwecke 
wird  das  Petrolätherextrakt  nochmals  in  ein  wenig  absoluten  Alkohol  auf- 

gelöst,  jetzt  mit  0*5 — l'O cni^  —  absolut-alkoholischer  Natronlauge  ver- 
setzt, wiederum  auf  dem  Wasserbade  verdunstet  und  15 — oO  Minuten  bei 
100"  C  getrocknet.  Der  Pvückstand  wird  noch  heiß  mit  Petroläther  extra- 
hiert, durch  Asbest  abfiltriert,  verdunstet  und  nunmehr  bei  100"  C  bis 
zur  Gewichtskonstanz  getrocknet.  Das  so  dargestellte  Extrakt  stellt  ein 
Gemenge  von  Cholesterin  und  noch  unbekannter  unverseifbarer  Substanz 
dar,  deren  Trennung  zurzeit  uns  noch  nicht  gelungen  ist. 

Wie  im  Eingange  angeführt,  ist  nur  ein  Teil  der  von  uns  darge- 
stellten Fettsäuren  als  Triglyzeride  vorhanden.  Die  übrigen  sind  in  ver- 
schiedenen Formen  von  Lipoidsubstanzen  oder  Phosphatiden  verteilt.  Will 
man  indes  die  Gesamtmenge  hochmolekularer  Fettsäuren  i)  aus  praktischen 
Gründen  als  Neutralfett  angeben,  so  berechnet  man.  wie  folgt: 

[Petrolätherextrakt  —  (Cholesterin  4-  X)]  x  1-046  =  Neutralfett. 

Wie  man  sieht,  ist  die  Ausführung  der  Methode  sehr  einfach.  Man 
kann  gleichzeitig  mehrere  Bestimmungen  in  kurzer  Zeit  ausführen.  Unter 
den  tierischen  Bestandteilen  durch  direkte  Verseifung  mit  gutem  Erfolg 
auf  ihren  Fettsäuregehalt  untersucht  worden  sind:  Skelettmuskulatur,  Herz- 
muskel, Leber,  Milz,  Nieren,  Nebennieren,  Haut,  Haut  mit  Haaren,  Knochen, 
Magendarmstücke  mit  Schleimhaut,  Lungen,  Aszitesflüssigkeit,  Pleuraerguß 
usw.  2)  Flüssigkeiten  mit  sehr  geringem  Fettgehalte  werden  zuerst  bei 
alkalischer  Pieaktion  auf  eine  passende  Menge  verdunstet  und  durch  Zusatz 


*)  Die  Reinheit  der  Petrolätherextrakte  als  hochmolekulare  Fettsänreu  wurde 
von  uns  durch  Elementaranalyse  festgestellt  (siehe  Uriginalahhandlung). 

°)  Die  Untersuchungen  hierüber  hat  Y.  Shimidzu  sowie  Rinji  Watanahe  ausge- 
führt. Die  Resultate  darüber  wird  R.  Watanahe  demnächst  berichten. 


Fettbestimiming  nach  Kumagawa-Siito. 


485 


entsprechender  Menge  Lauge  verseift.    Von  kleinen  Tieren,    wie  Fröschen 
und    Mäusen,  lassen  sich  ganze  Tiere  in  toto  be(iueni  und  glatt  verseifen. 
Für  direkte  Verseifung  weniger  gute  Kesultate  ergaben  sich:  Gehirn- 
substanz, alle  Bestandteile  des  l'.lutes,  Filzes    und    alle  j)flaiizliclien  Mate- 


eignen 


rialien  mit  Zellulose-  und  8tiirkegehalt.  Diese 
direkte  \'erseifung  nicht,  weil  die  bei  der  rberneutrali- 
sation  des  Verseifungsgemisches  auftretende  Ausschei- 
dung sich  nicht  glatt  verdichtet  und  dieselbe  auf  die 
Ätherextraktion  störend  einwirkt.  lilutplasma  und  I)lut- 
serum  lassen  sich  zwar  ganz  glatt  verarbeiten .  aber 
die  Ausbeute  der  Fettsäuren  ist  nach  Shimidzu^chQY 
Untersuchung  aus  unbekannten  T^rsachen  stets  bedeu- 
tend geringer  als  der  wahre  Wert.  Alle  genannten 
Substanzen  lassen  sich  viel  zweckmäßiger  nach  der 
folgenden  Modifikation  auf  ihren  Fettgehalt  untersuchen. 

2.  Alkoholextraktion  mit  nachfolgender  Ver- 
seifung des  Alkoholextraktes. 

Handelt  es  sich  um  Flüssigkeiten  wie  Blut,  de- 
fibriniertes  Blut,  Blutplasma,  Blutserum  oder  um 
wasserhaltiges  Material,  wie  Gehirnsubstanz,  Fäzes 
u.  dgl.,  so  wird  eine  passende  Menge  ^)  derselben  mit 
dem  3 — 5fachem  Volumen  absoluten  Alkohols  über- 
gössen und  ül)er  Nacht  stehen  gelassen.  Dann  wird  die 
Mischung  abgenutscht  und  ein  paar  Mal  mit  absolutem 
Alkohol  ausgewaschen.  Alsdann  wird  der  Rückstand 
mittelst  des  von  uns  angegebenen  Heizextraktors '-) 
(Fig.  V2'2)  3—;")  Stunden  mit  absolutem  Alkohol  ex- 
trahiert. Die  Erhitzung  geschieht  mit  direkter  Flamme, 
indem  der  Extraktor  auf  eine  Eisenschale  mit  auf- 
gelegtem Asbestpapier  gestellt  wird.  Um  das  Stoßen 
zu  vermeiden,  wird  die  innere  Fläche  des  Zylinder- 
bodens mit  Fluorwasserstoff  rauh  angeätzt.  Nach  der 
vollendeten  Extraktion  wird  der  innere  Zylinder  mit 
Substanz  herausgenommen  und  das  eingeengte  Filtrat 
des  zum  Abnutschen  und  Auswaschen  benutzten  Alko- 
hols in  den  äußeren  Zylinder  hineingebracht.  Hierzu 
werden  7 — d^cm^  gesättigter  Natronlauge  (1-51))=') 
gegeben  und  jetzt  auf  dem  Wasserbade  mit 


sich  insofern  für  die 


< 


_y 


Heißextraktor.  •  j  nat.  Gr. 

ii  =  R«ckflnßkUhler. 
A"=:  Destillierkolben. 
EC:^  Kxtraktiongzylinder. 
S  =  Siphon. 
/'=  Papierhlilse. 
ir  =  Eiitf(>ttete  Watte. 
('=:;  Kiufaoher  Zylinder. 
H=  Drahtbakeo. 


aufgesetztem 


Kückflulikühler 


1)  Boi  I51iit  10-30  cm\ 

-)  Die  gonauore  Boschreiliung  des  Apparates  fiiuiet  sich  in  der  Kum<t(iaua-Suto- 
schen  Abhandlung.  Biocheni.  Zeitschr.  8.  212  (1908>.  —  Der  fast  gleiche  Extraktor 
wurde  schon  vor  uns  von  Herrn  J.  V.  Berntrop  beschrieben.  (Zeitschr.  f.  angew.  Chem. 
1902.  S.  122).  Diese  Publikation  haben  wir  damals  leider  nicht  gekannt. 

')  Die  Menge  der  Natronlauge  ist  absichtlich   im   Überscluiü  gewählt. 


486  ^I-  Kumagawa. 

V2 — 1  Stunde  verseift.  Schließlich  wird  der  Alkohol  durch  Entfernung  des 
Kühlers  verjagt,  der  Rückstand  in  wenig  Wasser  durch  Erwärmen  auf- 
gelöst und  in  den  Scheidetrichter  hineingebracht.  Die  weitere  Verarbeitung 
geschieht  genau  nach  der  oben  beschriebenen  Vorschrift  bis  auf  die  Chole- 
sterintrennung. 

In  den  mit  Alkohol  extrahierten  Rückständen  bleil)en  in  der  Regel 
Fettsäuren  in  so  geringer  Menge,  daß  sie  für  die  gewöhnliche  Analyse  ohne 
nennenswerten  Fehler  ganz  vernachlässigt  werden  können.  Will  man  sie 
auch  bestimmen,  was  bei  genauer  Fettbestimmung  zur  Kontrolle  unerläßlich 
ist,  so  verseift  man  den  Rückstand  genau  nach  der  Vorschrift  der  direkten 
Verseifung.  Nur  muß  man  nach  der  Verseif  ung  des  mit  Alkohol  extrahierten 
pflanzlichen  Rückstandes  die  Überneutralisation  im  Becherglas  selber  vor- 
nehmen und  das  Amylum  durch  gründliche  Zerkochung  bei  stark  saurer 
Reaktion  invertieren.  Sonst  erfolgt  die  nachfolgende  Ätherextraktion  nicht 
glatt.  Wenn  man  übrigens  diese  Maßregel  nicht  versäumt,  so  kann  man 
pflanzliches  Material  ohne  viel  Zellulosegehalt,  wie  Reis,  von  Anfang  an 
nach  der  ersten  Methode  direkt  verseifen.  R.  Inaha  1)  hat  Reis,  Gerste  und 
Fäzes  ebenfalls  nach  dieser  direkten  Methode  mit  Erfolg  auf  ihren  Fett- 
gehalt untersucht. 

Handelt  es  sich  um  getrocknete  Substanz,  wie  pflanzliche  Mehlarten, 
so  bleibt  die  vorherige  Abnutschung  mit  Alkohol  ganz  weg.  und  die  Sub- 
stanz wird  nach  gründlicher  Pulverisation  sofort  mittelst  des  Heizextraktors 
mit  absolutem  Alkohol  extrahiert  usw. 

Bestimmung  des  Fettes  im  Harne  (bei  Chylurie). 

Das  Fett  des  chylurischen  Harnes  kann  ebenfalls  auf  zweierlei  Art 
bestimmt  werden. 

Als  K.  Suto  etwa  50  cm^  des  normalen  Menschenharnes  genau  nach 
unserer  direkten  Verseif ungsmethode  verarbeitete,  so  resultierte  stets  eine 
kleine  Menge  von  Petrolätherextrakt ,  das  natürlich  keine  Fettsäure  ist. 
Durch  die  Untersuchung  von  Kanal  Yamada  sowie  von  Samuro  Kukiuchi 
hat  sich  bald  herausgestellt,  daß  das  Petrolätherextrakt  des  normalen 
Harnes  nach  der  Verseifung  nichts  anderes  ist  als  die  aus  der  Hippur- 
säure  durch  die  Verseifung  frei  gewordene  Benzoesäure,  der  etwas  aro- 
matische Oxysäuren  und  Phenole  beigemengt  sind.  Um  das  Fett  in  dem 
chylurischen  Harne  zu  bestimmen ,  maß  man  demnach  aus  dem  Petrol- 
ätherextrakt diese  Beimengungen  ehminieren.  Zu  dem  Zweck  hat  S.  Ka- 
kiuchi  2)  eine  modifizierte  Methode  ausgearbeitet.  Kakiuchi  stellte  zu- 
nächst fest,  daß  der  Gehalt  des  normalen  Harnes  an  hochmolekularen 
Fettsäuren   in   Übereinstimmung    mit   S.  Hijhhinette  ^)   in   10  l    im   Mittel 


*)  R.  Inaha,  Über  die  Fettbestimmungeu  der  Fäzes  und  einiger  Nahrungsmittel 
nach  der  neuen  Methode  von  Kumagawa-Sufo.  Biochem.  Zeitschr.  8.  348  (1908). 

^)  Hierüber  wird  .S'.  jS'aÄ;wc/w 'demnächst  berichten. 

")  S.  Hybhinette,  Über  die  Gegenwart  von  nichtflüchtigen  fetten  Säuren  im  nor- 
malen Menschenharne.  Skand.  Arch.  VII.  380.  1897. 


FettbestimniuDg  nach  Kuraagawa-Suto. 


487 


0'024  fi  beträgt  und  somit  dieser  Wert  für  die  gewöhnliche  Analyse  ganz 
vernachliissigt  werden  darf.  Nach  Kukiuvhi  werden  ca.  50  cm^  chyluri- 
schen  Harns  durch  Zusatz  von  14  rw^  gesättigter  Natronlauge  (l-oD)!) 
verseift  und  weiter  nach  unserer  Vorschrift  verarbeitet.  Alsdann  wird  das 
Petrolätherextrakt  in  einen  Porzellantiegel  oder  in  eine  Platinschale  von 
bekanntem  Gewicht  hineingebracht  und  im  nebeuverzeichneten  Evakuations- 
apparat  (Fig.  128)  auf  dem  Wasserbade  o  Stunden  durch  die  Wasserstrahl- 
pumpe abgesaugt.  Hierdurch  entweichen  Benzoesäure  nebst  Oxysäuren  und 
Phenolen  vollständig.  Nun  wird  der  PehiUter  herausgenommen  und  nach 
dem  Erkalten  im  Chlorkalziumexsikkator  zurückgewogen.  Dali  sich  die 
Benzoesäure  hierbei  vollständig  verflüchtigt,  wurde  durch  Extraversuche 
mit  einem  Gemenge  von  reiner  Fettsäure  und  Benzoesäure  festgestellt. 

Fig.  123. 


Vakuumverclainiifnngsa]iiiarat  nacli  Kakiuclii.   'j  iiat.  (ir. 


Nach  einer  zweiten  Methode  kann  man  den  Fettgehalt  des  chyluri- 
schen  Harns  auf  folgende  Weise  liestimmen.  Der  chylurische  Harn  enthält 
bekanntlich  stets  mehr  oder  weniger  Kiwcili  aufgelöst.  Wird  dieses  unter 
Zusatz  von  Kochsalz  und  Essigsäure  durch  Aufkochen  zur  Koagulation  ge- 
bracht, so  reißt  der  Eiweii'iniederschlag  ([uantitativ  Fett  mit.  Dieser  Nieder- 
schlag wird  durch  fettfreies  Papier  abfiltriert.  Der  Filter  mit  samt  Nieder- 
schlag wird  mittelst  unseres  Heizextraktors  mit  absolutem  Alkohol  extra- 
hiert und  alsdann  das  Extrakt  nach  unserer  Vorschrift  verseift  usw. 

Kalduchi  hat  bei  einem  chylurischen  Harne  die  beiden  Methoden 
vergleichend  durchprobiert  und  dabei  fast  vollständig  übereinstimmende  Ke- 


')  Zur  Verseifuiig  dos  llanis  winl  die  >'iitroulaugc  wegen  des  liarustoffgelialtes 
etwa  in  doppelter  Menge  versetzt  wie  sonst. 


488  M.  Kumagawa.  Fettbestimmung  nach  Kumagawa-Suto. 

sultate  erhalten.  Im  Besitze  des  Vakuum  Verdampfungsapparates  führt   die 
erstere  Methode  viel  schneller  und  zweckmäßiger  zum  Ziele. 

Fettverlust  beim  Trocknen  wasserhaltigen  Materials. 

Me  bisherigen  Fettbestimmungsmethoden  konnten  nicht  anders  als 
an  getrockneten  Pulvermassen  angewendet  werden.  Man  wußte  deshalb  nicht, 
ob  der  Fettgehalt  des  frischen  Materials  nach  dem  Trocknen  und  Pulveri- 
sieren auch  unverändert  bleibt.  Da  unsere  Verseifungsmethode  sich  ebenso  gut 
am  frischen  Material  wie  am  getrockneten  Pulver  anwenden  läßt,  so 
hat  Y.  Shimidzu  ^)  diese  Frage  besonders  untersucht.  Shimidzu  hat  dabei 
gefunden,  daß  der  Fettverlust,  wenn  das  Material  in  kleiner  Menge  (gegen 
100  g)  schnell  getrocknet  wird,  nur  einige  Prozente  beträgt,  daß  derselbe 
dagegen  ca.  lOVo  beträgt,  wenn  das  Material  in  größerer  Menge  (gegen 
400  g)  verarbeitet  wird  und  zum  vollständigen  Austrocknen  desselben  län- 
gere Zeit  in  Anspruch  genommen  wird.  Da  dieser  Befund  für  Stoffwechsel- 
fragen und  dergleichen  große  Tragweite  besitzt  und  ferner  Shimidzu  ge- 
rade für  große  Fleischmassen  nur  wenig  Trockenversuche  ausgeführt  hat, 
so  hat  Munemichi  Tamura  auf  meine  Veranlassung  den  Versuch  auf  etwas 
breiterer  Basis  von  neuem  in  Angriff  genommen.  Obwohl  diese  Unter- 
suchungen noch  nicht  abgeschlossen  sind,  und  es  daher  verfrüht  wäre,  schon 
jetzt  ein  Urteil  darüber  zu  äußern,  so  sei  doch  bemerkt,  daß  der  Fettver- 
lust beim  Trocknen  des  frischen  Materials  nicht  so  bedeutend  ist,  wie 
ihn  Shimidzu  seinerzeit  gefunden  hat.  M.  Tamura  wird  nach  dem  Abschluß 
seiner  Untersuchungen  hierüber  berichten. 


')  Y.  Shimidzu,  Ein  Beitrag  zur  Kumagawa-SutoBchen  Fettbestimmungsmethode. 
Biochem.  Zeitschr.  28.  237  (1910). 


Partielle  Hydrolyse  der  Nukleinsäuren. 

Von  P.  A.  Leveiie,   New-York. 

Die  Arbeitsmethoden  bei  der  partiellen  Hydrolyse  haben  sich  nicht 
gleichmäßig  auf  alle  Nukleinsänren  ausgedehnt.  Es  ist  deswegen  zweck- 
mäßiger, die  Methoden,  wie  sie  sich  am  bequemsten  für  jede  einzelne 
Nukleinsäure  oder  deren  Bestandteile  anwenden  lassen,  anzugeben. 

Die  Substanzen,  welche  seit  dem  Erscheinen  des  zweiten  Bandes 
dieses  Handbuches  entdeckt  wurden,  sind  die  folgenden  :  1.  Phos{)ho-d-ril)on- 
säure  (diese  wird  bei  der  Inosinsäure  besprochen) ;  2.  Zytidin ;  8.  Uridin ; 
3.  Zytidin  und  Uridinphosphorsäure.  (Die  vier  letzten  Substanzen  werden 
bei  der  Hefenukleinsäure  besprochen.) 

Außerdem  ist  die  Tritikonukleinsäure  untersucht  worden. 

Inosinsäure  ^): 

/OH 
d-Ribosephosphorsäure:0=P  —  0  — CH.,— (CH0H)3C0H. 

\)n 

Die  Methode  zur  Darstellung  dieser  Substanz  hat  sich  verbessern 
lassen.  Man  kann  nun  das  Baryumsalz  ohne  Schwierigkeiten  in  kristal- 
linischer Form  erhalten.  Das  \erfahren  ist  das  folgende : 

20*0  g  inosinsaures  Baryum  werden  mit  500  cm^  P/oiger  Salz- 
säure gekocht.  Nach  dem  Abkühlen  wird  Schwefelsäure  bis  auf  2% 
zugegeben.  Dann  werden  das  Hypoxanthin  und  die  Salzsäure  mittelst  Silber- 
sulfat entfernt.  Das  überschüssige  Silber  fällt  man  mit  Schwefelwasser- 
stoff und  die  Schwefelsäure  durch  Neutralisieren  mittelst  Baryum- 
karbonat.  Es  ist  wichtig,  das  Baryumkarbonat  frisch  aus  chemisch  reinem 
Baryumhydrat  zu  bereiten. 

Das  Filtrat  enthält  weder  Stickstoff  noch  freie  Phosphorsäure.  Es  wird 
unter  vermindertem  Druck  auf  ein  kleines  Volumen  eingeengt,  wobei  ein 
basisches  Baryumsalz  der  gepaarten  Phosphorsäure  neben  wenig  Baryumkar- 
bonat sich  abscheidet.  Das  Ganze  wird  mittelst  Essigsäure  in  Lösung  gebracht 
und  filtriert.   Aus  dieser  Lösung  wird  das  Baryumsalz  mittelst  absolutem 


*)  P.  Ä.  Lerene  n.  W.  A.  Jacobs,  Über  die  Inosinsäure.  Ber.  d.  Deutsch.  Cliem.  Ges. 
Jahrg.  44.  S.  746  (1911). 


490  P.  A.  Levene: 

Alkohol  als  amorpher  Niederschlag  gefällt.  Nach  Abfiltrieren  und  Waschen 
mit  Alkohol  und  Äther  wird  es  getrocknet.  Die  Ausbeute  beträgt  OO^/o  der 
Theorie.  Um  es  kristallinisch  zu  erhalten,  wird  das  Produkt  fein  gepulvert 
und  mit  30  cm^  Wasser  versetzt.  Beim  Umrühren  geht  die  klebrig  ge- 
wordene Masse  ziemlich  rasch  in  Lösung.  Aus  dieser  Lösung  läßt  sich 
das  kristallinische  Baryumsalz  erhalten.  Die  Kristallisation  wird  beschleunigt 
durch  Einimpfen  und  durch  tüchtiges  Reiben.  Beim  Stehen  im  Eisschrank 
bildet  die  Substanz  am  Boden  des  Gefäßes  eine  dicke  Kristallschicht,  die 
aus  prachtvollen  Aggregaten  von  sechseckigen  Platten  besteht.  Die  Mutter- 
lauge enthält  beträchtUche  Mengen  des  Salzes.  Wegen  der  leichten  Bildung 
von  basischem  Salz  ist  es  jedoch  nicht  empfehlenswert,  die  Mutterlauge  zu 
konzentrieren.  Zwecks  Erhaltung  des  kristallinischen  Salzes  wiederholt  man 
die  Fällung  mittelst  Alkohol  und  verfährt  weiter,  wie  bei  der  ersten 
KristaUisation. 

.OH 
Phospho-d-ribonsäure:  0  =  P  —  0— CH,  (CH0H)3  COOK  läßt 

sich  aus  der  d-Ribosephosphorsäure  durch  Oxydation  mittelst  Brom  oder 
mittelst  Salpetersäure  erhalten. 

Salpetersäureverfahren:  bO'O  g  inosinsaures  Baryum  werden 
zur  Gewinnung  der  Ribosephosphorsäure  hydrolysiert  und  das  Ba-Salz 
der  Substanz  dargestellt.  Dieses  wird  in  Wasser  gelöst  und  das  Baryum 
quantitativ  mittelst  Schwefelsäure  entfernt.  Das  Filtrat  wird  unter  ver- 
mindertem Druck  zum  Sirup  verdampft.  Dieser  wird  in  30  cm^  Sal- 
petersäure (sp.  Gew.  1-2)  gelöst  und  bei  40"  C  24  Stunden  stehen  ge- 
lassen. Die  Lösung  wird  dann  in  vier  Teilen  separat  behandelt.  Jeder  Teil 
wird  auf  einem  großen  Uhrglas  auf  dem  Wasserbade  möglichst  rasch  unter 
stetem  Lim  rühren  zur  Trockene  verdampft.  Auf  diese  Weise  wird  ver- 
hältnismäßig wenig  Phosphorsäure  abgespalten.  Das  Produkt  wird  dann  in 
2  Liter  Wasser  gelöst,  mit  ein  paar  Tropfen  Phenolphtalein  versetzt  und 
sodann  Kalkmilch  bis  zur  neutralen  Reaktion  zugegeben.  Die  voluminöse 
Fällung  von  Kalziumphosphat  wird  abfiltriert  und  das  Filtrat  gekocht. 
Es  bildet  sich  dabei  ein  Niederschlag.  Die  Mutterlauge  wird  auf  500  cm^ 
konzentriert  und  weiter  gekocht.  Diese  Behandlung  wird  mehrere  Male 
wiederholt.  Im  Kalziumphosphatniederschlag  werden  beträchtUche  Mengen 
der  gesuchten  Substanz  mitgerissen.  Um  diese  zurückzugewinnen  wird  das 
Kalziumphosphat  in  Wasser  aufgeschwemmt  und  unter  beständigem  Turbi- 
nieren  mit  Essigsäure  versetzt,  bis  der  Niederschlag  vollständig  gelöst 
ist.  Aus  dieser  Lösung  wird  die  Phosphorsäure  wieder  mit  Kalkmilch 
gefällt.  Aus  den  vereinigten  Mutterlaugen,  die  neben  der  Phosphorver- 
bindung viel  essigsaures  Kalzium  enthalten,  wird  die  erstere  nach  dem  Kon- 
zentrieren mittelst  Bleiessig  gefällt.  Der  Bleiniederschlag  wird  in  Wasser 
aufgeschwemmt  und  mittelst  Schwefelwasserstoffes  zerlegt.  Das  Filtrat  wird 
nach  Abdunsten  des  Schwefelwasserstoffes,  wie  oben,  mit  Kalkwasser  neu- 
tralisiert und  aufgekocht  und  das  Kalziumsalz,  wie  oben,  gewonnen.  Die 
Ausbeute  beträgt  14  ^  oder  öO^/o  der  Theorie. 


Partielle  Hydrolyse  der  Nukleinsäuren.  49 j^ 

Das  Brom  verfahren.  T'O  g  ribosephosphorsaures  Raryum  werden 
in  Wasser  aufgeschwomnit  und  das  IJaryum  quantitativ  mittelst  Schwefel- 
säure entfernt.  Die  Lüsuui;-  wird  dann  auf  25  on^  gebracht  und  dann 
mit  5  g  essigsaurem  Kalzium  und  o  g  Drom  versetzt.  Die  Mischung  wird 
geschüttelt,  bis  das  Brom  vollständig  gelöst  ist,  und  bei  Zimmertemperatur 
stehen  gelassen.  Nach  24  .Stunden  ist  das  Brom  fast  verschwunden,  und 
da  die  Lösung  noch  stark  die  Orzinprobe  zeigt,  werden  noch  5  g  essigsaures 
Kalzium  und  ;3  g  Brom  zugesetzt.  Nach  zwei  Tagen  ist  die  Orzinprobe 
nur  noch  ganz  schwach.  Die  Lösung  wird  erwärmt  und  das  Brom  mittelst 
Kohlensäure  vertrieben.  Sie  wird  mit  Wasser  verdünnt,  mit  Schwefelsäure 
auf  Küiigopapier  angesäuert  und  dann  mittelst  Sill)ersulfat  vom  Brom  be- 
freit. Das  Filtrat  wird  mittelst  Schwefelwasserstoff  vom  Silber  und  dann 
von  der  Schwefelsäure  ([uantitativ  mittelst  Baryt  befreit.  Das  Filtrat  wird 
auf  ein  kleines  Volumen  eingeengt.  Die  Lösung  wird  mit  dem  gleichen  Volumen 
Alkohol  versetzt.  Der  Niederschlag,  der  wegen  Verunreinigung  mit  essig- 
saurem Kalzium  von  etwas  gelatinöser  Beschaffenheit  ist,  wird  abgesaugt 
und  mit  Alkohol  und  Äther  nachgewaschen.  Die  weitere  Reinigung  der 
Substanz  wird  mittelst  Bleiacetat  wie  bei  dem  oben  angegebenen  Verfahren 
ausgeführt. 

SpaltungderPhospho-d-ribonsäure.  4"0^  Kalziumsalz  werden 
in  wenig  Wasser  und  einem  kleinen  Überschuß  von  Schwefelsäure  gelöst 
und  das  Kalziumsulfat  mittelst  vier  ^  olumen  Alkohol  gefällt.  Es  wird 
abgesaugt,  das  Filtrat  mit  Ammoniak  neutralisiert  und  eingedampft  und 
der  Rückstand  in  50  cm^  Wasser  aufgenommen.  Es  wird  dann  4  crn^ 
25Voiges  Ammoniak  zugegeben  und  dann  Eisessig,  bis  die  Lösung  auf 
Lackmus  amphoter  reagiert.  Die  Lösung  wird  im  Einschlubrohr  drei 
Stunden  auf  KiO"  erhitzt.  Beim  Steigen  der  Temperatur  über  diesen  Grad 
ist  man  der  (xefahr  der  Bildung  von  Brenzschleimsäure  ausgesetzt.  Die 
Lösung  wird  mit  Wasser  verdünnt  und  genau  mittelst  Bleiessig  gefällt. 
Das  Filtrat  wird  sorgfältig  mittelst  Bleiessig  und  Baryt  gefällt  und  der 
Niederschlag  abfiltriert.  Dieser  wird  mittelst  verdünnter  Schwefelsäure  zer- 
legt und  die  überschüssige  Schwefelsäure  mittelst  Bleikarbonat  al)gestumpft. 
Das  Filtrat  wird  mit  Schwefelwasserstoff  behandelt  und  das  Filtrat  eine 
Stunde  mit  Kadmiumkarbonat  gekocht.  Nach  dem  Filtrieren  wird  die 
Lösung  auf  dem  Wasseri)a(le  zum  Sirup  eingedampft.  Der  Sirup  wird  mit 
ein  wenig  ribonsaurem  Kadmium  geimpft  und  der  Kristallisation  über- 
lassen. Nach  24  Stunden  erstarrt  das  Ganze.  Es  wird  nun  mit  wenig  Wasser 
verrührt  und  auf  eine  Nutsche  gebracht.  Die  Ausbeute  beträgt  etwa  0*H  g. 
Zur  Analyse  wird    die  Substanz    aus    ganz   wenig  Wasser  umkristallisiert. 

Guanylsäure.M 

In  der  Kenntnis  dieser  Säure  ist  kein  wesentlicher  Fortschritt  ge- 
macht worden.  Dagegen  ist  es  gelungen,  das  Guanosin  in  freiem  Zustande 

M  P.  A.  Lerene  und  W.  A.  Jacohn ,  Über  das  Vorkommen  des  freien  Gnanosius 
in  der  Pankreasdrüse.  Biochem.  Zeitschr.  Bd.  28.  S.  127  (lUlü). 


492  P.  A.  Levene: 

aus  der  Pankreasdrüse  zu  gewinnen.  Das  Verfahren  war  das  folgende : 
Die  Rohguanylsäure,  welche  direkt  aus  der  Pankreasdrüse  nach  dem  früher 
angegebenen  Verfahren  dargestellt  ist,  wird  mittelst  eines  Überschusses 
von  Ammoniak  in  heißem  Wasser  gelöst  und  auf  einer  Nutsche  heiß  in 
Alkohol  filtriert.  Es  bildet  sich  dabei  ein  Niederschlag  des  Ammoniumsalzes 
der  Guanylsäure;  das  Filtrat  enthält  das  Guanosin.  Wird  das  Filtrat  bei 
vermindertem  Druck  eingedampft,  so  scheidet  sich  das  Guanosin  in  langen 
prismatischen  Nadeln  ab.  Zur  Analyse  braucht  die  Substanz  nur  einmal 
aus  verdünntem  (etwa  60Voigem)  Alkohol  umkristallisiert  zu  werden. 

Hef  enukleinsäure.  i) 

Die  Bedingungen  zur  partiellen  Hydrolyse  dieser  Säure  haben  sich 
mehrfach  verbessern  lassen.  An  dieser  Stelle  soll  nur  die  Form  angegeben 
werden,  in  welcher  sie  zuletzt  ausgeführt  wurde.  Die  Einzelheiten  des  Ver- 
fahrens sind  nicht  veröffentlicht  und  haben  sich  allmählich  in  den  Arbeiten 
von  Levene,  Jacobs  und  La  Forge  ent^^^ckelt. 

Partielle  Hydrolyse.  Diese  wird  am  besten  mittelst  verdünntem 
Ammoniak  ausgeführt.  100  r/  Nukleinsäure  werden  in  einer  Lösung,  von 
80"0  cm»  Ammoniakwasser  (sp.  Gew.  0-90)  und  420'0  cm^  Wasser  aufgelöst 
und  drei  und  eine  halbe  Stunden  im  Autoklaven  erhitzt.  Die  Temperatur 
dieses  Ölbades  muß  genau  auf  170— 175"  C  gehalten  werden.  Kleinere 
Quantitäten  können  im  Einschmelzrohr  hydrolysiert  werden.  Die  Lösung  wird 
in  denselben  Verhältnissen  bereitet,  jedoch  das  Rohr  braucht  nur  auf 
135"  C  erhitzt  zu  werden. 

Trennung  der  einzelnen  Fraktionen.  Das  Reaktionsprodukt 
läßt  sich  in  drei  Fraktionen  teilen  :  die  erste  enthält  das  Rohguanosin ; 
die  zweite  das  Rohadenosin ;  die  dritte  das  Zytidin  und  die  Uridinfraktion. 

Guanosinfraktion.  Das  Rohprodukt  scheidet  sich  aus  dem 
Produkte  der  Hydrolyse  als  gelatinöse  Masse  beim  Abkühlen  aus.  Das 
Verfahren  zur  Gewinnnung  des  reinen  Guanosins  hat  sich  nicht  verändert. 
Da  aber  einige  Forscher  bei  der  Darstellung  der  Substanz  Mißerfolg 
gehabt  haben,  so  sollen  die  Einzelheiten  des  Verfahrens  mit  größerer 
Genauigkeit  wieder  angegeben  werden.  Es  muß  erwähnt  werden,  daß 
Guanosin  sich  nur  dann  in  schönen  Kristallen  ausscheidet,  wenn  es  von  Ver- 
unreinigungen frei  ist.  Um  mit  Leichtigkeit  Kristalle  zu  erhalten,  müssen 
die  folgenden  Punkte  beachtet  werden. 

Das  Rohguanin  wird  in  heißem  Wasser  gelöst  und  heiß  mit  Blei- 
essig gefällt,  so  lange  ein  Niederschlag  entsteht.  Die  Mischung  wird  heiß 
filtriert  und  das  Filtrat  abwechselnd  mit  Ammoniak  und  Bleiessig  versetzt. 
Es  bildet  sich  dabei  ein  Niederschlag.  Dieser  wird  abfiltriert,  in  heißem 
Wasser  suspendiert,  mittelst  Essigsäure  in  Lösung  gebracht  und  mit 
Schwefelwasserstoff  zersetzt.  Das  Gemisch  wird  wieder  aufgekocht,  heiß  fil- 
triert und  das  Filtrat  nur  mäßig  eingedampft.  Das  Guanin  scheidet  sich  in 


*)  P.  A.  Levene  und  W.  A.  Jacobs,  tJber  die  Hefe-Nukleinsäure.   Ber.  d.  Deutsch, 
ehem.  Ges.  Jahrg.  43.  S.  3150  (1910). 


Partielle  Hydrolyse  der  Nukleinsäuren.  493 

langen,  tyrosinähnlichen  Kristallen  aus.  Bei  weiterem  Eindampfen  der  Mutter- 
lauge erhält  man  wieder  die  gelatinierende  Sub.stanz.  Zur  weiteren  Reini- 
gung wird  die  Substanz  in  heiltem  Wasser  suspendiert  und  soviel  Ammoniak- 
wasser allmählich  zugesetzt,  bis  das  Guanosin  sich  löst.  Die  Lösung  wird 
dann  filtriert,  beim  Abkühlen  scheidet  sich  das  riuanosin  in  glänzendi-n 
Massen. 

Vernin^),  C10H13N5O5.  Bei  dieser  Gelegenheit  soll  auch  das  Ver- 
fahren zur  Darstellung  des  Vernins  angegeben  werden.  E.  Schulze  hat  neulich 
bewiesen,  daß  das  von  ihm  vor  Jahren  entdeckte  Vernin  mit  dem  Guanosin 
identisch  ist.  Man  muß  also  im  Vernin  das  zuerst  aufgefundene  freie 
Nukleosid  anerkennen. 

Wässerige  Extrakte  aus  den  auf  Vernin  zu  untersuchenden  Objekten 
werden,   nachdem    sie  zuvor  von  den  durch  Bleiessig  fällbaren  Substanzi-n 
befreit    worden    sind,    mit   einer  ^lerkurinitratlüsung    versetzt.    Die  durch 
dieses  Reagens    hervorgebrachten   Niederschläge   werden    abfiltriert,    mit 
kaltem  Wasser  gewaschen,    zwischen  Fließpapier  abgepreßt,    dann  mittelst 
Schwefelwasserstoff  zersetzt.  Die  Filtrate  vom  Schwefelquecksilber  werden, 
nachdem  sie  neutralisiert  worden  sind,    auf   ein   geringes  Volumen  einge- 
engt;   es  wird    Sorge  dafür  getragen,  daß  während  des  Eindunstens  die 
Reaktion  der  Lösungen  neutral  bleibt.  Aus  den  stark  eingeengten  Flüssig- 
keiten scheidet  sich  nach  dem  Erkalten  das  Vernin  aus.  und  zwar  in  vielen 
Fällen  anfangs  als  Gallerte ;  letztere  lieferte  dann  nach  dem  Wiederauflösen 
in  Wasser   Kristalle.    Der  Merkurinitratniederschlag    kann    neben    \'ernin 
noch  manche   andere  Substanzen    enthalten,    z.  B.    Asparagin,    Glutamin, 
Arginin  und  Tyrosin.   Wegen  seiner  Schwerlöslichkeit  in  Wasser  läßt  sich 
das  Vernin  leicht  vom  Asparagin,    Glutamin   und    Arginin   trennen.    Alier 
auch  seine  Trennung  von  dem  Tyrosin,    das  sich  speziell  in  den  bei  Ver- 
arbeitung  von  Kürbiskeimpflanzen    erhaltenen  ^lerkurinitratniederschlägen 
in    kleiner    Menge     vorfindet,     bietet     keine     Schwierigkeit,     denn    das 
Vernin  scheidet  sich  aus  den  bei  Zerlegung  jener  Niederschläge  erhaltenen 
Lösungen  meistens  vor  dem  Tyrosin  aus.  Gesetzt  aber,   daß   anfangs  das 
Vernin  durch  etwas  Tyrosin  verunreinigt  ist,   so   kann  man  es  davon  be- 
freien, indem  man  es  in  heißem  Wasser  löst  und  die  beim  Erkalten  sich 
ausscheidenden  Kristalle  nach  kurzer  Zeit  abfiltriert  und  zwischen  Filtrier- 
papier abpreßt ;  das  Tyrosin  geht  dann  in  die  Mutterlauge  über.    Das  in 
solcher  Weise  aus  Kürbiskeimlingen    dargestellte  Vernin  erweist  sich  nach 
mehrmaligem  Umkristallisieren  aus  Wasser  als  ganz  frei  von  Tyrosin,  wie 
aus  seinem  Verhalten  gegen  das  Millo)ische  Reagens  zu  erkennen  ist. 

Xanthosin:  CioHioOeN^  ^vird  aus  Guanosin  bei  der  Behandlung 
mittelst  salpetriger  Säure  erhalten.  Es  kristallisiert  mit  Kristallwasser  und 
hat  dann  die  Zusammensetzung  Cjo  H,2  0«  N4  +  IL  ( ).  Das  Drehungsver- 
mögen ist  (y.)  ^^  =  51"21''  in  ca.  SVoi-^'^i'  alkalischer  Lösung.  Es  besitzt  keinen 
scharfen  Schmelzpunkt.  Es  wird  nach  folgendem  Verfahren  liargestellt. 

')  E.  Schulze,  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Vernins.  Hoppc-Sei/Iers  Zeitschr.  f. 
Physiol.  Chem.  Bd.  66.  S.  128  (lUlO). 


494 


P.  A.  Levene 


16  g  Guanosin  werden  mit  einer  Lösung  von  25  y  Na  NO2  in  75  cm^ 
Wasser  aufgekocht.  Das  Guanosin  scheidet  sich  beim  Abkühlen  wieder  als 
eine  Gallerte  aus,  die  mit  einem  Glasstab  zerteilt  wird.  Es  werden  nun  25  cm^ 
Eisessig  zugegeben.  Nun  wird  tüchtig  durchgeschüttelt,  bis  alles  Guanosin 
in  Lösung  gegangen  ist  und  die  heftige  Stickstoffentwicklung  aufgehört 
hat,  was  nach  etwa  5  Minuten  der  Fall  ist.  Die  Lösung  wird  nun  mit 
dem  gleichen  Volumen  Wasser  versetzt  und  abgekühlt.  Beim  Reiben  fängt 
alsbald  die  Kristallisation  des  Xanthosins  an,  das  sich  als  gelbes,  kristalli- 
nisches Pulver  rasch  am  Boden  des  Gefäßes  absetzt.  Nach  24  Stunden 
wird  es  abfiltriert.  Die  Ausbeute  beträgt  6  g.  Durch  Umkristallieren  unter 
Anwendung  von  Tierkohle  kann  man  es  nicht  von  den  gelben  Beimengungen 
befreien.  Zu  diesem  Zwecke  wird  es  in  heißem  Wasser  gelöst,  noch  heiß 
mit  ein  paar  Tropfen  Bleizucker  versetzt  und  mit  Schwefelwasserstoff  be- 
handelt. Nach  dem  Aufkochen  wird  das  Schwefelblei  abfiltriert  und  beim 
Erkalten  scheidet  sich  dann  das  Xanthosin  in  farblosen,  glänzenden,  öfters 
zentimeterlangen  Prismen  ab.  Es  ist  das  schönste  der  Nukleoside.  In  kaltem 
Wasser  ist  es  nur  wenig  löslich,  leicht  aber  beim  Erhitzen.  In  heißem, 
verdünntem  Alkohol  ist  es  auch  löslich  und  kristallisiert  beim  Abkühlen 
bei  längerem  Stehen  langsam  in  harten  Warzen  ohne  Kristallwasser. 

Adenosinf raktion.  Das  Filtrat  vom  Guanosin  enthält  außer  dem 
Adenosin,  Zytidin  und  Uridin  noch  phosphorhaltige  Substanzen.  Um  diese 
zu  entfernen,  wird  das  Filtrat  bei  vermindertem  Druck  eingedampft,  mit 
Ammoniakwasser  deutlich  alkalisch  gemacht  und  mit  95%igem  Alkohol  so 
lange  versetzt,  als  sich  ein  Niederschlag  bildet. 

Der  Niederschlag  besteht  aus  den  phosphorhaltigen  Substanzen.  Das 
Filtrat  enthält  das  Adenosin,  Zytidin  und  Uridin.  Das  Adenosin  wird  als 
Pikrat  isoliert.  Zu  diesem  Zwecke  wird  die  alkoholische  Lösung  bis  zur 
Sirupkonsistenz  eingedampft,  mit  Schwefelsäure  bis  zur  sauren  Reaktion 
auf  Lackmus  versetzt  und  dann  so  lange  mit  Pikrinsäure  behandelt,  als  sich 
ein  Niederschlag  bildet.  Das  freie  Adenosin  wird  nach  dem  früher  ange- 
gebenen Verfahren  dargestellt. 

Inosin  aus  Adenosin.  Die  Überführung  des  Adenosins  in  Inosin 
läßt  sich  auf  folgende  Weise  bewerkstelligen. 

5"0  g  Adenosin  werden  in  einer  Lösung  von  20  g  NaNO.^  in  60  cm^ 
Wasser  heiß  gelöst  und  die  Lösung  mit  20  cm^  Eisessig  versetzt.  Es  be- 
ginnt sofort  eine  lebhafte  Stickstoffentwicklung.  Nach  einigen  Stunden 
wird  die  Mischung  in  Eis  gestellt  und  mit  verdünnter  Schwefelsäure  so 
lange  versetzt,  bis  sie  auf  Kongopapier  schwach  sauer  reagiert.  Die  Lösung 
wird  dann  mit  mehreren  Volumen  absoluten  iVlkohols  versetzt  und  nach 
einigem  Stehen  in  einer  Kältomischung  abgesaugt.  Das  Filtrat  wird  mit 
einigen  Tropfen  Ammoniak  neutraUsiert  und  zum  Sirup  eingedampft.  Der 
Rückstand  wird  nochmals  mit  wenig  Alkohol  versetzt  und  wieder  einge- 
dampft. Er  wird  dann  mit  Essigsäureanhydrid  übergössen  und  einige 
Minuten  gekocht.  Der  Überschuß  von  Anhydrid  wird  abdestilliert  und  der 
Rückstand  mit  Chloroform  ausgekocht.  Nach  24stündigem  Stehen  im  Eis- 


Partielle  Hydrolyse  der  Nukleinsäuren.  495 

schrank  \virtl  von  anorganischen  Salzen  abl'iltriei-t  und  das  Chloroform 
abgedunstet.  Alle  diese  ()])erationen  sollen  bei  niöglichst  neutraler  Iteaktion 
vorgenommen  werden,  um  Hydrolyse  des  Ribosids  zu  vermeiden.  Auf  die.se 
Weise  wird  das  entstandene  Inosin  in  ein  Azetylderivat  übergeführt.  Ohne 
dieses  zu  isolieren,  kocht  man  den  lUickstand  mit  einem  Tberschulj  einer 
verdünnten  Darytlösung  eine  halbe  Stunde.  Das  llaryum  wird  mit  einem 
kleinen  riierschuli  von  Schwefelsäure  gefällt  und  die  Lösung  dann,  um  kleine 
Mengen  aus  dem  Chlorofoiiii  entstandener  Salzsäure  zu  entfernen,  mit  wenig 
Silbersulfat  versetzt.  Das  Filtrat  wird  mit  Schwefelwasserstoff  behandelt, 
der  Überschuß  des  letzteren  vertrieben  und  das  Filtrat  mit  reinem  Blei- 
essig genau  gefällt.  Das  Inosin  kann  nun  mittelst  lilei  und  Ammoniak 
gefällt  werden. 

Zytidin  und  I' rid  i  n  f  raktion.  Das  Filtrat  vom  Adenosinpikrat 
ist  nicht  ganz  von  Nukleosiden  frei.  L'm  diese  zu  entfernen  wird  die 
Lösung  mit  Schwefelsäure  bis  zu  einem  Gehalt  von  2"/o  versetzt  und  dann 
zwei  Stunden  am  Iiückflußkidder  erhitzt.  Die  Pikrinsäure  wird  dann  mittelst 
Äther  ausgeschüttelt.  Die  freien  Purinbasen  werden  dann  mit  einer  Lösung 
von  Merkurisulfat  in  oo/oiger  Schwefelsäure  gefällt.  Na(di  dem  Zusatz 
dieses  Pvcagenses  wird  die  Mischung  über  Nacht  stehen  gelassen.  Das  Filtrat 
vom  Niederschlage  mnl  vom  Quecksilber  und  von  Schwefelsäure  befreit,  auf 
ein  kleines  Volumen  eingedampft  und  dann  mit  einer  konzentrierten  Lösung 
von  Pikrinsäure  versetzt,  bis  die  Lösung  zu  opaleszieren  anfängt.  Es  ist 
ratsam,  sie  dann  bei  vermindertem  Druck  auf  ein  kleines  \'olumen  einzu- 
dampfen und  im  Eisschrank  über  Nacht  stehen  zu  lassen;  es  scheidet 
sich  dann  das  Zytidinpikrat  aus. 

Zytidin:  C.H.aNgOe. 

Zytidinpikrat:  CgHiaNaOs  Cg  H2(N02)3  OH  läßt  sich  aus  dem 
Rohi)rodukte  durch  LTnikristaUisieren  aus  Alkohol  erhalten.  Das  Rohprodukt 
wird  in  wenig  kochendem  absolutem  Alkohol  gelöst  und  die  Lösung  über 
Nacht  im  Eisschrank  stehen  gelassen.  Schmelzpunkt  =  1S5 — 187"  C 
(unkorr.). 

Zy  tidinsulfat :  (Cg  H13  N3  Og),  H.,SOi.  Es  wird  aus  dem  Pikrate 
dargestellt.  Das  Pikrat  wird  in  heißem  Wasser  gelöst  und  die  heiße  Lösung 
mit  Toluol  ausgeschüttelt.  Sobald  die  Lösung  sich  allmählich  abzukühlen 
beginnt,  wird  sie  mit  Schwefelsäure  bis  zu  saurer  Reaktion  auf  Kongo  ver- 
setzt und  die  Pikrinsäure  weiter  mit  Äther  entfernt.  Nach  dem  Entfernen 
der  Schwefelsäure  wird  die  Lösung  bei  vermindertem  Druck  auf  ein  ganz 
kleines  Volumen  eingedampft,  mit  Schwefelsäure  angesäuert  und  mit  Alko- 
hol versetzt,  bis  die  Lösung  zu  opaleszieien  beginut.  In  kurzer  Zeit 
scheidet  sich  das  Sulfat  in  langen  prismatischen  Nadeln  aus.  Schmelz- 
punkt =  2^30  c.  —  I X I' )  -;;  =  +  34-ü«. 

Zytidinchlorhydrat :  CgHiaNsOß  .  HCl  läßt  sich  auf  ähnlicher 
Weise,  wie  das  Sulfat,  erhalten.  Schmelzpunkt  =  218"  C  (unkorr.). 

')  Die  Angabc  von  29*7"  C  beruht  auf  einem  licrechnungsfchlcr;  die  Messung 
war  dann  bei  1»  =  30"  C  ausgeführt. 


496  P.  A.  Levene: 

Tribenzoylzytidin:  CgHioN3  05(C6H5CO)3  wird  nach  der  Methode 
von  Schotten-Baumann  aus  irgend  welchem  anderen  Salze  erhalten.  Schmelz- 
punkt =  2050  C  (unkorr.). 

Uridin:  CgHigN^Oß. 

Uridin  kann  aus  Zytidin  durch  Einwirkenlassen  von  salpetriger  Säure 
erhalten  werden.  Die  Darstellung  wird  auf  folgende  Weise  ausgeführt: 

10  g  Zytidin  werden  in  70"0  cm  ^  Wasser  gelöst,  in  die  Lösung  30^  KaUum- 
nitrit  eingetragen  und  der  Lösung  50  cm^  Eisessig  zugegeben.  Es  beginnt 
sofort  eine  lebhafte  Entwicklung  von  Stickstoff.  Nach  5  Stunden  ist  die 
Reaktion  vollständig  beendigt.  Die  Lösung  wird  wieder  etwas  verdünnt, 
mit  50"/oiger  Kalilauge  zuerst  neutralisiert  und  dann  mit  derselben  Lösung 
bis  zu  einem  Gehalt  von  107o  der  Lauge  gebracht.  Diese  Lösung  wird 
hierauf  mit  Benzoylchlorid  benzoyliert.  Das  erhaltene  Benzoylderivat  ist 
unlöslich  in  Wasser,  leicht  löslich  in  den  meisten  organischen  Lösungs- 
mitteln und  kann  nicht  in  gut  kristallinischer  Form  erhalten  werden;  es 
wird  deshalb  verseift,  um  die  freie  Substanz  zu  erhalten.  Zu  diesem  Zwecke 
wird  das  Benzoylderivat  in  140"0  cm'^  Alkohol  gelöst,  zur  alkoholischen  Lösung 
eine  Lösung  von  36*0  g  Barythydrat  in  800  cm^  Wasser  zugegeben  und 
das  Gemisch  1  Stunde  am  Rückflußkühler  gekocht.  Das  Reaktionsprodukt 
wird  dann  mit  Schwefelsäure  vom  Baryt  und  vom  größten  Teile  der  Benzoe- 
säure befreit;  die  noch  in  Lösung  gebliebene  Benzoesäure  wird  mit  Äther 
ausgezogen.  Um  das  anhaftende  Natriumchlorid  zu  entfernen,  wird  das 
Reaktionsprodukt  nach  dem  Ausziehen  mit  Äther  mit  Silbersulfat  be- 
handelt. Das  Filtrat  vom  Silberchlorid  wird  vom  überschüssigen  Silber  und 
dann  von  der  Schwefelsäure  mittelst  Barytwasser  befreit.  Auch  nach  allen 
diesen  Behandlungen  enthält  die  Lösung  außer  dem  Uridin  noch  kleine 
Mengen  von  Verunreinigungen;  um  diese  zu  entfernen,  wird  das  Uridin 
mittelst  Bleizuckerlösung  und  Barythydratlösung  gefällt.  Der  Niederschlag 
wird  dann  vom  Blei  mit  einem  Überschuß  von  Schwefelsäure  und  von 
dieser  quantitativ  mit  Barytlösung  befreit.  Die  auf  diese  Weise  erhaltene 
Lösung  wird  bei  vermindertem  Druck  bis  zu  einem  ganz  kleinen  Volumen 
eingedampft,  in  einer  Schale  in  den  Vakuumexsikkator  gebracht  und  bis 
zur  Konsistenz  eines  Sirups  eingeengt.  Der  sirupartige  Rückstand  wird  dann 
mit  absolutem  Alkohol  gut  umgerührt,  bis  die  Substanz  auskristallisiert. 
Aus  verdünntem  Alkohol  umkristallisiert,  scheidet  sich  das  Uridin  in 
langen  prismatischen  Nadeln  aus.  Schmelzpunkt  165"  C  (unkorr.),  [a]  ^^  = 
:=  +  6"38*'  in  ca.  9''/oiger  wässeriger  Lösung. 

Die  Darstellung  aus  der  Nukleinsäure  wird  bei  der  Besprechung  der 
Zytidin-  und  Uridinphosphorsäure  angegeben. 

Zytidin-  und  Uridinphosphorsäure: 

/OH  /OH 

0  =  P 0  .  C9  Hl,  N3  O4  und  0  =  P 0  .  C«  Hj^  No  O5. 

\0H  \0H 


I'artiello  llyilrulysf  der  Nukleinsäuren.  4<j7 

Die  Darstclliinf^'  der  Pyriniidinnukleotido  hcrulit  auf  der  größeren  Re- 
sistenz dieser  Komplexe  im  X'ergleich  mit  den  Piirinkomplexen  gegenüber 
der  Einwirkung  der  Mineralsiiuren.  Wiilireiid  die  Piirinkomplexe  durch 
ZAveistündiges  iM'hit/en  mittelst  2"  oiS'^i'  Scliwetclsäure  vollkommene  Aufs|);il- 
tnni!  in  riiosphorsäurci'ibose  und  Hase  erleiden,  bleiben  die  l'yrimidinkom- 
ploxe  bei  dieser  lleliandlunti  iiröbtenteils  intakt.  Die  Gewinnung  der  Sub- 
stanz wird  nun  auf  folgende  Weise  ausgeführt:  Je  100 // der  Nukleinsäure 
werden  in  1  /  2»/oiger  Schwefelsäure  2  Stunden  am  Kückflulikühler  im 
Ölbade  bei  125°  C  gekoeht.  Die  Flüssigkeit  wird  nur  teilweise  gekühlt  und 
mit  reinem  Silberoxyd  bis  zu  einem  Cberschuli  an  Silber  versetzt.  Die 
Silbersalze  der  Pnriubasen  scheiden  sich  dabei  aus.  Um  die  F'ällung  zu 
vervollständigen,  läßt  man  das  (icmisch  über  Nacht  stehen  und  entfernt 
die  Silberpurine  durch  Filtration.  Das  Filtrat  neutralisiert  man  mit  che- 
misch reiner  Barytliisung.  Es  scheiden  sich  dadurch  die  Silbersalze  der 
Nukleotide  mit  Silberphosphat  aus.  Der  Niederschlag  wird  in  Schwefel- 
säure gelöst  und  mit  Schwefelwasserstoff  vom  Silber  befreit.  Das  Filtrat 
vom  Silbersulfid  wird  mit  Barytlösung  genau  auf  Phenolphtalein  neutrali- 
siert, vom  P)arytphosphat  abfiltriert  und  bei  vermindertem  Druck  fast  bis 
zur  Trockne  eingedampft.  Ein  Teil  der  Salze  geht  dabei  in  eine  in  Wasser 
unlösliche  Form  über.  Das  Gemisch  wird  mittelst  Essigsäure  in  Lösung 
gebracht  und  die  Lösung  in  absoluten  Alkohol  eingetragen.  Die  Baryumsalze 
der  Nukleotide  scheiden  sich  dabei  aus.  Dieses  Pvohprodukt  ist  schon  voll- 
ständig frei  von  Nukleinsäure  oder  von  Purin  enthaltenden  Komplexen. 
Beim  Arbeiten  mit  der  Hefenukleinsäure  läßt  sich  das  schon  daran  leicht 
erkennen,  daß  die  Purinkomplexe  eine  starke  Orzinprobe  geben  und  nach 
kurzer  Hydrolyse  mittelst  Mineralsäure  FeliUnt/sdie  Lösung  reduzieren 
Dagegen  geben  die  Barytsalze  der  Pyrimidinuukleotide  nur  eine  ganz 
schwache  Orzinprobe,  nach  Hydrolyse  mittelst  Mineralsäuren  geben  sie  mit 
Silbernitrat  keinen  Niederschlag  der  Purinsalze  und  auch  keine  Spur  einer 
Reduktion  der  FtJiHn(/sc\un\  Lösung.  Die  Substanzen  sind  optisch  aktiv, 
rechtsdrehend.  Sie  unterscheiden  sich  von  Purinnukleotiden  auch  dadurch, 
daß  sie  durch  Nukleasen  nicht  angegriffen  werden. 

Hydrolyse  mit  verdünntem  Ammoniak. 

Zur  Gewinnung  der  Pyrimidinkomplexe  des  Zytidins  und  Uridins  aus 
den  Nukleotiden  wird  auf  folgender  Weise  verfahren. 

Die  Lösung  der  Baryumsalze  wird  quantitativ  von  Baryum  l)efreit. 
Die  resultierende  Lösung  reagiert  stark  sauer.  Deswegen  wird  sie  mit 
wässerigem  Ammoniak  neutralisiert  und  dann  mit  einem  Überschuß  von 
Ammoniak  bis  zu  einem  Gehalt  von  HVo  versetzt.  Die  ammoniakalische 
Lösung  wird  entweder  im  Einscliinelzrohre  bei  1;35°C  oder  im  Autoklaven 
bei  der  Temperatur  des  Ölbades  von  175°  C  H^'.,  Stunden  erhitzt.  Die  Iso- 
lierung der  Pyrimidinkomplexe  beruht  auf  ihrer  Löslichkeit  in  Alkohol.  Zum 
Zwecke  der  Isolierung  wird  das  Hydrolyseprodukt  bei  vermindertem  Druck 
bis  zur  Konsistenz  eines  Sirups    eingedampft   und  der  Hückstaud  mit  Al- 

Abderhalden,  Handbach  der  biochemischen  Arbeitsmethodeu.  V.  32 


498  '         P.  A.  Levene: 

kohol  extrahiert.  Der  alkoholische  Auszug  wird  bei  vermindertem  Druck 
eingedampft,  der  Rückstand  wieder  mit  Alkohol  extrahiert  und  eingedampft. 
Von  diesem  Punkte  an  kann  man  auf  verschiedene  Weisen  verfahren.  Der 
Rückstand,  welcher  nach  dem  Eindampfen  des  alkoholischen  Auszuges  ent- 
steht, wird  mit  Salpetersäure  bis  zu  saurer  Reaktion  von  Kongo  versetzt. 
Die  Lösung  wird  in  einer  Kältemischung  aufbewahrt.  Das  salpetersaure 
Salz  des  Zytidins  scheidet  sich  sofort  aus.  Um  die  Reaktion  zu  vervoll- 
ständigen, wird  der  Mischung  ein  halbes  Volumen  Alkohol  zugegeben. 

Im  Filtrat  bleibt  das  Uridin  in  Lösung  und  kann  als  Benzoylderivat 
erhalten  werden.  Das  Filtrat  vom  salpetersauren  Zytidin  wird  bei  Zimmer- 
temperatur im  Vakuum-Exsikkator  von  Alkohol  befreit  und  der  Rückstand 
nach  Schotten-Baum ann  benzoyliert.  Es  wird  auf  diese  Weise  das  Dibenzoyl- 
uridin  erhalten. 

Das  zweite  Verfahren  wird  auf  folgende  Weise  ausgeführt :  Der  al- 
koholische Auszug,  welcher  die  Pyrimidinkomplexe  enthält,  wird  von  Alkohol 
befreit  und  mit  Pikrinsäure  behandelt,  die  Lösung  auf  ein  ganz  kleines 
Volumen  bei  vermindertem  Druck  eingedampft  und  bei  —  10''  C  stehen 
gelassen.  Es  scheidet  sich  Zytidinpikrat  aus.  Dieses  wird  zur  Reinigung 
aus  Alkohol  umkristallisiert.  Die  Ausbeute  aus  50  g  der  Baryumsalze  der 
Nukleotide  beträgt  10  g.  Die  Mutterlauge  von  Zytidinpikrat  wird  mittelst 
Schwefelsäure  und  Äther  von  Pikrinsäure  befreit  und  die  Schwefelsäure 
quantitativ  mit  Barytlösung  entfernt.  Aus  dieser  Lösung  läßt  sich  das 
Uridin  durch  Fällen  mit  Bleiazetat  und  Baryt  gewinnen.  Zu  diesem  Zwecke 
wird  die  Lösung  mittelst  basischem  Bleiazetat  gefällt,  der  Niederschlag  ab- 
filtriert und  das  Filtrat  mit  Barytlösung  versetzt.  Der  Niederschlag  wird 
vom  Blei  mittelst  Schwefelsäure  und  von  dieser  quantitativ  mittelst  Baryt- 
ösung  befreit.  Man  erhält  dabei  eine  klare  Lösung.  Diese  wird  bei  ver- 
mindertem Druck  eingedampft  und  der  Rückstand  in  95Voigem  Alkohol 
aufgenommen.  Der  alkoholische  Auszug  wird  rasch  auf  dem  Wasserbade 
eingedampft.  Es  ist  ratsam,  den  Rückstand  einige  Male  in  Alkohol  zu  lösen 
und  einzudampfen,  um  ihn  möglichst  von  Wasser  zu  befreien.  Beim  Impfen 
mit  ganz  wenig  Uridin  erstarrt  der  Rückstand  zu  einer  krystallini sehen 
Masse.  Diese  läßt  sich  leicht  aus  957oigem  Alkohol  Umkristallisieren. 

Tritikonukleinsäure.  ^) 

Aus  der  Tritikonukleinsäure  werden  Guanosin,  Adenosin  und  Zytidin 
auf  dieselbe  Weise ,  wie  aus  der  Hefenukleinsäure,  erhalten.  Abgeändert 
worden  ist  nur  das  Verfahren  zur  Darstellung  der  Nukleinsäure. 

Darstellung:  23  kg  Mehl  aus  Weizenembryonen  werden  mit  200/ 
Wasser  gut  durchgerührt,  das  Extrakt  durch  ein  Tuch  geseiht  und 
24  Stunden  im  Eisschrank  stehen  gelassen.  Die  trübe  Flüssigkeit  wird 
dann  vom  Absatz  abgegossen  und  nach  Zugabe  von  1  l  407oiger  Salzsäure 


')  P.  A.  Levene  uud  F.  B.  La  Forge,  tJber  die  Tritikonukleinsäure.  Ber.  der  Deutsch, 
ehem.  Ges.  Jahrg.  43.  3164  (1910). 


Partielle  Hydrolyse  der  Nukleinsäuren.  ^gg 

mit  einer  Lösung  von  80  r/  Pepsin  versetzt.  Nach  36stün(Jigem  Stehen  bei 
gewöhnlicher  Temperatur  wird  die  Flüssigkeit  vom  ungelösten  Xuklein  ab- 
gegossen und  dieses  mit  etwa  50  /  0"2°/oiger  Salzsäure  aufgeschlemmt  und 
noch  einmal  24  Stunden  mit  Pepsin  der  Verdauung  unterworfen. 

Nach  dem  Auswaschen  wird  das  Nuklein  in  ca.  ;')()/  Wasser  aufge- 
schlemmt und  soviel  KaHlauge  zugegeben,  bis  fast  vollständige  Lösung  ein- 
tritt und  die  Flüssigkeit  alkalisch  reagiert.  Dann  wird  mit  einer  gesättigten 
Pikrinsäurelösung  das  Eiweiß  ausgefällt.  Das  Filtrat  hefert  bei  Zugabe  von 
Salzsäure  einen  flockigen  Niederschlag,  der  sich  bald  zu  einer  festen  Masse 
zusammenl)allt.  Die  so  erhaltene  rohe  Nukleinsäure  wird  in  einem  kleinen 
Überschui)  von  Kalilauge  gelöst,  nach  dem  Filtrieren  mit  Essigsäure  an- 
gesäuert und  durch  Eingießen  in  das    zehnfache  \'()lumen  Alkohol    gefiUlt. 

Nach  dem  Absetzen  wird  der  verdünnte  Alkohol  vom  Niederschlag 
abgegossen  und  dieser  unter  starkem  iVlkohol  24  Stunden  stehen  gelassen. 
Dann  wird  er  abfiltriert  und  mehrmals  mit  absolutem  Alkohol  und  schließ- 
lich mit  Äther  gewaschen  und  über  Schwefelsäure  im  Vakuum  getrocknet. 

Die  Ausbeute  beträgt  325  g. 

Zur  weiteren  Reinigung  wird  die  Substanz  in  wenig  Ammoniakwasser 
gelöst  und  in  einen  großen  I''berschuß  (für  100  g  10  /)  von  Eisessig  ge- 
gossen. Nach  dem  Absetzen  wird  auf  der  Nutsche  filtriert  und  mit  Alkohol 
und  Äther  gewaschen. 


32* 


Die  Bestimmimg  der    Wasserstoftioneiikoiizentration 

diircli  Gasketten. 

Von  Leoiior  Michaelis,  Berlin. 

1.  Die  Nernstsclie  Formel.  Wenn  ein  Metall  in  irgend  eine  Flüssig- 
keit taucht,  so  nimmt  es  gegen  dieselbe  ein  elektrisches  Potential  an.  Zum 
A'erständnis  des  Folgenden  ist  es  notwendig,  die  Nernst&che  Theorie  dieser 
Kontaktelektrizität  wenigstens  im  Groben  sich  klar  zu  machen.  Bei  dieser 
Theorie  wird  dem  Metall  die  Fähigkeit  zugeschrieben,  mit  positiver  Elektrizität 
geladene  Atome,  die  sogenannten  Ionen,  in  die  Lösung  zu  senden,  indem  die 
Metallplatte  selbst,  mit  freier  negativer  Elektrizität  geladen,  zurückljleibt. 
Umgekehrt  haben  Ionen  dieses  Metalls,  welche  etwa  in  der  Flüssigkeit  schon 
gelöst  vorhanden  sind,  das  Bestreben,  sich  als  unelektrisches  Metallatom  auf 
der  metallischen  Oberfläche  niederzuschlagen,  indem  sie  die  positive  Elektri- 
zität auf  der  Metalloberfläche  in  Freiheit  setzen  oder  mit  anderen  Worten  die 
Metallplatte  positiv  aufladen.  Es  steht  sich  also  der  „elektrolytische  Lösungs- 
druck" des  Metalls  und  der  „Entladungsdruck"  der  gelösten  Ionen  einander 
gegenüber.  Und  aus  diesen  beiden  Kräften  resultiert  im  Einzelfall  das 
wirkliche  Potential.  Der  elektrolytische  Lösungsdruek  eines  jeden  Metalles 
ist  eine  konstante  Größe;  der  Entladungsdruck  der  Ionen  dagegen  ist 
proportional  ihrem  osmotischen  Druck  in  der  Lösung  oder,  so  weit  es  sich 
um  verdünnte  Lösungen  handelt,  ihrer  Konzentration.  Daraus  folgt  die 
für  unsere  Methodik  wichtige  Grundtatsache,  daß  das  Potential  eines 
Metalles  gegen  eine  Flüssigkeit  nur  von  der  Konzentration  der  in  der 
Lösung  befindlichen  Ionen  des  gleichen  Metalls  abhängt,  und  daß  andrer- 
seits aus  dem  Potential  ein  Schluß  auf  die  Konzentration  dieser  Ionen 
gezogen  werden  kann.  Alle  anderen  lonenarten ,  die  sich  etwa  daneben 
noch  in  Lösung  befinden,  wirken  nicht  bestimmend  auf  das  Potential. 

Die  Größe  dieses  Potentials  ist  also  abhängig  1.  von  der  Natur  des 
Metalles,  2.  von  der  Natur  des  Lösungsmittels,  '6.  von  der  Konzentration 
der  in  der  Flüssigkeit  gelösten  Ionen  dieses  Metalles,  4.  von  der  Tempe- 
ratur. Die  Größe  des  elektrischen  Potentials  E  wird  nach  fernst  durch 
folgende  Gleichung  ausgedrückt: 

E  =  RT  log.  nat.  ^ . 
c 


Die  Bestinimuiijf  der  Wasserstoff ioneakonzentratioii  diircli  Gasketten. 


:m 


Hier  bedeutet  Tl  die  ..Gaskonstante'',  T  die  absolute  Temperatur, 
y  die  für  das  betreffende  Metall  charakteristische  Konstante,  c  die  Konzen- 
tration der  in  der  Flüssifikeit  ijelöst  enthaltenen  Ionen  desselben  Metalle.s. 
Die  Konzentration  wird  nach  (iramniolen  pro  Liter  aeniessen.  \'er\vandelt 
man  den  natürlichen  Loj^aritlnnus  der  IkMiuemlichkeit  halber  in  den 
dekadischen  durch  Multiplikation  mit  dem  Modulus  0*4343,  so  ergibt  sich 


E  =  irr .  o-4:u;'. .  log- 


X 

c 


In  elektrochemischem  Maße  ist  nun  0-4343. R  =  0-0001983  Einheiten. 
Daher  ergibt  sich  schlielMich 

(1)  E  =  0-0001 983.  T.  log-'' 


Volt. 


2.  Prinzip  der  Konzentrationskette.  Wenn  wir  also  die  Konzen- 
tration der  gelösten  Ionen  bestimmen  wollen,  müssen  vär  das  soeben 
erläuterte  Potential  messen. 

Wir  haben  nun  keine  allgemeine  Methode,  um  den  absoluten  Wert 
eines  solchen  Potentials  zu  messen ,  sondern  wir  können  nur  die  elektro- 
motorische Kraft  einer  galvanischen  Kette  bestimmen,  welche  erstens  aus 
unserer  Elektrode  als  einem  Pol  und  einer  zweiten,  willkürlichen,  aber 
immer  gleich  beschaffenen  Vergleichselektrode  als  zweitem  Pol  besteht. 
Als  solche  Vergleichselektrode  wählen  ^^^r  der  Einfachheit  hall)er  zu- 
nächst die  Normalelektrode,  d.  h.  eine  Lösung  des  betreffenden  Metall- 
salzes in  solcher  Konzentration,  daß  die  freien  Ionen  des  Metalls  einfach 
normal  sind.  Wir  hätten  z.  B.  die  Auf- 
gabe, die  Konzentration,  c,  der  Ag-- 
lonen  in  einer  unbekannten  Silbernitrat- 
lüsung  zu  bestimmen.  Dann  setzen  wir 
folgendes  galvanische  Element  zusammen 
(Fig.  1 24). 

Auf  der  linken  Seite  befindet  sich 
eine  Silberelektrode,  welche  in  die  zu 
messende  Lösung  mit  der  unbekannten 
Ag--Konzentration  c  steckt,  auf  der 
rechten  Seite  eine  Silberelektrode,  welche 
in  eine  einfach  normale  Lösung  von 
Ag--Ionen,  d.  h.  eine  Mfach  normale 
Lösung  von  Silbernitrat  taucht,  deren 
Ag-Ionengehalt  infolge  der  unvollstän- 
digen Dissoziation  des  Silbersalzes  ge- 
rade Ifach  normal  ist.  Die  beiden  Flüssig- 
keiten c  und  C  berühren  sich  direkt. 
Nunmehr  schließen  wir  die  beiden  Pole  durch  einen  .Metalldraht  über  ein 
Voltmeter  V  und  beobachten  z.  B.  einen  Strom  von  der  elektromotori- 
schen Kraft  E  =  00374  Volt  bei  einer  Zimmertemperatur  von  18°  C. 


Ag-"- 


-Ag 


Schema  einur  Silber- Konzentrationskelt«. 


502  L-  Michaelis. 

Die  gesamte  elektromotorische  Kraft  dieses  Elementes  besteht  nun 
nach  den  Grundsätzen  der  Elektrochemie  aus  der  Differenz  des  Poten- 
tials der  linken  Elektrode  und  der  rechten  Elektrode,  Ej — E,.  Nun  hat 
E,  den  Wert 

0-0001983 .  T .  log  ^  und  E,  den  Wert  0,0001983 .  T .  log  ^.    Im  ganzen  ist 

c  (j 

aanei  —  —  A-nAnmoa    T    M/^fv  T         i^„   T 


E  =  E,  —  E,  =  0-0001983 .  T .  [log  -^  —  log  -^A 

oder  E  =  0-0001983  .  T  .  (log  y  —  log  c  —  log  y  +  log  C). 

Die  Konstante  y  fällt  daher  fort,  als  Ausdruck  dafür,  daß  y  nur  von 
der  Natur  der  metallischen  Elektrode  abhängig  ist  und  beiderseits  die 
gleiche  Elektrodenart,  Silber,  ist.  So  ist  also 

(2)  E  =r  0-0001983  .  T  .  (log  C  —  log  c). 

In  unserem  Fall  ist  C  =  1.  daher  log  C  =  0,  und 
E  — —0-000 1983.  T.  log  c 
daher  ,  E 

l02-  C  =  — 


^  ^  0000 1983  .  T 

oder  mit  Einsetzung  der  speziellen  Werte  für  T  und  E 

^"-^^-0-0001983(373  +  18)  =  -  ^-^^^'^ 

Diese  negative  Zahl  müssen  wir.  um  ihren  Numerus  aus  der  Loga- 
rithmentafel entnehmen  zu  können,  in  eine  positive  mit  negativer  Kenn- 
ziffer umwandeln  und  schreiben  dafür  03518  —  1. 

Der  dazu  gehörige  Numerus  ist  0-225. 

Wir  haben  somit  gefunden,  daß  die  Konzentration  unserer  Silber- 
lösung 0-225  normal  in  Bezug  auf  Ag-Ionen  ist. 


3.  Wasserstoflf-Konzentrationsketteii.  Wollen  wir  nun  diese  Me- 
thode zur  Messung  der  H-Ionenkonzentration  einer  Lösung  verwenden,  so 
müssen  Avir  Elektroden  aus  Wasserstoff  anwenden.  Es  verhält  sich  nun  eine 
mit  Platinschwarz  überzogene  Platinoberfläche,  welche  gasförmigen  Wasser- 
stoff absorbiert  hat,  in  elektrochemischer  Beziehung  so,  als  ob  sie  aus  me- 
tallischem Wasserstoff  bestünde ;  das  Platin  hat  keine  elektromotorische 
Wirksamkeit.  Eine  Legierung  aus  einem  edlen  und  einem  unedlen  Metall 
verhält  sich  nämlich  elektromotorisch  so,  als  ob  sie  allein  aus  dem  unedleren 
Metall  bestände.  Dabei  ist  aber  zu  beachten :  1.  daß  das  Platin  kein  an- 
deres, elektromotorisch  wirksames  Gas,  wie  O.2,  Cl.^  u.  dgl.,  absorbiert  ent- 
hält, 2.  daß  beide  Platinelektroden  sich  in  einer  Wasserstoff atmosphäre 
von  gleichem  Druck  befinden,  weil  sie  ohne  die  Erfüllung  dieser  Be- 
dingung gegeneinander  ein  Potential  zeigen  würden,  welches  nichts  mit 
der  gesuchten  lonenkonzentration,  sondern  mit  der  verschiedenen  Beschaffen- 
heit der  Elektroden  zu  tun  hätte. 


Die  Bestimmung  der  Wasserstoffionenkonzentration  durch  Gasketten.         503 


Fig. 125. 


[ 


TS-5~«~B" 


GalvanoTU 
öcfi/auc/)  m/f  Verö/'pdiync/sf/üjS/^k. 


^^^^ 


P/3r//j 


■P/at/n 


Theoretisch  wäre  es  ebenso  gut  denkbar,  die  Phitinelektroden  mit 
Oo  zu  siitti^^en  und  die  Hydroxylionenkonzontration  zu  messen,  was  ja  für 
die  Bestimmung  der  Azidität  bzw.  Alkalität  einer  Flüssigkeit  ebensogut 
verwerti)ar  wäre  als  die  Bestimmung  der  II-Konzentration,  denn  aus  der 
Formel 

[IIJ .  [OH']  =  Dissoziationskonstante  des  Wassers 

läßt  sich  [H-]  aus[OH']  und  umgekehrt  berechnen. 

Es  hat  sich  aber  erwiesen,  daß  die  Sauerstoffelektrode  für  die  Praxis 
uni)rauchbar  ist,  weil  sie  inkonstante  Werte  liefert. 

Die  Messung  der  Wasserstoff ionenkonzentration  c  einer  unbekannten 
Flüssigkeit  würde  sich  demnach  schematisch  folgendermaßen  gestalten: 
Man  setzt  ein  gal- 
vanisches Element 
zusammen,  dessen 
beide  Elektroden 
aus  wasserstoffbe- 
ladenem  Platin  be- 
stehen. Die  eine 
Elektrode  taucht 
in  eine  Lösung, 
deren  H-Ionen- 
konzentration  be- 
kannt ist,  z.  B. 
einfach  normal, 
die  andere  in  die 
unbekannte  Lö- 
sung. Die  beiden  Flüssigkeiten  werden  durch  eine  flüssige,  nicht  metalli- 
sche Leitung  verbunden.  Diebeiden  Platinpole  werden  metallisch  verbunden 
und  die  elektromotoi'ische  Kraft  des  Stromes  gemessen. 

4.  Das  T)iffusions]K)tentiaL  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  es  nun, 
welche  Flüssigkeit  wir  zur  \'erbindung  der  beiden  Lösungen  benutzen  sollen. 
Der  einfachste  Fall  ist  der.  daß  man  eine  der  beiden  Flüssigkeiten.  seli)st 
dazu  benutzt.  Die  Schwierigkeit  liegt  nun  darin,  daß  an  der  BeriUirungsstelle 
zweier  verschiedener  Flüssigkeiten  eine  Potentialdifferenz  entsteht,  welche  die 
EMK  der  Kette  in  unerwünschter  Weise  beeinflußt.  Dieses  „Diffusionspoten- 
tial •'  kann  man  nun  in  zweierlei  Weise  berücksichtigen.  I'ntweder  bringt  man 
es  in  Rechnung,  in  besonders  einfachen  Fällen,  wo  es  sich  berechnen  läßt. 
Die  zweite,  allgemeinere  Methode  besteht  darin,  daß  man  der  Mittelflüssig- 
keit eine  solche  Beschaffenheit  erteilt,  daß  das  Diffusionspotential  ver- 
schwindend klein  wird.  Die  zweite  Methode  ist  im  allgemeinen  vcuv-uziehen, 
weil  es  nur  wenige  Fälle  gil)t,  in  denen  sich  das  Diffusionspotential  auf 
einfachem  Wege  genau  berechnen  läßt.  Solche  Fälle  sind  nändich  nur 
folgende : 


Schema  einer  Wasserstoff-Konzenfrationskette. 


504 


L.  Michaelis. 


1.  Wenn  die  beiden  Flüssigkeiten  nur  je  einen  Elelitrolyten,  und  zwar 
einen  und  denselben  enthalten;  die  Konzentration  dieses  Elektrolyten 
kann   dann   in  den  beiden  Flüssigkeiten  verschieden    sein.  Das  Diffusions- 


10 


Potential  e  beträgt  in  diesem  Falle  e  =  R  T  In  —  oder  =  0-0001983 .  T .  log  -, 

Co  Co 

wo  Cj  und  Ca  die  beiden  Konzentrationen  des  Elektrolyten  bedeuten. 

2.  Wenn  die  beiden  Flüssigkeiten   zwei   verschiedene  Elektrolyt«, 
aber  in  gleicher  Konzentration  enthalten.  Dann  ist 


e  =  R  T  In 


Ui  +  Vg 
"2   +Vi 


oder  000198;: 


10 

T.log 


Ui+Vo 


u 


2+  Vi 


wo  Ui  und  Vi  die  Wanderungsgeschwindigkeiten  des  Kations  bzw.  Anions 
des  einen  Elektrolyten,  Uj  und  v^  die  des  anderen  bedeuten.  Ein  solcher 
Fall  liegt  z.  B.  vor,  wenn  die  eine  Flüssigkeit  n  HCl,  die  andere  n  NaClist. 
Um  diese  Formel  auswerten  zu  können ,  ist  es  nötig ,  die  Wande- 
rungsgeschwindigkeit der  gebräuchlicheren  Ionen  zu  kennen.  Sie  beträgt 
für  einige  einwertige  Ionen  bei  18°: 


u 

v 

U                                  V 

K- 

64-67 

F' 

46-64 

NH,-   64-4            OH'   174 

Na- 

43-55 

Cl' 

65-44 

Tl-       66-00        HCOO'  46-7 

Li- 

;33-44 

Br' 

67-63 

Ag-      54-02  CH3.COO'  35-0 

Rb- 

67-6 

J' 

66-40 

H-     329-8 

Cae- 

68-2 

SCN' 

56-63 

So  ist  z.B.  das  Diffusionspotential  nHClXnNaCl  bei  18«: 

329-8  +  65-44 


e  =  0-0577  .log. 


43-55  +  65-44 


=  0-057  7.  log.  0-5592 


=:0-0577(0-7474—l)  oder  —0-0577.0-2526 
=  -0-0145  Volt. 

Das  —  (Minuszeichen)  gibt  die  Richtung  des  Diffusionspotentials  an. 
Es  ist  natürlich  rein  konventionell,  welche  Richtung  man  als  +  und  welche 
man  als  —  bezeichnet.  Es  ist  für  die  Verwertung  des  Diffusionspotentials 
aber  absolut  notwendig,  seine  Richtung  zu  kennen,  weil  es  von  dieser  ab- 
hängt, ob  man  dasselbe  zu  der  gemessenen  EMK  der  Kette  zu  addieren 
oder  von  ihr  zu  subtrahieren  hat.  Ein  Beispiel  wird  zeigen,  durch  welche 
Überlegung  man  das  im  Einzelfall  herausbekommen  kann 
die  Kette 


Gegeben  sei 


1 

2 

3 

PtH.3 

l  HCl 

'^NaCl 

a 

3                            C 

Blutserum 


PtH, 


Das  Potential  a  entsteht  dadurch,  daß  die  Platin-Ha-Elektrode  H-Ionen 
in  die  Flüssigkeit  zu  senden  sucht,  während  andrerseits  aus  der  Flüssig- 
keit 2  H-Ionen    in   Form    von   H,  sich    auf    der    Elektrode    abzuscheiden 


Die  Bestimmung  clor  Wasserstoffioueiikonzeutratioii  durch  Gasketten.         äOn 


•o 


suchen.  Ganz  ähnlich  entsteht  das  Potential  d.  Da  aber  in  2  mehr  Il-lonen 
gelöst  sind  als  in  4.  so  Avcrden  sich  mehr  positiv  «geladene  ll-lonen  aus 
2  zu  entfernen  suchen ,  als  aus  4 ,  d.  h.  die  Flüssijikcit  2  hat  Lrcfjen  1 
eine  negative  Ladung.  Schliefen  wir  die  beiden  Elektroden  metallisch,  so 
wird  der  positive  Strom  in  der  Richtung  5— 4 — ••') — 2  - 1  -  SchlielJungs- 
draht— 5  laufen. 

Nunmehr  betrachten  wir  das  Diffusionspotential  b.  Es  entsteht  durch 
die  größere  Wanderungsgeschwindigkeit  des  H'  gegenüber  dem  Na*.  Wenn 
die  Flüssigkeiten  2  und  ;\  im  Diffusionsaustausch  miteinander  stehen,  so 
suchen  in  der  Zeiteinheit  mehr  ll-loncn  von  2  nach  li  zu  diffundieren, 
als  Na-Ionen  von  8  nach  2.  Infolgedessen  findet  sich  in  :>  ein  Cberschuli 
von  Il'-Ionen.  und  r>  lädt  sich  positiv  gegen  2.  Es  wird  also  positive 
Elektrizität  in  der  Richtung  2— o  transportiert,  also  in  entgegengesetzter 
Richtung  als  vorher.  Wenn  wir  die  EMK  der  ganzen  Kette  messen,  so 
werden  wir  infolge  des  Diffusionspotentials  b  einen  zu  kleinen  Wert  be- 
kommen, wir  müssen  infolgedessen  das  zu  berechnende  Diffusionspotential  zu 
dem  gemessenen  Wert  der  Kette  addieren,  um  den  reinen  Wert  der  Kon- 
zentrationskette zu  bekommen. 

Auch  das  Diffusionspotential  c  müßte  man  in  dieser  Weise  berück- 
sichtigen. Das  ist  aber  im  vorliegenden  Fall  nicht  nötig,  weil  es  an- 
nähernd ==  0  ist.  Denn  ^-  NaCl  ist  chemisch  dem  Blutserum  so  ähnlich,  daß 

o 

das  Diffusionspotential  vernachlässigt  werden  kann.  Das  Diffusionspotential 
erreicht  gewöhnlich  nur  in  dem  Fall  einen  merklichen  Retrag,  wenn  eine 
der  beiden  Flüssigkeiten  H-  oder  OH-Ionen  in  größerer  Menge  enthält. 
Für  das  Diffusionspotential  ist  ja  nur  der  Unterschied  in  der  Wanderungs- 
geschwiudigkeit  der  verschiedenen  lonenarten  maligebend.  und  die  IV  und  ( )H' 
zeigen  die  von  den  übrigen  Ionen  abweichendsten,  nändich  größten  Werte 
für  die  Wanderungsgeschwiudigkeit. 

Die  zweite  Methode,  die  Vernichtung  des  Diffusionspotentials,  er- 
fordert eine  ganz  bestimmte  Beschaffenheit  der  Mittelflüssigkeit.  Das  Diffu- 
sionspotential zwischen  irgend  zwei  Flüssigkeiten  wird  nämlich  dadurch 
verkleinert,  daß  man  zwischen  dieselben  eine  möglichst  konzentrierte  Lösung 
eines  sehr  leicht  löslichen  Elektrolyten  einschaltet,  dessen  Anion  und  Kation 
möglichst  genau  einander  gleiche  Wanderungsgeschwindigkeiten  haben.  Diese 
Bedingung  erfüllen  nur  zwei  Salze:  KCl  und  (NH4)N03.  Ammoniumnitrat 
hat  den  Vorzug  noch  größerer  Löslichkeit,  aber  den  Nachteil,  dalj  es  in 
Berührung  mit  alkalischen  Flüssigkeiten  Ammoniak  abspaltet.  Deshalb  ist 
im  allgemeinen  KCl  vorzuziehen,  welches  den  Zweck  um  so  besser  erfüllt. 
in  je  höherer  Konzentration  es  angewendet  wiid.  Im  allgemeinen  genügt 
es  also,  einfach  eine  gesättigte  Lösung  von  KCl  zwischenzuschaltrn.  um 
das  Diffusionspotential  auf  den  praktisch  zu  vernachlässigenden  Wert  von 
<C1  Millivolt  herabzudrücken.  Nur  in  seltenen  Fällen  ist  dieses  Mittel  nicht 
ganz  sicher,  wenn  nämlich  die  IL  oder  Oll'-Konzcntration  einer  der  Flüssig- 
keiten erheblich  grölJer  als  etwa  10~^  norm.  ist.  In  diesem  Fall  hilft  man  sich 


506 


L.  Michaelis. 


nach  Bjerrum  ^)  auf  folgende  Weise.  Wie  gesagt,  ist  die  potentialvernichtende 
Eigenschaft  der  KCl-Lösung  um  so  größer,  je  konzentrierter  sie  angewandt 
wird.  Schaltet  man  nun  in  einem  Versuch  zwischen  die  beiden  Lösungen 
eine  gesättigte  KCl-Lösung,  in  einem  zweiten  Versuch  eine  halbgesättigte 
KCl-Lösung  und  findet,  daß  die  EMK  der  Kette  in  beiden  Fällen  ganz 
gleich  ist,  so  heißt  das :  schon  durch  die  halbgesättigte  KCl-Lösung 
wird  das  Diffusionspotential  ganz  vernichtet;  die  Anwendung  der  ganz 
gesättigten  KCl-Lösung  brachte  keine  Änderung  mehr  hervor.  In 
diesem  Falle  sind  wir  sicher,  das  Kontaktpotential  wirklich  vernichtet  zu 
haben. 

Finden  wir  dagegen,  daß  mit  ganz  gesättigter  Lösung  die  EMK  der 
Kette  0-202  Volt,  mit  halbgesättigter  KCl-Lösung  dagegen  0-204  Volt  ist, 
so  heißt  das :  die  halbgesättigte  KCl-Lösung  reichte  zur  völligen  Vernichtung 
des  Diffusionspotentials  nicht  aus,  denn  die  ganz  gesättigte  KCl-Lösung  ver- 
nichtete noch  weitere  — 0'002  Volt.  Man  kann  nun  mit  einer  für  die 
Praxis  ausreichenden  Genauigkeit  annehmen,  daß  der  wahre  Wert  der 
Konzentrationskette  erhalten  wird,  wenn  man  durch  Extrapolation  von  den 
0-204  Volt  diese  — 0*002  Volt  noch  einmal  abzieht,  also  den  Wert  zu 
0-206  Volt  annimmt.  Es  handelt  sich  hier  immer  um  sehr  kleine  Kor- 
rekturen, so  daß  diese  Extrapolation  gestattet  ist. 

Für  gewöhnlich  ist  aber  die  einfache  Messung  mit  zwischengeschal- 
teter gesättigter  KCl-Lösung  durchaus  ausreichend. 

5.  Messung  toii  elektromotorischen  Kräften.  Nunmehr  müssen 
wir  uns  im  Prinzip  mit  der  Methode  beschäftigen,  mit  der  die  EMK  einer 

Kette  gemessen  wird.  Die  beste  ist  die 
Kompensationsmethode  nach  Poggendorff 
und  Du  Bois- Regmond.  Sie  ist  eine  so- 
genannte ..Nullmethode-'  und  beruht  dar- 
auf, daß  man  in  den  Stromkreis  des  zu 
messenden  galvanischen  Elementes  eine 
zweite  elektromotorische  Kraft,  welche 
veränderlich  und  berechenbar  ist.  ent- 
gegenschaltet und  sie  so  reguliert,  daß 
die  Summe  der  E  M  K  im  Stromkreis  =  0 
ist.  Alsdann  ist  die  gesuchte  EMK  gleich 
der  entgegengeschalteten,  berechenbaren 
EMK.  (Fig.  126.) 

Das  Prinzip  ist  folgendes : 

A  sei  ein  galvanisches  Element  von 

genau  bekannter  EMK.  Die  Drähte  AC 

und  A  D  leiten  gut ,  der  Draht  CD  stellt 

einen  hohen  Widerstand  dar.  Dann  findet  zwischen  C  und  D  der  Abfall  des 

gesamten   Potentials   des   galvanischen   Elementes  A  statt.    Der   Punkt  E 


Fig. 126. 


Schema  der  Messungsmethode. 


1)  Bjerrum,  Zeitschr.  f.  physikal.  Chemie.  53,  428  (1905). 


Die  Bestimmiuiir  Jpi"  Wasserstoffioiiciikoiizeiitration  durcli  (iaskettcn.         f)Q7 

sei  verschieblich  (..Hiiickeiikontakt").  Dann  herrscht  zwischen  den  Tunkten  D 
und  E  ein  Potential,  welches  sich  berechnet  wie  folut : 

Totentialp-/,; :  Potential/^_c=  Widerstands-^; :  Widerstand;;  , . 
Von  den  Punkten  1)  und  F.  wird  ein  Nebenstronikreis  h'G BDE  ab- 
geleitet, in  den  die  zu  messende  EMK.  i^und  das  Galvanometer  6^  einge- 
schaltet ist.  Durch  Verschiebung  gibt  man  dem  Punkte  /.' diejenifie  Lage, 
bei  der  das  Galvanometer  in  Ruhestellung  ist.  Dann  ist  die  gesuchte  K.MK 
des  Elementes  B  gleich  dem  Potential  zwischen  den  Punkten  JJ  und  E  und 
diese  wiederum 

=  EMK  des  Elementes  A  x  :^—, — -, — .^~^ 

\\  iderstand  c-d 

Der  Widerstand  CD  kann  entweder  in  Form  des  Brückendrahtes  be- 
nutzt werden,  wie  es  für  Leitfähigkeitsbestimmungen  in  (iebrauch  ist, 
besser  aber  nimmt  man  an  seiner  Stelle  zwei  hintereinandergeschaltete 
Widerstandssätze  zu  je  1  bis  1110  Ohm.  Man  legt  sämtliche  Stöpsel  des  einen 
Rheostaten  ganz  beiseite  und  verteilt  die  des  anderen  zwischen  die  beiden 
Rheostaten,  so  jedoch,  daß  der  Gesamtwiderstand  der  Piheostaten  zu- 
sammen stets  1110  ü  beträgt.  Das  Hin-  und  Herstöpseln  einzelner  Wider- 
stände entspricht  dann  dem  Verschieben  des  Brückenkontaktes. 

6.  StroniqueHe.  Als  Stromquelle,  A,  benutzt  man  am  besten  einen 
gewöhnlichen  Bleiakkumulator.  Seine  EMK,  die  für  die  weitere  Rechnung 
bekannt  sein  muü,  muli  vor  jedem  \'ersuch  bestimmt  werden. 

Dies  "cschieht  auf  fokende  Weise:  Vor  Beginn  des  eigentlichen  \'er- 


r^"- 


suches  wird  der  Akkumulator  nach  dem  Schema  Fig.  126  und  127  eingeschaltet 
und  an  Stelle  des  Elementes  B  ein  ..Normalelement  •  von  genau  bekannter 
und  unveränderlicher  EMK  eingeschaltet.  Dazu  benutzt  man  gewöhnlich  ein 
W^estonelement,  welches  eine  EMK  von  P019  ^'olt  besitzt.  Nunmehr  wird 
durch  Fnistöpselung  der  Widerstände  der  Widerstand  ED  so  reguliert,  daß 
der  Stromkreis  EDBGE  stromlos  ist.  Dazu  ist  natürlich  notwendig,  daß  die 
Stromrichtung  des  Normalelementes  in  diesem  Stromkreis  der  des  Akku- 
mulators entgegengesetzt  geschaltet  ist.  Angenommen,  dieser  L^mstand  sei 
erreicht,  wenn  A'/^^  1500  tl  ist.  dann  ist 

EMK  Akkum.  :  EMKwestonel.  =  1  1  lU  !  ÜOO 

und 

11  l(t 

EMKAkkum.=     ^,,,,    ■  lull)    \ült. 

oOO 
Jedes  Ohm,   das    sich    in    dem   Pheostat  entsprechend    der  Ürücken- 
strecke  DE  befindet,  entspricht  denniach 

1110    1-019  _  1-010 
600  '  1110  ~  "()00      "  ■ 

Zur  dauernden  Stromentnahme  dai-f  das  Normalelement  nicht  benutzt 
werden,  sondern  nur  für  den  Zweck  der  Messung  des  Akkumulators. 

Man  kann  nun  viele  Pechnungen  ersjiaren.  wenn  man  eine  Strom- 
quelle von  11 10  Volt  benutzt.  Dann  bedeutet  jedes  Ohm  der  Brückenstrecke 


508  L.  Michaelis. 

DE  gerade  0-001  Volt.  Eine  solche  Stromquelle  benutze  ich  seit  langem 
durch  folgende  Anordnung.  Zwischen  die  Punkte  Ä  und  C  wird  ein  regulier- 
barer Vorschaltwiderstand  eingeschaltet.  Man  erteilt  nun  der  Strecke  ED 
den  Widerstand  101912,  der  Strecke  CE  also  den  Rest  (1110— 1019)=81 11 
In  B  befindet  sich  das  Normalelement  von  1*019  Volt.  Nun  reguliert  man 
den  Vorschaltwiderstand  derartig,  daß  das  Galvanometer  genau  stromlos 
ist.  Dann  'snrd  die  gesamte  EMK  des  Akkumulators  geteilt,  ein  Teil  dieses 
Potentials  fällt  auf  dem  Wege  des  Vorschaltwiderstandes  ab,  der  andere,  allein 
für  den  Brückenstromkreis  benutzte  zwischen  C  und  D.  Da  1019  ü  auf  der 
Strecke  ED  einer  EMK  von  1*0 19  Volt  des  Normalelements  entsprechen, 
so  bedeutet  jedes  O  des  Rheostat  ED  genau  1  Millivolt.  Die  Bestimmung 
der  EMK  l)is  auf  ganze  Millivolt  ist  praktisch  völlig  ausreichend. 
Schätzungen  der  Zehntelmillivolt  sind  aus  der  Höhe  des  Elektrometer- 
ausschlags möglich.  Findet  man  z.  B. ,  daß  der  Wert  0'0507  nur  eine 
Spur  zu  groß,  0-0506  aber  sehr  merkUch  zu  klein  ist,  so  wird  man 
0-05068  abschätzen. 

Die  genauere  Beschaffenheit  der  einzelnen  Teile  des  Apparates. 

In  Fig.  126  ist  nun  die  gesamte  Anordnung  abgebildet,  die  wir  im 
Schema  bisher  kennen  gelernt  haben.  Die  einzelnen  Teile  des  Apparats 
haben  des  Näheren  folgende  Beschaffenheit: 

a)  Der  Akkumulator. 

Man  benutzt  einen  gewöhnlichen,  einzelligen  Bleiakkumulator  von  be- 
liebiger Größe.  Er  wird  durch  hochgespannten  Gleichstrom  geladen,  indem 
man  den  mit  +  vorbezeichneten  Pol  mit  dem  positiven  Pol  des  Starkstromes 
den  mit  —  bezeichneten  mit  dem  negativen  Pol  verbindet  und  1 — 2  Glüh- 
lampen (bei  einem  Strom  von  110  Volt)  zwischenschaltet.  Die  Ladung  geschieht 
solange,  bis  die  Gasentwicklung  im  Akkumulator  lebhaft  zu  werden  beginnt, 
was  je  nach  der  Kapazität  des  Akkumulators  verschieden  lange  Zeit,  meist 
mehrere  Stunden,  in  Anspruch  nimmt.  Jetzt  ist  der  Akkumulator  ..überspannt" 
infolge  der  Beladung  mit  gasförmigem  Hg  und  O2.  Erst  wenn  der  Akkumulator 
mehrere  Stunden  durch  einen  Widerstand  von  1000 — 2000  O  geschlossen  ge- 
wesen ist  (also  einfach  in  dem  Stromkreis  des  Versuches),  beginnt  er,  eine 
konstantere  Ladung  anzunehmen,  welche  zuerst  >»  1*95  Volt  ist  und  im  Laufe 
von  Tagen  oder  Wochen,  je  nach  Benutzung,  um  ein  weniges,  etwa  auf 
1-8  Volt  abfällt.  Dann  tritt  eine  rapide  weitere  Entladung  ein  und  der 
Akkumulator  muß  aufs  Neue  geladen  werden.  Der  Akkumulator  muß  während 
des  Versuches  häufig  auf  seine  EMK  geprüft  werden,  oder  wenn  man  mit 
Vorschaltwiderstand  arbeitet,  muß  dieser  häufig  reguUert  werden,  indem 
stets  das  Normalelement  als  Vergleichsobjekt  benutzt  wird. 

b)  Der  Vorschaltwiderstand. 

Er  ist  nicht  durchaus  erforderhch,  aber  angenehm.  Er  besteht  zweck- 
mäßig aus  einem  festen  Widerstand  aus  Kheotandraht  von   zirka   800  O, 


510  L.  Michaelis. 

einem  gröberen ,  von  5  zu  5  O  regulierbaren  Widerstand  von  insgesamt 
100  11  und  einem  fein  regulierbaren  Scliieberwiderstand  von  insgesamt  etwa 
10  O.  Durch  die  beiden  regulierbaren  Widerstände  geschieht  die  gröbere 
und  zum  Schluß  die  feine  Regulierung  des  Vorschaltwiderstandes.  Sehr  zu 
empfehlen  ist  statt  dessen  auch  ein  zusammengekoppelter  gröberer  und 
feinerer  regulierbarer  Gleitwiderstand  (wie  in  Fig.  4).  ^) 

c)  Die  Meßbrücke. 

Die  „Meßbrücke"  ist  entweder  die  von  den  Leitfähigkeitsbestim- 
mungen her  bekannte,  oder  sie  besteht  wie  in  Fig.  127  am  besten  aus  zwei 
gleichen  Widerstandskästen  zu  je  1110  O,  enthaltend: 


1  X   1  Ll  = 

1 

2  X  2a  = 

4 

Ix   5  0  = 

5 

Ix  10  O  = 

10 

2  X  20  O  = 

40 

1  x  50  O  = 

50 

1  X  100  O  = 

100 

2  X  200  O  = 

400 

1  X  500  O  = 

500 

=  1110  o. 
Bei  Nichtgebrauch  müssen  die  Stöpsel  locker  eingesteckt  werden. 
Zum  Gebrauch  werden  zunächst  alle  Stöpsel  des  einen  Rheostaten  ent- 
fernt. Die  eingesteckten  Stöpsel  müssen  fest  eingedreht  werden.  Von  Zeit 
zu  Zeit  werden  die  Stöpsel  mit  Petroleum  zur  Säuberung  abgerieben,  im 
Notfall  mit  Schmirgelpapier  zart  abgerieben. 

d)  Das  Elektrometer. 

Als  Elektrometer  kommen  in  Betracht:  ein  sehr  empfindhches  Nadel- 
galvanometer, oder  ein  Spiegelgalvanometer,  oder  ein  Saitengalvanometer, 
oder  ein  Kapillarelektrometer.  Zur  Einübung  der  Methode  dient  zunächst  am 
einfachsten  irgend  ein  empfindliches  Nadelgalvanometer.  Weiterhin  aber 
empfehle  ich  mit  aller  Entschiedenheit  das  Kapillarelektrometer,  und  zwar 
in  der  Form,  wie  sie  Ostivald  gegeben  hat.  Einige  ganz  unbedeutende,  dem 
Zweck  angepaßte  Abänderungen  hat  das  Kapillarelektrometer  in  der  Form 
erfahren,  wie  es  der  Apparatur  für  Gasketten  (Vereinigte  Fabriken  für 
Laboratoriumsbedarf)  auf  meine  Veranlassung  beigegeben  wird. 

Das  Kapillar elektrometer  AÜrd  folgendermaßen  für  den  Gebrauch 
vorbereitet.  Man  verschaffe  sich  Quecksilber,  welches  von  unedleren  Me- 
tallen absolut  rein  ist.  Man  erhält  dies  aus  gewöhnhchem  käuflichen  Queck- 
silber, indem  man  dieses  mit  einer  starken  Lösung  von  Merkuronitrat  (in 
destilliertem  Wasser)  längere  Zeit  durchschüttelt,  dann  die  Merkuri- 
nitratlösung  abgießt,   mehrere  Male   mit  destilliertem  (auf   keinen  Fall 

*)  Ein  für  diese  Zwecke  geeigneter  Widerstand  wird  auf  meine  Veranlassung  in 
den  Vereinigten  Fabriken  für  Laboratoriumsbedarf  vorrätig  gehalten. 


Die  Bestiuinuui),'  der  WasserstoffioueiikoiiziMitratiou  tlurcli  (jusketten. 


511 


Leitunj^swasser  mit  Hp:  in  Berüliniii}^'  hriiiiicn:)  Wasser  wuscht,  das  Queck- 
silber in  einer  Porzellanschale  mit  Filtrierpapier  trocken  sautrt  und  filtriert. 
Quecksilber  wird  filtriert,  indem  man  ein  {gewöhnliches  Filter  in  einen 
Trichter  einpalit  und  in  die  Spitze  des  Filters  mit  einer  feinen  (nicht 
rostiiienlj  Nadel  ein  Loch  stöllt. 

Das  so  «^ereini^te  Quecksilber  wird  in  die  offnuiii;-  A  einj-efüllt,  bis 
es  in  den  anderen  Schenkel  überliinft    und  teilweise   in   die  Ku^cl  K  ab- 
tropft.   Die  Quecksilbermasse  zer- 
reißt dann  und  es  bleii)t  ein  Niveau  Fig.ias. 
bei  B  bestehen.  Man  achte  ja  dar-              A 
auf,    daß   in   der  Kuj^el  K  so  viel 
H^   sich    befindet,     daß    der    ein- 
geschmolzene   riatinkontakt     ganz 
von  Hg  bedeckt  ist. 

Eine  besondere  Iieinigung  der 
Glaskapillare  vor  der  Füllung  ist 
bei  frischen  Röhren  nicht  notwendig. 
Schon  gebrauchte  Röhrchen  lassen 
sich  nur  mühsam  zunächst  mit 
Schwefelsäurel)ichi'omatmis('hiing, 
dann  lange  mit  durchgesaugtem 
destillierten  Wasser,  Alkohol,  Äther, 
Luft   wieder  reinigen. 

Nach  EinfüUung  des  Queck- 
silbers wird  in  die  Öffnung  E 
eine  Mischung  von  1  N'olum  kon- 
zentrierter Ha  SOi  +  6  \olum 
Wasser  eingefüllt,  durch  Wippen 
die  Luftblasen  bei  B  entfernt ,  so 
daß  der  Quecksilljermeniskus  B  die 
Schwefelsäure  gut  i)erülirt.  Die 
beiden  Zuleitungsdrähte  müssen 
stets  kurz  geschlossen  werden,  was 
durch  den  Tauchkontakt  C  ge- 
schieht,   und   nur  unmittell)ar  vor 

dem  Gebrauch  darf  dieser  Tauchkontakt  höclistens  auf  wenii^e  Sekunden 
geöffnet  werden.  Ist  das  Elektrometer  in  guter  Ordnung,  so  darf  sich  der 
Quecksilbermeniscus  nach  diesem  Öffnen  ab.^olut  nicht  bewegen. 

Die  Beobachtung  des  Quecksilbermeniskus  geschieht  durch  ein  kleines 
Mikroskop,  in  dessen  Okular  eine  Teilung  eingeätzt  ist.  Auf  die  Außenseite 
(die  dem  Mikroskop  zugewandte  Seite)  der  Kapillare  wird  ein  Stück  eines 
Deckgläschens  D  mit  Kanadabalsam  befestigt,  um  die  gewölbte  Ol)erfläche  der 
Kapillare  zu  ebnen  und  das  miki-oskopische  Bihl  des  Meniscus  zu  verschärfen. 

Das  Kapillarelektrometer  ist  ein  vorzügliches,  ai)er  in  der  Hand  des 
Ungeübten  oft  launisches  Instrument.    Bald   ist    es  hochempfinillich.    bald 


Eapillarelektroineter  (.ohne  Stativ). 


512 


L.  Michaelis. 


in  imbr.iuchbarer  Weise  unempfindlich.  Einige  Regeln  werden  nützlich  sein, 
wenn  man  das  Elektrometer  gut  instand  halten  will. 

^lan  lasse  das.  Elektrometer  nie  ,. geöffnet"  stehen. 

Man  schicke  niemals  einen  starken  Strom  durch  das  Elektrometer. 
Ist  dies  dennoch  geschehen,  so  beobachte  man,  ob  sich  eine  Gasblase  am 
Meniskus  gebildet  hat.  Ist  das  der  Fall,  so  bringe  man  durch  Anblasen 
der  Öffnung  Ä  einen  Tropfen  Quecksilber  von  dem  Meniskus  nach  K  her- 
über, um  einen  neuen  Meniskus  zu  bilden.  Außerdem  beobachte  man,  ob 
der  ^leniskus  nach  dem  Öffnen  des  Tauchkontaktes  spontan  steigt  oder 
fällt.  Ist  das  der  Fall,  so  lasse  man  das  Elektrometer  so  lange  kurz  ge- 
schlossen,   bis   nach  dem  Öffnen  keine  spontane  Bewegung  mehr  eintritt. 

Man  überzeuge  sich  gelegentlich ,  ob  der  Meniskus  frei  beweglich  ist, 
indem  man  eine  sehr  schwache  EMK  an  das  Elektrometer  anlegt.  Als 
solches  kann  man  ein  kleines  galvanisches  Element  benutzen,  das  man 
z.  B.  aus  einem  Kupferdraht,  einem  Messingdraht  und  dem  angefeuchteten 
Finger  improvisiert.  Mitunter  ist  die  Beweghchkeit  des  Meniskus  rein 
mechanisch  durch  Staubteilchen  beeinträchtigt.  Gelingt  es  nicht,  durch 
leichtes  Anblasen  die  Beweglichkeit  wieder  herzustellen,  so  blase  man  einen 
neuen  Meniskus  ab.  Sehr  zu  empfehlen  sind  die  neuerdings  von  F.  Köhler 
(Leipzig)  in  den  Handel  gebrachten  fertig  gefüllten,  zugeschmolzenen 
Capillarelektrometerröhren. 

e)  Das  Normalelement. 

Das  gebräuchhchste  Normalelement  ist  das  sogenannte  Weston- 
element.    Man    füllt    ein    H-förmiges   Gefäß,    dessen    beide   Schenkel    mit 

Zuführungsdrähten  von 
^'^"^^^'  Platin    versehen    sind, 

^f^^oWin  auf  der  einen  Seite  mit 

einer  Schicht  ganz  reinen 
Quecksilbers ,  auf  der 
anderen  Seite  mit  einer 
Schicht  Kadmiumam- 
algam. Dieses  Amalgam 
wird    hergestellt   durch 

Zusammenschmelzen 
von  1  Teil  von  ganz 
reinem  Kadmium  und 
7 — 8  Gewichtsteilen 
^jMlilt  reinen  Quecksilbers.  Das 
Amalgam  erstarrt  bei 
Zimmertemperatur  zu 
einem  Brei.  Es  wird 
flüssig  in  das  H-Gefäß  eingegossen  und  erstarrt  in  demselben  bald.  Die 
Höhe  der  Schicht  muß  beiderseits  so  groß  sein,  daß  die  eingeschmolzenen 
Platindrähte  ganz    verdeckt    werden.    Dann    bereitet    man    sich    eine  ge- 


Pash 


W^-^-^J 


"  CdS04-Lc)sun9 


«—Cd  5O4-  Kristalle 


Westonscbes  Normalelement. 


Die  Bestimmuug  der  Wasserstoffioncnkouzentration  diircli  (iaskettc-n.         f,l3 

sättigte  Lösung  von  reinem  kristallisiertem  Kadmiiimsulfat  durch  Verreiben 
gleicher  (lewichtsteile  des  Salzes  und  von  Wasser.  Die  gesättigte  Lösung 
wird  zu  ^veiterem  Ciebrancli  abgegossen  und  von  dem  rcstierenden 
Kristallbrei  eine  Schicht  von  etwa  '^  nnn  Höhe  auf  das  Kadmium- 
amalgam  geschichtet.  Kiiie  andere  Portiun  des  Breies  mit  etwas  Mcr- 
kurosulfat,  etwas  Quecksilber  und  etwas  gesättigter  Kadmiumsulfatlösnng 
verrieben,  dekantiert,  die  Kadmiumsulfatlösung  abgegossen  und  durch  neue 
ersetzt  und  auf  gleiche  Weise  mehrere  Male  mit  Kadmiiuusulfatlösung  ge- 
waschen, um  alle  leicht  löslichen  Hg-Salze  zu  entfernen,  die  das  Merkuro- 
sulfat  etwa  als  Verunreinigung  enthalten  haben  könnte.  Schlieltlich  wird 
die  gewaschene  Taste  in  einer  b  iio»  hohen  Schicht  auf  das  Quecksilber 
des  H-(iefäßes  geschichtet.  Nun  werden  die  Schenkel  des  Il-defälies  mit 
erbsgroßen  Kristallen  von  Kadmiumsulfat  beschickt  und  mit  gesättigter 
Kadmiumsulfatlösung  angefüllt.  Die  beiden  Schenkel  werden  mit  ge- 
schmolzenem Paraffin  geschlossen,  indessen  man  Sorge  trägt,  daß  eine 
Luftblase  unter  dem  Paraffin  bestehen  bleibt,  damit  bei  Ausdehimng  durch 
die  Wärme  das  Gefäß  nicht  zersprengt  wird.  Auf  das  Paraffin  kann  man 
noch  eine  Korkscheibe  decken  und  darauf  Siegellack  gießen.  Das  Kleinent 
ist  sofort  gel)rauchsfertig. 

Die  EMK  des  Westonelementes  beträgt  bei 

0"  50  10«  150  20»  25"  ;-)0» 

1-01S9     1-018*)     1-01S9     1-0188     10186     1-0184     POISI  Volt. 

Die  Abweichungen  davon  betragen  I)ei  Anwendung  reiner  Reagenzien 
nicht  mehr  als  höchstens  +  02  Millivolt.  Es  können  natürlich  auch  Ele- 
mente benutzt  werden,  die  einen  etwa  um  1  Millivolt  abweichenden  Wert 
haben,  nur  muß  diese  Abweichung  beständig  und  bekannt  sein. 

Das  Normalelement  darf  niemals  zu  einer  irgendwie  erheblichen 
Stromentnahme  benutzt  werden.  Ist  dies  dennoch  versehentlich  geschehen 
(Kurzschluß),  so  regeneriert  sich  das  Element  ganz  allmählich  erst  wieder 
spontan  und  darf  zu  ^lessungszwecken  erst  wieder  benutzt  werden,  wenn 
es  eine  konstante  EMK  angenommen  hat,  also  am  nächsten  Tage. 

Die  physikalisch-technische  Reichsanstalt  üi)ernimmt  die  Aichung 
solcher  Normalelemente. 

f)  Die  Gaskette. 

Die  Gaskette  ist  ein  galvanisches  Element,  welches  aus  der  Vergleich.s- 
elektrode  und  der  Untersuchungselektrode  besteht.  Als  Vergleichselektrode 
benutzt  man  entw^eder  eine  Wasserstoffelektrode  mit  einer  genau  bekann- 
ten Säurelösung  oder  die  Dezinormalkalomelelektrode.  Die  Herstellung  der 
Wasserstoffelektrode  geschieht  genau  auf  dem  gleichen  Wege,  wie  t's  so- 
gleich für  die  l^ntersuchungselektrode  beschrieben  werden  wird,  /u  be- 
sprechen ist  nur  noch  die  Säurelösung,  mit  welcher  dieselbe  gefüllt  werden 
soll.  Diese  muß  folgende  P.ediugungeu  erfüllen:  die  Il-Konzeutration  muß 
genau  bekannt  sein  und  die  Lösung  muß  so  beschaffeu  sein,  daß  das  Dif- 
fusionspotential gegen  die  Mittelflüssigkeit    entweder  verschwindend    klein 

Abderbal  do  n  ,  Handbuch  der  biocberaiHcben  Arbeittmethodrii.  V.  33 


§14  L.  Michaelis. 

oder  genau  berechenbar  ist.  Diesen  Bedingungen  wird  durch  eine  der  fol- 
genden Anordnungen  genügt : 

Elektiodenflüssigkeit  zugehörige  Mittelflüssigkeit 

a)  Salzsäure  (am  besten  ^) NaCl  in  gleicher  Kon- 
zentration (also  gewöhn- 
lich ^), 

h)  0-01  n  HCl  +  0-1  n  NaCl(d.  h.  10  cm^  ^HCl  -f 

10  cm^  n  .  NaCl  +  80  cm^  Wasser)  .     .     .     .     Ol  n  NaCl, 

c)  noch  besser:  10  cm^  n  NaOH  +  20cin'^  n  Essig- 
säure, mit  dest.  Wasser  aufgefüllt  auf  100 cm"-     gesättigte  KCl-Lösung. 
Bei  der  Anordnung  a)  ist  das  Diffusionspotential   nach   der  Formel 

S.  504  berechenbar.  Es  beträgt: 

Temperatur  Volt 

18« 0-0145 

38" 0-0154. 

Dieses  Diffusionspotential  mar)  zu  der  gemessenen  EMK  der  Gas- 
kette addiert  werden.  Die  H-Konzentration  der  Vergleichslösung,  Tq  HCl, 

beträgt  0*09 1  n,  weil  die  HCl  in  dieser  Verdünnung  zu  91%  dis- 
soziiert ist. 

Die  Anordnung  h)  ist  von  Bugarski  so  gewählt ,  weil  durch  das  zu- 
gefügte NaCl  das  Diffusionspotential  ausgeschaltet  werden  sollte.  Dieses  be- 
trägt aber  in  Wirküchkeit  immer  noch  0"0056  Volt,  welche  von  der  EMK 
der  Gaskette  abgezogen  werden  müssen.  Die  H"-Konzentration  der  Ver- 
gleichslösung beträgt  nicht  0009(3  n,  wie  es  einer  reinen  0*01  HCl  ent- 
spräche, sondern  weil  die  Dissoziation  des  HCl  durch  den  Überschuß  des 
NaCl  etwas  zurückgedrängt  wird,  nur  0'0091  n. 

Die  Anordnung  c)  hat  den  Vorteil,  daß  das  Diffusionspotential  —  0  und 
die  H*-Konzentration  der  Vergleichslösung  sehr  genau  bekannt,  =  2o7  .  10~°  n 
ist.  Sie  hat  aber  den  Nachteil,  daß,  weil  die  H--Konzentration  der  Vergleichs- 
lösung so  niedrig  ist,  die  H •-Konzentration  der  Versuchslösung  bald  größer, 
bald  kleiner  als  diese  sein  wird,  so  daß  man  immer  die  Stromrichtung  be- 
achten muß,  was  bei  den  anderen  Anordnungen  in  der  Regel  unnötig  ist. 

Die  Kalomelelektrode. 

Viel  einfacher  ist  daher  die  für  diesen  Zweck  von  L.  P.  S.  Sörensen'^) 
eingeführte  Dezinormalkalomelelektrode.  Sie  wird  folgendermaßen  hergestellt : 
Das  dazu  geeignete  Elektrodengefäß  wird  mit  absolut  reinem  Quecksilber 
so  weit  gefüllt,  daß  der  an  das  untere  Ende  des  Rohres  R  eingeschmolzene 


1)  S.  P.  L.Sörenscn,  Enzymstudieii  II.  Biochem.  Zeitschr.  S.  131.  21  (1910). 


Die  Bestiminiui''  der  \Vasserstoffioiiciik<mzoiitration  durch  Gasketten. 


r.i:, 


Fiff.lSO. 


Platinkontakt  sicher  bedeckt  wird.    Dann  schüttet    man    eine  Messerspitze 
Kalomel  hinein,  schüttelt  es  leicht  mit  dem  Hf^-  durch  und  füllt  das  ganzo 

Gefäß  mit  einer  sehr  i>enau  herfi:estellten  — -Lösunj^  von  KCl.  I)ann  ver- 
schließt man  das  Gefäß  mit  dem  Glasrohr  /•',  welches  den  l'latinkontakt  ent- 
hält und  füllt  dieses  Kohr  mit  Quecksilber,  in  welches  der  Zuleitungsdraht 
später  hineingesteckt  werden  kann.  Jetzt  öffnet  man  den  Hahn  Ji,  lüftet 
den  Verschluß^  und  läßt  die  KCl-Lösung  etwas  au.sfließen,  bis  alle  Luft- 
blasen in  dem  Ableitungsrohr  verdrängt  sind,  schließt  dann  li  und  A  wieder. 
Die  Spitze  C  wird  in  eine  Manne  mit  gesättigter  KCl-Lösung  getaucht, 
wie  in  Fig.  126  zu  sehen  ist.  Unmittelbar  vor  der  Messung  öffnet  man  den 
Hahn  B.  Bei  Nichtgebrauch  ist  er  so- 
fort wieder  zu  verschließen.  An  jedem 
Untersuchungstage  lasse  man  ein  wenig 
von  der  KCl-Lösung  aus  dem  Gefäß 
abfließen.  Gelegentlich  erneuere  man 
die  Füllung.  Das  Quecksilber  braucht 
nicht  erneuert  zu  werden. 

Das    Potential    dieser    Elektrode 

gegen  die  -— n  Wasserstoffelektrode  be- 
trägt nach  den  sehr  sorgfältigen  Mes- 
sungen von  Sörensen  bei  18"=  0";>o77 
Volt. 

Findet  man  z.  B.,  daß  die  EMK 
einer  Kette,  bestehend  aus  der  Ver- 
suchselektrode und  derKalomelelektrode 
als  Vergleichselektrode  Ü"ol00  Volt  be- 
trägt, so  weiß  man,  daß  die  Versuchs- 
elektrode gegen  die  —  n 

die  EMK 

0-5100 
—0-3377 


IL-Elekt  rollt' 


KCl 


Calomel 


=  0-1723  Volt 


Kalomelelektrode. 


betragen  würde,  welcher  Wert  dann  zur  Rechnung  benutzt  wird. 


Die  Kalomelelektrode  hat  den  großen  ^■ort('il,    daß 


sie    stets  fertig 


zur  Untersuchung  ist  und  man  die  Einleitung  des  IL  und  die  öfters  not- 
wendige Instandsetzung  der  Platin-ll.^-Elektrode  wenigstens  an  der  Ver- 
gleichselektrode  spart,  und  daß  ferner  das  Diffusionspotential  gegen  jede 
beliebige  KCl-Lösung  =  0  ist.  Sie  hat  ferner  den  Vorteil,  daß  bei  noch  .so 
hoher  IL-Konzentration  der  Versuchslösung  keine  Umkehr  der  Strom- 
richtung eintritt  und  man  auf  die  Stromrichtung  überhaupt  nicht  mehr 
zu  achten  hat,  sobald  alles  einmal  richtig  montiert  ist. 


33* 


516 


L.  Michaelis. 


Die  Gaselektrode. 

Die  Gaselektrode,  welche  zur  Aufnahme  der  zu  untersuchenden 
Flüssigkeit  dient,  hat  nach  meinen  Erfahrungen  am  besten  und  einfach- 
sten folgende  Anordnung  (Fig.  131) : 

Sie  besteht  aus  dem  Glasgefäß  A,  der  Elektrode  B  und  dem  Schlauch  C. 
Die  Elektrode  wird  am  besten  nicht  durch  ein  Platinblech,  sondern  ein- 
fach durch  einen  Platindraht  dargestellt,  welcher  in  einen  Glasschliff  ein- 
geschmolzen ist.  Oben  trägt  der  Glastubus  einen  federnden  Kontakt  zur 
Ableitung  des  Stromes. 

Der  Platindraht  muß  mit  Platinschwarz  überzogen  werden.  Man  reinige 
das  Platin  zunächst  mit  konzentrierter  Salpetersäure  und  wasche  diese 
mit  Wasser  ab.  Von  jetzt  an  darf  das  Platin  nicht  mehr  mit  dem  Finger 
berührt  werden.  Nunmehr  verbinde  man  die  Platinelektrode  mit  dem  n  e- 

gativen   Pol   eines   Akkumulators 

Fig.  131. 

,-c 


B~~- 


Ho-iiir- 


Wasserstoffelektrode. 


(oder  auch  einer  Batterie  von  zwei 
hintereinander  geschalteten  Akku- 
mulatoren), während  man  die  feste 
Platinelektrode  des  ..Platinierungs- 
gefäßes"  mit  dem  positiven  Pol 
verbindet.  Das  Gefäß  wird  mit 
einer  Lösung  von  3%  Platinchlo- 
rid +  einer  minimalen  Spur  Blei- 
azetat gefüllt  und  der  Strom  durch- 
geleitet. Unter  häufigem  Drehen 
der  Elektrode  lasse  man  den  Strom 
hindurchgehen.  Das  Platin  über- 
zieht sich  mit  einer  sammetschwar- 
zen  Schicht  von  Platinschwarz.  So- 
bald dieser  Bezug  allseitig  und  gleichmäßig  geworden  ist,  ist  die  Plati- 
nierung  beendet.  Die  Platinierung  einer  ganz  neuen  Elektrode  geschieht 
oft  langsam  und  erfordert  bis  5  Minuten,  alle  späteren  Platinierungen  der 
Elektrode  erfordern  gewöhnhch  nur  1 — 2  Minuten.  Jetzt  spüle  man  die 
Elektrode  gut  mit  destilliertem  Wasser  ab  und  unterwerfe  sie  sofort  einer 
kathodischen  Polarisation.  Das  hat  den  Zweck,  die  dem  Platinschwarz  noch 
anhaftenden  Pieste  von  Platinchlorid  zu  reduzieren.  Das  ist  unbedingt  not- 
wendig. Zu  diesem  Zweck  benutzt  man  genau  die  gleiche  Anordnung  wie 
beim  Platinieren,  nur  fülle  man  das  Gefäß  nicht  mit  der  Platinlösung, 
sondern  mit  verdünnter  Schwefelsäure.  Man  lasse  die  Gasentwicklung 
einige  Minuten  vor  sich  gehen,  spüle  die  Elektrode  gut  ab  und  bewahre 
sie  bis  zum  Gebrauch  unter  destilliertem  Wasser  einfach  in  dem  Elek- 
trodenrohr (Fig.  131)  auf.  Die  Elektrode  ist  wenige  ]Minuten  nach  dieser 
Prozedur  sofort  gebrauchsfähig;  das  an  manchen  (Jrten  vorgeschriebene 
24stündige  Wässern  ist  nach  guter  Pieduktion  ganz  überflüssig. 


Die  BestimmiiiiLT  <lor  Wasserstoffidiionk-onzentratioii  iliirdi  (iaslcelteii.         ,")17 

Die  Platiniorung  nuill  von  Zeit  zu  Zeit  erneuert  werden.  Wird  die 
Elektrode  immer  nur  mit  eiweilifreien  Lösungen  gefüllt,  so  hält  sie  sich 
oft  viele  Wochen  lang  gut.  Im  anderen  Fall  kann  es  vorkommen,  dal»  die 
Platinierung  alle  paar  Tage  notwendig  wird. 

Die  fertig  platinierte  Elektrode  wird  erst  auf  ihre  Güte  geprüft. 
Dies  geschieht  am  einfachsten,  indem  man  eine  Lösung  von  genau  l)e- 
kannter  H-Konzentration  mit  ihr  milit.  Als  solche  \'ergleichslösung  emp- 
fehle ich: 

10  cm^  n  Na  OH 
20     .,    n  Essigsäure 
70     ,,    dest.  AVasser. 
Die  Platinelektrode  muß  gegen  die  Kalomelelektrode   bei    18"  C   die 
EMK  0-6045  VoltM  haben.    Mehr   als   höchstens    ±0001    \nlt    Differenz 


Fig. 132. 


VF.L.  BERLIN 


H2SO4Ö- 


Platiniernngs-  nnd  BeduktionsgefäU. 


ist  eigentlich  unstatthaft,  obwohl  für  die  allermeisten  Zwecke  eine  Ab- 
weichung von  0-002  bis  O-OO;»  \'olt  noch  i^ai-  nicht  in  Betracht  kommt. 
Pei  längerem  Gebrauch  wird  die  Elektrode  schlecht.  Man  bemerkt 
das  daran,  daß  ganz  plötzlich  unmögliche  Resultate  herauskommen.  Kleine 
Fehler  macht  die  Platinelektrode  nicht  so  leicht:  wird  sie  schlecht,  so 
gibt  sie  sofort  ganz  unwahrscheinliche  Pvesultate.  Auch  kommt  es  vor,  dal5 
eine  Verschlechterung  der  Elektrode    sich  dadurch    anzeigt,    daß   sie  zur 

')  Für  andere  Temperaturen  ist  dieser  Wert  iiocli  niclit  mit  dem  ^'leiclien  Grad 
von  Genauigkeit  festgelegt.  Mit  praktisch  genügender  Genauigkeit  kann  man  aber  bis 
zu  etwa  24"  C  pro  Grad  08  Millivolt  zuziehen,  so  daß  die  EMK  dieser  Kette  beträgt: 

bei  18« C)()Ü4 j  Volt 

„20" 0(i()()l     .. 

„22» 0()078    „ 

,24" 0-60',l3    ., 


518  L-  Michaelis. 

Einstellung  eines  konstanten  Potentials   ungebührlich   lange  Zeit   braucht, 
also  etwa  mehr  als  eine  Stunde. 

Zum  Gebrauch  füllt  man  die  Elektrode  zunächst  mit  der  zu  unter- 
suchenden Lösung,  ohne  eine  Luftblase  in  dem  Elektrodenschenkel  zu 
lassen.  Dann  fülle  man  diesen  mit  Wasserstoffgas.  Dieses  wird  entweder 
in  einem  elektrolytischen  Wasserstoffentwickler  oder  im  Kippschen  Ap- 
parat entwickelt.  Man  wasche  den  H.j  mit  Kaliumperm anganatlösung  zur 
Oxydation  oxydabler  Gase  und  mit  gesättigter  HgCL-Lösung  zur  Ent- 
fernung des  Arsens.  Der  Wasserstoff  muß  natürlich  absolut  frei  von 
Luft  sein.  Man  lasse  den  Wasserstoff  längere  Zeit  durch  ein  kapillar-aus- 
gezogenes  Glasrohr  strömen,  führe  dies  Avährend  des  Durchströmens  in 
den  offenen  Schenkel  des  Elektrodengefäßes,  schUeße  dann  mit  einem 
Quetschhahn  den  Hg-Strom  und  führe  die  Glaskapillare  so  tief  ein,  daß 
der  dann  zuzuleitende  Wasserstoff  in  dem  kürzeren  Schenkel  des  Elek- 
trodengefäßes aufsteigt.  Man  lasse  langsam  soviel  Wasserstoffgasblasen  hin- 
zu, bis  die  Platinelektrode  nur  mit  der  äußersten  Spitze  noch  in  die  Flüs- 
sigkeit taucht. 

Der  Umstand,  daß  die  Platinelektrode  sich  erst  allmählich  mit  Hs-Gas 
sättigt,  hat  zur  Folge,  daß  die  E  M  K  nicht  sofort  nach  Ansetzung  der  Gas- 
kette den  definitiven  richtigen  Wert  hat.  Lst  die  Vergleichselektrode  die 
Kalomelelektrode,  so  wird  die  EMK  der  Kette  im  Laufe  der  Zeit  zunächst 
stets  zunehmen,  bis  schließlich  die  Konstanz  erreicht  ist.  Man  mache  gleich 
nach  Ansetzung  der  Kette  eine  Messung  der  EMK,  wiederhole  diese  etwa 
alle  10  Minuten  und  betrachte  den  Wert  nicht  eher  als  den  definitiven,  bis 
sich  in  drei  aufeinanderfolgenden  Ablesungen  im  Zwischenraum  von  10  Mi- 
nuten   absolut    keine   Änderung    der    EMK  mehr  zeigt. 

Die  Angaben  in  den  Büchern,  man  solle  die  Elektrode  zu  einem 
Drittel  ihrer  Länge  eintauchen  lassen,  sind  ganz  unzweck- 
mäßig. Die  Einstellung  des  richtigen  Potentials  geschieht  viel 
schneller,  wenn  die  Elektrode  nur  noch  knapp  eintaucht. 

Bei  eiweißhaltigen  Flüssigkeiten,  in  denen  der  H,  in  Blasen  stehen 
bleibt,  lasse  man  so  viel  H,  hinein,  daß  die  Elektrode  nicht  mehr  ganz 
eintaucht.  Die  kapillare  Stromleitung  an  den  Wänden  der  Wasserstoff- 
bläschen ist  hinreichend. 

Die  Ursache  dieser  Erscheinung  scheint  mir  folgende  zu  sein: 
Potentialbestimmend  kann  nur  der  eintauchende  Teil  der  Elektrode  sein. 
Der  definitive  Wert  des  Potentials  wird  erreicht,  sobald  dieser  eintauchende 
Teil  der  Elektrode  mit  Wasserstoffgas  gesättigt  ist.  Der  Wasserstoff  ge- 
langt aber  in  diesen  Teil  der  Elektrode  nicht  direkt  aus  dem  Gasraum, 
mit  dem  er  ja  nicht  in  offenem  Austausch  steht,  sondern  durch  Diffusion  aus 
dem  aus  der  Flüssigkeit  herausragenden  Teil  der  Platinelektrode.  Der 
Diffusionsweg  des  'absorbierten  Wasserstoffes  aus  dem  überstehenden  in 
den  eintauchenden  Teil  des  Platins  ist  aber  um  so  kürzer,  je  kürzer  der 
eintauchende  Teil  ist.  Daher  wird  sich  eine  nur  knapp  eintauchende  Elek- 
trode schneller  mit  Ho  sättigen  als  eine  tief  eintauchende. 


Die  Bestimmung  der  Wasserstoff ionenkonzentration  durch  (iaskctton.         f-,19 

Eine  besondere  Schwierigkeit  bietet  die  Untersuchung,'  von  Flüssig- 
keiten, die  (Jase  gelöst  enthalten,  wie  CO,,  Oj,  NH3,  t'l.,,  N,.  ^Vir  müssen 
hier  zwei  Fälle  unterscheiden,  entweder  ist  das  betreffende  (ias  ..elektro- 
motorisch wirksam"  oder  nicht.  i)en  ersten  Fall  stellt  z.  ]'..  CU  dar.  Füllen 
wir  das  Elcktrodengefäli  mit  einer  CI2  entwickelnden  Flüssigkeit  und  füllen 
in  iil)licher  Weise  Wasserstoffgas  ein,  so  wird  sich  der  Gasraum  und 
schließlich  auch  das  Platin  mit  etwas  Cl.,  beladen.  Wir  haben  somit  nicht 
mehr  eine  reine  Hg-,  sondern  gleichzeitig  eine  Cl^-Elektrode  vor  uns,  und 
für  die  Größe  des  Potentials  wird  nicht  allein  di"  Konzentration  der  ge- 
lösten H'-Ionen,  sondern  auch  die  der  Cl'-Ionen  maßgebend  sein.  In  einem 
solchen  Fall  gibt  uns  daher  die  EMK  der  Kette  gar  keinen  Aufschluß  über 
die  Konzentration  der  H-Ionen.  Besonders  wichtig  ist  die  in  der  physiologi- 
schen Literatur  überhaupt  noch  nicht  bekannte  Tatsache,  daß  auch  NH^-lias 
elektromotorisch  wirksam  ist.  Man  kann  daher  Flüssigkeiten,  die  NHj-Cias 
entwickeln,  nicht  mit  Gasketten  messen.  Den  zweiten  Fall  stellt  eine  Flüssig- 
keit dar,  welche  z.  B.  CO,  gelöst  enthält  wie  P)lut.  CO2  ist,  wie  Höber  nach- 
gewiesen hat,  elektromotorisch  gar  nicht  wirksam  und  ein  dem  vorigen 
Beispiel  analoger  Fehler  kann  daher  nicht  entstehen.  Dafür  entstehen  zwei 
andere  Fehler:  1.  Durch  das  Entweichen  der  Kohlonsäure  in  den  Gasraum 
aus  der  Flüssigkeit  nimmt  die  Azidität  der  Flüssigkeit  allmählich  ab,  so 
daß  nach  Einstellung  eines  konstanten  Potentials  nicht  die  ursprüngliche, 
sondern  eine  sekundär  veränderte  H-Ionenkonzentration  gemessen  wird. 
2.  Durch  die  Aufnahme  von  CO«  wird  der  Partialdruck  des  Ha  in  dem  Gasraum 
geringer  und  damit  die  Potentialdifferenz  geändert.  Denn  unsere  Vergleichs- 
elektrode ist  eine  solche,  welche  H,  unter  1  Atmosphäre  Druck  enthält. 
Der  hierdurch  verursachte  Fehler  ist  allerdings  nicht  groß,  denn  der 
..elektrolytische  Lösungsdruck"  eines  zweiatomigen  Gases,  wie  Hj,  ist  nur 
der  Quadratwurzel  aus  dem  Gasdruck  proportional ;  daher  ist  es  fast  be- 
langlos, ob  der  Wasserstoffatmosphäre  einige  Prozente  CO2  beigemengt 
sind  oder  nicht. 

Durch  diese  Mitwirkung  der  CO.,  kommt  es  nun,  daß  die  genaue 
Bestimmung  der  H-Ionenkonzentration  in  physiologischen  Flüssigkeiten  be- 
sondere Schwierigkeiten  macht.  Neuerdings  ist  es  HassclbarJi ' )  gelungen, 
auch  diese  Schwierigkeit  zu  beseitigen.  Das  Prinzip  der  Methode  besteht 
darin,  daß  er  mit  Hilfe  eines  besonders  konstruierten  Gefäßes  zunächst 
die  Gaselektrode  wie  gewöhnlich  zusammensetzt,  durch  Schütteln  den  (Jas- 
austausch  zwischen  der  Flüssigkeit  und  dem  Gasraum  bis  zum  eintreten- 
den Gleichgewicht  herbeiführt  und  schlielMich  die  so  veränderte  Flüssigkeit 
durch  eine  frische  Probe  ersetzt  unter  Innehaltung  des  alten  (iasraumes. 
Jetzt  kann  die  Flüssigkeit  keine  CO..  nnlir  abgeben  und  der  erste  Fehler, 
den  die  CO2  bewirkt,  ist  ausgeschaltet.  Der  zweite  Fehler  war  ja, 
wie  wir  sahen,  zu  vernachlässigen. 


^)  K.  Ä.  Ilasaclhdch ,   Elcktrnniotrisolio  Keaktionsbestimmuiiir   kohlensäurehaltiirer 
Flüssigkeiten.  Biocbem.  Zcitsclir.  Bd.  30.  3, 7.  (1910.) 


520  L-  Michaelis. 

Die  mit  dieser  Methode  erhaltenen  Werte  weichen  nur  sehr  wenig  von 
(der  der  gewöhnlichen  Methode  ab,  sobald  man  mit  dem  von  mir  ange- 
gebenen Kunstgriffe  des  geringen  Eintauchens  der  Elektrode  arbeitet  und 
man  mit  einer  Elektrode  arbeitet,  die  sich  erfahrungsgemäß  schneU  zur 
Konstanz  einstellt.  Je  kleiner  das  Volumen  des  Gasraumes  ist,  um  so  kleiner 
ist  der  COg-Fehler.  Man  kann  nun  aber  ohne  Bedenken  mit  ganz  kurzen 
Platindrahtelektroden  arbeiten ,  so  daß  der  Gasraum  weniger  als  1  cm^ 
beträgt.  Wenn  man  dann  den  etwa  nach  Ablauf  der  ersten  halben 
Stunde  gemessenen  Wert  als  den  richtigen  betrachtet,  so  wird  man 
keinen  merklichen  Fehler  machen.  Man  muß  nämlich  bedenken,  daß  die 
Definierung  der  Wasserstoffionenkonzentration  in  physiologischen  Flüssig- 
keiten keine  sehr  scharfe  ist,  und  daher  auch  die  Beanspruchung  der  aller- 
höchsten Genauigkeit  nicht  in  der  Natur  der  Sache  begründet  ist.  So 
kann  z.  B.  ein  Blutserum ,  welches  mit  der  Luft  in  Berührung  steht, 
in  kurzer  Zeit  durch  Abgabe  von  CO2  seine  [H*]  erheblich  mehr  ändern, 
als  der  Ungenauigkeit  der  gewöhnlichen  Messung  entspricht.  Immerhin 
gibt  die  Methode  von  Hasselbach  ein  Mittel  an  die  Hand,  gegebenenfalls 
die  äußerste  Genauigkeit  zu  erreichen,  wenn  die  Umstände  es  lohnend  er- 
scheinen lassen. 

Die  zu  messenden  Flüssigkeiten  dürfen  ferner  kein  Toluol  oder 
Chloroform  enthalten,  welches  die  Platinoberfläche  „vergiftet''  und  zu 
falschen  Werten  Anlaß  geben  kann,  aber  nicht  muß,  worüber  Sörensen 
(1.  c.)  genaue  Untersuchungen  angestellt  hat.  Mit  Thymol  gesättigte,  kein 
überschüssiges,  festes  Thymol  enthaltende  Flüssigkeiten  geben  dagegen 
nach  meinen  Erfahrungen  richtige  Werte. 

Spuren  von  HoS,  die  in  eiweißhaltigen  Lösungen  durch  Fäulnis  ent- 
stehen, vereiteln  ebenfalls  die  Messungen,  nach  Sörensen.] 


Die  Berechnung   der  Wasserstoffionenkonzentration  [H*]   bzw. 
des  Wasserstoffexponenten  ph  aus  der  EMK. 

Zunächst  muß  die  Temperatur  festgestellt  werden,  bei  welcher  die 
Messung  stattgefunden  hat.  Es  ist  im  allgemeinen  nicht  notwendig,  die 
ganze  Apparatur  durch  ein  Wasserbad  auf  eine  gewünschte  konstante 
Temperatur  zu  bringen,  sondern  es  genügt  durchaus,  bei  Zimmertemperatur 
zu  arbeiten  und  nach  Einstellung  eines  konstanten  Wertes  der  EMK  nach- 
träghch  die  Temperatur  in  der  Flüssigkeit  der  Gaselektrode  oder  der 
Kalomelelektrode  mit  einer  Genauigkeit  von  ±  0-25o  festzustellen.  Es 
empfiehlt  sich  am  meisten,  bei  einer  Temperatur  von  etwa  18*»  zu  ar- 
beiten, weil  die  Standardwerte  für  diese  Temperatur  am  sichersten  fest- 
gelegt sind. 

Ist  die  EMK  der  Gaskette  (nach  Abzug  des  etwaigen  Diffusions- 
potentials) gegen  irgend  eine  Vergleichselektrode  festgestellt,  so  berechnet 


Die  Bestimmung  der  AVasserstoffionenkonzontration  Jiircli  Oaskctti'u.         f)21 

man  zunächst  die  reduzierte  EMK,  d.  h.  diejenige  EMK,  welche  bei  Be- 
nutzung der     n .  Hj -Elektrode   erhalten   worden   wäre.    Ist  die  \'ergleichs- 

elektrode  irgend  eine  Ho-Elektrode,  so  mul)  man  zunächst  die  H--Ionen- 
konzentration  derselben  genau  kennen.  IM  einer  HCl-Lösung  ist  nun  die 
[H]  gleich  der  Konzentration  der  HCl-Lösung,  multipliziert  mit  dem  Dis- 
soziationsgrad, a,  derselben.  Dieser  hängt  ab  von  der  Gesamtkonzentratiou 
des  gelösten  Cl;  wenn  man  also  z.B.  eine  Lösung  von  0*01  n.  HCl 
und  009  n .  NaCl  hat,  so  ist  der  Dissoziationsgrad  der  Salzsäure  nicht 
derjenige  einer  O'Ol  n  reinen  HCl,  sondern  gleich  dem  einer  O'l  n 
reinen   HCl-Lösung.    Folgende   Tabelle    gibt   -/   für    verschiedene   Cl'-Kon- 

zentrationen  an: 

Konzentration  von 

Cl   (in  Normalität  a 

oder  Mol  pro  Liter) 

1     .     . 0-78 

Ol 0-91 

0-01 0-9(^) 

0-001 .0-98. 

Beispiel:  Die  Vergleichslösung  sei 

0-01  HCl  +  0-1  NaCl. 
Die  Cl-Ionenkonzentration  ist  O'll,  also  sehr  annähernd  Ol.   daher 
a  =  0-91  und  [H-]  =  00091  normal. 

GeAYöhnlich  wird  man  sich  aber  der  —  Kalomelelektrode  als  Vergleichs- 
elektrode bedienen,  und  in  diesem  Fall  findet  man  aus  der  gemessenen 
EMK  die  Potentialdifferenz  gegen  die  n  .  H2 -Elektrode  einfach  durch  Sub- 
traktion von  O'onTT  Volt. 

Hat  man  auf  diese  Weise  die  Potentialdifferenz  E  gegen  die  n .  H2- 
Elektrode  festgestellt,  so  findet  man  aus  ihr  [H-]  durch  die  Anwendung 
der  Gleichung 

lo"-  rH'i  = = 

^  ^    ^  0-00019881 

Hier  bedeutet  T  die  absolute  Temperatur,   also  273" -ft,    wo  t  die 

Temperatur  in  Celsiusgraden  ist.  Der  Faktor  00001983  T  hat  folgen- 
den Wert: 

für  t=  16"  Celsius    00573 

17"  0-0Ö75 

18"  0-0077 

19"  0-OÖ79 

20"  0-0581 

21"  0-0583 

22"  00585 

23"  0-0587 

24"  00589 

25"  00591 


522  L-  Michaelis. 

Es  sei  Z.B.  EMK  gemessen -^O'öST 7  Volt  bei  IT^ö^C,  also  E  gefunden 
=  0-2000  Volt,  so  ist 

,      ,„-,  0-2000 

=  0-53  —  4 
[H-]  =  3-:39  .  10-^ 

Statt  des  Numerus  kann  man  aber  auch  den  Logarithmus  selbst  als 
Maß  für  die  Azidität  angeben,  und  zwar,  da  dieser  in  allen  für  die 
Physiologie  in  Betracht  kommenden  Fällen  negativ  ist,  ohne  das  Minus- 
zeichen, da  ein  Mißverständnis  nicht  möglich  ist.  Diesen  Logarithmus  ohne 
das  Minuszeichen  nennt  Sörensen  den  Wasserstoff exponenten,  pn. 

Es  entspricht  demnach  z.  B. 

Ph [H-] 

1-00 1-0.10-1 

2-70 2-0.10-3 

5-30 5-0  .  10-^ . 

In  der  Tat  ist  der  Wasserstoffexponent  ein  sehr  bequemes  Maß  für 
die  Azidität,  erstens  weil  seine  Schreibweise  sehr  bequem  ist,  und  zweitens, 
weil  sehr  viele  chemische  Reaktionen  zu  dem  W^asserstoffexponenten,  also 
dem  Logarithmus  von  [H-]  in  einer  einfacheren  Beziehung  stehen,  als  zu 
der  W^asserstoffionenkonzentration  selbst. 

Der  Sicherheit  halber  muß  man  bei  genauen  Messungen  stets  zwei 
gleiche  Gaselektroden  a  und  b  und  vor  allem  zwei  Kalomelelektroden  A  und 
B  benutzen.  Man  mißt  die  Potentialdifferenzen 

a — A 
a— B 

b— A 
b— B 

und  muß  in  allen  vier  Fällen  identische  W^erte  erhalten,  womöglich  bis  auf 
0'5  Millivolt  übereinstimmend.  Aber  auch  Abweichungen  bis  zu  2  und  selbst 
3  Millivolt  geben  noch  so  geringe  Unterschiede,  daß  man  sich  meist  mit 
diesem  Grad  der  Genauigkeit  begnügen  kann. 

Versuchsbeispiel.  1) 

Es  sei  die  Aufgabe  gestellt ,  mit  Hilfe  der  Kalomelelektrode  als  Ver- 
gleichselektrode in  folgender  Lösung  die  H-Ionenkonzentration  x  zu  messen : 

normal  Na  OH 10  cm^ 

normal  Essigsäure 20  cm^ 

Wasser 10  cm^. 


*)  Ich  empfehle  dem  Anfänger  die  praktische  Ausführung  gerade  dieses  Beispieles. 


Die  Bestimmung  der  AVasserstoffioneiikonzentration  durch  GäBkotteii.         523 

Wir  setzen  die  Kette  an  und  fiiuleii  hei   IH»  C 

sofort  die  EM  K =0-6000  Volt 

nach  10  Minuten O'GOHO     „ 

„20         „  0-6045      „ 

„30         „  0-604:)      „ 

„       2  Stunden 0-6045      „ 

.       8        «        0-6045      „ 

..24        0-(')045      „ 

Der  endg-ültige  Wert  ist  also  0-6045. 

Wir  ziehen  zuniichst  die  Potentialdifferenz  der  Kalonielelektrode  gegen 
die  Xorinal-H^-Elektrode,  0-3o77  Volt,  ab  und  finden 

0-6045 

—  0-aa77 

E=  0-2668  Volt 

als  EMK  unserer  Elektrode  gegen  y-Norinal-ll..-Klektrode. 

Nun  ist  E  =  0-0001 983. T( log  1  —  lotix)  oder,  da  log  1=0, 

E  =  — 00001 983.  T.  log  X 
oder  nach  log  x  aufgelöst, 

lOS"  X  = 

*=  0-0001983.  T 

T  ist  in  unserem  Fall,  wo   die  Temperatur  18°  C  betrug,  273  +  18  =  291, 
und  E  =  0-2668,  also 

log  X  =  —  4624 
oder  logx  =  0-376 — 5 
also  x  =  2-38.10-^ 

Wir  finden  also  für  unsere  Flüssigkeit: 

Ph  =  4-62 
und  l  H- 1  =  2-38 .  10-\ 
Von  Interes.se  ist  nun  die  Feststellung,  welchen  Einfluli  ein  kleiner 
Fehler  in  der  Bestimmung  der  EMK  auf  den  Ausgang  der  Rechnung  hat. 
Man  kann  sagen,  daß  unter  Bedingungen,  wie  sie  in  physiologischen  Ar- 
beiten gegeben  sind,  die  Genauigkeit  der  Bestimmung  der  EMK  mit- 
unter nur  auf  ±  0-003  Volt  möglich  ist.  In  unserem  Fall  würde  also  der 
gefundene  Wert  von  0-6045  ungenau  .sein  bis  auf  ±  .")  Millivolt.  Bei 
EMK  =  06075  würde  sein 

pu  =  4676 

[H-]  =  2-11.10-5 

und  bei  EMK  =  0-6015  würde  sein 

p,i  =  4568 
[H-]  =  2-70.10-^ 
Es  ist  also,    bei  einem  Spielraum  der   EMK  von    ±3  Millivolt,    die 
Genauigkeit  der  IJestimmung  von  pa  =  ±  0-05 — O'Oö, 

von  [H-]=±10Vo  ^lis  15%  des  (Jesamtwertes. 


524       L.  Michaelis.  Die  Bestimmung  der  Wasserstoffionenkonzentration  etc. 

In  der  soeben  gemessenen  Flüssigkeit  läßt  sich  nun  auch  die  H'-Kon- 
zentration  durch  Berechnung  bestimmen,  und  wir  haben  hier  eine  gute 
Kontrolle  für  die  Zuverlässigkeit  der  Messung.  Die  Flüssigkeit  stellt  nämlich 
ein  Gemisch  von  gleichen  (molaren)  Teilen  Natriumazetat  und  Essigsäure 
dar,   und  in  einer  solchen  ist   nach  S.  1341  in  Bd.  III  dieses  Handbuchs 

k .  [Essigsäure] 
[H-J  — 


a .  [Natriumazetat] ' 

Die  Dissoziationskonstante  der  Essigsäure,  k,  ist  bei  1°  =  18'86. 10^^ 
(vgl.  Bd.  III,    S.  1339)    der  Dissoziationsgrad    des  Natriumazetats  in  einer 

-^--Lösung,  wie  sie  hier  vorliegt,  ist  0-78.  Daraus  berechnet  sich 

[H-]  =  2-38 .  10-5  oder  pn  =  4-62 
während  gefunden  wurde :  2*38 .  10"^  oder  pn  =  4'62. 
Obige  Flüssigkeit  wurde  auf  meine  Veranlassung  in  entgegen- 
kommendster Weise  von  Sörensen  und  Köföd  und  gleichzeitig  von  mir  bei 
18"  gemessen.  In  sehr  zahlreichen  Versuchen  wurde  von  uns  in  überein- 
stimmender Weise  der  obige  Mittelwert  gefunden,  mit  einer  Abweichung 
der  einzelnen  Versuche  vom  Mittel  im  Betrage  von  höchstens  ±  0-6  Milli- 
volt.   Der  Wert  darf  daher   als  ein  zuverlässiger  Standardwert  betrachtet 

werden,   der  dazu  geeignet  ist,    die  Potentialdifferenz  der  ^  n  Kalomel- 

elektrode  gegen  die  n .  Hg -Elektrode  festzulegen.  Es  würde  sich  auf  Grund 
dieser  EMK  ergeben :  0*3378  Volt,  in  schönster  Übereinstimmung  mit  dem 
Sörensenschen  Werte  0*3377  Volt. 


Die  Arl)eitsmetliO(l(Mi  \m  Versuclieii  über 

Aimpliylaxie. 

Von  llcniiiiiiii  PieiffVr,  Graz. 

Einleitende  Vorbemerkungen  (zugleich  Terminologie). 

Mau  versteht  unter  (aktiver)  Anaphylaxie  (Synonyme:  AUeririe, 
Überempfindlichkeit)  jenen  spezifischen,  durch  das  \'orhandensein  von  Anti- 
eiweißkörpern  bedingten  Ausnahmszustand,  in  welchem  nach  erstmaligem 
parenteralen  Eindringen  und  Zerfall  von  artfiemdem  oder  aber  art- 
gleichem und  dann  blutfremdem  Eiweiß  die  \'ersuchstiere  gegen  die  neue 
Einbringung  eben  dieses  EiweilJkörpers  und  keines  anderen  eine  erhöhte 
Empfindlichkeit  erwerben.  Das  erste  Eindringen  von  Überempfindlichkeit 
erzeugendem  Eiweiß  wird  Sensibilisierung  (bzw.  erste  Injektion),  das 
Eiweiß  selbst  Sensibilisinogen  (synonym  Anaphylaktogen,  Eiweiß  oder 
Antigen  der  \'orbehandlung)  genannt.  Das  erste  Eindringen  erfolgt  durch 
parenterale  Injektion,  oder  durch  künstliches,  oder  endlich  durch  spontanes 
Zugrundegehen  von  körpereigenem,  aber  blutfremdem  Eiweiß.  Während  die 
erste  Injektion,  ohne  dem  Tiere  iSchadon  zu  tun,  ertragen  wird,  erkrankt 
oder  stirbt  es  bei  der  zweiten  (der  sogenannten  Trobeinjektion)  unter 
den  typischen  Symptomen  des  anaphylak tischen  Shocks.  Es  ist  dem- 
nach das  Auftreten  des  anaphylaktischen  Shocks  unter  Yersuchsbedinguugen, 
die  normale  Tiere  nicht,  oder  in  nennenswertem  Ausmaße  schwächer  oder 
aber  in  prinzipiell  anderer  Weise  schädigen,  das  erste  und  wichtigste  Kri- 
terium des  anaphylaktischen  Zustande s. 

Dieser  entwickelt  sich  erst  in  längerer  Zeit  nach  der  ersten  Injek- 
tion, ein  Zeitraum,  welcher  durch  ein  scheinbar  normales  Verhalten  des 
Tieres  charakterisiert  ist,  sich  mit  dem  geläufigen  Degriff  der  Inkubations- 
zeit deckt  und  präanaphylaktisches  Stadium  genannt  wird. 

Die  Krankheitserscheinungen  des  anaphylaktischen  Shocks  sind  be- 
dingt durch  das  parenterale  Auftreten  von  giftigen  Spaltprodukten  der 
bei  der  Iieaktiou  beteihgten  Eiweißkörper.  Man  nennt  dieses  fertig  gebil- 
dete, an  sich  wirksame  Gift  Anaphylaxiegift  (synonym  Anaphylatoxin). 
Es  entsteht  durch  den  Zusannnentritt  dreier  wesentlicher  Faktoren:  des 
im  überempfindlichen  Tiere  gebildeten  Antieiweiß  (synonym  anaphylak- 
tischer  Keaktionskörper),  des  in  ihm  schon  normalerweise  disponiblen 


526  H.  Pfeiffer. 

Komplements  und  des  reinjizierten  Antigens.  Die  Giftbildung  erfolgt  im 
Sinne  einer  fermentativen  Aufspaltung  unter  Bildung  von  Produkten  mit 
Peptoncharakter,  und  zwar  auf  Kosten  des  eingebrachten  Antigens,  wahr- 
scheinlich aber  auch  auf  Kosten  des  lebenden  tierischen  Eiweiß. 

Das  Überstehen  eines  Shocks  schafft  bei  dem  überempfindlichen  Tiere 
und  zwar  durch  Verbrauch  des  Antieiweiß  ein  refraktäres  Verhalten  gegen 
eine  neuerliche  Einverleibung  des  Antigens  der  Vorbehandlung,  die  soge- 
nannte Antianaphylaxie.  Diese  kann  vollständig  oder  komplett,  unvoll- 
ständig oder  partiell  sein,  d.h.  ein  Tier  erkrankt  im  antianaphylaktischen 
Zustande  gar  nicht  mehr  (komplette)  oder  weitaus  schwächer  (partielle 
Antianaphylaxie)  —  gleiche  Versuchsbedingungen  vorausgesetzt  — ,  als  im 
anaphylaktischen  Shock. 

Die  Antianaphylaxie  ist  spezifisch  und  gleichfalls  ein  exaktes  Kriterium 
einer  überstandenen  Überempfindlichkeit,  wenn  nachgewiesen  werden  kann, 
daß  ein  Tier  gegen  Antigenmengen  unempfindlich  geworden  ist,  gegen 
welche  es  innerhalb  gewisser  zeitlicher  Grenzen  mit  einem  anaphylak- 
tischen Shock  reagiert  hatte. 

Dabei  muß  aber  dieser  in  seiner  Wesenheit  in  zureichender  Weise 
an  normalen  Kontrollen  sichergestellt,  die  tatsächlich  entwickelt  gewesene 
Überempfindhchkeit  einwandfrei  erhärtet  sein.  Denn  es  schafft  auch  das 
Überstehen  anderer  toxischer  Einwirkungen  —  so  z.  B.  eine  Vergiftung  mit 
Pepton  oder  mit  den  Hämolysinen  normaler  Tiere  oder  mit  toxischem 
Harn  —  ebenso  wie  der  anaphylaktische  Shock  einen  Zustand  vermin- 
derter Reaktionsfähigkeit  gegen  ein  an  sich  toxisches  Agens.  Diese 
ist  unspezifisch,  ihrer  Natur  nach  noch  nicht  geklärt,  jedenfalls  aber  im 
Gegensatz  zur  reinen  Antianaphylaxie  nicht  bedingt  durch  Verbrauch  und 
Schwund  des  immunisatorisch  gebildeten  Antieiweiß.  Wir  haben  deshalb 
zwischen  zwei,  jedem  anaphylaktischen  Zustande  folgenden  Erscheinungen 
zu  unterscheiden:  1.  zwischen  der  Antianaphylaxie  (sensu  strictiorÜ). 
d.  i.  die  Aufhebung  der  Reaktionsfähigkeit  eines  anaphylaktisch  gewesenen 
Tieres  infolge  des  im  anaphylaktischen  Shock  erfolgten  Verbrauches  von 
Antieiweiß;  sie  ist  spezifisch  und  2. zwischen  der  verminderten  Reaktions- 
fähigkeit antianaphylaktischer  Individuen.  Sie  äußert  sich  in  einer 
Unempfindlichkeit  solcher  Tiere  gegen  an  sich  toxische  Agenzien  bestimm- 
ter Art  (Eiweißzerfallsgifte).  Sie  ist  nicht  spezifisch. 

Der  Zustand  der  Antianaphylaxie  führt  nicht  unmittelbar  in  den 
normalen  Zustand  über,  sondern  es  entwickelt  sich  in  ihrem  Gefolge  durch 
die  Anwesenheit  von  anaphylaktogen  wirkendem  Eiweiß  nach  längerer  oder 
kürzerer  Zeit  neuerUch  eine  Überempfindlichkeit,  die  dann  bei  ungestörtem 
Verlauf  nach  Monaten  oder  Jahren  zur  Norm  führt. 

Eine  aktive  Anaphylaxie  läßt  sich  passiv  durch  parenterale  Einbrin- 
gung eines  Serums  eines  überempfindlichen  Tieres  in  genügenden  Mengen 
auf  ein  sonst  unvorbehandeltes  normales  Tier  übertragen,  sogenannte  pas- 
sive Anaphylaxie.  Sie  kann  nicht  nur  von  einem  Tier  auf  ein  anderes 
derselben  Art  (homologe),   sondern  auch  mancher  anderen  Tierart  über- 


Die  Arbeitsmethoden  lici   \'ersuchen  iil)or  Anaphylaxif.  r,o" 

tragen  werden  (heterologe  passive  Anaphylaxie).  Diese  Übertragung 
nennt  man  passive  Sensibilisierung.  In  ihrem  (iofolge  vfrankert  sicii 
nach  den  heute  geltenden  Anschauungen  der  auf  das  normale  Tier  über- 
tragene Immunkörper  in  diesem  rasch.  Nach  seiner  \'erankerung  kann  durch 
Reinjektiou  dos  KiweiU,  mit  welchem  die  aktive  Anaphylaxie  erzeugt  wurde, 
ein  anaphylaktischer  ^hock  und  alle  weiteren  Erscheinungen  in  ganz  der- 
selben Weise  beobachtet  werden,  wie  dies  für  die  aktive  Cberempfindlich- 
keit  beschrieben  wurde. 

Nach  dem  Erörterten  ergibt  sich  für  die  Behandlung  der  Methodik 
von  Versuchen  über  Anaphylaxie  die  folgende  Stoffeinteilung: 

1.  Die  Kriterien  des  anaphylaktischen  Shocks: 

aj  Krankheitserscheinungen  und  Tod; 

h)  die  pathülogisch-anatomischen  Veränderungen. 

2.  Der  Nachweis  einer  aktiven  Anaphylaxie: 

a)  Sensibilisierung; 

b)  die  Reinjektion; 

c)  die  Maßmethoden  des  anaphylaktischen  Shocks; 

cJ)  die  Differentialdiagnose  des  anaphylaktischen  Shocks  gegen- 
über verwandten  oder  wesensgleichen,  aber  nicht  anaphvlak- 
tischen  Vergiftungsbildern. 

3.  Der  Nachweis  einer  homologen  und  heterologen  passiven 

Anaphylaxie: 

a)  die  Sensibihsierung; 

b)  die  Reinjektion; 

c)  die  Malimethoden  des  anaphylaktischen  Reaktionskörpers. 

4.  Der   Nachweis    einer    x4ntianaphylaxie    (Differentialdia- 
gnose gegenüber  der  verminderten  Reaktionsfähigkeit). 

5.  Der   Nachweis    organspezifischer    anaphylaktischer   Re- 
aktionen: 

a)  mit  heterologem  und  mit  homologem  Eiweiß; 

b)  mit  körpereigenem  Eiweiß. 

6.  Der  Nachweis  von  Anaphylatoxin. 

7.  Der    Nachweis     des    spezifischen    Abbauvermögens    mit 
Seren  anaphylaktischer  Tiere: 

a)  durch  Peptonbildung  in  den  (Jemischen: 

b)  durch  Änderung  des  Drehungsvermögens  der  (iemische. 

1,  Die  Kriterien  des  anapiiylaktischen  Shocks. 

a)  Die  Kranklieitscrseheinnngen:  Sie  sind  iiei  dem  klassischen 
Versuchstiere,  beim  Meerschweinchen,  ihrem  Wesen  nach  verschieden,  je 
nachdem,  ob  die  Redingungen  zu  einer  rasch  tödlich  verlaufenden  oder  zu 
einer  protrahierteren  tödlichen  oder  in(ienesung  ausgehenden  Erkrankung 
gegeben  sind,  mit  anderen  Worten,  ob  in  der  Zeiteinheit  größere  oder 
kleinere  Giftmengen  parenteral  frei  werden  und  zur  Wirkung  gelangen. 
Dies    hängt    von    den  Versuchsvoraussetzungen  ab.    Bei    intravenöser  IJe- 


528  H.  Pfeiffer. 

Injektion  kompakter  Dosen  ^Ye^den  bei  hoch  sensibilisierten  Tieren  stür- 
mische Reaktionen,  bei  intravenöser  Applikation  kleiner  und  verdünnter 
Eiweißmengen,  oder  bei  intraperitonealer  sowie  subkutaner  Injektion  die 
Erscheinungen  der  zweiten  Kategorie  erwartet  werden  dürfen. 

Das  letztere  gilt  für  an  sich  unempfindlichere  Tierarten  (wie  z.  B. 
für  den  Hund)  oder  für  ungenügend  sensibihsierte  Meerschweinchen  und 
Kaninchen  fast  ausnahmslos. 

a)  Die  Wirkung  großer  Dosen  von  der  Blutbahn  aus  (der 
perakute  Krankheitsverlauf):  Zur  Zeit  einer  voll  entwickelten  Ana- 
phylaxie sterben  mit  kompakten,  an  sich  ungiftigen  Antigendosen  reinji- 
zierte Meerschweinchen  ganz  plötzlich,  oft  blitzartig  {Theohald  Smithsches 
Phänomen  ^).  Die  Meerschweinchen  verfallen  zunächst  in  eine  hochgradige 
Exaltation,  ohne  aber  daß  diese,  wie  bei  Hunden,  in  eine  lang  dauernde 
Depression  übergehen  würde.  Sie  zeigen  vielmehr  eine  plötzUch  ein- 
setzende schwerste  Dyspnoe,  Singultus,  lebhafte  periphere  Krämpfe,  die 
sich  insbesondere  auf  die  Brustmuskeln,  das  Zwerchfell  und  die  exspira- 
torischen  Bauchmuskeln  lokalisieren  und  gehen  in  wenigen  Minuten  unter 
krampfartigen  Eespirationsbewegungen  und  Zyanose  zugrunde.  Dabei  tritt 
zunächst  kein  Abfall,  sondern  ein  deutlicher  Anstieg  des  Blutdruckes  auf, 
der  dann  rasch  mit  eintretendem  Tode  bis  zur  Abszisse  abfällt.  Eine  Er- 
holung von  dem  tiefen  Druckniveau  kann  hier  niemals,  eine  subakute, 
durch  Stunden  währende  Erkrankung  der  Tiere  bei  dieser  Versuchsanord- 
nung nur  ganz  ausnahmsweise  beobachtet  werden.  Die  Temperatur  ganz 
plötzlich  zugrunde  gegangener  Tiere  sinkt,  wie  eigene  Erfahrungen  gelehrt 
haben,  nur  um  1 — 2"  unter  die  Norm  vor  dem  Tode  ab. 

Wie  Untersuchungen  von  Äuer  und  Lewis"-),  Biedl  und  Krmis'^)  er- 
gaben, sind  diese  Erscheinungen  bedingt  durch  einen  toxischen  Krampf 
der  Bronchialmuskulatur,  so  daß  trotz  ausgiel)iger  Respirationsbewegungen 
kein  Luftaustausch  in  den  Lungen  stattfinden  kann.  Der  Tod  tritt  in 
solchen  Fällen  jedenfalls  durch  Erstickung,  nach  den  nicht  unwidersprochen 
gebliebenen  Angaben  der  genannten  Autoren  infolge  einer  toxischen,  bis 
zum  Tetanus  führenden  Reizung  der  Bronchialmuskeln  ein. 

ß)  Die  Folgen  einer  intravenösen  Injektion  kleiner  ver- 
dünnter Serummengen  bzw.  einer  intraperitonealen  Einverlei- 
bung. Wesentlich  anders  verläuft  der  anaphylaktische  Shock  sowohl  in 
seiner  äußeren  Erscheinung,  als  auch  essentiell  unter  den  eben  genannten 
Versuchsbedingungen ,  wie  viele  hunderte  einschlägige  Erfahrungen  uns 
auch  in  Gemeinschaft  mit  S.  Mita^)  gelehrt  haben. 

^)  Th.  Smith,  Degrees  of  susceptibility  to  diphtherie-toxin  among  Guinea-pigs. 
Journ.  of  med.  Res.  1904.  Vol.  22. 

-)  Auer  und  Lewis,  Acute  anaphylaktic  death  in  Guinea-pigs.  Journ.  of  the  Americ. 
med.  Assoc.  Vol.  53.  1909.  p.  6. 

^)  Bicdl  und  Kraus,  Experimentelle  Studien  ülier  Anaphylaxie.  Wiener  klinische 
Wochenschr.  1910.  Nr.  11.  S.  844. 

*)  H.  Pfeiffer,  Wiener  klin.  Wochenschr.  1909.  Nr.  1.  S.  1.  —  H.  Pfeiffer  und 
S.  Mita,  Studien  über  Eiweiß-Anaphylaxie.  Zeitschr.  f.  Immunitätsf.  Bd.  4.  H.  4.  S.  410. 


Die  Arbeitsmethoden  bei  Versuchen  ülier  Anaphylaxie.  ry)C) 

Hier  worden  die  Tiere  unniliii:.  laufen  änj^^stlicli  hin  und  her,  kratzen 
sirh,  sind  seh  reck  haft.  Ihr  Fell  striiuht  sieh,  es  tictcn  cinzchie  klonische 
Zneknni^en  auf.  Ein  lebhafter  Sinuultus  und  die  Kntlccrunj:  fester,  später 
flüssiger,  selbst  blutiiicr  Stiddc  sowie  von  Harn  dauern  an.  Die  Haueh- 
(k'cken  sind  piall  gespannt,  es  besteht  manchmal  ein  ausj^-esprochener  Pru- 
ritus eutaneus.  Dieses  vorübergehende  liihl  einer  Krre^un^''  leitet  aber  bald 
in  eine  ausgesprochene  Depression  hinüber,  in  welcher  die  Meerschwein- 
chen von  ^roßei'  Mattigkeit  und  Muskelschwäche  befallen  werden.  Sie  legen 
sich  auf  die  Seite  und  bleiben  so,  langsam  und  tief  atmend,  durch  Stun- 
den hiiuhirch  liegen.  Intensivere  (irade  von  Dyspnoe,  wie  sie  bei  einem 
ganz  akuten  Verlaufe  regelmäßig  einti'eten .  fehlen  hier  bis  zur  Agone 
völlig.  Führt  der  Shock  zum  tödlichen  Ausgang,  so  tritt  er  in  der  weitaus 
überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  erst  nach  1 — 2,  ja  selbst  noch  nach 
8  Stunden  ein.  In  solchen  Fällen  liegen  die  Tiere  wie  bewußtlos  mit  ge- 
lähmten Extremitäten  da.  Manchmal  tritt  vorübergehend  Dyspnoe  auf. 
regelmäßig  bemerkt  man  aber  ante  exitum  das  Cheyne-Stokesschc  Atmen. 

Unter  den  genannten  Yersuchsbedingungen  steht  im  Mitteli)unkte 
der  anaphylaktischen  Krankheitserscheinungen  ein  ganz  enormes  Absinken 
der  Körpertemperatur,  welches  auch  in  jenen  Fällen  deutlich  ausgesprochen 
ist,  wo  klinische  Ersciieinungen  völlig  fehlen.  Diese  spezifische,  von 
H.  Pfeifer^)  als  ..anaphylaktischer  Temperatursturz"  beschriebene 
Schädigung  im  Wärmehaushalte  kann  7 — 9"  in  Fällen  von  Erholung  be- 
tragen: bei  Tieren,  welche  nach  längerer  Krankheitsdauer  sterben,  können 
bis  zum  Tode  sogar  Temperaturdifferenzen  von  11 — 18"  unter  die  Aus- 
gangstemperatur beobachtet  werden.  Dieses  Phänomen  kann,  wie  sich  nach 
Versuchen  von  Biedl  und  Kraus '-),  insbesondere  aber  nach  Versuchen  von 
E.  Fricdberger  und  Gröber  ^)  am  Kaninchen  und  Meerschweinchen  ergab, 
kaum  anders  denn  als  Ausdruck  einer  tiefen,  hier  im  Mitteli)unkte  der  Er- 
krankung stehenden,  peripher  ausgelösten  Dlutdrucksenkung  aufgefaßt 
werden. 

Dlutuntersuchungen  während  des  anai)hylaktischen  Shocks  ergaben 
beim  Hund  (Biedl  und  Kraus),  später  alxi-  auch  beim  Meerschweinchen, 
daß  es  seine  Gerinnungsfähigkeit  einbüßt  oder  sie  doch  wesentlich 
herabgesetzt  ist.  Gleichzeitig  vermindert  sich  die  Zahl  der  Leukozyten  im 
Sinne  einer  schweren  Leukopenie.  Tritt  Erholung  ein.  so  schlägt  diese 
in  eine  ausgesprochene,  oft  ganz  riesige  (irade  annehmende  poly nu- 
kleare Leukozytose  um.  die  stunden-  und  tagelang  anhalten  kann. 

Gehen  die  Tiere  nicht  zugrunde,  so  erholen  sie  sich  rasch  aus  ihrer 
Depression,  werden  wieder  munter  und  freßlustig  und  zeigen  am  nächsten 
Tage,  von  der  eben  erwähnten  Leukozytose  und  einer  oft  sehr  ausgespro- 


»)  1.  c. 

-)  Biedl  und  Kraus,  Kxporinientclle  Studien  über  Anaphylaxie.  Wiener  klinische 
Wochcuschr.  1909.  Nr.  11.  8.8(58. 

^)  E.  Friedlxrqir  und  (iröhcr,  l^bor  Anapiiyhixio.  Zi-itsclir.  f.  hniinmitatsf.  l'.Ul. 
Bd.  9.  II.  2.  S.  216. 

Abderhalden,  Kandbuch  dor  biochemischen  Arbeitsmethoden.  V.  34 


580 


H.  Pfeiffer. 


ebenen  Hyperthermie  (E.  Friedherger '^)  abgesehen,  keine  Krankheitser- 
scheinungen mehr.  Nur  die  hochgradige  und  spezifische  Abnahme  ihres 
Körpergewichtes  bildet  dann  noch  einen  Ausdruck  für  die  schwere  Schä- 
digung, welche  sie  durchgemacht  haben. 

Y)  Die  Folgen  intraperitonealer  Injektion  kleiner  und 
kleinster  Dosen  von  den  Leibeshöhlen  aus.  Kleine  Dosen  rufen 
meist  auch  bei  dem  so  hoch  empfindlichen  Meerschweinchen  keine  schweren, 
sondern  nur  ganz  vage  Allgemeinerscheinungen  —  geringe  Mattigkeit, 
Paresen  der  Hinterbeine,  leichter  Singultus  —  hervor,  oder  man  vermißt 
solche  vollständig.   Noch   ganz   schwache  Schädigungen   des  ^'ersuchstieres 


Fig. 133. 


Fig.  134. 


Geschwürsbildung  am  Applikationsorte. 


Lokale  Nekro.se. 


spiegeln  sich  aber  dann  noch  in  aus- 
giebigen Temperaturabfällen  wieder,  die 
hier  gerade  oft  das  einzig  nachweis- 
bare Symptom  sein  können.  Tritt  Erholung  ein,  so  kommt  es  auch  hier  zu 
einer  ausgesprochenen  Leukozytose  und  Fieber.  Wird  selbst  der  kritische 
Temperaturabfall  bei  einem  Versuchstiere  vermißt,  so  kann  {E.  Friedherger) 
oft  noch  ein  direkter  Fieberanstieg  das  einzige  und  feinste  Symptom  einer 
anaphylaktischen  Erkrankung  sein. 

^)  Die  Folgen  subkutaner  Injektion.  Selbst  bei  großen  In- 
jektionsdosen wird  hier,  entsprechend  den  ungünstigeren  Resorptionsbedin- 
gungen, niemals  akuter  Exitus  (wie  unter  y.  beschrieben)  beobachtet,  wohl 
aber   können   mehr   minder   schwere   Allgemeinerscheinungen   der  übrigen 


*)  E.  Friedberger,    Weitere  Mitteilungen    über   die   Beziehungen   zwischen   Über- 
empfindlichkeit und  Infektion.  Berliner  klin.  Wocheuschr.  1910.  Nr.  42. 


Die  Arlieitsinothddoii  lioi   Versuclioii   iilior  Anaphylaxie. 


ö'U 


Fiff.  135. 


Kato<?orien  auftreten.  Ganz  reirelmälii.ii'  wird  hier  aber  Fieber  und  eine 
pohnukleäre  Leukozytose,  in  leiclitesten  Fällen  .sogar  primiii'.  in  schwereren 
nach  einem  mehr  minder 
au8giel)igen  Temperatur- 
sturz wahrgenommen.  Am 
Orte  der  Finwii'kung  aber 
bilden  sich  die  unter  dem 
Namen  do^  ..Arthusschen 
Phänomens"  ')  bekannten 
Gewebsschädigungen  aus. 
Sie  bestehen  dai-in.  dal»  ein 
an  sich  auch  h)kal  gänzlich 
unschädliches  Antigen  nicht 
wie  bei  den  Kontrollen  ulati 
resorbiert  wird,  sondern  zu- 
erst zur  Ödembildung,  später 
zu  dem  Auftreten  von  Hä- 
morrhagien  führt.  Die  Kutis 

wird  blal) .  zunderartig 
morsch,  verwandelt  sich  in 
den  nächsten  Tagen  in  einen 
braunschwarzen,  derben  le- 
derartigen Schorf  und  stößt 
sich  dann  nach  Tagen  unter 
Entwicklung  eines  tiefgrei- 
fenden Geschwürs  mit  auf- 
geworfenen steilen  Rändern 
ab.  Dieses  verheilt  nach 
Wochen  (vgl.  dazu  die  bei- 
den Al)bildungen  1  :\i\  u.  I  :-U ). 
Kurz  zusammengofal'it 
bestehen  demnach  die  Er- 
krankungserscheiuungen  im 

anaphylaktischen  Shock 

1.  bei  perakutem  tödlichen 
Verlauf  in  einer  plötzlich 
peripher  ausgelösten  Er- 
stickung bei  nur  gering- 
gradiger Abnahme  von  Tem- 
peratur  und    I)lutdruck ; 

2.  bei    schweren    Fällen    in 


Fijf.  136. 


^)  Arthus,  Injections  r(?p6t6es  de  senini  do  clicval  clicz  \o  lapiii.  Coiiipt.  rt'iid.  de 
la  soci(?te  biolog.  1903.  T.  55.  p.  20.  —  Sur  la  seroanapliylaxie  du  lapiii.  Eheiida.  190H. 
T.  60.  p.  1143. 

34* 


532 


H.  Pfeiffer. 


den  geschilderten  Allgemeinerscheinungen,  Temperatursturz,  Senkugig  des  arte- 
riellen Blutdruckes.  Leukopenie  und  vorzugsweise  Aufhebung  der  Gerinnungs- 
fähigkeit des  Blutes  mit  sekundärer  Fiebersteigerung  und  polynukleärer 
Leukozytose ;  3.  in  leichtesten  Fällen,  ausscMießlich  in  primärer  l)zw.  sekun- 
därer, einem  Temperatursturz  folgender  Fiebersteigerung  und  Leukozytose: 
4.  bei  subkutaner  AppUkation  in  dem  Auftreten  von  Ödemen  und  Nekrosen. 

1))  Die  patli()l()s?iscli-a)iatomisclien  A>räii(leruiijfen:  Sie  sind  natur- 
gemäß in  perakut  zum  Tode  führenden  Fällen  anders  als  bei  langsam  ver- 
laufenden oder  in  Erholung  ausgehenden  Versuchen. 

x)  Bei  perakut  zum  Tode  führendem  Verlauf  findet  man  ent- 
sprechend der  Tatsache,  daß  die  Tiere  an  einer  durch  Krämpfe  der  Bron- 

Fig.  137. 


cbialmuskeln  verursachten  Erstickung  sterben,  ein  mehr  minder  hochgradig 
entwickeltes  Lungenemphysem  (^wer-Lew^ssches  Phänomen ').  Während  bei 
andersartig  getöteten  Meerschweinchen  nach  Öffnung  des  Thorax  die  Lungen 
zurücksinken  und  dann  nur  mehr  das  hinterste  Drittel  des  Brustraumes 
einnehmen,  füllen  sie  hier  die  Brusthöhlen  völlig  aus,  indem  sie  in  Form 
starrer,  maximal  geblähter  Säcke  das  Herz  ganz  oder  fast  vollständig  über- 
lagern. Sie  können  dabei  anämisch,  also  auffallend  blaß  sein,  ihre  Schnitt- 
flächentrocken. Doch  finden  sich  auch  häufig  subpleurale  oder  auch  tief  im  Ge- 
webe sitzende  ekchymotische  bis  flächenhafte  Blutergüsse  oder  mehr  minder  aus- 


1)  1.  c. 


Die  Arlteitsnicthudeu  liei  Versuchen  über  Aiiapliylaxic. 


öm 


Fig.  138. 


gobreitetos  Liingontklt'ni.i  \'^1.  dazu  Graetz  i),  des.sen  vorzüglicher  Arbeit  ich  mit 
seiner Ziistiiiiiiiiiiigdie  beigegcl)eiioii  Fig.  i;')r)uii(l  1. ".6 entnehme:  P'ig.  1;J6 zeigt 
das  alveoläre  Kmphy.sem  dci-  Ijiiilicii  dcraitiger  Tiere  in  vorzüglichor  Weise, 
Fig.  135  dasselbe,  daneben  ai)er  auch  den  Jiefund  von  IMiitiingen,  Fig.  IHK 
makrosko])iscli  die  Liingenblähnng.)  Die  IJauchorgane  werden  im  Zustande 
einer  hochgradigen  kongestiven  llyperiimie  angetroffen,  iji  der  .Magen-  und 
Darmschleinihaut  finden  sich  manchmal  (insbesondere  \m  etwas  pnttra- 
hierterem  Verlauf)  lllutungen.  Die  Gallenblase  ist  bis  zum  Tlatzen  mit 
(Talle  gefüllt. 

ß)  Bei  protrahiertem  tödlichen  Veilaiif  oder  subletalen 
Shocks.  Hier  fehlt  das  vlwer-Leii'issche  Phänomen  ausnahmslos,  dem  prinzi- 
piell wesensverschiedenen  Todesmechanismus 
entsprechend.  Hingegen  ist  die  Hyperämie  der 
liauchorgane  fast  ausnahmslos  anzutreffen, 
daneben  aber  (häufiger  bei  Kaninchen  als 
bei  Meerschweinchen)  spärliche  bis  zahllose 
Ekchymosen  und  flächenhafte  Blutungen  in 
Magen-  und  Darm  wand.  Dafür  sei  die  bei- 
gegebene, einer  eigenen  Beobachtung  ent- 
nommene Fig.  1H7  ein  Beleg. 

Im  Darme  finden  sich  breiige  bis 
flüssige  Faezes  neben  der  Erscheinung  einer 
Gastroenteritis  toxica.  Als  Ausdruck  einer 
Steigerung  der  Gallensekretion  ist  auch  hier 
die  Gallenblase  regelmäßig  maximal  durch 
(ialle  ausgedehnt.  P)ei  längerem  Krankheits- 
verlaufe, insbesondere  aber  bei  subletal  ver- 
gifteten und  1 — 2  Tage  später  getöteten 
Tieren  finden  wir  manchmal  massenhafte 
ekchymotische  Geschwürsbildungen  in  Magen 
und  Darm,  daneben  aber  schwere  bis 
schwerste  parenchymatöse  und  fettige  Dege- 
nerationen der  Leber  und  insl)esondere  dei 
Fig.  DM  ein  Beispiel. 


Nieren.    Für   erstere    gibt 


2.  Der  Nachweis  einer  aktiven  Anaphylaxie. 

a)  Die  Sensibilisierung.  Hnsouitt  wwA  .{»(Icr^^oii-)  haben  zuerst  den 
Nachweis  erbracht,  dal»  schon  ganz  minimale  Mengen  einer  artfremden 
Eiweiß-  oder  Seiuinart  genügen,   um   .\naphylaxie  zu  erzeugen.    Man    muli 


')  F.  Graet:,  Die  Hidoutiinir  drr  LiiiiL'oiiMiilitin!:  als  Kriterium  der  .Vnaphylaxio. 
Zeitschr.  f.  Immuuitatst'orsciig.  Bd.  8.  II.  .')  und  (i.  l'Jll.  S.  740. 

^)  Rosenau  \mA  Anderson ,  A  study  of  the  cause  df  sudden  death  foliowinc  tlic 
injection  nf  horse  seruni.  Hyjr.  Laitorator  Washingtiui  Bull.  25).  lOOl!,  The  specific  ua- 
ture  of  Aiiaphylaxis.  Journ.   of  infectious  diseases  1".M)7.  p.  hh2. 


534  H.  Pfeiffer. 

aber  dabei  berücksichtigen,  daß,  worauf  insbesondere H. Pfeiffer  und  S.  3Iita^) 
liing-ewiesen  haben,  zwischen  dem  anaphylaktogenen  Vermögen  verschiedener 
Eiweißarten  speziell  dem  Meerschweinchen  gegenüber  sehr  große  Unter- 
schiede bestehen.  So  ist  z.  B.  das  an  sich  giftige  Rinderserum  wirksamer 
als  schwach  giftiges  Pferdeserum,  dieses  wieder  wirksamer  als  z.  B.  Hühner- 
eiweiß und  Dotter.  Alle  diese  aber  übertreffen  darin  artgleiche  oder  körper- 
eigene und  blutfremde  Eiweißkörper,  wie  z.  B.  die  Augenlinse,  das  Nieren- 
und  Hodengewebe  des  Meerschweinchens  für  das  Meerschweinchen  um  ein 
Beträchtliches.  Da  die  letzterwähnten  Sonderfälle  organ spezifischer  Anaphy- 
laxien der  einschneidenden  Differenzen  in  der  Technik  wegen  für  sich  be- 
sprochen werden  sollen,  gelten  die  hier  zunächst  zu  machenden  Angaben 
nur  für  die  Sensibilisierung  mit  artfremden  Eiweißkörpern. 

Soll  mit  irgend  einer  der  Blut-  oder  Serum  arten  unserer  Ver- 
suchstiere vorbehandelt  werden,  ohne  daß  dabei  besondere  Fragen  in  Be- 
tracht kommen,  so  hat  die  Materialbeschaffung  und  Verarbeitung  meist 
keine  Schwierigkeiten.  Zu  betonen  ist  nur  für  diese  und  alle  anderen  zu 
erwähnenden  Versuche,  daß  man  sich  vor  der  Apphkation  allzu  großer  Dosen 
besonders  bei  Meerschweinchen  hüte;  Ol — 0"01  cm^  eines  artfremden  Ei- 
weiß sind  hier  in  der  Regel  vollauf  hinreichend  und  außerdem  geeigneter, 
bei  der  Reinjektion  gleichmäßige  und  intensive  Ausschläge  zu  geben,  als 
allzu  große  Dosen.  Doch  sind  auch  weitaus  kleinere  Mengen  (bis  zu  O'OOOOl  cm^) 
wirksam.  Ebenso  kann  die  Sensibilisierung  in  derselben  Weise  mit  reinem 
Serum  oder  mit  defibriniertem  Blute  erfolgen.  Nur  ist  es  dann  ent- 
sprechend der  sich  entwickelnden  oder  ausbleibenden  „Hämoglobinana- 
phylaxie"  geboten,  die  Reinjektion  mit  demselben  Substrat  vorzunehmen, 
mit  dem  man  vorbehandelte.  Handelt  es  sich  um  hochtoxisches  Material 
(Versuche  Portiers  und  Eichets  am  Aktinien-  und  Miesmuschelgift  2),  Ver- 
suche von  Doerr  und  Baubitschek  ^)  mit  Aalserum),  so  wird  eine  vorherige 
Auswertung  des  Injektionsmateriales  (fallende  Mengen  bei  gleichartigen 
und  gleich  schweren  Versuchstieren  und  gleicher  Einverleibungsart)  oder 
Entgiftung  durch  noch  zu  beschreibende  Prozeduren  am  Platze  sein, 
damit  man  nicht  schon  bei  der  ersten  Einspritzung  dadurch  Tiere 
verliert. 

Zur  Trennung  von  Eiklar  und  Eidotter  bediente  sich  der  Verfasser 
mit  großem  Vorteile  der  von  P.  Uhlenhuth^)  seinerzeit  vorgeschriebenen 
Methode.  In  einem  Becherglas  wird  Gelatine  eben  flüssig  gemacht  und  der 
durch  Hin-  und  Wiedergießen   vom  Eiklar  befreite  Dotter  in  die  Gelatine 


^)  //.  Pfeifer  und  S.  Mifct,  Zur  Kenntnis  der  Eiweißanaphjdaxie.  Zeitschr.  f.  Im- 
munitatsforschung.  11)10.  Bd.  6.  H.  5.  S.  727. 

^)  Portier  et  Pichet,  De  l'action  anaphylactique  de  certains  veuius.  Soc.  de  Inol. 
1902.  T.  CLXX. 

*)  Doerr  und  Panhifschek,  Toxin  und  anaphylaktisierende  Substanz  des  Aalserums. 
Berliner  klin.  Wochenscbr.  1908.  Nr.  33. 

*)  P.  Uhlenhuth  und  0.  Weidanz,  Ausführung  der  biolog.  Eiweißdifferenzierungs- 
verfahren. Bei  G.  Fischer,  Jena  1909. 


Die  Arbeitsmethoden  bei  Versuchen  iilier  Anajjliylaxie.  Ö35 

unverletzt  versenkt.  Durch  rasches  Erkalten  erstarrt  diese  und  man  ver- 
mag nun  mit  einer  Pipette  (ielatines(diiclit  und  Dotter  zu  durchstoDen  und 
aus  dem  Zentrum  des  letzteren  den  Dotter  absolut  rein  zu  liewinnen.  was 
für  das  Eiklar  ja  ohnehin  keinen  Scliwieriiikeiten  l)ei:e^net. 

l'm  hei  Versuchen  mit  erhitzten  Kiweililösnufzen  zu  sensiliilisieren 
und  die  Koaiiulation  zu  verhüten,  veidünut  man  vorher  nach  Bt.srvdh-(i ') 
die  Seren  auf  das  Drei-  bis  Zehnfache  ihres  \dhimen.s.  Sie  können  dann. 
ohne  zu  koagulieren,  hohen  Hitzegraden  ausgesetzt  werden. 

Hat  man,  wie  dies  in  der  forensi.schen  Praxis  die  Kegel  ist.  mit  ge- 
trockneten Eiweißkörpern  zu  ari)eiten,  so  ist  es  notwendig,  sie  in  der  Weise 
mit  ()-S()";„iger  Kochsalzlösung  oder  mit  schwacher  Sodalösung  zu  extrahieren, 
dal)  heim  Umschütteln  stark  schaumende,  l)eim  Dlute  geli)liraun  ge- 
färbte, durch  die  Kochprobe  sich  deutlich  trübende  Extrakte  (F.  Vlilcnhufh) 
entstehen. 

Besteht  der  Verdacht,  daß  das  zur  Injektion  kommende  .Material 
nicht  steril  ist,  so  wird  man,  um  Tierverluste  durch  Infektion  zu  ver- 
meiden, gut  tun,  durch  Berkefeldkerzen  zu  filtrieren. 

Was  die  Zahl  der  zur  Sensibilisierung  notwendigen  Injektionen  an- 
langt, so  genügt  in  der  Pegel  eine  einzige.  Dann  aber,  wenn  möglichst 
starke  Ausschläge  gewünscht,  oder  aber  in  das  sensibilisierende  Vermögen 
einer  Substanz  (hochgradig  verändertes  Material!),  oder  in  die  Empfind- 
hchkeit  einer  Tierspezies  Zweifel  gesetzt  werden  (weiße  Maus),  kann  man 
mehrmals  mit  kleinen  Dosen  an  einigen  aufeinander  folgenden  Tagen  inji- 
zieren. Dadurch  sind  einheitlichere  und  intensivere  Ausschläge  bei  der 
Reinjektion  zu  erzielen. 

Was  nun  die  Einbringungsart  selbst  betrifft,  so  wurden  für  die 
Vorbehandlung  bisher  die  sui)kutane,  die  intraperitoneide,  intravenöse  und 
intrakardiale  und  intrazerebrale  Methode  gewählt.  Die  letztgenannte  (Zie'^/rrfAv/) 
wird  heute  wohl  kaum  mehr  ausgeführt,  da  sie  keine  wesentlichen  Vor- 
teile bietet. 

Die  beim  Meerschweinchen  bisher  am  häufigsten  geübte  ist  die  intra- 
peritoneale Sensibilisierung,  wenn  auch  nach  einigen  Autoren  die  intra- 
venöse gleichmäßigere  und  bessere  Resultate  geben  soll,  wovon  wir  uns 
übrigens  in  eigenen  Versuchen  nicht  vollauf  überzeugen  konnten.  Hinsichtlich 
der  Injektionstechnik  sei  auf  die  bei  der  Peinjektion  zu  machenden  An- 
gaben, besonders  ai)er  auf  die  ausführlichen  Anleitungen  in  den  einschlägigen 
Werken  von  F.  Th.  Müller-)  und  ('.  Frudcmann^)  verwiesen.  Selbst- 
verständlich ist  es,  daß  die  Versuchstiere  bei  entsprechender  nnd  hin- 
reichender Nahrung  während  des  präanaphyhiktischen  Stadiums  gehalten 
werden  müssen. 


*)  Besredka,  De  lu  tuxiciti'  dos  Serums  tlicrapcutiques  et  du  nunrii  do  la  doser. 
Compt.  rend.  Soc.  Biol.  1Ü07.  T.  62.  pag.  477. 

-)  P.  Th.  Müller,  Technik  d.  sorodiaffnostisclien  Metliodon.  Bei  ti.  Fisclier.  Jena 
1910.  3.  Aufl. 

^)  V.  Friedemann,  Taschenbuch  der  Inuuunitätslohre.  Bei  Barth,  Leipzig  1910. 


536  H.  Pfeiffer. 

Sollten  Versuche  über  FütteruiiQ:sanapliylaxie  angestellt  werden, 
so  gelingt  es  leicht,  den  Tieren  reichliche  Mengen  des  betreffenden  Ei- 
weißkörpers, an  Brot  oder  Hafer  eingetrocknet,  oder  aber  mit  der  Schlund- 
sonde einzuführen.  Bei  letzterer  Prozedur  muß  man  sich  aber,  um  Fehler- 
quellen zu  vermeiden,  vor  Verletzungen  der  Schleimhäute  hüten,  durch 
welche  eventuell  Antigen  eindringen  könnte. 

Was  das  zu  Anaphvlaxieversuchen  zu  verwendende  Versuchstier 
anlangt,  so  ist,  wenn  nicht  spezielle  Fragestellungen  in  Betracht  kommen, 
wie  schon  aus  früher  Erörtertem  hervorgeht,  vermöge  seiner  hohen  Emp- 
findlichkeit das  Meerschweinchen  dazu  am  geeignetsten.  Dabei  muli  man 
absolut  sicher  sein,  nicht  nur  ungebrauchte  Tiere  in  Benützung  zu  nehmen, 
sondern  womöglich  auch  solche,  welche  von  nicht  anaphylaktischen  Eltern 
abstammen,  da  bekanntlich  die  Überempfindlichkeit  von  der  Mutter  auf 
das  Junge  übergeht  und  das  Fehlerquellen  bedingen  könnte.  Die  über- 
wiegende Mehrzahl  der  Autoren  verwendet  200 — 250  g  schwere,  also 
jugendliche  Tiere,  da  sie  im  allgemeinen  bei  der  Reinjektion  als  empfind- 
licher sich  erwiesen  haben,  wie  die  ganz  großen.  Ohne  aber  die  Empfind- 
lichkeitsgrenzen hinaufzusetzen,  kann  man  auch  o50 — 400,  selbst  450  g 
schwere  Tiere  verwenden,  die  für  ein  Arbeiten  mit  dem  anaphylaktischen 
Temperatursturz  sogar  direkt  gefordert  werden.  Die  kurzhaarigen  Rassen 
sind  im  allgemeinen  widerstandsfähiger,  aber  nicht  weniger  empfindlich, 
als  die  sogenannte  ..amerikanische".  Die  Zahl  der  Versuchstiere  hängt 
selbstredend  von  den  Zwecken  des  Versuches  ab,  doch  sollen  im  all- 
gemeinen für  einen  einschlägigen  Versuch  nicht  weniger  als  4  Tiere  ver- 
wendet werden. 

Um  Kaninchen  sicher  zu  sensibilisieren,  gibt  U.  Friedemann^)  die 
nachfolgende  Methode  an:  Die  Tiere  erhalten  bei  der  ersten  Injektion  pro 
\  kg  Körpergewicht  1-0  cw  3  Serum  intravenös  und  bleiben  dann  4  Wochen 
unbenutzt.  Nach  dieser  Zeit  erhalten  sie  neuerlich  dieselbe  Menge  in  die 
Blutbahn.  Dabei  treten  Krankheitserscheinungen  auf,  ohne  aber  den  Tod  des 
Tieres  herbeizuführen.  8  Tage  später  erfolgt  die  Probeinjektion  wieder 
mit  derselben  Menge.  Ihr  erliegen  die  Tiere  fast  ausnahmslos. 

Ähnlich,  aber  noch  ungünstiger  sind  die  Verhältnisse  am  Hunde. 
Mehrfache  intravenöse  Injektionen  werden  auch  hier,  um  sichere  und 
gleichmäßige  Resultate  zu  erzielen,  geboten  sein.  Die  notwendige  Dosis  ist, 
dem  größeren  Gewicht  entsprechend  und  der  geringeren  Empfindlichkeit  der 
Tiere  Rechnung  tragend,  wesentlich  größer.  Biefll  und  Kraus  %  die  dies- 
bezüglich wohl  über  die  reichsten  Erfahrungen  verfügen,  sensibilisierten 
mit  je  3 — 5  cm^. 

b)  Die  Eeiiijektioii.  Um  die  einer  Probeinjektion  folgenden  Krank- 
heitserscheinungen mit  Sicherheit  als  anaphylaktische  bezeichnen  zu  dürfen, 


»)  U.  Friechmaiui,  Über  die  Kriterien  des  anaphylaktischen  Zustandes.    Zeitschr. 
f.  Immunitätsforschg.  1909.  Bd.  3.  H.  7.  pag.  726. 
2)  1.  c. 


Die  ArliL'itsuK'thodcii   liei    \'ersiicheri   (ilicr  Aiiapliylaxic.  .-j;;? 

ist  es  notwendig-,  liinsielitlicli  des  /ii  verwendenden  Materials  und  seiner  Ito- 
sierung  sowie  der  Technik  gewisse  Kautelen  einzuhalten,  will  imin  sich 
nicht  groben  Intiiiiiern  aussetzen.  Da  eine  ganze  Reihe  aitfrenider  Seren 
und  Eiweitikiirper  auch  auf  unvorhehandelte  Tiere  an  sich  teils  eine  ge- 
ringe, teils  eine  recht  hetriichtliche  (riftwii-kung  iiunern.  die  sich  in  ihrer 
Symptomatologie  nicht  von  den  Krscheinungen  des  anaj)liylaktischen 
Shocks  trennen  lätit.  teilweise  durch  die  Wirkung  von  im  Substrate 
enthaltenen  hämolytischen  Xonnalambozeptorcu  und  Komi)lem('nten  bedingt 
ist.  so  mul»  in  jeder  \'ersuchsreihe  die  Wirkung  des  Injektionsmaterials 
mindestens  an  zwei  gleich  schweren  und  gleich  grolien,  sicher  unvorbehan- 
delten  Kontrolltieren  ausgeprobt,  ihre  Wirkungslosigkeit  festgestellt  oder 
aber  bei  vorhandener  toxischer  Wii-kung  —  die  Temperaturreaktion  aus- 
genommen mit  Injektionsmengen  gearbeitet  werden,  die  untei-  der  am 
Kontrolltier  ermittelten  Dosis  toxica  bzw.  letalis  liegen. 

Um  von  vornherein  solchen  Fehler(|uellen  auszuweichen,  haben  zuerst 
Doerr  und  liaubitschek^)  bei  ihren  Studien  am  Aalserum  die  toxische  Kom- 
ponente für  die  Probeinjektion  teils  durch  zweistündiges  Erhitzen  auf  »»no, 
teils  durch  Zusatz  von  0'4 — l"/oigei'  konzentrierter  Salzsäure  uml  nach- 
träghches  Neutralisieren  mit  Sodalösung  zerstört  und  nun  mit  diesem  an 
sich  für  das  unvorhehandelte  Tier  atoxischen,  in  vorzüglicliei-  WCise  alter 
noch  die  anaphylaktischen  Krankheitserscheinungen  auslösenden  Material 
gearbeitet.  In  ähnlicher  Weise  kann  man  auch,  wie  eigene  Kiiahrungen 
lehrten"^),  die  Seren  der  gewöhnlichen  Schlachttiere  vor  der  Probeinjektion 
inaktivieren  und  sie  so  ihres  giftigen  Kigenvermögens  berauben.  \'on  Kör- 
perzellen stammende  Eiweiiikörper,  z.  P).  das  Eiweiß  der  Augenlinse,  kami 
man  übrigens  anch  durch  Trocknen  über  Schwefelsäure  im  N'akuum  und 
länger  dauerndes  Aufbewahren  im  trockenen  Zustande,  ohne  ihre  shock- 
auslösenden  Eigenschaften  zu  alterieren ,  für  unvorbehandelte  Tiere  oder 
andersartig  präparierte  Kontrollen  entgiften. 3)  Nur  l)ei  uanz  indifferenten 
Flüssigkeiten,  wie  bei  Hühnereiklar,  Hämoglobin,  kann  man  diese  Präpa- 
rierung entbehren.  Die  Emulsionen  mancher,  auch  artgleicher  Organe  (so 
insbesondere  der  Niere)  haben  au  sich  eine  iiuüerst  intensive,  dabei  abei- 
thermostabile  TÜftwirkung,  die  nicht  an  dem  /elleneiweü)  selbst  haftet. 
Durch  wiederholtes  Waschen  der  Emulsion  mit  erneuten  Mengen  von  Koch- 
salzlösung kann  man  hier  zu  einem  Ziele  kommen.  M 

Will  man  mit  der  Auslösung  des  anai)hylaktischen  Shocks  auch  noch 
die  Diagnose  der  Artzugehörigkeit  des  Antigens  der  \'orbehandlung  ver- 
binden, so  genügt  die   Entiiiftiuig  des  Materials    und    seini'  Kontrollierung 


')  1.  c. 

-)  //.  Pfeiffer,  Versuchstechiiisclio  BcmerUiiiigoi»  zum  Nacluvcis  des  aiiapliylakti- 
scheii  Tempcratursturzos.  Wiener  kliii.  Woclieiisclir.  l'.lOi).  Nr.  ."U").  p:ii.'.  1227. 

^)  S.  Mita,  Ülier  die  Verwertbarkeit  des  aiiapliylaktisclien  'I'iMii|)cr:itiirstiirze<:. 
Zcitschr.  f.  Imniunitätsforscliuiig.  1910.  Bd.  5.  T.  2  ii.  3.  pag.  297. 

^)  II.  rfeißer,  Zur  Organspezifität  der  Übereinpfindliolikcit.  Elu'iida.  r.tlO.  I".  ;{. 
png.  358. 


538  H.  Pfeiffer. 

am  nicht  präparierten  Tiere  keineswegs.  Es  ist  vielmehr  notwendig,  hier, 
um  vor  Täuschungen  sicher  zu  sein,  auch  mit  andersartigem  Antigen  vor- 
behandelte Meerschweinchen  in  derselben  Weise  und  mit  demselben  Ma- 
terial zu  behandeln.  Das  Ausbleiben  des  anaphylaktischen  Shocks  bei  dem 
einen,  sein  Auftreten  bei  den  anderen  sichert  allein  in  zuverlässiger  Weise 
die  gewonnenen  Resultate  des  Versuches. 

Was  die  Vorbereitung  des  Materials  anlangt,  so  muß  es  selbstver- 
ständKch  auf  Körpertemperatur  erwärmt  werden  und  —  wenn  man  eine 
größere  Reihe  von  Tieren  zu  injizieren  hat  —  auch  im  Wasserbade  auf 
Körpertemperatur  erhalten  werden.  Wlihrend  die  Beimengung  größerer 
korpuskularer  Elemente  die  Ergebnisse  bei  der  subkutanen  und  intraperi- 
tonealen Reinjektion  nicht  stören,  sind  solche  bei  direkter  Applikation  in  die 
Blutbahn  strenge  zu  vermeiden. 

Die  Menge  des  Injektionsmaterials  variiert  selbstverständlich 
nach  der  Art  ihrer  Einführung  in  den  Tierorganismus.  Es  sei  hier  nur 
die  für  das  klassische  Versuchstier,  für  das  Meerschweinchen,  übliche 
Menge  angegeben.  Die  subkutane  Reinjektion,  wie  sie  Arthus,  Smith  und 
auch  Otto'^)  anwendeten,  ist  heute  der  geringen  Allgemeinreaktion  wegen 
wohl  ganz  verlassen,  wenn  nicht  speziell  die  lokalen  Veränderungen  beob- 
achtet werden  sollen.  Selbst  bei  der  Anwendung  großer  Serummengen 
(5 — 10  cm^)  wird  man,  ohne  Beobachtung  der  Temperaturverhältnisse,  aus 
der  Schwere  der  allgemeinen  Symptome  nicht  immer  zu  einwandfreien  Re- 
sultaten kommen,  Tod  im  anaphylaktischen  Shock  nur  in  einem  recht  ge- 
ringen Prozentsatze  der  Fälle  eintreten  sehen. 

Die  intraperitoneale  Injektion  erfordert  bei  gut  entwickelter  Über- 
empfindlichkeit Antigenmengen  von  1 — 2 — 5  cml  Damit  kann  man 
regelmäßig  deutliche  Krankheitserscheinungen,  manchmal  den  Tod  der 
Tiere  in  2 — 4  Stunden,  fast  ausnahmslos  aber  schwere  anaphylaktische 
Störungen  der  Temperatur  herbeiführen. 

Am  meisten  eingebürgert  hat  sich  heute  die  intravenöse  Reinjektion, 
und  zwar  ihrer  hohen  Wirksamkeit  wegen,  die  sich  in  dem  Eintreten  des 
akuten  Todes  der  Tiere  äußert.  Hier  liegt  die  Injektionsdosis  niedriger, 
sie  beträgt  im  Mittel  0*1 — O'Ol  cm^.  Manche  Autoren,  so  E.  Friedherger 
und  Burkhardt^-)  (in  ihren  Studien  über  die  Inkubationszeit)  verwenden 
aber  auch  insbesondere  dann  weitaus  größere  Mengen  (bis  zu  TO  und 
2*0  cm 3),  wenn  zu  erwarten  steht,  daß  die  Uberempfindlichkeit  nur  in  ge- 
ringem Maße  ausgebildet  ist.  Doch  soll  hier  nachdrücklich  von  einer  kritik- 
losen Anwendung  dieser  Methode  gewarnt  werden,  die  bei  dem  raschen, 
tödlichen  Verlauf  eingehende  Beobachtungen  am  lebenden  Tier  schwierig 
gestaltet,    außerdem    die   Überprüfung   des  Resultates   durch  Feststellung 


1)  Otto,    Das    Thcobald    Smithsche     Phänomen     der     Serumüberempfindlichkeit. 
V.  Leuthold  Gedenkschrift.  1905.  Vol.  1. 

2)  E, Friedherger  und  ^wr^mrc?^,  Weitere  Untersuchungen  über  Eiweißanaphylaxie. 
Zeitschr.  f.  Immunitätsforschung.  Bd.  4.    H.  5.  pag.  690. 


Die  Arbeitsmethoden  bei  Versucfieii  iilier  Anaphyluxir.  5139 

einer x\ntiaiiaphykixie  dadiinli  miiiiiitilicli  macht,  daß  liiiufiy;  alle  Vcrsiirhs- 
tiere  im  Shock  bleiben. 

Dieselben  Menj^enverhältni.s.se  fj^elten  im  allireiiieiiien  für  die  intra- 
kardiale, von  P.  Uhh'uhuth  ')  bevorziij^^e  Kinsi)ritzuni;'.  Er  vorwondet  U'2ö 
bis  10  (')«•'  reinen  inaktiven  Serums  oder  von  rtlaii/.eneiweir.lösniiiien  1  mi^ 
der  10 — 25''/yiiien  Extrakte.  Doch  sei,  insbesondere  bei  fehlender  l'biiiin;, 
vor  dieser  Technik  ausdrücklich  ^^ewarnt.  da  sie  an  sich  einen  nicht  un- 
wesentlichen Eingriff  darstellt. 

Auch  die  xon  Bcsredko -)  infolge  einer  bestimmten  Fragestellung 
früher  viel  geübte  intrazerebrale  Methode  wird  in  neuerer  Zeit  wenig  ver- 
wendet. Auch  hier  schwankt  die  injizierte  Serumiiieuiie  zwischen  <»-2.')  und 
0-01  cin\ 

Was  die  Injektionstechnik  anlangt,  so  ist  ein  aseptisches  Arbeiten 
für  sämtliche  Methoden  ein  hier  nicht  näher  zu  begründendes  Postulat.  Da 
die  subkutane  und  intraperitoneale  Methode  wohl  keine  Schwierigkeiten 
mit  sich  bringt,  so  genügt  der  Hinweis,  dal)  man  zweckdienlich  ein  Kück- 
fließen  des  Materials  und  die  damit  zusammenhängende  Engenauigkeit 
durch  Verschluß  der  Injektionsöffnung  (Fas.sen  der  Haut  mit  l'ean,  Ligatur!) 
verhindert. 

Die  intravenöse  Injektion  geschi(dit  beim  Meerschweinchen  in  die 
Jugulai-is  des  gefesselten  Tieres.  Das  Gefäß  wird  durch  einen  von  innen 
unten  nach  oben  zu  aufsteigenden  Hautschnitt  sichtl)ar  gemacht,  rasch 
freipräpariert  und  durch  zwei  Sperrpinzetten  abgeklemmt.  Dann  wird  die 
Spritze  zwischen  ihnen  in  die  .lugularis  eingestoßen,  nachdem  man  sich 
vorher  vergewissert,  daß  weder  in  der  Spritze  noch  in  der  Kanüle  Luft- 
blasen vorhanden  sind,  und  injiziert  unter  Lüftung  der  zentralen  Pinzette 
langsam  und  stetig  die  Flüssigkeit.  Der  Gehilfe  faßt  im  Momente  des 
Zurückziehens  der  Kanüle  die  Einstichöffnung  und  ligiert  sie.  Naht  mittelst 
Michelklammern. 

Die  stets  zu  entbehrende  und  niclil  empfehlenswerte  intrazerebrale 
Injektion  wird  nach  vorheriger  Trepanation  des  Tieres  vorgenommen. 

HinsichtUch  des  günstigsten  Zeitpunktes  für  die  Probeinjek- 
tion wird  heute  allgemein  der  10. — 21.  Tag  nach  einer  Sensibilisierung 
mit  mittlei'en  Dosen  angegeben.  Nach  den  ausgedidniteii  Erfahrungen  von 
Doerr  und  Ruß  wird  man  aber  dann,  wenn  nur  mit  minimalen  Dosen 
oder  aber  mit  einem  weitgehend  veränderten  Antigen  vorbehandelt  wurde, 
noch  länger  warten.  Vor  dem  25.  Tage  ist  ein  positives  Ergebnis  hier 
nicht  zu  erwarten. 

Hat  man  somit  die  Reinjektion  der  auf  Anaphylaxie  zu  prüfenden 
Meerschweinchen  und  der  Kontrollen  vorgenommen,  so  ist  nach  den  im 
ersten  Abschnitt    wiedergegebenen    Kriterien    die   I>eutung    tler  Versuchs- 


n 


')  P.  I'hlenliulh  uixl  Ilaendel,  Untersuchungen  über  die  pniktisdio  Voiwertliarkoit 
der  Anaphylaxie.  /(Mtsclir.  f.  IiiiiHiinitätsforschiiiit:.  IM.  4.   II.  V^.  patr.  7(51. 
■')  i.e. 


540 


H.  Pfeiffer. 


resultate  dann  eine  leichte,  wenn  schwere  Krankheitserscheinungen  oder 
gar  der  Tod  der  sensibilisierten  Tiere  eintritt,  die  Kontrollen  aber  gesund 
bleiben.  Bei  der  Protokollierung  der  Ergebnisse  verfährt  man  zweckmäßig 
in  der  aus  der  beigegebenen  Tabelle  1  ersichtlichen  Weise: 

Tabelle  1. 

5  Meerschweinchen,  am  1.  P'ebruar  1911  intraperitoneal  sensibilisiert  mit  je  001  inak- 
tivem Rinderserum,    1—3,  6,  7    intravenös    reiujiziert    mit    Oo— Ol    inaktivem  Rinder- 
serum   (RSe),    4,  5.  8  und  9    reinjiziert    mit    05    inaktivem   Pferdeserum  (PfSe).    Tier 
6—9  normale  Kontrollen.  Reinjektion  am  15.  Februar  1911. 


1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 
9 


001  RSe 


14.  Tag 


0-5 

0-25 

Ol 

0-5 

0-25 

0-5 

0-5 

0-5 

0-5 


RSe 


PfSe 


RSe 


PfSe 


t  10  Minuten  unter  Krämpfen 
t  20'  unter  schwersten  Erscheinungen 
Schwerste  Erscheinungen,  erholt  sich 
Keine  Erscheinungen 


Dazu  ist  zu  bemerken,  daß  bei  dieser  allgemeinen  klinischen  Beur- 
teilung der  Resultate  in  ,, schwerste,  schwere  und  leichte  Erscheinungen" 
bzw.  „keine  Erscheinungen"  dem  Belieben  und  der  Erfahrung  des  ein- 
zelnen Beobachters  der  weiteste  Spielraum  gelassen  ist  und  ferner,  daß  so 
die  leichteren  Formen  anaphylaktischer  Erkrankungen  der  Beobachtung 
völlig  entgehen.  Es  war  daher  dringend  geboten,  insbesondere  für  die 
feineren  Untersuchungen  über  Blutverwandtschaft,  über  die  Möglichkeit, 
verschiedene  von  einer  Spezies  stammende  Eiweißkörper  zu  trennen, 
in  Fällen  nur  unausgesprochener  Überempfindlichkeit  exaktere,  vor  allem 
objektiv  feststellbare  und  feinere  Kriterien  zu  verwenden.  Sie  sollen  unter 
einem  mit  der  Maßmethode  des  anaphylaktisclien  Shocks  hier  kurz  be- 
sprochen werden. 

c)  Die  Maßiuethoden  des  anapliylaktischeu  Shocks  (H.  Pfeiffer  ^j. 
Ihr  Prinzip  beruht  auf  dem  Nachweis  einer  Überempfindlichkeit  vermittelst 
des  anaphylaktisclien  Temperatursturzes.  Da  das  Phänomen  einer  Tempe- 
raturerniedrigung an  sich  nichts  Charakteristisches  darstellt  und  auf  die 
Einwirkung  der  verschiedenartigsten  Agenzien  hin  zustande  kommt,  be- 
darf es  hier  einer  bestimmten  Versuchstechnik,  welche  es  ermöglicht,  die 
Erscheinung  als  anaphylaktische  sicherzustellen. 


')  //.  Pfeiffer,  Versammlung  der  Naturforscher  und  Ärzte  in  Salzlnug  1909. 
Abgedruckt  Vierteljahrschr.  f.  gerichtl.  Medizin ,  3.  P'olge.  Bd.  39.  Suppl.-Heft.  pag.  115. 
Vgl.  dazu  auch  S.  Mita,  Über  die  Verwertbarkeit  des  anaphylaktischen  Temperatur- 
sturzes. Zeitschr.  f.  Immunitätsforschung.  1910.  Bd.  5.  H.  2/3.  pag.  297. 


Die  Arbeitsmetliodoii  bei  Versuchen  über  Anaphylaxie.  ',4  ) 

Hinsichtlich  der  Auswahl  der  Versuchstiere  —  Meerschweinchen 
gilt  dasselbe,  was  bei  der  ISensibilisierun}^^  und  Reinjcktion  im  all^'emeinen 
gesagt  wurde,  nur  sind  hier  etwas  iiltcre  Tiere  im  Anfanjjs^'ewicht  von 
300 — ;)50  r/  vorzuziehen,  welche  zur  Zeit  dos  \'ersnches  dann  ein  (Jewicht 
von  ;>Ö0 — tOO  g  erreicht  haben.  Sensibilisiernnj^-  und  Keinjektion  werden, 
wenn  die  \'ersuchsbcdinyungen  nicht  allzu  ungünstig  liegen,  intraperitoneal 
ausgeführt. 

Das  zur  Reinjektion  zu  verwendende  Antigen  muf)  vor  der  I'robe- 
injektion  —  was  übrigens  für  alle  anai)hylaktischen  Untersuchungen,  nach 
welcher  Methode  sie  auch  imniei*  vorgenonmien  werd(Mi  mögen,  gefordert 
werden  niuli  —  hi  jenen  Mengen  und  darüber  hinaus  an  sicher  nnvorbe- 
handelten  normalen  und  gleich  schweren  Versuchstieren  ausgewertet  wer- 
den. Diese  Titrierung  hat  bei  intraperitonealer  lleinjektion  auf  intrai)eri- 
tonealem,  bei  intravenöser  auf  intravenösem  Wege  zu  erfolgen.  Krgibt  es 
sich  dai)ei,  daß  dem  betreffenden  genuinen  Serum  in  den  zum  \'ersuche 
niitigen  Mengen  an  sich  beträchtliche  giftige  und  temperaturherabsetzende 
Wirkungen  zukommen,  so  muH  es  bei  57"  C  ein-  oder  mehi-mals  durch  je 
€iue  Stunde  inaktiviert  werden.  Auf  diese  Weise  erreicht  man  es  leicht, 
das  toxische  Eigenvermögeu  der  Tierseren  so  weit  zu  zerstören,  dali  es 
als  Fehler(iuelle  nicht  mehr  in  Detracht  kommt.  Sollte  bei  nichtgenügender 
Inaktivierung  an  den  Kontrollen  eine  temperaturherabsetzende  Wirkung  l)e- 
obachtet  worden  sein,  so  ist  dies  nach  den  gleich  zu  l)esprechenden  (irund- 
sätzen  genau  zu  registrieren. 

Es  hat  die  Reinjektion  frühestens  14,  besser  noch  21  Tage  nach 
der  ^'orbehandlung  mit  jener  inaktivierten  Serum-  oder  Eiweiltmenge  zu 
erfolgen,  die  im  Vorversuche  sich  als  unwirksam  erwies,  bzw.  die  Tempe- 
ratur der  unvorbehandelten  Kontrolltiere  nur  in  geringerem  Ausmabe  als 
l"^  C  zu  alterieren  vermochte. 

Da  auch  durch  zu  ausgiebiges  Rasieren  und  Waschen  namentlich  bei 
jungen  Tieren  und  in  der  kalten  Jahreszeit  gleichfalls  nicht  auf  den  ana- 
phvlaktischen  Shock  zurückzuführende,  al.so  unspezifische,  wenn  auch  nur 
ganz  geringfügige  Temperaturabnahmen  herbeigeführt  werden  können,  so 
müssen  die  nur  an  einer  eben  genügend  grolien  Stelle  der  Rauchhaut  ra- 
sierten und  desinfizierten  Tiere  möglichst  schonend  und  rasch  injiziert 
und  weiterhin  in  einem  wohltemperierten  Räume  verwahrt  werden,  in  wel- 
chen sie  schon  12  Stunden  vor  Anstellung  des  Versuches  gebracht  wurden. 
Die  Injektion  darf  selbstverständlich  nur  mit  Materialien  vorgenommen 
werden,  welche  auf  Körpertemperatur  vorgewärmt  wurden. 

Weiterhin  ist  die  rektal  zu  messende  Normaltemperatur  der  Meer- 
schweinchen von  Tier  zu  Tier  grolien  Schwankungen  unterworfen,  .so  kon- 
stant sie  auch  bei  entsprechender  Rflege  für  ein  und  dasselbe  Tier  ist. 
l>ei  ganz  grolien  Tieren  liegt  sie  im  allgemeinen  niedriger  (.")S"S)  als  bei 
mittelgroßen  (HUO)  oder  bei  jungen  Tieren  (;')'.t-;i).  Es  ist  daher  bei  iler 
Prüfung  auf  das  Vorhanden.sein  des  anaphvlaktischen  Temperatursturzes 
immer    kurz   vor    der   Einverleibung,    jedoch    nach    der    Desinfektion    der 


542  H.  Pfeiffer. 

Injektionsstelle  die  Temperatur  genau  rektal  zu  messen  und  nun  von 
15  zu  15  Minuten  ihr  weiteres  Verhalten  zu  verfolgen,  bis  sie,  bei  einem 
positiven  Ergebnis,  wieder  zur  Norm  zurückgekehrt  ist. 

\'erwendet  man  zur  Reinjektion  die  Einverleibung  in  die  Blutbahn, 
so  ist  zu  beachten,  daß  schon  durch  die  dabei  nötige  Fesselung  der  Tiere 
ihre  Körpertemperatur  um  ein  Geringes  absinkt,  nach  der  Befreiung  der  Tiere 
aber  sofort  wieder  ansteigt  und  bald  die  Norm  wieder  erreicht  hat.  Es  ist  des- 
halb notwendig,  hier  als  Ausgangspunkt  der  Messung  jene  Temperatur  zu 
nehmen,  welche  unmittelbar  nach  der  Befreiung  des  Tieres  festgestellt  wurde. 

Zur  Temperaturbestimmung  bedient  man  sich  zweckmäßig  eines  nach 
den  Angaben  W.  Weichardts  konstruierten  kleinen ,  rasch  und  exakt  messen- 
den Thermometers,  welches  man  tief  in  den  Enddarm  einführen  kann.  Es 
ist  von  Gustav  Eg er ,  Graz,  Halbärthgasse ,  zu  beziehen.  Die  Temperatur- 
messung hat  während  des  Abfalles  alle  Viertelstunden,  während  des  An- 
steigens alle  halben  Stunden  so  lange  zu  erfolgen,  bis  die  Normaltempe- 
ratur wieder  erreicht  ist. 

Haben  die  Kontrollen  auf  die  Injektion  gar  nicht  reagiert,  so  kann 
ein  Temperaturabfall  von  mehr  als  l'S"  C  unter  die  Ausgangstemperatur 
als  in  positivem  Sinne  entscheidend  angenommen  werden,  d.  h.  er  beweist, 
daß  zur  Reinjektion  das  bei  der  Vorbehandlung  verwendete  Antigen  ein- 
gespritzt wurde,  und  gestattet  noch  unter  Voraussetzungen  die  sichere 
Diagnose  ..anaphylaktischer  Shock"',  wo  alle  anderen  bisher  bekannt  ge- 
wordenen Symptome  —  mit  Ausnahme  von  E.  Friedbergers  Fieberreak- 
tion 1)  —  im  Stiche  lassen. 

Um  den  Verlauf  eines  derartigen  Versuches  anschaulich  zu  machen, 
empfiehlt  es  sich,  das  Resultat  in  Form  einer  Kurve  in  der  Weise  auf 
einem  Millimeterpapier  einzuzeichnen,  daß  man  auf  der  Ordinate  für  je 
10  mm  l^C,  auf  der  Abszisse  die  seit  der  Injektion  verflossene  Zeit  so 
markiert,  daß  12  mm.  ==  60  Minuten  entsprechen. 

Selbstverständlich  ist  aber,  daß  dort,  wo  andere  Symptome,  wie  all- 
gemeine Depression,  Krampfzustände,  Dyspnoe  usw.,  sich  vorfinden,  auch 
sie  zur  Diagnose  mit  herangezogen  werden  müssen.  Bei  leichteren  Erkran- 
kungsformen aber  wird  man  auf  die  Temperaturreaktion  allein  allerdings 
angewiesen  sein. 

Die  beiden  hier  abgebildeten,  einer  Arbeit  von  H.  Pfeiffer  und  S.  Mita  2) 
entnommenen  Kurven  w-erden  den  Verlauf  solcher  Versuche  begreiflich 
machen. 

In  Fig.  139«  wurden  zwei  Meerschweinchen  mit  geringen  Mengen  von 
Katzenblut  intraperitoneal  vorbehandelt.  Das  anaphylaktisch  erkrankte  Tier 
erhielt  O'ö  Katzenblut  (Ktzbl.),  das  andere,  welches  gesund  bleibt,  l"5  Hunde- 
blut (Hdblt.)  intraperitoneal. 


')  1.  c.  ^T.  8. 

^)  H.  Pfeiffer  und  S.  Mita,  Studie  über  Eiweißaiiaphylaxie.  Zeitschr.  f.  Immunitäts- 
forschung. Bd.  4.  H.  4.  pas,'.  410. 


Die  Arbeitsmethoden  lici   N'ersucheii  über  Anaphylaxie. 


r)43 


Fif»-.  1896  zei^t  die  Temperaturverhiiltnisso  von  zwei  Mccrschweiiichpn, 
welche  mit  Schweinesernin  sensil)ili.sicrt  wurdoii.  Das  erste  Tier  erliält  ()•.')  cm' 
inaktiven  Schweineseninis  (S.).  Tier  -J  (licsclhc  Mcn^re  inaktiven  Pfonlc- 
serums  (l'f.)  intraperitoneal,  Menden,  die  sieh  an  nnvorheliandclfcn  Kontrollen 
als  völlit;  wirkungslos  erwiesen  hatten.  Das  erste  Tier  zeif::te  einen  Tem- 
peratursturz bis  H4'5<'C,  das  zweite  i)eh;ilt  seine  Normaltemperatur  zu- 
nächst hei,  erkrankt  aber,  als  ihm  einii>:e  Stunden  später  glcichialls 
Schweineserum  injiziert  wird .  tödlich  unter  einem  schweren  Temperatur- 
abfaU. 

Auf  dem  Wege  der  Temperaturmessung  gelingt  es  nun  auch,  zu  einem 
ziffernmäLiigen  Ausdruck  für  die  beobachteten  Shockgrölien  zu  gelangen  und 
das,  wie  H.Jy'eil/'cr  angegeben,  S.  Mifa^)  des  Näheren  ausgeführt  hat,  in 
der  folgenden  Weise: 

In  Erkrankungsfällen,  die  in  F.rholung  ausgehen,  besteht  regelmäßig 
ein  absoluter  l'arallelismus   zwischen  der  Schwere  der  bei  einfacher  Beob- 


Fip.  139". 


Fig.  ISOft. 


4^ 

38 


36 


J4 


I 

_ 

rx/ 

1 

1 

1 

1 

i 

l 

.>sf 

A 

K 

,/ 

/ 

) 

L 

V 

./ 

-f 

/ 

/ 

\ 

/ 

V 

y 

X 

t 

Spezif Ita 

t    der    Re 

iktic 

n  . 

II                      1           1           1           1 

1^3^56     7    89 

Spezifität  der  Reaktion,   achtuug  eikeuiibareu  Krkrankungs- 

symptome  und  zwischen  der  Größe 
der  Temperatural)nahme  und  der 
Zeit,  die  verstreicht.  i)is  das  Tier 
seine  Normaltempt'ratur  wieder  er- 
reicht. Heide  der  (J rolle  des  Shocks 
direkt  proportionale  Faktoren  können  demnach  als  .Mall  für  den  anaphylak- 
tischen  Sliock  verwendet  werden.  Derücksichtigt  man  die  Form  der  durch 
fortgesetzte  genaue  Messung  erhaltenen  Temperaturkurven,  so  zeigt  es  sich, 
daß  sie  im  allgemeinen  Dreiecksform  besitzen,  (ileich  schwere  N'ersuchsticre 
vorausgesetzt,  kann  denin.icii  die  Größe  des  anaphylakti.schen  Sjiocks  au.sge- 
drückt  werden  durch  den  Flächeninhalt  jenes  Dreiecks,  welches  die  Temperatur- 
abnahme zur  Höhe,  die  Zeitdauer  bis  zur  Erreichung  der  .Vusgangstem|»e- 
ratur  als  Basis  hat.  Es  ist  demnach  die  Shockgröl'ie  (Se)  gleich  dem  halben 


544 


H.  Pfeiffer. 


Produkt  aus  der  Größe  der  Temperatu  rabnah  nie  (ta)  und  der  Zeitdauer  der 

ta    Z 

anaphylaktischen  Erkrankung  (Z),  Se  =     ^    ,  wobei  als  Einheit  für  ta  = 

Ol"  C,  für  Z  =  1  Minute  zu  wählen  ist. 

Andere  Verhältnisse,  die  hier  des  Näheren  nicht  erörtert  werden 
können,  liegen  bei  einem  tödlichen  A'eiiauf  der  Erkrankung  vor.  Als  prak- 
tisch brauchbar   hat   sich   zur  ziffernmäßigen  Einschätzung  dieser  Ergeb- 

ta  i"  Z  t 
nisse  die  empirisch   gefundene   Formel   87=  30.000  +  20.000 — 

bewährt,  wobei  unter  ta  f  die  bis  zum  Tode  eingetretene  Temperatural)- 
nahme  in  Zehntelgraden  Celsius,  unter  Z  y  die  bis  zum  Tode  verflossene 
Zeit  in  Minuten  zu  verstehen  ist. 

Einige  praktische  Ergebnisse  werden  die  Protokollierung  und  Berech- 
nung ohne  weiteres  klar  machen. 

Tabelle  2. 

Entwicklung  der  Anaphylaxie. 

(5. — 40.  Tag.)  Rinderserum. 


Vorbehandlung. 

Intervall. 

Eeiujektion. 

Temporatur- 

Einderserura 

Tage 

Einderserum 

abnahme 

Zeit 

Shock 

Mittel 

001 

5 

2  cm"^ 

0 

0 

(1 

0 

0-01 

10 

2    „ 

31 

530 

5.115 

001 

10 

2    „ 

27 

530 

4.450 

2.564 

0  01 

10 

2    ,. 

0 

0 

0 

001 

10 

2    ,. 

13 

105 

683 

001 

15 

2    „ 

50 

60  t 

t  48.500 

001 

15 

9 

52 

45  t 

1 48.830 

37.425 

001 

15 

2 

47 

60  t 

t  48.590 

001 

15 

0 

—      r 

36 

210 

3.780 

• 

0-01 

20 

9 

-^        Vi 

17 

150 

1.275 

001 
001 

20 
20 

9 

2    ," 

50 
68 

90  t 
90  t 

t  47.750 
t  47.165 

26.234 

0-01 

20 

9 

53 

330 

8.745 

0-01 

40 

2    .. 

5 

90 

225 

001 

40 

2    ,. 

10 

75 

375 

24.131 

001 

40 

2    „ 

61 

75  t 

t  47.213 

001 

40 

9 

6 

75 

450 

Tabelle  2  (abgedruckt  aus  S.  Mita,  1.  c):  Sie  gibt  die  Entwicklung  einer  gegen 
Rinderserum  gerichteten  Anaphylaxie.  Besondere  Kontrollen  waren  hier  nicht  nötig,  da 
schon  frühere  Versuche  die  völlige  Ungiftigkeit  des  verwendeten  Serums  in  den  ange- 
führten Mengen  ergeben  hatten.  Die  tödlichen,  nach  der  S  t-Formel  berechneten  Fälle 
sind  mit  dem  Kreuzeszeichen  kenntlich  gemacht,  die  Mittelwerte  sind  aus  den  einzelnen 
Versuchsgruppen  berechnet. 

Diese  Maßmethode  ermöglicht  es  auch,  mit  an  sich  den  Kontrollen 
gegenüber  nicht  ganz  ungiftigem  Material   ohne  weiteres  zu  arbeiten  und 


Die  Arbeitsmethoden  bei  Versuchen  über  Anaphylaxie. 


045 


jene  ReaktionsfiröCion  zu  bestiiniiiou ,    die    auf  Kecliiiim^'   des  aiiapliylakti- 
schen  Shocks,  nicht  aber  auf  das  toxische  Ei^^enverniü^^i'U  zu  beziehen  sind. 

Zu  dem  /wecke  ist  es  in  soU'hen  Fiilk'U  nur  notwendi},',  die  lloak- 
tionsgrölien  der  Kontrollen  von  jenen  der  sensii)len  Tiere  abzuziehen ,  so 
daß  man  den  „reduzierten  Shock"  als  rein  anaphylaktischen  berechnen  kann. 

Tabelle  :>,  derselben  Arbeit  S.  Mitas  entnommen,  wird  das  (dme  wei- 
teres verständlich  machen.  Die  Angaben  beziehen  sich  auf  Versuche  über 
Anaphylaxie  gegen  Uinderlinse. 

Tabelle  3. 
l\iiiilerlinsenanapb\  laxie. 


Vorbehandlung 


Beinjektion 


2  o 


Zeit 


Shock 


absolat 


redn- 

zi.rt 


0 
0 

0 
VjRindcrlinse 

/2  » 

11  )) 


21 
21 
21 


0"08  Rinderlinse,  getrocknet 
006  Meerschweinchcnlinse, 

getrocknet     

2"0     Rinderserum,  inaktiv  . 
0  0()  Meerschweinchenlinse 

008  Rindorlinse 

20     Rinderserum,  inaktiv  . 


8 

120 

480 

— 

0 

0 

0 



6 

60 

180 

— 

32 

180 

2.880 

2.880 

81 

420 

17.010 

16.530 

14 

105 

735 

555 

Vgl.  dazu  übrigens  die  gleichsinnigen  Resultate  von  F.  Kmsius '), 
die  gleichfalls  mit  Hilfe  des  anaphylaktischen  Temperatursturzes  gewonnen, 
die  Feinheit  und  Exaktheit  der  Metiiodik  widerspiegeln,  fber  die  (Jröl'ten- 
bestimnning  einer  im  Einzelfalle  gegebenen  Anaphylaxie  aus  den  beim  ana- 
phylaktischen ^Shock  gefundenen  Werten  vgl.  //.  Phijfcrs  Monographie:  Das 
l'roblem  der  Eiweißanaphylaxie,  Fischer,  Jena   1910,  S.  110  ff. 

d)  Die  DitlVreiitialdiagnose  des  aiiaj^hylaktischen  Shocks  ireireii- 
über  verwantiten  oder  wesensgleichen,  aber  nicht  anaphylaktischen 
A'ergit'tuni^sbildern.  Es  wurde  schon  früher  kurz  erwähnt.  dalJ  manche 
normale  Tierseren  toxisch  auf  das  Meerschweinchen  zu  wirken  vermögen. 
Untersnchnngen  yow  F.  UMcnhufh-)  und  später  eigene^)  sowie  solche  von 
Doerr  und  Moldovan*)  und  E.  FrirdhfTf/cr^')  haben  ergeben,  dajj  das  dabei  in 
Erscheinung  tretende  Vergiftungsbild  die  grölite  Ähnlichkeit  mit  dem  des  ana- 
phylaktischen Shocks  aufweist.  Hier  wie  dort  gehen  die  Tiere  bei  großen 
Dosen  und  intravenöser  Injektion  akut  unter  den  Erscheinungen  einer  Lungen- 


')  F.  Kn<ftii(ii,  Überempfindlichkeitsversuchc  vom  Auge  aus.  Archiv  f.  .\ngenhcilk. 
1910.  Bd.  67.  II.  1.  pag.  6.   Krg.-Ilcft  pag.  41». 

^)  F.  UMenhnth ,  Zur  Kenntnis  der  giftigen  Kigenschafteu  des  Blutserums. 
Zeitschr.  f.  Hygiene  u.  Infektionskrankli.  Bd.  2ß.  S.  3S4. 

')  //.  J'fcifl'er,  über  die  nekrutisierende  Wirkung  normaler  Seren.  Zeitschr.  f. 
Hygiene  u.  Infektionskrankh.  Bd.  51.  pag.  183  und  Experimentelle  Studien  zur  Lehre 
von  den  Autointoxikationen.  Bd.  56.  pag.  419. 

••)  Doerr  und  Mohlorati,  Analyse  des  rrä/.ipitationsphilnomens  etc.  Zeitschr.  f. 
Immunitätsforsch.  1910.  Bd.  5.  H.  2,3.    pag.  125. 

•'')  Friedbcrger,  1.  c. 
Abderhalden,   Handbuch  der  biochemischen  Arbeitsmethoden.  V.  35 


546  H.  Pfeiffer. 

blähuDg  zugrunde,  bei  protrahierterem  Verlauf  beobachtet  mau  Tempe- 
raturabfall, Somnolenz,  Singultus,  Paresen  der  Hinterbeine,  Diarrhöen,  Harn- 
abgang, bei  subkutaner  Applikation  schwere  Nekrosenbildung.  Die  pathologisch- 
anatomischen Erscheinungen  decken  sich  gleichfalls  völlig  mit  jenen  der  Ana- 
phylaxie. Ja  Ergebnisse  von  Doerr  und  ilfoMoyaw(  I.e.),  Graetz^ ),  E .  Friedher ger^) 
und  H.  Pfeifer^)  haben  es  trotz  der  Einwendungen  von  B.  Kraus*)  und 
seiner  Mitarbeiter  sichergestellt,  daU  nicht  nur  eine  ÄhnUchkeit,  sondern 
eine  Identität  der  Erscheinungen  vorliegt  und  daß  bei  solchen  „Hämolysin- 
vergiftungen"  sich  tatsächlich  ein  dem  Anaphylaxiegift  wesensgleiches  Pro- 
dukt bildet.  Während  aber  dort  die  Giftbildung  erfolgt  durch  den  Zu- 
sammentritt des  im  Tier  immunisatorisch  präformierten  Antieiweiß  und 
dem  ihn  normalerweise  eignenden  Komplement  mit  dem  atoxischen  Antigen 
der  Reinjektion ,  tritt  hier  der  hämolytische  Normalambozeptor  des  art- 
fremden Serums  und  des  Komplements  in  A'erbindung  mit  dem  lebenden 
Eiweiß  des  Versuchstieres  und  gibt  auf  diese  Weise  Anlaß  zur  Giftent- 
stehung. Diese  ist  also  prinzipiell  verschieden,  die  dabei  entstehenden  Pro- 
dukte sind  aber,  wenigstens  ihrer  Wirkung  nach  zu  urteilen,  wesensgleich. 

Da  wir  nun  bei  der  Prüfung  auf  aktive  Anaphylaxie  häufig  gezwungen 
sind,  mit  heterologen  Normalseren  zu  arbeiten,  so  ist  bei  jedem  Versuche 
unbedingt  zu  fordern ,  daß  wir  die  Eigentoxizität  des  Materiales  kennen 
und  ihr  entweder  dadurch,  daß  wir  sie  zerstören,  oder  wenigstens  dadurch, 
daß  wir  sie  genau  in  Betracht  ziehen,  als  Fehlerquelle  ausweichen. 

Es  ist  also,  toxisches  Material  vorausgesetzt,  nur  aus  den  quanti- 
tativen Ergebnissen  ein  sicherer  Schluß  auf  das  Vorhegen  einer  Anaphy- 
laxie zulässig  bzw.  unter  gewissen  Kautelen  auch  aus  der  Prüfung  auf 
Antianaphylaxie:  Daß  dabei  wieder  der  mit  ziffernmäßigen  Ergebnissen 
arbeitende  anaphylaktische  Temperatursturz  die  verläßlichsten  Ergebnisse 
liefert,  ergibt  sich  nach  dem  Vorgesagten  von  selbst  und  er  hat  sich  uns 
selbst,  wie  auch  insbesondere  Krusius  (1.  c.)  bei  der  Differenzierung  nahe 
verwandter  Blutarten  oder  an  sich  toxisch  wirkender  Organeiweiße  (Preß- 
saft von  Nieren,  Spermatozoenemulsionen  usf.)  besser  bewährt  als  alle 
anderen  Methoden. 

Soll  eine  Untersuchung  über  Anaphylaxie  gegen  Toxalbumine  vorge- 
nommen werden,  wie  dies  z.B.  von  Eichet '°)  für  das  Aktinien-  und  Mies- 
nmschelgift  durchgeführt  wurde,  so  ist  es  selbstverständhch,  daß  dem  Ana- 
phylaxieversuch  eine  genaue  qualitative  und  quantitative  Analyse  der  gif- 
tigen Agenzien  am  unvorbehandelten  Tier  vorauszugehen  hat.  Speziell  für 
Richets  eben  erwähnte  Versuche  ergab  es  sich,  daß  die  hohe  Giftwirkung 


1)  1.  c. 

^)  E.  Friedherr/er  imd  seine  Mitarbeiter.  i)ber  Anaphylaxie.  XII — XV.  Mitteihing. 
Zeitschr.  f.  Immunitätsforsch.  Bd.  9.  Nr.  3.  pag.  369. 

'•^)  H.  Pfeiffer,  Experimentelle  Beiträge  zu  Kenntnis  der  Anaphylaxie  etc.  Zeit- 
schrift f.  Immunitätsforsch.  1911.  Im  Druck. 

^)  Biedl  und  Kraus,  Über  die  Giftigkeit  heterologer  Sera  und  Kriterien  der 
Anaphylaxie.  Zeitschr.  f.  Immunitätsforsch.  1910.  Bd.  7.  H.  4.    pag.  408. 


5)  1.  c. 


Die  Arbeitsmethoden  lici   Vprsiicheu  ül)er  Aiiaphylaxio.  5« 7 

seiner  PrJiparate  sowohl  in  ilncin  zcitliclicn  Aiit'trctcii  als  auch  in  ihrer 
Wesenheit  streng  untcrschicch'n  werden  konnte  von  den  Kraiikiieits- 
erscheinungen  des  anaphyhiktischen  Shocks. 

e)  Die  Prüfuni;  der  llanitoxi/ifät  aiiaphylaktisclnr  Tiere.  Ver- 
fasser i)  hat  knrzHch  (hirauf  aufiiicrksain  gemacht,  wie  der  Harn  anaphy- 
laktisch  erkrankter  Tiere  ein  enoi-iiies  Ansteigen  seiner  geringen  |iiivsiolo- 
gischen  Toxizität  erkennen  liiiU  und  hat  gezeigt,  dal)  die  damit  im  Meer- 
schweinchenversuch erzielbaren  Vergiftnngshihler  identisch  sind  mit  jenen 
des  anaphyhiktischen  Shocks,  so  daß  aus  di-ni  genannten  Grunde,  aber 
auch  aus  vielfachen  anderen  Ergebnissen  heraus  es  wahrscheiuHch  geworden 
ist,  dal]  das  Anaphyhixiegift  durch  den  Harn  der  Tiere  ausgeschieden 
werde.  Es  hat  sich  weiterhin  ergeben,  daß  die  Harntoxizität  ein  sehr  emp- 
findliches Kriterium  für  einen  parenteralen  Eiweil'tzerfall  nicht  nur  im 
anapliylaktischen  Shock.  sondern  auch  unter  anderen  dazu  führenden  \'er- 
suchsbedingungen  ist.  Es  seien  dabei-  kurz  über  die  Methodik  solcher  bio- 
logischer Harnanalysen  einige  Angaben  gemacht. 

Dem  Harnspender,  im  gegebenen  Falle  dem  anaphylaktisch  erkrank- 
ten Meerschweinchen,  wird  sofort  nach  der  Injektion  etwa  in  seiner  Blase 
vorhandener  Harn  durch  sanftes,  allmählich  an  Intensität  zunehmendes 
Pressen  entleert  und  dann  bei  Männchen  der  Penis,  bei  Weibchen  die 
Urethralöffnung  fest  ligiert.  Zu  der  Zeit,  wo  eine  Harnfraktion  untersucht 
wTrden  soll,  wird  sie  auf  gleiche  Weise  entleert  und  neuerdings  ligiert. 
oder  aber  das  Tier  getötet,  die  Blase  steril  entnommen  und  der  Harn  in 
einer  Eprouvette  aufgefangen.  Nach  fünfstündiger  Versuchsdauer  sind 
meist  4 — 6  cm^  Harn  vorhanden,  Mengen,  die  zur  l'ntersuchung  reichlich 
genügen. 

Der  Harn  wird  nun  mit  1—2  Tropfen  Chloroform  versetzt,  gut  durch- 
geschüttelt und  klar  zentrifugiert.  Da  seine  alkalische  Peaktion^i  nicht  oder 
fast  nicht  das  Versuchsresultat  stört,  kann  man  den  durch  Zentrit'ugieren 
geklärten  Harn  mit  einer  Kapillarpipette  entnehmen  und  nun  in  der  Menge 
von  je  2  cm^  zwei  Meerschweinchen  im  Gewichte  von  HOO — ^iöO //  injizieren, 
dem  ersten  Tiere  intraperitoneal,  dem  zweiten  subkutan.  Man  beobachtet  nim. 
insbesondere  beim  ersten,  ob  allgemeine  Krankheitserscheinungen  auftreten. 
die  sich  mit  jenen  des  anaphylaktischen  Shocks  decken  und  ob  sie  stark,  schwach 
oder  gar  nicht  ausgeprägt  sind,  und  stellt  durch  fortlaufende  Temperatur- 
messungen die  Temperaturkurve  der  Tiere  bis  zum  Wiedereintritt  zur  Norm 
fest.  Da  auch  hier  die  Stärke  desTemperaturabtalles  der  Stärke  der  allgemein 
toxischen  Wirkung  absolut  parallel  geht,  ist  es  durchaus  zulässig,  wie  beim 
anaphylaktischen  Shock  unti  unter  Benutzung  der  früher  dafür  erörterten 
Formeln  die  Giftigkeit  der  Harne  auszuwerten. 


')  H.  Pfeifer,  Zur  Kenntnis  der  Anaphylaxie  und  Ilanidlysinveririftunir.  Wiener 
klin.  Wochenschr.  1910.  Nr.  42.  pag.  1484.  Kiieiida:  Zur  Kenntnis  der  photodynami- 
schen Wirkuutron   fluoroszioronih'r  Stoffe.   1911.  Nr.  1.  pat:.  1. 

-)  Sauere  Hanu>  sind  vor  der  Auswertung  mit  Natronlauge  zu  neutralisieren. 

35* 


548  H.  Pfeiffer. 

Hätte  ein  gegebener  Harn   die  Temperatur   um  4"C  während   eines 

40  300 
Zeitraumes  von  5  Stunden  herabgesetzt,   so  wäre  S= — ^ — =6000.    Es 

enthält  demnach  der  Harn  in  1  «»^  —  300O  E. 

Bei  dem  subkutan  injizierten  Tiere  beobachtet  man  insbesondere  die 
Injektionsstelle.  Normaler  Harn  wird  glatt  resorbiert,  solcher,  der  aus 
einer  Periode  gesteigerten  Eiweißzerfalls  stammt,  vermag  in  der  Regel 
die  Kutis  am  Injektionsorte  in  wenigen  Stunden  unter  Bildung  einer  Ne- 
krose zu  zerstören,  welche  in  ihrem  Aussehen  und  in  ihrem  weiteren  Ver- 
lauf —  Eintrocknen  zu  einem  braunen,  lederartigen  Schorf,  Abstoßung, 
Geschwürsbildung  usw.  —  absolut  jenem ,  als  -^r^Äw.ssches  Phänomen  be- 
schriebenen gleicht.  Um  auch  hier  die  Wirkungsintensität  verschiedener 
Harne  vergleichen  zu  können,  ist  es  empfehlenswert,  die  Größe  des  zer- 
störten Hautbezirkes  nach  24  Stunden  zu  messen  bzw.  festzustellen,  ob 
der  Harn  glatt  resorbiert  wurde    oder  aber  ein  Infiltrat  vorhanden  ist. 

Parallelversuche  mit  normalen  Harnen  werden  die  Differenzen  der 
Harngiftigkeit  ohneweiters  erkennen  lassen. 

3.  Nachweis  einer  passiven  Anaphylaxie. 

Sie  besteht  in  der  Übertragung  einer  aktiven,  durch  Antigeninjek- 
tionen  erzeugten  Überempfindlichkeit  auf  ein  sonst  unvorbehandeltes 
Kontrolltier  durch  das  Serum  des  überempfindlichen.  Wir  unterscheiden 
dabei  demnach  zwei  Akte:  a)  die  passive  Sensibilisierung,  h)  die  Re- 
injektion. 

a)  Die  passive  Sensibilisierung-.  Arbeitet  man  innerhalb  einer  Tier- 
spezies, z.  P).  nur  mit  Meerschweinchen  (homologe  passive  Anaphylaxie),  so 
ist  die  Technik  der  Sensibilisierung  nicht  Avesenthch  verschieden,  wie  wenn 
man  von  einer  Tierart  auf  eine  andere,  z.  B.  vom  Kaninchen  auf  das  Meer- 
schweinchen die  Überempfindlichkeit  überträgt  (heterologe  passive  Anaphy- 
laxie). Es  kann  demnach  die  Versuchstechnik  beider  Formen  unter  einem 
abgehandelt  werden. 

An  die  Spitze  kann  der  Satz  gestellt  werden,  daß  die  Übertragung 
der  Anaphylaxie  von  einem  Tiere  auf  ein  anderes  mit  jedem  Immunserum 
gelingt,  welches  in  zureichender  Menge  freies  Antieiweiß  enthält  und  daß 
es  um  so  leichter  möglich  ist,  je  höherwertig  dieses  ist.  Man  wird  deshalb 
gut  tun,  insbesondere  bei  der  Beantwortung  prinzipieller  Fragestellungen, 
dem  anaphylaktischen  Versuche  eine  Auswertung  der  Immunprodukte 
solcher  Seren  (Präzipitinreaktion,  eventuell  Bestimmung  des  hämolytischen 
Immunambozeptors)  nach  den  von  L.  Michaelis  in  Band  III/2,  Seite  1185  ff. 
des  vorliegenden  Handbuches   aufgestellten  Grundsätzen   vorauszuschicken. 

Nach  dem  eben  Gesagten  sind  auch  die  Mengen  des  Immunserums, 
welche  zu  einer  passiven  Präparierung  des  normalen  Tieres  notwendig  sind, 
großen  Variationen  unterworfen  und  können  um  so  kleiner  gewählt  werden, 
je  höher  der  Antieiweißgehalt  eines  Serums  ist.    Deshalb  können  wir  hier 


Die  Arbeitsmethoden  lici  Vcrsuclien  ülier  Aiiapliylaxie.  f^lQ 

auch  auf  oine  Wiedergalu'  der  in  tWv  iiltercii  Litoratiii'  iiltcr  passive  Ana- 
phylaxie .uel)r;iuclili('h(^n  Vcrsuchsmengen  verzichtou  ;  noch  leichter  in  An- 
betracht des  Tnistandes.  dal»  ebenso  nialiu-ebciid  wie  die  rriiitarifruntr  für 
den  Nachweis  des  Shocks  die  Ment;e.  die  Art  und  Zeit  der  rriifnn^%  mit 
dem  Antii^en  ist.  Während  bei  dem  einen  Srnim  Ol  rnt^  hinrciclicn.  um 
bei  einer  unter  gleichen  Itedingungen  vorgenommenen  Ueinjektiun  noch 
stürmische  Symptome  hervorzurufen,  sind  von  einem  anderen  \0-  4()rin^ 
davon  nötig.  Was  insbesondere  das  Serum  von  Meerschweinchen  anlangt, 
die  ein  einziges  Mal  durch  kleine  Mengen  Antigen  aktiv  sensibilisi«'rt 
wurden,  so  ist  es  zur  Zeit  der  vollentwickeltcn  Iberempfindlichkfit  wohl 
nötig,  2-0— 4-0  cin^  zu  injizh-ren.  E.  Friedhcn/cr  und  Burckhirdt '),  welche 
in  dieser  Hinsicht  über  ganz  einheitliche  Resultate  verfügen,  verwendeten 
unter  ihren  Versuchsi)ediugungen  immer  l-ö-  2"ö  cm'K 

Was  die  Injektionsart  des  Immunserums  aidangt,  so  gelingt  die  pas- 
sive Sensibilisieruug  selbstverständlich  mit  jeder  Art  der  parenteralen  Zu- 
fuhr. Will  man  rasch  sensibilisieren  oder  verfolgt  man,  wie  es  insbeson- 
dere von  Doerr  und  Ruß-)  geschehen  ist,  spezielle  Fragestellungen,  so 
wird  die  Einbringung  in  die  Vena  jugularis  notwendig  sein.  Genügt  es, 
nach  24  Stunden  erst  sichere  Resultate  zu  gewinnen,  so  ist  die  intra- 
peritoneale Applikation  vorzuziehen.  Dieser  Weg  ist  es  auch,  welcher  in  der 
überwiegenden  Zahl    der  Versuche  zur    Präparierung  eingeschlagen  wurde. 

W^as  die  Wahl  des  Versuchstieres  anlangt,  so  ist  unter  allen  Um- 
ständen das  hochempfindsame  Meerschweinchen  jedem  anderen  vorzuziehen, 
weil  hier  die  einheitlichsten  und  verläßlichsten  Resultate  erzielt  wurden. 
Das  gilt  von  einer  homologen  Übertragung  unbedingt,  von  einei-  heterolo- 
gen  jedoch  nur  bedingungsweise. 

Es  haben  nändich  seither  vielfach  bestätigte  Versuche  von  llilen- 
huth  und  Hiundd^)  weitei-  erwiesen,  dal'i  ein  vom  Huhn  stammendes 
Immunseriini  Meerschweinchen  nicht  überempfindlich  machen  konnte.  Dal) 
auch  die  Umkehrung  des  ^'ersuches  nicht  gelingt,  zeigte  Friedherger*): 
Er  vermochte  mit  einem  Immunkörper  von  Kaninchen,  welcher  Meer- 
schweinchen in  \()i'ziiglicher  Weise  sensibilisierte,  an  \'ül;i'1ii  nur  zu  nega- 
tiven Resultaten  zu  gelangen.  Der  (irund  für  die.se  Erscheinung  ist  offen- 
bar darin  gegeben,  dali  die  Immunkörper,  welche  von  einer,  dem  Wirtstiere 
fernestehenden  Spezies  stammen,  in  ihm  keine  geeignete,  in  ihre  zyto- 
phileu  (irni)pen  einpassende  haptophore  (irupi)e  besitzen. 

Man  wird  also,  wenn  man  das  passiv-anaphylaktisierende  Verhalten 
eines,  von    einer   bestimmten  Tierart   stammenden  Serums    mit  Aussicht 


»)  1.  c. 

-)  Doerr  iiiul  Uiiß,  Stiuliiitn  ülior  .Viiapliylnxie.  2.  Zeitsclir.  t.  Iiiiiiiiiiiitatsforsch. 
Bd.  2.  H.  1.  pag.  109.  Eltoiida:  Studien  ülior  Aiiapliyla.xie.  3  n.  4.  IM.  ."{.  H.  2.  !«:ii.'.  1S1 
und  7.  1<)0'J.  pag.  70(5. 

^)  Vhlenhufh  und  llacndel,  l'ntersiicliiiii<ren  ülier  die  praktische  Verwertharkoit 
der  Anaphylaxie  ete.  Zeitschr.  f.  Immnnitatsforsclii:.  Hd.  4.   II.  (>.  pa^'.  7(>1.  l'.tOJ». 

*)  K.  Friedberger  und  liurckh(tt<ll,  1.  e. 


550  H.  Pfeiffer. 

auf  Erfolg  studieren  will,  dieses  an  gleichartigen,  oder  aber  an  nahe  ver- 
wandten, insbesondere  aber  an  einer  empfindlichen  Spezies  studieren  müssen. 
Stammt  der  Immunkörper,  wie  im  Falle  ühlenhuths  und  Haenclels,  von 
Vögeln,  so  wird  man  \'ögel  als  Wirtstiere  für  ihn  benutzen;  stammt  er 
vom  Kaninchen,  so  wird  man,  was  der  allgemeinen  Gepflogenheit  entspricht, 
das  hochempfindliche  Meerschweinchen  heranziehen. 

Ist  dabei  der  Fall  gegeben,  daß  das  Serum  der  auf  das  Vorüegen 
aktiver  Anaphylaxie  zu  prüfenden  Spezies  auf  das  Meerschweinchen  toxisch 
wirkt,  so  kann  man  diesen,  die  ^'ersuchstiere  stark  schädigenden,  auf  die 
hämolytische  Eigenwirkung  zurückzuführenden  Faktor  durch  vorhergehende 
Inaktiviernng  der  Seren  bei  57"  ausschalten,  ohne  dadurch  das  passive 
Sensibilisierungsvermögen  wesenthch  zu  beeinträchtigen.  Das  gilt  insbeson- 
dere für  die  Übertragung  einer  Anaphylaxie  vom  Menschen  auf  das  Meer- 
schweinchen, die  sicher  möglich  ist. 

b)  Die  Reiujektion:  Für  die  Dosierung  und  die  Applikationsart 
jenes  Antigens,  mit  welchem  die  aktive  Anaphylaxie  erzeugt  wurde  und 
dessen  Wirksamkeit  im  passiv  anaphylaktischen  Versuche  dargetan  werden 
soll,  gelten  dieselben  Eegeln  und  Vorschriften  wie  bei  der  aktiven  Ana- 
phylaxie. Ich  verweise  diesbezüglich  auf  das  dort  Gesagte. 

Nähere  Angaben  sollen  nur  über  die  Zeit  gemacht  werden,  welche 
zwischen  der  Präparierung  und  der  Prüfung  der  Tiere  vergehen  muß, 
damit  man  sicher  positive  Resultate  erhält. 

Dazu  ist  es  notwendig,  daß  der  bei  der  Sensibilisierung  einverleibte 
Immunkörper  an  die  Zellen  des  Tieres  verankert  wird. 

Soll  die  Sensibihsierung  sowohl  wie  die  Reiujektion  von  der  Blutbahn 
aus  vorgenommen  werden,  so  genügt,  wie  das  die  Versuche  von  Doerr 
und  Ruß  gelehrt  haben,  schon  ein  Zwischenraum  von  4  Stunden,  um  deut- 
liche Ausschläge  zu  bekommen,  jedoch  war  nach  12  Stunden  das  Maximum 
der  Reaktionsfähigkeit  erreicht.  Bei  intraperitonealer  Versuchstechnik,  die 
sich  insbesondere  beim  Arbeiten  mit  dem  anaphylaktischen  Temperatur- 
sturz empfiehlt,  ist  bei  homologer  Übertragung  mindestens  ein  Zeitraum 
von  24,  besser  von  48  Stunden  zu  fordern,  bei  heterologer  oft  erst  nach 
72  Stunden  das  Versuchsoptimum  erreicht.  Einschlägige  noch  unveröffent- 
lichte Versuche  bringt  die  nebenstehende  Tabelle  4. 

Zur  passiven  Sensibilisierung  dienten  hier  die  Seren  von  Kindern,  die  im  Gefolge 
einer  Diphtherie-Antitoxinbehandlung  größere  Mengen  Pferdeserum  erhalten  hatten  und 
dagegen  überempfindlich  geworden  waren.  Vorbehandlung  und  Reiujektion  erfolgten 
intraperitoneal.  Die  weiteren  Details  des  Versuches  ergeben  sich  aus  der  Tabelle. 

Der  Effekt  der  Reinjektion  ist,  wenn  die  Übertragung  der  Anaphy- 
laxie gelungen  war,  ein  echter  anaphylaktischer  Shock.  Seine  Beurteilung 
als  echte  passiv  anaphylaktische  Erscheinung  unterliegt  denselben  Kri- 
terien, wie  diese  früher  schon  für  die  aktive  Anaphylaxie  ausgeführt 
wurden. 

Es  verdient  hier  nur  noch  hervorgehoben  zu  werden,  daß  insbeson- 
dere in  Fällen ,   wo  die  aktive  Anaphylaxie   des  Serumspenders ,   wie  z.  B. 


Die  Arbeitsmetlioileii  hei   \  iTsudicii  iilier  AiKipliylaxic. 


öö  1 


bei  Versuchen  vom  MonseluMi  auf  das  Mcerschweiiiclien,  nicht  sicher^'ostellt 
ist,  es  unhedinj^t  notwendjf?  ist,  Kontrollversuche  in  der  Wi-ise  anzustellen, 
daß  man  eine  Anzahl  von  Meerschweinchen  mit  dem  Serum  sicher  nor- 
maler, nicht  anaphylaktischer  Individuen  in  denselhen  Men{,^*nverhiiltnissen 
und  zu  (h'r  gleichen  Zeit  vorbehandelt  und  reinjiziert,  wie  dies  in  der 
tdi-^enden  Tabelle  geschehen  ist.  Sollten  solche  Tiere  ein  anderes  Ver- 
halten bei  der  Keinjektion  zeigen  als  unvorbehandelte,  so  ist  ihre  Reak- 
tion von  jener  der  sensibilisierten  als  nicht  spezifisch  in  .Vbzug  zu 
bringen. 

Eine  neuerliche  Überprüfung  der  gewonnenen  Resultate  auf  das  XOr- 
liegen  einer  Antianaphylaxie  bei  den  überlebenden  Tieren  wird  in  allen 
solchen  Fällen  von  Voi'teil  sein. 

Tabelle  4. 


Vorbehandlung 


Intervall 


Pat.  Ser.  1.    2  cm^ 
.      .     2.    3    „ 

n         V       ''•      ^      )) 
n         n       4.     O      „ 

Normalserm  3    ., 

■1  ^    ^1 


24  St. 
72  St. 

48"st. 

?7 


Keinjektion 


2  cw»  PfSe.  in. 


Tempi'- 
ratnr 


Zeit 


5 

43 

25 

15 

10 

5 

6 

0 

0 


120 

330 

420 

270 

100 

45 

60 

0 

0 


Absoluter 
Shook 


300 

7095 

Ö2.'i0 

2U25 

500 

112 

180 

0 

0 


Kuduziorter 
Shock 


154 

6940 
51114 

1S7'.» 
354 


c)  Die  Maßmethodeii  des  Immunkörpers  (Methoden  von  /?.  Doerr 
und  V.  K.  Büß  ^).  VjS  kann  unter  Umständen,  insbesondere  bei  speziellen 
Fragestellungen  von  Wert  sein,  das  passive  Sensibilisierungsvei'mögen  eines 
Serums,  demnach  seinen  Gehalt  an  frei  kursierendem  Antieiwcilj  zu  be- 
stimmen. Dies  ist  unter  Beobachtung  der  übrigen  schon  erörterten  Kau- 
telen  nach  L'.  JJocrr  und  T^  A'.  h'u/J  mittelst  der  folgenden  .Methoden 
möglich  : 

X)  Mabmethode  bei  konstantem  Immunkörper  und  fallen- 
den Antigenmengen.  Man  injiziert  einer  gröl^eren  Anzahl  von  gleich 
schweren  und  normalen  Meerschweinchen  eine  konstant  bleibende  Menge 
des  zu  untersuchenden  Immunserums  (je  1  mi'^  eines  hocliwiM-tigen  wie 
z.  B.  präzipitierenden  Kaiiinchenserums)  intraperitoneal  und  prüft  24  Stun- 
den darauf  die  passiv  anaphylaktisch  gewordenen  Tiere  durcli  intravenöse 
Einbringung  fallender  Mengen  des  korrespondierenden  Eiweil'iantigens.  Die 
kleinste  noch  tödlich  wirkende  Dosis  der  Keinjektion  gibt  einen  Vergleich.s- 
punkt  und  demnach  auch  ein  Maü  für  die  Menge  des  einverleibten  Immun- 
körpers. 


')  1.  c. 


552 


H.  Pfeiffer. 


ß)  Das  Prinzip  der  fallenden  Immunkörper-  und  konstanten 
Antigenmenge.  Auch  die  Umkehrung  dieser  Versuchsanordnung  ist  prak- 
tisch brauchbar.  Behandelt  man  mit  fallenden  Mengen  eines  Immunkörpers 
vor  (1-0 — O'l  cni^  intraperitoueal)  und  reinjiziert  intravenös  nach  48  Stun- 
den konstante  Antigenmengen   (1*0  cm%   so   gibt   den  Schwellenwert    und 

kleinste  Immunserummenge,    mit   deren  Vorbehand- 


Eiweißmenge 


der    Reinjektion    eben    noch    zu    töten 


Vergleichspunkt    die 
lung    die    gewählte 
vermaa:. 

Von  der  dritten  Methodik  —  partielle  Absättigung  des  Antieiweiß  — 
kann  hier  füglich  abgesehen  werden. 

Von  den  hier  wiedergegebenen  hat  sich  die  erste  und  zweite  Technik 
am  besten  bewährt.  Doerr  und  Ruß  schlagen  als  anaphylaktische 
Immuneinheit  ein  Serum  vor,  von  dem  VO  cm,^  intraperitoneal  injiziert 
ein  Meerschweinchen  von  250  g  so  empfindhch  macht,  daß  0-2cm^  Antigen 
nach  24  Stunden  intravenös  nachgespritzt  gerade  noch  akuten  Tod  aus- 
lösen. Dies  wäre  das  einfache  Serum.  Im  Verhältnis  zu  ihm  wäre  ein  zwei- 
faches so  beschaffen,  daß  mit  10  o;^^  vorbehandelte  Meerschweinchen  schon 
auf  0-1  cm  3  Serum  akut  verenden,  ein  hundertfaches  ein  solches,  welches 
mit  0002  cm^  Antigen  einen  tödlichen  Effekt  erzielt  usw. 

4.  Der  Nachweis  einer  Antianaphylaxie. 

Arbeitet  man  bei  der  Auslösung  des  anaphylaktischen  Shocks  unter 
Versuchsbedingungen,  welche  die  Kontrolltiere  gar  nicht  schädigen,  so  sind 

die     Ergebnisse     einer 
^''^•'*''-  neuerlichen  Reinjektion 

zur  Feststellung  einer 
Antianaphylaxie  leicht 
zu  beurteilen.  Waren 
bei  der  ersten  Reinjek- 
tion die  Krankheitser- 
scheinungen schwere 
und  fehlen  sie  hier,  so 
darf  unzweifelhaft  das 
Ausbleiben  der  Reaktion 
auf  Antianaphylaxie  zurückgeführt  werden,  welche  in  dem  supponierten 
Falle  eine  komplette  ist. 

Ein  mit  Hilfe  des  Temperatursturzes  gewonnenes  Beispiel  dieser  Art 
bringt  Fig.  140,  welche  ich  einer  Arbeit  von  H.Pfeiffer  und  S.  Mita 
(1.  c.)  entnehme: 

Ein  Meerschweinchen,  welches  mit  Rinderserum  sensil)ilisiert  worden  war,  reagiert 
auf  die  P^inverleibung  von  1  cm^  inaktivierten,  für  die  Kontrollen  völlig  unwirksamen 
Rinderserums  mit  einer  Temperaturabnahme  von  3".  Als  es  24  und  48  Stunden  später 
neuerlich  1  cm'-^  Rinderserum  erhält,  fehlen  alle  Krankheitserscheinungen,  seine  Tempe- 
ratur bleibt  in  durchaus  normalen  Grenzen.  (Die  vierte  dieser  Kurven  wurde  96  Tage  später 
gewonnen  und  zeigt  den  neuerlichen  Eintritt  der  Überempfindlichkeit.) 


4^ 

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36 

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Ist 

anath 

irllXiO. 

1 

1 

/  Z   JzP^    1   Zz^»^    1   ZdöT^l  Z  3  if  ö   e^ 


Die  Aibeitsmetliodeii  bei  Versuchen  über  Anaphylaxie. 


553 


Was  die  hier  eiii/uliultriKk-  XCrsiiclistccliiiik  :iiilaii^jl ,  >u  m\h\  die- 
selben Mengen  dessellx'ii  Injcktionsniatcrials  auf  denisfllicii  Versuchsw('<»e 
einzuspritzen,  mit  welchem  der  aiiaphylaktische  Shock  aus<,'elöst  wurde. 
Hinsichtlich  des  Zeitraumes,  welcher  verj^ehcn  muli.  damit  eine  Antiana- 
phylaxie  sich  ausbilden  kann,  so  ist  dieser  bei  intravenöser  Mctlutdik 
kürzer  als  bei  intraperitonealer,  hän.u:t  iibriL,'ens  aber  auch  von  der  Mcuf^e 
des  bei  der  Trobeinjektion  einverleibten  Antigens  und  von  der  Ucaktions- 
fähigkeit  des  Tieres  ab.  Im  allgemeinen  kann   man  sagen,    dab  bei   intra- 


Tabelle 5. 
Entwicklung  der  A  n  t  i  a  n  u  p  li  y  1  ;i  x  i  e. 


Tier 


Tag 


Vorbe- 
handlung 
PtVrde 
Serum 


Intervall 


ReiDJ>>ktion 
l'ferdo- 
^ierum 


TemiM'riitur- 
abnabnic 

in 
Zehntel- 
graden 


Erholung 

nach 
Minuten 


8  = 


ta  .  Z 


3. 

4. 


XI.  09 

XI.  09 

XI.  09 

XI.  09 

XI.  09 

XI.  09 

XI.  09 


001 
001 
001 
001 

001 

001 

001 


25  Tg. 

24  St. 

25  Tg. 

24  St. 

25  Tg. 

24  St. 

25  Tg. 
24  St. 

24  St. 

25  Tg. 
24  St. 

24  St. 

25  Tg. 
24  St. 

24  St. 

25  Tg. 
24  St. 


1-5 
1-5 

l-ö 
1-5 

15 
1-5 

1-5 
15 
lo 

1-5 
1-5 
1-5 

20 
20 
20 

20 

20 


61 
6 

50 
12 

30 
13 

69 
10 
0 

41 
4 
o 

92 
24 
0 

72 
10 


360 
60 

4.50 

180 

420 
120 

540 

180 

o 

450 
60 
30 

480 

180 

0 

660 

180 


10.980 
180 

12.600 
1 .080 

6.300 
780 

18.630 
900 
0 

9.225 

120 

31) 

22.080 
2.160 
0 

23.760 

90(1 


venöser  Injektion  schon  nach  2-4  Stunden  eine  au.sge.sprochene  Abnahme 
der  Überempfindlichkeit  nachweisbar  sein  kann.  Es  hat  sich  abi-r  auch 
hier  ganz  aUgemein  die  (iepflogcnheit  herausgebildet,  12 — 24  Stunden  ver- 
gehen zu  lassen,  bis  man  eine  neuerliche  Injektion  vornimmt,  was  schon 
deshalb  empfehlenswert  ist,  um  einen  anapliylaktischrn  Shock  sicher  ab- 
klingen zu  lassen.  Hat  man  den  intraperitonealen  Versuchsweg  einge- 
schlagen, so  möge  nie  vor  24  Stunden  geprüft  werden,  besser  ist  es  noch, 
wenn  man  recht  bedeutende  Reaktionsunterschiede  erzielen  will,  selbst 
48  Stunden  zwischen  beiden  Einsi)ritzungen  verstreichen  zu  lassen.  Selbst 
dann  wird  man  nicht  immer  komplette  .Vntianaphylaxien  erwarten  dürfen. 


554  H-  Pfeiffer. 

sondern  nur  durch  eine  quantitative  Abschätzung  der  Resultate  den  Ein- 
tritt einer  partiellen  Unempfindlichkeit  feststellen  können.  Daß  auch  dafür 
die  Methodik  des  anaphvlaktischen  Temperatursturzes  besonders  geeignet 
ist,  liegt  auf  der  Hand.  Die  beigegebene  Tabelle  ö  (einer  Arbeit  von  S.  Mita 
entnommen)  wird  dies  besser  als  Worte  illustrieren. 

War  das  Antigen  der  Reinjektion  nicht  völlig  unschädlich  für  die 
normalen  Kontrollen,  so  ist  die  Beurteilung  des  Ergebnisses  einer  neuer- 
lichen Einspritzung  viel  schwieriger,  weil,  wie  eingangs  erörtert,  neben  der 
auf  den  Verbrauch  von  Immunkörpern  zurückzuführenden  Antianaphylaxie 
auch  noch  die  verminderte  Reaktionsfähigkeit  in  Betracht  kommen  kann. 
Reagieren  aber  die  sensiblen  Tiere  auf  ein  an  sich  toxisches  Antigen  bei 
der  neuerlichen  Reinjektion  beträchtlich  schwächer  als  das  erstemal,  hin- 
gegen stärker  als  die  unvorbehandelten  Kontrollen,  so  kann  man  diesen 
Ausfall  ohne  weiteres  auf  Antianaphylaxie  beziehen.  Hätte  z.  B.  ein  gegen 
Rinderserum  sensibiUsiertes  Tier  auf  l'O  cm^  mit  4000  Einheiten  reagiert, 
die  unvorliehandelte  Kontrolle  mit  250  Einheiten,  wären  demnach  bei  einem 
reduzierten  Shock  das  erstemal  o750  Einheiten  nachweisbar  gewesen  und 
reagiert  es  neuerlich  auf  TO  cni^  mit  400  Einheiten,  so  sind  davon  150 
auf  ein  partielles  Erhaltenbleiben  der  Überempfindlichkeit,  die  Differenz 
gegen  3750  =  —  3600  E.  als  Antianaphvlaxie  zu  deuten. 

Endlich  sei  noch  ein  Beispiel  verminderter  Reaktionsfähigkeit  (nach 
H.  Pfeiffer  und  S.  Mita)  angeführt,  aus  welchem  sich  auch  die  Methodik 
solcher  Versuche  ohne  weiteres  ergibt. 

10  Meerschweinchen,  welche  mit  001—00001  Rinderserum  vor  21  Tagen  sensi- 
bilisiert worden  waren,  erhielten  nach  dieser  Zeit  intraperitoneal  je  2  cm^  völlig  inak- 
tivierten, für  die  Kontrollen  gänzlich  unschädlichen  Materials  und  reagierten  darauf 
mit  sehr  beträchtlichen  Shockgrößen  bis  zu  13.730  E.,  die  demnach  restlos  als  echte 
anaphylaktische  Ausschläge  gedeutet  werden  müssen.  Die  zweite  Reinjektion  erfolgte 
2  Tage  später  mit  2'0  cm^  ganz  frischen,  aktiven  Rinderserums,  welches  unvorbe- 
handelte  Tiere  des  gleichen  Gewichtes  im  Durchschnitte  mit  18.000  E.  schädigte.  Die 
antianaphylaktischen  Tiere  waren  aber  nunmehr  gegen  die  ihnen  einverleibte  große  Gift- 
dosis entweder  vollkommen  oder  nahezu  vollkommen  refraktär  und  lieferten  einen 
Mittelwert  von  573  E.  Sie  waren,  wenn  man  die  73  E.  vernachlässigt,  36mal  weniger 
empfindlich  gegen  die  Hämolj'sinwirkung  als  normale  Tiere.  Es  ist  einleuchtend,  daß 
dieses  Resultat  nicht  allein  aus  einer  Antianaphylaxie,  sondern  auch  aus  dem  durch 
eine  verminderte  Reaktionsfähigkeit  erklärt  werden  muß. 

5.  Der  Nachweis  organspezifischer  Reaktionen. 

Solche  w^urden  zuerst  von  Kraus,  Dörr  und  Sohma^),  Andrejew^)  mit 
dem  Linseneiweiß,  H.  Pfeiffer »)  mit  Erythrozyten  und  Linsen,  H.  Pfeiff'cr 


*)  Kraus,  Dörr  und  Soma,  Wiener  klin.  Wochenschr.  1908.  Nr.  30.  pag.  1084. 

^j  Andrejetv,  Über  Anaphylaxie  mit  Eiweiß  tierischer  Linsen.  Arbeiten  a.  d. 
kaiserl.  Gesundheitsamte.  1909.  Bd.  30.  H.  2. 

^)  //.  Pfeiffer,  Über  den  anaphylaktischen  Temperatursturz  usw.  Sitzungsbericht 
d.  kaiserl.  Akademie  d.  Wissenschaften   in  Wien.  1909.  Abt.  III.  Bd.  118. 


Die  Ailicitsmetliodcii  lici  Versiu-hcii  ülit-r  Aiuiiihylaxie.  555 

und  S.  Mita^)  mit  Kiklar,  Sj)cnnatozoen  und  von  II.  I'feijf'er-)  mit  Nioren- 
eiweil)  ausgeführt.  l)ai)ei  handelt  es  sich  iiiii  (h-ii  Nachweis  verschiedener  von 
einer  i)estimmten  Tierart  stammemh-r  Kiweillkörper.  Diese  können  wieder 
artfremde,  oder  arteigene,  ja  arteigene  und  körpereigene,  dahei  al»er  hlut- 
frein(h'  sein. 

Was  die  Durchfülirung  soh-her  minutiöser  X'ersuciie  aidangt.  so  \>\ 
eine  mögUchste  Reinheit  sowolil  des  Kiweilles  der  Wtrheliandlung,  als  von 
jenem  der  Ileinjektion  (Irundvoraussetzung  für  kkire  Ergehnisse.  Die.se 
Forderung  kann  für  das  EiweiÜ  isoliert  zu  gewinnender  Zellen  leicht  durch 
wiederholtes  Waschen  in  der  Zentrifuge  und  Wiederersatz  «Icr  Kochsalz- 
lösung erreicht  werden.  Dies  gilt  insbesondere  für  Erythrozyten  und  Sper- 
matozoen.  Will  man  spezielle  Hamoglol)inana[)hylaxie  erzeugen,  so  kann 
man  nach  A.  Kleins  ^)  Präzipitinversuchen  so  voriichen.  dali  man  die  ge- 
waschenen Erythrozyten  in  Wasser  löst  und  durch  uachtriigliches  Aus- 
salzen mit  Kochsalz  die  Stromata  zur  Ausfüllung  bringt.  Diese  können 
dann  wieder  durch  wiederholtes  Waschen  von  dem  anhaftenden  Hämogloliiii 
befreit  und  zur  Sensibilisierung  verwendet  werden.  Handelt  es  sich  um 
Zellen  von  Organen  oder  Geweben,  so  ist  ihre  ..Keindarstellung"  wohl  un- 
mögüch,  da  man  immer  undifferenzierte  Zellelemente  mitinjizieren  muH.  Ge- 
rade hier  aber  ist  es  notwendig,  um  nicht  die  feineren  Differenzen  in  <len 
Reaktionen  zu  verwischen,  so  lange  den  fein  verriebenen  Organbroi  Inder 
Zentrifuge  wiederholt  zu  waschen,  bis  die  darüberstehende  klare  Flüssigkeit 
jede  Rotfärbung  verloren  hat. 

Handelt  es  sich  um  die  Untersuchung  von  artfremdem  Material,  so 
ist  der  „Ictus  immunisatorius"  meist  groß  genug,  daß  eine  einmalige  In- 
jektion mittlerer  Dosen  (z.B.  \cm^  einer  lO^/oigen  Blutlösung)  zu  deutlich 
entwickelten  Anaphylaxien  führt.  Soll  aber  mit  artgleichem  Eiweiß  gear- 
beitet werden,  so  tritt  die  Überempfiudlichkeit  oft  erst  nach  mehrfacher  In- 
jektion deutlich  in  die  Erscheinung.  Die  l'riiparierung  ist  dann  2 — ."'.mal 
mit  nicht  zu  großen,  gleichfalls  mittleren  Mengen  in  Abständen  von  meh- 
reren Tagen  auszuführen. 

Hinsichtlich  des  günstigsten  Zeitpunktes  der  Keinjektion  liegen  die 
Verhältnisse  hier  etwa  so,  wie  bei  schwach  anajjhylaktogen  wirkendem  Fi- 
weiß  überhaupt,  so  daß  vor  dem  21.  Tage  wohl  keine  deutlichen  .\us- 
schläge  zu  erwarten  sind.  Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  auch  das  Ei- 
weiß für  die  Reinjektion  ebenso  zu  behandeln  ist  als  jenes  bei  der  Sen- 
sibilisierung. 

Im  ül)rigen  gelten  für  solche  Versuche  die  allgemeinen,  oben  fixierten 
Regeln,  die  hier  besonders  strenge  gehandhabt  werden  müssen.  Nur  von 
einer  quantitativen  Durchführung  der  \ersuche  sind  auch  deutliche  Cnter- 
schiede  in  den  Reaktionen  der  Tiere  zu  erwarten.  Auch  hier  hat  sich  das 


*)  1.  c. 

-)  H.  Pfeißer,  Zur  (Irganspezifitiit  der  Ül>erejiipfiiitllicbkeit.  Zeitschr.  f.  liunnmi- 
tätsforsohiintr.  Bd.  8.  II.  3.   liHU.    \)ng.  3ä8. 

•')  A.  Klein,  Über  Kr\  thniprazipitiiie  etc.  Zciitralld.  f.  Biikteriolopic.  Abt.  1.  VM). 
Bd.  39.  Nr.  3.  pag.  303. 


556  H.  Pfeiffer. 

Arbeiten  mit  der  früher  skizzierten  Größenbestimmung"  des  anaphylakti- 
schen  Shocks  aufs  beste  bewährt.  (Vgl.  dazu  z.  B.  die  gründlichen  Versuche 
von  E.  Krusius  mit  Linseneiweiß  etc.)  Dabei  ist  zu  bedenken,  daß,  insbe- 
sondere was  die  intraperitoneale  Reinjektion  anlangt,  das  erste  Auftreten 
und  der  Ablauf  der  Krankheitserscheinungen  dann  ein  verlangsamter  ist, 
wenn  Organbrei  oder  Zellemulsionen  verwendet  werden.  In  solchen  Ver- 
suchen bedarf  es  offenbar  längerer  Zeit,  bis  aus  diesen  im  Tierleibe  das 
wirksame  Zelleiweiß  in  Freiheit  gesetzt  wird  und  in  Reaktion  treten  kann. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  unter  den  eben  erwähnten  Versuchsbe- 
dingungen die  Einführung  der  Aufschwemmung  in  die  Blutbahn  wegen  der 
Bildung  von  Zellembolien  zu  schweren  Fehlschlüssen  Anlaß  geben  kann,  die 
Einspritzung  in  die  Bauchhöhle  daher  unter  allen  Umständen  vorzuziehen 
ist.  Wünscht  man  aber  dennoch  aus  bestimmten  Gründen  die  Blutbahn  für 
den  Versuch  zu  benützen,  so  kann  man  sich  noch  in  der  Weise  helfen, 
daß  man  den  gewaschenen  Zellbrei  bei  hohem  Druck  in  einer  Buchner- 
presse auspreßt,  die  Preßsäfte  von  Zelltrümmern  und  Sand  in  der  Zentri- 
fuge befreit  und  die  nunmehr  geklärte  Flüssigkeit  für  die  Injektion  ver- 
wendet. Ausgiebige  Kontrollen  an  unvorbehandelten  Tieren  sind  selbstver- 
ständlich auch  hier  absolut  notwendig. 

Ein  Beispiel  einer  spezifischen  Rinder-Erythrozyten-  und  Serumana- 
phylaxie  bei  Meerschweinchen  ergibt  die  folgende,  der  mehrfach  erwähnten 
Arbeit   von   H.  Pfeiffer  und    S.  Mita  entnommene  Zusammenstellung   der 
Mittelwerte  der  erhaltenen  Reaktionen;  es  reagierten: 
Erythrozytentiere  auf  Erythrozytenlösung   (in  an  sich 

unschädlichen  Dosen)  mit 1.620  E.  im  Mittel 

Serumtiere  auf  Erythrozytenlösung  mit 30  E.    „        ^^ 

Serumtiere  auf  Serum  (in  an  sich  unschädlichen  Dosen) 

mit 22.410  E.    „        „ 

Erythrozytentiere  auf  Serum  mit 11.040  E.    „        „ 

Während  also  die  mit  Blutkörperchenlösungen  normal  vorbehandelten 
Tiere  gegen  die  Wiedereinbringung  desselben  Materiales  54mal  empfind- 
licher waren  als  die  mit  Serum  sensibilisierten,  reagierten  die  Hämoglobin- 
tiere auf  Serum  nur  halb  so  stark  als  Serumtiere.  Vgl.  übrigens  dazu  die 
unter  Maßmethoden  des  anaphylaktischen  Shocks  gebrachten  Beispiele  von 
Linsenanaphylaxie. 

Um  das  Sensibilisierungsvermögen  körpereigener  und  blutfremder 
Eiweißkörper  zu  prüfen,  ging  Andrejew  für  das  Linseneiweiß  so  vor,  daß 
er  eine  der  beiden  Augenhnsen  verwendete  und  mit  der  zweiten  dann 
sensibilisierte.  Verfasser  wies  in  Gemeinschaft  mit  Hertle  V)  die  anaphylak- 
togenen  Eigenschaften  von  körpereigenem  Nieren-  und  Hodeneiweiß  nach, 
indem  eine  Niere  oder  beide  Hoden  zerquetscht  und  dann  in  die  freie 
Bauchhöhle  reponiert  wurden.  Nach  3  Wochen  ergab  die  Reinjektion  deut- 


1)  Hertle  umlH.Pfeifer,  Über  Anaphylaxie  gegeu  artgleiches,  blutfremdes  Eiweiß. 
Zeitschr.  f.  Immunitätsforsch.  1911.  Im  Druck. 


Die  Arbeitsmethoden  bei   N'ersucheii  über  Anaphylaxie.  'y^n 

liehe    anapliylaktischo  Ausschläfro.    In  iilmlichcr  Weise  könnte  mit  anderen 
drüsigen  Organen  verfahren  werden. 

6.  Der  Nachweis  von  Anapliylatoxin  (E.  Friedberger). 

\on  besonderer  liedeutnng  für  die  Anaphylaxieforschung  sind  in 
letzterer  Zeit  die  lieagen/glasversuche  geworden ,  unter  ihnen  wieder  der 
von  E.  Friedberger  ^)  zuerst  eri)raehte  Nachweis,  dati  l)eini  Zusammentreffen 
von  Ambozeptor.  Komplement  und  Antigen  ein  (Üft  in  vitro  sieh  bilde, 
welches  akut  unter  den  Erscheinungen  des  anaphylaktischen  Shocks  die  Tiere 
zu  töten  vermag.  Die  dabei  gebräuchliche  \'ersuchstechnik,  bei  deren  Wieder- 
gabe wir  uns  an  die  Angaben  E.  Friedberger s  anlehnen,  ist  die  folgende: 
Bei  der  (iewinnung  von  Anaph ylatoxiu  aus  Eiweißlösungen 
spielen,  wie  E.  Friedberger  und  C.Vallardi"-)  zuerst  erkannten,  folgende 
Faktoren  eine  Kolle,  deren  genaue  Berücksichtigung  eine  conditio  sine  qua 
non  für  die  Erzielung  giftiger  Abgüsse  biklct:  Die  Beschaffenheit  (Wertig- 
keit) und  Menge  des  Ambozeptors  (also  des  Immunserum.'^),  die  Antigenmenge, 
die  Komplementmenge  und  endlich  die  Zeitdauer  sowie  die  äußeren  Bedin- 
gungen ihres  gegenseitigen  Aufeinanderwirkens.  ^Vls  optimal  hat  sich  den 
Autoren  die  nachfolgende  Versuchsbedingung  erwiesen: 

Bereitung  der  Antisera:  Kaninchen  erhalten  pro  Kilogramm 
Körpergewicht  1  cni^  Hammelserum  intravenös  eingespritzt.  Nach  ö  Tagen 
wird  die  Injektion  wiederholt  und  nach  weiteren  7— S  Tagen  eine  Blut- 
probe aus  der  Ohrvene  entnommen.  Wenn  das  Serum  Hammeleiweill  min- 
destens 1 :  10.000  in  wenigen  Minuten  bei  Zimmertemperatur  präzipitiert, 
wird  das  Tier  entblutet,  das  Serum  abgeschieden  und  kurze  Zeit  bei  öH" 
inaktiviert.  Ein  zu  langes  Inaktivieren  schädigt  die  Giftbildung  ganz  enorm, 
muß  daher  vermieden  werden. 

Giftdarstellung:  Mengen  von  je  2  cm^  des  präzipitierenden  Immun- 
serums werden  mit  je  1  cm^  in  gleicher  "Weise  inaktivierten  ll.tmmel- 
serums  versetzt.  Die  Proben  kommen  auf  eine  Stunde  in  den  Brut>chrank 
und  werden  dann  noch  24  Stunden  bei  Zimmertemperatur  im  Dunklen 
stehen  gelassen.  Am  nächsten  Tage  werden  die  rräzijiitate  von  der  dar- 
überstehenden Flüssigkeit  abzentrifugiert,  einmal,  oder  besser  noch  mehr- 
mals mit  physiologischer  Kochsalzlösung  zur  Entfernung  der  letzten,  an 
sich  giftig  wirkenden  Antiserumspuren  gewaschen  und  mit  je  ;'»  rw/'  frischen 
Meerschweinchenkomplements  versetzt.  Zur  (iewinnung  des  Komplenn*nts 
sollen  selbstverständlich  nur  ungebrauchte,  am  besten  ;iOO  — .•'»;'>() y  schwere 
Meerschweinchen  ausgeblutet  und  ihr  Seium  sofort  verwendet  werden.  Die 
Mischung  von  Präzipitat  und  Komplement  wird  wieder  eine  Stnntle  Itei 
l-iT^»  und  weitere  24  Stunden  bei  Zimmertem|)eratur  stehen  gelassen,  zentri- 
fugiert  und  der  Abguß,  welcher  das  freie  Anapliylatoxin  enthält,  auf  seine 

')  E.  Friedberger,  Weitere  Uutersnchuni:cii  iUn-r  Eiweißan.Tpbvl.ixip.  Zeitsrbr.  f. 
Immuuitiltsforsch.  Bil.  4.  H.  ö.   pag.  636. 

'-)  E.  Fried  hcri/ir  \md  C.  VaUardi,  über  Aiiapliylaxie.  S.  Mut.  /eirMiir.  i  inineim- 
tätsforschung.  Bd.  7.  II.  1/2.  pag.  U4. 


558 


H.  Pfeiffer. 


Giftigkeit  an  Meerschweinchen  von  200 — 250  g  bei  intravenöser  Einspritzung 
geprüft,  und  zwar  in  Mengen  von  durchschnittlich  3  cm^.  Die  Flüssigkeit 
muß  langsam  und  unter  stetem  Druck  in  die  Halsvene  aus  der  Spritze 
entleert  werden. 

In  den  Fällen,  wo  eine  Antigen-Antikörperverbindung  zuerst  kein 
Gift  liefert,  gelingt  es  oft  noch  durch  eine  zweite  oder  dritte  Digerierung 
mit  neuen  Komplementmengen  Gifte  abzuspalten. 

Im  Folgenden  sei  eine  übersichthche  Zusammenstellung  eines  solchen 

Versuches  aus  der  Arbeit  von  E.  Friedhcrger  und  C.  VaUardi  abgedruckt, 

welche  zugleich  die  Bedeutung  wechselnder  Ambozeptormengen  anschaulich 

macht:  t.  ,    ,,    „ 

Tabelle  6. 


Hammelserum  in 


Präzipit. 
Kaniuehenserum 


Komplemeutdosis 


Eesultat 


1:0 

1:1 

1:10 

1 :  100 

1:0 

1:1 

1:10 

1:100 

1 : 1 .000 

1 :  10.000 

1 :  100.000 


20  cm^ 

20  „ 

2-0  „ 

2-0  „ 

2  0  .. 

20  .. 

2-0  „ 

2-0  „ 
2-0 

2-0  „ 

2-0  „ 


3-0  cin^ 

30  „ 

3-0  ,. 

30  „ 

30  „ 

30  „ 

3-0  „ 

3-0  „ 

30  „ 

30  „ 

30  „ 


gesund 

anaphylaktisch 

tot 

n 

gesund 
anaphylaktisch 

?? 

tot 

leicht  anaphylaktisch 

gesund 


Bei  dieser  Versuchsanordnung  wird  man,  um  die  erhaltenen  Resul- 
tate mit  Bestimmtheit  auf  Anaphylatoxinbildung  zurückführen  zu  dürfen, 
gut  daran  tun,  wie  es  in  Friedhergcrs  Versuchen  immer  geschehen  ist,  in 
gleich  großen  Versuchsmengen  das  verwendete  Komplement  für  sich  an 
Kontrolltieren    auf   ihm    etwa   eignende    Giftwirkungen   zu  prüfen.    Solche 


wurden  übrigens  bisher  noch  nie  vorgefunden. 


Auch  eine  Prüfung  des  ver- 


wendeten Antiserums  auf  seine  Giftigkeit  ist  zu  Kontrollzwecken  anzu- 
raten, obwohl  es  ja  durch  das  wiederholte  Waschen  der  Präzipitate  entfernt 
wurde  und  für  die  Giftwirkung  des  Abgusses  nicht  in  Betracht  kommt. 
Sie  ist  eine  oft  recht  hohe  und  wesensgleich  mit  der  des  Anaphylatoxins. 

Auf  diesen  eben  besprochenen  Versuchswegen  konnten  bisher  mit  ver- 
schiedenen Serumarten,  Blutschatten  und  Hämoglobinlösungen  giftige  Spalt- 
produkte nachgewiesen  werden.  Bei  Versuchen  mit  letzteren  muß  man  nach 
Friedherger  und  VaUardi  die  toxische  Eigenwirkung  des  Hämoglobins  mit 
in  Betracht  ziehen. 

In  prinzipiell  derselben  Weise  gelingt  es,  aus  den  verschieden- 
artigsten Bakterienzellen,  lebenden  und  abgetöteten,  akut  tödhch  wir- 
kendes Anaphylatoxin  durch  Einwirkung  von  Immunseren  zu  gewinnen. 
Hier  ist  übrigens  schon  normales  aktives  Meerschweinchenserum  an  sich, 
und  das  vermöge  seines  natürlichen  Gehaltes  an  Ambozeptoren  geeignet, 
hinreichende  Giftmengen  zu  liefern,  worauf  später  des  Näheren  eingegangen 


Die  Arbeitsmethoden  lioi   Vorsucheii  über  AiuipliNlasii'  559 

werden  soll.  I»ei  solchen  Vorsiichcn  können  dii'  ll;iktori«'ii  sowohl  im  leiten- 
den als  im  al)L;et(iteten  oder  iickochtcn  Znstaiidc  verwendet  werden.  Ks  ist 
selbstverständlich,  daß  solche  Stiimnu'  hinsichtlich  ihrei-  Virnlenz  usw.  im 
Tierversuch  i^enau  ausgewertet  sein  müssen.  Zur  (lifthildnn«,'  verwendeten 
E.Friedberger  und  seine  Mitarbeiter')  bisher  \ilirii)  Metschnikoff  (im 
Chloroformdampf  abgetötet),  Tvphusbazillen  CUJigige  Airarkultur),  l'ro- 
digiosus  (24  Stunden  alte  Schrägagarkultur),  Tuberkelbazillen  (üppig  ge- 
wachsene Schrägagarkultur),  Staphylococcus  pyogenes  aureus  (24  Stunden 
alte  Schrägagarkultur).  Die  Bakterien  werden  entwedei'  nach  vorheriL^er 
Abtötung  im  Dampfstrom,  durch  direktes  Kochen  oder  durch  Chloroform- 
dämpfe  in  bestimmter  Menge  in  Kochsalzlösung  aufgeschwemmt  und  ge- 
waschen, dann  mit  dem  Immunserum  meist  18 — 24  Stunden  in  Kontakt 
gelassen.  Dabei  findet  die  Verankerung  der  Ambozeptoren  an  die  P.akterien- 
zellen  statt.  Sodann  werden  die  beladenen  Bazillen  mit  reichlichen  Mengen 
physiologischer  Kochsalzlösung  gewaschen,  um  überschub  von  Ambozeptoren- 
serum  zu  entfernen,  die  eine  Komplementablenkung  hätten  bedingen  können. 
Die  gewaschenen  Bakterienleiber  werden  dann  in  der  Begel  mit  4  cy//- nor- 
malen und  frischen  Meerschweinchenkomplements  versetzt  und  nach  24- 
stündigem  Aufenthalt  im  Kiisschrank  oder  bei  Zimmertempei'atui-  im 
Dunklen  abzentrifugiert.  Der  Abguß  wird  normalen  Meerschweinchen  intra- 
venös injiziert  und  diese  mit  der  bei  Anaphylaxieversuchen  üblichen  Me- 
thodik auf  Krankheitserscheinungen  geprüft.  Die  Injektion  der  Abgüsse 
raulj  stetig  und  langsam  in  die  Vena  jugularis  vorgenommen  werden. 
Schwangere  Tiere  oder  solche ,  die  kurz  vorher  geboren  haben ,  sind  für 
solche  \'ersuche  nicht  verwendbar.  In  der  jüngsten  Zeit  hat  es  sich  den- 
selben Autoren  ergeben,  dab  auch  normales  Meerschweinchenserum  an  sich 
—  bestimmte  Versuchsbedingungen  vorausgesetzt  —  geeignet  ist.  vermöge 
seines  normalen  Gehaltes  an  Antikörpern  aus  Bakterien  akut  wirksames 
Anaphylatoxin  abzuspalten.  Die  im  Folgenden  abgedruckten  \'ersuclispara- 
digmen  mögen  einen  Einblick  in  die  Mengenverhältni.sse  sowohl  beim  Ar- 
beiten mit  Immun-  als  auch  mit  normalen  Ambozejjtoren  allein  geben.  Sie 
sind  den  Ari)eiten  von  E.  Friedberger  und  Goldschmidf  d.  c.)  bzw.  E.Fried- 
berger und  Schütze  (1.  c.)  entnommen. 

Bestiramunir  iler  Giftigkeit  der  liazilleii:  Je  ein  Drittel  dreitägiger 
T3rphns-Schrägagarkultur  wird  in  4  cw'  destillierten  Wassers  anfgenommen  und  1",  Stun- 
den im  Schiittclapparat  geschüttelt. 

Kin  Meerschweinchen  erhält  die  gesamte  Aufschwemmung,  nachdem  ilie  l-lilssiir- 
keit  auf  O'S"  „  Kochsalz  geliracht  worden  ist.  intraven<>?.  .Vhgeselien  von  gerinL'i-r  .\teni- 
beschlcunigung  keine  Symptome. 

A  iiapli  vlatox  i  nli  ild  iing  :  Je  '„  einer  ilreitagigen  'rvphus-Sclirairairarknltur 
wird  in  physiologischer  Kochsalzlösung  aufgeschwemmt,  mit  fallenden  Mengen  von  Ty- 
phusimmuuserum  vom  Pferde  versetzt.  Alle  Köhrchen,  auf  10  cm^  aufgefüllt,  kommen  eine 
Stunde  in  den  Thermostaten  von  37",  dann  24  Stunden  in  den  Kissclirank.  I»ii-  Bazillen 
werden  dann  abzentrifugiert.  sorgfältig  gewasdien.  mit  je  4  rw'  norniaU>u  Meej>ch\\ein- 
chenscrums  versetzt.  Am  folgenden  Tage  Prüfung  der  Komplcineiitabi:iisse  wie  folgt: 


•)  E.  Frirdhergcr  und  seine  Mitarbeiter,    fber  Anaphylaxie.   12. — 15.  Miit.    Zeit- 
schrift f.  Immunitätsforsjch.   lUU.  Bd.  9.   11.3.  patr.  3i'.'>. 


560 


H.  Pfeiffer. 


Kultnr- 
menge 


Iramun- 
Serum 


i  s 


^     X     © 

CO  .— 
P    S    N 


^ 


Krankbeits  verlauf 


Anggang 


1 

2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 


»/,  Kultur 
1  ' 

2  ^ 

1  ' 


'/2 
1 

o 


•I 


!) 


005 

Ol 

0-25 

0-5 
10 
2-5 
5-0 
100 


4-0 
4-0 
40 
40 
40 
40 
40 
40 


40 
40 
3-5 
4-0 
40 
4-0 
30 
4-0 


deutliche  Anaphylaxie 
sehr  schwere  Anaphylaxie 


keine  Erscheinungen 
leichte 


erholt  sich 
Tod  in  4  Stunden 

erholt  sich 

Tod  in  2  Stunden 

2 

r)  rr      -*  rt 

leht 


Der  Versuch  läßt  deutlich  erkennen,  wie  auch  hier  ein  Überschuß  an 
Immunserum  ungünstig  für  die  Giftabspaltung  ist. 

Bereitung  von  Anaphylatoxin  mit  Xormalserum:  0'2 g  Tu- 
berkelbazillen werden  in  10  on^  Q-Sb^/oiger  Kochsalzlösung  fein  verrieben 
und  suspendiert,  so  daß  1  cm^  =  O'Ol  </  Bazillen  enthält.  Hiervon  werden 
verschiedene  Verdünnungen  mittelst  physiologischer  Kochsalzlösung  herge- 
stellt und  die  Bakterien  mit  normalem  Meerschweinchenkomplementserum 
versetzt.  Nach  16 — 18  Stunden  langem  Stehen  bei  15''  wird  zentrifugiert 
und  die  Abgüsse  intravenös  geprüft: 


Nr. 


Kulturmenge 


Komplement- 
menge 


Injektions- 
dosis 


Ausgang 


1 

2 
3 

4 


002 
001 
0-002 
0001 


4-2 
3-5 
4-5 
4-5 


4-2 
3-5 
4-5 
4-5 


Tod  nach  34  Minuten 
Tod  nach  12  Stunden 
Leichte  Erscheinungen,  überleht 
Keine  Erscheinungen,  lebt. 


7.  Der  Nachweis  des  spezifischen  Abbauvermögens  von  Seren 
anaphylaktischer  Meerschweinchen. 

a)  Durch  den  Nachweis  inkoagulabler  Spaltprodukte  von  Pepton- 
charakter:  Speziell  für  den  Fall  der  Eiweißanaphylaxie  haben  H.  Pfeifer 
und  »S*.  Mita  ^)  zuerst  bewiesen,  daß  bei  der  Digestion  von  Seren  ana- 
phylaktischer Meerschweinchen  mit  dem  zugehörigen  Antigen  inkoagulable 
Spaltprodukte  auftreten,  ein  Ergebnis,  welches  mittlerweile  insbesondere 
durch  die  Friedbergersche  Schule  mit  vollem  Erfolge  auch  auf  den  Fall 
der  Bakterienanaphylaxie  und  der  Anaphylatoxinbildung  überhaupt  aus- 
gedehnt worden  ist.  Gleichzeitig  und  völlig  unabhängig  von  diesen  Besul- 
taten  und  mit  anderer  Versuchstechnik  hat  E.  Abderhalden^)  den  Nach- 
weis des  Auftretens  proteolytischer  Fähigkeiten  in  den  Seren  von  mit  Ei- 

*)  H.  Pfeifer  und  S.  Mita,  Vorträge  in  der  Gesellschaft  für  Morphologie  und 
Physiologie  in  Graz.  25.  XI.  1909,  dann  :  Experimentelle  Beiträge  zur  Kenntnis  der 
Eiweiß-Antieivreißrealvtiou.  Zeitschr.  f.  Immuuitätsforschg.  Bd.  6.  H.  1.  1910.   pag.  18. 

-)  E.  Abderhalden  und  Pinkussohn,  Zeitschr.  f.  physiologische  Chemie.  Bd.  64. 
pag.  100.  1910  (hei  der  Redaktion  eingegangen  am  6.  XII.  1909). 


Die  Arbeitsmethoden  bei  Versuchen  über  Anaphylaxie. 


r)üi 


weiß  vorbchniulolton  Tiorcn  orltracht    uml   ihn    spiitcr    auch    aiil   (hu    Kall 
der  Ei\veiriaiiaphylaxio  aiisch'hiioii  köiiiicii. 

H.  Pfeijfir  und  S.  MiUi  vcrluhicii  wie  l'ol;^t:  NacJKh'in  wcdtT  die  Knt- 
eiwoißungsmcthode  von  Dcvoto,  noch  jene  von  Mir/w/Hs  und  Rotm  hier  f?an{?- 
bar  war,  wählten  die  Verfasser  die  Enteiweiliung  durch  die  llit/e.  l>a/u 
muß  iienierkt  wei-den.  daß,  um  Fehler  durch  mantrelhaftc  Kuteiweißunt!;  zu 
vermeiden,  unbedingt  Kinübung  in  dir  Technik  und  sod.inn  von  vorne- 
herein kleine  \'ersuchsniengen  notwendig  sind.  Sonst  sind  |)ositive  Hiiiret- 
reaktionen  auch  bei  den  Kontrollnihrchen  /u  erwarten,  die  aber  andrerseits, 
wie  Hunderte  einschlagiger  Kontroiiuntersuchinigen  gelehrt  haiien,  bei  j)ein- 
lichster  Einhaltung  der  Technik  konstant  vermeidbar  sind.  Ich  betone  hier 
neuerdings  die  Schwierigkeiten  derartiger  Versuche,  auf  welche  jüngst  auch 
ySfAewA;  hingewiesen  hat.  Ich  glaube  aber,  und  das  im  Hinblicke  auf  die  neuesten 
Versuche  von  E.  Friedhcnjer  und  S.  Mifa  und  im  Hinblicke  auf  die  große  Zahl 
unserer  Kontrollversuche,  jeden  Irrtum  methodischer  Art  ausschließen  zu  dürfen. 

Die  zu  untersuchenden  Seren  und  Serumgeniische  werden  in  der 
Menge  von  4  bis  höchstens  8  cni^  mit  der  zehnfachen  Menge  destillierten 
Wassers  verdünnt  und  in  einer  I'orzellanschale  auf  dem  Wasserbade  bis  zu 
zirka  80"  erhitzt.  Noch  besser  hat  sich  mir  in  jüngster  Zeit  Kochen  der 
Flüssigkeiten  in  Erlenmeierkölbchen  in  dem  siedenden  Wasser  des  Bades 
bewährt.  Euter  fortwährendem  Weitererwärmen  wird  tropfenweise  sehr  stark 
verdünnte  Essigsäure  so  lange  zugesetzt,  bis  eine  eben  deutlich  saure  He- 
aktion  gegen  Lackmus  nachweisbar  wird,  die  rierinnung  des  Eiweiß  groß- 
flockig erfolgt,  dieses  sich  vollständig  abscheidet,  die  Flüssigkeit  <lanel)en 
vollständig  wasserklar  erscheint.  Der  Zusatz  der  Säure  hat  allmählich  zu 
erfolgen  und  es  erfordert  wie  gesagt  Übung,  jene  notwendige  (Irenze  der 
Azidität  regelmäßig  zu  treffen,  bei  welcher  eine  vollständige  Ausscheidung 
des  Eiweiß  erfolgt.  Als  Kriterien,  daß  der  Zusatz  der  Säure  in  der  richtigen 
Weise  erfolgt  ist,  dienen,  besser  als  das  Verhalten  gegen  Lackmus:  1.  die 
großflockige  Ausscheidung  der  koagulablen  Eiweißkörper:  '2.  die  selbst  bei 
länger  fortdauerndem  Erhitzen  fortbestehende,  vollkommen  wasserklare  Be- 
schaffenheit der  Flüssigkeit  und  :).  ihr  \erhalten  bei  der  Filtration.  Sie 
fließt  wie  reines  Wasser  rasch  durch  das  Filter. 

Nachdem  zur  Vergewisserung,  daß  auch  alles  in  der  Hitze  koagulable 
Eiweiß  wirkUch  ausgefällt  ist,  noch  durch  zirka  'M)  Minuten  weiter  erhitzt 
worden  war,  wurde  filtriert,  das  Filtrat  auf  die  ursprüngliche  Menge  ein- 
gedampft und  damit  die  Biuretprobe  angestellt. 

Ein  vom  Meerschweinchen  gewonnenes  Beispiel  möge  die  iibri>:e  \ Cr- 
suchsanordnunü-  klarmachen : 


Vorbehand- 
lung 


001 
001 
001 
001 


PfS. 


Kntblutet 
nach 


25  Tg. 


Immun- 
suruin 


Antigen 


nn" 


2  PfSe. 
2  RSe. 
2  l'fSe. 
2   RSe. 


Priusipitst 


Kinrptprobo  di<r  ml 
eiwuilitcn  Klü-»itflk"i< 


positiv 
nPL'ativ 
positiv 
iif^'ativ 


Abderhalden.  Handbuch   der  biochemischen  Arbeit("niethoden.  V. 


3r. 


562  H.  Pfeiffer.  Die  Arbeitsmethoden  bei  Versuchen  etc. 

Nach  früheren  Ergebnissen  von  Abderhalden  und  P'mkussohn  gelingt 
es  übrigens  auch  durch  vorhergehende  Digestion  von  Immunserum  und 
Antigen,  Dialyse  der  Gemische  und  Anstellung  der  Biuretprobe  mit  der 
Außenflüssigkeit  den  spezifischen  Abbau  der  Gemische  nachzuweisen. 

b)  Durch  den  Nachweis  der  Änderung-  im  Brechuiigsvermögen 
(optische  Methode  nach  E.  Abderhalden).  Die  zur  Beobachtung  viel- 
facher biologischer  Fragestellungen  verwendete  optische  Methode  E.  Abder- 
haldens wurde  in  jüngster  Zeit  auch  speziell  zum  Nachweise  des  fermen- 
tativen  Abbauvermögens  von  Seren  für  den  Fall  einer  Eiweißanaphylaxie 
bei  Meerschweinchen  und  Kaninchen  von  ihm  und  Pinknssohn  heran- 
gezogen. 

Hinsichtlich  der  Einzelheiten  der  Versuchstechnik  sei  hier  auf  die 
wiederholten  Angaben  der  Autoren  in  der  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie, 
Jahrg.  1909 — 1911  verwiesen.  Ihr  Prinzip  besteht  darin,  daß  bei  der  Ein- 
wirkung von  Fermenten,  auf  Lösungen  eines  Proteines,  eines  Peptones  oder 
eines  Polypeptides  das  ursprüngliche  Drehungsvermögen  des  Substrates  in 
ganz  gesetzmäßiger  Weise  sich  ändert.  So  kann  mit  einer  bestimmten  Fer- 
mentlösung eine  typische  Kurve  des  unter  seiner  Einwirkung  eintretenden 
Abbaues  erhalten  werden.  Abderhalden  hebt  insbesondere  hervor,  daß  eine 
Verfolgung  der  Änderung  im  Drehungsvermögen  der  Gemische  von  Immun- 
seruni  und  Antigen  nur  mit  sehr  guten  Polarisationsapparaten  möglich  ist. 
Das  Auftreten  von  Trübungen  macht  die  Versuchsresultate  unbrauchbar. 
Ebenso  muß  die  Lösung  frei  von  zeUigen  Bestandteilen  des  Blutes  sowie 
von  Hämoglobin  sein.  Die  Versuche  werden  so  ausgeführt,  daß  in  einem 
Polarisationsrohr  eine  bestimmte  Menge  einer  Antigenlösung  (z.  B.  Pferde- 
serum) eingefüllt  und  das  entsprechende  Immunserum  zugesetzt  wird.  Nun 
wird  das  auf  37°  erwärmte  Rohr  in  den  Polarisationsapparat  gebracht  und 
das  Drehungsvermögen  des  Gemisches  festgestellt.  Jetzt  liest  man  von  Zeit 
zu  Zeit  den  Drehungswinkel  ab  und  notiert  die  Werte.  Als  Kontrollen 
dienen  Versuche,  in  denen  die  betreffenden  Immunseren  unter  Zusatz  ent- 
sprechender Mengen  physiologischer  Kochsalzlösung  und  die  Seren  normaler 
Tiere  -f-  dem  Antigen,  bzw.  4-  Kochsalzlösung  auf  die  Änderung  ihres 
Drelmngsvermögens  innerhalb  derselben  Versuchszeiten  geprüft  werden. 
W^ährend  in  solchen  eine  nennenswerte  Änderung  des  Drehungsvermögens 
nicht  auftritt,  erfolgt  diese  in  den  erstgenannten  Gemischen  in  typischer 
Weise. 

In  den  die  Anaphylaxie  betreffenden  Versuchen  von  Abderhalden  und 
Pinkussohn  wurden  teils  je  1  cm^  des  betreffenden  Immunserums  +  0'5  An- 
tigen +  5*5  physiologischer  Kochsalzlösung,  in  anderen  0*25  Serum,  0'5  An- 
tigen und  6' 75  physiologischer  Kochsalzlösung  verwendet. 


Der   Nachweis   pliotodynamiseher    Wii'kunü:on    tluo- 
resziereiuler  Stoffe  am  lebenden  W'ai'niblütcr. 

Von  Hermann  Pfeiffer,  (Jraz. 

Da  in  der  jüngsten  Zeit  durch  einschliigige  Arbeiten  von  M  .  Haus- 
mann'^),  Baubitschek^),  Horbaczewski^)  und  H.  P/eiJfrr*)  die  von  Tappehur 
entdeckte  photodynamische  Wirkung  fhioreszierender  und  sensibilisierender 
Stoffe  auf  Warmblüter  ausgedehnt  wurde  und  derartige  Versuche  auch  für 
die  menschliche  Pathologie  nicht  bedeutungslos  scheinen,  sei  hier  im  Nach- 
trage zu  den  Ausführungen  Tappemers  in  Bd.  III.  2  des  vorliegenden 
Handbuches  über  die  Methodik  beim  Nachweise  photodynamischer  Wir- 
kungen auf  Warmblüter  und  die  dabei  in  Erscheinung  tretenden  Er- 
krankungssymptome kurz  berichtet. 

1.  Die  Vorbehandlung  und  Belichtung  der  Versuchstiere. 

Die  Wahl  des  Versuchstieres.  Als  feines  Reagens,  welches  außer- 
ordentlich charakteristische  Krankheitserscheinungen  darbietet,  hat  sich 
sowohl  W.  H(n(S)na)ui  als  auch  mir  selbst  die  weiße  Maus  bewährt.  Mindi-r 
empfindlich  ist  das  erwachsene  Meerschweinchen,  obwohl  auch  dieses  Tier 
mit  schweren,  selbst  tödlichen  Erkrankungen  auf  die  Lichtwirkungen  ant- 
wortet. Es  hat  den  \'orteil  bedeutenderer  Größe  für  sich,  so  daß  es  für 
spezielle  Fragestellungen,  wie  Verhalten  der  Leukozyten  während  der  Er- 
krankung, Studien  über  Ilarntoxizität,  nicht  wohl  umgantien  werden  kann, 
da  derartige  Versuche  an  der  weißen  Maus  in  zureichender  Weise  wohl 
nicht  gut  durchführbar  sind.  An  anderen  Sjiezies  licL-^en  bis  heute  ein- 
schlägige Untersuchungen  nicht  vor. 


')    ir.  Jfausnian»,  Biochom.  Zeitschr.  1909  iiiul  191(1.  vorscli.  .Vrlu'iteii. 

-)  liauhitschek,  Zur  Kenntnis  der  Patho^^enese  der  rollajrra.  t'eutralbl  f.  Hak- 
tpriologie.  0.  1910.  Bd.  57. 

^)  Ilorhaczeirski,  Das  österreicliisoho  Saiiitütswcscn.  Boilapc  zu  Nr.  31.  1910. 

^)  //.  Pfeiffer,  Über  die  Wirkung  dos  Lichtes  auf  Kosin-Blutgemisrhc.  Wiener 
klin.  Woclienschr.  190.'».  Nr.  9  und  12.  pag.  211.  besonders  aber:  Weitere  Heitrage  zur 
Kenntnis   der  Cboreniptiiulliclikrit  usw.    Zeitschr.  f.  Immunitatsforselur.   1911   im   Priu'k. 

36- 


564  H.  Pfeiffer. 

Man  wähle  zu  solchen  Versuchen  im  allgemeinen  gut  genährte,  er- 
wachsene Mäuse  mit  einem  Durchschnittsgewicht  von  10 — 15  y,  vermeide 
ihrer  erhöhten  Empfindlichkeit  wegen  schwangere  Tiere.  Meerschweinchen 
im  Gewichte  von  800 — 400  g  sind  einerseits  groß  genug ,  um  genügende 
Blut-  und  Harnmengen  zu  liefern,  andrerseits  aber  auch  nicht  zu  alt,  um 
schlecht  zu  reagieren.  Man  verwende  bei  subkutaner  Zuführung  des  sensi- 
bilisierenden Stoffes  möglichst  Tiere,  die  an  Bauch  und  Lenden  weiß  sind, 
da  der  Pigmentgehalt  der  belichteten  Hautpartien  abschwächend  die  Licht- 
wirkung beeinflußt. 

Die  Vorbereitung  der  Tiere.  Um  die  Lichtwirkung  intensiver  zu 
gestalten,  ist  es  empfehlenswert,  weiße  Mäuse  von  der  Schwanzwurzel  bis 
zum  Genick  mit  einer  krummen  Schere  kurz  zu  scheren.  Dabei  hält  der 
Gehilfe  das  Tier  mit  einem  Pean  an  der  Genickhaut  fest,  der  Experimentator 
mit  der  buken  Hand  den  Schwanz  und  führt  mit  der  rechten  die  Schere. 
Meerschweinchen  werden  zweckmäßig  an  Bauch  und  Lenden  vom  Rippen- 
bogen bis  zur  Schambeinfuge  rasiert. 

Die  Injektion  wird  bei  Mäusen  zweckmäßig  subkutan  unter  die 
Rückenhaut  in  Versuchsmengen  von  0"5 — 0"2  cm^  des  in  0"86%  Kochsalz- 
lösung gelösten  Farbstoffes  vorgenommen.  Dabei  faßt  man  mit  einer  Pin- 
zette die  Rückenhaut  nahe  dem  Steiß,  sticht  die  Kanüle  ein  und  führt  sie 
unter  steter  Kontrolle  des  Fingers  subkutan  soweit  als  möglich  bis  unter 
die  Genickhaut  vor  und  deponiert  hier  die  Flüssigkeit.  Während  des  Aus- 
ziehens der  Kanüle  faßt  man  neuerdings  mit  der  Pinzette  die  Einstich- 
öffnung und  hält  sie,  während  man  die  Injektionsmasse,  die  Haut  leicht 
knetend,  gleichmäßig  verteilt,  fortwährend  fest.  Verschluß  der  Injektions- 
öffnung mit  einer  Michelklammer,  um  ein  Rückströmen  der  Flüssigkeit  zu 
vermeiden. 

Auch  beim  Meerschweinchen  ist  die  subkutante  Injektion,  wenn  man 
prompte  Wirkungen  erzielen  will,  der  intravenösen  vorzuziehen.  Man  kann 
den  Tieren  bequem  5 — 10  cni^  der  Lösung  unter  die  Bauchdecken  ein- 
spritzen und  sie  nach  Verschluß  der  Einstichöffnung  durch  Ligatur  gleich- 
mäßig verteilen.  Eine  intravenöse  Vorbehandlung  hat  das  Aufsuchen  der 
Vena  jugularis  der  gefesselten  Tiere  zur  Voraussetzung.  Dabei  sind 
die  Kautelen  zu  beobachten,  die  für  diesen  Injektionsmodus  schon  von 
L.  Michaelis  und  F.  Fuhrmann  in  Bd.  III,  2  des  vorUegenden  Handbuches 
angegeben  wurden.  Außer  den  später  zu  belichtenden  behandelt  man 
immer  auch  eine  größere  Anzahl  von  Kontrolltieren  in  derselben  Weise 
vor,  die  im  Dunklen  bleiben,  sowie  eine  Anzahl  von  Tieren,  die,  ohne 
sensibilisiert  worden  zu  sein,  mit  den  vorbehandelten  dem  Lichte  aus- 
gesetzt werden. 

Nach  der  Injektion,  die  außer  an  den  zu  belichtenden  in  der- 
selben Weise  und  in  denselben  Versuchsmengen  auch  an  späterhin  im 
Dunklen  zu  haltenden  gleich  schweren  Kontrolltieren  in  zureichender  Zahl 
ausgeführt  werden  muß,  warte  man  unter  allen  Umständen  die  unmittel- 
baren Folgeerscheinungen  ab,  indem  man  die  Tiere  in  geräumigen  Käfigen 


Der  Nachweis  photodynamischor  Wirkiinpen  fliioresziorcndcr  Stoffe  etc.       f>f,5 

oder  (bei  Mäusen)  in  GlasgefiUioii  im  Dimklfii  liiilt.-.  l)ies  ^nlt  insliosomioro 
von  Substanzen,  die  man  auf  ihre  toxische  Ei^'cnwiikiiiif?  noch  nicht  sorg- 
fältig ausgewertet  hat.  Sie  kann  unter  Tniständen  (wie  /.  l;.  hei  llimler- 
galle)  eine  sehr  hohe  sein.  Treten  sclion  im  (iefoige  der  Sensibihsiening 
Krankheitserscheinungen  bei  den  Tieren  auf.  mui;  mit  einer  Hehchtung 
jedenfalls  solange  gewartet  werden,  bis  die  Tiere  von  ihrer  \ergiftung  sich 
vollständig  wieder  eriiolt  haben.  Genützt  man.  wie  dies  zweckmiil'.ig  i.st, 
zum  Nachweis  solcher  Wirkungen  die  Temperaturreaktion,  so  warte  man 
mit  der  Behchtung  so  lange,  bis  die  Tiere  ihre  Ausgangstemperatur  wieder 
erreicht  haben.  Ist  dies  nicht  der  Fall,  so  lälU  man  mindestens  2  Stunden 
nach  der  Injektion  die  Tiere  im  Dunklen,  damit  das  Sensibilisans  sich 
gleichmäl.ig  in  der  Haut  verteile.  Das  zeigt  sich  bei  stärker  tingierenden 
Farbstoffen,  wie  z.  IJ.  bei  Eosin  oder  bei  Hämatoporphyrin  darin,  dali  die 
Hautdecken  die  Farbe  des  betreffenden  Körpers  angenommen  haben,  im 
ersten  Falle  rosenrot,  im  letztgenannten  braunrot  erscheinen,  /wischen 
Sensibilisierung  und  Belichtung  möge  kein  zu  langer  Zeitraum  eingeschaltet 
werden,  damit  nicht  eventuell  durch  eine  Ausscheidung  des  Farbstoffes 
negative  Resultate  vorgetäuscht  werden. 

Als  Injektionsflüssigkeit  wählt  man  am  besten  eine  Lösung  oder 
Emulsion  des  Farbstoffes  in  0-86Vo  Kochsalzlösung.  Man  hüte  sich  vor 
stark  alkalischen,  insbesondere  aber  vor  einer  sauren  Reaktion,  weil  da- 
durch die  ^'ersuchstiere  an  sich  schwer  geschädigt  werden.  Um  das  sensi- 
bilisierende Vermögen  eines  Körpers  zu  bestimmen,  tut  man  gut  daran, 
zunächst  seine  Dosis  toxica  tolerata  bei  verschiedener  Konzentration  fest- 
zustellen und  darunter  dann  jene  zu  wählen,  welche  den  Stoff  in  gröljter 
Menge  enthält.  Hat  sich  unter  steter  Berücksichtigung  der  Resultate  mit 
uubelichteten  Kontrollen  eine  photodynamische  Wirkung  feststellen  lassen, 
so  geht  man  in  neuen  Versuchen  mit  der  Injektionsdosis  herab  und  ver- 
suche, ob  nicht  doch  an  sicli  unschädliche  Mengen  sensibilisierend  wirken. 

Von  den  bisher  untersuchten  Farbstoffen  steht  hinsichtlich  seines 
sensibilisierenden  \'ermögens  sowohl  als  auch  hinsichtlich  seiner  fast  völlig 
fehlenden  toxischen  Eigenschaft  auf  .Mäuse  und  Meerschweinchen  das  reim* 
krystallisierte  Hämatoporphyrin  in  alkali.><cher  L(isuug  an  erster  Stelle.  Noch 
mit  Mengen  von  OOUOI  //  kann  mau  bei  12  Stunden  später  vorgenommener 
Behchtung  die  weiße  Maus  nach  einem  zweistündigen  Aufenthalt  im  ridgeii- 
lichte  sicher  töten,  im  Somienlicht  mit  noch  kleineren  Mengen.  .Vuch 
wasserlösliches  Eosin  hat  sich  mir  als  recht  wirksam  erwiesen;  mit  OiHiö*^ 
des  Farbstoffes  konnte  noch  gut  sensibilisiert  werden.  <>.  Unnh^)  erhielt 
mit  (>2 — 0-4r)  Eosin  pro  Kilogramm,  .1.  Jodllmun-  und  />'.  lUisk'^)  mit 
0-2     0-4  Eosin,  01=()-2  Erythrosin  chronische  Effekte. 

Soll,    wie    das    insbesondere    von   lidithitsrluk    und   U'>rhac:ruski   ge- 
schehen ist,  durch  Fütterung,  z.  B.  mit  l'olenta  oder,    wie  in  den  \er- 


'-   ')  Zitiert  nach  Jodlhawr  ii.  Hiisl,-.  .\rchiv.  de  [iliarmai-.  <t  de  thcrapio.  If).  p.  2«U). 


566  .  Pfeiffer. 

suchen  Hausmanns,  mit  Buchweizen  sensibilisiert  werden,  so  muß  das  ver- 
änderte Nahrungsregime  längere  Zeit  hindurch  eingehalten  werden,  bis 
photodynamische  Wirli:ungen  im  Lichte  zur  Beobachtung  kommen.  Mäuse 
vertragen  im  allgemeinen  die  veränderte  Nahrung  selbst  durch  viele  Monate 
hindurch  vorzüglich,  Meerschweinchen  sah  ich  Aviederholt  bei  ausschließ- 
licher Polentanahrung  nach  1 — 2  Monaten  unter  hochgradiger  Kachexie  im 
Dunklen  zugrunde  gehen. 

Die  Belichtung  kann  man  im  Bogenlichte,  besser  noch,  aber  bei 
der  weißen  Maus  nur  unter  Einhaltung  bestimmter  Kautelen,  auch  im 
Sonnenlichte  vornehmen. 

Benützt  man  eine  Bogenlampe  als  Licht(iuelle,  so  empfiehlt  sich  eine 
30 — 40  Ampere-Lampe,  wie  sie  den  Projektionsapparaten  beigegeben  ist. 
In  einer  Entfernung  von  80 — 100  cm  von  der  Lichtquelle  werden  die  Ver- 
suchsmäuse —  vorbehandelte  und  unvorbehandelte  —  in  geräumigen  Glas- 
gefäßen, deren  Boden  mit  einer  dünnen  .Schichte  Torfmull  bedeckt  und 
mit  einem  dünnen  Drahtgeflecht  verschlossen  ist  ausgesetzt.  Um  schäd- 
liche Wärmewirkungen  auszuschalten,  muß  das  Licht  in  entsprechender  und 
ausgiebiger  Weise  unter  steter  Wasserkühlung  gehalten  werden.  Will  man 
seine  Wirkung  noch  intensiver  gestalten,  so  kann  man  es  ohne  Schaden 
leicht  konvergent  machen  und  in  diesen  Strahlenkegel  die  Tiere  einbringen. 
Die  Zeitdauer  der  Belichtung,  die  natürlich  von  der  Stärke  der  Lichtquelle 
abhängt,  ist  darnach  verschieden.  Für  stärker  sensibilisierende  Stoffe  können 
schon  nach  1,  sicher  aber  nach  2  Stunden  tödliche  Reaktionen  erzielt  werden, 
während  die  Kontrollen  dadurch  keinen  Schaden  erleiden. 

Ähnlich  verfährt  man  bei  der  Verwendung  von  Sonnenlicht,  muß  aber 
dabei  äußerst  vorsichtig  sein  und  die  Resultate  immer  mit  unvorbehan- 
delten  normalen  Mäusen  kontrollieren,  da  bei  zu  langer  Einwirkung 
auch  diese  dadurch  schwer  geschädigt  werden  können,  ja  sogar  im 
direkten  Sonnenlichte  leicht  eingehen.  Im  allgemeinen  aber  können  durch 
einstündige  Bestrahlung  einerseits  starke  photodynamische  Wirkungen  er- 
zielt werden,  andrerseits  schaden  solche  unvorbehandelten  Tieren  nicht.  Es 
ist  aus  später  zu  erörternden  (xründen  am  besten,  alle  15 — 20  Minuten 
die  Körpertemperatur  der  Tiere  festzustellen.  Zeigt  sich  ein  Abfall  der 
sensibiüsierten  schon  im  Lichte,  so  kann  man  sicher  sein,  starke  Re- 
aktionen ausgelöst  zu  haben.  Die  normalen  Kontrollen  sollen  während  der 
Behchtung  nicht  mehr  als  höchsten  40«  Körpertemperatur  aufweisen.  Meist 
kann  man  aber  den  Versuch  viel  früher  abbrechen,  bevor  eine  Schädigung 
der  normalen  Tiere  eingetreten  ist. 

Stark  sensibilisierende  fluoreszierende  Stoffe,  z.  B.  das  Hämatopor- 
phyrin.  vermögen  die  Mäuse  akut  auch  bei  längerem  Aufenthalte  im  diffusen 
Tageslichte  zu  schädigen.  Es  ist  selbstverständlich  eine  längere  Be- 
lichtungszeit notwendig,  welche  von  den  Kontrollen  anstandslos  vertragen 
wird.  Bei  Beobachtung  auf  chronisch  eintretende  photodynamische  Effekte 
(lokale  Nekrosen,  Ekzeme  usw.)  müssen  die  Tiere  oft  tage-  und  wochenlang 
im  diffusen  Tagesüchte  verweilen.    Dabei  muß  für  möglichst  gleichmäßige 


Der  Nachweis  pliotodyiiamisplicr  Wirkmifroii  fluoreszieninler  Moiie  cic.        ,'»57 

Temperatur  im  Heobachtunti:sraum('  und  für  lU'inlicit  der  Ve^.sul•lls^Mflse^ 
sowie  für  zureichende  und  entsprechende  Nalirunj,'  gosor^^t,  die  Kontrollen 
müssen  unter  dieselben  \'ersuchshedinu:iin^''en  gesetzt  werden. 

Meersch^Yeinchen  belichtet  man  entweder  gefesselt  auf  dein  S|)ann- 
brette  oder  aber  in  einem  nicht  m  weiten  (Jlaszylinder,  in  dem  sie  ge- 
zwungen sind,  aufrecht  zu  stehen  und  so  ihren  enthaarten  Hauch  dem 
Lichte  zuzuwenden.  Verwendet  man  das  Spainibrett.  so  ist  es  z\\eckm;dji^:, 
außer  der  allgemeinen  Wasserkühlung  des  Lichtes  auf  den  Lauch  der  Tiere 
noch  eine  zirka  2  c;;/  dicke  Kühlkammer  direkt  aufzulegen,  liier  kann  man 
sich  auch  durch  eine  Berieselung  des  Lauches  der  Tiere  helfen.  Im  Sonnen- 
lichte sind  bei  diesen  Spezies  besondere  Kautelen  im  Vergleiche  zum  IJogen- 
lichte  nicht  notwendig.  ^Lan  beachte  aber  bei  Verwendung  des  Spannbrettes, 
daß  schon  normalerweise  durch  die  Fesselung  die  Tiere  einen  nicht  un- 
beträchtlichen Shock  durchmachen,  der  sich  in  .Mattigkeit  und  einer  starken 
Temperaturerniedrigung  zu  erkennen  gibt,  die  allerdings  rasch  nach  der 
Befreiung  überwunden,  bei  nicht  sensibilisierten  >L'ersch\veinchen  rasch 
wieder  zur  Norm  zurückkehrt.  Aus  diesem  (iiiimle  hat  der  Verfasser  in 
letzter  Zeit  die  Belichtung  im  Glasgefäß  vorgezogen.  Während  man  selbst- 
redend im  SonnenHchte  sensibilisierte  Tiere  und  die  unvorbehandelten  Kon- 
trollen gleichzeitig  aussetzen  kann,  ist  dies  beim  Logenlichte  nicht  miiglich. 
Die  Tiere  müssen  dann  nacheinander  belichtet  worden. 

2.  Die  Krankheitserscheinungen.') 

a)  Die  akute  Erkrankung  der  weißen  )Ians.  Las  l'^rkrankungs- 
bild  deckt  sich  absolut  mit  jenem  der  Müuseurämie.  Mit  Lrfelg  sensi- 
bilisierte ]\L\use  zeigen  im  Lichte  und  das  im  (Jegensatze  zu  den  unvor- 
behandelten und  belichteten  Kontrollen,  sofort  das  von  U'.  Hiiuswnnn  be- 
schriebene Juckphänomen,  indem  sie  sich  heftig  die  Schnaulze.  Körper 
und  Schwanz  ohne  Unterlaß  kratzen  und  putzen.  Lald  stellt  sich  eine  auf- 
fallende Lichtscheu  und  ein  Aufregungszustand  ein,  so  daß  die  Tiere  sich 
hinter  den  normalen  Kontrollen  zu  verkriechen  und  so  dem  Licht**  auszu- 
weichen versuchen.  Charakteristisch  ist  auch  die  bald  folgende  ödematö.se 
Anschwellung  von  Kopf  und  ( »hren  und  Tränenflut).  Bei  grölleicn  sensi- 
bilisierenden Losen  (OOUl  Hämatoporphyrin  in  L'oganz  schwach  alkalischen 
Lösungen)  werden  die  Tiere  in  kurzer  Zeit  im  Lichte  matt  imd  somnolent 
und  gehen  noch  während  der  ISeliclitung  zugrunde,  naclulcui  juanchmal 
auch  hier  ein  ganz  kurz  au.sgeprägtes  Stadium  der  lleflexerrcgbarkoit 
(Fußklonus,  Anfälle  tetanischer  Starre,  rauschähnliche  Zustandsbilder)  nach- 
weisbar waren.  Die  noiinalen  belichteten,  sowie  die  sensibilisierten  unbe- 
lichteten  Tiere  bleiben  völlig  gesund. 

Wird  die  sensibilisierende  Dosis  kleiner  gewählt,  so  ist  der  gan/c 
Krankheitsverlauf   ein   protrahierterer    und    charakteristischer.     Die   Tiere 


')  Dabei  ist  iiisl)esoii(lrT('  die  Sensiltilisieruiig  mit  llainatoporpliviin  uiiti  Komh  in 
Betracht  gezogen. 


568 


H.  Pfeiffer. 


Fig. 141. 


überstehen  die  zweistündige  Bestrahlung  unter  lebhaftem  Juckreiz  und  ver- 
fallen erst,  wenn  sie  aus  dem  Lichte  gebracht  werden.  In  wenigen  Minuten 
oder  in  einer  halben  Stunde  stellt  sich  Mattigkeit,  später  Somnolenz  ein. 
Bei  Progredienz  der  Erscheinungen  kann  man  nunmehr  bald  durch  Kneifen 
in  das  Hinterbein  klonische  Zuckungen  des  ganzen  Tierkörpers  auslösen, 
ein  Ausdruck  gesteigerter  Reflexerregbarkeit,  der  bald  in  Anfälle  von 
tetanischer  Starre  hinüberleitet.  Sie  bestehen  darin,  daß  die  Mäuse  bei 
sistierter  Atmung,  krampfhaft  ausgestreckten  Extremitäten  und  gebeugtem 
Ilücken  wie  tot  daliegen.  Dieser  Tetanus,  der  bis  zu  mehreren  Minuten 
dauern    und    sich    durch   viele   Stunden   immer   wiederholen   kann,    währt 

mehrere  Sekunden  bis  einige  Mi- 
nuten. Dann  kommt  die  Atmung 
wieder  in  Gang,  die  Starre  er- 
schlafft, bis  ein  neuer  Anfall  die 
Tiere  befällt.  Noch  später  über- 
kommt die  Tiere  ein  ganz  eigen- 
tümliches, rauschähnliches  Zustands- 
bild ,  in  dem  sie  wie  betrunken 
herumtaumeln,  bald  aber  wieder  in 
Tetanus  verfallen  und  endlich  nach 
stundenlanger  Agone  unter  Er- 
löschen der  Reflexe  zugrunde  gehen. 
Während  der  ganzen  Erkrankung 
besteht  eine  auffallende  Polyurie, 
häufig  werden  breiige  bis  flüssige 
Faezes  entleert. 

Interessant  ist  das  Ver- 
halten der  Körpertemperatur, 
welche  wohl  den  feinsten  Ausdruck 

photodynamischer  Schädigungen 
darstellt  (photodynamischer  Tempe- 
ratursturz, H.  Pfeifer).  Registriert 
man  die  Körperwärme  solcher  Tiere  vom  Momente  der  Belichtung  an,  so  wird 
man  bei  mittleren  und  kleineren  Dosen,  während  die  Mäuse  noch  in  jenem 
Zustande  von  Aufregung  sich  befinden,  häufig  einen  leichten  Anstieg  über 
die  Norm  wahrnehmen.  Als  Vorläufer  der  Mattigkeit  aber,  und  mit  ihr 
immer  zunehmend,  setzt  ein  Temperaturabfall  ein,  welcher,  den  Krankheits- 
erscheinungen absolut  parallel  gehend,  intra  vitam  zu  Temperaturen  von 
24 — 20*"  C  führen  kann.  Daß  es  sich  dabei  nicht  um  agonale  Erscheinungen, 
sondern  um  ein  wesentliches  Erkrankungssymptom  handelt,  ergibt  sich  aus 
den  beigegebenen  Kurven,  von  denen  die  erste  (Fig.  141)  die  Körpertemperatur 
eines  letal,  die  andere  eines  subletal  geschädigten  Versuchstieres  nebst  den 
Kontrollen  wiedergibt.  Es  zeigt  sich  in  dem  ersten  Falle,  daß  schon  stunden- 
lang vor  Eintritt  der  Agone  als  erstes  Anzeichen  der  Schädigung  der  ra- 
pide Absturz  der  Körpertemperatur  einsetzt  und  zu  seinem  Minimum  ge- 


1 

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Der  Nachweis  photodyiiamisclier  Wirkuiiiyroii  fluoresziiTcmler  Stoffe  etc.       569 

führt  hat.  Das  subletal  im  Lichte  f^oschädif^tc  Tier  {\'i:\.  Fip.  142)  -/.vi^x  mit 
Zunalime  der  Kraiii<lieitserscheinuii},^oii  wieder  jenen  Temi»eratiirstiir/.  I>is 
zu  21-0^  C.  während  mit  Ueginn  der  Wiedereriiohm«?  die  Temperatur  all- 
mählich wie(U'r  zur  Norm  an.steip:t,  später  einem  oft  taj:ehin^'  anhaltenden 
Fieber  I'hitz  macht.  Dabei  bleibt,  wie  die  Kontrollen  der  Kurven  lehren, 
die  Körpertemperatur  der  belichteten  unvorbeiiandelten  und  der  .sensibili- 
sierten unbelichteten  Kontrollen  normal. 

Der  Obduktionsbefund  solcher  im  Lichte  akut  zup^nmde  ij^ei/an- 
gener  Tiere  charakterisiert  sich  häufig  nur  in  einer  hochgraditren  Hyperämie 
der  Bauchorgane.  I!ei  etwas  protrahierterem  Verlauf  aber  finden  sich  nicht 
selten  die  Erscheinungen  einer  akuten,  meist  hämorrhagischen  Gastroen- 
teritis, mittlere  bis  schwere  fettige  Degeneration  insbesondere  der  Nieren, 
aber  auch  der  Leber  und  des  Herzens.  Auffallend  ist  auch  die  bis  zum 
Platzen  prall  mit  Galle 
gefüllte  Gallenblase.  Fig.  142. 

b)  Der  chronisclie 
Erkrankungsverlauf 

der    weißen   Xaus.    Er 
ist    die    mildeste    Form 

der  photodynamischen 
Schädigung.  Nach  einem 
mehr  minder  ausgespro- 
chenen akuten  \'orsta- 
dium,  welches,  wie  oben 
geschildert,  in  Erholung 
ausgeht,  aber  auch  ohne 
jede  schwerere  allgemeine 

Krankheitserscheinung, 
erkranken  die  Tiere  ins-      ^     '■    ■   ' 
besondere     im     diffusen 
Tageslichte    nach    Tagen 

bis  Wochen  unter  Tränenfliir».  der  bald  zu  einer  au.sgesprochenen  Kon- 
junktivitis überführt,  kenntlich  an  den  durch  Sekret  verklel)ten  .\iigen. 
Auch  hier  sind  intensive  Ödeme,  insbesondere  wieder  am  Kopf  und  (lenick. 
aber  auch  am  übrigen  Körper  wahrzunehmen.  Der  Pelz  der  Tiere  wird 
schäbig.  Es  entwickelt  sich  ein  nässendes,  oft  einen  (JrolUeil  der  Körper- 
obei-fläche  einnehmendes  Ekzem  oder  ausgebreitete  Hautnekrosen.  Besonders 
auffallend  ist  dabei  eine  Gangrän,  welche  die  Ohrmuscheln  ergreift  und  zu 
einer  Abstellung  dieser  Körperteile  luhren  kann.  Die  Tiere  gehen  schliel'.lich 
kachektisch  zugrunde,  oder  erholen  sich,    ins   Dunkel  gebracht,  vollständig. 

c)  Die  photod.vnainische  Srliiidiü:uni,'  des  Meersciiweinchens 
(H.  Pfäß'cr).  Im  Lichte  zeigen  ältere  Tiere  aul'.er  einer  hochgradigen  .\uf- 
regung.  Lichtscheu.  Juckreiz  und  Polyurie  meist  keine  schweren  Krank- 
heitserscheinungen. Werden  die  Tiere  aber  aus  der  Licht(|uelle  entfernt. 
so  beginnt  —  eine  Schädigung  von  genügender  Intensität  vorausgesetzt 


570 


H.  Pfeiffer. 


Fig.  143. 


sich  rasch  ein  außerordentlich  charakteristischer  Symptomenkomplex  zu 
ent^Yickeln.  In  seinem  Zentrum  steht  wieder  ein  initialer,  enorme  Grade 
erreichender  Temperatursturz,  der  bei  tödlichem  Ausgange  10 — 16°  unter 
die  Norm  betragen  kann.  Dabei  wird  das  Tier  zunächst  matt,  sein  Fell 
sträubt  sich  in  eigentümlicher  Weise,  die  Hinterbeine  sind  paretisch.  Später 
schauert  das  Tier  alle  paar  Minuten  zusammen,  zeigt  konische  Zuckungen 
der  Körpermuskulatur,  wird  später  somnolent,  und  geht  schließlich  in 
einer  lange  hingestreckten  Agone  oft  unter  Erscheinungen  einer  profusen 
Diarrhöe  zugrunde.   Die  Kontrohtiere  bleiben  völhg  intakt.  (\'gl.  Fig.  143.) 

Verfolgt  man  durch  Blutent- 
nahme (am  besten  hinter  den 
Ohren  und  aus  der  Genickgegend) 
die  Leukozytenzahl  solcher  Tiere, 
so  beobachtet  man  unmittelbar 
nach  der  Entfernung  aus  dem 
Lichte  eine,  oft  sehr  intensive 
polynucleäre  Leukocytose,  die  dann 
mit  Progredienz  der  Erscheinun- 
gen rasch  in  eine  Leukopenie  über- 
geht. Die  peripheren  Gefäße  wer- 
den dabei  sehr  häufig  fast  völlig 
blutleer  angetroffen,  so  daß  oft 
kaum  aus  der  Vena  jugularis  ge- 
nügende Mengen  von  Blut  ge- 
wonnen werden  können.  Tritt  der 
Tod  nicht  akut  ein,  so  können 
sich  die  Tiere  unter  Anstieg  ihrer 
Körpertemperatur  allmählich  er- 
holen. In  den  nächsten  Tagen  be- 
steht meist  hohes  Fieber  fort  und 
es  entwickeln  sich  nun  an  der 
BeUchtungsstelle  charakteristische  Veränderungen.  Während  nicht  behchtete 
Tiere  die  Farbstoffe  (Eosin  und  Hämatoporphyrin)  reaktionslos  resorbieren, 
entwickelt  sich  bei  belichteten  zunächst  ein  teigiges  Ödem,  welches  nach 
2  Tagen  in  ein  derbes  Infiltrat  sich  umgewandelt  hat.  Dieses  beginnt  nach 
48  weiteren  Stunden  mit  der  lebhaft  entzündeten  Haut  nekrotisch  zu  werden, 
vertrocknet  zu  einem  rotbraunen,  lederartigen  Schorf,  der  sich  von  den  un- 
belichteten  Hautpartien  zu  demarlderen  beginnt;  er  stößt  sich  im  weiteren 
Verlaufe  von  den  unbelichteten  und  gesund  gebliebenen  Hautpartien  ab. 
Das  nunmehr  zurückbleibende  tiefgreifende  Geschwür  verheilt  glatt  im 
A'erlaufe  von  Wochen.  Manchmal  kann  auch  Spättod  unter  hochgradiger 
Kachexie  zur  Beobachtung  kommen.  Ebenso  wie  bei  der  Maus,  kann  auch 
beim  Meerschweinchen  (vgl.  dazu  die  Erfahrungen  Lodes'^)  an  mit  Polenta 

^)  Lode,  Vortrag,  Wissenschaft!  Ärztegesellschaft  in  Innsbruck.  Referat  in  Wiener 
klin.  Wochenschr.  1910.  Xr.  31.  p.  1160. 


Der  Nachweis  pluitodynainisclicr  Wirkungen  fliuMcszicroiKlcr  Stoffe  etc.       f,7[ 

gefütterten  Meerschweinchen)  je<ilich<'  akute  Erkrankung  verniilit  werden. 
Die  photodynaniischen  ^Virkungen  gehen  sich  dann  noch  in  Haarausfall 
und  in  dem  Auftreten  juckender  Ekzeme  zu  erkennen. 

Die  pathologisch-anatomischen  Veränderungen  bestehen  hei 
akutem  Krankheitsverlauf  in  hochgradiger  Hyperümie  der  Uauchorgane  und 
vagen  Degencrationserscheinungen,  insbesondere  der  Nieren.  Tritt  der  Tod 
etwas  später  ein,  so  sind  außerdem  meist  ekchvmotische  Itlutungen  in  der 
Magen-  und  Darmschleimhaut  (seltener  der  Lungen)  neben  mehr  minder 
schw^eren  Erscheinungen  einer  Gastroenteritis,  außerdem  leichte  bis  schwere 
fettige  Degenerationen  von  Nieren,  Leber  und  Herz  anzutreffen.  Iias  lilut 
bleibt  im  Kadaver  lange  Zeit  ungeronnen. 

Hinsichtlich  der  Bestimmung  der  Harntoxizität  solcher  Tiere 
unter  dem  Einfluß  photodynamischer  Wirkungen  gelten  dieselben  (Innid- 
sätze,  wie  ich  sie  in  diesem  Handbuche  für  die  Harnuntersuchungen 
während  des  anaphylaktischen  Shocks  aufgestellt  habe. 


über  Mikropolarisation.  '> 

Von  Emil  Fischer,  Berlin. 

Zur  Bereitung  der  Lösung  dient  das  nebenstehend  (Fig.  1 44)  in  natür- 
licher Größe  abgebildete  Glasgefäß  mit  sorgfältig  eingeriebenem  Stöpsel. 
In  ihm  mrd  die  Substanz  und  das  Lösungsmittel  abgewogen  und 
'^■^*^'  dann  die  Lösung  am  besten  durch  Umschütteln  hergestellt.  Da 
eine  geringe  Menge  Flüssigkeit  sich  zwischen  Glaswand  und 
Stöpsel  setzen  kann,  so  ist  es  nötig,  diesen  zum  Schluß  zu  lüften, 
^^^eder  aufzusetzen  und  nochmals  zu  schütteln.  Um  das  Mischgefäß 
be(iuem  wägen  zu  können,  wird  es  in  einen  kleinen  gläsernen 
Zylinder  eingestellt. 

Das  Pyknometer  hat  die  gewöhnliche  Form  (Fig.  145)  und  ist 
so  dickwandig,  daß  es  nur  0"07  cm^  faßt.  Das  Polarisationsrohr 
von  5  cm  Länge  hat  einen  inneren  Durchmesser  von  1'5  mm  und 
faßt  nicht  mehr  als  Ol  cm^.  Es  besteht  aus  weißem  Glas,  ist  aber 
ganz  mit  Hartkautschuk  bekleidet.  Für  genauere  Messungen  verwendet  man 
ein  ebenso  konstruiertes  Rohr  von  10  cm  Länge,  dessen  Inhalt  dann  aber 
0"2  cm^  beträgt.  Die  Überführung  der  Flüssigkeit  aus  dem  Misch- 
Fig.us.  gefäß  in  das  Polarisationsrohr  oder  Pyknometer  geschieht  mit 
einem  engen  Glasrohr,  das  zu  einer  Kapillaren  ausgezogen  ist. 
Letztere  muß  so  lang  sein,  daß  sie  bis  auf  den  Boden  des  Polari- 
sationsrohrs reicht,  dessen  Füllung  dann  keine  Schwierigkeiten 
bietet.  Auf  dieselbe  Weise  kann  man  die  Flüssigkeit  wieder  aus 
dem  Polarisationsrohr  entnehmen  und  in  das  Pyknometer  ein- 
führen. Die  Wägung  muß  selbstverständlich  mit  einem  empfind- 
lichen Instrument  ausgeführt  werden.  Es  genügt  aber  dafür  eine 
gewöhnliche  zweiarmige  Wage,  welche  bei  einer  Maximalbelastung  von  10  g 
noch  0"05  mg  zuverlässig  angibt. 

Die  Abbiendung  des  polarisierten  Lichtes  mrd  am  besten  der  inneren 
Weite  des  Polarisäüönsrohres  angepaßt.  |Die  Ablesungen   sind  bei  Anwen- 


*)  E.  Fischer,  Synthese  von  Polypeptischen.  Sitzungsber.  der  Berliner  Akademie. 
1908,  552 ;  vgl.  Chem.  Zentralbl.  1908.  II.  315.  Ferner :  Über  Mikropolarisation.  Ber.  d. 
deutsch,  chem.  Gesell.  44.  129  (1911). 


über  Mikropolarisation. 


573 


dunii-  von  aasglühliclit  sehr  leicht  aiisziifiihrcii.  Natritiiiilidit,  das  auf 
die  ^('wölinliclio  Weise  (lunli  \'ei(laiiii)feii  von  Clilonialriuiii  oder  Hrom- 
iiatriuin  in  der  ßwif>cft-¥\ininnv  eizeii^t  wird,  ist  allcrdinj^s  zu  scliwach, 
um  schaiio  Ablesungen  zu  f^estatten.  Vorzii'iliclie  Dienste  leistet  da''e<'eii 
der  Polarisationsapparat  der  Firma  Schmidt  &  Hatnsch  in  IJerlin,  bei  dem 
homogenes  Licht  durch  8pektrab;eiief,Min<4-  von  iSVT«.s7-Licht  her^^estellt 
wird.  Die  Ablesungen  werden    mit    diesem  Apparat    bei    passender    I'.Iend- 

vorrichtung  aucli  im   10  r<>/-l!()lii-  ii  so  scharf,  dal)  der    mittlere  Kehler 

nur  U-02"  l)etr;igt. 

Die  Leistungsfähigkeit  (\vv  Methode  ergibt  -icli  aus  folgenden  lie- 
stimmungen    mit   Rohrzucker,   für   den  |a|-*'"  =  +  (jfVHf)"   in    10"oiger 

Lösung  und  +  eß-Tß"  in  öVoiger  wässeriger  Lösung  beträgt. >j  Alle  l'.e- 
stimmungen  sind  bei  20"  und  mit  D-Licht  ausgeführt. 

Der  durch  Ungenauigkeit  der  Wiigung  entstehende  Fehler  könnte 
durch  die  Denutzung  feinerer  Wagen  noch  erheblich  herabge>etzt  werden. 
Aber  in  der  jetzigen  Form  ist  die  Methode  schon  für  die  allermeisten 
Fälle  ausreichend,  wenn  es  sich  darum  handelt,  mit  ö — 10  my  Substanz 
eine  orientierende  polarimetrische  Bestimmung  auszuführen. 


Gewicht  der 

Rohrliinf;i.< 

Substanz 

Lösang 

Spez.  Gewicht 

UrebTinf? 

002140 

0-211(50 

1-043 

349" 

5 

002230 

0-24115 

1-034 

318" 

5 

0  02020 

0-20705 

1-037 

3-38« 

5 

01)20()0 

0-201S5 

1041 

342" 

5 

001043 

0-21 21 H 

1-017 

1-67" 

5 

001015 

0-21218 

1-018 

1-63° 

5 

001140 

0-20882 

1-019 

1-88° 

ö 

000970 

0-18405 

1-018 

1-80» 

5 

0-00575 

0-1293U 

1-018 

1.52» 

.5 

0-01280 

0-25790 

1-016 

3-39" 

III 

["1 


•JO» 


0(5  2 
66-5 
66-8 

66  3 
668 
669 
67-6 

67  1 
672 
67  2 


Die  Lolarisationsröhren  noch  niehi*  /u  verengen,  ist  ans  folgenden 
Gründen  nicht  zweckmäßig:  Postens  wird  dann  die  Kinfüllnng  mit  dem 
kapillaren  Glasrohr  zu  schwierig  und  zweitens  gestattet  die  jetzige  Weite 
des  Kohres  noch  die  Klärung  schwach  getrübter  Flüssigkeiten  durch  Sedi- 
mentierung.  Es  ist  nändich  bei  präparativeii  .Vrbi'iten  mit  sehr  kleinen 
Mengen  öfters  unmöglich,  ganz  klare  Lösungen  herzustellen.  KiUirt  tue 
Trübung  von  Substanzen  her,  die  nicht  allzu  leicht  sind,  so  klären  sie  sich 
beim  ruhigen  Liegen  im  l'olarisationsrolir.  l'.ei  der  oben  angegebenen 
Weite  des  l'olarisationsrohres  tritt  diese  Klärung  tatsächlich  noch  in 
vielen  Fällen  ein. 

Wenn  statt  Wasser  andere  i.ö>nngsmittel  zur  Anwendnm:  kommen, 
ist  es  ratsam,  die  leicht   fliiclitiucii  Flüssii^keiteii  zu  vermeiden,  da  bei  (h-r 


')  ToUens,  Ber.  d.  deutsch,  cheiii.  (icscll.  Bd.  10.  1410(1877). 


574  E.  Fischer.  Über  Mikropolarisatioii. 

geringen  Menge  der  Lösung  durch  Verdunstung  beim  Umfüllen  ziemlich 
große  Fehler  entstehen  können. 

Gleichzeitig  mit  E.  Fischer  hat  sich  J.  Donau  ')  im  Laboratorium 
von  F.  Emich  in  Graz  damit  beschäftigt,  Kapillarröhren  für  polarimetrische 
Beobachtungen  zu  verwenden:  Donau  benutzt  Kapillarröhren  aus  schwarzem 
Glas,  die  noch  erheblich  enger  sind,  als  die  zuvor  erAvähnten,  dafür  aller- 
dings auch  kaum  mehr  die  Klärung  von  trüben  Flüssigkeiten  gestatten 
werden.  Donau  hat  sich  damit  begnügt,  die  Verwendbarkeit  solcher  Ka- 
pillaren für  polarimetrische  Zwecke  gezeigt  zu  haben,  ohne  die  Herstellung 
von  Lösungen  und  die  Bestimmung  des  spezifischen  Gewichtes  in  dem- 
selben kleinen  Maßstabe  durchzuführen. 

In  dieser  Kombination  liegt  aber  der  Hauptvorteil  der  Methode,  die 
in  den  letzten  Jahren  so  häufig  polarimetrische  Bestimmungen  gestattet 
hat,  wo  man  früher  auf  solche  Beobachtungen  wiegen  Mangel  an  Material 
verzichten  mußte. 

Die  Firma  Schmidt  &  Baensch  in  Berhn  hefert  zu  ihren  Polarisations- 
apparaten auch  die  engen  Röhren,  sowie  die  beiden,  oben  erwähnten  Glas- 
gefäße. Letztere  können  übrigens  auch  von  jedem  geschickten  Glasbläser 
augefertigt  werden. 


1 


^)  Julius    Donau,    Polarimetrische    Versuche    mit    kleinen    Flüssigkeitsmengen. 
Monatsh.  f.  Chemie.  29.  333  (1908) ;  vgl.  Chem.  Zeutralbl.  1908,  II.  475. 


Die  optische  Metliode  und  ihre  WrweiKluiig  bei 
biologischen  Fnigestelliiiigen . 

Von  Kmil  Abdcrhaldm,  Hcrlin. 

Mit  dem  Namen  „optische  Methode"  hat  dci  Verfasser  die  Ver- 
folgung biologischer  Vorgänge  mit  Hilfe  des  Polarisationsapparatcs  be- 
zeichnet. Die  P'eststellung  des  Abbaus  bestimmter  Substrate  durch  Fermente 
durch  fortlaufende  Beobachtung  des  Drehungsvermögens  (\(^<  Ffi-incnt- 
Substratgemisches  ist  wiederholt  mit  groi^eiu  Erfolg  durchgeführt  worden. 
Für  diese  bekannte  Methode  war  eine  besondere  P>ezeichnung  nicht  nötiy. 
Wir  haben  es  hier  meistens  mit  ganz  klaren  Verhältnissen  /.u  tun.  Die 
Bezeichnung  ..optische  Methode"  ist  für  \orgänge  gebraucht  worden,  bei 
denen  wir  Drehungsänderungen  feststellen  können,  ohne  dall  wir  a  priori 
imstande  sind,  etwas  über  den  ^'organg  auszusagen,  welcher  der  \'er- 
änderung  des  optischen  Verhaltens  zugrunde  liegt.  Die  optische  Methmle 
kann  in  dieser  Form  uns  i)estimmte  Vorgänge,  die  unserer  Beobachtung 
zunächst  nicht  zugänglich  sind,  zur  Wahrnehmung  bringen.  Mit  anderen 
Methoden  ist  dann  der  Nachweis  zu  führen,  welcher  Art  der  \organg  ist. 

Ein  Beispiel  möge  zeigen,  in  welcher  Art  die  Anwendungsweise  der 
optischen  Methode  gedacht  ist.  Systematische  l'utersuchungen  hatten  er- 
geben, daß  das  Plasma  resp.  Serum  von  normalen  Hunden  seine  Anfang.s- 
drehung  bei  87"  beibehält.  Veränderungen  beobachtet  man  nur  bei  kranken 
Tieren  und  speziell  i)ei  Infektionskrankheiten  imd  bei  diesen  vor  allem  bei 
hohem  Fieber.  Ob  ein  regelmälüger  Befund  itei  den  erkrankten  Tieren  vor- 
liegt, läßt  sich  zur  Zeit  nicht  entscheiden.  Das  untersuchte  Material  ist 
ein  zu  geringes.  Feststehend  ist  dagegen  der  Befund,  dad  l'lasma  resp. 
Serum  normaler  Hunde  seine  Anfang.sdrehung  beibehält.  Fügt  man  /n 
solcher  Blutflüssigkeit  einen  Eiweißkörper.  /.  l\.  Fiereiweiß  oder  aus  Pro- 
teinen gewonnene  Peptone,  dann  bleibt  unter  normalen  Verhältnissen  das 
Drehungsvermögeu  do^  (Jemisches  unverändert.  Durch  mehrere  Jahre 
systematisch  durchgeführte  \'ersuche  hatten  ergeben.  dal.(iie  l'iUMueleinente 
des  Blutes  reich  an  Fermenten  sind.  Diese  Beobachtung  führte  zu  der 
Forderung,  daß  das  zu  derartigen  \'ersuchen  verwendete  Plasma  resp.  Serum 


576  E.Abderhalden. 

unter  allen  Umständen  frei  von  aus  den  Zellelementen  stammenden  Pro- 
dukten sein  muß. 

Zu  ganz  anderen  Resultaten  kommt  man,  wenn  Plasma  resp.  Serum 
von  Hunden  verwendet  wird,  denen  vorher  subkutan,  intraperitoneal  oder 
intravenös  Proteine  oder  Peptone  eingeführt  worden  sind.  Munmehr  beob- 
achtet man,  daß  das  Plasma  resp.  Serum  plus  zugesetztem  Eiweiß  resp. 
Pepton  die  Anfangsdrehung  beständig  ändert.  Ein  bestimmter  Schluß  über 
die  Art  des  Vorganges  kann  aus  diesem  Befund  nicht  gezogen  werden. 
Erst  der  Nachweis,  daß  Serum  derart  vorbehandelter  Tiere  mit  Eiweiß 
zusammengebracht,  Peptonbildung  erkennen  läßt  (Dialysierversuch),  läßt 
den  Schluß  zu,  daß  der  Drehungsänderung  ein  Abbau  von  Eiweiß,  durch 
Fermente  zugrunde  liegt.  Die  parenterale  Zufuhr  von  körperfremden 
Eiweißstoffen  resp.  Peptonen,  bewirkt  das  Auftreten,  oder  allgemeiner  aus- 
gedrückt, das  Wirksamwerden  von  proteolytischen  Fermenten  im  Plasma. 
Nachdem  nun  festgestellt  ist,  daß  der  beobachteten  Drehungsänderung  eine 
Formentwirkung  zugrunde  liegt,  ist  es  nicht  mehr  nötig,  von  einem 
optischen  Verhalten  des  Plasmas  unter  den  genannten  Bedingungen  zu 
sprechen,  wir  sind  jetzt  vielmehr  berechtigt,  das  Auftreten  von  Fermenten 
und  den  dadurch  bedingten  Abbau  bestimmter  Substrate  als  Ursache  der 
Veränderung  der  Anfangsdrehung  anzugeben.  Die  „optische  Methode"  er- 
möglichte das  Auffinden  dieses  biologischen  Vorganges,  dieser  interessanten 
Reaktion  des  Organismus  auf  die  Zufuhr  körperfremder  Stoffe.  Sie  allein 
vermochte  jedoch  den  Prozeß,  der  der  Drehungsänderung  zugrunde  liegt, 
nicht  aufzuklären. 

Genau  die  gleichen  Bemerkungen  gelten  für  die  Feststellung  einer 
Drehungsänderung  eines  Plasmarohrzuckergemisches.  Wurde  Plasma 
von  Hunden  verwendet,  denen  Rohrzucker  parenteral  zugeführt  worden 
war,  dann  trat  eine  sehr  deutliche  Änderung  der  Anfangsdrehung  auf. 
Plasma  von  normalen  Hunden  zeigte  keine  Veränderung  des  optischen 
Verhaltens.  Hier  war  aus  der  ganzen  Art  der  Drehungsänderung  der 
Schluß  gegeben,  daß  das  Plasma  von  Hunden,  denen  Rohrzucker 
parenteral  zugeführt  worden  war,  Invertin  enthält.  Zwingend  wurde  diese 
Schlußfolgerung  jedoch  erst  durch  den  direkten  Beweis  einer  Zerlegung  des 
zugesetzten  Rohrzuckers  in  Dextrose  und  Laevulose  mit  Hilfe  chemischer 
Methoden. 

Die  optische  Methode  wird  ohne  Zweifel  noch  viele  analoge  Vorgänge 
aufdecken.  Haben  wir  doch  sicher  bei  den  verschiedensten  In- 
fektionskrankheiten eine  Zufuhr  artfremder  Bestandteile! 
Sollte  der  Organismus  nicht  auch  hier  Fermente  mobil  machen,  um  all 
diesen  Bestandteilen  ihre  spezifische  Struktur  zur  nehmen?  Vielleicht  sind 
hier  Fermente  vorhanden,  die  auf  die  Bausteine  der  Bakterienleiber  spe- 
zifisch eingestellt  sind.  Als  Substrate  wären  in  all  diesen  Fällen  Produkte 
aus  den  entsprechenden  Mikroorganismen  anzuwenden.  So  wurde  beispiels- 
weise versucht,  aus  Rotzbazillen  durch  partielle  Hydrolyse  Produkte  zu 
gewinnen,  die  dazu  dienen  sollten,  im  Plasma  rotzki'anker  Tiere  spezifische 


Die  optische  Methode  und  ihre   Verwendung  hei   hiulop.   Fra^esteUiinL'en.       f)77 

Fermente  .uifztifindcn.  Ferner  wurde  Tu  berkeleiweill  peptonisieit  und 
beobachtet,  ol)  Plasma  von  tuberkulösen  'riercn  mit  solchem  IVpton  eine 
Änderung  der  Anfangsdrehunc  <'i-gibt.  hie  l!(M>b;iclitiino-f'n  waren  durchwt'i^s 
ermunternd. 

Von  der  gleichen  ( rrundlagc  ausgt'liciid  i>t  auch  gcprült  woidcn.  ob 
im  Plasma  Schwangerer  Fermente  vorhanden  sind,  die  Chorionzoiteri- 
bestandteile  abi)auen.  Als  Substrat  /u  diesen  N'ersuchen  diente  Pepton,  das 
aus  Plazenta  gew^onnen  war.  Im  Zusammenhang  mit  diesen  Studien  konnte 
auch  ein  Einblick  in  das  Vei'halten  des  Plasmas  wahrend  der  Kklanipsie 
gewonnen  werden. 

Die  Anvvendungsmöglichkeit  der  optischen  Methode  als  Pt'adfindei  in 
ist  mit  den  genannten  Peispielen  noch  keineswegs  ei-schöpft.  Fs  sei  nur 
daran  erinnert,  daß  die  optische  Methode  sich  auch  bei  A  najdi  vlaxie- 
studien  bewährt  hat.  Ferner  düi-fte  auch  eine  systematische  N'erfol- 
gung  der  Präzipitinbildung  neue  Einblicke  in  dieses  interessante  Phäno- 
men bringen.  Klinisch  sind  unzählige  Fragestellungen  angreifbar.  Schon 
die  Feststellung  des  Drehungsvermögens  des  Plasmas  untei-  veischieilen- 
artigen  Verhältnissen  mulJ  zu  bestimmten  Resultaten  führen,  \erfasser 
denkt  hiei' an  die  verschiedenartigsten  Infektionskrankheiten,  an 
Stoff  Wechselstörungen,  speziell  an  Diabetes  etc..  ferner  an  Asthma. 
an  Epilepsie  usw.  In  keinem  Falle  ist  zu  erwarten,  dal»  die  optische 
Methode  auf  bestimmte  Fragestellungen  ohne  weiteres  eine  bestimmte  Ant- 
wort gibt.  Sie  wird  einzig  und  allein  auf  bestimmte  Eigentümlichkeiten 
aufmerksam  machen  können.  Es  wäre  z.B.  denkbar,  daß  bei  bestimmten 
Fällen  von  Diabetes  ein  auffallend  hohes  Drehungsvermögen  des  Plasmas 
vorhanden  ist,  das  nach  einer  bestimmten  Art  dei'  Ernährung  sich  in  ganz 
typischer  Weise  ändert.  Das  Drehungsvermögen  des  Plasmas  läßt  sich  mit 
wenig  Plut  in  ganz  kurzer  Zeit  feststellen.  Ergibt  ein  großes  Material 
die  gleichen  Kesultate,  dann  ist  der  Boden  gegeben  zu  exakteren,  mit 
anderen  Methoden  in  Angriff  zu  nehmenden  P'ragestellungen.  Schon  eine 
große  Reihe  von  Beobachtungen  des  Drehungsvermögens  des  Plasmas  bei 
verschiedenen  Fällen  von  Diabetes,  bei  mannigfaltigen  Infektionskrank- 
heiten, z.  B.  bei  der  Pneumonie  etc.,  dürfte  Anhaltspunkte  zu  neuen  Fragen 
geben.  Für  die  einzelne  Untersuchung  genügen  "i  -lOcm^  Blut.  E>  wird 
am  besten  direkt  in  das  mit  Ammonoxalat  besc-hickte  Zentrifugierröhrchen 
einlaufen  gelassen.  Nun  schüttelt  man  ca.  5  Minuten  und  zentrifugiert. 
Das  Plasma  füllt  man  in  ein  V*  c^w-Polarisationsrohr  und  liest  ab.  Der 
ganze  Versuch  nimmt  höchstens  10 — 15  Minuten  in  Anspruch.  Das  Plasma 
kann  dann  noch  zu  anderen  Versuchen  Verwendung  finden.  In  vielen  Fällen 
lohnt  es  sich,  das  Drehungsvermögen  des  Plasmas  ohne  weiteren  Zt^at/ 
wiederholt  während  mehrerer  Stunden _al)zule.sen.  Auch  Beobachtimgcn  nach 
Zusatz  von  Peptonen  etc.  sind  von  Interesse.  Verfasser  hat  l>is  jetzt  nach 
dieser  Richtung  die  Pneumonie  und  den  Kotz  eingehender  studiert  Ka 
wäre  sehr  erwünscht,  wenn  in  klinischen  Laboratorien  die  optischen  Metho- 
den häufiger  verwendet  würde. 

Abderhalden,   Handbuch  der  biochemischen  Arboitemethodon.   V.  37 


578 


E.  Abderhalden. 


Aus  der  Fülle  von  Fragestellungen,  die  sich  ohne  weiteies  aus  den  bis 
jetzt  erhobenen  Befunden  ergeben,  seien  noch  folgende  erwähnt.  Der  nor- 
male Organismus  reagiert  auf  die  Zufuhr  ai'tfremder  Stoffe  mit  der  Mo- 
bilmachung von  Fermenten.  Wie  verhält  sich  der  kranke  Organismus  V 
Finden  wir  auch  beim  Diabetiker  nach  parenteraler  Ilohrzuckerzufuhr  In- 
vertin  im  Rlute .-' 

Weiterhin  gibt  uns  die  optische  Methode  die  Möglichkeit  in  die  Hand, 
nicht  nur  den  Verlauf  von  Infektionskrankheiten  zu  verfolgen,  sondern  wir 
sind  auch  in  der  Lage,  das  Verhalten  des  Organismus  nach  Zufuhr  von 
Antiseris  zu  studieren. 

Endlich  ist  die  Möglichkeit  gegeben,  bei  Verwendung  bekannter  Sub- 
strate das  Wachstum  von  Mikroorganismen  optisch  zu  differenzieren. 
Die  verschiedenen  Lebewesen  greifen  ein  bestimmtes  Substrat  an  ver- 
schiedenen Stellen  an.  Die  Folge  ist.  daß  verschiedenartige  Bruchstücke 
entstehen.  ITnsere  Methoden  reichen  noch  nicht  aus,  um  diese  selbst  zu 
identifizieren.  Vorläufig  müssen  wir  die  fortlaufende  Verfolgung  der  Ver- 
änderung des  Drehungsvermögens  während  des  Wachstums  der  Mikroor- 
ganismen als  Erkennungsmittel  eines  spezifischen  Abbaus  zu  Hilfe 
nehmen. 

Die  gegebenen  Beispiele  lassen  ohne  weiters  erkennen,  daß  die  optische 
Methode  dazu  berufen  ist.  noch  nach  vielen  Pachtungen  als  Pfadfinderin 
zu  dienen.  Es  sind  bis  jetzt  nur  ganz  wenige  Probleme  durchgearbeitet. 
Es  bedarf  noch  vieler  Erfahrungen,  um  ihre  Anwendung  zu  einer  allge- 
meinen zu  gestalten.  Die  wesentlichste  Schwierigkeit  beim  Fahnden  auf 
Fermente  ergibt  sich  bei  der  Wahl  des  Substrates.  Genuine  Proteine 
sind  in  den  meisten  Fällen  nicht  zur  Stelle.  Wo  es  immer  geht,  sollte  man 
von  diesen  ausgehen.  Man  könnte  daran  denken,  bei  der  Prüfung  auf 
Fermente,  die  auf  Mikroorganismen,  d.  h.  auf  bestimmte,  diesen  ange- 
hörenden Bestandteile  eingestellt  sind,  Preßsäfte  aus  diesen  zu  verwenden. 
Meist  scheitert  jedoch  ihre  Anwendbai'keit  am  Auftreten  von  Trübungen 
beim  Zusammenbringen  von  Plasma  resp.  Serum  und  Preßsaft.  Dazu  kommt 
noch,  daß  Kontrollversuche  notwendig  sind,  weil  im  Preßsaft  der  Mikroor- 
ganismen auch  Fermente  enthalten  sind. 

Bis  jetzt  erwiesen  sich  durch  partielle  Hydrolyse  gewonnene  Pro- 
dukte am  geeignetsten.  Es  sei  die  Darstellung  von  Seidenpepton  genau 
geschildert, 

Darstellung  von  Seidenpepton, 

Als  Ausgangsmaterial  verwendet  man  Seidenabfälle.  Diese  werden,  nach- 
dem sie  48  Stunden  bei  lOO"  getrocknet  worden  sind,  in  TO^/oige  (\o\.  Proz.) 
Schwefelsäure  eingetragen.  Am  besten  geht  man  von  1kg  Seidenabfällen 
aus  und  verwendet  die  öfache  Menge  Schwefelsäure.  In  neuerer  Zeit  hat 
\'erf asser  aber  auch  weniger  angewandt.  Bei  Verwendung  der  ^fachen 
Menge  Avaren  die  Besultate  noch  ganz  gute,  während  die  Anwendung  der 
2fachen  Menge  unbefriedigende  Besultate  ergab.    Es  traten   dabei  schwer 


Die  iiptisclio  Motliodc   mnl   ilin-   Ncrwoiitlniif,'  hei  liioloL'.  Kniirt'stelliiiiuroii.       r)79 

lösliche  liallerti^^e  rrodiiktf  auf,  ilic  die  \veit<'re  \\'rarl)(Mtiiii<r  sclir  störten. 
Die  sclwotVlsaurc  Lösuiil'  liilit  man  4  Taji:!'  laiiii-  bei  25"  steluM».  I>ann 
wird  die  Lösung  mit  der  lot'achcii  Mciit^r  Wasser  vcrdiiiint.  nachdem  vor- 
her das  (iefäli  mit  der  Seidcnpcptoidösnng  in   Kis  gestellt  worden  ist. 

Nun  entfernt  man  die  Schwcfelsiinre  durch  Zusatz  der  hcn-ciineten 
Menge  an  festem,  feingepulvertem  Barvumhvdrowil.  Ilicrhci  wird  fort- 
während umgerührt.  Am  Ix'sten  turhiniert  man  das  (ieinisdi.  Nadi  etwa 
iL^stündigem  Stehen  wiid  dann  das  liaryunisnlfat  durch  doppelte  Kalten- 
filter  filtriert  odei'  durch  mit  Tierkohle  getriinkte.  gehärtete  Filter  ahge- 
nutscht.  Dei-  ßarvumsnlfatniederschlag  wird  wiederholt  in  der  Ueihschale 
mit  destilliertem  Wasser  von  2.')"  zerrieben  imd  wieder  durch  Filtration 
oder  durch  Dekantieren  vom  Waschwasser  getrennt.  \'erfolgt  man  keine 
besonderen  Zwecke,  so  kann  man  den  Baryumsulfatniedj'rschlag  auch  mit 
Wasser  auskochen.  Fine  (iefahr  ist  nur  dann  vorhanden,  wenn  die  Neutra- 
lisation der  Schwefelsäure  mit  Baryt  keine  ^icuügende  war.  d.  Ii.  wenn 
noch  ein  Cberschuli  an  Schwefelsäure  oder  an  l!ai\t  vorhanden  ist. 
Durch  das  Kochen  besteht  dann  die  Mödichkeit  eines  weiteren  Abbaues 
des  Peptons  bis  zu  Aminosäuren.  Nachdem  man  sicli  nochmals  überzeiiirt 
hat,  dal'i  die  vereinigten  Filtrate  vom  Baryumsulfatniedeischlau  frei  von 
Schwefelsäure  uml  Baryt  sind,  wird  unter  vermindertem  hruck  bei  einer 
40"  des  Wasserbades  niciit  übersteigenden  Temperatur  eingeengt.  Meistens 
verläuft  die  Destillation  ganz  ghitt.  manchmal  jedoch  verhindert  lebhaftes 
Schäumen  der  Flüssigkeit  das  F^im'ugeii.  In  diesem  Fall  kommt  man  am 
besten  zum  Ziel,  weini  man  die  Seidenpeptonlösung  während  der  Destil- 
lation aus  eiiu'm  Scheidetrichter  in  den  Destillationskolben  eintro|ifen 
läl.)t.  Hat  man  die  Seidenpei)tonlösung  auf  ein  kh'ines  \'olumen  gebracht. 
dann  prüft  man  noch  einmal  auf  Schwefelsäure  und  I^aryt.  Aus  unbe- 
kannter Ursache  entziehen  sich  oft  ganz  beträchtliche  Mengen  von  Baryt 
dem  Nachweis.  Es  empfiehlt  sich,  auf  alle  Fälle  eim-  i'robe  einzudampfen 
und  zu  vera.schen.  Ergibt  sich  ein  Baryum  enthaltende)-  Rückstand,  dann 
verdünnt  man  am  besten  die  Seidenpeptoidö.sung  und  erwärmt  sie  auf 
etwa  60°  und  fügt  nunmehr  die  berechnete  Menge  Schwefelsäure  hinzu, 
(iewöhnlich  gelingt  es  dami  leicht,  die  letzten  Keste  von  llaryt  zu 
entfernen.  Nunmelii-  engt  man  die  Seidenpeptonlösuni^  noch  weit»'r 
ein,  bis  sie  dickflüssig  wiid.  .letzt  ti'ägt  man  die  gelbbraun  gefärbte  Lö- 
sung unter  beständigem  l.'iiliren  in  absoluten  Alkohol  ein.  I>ai)ei  fallt 
das  Seidenpepton  in  I<'orm  \on  lielliielii  gefärbten  bis  farblosen  Flocken 
aus.  Es  ist  von  Wichtigkeit,  das  Zuiiielien  der  Seidenpe|)tonlösung  zu 
einer  bestimmten  Menge  Alkohol  nui-  so  lange  fortzusetzen,  als  das  Seideu- 
pepton  sich  sofort  in  fester  Form  und  möglichst  farbh)s  abscheidet.  So- 
bald das  Seidenpejjton  in  Sirupform  im  .Alkohol  untersinkt,  mnl»  der  Zu- 
satz von  Seidenpeptonlösung  abi^cbrochen  werden,  d.  h.  man  nimmt  eine 
neue  Menge  Alkohol  und  beobachtet  hier  dieselben  \ Orsichtsmaliregeln 
wie  vorher.  Man  kann  so  aus  \  kf/  Seidenabf.dlen  leicht  2(K)— .-»(X)// und  mehr 
Seidenpepton  erhalten.  Dampft  man  die  alkoholischen  l'iltrate  nochmals  «'in 


580 


E.  Abderhalden. 


und  wiederholt  man  den  ganzen  Prozeß,  so  kann  man  noch  ganz  beträcht- 
liche Mengen  von  brauchbarem  Seidenpepton  gewinnen. 

Noch  reinere  Präparate  von  Seidenpepton  erhält  man,  wenn  die 
wässerige  Seidenpeptonlösung  möglichst  stark  eingedampft  und  dann  der 
Rückstand  mit  Methylalkohol  ausgekocht  wird.  Die  heiße  methylalkoholische 
Lösung  wird  dann  in  absoluten  Äthylalkohol  eingetragen.  Die  so  darge- 
stellten Präparate  lösen  sich  in  Wasser  sehr  leicht  und  geben  eine  hell- 
gelb gefärbte  Lösung.  Die  Reaktion  der  Lösung  ist  schwach  sauer  bis 
amphoter.  Die  Substanz  ist  nicht  hygroskopisch.  Noch  reinere  Präparate, 
die  speziell  für  die  optische  Methode  zu  empfehlen  sind,  werden  gewonnen, 
wenn  die  wässerige  Seidenpeptonlösung  aus  l/'/oiger  Lösung  mit  lOVoigci" 
Phosphorwolfram  Säurelösung  gefällt  wird.  Wird  der  Niederschlag  in  der 
üblichen  Weise  mit  Baryt  zerlegt,  dann  erhält  man  schneeweißes  Seiden- 
pepton, das  vollständig  luftbeständig  ist  und  absolut  farblose  Lösungen  gibt. 

In  genau  der  gleichen  Weise  können  nun  auch  Organe,  Mikro- 
organismen etc.  partiell  hydrolysiert  werden.  Die  Erfahrung  muß  von 
Fall  zu  Fall  zeigen,  ob  der  Abbau  ein  genügender  ist  oder  ob  er  gar  so 
weit  gegangen  ist,  daß  die  spezifische  Struktur  des  Proteins  ganz .  ver- 
wischt worden  ist.  Hier  lassen  sich  keine  allgemeinen  Regeln  angeben. 
Man  ist  auf  die  Versuche  selbst  angewiesen.  Bis  jetzt  sind  aus  Rotz- 
bazillen, Tuberkelbazillen,  Staphylokokken,  aus  Tier-  und 
Menschenblut,  aus  Plazenta,  aus  den  verschiedenartigsten  Organen 
und  zahlreichen  Proteinen  durch  partielle  Hydrolyse  Produkte  ge- 
wonnen worden,  die  sich  beim  Suchen  nach  Fermenten  bewährten.  Selbst- 
verständlich muß  das  Substrat  genügend  organische  Substanz  enthalten  und 
in  einer  Konzentration  anwendbar  sein,  die  ein  deutliches  Drehungsver- 
mögen aufweist.  Geht  man  von  Lösungen  aus,  die  sehr  verdünnt  sind,  so 
kann  man  nicht  erwarten,    deutliche  Drehungsänderungen  zu  beobachten. 

Es  empfiehlt  sich  im  allgemeinen,  mit  lO^oigen  Lösungen  der 
Peptone  in  isotonischer  Kochsalzlösung  zu  arbeiten.  Diese  müssen  voll- 
ständig klar  und  farblos  sein.  Sind  Trübungen  vorhanden,  dann  muß 
filtriert  werden.  Oft  genügt  die  Filtration  durch  ein  gewöhnliches  Filter. 
Kommt  man  damit  nicht  zum  Ziele,  dann  saugt  man  die  Lösung  am  besten 
durch  eine  Chamberlandkerze.  Um  gut  vergleichbare  Versuche  durchführen 
zu  können,  ist  es  sehr  wünschenswert,  von  einer  größeren  Menge  einer 
bestimmten  Peptonlösung  auszugehen.  Sie  läßt  sich  leicht  aufbewahren, 
indem  man  das  Pepton  in  physiologischer  Kochsalzlösung  löst,  die  man 
vorher  mit  Chloroform  geschüttelt  hat.  Oder  man  überschichtet  die  Lösung 
des  Peptons  in  physiologischer  Kochsalzlösung  mit  Toluol.  Die  einzelnen 
Proben  entnimmt  man  dann  mit  einer  Pipette. 

Die  größte  Schwierigkeit  in  der  Anwendung  der  Methode  ergibt  sich 
aus  dem  Verhalten  der  Peptonlösung  gegenüber  dem  Plasma  re- 
spektive Serum.  Daß  dieses  selbst  vollständig  frei  von  Bestandteilen  der 
Formelemente  des  Blutes  sein  muß,  wurde  oben  schon  betont.  Ist  die 
Peptonlösung    sorgfältig    dargestellt   worden,    so   bleibt   das  Gemisch    von 


Die  optisflio   Mctliudr  und   ilirc  Xeiwciiiliinp  lioi  liioloir.   l-ragcstollungen.       ;">K1 

l'eptüii  und  l'.hitilüssii^kcil  meist  uaiiz  klar.  Kiitliiilt  dage^'oii  die  Lioiiii^; 
noch  Spuren  von  Haiyt  odei-  Sclnvcfolsäuro  oder  sonstifi;e  zum  Pepton 
nicht  hinzui>ehören(h'  Stoffe,  wie  /.  \\.  reichlich  Salze,  dann  sind  Trühunt^en 
bis  Fälluniicn  unvernieidhar.  Auf  die  Darstelhinj,''  des  Peptons  mul.)  die 
allergrößte  Sorgfalt,  verwendet  werden.  Bei  allen  wichtigen  Versuchen 
sind  nur  gereinigte  Peptone  zu  verwenden.  Das  Ahfiltrieren  entstandener  Trü- 
l)nngeii  enii)fiehlt  sich  nicht.  Kinnial  können  in  <ien  Xiderschlag  Fermente 
hineingegangen  sein  und  ferner  kann  der  llaiiptteil  des  Substrates  niit- 
gef'allen  sein.  Sobald  sich  hier  Sciiwierigkeiten  ergeben,  prüfe  man  sorg- 
fältig das  verwendete  Pepton.  In  einzelnen  Fidlen  erwies  es  sich  als  vorteil- 


Vi-i.  U(i. 


haft,  die  Pei)tonlösung  mit  Phosphatgemisch  zn  versetzen.  Kine  allgemeinere 
Erfahrung  über  den  Nutzen  dieses  Zusatzes  liegt  nicht  vor.  Pemerkt  sei 
noch,  (lall  die  Peptonlösung  an  und  für  sich  auch  boi  längerer  Aufbewahiun!? 
sich  nicht  trüben  darf.  Tritt  eine  Trübung  in  der  Stammlösung  auf.  dann 
untersuche  man  genau  die  l'rsaclie  der  \'eränderunu-.  Ilaiien  sich  Mikro- 
organismen angesiedelt,  dann  ist  die  Lösung  sofort  zu  verwerfen. 

hu  allgemeinen  MTweiidet  \('rfa>s(M-  \  cii/''  Plasma  und  1  -■//'  der 
lOVoii^en  Peptonlösung.  dazu  koiumt  dann,  um  das  Polarisationsrohr  zu 
füllen,  physiologische  Kochsalzlösung.  l»a  Temperaturunterschiede  nicht  ohne 
Finfluli  auf  das  Drehungsvermögen  von  Lösungen  sind,  ist  es  von  gröl-ter 
Wichtigkeit,    während    der    uanzen    P.eobachtuuL'-sdauer    bei    gleicher    Tem- 


582  E.  Abderlialdeii. 

peratur  zu  arbeiten.  Fast  alle  bisherioen  Untersuchungen  sind  bei  :>7"  aus- 
geführt worden.  \' erwendet  man  zu  den  A'ersuchen  die  gewöhnlichen  Po- 
larisationsrohre, dann  läuft  man  (iefahr,  dali  während  des  Al)lesens  die 
Temperatur  sinkt.  Bei  großer  f^bung  reduziert  sich  die  Ablesungszeit  auf 
ein  Minimum.  Besser  ist  es  auf  alle  Fälle,  Polarisationsrohre  anzuwenden, 
die  von  einem  Mantel  umgeben  sind,  der  mit  Wasser  gefüllt  werden  kann. 
(^'gl.  die  Fig.  146.) 

Am  besten  geht  man  so  vor,  daß  man  den  Mantel  des  Polarisations- 
rohres mit  Wasser  von  ca.  45"  füllt.  Man  kontrolliert  dann  mit  dem 
Thermometer,  bis  der  Mantel  eine  Temperatur  von  oT"  zeigt.  Jetzt  füllt 
man  das  Gemisch  ein.  Es  ist  unter  allen  Umständen  besser,  das  ganze 
Gemisch  in  einem  Pteagenzglas  vorzubereiten  und  nicht  im  Pohr  selbst 
zu  mischen.  Trübungen  lassen  sich  so  leicht  vor  dem  Einfüllen  erkennen. 
Das  Polarisationsrohr  wird  nicht  gleich  verunreinigt  und  steht  zu  weiteren 
Versuchen  bereit,  falls  eine  Probe  unbrauchbar  ist. 

Nun  wird  sofort  das  Drehungsvermogen  aligelesen.  Zu  all  diesen 
Versuchen  ist  unter  allen  Umständen  ein  erstklassiges  Instrument  not- 
Avendig.  Arbeitet  man  mit  einem  der  gewöhnlichen  Polarisationsapparate. 
dann  läuft  man  Gefahr,  durch  Ablesungsfehler  grolle  Täuschungen  zu 
erleben.  P)ewährt  hat  sich  bis  jetzt  nur  der  dreiteilige  LandoJt-Lipjnchsche 
Polarisationsapparat.  Er  wird  von  der  Firma  Schmidt  &  Hänsch,  Berlin, 
nebst  den  nach  den  Angaben  des  \'erfasser  für  diesen  Zweck  konstruierten 
Polarisationsröhren  geliefert  (vgl.  die  nebenstehende  Abbildung).  Nur  Unter- 
suchungen, die  mit  einem  sehr  guten  Polarisationsapparat  ausgeführt  sind, 
haben  Anspruch  auf  Zuverlässigkeit.  Die  Ausschläge,  die  man  bei  der- 
artigen Untersuchungen  erhält,  sind  naturgemäß  keine  großen.  Die  einzelne 
Ablesung   muß  daher  mit  großer  Exaktheit  vorgenommen  werden  können. 

Am  besten  läßt  man  der  sofortigen  Ablesung  nach  .ö  Minuten  eine 
ZAveite  folgen.  Nun  hat  das  ganze  (iemisch  sicher  o7°.  A'on  nun  an  liest 
man  in  bestimmten  Zeitabschnitten  regelmäßig  ab.  Meist  genügt  es,  wenn 
alle  Stunde  abgelesen  wird.  Mehr  als  zwei  Tage  wird  man  meist  nicht 
beobachten.  Unter  allen  Umständen  muß  man  Kontrollversuche  ausfiUiren. 
und  zwar  bei  jedem  Einzelversuch.  Einmal  ist  das  Pepton  als  solches  zu 
prüfen,  dann  wird  ein  Bohr  gefüllt  mit  der  Peptonlösung  und  Plasma  re- 
spektive Serum  von  einem  normalen  Tier  und  endlich  läßt  man  gleich- 
zeitig einen  Versuch  mit  dem  inaktivierten  Plasma  (Erwärmen  auf  60'^') 
laufen.  Durch  die  Kontrollversuche  schließt  man  Täuschungen  aus.  ]\Ian 
wird  auch  nie  sich  mit  einem  ^'ersuch  liegnügen  dürfen.  Nur  der  mehr- 
fach erhobene  gleichsinnige  Befund  ist  von  Wert. 

Meist  verlaufen  die  Versuche  in  der  geschilderten  Weise  ganz  glatt. 
Die  Piesultate  lassen  sich  in  Kurven  wiedergeben.  Auf  der  ( )rdinate  zeichnet 
man  z.  B.  die  in  bestimmten  Zeiten  festgestellte  Drehung  auf,  und  auf  der 
Abszisse  trägt  man  die  Zeiten  ein. 

Unbrauchbar  werden    die  Versuche,    wenn    während    der  Beol)achtung 
sich  Trübungen  und  Fällungen  zeigen.  Es   ist  besser,  in  solchen  Fällen  den 


Die  optischo  Motliiidc  und   iluf   \  ciwciulimt,'  liri   liioloi:.   Fr;igestelluii:;i-ii.       _,is.i 

Versuch  ahznhrwlicn.  Dui-cli  das  Ausfallen  or^'^anischcr  Substanzen  kann 
an  und  für  sich  ciiu;  l)i('liun{i;siinderunj;- auftreten,  (»hin'  daC  eine  Kermcnt- 
wirkuiii»-  vorliegt.  Setzt  sich  der  Niederschlag  im  Köln-  iili.  dain>  kann  man 
in  besonderen  Fällen  auch  weitei"  beobachten.  Man  muri  in  diesem  Fall 
dann  nur  die  Drehungsändernng  vor  der  Fällung  in  lletracht  ziehen  und 
dann  gewissermalien  für  die  weitere  Beurteilung  des  \  erlaufs  <les  \er- 
suches  die  nach  der  FäUung  festgestellte  Drehung  als  Anfangsdrehinig 
betrachten.  Man  wird  so  vorgehen  können,  wenn  es  sich  inn  kostbares 
Material  handelt  oder  wenn  man  /.unächst  nur  orientierende  Versuche 
vornimmt. 

Was  die  Länge  der  I'ölarisationsrohre  anbetrifft,  so  wird  man  im 
allgemeinen  mit  1  (/>;/-Höhreii  auskommen.  Nur.  wenn  die  Lösung  intulge 
des  Farbstoffgehaltes  des  l'lasmas  in  gröl.ierer  Schicht  nicht  genügend 
durchsichtig  ist'),  wird  man   '  .,  oder  gar  '.,  f////-IJohre  anwemlen. 

liCtztere  eignen  sich  vorzüglich  zur  Bestimmung  des  Drehuiiüsver- 
mögens  von  Plasma.  Auch  zum  Studium  der  Präzipitinbilduug  eignen  >icli 
diese  kurzen  Rohre  sehr  gut.  I>ringt  man  zwei  Sera  zusammen,  so  wird 
sich  das  Drehungsvermögen  beider  addieren,  wenn  nicht  besondere  \'erli;dt- 
nisse  vorliegen.  Hat  man  Sera,  die  aufeinander  eingestellt  sind,  dann 
lassen  sich  oft  deutlich  beim  Vermischen  Werte  beobachten,  die  mit  dmi 
berechneten  nicht  übereinstimmen.  liier  liegt  noch  ein  weites  I-"eld  zu  um- 
fassender Anwenduugsweise  der  .Methode  vor. 

Die  Anwendungsweise  der  optischen  Methode  zur  Prüfung  auf 
Drehungsänderung  bei  Verwendung  von  Plasma  und  Le])t(Mdösung  k.mn 
in  genau  der  gleichen  Weise  auch  auf  Polypeptide  und  Kohlehydrate 
übertragen  werden.  Selbstverständlich  kann  auch  ein  eventueller  Abbau 
von  Nukleinsäuren  und  deren  Abbauprodukten  verfolgt  werden.  Es  sei  ein 
Beispiel  angeführt.  Ein  Polarisationsrohr,  das  S  cm'  fallt,  wird  gefüllt  mit 
einem  Gemisch  von  Oö  ry^^  Serum,  0-ii  ci»-^  einer  ö»  „igen  Ilohrzucker- 
lösung  und  7  cm'^  physiologischer  Kochsalzlösung.  Nun  wird  die  Anfangs- 
drehung festgesteüt  und  dann  von  Zeit  zu  Zeit  die  Drehung  abgelesen. 

Zum  Schlüsse  sei  nochmals  betont,  dab  die  optische  Methode  nui-  als 
eine  Pfadfinderin  aufzufassen  ist.  Sie  <larf  nie  allein  zur  Entscheidung 
eines  bestimmten  Problems  verwendet  werden.  Die  \'erfolgung  respektive 
Feststellung  des  Drehungsvermögens  von  Körperflüs.siukeiten  mit  imd  ohne 
Zusatz  bestimmter  Substrate  ergibt  in  vielen  Fällen  Einblick  in  Vorgänge, 
auf  die  wir  sonst  nicht  so  leicht  aufmerksam  wtM'den.  Sind  einmal  l)e- 
stimmte  Beobachtungen  gemacht,  dann  müssen  direkte  Methoden  den 
ganzen  Vorgang  analysieren. 


')  Schmidt  <i-  lUiusrh  liefern  Appanite  mit  .Nernststitt  nml  Karlpenliitirn  .  hh'  (tcr 
Ainvendunfr  der  optisclien  Methode  (>in  uocli  weiteres  Feld  ■;iiliern.  ;il«.  es  his  jetzt 
der  Fall  war. 


Die  wichtigsten  Methoden  beim  Arbeiten  mit  Pilzen 

und  Bakterien. 

Von  Franz  Fnhrniann,  Graz. 

Anlage  von  Massenkulturen  auf  schräg  erstarrten 

Nährsubstraten. 

Man  benutzt  als  Nährböden  entweder  Nährgelatine,  Nähragar,  Blutserum 
oder  Gemische  der  genannten  Nährsubstrate.  Nach  dem  Vorgange  von  Paul 
Lindner  ^)  dienen  vierkantige  Glasflaschen  von  etwa  bO—^Ocm^  Rauminhalt 
als  Kulturgefälie.  Diese  Kulturflaschen  werden  wie  Eprouvetten  mit  einem 

Watteverschluß  versehen  und  vor 
^'^■^''-  dem   Einfiülen   des   Nährmittels 

im  Heißluftschrank  bei  155  bis 
160°  C  2  Stunden  trocken  sterih- 
siert.  Je  nachdem  man  eine 
dickere,  schräg  erstarrte  oder 
dünnere  flacherstarrte  Nährbo- 
denschichte benützen  will,  füllt 
man  mehr  oder  weniger  vom  ver- 
flüssigten Nährsubstrat  ein,  steri- 
lisiert dreimal  diskontinuierlich 
und  läßt  dann  erstarren.  Dabei 
liegt  die  Flasche  mit  ihrer  Breit- 
seite entweder  eben  am  Tisch 
oder  schräg  durch  Anbringen 
einer  Unterlage.  Nebenstehende  Fig.  147  zeigt  uns  die  Kulturflasche  mit 
dem  Nährsubstrat  beschickt  auf  dem  Tisch  eben  liegend  und  unter- 
stützt zum  schrägen  Erstarren  des  Nährbodens.  Mit  Litiditer  überein- 
stimmend sei,  abgesehen  von  ihrer  geringeren  Zerbrechhchkeit ,  als  Vor- 
teil derselben  besonders  hervorgehoben,  daß  sie  ohne  Gestell  von  selbst 
sicher  und  fest  steht.  Außerdem  bieten  diese  Kulturen  die  Annehmlichkeit, 
beträchtliche  Mengen    von  Bakterienmaterial    auf   der  großen    Nährboden- 


Kulturflasche  nach  Paiil  Lindnrr. 


*)  Faul  Lindner,  Mikroskopische  BetriebskoutroUe  in  den  Gäruugsgewerlieii.  S. 
Berlin,  Paul  Parey,  1909. 


207. 


Die  wichtipstoii  Motliodon  \mm  Arboitm   mit   l'ilziMi   iiml   Halitoruii.  .",^0 

Oberfläche  zu  erhalten,  oliiic  Venuireiiii^'uni.'-en  het'üichteii  /n  müssen,  dk» 
l)ei  der  XerwendunL^'  von  Platten  in  iVtrischalen  /ii  Massenkiiltiiren  .sich 
nur  allzuleicht  einschleichen.  Durch  den  verhältnisniärii^'  en<ren  Hals  des 
Kultursiefälies  findet  auch  hei  l;inf;erer  /uchtdauer  nur  eine  <;erin!.!:e  Ver- 
dunstung- statt,  so  dai;  der  Nährboden  sein-  lantic  Zeit  hindurch  nicht 
nennenswert  eintrocknet.  Zur  Krzielnn^  von  .Massenk idturen  empfiehlt  es 
sich,  die  \>rimi)funi:  diircli  l'bergielk'ii  mit  der  llakterienemulsion  vorzu- 
nehmen. Man  schwemmt  in  einem  Proberöhrchen  mit  steiiler  O'Tö'^  „ij^er 
C'hlornatriumlösung-  eine  Reinkultur  der  betreffenden  liakterienart  auf  und 
gielit  nach  .Vbflammung  des  Proberöhrchenrandes  und  des  Kandes  der 
Kulturflasche  die  Bakterienaufschwemmung  in  das  Kulturgefäb,  bedeckt 
damit  durch  vorsichtiges  Neigen  die  ganze  Nährbodenol)ertl;iche  und  schüttet 
den  Ilberschuli  weg.  Der  benetzte  Flaschenhals  wird  in  der  Flamme  vor- 
sichtig bis  zum  Trocknen  erwärmt,  dann  kurze  Zeit  eihitzt  und  hierauf 
dei-  Wattebausch  wieder  eingesetzt.  Auf  diese  Weise  bedeckt  man  die  jranze 
Nährbodenoberfläche  gleichmäßig  mit  Bakterien  und  eriiält  innerhalb  weniger 
Tage  eine  Massenkultur,  die  man  mit  der  sterilen  Platinöise  leicht  ab- 
heben kann. 

Burris  Tusclieverfahren  zur  Reinkultur  aus  einer  Zeile.'» 

Das  Tuscheverfahren  von  Burri  eignet  sich  zur  Ileinkultur  aus  einer 
einzelnen  Zelle  für  alle  züchtbaren  Bakterienarten.  Hefen-  und  Schimmel- 
pilze und  kann  wegen  seiner  leichten  Ausführbarkeit  bestens  empfohlen 
werden.  Auüerdem  bietet  es  für  das  Studium  der  Koloniebildunt:  und  der 
Vermehrung  der  P»akterien  ein  wertvolles  Hilfsmittel. 

Das  Verfahren  besteht  aus  zwei  Teilen,  der  Lsolierung  des  Keimes 
und  der  Zucht  desselben.  Der  erste  Teil,  die  Isolierung,  ist  in  allen 
Fällen  die  gleiche.  Die  Zucht  dagegen  kann  allen  Ansprüchen  der  be- 
treffenden Mikrobenart  angepabt  werden,  da  der  einmal  i.solierte  Keim 
leicht  in  jedes  beliebige  Nährsubstrat  eingebracht  und  unter  den  ver- 
schiedensten Bedingungen  gehalten  werden  kann.  Zur  .\usfiihrung  der  I.so- 
lierung  braucht  man  folgende  (ierätschaften. 

1.  Fine  (Jhisglocke  von  10 — lö  cm  Durchmesser. 

'J.  Sterile  Objektträger  größeren  Formates.  Sehr  zweckmäiiig  sind 
solche  vom  Formate  H\  ::\'y  ttnn.  Die  Objektträger  sind  entweder  durch 
Erhitzen  in  der  Flamme  unmittelbar  v(U'  dem  (lebrauche  zu  sterilisieren 
oder  in  kupfernen  Büchsen  im  Heiriluftsterilisator  keimfrei  zu  machen. 
Sie  müssen  sehr  gut  entfettet  sein.  Am  boti'u  ist  es.  die  Objektträirer  mit 
alkalireichei"  Waschseife  und  Wasser  unter  Zuhilfenahme  eines  entfetteten 
Wattebausches  zu  reinigen   und   senkiccht  aufgestellt  zu  trocknen. 

3.  Sterile  Deckgläser  vom  Formate  IS  :  18-  20  :  20 /////'  und  sterile 
Deckglassplitter  von  unaefähr  ."> — f)  tiiin  Seitenlänge.  Ihori  sterilisiert  <lie 
Deckgläser   zwar   unmittelbar    in  der  Flamme,    dabei  irehen  aber  ziemlich 


M  Iiol)crt  Burri,  Das  'l'usclicvorfalircn.  .Icna.  (inst.  Kisdior,   l'.M)9. 


586 


F.  Fuhr  man  11. 


viele  zuiiTunde,  zumindest  verbiegen  sich  die  meisten  ein  wenig.  Aus 
diesem  Grunde  ist  es  zweckmäßiger,  sich  gut  gereinigte  Deckgläser  auf 
Vorrat  im  Heißluftschrank  zu  sterilisieren.  Die  Deckgläschen  kommen  zum 
Sterilisieren  in  höhere  Glasdosen  mit  Falzdeckel  und  bleiben  darinnen  ge- 
brauchsfertig aufbewahrt.  Das  Gleiche  gilt  für  die  Deckglassplitter,  die  man 
aus  Deckglasabfall  mit  dem  Diamantstift  herstellt. 

4.  Dann  benötigt  man  frisch  gegossene,  sterile  Gelatineplatten  in 
Petrischalen.  ^lan  verwendet  eine  lOo/oige  Fleischwassergelatine.  Nach 
Burri  können  die  Platten  einige  Tage  alt  sein.  Ich  habe  mit  älteren  Platten 
weniger  gute  Erfahrungen  gemacht,  da  infolge  der  oberflächlichen  Aus- 
trocknung die  aufgesetzten  Tuschetropfen  sehr  häufig  zu  dick  ausfallen 
und  sich  sehr  ungleichmäßig  ausbreiten. 

Fi«.  148. 


5.  Zum  Auftragen  der  Tuschetropfen  auf  dem  ( )bjektträger  verwendet 
man  eine  geschlossene  Öse  von  4 — 5  mm  Durchmesser.  Die  Verteilung  des 
Impfmateriales  in  den  Tropfen  bewirkt  man  mit  einer  Öse  von  1  mm  Öff- 
nung. In  Fig.  148,  B  und  C  sind  die  beiden  Ösen  abgebildet. 

6.  Zur  Verimpfung  von  den  Tropfen  auf  die  Gelatineplatte  dient  eine 
feine  Feder  (Zeichonfeder)  mit  tadelloser  Spitze.  Die  Feder  sitzt  in  einem 
Halter,  der  an  Stelle  des  Holzstieles  einen  Glasstab  zum  Halten  besitzt. 
D  der  Fig.  148  zeigt  uns  die  montierte  Zeichenfeder. 

7.  Flüssige  Tusche.  Es  empfiehlt  sich  die  \'erwendung  der  für  diese 
Methode  besonders  von  Günther-Wagner  hergestellten  Tusche,  die  von 
Grübler  d^'  Comp,  in  Leipzig  in  zugeschmolzenen  Glasröhren  erhältlich  ist.  Die 
Originaltusche  wird  mit  9  Teilen  destillierten  Wassers  verdünnt  und  dann 
V2  Stunde  bei  V2  Atmosphäre  Druck  im  Autoklaven  sterilisiert.  Man  tut 
gut,  die  verdünnte  Tusche  in  Proberöhrchen  in  Portionen  von  etwa  10  cm^ 


Dio  wiflitigstoii   Metlmtlcn   liiini  Ailiciti-ii  mit    l'ilzeii   und   B.iktorieii. 


ÖS  7 


abzuziehen,  mit  cinciu  W  .ittcliaiiscli  /ii  vcr^clilicUcii  und  daim  orst  im 
Drucktopf  zu  sterilisieren.  Nach  der  Sterilisation,  nachdem  die  Waftever- 
schUisse  vollstiindio'  ausjretrocknet  sind,  stidpt  mau  üIxt  dieselheu  noch 
Zinnkapsehi.  um  ein  Kintrocknen  des  lnhalt"s  nach  .Mötrhchkeit  hintanzu- 
halten. Zusätze  von  .Salzlösungen  oder  Nährsubstraten  ziii-  Tusche  bewirken 
eine  .\usllockuui>-  und  sind  zu  vernn'iden. 

Die  Tu  sc  h  eni  etil  od  e  fulU  nun  darauf,  dali  in  der  dünnen  Tu.sche- 
schichte  die  Üakterien  und  Heien,  hei  durchtallendeni  Licht  betrachtet,  als 
helle  Stellen  besonders  aus;:>ezeichnet  sichtbar  sind.  Wenn  man  nun  in  der 
Tusche  Bakterienmaterial  so  verteilt,  dal',  kleinste  TniptVhen  der  Tusche- 
bakterienmischuni»-  meistens  nur  I  Zelle  enthalten,  so  ist  diese  in  dem 
kleinen  Tropfen  gut  sichtbar,  bzw.  es  ist  leicht,  jene  Tiopfen  auszu- 
wählen und  anzumerken,  die  nur  eine  Zelle  enthalten.  Der  mit 
dem  sterilen  Decki>las  bedeckte  Tuschetropfen  mit  dei-  einen  Zelle  kann 
nun  (lauernd  beoliachtet  und  die  Koloniebilduuii-  unt<'rsu(dit  werden.  .\b- 
impfuni>en  der  entstandenen  Kolonie  ergeben  also  sicher  Kul- 
turen, die  nur  von  einer  einzigen  Zelle  abstammen,  fberdies  bleibt 
beim  Abheben  des  Deckgläschens  der  Tuschetropfen  samt  der 
einzelnen  Bakterienzelle  an  demselben  haften  und  kann  -o  in 
jedes  beliebige  Xährsubstrat  übertragen  werden.  Man  erhidt  dann 
dort  eine  Kultur,  ausgehend  v(ni  einei-  einzigen  Zelle  Diese  Eigen.M'haft 
(\{'s  Haftenliieibens  macht  diese  Heinzuchtmethode  ,so  aur.erordentlich  wei1- 
voU.  \  iele  Bakterien,  wie  gewisse  Spirillen,  rurpurbaktei-ien.  Kisenbakterien 
etc..  sind  mit  Hilfe  dei'  galleiligen  Nährsubstrate  schwierii:-  oder  häufig- 
gar  uiclil  rein  zu  kultivieren.  Mit  dem  Tuscheverfaliren  iiclingt  es  sehr 
leicht,  indem  mau  einfach  eine  Zelle  in  das  sterilisierlr  .\usgangsmaterial 
(Teichwasser  etc.)   Iiineinverimpft. 

Tusche  vei'liält  sich  übrigens  gegenüber  maucln  ii  l'.akteiienarteu  als 
wachstumshemmend,  weshalb  sichei'  zum  Zieli'  bei  allen  Ai'feu  um-  die 
Isolierung  mit  sofortigei'  nacliheriger  fberti'aiiunL;  dei'  einzelnen  Zi'llc  in 
ein  neues  flüssiges  Substrat  fühi-t.  .Man  trachte  daher  immer.  >o  r.ivcli  .ds 
möglich   zu   aibeiten.   Der   .Vibeitsgaug  ist   nun   folgende)-: 

l  m  nuiglichst  staubfrei  zu  aibeiten.  überwischt  man  den  Arbeit^^tisch 
luit  öOVoi.i^''"'  Alkohol.  .M;iu  liiel'it  d.inn  mit  10"  oJ,ii''i"  Nährgelafiiie  Platten 
in  Pe^nsche  Schalen.  Nach  dem  Erstarren  derselben  entnimmt  mau  dem 
Kupferblechbehälter  einen  sterilen  Objektträger  oder  sterilisier!  einen 
solchen  durch  Kiliitzeii  in  der  Flamme.  Nach  dem  Kikalteii  legt  mau  ihn 
auf  den  Tisch  und  bedeckt  ihn  sofort  mit  dei- ( ila^iilocke.  .letzt  glüht  mau 
die  beiden  Platinöseii  ans  und  sterilisiert  die  Zeicheiifeder  durch  V(»r- 
sichtiges  Krhitzen  in  dei-  Flamme.  Mau  /ielit  zu  dem  Fnde  die  Feder  samt 
dem  Halter  rasch  eiiiiiii-  Male  durch  dir  I  lamme.  Sic  darf  aber  nicht  ;^liHie!Ml 
weiden,  damit  die  Spitze  nicht  leidet.  Nun  stellt  man  noch  ein  (Jlav  mit 
Wasser   liaiidgerecht   in   die   Nähe. 

.Man  bringt  nun  rasch  vier  Tr«>pfeu  Tusche  mit  di-r  grol'ien  (Vsc« 
auf  den  steiilen  ( )bjektträucr.   etwa  in  dei-  .\nordnuiig.   \\i<'  .1  iler  I-'igur  1-4H 


588  F-  Fuhrmann. 

zeigt.  Damit  die  Tusclio  in  der  Öse  nicht  ciiitiockiiet  und  einen  Asclien- 
rückstand  beim  Glülien  gibt,  spült  man  im  bereitstehenden  Wasser  die 
Öse  knrz  ab.  Jetzt  entnimmt  man  mit  einer  Phitinnadel  etwas  ]3akterien- 
material  und  verteilt  es  rasch  nnd  tüchtig  in  den  ersten  Tuschetropfen. 
Nun  bringt  man  mit  der  kleinen  Öse  ein  wenig  vom  ersten  Tropfen  in 
den  zweiten,  verteilt  wieder  gleichmäliig,  vom  zweiten  in  den  dritten  usf. 
Jetzt  taucht  man  in  den  letzten  Tropfen  die  Feder  mit  dei-  kon- 
kaven Seite  ein,  wobei  man  den  Halter  möglichst  horizontal  hält,  wie  es 
E  der  Figur  148  zeigt.  Auf  der  Gelatineplatte  erzeugt  man  hierauf  rasch 
kleine  Tuschpunkte,  indem  man  bei  fast  senkrechter  Haltung  (h'r  Feder 
die  Spitze  derselben  mit  der  Gelatineoberfläche  kurze  Zeit  eben  in  Be- 
rührung bringt,  ohne  die  Gallerte  zu  verletzen.  Die  Federhaltung  ist  in 
Figur  148/'  wiedergegeben.  So  führt  man  in  nächster  Nähe  6 — 8  Punkte 
aus  und  kontroUiert  mit  der  i)-Linse  von  Zeiß  und  einem  stärkeren  Okular 
die  'Iröpfchen  sofort  unter  dem  Mikroskop  auf  ihren  Bakteriengehalt. 
Finden  sich  keine  Tröpfchen  mit  einer  Zelle,  sondern  nur  solche  mit 
mehreren,  so  legt  man  eine  neue  \'(M"dünnungsreihe  an.  Sehi*  bald  bekommt 
man  für  die  Beurteilung  der  Imi)fnienge  eine  groUe  Übung.  Aul^erdem 
dürfen  die  Tröpfchen  nicht  gröUer  ausfallen  als  das  (iesichtsfeld  der  Zeiß- 
hnsejPoder  wenigstens  E,  um  den  ganzeii  Tropfen  auf  einmal  überschauen  und 
durchmustern  zu  können.  Stimmt  die  ^'erdünnuug  und  die  Tropfengröße,  dann 
schreitet  man  auf  einer  frischen  Gelatineplatte  zur  endgültigen  Ileinzucht. 
Will  man  unmittelbar  auf  der  Platte  züchten,  dann  bringt  man  die 
Tuschepunkte  so  an,  daß  regelmäßig  in  einem  (ieviert  verteilt,  auf  18mm 
Seitenlänge  je  5 — 6  Punkte  kommen.  G  der  Figur  148  zeigt  uns  Unks  unter 
einem  Deckglase  die  Anordming  der  Punkte  für  diesen  Zweck. 

Jetzt  spült  man  die  Feder  in  Wassei'  ab  odei'  bei  pathogenen  Arten 
am  besten  in  einer  Formollösung  und  trocknet  mit  einem  weichen  Tuche 
ab.  Nunmehr  bedeckt  man  die  Tuschepunkte  mit  einem  sterilen  Deckglas 
und  mikroskopiert  bei  stärkerer  Vergrößerung  Tropfen  für  Tropfen.  Alle 
jene  Tröpfchen  werden  notiert,  die  nur  eine  einzige  Zelle  ent- 
halten. In  Figur  148  i/ ist  ein  solcher  Tropfen  mit  nur  einer  Stäbchen- 
bakterienzelle abgebildet.  Er  füUt  das  durch  eine  Kreisünie  angedeutete 
objektive  Gesichtsfeld  der  i'-Linse  von  Zeiß  nicht  einmal  aus.  Sobald  sich 
nach  einigen  Stunden  oder  Tagen  eine  kleine  Kolonie  von  der  einzelnen 
Zelle  ausgehend  gebildet  hat,  impft  man  nach  Abnahme  des  Deckgläschens 
unter  mikroskopischer  Kontrolle  mit  der  Impfnadel  in  einen  beliebigen 
Nährboden  ab. 

In  vielen  Fällen  wird  man  so  zum  Ziele  kommen,  in  der  Mehrzahl 
der  llntersuchungen  aber  nicht.  Denn  abgesehen  davon,  dal)  die  Tusche 
selbst  auf  zahlreiche  Bakterienarten  wachstumshemmend  wiikt.  ist  Nähr- 
gelatine an  und  für  sich  ein  Nährsubstrat,  das  sich  vielfach  zur  Zucht 
nicht  eignet.  Weitaus  besser  ist  es  daher,  die  Gelatine  zui'  Isolie- 
rung zu  verwenden  und  in  einem  anderen  tauglicheren  Substrat 
zu  züchten. 


Die  wichtigsten   Metliodni   lieini  Arbeiten   mit    I'ilzon   und  B:ikt<'ri.-n. 


')89 


In  (licscin  Falle  verfährt  man  folüciiilennal'icii:  Ks  werileii  die  Ver- 
diiniiuiiiioii  wie  IViilicr  aii^cHcheii  aii^dei^t.  dami  die  rrohetropfeii  auf 
einer  (ielatiiie  gemacht  und  hei  entspnrhender  \  erdüimiin-  die  endi^iilfiL'«-!! 
Tröpfchen  sofoit  auf  einer  neuen  (;('hitinei)latte  her;.M'stellt.  Man  niaeht 
sie  aher  nicht  icuclmälli^  in  kleinen  Ahständen.  sonch'rn  in  j^rölieren  Ah- 
ständen  von  10  20ni)n.  Dann  hedeckf  man  jedes  Tröpfchen  mit  einem 
sterilen  I)ecki>iassplittei-.  der  mit  eim-r  sterih-n  Federzanji-e  auff;ele^'t  wird. 
Nun  unteisucht  man  die  einzelnen  'l'röpfchen  mikroskopisch  und  heht  mit 
der  steiilen  Tinzette  diejenincn  Deckpliittchen  wieder  al>.  unter  denen  ein 
Tröpfchen  mit  einer  einziijen  Zelle  sich  hefindet.  Dabei  hleiht  das  'l'usche- 
tröpfclieii  samt  der  Zelle  auf  dem  Deck^^läschen  haften.  So  ^'clinj^^t  es. 
mit  dem  Deckiiläschen  die  isolierte  Zelle  in  jedes  beliel)i<re  Niihrsuhstrat 
zu  übertrauen.  wo  dami  die  Vermehrung-  erfoli>t.  So  wird  man  bei  strenf?en 
Anaerobiern  die  einzelne  Zelle  in  ein  Röhrchen  mit  verfliissi<rtem .  auf 
40"  C  abiickühlten  A^ar  einbringen  und  nach  dem  Untersinken  sofort  in 
Eis  oder  kaltem  Wasser  erstarren  lassen.  Manche  Leuchtbakterien  erweisen 
sich  goiien  Tusche  empfindlich,  weshall)  man  hier  ei)enfalJs  das  Tusche- 
verfahren nur  zur  Isolierunii-  allein  benutzt  und  die  isolierte  Zelle  unj,'e- 
säumt  in  einen  passenden  flüssigen  Nährboden  einträut. 

Der  Arbeitsgang  ist  zusammengefalit  kurz  folgender: 

1.  Anlage  der  vier  Verdünnungen  in  den  grolien  Tusche- 
tropfen auf  dem  Objektträger. 

2.  Herstellung  der  Probetröpfchen  auf  einer  Gelatineplat  t  e. 

3.  Mikroskopie  der  Probetröpfchen  mit  einem  stärkeren 
Trockensystem  in  unbedecktem  Zustande. 

4.  Wenn  die  Verdünnung  richtig.  Anlage  der  endgültigen  Tusch- 
tröpfcheu  mit  der  Feder. 

5.  Bedeckung  derselben  mit  einem  sterilen  Deckglas  oder 
sterilen  Deckglassplittern,  entsprechend  dem  verfolgten  Zweck  (Iso- 
lierung und  Wachstum  oder  nur  Isolierung). 

6.  Mikroskopie  der  einzelnen  Tröpfchen.  Hezeichnuni:  der 
Tröpfchen  mit  einer  Zelle  im  ersten  Falle.  Abtragen  und  Fin- 
bringen  der  Tröpfchen  mit  einerZelle  in  beliebige  andere  Näh  r- 
mittel  im  zweiten  Falle. 

Selbstverständlich  wii-d  man  bei  Isolierunii  mit  nachheriirer  Tber- 
tragung  der  einzelnen  Zelle  immer  eine  Reihe  von  (i  10  Finzelkulturen 
anlegen,  da  man  es  der  Rakterienzelle  ja  nicht  ansehen  kann,  ob  sie  auch 
bei  der  Übertragung  lebend  war  oder  nicht. 

Gewinnung  von  Sporen  der  Hefen  auf  dem  Gipsblocke. 

Die  Sporenbildung  bei  den  Saccharomyzeten  pfle^^t  dann  am  besten 
und  schnellsten  einzutreten,  wenn  die  Zellen  sicli  in  LMilem  Fi'iiährungs- 
zustand  befinden,  sofern  die  übrigen  für  die  Spornlation  wesentlichen  l!e- 
dinu-unuen  eincehalten  werden.     Diese  bestehen    darin,    die  wohlizenährten 


590  F.  Fuhrmann. 

Zellen  auf  iiahruii<>sarme  oder  nahruiigsfreie  Substrate  zu  l)riui>eu.  die 
feucht  gehalten  und  dem  Luft  Sauerstoff  leicht  zugänglich  sind.  Wohl  als 
beste  Unterlage  bewährte  sich  der  Gipsblock  oder  der  in  die  Eprouvette 
eingelegte  ( Jipsstreifen.  Zur  Feuchthaltung  dient  steriles  Leitungswassei-. 
Der  ursprünglich  vou  Engel  schon  angegebene  (iipsblock  wurde  dann  von 
Emil  Christian  Hansen  zweckentsprechend  abgeändert  und  in  dieser  oder 
ähnlicher  Form  auch  jetzt  für  die  Sporenuntersuchungen  bei  der  Hefe 
verwendet.  Der  (iipsblock  ist  ein  Kegelstumpf  von  etwa  3 — 4:  cm  Höhe 
und  5  6cm  P.reite  an  der  Basis;  die  obere  Fläche  besitzt  einen  Durch- 
messer von  4:  bctn.  Man  steht  sich  diese  Gipsblöcke  auf  A'oi'rat  selbst 
her.  indem  man  S  liaumteile  frischen  (ups  mit  3  Raumteilen  ^^'asser  zu 
einem  steifen  Drei  vei'rührt  und  diesen  in  eine  entsprechende  Dlechform 
preßt,  die  aber  nicht  gefettet  sein  darf.  Man  steht  dabei  die  Blech- 
form mit  der  kleinen  Fläche  auf  eine  blanke  (ilasplatte.  Nach  2- 3  Stun- 
den läßt  sich  der  Block  sehr  leicht  herausdrücken,  sofern  man  daiaut 
achtet,  daß  die  lilechform  keine  Eindrücke  hat.  Der  frische  (iipsblock 
wird  ruin  gi'ündlich  in  Wasser  ausgekocht  und  dann  in  Filtrierpapier  ge- 
wickelt im  Heil'iluftsterilisator  bei  110"  duich  ein  und  eine  hah)e  Stunde 
erhitzt.  Dabei  trocknet  er  stark  aus  und  ist  dann  auch  keimfrei.  Jetzt  ist 
er  gebrauchsfertig.  ( ileichzeitig-  bereitet  man  Schalen  mit  Deckeln  vor, 
die  imr  lose  aufliegen  und  der  Luft  genügend  Zutritt  gestatten.  Diese 
Schalen  soUen  füi-  di(^  angegebene  (üpsblockgröße  eine  Höhe  von  5  cm  und 
einen  Durchmessei'  \o\\  8  cm  aufweisen.  Sie  werden  in  Papier  eingewickelt 
und  in  der  üblichen  Weise  trocken  sterihsiert. 

Die  Hefe  muß  für  die  Gipsblocksporenkultur  ebenfahs  vorbereitet 
Averden.  Man  züchte  sie  möghchst  in  einem  flüssigen  Nährsubsti'at.  und 
zwai'  in  zwei  (ienerationen.  bevor  man  zur  Sporenzucht  schreitet.  Nach 
den  Untersuchungen  von  Hansen^  Aderhold  u.  a.  tritt  bei  Hefen  die 
Sporulation  schwer  ein,  wenn  sie  längere  Zeit  in  stark  alkoholhaltigen 
Nährsubstraten  sich  befunden  haben.  Jede  ältere  Kultur  weist  diese 
Erscheinung  auf.  Demnach  soU  die  Aussaat  zur  Sporengewinnung  von 
gutgenährten,  jungen  Kulturen  erfolgen,  die  in  optimalen  Ernährungs- 
bedingungen und  Temperaturverhältnissen  waren.  Bierhefen  wird  man 
demnach  vorher  in  ungehopfter  Bierwürze,  Weinhefe  in  Most  usf.  züchten.  Man 
legt  eine  erste  Vorkultur  an.  die  man  einige  Tage  bei  Zimmertemperatur 
hält.  Wählen  wii'  als  Beispiel  Bierhefe.  Diese  verimpfen  wir  in  einen  Kolben 
mit  steriler,  durchlüfteter,  nicht  gehopfter  Bierwürze  und  lassen  sie  einige 
Tage  hindurch  gären.  Von  der  entstandenen  Bodensatzhefe  überimpfen 
wir  mit  einem  sterilen  (ilasrohr  in  eine  frische  Bierwürze  und  züchten 
nunmehr  bei  25"  C  durch  24  Stunden.  Es  hat  sich  wieder  Bodensatzhefe 
g^ebildet.  die  nun  auf  einen  (iipsblock  übertragen  wird. 

Dabei  verfahren  wir  folgendermaßen: 

Der  (jipsblock  wird  aus  dem  Papier  gewickelt  und  ohne  Finger- 
bertihrung  in  die  eröffnete,  sterile  Kulturschale  geroht.  Nun  entfernt  man 
die  über  der  Satzhefe  stehende  Flüssigkeit   der  zweiten  Vorkultur   durch 


Die  wichtigsten  Mctlioiloii  heim  Ailipiteii  mit   i'ilzcii  iiml  Hiiktorioij.  r,g| 


l'ii?.  14!l. 


Kig.  l-iO. 


! 


sehr  vorsiclitiiics  Al),üici;('ii.  Ndn  der  r.(Mlt'iisat/lictf  üIm  rtrii;;!  man  iiitn  mit 
("iiicm  sti'iik'ii  (ilasrolir  ein  w.-nin  mit  ,|i,.  ,,1mmc  Fläche  des  (iijislilorkcs 
1111(1  broitot  sio  über  die  ()l)crtl.i(  lic  ;iii>.  Niiiiiiit-hr  l:ii;t  man.  chiir  die 
(iil)shlockoi)('rflii('h('  zu  hcspülcn.  stcrilrs  Wasser  in  die  Sdialc  laiif.-n : 
das  Wasser  soll  anfangs  etwas  über  die  Milte  des  Dlorkes  reichen.  Nach- 
dem er  sich  von  iintni  viüli-  diiichfeiichtet  hat .  i>t  dann  i^eiade  der 
richtii-c  Wasserstand  erreicht.  Dann  schlielW  man  (h-n  Schalendeckel  und 
züchtet  hei  25"  C.  Schon  nach  24  Stunden  werden  wir  die  AnfiinLM-  der 
Sporenl)il(lnnu  beobachten    köniK'ii  und    nach   4^  Stund. -n   ivichlicli   tVrti^M' 

Sporen.  l"i^.  149  zeiiit  nn> 
die  eben  fertiu  «gestellte  (ii|»s- 
l)locksj)orenkiiltiir  im  hnrch- 
schnitt. 

Ks  wird  natürlich  iiiiler 
den  iieiiannteii  Versuchsbe- 
tliiiiiiiniicn  besonders  bei  lim- 

iicrer  Beobachtnnusdaner 
schwierig  sein,  eine  solche 
Sjjoi'enkultur  rein  zu  erhalten. 
Diesem  Übelstand  abzuhelfen, 
verwendet  Schiüfininy  ein  Hansenkölbclieii .  in  dein  der 
(iipsblock  im  kleinen  aniicleut  wird.  Man  kann  sich  aber 
mit  Ki)rouvetten  ausüczeichnet  helfen,  in  die  man  (iips- 
streifen  einbriniit.  Für  die  Herstellung:  der  (iipsstr«'ifen 
verwendet  man  rechtwinklig'  al).U('boiii'iie  Hlechstreifeii  oder 
Kahmeii.  wie  sie  zur  l'araffineinbettunii  benutzt  werden. 
Den  obeniiciiannten  (üpsbrei  ininiit  man  in  diese  auf 
(ilasplatten  liei>enden  Formen  in  H  \  iinii  dicker  Schicht. 
Nach  dem  Frstarren  kocht  man  die  Streifen  eine  halbe 
Stunde  in  Wasser  aus  und  briniit  sie  noch  feucht  in  die 
sterilisierten  mit  Watte  verschlossenen  Froberöhrchen.  Die 
mit  den  (üjisstreifen  beschickten  IJöliichen  werden  dami 
1  Stunde  im  Trockeiisclii  ank  bei  1  10"  ('  erhitzt  und.  sind 
nun  iiebraiichsfertiü. 

Man  verimpft  das  Hefenmaterial  mit  eiiu'  Flatinü.se  auf  den  oberen 
Teil  (Ws  Streifens  und  lälit  mm  etw.i  1  mi  hoch  steriles  Wasser  ein- 
flieüeu.  Firsere  Fii».  löO  zeitit  die  (iipsstreifenkulturridiren  fertiii  im  l^Mier- 
schnitt  dar<:estellt. 

Diese  Si)(M-enzüchtuiiii  auf  (li|)sblöckeii  und  (iipsst reiten  tand  eiL:eiitlich 
l)ei  den  15akteriolo<j('ii  viel  zu  weiiii;  üeachtuiiL;.  Die  sjioreiibi  blenden 
F>akterien  verhalten  sich  i;anz  so  w'w  die  Saccharoinyzeten.  .Mit  Hilfe 
dieser  Kulturmethoden  bekommt  man  ebenfalls  eine  aiiberoi-dentlich  rasche 
und  prompte  Sporenbihliin.ü.  Hesondei>  bemerkenswert  ist  die  (ileichmiibiijkeit 
des  Voriian^es  in  den  meisten  aiis^^csäteii  Zellen.  Natürlich  nuib  man  auch 
hier    von    iiinuen.    uut    i^cnährten    und    in    voller  l'.ntwicklun.ii    bei:riffenen 


592  F.  Fuhrmanu. 

Bakterien  ausgehen.  Man  kann  sowohl  Flüssigkeits-  als  auch  Agar-  oder 
Gelatinekulturen  als  Ausgangsmaterial  wählen.  Aber  auch  zur  Untersuchung 
der  verschiedenen  Entwicklungsstadien  nicht  sporenbildender  Bakterienarten 
ist  die  Zucht  auf  der  Gipsplatte  ausgezeichnet  verwendbar,  da  hier  die 
vielen  Involutionsformen  sehr  in  den  Hintergrund  treten.  Man  vermeidet 
ja  die  Anhäufung  schädhcher  Stoffwechselprodukte,  die  diese  Formen  be- 
sonders hervorrufen.  Es  läßt  sich  so  klar  und  einwandfrei  entscheiden,  wie 
Bakterien,  die  in  voller  Lebenskraft  sich  befinden,  auf  den  Mangel  an 
Nährmaterial  reagieren  und  welche  Organisationserscheinungen  sich  dabei 
abspielen. 

Kultur  anaerober  Bakterien. 

Wenn  auch  die  im  V.Band  der  Arbeitsmethoden  beschriel)en('ii  Apparate 
und  Versuchsanstellungeu  zur  Gewinnung  und  Züchtung  anaerober  Bakterien- 
arten ausreichen,  so  gestatten  sie  dennoch  nicht,  die  Sauerstoffminima  zu 
bestimmen,  bei  denen  Wachstum  überhaupt  noch  stattfindet  oder  die 
Sporenbildung  und  Sporenkeimung  einsetzt.  Für  die  physiologische  Charak- 
terisierung der  Mikrobenarten  sind  solche  Untersuchungen  abei-  äußerst 
wertvoll,  wie  aus  den  schönen  Arbeiten  Arthur  Meyers  und  seiner  Schüler 
hervorgeht. 

Arthur  Meyer^)  und  G.  Bredemann-)  haben  nun  eine  Versuchsan- 
ordnung zur  Bestimmung  der  Sauerstoffminima  angegeben,  die  in  bezug 
auf  Brauchbarkeit  und  Genauigkeit  für  biologische  Versuche  vollauf  genügt. 

Meyer  benutzt  eine  Art  Exsikkator  als  Kulturgefäß,  in  dem  aus  dem 
darin  herrschenden  Druck  die  vorhandene  Sauerstoffmenge  im  Liter  in 
Milligrammen  bestimmt  wird.  Für  die  Bestimmung  der  niederen  Drucke 
dient  ein  in  das  Kulturgefäß  eingehängtes  Quecksilbermanometer,  während 
größere  Drucke  in  einem  dem  Kulturgefäß  außen  angeschlossenen  Queck- 
silbermanometer gemessen  werden.  Die  Luft  Verdünnung  wird  mit  einer 
öer«/Ä:-Luftpumpe  von  Arthur  Pfeiffer  in  Wetzlar  vorgenommen.  Letztere 
soll  sich  dafür  ausgezeichnet  bewähren,  sofern  eine  Trockenröhre  zwischen 
Kultur  und  Pumpe  zwischengelegt  ist,  um  eine  Durchfeuchtung  des  Öles 
der  Pumpe  sicher  hintanzuhalten.  Von  der  Beschreibung  der  Pumpe  kann 
hier  abgesehen  werden,  da  dieselbe  im  ersten  Band  der  Arbeitsmethoden, 
S.  138  (samt  der  Literatur)  beschrieben  ist.  Natürhch  können  auch  Queck- 
süberluftpumpen  an  die  Stelle  der  Ölpumpe  treten. 

Die  ,.Trockenröhre  nach  Arthur  Meyer''  ist  so  zusammengesetzt, 
daß  sie  einerseits  organische  Dämpfe  der  Kulturen  möglichst  durch  kon- 
zentrierte Schwefelsäure  absorbiert  und  andrerseits  jede  Spur  Wasserdampf 


')  A.  Meyer,  Apparat  für  die  Kultur  von  anaeroben  Bakterien  und  für  die  Be- 
stimmung der  Sauerstoffminima  für  Keimung,  Wachstum  und  Sporenbildung  der  Bak- 
terienspezies. Zentralbl.  f.  Bakt.  11.  Abt.  Bd.  15.  1906.  S.  337. 

-)  G.  Bredemann ,  Bacillus  amylobacter  A.  M.  et  Bredemann  in  morphologischer, 
physiologischer  und  systematischer  Beziehung.  Zentralbl.  f.  Bakt.  II.  Abt.  Bd.  23. 
1909.  S.  411. 


Die  wichtigsten   Motliodeii  lioim  Arhoiteii  mit   l'ilzcii  timl  Hakterion. 


r»*»3 


(Inrcli  riiosi)liorpoiitoxy(l  ciitrcnit.  Ww  aus  V\<r.  If)!  /u  .'iitiichincn  ist.  bosteht 

dieser  Trockenapparat  aus  ciueui  U-Iiolir.  ;iii  dcvscu   NCihiiidunKSteil  iidch 

ein  kleines  Sainnieli-efiir,  fü,-  ,lio  abtn.ptVnde  11,  SO^  an^^chraclit  ist  Jcdor 

Sclieiikel  des  U-Kolires  liat  eine  L;iii':c  von  :;9  rm  uud  eine  innere  Licliti» 

von  4-5  cm.  Beide  Koluc  trafen  oben  cinm  sritli(  licn  Kohransatz  und  nnd 

durch    gutsitzende     (ilas- 

stopfen    verschlossen.    Der  i-i«.  151. 

Glasstoppel   0   hat    unten 

einen      Dui'chinesser     von 

45  cm,  oben  7  cm  und  ist 

'dem  hoch.  Der  Stopfen  0^ 

niiiit   unten  2';j  cm,    oben 

3"5  cm   und    ist   ebenfalls 

3  cm  hoch.    Beide  Stöpsel 

tragen  einen  Glasgriff. 

Diese  Trockenröhre 
wird  nun  folgendei-malien 
beschickt:  In  den  Schen- 
kel P  kommt  eine  (iarnitur 
von  6 — 8  kleinen.  4  cm 
weiten  Trichtern ,  deren 
Stengel  etwa  3  cm  messen. 

Sämtliche  Trichterchen 
sind  durch  einen  dickeren 
Eisendraht,  dei-  durch  die 
Stengel  hindurchgeht,  ver- 
bunden. Um  ein  Abgleiten 
zu  vermeiden .  wird  der 
Draht  nach  dem  I^infiihren 
unten  hakenförmig-  ge- 
krümmt und  oben  zu  einer 
Öse  geformt.  Auf  die 
Trichterchen  kommt  dann 
Phosphorpentoxyd  (Pg  Ög), 
möglichst  frei  von  \\  Og. 
SoUte  dieser  stark  flüchtige 
Körper  als  Verunreinigung 
vorhanden  sein,  so  setzt 
man  die  beschickte  Röbre 
einige  Tage  dem  direkten 

Sonnenlichte  aus,  woduirli  er  unschiidlicb  gema<lit  wiid.  Nach  Kinsci/en  der 
Trichtergarnitur  verschliel'it  man  diesen  Scbenkel  mit  dem  gut  durch  \'aseline 
gefetteten  Stopfen  und  vergiel'it  den  noch  obei*  demselben  treibleibenden 
Ivöhreuteil  mit  geschmolzener,  nicht  lieir.er,  amerikanischer  Vaseline.  In  das 
Rohr  S  kommen  zuerst  einige  gröliere  Binissteinstücke   und    dann    kleine. 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemioohon  Arbeil»methoden.  V.  38 


594 


F.  Fuhrmann. 


die  mit  lionzentrierter  Schwefelsäure  durchtränkt  sind.  Die  überschüssige 
Hg  SO4  fließt  in  den  Ansatz  des  Verbindungsrohres  ab,  weshalb  man  ohne 
weiteres  mit  Schwefelsäure  die  Bimssteinstücke  nachfeuchten  kann.  Dann 
wird  der  Stopfen,  wie  früher  angegeben,  dicht  aufgesetzt.  Der  Schlauch- 
ansatz des  Schenkels  P  wird  am  besten  mit  einem  festgekitteten  MetaU- 
schlauch  mit  der  Luftpumpe  verbunden,  während  vom  Ansatz  des  Schenkels  S 
ein  Druckschlauch  zum  Kulturgefälj  führt. 

Als  „Kulturvakuum"  dient  ein  zyUndrisches  Glasgefäß  mit  ebenem 
Boden  und  4  cm  breitem  oberen  Band  (li),  der  sorgfältigst  plangeschliffen 

ist.  Das  Gefäß  mißt  im  Innern 
^'*^'^^'"  11  cm    in    der    Breite    und 

ib  cm    in  der  Höhe.  Als  Ver- 
^  /  ]  Schluß  dient  ein  ebenfalls  ge- 

nau plangeschliffener  Glas- 
deckel mit  leichter  Wölbung, 
der  oben  einen  Tubus  H  mit 


Fig.  152". 


K 


eingesetztem  Hahnstopfen  S  trägt.  Fig.  152  zeigt  uns  das  ganze  Kulturvakuum, 
dessen  Bauminhalt  etwa  1400  cw^  beträgt.  Der  Tubus  des  Deckels  ist  in  seiner 
inneren  Lichte  nach  oben  auf  4  cm  trichterförmig  erweitert,  so  daß  noch 
über  der  Hahnbasis  eine  Binne  t  (vgl.  Fig.  152  a)  mit  einer  Tiefe  von  l"ä  cm 
verbleibt.  Der  ganze  Hahnstopfen  von  u  bis  0  mißt  ungefähr  9'5  cm.  Er  be- 
sitzt oben  den  Schlauchansatz  s  von  ca.  9  mm  Durchmesser  und  davon 
abgehend  geschlossen  die  beiden  Handgriffe  g  von  ca.  2  cm  Länge.  Der 
Hahn  ist  hohl  und  hat  eine  Schhfffläche  von  2"5  cm  Breite.  In  der  Mitte  der 
letzteren  ist  eine  Bohrung  l  angebracht,  die  mit  einer  Binne  r  der  Schliff- 
fläche des  Tubus  korrespondiert.  Diese  Binne  läuft  senkrecht  nach  unten, 


Üio  wichtigsten  iMcthoiion  beim  Arbeiten  mit  l'ilzcn  und  liiikterieu. 


f>9^ 


wie  aus  der  Fi^-.  102«  oliiic  Scliwicrijikcit  /ii  ciitiicliiiicn  i>t.  liilol{,'e  dieser 
siiuircichcii  Konstruktion  ist  eine  uusM-czeichnctc  Dichtun;.'  des  Apparates 
verhür^^t.  Das  untere  Ende  (\vs  Ilalinliolzcns  dai-f  nicht  ühcr  die  Konkavität 


Fig.  lüS. 


Fig.  164. 


r\ 


des  Deckels  InTVorra^'eii.  damit  heim  Abziehen 
desselben  ein  Zerbrechen  des  Hahnes  sicher  ver- 
mieden ist. 

Als  Dichtungsmittel  fiii'  die  Schliffflächeii 
empfiehlt  Arthur  Meyer  beim  (Jebrauch  ih's 
Apparates  in  Temperatui-en  unter  2>^'^  C  wasser- 
freies Lanolin  (Adeps  lanae  pui'iss.  anhydric.  T. 
38 — 40**  C).  P'ür  höhere  Temperaturen  benutzt 
Meyer  ein  geschmolzenes  (Jemisch  von  40  // 
Wollfett  und  80  _y  Karnaubawachs.  Damit  werden 
die  Schhffe  einiicfettet  und  die  Masse  durch 
Drehen  und  Drücken  dei-  anfgepaliten  Schliffteile 
dazwischen  gleichmälUg  blasenfrei  verteilt,  /in- 
Sicherung  des  Verschlusses  zwischen  Hahnbolzen 
und  Tubus  wii-d  die  Rinne  t  noch  mit  frisclige- 
schmolzenem  Lanolin  vergossen. 

Zur  Erleichterung  (\v^  .Vbhebens  des  Deckels 
vom  Kulturvakuum  dient  der  in  Fig.  15;)  abgebil- 
dete Holzblock,  wie  ihn  Hredemann  (I.e.)  an- 
gibt. In  diesen  wiid  das  Kulturvakuum  eing'c- 
schoben  und  dann  der  Deckel,  mit  der  flachen 
Hand  gehalten,  seitlich  wagrecht  abgeschoben. 
Nötigenfalls  wäimt  man  den  Deckelran<l  vorsich- 
tig' mit  der  Dunsenflamme  an. 

Zum  Mes.sen  der  im  Kulturvakuum  herrschenden  Drucke  unter 
Quecksilber  dient  das 


♦.»:> 


mm 


Kulturmanometer  A.  Meyers. 

Dasselbe  ist  unmittelbar  au  dem  Kulfurschalentriiger  n)if  einer  Kuijel- 
aufhängevorrichtung  angebracht,  so  dali  es  sich  von  selbst  immer  .«senk- 
recht einstellen  mub.  Fig.  l.')4  zeigt  uns  das  einseitig  geschlossene 
Manometerrohr  nach  einer  .\l)bildung  aus  Meyers  Heschreibung  in  natür- 
lichei"  (ii'öl'ie.  Dasselbe  ist    \'2^)  txm  lang  und  besitzt  eine  innere  Lichte  von 


596 


F.  Fuhrmann. 


Fig. 155. 


5  mm,  die  an  den  für  die  Messung  bestimmten  Teilen  genau  eingehalten 
ist.  Der  offene  Schenkel  besitzt  bei  K  eine  kugelförmige  Erweiterung,  die 
sich  nach  unten  in  eine  Verengung  (j)  von  etwa  1-5  mm  innerem  Durch- 
messer fortsetzt.  ..15  mm  vom  untersten,  äußersten  Punkte  der  gebogenen 
Stelle  des  Rohres  entfernt  ist  im  offenen  Schenkel  eine  nach  oben  offene 

6  mm  lange  Spitze  (s)  zum  Abfangen  der  Luftl)lasen  eingeschmolzen.*^'  Das 
Manometer  wird  bis  4  mm-  über  die  genannte  Spitze  mit  reinstem,  trockenem 

Quecksilber  gefüEt.  In  die  kugehge 
Erweiterung  K  kommt  zuerst  ein 
wenig  Baumwolle,  dann  ein  Gemenge 
von  Watte  und  echtem  Rausch- 
gold, um  austretende  Quecksilber- 
dämpfe zu  absorbieren. 

Das  Manometer  ist  an  einer 
vernickelten  oder  besser  vergol- 
deten Skala  angebracht,  die  eine 
durchgehende  Mülimeterteilung 
trägt.  Meyer  Heß  zum  leichteren 
Ablesen  je  5  mm  durch  Punkte 
markieren  und  von  10  zu  10  mm^ 
beiderseits  Zahlen  einschlagen.  An 
der  Manometerskala  ist  noch  ein 
in  halbe  Grade  geteiltes  Thermo- 
meter angebracht,  dessen  Meß- 
bereich zwischen  -\-  \2  und  4-  45°C 
liegt. 

Fig.  1 55  stellt  die  Kulturschale 
mit  dem  daran  aufgehängten  Kul- 
turmanometer dar.  Bei  K  ist 
letzteres  in  einer  konischen  Bohrung 
mit  einer  Kugel  aufgehängt.  M  ent- 
spricht dem  Manometerrohr,  wäh- 
rend S  die  Skala  ist.  An  ihr  be- 
festigt ist  noch  das  Thermometer  T. 
Das  Manometer  ist,  wie  ersichthch, 
fertig  gefüllt  und  enthält  in  der  Erweiterung  bereits  die  mit  Schaumgold 
gemischte  Watte. 

Um  nun  auch  Drucke  über  9b mm  Hg  messen  zu  können,  bedient  man 
sich  eines  Quecksilbermanometers,  das  Arthur  Meyer ^)  für  die  Messung 
der  hohen  Sauerstoffkonzentrationen  unter  Überdruck  benutzt.  ]Man  schaltet 
dann   nur  ein  T-Stück   zwischen  Kulturvakuumgefäß    und  ^Manometer,  wie 


*)  Arthur  Met/cr,  Apparat  für  die  Kultur  von  Bakterien  bei  hohen  Sauerstoff- 
konzentrationen, sowie  zur  Bestimmung  der  Sauerstoffmaxiraa  der  Bakterieuspezies  und 
der  Tötungszeiten  bei  höheren  Sauerstoffkonzentrationen.  Zentralbl.  f.  Bakt.  IL  Abt. 
Bd.  16.  1906.  S.  392. 


Die  wichtigstoii  Methoden  beim  Arlteiteu  mit  Pilze»  iiud  Bakterien.  097 


es  Bredemann  (1.  c.)  angibt.  \'orerst  sei 
das  Manonietor  kurz  beschrichcii.  Dieser 
l)ni('kiiior»ai)i)arat  besteht  aus  einem  Ilelier- 
barouieter  und  einem  offenen  Manometer. 
In  der  Fig.  15(3  bedeutet  iidas  IJarumeter 
und  M  das  Manometer.  Beide  sind  auf 
ein  Brett  von  100-1: c;w  Hölie  aufizemacht. 
Das  vertikale  Brett  ruht  auf  einem  (iiiind- 
brett  mit  Stellschrauben,  um  den  Ai)i)arat 
lotrecht  einstellen  zu  können.  Die  Uöhreu 
sind  mit  Milchi^lasplatten  hinterkleidet.  Das 
Barometer  tränt  eine  Haibmillimeterteilunii', 
die  korrespondierend  vorne  und  hinten  an- 
gebracht ist,  was  die  richtige  Ablesung 
sehr  erleichtert.  Das  Manometer  trägt  eine 
gleiche  Einmillimeterteilung.  Beide  Ilöhren 
haben  ihren  Nullpunkt  unten  am  Ende  der 
]\Iilchglasplatten.  Die  Skala  erstreckt  sich 
über  90c»«.  Der  rechte  Manometerschenkel 
trägt  oben  eine  seitlich  gekehrte  kugelige 
Erweiterung,  von  der  eine  Spitze  mit  1/2  ''^'"' 
Bohrung  in  das  Rohr  hineinragt.  Diese  Er- 
weiterung ist  mit  einem  (Jemisch  von 
Watte  und  echtem  Blattgold  angefüllt.  Der 
rechte  Schenkel  mündet  in  die  entspre- 
chende Bohrung  eines  Metallstückes,  in 
das  er  luftdicht  eingekittet  ist.  Mit  einer 
Holländerverschraubung  wird  dann 
der  Druckschlauch  angelegt.  Dieser  fiüirt  f 
nun  zu  dem  schon  früher  genannten 
T-Stück.    Dasselbe  ist  in  "Fig.  157  abge- 


Fig.  167. 


bildet.    I\s    hat  an  den  beiden  horizontalen  Schenkeln  einen    .-ichr   gut  ge- 
schliffenen Glashahn,    au    den    sich    die  Schlauchansätze   anschheCen.    Der 


598  F.  Fuhrmann. 

senkrechte  Schenkel  wird  mit  dem  Schlauchansatz  des  Kulturvakuums  (s) 
durch  einen  guten  Druckschlauch  verbunden.  Alle  drei  Hähne  werden  nun 
geöffnet  und  je  ein  horizontaler  Schlauchansatz  mit  der  Luftpumpe  und  mit 
dem  Quecksilbermanomoter  verbunden.  Nun  pumpt  man  bis  zum  gewünschten 
Manometerstand  aus.  Jetzt  schließt  man  zuerst  den  Hahn  des  Kulturvakuums, 
dann    die   beiden  anderen  Hähne   und   nimmt  Manometer  und  Pumpe  ab. 

„Man  hat,  wenn  man  in  dieser  Weise  verfährt,  allerdings  keine  an- 
dauernde Kontrolle  über  den  im  Kulturvakuum  herrschenden  Druck,  wie 
das  bei  der  Benutzung  des  Kulturmanometers,  welcher  sich  im  Kultur- 
vakuum selbst  befindet,  der  Fall  ist.  doch  läßt  sich  der  Druck  jederzeit 
leicht  kontrollieren.  Zu  diesem  Zwecke  setzt  man  das  System  Kulturvakuum, 
T-Rohr,  Manometer  und  Luftpumpe  wieder  zusammen,  öffnet  nur  die  T-Rohr- 
hähne  und  evakuiert,  bis  das  Manometer  den  zu  kontrollienden  Stand  an- 
zeigt, dann  erst  öffnet  man  den  Hahn  des  Kulturvakuums,  es  mulj  nun 
natürlich,  wenn  der  Druck  unverändert  geblieben  ist,  auch  der  Quecksilber- 
stand des  Manometers  unverändert  bleiben."  i) 

Die  Zucht  mit  dieser  Apparatur  wird  nun  folgendermaßen  aus- 
geführt: 

Das  unmittelbar  vor  dem  Gebrauch  sehr  gut  ausgekochte  Nährsubstrat 
wird  möglichst  rasch  zu  Platten  verarbeitet,  die  dann  nach  dem  Erstarren 
sofort  in  den  Schalenträger  eingesteht  werden.  Hierauf  wird  maximal  eva- 
kuiert. SoU  jedwede  Spur  von  Sauerstoff  entfernt  werden,  so  stellt  man  noch 
eine  Schale  mit  alkaüscher  PyrogalloUösung  ein.  (Siehe  d.  Handbuch,  Bd.  IV, 
S.  1245,  wo  die  am  besten  0  absorbierenden  Gemische  angegeben  sind.  Li 
diesem  Falle  verwendet  man  sofort  die  Lösung,  da  ja  nachherige  Wasser- 
auffüUung  ausgeschlossen  ist.)  LTm  einen  wasserdampfgesättigten  Raum  zu 
haben,  gießt  man  vorher  in  das  Vakuumgefäß  ein  wenig  Wasser.  Die  ver- 
wendeten Petrischalen  sollen  einen  Durchmesser  von  10  mm  haben.  Man 
kann  auch  an  Stelle  einer  PyrogaUollösung  die  Durchspülung  des  Vakuums 
mit  Wasserdampf  anwenden,  um  den  Sauerstoff  zu  verdrängen.  Li  diesem 
FaUe  gießt  man  etwas  mehr  Wasser  ein  und  erwärmt  das  Kulturvakuum 
auf  ca.  26°  C.  dann  evakuiert  man  längere  Zeit,  wobei  das  Wasser  im  Sieden 
bleibt.  Man  mui»  dabei  den  ganzen  Apparat  bei  dieser  Temperatur  halten. 
Außerdem  ist  es  zweckmäßig,  in  diesem  Falle  einen  Schwefelsäureturm 
zwischen  Kulturgefäß  und  Trockenröhre  noch  einzuschalten,  um  in  letztere 
möghchst  wenig  Wasserdampf  zu  bekommen. 

Viel  wichtiger  noch  ist  der  M/yersche  Apparat  aber  für  die  Züch- 
tung in  einer  Atmosphäre  von  bestimmtem  Sauerstoffgehalt.  Um 
nun  zu  möglichst  genauen  Ergebnissen  zu  gelangen,  ist  es  notwendig,  in 
erster  Linie  den  Nährboden  so  luftfrei  als  möglich  zu  haben.  Bekanntlich 
enthalten  die  an  der  Luft  stehenden  Gallerten,  Agar,  Gelatine  und  alle 
flüssigen  Nährsubstrate  ziemlich  beträchtliche  Giengen  Luft,  also  auch  Sauer- 
stoff, die  sich  unter  dei-  Luftpumpe  nicht  so  leicht  ohne  weiteres  entfernen 


')  Zitiert  Bredemann,  Zentralbl.  f.  Bakt..   II.  Abt.    Bd.  23.  1909.  S.  413,  414. 


Die  wichtigsten  Methoden  beim  Arbeiten  mit  Pilzen  und  Bakterien.  r)99 

lassen.  Nach  Bredemann  (1.  c.)  vcii'iilnt  inaii  hei  festen  Niihrsiihstratrii  in 
der  Weise,  dali  man  sie  schon  vor  (h-i'  NCrinipliiniz  im  Xakuum  mit  «'in«»r 
LeiU'htbaivterienknltur  eini-ic  Wochen  hält,  ans  deren  Kiliisclien  tler  M:int.'el 
jedweilen  Sauerstolles  eisclilossen  werden  kann.  Die  ( iallertmihilMtdeii  werden 
1/2  Stunde  im  strömen(k'n  Dampf  eiliit/.t  und  dann  ia<cli.  w()m<i!.dicli  auf 
Eis  erstarren  i^elassen.  Hii'ranf  In-in.nt  man  die  Kühiclien  sofort  mit  «'liier 
frischen  Leuciithakterienknltur  in  das  Knltnrvaknnm.  da>  am  l'.nden  niit 
Wasser  beschickt  ist.  Jet/t  wird  sofui't  mö^licli^t  weit  evakuiert.  Fhissi{;e 
Nährböden  werden  «iieich  beinindelt.  mir  jicht  es  bi-i  ihnen  sciim-ller.  weil 
man  sie  durcli  lici'in^'es  Krwiirmen  mit  (h'iii  \'aknnmapparat  im  sehr  hit't- 
ver(iüiinten  Kaum  auskochen  kann.  Dalx'i  i,Nt  nur  darauf  zu  achten.  d;iL> 
sie  nicht  durch  zu  starkes  Schiiumen  die  Wattebäusche  benetzen.  Cnmittel- 
bar  vor  der  Verimpfuiiii-  werden  die  Ilöhrclien  erst  ans  (h'ni  \akuum  ent- 
fernt, rasch  infiziert  und  sofort  in  die  gewünschte  .Sauerstoffatnmspliäre 
gebraclit. 

Bestiin  niunii'  des  Sauerstoffgehaltes  und  der  driilie  der 
Evakuierung  bei  Verwendung  {{(^^  Kulturmanometers. 

Nachdem  wir  jederzeit  den  Di'uek  und  die  Temperatur  im  Kultur- 
raum bestimmen  können,  sind  wii-  in  der  Lage,  auch  den  Sauerstoffgelialt 
im  Liter  Kulturvakuum  zu  berechnen.  Arthur  Meijcr  (\.  v)  gibt  dafür  dieFor- 
mehi  an.  Für  die  l)estimmung  ist  besonders  eine  genaue  Ablesnng  des 
Druckes  und  der  Temperatur  im  Kultui'vakuum  erfoi-derlich.  'Awr  Lösung 
der  Frage,  wieviel  Sauerstoff  in  einem  Liter  vei-dünnter  Fuff  iles 
•Kulturraumes  von  einem  bestimmten  Druck  (p)  in  Millimetern 
Quecksilber  und  einer  bestimmten  Temperatur  (t)  vorhanden  sind, 
müssen  wir  nach  Arthur  Meyer  (1.  c.)  folgende  Zahlen  kennen: 

den  (behalt  der  Luft  an  Sauerstoff  in  \'olumprozeiiten       =  209 
das  Gewicht  von  1  l  O  bei  0"  und  7H0  mm  Quecksilbei-- 

druck  in(  irammen  für  die  geogiai)liische  Hreite  voiUn"      =  1  1292 
die   Tension    des    gesättigten    Wasserdampfes    bei    der 
Temjx'ratur  t.  ausgediiickt   in  (^)iu'cksill)erhöhen  bei 
0®  und  in  45°  geograi)hischer  Breite  und  am  Meeres- 
spiegel   =  <• 

die    Temperatur    der    .\tm()si)häi-e     im    Kidturvakmiiii 

während  der  Druckai)lesung =  t 

den  Druck  in  Millimetei-n    (^)uecksilbei-  ^rv  Atmo-pli.ni 

im  Kultunaum        ''   V 

den  absoluten   Nidlpimkt ~       2TH' 

r)ie  Formel  lautet    für  die  Üe-timmung  von  Sauerstoff  in  (ii-.immen  = 
2U;9    27:'.  +  ( )     p     e  ybei  t«)     ^.^.,^ 
100  ■  27;i  -F  t  ■         760 
wenn  es  sich   um   einen   wasserdampfgesättigten   IJaum   handelt. 

Sobald  man  aber  an  Stelle  des  Wassers  eine  Kalilange  einfüllt.    w:i.< 
für  die  Absorption  entstehender  Kohlen^:iiire  mitunter  notwendig  ist.   «lann 


600  F.  Fuhrmann. 

inuü  in  obige  Formel  für  e  die  Tension  von  Wasserdampf  aus  Kalilauge  (k) 

eingesetzt  werden. 

n-    17         11     .+  ^         20-9    273+0    p— k(beito) 

Die  Formel  lautet  dann  j^  .  ^^^  ■ f^Q —  •  ^''^^^• 

Meistens  verfolgt  man  den  Zweck,  in  einer  ganz  bestimmten  Sauer- 
stoffmenge im  Liter  züchten  zu  können  und  muß  dann  natürlich  wissen, 
bis  zu  welchem  Druck  (p)  man  zu  evakuieren  hat,  um  denselben  bei  der 
bestimmten  Temperatur  zu  erhalten.  Da  gilt  die  Formel  [Arthur  Meyer,  1906) 

p  -  e  (oder  k)  (bei  t«)  +  fe- 100- 760).(27:3  +  t) 
p_e,^o(RiK;  i  tu  j-^        1-429. 20-9. 273        ' 

worin  g  den  Gehalt  an  Sauerstoff,  in  mg  ausgedrückt,  im  Liter  des  Gas- 
gemisches bedeutet. 

Zur  rascheren  Berechnung  seien  hier  2  Tabellen  über  die  Tension 
des  Wasserdampfes  über  Wasser  und  die  Tension  des  Wasserdampfes  aus 
Lösungen  von  Kaliumhydroxyd  bei  verschiedenen  Temperaturen  angeführt. 

Tabelle  I. 

Tension  des  Wasserdampfes  über  Wasser. 
(Aus  Landolt-Börnstein,  Physikalisch-chemische  Tabellen,  1905.) 


Temperatur  C 

mvi 

15 

12-728 

16 

13-505 

17 

14-450 

18 

15-383 

19 

16-367 

20 

17-406 

21 

18  503 

22 

19-661 

23 

20883 

24 

22-178 

25 

28-546 

Temperatur  C 

mm 

26 

24-987 

27 

26-505 

28 

28103 

29 

29-785 

30 

31-555 

31 

33-416 

32 

35-372 

38 

37-427 

34 

39-586 

85 

41-853 

36 

44-230 

In  der  folgenden  Tabelle  III  (S.  602),  die  von  Bredemann  (1.  c.)  be- 
rechnet ist,  sind  diejenigen  Drucke  p  in  MiUimetern  angegeben,  bis  zu  denen 
bei  den  Temperaturen  von  J5 — 36''  C  (t)  zu  evakuieren  ist,  wenn  im 
absolut  trockenen  Kulturvakuum  (A)  oder  im  Wasserdampf  gesättigten 
Kulturraum  (B)  ein  Sauerstoff gehalt  von  O'l — 25  mg  (g)  im  Liter  vor- 
handen sein  soll. 

Befindet  sich  aber  eine  Auflösung  von  KOH  im  Kulturvakuum,  so 
müssen  die  entsprechenden  Tensionen  aus  Tabelle  II  den  Werten  der 
Tabelle  IIIA  zugezählt  werden.     Als  Beispiel  diene  folgendes: 

Um  einen  Sauerstoffgehalt  von  0-2  mg  im  Liter  bei  16"  C  über 
23-08  Vüig'^^r  KOH-Lösung  in  Wasser  im  Kulturvakuum  zu  haben,  muß 
also  ausgepumpt  werden  bis  zum  Druck 

0-539   +    10-82  =  11-359  mm. 
Wenn  andere  Lösungen  eingestellt  werden,  muß  deren  Tension  nachgesehen 
und  ebenfalls  addiert  werden. 


Die  wichtigsten  Metliodea  beim  Arbeiten  mit  Tilzen  und  Bakterien 


r.oi 


Tabelle  II. 

Tension  des  Wasserdanipf  es  ans  Liisungen  von  K  O  II. 

(Entnommen   ans   liredeniann ,    Bacillns  aniylobacter   A.   M.    et  Hrcdt-mann    in  niorpho» 
logischer,     physiolofrischer    und    systeinatiscbor  Bi'ziohiiiitf.     Zfiitralld    f.   Hakt.   II.  Abt. 

Hd.23.  l'.lll.  S.  41.').) 


10  KOH 

20  KOH 

30  KOH 

10  KOH 

20  K(lH 

30  Kuli 

4- 100  HjO 

4- 100  HjO 

+ 100  U.i( ) 

4- 100  Ji,u 

4  Kh.  11   Ü 

.        l.M,     M      (J 

Tempera- 

9 09»/o 

16-66% 

23  0»»/o 

'l'üinpcra- 

B-09»/o 

~1' 

tur  Grad  C 

KOH 

KOH 

KOH 

tur   (irad  C 

1 

KOH 

Koii 

J\«  fit 

B 

lilliniete 

r 

Milliinnt,. 

r 

1447 

10-00 

8-62 

8-01 

7-31 

22-60 

19  09 

16-25 

10-50 

891 

8-28 

7-56 

2300 

19-(;h 

16-75 

14  92 

1100 

9-21 

8-56 

7-82 

23  65 

2047 

17-43 

15  52 

11-70 

9-64 

8-97 

8-19 

24-00 

20-92 

17-80 

15  86 

1210 

9-90 

9-21 

8-41 

24-50 

21-54 

18-35 

16  35 

12-50 

1016 

9-46 

8-63 

2bm 

22- 19 

18-91 

16-85 

13-00 

10-50 

9-77 

8-92 

25-50 

22  90 

19-52 

17-40 

13-50 

10-85 

1009 

9-22 

26(X) 

23-55 

20-07 

17-«'.l 

13-95 

11-17 

10-39 

9-49 

26-50 

24-26 

20-68 

1843 

14-50 

11-57 

10-77 

9-83 

26-98 

2495 

21-27 

18  96 

1515 

12-06 

11  22 

10-25 

27-50 

2573 

21-94 

1957 

15-30 

12-18 

1133 

10-35 

27-93 

26-38 

22-51 

2007 

lG-00 

12-74 

11-85 

10-82 

28  60 

2744 

2341 

20  89 

16-35 

13  03 

12-12 

1107 

29-UO 

,     2808 

23-96 

2138 

17-00 

1357 

12-63 

11-54 

29-50 

28-91 

24-67 

2202 

17-50 

14-01 

1304 

11-91 

3000 

29-76 

25-40 

22-67 

18-00 

14-46 

13-45 

12-29 

30-65 

30-89 

2637 

23-54 

18-50 

i      14-92 

13-88 

12-69 

3100 

31-51 

26-91 

24-03 

19-00 

15-39 

14-33 

13-09 

31-50 

32-42 

27-70 

24  73 

19-40 

15-78 

14-68 

13-41 

32-13 

33-61 

28-72 

25-65 

20-00 

16-38 

1525 

13  93 

32-50 

34-32 

29-33 

2621 

2025 

16-63 

15-48 

14-15 

33-00 

35-30 

3018 

2695 

21-00 

17-42 

16-22 

14-82 

33-50 

36-31 

31-05 

2776 

21-50 

17-96 

16-72 

15-29 

34  00 

37-34 

31-94 

2856 

21-82 

18-32 

1706 

15-59 

34-50 

38-40 

1 

32-86 

29  38 

Bestimmung  des  Sauerstoffjielialtes    l)ei  An wcihIuii;^    des  (^hnck- 

silluM-inniiomctoi-s  (S.  öHT). 

Bei  dieser  Bestimmuiiii  ist  natürlich  der  llaromctcrstaiid  mit  in 
Eechnunii  zu  ziehen.  Sie  ertolt»t  nach  Artliiir  M/i/i r^)  und  (i.  Ih(dnunnu-) 
nach  Ablesung-  folgender  Daten: 

1.  ..Die  Höhe  der  Quecksilbersäule  des  Hai-onictcrs  —  b  (also  dio  am 
langen  Schenkel  abgelesene  Zahl  in  nnv  (1).  weniiicr  der  abirelesenen  Zahl 
am  kurzen  Schenkel  (k):  1  —    k   =   I)). 

2.  Die  Höhe  der  (,)uecksilbersaule  ih-s  Manometers   =   m." 


')  Arthur  Meyer,  Apparat  für  die  Kultur  von  Bakterien  bei  liohon  Sauerstoff- 
konzentral  ionen  etc.  Zentralblatt  f.  Bakt.  11.  Abt.  Bd.  10.  190«i.  S.  395. 

■-)  G.  Urcdrma/in,  Bacillus  amyloliacter  A.  M.  et  Breiieniann.  /.-ntraibl.  f.  Bakt. 
IL  Abt.  Bd.  23.  1909.  S.  418. 


602 


F.  Fuhrmann. 


Tabelle 


A.  Druckhöhen  (p), 

bis  zu  welchen  zu  evak 

aieren  ist^  wenn 

im  absolut  trockenen  Kult 

urraum 

Temperatur 
Grad  C 

0-1  mg 

g  = 
0-2  »!<7 

g  = 

Q-Zmg 

g  = 

d'img 

g  = 
0"5  m.g 

g  = 

0-6  mg 

g  = 
a-lmg 

g  = 

O-Smgr 

g  = 

0-9  mff 

g  = 

l'O  mg 

g  = 
20m(7 

P 

=  mm 

15 

0-268 

0-537 

0-805 

1-074 

1-342 

1-611 

1-879 

2-148 

2-416 

2-684 

5-369 

16 

0-269 

0-539 

0-808 

1-078 

1-347 

1-616 

1-886 

2156 

2-424 

2-694 

5-388 

17 

0-270 

0-541 

0-811 

1-081 

1-352 

1-622 

1-892 

2-163 

2-433 

2-7U3 

5-406 

18 

0-271 

0-543 

0-814 

1-085 

1356 

1-627 

1-899 

2-170 

3-441 

2-712 

5-425 

19 

0-272 

0-544 

0-817 

1-089 

1-361 

1-633 

1-905 

2-178 

2-450 

2-721 

5-443 

20 

0-273 

0-546 

0-819 

1-093 

1-366 

1-639 

1-912 

2-186 

2-458 

2-731 

5-464 

21 

0-274 

0-548 

0  822 

1-096 

1-370 

1-644 

1-918 

2-193 

2-466 

2741 

5-482 

22 

0275 

0-550 

0-825 

1-100 

1-375 

1-650 

1-925 

2-200 

2-475 

2-750 

5-500 

23 

0-276 

0-552 

0-828 

1-104 

1-380 

1-655 

1-931 

2-208 

2-483 

2-759 

5-518 

24 

0-277 

0-554 

0-831 

1-107 

1-384 

1-661 

1-938 

2-215 

2-492 

2-768 

5-537 

25 

0-278 

0-556 

0-833 

1-111 

1-389 

1-667 

1-944 

2222 

2  500 

2-777 

5-555 

26 

0-279 

0557 

0-836 

1-115 

1-394 

1-672 

1-951 

2-230 

2-508 

2-788 

5573 

27 

0-280 

0-559 

0-839 

1-118 

1-398 

1678 

1-957 

2-237 

2-516 

2-797 

5-593 

28 

0-281 

0-561 

0-842 

1-122 

1-403 

1.683 

1-964 

2-244 

2-525 

2-806 

5-611 

29 

0-281 

0563 

0-845 

1-126 

1-408 

1-689 

1-971 

2-252 

2-533 

2-815 

5-630 

30 

0-282 

0-565 

0-847 

1-130 

1-412 

1-695 

1-977 

2260 

2-542 

2-824 

5-649 

31 

0-283 

0-567 

0-850 

1-134 

1-417 

1-700 

1-984 

2-268 

2-550 

2-834 

5-667 

32 

0-284 

0-569 

0-853 

1-137 

1-421 

1-706 

1-990 

2-275 

2.559 

2-843 

5-686 

33 

0-285 

0-571 

0-856 

1-141 

1-426 

1-711 

1-997 

2-282 

2-567 

2-852 

5-705 

34 

0-286 

0-572 

0-858 

1  144 

1-431 

1-717 

2003 

2  289 

2575 

2-862 

5-723 

35 

0287 

0-574 

0-861 

1148 

1-435 

1-723 

2-010 

2-296 

2-584 

2-871 

5-742 

36 

2-288 

0-576 

0-864 

1-152 

1-440 

1-728 

2-016 

2-304 

2-592 

2-880 

5-761 

B.  Bruckhöl 

len  (p),  b 

s  zu  welchen  zu  evakuiere 

n  ist,  we 

nn  in  dei 

1  w  a  s  s  e 

)  r  d  a  m  p  f  g  e  B  ä  1 1 

igtfn 

Kultur- 

Temperatur 
Grad  C 

g  = 
0"1  mg 

g  = 
0-2  mg 

g  = 

0-3  W(/ 

g  = 

0+  mg 

g  = 

0-5  mg 

g  = 
0  6  mj 

g  = 
0'7  mg 

g  = 
0-8  mg 

g  = 

09  mg 

g  = 

l'O  mg 

g  =^ 
20  mg 

P 

=  vim 

15 

13-0 

13-3 

13-5 

13-8 

14-1 

14-3 

14-6 

14-9 

15-1 

15-4 

18-1 

15-5 

13-4 

13-7 

14-0 

14-2 

14-5 

14-8 

15-1 

15-3 

15-6 

15-9 

18-6 

160 

13-8 

141 

14-4 

14-6 

14-9 

15-2 

15-5 

15-7 

16-0 

16-3 

19-0 

16-5 

14-3 

14-6 

14-9 

15-1 

15-4 

15-7 

15-9 

16-2 

16-5 

16-8 

19-5 

170 

14-7 

15-0 

15-3 

15-5 

15-8 

16-1 

16-3 

16-6 

16-9 

17-2 

19-9 

17  5 

15-2 

15-4 

15  8 

16-0 

163 

16-6 

16-8 

17-1 

17-4 

17-7 

20-3 

18-0 

15-7 

15-9 

16-2 

16-5 

16-7 

17-0 

17-.^ 

17-6 

17-8 

181 

20-8 

18-5 

16-2 

16-4 

16-7 

170 

17-2 

17-5 

17-8 

18-1 

18-3 

18-6 

21-3 

19-0 

16-6 

16-9 

17-2 

17-5 

17-7 

18-0 

18-3 

18-5 

18-8 

19-1 

21-9 

19-5 

171 

17-4 

17-7 

18-0 

18-2 

18-5 

18-8 

19-0 

19-3 

19-6 

22-3 

200 

17-7 

17-9 

18-2 

18-5 

18-8 

191 

19-3 

19-6 

19-9 

201 

22-8 

20-5 

18-2 

18-5 

18-7 

19-0 

19-3 

19-6 

19-8 

20-1 

20-4 

20-6 

23-4 

210 

18-8 

19-1 

19-3 

19-6 

199 

20-1 

20-4 

20-7 

21-0 

21-2 

24-0 

21-5 

19-3 

19-6 

19-6 

20-2 

20-4 

20-7 

21-0 

21-3 

21-6 

21-8 

24-6 

22-0 

19-9 

20-2 

20-5 

20-8 

210 

21-3 

21-6 

21-9 

221 

22-4 

25-2 

22-5 

20-5 

20-7 

21-1 

21-4 

21-6 

21-9 

22-2 

225 

22-7 

23-0 

25-8 

23-0 

211 

21-4 

21-7 

22  0 

223 

22-5 

22-9 

23-1 

23-4 

23-6 

26-4 

23-5 

21-8 

22  0 

22-3 

22-6 

230 

232 

23-5 

23-7 

240 

24-3 

27-0 

240 

22-5 

22-7 

230 

23-3 

23-6 

23-9 

241 

24-4 

24-7 

250 

27-7 

24-5 

23-2 

23-4 

23-7 

24-0 

24-2 

24-5 

24-8 

25-1 

25-4 

25-7 

28-4 

25-0 

23-8 

241 

24-4 

24-7 

24-9 

25-2 

25-5 

25-8 

26-1 

26-3 

29-1 

25-5 

24-6 

24-8 

25-1 

25-4 

25-7 

25-9 

26-2 

26-5 

26-7 

27-0 

29-8 

26-0 

25-3 

25-5 

25-8 

261 

26-4 

26-7 

26-9 

27-2 

27-5 

27-8 

30-6 

26-5 

26-0 

26-3 

26-5 

26-8 

27-1 

27-4 

27-7 

28-0 

28-2 

28-5 

31-3 

27-0 

26-8 

27-1 

27-3 

27-6 

27-9 

28-2 

28-5 

28-7 

290 

29  3 

32-1 

27-5 

27-6 

27-9 

28-1 

28-4 

28-7 

29-0 

293 

29-5 

29-8 

30-1 

32-9 

28-0 

28-4 

28-7 

29-0 

29-2 

29-5 

29-8 

30-1 

30-3 

30-6 

30-9 

337 

28-5 

29-2 

29-5 

29-8 

30-0 

30-3 

30-6 

30-9 

311 

31-4 

81-7 

34-5 

290 

30-1 

30-4 

30-6 

30-9 

31-2 

31-5 

31-8 

32-0 

32-3 

32-6 

35-4 

Die  wichtigsten  Motliodon  licim  Arbeiten  mit  Pilzen  untl  Uuktoricn.  i\()'.\ 


III. 


bei  den  angegebenen  Temperaturen  ein  (((iuhalt  ((ji  von  O'l — 'Jö  iinj  im   Litur  vurliaipl. 


e  = 
30  m^ 


g  =       e  = 
40  mg     5'0  mg 


B  = 

6"0  mg 


S  = 
7'0  mg 


e  = 

8-0  mg 


9  = 

B'O  mg 


e  = 

lO'Om; 


K 

I50»ij/j  ÜU  0  («y;  2ii  'J  ii.g 




_p_=__mni 


8053 
8-081 
8-109 
8137 
8160 
8- 193 
9-221 
8-249 
8-277 

8-3or) 

8333 
8-361 
8-389 
8-417 
8-445 
8-473 
8-501 
8-528 
8-558 
8-585 
8-613 
8-641 


10-74 
10-78 
1081 

10  8.') 
10-89 
1093 
10-96 

11  00 
1104 
1107 
1111 
11-15 
1118 
11-22 
11-26 
11-30 
11-34 
11-37 
11-41 
11-44 
11-48 
11-52 


18-42 
13-47 
13-52 
13  56 
13  61 
13()6 
13  70 
13-75 
13-80 
1384 
13-89 
13  94 

13  98 
1403 
14(18 
1412 
14-17 

14  21 
14-26 
14-31 
14-35 
14-40 


16-11 

18-79 

1616 

18  86 

l(;-22 

18  92 

16-27 

18  99 

16  33 

19  05 

l()-39 

19-12 

16-44 

19-18 

16-50 

19-25 

1()55 

1931 

1661 

19-38 

16-67 

19  44 

16-72 

19-51 

16-78 

19-57 

l(')-83 

19r.4 

16-89 

1971 

l()-95 

19  77 

17  00 

19-84 

17  06 

19-90 

1711 

19-97 

1717 

20(J3 

17-23 

20  10 

17-28 

20- 16 

40  27 

4041 

40-55 

4(m;9 

4()-83 

40-97 

41  11 

41  25 

41  39 

41  53 

41  (17 

41-81 

4195 

4208 

42  22 

42-3r5 

42-50 

42  (U 

42-78 

42-92 

43()(j 

43  20 

53-88 
54-06 
54  25 
54-44 
54  63 
54-82 
5500 
55-18 
5537 
55-55 
55-73 
55-93 
5(5  11 
5(5-30 
56-49 
5(5-67 
56-86 
5705 
57-23 
5742 
57-61 


'..   12 

«57 -.-{5 

(57-5S 

(57hl 

6804 

I5K-27 

68-51 

(5S-74 

68-98 

69  21 

69-44 

(5967 

70  14 

70-38 

70-61 

70  85 

71-08 

71-31 

71-54, 

71-771 

72-ni 


räum  bei  den  angegebenen  Temperaturen  ein  0-üehalt  (g)  von  0*1 — 26  «13  im  Liter  vorbanden  sein  ioll. 


g  = 
3'0  mg 


4"0  mg 


5'0  mg 


g  — 
6'0  mg 


g  = 
7'0  mg 


g  = 
8-0  mg 


g  = 
9'0  mg 


g  = 
lO'Omj 


g  = 
15  0  mg 


g   =:         g  = 
200  mg    26*0  my 


p  =  mm 


20-8 

21-3 

21-7 

222 

226 

231 

23-5 

24-0 

24-5 

25-0 

25-6 

26-1 

267 

27-3 

27-9 

28-5 

29-2 

29-8 

30  5 

31-2 

31-9 

32-6 

33-5 

34-2 

34-9 

35-7 

36-5 

37-3 

38-2 


23-5 

240 

24-4 

249 

25-3 

25-8 

26-2 

26-7 

273 

27-8 

28-3 

28-9 

29-5 

30-1 

30-7 

313 

31-9 

32-6 

333 

340 

34-7 

35-5 

36-1 

36-9 

37-7 

38-5 

39-3 

402 

411 


26-2 

266 

27-0 

27-5 

28-0 

28-4 

28-9 

29-4 

300 

30  5 

31-1 

31-6 

32  2 

32-8 

334 

34-0 

34-7 

35-4 

360 

36-7 

37-4 

38-2 

38-9 

39-7 

40-5 

41-3 

42  1 

43-0 

43-9 


28-8 

29  2 

29-7 

302 

30-7 

312 

31-7 

32-2 

327 

33-2 

33-8 

34-3 

34-9 

35-5 

362 

36-8 

37-4 

381 

38-8 

39  5 

40-2 

410 

41-7 

42-0 

433 

44-1 

449 

45-8 

46-7 


31-5 
32-0 
324 
32-9 
33-4 
339 
34-4 
34-9 
35-4 
35-9 
36-5 
37- 1 
37-7 
38-3 
38-9 
39-5 

40  2 
409 

41  (5 
423 
430 
438 
44  5 
45-3 
46-1 
4(5-9 
47-7 
48-6 
49-5 


342 

34-7 

35-1 

35  6 

38-1 

366 

37-1 

37-6 

38-2 

38-7 

39-2 

39-8 

40-4 

410 

41-7 

42-3 

430 

437 

44-3 

450 

45-8 

46(5 

473 

481 

48-9 

49-7 

50  5 

51-4 

52-3 


36-9 
37-4 
37-8 
38-3 
38-8 
39  3 
39-8 
40-3 
40-9 
41-4 
420 
42-6 
43  2 
43-8 
44-4 
450 
45-7 
46-4 
47-1 
47-8 
48-6 
49-4 
501 
50-9 
51  7 
52-5 
53-4 
543 
551 


396 

4(J-1 

40-5 

41-0 

41  5 

42-0 

425 

43-0 

43-6 

441 

44-7 

453 

45-9 

46-5 

472 

47-8 

48-5 

49-2 

499 

50-7 

51-3 

52-1 

52-9 

537 

54-5 

553 

56-2 

571 

57-9 


53-0 
535 
54-0 
54-5 
550 
55-5 
561 
5(5(5 
57-2 
57-8 
58-4 
590 
596 
60-2 
609 
61-6 
623 
63-0 
637 
64-4 
652 
65-9 
66-8 
(57(5 
685 
(593 
70-2 
71  1 
720 


liC)  .1 
67  U 
67  5 
6S-0 
(585 
690 
696 
70-2 
708 
71-4 
720 
72-6 


79-9 
80-4 
80-9 
81-4 
820 
82-6 
832 
838 
84-4 
85  1 
857 
8(52 


Temperatnr 
Orkd  C 


738 

87t» 

74-0 

87  7 

747 

88-4 ' 

75-4 

89  1 

76-1 

89  9 

7(5-8 

90  6 

776 

91  4 

784 

92  2 

791 

92  9 

799 

.1-1  v 

80-7 

81-5 

'.!.... 

82-4 

9(5  4 

83  3 

97:» 

84  2 

.  ..^    . 

85-1 

i  86-1 

1 

lmi2 

15-0 

15  5 
1(5-0 

16  5 
170 

17  5 
180 

18  5 

19  (» 
19  5 
j(lü 
2»)  .■> 
2111 
2 15 
22  0 
225 
■23  0 
235 
24(1 
24  5 
250 
255 
2(5-0 
26-5 
270 
27  5 
281» 
285 
2*>0 


604 


F.  Fuhr  man  n. 


Tabelle  IV. 


Manometerstand 

mvi 


Baro- 

meter- 
Btand 


15"     160     170     igo     190     20"     21"     22"     23"     24" 


250     26"     27" 


28" 


29" 


30" 


Sauerstoff    mij 


(= 


95 

,Atmosph.) 


760  '|239  237 

750  |i242  241 
740  1245  244 


236 
239 
242 


235 

238 
241 


233  232 
236  235 
240,238 


230 
233 
236 


228  227 


231 
235 


230 
233 


225 
229 
231 


223 

227 
230 


222  220 
225  223 

228.226 


218216214 


22l|219 
224  222 


218 
220 


190 
(=  "/^  Atmosph.) 


760 
750 
740 


2051203  202  2011200:199 
'208  206'205  204'202;201 
210  209  208  206!205|204 


197 
200 
203 


196194 
198197 
201200 


193 
196 
198 


191 
194 
197 


190 
193 
195 


188 
191 
194 


186  185 
189  188 
192,191 


184 
187 
189 


285 
(=  7«  Atmosph.) 


760 
750 
740 


171 
173 
175 


170  169 
172  171 


174  173  172 


168 
170 


167il65 
169  168 
171  170 


164163 


167 
169 


165 
168 


162 
164 
167 


161 
163 
165 


160158 
162161 
164  163 


157 
159 
162 


156 

158 


155 
157 


160159 


153 
155 
157 


380 
(=  V2  Atmosph.) 


760 
750 
740 


137136 
1381.37 
140  139 


135134 
137J136 
138138 


133  132 
135  134 
137  136 


131 
133 
135 


1311130 
132  131 
134  133 


129128127126 


1311129 
132:131 


128127 
130129 


125 
126 

128 


124 
125 
127 


123 
124 
126 


475 
(=  ^/g  Atmosph.) 


760 

102 

102 

101 

101100 

99 

99 

98 

97 

97 

96 

95 

94 

94 

93 

750 

104 

103 

103 

102  101 

101 

100 

99 

99 

98 

97 

96 

96 

95 

94 

740 

105 

105 

104 

103103 

102 

101 

101 

100 

99 

98 

98 

97 

96 

95 

92 
93 
94 


570 
(=74  Atmosph. 


760 

68 

68 

67 

67 

66 

66 

65 

65 

64  64 

63  63 

62 

62 

62 

750 

69 

69 

68 

68 

67 

67 

67 

66 

66  65 

65 1  64 

64 

63 

63 

740 

70 

70 

69 

69 

68 

68 

68 

67 

67  66 

66  65 

65 

64 

64 

61 
62 
63 


665 
(=  Vs  Atmosph.) 


760 

34 

34 

34 

34 

33 

33 

33 

33 

32 

32 

32 

32 

31 

31  i  31 

;  750 

35 

34 

34 

34 

34 

34 

33 

33 

33 

33 

33 

32 

32 

32  31 

|740 

35 

35 

35 

34 

34 

34 

34 

34 

33 

33 

33 

33 

32 

32  32 

31 
31 
31 


3.  Die  Teinperatur  der  Quecksilbersäule  und  der  Luft  im  Kultur- 
vakuum —  t  (Ablesung  nach  längerem  Aufenthalt  der  Zusammenstellung 
im  Arbeitsraum). 

Die  Höhe  der  Quecksilbersäule  p*,  die  dem  negativen  Druck  im 
Kulturraum  entspricht,  wird  erhalten  durch  Subtraktion  der  Höhe  m  der 
Quecksilbersäule  des  Manometers  vom  Barometerstand  b. 

p*  =  b  —  m. 

Diese  wirkliche  Länge  der  Quecksilbersäule  mul>  auf  die  Länge  der 
Säule  bei  0°  (p°)  reduziert  werden  nach  der  Formel: 

pO  =  pt  (1  —  0-000181 .  t). 

Jetzt  rechnet  man  den  Gehalt  g  des  Kulturvakuums  an  Milligrammen 
Sauerstoff  nach  der  Formel 


8' 


20-9    273  +  0    p' 
100  '  273  +  t  ' 


o 


760 


1-4292  .  1000 


Die  wichtigsten  Metliodeu  l)eiui  Arlieitou  mit  l'ilzcii  iiiid  Bakterien.  (JOö 

in  der  e  =  Tension  des  WasserdaiiiptVs  dci-  'hilx-llc  1  ist.  Ist  Kalilautro  im 

Kiilturuefäl),  wird  an  stelle  von   e  k  (Nt  Talieile  11  eiui^n-sctzt. 

Brc'deniann  (l.  v.)  hat  tür  eine  IJejIie  Maiionieterstiiiide  die  /.u^'e|j(iri;.'en 
Sanerstoffiiieiiiieii  berechnet,  die  in  'ralielle  1\  (.S.tK)4)  zuMunnienj.r,. stellt  sind. 

Mit  Hilfe  der  vorhei'  iicnaii  heschrieheneii  .\|)|)ai'at/,usaninieii<telhin;,' 
lassen  sieh  demnach  in  sicherer  Weise  anai-rohe  Knlturen  vornehnieii  nnd 
Ueinziiclituniien  anaerober  lUikterien  ausführen.  Aulierdeni  ist  es  niö^dich.  mit 
ausreichender  (ienauiiikeit  die  Sanerstoffminima  für  M'^a'tative  Üakterien- 
zellen.    für  die  Sporenbildunti    und    für  die  S])(»renkeimunii    zu  bestimmen. 

Kultur  unter  erhöhtem  Druck  in  Preßluft  oder  Preßsauerstoff. 

Unter  den  mehrfach  heschrii'benen  Apparaten  für  rnter>ncluint,'-  des 
Bakterienwachstumes  unter  erhöhtem  Di'uck  in  l'i-eliluft  oder  komprimiertem 
Sauerstoff  steht  an  erster  Stelle  derjenige  von  Arthur  Mci/er.^)  Die  «xanze 
Einrichtung'  besteht  aus  einem  Preliapparat  und  einem  hruckraum 
mit  den  Manometern  etc. 

Als  Preßapparat  dient  eine  Stahlflasche,  die  mit  komi)riniiei-ter 
Luft  iiefüllt  ist.  Dieselbe  hat  einen  Ivauminhalt  von  ca.  10  /  und  die 
Luft  steht  unter  einem  Drucke  von  100  löU  kr/.  An  dem  Stahlzylinder 
wird  mit  Holländerverschranbun^-  ein  ..S-Automat"  aniide^it.  Derselbe  ist 
aus  zwei  Federmanometern,  einem  Druckreduzierventil,  einem  Sicherheit.s- 
ventil  und  einem  Absperrhahn  zusammeniiestellt.  Das  Anschlulirohi- zur  (ias- 
tiberleitunii  in  den  später  zu  beschreibenden  Druckraum  ist  am  besten 
aus  Kupfer  gefertigt.  Das  der  Stahlflasche  zunächst  stehende  Manometer 
dient  zur  Messung  des  (iesamtdruckes  im  Stahlzyhnder,  aus  dem  sich  der 
Iidialt  leicht  berechnen  läßt.  Es  darf  aber  nur  Ins  zu  ein(Mn  Drucke  von 
150  Ay/  gebraucht  werden  und  trägt  eine  Skala  mit  einer  Teilung:  nach 
10  %-Drucken.  Die  in  der  Flasche  befindliche  Luftmenge  imi  wird  nach 
der  Formel  m  =  p .  1  berechnet,  in  der  j)  den  abgelesenen  Manometerdnu'k 
und  1  den  auf  der  Stahlflasche  angeschriebenen  Rauminhalt  derselben  in 
Litern  bedeutet. 

Das  zweite  Manometer  gehört  zum  Druckreduzierventil  und  zeigt 
an,  unter  welchem  Druck  das  in  den  Druckraum  einströmende  (ias  steht. 
Es  wird  entweder  für  einen  Maximaldruck  von  1.')  oder  :\0  hy  geliefert 
und  besitzt  eine  Skala  mit  1  Ay/  Teilung.  In  Verbindung  mit  diesem  Druck- 
messer steht  das  Reduzierventil.  Im  wesentlichen  besteht  es  aus  einem 
Reduzierventilkasten,  in  den  die  Preßluft  aus  einer  beliebig  veränderlichen, 
aber  kleinen  Öffnung  einströmt,  wobei  sie  entspannt  wird.  Kin  Ilebelwt'rk. 
auf  das  eine  Flügelschraube  von  außen  einwirkt,  besorgt  die  feine  Verstellung 
der  Größe  der  Einströmöffnung.  Herausschrauben  der  Flügelschraube  ver- 
mindeit  den  Druck.  Ilineinschrauben  eihöht  ihn.  Das  Druckrednzierventil 
ist  durch  ein  Sicherheitsventil  gesichert.  Inbenützt  soll  die  Druckredu/ier- 
schraube  des  ^■entils  immer  so  weit  herausgeschiaubt  sein,  bis  kein  Feder- 
druck mehr  darauf  herrscht,  was  sich  am  leichten  (lang  sofort  bemerkbar 


606 


F.  Fuhrmann. 


Flg.  158. 


macht.  Zum  Gebrauch  schUeiit  man  den  Automaten  au  die  Stahlflasche 
an,  dann  öffnet  man  langsam  den  Radhahn  des  Stahlzyhnders  und  über- 
zeugt sich  vom  herrschenden  Druck  in  demselben.  Hierauf  schraubt  man 
vorsichtig-  die  Fliigelschraube  des  Druckreduzierventils  so  weit  hinein,  bis 
das  Manometer  desselben  den  gewünschten  Arbeitsdruck  anzeigt.  Unter 
diesem  strömt  dann  nach  Öffnung  des  Absperrliahnes  am  Automaten  die 
Preßluft  so  lange  aus,  als  der  Innendruck  in  der  Stahlflasche  ausreicht. 
Der  ..Druck räum"  ist  ein  für  Preßgase  besonders  konstruierter 
Autoklav  aus  Kupfer,  der  auf  50  hj  Druck  geprüft  ist  und  zum  Arbeiten 

bis  25  kg  dient.  Der  Druck- 
raum selbst  ruht  in  einem 
eisernen  Mantel,  der  auf 
einem  Arbeitstisch  mit  3 
Schrauben  fix  befestigt 
wird.  Der  Druckraum  ist 
mit  Zapfen  in  diesen 
Mantel  fest  eingelagert. 
Fig.  158  zeigt  uns  den 
ganzen  Druckapparat  in 
A^rbindung'  mit  dem 
Reduzierventil  und  der 
Stahlflasche  fertig  zu- 
sammengestellt. Mit 
einem  starken  Mantel, 
der  mit  drei  Schrau- 
ben am  Tische  befestigt 
ist,     ist     in     verschraub- 


ten 


Lagern     der 


eigent- 


liche Druckraum  fest  ver- 
bunden. 

In  der  Fig.  159  ist 
(las  zylinderförmige  Druck- 
gefäß mit  dem  nebenhe- 
genden Deckel  wiedergege- 
ben. Das  Druckgefäß  A' 
ist  20  cm  hoch  und  hat  oben  bei  R  einen  äußeren  Durchmesser  von  15-5  cm, 
unten  einen  solchen  von  1;V5  cm  und  einen  Piauminhalt  von  2000  cm^.  Oben 
am  KulturgefäL)  ragt  nach  außen  und  innen  ein  8-5  cm  breiter  Rand  E  vor.  so 
daß  die  Öffnung  des  Raumes  nur  8'5  cm  im  Durchmesser  mißt.  Dieser  breite 
Rand  besitzt  vier  konzentrische  Ringrillen.  ITnter  dem  Rande  befindet  sich 
der  dicht  angelegte  Eisenring  E.  in  dem  auf  Zapfen  drehbar  der  starke 
Stahlbügel  B  mit  der  Schraube  S  ruht.  Die  Schraube  drückt  den  Deckel 
nieder.  Der  Deckel  selbst  ist  aus  Phosphorbronze  gefertigt  und  nach  oben 
gewölbt.  Mit  einem  3'5  cm  lireiten  Rande,  der  ebenfalls  4  Rillen  trägt, 
sitzt  er  auf  dem  Rande  des  Kulturgefäßes  auf.  Außerdem  paßt  er  mit  der 


Die  wichtigsten  Motliodeii  beim  Arlioit<ti  mit   Pil/on  iitnl  H:iktori<-n. 


00' 


wenig-  vorspringenden  IJiniileiste  /•'  n(.„;,,i  in  .lic  (^ffnnn-  do  letzteren.  In 
den  Deckel  sind  eini-cliitet  inid  verseliranht  -J  lliilireii  (siehe  Kjjr.  ir,y,_  ^,„„ 
denen  eine  das  Sicherheitsventil  und  die  mit  einem  ll.ihne  verschlieU- 
hare  AnsströnKiffnuni:  tränt,  die  andere  ein  Mandmet.-r  iiiul  die  mit 
einem  Hahne  ahzu-schiiellende  Kinstriimiilinung.  Das  Sicherhritsventil  ist 
ähnlich  demjenigen  des  Druckreduzierventiles  gehaut.  Wichti-  ist  die 
Kenntnis  der  Konstruktion  des  Einst  röm  h  a  h  nes.  weil  des.sen 
Dichtung  al)  und  zu  ausgewechselt  werden  muH.  In  Fig.  160  ist  ein 
Längsschnitt     durch     die 

Teile    desselben   wiedei'ge-  Fi«.  159. 

geben.  Arthur  Meyer  ^) 
(I.e.  S.n91)  beschreibt  den 
Halm:  ..Das  Stück  h  sitzt 
an  dem  »Einströmrohre« 
seitlich  an.  DiePrelMuft  tritt 
dui'ch  ein  Loch  /  ein.  der 
Kanal  a  führt  nach  dem 
Kulturräume,  r  ist  die 
Lederscheibe,  welche  beim 
Zuschrauben  des  Hahnes 
die  Öffnung  a  schließt; 
k  ist  eine  Kautschukplatte, 
welche  zwischen  die  Rän- 
der y.  und  3  geklemmt 
wird,  wenn  die  Kappe  d 
überdas  Stück  b  geschraubt 
worden  ist.  Das  Stück  z 
wirtl  fest  auf  die  Schraube  8 
aufgeschraul)t  und  dichtet 
dabei  die  Kaut.schukscheibe 
an  der  Schraube  ab.  Das 
Stück  ^  der  Schraube  .v 
paßt  in  das  Loch  des  Zwi- 
schenstückes 0  so.  (lall  es 
sich  leicht  darin  dreht. 
Zieht  man  die  Schraube  s 
an ,  so  schUeßt  man  die 
Öffnung  a.  Die  Kautschuk- 
platte k  schlielit    daueriK 


Ki?.  160. 


1    den    \(tii    ilii'    Iiedeckten   liaum   in  /'  ab." 


Dem  Apparat  ist  ein  entspi'echendes  Federmanometer  beigegeben, 
dessen  Skala  nach  ^likgDrnvV  eingeteilt   \<\.    In    den    meisten  Fällen    ge- 


')  Arthur  Meyer,  Apparat  für  ilie  Kultur  von  UaUtoricu  bei  hohen  Sauerstoff- 
konzeiitrationeii,  sowie  zur  Bestimiiiiiniu'  «It'r  Saucrstnffiuaxinia  der  IJakterieuspezies  und 
der  Tötungszeiten  bei  höheren  Sauerstoffkouzentratiunen.  /entnlM  f  Bakt.  11.  Alit. 
Bd.  16.  1906.  S.  386. 


608  F.  Fuhrmann. 

nügt  dieses  Maiioineter.  Für  relativ  niedere  Drucke  unter  5  kg  empfiehlt 
sich  die  Anschaffung  eines  zweiten  passenden  Federmanometers,  welches 
eine  in  Vio  %  geteilte  Skala  mit  dem  Meßbereich  von  1 — 5  kg  aufweist. 
Für  die  Messung  sehr  niedriger  Überdrucke  von  1 — 2  kg  verwendet  Arthur 
Meyer  sein  ..Quecksilbermanometer'",  das  im  vorhergehenden  Abschnitt  auf 
Seite  597  bereits  beschrieben  ist. 

Das  Arbeiten  mit  diesen  Apparaten  gestaltet  sich  nun  nach  Arthur 
Meyer  (1.  c.  S.  893)  folgendermaßen:  ..Man  stellt  zuerst  das  Reduzierventil 
des  Preßgasapparates  auf  den  Druck  ein,  bei  dem  das  Wachstum  statt- 
finden soll,  stellt  dann  die  Kulturen  in  den  Druckraum,  dessen  Boden  man 
mit  etwas  Wasser  bedeckt  hat  und  legt  den  Deckel  auf. 

Dazu  wird  die  vorher  in  Wasser  getauchte  Gummischeibe,  wenn  sie 
noch  neu  ist,  am  Rande  mit  einer -Marke  (einem  sehr  kleinen  Ausschnitt 
z.  B.)  versehen  und  so  auf  den  Rand  des  Deckels  aufgelegt,  daß  die  Marke 
über  der  Zahl  liegt,  die  sich  am  Rande  des  Deckels  befindet.  Der  Deckel 
wird  dann  so  aufgelegt,  daß  seine  Zahl  über  der  in  den  Rand  des  Kultur- 
gefäßes eingeschlagenen  Zahl  zu  liegen  kommt."  Dann  stellt  man  den 
Bügel  hoch  und  schraubt  die  Schraube  desselben  (s.  Fig.  159)  fest,  damit 
der  Deckel  stark  niedergedrückt  wird  und  so  Rillen  in  die  neue  Scheibe 
gepreßt  werden.  Alle  Viertelstunden  etwa  4 — 5mal  wird  die  Schraube  mit 
dem  Schlüssel  maximal  nachgezogen.  Dann  erst  nimmt  man  den  i\.pparat 
in  Gebrauch.  Man  verbindet  den  Preßapparat  mit  dem  Druckapparat  und 
läßt  nach  richtiger  EinsteUung  des  Reduzierventils  durch  Öffnen  des  Ein- 
strömhahnes langsam  so  lange  Preßluft  einströmen,  bis  das  Manometer  des 
Druckgefäßes  den  gewünschten  Druck  anzeigt.  Dann  schheßt  man  alle 
Hähne.  Bei  der  Entnahme  der  Kulturen  ist  darauf  zu  achten,  daß  nur 
langsam  die  Luft  aus  dem  Druckgefäße  ausströmt,  wozu  die  Auslaßöff- 
nung unter  dem  Sicherheitsventil  (Fig.  158)  dient.  Gallertige  Nährböden 
werden  sonst  von  der  rasch  ausströmenden  Luft  vollständig  zerrissen.  Des- 
halb vermindert  man  zuerst  den  Druck  auf  etwa  2  kg  und  schheßt 
wieder  den  Druckraum.  Jetzt  lüftet  man  ein  wenig  die  Verschlußschraube 
am  Bügel,  damit  der  noch  herrschende  Überdruck  den  Deckel  lockert. 
Dann  erst  läßt  man  langsam  die  Preßluft  vollständig  austreten. 

Die  in  dem  Druckgefäß  herrschenden  Sauerstoff  mengen  werden 
nun  nach  A.  Meyer  (1.  c.)  nach  folgender  Formel  berechnet,  wenn  Feder- 
manometer zur  Anwendung  kommen: 

M-u-  n-     1      ü    PI  u      '^0"9    273-hO    a  +  (k.  735-5)    .  ,_,   ^^^. 

Mdhgramm  0  in  der  Preßluft  =  -^-ir— .  ^^^  ,  ^  . — — .  1-4292 .  1000. 

100    2<o-f- 1  7dO 

Darin  bedeutet: 

t  =  Lufttemperatur  in  dem  Drucki-aum  bei  der  Manometerablesung ; 
a  =  Barometerstand  bei  der  Aichung  des  Manometers; 
k  =:  am  Manometer  in  Kilogrammen  abgelesener  Druck  im  Druckraum  ; 
209  =  Volumprozente  0  in  der  atmosphärischen  Luft; 
— 273  =  absoluter  Nullpunkt. 


Die  wichtigsten  Methoden  beim  Arbeiten  mit  I'ilzou  und  Bakterien 


»;(K» 


7H5-Ö  =  Höhe  oiiior  Quccksilhcrsäuli'  in  Milliiiictcni.  die  bei  0"  1  kg  ürurk 
aiit   den   (^)ii;i(lratz('iitini('t('r  aiisülil: 
1  "421)2  =  (k'wiclit  eines  Liters  O  hei   li\{)  intn   (,Mn'ck>illiei-.  <»' uuu -io-  yeu- 
iiTuphische  lireite.   in   (Iranmien   aiis^ediiickt. 

Für  das  nowöhnliclie  Federnianonieter  ist  t'ilr  k  7>>(J  einzusetzen.  IV'i 
den  t'eiueii  Federinaiiuineteni  ist  der  Üaroinetersfand.  hei  dem  sie  L'e.iicht 
wurden,  angegeben. 

Die  folgende  ZusainniensteUnng  I  enthalt  die  Konzentration  des 
Sauerstoffes  in  dem  mit  Preltluft  gefüllten  Kulturgefäli.  ausgedrückt 
in  Milligrammen  im  Liter  hei  einem  riieidruek  von  2 — 20  Av/  und  den 
Temperaturen  zwischen  17  und  "JS"  ('  unter  NCrwendnuL!  de<  Feilerniano- 
meters.  (Nach  A.  Meyer,  1.  c.  S.  :>95.) 

Tabelle  I. 


Am     1 
Manometer 
abgelesener 
Druck 

Luttt 

umperatiir  im  Ürui-kge 

fuU,  (irad  l 

17 

18 

19 

20 

21 

22     23 

24 

26 

se 

n*T 

2 

824 

821 

818 

816 

813 

810 

807 

804 

802 

799 

797 

3 

1097 

1093 

1089 

1086 

1082 

1078 

1075 

1071 

1067 

10C)4 

106(J 

4 

1372 

1368 

1363 

1358 

1354 

1349 

1344 

1340 

1335 

1331 

1326! 

5 

1642 

1636 

1631 

1625 

1620 

1614 

1609 

161)3 

1598 

1593 

1588 

6 

1915 

1908 

1902 

1895 

1889 

1883 

1876 

1870 

1863 

1857 

1851 

7 

2185 

2177 

2170 

2163 

2155 

2148 

2141 

2133 

2126 

2119 

2112 

8 

2458 

2449 

2442 

2433 

2424 

241(5 

2408 

2399 

2:i92 

2--t84 

2H76 

9 

2728 

2718 

2709 

2700 

2691 

2682 

2672 

2()63 

2654 

2646 

2637 

10 

3001 

2990 

2980 

297(J 

2960 

2950 

2940 

2930 

2920 

2910 

2900 

11 

3273 

8262 

3251 

3240 

3229 

3218 

3207 

3196 

3185 

3175 

MM 

12 

3546 

3534 

3522 

3510 

3498 

3486 

3474 

3464 

3451 

:i439 

34  2S 

13 

3819 

3805 

3793 

3780 

3767 

3754 

3741 

3728 

3716 

3704 

3692 

14 

4091 

4077 

4064 

4050 

4036 

4022 

4(X»9 

3994 

3982 

39C>8 

3955 

15 

4364 

4349 

4335 

4320 

4305 

4  290 

4276 

426! 

4247 

4233 

4219 

20 

5714 

5694 

5675 

5655 

5636 

5617 

5598 

5578 

5561 

5542 

5524 

794 
1057 
1322 
15X2 
1845 
2105 
2.3r>8 
2628 
2891 
31.54 
3416 
3679 
3942 
42(J5 
5:)05 


Wird  zur  Messung  von  Überdrucken  unter  '2  kg  das  ..Quecksilher- 
manometer-  benutzt,  dann  inuli  besonders  langsam  die  rrel''luft  in  das 
DruckgefäU  eingelassen  werden.  Aul'.erdem  müssen  die  Apparate  hmgere 
Zeit  in  dem  gleichtemperierten  Arbeitsraum  stehen,  damit  alle<  L'leiclimär.iir 

erwärmt  ist. 

Zur  Berechnung  der  im  Liter  Druckluft  vorhandenen  Sauerstoffnienge 

bestimmt  man  folgende  Gröl'ten: 

L  Die  Höhe  der  drückenden  (.»uecksilbersäule  (p'i  Man  liest 
am  Barometer  den  Quecksilberstand  am  langen  (1)  und  kurzen  {k)  Schenkel 
ab.  1—k  =  Barometerstand  =  b.  Die  gleiche  Ablesun-  macht  man  an  der 
Qupcksilhersiude  d(>s  Manometers.  1'-  k'rr:  .Manometerdruck  =:  m.  Baronieter- 
druck  und  .Manonn'terdruck  addiert  n-eben  den  Druck  im  Innern  des  TrcÜ- 

gefiißcs  (pM: 

p'  =  b  +  m. 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemifchi-n  Arbeiiinipthodcn.  V.  39 


610 


F.  Fuhr  manu. 


2.  Temperatur  (t)  der  Quecksilbersäulen  und  der  Preßluft  im  Druck- 
raum, t  muß  in  beiden  gleich  groß  sein,  weshalb  man  die  Zusammen- 
stellung einige  Zeit  stehen  läßt,  bis  der  Temperaturausgleich  erfolgt. 

3.  p*  muß  nun  auf  p^  reduziert  werden,  p"  entspricht  der  Länge  der 
bei  t  Graden  gemessenen  Quecksilbersäule  bei  0". 

pO  z=  pt  (1—0-000181 1). 

4.  Dann  ist  aus  der  Tabelle  (8. 600)  die  Tension  (e)  des  Wasserdampfes 
über  Wasser  in    Millimeter  Quecksilber  bei  Temperatur  t  nachzusehen. 

Die  Berechnung  der  Sauerstoff  menge  im  Liter  der  Preßluft  in  Milli- 
grammen erfolgt  nach  der  Formel: 

20-9    2T3^fO    po-e 

100    273  +  t       760  ■ 

worin  die  übrigen  Größen  dasselbe  bedeuten,  wie  in  der  früheren  Formel 
auf  S.  608. 

Arthur  Meyer  (1.  c.  S.  396)  hat  eine  Zusammenstellung  ausgearbeitet, 
die  in  Milligrammen  die  Sauerstoff  mengen  im  Liter  der  Preßluft  für  Drucke 
z^^1schen  760  und  1550»?«?  Quecksilber  und  Temperaturen  zwischen  17 
und  28°  C  angibt  und  im  folgenden  als  Tabelle  II  wiedergegeben  ist. 


Tabelle  IL 


Abgelesener  u.  berechneter  ; 
Überdruck 

(pt) 

Ijufttemperatur  im  Druckgefäß,  Grad  C 

17 

18 

19 

20 

21 

22 

23 

24 

25 

26 

27 

28 

mm  Hg. 

760 

275 

274 

272 

271 

270 

268 

267 

265 

264 

263 

261 

260 

800 

290 

288 

287 

286 

284 

283 

281 

280 

278 

277 

275 

274 

850 

308 

307 

305 

304 

302 

301 

299 

298 

296 

295 

293 

292 

900 

327 

325 

324 

322 

320 

319 

317 

316 

314 

312 

311 

309 

950 

345 

344 

342 

340 

339 

337 

335 

334 

332 

330 

329 

327 

1000 

363 

362 

360 

359 

357 

355 

353 

352 

350 

348 

347 

345 

lOöO 

382 

380 

378 

377 

375 

373 

372 

370 

368 

366 

364 

362 

1100 

400 

399 

397 

395 

393 

391 

390 

388 

386 

384 

382 

380 

1150 

419 

417 

415 

413 

411 

409 

408 

406 

404 

402 

400 

398 

1200 

437 

435 

433 

432 

430 

428 

426 

424 

422 

420 

418 

416 

1250 

456 

454 

452 

450 

448 

446 

444 

442 

440 

438 

436 

434 

1300 

474 

472 

470 

468 

466 

464 

462 

460 

457 

455 

553 

451 

1350 

492 

490 

488 

486 

484 

482 

480 

478 

476 

473 

471 

469 

1400 

510 

509 

507 

505 

502 

500 

498 

496 

494 

491 

489 

487 

1450 

529 

527 

525 

523 

520 

518 

516 

514 

512 

509 

507 

504 

1500 

548 

546 

543 

541 

539 

536 

534 

532 

529 

526 

524 

522 

1550 

566 

564 

561 

559 

557 

555 

552 

550 

547 

545 

542 

540 

1 

An  Stelle  von  Preßluft  kann  natürlich  auch  komprimierter  Sauer- 
stoff oder  Stickstoff  etc.  verwendet  werden.  In  diesem  P'alle  muß  zu- 
erst das  käufliche  komprimierte  Gas  auf  seine  Reinheit  mit  den  ül)hchen 
chemischen  Methoden  untersucht  werden.  Wenn  ^Verunreinigungen  vor- 
liegen, so  ist  der  Yolumprozentgehalt  s  an  reinem  Gase  nach  den  gas- 
analytischen Methoden  zu  ermitteln,  nachdem  man  das  verunreinigte  Gas 
von  der  Kohlensäure  befreit  hat. 


Dio  wichtigsten  Methoden  heim  Arheiten  mit  l'ilzen  und  Uaktcrien.  ßj  \ 

Dil'  lU'i-ccliiiiniii  der  Saiicrstoffmoiiirc  in  Miiii-iuiuuu-u  un  i.ilcT 
erfolgt  nach  der  aui'  Seite  (;U8  an.gcgchcnt'n  Forim-l  iür  die  IJcstimnnm^ 
des  Luftsaiierstoffes,  in  der  an  Stelle  der  (Iröl'.e  für  200  (\(iliiinj)i-n/i'iit  o 
dei-  Lnft)  s  einj^esetzt   wird.    Sie  lantet   denmacli 

s      273  +  0    760  +  (k.73rr5)  ,.-,,,, 
100    273 +  t  760  -i-i-'A  "^ 

wenn  das  f»ewöhnlielie  Federmanometer  zur  Anwendiinj^  },'elanf^t.  Aualo;,' 
kann  man  auch  die  Menden  anderer  komi)iimierter  (iasc  berechnen.  Wird 
nur  mit  schwachen  Überdrucken  bis  2%  ^^earbeitet.  so  kann  natürlich  auch 
das  Cjuecksilbermanometer  Verwenduuf»'  finden.  15ei  der  IJerechnunj^  i.st  die 

Formel  der  Seite  (310  entsprechend  al)zuäud<'rii. 

Gewinnung  und  Zucht  der  Eisenbakterien. 

Malisch^)  ist  es  gelungen,  auch  Keinkultureii  von  Hiseiibakterien  zu 
erhalten.  Auch  gibt  er  uns  eine  Reihe  leicht  zugänglicher  Fundstellen  für 
die  (iewinuung  bekannt,    auf   die  vorerst    niihei'  eingegangen    werden  soll. 

Siderocapsa  Treubii  nov.  gen.  et  nov.  sp.  (Molisch,  1.  c.) 

Eine  weit  verbreitete  Wasserbakterie,  die  auf  zalihcichen  einiii-tauch- 
ten  Teilen  höherer  Wasserpflanzen  des  Süliwassers  epiphy tisch  lebt.  Man 
erhält  sie  rasch,  wenn  man  ältere  Sprossen  von  Floilea.  liie  l'nterseite 
der  Xyinphaeablätter  oder  ..Wiirzelhaare"  von  Salvinia  auriculata  mikro- 
skopiert. Die  Oberfläche  dieser  Teile  erscheint  von  einer  ockerfarbigen 
Kruste  überzogen,  die  von  lauter  kleinen  hellen  Höfen  durchsetzt  ist.  l'.ei 
der  Behandlung'  der  Kruste  mit  dem  Schiffsdwn  IJeagcns  auf  .Vldeh\  d  be- 
merkt man  in  dem  tiefrot  umwallten  runden  Hof  die  i'.akterienzellen  von 
Kugelform. 

Chlamydothrix  sideropous  n.  sp.  (Molisch,  1.  c.) 

Soll  nach  Molisch  eine  häufige  Art  si'in.  die  Fäden  bildet  und  in 
Haftscheiben  auf  Blättern  verschiedener  Wasserpflanzen  festsitzt.  Die  Zell- 
fäden speichern  in  ihrer  Scheide  an  der  Spitze  kein  Fiisen.  wohl  aber  ist 
ihre  Basis  und  l)eson(lers  die  rundliche  Haftscheibe  von  Fisenowdhydrat 
durchsetzt.  Die  Zellen  haben  eine  zylindrische  (iestalt. 

Auch  die  anderen  Iv.seubakterien  C/Iadothrix.  t'renothrix.  i.eptotlirix. 
Clonothrix  und  (iallionella  sind  Wasserbewohner  und  finden  sieb  /iiinlich 
häufig  in   den  stärkei-  eisenhaitiucn    Wässern. 

Nährsubstrat  für  die  Zucht  von  Leptothrix  ochracea.  (Molisch.  1.  c.) 

100(1      ;/  Torfwasser, 
0"2ofj  Mangaii])ept()!i. 
100       ,/  (ielatiiic. 


')  Jfan.s  Molisch,  Die  Eiseukikterien.  (iustav  Fisciior.   Jena    lUlO. 

39» 


612       F.  Fuhrmann.  Die  wichtigsten  Methoden  beim  Arbeiten  mit  Pilzen  etc. 

Vor  dem  Erstarren  durch  Zusatz  von  Xormalkalilauge   leicht  alkahsch  zu 
machen. 

Das  Torfwasser  wird  durch  Auskochen  eines  faustgroßen  Stückes 
Torfziegel  in  1  Liter  destilliertem  Wasser  hergestellt. 

Manganpepton  scheint  eine  sehr  ungleiche  Substanz  zu  sein,  da 
Molisch  mit  Proben  verschiedener  Herkunft  mitunter  schlechtere  Erfolge 
hatte.  Er  empfiehlt  besonders  das  Manganpepton  der  chemischen  Fabrik 
List,  Seelze  bei  Hannover. 

Für  die  Reinzucht  dieser  Eisenbakterie  empfiehlt  Molisch  die  Anlegung 
einer  Rohkultur  in  einer  O^öö^/oigen  Manganpeptonlösung  im  Prager  Lei- 
tungswasser (Flußwasser),  in  der  sich  die  Leptothrix  besonders  an  der 
Oberfläche  als  braune  Haut  ansiedelt.  Von  der  Vorkultur  legt  man  eine 
Kultur  in  einer  2^/oigeB.  Peptonlösung  im  Moldau (Fluß-)wasser  an.  In 
dieser  stickstoffreichen  Nährlösung  bilden  die  Fäden  rasch  Schwärmer  aus, 
die  dann  in  der  Plattenkultur  mit  dem  erstgenannten  Gelatinenährboden 
reinsezüchtet  werden. 


Darstellung  von  Lipoiden  aus  (iehirn  und  andiMm 

Geweben. 

Von  Sii^muiul   Friliikrl,  Wien. 

In  Folgendem  sollen  hauptsächlich  die  Methoden  beschrioboii  worden, 
welche  in  unserem  Institute  zur  Aufurheitung  der  Lipoide  \'er\vendim},' 
finden  und  insbesondere  diejenigen,  welche  sich  auf  die  Verarbeitung  des 
Gehirns  beziehen.  Für  die  anderen  Organe  müssen  jeweilig  die  Methoden 
abgeändert  werden,  nach  speziellen  Plrfahrungen,  welche  man  erst  bei  der 
Aufarbeitung  gewinnt.  Uns  stehen  solche  Krfahruiigen  für  Leber,  Neben- 
niere, Niere,  Placenta,  Pankreas,  Magen-  und  Darnischleinihaut,  sowie  für 
Prostata  zur  Verfügung.  AVir  haben  es  bei  einzelnen  ( M<ranen  v<)r<,'ezo;ren, 
statt  der  Reihenfolge  der  Extraktionsrnittel :  Aceton,  l'etroläther.  Alkolnd 
oder  Ligroin,  gleich  mit  Petroläther  zu  beginnen  und  dir  petrolätiieri.sche 
Fraktion  vorerst  mit  Aceton  und  dann  erst  mit  Alkohol  zu  scheiden 
fs.  p.  685).  Will  man  nur  einzelne  Substanzgruppen  gewinnen  und  die  übrigen 
vorläufig  nicht  verari)eiten ,  so  kann  man,  je  nach  l!e<l;irf.  die  hier  be- 
schriebene und  vorgeschlagene  Methodik  entsprechend  verkürzt  anwenden. 

Eine  der  wichtigsten  Fragen  und  jedenfalls  das  schwierigste  Problem 
bei  der  Aufarbeitung  und  Gewinnung  der  Lipoide  ist  das  Trocknen  de.s 
zu  untersuchenden  Materials.  Wir  haben  nach  dieser  Richtung  hin  die 
verschiedensten  Versuche  gemacht  und  keine  in  der  Literatur  vorhandene 
Angabe  unberücksichtigt  gelassen  und  sind  nun  in  der  Lage,  auf  (Jrund 
unserer  sehr  ausgebreiteten  Erfahrung  positive  \'orschläge  zu  macln-n 
und  Verfahren  anzugeben,  deren  wir  uns  selbst  bedienen,  die  wir  aber 
keineswegs  als  endgidtig  ansehen,  weil  wir  vielmehr  bemidit  sind,  unsere 
Methodik  fortwährend  zu  verbessern  und  die  gute  durch  eine  bessere  zu 
ersetzen.  Nicht  in  letzter  Linie  kommt  hier  die  (reldfrage  sowi«»  die  Frage 
nach  der  Feuergefährlichkeit   der  Aufarbeitung  großer  Massen  in  Betracht 

Leider  sind  in  letzter  Zeit  einige  Kritiken  der  Methoden  der  Lipoid- 
forschung  erschienen,  die  lediglich  vom  Schreibtisch  aus  auf  Crund  von 
Literaturexzerpten  die  Arbeitsmethoden  beurteilen  ');  keineswegs  aber  können 
solche  Kritiken  und  Ratschläge  einen  Fortsciiritt  auf  diesem  experimentell 
sehr  schwierigen  (iebiete  zeitigen,  \ielmelir  ist  es  notwendig,  d.il.  lediglich 
die  experimentell  Lipoide  bearbeitenden  P'orscher  ihre  Erfahrungen  aus- 
tauschen   und    fortwährend   \erbesserungen    au   ihrm   Methoden  einführen. 


•)  Vor  allen  soi  hier   auf  ./.  Ihimi,    (."liomif    und  Biorhcmi"     '  •    Lipoide    W 
baden  bei  J.  F.  Bergmann,  1911,  p.  27—44.  verwiesen. 


ßl_j.  Sigmund  Fränkel. 

Entwässerung,  Trocknung. 

Die  älteren  Forscher  bedienten  sich  zur  Entwässerung,  insbesondere 
des  Gehirns,  des  Äthylalkohols  und  diese  Methodik,  die  nun  weit  über 
100  Jahre  alt  ist,  war  bis  in  die  letzte  Zeit  die  vorherrschende.  Die  Me- 
thodik der  Alkoholbehandlung,  die  nicht  nur  eine  Entwässerung,  sondern 
zugleich  eine  Extraktion  ist,  hat  mehrere  Kachteile.  In  den  Alkohol  gehen 
außer  dem  Wasser  auch  die  ungesättigten  Phosphatide  über  und,  wenn 
man  später  heißen  Alkohol  verwendet,  zugleich  die  gesättigten  Verbindun- 
gen überhaupt,  so  daß  man  mit  dem  Alkohol  aus  dem  Gehirn  bei  kalter 
und  warmer  Verwendung  dieses  Lösungsmittels  bis  auf  das  Kephalin,  welches 
in  dem  Phosphatidgemenge  trotz  seiner  Unlöslichkeit  in  Alkohol  zum  Teil 
in  Lösung  geht,  fast  alle  lipoiden  Substanzen  extrahieren  kann.  Die  großen 
Schwierigkeiten,  aus  diesem  extrahierten  Gemenge  dann  die  einzelnen 
Gruppen  und  Substanzen  zu  isoheren,  findet  man  ausführlich  in  Thudichums 
Buch  über  Gehirnchemie  1)  beschrieben.  Ich  habe  in  meiner  Darstellung  der 
Gehirnchemie  2)  besonders  dieser  Entwässerungs-  und  Extraktionsart  die 
großen  Widersprüche  und  Mißerfolge  auf  diesem  Gebiete  zugeschrieben. 
Auch  A.  Erlandsen  3)  muß  beim  Herzen  von  der  Alkoholtrocknung  absolut 
abraten  und  hält  die  Vakuumtrocknung  für  unanwendbar.  Es  ist  auch  seit 
dieser  Zeit,  als  von  meiner  Seite  andere  Vorschläge  gemacht  und  von  meinen 
Mitarbeitern  ausführlich  durchgearbeitet  wurden,  die  alte  Methodik  verlassen 
worden  und  die  meisten  L^ntersuchungen  auf  diesem  Gebiete  haben  tat- 
sächhch  die  von  uns  vorgeschlagene  Methodik  benutzt,  wenn  auch  einige, 
wäe  das  immer  bei  einer  neuen  Arbeitsweise  anfangs  vorkommt,  sich  in 
Modifikationen  gefallen  haben ,  die ,  wie  wir  sehen  werden,  das  Verfahren 
nicht  gerade  verbesserten,  sondern  eher  verschlechterten.*) 

Ursprünglich  haben  wir  die  Gehirne  insbesondere,  sowie  auch  andere 
Organe,  mit  Aceton  entwässert  und  für  manche  Zwecke,  wo  es  sich  nicht 
um  empfindliche  Substanzen  handelte,  um  Aceton  zu  sparen,  einen  großen 
Teil  des  Wassers  bei  mäßiger  Temperatur  auf  dem  Wasserbade  entfernt, 
wobei  sehr  viel  Wasser  aus  dem  Gehirnbrei  sich  auspreßt  und  einfach  ab- 
geschüttet werden  kann.  Wir  haben  diese  Methodik  aber  sehr  bald  ver- 
lassen, da  das  Erwärmen  des  Hirns  manche  Substanzen  dermaßen  verän- 
dert (insbesondere  wenn  man  größere  Quanten  aufarbeitet  und  nicht  rasch 
genug  operieren  kann),  daß  die  gesättigte  Gruppe  sehr  stark  gefärbt  wird. 
Das  Trocknen  mit  reinem  Aceton  in  der  Kälte,  welches  wir  gleichzeitig  ver- 
wendet haben,  ist  durchaus  keine  ideale  Methode.  Vor  allem  erfordert  sie  sehr 
große  Quanten  Aceton,  den  man  wegen  seines  Wassergehaltes  später  nicht 

^)  J.  L.  W.  Thudichum,  Die  ehemische  Konstitution  des  Gehirns  der  Menschen 
und  der  Tiere.  Tübingen  bei  F.  Pietzcker.  1901.  p.  74—87. 

-)  Sigmund  Fränkel,  Gehiruchemie  in  Asher-Spiro,  Ergebnisse  der  Physiologie. 
Vm.  212—253  (1909).  Wiesbaden  bei  J.  F.  Bergmann. 

^)  Ä.  Erlandsen,  Untersuchungen  über  die  lecithinartigen  Substanzen  des  Myo- 
cardiums    und  der  quergestreiften   Muskeln.    Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  51.    71  (1907). 

*)  Jakob  Parnas,  tJber  Kephalin.  Biochemische  Zeitschrift.  22.  411  (1910). 


Darstollmii.'  von  Lipoidon  ans  Gcinni  mm  ;imi"!';i  w.mimu  (jjrj 

venvendcn  kann.  Ahci-  man  ist  dcicli  iii  ilcr  La^c,  auf  \Vf»i.'f.  wenn 

auch  mit  grolien  Apparaturoii.  vonviirts  zu  koiiiiucii  und  i; 

<iut  aufzuarhoiton.  Diese  Methodik  der  EntwilsstM'un^'  mit  Aeeton  i 

auch  Jakob  F<trutts  üheriiomnien,  aber  nicht  folyrerichti^r  fori;.' 

sofort  die  Henziuexti-aktion  anscldori. 

Das  Trocknen  von  Hirn  im  N'akuum.  \v«'l(h('s  wohl  d;i-  im'  .m-i.    ■-.  i. 
haben    wir    mit    unseren  Apparaturen    hddei"  bei  ixrölicn'ii  <hi  int,  n    n  ,  ht 
durchführen  können,  wie  ja  überhaupt  das  Trocknen  koHoitlal« 
im  Vakuum  bei  mäßigen  Temperaturen  sehr  schwierijr  und  nur  aut 
konstruierten  Apparaten  durchführbar  ist.    Mit  kleinen,    .sehr    niedri«/  er- 
\Yärmten  Vakuura-Trockenschränken .    wie  sie  in  I-aboratorien  übhch  sind, 
kann  man  so  viel  Material,  wie  mau  es  zur  Aufarbeitung  «h-r  Lipoide  bi»- 
uötigt.  nicht  verarbeiten,  und  insbesondere,  wenn  mau  (h-uauf  hinzielt,  nicht 
nur  Individuen  zu  isolieren,  sondern  auch  deren  Ilvdroly-e  durchzuführeii. 
keine  guten  Erfolge  erzielen.  Auch  das  Trocknen  ohne  N'akuum  mit  warmer 
Luft,    wie  etwa  mit  dem  E.  S.  Faustf<c\\Qn  Apparate'),    hat  sich,  für  das 
Gehirn  wenigstens,  nicht  bewährt,  während  es  bei  anderen  (ieweben.   «lie 
weniger  lipoidreich  sind,  sicherlich  von  groliem  Vorteil  sein  kann.  1'.  h'uhoir-) 
trocknete  Herzen,    die    in    kleine  Stückchen  geschnitten    und    auf    flachen 
Schalen    ausgebreitet    waren,    bei  Zimmertemperatur    in    einem  geschwind 
wechselnden  Luftstrom.  hervorgebi-acht    durch    einen    kleinen    elektrischen 
Ventilator.  Ä.  Erlandscn  3)  hat  diese  Methode  (verändert)  bei  der  Nerarbeitung 
von  Herzmuskeln  verwendet.    E.r  konnte  5  ky  Muskeln  in  M     48  Stunden 
bis  zum  Pulver  aufarbeiten. 

.Man  hat  schon  mehrfach  den  Vorschlag  gemacht,  zur  Darstellung 
von  Cholesterin  aus  dem  Gehirn  letzteres  in  der  Weise  zu  verarbeiten, 
daß  man  das  Wasser  des  Gewebes  an  anorganische  Salze  bindet  und  so 
das  feuchte  Gewebe  in  ein  trockenes  Pulver  verwandelt.  Zuerst  wurde  (ups 
für  diese  Zwecke  benutzt.*)  Es  hat  auch  A.  W  imlnus  ■^)  (V\\^^  mit  \  orteil  bei 
der  Verarbeitung  von  Nieren  auf  Cholesterin  und  Cholesterinester  ver- 
wendet. .Man  muH  zu  diesem  Zwecke  die  dreifache  Menge  wasserfnden  (ups  zu 
der  fein  zerriebenen  Masse  zusetzen,  gut  durcharbeiten  und  dann  erhärten 
lassen.  .Man  bekommt  auf  diese  Weise  wohl  sehr  rasch  ein  trockenes  Pulver,  aber 
man  vermehrt  das  Volumen  auf  das  Vierfache,  .so  daß  man  sehr  große  Ext  rak- 


1)  E.S.Faust,  t)ber  das  FaiilHisffift  Sepsiii.  Aicliiv  für  experimentelle  Patlir 
und  Pharmakologie.  51.  248  (1904). 

-)  r.  liuhoir,  Über  den  Locitiiinirelialt  des  Herzens  und  der  Nien  -<  Vu-luv  fnr 
experimentelle  Pathologie  und  Pharma k(dogie.  52.  173  (HK);')). 

*)  Ä.  Erlandsen,    Untersuchungen    über  die  lecithinartigen  Snbsian/.n  j, 
kardiums  und  der  quergestreiften  Muskeln,    /eitsehr.  f.  physiol.  Chemie.    51.    71     .... 

*)  U.  A.  hat  <).  L'osrtiliriin,  <>ii  tiie  preparation  of  ciioh>t.rui  froni  bniin.  Journ 
of  physiology.  34.  104  (I'.)ÜG),  Cholesterin  auf  diese  Weise  dargestellt;  ferner  seine  Mu- 
arbeiterin  M.  Chri.stine  Tebb,    The  Cholesterin  of  the  brain.    Journal  of  pli ysioloff) .  •'»» 

IOC.  (I'.IOO).  ,    ,         .  ..,,., 

■ )  A.  Windaus,  Über  die  (|uantitative  Bestimmung  des  Cholesterin«  tind  der  l-hoie- 
sterinester  in  einigen  normalen  und  pathologischen  Nieren.  Zeitschr.  f.  phyuiol.  Chcmio. 
6.5.  110  (P.)IO). 


616  Sigmund  Fränkel. 

tionsapparate  benutzen  muß;  so  kann  man  diese  Methodik  wohl  nur  mit  Vorteil 
bei    kleinen  Versuchen  verwenden,  wie  es  auch  A.  Windaus  getan  hat. 

Für  die  Darstellung  von  Cholesterin  und  auch  für  Protagon  hat  man 
vorgeschlagen,  das  zerkleinerte  Hirn  mit  ungefähr  der  anderthalbfachen 
Menge  wasserfreien  Natrium  sulfats  zu  zerreiben  und  dann  durch  ein  Sieb 
zu  reiben.  B.  Bünz  i)  hat  zuerst  dieses  Verfahren  vorgeschlagen,  dann  haben 
A.  C.  Lochhead  und  W.  Gramer  ~)  dieses  ^'erfahren  verwendet.  Wir  wurden 
auf  dieses  Verfahren  erst  aufmerksam,  nachdem  wir  mit  Aladar  Elfer  eine 
Methodik  veröffentlicht  hatten,  Blut,  insbesondere  Blutserum  mit  Glauber- 
salz zu  trocknen  und  dann  die  Lipoide  aus  diesem  trockenen  Pulver  zu 
extrahieren.  '^)  Beim  Serum  ermittelten  wir  vorerst  den  Wassergehalt  und 
setzten  dann  um  lO^/o  mehr  als  die  berechnete  Menge  gut  ausgeglühten 
Glaubersalzes  zu.  Um  das  ganze  Wasser  von  1  kg  Serum  zu  binden,  wären 
nun  theoretisch  610^  geglühten  Glaubersalzes  notwendig.  Wir  setzen  aber 
ca.  670  g  pro  1  kg  Rinderserum  zu.  In  1 — 2  Stunden  ist  das  Serum  zu 
einer  festen  Kristallmasse  erstarrt,  die  man  im  Stahlmörser  oder  auf  der 
Kugelmühle  pulvern  kann. 

Dasselbe  Verfahren  nun  verwendeten  wir  bei  einer  Reihe  von  Geweben, 
insbesondere  aber  beim  Gehirn.  Da  das  Gehirn  im  Durchschnitt  TO^/o  Wasser 
hat,  kommt  man  mit  viel  weniger  Glaubersalz  aus  als  beim  Serum. 
142  Teile  geglühten  Glaubersalzes  vermögen  180  Teile  Wasser  zu  binden. 
Auf  1  kg  Hirn  verbrauchen  wir  nur  600  g  Glaubersalz,  so  daß  die  Be- 
schwerung nur  ßO^/o  ausmacht,  während  die  früher  erwähnten  Forscher 
das  Gewebe  mit  der  anderthalbfachen  Menge,  also  mit  löO^/p  beschweren. 
Das  ist  durchaus  kein  unwesentlicher  Vorteil. 

iVber  so  gute  Resultate  dieses  Verfahren  in  unseren  Händen  auch 
gezeitigt  hat,  und  so  häufig  wir  es  auch  in  verschiedenen  Fällen  angewendet, 
so  konnten  wir  uns  doch  bei  unseren  Erfahrungen  nicht  der  Erkenntnis 
verschüeßen.  daß  dieser  Methodik  einige  Fehler  anhaften.  Als  solche  Fehler 
sehen  wir  folgende  an:  Es  ist  sehr  schwer,  die  Substanz  nach  dem  Aus- 
kristallisieren mit  Glaubersalz  in  größeren  Mengen  sehr  fein  zu  pulvern 
und  man  hat  viele  große  Kristalle  vor  sich,  so  daß  die  Extraktion  sehr 
lange  dauert.  Ein  zweiter  Nachteil,  der  sehr  ins  Gewicht  fällt,  ist,  daß  die 
ungesättigten  Phosphatide,  insbesondere  das  Kephalin,  wie  wir  schon  in  den 
Untersuchungen  mit  E.  Neuhauer  ^)  gezeigt  haben,  Glaubersalz  in  Petroläther 
aufzulösen  vermögen,  und  zwar  etwa  17%  ihres  Eigengewichtes.  Wir  haben  uns 
auch  überzeugt,  daß  bei  der  Verarbeitung  des  Gehirns  nach  dieser  Methode  das 
dargestellte  Kephalin  deutlich  die  Reaktion  der  Schwefelsäuj-e  gab.  Ein  weiterer 


*)  i?.  Bünz ,  Ülier  das  Vorkommen  von  Cholesterinester  im  Gehirn.  Zeitschr.  f. 
physiol.  Chemie.  46.  47  (1905). 

^)  A.  C.  Lochhead  und  W.  Gramer,  On  the  phosphorus  percentage  of  various  sam- 
ples  of  Protagon.  Biochem.  Zeitschr.  21.  321  (1909). 

^)  Sigmund  Fränkel  und  Aladar  Elfer,  tlber  ein  Vei'fahren  der  Serumtrocknung. 
Biochem.  Zeitschr.  28.  330  (1910). 

*)  S.  Fränkel  und  E.  Neubauer,    Über  Kephalin.    Biochem.  Journ.  2.  350  (1907). 


DarstelluiifT  von  Lipoiden  ans  (ichirn  iimi  iimlorcn  Geweben.  i;\1 

Nachteil  war,  daß  bei  den  Extraktioiion,  selbst  mit  sciir  leicht  siedendem  Tetrol- 
äther,  am  Boden  des  Kxtraktionskolbens  sich  «-in  weiiij/  mit  Glatibf-rsalz  {fo- 
sättigte  Flüssigkeit  absetzte.  Dieser  letztere  Naelifeil  könnt.'  aber  durch 
nenerlicli(\s  AufnehnKMi  des  liodensatzes  in  retn.läther  behoben  werden. 

AVir  siiciiten  nun  nach  einem  anderen  TrocknunL^sverfahren,  •  "  ' 
all  die  Vorteile  liat,  die  man  durch  das  rrinzij)  des  Binden^  n.,„ 
Wasser  an  wasserfreie  anorganische  Salze  erzielen  kann,  aber 
ohne  die  bei  unserer  Glaubersalzmethode  beobarhteten  Nachteile  ist.  Wir 
haben  mit  Vorteil  versucht,  sowohl  bei  Gehirn  als  auch  bei  I'.lut  und  Leber, 
diese  Gewebe  in  der  Weise  zur  Trockene  /.u  bringen,  dab  wir  sie  mit 
etwas  mehr  als  der  berechneten  Menge  wasserfreien ,  phosjjhorsauren 
Natrons  behandelten.  Wir  verwenden  das  Dinafriumphosjjhat .  welches 
12  Moleküle  Kristallwasser  bindet.  Es  ist  zweckmäliig.  das  I>inatriuinj»h(K- 
phat  (gewöhnliches  einfach  saures  jihosphorsaures  Natron)  selbst  im  Labd- 
ratorium  zu  entwässern,  um  kein  pyrophosphathaltiges  .Material  zu  bekommen. 
Bei  der  Bereitung  hielten  wir  uns  an  eine  Angabe  von  T.  C  Whitlod-  und 
C.  E.  Barfield^)  und  entwässerten  das  Salz  bei  einer  Temperatur  von  \h{)  bis 
ITU".  142  Teile  des  wasserfreien  Salzes  binden  nun  216  Gewichtsteile  Wasser. 
Für  1  hg  Hirn  mit  700  g  Wasser  benötigt  man  also  mit  einem  Aufschlag 
von  etwa  lOVo  insgesamt  500  ^z  des  wasserfreien  Natriumphosphates,  so  daU 
theoretisch  die  Beschwerung  nur  oO^/o  wäre,  während  sie  beim  Glaubersalz 
ca.  ßO^'/o  beträgt.  Aber  wir  haben  bei  Ausarbeitung^  liesi-r  Methode  beob- 
achten können,  daß  sie  gegenüber  der  Glaubersalzn-j.  ihode  noch  einige  an- 
dere große  Vorteile  besitzt.  Wenn  man  den  Gehirr ^rei  rasch  in  womöglich 
im  Thermostaten  vorgewärmten  Beibschalen  mit  uem  Phosphat  zusammen- 
bringt, so  bleibt  die  Masse  flüssig  und  man  sieht,  wie  eine  konzentrierte 
Salzlauge  in  der  Masse  verteilt  ist.  Bringt  man  nun  rasch  diese  noch 
warme  Mischung  in  eine  ebenfalls  auf  40"  gewärmte  Presse,  so  gelingt 
"es,  einen  sehr  großen  Teil  des  Natriumphosphats  mitsamt  dem  Wasser 
abzupressen.  Auf  diese  Weise  verringert  man  das  \olumen  sehr  beträcht- 
lich. Es  beruht  dies  darauf,  daß  die  Kristalle  des  Natriumplio>pliats  mit 
12  Mol.  Wasser  bei  85o  schmelzen  und  selbst  nach  dem  Kikalten  bleiben 
die  geschmolzenen  Kristalle  nach  Marx  lange  Zeit  flü.ssig.  werden  dann 
sirupartig  und  gestehen  endlich  zu  einer  seidenglänzenden,  strahligen  Ma^se.') 

Die  Methode  des  Arl)eitens  mit  Natriumphosj)hat  bat  nun  iregen- 
über  den  vorher  beschriebenen  nach  unseren  Frtaln  ungen  den  \drteil.  dalJ 
man  von  Haus  aus  das  Gewebe  mit  weniger  Salz  beschwert,  daß  man  aber 
einen  großen  Teil  des  Salzes  und  mit  ihm  des  Wassers  abpressen  kann 
und  somit  sowohl  das  Volumen  als  ancli  das(;ewicht  des  zu  extrahieren- 
den Gutes  ungemein  verringert.  Bei  (b'i-  l-ixtraktion  gebt  das  Natriuni- 
phosphat  nicht  in  die  Lösungsmittel,  man  erhält  auch  am   l'.oden  der  Ex- 


*)  T.C.Whitlock  und   C.  K.  Harßcld,  Kntwässoninp  (I<t  Nntriiimpliosphatkristallc. 
Anieric.  Chem.  Journ.  22.  214  (IHitT). 

'-)   Gmclin-Kraul,  llaiidlMicli  ilcr  :inoriranisrlnMi  Clicinio.  7.  .Vutl   2.  1.  T  393  (liWB) 
Heidelberg  bei  Carl  \\  intiT. 


618 


Sigmund  Frank el. 


traktionsgefäße  nicht  die  bei  der  Glaubersalzmethode  beobachteten  glauber- 
salzgesättigten  Tropfen.  Hingegen  ist  es  möghch,  nach  der  Phosphat- 
methode  getrocknetes  Hirn,  Blut  etc.  zu  einem  ungemein  feinen  Pulver  zu 
zerreiben,  welches  sich  sehr  leicht  und  viel  besser  als  mit  Natriumsulfat  ge- 
trocknetes extrahieren  läßt.  Nur  bei  einem  Leberversuch  sahen  wir.  daß 
beim  Extrahieren  mit  siedendem  Ligroin  ein  wenig  geschmolzenes  Natrium- 
phosphat durch  die  Filter  mitging,  sich  aber  nachher  leicht  von  den 
organischen  Substanzen  durch  Lösungsmittel  trennen  ließ. 

Wir  gehen  in  der  Praxis  in  der  Weise  vor,  daß  wir  die  gewogene 
Gehirnmasse  mit  ihrem  halben  Gewicht  trockenen  Natriumphosphats,  das 
wir  in  kleinen  Portionen  unter  stetem  Reiben  zusetzen,  in  Schalen  bei 
Körpertemperatur  verreiben,  dann  das  verriebene  Gut  in  warme  Tücher 
einschlagen,  auf  einer  vorgewärmten  Presse  möglichst  stark  abpressen  und 
dann  in  großen  Glocken  über  Schwefelsäure  oder  auch  an  der  Luft  erstarren 
lassen.  Hierauf  läßt  man  das  Gut,  das  man  grob  zerkleinert  hat,  durch 
eine  Fleischmaschine  laufen,  welche  sehr  klein  gelochte  Einsätze  hat.  Bei 
diesem  Prozeß  zerfällt  schon  das  Gut  sehr  leicht.  Sollten  sich  noch  feuchte 
Stellen  zeigen,  so  genügt  ein  mehrstündiges  Einbringen  in  evakuierte 
Glocken  über  Schwefelsäure,  um  die  Masse  in  ein  vöUig  trockenes,  unter 
dem  Pistill  leicht  zerfallendes  feines  Pulver  zu  verwandeln.  Dieses  wird 
hierauf  den  weiteren  Prozeduren,  z.  B.  dem  Laufen  über  eine  Kugelmühle 
resp.  dem  jetzt  einsetzenden  Extraktiousprozeß,  unterworfen. 

Von  allen  bis  jeM  versuchten  und  angewandten  Verfahren  erscheinen 
uns  für  Gehirn  die  jVfe^hode  der  kalten  Entwässerung  mittelst  Ace- 
tons sowie  die  Methode  des  Trocknens  mittelst  Natriumphosphats 
gegenwärtig  als  die  besten.  Das  soll  keinen  Forscher  auf  diesem  Ge- 
biete abhalten,  nach  neueren  und  besseren  Methoden  zu  suchen. 

Auf  eine  alte  Methodik  möchten  wir  besonders  aufmerksam  machen, 
von  der  wir  glauben,  daß  sie  für  manche  Zwecke  bei  zweckmäßiger 
Modifikation  zum  Ziele  führen  kann.  1885  hat  F.  Baumstark'^')  eine 
Methodik  beschrieben,  bei  welcher  Gehirn  in  einem  Gazenetze  in  einen 
Exsikkator  gehängt  oder  auf  einen  durchlöcherten  Einsatzboden  gelegt 
wird,  wobei  am  Boden  des  Exsikkators  der  achte  Teil  des  Kubikinhal- 
tes Äther  vorhanden  ist.  Aus  dem  frischen  Hirn  tropft  eine  bluthaltige, 
wässerige  Lösung  ab.  Den  Äther  erneuert  man  von  Zeit  zu  Zeit  wieder. 
Dann  befreit  man  das  Hirn  von  den  Hirnhäuten,  zerschneidet  es  in  grö- 
ßere Stücke  und  wickelt  diese  in  Gaze  und  legt  die  Gehirnmasse  so  in 
Äther  ein,  daß  sie  von  Äther  bedeckt  ist.  Die  Gehirnmasse  liegt  auf 
einem  Einsatzboden,  so  daß  das  Gehirnwasser  immer  nach  unten  abfließen 
kann.  F.  Baumstark  beendete  die  Entwässerung  trotz  häufigen  Wech- 
seins des  Äthers  erst  nach  2—  ?)  Monaten  und  extrahierte  dann  mit  Äther 
wieder  zwei  Monate.    Man  sieht  gleich,  daß  eine  solche  Methodik   für  die 


')  F.  Baumstark,  Über  eine  neue  Methode,  das  Gehirn  chemisch  zu  erforschen  und 
deren  bisherige  Ergebnisse.  Zeitschrift  für  physiologische  Chemie.  9.  145  (1885). 


Darstelluiifr  von  Lipoiden  uns  Gcliirn  uml  aiuleren  i'i'i 

gegemvärtif^-e  Laboratoriumstccliiiik  und  für  dir  «rroricii  Mrii-cii.  tun  die  ps 
sich  handelt,  in  dieser  Ansfülininj,^  völlij:,^  un^^eeigiiet  ist.  alu-r  lifi  tni-fi.  n 
Versuchen,   diese  Methode  nach/uprüt'en,    plaubon    wir   «loch    -^ 
haben,  dali  man  diesen  Gedanken  nicht    ohneweitcrs  verwerfen  soll,   son- 
dern daß  er  ansbildunfisfähig  ist.    Wenn  man   das  Geliirn    nach  Abzicli.-u 
der  Häute  und  Abwaschen    vom   Ühite.    nachdem  es   die    Fleischmaschine 
passiert  hat,  in  Scheidetrichter  füllt,    und    in    einem  dnnkeln   Räume    mit 
frisch  über  Natrium  destilliertem  Äther  über^^iel.U  und  (h-n  Schcidotrichtcr 
.'Schließt,    so    findet   man   schon    am    nächsten   Taj^e  )»  Schichten:    1.  ''i'i'- 
ätherische,  über  dem  Gehirn  stehende,  2.  den  Gehirnbrei,  weicherauf» 
dritten ,  opaUsierenden ,    sehr   stark   eiweißlialti^'^en  Flüssi^^keit   schwimmt. 
Letztere  kann  man  durch  den  Hahn  des  Scheidetrichters  ablassen.  Leider 
hat  Petroläther  nicht  dieselbe  Wirkung,  anscheinend,  weil  er  sich  viel  we- 
niger als  Äther  in  Wasser  löst.    Wii-  konnten,  mehrfach  den  Äther   wech- 
selnd, ans  einem  (iehirnbrei  von  :»600 //  insgesamt  eine  wässerige  Lösnni,' 
von  Eiweißkörpern  von  1700  cni^  abscheiden  und  abpressen.  Im  .\ther  fanden 
"wir  dieselben  Substanzen,  wie  in  unseren  Aceton-  und  retrolätherfrakti«inen. 
Wir  führen  diese  Versuche  hier  nur  an,    um  zu  zeigen,    daß    solche  Er- 
fahrungen älterer  Forscher  nicht  ohneweiters  wegen  ihrer  bisherigen  Miß- 
erfolge vom  grünen  Tische  aus  zu  belächeln  und  zu  verwerfen  sind ,  son- 
dern   daß   man    sich  bei  Ausarbeitung  eines  solchen  Gedankens,    für  !>e- 
stimmte  Zwecke   wenigstens,   wenn   auch   nach    starker  Modifikation   der 
Grundidee,  ihrer  noch  sehr  gut  bedienen  kann  ;   jedenfalls  dann,  wenn  es 
sich    um    die  Kontrolle  auf  anderem  Wege  gefundener  Resultate    handelt, 
um  festzustellen,  ob  ein  gewonnenes  Produkt  tatsächlich  ein  rrimärprodukt 
oder  etwa  ein  Spalt-  oder  Kunstprodukt  ist. 

Es  v^'urde  auch  der  Versuch  gemacht.  Lipoidi'  direkt  ans  feuchten 
Geweben  zu  isolieren.  Man  muß  sich  vor  Augen  halten,  daß  dabei,  insbe- 
sondere wenn  man  Äther  oder  Petroläther  als  Extraktionsmittel  benüt/t, 
wie  dies  bis  jetzt  geschehen  ist,  nur  daran  zu  denken  ist,  daß  man  Chole- 
sterin, Cholesterinester  und  die  ungesättigten  Phosi»hatide  erhält.  Ferner 
ergibt  sich  eine  andere  Schwierigkeit  nach  der  Richtung  hin,  tlaß  einzelne 
ungesättigte  Phosphatide  aus  ihren  wässerigen  Pseudolösunucn  mit  Äther 
nicht  extrahierbar  sind,  wie  dieses  schon  J.  /..  H'.  Tlnn/irlmm  be- 
kannt war. 

Es  ist  bis  jetzt  nach  keiner  Richtung  hin  ein  l'.eweis  erbracht  wor- 
den, daß  chemische  Verbindungen  zwischen  Lipoiden  und  i;i\\eil'iköri)ern 
existieren.  Es  ist  dieses  auch  höchst  unwahrscheiidich,  da  man  nach  Ex- 
traktion von  Geweben  mit  verschiedenen  Lösungsmitteln  nnd  nach  Ver- 
dauung des  Rückstandes  doch  wieder  Phosi)hatide  erhalten  mül'.te,  was 
uns  aber  in  unseren  Versuchen  durchaus  nicht  gelungen  ist.  Wir  niü-en 
daher  die  Existenz  .solcher  Lipoideiweißsubstanzen  in  chemischem  Sinne 
vorläufig  leugnen:  nnders  ist  aber  an  eine  i)h\sikalische  Verbindnn.T 
zwischen  beiden  zu  denken. 


620  Sigmund  Fränkel. 

Gegen  die  Methodik,  Gehirne  mit  Aceton  zu  trocknen,  hat  Ivar  Bang^) 
Einwendungen  erhoben.  Er  vermißt  den  Beweis,  daß  Aceton  die  ent- 
sprechenden Dienste  leistet  und  wünscht  Kontrolluntersuchungen  über  die 
Zusammensetzung  des  Ätherextraktes  einmal  nach  dem  Trocknen  und  das 
andere  Mal  nach  Acetonbehandlung.  Für  solche  Untersuchungen  schlägt 
er  Herzmuskel  als  das  bestgeeignete  Material  vor.  Jedermann,  der  solche 
Einwände  erhebt,  muß  vorerst  sagen,  weshalb  er  sie  erhebt,  oder  mindestens 
ein  Experiment  ausführen,  aber  wir  können  bei  unserem  neuen  Trocknungs- 
verfahren mit  Salz  (Glaubersalz  oder  Natriumphosphat)  genau  die  gleichen 
Beobachtungen  machen  wie  bei  dem  früheren  Verfahren  der  Acetontrocknung, 
müssen  aber  von  vornherein  sagen,  daß  eine  Kontrolle  einer  Gehirnmethodik 
am  Herzmuskel  durchaus  nichts  beweisen  würde,  denn  die  Phosphatide  der 
verschiedenen  Organe  sind,  wie  wir  in  zahlreichen  Untersuchungen  fest- 
gestellt haben,  verschieden  und  wir  haben  schon  öfter  darauf  hingewiesen, 
daß  die  Methodik  der  Lipoidextraktionen  füi'  jedes  Organ  erst  adaptiert 
werden  muß  und  selbst  Ivar  Bang,  welcher  auf  S.  41  dieses  Verlangen  an 
uns  stellt,  sagt  auf  S.  28  wörtlich:  ,,es  ist  demgemäß  gar  nicht  gesagt,  daß 
ein  Darstellungsverfahren,  das  sich  für  gewisse  Organe  bewährt  hat,  nun 
auch  allgemeine  Gültigkeit  besitzt;  im  Gegenteil,  man  muß  überall  für  jedes 
bestimmte  Organ  erst  die  Versuchsbedinguugen  ausprobieren,  auch  kann 
dasselbe  Organ  unter  wechselnden  Umständen  sich  recht  verschieden  ver- 
halten'-, was  wir  alles  um  so  eher  bestätigen,  als  diese  Behauptung 
I.  Bangs  auf  unseren  Versuchen  und  auf  unseren  Darstellungen  basiert. 
Vorläufig  haben  wir  über  pathologische  Organe  noch  nicht  genügende  Er- 
falu'ungen,  um  ihnen  unsere  Methodik  zu  adaptieren,  und  gehen  genau  so 
vor  wie  bei  physiologischen.  Jüngst  hat  Budolf  AJlers  ^)  diese  Methodik  der 
Acetonextraktion  mit  großem  Vorteil  bei  der  Untersuchung  pathologischer 
Gehirne  (senile  Demenz)  verwendet  und  hierbei  das  Auftreten  von  Spaltungs- 
produkten der  hochkomplexen  Phosphatide  wahrscheinlich  gemacht, 

Methodik  der  Extraktion. 

Als  Ausgangsmaterial  verwenden  wir  insbesondere  bei  Gehirnen 
menschliches  Material,  da  uns  dieses  leichter  zugängUch  ist  als  tierisches 
und  da  auch  der  Lipoidgehalt  ein  höherer  und  die  Gehirne  sehr  schwer  sind. 

Außerdem  verwenden  wir  nach  Maßgal)e  der  Versuche  verschiedene 
tierische  Organe,  welche  möglichst  frisch  zur  Verarbeitung  kommen  können. 

Das  auf  eine  der  beschriebenen  Weisen  getrocknete  Gut  extrahieren  wir 
in  großen  metallenen  Extraktionsapparaten  (s.  Fig.  161).  Diese  Extraktions- 
apparate fassen  imNutzraume  zirka  2kg  Extraktionsgut.  Auf  einem  Siebboden 
aus  Zinn  steht  die  Papierhülse  aus  schwedischem  Filtrierpapier,  in  welche 
das  gewogene  Gut  eingefüllt  wird.  Das  Hauptextraktionsgefäß  ist  aus  Kupfer, 
innen  stark  verzinnt,  außen  ist  Quecksilberrot  aufgetragen.  Die  Zuführungen 

')  Ivar  Bang  1.  c.  p.  41. 

^)  Rudolf  Allers,  Zeitschr.  f.  d.  gesamte  Neurologie  u.  Psychiatrie.  5.  467  (1911). 


Darstellung  von  Lipoiden  aus  (ioliirn  und  anderen  Ol-wcI 

Fiff.  161. 


ICU. 

Erklärung  der  Figur  161: 

niolii-   Ki'rrtireiljniiK, 


021 


KOHXDICinUND 


kann  man  hei  diesem  Auslanf.    wenn 


lUhn  A 
-  H 
«       C 

I    KxtraktiMir. 

■2  Hotir  für  auriit«i|r«Ddo  KsiraklioD*flaMl|rk*tl 

'A   I{i>t)errolir. 

4  StatiT. 

5  «li'ktriiirho  lii>iKpl»lt«. 
•i   KtindkoUx-n   uun  (um. 

7  Sriiiilrhon   mit    Ug. 

8  (ilanrobr. 
0  dnppxlt  wirkendor  Kublttr. 

10   Knrkstopfen. 

11 

l'J  Scbraaben. 

sind  aus  Ziniimlir.  die  lliUine  aus 
Mcssinj;  und  iindcrst  ^enau  t'inf^o- 
sehliitVn.  Der  Extraktionsapparat 
ist  nichts  anderes  als  ein  g^rolW-r 
Soxhletapparat.  Das  weitere  Kolir 
für  das  aufsteiu^cnde  Kxtraktions- 
mittel  ist  mit  Isolierschniir  {j^ut 
isoliert,  um  dir  Kondensationen 
innerliall)  dieses  Ktdires  möf^liehst 
liintanzuhalten  und  «larf  nicht  /u 
en«;  Ln'Nvählt  sein.  In  unserem  Falle 
istsein  äulierer  Durchmesser  2':')  cm. 
An  dem  Hel)er  aus  Zinn  haben 
wir  zwei  neue  N'orrichtuniren  an- 
gebracht (ich  verdanke  «lie  Kon- 
struktion dieses  Apparates  nu'inem 
früheren  Assistenten  Dr.  Wultrr 
L.  H<il/r).^)  Der  lieber  tniirt  in 
halber  Ilülie  ein  NerbinduuL^srohr 
und  einen  Hahn  .4.  Wird  der 
Hahn  geöffnet,  so  funktioniert  der 
Heber  als  kleiner  Heber  und  es  ist 
möglich,  mit  dem  grolien  .\pparat 
auch  nur  die  Hälfte  des  tiutes. 
mit  der  liiilfte  des  sonst  nötigen 
Lösimgsmittels  /u  extrahieren. 
Aullerdem  ist  am  unteren  Teile 
des  Hebers  ein  .Vblaufndir  mit 
einem  Dreiwegiiahn  /»'  eingerich- 
tet, welcher  es  ermöglicht,  erstens 
jeweilig  Proben  zu  entnehmen,  so 
daß  man  imtersuchen  kann,  ob 
das  I-Atraktionsmittel  noch  etwxs 
aufnimmt  oder  nicht,  zweitens 
man    noch    einen  Kühler  zu.schaltot. 


•)  Norh   nirlit  pnhliziort. 


622 


Sigmund  Frank el. 


aus  dem  Kolben  direkt  die  ganze  Menge   des  Extraktionsraittels  abdestil- 
lieren.    Durch  diese  Anordnung  hat  sich  die  Zeitdauer  der  Extraktion  bei 
vollgefülltem  Extrakteur   fast   auf   die  Hälfte   reduziert;    der  Grund  liegt 
darin .  daß    die   Heberwirkung  häufiger  als   früher    bei   den  normal   kon- 
struierten Apparaten  eintreten  kann.    Bei   diesen   kommt  es  sehr  oft  vor 
und  besonders,    wenn   man   mit  niedrig   siedenden  Extraktionsmitteln   ar- 
beitet, daß  der  Heber  nicht  in  Aktion  treten  kann,   weil  der  Auftrieb  der 
Dämpfe  dem  Überdruck  der  Flüssigkeitsmenge  im  Extrakteur  mindestens 
das  Gleichgewicht  hält.    Man  ist    dann   genötigt,   die  Heizung   abzustellen 
und  den  Kolben,  der  den  Extrakt  aufnimmt,  abzukühlen,  was  mühsam  und 
zeitraubend  ist.   Der  oben  erwähnte  Hahn  A  gestattet  nun,  durch  einfaches 
Öffnen    den  Druck   der  Flüssigkeitssäule   plötzlich   bedeutend  zu  erhöhen, 
so  daß  der  Heber  zu  ziehen  beginnt.  Man  kann  dann  den  Hahn  schließen, 
ohne    daß    die   Hel)erwirkung    davon  beeinflußt    würde.     Der    modifizierte 
Soxhletapparat  hat   an  seiner  tiefsten  Stelle  einen   großen  Hahn  C,  durch 
welchen  mau  eventuell  zum  Schluß  alles  Lösungsmittel  in  den  Kolben  ab- 
lassen kann.    Dieser   Hahn  C  spielt  eine  Rolle,    wenn   durch   irgend   einen 
Zufall  das  Heberrohr,  beispielsweise  durch  Auskristallisieren  der  Substanz, 
verstopft    wird.     Der    Deckel    des    Apparates    ist    mittelst    einer    Kork- 
dichtung   auf    das    Hauptstück    zugepaßt    und    mit    sechs    Stellschrauben 
befestigt.    Auf   dem  Deckel   ist   ein   großer  Schlangenkühler  von  über  1  m 
Länge   und   doppelten   Kühlflächen   aufgesetzt,    der    oben    wieder  mittelst 
Kork    mit    einem    langen,    nach    abwärts    gebogenen    Glasrohr    in    Ver- 
bindung steht,  das  in  ein  Gefäß  mündet,  in  welchem  Quecksilber  das  Rohr 
sperrt.    Der    ganze  Apparat    wird    auf    einen    großen    Jenaer  Rundkolben 
mittelst  Kork  dicht  aufgesetzt.  Diesen  Rundkolben  heizt  man  entweder  mit 
einem  elektrisch  betriebenen  Wasserbad  oder  auf  einer  großen  elektrischen 
Heizplatte.  Bei  den  elektrischen  Bädern  und  Heizplatten  muß  man  darauf 
sehen,  daß  die  LTmschaltungen   nicht   in   der  Nähe   vom  Heizkörper   sind, 
sondern  recht  weit  entfernt  davon,  damit  nicht  eventuell  beim  Umschalten 
Funken  abspringen  und  zu  einer  Zündung  Veranlassung  geben.  Alle  Korke, 
welche  genau  passend  und  aus  bestem,  w^enig  porösem  Material  sein  sollen, 
werden  mit  einem    ziemlich  wässerigen,  dünnflüssigen  Gipsbrei  nach  dem 
Einfügen  überstrichen,  um  eine  erhöhte  Dichtigkeit  zu  erzielen.    So  bildet 
dieser  Apparat   ein   völlig   geschlossenes   Ganzes,   aus   dem   nur  minimale 
Mengen  von  Lösungsmitteln  bei  dem  Quecksilberverschluß  entweichen  können. 
Die  Bruchgefahr  ist  eine  geringe.    Gegen  den  Siedeverzug   geben  wir  ent- 
weder mit  Petroläther   gewaschene  Holzspäne   oder  Glaskapillaren  in  den 
Kolben.    Ist  der  Gang  des  Apparates   einmal  reguliert,   so  kann  man  ihn 
ohne  weitere  Beaufsichtigung   trotz   der   großen  Mengen   feuergefährlicher 
Extraktionsmittel  im  Laboratorium   laufen  lassen.    Große  Vorsicht  ist  nur 
notwendig  bei  der  Befestigung  des  Kolbens,  um  einen  Bruch  desselben  zu 
verhüten,  welcher  natürlich  dann,  wenn  Feuer  in  der  Nähe  wäre,  zu  einem 
Brande  Veranlassung  geben  könnte. 


Daisti'lluii),'  von  IJpoitlcu  aus  Geliiru  »ml  aiulcrcn  (iewfiten.  (;o;j 

Acetonextraktioii. 

Die  hier   zu    schildoriKic  Art    der  i-Alraktioii    liaht-    idi 
schon,  woiiii  auch  nicht   in  (h-r  hier  ^cschihh'rtcn.  atisf^cluhlclcn  un.i  imnn 
fiziertcn  Form  als  die    Methode    der    I  ruktionierten   K\t  rakt  ion  1k- 
schriehen,  eine  Methode,  welche  es  erniöfilicht.  schon  bei  der  Kxtraktion  di«- 
verschiedenen  (liuppen  von  Snhstanzen  niö<:lichsl   von  einandei-  durch  Aii- 
weiidim»>-  passender  Hxtraktionsmittel  zn  scheiden.») 

Wir  führen  aus  Gründen,  die  ich  anderweitii,'  schon  entwickelt  habe. 
bei  Gehirn  besonders  zuerst  die  Extraktion  mit  Aceton  durch.  I-'ür  die  Wahl 
dieses  Lösuugsmittels  treten  wir  aus  mehreren  (Jründen  ein.  \'or  allem  ex- 
trahiert Aceton  sehr  «.iründlich  die  Gewebe,  indem  es  alles  Cholesterin  auflöst, 
ebenso  alle  Cholesterinester  und  dann  auch  die  acetoidöslichen  Phosphatide. 
Es  ist  für  jeden  in  der  Gewebechemie  ?]rfahrenen  von  vornherein  verstilndlich, 
dali  bei  einer  solchen  Extraktion  auch  andere,  in  die.sem  Lösunirsmittel  .sonst 
nicht  lö.sliche  Substanzen  bei  der  ersten  Extraktion  mitgeführt  werden  und 
daß  eine  weitere  Reinigung  von  diesen  unter  allen  rmständen  notwendig 
sein  wird,  denn  es  handelt  sich  dann  nicht  um  eine  J.ösun^  in  Aceton. 
sondern  um  eine  Lösung  in  einer  acetoni;^-en  ("liole>terinlösnn.ü  etc.  In 
Wirklichkeit  gehen  sehr  wenig  acetonunlösliche  Phosphatide  mit  in  den 
warmen  Aceton  hinein.  Hingegen  ist  es  sehr  schwer,  Cholesterin  völlig  mit 
Aceton  aus  Hirn  zu  extrahieren  und  ganz  kleine  Mengen  findet  man  dann 
noch  immer  bei  der  Aufarbeitung  der  Kephalinfraktion  (s.  d.). 

Wollte  man  mit  kaltem  Aceton  die  großen  Mengen  von  Cholesterin 
aus  dem  (lehirn  extrahieren,  so  würde  man  eine  sehr  lange  Zeit  inid  sehr 
viel  Aceton  benötigen.  AVir  ziehen  es  nach  unseren  bisherigen  Erfahrungen 
vor,  auf  dem  oben  beschriebenen  Extraktionsapparat  mit  Aceton  zu  e.\trahi<-- 
ren,  der  im  Extrakteur  etwa  Körpertemperatur  hat.  Es  .schwankt  die  Tempe- 
ratur im  Extraktionsgefäß  natürlich  sehr,  je  nach  der  Temperatur  in»  Labora- 
torium. Warmes  Aceton  nimmt  aus  dem  Gehirne  die  großen  Massen  von  (  ho- 
lesterin  leicht  auf,  aber  mit  dem  Aceton  geht  ein  acetonlösliches  Phosphatid  mit. 
welches  man  sowohl  in  den  acetonigen  Mutterlaugen  findet,  nachdem  das 
Cholesterin  auskristallisiert  ist,  als  auch  in  den  alkoholischen  Mutterlaugen 
des  Cholesterins.  Aber  es  ist  nicht  gerade  leicht,  das  Cholesterin  völlig  von 
dem  Phosphatid  zu  befreien.  Bei  den  grol-eu  Mengen  von  Cholesterin,  mit 
denen  wir  es  zu  tun  haben,  hat  es  sich  manchmal  bewahrt,  das  Cholesterin, 
nachdem  es  roh  aus  dem  Aceton  auskristallisiert  war.  mit  Wa.sser  zu 
waschen  und  dann  erst  dem  Lmkristallisieren  zuerst  aus  Aceton,  spflter 
aus  BöVoigem  Alkohol  zu  unterwerfen.  Einigemal  haben  wir  die  uns  von 
Julius  Mauthner  empfohlene  Methode,  vorerst  aus  Eisessig  und  dann  erst 
aus  85"/oiiit'm  Alkohol  zu  kristallisieren,  angewendet  und  gute  Erfolge  er- 
zielt. In  den  acetouiucn  Mutterlaugen  findet  sich  da>  von  un-   u'it  Jh>}.,rt 


')  Sif/miind  Fninhrl,   Ühcr  l.ipoiili-.   \  1.  Mittnlimg.  tn)er  ein  neiips  Verfahren  der 
fraktionierten  K.Ktraktion  der  Geliirnlipdidc.  üiocliein.  Zpit>5i-hr.  19.  2:>4  (1909). 


624  Sigmund  Fränkel. 

Elias^)  beschriebene  Phosphatid  Leukopoliin,  welches  Kohlenhydratreaktionen 
nach  der  Spaltung  gibt,  aber  dieser  Kohlenhydratspaltling  ist  keine  Galak- 
tose und  reagiert  nicht  mit  Hydrazinen.  Es  dürfte  sich  anscheinend  um  eine 
vielleicht  stickstoffhaltige  Kohlenhydratsäure  handeln.  Die  Aveitere  Unter- 
suchung wird  erst  Klarheit  über  die  Natur  dieser  Substanz  bringen. 

In  den  Aceton  gehen  außer  diesen  zwei  Hauptsubstanzen  noch  kleine 
Mengen  schmieriger  Körper  hinein  und  auch  anderer  färbender  Substanzen, 
wahrscheinlich  auch  organische  Salze  etc.,  welche  man  durch  die  Wasser- 
behandlung zum  größten  Teil  entfernen  kann.  Der  Acetonextrakt  des  mensch- 
lichen Gehirnes  enthält  der  Hauptsache  nach  an  Lipoiden  nur  freies  Cho- 
lesterin und  Leukopoliin. 

Petrolätherextraktion. 

Nachdem  man  sich  überzeugt,  daß  Aceton  im  Extraktionsapparat  nichts 
mehr  aufnimmt,  geht  man  zur  Extraktion  mittels  Petroläther  über.  Die 
früheren  Untersucher  haben  ausschließlich  mit  Äther  gearbeitet.  Wir  haben 
aus  mehreren  Gründen  den  Äther  vermieden.  Äther  sowie  Petroläther 
nehmen  der  Hauptsache  nach  nach  unseren  Befunden  nur  die  ungesättigten 
Phosphatide  auf.  Äther  ist  aber,  wenn  man  ihn  nicht  ganz  rein  und  frisch 
destilliert  für  die  Extraktion  verwendet,  bekanntlich  eine  stark  oxydierende 
Substanz,  dabei  bei  weitem  teurer  und  durchaus  nicht  bei  großen  Massen 
ungefährlicher  als  der  von  uns  vorgeschlagene  und  verwendete  Petroläther. 
J.  Parnas  2)  hat  unsere  Methodik  zu  modifizieren  gesucht,  indem  er  ohne 
vorher  mit  Aceton  zu  erschöpfen,  Benzin  angewendet.  Er  bringt  das  viele 
Cholesterin  nun  in  die  Benzinfraktion  hinein.  Ferner  ist  das  eine  bedeu- 
tende Verschlechterung  des  Verfahrens  auch  nach  der  Richtung  hin.  daß 
es  nämlich  durchaus  nicht  gieichgiltig  ist,  welche  von  den  Petrolbenzinfrak- 
tionen  man  für  die  Extraktion  anwendet.  Schon  niedrig  siedender  Petrol- 
äther nimmt  ebenso  wie  Äther  während  der  Extraktion  die  weißen  Sub- 
stanzen der  gesättigten  Gruppe  mit,  welche  sich  im  Extraktionsgefäß  am 
Boden  des  Lösungsmittels  ansammeln,  insbesondere,  wenn  das  Lösungsmittel 
erkaltet  ist.  Nimmt  man  aber  höhere  Fraktionen  der  Petroleumkohlen- 
wasserstoffe,  so  werden  immer  mehr  und  mehr  von  der  gesättigten  Gruppe 
mitgenommen  und  gelöst,  denn  mit  Ligroin  z.  B.  kann  man  die  ge- 
sättigten Substanzen  völlig  aus  dem  Gehirn  herausholen,  was  wir 
auch  mit  Vorteil  benützen.  Will  man  daher  nach  unserem  Vorschlag  tat- 
sächhch  eine  Methode  der  fraktionierten  Extraktion  anwenden,  das  heißt  schon 
während  der  Extraktion  durch  passende  Wahl  und  passende  Aufeinanderfolge 
der  Lösungsmittel  eine  Trennung  der  drei  großen  Gruppen  der  Lipoide,  wie 
wir  sie  vorgeschlagen  haben :  des  Cholesterins  und  seiner  Derivate,  der  unge- 
sättigten Phosphatide  und  der  gesättigten  Phosphatide,  Sulfatide  und  phosphor- 


*)  Sigmund  Fränkel  und  Herbert  Elias,  Über  Leukopoliin.  Biochem.  Zeitschr.  28. 
320  (1910). 
^)  1.  c. 


Dai-stellui)','  von  Ij|ioi(lt'ii  :nis  (iiliim  miil  aiidcrcu  r;. -.-i....,  ,  .> 

und  schwefelfreien  Sphinnoualaktosidc  (iiirclifiilnvii,  so  venvcrulo  man  leuhl 
siedeiuleii  I'otroläthcr.  Nach  iiiiscivii  Mrf.iliniii;;»'»  ist  es  am  In-stou.  ciiicu 
IVtroliitlici'  zu  vcM-wciideii,  dessen  höchste  Kniktion  hei  .'.:)■  ü'  jx.^ 

käut'lirhe  l'etroläther  entspricht  dii'son  Anfonh-nnip-n  (hn«li;iu-  i.ui,u  Wir 
raffinieren  ihn  duher  durch  luidestilheren  mit  einem  !•  rakth-niera:;'  • 
und  entnehmen  dem  käutnchcii  nur  so  viel,  his  das  Thermometer  au.  .... 
ansteigt.  Der  große  iihrigi)hMi)ende  Kest  wird  für  andere  /wecke  verwendet. 
Auf  diese  Weise  erhalten  wir  nur  sehr  wenig  von  der  gesilttigten  Fraktion 
in  den  Extrakt  der  ungesättigten  riiosphatide.  \>\  die  Extraktion  heendet. 
so  ^vird  nach  gutem  Auskidilen  des  Petroliithers  die  Hauj»tmasse  der  pe- 
trolätherischen  Lösung  in  einem  Fraktionierkolhen  ahfraktioniert,  der  liest 
mit  der  kleinen  Menge  gesättigter  Suhstan/.en  wird  auf  einem  kleinen  Filter 
filtriert.  .\m  besten  veiweudet  man  schwedische  Filter,  welche  dieso  allerleinste 
Pulver  ebenso  wie  Barytfilter  zurückzuhalten  vermögen.  Die  petrohitherisclie 
Lösung  wird  nun  einfach  destilliert;  wenn  der  größte  Teil  des  I'etroläthers 
abdestilliert  ist  und  das  Thermometer  gegen  40"  ansteigt,  (h-stiliierf  man 
unter  Anwendung  von  Vakuum  weiter,  und  zwar  vom  \akuum  der  Wa.sser- 
strahlpumpe.  da  sonst  die  Leitungen  dei- Koll)enj)umpen  zu  sehr  vom  l'etrol- 
äther trotz  stärkster  Kühlung  angefüllt  werden. 

Scheidung  des  Petrolätlierextraktes. 

Alkoholunlösliche  Fraktion  der  ungesättigten  Phosphatide : 

Kephalin. 

In  den  stark  konzentrierten  Extrakt  gielit  man  hierauf  etwa  die 
vierfache  Menge  absoluten  Alkohols  und  rührt  stark  um.  Im  ersten 
Moment  fällt  das  Kephalin,  welches  die  Ilaujttmasse  des  Extraktes 
bildet,  als  eine  noch  flüssige,  und  zwar  sehr  dickflüssige  .\Lisse,  zu  i'.oilen. 
Man  rührt  sehr  stark  mit  dicken  Glasstäben  um  und  nachdem  sich  ilie 
alkoholische  Lösung  geklärt,  kann  man  diese  dekantierend  abgiel'icn.  Iii«'raul 
gießt  man  nochmals  absoluten  Alkohol  auf  das  gefällte  Ke|(halin.  rührt 
wieder  stark  um,  wobei  sich  dieses  in  eine  feste,  fast  wachsartige  .Masse 
verwandelt.  Zur  Keinigung  wird  diese  >L"isse  nach  sorgfältigem  .\bgielien 
und  Abpressen  des  Alkohols  mit  einem  Pistill  wieder  in  nn'iglichst  wenig 
leicht  siedendem  Petroläther  unter  starkem  Kühren  gelöst.  Sollte  die  Lösunir 
nicht  ganz  klar  sein,  so  schleu<lert  man  diese  auf  einer  Zentrifuge  aus. 
Hierauf  gießt  man  die  klare  Lösung  in  dünnem  Strahle  in  etwa  die 
2 — Mache  Menge  absoluten  Alkohols,  rührt  sie  gut  um.  läßt  absitzen,  de- 
kantiert die  Lösung  und  behandeil  den  Niederschlag  wiederholt  unter 
starkem  Kneten  mit  absolutem  .Mkohol.  bis  dieser  fast  farblos  abhUift. 
Wird  ein  solches  Präparat  nun  im  Vakuum  über  Schwefels  inrr  -'trocknet, 
so  erhält  man  es  nach  wenigen  Tagen  .schon  als  eine  stark  n-.>-ii.'e  Masse, 
die  man  mit  dem  Spatel  leicht  zerteilen  und  dann  nach  wiederholtem 
Trocknen  in  ein  feinstes,  leicht  gelbes  Pulver  verwandeln  kann. 

Beim  Kephalin  ist.  wie  bei  keiner  anderen  Substanz,  möglichst  rasches 
Arbeiten  und  möglichst  rasches  Entfernen  der  Lösungsmittel  notwendig',  da 

Abderhalden,    Handbuch   der  biochemischen   ArbeiHmolhcHlen.    V  40 


(326  Sigmund  Fränkel. 

man  statt  einer  leicht  gelb  gefärbten  Masse  eine  schwarze  Substanz  infolge 
der  Oxydation  erhält.  Das  so  gewonnene  Ivephalin  ist  durchaus  noch  keine 
chemisch  reine  Substanz.  Vor  aUem  enthält  es ,  wie  alle  Beobachter  über- 
einstimmend gefunden  haben,  in  rohem  Zustande  noch  verschiedene  Aschen- 
bestandteile. Schon  Thudichum  hat  vorgeschlagen,  das  nach  seiner  Methode 
dargestellte  Kephalin  über  Wasser  zu  reinigen  ^ ),  und  in  unseren  Unter- 
suchungen mit  E.  Neubauer^)  haben  wir  tatsächlich  für  die  Elemeutaranalysen 
Kephalin  über  AVasser  gereinigt,  indem  wir  es  in  diesem  durch  feines 
Verreiben  zur  Quellung  brachten,  abschleuderten  und  mit  Säure  fällten. 
Diese  Reinigungsmethode  ist  keineswegs  eine  ideale.  Man  verliert  sehr  viel 
von  der  Substanz,  um  zu  Präparaten  zu  gelangen,  welche  stimmende  Ana- 
lysenzahlen geben.  Dem  Umstände,  daß  die  Eeinigung  des  Kephalins  schwie- 
rig ist ,  ist  es  zuzuschreiben ,  daß  im  F.  Hof }neister sehen  Laboratorium 
von  F.  Falk ^)  das  Gehirnkephalin  zuerst  als  Diaminomonophosphatid 
beschrieben  wurde,  entgegen  den  Angaben  von  Thudklnun  und  daß  erst, 
nachdem  wir  mit  £".  iVewifmer'^)  das  in  der  beschriebenen  AVeise  gereinigte 
Kephalin  analysiert  und  genaue  Zahlen  für  ein  Monoaminomonophosphatid 
erhalten  haben,  J.  Farnas  nachher  im  Straßburger  Laboratorium  zu  gleichem 
Eesultate  Avie  wir  gelangen  konnte.*) 

Alkohollösliche  Fraktion  der  ungesättigten  Phosphatide. 

Die  alkohollösliche  Fraktion  wird  nun  im  Vakuum  stark  eingeengt 
und  hierauf  wieder  mit  absolutem  Alkohol  aufgenommen,  wobei  sich  manch- 
mal noch  kleine  Mengen  einer  Substanz,  die  wahrscheinlich  mit  Kephalin 
identisch  ist.  ausscheiden.  Die  alkoholische  Lösung  gibt,  wie  schon  Thu- 
dichum beobachtet  hat,  mit  einer  schwach  ammoniakalischen  alkoholischen 
Bleiacetatlösung  einen  Niederschlag.  Thudichum  hat  diesen  Niederschlag 
weiter  untersucht  und  aus  demselben  eine  phosphor-  und  stickstoffhaltige 
Substanz,  das  Myelin ,  sowie  eine  verwandte :  das  Paramyelin  gewonnen. 
Bei  unseren  Untersuchungen  mit  i?ir/?örd' i>örr  5)  haben  wir  den  Bleinieder- 
schlag nach  Ausw^aschen  mit  Alkohol  in  Benzol  gelöst,  und  aus  der  benzohgen 
Lösung  wieder  mit  Alkohol  gefällt.  Als  wir  aber  die  Bleiverbindungen  hierauf 
in  alkoholischer  Suspension  in  der  Wärme  mit  Schwefelwasserstoff  behandel- 
ten, erhielten  wir  eine  kristallisierende  Substanz  mit  sauren  Eigenschaften, 
welche  sich  als  völhg  frei  von  Phosphor  und  Schwefel  erwies,  aber  stickstoff- 
haltig war  und  ungesättigten  Charakter  zeigte.  Die  Untersuchung  dieser  Sub- 
stanz sowie  die  Ermittlung  ihrer  Spaltungsprodukte  ist  noch  nicht  beendet. 

Thudichum  hat  vorgeschlagen,  das  im  Überschuß  zugesetzte  Blei  mit 
Schwefelw^asserstoff  aus  dem  alkohoüschen  Filtrat  zu  entfernen,  was  wir  aus  dem 


1)  1.  c.  p.  129,  130. 

-)  S.  Fränke.J  u.E.  Neiihmter,  Über  Kephalin.  Biochemische  Zeitschr.  21.  321  (1909). 
^)  Fritz  Falk,  Zur  Kenntnis  des  Kephalins.  Biochemische  Zeitschr.  16.  187(1908). 
*)  Jakob  Parnas,  Über  Kephalin.  Biochemische  Zeitschrift.  22.  411  (1910). 
*)  Noch  nicht  veröffentlicht. 


Darstellung'   vnn    l,i|iuii|(>ii   :ui>   (idiirn    mnl    iiKlrnjr    (:••«. .1 ^9<t 

(irunde  veniicidcii,  weil  das  Scliwi'lcll.lci  mcisf  knlloidal  .ni-^ijUlt  und  kniiin  zu 
entfernen  ist.  Es  ist  viel  saulieivr  und  eint'aclicr.  das  Hl.-i  ..l  (  i,l,,il,l,i  ahzu- 
sclieiden.  indem  man  tropfenweise  eine  ahsolut  alkoholisclic  -  ;ic*  zu  der 

hlt'ijialtiiicn  Lösung- zusetzt,  his  irerade  KonL'«)|>a|»it'r  aurierst  srliwaiu  '  rd 
DerNiederscIdau- von  Cldorhlei  resp.  C'hlorhlciammoniak  setzt  sich  s.  .,,  -..i  ali 
und  kann  leicht  ai)filtriert  wenh'U.  Man  liltricit  nun.  fu^t  di<'  Lösuiit:  im  Va- 
kuum wieder  ein,  nachih-m  man  mit  einer  Spur  alkoholischen  Ainujoniaks 
die  Spur  freier  Salzsäure  ahLrestumjjft  hat.  hie  konzentrierte  lÄlsung  wird 
nun  mit  reinem,  wasserfreiem  Aceton  ausirefällf.  wieder  in  Alkcdiol  Lrelüst 
und  wieder  mit  Aceton  liefiillt.  Aus  dem  so  darj^estellten  l'raparat  hahen 
wir  dann  als  Chlorcadmiumverhindunir  das  Sahidin  L'ewonnen.  In  den 
Mutterlauiien  des  Sahidins  fanden  wir  kaum  Spuren  von  andi-ien  Suhstanzen. 
Dieses  Sahidin  erwies  sich  als  nicht  identisch  mit   ( )volecithin.M 

Ich  möchte  an  dieser  Stelle  eine  llemerkunt,' über  die  N'erwenilunj;  von 
Cadmiumsalzi  II  in  der  Analyse  dei-  Phosphatide  einschalten.  Uii.sj're  Kennt- 
nisse über  die  Lecithiii{iruppe  heiuheii.  wie  jeder,  der  sich  nur  ein  wniit'  in 
dei'  Literatur  dieser  Veri)iiidunf:('ii  zureclitu'efuiideii.  weil»,  auf  der  Aiiaivse 
der  riatinverhindun^-  von  Strecker  und  auf  den  .\iialyseii  der  Cadmiuni- 
verbiiidungen  vieler  Autoren .  iiishesonders  von  Strich  r  und  Thid/idium. 
Kiiii<i('S  Mißtrauen  getreiiülxT  der  N'erwciidun^  von  Cadmiumsalzeii  erreijten 
Mitteilungen  von  Krlandstn,  welcher  angibt.  dal\  die  ('lilorcadmiumf;illuiij;eii 
nicht  quantitativ  sind,  teilweise  weil  es  alkohollösliche  Stoffe  gibt,  welche 
von  Chlorcadmium  gefällt  werden,  die  jedocli  keine  riiosphatide  sind  lunl 
weil  auch  die  Cd-Verbindungen  in  bezug  auf  die  ('-  und  ll-/alilen  aiiden- 
Resultate  geben,  als  die  freien  Substanzen,  während  die  N-  und  I '-Werte 
nicht  differieren.  Wir  haben  bei  \'erwenduiig  von  Chlorcadmium  bei  den 
Hirnphosphatideii.  das  wir  lediglich  bei  Sahidin  und  l,euki>|ioliiii  benutzt, 
nicht  die  gleichen  p]rfaliruiigeii  gemacht,  können  aber  davor  nur 
warnen,  wahllos  in  rhosphatidgemisclie,  wie  ..Lecithin''.  Catlminmlösung  liineiu- 
zuschütten  und  aus  der  Analyse  „Schlüsse  iilier  die  Zersetzung"  zu  ziehen. 
wie  es  kritiklos    W.  Hcubmr-)  tut. 

Die  gesättigte  Gruppe. 

Wenn  man  Hirn  mit  Aceton  und  Tetroläther  oder  mit  l'etroläther  allein 
oder  auch  mit  Äther  ers(höpft  hat.  so  hinterbleibt  in  die.sem  eine  (iruppe 
gesättigter  Substanzen,  welche  man  mit  verschiedenen  Lösungsmitteln,  am 
besten  in  der  Siedehitze  derselben,  extrahieren  kann,  und  <lie  beim  Krkalten 
sich  meist  kristallisiert  aus  dem  Lösungsmittel  ab.^;cheiden.  Die  Substanzen, 
welche  man  auf  diese  Weise  erhält,  hat  man  vor  mehr  als  KH»  Jahren 
.schon  beobachtet  und  sie  matiere  blanche  genannt.  rrs|)rtin;;lich  hat  man 
sie  noch  mit  Cholesterin  verunreinigt  erhalten,  aber  die  sp.teren  Forscher 


')  S.  Fränkel  w.  Kurt   fJnmrt,  CImt  S.iliidm.   llio.li.ni    /  '      ""     "MO). 

-)   W.  Hdiliiii f.  Hci.liaflitiiiijrcii  (iImt  (!!-•  /..-..•i/liclik.  t  .-  •  f. 

oxpcr.  Pathol.  u.  Pharmakol.  öi».  420  (l'H)8i. 

40» 


628  Sisrmund  Fränkel. 

haben  diese  weiße  Substanz  mit  Äther  gereinigt  und  sie  so  sicherlich  cho- 
lesterinfrei  bekommen.  Diese  weiße  Substanz  der  französischen  P'orscher 
tauchte  dann,  in  jedenfalls  nicht  reinei-em  Zustande,  in  Deutschland  unter 
dem  Namen  Protagon  auf.  Alle  Forscher  haben  diese  Substanz  in  der  Weise 
dargestellt,  daß  sie  Hirne,  eventuell  nach  vorhei'igem  Trocknen,  mit  siedendem 
Alkohol  —  entweder  mit  absolutem  oder  mit  So^/gigem  —  auskochten  oder 
bei  450  ausholten  und  die  weißen  Absätze  dann  durch  Kristallisation  reinigten. 
Gegen  die  Annahme,  daß  dieses  Protagon  ein  einheitlicher  Körper  sei. 
haben  zahlreiche  Untersucher  mehr  oder  weniger  berechtigte  Einwände  er- 
hoben. Die  eine  Gruppe  behauptete,  daß  dieses  Protagon  eine  Mischung 
von  Cerebrosiden  und  Lecithin  sei,  was  sicher  unrichtig  ist,  da  Lecithin 
nach  dem  Ausäthern  gar  nicht  mehr  darin  vorkommen  kann,  während  an- 
dere Forscher  Trennungen  mit  mehr  oder  weniger  eingreifenden  Mitteln 
vornahmen  und  einen  phosphorhaltigen  und  einen  phosphorfreien  Anteil 
erhalten  konnten.  Insbesondere  Thudichum  hat  das  große  Verdienst,  da- 
rauf hingewiesen  zu  haben,  daß  man  phosphorfreie  Substanzen  und  phos- 
phorhaltige  im  sogenaimten  Protagon  unterscheiden  muß. 

Hingegen  haben  andere  Forscher  an  der  einheitlichen  Natur  des 
Protagons  festgehalten.  So  insbesondere  Gamgee^),  sowie  A.  Kossei  und 
Freytag-)  und  in  letzter  Zeit  entgegen  allen  Einwänden  W.  Cramer.^)  Letz- 
terer isolierte  sein  Protagon,  indem  er  zuerst  die  Hirnmasse  mit  967oig'eni 
Alkohol  in  einer  Schüttelmaschine  verarbeitete  und  dann  im  Eisschrank 
absetzen  heß.  Nach  3 — 4  solchen  Extraktionen  wurde  mit  Äther  so  lange 
geschüttelt,  bis  Lecithin  und  Cholesterin  völlig  entfernt  waren.  Hierauf 
wurde  der  ungelöste  Ftückstand  an  der  Luft  von  Äther  befreit  und  die 
braune  resultierende  Masse  leicht  in  feines  Pulver  verwandelt,  aus  dem 
nach  der  Methode  von  Gamgee  mit  warmem  Alkohol,  sowie  mit  siedendem 
absoluten  Alkohol  extrahiert  wurde.  Bei  letzterem  Verfahren  wurde  der 
siedende  absolute  Alkohol  auf  das  Pulver  gegossen  und  die  Mischung  1  bis 
2  Minuten  im  Wasserbad  unter  Schütteln  belassen  und  die  Lösung  nach 
Cramer  durch  einen  Heißwassertrichter  in  ein  eisgekühltes  (xefäß  filtriert. 
Die  Extraktion  wurde  zweimal  wiederholt  und  das  rohe  kristallinische 
Produkt  mit  Äther  gewaschen  und  im  Vakuum  getrocknet.  Für  die  Pie- 
kristallisation  goß  er  siedenden  absoluten  Alkohol  auf  das  Protagon,  kochte 
ca.  1  Minute  und  filtrierte.  Das  so  dargestellte  Produkt  erwies  sich  in  be- 
zug  auf  Ptefraktion  und  spezifische  Drehung  bei  allen  Darstellungen  aus 
Ochsenhirn  als  identisch.  Dieses  veranlaßt  Cramer,  das  Protagon  für  eine 
einheitliche  Substanz  zu  halten,  während  er  die  gegenteiligen  Resultate,  ins- 
besondere der  amerikanischen  Kollegen,  Posner  und  Gies^),  in  der  Weise  er- 


0  Gamgee,  Textbook  of  physiological  chemistry.  London,  p.  427  (1880);  A.Gamger 
und  E.  BlankcnJiorn,  Protagon.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  3.  360  (1879). 

2)  Ä.  Kossei  nnä  H.Frci/ta;/,  Nervenmark.  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie.  17.  431  (1893.) 

^)  W.  Cramer,  Journal  of  physiology,  31.  31  (1904);  Ä.  C.  Lochhead  und  W.  Cramer, 
Biochemical  Journal.  2.  350  (19b7). 

*)  E.  B.  Posner  und  W.  J.  Gies,  Protagon.  Journ.  of  biol.  chemistry.  1.  59  (1905). 


Darstelluiiff  von   M|)(ii(loii  uns  (.cliim   iiu.i    iiKlcten  (..  .v.Imu 


(i29 


klärt,    (lal.i  die  wochsolndcii    l'liosiihoriiicii^cii    Im-iid    rinkii<tal!i;ipr..|i    dvr 
Präparate  einer  Hydrolyse  /ii/uschreilK'ii  sind,  indfin  .la.  .    pm- 

tagon  bei  längerer  Kinwirknng  von  sied.-ndrm   AlkolK.I  sich  zcrset/t 

Die  anderen  rntersnelier  hingegen  halicii  rin«-  llcihc  von  M«'th««len 
angegeben,  um  aus  (li<'seni  l'rotagon  .sowohl  phosphorhaltige  al.s  auch  ins- 
lu'sondere  iihosphortVcic  Snbstaii/cn  zu  gewinnen.  l>as  größte  Venlienst 
nach  dieser  IJiehtnng  hin  ist  'l'liudichuni  /nzuschrcibcn.  welcher  zwei  >olrhe 
phosphorfreie  Substanzen  isoliert  und  beschrieben  hat.  von  denen  er  aurh 
die  Konstitution  zum  Teil  feststellen  konnte.  Er  benannte  sie  Phrenosin  und 
Kerasin.  Andere  Forscher  nannten  diese  phosphorfreien  Sidistanzen  Cerebro- 
side,  aber  wie  ich  glaul)e.  haben  auch  die.se  Forscher  die  ('erel)rosi(U'  niclit  in 
einem  reineren  Zustande  in  Händen  gehabt  als  Thudiihum.  Krst  als  (innujcf^) 
und  Thi  erfehl  er'-)  das  sogenannte  Pseudocerebrin  oder  Ci-rebroii  kristallisiert 
erhielten  und  Thierf ekler'')  die  Hydrolyse  durchfidirte.  welche  bis  anf  einen 
Punkt  identische  Resultate  mit  T/iuilichinns*)  llydiolyse  des  Phrenosin 
gab.  konnte  man  von  einer  reinen  isolierten  Substanz  s|)rechen.  .Man  mulit«' 
die  Frage  aufwerfen,  warum  die  verschiedenen  Forscher  —  und  wir  zählen 
die  ersten  Namen  unserer  Wissenschaft  dazu  —  so  verschiedene  Pesultate 
erhielten  und  an  welchem  Punkte  ihre  Methodik  scheiterte'.'  Wenn  man 
die  Verfahren,  welche  Thurfeldtr  zur  IsolieriniLT  de^  Cerebrons  iiiuner 
w(^chseln(l  veröffentlicht  hat.  betrachtet  und  sieht,  mit  welchen  .S-hwierig- 
keiten  er  zu  kämpfen  hatten  luid  erst  nach  wievielfachem  l'mkristallisieren 
er  aus  dem  phosphorfreien  rTenienge  Cerebron  isolierte,  so  wird  man  Fol- 
gendes darüber  aussagen  können.  Die  C'erebroside  oder,  wie  ich  sie  be- 
nannte ,  die  Sphingogalaktoside  geben  sehr  wech.selnde  Stickstoffzahlen, 
welche  immer  höher  liegen  als  die  Stickstoffzahl  ([v<  reinen  Cerebrons. 
sowie  seiner  aus  den  Spaltungsprodukten  berechneten  theoreti.schfn  For- 
mel. FiS  mulj  daher  in  grober  Menge  eine  zweite  Substanz,  mindestens 
eine,  neben  dem  Cerebron  vorhanden  sein,  welche  mit  dem  Cerebron  ge- 
mischt physikalisch  ähnliche  Eigenschaften  zeigt  nnd  anch  sehr  nahe  ver- 
wandte oder  identische  Spaltungsprodukte  gibt.  JSo  hat  von  all  den  ana- 
lysierten Cerebrosiden  verschiedener  Darsteller  nur  das  Cerebron  so  niedrige 
Stickstoffzahlen.  Es  ist  gaj-  kein  Zweifel,  dali  Cerebron  kein  Spaltling  ist, 
.sondern  direkt  im  (lehirn  vorkommt,  und  nach  unseren  rntersuchnngen 
besteht  kein  Zweifel,  und  darin  stimmen  wir  mit  J'osncr  und  (iits  iiberein. 
dal'.  Tku(lichi())is  Phrenosin  mit  dem  Ceri  bron  identisch  i<t.  aber  (iaiiujer 
und  Thierfrlder  hal)en  entschieden  da-  \Cr(licn>f.  dab  >ie  die.se  Substanzen 
in  weitaus  reinerem  Zustande  in  I Linden  hatten:  man  kann  Thier- 
f'rJdrrs  Verdienst  nicht  bestreiten,  gezeigt  /n  haben.  dal\  die  FettsiUire, 
iini  die  es  sich  handelt,  nicht  Stearinsäure,  wie   'rintdichuin  inni  wie  anch 


•)   fimuf/K.  Ti'XtlMK.k   i<\    i.li\sioloL'ir;il   rlifiiiistn-.    Loiiilmi.   |>  441   (lS.*<(h 
-)   //.  Tliirrfrh/rr  und  /:'.  ]\'öni>r.  (Iflmii  /i-itsrlir.  f.  pli^siol.  (  lu-uiie  30.  äi:?!!".**»! 
')  //.  Thicrfelder.  Cercltron.  Zcitsclir.  f.  plivsiol.  Chomi«'.  \.\.   >\  «11104  »».  ibid.  44 
3fl6  (190:>),  ibitl.  '46.  5lS  (1905).  il-i.l    49    'iSC,  (HKMJt. 
*)  1.  c.  p.  182 ff. 


55Q  Sigmund  Fräiikel. 

Kossel  angenommen  haben,  ist,  sondern  eine  Oxysäure,  die  Cerel)ronsäure. 
Es  ist  nun  die  Frage,  was  ist  denn  das  eine  oder  die  mehreren  anderen 
Cerebroside,  welche  vom  Cerebron  so  schwer  trennbar  sindV 

Fernerhin  hat  man  die  Frage  aufgeworfen,  was  die  phosphorhaltigen 
Anteile  dieser  weißen  Materie  sind.  Mehrere  Forscher,  insbesondere  aber 
Kossei  und  Freytag  haben  darauf  hingewiesen ,  daß  in  dieser  weißen  Ma- 
terie neben  Phosphor  auch  größere  Mengen  Schwefel  vorhanden  sind,  und 
zwar  in  Form  von  Schwefelsäure.  Thudichum  selbst  erwähnt  nur  nebenbei 
solche  Sulfatide,  ohne  besonderen  Wert  darauf  zu  legen  und  hat  nur  ein 
Phosphatid  als  Cadmiumsalz  isoliert  und  als  Sphingomyelin  beschrieben. 
Viele  Forscher  haben  den  Schwefelgehalt  entweder  geleugnet  oder  nur  wenig 
Schwefel  gefunden.  Wir  haben  in  allen  unseren  Präparaten  ohne  Aus- 
nahme neben  Phosphor  auch  Schwefel  gefunden.  Man  muß  nun  fragen, 
ob  der  phosphorhaltige  Anteil  ein  gesättigtes  Phosphatid  ist  und  daneben 
ein  Sulfatid  vorkommt,  oder  ob  es  sich  um  ein  Phosphorsulfatid  als 
Individuum  handelt.  Die  Methodik  der  Verarbeitung  dieser  weißen  Materie 
muß  daher  so  eingerichtet  sein,  daß  sie  allen  diesen  aufgeworfenen  Fragen 
gerecht  wird  und  daß  man  jedenfalls  dazu  kommt,  Substanzen  darzu- 
stellen, und  zwar  in  solchen  Mengen,  daß  man  an  ihre  Hydrolyse  gehen 
kann,  da  die  bloße  Analyse  so  komplizierter  Gel)ilde,  wenn  sie  auch  rein 
dargestellt  sind,  vorläufig  nichts  besagt,  ebensowenig  wie  etwa  beim 
Eiweiß,  solange  wir  nichts  über  die  Spaltlinge  aussagen  können. 

Die  Methoden  der  Trennung  des  phosphor-  und  schwefelhaltigen 
Anteiles  der  gesättigten  Gruppe  von  den  Cerebrosiden  sind  um  so  mannig- 
faltiger, als  alle  Forscher  auf  diesem  Gebiete  sehr  große,  fast  unüberwind- 
liche Schwierigkeiten  fanden.  Thudichum  hat  die  weiße  Materie  mehrfach 
aus  Alkohol  umkristallisiert  und  so  den  Phosphorgehalt  bis  auf  0"8Vo 
heruntergedrückt.  Die  weitere  lieinigung  führte  er  nach  einer  Methode 
durch,  die  wir  die  Bleimethode  nennen  wolhn. 

Die  feuchte  weiße  Materie  wird  im  Mörser  mit  einer  alkoholischen 
Bleizuckerlösung,  welche  kleine  Mengen  von  Ammoniak  enthält,  zerrieben  und 
in  heißen  85<>/oigen  Alkohol  eingetragen.  Dann  setzt  man  noch  weiter 
Bleizucker  und  Ammoniak  der  heißen  Lösung  zu.  so  lange  noch  ein  Nieder- 
schlag entsteht.  Man  filtriert  heiß  und  kocht  den  Bleiniederschlag  er- 
schöpfend mit  Alkohol  aus.  Die  in  heißem  Alkohol  gelöst  gebliebenen  Cere- 
broside fallen  iieiin  Abkühlen  aus  und  werden  aus  absolutem  Alkohol  um- 
kristallisiert, wobei  zuerst  Phrenosin  ausfällt,  später  Kerasin.  In  der  Mutter- 
lauge ist  noch  Sphingomyelin  und  Kerasin  enthalten,  die  durch  Cadmium- 
chlorid  trennbar  sind,  da  nur  das  Sphingomyelin  eine  Cadmiumverbin- 
dung gibt.  Das  rohe  Phrenosin  wird  durch  fraktionierte  Kristallisation 
vom  Kerasin  befreit,  und  zwar  in  der  Weise,  daß  die  alkoholische  Lösung 
zwischen  50"  und  40*^  Phrenosin  in  Piosetten  auskristallisieren  läßt.  Die  Bil- 
dung dieser  Ptosetten  hört  bei  28"  auf  und  die  über  denselben  stehende 
Flüssigkeit  bleibt  klar,  bis  sie  auf  26"  ausgekühlt  ist.  Dann  fällt  das  Ke- 
rasin als  dichte  aelatinöse  Wolke  aus.  Das  Phrenosin  wird  durch  8maliges 


DaistelliiiifT  von   Lipoiden  ;iii8  (ichirn  und  anderen  O  ,;;;| 

Umkristallisi(Mon    kcrasiiifici    ^rcwoniicii.     Das    so    gewoniHMn-    l'liniiu>in 
war  aber  iiocli  nicht  frei  von   l^liospliafidcn.     Cm  fs  von  »ii.-.-n   vi.;"  i 

reinigen,  wnrde  riirenosin  mit  Clilorcadminm  \«'r>;«'tzt,  <la-  In/terc  ...n.ii 
Schwefelwasserstoff  zerle^n  u\\i\  dii"  ^anzt'  iMi^cliun«;  mit  -r.ihm  M«mi;,'C'U 
Äther  behandelt.  Die  «•elbc  l'hosphatid-Schwcfelcadmiiimverbindun'/  l.Wt 
sich  in  Äthei'  au!  und  wird  abliltiicrt .  wülirmd  das  Threnosin  u, 
bleibt.  Man  löst  nun  (l;is  Phrenosin  in  hcil'icm  Alkohol,  filtriert  vom  S<-Iiw.'- 
felcadmiuni  nnd  kristallisiert  abermals.  So  ^rei-cinijirte  l'raparati-  cnthlHtfii 
aber  noch  immer  '/•:  ^^^^  <^^in  ^zanzes  Troznit  rhos|iliatid.  welch.',  di«» 
Pllementaranalyse  stark  beeinflußt.  T/iirr/'r/drr  hat  die  Trcnninrj'  von  Ccn- 
broii  und  riiosphatiden  auf.  eine  andere  W  eise  ;ui>LM'tidirt.  die  aber  naeh 
seinen  zahlreichen  Angaben  und  nach  un.screr  Nacli|iriitiing  auch  niciit  \ulli'_' 
gute  Resultate  liefert.  Er  entwässert')  (iehirn  mit  Aceton  und  extrahiert 
mit  Äther.  Bei  0"  kristallisiert  aus  dem  Äther  eine  weil'.e  Mas.se  au.s.  welche 
man  dem  (iehirnbrei  zufügt  und  das  (ianze  wird  mit  H;')%ig«'m  Alkcdioj 
bei  45"  bis  50 '^  wiederholt  ausgezogen.  Die  ausfallenden  Massen  wäscht  man 
mit  Äther,  trocknet  und  löst  in  Methylalkohol,  welcher  75%,  Chlontfonn 
enthält.  Auf  einen  Teil  der  weißen  Materie  nimmt  man  ."»  Teile  des  Lö>nni:^- 
mittels  und  löst  unter  leichtem  Erwärmen,  filtriert  nnd  lallt  verschlossen 
stehen.  Es  scheidet  sich  an  der  Oberfläche  eine  weiCie  .Masse  ab .  ebenso 
aus  dem  ausgekühlten  Filtrat.  Durch  wiederholtes  Umkristallisieren  erhalt 
man  eine  harte  weiße  Kruste,  welche  sich  an  dei-  Olierfläche  abscheidet. 
Alle  Abscheidungeu,  auch  die  aus  der  Mutterhuige,  werden  vereinigt  und 
in  der  HOfachen  Menge  eines  r.ösungsmittels.  bestehend  aus  1  Teil  Chloro- 
form und  4  Teilen  Methyhükohol.  heiß  gelöst.  Die  auskristallisierende  Masse 
wird  mit  einem  Zinkreagens  i)eliaiidelt.  Man  erhält  die.^'s  durch  SusjuMidieren 
von  Zinkhydroxvd  in  Methylalkohol,  Einleiten  von  Ammoniak  uiul  /ufüiien 
von  Ammoniumacetat.  Man  löst  das  Cerebron  heiß  in  Methylalkohol,  welcher 
10%  Chloroform  enthält,  setzt  das  Reagens  zu  und  kneht,  bis  si<-h  eine 
flockige  Masse  ausscheidet,  welche  fast  alle  phosphorlialtiiren  Substanzen 
enthält.  Hierauf  filtriert  man.  Das  sich  ausscheidende  Cerebron  kristalli- 
siert man  noch  einmal  aus  der  Chloroformmetliyialk(diolmischung  um.  In 
.seiner  jüngsten  Arbeit  gibt  llncrfddcr-]  an.  daß  er  nel»en  dem  Cerebnm 
eine  dem  Cerebron  sehr  ähnliche  und  schwer  von  ihm  abtrenid>are  Substanz 
gefunden.  Er  arbeitet  bei  der  Darstellung  i\Q)>  Cerebrons  gegenwärtig  in  di-r 
Weise,  daß  er  die  fein  zerhackte  lliinmas.se  auf  (dasplatteu  in  «liinner 
Schicht  aufträgt.  Die  Platten  liegen  auf  einer  mit  dicker  Samlschicht  Ih«- 
deckten  Eisenplatte  und  werden  durch  unterstellte  Rrenner  .so  erwärmt. 
daß  die  Temjjeratur  des  Sandes  an  keiner  Stelle  :)()ö  bis  5;i"  übersteigt.  Ein 
über  den  Platten  angebrachter  Flügelventilator  sorgt  für  rasche  Erneue- 
rung   der    Luft.    In    den    ersten    drei  Stniuleii    wird    die   Ma->e    vXwa   alle 


')  F.  Ki/tn/inra  iirnl  //.  r/iicrf'rl'frr,    V\tor  das  Cert-bron.   /eitsrhi.  I.  jih>»iol.  Ch«IU. 
49.  286  (190G). 

'-)  Ilirmann  Löhnuii;/   und    //.   T/ihrtihlir,    TIht    ila-   '  rrohroD.    W    MiHolunt: 
Zeitschr.  f.  physiol.  (  liom   08.  4t)4  (li)lO). 


g32  Sigmund  Fräukel. 

10  Minuten  mit  einem  Spatel  gewendet,  dann  seltener.  Nach  10  Stunden 
hat  sie  eine  Wassermenge,  welche  zwischen  72  und  Tö^/o  des  Gewichtes 
des  frischen  Gehirns  schwankt,  abgegeben  und  eine  helle  Heischfarbe  an- 
genommen, sie  verbleibt  nun  noch  längere  Zeit  im  Exsikkator  und  wird 
darauf  im  Soxhlet^chen  Extraktionsapparat  mit  Äther  ausgezogen,  und 
zwar  unter  zweimaligem  Wechsel  des  Äthers  je  3 — 4  Stunden.  Die  in  den 
ätherischen  Lösungen  erfolgenden  Abscheidungen  trennt  man  auf  der 
Zentrifuge,  zerteilt  den  Bodensatz  in  frischem  Äther,  zentrifugiert  wieder 
und  wiederholt  die  Behandlung  nochmals  für  den  Fall,  daß  der  Äther  noch 
gefärbt  ist  Nach  einem,  wie  die  Verfasser  angeben,  unendlich  mühsamen 
Verfahren  verarbeiten  sie  nun  die  so  erhaltene  weiße  Masse.  Nur  die 
Grundzüge  des  Verfahrens  sind  veröffentlicht.  Zunächst  erfolgt  eine  6mal 
wiederholte  Umlösung  aus  75"/o  Chloroform  enthaltendem  Methylalkohol. 
Hierauf  werden  die  weißen  Massen  in  großen  Mengen  heißen,  den  fünften 
Teil  Chloroform  enthaltenden  Methylalkohols  gelöst  und  die  beim  Abkühlen 
innerhalb  gewisser  Temperaturgrenzen  erfolgenden  Abscheidungen  mittelst 
Filtrierens  durch  Warmwassertrichter  voneinander  getrennt.  Auf  diese  W^eise 
trennen  sich  die  kristallisierenden  Anteile  von  den  später  ausfallenden 
amorphen.  Eine  weitere  Trennung  innerhalb  der  so  gewonnenen  Frak- 
tionen läßt  sich  durch  wiederholte  Extraktion  mit  10»/o  Chloroform  ent- 
haltendem Methylalkohol  und  weiterhin  mit  Methylalkohol  bei  öO"  erzielen. 
So  konnten  Löhnung  und  Thierfelder  Cerebron  und  die  amorphe  Substanz 
trennen.  Aber  sie  können  nicht  angeben,  ob  diese  amorphe  Substanz  nicht 
etwa  verunreinigtes  Cerebron  ist  oder  ob  es  sich  um  einen  von  den  übrigen 
Forschern  schon  beobachteten  Körpei-  handelt. 

Bei  unseren  zahlreichen  Untersuchungen  haben  wir  schließlich  zu 
einer  Methodik  gegTiffen,  die  wir  als  den  Ausbau  eines  schon  von  Kossei 
und  Freytag^)  beschriebenen  Verfahrens  angesehen  haben  wollen.  Man  hat 
früher  die  Cerebroside  in  der  W^eise  gewonnen,  daß  man  die  Gehirnsub- 
stanz mit  siedendem  Barytwasser  versetzt  und  aus  dem  abgeschiedenen 
Gemisch  die  Cerebroside  mit  Alkohol  auszog.  Kossei  und  Freytag  lösten 
Protagon  (die  weiße  Materie)  in  Methylalkohol  und  versetzten  die  Lösung 
bei  W^asserbadtemperatur  mit  einer  methylalkoholischen  Lösung  von  Ätz- 
bai-yt,  wobei  sich  sofort  ein  voluminöser  Niederschlag  bildete.  Nach  dem  Dige- 
rieren der  Flüssigkeit  einige  Minuten  lang  auf  dem  Wasserbade  trennt  man 
den  Niederschlag  ab.  wäscht  ihn  mit  barythaltigem  Methylalkohol  einmal, 
zerteilt  ihn  hierauf  in  Wasser  und  zerlegt  die  Barytverbindung  mit  Kohlen- 
säure, filtriert  hierauf  den  Niederschlag  ab,  wäscht  ihn  mit  Alkohol  und 
zieht  ihn  sodann  bei  50"  mit  absolutem  Alkohol  aus,  wobei  nach  den  An- 
gaben der  beiden  Forscher  die  Verunreinigungen,  welche  sonst  den  Cere- 
brosiden  hartnäckig  anhaften,  insbesondere  die  Barytseifen  der  höheren 
Fettsäuren,  nur  zu  geringem  Teil  in  Lösung  gehen.  Die  letzten  Reste  baryt- 


')  A.  Kossei  und  Fr.  Frenfan,  tlber  einige  Bestandteile  des  Nervenmarks  und  ihre 
\  erliieitun<>-  in  den  Geweben  des  Tierkörpers.  Zeitsehr.  f.  phys.  Chem.  17.  431  (1893). 


Daistt'lliuii,'  Villi    l.ipdiilcii  aus  (irhirii  iiiiil  aiiih n  i,  t,.v\.-|.fn.  |j;j^-j 

haltiiicr  W'rliiiuluiigcii  werden  ciitlcnit.  iiidciii  man  sie  zunnchht  anmht 
lind  wieder  mit  Kolilensänre  läiif^^or  boliaiidelf.  |)en  alij^^et rennten  Nieder- 
schlag' nimmt  man  mit  absoUitom  Alkohol  hei  ;')()"  auf.  Aus  den»  Alkohol 
kristallisiert  hei  Zimmertemperatur  zunächst  Cerehrin  (^Cerehriir  ist  wohl 
identisch  mit  Thudiclmms  riireiiosinK  nach  2  Stunden  vorwie^'en«!  Kt-ra'iin 
und  durch  Smali^cs  rmkristallisieren  aus  Alkohol  kann  man  dieM-  h.-iden 
Substanzen  voneinander  trennen.  /vV.sv/  und  Fni/tn;/  haben  aber  den  in 
Alkohol  unlöslichen  Küekstand.  welcher  die  Phosphatide  und  Sulfatide  ent- 
halten niul».  in  ihrei-   Tutersuchun},'  nicht    weiter  bi-riicksichti;:!. 

Wir  haben  durch  den  Ausbau  dieser  Methodik,  die  nach  unseren  Krfah- 
runtiiMi  durchaus  die  beste  uiid  einfachste  ist  und  weitaus  allen  übri<,'en.  inslxj- 
sondere  den  T/iier/'chler^c]wn  mühselifren  und  kaum  literarisch  darstellbaren 
\'erfahren  überlegen  ist.  jedenfalls  bis  jetzt  bei  der  weiteren  Trennunt:  die 
besten  Krfolge  gehal)t.  Wie  oben  angegeben,  extrahieren  wir  die  mit  Aceton 
und  Petroläther  völlig  erschöpften  (Jehirne  mit  siedendem  absolutem  Al- 
kohol. Nach  dieser  FAtraktion  finden  wir  in  den  Kückständen  Ai->  (iehirns 
nur  mehr  minimale  Mengen  mit  Lösungsmitteln  extrahierbarer  Anteile.  Die 
Absätze  aus  dem  absoluten  Alkohol  werden  mit  den  kleineren  Meiiiren 
weißer  Absätze  aus  dem  Petroläther  einfach  vereinigt  und  im  I-Asikkator 
vöUig  nach  vorhergehendem  gründlichen  Auspressen  von  Äthylalkohol  be- 
freit. Mau  miil'i  sehr  schart'  alle  Protag(Hi-  und  ("ereliro'^iilpriiparate  pressen, 
um  die  groi'ieii  Mi'iigeii  Mutterlauge,  welche  sie  einsclilielien,  zu  entfernen, 
da  sonst  jedes  I'mkristallisieren  iUr.^prisch  ist.  Hie  ganz  trockene  Masse 
wird  in  siedendem  absoluten  Meth\iailkoliol.  und  zwar  in  der  gerade  aus- 
reichenden Menge  gelöst,  wobei  sie  fast  ohne  jeden  llückstand  in  \Äi- 
sung  geht.  In  diese  siedende  Flüssigkeit  lassen  wir  so  lange  methyl- 
alkoholische Atz])arytlösung-,  dargestellt  aus  reinstem,  mehrfach  iimkri- 
stallisiertem  Atzbaryt  in  absolutem  .Metliylalkohid.  ziiflier.en.  so  lange 
noch  ein  Niederschlag  in  der  schwach  sie(len(len  Flüssigkeit  entsteht  und 
bis  die  Flüssigkeit,  die  über  dem  Niederschlag  steht,  deutlich  Phenol- 
phtalein  rot  färbt.  Hierauf  läßt  man  die  Flüssigkeit  auskühlen,  filtriert 
den  Methylalkohol  ab.  in  welchem  nur  geringe  Mengen  organischer  Sub- 
stanz enthalten  sind.  Nach  gutem  Abpressen  des  Nieilerschlages  auf  der 
Nut^che "^verteilt  man  den  Niederschlag'  in  destilliertem  Wasser  und  leitet, 
nachdem  der  Niederschlag  sehr  fein  verrieben  ist.  unter  öfterem  iMirch- 
leiben  Kohlensäuie  ein.  Nach  mehrstündigem  Durchleiten  der  Kohlen- 
säure wird  die  Masse  auf  der  Niitsche  möglichst  scharf  abge.sau'jt.  mehrere 
Male  mit  destilliertem  Wasser  durchgewaschen.  woi»ei  noch  kleine  Men^ni 
eines  gelben  Farbstoffes  mitgehen,  und  hierauf  mit  «M'."  „igem  Alkohol  und 
.M'hheiilich  mit  kleineren  Mengen  alisoluten  AtliylalkohoF  gewa,<chen.  Nun 
wird  die  Masse  mit  siedendem  alisoluten  Atliylalkoh<»l  aus-rliolt .  welcher 
nur  äul.'ierst  geringe  Mengen  phosphorhaltiLM-r  Substanzen  mitlost.  Die 
Haui)tmasse  aller  i)hosph(M--  und  xliwefeliialtigen  Verbindungen  hinuejjen 
bleibt,  wie  wir  uns  überzeui;t  haben,  in  dem  von  A'fis>v/  und  l'n iftatj  nicht 
weiter  untersuchten  liarvtrückstand.     Dieser  besteht    aus   den  Sub>tan/en. 


634  Sigmund  Frank ol. 

welche  Thudichum    aiischeiiieiid    als    Sphingomyelincadmiumchlorid    darge- 
stellt,  und  zwar  in  Form  von  Barytsalzen. 

Phosphorsulfatidfraktion. 

Wir  arbeiten  den  Barytrüekstand  in  folgender  Weise  auf : 
Verfahren  a) :  Mit  etwa  5o/oiger  Salzsäure  wird  der  unlösliche  Rück- 
stand angerieben  und  so  lange  mit  der  verdünnten  Salzsäure   kalt  ausge- 
waschen,   bis  alles   kohlensaure    Baryum   und    das    in    den    sauren    Sub- 
stanzen salzartig   gebundene   Baryum  entfernt   ist.  Sobald  das  Filtrat  mit 
Schwefelsäure     keinen    Niederschlag    mehr    gibt,     wird    die    Masse    mit 
Wasser   so   lange   ausgewaschen,    bis   aus   dem  Filtrat   die  Chlorreaktion 
verschwindet.  Dann  wird  die  Masse  mit  wenig  kaltem  Alkohol  gewaschen 
und  hierauf   aus   absolutem  Alkohol  umkristallisiert.   Man   erhält    so    eine 
sehr    stark   saure    Substanz,     mit    deren    Untersuchung   wir    beschäftigt 
sind.  Wird  sie  in  siedendem  Methylalkohol   gelöst  und  wieder  methylalko- 
holische Barytlösung  zugesetzt,    so   fällt  das  Barytsalz  der  Substanz   aus, 
welches  glatt  in  Chloroform  in    der  Kälte    löslich    ist.    ('l)enso    in  Ligroin. 
Als  wir  diese  Beobachtung   gemacht   hatten,   haben   wir   unser  Verfahren 
abändern  können. 

Verfahren  b):  Die  phosphorschwefelhaltige  Hirn  säure,  wie  wir 
sie  vorläufig  nennen  wollen,  erhält  man  aus  dem  oben  beschriebenen, 
Baryumkarbonat  enthaltenden  Barytniederschlag  nach  vorhergehendem 
Auskochen  mit  absolutem  Äthylalkoi^^jl  und  so  durchgeführtem  Befreien 
von  Cerebrosiden .  in  Form  ihres  Baryumsalzes ,  indem  man  den 
in  absoluten  Alkohol  unlöslichen  Rückstand  mit  Chloroform  anreibt,  und 
zwar  mit  sehr  viel  Chloroform  oder  noch  besser  mit  Ligioiu  und  von 
dem  suspendierten  und  äußerst  schwer  durch  Filtration  entfernbaren 
Baryumkarbonat  durch  wiederholtes  Zentrifugieren  befreit,  bis  bei  wei- 
terem Zentrifugieren  in  den  Gläsern  kein  Bodensatz  mehr  sichtbar  und 
nur  auf  der  Oberfläche  eine  kleine  weiße  iVusscheidung  zu  bemerken  ist. 
Von  dieser  trennt  man  durch  Abrahmen  mittelst  eines  kleinen  Löffels. 
Nach  dem  Einengen  der  Chloroform-,  resp.  Ligroinlösung  des  Baryumsalzes 
kann  man  dieses  entweder  aus  Chloroform  auskristallisieren  lassen  oder 
durch  Alkohol  fällen. 

Aufarbeitung  der  Cerebroside. 

Die  Cerebroside  trennen  wir  nun  durch  wiederholtes  l^mkristal- 
lisieren  aus  siedendem  absoluten  Methylalkohol  mit  einer  zur  völligen 
Lösung  nicht  ausreichenden  Menge.  Bei  diesem  Verfahren  erhält  man 
in  absolutem  Methylalkohol  lösliches  Cerebron,  welches  genau  die  empi- 
rische Zusammensetzung  und  die  Spaltlinge,  wie  sie  Thierfeldcr  be- 
schreibt, zeigt  und  eine  in  Methylalkohol  unlösliche,  aber  aus  absolutem 
Alkohol  kristallisierl)are  Substanz,  w^elche  weitaus  stickstoffreicher  ist  als 
Cerebron    und    welche   als   Spaltlinge    ebenfalls   Cerebronsäure   und   Sphin- 


Daistellunir  viui   Lipoiden  aus  (ipliiiii  uiid  :iii»Ini<'ii  j;«'«i  I.in  (^-y^ 

gosin,  aber  koint'  (Jahiktosc  liefert,    soiidcni    ciiif    reduzierende  Suh.staii/. 
die  sich  mit  Hydra/.iiicn  nicht  vcrliindct,  ali.T  aus  WasM-r  und  aus  Alkohol 
in    makroskopischen   Kiistallcn   krisfalhsicrt.    Durch  wicih-rholtc  Scli 
ans    nn/nrcichcmk'n  Monircn    Methylalkohol    und  <chli<-i;iich    durch 
holtes  Umkristallisieren    ans  der    fünt'/elinfaclien  Meiii/e    eines    '*'•• 
gleicher  Teile  von  Methylalkohol  und  Methylacetat  kann  man  d;.  , 

von  dieser  Substanz  befreien,  <liese  aber  wie(h'r  durch  wiederholtes  Ausko«  hü 
mit  Methylalkohol  sowie  Methylalkohol-Methylacetatgeinisch  und  narhhen- 
lixsen   des  Rückstandes   in  absolutem  Athylalkoliol  frewinnen.  Mit  (h-r  Aus- 
arbeituns-    dieser    hier   skizzierten,    nunmehr  sehr  vereinfacht<'n  Methodik, 
welche  meinen  Mitarbeitern  vlA/f/ar  FJi'er  und   Kurt  Limurt  zu  verdanken 
ist,  sind  wir  gej^enwärtiji-  beschilft iirt. 

Das  so  dargestellte  Cerebron  hatte  den  Schmelzpunkt  de>  J'hirr/rHrr- 
sehen  Cerebrons,  erwies  sich  aber  als  aschehaltiL^  \Vii-  haben  diese  beiden 
Cerebrosidpräparate  durch  Auswaschen  mit  kalter  P/oif^er  w.isseri^rer  Salz- 
säure fast  aschefrei  machen  können,  sahen  aber  hierlu'i.  dal'i  die  Schmelz- 
punkte der  gewaschenen  Präparate  absanken. 

p]s  bleibt  noch  ein  Verfahren    zu    erwähnen,    welches    (}.   Ji'i.sr/ihini 
und   Christine  Tchh  angegeben  haben,   welches  es  erlauben   soll,  bei  der   Kx- 
traktion  aus  dem  Gehirn  direkt  die  Zerebroside  von  den   Phosphatiden  zu 
trennen.    Dieses  Verfahren    l)eruht    darauf,    dali    Pyridin    die  Cerebroside 
schon  in  der  Kälte,  die  gesättigten  Phosphatide    erst  in  der  Wärme  löst. 

Wir  haben  dieses  Verfahren  nicht  direkt  mit  (iehirn.  aber  mit  dei 
weißen  Materie  nachgeprüft  und  haben  nicht  ilas  aiiL-^egebene  Kesultat  er- 
reicht, ein  Resultat,  welches  überdies  nicht  durch  .\naly<en  und  Det.iil- 
angaben  belegt  ist. 

Otto  Rosenheim  schläft  niunlicli  voi-.  da<  plio^phorlialtii:e  >pliinLM)- 
myelin  und  die  phosi)liorfreien  (ialaktoside  separat  zu  extrahieren,  indem 
er  Pyridin  als  Lösungsmittel  verwendet.  Kr  vt'ht  dabei  so  vor.  «lall  er  zu- 
erst das  (iehirn  mit  kaltem  Aceton  entwässert  inid  vnn  Cholesterin  und 
Extraktivstoffen  befreit.  Ilieiaiif  erschöpft  er  das  (iehirn  mit  Äther  oder 
Petroläthei-.  vei-mahlt  den  llück>tand  auf  eim'r  Midde  und  erwärmt  das 
Pulver  mit  :■}  \ol.  Pyridin  10  Minuten  laui^  bei  HU  4()"  und  läl'.t  auf  I;'»" 
vor  der  Filtration  ai)knhleii.  Man  erhidt  ein  klares  rötliche«-  KAtrnki.  weh-lie-; 
Absorptionsbanden  ähnlich  jenem  iU'^  Häniochromo^en-«  zeigt.  Die>er  Kx- 
tralit  bi'konimt  fortschreitend  eine  olivengrüne  Farbe:  man  glelit  ihn  in 
S  4  Vol.  .Vceton  und  erhält  ein  schweres  Pi-äzi|titat  von  unreinen  (Jalak- 
tosiden.  welches  im  rohen  Zustande  nngefiUir  '/./'/i.  Phosphor  enthält  und 
durch  fraktioniei'te  Kristallisation  in  •_' Ilanptteile  geschieden  wt-rdeii  kann: 
in  das  Phrenosin  und  Kerasin  aus  Hö^/oig«^'»'  Alkohol  bei  :',(•)"  imd  bi-i  0«.  Die 
letzten  Spui'en  Phosphor  können  mit  essigsaurem  llh-i  nml  ("Idorcadmium 
-  nach  lliudiihum  odei-  mit  /inkannnonacetat  nach  Thicrjrhlrr 
oder  durch  rmkiistallisieren  aus  Fisessig  nach  IT.  /v "•  A  entfernt  wer- 
den. Das  Sphingomyelin  wird  nun  in  der  Weise  dargestellt,  «lal'.  man  da> 
Gehinijmlver  mit   ;j  \'ol.  reinem   Pyridin  bei  40-45»  eine  «.Stund.-  lani: 


686     Sigmiiiiil  Fränkol.  Darstellung  von  Lipoiden  aus  Gehirn  n.  anderen  Geweben. 

erhitzt,  das  wuiiiu'  klare  Filtrat  kühlt  iiiaii  auf  Eis  bis  zur  Zimiiiertenipe- 
ratui"  von  IT)".  Die  Lösuu^-  wird  j>rüiih('hopalisiereud  und  es  setzt  sich  ein 
durchsieht i<i er  voluniinnser  Niederschlai^- .  welchei-  als  weißes,  iiichthyfiro- 
skopisches  Pulver  nach  der  Filtration  und  nach  dem  Waschen  mit  Aceton 
erhalten  wird.  Dieses  Rohprodukt  enthält  ;)"/o  Phosphor  und  kann  dann 
nach  den  frfilicrcn  ^'('rf'ahren  von  0.  Jiosenheim  und  Tehb  gereinigt  werden. i) 

Die  fraktionierte  Extraktion  der  Gewebe  mit  Ausschluß  von  Gehirn. 

Während  beim  (jehiru  die  fraktionierte  Extraktion  mit  Aceton,  leicht- 
siedendem  Petroläther.  abs.  Alkohol  odei'  wahlweise  mit  Ligroin  sich  uns 
als  die  zweckmäi'iigste  sich  erwiesen,  konnten  wir  bei  anderen  Geweben  die 
Erfahrung  machen,  dal)  nicht  unter  allen  Umständen  diese  Heihenfolge  ein- 
gehalten wei'den  soh.  Vielfach  hat  es  sich  als  besser  erwiesen,  das  Oi'gan- 
pulver  vorerst  mit  Petroläther  zu  extrahieren  und  dann  erst  mit  Alkohol. 
Der  petrolätherische  Extrakt  wird  dann  zuerst  mit  Aceton  ausgefällt,  der 
Niederschlag  wieder  in  Petroläther  gelöst  und  wiederholt  mit  Aceton  ge- 
fällt. Besonders  bei  l'ntersuchungen  der  Leber,  welche  Aladar  Elfer  aus- 
geführt, hat  sich  dieses  Verfahren  bewährt. 

Hingegen  hat  bei  Untersuchungen  des  Blutes  auch  diese  Modifikation 
im  Stiche  gelassen  und  Julius  Neim/aim  und  Edinnnd  Hermann  haben  das 
A'erfahren,  sowohl  für  »Serum  als  auch  für  rote  P>lutkörperchen  in  dei'  Weise 
angewendet,  daß  vorei'st  mit  95''/oigem  Alkohol  und  dann  mit  Petroläther 
extrahiert  wurde.  Engt  man  die  alkohohsche  Lösung  bei  hohem  \'akuum 
ein,  so  kann  man  sowohl  die  Sterine  als  auch  die  Phosphatide,  welche  vorher 
in  Petroläther  nicht  in  Lösung  gingen,  nun  mit  Petroläther  aus  der  einge- 
engten Flüssigkeit  bei-auslösen  und  der  weiteren  Bearbeitung  unterziehen. 

Während  im  Gehirn  kaum  Fett  zu  finden  ist,  so^  daß  dieses  die 
Trennungsverfahien  nicht  alteriert,  ergibt  sich  bei  den  anderen  fetthaltigen 
Geweben  die  große  Schwierigkeit,  die  Phosphatide  und  die  Cholesteringruppe 
vom  Fette  zu  befreien.  AVir  haben  nach  dieser  Pachtung  hin  die  besten 
Erfolge  bei  der  Auslaugung  der  Aceton-  und  Petrolätherfraktion  mit  kaltem 
95°/oigem  Alkohol  gesehen.  ^) 


M  Otto  Rosenheim  und  Christ  ine  Tebb,  Journal  of  Phj'siology.  40.  Proc.  of  Physiol. 
Soc.  Juli  (1910). 

'-)  .S'.  Ffänke.J  und  G.  A.  Pari,  Über  die  Phosphatide  des  Rinderpankreas.  Biochem. 
Zeitschr.  17.  68  (1909). 


Die  Metliodik  der  Plaiiktoii-liit<'rsii(liuiig. 

\ Oll   Vik1<»r  llcnscn,  Ki<'l. 

Der  Herr  Horaiisiichcr  hat  «lic  Frciindliclikcit  u'i-liaht.  micli  an»/ii- 
fordeni.  über  die  Methodik  der  Gcwiimunf;  des  Planktons  /.n  hfricliten. 
Da  die  Sache  eist  iicuerdiiius  die  Aufinerksaiiikcit  wi-itcrcr  Kn-ix-  auf 
sich  iiezoi>eii  hat.  ulauhe  ich  /.uiiächst  die  .\I»i«hi  und  die  Bcdciitmi;: 
dieser  Metliodik  durch  eine  flM'i-sicht  dessen,  was  gewonnen  werden  voll, 
klären  zu  dürfen. 

Der  Stoffwechsel  im  Meere  hat  fiii-  uiixTe  the(n-etiNclien  .\n-rhauiin'_'"'ii. 
soweit  sie  weiiiustens  das  Entstehen  und  Verirehen  der  rheinischen  \'ei- 
biudnniicn  in  den  Oruanismeii  betreffen,  erhebliche  Üedeiitiin;:.  da  ja  die 
Meeresflächen  fast  Va  '''''"  Pandflächen  der  Knie  aiHinacheii.  Das  Siudiiini 
des  Stoffwechsels  im  .Meere  hat  trej^enüber  dem  iles  Stoffwechsels  auf  dem 
Lande  seine  Vorteile  und  seine  Schwierijjkeiteii.  .\iif  dem  Lande  lieiren 
Her<>e.  Täler.  Flüsse  und  Seen.  AVald.  Wiese.  Heide.  Moor  iiiid  NVii>te  in 
buntem  Wechsel  nebeneinander.  Ks  sind  dorl  überdies  die  ri7.ii>t;iiuic. 
von  denen  die  AVisseuschaft  auszugehen  hat.  wenn  >ie  sich  mit  dem  Wclt- 
rätsel  beschäftii>en  will,  in  so  ausiicdelintem  Malie  durch  den  Menschen 
i?estört.  daU  das  Auffinden  und  die  .Viiswertunti  des  natürlichen  (ie- 
.schehens  überall  in  hohem  (irade  erschwert  ist.  \«m  den  kultivierten  Land- 
flächen  sind  wohl  Mittelwerte  durch  den  Krtrajr  an  ilüln'n.  (iras.  Getreide. 
Weinbau  und  Holz  »ewonneii  worden,  aber  wieviel  orü^anische  Substanz 
die  Wurzeln  i>ebildet  haben  und  wieviel  davon  durch  Insekten.  Schne<-ken. 
W^ürmer.  Säuiictiere  und  \öin'\  verzehrt  \\(»rdeii  ist.  dafür  fehlt  so  /iendirh 
jede  Vorsteiliinu  sowie  die  Methodik,  solche  N'orsteiliiii;;  zu  ji-ewinneii.  Wir 
wissen  mir.  daß  diese  Zehrunucn  zuweilen  ^^rol't  ^^emiir  werden  künnen. 
um  die  f>anze  P>nte  zu  vernichten,  abt-r  mittlere  Werte  fehlen  franz.  Wenn 
auch  durch  Spezialkultureii  die  Ma<<e  der  Wurzeln  uikI  bei  Hüben  di-r 
Blätter  sich  hat  feststellen  ho-en.  -o  feiill  doch  tür  das  (b-schehen  auf 
freiem   Felde  und  mm  i;ar  liir  die   Lrzu>tan(le  eine  AbschätznuL'. 

Im  Meer  treffen   wir  auf  rrziistände.   Die  W.iudlnniren.  •'-   '■;■•-  .ti«i-.»< 
den  Menschen   Ix'wirkt   sind,   müssen   trotz  aller  Kla'.'m   i  b.r 
als  verschwindend   klein  erachtet   werden.   Kine  ixvwi 
in  der  (|uantitativen  Bestimmuni:  der  irut   beweirlicheii  Meerrson:ani<iiu'n 


638  Viktor  Heusen. 

vor.  Es  läßt  sich  durch  quantitative  Bestiminuu»  der  Menge  von  Fisch- 
eiern  uud  nanieutlich  von  Fischbrut,  die  in  recht  regehnäßiger  Verteilung 
im  Wasser  umhertreibt,  ein  angenähertes  Urteil  über  die  Quantität  der  Fische 
mit  der  Zeit  recht  wohl  geAvinnen.  Die  Möglichkeit  glaube  ich  an  einigen 
für  diesen  Zweck  ausgeführten  F^xpeditionen  in  die  Nordsee  ^)  und  ferner 
durch  die  Ergebnisse  (luantitativer  Befischung  des  Atlantischen  Ozeans  2) 
nachgewiesen  zu  haben.  Sehi"  fleißige  Arbeiten  von  A])stem  ^j,  die  auf  der 
Fahrt  der  Yaldivia  ausgeführt  wurden,  haben  dann  auch  für  den  Indischen 
und  Stillen  Ozean  fast  genau  die  gleichen  Zahlen  an  Fischeiern  und  kleinen 
Fischchen  ergeben,  so  daß  die  Möglichkeit,  selbst  über  diese,  sonst  der 
Bestimmung  unzugänglichen  Organismen  ein  Urteil  zu  gewinnen,  zwar 
noch  sehr  fern  liegt,  aber  für  energische  Anstrengungen  in  einiger  An- 
nähci'ung  erreichbar  erscheint.  Es  liegt  etwas  ferner  und  ist  weniger 
wichtig,  die  Menge  der  Cetaceen,  Robben  und  Seevögel  zu  schätzen,  eine 
Menge,  die  nicht  unbegrenzt  ist.  Hier  liegt  aber  der  Fall  vor.  daß  der 
Mensch  die  Urzustände  erheblich  verändert  hat.  Die  in  den  warmen  Meeren 
lebenden  Schlanaen  und  Schildkröten  haben  für  den  Stoffwechsel  des  Meeres 
äußerst  geringe  Bedeutung. 

Der  Ausgangspunkt  des  Stoffwechsels  liegt  wie  auf  dem  Lande  so 
im  Meere  in  der  CO2,  dem  anorganisch  gebundenen  N  und  den  Mineral- 
salzen, die  allerdings  im  Meer  nur  in  Lösungen  zur  Verfügung  stehen.  Mit 
Hilfe  des  Lichtes  entwickeln  sich  daraus  die  Pflanzen,  aber  hier  zeigt 
sich  ein  gewaltiger  Unterschied  zwischen  Land  und  Meer.  In  ersterem 
Fall  entwickelt  sich  das  Leben  der  Hauptsache  nach  über  der  Öbeiiläche. 
im  Meer  in  der  Oberfläche,  wohin  also  das  Licht  immer  nur  in  einer 
geTvissen  Abschwächung  dringen  kann.  Dieser  Unterschied  ist  von  ge- 
ringerer Bedeutung  als  der.  daß  die  Landpflanzen  feststehen,  so  daß  die 
CO2  an  ihnen  vorbei  treibt,  und  daß  sie  Wurzeln  haben,  durch  deren  Aus- 
breitung sie  sich  Mineralien  und  gebundenen  N  anzueignen  vermögen.  Die 
Meerespflanzen  treiben,  abgesehen  von  einigen  Uferpflanzen,  niemals 
Wurzeln  und  bleiben  deshalb,  sobald  sie  immer  treiben  müssen,  sehr  klein 
und  niedrig  gebaut.  Weshalb  Wurzeln  an  treibenden  Pflanzen  entweder 
nicht  möglich  oder  schädlich  sind,  ist  leicht  zu  sagen.  Die  ganze  Pflanze 
schwebt  im  Mutterboden,  sie  ist  selbst  in  gewissem  Sinn  Wurzel:  außer- 
dem würde  ein  Wurzelgeflecht  sie  noch  mehr  innerhalb  einer  begrenzten 
Wasserschicht  fesseln,  als  dies  schon  ohnehin  der  FaU  ist.  Es  bedürfen 
aber  die  Meerespflanzen  ebensowohl  eines  stetigen  Wechsels  ihrer  Um- 
gebung wie  die  Landpflanzen.  Diesen  Wechsel  bewirken  sie  in  vielen 
Fällen  durch  Entwicklung  von  Geißeln,  vielleicht  auch  durch  stoßweiße  Be- 
wegung ihres  Exoplasmas,  in  anderen  Fällen  haben  sie  die  Fähigkeit,  durch 


')  Uen.sen  u.  Apstein,  Die  Nordsee-Expedition  1895.  Wiss.  Meeresunters.  Kiel.  N.  F. 
Bd.  5.  1897. 

-)  F.  Hensen,  Übersicht  und  Resultate  der  quantitativen  Untersuchungen.  Er- 
gebnisse der  Plankton-Expedition  der  Humboldt-Stiftung.  Bd.  5.  S.  354.  Kiel,  Lipsius.  1911. 

^)  Ajistein,  Mitteilungen  d.  deutschen  Seefischervereins.  Bd.  17.  S.  251.  1901.  Berlin. 


Die  MftiKxlik  der   IManktou-L  iiteniiichuinf  ß-jy 

Kiitwickluii^  von  Fcti.  vidlriclit  aiicli    .iiiirli   Kiit\Nickliiii^'    von    <  «mi 

Miifzustci^cu.    um    zu    ;in(lricii  /cifen    wicdn-    /ii  <inki-n    un<l  h»  «tic  IJm- 
iichiniii  zu  »'rnciiciii. 

Wie  auf  dein  Lande  xi  duiclilaiift  ain-li  im  .Mct-r  iin  Auidl  »lii 
Tflanz('U|H(idukti()n  einen  Kreislauf.  Ki'  wandert  von  'lier  zu  Tier  und  ver- 
wandelt sicli  dabei  zum  ^iröllten  'l'eil  wieder  in  >eiMe  l'rliestandteile  CO, 
und  niedei-e  X-Vorbinduniicn.  Kin  kleiner  Rest  sinkt  in  Form  alt^^M-storlwiior 
Tierleiher  zu  Hoden  und  wird  auf  die-em  Weiie  teilweise  aufgelöst.  In 
nicht  sehr  ;irolien  Tiefen  finden  sich  Schalenreste  anj.M'liauft.  in  sehr  ;rr«)tleii 
Tiefen  scheinen  aber  auch  diese  vollständig  der  Auflösunj.»^  zn  verfallen.  Man 
sollte  ulauben.  dal'»  hier  (mu  lii'oller  rnterschied  ue;.fenüber  «lem  Lande 
jieiicu  mülUe.  aber  auch  doit  verschwinden  die  Tierleiber,  die  wcL'en  «ler 
starken  /euizunt»-  der  Tiere  mindestens  so  zahlicirh  sein  müssen,  wie  die 
Tierwelt  ist.  die  wir  im  Frühlingsanfang  um  un<  erblicken,  .so  <iut  wie 
spurlos.  Ein  anderer  Teil  der  Tflanzen  findet  nicht  als  Nahnin«r  der  Tiere 
Verwenduni>.  Dieser  Teil  überwiest  auf  dem  Lande,  mindestens  im  l'r/u- 
stand,  noch  heute  den  als  Nahrung  verbrauchten  Teil  i:anz  enoini.  I>er 
Anteil,  der  von  Früchten.  Blättern.  Wurzeln  und  Holz  verzelirt  wird,  ist 
zwar  nicht  abi>-eschätzt.  abei-  zweifellos  minimal.  Im  Meei*  lieirt  die  Sache 
anders.  F'>s  finden  sich  zwar  in  gewissen  Zonen  kalten  \\'assers  Abla;:e- 
rung-en  kieselschalitier  Algen,  aber  sehr  ausgedehnt  >ind  diese  Fhichen 
doch  nicht.  Namentlich  ergibt  aber  die  direkte  Bestimmung  <les  lebenden 
l'flanzengehaltes  des  Ozeans,  dali  in  den  warmen  Meeren  stets  und  in  den 
kalten  salzigen  Gewässern  durch  längere  Perioden  ilas  N'olunien  th'r 
rflanzen  das  Yohmien  der  Tiere  nicht  bedeutend  übertrifft.  Wir  -ind 
zwar  zui'zeit  ül)ei-  das  Volumen  dei'  Bakterien  inid  der  klein>ten.  nur 
noch  durch  Filter  und  Zentrifuge  gewinnbaien  Organisnn'ii  des  .sogenannten 
Xanoplanktons  ungenügend  unterrichtet,  aber  auch  das  Volumen  der 
kleinsten  tierischen  Wesen  ist  noch  unbekannt.  Jedenfalls  ist  <lie  Ttlanzen- 
masse  im  Meer  dem  tierischen  Bestand  geg-enüber  unvergleichlich  viel  ge- 
ringer. ;\\<  auf  dem  Lande.  Kin  Überschuß  der  l'flanzeiiproduktion  findet 
dennoch  statt:  im  Norden,  jedenfalls  zu  Zeiten  der  Wucherung,  die  .sowohl 
für  Diatomeen,  wie  auch  für  Peridiniales  festgestellt  sind,  im  warmen 
Wasser  kontinuierlich.  Ol»  die  abgotoibenen  Pflanzen  den  Me<'re>boden 
ozeanischer  Tiefe  erreichen,  ist  bisher  nicht  sicher  ermittidt.  In  «lern 
Stillen  Ozean  finden  sich  grol'ie  (Jebiete.  auf  denen  noch  di«*  Zahne  vor- 
weltlichei-  Haifische  ohne  jeden  Tberzug  organischen  Schlamms  vielfach 
gefunden  woiden  sind.  Dagegen  ist  in  anderen  (legemlen  ein  Kohle  hal- 
tender, oft  >ehi'  weicher  Schlamm  heraufgeholt  worden,  F-  bleibt  hier  hImt 
die  .Möglichkeit  bestehen,  dal',  die  derberen  Beste  der  Fferve-etationen 
hingeflossen  und  diese  Schlammassen  nicht  auf  <lie  l'lanklonpflanzen 
zu  beziehen  sind.  Fs  werden  in  diesen  Schlammassen  Bakterien  gi'funden. 
die  dann  wohl  zn  eim-r  Auflösung  der  den  Bo<len  erreichenden  pflan/licheii 
und  tierischen  Massen  beitragen.  Im  ganzen  |)rävaliert  der  Kindruck.  daÜ 
nur  in   Küstennähe  und   wenigsten-    in   Abhängigkeit  von  den  KU^Ien   Ah- 


640  Viktor  Hensen. 

lageruiigeii  organischer  Substanzen  stattfinden,  daß  aber  auf  dei'  Hoclisee 
die  ganze  Produktion  zu  anorganischen  Verbindungen  aufgelöst  wird.  Wir 
hätten  demnach  auf  der  Hochsee  einen  sehr  vollständigen  Kreislauf  der 
organischen  Produktion,  während  auf  dem  Lande  in  den  Urzustände^ 
dieser  Kreislauf  sehr  unvollständig  ist.  Die  Untersuchung  des  Verhaltens 
im  Meer  hat  bisher  nur  sehr  unvollkommen  ausgeführt  werden  können, 
sie  wird  sehr  wesentlich  mit  dei-  Untersuchung  der  Erzeugung  der  or- 
ganischen Substanz  dort  zusammenhängen.  Ich  betone  die  Untersuchung- 
im  Meer,  das  heißt  in  der  Hochsee,  weil  die  Untersuchung  des  Verhaltens 
in  den  süßen  Gewässern  durch  den  Einfluß  der  verschiedensten  Materien 
von  den  Ufern  aus  sehr  verwickelt  wird.  In  meiner  zitierten,  jetzt  er- 
scheinenden Arbeit  über  die  Ergebnisse  der  Planktonexpedition  glaube  ich 
den  Nachweis  führen  zu  können,  daß  wegen  genügend  großer  Gleich- 
mäßigkeit der  Verteilung  der  Planktonorganismen  wohl  die  Aussicht  be- 
steht, ein  im  großen  gesichertes  Resiütat  ülier  die  dortigen  Vorgänge  und 
Produktionen  zu  gewinnen.  Die  Methodik  der  Untersuchungen  ist  noch 
in  der  Entwicklung  begriffen  und  zweifellos  noch  sehr  verbesserungsfähig-, 
aber  die  Grundlagen  für  ein   erfolgreiches  Verfahren    sind  doch  gesichert. 

Die  Methodik. 

Die  Aufgabe,  Plankton,  das  heißt  alles  wesenthch  treibende  Material, 
für  chemische  Untersuchungen  zu  gewinnen,  ist  leicht  oder  schwer,  je 
nachdem,  was  dabei  beabsichtigt  mrd.  Das  einfachste  Verfahren  ist  dies, 
mit  einer  Art  Schmetterüngnetz,  das  mit  einem  der  Absicht  entsprechenden, 
mehr  oder  weniger  dichten  Zeug  bespannt  ist.  die  Oberfläche  horizontal 
zu  dui'chfahren.  Größere  Formen  werden  dabei  spärlicher,  die  kleinen 
Formen  reicldicher  und  massenhafter  gefangen,  aber  je  nach  der  Tages- 
und Jahreszeit  wird  sich  in  den  kalten  Gew^ässern  das  Ergebnis  sehr 
verschieden  gestalten.  Das  Netz  wird  über  einem  breiten  Behälter  mit 
Wasser  umgestülpt  und  mehrfach  abgespült  und  diese  Prozedur  eine  ent- 
sprechende Keihe  von  Malen  wiederholt.  Man  erhält  eine  dichte  Ansamm- 
lung der  Organismen,  mit  der  dann  zweckentsprechend  weiter  zu  ver- 
fahren ist.  Da  die  Massen  in  verschiedenen  Wassertiefen  verschieden  und 
verschieden  zusammengesetzt  sind,  ist  auch  versucht  worden,  diesen  Hori- 
zontalfang in  verschiedenen  Wassertiefen  auszuführen.  Sobald  diese  Tiefen 
erheblich  sind,  muß  das  Netz  größer  genommen  und  vom  Boot  aus  ge- 
zogen werden.  Dies  Verfahren  ist  sehr  unsicher,  weil  der  Widerstand  der 
Schnur,  an  dem  das  Netz  befestigt  ist,  bei  etwas  größerer  Tiefe  sehr  ins 
Gewicht  fällt;  die  Schnur  bildet  eine,  nach  der  Geschwindigkeit  des  Zuges 
wechselnde  Bucht  und  es  ist  sehr  schwer  zu  bestimmen,  in  welcher  Tiefe 
eigentlich  gefischt  wird,  auch  fängt  das  Netz,  während  es  aufgezogen 
wird,  noch  etwas  in  den  dazwischen  gelegenen  Wasserschichten,  w^enn  nicht 
eine  Schlußvorrichtung-  angebracht  ist. 

Behufs  der  chemischen  Untersuchung  lassen  sich  die  größeren  Orga- 
nismen aus  dem  Fang  heraussuchen,  es  ist  aber  selbst  für  diese  die  Be- 


Die  Mc'tlindik-  il.r  1'l:iiikt..ii-l  ntcrsuchuni:. 


i>il 


stimmuiiii'  (U^^  Wassornohalts  mihlicli.  weil  sie  mristcii  rf  oiI.t  mit 

iiiancliorlci    Fortsätzoii    hcdcckt.    .I.iIht    nur    iiiivollkoiimin,  ,|,.,ii    an- 

liaiii-oiidcii   Wasser  zu  hcfrcicii  >iii(l .    Willircii»!    >\r  <-i\\  ,,|iol    al>. 

•ii'spült  Wassorvcrlust  ciicidcn  wcnlcii.    Uri   Fonncn   aus    -  wird 

aucli  der  Asclicnrhalt  der  Ornauisuh-u  durch   dio    anli;iii;.Mi,u-     >>avM'r   zu 
uugeuau    hestiimnt    werden.    (Jauz    telilciin-i    wird    die   liest iujuiuiit:    des 
Wasserji-elialts  uicht  zu  niaclieu  sein,  aber  die  (Jr;.Mnisnien  wntUu  y  umU 
ihrem  Ernährunj^szu.stand  versehieih'u  wasscrhalti«;  sein,  so  dati  der  IVhlrr 
bei  sorgfältiger  Behaudhiu-   ihn-  untersin-htcn  Form  keine  firoUc  Itcdeutnng 
haben  dürfte.  Die  Trennung  (h'i-  kleineren  Organismen  hltlt  sieh  in  die.MT 
Weise  nielit  ausführen.    Es  bh-ibt  nichts  ül>rig.    als  für  diesen  /weck  das 
sog',  monotone  Tiankton   abzuwarten  und  zu  benutzen.    Fs  kommen  Zeiten 
vor,    wo  in  dem    kalten  Wasser  eine  (Jruppe    von  I'lanktonten ,    z.H.  die 
Kieselalgen  (Chaetoceras)  oder  die  Phvtoflagellate  Ceratinm  tri|)os.  so  .sehr 
überwiegt,  daß  alle  anderen  rianktonten  dagegen  ver.scjiwinden.    Letztere 
werden  zwar  durehaus  nicht  fehlen,  im  Gegenteil  auch  vermehrt  .sein.  af»er 
ihr  (Jewieht  tritt  gegen  das  Gewicht  der  ganzen  Masse  doch  sehr  zurück. 
Fm  soh'he  monotonen  Fänge  zu  gewinnen,    eignet    sich    <las  Fischen    mit 
hoi-izoiitalem  Zug  am  meisten,    weil  dabei    die  Bewohner  tieferer  Wasser- 
sciiiehten  fortfallen.    r>ei  völliger  Windstille  entsteht    zuweilen  im  Sommer 
eine  grüne  Rahmsehicht  im  Wasser,  die  jeweilig  aus  Algen  einer  Art   be- 
steht und  die  neben  der  bezügüchen  Art  fast  nichts  Fremdes  enthalt,    in 
den  sog.  Schwärmen  finden  sich    gleichfalls  Masx-u  von  Tieren  einer  .\rt. 
Diese  Scliieht  eignet  sich  besonders  für  chemisehe  Analysen.  Es  ist  (hibei 
aber   zugleich    die  Zahl   dei-  Zellen    bei  Pflanzen    oder   der  TierarttMi    bei 
der  Analyse  tierischer  Planktonten  auf  die  später  anzugebende  Wei.se  fest- 
zustellen,   wenn  die  Analysen  allgenu'im'r   nutzbar  gemacht   werden  sollen. 
Auf  diese  Weise  erfährt  man  nämlich  den  Gehalt    von    einer    bestimmten 
Anzahl  Zellen  oder  von  den  Tieren  einer  Art.   Wenn  dann  später  die  Ge- 
samtanalysen gemischter  Fänge  gemacht  werden  um!  diese  Fänge  gezählt 
sind,   kami    bestimmt    werden,    wie    sich    der  Befund  an  Eiweiß.    Fetten. 
Kohlehydraten  und  Salzen  etwa  auf  die  Formgruppen   «ies  Fangs  verteilt. 
Auch  die  \olumina  dei- einzelnen  ()rganismengrupi)en  zu  bestimmen,  kami 
auf  Grund  solchei' Zählungen  ausgefidiit  werden,   l.ofnnann  ^)  hat   in  dieser 
Richtung  den  Anfang  gemacht.    Er    hat  die  Ilaujjtformen  nach  ihren  ver- 
schiedenen L)imensionen  gemessen  und  auf  (Jrund  diest-r  Messungen  unter 
Beachtung  der  Pjuzelheiten  der  Formen  Modelh«  angefertigt.  <leren  Vohinieu 
dann    bestimmt    wuide.    Soweit    diese  Modelle    richtige  Mittellonnen    .sind. 
kann  lediglich    auf  Giiiiid    der   Zählungen    der  \'oIunisanteil .    den    sie   an 
dem  Fang  haben,  berechnet  werden.  Die  Autiraben.  die  für  etwas  exaktere 
Analysen  gelöst  werden  müssen,  sind  also  recht  groß,    aber   es  läßt    sich 
doch   erkennen,  daß  sie  i;('löst  werden  können   utid  dal- «l-i-  l'''-it/  einJL'er 


>)  Lohmami,    T'ntersiicluini,'en    zur    !•  .•st>tolliiii>j    .l.-s    v..llMHmHi!<'H    (Jrhalt*    At* 
Meeres  an  Pluukton.  W  isseiiscli.  MeeresuiiUTSuciiun^MMi.  Kifl.  N.  I     U'l    10-  ^    '•*!    •'••>*' 

Abderhalden,  Handbuch  der  biochemiacben  Arb«llsnicthodeD.  V.  H 


(342  Viktor  Henseii. 

Reiiianalysen  es  eriiiöijlicbon  kann,  auch  dem  Aufbau  solcher  Organismen, 
die  gesondert  zu  gewinnen  nicht  möghch  ist,  näher  zu  Ivommen. 

Wenn  dem  Stoffwechsel  näher  getreten  werden  soll,  muß  die  gesamte 
Masse  des  Planktons  bestimmt  werden,  die  im  Meer  oder  doch  wenigstens 
in  begrenzten  Regionen  eines  Meeresteils  vorhanden  ist.  Dies  kann  nicht 
dui'ch  Horizontalzüge,  sondern  luir  durch  Vertikalzüge  erreicht  werden. 
Diese  Züge  werden  dadurch  ausgeführt,  daß  ein  Netz  auf  den  Boden 
hinabgelassen  und  dann  von  da  aus  senkrecht  aufgezogen  wird.  Ein  und 
dasselbe  Netz  wird  dann  vergleichbare  Fänge  geben,  die  alles  enthalten, 
was  die  Wassersäule,  deren  Querschnitt  durch  das  Netz  filtriert  wird,  an 
fangbarem  Material  enthält.  Die  Forderung  ist  freihch  leichter  zu  stellen 
als  zu  erfüllen.  Wenn  das  Meer  die  Tiefe  von  4000  bis  5000m  hat,  so 
ist  die  Zeit,  die  erforderhch  ist,  um  ein  Netz  so  tief  hinabzulassen  und 
wieder  aufzuziehen,  sehr  groß.  Der  Aufzug  kann  nicht  rascher  als  1  m  die 
Sekunde  sein  und  nur  ein  sehr  günstig  für  den  Zweck  konstruiertes  Netz 
wird  rascher  als  1  m  die  Sekunde  sinken.  Außerdem  muß  die  Tiefe  aus- 
gelotet sein ,  weil  man  nicht  wird  fühlen  können .  wann  das  Netz  den 
Boden  berührt,  dazu  ist  das  Gewicht  des  hängenden  Seils  viel  zu  groß. 
Nur  wenn  mit  einer  Lotmaschine  gefischt  Averden  kann,  wird  die  Boden- 
berührung erkannt  werden  können.  In  der  erforderlichen  Zeit  von  13o*3  Mi- 
nuten oder  2  2  Stunden  treibt  das  Schiff,  das  ja  nicht  verankert  werden 
kann,  eine  sehr  erhebhche  Strecke,  kann  aber  doch  mit  Hilfe  des  Pro- 
pellers ziemlich  am  Platz  gehalten  werden.  Jedoch  der  Zeitverlust  ist  ein 
so  lästiger,  daß  viele  solche  Fänge  schwer  ausgeführt  werden  können.  Es 
ergibt  sich  aber,  daß  ganz  überwiegend  die  Masse  von  Plankton  imr  bis 
höchstens  400  m  Tiefe  geht ,  so  daß  nur  für  besondere  Zwecke  das  Netz 
tiefer  zu  gehen  braucht.  An  flacheren  Stellen  kann  man  noch  fühlen,  wenn 
das  Netz  den  Boden  erreicht  hat,  hier  ist  also  die  genannte  Aufgabe 
leichter  zu  erfüllen  und  muß  erfüUt  werden. 

Bei  solchen  Fängen  handelt  es  sich  immer  um  Stichproben:  es 
ist  also  zunächst  die  Frage  zu  erörtern .  welchen  Wert  solche  Stichproben 
für  die  Bestimmung  des  Planktongehalts  haben.  Es  ist  wesentUch  Sache 
der  Praxis,  hier  die  Entscheidung  zu  bringen,  doch  hat  auch  die  Theorie 
mitzusprechen.  Die  Praxis  bestätigt  in  einer  größeren  Reihe  von  Fällen 
die  Brauchbarkeit  der  Stichproben,  die  freilich  im  Verhältnis  zur  Meeres- 
fläche immer  imr  äußerst  klein  sind.  Die  Zählungen  der  Fänge  der 
Planktonexpedition  führen  den  Nachweis,  daß  von  einer  Anzahl  seltener 
Tierarten  in  4  Ins  6  sich  folgenden  Fängen  gerade  nur  1  Tier  der  Art 
auf  der  Strecke  von  1000  und  mehr  Kilometern  gefangen  wurde,  also 
die  Verbreitung  so  gleichmäßig  gefunden  wurde,  wie  sie  nach  der  Größe 
der  Netzöffnung  gefunden  werden  konnte.  Wenn  der  Fang  100  oder 
1000  und  mehr  Individuen  aufbrachte,  schwankten  die  Zahlen  natürhch 
stärker,  aber  auch  hier  wurden  gewisse  Arten  so  gleichmäßig  gefangen, 
daß  die  Nachl)arfänge  um  weniger  als  ö^/o  verschieden  waren.  Wenn 
aber    solche    Fänge    noch    als  wesentlich    gleich    angesehen    werden,    die 


Die  Mctlioilik  <lcr  I'hiiikton-l'ntcrsuclumif. 


(U3 


•JT 


noch  iiiihl  um  i\i\>  Doppelte  voiieiiiMu.ler  :ili\veirlieii,  .>o  um-  fü,-  manrhc 
gilt  faiiMharo  Foniieii  diese  (ileiclilieit  in  <leni  (lel.iet  des  wannen  Wassers 
eiliohlich  hänfi.urr  vorhanden  als  eine  dariiher  liinausp-hemle  1".. -I. :.  hhi-it. 
Es  gal)  al)er  doch   licwiss,.  Tierarten.  di(.  entschieden  viel  nu.  r  wr- 

teilt  waren,  die  also  Neigun<;  hatten,  sich  zusainnienziischaren.  lür  solclio 
I-'idlo  kann  nur  eine  Vermchnnif;  der  Stichprohen  /n  eini-rermaüen  txenücendcn 
Üesnltaten  führen. 

Der  analysierende  Chemiker  ari»eitet  immer  mit  Michpiolien  iiiui  er 
ist  dazu  herechtigt.  weil  die  Zahl  der  Molekide  x-lhst  in  der  kleinsten 
Stichprobe  eine  überwältigend  grolie  ist.  Da  es  .sich  bei  Stichprolun  des 
Planktons  um  relativ  wenige  suspendierte  Teilchen  handelt .  le^-t  sich  die 
Frage,  wie  genau  solche  Stichproben  den  wirklich  vorhandenen  Zustand 
darstellen  und  dar- 
stellen können,  sehr  '"'■'f-  '•'=■ 
nahe.  Dabei  ist  von 
der  Annahme  aus- 
zugehen, daß  die 
Teilchen  im  Wa.s- 
ser  vollkommen 
gleichmäßig  ver- 
teilt sind  und 
dabei  möglichst 
dicht  liegen.  Diese 
Forderung  wird  er- 
füllt, wenn  jedes  Teil- 
chen, d.  h.  für  diesen 
Fall  jede  Planktonten- 
art  in  der  Mitte  einer 
sechseckigen  Säule, 
deren  Höhe  gleich  dem  kleinen  Durchmesser  des  Sechseckquerschnittes  ht. 
liegt.  Da  aber  die  Dichte  sich  nach  der  Tiefe  zu  verändert .  genügt  es. 
wenn  angenommen  wird,  daß  jede  rianktonteiiart  so  in  der  Mitte  der  Säuh' 
hegt,  daß  sie.  an  die  Oberfläche  projiziert,  die  Mitte  seines  Sechsecks  ein- 
nininit.  Je  mehr  Planktonten  vorhanden  >ind.  desto  kleiner  wird  die  Sech.*»- 
eckfläche  werden,  in  der  er  liegt. 

Sei  nun  zunächst  entsprechend  der  Fig.  162  das  Sechseck  für  einen 
Planktonten  genau  von  so  großem  Querschnitte,  wie  die  Fläche  des  fis«-lienden 
Netzeingangs,  der  in  der  Figur  als  ein  runder,  kontinuierlich  gezeichneter 
Kreis  hervortritt,  dann  können  drei  Fidle  eintreten.  Wenn  der  Mitlel- 
piinkt  des  Netzeinganges  irgendwo  durch  die  weiße  Fläche  himlnrcligeht. 
wird  immer  nur  der  eine  Planktont  1  gefangen  weiden  können.  (Jeht  alnT 
die  Mitte  des  Netzeinganges  durch  die  gestrichelte  Fläche,  so  worden  die 
zwei  Planktonten  I  und  II  gefangen  werden,  (ieht  aber  die  Mitte  durch 
die  gekreuzt  schraffierte  Fläche,  so  wird  kein'.Planktont  erbeutet  wenlen. 
Die  Wahrscheinlichkeiten  dieser  Fälle  verhalten  sich  wie  die  «'ntsprechendon 

41» 


644 


Tiktor  Hensen. 


Fla  dien  des  Sechseckes ,  d.  h.  wie  92'5  zu  3' 7  5.  Wird  der  Netzeiiii^ang-  so 
klein .  wie  es  der  gestrichelte  Kreis  andeutet ,  so  hört  die  Möglichkeit,  daß 
zwei  Planktonten  gefangen  werden,  auf,  dagegen  steigt  die  Gefahr,  daß 
kein  Planktont  gefangen  wird.  Wenn  sich  die  Zahl  der  Planktonten,'  die 
innerhalb  der  Fläche  des  fischenden  Netzeinganges  liegen,  vermehrt,  so 
wird  immer  noch  die  Zahl  der  Planktonten  eine  wechselnde  sein,  je  nach 
der  Lage,  die  das  Zentrum  des  fischenden  Netzeinganges  gehabt  hat.  Die 
mathematischen  Formeln  zur  Berechnung  der  möglichen  Unterschiede  sind 
schwerfällig ,  ich  habe  aber ,  um  einen  Begriff  über  die  bezügUchen  Chancen 
der  Fänge  zu  geben,  eine  kleine  Tabelle  graphisch  festgestellt,  die  hier  folgt : 

Aufstellung  Nr.  2.  Wahrscheinlichkeit  des  Fanges. 


Wenn  sich  unter 

der  Fläche  des 

Netzeinganges 

finden 

1 

o 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

n 
^  a 

S  a 

wird  in 
100  Zügen  die 
in  der  letzten 
Kolonne  ver- 
zeichnete An- 
zahlPlanktonten 
gefangen 

3-75 
925 

3-75 

— 
100 

2911 
46  42 

24-47 

100 

2-61 

7-95 

7961 

9-83 



100 

2104 
7206 

BIO 
0-34 
0-46 

100 

3913 
4144 

916 
10-27 

100 

2-97 
32-20 
35  65 

29-08 

99-9 

23-53 
64  50 

11-97 

100 



2-ßl 
29-18 
44  56 
23-65 

100 

12-57 
1934 
4977 
17-53 
0-79 

100 

3-32 

4-70 
3701 
3913 

6-56 

9-08 

99-80 

0 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

Diese  Tabelle  weist  nach,  daß  sich  mit  der  steigenden  Zahl  der  Plank- 
tonten unter  dem  Netzeingang  die  Zahl  fehlerhafter  Fangmöglichkeiten  ver- 
mehrt und  daß  die  Chancen  völlig  richtiger  Fänge  entsprechend  vermindert 
werden.  Dagegen  werden  die  Prozente  der  möglichen  Anzahl  von  Planktonten, 
die  fälschlich  gefangen  werden  könnten,  mit  den  steigenden  Zahlen  immer 
kleiner.  Liegen  in  der  Netzeingangsfläche  10  Planktonten  vor,  so  kann  der 
Fehler  noch  20Vo  betragen,  hegen  dort  100  Planktonten,  so  beträgt  er 
nur  3-4Vo,  bei  28.000  betragt  er  l-2"/o  und  bei  100.000  nur  noch  0-3Vo- 

Diese  Ilechnung  setzt  aber  eine  vollkommen  gleichmäßige  Ver- 
teilung der  Planktonten  voraus,  die  nicht  zutreffen  kann,  weil  die  meisten 
Formen  sich  willkürlich  bewegen  können,  und  außerdem  durch  die  Bewegung 
des  Wassers  durcheinandergewirbelt  werden  müssen.  Ginge  die  Bewegung 
auch  nur  soweit,  daß  jeder  Planktont  bis  an  die  Grenze  seiner  Sechseck- 
fläche kommen  könnte,  so  würden,  wie  ein  Blick  auf  die  Figur  zeigt,  statt 
0  1  und  2  bis  zu  7  Planktonten  gefangen  werden  können,  und  nichts 
spricht  dafür,  daß  diese  Grenze  eingehalten  werden  muß.  Ein  Überschreiten 
dieser  Grenze  wäre  übrigens  weniger  störend,  wenn  viele  Planktonten  im 


Die  M.thoilik  dfi    riankton-IHtersm-luiia'.  lUÖ 

Bereich  des  Netzeinsan-es  lioo^en,  also  wenn  die  Flache  dn  ScV,,..- 1..  ii..;,, 
ist.  Dies  theoretische  Verhalten  ist  daher  sehr  stiirend,  nan,  ,  |, 

für  diejenigen,  die  den  Nachweis  führen  wollen,  dali  die  Vcrtpilunu'  der 
Planktonten  ungleichniäliig  .sei.  Die  Praxis  lautet  etwas  anders.  K>  hat  si.-h 
zwar  unter  unseren  etwa  lOo.ooo  /ahl.'ii  kein  Kall  gefunden,  in  dem 
90'»/.,  der  Fiiuge  nur  1  und  lU"  „  keinen  oder  i>  l'lankf.mten'  "  i,t 
hätten,  aher  das  hegt  zum  Teile  daran,  dai;  in  k.-in.-in  Strome.  ..,.;  .,.-s 
Ozeans  so  viele  Fänge  gemacht  worden  sind.  dal.  diese  Kerhnun-  lutte 
sich  genügend  prüfen  lassen.  Fs  findet  sich  aher  doch  auf  der  siebenten 
der  jetzt  veröffentlichten  /ähltahellen  von  der  .Mziope.  einem  Wurm  mit 
ganz  gewaltigen  Augen,  der  daher  auf  die  Jagd  angewiesen  ist.  die  fol- 
gende Fangreihe : 

0.4.1  .  1  .1  .1  .1.2.2.1  .ö.l.(;.^<.]  .C.O.  I  .  1  .  I  .  1  .7.2.4.(13.20). 


Kig.  163. 


Vig.  164. 


Das  sind  24  Fänge,  die  sich  auf  einer  .'^trecke  \oii  4o<H»  /.;;>  folgten 
Die  fangende  Fläche  des  Netzeinganges  hat  THf)  an-  betragen.  Wi.  man 
sieht,  fällt  nur  der  eine  Fang  von  8  Stück  aus  der  nach  ol>i;;er  I  i- 

tiing  zu  erwartenden  Reihe.  Die  Stromgebiete  waren  SargassoM c.  Kanarien- 
strom.  Nord-A(|uatorialstroHi  uiul  (iuineastrom.  also  sehr  \ersehiedene 
Strömungen.  Dennoch  könnte  nach  den  /ahlen  allein  nicht  In-hauptol 
werden,  dali  ein   sicherer  rnterschied    in    der  Dichte    der  Tiere    •     ' 

Nur  wenn  man  die  Zahlenfolge  zergliedert,  wird  ein  trewisser  Tut .<  d 

der  \erteilung  wahrscheinlich.  Ich  habe  die  Fangreihe  wo.nt'irh  we-.ii  der 
groiien  Beweglichkeit  der  Tiere  ausgewiddt.    Ks  wird  er  fui 

nicht  zu  hoch  gespannte  .Vnforderun.ireii   die  Stichproben  irt'nügen  können. 


646 


Viktor  Hensen. 


namentlich  wenn  größere  Netzeingänge  gewählt  werden  und  wenn  die  Fänge 
aus  einem  Stromgebiete  vereint  und  deren  Mittelwert  genommen  wird. 
Die  Netzform,  mit  der  die  Hauptplanktoiimasse  gefischt  wird,  zeigt 
die  Fig.  163.  Daran  sind  zu  unterscheiden  1.  ein  dichter  konischer,  den  Ein- 
ürano-  erheblich  verengender  Aufsatz  Ä.  2.  das  eigentliche  Netz  B  aus 
Müllergaze  Nr.  25  (früher  Nr.  20  bezeichnet)  mit  einem  Schutznetz  aus 
einem  weitmaschigen  gewöhnlichen  Fischnetz  bestehend.  Dies  Übernetz 
hat  die  Aufgabe,  das  eigentliche  Netz  bei  zu  großem  Innendruck  zu  stützen 
und  vor  Zerreißung  auf  diese  Weise  zu  schützen.  Außerdem  kann  der  Ap- 
parat daran  angefaßt  werden,  während  das  Netzzeug  selbst  leicht  zerreißt, 
wenn    rauhe  Hände    es    anfassen;    3.  der   Filtriereimer  C,  in  den  die  ge- 


Fig.  165. 


fangene  Masse  schließlich  hineingespült  wird  und  der  sich  von  einem 
unteren  Ring,  an  dem  das  Netz  befestigt  ist.  abtrennen  läßt. 

Das  eigentUche  Netz  besteht  aus  eigentümlich  gewebten,  sehr  feinen 
seidenen  Fäden  (Fig.  164).  Die  Poren  haben  eine  Seitenlänge  von  im  INlittel 
0-049  mm.  Die  Fig.  163  zeigt  ein  Stück  dieses  Gewebes  vergrößert.  Es  war 
nötig,  die  Filtrationsgröße  dieses  Gewebes  zu  bestimmen.  Dazu  hat  der 
in  Fig.  165  im  Durchschnitt  gezeichnete  Apparat  gedient. 

Ein  geschlossenes  Rohr,  Ä,  ist  an  seinem  einen  Ende  mit  der  zu 
untersuchenden  Müllergaze  B  geschlossen.  Durch  das  Rohr  C  wird  in  D 
filtriertes  Wasser  mit  einer  durch  feine  Hahnstellung  regulierbaren  Ge- 
schwindigkeit eingeleitet.  In  dem  zweiten  Rohr  E  steht  ein  Manometerrohr. 


in    dem  Blechkasten  F,  der  mit  Wasser  gefüllt 
ist.  Aus  der  Tülle  G  eines  umhiülenden  Kastens  läuft  das   aus  dem  Rohr 


Der  ganze  Apparat    liegt 


nie   Mctliuilik   ,l,.r   l'limktiiii-l'iitcrsucliiiiii:. 


«J4T 


A  hinaus  filtriorciule  Wasser.  l);is  ahlaiitciidc  Wasst-r  wird  ii,  .  ,,1.  ,„  McU- 
K^efäß  eine  bestimmte  Aiizaiil  von  SckiiiKicii  auft,M'i'ang.n  und  treiiiessen. 
Auf  diese  Art  wird  also  bestimmt,  wieviel  Wasser  sich  unter  bestimniffm 
Druck  durch  den  cm- der  Gaze  entleert.  Die  verschiedenen  lleobachtun 
werden  j^raphisch  verzeichnet  und  zu  einer  Knrve  verarbeitet.  Von  di' 
Kurve  sind  die  gleich  zu  verzeichnenden  Zahlenreihen  gewonnen.  Man 
könnte  iilauben,  da!',  diese  Zahlenreihen  besser  durch  eine  j;eei^r,„.ff.  Formel 
zu  gewinnen  wären.  Das  ist  aber  nicht  zutreffend,  denn  es  zeigt  sich,  daü 
das  Wasser  nicht  lediglich  dinch  die  Poren  fliebt,  sondern  dali  es  mit  einer 
mit  dem  Druck  wachsenden  Quote  durch  die  Seidenfäden  .selbst  hindurrh 
filtriert,  so  daß  die  Filtrationsgrüße  nur  empirisch  bestimmt  werden  kann. 
Eine  solche  Hestimmung  entnehme  ich  den  Tabellen  in  meiner  Methodik'), 
sie  lautet  für  Seidengaze  Nr.  25  (früher  Xr.  '20): 


Druck 
cm 


Filtrat 
cm^  Sek. 


Ol 
Ü-2 
0-3 
0-4 
0-5 
0-6 
0-7 
0-8 
09 
10 


0  2393 
0-4627 
()C)760 
0-8808 
1-0788 
1-2712 
1-4Ö82 
1-G406 
1-8195 
1-9950 


0-2234 
0-2133 
0-204S 
01980 
01924 
01870 
0-1824 
0-1789 
01755 
01726 


iJruck 
an 


Kiltrat 
cm^  See. 


1-1 

2  1676 

12 

2-3374 

1-3 

2-5047 

1-4 

2-6697 

1-5 

2-8327 

1-6 

2-9939 

1-7 

3-1530 

1-8 

3-:Ul)S 

1-9 

3-4670 

2-0 

3(i218 

0  1698 
01673 

OlCl.")!! 

Oir)3n 
111612 
1)1591 

01  57s 

015(')2 
0-1548 


Wenn  g  die  Deschleunigung  der  Schwere,  d  den  Druck  bedeutet,  so 
bestimmt  sich  die  dem  Druck  äriuivalente  Geschwindigkeit  v  nach  ib-r 
Formel  2g.d  =  vi 

Nicht  jedes  Stück  der  (iaze  gibt  genau  dieselbe  FiltrationsgröiW'. 
auch  hat  das  Zeug  die  Eigenschaft,  bei  längerem  (iebrauch  zu  .><chriim|den 
und  dann  namentlich  bei  schwachem  Druck  .»^chh'chter  zu  filtrieren. 

Der  konische  Aufsatz  aus  dichtem  Zeug  dient  vieU-n  Zwecken.  Kr 
hindert  die  Aufnahme  von  Schlick,  falls  das  Netz  den  Hoden  berührt  und 
er  beugt  den  Verlusten  durch  die  Orbitalbewegung  der  Wellen  vor.  .Vnf 
der  See  steigt  das  Wasser  unter  der  Wellenoberfläche  .schnell  genug,  um 
je  nach  Größe  der  Welle  Geschwindigkeiten  von  ()-.">  bis  1  ///  und  darüber 
zu  erreichen.  Dazu  kann  sich  das  Schlingern  und  Stampfen  des  Schiffes 
addieren.  Das  Netz,  das  mit  O'ö  ///  (ieschwindigkeit  aufgezogen  zu  wenlen 
pflegt,  wird  in  solchem  Fall  relativ  sinken  und  sein  Fang,  der  besonders 
an  der  großen  oberen  l'eriitherie  abgesetzt  ist.  wird  ausgespült  un<l 
geht  verloren.  Wenn  aber  ein  dichter  unbeweglicher  .\ufsatz  uic  in  Fig.  l«i;; 
vorhanden  ist,  so  wird  der  Fang  in  diesen  llauni   liinein'j-psnült  und  wird  in 


')  Heiisrii ,    Metliotlik.    Krtrol)iiissc    ilcr    l'Iaiiktou- Kxpptiition.    IM    \      li 
Kit'l  1895. 


S.  8« 


648  Viktor  Heiisen. 

den  nächsten  Sekunden  voll  wieder  in  das  Netz  zurückkehren.  Ferner  wird 
durch  den  dichten  Aufsatz  auch  noch  die  Eingangsöffnung  stark  verengt. 

Dadurch  wird  verhindert,  daß  die  absteigende  Orbitalbewegung  der 
Welle  den  Druck  im  Netz  sehr  in  die  Höhe  treiben  kann,  weil  das  Wasser 
ja  nur  durch  die  verengte  Eingangsöffnung  in  den  Netzraum  hineinströmen 
kann.  Wäre  die  Mündung  nicht  verengt,  so  würde  außerdem  auch  zu  viel 
Oberflächenwasser  filtriert  werden  und  es  würde,  weil  gerade  die  Ober- 
fläche von  gewissen  Planktonten  besonders  dicht  bewohnt  wird,  der 
Fang  fehlerhaft  und  meistens  zu  groß  werden.  Der  Gegendruck  im  Netz, 
der  während  des  Aufzugs  einen  Teil  des  vor  der  Mündung  stehenden 
Wassers  beiseite  schiebt,  hört  plötzlich  auf  zu  wirken,  sobald  das  Netz 
über  die  Wasseroberfläche  gehoben  wird  und  jetzt  muß  alles  Wasser,  das 
sich  in  dem  Apparat  befindet ,  filtrieren.  Wäre  die  p]ingangsöffnung  so 
weit  wie  die  Netzöffnung,  so  würde  sehr  viel  Oberflächenwasser  aufge- 
nommen und  filtriert  werden;  da  die  Eingangsöffnung  aber  stark  verengt 
ist,  wird  die  Masse  des  Oberflächenwassers  nur  unbedeutend  vermehrt. 
Sehr  wesentlich  ist  es.  daß  der  Druck  an  der  Netzwand  durch  die  Ver- 
engung des  Eingangs  sehr  herabgesetzt  wird,  so  daß  die  zarten  Planktonten 
möglichst  wenig  leiden. 

Je  kleiner  die  Wassermasse  ist,  die  in  der  Zeiteinheit  infolge  der 
Hebung  des  Apparats  durch  den  Eingang  in  das  Netz  hineinströmt,  desto 
geringer  muß  der  Filtrationsdruck  sein,  der  diese  Wassermasse  durch  die 
Netzwand  treibt,  desto  langsamer  wird  das  Wasser  durch  die  Poren  hin- 
durchfließen. Zu  dem  Innendruck  addiert  sich  freilich  noch  ein  Zug  an  der 
Außenwand  des  Netzkonus,  der  von  dem  Winkel  des  Netzkonus  abhängt 
und  der  von  dem  Innendruck  fast  unberührt  bleil)t. 

Für  das  in  Fig.  163  gezeichnete  Netz  berechnet  sich,  daß  bei  der  ge- 
wöhnlichen Zuggeschwindigkeit  von  50  cm  die  Sekunde  der  untere  Piand 
einer  Pore  schon  nach  0-000097  Sekunden  die  Lage  des  oberen  Randes 
erreicht. 

Der  Strom  durch  die  Pore  beträgt  höchstens  40'4  cm  die  Sekunde. 
Daher  wird  ein  Planktont  in  der  genannten  Zeit  nur  die  Strecke  von 
0'0039  cui  durchlaufen  können.  Ist  sein  Radius  oder  seine  Länge  größer 
als  diese  o9  y-,  so  kann  er  nicht  nach  außen  gelangen,  sondern  wird  durch 
den  unteren  Rand  der  Pore  wieder  in  das  Netz  zurückgeworfen  und  legt 
sich  der  festen,  äußerst  langsam  filtrierenden  Netzwand  an.  Diese  hat,  wie 
die  Fig.  164  zeigt,  eine  relativ  bedeutende  i\.usdehnung.  Die  Eigenbewegung 
der  Planktonten,  die  hierbei  in  Betracht  kommen,  ist  2  bis  3  mm  in  der 
Sekunde,  also  so  langsam,  daß  sie  nicht  mitzi'ihlt.  Die  zurückgeworfenen 
Planktonten  legen  sich  neben  größeren  Formen  namentlich  auf  dem  oberen 
Rand  des  Netzes,  wo  der  Innendruck  am  stärksten  ist,  fest  und  tragen 
zu  einer  weiteren  Verengung  der  Poren  bei,  so  daß  hier  neben  Wasser  nur 
die  Bakterien  und  die  allerkleinsten  Formen  noch  durchschlüpfen  können. 

Daher  werden  noch  viel  kleinere  Planktonten  gefangen,  als  es  der 
Porenweite  des  Netzes  entspricht. 


Die   Mctliddik  der   l'luiiktoii-l'iitersiirhiiuj;.  (^t| 

Wenn  das  Xet/  aus  dem  \V;iss('r  frchohcii  wird,  tritt  der  ^rolie 
Übelstand  ein,  dal)  der  bis  dahin  etwa  8  mm  betrap-ndi-  linifiidnirk  auf 
das  20()t'acho  und  höher  austeilt  und  unter  diesem  hnick  (h-r  etwa  .')<J<)  / 
betrasencU'  Wasserinhalt  durch  die  i'oreu  euth'ert  wird,  habe!  ^'ohen  dann 
alle  sehr  kleinen  Tlauktouteu,  soweit  sie  sieh  ni<ht  /wischen  den  Haaren 
und  Borsten  der  größeren  Planktonten  festgelegt  haben,  verloi-en. 

Dieser  Übelstand  ist  unvermeidlich,  liU'it  sich  aber  verringern,  wenn 
ein  anderer  Netztypus,  den  ich  vorgeschlagen  habe,  der  al)er  noch  nicht  ge- 
nügend geprüft  worden  ist,  verwendet  wird.  Ein  rechteckiges  Net/  mit  unten 
und  oben  gleichem  Kahmen  von  16ö  und  61  nn  Seite,  also  einer  Kin^'anirs- 
öffnuug  wie  bisher  von  Ol  cW-  Fläche,  wird  mit  einer  \)()  im  ludien  Net/- 
wand.  deren  Fläche  HO 780  cm^  sein  würde,  bespannt.  Darunter  findet  sich 
ein  l)eutel  aus  dichterem  Zeug,  in  den  der  Fang  hinab!.i-espült  wird,  um 
schhelMich  durch  einen  Hahn  zu  weiterer  Verarbeitung  entleert  /u  werden. 
Bei  dem  Herausheben  dieses  Netzes  würden  nur  öO  /  Wasser  /u  entleeren 
sein,  aulierdem  würde  die  aufsteigende  Orbitalliewegung  der  Wellen  den 
Fang  nicht  entleeren  können,  weil  die  Netzwände  senkrecht  stehen.  Die 
Vermeidung  dieser  (iefahr  macht  den  diciiten  .Vufsat/  des  jetzt  im  Ge- 
brauch befindlichen  Planktonnetzes  entbehrlich  und  die  neue  Netzform  kann 
sehr  viel  rascher  sinken,  setzt  auch  dem  Aufzug  nicht  soviel  Widerstand 
entgegen,  als  dies  die  jetzt  üblichen  Netzformen  tun.  Die  Gefahren  bei 
Berühren  des  Bodens  bleiben  freilich  bestehen,  auch  könnten  kräftige 
Schwimmer  dieser  Eingangsform  leichter  ausweichen,  als  bei  dem  in  Fig.  KW. 
gezeichneten  Netz,  endlich  kann  die  absteigende  Ürbitalbewegung  schäd- 
lich sein. 

Die  Berechnung  der  Wirkung  dieses  Netzes  ist  folgende.  In  das  auf- 
steigende Netz  kann  nicht  mehr  Wasser  einströmen,  als  aus  ihm  liinaus- 
filtriert.  daher  besteht  die  Hauptgleichung:  Einsti-om  =  Ausstrum. 

Wird  das  Netz  mit  der  Sekundengeschwindigkeit  Vo  von  50  cm  auf- 
gezogen und  sei  die  Eingangsöffnung  1000  cm ^^  so  könnten  öO 000  cm Mn 
der  Sekunde  einströmen,  aber  weil  eine  Netzwand  hinter  der  (')ffnuni.' 
ausgespannt  ist,  stellt  sich  diesem  Einstrom  ein  hrnck  '^o  im  Netz,  der 
die  Filtration  durch  die  Netzwand  zu  erzwingen  hat.  entgegen.  Da  die 
Netzwand  oi'ösOcm-  beträgt,  niülUen  in  der  Sekunde  durch  den  (,»uadraf- 
zentimeter  filtrieren  öO.OOO  :  r.^oSO  =  lö.'UC)  cm». 

Nach  der  auf  S.647  gegebeueu  Tal)elle  erfordert  diese  Filtration  einen 
Druck  f\  von  0-742  cm  Wasser.  Der  Druck,  der  der  Bewegung  von  Ob  Sek./« 
ä(|uivalent  ist.  berechnet  sich  nach  der  Formel  vV2  g  =  d.  wobei  ich  2  g 
für  Kiel  zu  1962  cm  rechne,  v  die  (ieschwindigkeit  und  d  »len  Druck  be- 
deutet. Der  Druckwert  do  wird  danach  I.Ucm.  Die.sem  Aubendruck  steht 
der  obige  Innendruck  von  So  -  0-742  entgegen.  Der  zur  Verfügung  stehende 
Überdruck  beträgt  also  do— 5oi=d,  also  \U  0-742  =  0-:)l»8 cm.  Nach 
der  Formel  v  —  |  2  g .  d  erhalte  ich  durch  den  Druck  von  0-ä08  «•»»  eine 
Einstromgeschwiudigkeit  von  v,  —M'lh  Sek.  cm.  Diese  (Ieschwindigkeit  ist 
zu  gering,  die  (ieschwinditzkeit  von  öo  cm  war  zu  groll.    Die   Summe   der 


650 


Viktor  Heil  seil. 


Vo  +  V, 


2 


also 


50  +  34-25 
2 


gibt  den  Wert 


beiden  Geschwindigkeiten   halbiert 

für  den  Einstrom  von  42- 125  =  v. 

Durch  Division  von  v,  mit  32-580  ergibt  sich,  daß  dabei  1-293«« 
durch  jeden  Quadratzentimeter  des  Netzes  filtrieren  müßten.  Die  Tabelle 
ergibt,  daß  um  diese  Filtration  zu  bewirken,  ein  Druck  Sg,  von  {1-612 cm 
erforderlich  ist.  Daraus  ergibt  sich  der  Überdruck  am  Netzeingang  zu 

do  —  §2  =  ^3     l-'i-i  —  0-61 2  =  0-723. 
Mit  der  Geschwindigkeit   des  Einstroms.    die  dieser  Überdruck  her- 
vorbringt,   wird   die    Annäherungsrechnung   fortgeführt.    Auf   diese  Weise 
hat  sich  die  nachfolgende  TabeUe  berechnen  lassen. 


Zuggeschwindigkeit  pro  Sek. /cm 


100 


75 


50 


25 


Äquivalenter  Druck  d  =  Sek.  'c»m    .  . 

Druck  im  Xetz  o  —  Sek. /cm    .    .    .  . 

Druck  am  Eingang  d — o  =  Sek./cm  . 

Ein-  und  Ausstrom  pro  Sek.  cm^   .  . 

Ein-  und  Ausstrom  pro  Im    .    .    .  . 

Fläche  des  fangenden  Eingangs      .  . 
Koeffizient  pro  Quadratmeter  Fläche 


5-0975 
1-373 
3-7243 
S5479 
85479 
855 
11-7 


2-8672 
0-9404 
1-9268 
61534 
82025 
820 
1219 


1-34 
0-559 
0-781 
38989 
77978 
780 
12-82 


0-31858 

0-202 

0-11658- 

15170 

60680 

607 

16-453 


Die  Tabelle  zeigt  den  Unterschied  der  Filti-ationsgröße .  der  durch 
Verschiedenheiten  der  Zuggeschwindigkeit  verursacht  wird,  auch  können 
die  Wirkungen  von  Verschiedenheiten  der  Größe  der  Netzwand  sowie  die 
Unterschiede  des  Ertrages  gleichgebauter  Netze  verschiedener  Größe  be- 
rechnet werden.  Die  absolute  Größe  derPlanktonmas.se,  die  auf  die  Ein- 
heit der  Wasseroberfläche  entfäUt .  läßt  sich  durch  diese  Rechnung  nicht 
feststellen.  Die  Rechnung  beruht  auf  der  Annahme,  daß  auf  der  ganzen 
Netzwand  ein  gleicher  Druck  steht.  Diese  Annahme  trifft  nicht  zu, 
.sondern  es  findet  sich  ein  Druckgefälle.  Am  Elingang  ist  der  Druck 
größer  als  der  Mitteldruck,  und  da  hier  bereits  viel  Wasser  abfiltriert, 
sinkt  der  Druck  nach  der  Endfläche  des  Netzes  mehr  und  mehr  ab.  Der 
große  Druck  an  dem  Eingang  mindert  den  Überdruck,  daher  wird  weniger 
Wasser  in  das  Netz  hineinfließen,  als  die  Rechnung  nachweist.  Wahrschein- 
lich findet  außerdem  wegen  der  Rauhigkeit  der  Netzwand  an  deren  Außen- 
fläche ein  gewisser  Zug  statt.  Es  läßt  sich  daher  die  wahre  Filtrations- 
größe  nur  empirisch  bestimmen.  Zu  diesem  Zweck  wird  die  Eingangs- 
öffnung auf  das  20-  bis  40fache  verengt  und  eine  Reihe  von  Zügen  mit 
dieser  verengten  Öffnung  ausgeführt.  Zugleich  werden  einige  Züge  mit  der 
fi'eien  Eingangsöffnung  an  dem  gleichen  Ort  zu  gleicher  Zeit  ausgeführt. 
Dann  wird  die  Zahl  derjenigen  Planktonten,  die  sicher  fangbar  und  in 
größerer  Anzahl  in  den  Fängen  vorhanden  sind,  bestimmt.  Bei  den  mit 
kleiner  Öffnung  gemachten  Zügen  ist  der  Innendruck  so  klein,  daß  nur 
1   oder  2%  der  Wassermasse,  die  wirklich  hätte  filtriert  werden  können, 


Dir  MctliddiU   ihr  l'laiiktcui-l  nti-rsucluiii^'.  (jf,! 

verloren  i^eht,  wie  die  IJcclHum«'-  feststellt.  Mau  eit'alirf  als«»,  wie  /ahlreich 
die  Anzahl  der  hezügliclien  Tlanktoiiteii  unter  dem  »Juadratnieter  der  (MH»r- 
fläche  ist.  Die  Züpc  mit  dem  licicn  Kin<2:anü  ert^ehen  einen  l»otrarhtliclieii 
Verlust  der  bezüiilieheii  Tlanktonten.  Kine  Division  der  ^'ej'undeneii  Zahl 
in  die  Zcahl,  die  sieh  aus  den  Zü^^en  mit  verengter  .Mündung  als  l'lank- 
tontengehalt  unter  dem  Quadratmeter  ergehen  hat.  giht  als  Quotient. -n 
den  Faktor,  mit  dem  der  Fang  des  Netzes  mit  ',„//'-  Kin-iang  zu  multi- 
plizieren ist,  um  den  (behalt  unter  Im*  der  Oherfläehe  kennen  zu  lernen. 
Selbstverständlieh  mulj  die  Tiefe  des  Vertikalzuges  die  gleiche  sein.  Da 
die  fischende  Fläche  des  Eingangs  bei  diesem  ^'ersuch  ermittelt  wird,  ist 
damit  auch  festgestellt,  wieviel  Was.ser  in  einem  Netzzug  bestimmter 
Länge  filtriert  worden  ist.  Für  das  liisher  gebrauchte  groüe  Tlanktonteii- 
netz  hat  sich  so  der  Netzt'aktor  zu  IIVÖ  ergeben. 

Exakter  ist  dem  An.schein  nach  das  Schlauchvertalireii.  E^  kann 
freilich  nur  zum  Fang  von  Formen,  die  recht  zahlreich  vorhanden  sind, 
also  namentlich  zum  Fang  des  Nanoplanktons  dienen,  weil  damit  etwa 
oOOmal  weniger  gefangen  wird  als  mit  dem  l'lanktonnetz,  aber  es  bringt 
dagegen  absolut  alles  auf,  was  in  der  durchfischten  Wasserschidit  vor- 
handen ist.  Loltmann  hatte  für  seine  Untersuchungen  in  dem  Mittelmeer 
und  später  in  dem  Kieler  Hafen  Wasser  aus  bestimmten  Tiefenschichten 
gewonnen,  indem  er  einen  (Jarteiischlauch  bis  zu  dieser  Tiefe  hinabgehen 
lieb  und  dann  von  dort  Wasser  aufpumpte  und  analysierte ,  indem  er  das 
Wasser  teils  durch  gehärtete  Filter  oder  selbst  durch  Seidentaffet  liltrierte 
und  für  die  feinsten  Flanktonten  zentrifugierte.  Eine  genügend  kräftige 
Zentrifuge  würde  noch  gestatten,  selbst  die  Bakterien  zu  sammeln  um! 
direkt  zu  zählen .  nur  ist  dicht  am  Lande  soviel  an  Schmutz  und  tierischen 
Exkrementen  in  dem  Wasser  vorhanden,  dab  dadurch  die  Zählung  er- 
schwert werden  kann.  Für  die  Ozeanforschung  kommt  es  darauf  an.  zu 
bestimmen,  was  in  der  ganzen  Was.sersäule  an  organischem  Material  vor- 
handen ist.  Ich  habe  in  den  Ergebnissen  lid.  V.  (>. .  S. -jo  vorge.scldag<-n. 
einen  (Jartenschlauch  von  'lOO  m  Länge  und  'Inti  Fichfeniinrclunes.MM-. 
der  an  dem  Ende  mit  einem  (Jewicht  besclnveit  ist  und  de>>en  andere> 
Ende  am  Deck  liegt,  senkrecht  hinabgehen  zu  lassen.  Dabei  wiid  dann 
eine  Wassersäule,  die  den  Querschnitt  der  Fichtenweite  des  Schlauches 
hat.  gleichsam  ausgestochen.  Dann  wird  die  Schlauchmündung  an  Deck 
geschlossen  und  <las  unteie  Ende  des  S<'hlanches  in  die  Höhe  i:ezoL.'en. 
Jetzt  wii-(l  die  Schlauchmiindung  an  Deck  geöfliiet  und  aus  dieser  wird 
der  Inhalt  des  Schlauches,  der  vom  unteren  Ende  her  an  Deck  geholt  innl 
dort  aulgewunden  wird,  in  bereitstehende  (iefäiie  entleert.  Hierbei  wird 
(las  Wasser  aus  verschiedenen  Tiefen  liir  sich  geuoiuuii  mi>l  analy.siert 
werden  können.  Es  werden  etwa  .')(»/  Was.ser  liei  tlieseiii  NCrtahren  ver- 
arbeitet werden  müssen.  Zum  eistenmal  auf  der  antarktix'hen  Fahrt  von 
Fllchner  wird  das  \'erfahren  verwendet  werdeu.  Da  zunächst  nicht  einzu- 
sehen ist.  was  den  Erfolg  dieses  Verfahrens  hin<lern  sollte,  wini  es  .schon 
hiei-  erwähnt.  F.ei  dem  kleinen  (,)uei-.<chnitt   y\i'<  S,  lil.ni.hes  haften  ihm  «ii«- 


652  Viktor  Hensen. 

Fehler  der  Stichproben  in  hohem  Maße  an.  doch  hat  dies  für  das  Nano- 
plankton,  das  sehr  hohe  Zahlenwerte  zu  geben  pflegt,  geringe  Bedeutung. 
Größere  Tiefen  als  200  m  dürften  mit  dem  Schlauch  kaum  erreicht 
werden  können. 

Um  den  Inhalt  größerer  Tiefen  zu  bestimmen,  kann  ein  doppeltes 
^'erfahren  dienen. 

1.  Dieser  Inhalt  kann  in  einfachster  AVeise  durch  Stufenfänge  Ije- 
stimmt  werden.  Es  werden  an  demselben  Ort  Fänge  aus  geringer  Tiefe 
und  dann  eine  Reihe  Fänge  aus  immer  steigender  Tiefe  gemacht.  Es  läßt 
sich  dann  durch  die  Zählungen  die  Vermehrung  des  Gehalts  an  Planktonten 
in  den  Tiefenzügen  und  durch  das  Auftreten  sowie  durch  die  besondere 
Vermehrung  der  tiefgehenden  Formen  ein  Urteil  über  den  Bestand  der 
tieferen  Wasserschichten  gewinnen. 

2.  Es  werden  für  diesen  Zweck  b,esondere  Schließeinrichtungen  ver- 
wendet. Diese  Aufgabe  wurde  früher  mit  dem  C^^«^schen  Schließnetz  zu 
lösen  versucht.  Dieses  Netz  ist  so  eingerichtet,  daß  es  geschlossen  in  die 
Tiefe  geht.  Im  Beginn  des  Aufzuges  beginnt  ein  PropeUer.  der  eine 
Schraubenmutter  dreht .  zu  laufen.  Dabei  bewegt  sich  die  Schraubenmutter 
an  einer  Schraubenstange  aufwärts.  Bei  deren  Aufwärtsbewegungen  löst 
sich  zunächst  eine  Vorrichtung,  die  bis  dahin  das  Netz  geschlossen  hielt, 
so  daß  das  Netz  jetzt  zu  fangen  beginnt.  Nachdem  dann  die  Schrauben- 
mutter eine  längere  Strecke  an  der  Schraube  aufwärts  gestiegen  ist,  löst 
sie  die  Haltedrähte,  an  denen  bis  dahin  das  Netz  hing.  Das  Netz  sinkt 
daher  etwa  2  Fuß  hinab  und  wird  dann  an  anderen  Drahtseilen  so  geh  alten, 
daß  die  Netzbügel  zuschlagen.  Fortan  bleibt  durch  eine  Verschlußeinrichtung 
das  Netz  dauernd  geschlossen.  Hierbei  ist  der  große  Übelstand,  daß  sowohl 
dadurch,  daß  das  Netz  fällt,  wie  auch  dadurch,  daß  es  sich  zusammenlegt, 
ein  großer  Teil  des  Inhaltes,  namentlich  soweit  er  an  dem  oberen  Rand  des 
Netzes  lagert .  ausgeschwemmt  wird.  Es  eignet  sich  daher  dies  Netz  nicht 
zur  quantitativen  Bestimmung  des  Inhaltes  der  tiefen  Schichten. 

Ein  zweiter,  jetzt  sehr  vielfach  gebrauchter  Apparat  wird  als  Nansen- 
netz bezeichnet.  Der  obere  Teil  dieses  besteht  aus  dichtem  Zeug,  es  geht 
offen  in  die  Tiefe,  fällt  daher  etwas  langsam.  Es  ist  daran  die  zuerst  in 
Helgoland  gebrauchte  Schließeinrichtung  angebracht,  die,  für  Horizontalzug 
bestimmt .  für  diesen  Zweck  recht  brauchbar  ist.  Nachdem  nämlich  das 
Netz  eine  beliebige  Strecke  der  Tiefe  durchfischt  hat,  wird  ein  Gewicht 
an  dem  Drahtseil  hinabgeschickt.  Dies  Gewicht  löst  dann  die  Haltetaue, 
an  denen  bisher  das  Netz  hing,  los.  Das  Netz  sinkt  und  wird  dann  durch 
eine  Schlinge,  die  um  den  unteren  Teil  des  dichten  Zeuges  gelegt  ist, 
gefangen,  zugeschnürt  und  so  verschlossen  an  Deck  geholt.  Es  besteht  also 
wieder  der  Übelstand,  daß  vor  dem  Schluß  durch  den  Fall  und  das  Zu- 
sammenschnüren des  Netzes  ein  wesentlicher  Teil  des  Fanges  ausgespült 
werden  muß. 

Eine  Verbesserung  der  Einrichtung  ist  dann  durch  den  dänischen 
Forscher  Joh.  Petersen  in  \'orschlag  gebracht,  der  durch  ein  hinabgesandtes 


Die  Motlmdik   il<r   l'laiiktoii-rntorsiirhuiii;. 


i"-\ 


Gewicht  zwei  über  dem  Net/einjr;in^'  aufgebrachte  Klappen  löste,  die  fortan 
den  Netzein^'^ni":  verschlossen.  Icii  lialx'  diese  Kinrichtunir  in  einit?en  DotaiLs 
modifiziert  und  es  sind  u.  a.  von  Apstrin'^)  mit  dieser  Kinrichtnii}.'  W' 
Uesultate  über  die  Verteilung'  des  Tlanktons  in  ilen  verschiedenen  ini'u- 
schichten  auf  den  Untersuchungsfahrten  des  ..Poseidon"  in  der  N(»rd-  und 
Ostsee  gewonnen  worden.  Eine  recht  ^^ute  \'erbesserun;z  dieser  Kinriclitunn 
ist  von  dem  hiesigen  Mechaniker  Zwirkert,  der  die  meisten  l'lanktonapparate 
beschafft,  erfunden.    Sie  wird  in  nebenstehender  Fig.  UW»  abgebildet.  Mine 

zunächst  senkrecht  stellende  Metall- 
scheibe Fig.  10»)  A  wird  durch  ein 
hinabgleitendes  (lewiclit    in  beliebiger 

vig.\««h. 


Fig.  166.1. 


Tiefe  aus  der  senkrechten  Lage  befreit  und  füllt  dann,  indem  sie  sich  durch 
eine  besondere  Einrichtung  der  Führung  horizontal  umlegt,  auf  den  Net/- 
eingang,  den  sie  dauerml  schheUt,  Fig.  KitW^.  Hei  di.'sen  SchlieUnet/en 
kommen  häufig  Mißerfolge  vor.  weil  nicht  alles  bei  .Hergang  regelrecht 
funktioniert.  Die  gezeichnete  Einrichtung  scheint  mir  die  obwaltenden 
Schwierigkeiten  am  besten  zu  lösen. 

1)  Apsfeh, ,    riankto.)    der  Nord-   und  Uslsec    WissoiKch.  Mccre««ntcniuchu.. 
Kiel.  N.  F.  Bd.  9.  lyo«").  S.  1. 


654 


Viktor  He  11  sc  11. 


Fis.  107. 


Für  die  Untersuchung  der  Flüsse,  der  Süßwasserseen  und  der 
Tümpel  sind  viele  Apparate  angegeben  worden,  doch  handelt  es  sich  dabei 
meistens  um  Horizontalfänge  und  die  Untersuchung  des  Wassers  der  Ober- 
fläche oder  bestimmter  Tiefen.  Meines  Erachtens  dürfte  das  Schlauchver- 
fahren die  meisten  dieser  Apparate  ersetzen  können  und  sich  als  das  genaueste 
Verfahren  erweisen,  soweit  es  sich  um  quantitative  Bestimnmngen  handelt. 
Auf  diese  Methoden  wird  daher  hier  nicht  eingegangen,  eine  recht  ein- 
gehende Beschreibung  der  üblichen  Methoden  ist  von  Kolkwitz  veröffent- 
licht, auf  die  verwiesen  sein  mag.  i) 

Im  ganzen  macht  sich  die  Tendenz  geltend,  mit  kleinen  Stichproben, 
also  entsprechend  mit  kleinen  Netzen  zu  arbeiten.  Dabei  wird  der  Gedanke 
verfolgt,  dafj  die  Untersuchung  kleiner  Stichproben  Arbeit  erspare,  daher 
leichter  durchführbar  sei.  Ich  kann  dem  nicht  beistimmen.  Große  Stich- 
proben, also  Fänge  mit  größe- 
rem Netz  stellen  das  Verhalten 
in  dem  Wasser  besser  fest 
als  kleine  Stichproben.  Wenn 


man  sich  begnügen  muß,  nur 
einen  geringen  Anteil  des 
Fangs  genau  zu  analysieren. 
so  gibt  doch  immer  die  gleich 
große  analysierte  Probeent- 
nahme des  großen  Fangs 
ein  besseres  Bild  als  die  des 
kleinen  Fangs.  Die  Multi- 
plikation der  untersuchten 
Fangmasse  mit  der  Zahl,  die 
den  Gehalt  z.  B.  für  ImH )ber- 
fläche  oder  für  eine  größere 
Masse  geben  soll,  wird  ein  weniger  fehlerhaftes  Resultat  geben,  wenn  die 
Quote  einem  größeren,  als  wenn  sie  einem  kleinen  Fang  entnommen 
wurde.  Außerdem  enthält  der  große  Fang  noch  genügende  Mengen  seltener, 
schon  mit  bloßem  Auge  erkennbarer  Formen,  die  in  dem  gleichen  kleinen 
Fang  zu  selten  sind  oder  ganz  fehlen. 

Der  Fang  des  Netzes  wird  durch  Bewerfen  oder  Bespritzen  in  den 
angehängten  Filtriereimer  gespült,  hier  konzentriert  und  dann  aus  dem 
Eimer  sorgfältig  entleert  und  in  den  Filtrator  (Fig.  167)  gebracht,  um  dort 
möglichst  von  Wasser  befreit  in  die  Konservierungsgefäße  gebracht  zu 
werden.  Der  Filtrator  ist  ein  Becher  mit  unten  durchbrochener  Wand,  in 
die  die  Müllergaze  oder  dichtes  Zeug,  selbst  gehärtetes  Filtrierpapier  ge- 
spannt werden  kann.  Der  untere  Rand  des  Bechers  ist  sehr  niedrig,  aber 
möglichst  breit,  er  wird  mit  der  Gaze  überzogen  und  auf  eine  untergelegte 

*)  B.  Kolkivitz,  Entnahme-  und  Beobachtungsinstrumente  für  biologische  Wasser- 
untersuchungen. Mitteilungen  aus  der  kgl.  Prüfungsanstalt  für  Wasserversorgung  und  Ah- 
■svässerbeseitigung  in  Berlin.  1907.  Heft  9.  S.  111. 


Die  Metliotlik  der  Plaiikton-l'utersuchiiiKj.  ^'^r^r^ 

(ihisplatte  (j  aiiiiiopicrit.  so  dali  hier  Wasser  nicht  i-mwcj.Ucn    kam».    Im.- 
Pressung  wird  duich  den  Kahincn  bewirkt,  d.T  .-mf  den  Keil  A  mit  Hilfe 

der  Schraubenmutter  M  fest  aufgedrückt   wird.    Weil  sich  die    ^T .1.  . 

Planktonten  gegen  die  filtrierende  Wand  festlegt,  liiiift  das  \. 
langsam  ab  und  selbst  sehr  kleine  Tlanktonten  gehen  nicht  mehr  durch 
die  Gaze.  Nachdem  der  Fang  genügend  konzentriert  worden  ist.  hebt  man 
den  Filtrierbecher  vom  Glase,  auf  dem  die  grüßte  Masse  des  Fangs  h  ■ 
ab  und  entleert  den  Fang  in  die  Sammelgefnile  mid  <ler  noch  au  der  Waii»t 
des  Filtrators  anhaftende  Fang  wird  mit  Feichtigkeit  durch  eine  Spitz- 
flasche abgespült  und  gesammelt. 

Der  Fang  wird  in  Alkohol,  Formol,  Osmiumsäurelösung  von  1' „  od.-r 
einer  2-o°/o\gen  Lösung  von  doppeltchromsaurfm  Kali  kon.serviert.  Fiiie  all- 
seitig gilt  konservierende  Lösung  ist  bisher  meines  Wissens  nicht  ge- 
funden und  wird  sich  auch  kaum  finden  lassen,  weil  die  Kigenschaften 
der  verschiedenen  Formen  den  Konservierungsflüssigkeiten  gegenüber  zu 
verschieden  sind.  Die  konservierten  Massen  sollen  nicht  lange  aufl)ewahrf 
werden,  weil  dabei  Veränderungen  und  Auflösnngen  der  Hüllen  stattfinden 
können.  Manche  weichen  Planktonten.  namentlich  die  des  Nanoplanktons 
werden  durch  die  Konservierung  ganz  unkenntlich:  sie  müssen  frisch  oder 
doch  nur  mit  etwas  Osmiumsäuredampf  behandelt,  untersucht  werden. 

Nachdem  sich  die  Masse  24  Stunden  lang  abgesetzt  hat,  wird  ihr 
Volumen  bestimmt.  Wegen  der  oft  sehr  zahlreich  in  den  Fängen  enthaltenen 
sperrigen  Massen  kann  aus  diesen  durch  Absetzungen  entstandenen  \o- 
lumenmessungen  nicht  viel  gefolgert  werden,  nur  bekommt  man  einen  An- 
halt dafür,  wie  groß  die  Verdünnung  werden  muß,  um  für  die  Z;dilung 
vorzubereiten.  Für  die  Volumenbestimmung  sehr  kli'iner  Fänge  hat  Aj>- 
stein^)  einen  zweckmäßigen  Apparat  angegeben.  Ich  gehe  aber  auf  das 
Verfahren  zur  Volumenbestimniung  nicht  weiter  ein.  weil  sich  bisher  er- 
geben hat,  daß  doch  immer  nur  die  Zählung  gute  Hesultate  gegeben  hat. 
Es  hat  aber,  wie  schon  erwähnt,  Lohmann  begonnen,  das  mittlere  \'olumen 
der  einzelnen  Planktontenarten  plastisch  nachznbild(Mi  und  auf  diese  Wei.se 
deren  \'olumen  im  einzelnen  festzustellen,  .so  daß  mit  Hilfe  der  Zählungen 
das  wahre  Volumen  der  Fänge  würde  festgestellt  werden  können  wenn 
die  mittleren  Volumina  aller  Planktonten  bekannt  sein  werden. 

Für  die  Zählungen  wird  der  ganze  Fang  in  Wasser  auf  ein  ange- 
messenes Volumen  gebracht  und  von  diesem  Volumen  werden  mit  Hilfe 
des  Schüttelgefäßes  (Fig.  168)  Stichproben  entnommen.  Für  diesen  Zweck 
dient  die  Stempelpipette  B,  ein  Glasrohr,  in  dem  eine  Heihe  von  Kork- 
scheiben, die  nach  Px-darf  durch  kleine  Schrauben  zusammengepreßt  werden 
können,  an  einer  Führungsstange  befestigt  sind  und  an  deren  unterem 
Ende  ein  messingner  Ilohlz\ linder  befestigt  ist.  Widireiid  die  Flüssigkeit 
stark   durchschüttelt    wird,    stößt   man   das  (Jlasrohr   auf  den  Boden   des 


•;  Apfitcin,    Neue  Apparate    für  Mecresforscliuiicr.    Mitteilungen  cl.  Deutsch.  Sco- 
fischerei-Vcreins.  Uerlin.  IDU'.K  -Ni.  11. 


656 


Viktor  Hensen. 


Fig.  168. 


Schüttelgefäßes  und  fängt  dadurch  die  beabsichtigte  Quote  des  Volumens 
aus  der  ganzen  Masse  heraus.  Der  Messingzyliiider  ist  so  ausgedreht,  daß 
der  Raum  zwischen  ihm  und  der  Glaswand  genau  das  verlangte  Volumen 
enthält.  Dies  Volumen  wird  durch  Wägungen  festgestellt.  Es  sind  Pipetten 
zu  benutzen ,  die  ^'olumina  von  0"1,  0'2,  0"5,  5  und  10  cm^  fassen.  Diese 
Einrichtung  ist  erforderlich,  um  während  des  Schüttelns  die  Proben  ent- 
nehmen zu  können.  Zugleich  muß  die  Pipette  eine  weite  Mündung  haben, 
um  die  Fehler,   die  die  Stichproben  suspensierter  Teile   mit  sich  bringen, 

möglichst  zu  vermindern.  Eine  gewöhnliche 
Pipette  mit  enger  Mündung  kann  für  diese  Ent- 
nahmen nicht  dienen. 

Die  Pipette  wird  dann  auf  eine  liniierte 
Glasplatte  entleert  und  ihr  Inhalt  an  Planktonten 
wird  ausgezählt.  Bei  der  Zählung  von  Blutkörper- 
chen pflegt  man  nur  eine  Anzahl  von  Quadraten 
der  entsprechend  geteilten  Zählkammer  zu  be- 
stimmen und  zieht  nicht  die  Größe  des  Tropfens 
in  Rechnung.  Bei  den  Planktonzählungen  muß 
der  ganze  Pipetteninhalt  ausgezählt  werden,  was 
bessere  Resultate  gibt.  Zuerst  werden  nur  die 
Volumina  von  0"1  cm^  gezählt  und  sofern  es  sich 
dabei  um  Diatomeen  handelt,  läßt  man  das 
Präparat  trocken  werden,  weil  dann  die  kiesel- 
schaligen  Formen  am  deutlichsten  hervortreten. 
Da  zu  gewissen  Zeiten  über  100  Millionen  einer 
Diatomeenart  gefangen  werden,  müssen  eigentlich 
10.000  Stück  durchgezählt  werden,  aber  jeden- 
falls sollten  über  1000  Stück  durchzählt  sein. 
Es  empfiehlt  sich  in  solchem  Fall,  jedes  100 
durch  eine  hingelegte  Marke  zu  registrieren,  da 
man  dabei  die  Augen  nicht  von  dem  Mikro- 
skop zu  entfernen  braucht  und  die  Stelle,  wo 
100  erreicht  worden  sind ,  nicht  aus  dem  Auge 
verliert.  Bei  diesen  Zählungen  darf  keine  zu 
kleine  Vergrößerung  verwendet  werden. 
Man  glaubt  freilich  die  Formen  deutlich  genug  bei  kleiner  Ver- 
größerung erkennen  zu  können;  meine  Versuche  haben  aber  gezeigt,  daß 
eine  Nachzählung  desselben  Präparates  mit  stärkerer  Vergrößerung  ergibt, 
daß  20o/o  und  mehr  bei  der  zu  kleinen  Vergrößerung  übersehen  sind.  Da 
sich  mit  kleiner  Vergrößerung  bequemer  zählen  läßt,  wird,  glaube  ich,  in 
dieser  Richtung  oft  gesündigt.  Die  Diatomeen  mittlerer  Größe  sollten 
immer  bei  mindestens  200f acher  Vergrößerung  gezählt  werden.   Nachdem 


^)  Hensen,  Über  die  Bestimmung  des  Planktons.  5.  Berieht  d.  Kommission  z.  wiss. 
Unters,  d.  deutschen  Meere.  1887. 


Die  Methodik  der  ri.uiktoii-l  ntersucluiiik'.  (;;,7 

von  den  kleineren  Formen  genufj:  ^^ezälilt  \\(»r(l('ii  sind,  ciit nimmt  man  für 
die  Zählung'  der  größeren  Formen  «rrölien'  NOIumina  und  schwürlicrc«  Ver- 
größerung- und  schreitet  so  fort,  bis  man  ein  Vohimcn  von  10r»M»  hat  ni'hmcii 
können.  Auf  die  größten  und  daher  kMcht  sichthan-n  Formen  wird  seh! 
lieh  der  ganze  Rest  dnnli/ählt.  Für  diese  /Mhliingen  Itrauchf  man  n 
keine  Bedeckung  durch  Deckgläser.  Die  ( )l)jekte  legen  sich  auf  (hm  ■  uum. 
fest,  selbst  wenn  das  Präparat  eingetrocknet  ist.  sind  kaum  N'erschiebnii"" 
zu  fürchten.  Um  die  größeren  Volumina  zu  zählen,  bedarf  es  <:roi;er  <  ■ 
platten  und  überhaupt  sind  Einrichtungen    ei-forderlich.    um  da.«;  Träparat 
mechanisch  sicher  den  Kolonnen  der  (ilasplatte  entlang  schieben  zu  können. 
Ich    habe    dafür    ein    großes   Zähhnikroskop    anfertigen    lassen,    an    dem 
mittelst  zweier  Schrauben  die  Verschii'bungen  bewirkt  werden  und  an  dein 
immer  sichtbar  wird,  in  welcher  Richtung    die  Bewegung   gegan^'en  ist.  M 
Dann   schadet  es  nichts,  wenn  man  bei  der  Zählung  gestört  wird.  Meistens 
begnügt  man  sich  mit  gewöhnlichen  Mikroskopen,  an  denen  dann  Hinrich- 
tungen   für    die    mechanische  Bewegung    der   Platte    getroffen    sind.    Für 
Zählungen  kleinerer  Fänge  genügt  dies  auch,  aber  es  muTp  betont  wenien, 
daß  die  Re.sultate  mit  großen  Fängen  erheblich  genauer  werden.    Für  das 
Nanoplankton  und  die  Zentrifugenfänge  kommen  nur  sehr  kleine  N'olumina 
zur  Zählung,  die  aber    starke  Vergrößerungen    erfordern,    unter  Deckt:las 
geschehen  müssen  und  entsprechend  schwierigei'.    unbetiuemer.   auch  wohl 
noch  weniger  genau  sind.  Überhaupt  müssen  vorläufig  die  .\nforderung<'n 
an  Genauigkeit  nicht  hoch  gespannt  werden.  Das  ganze  Fntersuchnngsb'ld 
ist    noch    so    wenig    bebaut,    die  Unterschiede   der  Dichte  sind  nach  den 
Jahreszeiten  und  nach  den  Gewässern    noch   so  groß,  daß  feinere  Unter- 
schiede vorläufig  bedeutungslos  sind. 

Die  Mühen  und  Kosten,  die  mit  der  (Jewinnung  und  Verarbeitiiuf; 
einer  Fangreihe  verbunden  sind,  werden  so  grol'i.  daß  dagegen  die  Kosten 
eines  guten  Unter.suchungsapparates  sehr  zurückstehen.  Da  aber  der 
Apparat  meistens  erst  später  in  der  erforderlichen  Ausdehnung  ange- 
schafft wird,  drückt  darauf  die  Cieldfrage  und  bewirkt  eine  Sparsamkeit, 
die  nicht  proportional  dem  Zwecke  und  tU'u  Konten  des  ganzen  Fnter- 
nehmens  ist.  Das  drückt  dann  nicht  nur  (h-n  Frfolg  der  bezüghchen 
Untersuchung  hinunter,  sondern  scluuligt  auch  noch  ih'U  Kredit  besserer 
Untersuchungen. 

Die  Zählungen,  die  restlos  durchgeführt  werden  können,  sind  selbst- 
verständlich möglichst  genau.  Die  Fehlergrößen  und  deren  Wahrscheinlich- 
keiten bei  Zählungen,  bei  denen  auf  den  ganzen  Fang  aus  Teilzählungen 
geschlossen  werden  muß,  sind  von  Ahbr  in  meimi-  Methodik  rechnungs- 
mäßig genau  nachgewiesen.  Je  größer  die  Summen  sind,  die  u«  /;ddt  wurden, 
und  je  häufiger  die  Probeentnahmen  waren,  von  denen  schließlich  das 
Mittel  zu  nehmen  ist,  desto  geringer  sind  wahrscheinlich  die  Fehler,  alter 
es  können  dennoch  die  Zählunirrn  um  große  Prozentzahlen  falsch  aii>^faIlon. 
Wenn  etwa  die  Cjuadratwurzel  der  in  dem  Fang  enthaltenen  Anzahl  durch- 
zählt worden  ist,    so  werden    die  wahrscheiidichen  Fehler    hei  ZflhlunpiMi, 

Abderhalden.  Handbuch  der  biochemischen  ArbciUinethoden.  V.  4- 


658 


Viktor  Hensen.  Die  Methodik  der  Plankton-Untersuchung. 


die  über  100  Stücke  hinausgehen,  nur  einige  Prozente  betragen.  Für  Ge- 
naueres darf  auf  die  ausführliche  Abhandlung  Abbes  verwiesen  werden. 
Sind  die  Formen  so  klein,  daß  von  ihnen  ein  Teil  bei  dem  Fang  oder 
doch  bei  der  Hebung  des  Netzes  über  den  Wasserspiegel  verloren  gehen 
muß ,  so  werden  die  Resultate  der  Zählung  sehr  unsicher.  Wenn  die  zu 
vergleichenden  Fänge  nahe  das  gleiche  Volumen  haben,  kann  der  Fang 
der  kleinen  Planktonten  vielleicht  noch  proportional,  wenngleich  immer  un- 
vollständig sein,  sind  aber  die  Volumina  erheblich  verschieden,  so  werden 
sich  in  dem  größeren  Volumen  noch  mehr  der  kleinen  Planktonten  ge- 
halten haben  als  in  dem  kleinen  Volumen.  Die  Zählungen  werden  nicht 
einmal  über  die  relative  Dichte  dieser  Formen  ein  richtiges  Bild  geben 
können.  Unter  allen  Umständen  wird  es  richtig  sein,  das  Schlauchverfahren 
anzuwenden,  wo  es  auf  die  Verfolgung  dieser  Nanoplanktonten  ankommen 
sollte.  Für  flache  Gewässer  läßt  sich  auch  immer  ein  Schlauch  von  größerem 
Lumen,  als  dem  für  die  Befischung  der  Hochsee  angegebenen,  verwenden. 
Dadurch  fallen  dann  die  Stichproben  entsprechend  zuverlässiger  aus. 

Zum  Schluß  sei  noch  eine  kleine  Übersicht  über  die  Zusammen- 
setzung der  Netzfänge  in  der  Beltsee  in  verschiedenen  Jahren  und  Jahres- 
zeiten, wie  sie  von  K.  Brandt ')  gefunden  worden  ist,  hier  mitgeteilt. 

Frozen  tische  Zusammensetzung  der  trocknen  Fänge. 


Datum 


Eiweiß 


Fett 


Kohle- 
hydrat 


Oi- 
ganisch 


Asche 


SiO, 


Asche 

ohne 

SiOj 


3.  Oktober  1892 21-84 

13.  Oktober  1892 2024 

15.  November  1892 2101 

14.  Februar  1893 2041 

15.  März  1893 13-4Ö 

4.  April  1893 !  15-56 

5.  Mai  1893 3654 

18.  August  1893 i!  33  56 

18.  September  1893 21-29 

23.  Februar  1894 !  58-80 


212 
2-26 
3-21 
4-35 
2-58 
4-24 
1-58 
8-72 
3-20 
7-40 


66-10 
68-95 
6007 
45-50 
23  66 
18-79 
23-07 
38-31 
29-30 
22-88 


90-06 
91-45 
84-29 
71-17 
3969 
38-59 
6119 
80-59 
63-79 
89-08 


914 
8-55 
15-71 
29-68 
6008 
61-41 
38-81 
19-41 
36-14 
10-92 


4-95 

4-59 

9-59 

16-33 

4716 

51-26 

2700 

10-95 

26-40 

2-31 


4-99 

3-96 

6-12 

13-35 

12-92 

10-15 

11-81 

8-46 

9-74 

8-61 


Der  Gehalt  der  Asche  an  Kieselsäure  entfällt  fast  allein  auf  die 
Diatomeen,  eine  Bestimmung  des  Zellulosegehaltes  würde  sich  auf  die  Haupt- 
masse der  anderen  Pflanzen  beziehen,  eine  Bestimmung  des  Chitingehaltes 
würde  hauptsächhch  den  Bestand  an  Krebsen  treffen.  Dabei  wird  es  sich 
immer  nur  um  eine  annähernde  Scheidung  der  Bestandteile  eines  Fanges 
und  der  Mischung  der  Meeresbewohner  handeln  können. 


*)  K.  Brandt,  Beiträge  zur    chemischen  Zusammensetzung    des  Planktons.    Wiss. 
Meeresuntersuchungen.  N.  F.  Kiel.  Bd.  3.  1898. 


Das  Arbeiten  mit  Orgaueiweii]. 

Von  .1.  Pohl,  Prag. 

Das  Blut  hat,  mit  Ausnahme  (Ut  respiratoiisclicii.  (»iiiotischcii  und 
Alkahfunktion.  nur  sehr  wenige  selbständige  chemische  Autgal>en:  so  könnten 
sich,  da  die  als  Vorstufe  der  Antitoxinbildung  angenommene  Ahstoliung 
toxophorer  (iruppen  zu  keiner  bisher  nachweisbaren  Änderung  in  der 
analytischen  Zusammensetzung  der  Organe  geführt  hat.  auch  dit-  wesent- 
lichsten Phasen  der  Antigenleistung  in  ihm  abspielen,  wofür  <lie  um- 
fassende Änderung  seiner  Zusammensetzung  während  des  Ininiunisierungs- 
prozesses  (Leukozytose,  Globulinverniehrung,  Fibrinvermehning)  spricht. 

Die  überwiegende  Anzahl  aller  anderen  Funktionen  geht  in  den  Or- 
ganen vor  sich.  Während  nun  seit  Bestand  einer  e.xperimenteJlen  rhysio- 
logie  die  Funktionen  selbst  tausendfältig  studiert  worden  sind ,  ist  dem 
Substrat  derselben  weit  weniger  Aufmerksamkeit  geschenkt  worden. 

Zu  den  elementaren  Bestandteilen  jeder  Zelle  gehören  ihre  Kiweili- 
körper. 

Ansatz  und  Abbau,  also  Wachstum  und  Mästung  einerseits.  Hunger 
und  Krankheit  andrerseits,  kurz  der  Gesamtstoffwechsel,  ob  normal.  t)b 
abnormal,  verlaufen  unter  ihrer  Beteiligung  und  müssen  sich  zahlcnni.il'iir 
an  ihnen  äußern. 

Vergeblich  sucht  man  für  diese  theoretisch  konstruierten  zellulären 
Vorgänge  nach  den  entsprechenden  analytischen  Belegen. 

Die  Leichtigkeit,  mit  der  die  Eiweilikörper  des  Blutes,  der  .Milch, 
der  Sekrete  zugänglich  sind,  ist  der  äußere  (Irund  dafür  gewesen.  dalJ 
sich  die  Eiweiüchemie  und  Fliweißbiologie  vorwiegend  mit  ihnen  als  .\usi:ang.s- 
material  befaßt  hat.  So  beschäftigt  sich  auch  die  moderne  Iniiruinuclicnjie 
überwiegend    mit    dem    Serum,    während    eventuelle    ()rgan\.  :  un^jen 

kaum  in  Betracht  gezogen  worden  sind.  Trsache  hieifür  ist  (ia.s  rnver- 
trautsein  mit  einer  Methodik,  dit»  es  gestattet,  aus  Organen  dem  SiM'uni 
ähnliche,  (luantitative  Bestimmungen  zulassende  Lösungen  zu  gewinnen. 
Nachdrücklichst  auf  eine  solche  hinzuwei-^m.  das  Verfahren  zur  l'.estinwnung 
qualitativer  und  ([uantitativer  .\ndeningen  des  Kiwcir.bf^t.-indes  sowie  seine 
Anwendungsfähigkeit  zu  l)eschrcil)('n.  ist  .\ufgabe  nachlulgend.  r  /u-- unnu-n- 
stellung. 


660  J-  Pohl. 

Der  Ausdruck  Organeiweiß  bringt  den  literarischen  Kampf  zwischen 
Voit  und  Pßüger  über  dieses  Thema  in  Erinnerung.  Voit  definierte  jenes 
als  das  in  den  Organen  befindliche,  im  Stoffwechsel  nicht  direkt  angreif- 
bare, fest  gebundene  Eiweiß  im  Gegensatz  zu  dem  in  den  Säften  gelösten, 
nicht  organisierten  Vorrats-  oder  zirkulierenden  Eiweiß ;  ursprünglich 
meinte  er  auch,  daß  sich  die  Zersetzungen  an  letzterem  abspielen.  Pßüger  i) 
stürzte  diese  Lehre :  er  wies  nach,  daß  die  Oxydation  zellulär  von  statten 
geht.  Daß  das  Nahrungseiweiß  erst  nach  vorangegangener  Organisation 
oxydabel  sei,  scheint  ihm  sicher.  Wo  aber  und  wie  der  zelluläre  Aufbau 
erfolgt,  wie  der  Weg  vom  Organischen  zum  Organisierten  geht,  das 
ist  bis  heute  dunkel  geblieben.  Pflüger  schließt  seinen  der  Widerlegung 
Voits  gewidmeten  Aufsatz  mit  folgendem  Passus :  „Wenn  die  Wissenschaft 
einmal  so  weit  fortgeschritten  sein  wird,  zu  entscheiden,  ob  alle  Moleküle, 
die  in  der  Zelle  oxydiert  werden,  vorher  Bestandteile  der  organisierten 
Materie  gewesen  sein  müssen,  wird  es  sich  vielleicht  herausstellen,  daß 
wir  einen  Streit  um  des  Kaisers  Bart  führten.  Da  die  lebendige  organi- 
sierte Materie  die  Nährstoffmoleküle  chemisch  verarbeiten  soll,  so  muß 
sie  dieselben  doch  packen,  d.  h.  in  ihren  Bestand  in  bestimmter  W^ise 
einfügen.  Nun  wird  es  von  der  Begriffsbestimmung  abhängen,  ob  ein  solches 
zur  Bearbeitung  gepacktes  Nährstoffmolekül,  weil  in  die  Organisation  ein- 
gefügt, als  Bestandteil  der  organisierten  Materie  anerkannt  werden  soll 
oder  nicht.  Es  gibt  ja  gewiß  in  der  organisierten  Zellsubstanz  sogar  ver- 
schiedene Arten  organisierter  Eiweißmoleküle." 

Die  seitherige  Erfahrung  lehrt  mich,  daß  in  den  ausgespülten  Organen 
tatsächlich  nur  Eiweißkörper  vorhanden  sind,  die  gänzlich  von 
denen  des  Blutserums  verschieden  sind.  Es  gibt  somit  ein  Organ- 
eiweiß respektive  Organeiweißkörper. 

Gegenüber  weit  ausgreifenden  allgemeinen  Ausführungen  aber  ist  es 
notwendiger,  die  stofflichen  Änderungen  der  einzelnen  Organe  unter  wech- 
selnden Bedingungen  zahlenmäßig  kennen  zu  lernen.  Voraussetzung  hierzu 
ist  die  Kenntnis  der  Zelleiweißkörper.  Im  Vergleich  zu  der  Fülle  von  Tat- 
sachen, die  in  dem  letzten  Dezennium  über  die  Abbau-  und  Spaltungs- 
produkte der  direkt  zugänglichen  Eiweißkörper  erforscht  worden  sind, 
stehen  wir  auf  diesem  Gebiete  trotz  seiner  außerordentlichen  Wichtigkeit 
in  den  Anfängen. 

I. 

Die  parenchymatösen  Organe  enthalten  nach  den  landläufigen  An- 
schauungen Gewebsglohuline ,  Nukleoproteine ,  Stromine  (Stützsubstanzen). 
Die  wichtigsten  Angaben  bezüglich  der  wasserlösenden,  salzlösUchen  koa- 
gulablen  Eiweißkörper   sind  folgende:   Ploß')  fand  in  der  Leber  1.  einen 


^)  Pßüger,  Über  einige  Gesetze  des  Eiweißstoffwechsels.  Archiv  f.  Physiol.  Bd.  54. 
S.  333.  1893. ' 

-)  Floß,  Jßügers  Archiv.  Bd.  7.  371.  1893. 


l)as  Arlniiiri  Ulli  Or^^aiiGiwoiO.  ^\(\\ 

bei  45"  koa<iul;il)kMi .    in  Essig  und  Sal/silun«  lüsliclicii.  j.'anz   v«>nlaM!i«'»v'n 
Eiweißkörper;    -J.  ein  bei    70"  koaf^Milablcs  Niikleoalbuinin    (heut««  ^\^ 
man  die  Nukleoalbiiniinc  als  iiikoairulablc  Eiw»'ilikör|»t'i  i ;  :\.  *Mn»*n  ' 
koaijiilal)len  Körper.    Ifnl/ihuriou^)    deutete   zuerst    dit-  Oriraii.']-  ;,.  i 

für  Nukleoalbnniinc   idciitiscb    mit  riowcbsfiln'inogcn.    Sp.itcr   !»• 
in    der  Leber   ein    im   Cberschuli    von  Kssiirsiiuro    Ii-jcht    löslirli- 
globin,  ein  bti  OS — 70"  ausfüUbarcs  (;inlinlin.  daneben  ein   \n! 
und  etwas  Albumin. 

Bottazzi^)  gewann  1805  aus  der  Milz  ein  /vtoglobnlin  7.  kna.tni- 
lierbar  bei  49",  ein  Protein,  koagulierbar  bei  (WJ — iHi",  ein  Zytoglobulin  .'i. 
bei  74 — 74"  koagiilierbar,  und  Zvtoalbumine. 

Die  Muskeleiweilikörper,  wie  si(^  durch  v.  Fürth  ^)  eine  grundht  h-- 
Revision  erfahren  haben,  sowie  die  Schilddrü.M'ueiweibkörper.  ilie  von  Ostruhl 
genau  beschrieben  worden  sind,  mögen  bei  der  nachfolgenden  /n<ainnien- 
stellung  ausgesclilossen  bleiben.  Tm^^ere  Kenntnis.se  der  eigentlichen  Nnkl<-o- 
proteine  basieren  auf  den  Forschungen  von  Kassel,  II<tnini(irstcn  ,  UnUi- 
burton,  Gamgee,  Wohlgenmth ,  Umher,  liuruin ,  Xeunmmi .  Mnidtl, 
Levene  u.  a.  m.  und  sind  in, anderen  Teilen  dieses  Werkes  beschrieben,  /nr 
Darstellung  derselben  wurden  meist  die  Filtrate  koagulierter  ( »rgane  be- 
nützt oder  die  gekochten  Organfiltrate  mit  rikrins,iMre-Essigs;inre  und 
dann  mit  Alkohol  gefüllt.  Dab  hierdurch  nur  der  kleinste  Teil  der  tat.sichlich 
vorhandenen  Nukleoproteine  in  Intersuchung  gezogen  wurde,  winl  aus 
der  folgenden  Darstellung  erhellen. 

Die  Gewinnung  einer  Organeiweißlösung.  die  ich  wegen  ihn-r  \W- 
ziehung  zum  Protoplasma  und  der  Homologie  /ihm  l!lMti)lasnia  als(h-gan- 
plasma  bezeichne,  hat  ein  vollständiges  Freisein  von  P.lutbestandteilen  zur 
we.sentlichen  Voraussetzung.  Am  besten  benutzbar  ist  die  Leber.  Niere, 
Milz,  Plazenta.  Herz,  kurz  Organe  mit  leicht  pr;ii)arierbaren  zuführenden 
(iefäl'.cn  :  doch  auch  aus  dem  (iehirn,  peripheren  Nerven,  nicht  minder 
aus  embryonalen  Organen,  ja  .selbst  aus  dem  Kalfbliiterorganismus  la>M-ii 
sich  derartige  Kiweibauszüge  gewinnen.  Die  Ausspülung,  die  bei  der  L.-ber 
von  der  Vena  cava  rückläufig  erfolgt,  wird  mit  einer  kalziunifreim.  au- 
reinstem  Kochsalz  dargestellten  0-8"/oigen  Kochsalzlösung  so  lange  durch- 
geführt, bis  das  Spülwasser  aus  den  abführenden  (Jefäl^on  farblos  abhkuft. 

Für  qualitative  Arbeiten  genügt  es,    das  völlig  entblutete  Organ  so- 
dann zu  einem  Brei  zu  zerkleinern,  eventuell  durch  ^iebe    .bn,  l,/iii.r,.v.,.n 
und  den  mit  entsprechenden  Mengen  physiologischer  Koch-.. 
Toluol-  oder  Benzolzusatz  tüchtitr  durchgeschüttelten  Organbrei  24  Stimden 
in  der  Kälte  stehen  zu  lassen.  Dann  wird  filtriert,  die  ersten  .\nteile  .«ind 


»)  W.  D.  HaUihiirtoii ,    Tlif    piotcids    of  kiilin'v    am!  livi-r    i.  Uv    .louri»*i  ol  pUv- 

siology.  Vol.  13.  808.  1880. 

■^)  Boifazzi,    Los   siilistanros   albiiminoides    «le   la  rii-'      Arrh   iIäI   H 

S.  453.  

")  V.  Fürth,  Über  die  EiweiUkorpor  des  Muskelplasma-  ■  vi-"    •    '  •^» 

S.  231.  1895. 


662  J.  Pohl. 

gewöhnlich  trüb,  nach  wiederholtem  Zurückgießen  des  Filtrates  erhält  man 
aber  schließlich  völlig  klare,  in  ihrem  Aussehen  an  ein  Blutserum  erinnernde 
Lösungen.  Selbst  aus  glykogenhaltigen  Lebern  wird  schüeßlich  ein  hellgelbes 
Plasma  gewonnen. 

Für  quantitative  Arbeiten  ist  es  besser,  den  Organbrei  nach  Durch- 
pressen durch  Siebe  auf  Glasplatten  im  Ventilator  bei  Zimmertemperatur 
rasch  zu  trocknen.  Die  getrockneten  Pulver  i)  verwahrt  man  über  konzen- 
trierter Schwefelsäure,  wodurch  sie  wochen-  und  monatelang  unverändert 
bleiben.  Die  weitere  Verarbeitung  siehe  im  Folgenden  S.  667.  Doch  sei  her- 
vorgehoben ,  daß  in  wechselnden  Verhältnissen  schließüch  ein  Teil  der  Ge- 
webseiweißkörper  wasserunlöslich  wird,  somit  rasches  Verarbeiten  wohl  immer 
zu  empfehlen  ist. 

II.  Eigenschafteu  der  Orgauplasineu. 

Das  Organplasma  gibt  alle  Farben-  uud  Fällungsreaktionen  der  Ei- 
weißkörper, so  z.  ß.  eine  positive  Glyoxylsäure,  positive  Xanthoprotein-  und 
3/i/^wsche  Pteaktion. 

Mit  Neutralsalzen  kann  man  Fällungen  erzwingen. 

So  gibt  konzentrierte  Kochsalzlösung  innerhalb  24  Stunden  flockige 
FäUung:  das  Filtrat  gibt  auf  Eintragen  von  Kochsalz  in  Substanz  neuer- 
Uch  einen  Niederschlag;  das  Filtrat  hiervon,  verdünnt,  gibt  wieder  mit 
Ammonsulfatfällung  und  selbst  das  weitere  Filtrat  läßt  auf  Säurezusatz 
noch  spärliche  Flocken  ausfallen.  Bei  Verwendung  konzentrierter  Ammon- 
sulfatlösung  ist  eine  deutliche,  spatiengesonderte,  fraktionierte  Scheidung 
in  verschiedene  Eiweißindividuen  nicht  möglich. 

Die  Eigenschaften  solcher  Organplasmen  ähneln  in  vielem  den  durch 
ein  homologes  Verfahren  gewonnenen  Muskelplasmen.  Schon  durch  die  be- 
kannte Micschersche  Beobachtung  vom  Schwund  der  Muskelsubstanz  beim 
Aufbau  der  Genitaldrüsen  des  Lachses  ist  eine  gegenseitige  Beziehung 
zwischen  Muskel  und  parenchymatösen  Organen  zu  vermuten.  Immerhin 
bestehen  zwischen  Muskel-  und  Organplasma  deutliche  Unterschiede.  2) 

Aus  den  Organplasmen  läßt  sich  durch  verdünnte  Essigsäure  (0"1  bis 
0"2''/o),  besonders  sicher  nach  Zusatz  kleiner  Mengen  gesättigter  Kochsalz- 
lösung (z.  B.  auf  100  an"  Plasma  5 — 6  cm^  konzentrierter  Kochsalzlösung) 
ein  flockig  ausfallender  Körper  gewinnen,  der  im  Gegensatz  zur  Säure- 
fällung aus  verdünntem  Serum(Para-)globuhn  in  Neutralsalzen  unlöslich  ist, 
er  sei  in  Folgendem  als  Essigsäurekörper  bezeichnet. 

Dieser  Eiweißkörper  ist  optisch  inaktiv,  durch  Diffusion  nicht  fällbar, 
sondern  nur  in  Form  einer  opaleszenten  visziden  Kolloidlösung  zu  erhalten. 
Die  Kolloidlösung  koaguliert  nicht,  gewinnt   aber   dieses  Vermögen   sofort 


^)  W.  Wiechowski,  Eine  Methode  zur  chemischen  und  biologischen  Untersuchung 
überlebender  Organe.  Hofmeisters  Beiträge.  9.  240.  1907. 

-)  Näheres  über  dieses  Verhalten  siebe  in  meiner  Arbeit  „Über  Organeiweiß". 
Hofmeisters  Beiträge.  Bd.  7.  S.  390.  1905. 


Das  Arbeiten  mit  ürifaneiweiO.  ^-j 

auf  Salzzusatz    und    ohonso    wird    du-  KssiKsaun-lallmii.'   i.ci  «miht 

diffundierten  Lösunii    erst  naci»  Salzzusat/.    iiiö^dich.    Uiinli  '' 

kung  ist  der   Or^anciweil^körper    l)is    auf    kleine    Heste    ^■' 

daulich.  Höchst  eigenartig  und  sicher  von  hiolngischcr  Ü- 

Koagulationstemperatur.    Er  koaguliert   (sowohl    im 

als  auch  aus  der  Säurefallung  in  Alkali    gelöst)    hei    uuffall<'iid    ji 

Temperatur,  hei  38—39°  vollst!lndi^^   ja    seihst    hei   3;')  und  partiell  ii«mIi 

hei  tieferer  Temperatur.  Die  Plasnialiisungcn  hahen  üherhaiipt, 

sonst  Glohuline,  die  Tendenz,  allmählich  schon  hei  /imni<Mt<'m|tti:itui   .üi- 

zufallen.  Diese  Koagulationst'äliii.;k('if   wird    aufgchohcn    oder    gehemmt 

durch  Blutserum  respektive  die  Bltiteiweillkürper.   Kalziumznsatz  zum  i'.ltit- 

serum  hebt  dessen  hemmende  Wirkung  auf. 

Die  analytische  Zusammensetzung  des  Essigsilurekörpers  erhellt  ans 
folgenden  Werten  zweier  ISestimmuu'xen: 


i^V'llUVll  fTtillt/ll       ^«»»V'lVl  I  '1^  O  *  lill  III  Uli  jii^ 


1  n 

C 4T-21Vo  4H-43»/o 

N ltv35Vo  ir.-TlVo 

H CTDVo  ♦■»•9HVo 

S 0-97%  U'.tOV, 

P —  l-3'^o 

Mit  Rücksicht  auf  die  Koagulationsfiihitrkeit.  die  fast  restlose  Ver- 
daulichkeit der  Ausfällbarkeit  (iurcli  schwache  Säuren,  wie  Kohlensäure, 
die  Salzfällungsgrenzen,  die  Uugiftigkeit  hei  intravenöser  Injektion  war  ich 
anfangs  geneigt,  diesem  Körper  (Jlohulinnatur  zuziischreihen.  Schon  in 
meiner  ersten  Mitteilung  schrieb  ich.  dali  aber  doch  auf  eine  lie/ieluing 
zwischen  dem  Plasmaglobuliu  und  den  Nukleoproteiden  einzu;:ehen  sein  wird. 
„Speziell  wird  das  Hainiiuirstoi'^dhc  a-Nukleoproteid  des  Pankreas,  das  dem 
Gewebsfibrinogen  (Wooldridge).  dem  Zellglobulin  (H(illi/>urtott).  dem  .Muskel- 
albumin nahestehen  soll,  sowie  auch  das  \i'o/il(/cmui/iM-\\o  Li-berprotein  zu 
besprechen  sein."  Vor  allem  aber  ist  das  mir  damals  entgangene  l» 
sehe  Pankreasproteid  hier  einzubeziehen.  Nun  konnte  ich  .seitdem  le.^t- 
stellen,  daß  der  Essigsäurekörper  tyi)i.^che  ()r/inreakti(ui  gibt. 

Das  Absorptionsbaud  des  ( Mzinfarbstotfes  in  Amylalkohol  war  .  !•. 
bei  Arabinose  zwischen  C  und  D,  respektive  zwischen  ss.')  und  102.  \m 
einem  Schweinsleberessigsäurekörper  zwischen  ,^1V.')  und  «H»  der  Skala  meines 

Spektralapparates. 

Der  Komplex  enthält  .somit  sicher  eine  Pentose.  Der  Peichtum  der 
Organe  an  Pentosen  erhellt  bereits  aus  früheren  Pefunden:  ich  erinnert* 
nur  an  die  quantitative  Studie  von  (.'ntml'i  der  unter  BenUt/nng  «les 
Furfnrolverfahrens  für  eine  Leber  allein  einen  (iehalt  von  IS.''  Mr  den 
Muskel  einen  solchen  von  7-:'.s  annimmt    und    ber.Mf^  auf  die  . 


»)  Grund,  Clior  doii  (ii-lialt   des  (Jrpaiiisnuis   an  gebundenen  Pcnlown 
f.  phys.  Cheni.  Bd.  35.  S.  131.   1U02. 


664  J.Pohl. 

zipielle  Bedeutung  seines  Befundes  hinweist.  Es  scheint  mir  wichtig,  zu 
betonen,  daß  auch  in  den  Organplasmen  pentosehaltige  Eiweißkörper  von 
geradezu  universeller  Verbreitung  vorliegen. 

Ferner  ließ  sich  im  Essigsäurekörper  nach  Salzsäurehydrolyse  ein 
Purinkörper  nachweisen.  Verfuhr  ich  nach  dem  ümberschen  Verfahren, 
so  erhielt  ich  kein  Guanin,  wenn  ich  aber  die  eingeengte  Schlußlösung  mit 
ammoniakalischem  Silber  fällte,  den  mit  Schwefelwasserstoff  zersetzten 
Niederschlag  filtrierte  und  einengte,  so  gab  die  Lösung  die  charakteristi- 
sche Salpetersäurereaktion,  die  Sublimatreaktion  positiv,  die  Weidehche 
Chlorreaktion  bheb  negativ.  Trotz  der  kleinen  Mengen  des  Ausgangsmate- 
rials, wodurch  naturgemäß  nur  qualitative  Reaktionen  vorgenommen  w^er- 
den  konnten ,  entscheiden  diese  Erfahrungen .  daß  der  Essigsäurekörper 
ein  Nukleoproteid  ist,  wofür  sich  seither  auch  Hammarsten^)  ausge- 
sprochen hat. 

Die  Bezeichnung  Nukleoproteid  ist  in  chemischem  Sinne  zu  nehmen, 
dem  Kern  allein  gehören  die  löslichen  Organeiweißkörper  nicht  an. 

Am  nächsten  steht  der  Körper  dem  Umber&chen  Pankreasproteid 
und  ist  vielleicht  mit  ihm  identisch.  Den  Umfang  der  Verdaulichkeit  des- 
selben lehren  folgende  Zahlen:  1-06  chlorfrei  gewaschener  und  getrockneter 
Hundeleberessigsäurekörper  hinterläßt  nach  mehrtägiger  Pepsinsalzsäure- 
verdauung einen  unansehnlichen,  braun  pigmentierten  Rückstand  von 
0-011  g. 

Zur  erschöpfenden  Charakteristik  eines  Eiweißkörpers  gehört  neben 
der  Feststellung  der  Eigenschaften  des  unveränderten  genuinen  Stoffes 
die  Beschreibung  seiner  Spaltungspi'odukte.  Da  aber  die  Emil  FischerschQ 
Methode  der  Aminosäurebestimmung  und  noch  weniger  das  Kossel-Kut- 
schersche  Verfahren  der  Basenbestimmung  quantitativ  sind ,  es  außerdem 
mir  nicht  möghch  war,  jene  großen  Mengen  an  Material  darzustellen,  wie 
sie  zur  Anwendung  dieser  Methoden  Voraussetzung  sind  (eine  ganze 
Schweinsleber  liefert  nur  ?)2ö  g  lufttrockenes  Pulver,  aus  dem  nach  Be- 
handlung mit  Toluolazeton  nur  8*2  g  unseres  Körpers  gewonnen  werden, 
ebenso  aus  10  Jcg  frischer  Rindsleber  nur  23  g),  so  bediente  ich  mich  des 
Ffaundler-Gümbehchen  Verfahrens  zur  Bestimmung  der  N-Verteilung. 

Zur  Beurteilung  der  gewonnenen  Zahlen  sei  hervorgehoben,  daß  im 
Gegensatz  zu  den  Bluteiweißkörpern  eine  Reinigung  des  Essigsäurekörpers 
in  strengem  Sinne  nicht  möglich  ist ;  während  man  Globulin,  Albumin  mit 
den  fällenden  Salzlösungen  auswaschen,  wiederholt  lösen  und  fällen  kann, 
ist  dies  hier  nicht  zulässig.  Beim  Auflösen  des  sauren  Niederschlages  in 
Alkali  bildet  sich  äußerst  leicht  Alkalialbuminat.  Beim  Neutralisieren  ent- 
weicht Schwefelwasserstoff,  ein  Beweis  für  eine  stattgehabte  Zystinzer- 
setzung.  Die  Proben  sind  dann  niemals  klar  und  geben,  im  Gegensatz  zum 
ursprünglichen  Plasma,  bereits  mit  i/e  Ammonsulfat  reichliche  Niederschläge. 


*)  Hanimarsten,  Lehrb.  d.  physiol.  Chem.  9.  Aufl.  1910. 


Das  Arlieiten  mit  Organeiweiß. 


'l'.ll.rllc 


Gesamt-X  in    "j 


II 


s 


SS, 


NH3-N 


Mouoamiiio- 
säure-N  .    .    . 

Melanin-       und 
Diamino- 
säuro-N  .    .    . 


IfiOOi  15'.» 
70Ü     81 


61-5  ,Ü14 

31-43     ^'^1 
ber.    26.7) 


III 


15-98 
7-77 


63-64 


0-53| 


IV 


5.5  ». 


15-i»8 
7-0 


594 

1-37 

3223 


VI 


15-24     15  24  i:)H3  l.")'.! 
7-79       7  2     K«J      r.  } 


66  05 
147j 

2i4'..('2:,()|  "S.  •^-" 


30-5     28  59 


33-60 


2596     26-74 


66  5   V)H-3    62  6    Di.«  Zahlen  := 
I  Prozent  ile« 
l-7j|  (tesanit-N 

.24  9    i>ie  Zahlen 

Prozent  «ies 
Gesanit-N 


Die  Tabelle  zeigt,  daß  drr  Essigsäurekörpcr  sich  im  wcsoiitliclieii  di-n 
Serumeiweilikörpern  nähert,  es  fällt  z.  K  das  Mittel  der  .Moiioaniinosaun'n 
mit  63^0  zwischen  die  entsprechenden  (Mohnlin-  nnd  AllHnniiiwcrt«'. 

Neben  dem  durch  ()-2''/o  Essi^sänre  fällbanMi  Kürper  ciithaltiMi  <iif 
Plasmen  noch  einen  zweiten  Eiweilikörper.  r)erselln'  ist  diinh  ^deirh 
niedrige  Temperatur,  wie  der  erste,  nicht  austVdlbar.  ist  ebenfalls  inaktiv 
und  nach  dem  positiven  x\usfall  der  Orzinreaktion  pentosenhalti^'.  somit 
wohl  ebenfalls  ein  Nukleoproteid.  hoch  sei  hervortrehoben,  dali  sich  das 
Spektralband  der  amylalkoholischen  Lösung  in  Einzclidieitt'U  etwas  anders 
verhält  als  das  des  ersteren.  Hat  man  ein  I'lasma  mit  ü-2"  oiger  IN-i«;- 
säure  ausgefällt,  sättigt  das  Filtrat  mit  Ammonsiilfat  in  Substanz,  s<»  er- 
hält man  das  zweite  Proteid    mit   den    eben    bcschrifbcncn  Eigenschaften. 

Fasse  ich  zusammen,  so  ergibt  sich,  dal'i  die  löslichen  OrganeiwfiÜ- 
körper  trotz  der  Ähnlichkeit  der  fiesamtanalyse  und  desamthydnilvse  toto 
coelo  vom  Blutserum  verschieden  sind. 

Nach  pAtraktion  mit  physiologischer  Kochsaizlö.sung  kann  man  die 
Organpnlver  noch  mit  0-05%  Soda  extrahieren,  die  IJückstände  dun-h 
Diffusion  aufschließen.  Die  möglichen  Verfahren  zur  .\ufsfelbmi:  einer 
Gesamtbilanz  der  luweilikörper  eines  Organs,  wie  sie  sich  auf  (irund  vor- 
stehender Erfahrungen  entwickelt  hallen,  sind  von  W'iic/ioirski ') /MH'Mumru- 
gefaßt  worden  und  mögen  hier  wegen  ihrer  allgemeinen  Anwendbarkeit  noch 
einmal  Platz  finden. 


')  Ifaufiniann ,    f'ber  die   \  t'rteiliiii;r  des  Sticiv>totls  im   hiwiMümon-Mn 
f.  phjsiol.  (  liom.  27.  S.  104.  Tahtdlc  IV.   1899. 

*)  Rothera,  Zur  Kenntnis  der  Stickstoff lündung  im  Kiwoiß.  Ho/meülert  Heit: 
V.  447.  1904. 

=>)   Wicrhoic.ski,  I.e.   Ihfmcisfers  Beitrage    IM   «1    "^   "ri"    lOnT 


666  J-  Pohl. 

Tabelle  2.  Schema  I. 
Organ,    ausgespült    bei  30° 
getrocknet,  mit  Toluol  ver- 
mählen und  erschöpft 


I.  Toluolextrakt         Rückstand  mit  Alkohol  er- 
schöpft 


II.  Alkoholextrakt  Rückstand     mit    OS^/oiger 

Kochsalzlösung  erschöpft 
(Filtration) 


III.  Filtrat  „Plasma"  Rückstand    mit    0-U57oiger 

Sodalösung   erschöpft  (Fil- 
tration) 


IV.  Filtrat  Rückstand   (in  Säuren    und 

Laugen   lösl.   Eiweißkörper 

Schema  II. 

Mit  Toluol  und  Alkohol  extrahiertes  Organpulver  mit 

0'87oiger  NaC-Lösung  vermählen  und  auf  dem  Filter 

eiweißfrei  gewaschen 


v 


Plasma"  Rückstand  mit  OOöVoiger  Soda    ver- 

mahleu  und    gegen    dieselbe   Flüssig- 
keit dialysiert,  danu  zentrifugiert 


Öpaleszentlösliche  Organfraktiou  Rückstand 

zusammen  mit  Fraktion  IV    des 
vorhergehenden  Schemas 

Schema  III. 

Mit  Toluol  und  Alkohol  extrahiertes  Organpulver  mit0057qiger 
Sodalösung  vermählen  und  gegen  dieselbe  Flüssigkeit  dialy- 
siert. Suspension  gegen  OOö^/o  Sodalösung  dialysiert,  hierauf 
mit  der  gerade  ausreichenden  Menge  Kaliumazetat  gefällt 
und  filtriert,  Umfallen,  bis  das  Filtrat  eiweißfrei  ist 


Filtrat-Plasma  -f  Rückstand    nach     Dialyse    zentri- 

Fraktion  IV  des  Schema  I  fugiert   und   durch  Zentrifugieren 


völlig   ausgewaschen 


V.  Zentrifugat  opaleszent  VI.  Rückstand 

III. 

Das  Arbeiten  mit  Organen  erstrebt  verschiedene  Ziele,  von  denen 
die  wesentlichsten  hier  angeführt  werden  mögen : 

a)  Die  Feststellung  spezifischer  Giftwirkungen  derselben  (Nebenniere, 
Hypophyse,  Schilddrüse), 

b)  Darstellung  von  Zytotoxinen,  Antikörpern, 

c)  Fermentisolierung  und  Fermentbestimmung, 

d)  Änderung  ihrer  quantitativen  Zusammensetzung  unter  physio- 
logischen und  pathologischen  Verhältnissen. 

Die  folgenden  Ausführungen  können  sich  nur  mit  dem  letztgenannten 
Problem  befassen,  da  die  ersteren  bereits  an  anderen  Stellen  dieses  Werkes 
eine  zusammenfassende  Darstellung  gefunden  haben. 


Das  Arlifiton  mit  (»rt^aia-iweiß.  gg-j 

Die  nacli^c'wicst'iic  .M()j,'lichk«'it  tlcr  l.solicnm^  »•iii/.j'liuT  < ' -:•■  iß. 

kürper  gestattet  nminuihr,  an  lu'stiimiit»'  Itiolo^^ische  Viimvu  !i  n. 

Vor  allem  erhebt  sich  die  Fra<,M':  Ändert  sich  di«-  Zu  ,ng 

eines  Organes  in  hezu^   auf   seine  Eiweillkörner   hei    hestininiten  Krknin- 
kungen  V 

Als  Beispiel  einer  Methodik    in    dieser  Kichtung   sn    auf   d.  Iie 

Orf/dnicisters^)  über  die  Änderung  des  Kiwellihestandes  der  Nien;  aurrh 
Entzündung  hingewiesen. 

Zur  Feststellung  von  ^■eränderungen  dieses  ( »r-raiiplasmas  wurde  in 
diesen  Versuchen,  die  nunmehr  sehen  einige  Jahre  zurüekdatieren,  ähnlich 
uie  es  sonst  beim  Blutserum  üblieh  ist,  durch  Bringen  des  Nierenpla>ma« 
auf  eine  Konzentration  von  25,  3:i  und  .'jO"  o  Amninnsulfat  ein«-  quanti- 
tative Vorstellung  über  die  Zusammensetzung  des  Organs  gewonnen.  Die 
Nieren  werden,  womöglich  unmittelbar  nach  dt-m  Tode  des  Tieres,  direkt 
von  der  Arteria  renalis  aus  mit  ph\siologischer  Kochsaizlösuii'»'  durcli>pult 
und  möglichst  vollkommen  vom  Blute  befreit. 

Wegen  des  ziemlich  großen  Widerstandes,  den  die  Klüs.sigkeit  in 
den  Nierengefäßen  findet,  eignet  sich  hierzu  am  besten  eine  .')0— lOOrm» 
fassende  Spritze.  Zur  Ausspülung  benötigt  man  nur  einige  Minuten.  Hier- 
auf werden  die  Nieren  von  der  Kapsel  und  den  Ililusgefiltieii  befreit,  zer- 
kleinert, der  Brei  gewogen,  mit  der  doppelten  Gewichtsmenirc  j)iiysiolo^Mscher 
Kochsalzlösung  und  einigen  Tropfen  Toluol  verset/t  und  in  einen  ver- 
schlossenen Glaszylinder  aufbewahrt:  das  Filtrat  wird  nun.  wie  oben  aus- 
geführt, fraktioniert.  In  der  Norm  ergab  sich  das  \erh,dtnis  von 
SSVü  Sättig,  (homolog  mit  Euglobulin)  :50"/o  Ges.-tJlobuliiu  Ku-  u.  B.<eudgloh.): 
6  ööö 

lOOVo  Sättig. 
100 

Bei  allen  Formen  akuter  Nephritis  trat  nun  eine  derartig»'  \erantic- 
rung  ein,  daß  es  auf  Kosten  der  diitten  Fraktion  zur  NCrmdining  der 
ersten  und  zweiten  kam.  Z.  B.  war  das  Verhidtnis  na«'h  Sublimatne|djritis 
37:77.- 100.  Nach  Kaliumbicliromat  ;iO:r4:l(K).  .lodoform  l;V<«:r.."):  UH), 
Diphtherietoxin  24:92:100.  Weitere  Details  mögen  in  der  (Jriginalarboit 
nachgesehen  werden. 

Zur  Feststellung  ([uantitativer  Organverändi-rnngen  bediene  ich  mich 
seither  eines  empfehlenswerteren  Verfahrens:  Das.  wie  oben  bcschrieU-n. 
erhaltene  Organpulver  wird  in  bestimmten  Meniren  bald  mit.  bald  ohne 
vorhergehende  Toluolextiaktion  in  der  rulvermühle -)  mit  plivMtdogischer 
Kochsalzlösung  zerrieben  und  gewöhidich  in  l%iger  Lösung  nach  Tohiol- 
zusatz  24  Stunden  stehen,  respektive  um  ein«-  völlige  und  gleichnulUigo  Ex- 
traktion zu  ermöglichen,  verschlossen  liegen  golas.^en.  \  om  Filirat  wird  ein 


')  Orqelmeister ,    Äiulortuig    des  Ei\vcißl»estiindes    der  Xicro    durch   Ki 
Zcitsphr.  f.  exper.  Path.  u.  Tliorap.  H<l.  3.  S.  11\.  l'.MM".. 

-')  Wirrlwirsh-i,   Dieses  Hamllnicli.  Bd.  3.  S.  1^1*7.   T-MO. 


668 


J.  Pohl. 


möglichst  großer  Teil  (z.  B.  50  cm^)  nach  Zusatz  von  etwas  gesättigter  Koch- 
salzlösung mit  O^'i^/oiger  Essigsäure  ausgefällt.  Die  Fällung  wird  nach  mehr- 
stündigem Stehen  bei  Zimmertemperatur  mit  O'SVoigei"  Kochsalzlösung  ei- 
weißfrei, dann  mit  heißem  Wasser  chlorfrei  gewaschen,  schließlich  nach 
Behandlung  mit  Alkohol  und  Äther  getrocknet  und  gewogen  und  auf  das 
Gesamtvolumen ,  respektive  immer  auf  1  g  Organpulver  berechnet.  In 
einer  weiteren  Probe,  z.  B.  25  cm^,  bestimmt  man  Gesamteiweißgehalt  des 
Plasmas  und  eigens  den  Gesamteiweißgehalt  des  Organpulvers.  Man  ver- 
gleicht somit  pro  Gramm  Organpulver  Gesamteiweißgehalt  mit  dem  Gehalt 
der  in  physiologischer  Kochsalzlösung  löslichen  Eiweißkörper  und  der  Menge 
des  Essigsäureproteids  unter  den  verschiedenen  biologischen  Verhält- 
nissen. 

Es  folgen  zunächst  Beispiele  über  den  Einfluß  des  Hungers  auf  den 
Eiweißquotienten,  auf  die  Eiweißbilanz.  Es  ist  längst  bekannt,  daß  im 
Hunger  die  einzelnen  Organe  an  Gewicht  abnehmen,  und  zwar  in  ver- 
schiedenem Ausmaße.  Die  Verteilung  dieser  Abnahme  auf  die  einzelnen 
Eiweißkörper  war  erst  festzustellen.  Zum  Vergleich  müssen  zunächst 
Normal  werte  angeführt  werden. 


Tabelle  3. 
N  0  r  m  a  1  k  a  n  i  n  c  li  e  u ,  2  kff  Gewicht,  Leber  mit  T  o  1  u  o  1  extrahiert. 


Versuchs-Nr. 


Gesamteiweiß  pro  1 ;/  trockenes  Pulver  . 

Gesamteiweiß  pro  100  c/»^  Plasma  1  :  100 

0'2°/oige    Essigsäurefälluug    in    100  cm^ 

Plasma  


Tabelle  4. 
Huugerversuch  e,  Kaninchen,  Leber  mit  Toluol  extrahiert. 


Versuchs-Nr. 


3 

i 

5 

14./n. 

1450 
23./IL 

1030 

7./xn. 

2700 

i9./xn. 

1980 

100 

0-735 

100 

0-559 

100 

4-7 

0-0125 

1-6 

0115 

20 

2-6 

0012 

1-6 

0-088 

15 

Gewicht  zu  Beginn 
den  Versuches    . 

Gewicht  zu  Ende 
den  Versuches    . 

Gesamteiweiß  pro 
1  g  trockenes  Pul- 
ver     

Gesamteiweiß  des 
Plasma  ausl  :100 

0-27oigeEssigsäure- 
tälluug  in  100  cm^ 
Plasma    .    .    .    . 


14/IL 
1550 

21./n. 
860 


0-83 
0038 

0-022 


Das  Arlifitcu  mit  Organciwciß. 


669 


Die  Zahlen  zeif^^en,  dal»  beim  Kaiiiiiclicn  durrh  lliiiim-r  eine  Ver- 
schiebung- der  Oiganei\v('ir,(iuotienten  stattfindet,  has  Shwindon  der  Fett© 
und  Kohlehydrate  erklärt  die  absolute  /unahnie  der  (Ji-samteiwciliwcrt«'; 
die    wasserlöslichen    KiweiCkörper     sind    stark    vcrniind  ie 

\vurden  somit  sicher  zur  /erset/un<,',  zur  l'.efriedijjiin^'  drs  Ki 
herangezogen,  ein  Moment,  das  auf  ihre  i)hysi(»lo{.,'isclu'  Im^m,,.  >,   ,,,,    .,-; 
Dieser  Versuchstyi)us   ist   wohl   als  (irundlage    für  fernere  Venu.  h.    u\u-t 
die    Assimilation    zu    verwerten.    Welcher    Art    müssen    die    1  -r 

sein,  die  am  schnellsten  zur  Wiederherstellung;  des  normalen  V.iw  h- 

gewichts  führen?  Sind  die  abiureten  Spaltungsprodukt«'  im  tfan/.on  oder 
fraktioniert  —  auch  in  dieser  Richtung  imstande,  die  nativt-n  NAhrstoffe 
zu  ersetzen?  Als  Grundlage  für  diese  und  iihidiehf  Versuche  ist  es 
wünschenswert,  die  Karnivoren  heranzuziehen:  diesem  /wecke  dion'-n 
folgende  Tabellen. 

Tabelle  .'-). 

X  II  rill  .1  1  -  n  u  n  (1  r  1  r  li  (■  r  ,    Tu]  ii  n  1    1-  \  1  r:i  li  i  1-  rt 


\'oisuchs-Xr. 


Gesamteiweiß  prn  1  </ 
Gesamteiweiß  pro  lUO  cm^ 

Plasma  1  :  100      ... 
0'27oige      Essigsäurefäl- 

lung  auf  1  ff     .... 


0-67 
0-209 


31%  I  0-217    327o  :l  0-25    '33-4"  ,     0  24 


0-127  1    18% 


0123il8-37o;;  018 


24« 


(116 


33  4', 
21\ 


Tabeli.'  (>. 
H  uiulcleber.  Hunger  versuche. 


Versuchs-Nr. 


10 


11 


12;i 
l.olior 


Gewicht  zu  Beginn   I    4./XII. 
i     6200 
Zu  Ende  des  Ver-      12./XII. 

suches     .    .    .    .        5000 
Gesamteiweiß     pro 

1  ff U-746 

Gesamteiweiß     des 

Plasmas  von  1  q 

(auf  100)    .    .  '.       0164 
0-2"/o     Essigsäure 

auf  1  ff  .    .    .    .  I     ö 109 


lOO'/o 

21-97o 
14-57o 


2./I. 
8600 
lO./I. 
7200 

0  794 


Niert» 


100»/o 


C.    11 

H6U) 

h(-.u) 

24.  II. 

64r)ü 

r>4:)0 

0  7ri8 

!(«• 

0-263;     i:)«o       0  2K7       37 
0-119  1     337o       t>-'"^ 


I)  ICC 


Trotz   andauernden  Hungers  ist  also  beim   Hunde   /war  ein  ZuiiJok- 
gehen,  aber  kein  dem  Kaninchen  hemologes  machtiges  Absinken  des  Essig- 


670 


J.  Pohl. 


Säurekörpers  der  Leber  zu  verzeichnen  (siehe  die  Prozentzalilen).  Hier  spielen 
gewiß  Rasse  und  Fiitterungsart  vor  dem  Hungerversuch  sehr  bedeutsam  mit. 
So  war  es  merkwürdig,  wie  munter  der  letzte  Hund  trotz  IStägigem  Hun- 
gern war:  voll  Temperament  und  Beweglichkeit  konnte  er  nach  dieser  Zeit 
kaum  zum  Stillstehen  auf  der  Wage  gebracht  werden.  Gerade  für  Gift- 
wirkungen, die  am  Hunde  quoad  Einflußnahme  auf  das  Organeiweiß  durch- 
zuführen sein  werden,  ist  es  von  Wichtigkeit  zu  wissen,  daß  der  verringerten 
Nahrungsaufnahme  für  die  Leberzahlen  keine  rasch  eintretende  Bedeutung 
zukommt. 

Von  der  Vorstellung  ausgehend,  daß  in  der  Darm  wand  als  der 
Stelle  der  Eiweißsynthese  oder  der  Eiweißanhydrierung  sich  Ansatz  oder 
Verbrauch  äußern  könnte,  wurde  in  folgenden  Versuchen  der  Gehalt  der 
Darmschleimhaut  an  unseren  Eiweißkörpern  unter  wechselnden  Verhält- 
nissen bestimmt  (Tabelle  6). 

Tabelle  7. 

Darmschleimhautversuche. 

Gefütterte  Hunde. 


Versuchs-Nr. 


13 


14 


Gesamteiweiß  pro  1  g  . 
Plasmaeiweiß  pro  1  g  . 
Essigsäurekörper  pro    1  g 


0-738 

0-3004 

015 


]00°/o 

40-67o 

20-2«/o 


0-75 

0-254 

018 


ioo°/o 

33-887o 

24»/o 


HuDgerhunde. 


Yersuchs-Nr. 


15 


16 


Bemerkung     . 


Gesamteiweiß    pro 

1^ 

Plasmaeiweiß    pro 

1,9 

Essigsäurekörper 

pro  \  g  .    .    .    . 


2  Hungertage 


0767 
0192 
0-11 


looVo 


^"   in 


U-2''' 


15  Hungertage 


0-804 
0-180 
0-087 


1007o 
22-47o 
10-8% 


Tier  des  Versuchs  16 

von26-15auf20-35Ä-,(7 

abgenommen,    wird 

verblutet 


Die  Hungerdarmschleimhautversuche  des  Hundes  stimmen  prinzipiell 
mit  den  Leberhungerversuchen  am  Kaninchen:  die  absoluten  Eiweißmengen 
pro  Gramm  ürganpulver  gehen  in  die  Höhe,  die  löslichen  Eiweißkörper, 
insbesondere  die  Essigsäurekörper,  schwinden  beträchtlich. 


Das  Arbeite»  mit  Oreaneiwciü 


671 


Von  Giften,  die  den  Eiweiübestand  aiit;n'if<-ii  uii.l  ...i,  ,i,.w,u  tin 
Einfluß  auf  die  Leber  zu  erwarten  war.  wühlte  irh  ri,.,.,.!.,,,  ,,.,.»  \  r. 
senik.  i) 

\('rsueli  17.  Ein  17r)0.7  Kaninchen  erlnilt  <k»1  P  in  ml'  ij; 

per  OS  am  12./1.  Am  15./!.  tot.  Die  Sektion  er|,'ilit  njaximale  I..Imm  verf-ttung. 

Die  pro  1  ^  mit  Toluol  behandelten  I'ulver.-^  erholMu.n  W.Tto  der 
Leber  waren:  Oesamteiweil'.  =:  O-THi'.  lüsliche  Eiweil'.körper  utn«H4.  mit 
Essigsäure  fällbar  =  O-OId."). 

Der  Vergleich  mit  den  Normal/ahlen  S.  (JßH  ortribt  <nmit  ein..  :.nr.4.r. 
ordentliehe  Verarmung  an  löslichen  Eiweißkörpern: 

Wesentlich  übereinstimmend  verläuft  die  (trale  rhosph(irint(.\ikation 
am  Hunde: 

Versuch  18.  Hund  (Uuo  erhält  5  o///»  l'hosphoröl  (0  2  auf  UKJ)  per  os. 
Am  3.  Tag  4400,  tot  vorgefunden.  Typische  Kettleber. 

Die  Eiweißwerte:  (iesamteiweilt^OTlto.  lösliche  Eiweir.körper  — 0  1 IK. 
Essigsäurekörper  =  O'Ob'^. 

Die  schwere  Schädigung  der  Lober  beziehe  ich  auf  den  direkten  In- 
sult durch  das  mit  Phosphor  überladen(>  151ut.  eine  Intoxikationsforni.  wie 
sie  ausschließlich  beim  Menschen  vorkommt. 

Führt  man  den  Phosphor  subkutan  zu.  dann  ist  die  Lebereiweili- 
schädigung  trotz  hochgradiger  Verfettuni:  nicht  nachweisbar  gewp.«ien. 

Versuch  19.  Hund  7820,  erhält  an  .")  Tagen  je  1  cm'  ()"_*°  oi!-'**^  Phos- 
phoröl  subkutan.  Am  (3.  Tage  Gi)50,  wird  verblutet.  Leber:  mikroskopische 
Fettinfiltration. 

Eiweißverteilung:  Gesamteiweiß  pro  1  //  =  0'724.  lösliches  EiweiÜ  = 
0"257,  Essigsäure  fällbar  =  0'1548. 

Hier  ist  als  Maß  der  Into.xikation  die  Fettbestimmung  ent.scheidend. 
Jedenfalls  zeigt  der  Versuch,  was  bei  der  Proteusnafur  der  Vergiftungs- 
bilder mit  P  ohnehin  zu  erwarten,  daß  sich  eine  hochgradige  Störun«:  des 
Fettgehalts  völlig  unabhängig  vom  Eiweißbestande  vollziehen  kann. 

Über  den  Verlauf  der  Arsenik  versuche  nur  kurz  folgendes: 

Versuch  20.  Kaninchen  von  1()3()//  i;dll  nach  zweimal  OH2.7 
AS2O3  p.  K.  in  4  Tagen  auf  900^  Gewicht. 

1  g  Leberpulv.  gibtO-7Gesamteiweißmit  Oil  Plasmaeiweiß  11. (»-07  I  i» 

in  Prozenten:     100  :  L'>  '" 

Versuch  21.  Kaninchen  von  1C)20  7  fällt  nach  zweimal  o()2 /; 
AsoOsp. K.  in  3  Tagen  auf  1470//  (iewicht. 

l^Leberpulv. gibt 073 Ge.samteiw.  mit  0  1:17  Pla>maei\\.  u.uu:k>i..sMg.s.-Kurp. 
in  Prozenten:     loO  L^  :  l-^'-* 

In  ähuHcher  Weise  geht   nach    wicdeiholten  Aderlässen,  d'- '-r 

starker  Gewichtsabnahme  bis  zum  Tode  der  Tiere  dnivl.'.fnlü-f  w.- 
Menge  des  Essigsäureproteitls  beträchtlich  herunter.  I 


')  Siehe    die  zu   ähnlichen  Rosnltatra  gflant.'en«lf   .\ 
chemischen  Veränderungen  in  I'hosphorleborn.  Hiochem.  /«-i'. 


672  J.Pohl.  Das  Arbeiten  mit  Organeiweiß. 

vorstehenden  Erfahrungen  zusammenfassend,  der  Satz  aufstellen,  daß  jeder 
zu  deutlichem  Gewichtsverlust  führende  Prozeß,  möge  er  auf  welche  Art 
auch  immer  ausgeführt  worden  sein,  sich  in  einer  mehr  minder  deutlichen 
Abnahme  unserer  Leberproteide  spiegelt:  eine  Spezifität  kommt  diesem 
Befund  nicht  zu.  So  möchte  ich  noch  erwähnen,  daß  Immunisierung 
von  Tieren  mit  heterologem  Serum  bis  zum  Auftreten  kräftigster,  schon 
bei  Zimmertemperatur  erfolgender  Präzipitation  durchaus  zu  keiner  Ände- 
rung der  Eiweißquotienten  zu  führen  braucht,  falls  die  Tiere  keine  Ge- 
wichtsabnahme zeigen.  Tritt  aber  der  letztere  Fall  ein,  so  kommt  es  auch 
hier  zur  beschriebenen  Änderung  im  Organeiweißbestand. 

Vorstehende  Ausführungen  mögen  die  Anregung  zu  weiteren  Ver- 
suchen mit  Bestimmung  der  Eiweißkörper  der  Organe  unter  wechselnden 
Bedingungen  geben.  Ich  schließe  mit  folgendem  Ausspruch  E.  Abderhaldens  ^ ) : 
„Organeiweiß"  unter  normalen  und  pathologischen  Verhältnissen  zu  unter- 
suchen, hat  viel  Verlockendes  für  sich.  Es  ist  ein  reizvoller  Gedanke,  dem 
rein  morphologischen  Studium  pathologischer  Zellabartungen  eine  genauere 
Kenntnis  der  Lebensprozesse  der  veränderten  Zelle  an  die  Seite  zu  setzen, 
denn,  daß  nicht  äußere  Strukturverschiebungen  das  Wesen  krankhafter 
Prozesse  ausmachen,  sondern  ganz  offenbar  in  erster  Linie  Veränderungen 
im  gesamten  Stoffwechsel  der  Zelle,  ist  ganz  klar." 


*)  E.  Abderhalden ,    Klinische    Eiweißuntersuchungen.   Zeitschr.  f.  exp.  Pathol.  u. 
Ther.  Bd.  2.  S.  648.  1906. 


N.  C.  Stau  a/iiü 


Druck  von  Gottlieb  Gistel  &  Cie.  in  Wien.