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Din, Google
47 F
Din, GOOgle
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Handbuch
Deutſchen Mythologie
mit Euſqiuß der nordiſchen.
Karl Simrock.
Dieß {N unfer, fo laßt uus fagen und fo
es behaupten. 6.
Bweite ſeht vermehrte Auflage.
Bonn
bei Adolf Marcus.
.. 186.
DEN
UNI ERUTY 4:
25 SER.13 8
OF Urrunm &
T 6)
WI
Karl Müllenhoff
gewidmet
sroxrn
Inhalt.
Einleitung.
Seite.
Aufgabe ber Mythologie 1
Mythus 1
Nordiſche und denſche Mytholooie 5
Quellen der Mythologie . 7
Plan der Abhandlung
I. Die Gefchidle der Welt und der Götter.
Entſtehung und Ansban der Welt.
Urfprung ber Dinge .
Entftehung der Riefen. Tuisto
Entftehung der Götter
Einflut
Bildung der Bett
. Geſtirne
Mann im Mond .
Mond- und Sonnenfinfternifie .
Tag und Naht . B
Berhältnifs zu Sonne und Mond
- Sommer und Winter. Wind und Benson
* Schöpfung der Menſchen
. Schöpfung ber Zwerge
Die mythifchen Welten, Himmel und Himmelsbnrgen.
Die Welteſche
. Reun Welten
« Zwölf Himmelsburgen
22. Drei Himmel
vI
48.
49.
Die goldene Zeit und die Unſchuld der Götter.
Goldalter
Gullweig, Heid -
Mythus von Smwabilfari
Nachtlänge in den Segen
Deutung
Weitere Einbußen der Götter.
Thrymskwida. Deutung
Freyr und Gerda
Deutung. Berhäftnifs zu Kagnaröt
. Idun und Thiaffi- Deutung
. Idun Iwaldis Toter. Deutung
. Baldurs Tod . .
. Deutung
. Balderus und otherus
Baldur als Kriegs- oder griedensot
Die Vorkehrungen der Götter.
Loti in der Zrilogie der Götter
Lokis Abſtammung und Name . .
Lois böfe Nachtommenſchaft und Fenrirs dehelung
Bedeutung Lokis, Fenrirs, Surturs und der WBG
Lolis Beſtrafung
Deutung. Hönir
Der Weltuntergang.
Die Götterdämmerung -
Naglfar das Schiff
. Der legte Welttampf
. Die jehs Eingelfämpfe
Der BWeltbrand .
Ernenerung und Fortdaner.
Eddiſcher Bericht von der Erneuerung
Der unausgefprodiene Gott
102
103
111
112
124
127
181
132
143
150
151
. Die übrigen Götter ber erneuten Welt
. Das verjüngte Menſchengeſchlecht
52.
58.
Bortdauer, Lohn und Strafe
Deutſche Nachllänge
II. Die einzelnen Götter.
Allgemeines.
Polytheismus
Monotheismus
Gott
. Trilogieen
Dodelalogieen
Aſen und Wanen
. Schidfal
Afen.
Buotan (Odin).
« Bejen und Name
Beinamen und Söhne
Arufere Erſcheinung
Verleifungen: a. Schwert, em and Bränne
b. Sper . .
ec. Rofs und Mantel
Swinfylling
. Schubtzverhaältniſſe
Berheißung Walhalls
. Kriegerifcher Charakter .
Luſterſcheinungen
a. Wüthendes Heer
b. Bilde Jagd
. Obin ale Wanderer, Himmels- und Bene
. Erfindung der Runen
* Urfprung der Dichtkunſt. awaſit
Odin als Drachenkämpfer. Schluß
167
168
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211
213
216
227
233
238
247
888
Donar (Thör).
Ueberficht B
Verwandtſchaft, Attribute, Beinamen .
Mythen. Wiederbelebung ber Böde .
Thör und Hrüngnir
Derwandil und Tell
Thör als Hercules. a. Utgartlofi
b. Fahrt nad)
e. Hymir
. hör als Irmin. Schiuß.
Bio (Tyr) Heru, Sarnöt, Heimdall.
Tr
Heru Samöt . .
Heimball Iring Irmin .
Die übrigen Aſen.
Bali (A Büi) und Steaf
Ufer (Bol) B
Phol. Afci. Hermöbhr .
Forſeti u
Bragi
Loti
Gottinnen und Wanen.
He
Söttermutter
Nerthus
Niordhr und Si
Gregr (Brö) .
- Frege und Hel
Sonneneber und Sonnendirſch
Freyja und Frigg (Frouwa und Br)
Gefion
Vervielfältigungen. 1. Roruen
Hel und die Normen .
B
Seite.
281
131.
132.
133.
134.
135.
3. Balfüren (Walachuriun)
Hilde und Brynhild B
Pharaildis Herodias Abundia . . 5 .
Ifis Nehalennia Gertrud 5 . B
Monatsgöttinnen: Spurke Göi Hreda Ufara Sif Ranna .
Göttinnen der Ernte und der Zwölften . . B
Herta Zördh Bil . B . . j .
Holda und Berhta . B . B B
Bertha die Spinnerin . . .
Die weiße Frau
Die übrigen Göttinnen
Riefen und Zwerge, Gefpenfter, Hexen und Teufel
Riefen im Allgemeinen . . B
Benennungen . .
Bergriejen . . . .
Reifrieſen
Waßerrieſen
Feuerrieſen
Elben im gemeinen
1. Zwerge (Erdgeifter) . . . j
2. Waßergeiſter . . . . B
3. Feuergeifter - . B . . B
Seelen und Geſpenſter . . . J
Teufel - . B . . . 5
III. Gottesdienft.
Ueberficht . . . . .
Gegenflände des Cultus . . .
Gebet . B . .
1. Im Allgemeinen . . .
2. Hof und Heiligthum m
505
506
518
518
525
3. Bilder . .
4. Briefter und Peieerinuen
5. Bauber
6. Weißagung
7. Heilung . .
. 8. Rechtsgebrauch
Umzüge und Feſte.
Begründung - .
Stehende Figuren
Gemeinfame Gebräude
Beffeuer J
Sommer- und Binterfete
Häusliche Fee: Geburt
Hodpeit R
Beftattung . .
546
591
Einleitung.
1. Aufgabe der Mythologie,
Sol die Mythologie mehr fein ald Aufzählung der Götter und
Helden, mehr als Darfiellung ihrer Thaten und Schidjale, fol fid das
Benuftein de3 Volls in der vorhiftoriihen Zeit in ihr fpiegeln, fo darf
fie fih nicht begnügen, die Mythen vorzulegen, fie muß fie aud deuten,
ven Logos des Mythos erſchließen. Oft freilich dringen wir zum Ber:
Rändnifs eines Mythus nicht vor, weil uns ber Sinn noch verſchloßen
iR: dann gilt es, die Augen erft befer zu jhärfen und zu üben; ober
weil und nur unvolltändige Runde von ihm beiwohnt: dann müßen wir
und begnügen, die vorhandenen Nachrichten zufammen zu ftellen. So lange
man einen Mythus nod nicht volftändig Tennen gelernt hat, wagt man
zu viel, ſich auf feine Deutung einzulaßen. ‚Ueber halb aufgevedte Daten
philoſophiſche ober aſtronomiſche Deutungen zu ergießen, ift eine Verirrung,
die dem Studium der nordiſchen und griechiſchen Mythologie Eintrag
geihan hat’ Grimm Myth. S. 10. Leptes Biel der Mythenforſchung
bleibt freilich das BVerftänpnifs der Mythen; aber erft muß der Mythus
vollſaͤndig ermittelt jein ehe feine Deutung gelingen kann, und auch dann
wird e3 oft siod der Vergleichung fremder Mythologien bevürfen um über
die unfrige ind Klare zu kommen. Grit die vergleichende Mythologie kann
die Aufgabe löfen, die als höchſtes Ziel der Forfhung bei jeder einzelnen
vorſchweben muß.
2. Mythus.
Mythus ift die Altefte Form, in welcher der heidniſche Volkögeift bie
Belt und die göttlichen Dinge erkannte. Die Wahrheit erſchien ihm in
der vorgeſchichtlichen Zeit und erſcheint dem Ungebilveten noch heutzutage
nicht in abftracten Begriffen, wie jeht dem geſchulten, gebildeten Geifte:
fie verlörperte fi) ihm in ein Bild, ein Sinn» und Gedanfenbild, feine
Anfhauungen Heiveten ſich in Erzählungen von den XThaten und Grleb:
iuod, Mythelegie. 1
2 Aythas. . 2.
niſſen der Götter, und dieſe Bilder, dieſe Erzählungen nennen wir Mythus.
Der Mythus enthält alfo Wahrheit in der Form der Schönheit : der
Mythus ift Poeſie, die ältefte und erhabenfte Poefie der Völker. Er ift
Wahrheit und Dichtung zugleih, Wahrheit dem Inhalte, Dichtung der
Form nad. Die in der Form der Schönheit angeſchoute Wahrheit ift
eben Dichtung, nicht Wirklichkeit: Wahrheit und Wirklichleit werden nur
zu oft verwechſelt. Wirklich iſt der Mythus nicht, gleichwohl ift er wahr.
So lange die Mythen noch Gegenftand des Glaubens blieben, durfte
man nicht fagen, daß biefe Gedankenbilder nicht wirklich fein, daß bie
Dichtung Antheil an ihnen habe: fie mollten unmittelbar geglaubt, für
wahr und für wirklich zugleich gehalten werben. Es gab alſo damals
mur Mythen, noch keine Mythologie, denn die Deutung der Mythen, die
böchfte Aufgabe der Mythologie, war unterfagt. Jett aber find die Myr
then nicht mehr Gegenftand des Glaubens und follen e8 aud nicht wieber
werden; wir follen nicht mehr an Odin oder Wuotan, nicht mehr an
Thor oder Donar, an Freyja oder Frouma glauben ; aber darum find es
nicht lauter Irrthumer, was unfere Vorfahren von diefen Göttern träum⸗
ten: es liegt Wahrheit hinter dem Scheine ; aber nur durch die Deutung
der Mythen kann man zu diefer Wahrheit gelangen. War diefe Deutüng
damals unterfagt, als fie noch Gegenftand des Glaubens waren, als jene
Götter noch verehrt wurden, als ihnen nod Opfer fielen, noch Altäre
tauchten, jo üft fie jegt erlaubt wie Pflicht des Forſchers, und dem chrifte
lien Gotte, der ein Gott der Wahrheit und der Wirklichkeit ift, Tann
damit nur gebient fein, wenn die Unwirklichteit der alten Götter nachge⸗
wiejen wird, denn bie zu Grunde liegende Wahrheit verwirft das Ehri«
ftenthum nit, ja es pflegt fie als der Urofienbarung angebörig für ih
in Anfprud zu nehmen.
Wenn die Mythen für den Glauben jept Alles verloren haben, fo
haben fie für das Wißen gewonnen ; eö giebt erft jept eine Mythologie,
eine Wißenfhaft der Mythen. Sie lehrt ung erkennen, daß den religiöfen
Anfhauungen der Bölter geiftige Wahrheit zu Grunde Tag, der Irrthum
aber darin beftand, daß die täufchenden Bilder, im welche die Dichtung
jene Wahrheiten Heidete, für wirklich angeſehen wurden. Die Uroffenba-
rung war verbuntelt oder gar verloren, den Gebantenbilvern der Dichtung
lag oft die volle Wahrheit nicht zu Grunde: um fo weniger Tonnten fie
genügen und mit dem Scheine der Wirktihleit lange beftehen. In der
That ergiebt die Geſchichte des deutſchen Heidenthums, wie es die Ge:
“: Anendentung. {)
fhichte des antifen gleichfalls ergiebt, daß hie heidniſche Form des relie
giöfen Vewuſtſeins Ach ausgelebt hatte, als das Chriftenthum in die
Welt trat, oder doch als es den nordifchen MWölfern verfündigt wurde,
mithin der Glaube an den einigen Gott, ver ohnedieß allen heidniſchen
Religionsfpfemen zu Grunde lag, ſchon im Gemüthe der Wöller vorbe⸗
reitet war. Auf dem Wege innerer Entwidelung war der heidniſche
Glaube dahin gelangt, den einigen Gott zu ahnen: ihn erfennen zu leh⸗
ren, beburfte es äußerer Mittheilung.
Welcher Art von Mythendentung ich anhänge, will ich nod angeben.
Bor allem nicht der hiftorifhen, welche vie Götter zu Menſchen macht,
obgleich dieſe vie Altefte ift. Ihr hiengen Saro und Snorri an: ba mure
ven die Goͤtter zu Fönigen des Nordens, zu Zauberern oder zu großen
Heermännern und Groberern, die Aſen und Wanen zu feindlichen
Bollerſchaften und den Fluß Ifing, der die Grenze bildet zwiſchen Götz
tern und Niefen, fuhte man auf der Landkarte. Als Bauberer begreift
auch Konad von Würzburg (im trojanifchen Krieg V. 859 ff.) die grier
chiſchen Götter:
Wa; gote wseren bi der zit?
si wären liute als ir nu eit,
wan das ir krefticlich gewalt
was michel unde manecvalt
von kriutern und von steinen.
Schon die Helvenfage, die felbft einen Theil der Mythologie bildet,
lann als eine Hiftorifierung der Bötterfage angefehen werben.
Eine andere Art der Deutung, die phyſiſche oder eigentlich aſtrono⸗
niſche, vertritt Finm Magnufen : er macht die Götter zu Gternbildern,
Monaten und Kalendertagen. Gänzlich laßt fih inbes der phyſiſchen
Deutung ihr Recht nicht abſprechen: ohne Zweifel enthalten vie Mythen
Raturbetrahtung, ja von Naturbetradhtung geht der Mythus aus; weil
aber Ratur und Geiſt verwandt, ja weſentlich eins find, fo bleibt ber
Mythus bei feiner eriten, natürlichen Bedeutung nicht ftehen, fondern rüdt
alsbald auf das geiftige und fittlihe Gebiet hinüber. Wir müßen daher
bei allen Göttern erit nach ihrer natürlihen Grundlage fragen und von
iht auögehend ihre geiftigen und ſittlichen Beziehungen als fpätere Er⸗
weiterungen zu ermitteln fuchen. Die gröfte Carricatur der phyſiſchen
Nythenauslegung ift die chemiſche, welche Trautvetter vertritt : da werben
die drei hoͤchſten Bötter zu Schwefel, Duedjilber und Salgen ober, in der
4 Gutwicelungsgang. %.2%
phyfiſchen im engften Sinne, zu ben Geſetzen der Schwere, Bewegung und
Affinität : Thoͤr iſt die Electricität, fein Rraftgürtel der electriſche Con
denſator, feine Handſchuhe der Leiter; Freyja und Sif find Kohlenſtoff
und Sauerſtoff. gl. Köppen Einl. 203.
Eine befonnene Auffagung wird nicht Alles über einen Leiften ſchla⸗
gen, fie wird anerkennen, dab Ddin da Element der Luft zu Grunde
liegt, während feinem Sohne Hermödr keine Naturerſcheinung entfpricht,
da er vielmehr aus einer fittlihen Eigenschaft, einem Beinamen Ddins,
zu einer felbftändigen mythiſchen Figur erwachſen ift. Die Götter haben
das Menſchengeſchlecht erſchaffen, jagt ver Mythus; im Grunde verhält
es ſich umgelehrt: die Menſchen haben fi die Götter geichaffen —
nad ihrem Bilde. Und ba der Menſch der äußern Natur angehört wie
der innern, da er auß Leiblihem und Geiftigem befteht, fein Leben fi
in Wechfelbeziehungen zwiſchen Natur und Geift bewegt, jo müßen es auch
feine Götter. Die Einheit von Geift und Natur maht und das Stu:
dium der Mythologie recht anſchaulich, denn Webergänge aus dem einen
in dad andere überrafhen uns da Schritt für Schritt.
Ich will noch näher anzugeben verſuchen, welchen Entwidelungsgang
die Mythen zu nehmen pflegen, indem fie von dem natürlichen Gebiet auf
das fittlihe hinüber rüden. Urfprüngli bezogen fih die Mythen auf das
Naoturleben im Kreiplauf des Tages ober Jahres. Aber Tagesmythen
erweitern ih zu Jahresmythen, weil der Sommer der Tag, ber Winter
die Nacht des Jahres ift. So find auch noh Sommer und Winter:
mythen erweiternder Umbildungen fähig; der erfte Schritt, der bier zu
geſchehen pflegt, ift ihre Uebertragung auf Leben und Tod, denn der
Winter ift der Tod der Natur, der Sommer wedt Pflanzen und Thiere
zu erneutem Leben. Mit viefer zweiten Grweiterung ift jhon ein Rieſen⸗
ſchritt geſchehen: Tod und Leben find die großen Probleme, womit fi
alle Mythologieen zu beichäftigen pflegen. Aber dabei bleiben fie nicht
ftehen; am wenigften thut das die unfere. Mit dieſem Leben ift e3 nicht
zu Ende, der Tod ift fein Tod auf ewig: wie auf den Winter, den Tod
der Natur, ein neuer Frühling folgt, ein neues Leben, fo ift auch vom
Tode noch Erlöfung zu hoffen, die Hölle läßt ihre Beute wieder fahren,
die Pforten der Unterwelt können gejprengt werben, und gerabe dieß ift
ver Inhalt vieler veutfher Mythen, Märchen und Sagen. Die Bebin-
gungen, an welde diefe Grlöfung genüpft ift, rüden ven Mythus von
felbft auf das geiftige Gebiet, fie empfangen nun eine fittlihe Bebeutung,
8. Sermaniſqe Mipthelsgte. 5
mwährend fie urfprünglich nur eine natürliche hatten. Aber auch dieſe Er⸗
weiterung ift noch nicht die lehte, deren fi die Mythen fähig zeigen:
nicht bloß die Schidfale der einzelnen Menſchen find von Geburt und Tod
begrenzt, auch die Welt wird geboren: wir nennen das Schöpfung; an:
dererfeit3 verfällt fie dem Tode: das ift mas mir Weltuntergang zu
nennen pflegen. Die Schoͤpfungsgeſchichte ift ein Gegenftand aller
Mythologieen; der deutfhen Mythologie ift es eigenthümlich, daß fie auch
den Untergang der Welt ind Auge faßt, ja ihn zum Hauptgegenftand
ihrer Anfchauungen erhebt. Hier erfahren nun die Mythen ihre legte und
mädtigfte Erweiterung : urfprünglih nur auf den Wechſel von Tag und
Naht, Sommer und Winter, alſo den Kreiplauf des Tages, des Jahres
bezüglich, werden fie nun auf das große Weltenjahr außgebehnt, denn auch
mit dem Untergang der Welt ift e8 nicht zu Ende, es folgt ihre Er⸗
neuerung, ihre Wiedergeburt, die Erde taucht aus der allgemeinen Flut
wieder auf und grünt, die Ader tragen unbefäet und verjüngte, ent
fühnte Götter werben ein geiftigeres Menſchengeſchlecht beherihen, das
irdifhe Bedürfniſſe nicht kennt, denn Morgenthau ift all fein Mal. Hier
ift die fittlihe Umbildung am ftärkften hervorgehoben, denn die allgemeine
Entfittlihung war e3, welche ven Untergang der Welt herbeigeführt hatte ;
aber jegt hat der Weltbrand mit der Simde das Uebel aus der Welt
getilgt und bie ſelige Unſchuld der Götter und Menſchen kehrt zuräd um
nieht wieder zu verſchwinden.
3. Mordifche und dentfche Mythologie,
Eine deutſche Mythologie, die nah dem eigentlichen Sinne bes
Bort3 auf Darftelung und Deutung der Mythen ausgeht, darf fih auf
die jeigen engen Grenzen Deutſchlands nicht beferänten, fie muß das
Bort in dem weitern Sinne nehmen, in welchem es alle germaniſchen
Bölter begreift. Tacitus befaßt unter Germanien noch Skandinavien mit,
und ingäwonifhe Völfer lebten zu beiden Seiten der Oftfee in näherer
Gemeinfhaft als niederdeutſche und hochdeutſche Stämme ; erft bie frühere
Einführung des Chriftenthums in Deutfchland, während Skandinavien noch
heidniſch blieb, Töfte unfer Volt von dem norbifhen: das heidniſche Erbe
it beiden gemein. Wir find aber oft in dem falle, das Nordiſche in
den Vordergrund fielen zu müßen, wenn fih in Deutſchland vor dem
Ehriftentfume nur Nachllänge geborgen haben. Bor Jacob Grimms deutſcher
Mothologie, die das Wort deutſch in einem engern Sinne nahm, durfte
6 Dentfäe Mythologie. 48.
noch Köppen jagen, es gebe leine veutihe Mythologie, ſondern nur eine
nordiſche. Bon den\deutihen Göttern find und meift nur die Namen
überliefert ; ihr Leben und ihre Schidjale, aljo aud ihre Mythen, bleiben
und verborgen, und oft könnte faum ihre Bedeutung aus deutſchen Quel ·
len allein erfannt werden. Jacob Grimm ift der Schöpfer einer im en⸗
gern Sinne deuten Mythologie geworben; er hat fie aber aus zer
brödelten Trümmern aufbauen müßen, nah Grund und Aufriß ber
flandinavifhen. Indem er es unternahm, Alles was man vom deutſchen
Heidenthume noch wißen Tann, zu fammeln und barzuftellen mit Aus:
ſchließung des vollftändigen Syſtems der nordiſchen Mythologie, fah er
fich gleichwohl genöthigt, das Nordifhe zur Erklärung des Einheimiſchen
herbeizuziehen. Das Ergebnifs feiner mühevollen Forſchung und eines
feltenen Tiefblid3 war, daß beide Eulte wie beide Glaubensſyſteme im
Wefentlihen übereinftimmen, im Einzelnen auseinandergehen, und bieß
hat fi durch die bald darauf erfolgte Auffindung der ſ. g. merjeburger
Bauberliever auf das Glaͤnzendſte beftätigt, indem bier in beutjcher Sprache
Götter genannt find, die wir bis dahin für ausſchließlich nordiſche hielten.
Die weſentliche Fdentität der deutſchen und norbifchen Götter wirb aber
durch zweierlei eingefhränft. So wie die Sprache dialeltiſche Verſchie⸗
denheiten zeigt, fo weichen nothwendig auch die mythiſchen Anſchauungen
bei den verſchiedenen Staͤmmen im Einzelnen ab. Dann aber war das
Heidenthum im Norden, wo das Chriſtenthum fo viel ſpaͤter eindrang,
auch ſchon ſo viel mehr ausgebildet als bei uns, ja es hatte ſich, wie
oben angedeutet wurde, ſchon überlebt. ‚Unfere Denkmäler,‘ ſagt J. Grimm,
‚ind ärmlicher aber älter, die nordifchen jünger und reicher.‘ Die legte
Wort ſcheint wenigftend der Gegenfag zu verlangen; gebrudt fteht rei»
ner, was mir nur infofern die Wahrheit zu treffen ſcheint, als wir für
die deutſche Mythologie auh aus heutigen Quellen ſchoͤpſen müßen, bie
allerdings oft nur trübe fließen. Die frühe Einführung des Ehriften«
thums zwang unfere Götter, fi unter den verfdiedenften Geftalten zu
bergen, die heidnifche Lehre die mannigfaltigften Verbindungen einzugehen,
und es bebarf jept Glüd und Scharffinn, fie wieder zu erlennen und
Chriſtliches und Heidniſches in Legenden, Märchen und Sagen, Gebräuden
und Aberglauben zu ſondern und zu ſcheiden.
Indem wir ums oft und in dem erften Theile ‚von den Geſchicen
der Welt und der Götter‘ fait immer genöthigt fehen, von dem norbis
hen als dem vollitändiger entwidelten und erhaltenen Syſteme auszus
&4 Onshen. 7
gehen und dann erft nachzuholen, was fi} im deuiſchen Glauben Ent ⸗
ſprechendes oder Abweichendes findet, ift unfer Berfahren das Umgelehrte
von dem, welches J. Grimm befolgte. Er hat, wie er ſich audbrüdt,
die nordiſche Mythologie nur zum Einſchlag, nicht zum Zettel feines Ge:
webes genommen. Das umgelehrte Verfahren, welches das Rordiſche zum
Zettel nimmt, das Deutſche im engem Sinn als Einfchlag benugt, muß
der einichlagen, welchet fih zur Aufftellung einer gemeinfamen deut:
Then Mythologie der nordiſchen Ueberlieferungen fo gut ald der im
engern Deutſchland fließenden bedienen wil. Wenn Grimm hoffte, daß
endlich der Zeitpunct erſcheinen werde, mo der Wall zwiſchen deutſcher
und nordiſcher Mythologie zu durchſtechen ſei und beide zufammenrinnen
tönnen in ein größered Ganges, jo ift für uns biefer Zeitpunct ſchon er-
ſchienen: wir haben ven Wall durchſtochen und den Guß einer allgemeinen
deutfhen Mythologie unternommen. Sept wo biefer vollbracht ift, darf
ih es wohl ausſprechen, daß weder die deutſche Mythologie der norbi-
ſchen, noch die nordiſche der deutſchen entrathen kann, indem fie ſich ge:
genjeitig fördern und erläutern, da feine über ihre eigenen Geftalten
volles Licht zu verbreiten weiß ohne die andere. Die norbifhe, deren
Göttern ein längeres Daſein beſchieden war, taͤuſcht zwar mit dem Schein
einer gewiſſen Selbftänvigleit ; aber nit nur find unfere Denkmäler älter,
fe find auch echter, und felbft was wir auß heutigen Duellen, aus dem
Munde des Volks, aus der in Märchen und Sagen, in Sitten und Ge:
bräudjen noch fortlebenden Ueberlieferung ſchoͤpfen, deutet auf einen ältern
und befem Zuftand der Mythen, die fich feit der Ginführung des Chri-
ſtenthums nicht weiter entwidelt haben, damals aber ſich von ihrer ur:
ſprũnglichen Geftalt noch nicht fo weit entfernt hatten al in dem fpäter
belehrten Norven, mo fie in jüngerer und beivufterer Zeit, als fih das
deidenthum faft ſchon ausgelebt hatte, der Willtür der Slalden, ja chriſt⸗
licher Aufzeichner anheimgefallen waren.
4 Quellen der Mythologie.
Die Quellen der Mythologie ausführlich zu beſprechen, gebricht hier
der Raum, und nur der Naumerfparung wegen gebe ich bier diejenigen
Berte an, auf welche ih mich am häufigften beziehe, damit ich nicht
immer genöthigt bin, ihren Xitel vollftändiger anzuführen. Unter den
nordiſchen ftehen billig vie beiden Edden woran, welhe id gewöhnlich
nad) meiner Weberfegung citiere: ‚Die Edda, die ältere und jüngere nebft
6 Dentfge Mthelegie. %3
noch Koͤppen jagen, es gebe leine deutſche Mythologie , fondern mur eine
norbifhe. Bon den deutſchen Göttern find und meift nur die Namen
überliefert ; ihr Leben und ihre Schidfale, aljo au ihre Mythen, bleiben
un verborgen, und oft könnte kaum ihre Bedeutung aus deutſchen Quel ⸗
len allein erkannt werden. Jacob Grimm ift der Schöpfer einer im en»
gern Sinne deutihen Mythologie geworden; er bat fie aber aus zer
brödelten Trümmern aufbauen müßen, nah Grund und Aufriß der
ſtandinaviſchen. Indem er es unternahm, Alles was man vom beutichen
Heidenthume noch wißen ann, zu fammeln und barzuftellen mit Aus-
ſchließung des vollftändigen Syftemd der norbifhen Mythologie, ſah er
ſich gleichwohl genöthigt, das Nordiſche zur Erklärung des Einheimiſchen
herbeizuziehen. Das Ergebniſs feiner mühevollen Forſchung und eines
feltenen Tiefblid3 war, daß beide Culte mie beide Glaubensſyſteme im
Wefentlihen übereinftimmen, im Ginzelnen außeinandergehen, und bie
hat fi) durch die bald darauf erfolgte Auffindung der ſ. g. merjeburger
Zauberlieder auf das Glänzenbfte beftätigt, indem hier in deutſcher Sprache
Götter genannt find, die wir bis dahin für ausſchließlich nordiſche hielten.
Die weſentliche Identitaͤt der deutſchen und nordiſchen Götter wird aber
durch zweierlei eingefchräntt. So wie die Sprache dialeltiſche Verſchie ⸗
denheiten zeigt, fo weichen nothwendig auch die mythiſchen Anfhauungen
bei den verſchiedenen Stämmen im Einzelnen ab, Dann aber war das
Heiventbum im Norden, mo das Chriſtenthum fo viel fpäter eindrang,
auch ſchon fo viel mehr ausgebildet ald bei uns, ja es hatte fi, mie
oben angedeutet wurde, ſchon überlebt. ‚Unjere Denkmäler,’ fagt 3. Grimm,
‚And ärmlicher aber älter, die nordifchen jünger und reicher.‘ Dieß legte
Wort ſcheint wenigſtens der Gegenfag zu verlangen; gebrudt fieht reis
ner, was mir nur infofern die Wahrheit zu treffen fheint, als wir für
die deutſche Mythologie auch aus heutigen Quellen fchöpfen müßen, bie
allerdings oft nur trübe fließen. Die frühe Ginführung des Chriſten ⸗
thums zwang unfere Götter, fi unter den verſchiedenſten Geftalten zu
bergen, bie heidnifche Lehre die mannigfaltigften Verbindungen einzugehen,
und e3 bebarf jegt Glüd und Scharffinn, fie wieder zu erkennen und
Chriſtliches und Heidnifhes in Legenden, Märhen und Sagen, Gebräuchen
und Aberglauben zu fondern und zu ſcheiden.
Indem wir uns oft und in dem erften Theile ‚von den Geſchiden
der Welt und der Götter‘ faft immer genöthigt fehen, von dem norbis
ſchen als dem vollftändiger entwidelten und erhaltenen Syſteme auszus
&4 Onchen. 7
gehen und dann erft nachzuholen, was fi im deutfhen Glauben Ent
ſprechendes ober Abweichendes findet, ift unfer Berfahren das Umgelehrte
von dem, welches %. Grimm befolgte. Gr hat, wie er fh ausprüdt,
die nordiſche Mythologie nur zum Ginſchlag, nicht zum Zettel feines Ge:
webes genommen. Das umgekehrte Verfahren, welches das Rorbifche zum
Zettel nimmt, das Deutſche im engern Sinn als Einſchlag benugt, muß
der einſchlagen, welcher fih zur Aufftellung einer gemeinfamen deut:
hen Mythologie der nordiſchen Weberlieferungen fo gut ald der im
engern Deutſchland fließenden bebienen will. Wenn Grimm hoffte, daß
endlich der Zeitpunct erſcheinen were, wo ber Wall zwiſchen deutſcher
und nordiſcher Mythologie zu durchſtechen fei und beide zujammenrinnen
können in ein größered Ganzes, fo it für und biefer Zeitpunct ſchon er-
ſchienen: wir haben den Wall durchſtochen und den Guß einer allgemeinen
deutſchen Mothologie unternommen. Jetzt wo dieſer vollbracht ift, darf
ich es wohl ausſprechen, daß weder die deutſche Mythologie der nordir
ſchen, noch die nordiſche der deutſchen entrathen kann, indem fie ſich ge
genfeitig förbern und erläutern, da keine über ihre eigenen Geftalten
volles Licht zu verbreiten weiß ohne die andere. Die nordiſche, deren
Göttern ein längeres Dafein beſchieden war, täufcht zwar mit dem Schein
einer gewifien Selbftändigteit ; aber nicht nur find unfere Denkmäler älter,
fie find aud echter, und felbft was wir aus heutigen Quellen, aus dem
Munde des Volks, aus der in Märden und Sagen, in Sitten und Ge:
braͤuchen noch fortlebenven Weberlieferung ſchoöpfen, deutet auf einen ältern
und been Zuftand der Mythen, die ſich ſeit der Ginführung des Chri-
ſtenthums nicht weiter entwidelt haben, damals aber ſich von ihrer ur
Iprünglihen Geftalt noch nicht jo weit entfernt hatten als in dem fpäter
belehrten Norden, imo fie in jüngerer und bewufterer Zeit, als ſich das
deidenthum faft ſchon ausgelebt hatte, der Willkür der Stalven, ja chriſt⸗
licher Aufzeichner anheimgefallen waren.
4 Quellen der Mythologie.
Die Quellen der Mythologie ausführlich zu beſprechen, gebricht hier
der Raum, und nur der Maumerfparung wegen gebe ich hier diejenigen
Berte an, auf welhe ih mich am häufigften beziehe, damit ich nicht
immer genöthigt bin, ihren Xitel vollftändiger anzuführen. Unter den
nordiſchen ftehen billig die beiden Edden voran, melde ich gewoͤhnlich
nad) meiner Ueberfegung citiere: ‚Die Edda, die ältere und jüngere nebft
8 a. 4
den mothifchen Erzählungen der Slalda.“ Stuttgart und Tübingen, Zte
Auflage, 1863. In den Erläuterungen ift über bie Beſtandtheile beiver
Sammlungen Auskunft gegeben. Die ‚Stalda’ begreift fie nur infofern
als fie mythologiſche Erzählungen enthält: dieſe find den Gapiteln der
beiden erften Abfchnitte Gylfaginning und Bragaredur angereiht, und
zwar fo, daß die Zahlen dieſer Capitel, welche Dämifagen heißen und
daher D. citiert werben, bei jenen aus der Stalda außgehobenen Erzäh ⸗
Tungen weiter fortgeführt werben. Zum Rahfhlagen des Originals be:
dient man fi für tie ältere am beften der 1860 zu Leipzig erfchienenen
Ausgabe von Theodor Möbius (Edda Semundar hins fröda), doch ftimmt
meine Ueberfegung in ven Strophenzahlen mehr mit der Ausgabe von Her-
mann SCüning (Züri 1859), melde ſich auch durch Gloffar und Grammatit
u. ſ. w. empfiehlt; für die jüngere, mit Ginfhluß der Stalda, der Aus:
gabe Reykjavik 1848, ütgefin af Sveinbirni Egilssyni; doch wird es
gut fein, die den Dämifagen genannten Gapiteln fehlenden Zahlen beizu⸗
ſchreiben, entweder, wenigſtens für Oylfaginning und Bragarödur, aus
meiner Ueberfegung, oder aus der mit lateiniſchem Text begleiteten neuen
Kopenhagener Ausgabe, deren Gebrauh ich ohnedieß empfehle ımd fie
deshalb näher bezeichne: Der erfte Theil, der die wichtigſten Stüde ent:
hält, erſchien 1848 unter dem Titel Edda Snorra Sturlusonar, Hafnias
1848 ; aber auch der zweite 1852 herausgelommene Theil wird zumeilen
angezogen werben. Nachſt den Edden find die Fornaldar Sögur Nordr-
landa ütgefnar af C. C. Rafn, Kaupmannahöfn 1829-30, III Bbe,
die ergiebigfte nordiſche Duelle ; leider entſprechen als dänifche Ueber:
fegung nicht ganz die gleichfalls von Rafn herausgegebenen Norbifle For⸗
tids Sagaer, Kjöbenhaun 1829—30, III Bde. Nach diefen find es die
auch lateiniſch fo wie vänifh in zwölf Bänden herausgegebenen Forn-
manna Sögur, fo wie die Islendingasögur, von weldhen am bäufigften
Gebrauh gemacht wird. Für die Jsland betreffenden Sagen kann man
ſich au der von Karl Lahmann (Berlin 1816) aus ver daͤniſchen Hands
ſchrift überfegten ‚Sagaenbibliothet de3 Skandinaviſchen Alterthums von
B. E. Müller‘ bedienen. Für die Heimskringla Snorri Sturlufons , des
nordifhen Herodot, ift Mohniles Weberfegung Stralfund 1837 zu ge:
brauden, und für die gleihfam als Quelle vienenden erften acht Bücher
des Saxo Grammaticus die Ausgabe von P. E. Müller, Havniae 1839.
Naͤchſt diefen Quellen der nordiſchen Mythologie berufe ich mich für
die deutſche am häufigftien auf folgende’ Werte:
4 Bären und Sagen. 9
Jacobi a Voragine Legenda Aurea, recensnit Dr. Th. Graesse.
Dresdae et Lipsiae 1846.
Gesta Romanorum herauögegeben von Adelbert Keller. Erſter Br.
Tert. Stuttg. u. Tübing. 1842,
Gesta Romanorum von Dr. K. G. Th. Gräfle Dresden und Leip:
ig 1842. Zwei Bde.
Caesarii Heisterbacensis Monachi Dialogus Miraculorum ed.
Strange. Colonise 1851.
Die ergiebigfte Quelle verfprechen bie im Wolfe noch lebenden Ueber:
lieſerungen zu werben, welchen man feit den ‚beutfcen Sagen‘ (Göttingen
1816—18. Zwei Theile) und den ‚Rinder: und Hausmärden‘ der Brüder
Grimm, vie auch hier den Weg gewieſen und die reichſte Ernte vorweg
genommen haben, eifrig nachforſcht. Die letere Sammlung, die und faft
die Stelle einer deuten Edda vertritt, hat Wilhelm Grimm in der 6.
Ausgabe (Göttingen 1850) mit einer Ueberfiht der neueften Märchen:
literatur eröffnet, die auch außerdeutſche, ja außereuropäifhe Sammlungen
vergleicht und Ginftimmungen wie Abweichungen inmerhalb fowohl als
außerhalb des indogermanifhen Vollsſiamms erwägt. Wie überrafhende
Blide uns bier auch eröffnet werben ‚fo gewährt doc die ins Einzelne
durchgeführte Bergleihung, wie fie feit 1856 bie Umarbeitung und Ergän«
zung des feit 1822 nicht mehr aufgelegten britten Bandes ber Kinder:
und Hausmärden bietet, noch reichere und wichtigere Auſſchluße.
Rah ihmen verdanten wir befonders Adalbert Kuhn, Karl Müllenhoff
und J. W. Wolf, welden fi Bernhard Baader und Friedrih Panzer
anreihen, den Erfhluß der reichhaltigſten Quellen. Auf Auhns ‚Mär
liſche Sagen’ (Berlin 1843) folgten 1848 Leipzig die „Norddeutſchen
Sagen, Märden und Gebräude‘ von Adalbert Kuhn und Karl Schwarz;
1859 die ‚Weftfälifhen Sagen, Gebräuhe und Maͤrchen“ von Adalbert
uhn. Karl Müllenhoffs ‚Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer
Schleswig, Holftein und Lauenburg’ erſchienen Kiel 1845. Bon J. W.
Wolfs vielfahen Arbeiten auf dieſem Gebiete nenne id nur bie ‚Deut:
ſchen Märchen und Sagen‘ (Leipzig 1845), die ‚Nieberlänbiihen Sagen’
(Leipzig 1843), die ‚Deutihen Hausmärden‘ (Göttingen und Leipzig
1852) und die ‚Heffiihen Sagen‘ (Leipzig 1853). Bernhard Baaders
‚Bollfagen aus dem Lande Baden’ (Karlsruhe 1851) waren zum Xpeil
ſchon in den Jahrgängen 1835—39 von Mones Anzeiger für Kunde
der deutſchen Vorzeit veröffentlicht. Auf einen engern Mythenkreiß ber
10 Sammlungen. .. 4
Ihränkte fih Friedrich Panzer im erften Bande feiner ‚Bayeriihen Sagen
und Braͤuche“ (Münden 1848); ver zweite bob dieſe Beichränkung
wieder auf. Zu ihnen ftellen fih jegt: Karl Freiherr von Leoprehting
mit- dem reichhaltigen Büchlein ‚Aus dem Ledrain‘ (Münden 1855)
und Fr. Schönwerths ‚Sitten und Sagen aus der Oberpfalg‘. Drei Bde.
Augsburg 1857.
Naͤchſt diefen dem Sagenforiher unentbehrlihen Werken nenne ic
noch: W. Börner ‚Vollsfagen aus dem Orlagau' (Altenburg 1838);
Neufh ‚Sagen des Preußiſchen Samlandes‘ (Königsberg 1838), zweite
Auflage Koͤnigsberg 1863; I. 3. 2. Woefte ‚Voltsüberlieferungen aus
ver Grafihaft Marl’ (Zferlopn 1848); Harıys ‚Bollsfagen aus Nieder:
ſachſen“ (Gelle 1840) ; 3.5. Bonbun ‚Voltsfagen aus Vorarlberg’ (Wien
1847), fo wie veflen. ‚Sagen Borarlbergs’ (Innsbrud 1858) und ‚Bei
teäge zur deutſchen Mythologie‘ (Chur 1862); Emil Sommer ‚Sagen,
Märchen und Gebräuhe aus Sachſen und Thüringen’ (Halle 1846) ;
2. Bechftein ‚Thüringifcher Sagenfhag' (Hildburghaufen 1835—38), und
deſſen „Fraͤnkiſche (Würzburg 1842) und ‚Defterreihifhe (Leipzig 1846)
Vollaſagen“; Adalbert von Herrlein ‚Sagen des Spefjarts’ (Ajcaffen
burg 1851); Bingerle ‚Tirol® Volksdichtungen und Gebräude (Insbrud
1851), ‚Rinder und Hausmärden aus Süddeutſchland' (Regensburg 1855),
‚Sitten, Bräude und Meinungen des Tyroler Volls“ (1857) und ‚Sagen,
Märchen und Gebräuche aus Tyrol’ (Innsbrud 1858), Dazu kommen
jegt mod) ‚Mythen und Sagen Tyrols“ von J. N. v. Alpenburg (Bürih 1851)
und Theodor Vernalekens ‚Alpenfagen’ (Wien 1858), defien ‚Mythen und
Brauche des Volls in Defterreih‘ (Wien 1859); Rochholz ‚Schweizerfagen
aus dem Aargau’ 1856—57. Unter den neueften find noch zu nennen:
8 Eurge ‚Boldüberlieferungen aus dem Fürftentpum Walved’ (Arolfen 1860);
3. H. Shmig ‚Sitten und Bräuche bes Eifler Volles‘ (Trier 1856) ;
Joſeph Haltrich ‚Deutihe Vollsmaäͤrchen aus Siebenbürgen’ (Berlin 1856) ;
Ernſt Meier ‚Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben’ (Stuttgart 1852);
Friedrich Müllers ‚Siebenbürgifhe Sagen‘ (Rronftadt 1857); Dr. Anton
Birlinger ‚Boltsthümliches aus Schwaben‘ 2 Bde. (Freiburg 1861—62);
Heinrich Proͤhle ‚Rinder: und Voltsmärcen’ (Leipzig 1853), deflen ‚Ober:
bargfagen’ (Leipzig 1854), ‚Unterharzfagen‘ (Aſchersleben 1856), ‚Märchen
für die Jugend’ (Halle 1854); Ernſt Deede ‚Lübifhe Geſchichten und Sagen‘
(Zübed 1852); Auguft Stöber ‚Sagen des Glfaßes‘ (St. Gallen 1852) ; end:
lich J. v. Grohmann ‚Sagenbud; aus Böhmen und Mähren‘ (Prag 1863).
%b Acheriek. 1
Ans einer eigenen Gammlung, die ich worbereite, find im Rierihſchen
Boltstalender und in Weſtermanns Monatsheften Proben ausgehoben.
Der Bezug der Märden, Sagen und Legenden auf die Mythologie
iR der, daß in chriſilicher Zeit aus heidniſchen Mythen harmloſe Märchen
geworben find, wie fie ſich aud wohl in örtlichen oder geſchichtlichen Sagen
localifiert und biftorifiert, gelegentlich felbft in Legenden chriftiamifiert haben,
weil fie nur in folder Geftalt ihr Dafein zu friften wuſten. Dur Aus⸗
merzung oder Abſchwaͤchung des Wunderbaren kann der Mythus bis zur
Rovelle herab finfen : diefer legten Verkleidung war ih in den Quellen
des Shatefpeare und dem Novellenſchaß der Staliener
(Berlin 1831—32) nadzuipüren beflipen.
.
5 Plau der Abhandlung.
Zei der Anoronung gehen wir davon aus, daß unfere Mythologie,
im der nordifchen Auffaßung, die uns als Wegweiſerin dient, am ‚deut:
lichſten, einen innern Foriſchritt zeigt, wodurd fie fi von andern, der
griechiſchen namentlich, unterſcheidet. Man kann von einem deutſchen
Goͤuerepos fprehen, das fih neben Helven: und Thierepos ala felbftän«
dige, hoͤchſte Gattung hinſtellt. Gleich jenem ift e8 in einer Reihe volls ⸗
mäßiger Lieber behandelt worden, barrt aber nod ded überarbeitenden
bewuſten Dichters, der es zu einer einigen, großen Epopoie zu geftalten
wüfte. In das Heldenepos greifen vie Götter nur gelegentli ein, in
das deutie fparfam, fehr viel reichlicher in das griechiſche; dennoch iſt
ihr eigenes Leben nicht der Gegenftand der Darftellung: die bleibt dem
Götterepos vorbehalten, das ſich nur bei uns entfaltet hat. Alles iſt hier
Kampf, Drang und Bewegung: es ift epiſches, ja dramatiſches Leben
darin. Die griechiſchen Götter leben in ewiger Heiterkeit, der Kampf mit
Giganten und Zitanen liegt hinter ihnen, fie wißen ihr Daſein geborgen
und unbebrobt. Bon dem Untergange ber Weit findet ſich feine Mythe,
da doch bie Ahnung deſſelben nahe genug lag, denn ‚Alles mas entjteht,
it werth daß es zu Grunde geht‘. Die beutfchen Götter dagegen find
nicht unfterblich, das Schidfal ſchwebt drohen Aber ihnen, fie fühlen, daß
fie untergehen werben, und mit ihnen die Welt, die fie geſchaffen haben ;
fie ſuchen aber diefen Untergang fo lange als möglich hinauszuſchieben:
fie find in beftänbigem Kampfe gegen die unheimlichen Gewalten begriffen,
die einmal die Oberhand gewinnen, die Götter verſchlingen und bie Welt
in Flammen verzehren werben. Freilich follen fie, foll die Welt mit ihnen
12 Ansrduung. 8.5.
in Flammen gereinigt wiebergeboren werden; aber wie das ganze Leben
der Germanen ein Kampf it, fo auch das Leben ihrer Götter. Sie
berubigen fi) nicht bei der Verheißung der Wiedergeburt, fie bieten alles
auf, die zerftörenden Kräfte zu bewältigen, aus dem Kampf mit ihnen
als Sieger hervorzugehen. Sie fiegen aber nur, indem fie fallen und in
Flommen geläutert ſich verjüngen, während jenen verderblichen Mächten
teine Erneuung beftimmt ift.
Unfere Mythologie umfaßt Vergangenheit, Gegenwart und Zutunft:
fie weiß von einer Zeit, wo die Welt erft entfteht, wo die Götter noch
in feliger Unſchuld ſpielen; wir ſehen mie fie dieſe Unfhuld einbüßen
und fündig werden, wie die Ahnung des Verderbens fie erft Teife, dann
ftärker ergreift, am ftärkiten bei Idunns Nieberfinten von ver Welteſche:
fie rüften fi, ihm entgegen zu wirken, nachdem fie in Baldur Tod den
erſten, ſchmerzlichen Berluft erlitten haben, ver viel größern worbebeutet ;
aber ein unſeliges Berfäumnifs vereitelt ihre Vorkehrungen und ſprengt
die Feßeln ihres Feinde: ſchon haben ſich die Vorzeichen des Weltunter-
ganges eingeftellt, der Tag der Entfdeidung bricht an, das Giallarhorn
ertönt, der Kampf enibrennt, die Götter erliegen, vie Sonne fällt vom
Himmel, Surtur ſchleudert euer über die Welt; aber noch folgt die Er:
neuerung der Welt, die Verjüngung der Götter. Aus biefem innern
Fortfhritt , diefer Fortbewegung der Mythen zu dem Einen großen Biel
ergiebt fih und die Anorbnung ganz von felbft: wir halten una an ven
Berlauf der Begebenheiten, die Scenen reihen fih in ihre natürliche
Folge wie in einem Drama: es ift dad große Weltdrama, das ſich in
feine Aufzüge und Auftritte zerlegt und deſſen allmähliher Entwidelung
wir nur zu folgen brauden.
Es giebt indefien Mythen, die auf den großen Welttampf keinen
Bezug haben, da fie nur das Weſen der einzelnen Götter zu veranfhau:
lichen dienen, Diefe fparen wir für einen zweiten Theil auf, in welchem
wir, nahdem das Ganze des Weltvramas ſich abgeipielt hat, die Ge:
ſchide der Welt und der Götter ih entichieven haben, die einzelnen Göt-
tergeftalten ind Auge faßen. Gin dritter Theil hat das Verhälmifs der
Menſchen zu dem Weltdrama fowohl als zu den Göttern barzuftellen.
Die Geſchicke der Welt und der Götter.
Entſtehung und Ausbau der Welt.
6. Urſprung der Dinge.
Bon Aner Schöpfung zu ſprechen enthalten wir uns, ba bei ber
eddiſchen Erzählung von der Entjtehung der Welt, melde? wir hier folgen
wollen, ein Schöpfer fi verbirgt ; daß er vorhanden war, jagt ausbrüd:
lich nur die verbächtige D. 3.; doch fheint ver Name Gaut, hochdeutſch
6, den wir an der Spige deutſcher Geſchlechtsreihen finden, barzuthun,
dab es an dem Begriff eines Gottes, der die Welt aus ſich ergoßen habe,
nit fehlte. Das Wort Schöpfung vermeiden wir aud, weil es ſchon
einen Urſtoff vorausfegt, aus dem gejhöpft wird. Einen ſolchen nimmt
unfere Mythologie fo wenig an als das Chriftentfum. Außer jenem
verborgenen Gotte, der einfiweilen nod zweifelhaft bleibe, nehmen andere
Götter an dem Urfprung der Welt offenbar Antheil; aber nicht an ber
erften Entftehung der Welt, mit der fie felber erft entftanden find,
nur an ihrem Ausbau.
Unfere Erzählung gebt von einer Zeit aus, ba nod nichts war als
ein ber unerfüllter Raum, Ginnungagap genannt, woͤrtlich Gaffen
der Bähnungen. So heißt es in der Wölufpa nah D. 4:
Einft war das Alter, ba Alles nicht war,
Nicht Sand noch See, noch ſalzge Wellen,
Nicht Erde fand ſich noch Ueberhimmel,
Gähnender Abgrund und Gras nirgend.
Damit ftinmt zum Theil wörtlich die noch aus der heidniſchen Zeit
berrührenve erfte Strophe des Weſſesbrunner Gebetes :
Das erfuhr ich unter Menſchen ale ber Wunder meiftes,
Daß Erde nicht war noch Ueberhimmel,
Rod Baum noch Berg war bis dahin, noch Sonne nicht ſchien,
Noch der Mond nicht leuchtete, noch die mächtige Ser.
1 Yair. 86.
Die ungeheure Kluft dieſes Abgrundes mufte erft erfüllt werben, ehe
die Welt entitehen konnte. Das geſchah auf folgende Weife. Schon man-
ches Jahrhundert vor Entftehung der Erde hatte fi am nörblihen Ende
Ginnungagaps Niflheim gebilvet: da war es buntel und falt; am
füpfichen Gnde aber MuBpelheim, die Flammenwelt, die war heiß und
licht. In Niflpeim war ein Brunnen, Hwergelmir, der raufhende
Keßel, mit Namen. Aus ihm ergoßen fih zwölf Ströme, Elimagar
(vie fremden Wogen) genannt, und erflillten bie Leere Ginnungagaps.
Als das Waßer diefer urweltlihen Ströme fo weit von feinem Urfprunge
tam, daß die in ihnen enthaltene Wärme ſich verflüchtigte, ward es in
Eis verwandelt. Und da dieß Ei ftille ftand und ftodte, ba fiel der
Dunft darüber, der von der Wärme fam, und gefror zu Eis und fo ſchob
ih eine Eislage über die andere bis in Ginnungagap. Die Seite von
Ginnungagap, melde nad Norden gerichtet iſt, füllte fi mit einem ſchwe-
ven Haufen Eis und Schnee, und darin herſchte Sturm und Ungemitter;
aber ber füblihe Theil von Ginnungagap ward milde von den Feuer
funten, die aus Muspelheim herüberflogen. So wie die Kälte von Nifl-
beim kam und alles Ungeftüm, fo war bie Seite, vie nah Muspelheim
ſah, warm und liht, und Ginnungagap dort fo lau wie windloſe Luft,
und ald die Gluth dem Reif begegnete, aljo daß er ſchmolz, da erhielten
die Tropfen Leben unb e3 entftand ein Menſchengebild, das Ymir
genannt ward ; aber die Hrimthurfen (Froftriefen) nennen ihn Der:
gelmir.
Ymir (von ymja stridere, rauſchen, tojen, wie Dergelmir, der rau:
chende Lehm) ift der gährende Urftoff, die Gefammtheit der nod unge
schiedenen Elemente und Naturkräfte, die in ihrer Unordnung durchein—
ander raufhen und fluten, alfo baffelbe, was der Grieche fi unter
Chaos dachte, nur perfonificiert. Das Wort Chaos aber entfpriht mehr
unferm Ginnungagap.
Aus dieſer Erzählung ergiebt ih:
1. Der Grundſtoff, aus dem die Welt gebildet wurde, kam aus
dem Brunnen Hwergelmir, der in Riflheim, der nörblihen Nebelwelt,
ftand. Er ift mithin die Urquelle alles Seins, denn aus ihm erfüllte .
fih die umendlihe Leere des Weltraums Ginnungagap. Wie wir fo
Hwergelmir und Niflpeim als die Urquelle alles Seins erlennen, fo
werden wir fpäterfin ($. 19) erfahren, daß dahin auch alles Sein
zurüdtehrt.
17. rieto 16
2. Da es zwölf Ströme find, welche ſich aus Hwergelmit ergießen,
fo fernen wir daB Waßer als den Grundſtoff erlennen, aus dem Himmel
und Ede gebilvet find. Es war aber nicht won jeher vorhanden.
3. Dieſes Waßer ergoß ſich in der Form des Cijes in den Ab:
grund Ginnungagap und dur die Bufammenwirkumg von Hihe und
Kalte entftand bier das erfte geben, der urteltliche Rieſe Ymir. Entweder
alfe ‚dur die Kraft befien, der die Hihe ſandte', wie es D. 5. heißt,
erhielten vie Tropſen Leben, oder die gemäßigte Wärme, welde die
Gegeneinanderwirfung von Hige und Kälte hervorbrachte, lieh das erfte
2eben entftehen. Vgl. Wafthrubnism. 32.
7. Entftehung der Nieſen. Tuisco.
Bon Ymir wird num erzählt, daß er in Schlaf fiel und zu jhwigen
begann: da wuchs ihm unter dem linfen Arm Mann und Weib und fein
einer Fuß zeugte einen Sohn mit dem andern.
Unter bes Keifriefen Arm wuchs, rühmt die Eage,
Dem Thurjen Sohn und Tochter.
Fuß mit Fuß gewann dem furchtbaren Rieſen
Scchsgehäupteten Sohn. Wafthrubniem. 83.
Daraus entiprang das Geſchlecht der Hrimthurfen, Reife oder Froft:
tiefen ; der alte Hrimthurd heißt Ymir. Gr war aber böfe, wie alle
von feinem Geſchlecht; für einen Gott wirb er nicht gehalten, die Menſchen
verehren ihm nicht, weil er ihnen feine Wohlthaten erzeigt. Diefe Aus:
funft giebt wenigftend die jüngere Edda D. 5. Gleichwohl dürfen wir
jagen, er war allerdings jhon ein Gott: die ältefte Götterdynaftie find bie
Rieſen. Die fpätern Bötter, die im Volköglauben an ihre Stelle getreten
find, haben unter den Riefen Vorbilder, Wie die Götter viele Namen
baben,, fo erſcheint diefer Stammvater der Riefen auch unter den Ramen
Örgelmir $. 6, Brimir (der Brandende) Wöl. 9, Neri 8. 14, Forne
jett $. 121, wozu nach Weinhold Riefen 11. noch Thriwaldi, Thrigeitir
md Alwaldi fämen.
Dmir der Niefe war zwiegeſchlechtig, Mann und Weib zugleid.
Darum erinnert er an Xuidco oder Tuisto, den erdgeborenen Gott,
velchen die alten Germanen nad) der Meldung des Tacitus Germ. c. 2.
als den erften Gründer ihres Volles befangen. Denn wie auch ber Name
ju lauten habe (unſer heutiges Zwift und zwiſchen find .beive vom
16 Aubhumble. 6. 8.
Zahlworte abgeleitet), fo liegt der Begriff des Zwiefachen, Zwiegeſchlech⸗
tigen darin, und dieſer lann weder hier noch dort entbehrt werden, da
ſie beide vaterlos und ohne ihres Gleichen ſind und doch von ihnen Ge—
ſchlechter ausgehen. Dieſer Tuisto zeugte aus ſich ſelbſt einen Sohn
Mannus; ihm werden wieder drei Söhne zugeſchrieben, von welchen drei
deutſche Völterftämme, Istaͤwonen, Ingäwonen und Herminonen, ihren
Urfprung herleiteten. Die Söhne ſelbſt find verdunlelte Götter: von
Istio oder Iscio wißen wir nichts, Inguio (Ing) erjheint faft nur in
dem agj. Runenlied 22, wonach er zuerft unter den Oſidaͤnen war, dann
aber oftwärt3 über die Flut gieng; der Wagen rollte nad. gl. Zeit:
fchr. II, 193 und $. 100. Ueber Jrmino vgl. $. S6. 89.
Daß die Germanen dem heimiſchen Boden entiprungen feien, wie
Tacitus aus diefer auch font nachtlingenden Ueberlieferung folgert, lann
ihr Sinn nicht fein: denn erft im dritten Gliede, bei den Söhnen des
Mannus, beginnt die deutſche Stammſage. Mannus ſcheint ein allgemeir
ner Name, der ven Menſchen bebeutet, denn von Mannus ift mennisco,
der Menſch, abgeleitet. Wir jehen ihm in mythiſchen Sagen der Bölter
nod viermal wieberlehren: Manes ver erfte Rönig der Lyder, Menes
der Egppter, Minos der Kreter, Manuh der Inder. Was von Zuisto
ſelbſt Tacitus vernommen hatte, wirb man als ein Seitenftüd zu jener
eddiſchen Erzählung von der Entſtehung der Riefen (Gigantogonie) auf
faßen dürfen, an die fi in den deutſchen Liedern (antiquis carminibus)
die er vernommen hatte, die Anthropogonie und zulept erft die deutſche
Stammfage ſchloß.
8 Entftehung der Götter.
Mit der Entftehung der Götter (Theogonie) verhielt es ſich fo:
Neben dem Riefen Ymir war aud eine Kuh entitanden, Audhumbla,
die ſchatfeuchte (faftreiche) genannt. Aus ihrem Guter rannen vier Milde
ftröme : davon ernährte fih Ymir. Diefe Kuh beledte die Eisblöde, die
falzig waren: da kamen am Abend des erften Tages Menſchenhaare
hervor, den andern Tag eines Mannes Haupt, den dritten Tag warb
es ein ganzer Mann, ver hieß Buri. Er mar ſchoͤn von Angeſicht,
groß und ftart, und gewann einen Sohn, ver Bör hieß. Der vermäßlte
fih mit Beſtla oder Belfta, der Tochter des Rieſen Bölthorn; da ges
wannen fie drei Söhne: der eine hieß Odin (Wohin), der andere
8 Kari Kör. 17
Bili, der dritte We. Das find die Götter, welhe Himmel und Erde
beherſchen. D. 6.
Buri und Bör find durch ihre Namen, die auf goth. bairan, tragen,
gebären weifen, wenn nicht al3 Grftgeborene, doch ald Stammväter bezeidh:
met: ich möchte jenen als den Gebärenden, dieſen als den Geborenen
faßen. Auch darin läßt fih Buri dem Tuisto vergleihen, daß er aus
dem Stein hervorgeht wie jener aus der Erde, und daß feine Gemahlin
ungenannt bfeibt: pflanzte er fein Geſchlecht auf dieſelbe Weife fort wie
Zuisto und Ymir? Dann verglihe fi fein Sohn Bör dem Mannus
und feine Enkel Odin, Wili, We des Mannus Söhnen Juguio, JIstio
und Jrmino, den Stammvätern dreier beutjhen Stämme. Myth. 323.
Die Götter find nad dieſer Darftellung andern, d. h. geiftigern Ur:
ſptungs ald die Rieſen; fie haben aber ihr Geſchlecht nicht rein erhalten,
da fie wenigftend mutterhalb von ben Riefen ftammen. Wir würden
das jept jo ausbrüden: fie find nicht aus dem Geift allein geboren, die
Materie hat Antheil an ihnen. Vgl. Uhland 18.
Die Kuh Audumbla ftellt wohl, jedenfalls ven Riefen gegenüber,
dad enährende Prinzip dar: fie fpmbolifiert die ernährende Kraft der
Erde und fo vergleicht fie fih der Gaia Heſiods, der Altmutter. Diele
leicht find felbit die Wörter Gaia und Kuh urverwandt, da © nadı der
Lautverfhiebung zu R wird. Kühe werden bei germaniſchen Vollern als
heilige Thiere verehrt: ein ſchwediſcher König Eiftein verehrte die Kuh
Sibilja, auch Degwaldr führte eine Kuh überall mit fih und trank ihre
Milch; Kühe waren vor den Wagen der Nerthus, der Erdgöttin (Tac.
6. 40) gefpannt, und die Heiligleit des Ochſengeſpanns, die fi bei den
merowingiſchen Königen zeigt, Hingt noch in heutigen deutſchen Sagen
nah. Der Name der Rinda, der winterlichen Erde, laßt fih zu Rind
armentum halten, und wenn Zeus ald Stier mit der Europa buhlte,
die wenigftend den Namen eines Erdtheils trägt, fo ward diefe vielleicht
felbR als Kuh gebadit.
Bon der Kuh Audumbla, die wie fie als die ernährende erjcheint,
aud die gebätende fein könnte, find indes die Götter nicht geboren, nur
aus den falzigen Cisblöden hervorgeledt. Den Göttern gegenüber bes
deutet fie alfo die Wärme, die das Eis verzehrt, das züngelnde Feuer,
das von Muspelheim herüberfprübt. Als Kuh finden wir daB Feuer
noch öfter dargeftellt; $. 37. 53. Auch das Salz ift belebend und
emährend: ed dient überall zum Bilde geiftiger Kraft und Nahrung,
Cimzed, Niythelagie. 2
18 Bergelmir. %9
und germanifche Völker, Katten und Hermunduren, fo wie fpäter Bur-
gunden und Afemannen, ftritten um die heiligen Salzquellen. Tac. G. 20.
Amm. M. 28, 5. In ihm müfte bie männlihe Zeugungskraft ange
deutet fein.
Die Götter erſcheinen fo glei in einer Trilogie: Odin, Wili, We,
welcher wir ſchon eine andere: Inguio, Jstio, Irmino verglichen haben.
Diefe Trilogie verſchwindet aber bald um einer andern Pla zu machen.
Wie Opin auf den Geift, fo ſcheint Wili auf den Willen zu deuten,
We den Begriff der Heiligkeit, Heiligung zu enthalten: Bewuſtſein, Wille,
Begeifterung. Die geiftige Bedeutung diefer Trilogie läßt an ihrem Alter
zweifeln; doc fihert ihr die an dem erften Gliede weggefallene Alliterar
tion jhon ein betraͤchtliches. Pol. $. 61.
9. Sinflut.
Boͤrs Söhne tödteten nah D. 7 den Riefen Ymir : als er fiel, da
lief fo viel Blut aus feinen Wunden, daß fie darin das ganze Geſchlecht
der Reifrieſen ertränften bis auf den Einen, der mit den Seinen davon
tam: den nennen die Niefen Bergelmir. Gr beitieg mit feinem Weib
ein Boot (lüdr) und von ihm ftammt das neue Hrimthurſengeſchlecht.
In dem Blute des Niefen Ymir, worin die Reifriefen bis auf ein
Baar ertranfen, haben wir die Sinflut, die allgemeine Flut, und in
dem Boote die Arde. Die eddiſche Sinflut tritt aber ein vor Erſchaffung
des Menſchengeſchlechts; nicht ein frommer Reft deſſelben wird in dem
Boote geborgen, fondern Bergelmir, Thrübhgelmirs Sohn (Waf-
thrudnismal 28. 29), Ymirs Entel, alfo ein Rieſe, ein Feind der Götter
und Menſchen. Aud in der griehifhen Mythe find es Titanen, welche
der Sinflut in einem Kaſten entgehen und dann erſt die Menſchen
erſchaffen. Iſt nun aud der eddiſche Bericht im Vergleich mit dem
biblifchen roh und unausgebildet, fo fiimmt er doch darin mit ihm,
und nit mit dem griedifchen, daß bie Menfchen, wie wir jehen werben,
von den Göttern, nicht won den Niefen erſchaffen werben. Entlehnung
bat indes wohl nicht Statt gehabt, es würden fonft die epifhen Züge
von der auöfliegenden Taube, von dem Landen auf dem Berge (Ararat)
u. ſ. m. nicht mangeln. Over Mingt Iepterer in dem Namen des im
Boot geretteten Berggelmir nah? Darin aber trifft die eddiſche
Ueberlieferung mit der griechiſchen und indiſchen zufammen, daß bie Sin:
Hut der Erſchaffung des Menſchengeſchlechts vorausgeht. Bei den Indiern
10. Butt, 19
ſchafft Manus auf Brahmas Geheiß alle Gefchöpfe, als die Flut fih ſchon
verlaufen hat. Manus hatte den Brahma in Geftalt eines Fiſches ger
rettet; zum Dank bafür wird ihm dad Gerannahen der allgemeinen Flut
und das Mittel der Rettung im Schiffe vertündet. Gr. M. 544. Der
diſch, in deſſen Geftalt Brahma erfcheint, erinnert an ven Butt im
deutſchen Marchen, der ben armen Fiſcher aus dem geringften Stande zu
immer höhern Würden erhebt bis er zur Strafe des Uebermuths, zu dem
ihn die ehrgeizige Frau verleitet, wieder in den Pispott zurüdtehrt, weil
er Gott felbft zu werben begehrt hatte. Auch hier Klingt ein Mythus von
der Schöpfung nad, der mit der biblifhen Ueberlieferung in manden
Zigen ſtimmt und felbft den Urfprung der Stänbe andeutet.
Das dunkle Wort lädr für Boot zu nehmen, find wir ſowohl durch
den Zufammenhang ald durdy die Mythenvergleichung berechtigt. Es kann
indes aud Wiege bedeuten; freilih auch ein Boot wiegt fi auf den
Bellen, und felbft ihre Geftalt ift von der eines Kahns nicht weſentlich
derſchieden. Dazu kommt, daß in deutſchen Volksſagen von großen Weber:
ſchwemmungen, die vielleicht Nachllänge älterer Sinflutsfagen enthalten,
eine Wiege es ift, worin die Rettung des einzig Verfchontbleibenden, von
dem dann eine neue Bevölkerung auögeht, vollbraht wird. In der Sage
von dem Sunkenthal oder Suggenthal (Baaderd badifhe Vollsſagen
72) ift erft die Wolle, aus welder das Verderben über den gottvergehenen
Ort hereinbricht, jo groß wie ein Hut, dann fo groß wie eine Wanne,
iulegt wie ein Scheuerthor, bis fie fih als kohlſchwarzes Gewitter über
dem ganzen Thale zufammenzieht. Als e3 fih in einem Wollenbruche
entladen und das ganze Thal überfhwemmt hat, ſchwimmt ein ARnäblein
in feiner Wiege mitten in der Flut und bei ihm befindet ſich eine Rage.
So oft die Wiege auf eine Seite fih neigt, fpringt die Kahe auf
die entgegengefehte und bringt jo die Wiege wieder ins Gleichgewicht.
di blieb fie im Dold oder Wipfel einer hohen Eiche hängen.
As die Flut ſich verlaufen hatte, holte man fie herunter und fand Kind
wad Rage lebend und unverſehrt. Da man des Knäbleins Eltern nicht
tamte, fo nannte man es Dold, ein Name, den feine Ablömmlinge
ned) heute fortführen.
10. Bildung der Welt,
Die Bötter nahmen den getöbteten Pmir, warfen ihn mitten im
Gimungagap und fhufen aus ihm die Welt: aus feinem Blute Meer
x Makrekosnos und Mikrekosmes. $. 10.
und Waßer; aus feinem Fleifhe die Erde ; aus feinen Knochen die Berge;
aus feinen Zähnen, Kinnbaden und zerbrodenem Gebein die Felſen und
Klippen. Aus feinem Schädel bildeten fie den Himmel und erhoben ihn
über die Erbe mit vier Eden oder Hörnern, und unter jedes Hom fee
ten fie einen Zwerg, die heißen: Auftri, Weftri, Nordri, Sudri.
Des Riefen Hirn warfen fie in die Luft und bildeten die Wolfen daraus;
dann nahmen fie die Feuerfunken, die von Muspelheim ausgeworfen um:
berflogen, und feßten fie an den Himmel, oben fowohl als unten, um
Himmel und Erbe zu erhellen. Sie gaben aud allen Lichtern ihre Stelle,
einigen am Himmel, andern lofe unter dem Himmel, umd fepten einem
jeden feinen beftimmten Gang feft, wonach Tage und Jahre beredinet
werden. Das Meer ward kreißrund um die Erde gelegt, längs ven See ⸗
Höften den Rieſengeſchlechtern Wohnpläge angemiefen, nad) innen rund um
die Erbe eine Burg wider die Anfälle der Riefen gebaut, und zu diejer
den Menfhen zum Wohnfig angemwiefenen Burg, welche Midhgard, oder
hochdeutſch Mittilagart hieß, die Augenbrauen bes Niefen verwendet.
D. 8. So heißt es in Grimnigmal 40:
Aus Ymirs Fleiſch ward die Erde gefchaffen,
Aus dem Schweiße die See;
Aus dem Gebein die Berge, aus dem Haar die. Bäume,
Aus der Hirnſchale der Himmel.
Aus den Augenbrauen ſchufen gütge Afen
Midgard den Menjchenföhnen;
Aber aus feinem Hirn find alle hartgemuthen
Bolten erſchaffen worden.
Wir fehen hier aus dem Milrokosmos des Niefenleibes den Makro:
tosmos der Welt hervorgehen. Die deutſche Sage kehrt dieß um, fie
läßt aus dem Mafrolosmos den Mikrokosmos entftehen, aus den Theilen
der Welt die Theile des menſchlichen Leibes-bilden. In einem Gedichte
des eilften Jahrhundert? (M. altv. Leſebuch 1859, S. 41) heißt es,
Gott habe den Menfhen aus acht Theilen erſchaffen: von dem Leimen
babe er ihm das $leifh gegeben, den Schweiß von dem Thau, bie
Knochen von den Steinen, die Adern von ben Wurzen, von dem Grafe
das Haar, dad Blut von dem Meere und den Muth von ben Wolken;
die Augen aber ihm von der Sonne gebildet, Solcher Berichte von den
acht Theilen finden fi) im germanifchen Abendlande fünf, im Gingelnen
5.11. Aundifär. 21
abweichend, im Grunbgebanten der Herleitung des Kleinen aus dem
Großen zufammentreffenb; als den festen können wir ben betrachten,
welder den menfchlihen Leib aus ven vier Glementen erſchaffen läßt.
Indiſche und cochinchineſiſche Ueberlieferungen ftimmen bald mit der deut⸗
ſchen Borftellung, bald mit der eddiſchen; Ieptere wird, wie fie die ein=
fachſte und kindlichſte ift, auch die ältefte fein. Vgl. Grimm Myth. 534.
1218 und xxız,
Seltfam klingt die Angabe, daß von den Augenbrauen Midgard,
hochd. Mitilagart , erfhaffen und ven Menfchen zum Wohnfig angemwiefen
fei; die bewohnte Erde war alfo von Wald bevedt, da wohl aud hier
aus dem Haar die Bäume erfhaffen wurden. Wenn aber gefagt wird,
das Meer ward kreißtund um die Erde gelegt und längs den Seeküſten
den Riefen Wohnungen angewiefen, fo ift barüber $. 120 eine Vermus
thung ausgeſprochen.
nDem Heiden if die Erde aus dem Fleiſche eines göttlichen Ur:
weſens erichaffen, der Leib Gottes. Er aß fogar die aufgegriffenen Erd⸗
brofamen, wenn ihm durd Kampf oder Mord ſchnelles Sterben drohte;
daher der Ausdruc: die Erde füffen, in Gras beißen, mordre la pous-
siere. Wadernagel in Hpts. Ziſchr. VI, 288 hat aus der altveutichen,
italieniſchen und franzöfifchen Poefie entſprechende Beifpiele hiefür gefam-
melt.” Rochholz II, XLVIII. Bgl. Banzer II, 114. 294. Man wird auch
daran erinnert, wie Brutus nad dem Dralelſpruche feine Mutter kuſste.
11. Geftiene,
Bon den Geftimmen wißen wir fchon, daß fie von Muspelheim auss
geworfene Feuerfunfen waren, welde die Götter an den Himmel fegten
und jedem feinen Gang vorfärieben (vgl. Wöl. 5. 6), denn
Die Sonne wufte nicht, wo fie Sit Hätte,
Der Mond wufte nit, was er Macht hätte,
Die Sterne wuften nicht, wo fie Stätte hätten.
Bon Sonne und Mond, ben wichtigften unter ven Geftirnen, giebt
es aber noch einen andern Mythus. Die jüngere Edda (D. 11) erzählt:
Ein Mann bie Mundilföri (Achſenſchwinger), der ‚hatte zwei Kinder ;
fe waren hold und fhön; da nannte er den Sohn Mond (Mäni) und
die Tochter Sonne (Sôl), und vermählte fie einem Manne, Glenr
(&lanz) genannt. Aber die Götter, die folder Stolz erzurnte, nahmen
2 _ Simmelsfai, s.11
die Geſchwiſter und fegten fie an ben Simmel und ließen Sonne bie
Hengfte führen, die den Sonnenwagen zogen, welden die Götter aus
Muspelheims Feuerfunten geſchaffen hatten. Die Hengfte hießen Arwakr
(Frühmad) und Alfwidr (Allgeihwind), und unter ihren Bug fepten
die Götter zwei Blasbälge, um fie abzulühlen, und in einigen Liedern
beißen fie Eifentühle.
Arwalr und Alſwidr follen immerdar
Sacht die Sonne führen.
Unter ihren Bugen bargen milde Mächte,
Die Aſen, Eifenfühle. Grimnism. 37.
Mani leitet ven Gang des Mondes und herſcht über Neulicht und
Volllicht. Vor die Sonne aber ward ein Schild gefegt (Smwalin der
tühle), denn Meer und Berge würden verbrennen, wenn er herabfiele.
Swalin heißt ber Schild, der vor der Sonne fleht,
Der glänzenden Gottheit. .
Brandung und Berge würden verbrennen,
Sänt er von feiner Stelle.
Dem kriegerifhen Sinne unferer Vorfahren galt aber die Sonne
ſelbſt für einen Schild. Bei Notler heit es: wanda selbiu diu sunna
eineme akilte gelich ist, und noch Opitz fagt: der fhöne Himmelsſchild.
\ Sol wird D. 35 unter den Afinnen aufgeführt; in den Merjeburger
Heilſpruchen beißt fie Sunna und hat eine Schweiter Sindgund; welches
Geſtirn bamit gemeint fei, iſt ungewiſs. Da bie Sonne BWölufp. 5 des
Mondes Gejellin (sinni mäna) beißt, fo mürde man an den Mond
denken, wenn nicht neben Sindgund aud Volla genannt würde, die auf
den Vollmond gedeutet werden Tann.
In dem Namen Achſenſchwinger ift dad Sonne und Mond Gemeins
fame auögebrüdt: fie bewegen fih beide um ihre Achſe. Was aber
weiter gemelvet wirb, muß auf Mifsverftand beruhen, denn wie follten
Menfhen zur Strafe des Stolzes zu Göttern erhoben fein? Da es jedoch
einmal gejhrieben fteht, fo haben wir nachzuweiſen, was bavon Wahres
fein kann. Nach einer weitverbreiteten Borftellung waren Sonne und
Mond Seelenaufenthalte; man fürdtete, zur Strafe in den Mond oder in
die Sonne verfegt zu werden: in den Mond, weil es da falt ſei, in die
Sonne, weil es da heiß fei. Trümmer folder Vorftellungen begegnen wir noch
hier und da, So hatte ein armer Mann am Sonntag Holz gelejen ;
% 12%. Ipinnerin, 28
zur Strafe ließ ihm der liebe Gott die Wahl, ob er in der Sonne
verbrennen oder im Mond erfrieren wolle, Er wählte das letztere. Myth. 681.
In dem ſ. g. Brüdenfpiel (M. Kinderbud 201 ff.) wird der Lepte gefangen und
bat nun zu wählen, ob er in den Mond ober in die Sonne (Himmel oder Hölle)
will. Bel. Ziſcht. f. d. Myth. IV, 301. 385. Das führt zu dem Mythus vom
12. Maun im Mond,
Mani nahm nah D. 11. zwei Kinder von der Erde, Bil und
Hiäki, da fie von dem Brunnen Byrgr kamen und den Eimer auf
den Achſeln trugen; der heißt Segr und die Eimerftange Simul,
Bipdfinne heißt ihr Vater; diefe Ninder geben vor dem Monde ber
(eigentlich wohl in dem Monde), wie man nod von der Erbe aus ſehen
ann. Zu dieſer Erzählung gaben die Yleden oder ſchattigen Vertiefungen
im Lichte des Vollmonds Veranlaßung. Rad deutſchen Voltsfagen foll
es ein Holzdieb fein, der am Sonntag unter der Kirche Waldfrevel vers
übt habe und zur Strafe in den Mond verwünſcht fei. Da fieht man ihn
die Art auf dem Rüden, das Reipholzbündel bald in ver Hand, bald
gleihfals auf dem Rüden. Bei Shalefpeare (Sturm II, 2) begleitet ihn
ein Hund. Bol. Kuhn M. ©. 27. 107. 140. Neben der Adtung für
das Eigenthum wird die Heilighaltung des Sonntags eingeſchaͤrft, eine
Verdoppelung de fittlihen Motivs, deren es nicht bedarf, während bieß
felbft nicht entbehrt werden kann, wie aud allein in dem eddiſchen Mär«
hen, das von einer eigenthümlihen Auffaßung der Geftalt jener Flecken
auszugehen ſcheint, der fittlihe Bezut t wird, denn nicht ein ‚Hn«
derſtehlender Mondsmann‘, die geftohlenen Kinder ſelbſt find in den Mond
verfegt. Es fehlt alfo die Strafe, die bei Gol und Mani $. 11 zu viel
ſcheint. Oper fol man den Grund, warum die Kinder in den Mond
gejegt wurden, hinzudenken ? etwa weil fie in feinem heiligen Schein,
worin man nad) Baaderd bad. ©. 45. 417 auch nicht fpinnen fol,
die Arbeit des Waßerholens verrichteten. Die altmärtifhe Sage bei
Temme 49, ‚die Spinnerin im Monde‘, wo ein Mädchen von feiner
Mutter verwünfht wird, im Monde zu figen und zu fpinnen, ſcheint ent⸗
ſtellt, da jener Fluch fie nicht wegen Spinnens, fondern Tanzens im
Mondſchein trifft. Wichtig wird aber nun die Meldung bei Kuhn (Märt,
Sagen 26), wonach man in der Altmark an eine rau im Monde glaubt,
vie habe einft ‚am Sonntag‘ gefponnen und fie nun deshalb mit der
Spindel dort oben. Sept man ftatt ‚am Sonntag’ ‚im Mondſchein, fo
4 Heiligkeit des Mondfheins. 8. 12.
wird fi die heidniſche Geftalt ver Erzählung ergeben. So wird der
Mann mit dem Reißholzbündel urfprünglih wohl aud nit am Sonn⸗
tage Holz gehauen haben; that er es im Mondſchein, fo mufte die Heim:
lichteit freilich den Verdacht des Diebftahld erweden und fo die Ber:
doppelung des Motivs herbeiführen.
Als Nachflänge des eddiſchen Berichts, wie Grimm Myth. 680 will,
indem fi die Waßerftange in den Artftiel, der getragene Eimer in ben
Dornbuſch gewandelt habe, find die deuten von dem Diebe ſchwer zu
faßen, mit Ausnahme des norddeutſchen bei Kuhn 349, wo ein Rohlvieb
fürdhtet, der Mond, welcher eben fchien, möchte ihn verrathen: da nahm
ex einen Eimer voll Waßer, um den Mond auszugießen; aber es half
nicht, und fo fieht man ihn denn noch heute mit feinem Eimer im Monde
ftehen. Hier ift aud der Mondſchein wieder im Spiele, in deſſen alter
Heiligfeit uns der Schlüßel des Raͤthſels zu liegen fheint. In W. Müllers
N. ©. ©. u. Märden 81. 84. 87. 245. 246. kommt es vor, daß bie
Grlöfung fuchende Jungfrau ein Tragholz auf der Schulter hat, woran
ein Eimer hängt. Auch fie ift zur Strafe verwünſcht, man erfährt aber
nit, worin ihre Schuld befland. J
Was oben vermuthet ward, haben ſeitdem aufgefundene Vollsſagen
beſtaͤtigt. Meier Nr. 257. 258. „Man hält es für eine große Sünde,
im Mondfgeine zu fpinnen und zu ftriden, ald ob man am Tage nicht
genug befommen könne.“ Bgl. Panzer II, 299. Schon in dem Worte
‚Seierabend’ wird die Heiligkeit des Abends, des Mondſcheins ausge:
ſprochen. Belannte Bildwerle, wie jene Wiener „Spinnerin am Kreuz“,
findet man damit in Verbindung gebradt. Panzer II, 556. Nad weit:
falifchen Sagen (Kuhn 47. 89) ift es befonder3 verpönt, Sonnabends nad)
Sonnenuntergang zu fpinnen: dad enthält ein Vergehen gegen die Heilige
teit der Sonne und des Mondes zugleich. Aber auch Donnerftags Abends
fol man nicht fpinnen, Ar. 48. Cine Reihe deutſcher und ital, Märchen
läßt den Mond Spinnräder fchenten. War einft die Monbgöttin, etwa
Freyja, fpinnend gedacht und ift die Vorftelung einer zur Strafe in den
Mond verfegten Spinnerin fpätere Entftellung ? Vgl. 8.117 unten.
Das Volk fieht die Sterne für die Köpfe filberner Nägel an, die
das Himmelögewölbe zufammenhalten, oder für Löcher am Boden der
Himmelsdede, durch die der innere Glanz hervorftrafe, die Sternſchnuppen
für Dochtpuhen, die von den Engeln an den Himmelslihtern abgezwidt
werden. Birlinger II, 190. Eine andere Vorftellung fegt der Glaube
8.18. Anand. 3
voraus, daß man nicht mit den Fingern nad) den Sternen beuten folle,
weil fie Augen der Engel feien.
Geftirndienft wirb unten $. 132 geleugnet: Sonne und Mond waren
zu göttlichen Weſen erhoben. Mythifhe Vorftellungen knüpfen fi aber noch
an andere Geftine. Es wird gelegentlich erwähnt werben, bei melder
Gelegenheit gewiſſe Geftirne an den Himmel gefegt wurden. So wurden
nad $. 31 Thiaſſis Augen an den Himmel geworfen, fo nad $. 81 das
Eternbild Orwandils Zehe geihaffen. Wie der Sonne unb dem Monde
ein Wagen zugeihrieben wird, fo den Sternen ein Stuhl, darauf zu figen
(sterrono girusti). Die drei Sterne im Gürtel des Orion find bald ein
Roden der fpinnenden Göttin, die wir fhon im Monde vermuthet haben,
bald ein Stab des Gottes, bald ein Pflug, ein Rechen: der kindlichen
Bhantafie eines Hirtenvolls erſchienen fie als drei Mahder; aber Jäger
fahen fie für einen Haufen Ebet (eburdring) an. Für das Siebengeftim
ift das Bild einer Gluchenne mit ihren Küchlein geläufig. In den Mär
hen, wo Sonne, Mond und Sterne Gejchente verleihen, geben die Sterne
eine Ruß, aus der die Henne mit ihren Küchlein hervortommt ; im Mär
hen vom Afchenbrödel find fie nur auf das Kleid geftidt. Es giebt aber
aud eine Erzählung von dieſem Sternbild, die einen Nadllang eines
Mythus verräth. Chriftus gieng an einem Bederladen vorüber, wo friſches
Brot duftele. Cr fandte einen feiner Jünger hin, ein Brot zu erbitten.
Der Beder ſchlug es ab; doch von ferne ftand die Bedersfrau mit ihren
ſechs Xöchtern und gab das Brot heimlih: dafür find fie ald Sieben
geftim an den Himmel verfept ; der Beder aber ift zum Kudud geworben.
Darum ruft man ihm nun zu:
Rudud, Bedenknecht uf. w.
Zugleih ift damit auf das fahle, gleichſam mehlbeftaubte Gefieder
des Vogels angefpielt. Sein Bezug auf das Siebengeftirn ift aber noch
darin begründet, daß er nur von Tiburtii bis Johannis feinen Auf er-
ſchallen läßt und nur um dieſe Zeit das Siebengeſtirn am Himmel ſicht⸗
bar ift. Vgl. Gr. Myth. 639, wo von dem Gertrudsvogel (Schwarze
ſpecht) Aehnliches gemeldet wird.
13, Monde und Sonnenfinfternifie,
Sonne und Mond werden nad D, 12 von zwei Wölfen verfolgt.
Der Berfolger der Sonne heißt Stöll: fie fürdtet, daß er fie greifen
= Manegarm. 5. 18.
moͤchte und kann ſich nicht anders vor ihm friſten, als indem ſie ihren
Gang beſchleunigt:
Stoll Heißt der Wolf, der der ſcheinenden Gottheit
Folgt in die ſchatzende Flut.
Der andre heißt Hati, Hrodwitnirs Sohn, der läuft vor der
Sonne ber,
Hati der andre, Hrobwitnirs Sohn,
Eilt der Himmelebraut voraus. Grimnism. 39.
und will den Mond paden, was auch geſchehen wird, nämlich anı jüngften
Tage. Ueber die Herkunft diefer Wölfe erfahren wir, daß ein Riefenweib
öftlih von Midgard in dem Walde figt, der Jarnwidr (Eifenholz) heißt.
In diefem Walde wohnen die Zauberweiber, die man Jarnwidiur nennt.
Jenes alte Riefenweib gebiert viele Kinder, alle in Wolfsgeftalt, und von
ihr flammen dieſe Wölfe. Es wird gefagt, der Mädtigfte diefes Geſchlechts
werde der werben, welher Managarm (Monvhund) heißt. Diefer wird
mit dem Fleiſche aller Menfhen, die da fierben (?) gefättigt;
er verfhlingt den Mond und überfprigt den Himmel und die Luft mit
feinem Blute; davon verfinftert fi der Sonne Schein und die Winde
braufen und faufen hin und ber. Die Stelle, woraus die jüngere Edda
dieß entnimmt, fteht Wölufpa 32. 33:
Oeſtlich ſaß die Alte im Eiſengebuſch
Und fütterte dort Fenrirs Geſchlecht.
Von ihnen allen wird eins zuleht
Des Mondes Mörder üubermenſchlicher Geſtalt.
Ihn mäftet das Mark gefällter Männer,
Der Seligen Saal beſudelt das Blut.
Der Sonne Schein dunkelt in kommenden Sommern,
Alle Wetter wüthen: wißt ihr was das bedeutet?
Wir hoffen aber diefe Stelle unten befriebigenver zu beuten. Daß
Managarım, der Verfhlinger des Mondes, ſchlimmer fein foll als SEöll,
der Würger der Sonne, erflärt fih aus einem Mifsverftänpniffe Nach
Woͤl. 57 wird die Sonne erft ſchwarz, als nad dem legten Weltkampf
die Sterne vom Himmel fallen und die Erde ins Meer ſinkt. Hieraus
entfprang der Irrthum, ald wenn fie von Söll nicht verichlungen würde.
Daß aber aud) fie der Wolf mwürgt, ift außer D. 51 Wafthr. 47 gefagt ;
aber eben daſelbſt 46 wird biefer Wolf Fenrir genannt, deſſen Name doch
%14 Ari Are. *
bier nur nach der fühnen Weiſe der nordiſchen Dichterſprache für Skoll
Rebt, wie aud) beide Wölfe Wölufp. 32 Fenrirs Geſchlecht heißen, ſchon
weil Zenrir gleichfalls ein Wolf ift, der wie jene gerftören und verſchlin ⸗
ger fol. Odin, ber von Fenrir verſchlungen wird, galt ala Himmeld«
und Geftirngott, und fo ift Fenrir in jenen Wölfen, die Sonne und
Mond verjhlingen werden, nur verdoppelt. Hu erinnern ift noch, daß
Danagarm (Mondhund), welder mit Hati eins ift, nicht mit dem Höllen-
bunde Garm verwechſelt werden darf.
Die vergleichende Mythologie lehrt, daß die Mond» und Sonnen
Ainfterniffe zu dem Mythus von den beiden Wölfen Beranlapung gaben.
Die Vorſtellung, ald ob diefe Finfternifje daraus entftänden, daß ein
Ungeheuer das himmlifhe Geſtirn in feinen Rachen gefaßt habe, um es
zu verſchlingen, ift bei vielen Böltern verbreitet: fie fuchten es durch
lauten Zuruf zu ſchreden, daß es feine Beute fahren laße, ja fie ſchlugen
auf Trommeln und Kepel und andere lärmenbe Inſtrumente. Myth. 668 fi.
1. Tag und Nacht.
Wie Sonne und Mond, fo find auch Tag und Nacht zu göttlihen
Weſen erhoben. Zeil aber nad) der germanifhen Vorſtellung die Nacht
dem Tage vorangieng (nox ducere diem videtur, Tac. Germ. 11),
fo iſt die Racht (Nött) als die Mutter des Tages (Dags) gedacht. Die
Nacht jelbft ift nah D. 10 die Tochter eines Niefen Neri, Nörwi
oder Narfi, unter deilen Namen auch ein Gohn Lolis erſcheint.
So ift fie vielleicht eine Verwandte der Hel, der Tobeögöttin, die Lokis
Tochter heißt. Wegen biefer Abftammung von ven Niefen ift die Naht
ſchwarz und dunkel wie ihr Gefchleht. Sie war dreimal wermählt: zuerft
einem Manne mit Namen Naglfari: ver beiden Sohn war Udr ober
Audr. Darnach ward fie Einem Namens Annar (Anar, Onar) ver
wählt: beider Tochter hieß Jördh, die Erde. hr lepter Gemahl war
Dellingr, ber vom-Ajengefälehte war. Ihr Sohn Dag (Tag) war
ſchoͤn und licht nach feiner väterlichen Herkunft. D. 10.
Da in Dellingr, afimiliert aus Deglingr, der Begriff bes Tages
ſchon liegt, fo bebeutet er wohl das Morgenroth oder den Tagesanbruch,
das legte Drittel der Nacht, und in Annar und Naglfari hätten wir die
beiden erften Drittel zu ſuchen. Cin Anar fommt unter den Zwergen
vor (Wölufp. 12); an feinem Ramen hat fi Grimm (Beitfär. LU, 144)
2 Dölinger und der Lücke. 815.
vergebens abgemüht; hieß er Annar, fo bezeichnet er ven Andern, die ans
dere Hälfte ver Nacht. Seine Tochter ift die Erde, das dunelfte der Ele⸗
mente. Da nun die vorausgehende D. 9 die Jörd eine Tochter Odins
nannte, fo muß Odin, der aud Tweggi (der Zweite) heißt, unter
diefem Annar, dem Undern, verborgen fein. Am ſchwierigſten ift
Raglfari zu deuten: venjelben Namen trägt au das Todtenſchiff D. 51,
und wir fehen hier wieder die Verwandtſchaft der Nacht mit Hel, der
Todesgoͤttin, hervortreten. Der Einbruch der Nacht vergleicht fi dem
Einbrud des Weltuntergangs, den dad Schiff vermittelt, das die welt:
zeritörenden Gewalten beranführt. Die Erweiterung überfpringt die näch—
ften Stufen, Winter und Tod, und gelangt gleich zu der legten, dem Tod
der Welt. Udr, mie der Sohn der Naht in diefer ihrer erften Ehe
heißen foll, ift nad Grimnism. 46 ein Beiname Odins.
Bon Dellinge, deſſen Name nod in Deutſchland in vielfahen Wand:
lungen fortlebt, hat fih in einem Volkslied (Wunderhorn 1, 38) ein
verbunfelter Mythus erhalten. Gin Türke erfheint vor dem Hoflager des
Kaiferd und fordert deflen Helden zum Zweilampf. Niemand will es
tagen, ſich mit ihm zu meßen, ſchon zümt der Kaiſer über die Feigheit
feiner Helven, da fpringt der Döllinger hervor:
Wohl um, wohl um, id) muß hervor
An den leidigen Mann,
Der fo teefflich ſtechen kann.
* Aber zuerft erliegt der Döllinger dent Türken; erft bei dem zweiten
Ritt fticht er den Türken ab, deffen Seele dann ber Teufel entführt. Die
Volkslied wird als ein hiſtoriſches angefehen, weil es fih an des Kaiſers
Hoflager zu Regensburg knüpft; es ift aber ein mythiſches, das den Kampf
zwiſchen Tag und Nacht zum Inhalt bat. Der Gott des jungen Tages
iſt zu einem Frühlingsgott erweitert, wie wir ſchon wißen, daß Tageds
mythen der Erweiterung zu Sommermpthen fähig find. Aud der Winter
wurde als Türke gedacht $. 145 unten:
Mit dem Türken wollen wir ſtreiten,
Den Säbel an der Seiten.
15. Verhältnifs zu Sonne und Mond,
Da nahm Allvater, heißt es nun weiter, die Nacht und ihren Sohn
Tag und gab ihnen zwei Roſſe und zwei Wagen und fehte fie an ben
Himmel, daß fie damit alle zweimal zwölf Stunden um die Erde fahren
& 16. Svanhild Gullfär. 9
ſollten. Die- Nacht fährt voran mit dem Roffe, dad Hrimfari (reifr
wmähnig) heißt, und jeden ‚Morgen bethaut es die Erde mit dem Schaum
feines Gebißes. Das Roſs, womit der Tag fährt, heißt Stinfari
(liptmähnig) und Luft und Erde erleuchtet feine Mähne. Vgl. Waſthrud⸗
nism. 12. 14:
Skinfari heißt er, der den fchimmernden Tag zieht
Ueber der Menfchen Dienge:
Für der Füllen beſtes gilt es den Bölfern;
Stäts glänzt die Mähne der Mäpre,
Hrimfari heißt es, das die Nacht herzieht
Den waltenden Weſen.
Mehlthau fat ihm vom Gebiß am Morgen,
Und fült mit Than die Thäler.
Da fonah Tag und Naht ihre eigenen Pferde haben und bei dem
Roſſe des Tages die Beziehung auf das Licht im Namen auögedrüdt ift,
fo ſcheint e3, man dachte fih Naht und Tag von Sonne und Mond un:
abhängig. Freilich der Mond bringt nicht die Nacht, er erleuchtet fie nur;
aber den Tag löfen wir jept von ber Sonne nicht ab, wie es unfere
Vorfahren thaten. Es fällt fon auf, wenn im Wartburglriege, wo es
fih um den Preis zweier Zürften handelt, von welden der eine der Sonne
verglichen worben ift, der andere noch höher geftellt werben fol, indem
man ihm dem Tage vergleicht. Grimm bemerkt Myth. 699: ‚Wahrfcein«
lich ließ man den Wagen des Tags dem ber Sonne vorauägehen, hinter
der Nacht her den Mond folgen. Nicht bedeutungslos mag der Wechſel
des Geſchlechts fein; dem männlihen Tag zur Seite fteht die weibliche
Sonne, der weiblichen Naht der männliche Mond.’ Wären etwa Tag
(Dag) und Sonne (Söl), fo wie andererfeitd Nacht (Nött) und Mond
(Mäni) ald Liebespaare betradtet worden? Für ein ſolches Berhältnifs
zwiſchen Tag und Sonne fpriht, daß in Fornalburf. (IL, 7) Swanpilv
mit dem Beinamen Gullfiödr (Golbfeder) die Tochter Dags, des Soh⸗
ned Dellingers, ift; ihre Mutter aber war Sol, vie Tochter Munpilföris.
Sie wird dem Alfr, genannt Finnalfr, vermählt und gebiert ihm Swan
den Roten. Wilh. Müller, (Altdeutſche Religion S. 160) führt dazu den
niederfähfifhen Kinderreim an:
Regen, ga weg mit diner fangen Räſe:
Sunue kum weder mit diner gulbenen Feder.
20 Swanhild Sigurde Tochter. %16
In der Helvenfage ift Swanhild eine Tochter Sigurds, und aus:
drüdlih wird fie in „Gubrund Aufreizung“ dem Sonnenftral verglichen.
Der Schwan in ihrem Namen ift ein paſſendes Bild für das Licht.
Ihre Augen waren fo glänzend, daß die Pferde, welchen fie vorgeworfen
warb, fie nicht zerftampfen mollten. Man mufte erft eine Dede über fie
fpreiten, damit fie ihr Amt verrichteten. Ihr blutiger Tod unter den
Hufen der Pferde, wie ähnlih dem der biftorifchen Brunhild, ift doch
wohl mythiſch und auf die Abendröthe zu beziehen. Daß fie Sigurds
Tochter fein foll, erllärt fih daraus, daß biefer felbft in vielen Theilen
feines Mythus an Baldurs Stelle tritt, der agf. Bäldäg heißt, alſo
zuerſt wohl den lichten Gott des Tages bedeutete. Gin Anderes ift es,
wenn fih der Jahreögott, den mir in Yiöljwinnsmal als Mengladas
Bräutigam Iennen lernen, Swipdag, Beicleuniger des Tages nennt, denn
er bezeichnet fi damit ald ven Frühling, der die Tage wieder zeitiger
anbrechen läßt. Swanhildens Beiname Goldfeder erinnert daran, daß
aud ber Tag in dem ſchoͤnen Gleihniffe Wolframs als ein Vogel gedacht
wird, der feine Alauen in die Wolten ſchlaͤgt. So fehen wir $.19 die
Sonne als Adler gefaßt. B
Dem Anbruc des Tages und der Naht, der aufs und untergehenben
Sonne wird ein Schauern der Natur, eine Erſchütterung, ja ein Schall
und Getöfe zugeſchrieben, vielleicht weil ſich Licht und Schall, Farbe und
Ton entfprehen und zwiſchen beiben ein tiefer Bufammenhang waltet.
Tac. Germ, c. 45. Grimm Myth. 684. 703. 707. Noch Goethe weiß
davon, ob aus deutſchen Quellen ?
Tönend wird für Geiftesohren
Schon der neue Tag geboren.
Felſenthore Inarren raffelud,
Phobus Räder rollen praffelnd:
Welch Getöfe bringt das Licht!
Es brommetet, es poſauuet,
Auge blinzt und Ohr erſtaunet,
Unerhörtes hört‘ fi nicht.
16, Gommer und Winter, Wind nnd Negenbogen.
Bei den biöherigen kosmogoniſchen Anorbnungen waren die Götter
wenigſtens als Biloner und Ordner betpeiligt, wenn fie auch wie bei
Some und Mond, Tag und Nacht, nicht als eigentliche Schöpfer auf
& 16. Elfe. 31
traten. Dagegen bei Sommer und Winter und bei dem Winde
verſchwindet jede Spur einer Mitwirkung der Götter; bei dem Regenbogen
tritt fie wieder hervor. Bom Sommer erfahren wir D. 19, daß fein
Bater Swafuphr heiße; der fei fo wonnig, daß nad} feinem Namen
Alles füß (evasligt) heiße, was milde fei. Aber der Vater des Winters
heiße bad Windlöni (Windbringer), bald Windfwalr (Windküpf),
und dieß Geſchlecht fei grimmig und Laltherzig und der Winter arte ihm
nah. So fagt Wafthrubnism. 27:
BWindfwalir heißt des Winters Vater
Und Swafudr des Sommers;
So ziehn fie felbander durch alle Zeiten
Bis die Götter vergehen.
Woher der Wind komme, erlärt D. 18 wie folgt: Am nörblihen
Ende des Himmels figt ein Riefe, der Hrefwelgr (Eeichenſchlinger)
beißt. Er hat Adlersgeſtalt, und wenn er zu fliegen verſucht, fo entfteht
der Wind unter feinen Fittihen. Davon heißt es fo:
Hräfwelg Heißt, der an Himmels Ende fit,
In Adlerskleid ein Jotun.
Mit feinen Fittihen facht er den Wind
Ueber alle Bölfer. Wafthrudn. 37.
Aber den Regenbogen over die Brüde Bifröft (mörtlich die
bebende Raft, oder Wegftrede), die Himmel und Erde verbindet und aud
Ajenbrüde heißt, haben die Götter geſchaffen. Sie hat brei Farben und
iſt ſehr ſtark und mit mehr Kunft und Verſtand gemacht ald andere
Werte. Aber fo ftart fie auch ift, fo wird fie doch zerbrechen, wenn
Muspels Söhne kommen, darüber zu reiten, und müßen ihre Pferde
dann über große Ströme ſchwimmen. Bifröft ift eine gute Brüde, aber
fein Ding in der Welt mag beftehen bleiben, wenn Muspels Söhne ger
ritten tommen. D. 13. eben Tag reiten bie Aſen über Bifröſt zu
ihrer Gerightäftätte bei Urds Brunnen. Das Rothe, dad man im Regens
bogen fieht, ift brennendes Feuer. Die Hrimthurſen und Bergrieſen wur ⸗
den den Himmel erfteigen, wenn ein Jeder über Vifröft gehen Lönnte,
der da wollte. D. 15. Da aber Muspels Söhne die Flammen bebeuten,
welche das Feuer auf der Brüde Bifröft nicht zu ſcheuen haben, fo ift
ihr in Heimdall noch ein befonderer Wächter beftellt. D. 37. Im neuern
Bollöglauben heißt der Regenbogen Himmelring; auf ihm fteigen bie
3 Sräfwelgr. 8.16
Todten zum Himmel empor, die Engel zur Erde hernieder. Da wo er
die Erde berührt, laßen fie ein goldenes Schlüßelchen fallen, das aud
einer Blume den Namen’giebt. Nah anderem Glauben liegt da ein
Schat. Birl, I, 197. Maurer sl. Sagen 185. J
Was von Winter und Sommer berichtet wird, iſt als bloße Perſo—
nification von Begriffen und Eigenſchaften aus dem Kreiße echter leben—
diger Mythen zu verweifen. Wir finden aber hier nur zwei Jahreszeiten
genannt, da doch Tac. Germ. 26 den Deutichen deren ſchon drei zuger
ftand, wie wir auch drei ungebotene Dinge finden. Für mythiſche Bezüge
genügen aber jene zwei, auf deren Unterfheidung ſich das Alterthum ber
fhränkte, und die aud fpäterhin im höhern Norden allein hervortreten.
gl. Gr. Myth. 715. 718. Winter und Sommer denkt man im Kampf
mit einander begriffen und dieſer Kampf ward jährlih in einem dramas
tifhen Spiele vorgefiellt. Noch jept ift diefe Sommerverfündigung durch
Gefänge der Jugend üblich und unfere f. g. Minnefinger, die mit Wins
ter und Sommer anzubeben pflegen, jegen fie voraus. In mildern Ges
genden tritt an bie Stelle des Winterd der Tod:
Nun treiben wir den Tod aus,
* Den alten Weibern in das Haus.
vielleicht weil im Winter die Natur fhlummert und ausgeftorben ſcheint.
Anderwärtd wird ber einziebende Sommer unter Anführung des Mai:
grafen eingeholt. Grimm Myth. Cap. zaıv. Bol $. 145.
Wie der Winter als ein grimmiger, kaltherziger Rieſe erfcheint, fo
aud der Wind, Gr wird aber zugleich als ein Adler gedacht, und fein
Name Leihenfhlinger (Hräfmwelgr) zeigt, daß dabei die Vorſiellung eines
aadgierigen Raubvogeld waltete. Vgl. Schwarz: Die Sirenen und ber
nord. Hraͤſwelgt. Schon die Alten ftellten fih den Wind als Adler
vor, wie die Verwandtſchaft von Aquils und Aquilo bezeugt. Ueber
haupt lieben fi die Riefen, deren wir mande als Sturmwind zu faßen
haben werben, in Adler zu wandeln, während die Götter Fallkengeſtalt
annehmen ober Faltenjhiwingen gebrauchen. In Kriemhilds Traume fieht
fie ihren Geliebten als Falten, feine Feinde als raubgierige Adler. Nur '
Dpin, deffen Natur das Element der Luft zu Grunde liegt, entfliegt D. 59
gleichfalls in Molerägeftalt (in der Herwararſ. Fornald. Sög. I, 487
jedoch als Falle) und ein Aoler hängt nad Grimnism. 10 vor feiner
Halle:
8. 17. Winde als Hunde. 88
Leicht erlennen fonnen Die zu Odin kommen
Den Saal, werm fie ihn fehen.
Ein Wolf hängt vor dem weftlichen Thor,
Ueber ihm dränt ein Aar.
Grimm hat an verſchiedenen Orten den Adler im Gipfel des Palaftes
Karls de3 Großen verglihen. Myih. 600. 1086. ©. D. ©. 763. Aus
Odins Eigenfhaft als Kriegs und Siegsgott erlärt ſich der Adler nicht
genügend: man wirb darauf zurüdgehen müßen, daß er nad 8. 7 im
Boltsglauben an die Stelle eines Sturmrieſen getreten ift.
Au ala Hunde werden die Winde gedacht. Die Vorftellung muß
alt fein, da wir die Hunde wirklih Winde genannt finden. Die Winde
werben auch als Hunde gefüttert mit den Worten:
Sich da, Wind,
"oc ein Mus für dein Kind.
Davon ſcheint noch Culenfpiegel zu mwißen. Cin Bauer fehüttete
Mehljäde vor den Hunden aus, welhe ven wilden Jäger begleiteten.
Sie fielen begierig darüber her und fraßen alle auf. Unmillig warf er
auch die Säde hin; aber am Morgen fand er fie wieder mit Mehl ger
fullt. Das ift ber Segen, den das gefpendete Opfer bringt. AB Schwein
(Eber) wird namentlich der Wirbelwind gedacht, und wenn er den Staub
kräufelt, rufen ihm die Kinder fpottend zu: Saumebel, Sauzagel! Panz.
II, 209. 489. In ver That gleicht der Schwanz dieſes Thiers dem
vom Wind gefräufelten Staub.
17. Schöpfung der Menfchen.
As Bors Söhne, heißt es D.9, am Seeftrande giengen, fanden fie
zwei Bäume. Gie nahmen fie und fÄufen Menfchen daraus. Der erfte
gab Geift und Leben, der andere Verftand und Bewegung, der britte
Antlig, Sprache, Gehör und Gefiht. Den Mann nannten fie Ast (Eſche)
und die Frau Embla, und von ihnen kommt das Menfhengeichleht, wel:
dem Midgard zur Wohnung verliehen ward. Die ältere Edda (Wölufpa
17.18) läßt die Menſchen nit von den drei Söhnen Boͤrs, fondern von
einer andern nod öfter vorlommenden Trilogie der Götter: Odin, Henir
amd Lodhur (Loptr, Loli) erſchaffen:
Giengen da dreie aus dieſer Berfammlung,
Mädtige, milde Aſen zumal.
Sie, Dipthelsgie. 3
24 A⸗qanes. & 18.
Senden am Ufer unmädtig
Ast und Embla und ohne Beftimmung.
Beſaßen nit Seele, Hatten nicht Sinn,
Nicht Blut noch Bewegung noch blühende Farbe.
Seele gab Odin, Hönir gab Sinn,
Blut gab Lodur umb blühende Farbe.
Diefer legtere Bericht, nach welchem Blut, Bewegung und blühende
Farbe von dem dritten Gotte verliehen wurden, ſcheint in dem erften,
in Bezug auf die von den einzelnen Göttern verliehenen Gaben, entftellt.
Embla foll Ulme oder Erle bedeuten; Grimm (Myth. 537) Teitet
aber ihren Namen von ambl (labor assiduus): fo wäre fie nicht von
dem Baume, fondern von der Geſchäftigleit des Weibes benannt.
Die Schöpfung des Menſchen aus Bäumen klingt auch fonft nad.
Das bekannte Handwerlsburſchenlied läßt in Sachſen die jhönen Mädchen
auf den Bäumen wachſen, und noch Aventinus leitet den Namen Ger-
mani von germinare her, wie liute (Leute) von liutan crescere richtig
bergeleitet werben. Tacitus jagt Germ. c. 39, da er von dem heiligen
Hain der Semnonen ſpricht: eoque omnig superstitio respieit, tanquam
inde initia gentis; bie Semnonen glaubten alfo wohl, ihr Bolt habe
feinen Urfprung in dieſem Walde genommen. Wenn nad dem Froſchmäuſeler
Aschanes mit feinen Sachſen aus dem Harzfelfen im Wald bei einem
Springbrunnen hervorgewachſen fein fol, fo deutet der Name Adhanes
wieber auf ASE; der übrige Theil der Meldung aber häuft drei Urfprünge:
1. aus dem Harzfelfen, 2. im Wald, 3. bei einem Springbrunnen. Auf
die Entftehung aus dem Harzfelfen weift fogar der Name Sachſen felber
jurüd, denn Sachs (saxum) bedeutet Stein und die Schwerter heißen
Sachs, weil die erften Waffen Steinwafjen waren. Auch Buri entftanb
aus Salzfteinen.- Auf die Entftehung im Wald, aus Bäumen, welfen
ſchon die Namen Ast und Aschanes; aus Brumnen aber läßt man noch
heute die Kinder holen und Ymir, der Urriefe, entftand aus dem Waßer.
Der Brunnen der Holle, aus dem bie Kinder kommen, wird unten mit
dem der Urdh verglichen werben, der bei der Eſche Yagdrafil fteht,
und fo darf auch an den Rinderftamm erinnert werben, ber in ber
Halle König Wölfungs (Wölfungaf. Cap. 2) ftand und beflen Dede trug,
wie jene Eſche das Himmelsgewoͤlbe.
3. 12 Yopdıef. o0
18. Schöpfung der Zwerae.
Der Erihaffung ver Menſchen mag als Anhang und Uebergang zum
nächften Abſchnitt die Schöpfung der Berge folgen, melde Wölufpa 7-16
aber früher geſchehen läßt. Sie fept fie, wie das auch D.14 thut, im
Verbindung mit dem Foll, der verlorenen Unſchuld der Götter, von wel⸗
&er fie bier abgelöft wir. Die Wälufpa laßt die Götter Rath pflegen,
Ber ſchaffen follte der Zwerge Geſchlecht
Aus bes Meerriefen Bat und jchwarzem Gebein.
Und ohne dieje Frage erft zu entſcheiden, ſchaffen die Gbtter drei
Scharen von Zwergen, beren Verjeichniſs ein andermal zu betrachten fein
wire. Bol. M. Edda 6.4.
Die jüngere Edba fept hinzu, die Zwerge fein zuerit als Maden
in Ymirs Fleiſch entftanden, aber nun hätten ihnen die Götter Menſchen⸗
wig und Geftalt gegeben. Sie blieben aber in der Erbe und im Geftein
wohnen.
Dex ſegenannte Anhang des Helvenbuchd erzählt, zuerſt ſeien die
Zwerge geſchaffen worden zum Bau des müften Landes und Gebirges,
ef dan bie Niefen zur Belämpfung der wilden Thiere, und zulegt bie
Helven, um ben Zwergen gegen bie untreyen Riejen beizuſtehen.
Die mytbifchen Welten, Stmmel und Simmels:
burgen.
19. Die Welteſche.
Bisher fahen wir, wie die wirkliche Welt nah dem Glauben
unferer Bäter entftand und gebilvet ward, und welchen Antheil die Götter
an ihrem Bau und Ausbau nahmen. Außerdem wißen aber unfere
Quellen auch von Gebäuden, ja ganzen Welten rein mythiſcher Natur.
Diefe follen, mit Ausnahme derjenigen, welche erſt ua der Erneuerung
der Welt in Betracht kommen, hier beſprochen werden.
Das ganze Weltgebäube wird vorgeftellt unter dem Bilde der Eſche
Dagsdraſil. Ddin felbft ftelt fih in ‚Hawamal’ als eine Frucht des
Beltbaums dar, und da Yggr (Schauer) ein Beiname Dbins ift, drasil
86 Lie. 8.19.
aber Träger zu bebeuten ſcheint, wie es fonft auch won Pferden vorlommt,
fo mag fi) hieraus der Name erfläcen. Diefe Eſche, heißt es D.15, ift
der gröfte und befte von allen Bäumen: feine Bweige breiten fih über
die ganze Welt und reihen hinauf über den Himmel, Drei Wurzeln
halten den Baum aufrecht, die fi weit ausdehnen: die eine zu den
Afen; vie andere zu den Hrimthurfen, .wo vormald Ginnungagap
war; die dritte fteht über Niflheim, und unter diefer Wurzel ift Hwer⸗
gelmir und Nidhöggr nagt von unten auf an ihr. Allein die Meldung,
daß die erfte Wurzel zu den Aſen reihe, muß auf einem Irrthum be=
ruhen, denn da die Zweige des Weltbaums hinaufreichen follen über
den Himmel, fo kann nicht aud eine feiner Wurzeln zu ben Aſen
gehen. Um den Baum aus feiner fchiefen Lage zu bringen, vergleiche
man Grimnism. 31, wo es heißt:
Drei Wurzeln ſtreden fi nad dreien Seiten
Unter ber Eſche Yggdrafil.
Hel wohnt unter einer, Hrimthurſen unter der andern,
Aber unter der dritten Menfchen.
Jene Wurzel reiht alfo nicht zu den Afen, fondern zu den Menſchen,
und nun kann der Baum feine Zweige über bie ganze Welt breiten und
über den Himmel wölben. Sein über Walhall veihender Wipfel wird
aber D.39 durch Wifsverftändnifs als ein felbftänbiger Baum aufgefaßt,
mit Namen Lerad (Stille fpendend). An feinen Zweigen weidet bie Ziege
Heidrän, von deren Guter fo viel Milch fließt, daß fie täglih ein
Gefäß füllt, aus dem die Cinherier, bie in Ddins Halle aufgenom-
menen, im (Cinzel:) Kampf gefallenen Helden und Könige, vollauf zu
trinlen haben; ferner ver Hirſch Eikthyrnir, von defien Gehörn jo
viel Tropfen fallen, daß fie nach Hwergelmir fließen und die Ströme ber
Unterwelt bilden. on beiden ſpricht auch Grimnism. 25. 26:
Heidrun heißt die Ziege vor Heervaters Saal,
Die an Larads Laube zehrt.
Die Schale fol fie füllen mit ſchäumendem Meth;
Der Milch ermangelt fie nie.
Eitthyrnir heißt der Hirſch vor Heervaters Saal,
Der an Lärads Laube zehrt.
Bon feinem Horngeweih tropft e8 nach Hwergelmir :
Davon ftammen alle Ströme.
%19 Alböger. 87
Dem Namen jener Biege enifpricht der altfränfifhe Cigenname
Chaiderana. Müllenhoff (Zur Runenlehte 46) lehrt, daß burd die mit
ran zufammengefegten Namen ven Perſonen oder Weien, vie fie trugen,
vie Kraft beigelegt wird, bie der Rune als Bauberzeihen innewohnt. ‚So
bietet ſich ber für den Zufammenhang höcft paflende Sinn bar, daß bie
Biege deöwegen den Namen Heibrun führt, weil fie durch ben Meth ven
Einheriern ihre Heit d. i. ihre Art und ihr eigenthümliches Weſen erhielt
uud nährte.‘
Außer dieſem Hirfh, der an dem Wipfel Lärad zehrt, Taufen noch
vier andere Hirfhe umher an den Zweigen der Eiche und beißen die
Knospen ab: fie heißen DAin, Dwalin, Dunneyr und Durathrör;
Namen die auf den Begriff der Vergänglichleit deuten. Dann werben auch
die Wurzeln Yggdraſils von Würmern benagt; von Nidhöggr (dem heftig
hauenden) hörten wir fhon, daß er an der Wurzel nage, die über Nifl-
heim ſtehe. Ferner heißt es D. 16: ‚Ein Aoler fipt in ben Bweigen
der Eſche, der viele Dinge weiß, und zwiſchen feinen Augen figt ein
Habiht, Werrfölnir genannt. Ein Eihhörnden, das Ratatöstr
(eigentlid) wohl Ratatwiskr, Zweigbohrer) heißt, fpringt auf und nieder
an der Eiche und trägt Zankworte hin und ber zwiſchen dem Adler und
Ridhögge.‘ So heißt es Grimnism. 32—35:
Natatösfr heißt das Eichhorn, das auf und abrennt
An der Eſche Yagbrafil.
Des Ablers Worte vermimmt es oben
Und bringt fie Ridhöggern nieder.
Der Hirſche find vier, die mit Frummem Halfe
An der Eſche Ausſchußen weiben.
Dein und Dwalin,
Duuneyr und Durathror.
Mehr Würmer liegen unter der Eſche Wurzeln
Als Einer meint der unklugen Affen:
Goin und Möin, Grafwitnirs Söhne,
Gräbatr und Grafwöllubr;
Ofnir und Swafnir follen ewig
Bon ber Wurzeln Zweigen zehren.
Die Eſche Yagdrafil duldet Unbill
Mehr als Menſchen wißen.
Der dirſch weidet oben, Hohl wird bie Seite,
Unten nagt Nidhoggr.
38 Hertgiäen, 819.
Wihen wir auch nicht alle biefe Bilder zu deuten, fo fehen wir doch
den MWeltbaum von den Hirſchen, von ber Biege, von Schlangen angenagt
und dabei fault feine Seite. Alles das find Andeutungen ber Bergäng-
lichteit, des unvermeiblichen Untergangs ver Welt. Um biefen aber noch
fo weit als moglich hinauszufhieben, pflegen die Nornen, welche an Urs
Brummen wohnen, täglih Waßer aus dem Brunnen zu nehmen und es
zugleich mit dem Dünger, der um den Brunnen liegt, auf die Eſche zu
ſprengen, damit ihre Zweige nicht dorren oder faulen. ‚Dieb Waßer ift
fo Heilig, daf Alles was in den Brunnen kommt, fo weiß wird wie bie
Haut, die inwendig in der Cierſchale liegt.” So wird gejagt:
Begoßen wird die Eſche, die Yggdraſil heißt,
Der geweihte Baum, mit weißem Nebel.
Davon fommt der Thau, der in bie Thäfer füllt;
Immergrün fteht er über Urds Brunnen.
‚Den Khan, der von ihr auf die Erde fällt, nennt man Honigthau:
davon ernähren fi die Bienen.’ D. 16. In deutſchen Märchen, wo dieſer
Brunnen häufig vorlommt, fol das Waßer des Lebens aus ihm geholt
werben. Seiner Heiligteit wegen läßt man ihn hüten, daß nichts Unteines
hineinfalle. Ein reiner Jüngling, dem dieſes Wäcteramt übertragen ift,
taucht feinen Finger hinein, der fogleih golden wird; ein andermal läßt
er fein langes Haar hineinfallen; aud das wandelt ſich in lauteres Gold-
Es ift derfelbe Brunnen, deſſen Waper mein auf den Stein ſchüttet,
worauf ſich Ungemitter erhebt. Statt des Lebenswaßerd follen in andern
Märchen goldene epfel von dem Baume geholt werben, der über dem
Brunnen fteht. Diefe Uepfel, melde dieſelbe verjüngende und heilende
Kraft haben, wie das Waßer aus dem Brunnen, Tommen aud in der
Edda vor; vergehen ift aber, daß es die Früchte des MWeltbaums find,
was freilih auch zu defien Auffaßung als Eſche, die mit dem Honigthau
zufammenhängt, nicht ftimmen würde.
Nehmen wir hinzu, daß die Ziege Heidrun, die an den Zweigen
Lärads weidet, die Einherier aus ihrem Guter mit Mild verforgt, und
von dem Geweih Eilthyrnirs die Ströme der Unterwelt niederrinnen, fo
gefellen fih zu den Bildern von der Vergänglichfeit der Welt andere,
welhe die Eſche als den allnährenden Weltbaum (vidh aldrnära)
bezeichnen, wie er Wölufpa 51 heißt. Er erſcheint aber nit bloß als
ein Baum ver Welt im heutigen räumlihen Sinne bes Worts, er ift aud
&19. Drei Grunnen. 39
ein Vaum der Zeit: Raum und Zeit gehören zufammen ; erſt fo bilden
fie bie Welt, die eine räumliche und zeitliche Seite hat. Als Baum der
Zeit ift Yggdraſil ein Bild des Lebens der Welt, wie es fi in der Zeit
darfteßt. Deutliher wird und dieß burd bie Erwägung der drei Brummen,
welche bei den Wurzeln Yagbrafild liegen:
1. Der erfte Brummen, mit defien Waßer die Eſche beiprengt wird,
damit fie nicht faule, ſ. o., ift jehr heilig, und nah Allem was wir von
der Kraft feines Waßers wißen, kann fie ſowohl verjüngen als vers
Ihönen. Ex liegt bei der Wurzel ber Eſche, die zu den Menſchen reiht
nad) Grimnism. 31; reichte fie zum Himmel oder läge gar der Brunnen
felber im Himmel, wie beides D. 15 meldet, fo braudten die Götter, die
ihre Gerichtsſtaͤtte an demjelben haben, nicht täglich über Bifröft dahin zw
zeiten. Diefer Brunnen heißt Urds Brummen, nad der älteften der drei
Romen, melde Urd, Werdandi und Skuld (Bergangenheit, Gegenwart
und Zutumft) beißen, und entweder in dieſem Brunnen ober in dem Saal,
welcher bei demfelben fteht, ihren Aufenthalt haben. BgL Kuhn weſtf.
&.138®. Legtered nimmt D. 15 an; aber in ver Stelle ver Wölufpa,
worauf fie ſich gründet, ift die Lesart zweifelhaft. Nachdem Urds Bruns
nen genannt worden, heißt es: .
2%. Davon kommen Frauen, vielwißende,
Drei aus dem Saal (See) dort bei dem Stamm:
Urd heißt die eine, bie andre Werbandi 2c.
2. Der andere Brunnen ifi Mimird Duelle, worin Weisheit und
Berftand verborgen find. Der Eigner des Brunnen ift Mimir und ift
voller Weisheit, weil er täglich von dem Brunnen aus dem Giallarhorn
trintt. Einſt fam Odin dahin und verlangte einen Trunk aus dem Bruns
men, erhielt ihn aber micht eher bis er fein Auge zum Pfanbe ſehte.
Bel. Wöl. 22. Diefer Brunnen ift bei der Wurzel, melde zu den Hrims
thurſen geht, alſo zu den Riefen; Mimir ijt felbft ein Niefe. Wie die
Riefen das ältefte Geſchlecht find, fo befinden fie fih aud im Befig ur:
aufanglicher Weisheit ; die Seherin in der Wölufpa beruft ſich auf fie
als Erzieher und Lehrer und Odin geht mit Wafthrubnir über bie ur
welilichen Dinge zu ſtreiten. Wegen diefer Quelle Mimird heißt die
Belteiche in dem eddiſchen ‚Fiölfwinsmal’ auch Mimameidr, d. i. Mimird
Baum.
3. Bei der britten Wurzel, welche über Nifipeim fieht, wird gleich
“o Mimies Once. 8.19.
falls ein Brunnen gu fuchen fein; es wirb fogar ausdrüdlich gefagt, daß
unter ihr Hwergelmir fei, der rauſchende Keßel, den wir fhon als einen
Brunnen kennen. Nach Grimnismal 31 wohnt unter ihr Hel, die perfo-
nificierte Unterwelt, und aus der Unterwelt ſahen wir ja durch ben
Brunnen Hwergelmir die urmeltlihen Ströme hervorquellen.
Welche Bedeutung haben nun dieſe drei Brumnen in ihrer Beziehung
zur Welteſche? Das Waßer des erften Brunnen verjängt, er ift ein
Jungbrunnen wie jener im Wolfbietrih, in welchem ſich vie rauhe Els
badet und al fhöne Sigeminne emporfteigt. Sein Waßer hat alfo bier
felbe Kraft, die aud den Aepſeln Idunns beimohnt, ſowie dem Begeiftes
rungätrant der Ajen, der Ophrärir heißt. Darum wird in Odins Rabens
zauber (Str. 2) Odhraͤrit mit dieſem Brunnen ber Urd verwechſelt, ja
Idun felbft mit Urd; vgl. aud Odins Runengefang 141. Welden Sinn
tann nun die verjüngenbe Kraft des Brunmens haben, am dem ober im
dem bie Rornen wohnen? Da er nad) der Alteften None, der Nome
der Vergangenheit, benannt ift, fo werben wir ermahnt, und wie fehr
bebürfen mir Deutſchen dieſer Mahnung! das Voltsleben müße aud dem
Brunnen der Vergangenheit erfrift werben, aus dem Strome der Ueber:
lieferung, der aus der Vorzeit herfließt. Die Geſchichte muß dem Volt,
wenn aud nur in ber Geftalt der Sage, gegenwärtig bleiben, e8 darf fein
geſchichtliches Bewuſtſein nicht verlieren, wenn es nicht vor der Beit altern
fol, Auf den erften Blick ſcheint diefer Deutung entgegen zu fteben, daß
aud der andere Brunnen, die Duelle Mimirs, einer gleichen Deutung
fähig ift, ja der Name Mimir fie zu fordern ſcheint. Gleichwohl iſt
diefe Auslegung haltbar, und mit dem Sinne, welchen Mimirs Brunnen
bat, ſehr wohl verträglih. Die Quelle ver Urd liegt bei der Wurzel,
die zu den Menſchen reicht: fie bedeutet die Geſchichte der Menſchen, des
Menſchengeſchlechts, von welder allein die Menſchen eine Erinnerung be:
wahren können. Mimirs Duelle, und die Weisheit, die darin verborgen
iſt, liegt über die Menſchengeſchichte hinaus, fie ift Alter ala die Erſchaf⸗
fung des Menſchen: es find die uranfänglihen Dinge, die urweltlichen,
welche die Entitehung der Welt betreffen: dieß ift mehr Natur: ald Mens
ſchengeſchichte. Nur die Geſchichte des Menfhen und bes Menſchenge⸗
ſchlechts hat Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; mas vor der Bil:
dung und Schöpfung der Welt liegt, kennt dieſen dreifachen Schritt
der Zeit nit, es liegt aller Zeit vorauf und verliert fih wenigſtens
für ven Bid jugendlicher Völter im enblofen Meer der Ewigleit. Nur
%19. Arfprung alles Zeins. 4
die urgebornen Riefen, welchen Mimir angehört, haben davon Kunde, und
ſelbſt Odin, der grübelnde Aje, muß fein Auge zu Pfande jegen, um
einen Trunk dieſer Weispeit zu erlangen, womit zugleich ausgeſprochen
it, daß fie fih der Forſchung nicht gänzlich entzieht, ba der Gott des
Geiſtes, der Weifefte der Aſen, fie erwirbt. Auf eine mod entferntere
Periode, auf den erften Urfprung alles Seins, deutet der dritte Bruns
nen unter der Wurzel, die zu Hel reicht; von ihr wißen felbft die Niefen
nicht, denn auch fie waren noch unentftanden. Es ift ber Brunnen Hier:
gelmir, dem einft der Urftoff entquoll, zu dem aber aud alles Sein
jurüdftrömt, denn von dem Geweih des Hirſches Eilthyrnir träuft das
Baßer, aus welchem die Welt ſich bildete, wieder hinab nach Hmergelmir.
Bie die Unterwelt (Niflhel) die Duelle des Seins war, fo ift fie auch
fein Abgrund. Die Kinder werden aus dem Brunnen geholt; aber bie
Todten ſehen wir gleihfald dahin zurüdgenommen. Die ältefte Wurzel
des Weltbaums fteht über dieſem Brunnen; aber von unten auf nagt
auch Ridhoͤggr an ihr.
Nach Grimnismal 33 denkt man fih den Adler auf dem Wis
pfel ver Welteſche, weil es heißt, Ratatöskr vernehme feine Worte oben
und trage fie Nivhöggen nieder. Aber auch von dem Hirſch Eilthyrnir wird
gejagt, daß er auf dem Baume Lärad weide. Da nun Lärad mit Pag:
drafil als deſſen Wipfel zufammenfällt, fo find Hirſch und Moler wohl
mur verjchiedene Bilder für denſelben Gegenſtand: beide bedeuten die
Sonne ; der Habicht in dem Augenwinkel des Adlers wird dann bie Wolle
fein. Bel. 6.30.
Urfprüngli) mag die Weltefhe nichts anders geweſen fein, als der
Baum, unter welhem die Götter Rath und Gericht hielten, wie nad
deutfcher Sitte Bäume die Gerichtäftätte zu bezeichnen pflegten, R. X. 794,
und noch bier und ba bie Dorfgemeinde bei der Linde zufammenlonmt.
Auch die Nornen, welche die Schidfale berathen, beburften eines Verfamm-
Tungöplages, an welchem fie ihre Urtheile fanden. Diefer Thingbaum der
Goͤtter ift aber vortrefflih benugt worden, um das Leben in feiner Ver—
gaͤnglichteit und bie Zeit in ihren drei Stufen zu fymbolifieren: an
ihm iſt und ein Bild geliefert, das an fpeculativer Ziefe feines Gleichen
nicht hat.
Daß die Mythe von der Weltefhe in Deutfchland befannt war, bes
weift die Mebertragung vieler Züge auf den Kreuzesbaum. Gr. Mytb.
757.8. In einzelnen Bügen flimmt aud ein morgenlänbifces Gleichniſs,
42 Mansigfunl, 81%
das ſchon frühe in Deutfihland verbreitet wurde. Gin Mann, der in
Gefahr iſt In einen tiefen Brunnen zu ftürzen, hält fi oben noch mit der
Hand an dem Beige eines Strauches feſt; unten ftüpt er bie Füße auf
ein ſchmales Rafenftäd. In diefer angftwollen Stellung fieht er zwei
Mänfe, eine weiße und eine ſchwarze (Tag und Naht), die Wurzel des
Straudes benagen, an dem er ſich feitbält; das Nafenftüd aber, feine
Stäge, wird von vier Wurmhäuptern untergraben. Dazu fperrt in ber
Üefe ein Drade den Schlund auf, ihr zu verihlingen, während oben ein
Elephant den Rüffel nad ihm redt. Gleichwohl fängt er mit begierigem
Mumde den Honigfeim auf, der aus einem Zweige der Staube trieft.
Gr. Myth. 758. Barlaam und Joſaphat ed. Köpte 116—20. Der
menſchliche Zeichtfinn, ver bei aller Unzuverläßigfeit der irdiſchen Dinge
doch nad flühtigem Genuße haſcht, ift in diefem Gleichniſſe veranfhaus
licht ; daß eddiſche Bild will feine fittlihe Lehre einſchaͤrfen, ſchildert aber
doch die Bedrangniſs der Götter, denn obgleih der Baum noch grünt
und das Waßer des Urba-Brunnens ihn täglich verjüngt, müßen fie doch
fürdten, ver Tag werde kommen, da feine Trieblraft verſage. Noch ftärs
ter wird ihre Noth in Odins Rabenzauber' dargeſtellt, welches Gedicht
davon ausgeht, daß diefer Tag heranzunahen feine,
Entfernter ift die Aehnlichteit mit dem Riefenihiffe Mannigfual
in einer norbfriefiihen Seefage bei Müllenhofj S. 234. Es ift fo groß,
daß der Eommandant immer zu Pferde auf dem Verded berumreift, um
feine Befehle zu ertbeilen. Die Matrofen, die jung in die Tatelage hin
auftfettern, lommen bejahrt, mit grauem Bart und Haar wieder herunter ;
unterdeſs friften fie ihr Leben dadurch, daß fie fleikig in die Blöde des
Zaumerts, die Wirthöftuben enthalten, einkehren. Ginmal fteuerte das Un:
geheuer aus dem atlantifhen Meere in den britifchen Canal, konnte jedoch
zwiſchen Dover und Calais des ſchmalen Fahrwaßers wegen nicht dunde
kommen. Da hatte der Capitain den glüdlihen Einfall, die ganze Bad:
borpfeite, die gegen die Ufer von Dover ftieß, mit weißer Seife beſtrei⸗
Gen zu laßen. Da drängte fi ver Mannigfual glüdlih binduch und
gelangte in die Nordſee. Die Felſen bei Dover behielten aber bis auf
den heutigen Tag von ber Maſſe ver abgefheuerten Seife und dem ab:
geflogenen Schaum ihre weiße, jeifenartige Farbe. Einft war das Rieſen-
ſchiff, Gott weiß wie, in bie Dftfee hineingerathen. Die Schifimannihaft
fand aber bald das Waßer zu feicht. Um wieber flott zu werben, mußte
der Ballaft fammt den Schladen der Kabuſe in bie See geworfen werben.
5. 20. Birabanın. 48
Aus dem Ballaft entftand nun die Inſel Bornholm und aus dem Unrath
der Kabuſe die nahe dabei liegende leine Chriftianzde.
Im Renner dient ein Gleichniſs vom Birnbaum als Rahmen des
Ganzen. Der Dichter fand ihn auf einer Haide neben einem Brummen
ſtehen; der Baum blühte und trug Früchte. Einen Theil der Früchte
wehte der Wind vor der Zeit herab, andere wurden abgebroden ehe fie
reif waren; aber auch die reifen fielen theils in den Brunnen, theils in
eine Lache oder zwiihen Dornen; einige zwar auf das Gras, aber Schnee
umb Regen verberbten fie: die menigften lamen zu Gute. Das erinnert
allerdings an das biblifhe Gleichniſs vom Gämann ; aber Hugo von
Zrimberg hat offenbar aus deutſch heidniſchen Grinnerungen gefchöpft. Bol.
den Birnbaum auf dem Walferfeld.
Nach Kuhn „Herabkunft” 20 verdankt der Mythus von der Welteſche
feine Entftehung ber Woltenbildung, welche der Norddeutſche nod heute
einen Wetterbaum nennt. Bgl. defien Zeitſchr. I, 468.
20. Neun Welten,
Mehrfad ift in unfern Quellen von neun Welten die Rede. Wöl.2
ſcheint fie als Aefte des Weltenbaums zu betrachten :
Meun Weiten kenn ich, neun Aeſte weiß ih
Am ſtarken Stamm im Staub ber Erbe.‘
Wafthrudnit, der allmipende Joötun, rühmt ſich Str. 43, alle neun
‚Heime‘ bis herab zu Riflhel durchwandert zu haben und es ſcheint ein
Miſoverſtandniſs diefer Stelle, wenn es D. 34 heißt, Odin babe die
Hel nad Nifiheim hinab geworfen und ihr Gewalt über neun Welten
verliehen, wenn nicht zu leſen ift: über die neunte Welt. Wie Waf-
thrudnir rühmt ſich auch Alwis der Zwerg (Str. 9) alle neun Keime
durchmeßen zu haben umd von allen Weſen Beicheld zu wißen. Rirgend ⸗
wo, nicht einmal in Stalvflaparmal, mo man es doc erwarten follte,
werden biefe neun Welten aufgezählt; die neun Himmel Cap. 75 (vgl.
Gap. 56) find etwas Anderes, und auch die zwölf bimmlifhen Hallen,
welche Grimmismal 4—17 (eigentlid find es 13) aufzählt, dürfen als
in Asgard oder Aſenheim, ver Götterwelt belegen, nicht damit verwechſelt
werden. Bivei diefer neun Welten haben wir bereit Tennen gelernt, Muss
pelheim mb Niflheim, jene Guben Ginnungagaps, die ſchon vor der
Schöpfung vorhanden maren: fie bilden bie Pole des mythiſchen MWeltalls
44 Anter auf und über 8%. 20.
und find Altern Urſprungs als die Aſen. Von Niflheim, als ver
nördlichen Nebelmelt, die kalt und dunkel zugleid ift, wie Muspelheim
beiß und licht, ift aber Niflhel noch verfhieden; fie liegt unter Niflheim
und ift mit ihm buch den Brunnen Hwergelmir verbunden, aus welchem
die urmweltlihen Ströme hervorbrachen, die Ginnungagap erfüllten. Nifl-
beim und Nifipel können unter dem Namen Helheim zufammen gefaßt
werden. Um zu dem Giöllfluße zu gelangen, welcher Niflpel oder das
Todtenreich befpült, muß man neun Nächte durch tiefe dunfle Thäler veiten,
D. 49. Diefe tiefen dunleln Thäler feinen von den Schwarzalfen bes
wohnt, und hier werden mir die dritte Welt, Swartälfaheim, zu ſuchen
haben. Vielleicht hat man fi) diefe drei Welten, Smwartalfaheim, Rifls
heim und Niflhel unter der Erbe zu denken. Drei andere Welten wer⸗
den dagegen auf der Erde zu fuchen fein: 1. Zötunheim (die Riefen-
welt, auch Utgard genannt), 2. Midgard oder Mannheim (die Menſchenwelt)
und 3. Wanaheim, das Reih der Wanen. Bon diejen liegt Midgard,
tie ſchon ihr Name fagt, in der Mitte aller neun Welten. Nah D. 8
ift bie Erde kreißrund und rings umber liegt das tiefe Weltmeer, alfo
daß die Erbe, nad dem Ausdruck des Lucidarius, ‚in dem Wenbelmeer
ſchwebt, wie der Dotter im Ei. Längs ven Seelüſten haben die
Rieſengeſchlechtet Wohnpläge ; nad innen aber ward Midgard als
eine Burg tiber die Anfälle der Niefen gebaut. Aber auch die
Welt der Wanen, welhe Götter ſeeanwohnender Völker find, dürfen wir
auf der Erbe ſuchen. Im Weltmeer felbft tönnte man eine fiebente Welt
zu finden meinen, Degisheim, da Degir der Meergott mit feiner Gattin
Ran die Tiefe des Meeres bewohnt. Aber Degisheim ift als eine eigene
Welt nicht bezeugt, nur in dem halb riftlihen Sölarlisv 30. 33 kommt
der Name vor; er bezeichnet aber hier das im Meer ſchwimmende Mid«
gard, die Menfchenwelt. Es bleiben uns alfo nod drei Welten übrig
und dieſe müßen über der Erbe liegen; die erſte iſt jchon genannt:
Afenheim oder Asgard, welhe von Riefenheim nach Wafthr. 16 durch
den Strom fing geſchieden ift. Die andere, Ljösälfaheim, die Welt der
Lichtalfen, fuche ih in der Sonne: ‚da hauft das Volt,‘ fagt D. 17,
‚das man Lichtalſen nennt; aber die Schwarzalfen wohnen in ber Erbe
und find jenen ungleih von Angefiht und noch viel ungleiher im ihren
Verrichtungen. Die Lichtalfen find fhöner als die Sonne von Ange
fiht; aber die Schwarzalfen jhwärzer als Pech.“ Freilich ſpricht diefe
Stelle von Alfheim unb meint eine ber in Asgard gelegenen Himmels ⸗
ER. der Erde. 45
burgen ($. 21), welche Grimnismal aufzählt. Bon dieſem Alfheim heißt
es dort Str. 5:
alfheim gaben dem Freyr die Götter im Anfang
Der Zeiten als Zahngebinde, R
” € mag bieß eine dem Dichter eigenthümlihe Anſchauung fein, obs
glei dieſe Zeilen aud, wenn wir bie Aufzählung der Gimmelsburgen
nicht erft, wie Finn Magnufen wil, mit Ydalir Str. 5 beginnen laßen,
bier eingeſchoben fein können, da dieß Alfheim fhon die dritte Götter:
halle wäre, während das Lied doch erft das folgende Walaftialf als die
dritte bezeichnet. Wollen wir nicht annehmen, der Dichter des herrlihen
‚Srimnismal‘ habe nicht drei zählen können, fo muß eine der vor Walafli:
alf genannten Himmelöburgen mit der fie betreffenden Stelle nicht hieher
gehören. Thrüvheim und Ydalit als Thors und Ullers Säle find nicht
wohl zu entbehren; für Freyt aber beburfte es leiner befondern Himmel:
burg, da er in Noatum (Str. 16) bei feinem Vater Niörbr mohnen
kann. Bir brauchen darum die Meldung, daß Alfheim dem Freyr zum
Zahngebinde gegeben fei, nicht zu bezweifeln: auf Liosalfaheim, die Licht:
alfenwelt bezogen, giebt fie guten Sinn. Freyr, dem Sonnengott, ward
Lihtalfenheim, die Sonne, zum Zahngebinde gegeben. Bir entgeht nicht,
daß D. 17 den Pallaft Gimil, wo in der verjüngten Welt die recht:
ſchaffenen und guten Menfchen aller Zeitalter wohnen follen, jegt von ben
Lichtalfen bewohnt nennt ; aber Wöl. 63, die Quelle diefer Meldung über
Gimils Beftimmung in der erneuten Welt, weiß von feinen gegenwärtigen
Bewohnern nichts. Nehmen wir nun zu Lioalfahelm, ald der achten
Belt, noch Muspelheim, den fürlihen Pol ve Weltalls, als vie legte
Belt hinzu, fo ordnen fie fi uns in folgender Weiſe:
1. über der Erde: Muspelheim, Ljosalfaheim, Aſenheim oder Asgard.
2. aufder Erde: Idtunheim, Midgard (oder Mannheim) und Wanaheim.
3. unter ber Erbe: Smartalfaheim, Niflpeim und Riflhel,
Nach einer deutſchen Sage hätten Gott und der Teufel ihre Reiche
einmal für immer von einander abſcheiden wollen durch eine große Mauer,
die lepterer in einer Naht vor dem erften Hahnenſchrei erbauen ſollte.
Beil aber ver Hahn zu früh frähte, blieb die Mauer unvollenvet, Ger
meint ift der römifche Pfahlgraben, der auch Xeufelsmauer heißt. Auch
am Harz kommt diefe Sage vor und wieder am Danewirle, dem anmaß ⸗
lichen Grenzwall zwiſchen Sahfen und Dänen, Cine Mauer fälieht in
andern Sagen das Land bed ewigen Lebens von ber Menſchenwelt ab.
4 Bimswelsburgen. % 21.
21. Zwölf Himmelsburgem
Die zwölf Himmelsburgen, welche Grimnismal nennt, ſcheint
ſich der Dichter als in Asgard gelegen vorzuftellen und eben da denkt
fih D. 14 die zwölf Stühle ber richtenden und rathenden Götter. Us
fprünglih hatte es aber wohl eine andere Bewandtniſs wenigftens mit
einigen derfelben: fo modhte Roatun, die Wohnung des Wanengottes
Niördr, in Wanenheim, Thrymbeim, des Niefen Thiaſſi Wohnung,
in Niefenheim gelegen haben. Als aber Niörbr als Geifel zu den Aſen
tam, und Skadhi, Thiaſſis Tochter, die den Tod ihres Vaters zu rächen
tam, damit begütigt wurbe, daß fie fih einen Gemahl unter den Ajen
wählen durfte, ſcheint man aud ihre Wohnfige dahin verlegt zu haben.
Tilgen wir dad an ber britten Stelle genannte, aber nit wit gezählte
Alſheim, das wir ſchon unter die Welten verwiefen haben, jo find die
genannten Himmelöburgen oder Bötterfäle folgende:
1. Thrudheim wird zuerit als Thoͤrs Wohnung genannt. Nach
D. 21 beißt dagegen fein Reich Thrudwang und fein Pallaft Bil:
ſtirnir. Bon ihm fagt aud Grimm. 24:
Fünfhundert Etodwerle und viermal zehn
Weiß ich in Bilſtirnirs Bau.
Bon allen Häufern, die Dächer haben,
Glaub ich meines Sohns das gröfte.
2. Pdalir, wo Uller den Saal ſich erbaut hat, Bel D. 31.
3. Als die dritte Halle wird Walaftiälf genannt, welche ber
As in alter Zeit fi erwählt habe. Man würde dieß auf Wali (D,30),
den Rächer Baldurs, beziehen, wenn nicht die jüngere Edda D. 17 ihm
für Opins Saal erllärte, vielleicht durch ben verwandten Namen Hlid-
ſtialf verführt, welcher Odins Hochſit bezeihnet, von dem aus er alle
Welten überfieht und aller Menfchen Thun gewahrt, und alle Dinge weiß,
die da geichehen. Aus D.9 lernen wir aber Hlivflialf nur ald ven
böchften Bunct in Asgard lennen.
4. Bon Söttwabed (inkbach, Sturzbach, Waßerfall) und der
Göttin Saga, die ihn bewohnt, wißen wir nur aus @rimn. 7:
Sottwabec Heißt bie vierte; kahle Flut
Ueberfrömt fie immer.
Odin und Gage trinfen Tag für Tag
Da felig aus goldnen Schalen.
4.0. Simmelsburgen. 47
5. Weber Gladhaheim, die fünfte Halle, Tefen wir:
Glads heim heißt die fünfte, wo golden fchimmert
Walhalls weite Halle.
Da kieſt fi) Odin alle Tage
Bom Schwert erſchlagne Männer.
Leit erkennen können Die zu Odin kommen,
Den Saal, wenn fie ihn ſehen:
Aus Schäften ift das Dad; gefügt und bededt mit Scilden,
Mit Brünnen (Banzern) die Bänke beftreut.
Leicht erlennen fönnen Die zu Odin fommen
Den Saal, wenn fie ihn fehen:
Ein Wolf hängt vor dem weſtlichen Thor,
Ueber ihm dräut ein Aar.
Hier ift alſo Gladsheim, als vefien Theil Walhall gefaßt wird, nur
eine ber zwölf Himmelöburgen oder Göttermohnungen, während nad; D. 14
Gladöheim der Hof ift, worin vie Stühle ver zwölf rihtenden und ra:
thenden Götter nebft dem Hochfig für Allvater ftanden, und neben welchem
nur noch Wingolj ald die Wohnung der Göttinnen genannt wird. Frei—
lich ſcheinen dieſe zwölf Stühle wieder verſchieden von den in Grimnism.
genannten Himmelsburgen, von welchen dreie Gottinnen zugerignet find,
Die doch den Richterſtuhl nicht befigen, alſo auch nicht zu den zwölf rich⸗
tenden und rathenden Göttern gehören können... Bon Walhall wird Grimm.
23 ferner gejagt:
Fünfhundert Thüren und viermal zehn
Wahn ich in Walhall.
Achthundert Einherier gehn aus je Einer,
Wenn es dem Wolf zu wehren gilt.
Bon denſelben Einheriern, den im Kampf gefallenen Helden, heißt
es Wafthrubn. 41:
Die Einherier ale in Obins Saal
Streiten Tag für Tag.
Sie kiefen den Wal und reiten vom Kampf heim
Mit Afen Ael zu trinken,
Und Sahrimnirs fatt figen fie friedlich beifammen.
Ael oder Meth gewährt ihnen die Biege Heidrun, vom der ſchon bie
Rede war, Fleiſch aber der Eher Sehrimnir, der täglich gefotten wirb
46 Glafr. 8.21.
und am Abenb wieber heil ift. Andhrimnir heißt ber Koch und der Keßel
Elohrimnir nach Grimn. 18:
Andhrimnir laßt in Eldhrimnir
Sahrimnir ſieden,
Das beſte Fleiſch; doch erfahren Wenige,
Bas die Einherier eßen.
Mitten in Walhall fieht nach D. 39 der Baum Lärad, den
wir fon als den Wipfel von Yggdraſil erkannt haben. Aehnlich ift es,
wenn nad Wölfungafage Cap. 2 König Wald, der für einen Urenfel
Odins galt, ſich einen ftattlihen Saal bauen ließ, in defien Mitte eine
Eiche ftand, deren Zweige weit über das Dach des Saales reichten, wäh:
vend die Wurzeln tief unter den Saal giengen. Diefen Baum nannten
fie Kinderftamm, was uns ſchon an ben Glauben erinnert hat, daß die
Kinder aus den Bäumen kämen. Nach Grimnism. 25.26 fteht aber jener
Baum Lärad vor Heervaterd Saal, und dann verglihe er ſich
dem unbelannten, immergrünen Baum, ber nad Adam von Bremen IV,
26. Schol. 134 vor dem Tempel zu Upfala in Schweden unweit der
Quelle ftand, bei welcher Menfhenopfer zu fallen pflegten.
Noch ift des Haind Glafir zu gedenken, der aus Klopſtods Oden
(als Glafor) befannter ift ald aus der Edda. Die Meldung über ihn
fteht Skaldek. c. 34: „In Asgard vor dem Thor Walhalls ſteht ein
Hain Glafir genannt, defien Blätter aus rothem Golve beftehen, wie biefe
Heilen bezeugen:
Glafir ſteht mit golbnem Laub
Bor Sigtyrs Saal.
Es ift das fchönfte Holz unter Menſchen und Göttern.’
6. Bon Thrymbeim war ©. 46 jhon die Rede; die bezüglidhe
Stelle lautet:
Thrymheim Heißt die fechfte, wo Thiaffi hauſte,
Jener mächtige Jote.
Nun bewohnt Skadi, bie ſcheue Götterbraut,
Des Baters alte Veſte.
Die ſechs folgenden Götterhallen zählen wir nur auf mit Angabe der
Gottheit, welcher fie gehören:
7. Breidablid: Baldur. 8. Himinbiödrg: Heimdall. 9. Folk
wang: Freyja. 10. Glitnir: Forſeti. 11. Noatun: Niörbr. 12,
Landwidi: Wider.
[2-2 thieraten 4
So heißt es Grimnismal 12—17:
Die fiebente it Breibablid: da hat Baldur fi
Die Halle erhöht,
Im jener Gegend, wo ich der Grenel
Die wenigften lauſchen weiß.
Himimbiörg if die achte, wo Heimdall foll
Der Weiheftatt walten.
Da trinkt der Wächter der Götter in wonnigem Haufe
Gelig den füßen Meth.
Foltwang iſt die neunte: ba hat Freyja Gewalt
Die Sitze zu ordnen im Saal.
Der Walſtatt Hälfte Hat fie täglich zu wählen;
Odin hat die andre Hälfte.
Glitnir ift bie zehnte: auf goldnen Säulen ruht
Des Saales Silberdach.
Da thront Forſeti den langen Tag
und ſchlichtet allen Streit.
Roatun if bie eilfte: ba hat Njördr
Sich den Saal erbaut. ’
Ohne Mein und Makel der Männerfürft
Waltet hohen Haufes.
Mit Gefträud begrünt fih und hohem Gras
BWidars Landwibi,
Da fleigt der Sohn vom Sattel der Mähre
Den Bater zu rächen bereit.
Da diefe zwölf Himmelsburgen oder Götterwohnungen weder die
Stühle der zwölf richtenden und rathenden Götter find, noch überhaupt
den höchften Gottheiten angehören, indem Tyr fehlt, und wenn die Aufs
Hblung erſt mit Str. 5 begann, auch Thoͤr fehlen würde, deſſen Saal
Bilſtirnit erft Str. 24 gelegentli erwähnt, unter jenen zwölfen aber nicht
mitgegählt wird, wie auch Frigg und ihr Pallaſt Fenſal, ven wir aus D.
35 fennen, vergeben iſt, fo mörhte Finn Magnufens Anfiht, daß diefe
eölf Gottheiten Monatögötter feien, und ihre Himmelöburgen, bie er
Sonnenhaͤuſer nennt, die zwölf Zeichen des Thierkreiſes bedeuten, einer
wuen Prüfung zu unterwerfen fein. Folgendes könnte zunähft für feine
Ant zu ſprechen ſcheinen:
Sumzst, Aykelogie 4 y
bo Stmmel. 8.8.
1. Das Jahr beginnt mit dem Winter, wie der Tag mit der Nadıt:
der erfte der zwölf Monatögötter, in deſſen Sonnenhaus Ydalir die Sonne
am 22. November tritt, wäre alfo ver mwinterlihe Uller, der zweite aber
Freyr, der Sonnengott, deſſen Geburt in die Winterfonnenwende fiele, wie
wirklich Freyrs Feſt zur Julzeit begangen ward und die Norbländer das
Jahr mit Ullers Monat, wie wir das Kirhenjahr mit dem Aovent, be:
gannen. Vgl. $. 145. Mit ver obigen Anfiht, wonach Freyr und Alf:
beim bier ausfallen müften, ift dieß freilich nicht zu vereinigen.
2. Der fiebente Monatögott wäre hiernach Baldur, deſſen Sonnen:
haus Breidablid die Sonne am 21. Juni, alfo zur Sommerſonnenwende,
wieder verließe, was zu dem Mythus von Balbur ftimmen würde, wenn
wir ihn als Lichtgott auffapen und unter feinem Tode die Neige des
Lichtes verftehen.
22. Drei Himmel.
Die neun Himmel, welche Staloflaparmal Cap. 75 aufzählt, halte
ich nad) Vergleihung von Cap. 56 nur für dichteriſche Bezeichnungen,
welchen mythiſcher Gehalt abgeht. Nur zwei derſelben, Andlangr und
Bidbläin, welche nah D. 17 über Asgard belegen find, dürften im Volle:
glauben begründet fein, welcher hiernad drei Himmel angenommen hätte.
Auch der Glasberg ($. 52. 67), melcher in deutſchen Märden vortommt,
ſcheint als ein Aufenthalt der Seelen zu fapen. Myth. 781. 796. Som:
mer99,. Mannhardt GM. 330 ff.
Die goldene Zeit und die Unfchuld der Götter.
23. Goldalter.
Bon einer verlorenen golvenen Zeit ift in ber Edda mit nahem
Bezug auf die Unſchuld der Götter die Rede. Als nämlich die Götter
Sonne und Mond ihren Sig angewieſen, den Sternen ihren Lauf beftimmt,
der Naht und dem Neumond Namen gegeben und bie Zeiten geordnet
batten, Wöl. 6, verfammelten fie fi auf dem Idaſelde
9. Gelwärfel. 5
Haus und Heiligthum hoch fich zu mwölben.
Sie bauten Eſſen und ſchmiedeten Erz,
Scufen Zangen und ſchön Gezäh.
8. Sie warfen im Hofe heiter mit Würfeln
Und darbten goldener Dinge noch nicht.
Bis drei ber Thurjen- töchter famen,
Reich an Macht, aus Riefenheim
Unmittelbar bierauf folgt nun vie ſchon ermähnte Schöpfung der
Iwerge. Man vergleihe nun den entſprechenden Bericht in D. 14.
Nachdem auf dem Idafelde Gladsheim und Wingolf erbaut waren, er⸗
Rees mit den zwölf Stühlen ber richtenden und rathenden Götter, legten
die Götter Schmiebeöfen an und machten fih dazu Hammer, Bange und
Ambop, und hernach damit alles andere Werkgeräthe. Demnaͤchſt ver:
arbeiteten fie &xz, Geftein und Holz, und eine fo große Menge des Erzes,
das Geld genannt wird, daß fie alles Gaußgeräthe von Gold hatten.
Und diefe Zeit heißt das Goldalter: es verſchwand aber bei der Ankunft
gewifler Frauen, die aus Jötunheim kamen. Darnach jehten fi die
Götter auf ihre Hochfige und bielten Rath und Gericht — wer ſchaffen
folte der Zwerge Geſchlecht u. |. w.
Daß die Götter ald Schmiede, als Goloſchmiede namentlich, aufge
faßt wurden, davon findet fi aud in Deutfchland eine Spur in dem von
&ttmäller herauögegebenen St. Oswaldes Leben, mo biefer einen Hirſch
von zwölf Goldſchmieden mit Gold beveden läßt, mit deſſen Hülfe er au
die fhöne Pamige (Jungfrau Spange) entführt. Cs fällt aber ſchwer,
der jüngern Edda zu glauben, daß bie goldene Zeit von dem goldenen
Hauögeräthe der Götter ven Ramen habe; eher könnte es darnach ger
nannt fein, daß die Götter im Hofe heiter mit Würfeln fpielten, die Gier
des Goldes aber noch nicht kannten. Diefe Würfel waren golden, denn
find wohl diefelben, von welchen es hernach bei der Wiebergeburt ber
Belt und der Götter Str. 60 heißt:
Da werden ſich wieder die wunderfamen
Goldenen Scheiben im Grafe finden,
Die in Urzeiten die Afen hatten zc.
Bielleicht waren es biefe goldenen Scheiben oder Würfel, welche D.
14 unter dem golbenen Saußgeräthe der Götter verfteht; aber nicht von
ihm, fondern von dem unfchuldigen Spiel der Götter mit denfelben, bei
dem fie noch von feiner Goldgier waften, mächten wir das Golbalter bes
52 Gallweig. 6. 24.
nannt glauben, denn die goldene Zeit verſchwand, wie man treffend geſagt
hat, als das Gold erfunden ward. Es iſt daher nicht bedeutungslos,
daß nach beiden Berichten nun die Schöpfung ber Zwerge folgt, denn fie
find es, welche das Gold aus der Erde fhürfen, und ald die Götter die
Zwerge ſchuſen, da kannten fie ſchon die Gier des Goldes und bie gols
dene Zeit war vorüber... Aud das hat guten Grund, daß die goldene
Zeit mit der Ankunft der drei Thurfentöchter aus Niefenheim zu Ende
geht, denn ed find die Nornen, die Beitgöttinnen: die Beit kann erft nach
dem Golvalter beginnen, dieß liegt aller Zeit vorauf: dem Glüdfichen
ſchlägt keine Stunde.
24. Gullweig, Heid.
Daß durch das Gold das Böfe in die Welt gelommen ſei, alſo die
Unſchuld verloren gieng, ſagt auch eine andere Stelle der Wölufpa, frei⸗
lich eine ſehr beftrittene :
2. Da wurde Mord in ber Welt zuerfl,
Da fie wit Gabeln die Goldftufe (Gullweig) fließen,
In des Hohen Halle die helle brannten.
Dreimal verbrannt ift fie breimal geboren,
Oft, unfelten, doch lebt fie noch.
26. Heid hieß man fie wohin fie kam,
Wohlrebende Wala wandte fie Zauber au.
Sudkunft Tonnte fie, Sudkunſt übte fie,
Uebeler Leute Liebling allezeit.
27. Da giengen die Berather zu ben Richterftühlen,
Sochheilge Götter hielten Rath,
Ob die Aſen follten Untreue ſtrafen,
Oder Sühnopfer all empfahn.
Als das von den Zwergen aus der Erde geſchurfte Gold gebrannt
und in der hoben Halle geſchmolzen ward, da kam zuerſt das Boͤſe in
die Welt. In Gulweig heißt die erfte Sylbe Gold, die zweite bald Stoff,
bald ein Getränf von berauſchender Kraft: gemeint ſcheint bie Goldſtufe
ehe fie geſchmolzen, von Schladen gereinigt iſt; fpäterhin führt fie den
Namen Heid, welches fonft Art und Eigenſchaft beveutet, bier aber in
dem Sinne von Werth, Vermögen, Geld und Gut genommen ift. Sowohl
Gullweig als Heid fehen wir aber perfonificiert und es wird fo audger
NM Urfgrung des Böfen. 58
drüdt, ald würde der Mord an Gullweig felber veräbt, als man fie mit
Gabeln ftieß und brannte. Daß dieß aber nur poetiſcher Ausdrud ift,
und der bier gemeinte Morb die Sünde ift, welche dur das Gold in
die Welt kommt, geht daraus hervor, daß fie dreimal gebrannt und
dreimal wiedergeboren wirb, wobei au die Zahl drei feine genaue fein
fol, da binzugefegt wird: ‚oft, umfelten, doch lebt fie'noch.‘ Durch das
Schmelzen wird das Gold nur von Schladen gereinigt, nicht aufgezehrt.
Bern fie darauf unter dem Namen Heid als Zauberin umber zieht, die
den Sinn der Menſchen bethört, denn das thut dad Gold (auri sacra
fames), fo legt ihr der Dichter auch die Attribute der Zauberinnen bei,
die Sudkunſt, d.h. den aus dem Macbeth befannten Hexenleßel. Da jo
die Heid die Erz: und Urzauberin ift, fo führen ihren Namen in fpätern
Sagen zauberfunbige Riefentöchter, weiſe Frauen und Wahrfagerinnen.
Millenhofi Zur Runenlehre 47. Freilich hat man unter Gullweig oder
Heid, weil fie fih ‚Wala’ nennt, ‚Weißagerin‘, was alle Zauberinnen zu
fin pflegen, vie Seherin felber verftehen wollen, welder das Lied von
der Wölufpa in den Mund gelegt ift. Auch Müllenhoff a. a. D. ſtimmt
diefer Deutung bei, obgleich er die Meinung des Mythus, daß duch das
Gold das Böfe in die Welt gelommen fei, ausdrüdlich anerkennt. Für
feine Anſicht beruft er fih auf MWöl. 23:
Ihr gab Heervater Halsband und Ringe,
Goldene Sprüde nnd fpähenden Sinn,
wo ihm aber die Worte fespiöll spaklig og spägands fagen, daß bie
Seherin von Odin mit Mugem Geldwort (fespiöll) und der Kunft die
Geftalt zu wechſeln, begabt worben fei. Dieß zugeltanden ſcheint mir doch
die Seherin in den Strophen von Gullweig und Heid nicht von fi fels
ber zu ſprechen. Würde fie fi den Liebling übler Leute nennen, und
das Gold für fo verderblich anfehen, daß fie von ihm den Urfprung bes
Böfen herleitet, — da Lam zuerft der Mord in die Welt — wenn fie
felber Gullweig und Heid wäre?
Unfere im Ganzen mit Müllenhofjs Anfiht ftimmende Deutung
ſcheint aud die folgende Strophe zu beftätigen; denn da ſehen ſich bie
Götter auf ihre Richterftühle und berathen, ob die Aſen Berrath be
Rrafen oder Gühnopfer annehmen follen. Ehe das Böfe in ber Welt
war, konnte eine folhe Frage keinen Sinn haben; jept da die Unſchuld
verloren, der Mord in die Welt gelommert iſt, wird gefragt, ob er durch
Opfer folle gefühnt werden Lönmen.
54 Erker Aries. 92%.
Die Worte: ‚da wurde Mord in der Welt zuerſt', Tehren aber in
der folgenden Str. ver Wöl. zurüd:
28. Gebroden war der Aſen Burgmall,
Schlachtlundge Wanen ftampften das Feld.
Odin fhleuberte über das Volk den Spieß:
Da wurde Mord in ber Welt znerfl.
Alfo aud der erfte Krieg kam duch das Gold in bie Welt, und
zwar muß jener Wanentrieg gemeint fein, welcher nah D. 23. 57 durch
den Friedensſchluß beendigt wurde, der den Niörbhr mit feinen Kindern
Freyr und Freyja als Geifel zu den Afen brachte. Daß durch das Golb
die goldene Zeit verloren gieng, ift in dem Mythus vom Frodisfrieden,
von welchem $. 100 gehandelt wird, noch einmal ausgebrüdt, und in der
Helvenfage kehrt derfelbe Grundgedanke bei dem Niflungenhort zurüd,
welder dem Zwerg Anbivari bis auf den legten Golbring abgenommen wurde,
der den Schag zu mehren und fo den Berluft zu erfegen die Kraft ge:
habt hätte. Da legte der Zwerg ven Fluch auf das Gold, der allen
feinen fpätern Befigern den Untergang brachte.
In der Reihe der Creigniffe, welche die Geſchide der Welt und der
Götter betreffen, follte mun jener Wanenkrieg folgen; da wir aber feine
Veranlaßung nicht genauer Tennen und nichts weiter von ihm wißen,
als etwa noch die Art und Weife, wie der Frieden geflogen ward und
die Vebingungen, unter welden er zu Stande fam, mas beßer an einer
andern Stelle ($. 59) abgehandelt wird, fo mag hier feine Erwähnung
genügen. Nur mag id die Vermuthung nicht ganz unterbrüden, daß
vielleicht aud hierin ein Anfang des einreißenden Verderbens angedeutet
ift, denn diefe Götter des Gemüths und der ſinnlichen Begierden, die in
der wiebergeborenen, von Flammen gereinigten Welt keine Stelle finden,
tönnten als der Gemeinſchaſt der Aſen, die der Friedensſchluß ihnen er:
warb, untürbig gedacht fein.
25. Mythus von Swadilfari.
Der Friede zwiſchen Aſen und Wanen ift zwar zu Stande gekommen
und biefer Gegenfag außgeglichen ; aber ein anderer Gegenſah liegt tiefer,
der zwiſchen Göttern und Niefen, zwiſchen guten und boͤſen Mächten :
unter dieſen wird immer Arieg fein, er lann durch feinen Friedensſchluß
beigelegt werben. Diefer Kampf müfte ſich aber zu Gunften der Götter
23 ↄvaduſari 55
entfheiden, wenn dieſe nicht jelber fündig geworben wären, nicht auch fie
ſchon die Habgier befledt hätte. Doch auch unter ihnen fheint nun das
Beſe noch weiter um fi zu greifen, va nad den folgenden Strophen
die Götter felbft ihre Eide und Schmwüre nicht mehr adıten:
39. Da giengen die Berater zu den Kicterftühfen,
Hochheilge Götter hielten Rath,
Wer mit Frevel hätte die Luft erfüllt,
Der den Riefen Odurs Braut gegeben ?
20. Bon Zorn bezwungen zögerte Thör nicht,
Er fäumt felten wo er Solches vernimmt:
Da ſchwanden die Eide, Wort und Schwure,
Ale feſten Verträge jungſt trefflich erdacht.
Das bier mit rathſelhaften Worten berührte Ereignifs wird D. 42
ausfährlid) erzählt: Als die Götter Midgard erſchaffen und Walhall ges
baut hatten, kam ein Baumeifter (smidhr) und erbot fih, eine Burg zu
erbauen in drei Halbjahren, die den Göttern zum Schup und Schirm
imäre wiber Bergriefen und Hrimthurfen, wenn fie glei über Midgard
eindrängen. ber er bebingte fi das zum Lohn, daß er Fteyja haben
ſollte und dazu Some und Mond. Da traten die Afen zufammen und
giengen den Kauf ein mit dem Baumeifter, daß er haben follte was er
anfpräde, wenn er in Ginem Winter die Burg fertig brädte; wenn aber
am erfien Sommertag noch irgend ein Ding an der Burg unvollenbet
wäre, fo follte er des Lohns entrathen; auch dürfte er don Niemanden bei
dem Werke Hülfe empfangen. Als fie ihm dieſe Bedingung fagten, ver«
langte er von ihnen, daß fle ihm erlauben follten, ſich der Hülfe feines
Blerdes Swadilfati zu bedienen; und Loki rieth dazu, daß ihm dieſes
iugefagt wurde. Da griff er am erften Wintertag dazu, die Burg
zu bauen und führte in der Nacht die Steine mit dem Pferde
berbei. Die Aſen dauchte es groß Wunder, tie gewaltige Felſen das
Bierd herbeizog, und noch halbmal jo viel Arbeit werrichtete das Pferd
als der Baumeifter. Der Kauf war aber mit vielen Zeugen und ftarten
Eiden bekräftigt worden, denn ohne folden Frieden hätten ſich die Jötune
bei den Aſen nicht fiher geglaubt, merm Thör heimtäme, der damals
nach Dften gezogen war, Unholde zu ſchlagen. Als der Winter zu Ende
gieng, ward der Bau der Burg fehr beſchleunigt, und ſchon war fie fo
hoch und Rark, daß ihr kein Angriff mehr ſchaden mochte. Und ald noch
drei Tage blieben biß zum Sommer, war e3 ſchon bis zum Burgihor
56 endrch 3.
gelommen. Da fepten fih die Götter auf ihre Richterſtühle und hielten
Rath, und Einer fragte den Andern, wer bazu gerathen hätte, Freyja
nad Jotunheim zu vergeben und Luft und Himmel fo zu verderben, daß
Sonne und Mond hinweggenommen und den Sötunen gegeben werten
follten. Da tamen fie Alle überein, baß der dazu geraihen haben werde,
der zu allem Böfen rathe: Lofi, Laufeyja Sohn, und fagten, er follte
eines übeln Todes fein, wenn er nicht Rath fände, den Baumeifter um
feinen Lohn zu bringen. Und als fie dem Loki zufehten, warb er bange
vor ihnen und ſchwur Give, er mollte es fo einrichten, daß der Baus
meifter um feinen Lohn käme, was es ihm auch koſten möchte Und
denſelben Abend, als der Baumeifter nach Steinen ausfuhr mit feinem
Roſſe Smwadilfari, da lief eine Etute aus dem Walde dem Roffe entgegen
und wieherte ihm zu. Und als der Hengſt merkte, was Roſſes dad mar,
da warb er wild, zerriß die Stride und lief der Mähre nad, und die
Mäphre voran zum Walde und der Baumeifter dem Hengſte nad, ihn zu
fangen. Und dieſe Roſſe liefen die ganze Naht umber, und warb biefe
Nacht das Werk verfäumt und am Tage barauf warb dann nicht gears
beitet wie fonft gefhehen war. Und als der Meifter fah, daß das Wert
nicht zu Ende fommen möge, dba gerieth er im Rieſenzorn. Die Afen
aber, die nun für gemifs erkannten, daß es ein Bergriefe war, ber zu
ihnen gelommen, achteten ihrer Eide nicht mehr und riefen zu Thor,
und im Augenblid lam er und bob auch glei feinen Hammer Miölnir
und bezahlte mit ihm den Baulohn, nit mit Sonne und Mond; vielr
mehr vermehrte er ihm das Bauen aud in Jötunheim, denn mit dem
erſten Streich zerſchmetterte er ihm den Hirnſchädel in Meine Stüde und
fandte ihn hinab gen Nifihel. Loli felbft war ala Stute dem Swabilfari ber
gegnet und einige Zeit nachher gebar er ein Füllen, das war grau und
batte acht Füße, und ift dieß Odins Roſs Sleipnir, der Pferde beftes bei
Menſchen und Göttern.
Bergleihen wir diefe Stellen, fo genügen fie beide nicht völlig.
Jene wird durch biefe ergänzt aber nicht ganz befriedigend erläutert. Der
Ergänzung bedurfte die Darftellung in Wol. 29. 30: daß fie am An
fang lüdenhaft ift, gewahrt man auf den erften Blid, und bie vorher⸗
gehende Str. 28 hilft dem nicht ab, da fie vom Wan en kriege ſpricht,
durch deſſen Beilegung erft Freyja zu den Aſen am, um beren Befip es
fich Hier zwiſchen Afen und Riefen handel. Was uns buntel bleibt,
if, worin die Schuld der Götter beftehen fol, die in beiven Gtellen eid ⸗
“26. Zul der Götter. 57
brüdig heißen. Cine Schuld müßen fie wohl auf fih geladen haben,
beide Berichte ſtimmen darin überein ; auch wäre fonft ihr Untergang im
legten Welttampf nicht erforderlich, eine Läuterung und Reinigung durch
den Weltbrand würden fie nicht zu bedürfen feinen. Worin aber diefe
Schuld beftehe, erfahren wir nit; wie die jüngere Edda den Hergang
berichtet, ſcheint die Götter feine Schuld zu treffen, obgleih es aud in
ihr heißt, fie hätten ihrer Eide nicht mehr geachtet und den Thor herr
beigerufen, der den Baulohn mit dem Hammer bezahlte. Als fie dieß
thaten, war es aber ſchon Mar, daß der Baumeifter innerhalb der verab:
tedeten Friſt den Bau nicht mehr zu Stande bringen Tonnte, mithin waren
ihm die Götter zu feiner Gegenleiftung verpflihtet. Oper foll fhon in
der Lift, deren fih Loki bedient, um dem Baumeifter die Vollendung des
Baus zur verabredeten Zeit unmöglich zu machen, ein Unrecht der Götter
liegen? Wie es fi damit verhalte, die Abſicht, die Götter als ſchuldig
darzuftellen, ift in beiden Darftellungen deutlich, am deutlichſten freilich
in der Wölufpa, die vielleicht eine andere Faßung der Grzählung im
Sinne hatte,
26. Nachklänge in den Sagen,
Betrachten wir den Mythus für fih, von feinem Bufammenhang
mit dem Ganzen des Götterepos abgejehen, fo bewahren vielfältige Nadı:
Mänge vesfelben in nordiſchen und deutſchen Sagen noch einzelne Züge,
die fein Berftänbnifs vorbereiten. Statt des Rieſen erſcheint in ihnen bald
ein Troll, ein Schrat, ein Zwerg, bald wie in der Kölner Domfage der
Teufel, wie denn das Bolt auch colofiale Bauten des Altertfums, melde
die Griehen den Eyclopen, unfere Väter Riefen oder Hünen zufchrieben,
auf den Teufel zu beziehen pflegt. M. 500. Unfern Baumeifter nennt
die Edda einen Schmied, weil dieß Wort in der alten Sprache einen
Künftler überhaupt bedeutet. Das Schmieden felbft, einſt bei dem Aus ⸗
bau der Welt das Geichäft der Götter, ift fonft den Zwergen überlaßen;
Ausnohmen, welhe M. 514 anführt, begegnen in der Helbenfage. Ger
wohnlich fol mun in den Sagen der Bau in einer Naht, wie in dem
Rythus in Einem Halbjahr, vollbracht werben, fonft ift bie verpfänbete
Seele des Bauern frei. Diefe ift alfo an die Stelle von Sonne, Mond
und Fteyja getreten. Auch bier vereitelt eine Lift bes Baumeifterd Ans
Khlag, denn da mit dem erften Hahnenſchrei der neue Tag anbrechen fol
(ogl. ſchon $. 20 Schluß) und der Hahnenkrat im Vertrage ausbrüdlih
58 Hahnenhrat. %. 26.
als Biel benannt ift, fo wird diefer am Morgen, da dad Werk faft zu
Gnde geführt if, von dem Bauern nachgeahmt, worauf fogleih alle Hahnen
in der Nachbarſchaft erfrähen und die Wette für den Baumeifter verloren
iſt. Ein andermal foll ver Teufel die Seele deſſen haben, ver zuerft
über die Brüde geht, welche er zu bauen verfprohen hat: es wird aber
ein Hahn oder ein Bod zuerft hinüber getrieben; fo auf der Brüde zu
Frankfurt: a. M., wo noch der Hahn zum Wahrzeichen fteht; in Achen
aber war es eine Kirche, von deren Bau es ſich handelte, und ver Teufel
wird mit einem Wolfe abgefunden, veilen Haupt jept gleichfalls zum
Wahrzeichen dienen muß. Bei Kirchenbauten begegnet der Bug, daß ber
geprellte böfe Geift, ver erft fpät die Beftimmung des Gebäudes erfennt,
das er wohl für ein Wirthshaus hielt, den lehten noch fehlenden Stein
nad dem Bau ſchleudert, um ihn zu zertrümmern; ex erreicht aber fein
Biel nicht und liegt nun aud wie in Trier zum Wahrzeichen bei der
Kirche. Nicht felten findet ſich auch die Nebenverabrevung, daß bie dem
Unhold verpfändete Seele frei fein folle, wen ver Name des Baumeifters
errathen werde ; diefer pflegt dann fehr feltfam zu lauten, z. B. Rumpel ⸗
ſtilzchen KM. 55, Holzrührlein Harris I, 18, Zirtzirk Kuhn W. ©. 299
uf. w. In der Edda iſt diefer Name vergehen ; wir erfahren ihn aber
aus ber norwegifhen Sage vom König Olaf, M. 515, in abweichenden
aber gleichbeveutenden Formen, wie die Sage felbfi verſchieden erzählt
wird, Auch bier war es eine Kirche, welche ver Rieſe (Troll) dem Könige
bauen follte, fo groß zwar, daß fieben Priefter auf einmal darin prebigen
tönnten ohne einander zu ftören; zum Lohn hatte er fih Sonne und
Mond oder ben heil. Dlaf felbft ausbedungen. As nur Dad und Epige
noch fehlen, wandelt Dlaf über ven beventlihen Handel befümmert durch
Berg und Thal; auf einmal hört er in einem Berg ein Kind weinen,
und eine Riefenfran ftillt es mit den Worten: Ziſs, ziſs! morgen kommt
vein Bater Wind und Wetter und bringt Sonne und Mond ober
den heiligen Olaf feloft! Erfteut über dieſe Entdedung kehrt Dlaf heim
und findet die Spige eben aufgefegt. Da ruft Olaf: Vind och Veder!
du har satt spiran sneder! Wind und Wetter, du haft die Gpige
ſchief gefegt, oder nach der abweichenden Grzählung, wo der Niefe
Bläfter (Bläfer) hieß, foll Dlaf gerufen haben: Bläster, sätt spiran
väster! Bläfter! fee die Spige nah Weſten u. |. w. Jene ven Ramen
des Niefen betzefiende Nebenverabredung war hier nicht getroffen, dennoch
(denn mit des böjen Geiftes Namen, fagt Grimm, vernichtet man feine
497. Ionue und Mond. 59
Baht: er ift wie ein Rachtwandler, der herabftürzt, wenn man ihm mit
feinem Ramen anruft) fiel der Riefe mit erſchredlichem Krach von dem
Kamm der Kirche herab und zerbrad in viele Stüde. Diefe norwegiſche
Sage fteht der eddiſchen noch näher, zeigt aber ſchon den Uebergang zw
den beutfchen. Odins achtfüßiges Roſs kennt noch die Tyroler Sage,
Alpenburg 54, Vernalelen 83 und die fiebenbürgifche Haltrich. Vollsmar ⸗
chen. Berlin 1856. 49.101. Es hat an jeder Seite zwei Paar Beine wie es
der gotländifche Runenftein abbilvet: Annaler 1853 Taf. VI. Sonſt wird es
ner als hellglänzender Schimmel beſchrieben. Müllenhoff R.136. 138,
Kuhn W. ©. Nr. 32. Uebrigens find nicht alle deutſche Baufagen, in
meiden der Teufel auftritt, auf unſern Mythus zurüd zu führen. Sollte
ein Bau Feftigteit haben, fo mufte vorher den Göttern geopfert werben ;
hieraus find gleichfalls Sagen entiprungen mie z. B. jene vom Münfter
m Straßburg, die man aus A. v. Arnims Gedichte lennt. Rheinſagen
5. Aufl. S. 348.
37. Deutung.
In des Baumeifterd Namen Wind und Wetter, Bläfer,
die er in ber fpätern Erzählung noch führt, ift uns über fein Weſen
Aufihlup gegeben. Cr ift der Winter felbft, von dem wir ſchon wißen, ‚
daß fein Bater Windſwalr, Windtühl hieß und den Riefen angehörte.
Sein Pferd Swadilfari (Eisführer) wird den Norbwind beveuten, wie
fein anderer Rame Bläfter ihn felbjt als den Blaſer bezeichnet. Inſofern
der Bau ben Reifs oder Winterriefen als ein Bollwerk entgegengethürmt
werben foll, bedeutet er nicht bie Woltenburg wie Schwarz, Urfprung der
Motholegie 16 annimmt, fondern die winterliche Schnee: und Eisdedce,
unter welcher die Erde und die ihr anvertraute Hoffnung des Landımanms
vor dem Winterfrofte geborgen ift. Wenn aber diefer Bau vollendet und
durch das Burgthor auf immer abgefhloßen würde, und nun nod Sonne
und Mond und die fchöne Frepja, die warme Jahreszeit, hinweggegeben
werben müften, fo wäre, was bier ald Schup und Schirm gedacht war,
das Verderben der Welt und ber Götter: Nacht und Winter herſchten
dann ewig auf ber erſtarrten finftern Erbe. Lofi, der auch in andern
Mythen als Feind der Götter erfheint, hat zu folh einem Vertrage ger
tathen; aber von den Göttern, die endlich zur Einſicht feiner Verderblich-⸗
leit gelommen find, bedroht, muß er felbft dazu helfen, daß er nicht erfüllt
werde. Er erfinnt num eine neue Lift, und verwandelt fi in eine
60 Windrofe. 8. 27.
Stute, jenem Hengſt entſprechend. Da wir den Hengſt ald Rorbieind
begriffen haben, fo muß die Stute gleichfalls als ein Wind, und zwar
als ein ſüdlicher, aufgefaht werben. Indem nun bie beiben Pferde fi
nadlaufend im Walde bin: und berrennen, ftellen fie den Wedhfel und
Wandel der Winde beim Anbruch des Frühjahr? dar. An dem Niefen-
zone, der den Baumeifter ergreift, ald er fieht, daß feine Arbeit wergebr
lich iſt, erfennen num die Götter erft Har, daß der Werkmeifter, der ihnen
gegen bie Niefen eine Burg erbauen follte, felbft Einer ihrer Feinde,
der Riefen if. Da rufen fie zu Thor, der bisher abweſend war, denn
als fommerliher Gott der Gewitter konnte er bei dem Bau, der im
Winter vorgenommen ward, nicht zugegen fein; jet aber, da nur noch
wenige Tage bis zum Sommer übrig find, ift Thör in ver Nähe und
bezahlt mit feinem Hammer, dem Blipftral, den Baulohn: das erite Ger
toitter fprengt das Wintereis. Vgl. Uhland, Mythus des Thör, ©. 105 fi.
So weit dürfen wir den Mythus in Gebanten auflöfen; mehr ins
Einzelne zu gehen, ſcheint mir nicht räthlih. Odins windſchnelles Roſs
von zwei Winden erzeugen laßen, ift eine anſprechende Dichtung, au
wenn man bei feinen acht Füßen nicht an die acht Hauptwinde der Wind-
roſe denkt; die Verdoppelung der Zahl dient wohl nur, die Schnelligkeit
des Roſſes zu fteigern. Was feine grame farbe betrifft, fo hat man
auch fie von feiner Abftammung hergeleitet, indem man ben ſüdlichen
Gluthwind ſchwarz fein ließ wie der Rauch, den Rordwind aber
weiß wie der Schnee, den er daherjagt. Aber die graue Farbe fteht
bier vielleicht nur für die weiße, zumal im der beutjchen Weberlieferung
Dvin als ‚Schimmelreiter‘ zu erſcheinen pflegt. Indem aber der fturms
ſchnaubende Winterriefe ala Bläfer und zugleih ald Baumeifter
aufgeführt wird erinnern wir und der Harfe Amphions, deren Klang
das fiebenthorige Theben erbaute, was nah Schwarz a. a. D. gleicher
Deutung unterliegt.
Weitere Einbußen der Götter.
28. Thrymokwida. Deutung.
Mu dem Ablauf der goldenen Zeit und bem Verluſt der Unſchuld
fällt wohl die Beugung jener Ungethüme zufammen, von deren Feßelung
erſt im naͤchſten Abſchnitt die Rede fein kann; bier foll erſt noch von
andern Ginbußen der Götter gehandelt werben, von welchen ſich aber er
geben wirb, daß fie fpäterer Zudichtung angehören, wenigſtens auf die
Geſchide der Welt und der Götter urfprünglic leinen Bezug hatten, wie
dad auch ſchon von dem eben betradteten Mythus von Swabilfari gilt,
welchen wohl erft die Wölufpa auf das große Weltenjahr bezog, da feine
Erwägung ergeben hat, daß er von dem gewöhnlichen Sonnenjahr handelt.
Noch ein andermal verfuhten die Riefen fih in den Befig Freyjas
su fegen. Doch mochte es ihnen auch bier nicht fowohl darum zu thun
fein, fie für ſich felber zu erwerben, als vielmehr fie den Göttern und
fomit ver Welt zu entziehen. In ver Thrymskwida freilich, melde
diefen Verſuch darfiellt, konnte diefe neidiſche Abfiht der Niefen nicht
hervortreten: in diefem jchönften Gedichte der poetiſchen Edda ift der
natte Gedanle dichteriſch überkleivet, er hat Hleifh und Blut befommen,
Riefen und Götter find vermenſchlicht, und fo ſcheint es dem Riefen zu
feinem vollen Glüd nur an dem Befig der fhönen Göttin zu fehlen:
24. Anhob da Thrym, ber Thurjenfürft:
‚Auf ſteht, ihr Riefen, beftreut die Bänke,
Und bringet Freyja zur Braut mir baber,
Die Tochter Nidrdhs aus Noatun.
25. Heimfehren mit gofdnen Hörnern bie Kühe,
Rabenfhwarze Rinder dem Riefen zur Luſt.
Biel ſchau ich der Schäße, bes Schmudes viel;
Fehlte nur Freyja zur Frau mir noch.“
Der Donnergott vermiſste naͤmlich einſt beim Erwachen feinen Ham ⸗
mer, das Symbol des Bliges, und klagte es dem Loki. Sie bitten bie
Freyja um ihr Federgewand, mit dem Lofi zur Riefenwelt fliegt. Thrym,
der Riefenfürft, figt da auf dem Hügel, fhmüdt feine Hunde mit golbnem
62 Tprymskwide. 8.28.
Halsband und ftrält den Roffen die Mähnen zurecht. Auf Lokis Frage
betennt er, Thoͤrs Hammer entwandt und acht Raſten tief unter der Erde
verborgen zu haben:
‚Und wieber erwerben fürwahr foll ihn Keiner,
Er brächte denn Freyia zur Braut mir daher.‘
Mit diefem Beſcheid kehrt Loli zu Thör zurüd. Zwar wäre der
Donnergott nach der Darftellung des Dichters nicht abgeneigt, in Freyjas
Hingabe zu willigen; aber fhon die Zumuthung erregt den heftigfen
Untoillen der Göttin:
15. Wild warb Freyja, fie fauchte vor Wuth,
Die ganze Halle ber Götter erbebte;
Der fchimmernde Halsſchmuck ſchoß ihr zur Erde:
‚Mich mannstoll meinen möchte du wohl,
Neiften wir beide gen Riejenheim.‘
Da halten die Götter Rath, und Heimdall, ‚ver weife war den
Banen gleich‘, erfinnt dießmal die Lift, welche Loki nur ausführen hilft.
Wor fol als Freyja verkleidet dem Niefen zugeführt werden und Lofi
als feine Magd ihn begleiten. Thör fürdtet zwar von den Afen weibiſch
geſcholten zu werben, wenn er fi dad bräutlihe Sinnen anlegte; als
aber Loli erinnert, die Niefen würden bald Asgard bewohnen, wenn er
feinen Hammer nicht heimbolte, willigt er in ben Anfchlag.
21. Das bräutlihe Linnen legten dem Thor fie an,
Ihn ſchmuckte das ſchöne, ſchimmernde Halsband.
Auch fieß er erflingen Gellirr der Schlüßel
Unb weiblid; Gewand umwallte fein Knie. ,
Es blinfte die Bruf ihm von bligenden Steinen
Und hoc umhüllte der Schleier fein Haupt.
22. Da ſprach Loki, Laufehjas Sohn:
‚Run muß id mit bir als deine Magd;
Wir beide wir reifen gen Rieſenheim.
Es folgen die zuerft außgehobenen Zeilen, mo der Niefe ſich feines
Neihthums freut und fein Glüd preift, das der Befig Freyjas nun voll-
enden fol. Darauf wird dad Hochzeitsmal aufgetragen und dad Ael
gereicht; die Braut ißt einen Ochſen und acht Lachſe, dazu alles fühe
Geſchleck, das ven Frauen beftimmt war, und trinkt dazu drei Rufen
Meth. Der Bräutigam verwundert fi; aber ber ald Magd verkleidele
28. thryn. 63
Lati fteht ihm Rebe: die Braut habe aus Sehnſucht nad) Riefenhelm acht
Nächte lang nichts genoßen. Grfreut lüftet der Rieſe der Braut, fie zu
tüflen, das Linnen ; aber erjchredt fährt er zurüd, denn furchtbar flammen
ihr die Augen, ihr Blid brennt wie Gluth. Loli weiß ihm aud das
günftig auszulegen: vor Sehnſucht nad Rieſenheim hat die Braut acht
Nähte lang des Schlafs entbehrt, darum glühen ihr fo die Augen. Bes
ruhigt befiehlt Thrym den Miölniv herbeizubolen, die Braut nach norbis
ſcher Sitte mit dem Kammer zu weihen. Da ergreift dieſen Thör, ers
ſchlagt den Riefen und zerſchmettert fein ganzes Geſchlecht:
34. Er flug auch die alte Schweſter des Joten,
Die fi) das Brautgeſchenk zu erbitten gewagt:
Ihr ſchollen Schlage an der Schillinge Statt,
Und Hammerhiebe erhielt fie für Ringe.
So zu feinem Hammer kam Odins Sohn.
Der myihiſche Gehalt dieſer Erzählung ift kaum ein anderer, als
den ſchon die vorige hatte: Thrym, deſſen Name von thruma (tonitru)
abgeleitet wird, ift urſprunglich mit Thör identiſch und ein ältrer Natur:
gott, in deſſen Händen vor den Ajen der Donner geweſen war. M. 165.
Jeht ala Winterrieje tobt er in Sturm und Unmetter, ja er hat Thörs
Sammer, auf welden er ein altes Recht anfprehen mochte, in feinen Befig
gebracht. Auch die Winterftürme führen zuweilen Gewitter herbei; doch
ſcheint darauf nicht angejpielt, da der Rieſe den Hammer nicht benugt,
fondern acht Raften tief unter der Erbe, d. h. während der acht Winter:
monate, in welden die Gewitter zu ſchweigen pflegen, verborgen hält.
Diefe act Wintermonate, die au in den acht Nähten nachklingen, in
welchen Freyja fi vorgeblih des Tranks und der Speiſe fowie bei
Schlafes enthielt, find enblic worüber, der erwachte Thör forbert feinen
Hammer zurüd und obgleich der Wintergott noch einen legten Verſuch
macht, die Sonne in feine Gewalt zu bekommen, und ver Welt die [höne
Witterung vorzuenthalten, naht ihm dod, vom warmen Winde (Lofi)
begleitet, weiß verhüllt, die Gewitterwolle und macht den rafenden Win:
terftürmen ein Ende. Del. Upland, Mythus des Xhör 95 fi. Das
Uebrige ift Einkleivung, eine dießmal um fo fchönere, je freier fi der
Dieter beivegen konnte. Noch heute klingt dieß Lied in drei norbifchen
Rundarten nad und aud in Deutſchland hat neuerdings lein anderes fo
allgemeine Anertennung gefunden. Es ganz mitzutheilen haben wir Bes
denlen geltagen, weil fein mythiſcher Gehalt ungewöhnlich gering ift, wie
64 Shiraisfir. m.
ſelbſt Uhland ©. 104. eingefteht, daß es hier nicht nöthig fei, die Allegorie
bis ind Ginzelne nachzuweiſen und zu unterſcheiden, was der Idee, was
der Einkleidung und der unabhängigen Darftelung der menfhlihen Ber:
haͤltniſſe, 3. B. der Hochzeitsgebraͤuche, angehörte. Gleichwohl veutet er
die Schweſter des Rieſen, welche das Brautgeſchenk erbittet, auf die Ar⸗
mut, die Nothourft des Winters, welder Thör ein Ende macht. Ueber den
Gebrauh der Hoczeitögefchenke vgl. M. Edda ©. 432. Für Thörs
Weſen mag noh Manches aus dem Liede zu gewinnen fein; bier haben
wir es nur iegen des zweiten Verſuchs der Riefen, ſich der Freyja zu
bemädhtigen, zur Sprache gebradt.
29. Freyr und Gerda.
Hatte bisher die Götter im Kampf mit den Niefen, melde den
Untergang der Welt herbeizuführen trachteten, fein Verluft betroffen, fo er=
leiden fie in dem jegt zu betrachtenden Mythus eine Cinbuße, welde fie
bei dem legten Welttampfe ſchwer empfinden ſollen. Rah D. 37 fehte
ſich Freyr auf Hlidſtialf, den Hohfig Odins und ſah von ihm hinab auf
alle Welten. Da fah er nah Norden blidend in einem Gehege ein
großed und fchönes Haus; zu diefem Haufe gieng ein Mädchen, und als
fie die Hände erhob, um die Thür zu öffnen, da Teuchteten von ihren
Armen Luft und Waßer und alle Welten ftralten von ihr wieder. Und
fo rädıte fi) feine Vermeßenheit an ihm, fi an diefe heilige Stätte zu
fegen, daß er harmvoll hinweggieng. Und als er heimkam, fprad er nicht
und Niemand wagte, dad Wort an ihm zu richten. Da ließ Niörbhr
den Skimir, Freyts Diener, zu fih rufen und bat ihn, zu Freyt zu
gehen und zu fragen, warum er fo zornig fei, daß er mit Niemand
eben wolle. Slirnit fagte, er wolle gehen, aber ungern, denn er ver
fehe fi übler Antwort von ihm. Und als er zu Freyr kam, fragte er,
warum er fo finfter fei und mit Niemand rede. Da antwortete Freyr
und fagte, er habe ein jchönes Weib gejehen, und um ihretwegen fei er
fo harmvoll, daß er nicht länger leben möge, wenn er fie nicht haben
follte: ‚Und nun ſollſt du fahren und für mid um fie bitten, und fie mit
dir heimführen, ob ihr Vater wolle oder nicht, und will id dir bad wohl
Ionen.‘ Da antwortete Sfimir und fagte, er wolle die Botichaft werben,
wenn ihm Freyr fein Schwert gebe. Das war ein jo gutes Schwert,
daß es von felbft focht. Und Freyr ließ es ihm daran nicht mangeln
und gab ihm das Schwert. Da fuhr Skirnir und warb um das Mäd-
% 30. Sawert und Bofs. 66
hen für ihn und erhielt die Verheißung, nach neun Nächten wolle fie an
den Ort fommen, der Barri heiße und mit Freyr Hochzeit halten. Und
als Slirnir dem Freyr ſagte, was er ausgerichtet habe, ba fang er fo:
Lang iſt eine Nacht, Tänger find zweie,
Wie mag ich dreie danern?
Oft daucht ein Monat mid) minder fang
As eine halbe Nacht des Harrens.
Diefe Erzählung ift ein dürftiger Auszug von Skirnisför, einem der
Ihönften Eddalieder; mir müßen bie übergangenen Züge nachholen, um
und zu überzeugen, ob fie mpthifhen Gehalt haben oder bloß dichteriſche
Ausfhmüdung find, Nicht nur fein Schwert ‚da von felbft fih ſchwingt
gegen der Reifriefen Brut’ leiht Freyt dem Skirnir, aud fein Roſs, das
ihn duch Wafurlogi führen fol, vie fladernde Flamme, die Gerdas
Saal umſchließt, wie er auch von einem Zaun umgeben ift, den mwüthende
Hunde bewachen. Eilf golvene Aepfel, dazu den Ring Draupnir, von
dem jede neunte Nacht acht eben ſchwere träufeln, bietet Stirmir ber
Gerda, wenn fie Freyrs Liebe erwiedere. Als dieß nicht fruchtet, droht
er ihr mit dem Schwerte, und als auch das nicht verfängt, mit ber
Zauberrutbe, ja er greift wirklich zu Flüchen und Beſchwoͤrungen, die
auch den erwarteten Erfolg haben. In dieſen Beſchwoͤrungen liegt große
poetiſche Kraft; wir lernen auch Manches daraus für die Runenkunde
(ogl. v. Lilienkron und Müllenhoff Zur Runenlehre ©. 22. 56.) und
die Mythologie überhaupt, weniger für unſern Mythus. Mannes Ge:
meinſchaft, Mannes Geſellſchaft wird ihr gebannt und verboten, die Folgen
der Ehelofigfeit, der Fluch des unvermäplten Alters, alle Qualen und
MRartern, die als geiftige ober leibliche Strafen unnatürliher Abſonde-
rung zu erdenken find, Ohnmacht, Unmuth und Ungebuld, werden der
Ipröden Maid vorgehalten, bis fie endlich in Stirnirs Antrag willigt
und verfpricht, nach neun Nächten mit dem mannlihen Sohn bes Niörbhr
in dem Haine Barri, dem Wald ftiller Wege, zufammen zu treffen.
30, Dentung, BVerhältnifs zu Nagnarök.
Die bisherigen Deutungen dieſes Mythus faßen die Erzählung ent:
weder nur im Großen und Ganzen auf, ohne ſich an ihre eigenthümliche
Sefaltung zu lehren oder halten ſich an einen einzelnen Zug, der, aller
dings zu bezeihnend um für bloßen dichteriſchen Schmud u gelten, doch
Vnret, Mychelogie.
66 Gerda HI. Gert. %. 80.
ver Shlüßel des Raͤthſels nicht fein kann. Jenes if ber Fall, wenn
Freyr nur als der Liebesgott gefaßt wird und das Gedicht nur als ein
Liebeslied, was fie beide freilich auch find, obgleich daraus für die Deutung
des Mythus wenig oder nicht zu gewinnen ift. Zu fehr im Allgemeinen
bleibt aud die Deutung befangen, wenn nad) Peterſen Nordiſt Mythologie
344 Gerda wie Thörd Tochter Thrubr das Saatkorn fein foll, denn ba:
mit erklärt fi der Schein nicht, der von ihren meißen Händen in Luft
und Waßer und in allen Welten wiederſtralt. Freyr erblidte fie, als
er nad Norden fah, und dieß veranlaßte Finn Magnufen, der auf diefen
Nebenzug allein Gewicht legte, an den Nordſchein zu denken. Allerdings
würde Freyr bei feinen Bezügen auf die Sonne mit Gerda, wenn fie
das Nordlicht bedeutete, pafjend vermählt feinen, indem beide an dem
Lichte ein Gemeinfhaftlihes hätten. Aber einer folhen Verbindung
wiberftreitet die Orbnung der Natur, da Sonne und Nordſchein nicht zu:
gleih am Himmel fihtbar werben. Hinderniſſe müßen der Verbindung
Freyrs und Gerdas allerdings entgegen ftehen, da Str. 7 fagt:
Bon Afen und Alfen till es micht Ciner,
Daß wir beifammen feien.
aber bei einer folhen Deutung würden fie unüberfteiglih fein. Ich
bleibe daher bei meiner fon in M. Edda S. 407 gegebenen Crlärung,
welche ich hier näher außführe. Für Freyrs Beziehung auf die Sonne
giebt es in unfern Quellen fein ausbrüdlihes Zeugnif® und wenn er
Regen und Sonnenfein verleiht, fo ift er damit noch nicht ala Sonnen:
gott bezeichnet. Indes läßt fein Sinnbild, der golbborftige Eber, kaum
eine andere Deutung zu, und fein Verhältnis zu den Lichtalfen, welches
ſich daraus ergiebt, daß er Aliheim befigt ($. 20), ſcheint fie zu be:
fätigen. Wir faßen ihm aber, ohne fein Verhältnis zur Sonne aus den
Augen zu verlieren, zunächft nur als Gott der Fruchtbarkeit, ald melden
er ſich bier auch durch die eilf Aepfel Str. 19 und den Ring Draupnir,
von dem jede neunte Nacht acht eben fo ſchwere träufeln, Str. 21 vgl.
D. 49. 61, zu ertennen giebt. Dal. $. 34.
Bas Gerda anlangt, fo erfheint Me zuerft nur als Rieſentochter.
Ihe Vater iſt Gymir (vgl. Str. 22. 24. D. 37), ein Name, den nach Degid-
dreda and der Meergott Degir führt. Ihr Bruder Beli (dev Wrüllende)
tann auf den Sturmwind gedeutet werben. Wenn ihm Freyr erlegt, wie
das D. 87 weiterhin erzählt wird (vgl. Stirn. 16, Wölnfp. 54), fo pafst
8. Waberiehe. 67
Dieb auf den milden Gott der Fruchtbarkeit und Wärme, bei befien
Rahen die Winterftürme ſich legen. Er erfhlug ihn aber mit einem
ditſchhorn, denn als Gonnengott hat er den Sonnenhirſch zum Symbol,
und das zadige Geweih des Hirſches bedeutet den Blit, woraus wir
ſehen, daß ſelbſt Freyr als Gewittergott aufgefaßt werden Tann.
In der Verwandtſchaft Gerbas, durch melde fie den ungebändigten
Raturkräften angehört, die zu bekämpfen die Götter, und ihr fpäterer
Kiederfhlag die Helden, berufen find, liegt das Hindernis ihrer Ber:
bindung mit Freyt. Solcher Abkunft widerſpricht ihre Schönheit nicht;
dech wird fie nur gezwungen im Kreiße ihrer Verwandten zurüdgehalten.
Diefer Zwang ift Str. 9. 18 in der fladernden Flamme ausgedrüdt,
der ihren Saal umſchließt, fo wie weiterhin in dem Zaun, der von
wüthenden Hunden bewacht wird. Jene Waberlohe begegnet au ſonſt;
in der Sigurdsſage fommt fie zweimal vor, und bier entſpricht ihr In
dem deutſchen Märchen von Dornröschen (RM. 50) die Dornbede; auch
Nengladas Burg in Fiolſwinnsmal 2. 5 iſt von ihr umſchloßen und in
Hmdlulioop 45 droht Freyja die Hyndla mit Flammen zu umweben.
Yard Grimms Abhandlung über das Verbrennen der Leihen ift uns
jept ihre Bedeutung erſchloßen: es ift die Gluth des Scheiterhaufens,
und da biefer mit Dornen unterflodhten ward, wozu es gewifle heilige Staus
den gab, fo begreift fih zugleih, warum die Waberlohe dur eine uns
durchdringliche Dornhede vertreten werden kann. Reiten durch Wafurlogi
bedeutet im Mythus nichts anders als die Schreden des Todes beſiegen
and in die Unterwelt: hinabſteigen. Das iſt die hödhfte Aufgabe, welche
Göttern und Helden geftellt zu werden pflegt. Dieb und bie Str. 12
md 27 laben keinen Zweifel, dab es bie Unterwelt ift, in bie Gerda
gebannt ward, wodurch ihr Mythus mit dem von Idun, wie er in
Hrofnagalor ausgeführt ift, in Beziehung tritt, zumal an biefe fhon bie
goldenen Aepfel erinnern. Gerda erjheint hiernach als die im Winter
ter Schnee und Eis befangene Erbe, die wir aus D. 10 als eine
Riefentechter kennen, obgleich fie nad D. 9 Ddins Tochter wäre. Im
Binter in der Gewalt dämonifher Aräfte zurüdgehalten, wird fie von
der rüdtehrenden Sonnengluth befreit. Freyrs Diener Skirnir (von at
ıkire elarescere), der Heiterer, erhält ven Auftrag, fie auß jenem
Bann zu erlöfen und dem belebenden Einfluß des Licht? und ber Sonnen
wirme zurüdzugeben. Ihre Berbinbung mit Freyr geſchieht dann in dem
Saine Bari, d.i. dem grünenden (Lex Myth. s. h. v.), aljo im Srübjaht,
68 Gymit und Hymir. 6. 30.
wenn Freyt längft die brüllenden Sturmwinde bezwungen hat, die vor:
her aud als mwüthende Hunde dargeftellt waren. Es kommt unferer Gr:
Härung zu Statten, daß Gerda nad Skaldſtap. 19 Friggs Nebenbuhlerin
fein fol. Als Erbgöttin mag fie in einem verlorenen Mythus wie Jörd
und Rinde dem Odin vermählt geweſen fein, an deſſen Stelle bier
Freyr trat, ‚der in demſelben Mythus aud Hlidſtialf, Odins himmliſchen
Sig, einnimmt.
Was bedeutet es aber, wenn Freyt, um in Gerdas Beſitz zu ge:
langen, fein Schwert hingiebt, das er beim legten Kampfe vermiffen wird ?
Hier werben wir doch genöthigt, Fteyr als den Sonnengott zu fahen,
und fein Schwert ald den Sonnenftral: er giebt es her, um in Gerbad
Befip zu gelangen, d.h. die Sonnengluth fenkt fi in die Erde, um Ger-
das Erlöfung aus der Haft der Froftriefen zu bewirken, die fie unter
Eis und Schnee zurüdhalten, und von mwüthenden Hunden, ſchnaubeuden
Nordftürmen, bewachen lapen. Gymir, ihr Vater, ift alfo wohl wie
dem Namen fo auch dem Weſen nah mit dem froftigen Hymir ver:
wandt, den wir aus Hymislwida als das winterlihe Meer kennen
lernen. Unfere Quellen nennen aber (Degisbr. Einl.) den Gymir mit
Degir iventifh, was auch infofern richtig iſt, ald Degir mit Niörbhr ver-
glihen noch als der ſchrecliche Meergott gedacht ift, während ihn Degis:
vreda im Gegenfag gegen Hymir wenigſtens für bie Zeit ber Leinernte,
wo das Meer beruhigt ift, ſchon als den freundlichen, gaftlihen auffaßt.
Aus diefer Deutung des Schwerted auf den Sonnenftral geht zu: |
gleich hervor, daß unfer Mythus mit dem von dem legten Kampfe ur |
fprüngli in feiner Verbindung ſtand. Freyr giebt fein Schwert alljähr-
lich her, er erſchlägt alljährlich den Beli, ven Rieſen ver Frühlingsſtürme,
alljährlich feiert er feine Vermählung mit Gerda im grünenben Haine.
Der Mythus bezieht ſich alfo auf unfer gewöhnliche Jahr, nit auf das
geoße Weltenjahr, auf das auch Skirmisför nod nicht hindeutete, das erft
die jüngere Edda D.37 in Bezug bringt, wie denn der Mythus von ber |
Götterdämmerung nur allmählih und ziemlich fpät die Oberherſchaft über |
alle andern erlangt zu haben ſcheint; felbft den Mythus von Balbur, der
ihm jegt fo innig verbunden iſt, mufte er fi erſt unterwerfen. Der
Dichter von Skirnisför dachte noch nicht daran, daß Freyr fih durch bie
Hingabe des Schwerts für den Iepten Welttampf untüdtig made. Nicht
an die Niefen wird das Schwert hingegeben, fondern an Skirnir, ber
reprö Diener ift und bleibt (D. 34) und es feinem Herrn zurüdhringen
9. Freundſcaſuſage. so
mochte, da er ed ja nicht etwa, um ben Beſih Gerdas zu erlangen, an
die Riefen hinzugeben hatte. Der Verluſt des Schwertes ift demnach
wohl aus Degisdr. 42 in die Sage gelommen, mo Lofi mit Bezug auf
Stimisför eine Hohnrede gegen Freyr ſchleudert, die nicht tiefer begründet
if, ald andere, die ihm hier in den Mund gelegt werben:
Mit Gold erfanfteft dn Gymirs Tochter
Und gabf dem Stirnir dein Schwert.
Wenn aber Muspels Söhne durch Myrkwidr reiten,
Womit willſt du ftreiten, Unfelger ?
In Stirnisför finden ſich fogar Spuren, daß erft eine Ueberarbeitung
dieſes Liedes den Skimir als Freyts Diener auftreten ließ, In feiner
urfpränglihen Geftalt war es wohl Freyr felbft, der unter dem Namen
ẽtimit, der ihn felber bezeichnet (Lex Myth. 706 b), die Fahrt unter
nahm. Nach Str. 16 ahnt Gerda, daß ihres Bruders Mörder gelommen
ſei: dieß war aber nach dem Obigen Freyr ſelbſt. Daß Skirnir gefendet
wird, weil Freyt zur Strafe des übertretenen Verbot von Liebe erkrankt
it und bie Fahrt nicht felber vollbringen kann, ift nicht mehr der reine
(ia Fidlſwinnsmal hierin beßer erhaltene) Mythus, fondern ſchon der
Anfang einer märchenhaften Geftaltung, der wir in deutſchen Märden oft
genug wiederbegegnen. Am nächflen fteht das von dem getreuen Jo—
hannes (KM. 6), wo dem Königefohn von dem Bater verftattet war,
in alle Gemächer und Säle des Schloßes zu treten; aber Eine Rammer
follte er vermeiden. Gr übertritt das Verbot, öffnet die Thüre und er
bidt ein Bild, das fo fhön war, daß er fogleih ohnmächtig zu Boden
fit. Sein getreuer Diener muß ihm nun bie Konigstochter vom gol⸗
denen Dache, welche jenes Bild vorftellte, verjhaffen. Zugleich fehen wir
bier aus unferm Mythus die ‚Freundfhaftsjage‘ entipringen, welcher
jenes Märchen wefentlih angehört, denn auch die Dienftmannstreue wird
unter den Begriff der Freundſchaft gefaßt. Cine große Rolle fpielt das
Schwert in der Freundſchaftsſage. Der Freund legt es entblößt zwiſchen
fi und die Gemahlin des Freundes, der er beiliegen muß, und bewährt
ihm fo die Treue; ich erinnere nur an Gigurd und Gunnar. Es gab
wohl eine andere märchenhafte Faßung unferes Mythus, in welcher noch
Shirmir dad Schwert Freyrs, feines Herrn, in gleicher Weife benugte,
indem er für ihm das Hocheitbette beftieg, nachdem er durch Wafurlogi
geritten war. Sie findet ſich eben in unferer Heldenſage wieder, die
0 Slegfriedelage. %. 30
demnach gleihfalls bier ihren Urfprung nahm, denn Eigurd ift zwar, als
ex das erftemal durch Wafurlogi reitet, dem Freyr zu vergleichen, wie er
in der von uns vermutheten urfprünglicen Geftalt des Mythus erfchien,
denn bier will er die Geliebte für ſich felber ermeden; das zweitemal
aber, da er für Gunnar dur die Waberlohe reitet und dann · das Schwert
zwiſchen fi und die Braut des Freundes legt, gleicht er dem
Skimir. Aus der Verbindung beider Geftalten des Mythus, jener ur:
ſprunglichen, wo Freyr felber dur Wafurlogi ritt, und der, welche wir
in Skirnisför und der jüngern Edda finden, ift demnach unfere Helven-
fage von Siegfried und den Nibelungen erwachſen, nah deren Schlüßel
fo Lange gefucht ward. Die Anfiht, daß es in den nordiſchen Liedern
Verwirrung ei, wenn fie das euer nad; dem erften Ritt nicht erlöſchen
laßen (M. Edda 405. 408), nehme ich alfo jet bei beferer Einſicht zurüd.
Daß nod ein anderes Eddalied, Fiöljwinnsmal, den gleichen mythiſchen
Inhalt bat, ift bei diefem (IM. Edda ©. 438 ff.) näher ausgeführt. Beide haben
noch fpät fortgelebt in dem dänifchen Swendalliede, daß Lüning 23 mit-
theilt. Da es nod über ein drittes Eddalied (Grögaldr) Aufichluß giebt,
fo gebe ich feinen Inhalt an. Yung Swendal wollte Ball fpielen: da
flog ihm der Ball in den Jungfrauenfaal. Um ihn wieder zu holen,
gieng er binein, lam aber nicht wieder heraus ohne große Sorge im
Herzen. ‚Höre, Jung Swendal,“ wird ihm zugerufen, ‚wirf deinen Ball
nicht auf mich: wirf ihn auf die ftolge Jungfrau, die bu lieber haft.
Du follft nicht mehr ſchlaſen noch Ruhe finden bis du die jhöne Jungfrau
exlöft haft, die fo lange Trübfal erduldete.“ Da hüllte fih Jung Swendal
in den Belz und gieng in die Stube vor die rafchen Hofmannen, melden
er feinen Borfag fund that, zum Berge zu gehen und feine Mutter zu er
weden. Al er nun in den Berg hinein ſah, fpaltete fih Mauer und
Marmorftein, und die bunfele Erbe fiel nieder. Gine Stimme fragt, wer
es fei, der die Mübe wede? ‚Kann id nit mit Frieden unter ber
bunten Erde liegen?’ Da nennt Jung Swendal feinen Nanıen und fagt,
ex fei gefommen, feine Mutter um Rath zu fragen. Seine Schweiter und
feine Stiefmutter hätten ihn in Sehnſucht gebraht: ‚Sie fagten, ich folle
nicht ſchlafen noch Ruhe finden bis ich die ſtolze Jungfrau erlöft hätte,
die fo lange Zwang erbuldet habe.‘ Da giebt ihm die Mutter den guten
Hengft, der niemals müde wird, und dad gute Schwert, das ftätß den
Sieg gewinnen fol. Da band Jung Swendal das Schwert zur Seite,
gab dem Hengft die Sporen und ritt über das breite Meer und durch
%81. Swendeilied. 71
die grünen Wälder bis er zu dem Schloß fam, in dem feine Braut
ſchlummern follte. Da fragt er ben!'Hfter, ob eine Jungfrau auf dem
Schloße fei; er wolle ihn zu einem Herrn machen, wenn er König werde.
Da erhält er die Antwort: die Planlen feien von hartem Stein und bie
Pforte von Stahl; inwendig aber häte ein Lowe und ein wilder Bär vie
achtzehnjahrige Jungfrau, zu der Niemand hinein bürfe als ber junge
Swendal. Da gab Jung Swendal feinem Roſs bie Sporen und ſehte
mitten binein in ben Burghof. Der Löwe und der wilde Bär fielen dem
Herm zu Füßen und die Linde mit ihren vergolveten Blättern neigte fih
vor ihm zur Erde. Die ftolge Jungfrau, die feine Sporen Tlingen ger
hört hat, ſchoͤpft ſchon Hoffnung auf Erlöfung; Jung Swendal tritt zw
ige hinein und wird als ihr erwarteter Bräutigam empfangen 1. |. iv.
Gntfernter ift die Bermwandtfchaft mit Held Vonved (Grimm, altpän.
Heldenl. 57), der fi aber näher an Fiöljwingmal ſchließt. Der Ritt
durch die Flammen ift im Märchen vom Dornröschen ein Ritt durch
Dornen; in der Sage vom Fräulein Kunigunde von Künaft, die man
aus Rüdert kennt, ein Ritt über ben ſchmalen Rand der Burgmaner.
Der Abgrund unter der Burg Künaft heißt die Hölle, womit wieder auf
die Unterwelt geveutet if. Diefelbe Sage haftet auch am Schloß Cold:
bruun im Altmühlthal (Panzer 174). Nur einem Ritter auf einem Schim⸗
mel gelang es, ven ſchmalen Rand der Felſenmauer zu umteiten. Der
Schimmel iR Odins Rofs Sleipnir, oder Freyrs Somnenrojs, Siegfriebs
Reſs Grani. Rah Panzer 178 ſcheinen aud die Sagen hieher zu ge
bören, wo nicht eine ſchmale Mauer umritten werben fol, die Braut zu
gewinnen, fonbern eine fteile Höhe auf einem Schimmel erritten wird.
So in ber Gage von Wolfftein im baieriiden Walde (Panzer a. a. D.),
wo aber der Braut nicht gedacht wird, während fie bei dem Ritt auf
den Kedrich bei Lord im Rheingau nicht fehlt. Bielleiht galt vom Hof:
thurm zu Zauingen in Schwaben dieſelbe Gage, denn hier ift ein großes
galoppierendes Roſs angemalt von 15 Schuh Länge; man müfte eine Leiter
anlegen, es zu beſteigen; aud foll es zwei Herzen gehabt haben, wie
Opins Roſs die boppelte Zahl der Füpe hatte,
3. Idun mund Thiaſſi. Deutung
Bir haben zwei fo verſchiedene Darftellungen von Iduns Schid-
jalen, daß fie für abweichende Mythen gelten können: die jüngere ift
diegmal in einem CEddalied enthalten, dem von Odins Rabenzauber (Hraf-
72 Dom. % 81.
uagaldr Odhins), während die ältere ſich in D. 56 finde. Nach biejer
waren drei Aſen außgezogen: Dbin, Loli und Hönir. Gie fuhren über
Berge und öde Marten, wo es um ihre Koft übel beftellt war. Als fie
aber in ein Thal hinab kamen, fahen fie eine Heerde Ochſen: fie nahmen
der Ochſen einen und wollten ihn fieven. Und als fie glaubten, er wäre
gefotten und den Sub aufbedten, war er noch ungefotten. Und als fie
ihn nad einiger Zeit zum andernmal aufbedten und ihn noch ungefotten
fanden, fpraden fie unter fi, woher das lommen möge. Da- hörten fie
oben in der Eiche über ſich ſprechen, daß der, welcher dort fige, es ver:
urſache, daß ber. Sub nicht zum Sieden fomme. Und als fie hinſchauten,
ſaß da ein Adler, der war nicht Hein. Da fprad der Adler: Bolt ihr
mir meine Sättigung geben von dem Ochfen, fo fol der Sub fieben.
Das bemwilligten fie: da ließ er fih vom Baume nieber, fegte fih zum
Sude und nahm fogleih die zwei Lenden des Ochſen vorweg nebft beiden
Bugen. Da warb Loki zornig, ergriff eine große Stange und ftieß fie
mit aller Macht dem Adler in ven Leib. Der Aoler warb ſcheu von
dem Stoße und flog empor: da haftete die Stange in des Adler: Rumpf;
aber Lokis Hände an dem andern Ende. Vgl. AM. 64: Golbgans
(Kleban). Der Apler flog fo nah am Boden, daß Lofi mit den Füßen
Geftein, Wurzeln und Bäume ftreifte; die Arme aber, meinte er, würden
ihm aus ven Achfeln reißen. Cr ſchrie und bat den Adler flehentlich
um Frieden; ber aber fagte, Loki folle nimmer Ioslommen, er ſchwoͤre
ihm denn, Joun mit ihren Aepfeln aus Asgard zu bringen. Loli ver
ſprach das: da ward er los und kam zurüd zu feinen Gefährten. Bur
verabrebeten Zeit aber lodte Loli Idun aus Asgard in einen Wald,
indem er vorgab, er habe da Aepfel gefunden, vie fie Kleinode dunken
würden ; au rieth er ihr, ihre eigenen Aepfel mitzunehmen, um fie mit
jenen vergleichen zu können. Da kam der Riefe Thiaſſi in Aolershaut
dahin und nahm Idun und flog mit ihr gen Thrymheim, wo fein Heim ⸗
weſen war. Die Afen aber befanden ſich übel bei Iduns Verſchwinden,
fie wurden ſchnell grauhaarig und alt. Da hielten fie Berfammlung und
fragte Einer den Andern, was man zulegt von Idun wiße Da war
das Lette, das man von ihr gefehen hatte, daf fie mit Loti aus Asgard
gegangen war. Da mard Loki ergriffen und zur Berfammlung geführt,
aud mit Tod und Peinigung bedroht. Da erſchtak er und verſprach, er
wolle nad Idun in Jötunheim fuhen, wenn Freyja ihm ihr Falten»
gewand leihen wolle. Als er das erhielt, flog er nordwärts gen Jotun⸗
% 81. Adler, 73
heim und Tam eines Tages zu des Rieſen Thiaſſi Behauſung. Er war
eben auf den See gerubert und Idun allein daheim. Da wandelte Loli
fe in Nußgeftalt, hielt fie im feinen Alauen und flog was & konnte.
Ms aber Thiaffi heimlam und Idun vermifste, nahm er fein Adler⸗
hembe und flog Loki nah mit Adlersſchnelle. Als aber die Afen ven
Fallen mit der Nuß fliegen fahen und den Adler hinter ihm brein, da
giengen fie hinaus unter Asgard und nahmen eine Bürbe Hobelipäne
mit, Und als der Falle in die Burg flog und ſich hinter der Burg:
mauer nieberließ, warfen die Ajen alsbald Feuer in die Späne. Der Apler
vermochte ſich nicht inne zu halten, ald”er den Fallen aus dem Geſichte
verlor: alfo ſchlug ihm das Feuer ins Gefieder, daß er nicht weiter fliegen
Ionnte. Da waren die Afen bei der Hand und töbteten ben Rieſen
Wiaeſſi innerhalb des Gatterd. Seine Augen warfen fie nachmals Stabi,
feiner Tochter, zur Ueberbuße an den Himmel und bilbeten zwei Sterne
daraus,
Der Riefe Thiaſſi, der Aolerögeftalt amimmt, erinnert und an
Hräfwelge ($. 16), der ein Riefe wie er in Adlerslleid an des Kim:
mes Ende figt und den Wind über alle BVölter facht. Sturmwinde
werben als Rieſen gedacht, weil unter deren Bilde alle zerſtören⸗
ven Ratutkraͤfte vorgeftellt werden; zugleich find ihnen Adlerſchwingen
verliehen, die Schnelligleit des Sturmwindes zu bezeichnen. Aus Orim-
niomal 11 (f. 0. ©. 46. 49) wißen wir, daß Thiaſſi in Thrymheim
wohnte, deſſen Rame an Thrym erinnert, den Riefen der Thrymähnida,
der ein älterer Raturgott dem Thör den Hammer ftahl, und jelbft mac
dem Donner -(thruma — tonitru) genannt if. Thrymheim beveutet alfo
wohl das fturmtofende Waldgebirge, aus dem alle rauhen, ſcharfen Winde
m lommen pflegen: feinem Gebiete haben fi die Götter genaht, als
fe über Berge und öde Marken fuhren, wo es um ihre Koft ſchlecht ber
fellt war, womit die Umfruchtbarteit des Waldgebirges bezeichnet iſt.
Wiaſſis Rame hat noch feine ſichere Erklarung gefunden; über fein Wefen
lann nad dem Obigen “kein Zweifel fein: er ift ein Sturmrieſe und
Mar wie wir jehen werben, ein Rieſe der Herbitftürme, wie Beli, Ger⸗
das Bruder, ſich auf die Stürme der Frühlingönachtgleihen bezog. Als
Sturmwind verhindert er auch, daß der Sub zu Stande kommt, indem
et bad Kochfeuer verweht. Wie jener Baumeifter Sonne und Mond und
Ve fhöne Fteyja bedingte, wie Thrym ald Löfegeld für Thors Hammer
den Veſih derſelben Göttin begehrte, fo möchte Thiaſſi den Göttern Idun
74 Dafıh, % 81.
entziehen, ja er erhält fie wirklich für Lolis Befreiung, und Loli muß
fie ihm erft wieder entführen. Wer ift nun Youn? Aus D.26 lernen
wir fie ald Bragis Gattin fennen, des Gottes der Dichtkunft, des Stalden
Dpind; aber das führt und nicht weiter. Mehr fagen uns ihre Aepfel
und bad Altwerden der Götter bei ihrem Verſchwinden, und daß fie in
Geſtalt einer Nuß, nach andrer Leart (Lex Myth. 199) einer Schwalbe,
von Loli zurüdgebract wird. Den Stamm ihres Namens bildet die Partikel
id: die Schlußfilbe ift nur bei weiblihen Namen gebräudlihe Ableitung ;
jene untrennbare, noch in dem mittelhchd. iteniuwe forbauernde Partilel aber
bedeutet wieber, wiederum: befonderd wird id gern mit Grünen verbums
ven (Wöl. 58 jördh or agi idhjagrene) und vielleiht erklärt und dieß
den Namen des Idafeldes, wo fih in ber verjüngten Welt die goldnen
Scheiben wiederfinden, das Spielzeug der Götter in ihrer Unſchuld: es
ift von der tiederergrünten Erde ober von der wieder erworbenen golde ⸗
nen Zeit benannt, und wenn e3 ſchon früher (Wölufp. 7) fo bieß, fo
ik dieß eine Borwegnahme. So brüdt Iduns Name ben Begriff der
Wiederkehr, der Grneuung, der Berjüngung aus, und wenn wir bei
ihrem Verſchwinden die Aſen grauhaarig und alt werben fehen, jo möchte
man in ihr wie in jenem Maͤdchen aus ber rembe den Frühling ober
die Jugend vermuthen: beides fällt in höherm Sinne zufammen; doc
denkt man bier lieber an den Fruhling, da ihre goldenen Aepfel, als
eine ruht des Jahrs, eher auf dieſes ald auf das ganze Menſchenleben
deuten. Sie ift hiernach nicht der Frühling felbft, doch die verjüngte
Natur im Schmude des Frühlings, oder wie es Uhland 120 ausbrüdt,
das frifhe Sommergrün in Gras und Laub, Dieß entfärbt fi aber
im Gpätjahr, wenn Iduns Aepfel reif find, durch den rauhen Hauch
der Herbfte und Winterwinde, ja es verſchwindet, das Laub fällt von dem
Bäumen. In unſerm Mythus fehen wir dieß durch die Entführung
Found ausgebrüdt. Der Herbſtſturm, ald Sturmriefe Thiaffi eingeführt,
bat Idun geraubt: der Wieſe ift der Farbenſchmelz, dem Walde ber
Schmud der Blätter benommen, die Welt erſcheint gealtert und entftellt,
von den Göttern ift Glanz und Jugendfriſche gewichen, fie find ergraut
und eingefhrumpft. Die Welt hat ihr heiteres Antlig gewandelt; der
Schnee, der die Erde bededt ift durch das greife Haar der gealterten Göt«
ter bezeichnet. Rah D. 26 jollen es Iduns Aepfel fein, melde ben
Göttern die Jugend zurüdgeben: eigentlich ift es die Göttin ſelbſt, zu
deren Symbol jene Aepfel geworben find; urſprunglich mögen fie mur
532 hrafuageidr. 76
dad Wahrzeichen der Herbſtzeit geweſen fein, in welche ber Raub Iduna
fall. Uhland 122. Sie zurüd zu führen wird Loli beauftragt, ben
wir ſchon einmal ald Südwind gefunden haben; doch entleiht er, um ala
Lenzwind zu erjcheinen, wie in Thrymskwida daß Fallengefieder Freyjas, ber
Göttin der fehönen Jahreszeit, und nur in des Riefen Abweſenheit gelingt
es ihm, fih Iduns zu bemädtigen. Die Befreiung Iduns fällt alſo
in dad neue Jahr; im Herbſte vorher war Loli der Uebermacht des
Sturmriefen erlegen. Die Zurüdführung Iduns gefhieht nun in Ger
falt einer Ruß oder einer Schwalbe. Die Ruß läßt fi deuten als
den Samenlern, aus dem die erftorbene Pflanzenwelt alljährlich wieder
aufgrimt; auch die Schwalbe ſagt ein Gleiches, fie bedeutet die Wieder:
lehr des Frühlings, obgleih nah unferm Sprichwort eine Schwalbe
noch feinen Sommer macht. Der Mythus ließe fi vielleicht noch weiter
ins Einzelne verfolgen, wie es Uhland, dem wir bisher gefolgt find, a. a.
O. verfucht; es genügte hier, feinen inneıften Sinn darzulegen.
32. Idun Jwaldis Tochter. Deutung
Diefer erfte Mythus zeigt teinen nähern Bezug auf den Weltuntergang,
er ift in das Drama der Weltgeſchichte nicht verflochten, wir fehen nur
den Wechſel der Jahreszeiten dargeftell. Wohl aber läßt ſich eine ſolche
Hindeutung in dem zweiten Mythus ertennen, welchen ‚Ovins Rabenzauber‘
enthält. Er ift nur eine Umbilvung des Vorhergehenden, bei ber bie
Abfiht nicht verlannt werden kann, aud den Mythus von Idun dem
feit der Wölufpa herſchend gewordenen Grundgebanten von dem bevor
Rehenden Weltuntergang zu unterwerfen. Doc ift es ſchwer, von dieſem
Gedicht Rechenschaft zu geben, es gilt für das dunlelſte und räthiel-
haftefte der ganzen Edda: Grit Haljon, ein gelehrter Jaländer des 17.
Jahrhunderts, befchäftigte ſich zehn Jahre lang damit ohne es ver
fiehen zu lernen. Die gröfte Schwierigkeit liegt in der mythologiſchge ⸗
lehrten Sprache diefes verhältnifsmäßig fehr jungen Liedes, dad der Ber:
faßer der proſaiſchen Cdda noch nicht kannte. So jung es aber auch
iſt, fo urtheilt doch Uhland 138, es herſche darin noch durchaus das
innere Verſtaͤndniſs der mythiſchen Symbolik und fo lohnt es ſich wohl,
in feinen Sinn zu dringen. Der Schlußel zu jenem räthſelhaſten, faſt
ſtaldiſch gelehrten Ausdrud ſcheint nun in ber Wahrnehmung gefunden,
dab die nordiſche Dichterſprache Ein Verwandtes für dad Andere zu fegen
76 Gugin, s. 82.
liebt, 5. B. wenn für den Brunnen Urds, aus dem die Eſche Yggdraſil
begoßen wird, damit ihre Seiten nicht faulen, der verjüngende Götter-
trank Odhroerir genannt wird; oder wenn für Urbr, die Hüterin dieſes
Tranls, Idun eintritt, die Hüterin der Nepfel, der verjüngenden Götter:
ſpeiſe u. f. m. Mit diefem Schlüßel, der wenigftens die ſchwerſten Riegel
hebt, und mit Umftellung einiger Strophen, melden ver gebührende Plat
wieber zugewiefen werben mufte (doch dürfte Str. 21 nah 23 zu ftellen
fein), habe ich eberfegung und Erläuterung verfuht, aud kamen mir
Uhlands Andeutungen über den leitenden Grundgedanken wie ein ariad:
niſcher Faden zu Gute, obgleich ih im Einzelnen von ihm abweiche.
‘So halte ich das Gedicht nicht für ein Bruchſtüd, wofür es fi dem
erften Blide giebt und allgemein gehalten wird, vielmehr für eine von
einem Andern viel fpäter hinzugedichtete Ginleitung zu ber gleich folgen:
den Wegtamskwida wie es feine zweite Ueberſchrift Forſpiallsliodh felbft
als eine ſolche bezeichnet. Der Verfaßer wollte alſo nicht mehr dichten
und fo haben mir keinen Verluſt zu bellagen. Nach dieſen orbemer:
Hungen verſuche ich es nod einmal, feinen Inhalt anzugeben und zu beuten,
wobei ich meine frühern Erläuterungen theils abfürze, teils weiter ausführe.
Nach einer Aufzählung der verſchiedenen Weſen des norbifhen Glau:
bene, die nach ihrem erhalten gegen die Schidjale der Welt kurz aber
treffend bezeichnet werben, fehen wir die Götter, von widrigen Vorzeichen
erſchredt, wegen Ophrärird in Beforgnifs gerathen, welcher der Hut Urds
anvertraut war. Mit Ophrärir, wie ber Unfterblicleitätrant der Aſen
heißt, iſt aber hier Urds Brunnen gemeint, welchem gleichfalls verjüngende
Kraft beimohnt. Und wie Trank und Brunnen einander vertreten, fo
auch Urd und Idun: ihr Weſen fällt zufammen und es ift gleichgültig,
ob wir Urd oder Idun ald die Helvin des Liedes betrachten. Diefe heilige
Quelle der Berjüngung hat alfo ihre Kraft ſchon verloren oder die Aſen
beforgen, daß dieß Eteigniſs eintreten, dad Wachsthum des Weltbaums
ftoden werde. Darum war Hugin, Odins Nabe, auögefandt, darüber ben
Ausiprud) zwei weifer Zwerge zu vernehmen. Deren Ausiprud gleicht
nn ſchweren dunleln Träumen, ja fie fheinen felber nur Träume, aber
unbeilverfündende, widerwärtige. Da der Rabe feinem Namen gemäß
nur auf den göttlichen Gedanken zu deuten if, fo kann die Meinung fein,
die Götter hätten durch das Nachdenken über das jtodende Wahsthum
der Welteſche nichts erreicht, ald von beunruhigenden Träumen gequält
zu werben, wie bie folgende Wegtamskwida von Baldurd Träumen aus:
8. 32%. Waldi 77
geht. Nachdem noch eine Reihe von Erſcheinungen erwähnt iſt, die gleich ⸗
falls auf die nachlaßende Triebkraft der Natur deuten, wird Idun zuerſt
unter diefem Namen eingeführt und zugleich die jüngfte von Iwaldis
Töchtern genannt, jenes Zwerges, deſſen Söhne wir aus D. 61 ala
kunftreihe Schmiede lennen, die auch dad goldene Haar der Sif gejhmie:
det haben. Hier ift nun Idun nicht von Thiaffi, dem Sturmriefen ent«
führt wie in dem vorigen Mythus; es hat fie aber ein anderes Unheil
betroffen: fie ift von der Weltefhe herabgefunten und weilt nun im
Zhale, unter des Laubbaums Stamm gebannt; und ſchwer trägt fie dieß
Riederfinten: fo lange an heitere Wohnung gewöhnt, kann es ihr bei der
Toter oder Verwandten Nörwis nit behagen. Nörwis Tochter ift die
Nacht (f. $. 14), feine Verwandte wäre Hel, die Todesgöttin, und bei
ihr in ber Unterwelt fcheint fie fih nad einer der folgenden Strophen
zu befinden, wie wir das aud von Gerda gefehen haben, die ſchon durch
jene eilf Aepfel an fie erinnerte. Beim Herabfinten von der Eſche
ift fie wie im der vorigen Mythe als der grüne Blätterihmud, und zwar
ala das Laub des jüngften Jahres gefaßt, die jüngfte von Iwaldis
Kindern, des innenwaltenden, denn bie Zwerge wohnen in ber Erbe: alles
Gras und Laub, alled Grün, das die Erde ſchmüdt, wird von ihnen
gewirkt und gebilvet, e3 ift wunderbare Erzeugniſs ber geheimniſsvoll
wirtenden Erdkraͤſte. Bei Sifs Haar, dem goldenen Getreide, wie bei
der grünen Blätterwelt darf daher an diefe Zwerge erinnert werben, und
unfer Lied thut dieß, indem es Idun von Iwaldi erzeugt fein läßt.
Aud in dem, was nun von dem Wolfsfell gemeldet wird, das ihr
die Götter zur Bekleidung verlieben hätten, können wir fie nod als ben
abgefallenen Blätterihmud denten, welder nun unter dem Winterſchnee
verhüllt liegt. Wenn fie aber bei ver Nacht oder gar in ber Unterwelt
weilen fol, fo if fie wohl mehr die Triebkraft der Natur, bie jenen
Scqhmud hervorgebracht hat als dieſer ſelbſt; dieſe Kraft hat fih nun in
die Wurzel zurüdgezogen, des Weltbaum ift entblättert, ver Winter einges
treten und ungewiſs bleibt ob je der Frühling wiederlehre. Da ſendet
Odin Heimdall, den Wächter der Himmelöbrüde, über welche die Rieſen
einbtechen Könnten, im Geleite Lofis und Bragis, die Göttin zu fragen,
wos fie von den Weltgeſchiden wiße und ob das ihr Widerfahrene ber
Belt und den Göttern Unheil bedeute? Aber die Senbung hat feinen
Erfolg, Idun weint und ſchweigt: wie fhlafbetäubt erſcheint fie den
Boten, die umverrichteter Dinge heimkehten; nur Bragi, der fonft als
78 Yorfpielelieh. 5. 82.
ihr Gatte bargeftellt ift, bleibt als ihr Wächter zurüd, der verſtummte
Gefang, ertlärte es Uhland, bei der hingewellten Sommergrüne. 6Gs
wird num die Burüdtunft jener beiden Boten und das Gaftmal der Ajen
befchrieben, bei welchem fie von ber Crfolglofigteit ihrer Werbung Bericht
erftatten. Da vertröftet fie Odin auf den andern Morgen und forbert
auf, die Nacht nicht ungenügt verftreihen zu laßen, fondern auf neuen
Rath zu finnen. Schon fommt der Mond einhergezogen, Odin und Frigg
heben das Gaftmal auf und entlaßen die Berfammlung. Die Naht
bricht ein, mit der dornigen Ruthe fchlägt Noͤrwi die Völker und jenkt
fie in Schlaf; aud die Götter fühlen ſich von Müdigkeit ergriffen und
felbft Heimdall, ihr Wächter, der weniger Schlaf bedarf als ein Bogel,
wantt vor Schlummerluf. Diefer dichteriſchen Schilderung der Nacht
folgt dann eine eben jo jhöne Beſchreibung des anbrehenven Tages, vor
welchem fich Gygien und Thurjen und die Geſchlechter der Zwerge und
Schwatjalſen, ihrer lichtſcheuen Natur gemäß, fluchten und die Schlummer ⸗
Rätte fuhen; die Götter aber erheben fih beim Sonnenaufgang. Hier
mit endigt das Lied, defien Name, Odins Rabengefang‘, vielleicht
von ber britten Strophe hergenommen, worin Hugin, Odins außgefanbter
Nabe, erwähnt warb, nicht unpafiend für ein Lied gewählt ift, das un
beilvolle Worzeihen zufammengeftellt, welches wie der Raben Krächzen
den unvermeiblihen Untergang der Welt beveutet. Der Eintritt der
Winterzeit ift als ein Gleichniſs des Todes, ja ald ein Borfpiel des
nahenden Weltunterganges aufgefaßt. Schon darum tönnte es ein Bor
ſpielslied heißen; aber e3 ift zugleich ein Vorfpiel zu dem folgenden,
der Wegtamalwida, die ſich auf das Genauefte anſchließt. Die Nadıt ift
vorüber, welche zu neuen Entjlüßen benugt werden follte, der Tag am:
gebrochen, auf melden Odin vertiefen hatte. Schon fahen wir die Got⸗
tes bei Sonnenaufgang ſich erheben, da beginnt die Wegtamskwida ba
mit, daß fih die Aſen verfammeln, um darüber Rath zu pflegen, warum
den Baldur böfe Träume ſchredten ? Man könnte jagen, bier ſchließe ſich
das neu hinzugedichtete Lieb, Odins Nabenzauber, dem folgenden Altern
nicht genau an, da jene erwarten ließ, es folle über Iduns Rieder⸗
finfen, nicht über Baldurs Träume, Rath gepflogen werben. Aber Jpuns
Niederfinten ift nur eins ber beunrubigenden Beichen, deren dort gedacht
wer, und Strophe 3 erwähnte nach der obigen Deutung aud bie beun:
rahigenden Träume der.Bötter. An der Berathung über Baldur Träume
nimmt Ovin keinen thätigen Antheil, er bat, da vie Befragung Iduns
88 Eine aber Wefen. 79
vergeblich geblieben war, die Racht zu neuen Entſchlüßen benugt und
während die Andern noch zu Rathe figen, fieht er auf, ſchwingt ben
Sattel auf Sleipnits Rüden und reitet nach Nifpeim nieder, die Mala
im befragen, die Seherin, die er in der Unterwelt aus ihrem Grabe wedt,
nachdem er fie durch Beſchwoöͤrungen gezwungen hat, ihm Rebe zu ftehen.
Bas er hier erfährt, davon muß an einer andern Stelle bie Rebe fein:
hier galt es nur, ven Bufammenhang unferer beiden Lieder nachzumeifen.
Die im Gingang de3 Gedichte Idun mit Urd, der älteften Rome
verwechfelt ſcheint, fo fehen wir fie Str. 8 Nanna genannt und Str. 13
Jorun, wenn biefer uns dunkle Name nicht aus Idun verlefen if. Was
un mit Ranna gemein hat und dem Dichter erlaubte, beide Ramen
zu vertaufhen, lann und erft $. 34 bei dem Mythus von Balbur deut-
fi, werden. Zu verwundern ift, daß der Dichter nicht auch Gerda Ramen
gebraucht hat, an bie wir bei Iduns Schichſalen mehrfadh erinnert
worden find. Wenn aber unfer Dichter fich nicht geftattet, Idun und
Gerda zufammen zu bringen, fo wird doch unten bei Bragi wahrſcheinlich
werben, daß es Mythengeftalten gegeben habe, in melden biejer @öttinnen
Befen zufammenrann.
33. Baldurs Tod.
Erſchredt von Baldurd Träumen, die feinem Leben Gefahr drohten,
pllogen die Ajen Rath und beſchloßen, ihm Sicherheit vor allen Gefahren
auszuwirlen. Da nahm Frigg Eide von Feuer und Waßer, Gifen und
len Erzen, Steinen und Erden, von Bäumen, Arankheiten und Giften,
dazu won allen vierfüßigen Thieren, Vögeln und Würmern, daß fie Bal«
durs fhonen wollten. Als das geihehen war, turzweilten die Afen mit
Baldur ; er ftellte ſich mitten in einen Kreiß, wo dann Ginige nad ihm
ſchoßen, Andere nad) ihm hieben und noch Andere mit Steinen warfen.
Und was fie auch thaten, es ſchadete ihm nicht: das dauchte fie alle ein
wroßer Bortheil. Als aber Loki das fah, gefiel es ihm übel, va den
Valdur nichts verlegen ſollte. Da gieng er zu Frigg nad Fenſal in Ger
Ralt eines alten Weiber. Frigg fragte die Frau, ob fie wüfle, was bie
Alen in ihrer Berfammlung vornähmen. Die Frau antwortete, fie fhößen
alle nach Baldur, ihm aber ſchadete nichts. Da ſprach Frigg: Meder
Vaſſen noch Baume mögen Baldur ſchaden, ich habe vom allen Ede ger
memmen. Da fragte das Weib: Haben alle Dinge Eide geſchworen,
Belburs zu fhonen? Frigg antwortete: Deftlih von Walhall wachſt eine
80 Yreinghern. 8 38.
Staude, Miftiltein genannt, die fhien mir zu jung, fie in Eid zu nehmen.
Darauf gieng die rau fort: Loki nahm den Miftiltein, riß ihn aus und
gieng zur Verfammlung. Hödur ftand zu äußert im Kreiße der Männer,
denn er war blind. Da fprah Loki zu ihm: Warum fchiepeft du nicht
nad Baldur? Gr antwortete: Weil ich micht fehe, wo Balbur ſteht;
zum Andern hab ih aud feine Waffe. Da fprad Loli: Thu doc wie
andere Männer und biete Baldurn Ehre wie Ale thun. Ich will did
dahin weiſen wo er fteht: fo ſchieße nach ihm mit diefem Reis. Hödur
nahm den Miftelzweig und ſchoß auf Baldur nad Lolis Anmweifung. Der
Schuß flog und durchbohrte ihn, daß er todt zur Erde fiel, und das war
das gröfte Unglüd, das Menſchen und Götter betraf. Als Baldur ges
faden war, ſtanden die Aſen alle wie ſprachlos und gedachten nicht eins
mal ihn aufzuheben. Ciner ſah den Andern an; ihr Aller Gedanke war
wider den. gerichtet, der biefe That vollbradt hätte ; aber fie durften es
nicht rächen, es war an einer heiligen freiftätte. Als aber die Götter
die Sprache wieder erlangten, da mar das Gifte, daß fie fo heftig zu
weinen anfier.gen, daß Keiner mit Worten dem Andern feinen Harm fagen
mochte. Und Opin nahm fi den Schaden um fo mehr zu Herzen, als
Niemand fo gut wufle als er, zu wie großem Derlufte und Verfall den
Aſen Baldurs Ende gereihte. Als nun die Aſen fi erholt hatten, da
fragte Frigg, wer unter ben Aſen ihre Gunft und Huld gewinnen und
den Helweg reiten wolle, um zu verſuchen, ob er da Baldurn fände, und
ver Hel Löfegelv zu bieten, daß fie Baldurn heimtehren ließe gen Asgard.
Und er hieß Hermödhr der ſchnelle, Odind Sohn, der diefe Fahrt unters
nahm. Da ward Sleipnir, Odins Hengft, genommen unb vorgeführt,
Hermodur beftieg ihn und ftob davon.
Da nahmen die Aſen Baldurs Leihe und brachten fie zur See.
Hringhorn hieß Baldurs Schiff, es war aller Schiffe gröftes., Das moll:
tem bie Götter vom Strande ftoßen und Baldurs Leiche darauf verbrennen ;
aber das Schiff gieng nicht won ber Stelle. Da warb gen Jötunheim
nad dem Rieſenweibe gejenbet, die Hyrrodin hieß, und als fie kam, ritt
fie einen Wolf, der mit einer Schlange gezäumt war. Als fie vom Roffe
gefprungen war, rief Ovin vier Berferler herbei, es zu halten; aber fie
vermochten e3 nit anders, als indem fie es niebermarfen. Da trat
Hyrrodin an das Vordertheil des Schiffes und ftieß es im erften Anfaßen
vor, daß Feuer aus den Walzen fuhr und alle Lande zitterten. Da ward
Thoͤr zornig und griff nad dem Hammer und würde ihr das Haupt
138. Ao⸗deudt. 81
jihmettert haben, wenn ihr nicht alle Götter Frieden erbeten hätten.
Da ward Balburs Leiche hinaus auf das Schiff getragen, und als fein
Beib, Reps Tochter Nanna, das fah, da zerfprang fie vor Sammer und
Narb. Da ward fie auf den Scheiterhaufen gebracht und euer darunter
gezündet, und Thör trat hinzu und weihte den Scheiterhaufen mit Miölnir,
und vor feinen Füßen lief der Zwerg, der Lit hieß, und hör ftieh mit
dem Fuße nad ihm und warf im ind Feuer, daß er verbrannte. Und
diefem Leihenbrande wohnten vielerlei Gäfte bei: zuerft ift Opin zu
nennen, und mit ihm fuhr Frigg und die Walküren und Odins Raben,
und Frege fuhr im Wagen und hatte den Eber vorgefpannt, ber Gullin⸗
burfi hieß. Heimdall ritt den Hengft Gulltop (Goldzopf) genannt und
Freyja fuhr mit ihren Kahen. Auch kam eine große Menge Hrimthurfen
und Bergriefen. Odin legte den Ring, ber Draupnir hieß, auf den
Scheiterhauſen, der ſeitdem die Eigenſchaft gewann, daß jede neunte Nacht
acht gleich |höne Goldringe von ihm tropften. Baldurs Hengft ward mit
allem Gefhire zum Sceiterhaufen, geführt.
Hermodur ritt unterdeſs neun Nächte durd tiefe dunkle Thäler, fo
daß er nichts fah, bis er zum Giöllfluge kam und über vie Giöllbrüde
ritt, die mit glänzendem Golde belegt ift. Mödgubr heißt die Junge
frau, welhe die Brüde bewacht: bie fragte ihn nad Namen und Geſchlecht
und fagte, geftern feien fünf Haufen todter Männer über die Brüde ger
titten ‚und nicht donnert fie jet minder unter dir allein und nicht haft
du die Farbe tobter Männer: warum reiteft du den Helmeg?’ Cr ant⸗
wortete: „Ich foll zu Hel reiten, Baldur zu ſuchen. Haft du vielleicht
Baldurn auf dem Helmege gefehen ?“ Da fagte fie: Baldur fei über bie
Giölbrüde geritten; ‚aber nörblic geht der Weg hinab zu Hel’. Da ritt
Hermobur dahin, bis er an das Helgitter klam: da fprang er vom Pferde
und gürtete ihm fefter, ftieg wieder Auf und gab ihm die Sporen: da
feßte der Hengft fo mächtig über das Gitter, daß er es nirgend berührte.
Da ritt Hermobur auf die Halle zu, ftieg vom Pferde und trat in bie
Sale. Da fah er feinen Bruder Baldur auf dem Chrenplage ſihen.
Hermodur blieb dort die Nacht über. Aber am Morgen verlangte Her:
modur von Hel, daß Baldur mit ihm reiten follte und fagte, welche
Trauer um ihn bei den Aſen fei. Aber Hel fagte, das folle ſich mm
erproben, ob Baldur fo.allgemein geliebt werde als man fage. ‚Und wenn
alle Dinge in der Welt, lebendige ſowohl als tobte, ihn beweinen, fo foll
et zurhd zu den Afen fahren; aber bei Hel bleiben, wenn Eins wider⸗
Cimred, Biyihologie. 6
3 Hermobur. 6. 88.
ſpricht und nicht weinen will? Da fand Hermobur auf und Baldur ge
leitete ihn aus der Halle und nahm den Ring Draupnir und ſandte ihn
Odin zum Anventen, und Nanna fanbte ber Frigg einen Ueberwurf und
noch andre Gaben, und der Fulla einen Goldring. Da ritt Germobur
feines Weges und kam nad Asgard und fagte alle Beitungen, die er da
gehört und gejehen hatte. Darnach fanbten die Afen in alle Welt und
‚geboten Baldurn aus Hels Gewalt zu weinen. Alle thaten das, Menjchen
und Xhiere, Erbe, Steine, Bäume und alle Erze; wie du ſchon geliehen
haben wirft, daß diefe Dinge weinen, wenn fie auß dem Froſt in bie
Wärme kommen. Als die Gejandten heimfuhren und ihr Gewerbe wohl
vollbracht hatten, fanden fie in der Höhle ein Rieſenweib figen, das Thöd
genannt war. Die baten fie aud, Baldurn aus Hels Gewalt zu weinen.
Sie antwortete:
Thock muß weinen mit trodnen Augen
Ueber Balburs "Ende.
Nicht im Leben noch im Tod hatt ich Ruten vom ihm:
Behalte Hel was fie hat.
Man meint, daß dieß Loki geweſen fei, der ven Afen fo viel Leid
zugefügt hatte. D. 49.
So ausführlich diefe Erzählung ift, fo fehlt dod darin die an Hödur,
dem Mörder Baldurs, durch Wali genommene Rache, fo tie die Worte,
welche Odin feinem Sohne Baldur ins Ohr geraunt haben foll, als er
auf dem Scheiterhaufen lag. Bon den letztern wißen wir aus Wafthrub:
nigmal, wo Odin mit dem allwißenden Jötun über die urweltlihen Dinge
ftreitet. Die legte Frage, welche der Niefe nicht Töfen kann und ſich darum
gefangen giebt, d.h. der Willtür des Siegers untermwirft, lautete:
Bas fagte Odin dem Cohn ins Ohr,
Als er die Scheitern beftieg?
An ihr erkennt der Rieſe zugleich, daß es Odin ift, mit welchem er
in Räthfelreben geftritten hat, verm Niemand anders, fagt er, ala er fönne
wißen was er bem Sohn ins Ohr geraunt habe. Das Gedicht meldet
ung nun niet, was dem tobten Baldur von Odin ins Ohr geraunt warb:
wir müßen es, wenn. wir $.50 zu ber Wiedergeburt der Götter gelangen,
aus dem Bufammenhang der geftellten Fragen errathen.
Bas Balid Rache an Hödur betrifft, jo if davon in der Weg:
tamshoiba die Rebe, deren Bufammenhang mit Obins Rabenzauber wir
.” Baldur uud’ Walt, 88
fon beſprochen haben. Dieß Gedicht Aft eine Nachahmung von Waf—⸗
thrubnismal. Wie dort Gangradı nennt fi bier Obin Wegtam: beide
Ramen bezeichnen Odin als den Wanderer; und wie bort MWafthrubnir
den Gott an der frage erkennt, die Niemand anders ala Odin beant-
worten fan, fo erfennt ihn hier die aus dem Grab erwedte Seherin an
der Frage nach einer Begebenheit, die feinen Bid in die ferne Zukunft
verrathen mufte :
Bie heißt das Weib, die nicht weinen will
Und bimmelan werfen bes Hauptes Schleier? \
worauf die Wala antwortet: J —
Du biſt nicht Wegtam, wis erft ich wahnte:
Odin Bift hu, der Allerſchaffer.
und Odin entgegnet:
Du biſt feine Wala, fein wißendes Weib,
Bielmehr bit du-dreier Thurſen Mutter.
Allerdings liegt ein Widerſpruch darin, daß Opin fi über Baldurs
Zod von der todten Wala, der Mutter dreier Thurſen, Gemwifäheit zu
verfhaffen fucht, während ihm Thoͤds Weigerung, den Baldur aus Hels
Reich zu weinen, eine fo viel fpätere Begebenheit (denn auf diefe zielte
ODdins Frage), nicht verborgen ift; aber eben daran verräth fih der Nach:
ahmer. Gleichwohl dürfen wir an den Nachrichten, durch welche die Weg-
tamäfwida unfere Kenntniſs von dem Mythus des Baldur ergänzt, um
fo weniger Zweifel hegen, als fie fi) in andern Quellen (Hyndlul. 28)
beftätigen. Mag das Lied dem Berfaßer der jüngern Edda, der von Wali
D.30. 53 aus andern Quellen (Wafthrubn. 51) wißen kann, unbelannt
geblieben fein; wir hätten ohne fie in der ältern Edda fein Baldurs Tod
betrefiendes Gedicht. Der Verdacht aber darf nicht auffommen, als wenn
dieſer Mythus felbft erft fo jungen Urfprungs wäre. Was Wäl, 36—38
von Wali meldet, wird zwar, zumal e3 ſich nicht in allen Handſchriften
Findet, aus Megtamshoida nachgetragen fein ; was fie Aber Baldurs Tod
enthält, trifft das Herz feines Mythus und if über allen Verdacht ber
Emfhwärzung erhaben :
86. Ich ſah dem Baldur, bem blühenden Gotte,
Odins Sohne, Unheil drohen.
Gewachſen war hoch Aber bie Wieſen
Der zarte, zierliche Zweig ber Miſtel.
4 Rinde. 4.3
87. Bon ber Miftel am, fo baute mic,
daßlicher Harm, da Hödur ſchoß ıc.
Nur das Tönnte zweifelhaft fein, ob fie ed nicht war, welde den
Mothus von Baldurs Tod zuerft in Beziehung zu den allgemeinen Ger
ſchiden der Welt und der Götter brachte.
Auf die Frage, wer an Hoͤdur, dem Mörder Baldurs, Rache üben
werde, giebt nun die Seherin der Wegtamskwida die Auskunft:
11. Rindur im Weften gewinnt den Sohn,
Der einnächtig, Odins Erbe, zum Kampf geht.
Er mwäfcht die Hand nicht, das Haar nicht fämmt er,
Bis er Baldurs Mörder zum Holzſtoß bradite.
und bie erwähnte Stelle des Hyndluliedes lautet:
28. Eilfe wurben ber Afen gezählt,
Als Baldur beſchritt bie töbtlihen Scheite.
Wali bewährte ſich werth ihn zu rächen,
Da er ben Mörder des Bruders bemeifterte,
Auch Saro Grammaticus weiß davon, daß Dbin mit der Rinda
einen Soby zeugte, der Baldurd Tod zu rächen beffimmt war; das Na⸗
here hierüber unten bei Mali.
3. ‚Dentung.
In Baldur pflegt man das Licht in feiner Herichaft zu finden, bie
zu Mittfommer ihre Höhe erreiht hat; fein Tod ift aljo die Neige des
Lichts in der "Sommgrfonnenwende, wo die Tage am längften find, num
aber wieder fürzen, das Licht mithin ſich zu neigen beginnt. Sein Moͤrder
Hödur ift demzufolge der lichtlofe, der blinde (Heljar sinni, der Gefelle
der Hel, Stalvjt. 13), weil er daS Duntel des Winters bedeutet, deſſen
Herſchaft fih nun vorbereitet und zur Julzeit vollendet, wo nah dem
türzeften Tage die Sonne wieder geboren wird. Auch Hödr ift ein Sohn
Odins, wofür wir freilich, da in Wegtamskw. 16 die Lesarten ſchwanlen,
in der Edda jelbft fein entſcheidendes Beugnifs beſihen. Aber in Gkalo:
ffap. 13 heißt er Odins Sohn und auch Skaldſtap. 75 (S. 554) wird er
unter Odins Söhnen aufgeführt. Vgl. Edda Hafniae II. (1852) ©. 312.
473. 524. 556. (616) 636. Endlich berufe ich mid auf Wöl. 61, wo
aus der Vergleihung mit der folgenden Str, die von den Söhnen beider
LM. Radpegelübde. 86
Brüder (Odind und Honirs) ſpricht, darauf geſchloßen werben darf, daß
auch Hödr Odins Sohn if. Bei Saro (IIL) allerdings erfdeint nur
Yalderus nicht Hotherus als Odins Sohn. Bel. $. 29. Jedenfalls ift
er auch nad) der Edda ein Aje, kein Riefe, weil er das unſchädliche
Duntel iſt, das der Herfhaft des Lichts nad) der Ordnung der Natur
felgen muß, denn der Wechjel der Jahreszeiten ift ein mwohlthätiger, der
ſelbſt in der verjüngten Welt nicht entbehrt werben ann, wo Balbur und -
Hödur in des Siegesgotts Himmel friedlich beifammen wohnen follen
(öl. 61), denn dann, wenn alles Böfe ſchwindet, wird Baldur aus Hels
Haufe erlöft fein. Hoͤdur ift auch nach der fittlihen Seite hin an feines
Bruders Mord unſchuldig: ein Anderer hat feine Hand gelenkt, und in
der erneuten Welt, wo nur auf die Gefinnung gefehen wird, wo ganz
allein die Herzensunfhuld in Betracht kommt, fteht feiner Aufnahme
in Gimil, wo ale Werthen und Würbigen mohnen follen, nichts
entgegen. Aber ganz anders in biefer Welt: da ift die Blutrache
vflicht und eine fo allgemeine, daß fie keine Ausnahme erleidet:
das vergoßene Blut ſchreit um Race und kann nur durch Blut gefühnt
werden. Sie duldet aud feinen Aufichub, fie gönnt feine Friſt, fie läßt
nicht Zeit, die Hände zu waſchen, die Haare zu fämmen, und fteht ihrer
Erfüllung noch Unmöglichkeit entgegen, fo läßt man nad ber Sitte ger
manisher Radyegelübde Haar und Bart und die Nägel an Yen Fingern
wachen, ja wäſcht und kämmt fid nicht, bis der bringendften, unaufs
ſchieblichen Pflicht genügt iſt. Darum muß Wali an Hödur fofort Rache
üben, ob er glei unſchuldig iſt; aud kommt dem zur Race Berufenen
feine Jugend nicht zu Gute: kaum geboren, nur Eine Nacht alt, gedenkt
Bali des ungefühnten Blutd und fchreitet zum heiligen Wert der Rache.
Deutlicher noch als die hier benupte Wegtamshvida ſpricht dieß die Wo—
luſpa 37. 38 aus:
Baldurs Bruder war faum geboren,
Der Odins Erben einnädhtig fälte.
Die Hände nicht wuſch er, das Haar nicht kämmt er
Bis er zum Holzſtoß trug Baldurs Tödter.
Ueber jene Radegelübde vergl. Tacitus Hist. 4, 61. Germ. 31.
Paulus Diac. 317. Grimm G. D. &. 571. AM. III, 188. P. €.
Riller über Snorris Duellen ©. 15. 15. Panzer II, 398.
Zu Valdurs Deutung auf das allerfreuende Licht, das kein Weſen
8 Mike. % 3
entbehren Tann, es fei denn ein unbeimliches, flimmt D. 223: ‚Bon ihm
iſt nur Gutes zu fogen, er ift ver Veſte und wird von Allen gelobt.
& ift fo fhön von Antlig und fo glänzend, daß ein Schein von ihm
ausgeht. Ein Kraut ift fo licht, dak es mit Baldurd Augenbrauen ver-
glihen wird, es ift das liätefte aller Kräuter (vgl. Myth. 203): davon
magft du auf die Schönheit feines Haares ſowohl als feines Leibes
fließen. Er ift der weifefte, berebtefte und mildeſte von allen Ajen.
& hat die Eigenihaft, dab Niemand feine Urtpeile ſchelten kann. Er
bewohnt im Himmel die Stätte, die Vreivablid (Weitglanz) heißt. Da
wird nichts Unreines geduldet.’
Doch es iſt noch nicht Baldurs ganzes Weien, das wir erflären
follen, wir haben e8 hier nur mit feinem Tode zu thun. Diejen, die
Abnahme des Lichts, führt Loki herbei, indem er die Miftel in des blin«
den Hoͤdurs Hand legt. Baldurs Unverlegbgrleit durch Wurf und Schlag
erllärt fi aus der unkörperlihen Natur des Lichtes: ‚Die einzige Waffe,
die an ihm haftet, ift ein Symbol des büftern Winters. Die Miftel, die
im Winter wählt und reift, die darum aud nicht des Lichtes zu ihrem
Geveihen zu bebürfen ſcheint, ift allein nicht für Balbur in Pflicht ge—
nommen.‘ Uhland 146. Ich trage Bedenlen, bei der Deutung des Mythus
fo ſeht ins Einzelne zu gehen; man wird es ſchon gut erfunden und ge:
rechtfertigt Remen dürfen, wenn bei bem Eide, der allen Dingen abges
nommen werden follte, die Miftel, vie ala Schmaroperpflanze fein ſelb⸗
ftändiges Leben zu haben ſchien, überfehen warb. Einfacher freilich faßt
es D.49: die Staude ſchien zu jung, fie in Gid zu nehmen. Bu unbe
deutend mag bie Meinung fein; aber das ſcheinbat Unbebeutenpfte kann
in ber Hand des Böen die Unſchuld morden. Dann wäre aud bie Ber
merkung unnöthig, daß die Miftel, bei und nur eine ſchwache Staube,
auf Inſeln im Mälarfee bis zu drei Ellen Länge aufwächſt. Aber noch
eine andere Deutung verdient Grwähnung: ihrer Heiligfeit nicht ſowohl
als ihrer Unnatürlickeit verbantte die Miftel diefe Wahl. Die ganze
Natur liebte Baldur, es mufte ein feltfam Unnatürlides fein, von gött:
licher oder daͤmoniſcher Einwirkung berftammenn,, nicht aus Samen ge:
zogen, nicht in der Erde murzelnd, das den guten Gott verlegte, Schwend
Myth. 139. Jedenfalls verräth ſich hier ein alter Bug unferer Dichtung,
das Seltene und Seltfame der Natur abzulaufhen und in das Gewand
des Näthfels zu Hüllen Die Staube für heilig zu achten, wie folde
Wahl traf, haben wir freilih aus unferm Mythus allein keinen Grund.
& 34. Druiden, 87
Gleichwohl war ihre Heiligkeit nach Myth. 1156 deutſchen und keltiſchen
Böltern gemein. Die Druiden, fagt uns Plinius 16, 44, lannten nichts
Heiligeres ald die Miftel und die Gihe, darauf fie wuchs. Ohne der
Eiche Laub ober das der Staude, die vom Himmel auf fie niebergefallen
und den Baum erloren zu haben ſchien, begiengen fie keine heilige Hand»
Tung, ja nach dem griehiihen Namen des Baums ſcheinen fie erſt Druis
ven genannt. Weißgelleidet ftieg der Druide auf den Baum, mit gols
dener Sichel jhnitt er den Zweig und fieng ihn auf in weißen Mantel.
Dann erſt ward das bereit gehaltene Opfer dargebracht: zwei weiße
Stiere, beren Hörner noch fein Joch ertragen haben. Und felten iſt ein
folder Zweig zu finden, und geholt werben darf er nur im ſechsten Monb
nach dem dreißigften Jahr des Jahrhunderts, wo er ausgewachſen ift
und feine Allheilkraft erlangt hat. Denn wenn man ben Xhieren von
ihm zu trinken giebt, werben fie fruchtbar; auch fügt er wider jedes
Gift. So übernatürlige Kraft maß man der Staude zu, bie immergrün
auf der entblätterten heiligen Eiche forkouh® und glei dem Epheu, an
das fi auch manderlei Aberglaube hängte, ihre Früchte im Winter zeitigt.
Den Glauben an ihre Heiligkeit beftärtte noch, daß fie nur auf Bäumen
währt und auch hier ſich nicht fäen läßt, venn zu voller Reiſe gebeiht
ihr Samen nur im Magen ber Bögel, die ihn dahin tragen, wo er aufs
geht: es ift dann feine Menſchenhand im Spiel und die göttliche Fügung
offenbar. Belannt ift die in Wales noch fortlebende Sitte, die Miftel
amı Weihnachtsabend über den Thüren aufzufteden und die nad Leibes«
fegen verlangenden Frauen darunterhin zu führen. In Deutſchland hängt
man fie in Silber gefaßt Kindern um den Hals, und wo fie, was ſelten
iR, auf Haſeln wächſt, ift fiher ein Schag verborgen. M. 1158.
Der Antheil Thörs an dem Mythus fheint zunächit won keiner ties
fern Bedeutung: feine Crideinung war ſchon darum nöthig, weil der
Scheiterhaufen nach nordifher Sitte mit feinem Kammer eingeweiht wers
ven mufte. Aber er bedroht aud damit die Rieſin Hyrrodin, welche das
Schiff, auf dem der Scheiterhaufen errichtet war, in die See ftoßen fol.
Indem er dem Uebermuth dieſer Riefin wehrt, erſcheint Thör ganz in
feinem betannten Weſen ald Belämpfer der Niefen, aller verberblichen,
maßlofen Naturgewalten. Die in biefer Riefin fymbolifierte Naturerſchei⸗
nung ift nad) Uhland der verfengende Somnenbrand, ber nad) ber Soms
merfonnenwende einzutreten pflegt, und der Name Kyrrodin, die Feuer⸗
beraudhte, ſpricht dieſer Deutung das Wort. Das Shifj Hringhom kann
88 launa. 5. 34
nun die Sonne ſelbſt ſein, oder die Bahn des Lichts, das, indem der
Somnenlauf ſeinen Höhepunkt erreicht hat, eine Weile ſtille zu halten
ſcheint, num aber nad) dem gewaltigen Stoß, mit dem bie Riefin es vor:
treibt, die Wende nimmt und abwärts Ientt. ‚So fährt nun Hringhorni,
flammend in Sonnengluth, dahin ; aber es trägt nur noch die Leiche
feines Gottes.’ Da bricht aud der Gattin Baldurs, Neps Tochter Ranna,
das Herz ;. man mufte fie auf den Gcheiterhaufen tragen und mit ihm
verbrennen. Uhland deutet fie auf die Blüthe, die aus der Anofpe
bervorgeht, und darum Neps (für hneppr, Knopf) Tochter heißt. ‚Mit
der Abnahme des Lichts geht auch das reichſte, buftendfte Blumenleben
zu Ende; als Baldurd Leiche zum Scheiterhaufen getragen wird, zerjpringt
Nanna vor Janımer. Die Liebe Baldurs und Nannad, des Lichtes und
der Blüthe, bildet ein Seitenftüd zu der Liebe Bragis und Iduns, des
Geſanges und der Sommergrüne, und bie Aehnlichteit diefer Mythen ift
auftlärend für beide.’ Schon oben $. 32 ift darauf hingewieſen, daß ſich
Idun mit Nanna berührt und fogar einmal Ranna genannt wird. Aber
Uhland weiß auch den Zwerg Lit zu deuten, der dem Thör vor bie Füße
läuft und den er im Unmuth über Baldurs Tod und Nannas, ihnen in
daB Feuet nachſtößt. Es ift die Farbe (Lite), der reihe friſche Schmelz
des Frühfommers, der mit hinab muß, wenn Baldur und Nanna zu
Aſche werben.
Daß die Staude zu jung ſchien, fie in Eid und Pflicht zu nehmen,
tonnte und nicht ganz genügen; erſchreden aber müfte bie tiefe Proſa,
die in ber natürlichen Grllärung des Wunders Fiegt, daß ſelbſt die Steine
über Baldurs Tod meinten: ‚mie du ſchon gejehen haben wirft‘, jagt bie
D., ‚daß alle dieſe Dinge weinen, wenn fie aus dem Froſt in die Wärme
kommen.‘ Doch foll hiermit wohl nur die äußere Möglichkeit veranfchau:
licht werden; fonft Tieße fich entgegnen , durch Baldurs Tod ſeien die
Dinge im Gegentheil aus der Wärme in die Kälte gelommen. Die ganze
Natur Hagte um Baldurd Tod, weil fie des Lichtes bebürftig üft, und
feinem Leichenbegaͤngniſs wohnten vielerlei Gäfte bei, felbft Hrimthurfen
umd Bergriefen, fonft ein lichtſcheues Gefleht und dem Steinreich ver:
wanbt: alſo jcheinen aud fie des allbelebenden Lichts nicht ganz entra=
then zu Können. Da möchte ein Stein fih erbarmen, fagen wir, wenn
ein tiefed Weh uns ergreift, noch heute, und denken nicht mehr an ven
Urfprung der Medendart. Aber wie ed eiwas Unnatürlihes fein mufte,
das Baldurn verlegen konnte, jo wird Thöd, die ihn nicht aus Hels Ger
534. Dich. und Dranpnir. 89
walt weinen wollte, auf da® natürliche Gebiet nicht beſchräänlt werben
dürfen: fie ift auf das fittlihe übertragen als der Gigennug, die Halte,
berzlofe Gelbfuht, die aller Wohlthaten unerachtet, welche die ganze
Belt von dem Heimgegangenen genoßen bat, fi in Unempfindlichleit ver-
Rodt, weil nicht gerade fie, das Riefenweib in der Höhle, Bortheil von
ihm gemoßen zu haben ſich erinnert, denn in ihren Schlupfwinfel drang
das Licht des Tages nicht. Ihr Name ift und aber nur entftelt übers
liefert: er follte Död heißen, das vom Licht unerhellte Dunkel. Die
ganze Belt Uagte um Baldurd Tod, nur die Eigenſucht ward durch feine
Xerbienfte nicht überwunden. Wenn bie jüngere Edda hinzufügt, man
glaube Lofi fei dieſe Riefin geweſen, fo ift der Egoismus ald das böje
Brincip gefaßt, defien Rolle fonft Loli unter den Göttern übernommen bat.
Der Ring Draupnir, den Odin auf den Sceiterhaufen legte und
ven ihm Balvur aus Held Haufe zum Anventen zurüdfandte, gewann
ſeitdem bie jhon in feinem Namen angedeutete Eigenſchaft, daß jede neunte
Nacht acht gleiche Goldringe von ihm tropften. Nach D. 61 beſaß er fie
aber von Anfang an, da ihn die Zwerge bildeten. Wir haben ihn früber
im Befig Freyrs und feines Dieners Skirnir gefunden, nebft- jenen eilf
Aepfeln, die und an die Iduns erinnerten: beide beveuteten und dort,
daß Freyr der Gott der Fruchtbarkeit und Vermehrung fei. Daß dieſe
Aepfel jo wie jener Ring mehrfach wieberlehren, ift bei ber Verwandt:
fat der Götter, die au im Gedanken ſich berühren, nicht zu verwun«
dern. Wenn Baldur das Licht ift, ohne welches alles Wachſthum flodt,
wenn Idun als eine Jahresgöttin fi auf die Trieblraft der im Früh:
king erneuten Natur bezieht, jo können dieſe Attribute fo gut bei Balbur
und Idun an ihrer Stelle fein, als bei Freytr. Man pflegt aber ben
Ring auf die Phafen des Monds zu beziehen und jene Aepfel auf eilf
Monatfonnen. Dieb mag gezwungen feinen ; doc läßt fi bei dem
Ning der Gedanke an einen wiederlehrenden Zeitabfhnitt Taum zuräd:
drängen: gewiſs ift die Woche gemeint, die vielleicht auch bei den Ger:
manen einft wie bei den Römern 9 Tage zählte. Cine Hinbeutung auf
die Woche finde id in Stimisför 39 :
„Rad neun Nächten will Riördhe Sohne da
Gerda Freude gönnen.
Neun Nächte brauchte auch Hermodur zur Hel zu reiten und neun
Nächte hieng Odin nad Hawam. 139 an der Weltejhe. Neun Walpurgiss
nachte Bernalelen Alp. 109.
90 Erweiterung. 334
Auch Nanna, Baldur Gemahlin, ſendet Anvenfen aus Held Reid
berauf: der Frigg einen Schleier oder Weberwurf, der Fulla einen Gold:
ring. Den Schleier faßt Uhland als das Abzeichen der Hausfrau, das
der Frigg gebührt wie der Fulla, ihrer Dienerin und BVertrauten, ber
vollgewachſenen Jungfrau mit den flatternden Haaren (D. 35), der Ber:
lobungsring. In beiden aber, Schleier und Golbring, erlennt er Blumen
des Spätherbftes. Peterſen greift diefen Gebanten auf, erlaubt aber den
Schleier in einen blumengeftidten Wiefenteppih zu wandeln, ber fi ber
Göttin vor bie Füße fpreitet, wenn fie zur Erde nieberfteigt. So bürfte
man aud Draupnir, dad Symbol der Fruchtbarkeit, als den Gegen des
Herbſtes mit feiner neunfältigen Bermehrung verftehen.
Bern Skirnir in Skirnisför davon fpriht, daß der Ring Draupnir
mit Obins jungem Erben auf dem Holzftoß gelegen habe, fo muß bie
Begebenbeit, von ber da die Rebe ift, darum nicht fpäter als Balburs
Zod fallen, fo wenig als etwa die Rabenſchlacht darum vor Dietrichs
Kampf mit Ede und feinen Brüdern zu legen ift, weil im Edenlied auf
fie angefpielt wird, Weber das Götterepos noch die Heldendichtung ift
das Wert eine® Einzelnen; aber leicht erihien jedem Dichter der Stoff
des Liebes, das er aus dem Ganzen herausgriff, als ber Rittelpuutt,
dem ſich alles Andere fügen muſte.
Bei Freyt und Gerda, wie bei Iduns Niederfinten, ja ſchon bei
Swabilfari haben wir bemerft, daß diefe Mythen fih urfpränglih auf
jährlich wiederkehrende Ereigniſſe bezogen, bei ihrer Einflehtung in bie
Geſchidke der Welt und ver Götter aber auf das große Weltenjahr ger
deutet wurden, das mit Surturs Lohe zu Ende geht, und bem bann in
der verjüngten Welt ein neues folgen wird. Diefelbe Bemerkung wieder⸗
holt fih hier: Baldur der Lichtgott ftirbt alljährlich und geht zur Hel;
aber im nächften Halbjahr kehrt ex zu den Afen zurüd, und das ift das
Urfprünglihe, daß er im Kreißlauf des Jahrs einmal herſcht und die
Welt erfreut, dann aber ftirbt und von allen Weſen beflagt wird. Dabei
ift es aber nicht geblieben: die Ausbildung, melde der Mythus im nor
diſchen Glauben empfieng, faßte den Kreiplauf bes irdiſchen Jahrs nicht
ind Auge, jondern das große Weltenjahr: Baldur geht zu He und kehrt
nicht zurüd in diefer Welt, erft in der erneuten ift ihm Heimtehr vers
beißen ; nicht der nachſte Frühling bringt ihn wieder, erſt die Wieder:
geburt der Welt. Baldurs Tod ift jo der Mittelpunkt geworben für das
große Drama von den Gefhiden ver Welt und der Götter, er ift mit
5. 85. Brudermoid. a
der Götterbämmerung und Lokis Befttafung untrennbar verbunden. Der
Winter, welchen Baldurs Tod herbeiführt, ift fein gewöhnlicher, es if
der Fimbulminter, dem fein Sommer folgt, fondern der Untergang
der Welt. Hieraus ergiebt fi aber zugleich, daß unfer Mythus bei feir
nem urſprünglichen Sinn nicht ftehen geblieben ift, feit er in das Ganze
der Weltgeſchide verflohten warb: der Hauptgedanke, welcher bie ganze
Götterlehre beherſcht, ver vom Untergang und Erneuerung der Welt, hat
auch ihn fih unterworfen und bienftbar gemacht. Baldur ift jept nicht
mehr das Licht allein, das heilige, reine; er ift zugleich die Heiligkeit,
die Reinheit, die Unſchuld ber Götter, er ift vom natürlihen auf das
fittliche Gebiet hinübergezogen. Was an den Göttern noch rein und
gut war, ift in ihm zu perfönlicer Erſcheinung gelommen. Darum war
er aber nun aud) zu gut für diefe Welt: er konnte unter diefen fünbigen
Goͤttern nicht lange leben. Wie in der Genefis auf ven Fall durch den
Genuß der verbotenen Frucht, auf den Berluft des Paradiefes der Bru:
dermorb Kains an Abel folgt, fo ift es aud bier nicht genug, baß bie
goldene Zeit verloren gieng: Loki der Werfucher bringt den Brudermord
unter die Götter felbft, und der Brudermorb bezeichnet dem Germanen
den Gipfel des fittlihen Verderbens; die Wölufpa läßt den Brud der
Sippe, die Fehde zwiſchen Geſchwiſterten, ver Wolfszeit, da die Welt zers
Kürzt, unmittelbar voraufgehen.
35. Balderus und Hotherus.
Bei Saro Gramm. fehen wir Baldur und Höbr von Göttern zu
Helden herabgefunten,, die ſich hartnädig unter wechſelnden Erfolgen bes
kriegen ; doc ift bei Balderus noch halbwege die göttlihe Abftammung
gewahrt. Hotherus liebt die Nanna, die Tochter Gewars, eines norwe⸗
giſchen Königs, feines Pflegevaterd. Da er durch Gefang alle Herzen zu
Trauer oder Freude, zu Haß oder Liebe zu ftimmen weiß, fo gewinnt er
auch Nannas Gunft. Es geihah aber, daß Othins Sohn Balder Nanna
im Babe ſah, und von ihrer Schönheit ergrifien ſich in Sehnſucht ver
zehtt. Hieraus entjpinnt fi der Krieg, der dem Hother wenig Erfolg
verheißt, da Balders heiliger Leib dem Eiſen undurchdringlich ift, wie
ihm gewiſſe Waldfrauen verratben, in melden wir Dijen oder Waltüren
ertennen. Gleichwohl weiß ihm Gewar ein Schwert, das ihn töbten lann;
es muß aber einem Waldgeiſt, Namens Mimring, abgewonnen werden,
” Salders Brunnen, 6. 8.
fo wie aud ein Armring, deſſen Wunderkraft die Schäge mehrt. Als
Hother ſich dieſes Schwert verſchafft hat, befiegt er den Balder in einer
Seeſchlacht, obgleich Othin, Thoro und andere Götter ihm beiftehen. Diefer
Thoro führt, wie Thör den Hammer, eine Keule, melde Hother unfchädlich
macht, indem er ihr die Handhabe abſchlägt. Nach diefer Schlacht, von
der nod ein Hafen fpriht, der Baldur Namen führt, vermählt fich
Hother mit Nanna. In einer fpätern Schlacht ſchlägt Balder feinem dur⸗
Rigen Heer zur Labung einen Duell aus dem Boden und aud biejer
Brunnen bewahrt nody feinen Namen. Diefer fiegreihen Schlacht folgt
nod eine zweite; aber aud damit ift der Kampf noch nidt zu Balder
Bortheil entſchieden. Hother birgt fi in einen tiefen, einfamen Wald,
wo er in einer Höhle diefelben Waldfrauen trifft, die ihn ſchon einmal
berathen und beichentt haben. Sie verheißen ihm Sieg, wenn er ven
Genuß einer wunderbaren Speife, die von andern weiſen Frauen zu
Balders Stärkung bereitet wird, ſich ſelber verfhaffe. Gr beginnt nun
ven Krieg aufs Neue; die Nacht trennt die Heere. Gegen die britte
Nachtwache umberirrend, gewahrt er vor Balders Lager die Jungfrauen,
die fein Wundermal bereiten. Durch Geſang und Eitherfpiel gewinnt ex
ihre Gunft, die aus dem Geifer dreier Schlangen bereitete Speife und
‚einen fiegverleihenden Gürtel.” Auf der Heimkehr begegnet er dem Balder
und verwundet ihn mit dem Schwerte Mimrings. Zwar läßt er ſich
am folgenden Tage noch in einer Sänfte in die Schlacht tragen, um nicht
im büftern Zelte zu fterben ; aber in der Nacht erfcheint ihm die Todes:
göttin und am britten Tage ftirbt er an feiner Wunde. Er wird im
Hügel beigefegt; der Leihenbrand auf dem Schiffe iſt auf ven Sachſen—
tönig Gelder übertragen. Daß Odin, um für feinen Sopn Rache zu
erlangen, num mit der Rinda einen andern Sohn erzeugt, der den Hother
erſchlaͤgt, ift ſchon erwähnt worden.
Die Grundzüge des Mythus find im dieſer Erzählung unſchwer
wieder zu erfennen. Für die Umbildung der Götterfage in Helvenfage
ift fie höchft lehrreich; daß der liederkundige Hother in der Hilden: und
Gudrunfage erft zu Heorrenda, dann zu Horand, in ber deutſchen Sieg ⸗
friedfage zu dem einäugigen Hagen wird, haben ſchon Anbere bemerkt.
Die Hagen den Siegfried mit dem Sper durchbohrt, fo Hother ben
Balverus mit dem an die Stelle des Miſtelzweigs tretenden Zauberſchwert.
Aber viel ſchlagender wird die Aehnlichleit, wenn wir die eddiſche Er⸗
zaͤhlung ©. 79 vergleihen, wo Loli von Frigg zu erfahren ſucht, wie
%88. Mimring uud Mimung. 3
Balbur getöbtet werben lönne. In ver beiten Meinung plaubert Frigg
ans, was zu Baldurs Verberben führt; genau fo gelingt es Hagen von
Kriembild auszuforfhen, wo Siegfried verwunbbar fei. Andere heften
ſich daran, daß Hagen einäugig ift, nicht blind wie Hödhr, darum ver:
gleihen fie ihn dem einäugigen Odin. Ich will aber felbft anführen,
was fi) für diefe Vergleichung nod aufbringen läßt. Hagen heißt Dorn
(paliurus) und Ddin ftiht die Brynhild mit dem Schlafdorn. Odin
laßt fi allerdings in einigen Mythen als Todesgoit faßen, und mir
wißen, daß Winter und Tod entiprehende Mythenſtuſen find. Hödr als
Wintergott fällt jo gewißermaßen mit Odin als Todeögott zufammen, und
fo mögen fie ſich auch im Höbhr berühren, und gleihfall® darin, daß
Hödur (alth. Hada) ſchon dem Namen nad) Kriegägott ift wie Odin.
Das Bauberfhwert, in das ſich der Miftelgmeig bei Saro gewandelt
bat, ſcheint in der Geftalt der Hilvenfage, welhe D. 65 (M. Edda 353)
enthält, zu dem Zwergenſchwerte Daindleif geworben, das Blut koſten
muß, che es in feine Scheide zurüdtehrt. Der von Zwergen geſchmiedeten
Schwerter, die zugleih mit einem Schag von Helven gewonnen wer:
den, giebt es aber nod viel, in der Diettichsſage wie in ber von Sieg:
fried; im diefer ftimmt zugleih der Name des Schmiedes Mime, von dem
Siegfried in der Wiltinaf. fein Schwert gewinnt, und von dem ein ans
deres, in ber Helvenfage berühmtes, Wittichs Schwert Mimung, den
Namen hat, Mimring ſcheint zwifhen dem Niefen Mimir, von dem Mir
mird Quell benannt if, und jenem Schmied Mime in der Mitte zu
Reben, wie er aud als Waldmanı (silvarım satyrus) zwiſchen Riefen
und Zwergen ſchwankt. Daß er das Schwert geſchmiedet habe, wird von
Mimring nicht außbrüdlich berichtet, doch ergiebt es bie Wergleihung mit
dem Schmiede Mime, und Niefen fowohl wie Zwerge jahen wir ſchon
als Schmiede. In Mimrings jhagmehrenden Armring erlennt man leicht
den Ring Draupnir, zugleih aber aud jenen Ning Andwaranaut, ber
nach dem andern Sigurbäliede und D. 62 (M. Edda 341) das Niflungengold
mehrte und im Nibelungenlieve durch die Wünfchelruthe vertreten wird,
die bei dem Schat lag, der feine Unerſchöͤpflichleit bebingte. Indem
Mimring aus Mimir gebildet ift und fein Wunderring mit Draupnie
‚Sufammenfält, fehen wir und gezwungen, aus Mimird Erwägung vorweg ⸗
zunehmen, daß fein Haupt nah Sigrbrifumäl 13. 14 gleichfalls ein Schags
träufler (Heibdraupnir) war. Thoͤrs Hammer bat fih in eine Keule vers
wanbell; daß ihr die Handbabe abgejhlagen wird, ift derjelbe Zug, der
da Sal der Güter, 8. 36.
fih in D. 61 (M. Edda 399) wieberfindet, wo der Gtiel des Hammer
fhon in der Schmiebe der Zwerge, die dieſes Kleinod nebft andern ſchaffen,
gu kurz geräth. Bei Balders Quelle fehlt der Huficlag, fonft fände ſich
bier der Urfprung einer fpäter auf Karl d. Gr. übertragenen und noch
oft (Wolf Veitr. 133) wieberfehrenden Sage. Vgl. auch KM.107. Auf
andere Webereinftimmungen ver Erzählung mit Baldurs Mythe hat Uhland
hingewieſen. Daß Baldur die Nanna im Bade fieht, beutet er darauf,
daß die bethaute Blüthe, die fih eben dem Lichte erfchliekt, am reizendſten
Äft, unb wenn ber von Balder in vie Flucht geſchlagene Hother fih in
abgelegener Wildniſs verbirgt, fo bezieht er dieß auf den Sieg des ſom⸗
merlichen Lichtes, wor bem der dunkle Hother nur noch im tiefften Waldes-
ſchatten eine Buflucht findet. Wenn Baldur, nachdem er Nanna geſehen
bat, ſich in Liebe verzehrt, fo erinnert er an Freyr, der auf Hlidſtialf
Gerda gejehen hatte. Aber bei dieſem war das Siechthum die Gtrafe
feiner Vermeßenheit; jo ift bier aud Balders Unſchuld befledt, als er
Nama im Bade jah, denn ihre Meize, die ihn Nachts umgaukeln, rauben
ihm den Schlaf. Hier fehen wir alſo den Fall der Götter, der in Bal-
durs Tode offenbar wird, fih an Baldur felbft begeben.
36. Baldur als Kriegs: oder Friedeusgott.
Saros Crzählung giebt aber auch einer andern als der oben vor
getragenen Deutung de3 Baldurmythus eine ftarle Stüge. Es muſte
allerdings auffallen, daß alle in demſelben vorlommenden Namen gu ber
eddiſchen Milde des Gottes wenig ftimmen, wie glei fein eigener nicht,
da unfer bald in der alten Sprade wie das goth. balths audax (die
beide mit dem Namen des Gottes verwandt fein Lönnen, Myth. IT. Ausg.
S. 202), Kühnheit und Schnelligkeit ausprüdt, wie aud Nannas Name
von ginendan, ſich erfühnen, abzuleiten wäre, Nimmt man hinzu, daß
Höbur auf badu, Kampf, hinweift, mit dem in ber Heldenſage berühmte
Eigennamen zufammengejept find; daß Hermöbr, der feinen Bruder aus
der Unterwelt zurüdforbern fol, Heermuth (alth. herimuot) , Kriegsmuth
bedeutet; daß vielleiht Baldurs nadhgeborener Bruder und Räder Wali
auf den Rampfplag, die Walftatt zu beziehen ift, endlich angelf. Stamm: ,
tafeln dem Baldur einen und fonft unbelannten Sohn Brond oder Brand
beilegen, welcher Name das Schwert bezeichnen kann und in ber Bufam:
menfegung mit hadu- und hilde- wirkfi bedeutet, fo waltet fon in allen
3 Aamyſouer. 9
diefen Namen der Begriff des Kampfs und der Schlacht, was zu Saros
Darſtellung, wo Balder und Hother fi unabläßig befriegen, auffallend
Rimmt. Doc kann dagegen geltend gemacht werben, daß das goth. balths
andax von dem alth. bezeugten Namen Paltar, welder dem nordiſchen
Baldr entjpräde, abliegt, und in dem angeljähl. Namen ded Gottes,
welcher Bäldäg lautet, eine Zufammenjegung mit -däg erſcheint, welches
den Tag bebeutet, während ſich für bäl- aus der Vergleichung mit flavi-
ſchen und litthauiſchen Wurzeln der Sinn von weiß und licht ergiebt.
Baldäg würde demnach den lichten, glänzenden Gott des Tages bezeichnen.
Bel 8.14. Ebenſo beveutet brond, brand altn: brandr, zunädft nur
ſtralendes Licht, Fadel, brennende Scheite, und Schwert ſcheint erft eine
abgeleitete Bedeutung, wie auch die Sonnenftralen als Pfeile aufgefaßt
werden, da noch im Mittelhochd. sträl, und im Stalienifhen strale den
Beil bezeichnet ; haben wir doch auch Freyrs Schwert ald den Gonnens
Rral begriffen. Nannas Name bezeichnet fie mit Grund ala die kühne,
infofern fie ſich entſchließt oder erſchließt, was gleihbebeutend ift; fo heißt
auch Derwanbil, der mit dem Pfeil arbeitende, gleichſalls hin fräkni, der
Kühne, obgleich er nichts weniger als ein Kampfgott ift, fondern bei dem
Rothus von hör auf den Samenkeim gedeutet werben wird. Der Name
Hermöbr rechtfertigt ſich ſchon aus bem ihm ertheilten Auftrag, bie
Todtenwelt ald ein Lebender zu befuhen und über das Höllengitter bins
weg zu fprengen. In ähnlicher Weile ließe ſich vielleicht aud der aus
Hödurs Ramen hergenommene Einwurf befeitigen; jedenfalls muß er nicht
ſchon feiner Blindheit wegen ein Kriegsgott fein, weil das Kriegsglüd
blind fei oder der Krieg blind müthe. Bei der Richtung des germanifhen
Lebens auf Kampf und Schlaht mag freilich ber Mythus ſchon frühe
eine jolde Wendung befommen haben, ja ver Anlaß hierzu lag ſchon in
feinem urfprünglien, von und bargelegten Ginne. Baldur und Höbur,
Acht und Finſterniſs, find in den Gegenfag geftellt, e3 ift der Begenfag
von Sommer und Winter, deren Kampf alljährlich ſich erneuert und daher
auch jeden Frühling in ieitverbreiteten und wielgeftaltigen Boltsfeften
(Ryıh. 715— 749) dramatifch dargeftellt wurde, woran und in noch fort:
lebenden Gebräuden und in Jahresliedern der Kinder, die bier und da
noch immer gefungen werden, Rachklaͤnge erhalten bleiben. Kaupfgoͤtier
mögen es aljo immerhin fein, die ung in dem Mythus von Baldar und
dodur namentlih nach Saros Faßung enigegentveten; aber ber erſte An⸗
laß fie fo zu faßen lag in dem Gegenſatz von Licht und Finſteruiſa,
96 Germantfger Sciedensgott. %. 36.
Sommer und Winter, deren zweimal alljährlich erneuerter Kampf bie
‚ Einbifdungstraft unferes Volles vielfady beichäftigt hat.
Zum Schluß will ich noch Weinhold Deutung (Zeitfer. VIL, 50)
anführen, der auf Saro geftügt, in Baldur zwar einen milden Friedens:
gott fieht, aber einen germanifgen Gott des Friedens, ber nur durd
den Kampf zum’ Frieden bringe. Nah ihm war Baldur die Berlörpe:
rung der Berföhnung,, die dur den Aſenbund unter den germaniſchen
Göttern geflogen, aber nur durch den Kampf möglich geworden war.
Diefer Friede kann nit ewig währen: nur die Dberflähe des Waßers
Üft beruhigt, in der Tiefe gährt und brandet es und bereitet fih zum
Sturm. ‚Die Götter ahnen den Untergang der Ruhe, Baldurs Tod
liegt ihnen wie ein brüdender Traum auf der Seele, denn das ſchwaͤchſte
und Heinfte (der Miftelzweig) kann diefen Frieden morden. Loli erhält
num den völligen Abſchluß feines dämonifhen Weſens, er wird der Gott
der vergeltenden Abrechnung. Gr regt den blinden Hoͤdhr, den Krieg,
auf; ber Friedensgott fält. Zwar erfhlägt Wali, der Gott der Wal:
ftatt, au den Hödhr; in ber blutigen Niederlage endet der Krieg; aber
einmal verlegt und gebrochen ift Baldur unwiederbringlich verloren. Ranna,
die edle Kühnheit, iſt der blinden Raferei erlegen, Hermodr will ver:
gebens den Frieden zurüdführen, die Niefin Thöd, die Vergeltung, hin-
dert es. Der heilige große Friede kann nur in einer neuen Welt wieder
aufleben, darum ſchließt ſich an feinen Tod der Untergang der Welt und
der Götter, und die fühnende Flamme durchglüht die befledte Erbe.’
Zu diefer Deutung, der wir Geift und Scharffinn nit abſprechen,
ftimmt e3 nicht, wenn Hödur, der Krieg, in den Himmel der verjüngten,
wiebergeborenen Belt aufgenommen wird, imo doch ewiger Friede walten
fol. Auch befriedigt Walis Auffaßung wenig, menn er den Krieg in
einer blutigen Niederlage zu Ende bringen foll, ohne body den Frieden
zurüdführen zu konnen; eher könnte er nach der Nieverlage heißen, weil
er fie zu rächen hat. Wenn endlih Ihöd die Vergeltung fein foll, alfo
der Trieb zur Rache, welcher e3 hindert, daß Valdur, der Friede, zurüd:
geführt werde, fo hat das zwar am meiften Schein, ift aber weder damit
vereinbar, daß der Arieg (Hör) bereits duch Wali erſchlagen umd zu
Ende gebracht fein fol, noch damit, daß alle übrigen Weſen Baldurs
Tod beiveinen, alſo die Bedingung erfüllen, an die feine Heimkehr ge:
Mmäpft iſt. Jedenfalls leidet diefe Deutung an einem innern Widerſpruch:
‚wenn Hödr der Krieg ift, den die Blutrache (Thölh) nie zu Ende kommen
% 86. Sortfjicbung der Mythen. 9
läßt, fo Tann er nicht von Wali erſchlagen werben ; oder wenn Wali ven
Krieg in einer blutigen Niederlage beenbigte, fo ann der Rüdkehr des
Friedens nichts mehr im Wege ſtehen: die Unterſcheidung zwiſchen einem
großen, heiligen Frieden und einem andern, den ver Mythus nicht daneben
ſtellt, brauchen wir uns nicht gefallen zu laßen.
Die vorftehenve Betrachtung der weitern Einbußen der Götter nad
dem Berlufte der Unſchuld hat ergeben, daß die hier in das große Welt ⸗
drama vermwebten Mythen vemjelben urfprünglic fremd waren, indem fie
fich ihrer wahren Bedeutung nad nicht auf die allgemeinen Weltgeſchide
bezogen, ſondern das gewöhnliche Jahr betrafen, won bem fie erft auf das
große Weltenjahr übertragen wurden. Baldurs Tod fehen wir aber ſchon
in der Wölufpa in diefem allgemeinen Sinn aufgefaßt und den Mythus
von Swabilfari zu gleihem Zwed verwendet; vielleicht hat fie dadurch
Beranlafung gegeben, auch bie Mythen von Freys Hingabe des Schwerts
und von Iduns Blätterfall mit den Weltgeihiden und dem legten Kampf
in Berbindung zu bringen.
Außer biefen Einbußen der Götter ließen ſich noch andere zur Sprache
bringen, z.B. wenn Odin dad Auge, Tyr ben Arm verliert. Aber theils
find die hierauf bezüglichen Erzählungen nur erfunden um des Ginen Ein»
augigleit, des Andern Ginarmigleit zu erflären, theils werben fie in um
fern Quellen nicht näher auf die Geſchide der Welt und der Götter ber
zogen, und wenn Tyts Verluft des Arms in einem unten zu erläuternden
Mythus vorkommt, ber fi) allerding8 auf den Kampf ber Götter gegen
die Riefen bezieht, fo bleibt er doch für die legte Entſcheidung gleiche
gültig, bei welcher dem Tyr, wie wir fehen werben, nicht einmal eine -
Rolle zugetpeilt ift. Scheinen könnte es zwar, ala ob Wöl.22 dur die
ſchauerliche Frage: ‚Wißt ihr was das bebeutet ?' auch Odins an Mimir
verpfändetes Auge auf die legte Entſcheidung beziehen wollte; genauer ber
trachtet ift aber nur fein Methtrinken aus diefer Duelle auf fie bezogen,
wobei es zweifelhaft bleibt, ob darin eine Gefahr für die Götter gefunden
wird, daß Allvater fi in die Vergangenheit verjenkt ftatt den Blid in
die Zukunſt zu richten und ben Anforderungen des Augenblids zu genü-
gen, ober, und bafür entſcheiden wir und, ob hier wie Str. 47 in den
Borten:
Odin murmelt mit Mimirs Haupt
auf die Auffhlüße hingebeutet wird, welde bie Vergangenheit mittelbar
über die Zukunft geben kann. Auf jene haben wir $.19 Mimirs Brunnen
Cimred, Mirhelsgic. 7
38 Keil. % 87.
gedeutet, und damit beide Stellen ber Wölufpa (Str. 23 und 47) dem
nicht entgegenizuftehen feinen, müßen wir noch einmal an bie Worte
unfered Dichters erinnern:
Denn Alles was entfteht,
Iſt werth, daß es zu Grunde geht.
Die Vorkehrungen der Götter,
37. Loki in der Trilogie der Götter.
Schon mit dem Berlufte der Unſchuld hätte die Götter die Ahnung
des Untergangs ergreifen follen; aber exit nach Baldurd Tode, melden
fie nicht hatten verhindern konnen, fanden fie es nöthig, dem herein«
brechenden Verderben entgegen zu wirken. Buerft fuchen fie ven Loki,
von dem bisher alles Uebel ausgegangen war, unſchädlich zu machen,
dann aber durch Feßelung des Wolfes Fenrir den Untergang abzuwehren.
Leider vergehen fie babei, die als Fenrirs Geflecht bezeichneten Wölfe
8.13, die fih von Fleiſch und Blut ver im Brubermord Erſchlagenen
nähren und des Himmels Lichtern nachftellen, gleichfalls in Feßeln zu
fhlagen, durch welche Verſaumniſs fpäter ſowohl Loki ald Fenrir befreit
werden und der Tag des Untergangs hereinbricht.
Auf Baldurs Tod läßt die jüngere Edda D. 50 Lolis Beftrafung
folgen, während er nad Degisdreda erft noch die übrigen Götter bei dem
Gaftmal Degirs verhöhnt, wonach denn daß über ihn verhängte Gericht
als eine Strafe für diefen Frevel, die Beihimpfung ver Ajen, erſcheint.
Loki hatte aber mehr an den Göttern verſchuldet als Baldurs Tod und
jedenfalls mehr als jene Verläfterung bei Degird Gaftmal und barum
ſiud wir nicht verpflichtet, der einen oder der andern Weife zu folgen.
Wir müßen Lolis Verhältnifs zu den Göttern im Ganzen betradten, mar
mentlich aud feine Verwandtſchaft mit der Todesgoͤttin Hel, mit der Mid⸗
gardeſchlange und dem Fenriswolf, erft dann können wir bie über ihm
verhängte Strafe begreifen.
& 37. Wanderungen der Götter. ”
Die jümgere Edda geht, als fie auf ihm zu fprehen Iommt (D.33),
ſehr übel mit ihm um und nennt ihm nicht blos den PVerläfterer der
Götter, wa auf jenes Lied von Degirs Gaftmal zu deuten fcheint, ſon⸗
dern auch den Anftifter alles Betrugs und eine Schande der Götter und
Menſchen. Wenn er das war, und allerdings giebt es Mythen , die ihn
in biefem Lichte erſcheinen laßen, fo fragt es fi, wie ift er unter die
Götter Asgards gelommen und warum duldeten fie ihn im ihrer Mitte?
In den bisher betrachteten Mythen erſchien Loki zum Theil in einem
mildern Lichte. Schon mehrmals fanden wir ihn mit Odin und Hönir
auf der Wanderſchaft begriffen. So bei ber Erſchaffung der Menfchen,
wo Gr e3 war, ber dem Menfchen Blut und blühende Farbe verlieh.
Diefelbe wandernde Trias trafen wir zum anbernmal bei dem erften
Mythus von Idun und wir werben ihr noch öfter wieder begegnen. Wie
die vergleichende Mythologie lehrt, find es aber immer die Gauptgötter,
die bei folhen Wanderungen der Götter, die fpäter auf Chriſtus und feine
Apoftel übertragen wurden, zu den Menden herabfteigen. Die Erſchaf ⸗
fung des Menſchengeſchlechts legte D. 9 den Söhnen Börs, alfo der Brus
derdreiheit Odin, Wili und We bei: dieß läßt vermuthen, daß auch Odin
Hönir und Loli als Brüder gedacht waren. Die Betrachtung einiger an⸗
dern Brüderbreiheiten wird dem zur Beſtaͤtigung dienen. Nach D. 83
bat Lofi zwei Brüder, Bileifte und Helblindi. Vgl. Wöl. 51. Hyndlul. 37,
wo Loti als Bileiſtrs Bruder gelennzeichnet wird. Nun heißt aber auch
Odin Bileiftr und fo wird er ımter Lokis Bruder Bileifte verftanden
und Helblindi auf Höniz zu beziehen fein. Es findet fi aber aud bei
den Niefen eine foldhe Brüberbreiheit. Die Söhne Fornjot des Alten
heißen Ari (Hlör) Degir und Logi, die Glementargötter der Luft, des
Waßers und des Feuers ; fie lehren hernach in ber Helvenfage als Faſolt
Ede und Gbenröt wieder, Kari heißt der Rauſchende und Bileifte (Byl⸗
leiſtr) wird mit Weinhold, Zeitſchtift VII, 6 als der Sturmlöfer zu ver⸗
Reben fein, fo daß beiden die Herſchaft über den Wind gebührt, wie
Degir oder Helblinvi dem Meere, Logi ober Loli dem euer gebietet.
Die Rieſen kennen wir als das ältefte Göttergefhleht, das dem fpätern
vielſach zu Grunde liegt. Wie dem Loki unter den Göttern jener Rieſe
Logi-Ebenröt entfpriht, fo jener Zuftriefe Käri dem Odin, Degir dem
Henir: mit andern Worten, bie Götter der Trias waren urfprünglid
pmentargötter, dem Weſen jedes ber breie liegt eins der Glemente, Luft,
Baer und Feuer zu Grunde und von dieſer ihrer elementaren Natur ift
100 Trilogieen. 8. 87.
erft ihre geiftige Bedeutung ausgegangen. Wir dürfen demnach bie grier
chiſche Trias Zeus Poſeidon Hephaiſtos daneben ftellen. So ergiebt ſich
das Schema:
Luft Waßer deuer
aari Degir Logi
Faſolt Ede GEhenröt
Bileiſtt Helblindi Loti
Odin Honir Loti
Zeus BVofeidon Hephaiftos.
Bugleich zeigt ih die Trias Odin Wii We, weil fie mehr eine
geiftige Bebeutung zu haben f&eint, wenn wirklich Wili auf den Willen
zu beziehen ift, al3 eine fpätere.
Daß Loki in der Altern Götterfage Odind Bruder war, Mingt nody
in der Degisdreda nad, wo Loli Str. 9 ſich rühmen darf, in der Urzeit
das Blut mit Odin gemiſcht zu haben, befanntlih die Weife, wie das
Freundſchaftsbundniſs feierlich eingegangen ward, denn bie |. g. Bluts-
brũderſchaft ift eine Nachbildung der natürliben Verwandtſchaft.
Seit dem Frieden mit den Wanen verſchwindet Honir, der zweite
Bruder, aus Asgard: er war den Wanen als Geifel hingegeben worden,
melde dafür den Niördr ftellten, gleichfalld einen Gott, der das Clement
des Waßers zur Grundlage hat. Loki, der dritte Bruder, blieb unter
den Aſen; aber feit die Götter fündig geworben waren, fehen wir ihn
immer mehr in ein ungünftiges Licht geftellt, er erſcheint nur noch al
Odins Feind, nicht mehr als fein Bruder. Neben Loki befteht aber Logi,
das Glementarfeuer, noch fort, mit welchem Loki fogar einmal einen Wett-
lampf eingeht. Ja neben Lofi zeigt fi bei berfelben Gelegenheit noch
Utgarbhaloli, Saros Utgarthilocus, ein außerweltlicher Loli, der fih zu
jenem etwa wie Pluto zu Hephäftos verhält.
Das Räthfel, wie Loli, die Schande ver Götter und Menſchen, unter
den Aſen bis dahin gebulvet worden war, hat und num die Geſchichte der
Mothenbildung gelöft. Seinem Weſen lag eine elementare Macht zu
Grunde, das Feuer, und wie biefe Clement einerjeits wohlthätig wirkt,
andererſeits aber auch zerftörend, fo zeigt fi uns dieß aud in der dop⸗
pelten Natur Lois. Als Gott des Feuers muß er unter bie Aſen ger
tommen fein; aber außer der Thrymskwida, von der nachher, ift uns faum
ein Mythus erhalten, worin feine wohlthätige Natur allein zu Tage träte;
vielmehr ſcheint es der Dichtung darum zu thum, die Doppelfinnigleit
8. 37. eoſar. 101
feines Weſens aufzubeden. Selbft in D. 61, mo er dod alle Kleinode
(Attribute) der Götter, Thors Hammer, Freys Schiff u. ſ. w. durch bie
ihm nahverwandten Zwerge ſchmieden laßt, if er den Göttern fo herrliche
Geſchenle zu bieten durch einen Diebftahl bewogen, deſſen er ſich ſchuldig
gemacht hat, indem er ber Sif hinterliftiger Weiſe das Haar abſchor; ja
den Werth der drei legten Geſchenke gedachte er felber zu verfümmern,
indem er in Geftalt der Fliege den Zwerg Brod ſtach, der ven Blajebalg
309, was aud bei dem Kammer den Erfolg hatte, daß der Stiel zu kurz
gerieth. Weberhaupt ſucht dieſe Erzählung Lokis Liften und Tüden fo fehr
heworzuheben, daß dadurch fein Verhältnifs zu den Zwergen, zu deren
Etſchaffung er gerathen haben, und ald deren Stammvater Lofar (Wöl.
14. 16) er zu betrachten fein wird, ganz verbunfelt iſt. Nur eine Mels
dung, die wir noch dazu al3 Vorwurf gegen ihn gewendet fehen, ſpricht
ihrem wahren Sinne nad die mohlthätige Natur des Feuers unverküms
mert aus. Nach Degisbr. 23 war er acht Winter unter der Erbe mil:
Sende Kuh und Mutter, was Weinhold 11 richtig barauf deutet, daß er
als Gott der Fruchtbarkeit gefaßt ward. Die acht Winter find wie bie
acht Raflen, die Thörs Hammer unter der Erde verborgen war, ©. 62,
als acht Wintermonate des Nordens zu verftehen, in denen mit ber Wärme
die hervorbringenve Kraft der Natur unter die Erde geflüchtet if. Vgl. Kuhn
BE. 126. Sehen wir, wie ihn die bisher betrachteten Mythen barftellten. In
der Böttertrias, die bei der Schöpfung des Menſchen wirkte, gab er ihm Blut
und blühende Farbe ; ald Lebenswärme unentbehrlich, aber als Sinnlichkeit
ein zweibeutiges Geſchenk. Eben fo doppelfinnig erfhien er in dem My:
thus von dem Baumeifter, wo er den Göttern erft verderblichen Rath—
ſchlag gab, dann aber ald warmer Sudwind das Eis des Winters wieder
aufthaute und die Welt von der Gefahr des Erſtarrens befreite. Seiner
elementaren Natur eben jo gemäß begleitet er in ber Thrymskwida als
warmer Frühlingswind den erwachten Donnergott in dad Land der rauhen
Winterftürme ; alles Bösartige bleibt hier von ihm fern wie ſchon Wein⸗
hold 22 bemerkt hat, denn er giebt dem Niefen nicht den Rath, Freyja
za verlangen, und als Thrym wegen feiner Braut Verdacht ſchöpft, wendet
er durch feine Gewanbtheit jeden Schaden von ven Göttern ab. Ob ihn
bei dem Bertrage mit dem Baumeifter mit Recht ein Vorwurf traf, möchte
man hiernach fat bezweifeln ; die Erzählung D. 42 geräth mit ſich felber
in Widerſpruch, indem fie Anfangs nur berichtet, Loki habe dem Baus
meifter die Erlaubnifs ausgewirkt, ſich feines Pferdes Swadilfari zu ber
108 U. 3.88.
dienen, während er weiterhin zu dem ganzen ven Göttern gefährlihen
Vertrag gerathen haben foll. Bmeideutiger war wieder fein Verhalten im
dem erften Mythus von Idun, die er an Thiaffi verräth; aber ed liegt
in feiner Natur begründet : die Sonnengluth hatte das frifhe Sommergrän
verfengt und dem Winter falb und welt überliefert ; im folgenden Lenz
bradte er als warmer Fruhlingshauch den Keim des Pflanzenlebens zurfidl.
Erſt in dem Mythus von Baldurs Tod tritt die verderblige Seite feines
Weſens allein und entſchieden hervor : das Recht der Dichtung, den Rath⸗
ſchlag zu Baldurs Tod, vielleicht aud ſchon jeven frühern bedenklichen
Ralhſchlag von ihm ausgehen zu laßen, liegt in ber zerftörenden Ratur
des Feuers. Hierauf fußend behandeln ihn die Mytben nun freier, fie
fpielen ihn auf das fittlihe Gebiet hinüber, wo ihm im Verleht mit den
fündigen Göttern von der Natur bed Feuers nur noch feine zerftörenve
aber zugleih reinigende Kraft belaßen ift. Gr erſcheint jegt nad Uhlands
Ausdrud als das leife Verderben, dad raſtlos unter den Göttern umher
ſchleicht, und dieß fein verderbliches Wirken wird poetiſch als Liſt und
Betrug, als ſchaͤdlichet Rathſchlag eingelleidet, durch die er die Götter
täufct und zu Schaden bringt, Noch mehr auf das fittlihe Gebiet ge
rüdt fehen wir ihn in den folgenden Mythen, wo er ald Urheber alles
Uebels in der Welt, als der Vater dreier Göttern und Menſchen verderb⸗
lichen Ungeheuer dargeftellt if. Che wir aber dieje mittheilen, faßen wir
erſt feine Abftammung und feinen Namen ind Auge.
38. Lofis Abſtammung und Name
Nah D. 33 war fein Vater der Niefe Farbauti, feine Mutter heißt
Laufey oder Nal. Daß er den Niefen verwandt ift, kounten wir ſchon
daraus fhließen, daß unter den Söhnen Fornjot3, des alten Riefen, 6.99,
Logi ihm entſpricht, ja faſt mit ihm zuſammenfällt. Möglih, daß Far-
bauti, der Führer des Boote, eben dieſer alte Rieſe und zugleich jener
Bergelmir, $. 9, ift, der fi im Boote vor der großen Flut barg, welche
Pmir des Urriefen Tod verurfadhte. Dann könnte in Lolis Mutter Laufey
die Laubinfel gemeint fein, welcher Farbauti zuruderte; ihren andern Na-
men Näl hat Uhland 5.21 auf das Schiffsweſen gedeutet, da fi nälar
unter den Benennungen der Schiffe findet. Die Deutung auf bie zarte
und ſchmiegſame Nadel in der Erzählung von Brifingamen (Raſt 355) ift
geſucht; dennod hält Weinhold 693 die Nadel fe und deutet fie auf
8. 89, Serifalcbung des Seprifr. 108
die Schlange, zumal Loli Hauftlaung 12 (Staldif. 22) öglis barn, Sohn
der Schlange heiße, was aber die neue Ausg. Hafnise 1848 richtiger
mit Fallenfohn überträgt. Sein eigener Name if wie ber Logis von
liahsn lucere. berzuleiten, womit lux, das Licht, Lynceus, der Weit
ſchauende, Asuxös, das Weitfichtbare, Weitblinlende, urverwandt if. In
Bezug auf Logis Namen ift diefe Abftammung anerkannt; ben im Laut
fortgeſchobesen Loli nennt Myth. 231 zugleih eine Fortſchiebung bes
Begrifid, indem aus dem plumpen Rieſen ein ſchlauer, verführeriſcher
Böfewicht geworden fei. Das wollte id gelten laßen; aber auf der fols
genden Seite heißt es auch, Loli fei fheinbar zu ber Wurzel Inkam
elauders übergeireten. Wenn das Wort ſcheinbar betont wird, fo babe
ich auch dagegen nichta; ſcheinbar, nicht in der That kommt Lofis Name
von lukan claudere : das leuchtende Element des Feuers if allein Die
Quelle feines Weſens und Namens. Das Feuer war nod anders perfor
uificiert als in ihm und hieß dann immer Logi: zur Unterſcheidung von
jenen andern mythiſchen Weſen war ſchon die gleichfalls nur ſcheinbare
Berhärtung feines Namens aus g in E behülflih. Aber fchen urfprüngs
lich durfte fein Name Loti lauten, da die Sauskritwurzel läg, die allen
dieſen Formen zu Grunde liegt, ſchon ein g zeigt, das in E regelgemäß
verſchoben wird, fo daß in Logi eben fo eine Erweichung ber Namens⸗
form als in Loli eine Verhärtung gefunden werben kaun. Weiter ala
Grimm gieng Upland, welder ven Loli ald den Endiger, das Ende der
Dinge (alte. lok consummstio) faßte, und dem Heimdall ala dem Au⸗
fang gegenüberfiellte, von welchem bie Geſchlechter der Menſchen ausgehen,
der jedes leifefte Werben erlaufht, das Gras auf bem Felde und bie
Bolle auf den Schafen wachſen hört. Ein Gegenfag beider ift in unſern
Quellen darin anerlannt, daß fie Heimball und Loli nicht bloß im legten
eitlampfe gegeneinander orbnen. Loki führt allerdings das Ende ber
Dinge berbei, fon weil er das Feuer ift und die Welt im Teuer zu
Grunde gebt; fein Name wird aber richtiger von dem leuchtenden Feuer
als vom Gndigen erllärt. Bl. $. 42.
39. Lokis böfe Nachkommenſchaft und Fenrirs Feßelung ·
Mit feinem Weibe Sighn hatte Loki zwei Söhne, deren hernach ge
Macht werben joll ; auferkem aber zeugte er nad) D. 34 mit Angurboda,
einem Riefenweibe in Jötunheim, drei Kinder: dad erfte war ber Fenrig«
104 Läding Droma Gleipnir. 8.39.
wolf, das andere Jörmungande, d. i. die Midgardſchlange, das britte Hel.
Als aber die. Götter erfuhren, daß biefe drei Geſchwiſter in Zötunheim
erzogen wurden und buch Weißagung erfannten, daß ihnen. von biefen
Geſchwiſtern Verrath und großes Unheil bevorftehe, und Alle Böfes von
Mutters, aber noch Schlimmeres von Vaterswegen von ihnen erwarten zw
müßen glaubten, ſchidte Alvater die Götter, daß fie biefe Kinder nähmen
und zu ihm brädten. Als viefe aber zu ihm famen, warf er die Sälange
in die tiefe See, melde alle Länder umgiebt, wo die Schlange zu folder
Größe erwuchs, daß fie mitten im Meere um alle Länder liegt und fi
in den Schwanz beißt. Die Hel aber warf er hinab nad Niflheim und
gab ihr Gewalt über die neunte Welt (oder über neun Welten, vgl.$.15),
daß fie denen Wohnungen anmwiefe, die zu ihr geſendet würden, ſolchen
nämlich, die vor Alter oder an Krankheiten fterben.
Den Wolf erzogen die Götter bei fih und Tor allein hatte ven
Muth, zu ihm zu gehen und ihm Chen zu geben. Und als die Götter
ſahen, wie ſeht er jeven Tag wuchs und alle Vorherfagungen melbeten,
daß er zu ihrem Verderben beftimmt fei, da faßten die Afen den Beſchluß,
eine ſehr ftarte Feßel zu machen, welche fie Läding oder Leuthing hießen.
Die brachten fie dem Wolf und baten ihn, feine Araft an der Feßel zu
verfügen. Der Wolf hielt das Band nicht für überftart und lieh fie
damit machen was fie wollten. Und das erſtemal, daß der Wolf ſich
ftredte, brach diefe Feßel und er war frei von Läding. Darnach mad
ten die Aſen eine noch halbmal ftärkere Feßel, die fie Dröma nannten
und baten ben Wolf, auch dieſe Feel zu verfuhen und fagten, er würde
feiner Kraft wegen fehr berühmt werden, wenn ein fo ſtarkes Geſchmeide
ihn nicht halten könne. Der Wolf bedachte, daß diefe Feßel viel ftärker
fei, daß aber auch feine Kraft gewachſen wäre, feit er dad Band Läding
gebroden hatte: da kam ihm in den Sinn, er müße fchon einige Gefahr
beftehen, wenn er berühmt werben wolle, und ließ bie Feßel fih anlegen.
Und als die Afen fagten, es fei geſchehen, fehüttelte fih der Wolf und
redte fih und flug die Feßel an ben Boden, daß weit die Stüde davon
flogen, und fo brad er fih-Io8 von Droma. Darnach fürhteten die
Aſen, fie würden den Wolf nicht binden können. Da ſchickte Allvater den
Jüngling Efirmir genannt, der Freys Diener war, zu einigen Zwergen
in Swartalfaheim und ließ die Feßel fertigen, die Gleipnir heißt. Sie
war aus ſechſerlei Dingen gemacht: aus dem Schall des Ragentrittes, dem
Bart der Weiber, ven Wurzeln der Berge, den Sehnen der Bären, ber
439. Zeidenband. 105
Stimme der Fifhe und dem Speichel ver Vögel. Diefe Feßel war ſchlicht
und weih wie ein Seidenband und doch ſtark und feſt. Als fie den
Afen gebracht wurde, dankten fie dem Boten für dad wohlverrichtete Ges
ſchäft und fuhren dann auf die Inſel Lyngwi im See Amfmartnir, riefen
den Wolf herbei und zeigten ihm das Seidenband und baten ihn, es zu
jerreißen. Sie fagten, es wäre wohl etwas färler, als es nad feiner
Dide dad Ausſehen hätte, Sie gaben es Ciner dem Andern und ver-
fußten ihre Stärke daran; aber es riß nicht. Doch fagten fie, der Wolf
werde es wohl zerreißen mögen. Der Wolf antwortete: Um biefe Kette
dünft es mich fo, ald wenn ich wenig Ehre damit einlegen möchte, wenn
ih aud ein fo ſchwaches Band entzweirige ; falls es aber mit Liſt und
Betrug gemacht ift, obgleich es fo ſchwach ſcheint, ſo Tommt es nicht an
meine Füße. Da ſagten die Aſen, er möge leicht ein fo dünnes Seiden⸗
band zerreißen, da er zuvor die ſchweren Gifenfepeln zerbrochen habe.
Wenn du aber dieſes Band nicht zerreißen kannſt, jo haben die Götter ſich
nit vor dir zu fürdten und mir werben did dann löfen. Der Wolf
antwortete: Wenn ihr mich fo feft bindet, daß ich mich felbft nicht löfen
tann, fo fpottet ihr mein und es wird mir fpät werben, Hülfe von euch
8 erlangen: darum bin ich nicht gefonnen, mir dieß Band anlegen zw
lafen. Damit ihr mi aber nicht der Feigheit zeiht, fo lege Einer von
end) feine Hand in meinen Mund zum Unterpfand, daß es ohne Fall
hergeht. Da fah ein Aſe den andern an; bie Gefahr dauchte fie boppelt
groß und Keiner wollte feine Sand herleihen, bis enblid gr feine Rechte
darbot umd fie dem Wolf in den Mund legte. Und da der Wolf fih
tedte, da erhärtete das Band und je mehr er ſich anftrengte, deſto ftärker
warb ed. Da lachten Alle außer Tyr, denn er verlor feine Hand. Als
vie Afen fahen, daß ver Wolf völlig gebunden fei, nahmen fie den Strid
am Ende der Feßel, ver Gelgia hieß, und zogen ihn durch einen großen
Felfen Gidll genannt und feftigten den Felſen tief im Grunde der Erbe.
Auch nahmen fie noch ein anderes Felfenftüäd, Thwiti genannt, ba fie
noch tiefer in die Erbe verjenkten und das ihnen als Widerhalt diente.
Der Bolf rip den Rachen furchtbar auf, ſchnappte nach ihnen und wollte
fie beißen; aber fie ftedten ihm ein Schwert in den Gaumen, daß das
‚Heft wider den Unterkiefer und bie Spige gegen den Öberfiefer ftand:
damit ift ihm das Maul geſperrt. Er heult entfeglih und Geifer vinnt
ans feinem Bund und wird zu dem Fluße, den man Wan nennt. Alſo
biegt er bis zur Götterbämmerung.
106 Gas. 8. 40.
Eine feibene Schnur that in Wengzigs Weſtſlaviſchem Marchenſchad
153 gleiche Wirkung tie unſer Seidenband: je mehr der Gefeßelte ſich
dehnt, je tiefer ſchneidet es in fein Fleiſch ein.
40. Bedeutung Lokis, Feurirs, Surturs und der Midgards
ſchlange.
Der drei Kinder wegen, die Loki mit Angurboda (der Angſtbotin)
nad; vorftehendem Bericht erzeugte, braucht man ihn weder zu einem
Waßergotte noch zu einem Todtengotte zu machen. Gr erſcheint als ber
Urheber alles Berberblihen in der Welt: als der Vater der heißhungrigen
Hel, die alle Lebenden verihlingt, des Fenriswolies, der den Weltenvater
felber im legten Weltlampfe verſchlingen foll, ver Midgardſchlange, dem
Symbol des Weltmeerd, das am jüngften Tage aus feinen Ufern treten
und bie gange Erbe überfluten, die legten Spuren menſchlichen Daſeins
vertilgen wird. Wie das Feuer, das zerftärende Clement, bem Weſen
Lotis gu Grunde Tiegt, fo ift er, indem folde Kinder ihm beigelegt twerben,
als ver Zerftörer gefaßt. Die Midgardſchlange führt den Ramen Jar
mungandr, welcher fie wörtlich al ben allgemeinen Wolf bezeichnet, der
die Erbe verſchlingt. Man muß begriffen haben, daß ber Wolf dem
Mythus das verſchlingende Thier ift, um es nicht auffallend zu finden,
daß die Midgardſchlange, dad weltumgürtende Meer, durch ihren Namen
als Wolf bezeichnet wird. Zwar fehen wir ven Namen Joͤrmungandt
wohl auch bem Fenriswolf beigelegt, vgl. Uhland 169, als dem Ber
f&linger Odin ; aber es fcheint auf guten Gründen zu ruben, wenn GE
16 den Wolf Wanargandr nennt, weil feinem Rachen ver Fluß Wan
entipringt, ihm aber die Midgardſchlange unter dem Namen JZörmun
gandr entgegenfiellt. Wir haben es aljo mit drei Verſchlingern zu thun,
von welchen zweie eben beöhalb Wölfe (gandr) heißen; ihmen ift in Lo,
der in diefem Mythus, der einen Seite des Elements gemäß, als ber Zer⸗
ſibrer aufgefaßt ift, ein völlig gemäßer Vater gefunden, wie alt auch dieſe
Vaterſchaft fei. Ste macht ihn darum noch zu feinem Wapergotte, wenn
gleich auch der Rame Fenrirs an das Meer erinnert, denn allerdings be
deutet Ten, daB auch in Fenſalir (Meerfäle), der Wohnung der Frigg,
erfheint, erft auf zweiter Stufe Sumpf (ital. fango, franz. fange ; ugL
das hohe Benn), urfprünglic aber das Meer. Dieſes Namens unetachtet
ſehe ich in Fenrir nicht ‚den Geift der dunleln Meeredtiefe‘; jener ift ihm
£40. Zohl kein Weßergstt. 107
wer beigelegt, weil das Meer das verſchlingende Element ift, wie der
Bolf das verfchlingende Thier. So find auch Hati und Sköll, vie am
fingen Tage Mond und Sonne verſchlingen follen, als Wölfe vargeftellt ;
dab fie Wölufp. 32 Fenrird Geſchlecht heißen bürfen, liegt nur darin,
daß diefer der berühmtefte ift unter allen verſchlingenden Wölfen.
Bei der Midgardſchlange ift es einleuchtend, daß fie den Ning bes
Reeres bedeutet, der die Erde umſchließt: es heißt von ihr, daß fie im
Meer um alle Länder liege und fi in den Schwanz beiße. Unſte Bor
fahren dachten fi, wie ſchon die Alten, die Erbe tellerförmig und rings
don dem Meere begrenzt, das fih als ein ſchmaler Meif, einer Schlange
dergleichbat, umberlegte. Indem diefe Schlange in unferm Mythus als
ein Ungethüm aufgefaßt wirb, bebeutet fie nicht das beruhigte ſchiffbare
Meer, welches in Niördr perfonificiert ift; es genügt nicht einmal ganz,
wm fügen, fie ſtelle das unwirthlihe, ſtürmiſche Meer vor, welches die
Schiffe zerjglägt und die Menſchen hinabzieht. Wäre nur der Born des
Reeves, die feindfelig und zerftörungsgierig anftrebende Urkraft des Eier
wert in ihr verfinnliht, und man kann allenfalls zugeben, daß fie bei
Ks erftiem Kampfe (in ber Hymisfoiba) richtig fo gefaßt werde,
fo brauchte fe nicht von Loki erzeugt zu fein; es genügte, ihr überhaupt
tiefge Abkunft beizulegen. Ihr Auftreten im legten Weltlampfe, wo fie
gegen Thör georbnet ift, der fie nun zum andernmal betämpft,
hat aber den Ginn, daß das Meer die Dämme brechen umd die ganze
Belt überfiuten wird. Zwar melden dieß unfere Quellen nirgend aus⸗
dridich, aber angebeutet ift es Wöl. 56 in den Worten ‚bie Erde finkt
ind Meer,’ und worauögefept Str. 57, wo bie Erde zum andernmal aus
dem Baßer auftaudt. Hierin allein ſcheint es begründet, daß fie von
SR erzeugt fei, der das Ende der Welt herbeiführt, iefiger Urfprung,
der ihr allerdiags zutommt, infofern das Meer in feiner Feindſeligleit
Wiaßt wird, iſt ihr damit zugleich beigemepen, da Loki ſelbſt Riefenge:
iqlechts in. Ich glaube alfo die Deutung Lolis als eine Waßergottes,
für welche feine Verwandtſchaft mit der Midgardſchlange nichts beiveift,
ſdon hier abweifen zu dürfen; andere Gründe dafür werben fpäter $. 42
bekitigt werden. Rur weil Loki in dieſem Mythus als ber Berftörer
auftritt, welcher dad Enbe der Welt herbeiführt, wird die Nidgardſchlange,
de das Meer verfinnlicht, als von ihm erzeugt vorgeftelli des vertilgenden
Antheild wegen, welder dem Meere an dem Untergange ber Belt bei⸗
eg wird.
108 Behjferlel Dinge. 8.4.
Daß in dem Namen des Wolfs Fenrir lein Grumb liege, ihn als
ben Geift der dunkeln Meerestiefe zu faßen, ift oben ausgeführt; aber
aud ihn für ‚dad unterirdiſche Feuer’ auszugeben, zeigt kein Berftändnifs.
Indem er zum. Verberben der Götter beftimmt ift und fpäter wirklich den
Weltenvater verfhlingt, ift da Berberben ver Welt, ihr Untergang
felbft in ihm dargeftellt. Diefer ift hingehalten, aufgefhoben durch die
Vorkehrungen der Götter, die ihn an die Kette gelegt haben; aber die
Kette wird brechen, und die Welt ihr Schidfal ereilen : die Feßel briät
und Freki rennt. Wöl. 38. 39. Wann dieſer Bruch gefchieht und we:
dur er noch fo lange aufgehalten wird, davon an einer andern Stelle;
bier genügt uns die Einfiht, daß mit ihm dad Zeichen zum Untergang
der Welt gegeben ift.
Die drei Ketten, die Fenrir feßeln follen, was erft der britten ger
Üingt, und die fechferlei Dinge, aus melden dieſe legte gebilvet ift, im
Einzelnen zu deuten werfuche ich nicht. Mag ſich an biefen Räthjeln üben
wer will; uns genügt es, den Wolf felbft ala die Vernichtung be
griffen gu haben, was um fo fiherer ſcheint, als es D. 51 vor dem
Weltuntergange von ihm beißt, er fahre mit Haffendem Rachen einher, jo
daß fein Oberkiefer den Himmel, der Unterkiefer die Erde berühre, ‚und
wäre Raum dazu, er würbe ihm noch weiter aufiperren.‘ Jene ſechſerlei
Dinge find unter fih nicht gleichartig: Wurzeln der Berge giebt es allers
dings nad unferm Sprachgebrauch; warum es Sehnen des Bären nidt
geben follte, wüfte ich nicht ; vielleicht traute man fie ihm feines matten
Ganges wegen nicht zu: bie übrigen Dinge feinen ſolche fein zu follen,
bie es in ber Natur nicht giebt, und fo fah man wohl aud bie beiden
erften an. Es ift ein hriftliher Bufag, wenn die jüngere Edda wie
fpottend binzufügt : ‚Haft du auch dieſe Geſchichte nie gehört, fo magft du
doch bald befinden, daß fie wahr ift und wir bir nicht lügen; denn ba
du wohl bemerkt haben wirft, daß die Frauen feinen Bart, die Berge
feine Wurzeln haben und der Kagentritt feinen Schall giebt, fo magft du
mir wohl glauben, daß das Uebrige eben fo wahr ift, mas id bir ger
fagt habe, wenn du aud von einigen diefer Dinge keine Erfahrung haft.’
Gleichwohl möchte ich nicht glauben, daß jene fechferlei Dinge ſelbſt, aus
welpen die Kette beftanden haben foll, dem Mythus fremd wären. Gaͤnz⸗
lich fehlt z.B. dem Kagentritt der Schall nicht, wenn er auch unfern gro:
ben Sinnen unhörbar ift, und fo wollte der Vollswig vieleicht nur aus
dem Feinften und Barteften das Stärkfte und Feſteſte hervorgehen laßen.
&40. etnenſen 109
Nur gelegentlich ftehe hier bie Bemerlung, daß die Vollsdichtung mo
niht Radllänge, doh Analogieen der hier zufammengeftellten ſcheinbaren
Unmoͤglichkeiten tennt, weshalb ih auf Mones altd. Schaufpiele S. 181
und Meine Schmievegefellengewohnheiten S. 14 verweile; vgl. Alto.
Bälver 1,88 ff. So kann auch im Mythus ernfthaft gemeint fein, was
al unmöglich fpäter ſchwankhaft gewendet in Lügenmärhen übergieng.
So wern im Harbardslied 18 Etride aus Sand gewunden werden (ex
arena funem nectere), worüber KM. II, 202 nachzulejen if. Weil
man mir aber body die Deutung bed Bandes Gleipnir nicht erlafen wird,
fo erimere ih an die Seidenfäden, die Laurind Rofengarten umgas
ben, in welchen die Seidenfäden unferer Rechtögebräude nachllingen, und
die heiligen Schnüre (vebönd) unferer Gerichts: und Kampfftätten (R. A.
182.809 ff.), deren Verlegung mit dem Tode gebüßt wurde, und deute
demnach das Band Gleipnir auf die Macht des Gefeges und der Sitte
und die Furcht vor unausbleiblicher Vergeltung und Strafe: das ift eine
deßel, ftärker als alle, die man aus Hanf und Gifen bereiten mag, denn
bänfene Gtride und eiferne Fußſchellen mögen Helferähelfer loſen; aber
diefe bindet umauflöslih, fo lange Anfehen und Macht ber geſehlichen
Didaung aufrecht erhalten bleiben ; ja dieſes Band erhärtet und je mehr
man fi ihm widerſetzt, defto firaffer bindet ed. Das Gefeg aber ift
etwas Ueberſinnliches, darum fombolifiert e3 die Mythe als aus lauter
böHR zarten in der Natur faft gar nicht vorhandenen Dingen beftehend.
Die beiden erften Feßeln waren nur gemeine Banden gewefen.
Barum dem Tyr die Fütterung Yenrird übertragen ift, lann erft
$. 43 gefagt werden; daß er dem Wolf feine Rechte in den Mund legt,
läßt ſich nicht begreifen, bevor fein ganzes Weſen Klar geworben ift. Das
Säwert aber, dad dem Wolf den Nahen ſperrt, forbert hier feine Deus
tung. Es ift der Bann, welden das Gejeg über den Mörder und Fries
densbrecher ausſpricht, und ihn damit unſchädlich macht. Ein fo Ges
bannter hieß nach der altdeutſchen Rechtsſprache vargus, altn. vargr
Slaldſt. 58, und diefer Ausdruck ift von dem Wolfe hergenommen, R. A.
396. 733. Für unfere Auslegung fpriht auch, daß dem Berfefteten
(Gebannten) in den Bildern zum Sachſenſpiegel (R. A. 203) ein Schwert
im Halſe ſtedt: auffallend genug hat hier ver Maler dasſelbe Symbol
gefunden, wie dort der Mythus.
Mit dem Todtenreich ift Lofi ald Vater der Hel in nahe Beziehung
geheilt, ja als Utgardaloti ſcheint er geradezu ein Todtengott. In ber
110 Surhur. 8.40.
jüngern Coda, deren Erzählung won Thors Fahrt zu demfelben an einer
andern Stelle beleuchtet werben fol, kann dieß fhon nicht verkannt wers
den; der Name Utgard darf nicht irren, er bezeichnet die Unterwelt ala
außerhalb des göttlichen und menfchlichen Gebietes liegend, Weinhold 35.
Wenn Saro VIII, 164 ff. feinen Utgarthilocus als ein finfteres graufiges
Weſen ſchildert, das an Händen und Füßen gefehelt in der Unterwelt
bauft, fo hat ohme Zweifel die Feßelung Lofis oder Fenrirs auf die Bor
Rellung eingewirlt. In dieſer Geftalt findet ihn Thorkill, ein Rachllang
Thors, auf feiner Reife, deren Zwed tein anderer if als gu erfahren
was die Schidfale der Seelen nad dem Tode fein werben. Indem Loli
unter diefem Namen, wie ich zugebe, zum Xobtengotte wird, erinnert er
neben den beiden andern Göttern feiner Trilogie (Odin und Hönir) an
die griechiſche Trilogie Zeus Poſeidon Pluto; aber wie die andere Zeus
Bofeidon Hephäftos die ältere und echtere ſcheint, fo Tiegt wohl aud in
Utgarbaloli eine jüngere Auffakung Lofi® vor, neben welcher bie ältere
gleichwohl fortbefteht, denn bei jener Reife Thoͤrs zu Utgardalofi ift Lofi
Wors Begleiter, und aud das elementarifhe Feuer, das dem Weſen
Lotkis zu Grunde liegt, fehen wir bier neben jenen beiden als felbftändis
ges Weſen (Logi) erhalten, das ſich fogar in einen Wetttampf mit Loli
einlaͤßt. Nur als Utgarbalofi ift mir aljo Loki ein Todesgott; feine fon:
fligen Bezüge zum Todtenreiche find in ber Verwandtſchaft der Begriffe
Tod und Zerftörung begründet. Das Teuer iſt das zerftörende Element,
darum ift Hel, die Todesgöttin, Lolis Tochter, des aus dem Feuer em
wachſenen Gottes der Zerftörung, und Neri oder Nörwi, der Vater der
Nacht, fein Sohn.
Mit Surtur dem ſchwarzen ($.46) fält Loki nicht zufammen, mie
W. Müller 211.215 will, Jener Riefe ver Feuerwelt, der mit Muspeld
Söhnen zum legten Weltfampfe reitet und dieſen damit befchließt, dab
er Feuer über die Erde fehleudert und bie ganze Welt verbrennt, mag
ſich allerdings aus dem Weſen Lokis abgelöft haben; aber im legten
Beltlampf erſcheinen fie nebeneinander und verſchiedene Rollen find ihnen
sugetheilt : Loti fällt gegen Heimdall, ver gleichfalls erliegt; Surtur
lampft fiegreih gegen Freyt, der fein Schwert vermijst, während Surtur
bewehrt iR. Gr ift, wie Weinhold 66 richtig erkannt hat, das Siunbild
des ſchwarzen Rauchs, aus dem bie Lohe ſchlagt. Loli war es eigentlich,
welcher die Welt in Flammen zerftören ſollte; nachdem er aber, wie die
Erzählung won feiner Beftrafung ergeben wird, als die Sünde, als das
%4. Sifhfang der Afen. 1
Bafe ſelbſt gefaßt worden, war er in der nordiſchen Vorſtellung ſchon zu
befledt, das Racheramt zu übernehmen und vie Welt in Flammen zu
teinigen. In diefem Amt erfcheint daher jegt Surtut. Weinhold 67.
Bern er gleich beim legten Weltkampf nicht fält, fondern allein übrig
bleibt, fo hat doch in der verjüngten Welt, unter ben erneuten Göttern
Gimils dieß Ungethäm leine Stelle, wir finden ihn da nicht wieder:
wenn das Feuer ausgebrannt ift, verſchwindet der Rauch von felbft, und
es ift nicht nötbig mit Weinhold anzunehmen, daß ihn Baldur bei feiner
Bieverlehr von Hel befiege.
Al. Lokis Beftrafung.
Als Loki die Götter wider ſich aufgebradt hatte, lief er fort und
barg fih auf einem Berge. Da machte er fih ein Haus mit wier Thür
ten, jo daß er aus dem Haufe nad allen Seiten jehen konnte. Dft am
Tage verwandelte er ſich in Lachsgeſtalt, barg fih in dem Waßerfall, der
Sranängr heißt und bedachte bei fih, weldes Kunſtſtück die Afen wohl
erfinden tönnten, ihn in dem Waßerfall zu fangen. Und einft als ex
daheim faß, nahm er Flachsgarn und verfloht e3 zu Mafchen, wie man
ſeitdem Netze macht. Dabei brannte Feuer vor ihm. Da fah er, daß
die Afen nicht weit von ihm waren, denn Odin hatte von Hlidſtialfs
Höhe feinen Aufenthalt erfpäht. Da fprang er ſchnell auf und hinaus
ind Waßer, nachdem er bad Nep ins Feuer geworfen hatte. Und als
die Aſen zu dem Haufe kamen, da gieng der zuerit hinein, ber von allen
der weiſeſte war und Kmäfir heikt, und als er im euer die Aſche ſah,
wo dad Nep gebrannt hatte, da merlte er, daß dieß ein Kunftgriff fein
follte Fiſche zu fangen und fagte das den Ajen. Da fiengen fie an und
mahten ein Rep jenem nad), das Soli gemacht hatte, wie fie in ver
Age fahen. Und als das Nep fertig war, giengen fie zu dem Fluße
und warfen dad Netz in den Waßerfall. Thör hielt das eine Ende, daB
andere die übrigen Ajen und rhın zogen fie das Nep. Aber Loli ſchwamm
voran und legte ih am Boden zwiſchen zwei Steine, fo daß fie das
Rep über ihm hinwegzogen; doch merkten fie wohl, daß etwas Lebendiges
vorhanden fei. Da giengen fie abermals an ven Waßerfall und warfen
Vaud Rep aus, nachdem fie etwas jo Schweres daran gebunden hatten, daß
nichts unten durchſchlüpfen mochte. Loki fuhr vor dem Nee ber, usb
dla er fah, daß eö nicht weit von der See fei, ba fprang er über das
113 Zigya. 342.
ausgefpannte Nep und lief zurüd in den Sturz. Run fahen die Afen
wo er geblieben war: da giengen fie wieder an ben Waßerfall und
theilten ſich in zwei Haufen nad ben beiden Ufern des Flußes; Thör
aber mitten im Fluße watend folgte ihnen bis an die See. Loli hatte
nun die Wahl, entweder in die See zu laufen, was lebensgefährlich war,
ober abermals über das Neg zu fpringen. Er that das legte und fprang
ſchnell über das ausgefpannte Nep. Thoͤr griff nad ihm und kriegte ihn
in der Mitte zu faßen; aber er glitt ihm in der Hand, fo daß er ihn
erſt am Schwanz wieber fefthalten mochte. Darum ift der Lachs hinten
frig. Nun war Loki friedlos gefangen. Sie brachten ihn in eine Höhle
und nahmen brei lange Selfenftüde, ftellten fie auf bie jhmale Kante
und ſchlugen ein Loc in jedes. Dann wurden Lolis Söhne, Wali und
Nari oder Narwi, gefangen. Ten Wali verwandelte die Aſen in Wolfs-
geftalt: da zerriß er feinen Bruder Narwi. Da nahmen die Aſen feine
Därme und banden den Loki damit über die brei Felſen: der eine ſtand
ihm unter den Schultern, der andere unter den Lenden, ber britte unter
den Aniegelenten ; die Bänder aber wurden zu Gifen. Da nahm Stabi
einen Giftwurm und befeftigte ihn über ihm, damit das Gift aus dem
Burm ihm ins Antlig träufelte. Und Sigyn fein Weib fteht neben ihm
und hält ein Beden unter die Gifttropfen. Und wenn bie Schale voll
iſt, da geht fie und gießt das Gift aus; derweil aber träuft ihm das
Gift ind Angefiht, wogegen ex ſich fo heftig fträubt, daß die ganze Erbe
fhüttert, und das iſts mad man Grobeben nennt. Dort liegt er in
Banden bis zur Götterbämmerung. D. 50.
42. Deutung.
Der Beitrafung Lolis ſchidt die ältere Cdda die Verhöhnung ver
Götter bei Degir3 Gaftmal voraus. Cr erfceint bier als das böfe Ger
wiſſen der Götter, das Bewuſtſein ihrer Schuld, denn einem jeden hält er
feine Gebrechen, feine geheimften Sünveh, feine fittlihe Schmad vor.
Nun aber, da ihn die Strafe ereilen foll, nicht bloß hierfür, für Alles
was er an ben Göttern verbroden hat, ift er nicht mehr bloß das böfe
Gewiſſen der Götter, er ift das böfe Gewiſſen felbfl. Cr weiß, daß er
die Rache der Götter herausgeforbert hat: fo ſchweift er unftät umber
wie der Verbrecher; fein Haus auf dem Berge hat vier Xhüren ober
Fenſter, damit er das kommende Unglüd, die hereinbrechende Strafe er:
54% Hafien und Sande. 118
ſpähen, vielleicht ihr entfliehen könne. Er quält ſich mit dem Gedanlen,
auf welche Art die Aſen ihn wohl fangen möchten und fnüpft ſich felber
das Rep, das ihn fängt, wie die Vosheit ſich felber Fallftride legt und
Gruben gräbt: er veranlaßt felber den Fiſchfang der Aſen. So wie er
durch feine eigenen Fallſtride gefangen wird, fo wird er auch
durch feine‘ eigenen Bande gebunden, welches wir fo ausgebrüdt fehen,
baß er mit ben Gebärmen feines Sohnes gefeßelt werde. Die ganze Er
Hblung ift eine trefiende Schilderung des ſchuldigen Bewuſtſeins. War
er erſt ber Verſucher, der Verführer der Götter, trat er zulegt als ihr
böjes Gewiſſen auf, fo erſcheint er hier al3 die Schuld, als die Sünde,
dd das Böfe felbft. Aber das Böfe wird in Feßeln geihlagen, es darf
nicht frei falten in der Welt: die fittlihen Mächte, das find die Götter,
halten das Böſe im Schach; es giebt, wie das Sprichwort fagt, mehr
Ketten ala raſende Hunde: es ift die Furcht vor der Herihaft des Ger
fees, vor der Macht der fittlihen und geſedlichen Ordnung, welde alle
böfen Gelüfte in Bande fhläg. Würde freilich einft vie Macht der
Sitte und des Rechts gebrochen, träte eine Verwirrung, eine Berfinfterung
aller Begriffe ein, d. h. verbämmerten die Götter, dann bräde das Böfe
fih los von feiner Kette, dann führe der Rachetag (stuatago) über die
Voller und dem Leben der Menſchen auf Erden mürbe ein Biel gefept.
Schon jegt rüttelt er oft an feinen Ketten und verſucht fie zu zerreißen,
dann entfteht das Erdbeben, denn er erjhüttert die Grundfeften der Welt
und erſchredt bie Götter, die felbft als dieſe Feheln, die höpt und bönd
Elaldſt. 54. Myth. 23), die Gewähr der fittlihen Weltordnung gedacht
find. Erobeben werden aud bet andern Völfern von der Wuth gefeßelter
Riefen und Dämonen hergeleitet. In ver deuten Mythe würde ſich aber
die Fepelung des Böfen doppelt zu fpiegeln feinen, einmal in Lofi, einmal
in dem Wolfe Fenrir, wenn wir nicht wüften, daß in Lofi das gefeßelte
Böfe, in Fenrir der durd die Fürforge der Götter hingehaltene Untergang
dargeftellt ift. Dagegen tönnte man beiden Mythen den Vorwurf ber
Umvolltändigleit maden, weil keine von beiden befagt, woburd bie ger
fepelten Ungeheuer ſich endlich ihrer Feßeln entledigen würben. Allein
fowohl von Fenrir als von Loli heißt es D. 34 und 50, alſo lägen fie
bis zur GBötterdämmerung, und wir haben fo eben fhon angebeutet, mas
unter der Verbämmerung der Götter zu verftehen fei; der Beweis kann
ft 9.43 geführt werben.
So ftart Lois fittlihe Bedeutung in diefem Mythus demorgeheten
Carot, Bythelsgic.
114 Sohka tattat. +.“
wird, fo ift body weber das feuer als bie Grundlage feines Weſens, nd
die Ableitung feines Namens von dem leuchtenden Clement vergehen.
Der Lachs ift durch feinen Namen als ver glänzende Fiſch bezeichnet und
das auf dem Berge liegende Haus mit vier Ihüren erinmert am ben
Thurm des Lynceus, deſſen Namen wir von derfelben Wurzel abgeleitet
ſahen wie Lokis. Wenn er fih in Fiſchgeſtalt verbirgt, fo ſpricht dieß
nicht dafür, daß er ein Waßergott fei: bie Mythen, melde das Feuer
fih unterm Waßer bergen laßen, wollen nur die allgemeine Verbreitung
der belebenden Wärme veranfhaulihen. Als erfter Beleg ſtehe hier das
Schöne Fardiſche Volkslied von Odin Hönir und Loki (Lokka tättur), das
uns fat ein Eddalied erjegt, weshalb wir uns noch öfter barauf be
rufen werben.
L
Bauer und Rieſe fpielten Lang,
Der Bauer verlor, ber Rieſe gewann.
" Kehrreim:
Was foll die Harfe mir In der Hand,
Wenn fein Kühner mir folgt ins andre Land?
„Gewonnen ift das Spiel mir fon;
Nun will id; haben deinen Sohn.
‚Haben will ih ben Sohn von bir,
So bu ihn nicht bergen kannſt vor mir.’
Der Baner gebietet Söhnen zwein:
‚Bittet Odin, uns Schutz zu leihn.
‚gu Obin fleht in unfern Sorgen,
Der Hält ihn lange wohl verborgen.
‚Wäre ber Ajen König bier,
So müßt id; wohl, ber bärg ihn mir.“
Kaum halb geſprochen war das Wort,
Schon land Odin vor Tiſches Bord.
‚Höre mid, Odin, id) rufe zu bir,
Den Sohn birg vor dem Rieſen mir.’
Odin fuhr mit dem Knaben hinaus;
Sorgend faß Bauer und Bäurin zu Haus.
64.
Odin Hinte. 118
Ein Kornfelb Tieß da Obins Macht
Geſchwind erwachſen in Einet Nacht.
Im bes Aders Mitte barg alsbald
Odin den Knaben in Achrengeftalt.
Als Achre warb er mitten Ins Feld
Im bie Aehre mitten als Korn geftellt.
‚Mun ſteh ohne alle Sorge hier;
Wenn id} rufe, fo komm gu mir.
Num fteh bier ohne Furcht und Gras;
Wenn ich rufe, jo fomm herans.“
Des Kiefen Herz war hart wie Horn,
&r raufte den Scheeß fi) vol mit Rotn.
&r ranfte fich voll Korn den Schoof,
Trug ein ſcharfes Schwert in Hähben bloß.
Ein ſcharfes Schwert fah man ihn tragen:
Den Knaben wollt er damit erſchlagen.
Der Kuab in großen Nöthen ſtand,
Dem Rieſen lief das Korn in die Hand.
Dem Knaben gtaute vor dem Tod,
Zu Odin rief er in feiner Noth.
Odin kam zu des Knaben Heil
Und bracht ihn feinen Eltern heim.
‚Bier ift ber junge Kuabe dein:
Mit meinert Shut iſts nun vorbei,
u.
Der Bauer gebietet Söhnen zwein:
‚Bittet Od nir uns Schutz zu leihn.
‚Wäre Hönir der Gott allhier,
So müßt ih wohl, der barg ihn mir.“
Kaum Halb geſprochen war das Wort,
Schon land Hönie vor Tiſches Bord.
Ööre mich, Hönir, ich rufe zu bir,
Den Sohn birg vor dem Riefen mir.“
116
Yönie Eohl. “nr
Hönir fuhr mit dem Knaben hinaus;
Sorgend ſaß Bauer und Bäurin zu Haus.
Hönir gieng in den grünen Grund,
Sieben Schwäne flogen da über den Sund.
Da liefen ſchneeweiß von Gefieder
Zwei Schwäne ſich vor Hönir nieder.
An eines Schwanen Hals alsbald
Barg Hönir den Kuaben in Flaumgeſtalt.
‚Nun weil ohne alle Sorge hier;
Wenn ic dich rufe, jo komm zu mir.
‚Weit hier ohne Furt und Graus;
Wenn ich dich rufe, fo komm heraus.‘
Skrymoeli gieng in den grünen Grund,
Sieben Schwäne flogen da über den Sund.
Der Rieſ ein Knie zur Erde bog,
Den erften Schwan er zu ſich zog.
Den erſten Schwan er an fi) riß,
Den Hals er ihm vom Leibe biß.
Der Knabe gab der Sorge Raum,
Aus des Rieſen Schlunde flog der Flaum.
Dem Knaben graute vor dem Tob,
Zu Hönir rief er in feiner Noth.
Hönir fam zu des Knaben Heil;
Er bracht ihn feinen Eltern heim.
‚Hier ift der junge Knabe bein;
Mit meinem Schutz iſts nun vorbei.
u.
Der Bauer gebietet Söhnen zwein:
Bittet Loli uns Schuß zu leihn.
‚Wäre Lofi der Gott allhier,
So waſt ich wohl, der bärg ihn mir.“
Kaum halb gefprochen war das Wort,
So fand ſchon Loki vor Tiſches Bord.
2.
Loki Surym⸗li. 117
Öödre mich Loft, ich flehe zu dir,
Den Sohn birg vor dem Rieſen mir.
‚Du kennſt nit, Lofi, meine Noth:
Skrymsli finnt meinem Sohn den Tod.
‚Berbirg fo gut du kannſt mein Kind,
Daß es Skrymsli nicht, der Riefe, findt.. —
‚Und foll id) deinen Sohn beſchutzen,
So thu mein Gebot, es wird dir nügen.
‚Ra die cin Haus erbauen dort,
Beil ich bin mit dem Knaben fort.
‚Cine große Thüre brich Hinein,
Eine Eifenftange laß hinter ihr fein.’
Lofi fuhr mit dem Knaben hinaus;
Sorgend faß Vater, und Mutter zu Haus.
2ofi gieng zum Meeresſtrand;
Da lag ein Schifflein dit am Land.
2ofi rubert ans äußerfle Ziel,
So heißts in alter Lieder viel.
Loki fprad nicht manches Wort,
Angel und Stein warf er über Bord.
Augel und Stein zu Grunde ſank,
Eine Flunder zog er herauf fo blant.
Die eine Flunder, die andre zog er,
Die dritte war ein ſchwarzer Roger.
Loti barg den Knaben alsbald
Mitten im Rogen in Eigeftalt.
‚Run weil ohne alle Sorge hier;
Wenn id) did rufe, fo komm zu mir.
‚Weil Hier ohne Furcht und Graus;
Wenn ich did) rufe, fo komm heraus.’
Loti ruberte wieder ans Land;
Der Riefe fland vor ihm am Strand.
Der Riefe Hub zu Lofi an:
Wo warft bu, Lofi, was haft du gethan?‘ —
118
Sandır. 4
‚Gin wenig hab ich gerubert uur,
Das weite Meer ich überfuhr.‘
Sein Stahlboot ſtieß der Rief ing Meer;
Loti rief: ‚Die See fttrmt ſehr.
Loti ſprach den Rieſen an;
‚Riefe, nimm mich mit in dem Kahn.“
Der Riefe nahm das Steuer zur Hand;
Am Ruder Lofi flieg vom Fand.
Kofi ruberte ſtark und ſchnell;
Das Stahlboot gieng nicht von ber Stell,
Loki ſchwur dem Rieſen zu:
‚Das Steuern verftch ich befier als du.’
Der Rieſe ſaß auf der Ruderbank:
Der Kahn flog im die See fo franf.
Der Riefe rubert ans Auferfte Ziel,
So heißts in alter Lieder viel,
Der Riefe ſprach nicht mandies Wort,
Angel und Stein warf er über Bord.
Angel und Stein zu Grunde fuhr,
Eine Flunder zog er herauf an der Schnur.
Die eine Flunder, die andre zog er,
Die dritte war ein ſchwarzer Roger.
Loti ſprach fo ſchmeichleriſch:
Rieſe, Rieſe, gieb mir ben Fiſch.
Dazu ſprach aber der Rieſe: ‚Nein,
Nein, mein Loki, das kaun nicht fein.‘
Zwiſchen die Kniee ben Fiſch gezogen
Zahlt er jedes Korn im Rogen.
Er hatt auf jedes Korn wohl Acht:
So macht er auf den Knaben Jagd.
Im der gröften Noth der Knabe ftand,
Dem Riefen lief das Korn in die Hand.
Dem Knaben grout vor dem jahen Tod,
Zu Loki rief er im feiner Noth.
[22
Siahl und Biein.
Verſted dich, Zuabe, hinter mid,
Laß nicht ben Rieſen ſchauen dich,
‚Mit leichtem Fuß hupf Aber Land
Und feine Spur drüd in den Sand.
Der Riefe fuße gnrücd ons Land,
Zum Ziele nahm er den weißen Sand.
Dem Lande fuhr der Rieſe zu;
Loti wandte das Boot im Nu.
Der Riefe ſtieß das Boot zum Strand,
Da fprang der Knabe leicht ans Land.
Der Riefe ſah hinaus ins Land,
Bor ihm ber junge Knabe ftand.
Der Knabe Tief leicht über Land,
Man merkte keine Spur im Sand.
Schwerfälig ſtapft der Niefe nach,
Bis an bie Knie den Saud durchbrach.
So ſchnell er Tonnte lief voraus
Der Knabe zu des Vaters Hans.
Zu feines Vaters Haus er lief,
Der Rief ihm nad; da gieng es ſchief.
Biber die Thüre rannt er jach,
An der Eiſenſtange das Haupt zerbrad.
Da galt es Loki, raſch zu fein,
Er hieb dem Riefen ab ein Bein.
Das that dem Wiefen nicht Gewalt:
Zufommen wuchs ihm die Wunde bald.
Da galt es Lofi, raſch zu fein,
Er hieb ihm ab das andre Bein.
Er hieb ihm ab das andre Bein
Und warf dazwiſchen Stahl und Stein.
Da fah der Knabe mit Vergnügen
Den Riefen todt, den ungefügen.
oh fah den Muaben heil,
Er bracht ihn feinen Eltern heim.
9
w . Adwänr. “a
‚Hier if der junge Knabe bein;
Run iſts mit meinem Schuß vorbei.
‚Worüber ifts mit meiner Hut;
Doch bein Gebot erfüllt ich gut.
‚Die Treue hielt id) bir gewiſs;
Der Riefe nun das Leben mifet.’
Hierzu bemertt Weinhold: ‚Dvin ift gewaltig über die Früchte des
Feldes, denn er ift Luft: und Geftimgott; dem Hoenir find die Vögel
unterthan, Loki aber hat die Macht über die Thiere der See’ Mit dem
was bier über Odin geurtheilt wird, find wir einverftanden ; aber für
Hönir möchte die Herſchaft über die Vögel nicht genügen: es muß ihm
wie dem Odin ein Clement angewieſen werden, und zwar ift es das
Waßer, auf welches die Schwäne als Waßervögel deuten. Schwäne ſchei⸗
nen aud) na D.28 dem Niörbhr geheiligt, für welchen Hoͤnir an bie
Wanen ausgewechjelt ward, und wie Niörbhr wird auch Hönir ein War
fergott fein. Für Loki bleibt, da die beiden andern Elemente fhon ver
geben find, nur das britte, das Feuer übrig. Wie er ſich als Lachs, ber
glänzende Filh nad dem Sinne des Worts, im Waßer verbirgt, fo
verftedt er bier feinen Schügling, und fo verftedt ſich das euer felber
im Waßer in jener finnifhen Sage, die Weinhold S. 19 felbft erzählt,
und bie ihm über Lois Verwandlung in den Lachs andere Auskunft hätte
geben können: ‚Louhi, Pohjolas Herfcherin, hat Sonne, Mond und Sterne
verzaubert, daß neun Jahre lang. jhon Naht in der Welt bericht. Da
fteigen Wäinämoinen und Ilmarinen auf den Himmel, um zu fehen was
die Geftirne verbuntelt und Ilmarinen ſchlägt mit feinem Schwerte Feuer.
In einer golvenen Wiege, die an Silberriemen hängt, wiegt das Feuer
eine Jungfrau. Plöglih fällt ed aus der Wiege und mit Haft fliegt es
durch die acht Himmel. Die beiven Götter zimmern ſich ein Boot und
fahren aus, das Feuer zu ſuchen. Auf der Newa begegnet ihnen ein
Weib, die ältefte der Frauen, die ihnen über des Feuers Flucht Kunde
giebt. Es fuhr zuerft in Tuuris neues Haus, in Palwonens unbededte
Wohnung; da verbrennt es das Kind an ber Mutter Bruft und bie
Mutter verbannt es in des Meeres wilde Wogen. Das Waßer brauft,
es brandet hoch, vom Feuer gepeinigt ftürzt e8 über die Ufer. Da vers
ſchlingt ein Varſch das Feuer; vom Schmerz gepeinigt, treibt er umher
von Holm zu Holm, von Klippe zu Klippe, bis ein rother Lachs ihn
4 42. Mond und Bonne gefangen. 1831
verſchlingt. Diefen verſchlingt ein Hecht, der ebenfalls in furchtbarer Bein
nach Erlöfung ſeufzt. Wäinämoinen räth hierauf ein Neg zu fertigen,
das vom Säen des Leine an in einer Sommernacht vollftändig zu Stande
Iommt, und auf den dritten Wurf wird der Hecht gefangen. In feinem
Ragen findet man ven Lachs, in dieſem den Barſch, in ihm das Anäuel,
aus deſſen Mitte der Funke fpringt, ver abermals enteilt und ſich furcht⸗
bar ausbreitet, daß halb Pohjoland, weite Gtreden von Gavo, Rarjala
an manchen Seiten verbrennt. Jlmarinen gelingt e8 durch einen Baubers
ſpruch endlich das Feuer zu bändigen.‘ Man vgl. die im Ganzen über
einſtimmende Darftellung in Anton Schiefners Kalewala, das Rational
03 der Finnen.‘ Helfingford 1859. &. 274—283.
Bohjolad Herigerin, die bei Schiefner des Nordlands Wirthin
heißt, hat hier Sonne, Mond und Sterne nicht verzaubert, ſondern eins
gelangen, da fie Wäinämoinend Geſange zu lauſchen herabgeftiegen waren:
Kam der Mond ans feiner Stube,
Schritt zum Stamme einer Birke,
Aus der Burg kommt auch die Sonne,
Setzt id in der Tanne Wipfel,
Um das Harfenfpiel zu hören,
Um die Freude anzuflannen.
Louhi, fie, des Rordlauds Wirtäin,
Nordlands Alte, arın an Zähnen,
Nimmt bafelbft die Sonn gefangen,
Greift den Mond mit ihren Händen,
Nimmt den Mond vom Stamm ber Birke,
Aus der Tanne Kron die Sonne,
Führer fie ſogleich nad) Haufe,
Nach dem mimmerhellen Nordland.
Birgt den Mond, daß er nicht fcheine,
In den Fels mit bunter Rinde,
Bannt die Sonn, daß fie nicht Teuchte,
Zu dem ftahfgefülten Berge,
Redet felber dieſe Worte:
‚NRimmer fol von bier in freiheit,
Daß er ſcheint, der Mond gelangen,
Nicht die Sonne, da fie feuchte,
un Fenerfunut. 6. 42.
Wenu ich ſalbſt wicht Töfen Koran,
Ic fie ſelber nicht befreie,
Neun der Hengfte mich begleiten,
Die getragen eine Stute"
Mond und Sonne möchten auch die Rieſen unferer Mythologie in
ihren Verſchluß bringen, doch haben ihre NRachſtellungen fo glüdlichen Er⸗
folg nicht, wie bei Pohjolas Wirthin. Das Märchen von dem feuer
funlen, mit dem bie Alto, MWälver fließen, Hingt in Einem Buge über
raſchend an. ‚Gin Funle wurde los und fegte ſich in einem Haufe feit,
da warb daraus ein groß Feuer, das flug in hie Stabt und verbrannte
fie ganz, und fo groß wuchs dad Feuer, daß es das ganze Land aufzw
brennen dachte: lief hinaus ins Feld; aber wie es unter eine Schlucht
am, gieng ihm ein Heines VBächlein entgegen und das euer lief alsbald
darein und das Bachlein kroch und wand fi ꝛc.“ Wie dort der diſch,
der das Feuer verfclungen hat, von Schmerz gepeinigt umbertreibt, fo
trümmt und windet fi hier das Bädlein, in das der Feuerfunle ger
laufen ift, der erft das ganze Land aufzubrennen dachte.
Die Verwandtidaft der finnifgen Erzählung mit unferm Fiſchfang
des Afen ift fo ftark, daß man faft einen äußern Bufammenhang anneh ⸗
men möchte. Dort verbirgt fih Loti, her Gott des Feuers, in ber Ger
ftalt des Lachſes, hier verftedt fi) das Feuer, indem es ſich von einem
Lachs verfhlingen läßt; dort wird dad Rep von den Aſen gefertigt und
bei dieſer Gelegenheit erft erfunden, bier fommt es durch die Macht ver
Götter vom Säen des Leind an In einer Sommernacht zu Stande. Wie
diefe äußern Züge ftimmen, fo wird aud der mythifhe Sinn dieſer, ja
aller der Mythen, die das Feuer oder feinen Gott im Waßer, im dem
anſcheinend feindlicften Element, fih bergen laßen, derſelbe fein. Das
Element des Feuers ift nad feiner wohlthätigen Geite hin erfaßt, als vie
belebenve Wärme, die auch in andern Clementen verbreitet ift, ja ald
die Lebenswaͤrme, der Lebensfunte, der felbft den taltblütigen Fiſchen
nicht gebriht. Indem die Götter Lofi beitrafen wollen, den Gott des
zerſtoͤrenden Feuers, wandelt er fih in den Fiſch, wodurch er nicht bloß
ihren Nacftellungen zu entgehen hofft, fondern zugleich an die andere,
mohlthätige Seite feines Weſens und Wirkens erinnert, ſich als ven mäcs
tigen Gott bewährt, der die ganze Natur durchdringt. Daß er ald Wärme
aud im Waßer waltet, das macht ihm noch keineswegs zum Waßergott,
fo wenig als es Hephaͤſtos ift, den Thetis und Eurynome vor dem Born
[23 Zigune. ‚ 128
der Here im Waßer bergen, wo er neun Jahre verweilte, bie an jene
acht Jahre erinnern, welche Loli unter der Erde ald milchende Kuh und
Wutter ſ. o. zubrachte. Ein Waßergeift muß auch Andwari nicht fein, ber
Zwerg, melden vie Afen als Hecht im Waßerfall fiengen und zwangen,
fein Haupt aus Hels Haufe durch den Schag zu löfen, der als Niflungens
hort eine fo große Rolle in unferer Heldenfage ſpielt. M. Edda 189.
340. 2. Die Bmwerge faßt Weinh. 14 felbft als Erd⸗ und Feuergeiſter
auf, wie er auch ihre Verwandtſchaft mit Loki nicht verlennt.
Nachklaͤnge von Lolis und Fenrirs Feßelung haben ſich in deutſchen
Sagen manderlei erhalten. Zuerjt der Name Sigyns in Sigune, deren
tührende Anhängligleit an ihren erfhlagenen Geliebten, von deſſen Leiche
fie nicht weicht, an Sigyns Treue gegen den gefehelten Gatten erinnert.
Die Einführung des Namens ja des Liebespaared in bie Gralsſage
ſcheint auf Rechnung Wolframs zu kommen, ver auch fo viele Geftalten
der deutſchen Seefage den beiden erften Büchern des Parzival einver
leibt hat. ine andere Erinnerung an Lokis Feßelung findet fih in dem
gefegelten Utgartilofus, nad Saros Darftellung, wovon unten. In einer
Reihe deutſcher Sagen Tiegt der Teufel gefeßelt, was aus biblifhen Quellen
niht fließen Tann. Myth. 958. 963. 1030. Kuhn WS. 12. Panzer U, 56.
426. Zingerle Sagen 290. Lucifer feilt ungufhörlic an ber Kette; am Tage
nad Jacobi ift fie ſchon fo dünn wie ein Zwirnsfaden, wird aber dann
plöglih wieder fo ſtark wie zuvor, weil jeder Schmied, Meifter oder Ges
fele, eh er die Werkſtelle verläßt, einen falten Schlag auf den Amboß
thut, um Lokis Kette wiederherzuſtellen. Vergäßen die Schmiede nur eins
mal den kalten Schlag auf den Amboß zu thun, fo käme Lucifer von
feiner Kette los. Schon ber gangbare Ausdrud ‚der Teufel ift los ſett
feine Seßelung voraus.
Der Weltuntergang.
43, Die Götterdbämmernng.
Ungeachtet der Vorkehrungen der Götter in der Feßelung Lolis und
Fenrirs tritt der geahnte Weltuntergang dennoch ein, indem jene gefürd:
teten Ungeheuer ihre Feßeln brechen. Was biefe Feßeln fprengt, if noch
zu ermitteln; geahnet haben wir aber ſchon oben, S. 126, daß es bie
Götterdämmerung, die Verfinfterung der fittlihen Begriffe, die allgemeine
Entfittfihung fein müße, welche das Ende ver Welt herbeiführe. Darnach
märe Ragnaröf oder die Götlerbämmerung nicht ſowohl die Folge
des Untergangs der Welt, als vielmehr Urſache deſſelben, und dieß wird
ſich In dem Folgenden beftätigen. Zreffend wird Myth. 774 Ragnaröt
mit ‚Verfinfterung ver Zeit und der waltenden Götter‘ und M. 23 heißen
regin ‚die weltorbnenden Gewalten.’ Diejelben werden nun
nad Staldſt. 55 aud als höpt und bönd, ald die Haften und Banden
der Welt gefaßt, was auf eben dieſe Feßeln gehen kann, deren Brub
Fenrit frei macht und den Untergang herbeiführt. In dieſem Sinne
haben wir $. 40 das Band Gleipnir auf Gefeg und Sitte gedeutet, Als
die Haften und Bande der Welt, die den drohenden Untergang gefeßelt
balten, find die Götter die welterhaltenden Mächte. Daß fie dabei von
der fittlihen Seite aufgefaßt werben, zeigt fi in dem, was D.51 von
der Götterbämmerung gefagt iſt. Zuerft fol darnach ‚ein Winter tom:
men, Fimbulwinter genannt.‘ Da ftöbert Schnee von allen Seiten, da ift
der Froft groß und find die Winde ſcharf und. die Sonne hat ihre
Kraft verloren. Diefer Winter kommen dreie nah einander und kein
Sommer dazwifhen. Zuvor aber kommen drei andere Jahre, da bie
Welt mit ſchweren Kriegen erfüllt wird. Da werben fi) Brüder aus
Habgier ums Leben bringen und in Mord und Sippebrud der Sohn
des Vaters, der Vater des Sohnes nicht fhonen. So heißt ed im ber
Wölufpa :
Brüder befehben fi und fällen einander,
Geſchwiſterte fieht man die Sippe brechen.
Unerbörtes eräugnet fi, großer Ehbrud.
24. Sittiche Verwilderung. 185
Beilalter, Schwertafter, wo Schilde krachen,
Wiundzeit, Wolfszeit, ch die Welt zerſtürzt.
Der Eine ſchont des Andern nicht mehr..
‚Da geſchieht es, was die ſchredlichſte Zeitung bünfen wird, daß ber
Wolf die Sonne verfhlingt den Menſchen zu großem Unheil: der andre
Wolf wird den Mond paden und fo au großen Schaden thun und die
Sterne werben vom Himmel fallen. Da wird fi auch eräugnen, daß fo
die Erde bebt und alle Berge, daß die Bäume enttourzelt werben, bie
Berge zufammenftürzen und alle Ketten und Bande brechen und reißen,
Da wird der Fenriswolf los u.f.w.’ Man bemerfe, wie unmittelbar
hier auf den Bruch der Gippe das Verfchlingen der Himmelslichter und
Fenrird Befreiung folgt.
Dem Fimbulwinter, wo die Sonne ihre Araft verloren hat und darum
der Froft groß ift, gehen alfo drei andere Jahre vorher, wo die äußerſte
ſittliche Verderbniſs herſcht. Dem Germanen ift e3 der Gipfel der Ber
wilderung, wenn die Bande des Bluts, die ihm das Heiligfte Find, nicht
mehr geachtet und der Habgier zum Opfer gebracht werben. Erſt in
weiter Reihe nad dem Bruch der Sippe wird ber Chebruch genannt,
freilich auch er ein unerhörtes Unrecht. Hierin liegt nun die Antwort
auf die Frage, was die Göttervämmerung herbeiführe und die Feßeln
Lelis und Fenrirs fprenge. Es ift die ſittliche Verwilderung, welche die
allgemeine Auflöfung herbeiführt. Zuerſt ſtellt ſich nun die Verfinſterung
der Götter, die wir als ſittliche Maͤchte zu denlen haben, äußerlich dar,
indem Sonne und Mond von den Wölfen verſchlungen werben. Bon
dieſen Wölfen wißen wir hen, daß fie jene Himmelslichter verfolgen
um fie zu verſchlingen. Warum gelingt ihnen aber jet, was fie bisher
nicht vermochten ? Sie haben ſich von dem Blut der in jenen drei Jah⸗
ven durch den Bruch der Sippe Gefällten gemäftet und dadurch fo unges
heute Kraft erlangt. So wenigitens verftehe ih die D. 12 unbefriedigend
aläuterte Str. 32 der Wöl. (vgl. $. 13), wo es von Managarm heißt:
hu maſtet das Mark gefällter Männer,
Der Seligen Saal beſudelt das Blut.
Der Sonne Schein dunkelt in kommenden Sommern,
Ale Wetter wuthen: wißt ihr was bas bedeutet?
Den Untergang der Welt bebeutet es, und fo oft vie Wala fragt:
Bipt ihr mad das beveutet? hat fie biefe Antwort im Ginme, mit der
186 Miernatärliher Arieg. 9.48.
bier der nahe Bezug ber heranwachſenden Wölfe auf den Weltuntergang
angedeutet if. Nicht mit dem Blute ‚aller Menfhen, die da
fterben’, werden fie gemäflet, wie D. 12 erläutert: wäre nur das ges
meint, fo hätte es feinen Sinn, wenn ber Geligen Saal davon befubelt
werben fol. Es muß das Fleiſch und Blut der im Krieg Erſchlagenen
gemeint fein, und da fonft die Germanen den Krieg nicht verabſcheuen,
vielmehr gleihfam nur Kampf und Schlacht athmen, im ungerehten
Rriege, im Stiege des Bruders gegen den Bruder. Daß dieß
wirklich gemeint fei, zeigt ſich hier darin, daß Managarm den Mond nicht
eher verjhlingt, bis Windzeit und Wolfszeit eingetreten find und ber
Fimbulwinter gelommen if. Auf feine ‚Iharfen Winde‘ ift mit dem
‚Wüthen aller Wetter’ hingewieſen. In ihm offenbart fih zuerft das Mits
gefühl der Natur mit den Menfchenloogen.
Die diefe Wölfe id mit dem Mark gefällter Männer mäften, fo
wird aud Fentit nad D. 34 (f. $.39) von Tyr, dem Kriegsgott, ger
füttert, ein Wink, daß er hier nicht fowohl den Krieg überhaupt, dem,
fo weit er von ber Gitte geboten wird, Odin vorfteht, als vielmehr den
ungerehten, wibernatürlihen Krieg beveutet, welcher Verwandte ges
gen Verwandte führt. Nicht alfo weil et der Kühnfte ift unter den Göt ⸗
tern, wie D. 34 meint, füttert er den Fenrir, fondern aus dem tieferm
Grunde, deſſen fi die jüngere Edda nicht mehr bewuſt war, wie Ihr
auch D.12 das Verftänpnifs der alten Symbolik ausgieng. Daß Tyr
den Rieſen verwandt ift, geht aus Hymiskwida hervor; ‚ben Menſchen
gilt er aber nicht für einen Friedensſtifter', heißt es D.25 in äbnlihem
Sinne. In Deutihland mochte Tyr (Zio) wie urfprünglih aud im Rors -
den bedeutender hervortreten: in der Edda fpielt er nur eine untergeorbs
nete Rolle: die Wölufpa laßt ihn nicht einmal an dem legten Weltlampf
Theil nehmen und wenn e3 Gylfaginning (D. 51) thut, fo wird fi 8.45
zeigen, daß fie aud dabei von einem Miſsverſtandniſs ausgeht.
Indem jene Wölfe Sonne und Mond verfchlingen, machen fie ſelbſt
ſchon einen Anfang mit dem Untergange, und obgleih erit Fenrir die
volle Vernichtung bebeutet, fo bürfen doch Möl. 32 jene Wölfe als Fenrirs
Geſchlecht bezeichnet werden. Die nächte Folge des Verſchlingens ber
Himmelslichter ift nun das Grobeben, das fo beftig ift, daß alle Ketten
und Banden brechen und reißen. Von Lofi wißen wir, fommt dad Erd⸗
beben her: er wird alfo bei der Verfinfterung der Welt, die der Ausdruck
iſt für die Verfinfterung der Götter, die Verdunlelung der fittlihen Ber
4 Weltuntergang. 187
niffe, die Beit feiner Befreiung gelommen fühlen und an feinen Feßeln
tätteln, die auch wirklich, gleich denen Fenrits, von ber Gewalt des Erbr
bebens brechen. Aber warum fühlte Kofi die Zeit feiner Befreiung nicht
früher gelommen, warum gelingt ihm jeßt, fragen wir aud hier, wad er
fräher nicht vermocht hatte? Weil alle Bande gelodert find durd bie
allgemeine Gntfittlihung, da felbft bie fefteften Bande, die Bande des
Bluts, ihre Kraft verloren haben. Die Ketten und Bande, von denen
bier die Rede ift, find eben nur Bilv für jene fittlihen Bande, deren
Bruch den Untergang herbeiführt, und ‚da wird der Fenriswolf Tod’,
heißt es D. 51 unmittelbar nah dem Bruch jener Ketten und Bande,
und nun folgt die Darftellung des legten Weltlampfs, der das Tobeszuden
der Götter ift, die bis dahin nur verfinftert waren. Doch nicht dloß
Loti und der Fenriswolf fprengen ihre Ketten: alle bisher von den Got⸗
tem bei Gründung und Ordnung der Melt bezähmten und in gewiſſe
GSöäranten zurüdgemiefenen feindfeligen Naturgewalten achten der Schran:
ten nicht mehr, die ihre wohlthätige Wirkung bevingen, und nehmen ihre
natürliche Wildheit wieder an. Wir fehen das zunachſt an ber Midgard ⸗
ſchlange, von der glei darauf gejagt werben wirb, daß fie wieder Sotens
muth annehme. Der Brud der fittlihen Bande fptengt auch biefe
Schranlen, da das Aeußere nur Bild des Innern, die Natur nur Aus ⸗
drud des Geiftes if. Das Ift die Anſchauung der heidniſchen Coba; fie
findet ſich aber aud in einer chriſtlichen Mythe wieder. In St, Marien
im Gapitol zu Köln ift ein Chriſtusbild (Nheinf. 70), ſchwarz, mit tief,
ganz tief herabgejenktem Haupt des Grlöfers. Die Sage verſichert, es
feien die Sünden der Welt, vie er auf fih genommen, die fein Haupt
fo tief herabbrüdten. Wenn aber die Sünden der Welt fo überhand
genommen hätten, daß fein Haupt fih bis zur Erde neige, dann werde
die Welt untergehen. Auch hier alfo ift es die Entfittlihung, welche ben
Untergang der Welt herbeiführt.
4, Naglfar das Schiff,
‚Da wird der Fenriswolf los“, helßt es weiter, ‚und daB Meer
überfiutet das Land, weil die Midgarbichlange wieder Jotenmuth an ⸗
amt und das Sand fuht. Da wird auch Nagliar los, das Schiff,
das fo heißt und aus Nägeln der Tobten gemacht iſt, weshalb wohl vie
Barnung am Ort ift, daß wenn ein Mann ftirbt, ihm die Nägel nicht
128 Aaglfar. 3.4.
unbeſchnitten bleiben, womit der Bau des Schiffes Nagljar beſchleunigt
würde, den doch Götter und Menſchen verfpätet wünſchen. Bei biefer
Ueberſchwemmung aber wird Naglfar flott. Hrym heißt ver Niefe, der
Naglfar fteuert. Der Fenriswolf fährt mit klaffendem Nahen einher, daß
fein Oberkiefer den Himmel, der Unterkiefer die Erde berührt, und wäre
Raum dazu, er mürbe ihn noch meiter auffperren. Feuer glüht ihm aus
Augen und Nafe. Die Midgardſchlange fpeit Gift aus, daß Luft und
Meer entzündet werben ; entfeplich ift der Anblid, indem fie dem Wolf
zur Seite fampft. Bon diefem Lärmen birft der Himmel: da kommen
Muspels Söhne hervorgeritten. Surtur fährt an ihrer Spige, vor und
binter ihm glühendes Feuer. Sein Schwert ift wunderfharf und glänzt
heller ald die Sonne. Indem fie über die Brüde Bifröft reiten, zer⸗
bricht fie, wie vorhin gefagt ift. Da ziehen Muspels Söhne nad der
Ebne, die Wigrid heißt: dahin kommt aud der Fenriswolf und die
Midgardſchlange, und aud Loki wird bort fein und Hrymr und mit ihm
alle Hrymthurſen. Mit Loki ift Held ganzes Gefolge und Muspels Söhne
haben ihre eigene glänzende Schlachtordnung. Die Ebne Wigrid ift hun⸗
dert Raften breit nad allen Seiten.‘
Bergleiht man hiermit Wöl. 50—52:
650. Hrym fährt von Often, es hebt fich bie Flut,
Zörmungandr wälzt fih in Jotenmuthe.
Der Wurm jehlägt die Brandung, ber Adler fchreit,
Leihen zerreißt er, Naglfar wird los.
51. Der Kiel fährt von Oſten; Muspels Söhne fommen
Ueber die See gefegelt, und Lofi feuert.
Der Unthiers Ahkunft iſt all mit dem Wolf;
Auch Bileiſis Bruder iſt ihm verbunden.
52. Surtur fährt von Süden zc.
fo berichtigen und erläutern fie ſich wechſelweiſe. Naglfar das Todten-
ſchiff wird von Hrym gefteuert, den Weinhold Rieſen 57 für das euer
erklärt, während ihn die jüngere Edda für einen Hrimthurfen (Reifriefen)
anfieht und an deren Spihe ftellt. Fragen wir den Zuſammenhang, fo
ftimmt er der j. Edda bei, da zwei verſchiedene Schiffe nicht nöthig wären,
wenn beide nur Mächte des Feuers heranführen follten. Ein anderer Grund
tann erft unten angeführt werben. Loki fteuert das Schiff, auf melden
Muspels Söhne, die Flammen, über die See gefegelt kommen. Diejes
& 4 Rägelbefäneiden. 129
Ediff wird wie Gurtur, Muspelheims Hüter, von Süden kommen, Str. 51;
folglich müßen vie Worte: der Kiel fährt von Often (kjöll ferr austan)
6.50 auf das in der vorhergehenden Zeile genannte Schiff Naglfar
jurüdbezogen werben. Der Berfaßer ber jüngern Edda ſcheint dieß übers
ſehen zu haben, indem er Lofi mit Held ganzem Gefolge zufammenftellt,
worauf ſich dann wieder Weinhold Ziſchr VII, 62. 65 gründet, indem er Loti
mit dem Todtenſchiffe von Oſten daherfahren läßt. Uebrigens follte man
erwarten, daß dem Süden ver Norden entgegenftünde, nicht der Often: im
Rorden liegt Hels alte Nebelwelt. Aber auch Thör zieht auf Oftfahrten
aus, mit den Rieſen zu laͤmpfen: das kalte Schneegebirge lag dem Nor
meger im Oſten. Die Götter wurden fonft (Gr. Gef. d. d. Spr. 989) im
Norden gedacht ; aber fo, daß fie gegen Süben ſchauten (Woljs Beitr. 25).
Dieß ſcheint der Hauptgrund, warum hier der Norden vermieden und durch
Dfen vertreten ift: man konnte bie meltzerftörenden Mächte nicht von
Rorden daher fahren laßen zum Kampf wider die Götter, bie jelbft im
Norden wohnten. Wenn gejagt wird, die Brüde Bifröft breche, indem bie
weltzerflörenden Mächte hinüber reiten, fo ift dieß wohl zu den andern
Irthümern der jüngern Edda zu fchreiben: wenn die Brüde unter ihnen
bräde, wärben fie die Ebne Wigrid nicht erreichen. Bekanntlich ſoll auch
nad einer deutſchen Sage vor der legten Schlacht eine rothe Kuh über
ine gewiſſe Brüde geführt werden (Müllenhoff 376): dieſe Kuh beveutet
das Feuer, wie wir aud Loki als milchende Kuh unter ver Erbe ſym⸗
bolifiert finden. Daß aber die Brüde unter der rothen Kuh bräche, wird
nicht gemeldet, und das Feuer kann fie aud nicht zerftören, da fie felbft
zam Theil aus Feuer gebilvet ift. D.15.
Naglfar ift aus Nägeln der Todten gemacht, worüber Gr. Myth. 775
bemerkt ift, es folle dieß bie ungeheure Ferne und das langſame Zur
fanbelommen des Weltendes ausdrüden: ‚bis ein ſolches Schiff aus
Kmalen Rägeljpnipen der Leichen zufanmengefegt werden kann, verſtreicht
lange, lange Seit umd fie leidet noch Aufihub durd die warnende Vor⸗
Weift, allen Todten vor der Beftattung bie Nägel zu beſchneiden.“ Wir
tinmen das gelten laßen, wenn nur nicht überfehen wird, daß vor Allem
die Pflicht der Pietät gegen die Berftorbenen eingejhärft und ein Jeder
aufgeforbert werben fol, mit behülflih zu fein, daß der Untergang ber
Belt fo lange als möglich aufgeſchoben werbe, ‚den doch Götter und
Renſchen verfpätet wunſchen.“ Durch diefe und eine andere religiöfe Pflicht,
melde hernach noch eingeſchaͤtſt wird und den Sieg der Götter im legten
Gmzed, Diyiäelagie. 9
180 Exke veligidfe Pic. 844.
Weltlampf zum Zwede hat, fehen wir die Menſchen zu Kampfgenoßen ber
Götter erhoben, denen fie behülflich fein follen, den Untergang abzuwehren.
Obgleich diefer einmal hereinbriht, und der legte Welttampf wenigſtens
ſcheinbar gegen bie Götter ausfallen wird, find doch diefe, namentlich
Din, unabläßig bemüht, ihre Macht gegen bie zerſtörenden Naturgewalten,
die in den Riefen vorgeftelt find, zu ftärken und zu mehren: deshalb
sieht er die berühmteften Helden, indem er fie im Kampfe fallen läßt,
-in feine himmliſche Halle, und ftärkt mit ihnen feine Macht, denn fie follen
einft als Einherier mit ihm zur Walftatt reiten, den legten Kampf lämpfen
zu helfen. Darum if e8 aud den Menfchen Pflicht zuglei und Ghre,
im Rampfe tapfer zu fein und lieber auf der Waljtatt zu fallen als auf
dem Bette zu fterben: fie ftärfen damit Odind Macht und helfen ihm die
feindfeligen Mächte bezwingen. Es if fein Widerfpruch, wenn die Götter
in diefem Kampfe erliegen, denn fie werben in ber erneuten, in Flammen
gereinigten Welt wiebergeboren ; die Riefen aber, die böfen Naturgewalten
nit: an der Stelle der fündigen Götter wird nad ber Bertilgung der
böfen Machte ein entfühntes, geläutertes Göttergefchleht herſchen. Jene
veligiöfen Pflichten num, die in äußerlichen Uebungen beftehen, follen nur
zunädft das Bewuſtſein wach erhalten, daß bie Menſchen Mitlämpfer der
Götter find, mit welchen fie in den Niefen gemeinfchaftlihe Feinde haben.
Wilkürlih auferlegt ift aber bie Pflicht gegen die Todten nicht, und die
Mythe, dab von den unbefhnittenen Nägeln das Schiff zu Stande komme,
das die weltzerftörenden Gewalten herbeiführt, hat denjelben Sinn, wie
der andre, daß Managarım fih von den Leihen der dur ben Bruch der
Sippe Gefällten mäftet. Wenn die Unfittlileit der Menfchen jo groß if,
daß die Habgier zum Brudermord verleitet, ja den Sohn gegen den Bater
in den Kampf führt, dann ift dad Ende der Welt nahe, denn von den
Leichen der fo Gefälten mäften fih die Wölfe, melde die himmliſchen
Geſtirne verſchlingen, und wenn die Lieblofigteit der Menſchen fo über
band nimmt, daß die Pflichten gegen die Todten vernadläfigt werben,
dann muß aud dieß den Untergang der Welt herbeiführen, denn von den
unbefhnittenen Nägeln der Tobten ift das Schiff gesimmert, auf dem bie
zerftörenden Gewalten heranſegeln. Dieß ift der ſchoͤne fittlihe Sinm
diefer Dichtung, die unverftanden munberlid genug ausfieht, aber recht
begriffen ſowohl dem menſchlichen Gefühl wie der poetiſchen Kraft unferer
Voreltern die gröfte Ehre bringt. Hier zeigt ſich auch, daß die jüngere
Soda Recht hatte, -Hrym, der Naglfar fteuert, für einen Reifrieſen zu
54. Atnits Geupt. 181
halten, da die Pieblofigkit, welche den Tobten die legte Pflicht weigert,
nur aus erlaltetem Serzen entipringen Tann. Uebrigens bejhränft ſich die
Pflicht gegen die Tobten nicht auf bie Sippe, wenn auch die Ber-
wandten die nächfte Aufforderung zu ihr haben: in Sigrdr. 33. 34 ift fie
als eine allgemeine Menfchenpfliht aufgefaßt :
88. Das rath ich dir neuntens, nimm bes Tobten dich an,
Wo du im Feld ihn findeft,
Sei er ſiechtodt ober feetobt
Dber am Stahl geftorben.
34. Ein Hügel hebe fi dem KHeimgegangenen,
Gewaſchen jeien Haupt und Hand;
Zur Kifte komm er gelämmt und troden
Und bitte, daß er felig ſchlafe.
45. Der legte Weltkampf.
‚Und wenn dieſe Dinge ſich begeben,’ fährt D. 51 fort, ‚erhebt ſich
Heimball und fößt aus aller Macht ins Giallarhorn und wedt alle
Götter, vie dann Rath halten. Da reitet Odin zu Mimird Brunnen und
bolt Rath von Mimir für fih und fein Gefolge. Die Eſche Yggdraſil
bebt und Alles erſchridt im Himmel und auf der Erde.’ Hiermit ſtimmt
im Allgemeinen die erſte der aus Möl angezogenen Strophen :
Ins erhobne Horn blaſt Heimball laut,
Odin murmelt mit Mimirs Haupt;
Vogdrafil zittert, bie ragende Eiche,
Es rauſcht der alte Baum, da ber Rieſe frei wird.
nur daß fie früher fleht und dieſe Begebenheiten unmittelbar nad der
Bind- und Wolfszeit geſchehen läßt, alfo vor ver Befreiung Fenrirs, wor:
aus fi ergiebt, daß unter dem frei werdenden Rieſen Loki verftanden ift.
Bern fie Odin mit Mimirs Haupt murmeln läßt, was erft fpäter
‚ganz erläutert werben kann (man vgl.einftweilen M. Edda 392), während er
nach D.51 zu Mimird Brummen reitet, Rath für fih und fein Gefolge
zu holen, fo find dieß verwandte, ſchon am Schluß von $. 36 als gleiche
bedeutend zufammengeftellte Bilder für diefelbe Sache. Weiter heißt es
dam: ‚Die Ajen wappnen fi zum Kampf und alle Einherier eilen zur
Walſtatt. Zuvorderſt reitet Obin mit dem Goldhelm, dem fhönen Harniſch
und bem Spieß, ‘der Gungnir heißt. So eilt er dem Fenriswolf ent:
183 Loderkreifen. 8 46
gegen und Thor fehreitet an feiner Seite, mag ihm aber wenig helfen,
denn er bat vollauf zu thun, mit ber Midgardſchlange zu kämpfen. Freyt
fteeitet wider Surtur und kämpfen fie ein hartes Treffen bis Freyr er-
liegt, und wird das fein Tod, daß er fein gutes Schwert miſst, das er
dem Skimir gab. Inzwiſchen ift auch Garm ver Hund los geworben,
der vor ber Gnypahoͤhle gefehelt Tag: das giebt das gröfte Unheil, da er
mit Tyr kaͤmpft und Einer den Andern zu Falle bringt, Dem Thör ger
lingt e8, die Midgardſchlange zu tödten, aber faum ift er neun Schritte
davon gegangen, fo fällt er tobt zur Erde von dem Gift, daß der Wurm
auf ihn fpeit. Der Wolf verfhlingt Odin und wird das fein Tod. Als:
bald ehrt ſich Widar gegen den Wolf und fept ihm den Fuß in den
Unterkiefer. An dieſem Fuße hat er den Schuh, zu dem man alle Zeiten
hindurch fammelt, die Lederfireifen naͤmlich, welche die Menfhen von
ihren Schuhen ſchneiden, imo vie Zehen und Zerjen figen. Darum foll
diefe Streifen ein Jeder wegwerfen, der darauf bedacht fein will, den Aſen
zu Hülfe zu kommen. Mit der Hand greift Widar dem Wolf nad dem
Oberkliefer und reißt ihm den Rachen entzwei und wird bad bed Molfes
Tod. Loki kämpft mit Heimball und erſchlaͤgt Einer den Andern. Darauf
ſchleudert Surtur Feuer über die Erde und verbrennt die ganze Belt.’
46, Die ſechs Einzelfämpfe,
Hiernach find die Rollen im Kampfe fo vertheilt:
1. Ddin gegen ben Fenriswolf, wobei Odin fällt und der
Wolf für den fehöten Kampf (mit Widar) übrig bleibt. Die Wölufpa 53
berührt diefen erften Kampf nur mit den Worten:
Nun hebt fi Hlins (Friggs) anderer Harm,
Da Ddin eilt zum Angriff des Wolfe.
ohne den Ausgang deutlich zu melden; er ift aber in der folgenven
Strophe bei Widars Kampf mit dem Wolf in den Worten audgebrüdt:
fo räht er den Vater. Da der Fenriswolf den Untergang überhaupt
bebeutet, fo ift er gegen Odin ben MWeltenvater georhnet. In dieſem
Kampfe it ſchon das Wefentlihe enthalten und es bebürfte der übrigen
Eingeltämpfe nicht mehr, mit Ausnahme des Iepten, in meldem wieder
der Wolf auftritt, aber dießmal um befiegt zu werben und Odins Tod
an ihm zu rächen,
% 46. Iweiter und dritter Aampf. 188
2. Ihör gegen Jörmungandr, die Weltſchlange, die er zwar
erlegt, aber von dem Gifte, das fie auf ihn fpeit, tobt zur Erbe faut.
56. Da ſchreitet der ſchöͤne Sohn Hlodyns (Jordhe):
Den Wurm trifft muthig Midgards Segner.
Doch fährt neun Fuß weit Fidrghus Sohn
Weg von der Natter, bie nichts erſchrecte.
Alle Weſen müßen die Weltftatt räumen.
Da das Meer beim Weltuntergange die ihm von ven Göttern an
gewieſenen Schranken fprengt und bie Erde überflutet, fo wird es in der
Weltſchlange als ein werberblices Ungethüm aufgefaßt, welches Thör zu
belämpfen berufen ift. Freilich könnte Thör auch gegen andere Ungethüme
geordnet fein ; aber dieſes ift das gröfte von allen, wenn aud vielleicht
nicht daß verderblichſte. Auch hat Thor als Gott des Gewitter, das aus
den Wolten hervorgeht, einen Bezug auf das Meer, und ber Gewitter:
tal wird gern von der Flut angezogen. Nah dem Mythus von Thör
bat diefer fhon früher einmal gegen die Midgardſchlange gekämpft ; aber
& war, wie Uhland 171 fagt, nur ein ledes Vorſpiel des künftigen, für
beide verberblichen Kampfes. In der verjüngten Welt findet ein feinds
feliges Wefen wie die Midgardſchlange feine Statt, es muß daher in
diefem Rampfe fallen. Aber auch Thors bedarf es dort nicht mehr, feine
Rolle ift audgefpielt, da ed feine Unholde mehr zu erſchlagen giebt.
Hierin Tiegt das Recht der Dichtung, ihn in dieſem Kampfe gleichfalls
erliegen zu lafen. Da Midgards Schüger (Weiher, Heiliger) nun ge
fallen ift, fo werben zwar die Menſchen jet alle won ihrer Heimatäftätte
verdrängt, was die folgende Strophe 56 mit den Worten erläutert: ‚die
Erde finkt ind Meer‘; aber es war der Todeslampf der von Thör ber
jwungenen Schlange, die bald nach Strophe 57 die Erde aus dem Waßer
wieder auftauden und friſch ergrünen läßt.
3. Freyr gegen Surtur, wobei erfterer erliegt, weil er fein
Schwert mift, das er dem Skirnir gab, womit auf den Mythus von
Freyr und Gerba (8.29) angefpielt wird. Hätte die Hindeutung Grund,
fo wäre es ſchwer, den dem Ausgang des Kampfes zu Grunde liegenden
Gevanten anzugeben. Freyr mifst fein Schwert, den Sonnenftral, weil
die Sonne bereit3 von Skoͤll verfhlungen oder doch fhon von feinem
Rocen erfaßt ift; erft während des legten Weltkampfes ſcheint fie nach
6.56, wenn die Erde ind Meer fintt und die Sterne vom Himmel
fellen, von ihm erwürgt zu werben. Wajthrubnism. 46.47. Wir fahen
134 > Suweifelhafter, 546.
aber früher, die Hingabe des Schwerts für Gerdas Beip bezog fih ur
fprüngli auf ein jährlich wiederkehrendes Greignifs, niet auf bad große
Weltenjahr, mit dem es in Verbindung gebracht ward, als der Mythus
von Ragnaröf und dem Weltuntergang die Herſchaſt über afle andern er:
Tangt hatte. Die entſprechende Stelle der Wöl,
58. Belis Mörder miſet fi mit Surtur:
Da füllt Friggs einzige Freude.
läßt nicht erlennen, ob die Verbindung ſchon vollbracht war; wenn auf
Frege Belis Mörder heißt, was auf den Mythus von Freyt, Gerda uns
ihrem Bruder Beli zielt, fo ift do auf die Weggabe des Schwerta nicht
gedeutet. Warum Freyr Friggs einzige Freude heift, wird fpäter erläus
tert werben.
Freyrs Fall erflärt fi wohl daraus, daß es der Wanengoͤttet in
der verjüngten Welt nicht bebarf, ba fie den finnlichen Begierden vor⸗
ſtehen. So fehen wir auch feine ver Göttinnen übrig bleiben, wie fh
nad unferer Anſicht alle aus Nerthus und Freyja entwidelt haben, aljo
Banifcen Urfprungs find. Bei den Aſen mar dem Freyr die Herſchoſt
über die Sonne (von Dbin, dem fie wohl usfprünglid; zuftand) verliehen
worden ; dieſe ift jept in Gl Rachen und nur nod ald Wanengott
tommt er beim Weltlampf in Betracht. Warum Surtur, der ihn befiegt,
gleichwohl in ver verjängten Welt nicht mehr auftritt, ift ſchen oben 8.40
erläutert.
4 Heimdall gegen Loki. Die Wölufpa weiß von dieſen
Kampfe nichts; doch könnte er in der Meberlieferung gegründet fein, da
auch Heimdall ſchon früher einmal einen Kampf gegen Loli beſtanden
bat (f. u. Heimball) wie Thor gegen die Mingarbfchlange. Lei kennen
wir fon ald den Zerftörer, und obwohl wir feinen Namen wicht ven
at luka, beichließen, ableiten mögen, fo führt er dod das Ende der Welt
herbei. Würde num Heimdall richtig als der Anfang ver Dinge aufe
gefaßt, wie denn die verihiedenen Stände ihren Urfprung von ihm her⸗
leiten, ja nah dem Eingang der Wölufpa die Menfchen überhaupt, fo
fände er in Loli feinen Gegenfag und ber Ausgang des Kampfes Tiefe
ſich, wenn gleich mehr wigig ald überzeugend, mit ben Worten ausbrüden,
daß beim Weltuntergange Anfang und Ende zufammenfallen. Aber der
Grund der Zufammenftellung lag bei ihrem erften Kampfe in der um
fprünglien Natur beider, da Loki das Feuer ift und Heimdall, wie unten
3. 46. suchler Aanyl. 18
nachgewiefen werden fol, der Regen. In dieſer Bebeutung koͤnnen fie
beim legten Kampfe nicht gefaßt werben, man müfle benn Heimdalls
Natur auf das gejammte Glement des Waßers, aus dem er geboren ift,
erweitern und feinen zweiten Kampf mit Loki beim Weltende auf ven
Streit beider Glemente beziehen, ver da eintreten wird, wenn Surtur
Feuer über die ganze Welt ſchleudert und dann die Erde ind Meer finkt.
Dad aber würde mit dem berichteten Ausgang des Kampfes nicht ſtim⸗
men, wonach Einer den Andern erſchlagen fol, während Waßer das Feuer
loſchen müßte. Nehmen wir Alles zufammen, fo trifft diefen vierten Rampf,
der im Gedanken nicht feſt genug begründet ſcheint, der Verdacht fpäterer
Zudichtung. Jener frühere Ginzellampf beider mag die Veranlagung ges
weien fein, fie aud bier wieder gegemüber zu ftellen,
5. Tyr gegen Ranagarm. Auch von biefem Kampfe weiß
Bil richts, und ic halte ihn in ber Weberlieferung nicht für begründet.
Der Berfaßer der jüngern Edda ſcheint zu der Annahme deſſelben durch
cin Mifsverftändnifd der Wöl. veranlaßt. Ginen Hund Namens Garn,
ver die Kette fprengen und an dem Kampfe Theil nehmen Tönnte, giebt
es gat nicht. Man dent an den Höllenhund, von dem es Wegtams ⸗
feida heißt, als Odin nach Niflpeim ritt, die Wala zu weden, um fie
über die Geſchide der Welt zu befragen:
Da kam aus Geld Haus ein Hund (hvelpi) ihm entgegen,
Blutbefledt vorn an ber Bruſt,
Kiefer und Raden Haffend zum Biß:
So gieng er entgegen mit güßuendem Schlund
Dem Bater der Lieder mit lautem Bellen.
Aber dieſer Höllenhund ift fo wenig gefehelt als Managarm, welcher
fo eben erft ven Mond verſchlungen hat, D. 51 giebt aber nähere Aus:
haft, welchen Hund fie meine, indem fie hinzufügt: „Inzwiſchen ift auch
Garn ver Hund los geworben, der vor ber Gnypahöhle geſeßelt lag‘.
Sie fhöpft mithin and Wol., wo es Strophe 39 und 48, alfo zweimal,
Geyr Garmr mjök Gräfslid, heult Garm
fyr Gnäpahelli, vor ber Gnupaßöhle:
feste mun slitoe bie Feßel bricht
en Freki renna. und Freki rennt.
Sie hat alſo dieſe Stelle, die nur den Fenriswolf meinen Tann,
wilßoerfianden. Bon einem gefeßelten Hunde ift uns nichts bekannt,
186 ytheloriſce Syrache. % 46.
wohl aber wißen wir, daß der Fenriswolf gefehelt Megt; die Meldung
von feinem Losbrechen, die fonft nirgend gefunden wird, muß in dieſer
Stelle der Wol. enthalten fein, denn fie gehört bieher, da gleih nach ihr
folgt, daß die Midgardſchlange Jotenmuth annimmt, das Todtenſchiff flott
wird und Muspels Söhne gefegelt kommen. Das Loswerden des Fenris-
wolfs läßt aber D. 51 ſelbſt diefen Dingen unmittelbar vorhergehen.
Den Fenriswolf fehen wir alfo im biefer Halbſtrophe gweimal im ver⸗
fhiedener Weife bezeichnet, einmal als Garm und gleich barauf als Frefi.
Legtern Namen führt einer von Odins Wölfen, und wie diefer nad ver
tühnen mpthologifchen Sprache des Nordens, welche bie Namen verwandter
Dinge zu vertaufchen liebt, dem Fenriswolf beigelegt wird, fo aud der
Managarms, der gleichfalls wie wir wißen ein Wolf ift, wenn er gleich
als Monbhund bezeichnet wird. Dennoch bat fi) der Berfaßer der
jüngern Edda täufchen laßen, mobei ihm freilich zur Entſchuldigung ger
reicht, daß die Erwähnung ber fonft unerhörten Gnypahöhle ven Schein
veranlaßte, als fei hier von einem neuen übrigens unbelannten Ungethüm
die Rebe. War die einmal vorhanden und der Feßel ledig geworben,
fo mufte e8 au an dem Kampf wider die Götter Antheil haben, man
ſtellte ihm alfo den Tyr, vgl. 6.127, gegenüber, was zugleich ben Vor⸗
theil gewährte, auch diefem dabei feine Rolle angemwiefen zu fehen. Es ift
aber unmögli, den mythiſchen Gedanken anzugeben, der einem folgen
Kampfe zu Grunde liegen follte, va Garm, der aus Mifsverftänpnifs ents
ftandene Doppelgänger Fenrirs, gar leine Bedeutung haben Tann.
Die Wiederholung unferer Strophe erflärt fi leicht. Das erftemal
(39) fteht fie neben Lokis Feßelung, nachdem die Seherin den gleihwohl
eintretenden Weltuntergang und Fall der Aſen in einer vorfhauenden
Halbfteophe angedeutet hat. Hier alſo ift fie ald ein künftig eintretendes
Greignifs vorweggenommen. Darum muß fie Str. 48 bei ver fpätern
Darftellung des nun wirllich eintretenden Weltuntergangd wieberlehren,
um bem Losbruch Fenrirs feine Stelle im Bufammenhang der Ereignifie
anzuweifen. Daß Fenrir vor der Gnypahöble gefeßelt lag, fagt allerdings
die jüngere Edda nicht, und wie Lönnte fie es, da fie die Onypahöhle auf
einen Hund Namens: Garm bezieht; aber in der Wöl, wird damit bie
Höhle gemeint fein, welche die Felſen Giöll und Thwiti bildeten, die nach
D. 34 ($. 39) bei Fenrtirs Feßelung gegen einander gefügt wurden. Vgl.
Lex Myth. s. v. Gnipahelli. Nach dem Glofjar zu Th. L ſcheint aber
st gneypa constringere, comprimere zu bebeuten, wa3 für gnypahelli
8.46 Dweite religiöfe id. 187
den zu ihrer Beſchreibung D. 34 völlig ftimmenden Sinn einer Meifenden
(Oemmenden) Höhle ergiebt.
6. Bidar gegen den Fenrismolf. Aus bem erften Kampfe
war ber Wolf als Sieger hervorgegangen, nachdem er den Weltenvater
verfölungen hatte; in biefem fechöten erliegt er, indem ihm Widar ven
Fuß, an dem er den großen Schuh bat, in ven Unterkiefer feht, mit ver
Sand aber nad dem Oberkiefer greift und ihm fo den Rachen entzweis
reißt. Zu jenem großen Schub fammelt man alle Zeiten hindurch, die
2ederftreifen nämlich, welde die Menfchen von ihren Schuhen ſchneiden,
wo die Zehen und Ferfen ſihen. Darum wird die Lehre hinzugefügt, daß
diefe Streifen ein Jeder wegwerfen folle, der darauf bedacht fei, den Aſen
zu Hülfe zu kommen. Hier haben wir alfo einegweitereligidfe Pflicht,
jener ähnlich, welche ſich auf die Nägel der Tobten bezog, die zu dem Bau
des Schiffes Ragljar verwendet werben follen, nur daß wir in jener ſitt⸗
liche Bedeutung erkannten, während dieſe zunächft ganz pofitiver Natur
ſcheint. Bermuthlic würde biefer Schein aber verfhmwinden, wenn wir
wüften, welche Bewandiniſs e3 mit jenen Lederftreifen hatte. Wären wir
unterrichtet, wie die Schuhe der Alten beſchaffen waren, fo würde ſich
vielleicht die Vermuthung rechtfertigen laßen, daß au hier eine Pflicht
der Bietät oder Milde eingefchärft werben fol, indem die Leberftreifen,
welde die Vornehmen und Reichen megwerfen, von ben Geringen und
Armen benugt werben können, ihre Fuße damit zu bekleiden.
Die Hier eingefhärfte Pfliht als ein gutes Werk zu faßen, wo nicht
als die guten Werke überhaupt, berehtigt der fottifhe Glaube, denn
Aberglauben möchte ich e8 nicht nennen, der einem armen Mann zuweilen
ein Baar Schuhe zu fhenen empfiehlt: fie tmürben dem Geber in ber
andern Welt zu Gute tommen. Ba müflen wir nämlich über eine große
mit Domen und Pfriementraut bewachſene Haide, und könnten nicht bins
über als durd das Verdienſt dieſes Almofens , denn jener alte Mann
werde und ba mit ben gefchenkten Schuhen begegnen: wir würden fie
anlegen und damit unbeſchaͤdigt durch Did und Dünn waten. Der Schuh
iſt das Almofen, das heidnifhe Völfer am höchſten hielten, fie bie bei
umgebahnten Wegen über Stod und Stein fuhren. Verwandt fcheint ber
muhamedaniſche Glaube, wonach fi die Verſtorbenen die guten Werte
unter die Füße legen, wenn fie vor dem jüngften Gericht über die glüs
hende Eifenftange ſchreiten müßen, die über eine grundlofe Tiefe gelegt ift.
Muth. 794. 795. Wahrſcheinlich hängt damit aud der Todtenſchuh (heis-
188 Gais Werke. % 46
k6) zufammen, den man ben Tobten mitgab, nach welchem im Senne
bergifhen die dem Verſtorbenen erwiefene legte Ghre überhaupt genannt
wird, ohne daß der Gebrauch felbft fortbauerte; ja dad Leichenmal wird
fo geheißen. Myth. 795. Go mird in Gtöbers Elſäßiſchen Gagen 6. 34
erzählt: In Ingersheim verftarb eine Woͤchnerin, der hatte man keine
Schuhe mitgegeben: ba Hopfte fie gleich in der erften Nacht ans enter
und fagte: Warum habt ihr mir feine Schuhe mitgegeben? Ih muß
durch ‚Difteln und Dornen und über fpige Steine. Aud bie ‚Tochter
Sion’ bedarf nah V. 3481 zu der Reife nach dem Berge des himmliſchen
Bräutigams unter andern au der Schuhe der Demuth, und nach deuts
fen Vollsſagen (Baader 237. Wolf N. S. 396) ftilt ein Schub, in ein
Gewitter geworfen, das durch Hererei erregt ift, den "Sturm ober bannt
den Herenfhwarm, ein Glaube, auf den aud in Hoffmanns RNiederdeut⸗
ſchem Theophilus 8. 5245 angefpielt wird. gl. die Anm. 48. Gin
anbermal (Baader 141) vertreibt Schuhwechſel Geſpenſter; wie auch Brot
gegen einen feurigen Mann getvorfen vor diefem fügt. Baader 224.
Sieht man irgenbiwo Geld brennen, jo muß man einen Schub darauf
werfen, bann Tann man es auch bei Tage heben. Kuhns Maͤrl. Aber
glaube 67. Myth. 1072. Die Deutung der Schuhe auf die guten Werte
ſcheint enblid auch in folgenver Stelle in Greg. M. Homiliae in Evangg.
L. I. hom. XXII. No. 9 enthalten: ‚Caloeaments habebitis in pe
dibus (Exodus XII, 11). Quid sunt enim pedes nostri nisi opers?
Quid vero calcsamenta, nisi pelles mortuorum animalium ? Calcea-
ments autem pedes muniunt. Quse vero sunt mortua animalia, ex
quarum pellibus nostri muniuntur pedes, nisi antiqui patres, qui
nos ad seternam patriam praecesserunt? Quorum dum exempla
conspicimus, nostri operis pedes munimus. Üslceaments ergo in
pedibus habere, est mortuorum vitam conspicere et nostra ve-
stigia a peccati vulnere custodire.‘
Die guten Werke find Manchem ein Anftoß; aber ich verftehe fie ald
Werte, die aus gutem Herzen tommen, wie fie aud in ven Märden bie
dankbaren Thiere zu belohnen wißen. Das Weſen muß erjheinen, fagt
‚Hegel, und ein guted Herz, das fi nie durch Werte beihätigt, iſt eben
fo wenig werih als ein f.g. gutes Werk, das anderer Duelle als gutem
Herzen entfpringt. Das kann ein Kind begreifen, und fo hoffe ic,
alberner confefiioneller Zant werde mir bei Grllärung eines tieffinnigen
heidniſchen Mythus nicht mehr entgegenftehen.
8.46 War. 189
Die Aufforderung, vie Lederſtreifen megzumerien, welche ben großen
Schuh bilven helfen, mit weldem Widar ven Göttern bie Unfterblicteit
erfämpft, enthält hiernah eine Mahnung an bie Menihen, ſich dieſer Uns
ſterblichteit durch gute Werke theilhaftig zu mahen Wir würden mit
dieſet Anficht durchzudringen hoffen dürfen, wenn nicht Widars Weſen und
die Bedeutung feines Kampfes erft noch der Erläuterung bebürften. Be:
lanntlich hat diefer Gott fo verſchiedene Auffapungen erfahren, baß er
ſchon deswegen ber ſchweigſame As (D. 29) heißen dürfte, denn er ſchwieg
und, wir wuften ähm nicht gu deuten. Daß er die Waßerhoſe nicht fein
fan, wie Zinn Magnufen wollte, ergiebt ſich ſchon daraus, daß ein fols
üb verberbliches Ungeihüm wohl zu den Riefen, nicht zu ven Göttern
fiblen tönute ; was darauf leitete, feine Einbeinigleit, wird aus dem
werben Schub, ver einen feiner Füße befleivet, ohne Grund gefolgert.
Darım hätte Widar aud nicht mit Gunthari, der im Waltharius im
Rampfe mit dieſem den Schentel einbüßt, verglichen werben follen. Bes
terfen nimmt ihn fiir die Umvergänglicleit der Natur, worgeftellt in einem
wöurhdringlihen Wald, wo nie eine Art Hang, denn im Urwald
derſcht Schweigen.
Diefe Deutung bet viel Einnehmendes und trifft in ihrem erften
Deile nahe zum Biel, nur ber Urwald wird ganz aus dem Spiele bleiben
mühen. BVorgeftellt unter dem Bilde eines jungen Anwuchſes würbe es
tihtiger heißen. Unfere Anfiht haben wir fo eben angedeutet; fie zu
begründen müßen wir auf Fenrirs Bedeutung zueüdgehen, benu in feinem
Nampf mit ihm if der Gig der Lehre. Mir haben ihn aber ſchon als
Ve Vernichtung felber, ald ein Symbol des hereinbrechenden, umermeib:
bien Untergangs aufgefaßt. Indem ihn num Widar bekämpft und bes
Fest, kann dieſer nicht? anders als die Emeuerung fein, bie Wieder
gebart der Welt und ber Götter, wozu fein Name volllommen ftimmt,
Amel das gothiihe vithra, das ſowohl contra als re-, warsus, iterum
bedeutet, dem Norden neben dem gangbaren vidh nicht fremd ift, wem
8 and) nur in Bufansmenfegungen wie vidhrlifi (sustentatio), vidhr-
Yitt (praesentia) erfeint. Gr. Gramm. II, 795. II, 258. Wider,
Ver den Göttern die Erneuerung erkämpft, indem er die Vernichtung bes
Feat, iR auch ber eigentliche Gott der erneuerten Melt, da Mali, ber
ben ihm genannt wird (Waſthrud. 51), als Baldurs Räder in deſſen
Vhus gehört, der urſprunglich auf das zwölimonatliche Jahr bezügfidh,
&R fpäter auf das große Weltenjahs übertragen warb. AUS ein Sinn ⸗
140 Erneuerung. % 46.
bild der Erneuerung verſtehe ich aud, mas Grimnismal 17 von Widars
Wohnſit geſagt it:
Geſträuch grünt und hohes Gras
In Widars Land Widi.
womit man Hawamal 120 vergleiche, wo es heißt:
Gewannft du den Freund, dem du wohl vertrauft,
So beſuch ihm nicht felten,
Denn Strauchwerk grünt und hohes Gras
Auf dem Weg, den Niemand wandelt.
Daß dem Unbeſuchten, von den Menfchen Geflohenen Gras vor ver
Thüre wächft, ift noch gänge Redensart; aber Niemand wird dabei, wenn
es aud Grad und Straud bieße, an den Urwald denken, und obgleich
in biefer Erneuerung des urfprünglic überall verbreiteten Anwuchſes die
unvergänglihe Kraft der Natur fi offenbaren mag, die fi
immer wieder erneut, fo ift es doch nur die Erneuerung ſelbſt, welche
das Bild meint, wie ihr Begriff ſich aud aus dem Gieg über den Fen⸗
riswolf, der die Vernichtung ift, ungezwungen ergiebt. Allerdings laͤßt
der Rame des Gottes zu, an vidhr Holz zu denen, und infofern deſſen
Wachsthum die unzerftörte Trieblraft der Natur darftellt, haben wir auch
nichts gegen eine folde Ableitung; aber da ein gleiches vidhr Präpofis
tion und Adverbium if, dad aud in feiner althochbeutfhen Form wider
in widarburt vie erfte Hälfte der Bufammenfegung bildet, fo fehen wir
den Urwald herbeizuziehen am wenigften Grund, da biejer feinen Sinn er
giebt. Beterfen war wohl ein finniger Mann, voll Phantaſie und poes
tiger Begabung, aber dem Gedanken des Mythus nachzugehen nicht immer
aufgelegt. Die Phantafie führte ihn germ ihre eigenen Wege, vielleicht
anmutbigere, aber eben nicht die Wege des mythiſchen Gedankens.
Bas fann ſchöner, was lann herrlicher fein als der Urwald, was beredter
als fein Schweigen ? Aber falls es am jüngften Tage nod einen Urs
walb giebt, was id; bezweifle, fo follte e8 uns leib thun um biefe Schön-
heit und Herrlichkeit, wenn fie fi in Kampf einließe mit dem Wolf, ver
die Berftörung felber ift. Was könnte der Ausgang eines folhen Kam:
pfes fein, al3 daß der Urwald ausgehauen würde, fo gänzlich ausgehauen
wie leider oft auch umfere Wälder, in denen man vor lauter Wald feinen
Baum mehr ſieht. Unſer fester Kampf nimmt aber einen andern Nuss
gang: Widar geht fiegreih aus ihm hervor, darum kann er nicht der
% 46 Sqweigtudet Aſe. 141
Uwoald fein. Was wollte auch der Urwald gegen Fenrir ausrichten, wenn
er mit Haffendem Rachen einherfährt (j. Edda ©. 322) und fon ben
Beltenvater verjhlungen hat? Gr wäre wie eine Bohne in eines Löwen
Rachen geworfen. Und was könnte der große Schuh des Urwalds bedeuten?
Das alles hätte Peterfen bebenten ſollen und Alle follten e8, die noch
jegt auf feinen Irrthum ſchwoͤren, nachdem die einleudtende Wahrheit
längft gefunden ift.
Nur wenn wir Widar als den Gott der Erneuerung faßen, erllären
fih aud die Worte D.29: ‚Auf ihn vertrauen bie Götter in allen
Gefahren‘ Wie die Unfterblichkeitälehre bie Menfhen zu tapfeın Kam⸗
yiern macht, die dieſes Leben freudig in die Schanze ſchlagen, jo mögen
auf die Götter mit freubiger Buverfiht in den Kampf gehen und ben
Zod verachten, da fie der Wiedergeburt vertrauen, die ihnen Widar ers
fämpfen wird.
Die Wölufpa ſcheint nach Str. 53 no nichts von Widars großem
Sub zu wißen, ba von feinem Schwerte (hjör) geſprochen wird. Wohl
aber kann man ſchon eine Andeutung deſſelben in Wafthrubnismal 58
Finden, wonach er dem Wolf die lalten Kiefern Hüften fol. Schuh und
Schwert fcheint die Skala, die ihm Cap. 11 einen Eiſenſchuh bei⸗
legt, verbinden zu wollen. Dieb mag fie auch veranlapt haben, jenes
Riefenweib Gridh, von welchem Xhör bei feiner Fahrt nad Geirrödsgard
Stärlegürtel, Stab und Eifenhbanpfhuhe borgt, zur Mutter Widars
des Schweigſamen zu machen, wovon bie übrigen Quellen nichts wißen.
Aber wäre dieß auch tiefer begründet, fo fann der Umftand, daß anders
waͤrts (Wöl. 32) von einem Eifenwalde die Rebe ift, doch die Anficht
nicht ftügen, daß Wider, der Gott der Erneuerung, der Wiedergeburt,
unter dem Bilde eines undurchdringlichen Urwalds vorgeftellt ſei. Der
ſhweigende As darf er aber allerdings heißen, da Niemand gewiſs
weiß, welches Schidfal feiner in der mwiebergeborenen Welt hart, wenn
© aud) der Mahnung zu genügen beftrebt war, ſich der durch Widar er:
ftittenen Unfterblichteit theilhaftig zu machen. Wir ſprechen in demfelben
Sinne von dem ſchweigſamen Grabe:
Das Grab ift tief und ftille,
Und ſchauderhaft fein Rand.
Es bdedt mit ſchwarzer Hülle
Ein unbelanntes Land.
Salis.
148 Eoiger Yade. 6. 4
Heißt es doch auch Hyndluliodh. 41:
Wenige werden weiter blicken
Als bis Odin den Wolf angreift.
was nicht woͤrtlich zu nehmen iſt: der legte Weltlampf iſt gemeint, der
mit diefem Gisgellampf anhebt.” Uhland 169.
Grinnerungen an Widars großen Schuh haften in den großen Schw
ben des ewigen Juden, bie an verfhiebenen Orten, zu Ulm und Bern
gezeigt werben. Don jenen zu Bern heißt e3 bei Rochholz II, 307, fie
feien ungemein groß und von hundert Blepen zufammengefegt, ein Meifter:
ftüd eines Schuhmachers, weil fie mit vieler Mühe, Fleiß und Ge
ſchidlichleit aus gar vielen ledernen Theilen zufammengeflidt worden. Hier
tommt auch der Grund zu Tage, warum ihn die Sage für einen Schuh
macher außgiebt.
Bum Schluße nod über den Namen der Rampfftätte Wigrid, die
nad) allen Seiten hundert Raſten breit ift: "
Wafthr. 18. Wigrid heißt das Feld, wo zum Kampf ſich finden
Surtur und bie ewgen Götter.
Hundert Raften zählt es rechts und linfs:
Solcher Walplatz wartet ihrer.
Er iſt von vig (Rampf) und rida (reiten) gebilvet, weil die Götter
dahin zum Kampfe reiten. Sie heißt aber auf Dftopnir, nad Faf
nismal 14. 15:
Wie Heißt der Holm, wo Herzblut miſchen
Surtur einft und Afen ?
Dflopnir heißt er: da werden alle
- Götter mit Speren fpielen.
Wölfungaf. K. 18 heißt er Uflapte, weil man ihn als den uner
ſchaffnen verſtand; richtiger wird er aber ald der unausweichliche gebeute,
vor dem keine Flucht möglich ift (at scops, rennen), Peterfen 391. Ir
Deutſchland entfpriht das Walferfeld, obgleih es auch andere Lolali:
fierungen giebt. So wird in Schleswig-Holftein bald Nortorf bald Bom:
bövede genannt (Müllenh. 370), auch wohl die Kropper Haibe, mie bei
uns die Wahner Haide, ein uralte® Grabfeld voller Todtenurnen.
847. J deubraud. 148
471. Der Weltbrand.
Muspels Söhne, an deren Spige Surtur geritten fommt, find die
Bewohner Muspelheims, der füblihen Feuerwelt, alſo die Flammen felbf.
Ihr Bater Muöpel erſcheint nirgend perfönlih, er würde noch einmal
008 Feuer perjonificieren. Surtur, der Echmärzer, den wir ſchon oben für
den Rauch erflärt haben, ſchleudert an Lolis Stelle das feuer über die
Erde und verbrennt die ganze Welt. Der Weltbrand heißt demnach Sur:
talogi. Wafthr. 50. Surturd flammendes Schwert (hefir loganda
sverdh D. 4) ift wieder die Flamme,
Es ift eine der überrafchendften und bei den gegen bad Alter der
Eda erhobenen Zweifeln erfreuficften Einftimmungen der beutjhen mit
der nordiſchen Mythologie, daß und das bunlle Wort muspel in gleicher
Bedeutung bei Sachſen und Baiern in Handſchriften des achten und
neunten Jahrhunderts wieberbegegnet und zwar gerade au bei Beſchrei⸗
bung des jüngften Tages. In dem fähfifhen Heliand heißt es 79, 25:
‚mudspelles megin obar man ferid,‘ ‚vie Gewalt des Feuers fährt über
die Menſchen, und 133, 4: ‚mutepelli cumit an thiustrea naht, al
s thiof ferid darno mid is dädiun‘, ‚das Weltfeuer Eommt in
dunkler Nacht heimlich und plöplich wie ein Dieb geſchlichen,“ und ber
althochdeutſche Dichter fagt in dem von Schmeller entdedten altbairiſchen
Bruhftüde von dem jüngften Gericht, welhem der Herausgeber den Namen
Ruspilli gegeben hat:
Där ni mak denne mäk (andremo) helfan vora (demo) muspille,
Denna da; preita wasal alla} varprinnit.
Da kaun ber Freund dem freunde nicht vor dem ‚Muspel‘ frommen,,
Bean ſelbſt das breite Weltmeer gänzlich verbrennen wird,
Das dunkle Wort zerlegt M. 760 in mud und spilli, und erflärt
ledteres aus dem altnordifcen at spilla corrampere, perdere, welchem
ein hochdeutſches spildan, verderben, entfpricht. Dunkler iR aber die
erſte Silbe mud-, welde verglihen mit -meidhr in mimameidhr , wie
die Weltefhe Yagdrafil in Fiolſwinnsm. zu heißen ſcheint, auf ven Begriff
des Holzes führen mürbe. Mudſpilli wäre dann poetifhe Umſchreibung
deB holgoerberbenden Feuers, was ähnliche eddiſche Bezeichnungen be
deuers, bani vidhar, grand vidhar, Xöbter, Berberber des Holzes, außer
weifel ſtellen.
184 "= Bweifelhafter, 546.
aber früher, die Hingabe des Schwerts für Gerdas Befip bezog ſich ur
fprüuglich auf ein jährlich wiederlehrendes Greignifs, nicht auf bad große
Weltenjahr, mit dem es in Verbindung gebradht ward, als der Mythus
von Ragnaröf und dem Weltuntergang die Herfhaft über afle andern er»
langt hatte. Die entfpregende Stelle der Wol.
53. Belis Mörder mifst fi mit Surtur:
Da füllt Friggs einzige Freude.
laßt nicht erfennen, ob die Verbindung ſchon vollbradht war; wenn auch
Frege Velis Mörder heißt, mas auf den Mythus won Frepr, Gerda una
ihrem Bruder Belt zielt, fo ift doh auf die Weggabe des Schwerts wicht
gebeutet. Warum Freyr Friggs einzige Freude heißt, wird fpäter erläu«
tert werben.
Freyrs Fall erflärt fi wohl daraus, daß es der Wanengötter in
der verjüngten Welt nicht bevarf, da fie den finnlichen Begierben vor⸗
Reben. So jehen wir aud; feine der Göttianen übrig bleiben, die fh
nad) unferer Anficht alle aus Nerthus und Freyja entwidelt haben, alſo
Waniſchen Urfprungs find. Bei den Aſen war dem Freyt bie Herſcheft
über die Sonne (von Din, bem fie wohl urſprünglich zuftand) verliehen
worden ; dieſe ift jept in GLAS Rachen und mur ned als Wanengett
tommt er beim Weltlampf in Betracht. Warum Surtur, ver ihn befiegt,
gleichwohl in der verjüngten Welt nicht mehr auftritt, iſt ſchen oben 8.40
erläutert.
4 Heimball gegen Loki. Die Wölufpa weiß von viefem
Kampfe nichts ; doch Lönnte er in ber Leberlieferung gegründet fein, da
auch Heimdall fon früher einmal einen Kampf gegen Loli beſtanden
bat (f. u. Heimball) wie Thor gegen hie Midgardſchlange. Lei kennen
wir ſchon al3 den Zerftörer, und obwohl wir feinen Namen wicht ven
at luks, beſchließen, ableiten mögen, fo führt er doch das Gnde der Welt
herbei. Würde num Heimdall richtig als der Anfang der Dinge aufe
gejaßt, wie denm die verfhiedenen Stände ihren Urfprung von ihm her⸗
leiten, ja nad dem Gingang der Wölufpa die Menfchen überhaupt , jo
fände er in Loli feinen Gegenfag und der Ausgang bed Kampfes Tiefe
ſich, wenn glei mehr wihig al3 überzeugend, mit ben Worten auseräden,
daß beim Weltuntergange Anfang und Ende zufammenfallen. Aber der
Grund der Zufammenftelung lag bei ihrem erften Kampfe in ber ur
fprünglichen Natur beider, da Loli das Feuer ift und Heimdall, wie unten
3.46. nachler Sunpf. 18
uahgewiefen werben fol, der Regen. Jn dieſer Bebeutung fönnen fie
beim legten Kampfe nit gefaßt werben, man müfle denn Heimdalls
Natur auf das geſammte Element des Waßers, aus dem er geboren ift,
eweitern und feinen zweiten Kampf mit Loli beim Weltende auf ben
Streit beider Elemente beziehen, der da eintieten wirb, wenn Gurtur
deuer über die ganze Welt ſchleudert und dann die Erde ind Meer finlt.
DaB aber würde mit dem berichteten Ausgang des Kampfes nicht ſtim⸗
men, wonach Einer den Andern erihlagen foll, währen Waßer das Feuer
löfpen müßte. Nehmen wir Alles zuſammen, jo trifft diefen vierten Rampf,
der im Gedanlen nicht feft genug begründet ſcheint, ber Verdacht fpäterer
Sudihtung. Jener frühere Ginzellampf beider mag die Veranlagung ger
wejen fein, fie auch hier wieder gegenüber zu fielen,
5. Zyr gegen Managarm. Aud von biefem Kampfe weiß
BöL richt, und ich halte ihn in der Weberlieferung nicht für begründet.
Der Verfaßer der jüngern Edda ſcheint zu der Annahme deſſelben durch
ein Mifßverftänbnifs der Wöl, veranlaßt. Ginen Hund Namens Garn,
der die Kette fprengen und an dem Kampfe Theil nehmen könnte, giebt
es gar nicht. Man dentt an den Höllenhund, von dem es Wegtams ⸗
fuida heißt, ald Odin nad Niflpeim ritt, die Wala zu weden, um fie
über die Geſchide ver Welt zu befragen:
Da fam ans Held Haus ein Hund (hreipi) ihm entgegen,
Blutbefledt vorn an ber Bruſt,
Kiefer und Rachen llaffend zum Bi:
So gieng er entgegen mit gähnendem Schlund
Dem Bater ber Lieder mit lautem Bellen.
Aber dieſer Höllenhund ift jo wenig gefehelt als Managarın, welcher
fo eben erft den Mond verfälungen hat. D. 51 giebt aber nähere Aus»
kunft, welchen Hund fie meine, indem fie hinzufügt: „Inzwiſchen ift auch
Garın der Hund los geworden, der vor ber Gnypahöhle gefehelt lag’.
Sie ſchopft mithin aus Wöl, wo ed Strophe 39 und 48, alfo zweimal,
Geyr Garmr mjök Gräfstih heult Garm
fyr Gnüpahelli, vor ber Gnupahöhle:
feste mun slitos bie deßel bricht
en Freki renna. und $reli rennt.
Sie hat alfo dieſe Stelle, die nur den Fenriswolf meinen kann,
miißoerfanden. Don einem gefeßelten Qunde iſt uns nichts belannt,
186 Sythelsgifige Sprate. % 46.
wohl aber wißen wir, daß der Fenriswolf gefehelt liegt; die Melbung
von feinem Losbrechen, die fonft nirgend gefunden wird, muß in biefer
Stelle der Wöl. enthalten fein, denn fie gehört hieher, da gleich nad ihr
folgt, daß die Midgardſchlange Jotenmuth annimmt, das Todtenfchiff flott
wird und Muspels Söhne gefegelt kommen. Das Loswerden des Fenris-
wolfs läßt aber D. 51 felbft diefen Dingen unmittelbar vorbergehen.
Den Fenriswolf fehen wir alfo in diefer Halbftrophe zweimal in ver⸗
ſchiedener Weife bezeichnet, einmal ald Garm und gleich darauf als Frefi.
Leptern Namen führt einer von Odins Wölfen, und wie biefer nad) der
tühnen mythologiſchen Sprache des Norbens, welche die Namen verwandter
Dinge zu vertaufchen liebt, dem Fenriswolf beigelegt wird, fo aud der
Managarms, der gleichfalls wie wir wißen ein Wolf ift, wenn er glei
als Mondhund bezeichnet wird. Dennod bat ſich der Berfaßer der
jüngern Edda täufhen laßen, wobei ihm freilich zur Entſchuldigung ge«
reicht, daß die Erwähnung der fonft unerhörten Gnypahöhle den Schein
veranlafte, als fei hier von einem neuen übrigens unbelannten Ungethüm
die Rede. War bieß einmal vorhanden und der Feßel ledig geworden,
fo mufte es au an dem Kampf wider bie Götter Antheil haben, man
ftellte ihm alfo den Tyr, vgl. 6.127, gegenüber, was zugleih ven Ber«
theil gewährte, auch biefem dabei feine Rolle angewiefen zu fehen. Es ift
aber unmöglich, den mythiſchen Gedanlen anzugeben, der einem folhen
Kampfe zu Grunde liegen follte, da Garm, ver aus Mifsverftänbnifs ent ⸗
Randene Doppelgänger Fenrirs, gar feine Bedeutung haben Tann.
Die Wiederholung unferer Strophe erklärt ſich leicht. Das erftemal
(39) fteht fie neben Lofis Feßelung, nachdem die Seherin den gleichwohl
eintretenden Weltuntergang und all der Aſen in einer vorſchauenden
Halbſtrophe angeveutet hat. Hier aljo ift fie als ein künftig eintretendes
Greignif8 vorweggenommen. Darum muß fie Str. 48 bei ber fpätern
Darftellung des nun wirklich eintretenden Weltuntergang wieberlehren,
um dem Losbruch Fenrirs feine Stelle im Zufammenhang der Greigniffe
anzuweifen. Daß Senrir vor der Onppahöble gefehelt lag, fagt allerdings
die jüngere Goda nicht, und wie könnte fie ed, da fie die Gnypahöhle auf
einen Hund Namens Garm bezieht; aber in ber Wöl. wirb damit bie
Höhle gemeint fein, welche bie Felſen Giöl und Thwiti bilveten, die nach
D. 34 ($.39) bei Fenrirs Feßelung gegen einander gefügt wurden. Bol.
Lex Myth. s. v. Gnipahelli. Nach dem Gloſſar zu Th. L ſcheint aber
at gneyps constringere, comprimere zu bebeuten, was fär gnypahelli
%. 46. Zweite religtöfe Picht. 187
den zu ihrer Veſchreibung D. 34 völlig ftimmenben Sinn einer kneifenden
(Vemmenden) Höhle ergiebt.
6. Bidar gegen den Fenriswolf. Aus dem erften Kampfe
war der Wolf als Sieger hernorgegangen, nachdem er den Weltenvater
verfhlungen hatte; in biefem fechäten erliegt er, indem ihm Widar ven
duß, an dem er den großen Schuh hat, in den Unterkiefer fept, mit der
Hand aber nach dem Oberkiefer greift und ihm fo den Machen entzwei ⸗
reißt. Bu jenem großen Schub fammelt man alle Beiten hindurch, die
Lederſtreifen naͤmlich, melde die Menſchen von ihren Schuhen ſchneiden,
wo die Zehen und Ferſen figen. Darum wird die Lehre hinzugefügt, daß
diefe Streifen ein Jeder wegwerfen folle, der darauf bedacht fei, den Aſen
zu Hülfe zu kommen. Hier haben wir alfo einegweitereligiöfe Pflicht,
jener ähnlich, weldhe ſich auf die Nägel der Todten bezog, bie zu dem Bau
des Schiffes Naglfar verwendet werben follen, nur daß wir in jener ſitt⸗
fie Bedeutung erfannten, während dieſe zunächft ganz pofitiver Natur
ſcheint. Vermuthlich würde diefer Schein aber verfhwinden, wenn wir
wüſten, welche Bewandtniſs ed mit jenen Leberftreifen hatte. Wären wir
unterrichtet, wie die Schuhe der Alten beichafien waren, fo würde ſich
vielleicht die Bermuthung rechtfertigen lagen, daß auch hier eine Pflicht
der Pietät ober Milde eingefhärft werben fol, indem die Leberftreifen,
welche die Bornehmen und Neihen wegwerfen, von den Geringen und
Armen benupt werben Fönnen, ihre Füße damit zu bekleiden.
Die hier eingefchärfte Pflicht als ein gute Werk zu fahen, wo nicht
als die guten Werke überhaupt, berechtigt der ſchottiſche Glaube, denn
Aerglauben möchte ich es nicht nennen, der einem armen Mann zumeilen
ein Baar Schuhe zu ſchenken empfiehlt: fie würden dem Geber in ber
andern Welt zu Gute lommen. Da müflen wir nämlid über eine große
mit Dornen und Pfriementraut bewachſene Haide, und Könnten nicht hin
über als durch das Verdienſt dieſes Almofenz , denn jener alte Mann
werde und da mit ben gejchentten Schuhen begegnen: wir würden fie
anlegen und damit unbefhädigt durch Did und Dünn waten. Der Schuh
if das Almoſen, das heidniſche Völter am höchſten hielten, fie bie bei
ungebahnten Wegen über Stod und Stein fuhren. Verwandt ſcheint ber
muhamedaniſche Glaube, wonach fi die DVerftorbenen die guten Werte
unter die Füße legen, wenn fie vor bem jüngften Gericht über. die glü-
hende Eifenftange ſchreiten müßen, die über eine grundlofe Tiefe gelegt iſt.
Roth. 794.795. Wahrſcheinlich hängt damit auch ver Todtenſchuh (heis-
188 Gate Werke, % 46.
k6) zufammen, ven man ben Tobten mitgab, nach weldem im Kenner
bergiſchen die dem Berftorbenen erwiefene legte Ghre überhaupt genaunt
wirb, ohne daß der Gebrauch felbft fortbauerte; ja das Leichenmal wirb
fo geheißen. Myth. 795. So wird in Gtöbers Elſaßiſchen Sagen 6.34
erzählt: In Ingersheim verftarb eine Wöcnerin, der hatte man keine
Schuhe mitgegeben: da klopfte fie gleich in ber erſten Nacht and Fenfter
und fagte: Warum habt ihr mir keine Schuhe mitgegeben? Ih muß
durch ‚Difteln und Dornen und über fpige Steine. Aud die ‚Tochter
Sion’ bebarj nah V. 3481 zu der Reife nach dem Berge des himmliſchen
Bräutigamd unter anbern auch der Schuhe der Demuth, und nach beuts
ſchen Vollsſagen (Baader 237.-Wolf N. S. 396) ftilt ein Schub, in ein
Gewitter geworfen, das durch Hererei erregt ift, den "Sturm oder bannt
den Herenfhwarm, ein Glaube, auf den auch in Hoffmanns Niederdeut ⸗
ſchem Xheophilus 8. 5245 angeipielt wird. Bl. die Anm. 48. Gin
andermal (Baader 141) vertreibt Schuhwechſel Geſpenſter; wie aud Brot
gegen einen feurigen Mann geworfen vor diefem jhügt. Baader 224.
Gicht man irgenbivo Geld brennen, jo muß man einen Schub barauf
werfen, dann Tann man ed aud bei Tage heben. Kuhns Mär, Abers
glaube 67. Myth. 1072. Die Deutung der Schuhe auf die guten Werke
ſcheint endlich auch in folgender Stelle in Greg. M. Homiliae in Evangg.
L. IL. hom. XXII. No. 9 enthalten: ‚Calceaments habebitis in pe-
dibus (Exodus XII, 11).‘ Quid sunt enim pedes nostri nisi opera?
Quid vero calcsamenta, nisi pelles mortuorum animalium ? Calcea-
menta autem pedes muniunt. Quse vero sunt mortua animalia, ax
quarum pellibus nostri muniuntur pedes, nisi antiqui patres, qui
nos ad seternam patriam praecesserunt? Quorum dum exempla
conspieimus, nostri operis pedes munimus. (alceamenta ergo in
pedibus habere, est mortuorum vitam conspicere et nostra vo-
stigis a peccati vulnere custodire.‘
Die guten Werte find Manchem ein Anſtoß; aber id verfiche fie als
Berte, die aus gutem Herzen kommen, wie fie auch in den Märden bie
dankbaren Thiere zu belohnen wißen. Das Weien muß erſcheinen, jagt
Hegel, und ein gutes Herz, das fi nie durch Werte bethätigt, ift eben
fo wenig werih als ein f.g. gutes Werk, das anderer Duelle ald gutem
Herzen entfpringt. Das kann ein Kind begreifen, und fo hoffe ic,
alberner confeflioneller Zant werde mir bei Grllärung eines tieffinnigen
heidniſchen Mythus nicht mehr entgegenftehen.
546 War. 189
Die ufforberung, bie Leberftreifen wegzumerfen, welche ben großen
Schuh bilden helfen, mit welhem Widar den Göttern die Unfterblicteit
erlämpft, enthält hiernach eine Mahnung an die Menſchen, ſich diefer Uns
ſterblichleit durch gute Werte theilhaftig zu machen. Wir würben mit
diefer Anficht durchzudringen hoffen dürfen, wenn nicht Widars Weſen und
die Bedeutung feines Kampfes erft nod der Grläuterung bebürften. Bes
lamtlich hat diefer Gott fo verſchiedene Auffaßungen erfahren, daß er
fon deöwegen der ſchweigſame As (D. 29) heißen dürfte, denn er ſchwieg
und, wir wuften ihn nicht zu deuten. Daß er die Waßerhofe nicht fein
lann, wie Zinn Magnufen wollte, ergiebt fi ſchon daraus, daß ein fols
üb verberbliches lngeihüns wohl zu den Riefen, nicht zu den Göttern
Ahlen köunte ; was darauf leitete, feine Einbeinigleit, wird aus dem
wohen Schub, der einen feiner Füße belleivet, ohne Grund gefolgert.
Darum hätte Widar auch nicht mit Gunthari, der im Waltharius im
Kampfe mit dieſem den Schenkel einbüßt, verglichen werben ſollen. Per
derfen nimmt ihn für die Unvergänglicleit der Natur, vorgeftellt in einem
wdurchdringlichen Wald, wo nie eine Azt Hang, denn im Urwald
herfät Schweigen.
Diefe Deutung hat viel Einnehmendes und trifft in ihrem erſten
Deile nahe zum Biel, nur der Urwald wisb ganz aus dem Spiele bleiben
müßen. Vorgeftellt unter dem Bilde eines jungen Anwuchſes mürbe es
nichtiger heißen. Unfere Anfiht haben wir ſo eben amgebeutet; fie zu
begründen müßen wir auf Jenrirs Bebeutung zurüdgehen, venu in feinem
Kampf mit ihm ift der Eig der Lehre. Wir haben ihn aber ſchon ala
Ve Vernichtung felber, ald ein Symbol des hereinbrechenden, umwermeihs
Ehen Untergangs aufgefaßt. Indem ihn num Widar bekämpft und bes
fest, kann dieſer nichts anders ald die Emeuerung fein, die Wieder
bert ver Welt und der Götter, wozu fein Name volltommen ftimmt,
pmal das gothifhe vithra, das ſowohl contra als re-, rursus, iterum
bedeutet, dem Norben neben dem gangbaren vidh nicht fremd if, wem
& aud nur in Bufammenfegungen wie vidhrlifi (sustentatio), vidhr-
vit (prassentia) erfheint. Gr. Gramm. U, 795. I, 258. Wider,
der den Göttern bie Erneuerung erlämpft, indem er die Vernichtung her
Pest, iR auch der eigentliche Gott ber ernewerten Welt, ba Mali, der
when ihm genannt wird (Wafthrud. 51), als Valdurs Räder in deſſen
Rtbus gehört, der urfprünglich auf das zmölfmonatliche Jahr bezüglich,
ER fpäter auf das große Weltenjahe übertragen warb, Ns ein Giun«
140 Erneuerung. 8%. 46.
bild ber Erneuerung verſtehe ich auch, was Grimnismal 17 von Widars
Bohnfg gefagt ift:
Geſträuch grünt und Hohes Gras
Im Widars Land Widi.
womit man Hawamal 120 vergleiche, wo es heißt:
Gewannft du den Freund, dem du wohl vertrauſt,
So beſuch ihn nicht felten,
Denn Strauchwerk grünt und hohes Gras
Auf dem Weg, den Niemand wandelt.
Daß dem Unbefuhten, von den Menſchen Geflohenen Grad vor ber
Thüre waͤchſt, ift noch gänge Redensart; aber Niemand wirb babei, wenn
es auch Gras und Straud hieße, an den Urwald denken, und obgleich
in biefer Erneuerung des urfprünglic überall verbreiteten Anwuchſes die
unvergänglihe Kraft der Natur fi offenbaren mag, bie fi
immer wieder erneut, fo ift es doch nur die Erneuerung felbft, welche
das Bild meint, wie ihr Begriff fih auch aus dem Gieg über ven Ten
riswolf, der die Vernichtung ift, ungezwungen ergiebt. Allerdings Täßt
der Name des Gottes zu, an vidhr Holz zu denken, und infofern deſſen
Wachsthum die unzerftörte Triebkraft der Natur darftellt, haben wir auch
nicht gegen eine folhe Ableitung; aber da ein gleihes vidhr Präpofis
tion und Adverbium ift, dad auch in feiner althochveutfchen Form widar
in widarburt bie erfte Hälfte der Zufammenfegung bildet, fo fehen wir
den Urwald herbeizuziehen am wenigſten Grund, da dieſer keinen Sinn ers
giebt. Peterſen war wohl ein finniger Mann, vol Phantafle und poes
tifcher Begabung, aber dem Gebanlen des Mythus nachzugehen nicht immer
aufgelegt. Die Phantafie führte ihn gern ihre eigenen Wege, vielleicht
anmutbigere, aber eben nicht bie Wege bes mythiſchen Gedankens.
Bas kann fhöner, was Tann herrlicher fein als ver Urwald, was berebter
als fein Schweigen ? Aber falls es am jüngften Tage noch einen Ur
wald giebt, was ich bezweifle, fo follte es uns leid thun um biefe Schön:
beit und Herrlichkeit, wenn fie fi in Kampf einließe mit dem Wolf, der
die Herftörung felber it. Was könnte der Ausgang eines folhen Ram:
pfes fein, ald daß der Urwald ausgehauen würde, jo gänzlich ausgehauen
wie leider oft auch unfere Wälder, in denen man vor lauter Wald keinen
Baum mehr fieht. Unfer ſechster Kampf nimmt aber einen andern Aus ⸗
gang: Widar geht fiegreih aus ihm hervor, darum kann er nicht ber
446. Algweigender Aſe. 11
Urwald fein. Was mollte aud der Urwald gegen Fenrir ausrichten, wenn
er mit Haffendem Rachen einherfährt (j. Edda ©. 322) und ſchon ben
Beltenvater verjhlungen hat? Er wäre wie eine Bohne in eines Löwen
Rachen geworfen. Und was könnte der große Schuh des Urwalds bedeuten?
Das alles hätte Peterfen beventen follen und Alle follten es, vie noch
jegt auf feinen Irrthum fhmören, nachdem die einleuchtende Wahrheit
längft gefunden ift.
Nur wenn wir Widar als den Gott der Erneuerung faßen, erllären
fi) auch die Worte D.29: ‚Auf ihn vertrauen die Götter in allen
Gefahren. Wie die Unfterblichfeitölehre die Menſchen zu tapfern Käm-
pen macht, die dieſes Leben freudig in die Schanze fhlagen, fo mögen
auch die Götter mit freudiger Zuverfiht in den Kampf geben und ven
Tod verachten, da fie der Wiedergeburt vertrauen, die ihnen Widar er:
lämpfen wird.
Die Wölufpa fheint nah Str. 53 nod nichts von Widars großem
Schuh zu wißen, ba von feinem Schwerte (hjör) gefprohen wird. Wohl
aber kann man fon eine Anbeutung deſſelben in Wafthrubnismal 58
finden, wonach er dem Wolf die alten Kiefern lüften fol. Schuh und
Schwert ſcheint die Stalva, die ihm Cap. 11 einen Eiſenſchuh bei
legt, verbinden zu wollen. Dieß mag fie auch veranlaßt haben, jenes
Rieſenweib Gridh, von welchem Thoͤr bei feiner Fahrt nad Geirräbägarb
Gtärtegürtel, Stab und Eifenhbandfhuhe borgt, zur Mutter Widars
des Schweiglamen zu machen, wovon bie übrigen Quellen nichts wißen.
Aber wäre dieß auch tiefer begründet, fo kann der Umftand, daß anders
wärts (Wöl. 32) von einem Eifenwalde die Rede ift, doch die Anſicht
nicht ftügen, daß Widar, der Gott ber Erneuerung, ber Wiedergeburt,
unter dem Bilde eines undurchdringlichen Urwalds vorgeftellt ſei. Der
ſchweigende As darf er aber allerdings heißen, da Niemand gewiſs
weiß, welches Schidfal feiner in ver wiebergeborenen Welt hart, wenn
er auch der Mahnung zu genügen beftrebt war, fi ber durch Widar er-
frittenen Unfterblihleit theilhaftig zu machen. Wir fpredhen in demſelben
Sinne von dem ſchweigſamen Grabe:
Das Grab ift tief und file,
Und ſchauderhaft fein Rand.
Es dedt mit ſchwarzer Hülle
Ein umbelanntes Land.
Salis.
142 Eriger Sade. 44.
Heißt es doch auch Hyndluliodh. 41:
Wenige werden weiter blicken
Als bis Odin den Wolf angreift.
was nicht wörtlich zu nehmen iſt: der legte Weltlampf ift gemeint , der
mit diefem Gingellampf anhebt.” Uhland 169.
Grinnerungen an Widars großen Schub haften in ven großen Schu⸗
ben be3 ewigen Juden, die an verſchiedenen Orten, zu Ulm und Bern
gezeigt werden. Bon jenen zu Bern heißt es bei Rochholz IL, 307, fie
feien ungemein groß und von hundert Blegen zufammengejegt, ein Meifter:
ftüd eines Schuhmachers, weil fie mit vieler Mühe, Fleiß und Ge
ſchidlichleit aus gar vielen ledernen Theilen zufammengeflidt worden. Hier
tommt aud der Grund zu Tage, warum ihn bie Sage für einen Schub
macher ausgiebt.
Zum Schluße noch über den Namen der Kampfftätte Wigrid, die
nach allen Seiten hundert Raften breit ift: .
Wafthr. 18. Wigrid heift das Feld, mo zum Kampf fi finden
Surtur und die ewgen Götter.
Hundert Raften zählt es rechts und links:
Soldier Walplatz wartet ihrer.
& iſt von vig (Kampf) und rida (reiten) gebildet, weil die Goͤtter
dahin zum Rampfe reiten. Sie heißt aber auch Dftopnir, nad Faf
nismal 14. 15:
Wie heißt der Holm, wo Herzblut miſchen
Surtur einft und Afen?
Offopnir Heißt er: da werden alle
u Götter mit Speren fpielen.
Wölfungaf. K. 18 heißt er Uflaptr, weil man ihn als ben uner
ſchaffnen verftand ; richtiger wird er aber als der unausweichliche gedeutet,
vor dem feine Flucht möglich ift (at scopa, rennen), Peterſen 391. In
Deutſchland entfpriht das Walferfeld, obgleih es aud andere Lolali⸗
fierungen giebt. So wird in Schleswig-Holftein bald Nortorf bald Born:
hoͤvede genannt (Müllenh. 370), auch wohl die Kropper Haide, wie bei
und die Wahner Haide, ein uraltes Grabfeld voller Todtenurnen.
847. Weltbrand. 148
41. Der Weltbraud.
Muspels Söhne, an deren Spige Surtur geritten fommt, find die
Bewohner Muspelheims, ver fünlihen Feuerwelt, aljo die Flammen felbft.
Ihr Bater Muspel erſcheint nirgend perfönlih, er würde noch einmal
das Feuer perjomificieren. Surtur, der Schmwärzer, den wir ſchon oben für
den Rauch erllärt haben, ſchleudert an Lolis Stelle das Feuer über die
Ede und verbrennt die ganze Welt. Der Weltbrand heißt demnach Sur:
talogi. Wafthr. 50. Surturs flammendes Schwert (hefir loganda
sverdh D. 4) ift wieder die Flamme,
Es iR eine der überraſchendſten und bei den gegen das Alter ber
Goda erhobenen Zweifeln erfreulichſten Einftimmungen der deutſchen mit
der norbifhen Mythologie, daß und das bunlle Wort muspel in gleicher
Bedeutung bei Sachſen und Baiern in KHanbfehriften des achten und
neunten Jahrhunderts wieberbegegnet und zwar gerade auch bei Beſchrei⸗
bung des jüngften Tages. In dem fählifhen Heliand heißt es 79, 25:
‚mudspelles megin obar man ferid,‘ ‚die Gewalt des Feuers fährt über
die Menfchen, und 133, 4: ‚mutspelli cumit an thiustrea naht, al
#6 thiof ferid darno mid is dädiun‘, ‚das Weltfeuer kommt in
dunkler Nacht heimlih und plöglih wie ein Dieb geſchlichen,“ und ber
althochdeutſche Dichter fagt in dem von Schmeller entbedten allbairiſchen
Brudftüde von dem jüngften Gericht, welchem der Herausgeber den Namen
Ruspilli gegeben hat:
" Där ni mak denne mäk (andremo) helfen vors (demo) muspille,
Denna daj preita wasal alla} varprinnit.
Da kaun der Freund dem freunde nicht vor dem ‚Muspel’ frommen,,
Wenn ſelbſt das breite Weltmeer gänzlich verbrennen wird.
Das dunkle Wort zerlegt M. 760 in mud und spilli, und erflärt
ledtetes aus dem altnorbifchen at apilla corrumpere, perdere, welchem
ein hochdeutſches spildan, verderben, entfprict. Dunkler if aber bie
erſte Silbe mud-, welche verglichen mit -meidhr in mimameidhr,, wie
die Welteſche Yagbrafil in Fiölſwinnsm. zu heißen fheint, auf den Begriff
des Holzes führen mürbe. Mudſpilli wäre dann poetifhe Umfchreibung
de8 holzverderbenden Feuers, mas ähnliche eddiſche Bezeichnungen des
Feuers, bani vidhar, grand vidhar, Xöbter, Verderber des Holzes, anfer
Sweifel ſtellen.
14 Aampf um das ewige Leben. 8.47.
In dem altbairifhen Gedichte ‚Muspilli‘ finden fih noch andere
Nachtlange der altheibnifhen Vorftellungen von dem Untergange ber Welt.
Der Antihrift, der hier neben dem Teufel, dem altfiante, dem Altfeinde,
wider Elias kampfen fol, wird 8.38 der warch, d. i. der Wolf (vargr
6.109 oben) genannt. Won Elias aber wird gefagt, er folle bei biefem
Kampfe erliegen und fobald fein Blut in bie Erde triefe, würden alle
Berge entbrennen.
Das Hört’ ich erwähnen die Weifen auf Erden,
Da folle mit dem Antichriſt Elias fireiten.
Der Wolf ift gewafinet: da wird geftritten.
Die Kämpen find fo kraftvoll, der Kampfpreis ift fo groß!
Elias reitet um das ewige Leben:
Er will den Rechtſchaffnen das Reid beſtärken;
Darum wird ihm helfen, der des Himmels Gewalt hat.
Der Antichrift ſteht bei dem Altfeinde,
Steht bei dem Satanas, der ihn verfenten foll.
Darum wird er auf der Walftatt verwundet fallen,
Im derſelden Reife des Sieges entrathen,
Do wird aud Elias in dem Kampf erliegen.
Wenn aber des Elias Blut im die Erde träufet,
So entbrennen die Berge, aller Bäume fteht
Nicht Einer in der Erde mehr, die Waßer all ertrodnen,
Das Meer verfhwindet, der Himmel ſchwält in Lohe,
Der Mond fält vom Himmel, Mittelgard brennt,
Kein Felſen ſteht mehr fefl. Da fährt der Rachetag (stuatago &.113) -
Ins Land mit der Lohe, die Lafter heimzuſuchen.
Da kann der Freund dem Freunde nicht vor dem ‚Muspel’ frommen zc.
Der Weltbrand ift hier alfo eigenthümlich herbeigeführt: nicht Surtur,
weldem der Altfeind, der Teufel, entfpricht, wie fonft dem Loki, ſchleudert
Feuer über bie Welt, fondern von des verwundeten Elias Blut entbren-
nen die Berge. Heidniſchen Grinnerungen ſcheint diefer Zug zunaͤchſt nicht
entnommen ; bod begegnet er auch fonft nicht in chriſtlichen Ueberlieferun⸗
gen. Das Wort muspilli ift aber nidt ver einzige Anklang an bie
eddiſche Schilderung des Weltuntergangs: der aufmertſame Lejer wird
nicht bloß bei ‚Mitilagart‘ an Midgard denen, aud der fallende Mond
erinnert an die vom Himmel fallenden Sterne Wöl. 56 und das ‚swi-
lizöt lougia der himil‘ (der Himmel ſchwaͤlt in Lohe) an die Zeile:
‚bie heiße Lohe beledt den Himmel‘ (leikr här hiti vidh himin själfan).
6. 47. Eins. 145
Richt zu überfehen it, daß der Antichrift ald warch (Wolf) bezeichnet
wird, was der Anfiht, daß er an Surturs Stelle getreten fei (Gr. Myth.
772), widerftreitet. Surtur fämpft in der Edda mit Freyr: dieſem aber
lann Elias nicht entſprechen, da er weniger mit ihm als mit Thör Aehn⸗
tigkeit hat, denn auch Elias wird nah Myth. 157—159. 772 ald Don
nerer aufgefaßt. Schon im IL Buch der Könige 2, 11 fährt er im Wetter
gen Himmel, und ein Wagen mit Feuerroſſen nimmt ihn in Empfang ;
ſerbiſche Lieder legen Blig und Donner in feine Hand; er verihließt
fündhaften Menſchen die Wollen des Himmels, daß fie keinen Regen zur
Ede fallen laßen, wovon auch Dtfrid aus biblifhen Quellen weiß; und
laulaſiſche halbchriſtliche Böller verehren den Elias geradezu als Donner
get; fie flehen ihn an, ihre Felder fruchtbar zu mahen und ven Hagel
davon abzuhalten. Aus diefem Grunde kann ver ald Wolf gebachte Anti
Huf auch mit an die Stelle des Fenriswolfes getreten fein, mit welchem
Dpin Lämpft, vielmehr wird dad heidniſche Vorbild des gegen Clias
lämpfenden Antichriſts in der Midgardſchlange zu ſuchen fein, die gegen
hör georbnet if. Auch die Midgardſchlange ift nad dem Obigen durch
ihren Ramen Jörmungandr als warch, d. i. als Wolf bezeichnet, und da
Woͤr dem im Gewitter einherfahrenden Elias gleiht, fo haben wir in
dieſen beiden die entſprechenden Kämpfer gefunden. Gehen wir hiervon
aus, fo fügt ſich Alles. Elias kampft mit dem Ward, dem Antichriſt,
wie Dor wit Jörmungandr ; gleich diejer fällt der Antichriſt, aber dennoch
muß Elias erliegen, wie Thoͤr von bem Gifte der Schlange befprigt
ſallt. Und wie von des Elias Blut die Berge entbrennen, fo ift viels
leicht ſchon in der Edda mit Thoͤrs Fal der allgemeine Weltbrand vers
bunden. Zwar die jüngere Edda ordnet die Kämpfe anders an: Surtur
Wleubert das Feuer erft nach Lofis Fall über die Erde; die Wölufpa
berichtet aber den Weltbrand ohne Surtur zu nennen in der nächſten
Strophe nad) der von Thoͤrs Kampf mit der Midgardſchlange:
57b. Gfuthwirbel umwühlen ben allnährenden Weltbaum,
Die Heiße Lohe beledt den Himmel,
Im einem Stüde freilich gleicht Clias mehr dem Widar ald dem
Dr, fo daß dem chriſtlichen Dichter Erinnerungen von beiden Rämpfen
geblieben fein mögen: wie Widar ftreitet er um bad ewige Leben
und will ben Rechtſchaffenen das himmliſche Reich erwerben.
Rallenhoff hat neuerdings (Denkmäler 260) in diefem Kampfe des
Cure, Rythol⸗tie 10
146 Aampf um die abgefdledene Seele. 84.
Elias mit dem Untirift wie heidnlſchen Erinnerungen geleugnet und die
Abweichung von der bibliſchen Ueberlieferung daraus zu erkllaͤren geſucht,
daß der Dichter ein ungelehrter Laie war, der nur nach Hörenſagen und
ungenauen Grinnerungen dichtete. Wir können das wohl zugeben, aber
es erflärt und nur, warum ſeine Darftellung im Ausgang des Kampfes
von der Apolalypfe abweicht, nit warum fie in allen Gtüden mit der
Soda ftimmt. Schwerlich würde ihm der Antichrift, ver nad der Bibel
Regrei) aus dem Kampf mit dem Elias hervorgeht, darin gefallen fein,
während er auch Elias erliegen läßt, wenn fi ihm nicht Erinnerungen
an Thors lehten Kampf unter bie riftlihen gemiſcht hätten. Bei dieſer
Annahme werben wir auch geneigt fein, die chriſtliche Vorſtellung von dem
Streit ber Engel um die abgeſchiedene Seele, für melde gleichfalls
Muspilli“ das Altefte Zeugnifs enthält, aus unferm Mythus von dem
legten Welttampf berzuleiten, ‚denn fie überträgt nur auf den einzelnen
Menſchen, mas von der Menſchheit überhaupt galt. R
Man Hat aud vie funfzehn Beichen, welche nad; der kirchlichen Ueber
Hieferung des Mittelalter8 den jüngften Tag ankündigen follen (Sommer
in Haupts Seitfhrift IIT, 523), mit der eddiſchen Schilderung in Ber
gleich gezogen; es fehlt aber unter ihnen jener uns eigenthümliche
Schredenswinter (Fimbulvetr), der die Länge dreier anbern hat, fo wie
auch jene ihm worauögehenden drei Jahre ſchwerer Kriege, welche die
Wölufpa als Bellalter, Schwertalter, Windzeit, Wolfsyeit bezeichnet. A:
lerdings weiß auch die chriftlihe Lehre von vorausgehenden Kriegen und
Kriegägerüchten, von der uberhandnehmenden Gottlofigteit und erkaltenden
Ziebe ; ja die Uebereinftimmung geht weiter: nach Marcus 13, 12 wird
ein Bruder den Andern und ber Bater fein Kind zum Tode außliefern;
die Ninder werden gegen bie Eltern fih empören und ihren Tod ner
ſchulden. Man hat hieraus fogar einen Grund hergenommen gegen bie
Urfprünglicpkeit der eddiſchen Anfiht, indem man die Wölufpa im einer
Zeit entftehen ließ, wo das Chriftentbum bereit in den Norben einge
drungen war. Weinhold Zeitſcht. VI, 315. Selbft Myth. 772 möchte,
‚wenn das Uebrige nicht abwiche‘, in dem Bufammentreffen dieſes eddiſchen
Zug von der Gteigerung des Böfen in der Welt vor ihrem Untergange
mit der biblifhen Lehre einen ftarten Grund für die Armahme, daß Wir
luſpa auf unfere heilige Schrift zurüdweiſe, anerfennen. Allein nit mır
weicht das Uebrige ab, Diettich hat auch Zeitfär. VIL, 310 wefentfihe
Unterfptede nachgewieſen, inbem dort nach Thefſ. 2, 2 Verleugnung der
E47. ter der Wälufpe. 147
Gottheit und Gelbftvergätterung (Antichrift) als Höhepunft des Böfen ger
faht find, während in der Edda dad Böfe, das von jeher vorhanden war,
nur überband nimmt und bie innigften Blutsbande fprengt, bie brüder:
lien, die der heidnifhen Tugend das Heiligfte der Menſchheit find,
der felbft die Liebe zum Gatten, ja zum Kinde geopfert wird, ‚movon
Signy und die Gubrun der Niflungenfage lebendige Beifpiele find: ihre
Greuelthaten waren der Botzeit, wenn nicht Tugenden, jo doch nicht unter
Schande und Schuld fallende Krafterweifungen, denn fie halfen dem Bru⸗
der zur Rache. Umgelehrt wird an dem Bruder, felbft wenn er den
Valer gelödtet hat, nicht Mache geſtattet. Da hiernach die Herſchaft des
Btudermords ein ganz heidniſcher Antichriſt ift, fo kann diefer Zug, der
in tiefften Gefühl der Heidenzeit wurzelt, ihr als ein Vorbote des Welt:
endes nur durch Gewalt abgeſprochen werben. Die meitern Gründe, bie
biefür Dietrich geltend macht, zeigen namentlich den Ausdrud Windzeit,
Bindalter in ver heidniſchen Vorftellung tief begründet: die Stürme
und Berfinfterungen, welche Wöl. 53 in den mehrfach angeführten Beilen :
Der Sonne Schein dunfelt im kommenden Sommern,
Alle Better withen: wißt ihr was das bedeutet ?
ds Vorzeichen des Untergangs auffaßt, zeigen und das innige Mitleiven
der äußern Natur mit den fittlien Leiden der Menfchenwelt, in welder
de Habgier Bruder gegen Bruder in den Kampf führt, in ver alle Liebe
eiloſchen if. Hier mar er nahe daran, aud bie erſte Hälfte ber Str. 33
mad unferer Deutung zu faßen, wonach Managarm, der Mörder des
Rendes, fi vom Mark keiner andern Männer nährt, als jener im
Bruberkrieg gefallenen, was D. 12 verlannt hat, wie auch Nagljar, das
Lodtenſchiff, von feinen andern Nägeln erbaut fein Tann als jenen, welche
die erloſchene Liebe unbefhnitten ließ, was bisher gleichfalls unverftanden
bieh, nit weniger das dem Tyr übertragene Amt der Fütterung Fenrirs.
Eine Anſicht, die fo tief im Herzen der deutſchen Heiden Wurzel gejchlagen
md in ihrer Goͤtterdichtung jo mächtige Aeſte getrieben hat, kann nicht
geeignet, won außen hereingetragen fein.
Beinholds Anfiht, daß die Wölufpa erit entftanden fei, al das
Chriſtenthum bereits im Norden eingedrungen tar, aljo nach dem Beginn
des neunten Jahrhunderts, hat Dietrih a. a. D. gleichfalls geprüft und
hund} äußere hiftorifche Zeugniſſe für das frühere Vorhandenfein des Ger
dichtes widerlegt. Die Cchtheit der entſcheidenden Steße ver Wölufpa Str. 45
148 Deutſche Waperhöte. 84.
Brüder befehben ſich und fällen einander,
Geſchwiſterte fieht man bie Sippe bredien.
Unerhörtes eräugnet fi, großer Ehbruch 2c.
anlangend, bezeichnet er ald die Hauptfragen, um welche ſich die Unter:
ſuchung drehe, folgende:
L Ob es rein deutfch «beidnifhe Vorſtellung fei, daß Hel die Unter
welt, welche alle tampflos Gefallenen empfängt, einen Strafort fir
Verbrecher habe ?
IL Ob die äuferfte Steigerung des Böfen in ber Welt wor ihrem
Untergange von dem Einfluß der neuteftamentlihen Lehre vom
Antihrift unabhängig zu denken fei ?
Wegen der erften Frage wies er auf bie ſchweren Ströme, welde
wie jenen Strom Slidhr, der nah Wöl. 43 Schlamm und Schwerter
waͤlzt, Meudelmörber und Chebreher durchwaten mäßen, fo wie auf ven
Drachen Nidhöggr hin, der die Leiber folder Verbrecher ausfaugt, und
den Wolf, der fie zerreißt; wobei er geltend machte, daß dieß Feine chrif ⸗
liche HöNe mit Feuerftrafen, mit Heulen und Bähnellappern, fondern eine
eigenthümlich gefärbte deutſche Waßerhölle fei, über bie er fpäter
bin (Zeitfr. IX, 175—186) noch einen eigenen Auffag lieferte, welcher
den Gegenftand fo vollftändig erihöpft, daß mir bei der fpätern Betrad:
tung der Unterwelt nur Weniges nadyzutragen bleiben wird. Einſtweilen
kann id auf mein Programm Vaticinii Valae Vindieiae. Bonn 1853,
fo wie auf das ZJulipeft der Allg. Monatsſchrift für Wißenſchaſt und ir
teratur 1853 vermeifen,
Wie er die zweite Frage erledigt, haben wir bereits angedeutet;
aber auch unfere ganze bisherige Darftellung gieng darauf hinaus, den
Bufammenhang der wachſenden Cntfittlihung mit dem Untergange der
Welt als den Gefihtöpunft nachzuweiſen, welchen die Seherin ver Woö—
luſpa von Anfang an feithält und bis zu Ende burdführt, wie es freilih
die deutfhe Mythologie, welche die Wölufpa in ver Kürze zufammenfaft,
überhaupt thut, fo daß er als ihr leitender Grundgedanke anzufehen if,
weshalb e3 mir nicht zu kuhn ſcheint zu fagen, daß wir näcft der Ger
mania bes Tacitus tein fhöneres Denkmal der fittlichen Herrlichkeit uns
ſeres Boltes befigen, als die Cdden und namentlich die Wölufpa.
Einige möchten das Bewuftfein der deutſchen Götter von ihrem künf-
tigen Untergange fo deuten, als hätte ber heidniſche Glaube feine eigene
Unzulänglijleit gefühlt und die Ahnung, baß feine Götter fallen und dem
EA. Urfprung des Uchels, 149
Chriſtengotie weichen müften, in der Dichtung von dem Tepten Welttampfe
ausgeſprochen. Aber fo gern ich anerkenne, daß der heidniſche Glaube
dem Chriſtenthume gegenüber unzulänglich ift, fo kann ich doch ein Ber
muftfein davon dem Heidenthume nicht beimeßen. Es mwürbe ja dann bie
Diedergeburt der Götter nicht behauptet und den Kampf gegen bie zer:
Rörenden Mächte zur Hauptthätigkeit der Götter gemacht, ja bie Unter
Rügung der Götter bei diefem Kampf zur religiöfen Pflicht der Menſchen
erhoben haben. Gin Gott ver Erneuerung wie Widar, der Göttern und
Menſchen ein neues reinered Dafein erkämpft, bliebe bei folder Voraus⸗
fegung ganz unbegreiflih. Läpt doch aud das Chriftenthum felbft in der
Ankündigung des Antihrift für eine furze Zeit die Mächte der Unterwelt
den Sieg gewinnen ehe da? ewige Weltreich anbriht. Die Dichtung von
dem Untergange der fündigen Götter und ihrer Wiedergeburt in ber er-
neuerten, entfühnten Welt ift vielmehr ein Verfuh, das große Problem
von dem Urfprung des Uebel zu Töfen, das aud in andern Mythologieen
ja den tieffinnigften Dichtungen Veranlagung gab. Um diefe Frage dreht
ſich eigentlich Alles, fie ift auch bei uns ber Hebel, der das ganze Götter:
drama in Bewegung fept. Worüber die Philofophen von jeher die Köpfe
jerbrahen auch den dichtenden Vollsgeiſt hat es frühe beicäftigt, Das
Uebel if. nicht ohne die Schuld der Götter entftanden ; aber fie werben
dieſe Schuld im legten Kampfe fühnen und dann eine neue, befere Zeit
lommen und ſchuldloſe Götter die wiedergeborene Welt beherſchen. Wie
wenig und dieſe Loͤſung befriedigen möge, ehe das Chriſtenthum in bie
Belt lam, war eine befere ſchwer zu finden.
Zuerſt
Erneuerung und Fortbauer.
48, Eddiſcher Bericht von der Ernenerung.
die Darftellung der Wölufpa, melder die jüngere Edda D. 52
nur Einzelnes aus Wafthrubnismal 44—47. 50—51 hinzufügt. Die
Seherin fpriht von ih:
57. Da fieht fie auftauchen zum andernmale
59.
61.
Die Erd aus dem Waßer und wieder grünen.
Die Fluten fallen, der Aar fliegt drüber,
Der auf dem Selen nad) Fiſchen weidet.
. Die Afen einen ſich auf Idafeld
Ueber den Weltumfpanner, den großen, zu fpredhen.
Uralter Sprüche find fie da eingedent,
Bon Fimbultye gefundner Runen.
Da werben fi wieber die wunderfamen
Goldenen Scheiben im Grafe finden,
Die in Urzeiten die Afen Hatten,
Der Fürft der Götter und Fiölnirs Geflecht.
Da werben unbejät die Yeder tragen,
Alles Böfe ſchwindet, Baldur fehrt wieder,
Im des Siegsgotts Himmel wohnen Hödur und Baldur,
Die walweilen Götter: wißt ihr was das bebentet?
Da tann Hönie ſelbſt fein Looß fich kieſen
Und beider Bruder Söhne bebauen
Das weite Windheim: wißt ihr was das bedeutet?
Die Erneuerung, Entfühnung der Welt und der Götter bedeutet es
an biefen Stellen, mie vorher immer den Weltuntergang. Es ift im
Gevanten bi
jegründet, daß diejelbe Frage, die bisber fo ſchaurig tönte, hier
eine beitere Wirkung macht, nachdem fi die Weltgeſchide glüdlich ge
wendet und
62.
gelöft haben,
. Einen Saal ſeh ich heller ala die Sonne,
Mit Gold bedeckt auf Gimils Höhn.
Da werben werthe Fürften wohnen
Und ohne Ende ber Ehren genießen.
0. Aorstuthan. 161
63. Da reitet ber Machtige zum Rath der Götter,
Der Starke von Oben, ber Alles feuert.
Den Streit entſcheidet er, ſchlichtet Zwiſte
Und ordnet ewige Satzungen an.
Der Bericht der jüngern Coda D. 53 lautet: ‚Die Erde taudt aus
der See auf, grün und ſchön, und Kom wächſt darauf ungefät. Widar
und Bali leben noch, weder die See noch Surturs Lohe hat ihnen ger
ſchadet. Sie wohnen auf dem Idafelde, wo zuvor Asgard war. LAuch
Woͤrs Söhne, Mödi und Magni, ftellen fi ein und bringen ven Miöflnir
mit. Darnach kommen Baldur und Hödur aus dem Reihe Held: da
fiten fie alle beifammen und befpregen ſich und gebenten ihrer Heim:
fihleiten und ſprechen von Zeitungen, bie vorbem ſich ereignet, von ber .
Nidgardſchlange und von dem Fenriswolf. Da finden fie im Graſe die
Golbtafeln, welche die Aſen beſeßen haben. Wie e8 heißt:
" Widar und Walt walten des Heiligthums,
Wenn Surturs Lohe loſch.
Modi und Magni ſollen Mibllnir ſchwingen
Und zu Ende kämpfen den Krieg. Wafthr. 51.
An einem Drt, Hobbmimird Holz genannt, verbargen fi während
Surturs Lohe zwei Menfchen, Sif. und Lifthraſit genannt, und nährten ſich
von Rorgenthau. So heißt es hier:
if und Lifthrafir leben verborgen
In Hoddmimirs Holz.
Morgenthau iſt all ihr Mal;
Bon ihnen ſtammt ein neu Geſchlecht. Wafthr. 45.
Und das wirb di wunderbar dünken, daß die Sonne eine Tochter
geboren hat, nicht minder fhön als fie felber: die wird nun bie Bahn
der Mutter wandeln. So heißt es hier:
Eine Tochter entſtammt der firalenden Göttin
he der Wolf fie würgt.
Glanzend fährt mad; der Götter Ball “
Die Maid auf den Wegen der Mutter. Mafthr. 47.
49, Der unandgefprochene Gott,
Das Beſtriitenſte it hier Str, 63 |. o,, wo es im Original ‚at regin-
Gmi‘ (zum Rath der Götter) heißt, worin man das ‚Weltgericht” hat
162 Monotheisuns. — 8.49.
finden wollen, um biefe Stelle als chriſtlichen Einſchub zu verdächtigen.
Die ‚Regin’ kennt aber die Wölufpa als bie richtenden und rathenden
Götter, die ſich aud in fo vielen, andern Stellen auf ihre Richterftähle
(rökstölar) fegen, Rath umd Gericht zu halten. Freilich wird hier ein
hoͤchſter Gott, der Alles feuert, angenommen ; da er aber zum Rath der
Götter reitet, fo hat er noch andere Götter unter fih, mithin liegt reiner
Monotheismus hier nicht vor, wenn auch eine Annäherung daran. Aehn⸗
lich fagt Hyndluliodh, nahdem von Heimdall die Rede war:
Einft kommt ein Anderer, mächtiger ale Er,
Doch noch ihn zu nennen wag id; nicht.
Wenige werben weiter blicken
Als bie Odin ben Wolf angreift.
Ich möchte weder die eine noch die andere Stelle als umecht ver⸗
werfen. Als der Glaube von ber Wiedergeburt einer entfühnten Welt
ſich bildete, da konnte aud ſchon aus ber Vielheit der Götter bie alte
Einheit wieder beftimmter hervortreten. Schon die Annahme des Welt»
brandes, der mit der Welt aud die Götter entfühnen follte, zeigt, wie
fehr der Glaube unferer Borfahren ſich geläutert hatte. Warum follte
ihnen nit auch die Ahnung eines oberften Gottes aufgegangen fein, der
Alles Ientt, ewige Sapungen anorbnet, und fo heilig if, daß feine Bunge
ihn zu nennen wagt? Die Ahnung fage ih, denn nur als einen kunf ⸗
tigen, der kommen fol, fehen wir ihn an beiben Stellen bezeichnet. Hier⸗
mit waren bie beutfchen Heiden denn allerdings für die Aufnahme des
Chriſtenthums vorbereitet ; aber chriſtlichen Einfluß braucht man darım
nicht anzunehmen. Dieſer unausgefprodene Gott, ver Str. 58 als Fim⸗
bultyr bezeichnet wird, darf nicht für eine Wiedergeburt Odins genommen
werben, obgleih an einer Stelle ber jüngern Edda non Odin, ben fie
Allvater nennt, aber durch befannte Beinamen Odins Tennzeichnet, fo ges
ſprochen wird, als wenn in ihm jept ſchon jener allwaltende, ewige
Sagungen anorbnende Gott gelommen wäre. Wenn es nämlih D. 3 von
Alvater heißt: ‚Gr lebt ‚durch alle Zeitalter und beheriht fein ganzes
Rei) und waltet aller Dinge, großer und Heiner. Cr ſchuf Himmel und
Erde und die Luft und Alle war darin ift, und das ift das Wichtigſte,
daß er den Menſchen fhuf und gab ihm den Geift, der eben fol und
nie vergehen, wenn auch der Leib in der Erde fault oder zu Aſche vers
brannt wird. Auch follen alle Menſchen leben, die wohlgefittet find, und
$. 50. Sels Pforte gebrochen. 158
mit ihm fein on dem Orte, ver Gimil heißt; aber böfe Menſchen fahren
zu Hel und darnach gen Niflpel, das ift unten in der neunten Welt,‘ fo
iR Hier offenbar die Vorflellung herfhend, als ob die Welt ſich bereits
verjüngt hätte, denn nur in der verjüngten Welt kommen die Guten nah
Gimil, wogegen in ver alten Welt, im alten Aögard, wie es D.3
ausbrüdlich heißt, nach dem nordifhen Glauben Götter ſowohl als Men:
fen zu Hel fahren, wenn fie nicht auf dem Schlachtfelde gefallen find.
Snfofem alfo hier Odin der Gott ift, zu dem alle mohlgefitteten Men:
ſchen nach Gimil kommen follen, ift er für den unausgeſprochenen Gott
der verjüngten Welt, der kommen fol, genommen; nur daß er nah
dem Gingange der Stelle zugleih als der ältefte aller Götter gefaßt
wird. Ausprüdlic bezeichnet fie ihn durch den erften feiner Beinamen als
vater, alſo jenen Gott, der fi bei der Schöpfung verborgen hielt.
Auch hier ift nicht durchaus notwendig, chriſtlichen Einfluß anzunehmen,
obgleich man ihn in der jüngern Edda lieber und hier am Tiebften
geben wird. Wäre eine frembe monotheiftifhe Lehre eingebrungen,
fo wärbe der eine Gott feine andern Götter neben ober unter ſich dulden ;
aber eine Läuterung der vielgättifhen Lehre zur Einheit finden wir jer
denfalls angebahnt. Gewiſs ift aber in dieſer Stelle Verwirrung, und
Ddins Fortleben Tann nicht darauf gegründet werben.
50. Die übrigen Götter der ernenten Welt.
Die unter dem unausgefprodenen, mädtigern Gotte, der kommen
fol, fortlebenden Götter find:
1. Bidar und Wali, vie beiden Räder, ver eine Odins, der
andere Baldurs. Ihnen hat weder die See noch Surturs Lohe geſchadet,
fie find nicht wiebergeboren, fie haben den Weltbrand überbauert.
2. Baldur und Hödur, die aus Held Reihe zurüdtehren.
R Hels Reich gerftört, find die Pforten der Hölle gebrochen ? Die ſchwer
verfändlihe und durch den uneddiſchen Ausdruck Drache (dreki) verdaͤch ⸗
ige Strophe 64 giebt Teine fihere Auskunft. Aber eine andere Annahme
if nicht denkbar, wie hatte Hel ihre Beute fonft fahren lagen? Baldur
beherſcht bie verjüngte Welt ald Gott der Unſchuld und Höbur darf ſich
ihm gefellen, weil er an feines Bruders Tod feine Schuld trug.
Hier iſt der Ort, die $. 33 aufgeworfene Frage zu beantiworten,
WaB es denn geweſen ſei, was Dbin feinem Sohne ind Ohr fagte, eh er
154 derhellung det Wiedergeburt. 2. bo.
die Scheitern beſtieg Daß das hier waltende Geheimniſs auf bie ein
ftige Wiedergeburt der Welt und ber Götter zu beziehen fei, habe ih
ſchon Edda 405 vermuthet. Der Beweis dafür liegt in ber Gtellung
ver Frage unmittelbar nach jener, was Odins Ende fein werde? worauf
Waſthrudnir antwortet:
Der Wolf erwürgt den Vater der Welten.
worin für Odin, der die Frage ala Gangrabr vorlegt, eine Demüthigung
liegt. Indem er nun die legte Frage folgen läßt:
Bas fagte Obin dem Eohn ins Ohr,
Eh er die Scheitern beftieg?
befiegt er den Riefen in doppelter Weife, denn jener weiß fie nicht zu
beantworten und fo ift formell fein Haupt, das der Wette verpfändet war,
dem Sieger verfallen ; zugleich entſcheidet er aber aud in der Sache den
Wortftreit zu Gunften der Götter und zur Demüthigung der Niefen, in-
dem er auf die Wiebergeburt der Götter anfpielt, welche jenen nicht ber
ſchleden if. Daß Baldur wiebergeboren werde, ift damit nicht unreimbar,
daß er aus Held Haufe zurüdtehrt; nur kehrt er ala ein Lebender, nicht
als ein Todter zurüd und das dürfen wir als Wiedergeburt bezeichnen.
3. Hönte kehrt, wenn er will, von den Wanen zurüd, denen er
zum Geifel gegeben war. Ganz folgerichtig heißt e3 demnach MWafthr. 39
von Niördhr:
Am Ende der Zeiten foll er aber kehren
Zu den weifen Wanen.
Dieb Zeugnifs fteht indes allein und widerſpricht der Woluſpa,
welde nur Afen ven Weltbrand überleben läßt, der Wanen feinen. IM
es mehr als eine bloße Folgerung aus der Rüdkehr Hönirs, der für
Niordhr hingegeben war, fo ließe es ſich fo deuten, daß der Gegenfog
zwiſchen Aſen und Wanen jept aufgehoben ift. Crft durch den Berluf
der Unſchuld war die Entzweiung unter die Götter gelommen: es bebarf
jeßt, da aller Streit ausgeglichen ift, keiner Pfänber des Friedens mehr.
Der beiden Brüder, deren Söhne nun das meite Winbheim bes
bauen follen, wird unmittelbar nad biefer Meldung von Hönirs Eledi⸗
gung gedacht: es ſcheint alfo, daß er die Rüdtehr wählen wird, wenk Er und
Dpin, nicht Hödur und Balbur, unter den beiden Brüdern verftanden find;
des dritten Bruders Söhne kehren nicht zurüd noch er felber: Loli, dem
% 51. Dafeld. 166
Feinde der @ötter, der das Verderben in bie alte Welt gebracht hat, if
feine Fortdauer in der wiebergeborenen beftimmt. Geläutert hat er vie
Welt und die Götter; hiermit ift feine Aufgabe erfüllt.
4. Thors Söhne Modi und Magni (Muth und Stärke)
fehren gleichfalls nah D. 53 und Wafthr. 51 zurüd und bringen den
Kammer mit. Freilich fcheint es deſſen Taum zu bebürfen, es fei denn
zum Segnen und zum Schügen; wenn fie ben Krieg zu Ende lämpfen
follen, fo beruht dieß aud nur auf einer zweifelhaften Lesart. Modi und
Ragni find zu Söhnen Thörd aus des Gottes Eigenſchaften erwachſen,
Eigenſchaften, die er befigt und im Kampf wider bie Riejen bewährt,
Eigenſchaften ferner, die er verleiht, denn die Früchte des Feldes geben
Kraft und Muth, Thoͤrs Dienern zumal, den Bauern, die fie im Kampf
mit ber Natur, im Schweiß des Angefihts nah dem chriſtlichen Ausbrud,
errungen haben. Waren fie früher Eigenſchaften Thörs, fo dauern fie
jept als perfönlic gedachte Eigenſchaften der verjüngten Götter fort.
As die Wohnung diefer verjüngten Götter wird D. 53 , Idafeld
(idavöllr), wo zuvor Asgard war,‘ genannt. Idaſeld ſcheint die ermeuerte
Belt felbft zu bezeichnen, denn von der Emeuerung hat es den Namen,
der wohl erft fpäterhin- auf den Drt, wo Asgard erbaut ward, alſo auf
die goldene Zeit der verlorenen Unſchuld übertragen warb, nicht ohne
Grund, denn das wieder erworbene Paradies fällt im Gedanken mit dem
umverlorenen zufammen. So fagt jhon Grimm Myth. 783: ‚das Para⸗
dies iſt ein verlorene und ein Künftiges ber neugrün aus der Flut ſtei⸗
genden Erde; dem Idavöllt, in deſſen Graſe die Götter Golbtafeln zum
Spiel finden, ſieht fhon jener alte Idavöllr, in welhem vie Aſen Ass
gard fifteten und heiter im Hofe mit Würfeln warfen, gegenüber, bem
verfüngten Reiche der Zukunft ein dahingeſchwundenes golvenes Zeitalter,
worin Milh und Honig flogen. Bol. oben ©. 78.
51. Das verjüngte Menfchengefchlecht.
Auch den Menſchen ift in der verjüngten Welt ein Dafein zuge:
dacht, Widar war es, der eigentliche Gott der Emenerung, ber es ihnen
nach unferer Ausführung $. 46 erkämpfte. Unter Hoddmimirs Holz kann
nur Mimameidr, die Welteſche, verftanden fein. Mimir hatte unter ihr
feinen Brunnen. Hortmimir beißt er hier, weil Weisheit und Ver⸗
Rand in feinem Brunnen verborgen find, die höchſten Schäpe. Aehnlich
156 Keine Straforie mehr. 5.52.
ift es, wenn Sigrdr. 13 (M. Edda 206) dieſes Mimirs gefalbtes Haupt,
mit welhem Odin murmelt Wöl. 47, Heiddraupnir, Gelbträufler, und fein
Hom Hobbraupnir, Schagträufler heißt. In dieſer Weltefhe haben ſich
Lif und Lifthrafir, Leben und Lebenskraft, geborgen, Surturs Lohe ver
mochte fie nicht zu verzehren. Das neue Menſchengeſchlecht, das von
ihnen erzeugt wird, if unſinnlicher Natur und feiner irdiſchen Speife bes
dürftig: Morgenthau ift all ihr Mal,
32. Fortdaner, Lohn und Strafe.
Gimil, der Himmel der verjüngten Welt, wird nad Wöl. 63 die
Wohnung aller bewährten Leute jein. Rad D.17 fteht diefer Pallaſt am
fülichen Ende des Himmels; er ift ber fhönfte von allen und glängender
ala die Sonne; alle guten und rechtſchaffenen Menſchen aller Beiten wer⸗
den ihn bewohnen. Nehmen wir D. 3 hinzu, fo ift er als ein Lohnort
zu betrachten, welchem gegenüber jegt Niflhel als Strafort gilt, denn es
heißt: ‚Aud) follen alle Menfchen leben, die wohlgefittet find und mit ihm
(Alvater) fein an dem Orte, der Gimil heißt. Aber böfe Menihen
fahren zu Hel und darnach gen Nifipel, das ift unten in ber neunten
Belt.’ Ueber die Lage Gimils finden wir D. 17 fernere Auskunft: ‚SS
wird gefagt, daß es einen Himmel fürlih und oberhalb von biefem
(Asgard) gebe, welcher Anbläng heiße. Und noch ein britter Himmel
fei über ihnen, welder Wivbläin heiße, und in biefen Himmeln glauben
wir fei dieſer Pallaft belegen.‘ Wichtiger aber als diefe nicht fehr zus
verläßige Meldung ift der Unterfhieb, der jept zwiſchen Guten und Böfen
gemadt wird, während früher Walhöl nur in der Schlacht Gefallene
(wäpndandha vera) aufnahm; die übrigen, Götter wie Menden, zu Hel
fuhren, öhne daß deren Wohnung immer als ein Strafort gegolten hätte,
‚Hier ſcheint aber wieder Verwirrung, denn in der erneuerten Welt giebt
es nad) deutſcher mythifcher Vorftellung Leine Straforte mehr: das ift
der wefentliche Unterſchied unferer mythiſchen Anfhauung, wenn wir fie mit
der chriſtlichen Lehre von den legten Dingen vergleihen. Das Reid dee
Hel ift zerflört: alles Böfe ſchwindet, beißt es in der Wölufpa, und was
an ben Göttern, bie ihr Geſchlecht nicht rein erhalten hatten, Irdiſches
war, das haben die Flammen bes Weltbrandes verzehrt; nur ihr geis
ſtiges Prinzip bat ſich erhalten: rein und fledenlos beherſchen fie dir
8. 52. Seendenfäle. 157
geläuterte, von allem Uebel gereinigte Welt. Verleitet if bie jüngere
Edda zu ihrer Annahme durch einige in die Mölufpa fpäter eingefchobene
Strophen, 40—43, die kurz vor dem Untergange der Welt von Straf⸗
östern ſprechen, welche dann irrthümlich auf die erneute Welt bezogen
wurden. Daß fie eingeihoben find, geht daraus hervor, daß fie ven
Zufammenhang fehr zur Ungeit unterbrehen. Bon Lohn und Gtrafe
Tann hiernach eigentlich in ber ermeuerten Welt feine Rede mehr fein;
Aled was davon gejagt werden wird, ift auf bie Zeit vor der Gr
neuerung zu beziehen, denn allerdings hatte die deutſche Unterwelt ihre
Straförter, was von Grimm verlannt worden ift; fie ift aber keineswegs
an fi ein Strafort wie unfere chriſtliche Hölle. Die Göttin der Unter
welt heißt Hel, die verborgene Göttin, verborgen im Schooß der Erbe:
darum ift fie nod am ſich nicht böfe; nur weil man fie als Todesgoͤttin
faßte, erfhien fie fo durch die heidniſche Furcht vor dem Tode; wir wer⸗
den fie fpäter noch als eine gütige Göttin kennen lernen. Aber freilich
find in der Unterwelt auch Straförter, mie daneben auch Freudenaufent⸗
halte gemefen fein müßen. Hel lohnte und ftrafte Jeden nad feinem
Berdienft, dem Guten erſcheint fie freundlih, dem Böfen als eine graus
ſame Rächerin. Die Lohnörter find aber noch mehr verbumfelt als vie
lange verfannt gebliebenen unterirdiſchen Strafen, und zwar deshalb,
weil nad) der fpäter herſchend gewordenen Anfiht, vie befonderd der
Norden ausgeprägt bat, die Götter jegt im Himmel wohnen, nicht mehr
wie urfprünglich in der Unterwelt, und meil fie auch die Menſchen dieſes
ihres Himmels theilhaftig machen, wenn fie ein kampfliches Leben geführt
haben.
Idawoͤllt (Idafeld) heikt in der neuen Welt das Paradies ber
Gätter, urfprünglic das wiebererworbene, zulegt aud das verlorene ;
dagegen Gimil die allen guten und gerechten Menſchen in ber erneuerten
Belt beftimmte Freubenwohnung. In D. 3 wird diefe Freudenwohnung
auch Wingolf genannt, das an einer andern Stelle D. 14 neben Glads ⸗
beim als die Wohnung der Göttinnen erwähnt wird. Mit diefem Wingolf
vergleicht Grimm Myth. 781 dad agf. vinsele, ben Saal, in dem die
Helden mit dem Könige trinten, und das im Althochd. zur Uebertragung
des Paradieſes dienende wunnigarto, ‚ba fih wunna = wunia unb
wini amicus nahe berühren.‘ Wingolf würde hiernach einen Freudenort
begeihnen, was aud der Sinn von Gladsheim if. Da Gimil als ein
Ballaft gedacht ift, der im dritten Himmel liegt, fo mag biefe hohe Lage
188 Sofren, [3
aud die Ausdrũde mendelbero (mons gaudii) und sseldenbero, Berg
des Heiles, erläutern. Deutſche Sagen, Märhen und Lieder wißen von
dem bimmlifhen Glasberge 8.22, ver aus Gladsheim miſsverſtanden
feinen würde, wenn nicht Myth. 781 ſchon einen nordiſchen glerhimin
(coelum vitreum) nachwieſe. Gimil ift als ein Pallaft gedacht, ein
Freudenfaal ; anderwärts ſcheint die Im Wolle noch jept unerloſchene Bor
ftellung von einer Freudenwieſe (Mytb. 782) zu walten, mie Idawöllt
grasbewachſen dargeftellt if. Darauf geht das altj. hebenwang, vielleicht
auch das agf. neorznavang, vgl. Myth. 781, wo aud) das altj. ödas-
höm, üpödashöm befproden if. Nah D. 52 ift aber Gimil nicht der
einzige Freubenort: „Es giebt viel gute und viel üble Aufenthalte; am
beften ift8 in Gimil zu fein. Sehr gut (9) ift es in dem Saale, ver
Brimir heißt und gleihjalls im Himmel ſteht. Ein guter (?) Saal ik
aud jener, der Sindri heißt und auf den Nivabergen fteht, ganz aus
rothem Golde gebaut.’ Dieß ift aus Möl. 41 miföverftanden, mo es heißt:
Nördlih ſtand am den Nidafelfen
Ein Saal aus Gold für Sindris Geſchlecht.
Ein andrer ftand auf Ofolnir,
Des Riefen Bierfaal, Brimir genannt.
Sindti kennen. wir aus D. 61 (M. Edda 299) als einen der Zwerge,
welche die Kleinode der Götter ſchmiedeten. Die Nidafelfen feinen nah
Wol. 65, wo fie mit Nidhöggr verbunden find, in den Tiefen Niflhels
belegen, und D. 52 war weder berechtigt, den Sinbris Geſchlecht beſtimm ⸗
ten Saal Ginbri zu nennen, noch ihn in den Himmel zu verlegen und
dem verjüngten Menfchengefhleht oder ven fortdauernden Seelen ber
Menſchen zur Wohnung anzumelfen. Cine gleiche Bewandtniſs hat es mit
dem Saale Brimir. Wie Sindri ein Zwerg, fo ift Brimir ein Rieſe.
Wol. 9. nennt fogar den Urriefen fo, und Wöl. 41 gieng der Name
Brimit wieber nicht auf den Saal, fondern auf den Rieſen ſelbſt. Um
Mar bleibt, was Wöl. mit diefen beiden Sälen will; die Strophe fteht
mitten unter jenen, die von Strafen und Straförtern ſprechen. Zu diefen
geht nun auch D. 52 über: ‚In Näftrand (Leichenſtrand) iſt ein geoper
aber Abfer Saal, defien Thüren nady Norden fehen. Er ift mit Schlan⸗
genrüden gebedt, und die Häupter der Schlangen find alle in das Haus
bineingelehrt und fpeien Gift, da Ströme davon im Saale rinnen, durch
welche Eivbrüdige und Meudelmörber waten müßen, wie es heißt:
KR Ar, Bebgelmir. 189
42. Einen Saal feh ih, der Sonne fein
In Naſtrand; die Thüren find nordwärts gelehrt.
Gifttropfen fallen durch bie Fenfter nieder ;
Aus Schlangenrüden if der Saal gewunden.
43. Im farrenden Strome flehn da und waten
Meuelmdrder uud Meineidige.
Aber in Hmwergelmir ift e3 am ſchlimmſten:
Da ſaugt Ridhöggr ber Entſeelten Leichen.
Der proſaiſche Zwiſchenſatz: ‚aber in Hmergelmir zc.’ it Willfär:
die Wölufpa ſcheint auch Naftrand nad) Nifihel zu ſetzen, welche durch den
Brummen Hwergelmir mit der Oberwelt in Verbindung fteht. ©. oben $. 6.
Ücbergangen iſt hier Str. 40 der Wölufpa, die, obgleich entfernt ſtehend,
doch mit Gt. 43 zufammengehört:
Ein Strom wälzt oftwärts durch Eiterthäfer (Giftthäfer)
Schlamm und Schwerter, ber Slidur (Slidhr) heißt.
Hier haben mir jene eigenthämlich deutſche Dualhölle, in ver es
fein Feuer giebt, wohl aber ftartende Ströme voll Sumpf und Schlamm,
velche Schwerter wälgen ; Meucelmötber und Meineivige mühen fie durqh ⸗
waten. Diefe deutſche Waßerhölle unterſcheidet fih von der chriſtlichen
Hölle fo ſcharf, daß es Niemand einfallen kann, an eine Entlehnung zu
denlen; eher möchte eine Urvertombtfhaft mit den Strafleiden der grier
chiſchen Mythologie anzunehmen fein, wo es aud Hödlenflüße giebt, wo
Lantalus bis and Kinn im Strome fteht, die Danaiden Waßer ſchoöpſen
und außgiepen und der Geier des Prometheus an den Drahen Ridhoͤggr
innert, der bie Leichen der Verftorbenen nagt. Spuren einer echt
deutihen Feuerhölle werden gleichwohl unter $. 95 nachgewieſen. Die-alte
Rifipel, obgleich fie keineswegs für alle ihre Bewohner ein Reinigungsort
fein follte, hatte alfo doch ihre Strafen für gewiſſe Verbrechen und in
iemem Naſtrand und dem vielleicht dort entfpringenden Schlamm und
Schwerter wälzenben Strome Slidr, melden die Berbrecher durchwaten follten,
beſaß fie einzelne Stätten ber Qual. Dieß befagt auch Sig. Am. II, 4:
Harte Strafe wird Menfchenföhnen,
Die in Wadgelmir waten:
Ber mit Unwahrheit ben Aubern verlügt,
Ueberlang ſchmerzen die Strafen.
160 Aobiskrug. % 58.
und in Gigrbr. 22,23 ift darauf hingewiefen, daß man ber Schuld ledig
leben müße. damit man e8 im Tode nicht entgelte.e Auch bei den Böl-
fern des engern deutſchen Landes bat Dietrih a. a. D. Spuren derſelben
Vorftellung nachgewiefen und in Vatic. Valae Vind. p. 5—7 habe ih
dazu Nahträge geliefert. Ein eigenthümlih deutſcher Ausdrud der als
Strafort gedachten Hölle ſcheint Ovelgunne, worüber und das nieder
deutſche Schaufpiel von Theophilus nähern Aufſchluß bringt, Vgl. Myth.
953, wo auch Nobiskrug beiproden wird, ein Name gleihen Sinnes,
melden Grenzwirthehäufer (Nachbarskrug) zu führen pflegen. Vielleicht
fanden dort einft gemeinfame Opfermaljeiten Statt, da bie Grenze über
den Heerd zu laufen pflegt ; die chriſtliche Zeit könnte fie dann in Berruf
gebracht haben. Vgl. Gr. deutſche Grenzalterthümer und Myth. 766. Wahr:
ſcheinlichet ift er aber aus Nörwis Krug entfiellt. Nörwi oder Narfi
fennen wir aus $. 14 ald den Vater der Nat, einen Sohn Lokis. Vgl.
jedoch Liebreht Gero. 168, Kuhn NE. 484.
Bliden wir zurüd, fo unterjheivet fi der Himmel der erneuten
Welt ſcharf genug von Walhal, dem Gimmel der jegigen. Diefer
nahm nur in der Schlacht Gefallene auf, jept aber empfängt Gimil alle
Guten und Rechtſchaffenen aller Zeiten und Voller; den Böfen dagegen
wird feine Gmeuerung zu Theil, fo wenig ald ven Riefen, den welt:
serftärenben Gewalten.
53. Späte Rachklänge,
Die heidniſchen BVorftellungen von Weltuntergang und Erneuerung
lebten noch während” des ganzen Mittelalters unter allen deutſchen Völkern
fort und bis auf den heutigen Tag konnten fie nicht ganz ausgerottet
werben. Sie find aber verwachſen mit der von Grimm Muth. 903 ff.
f. 9. Bergentrüdung ber Götter, mit ihrer Berzauberung in einem hohlen
Berge, wo fie dem Tag der Entſcheidung entgegenſchlafen, dann aber er⸗
wadhen und ven legten Kampf auslämpfen werben, worauf nun eine
beßere Heit folgen fol. Diefe verwünfchten, verzauberten ober bergent«
rüdten Götter finden wir aber nicht mehr in biefer Würde unter ihrem
alten Namen, mit Ausnahme der Göttin Freyja, bie no als Frau Frene
(Myth. 283. 1212) oder als Frau Holda in Bergen hauft, aud wohl
den beutjhen Namen mit Haffiichen (Venus, Juno M. 913) vertaufcht
hat. Im böhmischen Frauenberg könnte felbit die nordiſche Edda ala
Frau Edd noch fortzuleben feinen. Schönmwerth III, 356. Bel. Duig-
8. 58. Anderende. 161
mann Die heidn. Rel. 48. Die männligen Gottheiten find in Helden
verwandelt, entweber in die unferer Heldenſage, die überdiek verjüngte
BWiebergeburten der alten Götter find, als Siegfried, Ehel und Dietrich,
oder in unfere geſchichtlichen Helden, wie Karl der Große, bie Dttonen,
die Friedriche, wie Webelind (M. 906), die drei Telle (Stifter des
Säweizerbundes) u. |. m. In dem Bergſchloße Gerolsed fchläft Siegfried
mit andern Helden, im heſſiſchen Odenberge figt Kaifer Karl als lang ⸗
bärtiger Greis, ebenfo im Kaiſer Karld Berg zwifchen Nürnberg und Fürth,
mährend er im Unteräberge bei Salzburg, der vom Schlafen des Gottes den
Ramen hat, indem Underrube ven Mittagsfchlaf bedeutet, bald mit Karl
dem Yünften, bald mit einem der Friedriche wechſelt. Am häufigften er⸗
ſcheint Kaiſer Friedrich Nothbart, der außer in jenem Untersberge auch
in dem Keller feines Schloßes zu Kaiferslautern, im Trifels bei Ann
weiler und auf dem Kifipäufer in Thüringen f&läft; beſonders ift letztere
Sage berühmt geworden. Man weiß, wie er am. runden Gteintifd den
Kopf in der Hand nidt und mit den Augen zwinkert; wie fein Bart
ſchon zweimal um den Tiſch gewachſen ift, und wie, wenn er zum brit-
tenmal um den Tiſch gewachſen fein wird, ber Kaifer erwachen ſoll und
bervorgehen und feinen Schild an einen dürren Baum hängen, worauf
diefer ergrünt und eine befere Zeit anhebt. Belannt ift auch, mie er
den Schäfer fragte, der ihn einft wachend antraf: ‚Fliegen die Raben noch
um den Berg?’ und ald die Frage bejaht warb, befümmert außrief:
‚So muß ich noch hundert Jahre fchlafen.‘ Alle hundert Jahre pflegt er
hiernad einmal zu erwachen und nad; feinen Raben zu ſehen. Es find
Dbind Raben, die um den Berg fliegen, der Gott hat fie ausgefanbt,
den Stand der Dinge in der Welt zu erkundigen; alle andern Deutungen
Ihlagen fehl. Daß fie um ven Berg fliegen, Tann nur eine verbunfelte
Ginnerung fein: fie müften zu ihm in ben eben heute offenen Berg
fliegen, fi auf feine Schulter fegen und ihm die Kunde ins Ohr flüftern,
Auch darin ift die Sage unvollftändig, daß nicht gejagt wird, maß, wenn
der Raifer feinen Schild an den ergrünenden dürren Baum gehängt hat,
geliehen werbe, um bie befere Beit herbeizuführen. Das weiß aber noch
die Sage vom Unteräberge Myth. 998 und andere ſchon vor vier bis
fünf Jahrhunderten (Gr. Myth. 908) aufgefhriebene Sagen können zur
Betätigung dienen: auf dem Walſerfelde foll dann eine blutige Schlacht
deſchlagen werden, die nichts anderes iſt als ber legte Weltlampf, denn
der Antichriſt erſcheint, der Gngel Pofaunen tönen, ber jüngfte Tag ift
Gazes, Mythologie. 1
162 Welferfeh, ..
angebrochen, das Weltende tritt ein. Ehe diefe Schlacht entſchieden if,
fann aud der dürre Baum nicht ergrünen, denn biefer ‚laubloſe Baum
ift die MWeltefche, von der Idun, der grüne Blätterihmud, herabgeſunlen
ift, in der Aber, wie in Hoddmimirs Holz, noch Lif und Lifthrafir, Lehen
und Lebendkraft, ſich verborgen halten; doch erft bei der Wiedergeburt der
Welt kann fie von Neuem zu grünen anheben, und bie verbuntelte Gage
melvet dieß Greignifs zu früh. So ift das Walferfeld nichts als die
Ebne Wigrid oder Oſtopnir; daß ber Kaiſer an Odins Stelle getreten
fei, verrietben und ſchon feine Raben; der rothe Bart freilich ift von
Thor entliehen und der Name Friedrich, ja die Bergentrüdung von regt,
wie wir bei deſſen Mythus fehen werden. Der Raifer fläft aber nicht
allein : feine Helden, die Einherier, finden wir in vielen Sagen mit ihm
in den Berg entrüdt; feine Rüfttammer ift voller Waffen und in ven
Ställen ftampfen die Pferde ungebuldig im Schlaf; ja nad Giner Gage
fucht er ihre Zahl noch zu mehren, damit Gr und fein Heer zum legten
Kampf beßer gerüftet fei und fo wird er auch dieß Heer felbft noch zu
ftärten bevadt fein. Warum er aber verfunfen ift, warum er im Berge
ſchlat, kann und erſt deutlich werden, wenn Freyrs Mythus abgehandelt
iR. Uebrigens geftattet die Sage auch neuern Helden einzutreten: fo
ſchlafſt Prinz Karl im Zichtelgebirge mit viel Taufend Kriegen und ala
im Jahre 1848 Nachrichten won Siegen ber Jtaliener über bie öfterreis
chiſchen Truppen verbreitet wurden, hieß e8: Es geht halt fo wie bie
Willeweis“ prophezeit hat. In Welihland wird es unfern Leuten fo
fchleht gehen, daß die Meiften zu Grunde geben. Wenn es aber fo weit
gelommen ift, daß der Kaiſer mit feinen zwei legten Soldaten durd ben
NRunteräweg bereinzieht, wird der Sand wirth erfheinen und die Leute
aufbieten. Dann giebt ed einen fo großen Landſturm, wie er noch wie
dageweſen ift und die welſchen Rebeller werben für immer geſchlagen
fein. Viele Leute glauben zwar, daß der Sandwirth zu Mantua er
ſchoßen worben fei. Dieß ift aber erlogen. Gr hat fi nur verftedt und
lebt in der Sarner Scharte oder im Jfinger.’ Bingerle Tyr. 6.203. Den
finger Tennt man aber auß K. Oswalds Sage ald einen Wobansberg.
Dem Birnbaum auf dem Walſerfeld entfpricht in einer ſchleswigſchen
Sage (Müllenhoff S. 378) der Hollunder in Nortorf, und fo
finden fih vielerlei Varianten, jede Provinz hat ihre eigenen ; aber in
allem Weſjentlichen bleibt bie Gage ſich gleich. Dort wird ext eine rothe
Kuh über eine gewiſſe Brüde geführt: es find Muspels Sohne, bie
58 Algemeiner Krieg. 168
Flammen, die über Bifröft reiten. Wie Mannhardt Germ. M. 6. 332
bemerkt, ſoll nad) einem deutſchen Vollsliede eine bunte Kuh den gläfer-
nen Berg hinauf getrieben werden. Vgl. Schwarz Heut. Vollsgl. 6.132.
Eine ſolche Brüde fpielt aud bei uns am Niederrhein eine Rolle in den
Beiagungen des |. g. Spielbernd, die im Jahre 1848 wieder fo viele
Gemüther beunrubigten, obgleih fie nur verwirrte Nachllänge der uralten
Borftellungen vom Anbruh des großen Belttampfs find, der jept als
Ausbruch eines allgemeinen europäifhen Krieges gefaßt ward. Jene
Brüde ſollte jept bei Monborf über den Rhein geſchlagen werben und
darauf der allgemeine weltentvölfernde Krieg losbrechen. Nach der fchleds-
wigihen Sage wird die Nieberlage fo groß, daß von dem Heere bes
weißen Königs, der ben ſchwartzen befiegen foll, die Nebriggebliebenen von
Giner Trommel epen können und der König jelbft wird nah der Schlacht
an einer Trommel feine Malzeit halten. So foll Holger danske (Myth.
313) zurüdtehren, wenn nicht mehr Männer in Dänemark fein werben,
als ihrer Raum auf einer Tonne haben. Nach der neueften ſchweizeriſchen
daßung wird die Schlacht fo blutig fein, daß die Pferde bis and Ge
fieſet im Blute fiehen, die Sieger werden einander fragen, ob fie in
einem oder zwei Wirthöhäufern eintehren wollen: da werden fie an einem
einzigen Play genug haben. Rochholz I, 61. Nach der weſtfäl. Sage
(Auhn 205) wird man bis an die Enten im Blute waten ; bie Schlacht
ſelbn foü beim Birkenbaum in ber Gegend von Werle ftattfinden :
das ift der Name einer Haide in der Nähe des Dorfes Bremen; wahr:
ſcheinlich hat dort einft ein folder Baum geftanden. Gleihmwohl wird
man auf die alte Ejche zurüdgemwiejen, denn Neocorus, indem er von
der Linde zu Güderheiftebe ſpricht, die ihres Gleichen nicht gehabt, fügt
doch hinzu: außer in Schilſche in Weftfalen. Dieß Schilſche, ſagt Kuhn
209, iR der auch noch heute in ver Vollsſprache contrahierte Name für
Schildeſche bei Bielefeld. Gemeint ift alſo wohl die Eſche, an welche ber
Aeiſer feinen Schild hängen fol.
Den weißen König, der dem ſchwatzen (Surtur) eutgegenfteht, deuten
Grimm und Müllenhoff auf Freyr; doch ſcheint der Gegenfag des Schwarzen,
der im Gedaͤchtniſs geblieben war, dieſe Bezeihnung gewirkt zu haben; fein
weißes Pferd weift eher auf Odin, während Freyr meiſt ſahrend erſcheint.
An den ‚witten God' glaubt man aud in den Niederlanden. Hier ift
& ur ein einziger Gott, der zur Iepten Schlacht reitet; badiſche Sagen
(Baader 67. 142) wißen von zwölf bergentrüdten Männern, alfo ber
164 Yüngfer Cag. 8.58.
vollen Zahl der Afen: fie kommen, wenn Deutfhland in ber - gröften
Noth ift, hervor und befreien e3 von feinen Feinden. Sollten nicht ſchon
die fieben fhlafenden Männer, deren Paulus Diaconus I, 4 gebenkt,
bieher gehören ?
Man hat den im Berge ſchlafenden Kaifer für Baldur oder All⸗
vater auögegeben. Aber Allvater fchläft nit, er waltet, Hrafn. 1, und
Baldur kämpft die legte Schlacht nicht mit, er erwartet in Frieden ihren
Ausgang, um dann von feinem neuen Reihe Befig zu ergreifen. Die
Naben, die um den Berg fliegen, die Helden, die mit dem Kaifer zugleich
entrüdt find, unzählige mit ihren Pferden, die Nüftlammer, die von Waf⸗
fen ftarrt, das Horn, das neben dem Kaiſer hängt, und in das er ſtoßen
fol, feine Gefährten zu erweden, envlid fein Auftreten im Kampfe felbft,
in blanfer Rüftung auf dem weißen Roſs, alles zeigt uns, daß hier von
Wodan noch Erinnerungen haften. “
Jedes Jahrhundert nüpfte an die Wiederlehr des al Kaifer ver:
jüngten Gottes feine eigenthümlihen Grwartungen. Im Bittelalter ſollte
die Wiedergewinnung des heil. Grabes erfolgen und der heidniſche Glaube
ganz zergehen; ſchon vor dem Zeitalter der Reformation erwartete man,
er werbe die ‚pfaffen storen,‘ den Uebermuth der Geiſtlichkeit beugen,
und neuerdings pflegen die Gegner der hriftlihen Geiſtlichteit, die oft
genug Feinde des Chriftentpums überhaupt find, die um ben Berg flie⸗
genden Raben auf die ,Shmwarzröde‘ zu deuten. Unſern modernen
Heiben bricht die goldene Zeit nicht an, bis die Kirche geftürzt wird und
mit ihr, mie fie wohl ahnen, aud der Staat zufammenbriht, deſſen
Grundlage fie ift. Das Ende der Welt, des fittlich georbneten Lebens
der Menſchen auf Erben, wäre damit freilich gefommen ; die goldene Zeit
aber kann erft anheben, wenn bie zerftörenden Mächte, auf deren Seite
fie ſich ftellen, von den Göttern befiegt oder von Surturs Lohe verzehrt
find. Sie können einwenden, auch die Götter müften in feinen Flammen
untergehen: dem ift aljo; aber nur um von allen irbifhen Gebrechen ge»
läutert ala Herſcher der neuen Zeit wiebergeboren zu werben, während
jene Ungethüme teine Zukunft haben. Wollten fie echte Heiden fein, wos
für fie fih fo gerne ausgeben, fo ftellten fie fih auf die Seite der
Götter und hülfen ihnen den Kampf gegen die verderblihen Gewalten
auslämpfen. Aber wie könnten fie das wollen, da fie diefen verberblichen
Gewalten felber anheimgefallen find und gerade in ihnen am ftärkften
die Glaubensiofigkeit, die Unfittlicleit, die Selbſucht ber Beit zur Gr
558. Zittligkeit des Heidenthums. 165
ſcheinung lommt. So nähren fie die Hoffnung der unmünbigen gbers
gläubifhen Menge auf den kommenden Tag der Erlöfung, welder fein
anderer ift ald der jüngfte Tag; aber vergebens ‚leben fie dahin auf
den alten Raifer hinein‘ und lehren ihre Gläubigen ‚auf den
alten Raifer hinein ftehlen,‘ d. h. (Myth. 910) nad) ber alten
Kevendart ‚auf bie ungewiſſe künftige Veränderung aller gegenwärtigen
Dinge hoffen‘ und fündigen: dem Kaiſer will der Bart nicht wachen,
weil ihm ihre Fluche und Läfterungen verfengen, und wüchſe er wirklich
zum drittenmal um ben Steintiſch herum, fo wären fie bie erften, gegen
welche er feine Waffen zu kehren hätte. Die Gebrechen der Welt und
der Seit, welche fie zum Vorwande nehmen, koͤnnen erſt in- der künftigen
Belt gänzlich getilgt werden ; über die gegenwärtige, fo vielfacher Läuter
rımg fie bebürftig fei, daß euer zu ſchleudern, ift Niemand berufen, als
wer die Rolle des Teufels übernehmen will, der an der Seite des Anti⸗
Amis $. 47 Lmpft.
Der Beltuntergang ward nad $. 43 als bie Folge der Götter
dämmerung angeſchaut. Dem Gefühl der Heiden ruhte die Welt auf
ſittlichem Grunde, und würde biefer hinweggezogen, fo jahen fie das ganze
Gebäude zufammenftärzen. Nüchterner klingt es, aber wie gleihbebeutend
iſt es doch, wenn wir fagen, daß bie Kirche die Grundlage des Staates
bilde, ohne Religion fein Staat, ja keine Gemeinde beftehen möge. Diefe
Lehre giebt und unfere Mythologie: wie wenig verfteht alfo der Staat
feinen Vortheil, der die griechiſche Mythologie fo fehr vor der deutſchen
begänftigt, und wie wenig verftehen ihn bie unfrommen Frommen, die
nit ablaßen, unſer Heidenthum als gottlos und heillos zu verfchreien.
Das hatte einen Sinn vor dem Giege des Chriſtenthums über den heid⸗
niſchen Gottesdienſt mit feinen Menfcenopfern und über die Blutrache
(6. 34), die das Herz der germaniſchen Sitte bildete, jene graufame Blut:
the, die bis zum jüngften Tage fortrafen müfte, denn Blut fordert
immer wieder Blut und fein Ende ift abzufehen, wie dieß die Sage von
Hilde, die jeve Naht die Erfhlagenen wedt, daß fie am Morgen den
Kampf von Neuem beginnen, ſchaurig f&hön ausbrüdt. Cine Lehre, die
folge Pflichten vorſchtieb, mufte wom Chriſtenthum überwunden werben,
166 Vorhale des EChrikenthums. 8.58.
und es half ihr nicht, daß fie die höchften Ideen enthielt, deren ver Heide
fähig war, die tieffinnigften, bemunberungswürbigften und inhaltreihften
Anfhauungen über das Wefen der Welt und ver Götter. Denn Einer
Idee war der Heide nicht fähig: der filtlihen Idee, daß man bie Feinde
lieben ſolle. Diefe Idee hat das Heidenthum überwältigt, und ein neues
Weltreich, die Welt der chriftlihen Bildung heraufgeführt, und gäbe es
jegt noch alte deutſche Heiden, dieſer Idee müften fie fi beugen, denn
ihr hätten fie nichts entgegenzufegen. Allein wir haben es jegt mit mo⸗
dernen Heiden zu ſchaffen, die feinen Himmel voller @ötter haben, aber
wie ſie fein Jenſeits kennen, das Diesſeits mit Teufeln erfüllen würden.
Diefen gegenüber erfheinen die alten deutſchen Heiden fittlich, fromm und
gläubig, das alte Heidenthum hehr und heilig, eine würbige Borhalle
des Chriſtenthums. Und es verlohnt ſich wohl, ſich in dieſer Vorhalle
umzuſchauen; denn ſchwerlich wird Jemand das Chriſtenthum verſtehen,
der das Heidenthum nicht verſtanden hat, und Niemand weiß das Chri⸗
ſtenthum zu würdigen, der das Heidenthum zu würdigen nicht gelernt
bat. Durch den Sieg über das Heidenthum hat fih die Göttlichleit des
Chriſtenthums bewährt; aber dieſer Sieg würde ihm zu geringer Ehre
gereihen, wenn das Heidenthum fo veraͤchtlich geweſen wäre, als es
fromme Leute machen möchten, die nicht wißen, welchen ſchlechten Dienft
fie damit dem Chriftenthum erweifen. Das follte man erwägen, ehe man
die Waffen nad) der Seite Tehrt, von welcher der mädhtigfte Beiftand
zu bolen if. ‚Daß felbft gute Chriften unfer Heidenthum verſchreien,“
beißt e8 in dem Briefe eines Freundes, ‚begreife ih am wenigſten, und
kann ed nur durch die leider nod zu große Unwißenheit entſchuldigen,
worin fie in Bezug auf unfer Alterthum leben. Wenn wir mit der
Kirche auch im alten Bunde eine Tradition annehmen, wenn wir Bors
offenbarungen des chriſtlichen Glaubens und der riftlihen Lehre behaups
ten, die im Judenthum fi finden, im Heiventhum nicht verloren gien⸗
‚gen, menigftend nicht ganz, dann müßen mir gerabe in unferm Hei⸗
denthum eins der mädtigften und gewaltigften Beugnifie für die Kirche
ſehen. Wollte nur einmal Einer der Herren fi die Mühe nehmen, einen
tiefern Blid in den wunderbaren Geift unferes Vorzeit zu tun! Und
hätten unfere Studien nur das Gine vollbraht, baf fie die Ehre der
Tradition fo glänzend retteten, ih meine das müfte genügen, ihnen Dant
und Schuß gerade von dieſer Seite zuzuwenden.“
Die einzelnen Götter.
Allgemeines.
54. Polytheismus.
Bon den Geſchiden der Welt und der Götter gehen wir zu den
Mythen über, melde einzelne Gottheiten betreffen, deren Geftalten wir
zugleich näher ins Auge faßen. Auf Götter und göttlich werehrte Weſen
befcpränft fi aber die Götterlehre, wenn auch an andern Dingen
nad) dem Volksglauben Göttlihes und Uebernatürlihes haftet. Nach
8. 33 nahm Frigg Eide von Feuer und Waßer, Eifen und allen Erzen,
Steinen und Erben, von Bäumen, Krankheiten und Giften, dazu von
allen vierfüßigen Thieren, Vögeln und Würmern, daß fie Baldurs ſchonen
wollten, und denſelben Dingen geboten die Afen, Baldurn aus Held Ge
walt zu meinen,
Noch ein Hriftlicher Dichter, Herzog Heinrich von Breslau (M. ©.
1, 3b), Hagt ven umgebenden natürlichen Dingen fein Leid und fie er⸗
‚bieten ſich zut Halfe:
Ich Mage dir, Mai, ich Mage dir, Sommerwonne,
Ich Mage dir, fichte Haide breit,
Ich Mage bir, augenſtechender Klee,
Ic Mage bir grüner Wald, ich Mage dir, Sonne,
Ic Hage dir, Venus, fehnlic Leid,
Daß mir die Liebe thut fo weh u. ſ. m.
Aber wenn es auch der heidniſchen Anfchauung nicht genügte, bed
einen Gottes Hertlichleit an viele göttliche Weſen zu verſchwenden, wenn
ihr die ganze Natur belebt und begeiftigt mar —
168 Irmincet. 8. 55.
Bir find gewohnt,
Bo es auch thront,
In Sonn und Mond
Hinzubeten, es lohnt. Goethes Kauft II, 151.
— fo mufte fie diefe Belebung und Begeiftigung dod zu zahllos wim:
melnden Geftalten: außzuprägen und jede mit Namen und Charakter aus:
zuſtatten. Götterlofer Naturbienft, Verehrung der Elemente felbft, nicht
aus ihnen erſchaffener Rieſen, Elben und Götter, kann höchſtens für bie
älteften Zeiten des Heidenthums und wieder für die jüngften zugeftanden
werben, als nad dem Siege des Chriftentbums die Namen der alten
Götter verſchollen, ihre Geftalten in Nebel zurüdtraten und nur bie
Scheu vor den Elementen, die Ehrfurcht vor Mald und Quelle u. f. w.
zurüdhlieb.
55. Monotheismus.
In $. 49 fahen wir, wie ber Glaube unferer Bäter ſich in der
Verheißung jenes Mächtigen, der da kommen werbe, ewige Sagungen an:
zuordnen, zulegt wieder zu der Ahnung eines oberften, unausgefprochenen
Gottes läuterte, worin wir menigftens eine Annäherung an den Monos
theismus erkannten. Daß er auch anfänglid von demſelben ausgegangen
mar, wie er furz vor Einführung bes Chriſtenthums zu ihm zurädzulehren
geneigt ſchien, laͤßt fi nur als Hypotheſe hinftellen, für die Vieles fpricht,
während Anderes zu wiberftreiten fdheint, Was ihr das Wort redet,
werden wir gelegentlich geltend machen; bier ſchiken wir nur Folgendes
voraus:
1) In allen deutſchen Zungen iſt das höchſte Weſen von jeher mit
dem Namen Gott benannt worden (Gr. Myth. 12), ver ohne Artikel ge:
braucht, wenn man fi nicht jegt erft zu dieſem Begriffe des allgemeinen
Gottes erhoben hatte, dod einen allgemeinen Sinn hatte, ven man viel:
leicht, als es ſchon viele Götter gab, durch das Compofitum Srmincot
(Hilvebrandal, 28) fefthalten wollte.
2) Treten die Götter auch gleih Anfangs ſchon in der Dreizabl
auf (8.37), die fi zur Zwölfzapl erweitert, dann zu unendlicher Biel:
zahl fteigert, zulegt gar in Naturcultus verlieren zu wollen ſcheint, fo
fehen wir doch, bei den Göttinnen am deutlichſten, der Dreiheit die Ein⸗
heit zu Grunde liegen.
& 56. Gott. 169
3) Die Bielheit der Götter laßt ſich aus dem verbundenen Gottes:
dienft verſchiedenet Voͤllerſchaften und Stämme erllären, bie, als fie zus
fammentraten,, ihre eigenthümlih ausgebildeten Borftellungen von dem
böhften Wefen nicht aufgeben wollten. Die bei jedem Stamme herge: '
brachten Götter wurden nun unter den altüblihen Namen neben einander
geſtellt und zu gemeinſchaftlichen Gottheiten des neuen Geſammtvollkes
ausgebildet, wobei ihr Weſen gegen einander abgegrenzt, ihre gegenfeitigen
Verhältnipe näher bejtimmt werben muften. Auf einen folden Hergang
weiſen unfere Quellen felbft in dem, was fie von dem Friedensſchluß er»
siblen, der den Wanen unter die Götter Asgards Aufnahme verſchaffte.
So könnte Thoͤr, dem die Knechte, eigentlich nur die freien Bauern, zus
fallen, aus dem Dienft unterjochter Stämme berühren, während in Odin
der Geber des Siegs feit der Verbindung der Eulte nur ftärter als
früher herportreten muſte.
4) US einmal die Vielheit durchgegriffen hatte, bevöllerte ſich ber
Götterhimmel vollends durch die Beinamen der Götter, die urfprünglic
zur Bezeichnung einzelner Seiten und Cigenfchaften einer Gottheit erfunden
bald zu felbftändigen Weſen erwuchſen. Auch kann dasſelbe göttliche
Weſen ſich durch den Unterſchied der Geſchlechter verdoppeln, wie neben
Berhta ein Berchtold auftritt, neben Nerthus ein Njördr, neben Freyia
dreyt.
Bas aber gegen die urfprüngliche Einheit ſpricht, iſt auch nicht gering
anzufhlagen. Wie die älteften Mythen Naturmythen waren, fo liegen
and den Göttern Naturkräfte und Glemente zu Grunde. Am deutlichſten
zeigt ſich dieß in einigen der ſ. g. Trilogieen der Götter.
56. Gott.
Wir wollen von dem Ginen Gotte ausgehend bie Trilogieen und
Dodelalogieen der Götter im Allgemeinen betrachten; ihre unendliche Ber:
vielfältigung, der ſchon durd die Verdreifachung Thür und Thor geöffnet
war, läßt ſich hier noch nicht überbliden.
Die wurzelhafte Bedeutung des Namens Gott (goth. gath) erklärt
Grimm M. 12 für unerforfht: den Zufammenhang mit dem Adjectiv
gut (goth. göds), das Tangen Bocal hat, wies er noch ab. In der
G. D. 6. 541 gefteht er, neuerdings ſei (Ernſt Schuljes goth. Gloſſar
6. XVII) ein ſchmaler Pfad gebrochen, ber zu biefem Zufammenhang
170 Abvater. 4.57.
hinführe, den ber Begriff fordert und bie Sprache durch den Stabreim an:
deutet, indem fie Gott den guten und gütigen nennt. Den Heiden war
das Wort männlich; in chriftliher Zeit Tonnte ed zur Bezeichnung ber
Abgötter gleich diefem Worte felbft (dad Abgott) auch neutral gebraucht
werben.
Alle inbogermanifen Sprachen befigen einen gemeinfamen Namen
für Gott, fr. dövas, Tat. deus, gr. Ieds, wozu fid das eddiſche Tyr
(ochd. Zio) und der alte Plural tivar Götter ftellt,
Gott heißt Allvater, nicht bloß in der j. Edda und Hrafnagalor 1,
wo man criftlichen Einfluß vermuthen dürfte, auch Grimnism. 47 und
Helgalwidha II, 38, alſo in den älteſten Liedern, iſt es ein Beiname
Dpind. Bei der Schöpfung verbarg fi Allvater; in der jepigen Welt
vertritt ihn Odin; die verjüngte beherſcht er als jener Maͤchtige, der
Alles fteuert, Wöl. 63, oder als der unausgefprochene Gott, der nah
Hyndlul. 4 einft kommen fol. Aber ſchon Tacitus c. 39 läßt die Sem⸗
nonen einen allwaltenden Gott verehren, dem Alles unterworfen und ges
borfam war: regnator onınium Deus, oetera subiecta atque pa-
rentie. Auch miötudhr (Sigurdartw. II, 68, Obbrunargr. 17), agf.
meotod, altj. metod (Meßer) bezeichnet den Schöpfer, der allen Dingen
Biel und Maß verlieh, und wie die alte Sprache Gott Bilder ſchaffen,
meßen und gießen läßt, fo ſcheint auch Gaut (alth. Köj), wie bald ein
Sohn, bald ein Ahne Odins, bald er felber heißt, ven Gott zu bezeichnen,
der die Welt aus ſich ergoßen hat, ja in alda gautr (Wegtamstw. 2. 13) iR
diefer Sinn unzweifelhaft. Wie diefe und vielleicht noch einige andere
Beinamen Ddins, die beßer andermärts erörtert werden, als Erbftüde aus
der Hinterlaßenfhaft des Einen Gotte8 an den Vater der deutſchen Götter
gelangt fein mochten, jo werben wir feine Macht und Eigenſchaften auf
verſchiedene Götter vertheilt finden, obgleih Ddin das Heergeräthe vor:
meggenommen bat,
57. Trilogieen.
Xrilogieen der Götter haben wir ſchon $. 37 zufammengeftellt : es
waren fämmtlich Brübertrilogieen. Als folden lönnten ihnen bie brei
Söhne des Mannus, Iſto Ingo Irmino, $. 7, beigefellt werben, und
Sol Luna Bulcanus, welde die Germanen nad Cäfara Meldung B. G.
VI, 21 als fihtbare und hilfreiche Götter allein verehrt haben ſollen.
% 57. Sel Kuna Yalcanıs. ı
Da wir in jenen obigen Trilogieen den Bezug auf die Elemente Luft,
Baßer und Feuer hervorgehoben haben, fo fällt auf, bier eines derfelben,
daB Feuer, wieberzufinden, was wenigſtens zu dem Verſuch ermuthigt,
auch dieſe Triaß unter daB gleiche Schema zu bringen:
Luft Waßer Feuer
Rari Degir Logi
Odin Hornir Soli
Sol Luna Vulcanus.
Da wir Odin als Himmels⸗ und Geſtirngott kennen, jo wurde das
ee Glied ſich wohl fügen, wie das dritte augenſcheinlich entſpricht; das
weite macht aber, aller belannten Beziehungen des Monds auf das Waßer
ungeadtet, Schwierigkeit. Gleichwohl beruht gewiſs nur bie negatine Seite
des Berichts auf mangelhafter Beobachtung ; bie pofitive wirb durch
Boltsfagen beftätigt. Wer ein Freifhüg werden will, muß brei Schuße
tun: einen gegen die Sonne, ben andern gegen den Mond, ben britten
gegen Gott. Bol. Baaders Bad. Bollsfagen 393. Temme Pomm. ©. 312.
Reier Schwaͤb. I, 116. Wolf D.6. 192. Kuhn W. S. 340. Nah ver
Meldung des Dlaus Magnus verehren Bolarvölter ein über ihnen ſchwe ⸗
bendes rothes Tuch, das aud in unfern Herenfagen, namentlich beim
Buttermachen, hervortritt. Es wird hinzugefügt, der rothen Farbe legten
dieſe Völker wegen ihrer Nebnlicleit mit dem Menſchenblute göttliche
Araft bei. Da wir nun wißen, daß Blut und blühende Farbe von Loki,
dem dritten Gotte, verliehen wurde ($. 17), fo gewinnt bie Nachricht Ber
deutung. Nun aber überrafcht ed, daß Dlauß neben dem rothen Blute
noch Sonne und Mond als göttlich verehrte Weſen nennt, Wolf N. S.
703. Der Schuß gegen Gott, der das Maß des Frevels voll macht,
und in einigen Sagen die Strafe unmittelbar nach ſich zieht, müfte im
ver heidniſchen Zeit dem Lofi (Bulkanus) gegolten haben, der in biefer
Auffopung ald der höchfte unter den dreien, ja da der legte Schuß gegen
den Himmel gerichtet ward, ald Himmelsgott erſchien. Wir werden aber
fehen, daß Donar in Deutſchland als Feuergott galt, und auf ihn mag
auch das rothe Tuch zu beziehen fein, jo daß anzufegen wäre:
Luft Waßer Feuer
Sol Luna Herkules
Io Inge - Irmino.
Bir haben hier noch ein viel größeres Wagniſs unternommen: bie
wei Göhne des Mannus haben ald Staminväter dreier deutſcher Stämme
172 Trüsgicen. 8% 57.
vielleicht nur ethniſchen Gehalt ; indeſſen fügen fi die beiden legten Glie⸗
der befriedigend; nur das erfte macht Schwierigleit; aber überhaupt ift
mit diefem Iſto am wenigften anzufangen und feine Beziehung auf bie
fräntifhen Stämme halte ich für unthunlich.
Solche Brübertrilogieen, welche unten $. 125 bei ben Zwergen nod
vermehrt. werben follen, fprechen dafür, daß. die Mythen nit von einem
einzigen Gotte auögiengen, fonbern die Vielheit der Elemente ins Auge
faßten. Warum das vierte Clement, die Erde, fehlt, ift leicht zu fagen.
Die Erde ift der Träger, ber gemeinfame Grund, auf bem bie drei Ele:
mente walten; als bie große Lebensmutter ift fie die meiblihe Gottheit,
welcher fih der herſchende Gott der Trilogie ald Himmels und Somen-
gott vermählt.
Eine andere Claſſe von Trilogieen zeigt weber Bezug auf bie Gler
mente, noch erfheinen bie verbundenen Götter als Brüder.
1. Dahin gehört zuerft die Trias, melde Tac. Germ. 9 Mercu:
rius, Hercules und Mars nennt: ic glaube fie als Odin, Thör und Tyr
(Buotan Donar Zio) verftehen zu dürfen. Mit Ddin hat dieß kaum
Bedenken, da auch Paulus Diaconus I, 9 Mercurius für Gwödan nimmt,
womit ber ältere Jonas von Bobbio (Myth. 109) und Wilh. von Mal:
mesbury (Myth. 116) fo wie die Vergleihung der deutſchen und lateini⸗
ſchen Namen unferer Wocentagsgätter ftimmt. Lehtere beftätigt auch,
daß Mars auf Tor (Zio—=Eor) zu deuten it; nur Hercules = Thör
tönnte Anftoß geben. Allerdings hätte man für Thör Jupiterd Namen,
des Domnergotted, erwartet; was aber den Römer bei Thör an Hercules
erinnern mufte, ift $.83 bei feinem Mythus hervorgehoben.
2. Die nächte biehergehörige Trias ift die ber brei männlichen
Wochentagsgötter: Mars Mercurius Jupiter — Tyr Dbin Thör ober
Zio Wuotan Donar, deren geheiligte Tage aufeinander folgen und bie
Mitte der Woche bilden. Es find wiederum biejelben Götter, wenn wir
jene erſt richtig gedeutet haben.
3. Eine britte findet fi in der ſ. g. altſächſ. Abſchwörungsformel:
Ihunaer Woden Sarnöt, Die Vergleihung lehrt, was fie auch fonft be:
ftätigen wird, daß Sarnöt mit Tyr zufammenfällt,
4. Die vierte entnehme ih aus Adam von Bremens Nachricht über
die Bilder der in Ubfolas goldenem Tempel verehrten Götter, die er
Wodan, Thor und Frieco nennt. Freyr (Fricco) hat bier Tyrs Stelle
eingenommen. Auch fonft erfhienen dieſe Götter als die höchſten. Beim
%57. Armlnſal. 173
legten Weltlampf werden Odin, Ihör und Freyr hervorgehoben. Daß
Heimdal und Tyt hier urfprünglic keine Stelle fanden, habe ich $. 46
gezeigt; Widar kommt nur nachträglich hinzu, Odins Fall zu räden.
Sollen die drei mächtigften Götter Asgards aufgezählt werben, fo finden
mir Odin, Thör und Frege genannt. Go in der Erzählung der Skalda
(D.61): drei Zwerge, Iwaldis Söhne, hatten drei Aleinode gemacht:
Sifs Golohaar, der Gemahlin Thörs, Odins Spieß Gungnir und Freys
Schiff Slidbladnir. Schon diefe drei Kleinode bezogen fih auf unfere
Ariad. Aber nun mettete Lofi mit dem Zwerge Vrod, daß fein Bruber
Sindri nicht drei eben fo gute Kleinode machen könne. Da ſchmiedete
Sindri Freys Eber Gullinburfti, Odin: Ring Draupnir und Thörs Ham:
mer, alfo wieder drei Kleinode für biefelben Götter. Noch mehr, als vie
wölf richtenden und rathenden Götter fih auf ihre Stühle fegten, die
Bette zu entſcheiden, legten fie dad Urtheil in die Hände eben biefer
dreie, mit andern Worten, die Götter ver Zwoͤlfzahl ftellen die Entſchei⸗
dung den Göttern der Dreizahl anheim. Mit dem Zorn derſelben Göts
terttias wird Skirnisför 33 gedroht.
5. Eine fünfte mit der weiten und britten zufammenfallenbe ergiebt
das erfte Gap. der Slalda, wo Ddin, Thor und Tyr aus der ganzen
Zahl der Götter hervortreten.
6. Vielleicht kann eine ſechste Widukinds bekannter Stelle von dem
Siege der Sachfen über die Thüringer an der Unftrut entnommen werben.
Sie errichteten ihrem Gotte, den ich hier wieder für den höchſten, ven
Gott Aller (Irmingott) ‘halte, einen Giegesaltar, nomine Martem,
efügig columnarum imitantes Herculem, loco Solem, quem
Grasci apellant Apollinem, d.h. fein Name gemahnte an Mard (weil
auch diefe Säule Irminſul oder Hirminfül hieß, Hirmin aber auf Herr
mes leitete, wie die Griechen den Mars genannt hätten: quis Hirmin
vel Hermes graece Mars dieitur), die Säule an Hercules wegen der
Sereulesfäulen, der Ort der Aufſtellung (ante orientalem portam) an
die Sonne (Apollo). Bon einer Trilogie ift hier außbrüdlic feine Rebe,
dech ſchwebt fie wohl dem Verichterftatter vor, indem er ihre Glieder als
Romente des Einen hoͤchſten Gottes auffaßt. So mährte au die Gier
geöfeier drei Tage, und in der Fahne, die zu dieſem Siege geführt
batte, fah man drei Zhiere, den Löwen, Dradyen und drüber ſchwebenden
ler,
Bir gewinnen alſo folgendes, künftig zu benugendes Schema:
174 Dreijchn. 858.
1. Mars Mercur Hercules
2. Mars Mercur Jupiter
3. Samot Boden Thunaer
4. Fricco Wodan Thor
5. Tyr Dpin Thor
6. Mars Apollo Hercules
7. Drache Adler Löwe.
58. Dodekalogieen.
Die Dodelalogieen der Götter ſcheinen weniger wichtig, weil babei
mwilltürlicher zu Werke gegangen wird, Die j. Edda bemüht ſich, aud die
Zahl der Göttinnen auf zwoͤlf zu bringen, und bier ift die Willkür am
fihtbarften ; bei den Göttern zeigte fie fi mur in der Wahl der Götter,
welche ald die zwölf höchften aufgezählt werben. Die Zahl zwölf ftand
feſt: Hyndlul. 28 heißt es: nad Baldurs Tode feien eilf Aſen geählt
worden; zwölf Afenföhne nennt die rätbjelhafte Str. 34 von Fiölfwindm,
und D. 20 fagt ausprüdlih, es giebt zwölf himmliſche Afen. Aufge
zählt werden dann aber vierzehn mit Inbegriff Odins, und rechnen wir
dieſen ab, als ver dreizehnte Loli. Wie die. Zahl dreizehn auf manderlei
Wegen in Berruf gelommen ift, fo mag auch Lolis Gtellung zur Dobe
talogie der deutſchen Götter dabei mitgewirkt haben. Der Gingang von
Bragaröbur (D. 55) nennt zwölf andere Afen (Odin fehlt); daneben adt
Afinnen. Ein briltes Verzeichniſs giebt Stalofl 75 und hier üft wieder
Zoli der dreizehnte. In allen dieſen Berzeihniffen find Wanen unter
Asgards Götter aufgenommen, nur in Grimmism. bei Aufzählung der
zwölf Himmelsburgen Götter mit Göttinnen verbunden. Hier werden
Str. 30 auch die Pferde der Götter aufgezählt; es find ihrer aber nur
zehn, da Gleipnir, Odins Hengft, und Blodhughöfi, das Slaldſt. 58 als
Freys Roſs (reidh bani Belja Blödhughöfa) genannt wird, fehlen.
Nehmen wir diefe hinzu, fo find ihrer hier, wie aud D. 15, wo Sleipuit
binzufommt, zu viel, indem won Thoͤr an beiden Stellen bemerkt wird,
was wir au font wißen, daß er zu Fuße gehe und Ströme wale, wie
wohl er fonft auch fährt. Bon Baldurs Roſs wird an legterer Stelle
erinnert, e8 fei mit ihm verbrannt worden, und fo fönnte man glauben,
da nur eilf aufgezählt werben, es ſei nicht mitgerechnet. Die Vergleichung
hilſt aber nicht dazu, die Namen ber zwölf Götter zu ermitteln, gumal
% 59. Arumzahl. 176
wir von den mwenigften wißen, welde Sengfte ihnen gehören; nur von
Odin, Freyt und Heimdall ift es belannt. Slaldſt. 58 miſcht die Helven-
und Bötterpferde. Ohne die Wanen laßen ſich zwölf Aſen aufzählen:
Din, Thör, Tor, Baldur, Hödur, Heimdall, Hermödr, Bragi, Forfeti,
Uler, Bali, Widar. Aber offenbar find Bragi und Forfeti, vielleicht
aud Widar, der erft in der erneuerten Welt auftreten follte, in Abzug zu
bringen, fo daß urfprünglih nur neun Afen waren, den neun Tagen ber
alten Woche entſprechend. Erſt al die Wanengötter Aufnahme fanden,
Rieg die Zahl auf zwölf und darüber. Auch bei den Göttinnen wird bie
Zahl neun älter fein: wir finden neun Mütter Heimballs, neun Mägde
zu Mengladas Füßen, alle der Heiltunft fundig, neun Töchter Degird u. |. m.
Vermuthlich ſchritt man erft dur Sieben und neun zur Zwölfzahl
fort. Neun Häupter wurden bargebradit bei dem. großen Opfer zu Ub-
fola, von dem Adam von Bremen fpricht (Myth. 46), wie noch fpäter
bei Opfern diefe Zahl vorherſcht, 3. B. Baader 38. Neun Götter er:
feinen in Grimnism. neben drei Göttinnen, und fo wird vie Zahl ver
woölj Himmelswohnungen herausgebradt. Die Nornen oder weiße Frauen,
deren gewöhnlich dreie find, treten in deutſchen Sagen wohl au in ber
Giebenzahl auf, Panzer 108, Baader 80. 186; in den Walküren fteigen
fie zulegt bis auf dreizehn, Grimnism. 36 und D.36. In der Wölufpa
24 fanden ſich nur ſechſe, wozu wohl Freyja die fiebente war. Statt ver
fo oft erſcheinenden zwölf alten Männer, Baader 67. 142, in welchen
die zwölf Götter Asgards in Erinnerung blieben, finden ſich oft nur
feben; bei Harrys I, 33 zeigen ſich ihrer aber wieder dreie, darunter
Giner (Wuotan) einäugig; auch rebeten fie eine unbelannte Sprache, die
Eprache der Götter. Vgl. Gödihe ShL 5.247.
39. Aſen und Wanen.
Die deutſche Mythologie kennt fünf Claſſen göttlier Weien : Afen,
Bauen, Riefen, Alben, Helden. Die Helvenjage erfordert aber wegen
der hiftorifhen Beſtandtheile, vie in fie aufgenommen find, eine gejon:
derte Abhandlung; hier können die Helden nur gelegentlich zur Sprache
Iommen, da wo ihr mythiſcher Urfprung ſich nachweiſen läßt, denn das
Vethiſche bildet den feften Kern und des Hiftorifhen ift in der eigentlich
deutſchen Heldenfage, fowohl in der gothifhen als in der fraͤnkiſchen, nur
wenig angeflogen, in ber fraͤnliſchen freilih am wenigften. In der jün-
176 Sriedensfhluß. 8. 59,
gern fränkischen Helvenfage, die wir die Kerlingiſche nennen, mag
man einen biftorijchen Kern annehmen, aber er ift von dem myjthiſchen
Anflug überdedt und oft bis ins Untenntlihe verändert. Die Anfiht, daß
die Helden vergöttlihte Menſchen feien, fann nicht einmal bier eine Stüge
finden. Der Kaifer Karl des Kerlingiſchen Epos iſt von dem Karl, defien
Biograph Eginhard war, zuweilen z. B. in der Rolandsfage, grundverſchieden.
Die beiden erften Claſſen find jept eigentlich allein noch als Götter
im vollen Sinne des Worts zu betrachten, da von den Rieſen, der älte
ften aber früh geftürzten Götterbynaftie (S. 15), ein. freilich junges Zeug
niſs fagt, daß jie böfe jeien unb bie Elben wenigftens zwiſchen gut und
böfe ſchwanken. Spuren den Rieſen gewidmeter Derehrung werben noch
nachgewiefen werben; den Alfen dargebrahte Opfer find ausdrücklich bezeugt.
Es könnte feinen, die Niefen wären vor den Göttern abzubandeln,
weil fie älter wären als diefe, und weil die Götter felbft in ihrer älteften
Beftalt nicht viel mehr als Riefen waren, da fie aus Naturgöttern als
mählich erft zu fittlihen Mächten erwuchſen. Aber wenn der Dienft der
Rieſen älter war als der Götter, fo haben dieſe fie doch nun geftürzt,
ihre Macht in mohlthätige Schranken zurüdgemwiefen, und wir wollen uns
hüten fie zu brechen. Die Niefen vor die Götter zu ftellen, ſähe einer
Gegenrevolution ähnlich, die wir keineswegs beabſichtigen: wir haben es
als der Menſchen Pflicht anerfannt, den Göttern im Kampf gegen die
weltzerftörenden Mächte beizuſtehen. Noch weniger Anſpruch, an bie
Spige geftellt zu werden, haben die Zwerge, die von den Göttern erft er
ſchaffen find ($. 18). So bleiben und zunähft Aſen und Wanen übrig,
deren Gegenfaß uns ſchon $.24 entgegentrat. Er war bort in einen
Krieg auögeartet, der durd einen Friedensſchluß beigelegt ward, dem zu:
folge Njörde und feine Kinder Freyt und Freyja den Afen zu Geiſeln
gegeben wurden, während Hoenir der Afe, Odins Bruder, in gleicher Ei⸗
genfhaft zu den Wanen kam. Vgl. D. 23. 57. Wöl. 62. Nach der Heims:
tringla 1, 4 begleitete Mimir den Hönir, aber den Njörd Kwaſir, welder
danach ein Wane wäre, während ihm D.57 gemifchten Urfprung beilegt.
Nachdem fo die Wanengötter in Asgard Aufnahme gefunden hatten, find
Asgards Götter nicht mehr alle Afen, einige unter ihnen find waniſchen
Urfprungs ; aber nod andere riefigen, wie Skadhi, Njörds zweite bald
wieder von ihm geſchiedene Gemahlin: jedenfalls find fie fein ‚burdh ge:
meinfame Abftammung altverbundener Götterverein. Weinhold Zeitſcht.
859. Wanen. 17
VH, 4. Gher ließe ſich dieß von den Wanen fagen, die wenigſtens eine
Familie bilden.
Bie der Gegenfag zwiſchen Wanen und Afen durch den Friedens ⸗
fölnß wieder aufgehoben wurde, fo war er aud Fein urfprüngliher. Die
verſchiedenen Bötterfofteme, welhe ver Friedensſchluß verihmolz, hatten
fih bei verwandten Stämmen gebildet, die von Haufe aus viel Gemein
ſaues befaßen. Die Meldung des Tacitus Germ. Cap. 40 von ber
Rerthus, in der wir die erfte, in der Coba unbenannt bleibende Gemahlin
Rörds, von der er ſich bei der Aufnahme unter die Aſen ſcheiden mufte,
wiedererfennen, Täßt vermuthen, daß es ſue viſche, meeranwohnende
Etämme waren, die diefen Gultus ausgebilvet hatten, und damit fiimmt
Riörds Bezug auf die Schifffahrt; und die zwiſchen Meer und Land ger
theilte Wirlſamkeit aller Wanengötter. Wie aber Njörd als ein Vater
der Götter in einem andern Syſtem erſcheint, fo finden fih alle Eigen
Whaften feines Weſens bei Odin, dem Bater der Aſen, wieder. So fällt
die Rerthus, welche Tacitus ald Mutter Erde bezeichnet, mit der Jordh,
Deind erfter Gemahlin, zufammen. Wenn bie ſueviſchen Völker, welche
den Banendienft hergebracht hatten, im Waßer ben Urfprung der Dinge
ahnen mochten, fo liegt biefelbe Anfhauung dem Schöpfungsmythus zu
Gnmde, der ſchwerlich bloß ſueviſch war. Und ließen die Möller, von
weldien ber Ajendienft ausgieng, ihre Götter auf Bergen ober im Himmel
thronen, die Wanen in den Tiefen ber Erde oder im Schooße der Flut
(8.69), fo greift auch dieſer Unterſchied nicht durch, da wir aud Aſen ⸗
götter bergverſunken finden und Odin als Ufer ($. 91) in bie Unterwelt
gebt, der er auch fonft verwandt if. Die Wanen ald Götter des Ger
mäth® und der finnlihen Begierden zu faßen, dienen wir 8.24 aller
dings berechtigt; aber auch Odin ift ein Gott der Liebe, unb daß bie
Banen in der erneuten Welt nicht wiebergeboren werden, Tann für eine
Folge der fittlichen Richtung gelten, welche feit der Wölufpa herſchend
wurde. Wenn Müllenhoff Zeitſchr. VII, 440 jagt, ‚vie Summe der Wirk
ſamleit der Wanen für die Menſchen ift ein behagliches und anmuthiges
eben in Fülle und ‚Frieden, Milde und Freundlichleit, und bie Doppel:
keitigteit ihrer Thätigfeit macht den eigenthümlihen Charakter dleſer Goͤt⸗
ter aus, der fie fehr beftimmt von den Andern unterſcheidet', fo ſcheint
‚war hiermit das Richtige getroffen; aber doch konnte Freyia, die mit
ide, der Kriegsgöttin, zufammenfällt und fid in den Walküren verviel-
ſaligt, zu einer nordiſchen Bellona werden, Freyr eriheint als Drachen ⸗
Gimzet, Viytholodie. 12
178 Ken. "E58
lämpfer und Gewittergott, und ſchon bei der @öttermutter (Germ. 45), bie
mit der Nerthus, der Terra mater Cap. 40 eins ift, finden wir wie bei
Freyr den kriegeriſchen Schmud der Cherhelme.
Auch auf etymologiſchem Wege läßt ſich ein fefter Unterſchied wiht
gewinnen. Man leitet die Wanen von van (deficiems) ab und finde
in ihrem Namen den Begriff des’ Berlangens. Geht man auf das nei.
veenr (pulcher) oder altf. wanum (splendidus) zurüd (G. ®. 6. 653), fe
erſcheinen fie ald die fhönen Götter, wie fie bie Götter der ſchönen Jah:
teözeit find, die man im Winter geftorben dachte. Damit ftimmt, daß
von Freyrs Gemahlin Gerda Luft und Waßer wiberftralten ($. 29) mb
Njordr von Stabi feiner ſchönen Füße wegen gewählt warb D. 56.
Auch der finniſche Liebesgott Wäinamoinen ift ähnlich benannt. Aber
auch Odin fehen wir im Winter Walpall verlaßen, womit fein Aufenthalt im
hohlen Berge zufammenhängt, Thor erwacht im Frühling, fo daß ſich auch bier
eine Spur gleiher Auffakung zeiyt. Cinen durchgreifendern Unterſchicd
ſcheint der Name der Ajen zu gewähren (norb. As, pl. aesir, goth. und
ahd. ans, pl. anseis, enst, agl. s, pl. &s, Mych. 22). Gr bedente
auch Balken oder Säule und begeihnet die Bötter ald vie Wage md
Tragebalten des Weltall, was an bie Haften und Bande (höpt und
bönd $.24) erinnern würde ; ober hängt es mur damit zufammen, daß
die Bilder der Götter an den Pfeilerbalten des Hochſides awsgefhuipt
waren? Bei lepterer Annahme bliebe unerllärt, daß auch Bergrüden, die
wie jener Atlas, als Träger des Himmelsgewölbes angejehen werben
mochten, altn. As heißen.
Ergiebt nun bie Vergleichung, daß die Afen der Welt, deren Grund⸗
pfeiler fie find, im phyſiſchen wie im ’fittlichen Sinne, Beſtand und Dazer
fihern, während wir wißen, daß von den WanenfAlles auögeht, was das
Leben mit Reiz und Anmuth jhmüdt? Hiergegen Hehe fi nicht ein
wenden, daß Odin ber Gott des Geiſtes, auch ber Dichtkunft worficht,
denn ohne der Wanen Zuthun hätte der Vegeiflerungdtrant ber Gotter
D. 57 nit gebraut werben können. Aber auch dieſer Unterſchied, fo
feſt er fteht, Tommt doch vielleicht nur auf Rechnung der Ausbildung ur
fprünglich gleicher Ideen bei Stämmen verſchiedener Gemüths ⸗ umd Ger
ftesanlagen.
Ihres weſentlichen Unterſchieds wegen brandten wir alje Aſen mb
Wanen nicht zu fonbern. Es bleibt übrig, daß fie Götter verichiebener
aber body immer beutiher Stämme waren. Die Wanen Löunen ben
860 Adicfal. 179
gethiſchen Völkern angehört haben, die Aſen ven Weftgermanen. Neuer:
dings wollte man fie den Slaven zueignen, von denen fie aber lautlich
abfehen; mur Kwaſit erllärt fih aus dem ſlaviſchen Kvas fermentum.
Der Rame der Nerthus ließe auch an die Kelten venken, bei denen das
Bort Nerthus fehr häufig vorlommt, und zwar in der Bedeutung von
Kraft, was einen ſehr pafienden Einn ergiebt, wenn wir ihn auf bie
Ariebtraft der Natur beziehen. Dgl. Chr. W. Glüd Die Keltifhen Namen
bei Gaefar, Münden 1857. Aber im zweiten Gliede find die Namen wieber
ganz deutſch. Auffallend bleibt e8 immer, daß fih von dem Ramen ber
Banen in Deutſchland kaum Spuren erhalten haben, als etwa in ber
Oberpfalz (Scönwerth Sitten und Sagen II, 185); ferner in Wanne
ihella $. 109 und in Wannemond, wie in Oßnabrüd der Februar
heißt. Lepteres hat Schade (Urfula 113) aus Strodtmanns Idiotilon
278 nachgewieſen, aber in
Wanne, wie renne be Riitersfnedit!
Banne, wie flonfe de Junke!
ſcheint es Interjection. Anklingende Orts und Perfonennamen zählt
Quipmann Religion der Baimaren 1860 ©. 13 auf.
Bern wir zuerft die eigentlihen Ajen abhanden und dann im fol-
genden Gapitel von Hel und Nerthus ſowohl die Wanen ableiten ald mit
Ausnahme der Jord alle Göttinnen, ob fie gleih Aſynien hießen, jo ber
wegt uns zumäcft der Vortheil, welchen biefe Anoronung für die Dar:
Relung gewährt; fonft möchten die Wanen als die älteften (da bei ihnen
nech Gefhwifterehen galten, Duipmann 19) ben Vortritt verdienen.
60. Schiefal,
Bir haben un geweigert, die Rieſen vor den Göttern abzuhandeln,
denn obgleich fie älter find, fo ftehen fie und doch nicht höher. Aber
zum lentt ſich unfer Blid auf eine Macht, die älter ift als die Niefen,
böher und mächtiger ala die Götter. Wie fie vem Schidfal unterworfen
ad, hat umfer erſtes Yuch dargethan, deſſen Weberihrift ſchon andeutete,
daß ed das Geſchick in feiner großartigften Erſcheinung baritellen wollte.
Weder Baldurs Tod noch den legten Welttampf wuften vie Afen abzus
wenden, obgleich fie ihm vorausſahen. Sie vermögen nichts gegen eine
höhere Weltorbaung, ja Einzelnes begiebt fid wider ihren ausgeſprochenen
180 Opfernde Götter. 8. 60.
Billen, wie der Sieg, den Brynhild dem Agnar verlieh, mährenb ihn
Odin dem Hialmgunnar zugedacht hatte. Aber das Schicſal, das auch
die deutfhen Götter zu verehren haben, ift vielleicht mehr als eine um
beugfame, unerbittlie Nothwendigfeit, die in der Natur der Dinge ber
gründet ift, die fie nicht geſchaffen haben, da fie nicht die erſten Schöpfer
der Welt, fondern felbft erft aus der Schoͤpfungsgeſchichte hervorgegangen
find. Es ift den beutfhen Göttern eigenthümlich, daß fie jelber Opfer
male halten, aus Blut und Eingeweide weißagen, mit Runen bezeidnete
Stäbe ſchutteln und das Looß befragen, wie es ber Eingang der Hymis ⸗
wida gefcheben läßt. Dieſes Opfern ber Götter müfte fehr auffallen,
wenn das Schidfal nichts als eine blinde Nothwendigkeit, ein todter Ber
griff wäre: denn nur einem perfönlich gedachten Gotte kann man opfern.
Es laßt ſich einwenden, hier walte eine Vermenfhlihung der Götter: wie
fie vem Schlaf, ja dem Tode unterworfen find, Trank und Gpeife ge
nießen, an ber menfchlihen Sprache Xheil nehmen, gelleivet und gemaff:
net reiten und fahren, fo laße fie der Dichter auch das Schidfal befragen
und DOpfermale halten. Aber ift dad mehr ald eine Ausrede ?
Der Eingang eine andern Liedes Odins Rabenzauber’ ($. 32)
deutet dad Verhalten der verſchiedenen göttlichen Wefen gegen das Schidſal
mit geheimnifsvollen Worten an:
Allvater waltet, Affen verftehen,
Wanen wißen, Nornen weilen;
Swidie nährt, Menſchen dulden,
Thurfen erwarten, Walfüren traten.
So jung Hrafnagalbr fein mag, gerade biefer Eingang, der mit dem
Folgenden unverbunden ift, möchte überliefert fein. „Allvater waltet':
wenn bier Odin gemeint wäre, wie jähen wir denn in bemfelben Gedicht
ben Gott fo ängftlih um Baldurs Schidſal beforgt ? Gewiſs zu biefem
Liebe, dem er vorgejept ift, paſste der Eprud am wenigften.
Freilich auch in dem felbftändigen Spruch müfte unter Allvater Dbin
verflanden werben, denn fonft findet weder Cr noch die übrigen Aſen,
wie man doch erwarten würde, eine Stelle darin. Wird num bier bad
Schidfal, wie häufig geſchieht, in bie Hände der Götter gelegt, ober ift
dieſer als Allvater waltende Odin, der felbft in der Rolle des Schichals
auftritt, ein anderer und höherer, als ven wir in den Gefdiden ber
Welt und ver Götter kennen gelernt haben? Iſt er derſelbe, dem im
560. Regin. 181
Eingang ber Hymisfwidha die Götter opfern, das perfönlich gedachte, nicht
unerbittfihe Schidfal ? denn welchen Sinn hätte das Opfer, wenn Allvater
fi nicht erbitten Tiefe ?
Ran konnte fagen, Opfer und Weißagung gehören zufammen, das
Opfer it nur da, damit aus dem Blut des Opferthierd geweißagt werben
finne. Wie dem auch fei, denn zur Gewiſsheit gelangen wir hier nicht,
das Schidſal lommt zu perfönlier Erſcheinung nur:
1. in Allvater, dem regnator omnium Deus, Tao. Germ. 39.
Doch iſt auch diefer Allvater ($. 56) verbunfelt und wir vermuthen nur;
daß er ſich bei der Schöpfung verbarg und in Fimbultyr (Wöl, 59) und
dem unausgeſprochenen Gotte nad $. 49 am Ende der Beiten erft lom ⸗
wen und hervortreten fol, Der Anfiht, dab Allvater in der jegigen
Belt nur in Odin erfcheint, der daher in höherer Auffaßung als Allvater
gedacht werden könne, ſpricht das Wort, wenn es Cod. Exon. 341, 28
von Böden heißt: ‚das ift der reiche Gott, der ung Alles verlieh, wonon "
wir leben — und wieder am Ende über daB ganze Menſchengeſchlecht
walten wird: das ift der Schöpfer felbft.‘ Val. Bouterwed Cädm. XCVIIL
2. in den Regin, den weltorbnenden, weltberathenden Mächten, welche
die Götter felber find, dann aber natürlich nicht als den Göttern übers
geordnete Macht. Die Regin haben wir oft genug ſich auf ihre Richter
fühle fegen fehen: fie bebürfen keiner Grllärung. Aber bort beriethen
fie die Geſchike der Welt; mie fie auch dem Menſchen ‚ertheilen‘, fein
beſcheiden Theil’ durch ein Urtheil ermitteln, fehen wir (FAſ. TI) in der
Gautref. Gap. 7, wo Hrofahärägrani (Wferbehaarbärtig) feinen Pflegling
Slatladr um Mitternacht wedt und mit ſich gehen heißt. Sie fahren im
Boot nad; einer Inſel, fteigen aus und finden im Wald auf einer Bloͤße
viel Bolt verfammelt, einem Gerihte beizumohnen. Eilf Männer faßen
auf Stühlen, der zwölfte Stuhl war leer. Da nahm Hrofshärägrani den
ölften Stuhl ein und warb von Allen als Odin begrüßt. Nun ver⸗
langte er, die Richter .follten Starkads Schidſal befiimmen. Da nahm
Mr das Wort und fprah: Aljhild, Starkads Mutter, wählte feinem
Eohn einen hundweifen Zötunen zum Vater, nicht Afathör: darum ſchaffe
ich dem Starlabr, daß er weder Sohn noch Tochter haben und ber legte
feined Geſchlechts ſein fol. Da ſprach Odin: Ich fchaffe ihm, daß er
drei Menſchenalter lebe. hör fprah: Im jedem Menſchenalter foll er
ein Neidingswerl, eine Schandthat vollbringen. Odin ſprach: Ich ſchaffe
ihm, daß er die beſten Waffen und Kleider habe. Thör verfegte: Ich
188 Urler. 6
ſchaffe ihm, er foll weder Land noch Grund befigen. Odin ſprach: Ich
gebe ihm, daß er viel Geld und But habe. Thor verfepte: Ich lege
ihm, daß er nie genug zu baben glaube. Ddin ſprach: Ich gebe ihm
Gieg und Gejhidlicleit zu jedem Kampfe. hör verfegte: Ich lege ihm,
daß er aus jebem Kampfe eine Knochenwunde heimtrage. Ddin ſprach:
Ich gebe ihm Stalvenkunft, va er eben fo fertig dichte ala ſpreche. hör
verfegte: Gr fol nicht behalten können, was er gebichtet hat. Odin ſprach:
Ich ſchaffe ihm, daß ihn bie edelften und beiten Männer werth halten,
Thor fprah: Dem gefamten Bolte fol er verhaßt fein. Da fpraden
die Richter dem Starkadr Alles zu, was da gefagt worden war, und fo
ſchloß das Gericht. Darauf gieng Hrofshärägrani mit Starkadr zuräd
zum Boot. .
Wie hier Thör jede Gabe Ddins dur eine Zugabe beichräntt, ga
wie die jüngfte Fee, Nom ober weile Frau in unfern Märchen zu thun
pflegt, fo weiß auch Odin Thoͤrs fhädlihen Ausſpruch zu mildern und
für verfagten Grundbefiß durch die Fülle fahrender Habe zu entſchädigen
Dem vergleicht es fih, daß Brynhild, als ihr Odin beflimmt vermäßlt
zu werben, binzufügt: ‚Aber feinem Manne, der ſich fürdten kann.’
Die Beſchluße der Regin heißen altjähfifch reganogiscapu, meto-
dogiscapu. Myth. 24. 817.
3. in den drei Nornen. Ihre Beſchlüße beißen wurdigiscapn nad
dem Namen der älteften Schweſter. Aud fie find den Göttern mur nad
den älteften Borftellungen übergeorbnet, und wir thun beßer, fie an einer
andern Gtelle des Syſtems zu befprechen.
Sonft ift dad Schidfal unperjönlih, und von diefem fol ſchon hier
Nechenſchaſt gegeben werden. Seine Beihlüße heißen altn. sedp, all,
giscapu, agf. gesceapu ; aud wohl altn. örlög,, ahd. nicht mehr plu⸗
raliſch urlac, mh. urlouc, das in ben Begriff des Kriegs übergeht,
weil in ver Schlacht die Geſchide ſich entſcheiden, daher noch jet Drlog:
ſchiffe Kriegsſchiffe bedeuten. Don den Wallüren wird gefagt, daß fie
außzögen Urlog zu treiben, Schidſal zu wirken, ven Krieg zu entfcheiden.
Die Geſchide find gelegt, gejegt, Urmieberlegungen, Urfeftfegungen, denen
der Menſch fih nicht entziehen mag, denen felbft die Götter unterliegen.
Das anerfhaffene ‚beihaffene‘ Glüd hängt von der Gtunde ber
Geburt ab: dad Glüd wird und an der Wiege gefungen, ein Ausdrud,
der auf jene begabenben Normen ober Feen anipielt, die zu dem Reuge
bornen hintreten, ihm fein Gläd zu ‚Ihaffen. Die Stunde heißt aber
% 60. Gh. j 188
ahd. hwila, und das baran gefnüpfte Glüd hwilsälida, bie Wiljälde,
vie auch wohl perfönlid gedacht wird, weil fie der begabenven Norne
gleicht. Der Einfluß des Geftirns ift erft ein fpäterer Glaube, für ven
man fih auf den ‚Stern der Magier’ berief. Myth. 820. In der Pis
Intuöfage Teuchtet der Stern in ber Stunde der Zeugung; daß biefer
Zug aus der fräntifhen Helvenfage hergenommen fein wird, habe ih in
‚Beriha die Spinnerin‘ 144 gewieſen. In ber Weihenftephaner Chronik
wird er von Karla d. Gr. Beugung erzählt, und hier fteht er an der ride
tigen und wohl auch urfprüngliden Stelle, denn wohl an einem großen
Name wie Karl, niht an einem feigen Schwädhling wie Pilatus mögen
die Sterne Theil nehmen. ine weitere Uebertragung findet fih in Alins
ſors Sternſchauung auf der Wartburg, wo ed ber Geburt ber h. Elifabeth
gt. So hat diefer Glaube, aus dem das Nativitätftellen der neuern
Zeit hervorgieng, den geiftlihen Kreiß kaum verlaßen, da Karl ber Große
im Licht eines Heiligen firalte,
Glüdäkinder hießen, die zu glüdlicher Stunde geboren waren. Wenn
man von ihnen fagte, fie feien mit ver Glüdshaube, ver aud ber
Helm hieß, zur Welt gelommen, jo Mnüpfte fih dieß an etwas Natürr
liches, da wirklich einige Kinder eine leichte um das Häuptlein gewundene
Haut (Kinderbälglein) mitbringen. Diefe warb forgfältig aufgehoben ober
unter der Schwelle vergraben. Man mähnte, der Schupgeift des Kindes
(md. fylgje) oder ein Xheil feiner Seele habe darin feinen Gig.
Ruth. 829. .
Auch bei jeder einzelnen Unternehmung ift auf bie Stunde zu
aöten, vie glüdlih ober unglüdli fein kann. Aus biefem Achten auf
die gute Gtunde (& la bonne heure) hat fid das franzöfifhe Wort
bonheur für Glüd entwidelt (Mpth. 818). Anzeichen des Gelingens er⸗
lennt mar im Angang, wie der Anfang des Unternehmens heißt; doch
bat aud) jeber Zag feinen Angang.
Afen.
Wuotan (Obhin).
61. Wefen und Name,
Wir beginnen mit dem Water der Götter, der die Einheit im Kreile
der Afen bildet und der von der Allmacht und Geiftigfeit bes alten
Einigen Botte8 am meiften bewahrt ober in fi aufgenommen hat. Denn
wir laßen es unentſchieden, ob er einft andere Götter nicht neben fih
batte oder etwa erft aus einem elementarifchen Rieſen zu einem Gotte bes
Geiftes, zum Nönig der Götter erwachſen if. Für das Leptere fprikt,
daß feinem Weſen, wie die Vergleihung der ZTrilogieen ergeben hat, bie
Luft zu Grunde Tiegt, daß verbreitetfte aber auch das geiftigfte der Ele
mente. Wie Lofi in jenen älteften Trilogieen $. 37 das Feuer bebeutet,
fo fein Bruder Ddin die Luft, ja er ift bie Luft felbft, oder ba fie in
ver Ruhe nit wahrgenommen wird, ihre Regung, von dem leifeften
Beben, das fein Beiname Biflindi auszubräden ſcheint, bid zu dem wir
thendſten Sturm. Hiermit gebrad ihm bie Anlage zu dem mächtigften
der Götter nit, denn tie in der kindlichen Ahnung der Vöfter Ratur
und Geift untrennbar verbunden find, fo ift er auch auf dem geifigen
Gebiete was er auf dem natürlihen ift: er lebt in jeder Gemüthäbewe:
gung, in ber Begeifterung wie in der Raferei, in ben zarten Empfindungen
der Dichter und der Liebenden wie in ber tobenden Kampfwuth der Ber
ferter und Wilinge, die Alles vor fid) niederwirft. Wenn daher Adam
von Bremen Cap. 233 jagt: Wodan id est furor, fo denkt er dabei
nad) dem Zuſat bella gerit, hominique ministrat virtutem contra ini-
micos zunädhft an Wuth, die fih im Kampfe bethätigt; bier finden wir
ihn alfo ſchon auf dem ſittlichen Gebiet; von dem natürlichen mochte er
außgegangen fein, und wie der Aampf Sturm 'heikt, fo maltete er auch
in bem Sturm der Elemente und auch hier hieß er Wuth, öd, mas fein
ältefter Name fein könnte, wobei nur zu erinnern ift, daß und das Wort
8. 61. Wasten. Gusden. Goder. 185
jeßt eine heftige Gemuthsbewegung bezeichnet, was feiner Abſtammung
nach nicht nothwendig in ihm liegt. CS kommt nämli) wie ber volle
Rame Wuotan (Odin) felbft von dem ahd. watan, altſächſ. wadan, altn,
vadha, aus befien Prät. wuot, altſ. wöd, altn. ödh, fi das Haupt⸗
wort bildet und dann ber vielleicht fpätere Name bes Gottes ableitet.
Als feinen älteften nehme ic das unabgeleitete wuot, ödr felbft an;
beide erfcheinen uns noch auf mythologiſchem Gebiete: Dr (mens,
sensus, Myth. 120) als ver verlaßenen Freyja betrauerter Gemahl;
Buot (Wuth) auch wohl mit Uebergang von W in M (Must, Muth) in
Wutes und Mutes Heer, wie in ber Eifel und in Würtemberg das wüs
thende Heer 8.72 genannt wird. Neben ben hochdeutſchen vollen Namen
Wuotan ftellt ſich der niederdeutſche Wodan, der frieſiſche Weda, ver altı
nordiſche Odhin.
Jenes Waten bat und jett einen ſehr beſchraͤnkten Begriff: wir
gebrauchen es nur noch vom Durchſchreiten des Waßers, während es ſonſt
jedes leiſere oder heftigere Durchwehen, Durchdringen und Durchbrauſen
(meare, transmeare) bedeutete, wobei allerdings ein hinderndes Medium
vorausgeſeht wird, das aber ſchwaͤchern oder ſtaͤrlern Widerſtand leiſten
kann. Weil aber die Luft Alles erfüllt, fo ſehen wir auch den Gott in
ven Formen Wuot, Wuotan, Wuotuno ſowohl, ald in bem gleichfalls
vorlommenden Participium Wuotant als ven alldurhbringenden
Geiſt der Natur gefaßt.
Bie das anlautende w des deutſchen Namens in ber norbifchen
Getalt (Odin) vermifst wird, weil es vor o und u weggufallen pflegt,
fo fehen wir es in ber langobarbifhen Form Gwödan noch buch ein
vortretendes g verftärtt. Es ift dieß fein willkürlicher Bufag, wie
man glauben lönnte, weil es Paulus Diaconus I, 8 adiecta litera nennt
Die Gutturale fteht ſchon urfprünglic vor der Spirans: bie des Frager
pronomens (lat. quis) fehen wir noch im altn. hver; im deutſchen wer
iR fie ſchon weggefallen, während die Spirans ftehen blieb. Es Tann aber
auch die Spirans wegfallen und bie Gutturale ftehen bleiben, wie in dem
Namen der Ballier (vgl. welſch) und wie in Gödan, der fränfifhen Form
des Namens Wodan. Dieje fränkische Form findet ſich in dem heſſiſchen
Gudenaberg tie in dem nieberrheinifchen Godeneöbere (Godesberg), womit
man Gudenau, Godenhaus, den Gobenelter (Wodansaltar bei Ahrweiler)
und Gobenowa, wo nach Widder I, 298 Lorſch die Fiſcherei beſaß, vers
tleiche. Auch die niederdeutſchen Namensformen Fru Gaue, Fru Gauben,
186 Warten. Keligiöfe Weihe. 8. 61.
deu Bode, zeigen den Wegfall der Gpirans bei ftehen bleibenber
Gutturale, was fi in Wuotan umlehrt, während bie volle Form
nur bei den Sangobarden und etwa nod in dem brittiſchen Gwydion
erhalten ift.
Ginigemal dringt in Wodans Namen ein 1 ein; fo in ber nieder
deutſchen Form des Namens Wod (Myth. 142), wo dann Wold entjteht.
Kann dieß gleich aus Wod verberbt fein, fo findet fih dod auch Woldan
(ital. gualdana) neben Wodan (Zeitihr. I, 494), wobei Graswaldane
Graſwaudan) in Anfchlag zu bringen iſt. Ob hier Odins winterlihes Ger
genbild Uller, deutſch Wol, oder ber Begriff des waltenden, allwaltenden
Gottes hineinfpielte, laßt ſich noch nicht entſcheiden. Dal. $. 91. Jeden ⸗
falls wäre das Chriftenthum dabei nicht im Spiele gewefen, das vielmehr
bemüht war, den übeln Begriff bervorzufehren unb mit Antnüpfung an
das wilde Ungeftäm, das fi) fon in der heidniſchen Anſchauung mit
Wuot und Wuotan verband, den Gott zu einem Wütherih herabzuwür⸗
digen. Allerdings hatten ſchon die Heiden bie heftige, leidenſchaftliche
Seite mehr bervorgelehrt als vie fanfte und milde Im Sturm ber
Eemente wie im Toben der Schlacht fprad er vernehmlicher zu ihmen
al im linden Säuſeln des Hains. Wie er alles Leben wedte und er
tegte in ber Natur wie im Geifte, fo gieng beſonders der kriegeriſche
Geift von ihm aus, jener germaniſche Helvengeift, ver in der Böllerwan-
derung dad Weltreih der Römer über den Haufen warf und in ber
doppelten Lautverſchiebung die Sprache aus ihren organifhen Fugen tif.
Noch fpäter waltete er in der unbändigen Schlachtbegier, die aus den
Berferkern knirſchte, wie in dem tollfühnen Unternehmungögeift der Wis
finge, der das neue Weltreich Karls des Großen im Xiefften erſchütierte.
Erſt in den Kreuggügen, wo der furor teutonicus nod manchmal erwähnt
wird, tobt diefe Kampfluft fih aus, ber hier ein heiliges Biel gewiejen
war, vie aber feines äußern Antriebes beburft hätte, weil fie den Kampf
um des Kampfes willen ſuchte. Aber ſchon das Heidenthum hatte biefem
Helvengeift eine religiöfe Weihe zu leihen gewuft. In der Trilogie Opin,
Bili und We fehen wir ihn verbreifaht: als Wili (Wille) erſchien er
als der mächtige Wille, der den Schmerz veradhtete und dem Tode troßte;
ala We lieh er ihm vie religiöfe Erhebung, die Entſchluß und Willen
heiligte, ihnen im Hinblid auf die Herrlichkeit Walhalls Weihe und freu⸗
diges Beharren verlieh. In Wili (goth. vilje,- voluntas und voluptas)
fieht Grimm (Ueber ven Liebesgott 14) wie in Odins Beinamen Wunſch
6% Wasten. Schnamen. ” 187
(Of) eine Gottheit des Piebens, Begehrens, Denkens, Meinenk, Trade
tens und Sehnens.
62. Beinamen.
D. 3 werden zwoͤlf Beinamen Ddins aufgezählt, vielleicht nur wegen
jener Neigung zur Zwölfzahl: eine viel größere Menge legt ihm Grims
nismal bei, und auch dieß Verzeichniſs ließe fi noch vervollftändigen.
Benn D. 21 gejagt wird, zu den meiften dieſer Benennungen habe Ber
anlapung gegeben, daß fo vielerlei Sprachen in der Welt fein, indem
alle Bölter geglaubt hätten, feinen Namen nad) ihrer Zunge einrichten zu
müßen (vgl. D. 33 über Freyja), fo ift dieß eine Umſchreibung des Worte
in Grimnism. 48:
Eines Namens genügte mir nie,
Seit ich unter die Vöffer fuhr.
zeigt aber zugleich, daß ſchon der Verfaßer von Oylfaginning viele biefer
Ramen nicht mehr verftand, die dod aus ber nordiſchen Zunge allein
erflärt werben können und auf der Verſchiedenheit der Sprachen nicht bes
ruhen. Richtiger heißt es ferner: „Andere Veranlaßungen müßen in feinen
Fahrten gefucht werben’; darauf fpielt auch Grimnism. an, indem es eins
ielne Beinamen” auf beftimmte Veranlaßungen bezieht :
Grimnir hießen fie mid . bei Geirröbhr,
Bei Asmund Yall;
Kialar ſchien ich, da ich Schlitten zog u. |. w.
Über die Begebenheiten, auf welche bier gezielt wirb, find und nicht alle
berichtet. Ich greife zunächft Hnikar oder Hnikudr heraus, weil er damit
als Waßergott, ein deutſcher Reptunus, bezeichnet wird, wenn glei bie
Berbindung mit Herteite (Grimnism. 47) und der Bufammenhang, in
dem es Gigurbartw. II, 18 vorkommt,
Huiler hieß man mid) als ich Hugin erfreute,
wo es eher einen Schlachtengott zu bebeuten ſcheint, an ber Verwandt
Kboft mit Nichus und den Nigen Zweifel erregt. Da wir Loli auf das
deuer bezogen haben, fo bliebe für Honir, den dritten Bruder, 8.37,
zur das Waßer übrig. Honir verſchwindet aber früh aus dem Kreiße
der fen, und wenn aud Niörbr, gleichfalls ein Bott des Meeres, für
ihn eintrat, fo zeigen bod) diefe Beinamen Obins, daß aud ihm das
188 " Wusten. Wunfd. s 62.
Meer gehordhte, deſſen Wellen freilich vom Winde bewegt werben. Wie
er Wunſch, Oski, heißt, fo giebt er Schiffern günftigen Wind, Wunſch⸗
wind, Oskabyrr. ‘ebenfalls bezeichnet Hlefreyt, vielleicht aud Udr,
feine Herihaft über das Waßer. Auf den Wellen wandelnd ftillt er das
Meer, beihmwictigt das Wetter und ſchafft dem Schiff, in das er fi
aufnehmen läßt, günftige Fahrt. Als Farmatyr, Heer der Schiffsfrachten,
iſt er wie Mercur, dem er auch fonft entſpricht, ein Gott der Kaufleute.
Jener Beiname Oski beſchraͤnkt fi aber nicht auf den erwünfchten
Wind, „er Tennzeichnet den Gott ala den Verleiher aller erwünichten Gar
ben, ver Fulle des Heils und der Seligkeit, denn diefe meint das von
Wonne abgeleitete Wort Wunſch, deſſen Bedeutung fi) und verengt hat,
da es nur noch dad Begehren nad ven Gütern ausdrüdt, deren Inbegriff
es fonft enthielt. Noch den mittelhochd. Dichtern, wo bie höchſte menſch⸗
liche Schönheit und Vollkommenheit geſchildert werben foll, ift der Wunſch
ihr Schöpfer, der an fein Gefhöpf allen Fleiß gelehrt, feine ganze Meir
fterichaft gewendet hat, Gleich hier findet ſich Gelegenheit, jenes Regifter
von Ddins Beinamen zu vervollfländigen, da Gibich, ein auß der Hel-
denſage befannter Name, goth. Gibika, altſ. Kipicho, nord. Giuki, ur
fprüngli den Gott meinte, der dieje Gaben verlieh. Grimm Beitfär. I,
752. Myth. 126. So geht auch Fiölnie auf die Fülle der verliehenen
Güter.
Andere Beinamen, Allvater und Gautr, find ſchon $. 56 beſprochen.
Auf Allvater reimt abfihtlih Walvater, das wie Siegvater, Herian,
Herteitr und Atrivr den Gott des Schlachtfeldes meint, der ben Sieg
verleift und die Heere zum Kampf gegeneinander führt. Auch Harbard
(Heeriilo) kann den Schlachtengott bezeichnen; aber Hialmberi (Helms
träger) läßt fi) in höherm Sinne faßen, da ver Himmel als der Helm
des Gottes gedacht wird. Won drei andern Beinamen Gar, Jafnhar und
TZhridhi (dev Hohe, Ebenhohe und Dritte) will ich nur erwähnen, daß
fie fih ſchon Grimnism. 46. 49 finden, damit man nicht meine, der Ber
faßer der Gplfaginning, der fie zur Trilogie zufammenftellt , babe fie ers
funden. Vielleicht kommt fogar dieſe Trilogie, die fonft die jüngfle von
allen wäre, nicht auf feine Rechnung: HAr ift durch HAmamal, das Lied
des Hohen, bezeugt, und Jafnhar und Thridhi, die in Grimnismal nur
die Alliteration auseinanderfprengt ‚- hätten kaum einen Sinn, wenn fie
nicht zu Har gehörten. Auch paſst ver Name Ebenhoher für die Ans
ordnung in Gylfaginning nit, denn die Hochſihe dieſer drei Götter
%. 6% Warten. Stammiafeln, 189
Randen übereinander, unb je höher der Sig, je höher die Ehre; viele
Götter der Trilogie aber bezeichnet ihr Name ald einander völlig gleih
md ebenbürtig, was aud; von dem Dritten gelten wird. Grimur und
Grimmir beſchreiben den Gott ald den Berhüllten, der wie in Grimnism.
verkleidet in unfcheinbarer Geftalt, al ein blinder Gaft wie in der Ser
mwararfage in bie Wohnungen der Menſchen eintritt ihre Gaſtfreiheit auf
die Probe zu ftellen, was unfere Märchen auf Ehriftus übertragen. Auch
Gangleri (Grimnism. 46) und Gangrabr bezeihnen wie Wegtamr ©. 83
den unermüblichen Wanderer, den vistor indefessus des Saro, Als
Gangrabr geht er mit MWafthrubnir über bie urmeltlihen Dinge zu
freiten ($. 33. 50) und Gangleri nennt fih Gylfi in der Einlleidung
der jüngern Edda, die der von Wafthrubnismal abgeborgt iſt. ©. ©. ©.
761. Denfelben Sinn wie Wafthrubnir hat aber Odins Beiname Wa»
fudr, der die webende bebende Luft meint, womit wir wieder bei
Biflindi, ja bei Odins eigenftem der Luft verwandtem Weſen anger
langt find. Das Rauſchen diefer erfhütterten Luft, aber zugleich das
Zoſen der Schlacht, ift in Omi, agf. vöma außgebrüdt. Page, womit
Grimm (Weber ven Namen des Donners 17) den finnischen Ullo vergleicht,
bejeichnet ihn als den jchredlihen Gott, Glapswidr als ben im Liften
Srfahrenen, Bölmwerk: und Bölwiſi (ogl. Saro 129 mit FAS. IL, 876
und Helgalw. Hund. II) gar als ben Webelfifter, der bie Zürften ver⸗
feindet und Zanktunen unter Verwandte wirft. Neben Boͤlwiſi ſteht bei
Saro Bilwiſi, wie Cdart neben Sibich in ber Heldenſage: Odins Weſen
bat fih in zwei Berfonen gefpalten, bie mit zweien feiner Beinamen bes
namnt ſind. Mit Bilwiſi, Boölwiſi vergleicht fih Grimnism. 47 Bileigr,
Baleigt, nur daß legtere mehr die äußere Erſcheinung ind Auge faßen.
Doch lehrt die Vergleihung, daß Bileige nicht mit Lex. Mythol. 304
veulis falminantibus praeditus überjegt werben barf. In jenem Böls
wift berührt er ſich wie in Lopte mit Loki; in Thunder (Donner) mit
Dr; in Widrir (Witterer und Wetterer) menigftend dem Sinne nad
auch mit Frepr, wie in Thror, defien Bezug auf die Gerichte Grimnism.
andeutet, mit Balbur und Forfeti, fo daß biefe Beinamen auf die frü«
here weitere Bedeutung des Gottes, fein allumfaßendes Weſen führen,
Andere Beinamen follen gelegentlich erläutert werben ; bie auf feine äußere
Eicheinung bezüglichen ſchon im naͤchſten Paragraphen.
Auch auf Odins Söhne in den Stammtafeln ift zu achten, weil ihre
Ramen aus Beinamen des Gottes erwachſen fein können. Nach dem eddiſchen
10 Wusten, Angeifäcf. Stammiafeln. 6.
Formali Cap. 10 hatte Odin zweimal drei Söhne. 1. Wegdegg, Beldegg
(Baldur) und Gigi: dem erften gab er Oſtſachſen, dem andern Weſt⸗
fachfen (Meftfalen), dem dritten Frankenland. Sigis Sohn ift hier Verir,
nit Berir, wie er Wölf. ©. heißt, wo von ihm erft Wald, dann Gig:
mund und Sigurd entfprangen. Beldeggs Sohn war Brand, von Wegdegg
aber ſtammten Heingeſt und Swipdagr, den mir font als Mengladas
Berlobten kennen. 2. An drei andere Söhne vertheilte er Skandinavien:
Dänemark erhielt Stiöld (Steaf), Seming Norwegen und Yngwi Schweden,
Die angelſachſiſchen Stammtajeln legen Böden und feiner Gemahlin
Frealaf fieben Söhne bei, von melden fieben agj. Häufer abftammten ;
doch redet Wilh. von Malmesbury nur von breien: Weldeg, Withleg und
Beldeg, was den norbijchen Berichten näher tritt. In ben fieben ober
acht Gefhlehtsregiftern, denn Bernicia und Weſſer, die anfangs zufammen
fielen, gehen fpäter auseinander, finden twir Hengeft und Gormentic bei
Kent, Uffe bei Dftangeln, Offa und Sarneat bei Efier, Vihtleeg, Varmund
und Offa bei Mercia, Bägdäg, Spefdäg, Exefugel und Befterfalena bei
Deira, Baldig und Brand bei Bernicia und Weiler und Bedeca bei
Lindesfaran aufgeführt. Zu Hengift, den mir als Heingift ſchon im
Norden fanden, gehörte Horfa. Bon Dffa oder Uffa, ber in mehren
Stammtafeln vorlommt, habe id, in den Erläuterungen zum Beomulf ger
handelt: einer feiner Vorfahren, Hrodmund, erſcheint gleichfalls daſelbſt.
GSarneat entipriht dem Sarnöt, ber in der Abrenunciatio neben Thunat
und Wodan fteht, mie Vihtläg und Veermund den Vorfahren Offas bei
Saro gleihen. Wie in der Kentiſchen Genealogie von Pferden, find nach
Grs. Bemerkung in ber Deiriſchen einige Namen von Vögeln hergenommen.
Säfugels Ahn war Sigegeat, und fo wird der Entel Gigefugel heißen
follen, wie er wirklich bei den Oſtſachſen vorfommt. Befterfalena deutet
aber zugleich auf Weftfalen, dad wir ſchon in ben nordiſchen Stamm ⸗
tafeln bedacht fahen. Bei Bernicia treffen wir auch Ingvi, defien Sohn
Sa nad) den Aſen benannt jheint. Die Wefleriihen Nachkommen Brands
des Sohnes Baͤldaͤgs, führen befannte Namen; Freavine (Frowinus
bei Saro) bezeichnet einen Verehrer Freys. Auch unter den Borfahren
Dvins, zu welchen diefe agſ. Stammtafeln emporfteigen, finden fi Ramen
von Göttern und göttlichen Helven, die aus Beinamen Odins erwachſen
fein können. Ich erwähne nur Geat (altn. Gaut), Tætra (hob. Zeizo),
Beav (Büi), Sceldva, Scesf, Heremod. Bl. M. Beowulf ©. 175.
Bie hier nach Müllenhoff Prädikate eines und deſſelben Gottes zu feinen
568 Warten. Verkleidung. 19
Verfahren erhoben find, fo finden wir in den nordiſchen Gtammiafeln
Dor und befien Beinamen wie Hloridi, Wingthor, Magni, Modi unter
Dein Vorfahren aufgezählt. So war aud Soeldva (Bkiöld) nur ein
Beiname Skeafs geweſen, weil er auf dem Schilde ſchlafend über Meer
gefahren kam. Auch Gaut, der bei den Gothen fogar an der Spige der
Gefchlechtöreihe fteht, ift in der Edda nur ein Beiname Odins. Ein an
deres Beifpiel folhen Verfahrens entnehme ich nad Müllenhoffs Deutung
Bijr. XL, 291 der Cfierjhen Genealogie, wo Sarneat einen Sohn Geferg,
biefer einen Sohn Andferg gehabt baben fol. Andſecgs Sohn heißt
Sveppa. Sveppas Sohn Gigefugel u. ſ. w. Hier find bie einzelnen Mo
mente der Ihätigleit des Gottes während der Schlacht dargeſtellt. Zwei
Rreitgerüflete Heere ftehen ſich gegenüber, Gejecg und Andſecg, Symma ⸗
Aus und Antimachus. Sveppa beveutet das Schlahigetümmel, Sigefugel
ven Vogel, defien Gricheinen ven Gieg verfündet u. ſ. m.
Nur göttliche Abſtammung ſcheint bei allen germaniſchen Wölfen
das Recht zur Krone verliehen zu haben.
63. Aeußere Erfcheinung.
Nicht immer erſcheint Opin in fo herrlicher Geftalt, als da er mit
dem Goldhelm, dem jhönen Harniſch und dem Spieß, der Gungnit heißt,
au der Spige der Ginherier dem Fenriswolf entgegenritt ($. 1 ober ba
er (Sigrdrif. 14) Mimirs Haupte laufend
Auf dem Berge Rand mit-blanfem Schwert,
Den Helm auf dem Haupte.
Wir fahen ſchon fo eben wie er ſich zu verhüllen liebt, in unſcheinbarer
Gehalt, als müber Wanderer dad Gafiteht in Anſpruch nimmt, wer
Menſchen Sina erforfhend. In deutſchen Sagen und Märden tritt er
Gaben heiſchend, meift als Meines graues Männchen auf; als hochbetagter
Greis auch bei Saro, nicht felten blind; doch if die nur Verkleidung,
während Ginäugigfeit zu feiner wahren Geftalt gehört. Von dem breiten
Hute, den er tief ind Geficht drüdt, um unerkannt zu bleiben, heißt er
Siohhötte, auch bloß Höttr. Zuweilen erjheint er Tahllöpfig, öfter mit
dichtem Haare und Bartwuhs, wie es bie Beinamen Greisharägrani,
Sdhgrani, Stohflegge ausbräden. In dem König Bröfelbart oder Droſ⸗
ſelbart des deutſchen Märhens (2. M. I, 52. II, 6.91) ift er unfhwer
zu erlennen. Gewoͤhnlich trägt er einen weiten blauen Mantel aus Thier⸗
192 Wusten. Kabengstt. 8 68.
fellen (feldr). So zieht er als Halelberand dem wilden Heer voran;
im Mantel (heklu) reitend erſcheint er auch in ber Habbingafage, und
Rofs umd Mantel gehören jo jehr zu feiner Erſcheinung, daß fie ihn mit
dem h. Martin vermittelt haben. Für bie fkünftleriihe Darftellung bes
ſchreibt Beterfen 159 Odin als einen hohen einäugigen Greis mit langem
Bart, tief herabgebrüdtem breiten Hut, im blauen fledigen Mantel, ven
Goloring Draupniv am Arm, zwei Raben auf feinen Säultern, zwei
Bölfe zu den Füßen ; der Karlswagen ($.74) rollt über feinem Haupte.
In Walhall nimmt Odin den Hohfig ein, der Hlidſtialf heißt, von
dem er die ganze Welt überſieht. Nur Frigg theilt nad Grimnigmal
diefen Sig mit dem Gatten. Der Name (at skialfa — beben) erim
nert wieder wie Walajtialf an die bebende Luft und Odins Weſen. Da
Hlidſtialf der höchſte Bunkt in Asgard, gleihfam der Zenith des Himmels
ift, fo möchte er wie Heimbal als die Spige des Baumes Lärad zu benten
fein, der felber nur (6. 36) den Wipfel des Weltbaums bildet, al
deſſen Frucht Ovin erjcheint. .
Auf diefem Hodfig ſaß Odin nad) den deutſchen Märden, die Wolf
Beitt. J, 24 vergleicht, das Antliz nah Süden gewendet; nach ber
Sage vom Urſprung der Langobarden, mie fie das Edictum Rotharis
erzählt, folte man glauben nach Weiten, Nah dem Märchen vom Schneir
der im Himmel (K. M. 35) ftand vor dem heiligen Stuhl, ven wir ums
ganz golden zu denken haben, ein eben folder Schemel.
Zwei Raben Hugin und Munin (Gedanke und Grinnerung) figen
dem Gott auf den Schultern und flüftern ihm ins Obr, denn jeden Tag
endet er fie aus, die Zeit zu erforjchen. ‚Die Menfchen nennen ihn darum
Rabengott.‘ D. 38. Daß gerade diefe Vögel ald Symbol feiner Als
wißenheit gewählt find, erklärt fi aus feiner Eigenſchaft als Schlacht ⸗
und Kriegägott; fie werden wohl aud (meil er Jagdgott ift?) ala Ha
bichte bezeichnet :
Run bin ich fo froh dich wieder zu finden,
Wie die aasgierigen Habichte Odins, i
Wenn fie Leiden wittern und warmes Blut,
Der thautriefend den Tag ſchimmern fehn.
Denfelben Bezug haben auch die Wölfe zu feinen Füßen, melden er
das für ihr beftimmte Fleiſch des Ebers reiht, da er felbft keiner Koft
bedarf, Grimnism. 19. Wie die Raben Habichte, fo heißen diefe Wölfe
wohl auch Hunde (M. Edda 129. 238); noch Hans Sachs nennt die Wölfe
[X Wusten. Symbale. 198
unfered Herrgottd Jagdhunde. Schwer ift es zu deuten,‘ wenn ed von
Odins Saal heißt:
Ein Wolf hängt vor dem weſtlichen Thor,
Ueber ihm ein Xar. Gr. 10.
Am Beften erflärt man fie als unfern Wappenthieren ähnlihe Symbole :
der War gebührt ihm als Luftgott (S. 33), der Wolf. ald Kriegsgott.
Grinnerungen an biefe heil. Thiere find Myth. 155. 600 und Wolfe
Beitt. I, 26 nachgewieſen. Die fhönfte findet. fi) in den deutfhen Ge
dihten von König Oswald, der feinem Raben von zwölf Goldſchmieden
(ven Afen) die Flügel mit Gold beſchlagen läßt und ihn auf Liebes:
werbung ausſchidt, und K. M. 35, wo fich zwei ſchneeweiße Tauben dem
Babft auf die Schultern fegen und ihm Alles ind Ohr fagen mas er
thun foll. .
64. Verleihungen: a. Schwert, Helm und Brünmne,
Einzelne feiner Attribute pflegt Odin begünftigten Helden zu ver
leihen. Schwert, Helm und Brünne (Panzer) erbot er ſich in ver
Getalt des Bauern Hrani dem Dänenlönig Hrolf Krali, der bei ihm
eingelehrt war, zu ſchenken. Als biefer die Annahme verweigert, weil er
den Gott in feinem Wirth nicht erkannte, wendet fih das Kriegäglüd von
ihm ab. FAS. I, 94. Diefelben Waffen finden wir vereinigt in ber
für Odins Gaben Haffifhen Stelle Hyndlul, 2:
Er gönnt und giebt das Gold den Werthen:
Er gab Hermodur Helm und Brünne,
Ließ den Sigmund das Schwert gewinnen.
Heben wir zuerft das dem, Sigmund verliehene Schwert heraus.
Doin ſelbſt erfheint befanntlih an der Spige des Wölfungenftammes,
denn Gigi, mit dem er beginnt, wird Wölj. S. Cap. 1 Odins Sohn ge-
nannt; an Sigmund hat er noch nähern Antheil, denn Wölfung (Wal) hatte
ihm mit einer Wallure gejeugt, die Gap. 2 Ddins Geliebte heißt, und
ſhen Wölfungs Beugung duch einen Apfel vermittelt hatte. Als nun
Bilfung feine Tochter Sinne, Sigmunds Zwillingsſchweſter, dem Siggeit
vermählte, trat am Abend ein Mann in den Saal, barfuß, im fledigen
Rantel und Leinhofen an den Beinen ; er war hohes Wuchſes, dabei alt
ud einäugig, was ein breiter Hut verhehlen follte: ein Schwert in der
Ginzes, Beyipelsgie. 13
194 Wusten. Zigmxed. % 64.
Hand gieng er an ben Kinderſtamm (6. 3.48), ver mitten in Wöljungs
Halle ftand, und ftieß e3 in den Stamm, daß es biß and Heft hinein ⸗
"fuhr. Niemand wagte ed, biefen Mann anzureben ; er aber ſprach: Wer
dieſes Schwert aus dem Stamme zieht, dem foll es gehören und er wird
felber geftehen, daß er nie ein beferes Schwert in Händen trug. Darauf
ſchritt er aus der Halle und wuſte Niemand wer er war, nod wohin er
gieng. Nun ftanden fie Alle auf und verfuhte Giner nah dem Andern
das Schwert herauszuziehen; aber es rührte fih nicht, bis Sigmund,
König Wölfungs Sohn, hinzutrat: der zog es heraus und es war, ala
wenn ed los da vor ihm läge. Mit diefem Schwert gewann Sigmund
viele Schlachten; aber am Ende feine Lebens verjagte e3 ihm. In der
Schlacht gegen Lyngwi trat ihm ein Mann mit breitem Hut und blauem
Mantel entgegen; er war einäugig und trug einen Sper in der Hand;
an diefem Sper brach ihm das Schwert in zwei Stüde; er felber fiel in
der Schlacht, C.11. Mit demfelben Schwert, das Reigin wieder fchmier
dete, rächte hernach Sigurd feines Waters Tod. Ihm wendete fih Odins
Gunft wieber zu, denn er gab ihm Grani, das Roſs, das von Sleipnit
ſtammie, ließ fih in fein Schiff aufnehmen und beſchwichtigte den Sturm,
Cap. 17, und beim Dradenlampf lehrte er ihn Gruben zu graben, das
Blut hineinrinnen zu laßen und den Wurm ind Herz zu ftoßen, €, 18,
Daß es des Gottes eigenes Schwert war, das er Sigmund ger
winnen ließ, basfelbe das Sigrdr. 14 ($.63) erwähnt wird, maht die
Bufammenftellung mit Hermoburs Helm und Brünne, die fi bei dem
Gotte gleichfalls wiederfinden, wenigſtens wahrſcheinlich. Wir wißen
zwar nicht, wer biefer Hermodur war, ſchwerlich der Gott, den wir als
Baldurs Bruder kennen ($. 33.92), eher jener im Beowulfsliede zweimal
vorkommende Heremöd, das erjtemal wieder in Verbindung mit Sigmund.
(Remble 64.121), ol. jedoch Holgmann Germ. VIIL, 491. Seine Gage it
nur fehr unvollftändig erhalten ; aber ſchon das Wenige, das wir vom ihr
wißen, zeigt, baß er im Webermuth des Glüd3 Odins Gunſt verwirkt
babe; vgl. 8.90. Dem Sigmund entzog fie nur fein hohes Alter; feir
nem Sohne blieb er hold, und daß er aud feinem Geſchlecht nicht feind
warb, das fein eigenes war, es vielmehr räct, indem er Hamdism. 36
räth, auf Jonakurs Söhne Steine zu ſchleudern, ift Cdda ©. 502 ausge
führt. Wie hohe Pfänder aud dem SJüngling verliehen feien, dem Alter
tann die Gunſt des Schlachtengottes nicht bleiben. Aehnliches wird uns
glei wieder begegnen.
195
65 b. Eper.
Der ftärkfte Beweis dafür, daß ed Odins eigene Waflen find, die
er ausleiht, ift der Sper Gumgnir. Wie ihn die Zwerge, Iwaldis Söhne,
geſchmiedet haben, ift 5.57 erzählt; aber ſchon im erften Kriege ($. 24)
beeiente fih Odin nad) Wöl. 28 feines Spers:
Da ſchleuderte Odin ben Spieß ins Bolt.
Na Helgakw. Hundingsb. II opferte Dag, Högnis Sohn, dem Din
für Vaterrache. Da lieh Odin ihm feinen Spieß. Dag fand den Helgl,
feinen Schwager, bei Fiöturlunde: er durchbohrte Helgi mit dem Spieße.
Da fiel Helgi. Als er aber nad) Walhall kam, bot Odin ihm an, bie
herſchaft mit ihm zu theilen. Einen folhen Erfag mochte er dem Helden
ju ſchulden glauben, der fein Liebling gewefen war und ihn nicht beleidigt
hatte. Denn wie im erften Liebe Str. 12 Helgis Worte andeuten, die
er den Söhnen des erſchlagenen Hunbing fagen ließ, als fie Vaterbuße
von ihm begehrten:
Gewarten möchten fie großen Wetters
Grauer Geere unb des Grames Obins,
fe hatte Odin ihm früher feinen Sper geliehen, und der Gram Odins,
%i fein Zorn, Helgis Feinde getroffen. Das Wetter ift die Schlacht,
md der graue Geer ber Sper, von dem wir reden. Go weihte Giffur
nach der Herwararf. Cap. 28 die feindliche Schlachtordnung dem Unter
gange (oceidioni) mit den Worten: ‚Sridredt ift euer König, dem Tode
verfallen (feigr) euer Herzog, hinfällig eure Kriegsfahne, gram ift euch
Din, Laße fo Odin mein Geſchoß fliegen, wie ich vorherſage.“ (FAS.
1, 501.) ®gl, Myth. 16. 125 vie aus Paul, D. angezogene Gtelle,
Bielleiht entlieh man dem Heiligthum des Gotted ben ihm geweihten
Sper; die Sagen gedenken deſſen nicht. Aber Opfer giengen voraus,
wie ſchon oben bei Dag. Als der Schwedenlönig Erich die Schlacht bei
Trriswall gegen Styrbiöm ſchlagen follte, opferte Styrbiörn dem Thör,
aber Grid) dem Odin, weihte fi ihm und beftimmte bie Frift feines
Todes auf zehn Winter. Da fah er einen großen Mann mit breitem
Suite, der gab ihm feinen Rohrftengel (reyrsproti) in die Hand, ihm
ber daB feindliche Heer mit den Worten zu fchießen: ‚Odin hat eud Alle!’
Au das geſchah, erſchien ein Wurfiper in der Luft, flog über Styrbiörns
Sqlachtreihen und flug fein Kriegsvoll wie ihn felbft mit Blindheit.
1% Wustan. Weihfermel. 8%. 68
FME. V,250. Dieſe Stelle läpt ſchließen, daß aud Helgi feine Lebens:
zeit auf fefte Jahre beftimmt hatte, um den grauen Geer zu erlangen.
In der Eyrbyggiafage, wo Steinthör ben Spieß ſich zum Heil über
Snorris Heer ſchießt, obgleich nicht gejagt iſt, daß es des Gottes Sper
war, wird es ausbrüdli als alte Sitte (at fornom sidh) bezeugt. Schon
vie römifchen Fetialen pflegten eine eiſenbeſchlagene in Blut getaudte an
gebrannte Lanze (haste ferrata sanguinea praeusta) ins feinblihe Land
zu ſchleudern, dem man Krieg anfagte, Liv.I, 32. Das erinnert an
Kaiſer Ottos Sperwurf gegen Dänemark, mit dem er gelobte, bei feiner
Burüdtunft dad Land zu belehren oder das Leben zu laßen; ober an
Autharis Säule bei Paulus Diaconus. Gr. DS. 399° R. A. 59. Bol
Herodot V, 105. Im Norden warb aud der Heerpfeil (herör, bodkefli)
angebrannt, den man bei Kriegägefahr umberfandte, dad Volt aufzubieten.
In dem Krieg mit den Hermunburen um bie heiligen Salzquellen hatten
die Chatten das ganze feindliche Heer dem Mars und Merkur (Bio und
Wuotan) geweiht, Ann. XII, 57. Des Spers wird bier geſchwiegen;
aber die heimifhen Quellen ergänzen bes Roͤmers Bericht, indem fie den
Gebrauch bei der Weihung und ſelbſt die dabei ausgeſprochene Weihformel
lehren. Und daß aud im Norden bie jo Befiegten geopfert wurden und
dieß der Sinn der Weihe war, zeigen die Worte, welche Sigrun (Helgat.
UI, 23) zu Hodbrodd fpriät, als fie ihn verwundet auf der Walfatt
findet:
Borbei ift das Leben, das Beil naht,
Granmars Sohn, deinem grauen Haupt.
Auch Herwar. 5.444 werben alle auf der Walftatt Fallenden dem
Odin geweiht. Beltätigung gewährt ferner die Gautrelſ. (FAS. I, 34),
vgl. mit Saro 104, wo Dpin ald Grofshärägrani dem Starfather feinen
Rohrftengel giebt, um damit bad Opfer an König Wilar zu volle
siehen, auf ven bei dem Geefturm, wo ber zürmenbe Gott durch Menſchen ⸗
blut verjöhnt werben ſollte, das Looß gefallen war. Und als Starkather
das Neidingswerk begeht, den König, der nur zur Schau für die Fahrt⸗
genoßen, mit welden er gelooft hatte, fi) den Strid umlegen zu laßen
glaubte, wirklich hinzurichten, und mit dem Rohrſtengel, der zum Gper
warb, zu durchbohren, bedient er fid der Worte: ‚So geb ih did Dpin‘
Entfernter gehört die Sitte hieher, fi auf dem Todesbette mit
dem Sper rigen zu laßen, wovon bie Yngligaſaga (Heimskr.) mehrere
Beifpiele bewahrt hat. Da nur im Kampf Gefallene, die Todeswunden
8.68. Wusiqw. Sperrigung. 197
par Schau trugen, zu Obin Iommen follten, fo bot bie Gperrigung , die
gewifd auch mit einem Weihopfer verbunden war, ein Auskunftsmittel,
in Walhall als ein an Wunden verbluteter Kämpfer Aufnahme zu finden.
Auf diefe Weihe beziehen ſich Odins eigene Worte in feinem Runenlied
(Semamal 139):
Ich weiß, daß ich hieng vom Sper verwundet,
Dem Odhin geweiht, mir felber ich ſelbſt.
Dieb veranlapte den Verfaßer der Heimskringla, ber die Götter
uenſchlich auffaßte, nicht bloß den Niörbr fi auf dem Kranlenbette für
Odin zeichnen zu laßen; aud Ddin felbft riht ſich bei ihm im gleichen
Falle mit der Spige des Spers, wobei hinzugefügt wird, ‚und eignete ſich
ale im Kampf Gefallene zu‘, was auf bie Auffaßung beutet, als kämen
die Gefallenen deshalb zu Odin, weil aud Er an Wunden geftorben fei.
& ſcheint unnöthig, mit Peterjen 169 auszuführen, daß Odins
Sper kein Luſtphaͤnomen, fondern nächft feiner Bedeutung als Waffe ein
Symbol der Macht und Herfhaft iſt. Wer damit berührt wird ober
wen er überfliegt, der gehört dem Gotte, wie ähnlich auch Thors Hammer
beim Landerwerb ausgeworfen wird, bie Grenze zu beftimmen.
Wolf Beitr. I, 12 weift nah, wie in deutſchen Maͤrchen ver Sper
des Gottes zum Stode, ja zulezt zum ‚Rnüppel aus bem Sad’ warb.
Als Sper habe er fi nicht behaupten Können, weil der Gebrauch der
- Spere längft untergegangen fei und das Märden es mit der Gegenwart
halte, Allein K. M. 28, wo e3 ein wilde Schwein zu erlegen gilt, wird
erählt: ‚Und als der Jüngfte fo ein Weilchen gegangen war, trat ein
Meines Männden zu ihm, das hielt einen ſchwarzen Spieß in ber
Hand und ſprach: Diefen Spieß gebe id; dir, weil bein Herz unſchuldig
und gut if: damit kannſt du getroft auf dad milde Schwein losgehen, es
wird dir feinen Schaden zufügen. Hier kommt der Sper nur als Waffe
im Betradit ; aber er wird als göttliche Waffe verliehen und durchbohrt
das Ungethüm, wie der Sper in Dags Hand den Helgi.
In andern Sagen dagegen erfcheint ein Stab, und zwar als
Symbol der Macht über den Tod. Go wenn in der Legende von Gt.
Wotern der Apoftel Petrus den Boten feinen Stab leiht, womit fie das
Grab des zu früh geftorbenen Biſchofs ſchlagen und ihm gebieten follen
anfzuerflehen (Godfr. Hagen 48), oder wenn in ben deutſchen Gesta Rom.
80 (vgl. 88) der alte Mann feinen Stab leiht, kraft defien dem Ber
198 Duotan. Stab. & 66.
Tiehenen in der HöHe Alles gewährt werben muß, mas ber Kerr des
Stabes gebiete (ogl. $.103). Da ber Stab hier über die Unterwelt
Gewalt hat, fo dürfen wir wohl baran erinnern, daß Dbin ſelbſt Weg ⸗
tamslw. 9 bie todte Wala vor der Pforte der Hel erwedt, mobei feines
Stabes ausdrüdlich gedaht wird. Aud der Stab der Gridh, der Mutter
Widard, des Gotte der Erneuerung, ift hier zu erwägen: wir werben
fie ($. 84. 96) als Unterweltsgöttin kennen lernen, und fo hat der Stab
au bier Macht über Tod und Leben.
Außer ven hier von Odin verliehenen Waflen muß er auch ben
Bogen geführt unb gleich Apollo, dem er ſich aud fonft vergleicht, Pfeile
verfenvet haben, wie wir ja in angelf. Bauberformeln von Aſengeſcheßen
Iefen. Zwar wenn ber Daumen Wodens Finger, Woenlet heißt, fo kann
dieß daraus fließen, daß er als Wunſch (Oski) aud Gott des Spiels
war, vgl. 6.102, wozu Grimm M. 145 die Redensart anführt, beim Spiele
laufe das Glüd auf dem Daumen. Belannter ift bie Sitte beim Spiel, dem
Spieler, dem man Glüd wünfht, den Daumen zu halten, Aber man nannte
auch den Raum, den man mit Daumen und Zeigefinger bemehen Tonmte,
Woedenſpanne, und dieß bezieht Mannhardt auf die Ganvhabung
der Armbruft. Auch feine fiher treffenden Pfeile verleipt Odin wach
©. 202.
6. ©. Rofe und Mantel,
In den norbifhen Sagen wird Odins Roſs Sleipnir feinen Gunſt⸗
lingen fo wenig ala fein Mantel verliehen. Verleihungen dieſer Art er
ſcheinen dagegen in Deutſchland, wo freilih an vie Stelle Odins bald
der Teufel, bald ein Engel tritt. Wir gehen dabei von einem Zuge ber
Haddingsſage aus, welche Saro I, 12 berichtet. Habbing, einer der Günft
linge Odins, dem er ſich zulegt opfert, iſt in einer Schlacht geſchlagen:
da kommt der Gott, auch hier ald einäugiger Greis, dem Fliehenden zu
Hülfe, ftärkt ihn mit einem Trunk, faßt ihn in ben Mantel und führt
ihn durch die Luft in die Heimat. Durch ein Loch des Wantels
ſchauend, gewahrt Hadding mit Erftaunen, wie daB Pferd über Zellen
und Wollen dahin ſchreitet. Wir bleiben in ber im Ganzen doch fehr
verworrenen Grzählung unberichtet, warum es in biefem alle bazauf
anlam, ben Helven fo ſchnell in die Heimat zu fchaffen. In den veutfchen
%. 66 Wusten. Seimfahrung. 199
Segen iſt diefer Grund angegeben: ba die Friſt abgelaufen war, binnen
welcher der Begünftigte heimlehren follte, ift feine Gemahlin im Be
griff ſich wieder zu vermählen. Dagegen fteht der den zurüdfährenden
Gett vertvetende gute ober böfe Geiſt gewöhnlich im Hintergrunde, wäh
tend Roſs und Mantel, bald das eine bald das andere, hervorgehoben
find. Ja der Gage von dem edeln Möringer D. 523 fo wie M.M. 61
(vgl. Upland über Bodmann, Germ. IV, 67 fi.) fehlt zwar ihre Erwähnung,
unb auch im ber berühmten Braunſchweiger Gage, deren Gelb fpäler
beinich der Löwe warb, fehen wir dieſen, nach dem Vollsllede und ben
von 2. Gödele (Reinfrit von Braunſchweig, Hannover 1850, S. 75) vers
süchenen Quellen, von dem Teufel durch die Luft getragen, ohne daß bes
Ranteld oder des Roſſes gedacht würde, denn die Ochſenhaut, in die er
ſich von dem geiteuen Ktuecht mähen läßt, gehört zu der Greifenfage und
hat wit der Heimlehr und dem Wunſchmantel nichts zu fchaffen; A. M.
ik Bolf Beitr. 6. Jener Hauptzug, die Begünftigung ber Ehe, iR aber der
Gage fo wefentlich, daß er felbft ba einbrang, wo er nicht hin gehörte. Ein aufs
ſallendes Beifpiel gewährt Die Sage von Thebel von Walmoden und feinem
füwargen Teufeltoſs. Voltabũcher IX, 497 fi. Sie ift der normannifchen von
Richard J. (Wolf 7) auf das Nachſte verwandt, nur daß biefe an die Stelle
des Rofies ein vielfarbiges Tuch ſetzte, in welhem wir ben Wunſch⸗
mantel wiebererlennen: auf ‚biefem Tuche vollbringt Richard bie Fahrt
wie Thedel auf dem Rofie. Durch die Herleihung derſelben wird aber
Beiden Heine Gunft erwiefen: ber im Hintergrund ftehende böfe @eift
Rellt mar ihre Unerſchrodenheit auf eine gefährliche Probe: fie würden es,
wenn fie Zucht angewandelt hätte, mit dem Leben entgolten haben. Die
auf Heinrich den Loͤwen übertragene Brauuſchweiger Sage, in ber wir
einen wralten Mythus eriennen, laßt wur bie Heimkehr durch Hälfe
des Teufels voßlbringen ; die normanniſche und bie von Thebel auch ſchon
die Ausfahrt, alfo bie ganze Meife, woraus fid) ergiebt, daß lehtere gu
ven Sagen vom wilden Heere gehören, womit wir bier nach nichts zu
Khaffen haben. Cine Berbinvung mit der Sage vom ber Heimtehr,
die Ver Gott begünftigt, if aber in beiben und war in auffallend gleicher
Beife verfucht; fie konnte jebod nur angeflidt werben. Richard trifft in
der Kirche der h. Katharina auf dem Sinai einen feiner Ritter, ber ver
fieben Jahren in bie Geſangenſchaft der Saragenen gerathen war, welchem
ver Herzog berichtet, feine Fran, die ihn langſt tobt glaube, wolle binnen
beeien Xagen wieber heinaten, und er, der Sergog, fei jelb zur Hochreit
200 Wustan. Mantel. 8. 66.
geladen, Wolf 7. Gerabe fo findet Xhebel in Zerufalem den Herzog
Heinrich und theilt ihm mit, daß die Herzogin, die ihn für ertrunlen
halte, mit einem Pfalggrafen zur neuen Ghe ſchreiten erde, wenn er
niet binnen Kurzem heimlehre. Daß bie normänmische Sage hier die
deutſche benupt bat, ann fein Zweifel fein, denn bie Gage von Heinrich
dem Löwen hat uralten Grund: fie Hingt ſchon im wein, dem Ritter
mit dem Löwen, an, dem feine Gemahlin gleichfalls eine Friſt zur
Nüdtehr beftimmt hatte. Auch im Wolfvietric finden ſich ihre Spuren:
fie gehört der deutſchen Odyſſee an und bie Vergleihung aller zu ihr
zaͤhlenden Sagen und fo aud Alles mas von Heinrich dem Löwen be
richtet wird zeigt, daß das Ziel ver Reife nicht das Grab des Grlöfes
oder das gelobte Land war, fonbern bie Unterwelt, wie die daheim har:
rende Gemahlin der von Freiern ummorbenen Benelope zu vergleichen if.
Die hierdurd Licht auf die Odyſſee felbft fällt, fo ergiebt ſich baraus
au die Verwandtſchaft der Haddingſage, denn aud Hadding gelangt
Saro 16 in die Unterwelt, und fogar die Mauer, welche bei ihm das
Land des Lebens umgiebt, findet fih MM. 61 fo wie bei Reinfr. von
Braunſchweig (Gövele 60) wieder. Um fo wahrfdeinliher wird es num,
daß auch Hadding zu fhleuniger Heimkehr, welde der Gott vermitteln
muß, denfelben bringenden Antrieb hatte wie Heinrich der Loͤwe.
Auf dem Mantel gejhieht nun ferner die Heimfahrt in der Gr
jählung des Caefarius 8, 59 von Gerhard von Holenbad (in der Lo
gende von St. Thomas, Bingerle Ztſchr. f. D. Myth. IV, 39, Helpad),
wo wie in dem Vollslied von dem ebeln Möringer die Wallfahrt zum
Grabe des h. Thomas gerichtet war. Der Antrieb ift hier noch derſelbe:
dagegen in der Sage vom Wartburgkriege DS. 555, wo der Wunſqh⸗
mantel zu einer levernen Dede wird, ſteht dem Heinrich von Dfterbingen
nicht Braut oder Gemahlin, fondern Ehre und Leben auf dem Spiel,
wenn ihn Klingſor nicht durch feine Geiſter in einer Nacht nach Thür
tingen ſchaffen ließe. Neben andern Wunſchdingen und mar, mit unſicht ⸗
bar machender Kraft erſcheint der Mantel auch KM. 92; aber auch hier
hilft er die Hochzeit mit einem Andern noch rechtzeitig zu bintertreiben.
gl. 93 und BM. 68 Des Zeufels Pathe. Zulept hat er noch in bie
Fauftfage Aufnahme gefunden unb ift hier zu großer Berühmtheit gelangt.
Dos Rofs erſcheint dagegen außer bei Thebel faft mur in ber Gage
von Raijer Karls Heimlehr aus Ungerland, DS. 489 (vgl. Myth. 980),
wo es gleichfalls die Wieververmählung der Kaiferin zu verhindern gilt,
6. 66. Wusten. Wunfhbinge. 201
md in der von Uhland Germ. IV, 93 mitgetheilten Sage von Graf
Friedrich von Hollern. Wo jonft no, und die Fälle find zahlreich genug,
Roffe ſich darbieten, find fie gefpenfterartig: fie wollen die Menſchen nur
ſchreden und abmatten, wie die bei Reuſch 22, ober fie gehören wie das
bei Zette und Temme Pr. Boltsf. 73- der wilden Jagd oder gar wie bei
Gaefarius II, 7 der Hölle an, an die felbft Thedels Rojs, das nur glür
bende Kohlen frißt, erinnert. Nur Temme 1. c. 76 könnte e8 von dem
Sotte zu Hülfe gefandt fein.
Mit viefer Cinen Ausnahme kann Odins Dazwiſchenkunft daraus
erllart werben, daß er als Ehegott den Bruch eines ihm geheiligten Ver ⸗
bältnifies verhindern will; jebod werben wir $. 91 erkennen, daß allen
diefen Sagen ein Mythus von Dpin ſelbſt zu Grunde liegt, der in zwei
Haupigeftalten in Deutſchland nachklingt und fortlebt. Das Rofs ift aber
in venfelben Sagen als ein Symbol der Allgegenwart aufzufaßen, die
ihm freilich fehr werkürzt wird durch bie Vermenſchlichung, der alle heid⸗
niſchen Götter nothwendig anheimfallen. Denn wenn er gleich auf dem
windgejeugten Hengft in der fürzeften Friſt die meiteften Räume durch⸗
meßen mag, fo find doch die Entfernungen keineswegs gänzlih für ihr
aufgehoben. Der Mantel, der in deutſchen Sagen zu gleichem Zwede
dient, war wohl urfpränglic, wie das vielfarbige Tu der normännifchen
Gage noch andeutet, der Woltenhimmel mit feinen wechſelnden Farben,
Bolf 7, woran DMES. 26 nicht Zweifel erregen darf, deun der hier vor⸗
tommenbe Mantel, ver aus taufend Läppchen geftidt ift, von welchen ein
ieber, wenn man ihn auseinander warf, ein Schloß mit ſchoͤnen Gärten
und Weihern ward, ift zwar bie Erdoberflaͤche: er wird aber aud von
einem Frauchen verliehen, in welder wir bie Erdgöttin erkennen, fo daß
er von Wuotans Mantel verfchieven if; wohl aber‘ gehört hieher vie
$.115 mitzutheilende Sage von der Schwanenkirche zu Carden, wo Frouwa,
an deren Stelle Maria getreten ſcheint, nicht ald Erdgöttin in Betradt
kommt, fondern ſich mit Wuotan in die Herfhaft über Luft und Waßer
teilt.
Wir önnten noch von andern Berleihungen ſprechen, da bie deutſche
Sage außer dem Wunſchmantel auch Wünfelhüte fennt, welde vie Kraft
bes Mantel haben, während diefer, too er daneben vorkommt, bloß ums
ſichtbat macht. Ein ſolches ift Fortunats Wünfhhätchen, das neben einem.
andern BWunfchbinge, bem Sädel, vorlommt, wie au) Siegfried neben ver
Iarrlappe (Hehlmantel) ven Hort befigt. Rach den Nibelungen 1046
202 Wasten. Aqicdeciqier. 5. 66.
lag die umerfchöpflihe Kraft des Horts in der Wanſchelruthe (der
wunsoh lao dar under, von golde ein rüetelin), deren Name ſchon
auf Wuotan (Wunſch) weil. Dagegen nad Coba 190. 341 lag dieſe
Unerfpöpflichteit in dem Ring Andivaranaut, mit weldem ber Schat, wenn
man noch fo viel wegnahm, ſich wieder vermehren ließ, weöhalb er uns
fon ©. 93 mit Ddins mehrbefprohenem Ring Draupnir, von dem ans
dere ebenſchwere troffen, jo wie mit Mimrings fhagmehrendem Armring
zufammenfiel. Wo und alſo diefer Ring ober bie an bie Stelle tretenden
Wunſchſaͤdel, Brutpfennige oder Hedethaler in deutſchen Märchen begegnen,
da find auch fie als von Wuotan verliehen anzufehen, nit fo das
Mraun- oder Galgenmännlein. Cin Gleiches gilt von den Wunſchwärſeln,
KR. 82. Denn Odin, von dem alles Heil ausgeht, war ald Gott des Glüds
auch Gott des Syield vgl. ©. 198 und ihm wird wie. dem Mercur die Gr
finbung bed Würfelſpiels beigelegt. Myth. XXX VL 136. 140. 958. Selbft
vie Giebermeilenftiefel erinnern an die Flügelſchuhe Mercurs; wir müßen
fe an bes Gottes Füße denken, der fie zurüdließ, als er in den Berg
ſchlaſen gieng. Orwar Odd empfängt feine ficher treffenden von Bwergen
seihmiebeten Pfeile (ZAS. U, 113) von Grimr, weldhes ein Beiname
ODdins if. Sie vergleichen ſich den Freikugeln der deutſchen Freeifhüg
Tage Bol. Kuhn WE. 340. Die von Dvin dem Germobr verliehene
Bräune machte wohl umverwunbbar wie Hildegrin $. 97; ber meuere deutſche
Aberglaube macht aud ohne Banzer Ingelfeft durch die j. g. Baffaner
Kunft ober durch Ginheilen einer confeerierten Hoftie u ſ. w. Gfrörer
werben die genannt, welche die Kunſt verſtehen, fugelfeit zu machen.
Bol. Bingere Sagen 321 ff. Mipenburg 312.
Andere Wunſchdinge aufzuführen enthalte ih mid, indem ich auf
Myth. 1127 und Wolf Beitr. 10 ff. verweiſe.
Zu beachten ift aber eine Reihe von Märden, in welhen, wie AM.
92. 93.193. 197., vgl. DRS. 20. 23, mehrere folder Wunſchdinge zu
gleich erſcheinen: ihre Befiger find um fie in Streit gerathen, und ein
dritter, der zum Schiedsrichter aufgerufen wirb, bemächtigt ſich felber
ihrer, wie dad ſchon Siegfried in ben Nibelungen 89 thut, der fo den
Hort, die Taralappe und das Schwert Balmung gewinnt. In AR. 93
find es Stock (Schwert), Pferd und Mantel, Alp. BL I, 297
Schuhe, Hut und Mantel; dagegen KM. III, 401 nur ein Mantel, ER.
193 nur ein Sattel, der aber auf das Pferd hinweifl. Schwert um»
Pferd werden auch Stimisför 8.9 erfordert, um durch Wafurlogi gu
$. 67. VDaotau. Bonnengott. 208
seiten umb Die Braut zu getvinnen. Und fo finden fie ſich als Gram
und Gran bei Sigurd im der Edda und Wölfungafaga wieder, ba er
mie Sir, der an Freys Stelle getreten ift (j. 0.6.69) durch War
furlogi veitet. Statt dieſer wird in den Märchen ver Glasberg ober der
geloene Berg genannt, wa feinen Unterſchied macht, denn aud der Glass
berg {R em Geelenaufenthalt, wie Waſurlogi nad $. 30. die Unterwelt
umgiebt. Dieſe Wunſchdinge haben alfo die Kraft wie ber Etab 6.198
dieſes fonft unzugängliche Reich zu erichließen. Haben fie aud hier einen
Beyug auf Wuotan? Nach ver Sigurdſage follte man dieß bejahen, da
ſowohl das Schwert Sram, das Din feinen Vater Sigmund gewinnen
lieb ($. 64. 66), als das Roſs Grani, dad Sleipnir gezeugt hatte, von
Doin herrühren. Aber in Skimmißför fehen wir ja beide, Rofs und
Gäwert, in Freys Beſih. Zur Berneinung der Frage reiht dieß neh -
nicht hin: was Skirnisför von Freys Diener Skirnir erzählt, muß einft
don Odin gegolten haben. Denn wenn Skaldſt. 59 von Blodughoſi, das
wir oben für Freys Roſs nahmen, gefagt wird, Belis Tödter habe es
geritten, fo waren wir zwar nach Glimisför 16 berechtigt, dabei am
Frege zu denten, weil diefen Gerda ihres Bruder Mörder nennt; allein
an berjelben Stelle von Stalvft. heißt es kurz zuvor, ber kraftreiche Atridr
habe Blodhughofi geritten: Atridt ift aber nad Grimnism. 48 ein Bei⸗
name Odins. Dazu tommt, daß Gerda Slaldſt. 19 Friggs Rebenbuhlerin
heißt (og. 6.68 0.): fie galt alfo einft für Odins Gemahlin oder Ge
llebte. Bar es Ddin, der Beli erfhlug und Gerda gewann, fo bezog
ſich anf ihm der in Sfirnisför enthaltene Mythus, was fih nur aus feiner
igenfhaft ald Sonnengott ($. 74), die hernach auf Freyr übergieng,
eflärt: es war mithin Wuotand Roſs und Wuotans Schwert, welde
durch Wafurlogi führen, ven Glasberg zugänglid machen und bie Unter»
weit erfließen. Darum bedarf auch Hermobur, da er zur Unterwelt
weitet (9. 33), Odins Rofs Sleipnir, wie Sigurd den Grani, Slirnir den
Blodughofi, ja vielleicht Hermodur zu demfelben Zwed auch Helm und
Bränne ($. 64), welde zufammen den Mantel vertreten würden, denn
and, diefer Hyndl. 2 verbpate Bug kann auß der Bötterfage in bie Hel ⸗
Venfoge gelangt fein.
67. Swinfylking ·
Seinen Lieblingen theilt Wuotan, um ihnen zu Macht und Herſchaft
im verhelfen, nicht bloß feine Wunſchdinge mit, bie feine eigenen Attribute
204 Yuotan. Seldans und Kerans. 8 67.
find, er lehrt fie aud die Kriegskunſt, namentlich die von ihm felbft er
fundene Schlachtordnung. Schon jenen Hadding ($.66) unterwies er
wie er die Rotten keilförmig aufftellen müße, Saro 171 (Müller 52), mas
neh Tac. Germ. ‚Acies per ouneos disponitur‘ die ben Deutſchen
eigenthämliche Anorbnung war. Im Norden hieß fie Swinfglling, weil
fie die Geftalt des Eberrüßels nachzuahmen ſchien. Das jüngfe Beifpiel
begegnet in der Sage des Dänenlönigs Harald Hilvetand (Rriegejahn),
mit dem die biftorifche Zeit anbricht. Durch Zauberei und Odins Geſchenk
unverwundbar, pflegte er biefem bie Seelen der Erſchlagenen zu weihen,
was auf den Sper Gungnir und den an ihm haftenden Gebrauch bins
deuten Könnte. Bor dem Kriege mit dem Schwedenkoͤnig Ingo gedachte
ex den Ausgang des Kampfs durch Weißagung zu erforfhen: da erſchien
ihm ein einäugiger Greis von hervorragender Geftalt, unterwies ihm in
der Kriegäkunt und lehrte ihm außer einer neuen Weife, in der Seeſchlacht
die Schiffe zu ordnen, die Rotten teilförmig aufftellen. Mit dieſen Lehren
außgerüftet befiegte er bie Schweden, Saro VII, 138. Aber am Schluße
feines Lebens follte er ven Bram ODdins erfahren. Es war in der be
rühmten Brawallaſchlacht, welcher der gealterte, erblinbete Harald nur im
Wagen beimohnen konnte. Sein Wagenlenker war Odin felbft, welder
die Geftalt des Häuptling Bruni angenommen hatte. Der erblinbete
König, das angſiliche Gefchrei der Seinen vernehmenb, befiehlt jet dem
Bruni, des Feindes Schlachtordnung zu erforfhen. Bruni gehorcht, lehrt
aber lachend zurüd mit der Nachricht, es fei die feilfürmige. Betroffen rief
Harald: Wer hat den König Hring gelehrt, feine Scharen fo aufzuftellen?
Ich glaubte, Niemand kenne biefe Schlachtordnung als Odin und id. Will
Dpin mir nun den Sieg miſsgönnen ? das iſt nie zuvor geſchehen umb
ich bitte ihn, daß er aud dießmal ven Dänen Sieg gebe: alle, die im
Kampfe fallen, will id ihm weihen. Aber Bruni riß den König aus
dem Wagen und traf fein Haupt mit- feiner eigenen Keule. Saro 146.
Sögubr. (FAS. I.) 8. 9.
Auf Odin ald Erfinder des Swinfilting bezieht Mallenhoff Ztſchr.
VI, 529 ven bei Meicelbed Rr. 629 a. BA, vortommenden Eigenna ⸗
men Folchans; fo wird Körand ebendaſelbſt von dem Sper verleihenden
Gott $. 67 hergenommen fein.
68. Schuverhältnifie.
Allerdings ſcheint hier Odins Verhalten gegen feinen Schühling
durch eine Bmeibeutigfeit entftellt, die vielleicht ſchon fein Beiname Tweggi
(der Bweifache) ausvrüden follte. Sie liegt aber doc in dem Wefen bed
Gottes und der Natur des Kriegöglüds, deſſen Wandelbarkeit alle großen
Feldherren erfahren haben. Auch wird fie nad der Darftellung in Sd⸗
gubrot dadurch gemildert, daß Hilvetand, weil er den Dänen zu alt ges
worben war, auf dem Schlachtfelde zu fterben begehrte, weshalb er den
König Hring, feinen Schwefterfohn, aufgeforvert hatte, ein Heer zufammen
zu ziehen und ihm in ver Schlacht zu begegnen. Aber ber eigentliche
Grund liegt noch tiefer: die geheime Bedingung aller mit Odin einge
gangenen Schugverhältniffe ift eine Selbftmeihe, die wie bei Styrbidm
8. 65 (der fih dem Odin weihte und feinen Tod auf 10 Jahre bes
fimmte, wie auf dieſelbe Frift K. Eirik fih dem Odin gab, daß er ihm
Sieg verleihen follte, M. 970), auf gewiſſe Friften geftellt werben kann,
einmal aber dod immer von dem Gotte geltend gemadt wird. Wie er
bei kurzer Frift zu entſchadigen weiß, fahen wir an Helgi, dem, als er
nad Walhall tam, Odin anbot, die Herſchaft mit ihm zu theilen. Wie
alt Habbing ward, ber fi dem Gott zu Ehren freiwillig erhängte, wißen
wir nit genau; dem Harald Hilvetand hatte er ein langes Leben bis
zum Weberbruß bewilligt; Aehnlihes wird und Slkaldſt. 64 von Halſdan
dem Alten gemeldet. Diefer ftellte mitten im Winter ein großes Opfer
an und verlangte, dreihundert Jahre in königliher Gewalt zu leben. Da
erhielt er zur Antwort, ihm folle nicht mehr als das längfte Menſchen⸗
alter zu Theil werden; aber in all biefer Zeit würden aus feinem ‘Ges
ſchlecht nur erlaudte Männer und Frauen hervorgehen. Der Selbftweihe
wird bier geſchwiegen und vielleiht war Odin durch das vorausgegangene
große Opfer befriedigt, wie nah Heimskt. I, 29 König Den fi durch
das Dpfer feiner Söhne hohes Alter erfaufte: jeden zehnten Winter
ſchlachtete er dem Odin einen derſelben und warb fo alt, daß er zu Bette
fiegen mufte und aus dem Horne trank wie ein Heines Kind.
Als vom Stierſchwert das ſchlanke Ende
Er zum Munde mit Mühe hielt,
Mit Blut befubelnd ber Söhne Leib
Scälürft’ er liegend aus ber Spike des Horns.
Es konnte ber graue König im Often
Das Schwert des Ochſen ſchier nit mehr halten.
206 Wusien. Gevaltetſchaſt. 8.68.
Aber in andern Fällen muß man bie Selbſtweihe, auch wo ihrer
nicht ausbrüdlih gedacht ift, binzubenten und mas in beutihen Gar
gen von Bünbniffen mit dem Teufel erzählt wird, daneben halten,
. wo fie dann ihrerfeit® wieder von folhen mit Odin eingegangenen Schußs
verältnifien Licht empfangen. Auch der Teufel bewilligt feine Hülfe,
mie bei dem Fauft deö Puppenfpield und des Vollsbuchs, meift auf fehe
Jahre; andere läßt er, wie den goethefchen Fauſt, alt und blind werben
wie Hildetand; aber nie verfäumt er, fein Opfer wie Odin als Bruni in
Smpfang zu nehmen.
Jenes heidniſche Schugverhältnifs, deſſen Cingehung bei Eirid at
gefa; Odhni hieß, kann auch ſchon von den Eltern eine Kindes vor
ober bei deſſen Geburt eingegangen werben, wie bei ber bierbrauenden
Geirhild (FZAS.UL, 26. Myth. 977), die dem Hötte (Opin) für feinen
Beiſtand verheißen mufte was zwiſchen ihr und dem Faße fei; fie wuſte
nicht, daß fie damit ihren Sohn Wilar S. 196 Odin gelobt hatte
In veutfhen Sagen kehrt biefer Zug vielgeftaltig wieder; außerdem
ſchließen ſich auch unfere Märchen von Gevatter Tod (N. M.44) und des
Teufels Bathenfhaft BM. 68 hier an. Bol. $.146. Unaufgefordert nahmen
die Götter an dem Schidfal einzelner Menfhen vorzügligen Antheil, wie in
Grimnismal Odin an Geirrödh, die Frigg aber an feinem zwei Jahre ältern
Bruder Agnar: daran Inüpft fih eine Wette zwifchen beiden göttliden
Gatten, die ſich durch Friggs Lift zu Gunften ihres Pfleglings entſcheidet.
Derfelbe Wetteifer wiederholt fich bei der Sage vom Auszug der Langos
barden DES. 389. Ziſcht. V, 1,5.8. 108; im Wefentlihen eins mit jener in
Grimnism., nur daß · an die Stelle ber feindlichen Brüber zwei feindliche Böl«
ter treten. Die Lift, deren ſich bier Fra (Frigg) bedient, Gwodans Bett um ⸗
zulehren, kehrt im Maͤrchen von Gevatter Tod wieder, fo daß dieſer Bug
den engen Kreiß unferer Schupverhältnige nicht verlaßen hat. An Stark
adrs Verhältnifs zu Hrofsharägrani fahen wir oben ein Beilpiel, daß
die Gunft Odins mit der Feindichaft Thors erlauft werden mufte, und
dieß ließe fi nod am mehrern ber Thorshelven, welche Uhland (Mythus
des Thor) beſprochen hat, darthun. Gin folder Begenfag zwiſchen Thor
und Obin bildet aud bie Grundlage des freilich fpäten Harbardsliedes.
Auch andere Götter haben ihre Schugbefohlenen, wie ſchon die Ramen
Frowin, Baldewin, Bregovine auf ſolche Gönnerfcaft hinweiſen.
69. Verheißung Walhalls.
Schon oben iſt gejagt, daß Odin als Gott des Geiſtes befonders
den kriegeriſchen Geiſt, den germaniſchen Heldengeiſt bedeutet, und fo
fahen wir ihn auch 8.97 vie keilförmige Schlachtordnung lehren. Als
Geber alles Guten tonnte er, wie die Gage vom Außzuge der Langer
barden ausdrudlich fagte, kein höheres Gut verleihen als den Gieg.
Darauf gehen viele Beinamen und Attribute, darum find ihm die Thiere
des Schlachtfeldes heilig, darum kommt Niemand in feinen Himmel, ber
nicht in der Schlacht gefallen oder an Wunden geftorben if. Seine
bimmlifhe Halle heißt darum Walhall wie er felber Walvater, weil Wal
den Inbegriff der in der Schlacht Gefallenen. bezeichnet und alle feine
Wunſchſohne find, die auf dem Walplage fallen. Die Wallüren, die
eben fo feine Wunfhmädchen heißen, oder Freyja, aus welcher fie ver
vielfältigt find, fendet er aus, den Wal zu kieſen und feiner himmliſchen
Halle als Einheriar (Schredensfämpfer) zuzuführen D. 20. Dort geht er
feinen Gaſten entgegen und empfängt fie an der Schwelle; ſchon vorher
hatte er das Mal rüften lafen zu ihrem Gmpfange, wie das im Cirils⸗
mal (Slaldſt. 2) herrlich geſchildert ift. Sie trinfen mit den Göttern den
ſühen Meth, der aus dem Guter der Ziege Heidrun 45. 19 fließt (D. 39)
oder den Begeifterungstrant der Ajen und Stalden, deſſen Urjprung D.
57.58 erzäplt ift. ©. 8.16. Auch bie Speife, das Fleiſch des Gbers Sah ⸗
vimmir, ift ihnen mit den Göttern gemein. Jeglihen Tag wird er gefotten,
heißt es D. 38, und ift am Abend wieder heil. Aud an Kurzweil fehlt es
da nicht: jeden Morgen, wenn fie angelleidet find, wappnen fie fih und
gehen in den Hof und fällen einander. Das ift ihr Zeitvertreib. Und
wenn es Beit iſt zum Mittagsmal, reiten fie heim gen Walhall und fegen
fh an den Trinltiſch D. 44. VBgl. oben ©. 47. So ift ihr Leben eine
Fortfegung, aber zugleich eine ‚Berllärung des irdiſchen.
Zwar ift Alles das nicht bloß als Belohnung aufzufaßen, ba wie
6.130 ausgeführt warb, Odin zugleich feine Macht gegen die Rieſen
färkt, indem er die berühmteften Helen, die er im Kampfe fallen läßt,
in feine himmliſche Halle zieht, wie auch das tägliche Kämpfen ver Gin
herier als Borübung auf ben lehten Weltlampf gefaßt werden kann. Doc
aber war dieſe Unfterblichleitälehre und das in Walhall verheißene Freu⸗
denleben ein mächtiger Antrieb zu tobesmuthigem Kampf; dieſer Glaube
lehtte den Tod verachten und bilbete Helden, obgleich Peterſen 299 richtig
208 Wustau. Unferblicikeitsichre. 8.9.
bemerkt, man dürfe das au umfehren und fagen, die den Germanen
angeborene Tapferkeit und Unerſchrodenheit habe die Lehre von Odin und
Walhall geſchaffen. Wenn aber Gangleri D. 39 fragt: ‚Was haben die
Einherier zu trinten, das ihnen fo genügen mag als ihre Speije? Diver
wird da Waßer getrunfen ?' und Kar antwortet: ‚Wunderlich fragft du
nun, als ob Allvater Könige, Jarle und andere herrliche Männer zu ſich
entbieten würde und gäbe ihnen Waßer zu trinken. Ich weiß gemifs,
daß Mande nah Walhall lommen, die meinen follten, einen Xeumt
Waßers theuer erlauft zu haben, wenn ihnen da nichts Beßeres geboten
würde, nachdem fie Wunden und töbtlihe Schmerzen erbuldet haben‘, fo
ift das in echt heidniſchem Sinne gefprohen und ſchwerlich würde ſich
der Germane ſo freudig in den Kampf geſtürzt haben, wenn man ihm
geſagt hätte, daß der Eber Sährimnir, das Bild der Sonne, nichts ald
das Licht des Tages fei, das fih täglich erneut, und Heidruns Mid
nichts als die Mare Netherflut, ver reinfte Lichtſtrom, der unfterblichen
Zungen allein zuträglih, ihnen zur Quelle des ewigen Lebens wird.
Gleichwohl treffen diefe Deutungen den urfprünglihen Sinn des Mythus,
und felbft die überlieferten Namen in Grimnism. Str. 18:
" Andhrimnir (der Koch) läßt in Eldhrimnir (dem Kefel)
GSährimnir fieden,
Das befte Fleiſch; doch erfahren Wenige,
Was bie Einherier efen.
laßen ſich damit in Webereinftimmung bringen. Beterfen 232. Aber welde
Auslegung wir jegt auch wählen, gerade in ihrer Bildlichleit war Odins
Lehre geeignet, auf die Gemüther zu wirken. Dem tapfern Kämpfer
tonnte es gar nicht fehlen: fiel er in der Schlacht, ſo wurden ihm Wal:
halla Wonnen zu Theil; hatte ihm aber Odin Sieg verliehen, fo mochte
er fo begnadet dem Feinde wohl gönnen, bei Opin zu gaften. gl
Snorri Heimskt. I, Cap. 10. So war jeder Ausgang willlommen, und
man begreift, wie dieſe Helven, ‚wenn des Lebens Stunben verlaufen
find, lachend fterben‘, Kräkum. 25.
Auf ven Befig Walhalls bezieht ſich wohl Odins Beiname der
Mann vom Berge, wie er von Sigurd genannt fein will, Sig. Fafn.
DL, 18. In Gigror. (191) fahen wir ihn auf dem Berge ftehen mit
blantem Schwert, den Helm auf dem Haupte. Der Himmel ver Afen
lag demnach urfprünglid auf dem Berge und ward erſt fpäter in höhere
Sphären gerüdt, wie wir gleiche Anſchauungen bei "urverwandten Böllern
870 Wustan; Berferksgang. 209
fnden. Rach der entgegengefegten Anſicht lag aber der Himmel in dem
Berge, im Schooß der Erde, und diefe ſcheint an den Wanengöttern zu
haften, wenn fie gleich jegt mach dem eddiſchen Syſtem in Asgard
Aufnahme gefunden haben. Bgl.$. 59. Diefe Anſchauung finden wir in
Deutfchland wieder und auch hier treffen wir die Ginberier bei ihm: es
find feine Krieger und Helven, die neben ihm dem Tag entgegenſchlum ⸗
mern, wo fie in der Schlacht auf dem Waljerfelde ven Iepten Kampf
tämpfen und ihre alte Hertlichkeit wieder heraufführen follen. Nach dem
vielgeftaltigen Bollöglauben begleiten fie ihn aber aud ſchon früher, wenn
dem Baterlande Gefahr droht, in dem wüthenden Heer $.72 oder alle
lährlich, wenn die wilde Jagd 8.73 aus dem Berge brauft.
70. Ariegeriſcher Eharacter.
Die kriegeriſchen Eigenſchaſten Odins überwogen auch dem Berfaßer
der Heimskringla, der als Chrift die Götter gleih Saro hiſtoriſch aufs
füßen und vermenſchlichen mufte. Wie dieſem Obin ein betrügerifcher
Bauberer, fo ift er dem Snorri ein großer Heermann und Eroberer, der
von Afien ausziehend den Dienft der Afen nach dem Norden brachte.
Rad 6.178 beruht dieß auf falfher Etymologie, da in dem Namen ber
Afen, deutſch Anfen, ein n ausgefallen ift, was jeden Bezug auf Afien
abſchneidet. ‚Odin konnte auch machen‘, heißt es €. 6: ‚da feine Feinde
in der Schlacht blind ober taub ober erſchredt wurden und ihre Waffen
nit fhärfer verwundeten ald Ruthen; aber feine Mannen brangen ein
ohne Banzer und waren wüthend wie Hunde ober Wölfe, bißen in ihre
Schilde, waren ſtärler ald Bären oder Stiere: fie ſchlugen die Gegner zu
Boden; ihnen aber ſchadete weder Feuer noch Eiſen. Dieß wurde Ber-
ferlögang genannt.”
Unmittelbaren Antheil nahm Dpin nit felten an den Schlachten
der Menfchen. Er ift wohl der Gott, quem adesse bellantibus credunt.
Tac.Germ. 7. Als er den Hadding in ber keilförmigen Schlachtordnung
unterwiefen hatte, ftellte er ſich hinter die Reihen, z0g eine Armbruft
hervor, die erft ganz Hein ſchien, aber gejpannt wuchs, legte zehn Pfeile
mgleihy auf die Sehne und erlegte damit eben fo viel Feinde. Saro 17.
Dem menſchlich aufgefaßten Balder $. 35 kämpft er mit Thoro und an
dern Göttern zur Seite. Welchen Untheil er an der Brawallaſchlacht
mahın, ift oben berichtet; in Hrolf Kralis legtem Kampf leiftete er den
Gimred, Mypolegie. 14
210 u Dueiaa. Aampfanit. 8.70.
Schweden auf weißem Roſs und mit weißem Schilde bevedt Beiſtand;
doch wird er dem Biarki erſt ſichtbar, als dieſer nach Rutas Rath durch
den Armring ſchaut, Saxo 37, was ſich der deutſchen Schulterblattſchau
(Myth. 891. geitſcht. V, 536) vergleicht, die geiſterſichtig mad.
Bei dem Fall der Söhne Jonakurs erſchien Odin im Schlachtgewuhl,
Saro VII, 154—57 nennt ihn außbrüdlih ; die entſprechende Etelle wer
Böll. S. führt ihn wie gewöhnlih als einäugigen Grels ein: fo bleibt
fein Zweifel, wer in Hambismal 13.26 der in ver Brünne geborgene
Hohe Berather ift, der Jormunrels Kampfern zuruft:
Schleudert Steine, wenn Geſchoße nicht haften
Noch ſcharfe Schwerter, anf Jonalurs Söhne.
Was ift Odin hier ander als die in ber Schlacht entbrennende Kampf ⸗
wuth, die, ein unſichtbarer aber ſchredlicher Widerſacher, mit unfcheinbaren
Waffen ein großes Blutbad anrichtet, und was den Schwertern und Epe-
en nicht fallen will, mit Steinen zu Boden fhmettert ? So werben auch
die nächften Zeugnifje zeigen, daß ed nur ber eigene kriegeriſche Sinn
war, den die Germanen in Odin anſchauten. Dieſer Sinn lebte vor
nämlid unter den Edeln und Fürften: Bauern und Knechte, welchen der
Aderbau überlaßen blieb, konnten dem Ariege nicht geneigt fein, ber ihre
Saaten zertrat, ihr Vieh ſchlachtete, ihre Gepöfte in Flammen aufgehen
ließ. So laßen fi die Worte Harbarbsl. 24 verſtehen:
Odin hat die Fürften, die im Kampfe fallen,
Thor hat der Thräle (Knechte) Geſchlecht.
Gin eigener Himmel Thoͤrs ift fo wenig bezeugt, als daß der freie
nordifhe Bauer oder der Knecht, der als Waflenträger feines Herm in
der Schlacht fällt, nicht zu Odin fomme. Freilih nur wenn er im Ge
folge feines Herrn nad Walhall fährt, geht ihm Odin entgegen, Baur
trelsſ. 8. Aber diefelbe Etelle des Harbardsliedes fagt aus, daß es Odin
if, der die Fürften verfeindet und dem Frieden wehrt.
Als Zwietrachtſtifter erfceint er auch Helgalw. H. I, 32, wo ſich Dag
bei der Schwefter, der er den Gemahl erſchlagen hat, mit ven Morten
entfhulbigt :
Odin allein if Schuld an dem Unheil,
Der zwifcgen Verwandte Zwiftrunen warf.
Nicht als ob Odin den Brud der Sippe wollen könnte, nur fo weit der
Krieg von der Gitte geboten wird, fteht ihm Odin vor: den tibernatirs
un. Wastan, Elntrage. 211
lien, welder Verwandte gegen Verwandte führt, haben wir oben ©. 126
nach der im Norden feit der Wölufpa herſchend gemworbenen, allerbings
üngern Anfiht, als Tyrs Werk erlannt. Allein Dag hatte dem Odin
für Vaterrache geopfert: den Water an Helgi zu raͤchen, gebot ihm die
dringendſie Pflicht, die Ausnahmen fo wenig erleidet als Aufichub (9.34),
und fo war es auch bier noch ber ber Blutrache ergebene germaniſche
Gein felbR, der in Odin angeſchaut zwiſchen Schwägern blutige Entzweiung
gefät hatte.
A. ufterfcheinungen.
Auf Odin als NKriegägott ift aud die unter dem Namen des wir
thenden Heeres befannte Lufterfheinung ſtreitender oder zum Kampf
aujiehender Krieger bezogen, obgleih ihr ſowohl ald der verwandten
wilden Jagd der dahinbraufende Sturmwind urfprünglid zu Grunde
Ing. Wie Krieg und Jagd, die beiden Hauptbefhäftigungen edler Ger⸗
manen, fo fcheinen aud müthendes Heer und milde Jagd verfchieden,
Die wilde Jagd ift mehr norddeutſcher Blaube ; das wuthende Heer mehr
füpdeutiger. Die Ehilderungen der wilden Jagd find graufenhafter als
die von dem wuthenden Heer, deren Breuel erſt in ber Zukunft liegen,
Beive hatten aber in dem empörten Quftelement, von dem Obin ausgieng,
einen gemeinfamen Anlaß: der Volksglaube war wohl berechtigt, fie ins
einander fließen zu Iafen. Ihnen verbindet fid aber ein drittes: Bötter
in diefen Gtürmen zu ſehen, mar ihre befruchtende Kraft ſchon Anlaß
genug ; dazu fielen fie meilt in altheilige Beiten, wo fegnende Gott»
heiten ihren Ums und Ginzug hielten und von dem erwartenden
Bolt mit Opfergaben empfangen wurben. Daher zieht nicht Wuotan al ⸗
kein an der Gpige der wilden Jagd, es find auch andere Gottheiten, vor ⸗
namlich weibliche, die als Berlörperung jener Stürme Bäumen und Früch⸗
ten des Feldes Gegen fpenbeten, denn wo ber heilige Bug vorüberfuhr,
da ſqwollen die Saaten üppiger, ober wo fie den Weg durch eine Scheune
nahmen, mehrte ſich der Reichthum in den Garben. Zeitſchr. f.d. A. VII,
386. Es bebeutet ein gutes Jahr, wenn man das Muteöheer recht faufen .
und braufen bört, und kommt es recht zeitig im Fruhling, fo wird
bald alles grün. Meier I, 114. 129. 131. 139. Wenn das Nodert-
weibdhen ſich ſehen läht, giebt es Heu und Frucht in Hülle und Fülle,
Baader 158. Ws ein wohltpätiges Weien erihien auch der Gott, als.
212 Wustan. Entfehung. & 71
er den erfchredten Holzdieben zurief: ‚Was macht ihr bier? die Nacht iR
mein und der Tag ift euer.‘ Wird dech fogar jenes Eaufen und Brau
fen hier und da als ein entzüdenber Gefang gefhilvert. An viefe ein
ziehenden fegnenden Götter erinnert noch der in Tours erſcheinende Wagen
des Königs Hugo (Capet), der einen heidniſchen Götterwagen, fei es nun
Freyts, Thors oder Odins vertritt.
In chriſtlicher Zeit konnte ſich dieß nicht in alter Würde behaupten;
nur wenige Erinnerungen daran bewahrt der Vollsglaube einzelner Land:
ftrihe: mo fie nicht als Helden mwiebergeboren wurden, die dem Rolle
lieb den Eifer der hriftlichen Priefter nicht herausforberten, erſcheinen die
Götter in Gefpenfter, Teufel und Heren verkehrt, denn obwohl die weib⸗
lichen Gottheiten am glimpflichften behanvelt wurben, fehen wir doch auch
fie auß holven in unholde gewandelt und durch langen Schwanz bei ſchö⸗
nem Angeſicht entftellt. Schon bie alten Gottheiten hatten einen Bezug
auf die Welt der Todten: nicht nur bie Einherier fuhren in Wuotans
Geleit, auch bei Frouwa, Berta und Holla weilten die Seelen ungeborner
Kinder, und früh geftorbene kehrten zu ihnen zurüd; das Chriftenthum
machte fie zu ungetauften und gefellte ihnen alle Schreden der Hölle.
Da fah man bekannte Trunfenbolde und Selbſtmörder in gräfsliher Ber
ftümmelung, Reiter ohne Kopf ober den Kopf unterm Arm, ober das
Gefiht im Naden figend; andere waren quer auf ben Sattel gebunden;
die Pferbe kohlſchwatz, dem Schimmel Wuotans unähnlid, oft breibeinig
ſtatt adtfüßig, mit flammenden Augen, ‚vie Nüftern funtenfprühend ; den
Hunden hiengen glühende Zungen lechzend auß dem Hals; der ganze Zug,
wie er aus ber Hölle hervorbraufte und dahin zurüdtehrte, felbit einzelne
Höllenftrafen vor die Augen führte, ſchien zur Pein der mehr gejagten
als jagenden Geifter bejtimmt, den Menſchen aber zum Schreden, ja zum
BVerberben, denn fobald fie den haarſträubenden Saus in den Lüften
vernahmen, dad Wiehern und Schnauben der Pferde, der gebeten Hunde
Bellen, der Peitfhen Knallen und der ‚fatfenden’ Jäger Huhu, Halle,
‚Hoto ! werfen fie ſich mit dem Gefiht auf die Erde und laßen den toben»
den Geifteriäwarm vorüberbraufen, vor dem etwa nur das Areugjeihen
ſchuht oder die Mitte des Wegs (Myth. 876); auf dem Felde betroffen
muß man unter die Egge kriechen (Myth. 961), auf dem Hofe den Kopf
in bie Speichen eines Wagenrabed fteden, denn leicht würde man fonft
ergriffen und meilenweit mit fortgeführt: auf. abflürzigem Felſen fände
man fi) wieder oder in unbelanntem Lande und möchte fi erft nach
er. Wustan. Yerwünfhung. 218
Jahren in bie Heimat zurädbetteln. Zu dieſem SHöllenaufzug kommt die
Ausſage der geipenftiichen Reiter, daß fie Berbammte feien, die zur Strafe
diefe Marter erleiden: weil fie gewünſcht haben, ewig jagen zu
dürfen, find fie verwünfht worden ewig jagen zu müßen.
Doch begegnen auch freundliche, noch aus dem Heidenthum vererbte Züge:
geringe Dienfte belohnen fie reichlich ; das Band, woran ein Bauer dem
milden Jäger die Hunde gehalten hatte, bringt ihm Gegen, fo lange er
& befipt; für Hufeiſen giebt er Ducaten; die Späne von Berdtas
Bogen verwandeln fi in Gold; ſelbſt der Schug, melden das Ader
geräth gewährt, weiſt auf die alten, dem Landbau holden Götter.
Jenes dritte (S. 211), der Umzug der Götter, wird nod; beim
Gottesvienft wieder ind Auge gefaßt werben; bier haben wir es zunädjft
mit den beiden andern Auffaßungen diefer Lufterjeinungen zu thun.
72. a. Wüthendes Heer.
Wo in der Schlacht die Kampfwuth entbrannte, warb Obin fichtbar
8.70; aber aud vor der Schlacht, ja felbft vor dem Kriege erfcheint er
und ba bebeutet es dem Vollke den nahe bevorftehenden Ausbruch bes
Krieges. Schon Heimskringla J, 10 meldet, Ddin laße ſich oft vor dem
Beginn großer Kriege ſehen. ber felten naht er allein, wie FMS. XI;
p.55—56, wo er in ber Nacht vor der Schlacht bei einem Schmiede eins
lehrt, fein Roſs befchlagen zu lafen, womit man Zingerles Tor. S. Nr. 8
vergleiche ; in Deutfchland zieht er gewöhnlich an der Spitze feiner Schar
ten aus einem der Berge, in welchen er nach der Sage mit feinem ganzen
‚Here verfunten ift; aber nicht mehr Obin wird genannt, fondern einer
der'an feine Stelle getretenen Lieblingshelden des Volt, von deren Berge
entrüdung ſchon oben $.53 die Rebe war. Ehe ein Krieg ausbricht,
thut fi) der Openberg bei Gudens berg auf, Kaiſer Karl kommt her⸗
vor, fößt in fein Horn und zieht mit feinem ganzen Heer aus. DS. 26.
3 beveutet Krieg, wenn Wöling (Wittelind) aus ber Babilonie reitet.
Veh. Sagenb. 319. Vgl. Kuhn WE. I, 253. Nach Panzer 15 rührt
fid) bei heranmahendem Kriege Kaiſer Friebrih im Unteräberg, Maffen«
getöfe ſchallt aus der Höhle, Nitter und Knappen auf feurigen offen,
in glühendem Panzer und mit flammenden Waffen burchflürmen bie Ge
gend um Mitternacht. Cine Luftfpiegelung, die 1638 in Norddeutſchland
gejehen wurde und ein Geegefecht barftellte, zeigte den Ginfall der Schwer
214 Wnsten. Loderſteinet. «72
den in Polen an, der bald darauf erfolgte. Abſeits fpazierte ein Mann
von mehr als menfchlicher Länge in breitem Hut und langem Rod, ber
ihm bis auf die Füße hieng. Hölliſcher Proteus 229. Grohmann (vgl.
8.128) 31. Es bebeutet Krieg, wenn bie Unterbergsmanbeln ſich im
Waffen zeigen; wenn man aus ber Köhle bed Berges Trommelſchall
und Waffengetöfe hört, wird das Land von feindlichen Truppen über
ſchwemmt. Bernaleten Alp. 65. Am Belannteften und nod Kürzlich wieder
in den Zeitungen gemeldet ift ber Auszug des Rodenſteiners nach dem
Sänellerts, der dem bed Nothenthalerd im Aargau gleicht. Myth. 892.
DE. 169. ‚Wenn ein Krieg bevorfteht, zieht ber Robenfteiner von feinem
gewöhnlichen Aufenthaltsort Schnellerts bei grauender Naht aus, be»
gleitet von feinem Hausgeſind und ſchmetternden Trompeten. Cr fährt
durch Heden und Gefträude, durh die Hofraithe und Scheune Simon
Daums zu Oberkainsbach bis nad dem Rodenftein, flüchtet gleihfam,
ala wolle er das Geinige in Sicherheit bringen. Man hat das Anarren
der Wagen und ein Hoehoſchreien, die Pferde anzutreiben, ja felbft die
eingelnen Worte gehört, die einherziehendem Kriegsvoll vom Anführer
zugerufen werben unb womit ihm befohlen wird. Zeigen ſich Hoffnungen
mum Frieden, dann kehrt er in gleichem Zuge vom Robenftein nach dem
ESämellertö zurüd, dod in ruhiger Stille, und man kann dann gewifs
fein, daß der Friede wirklich abgeſchloßen wird.“ Gigentlih if es wohl
der Schnellertägeift (Wuotan), der nach dem Rodenftein zieht. Auch Gr
läßt fi) fein Roſs beim Schmied beſchlagen (Wolf Beitr. 58), wie das
eben von Din erwähnt wurde, und fo darf man auch an den Schmied
Boldermann benfen, der nad Kuhn NS. 221 bei Kaifer Friedrich im
Kiffhäufer figt. Wie der Schnellertägeift nad) dem Novenftein, fo gieht
auch Kaifer Karl aus dem Odenberg in einen andern Berg. Was if der
Zwed dieſes Auszugs? Sollten fie dem Baterlande in feiner Neth zu
Hülfe eilen wollen? Wenn feindlihe Bölter den Rhein überfchreiten, zieht
ihnen der Robenfteiner aus dem Schuellerts entgegen ; er lehrt wieber in
den Berg zurüd, wenn ber Feind über den Rhein zurüdgegangen if.
Anderwaͤrts jehen wir chriſiliche Befinnung ſich mit vaterländifcher mifchen.
Bor der Schlacht von Rooſebeele hörte man Waffengellirr und Getöfe und
Stimmen wie ftreitender Heere aus dem Goloberge bei Audenaerde ſchallen
(Wolf Beitr. 60) und vor dem großen deutſchen Freiheitskriege das Mur
teöheer mit Mufit und Trommeln über Blaubeuren binziehen, Meier 146.
vgl, 153. Die große Stadt Kems in Baden ift mit zwei dpriflicen
ET Waolen. Altes decer. 216
Heeren verfunfen: bei beporſtehendem Krieg ertönt aus der Tiefe Trom ⸗
melſchlag und das Geläute ver Münftergloden. Einſt aber, wenn die
Ehriften zu einem Meinen Häuflein zuſammengeſchmolzen den Jegten Ret⸗
tungötampf gegen die Ungläubigen wagen, kommen bie zwei Heere ihnen
‚sw Hülfe und bauen den Feind in Stüde Nach dieſem gelangen fie
zur ewigen Rube und die Chriften auf. Erden werben an Heiligkeit der
erfien Gemeinde unter den Apoſteln ähnlidh. Baader 40. Unter dem
badiſchen Schloß Hochberg figen zwölf Männer im Berge an einer Tafel
oder fpielen mit goldenen Kegeln und Kugeln. Diefe zwölf Männer (die
zoölf Afen) find in bie Burg verwünſcht; aber fie lommen, wenn Deutſch⸗
laud in der großen. Noth ift, wieder heraus und befreien e3 von feinen
Feinden. Baader 67. vgl. 167. Auch Kaifer Heinrih, der im Sübemer
Berge figt, wird wiederlehten, wenn Goslar einmal in großen Nöthen ift,
Kuhn RS.108. Nah DES. 21 follen die im Schloße Gerolded im Was ⸗
gau fhlafenden uralten deutſchen Helden, worunter Witechind, der hürnen
Giegfried und viele andere, wenn bie Deutfhen in den hödften
Röthen und am Untergang fein werben, ihnen mit etlichen alten Vol⸗
lea zu Gülfe tommen. So werden aud) die drei Zelle, die Stifter des
Säweizerbundes, auferftehen und aus ihrer Felslluſt reitend hervorgehen,
wenn die Zeit der Noth fürs Baterland fommt. DE.297.
Das mögen fpätere Deutungen fein; fiherer iſt es die Aufregung ber
Gewäther, die dem Kriege vorbergeht, der wieder erwachte kriegeriſche
Geiſt, die im ber geſpenſtigen Grideinung des Gottes und feines Heeres
engeſchaut wird.
Zuweilen findet ſich bie Meldung von kämpſenden Heeren, die in
der Luft erſcheinen ohne die Deutung auf bevorſtehenden Krieg. Myth.
892. Meier I, 123, In dieſem Mittelgliede ſcheint der Uebergang ger
funden zu den gewöhnlichen Sagen von dem nädtlihen Umzug bes wür
thenden Heeres, das auch Wuotunges, Wuotas und Muotas Heer
heijt, Meier 1,127, aud das alte Heer, exercitus antiquus, in Spanien
ercito antiguo. Sterben hieß in. Deutihland ‚ins alte Heer gehen‘,
Roth. 893. Um fo fiherer ift an die Ginherier zu denken, mit weldhen
Dpin auszieht, fei es mun in der Sache ber Götter beim Ichten Welt
lampf oder um an einem Kriege der Menſchen Theil zu nehmen, ven er
wigber heilegen Tarın, tie er ihn angefadht bat, denn in feinem Runen
lede (Damamal 154) fagt er ſelber von ſich:
216 Wusten. Wilder Fäger. en.
Wo umter Helden Haber entbremut,
Da mag ich ſchnell ihm fchlichten.
Auch der tägliche Kampf ber Einherier vor Odins Gaal, nad welhem
die Gefällten, wohl von Freyja oder ihren Walfüren erwedt, wieder er
ſtehen, worauf fie zum Male heimreiten (Wafthr. 410), kann der Bor
ftellung von dem müthenden Heere zu Grunde liegen. Gr wiederholt ſich
in ber Erzählung D.65 von der Hebninge Kampf, die täglich erſchlagen
werden; Nachts aber medt fie Hilde, an ihrem Halsband als Freyja er
tennbar, zu neuem Kampf, unb auch biefer, der bis zur Götterbämmer
rung fortwähren foll, ift Stalbft. 59 als Luſterſcheinung gedacht. An die
Einherier in Asgard mahnt aud der Ausdruck aaskereia aud) hoskelreis,
wie der gefpenftiihe Bug in einigen Gegenben heißt, wenn dieß nämlik
aus Asgardreida zu beuten iſt. Myth. 893.
. 73. b. Wilde Jaad .
1. Das wüthende Heer, wenn es den Ausbruch eined Krieges an
zeigte, erfhien zu unbeſtimmten Zeiten; andere ähnliche Grideinungen,
bei melden die Vorftelung einer wilden Jagd waltet, kehren zu ber
ſtimmten Jahreszeiten regelmäßig wieder. Ihnen feheinen nicht politiſche
BVerhältniffe, die zufällige Lage des Reichs zu Grunde gelegt: fie begiehen ſich
noch deutlicher auf jährlich wiederkehrende Naturerfheinungen, wobei
fich jedoch fittlihe Vorftellungen einmiſchen. So foll in Schonen ein in
Novembers und Decembernähten von Gecvögeln verurjachtes Geräufh
‚Den agb’ heißen (Myth. 871). Gewoͤhnlicher, in Dentfhland na
mentlih, ift e3 der in den Winternächten heufende Sturmwind, ver ald
nädtlihe Jagd gewiſſer Gottheiten und Helden aufgefaßt wurde: die Zei⸗
ten, die hier genannt werben, find ‚Bartholomäi’ oder ‚die Fronſaſten vor
Weihnadten‘, ober ‚die Zwölften‘, womit bie zwölf Nächte von Weib
nachten bis Dreifönigentag gemeint find. Myth. 872,873. Nur Müllen«
boff 301 wird die ber Winterfonnenwenbe entgegengefepte Beit Johannis
genannt; aud der ſchweizeriſche Dürft jagt im den Sommernächten,
Myth. 872. Viermal jagt der wilde Jäger im (hildesheimiſchen) Wold
Die Jahreszeiten trennen fi) im Gewitterfampfe; fo fagt man vom erſten
Gewitter im Früpling, der Sommer ſcheide fih jept vom Winter, der
Sommer liefere vem Winter eine Schlacht. Seifart Hilvesh. 6. 1854, 175.
Hiernad feinen aud die Herbft und Früblingönachtgleihen in Betracht
ur. Westen. Hahelbärend. 217
zu fommen, wo Gewitter ſich einmifhen: mithin fehen wir Wuotan als
Gewittergott gedacht, worauf fein Name Wibhrir deuten wird.
2. Unfere Nachrichten über dieſen Vollsglauben ftammen meift aus
chriſtlicher Zeit: um fo bedeutender ift es, wenn die nod im Volle Ieben-
den Ramen auf den heidniſchen Gott hinweifen, deſſen Wefen die Luft
im Grunde lag, und der, wie in aller Hufregung, fo namentlich in dem
empörten Glemente, in Wind und Gemwitterfturm waltete. Das war nun
fon bei den angeführten Namen bes wüthenden Heeres ver Fall; nad
medienburgifchen, pommerifhen und holfteinifhen Sagen zieht an ber
Spige der wilden Jagd ber Wod, ber auch Woejäger, Wohljäger,
Bauwau, Wau oder Au genannt wird; daß er in Schonen Oden heißt,
iR ſchon angeführt; denfelben Namen führt er in Schweben. In Nieder
ſachſen und Weſtfalen heißt er Hadelbärend, Hadelberg, Hadelblod,
deren Bezug auf den manteltragenden Wuotan S. 92 fi unten ergeben
wird. In Defterreich finden wir ihn Wotn genannt und wenn er bie
ſaligen Sräufein verfolgt, Wut oder Wode. Aus einer männlichen Gott«
heit Fro Woden, wo Fto Here bebeutete, feinen dann die weiblich ges
dadıten Frau Bode, Frau Gode, Frau Gauden u. ſ. w. hervorge⸗
gangen: Frau Gauden finden wir in Medienburg, Frau Gode in der
Briegnig der wilden Jagd voranziehen, wie anberwärtd Frid, Berta,
Holle, Diana, Herodias oder Abundia, Hera und Herka, Kuhn NE. 483.
519. Der Herodias entfpricht ein männlicher Herodes. Ganz allgemein "
Wird der wilde Jäger von feinem weißen Hoffe ber Schimmelreiter ge:
mannt, Der Berta entfprechend und wieder männlich gedacht, führt in
Säwaben Berchtold die wilde Jagd an: weiß gefleibet, auf meißem
Bierde, weiße Hunde am Strid, ſcheint fein Aufzug den Namen erläutern
zu wollen. Bon Hadelbärend wird man am Harz auf Bernhard
gelangt fein, und dieß mochte weiter auf Dietrid von Bern, Bern
dietrich ober Dietrich Bernhard leiten, Namen die in der Lauſitz ober im
Oilagau begegnen (Myth. 888. 889); in Böhmen heißt er Banadietrich,
mährend in Geldern ‚Dert met dem Beer’ $.101 einftimmt. Doch haben
auch andere Namen der Helvenfage Eingang gefunden: aus der nordiſchen
rührt Balnatofe ber, der in Fühnen als Balnajäger (Myth. 897) erfcheint;
aber auch die deutſche, lerlingiſche und brittijche fingen an; rein hiſtoriſche
Rönige, von welden in Dänemark Chriſtian IL. das jüngfte Beifpiel if,
treten feltener ein. Zu Eisleben und im Mansfelvifhen ſchreltet der ger
treue Gdart gleihfam dem Zuge vorauf und heißt die Leute aus dem
218 Waren. Hciekin. 7%
Wege weichen, damit fie nicht Schaden nähmen, wie er nach ber Vorrede
zum Heldenbuche auch warnend vor bem Venusberge fig. So reitet auch
in Schwaben dem Muotasheere ein Mann voraus, welder suft:
Ausm Weg, ausm Weg,
Daß Niemand was geſchech! Bol. Kuhn WE. 360.
Diefen Helden der deutſchen Sage dürfen wir Siegfried nicht beifügen,
obgleih DS. 21 erzählt wird, daß er im Schloße Geroldek ‚zu gewiſſer
Beit des Jahrs“ geliehen wird. In Frankreich ließ man Karl den
Großen der Erſcheinung voraudreiten und Roland die Fahne tragen.
Bei Wien heißt der wilde Jäger ſchlechtweg Karl, was nur nad Her
zu bebeuten ſcheint. Sonſt figt bei uns der Kaifer, oft als Karl V.
(Rarle Quintes) verjüngt, nur im hohlen Berge, obwohl ſchon der Zuruf,
mit dem heſſiſche Mütter die Kinder ſchweigen: ‚Der Duinte kommt!’
beweilt, daß man ihn aud umfahrend (vgl. 6.213) dachte. Wirklich fol
der Geift von Karolus Duintus den Waldſaum des heſſiſchen Openbergs
im Galopp umreiten (Myth. 890. 92), und ba dieß an beftimmten Jah
veßtagen geihieht, fo ift es ſchwerlich ein kiegverfündender Auszug. Dech
ift zu beachten, daß König Artus in Frankreich und Schottland ala
naͤchtlicher Jäger erſcheint, der auch bei und nad dem Wartburgkriege im
hohlen Berge faß, und von dem die Britten die Wiederleht einer beßern
Zeit und der alten Herrlichkeit ihres Volles erwarteten. Bon 8. Abel,
der im Schleawigſchen jagt (Myth. 897), und R. Waldemar, ver ben
Dänen zum wilden Jäger geworben ift (Myth. 895), ift mir micht ber
lannt, daß fie im hohlen Berge jäßen. Hier Klingt der feige Waldemas
au, ber nach der Wiltinaf. Cap. 235 (Hagen), wo er einen großen Bir
fen» zu Tobe reitet, ein Dienftmann Jarl Yrans von Brandenburg ik.
Auch darf an Jarl Irans Jäger Rordian erinnert werden. Der Rame
Heleauin, den in Frankreich nicht ſowohl der wilde Jäger als der Au
führer de3 wüthenden Heeres, des exercitus antiquus, führt, ſcheint zwar
allerbing® mit bem Caroliquinti, der auch wohl in Alloquintus verberbt
wird, zufainmenzuhängen ; da er aber ſchon in Gedichten des 13, Zah
hunderts erjcheint, fo ift er wohl mit Grimm, Myth. 894, als eine Demi
nution des deuiſchen Helle (Hel der Todesgättin) = Hellelin, aus bem
ſich bonn fpäter erft Charlesquint bilvete, zu verftehen, wofür aud ber
deutſche Name Helljäger, deſſen Hund wie Thedels Roſs glühenbe
ohlen frikt (Ruhm RE. 310), angeführt werben lann. Doch darſte auh
der aus Ghalfpeard Luſtigen Weibern belannte Jäger Gerne und der
[x 5 Wusten. Herlethiug. 219
Beitſcht. |. Myth. I, 378 auftauchende König Herla, der zum wilden Jäger
geworben fein foll, in Betracht kommen. Sein Geleite wird das Kerle
thing genannt. Gin Zwerg, ein Beherſcher des guten Volls, kundigte
ihm einft an, der Franfenkönig wolle ihm feine Tochter zur Che geben;
mgleik meldete er ſich ald Hochzeitsgaſt unter der Bedingung, daß nad
Zahresfrik Herla auch feine Hochzeit beſuche. Beides geihah. Als der
Konig wieder von dem Bwerge ſchied, gab dieſer ihm einen Schweißhund
mit, der Einem aus dem Gefolge auf das Pferd gefept ward, mit bem
Bebeuten, Keiner dürfe vom Pferde fteigen, bis der Hund herabſpringe.
Als der König den Berg verlapend einen alten Hirten nach der Königin
fragt, hört er, daß dieſe vor mehr als zwei hunbert Jahren geftorben
fei. Einige feiner Gefährten fteigen ab und zerfallen in Staub; ben
Uebrigen verbietet er abjufigen, bis ber Hund berabipringe. Der fipt
aber noch und fo jagt König Herla mit feinem Zhing noch immer durch
die Luft. Aus dieſem Herletbing will man nun Hellequin und Charles-
quint erlären. Die Zranzofen kennen noch andere Namen ber wilden
Jagd: in Perigorb heißt fie la chasse Herode, was mit ber Herodias,
ber Tochter des Herodes ($. 109), zufammenhängt ; ob Hrodso, ber Beir
name des Wodan, von Hröds Ruhm, in Betracht kommt, fieht dahin.
In der Normandie heißt fie Chasse de Cain, in Blois Chasse machabde
uf. Ginigemal treten Rieſen an die Etelle der Götter, mas wicht
beftemden kam, da wir aus $. 7. 37 wißen, daß bie Götter unter den
Riefen Vorbilder haben. Doch kann der Grönjette (Myth. 896) auf
Odin Namen Grani weiſen; der fhweigeriihe Dürft den Zeufel ver
treten ( Myth. 872), der aud bei der milden Jagd vielfah Wuotans
Stelle einnimmt, wie ſchon der norwegifhe Guroryfie (Rieſe Guro) oder
Reifarona mit ihrem langen Schwanz (Myib. 897) teufliſch verzerrt find.
Andere Namen, wie der Hafjäger (Hehiäger), der Schimmelreiter, Junker
Resten, Junker Jädele übergehe id; einige werden fpäter noch genannt
verden. Die neueften Bertreter Wodans find der alte Schlippenbach,
Aha NE. 63, und General Sparr ebd. 74 aus bes großen Kurfürken
Beit, melden ſich nah Schwarz Urfpr. 25 unb Vollsgl. 14 zuleht noch
gar der alte Frig zugefellt.
8. Sehr verſchieden lauien die Angaben über dad Wild, welches
ver wilde Jäger ih auserkoren hat. Wir erhalten Auskunft barüber
Yard) die Sagen, nad welchen dem Berwegenen, der zum Gpeit in bas
derdhalloh mithegend einftimmt, eine Wildkeule als Jagdantheil zuge ·
220 Yustan. Eberkepf. 8.78
worfen ober an der Gtalltfüre aufgehängt wirb, wobei die Worte er»
ſchallen:
Willſt du mit mir jagen,
So muſt du mit mir knagen!
Da iſt es denn bald ein Ochſenviertel, bald ein Eber⸗ oder Pferdeſchinlen,
bald eine Hirſch⸗ oder Rehleule, nicht felten aud eine Menſchenlende oder
das Viertheil eines Moosweibleins. Wo es nidt zum Spott geſchah,
wandelt fih die Keule wohl in Gold; im andern Falle verbreitet fie einen
erftidenden Geftank, den man auf den Schwefelgerud; des Blihes bezogen
bat. Da Pferde nicht jagdbar find, fo ſcheint die Grinnerung an heid⸗
niſche Opfermalzeiten, bei welchen Pferdefleiſch die beliebtefte Koft war,
bier einzugreifen. Staͤrker ift ber Eher als Gegenftand ver nächtlichen
Jagd begründet; nur durch ihm ift vielleicht der Hirſch in die Sage ges
kommen, weil er wie der Eber einen Bezug auf Freyt (Fro) hat, den
wir ſchon einmal an Ddins Stelle treten ſahen. Das Reh vertritt wohl
nur den Hirſch. Alten Grund bat auch die Menfchenlenve, da wir fomobE
mythiſche als menſchliche rauen von dem wilden Jäger verfolgt fehen.
So bleiben und als Gegenftände der Jagd nur, wenige zu erwägen:
8. Den Eber jagen ſchon die Ginberier, die ihn täglich ſchlachten;
wir haben ihn oben ala ein Bild der Sonne gefaßt; aud Freyrs gold⸗
borfliger Eber Tann die Sonne mit ihren Stralen bebeuten. Die Sidin«
giſche Cbernburg bei Kreuznad hat nad Rheinld. 238 ihren Ramen davon,
daß der Burgherr bei einer Belagerung ſich der Kriegsliſt bediente, den
legten Eber täglich zum Schlachten niederwerfen zu laßen bis ver durch
das Schaufpiel getaͤuſchte Feind abzog, weil er bie Vefte auszuhungern
verzweifelte (ogl. Müllenhoff ©. 79). - Ueber dem Thor des gleihnamigen
Dörfhens ift der Eberkopf in Stein eingemauert; am Landgerihtähaufe
zu Büdingen aber ein echter Eberkopf, und hier wird biefelbe Sage erzählt,
die fonft an Halelbärend (Hadelmann, Hadelberg oder Bärends) haftet.
Wie die Namen ſchwanken, fo geht aud die Sage in vielfahen Geftalten
um. Das Weſentlichſte ift etwa, daß dem leidenſchaftlichen Waidmann
träumte, er Lämpfe mit einem furchtbaren ‚Rämpen’ und unterfiege ihm.
Bei der Jagd am andern Morgen wird ein mächtiger Keiler erlegt, fei
es von Hadelbärend ſelbſt oder weil ihn der Traum gewarnt hatte, von
feinem Jagdgefinde. Des Sieges froh ober ber überfianpnen Gefahr ftößt
er mit dem Fuß nad dem Eber und ruft: ‚Run hau, wenn du kannft!! Da
deingt ihm der feharfe Bahn des Thiers durd den Fuß, die Wunde ſchwiln
8.78. Wustan. Edhr. 221
der Gtiefel muß vom Bein geſchnitten werben ; aber die Hülfe kommt zu
fpät, ein ſchneller Tod nimmt ihn dahin. Das ift mehr als Gage, es
iſt Mothe; freilich in Odhins Mythus foweit wir ihn kennen nicht mehr
nachweisbar. Und doc deutet felbft der Name, ber altſächſ. hakolberand
lauten würde (altn. hökull Mantel, Rüftung), auf den Gott, den wir
ſchon in der Brünne wie im Mantel lennen gelernt haben. Dazu tommt, daß
bei Kuhn WS. 400 von Wode felbft erzählt wird was fonft von Hadel:
berg und daß auch Hadelberg wie ſonſt Wuotan in feinen Verjüngungen im
Berge figt, auf einem Schimmel (nad Kuhn NS. 182), ein Schwert in
der Hand, wie aud König Dan fein Pferd gefattelt bei ſich haben wollte
Muaãllenhoff 505); ferner daß er alle fieben Jahre einmal herumlommen
fol Auhn NS. 236), weshalb er aud der Weltjäger heißt, d. h. ber das
Weltall umjagende (Kuhn 390.503. Meier], 114), was mit andern fies
benjährigen Friſten Erweiterung der fieben Wintermonate fein mag,
woraus ſich die fieben Jahre, welde die Jagd dauert (Kuhn XXI), erklären,
dann daß er auf dem Mofberg (= Ofberg, Ajenberg) begraben ift, wo aber
Niemand das Grab zu finden weiß, wenn er nicht zufällig barauf ſtößt,
und es aud dann Niemand zeigen kann, wobei nod gemeldet wird, Nies
mand anderd dürfe da begraben werben, weil ber Hadelberg gejagt habe,
den Moßberg wolle er für fi) behalten. Aber an vielen andern Orten
wird doch Hadelbergs Grab gezeigt, und eben bie vielen Grabflätten
deuten darauf, daß er ein mythiſches Weſen und als braunſchweigiſcher
Oberjägermeifter oder hannöverfcher Haidereuter nur localifiert if. So
wird aud Odins Grab nad) jüngern Sagen (Lex. Myth. 589) an ver
ſchiedenen Drten gezeigt, und ebenſo Baldurs. Nun liegt nad ben Edden
Baldurs Tod in der Vergangenheit, während Odins Fall erft am Ende
der Zeiten eintreten fol; W. Müller alt. R. 257 deutet deshalb bie
Sage auf Baldur, der wie Hadelberg beunruhigende Träume hatte; nur
die Art des Todes fei verjhieden, da Baldur durch den Miftelfproß, Hadelr
berg dur den Zahn des Ebers fterbe. Aber die Eddiſche Geftalt des
Mythus von Ddin kann nidt maßgebend fein, da wir nicht wißen warn
auf den Sohn übertragen warb was früher von dem Vater galt. Gelbft
was die Edda von Odhr erzählt, um den Freyja goldene Thränen weint,
läßt ſich auf Odin beziehen, deſſen beutiher Name Wuot = Odhr iſt.
Bom DOphr fagt D. 35, er zog fort auf ferne Wege und Freyja weint
ihm goldene Thränen nad. Sie ſcheint aber den verbuntelten Mythus
nicht genauer zu lennen, da fie nicht weiß, wohin Odhr zog und wo er
223 Wusien. Icorpien. 8.78.
geblieben iR. Laͤßt man ihn wie Hadelbärend durch einen Cberzahn ſter⸗
ben, fo gleicht ſein Mythus auffallend dem won Venus und Adonis, wel⸗
chem ſich der agyptiſche von Dfiriß, der dem ald Eher erſcheinenden Typhon
erlag, der phrygiſche von Attys, der auf der Cbetjagd getöbtet ward u. ſ. w.
vergleichen laßen. Alle diefe Mythen weifen aber auf die Sommerſonnen ⸗
wende, und wir haben ſchon unter 1. gefehen, daß der wilde Jäger auch
in den Johannianächten jagt. Auf diefe Zeit, wo die Sonne im Beihen
des Krebſes angelangt wieder umlehtt, bezieht fih aber au der My«
thus von Baldurs Tod. Auf eine andere Zeit, wo die Sonne im Zeichen
des Scorpions (November) fteht, weift freilich der ſchon von Grimm
verglichene griechiſche Mythus von dem riefigen Jäger Orion, ven Artemis
liebte, nad) feinem Tode beitauerte und unter bie Sterne verfepte. Sie
hatte dieſen Tod felber herbeigeführt, denn fie ließ einen Scorpion aus
der Erde hervorgehen, ber Drion in ven Knoͤchel fiah und durch dieſen
Stich töbtele: wenn fi nun das Zeichen des Scorpions am Himmel ers
hebt, fintt Orion unter. ‚Das gemahnt‘, heißt es Myth. 991 ‚an Hadel
bärend, defien Fuß vom Hauer des Ebers geftoden, feinen Tod
verurſacht. Bu der in der Note zur Beftätigung beigebrachten Gage von
Dieg, den eine Schlange ſtach, die aus dem Gerippe des Pferdes fuhr,
von dem ihm geweißagt worden war, es würde ihn umbringen, womit
man den Ausgang der Derwaroddsſage vergleiche (Menzel Odin 209), füge
ich eine andere, die in den 700 nügliden Hiftorien ©. 21 erzählt wird:
In Jtalien träumte ein Ungenannter, er würbe von einem marmornen
Löwen, der in der Vorhalle der Kirche ftand, tödtlid verwundet werben.
Um Morgen gieng er nad der Kirche mit einem Gefellen, dem er ben
Traum erzählt hatte, ftedte dem fteinernen Löwen bie Hand fpottend im
den Mund und ſprach: ‚Nun beiß, du gewaltiger Feind, und fo du kannſt,
enwürge mic.‘ Kaum hatte er auägefprochen, fo warb er von einem
Scorpion, der in des Löwen Mund verborgen war, geftohen und töbtlich
verwundet. So bindet in der Orkneyinga Gaga Sigurd, der erfte Jarl,
das. Haupt des erfhlagenen Schottenfürften an den Steigbügel; ein reis
bender Zahn desſelben zieht feinem Fuß ein Geſchwulſt, ihm ſelber ven
Tod zu. Auch Go8 wird neben der Artemis als Driond Geliebte genannt
unb von biefer erzählt, daß fie jeden Morgen, bevor fie ihren Tageslauf
begann, Thränen der Sehnſucht um ihn meinte, die wie Diamanten glängs
ten. Diefe diamantenen Thränen find der Thau, und fo lagen fih auch
Frepjas goldene Thränen deuten. Was von Artemis und Cos in Baug
%. 78. Wusten. Vermählung. 228
auf Orion erzählt wird, gehört zufammen, und wenn es von Kedalion,
dem wunderbaren Kinde, heißt, daß ed auf Orions Schultern fige, fo fin:
det ſich das bei Wate wieder, der feinen Sohn Wieland auf die Schultern
hebt, um ihn durch ben Eund zu tragen, wie Thör den Derivandil durch
die urmeltlihen Eisftröme. Nun fällt aber Wate, dem wieder Chriftopho:
rus nahe ſteht, fon dem Namen nad) mit Wuotan zufammen, ber wie
Orion auf dem Meere wandelt. Man fieht wie fi Odin und Thör als
Gewittergötter aud) in den Mythen berühren. Die Bergleihung mit den
Mythen der urverwanbten Bölter zeigt und überall den Tod ober bie
Flucht des Gottes der jhönen Jahreszeit, den feine Gemahlin oder Ge:
liebte betrauert. Wo mir aljo die ©. 241 genannten Frauen an bet
Spitze der wilden Jagd finden, da haben mir am die hier beſprochenen
Mythen zu denlen.
b. Nicht felten verfolgt aber der wilde Jäger Frauen: fo ſchon tm
Eggenlied Zafold, den wir als Sturmgott kennen, ‚dad wilde vrewelin’
(Zafberg 189); in ‚Ehels Hofbaltung’ der Wunderer Frau Selde. Bel
Boccaz V, 8 wird e3 als Strafe weiblicher Grauſamkeit gewendet. Aehn ⸗
lich warb von confeflieneller Bolemit oder fhon früher von fittlicher Ente
raſtung auf Pfafjenfrauen bezogen was die bairijhe Sage von den Holy
mweiblein, die thüringifhe von den Moosfräulein oder Lohjungfern, die
ſchleſiſche von den Rüttelmeibchen zu erzählen wuſte, welchen der wilde
Yäger nachſtellte, Myth. 88I—82 8.160. So verfolgt der Grönjette S. 219
(RM. 896) feit fieben Jahren die Meerfrau und erlegt fie auf Zalfter.
Sind die Holzweiblein, Waldfrauen und Lohjungfern bier den Dtdaden
ober nordiſchen Iwidien vergleihbar, deren Leben an Bäumen hängt,
welche der als Sturm gedachte Jäger knidt und entwurzelt? Bei Panzer
L. o. läßt man ihnen aud an Fruchtfeldern und Flachsadern Opferbüfchel
Reben. Beßer fieht man mit Kuhn NS. 489 in den Berfolgten Wuotand
Gemahlin oder Beliebte: in die Zwölften falle feine ftürmifhe Brautwer⸗
bung ; in den Frühling darauf die Feier ihrer Vermaͤhlung. Diefer Deu:
tung dienen die Voltögebräude zu ftarker Stüge. Die ganze Zeit von
jenen erften Zwölften im Mittwinter bis zu dem andern wölften im Mat
(1.—12.), wo bie Hochzeit des göttlichen Paares gefeiert wird, fällt aber
in bie fommerlihe Yahreshälite, wo das Licht im Steigen begriffen ift;
Re ſchließt, wenn es den Höhepunkt erreicht hat, zu Johannis mit dem
Tode oder ber Flucht des Gottes. Für die Abnahme desſelben, die andre
dunffere Hälfte des Jahres, forbert man alfo den umgelehrten Myihus,
224 Wustan. Odhins Flag. . 78.
wo der Gott flöhe von der Göttin verfolgt. Und wirklich fanden wir fo
eben in der Ophurfage einen folhen Mythus, denn hier fahen wir Freyja
(oder Herodias) ihrem entfhwundenen Geliebten nachziehen und feinen
Verluſt befeufzen. Wie bier der Mythus vom Gral feinen Urfprung
nimmt |. $. 76.
©. Auch Rinder feinen ala Gegenftand der nächtlichen Jagd gedacht
Nah Wolf NE. 259 befteht der Jagbantheil des mithegenden Bauern
in dem Hinterviertel eines Ochfen. Der norwegiſche Vollsglaube läßt Frau
Hulda bei rauhem Wetter ganze Heerden ſchwatzgrauer Kühe und Schafe
in die Wälder treiben, offenbar vom Wind gejagte Regenwolten. Ladım.
Sagenbibl. 274. Diefe Deutung paſst aud auf bie ‚Rabenfdhwarzen
Rinder‘ der Thrymslw. 25. Nah Kuhn NE. p. 276 lieg man im Hell⸗
haus,‘ wo früher der wilde Jäger gewohnt haben fol, alle Jahr um
Chriftabend eine Kuh heraus, die ſobald fie draußen mar, verſchwand;
welche Kuh das aber fein follte, wufte man voraus, denn die, welche an
der Reihe war, vernahm ſich zufehends und. war bis zum Chriftabend
die fettefte im ganzen Stall. Das ift offenbar ein Opfer; aber aud als
ſolches lann es, da es dem wilden Jäger gebracht wird, über deſſen Jagd-
tbiere aufllären. Kuhn hat nun Zeitfr. VI, 117 ff. duch die Ber
gleihung mit den Kühen des Indra, melde die Panis aus dem Götter
himmel rauben, womit die Entführung der von Apollo geweibeten Götter⸗
tühe durch Hermeiad, fo wie bie Sagen vom Heralled und Geryones,
Hercules und Cacus ftimmen, die Bermuthung begründet, daß dieſe Kühe
die Wollen bedeuten, wonach der ganze Mythus auf der Naturerfcheinung
der auf Meer und Sümpfen ruhenden Nebel beruhen muß, welche vom
Winde ald Wollen fortgetrieben werben, worauf dann das Sonnenlicht ber
Erde wiedergeſchenkt wird. Ein Kampf zwiſchen Sommer und Winter
Tiegt alfo auch diefen Mythenbildungen wieder zu Grunde,
d. Nah den Thieren, welche Gegenftand ver Jagd find, betrade
ten wir billig au die Hunde, mit welchen gejagt wird. Gewöhnlid find
deren zwei, welche uns an Odins Wölfe erinnern, die feine Jagdhunde
heißen. Oft wird nur Giner genannt, dagegen fteigt auch die Zahl bis
24. Da fie wie anderwärt die Winde (Myth. 602) mit Mehl gefättigt
werben (Btibr. V, 373), weshalb fie auch den Brotteig verzehren (Mül-
lenhoff S. 372), fo kann um fo weniger Zweifel fein, daß fie die Winde
bebeuten, als die Hunde Winde, Winbhunde heißen. A. M. ſcheint
Kuhn BE. 6.
$ 73. Wustan. Kods. Kelhaus. 225
Bon dem obenerwähnten Helhaus wirb ferner erzählt: als man einft
"am Chriftabend nach Sonnenuntergang die Thore zu fließen vergaß, und
num der Heljäger darüber fortzog, lief Einer feiner Hunde hinein, legte
ſich unter die Bank am Heerd und war durch nichts fortzubringen. „Hier
bat er ein ganzes Jahr gelegen und hat nichts geſreßen; nur alle Morgen
hat er die Aſche vom Heerde abgeledt. Als aber das Jahr umgemefen
und die Zmölften wieder da waren, da hat man, als ber Heljäger vor⸗
überzog, das Thor aufgemacht, und ba hat er den Hund wieder mitge⸗
noramen.’ Diejelbe Sage begegnet an vielen andern Orten: bei Müllenhoff
©. 372 wird fie von Wode erzählt; vgl. Myth. 873, wo fie von Hadels
berg berichtet wird, und Zeitfhrift für Myth. I, 100 ff., wo der Jäger
Rods oder Herodis und der Hund Aulle heißt. Vgl. aud Kuhn WE. 1,3,
7. 8. Ueber den Namen S. 6. Wie die Hunde Winde heißen, fo bes
deutet hier der zurüdgebliebene Hunb den Wind, der auf dem Heerde,
ımter dem Schornftein das ganze Jahr über fein Wefen treibt. Wie der
Bode bei Müll. 24 Hunde, fo hat Frau Gaude 24 Hündinnen: mo fie
eine Hausthür offen findet, da fendet fie eine Hündin hinein, die nun das
Jahr über liegen bleibt. Sie fügt zwar Niemand ein Leid zu, ftört aber
doc durch Gewinſel die nächtliche Ruhe. Nur wenn man den Hund tödtet,
bringt er Krankheit und Sterben über Menfchen und Vieh und Feuerd:
gefahr über das Haus. Dit ſcheint es als geſchaͤhe die Einfehr des Hundes
nur zur Rüge verfäumter hausväterliher Sorge: erſt wenn fie nicht ges
duldig hingenommen wirb, treten härtere Strafen ein. Aud andere Uebel
verhängt jo der wilde Jäger nur auf Jahresfriſt: die Art, die er eingehadt
bat, auf dem Rüden des Spielmanns, wo fie zum Budel wird, holt er
im nädjften Jahre wieder, und wo er ‚ein Spätlein’ zugeftrihen hat, d. h.
ein Augenlicht ausgeblaſen, da ſtreicht er es im folgenden Jahr wieber
auf. Kuhn 69. Meyer I, 132. 136. 138. Sommer 49. So ftraften die
Fronfaftenweiber den Neugierigen, der, fie vorbeireiten zu fehen, unter ber
Linde hinter der Kirche ftand, indem fie einen Nagel in den Pfoſten
ſchlugen, d. h. dem Neugierigen in den Kopf; aber in der näcften Fron⸗
faſtennacht zogen fie ihn wieder heraus, Baader 43. Die einjährige Friſt
iſt zu oft bezeugt als daß wir fie bezweifeln dürften; aber allerdings follte
man, da der Weltjäger alle fieben Jahre herumlommt (S. 241), eine ſieben⸗
jährige erwarten, wie fie Baader Nr. 424 und S. 359 wirklich erſcheint.
©. Die Sage vom ewigen Juben iſt aus der vom milden Jäger
entfprungen. Nach F. Meier? Schw. S. I, 116 glaubt man in Röthen:
Giuned, Mythologie. 15
226 Wusten. Eniger Aude. 8.78
burg und fonft, aud im badifhen Schwarzwald, daß ber ‚ewige Jäger’
diefelbe Perfon fei wie der ‚ewige Zube‘, und gebraudt beide Bejeich⸗
nungen als gleihbebeutend. In einem Walde bei Bretten fpult der ewige
Zube. Bon diefem fagt man auch fonft, daß er ſtaͤts einen Grofchen in
der Taſche habe, und der gebe ihm nicht aus wie oft er ihn aud aus:
gebe. Nah Kuhn NS. 451 richtete man ehemals in Verglichen Sonn⸗
abend Abends die Eggen auf dem Felde mit den Spihen gegen einander,
damit fih der ewige Jude darauf ruhen könne. 6. auch WS. II, 32.
Bol. ob. S. 212. Nach Müullenhoff S. 547, vgl. 160, ruht der Wan:
derjude nur am Weihnadhtabend aus, wenn er dann noch auf dem Felde
einen Pflug findet: darauf allein darf er fi fegen. Aehnliches wird
Kuhn NS. 71 von dem wilden Jäger erzählt, und da jener fih immer
erneuernde Grofhen zu den Wunfchbingen gehört, die auf Wuotan
zurüdweifen (S. 223), der aud im ewigen Jäger fortlebt, fo haben wir
hier mehr als ein Beugnif für das Bufammenfallen beider mythiſchen Ges
falten. Ferner wird bei Kuhn a. a. D. 499 aus Hahnenllee am Harz
berichtet: ‚Alle fieben Jahre zieht der wilde Jäger über bie fieben
Vergftäbte; andere wollen ihn öfter gehört haben; Wem er aber begegnet,
der muß fid) wohl hüten, ihm nachzurufen, fonft geht es ihm ſchlecht. Der
wilde Jäger hat naͤmlich unfern Herm Jefus aus einem Fluße, wo er
feinen Durft ſtillen wollte, nicht trinken lagen; aud von einer Biehtränte
bat er ihn fortgejagt: aus einer Pferdetrappe, wo fih Waßer ge
fammelt, hat er gemeint, könne er trinken, und dafür muß er nun ewig
‚wandern‘ und jagen und fi von Pferdefleifh naͤhren, und wer ihm nach ⸗
zuft, dem bringt er etwas Pferbefleifh und er muß auch davon efen.’
Die hier angegebene Urſache der Verdammung zu ewigem Wandern und
Jagen ftatt der gewöhnlichen ‚weil fie gewünfcht haben ewig jagen zu dürfen‘
fieht der ähnlich genug, um melde Ahasver ewig wandern muß. Aus
der chriſtlichen Geftaltung der Sage vom ewigen Juden kann fie aber
nicht abgeleitet werden, da die Beziehung auf die altdeutſchen Pferdes
opfer, die fon in der Pferbetrappe enthalten ift (denn aus Rofähufen
wird bei Herenmalzeiten getrunten, Baader 32), ſich dann nicht erllären
ließe. Wie hier nod fein Jude, fondern ein Jäger zu ewigem Wandern
verdammt wird, fo fpielt die Sage auch nod in Deutſchland, wo aber
Chriftus mit Petrus ober Giner von beiden allein in unzähligen Sagen
eriheinen; wir wißen aus Myth. Borr. 36, daß fie an die Stelle der
wanbernden Götter getreten find. Der erfte Anfang ber Ghriflianifierung
ET. Wusten. Drei Wanderer. 27
einer heidniſchen Sage war hiermit ſchon gegeben. Wirb man nicht weiter
gegangen fein und dad Local nad Baläftina verlegt haben? Dann muſte
natürlich auch die Pferdetrappe wegfallen; die Anknüpfung an Chrifti
Leiden bot fih von felber dar. Ueber den auf den ewigen Juden über
tragenen großen Schuh Widars, der ihn dann zum Schufter machte |. $.46
6.142. Auch der Name Buttadeus, den der ewige Jude bei Liberius Praxis
Alchymiae p. 291 und bei Bullenger hist. sui temporis führt, deutet auf
Odin. Rochholz I, 307 bemerkt, der Mittwoch fei im Sanskrit nad
Buddha wie bei und nad Wodan (Goban) benannt. Bl. Ziſchr. f.
Myth. I, 432 — 36. Leopr. 60.
74. Odin ald Wanderer, Himmels: und Geftirngott.
Der wandernde Jube leitet und hinüber zu den Wanderungen Obins
im Himmel und auf Erden. Bon ben lehtern war oben bei feinem Bei:
namen Gangradr, Gangleri u.-f. w. bie Rede; au haben mir ihn ſchon
ob. 6. 72 mit andern Göttern feiner Trilogie auf Erden wandernd ger
troffen. Es ift der deutſchen Mythologie mit der indiſchen, ja mit der
far aller Bölter gemein, daß die Götter auf die Erde herabfteigen, daß
Leben und die Sitten der Menfchen, beſonders in Bezug auf die Heilig:
haltung des Gaſtrechts, zu prüfen. Die Götter wandeln, wie Mahavöh
in Goethes Gott und die Bajadere ‚leibli und unerkannt‘ auf Erden und
fehren bei Sterblichen ein: ‚darin liegt die erhabenfte Heifigung ver Gaft«
freundfchaft; der Menſch wird Scheu tragen, einen Fremden abzumeifen,
unter deſſen Geftalt ihn ein Gott befucht haben kann.“ Myth. Borr, 34.
Im unzähligen deutfhen Märchen tritt Chriftus mit feinen Apofteln an
die Stelle diefer wandernden Götter, oft auch der Heiland mit Petrus
oder @iner von beiden allein. Zwei Götter wandern auch in der [hönen
Sage von Philemon und Baucis; aber drei Männer, d. h. wohl der
‚Gere mit zwei Engeln, kehren bei Abraham ein, Gen. 18. In der Edda
wandert die Trilogie Odin Soli Hoenir wie bei den Griedhen Her⸗
med Zeus Bofeidon, bei den Finnen Wäinamoinen Ilmarinen Lem:
minfainen. Wo ein Gott allein dieſe Wanderung antritt, da ift er
wohl als der höchfte gedacht, der ſich in jener Trilogie nur verdreifacht.
So fehen wir Odin bei dem Schmiebe einfehren oder als Grimnir bei
Geirrodhr, weil Frigg feinen Liebling der Ungaftlichleit beſchuldigt hat;
fo wandert bei ben Indiern Brahma oder Wiſchnu, bei den Litthauern
228 Wusten. Wandernde Götter. 1
Perkunos. So wird aud) der Gott, ber im eddiſchen Rigsmal die grünen
Wege ber Erbe wandert, und die menſchlichen Stände gründet, einft ber
hochſte geweſen fein; das Lieb nennt ihn aber Rigr oder Heimdal, ber
fonft für Odins Sohn gilt, und fo läßt eine phädriſche Fabel den Götter
boten, den Gott der Wege und Gtraßen, bei Gterblihen übernadten:
Grimm a. a. D. Aber au am Himmel wandert Odin: wir finden va
feine Straße, feinen Wagen; daneben irbifche Abbilver dieſer himm⸗
liſchen Wege, geipenftige Erſcheinungen feines Wagens auf Erden. Freilich
ift aud hier ein Theil feines Weſens auf feine Söhne übergegangen, auf
Heimdal und Ihör, wenn dieſe nicht ältere Götter find.
Nach Meier 137 geht der Zug de3 wilden Heers über die Wild
ftraße bin; diefe wird auch nad dem wilden Jäger genannt; den Dänen
heißt fie Waldemarsweg, und Waldemar fanden wir ſchon als wilden
Jager. Rach Erich, deſſen Bruder Abel wir gleichfalls ald wilden Jäger
tennen, find auf Erden große Heer: und Kriegsſtraßen benannt; der neue
König, der das Neid übernahm, mufte in Schweden die Erichsgaße reiten.
Erich fällt aber zufammen mit Jring, Rigr oder Heimdal ($. 89), und
nad Jring heißt wieder die Milchſtraße, wie Nigr die grünen Wege ver
Erde wandelt und Heimdal ben Regenbogen zum Symbol hat, die Brüde ver
Aſen (Asbrü), welde ihr Name Bif:röft (bebende Raft oder Meile) ald
Straße bezeichnet. So ift für England eine Jrminftraße (Myth. 330)
bezeugt, welche das Land von Süden nad) Norden durchzog, und ba ber
Himmelöwagen Jrmineswagen (M. 329) heißt, fo muß auh die Him⸗
melßftraße, bie diefer Wagen befuhr, Jıminftraße geheipen haben, wobei
die innigen Beziehungen, die fi für Jring und Jrmin aus der Helden
fage ergeben, in Betradht tommen. Auch bie andere der vier engliſchen
Hauptitraßen, Vaetlingastraet, ift zugleih am Himmel nachgewieſen: wir
ſehen alſo, daß fih die Straßen am Himmel und auf Erden
entijprehen. Kuhn NS. 428 berichtet, der Heljäger jage in den
Zwölften auf der Erde; zu anderer Zeit durch die Luft, d. h. wohl am
Himmel über die Milchftraße hin, nach der obigen Meldung bei Meier.
Vol. Biel, I, 190. Auf Erden zieht er belanntli immer dieſelbe Straße,
und aud dieſe finden wir Heerftraße benannt (Meier 138. 9), bei
Honnej Hölweg, fo daß man bie weſtfäliſchen und heffihen Helwege
(Myth. 762) hierherziehen darf. Da nun aud der Himmelswagen Hel⸗
wagen (ebd.) heißt, jo muß die Himmelsftraße, die er befährt, Helweg
geheißen haben, und fo heißt fie wirklich noch nad) Woefle 41 in der
8.74 Duciau. Kariswagen. 29
Graſſchaft Mar, vgh Kuhn WS. II, 85; doch fheint Brynhildens Helweg
( R. Edda 223) auf oder unter der Erbe gedacht. Ausdrüdlich bezeugt finden
wirt zwar einen Wuotanswagen, der auch Rarlöwagen heißt (Myth. 138); aber
Wuotanswege bleiben nah M. 144 zweifelhaft; doch kommt zu Hülfe,
daß dem Karlswagen ein Karlsweg entſpricht (Myth. 139), wie wir Karl
aud als wilden Jäger fanden, und Gwydion, der leltiſche Odin, ſowohl
Wagen als Himmelsftrape hat, Myth. 137, 336. Mit jemem Karlds
wagen ift der Himmelswagen gemeint, die fieben Sterne, welchen man auch
den großen Bären nennt. Der Heinfte dieſer Sterne heißt der Fuhr⸗
mann ober dad Knechtchen; man weiß auch, daß er im Leben Hans
Dümte (Myth. 688. Müllenh. 360. Kuhn WE. II, 87.) hieß. Er war
Knecht bei dem lieben Gott und hatte es gut in feinem Dienfte, verſah
ihn aber lieverlih, weshalb er nun zur Strafe auf der Deichfel des Him⸗
melswagens figen muß. Nah anderm Bericht wollte er lieber ewig .
fahren als das Himmelreih erben: das ift wieder bie Sage vom milden
Zäger, der für fein Theil Himmelreid ewig jagen wollte. Da nun der
große Bär auch Arcturus heißt und wir Arthur oder Artus ſchon als wil⸗
den Jäger gefunden haben, fo wird es bebeutend, daß in unfern Sagen
von der wilden Jagd die Geifter- oder Teufelskutſche fo oft erſcheint und
der wilde Jäger felbft ver ewige Fuhrmann (Kuhn NS. 222, 1) heißt.
Bel. Kuhn WE. Nr. I, 199 mit der Anm. 222, Müller und Sch. 225.
Nochholz I, 215, Vernalelen Defterr. Sagen 6. 94 — 104. Die Kutſchgaß
bei Menzenberg ift fo fteil, daß fein Wagen fie fahren könnte. Allerdings
iſt der Ausdrud Karlöwagen, der wohl in demfelben Sinne auch ‚Herras
wagen’ (Myth. 687) heißt, unbeftimmt, und kann aud auf Thör geben
oder den fräntifhen Kaiſer meinen ; aber ver nieberlänbifhe Name Hims
melöwagen (Woenswaghen), eignet ihn Wuotan zu und bie ‚hier hervor⸗
gehobenen Bezüge des Wagens ſowohl als der Straße, die er befährt,
auf die wilde Jagd laßen kaum bezweifeln, daß der Gott, den wir auß
der. Edda nur gehend, reitend oder ald Adler fliegend Tennen, nad ber
ältern Borftellung ein Wagengefpann beſaß.
Die Milchſtraße wird als Straße der Seelen aufgefaßt, und im Ger
"feite der Göttin, welde den entſchwundenen Gott ſucht, fehen wir die
Seelen früh verftorbener Kinder fahren, mie Wodan ald milder Jäger
Geiſter der Verftorbenen in feinem Gefolge führt. Jene irdiſchen Königss
Rraßen, welde ven bimmlifhen entfprehen, pflegen von einer Säule
auszugehen, der Jrminfäule vermuthlih. (Grimm Jrminfte. Wien 1815,
20 Wusten. Bouuengeit. 8. 74
©. 56.) Im alten Frankreich vergleicht fih die Chaussee de Brunehault,
die zwar hiftorifiert aber wohl auf die mythifhe Brynhild zu deuten iſt,
die einft Wodans Gemahlin war: auch dieſe Straße geht von einer Säule
aus. So find wohl aud die deutſchen Brunhilvens umd Kriemhildenfteine
zu verftehen. Cine turris Brunechildis weift Mone Helvenf. 69 nah
und jener Name Vroneldenstraet $. 109 für vie Milchſtraße läßt fi
auf Brunhild deuten. Selbſt ihr tragiſches Ende, das wir ſchon dem ber
Swanhild verglichen haben, kann mythiſch fein, da wir Aehnliches von der
fliehenden Iſis berichtet und auf die Milchſtraße bezogen finden. Auch
der keltiſche Gwidion verfolgt eine geliebte Jungfrau und giebt dabei
der Milchſtraße den Namen, fo da wir dem Mythus von der verfolgten oder
verfolgenden Göttin S. 222 auch am Himmel wiederbegegnen.
Daß Odin auch Sonnengott war ehe ihn Freyr (Fr) aus biefer
Würde verdrängte, warb fhon $. 66 vermuthet. Einen ſtaͤrkern Ber
weis bafür giebt e8 aber nidt als feine Ginäugigleit, denn” wie er
felber Luft und Himmel, fo bebeutet fein eines Auge die Sonne. Wir
haben aber von feinem andern Auge einen Mythus, der von feinem ans
dern in ber Edda an Dunkelheit übertroffen wird. Nah D. 15 kam
Dpin zu Mimirs Brunnen, in dem Weisheit und Verfland verborgen find
$. 19, und verlangte einen Trunk, erhielt ihn aber nicht, bis er fein
Auge zu Pfande jegt. Die Nachricht ift aus MWöl. 21.22 genommen, wo
es von der Seherin heißt:
21. Mein faß fie außen, da der Alte kam,
Der grübefnde Afe; fie fah ihm ins Auge.
22. Warum fragt ihr mich? was erforſcht ihr mi?
Alles weiß ih Odin, wo bu dein Auge bargft:
In der vielbelannten Duelle Mimire.
Meth trinkt Mimir jeden Morgen
Aus Walvaters Pfand: wißt ihr was das bedeutet?
Bir haben Mimir S. 39 als das Gedächtniſs der uranfänglihen Dinge
gefaßt; feinem Namen nad) (Gr. Myth. 353) kann er das Gedaͤchtniſs,
das Wißen überhaupt fein. Damit ift er aber fhon auf das geiftige Ger
biet gezogen ; feine erfte, natürliche Bedeutung zeigt fein Name gleichfalls
an, da Waßergeifter Minnen und Muomel heißen, ein See Mummelfee
und Mimling ein Flüßchen im Odenwald. Nehmen mir aljo Mimirs
Brunnen für das Meer, fo kann das im Brunnen verpfändete andere
Auge des Gottes der Widerſchein der Sonne im Waßer fein unb bie
8. 74 Duotan. Triukhorn und Schathoru. 281
halte ich für den alteſten Sinn des Mythus. War dieſer aber einmal
entiprungen, fo lag die Umdeutung des verpfänbeten Auges auf den
Mond nahe, denn wenn die Sonne das Gine Auge des Himmelögoties
iſt, wer würde dann nicht den Mond für das andere nehmen? Nur fo
begreift ſich aber, wie Mimir aus dem verpfändeten Auge bes Gottes
trinten Tann. Nach einer allgemeinen Anfhauung bildet die Mondſichel
ein Hom, und dieß muß bier als Trinkhorn gedacht ſein. Die j. Edda
fagt D. 15 ausdrüdlich, ver Gigner des Brunnens heiße Mimir und
täglich trinke er von dem Brunnen aus einem Horne. Gie nennt e8 das
Giallarhorn, weil fie dabei an Heimdals Horn denkt, da zugleih zum
Blaſen dient, wie es Wöl. 47 vor dem Weltlampf beißt:
Ins erhobene Horn blaſt Heimbal laut.
Sie gründet ſich dabei auf Wöl. 31, wo es heißt:
Sie weiß Heimdals KHorm verborgen
Unter dem bimmelhohen heiligen Baum.
Einen Strom fieht fie flürzen mit ſtarkem Fall
Aus Walvaters Pfand: wißt ihr was das bedeutet?
Es iſt nur wieder die kühne Dichterfprache des Nordens, bie ein
Berwandtes für das andere zu fegen liebt ($. 32), wenn in biefer noch
unverftandenen Stelle zwei Hörner vertauſcht und im Gedanken verſchmolzen
werden: Mimirs Trinthorn und Heimdals Giallarhorn. Auch lepteres
wird urfpränglic den Mond beveutet haben: dem Wächter der Götter auf
Himinbiörg (S. 49) gebührte zum Home der Sichelmond, da es in Nächten
vornämlid feines Hütens bedarf. Um fo mehr durfte die mythologiſche
Sprade beide Hörner, als Bilder für den Mond, ineinanderflößen.
Unter dem heiligen Baume, in Mimird Quelle, war nach den erften
Langzeilen Heimdals Horn, das fo mit Walvaterd Pfand, dem erften
Horne, vertaufcht wird, verborgen. In den folgenden Zeilen kehrt ſich die
Vertauſchung um: da wird Walvaters Pfand genannt, wo Heimdals Horn
"gemeint ift. Der Strom, ber aus Walvaters Pfande ftürzt, ift die Runde
von dem angehenden legten Welttampf, melden Heimdals Horn anmelden
fol. Zwar erft Wöl. 47 ſehen wir dieſen ins erhobene Horn ſtoßen;
aber was dann wirllich ſich begiebt, das ahnt fon jept die Geherin
und deutet es, wie von fern, mit väthielhaften Worten an. AB ein
Bien darf die Runde, die dann aus Heimdals Horn fallt, ein Strom
eigen aus Mimirs Quelle geihöpft; ein Strom, der mit ſtarkem Fall
292 Daotan. Weisheit und Waper, 8.74.
(venn Heimbal bläſt fo laut, daß es bie ganze Melt vernimmt) aus ‚Wal:
vaters Pfande‘ ftärzt; denn dur biefe Verpfändung erwarb er den
Trunlk aus dem Brunnen, in den Weisheit und Verftand verborgen find.
Der phofiihe Grund des Mythus von dem verpfändeten andern Auge
des Himmelsgottes ift das Spiegeln, ja das Untertauhen des Mondes
im Meer. Indem diefer Berpfändung der Grund angebichtet wird, der
Weisheit Mimirs theilhaftig zu werben, ſehen wir den Naturmpthus auf
das geiftige Gebiet gerüdt, Im Waßer liegt wie ber Urjprung ber
Dinge fo alle Weisheit, auch nad den Mythologieen anderer Völler: im
der unfern zeigt e8 fi in der Gabe der Weißagung, welche Schwänen,
Schwanjungfrauen und Meerweibern beimohnt. Darum heißen auch die
Wanen weife und Heimdal, den neun Wellenmädchen geboren haben,
weiſe den Wanen gleih. Es waltet hier eine neptuniſtiſche Anfiht: die
Urbilver aller Dinge liegen im Waßer, weil die Welt aus dem Waßer
hervorgegangen ift. Das Waßer ift aud als Unterwelt zu faßen unb
daß diefer die Zukunft nicht verborgen ift, fehen wir daraus, daß Odin
dort die tobte Geherin wedt, um fie über Baldurs Gefhid zu befra=
gen. Solcher Weisheit begierig ſenkt nun Odin fein andere Auge, den
Mond, in Mimird Brunnen und mehrt fo nod fein Wißen, dad an fi
ſchon groß fein muß, denn fein eines Auge, die Sonne, gewahrt Alles
was fih. auf Erden begiebt. Aber auch Mimirs Weisheit, die hier, wo
der Gegenfag der beiden andern Brunnen wegfällt, auf die Vergangenheit
nicht beſchraͤnlt zu werben braucht, will ‚der grübelnde Afe‘ gewinnen, wie
er ein andermal mit Mimirs Haupte murmelt. Nicht weil er fo eine
Ginbuße erleidet und durch den Berluft feines Auges der Niefen Macht
mehrt, laͤßt wohl die Seherin die fhauerlihe Frage folgen: wißt ihr was
das bedeutet? fondern weil wir den Gott ſchon jept um bie Zukunft beforgt
finden und weil die fo erfaufte Kunde feine andere ift als die vom Uns
tergange der Welt, Obgleih von Rieſengeſchlecht und dem Waßer ver-
wandt, dad einft die Erbe überfluten fol (die Wellen heißen Wöl. 47
feine Söhne), erfeint Mimir doch nie ald ein Zeind der Götter: er ift
wie Stabi $. 99 in den Kreiß der Afen aufgenommen und wird von dieſen
den Wanen vergeifelt, die ihn erſchlagen und fein Haupt den Ajen zuräds
enden; aber nod mit diefem Haupte beräth fih Odin. Sein Met h—
trinken, eine Folge des mit Odin eingegangenen Vertrags, kann den
Göttern, denen er feine Weisheit mittheilt, feine Gefahr drohen. Darum
lege ich demſelben auch feine mythiſche Bedeutung unter, weder bie phy⸗
8.75. Wustan. Odin uud Heimdal. 288
ſiſche, ‚dab das Meer am Morgen Thau trinke‘, noch die geiftige, ‚er trinke
aus ber Quelle der Erkenntniſs“: beide wären hier müßig, wir gelangten
nicht weiter damit: es ift nur ein Nebenzug, ber das Bild des ahnungs⸗
voll bewegten Bötterlebend vervollftändigen hilft. Den Mythenbeuter führt
nichts fo leicht auf Alippen ala das Bemühen alles poetiſche Detail in
den Gedanken aufzulöfen.
Der Beweis fheint geführt, daß die Sonne als Odins eines Auge
gedacht ward, der Mond als das andere: das genügt bier, wo es galt,
ihn als Himmelsgott darzuftellen.
Die Bermuthung, daß es Opin felber geweſen fein möge, der Odins
Horn befaß, oder was gleichbedeutend ift, Heimdal hieß, wird "nicht zu
tühn erfdeinen, wenn man fi) erinnert, daß er ſich als Geſtirngott mit
Heimbal berühtte, ©. 228. Daß es eigentlihd Odins Horn war, ber
zeugt Hrafnag. 16, denn bier heißt Heimdal
Der Wächter von Herians goldenem Horn.
In deutſchen Sagen erſcheint es noch in Wuotans Beſit, ſowohl
wenn er als wilder Jäger durch die Luft brauft (mas das Volt mit den
Worten ‚de Wode tüt‘ Myth. 871 bezeichnet) als wenn er im hohlen
Berge fhläft, wo das Horn neben ihm hängt, damit er es zur Hand habe
darein zu ftoßen, wenn es Zeit ift die blutige Schlaht auf dem Walfers
felve zu ſchlagen; die rechte Beit aber follen ihm feine Raben melden.
8.53. Wie ähnlich ift das der norbifhen Darftellung, wo Odin- Heim:
dal fein Auge in ven Brunnen ber Erfenntnifs fenkt, um die Stunde der
Gefahr zu erfpähen, wo er das Horn am Munde die Seinen zum Kampf
führen will; oder, nach dem andern Bilde, das Horn in den Brunnen
taucht und dann aus Walvaterd Pfand die geihöpfte Kunde ftrömt.
75, Erfindung der Runen.
Als Gott des Geiftes, nicht bloß des kriegeriſchen, erfdeint Din
ſchon durch feine Allwißenheit, deren Symbole ſo eben beſprochen find. Wie
ſehr fie ihm verfümmert feinen, jo muß dod in Wafthrubnismal (ſ. o.
©. 82. 154), wo Odin mit dem allwißenden Jötunen (wenn das Wort
nicht mehr fagt als alsvidhr jötunn) über die urmweltlihen Dinge ger
ftritten hat, fih diefer guleßt befiegt erfennen und geftehen:
‚Du wirft immer ber Weifefte fein.‘
Roch mehr erſcheint er als Gott des Geiſtes durch feinen Bezug zur
2 Wusten. Runen. 8. 75.
VPoeſie. Außer feinem aus Grimnism. 7 (f. $. 21) belannten Verhält ⸗
niſs zu Saga, der Göttin der Geſchichte mehr noch als der Gage, ift er
auch Bragis Bater, des Gottes der Dichtlunſt und Beredſamkeit, und ba
diefer wie Odin alt und langbärtig vorgeftellt wird, fo mag auch Er fi
aus bed Vaters Weſen abgelöft haben. Denn Dbin felbft Iernen wir
als Erfinder der Dichtkunft kennen, und zwar nicht bloß nad dem Mythus
von dem Urfprung der Poefie ($. 76), aud indem er die Runen erfand
und mit diefen die Nunenliever. Doch erfcheint er hier nicht fo ſehr als
Gott des Geifted, denn als der maͤchtige Gott.
Din Roſs Sleipnir faßlen wir $. 66 als Symbol der Allgegen⸗
wart, die bem hödjften Gotte eignet, geftanden aber gerne zu, daß fie ihm
die Vermenſchlichung fehr verkürzt habe. Nod mehr wird bieß von ven
Bildern für feine Allwißenheit gelten. Gin foldes Bild war ſchon Hlid⸗
flialf, von dem er alle Welten überblidt, ein ſolches ift fein Eines Auge,
die Sonne, die Alles ſchaut, und feine beiden Raben, die ihm in die
Ohren fliftern was. fih auf Erden begiebt. Aber der Blid in die Bus
tunft ift ihm fehr getrübt, da er Idunen befenben ($. 32), die todte Wala
nad Baldurs Gejhiden fragen (S. 83), fein anderes Auge in Mimirs
Brunnen fenten oder mit feinem Haupte murmeln muß. Am meiften fönnte
man feine Allmadıt beeinträgtigt glauben; dod werden wir darüber vielleicht
anders urtheilen, wenn wir ihn al3 Erfinder der Runen betrachtet haben.
Die Erfindung der Buchſtaben legten die Alten dem Mercur bei;
daß damit ſchon die Schrift, d. h. Lefen und Schreiben, gemeint war, laͤßt
fh noch bezweifeln, da er au al3 Erfinder des Würfelipiels gilt, dieſes
aber dem Gebrauch der Runen bei der Looßung ähnlich fieht und vielleicht
daraus entftanden ift. Auch unfere älteften Vorfahren lannten, jo hoch
unfere Nachrichten binaufreihen, ſchon die Buchſtaben; fie bevienten fi
ihrer aber wahrfheinlier mehr zu myftifhen Bmeden, zum Looßen, Weis
Bagen und Zaubern: wäre ihnen Obin als Erfinder der Runen zugleich
aud der Erfinder der Schreibekunſt gewefen, fo mwürbe er fih auch darin
ala Gott des Geiftes darftellen. Nach den neueften Forſchungen (Liliens
ron und Müllenheff. Zur Runenlehre Halle 1852) wäre aber der Gedanle
des budftabierenden Schreibens erft nad) Berührung der germanifchen Welt
mit der alten von diefer auf jene übergegangen; bei der Einwanderung
der Afen, worunter ich die dem Ddinsdienſt ergebenen Wölfer verftehe, in
unfere jegigen nordiſchen Wohnfige, war er ihnen nod fremd. Doc lapen
wir diefe Frage, ald noch nicht ganz ausgemacht, bei Seite und betrachten
ET. Wusten. Diefer und Danber, 235
die Amen nur als myſtiſche Zeichen, denen magifche Kraft zugetraut wird,
weshalb ihr Gebraud mit allen priefterlihen Meihen zufammenbing, mit
Poeſie und Weißagung, Opfer und Bauber, die alle unter fi auf das
Gngfte verwandt find. Am deutlichſten würde dieß an dem Worte Biefer,
zepar, wenn damit zoupar, Zauber, im Ablautöverhältniffe ftünde. Gr.
Myth. 36. 985. Biefer hießen alle opferbaren Thiere, Ungeziefer aber,
welche die Götter ald Opfer verihmähten. Allem Zauber aber wie ver
Weißagung giengen Gebet und Opfer voraus und die Weißagung wie
der Zauber ward in Liebern vollbracht, welche alliteriert, d.h. mit Stäben
verfehen waren, und dieſe Stäbe wurben zugleich eingerigt. Dieß konnte
jum Heile wie zum Verderben gefhehen, zum Segen wie zur Verwün-
dung, immer diente das eingeripte Zeichen zugleich dem babei geſunge ⸗
nen Liebe zum Hauptftabe wie zu Nebenftäben. Diefes Lied durfte nicht
fehlen, das todte Zeichen an ſich galt für nichts, es warb erſt lebendig
durch das Lied, deſſen Stäbe es bilvete: die ſchlummernde Zauberkraft des
Zeichens mufte Gefang weden, v. Liliener. 24. Nach Peterfen 210 bes
deutete die Rune die Wefenheit der Dinge: ‚indem man alſo der gleiche
ſam von den Dingen ‚abgeihabten‘ Rune durch den Zauberfprud Leben
einhauchte, fegte man die Weſenheit der Dinge in zauberkräftig wirkende
Bewegung.’ Lil. 21. Ein Beifpiel einer Verwünſchung, welche die Ver⸗
bindung des eingeſchnittenen Runenſtabes mit dem Liebe zeigt, bilvet Skir⸗
nisjör 34—36, wo der Gerba ($ 29 oben) von Skirnir mit dem Thurfen
Hrimgrimnir gedroht wird, welder fie haben fole. Hrimgrimnir ift feinem
Namen nah ein Reifriefe: fie foll der über fie auszuſprechenden Ber:
wünfhung nad der Umarmung der Forftriefen anpeimfallen, d. h. unter
68 und Schnee zurüdgehalten bleiben, wenn fie der Verbindung mit dem
fonnigen Steyr länger widerſtrebt. Skirnir ſpricht:
34. Hört es, Zoten, hört es, Hrimthurfen,
Suttungs Söhne, ihr Afen ſelbſt!
Wie ich verbiete, wie ich banne
Mannesgefellichaft der Maid,
Mannesgemeinjdaft.
35. Hrimgrimnir heißt der Thurs, der dich haben foll,
Hintern Todtenthor u. |. w-
36. Gin Thurs (Th) fchneid ich dir und drei Stäbe:
Ofumadt, Unmuth und Ungebuld.
So ſchneid ich es ab, wie id} es einfehnitt,
Wenn es Noth thut ſo zu thun.
2386 Wusten. Runcunauen. 8. 76.
Es thut noch nicht Noth fo zu thun, denn in der folgenden Strophe
ergiebt ſich Gerda, ber angebrohte Zauber wirb alfo nicht wirklich voll⸗
bracht: fonft würde noch erft das Zauber wirfende Lieb folgen, das wie
der Anfang der 36ften Str. den einzuripenden, jept. ungerigtbleibenden
Stab (P = Th) dreimal wieverbrädte. Ich ſehe diefen Anfang in ber
alten Sprache her, weil die Ueberfegung es nicht ganz anſchaulich machen
kann, da unſere Sprade das Th in D verfhoben hat:
Thurs rist ek ther ok thriä stafi.
Thurs ift der Name der eingerigten Rune, die zugleich als Liedſtab drei⸗
mal wiebettehrt: es ift aber aud ber angemünfchte Niefe ſelbſt. Da die
Rımen Namen baben, diefe Namen aber Begriffe beveuten, fo jagt ein
einziges diefer nordiſchen Schriftzeihen fo viel aus als uns die Berbins
dung mehrerer, ja vieler bedeuten würde. ‚Indem die Rune dieſes Namens
(Zhurs) eingefnitten und durch den Spruch ins Leben gerufen wird, ſetzt
der Beſchwoͤrer der Thurfen böfe Macht gegen denjenigen in Thätigfeit,
welchen der Fluch treffen fol.’ v. Lil. 22.
Benn nun Odin der Erfinder der Runen beißt, jo ift bamit der
Aunenzauber gemeint, dem eine fo unbejchräntte Macht zugetraut wurde,
daß ſich Odin nad) feinem Runengedicht (Runatal), einem Theile des eds
difhen Hawamals (M. Edda 91), duch Crfindung der Runen felber zur
Geburt verhilft, indem er fi von dem Weltbaume Iöft, als veilen Frucht
er gedacht iſt. j
1. Ich weiß daß ich hieng am windigen Baum
Neun lange Nächte,
Bom Sper verwundet, dem Odin geweiht,
Mir ſelber ich ſelbſt,
Am AR des Baums, dem Niemand anfleht
Aus welcher Wurzel er ſproß.
2. Sie boten mir nit Brot noch Meth:
Da neigt id) mich nieder
Auf Runen finnend, Ternte fie fenfzend:
Endlich flel ich zur Erbe.
3. Hauptlieber neun lernt ich vom weifen Sohn
Bölthorns, des Vaters Beftlas
Und tranf einen Trunk des theuern Meths
Aus Odhrdrir gejchöpft-
8. 76. Wusten, Almadıt. 287
Der weile Sohn Bölthoms ift ex ſelbſt: von ſich felber lernte er die
Runen und die Nunenliever. Wenn Str. 2 nur die Runen genannt find,
und diefe ſchon die Wirkung haben, ihn von dem Baume zu löfen, fo find
die dazu gehörigen, ihre Kraft wedenden Lieder mitverftanden. Diele
werben auh Str. 3 unter dem theuern Meth gemeint, auß Obhrörir ge:
ſchopft, der Quelle der Begeifterung: er bedeutet, wie der nädfte $ dar-
thut, die Poefie. Der theure Meth, das Lied, belebt und heiligt das
todte Zeichen. Darum heißt es aud Str. 18 des andern ebenfo wichti-
gen Runengedichtes, das der Sigrbrifa (M. Edda 169) in den Mund ger
legt wirb, die Runen müften ‚mit hehrem Meth geheiligt‘ fein.
Da nun der Aunenzauber fo große Macht hat, fo ift die dem Odin
beigelegte Erfindung der Runen nur eine Spmbolifierung feiner Allmacht,
und wir überzeugen ung jeßt, daß ihm biefe nicht mehr, ja kaum fo fehr
vertümmert warb als feine Allwißenheit und Allgegenwart, denn bedurfte
er freilich erft der Runen, fo ift doch mittels derſelben jeiner Macht feine
ambere Grenze gezogen als die in dem Weſen der Dinge liegt, denn eben
dieſes wird durd den Runenzauber geltend gemacht und über dieſes hin
aus vermag er nichts. Hienach gienge alfo wenigſtens der Runenzauber
nit mit unrechten Dingen zu, und Myth. 982, wo dieß von allem Baus
ber behauptet wird, fteht doch das Zugeftänbnif® daneben, unmittelbar aus
den beiligften Geſchaͤften, Gotlesdienſt und Dichtkunft, müße aller Zauberei
Urfprung geleitet werben.
Wenn alfo ſchon das Heidenthum Odins Macht als Zauberei aufs
fahte, fo fann es nicht wundern, daß der hiftorifierende Saxo, dem Dbin
nur ein Menſch war, bei dem vielen Wunderbaren, das er von ihm bes
richten muß, ſich mit der Ausrede half, er habe ſich auf Zauberei ver-
fonden. An Götter durfte Saro als Chriſt nicht glauben; an Zauberei
aber glaubte feine Zeit noch fehr ftark: darum Lonnte Odin, ohne ein Gott
iu fein, doch alle die vielen Wunder vollbracht haben, vie ihm Saro in
feinen Quellen beigelegt fand.
Aber auch Snorri ober Wer der Verfaßer der Heimskringla war,
obwohl er fonft Odin mehr als großen Heermann und Groberer auffaßt,
ſchreibt ihm doch gleichfalls Zaubertunft zu. ‚Er konnte durch bloße Worte
machen, daß das Feuer erloſch und die See ftille ward und der Wind
ſich drehte wohin er wollte” Yngl 7. Das kann aus Dvind Runatal
genommen fein, wo achtzehn zauberkräftige Lieder genannt werben, die
Doin kennen wil, Denn fo heißt es:
28 \ Yusten. Sciedensihluf. %. 76.
Str. 15. in flebentes weiß ih: wenn hoch der Saal fteht
Ueber den Leuten in Lohe,
Wie breit fie ſchon brenne, ich berge fie noch:
Den Zauber weiß ich zu zaubern.
Str. 17. Gin neuntes weiß id: wenn Noth mir ift
Bor ber Flut das Fahrzeug zu bergen,
So wend id den Wind von den Wogen ab,
Und ſtille rings die See.
Wenn Snorri ferner ſagt, Odin habe durch Lieder auch Grabhügel geöffnet
und Todte gemedt, ober ſich unter den Galgen geſett, weshalb er auch
Herr der Gehängten (Hängatyr) geheißen habe, fo kann er dabei auf
Wegtamstw. (ob. ©. 78. 83) zielen, aber auch auf unfer Runengedicht:
Str. 20. Ein zwölftes Tann ih: hängt am Zweig
Bom Strang erflidt ein Todter,
Wie ich tige das Runenzeichen,
So kommt der Mann und ſpricht mit mir.
Doch Tann Odin auch Hangatyr heißen, weil ihm feine Opfer an
Bäume aufgehängt wurden, wie er felber einft am Baume hieng. Nach
dem Boltöglauben (Myth. 601, Biel, 1,193. Leopr. 102) entfteht Sturm,
wenn fi Einer erhängt, was vielfahe Deutung gefunden hat, zunädft
aber doch daran erinnert, dad Hangatyr zugleih Sturmgott iſt.
Nicht ohne Lächeln über Snorris Alügelei wird man freilich leſen:
‚Ge hatte auch zwei Raben, welche er das Sprechen gelehrt hatte: dieſe
flogen weit umher in der Welt und fagten ihm viel Neues’; wenn es
aber endlich heißt: ‚die meiften feiner Künfte lehrte er feine Opferpriefter:
dieſe waren ihm zunaͤchſt in jeder Klugheit und Zauberei‘, fo nüpfe ich
die Bemerkung hieran, daß die im Runatal genannten 18 Zauber eben
fo vieler Lieder wol eben nur ſolche find, welche die Priefter von ihm
erlernt zu haben fi rühmten; die dem Golte zugejhriebene Zaubermacht
braudt ſich nit auf fie beſchränklt zu haben.
76. Nrfprung der Dichtkunſt. Kwafir.
Den Mythus von Dbhrärir erzählt D. 57. 58 fo: Die Aſen hatten
Unfrieven mit dem Volle, das man Wanen nennt (vgl.$. 24.59). Nun
aber traten fie zufammen, Frieden zu fließen, und der kam auf biefe
Weiſe zu Stande, daß fie von beiden Seiten zu einem Gefäße giengen
%. 76. Wusten. Kmafırs Sint. 289
und ihren Speichel bineinfpudten. Als fie nun ſchieden, wollten bie
Aſen dieß Friedenzzeihen nicht untergehen laßen. Da machten fie
einen Mann daraus, der Kwaſir heißt. Der ift fo weiſe, daß ihn Nies
mand um ein Ding fragen mag, worauf er nicht Antwort wüfte. Er fuhr
weit umber durd die Welt, die Menſchen Weisheit zu lehren. Einſt aber,
da er zu den Zwergen Fialar und Galar lam, die ihn eingeladen hatten,
riefen fie ihn bei Geite zu einer Unterrevung und töbteten ihn. Sein
Blut ließen fie in zwei Gefäße unb einen Keßel rinnen: ver Keßel heißt
Dohrörir, aber die Gefüge Eön und Bodn. Sie miſchten Honig in das
Blut, woraus ein fo kräftiger Meth entitand, daß jeder der davon trinkt,
ein Dichter oder ein Weifer wird. Den Afen berichteten die Biverge,
Awaſir fei in der Fülle feiner Weisheit erftidt, denn Keiner war fo Hug,
feine Weißheit all zu erfragen.
Darnach luden die Zwerge den Niefen, der Gilling heißt, mit feinem
Weibe zu fih und baten den Gilling, mit ihnen auf die See zu rudern.
Als fie aber eine Strede vom Lande waren, ruberten die Zwerge nad
den Alippen und ftürzten das Schiff um. Gilling, ver nicht fhmimmen
Tonnte, ertrant, worauf die Zwerge das Schiff wieder umlehrten und zu
Lande ruberten. Sie fagten feinem Weibe von diefem Borfall: da gehub
fie fih übel und meinte laut. Yialar fragte fie, ob es ihr Gemüth ers
leichtern möge, wenn fie nad der See hinaußfähe, wo er umgelommen
fei. Das wollte fie thun. Da fprad er mit feinem Bruder Galar, er
folle hinauffteigen über die Schwelle, und wenn fie hinausgienge, einen
Mäpfenftein über ihren Kopf fallen laßen, weil er ihr Gejammer nicht
ertragen möge. Und alfo that er. Als der Niefe Suttung, Gillings
Bruderfohn, dieß erfuhr, zog er hin, ergriff die Zwerge, führte fie auf die
See und fehte fie da auf eine Meerllippe. Da baten fie Suttung, ihr
Leben zu ſchonen, und boten ihm zur Sühne und Vatersbuße ven köftlichen
Meih und diefe Sühne ward zwifchen ihnen geſchloßen. Suttung führte
den Meth mit ſich nad Haufe und verbarg ihn auf dem fog. Hnitberge;
fein Tochter Gunnlöph fegte er zur Hüterin. Davon heikt die Gtaldens
hunft Kwaſirs Blut oder der Zwerge Tran, auch Obhrärirds ober Bodens ⸗
oder Sons⸗NRaß, und der Zwerge Fährgeld (meil ihnen dieſer Meth von
der Alippe Erlöfung und Heimlehr verfhaffte), ferner Suttungs Meth und
dnitbergs Lange.
Die lamen aber die Afen an Suttungs Meth? Davon wird er
zaͤhlt, dah Obin von Haufe zog und an einen Ort fam, wo neun Knechte
40 Wustan. Bölwerhr. 8. 76.
Heu mähten. Gr fragte fie, ob fie ihre Senſen gewegt haben wollten?
Das bejahten fie. Da zog er einen Wetzſiein aus dem Gürtel und wepte,
Die Sicheln fhienen ihnen jegt viel befer zu ſchneiden: da feilſchten fie
um ben Stein; er aber ſprach, mer ihn kaufen wolle, folle geben mas
billig fei. Sie fagten Alle, das wollten fie; aber Jeder bat, den Stein
ihm zu verlaufen. Da warf er ihn hoch in die Luft und da ihn Alle
fangen wollten, entzweiten fie fih fo, daß fie einander mit den Sicheln
die Hälfe zerſchnitten. Da ſuchte Odin Nachtherberge bei dem Riefen, der
Baugi hieß, dem Bruder Suttungs. Baugi beflagte fi über feine Ums
fände und fagte, neun feiner Anechte hätten ſich umgebraht, und num
wiße er nicht wo er Werkleute hernehmen folle. Da nannte fih Odin bei
ihm Boͤlwerkt, und erbot fih, die Arbeit der neun Knechte zu überneh ⸗
men; zum Lohn verlangte er einen Trunt von Suttungs Meth. Baugi
ſprach, er habe über den Meth nicht zu gebieten, Suttung, fagte er, wolle
ihn allein behalten; doch wolle er mit Bölwerkr dahin fahren und ver
fuhen, ob fie des Meths erhalten lönnten. Bölwerkt verrichtete den
Sommer über Neunmännerarbeit; im Winter aber begehrte er feinen Lohn.
Da fuhren fie beide zu Suttung, und Baugi erzählte feinem Bruder, wie
er ben Bölwerlr gebungen habe; aber Suttung verweigerte grabezu jeden
Tropfen feines Meths. Da fagte Bölwerkr zu Baugi, fie wollten eine
Liſt verfuhen, ob fie an den Meth fommen möchten, und Baugi wollte
das geſchehen laßen. Da zog Bölwerft einen Bohrer hervor, der Rati
bieß, und ſprach, Baugi folle den Berg durchbohren, wenn der Bohrer
ſcharf genug ſei. Baugi that das, fagte aber bald, der Berg fei durch⸗
gebohrt; aber Bölwerkr blies ind Bohrloh: da flogen die Späne heraus,
ihm entgegen. Daran erfannte er, daß Baugi mit Trug umgehe und bat
ihn, ganz durchzubohren. Baugi bohrte weiter und als Bölwerk zum
andernmal hineinblies, flogen die Splitter einwaͤrts. Da wandelte ſich
Bölwerkt in eine Schlange und ſchloff ins Bohrloch. Baugi ſtach mit dem
Bohrer nad ihm, verfehlte ihn aber; da fuhr Bölwerkr dahin, wo Gunn:
loͤdh war und lag bei ihr drei Nächte, und fie erlaubte ihm drei ZTrünke
von dem Meth zu trinten. Und im erſten Trunk trank er den Ophrörie
ganz aus, im andern leerte er den Vodn, im britten den Son und hatte
nun ben Meth alle. Da wandelte er ſich in Aplerägeftalt und flog eilends
davon, Als aber Suttung den Adler fliegen fah, nahm er fein Adler
hemd und flog ihm nad. Und als die Ajen Odin fliegen fahen, da jegten
fie ihre Gefäße in den Hof. Und als Odin Asgard erreichte, fpie er
12 asien. Sawamal, a
ven Meth in bie Gefäße. Als aber Guttung ihm fo nahe gelommen
war, daß er ihm far erreicht hätte, Tieß er von hinten einen Theil des
Meths fahren. Darnach verlangt Niemand: habe fi) dad wer da wolle;
wir nenmen es den ſchlechten Dichter Theil. Aber Suttungs Meth gab
Doin den Afen und denen, die da ſchaffen können. Darum nennen wir
die Slaldenkunſt Odins Fang oder Fund, oder Odins Trank oder Gabe,
und der Ajen Getränk,
Hiemit find zwei Stellen des eddiſchen Hawam al s zu vergleichen.
Dieſes Gedicht, eigentlih nur eine Sammlung der im Bolt verbreiteten
uralten Sprucweisheit, wirb dem Odin in ben Mund gelegt, und heißt
darum bad Lied des Hohen. Als Gott des Geiftes wird ihm aud
diefe dem Volle offenbarte Weisheit zugeſchrieben; daß ex felber fpricht,
wird am deutlichſten bei dem im vorigen $ beiprochenen Runenlieve, das
einen der Anhänge des Hawamals bildet. Aber auch bei diefem felbft
bejeiinen die eingeflodtenen, Erlebniſſe Odins erzählenven Stüde, welche
die Weisheitslehren veranfhaulihen und bewähren follen, ihn ala den
Sprechenden. Bu diefen gehören bie hier auszuhebenden Stellen:
12. Der Bergeßenheit Reiher überraufcht Belage
Und fliehlt die Befinnung ;
Des Vogels Gefieder befieng auch mid)
In Gunnlödhs Haus und Gehege.
18. Trunken ward ich und Abertrunfen
In des ſchlauen Fialars Felſen.
Trunk mag frommen, wenn man ungetrübt
Sich den Sinn bewahrt.
104. Den aften Rieſen befucht ih; nun bin ich zuräd;
Mit Schweigen erwarb ich da wenig.
Manch Wort ſprach ih zn meinem Gewinn
Im Guttungs Saal. .
105. Gunnlodh ſchenkte mir anf golbnem Seßel
Einen Trunk des theuern Meths.
Uebel vergolten hab ich gleichwohl
Ihrem Heiligen Herzen,
Ihrer glühenden Gunſt.
106. Ratamumd Tieß ich den Weg mir räumen
Und ben Berg durchbohren.
Im ber Mitte ſchritt ich zwiſchen Riefenfteigen
Und hielt mein Haupt der Gefahr hin.
Sienoc, Mythelsgie. 16
243 Wusian. Kingeid, 8.76.
107. Schlauer Berwandfungen Frucht erwarb ich;
Wenig mifelingt dem Liſtigen:
Denn Odhrörir ift aufgeftiegen
Zur weitbewohnten Erbe.
108. Zweifel heg ih ob ich Heim wär gelehrt
Aus der Riefen Reich,
Wenn mir Gunnlddh nicht Half, die gute Maid,
Die den Arm um mic) ſchlang.
109. Des andern Tags bie Reifrieſen eilten
Des Hohen Kath zu hören
Im des Hohen Halle,
Sie fragten nad) Bälwerk: ob er Heimgefahren fei,
Oder ob er mit Suttung fiel.
110. Den Ringeid, fagt man, hat Odin geſchworen:
Wer traut noch feiner Treue?
Den Suttung beraubt’ er mit Ränfen des Meths
Und fie ſich Gunnföbh grämen.
Hierzu nur folgende Bemerkungen:
% Die Stellen des Hawam. fegen eine Kürzere Fapung der Cr
zaͤhlung voraus, die noch nicht? davon weiß, daß Suttung den entfliegenden
Odin verfolgt habe, vielmehr ſcheint er nad) 110 gefallen, mas auch Weinheld
a. a, D. 12 annimmt. Die Riefen tommen erft am andern Tage dem
Bölwert nachzuftagen, und Odin muß den Ringeid fchmören, fi von dem
Verdachte zu reinigen. Da dieß wie ein Meineid außfieht, und ihm aud
fo gedeutet wird, überbieß nicht erhellt, Wen Str. 110, die Opin nicht
ſprechen lann, in den Mund gelegt ift, fo könnte fie fpätere Zudichtung
fein. Aber verfelbe Verdacht trifft au Str. 105 und den in D 58. ent:
baltenen Schluß der Erzählung, den Urfprung der Ajterpoefie betreffend,
wovon Hawam. noch nichts weiß. Vielleicht iſt das nicht die einzige Zu
dichtung der j. Edda: die ganze Zwifchenerzählung won ben Zwergen Fialar
und Galar als ven erften Beſihern des Odhrörir ſcheint fpätere Erfin⸗
dung, denn ba es Hawam. 13 heißt, Odin fei in Fialars Felſen trunken
geworben, fo fehen wir, daß nach Fialar der Keller des Rieſen heißt.
Der Trant tam aljo glei in des Leptern Befig. Vgl. o. Die drei Trünfe
aus Dohrörit, Son und Bode können aber alt fein, da fie den drei Rufen
Meths der Tprymato. 26 entſprechen.
—b. Auch von Kmäfir weiß Hawamal nichts; der Name bleibt in
den Liedern auch fonft unbenannt. Doch nur den Namen trifft Verdacht,
s 76. nston. Seide. 8
nicht fein Weſen. Zwar mag feine Entftehung aus Speichel ung zuwider
fein; aber umferer Mythologie darf fie nicht als Barbarei vorgeworfen
werben. Der reine Speichel, der aus dem Blute kommt und wieder zu
Blute wird, wie das aud unfere Grzählung gejhehen laßt, fteht dem
Blute gleih. Im Blute liegt, nad) einer fehr verbreiteten Anſchauung,
daB Leben, au Blutätropfen rufen in unfern Märchen Stimmen, Blumen
fprießen in allen Mythen aus dem Blute, Kinberblut heilt vie böfeften
Krankpeiten, Blut ift ein ganz beſonderer Saft, heißt es im Fauft; aber
dem Blute wird der Speichel auch in der Heilkcaft gleichgefept, ſchon bei
den Alten, und noch Chriſtus heilt mit feinem Speichel, Schlagend ift
aber bie Uebereinftimmung, wenn aud in der griechifchen Mythologie aus
dem vereinigten Speichel der Götter neue göttliche Weſen herr
vorgeben. Bei Hyrieus lehrten drei Götter ein: Zeus Poſeidon
Hermes; nah Andern Zeus Ares Hermes. Zum Lohn feiner Gaſt⸗
freundſchaft ftellten fie ihm eine Bitte frei. Cr wünfchte ſich einen Sohn;
bat aber nad) dem Tode feiner Gattin gelobt, ſich nicht wieder zu ner
mählen. Da vereinigen die Götter ihren Speichel, vermiſchen ihn mit
dem Staube der Hütte und erſchaffen den Orion. M. XXXIV. Denfelben
Drion haben wir $. 73.8. mit Odhr verglihen. Das betraf feinen Top,
den mir mit dem Baldurs und Halelbärends zufammenftellten. Sollte er
ſich nun aud bei feiner Zeugung mit ihm berühren? Schon Grimm
fragte (Mytb. 838): war Odhur eind mit Kwäfr, der die Welt durchzog,
umb von ben Zwergen ermorbet wurde?‘ Gx fügt hinzu: Odhr, Freyſas
Gemahl, ven fie in der weiten Welt aufjuchte, und mit goldenen Thränen
beiweinte, lonnte Berfonification der Dichtkunft fein‘ Mir laßen biefen
Fragen noch andere folgen: Iſt der verdunkelte Rame Dphrörir, der auch
Odheirit geſchrieben wird (Beitjär. IH, 423), aus Oph und dreyri Blut
gebilvet? Aus dem Biute des vom Eber vertwundeten Hafelbärend = Dvin
wurden im näcften Frühjahr Blumen (Myth. 899); aus vem des Adonis,
der fo ähnlich ift, fproß die Unemone. Bon Baldurs Blut iſt nichts der⸗
gleichen berichtet; da aber Johann der Täufer feine Stelle im Kalender
einnahm und das im Mittelalter fo forgiältig gefammelte und für heil
träftig gehaltene Johanniskraut auch Johanniablut heißt (Mbergl.
457), fo fehlte wohl auch bei ihm diefer Bug nicht. Ueberall iR dem
Blute des fterbenden Gottes wunderbare Kraft beigelegt. Gleicht nicht
auch vie verlaßene teauernde Gunnlöoh auffallend der weinenden Freyia?
Dürfen wir aljo den unvollftändig erhaltenen Mythus Odhurs aus dem
244 Duciau. Gtalsuythus. b. 76.
Awaſirs ergänzen? Wie dem auch ſei, der Mythus vom Gral hat ohne
Frage feinen Urfprung aus ver Bertaufchung Oburd oder Baldurs mit ‘os
bannis genommen, was fogleih einleuchtet, wenn man weiß, daß auf der
Gralsſchußel, welche alle irdiſchen Wunſche befriedigt, urfpränglih das
Haupt eines Menfchen lag, und zwar-wie ich Barzival 776 nachgewieſen
babe, das des Johannes, was zugleich erklärt warum $. 73 auch Herodias
oder bie ihr verwandte Abundia der wilden Jagd voraufzieht, Wie in
den dort unter 3.a und b befprochenen Mythen dem Blute des ſterbenden
Gottes ſchoͤpferiſche Kraft beimohnt, wie aus Kwafirs Blut der Unfterb-
lichleittrant gewonnen wird, jo geht Leben, Fülle und Ueberfluß von der
Schüßel aus, auf ver das Haupt des Johannes lag.
©. Dohrörir, in Hawamal 107 Name des Truntes, ift D. 57 auf
den Keßel übertragen, worin er bewahrt wirb; daneben erſcheinen noch
zwei andere Gefäße, Son mid Bodn. Jenes erfte leitet man aus Dob
Geift und aus hrora, alth. hruoran, rühren, was ben fehr pafienden
Sinn Geiftrührer, Geifterreger ergiebt. Wie Odin felbft der Geifterreger
ift, fo auch fein Trank. Der theure Meth, den er Dichtern, Weiſen und
Aſen fpenvet, hat geifterregenbe, begeifternde Kraft. Son, der Name
des andern Gefäße, das die Ubſala⸗Edda nicht kennt, beveutet Gühne.
Heißt das, die Dichtkunſt mildere die Geiſter (emollit mores), daß
Berföhnung in die Herzen Gingang finde; ober zielt es darauf, daß aus
der Verjöhnung der Aſen und Wanen ver Saft zuerft hervorgegangen
war? Die Sühne muß angeboten, von der andern Seite angenommen
werben: darauf könnte der Name bed britten Gefäßes (oblatio) gehen.
Bei Friedensſchlußen wie bei der Gtiftung des Freundfhaftsbändnifies ließ
mon fonft Blut in ein gemeinſames Gefäß fließen. Auch hier fehen wir
wieder den Speichel dem Blute gleihgeftellt. Doch weiß Hawamal nichts
von brei Gefäßen, nicht einmal von mehren Trünfen; Str. 105 ift nur
von Einem bie Rede.
d. Bon Kwaſit wißen wir ſonſt aus $. 41, daß Er es war, ber
als der weifefte ber Götter das Neg, das Loli ind Feuer geworfen hatte,
noch in der Aſche als eine Vorrichtung zum Fiſchfang erkannte. Wbweir
hend von der jüngern Edda erzählt Yugligaſ. 4, die Wanen hätten ihn
als ven Mügften in ihrem Gebiet den Afen zum Geifel gegeben. Der
Name bedeutet nach ſlaviſchen Dialelten die Gährung ; nach der altn. einen
Keichenden: das käme auf eins heraus, denn jebes gahrende Getränf
keiht. Auch der Wein des Gemuͤths, die Poeſie, muß ſich aus einer
8.76. Wustan. Amefr. Suttung. 246
Gährung Mlären, und ven aus dem Speichel Entſtandenen Tönnte man um
fo eher nad der Gährung benennen, ald Odin aud der bierbrauenben
Geirhild mit feinem Speichel, der ald Hefe verwendet wird, zum Siege
verhilft. In der weiter außgefponnenen Erzählung der D. 57. 58 wirb
das Bild bes Getränke, das gähren und ſich Hären muß, nun weiter forts
geführt. Rad ver in Kwaſir vorgeftellten Gährung kommt er in ben
Keller der Zwerge, dann in den ber Rieſen: es mag fehr proſaiſch Mingen,
wenn ich fage, daß dieß nichts als mehrere Abſtiche bedeute, die ber
junge Wein in den erſten Monaten bedarf; noch mehr, wenn ich bie neun
Sommermonate, die Odin dem Baugi dienen mufte, auf die Beit beziehe,
welche hernach noch zur Ablagerung erforberlih if. Allein der Mythus,
der in biefer Geftalt ſich dem Charafter einer umterhaltenden Erzählung
nähert, birgt nicht in allen Bügen echt mythiſchen Gehalt; doch fällt er
wenigftens nicht aus dem Bilde. Auch wird man geſtehen müßen, daß
der Rome Suttungr für Suptungr gut erfunden ift, um einen durfligen
Niefen zu bejeichnen, den nad einem guten Trunk gelüftet. Weinhold
Riefen 51 erflärt freilich die Ableitung ſeines Ramens von fäpan für
ganz ummöglid; vgl. aber Kuhn Herablunft und Gr. Gr. I, 318.
e. Fialar und Galar würden als Biwergnamen an Fili Kili im
Hwergregifter der Wöl. 13 erinnern. Hawam. 18 ſcheint zwar auf ben
erſten Blick einen Riefen unter Fialar zu verftehen, wie auch Harbardsl.
36 Fialar den Niefen nennt, der D. 45 wieder anders, Skrimir, heißt;
aber das Beiwort der ſchlaue (Erödi) zeigt, daß der Keller des Rieſen
nur nad) einem Zwerge (etwa jenem der Wöl. 34) benannt ift, was zu
weiterer Ausfpinnung und Einführung der Zwerge verleitet haben kann.
Daß diefe den Trank erft zubereiten, indem fie ihn mit Honig mifchen,
iR in ihrem Character erfunden, da fie immer als bie kunſtreichen erſchei⸗
nen; Honig iſt ein Beftandtheil alles Meths. Sie waren aber nah
Awaſirs Blut fhon vor der Miſchung lüftern: fie hätten fonft nicht nad
feinem Befig getrachtet. Den Gnitberg, in weldem der Trank aufber
wahrt wird, erflärt Kuhn Herablunft 152 für die Wetterwolten; den Bohrer
aber, deſſen er fih bedient, um in ven Berg zu gelangen, vergleicht er
dem gleidmamigen Wertzeug, das bei Erzeugung des Feuer gebraucht
warb, wie er denn überhaupt nachweiſt, daß der himmlische Funke und der
bimmlifhe Meth einer gemeinfamen Anfhauung ihren Urfprung verbanten.
f. Auch daß ih Odin Bölwert nennt, hat feine tiefere Bedeutung,
da er in Baugis Dienft nichts Gutes vorhat: er will eben den Meth
246 Westen. Dreifader Kaufe, 8. 76.
entwenden. Will man feinen mühenollen Dienft fo verfiehen, daß bie
Kunftfertigfeit, deren der Dichter bedarf, nicht ohne Anftrengung erworben
wird, fo habe ich nichts dagegen; beveutender aber iſt gewiſs, daß Ddin
Str. 108 gefteht, ohne Gunnlodhs Hilfe habe Ophrörir nicht erworben
werden können: ohne Liebe eine Poeſie. Vortrefflich ift aber, wie der
Begeifterungstrunt der Dichter und Afen, um die höchfte Weihe zu em⸗
pfangen, durch einen Zuftanb breifacher Entzüdung hindurch muß. Zrunfen
und übertrunfen wird Odin in des ſchlauen Fialars Felſen, trunfen von
Meth, trunden von Liebe und trunken von dichteriſcher Begeifterung. Wie
fehr erinnert dieſer dreifache Rauſch, dem A Odin in Gunnlodhs Armen
bingiebt, an Goethes Worte im Divan 118:
Liebe, Lieb- und Weines Truntenheit,
Obe nadhtet ober tagt,
Die göttlichfte Betrunfenheit,
Die mid, entzuct und plagt.
Das fittlihe Bedenken, daß die legten Strophen des Hawam., bejonder#
110, ausſprechen, gehört entweder zur Einlleidung, die den abftraften Ge
danlen werfteden will (faft möchte id diefe Auskunft vorziehen); oder fie
jeht ſchon ein getrübtes Verftänbnifs voraus. Der Bergekenheit Reiher,
der Gelage überraufcht und die Befinnung ftiehlt (Gtr. 12), ift zwar ein
wunderſchoͤnes Bild; es wird aber nur verwendet, um vor einer Truns
tenheit zu warnen, die nad dem echten Sinne des Mythus, um unferes
Dichters Worte im Buche des Schenten noch einmal Um gebrauden, ‚wuns
dervolle Tugend‘ iſt.
Gleih dem Göttermeth wurde auch bei den Indiern der beraus
ſchende Trank der Somapflanze den Gandarven und andern Dämonen,
die feiner hüteten, geraubt und Götter und Menfchen feiner begeifternben
Kraft theilhaftig. Kuhn Herabkunft des Feuers ©. 5.
g. Rati beißt in ber D. der Bohrer; in Hawam. ſcheint die Schlange
gemeint, in deren Geſtalt Dvin in den Felfenkeller ſchlüpfte. Bwei Bei:
namen Odins, Ofnit und Swafnir, gehen darauf, daß er Schlangengeftalt
anzunehmen liebt.
Ein Zeugnifs, daß. Odin eigentlich der Gott der Dichtkunſt und Ber
vebfamleit war, was bann auf Bragi übergieng, findet fih bei Snorri,
obgleich ihn diefer, wie ſchon erinnert worden ift, menſchlich auffaßt.
Dnglingaf. c. 6 melvet, er habe ‚fo anziehend und lieblich geſprochen, daß
Alle, welche ihn anhörten, glaubten, dad Alles jei wahr; er ſprach Alles
3. 7. Wustan. Gott der Künfe. 47
in folden Reimen, wie jet gefungen wird maß wir Gedicht heißen. Cr
und feine Hofprieter hießen Sangſchmiede, und dieſe Kunſt hub durch fie
on in den Rordlanden.“ Wie er ald Gott der Dichtkunft dem Apollo
gleicht, ſo auch durch die Heiltunft, welche ihm einer der merſeburger Heil⸗
fprüce ſelbſt vor den Göttinnen zueignet. Vielleicht erklärt fi fo, daß
Bate, ver ſich auch fonft mit Wuotan berührt, die Arzneitunft verſtand
(Ryth. 1101), wie an fein Geflecht alle Künfte und Crfindımgen ger
kuüpft find. Ihm felbft oder feinem Sohne Wieland legt die Gage ein
Boot bei, was ihn als Erfinder der Schifffahrt bezeichnet; Wieland gilt für
den beten Schmied; deſſen Bruder Gigil, der ältefte Tel, für ven beſten
Schüpen; dem britten Bruder war vermuthlich wieder die Heilkunſt vererbt.
Rordian der befte Jäger in der Wiltinaf. c. 330 fällt vielleicht wit feinem
gleidtnamigen Halbbruber 0, 18 zufammen. Bol. Vorr. zum Orenbel 6. XVII
md $. 82,
71, Odin als Drachenkaͤmpfer. Schlaf,
Odins Weſen ift hiemit noch nicht erfhöpft. Grimm (Ueber den
Liebesgott 1851) hat in Odins Beinamen Wunſch und feinem Bruder
DIR (Wille) ven Begriff der allmächtigen Liebe nachzuweiſen geſucht.
Damit fiimmt, wenn es im Runenlied heißt:
24. Gin ſechszehntes Tann ich: will ich ſchöner Maid
In Lieb und Luft mich freuen,
Den Willen wandl ih ber Weißarmigen,
Daß ganz ihr Sinn fid mir gejellt.
2%. Ein ſiebzehntes kann ih: daß ſchwerlich wieder
Die holde Maid mich meidet.
Gleichwohl ſehen wir ihm oft ungluckich in feinen Bewerbungen: fo bei
Billings Maid (Hawam. 95 101) fo wie Harbardel. 18, und bei ber
Rinda, wovon $. 90, gelangt er nur durch Lift zum Biel, Als Gott des
Aderbaued tritt er in Deutfchland mehr als im Norden hervor, wo er.
ihn im Gegenfag zu Thör eher ſeindlich erſcheint. Hievon, wie auch
von feinen Gemahlinnen und Söhnen, wird befer an andern Stellen ger
handelt; auch ift Manches ibn Betreffende ſchon in frühern Abſchultten
verweggenommen, und nur um Wiederholungen auszuweichen, wird An⸗
deres, das fpäter nachgeholt werben ſoll, an dieſer Stelle übergangen. Hier
folte nur der Grund gelegt werben, auf dem ſich fpäterhin fortbauen läßt,
48 Wusten. St. Oswald. St. Martin. 5. 7.
Bor dem Schluße will ich auch nicht verſchweigen, daß zwiſchen Wus ⸗
tan und einigen ghriſtlichen Heiligen Beziehungen eintreten, theils weil
man ben Eultus des Gottes durch ihre Verehrung zu verdrängen fuchte,
teils weil in ihre Legenden, ſoweit fie aus dem Volksmunde aufgenoms
men wurden, Mythiſches Eingang fand, in Bollsmärden und Bolläge:
bräuden ihr Rame an feine Stelle trat. Der Gegenfand ift noch zu
wenig esforfäht; doch will ich bier wenigſtens einige der dabei in Betradt
tommenben Heiligen nennen. Billig fteht bier der h. Oswald voran, weil
er den Herſcher der Aſen bedeutet. Ihm und feiner Legende hat J. Zin⸗
gerle eine eigene Schriſt gewidmet (Stuttgart und Münden 1856). Hier
erſcheint er vornämlich ala Wetterherr und Erntefpender; und in Ic
terer Würde wirb er uns noch öfter begegnen. Der Rabe, ver ven mhr.
Oswaldgedichten wie Odins Mythus gemein ift, findet fi auch auf ben
Bildern des Heiligen, obgleich ex feiner Legende fremd if. Schon in feiner
äußern Erſcheinung fah St. Martin dem Wuotan auffallend ähnlich: Man⸗
tel, Rofs und Schwert hatte er mit ihm gemein; jenen theilt er dem
Dürftigen mit, feine Bloße zu belleiven: das könnte an die oben beſpro⸗
chenen Berleihungen des Wunfhmanteld erinnern, und Milde ift eine Zu
‚gend, die Odin ald Gangradr und Grimnir zu lohnen wie ihre Verſäum⸗
niſs zu ſtrafen bebaht war. Gt. Martins Mantel, die Cappa St. Martini,
trug man den fränkifchen Königen in die Schlacht nad) ; andere Beziehum
gen find in meinen Martinslievern Bonn 1846 nachgewieſen. Wenn wir
St. Martin in dem von Karajan aufgefundenen |. g. Wiener Hundeſegen
(Mälend. Ztſcht. XI, 259 und Myth. 1189) als Hirten auftreten fehen,
fo fol er wor den Wölfen fügen, welchen Wuotan gebietet. Auch Et.
Michel und Georg, die Dradentöbter, fofern fie reitend ımd mit ge
ſchwungenem Schwerte bargeftellt wurden, glichen Odin; freilich als Dra:
Hentödter Tennt ihn die Edda eigentlich nicht, man müfte denn Fenrir old
folden auffaßen dürfen, wofür Folgendes zu fprechen ſcheint. Wir fahen
8.66, daß es eigentli Odin war, der durch Wafurlogi ritt und ſich ald
Siegfried in der Helvenfage verjüngte. Auch hier fehlt in der Götterfage
der Dradenkampf, wenn nit in Skirnisfoͤr Beli, der brüllende, als folder
aufzufaßen if. Auf welden andern Kampf als den mit Beli lännte eb
zurädgehen, wenn Fro bei Saro ald Dradenlämpfer erfcheint? Auch Tann
von dem Helden auf den Gott zurüdgefhlogen werden und da Gigmund,
dem im Beomulf Siegfrieds Dradentampf beigelegt ift, ein Beiname Odins
wor (Myth. 344), fo werben wir Kuhn beiftimmen, ver Zeitfchr. V, 472 ff.
% 77. Wasten. Hsbin Heod. Besmulf. 49
Bodan in dem Gt. Georg der englifhen Vollsgebraͤuche erlannte. Die
Bergleihung mit andern engliſchen Vollsfeſten, wobei noch Wo dan“ und
feine Frau ‚Frigga’ unter diefen Namen auftreten Myth. 281, und im
‚Söwerttang‘ zwei Schwerter um das Haupt eines Anaben geſchwungen
werben, was eine fombolifhe Darftellung des Drachenkampfs ſcheint; dann
das Hoodening genannte Feſt, defien Hauptperfon „Hooden‘ wie fein
Rofs „wooden horse“ heikt; enblih au der belannte Robin Hood,
befien Borname Robin, unferm Ruprecht entſprechend, ein Beiname Bor
band ift, der ihn als den ruhmglänzenden bezeichnet; die ſtaͤts dabei auf
tretende Jungfrau, welche wie Gerda oder Brunhild, in anderer Faßung
Kriembilo, aus der Gewalt des Unthierd befreit wird: Alles zeigt, daß
diefe Volleſpiele einen verbuntelten, aber in Götter: und Heldenſage nad
ingenden, auf Odin bezüglihen, im Wefentlichen in Sfirnisför enthalte
nen Mythus darftellen follten. Veowulfs eigenen Drachenlampf bezieht
wor Mallenhoff Zeitſcht. VII, 439 auf Freyt; aber Freyrs Kampf fällt
in den Frühling, Beowulfs Drachenlampf ift ſchon dem Ausgange nach
ein Herbfilampf: nur in den Herbftlämpfen erliegen die Götter den Riefen.
Darum muß Thör im lehten Weltkampfe gegen die Weltſchlange (Joͤr⸗
munganbe) fallen, während er fie im Fruhlingslampfe $. 8% befiegt hatte,
Mer auch der Fenriswolf, mit welhem Obin Tämpft, ift durch feinen
Namen Wanagandr ald Schlange (Drache) $.46 bezeichnet; auch Odin fallt
im legten Welttampfe, welder vor feiner Fortfhiebung aus dem natürs
lichen Zahr in das große Weltjahr ein Herbſtlampf geweſen war; in
einem frühern Frühlingstampf muß er ihn befiegt haben. Diejer Frühe
lingstampf Odins ift in feinem Mythus vergeßen und auf Freyr übertragen;
auch bei Freyr ift er als Drachenkampf in der Edda nicht bargeftellt, wir
müßen die biftorifierten Erzählungen Saros binzunehmen um Freyrs Fruh ⸗
Iimgslampf als Kampf mit dem Drachen zu erkennen. Ueber den Sinn
des auf folhen Umwegen gewonnenen Drachenkampfs Odins Tann fein
Zweifel fein. Die Schlange, das Sinnbild des Waßers, bebeutet bie
feuchte nebliche Winterzeit: Opin, der fie befiegt, if der Gomnen- und
Frahlingegott. Diefer Sieg tritt aljährlih ein; den Jahresmythus hat
die Edda, wie manche andere, auf das große Meltenjaht bezogen und mit
ven Weltgeſchiden in Verbindung gebracht. Der Name Fenrir, der nad
©. 106 auf Meer und Sumpf deutet, war ſchon in dem ältern Sinne
des Mythus ein pafiender Name für den verberblihen Wurm, der nur
das im Winter anfchwellende, verheerend überftrömenve Waßer bezeichnete,
250 Mustan. Teodessoti. “78.
Müllenhoff a. a. ©. 431. — Ueber die hier genannten und anbere mit
Wuotan aber freilich aud mit Thor und folglih mit Irmin im BVolts:
glauben verwandte Heilige, wozu nach Ign. Zingerle auch Et. Leonhard
gehören wirb, vergl. Woljs Beitt. 33—58.
Eine andere verbunlelte Seite in Odins Weſen ift fein Berhältnifs
jur Unterwelt, wonach er als Todesgott erſcheint. In der deutſchen Sage
iſt das deutlicher als in der nordiſchen: bei uns figt er im hohlen Berge,
der bie Unterwelt bebeutet, fein Horn hängt über ihm, feine Raben fliegen
umber und neben ihm fchlafen feine Helven dem Tag der Entſcheidung
entgegen, deſſen Anbrud der Schall feines Horns verfündigen wird. Nach
der norbifhen Auffaßung lebt er in Asgard oder Walpall, alfo in einem
überirdifhen Himmel und biefen theilt er mit feinen Helben, denen er zur
Belohnung verheißen war. in Tobeögott ift er auch bier; aber der Tod
bat fi in ewiges Leben gewandelt. Und aud hier finden wir das Horn
bei ihm, das den Anbrud des jüngften Tages verkündigen foll; nur theilt
ex ed mit Heimdall, auf den ala Götterwächter diefe Seite feines Weſens
übertragen ift, wie von ihm das Horn noch unfere Nachtwaͤchter empfiengen.
Gleichwohl kennt aud die nordiſche Sage eine Seite an Odin, die ihn in
Verbindung mit der Unterwelt fegt; fie ift aber dem Blid entrüdt, ja
dieſe Seite Odins wurde abfihtlih zu einem felbtändigen neben Odin
ſtehenden göttlichen Weſen erhoben. Dieſes Weſen heißt Uller, deutſch
Bol und von ihm iſt 8. 91 gehandelt. Aber darin iſt doch wieder Odins
Verhaͤltniſs zur Unterwelt anerlannt, daß er nad) Grimnismal acht Nächte
zwiſchen zwei Feuern figen muß. Diefe acht Nächte find bie acht Winter
monate des Nordens und wieder ſehen wir hier Odin als Jahresgott
aufgefaßt. J
Donar (Tharr).
78. Ueberſicht.
So Har wie Thoͤr ſtehen wenig Götter vor und da. Wie viel auch
in feinem Mythus noch unverftändli bleibt, er felbft ift uns feine ver⸗
ſchleierte Iſis, Leine ungelöfte Rune, wie es in ber deutſchen Mythologie
noch fo mande giebt, Faſt möchte uns dieß befremben mo nicht mifde
trauiſch machen gegen unfere eigene vielleicht nur ſcheinbare Einſicht; doch
weiß Uhland, deſſen Mythus von Thör‘ Stuttg. 1836 wir einen großen
Theil derfelben verdanlen, und auch hierüber zu beruhigen. ‚Mythen‘, jagt
% 78. Donar. Afenfürk. 251
er 6. 15, ‚die im Naturgebiete verlehren, liegen gewiſs dem Berftänbs
nifs offener als ſolche, die ſich auf die innere Welt beziehn: dort find
die ftoffartigen und greifbaren Dinge, bier die ‚Lörperlojen und überfinns
Tihen.‘ Zwar au bei Odin, der und weſentlich Bolt des Geifted war,
erfannten wir eine finnlihe Grundlage an: aber wie die Luft an fih
ſchon das geiftigfte aller Elemente ift, fo fanden wir aud fein Weſen vor
zugsweiſe auf das Geiftesleben bezogen. Dagegen waltet Thör auf dem
natürlichen Gebiet. Da mir aber auch ihn zu einem Gotte der Eultur
erhoben fehen, welcher Odin als Kriegsgott feindlich erſcheint, jo tritt hier
ein neuer Gegenfag hervor: ver finnlihere Gott wird zum geiftigern er⸗
hoben; der geiftigere Tann im Kauf, im Liebeswahnſinn, in ber frieger
riſchen Wuth herabzufinten ſcheinen.
Thör, der im Gewitter waltet, iſt nach dem Donner benannt, fein
deutfcher Name war Donar; das nordiſche Thör ift aus Thonar entſtan⸗
den, indem zuerft dad a verftummte, dann das n vor x audfiel, jo daß
ſich Thor ergab; das zweite r in Thoͤrr ift bloß flexiviſch: es wird im
Genitiv durch 3 erjegt. Ebenſo finden wir in deutſchen Dialetten den
nach Donar benannten Donnerstag in Dorstag gekürzt; der Donneräberg
in ver Pfalz heißt nah dem Rhein. Antiquarius 1739 S. 389 Dorks
‚berg, und Dorsheim bei Bingen nad dem Stromberger Zinsbuch noch
1481 Dornsheim Widder III, 351. B
Der Gott des vollenden Donners, der den Bligftral führt, follte, wie
in den pelasgifchen Mythologieen, der oberfte Gott fein. Hat er dieſen
Rang in der Edda feinem Vater Odin abtreten müßen, jo mar er doch
vielleicht auch und einft-ber Gott der Götter. Noch die Edda bezeichnet
ihm ald den Fürften der Götter (Asabrägr): in Skirnisfor 33 heißt ed:
Sram ift dir Odin, gram ift bir der Aſenfürſt,
Freyr verflucht dich.
Hier fteht Thoͤr ganz fo in der Mitte, wie er als der Maͤchtigſte
diefer dreie nad Adam von Bremen in Upſalas Tempel in die Mitte ger
Rellt war, Wodan und Fricco zu beiden Seiten. In Norwegen war Thor
Landas, d.h. Hauptgott, wie Freyr in Schweden, Odin (Wodan) in Däner
mart, Sachſen und dem fränkischen Niederrhein. Ward in Norwegen ohne
teitere Bezeichnung der As genannt, fo war Thör gemeint; follte in der
erſten Zeit des Chriſtenthums Jemand als Heide bezeichnet werden, fo hieß
&, er glaube an Xhör, und wo nicht die ganze Trilogie, nur zwei hoͤchſte
33 Donat. Atli. Wagengeit. 8. 78.
Götter genannt werben, da fehlt Thör nie, vielmehr fteht fein Name voran.
Ferner wird der Donnergott aud bei uns als ein wäterliher aufgefaßt,
wie fein ebbifher Beiname Atli (= Attila oder Epel) zeigt. Ehel (Groß ⸗
"yater), Alttönig heißen deutfhe Berge. Hienge ed nit mit dem Begriff
des Donnergotte3 zufammen, daf er fahrend gedacht wird, da der rollende
Donner dem Schall eines dahin raffelnden Wagens gleicht, fo Tönnte auch
dieß darthun, daß er einft der höchſte der Götter war. Alle andern, ſelbſt
Wuotan, fehen wir reiten, nur Thör fährt; darum heißt er Deluthör und
Neibityr, der fahrende Gott, der Herr des Wagens, ober weil feinem
Bogen Böde vorgefpannt find, Hafrabröttin. Allerbings hat auch Freyr
(316) feinen Wagen, beim Gottesbienft fehen wir ihn im Wagen umge
geführt; aber in Asgard fährt nur Thör. Auch das kann ihn als den
böchften Gott bezeichnen, daß feine Mutter Jordh ift, die Erde, die große
Lebensmutter, die Mutter der Götter. Wiederum mar Gif, Thörs Ber
mahlin, eine Erdgoͤttin; als folde erfcheint fie zwar noch jegt, aber der
Gemahlin Odins kann fie ſich nicht vergleichen: fie ift mit Xhör von ihrer
erften Höhe herabgefunten. Daß Thörs Hammer für ein weihendes und
heiligendes Geräth gilt, das Brautpaare weihte, Leihen einfegnete, fei es,
fie zum Leben zu erweden oder ihnen die Wiedergeburt zu fihern; daß
er beim Hammerwurf nad deutſchem Recht die Grenzen des Cigenthums
beftimmte: das Alles deutet auf feine frühere höhere Geltung. Roc, jept
zufen in der Roth die Götter felbft zu Thoͤr um Hülfe, und find augen
blidlihen Beiſtands gewiſs. Odin felber gefteht Grimnism. 24:
Bon allen Häufern, die Dächer haben,
Glaub ich meines Sohns das gröfte.
Es folgt dieß zwar fon daraus, daß es den Wolfenhimmel bebeutet;
wenn ihm aber 540 Stodwerle zugefärieben werben, gerabe fo viel al
Odins göttlie Halle Thüren zählt, Grimnism. 23, fo ift noch hier der
Sohn über den Vater geftellt. Endlich erfheint er in mehren Mythen in
einer verbuntelten Trilogie wandernder Götter, unter welden er fo ſehr
ala ver mächtigfte hervortritt, daß feine Gefährten faft vor ihm ver:
ſchwinden.
Die Gewalt des Blihſtrals iſt in einer ſchwediſchen Vollsſage, die
Gr. Ziſchr. IV, 509 einen echten Mythus nennt, vortrefflich geſchildert. Auch
der Gott des Blitzſtrals fönnte als ein furchtbarer, eifriger Gott aufgefaßt
fein. Uber mit Ausnahme einiger Vollsausdrüde beim Gewitter, wie
4. 78. Denar. Gott der Cullur. 258
‚ver liebe Gott zurnt, unfer Herrgott Bft, ver Himmeltatl greint’ u. ſ. w.
(Myth. 152), deren heidniſcher Urfprung unausgemacht ift, finden wir ihn
den Menfchen hold und freunblich gedacht. Nicht gegen fie kehrt er feine
Blige, fondern gegen bie Riefen, bie Feinde der Götter und Menſchen.
Diefen erfchließt er den Himmel, läßt den befruchtenden Gewitterregen
nieberftrömen und fegnet ihre Saaten ; ja er bereitet ben harten Felsboden
su fruchtbarem Baugrumde und verpflichtet den Arbeiter im Steinbruch,
welchem ex vorgearbeitet hat, zum Dant. Mit feinem Hammer fpaltet er
den Riefen das Haupt, d.h. er zermalmt uub verwittert das unfruchtbare
Reinige Bergland, das ſich nun dem Anbau erſchließt, der immer höher
binaufgetragen werben fann in ‘die Gebirgägegenden, wo fonft nur Berg:
riefen wohnten. Sept aber müßen fie auswandern, fie fühlen, daß ihre
Beit vorüber if. Darum ift Thör immer im Kampf mit ven Bergriefen
vorgeftellt, immer auf der Oftfahrt begriffen, weil die falten Winde von
Dften kommen, die Gewitter aber von Weften. Doch bleibt er dabei nicht
Reben, ven Menſchen die Erde urbar zu machen: einmal al3 Freund der
Menſchen gefaßt, nimmt er fie nun überhaupt gegen alle werberblid wir:
tenden Raturfräfte in Schug, die das Leben auf Erben ftören, bie Erbe
umohnli und unwirthlih machen. Der erfte Anlaß zu dem Allen war
die felfenfpaltende Gewalt de Wetterftrals. Aber won bier aus fortfchreis
tend bereitet er erſt den harten Felsgrund zu urbarem Erdreich, lohnt dem
menſchlichen Fleiß beim Anbau, ſchutzt gegen bie verberblihen Winters
Rürme, gegen Froft und Kälte, und läßt ſich herab ein Gott der Bauern,
ja der Knechte zu fein, welchen die Feldarbeit hauptſächlich überlapen blieb,
während der Gott des Geifted nad) dem Harbarbölieb die Fürften zum
Krieg aufreist, die Saaten ſchädigt und ben Segen des Landbaus durch
serftörenbe Kriegsgewalt verbrängt. Nach allen Geiten hin zeigt er fi
jept ald den Freund der Menfchen; in allen vier Elementen offenbart er
feine fhügenne Macht: nicht bloß gegen Winterriefen ſchleudert er feine
Blige, auch die Dämonen der Bluthhige, die durch Wolkenbruche zerftörend
wirten, zeripaltet fein Stral: den Gewittern felbft, von denen fein Weſen
außgegangen war, wehrt er bie verderbliche Wirkung und bannt fie in
wohlthätige Schranken. Als Gott ver Ehe, die fein Hammer weiht, legt
ex den Grund zu einem fittlih georbneten Leben; als Gott bes Gigenthums,
das fein Hammerwurf begrenzen und feftfiellen hilft, entwidelt er ben
Staat auß der Familie; als Gott der Brüden, ver die Bergfiröme gähmt,
verbindet er die Stämme und beförbert den Berlehr, ja indem er unter
34 Denar. Hiodyu. Flärgye. 7.
den Helden und Königen folhe zu feinen Lieblingen wählt, welche Länder
nicht ſowohl mit dem Schwert ald mit dem Pflug erobern, weil fie Wälder
ausrotten und Anfieplungen in bisheran dem Anbau unzugänglide Erd⸗
fteiche führen, beſchließt diefer Bott der Eultur die mythiſche Zeit, und
führt den hellen Tag der Geſchichte herauf, die dann freilich feinen Dienſt
abftellt, und vie Wölfe den einigen Bott erfennen lehrt. Vergehen wir
aber einen Augenblid, was wir dem Chriſtenthume ſchulden, und benten
ums neben dem anderer Götter Thoͤrs Dienft noch heute fortbeftehenn, fo
würde Er e3 fein, dem wir Ehauffeen, Gifenbahnen, Dampfſchiffe, Tele
graphen und alle die Erfindungen zufchreiben würden, auf welche unfere
Zeit ein Recht hat ftolz zu fein.
Wenn dieſe Schilverung ſich meift auf jüngere nordiſche Lieder grün
det, welche Thörs Weſen gegen das ſeines Vaters abgrenzen, fo dürfen
wir dabei jene ältere Auffaßung, die den höchſten ver Götter in ihm fah,
nicht aus den Augen verlieren. Sie zeigt fih am Deutlichften darin, daß er die
Mächte der Unterwelt befiegt, und dieß ift e8, was wir hervorzuheben um jo
mehr bemüht fein werben als biefe verbunfelte Seite des Gottes, die felbk
den Verfaßern jener Lieder nicht mehr bewuſt ſcheint, ben Römer berechtigte,
ihn dem Hercules gleich zu ftellen. Wenn daher im Uebrigen unfere Dar
ftellung in Uhlands meifterhafter Ausführung ihre Ergänzung ſucht, fo
glauben wir hier der Forſchung neue Bahnen zu eröffnen.
79. Verwandtſchaft, Attribute, Beinamen,
Thors Mutter Joͤrdh führt aud die Namen Hlödyn und Fidegum,
Wil. 56. Später werben fie auf Frigg, Odins zweite Gemahlin, über
tragen. Bertha die Gpinnerin 96. Neben diefer Fiörgyn erſcheint auch
ein männlicher Fiörgyn, Gen. Fiörgvins, ald Vater jener: derſelbe Gott
offenbar, den die Slaven ald Perun, Litthauer und Letten als Bertw
no verehren. Spuren biefer Götter find auch in Deutihland nahe
" geiwiefen. Im Gothiſchen bedeutet Fairguni Berg, bad Grgebirge wird
Ferganns genannt, und Virgunnia ber Gebirgäzug zwiſchen Ansbach
und Ellwangen. Wolfram ftellt Schwarzwald und Birgunt zufammen,
Moth. 157. Auch die Hercynia silva ift damit zufammengebraht wor
den, vgl. jedoch Chr. W. Gläd Die keltifhen Namen bei Caeſar, Münden
1857 €. 12. Als XHörs Pflegeeltern oder Pflegefinder (föstri) werden
8.79%. Denar. Erudh. Gätterfprade. 265
Bingnir und Hlöra angegeben, der Beflügelte und die Funkelnde: in
demfelben Sinne heißt er auch Wingthör und Hlörridi, der beſchwingte
Thor, der in der Gluth daher fährt. Seine Gemahlin Sif hat ihm eine
Toter Thrüd geboren und einen Stiefjohn Uller zugebracht. Der
Name feiner Tochter findet fih aud in Thrüdheim und Thrübwang, mo
nad) Grimnismal Thör wohnen foll bis die Götter vergehen. Vgl. D. 21.
Da Throd Kraft heißt, fo bezieht Uhland ©. 82 fein Gebiet Thrudwang
auf das frudstbare, nährende Bauland, und den Ramen feiner Tochter
Thradh auf das Saatlorn. Nach Alwismal war Thrud in Thors Abs
weſenheit dem Zwerge Alwis verlobt worden; nad) feiner Rüdtehr hebt
Thör dieß BVerhältnifs wieder auf: das im Herbſt ausgeftreute Saatlorn
ſchien dem finftern Erdgrunde verhaftet; aber der rüdtehrende Sommer
fiebt fie wieder an das Licht, indem die Saat in Halme ſchießt. Im dem
Liebe wirb diefer Mythus fo eingelleivet, daß Thör dem bleihnafigen
Bwerg nicht glei alle Hoffnung auf die Braut benimmt-, vielmehr feine
Gnmilligung an die Bebingung Inüıpft, daß der Zwerg auf feine Fragen
Beſcheid fagen könne. Da der Zwerg ſich rühmt, alle neun Himmel durchs
meßen zu haben und von allen Weſen Kunde zu mwißen, fo betreffen dieſe
Fragen die Ramen der Dinge in den Sprachen der verjhiedenen Welten,
mobei nicht bloß Menfhen: und Götterfprahe unterſchieden, fondern für
jede Götterclaffe eine befondere Sprache angenommen wird. Während aber
der Zwerg diefe Fragen beantwortet, ſcheint die Sonne in den Saal, und
der lichtſcheue Zwerg erftarrt zu Stein. Außer diefer Tochter hat Thor
nod zwei Söhne, Mödi und Magni (Kraft und Muth); diefe hat er aber
nit mit Sif erzeugt, fondern mit Jarnfara, welche das eifenharte Ger
Rein bedeuten kann: die Bewältigung des harten Felsbodens zum Zwede
des Anbaues giebt Kraft und Muth. Doch kann Jarnſaxa auch von dem
Eifenf werte den Namen haben, da Say Schwert heißt, weil die älteften
Schwerter von Stein waren, So fommt Jarnfara auch für Streitart
vor: die Gtreitart aber, deren XThör fi bedient, ift der Pflug, und
auch diefer giebt Kraft und Muth dem, der ihn führt. Es ift aber zu
erinnern, daß beide Söhne aus des Gottes Eigenfhaft erwachſen find.
Bl. ob. ©. 155.
Im feiner äußern Griheinung zeigt fih Thor bald als Jüngling
bald als Greis, immer aber mit rothem Bart, ohne Zweifel mit Bezug
auf die Farbe des Blitzſtrals. Wenn er ihn firäubt, ‚In den Bart blaft,
feinen Bartruf ertönen läßt,’ verurſacht er feinen Feinden heftigen @egens
236 Donar. Geheiligte Thiere uud Pflanzen. 6. 70.
wind. Uhland 2. Als Gott des Gewitters erſcheint er auch fo plotlich
wie der Blig: wie ſein Name genannt wird, iſt er ſchon ba. .
Bon feinen Attributen fernen wir fhon den mit Böden befpannten
Wagen: dieſe Böde heißen Tanngniofte und Tanngrisnir, Zahnkniſterer
und Zahntnirſcher. Ihre fpringenbe Bewegung läßt fih auf das Buden
des Blipftrald beziehen, und felbft das Hinten des Einen Bods kann die
Naturerfeimung ſchildern ſollen. Nach Uhland verſumbildlichen die Böde
vie Sprungfahrt über das Gebirge; andere deuten fie auf dad Sternbild
der Ziege, dad um die Zeit der erften Gewitter aufgeht. Glaubt ſcheint
auch die Deutung, welde darauf hinweift, daß die Ziege den Menſchen
beim Anbau der Erbe bis ind hoͤchſte Gebirge hinauf begleitet. Ihren
Geftant wagt man auf den Schwefelqualm des Blihes zu beziehen. Rode
boy U, XLIII. Von andern Thieren waren ihm wohl ihrer rothen Farbe
wegen ver Fuchs, das Eihhörnden, das Rothlehlden und Rotbfdhwänze
hen heilig, wozu noch die Donnerziege genannte Schnepfe kommt, deren
Zlug Gewitter verlündigt, und der Hirfchläfer, der auch Feuerſchröter und
Donnerpuppe beißt; von Bäumen außer der Eiche die Bogelbeere ($.84)
mit ihren rothen Fruchten, vom Pflanzen die Hauswurz (Donnerbart), die
Donnerbiftel und die Erbe. Myth. 167. Auch Berge fahen wir ihm ger
beifigt, eine silva Heracli sacra erwähnt Tac, Am. 2, 12; eine Dor
narseiche fällte Winfried; eine Donnereidhe weift Rocholz II, XLII nad.
Wenn Thor einherfährt, fteht die Exde in Flammen, unten ftieben,
die Berge beben und breden, und trifft er mit dem’ Hammer, fo krachen
die Felſen. Alüfte heulen, die alte Erde fährt ächzend zufammen, Degisdr. 55.
Thrymstw. 23. Hymistw. 24. Doc nicht immer fehen wir Thör fahren:
er gebt zu Fuß zum Gericht bei der Eſche Yagdrafil, wobei er Ströme
watet:
Körmt und Dermt und beide Kerlang
Watet Thör täglich,
Benn er einherfahrt Gericht zu halten
Bei der Eſche Pogbrafil,
Denn die Ajenbrüde ftünd all in Lobe,
Heilige Fluten flammten. Grimm. 29. Uhl. 28.
Bie bier die genannten Ströme, zur Schonung, wie es fcheint, der Ajen-
brüde, die zerbrechen würde wie dereinft unter Muspels Söhnen, fo watet
er aud die urmeltliien Gisfttöme, Eliwagar den Derwandil ($. 82) hin
über zu tragen, womit in Widerſpruch zu ftehen fcheint, daß er in dem
8.79. Dear. Sammer. Menle. Kolben. 237
freilich jungen Harbarbslied den Sund nicht waten ann, fonbern ber
Ueberfahrt harrt.
Miölnir, fein zermalmender Hammer hat die Eigenihaft, daß er
von felbft in des Gottes Hand zurüdtehrt. Nach dem deutſchen Volls⸗
giauben ſchleudert der Blig keilförmige Donnerfteine, auch Donnerärte und
Haͤmmer, bei Birlinger I, 307 Blitz- oder Wetterfteine genannt, bie tief,
wie Kirchthürme hoch find, au wohl ‚neun Klafter tief’ in die Erbe fahren;
fo oft es aber von Neuem donnert, fteigen fie der Oberflähe näher und
nad fieben oder neun Jahren kann fie ein Hahn aus der Erde ſcharren,
Myth. 161, wie Aehnliches von den Schägen und wieder von den Gloden
geglaubt ward, wo es ſich noch deutlicher zeigt, daß die fieben oder neun
Jahre oder Alafter auf eben fo viel Wintermonate zurüdzuführen find. So auch
in ber Thrymskw., wo Thord Hammer von einem Rieſen entwendet, acht
Rofen tief unter der Erde vergraben ward. Daß er in Deutfchland ber
tannt war, fehen wir aud aus Frauenlob (ME. 214 b.), der die Jungs
frau von Gott Vater jagen läßt: der smit üz oberlande warf sinen
hamer in minen schöj.
Wie ans Bergioch heißt und jener auf Bergen thronende Fiörgynn
(fsirguneis) vom Berge den Namen hat, fo bebeutete auch hamar ur-
Mprüngli einen harten Stein, alfo ven Felſen felbft, ven jet des Gottes
Steinwaffe fpaltet. Wenn alfo ver Teufel oder Frau Harke einen Stein
fhleudert, um den Dom zu Trier oder jenen von Havelberg zu zertrüms
mern, fo wird auch dieſer Stein ven Blig bedeutet haben, und wenn ber
Donner rollenden Felöftüden oder das Gepraffel des einſchlagenden Wetters
dem Raſſeln eines Haufen herabftürzender Steine verglichen wird (Schwarz,
Urfpr. 85), fo läßt der Rath, welchen im Hamdismal der ‚hohe Berather‘
wider Jonalurs Söhne giebt:
Schleudert Steine, wenn Gejchoße nicht haften, S. 210.
an den Gewittergott denen. So konnte wohl der Gott auch felber der
Sammer heißen; auch davon find und Erinnerungen geblieben. Statt bes
dlaches: daß dich der Donmer! hört man noch: daß dich der Hammer!
und Meifter Hämmerlim heißt ver Teufel, den Vollsſagen den Ham:
mr führen laßen. Müllenh. 360. Vgl. Myth. 166. Doch mag ber Ham⸗
mer in Thors Hand ihn als Schmied bezeichnen follen, wie wir bei ben
Alten ähnlichen Auffapungen der Gewittergötter begegnen.
Statt des Hammers führt Thör bei Saro eine Keule, was ihn dem
Hercules äpnliher macht; wie aber dieſe Keule ohne Griff fein foll, fo
Carol, —— 17
258 Denkt. Ilehel. Andere: Attribute. 8.78
war Midlnirs Stiel nach D.61- ven Zwergen, die: ihn ſchmledeten, pu
kurz gerathen: gleichwohl urtheilten die Götter, er ſei daB befte aller
Meinove. Go tritt in: Deutſchland eirie Keule an die Stelle des ‚heiligen
Hammers', der ſich in englifhen Kirchen aufgehängt findet, wo er einen
dunleln Bezug hatte auf den, wie Grimm meint, ‚bloß überlieferten; nie⸗
mals ausgeübten (?)' Gebraud, Iebendmüde Greiſe zu töbten: Vgl. Kuhn
WS. 106. Bei der deutſchen Keule ift e8 aber fo gewendet, daß fie den
Greifen nur gebühren folle zur Strafe ihrer Thorheit, fih ihrer Habe
zum Beften der Kinder allzufrüh entäußert zu haben. In ſchleſiſchen und
ſachſiſchen Stäbten' hängt fie am Stadtthor mit der Infchrift::
Wer feinen Kindern giebt das Brot
Unb leidet babei felber Noth,
Den ſchlage man mit diefer Keule tobt.
Denfelben Sinn hat die Erzählung vom Schlegel in Colocz. Eober 157
—188. m älterer Zeit mochte der Hammer oder die Keule Donars
fih dem Sper Odins vergleihen, mit dem fih lebensmüde Greiſe riften,
wie fie fih aud biengen (Hängatyr) oder vom Felſen ftürzten, um bei
Dvin zu gaften. Vom Blig Erfälagene blieben ven Alten unverbrannt;
‚fie wurben, wegen der Heiligfeit des vom Blitz getroffenen Bodens ober
weil der Gott fie ſchon im Feuer dahingenommen hatte, an ber Gtelle
beerbigt, wo fit vom Big gerührt waren. Artemivor II, 68. Plnius
IE 55. Vgl. Grimm über die Verbrennung der Leihen 22. Der obigen
Vermuthung ſteht nicht entgegen, daß nur bie Knechte zu Thor kamen,
denn wohl nidt bei allen Stämmen galt biefer Glaube, und gewiſs bei
denen nicht, welchen Thor der hödjfte Gott war. Vgl. S. 210. Wenn Thor$.84
den Stab der Gridh entleiht, als ihm der Hammer fehlt, fo fahen wir $. 65
jenen fi mit Odins Spieß Gumgnir berühren, ber vielleicht auch einf,
als Wuotan noch Gewittergott war, ven Blitz bedeutete.
Außer dem Hammer befigt Thör auch Eiſenhandſchuhe, mit melden
er den Blitz ſchleudert, und den Gtärkegärtel Megingiarbr, der feine Göl-
terfraft verdoppelt. Unter feinen Beinamen tritt Biden (ber Bär) hervor;
als den Freund der Menfhen, den Gegner Midgardhs, haben wir ihn
ſchon S. 133 kennen gelernt. Wegen feines Rampfs mit ber Midgard
ſchlange heißt er ber Schlange Alleintödter; als Feind der Rieſen Ber
ſchmetterer der Felsbewohner, Riefenweibsbeträber, Thurſentodwalter. Cr
felbRt nennt ſich Garbardal. 9 den Aräftiger der Götter. Ferner heipt ed
&. 80, Denar. Thiait. Kiskue, 259
da von ihm: uUebermaͤchtig mfrben bie Riefen, wenn fie, alle Igbten ; mit
den Menſchen wäre es aus in Midgard. Und Kprpmöhn. 20:
Bald werben die Kiefen Asgard bewohnen,
Holf du den Hammer nicht wieber heim.
. Mythen. Wiederbelebung der Böde,
Mehrere auf. Thör bezüglide Mythen find ſchon befproden: fein
Anteil an dem von Smwabilfari 8.27, an Baldurs Beftattung $. 34,
an Lotjs Beſtrafung $.42, am legten Welttampf $. 46, an ber Erneue ⸗
rung der, Welt $.60,4. Ein ganzer Mythus, die Heimholung des Ham:
mers $. 28. lehrte und Thör als Ghegott Iennen, worin er ſich mit
Dvin berũhrte, der als Schüger der Che $.68 Roſs und Mantel ver-
lieh. Ein Nachklang findet fih in der Gage von :hör med, tungum
hawri (Mytb. 165. Peterſen 293), wo er gleichfalls feinen Hammer fudt;
eine ſchwaͤchere, die Thör mit dem Riefen Thrym zu vermiſchen ſcheint,
Zeitſcht. f. MS. L10. 72.
Unter den Mythen, welche Thoͤrs Weſen zu erläutern dienen, ragt
der von ſeinem Kampfe mit Hrungnir hervor: er erſcheint aber hier in
Thialfis Geſellſchaft; es muß daher vorausgeſchidt werden, wie er zu
dieſem Gefährten gelommen iſt. Thoͤr fuhr aus mit feinen Böden und
mit ihm per Aje Loli. Abends nahmen fie Herberge bei einem Bauern:
da ſchlachtet Thör feine Böde, zieht ihnen das Zell ab und heißt den
Bauern und feine Kinder Thiälfi und Rözkwa, die Knochen beim Nacht
mal auf die Bodshaut werfen. Tbialfi zerſchlug aber mit dem Meßer das
Schenlelbein des einen Bods, um zum Mark zu kommen. Am andern
Morgen weihte Thor die Bodsfelle mit dem Hammer: da ſtanden bie
Böde wieder auf; aber dem Einen lahmte das Hinterbein. Al das
Thör bemerkt, jagt er: der Bauer ober feine Leute müſten unvorſichtig
mit den Knochen umgegangen fein. Der Bauer erfhridt über feinen
Born, flebt um Frieden und bietet Alles was er hat zur Sühne. Da
nimmt Thor feine Kinder zum DVergleih an, die ihn feitvem als feine
Dienſtleute überallhin begleiten. D. 44.
Mit anderer Anknüpfung Jehrt derſelbe Mythus am Schluß der
Önmisfwida Str. 36. 37 zurüd, wo dem Lofi an dem Hinten bes Bods
die Schuld gegeben wird; da aber ber Bergbewohner auch hier feine
Kinder zur Buße hergiebt, fo follte er wohl nur als Anftifter gelten.
260 Doner. Wiederbelebung. 8.80.
86. Sie fuhren nicht Lange, fo lag am Boden
Bon Olorridis Böden halbtodt ber eine.
Scheu vor den Strängen fchleppt ex den Fuß:
Das hatte der liſtige Loki verſchuldet.
87. Doch börtet ihr wohl; Wer hat davon
Der Gottesgelehrten ganze Kunde?
Welche Buß er empfleng von bem Bergbewohner :
Den Schaden zu fühnen gab er zwei Göhne.
Bon Wiederbelebungen vdiefer Art find alle Sagenbüder voll. Beifpiele
find K. M. II, 81 und Gr. Myth. 1208 verzeiänet ; andere hat Wolf
Beitr. 1,88 und Beitfchr. I, 70.214 nachgetragen; eine folde Müpft fih
aud im Wilhelm Meifter an Mignons Urfprung. Nicht überall finbet
ſich ein dem zerihlagenen Schenkel des Bods, der nun hinten muß, ent
ſprechender Zug; doch ift er bei Vonbun Vollsſ. 27 und in Bingerles
Tor. Sagen Nr. 14. 15. 586. 587. 725, Bernalelen Alp. 184; vgl.
auch Beitfehr. f. Myth. IL, 177 und Duigmann 60. nachgewieſen und in
Mailaths Magy. Sagen II, 95 wird die rechte Schulter glei der des
Pelops aus Gold und Elfenbein erfegt. Bei Merlin und dem Zauberer
Virgilius (Vollsb. VI, 359 ff.) mifsglüdt die Wiederbelebung durch das
Eingreifen eines Dritten gänzlich ; hier gelingt fie wenigſtens nicht zu voller
Befriedigung. Was von Merlin und Birgil erzählt worden war, fehen
mir dann auf Paracelfus (Alpenb. 309, Zingerle 346) und Dr. Fauſt
(Beitr. I, 212) übertragen; vielleicht galt es auch ſchon von Kwaſir und
dem ihm verwandt ſcheinenden Klingfor Wolframs. Bei Cntzauberungen
bleibt oft ein Theil der Thiergeflalt, z. B. ein Schmwanenflügel, zurüd,
ähnlich dem fchmalen rothen Streifen um den Hals de3 Gnthaupteten.
Die Götter felbft ftattet die Phantafie des Volls wohl mit einem Gliede
des Thiers aus, das ihnen geheiligt ift, oder deſſen Geftalt fic anzuneh:
men lieben. Odins Beiname Arnhöfdi läßt vermuthen, daß man ihn mit
dem Molerkopf dargeftellt habe. Aehnlich deute id den Schwanenfuß der
Freyja (Bertha) und den Pferdefup des Teufels, fei nun dabei an Wuo⸗
tans Roſs, defien Huf bei Haddings Entführung $. 66 unter dem Mantel
bervorblidt , oder an Loki zu denlen, der fi $. 25 in die Stute ver⸗
wandelt. Gleihe Bewandtniſs hat ed mit den Bodafüßen des Teufels in
den badifhen Sagen, feinem Hahnenbein in den pommerjhen (Temme
178. 255), feiner Hahnenfeder u. ſ. w. Worauf es hier ankommt, ift
Thors weihender Hammer, der die Wiederbelebung wirkt, wie Petri Stab,
& 80. Doner. Serzehen. 261
der nach $. 65. 84 unb 96 zugleich auf Thor und Obin beutet, bie Er ·
wedung Maternd. So kann aud die Einweihung des Sceiterhaufens
Baldurs mit Thoͤrs Hammer S. 81 nur die künftige Wiederbelebung
meinen. Die wictigfte Frage bleibt, warum es Xhialfi oder Loki ver:
dulden, daß der Bod hinten muß. Uhland bezieht Thialfi auf den
menſchlichen Fleiß beim Anbau der Erde, und feine Schweſter Röskwa,
die rafche, auf die unverbroßene Nüftigleit, womit dieſe Arbeit betrieben
wird. Zur Urbarmadung der Erde muß göttliche und menſchliche Kraft
zuſammenwirken. Der Bauer, der als Bergbewohner das fteinige Gelände
urbar machen follte, war mit den Seinigen zu Thoͤrs Zifhe geladen ; fie
wollten aber allzuleihten Kaufs zum Marke fommen: der Bauer muß nun
ſelbſt herhalten, er muß feine Kinder Tpialfi und Röskwa, feine eigene
angeſtrengte Thätigleit in Thors Dienfte geben. Dieſe fhöne Deutung
Rügt ſich hauptjäglic auf Thialfis Antheil an dem im näcjften Paragraphen
zu beſprechenden Mythus von Hrungnir, bei defien Ausbildung ſchon den
Slalden eine ähnliche Auffaßung Thialfis vorgeſchwebt zu haben ſcheint.
Sein Auftreten in andern Mythen fordert aber eine andere Deutung.
Bir werden $.83 ſehen, daß Thialfi, deſſen Name einen dienenden Geiſt
bezeichnet, urfprünglih nichts anders war als der Vligfiral ; die Aus-⸗
deutung auf die rüftige menſchliche Thätigleit muß eine fpätere fein. So
wird auch Roslwa nur die Schnelligkeit bezeichnet haben, womit der
Wetterſtral fein Biel erreicht, Die Urfahe, warum ber Bod hinkend
blieb, Tag an dem himmliſchen Feuer, das ihm ven Schenkel getroffen
hatte: darum konnte fein Hinten fomohl dem Loli, ver das euer ift,
als dem Thialfi, vem Blitzſtral, Schuld gegeben werben. Daß er mit Loli
zuſammenfalle, wie Weinhold Zeitſcht. VI, 15 annimmt, if richtig, da
der Blig nicht ohne Feuer zu denken iſt; fie werben aber bier unters
ſchieden.
Nach der tiefwurzelnden Sage vom Herzeßen, die ſelbſt in bie Thier⸗
fage unb mit dieſer in bie Heldenfage eingedrungen ift, fo daß fie alle
drei Hauptäfte des deutſchen Gpos erfüllt, galt au in Deutſchland Loki
für ven Xhäter. Bon diefem Herzeßen Lofis hatte aud der Norden eine
vumfle Runde (8.95), und da Lofi Staldſtap. 16 der Bodsdieb heißt,
fo fteht D.44 mit ihrem auf Xhialfi weifenden Zeugnifs allein. Daß er
zur Buße für den zerbrochenen Bodsſchenlel in Thoͤrs Geleit gelommen
fei, halte ich auch nur für eine jüngere Dichtung.
Im Anhange zum Gutalag (ed. Schildener Greifsw. 1818 6. 106)
262 Donar. Chielvar. Donnersmark, %8.
erſcheint Thielvar, in welchem Thialfi nicht zu verlennen if, ald ver erſte
Bebauer der Inſel Gotland, die bis dahin noch fo lichtlos war, daß fie
Nacht unterfanf, Tags oben war. Seit aber Tpielvar Feuer auf das
Land brachte, ſank es nicht wieder. Thielvars Sohn hieß Hafdi, fein
Weib Hwitaſtjerna. In der Hochzeitsnacht träumte biefem als wenn drei
Schlangen in ihrem Sdhooße zuſammengeſchlungen wären und daraus her:
vorlröchen. Hafbi deutete dieſen Traum: ‚Alles iſt mit Ringen "gebunden,
Bauland wird dieß werden und wir werben drei Söhne haben.” Durch
Feueranzünden wird nad) deutſchem Rechtsgebrauch (RA. 194. 941) Bes
ergriffen, und dad Binden mit Ringen bebeutet bie Umfriedigung ober
Einhegung des audgetheilten Landes. Uhland 56 ff. Thör iR es vor
nämlich, der bei Befigergreifungen in den Vordergrund tritt und’ bem bie
neuen, Anſiedelungen gebeiligt werben. Die Anſiedler auf Island weih:
ten ‚ihm einen Bezirk und nannten denfelben Thorsmark, ein Name, der
an das ſchleſiſche Geſchlecht der Henkel von Donners mark erinnert,
Gr. Myth. J, 8. Rochholz XLV. Die Mart (Grenze) des Bezirks wurde
durch Hammerwurf beſtimmt. War der Hammer ſo gebildet wie die
Rune Thor P, fo würde ſich ſelbſt der Name Henkel deuten. Wenn
nun nicht anzunehmen märe, daß der Blitzſtral das neue Heerdfeuer habe
zunden müßen, wie das auch beim Nothfeuer anzunehmen ift (Ruhm Ger:
"abtunft des Feuers S. 94), fo fähen wir Thialfi, deſſen Verhaͤltniſs zu
Thor eine Reihe von Sagen bekundet, hier ſchon in feiner jüngern Ber
deutung aufgefaßt. Freilich wird man, ehe der Big einſchlug, ihn auf
jene altfeierliche Weiſe hervorzuloden geſucht haben, über welche wir Kuhn
a. a. D. fo ſchoͤne Aufſchluße verdanlen. Aber das endliche Auflodern
des Feuers erſchien als die unmittelbare Wirkung des Gottes, in deſſen
Dienſt jene heilige Handlung geſchehen war.
81. Thor und Hrungnir,
Thor und der Riefe Hrungnir hatten fih an die Ländergrenze bei
Griottunagardr zum Zweilampf beſchieden. Damit ihr Vorlämpfet nicht
erliege, machten die Rieſen einen Mann von Lehm, neun Raften hoch
und dreie breit unter den Armen: fie nannten ihn Mödurtalfl. Zum
Herzen gaben fie ihm das einer Stute, das fih aber nicht haltbar er⸗
wies, denn es wird geſagt, daß er das Waßer ließ, als er Thor fah.
Der Rieſe felbft hatte ein Hey von" hartem Stein” mil drei Glen; auch
2.8. Donat. rungnit. „Mezwandil. 263
fein- Haupt iſt von Gtein,fowie fein Schild, den er vor ſich hält. Seine
Mafle, die er auf-die Schulter Iegt, .ift ein Schleifſtein. Als Thor mit
Tpialfi kommt, warnt diefer den Riefen: er ftehe übel behütet, da er ben
Schild vor. ſich halte; Thor werde von unten an ihn kommen. Da wirft
Hrungnic den Schild unter die Fuße unb fteht darauf; die Steinwaffe
aber faßt er mit. beiven Hänben. Als es nun zum Kampfe kommt, ‚nimmt
es Thialfi- mit. Mödurlalfi, Ihor . mit Hrungnir auf. Gr fährt im Alen⸗
aom beran- md ‚wirft den Hammer aus ber Ferne nad dem Rieſen.
Diefer hebt die Gteinwaffe entgegen: der Hammer traf, fie im Fluge und
der Schleifſtein brach entzwei; ein Theil fiel -auf die Erde und davon
Find alle Wepfteinfelfen gekommen; ver anbere fuhr in Thors Haupt, fo
daß er vor. Eh auf die Erde ſtürzte. Der Hammer aber zerſchmetterte
dem Riefen den Hirnſchädel zu taufend Stüden: da ſiel er vorwärts üher
Thor, fo daß fein Fuß auf Thors Halfe lag. Xhialf, der inzwifchen
Nödurlalfi bezwungen hatte, wollte Hrumgnisd Fuß von Thors Halfe
nehmen, vermochte es aber nicht ; eben fo wenig auch bie übrigen Aſen,
die zu Hülfe eilten. Aber Thots Sohn Magni, der erft drei. Winter alt
wat, vollbrachte es. Da fuhr, Thor heim; aber der Schleifitein ſtedt noch
in feinem Haupte. Die Weißagerin Grda, bie Frau Deriaubils des
Reden, fingt ihre Bauberliever über Thor, und ſchon wird ber Gtein
loſe: da will ‚ihr Thor die Heilung buch die Zeitung lohnen, daß er von
Norden her durch die Climagar gewatet fei und ben Derwanbil.im Korbe
auf dem Rüden aus Niefenheim getragen habe. Zum Wahrzeichen gab
er an, daß ihm eine Bebe. aus dem Korbe vorgeſtanden und erfrosen ſei.
Ex habe fie. abgehrochen, an ven Himmel geworfen und das Sternbild
daraus gemacht, das Oerwandils Zehe“ heiße. Auch ſagte er, es werde
nicht lange mehr anſtehen bis Derwandil heim komme. Hierüber ward
Grda fo erfreut, daß fie ihrer Zauberlieder vergaß, und fo ſtedt ber
Gtein nod in. Thors Haupte. D. 59.
Diefe Erzählung beraft ih auf Höflang, das der Slalde Thio⸗
dolf non Hwin im ‚neunten Jahrhundert dichtete. Es mögen einfachere
Mothenliever in der Weiſe der eddiſchen vorhanden gewefen fein ; doch
iielen nur die jüngften Eddalieder auf das Greignijs an. Nah Uhlands
Deutung, bezwingt Thor in Hrungnir (von at krüga, aufhäufen), deſſen
derz von Gtein ift, die dem Anbau widerfirebende Steinwelt. Die Kam ⸗
vier haben fi zum Zweilampf nah Griottunagardr beſchieden: Griot
heißt Stein, Gerölle, Griottunagarbr die Grenze des Gteingebiets und
264 Donar. Mökurkelf. hercules Sarauus. 8.81.
des baulichen Landes. Thialfi berevet den Niefen, ſich nach unten mit
dem Schilde zu deden. Diefer täufchende Rath kommt aus dem Munde
deſſen, ver von unten hinauf das Gebirg zu bearbeiten gewohnt ift. Aber
Afathor fährt von oben her. Beßer bezieht man den Schild des Riefen
wohl auf den Froft, welcher im Winter die Erde bededt und dem Anbau
entzieht. Auch dem Thialfi wird fein Theil am Kampfe. Die Zötune
haben den langen und breiten Lehmriefen aufgerichtet, der aber feig it
und nur ein ſcheues Stutenherz in der Bruft hat; fein Name ift Mödr
talfi, Wollen oder Nebelwade. Es ift der zähe wäßerige Lehmboven am
dunftigen Fuß des Steingebirgs. Mit ihm wird menſchliche Anftrengung
fertig, während den Steinriefen nur Götterkraft befiegen kann. Daß Thor
in Gefahr ift, vom Sturz des erſchlagenen Steinjötung erbrüdt zu werden,
iR dem Anblid verſchuttender DBergfälle, die gleichwohl Thors Werk find,
entnommen. Die YAufraffung, die ihm reitet, wird feinem jungen Sohne
Magni, der perfonificierten Afenftärte, zugeſchtieben; das Stüd von Hrung:
nid Gteinwaffe, dad in Thors Haupte haftet, ift das Geftein, das auch
im urbaren Felde Pflug und Karft oft noch findet, Diefer Deutung Eins
nen wir ganz beiftimmen; nur möchte "der im Haupte Thors haftende
Stein auf die Felfenmaffen gehen, die in urbar gemachtem Berglande von
frühern Bergftürzen zurüdbleiben. Leichtere loſe Steine waͤren Teicht fort
zuſchaffen; bier lonnte Thialfi, der menſchliche Fleiß, helfen, es braudte
da feiner Zauberin.
Die vielen dem Hercules Saranus in Steinbrüden gewidmeten
Votivſteine und Altäre wißen unfere Archäologen nicht zu erflären wie ſich
neuerbing® wieder in dem fonft werbienftlihen Feſtprogram vom J. 1862
über „das Denkmal des Herculed Sarxanus im Brohlthal“ ergeben hat,
indem e3 auf die Frage: wie kommen bie römifchen Soldaten dazu, dem
Hercules an dieſer Stätte fo zahlreiche Altäre und Votivſteine zu weihen?
teine genägende Antwort giebt. Wer fih aber erinnert, daß es nad
Zac. Germ. 9 auch einen deutfchen Hercules gab $. 83, der kein anderer fein
kann al3 Donar, der Gewittergott, dem Iöft fi) das Räthjel von felbft.
Wie Thor ein Gott der Bauern, ja der Knechte geworben ift, ein Freund
der Menſchen, denen er den harten Felsgrund zu baulihem Lande bereir
tete, fo find ihm auch die Arbeiter in ben Steinbrüchen dankbar, denn ber
Bezwinger der Steinwelt hat ihnen worgearbeitet, indem er den dels jerfpaltete
und verwittern half. Die Annahme, daß es deutſche Soldaten waren, welche
dieſe Steine fegten, wird durch bie Fundorte beftätigt, indem fie fiber
$. 82. Doner. Sount Mond nnd Hercules. 265
Deutſchland kaum binausreihen, am zahlreichſten fih aber in unferer
Vrovinz finden. Hätte nicht die Germania des Tacitus hierüber zuerft
befragt werden follen? vie man doch, obgleich fie von deutſchen. Dingen
handelt, fonft nicht ganz ungelefen läßt, Die Römer waren nidt un
duldſam gegen den Glauben ver befiegten Volker:
Allen Göttern der Welt boten fie Wohnungen an,
Habe fie ſchwarz und fireng aus altem Bafalt der Egupter,
Oder ein Grieche fie weiß, reizend, aus Marmor geformt.
Sollten fie nur die Altäre der deutſchen Götter unbekraͤnzt gelaßen haben ?
Den Mithraspienft hatten fie willig angenommen, römifhe Krieger brach⸗
ten ihn in das lintsrheinifhe Land, das römische Staatspolitik für einen
Theil Galliens erflärte, das fi aber als deutſch verräth, da es bie
Römer felbft Germania prima, Germania secunda nannten. Gebührte
dem deutjhen Hercules hier micht die gleiche Ehre wie dem aſiatiſchen
Mithras ? Wenn diefer invictus hieß, fo finden wir nun aud) Hercules in-
vietus genannt, und wer bürfte ihm biefen Namen verweigern? In allen
feinen Kämpfen war Thor unbefiegt geblieben und in feinem Iegten fiel
er als Sieger. Wenn an der Ara Ubiorum ein deutſcher Fürft das
Prieſteramt verwaltete und einem deutſchen Gotte opferte, wenn wir den
felben deutſchen Gott aud in Godesberg, in Gubenau, in Godenoume,
am Godenelter zu Ahrweiler und als Gott des Siegs (Sigtyr) wohl auch
in Siegburg verehrt finden, wenn ber Donneröberg in der Pfalz dem
Gotte geweiht war, deſſen Preis in die Schlaht ziehend die Germanen
fangen, fo befremvdet e8 am menigften, auch in ben Steinbrüchen bes
Brohlthales den Dienft des felfenfpaltenden Gemwittergottes mieberzufinden.
In Bezug auf einen andern Deutungsverſuch bemerke ich für Diejenigen, die
es noch nicht wißen follten, daß Sonne und Mond aud in Deutſchland
feinen, nicht bloß in Phönicien, und daß Sonne Mond und Hercules
nad 8.117 0.127 etwa fo viel bedeuten al3 Sonne Mond und Bulcas
nus (Feuer) bei Caͤſat, für deſſen Trilogie wir hier ein neues Zeugniſs
finden. Daß der Gewittergott in Deutfhland zugleich Feuergott war, wird
ih dem Leſer immer mehr berausftellen,. je weiter er vordringt.
82. Derwandil uud der Apfelſchuß.
Auch den Mythus von biefer weiß Uhland zu deuten: Bröa ift das
Waqhathum, das Gantengrün, daß vergeblich bemüht if, jene Felſen zu
6 Berar. Axwieth und · aulei. 88
deden, Thors Wunde zu heilen. Ihr Sohn: Derwanbil, wörtlich der · mit
dem Pfeilarbeitenbe (dr aagitta, at vanda elaborare), iſt der Fructteim,
deraus der Saat hervorſtechen und auffchießen will. Ihn hat Thoͤr über
bie Gsſtroͤme Eliwagar im Korbe getragen: er hat · das leimende Bflangen-
leben den Winter über bewahrt; aber der kede Derwandil hat eine Zehe
hervorgeſtredt und erfroren: der Reim hat fi allzufrüh hervorgewagt und
muß ed. büßen. Thoͤr hilft aljo nicht bloß das Land urbar. maden, er
ſchutzt ·auch die Saat den Winter über, fie fei nun auögefät, der Erde
vertraut, ober noch im Fruchtſack bewahrt. Nacllänge dieſes Mythus hat
Uhland in Saros Erzählung von Horwandil und Fengo nadıgemiefen, an
welche ſich Amleths Geſchide nüpfen, der bei Shaleſpere Hamlet heißt.
Koller fält im Zweilampf vor Horwandil, in welchem Derwanbil der Kede
(hinn frekni) wieder erkannt wird, während Koller (der Kalte) den Früh:
lingsfroſt bedeuten fol. Der prächtige Grabhügel, der dem Befiegten er
richtet wird, ift der dichte Halmenwuchs des Aehrenfeldes. Geruthe,
Amleths ‚Mutter, wird hierbei der Groͤa gleihgeftelt. Den Schluß ver
Erzählung Saros laßt Uhland unausgebeutet: über Fengo und Amleth
erhalten wir feine Auskunft; doch Könnte Fengo, Horwandils Mörder, ver
dann feine Witte Geruthe, Shakeſperes Gertrud, heiratet, an die Fenja
erinnern, die mit Menja dem König Frobi in der Mühle Grotti Glüd,
Gold und Frieden malt, D.63. Die Mühle Grotti wäre dann Gerutha;
Fengo bedeutete dad Malen, und Amleth das Korn, wo felbft der Name
mit Amelmehl, üuırov, Gtärtemehl, Kraftmehl, übereinftimmt. Bedeutet
es woͤrtlich das ungemalene Mebl, fo ift auch Amleth aus der Che Ger
ruthas mit Fengo nicht hervorgegangen.
Mit dem Splitter im Haupte, der von des Rieſen Steinkeule her:
rührt, wird Thor dargeftellt ; in der Helvenfage, wo Thör zu Dietrich ges
worden ift, findet er ſich in Dietrichs Stirne wieder, der darum ber un⸗
fterblie Heißt. Grimm Helbenf. 164. 304. Dietrich ift ein Amelunge,
und ſcheint es gewagt, dieſen Namen mit dem Amleths und ver oben ge
gebenen Deutung de3 Amelmehls in Verbindung zu bringen, jo war doch
Grimm Zeitſchr. VII, 394 auf gleicher Spur. Es iſt nicht das einzige
mal daß Thors Kämpfe in der Helvenfage nachklingen: feine Stelle nimmt
Dietrich aud im Kampfe mit Cd und feinen Brüdern ein; doch handeln
wir dieß befer bei- den Rieſen ab, wohin wir den Nachweis, daß fih
- Xhör in allen Elementen, gegen Sturm⸗, Feuer: und Waßerriefen als Ban⸗
diger ‚verwerblicher Raturfräfte darſtellt, verweifen müßen. . Aber auch Der
$. 8% Denar. Eh. "Telofin. 287
wandil Tebt in ver Heldenſage fort als Drendel, den die Vortede zum
Heldenbuche den älteften aller’ Helden nennt. In dem Gedichte von Orendel
und bem grauen Rod des Heilandes, ver noch zu Trier verehrt wird, iſt
aber der Mythus von Thör, der ihn über die urweltlichen Eißftröme trägt,
taum 'wieberzuerfennen (vgl. Meine Vorr. zum Orendel); bad "werben bie
urweltlichen Eisſtroͤme · durch das Mendelmeer erfegt. Drendel iſt hier-gum
Sohne König Eigils von Trier gemacht. Bon Eigil erzählt die Wiltinaſ.
€.27. „In dieſer Zeit kam der jurtge Eigil, Wielands ‘Bruder, 'an König
Nidungs Hof, dieweil Wieland nad ihm gefenbet hatte. Eigil war. einer
der watkerſten Männer und hatte eln Ding vor Allen -gum -Borans: er
ſchoß mit dem Bogen befer als irgend Jemand anders; der König nahm
ihm wohl auf und mar Eigil da lange Zeit. Da wollte der König einsmals
verſuchen, ob Eigil fo ſchießen könnte wie von ihm gefagt war, over nicht.
& ließ Eigils dreijährigen Sohn nehmen und ihm einen Apfel auf ven
Ropf legen und gebot Eigiln, darnach zu ſchießen, jo daß er weder darliber
hinaus, noch zur Tinten noch zur vechten vorbei, fondern allein ven Apfel
träfe; nicht aber war ihm verboten den Anaben zu treffen weil man wufte,
daß er fchon felber es vermeiden würde, wenn er irgend Fönnte; und auch
Einen Pfeil nur folle er ſchleßen, und nicht mehr. Eigil nahm -aber brei
Bieile, befieverte fie, legte den eimen auf die Sehne und ſchoß mitten in
den Apfel, fo daß der Pfeil die Hälfte mit fich hinwegriß und Alles zu⸗
fammen auf die Erde fiel. Diefer Meiſterſchuß ift lange hochgeprieſen
worden und der König bewunderte ihn aud fehr und Eigil- warb berühmt
vor allen Männern imb man benannte ihn Eigil den Schuhen. Adaig
Ridung fragte Eigiln, warum er drei Pelle genommen habe, da ifm
dod nur verflättet worden, Einen zu ſchießen. Eigil antwortete: ‘Herr, ich
will nicht gegen euch lügen: wenn ich den Knaben mit dem Einen Pfeil
getroffen Hätte, fo waren euch biefe beiden zugedacht. Der-Mönig aber
nahm dieſes gut auf, und bauchte Mile, vaß er bieder geſprochen habe.’
Wenn man diefe Sage für eine ffandinavifhe ausgiebt,' fo iſt die
Wiltinaſ. zwar in altmorbifher Sprade, aber aus dem Munde deutſcher
Nämer aus Bremen und Münfter mad deutſchen Liedern aufgezeichnet.
Schon der eben bier in Bonn vortommende Familienname Schutzeichel bes
weift die Deutfhheit der Gage. Diefe Lieder, in melden bie: deutfche
Heldenfage damals noch fortlebte, fönnen in der Sqhweiz nicht unbelannt
deweſen fein; erzählt doch auch die’ Chronik deö weißen Haufe; "daß ber
Herr auf -Altfellen die Ehre einer Häbjhen Frau in Abweſenheit ihres
268 Denar. Palnatoki. Grendel. 4. 82.
Mannes in ähnlicher Weiſe bedrohte wie das nach Cap. 249 der Willina⸗S.
und in der alten Vorrede des Heldenbuchs Gr. 295 Kaiſer Ermenrich
an Sibichs Frau ausführte.
Man braucht alfo den Apfelſchuß nicht aus dem Norden herzuleiten, wie
noch immer in allen Befpredjungen der Tellsſage geſchieht. Auch Palnatefi
mar fein Däne, ſondern nach Saro Jumensi provincis ortus; wir würden
ihn einen Pommern nennen. Maurer Belehrung I, 244 erklärt dieſen
Kämpfer bes vorgeſchichtlichen Aönigs Harald Hildetand für eine durdaus
ungeſchichtliche Perſon, was aud damit ftimmt, daß er auf Fühnen zum
wilden Jäger geworben ift, S.217. Da wir freilich nicht wißen, wie alt jene
Lieder find, jo Tann man der Erzählung des Saro, der fon im 12. Jahrh.
feine fabelhafte däniſche Geſchichte ſchrieb, die Priorität nicht geradezu ab:
ſprechen; dod urteilt Grimm M. 350, der Apfelihuß fei dem Bortrag
des Ereigniſſes bloß angewachſen aus älterer Ueberlieferung, die im Laufe
des 10. 11. Jahrhunderts vorausgejegt werden müße. Indeſſen tennt
doch die Edda zwar Eigiln, aber feines Apfelſchußes ja feiner Schügen
kunſt geſchweigt fie. Eins hat auch die Erzählung von Toko von ber bon
Eigil voraus: Tolo bewährt ſich nämlih wie Tell nicht bloß ala beflen
Schügen, fondern aud als beiten Schlittihubläufer, wie Tell ver befte
Schüge und zugleich der befte Fährmann ift; ja er erſchießt auch zulept
den König wie Tell ven Gehler. Doch auch in Eigils Sage finden wir die
Verbindung der Künfte und Sertigleiten vgl. S. 247. Geinem Baler
Wate ſchreibt die engliihe Weberlieferung die Erfindung des Bootet,
d.h. der Schiffahrt zu, während die Wiltinaf. ihn nur als einem
beibnifhen Chriſtophorus, den jungen Wieland auf den Schultern, ven
Gröningafund durchwaten läßt, das Boot aber erft diefem feinem Sohne
Wieland beilegt. Nach dem deutſchen Gudrunliede hat Wate die Heil
kunſt von einem wilden Weibe erlernt. Sein Sohn Wieland erfindet auch
noch das Federhemd, d. h. die Kunft zu fliegen. Drendel Eigils
Sohne legt daß deutſche Lied feine Kunft bei; aber auf feiner wunder:
reichen Fahrt durd das Wendelmeer, die Grimm veranlaft, ihn für den
deutjchen Odyſſeus zu erklären, begegnet er jenem Schiffer Eiſe, ven wir
$. 110 als einen Niederſchlag der deutſchen Iſis kennen lernen, fo daß
fein Bezug auf die Shiffahrt nicht zu bezweifeln ift. Aus biefem groß
artigen Zufammenhang von Aunftfertigkeiten wird aud Tells Schügenkunft "
und Fergenkunſt herrühren. Drendel felbft erſcheint im deutſchen Gedichte
nicht als Schüge, wir haben ihn als den Anaben zu denken, dem der Apfel
%88%. Donar. Erendei. Te 29
vom Haupte gefhoßen warb. Da indes fein Name nach Uhland den mit
dem Pfeil arbeitenden bedeutet, ja eine agf. Gloſſe „earendel jubar‘“
ihm ſelbſt als Stral bezeichnet, was noch im Miütelh. wie im Jtalieni-
ſchen Pfeil bedeutet, fo kann von dem Sohne gegolten haben was von
dem Vater erzählt wird. Auch erwuchſen gegen das funfzehnte Jahr
humbert, wo Tells Schuß zuerft erzählt wird, aus Perfonennamen ſchon
Familiennamen und Orendel beißt im der Vorrede des alten Heldenbuchs
Erendelle, in Bon der Hagens Grundriß 6.2 Ernthelle. Dieß ward
aber wohl in Tell gekürzt, weil man bie erfte Sylbe für jenes vor Namen
Rehende „Ehren“ anfah, das nah dem d. Wörterbuch II, 52 aus
„Herr" erwachien bald für ein Epitheton ornans angefehen wurde, z. B.
Ehren Dlivarius Tertdreher in Schlegels Ueberjegung von Was Ihr wollt,
oder Ehren Loth in Bürgers Frau Schnips:
Hieranf fprang Ehren Loth herbei
Mit Schnarchen und mit Schnauben.
Bern in der Chronik des weißen Buchs der Shüge Tall
beißt, fo ift das nur bie ſchweizeriſche Ausſprache, die auch Barg für
Berg fagt. Es bliebe noch nachzuweiſen wie fih der Vorname Wil⸗
helm gebilvet habe. Es reicht nicht aus, daß dem Wili $. 10 in ber
andern Trilogie Hönir entipricht, den Slaldſt. 15 als Pfeiltönig bezeichnet.
Aber Tell ift nicht der erfte Wilhelm, von dem der Apfelſchuß berichtet
wird, vorangieng William of Cloudesly, derjelbe von dem auch die 120
Schritte Entfernung herrühren, die das ältefte Tellied bei dem Schuße
annimmt. gl. Huber Die Walbftätte, Infprud 1861 ©. 120. 123.
Will man noch nad) der mythiſchen Bedeutung des Apfelfhußes fragen,
fo hat Dr. Hoder Stammfagen 74 eine folde anzugeben verſucht. ‚Eigil
wird der Himmelsgott in feiner Eigenſchaft ala Todtengott fein, der feinem
Sohn den Apfel der Verjüngung vom Haupte ſchießt, wie die weiße Frau
von Orlamünde ihre Kinder tödtet. Saro berichtet von Palnatoli und
die norwegiſche Sage von Heming, der feinem Bruder Björn eine Haſel ⸗
mp vom Haupte ſchießt. Die Nuß ift wie der Apfel Symbol des neuen
Lebens; erft aber muß dad alte durch die Hand de Todesgottes gefallen
fein ehe ein neues entftehen Tann.’ Ich zweifle indes, ob überhaupt hier
eine mythiſche Deutung am Plage ift. Wie man noch jept von dem Ger
fellen, der das Meifterrecht erlangen will, ein fog. Meifterftüd begehrt,
fo bommen in deutſchen und außerdeutſchen Märchen und Sagen Probe
füde allerlei Zünfte vor, wobei jelbft die holde Diebeshnft KHM. 192
0 Densr. Gagel. Zarpeden. 5.8
nicht Tees ausgeht; KHM. 129, werden mehre berjelben in Vergleih ger
ſtellt, Hier haben wir ed nun mit. dem Meifterfüd. der Schügentunft zu
thun. Die fihere Hand ift ed, morauf, es im, Schießen ankommt; den
aber müßen alle Scügen, für ihren Meifter anerkennen, dem dieſe ſichere
Hand auch dann nicht fehlt, wenn daß Herz ungeftüm ſchlaͤgt, weil dad
geben des eigenen Kindes auf dem Spiele ſteht. Darum läkt unfer Dichter
ſelbſt Gehlern geſtehen:
& war ein Meiſter ſchuß, ih muß ihm foben.
"Der erfte, von den biefer Meiſterſchuß ergäpft wird, ift Drendels Vater
Eigil; daß er aber auf diefen erft von feinem Sohne übertragen warb, zeigt
ſchon deſſen Name, vgl. S. 269 oben. Bon Derwanbil wißen wir aud,
daß er ber Fructleim if, ver hervor fchießt, was bann erfi Beran
Tafung gab, ihn zum Schügen zu mahen. Was Gigil betrifft, fo ergeben
die Trilogien $. 125 feinen Bezug auf das Waper und Grimm leitet M. 930
den Namen des Zwerges Eugel im Siegfriedsliede von ey — ahb. onwe,
augis (Infel) ab. Diefem ſcheint Eigil identiſch: wir haben aljo feinen
Grund einen Simmelsgott in ihm zu fuden.
Man hat neuerdings Tells Schuß aus dem vierzehnten Jahrhundert
in das breizehnte zu rüden verfuht: Die Telfage zu dem Jahre 1230
von Dr. H. v. Liebenau, Yarau 1864, wodurch er älter feinen Lönnte ald
Saro und die Wiltinafage. Allein im Weſentlichen haben ſchon die Alten
jenen Meiſterſchuß gelannt, Grimm Myth. 358 ; Guftathius nennt aber
nur den Sarpedon als das Kind, dem ein Ning von der Bruft, ohne es
zu verlegen, gefhoßen wurde. Herrn v. Liebenaus Vermuthung ©. VII,
und 3, daß Telld Vorname Wilhelm erft aus der Angabe der Singweile
„Wilhelmus von Naſſouwe“ über dem alten Tellenlied in die Gage ge
kommen fei, ift nicht zutreffend, da jenes Lied von Wilhelm von Raffau
nad Huber 106 erft 1568 oder 1569 verfaßt wurde, Tell aber ſchon
bei Melchior Ruſs, der 1482 zu fhreiben begann, Wilhelm genannt wird.
Da er übrigens ©. 147 zugefteht, ‚Tell und feine That bleiben fagen
baft‘, fo wird man uns feine Schrift nicht emtgegenhalten dürfen. Daß
Tells That mit den frühern Verhältniffen beper vereinbar if als mit
den fpätern, geftehen wir ihm gerne zu.
83. Thor als Hercules. a. Utgartloki.
Die Keule Thors erinnerte und an Hercules, und bei ber Beirad-
% 88% Donat. tfprumg' dee · Argeifplets. ri
tung der Trilogieen F. 57 erlamnten: wir: Thor auch in- dem Hercules,
melden Tacitus nach feiner interpretatio romana unter den brei'Haupt«
göttern der Germanen nannte. GB fragt: fih, was den Römer. befiimmt
habe, Thör als Hercules aufzufaßen; da er der Domnergott ift, fo wurde
die Bergleidfung mit Jupiter näher gelegen haben, wie er auch wirklich
in Deutſchland als Jupiter aufgefaßt ward, wofür außer dem ihm gehei⸗
ligten Wochentage (dies Jovis) die von Winfrid zerftbrte robur Jovis
bei @eismar zeigt, die nad Gr. Myth. 155 bei einem Donneröberge
Rand; ferner alle Berge, welche den Namen Mons Jovis führen, wie der
Donneräberg in der Pfalz; dann die Pflanze barba Jovis, zw deutſch
Bonnerbart, endlich die Möge, welche zur Erinnerung an den Sturz des
Heidengottes alljährlih auf dem Domhof zu Hildesheim errichtet: und ala
Regel von fpielenden Anaben niedergemorfen wurden, und vom welchen
einer den Ramen Jupiter führte, Myth. 172 fi; der Name des andern
entgeht und. Nach Myth. 743 wurde aud zu Halberftabt alljährlid ein
hölgerner Kegel anftatt des Abgotts aufgefegt und darnach geworfen. Dieß
geſchieht wie dort zu Hilvedheim um Lätare und wenn bier der Rame
Jupiters nicht vorlommt und ber an die Stelle des Abgotts⸗Tempels er»
baute St. Stephans Dom eher auf Fro weift, fo ift doch wieder darin,
dab der Probft in öffentlicher PBroceffion einen Bären umführen fo,
Denar durch das ihm geheiligte Thier bezeichnet. Obgleich bier nur von
eimem, bort nm von zwei niebergeworfenen Kegela die Rede ift, fo wird
dech aus der Volkafitte, den Sturz der heibnifchen Götter durch ein Anar
benfpiel zu begeben, das Kegelfpiel entiprungen fein, da bie Reungahl
Ver Götter nad) $. 58 den neun Tagen der alten Weche entſprechend in
Deutjchland ſchwerlich überall zur Bmölfzahl flieg. Noch ein anderes Anar
benipiel nahm bier feinen Urfprung, vgl. den Auffag Heidenmwerfen
Zeitfhr. für d. Myth. IT, 131. Aber auch mit Hercules hat Thör außer der
Keule Vieles gemein, zuerft die Tac. Germ. 34 erwähnten Herculesfäulen,
meben melden Thördfäulen vorlommen, und wohl nod häufiger workämen,
wenn fie das M. A. nicht erft auf Hoyer von Mansfeld gedeutet, dann in
Rolandsfäulen verwandelt hätte, Myth. 107, Benede Wigalois 452; fer
nee die vielen Kämpfe, melde Thor mit den Rieſen beftand: fie
mochten den Römer an die Wrbeiten des Hercules erinnern. Thor be
lampfte auch die Midgardſchlange wie Hercules die Lernäife; dieß wären
ſchon der Vergleichungspuncte genug. Aber bie vornehmfte That des Her,
cules war, daß er in den Hades binabftieg unb zum Wahrzeichen den
273 Denat. Bkrymir. Nigardleki. 3.8.
Cerberus mitbrachte: der Hauptbeweis wird aljo darin beftehen mühen,
daß auch Thor in die Unterwelt binabftieg, und das thut er in mehren
Mythen, am Deutlichſten in dem von Utgardloki: in andern, die benfelben
Grund zu haben feinen, halte ich es für werbumfelt; doch werde ich in
allen Spuren von Thors fiegreihem Herabſteigen in die Unterwelt nad:
weifen.
Die Einleitung zu der Erzählung von Utgardloli D. 44—48 bildet
der Mythus von den wiederbelebten Böden $. 80. Bei dem Bauern,
Thialfis Vater, ließ Thör feine Böde zurüd und fepte feine Reife oſt⸗
wärt3 nad Jötunheim fort. Dort fährt er über die tiefe See, und kommt
in einen großen Wald. Tpiälf, aller Männer fuprüftigfter, trägt
Thoͤrs Taſche; aber Mundvorrath war nicht leicht zu erlangen. Ihr Nacht⸗
lager nehmen fie in einer Hütte, deren Thüre fo breit ift wie fie ſelbſt.
Um Mitternadt entftand ein Erdbeben, daß die Hütte unter ihnen ſchwankte.
Sie flüchten in einen Anbau neben der Hütte; dod hörten fie noch großes
Getoͤſe. ALS der Tag anbrach, fand Thör einen Mann im Walde liegen,
der war nicht Hein; er fchlief und ſchnarchte gewaltig. Thoͤr begriff mım,
woher das Gröbeben und das Getöje gelommen war. Gr fragte ven
Mann um feinen Namen: da nannte er fih Shymir, dich fagte er,
braude ich nicht zu fragen, id weiß, daß du Ajathör bift. Aber wo haft
du meinen Handſchuh? Damit fredte er den Arm aus, den Handſchuh
aufzuheben, und Thoͤr ſah nun, daß die Hütte, worin er die Nacht zuge
bracht hatte, ver Handſchuh geweſen war; ber Anbau aber der Däumling.
Thor und Skrymir werden nun Neifegefährten und legen ihren Speiſe ⸗
vorrath zufammen. Skrymir bindet Alles in einen Bündel und nimmt
ihn auf den Rüden. Am Abend nehmen fie Herberge unter einer Eiche.
Der Rieſe, der ſich ſchlafen Iegen will, giebt hör den Reifebündel, fih
ein Nachtmal zu bereiten; dann ftredt er ſich hin und ſchnarcht gewaltig.
Thor aber fann die Anoten des Speifebündel3 nicht öffnen: da will er
den Rieſen weden; aber daß gelingt ihm ebenfowenig, obwohl er mit dem
Hammer zuflägt. Der Riefe fragt nur, ob ihm ein Blatt von dem Baum
auf den Kopf gefallen fei, oder zum arffernmal, eine Eichel u. dgl. Am
Morgen fagt der Niefe, Abfchied nehmen, fie hätten nun nicht weit mehr
zu der Burg Utgard: fie follten ſich ba aber ‚nicht zu übermüthig beneh ⸗
men, denn Utgarblofis Hofmänner würden von ſolchen Burſchen ftolge Worte
nit dulden. Da gieng Thör mit feinen Gefährten weiter und fand am
Mittag eine hohe Burg; ein verſchloßenes Gitter am Thore. Da fie es
4. 88. Denar. Logi. Yügl, ai, 278
nicht öffnen Lönnen, fo ſchmiegen fie fi zwiſchen den Staben hindurch
und iommen jo hinein. In ver Halle fanden fie viele große Männer.
Der König, Utgarblofi, nimmt ihren Bruß fäumig auf, und wundert
fih über die Nleinheit Dekuthörs. Doc fchlägt er ven Gäften vor, ſich
mit feinen Leuten in Wettfpielen zu meßen. Da verfudt ſich zuerft
Loli gegen Logi im Chen; Loki aß alles Fleiſch von den Knochen, aber
Logi verzehrte das Fleiſch mitfamt den Knochen, und den Trog dazu. Thialfi
mißt fih darauf mit Hugi im Wettlauf, wird aber befiegt. Nun foll
ſich aud Thoͤr verfuchen, zuerft im Trinken, indem er. ein Horn leere,
das Ginige dort in Einem Zuge austränten, und felbft der ſchwaͤchſte Trin⸗
ter in dreien. Thoͤr bringt es aber kaum zumege, daß ein Abgang im
Home bemerkbar wird. Die zweite Kraftprobe, Utgardlolis Katze vom
Boden aufzuheben, gelingt ihm nicht beßer: nur Einen Fuß läßt die Rage
von der Erde; meiter bringt es Thoͤr nicht in diefem Spiel, Bulegt fol
er noch feine Kraft im Ringen darthun und ſich gegen Elfi, Utgarblofis
Aume, verfuchen. Aber das alte Weib ftand feit, während Thör bald
auf ein Anie fiel. So ſchienen die Wettipiele alle zum Nachtheile Thors
amd feiner Gefährten audgefallen. Als fie aber am Morgen Abfchied nah⸗
men, begleitet fie Utgarblofi hinaus vor die Halle und geſteht dem Thor
jum Abſchied, er habe ihm geftern nur ein Blendwerk vorgemacht. Zuerft
ala Skrymir habe er den Speifebündel mit Gifenbändern zugeſchnurt; bar
auf vor jeden feiner Hammerhiebe einen Feläftod gehalten, und drei vier
edige Thaͤler habe fein Hammer in bie Felſen gefchlagen. ‚So mar es
aud mit den Spielen: Logi, ver fih mit Loki verfuchte, war dad Wild:
feuer; Hugi, der mit Thialfi ftritt, war mein Gedanke; das Kom.
tonmteft du nicht leeren, denn fein andered Ende lag im Meere; die Rage,
die du vom der Erbe heben follteft, war die Midgardſchlange, und meine
Aume Elli das Alter, und Keiner ift fo ſtark, den das Alter nicht zu
Falle brachte.
Diefe aus vielen Heinen Mythen zufammengeftüdte Erzählung trägt
beſonders am Schluß das Bepräge jüngerer Entftehung, indem die Deutung
bereitß in den Bericht mit aufgenommen iſt. Ueberhaupt gleicht fie mehr
einem Märchen ald einem Mythus. Doch betrifft dieß bie Geſtalt, in der
fie überliefert iR; die einzelnen Stüde können gleihwohl alt fein. Thor
muß, um nad Utgard zu gelangen, erſt über die tiefe See fahren. Es
tar dieß der Strom fing fein, der die Niefenwelt von Asgard, ber
itterwelt, ſcheidet; das Wendelmeer, das ſonſt als Midgardſchlange pers
Card, Mythologie. 18
2 Dear. Auxyait Cherkil. 48.
fonificiert wird, ober endlich Giner der untermweltlichen Gtröme. Utzard
bedeutet allerd ings (Uhland 71) die Rieſenwelt im Gegenſah gegen Asgard
und Midgard, die von Göttern und Menſchen bewohnten Gebiete. Wie
aber hier Utgardlofi zuerſt als Riefe Skymir, und dann erft im feiner
wahren Geftalt erſcheint, ſo wißen wir aud, daß die tiefen dunkeln Th
Ver, welche gur Unterwelt führen, nicht bloß vom Zwergen, auch von Bie
fen 6. 44 bewohnt find, wie bad unter andern aus Helreidh hervorgeht.
Daß er der Todesgott ift, beweilt das Gitter um feine Burg und feine
Amme das Alter. Daß er mit Loli zufammenhängt, deſſen Verwandt
ſchaft mit Hel wir bereit3 kennen, zeigt ſchon fein Name, noch deutlicher
Sazos Bericht von Thorfilis Reife zu Utgarthilocus (VII, 164), wo dieſer
‚gleich Loki nad) feiner Beſtrafung mit ungeheuern Ketten belaftet in finfterer
Höhle Tiegt, eine von dem gefehelten Ajaloti herrührende Vorſtellung die
aud in deutſchen Sagen maltet, Panzer II, 656, 426, vgl. 193 oben; bei
Caeſarius beftehen die Ketten des Teufels aus Worten, die im Missale
Reben, vgl. Baader 301. Neben ihm erſcheint freilich Lofi auch ala Aſa⸗
Lott, wie das ihm zu Grunde liegende Feuer ſich noch einmal in Logi
wieberholt, und wäre Xpialfi, wie Weinhold will, als Loti zu faßen, fo
lehtte daß perjonificierte Feuer noch zum viertenmal zuräd.
Daß Thoͤr ſich in Skrymirs Handſchuh verkroch, wird ihm Harbardel. 26
(wo Skrymir Fialar heißt) und Degisbr. 60 vorgeworfen, mo 62 auch
auf die Kuoten des Speiſebundels, die Thor nicht zu ldſen wuſte, ange
ſpielt wird. Den Handſchuh deutet Uhland auf eine Steinkluft mit ihrer
Nebenhöple; ber Rieſe felbft, deſſen Schnarchen ven Wald erihättert, iR
das ſturmſchnaubende delsgebirge; der mit Gifenbändern zugeſchnurte Reife
ſac wird von Mone auf die Winterlälte bezogen, die ben groben Speifefad,
bie Exbe, verſchließt; befer iſt Uhlands örtliche Deutung: Thör tan hier
wohl Felfen kerben, aber nimmermehr nährende Frucht dem Steingrunde
abgetwinnen. Daß der Riefe Thoͤrs Hammerfäläge für abfallende Blätter und
Giheln u. ſ. w. halt, gehört mır zur Schllderung ber Rieſennatur und Alingt
in deutſchen Märden (AM. 90. III, 163) vieljach nad, we überhaupt
Thors Begegnung wit dem Rieſen Spuren zurüdgelapen hat. Ef in
Utgardlofis Kalle if das Biel ver Reife erzeicht, welches Saro ausbräd:
lid) als die Unterwelt bezeirhnet, denn Gormo wünfcht has Sqhichel ver
Seelen nad dem Tode zu erfunden. Deshalb foll Thorlill ven Migarthi:
locus heimſuchen und feine Ausiprüde vernehmen. Freilich werben dieſen
hernach ragen folder Art nicht vorgelegt; wahl aber fell im den entipre
%88. Ronar. Wei. Aspect. 275
chenden Märden, 5. ®. KM. 29, der an die Stelle tretenbe Teufel uber
* fonft ein Ungethüm mie der Vogelgreif auf Fragen Beiheid geben: er
bleibt auch die Untwort nicht ſchuldig; doch betreffen diefe Fragen daB
künftige Leben nicht mehr. Un fih aber ſchon deuten biefe ‚oracula ex-
petenda‘ auf die Unterwelt, aus welcher auch Odin in ver Wegtamskw.
über Baldurs Schidſale Beſcheid holt. In denſelben Märden erſcheint
ein Schiffer, der fich für die Ueberfahrt Hand und Fuß bedingt: hier if
der Todtenſchiffer nicht zu verkennen. KM. 165 trägt der Wogelgreif über
das Waßer. So werben wir wie bei Ehriftophorus und dem Riefen
Bate an die Zeit erinnert, wo e3 weder Brüden noch Schiffe gab. Wates
finden wir indes in ber engliſchen Leberlieferung als Erfinder des Bootes
gedacht, was dann die Wiltinaf. auf feinen Sohn Wieland überträgt, wie
die Schweizerſage den Apfelſchuß auf Eigils Sohn Grentelle. Diejer gehört
ala Derwandil $.82 aud darum bieher, weil ihn Thör im Korbe über die
urwelilichen Ströme getragen hat, wobei aber auffällt, daß Thör im Hat
bardslied ſelber der Weberfahrt harst. Wir fehen aljo bald Thor bald Odin
(aud) bei Ginfiötli) als Todtenſchiffer gedacht, was $. 84 bei vem Fluke
Bimur noch deutlicher werden wird. Bei Zingerle KH. I, 370 be
gehrt der Schiffer als Fährlohn geradezu das Leben des Uebergefahrenen:
dh zerreiße dich und damit iſt Alles bezahlt.’ Utgard, das Todten⸗
Ian, heißt hier Neuholland. Die rechte Hand, der linke Fuß. wird au
von Wittih bei einer Brüde (der Todtenbrüde) als Bol verlangt,
und von König Laurin in deſſen Bofengarten ‚für ven Bruch des
Seidenfadens; im großen Mofengarten aber, wo der Schiffer Row
precht heißt, wieder für die Ueberfahrt. So ift aud in den Nibelungen
der Elfenfährmann als Todtenſchiffer gemeint geweſen obgleich es jegt nicht
mehr deutlich hervortritt. Vgl. Wolf NS. 53 und Eap. 29 des indi-
culus pag. de ligneis pedibus vel manibus pagano ritu. Hölerne
Hände und Füße wurden den Todten in den Sarg gelegt, damit fie bei
der Ueberfahrt den Zoll entrichten könnten. Der Bufammenbang jener
Marchen mit Saros Erzählung kann aber nit verlannt werden, denn ‚des
Zeufels drei Haare‘, die dad Märchen verlangt, find bei Saro buch Ut⸗
garthilocus übelriechendes, hörnernen Sperſchaͤſten gleiches Barthaar erfept,
das Ihorfill, ver an Thörs Stelle getreten if, ihm aus der Schwarte
bricht. Kehren wir zu der eddiſchen Erzählung zurüd, fo haben aud die
Bettfpiele, die hier Thor mit feinen Gefährten beftehen muß, in ber
lannten deutſchen Märchen wie AM. 70 I, 134, die Wolf Beitr. 1, 90
276 Donar. Squueller als der Blif. 8.88
verglichen hat, ihre Begenbilver. Das erfte, bei dem es ſich darum han
delt, wer am beften eßen Tann, findet fid bei Kuhn NE. 361 wieder; die
Deutung giebt bie Erzählung felbft: unter Wilofeuer ſcheint das unter
irdiſche Feuer verftanben, dem wir den Vorzug größerer Gefraͤßigleit nicht
fireitig machen wollen ; fonft führt dieſen Namen das Nothfeuer, Myth. 570.
Ber Thialfi eigentlich iſt, lann das folgende Wettfpiel lehren: wäre er,
wie Uhland will, aud) bier der menſchliche Fleiß beim Anbau der Erbe,
der bei aller Rüftigfeit doch nur ſehr allmählich vorwäͤrts ſchreitet, fo hätte
er ſich nicht erbieten dürfen, mit Jedem um die Wette zu laufen, ben
Utgarbloli dazu auserfähe; er lonnte e8 ohne Vermeßenheit, wenn er, der
bi3 dahin für den fußrüftigften (allra manna fötvathastar) galt, der
Blit war. Aber noch ſchneller ift der Gedanke, und fo wird er von Hugi
befiegt. Diejer glüdlihe und gewiſs uralte Zug ift im deutſchen Volk un
vergeben geblieben: wir finden ihn auch im Buppenfpiel des Fauſt 6.27.
117 und bei Leſſing wieder. Wenn Tpiälfi der Blig if, fo war er auch
berechtigt, mit Loli Thors Reifegefolge zur Unterwelt zu bilden und an
den ihm ertheilten Spielen Theil zu nehmen. Glüdlih erfunden und ganz
mythiſch find auch die Wettfpiele, die Thör felber befteht; ihr hohes Alter
ft nicht zu bezweifeln. An den Wettrunt ift die Etlärung der Ebbe ger
müpft: dergleichen liebt der Mythus, der auch weiß, warım die See fahig
ift D. 63, wie das Erdbeben entfeht, und warum der Lachs hinten fpig
iſt 8.41, woher die Wehfteinfelfen kommen $. 81, wozu ſich auß deutſchen
Sagen zahlreiche Gleichungen beibringen laßen; felbft die Teufelsaugen bes
Bods bleiben nicht unerllärt, wobei der Zufammenhang mit dem Mythus
von ben wieberbelebten Böden offenbar iſt. Daß Thör durftig if, wißen
wir aud aus Hamarsheimt, wo Sifs Gemahl drei Kufen Meth Ieert,
©. 62; das Meer auszutrinken, eine uralte Aufgabe, vermag er freifidh
nicht. Thors Kampf mit der Midgardſchlange, der noch zweimal wiebers
kehrt, übergebe id, und bemerfe nur mit Weinholds Worten (l. c.), daß
fie Utgardlolis Ingeſinde zu bilden vollkommen berechtigt ift; nur ihre Ein:
führung als Rage ift neu, aber nicht zu tabeln. Endlich ift der Kampf
mit dem Alter, dem auch Asgards Götter unterliegen, ein treffliches My:
thenbild; daß Eli die Amme des Todesgotte if, müßen wir bewundern.
Wer möchte fid diefen Gedanken, der neben Thiälfis Wettlauf mit Hugi
zu dem Schönften gehört, was die Edda bietet, damit verberben, daß lt:
garblofi nichts als ein König der Rieſenwelt fein fol?
Indem Thoͤr dieſe Spiele ſiegreich befteht, was ihm Utgarblofi ein
8. 84. Domar. Wolfdierig. Marl V. 9
räumen muß, hat er bie Unterwelt befiegt und bie Aufgabe gelöft, die einft
aud dem Hercules geftellt war. Freilich ift diefer Sieg nur ein bebingter;
aber im Heidenthume war fein anderer moͤglich; die Pforten der Hölle
iu überwältigen vermochte nur jener Mäctigere, ben das Heibenthum
erft als einen künftigen, der Tommen follte, ahnte. Aber die hödite Aufs
gabe, bie es den Helden, ja den Göttern ftellte, ift der Sieg über bie
Unterwelt, and wie dieſe hier gelöft warb, haben wir gefehen. Die Schreden
des Todes zu überwinden legte ſich aud Karl V. in den Sarg, wie es
ſchon vor ihm Wolfvietrich gethan hatte, der fi) dabei mit den Geiftern
der von ihm Erſchlagenen herumſchlagen mufte.e In ben Sarg legte
ſich auch, um die Konigstochter durch eine That höchfter Kühnbeit zu er⸗
loſen, der verabſchiedete Soldat in dem Marchen, das ich in Weftermanns
Monatsjchrift mitgetheilt habe; der Wies ⸗Tagl bei Bingerle Sagen ©. 318
thut e8, weil es ihm der Beichtvater zur Buße feiner Sünden aufgegeben
hatte und fo ift es aud bei KarlV und Wolſdietrich zu werftehen. Webris
gend ſoll auch in den näcften 88 dieſelbe Aufgabe, freilich in anderer
BVeife, gelöft werben. Doch müßen wir zugeftehen, daß wenn ſchon in
biefem bie Deutung auf die Winterriefen möglich blieb, wie denn Utgard ⸗
loti auch von Uhland nur ald ein König des minterlihen Riejenreiches ger
jaßt wird, ſich bier diefe Deutung noch näher legt. Aber der Winter ift
der Tod der Natur, und wir haben überall gefehen, daß Sonnenjahr und
Beltenjaht, Tod und Winter nicht auseinander gehalten werben.
8. ». Fahrt nad) Seirrodhsgard.
Loki flog einmal zur Kurzweil mit Fricgs Fallenhemde aus, und die
Neugier trug ihn nad Geirroͤdhsgard, wo er eine große Halle ſah. Da
ließ ex fi nieder und fah ins Fenfter. Geirchoh laͤßt ihn greifen, und
als er ihm in die Augen ſah, merkte er wohl, daß ed ein Mann fein
müße; weil er es aber nicht geftehen will, fchließt er ihn in eine Kifte
und läßt ihm drei Monate hungern. Nach dieſer Zeit geftand Loki wer
ex ſei, und Löfte fein Leben damit, daß er verſprach, Thoͤr nad Geirroͤdhs ·
garb zu bringen ohne Hammer und GStärfegürtel Das geſchah; unter
wegs lieh aber Thoͤr won einem Riefenweibe, Namens Gridhr, der Mutter
Widars des ſchweigenden, deren Stärkegürtel, Eiſenhandſchuhe und Stab.
Bei dem Fluße Wimur, aller Fluͤße 'gröftem, umfpannte er ſich mit dem
Gtärtegärtel und Remmte Grivhs Stab gegen die Strömung; Soli aber
2 Donar. Grid. Geruthus 84
hielt fi unten am Gurte. Der Strom wuchs fo flark, daß er bem Zhör
bis an bie Schultern flieg. Da ſprach Thor:
Wachſe nicht, Wimur, num id; waten muß
Hin zu bes Joten Haufe.
Wie, wenn du wächjeft, wächft mir bie Aſenkraft
Ehenhod dem Himmel,
Da bemerkt Thör, daß Gialp, Geirrodhs Tochter, quer über dem Strome
ftand und befien Wachen verurſachte. Da warf er mit einem Steine
nad ihr und ſprach: Bei der Duelle muß man den Strom ſtauen. Als
ex dem Ufer nahe war, ergriff er einen Wogelbeerftraud und ftieg aus
dem Fluße; daher das Sprichwort: der Bogelbeerftraud; fei Thors Reti
tung. WS fie zu Geirrödh in die Halle kamen, war da nur Gin Stuhl,
“auf dem feßte ſich Thoͤr. Mber der Stuhl hob ſich unter ihm gegen bie
Dede. Cr aber ſtieß mit Gridhs Stab gegen das Sparrwerl und brüdte
den Stuhl auf den Boden herab. Da entſtand groß Krachen und Schreien,
Geirrodhs Töchtern Giglp und Greip war das Benid gebroden. Darauf
wird Thoͤr von Geirröbh zu den Spielen gerufen. Geirrodh faßt einen
glühenven Gifenkeil und wirft ihn nach Zhör. Aber Thoͤr fängt ifm mit
den Eiſenhandſchuhen in der Luft auf." Darauf wirft er den Keil zurüd;
Geirrodh ſprang hinter eine Säule; aber der Keil fuhr durch die Gäule,
durch Geirrödh, duch die Wand und draußen noch in bie Erbe. D.61.
Au diefe Erzählung beruft ſich auf ein Slaldenlied, die Thors⸗
drapa, welche Eilif, Gubruns Sohn, am Schluße des 10. Jahrhunderis
dichtete. Sie folgt ihm aber nicht genau, da Thialfis Gegenwart ver:
ſchwiegen ift. Wiederum fteht auch ihr eine Erzählung Saros zur Seite,
welche er der andern von Utcarthilocus unmittelbar vorausſchidt. Wähs
vend aber dort Thorkil, in welchem Thor nachtlingt, die Fahrt nur auf
König Gormos Befehl unternimmt, ift er bier Gormos Führer; als Biel
der Reife wird der Sitz des Geruthus (Geirröbhägard) angegeben, mo
ungeheure Schäge gehäuft ſeien; doch fel der Weg gefahrvoll und Gterb-
lichen faft unmöglid, denn man müße über das erbumgürtende Meer
(Wendelmeer), der Sonne und den Gternen entjagen und in @egenben
dringen, die ewige Finſterniſs umbüle. Auch Gormos Beweggrund if
lehrreich: er wünfchte bie Wunder der Welt und die Geheimnifie der Ra«
tur zu erforfchen, fo daß hier eine jener Odyſſeen angelündigt wird, an
denen die deutſche Gage fo reich ift, und deren leptes Biel bie Unterwelt
zu fein pflegt. Ich übergehe vie Gefahren, die fie unterwegs beftehen,
8 Donar. Gndmesd von Glateval. 79
und erwähne nur, baß die Gefährten erft zu Geruths Bruder Gudmund
gelangen, der in Glaſiawalr hauſt, und bie Fremblinge unter dem Scheine
gaklihen Empfangs durch ſchoͤne Weiber und köftlihe Speiſen und Ges
tränfe zu verloden ſucht; aber Thorlil mahnt, nicht bei Allen mit Erfolg,
Alles unberührt zu laßen, weil fie jonft Vernunft und Gebächtmifs vers
Tieren und fchmugiger Gemeinfhaft der Ungeheuer anheimfallen würben.
An dab Schidſal der Gefährten des Odyſſeus brauche ih nicht erft zu
erianern, noch an Berfephone, die durch den Genuß einiger Branatlörner
dem Aldes anbeimfiel; auch die deutſchen Sagen wißen, daß fih bie
Menfhen, welche Feſte der Unterirdiſchen belaufen, von Trank und
Speiſe zu enthalten haben. Auch gemahnt die golvene Brüde, die über
den Fluß zu Geruths Gige führt, an die Giallarbrüde D.49; ver wir
thenden Hunde zu geſchweigen, bie wie in Gfimisför ben Eingang ber
wachen. Den leicht zu häufenden Beweilen, daß bei Saro das Biel der
Reife die Unterwelt war, ließe ſich enigegenfegen, fie ſei in biefe fpätere
Umbildung nur bineingettagen; fie Tann aber auch in ber eddiſchen Darı
felung, wo der Strom Wimur ‚aller Flüpe gröͤſter“ dod ein Todtenfluß
ſcheint, nur verdunlelt fein. Ich halte ihm fogar für das erbumgürtende
Meer, jenſeits deſſen die Unterwelt liegt. Indem Thor ihm watet, erin⸗
nert ex wieber an das watende Weſen, ar befien Stelle nad $.84 feit
Srfindung des Bootes der Todtenſchiffet trat. Geirwimul, in melhem
Gere (Spere) ſchwimmen, wird ausbrädlid unter den Todtenflüßen aufe
seäblt. Man wird nicht überfehen, daß Lofi ſich an Thors Gurte fef«”
hielt, fo daß ihn dieſer bimübertrug wie den Derwanbil über die urwell ⸗
lichen Ströme, wie Wate den Wieland, wie Orion den Kedalion, Chriſto⸗
pborus den Heiland. Bgl.$.73a. Warum freilih Thor den Loli hin
überträgt, fehen wir nicht deutlich, wicht einmal was er jenſeits zu thun
babe. Gr hatte verheißen, den Thor nad) Geirrödsgarb zu ſchaffen, ver
num ihm binüberfchafft. Gr iſt freilich auch fonft nebft Tpialfi Thors Ger
führte, wie aber dieſer, der den Blig bebeutet, bier fehlt, ſcheint es auch
Lofis, ald des Feuers, nicht zu bebürfen, wenn er nicht eima ald das
Feuer des Bliyftrals, das über das unterweltlihe Feuer fiegen follte, in
Betracht kam. Im Utgardloti hatte doch das unterweltlihe Feuer gegen
das Bligfener den Sieg davongetragen. Ober wäre Geirröd, wie Uhland
will, nur als Gewitterrieſe gedacht ? Andrerſeits ſcheint Thor in dem
Gab der Gridh die Macht über die Unterwelt empfangen zu haben. Ge
viel auch hier unllar bleibt, ver Bufammenhang beider Erzählungen if
2 Dener. cheriein. Blnrmegn. a
um fo weniger zu leugnen, ba von. dem greifen Geruthus, ‚der mit durch⸗
bohrtem Leib vor einem geipaltenen Felfen figt, während drei ‚höderige
Weiber mit zerbrochenem Rüden da liegen‘, bei Saro ausprüdlic gejagt
wird: ‚einft habe Thor dem übermüthigen Niefen den glühenden Stahl
(torridam chalybem), ver dann noch die Felswanb fpaltete, durch bie
Bruft getrieben.‘ Die fpäte Sage von Thorſtein Bäarmagn (Hefe. f R.
I, 410), der als ein weiterer Nachhall gleichfalls zu Geirrddh und Gud ⸗
mund von Gläfiswal kommt, miſcht Heidniſches und Chriftliches. Gleich
Anfangs gelangt Thorſtein in die Unterwelt, wie Thor zu Gridh; @lä
ſiawal und Geirrödhsgard feinen hier eher im Riefenland zu liegen:
obgleich aud wieder Gnipalund (vgl. $. 45, 5) und Grund, dad Land
Agde Yarls, ver ſchwarz iſt wie Hel, auf bie Unterwelt weiſen und aber:
malige Wettfpiele an bie in Utgardlolis Halle erinnern. Ueber Grund
vgl. Myth. 766. Daß aber auch hier Thörftein Thör ift, fieht man am
Deutlihften daran, daß Stahl und Stein, womit er Gewilter erregen
Tan, wenn er fie aneinander ſchlägt, in feine Hand zurüdtehren ſobald
er will,
Ich laße jept noch Uhlands Deutung folgen: Geirrödh ift ein Dir
mon der glühenden Hige, die fi in Wollenbrüden entläbt. Die Töchter
des Gewitterriefen, Gialp und Greip, vie lärmenbe Brandung und rei⸗
Bende Strömung, zielen auf das Ueberſchwellen der Bergfiröme, die ben
Anbau zu verfhlingen drohen. Obgleich Thor Donnergott if, fo Rammt
doch das ſchaͤdliche, verheerenbe Gewitter nicht von ihm; er tritt ähm
vielmehr entgegen und bämpft ed mie jeden andern Ausbruch milder
Glemente. Seinen Hammer bat er jegt nicht bei ſich, weil das Gewitter
dießmal nicht von ihm ausgeht, fondern von dem Gluthriefen, ber nun,
wo nad dem Eintritt ber Sommerwende ber Sommer jötwniid geworden
ift, im Gewoͤll watet; warum ihm auch Gifenhandfhuhe und Gtärkegärtel
fehlen, wird nicht gefagt. Auch Gridh ift eigentlich eine Wettermacherin;
bier aber, wo das Wetter ſchon von anderer Seite erregt ift, äußert Ihr
Bauberftab nur feine nieberichlagende Kraft : fie erſcheint als Mutter bed
ſchweigſamen Gottes, weil ihr Stab das Gewitter gum Schweigen
bringt. Als Grund, warum ber Dogelbeerftraud; Thors Rettung heißt,
wird vermuthet, daß die Heftigleit der Gewitter um bie Zeit nachläßt,
wo feine Beeren veifen. (Befriedigendere Auskunft giebt Kuhn Gerabtunft
196. 205.) Der Stuhl, der Geirrodhs Töchtern das Genid gerbriät, iR
die Brüde. Brüden, beſonders an ſchwierigen Gtellen erbaut, wurben ald
% 85. Demar. Hymie oder Ymir. 281
das Werk des Gottes angefehen, der überall ben menfhlihen Verkehr
fördert umd gegen gerftörende Naturgewalten ſchirmt. Der Yeuerkeil, der
dem Geirröph zurüdgefchleudert wird, zeigt, wie im gleichen Element ver
Jötum werberblich, der Gott hulfreich waltet. Für die eddiſche Geflalt des
Mythus iſt diefe Deutung glädlih; aber in Bezug auf Gridh und ihren
Stab befriedigt fie nicht. Offenbar empfing Thor in ihm Grja für den
Hammer, an befien Stelle er dann boch nicht eintritt. Gomit fcheint er
ſchon von dem Stalvden, aus deſſen Darftellung die Erzählung geſchöpft ift,
in feiner Bedeutung verkannt, da er ihn nicht geichleubert werben lieh.
Damit er nicht ganz überflüßig werde, dient er etwa nod zum Durch-⸗
woten des Stromd Wimur, der aud darum ein Höllenfirom fein muß,
weil wir Gridh $. 96 als Unterweltägättin erkennen werben. Bl. $. 65.
Da wir in Grimnismal Odin von Geirrödh zwiſchen zwei Feuer gejeht
finden ($. 108) und der Stab der Gridh Odins Epere Gungnir' gleicht
(6.198), fo ift bier wahrſcheiulich ein Mythus, der von Ddin ald Ger
wittergott handelt, auf Thör übertragen, Des Stabes bebient ih Odin
auch, iam in der Unterwelt die Wala zu eriweden, die er über Baldurs
beunrmbigende Träume befragt. Inſofern hier Grivh dem Thor freundlich
iR, gleicht fie jener Allgolvenen, Weißbrauigen in dem folgenden Mythus
von Hymir, die gleichfalls eine Gemahlin Odins war, denn er hat ven
Xyr mit ihr gezeugt, wie den Wider mit Gridh.
8. Hymir.
Die jüngere Edda, die Thoͤrs Reife zu Utgardloti fo auffapt, als
möüße er ſich ihrer fhämen, weshalb er ſich vorgefegt habe, Rache bafür
zu nehmen und namentlih mit ber Midgardſchlange zufammenzutrefien,
berichtet D. 48: Er weilte nicht lange daheim, fondern griff fo haftig gu
diefer Fahrt, daß er werer Wagen noch Böde noch Reiſegeſellſchaft mit
nahm. Gr gieng aus über Midgard als ein junger Gefell, und lam eines
Abends zu einem NRiefen, der Ymir bie. Da blieb Thor und nahm
Herberge. Aber als es tagte, ftand Hmir auf und machte ſich fertig auf
die See zu rubern zum Fiſchſang. Thor ftand auch auf und war gleich
bereit und bat, daß Ymir ihn mit fi auf die See rubern ließe. Ymir
fagte, er könne nur wenig Hülfe von ihm haben, da er fo Hein und jung
fei, ‚und e3 wird did) frieren, wenn ich fo weit hinausfahre und fo lange
außen bleibe, wie ich gewohnt bin,‘ Aber Thor fagte, er dürfe um bed+
282 J VDeunat. Himinbrieir. $. 85
willen nur immer recht weit hinausfahren, da es noch ungewiſt ſei, wer
von ihnen beiden zuerft auf die Rüdfahrt dringen werde; und zürnte dem
Riefen fo, daß wenig fehlte, er hätte ihn feinen Kammer fühlen lapen.
Doch unterließ er es, weil er feine R.aft anberwärts zu verſuchen ger
dachte. Er fragte Ymirn, was fie zum Köder nehmen wollten, und Ymir
fagte, er folle ſich ſelber einen Köver verihaffen. Da gieng Thor dahin,
wo er eine Heerde Dchfen jah, die Ymirn gehörte, und nahm ben gröflen
Ochfen, der Himinbriot (Himmelsbrecher) hieß, riß ihm das Haupt ab
und nahm das mit an die See. Ymir hatte das Boot unterbes ins
Waßer geflößt. Thör gieng an Bord, nahm zwei Ruder und ruberte fo,
daß Ymir gedachte, von feinem Rudern habe er gute Fahrt, Hmit ru
derte vorn, fo daß fie ſchnell fuhren. Da ſagte Pinir, fie wären uun an
die Gtelle gekommen, wo er gewohnt fei zu halten und Fiſche zu fangen.
Über Thor fagte, er wolle noch viel weiter rubern: fie fuhren aljo ned
Tuftig weiter. Da fagte Ymir, fie wären nun fo weit binausgelommen,
daß es gefährlich wäre, in größerer Ferne zu halten, wegen der Midgart-
ſchlange. Aber Thor fagte, er werbe noch eine Weile rubern und fo that
er, womit HYmir übel zufrieden war, Endlich zog Thör die Ruder ein,
rüftete eine fehr orte Angelfchnur zu, und der Kamen daran war nicht
Heiner oder ſchwaͤchet. Thor ftedte den Ochfenkopf an bie Angel, warf
fie von Bord und die Angel fuhr zu Grunde. Da mag man num für
wahr fagen, daß Thoͤr die Midgarbichlange nicht minder zum Beften
hatte als Utgardloli feiner fpottete, da er die Schlange mit feiner Hand
beben follte. Die Midgardſchlange fhnappte nad) dem Ochfenkopf und die
Ungel haftete dem Wurm im Gaumen. Als bie Schlange das merkte,
zudte fie fo ftart, daß Thor mit beiven Fäuſten auf den Schiffsrand ger
worfen ward. Da warb Thör zornig, fuhr in feine Mienftärle und fperce
ih fo maͤchtig, daß er mit beiden Füßen das Schiff durchſtieß und ſich
gegen den Grund des Meeres ftemmte: alfo gog er bie Schlange herauf
an Bord. Und bad mag man fagen, dab Niemand einen ſchredlichen
Anblid gefehen hat, der nicht ſah, mie jept Ihör die Augen wider bie
Schlange ſchaͤrfte und die Schlange von unten ihm entgegenftierte und
Gift blie. Da wird gefagt, daß der Rieſe Ymir die Farbe wechſelte
und vor Schreden erbleichte, ald er die Schlange ſah und wie bie See
im Boot aus⸗ und einftrömte. Uber in dem Augenblid, da Thör den
Hammer ergriff und in ber Luft erſchwang, ftärgte der Rieſe hinzu mit
feinem Beer und zerſchnitt Thors Angelſchnut, und bie Schlange verſeni
3. 86. Donar. Demthigung and Verherrlichung. 288
in die Gee, und Thör warf den Hammer nach Ihr, und die Leute fagen,
er habe ihr im Meereögrunde das Haupt abgefchlagen; doch mid; dankt,
die Wahrheit ift, daß die Midgarbichlange noch lebt und in ber See
liegt. Aber Thor ſchwang die Fauft und traf den Riefen jo ans Ohr,
daß er über Borb ftürzte und feine Fußſohlen fehen ließ. Da matete
Vot and Land.
Anders leitet die Hymislwidha diefen Mythus ein: fie bringt ihm
in Zufammenbang mit dem Gaftmal, das die Afen bei Degir, dem Meers
gott, halten wollten, "der aber von Thoͤr bedrängt, an den Göttern auf
Rode fann und die Bedingung ftellte, daß ihm Sifs Gatte den Keßel
herbeiſchaffe, das Bier zu brauen. Es ift dabei, wie noch oft in den
Märchen, auf die Demüthigung des Ausgefandten abgefehen ; gegen Er⸗
warten aber fchlägt fie zu feiner Werherrlihung aus. Da die Bötter
folden Keßel nicht zu erlangen wißen, fagt Tyr dem Thör, fein Vater,
der hundweiſe Hymir, der im Oſten des Glimagar an bed Himmels Ende
wohne, habe einen meilentiefen Keßel, den fie mit Lift erlangen möchten.
Diefe beiden num fuhren (erft am Schluß, wie wir aus $. 80 wißen,
tritt Loli ald dritter @efährte hervor) bis fie zu des furchtbaten Rieſen
Behaufung kamen (til Egils kwämu). Da ftellte Thör die Böde ein
und trat mit Tyr in die Halle, wo diefer die Ahne, die Großmutter,
findet, die ihm leidige:
Sie Hatte der Häupter neunmal hundert.
Doch eine andere Frau, allgolden, weißbrauig, empfängt fie gaftlid;
täth aber den Fremden, ſich unter den Keßeln zu bergen, da ihr Gatte
den Gäften oft gram fei und grimmes Muthes. Als dieſer ſpaͤt vom
Vaidwerk heim kommt, ſchallen Eisberge, als er eintritt; der Wald an
feinem Kinn ift gefroren. Die jüngere Frau verſchweigt ihm nidt, daß
Böor mit ihrem Sohne gekommen fei, der Freund der Menfhen, der
Riefen Widerſacher: beide bärgen ſich dort hinter der Säule. Dieſe Säule
jerfpringt aber vor des Rieſen Gehe, ver Balken zerbricht und acht Keßel
fallen herab und zerbrechen ; nur ein hart gehämmerter bleibt ganz. Da
gehen bie Gäjte hervor, und wenig Gutes ahnt dem Riefen, ald er ben
Feind ind Auge faßt. Doch macht er Anftalt zu feiner Bewirthung und
läßt drei Etiere ſchlachten, von denen Thor allein zweie verzehrt. Da
erllärt Hymir, für den nächften Abend müften fie morgen erft auf dem
Fihfang die Malzeit herbeiſchaffen. Thor IR dazu bereit, fragt aber nach
284 Donar. Ahzardiqlange. 8.86.
dem Köder, und als Hymir fagt, den folle er in ber Heerde fuchen, reißt
ex einem allſchwarzen Stier dad Haupt ab, Bei der Seefahrt ſelbſt, an
welder Tyr nicht Theil zu nehmen ſcheint, Tann der Riefe dem Thör
nicht weit genug hinaus rudern. Zwei Wallfifhe zieht Hymir an der
Angel zugleich empor, während Thör am Steuer ben Gtierfopf als Köder
gebraucht für die verhaßte meltumgürtende Schlange. NIS dieſe anbeikt,
sieht Thor fie zum Schiffsrand empor und trifft ihr das häßliche Haupt
mit dem Hammer; doch fenkt fi der Fiſch wieder in die Ser. Auf
dem Heimmeg aber war es dem Niefen nicht geheuer: er verſtummte
nad) folder Krafterweifung Thoͤrs. Am Strande läßt er ihm die Wahl,
ob er die Wallfiſche bereintragen oder das Boot ans Ufer bringen wolle.
Ihör thut mehr als beides zugleich: er hebt das Schiff, ohne das Waßer
erſt auszuſchoͤpfen, mit allem Schiffögeräth auf und trägt es ſamt ben
Wallfiſchen zu Hymirs Felſenlluft. Gleichwohl will der Rieſe feine Kraft
wicht anerkennen, wenn er nicht den Kelch dort noch zu brechen vermöge,
WS ber dem Hlorridi zu Händen kam,
Berfiüdt er den ſtarrenden Stein bamit.
Sigend ſchleudert' er durch Säulen den Kelch;
Ju Hymirs Hand doch kehrt' er heil.
Aber die freundliche Frille lehrt ihn
Wohl wichtigen Rath, den allein fie wuſte:
‚Wirf ihn an Hymirs Haupt: härter ift das
Dem foftmüden Joten als ein Kelch mag fein.’
Der Bde Gebieter bog die Kuiee
Mit aller Aſenkraft angethan:
Heil dem Hünen blieb der Helmfig;
Doch brach alsbald der Becher entzwei.
‚Die liebſte Luft verloren weiß ich,
Da mir ber Kelch vor ben Knieen Tiegt.
Oft fagt’ ich ein Wort: nicht wieder fag iche
Bon heute an: zu heiß ift der Trank!‘
‚Noch mögt ihr verfuchen, ob ihr die Macht habt,
Aus der Halle hinaus zu heben bie Rufe.’
Zweimal ihn zu rüden mühte ih Tyr:
Des Keßels Wucht fand umbewegt.
Doch Modis Bater erfaßt’ ihn am Rand,
Stieg vom Erich in den untern Saal.
%8. Denar. Tyt. Algeldene. 288
Unfs HSanpt deu Hafen hob Sif Gemahl:
An den Knbcheln klirrten ihm bie Keßelriuge.
Sie fuhren lange, eh lüftern ward
Odius Sohn, fi umzuſchauen:
Da fah er aus Höhlen mit Hymir von Oſten
Bolt ihm folgen vielgehauptet.
Da harrt' er und hob den Hafen von ben Schultern,
Schwang den mordlichen Miöknir entgegen
Und fälte fie alle, bie Felsungethume,
Die ihn anliefen im Hymirs Geleit.
Das Gedicht ſchließt, nad) der $. 80 fchon befprodenen Anfnäpfung
des Mythus von dem erlahmten Bode, mit Thoͤrs Heimlehr in Degirs
Halle, mo die Götter .nun jede Leinernte aus dem Keßel trinken.
Dieß Gedicht, daß fi ſchon durch Versbehandlung und Sprache als
eins der fpätern zu erfennen giebt, lag dem Verfaßer ber jüngern Edda
mit vor; es könnte alſo nad ihr entftanden fein. Für den Rampf mit
der Midgarbfhlange, die beiden Darftellungen gemein ift, bleibt dieß
gleihgältig; wicht fo für die Züge, melde bie Hymiskbwidha allein kennt,
wohin außer Tyrs Antheile an ber Fahrt und feiner Verwandtſchaſt mit
Hymir, der nur fein Stiefoater fein könnte, denn Odin tft fein Bater,
namentlich die Herbeiſchaffung des Keßels gehört, die fogar als Haupt
ſache behandelt wird. Für Alles dieß gebriht es fonft im Norden an
Beugnifien, da auch die Bruchſtüde von Skaldenliedern (cf. Leg. Myth. 480)
mit der Darftellung in D. 48 flimmen. Was zuerft Tyr betrifft, fo ers
ſcheint er bier nach Uhlands Deutung als Perfomifilation des kuhnen
Entſchlußes; feine Verwandtſchaft in Jötunheim aber hat ihm ben Sinn,
daß der Kühne im Lande der Schreden und Fährlichteiten heimiſch fei.
Bir werden indes unten fehen, daß Tyrs Auffaßung als der kahne Gott
eine ſeht junge iſt. Ob nun gleich feine Verwandtſchaft mit ben dunkeln
Refen oder gar mit der Unterwelt fonft nicht bezeugt if, fo ſteht doch
feine urfprünglich lichte Ratur verfelben nicht im Wege, denn da ſie durch
die allgoldene, weißbrauige Frau vermittelt ift, fo kann hier der Dichter
aus echter Ueberlieferumg geſchoͤpſt haben. Auch die Herbeifhaffung des
Repels hat uralten Grund; aber fie ſowohl als bie beiden ungleichen
Frauen weifen uns wieber auf die Unterwelt, die in ver nordiſchen Für
bung des Übenteuers, die den Hymir zu einem Froſtrieſen gemacht hat,
laum wieder erlannt wirb. Und doc follten wir fie nicht verlennen:
286 Donar. Bölchkepel, Bernd. 48.
auch Gerda mar bei Reifriefen (Bergriefen nad D. 37), gleichwohl ent
gieng uns nit, daß fie in der Unterwelt weilte; von Idun hieh e&
©. 72 ausdrüdlich, fie fei bei Hel. Und auch im Deutſchland erſcheint
der Winter (das ift hier Hymir) als (menfhenfreßender) Rieſe. Cola
horn No. 38. Sonſt wird Hymir in deutſchen Märchen, an die Jeder
durch die Worte: „Ich rieche, rieche Menfchenfleifd) I’ erinmert wird, durch
den Teufel vertreten; in den entſprechenden romaniſchen beißt er ber
Oger, ital, orco,. neapolit. huorco , aljo aus dem perfonificierten Drcus
entftanden, Myth. 434. Alpenb. Myth. Tyr. S. 5175. Auch die
beiden Frauen in Hymirs Halle finden fi in dieſen Marchen wieder;
die ältere neunhunderthäuptige erſcheint ald des Teufels Großmutter; die
füngere allgolpne, weißbrauige gleicht der Frau des Menfchenfrehers, der
orca ober ogresse, die wie jene ſchuhend und rettend einzugreifen pflegt.
Müllenh. 445 weiß fogar noch von Xhors Bod. Den Kepel kann ih
freilich in feinem Bezug auf die Unterwelt nur in dem noch fortlebenden
Gigennamen Helletepel nachweiſen: es ift der Abgrund ber Hölle
(abyssus Myth. 766), dad ungesatliche hol Myth. 291, das aud al
ein Faß gedacht wird (Saturni dolium, Myth. 115. 227), aus dem in
alideutſchen Schaufpielen ver Teufel predigt. In Bezug auf Thor, der
diefen Keßel heraufholt, enthält der häufige nordiſche Name Thorketil, in
Thorkell verkürzt (Myth. 170) eine Grinnerung; er lebt aber aud in
beutfhen Märchen fort, von denen Wolf Beiträge I, 95 einige verglichen
bat: in dem von Dreizehn DME. 105 ift er fo groß, daß hundert
Mann daran arbeiten können, ohne daß Einer den Andern hämmern hört,
ja daß eine ganze Gtabt darin Plag findet. Schon Grimm bemerkt Myth.
170, wenn Thoͤr den großen Keßel auf feinem Kaupte forttrage, fo er
innere bad an den ſtarken Sans (ans?) im Kindermärhen, der ſich bie
Glode auf dad Haupt ſtutzt. Vgl. Myth. I, 49. Panzer IL, 61. 439.
- Bir fehen aljo aud bier Thoͤr in die Unterwelt hinabfteigen, und
gewinnen neue Beftätigung ber Anfiht, daß Tacitus Grund hatte, ihm
dem Hercules gleihzuftellen. Wir können aber nun weiter gehen und bie
drei ebbifchen Mythen von Thors Fahrt nad). ver Unterwelt als Druch
Rüde eines einzigen faßen, der ſich in den Märchen oft wieder im anders
Weiſe geriplittert, zuweilen aber aud ziemlich volftänbig wieberfndet;
am vellftändigften in dem Bergiſchen von dem ſtarlen Hermel bei
Montanus I, 355, wo wie in dem Heſſiſchen von Kürdchen Bingeling
KMU, 164 die als Schlafmüge dienende große Glede neben dem
%. 86. Donar. Bärcufohn. Mlcindänuchen. %7
Müpfftein vorkommt, der ihm zum Halskragen wird. Die Glode ift an
die Gtelle des Keßels getreten; der unſchadlich herabgeworfene Mühiftein
hängt, wie fhon AM. III, 163 erinnert ift, mit Thors Abenteuer bei
Strgmir zufammen, und fo vereinigen ſich bier die ſchon in der Edda
jerfirenten Büge wieder. Auch der Gang nad der Hölle fehlt zuledt bei
dem ftarken Hermel nicht, ja dieſe war eigentlich ſchon vorher bei ber
Teufelsmahle vorhanden. Bunächft fliegt fih nun das ſerbiſche
Rarchen von dem Bärenfohn an (AM. II, 424, Büfhing WR. IV,
I, 54, Boltsm. d. Serb. 1854 No. 1), daß aber burd das Beſtreben,
die Züge von riefenhafter Größe zu fteigern und zu überbieten, gelitten
hat. Der Helb wird darüber vollftändig zum Zwerge, wie ſchon Thoͤr,
da er fi in dem Däumling des Rieſenhandſchuhs verkriecht, wie er fih
auch bei Hymir unter Keßeln birgt. Man begreift:mun, wie bie deutſchen
und franzöfifhen Märchen von Kleindäumden, Daumesdick und Däumers
lings Wanderſchaft, AM. 37. 45, verwandt find. Darum geräth auch
Kleindäumhen AM. I, 379 zu dem Menfchenfreer; es iR Xhör bei
Hymir, Reiner, aber unvollftändiger ift AM. 90 (ogl.Bingerle AM. 220);
doch liche es fih aus den in ben Anmerkungen erhaltenen Varianten
ergänzen. gl Germania I, 291. Den Preis behält immer ber ftarte
Hermel, Diejer hat ed noch ganz mit ven Riefen zu thun, die aber
bier zu Heiden (Bwergen) geworben find, von ihnen wird er auch
in die Hölle geſchict, wie Thör von Degir dem Felswohner Hym. 2 zu
dymir.
Die Frage, was es bedeuten könne, daß ber Bott des Gewitters in
die Unterwelt hinabfteige, find wir eigentlich zu beantworten nicht ver
pflictet : wir können fie der vergleichenden Mythologie überweilen. Hat
die griechiſche Mythologie eine Antwort anf die Frage, was es bedeute,
wean Hercules in den Hades hinabfteigt und ben Gerberus heraufpolt?
Bern hör aus einem Gewittergott zum Gott der Gultur und ber
menſchlichen Thätigfeit in Bezwingung der äußern Natur gesoprben ift,
fo läßt fi) von diefer feiner legten Bedeutung aus ber Mythus nicht
begreifen, denn wie viel auch menſchlicher Fleiß vermöge, die Unterwelt
tann er nicht bezwingen, die Schreden des Todes nicht überwältigen.
Der Verſaßer der Erzählung von-Utgarbloli $.83 hat es nicht einmal
vermodt, die Begebenheit fo darzuſtellen, daß uns Thor wirklich als
Gkrymicd Gisger, Utgardlolis und feiner Gefährten Vepeinger erſchiene:
es ift wur ein zucode d’estime, ben er .bavon trägt, wenn zulegt Ut⸗
288 Donat. Hermen. Irmin. 2.86.
garbloi feiner Kraft Lobſprüche zollt und ihm die tiefen Xhäler zeigt, vie
fein Hammer in die Felſen geſchlagen hat. Stärker tritt fein Gieg in
den beipen andern mythiſchen Erzählungen von Thors Herabfteigen in
die Unterwelt hervor und wenn das Räthfel unferer Frage gelöft werben
fol, müßen wir von dem Mythus von Hymir ausgehen. Bei allen An
deutungen ber Unterwelt jehen wir doch bier Thör mit dem Winter Lämpfen:
der fommerliche Gott des Gewitters bezwingt den Winterriefen. Wir haben
aber fhon oft erfahren wie Jahresmpthen zu Mythen von Tod und Leben
erweitert werben. Gehen wir hiervon aus, fo erflärt fi Alled, die auf
geworfene Frage Löft ſich von ſelbſt, und die vergleichende Mythologie wird
fie beftätigen. Das Reich des Winters ift dem Mythus mit dem Todtenreich
identiſch. Auch Hercules mit feinen zwölf Arbeiten muß ein Jahresgott
geweſen fein, und wenn. er zum Halbgott herabgefunfen ift und fogar ben
Bligftral eingebüßt hat, der in feiner Hand wie bei Saro zur Keule ges
worden ift, fo ift auch Thoͤr nicht mehr der hoͤchſte Bott, ob er gleich eink
ber Gott der Götter, der Vater der Himmlifhen geweſen ift.
86. Thor als Irmin. Schluß,
Da wir Thör als Hercules erkannt haben, fo ift hier der Drt, fein
Verhaͤltniſs zu Irmin und den Irminſäulen zu beftimmen, zumal an
jenen ſchon der ftarte Hermel duch feinen Namen erinnerte, wozu noch
tommt, daß ber Bod, des Gottes geheiligtes Thier, Hermen heißt, @DE. 35.
Grimm fieht belanntlih Odin in Irmin; ihre enge Berührung fiel uns
8.74 auf. Andere haben Tyr (Heru) nähere Anfprüde zugeftanden, die
meiften ſcheint mir Thor zu haben.
Daß den Herculesfäulen Thörsfäulen entfprechen, ift Myth. 107. 306
anerlannt; fie treten neben die Jrmanfüli (Myth. 104) ımd jene berähmte
vielbeſprochene Irminſ.,, die Karl der Große im Osning zerftörte. Myth. 105.
Auf fie pflegt man ven Vollsſpruch zu beziehen:
Hermen, fla Dermen,
Sla Bipen, fla Trummen:
De Kaifer will kummen
Met Hammer un Stangen,
Bil Hermen uphangen.
Ihren Namen erflärt Ruod. von Fuld mit den Worten univer
selis oolumns quasi sustinens oranis, Myth. 106. Universalis iR
%86. Dsaar. Hirmin vel Hermes. 289
hier Ueberfegung des Worte irmin- das in Bufammenfegungen ſtaͤts ven
Begriff verftärkt und erweitert. Davon verſchieden ift die, welche nach
Thietmar von Merfeburg früher zu Eresburg (Stabtberge) an ber Diemel
verehrt worden war und an deren Gtelle dann eine Peterskirche trat.
Bgl. Rieger in Haupts Zeitfhrift XI, 182. Aus Wibulind I, 12
(Ryth. 100.327) geht hervor, daß aud) die Sachſen nad dem Sieg über bie
Thüringer an der Unftrut dem Irmin ſchon geopfert und ihm ein Säulen
bild erritet hatten, deſſen Geftalt an Hercules erinnerte wie fein Rame
an Rars,, quis Hirmin vel Hermes graeoe Mars dieitur‘. Wie Widw
Kind hier von Hirmin auf Mars gerathen konnte, erörtern wir ein anders
mal; bier merfen wir und nur, daß bed Gotted Rame Irmin war,
fein Bild aber dem Hercules (Xhör) glich. Gleichwohl jagt Myth. 823, _
die Sachſen ſchienen in Irmin einen kriegeriſch dargeftellten Wodan ver
ehrt zu haben. Kriegeriſch vargeftellt wird Jrmin wohl geweien fein;
aber wie Hercules und Thör mit der Keule oder dem Kolben bewaffnet.
Die Steinigung des Jupiter (Thör) auf dem Heinen Domhof in Hildess
heim S. 271 geichah nad Geifart Hild. ©. 124 zum Yndenten der abr
geworfenen Jrminfäule. Ein weitfälifhes Dorj Grmenfülen bezeugt
eine vierte Säule diefer Art und ein ähnliches Bild wird es geweſen fein,
das nach DE.497 auf Hoyer von Mansfeld gedeutet wurde. Bu feinen
Chren ließen die Sachſen die Bildfäule eines gehelmten Mannes mit dem
eifernen Streitkol ben in der Rechten aufrichten, und dem ſächſiſchen
Bappen in der Linken. Zu biefer Dankfäule giengen die Landleute fleißig
. beten und aud die Prieſterſchaſt ehrte fie als ein heiliges Bild; Kaifer
Rudolf aber ließ fie wegnehmen, weil man Abgötterei damit trieb. Im
Wigalois heißt Hoyer der rothe Ritter ‚der rothen Haare wegen, die er mit
Wor gemein hat. Auch daß er in einen Stein greift wie in einen Weizen⸗
teig läßt ſich anf den Gott des Blitzes deuten. Thors heiliges Tpier der
Bol hieß in der Thierſage Hermen, in Weftfalen noch jept Hiärmen
Kuhn WS. 16 wie fhon früher Herman ſtoß nidt. Gare Gram. läßt
den Thörkill bei der Nüdkehr von Utgarthilocus den allgemeinen Gott
(aniversitatis Deum) verehrten, wa auf Zrmincot, aljo Irmin deuten
laun. In diefer Grzählung ift Thoͤrlill zwar ſelbſt an Thoͤrs Stelle ger
treten; er läßt fih aber aud als ein Jünger des Gottes anfehen, in deſſen
Zußftapfen er trat, und fo durfte er fi wohl feinem Schug empfehlen.
Roh das kann angeführt werben, daß nad Dielmar von Merjeburg an
der Stelle der zerftörten Irminſul eine Peterskirche errichtet worben war.
Giunzot, Myrholsgie. 19
2% Dinar. Aris uud Ermis. 4. 80
Myth. 106, gerade wie auch die heſſiſche Donareiche einer ſolchen wid.
Nah den Scholien der Eorveier Annalen zum J. 1145 wären in Eresburg
einft zwei Gößen verehrt worden: Aris (Heru), qui urbis moenis in
sertus quasi dominator dominantium, et Ermis, qui et Mercurius,
mercemoniis insistentibus celebratus in forensibus. Der Scholiaſt deu:
tet alfo letztern Gott auf Woban (Mercurius), offenbar durch den Ramen
Irmin verleitet, den er Ermis ſchreibt, denn dieſer führte ihn auf den
griechiſchen Hermes, deffen lateinifher Name Mercurius ihm bekannt fein
mochte. Dieb Zeugniſs fchliept mithin nur Heru (Tyr Tiu) aus, denn
diefer, von dem bie Stabt benannt war, ward neben Irmin verehrt; feine:
wegs ſpricht es gegen Donar, auf den vielmehr die an der Stelle erride
tete Beterskirche deutet.
Roh an vielen andern Orten ift St. Peter an Donars Stelle getre⸗
ten: er erfegt ihn aud in den Märden und Sagen, welche Rachllänge
deutſcher Mythen enthalten. Wie Ihör neben Odin ftand, fo war Petrus
der nächfte nah dem Heiland; wie Thör den Hammer, fo führte Gr den
Sälüßel, und beide erfhlogen ven Himmel: Et. Peter als Himmels
pfoͤrtner, Thör indem fein Wetterftral die Woltenfchleufen öffnete, daß be⸗
fruchtenber Regen nieberftrömte. Wenn es donnert, heißt e8: Gt. Peler
ſchiebt Kegel. In ähnlicher Weife fahen wir S. 145 auch Elias an
feine Stelle getreten. Weber andere Analogieen vgl, Wolf Beitr. ©. 81.
Sofern Thör wie Orion und Odin 8.73 watete, erfete ihn in der He
denfage Wate, in der Legende Chriftopherus. Im Voltsbüdlein II, 173
berichtet Aurbader von diefem einen fonft Thoͤr gehörigen Bug: ‚An ver
Eeite hat er einen Wehſchler (Taſche), darinnen Fiihe und Brot Reden.
Diefer Wepfchler begegnet bei Thoͤr zweimal: im Futterkorb (meis) hat
er ben Derwandil über bie urmeltlihen Ströme getragen, und im Har:
bardsl. 3 hat er Heringe und Haberbrot darin, und verfpricht den Fähr
mann damit zu fpeifen. Uhland 89. Heringe und Hafergrüge ift eine
altpertömmliche Koft, die nach Myth. 251. 55 auch bei Berchta vorlommt.
Uebrigens ift es eine Umkehrung, wenn der watende Thör bier der Ueber
fahrt hart, da er fonft Andern binüberhilft oder als Brüdengott 6. 280
die Ufer verbinde. Um Schutz vor dem Gewitter ward auch Gt. Domat
angerufen (Beitfchr. |. M. 108), deſſen Name fon an Donar gemahnte.
In Münftereifel, wo biefer Heilige verehrt wurde, Täutete man ihm beim
Geiwitter eine eigene Glode, und gleich bei der Ginführung feiner Reli:
quien bewährte er feine Macht, indem er das Wetter ftillte Sm Guss
8.87. Deuat. I. Donat. og
firhen zwar traf gleichzeitig den celebrierenven Priefter, als er ben Gegen
gab, der Bligftral am Altar, daß er wie gelähmt niederſtürzte; weil er
aber fi) und feine Gemeinde der Fürbitte des Heiligen empfohlen hatte,
fo konnte ex ſich bald wieder erheben, umd nur Spuren bed Bliged waren
an Haut und Kleidung des Getroffenen zurüdgeblieben. Kahſey Münfters
eiſel I, 221.
Auch Driänamen und Perfonennamen find von Andern zu Rathe ges
jogen werben. Sch will nur zweie anführen, die für die Einheit Thors
und Irmins zu fpreden feinen. Der Ortsname Hermesleil im Hoch⸗
wald wirb für Hermeneskeil ftehen wie in Hefien Ermaneswerthe Er-
maneshusum erſcheinen. Ich deute ihn auf den Donnerkeil in der Hand
Donard und der hier vorlommende Berjonenname Ermenleil kann zur Er⸗
lauterung dienen.
Zio (Tr), Heru, Sarndt, Heimdall.
87. Tyr.
Ja einigen der $. 57 zufammengeftellten Trilogieen erfheint als der
dritte Gott Tyr, won dem ber britte Wochentag, den wir in Dienftag ent»
Relen, altn. Tysdagr, den Namen hat. In der lateinifhen Faßung der
Woechentage entfpricht ihm Mars, den auch Tao. Germ. 9 als dritten Gott
der Germanen aufführt, Die Abrenunciatio ftellt aber ald dritten Gott
den Sarnöt auf, den wir bei den Angeljahjen als Sarneät wieberfinden.
Die Schwaben, die eine althochd. Gloſſe ald Ziuwari (Marddiener, Män⸗
ner de3 Bio) bezeichnet, nennen ven Tyr Bio; ihre Hauptftadt Augsburg
Biesburg (Stadt des Bio), und den Dienftag Biestag, Zistag; in Baiern
aber heißt der fonft in allen deutſchen Sprachen nad Tyr benannte Tag
Etag, Erctag oder Erihtag. Gr (heru), Bio (Tyr) und Samnöt (Sax-
neät) werben ſich und als Schwertgötter ergeben, und fo tritt als vierter
Heimdall hinzu, ver gleichfalls als Schwertgott bezeugt ift. Zyr und Heim
dall find aber zugleih Kimmelögötter, und bie nöthigt, aud ring und
Irmin $. 89 in Betracht zu ziehen.
Die Grundbedeutung des Namens Tyr (gen. Tys, acc. Ty), goth.
Tius ift leuchten, glänzen: er ftammt von der Wurzel div, der im Sanskr.
Ajaus coelum, im Griechiſchen Zac, gen. Aloc, im Lat, Jupiter (für
292 Bio u. f.w. Semusnen und puthlugen. 8. 87.
Djuspater), gen. Jovis (für Djovis), fo dium, divam für Himmel (sub
divo) angehören. Verwandt find auch devas, Jess und dens; Iehteres fellt
ſich nahe zu Tyr, dad gleichfalls in Bufammenfegungen, wie Hroptatyr, Hänge
tyr (Beinamen Odins), Reidhartyr (Beiname Thoͤrs), Gott beveutet. Altn.
heißen vie Götter im Pl. tivar, mas mit Tyr verwandt ſcheint, wie Zeud,
Aıdg mit Iedg, und deus. Auch dies, der Tag, berührt ſich mit Deus
und divus und dem agf. und altf. tir gloria splendor entfpricht im Abo.
siori splendidus. Alles ergiebt für Tyr den Ginn eines leuchtenden
Himmelsgottes, Myth. 175—7. Schon oben 190 ward der Meldung bed
Tacitus Germ. 39 gedacht, dak die Semnonen, die Alteften und edelften
der Sueben, einen allwaltenden Gott verehrt hätten, dem Alles unter
worfen und gehorfam war. In einem Walde "
„Augurüis patrum et prisca formidine sacrum"
traten zu gewiſſen Zeiten alle Volkerſchaften dieſes Stammes durch Ge:
ſandtſchaften zufammen um nad) barbariſchem Gebrauch grauenvolle Weihen
zu begehen. Obgleich Menſchenopfer nad Germ. 9 nur dem Odin (Mer-
curius) fielen, worüber Gr. Myth. 179 nachzuleſen ift, fo darf hier
doch an Tiyr gedacht werben, welchen die Nachkommen biefer Semnonen, die
fpäter als Juthungen an den Bobenfee zogen, unter dem Namen Bio ver
ehrten. In jenen Semnonenwald, den man nur gefeßelt betreten durfte, Iegte
ihre Glaube den Urfprung ihres Volles. Darum ftand, wer zufällig ge
fallen war, nicht wieder auf, auf dem Boden mälzte er fih hinaus. Das
regnator omnium erinnert an das dominatur dominantium ©. 290.
In diefer Würde erfheint Tyr in der Edda nicht mehr. Nach D.23
bericht er über den Sieg im Kriege, weshalb Kriegsmänner ihn anrufen
follen. Slaldſt. 9 nennt ihn vigagud, Schlahtengott: er war aljo der
Gott des Arieges, freilich neben Odin, der ihn in biefem Amte beeinträds
tigt haben mag, da er zulegt nur nod für den Gott des widernatürlichen
Krieges, böchftens für den kühnen Gott galt. Bgl. $.4. 31. 46. 85, wo
ſchon Vieles über Tyr beigebradht ift, was wir nicht wiederholen wollen.
Hier bleibt nur nachzuweiſen, wie der leuchtende Gimmelögott diefe Her
abfegungen feines Weſens erfuhr.
Die Stralen des Blihes wie des Lichtes, fagt Mannhardt, gehen vom
Himmel aus, und da die Sprache beide als Geſchoße betrachtet, fo ger
langte man dazu Tio zu einem Schwert und Kriegsgott zu machen, weh
halb er aud in den Wochentagen die Stelle des tömifhen Mars ein
nimmt, Neben Mercur läßt Tacitus dem Mars Kriegögefangene binten.
% 87. Die. Sqwertzot. B 298
Der Kriegsgott warb unter dem Symbol des Schwerts verehrt:
vom Schwerte gieng kriegeriſchen Völkern Glanz und Ruhm aus. Bon
Dr, dem leuchtenden Himmelsgotte, deſſen Symbol das Schwert ift, mag
& auf Odin übertragen fein, daß er bei Degird Bewirtung feine himms
liſche Halle mit Schwertlicht beleuchtete. D. 55. Wie Thör den Hammer,
wird einft der hoͤch ſte Bott das Schwert geführt haben, das fid bei
Din bald in den Sper bald in den Stab verwandelt,
Aus Tyrs Symbol, dem Schwert, erflärt es fih, daß die Rune,
welche des Gottes Namen trägt (alin. Tyr, agf. Tiu, ahd. Ziu) die Ges
Halt des Schwertes zeigt T, und das ihm ähnlihe Planetenzeichen des
Mars & unter den Metallen das Gifen bezeichnet, wobei wohl wieder das
Schwert vorſchwebte. Am Dienftag muß das Eifenkraut, mit dem ſich
nah Plinius Krieganfagende kroͤnten, gebroden werden, GDE.124. Da
nun aud die auf hern (Schwert) weifende agſ. Rune Eor T auß jener
yrrune differenziert ift, ja die ebenfo gebildete ver hochdeutſchen Alphabete,
welhe T für tao verwenden, bald Zio, bald Eor, over Aer heißt, Heru
und Eor aber mit Ares und dog, Schwert verwandt feinen (Myth. 183),
fo denkt Grimm GDS. 1. c. fogar an einen Zufammenhang von "Agns .
mit ses und Gifen. EDS. 508 wird auch das Zetergeſchrei als
ein Waſfenruf von Ziu dem Gott des Schwertes abgeleitet.
Jene Schwertrune galt für ein überaus heiliges Zeichen. Nach Sigrdrif. 6
fol beim Gintigen der Giegrunen in das Schwert Tyr zweimal genannt
werben, was mit ben fpätern Schwertfagen (das Schwert bedarf ein Ges
genswort, heißt e8 im Barzival) aufammenhängen mag. Tir bid täona sum
(Tir ift der Zeichen eined), beißt e8 in dem agf. Runenlieve und tire
tacrian heißt gloria, decore insignire, was wieber darauf deutet, daß
von dem Schwerte, dem Symbol des Gottes, Glanz und Ruhm ausgieng.
Alles dieß foll nur zeigen, wie der unter dem Bilde des Schwertes
verehrte leuchtende Himmelsgott zum Kriegsgotte ward, was der naͤchſte $
au für die verwandten Völter, die den Schwertgott unter andern Namen
verehrten, beftätigen wird. Hier haben wir es zunächft mit Tyr zu thun,
den wir nun au in der Myihe als Schmwertgott nachweiſen müßen, mas
um fo möthiger ſcheint, als noh W. Müller 237 zweifelte ob der nors
diſche Tyr ein Schwert geführt habe.
Nach ver $. 39 vorgetragenen Grzählung von Fenrird Fehelung ward
dem Wolf der Gaumen mit einem Schwerte gefperrt, deſſen Heft wider
den Unterkiefer ftand, die Gpige gegen den Oberliefer. In Bezug auf
294 dis. Egrs Elnarmigkeit. 887.
den Wolf beveutete dieß Schwert nad S. 109 ven Bann, melden das
Gefep über den Mörber und Friedensbrecher ausſpricht. Dieß if ein
fittlicher Mythus, der eben darum nicht alt fein kann; er gab aber ven
Anlaß zu der fernern, alfo noch jüngern Dichtung, daß Tyr feine Hand,
das Schwert, dem Wolf in den Rachen geftedt habe und dadurch einarmig
geworben fei. In der That ift aber Tyr nicht fo erft einarmig geworden:
er war es von jeher, weil er das Schwert ift, dad nur Cine Klinge bat,
gerade wie Odin feiner Natur nad einäugig ift, weil der Himmel nur Gin
Auge hat, die Sonne. Wie aber von Obin gedichtet warb, er habe fein
ambered Auge dem Mimir verpfändet, fo follte num Tyr den andern Arın
dem Fenrir verpfänbet haben: zu jener Dichtung gab der Widerſchein der
Sonne im Waßer Anlaß, zu diefer dad Schwert im Gaumen Fenrirs. In
dieſem Zufammenhang liegt aber ver Nachweis, daß auch in ber nordiſchen
Mythe Tyr als Schwertgott gedacht war, fonft hätte das Schwert, das
Fenrird Rachen fperrte, nicht zu der Dichtung von Tyrd dem Wolf ver
pfändeten Arme benupt werben Lönnen. Es ift aber eine junge Dichtung
und felbft Tyrs Einarmigfeit wohl erft eine neue Vorftellung; in der Volls⸗
age klingt fie nicht nach wie doch fo vielfach Odins Eindugigteit, ſonſt
wollte ih Weinholds Urtheile Riefen 28 beiftimmen: ‚Wie Opins Gin
augigleit auf bie Thellung bes Tages in Lit und Finfternifs geht, fo iR
aud der Mythus von Thrs Verftümmelung burh den Fenrirdmolf nur
ein Bild bafür, daß dem Himmelsgotte ein Weſen der Nacht vie Hälfte
feiner Kraft entriß.“ Bol aber 8. 92, 2. Warum ihm die Fütterung
Fenrirs übertragen ward, ift $. 43 gezeigt; als ihm dieß Amt angemiejen
warb, mufte er fon tief gefunten fein. Weil er aber dieß zu thun, ja
dem Wolf ven Arm in den Rachen zu ſteden wagte, heben D. 25. 34
feine Kühnheit hervor. Wir haben indes oben nadıgewiefen, daß es einen
ganz andern Sinn hatte, daß Tyr ben Fenrirswolf fütterte. In der Hy⸗
mistw. war es auch gewiſs nicht feine Kühnheit, die ihn zum Begleiter
Thors machte, fondern feine Sohnſchaft zu der Allgoldenen, bie nicht will
tarlich erdichtet ward, ſondern uralten Grund hatte. Wir werden dataus
über Tyrd Mutter, die nirgend in der Edda genannt wird, $. 96 Aufe
llarung gewinnen,
Man hat Tyrs Cinhänbigkeit daraus erklären wollen, daß ber Gott
des Kriegs nur Einem der lämpfenden Theile den. Sieg verleihen könne,
Myth. 188. Gegen die ähnliche Deutung Hoͤdhrs (Hadus), der hier Grimm
gleihfalls zuftimmt, habe ich mich ſchon oben erklärt: Höbhr iR blind,
& 87. Bis kein Eodesgott. 206
weil er bie dunkle Jahreshälfte bedeutet, und fo iſt Tyr einarmig, micht
aus ethifhen Gründen, wohl aber aus dem angegebenen natürlichen,
weil er das Schwert (Kuhn WE. II, 200) ift, welder uns zugleih er⸗
läutert, warum ihm ber Wolf die Hand bis zum ‚Wolföglieve‘ abgebißen
haben foll. .
In den Mölanges d’Arch6ologie.d’histeire et de littirature p.
Charles Cahier et Arthur Martin, Paris 1848, ift ©. 90 fi. ein alter
brongener Leuchter "abgebildet, auf dem eine nalte männliche Geftalt einem
greifenartigen Ungelhüm vie Hand in den Mund ftedt, was eine Erin
nerung an unfern Mythus fein Tann,
Wenn Tyr Ziſchr. f. Myth. I, 337 für ven perfönlic aufgefaßten
Tod erflärt wird, fo gründet fih das auf die Schilderung der Rune
Gar in dem agſ. Runengedicht. ‚Car wird läftig jedem Manne, wenn
das Fleiſch zu erlalten beginnt und der bleibe Leib die Erbe zum Ger
mahl ertieft, denn dann- zergeht der Ruhm, die Freuden ſchwinden,
Bündniffe Löfen fi‘. Bol. Myth. 183. Ich verftehe aber den Spruch
fo, dab das Schwert dem alternden, einft ruhmreihen Manne, dem ber
Xod nahe, zu führen ſchwer werde, und fo fein Ruhm, den er bem
Schwerte dankte, wieder vergehe. Vgl. die Schlußworte von $.64. Der
Segensſpruch: ‚Brand, ftand ad dem Döde fine rechte Hand’ hat alfo
mit Tyr nichts zu ſchaffen. Auch überfege ih den Döde mit Kuhn
BE. II, 200 nit dem Tode, fonbern dem Berftorbenen. freilich
lamn das Schwert den Tod bedeuten, wenn z.B. ein Urtheil das Schwert
juerlennt, und fo mag ed beim Loofen viele Bebeutung gewöhnlich ger
habt haben. Ich will aber nicht verfhweigen, daß in der oberpfälzifchen
Sage bei Echönmerth II, 8 ein Kind, deſſen Gevatter der Tod ik,
Michel Tod genannt wird. Huf bie barbarifhe Etymologie Mors =Mars
Quigmann 75 lege id; kein Gewicht.
Im ber Edda ift Tyr nur nach Einer von Odins Söhnen; er war
aber ein älterer Himmelsgott, der jept vor Opin zurüdtrat. Bio erſcheint
als der Schwaben Hauptgott; dasſelbe bezeugt Tac. hist. IV, 64 für
die Tencterer von Mars, und Procop II, 15 für die Norbbewohner von
Ares. An andern Stellen fteht Mercur neben Mars, aber biefer voran.
Sollen wir nun im allen mit styr zufammengefegten Beinamen Odins an
Tor denten ? Und gehörte vielleicht felbft Odin Sper Gungnir einft dem
gr, da dem römifhen Mars die haste heilig mar? Myih. 185. Jeden
falls wird der Schwerttanz ſicherer auf Tin ald auf Wodan bezogen,
296 &pr. St. Midesl. Bewerten. _ 8.8.
Muth. 187, und der Dienſt des heil. Michael, der mit geſchwungenen
Schwerte abgebilvet wird, mag bald Tyrs bald Odins Verehrung erjegt
haben, wenn gleih das norbifhe Sigtyäberg eher auf Odin als auf
Tyr deutet und die Ticelscapelle auf dem Gobesberge auf Goban
weilt. Wolf Beitr. I, 128 führt an, daß in Belgien Fechtergeſellſchaften
ven heil. Michael zum Patron haben; aber 130 bringt er jelbft ein
Heugnifs dafür bei, daß Gt. Michael an Wodans Stelle trat. Das nehme
id aud da an, wo St. Michael Seelen bei ſich aufnimmt.
Den Shwerttang, in welchem nalte Jünglinge die Schlacht nad
ahmten, bezeugt Tacitus Germ. 4 als daB einzige bei allen Berfamm-
lungen wiederkehrende Schaufpiel der Deutſchen. Daß er dem Schwert:
gott zu Ehren aufgeführt worden, bezweifelt auch Grimm nicht Myth. 187:
er nennt ihn eine noch lange und weit verbreitete Gitte, führt aber feine
Beifpiele an, die Panzer II; 247 bei den Nürnberger Mekerern und
Quigmann 76 aus Weftenriever bei Braunauer Waffenfhmieden, Kuhn
BE. 161 zu Attendorn in Weftfalen nachweiſt. Bol. 8.77 und Bader
nagel in Haupts Ztfhr. IX, 318. ine ausführliche Beſchreibung bed
dietmarſiſchen in Dahlmannz Neocorus II; die Mittheilung des heſſiſchen
Schwerttanzliedes find und die Grimm ſchuldig geblieben. gl. 249.
Nach vollendetem Schwerttanze flochten bie Zänger ihre Schwerter mit
den Spigen zu einer Rofe ober einem Rabe zufammen, auf deſſen Nabe
dann ihr Anführer oder König fpringt und von Allen zugleich erhoben
wird. Die Rofe fieht man im Theuerdank abgebildet, wo Kaifer Mar
auf einem Kranze von Schwertern fteht, ebenfo in Fuggers Ehrenfpiegel,
wo der Kaifer obendrein gelrönt erfheint und den Reichsapfel in ber
Hand trägt.
Auch Thör kann den Tyr beeinträchtigt haben, nicht nur in ben
Beinamen Reidhityr u. f. w., aud in der Heiligfeit des Kammer.
Das agſ. Runenlied fpricht von dem Zeichen Tir fo, daß man glauben
follte, es fei von Thoͤrs Hammer die Rede. W. Grimm Runen 249.
Das Chriftenthum traf hier mit dem Heidenthum in bemfelben Zeichen
sufammen ; es ift das Zeichen des Kreuzes, dad aud den Hammer Thoͤrs
und die Rune Tyr bedeutete. In einem Segensſpruche bei Wierus heißt
es: } Jesus Nazarenus } rex Iudacorum } non percuties eos qui
signsti sunt hoc signo Than, wo zwar Thau mit th gefchrieben, aber
das einfache T gemeint ift, mit dem der Name Tyr beginnt, obgleid ber
Segenäfprudh, wie es fcheint, vor dem Gewitter fügen ſollte, Ztichr. VIl,
5. 88. Bio. B. Kern. Sarust. 2397
538. Selbſt die Egel (Ali) genannten Berge Lönnen fo gut auf Tyr
als auf Thoͤr bezogen werden: aud Bio erfdeint, mie ſchon die Verglei⸗
ung von Jupiter, Marspiter, Diespiter lehrt, ald ein väterliher Gott,
"und Berge waren ihm unter allen feinen Namen heilig, Der nächſte $.,
bei welchem wir Tyr nicht verlaßen, da ihm Heru iventifh if, wird
folder Berührungen der drei oberften Götter nod mehr bringen; doch
darf ſchon bier ausgefprodhen werben, daß Tyr einer ber hehrſten und
älteften Götter war, und der Umfang feines Weſens namentlich durch
Ddins wachſendes Unfehen beſchränkt wotden ift. Go giebt eine altf.
Gloſſe Ziu durch turbines wieder, Myth. 184, und jener Baumeiſter
Bind und Better $.27 heißt in einer Gage bei Müllenhofi 410 (vgl.
Borr. 47) Bi. Hier fehen wir ihm alfo in demfelben Elemente walten,
das wir als die finnlihe Grundlage Wuötans erkannten.
Dem Bio geheiligte Berge find Myth. 180 nod andere nachgewieſen;
vielleicht gehört auch Tirlemont hieher. Im Eifelgau erinnert an ihn ber
Drtöname Bievel, im Bülpihgau Zingsheim, im Maiengau Biffen, im
Auelgau Ziffenheim. Auch Kräuter find nad) Zio genannt, So ift der
Seidelbaſt (Ziolant) aus iolinta, Biolindebaft entſtellt. Bei Tyrihialm,
der auch Thorhialm heißt, geigt ſich wieber Berührung Tyrs mit Thör.
Bol. Muth. 180. 1144. 5.
88. Heru Saxnot.
Tyr war und Himmelsgott und Schwertgott zugleich; im Heru tritt
nur ber Schwertgott hervor: auf den Himmelsgott würde ſich erſt ſchließen
lagen, wenn wir Iring, vielleicht gar Itmin mit ihm zuſammenbringen
lonnten. Heru iſt der Edda unbekannt, wenn er nicht dem Rigr ents
ſpricht, mit dem er ſich in Erich vermittelt. Auch in Deutſchland ſpricht
taum ein anderes Zeugniſs für ihn, als daß er den Bio in dem bais
riſchen und öfterreihifhen Namen des dritten Wochentags Crtag, Erchtag,
Erichtag vertritt, wie ih die Rune Gor neben Tyr ftellt, während im
alth. Runenalppabet Ziu und Gor Namen desſelben Zeichens find. Dazu
tommt jene $. 86 erwähnte wehtfälifhe Gresburg oder Heresberg, in
deren Nähe eine Jrminfül errichtet war. Sie heißt auch Mersburg oder
Mersberg, wo das vortretende M von dem lateinifhen Mars herrühren
oder fih von dem Artifel abgelöft haben kann. Ferner der Name der
alten Cherusler, der ſich beßer von einem göttlichen Heru ober Cheru
298 gern. Dunner Iren. $. 88.
ableiten läßt als von dem ſachlichen heru (Schwert), goth. hafrus. Wie
vie Cherusler feinen aud die Marcomannen den Schwertgott unter
dem andern, am bairifhen Wochentag erfheinenden, Namen verehrt zu
haben, während ihn die Sueben, zu melden bie Chatten zählen, Tin,
fpäter Bio nannten. An die Stelle der Cheruster traten hernach bie
Sachſen; Grimm hält fie für dasfelbe Voll unter einem andern aber
gleipbebeutenden Namen. A. M. ift Leo Vorleſungen 6. 228. Die
Sachſen find von Sachs, ihrer Steinwaffe, genannt und Sarneät, Vodens
Sohn, fteht an der Spitze des oftjähfifcgen Volks in Britannien, ohne
Zweifel derfelbe Gott, den die Abrenunciatio Samöt nennt. Herrn Dr.
Schröder verdanle ich die Nachricht, daß in Pommern, Medienburg und
der Udermart noch der Fluch Dunner Saren gebräudlid ift, der
wohl einft die Namen der Götter Donar und Sapnot verband. Der
dritte Gott der Trilogie fheint vergeßen; auch hat Sarnots Rame ger
Titten, Wie man ihn auch deute, ein Gott des Schwertes kann nicht in
ihm verlannt werden. Aus dem Dienſt bed Schwertgottes rührt auch
das Schwert im fähfiihen Wappen her, fo wie der Gebrauch ver deut ⸗
fen Könige, ſich dad Schwert durch den Herzog von Sachſen vortragen
zu laßen, GDS. 611. Gbenfo verftehe ich es, wenn dem friefifchen Braut»
paar das Schwert vorgetragen wird, worin Grimm R. A. 167 nur ein
Rechtsſymbol fieht. Das Schwert des Gottes kann dort die Che geheir
ligt haben wie anderwaͤrts Thors Hammer. Finden wir dod bei Schön
werth II, 66 aud ven Hammerwurf durch den Schwertwurf vertreten.
In ganz Süddeutſchland ift es Gitte, daß Hochzeiten am Ertag begangen
wie in der Oberpfalz über dem Brauttifche zwei Schwerter kreuzweiſe in
die Diele geftoßen werden. Schoͤnwerth I, 95.
Die Verehrung des Kriegsgottes unter dem Symbol des Schwertes
meldet fchon Herobot von den Stythen: es ward auf einer ungeheuern
Schicht von Reifig errihtet. Auch Alanen und Duaden, letzteres unbe⸗
zweifelt Deutfhe und den Marcomannen, die mir ſchon als Aresdiener
lennen, benachbart, erwieſen dem Schwert göttliche Ehre; weiterhin ſchließen
ſich Geten, Dalen und Skythen an. Die Svardones des Tac., bie in
den Sveordverum des Wanbererlieded, deren Name wie Ziuwari gebildet
ift, wieder auftauden, feinen gleichfalls hierher zu gehören. Bei dem
Schwert zu ſchwoͤren war allgemein deutſche Sitte und blieb e3 durch das
ganze Mittelalter. Jenes ſtythiſche Schwert, gladius Martis, foll aber
nad) Jornandes, ber fi auf Priscus beruft, in Attilas Haͤnde gelommen
8 88. Hern. Attila. Hecke, 29
fein. Gine hintende Kuh führte die Entbedung herbei. Der Hirt bes
merkte, daß ihr der Fuß blutete: da folgte er der Spur und gelangte zu
dem Schwert, das in der Erbe ftedend fie verwundet hatte. Als es
Attila gebracht wurde, wunſchte er fi Glüd zu dem Geſchenk, denn er
hielt fih nun für den Herm der Welt, da ihm durch das Schwert des
Kriegögott3 Unüberwinblichfeit verliehen ſei. Welche Rolle dieß Schwert
weiter in der deutſchen Geſchichte fpielte, wie es zulegt nad der Schlacht
von Mühlberg der Herzog von Alba wieder aus der Erde gegraben haben
follte, mag man Myth. 186 nachleſen.
Uns wird biefe Sage doppelt wichtig, da ſchon der Name Attila
nach $. 87 auf den Kriegsgott gehen lann und Epel in der Heldenfage
der Herla (bei Priscus Kerla) vermählt ift, die als Göttin, nah W.
Müllers 226 Bermuthung des Heru Gemahlin war. Beide Namen find
diminutiv, Attila von Atta, Herla von Hera, der Erbgöttin. Vgl. $. 213.
In zweiter Che vermählte ſich Attila der Kriemhild, der winterlihen
Edgoͤttin.
Wolf hat Beitt. I, 128 auf dad zweiſchneidige Schwert bes
h. Michael aufmerkjam gemacht, das in Valenciennes bewahrt und jähr-
lid in einer Procefjion umgetragen wurbe, wobei kriegeriiche Spiele, viel:
leiht Schwerttänze, vorkamen. Nod wichtiger ift aber feine Hinweifung
auf das Schwert des Julius Caefar, das nah Sueton zu Köln in dem
Delubrum Martis aufbewahrt und dem zum Imperator außgerufenen
Bitellius als Zeichen der Herſchaft überreicht wurde. Dieß Delubrum
Martis warb fpäter zur Capelle des Etzengels Michael; jept ift fie abs
gebrochen : zu beiden Seiten der Straße (Marspforten) wo fie ftanb, fieht
man aber noch die Bilder des Mars und des h. Michael. Wahrfheins
lich hatte fowohl jemes Schwert des h. Michael als das kolniſche des
Divus Julius früher einem deutfhen Gotte gehört. Schon bei Odins
Spieß Gungnir $.65 drängte fih die Vermuthung auf, daß man dem
Heiligthum des Gottes den Sper entliehen babe, den die Mythen uns
mittelbar aus des Gottes Hand kommen lafen. Aud das Schwert gab
dem Bitellius nicht der Priefter: es mar ihm von einem Unbelannten
(® quodam) überreicht worden, in dem aber der Gott angedeutet ift.
Attilas Schwert ward aus der Erde gegraben: das kann bebeus
tend fein, da es fich hernach wiederholte. Es muß darum auffallen, daß
Biltinaf. Cap. 20 ver Niefe Wate fein Schwert in die Erde ftedt, damit
fein Sohn Wieland es wiederfinde. Wates Bezug auf bie watenden
800 - Heimdal. Scwerigeit. % 89.
Götter Odin und Thoͤr ift oben hervorgehoben: follte er ſich auch mit
Tyr (Heru) berühren? Im ODrendel läßt Breide ein Schwert aus der
Erde graben.
Grimm (Myth. 176) und W. Müller 225 nehmen mit Beuß den
erbgebornen Gott Tuisko für Tivisko, alfo für Tius Sohn. Dem
beizuftimmen brauchten wir den Begriff des Biwiefahen, ben wir $. 7
in dem Namen gefunden haben, nicht aufzugeben, da jenes Schwert zu
Balenciennes ein zweifhneidiged war. Wenn aber Tiu ein erbgeborner
Gott ift, fo darf es nicht wieder fein Sohn fein, und welden Sinn
tönnte es haben, wenn dad Schwert der Vater des Mannus wäre? Das
Schwert kann wohl Menden töbten, aber nicht Menſchen zeugen. Wir
gelangen bier noch zu keinem ſichern Ergebniſs; der nächſte $. wird aber
ein neued Zeugnifs bringen, daß die Mutter des Schwertgotts, jene all ⸗
goldene der Hymiskwidha $. 85. 87 die Erde war.
Drtönamen, die von unferm Gotte zeugen, hat Quigmann Religion
der Bavaren zufammengeftellt ; aus unferer Provinz erinnere ih an Ers⸗
dorf bei Medenheim und die beiden Nefielrovifhen Burgen Erenftein und
Ehreshoven.
89, Heimdall ring Irmin.
1. Auch Heimball, der unter allen deutſchen Göttern am ſchwierigſten
zu faßen ift, heißt Hrafnagaldt 23 Sverdas; ja er allein führt in der
Edda diefen Namen. Da Hrafnagalors Echtheit beftritten ift, fo führe
ih weiter an, dab Slaldſtap. 8 fagt: Heimdalar höfat heitir sverdh,
was heißen kann, Heimdalls Haupt ift das Schwert, oder das Schwert .
heißt Heimdalls Haupt, nicht aber nah D. 27, Heimdalls Schwert war
Haupt genannt, noch aud, wie es Gretter der ftarke verftand, dad Haupt
beißt Heimdals Schwert. In diefem legten auch SE. 69 angenommenen
aber unmöglihen Sinne wird es jebod weiterhin gefaßt, indem hinzuge ⸗
fügt wird, Heimball fei mit einem Menfhenhaupt durchbohrt worden,
da er doch nad D. 51 erft am Ende ber Tage erſchlagen werben fol.
Bgl. 8.46. Wenn es ferner heißt, das Schwert ſei Miötudhr Heimdalar
genannt worden, denn dad Schwert heiße manns miötudhr, fo wird bie
richtige Auslegung fein, Heimdalls Weſen fei vom Schwerte ausgegangen:
das Schwert fei fein Anfang, fein Schöpfer, alſo zugleich Schöͤpfer der
Menſchen. Hierdurch fehen mir ihn als Sverdas beftätigt und jenen
3. 89. Seimdal. Kigr. Kigemal. 801
andern Schwertgoͤttern gleichgeſtellt, ja dem Schwertgotte, wie Wol. 1 dem
Heimdall, die Schöpfung des Menſchengeſchlechts beigelegt.
Nirgend erſcheint Heimdall beveutender als hier, wo die Menden
feine Kinder genannt werben, denn im Rigamal, wo er unter dem Namen
Nige die grünen Wege der Erde wandert, gründet er nur die menfchs
lichen Stände.
An der Meerestüfte, erzählt das Rigsmal, fand er eine Hütte mit
offener Thüre. Zwei Eheleute, Ai und Edda (Eltervater und Elter⸗
mutter), bewirtheten ihn brei Nädte mit grober Koſt. Nach neun Monden
genas Edda eines Kindes mit ſchwarzer Haut, von dem das Geſchlecht
der Thräle (Rnechte) ftammt.
In Kurzem lernt’ er die Kräfte brauchen,
Mit Baft binden und Burden ſchuuren.
Heim ſchleppt' er Reifer ben heilen Tag.
Ihm vermählte fih Thyr die Dirne. Rigr aber wanderte weiter
und fand ein Ehepaar Afi und Amma (Großvater und Großmutter)
in eigenem Haufe wohnen, bei dem er wieder brei Tage blieb.
Der Mann ſchälte bie Weberftange,
Das Weib daneben bewand ben Roden
Und führte den Faden zu feinem Gefpinnft.
Nach neun Monaten genas Amma eines Kindes, dad Karl (ver
forgende Hausvater) genannt ward.
Er zähmte Stiere, zimmerte Pflüge,
Schlug Häufer auf, erhöhte Scheuern,
Fertigte Wagen und führte ben Pflug.
€ freite ein Weib, das Gnör genannt war; von ihnen ftammten
die freien Bauern. Niger aber wanderte weiter und gelangte zu einer
Halle mit leuhtendem Ring, worin Bater und Mutter faßen und fih
an ben Fingern fpielten.
Den Hausherren fah er ſich Sehnen winben,
Bogen fpannen und Pfeile jchäften,
Dieweil bie Hausfrau die Hände befah,
Die Falten ebnete, am Aermel zupfte.
Auch hier blieb Rigr drei Nächte bei guter Bewirthung ; nad) neun
Monden aber gebar die Frau ein Kind mit lichter ode, leuchtender
808 Zeimdei. Iriag. Exit. 6. 89.
Bange und fharfem Blide, das Jarl (agf. eorl, von eor Schwert) ge
nannt warb.
Den Schild lernt' er ſchutteln, Sehnen winben,
Bogen fpannen und Pfeile ſchäften,
Spieße werfen, Langen ſchießen,
Hunde hegen und Hengfte reiten,
Schwerter ſchwingen, den Sund durchſchwimmen.
Dem Jarl vermaͤhlte ſich die gürtelfchlante
Adliche, artliche Erna geheißen.
Von ihnen ſtammen die Edeln und Fürſten.
Schon $.57 iſt bemerkt, daß nur der hoͤchſte Gott allein unter den
Menfen wandern kann, und fo wird der Name Rigr ihn als den
Mächtigen bezeichnen follen.
Aber aud am Himmel hat er feine Straße, nidt bloß bie fen
brüde Bifröft, deren Namen eine Wegftrede bebeutet, fondern aud bie
Milchſtraße, welche Jringsſtraße heißt, denn in ring, der fonft nur noch
in der Helvenfage erjheint, hat Grimm jenen auch auf Erden wandernden
Rige, alſo Heimdall, wiebererfannt, Muth. 214.
ALS ring müfte Heimdall ein Sohn des Jr ober Gr (Heru) fein,
der mit Tyr zufammenfält; und doch wird er in ber Edda ein Sohn
ODdins genannt. Cr kann aber auch Heru (Tyr) felber fein, da er der
Schwertgott ift, und ber britte Wochentag in Baiern auch Ercs ober
Grihstag beißt, Erich aber durch die Erichsgaße, die auf Erden der
himmliſchen Milhftraße entfpriht ($. 74), dem Jring gleihgefellt wird.
Mit demfelben Rechte wie Tyr, mit dem er ald Schwertgott zufanmens
faͤllt, kann er alfo Odins Sohn heißen; im Grunde war e8 aber ent
weder Odin felbft, der Heimdall hieß (6. 233), ober diefer Name bejeich⸗
nete Tor, den Altern, jept von Obin zurüdgebrängten Himmelsgott.
Noch erſcheint er jedoch in feiner alten Würve im Hyndlulied, wo es von
ihm beißt:
34. Geboren warb Einer am Anfang der Tage,
Ein Wunder an Stärke, göttlichen Gtamms.
Neune gebaren ihn, den friebenbringer,
Der Erbentödter am Erdenrand.
85. Gialp geber ihn, Greip gebar ihn,
Ihn gebar Eiſtla und Augehia,
8.89. Heimdal. Kenn Mütter. Seunenhirſch. 808
Ulfrun gebar ihn und Gyrgiafa,
Imdr und Atla und Jaruſara.
36. Dem Sohn mehrte die Erde die Macht,
Windkalte Ser und fühnendes Blut.
Und bernad wieder :
40. Allen überbehr warb Einer geboren;
Dem Sohn mehrte die Exde die Macht.
Ihn rühmt man ber Herſcher reichſten und gröften,
Durch Sippe gefippt den Bölfern gefamt.
Nähme man, wad hier von feinen neun Müttern gefagt ift, als
fpätern Urfprungs hinweg, fo bliebe nod bie Erbe ald die Mutter des
Sqhwertgotis zurüd. Aus der Grde warb dad Schwert gegraben $. 88.
Bom Schwerte gieng Triegeriihen Voͤllern Glanz und Ruhm aus, mit
Sqhwertlicht beleuchtete Odin feine Halle 6. 293. Darum heißt Heim ⸗
dal der weiße Schwertgott und Thrymsk. 17 der beifie der Afen; ja
am Schluß von Hrafnag. erjheint er als Gott des anbrechenden Tages:
Auf landen die Herſcher und bie Alfenbeftraferin ;
Nördlich gen Nifelheim floh die Nacht.
Ulfennas Sohn flieg Argiöl hinan,
Der Hüter bes Horns zu ben Himmelsbergen.
Dieß fprähe für Grimms Anſicht (GDJ. 733),.das -dallr in
Heimdallr fei jenem Dellinge für Däglinge zu vergleihen. Dellingr
lennen wir aus $. 14 als den Vater des Tags, oder den Tagesanbrud) ;
ala foldyer wird hier Heimdall geſchildert, deffen Name darnah Licht der
Belt bedeuten würde. Nach Skaldſt. 58 Heißt der Hirſch Dalr; nun .
fehen wir aber auch die Sonne als Hirſch fombolifiert (Solarl. 55). Vgl.
$.102. Zwar wird dieſer Solarhiörte glei dem andern Symbol der
Sonne, dem golbborftigen Eher, auf Freyr als den jüngften Sonnengott
bezogen; er kann aber ſchon dem älteften gehört haben. Mit Recht hat
man vermuthet, diefer Sonnenhirſch fei mit Eifthyrnir eins, der nad $.
39 den Baum Lärad abweidet und von deſſen Horngeweih Thau nah
Hwergelmir tropft, wovon nad Grimnism. 26 alle Ströme ber Unter
welt ftammen. Sierauf bezieht ſich vielleicht Hyndlul.:
39. Meerwogen heben fi zur Himmelswölbung,
Und laßen ſich nieder, wenn die Luft fi abkuhlt.
804 Yelmdal. Regenbogen. 8.
Den Baum Lärad erfannten wir $. 36 als den Wipfel ver Welt
eſche, und auf ihm muß der Welthirſch (Heimball) weiden, weil font ver
Gegenfag der Unterwelt, zu der bie Waßer von ihm zurüdfliegen, wie fie
ſich aud aus ihr ergoßen haben (S. 14. 41), nicht ſcharf gezogen wäre.
Heimball bebeutet wörtlich eigentlih den Wipfel des Weltbaums,
feine Dolde (mhb. tolde) oder Spipe (Gr. Gr. TIL, 412), und diefe
Spige lann als Schwert gedacht fein, von dem das Licht der Welt auögeht.
Darum war D. 17. 27 von feiner Wohnung Himinbiörg gefagt, fie ſtehe
an des Himmeld Ende, womit der Zenith (6. 192) gemeint fein wird.
Zugleich Tonnte er jo auch als ver Weltftrom gefaßt werden, da bie Waher
zu dieſem Weltgipfel auf und von ihm zurüdftrömen, ThöN aber ſich unter
den Flußnamen findet und Freyja als Waßergöttin Marböl (gen. mar
dallar) heißt. Myth. 213. on dieſer legten Bedeutung des Namens
ſcheint die weitere Entwidelung des Mythus ausgegangen; darum ift Heims
dall neun Mütter Sohn und von neun Schweftern geboren, wie er felbk
von ſich fagt: es find die MWellenmäpden, Degird Töchter, obgleich dieſe
Stalbflap. 35 wieder andere Namen führen; darum bedeutet er in
zweien Mythen den Regen und darum ift ber Regenbogen
feinSymbol geworden. Al Himmeldgott führte Heimball das Horn,
das den Sichelmond (6. 231), bebeutete: mit biefem Horn am Munde
erſchien er nun vollends als Wächter ver Götter, da er ſchon von feiner
Wohnung Himinbiörg, dem Wipfel der Welteihe, an des Himmels Ente,
die ganze Welt überblidte. Dieß Himinbiörg fält daher zufammen mit
Hlivftiälf, dem bebenden Hügel, denn fo ift nad Skalſt. 75 der Name zu
deuten, der wieder an Bifröft, die bebende Raft, erinnert. Als Wächter
werben ihm nun aud die Gigenfhaften zugetheilt, die dem Wächter ber
Götter geziemen: darum heit es D. 27: ‚er bevarf weniger Schlaf ald
ein Vogel und fieht ſowohl bei Naht als hei Tag hundert Raften weit;
ex hört aud das Gras in der Erde und die Wolle auf den Schafen mad
fen, mithin aud Alles was einen ftärkern Laut giebt.” So fließt es aud.
aus feinem Wädteramte, daß er am Ende der Tage in fein gellendes
Horn ftoßen wird, ‚die Götter zu weden und den Einbruch ber zerftörenden
Gewalten anzulündigen. Wöliſpa 31 heißt biefes Sichelhorn Walvaters
Pfand, weil Odin fein Auge in Mimis Quelle verpfänbet hatte: es mar
das andere Auge des Gimmelögottes, der Mond. Bis dahin hat er vor
den Bergrieſen die Brüde Bifröft zu hüten, die Himmel und Erde ver
bindet, D.27. Allerdings ſcheint dem, der dieß jhrieb, feine frühere Ber
8%. 89. Heimdal. Rtegengoti. Geldmund. 806
deutung als Himmelögott nicht mehr bewuft; aber nod der fpäte Dichter
der Degisdreda läßt 48 Loki zu ihm fagen: .
Mit fenhtem Rüden fangſt bu den Than anf
Und wachſt der Götter Wächter.
er mufte alfo wohl noch von jenem Welthirſch Heimdalr, an deſſen Ge:
weih der Thau des Aethers fählägt. Uebrigens ſiht auch nach dem neuern
Bollsglauben ein Engel oben an der Himmelsbrüde (dem Regenbogen),
der mit feiner Poſaune zum jüngften Gerichte ruft. Birl. I. 197.
Heimvald Roſs Gulltopr ift auf das Sonnenroſs bezogen worden:
da aber altn. toppr Wipfel bebeutet, fo ftünde es mit feinem eigenen
Ramen in Beziehung. Daß er felber goldene Zähne hat, Tann das deut ⸗
ſche Sprichwort
Die Morgenftunde
Hat Gold im Munde
erläutern. Ohne Biweifel war es einft ganz wörtlich gu verftehen wie bie
wfenfingrige Eos. Aber ein ſchoͤnes Morgenroth bedeutet einen Regentag.
Darum hat Heimball der Negengott goldene Zähne. Auf die Neige des
Achte, die in Heimdals Monat (nah Finn Magnufen 21. Juni bis 21.
Juli) beginnt, ſcheint auch fein Beiname Hallinſtidi (der ſich neigende),
‚iu zielen. Die Fülle der Zähne Hallinflidis bedeutet MFS. I, 52 (vgl.
Moth. 214) Reichthum, und in Bad. Sagen verwandeln fih Zähne in
Gold. Daß unter den Namen des Widders Skaldſt. 75 Hallinſtidi und
Heimdali aufgeführt werben, weiß id nicht anders zu beuten, als durch
jene auch bei Hlidſtialf und dem Giallarhorn vorlommende Verwechſelung
deimdals mit Odin (6.233), dem Finn Magnufen den Monat zueignet,
in welhem die Sonne in das Zeichen des Widders tritt. Endlich mag
fi} fein Beiname Windhler (Vindhlör, Sturmmeer) auf feine neun Mütter
beziehen, die ein Bild für die Wogen find. Weinhold Ziſcht. VIL, 48.
Wie Heimdall unter dem Namen Rigr die menſchlichen Stände gründet
6.301, mag man noch in dem fhönen eddiſchen Rigsmal nachleſen. Die grünen
Wege ber Erbe, die er bier wandelt, erkläre id baraus, daß der Regen
das Wachsthum erfriſcht: unter den Füßen des Gottes, der ben Weltftrom
bedeutet und defien Symbol ber Regenbogen ift, ergrünt die Erbe. Dens
felben Einn finde ic in dem Mythus von Freyjas Halsband Brifingamen,
das Loki entwendet hatte,” Heimdall ihr wieder erämpft. Rast 355. Wein,
hold 1. c. 46. Loti beveutet hier die Gluth des Sommers, melde ber
Erbe den grünen Schmud entführt, ben Raſen verfengt, der —* ſonſt
Sinne, Mythologie. 20
806 Heimdal. Hahn auf dem Richthurm, 3.89.
als Jardhar men (gänga undir jardhar men bei Eingehung des Freund:
ſchafts · Bundniſſes. R. A. 118) bezeichnet wird, dem Brifingamen entipre
hend, Myth. 609. Heimdall ift hier wieder der Regen, der bie Gräfe
erfrifchend der Erde den grünen Schmud wiederſchafft. Hieraus erllärt
ſich aud, warum Heimdall, der fonft weiſe war den Wanen gleich, fih
FAS. I, 313 heimkastr allra Asa ſchelten laßen muß, denn was ift
langweiliger ald ein Regenwetter ?
Neuerdings hat A. Lutold (Germ. VII, 208 ff.) Wilh. Tells Sage
aus Heimdals Mythus ableiten wollen, worüber id auf $. 82 verweife,
Auf dem Wipfel der Weltefhe ließen wir S. 304 Heimdall al
Welthirſch weiden und faßten dann feine Spige ald Schwert, das uns
wieder auf Heimdall ala Schwertgott wies. Wir fehen aber S. 41 einen
Adler auf ber Welteſche figen und dieſem vergleicht ſich zunädft der
Hahn Widofnir, der nah Fiölfwingmal 24 auf dem Wipfel des Bau:
mes Mimameidr fipt, welchen ſchon Andere den Doppelgänger ver Belt:
eſche Yggdraſil genannt haben. Wie nun Heimdall ala Göttermädter
bezeichnet wird, fo vertritt ihm ſchidlich der Hahn, ver wachſame Vogel,
und wenn mir biefen nod jet auf den Spigen der Kirchthürme finden,
fo hat er feinen Pla zu behaupten verftanden. Das hätte aud ber Ad⸗
Ter auf dem Achener Münfter, der deutſchen Krönungslirche, ſchon ald
Reichsadler gefollt; es war kein Grund ihn zu entfernen fo lange ber
gleihbebeutende Hahn nod nicht von den Kirchthürmen verdrängt ift, und
wenn die Achener beim Reiche bleiben wollen, wie fie der alte Spruch
ermahnt, fo fegen fie ihn wieder darauf. Vgl. ©. 33.
2. 3. Jring und Jrmin finden wir ftät# beifammen: bei Widukind,
der fie biftorifiert, aber doch alten Liedern folgt, und fo aud im ber Helden:
fage, im Nibelungenlieve namentlich, ift legterer zu Irminfrid geworben;
aber fowohl Widufind als vie Wiltinaf. weiß von Frings Bezug auf bie
Milchſtraße und aud hier, am Himmel, gefellt fih ihm Irmin, wie wir
8. 74 gefehen haben. Iringsſtraßen finden ſich am Himmel und auf Gr
den; Jrminftraßen find nur auf Erben bezeugt: die Ermingeftrete durchzog
gang Gngland von Eüden nah Norden; von der Irminſal Tiefen vier
Straßen dur alles Sand. Aber der Himmelswagen heißt auch Itmines ⸗
wagen, wie Ing, ber andere der brei Söhne des Mannus bei Tacitus,
gleichfalls einen Wagen hat (Myth. 320): dem Himmelswagen entſpricht
aber auch fonft noch ein Himmelsweg, und den Straßen auf Erben entfprehen
himmliſche, S. 228, fo daf wis des ausbrüdlihen Zeugniſſes faR ent
8.89. Iring. Irmin. Herman. 807
rathen tönnen. Mon hat daher auch Irmin auf den Kriegd« und Ehtnert-
gott It oder Er (Heru) zurüdführen, und Irman, Erman in Ir⸗man,
German zerlegen wollen (W. Müller 294); dagegen bemerkt aber Grimm
Myth. 327. 333, dem Namen Yring gebühre langes %, und GDS. 345
if ausgeführt, daß dad H in Hermunburi,: Hermanfriv, ald bloße Spirans
nicht in Ch übertritt, während Heru fi) in Cheru wandelt. Auch ift Irmin
wie Armin ein abgeleiteter Name, kein zufammengefepter und der Name
Herman entſpricht nur dann, wenn man aud ihn als abgeleitet betrachtet
und ſchreibt. Die Verbindung von Irmin und Jring ſchien fhon oben
bei der Greburg $. 86 hervorzutreten, wo aber ber Annalift (5.290) aus⸗
drüdlich begeugte, Ermis fei neben Aris (Heru) verehrt worden; Heru (Erich)
fanden wir ſchon oben $. 89 in Jring, welchen das Rigsmal Niger nennt.
Daß der Gott, der hier bie menſchlichen Stände gründet, ein Schwertgott
war, bezeugt däs Lieb felbft, indem e3 ihn mit anderm Namen Heimdall
nennt. Bon Cor, wie die angeljähfiihe Rune S. 293 lautete, möchten
dann zumäcft die Corle benannt fein, weil nur fie das Schwert zu führen
berechtigt waren. Wenn aber auch Jrmin auf ‚Hery meift, weil die Irmin⸗
fäule bei ber Heresburg errichtet war, und weil Wibulind nad $. 86
bei Gelegenheit jener andern Irminſal, welche die Sachſen nad dem
Gieg über die Thüringer errichteten, von Irmin auf Mars geräth, fo kann
doch Jrmin ein allgemeiner Name fein, der eben den allgemeinen Gott
bezeichnen wollte, wie dad Bräfir irmin- die Begriffe zu fleigern, bis zum
Alumfaßenden zu erweitern dient. Unter dieſem allgemeinen Gotte kann
man ſich Allvater, aber auch einen gemeinfhaftlihen Gott verbundener
Stämme denlen, wie auch Armins Name vielleiht nicht anders bejagen
wollte ald ven gemeinſchaftlichen Feldherrn ver cherusliſchen Volter. Selbft +
den allgemeinen Namen der Germanen für die deutſchen Wölter Ieite ich
von Jrmin, der agf. Eormen-, altn. Jörmun- hieß; von da bis zu germanus
war nur ein Schritt und in geormenvyrt geormenleäf Myth. 326 finden
wir ihm wirllich gethan. Grammatik 3. Aufl. ©. 11 neigte Grimm ſtark
dazu, den Namen der Germanen von Irmin abzuleiten. ber nur durch
Vorſetzen ber untrennbaren Partilel ge-, welde zufammenfaßenbe Kraft bat,
tonnte in Deutfhland aus erman german werben und auf die Frage:
was feid ihr für Leute? die Antwort erfolgen: wir find Germanen, d. h.
wir find alle zufammen von Irmins oder feines Großvaterd Tuistos Ge
ſchlecht. Nicht bloß die herminoniſchen Baiern leitete man im M. A. aus
Armenien’ ab, aud aus Normandie ward Ormanie gemadt und wenn für
308 Irmin, Germanen. Aryama. 8. 89.
die Römer der allgemeine auf alle deutſche Voͤller fi erſtredende Sinn
in Germani lag, fo wird und derſelbe Sinn von universalis ſchen aus⸗
drüdlich für Irmin bezeugt, vgl. ©. 288. Diefer Sinn lag urſprünglich
in dem Namen und wie Mannhardt Götterwelt 267 in Aryama den
gemeinfamen Nationalgott aller Arier vermuthet, fo fehe ich den Altwater
aller Germanen in Jrmin, weshalb ich die Stammtafel, welche Tacitus
©. 2 nach deutſchen Liedern giebt, wie nachſteht ergänzen mörhte:
Zuifto
Mannus
|
Irmino I
— nn
Inguio Irmino II Iſtio
Mochte daher auch bei jenen Irminſaͤulen, die dem allgemeinen Gotte gal ⸗
ten, an den Giegd: und NKriegegott gedacht werben, weil es ſich eben um
den Gieg im Kriege handelte, und jene ältere Srminfäule eine Giegafäule
war, weshalb wohl auch Widukind bei ihr an Mars dachte, oder mochte
man, wie $. 86 gezeigt ift, fein Bild mit Thoͤrs Keule bewaffnen, Irmin
ſelbſt ſollte, wie es ſcheint, als gemeinfchaftliher Gott verbünbeter Wölter
mehrere Gulte vereinigen und durfte baher von jedem ber verbundenen
Völker auf feinen befondern Gott gedeutet werben. Wielleiht waren auch
die Herminonen und Hermunburen zum Dienft eined gemeinfamen
Gottes verbundene Stämme, die von dem allgemeinen Gotte den Namen
führten. Daß diefer Gott Odin geweſen fei, bafür ſpricht jener Jrmines
wagen nicht, denn öfter wird Ihör fahrend gedacht ala Odin. Was über Ir⸗
min, Hirmin noch im Wolfe Iebt, ift Myth. 329 und Woefte Vollsüberl. 43
azufammengeftellt, wozu nod das den Thoͤrsmythus enthaltende Märchen
vom ftarten Hermel $. 86 kommt. Neben den Sprud: ‚he ment, use
Herre got heet Herm un saete oppem appelbäume‘ ftellt Kuhn no
einen zweiten: Dat is üter aulen tit, as de düwel nön lütk fentken
was un Hemmanken (Hermänden) hedde. Dem vergleicht ſich ber nie⸗
derrheinifhe: du wellst mich wis mäche’ Gott hösch Gerret (Gerharb),
wovon Grimm Gebrauch machen könnte, denn Gerhard mag den mit dem
Sper (Gungnir) bewaffneten Gott meinen. Gleihe Bedeutung bat der
Name Gerwalt, der fi) im Herzog Gerold verfüngt, der den Schwaben
das Recht erwarb, dem deutſchen Heere vorzufechten,
Bir fanden Irmin zuerft in dem göttlihen Stammhelden Irmino,
8%. Irmin. 3. Hirmon. KHermanfein. 809
$.74 dann in jenem nach ihm benannten himmliſchen Irmineswagen, dem
eine irdiſche Irminſtraße entſprach, hierauf in Arminius und drei verfdier
denen $. 86 befprochenen Jrminfäulen. Neben ver älteften fanden aud Ir⸗
minfrid mit ring, die hernad von Ermenrich oder feinem Neffen Dietrich
angezogen in deſſen Kreiß traten. Aber der Gott ift ald St. Hirmon auch
zum Heiligen geworben und zwar feiner alten Vorliebe getreu, zum Gäu
Ienbeiligen. Bei Biſchofmais fteht fein Bild auf einem Erlenſtod im Walde.
Bergebend brachte man es mehrmals in eine Kirche; andern Morgens ſtand
es wieder auf dem Erlitod. Da ließ man es endlich fiehen und mölbte
nur eine hölzerne Kapelle über ven Stamm. Schon urfprünglid) war ed aus
einem Holgblod gefägt worden, den man feiner Schwere wegen nicht
fortjchaffen konnte. Das ift nur die alte Vorliebe für den Wald, melden
die Götter mit ihrem Volle theilten. Daß dieß gerade in Baiern geſchah,
wo auch der Dienft des Heru (Fring) durch den Namen des Wochen:
tages bezeugt ift, zeigt und noch einmal biejelben Götter verbunden. Bel.
Panzer I, Rr. 33, II, 402. So hat auch der Ehren breitenftein einft Her«
manftein geheißen. Zür Jring findet ih Jumaring und Curing, weldes
von Goring nicht zu ferne fteht.
Die Götter der Trilogie $. 57 haben wir betrachtet; nur Freyt
Gricco) ift übergangen, weil wir ihn mit den übrigen Wanen zufams
menftellen wollen, Bielleiht hätte man ihn unter den Schwertgöttern er: '
wartet, bei welden wir ihm fo eben verſuchsweiſe eine Stelle einräumten ;
aber nicht bloß hat Freyr fein Schwert hinweggegeben, er führte es auch
nur als Sonnengott. Hier folgen alfo zunächft
Die übrigen Afen.
9. Wali (Ali Bat) und Steaf.
" Der Mythus von Baldur (hochd. Paltar) if $. 34 im Bufammen-
bang mit den Geihiden der Welt erflärt und 6. 90 auch gefagt worden,
was feine urfprüngliche natürlihe Bedeutung war. Baldur erſchien uns
als die lichte Hälfte des Jahrs: fein blinder Bruder Höbhr (ahd. Hadu)
als die finftere, mit der Nebenbeftimmung, daß die Zeit bed wachſenden
Lichts für die fommerliche, die des abnehmenden für die winterliche Jared:
hälfte gilt. Baldurs Tod trat darnach ſchon zur Sommerfonnenwende ein,
wo die Tage am längften find, nun aber wieber fürzen, ber Gieg des
810 Wali. Rinde. 8. 0.
blinden Hodhr ſich entſcheidet. Aber dieſer Sieg iſt kein bleibender: auch
der Herſchaft Hoͤdhrs iſt mit der nächften Winterſonnenwende ein Biel geſtedt,
wo Baldurs Tod an Höbhr Wali (Welo) räct, in welchem Baldur im
nachſten Frühjahr wiebergeboren wird, Daß er nicht als Baldur wieder⸗
tehrt, fondern unter dem Namen feines Halbbruders Wali, bient theils
den Sinn des Mythus, der fonft zu nakt zu Tage läge, zu verfieden, theils
mag es mit der eigenthümlichen Ausbildung zufammenhangen, die er im
norbifhen Glauben empfieng, wo der Kreiflauf des gewöhnlichen Sonnen:
jahrs dem großen Weltenjahr wid, und Baldur, einmal zu Gel gegangen,
erft in ber erneuten Welt zurüdtehren ſollte. Unter den Göttern der ers
neuten Welt finden wir dann auch Wali; ohne Zweifel begog er fi aber
urfprünglih auf das Sonnenjahr. Mit diefer Deutung fiimmt Alles
was wir von Wali wißen. D. 30 faßt ſich Kurz über ihn: ‚Ali ober
Bali heißt einer der Aſen, Odins Sohn und der Rindr. Gr ift tühn im
der Schlacht und ein guter Schüge’ Slaldſt. 13 nennt ihn Friggs Stief⸗
fohn, den Odin mit der Minda gezeugt, wie das auch D. 36 und Weg ⸗
tamstw. 16 weiß. Ueber Rinda giebt und Saro Aufſchluß (TIL, Müller
126). Nach dem Fall der Balderus ($. 35) wirb dem Othin von bem
Finnen Rostioph (Roföbieb) geweißagt, er werde mit Rinda, der Tochter
des Nuthenerlönigs, einen andern Sohn zeugen: der fei den Tod feines
Bruders zu rächen beftimmt. Die Finnen gelten in Norwegen für Zau⸗
berer und meißagelunbig: darum tritt hier ein Finne an die Gtelle der
Wegtamskwidha von Odin ermedten Wala. Diefem Könige naht mun
der Gott in der Geftalt, die wir als Odins irdiſche Erſcheinung ſchon
tennen, mit tiefperabgebrüdten Hute: er tritt als Feloherr in feinen Dienft,
gewinnt feine Gunfl, indem er das Heer feiner Feinde in die Flucht fchlägt,
und hält dann um feine Tochter an. Der König nimmt die Werbung
wohl auf; von der fpröben Jungfrau empfängt er aber ftatt des verlang ⸗
ten Kuſſes eine Ohrfeige. Darnach nimmt er die Geftalt eines Gold⸗
ſchmiedes an, fertigt ſehr fhöne Arbeit und bietet der Schönen Spangen
und Ringe; aber auc jept entgeht er der Maulſchelle nicht, Noch zum
drittenmal, da er ihr als junger in der Reitkunſt auögezeichneter Krieger
naht, wird er fo heftig von ihr zurüdgeftoßen, daß er zu Boben ftürzenb
die Erde mit dem Knie berührt. Zur Strafe trifft er fie mit dem Baw
berftab und beraubt fie ded Berftandes. Seinen Borfag aber giebt er
nicht auf, er nimmt jeht zur Lift feine Zufludt: der unermüdliche Wanderer
legt Frauengewand an und giebt fid für heillundig auß. Unter dem Rar
8.90. Well. Bons. Olexus. 8
men Wecha in das Gefolge der jungen Königin aufgenommen, wäſcht er
ihr Abends die Füße. NIS ihre Krankheit zunimmt, erbietet ſich Wecha
fie zu beilen, erklaͤrt aber gleich, es bebürfe fo bitterer Arznei, daß die
Kranke fie nur nehmen werde, wenn man fie binde. Als das geſchieht,
bat fie Dihin in feiner Gewalt und zeugt mit ihr Bous, den zum Räder
Balburs beftimmten Sohn. Die Götter aber, die bei Sao in Byzanz woh ⸗
nen, finden dieje Handlung des Gottes unmürbig und verftoßen ihn aus
ihrer Mitte: den Ollerus (Uller) befleiven fie mit feiner Macht und feinem
Romen. Doch weiß fih Othin unter den Göttern wieder Anhänger zu
verfhaffen und es endlich dahin zu bringen, daß Oller von Byzanz flüchten
muß; in Schweden, wo er feine Herichaft aufs Neue zu gründen verfucht,
wirb er von Dänen erſchlagen.
Rur wenig hat Saros hiftorifierender Bericht den Mythus entftellt,
deflen Erhaltung ihm allein verdankt wird. Angedeutet ift er in ber Edda
außer darin, daß Wali der Sohn ber Rinda heißt, auch Staldſt. o. 2 in
Kormal3 Worten: seidh Yggr til Rindar: Yggus amores Rindse in-
esutamentis sibi conciliavit. Auch Rostioft erfheint Hyndlul. 31. Rinda
ift die winterlihe Erde, wie Uller der winterlihe Odin. Rinda heißt wört-
lid) crusta: die Rinde des Brot? wie des Baums bezeichnet noch das
Bort, das bier die hartgefrorne Erde meint. Darum fcheint fie Saro
zur Tochter eines ruſſiſchen Königs zu maden, während fie nad) Hyndl. 31
im Weſten wohnt, wenn bamit nicht angeveutet fein jol, daß fie vom
Weſtwind angeweht, aufthaue. Durch den Tod Baldurs, des Lichtgottes,
war die Erde der Gewalt des Winter? anheimgefallen. Lange bemübt fih
Dipin vergebens, fie zur Grwieberung feiner Zaͤrtlichteit zu bewegen, Er
bietet ihr Aleinove, den goldenen Schmud des Sommers; er mahnt fie
durd feine Reiterkünfte an kriegeriſche That, die herrlichſte Uebung der
fhönen Jahreszeit. Peterſen 198. Umfonft, ihr ftörrifher Sinn ift nicht
zu beugen: er muß feine ganze Zauberfunft aufbieten und zulegt ſelbſt zur
Liſt greifen bis es ihm gelingt, ihren harten Ginn zu ſchmelzen. So ift
Ninda der Gerda gleihbedeutend und unjere Ausführung S. 203, daß
es uriprünglid Odin war, an defien Stelle erft Freyt, dann Skirnir trat,
bewährt fi von Neuem. Der Zauberftab, womit Othin die Rinda berührt,
it der Gambantein, mit dem Skirnir ver Gerda zufegt. Wir haben
ihn anderwaͤris auf ben Blit gedeutet, ber, wenn er nicht töbtet, doch ber
täubt und des Verſtandes beraubt. Gerda ergiebt fih auf die bloße
Drohung, den Thurs (Th) einzuſchneiden; Rinda wird mit dem Gtabe
312 Well. AU. Balcatin, 8. 9.
wirflich getroffen und verfällt ber dort angebrohten Krankheit, die dem
Gott Gelegenheit bietet, fie als Arzt in feine Gemalt zu bringen. Diefer
uUnterſchied verſchwindet gegen bie Uebereinftimmung der Hauptzüge. Rin
das Sträuben wie Gerdas wird durch bie Macht des Gottes überwunden.
Aber nah Walis Zeugung, den Earo Bous nennt, tritt der volle Winter
erft ein: ‚Wenn die Tage längen, beginnen fie aud zu ftrengen.’ So wird
Dpin aus dem Himmel verwiefen und der winterlihe Uller, nur eine ans
dere Seite Odins, herſcht an feiner Stelle. Aber bald ehrt er felbit im
feiner Herrlichkeit zurüd; der kalte Oller flüchtet nad Schweden, in den
Norden, wo er feine Herichaft noch eine kurze Zeit friften kann. Da ger
biert Rinda den Sohn, der Baldurs Tod an dem dunteln Hödr rächend,
den neuen lichten Frühling heraufführt. Das ift der Sinn des Mythus,
der auch in der klaſſiſchen Mythologie fein Gleichniſs findet, Wie Walt
einnäctig den Hodhr fällt, fo “erlegt Phoebus, drei Tage alt, dem
Drachen. Zur Sühne des Mords lebt er dann unter Hirten, was der
Verſtoßung Othins aus Byzanz entfpriht. Das erfte heilträftige Lied,
das in Grögaldr die aus dem Grab erwedte Mutter dem Sohne fingt,
ift Str. 6 dasſelbe, das einft Rinda der Ran fang:
Hinter die Schultern wirft mas bu beſchwerlich wähnft.
Beterfen 199 deutet das auf bie winterliche Erde, bie fi erft felbft vom
Eife „befreit und dann Ran, bie Meergöttin, ermahnt, ihrem Beifpiel zu
folgen. Es braudt kaum wieder erinnert zu werben, wie ber wrfprünglich
auf den Wechſel der Jahreszeiten bezüglihe Mythus gleih den andern,
mit welden er zufammenhängt, in die Weltgefchide verflochten warb, und
Bali, der neue Frühling, nun neben Widar, der ein Rächer ift wie er,
unter den Göttern der erneuten Welt erjcheint.
Bali heißt D. 30 aud Ali, bei Saro Bous = altn. Büi, ahd. Pavo.
Jenec erfte Name befriebigte nicht ganz: wenn er gleid eine Nieberlage
zu rächen hat $. 36, fo fieht man doch nicht, warum er nicht Fieber
nad dem neuen Siege des Licht genannt if. Der ganze, nah Finm
Magnuſens Auslegung der Sonnenhäufer in Grimnismal feiner Herſchaft
übertviefene Monat (19. Januar bis 18. Februar) hieß in Jsland Li6ßr
beri (Zueifer); anderwaͤrts Sölmanot, Sonnenmonat. Vgl. jedoch EDS.
108 und Bouterwed 1. o. XCIII. In diefer Zeit fallt Lichtmeſs und
der Valentindtag (14. Febr.), an den fih in England, dem nörbliden
Frankreich und den Niederlanden mancherlei Gebräude tnüpfen, bie Er⸗
mägung verdienen. Wolf Beitr. I, 145. Nach dem engliſchen Rolls
4.9. Walt, Shcaf. 318
glauben paarten fih an biefem Tage die Vögel, und Fünglinge und Jungs
frauen feierten ein Feſt, bei welchem fie fih durch das Loop ihr Liebchen
(Zalentin oder Valentine) wählten. Daher fingt Ophelia:
Guten Morgen, 's ift St. Valentinstag,
So früh vor Sonnenfdein;
Ich junge Maid am Fenſierſchlag
Bill euer Balentin fein.
Bali wird al treffliher Schüge geſchildert. Erſchoß er den Höbhr, eh’
er ihn zum Holzftoß trug? Das ift ſchon darum anzunehmen, weil auch
Baldur erfhoßen worden war, Als Gott des wiederlehrenden Lichts ges
bahrt ihm als Waffe der Pfeil, da Stralen (des Lichts oder der Sonne)
wörtlich Pfeile bedeuten. Nach Finn Magn. (Lex Myth. 798) 'wäre Bali
in Norwegen durch ben Apoftel Paulus erjegt worden, deſſen Belehrung
am 25. Jan. von der Kirche gefeiert wird. In Deutichland wird ber
Apoftel aber nie als Bogenſchute dargeftellt wie Wali geſchildert wird.
Der andere Name Ali (von at ala, goth. aljan), hochd. Alo, zeigt
uns ben ernährenden ſegenſpendenden Frühlingsgott, und fo dürfte au
in dem Namen Bali ein ähnlicher Begriff liegen. Wirklich bringt ihn
Müllenhoff (Nordalb. Studien 14) mit altf. welo, agf. vela, alth. wolo,
unferm wohl zufammen, und erkennt in Welo einen altſächſ. Gott des
Gluͤds und Wohlftands. Vgl. Myth. 1226. Der dritte Name Bi könnte
auf daß wieder bauli werdende Land im Gegenfag zu Rinda, der hart:
gefrornen Grbe zielen. Das ftimmt zu den Umgzügen mit dem Pfluge zu
Faſtnacht, die in die Mitte Februar zu fallen pflegten. Mäbchen pflegte
man in den Bflug zu fpannen, wenn fie fich nit von biefer Strafe der
Shelofigkeit frei kauften. Myth. 1214 wird ein Zuſammenhang mit
Beowulf vermuthet, deſſen erfte Kämpfe in den Frühling zu denken find.
Aber Beowulf ift Thoͤr. Vgl. Zeitſchr. VIT, ALL. 419 ff. Weitere Spuren
als Wali hat der ihm identifhe Steaf zurüdgelaßen.
Balbur, fahen wir, warb verbrannt, Freyt wird begraben $. 101,
und fo unterſcheiden fi Brennalter und Hügelalter. Aber bei den beir
den Beftattungsmweifen kommt ein Schiff vor: Baldurs Leihenbrand warb
auf dem Schiff ins Meer hinaus geftoßen, und im Norden wurden Leir
den aud im Schiff begraben (Mytb. 790); auf Grabftätten bildeten
Steinfegungen den Umriß eines Schiffes, und die Tobtenbäume de ala-
manniſchen Landes waren zu Eärgen gehöhlte Stämme, wie fie zugleich
als Schiffe gedient haben, Zeitfehr. IX, 575. Aber das Schiff kommt auch
814 Walt. Sueaſ. Alnfes, 2. Metern. 0.
allein vor, ohne Leichenbrand und Begräbnis, und dieſe Beftattungsart
iſt vielleicht die ältefte: man legte den Tobten in ein Schiff und überlieh
es Wellen und Winden, denn jenſeits ber meltumgürtenden See, des
Wendelmeers, lag dad Todtenland Utgard, das außerweltliche Gebiet, das
man wohl aud, für unfere Norbjeebewohner bezeichnend, Britannien
nannte. So ward St. Matern, ald er zum zweitenmal geftorben mar,
in ein fteuerlofes Schiff gelegt, das ihn rheinaufmärts nad) Robenfirhen
brachte, wo feine Bebeine ruhen. Dasſelbe begab fih nach Panzer I, 292
mit dem Leibe St. Emmerans, den ein Schiff ohne menfchlihe Hülfe aus
der ar in die Donau und dann ſtromaufwaͤrts gegen Regensburg trug.
Bol. Liebrecht Gervaſius 151. So mird Sinfiötli von feinem Rater
Sigmund auf ein Schiff getragen, das ein Unbelannter ald Fahrmanu
binwegzuführen ſcheint, wohl Odin, der Stammvater feines Geſchlechts.
Dgl. KHM.U,90, p. 41. An diefe Beſtattungsweiſe müpft fi der
Mythus von Skioͤld und Skeaf, den ſchon Tacitus nad dem, mas er
Germ.Cap. 3 von Ulyfies berichtet, vernommen zu haben fcheint ; in feiner
legten Berjüngung ift er zur Sage vom Schwanenritter geworben. Das
Wefentlihe dieſer Ueberlieferung, die als angelſächſiſche, daͤniſche und
langobardifhe Gtammfage auftritt, und vielfache Umbildungen erfahren
bat, ift Folgendes: Gin neugeborener, nah dem Beowulf ungeborener
Knabe mit Schägen und Waffen umgeben, landet im fleuerlofen Schiff
auf einer Garbe ſchlafend. Die Bewohner des Landes nehmen ihn al
ein Wunder auf, nennen ihn nad der Garbe (Skeaf, hochd. Skoup, ma-
nipulus frumenti), erziehen ihn und mählen ihn endlih zum König.
Auf demfelben Schiff und in gleiher Ausftattung wirb er nad feinem
Tode, eigener Anordnung gemäß, den Wellen wieder überlaßen; bie jüns
gere Sage läßt ihn lebend, in berfelben Weiſe wie er gelommen war,
in dem Kahn, von Schwänen gezogen, hinwegſcheiden; nach feiner Heimat
durfte nicht gefragt werben, und dieß Gebot hatte feine Gemahlin über
treten. Da der Knabe nach der Garbe, morauf er fhläft, benannt ift,
fo gehört wohl bie nieberrheinifche Sitte bieher, den Todten auf ein
Schaub Stroh zu legen: auf dem ‚Schoof‘ (Schaub) Tiegen, heißt fo viel
als Hirzlid, verftorben fein. Schaub und Schiff fagen alfo, daß ber Anabe
aus dem Tobtenlande fam und dahin zurüdfehrte: darum eben war bie
Frage nad) feiner Heimat verboten. Nach deutſchen Kinderliedern und
mancherlei Spuren im Vollöglauben lommen bie Kinder zu Schiffe an;
aud zu Kofen am Nedar gilt nach mundlicher Erkundigung biefer Glaube.
5%. Walt, Zheaf. Kohengrin. 815
Die Vorftellung, daß die Menſchen bei der Geburt aus der Gemeinſchaft
der die Unterwelt bewohnenden Elben heraustreten und beim Tode in fie
‚zurüdtehren, wurzelt tief in unferm Heidenthum, fagt Sommer 170 ; vgl.
Kuhn WS. 240, Rochholz I, 245.
Nah dem Schiffe (Ast, vie gehöhlte Eſche) ſcheint Asciburg, die
Schiffftadt (Noatun) benannt ; audy bei Speier, der Tobtenftabt unferer
Kaiſer, die vielleicht für die Zodtenftadt überhaupt galt (Rheinl. 66), da
wohl fon ihr Name mit spirare zufammenhängt, findet fih eine Schifr
Terftadt, nicht etwa am Aheinufer, fondern tief im Sande, was freilich
einen natürlichen Grund haben Tann in der Veränderung bes Rheinbettes.
Hatte Tacitus die Sage von Steaf vernommen, fo war er wohl befugt,
fie auf die nahverwandte von Ulyſſes zu deuten, denn auch Gr landet
hlofend und erlennt die Heimat nicht ; es mar das Land der Tobten,
auß dem er kam. Kalypſo ift wörtlich die nordiſche Hel, die verborgene
Göttin, die perfonificierte Unterwelt. Für den Schwanenritter wird und
$. 103 der Name Heljas begegnen; DES. 539 heißt er Gerhard, und
diefer auf Odins Sper veutende Name kann nad S. 309 ein Beiname
Drind als Todtengott fein. "
Eine Spur ift im Wartburgfrieg und dem barauf gegründeten
Lohengrin erhalten, wo der Schwanenritter von Artus ausgeſandt
wird, der aber längft von biefer Welt geſchieden im Berge wohnt mit
Juno und ‚Felicia Sibillen Kind.‘ Im Parzival ift es bes
Tanntlih der Gral, von dem ‚Loherangrin‘ auögefendet wird; aber deſſen
Königreich iſt fo verborgen wie Held Todtenreih, und Niemand mag e#
ohne Gnade finden. Wenn nun Freyr mit Skeaf zufammenfiele, wie
Nülenpoff Ztfär-VII, 409 wollte, obgleich er als Stiölo ſich aud mit
Uler ($. 91) berührt, der nur der winterlihe Odin ift, fo fähen wir
bier Freys Bezug auf Hel, die Todesgöttin, hervortreten. Ich glaube
aber in den Grläuterungen zum Beowulf dargethan zu haben, daß Skeaf
Bali if. Kaum geboren, nur eine Nacht alt, fehreitet Wali zum heiligen
Berl der Rade. So wird von Skeaf gejagt, daß er umborwesende,
noch ungeboren dem Lande zufährt, wo er recens natus ben Kampf ger
gen einen ruhmreichen Helden beftehen follte. Ungeboren heißt cr micht
ohne Grund, fo lange er das Land feiner Beſtimmung noch nicht erreicht
hat. Das Kind, das der Storch ‘bringt, ift noch ungeboren, fo Tange es
der Storch im Schnabel hält: erft wenn er es der Mutter in den Schooß
legt, tommt e8 zur Geburt. Nach Arndts Zeugnifs vertritt in Rügen
316 Walt. Ikenf. Icwancnritter. - 8.
der Schwan die Stelle des Storchs: man fagt, daß Er bie Kinder bringe.
Von dem Schwan weiß die Sage von Gfeäf nod nichts; aber das fleuer:
loſe Schiff, da8 Winden und Wellen übergeben ift, läßt feinen Zmeifel,
woher er kam und wohin er fuhr. Deutlicher wieder verrieth es die Sage
vom Schwanenritter, indem fie die Frage nad feiner Herkunft verbot.
Erſt hier kam der Schwan hinzu; aber noch immer fpielt die Gage, wie
die von Ulyſſes bei Tacitus, am Nieverrhein, mern fie ſich gleich jeht
ſchon an ven Ahein- und Schelvemündungen bis Balenciennes ausgebreitet
hatte. Nur der Schwan verräth jept nod den ungebornen goͤttlichen
Helden; die Sage jelbft verfteht ſich nicht mehr, indem fie den Schwan
einen erwachfenen Ritter herbeiführen läßt. Dagegen gedenkt fie noch des
Kampfes, zu dem ber Nitter entſendet ift; die Skeafſage mufte davon
ſchweigen, denn daß ein neugeborner Knabe einen Zweilampf beftehe, iR
in der Helvenfage wie in der Gedichte geradezu unmöglich. Im Bes
wulf ift aber Skeaf ſchon im die Helvenfage gezogen ; als Wali war er
noch eines Gottes Sohn und in der Götterfage ift der Kampf eines neu⸗
gebornen Knaben weder unerhört noch finnlos: einnächtig fällte Bali
den Hödbr. Wir wären nun zu hören begierig, obgleich die Gage dei
Kampfes geſchweigen muß, gegen Wen eigentlih der ungeborene Gtesf
ausgefandt war. Die Stammtafeln nennen Heremöd. unmittelbar vor
Stesf, was dießmal nicht heißen, kann, daß fie Vater und Sohn feien:
Skeaf wird damit nur als Heremods Nachfolger im Reiche bezeidhnet.
Im Beowulf ift das Gemüth dieſes KHeremod, der eher dem Hermoͤdt bed
Hyndluliedes als dem der j. Edda entſpricht, werfinftert: er war im Alter
unmilde unb bfutgierig geworben. Dieß macht ihn nicht ungeeignet für
‚einen epiſchen Nachklang des göttlichen Weſens zu gelten, in welchem einſt
die dunkle Geite des Jahrs angeſchaut worden war. DiepWefen bieh
in der Edda Hödur; bei den Angelſachſen fheint e8 Heremöd geheißen
zu haben. Diefer Heremöb entfpriht dem Hermöbr der Edda nicht, er
iſt ein dritter Bruder Valdurs.
Tacitus batte nur von zwei Brüdern gehört, die er Alci nennt
und auf Eaftor und Pollur deutet. Die j. Edda zerlegt ihr Weſen in
viere; Baldur, Hödur, Wali, Hermöbr, Die Angelfachfen die nur von drei
Brüdern wuſten, nannten Wali Steaf und ven Höbhr Heremöd.
Der Beweis für die Identitaͤt Walis und Skeafs liegt in dem Bei:
namen, den beide führen: Wali heißt bei Saro Bons, altn. Büi; Sieh
aber wird, da in den agf. Stammtafeln nur Prädicate eines und des ⸗
8. 90. Wali. Iheof. Wärit. Macduf, 317
felben Gottes enthalten find, aud) Beaw genannt, was wie Bi auf die
wieder baulich gewordene Erde geht, im Gegenfag zu Rinda, der winter:
lich gefrornen Erbe. Skeaf heißt der noch ungeborene Wali, weil er vor
der Geburt wie einft nad dem Tode auf dem Schaube (manipulus fru-
menti) liegend gedacht wurde. Das Schiff, das ihn aus der Unterwelt und
wieder dahin zurüd bringt, hat auf feinen Namen feinen Bezug. Bol.
M. Beowulf S. 175 fi. Seinem feinblihen Bruder Hödr entſpricht in
der Echwanenritterfage bald der Sachſenherzog (DE. 538), bald der Graf
von Frankenberg (DS. 534), bald Friedrich von Telramund (DE. 536).
Der Name Helias, den der Schwanenritter im flämifhen Vollsbuche führt,
beantwortet ſchon die verbotene Frage. Da wir Wali mit Skeaf und dem
Schwanenritter, alfo aud mit dem Ulyfies des Tacitus zufammengebracht
haben, fo müfte e3 vermunbern, wenn er nicht auch in die eigentliche
deutſche Helvenfage eingedrungen wäre. Hier fehen wir ihn aber in
Wald, von dem die Wölfungen den Namen haben, wiebererftanden.
Sein Bater Warir (Lenger), wie ihn die Vorrede der jüngern Edda ftatt
Nerir nennt, it, wie in Stammtafeln berlömmlih, nur ein Prädicat
des Gottes, der den Frühling (Vär) bringt, Die Rimur fr& Wölsungi
bin öborns wißen noch nichts davon, Wärird Gemahlin fei von dem
Genuß eined Apfels, den ihr Odin duch fein Wunſchmädchen fandte,
fo ſehr ſchwanger geworden, daß ihr das Kind ausgejhnitten werben
mußte. Das wurde wohl nur erfunden, um den dem umborwesende
entſprechenden Beinamen öborni zu erflären. Bon keinem Weibe geboren
zu fein, war feitdem ein Ruhm umüberwindliher Helven, ver fi bei
jenem Hoyer von Mansfeld wie bei dem ungebornen Burlard, Machuff
und Andern wieberfindet. Dahin gehören au Rog dai in Wladimirs Tafel
runde, Leipzig 1819, und Rufthem, der Held Irans; vgl. Görres Schach
Nameh I, 110. Jene Beinamen Ungeboren und Reugeboren verrathen
die Einheit Steafs, Walis und Wölfungs oder Wals. Da Skeaf auch Schild
(Stiöto) Heißt und Stiöldunge das Konigsgeſchlecht der Dänen, weil fih
in Schonen die Steafjage localifiert hatte, wie.fie nach der Meldung des
Tacitus von Ulyſſes auh am Niederrhein (Asciburg, Cleve) daheim
war, fo begreift fih, daß die Weljungen bald im Franlenland, bald im
Dänemark berichten. Dem Niederrhein wird aber nad dem Zeugniſs
des Tacitus die Priorität nicht zu beftreiten fein. M. Rieger Germ. II,
163 ff. hat aud ſchon bemerft, daß Salvius Brabon, der Schwanenritter,
Gr. D. S. 286, wie Ulyſſes aus Troja kam, Troje aber bei Hagen von
818 Walt. Iheaf. Alyſes. Elfentroje. 8. 91.
Troje wie im Wolfvietrih Elfentroje oder die alte Troje die Un
terwelt bedeutet; fo daß fi bier über den Urfprung der Sage von ber
trojanifhen Abkunft der Franken neues Licht verbreitet. Selbft der Name
Loherangein, wenn er nicht auf Lothringen geht, was ven Niederrhein
mit begreift, Tann quf bie Unterwelt zielen, da wir eine deutſche Gluthe
bölle neben der Waßerhölle nachgewieſen haben.
In den Schwan, der in Rügen bie Kinder aus dem Seelenlande
bringt, pflegen in den Märchen von den dankbaren Todten Ber
ſtorbene fi zu wandeln. Bei diefem Bezuge zum Todtenreich, den aud die
Redensart ‚e3 ſchwant mir’ verräth, darf er fomohl dem Schiff, das die
noch ungebornen Kinder der Erbe zuführt, als dem andern, das Todie
dem Seelenlande zurüdträgt, die Wege weiſen.
91. Uller (Buldor, Wol).
Wie Dller nad) Saro von den Göttern an Odins Stelle geſedt,
dann aber wieder auögetrieben und in Schweden erſchlagen wird, ift fo
eben berichtet; auch haben wir ihn ſchon ©. 311 als die winterliche Seite
Odins gefaßt. Im Sommer ift Opin ganz Gr felbft, ber herrliche Him⸗
melögott, ver als Gott des Geiftes befonders in Krieg und Schlacht
waltet. Im Norden aber taugt der Winter zum Kriegen nicht, er ift zu
hart, um Heere gegen einander zu führen; veito beßer ift dieſe Zeit, wo
ſich die Fährte des Wildes dem Schnee eindrüdt, zur Jagd geeignet. Odin
bat nun fein heiteres Antlig gewandelt: in Xhierfelle gehült, mit dem
Bogen bewaffnet, Schrittſchuhe unter den Füßen, fährt er über Eis und
Schneeberge dahin. Der Gegenfag von Sommer und Winter ift auch
darin angedeutet, daß Baldur Wegtamskw. 4 Ullerd Freund heißt. Bal:
dur ift bier der ſommerliche Gott, Uller der winterlihe: fie find Freunde,
weil aus ihnen das Jahr befteht, das im Norden nur Sommer und
Winter hat. Doch wird ſich fogleih noch eine anbere Erklärung bar
bieten. Als Wintergott ift Ufer der Sohn der Gif, der Erbgöttin, aber
Thors Stieffohn, weil er vor ihrer Vermählung mit Thör, im Winter,
wo die Gewitter ſchweigen, erzeugt ift, D.31. Sein Vater wird nicht
genannt; es beburfte aud darüber keiner Meldung, wenn er felbft, wie
fi aus Saro fliegen läßt, der winterlihe Odin ift. Ausdrüdlich läßt
Saro den Ollerus von den Göttern mit Odins Namen nennen, und jo
fallt er mit jenem Mitothin gufammen, der fon früher einmal (Müller
8. 91. auer (Wol). 819
I, 42) ven Odin vertrieben und feine Stelle eingenommen hat. Da aber
uller als ein felbftändiges, von Odin verſchiedenes Weſen gefaßt wird,
das im Winter feine Stelle vertrat, fo war das naͤchſte, daß man ihn
überhaupt als Odins Stellvertreter im Himmel behanvelte, fo oft er
felber nicht anweſend war. An Saros Bericht erinnert darım Grimn, 4,
wo Odin von Geirrödh zwiſchen zwei Feuer gefegt, ausruft:
ullers Huld Hat und aller Götter
Wer zuerft die Lohe Töfcht.
Denn bier ſehen wir ihn, während Odin auf Erben, ja in der Unterwelt
weilt, an der Spige der Götter. Die Unterwelt ift auch fonft dem Winter,
dem Tod der Natur gleichgeftellt. Geirrödh mag indes urfprünglic ders
felbe Geirrödh fein, den wir 8.84 ala Unterweltsgott kennen lernten:
mithin befindet fih Odin (acht Nächte d. h. acht Monate lang) in der
Unterwelt, während Uller im Himmel für ihn eintritt, Nun aber fagt
Hamconius Frisia p. 77:
Pluto sed et Frisiis cultus quandoque videtur
Atque Holler dietus vulgari nomine, tanquam
Inferni dominus. (Wolf Beitr. 204)
Darnach wird umgelehrt Uller im Sommer in der Unterwelt fein,
wie Odin im Winter; aber nur als feine andere Seite. Das erflärt und
aud feine Freundſchaſt mit Baldur, denn mit ihm traf er in der Unters
welt zufammen, wo Balbur uriprünglic alljährlich in der Zeit des ab⸗
nehmenden Lichtes verkehrte ; gerade in diefe fällt aber die heißeſte Som-
mergluth. Die Namensform Holler erllärt fih aus einem Spiranten ⸗
wechſel: wie aus Woden Hoden, aus Wod Hood (Robin Hood) wird,
8. 77, fo fehen wir aus Wuller Woller (mie fein deutſcher Name ger
lautet haben wird, oder au nur Wull Woll) mit Vertaufhung von
und H Holler hervorgehen. Holler erinnert an Hola, die aud Wulle
bie. Hieraus erklärt ſich vieleicht zugleih das In den Namen Wodans
eindringende | (6.186), denn da Wöban und Wull denfelben Gott bes
zeichneten, nur in verſchiedener Auffaßung, fo war eine Vermiſchung beider
Namen natürlid. Den Bezug jenes niederſächſiſchen Ernterufs: Wöld!
wozu ein bairifhes Oswoͤl! tritt, auf Frau Wulle oder Uller dat ſchon
Grimm (Itſchr. VII, 393) erkannt. Die Ableitung des Namens von den
wolligen Schneefloden des Winter hat nun fein Bedenlen: darum war
er eben der Grntegott, weil reichlichem Winterſchnee die Fülle des Ger
320 ler (We) WON. 8.9.
treides verbankt wird. Aus bemfelben Grunde verbindet dad ABCDarium
Normannorum bie Runen Is ar endi Söl. Doch ſcheint eine andere
Ableitung vorgezogen zu werben, cbwohl dad agſ. Vuldor, das bald für
Gott felbft, bald für göttliche Herrlichkeit gebraucht wird, und dem goth.
vulthus, Glanz, entfpridt, für den Gott des lichtarmen nordifhen Win
ters weniger gemäß ift, es märe denn, daß auch hier wieder an ben
blendenden Glanz des Schnees gedacht würde. Wie aber beide Ramen
Wod und Wol in Wöld zufammenfloßen, fo fehen wir aud den fom-
merlichen und winterlichen Obin fih vermiſchen: nicht nur Wöden, Wode,
Wold, der nad dem Liede Myth. 142 als KHävenhüne aufgefaßt wird,
hat ein Pferd, dem unfere Ermtegebräuhe ein Büſchel Aehren ſtehen
lagen (M. 140), au der untermeltlie Odin, wenn er als Heljäger um:
reitet (Kuhn NS. 310. vgl. ©. 503), und wenn er als männlih ge
dachter Hel ein Scheffel Haber empfängt, fein Pferd damit zu füttern.
Müllenhoff S. 245. Dasfelbe Pferd finden wir bei der weiblichen Hel,
der Gemahlin diefes Unterweltögottes, wieder.
Die Edda kennt aber Uler faft nur nod ala winterliden Himmels:
gott: D. 32 ſchildert ihn als Bogenfhügen und Schrittſchuhlaͤufer; Slald⸗
ſtap. 14 nennt ihn Oendur-⸗As, Boga-As, Weidi-⸗As und Skjaldar⸗As
und in der Dichterfprahe wird der Schild Ullers Schiff genannt. Nach
Saro verftand fih Oller (mie Odin) auf die Zauberkunft, namentlich fol
ex einft einen Knochen fo beſprochen haben, daß er ſich desſelben als eines
Schiffes bediente um über dad Meer zu fegen. Uller erſcheint hier ganz
al? das männliche Gegenbild Skadhis, die D. 23 Dendurdis heißt und
Yngligaf. 9 nad der Scheidung von Njördr dem Odin vermählt ward,
wo wieder Uller gemeint fein kann, der winterlihe Odin; Odins Ber
mählung mit Stadhi bedeutet eben nur den Eintritt des Winter. Als
Jagdgott bedurfte Uller des Bogens, wozu die Eibe, ihres zähen, feiten
Holzes wegen, vorzugsweiſe verwendet ward. Der Eibenbogen heißt altn.
ybogi, und die Yrune hat die Geftalt eines Bogens. Darum leſen wir
Grimnism. 5:
Vbalir (Eibentgäfer) heißt es, wo Uller hat
Den Saal ſich erbaut.
Zur Winterluft gehört aber aud der Eislauf; überhaupt aber find im
nordiſchen Winter Schrittihuhe umentbehrlih. Sie wurden aus Knochen
von Pferden und Nindern verfertigt : ſolche Schrittfhuhe, bald Skidi,
bald Denbrur genannt, fieht man nod jet in Norwegen und Island.
89. Aller. Squid. Mitsthin, 821
Sie find nach der Abbildung, die Stephanius 127 zum Garo giebt, uns
gewöhnlich groß, dabei jo gebogen, daß fie Schilden, ja Heinen Kähnen
gleihen. Freilich nur auf dem Eiſe thun folde Knochen den Dienft eines
Schiffes. Aber vielleicht gieng -Uller auch auf ungefrornem Waßer, eine
Kunſt, die noch jegt im Norden heimiſch fein fol, in ver fi aud bei
und zuweilen Norbländer ſehen laßen, nicht immer freilich mit gleichem
Glad. Aber der Gedanke, mit ſolchen Schrittſchuhen über das Waßer
zu fegen, ift dem Scheittſchuhlaufen über das Eis abgeborgt, und da ſolche
Waßerſchuhe die Geftalt von Schilden haben, heißt der Schild Ullers
Schiff und er jelbft Schildas. Daraus mag es ſich auch erllären, daß
es gut fein ſoll, ihn beim Zweilampf anzurufen, D. 31, wo Alles darauf
anlomımt, fih mit dem Schild zu deden und zu firmen. Unerflärt bliebe
noch, warum nad Atlak. 30 bei Ullers Ring geſchworen wird. R. A.
895. Die Zuverläßigfeit de3 nordiſchen Winters, wie Peterjen 288 will,
genügt dazu nit. Es wird bei ihm geſchworen, weil er der Unterwelts⸗
gott ift; aus demfelben Grunde werden auch bei der Gefion Eide abger
legt. Den Ringeid, den Odin felbft Hawam. 110 fhmwören fol, hat
Woeſte Ziſchr. [.M.1,396 auch in Deutſchland nachgewieſen. Wahrſchein ⸗
lich legte man den Finger in den Ring und fürchtete, er möchte den Finger
Hemmen, wenn man falſch ſchwöre. Darum fagt Sigrun Helgak. Huns
dingsb. II, 130 zu ihrem Bruder Dag:
So jollen did alle ide ſchneiden (bite),
Die du dem Helgi geſchworen haft u. ſ. w.
Auch fonft fehlt es nicht an Anzeichen, daß fein Dienft bei uns zu
Haufe war: ein Frau-Wüllesheim ift bei Düren belannt, Wolsberge liegen
bei Siegburg und ein Woldbergerhof am Fuße des Drachenfelſen; ein
Wolsperg erwähnt Panzer 1,72. II, 182 in Nieberbaiern, und ein Wols⸗
berghe in Brabant Wolf Beitr. 145. Daß ver h. Hubertus ihn erſett
babe, ift nicht unwahrſcheinlich.
Das Saro einmal von Mitothin, ein andermal von Dllerus erzählt
iR derfelbe Mythus, der ſchon Degisbr. 26 in Lolis Beſchuldigung der
Frigg, ald habe fie mit Wili und Me, den Brüdern Odins, gebublt,
und in dem Bericht Snorriß in der Ingligaf. Cap. 3 antlingt, wonach einft
Doin weggereift war und fo lange fortblieb, daß die Aſen glaubten er
lehre nicht wieder. Da machten fih die Brüder auf und theilten fein
Erbe; aber fein Weib Frigg nahmen fie beide gemeinfhaftlih. Aber bald
darauf lehrte Odin heim; da nahm er fein Weib wieder. Faßen wir
Sinrod, Diyiholsgie. 2l
823 Aler. Dietrich. Gensuefa. Stone, 8.9.
als den Kern dieſes vielgeftaltigen Mythus, daß während wer Jahre
hälfte, wo fih Odin in der Unterwelt aufhielt, in Walhall ein Anderer
um fein Gemahl geworben habe, der aber bei feiner Heimlehr genöthigt
wurde, bie Flucht zu ergreifen, fo erfennen wir in ihm die Grunblage jener
Sagen von der Heimtehr, melde $. 66 ausführlich beſprochen wor
den find. Faſt in allen tritt die Zahl von fieben Jahren an vie Stelle
der fieben Wintermonate des Nordens. Auch darin zeigt ſich die Gin
ftimmung, daß bie Reife in den Dften geht, wie bei Odin zu dem Ru
thenertönig. Cine Reihe deutſcher Märchen, die ein andermal aufgezählt
werben mögen, läßt die Frau des Heimgelehrten die Frage an die ſalſchen
Freier richten, was fie thun folle: fie habe einen neuen Schlüßel machen
laßen, nun aber ven alten verlorenen Schlüßel wieder gefunden. Hieraus
entfpringt und die fon von Andern (Müller in den NE. Sagen und
Märchen S. 417) aus andern Gründen aufgeftelte Vermuthung, dab
aud die Dietrichsſage in den Kreiß der unferm Mythus nachhallenden
Heimtehrfagen gehöre; ja wir moͤchten felbft ven Namen Dietrid in
der Bedeutung von Schlüpel aus diefer fo oft wieberlehrenden Frage
herleiten.
Nod eine zweite Reihe deutfcher Sagen außer denen von der Keim:
tehr mwurzelt in unferm Mythus. J. Bader hat fie in feiner Schrift:
‚Die Hiftorie von der Pfalzgräfin Genovefa, Königsberg 1860, erſchoͤpſend
befprogen. Hier wird das Gewicht auf bie Leiden der während ber
fiebenjährigen Abweſenheit des Gemahls unſchuldig verläumdeten und
beitraften Gemahlin gelegt. Außer Genoveſa ſelbſt gehört dahin bie
Heldin eines andern deutſchen Vollsbuchs, die gebulvige Helena, wozu
ala dritte nod die mit Ritter Galmy verwandte Hirlanda tritt.
Genovefa hat einen doppelten Bezug zu Bertha der Epinnerin ($.114):
fie wird am 5. Januar, aljo am Vorabend des Berchtentages wieder
gefunden und ihr Name bezeichnet fie ald die fpinnende, webende, wie
fie denn aud in Srauenkirhen hinter dem Hechaltar figt und fpiunt,
wo man nod ihr Radchen ſchnurten hört. Mol. mein Mheinland 307.
Der ganze Name fhildert fie ald die Epenberin des Chefegensd.
Der Name der ihr gewidmeten Gapelle berechtigt aber, fie für Frouwa
(Sreyja) zu halten, die der Zrigg identifch einft Odins Gemahlin war ($. 103)
und aud in einem andern Mythus ($.73. 3a.) von ihrem Gemapl
verlagen wird.
92. Phol. Alci. Hermodhr.
Bir lehren zum Mythus von Baldur zurüd, um noch einige Nach⸗
träge zu liefern:
1. Der Merfeburger Heilfpruch, der und zuerft des Daſeins Bal⸗
durs im Vollsglauben des engern Deutfhlands verfihert hat (M. Lefeb.
20), {ft zwar nur ein Zauberſpruch, bei Verrenkungen anzuwenden; aber
die Erzählung, daß ald Phol und Wodan zu Walde ritten, Balders
Fohlen den Fuß ausrenkte, welchen vier Göttinnen vergebens zu heilen
verſuchten (die Heilfunft wohnt fonft Frauen bei), aber nur Wodans Zauber:
traft wieder einzurenfen verftand, Lönnte gleihwohl eine eigenthümliche
deuiſche Auffapung des Baldurmythus enthalten. ‚Wie in der Edda
Baldurs ſchwere Träume alle Götter beunruhigen, fo hier fein Zurüds
bleiben durch bie Lähmung feines Roſſes.“ Bon Baldurs Roſs wißen
wir fonft nit viel; D. 49 fehen wir es mit allem Geſchirr auf feinen
Scheiterhaufen geführt. Hier aber wird man an Blödughöfi 6.174.203
erinnert: zwar foll es nah Slaldſtap. 59 Freyrs Rofs fein oder Atridrs
(©bind); aber D. 15 bleibt Baldurs Hengit, weil er mit ihm verbrannt
fei, ungenannt, gerade wie VBlödughöfi, die demnach eins fein könnten.
Sollte fo auch Freyr in biefer Erzählung mit Baldur zufammenfallen, und
wäre, woran ſchon Myth. 1210 gedacht wird, Phol der Name, der beide
vermittelte? Im ihm erſcheint ein bisher ungeahnter Beiname Baldurs,
denn nur auf dieſen lann er nad dem Bufammenhang des Spruches
gehen. Wir find aber nit einmal über feine Ausfprahe im Klaren.
Die Alliteration verlangt F, während Ph gewöhnlich Pf bedeutet. Die
urfundli nachgewieſenen Ortsnamen, welche mit biefem Phol zufammens
gefept find, ala Pholesouwe, Pholesbrunnen, Pholespiunt, Phulsdorf
(Myth. 206), zeigen fpäter Pf; aber auch Valand (Junker Voland), ein
fpäter Beiname des Teufels (Myth. 944), tommt in Betracht, desgleichen
Sul und Pful für den Eher, fonft Freyts Thier (Myth. 948); felbft der
Phallusdienft, der wieder an Freyt mahnen würde, ift berbeigegogen
worden. Hätte bie Alliteration Recht gegen die Schreibung, fo möüfte
man an einen Gott der Fülle denlen. Aber in demſelben Gedicht er⸗
ſcheint fon Volla ala Schweſter der Frija oder Frigg, deren Schmud ⸗
mädchen in der Edda Fulla heißt. '
Aus dem Vorlommen jener Ortsnamen in Thüringen und in
Baiern läßt fih noch kein Schluß ziehen, da der rheinifche Piultag,
824 Pool. Alci. 9.
* Bulletag für den 2. Mai (M. 581) auf weitere Ausbreitung deutet. Pgl.
jedoch Weist. IT, 98. Auf venfelben Tag fiel auch das keltiſche Beal⸗
teine, Myth. 579, das gleichfalls einem Lichtgotte, vielleicht einem Gott des
Tages galt, der ſächſiſch Beldegg oder Bäldäg S nord. Baldur hieß.
Hierauf gründet fih die Annahme Myth. 208, daß in Phol und Baldur
(Baltar) zwei mit einander in der Fortſchiebung nicht Schritt haltende
Entfaltungen, desſelben Wortes vorliegen, das bei Kelten und Glaven
($. 0. 95) Bel Tautete, und deſſen Bedeutung weiß, licht war. .
Für die Anſicht, daß Phol in Deutſchland Freyr und Baldur ver
mittelte, fpricht Folgendes. Bei Frepr werben fih Bezüge auf Roſs und
ber finden ; Phol, nad dem wir Ietern oben genannt fahen, alliteriert
fogar auf Fohlen (volon), und der Pfalgraben heißt nad Myth. 915
auch Schmweingraben. Fehlt uns für Balder, der doch mit Phol zufams
menfällt, der Bezug auf den Eber, fo ift Myth. 948 angemerkt, daß dies
fer im Reinardus Baltero beißt; aud ift Hafelbärends Tod durch den
Eberzahn S. 221 auf DOphr-Baldur bezogen worden. Bol. 8. 76, 2.
Bon Baldurs Pferde war ſchon oben die Rede: als er nad Saro feinem
durftigen Heere den Brunnen ſchuf, geſchah es wohl, mie ©. 94 ver
muthet wurde, durch den Huffhlag feines Roſſes, denn es ſcheint dies
felbe Sage, die bei Karl dem Großen und Wonifacius wiederkehrt, und
an fie erinnern dann Pholesbrunno, Baldersbrunnen und Baldersbrönd
bei Roeftild. Als Reiter erſcheinen auch Caftor und Pollux, welche Eid⸗
ſchwüre in Pol (Phol) Fürzten. Dieß führt uns zu der Alteften Geſlalt
des Mythus von Baldur und Mali.
2. Tacitus berihtet Germ. 43 von einem jugendlichen Brüderpaar,
das bei den Naharnavalen in einem altheiligen Haine verehrt wurde: er
vergleiht fie dem Caftor und Pollur (ea vis numinf, nomen Alcis);
doch bemerkt er ausdrüdlich, daß fie Götter, nicht etwa Halbgötter waren.
Nach Zacher Runenalph. bedeutete der Name die Leuchtenden, Glänzenden,
alei, goth. alkeis. Ohne Zweifel find fie Myth. 109 nicht unrichtig auf Baldur
und Hermödhr gedeutet, denn die Römer giengen den Analogieen des
Begriffes nah, und da von dem Dioskuren ber Unfterblihe mit dem
Sterblihen in die Unterwelt binabftieg, damit er dann auch die Freuden
des Olymps mit ihm theife, fo bietet fein anderer Mythus mehr Aehn⸗
lifeit dar. Den Hermöbhr fahen wir S. 81 den Helweg reiten, feinen
Bruder Baldur zu löfen, daß er mit ihm nach Asgard zurüdtehre. Gleich⸗
wohl feinen es eigentlich Baldur und Hödhr, die wir in jenem göttlichen
59. Ad. Saldur und Well. 3%
Brüberpaar zu ſuchen haben, denn bie beiden gleichen und doch wieder
ungleichen Hälften des Jahres find auch in den Dioskuren bargeftellt.
Zwei Brüder, die bald als Freunde, bald ala Feinde, bald zum Ver⸗
wechſeln ähnlich, bald höchſt ungleich geſchildert werden, der eine fchön,
der andere häßlich, der eine weiß, der andere ſchwarz, führen uns die
Freundſchafts⸗ und Liebesfage fehr häufig vor; einigemal fehlt dad vers
wandiſchaftliche Verhaͤltniſs: es ift nicht fo weſentlich als daß in ber
Ziebeöfage der Freund der Geliebten, in der Fteundſchaftsſage die Ger
‚ liebte dem Freunde geopfert werde.- In den ältern Sagen befteht die
Brobe der Freundſchaft darin, daß Einer für den Andern die Schreden
des Todes überwinde, mas dadurch veranſchaulicht wird, daß er in die
Unterwelt hinabfteigt. Zwei folhe Brüder haben wir nun in Baldur und
Hoͤdhr: fie werden als hoͤchſt unaͤhnlich gefaßt, der eine licht, der andere
duntel (blind), fo daß fie an ven ſchönen und den ungethanen Dietrich
der Gredcentiafage erinnern, wie dieſe wieder an Ferenand getrü und
Ferenand ungetrü, KHM. 126. Bei Sazo find fie um die Braut ents
zweit, fo daß ihr Mythus in den Kreiß der Liebesfagen übertritt ; mie
fie aber Brüder find und in ber Edda feineswegs feindliche, da fie viel
mehr in der verjüngten Welt Hand in Hand dus Hels Haufe zurüds
tehren, fo fehlt aud der Bug nit, daß Einer für den Andern in bie
Unterwelt hinabfteigt; nur ift er auf den dritten Bruder Hermodhr übers
tragen, wie auf den vierten (Wali) die Rache, zu der fi fonft Brüder
verpflichtet find. Bei diefer Spaltung der vier naharnavaliihen Brüder in
viere 6.316 ift ed nicht leicht zu Jagen, welcher der viere jedem ber beiden Alci
entſpricht, und felbft Müllenhoff, dem wir hierüber volle Austunft vers
danlen (Siſcht. XI, 346—54) hat darüber gefhtwantt, Da jedoch ihr
Mythus, wie Er gelehrt hat, in ver Heldenfage von Ortnit und Wolfs
dietrich erhalten ift, Wolſdietrich aber Ortnits Tod raͤcht, fo berechtigt uns
dieß zu fagen, daß die naharnavalifhen Brüder fi unter den nordiſchen
Göttern als Baldur und Wali wiederfinden; dod füge ich hinzu, daß
Theile ihres Weſens auf die beiden andern Brüder Höbhr und Hermodr
übergegangen find; folde Theile jedoch, die jo genau mit ihrer göttlichen
Natur zufammenhängen, daß fie in der Helvenfage nicht wohl geborgen
bleiben lonnten.
Zacitus nennt die göttlihen Brüder mit einem gemeinfchaftlihen
Namen, und gerade dieß hat befremdet. Aber wie Freunde Alles ges
meinfcpaftlich haben, fo unterſcheiden fie ſich auch durd die Namen ent ⸗
326 alci. Minge. Sariungr. .n.
weder gar nit, wovon fo eben ſchon Beiſpiele vorlamen, oder wie
Amicus und Amelius, Brunnenhold und Brunnenftart, Johannes Waßer⸗
ſprung und Caspar Waßerſprung nur wenig. Nehmen wir den Waßer
peter und Waperpaul (KM. II, 196) hinzu, - fo werden wir wieber an
Pferd und Duelle und jene Phold- und Valdursbrunnen erinnert. Auch
in der Helvenfage führten fie zuerft den von ihrem weiblihen Haarſchmud
(muliebri ornatu bei Tacitu8) hergenommenen Namen der Aſtinge oder
Hasdinge (goth. Hazdiggös, altn. Haddingjar). Die beiden Hasdinge
werben Hyndlul. Str. 22 (M. Edda ©. 134), bei Saro V, 93 erwähnt,
und bie Hernararſ. nennt fie ausdrüdiih Zwillinge. Auch am Schluß
des legten Helgiliedes wird von einem der Haddinge erwähnt, daß er
als wiedergeborner Helgi in den Karalievern gefeiert werde. Weber dieſe
Rara, die in Schwangeftalt über ihren Helven fhmebt, vgl. $. 129. Sie
fpiegelt fi fpäter in jener Zauberin Djtacia der Wiltinaf,, die in Drar
chengeſtalt dem Herinit beifteht und mit ihrem wilden Geer aus der Luft
am Kampfe Theil nimmt. Aftingi oder Hasdingi war der Name ber
vandaliſchen Könige, die ald Hartunge oder Hertnite in der Helvenfage
fortleben. Belannt find die Hartunge von Reußen im Heldenbudy, nicht
minder aber auch die Hertnite der Wiltinaf., die als Ortnite in die fübs
deutſche Heldenſage eintraten. Ortnit wohnt in Garten (am Garda ſeeß
die Wiltinaf. hatte Hertnits Rei nah Holmgard (Notogorod) gelegt, das
den deutſchen Kaufleuten, aus deren Munde fie aufgezeichnet wurde, aus
eigener Anſchauung belannt war.
Wie fih aber der Mythus in der Helvenfage zulegt geftaltete, will
ich jegt noch mit Müllenhoffs eigenen Worten angeben: ‚Der ältere vor
nehmere Hartung, von dem jüngern als Hertnit (Ortnit) unterſchieden,
erftreitet gegen ein riefiges, winterlihes Geſchlecht, die zwölf Iſunge (in
der Hromundarfaga geichieht der Kampf auf dem Eiſe), ein ſchoönes gött⸗
liches Weib, das wohl demfelben Geſchlecht angehörte, aber dem Geliebten
im Kampf gegen die ihrigen beifteht. Mit feiner goldglaͤnzenden Rüftung
angethan verfällt er fpäter einem Drachen, der ihn verſchlingt. Der jün
gere Hartung, als Harthere von dem ältern gefondert, im mhd. Gypos durch
Wolfvietrich vertreten, erſchlägt dann ven Drachen, legt Rüftung und
Waffen Hertnits an, bänbigt und befteigt fein Roſs und wird barauf
von der trauernden Wittwe an des Bruders Statt ald Gemahl ange
nommen.‘
Nicht leicht ift e, die Sage von Baltram und Sintram in einer
.9. Ad. Sekten und Sintrem. 827
ihrer Faßungen mit dem Mythus der Alci in Verbindung gu bringen.
In der Biltina Gap. 105 ift es Sintram, der von Dietrih aus dem
Schlunde des Draden befreit wird; nah der Burgborfer Sage, welche
Badernogel Ziſchr. VI, 158 mittheilt, war Baltram, der den erften Uns
griff getban, von dem Drachen bereits verſchlungen; der jüngere Bruder
aber, der ven Drachen erichlug, befreite ihn wieder aus deſſen Schlund.
Dad Säulen:Capitel im Chor des Bafeler Münfters, das eine ähnliche
Darfellung enthält, ftimmt mehr mit ber Darftellung ver Wiltinafage.
Beziehen wir Baltram auf Baldur, Sintram auf Bali, fo müfte zür Zeit
der Localifierung der Gage nah Burgdorf Wali von Widar noch unge ⸗
ſchieden geweſen fein, denn Baldur wird zwar von Wali gerochen, aber
aus Held Reih, das bier al Drachenſchlund bargeftellt ift, erft durch
Widar befreit. Andererſeits befreit Widar den Odin nidht aus dem
Schlunde des ald Drache benannten Fenriswolſs, er rächt nur feinen Tod.
Aber Baldur, der aid Bälväg Tagesgott ift, eriheint ald Sonnengott
in dem Mythus von feinem Leichenbrand, der auf dem Schiff ind Meer ges
Roßen wird. Damit ift und ein prachtvolles Bild der in Oluthen untergehen ⸗
den Sonne vor bie Einne geführt, jo daß wir in feinem Mythus eine dop⸗
pelte Fortſchiebung gewahren: vom Tagesgott ward er erſt zum Jahres ⸗
gott erhoben und dann auf das große Weltenjahr bezogen. Haben wir
aber fo einen Gonnengott Baldur gewonnen, fo begreift fi, wie er ala’
Baltram in den Rachen des Drachen gerieth. Die Burgoorfer Gage
führt und den Gonnengett vor, wie er ſchon halb im Schlund des ihm
nachſtellenden, hier wieder durch den Drachen vertretenen Wolfes ftedt:
was kann damit anber# gemeint fein, ald die Sonnenfinfternifs nah
dem $. 13 beſprochenen Glauben fait aller heidniſchen Völter, daß ‚ein Uns
gehener das Himmelsgeftirn in den Rachen faße um es zu verſchlingen.
Hu diefer Auffaßung ſtimmt auch der Rame feines Gefährten Eintram,
der und an Sintgunt, der Schweſter der Sonne, erinnert, wie umgelehrt
bie Senne Wöl, 5 Sinni mana, des Mondes Gefelin, heißt. Wäre der
Myihus von Tors im Rachen des Wolfes eingebüptem Arme wirklich alt,
vol. $. 87. 6.294, fo läge die Sonnenfinfternifd wohl auch ihm zu
Grunde, da der Himmeldgott Tyr wohl als Gonnengott gedacht werden
lonnte.
Die Aftingi (Haddinge und Hartunge) halte ih für die Iſtawonen
des Tacitus, welche man nicht für die Franken ausgeben barf, bie viel
mehr gleich den Sachſen Ingämonen find, wie denn die Welfungen mehrs
828 Alci. Minonen. 4.9.
fach ausdrüdlic, für Abldmmlinge Ingwis erflärt werben. Auch Tann men
ja die Iſtaͤwonen niht am Nheine fuhen, wenn neben den am Dran
wohnenden Ingäwonen die Herminonen als medii bezeichnet werben ; ber
ganze Zufammenhang weiſt dann die ceteri an die Donau, und gerabe
da iſt e8, wo wir die Aftingi finden.
Die Deutung der Alci auf Baldur und Wali ift dem Stande ber
deutſchen Mythologie gerecht; es bliebe zu erwägen, ob fie auf einem
ältern etwa Jrmin und Jring gebeißen haben können, die wir eben jo
gepaart finden und die fon die Aliteration verbunden hatte, wie fie
aud mit den Alci im Reimverbande fanden. Auch erfceint nach einer
Faßung der fähfifh = thüringiihen Gage Iring als Irminfrids Rächer.
Dennoch erfläre ih mic gegen diefe Annahme, die fih mit dem Bezug
der Alci auf die Jitäwonen nicht verträgt, "
3. Wie Hermöbhr ©. 81 mit Ddins Roſs Sleipnir über das Hel⸗
gitter fegt, fo in Wenzigs MWeftfl. Märchenihag 150 ver gute Sohn mit
Zatoſchid über die hohe Mauer des Drachengartens.
Hermöbhr (Herimuot) tommt auch Hyndluliodh 2 und als Keremsd
zweimal im Beowulflieve vor ($. 64): in beiden Gebidhten ſcheint er aber
nicht der Gott, den doch die agſ. Stammtafeln und demnach aud das
Formäli der Edda unter Wodens Ahnen nennen, fondern ein göttlider
Held, der in einer noch unerforjchten Beziehung zu Sigmund geftanden
haben muß, welchem Siegfrids Drachenkampf im Beowulf beigelegt if.
Vgl oben 6.194. 202. Nahm er etwa in biejer Altern Geftalt un
ferer Heidenſage Gunnars, Gunthers Etelle ein? Auch Gummar und
Sigurd erſcheinen ald die beiden gleihen Freunde: fie tauſchen die Ge
Ralt, und Sigurd reitet für Gunnar duch Wafurlogi, welche die Unter
welt bezeichnet: er alfo, nit Gunnar, würde dem Hermoödhr entſprechen
Ueberhaupt fließt fih die Sigurbfage näher an Skimisför ald an ben
Baldurmythus.
Jener Dänenfürft Heremöb im Beowulfliede ward im Alter ſiuſter
und grauſam, obgleich ihn Gott über alle Menſchen erhöht hatte. Das
erinnert an den Geirröd des Grimnismal, führt aber nidt weiter. Auch
auf FAS. 313, wo Sigmunds Sohn Helgi, der nach Helgat. 3. 37 mit
Doin die Herfhaft theilte, unter den Afen Hermoͤdhr geworben fein foll,
lege ih nod fein Gewicht, obgleich jener Helgi hinn hvassi heißt, wie
Hermöphr hinn hvati. Ueber die Einheit dieſes Heremöd mit Hör |. $. 90.
93. Forſeti (Forafizzo) ·
Bon Baldur war D. 22 geſagt worden, er habe die Eigenſchaft, daß
Niemand feine Urtheile ſchellen fönne, was fi daraus begreift, daß er
das Licht bedeutet. Go erfdeint er felbft als ein Gott der Gerichte.
Das erllärt den Namen des Belderbergs in Bonn, in deſſen naͤchſter
Nähe der Vogt wohnte, der dad Gericht hegte. Aus $. 62 Innen wir
den nahen Bezug Beldeggs (Baldurd) auf Weftfalen ; aus diefem Lande,
nad) Fahne aus den Niederlanden, ſtammte aud das gräflihe Geſchlecht
der Belderbuſche, das in Bonn mohlbefannt iſt. In Baldurs Sohne
Forfeti (Forafizzo), deſſen Name einen Borfiger (bei Gerichten) bebeutet,
ſcheint daher nur eine Eigenſchaft Baldurs perfonificiert. Er hat im
Himmel ven Saal, ver Glitnir (der glänzende) heißt, und Alle, die fih
in Rechtöftreitigleiten an ihn wenden, gehen verglichen nad Haufe. Das
ift der befte Richterſtuhl für Götter und Menfchen. Bol. Grimnism. 15.
(&. 49.) Einen Mythus kennt die Edda nicht von ihm. Nah ber Sage
vom Urfprung des Friefenrehts (DS. 445) bitten die 12 Aſegen (Recht ⸗
ſprecher, Schoͤffen), im fteuerlofen Schiff auf vem Meere treiben, ihnen
einen dreizehnten zu fenben, der fie das Recht Iehre und zu Lande weiſe.
Sogleich erfcheint jener Dreizehnte, am Ruder figend und gegen Strom
und Wind and Land fteuernd. Dort wirft er die Achſe (Art?), die er
auf der Adel trägt, aufs Land. Da entfpringt ein Born, und um bies
fen mit den Afegen figend, lehrt fie der Dreizehnte das Recht. Niemand
tannte ihn, Jedem der zwölfe ſah er gleih, und als er ihnen das Recht
gewieſen hatte, waren ihrer nur zwölfe. Diefen fchönen deutſchen Mythus
mit Wolf Beitr. 134 auf Baldur oder feinen Sohn Forſeti zu deuten,
beredhtigt ſchon der von ihm geſchaffene Brunnen, der fonft fi dem ver
Urdh vergleicht, bei dem die Götter nach D. 15 ihre Gerichtöftätte haben,
©. 41. Auch in Baldurs Mythus kam es 6.92, 8.35 vor, daß er
eine Quelle entipringen ließ. Auf Helgoland, das nad Baldurs Sohne
Fofitesland hieß, finden wir biefen Brunnen wieder. Nur ſchweigend
durfte aus ihm gejhöpft werden: man foll nachdenken, ehe man urtheilt,
Der heil. Wilibrord (739) taufte drei Heiden in dieſer heil, Duelle, hätte
& aber faft mit dem Tode gebüßt. Erſt dem heil. Ludger, einem ges
bornen riefen, gelang vie Belehrung; aber noch ber heutige Name der
Jaſel fpricht die alte Heiligleit des Orted aus. Das um den Brimnen
weidende Wild wagte Niemand zu berühren und ſelbſt Geeräuber_jchonten
880 Sragl. Nun. Gunuidd. & 9.
die Imfel aus Furt, der Gott möchte fie zur Strafe durch Schiffbruch
ober Kampf umlommen laßen.
9. Bragi.
Degen Bragi könnte auf $. 76 vertwiefen werben, denn in ihm iR
Odin als Gott der Dichtkunft verjüngt, wie in Forſeti Baldur als Urs
theilfinder. ‚Er ift berühmt‘, fagt D. 26, ‚durch Berevfamteit und Worte
fertigleit und fehr geſchidt in der Slaldenkunſt, die nah ihm ‚Bragr’
genannt wird, fo wie aud diejenigen Bragurleute (bragr karla) heißen,
die redfertiger find als andere Männer und Frauen. Seine Frau heißt
Joun: fie verwahrt in einem Gefäße die Aepfel, welche vie Götter ger
nießen follen, wenn fie altern, denn fie werden alle jung davon, und daB
mag währen bis zur Götterdämmerung.‘ In der Verbindung Bragis mit
Foun ift die verjüngende Kraft der Dichtunft ausgeſprochen, wie Dphrörir,
der Unfterbliteit verleihende Trank, mit dem verjüngenden Brunnen der
Urd, und wieder Idun felbft mit Urd verwechfelt wird, $. 32. Auch
Nanna, welche die Blüthe bedeutet, fahen wir S. 79 in der Dichterſprache
mit Idun, der Göttin der Verjüngung, vertauſcht. Auffallender ift, daß
Degisor. 17 ſelbſt Gerda mit ihr zu verwechſeln fheint, indem Loki zw
ih fogt:
Du legte die Arme, die leuchtenden, gleich
Um den Mörder eines Bruders,
63 muß Mythengeftaltungen gegeben haben, bie hiezu veranlaßten ;
der Dichter iſt gleihwohl darum zu tabeln, da er neben Idun Gerda
noch einmal auftreten läßt. Aus Iduns und Gerdas Einheit flieht auch
das Myth. 216 bemerkte nähere Berhältnifs zwiſchen Degir und Bragi,
der D. 55 fein Tiſchnachbar if und ihn erft über Idun, dann über bie
Gtalventunft belehrt. Da Degir mit anderm Namen Gymir hieß, fo
war er Gerbad Vater, mithin Bragis Schwäher, wenn Idun mit ihr zus
fammenfält. Gewöhnlich gilt Freyt für Oegirs (Gymirs) Cidam; ba wir
aber geſehen haben, daß eigentlich Odin, ber ſich in Bragi, feinem Sohne
(Staloft. 10), verjüngt, als Skirnir duch Wafurlogi ritt, jo kann diefe
ungewöhnliche Mythengeftaltung (5. 85) ums nicht mehr befremden. Gehen
wir hier nun Idun an Gerdas Stelle, fo fällt fie als Wärterin des
KZuamls (Hrafnag. 11) aud mit Gunnlöp $. 76 zufammen, in deren Ar
men Din ibm dm Göttern erwarb, was wisber zeigt, daß Bragi, der
5%. Gokl. Greudel. 881
Iangbärtige Aſe, Odin felber war, wozu auch ber Name (Myth. 215)
fiimmt, der Odins Geift und Verftand zu bebeuten ſcheint. Afabragr,
Afenfürft, wird zwar Stirnisf. 33 den Thör meinen; doc könnte es frür
her den Odin bezeichnet haben.
9%. Lofi,
Da Lofi hier den Schluß macht, obgleih wir feinen Namen 6. 103
von lukan, fließen, abzuleiten Bedenken trugen, fo fol hier, um Allen
und auch Denen gerecht zu werben, die einen Waßergott (S. 114) in ihm
ſehen, nicht verfhwiegen werden, dap M.222 den Loti mit jenem fumpfe
bewohnenden Grendel im Beowulf zufammenftellt, einem geſpenſtiſchen
Waßergeiſt, der mit feiner noch ſchlimmern aber ungenannt bleibenden
Mutter Nachts in den Saal König Hrodgars einbricht, feine Helden mon
det und in feinen Sumpf hinabzieht. Sein Name ward aus ahd. krintel,
Riegel, gebeutet, wie hellerigel de3 Teufeld Großmutter zu meinen ſcheint.
Auch ſcheint der hochd. Flußname Krintilaha einen Waßergeift Krintil zu
beRätigen. gl. Schade im Weimar. Zahıb. V, 383; f. jedoch Weinhold
Niefen 33, wonach der Name den Verderber, Zermalmer bedeuten würde.
Grendels Mutter gleicht allerdings der neunhundertjährigen Ahne bei
Hymir ($. 85) und der fpätern Großmutter des Teufels. Wie Degir
und Ran find beide nur Perfonificationen des ungebänvigten Meeres.
Bar Logi der Endiger, wie Uhland wollte, fo würde es um fo wahr
ſcheinlicher, daß er aud dem legten Wodentage den Namen gegeben habe,
wie denn ber nordiſche Laugarbagr aus Loki entftellt fein könnte, Myth.
114. 15. Wenn aber Saturnus im Mittelalter ein teufliſches Anſehen
gewann, wie läßt ſich das anders erklären, als weil er fi als Wochen»
tagögott mit Loti berührte ?
Daß Loki al? Utgarbhaloli, ald Vater der Hel und Narfis, deflen
Sohn die Naht ift ($. 14), zum Tobtengotte ward, erläuterten wir aus
der zerftörenden Natur des Feuers. Cinmal als Todtengott gedacht, konnte
er auch mit Sumpf: und Waßergeiftern in Beziehung treten, die man in
der Waperhölle haufend dachte. Dieb Alles galt und aber für jüngere
Auffaßungen des milden Gottes des Lichts und der allverbreiteten Wärme,
Werden wir doc felbft in Hel, ber Zobesgöttin, welche Hyndl. 37 als
das allerabſcheulichſte Scheufal bezeichnet, $. 96 eine gütige Gottheit er»
Innen. Iſt aber ihre Verwandtſchaft mit Loli fo alt, daß dieß bei Ex
882 Loht. Welberbosheit. 8.9.
wägung feines Weſens in Anſchlag fime? Wir gedachten dieß bisher
zu verneinen. Wie aber, wenn Loki al Bater der perfonificierten Unters
welt, der alles Leben entfpringt, eben fo fehr der Anfang ald dad Ende
wäre ? Hel und die Midgardſchlange find im NRagnarötmythus, den wir
in den Geſchiden ver Welt zu erläutern hatten, eben fo fehr von ihrer
Schattenfeite aufgefaßt als Loki felbft, und nur der Fenriswolf, wenn er
nicht aus Nidhögge entiprang, muß nothwendig eine Beugung des ſchon
entwürbigten Loli fein.
Für ganz neu halte ih e3 auch, wenn Hyndlul. 38 Lofis Bosheit
von dem Genuß eines halbverbrannten, fteinharten Frauenherzens abger
leitet wird, Daß Weiber boöhafter feien als der Teufel ſelbſt, if ein
Gedante, ven im Mittelalter Vollsmärhen und Novellen ſehr wihig zu
behandeln verftanden; als er aber auf Lofi Anwendung fand, mufte diefer
ſchon tief gefunfen fein. Ueber Lolis Herzeßen vgl. ©. 261.
Neben der Waperhölle laßen fih auch Spuren einer deutſchen
Feuerhöͤlle nachweiſen: fie liegen in Geirrödh, fowohl in dem 8. 84
beſprochenen, ald in jenem andern, der nad Grimnismal den Odin zwi⸗
ſchen zwei Feuer fegte, wo er aht Nächte fiten mußte, womit adıt
Bintermonate gemeint find. Daß beide zufammenfallen, ift jhon 6.319
angedeutet. Nach Degisdt. 23 war Loki jelber acht Winter unter
der Erde: S. 101 fahen wir, daß auch darunter acht Wintermos
nate gemeint find. Uber hier bedeutete er die mohlthätige Wärme,
während in Geirrödhs Weſen nur Feindſeliges liegt. Gleichwohl wird
auch Er wie der andere Unterweltögott Utgardloli fih aus Lotis
Weſen entwidelt haben.
Göttinnen und Wanen.
%. Hel.
Bon der Unterwelt fahen wir ©. 14. 41. 304 alles Sein aus⸗
ftrömen, aber aud wieder dahin zurüdfließen, Die Göttin der Unterwelt
müfte demnach die erhabenfte Göttin fein: eine Göttin des Todes nicht
bloß, aud bes Lebens. Bon dieſen beiden Seiten erſcheint aber feine
der deutſchen Gottheiten mehr, die ſich aus ihrem Begriff entwidelt haben:
bald ift die eine, bald die andere allein hervorgehoben. In Berchta und
Holva, in Nerthus, Freyja und Frigg, ja faft in allen deutſchen Göttinnen
fehen wir nur einzelne Seiten nnd Erſcheinungen dargeftellt,, die zufams
mengenommen einft das Wefen der geheimnifövollen wirkenden Grögöttin
ausmachten, der großen Lebendmutter, die Segen und Fruchtbarkeit ſpen⸗
dend jelbft als Todesgöttin nicht verberblid mirkt, indem fie die Seelen
der BVerftorbenen in ihren mütterlihen Schooß zurüdnimmt. Der Name
diefer erhabenen Göttin der Unterwelt würde heutzutage Hölle heißen.
Das Wort hat aber nur nod einen räumlichen Begriff, feinen perſoͤn⸗
lichen mehr, dazu den allerunfreundlicften, wie fhon die nord. Hel, gen.
Heljar, tiefe Gntwürdigung betroffen hatte. Das gothiſche Halja, alth.
Hellia, mhb. Helle tlingen minder furdtbar; aber ihre alte Würde und
Heiligfeit laßen aud) fie nicht ahnen, und wir müßen fie gleich mit Holda
und Hilde zufammenftellen, die fih aus der gleihen Wurzel hilan celare
entfaltet haben und weſentlich eins mit ihr find, damit der Name nicht
den Begriff der finitern Todesgöttin erwede, fondern den ber verborgen
wirtenden Mutter alles Lebens. Auch fo können wir nicht erwarten,
daß fon hier unfere Anſicht Beiftimmung finde: unfere ganze fernere
Darftellung muß darauf gerichtet fein, in dem Wefen der Hel die Duelle
aufzubeden, aus ber alle weiblichen Gottheiten geflogen find, felbft die
Banengötter fih entfaltet haben. Der Namen find viele, unter welchen
die fegenfpentende Erdmutter fih verhält; aber erft die Erwägung aller
kann ergeben, daß fein anderer als ver Hellias Anſpruch darauf hat, für
ven älteften, allen Stämmen gemeinjamen, felbft den urverwanbten Böl:
884 Helle. Kalt. Aalypſo. 8%.
tern unter ben entſprechenden Formen bekannten, zu gelten. Unter den
bisher abgehandelten weiblichen Gottheiten zeigten ſchon Gerda und Idun
(und vemnah auch Rinda und Gunnlövh ©. 311. 330) ein näheres
Berhältnifs zu Hel: fie befanden ſich bei ihr, fie waren im Winter ge:
ſtorben, der neue Frühling rief fie ins Leben zurüd. Damit fallen fie
aber dem Begriff der Wanengötter, die aus der Hel hervorgehen, anheim,
denn ihr eigenthümliches Weſen ift es, daß fie nicht im Himmel droben,
fondern im Schooß der Erde wohnen, ober doch im Winter dahin zus
rüdgenommen werben, im Frühjahr erwachen und unter die Voͤller fahr
ten, ihnen Segen und Fruchtbarkeit zu bringen.
Je böber ins Alterthum hinaufzuoringen vergönnt fein wird‘, heißt
es Myth. 292, ,deſto weniger böllif und defto göttliher kann Halja (die
gothiſche Form des Namens, der indiſch Käli lautet) erſcheinen“. Ihre Ente
mwürbigung darf nicht befremben. Wer verfuchen wollte, vie Götter Asgards
aus einer einzigen Quelle, wie hier die Göttinnen und Waren, herzufeir
ten, hätte von dem Himmelsgotte Tyr (Bio) auszugehen, und wie fehr
iſt auch diefer entfellt ! Unfere verborgene Gottheit, denn nur das ber
deutet der Name, hatte ald Erbmutter ihren Gig im Schooße der Erde:
fie ift die Unterweltsgöttin, von der zur Tobesgöttin nur noch Ein Schritt
blieb, womit noch nicht die mohlthätige, aber ſchon die ganze lebenſpen ⸗
dende Seite der Göttin verbunfelt war. Aber nun faßte die heidniſche
Shen vor dem Tode nur den Vernichter des Lebens in ihm auf. Rur
fo erflärt es fih, daß dem Dichter des Hyndluliedes 37 Hel als das
allerabfcheulichfte Scheufal erſcheint. Als man ihr den Loki zum Vater
gab, tonnte diefer nach ©. 101 noch als ber Gott ber belebenden Wärme
gedacht fein; als er fie aber mit dem Niefenweibe Augurboba gezeugt
haben ſollte ($. 39), waren fie wohl beide ſchon gefunten. Daß ihr Odin
nad Einer Lesart über die neun Welten Gewalt gab, nit über die
neunte, fönnte nod eine Spur der ältern beßern Anfiht fein. Auch
Kuhn urteilt WS: 333, es fei fein Mifsverftändnif (vgl. $.20), dab
der Hel Herfhaft über alle neun Welten verliehen fei. Wenn aber
D. fortfährt: ‚Ihr Saal heißt Elend, Hunger ihre Schüßel, Gier ihr
Meßer, Träg (Ganglat) ihr Knecht, Langlam (Ganglöt) ihre Magd, Ein
ſturz ihre Schwelle, ihr Bette Kümmernif® und ihr Vorhang dreuendes
Unheil. Sie ift halb ſchwarz, halb menfhenfarbig, alfo kenntlich genug
durch grimmiges, furdtbares Außfehen,’ fo braude id; nicht erft zu fagen,
welcher fpätern Auffaßung dieſe Schilderung angehören muß. ber die
1. 06 Yells. Anteil. Fcixci. 885
zwei Farben, die ihr hier zugeſchrieben werden, können älter fein. Reben
Edwarz, dad ald Gegenfag Weiß verlangt hätte, fehen wir Menſchen⸗
farbe genannt, die Farbe des Lebens, da blA (lividum), das ih mit
Schwarz gegeben habe, die Farbe der Verweſung bezeihmen kann. Unſere
deutſchen Quellen jegen dafür Schwarz und Weiß. Im Gingang des
Barzival wird auf den ſchwarzweißen Jeirefiz prälubierend von Schwarz
und Weiß fo geiproden, daß jenes die böfe, dieſes die gute Farbe bes
deutet. Wenn dabei Wolfram die ſchwarze auf die Hölle bezieht, fo denkt
ex diefe nur als einen Aufenthalt der Böfen und Berbammten, was ber
chriſtlichen Anſicht, nicht der altheidniſchen gemäß iſt. Diefer entſpricht
es dagegen, daß in unzähligen deutſchen Sagen verwünſchte, Erloſung
ſuchende Jungfrauen, $. 46, 2, die der Gerda, der Idun gleichen, halb ſchwarz
halb weiß erfceinen : fie find in der Unterwelt bei Hel, deren Farbe fie
tragen. Der Vollöglaube hält fie oft für die Hel felbft, weshalb fie
fogar Held oder Rachel heißen (Banzer 60.83). Lepterer Name iR mit
Hel zufammengefegt und bezeichnet fie ala die rächende, ftrafende Göttin.
Nichts fteht aber der Anficht entgegen, daß die ſchwarzweiße Farbe der
Göttin der Unterwelt wegen ihrer Doppelfeitigfeit gebührt, indem fie über
Geburt und, Tod, Leben und Sterben gebietet. Hier giebt ſich alſo ſelbſt
auf nordiſchem Gebiet eine Epur zu erlennen, daß fie nicht immer ſolch
ein Scheuſal war, wie fie zulegt in der j. Edda nur noch erfeint. Ala
Unterweltsgöttin theilt fie auch Lohn und Strafe aus, und ift darum bem
Ginen gut und milde, dem Andern bos und furchtbar, und aud bieß
ann ihre doppelte Farbe ausprüden. Wenn in deutſchen Märchen ſchwarze,
ſchwatzweiße und weiße Farbe nur verfdiedene Stufen der Grlöfung bes
zeichnen, fo hängt diefe Vorftellung damit zufammen, daß die legte Farbe
für die gute, die dunkle für die böfe gilt. Bei Hel aber verhält es ſich
mjt den beiden Farben wie bei Feireſig, der nicht ohme mpthifhe
Grundlage iſt: fie hatte eine lichte und eine dunkle Seite, und kehrte
bald vie eine bald die andere hervor, je nachdem fie lohnend oder firas
fend erſchien.
Daß die deutſche Unterwelt Strafen und Straförter kannte, ift $. 39
gezeigt. Die nach der Unterwelt führende Brüde bewahrt eine Jungfrau,
deren Name Modgudhr (Seelenkampf) auf die Schreden des Gewiſſens zu
beziehen it, und ald Brunhild nad der Unterwelt fuhr, mufte fie nach
‚Helreidh’ einen Seelenlampf beftehen, und zwar ift derfelbe fo eingelleis
det, daß eine Rieſin ihr ben Weg duch ihre fleingeftügten Käufer
836 Selle. Zawarıe Marke. 8.9
(griöti studda garda mina) wehren will, indem fie ihr vorhält was
fie auf Erben Böfes begangen habe. Aber Brunhild weiß fi zu recht ⸗
fertigen und fließt mit den Worten: Verſinke, Niefenbrut! Auf der
Fahrt nad) der Unterwelt ift es hienach nicht gleihgültig, weldes Leben
man auf Erden geführt hat, Solden Strafen und Qualſtätten gegen
über lann es an ben entſprechenden Belohnungen und Freudenſälen nicht
gefehlt haben, wenn fie gleich fpäterhin auf Asgards Höhen verlegt wur
den. Solche mögen die Wölufp. 41 genannten (S. 158) gewefen fein. In
deutfen Märchen erfeint Frau Holla, die ſich mit der Hel berührt, ja
eins mit ihr war, lohnend und ftrafend, und noch in der Edda werben
dem erwarteten Baldur in Hels Behaufung die Sige im Voraus mit
Ringen beftreut, die glänzenden Betten mit Gold bebedt; aud fteht ihm
der Meth bereits eingeſchenlt, Wegt. 12, und Hermödur fieht ihn, ala er
ver Hel Löfegeld zu bieten Tommt, auf dem Chrenplage fifen, fo daß
niun wohl daß Seit in ver Unterwelt zu feinem Empfange begangen ward,
zu dem im Boraus die Anftalten getroffen waren. An dieſer Bewill⸗
tommnung des Schönften und Beſten der Afen erkennen wir, daß es in
der Unterwelt neben Strafen aud Belohnungen gab.
Bo Hel ganz ſchwarz erfdeint, muß fie nicht wie die Hölle bei
Wolfram als böfe gedacht fein: ber Untermeltsgöttin, die im tiefen, bun
teln Schoß der Erde wohnt, gebührt diefe Farbe vorzugäweife, und ihr
Name, mit caligo und xeAuevog verwandt, hängt damit zufammen.
* Mögen die ſchwarzen Bilder der Demeter, Perfephone, Aphrodite, Diana,
fie noch ald zürnende Erdmutter gedacht haben: bei ben damit verwandten
ſchwatzen Marienbildern waltete dieſe Vorfiellung längft nicht mehr,
und fchon viel früher fcheint fie fi verloren zu haben. Vgl. jedoch
Myth. 289.
Hält fie die Seelen, die zu ihr kommen, unerbittlich feit, fo töbfel
fie doch nicht, noch fährt fie aus, den Menfchen nachzuſtellen. Späterm
daniſchem Vollsglauben gehört e3 an, wenn fie zur Beit der Peſt ald
breibeiniges Pferd umgeht (Myth.290. 1135). Das Pferd gebührte ihr
wohl urfprünglid ald Gattin eines der erhabenften Götter, und fo er
ſcheint fie aud in ihrer alten Würde, wenn fie im Wagen einberfährt
gleich fegnenden Göttinnen. Anders ift es mit der Ran, der Gemahlin
des Meergottes, die im Nep die Ertrinkenden an ſich zieht, oder wie ihr
Name andeutet, raubt (Myth. 288). Gleichwohl ift fie nur ein Nebenbilt
der Hel, denn die Unterwelt Tann, wie in den Schooß der Erde, fo auf
.%. getia. Grid. Squarje Marge. 887
im die Tieſe bes Meeres gedacht werden. Vielleicht erft zulept ſank Hel
zum Scheuſal herab, zum Orous esuriens, zum menſchenfreßenden Riefen,
zum ungesatlichen hol (Myth. 291) mit gaffendem, gähnendem Rachen.
Schon Wolf (Beitr. 203) hat die ſchwarze Grete des deutſchen
BVollöglaubens verglichen, die in den Niederlanden booze, zuarte Mar-
griet heißt, in Schleswig-Holſtein als ſchwarze Greet ober swarte Mar-
gret biftorifiert worben if, wo fie zwar in ſchwarzem Neid, aber noch
auf weißem Roſs und im Geleit zweier Geifter in ſchneeweißem Gemande
erſcheint. Der Name wird von jener Riefin Grivh herrühren, der Mutter
Widar des ſchweigſamen, von der Thor Stab und Eiſen handſchuhe
borgt ($. 84). Vgl. Kuhn WE. 31. Iſt fie diefelbe, die nah Wol. 32
im Gifenmwalve die Wölfe zeugt, die den Himmelslichtern nachſtellen, jo
mag fie wohl an die Hel in ihrer gehaͤßigſten Auffaßung mahnen. Dem
hör aber ermweift fie fih freundlich, gleich jener ‚allgolonen, weiß:
brauigen’ Mutter Tyrs in der Hymiskw. ($. 85), die mir aud nur
die Fichte Seite der Hel ift wie bie neben ihr ſtehende, neunhundertköpfige,
oben der Großmutter des Teufels verglichene, Ahne die dunkle. Jene er⸗
Teint hier als die Mutter des leuchtenden Himmelögottes, der hernach
zum Schwertgott herabſank. Seine Mutter blieb fie als Erbgättin auch
da noch, denn das Schwert, fahen wir, ward aus der Erbe gegraben.
Diefe ‚Doppelfeitigeit der Rieſin Gridhr, die fi) auch in den ganz ent«
gegengejegten Bedeutungen ihres Namens (Heftigleit und Sicherheit) fund
giebt, berechtigt, fie der Hel gleichzuſtellen, und darin lann aud ihr Ver
haltniſs zu Widar, dem Gott der Wiedergeburt (6. 137), begründet fein.
Wir erfennen fo die Hel ala Odins Gemahlin, mit der er nach der Edda
den Widar zeugte, bei der wir auch den Stab fanden, deſſen Macht über
die Unterwelt wir. jhon 8. 65 ahnten. Sie fällt aber als Erdgöttin tier
der zufammen mit der Jörbh, der Mutter Thors ($. 113), und aud ber
Gertrud wird fie fih 8.110 vergleichen laßen. So ift von Woefte Ziſchr. f.
M.II, 86 eine Heerdengoͤttin Griete ober Graite nachgewieſen, bie er der
Erdenmutter Nerthus vergleicht, und als Jördh für Donars Mutter hält.
Sie heißt bald hilligher, bald Sünte-raite, berührt fih aber nicht mit
der Kalender-Heiligen, die mit dem Heerbenglüd nichts zu ſchaffen hat,
während wir Nerthus 8. 98 von heiligen Kühen gefahren ſehen. Graite
wird beim Kälberhwiden angerufen, d. h. bei der Kälberweihe, wobei das
Vieh mit der dem Donar heiligen Ebereſche (agf. vice, weſtf. kwicke) bes
rührt wird. Bgl. Kuhn Herablunft S. 183, WE. 158.
Curod, Myihelsgie. 22
888 Selle. tsrmuiter. Eberbiider. 8. 9.
Mehr als ſich bier ſchon zeigte, kounten wir in dieſem & nit gu
gewinnen hoffen. Aber unter Heimbals neun Blüttern (G. 308) finden
wir die Mamen der beiden Töchter Geirrodha, Gialp und Greip wieder.
Da wir Geirroödh als einen Unterweltägott erlaunt haben, fe fällt der
Name einer dritten Muster Eirgiäfa auf, bie an bie @ir erinnert, eine der
nem Mägde der Menglöoh (Fiölfee. 39). Cie bedeutet wohl bie Keil
ſpendende, wie Angeva die Schönäugige. Jarnſara die vierte ftimmt im
Ramen mit der Mutter Modhis und Magnis, bie fünfte Atla fegar mit
Thoͤrs Beinamen Ali, Wir fehen alfo hier fegnende Erdmütter, nicht
nothwendig Waßergoͤttinnen: fie find Vervielfältigungen ber Hel, der ver
borgenen Erhgöftin. Auch Rinde, mit der Odin ven Wali zeugte, ift durch
ihren Nomen wie ben Aufenthalt im Lalten Ruſaland als eine Wintergättin
gelennzeichnet; den Winter aber fanden wir der Unterwelt gleichgefellt.
Sp dürfen wir auch Gerda, ja Idun, Gunnlöd und Menglaba gleihjalls
berbeiziehen, die im Schon der Erbe weilen: alle erſcheinen als Nebenge
ftaltım ber einen werborgenen Erdmutter und Göttin ber Unterwelt.
97, Göttermutter,
Im Bidar, dem eigentlihen Bolt der erneuten Welt, dem Mäder
Odins, ift dieſer wiebergeboren, Ift Gel unter dem Namen Grioh fein,
ala allgoldne auch Zyrs Mutter, fällt fie mit her Jordb, der Mutter Tpörd,
ja mit Rinda, der Mutter Walis, zufammen, vervielfältigt fie ſich gar In
Heimbals neun Müttern, fp werden mir auf ben MWegriff einer Gätter
mutter geführt, mit deren Würhe die verborgene Srogättin einft belleidet
fein mochte,
Bon hen Aeſtyern, einem fueviſchen Bolt an der Oftfee, meldet Tec
Garm, 45, fie nerehrten Pie Göttermutter, und trügen als ihr Gymbel
Gberbilder (formas aprorum), durch welde fie ſich ftatt aller anken
Schuhwaffen im Kampf geihert hielten. Durch dieſe Ebergeſtalten meinte
man dem Beinde unfihtbar zu werden: fie wurden auf dem Gem
getragen: der Helm Tommt von häln, hehlen, oelare, und der Held jelhh
hat davon den Namen, daß er ſich in her Rüftung jhüpt und birgt, Rib
(Eachm.) 436, 4. Urſprünglich meinte has Wort wohl die ganze Rüfung
und fo. fällt er mit der Hellappe oder Tarnlappe, dem verhüllenden Dam
tel, zufammen, dem wir ſchon bei Din $ 66 begegueten, Wielbicht
folte das Eberbild aber auch ben Feind fhreden, umb dadurch ben
8. 97. Selle. Encenfadhs uud Hildegein. 889
Delden ſchahen. Solche Schreden und Graufen ertegenbe Helme begegnen
uns in Götter und Helvenfage, und felbft in der Xhierfage „deutet Iſan⸗
grim, der Name des Wolfs, darauf, denn grim ift Larve und in isan
liegt nad) M. 218, Reinh. 242 der Vegriff ded Schredens. Berühmter
iſt jener Degishiälme Fafnirs; er muß aber früher dem Meergotte Degir
gehört haben, der wie wir an feiner Gattin Ran fehen nicht immer fo
milde war wie bei jenem Gaftmal zur Zeit der Leinernte. Degir verjüngt '
ſich in der Helvenfage als Ede, und bei ihm findet der Helm ſich wieder;
er gebt aber auf Dietrich, der ihm befiegt, zugleich mit dem Schwerte Eden:
ſachs über. Sept heißt er nicht mehr Edenhelm, fondern Hildeg tin,
was Kriegärüftung bebeuten, aber auch für hilende grim ftehen, und die
heblende Larve bezeichnen Tann. Beiden Deutungen ziehe id) eine britte
vor, wonach er von Hilde genannt ift, einem Nebennamen ber Hel, welcher
fie als die hilende, hehlende, verbergende Göttin bezeichnet. Wenn Dietrich
den Hildegiim nah Wiltinaſ. €. 16 zugleih mit einem Schwert
von dem Riefen Grim und feinem Weibe Hilde gewonnen haben foll, fo
beruht dieß nur zum Theil auf faljher Etymologie: er gehörte wirklich
einft Hilden, wenn wir fie ala Hel und zugleih als die Göttermutter des
Tacitus denten. Schwert und Helm deuten ald Edenhelm und Edenſachs
auf den in Ede verjüngten Meergott Degir, deſſen Gattin Ran wir S. 336
als ein Nebenbild der Hel erfannten: fie ift die im Waßer mohnende Tor
desgättin. Ihr Gatte Degir würde dem männlich gedachten Hel S. 320
entfprechen, dem unterweltlihen Odin; als Meergott hat Degir in Niördhr
fein milderes Gegenbild. Das Schwert, das nah dem Egenlied einft
NRuodlieb befaß, Tann dasſelbe fein, das Freyr oder früher Obin nach Stir:
nisför für Gerdas Befig hingab. Bei dem Meergott würde ein Schwert
befremben; aber ver Gatte der Göttermutter muß der höchfte Gott gewefen
fein, und in feiner Hand bebeutete es, wie wir wißen, den Sonnenſtral.
Daß dem Degir einft ein Schwert gehört habe, beftätigt das alte Rieſen⸗
ſchwert, daß ſich in Grendels Halle findet,
Mit dem Helm wollten die Aeſtyer den Feind blenden oder fchreden:
ed war eine zauberhafte Wirkung, die fie dem Symbol der Göttin zus
trauten, wie in ähnlicher Weife germaniſche Völter, wenn fie in den Kampf
zogen, Bauberlieder anftimmten, die in den Schild gefungen wurden,
der nordiſch bardhi hieß, woraus ſich die Meldung des Tacitus von Bars
ditus erflärt, obgleich diefer nur eine Weikagung barin fah. Bol. M.
Edda 448. Die Zauberkraft des Helms lag in dem Cberbilde, daß, wie
840 Helle. Merihus. Mutter. Erde. 8
wir aus Freyrs golbborftigem Eber Iernen, ein Bild der Gonne war.
Darum rväth auch Hawamal 130:
Nicht aufſchauen fol du im Gcjladitgetöfe:
Ebern ähnlich wurden oft Menfchenkinder;
So aber zwingt dich fein Zauber.
Gullinburſti hatten wie Edenſachs, vielleiht aud Cdenhelm, Zwerge ge
ſchmiedet (S. 173); er hieß auch Hildiſwin, was an Hildegrin erinnert. -
Außer den Aefiyern trugen aud dieAngelfahfen das Eberbild auf dem
Helme (Myth. 218); ob zu Chren des Gottes, wißen wir nicht: daß fie
den Feind damit zu fehreden meinten, zeigt der Name egisgrima (Schrel:
tenzlarye), wenn er nicht auf den Meergott Degir zurüdweift.
Der Bezug auf die Sonne, den wir ſowohl bei dem Helm der Göt:
termutter, als dem ſich banebenftellenden Schwert gewwahrten, deutet darauf,
daß beide Symbole nicht ſowohl ihr als ihrem Gemahle gehörten. Nur
bei dem Helm kann man zwiſchen ihm felbft und dem darauf angebrachten
Eberbild unterſcheiden. Wenn aber der Helm ünſichtbat machte, und ald
grima, bie den ganzen Leib verhüllt, mit dem Helmantel zufammenfält,
der auch in Odins Beſih erſcheint, fo ift auch Er als ein gemeinſchaftliches
Eigenthum de3 uralten Götterpaares anzufehen.
9%. Nerthus.
Von andern fuebifhen Völtern, worunter die Angeln und Weriner,
wie es ſcheint aud die Langobarden, wißen wir aus Tac. Germ. 40,
daß fie die Mutter Erde unter dem Namen Rerthus verehrten. Ber
rühmt ift die Schilderung von ihrem Auszuge unter die Bölter (invehi
populis), benen fie Frieden und Fruchtbarkeit brachte. Auf einer Juſel
des Weltmeerd lag ein heiliger Hain, darin warb ihr Wagen bewahrt;
ein Gewand verhüllte ihn: nur der Priefter durfte ihn berühren. Apate
diefer die Gegenwart der Göttin im Heiligthum, fo begleitete er fie, die
von zwei Kühen gezogen ward, ehrerbietig. Dann find frohe Tage, Alles
Ihmüdt ſich feftlih, wohin fie zu zieben, wo fie einzulehren würdigt. Der
Krieg ruht, die Waffen ſchweigen, alles Eifengeräth wird verſchloßen; Fries
den und Ruhe, bie fie fonft nicht lermen, find auf fo lange willlonmen
bis die Priefter die des Umgangs mit den Gterblihen erjättigte Göttin
dem Heiligthum zurüdgiebt. Dann wird Wagen und Gewand, ja die
% 98. elle. Alrdn. Guiinburft. 841
Göttin felbft, mern man es glauben mag, im geheimen See gebabet, der
fogleih die Knechte verjhlingt, die dabei Hand geleiftet hatten.
Wir erfahren nit, wie der Wagen der Göttin auf das fefte Land
gelangte, wo doch bie ihrem Dienft ergebenen Völler wohnten. Iſt diefer
Bagen zugleih ein Schiff? Jedenfalls find es fuebifche, meeranwohnende
Böller, die ber Grogöttin dienen. Aber aud die Aefiyer wohnten am
Meereöftrand, fie werden gleihfall® zu den Sueben gerechnet, und bie
Frage liegt nahe, ob die Göttermutter, welche fie verehrten, diefelbe Göttin
fei, welde wir hier als Nerthus finden. Die allnährende Erbe, die Mut⸗
ter der Menfchen, darf wohl auch ald Mutter der Götter aufgefaßt wer⸗
den. Einen ftarfen Beweisgrund gewährt aber, daß aud Freyr (Fr),
auf den uns ſchon jene Göttermutter durch die Eberbilder hinwies, im
Frühjahr auf einem Wagen, ven feine junge fhöne Priefterin begleitete,
dur das Land zog: das Volk ftrömte ihm entgegen und bradte Opfer;
dann Härte ſich das Wetter und Alle hofften fruchtbares Jahr, Myth. 194.
Auch feine Schwefter Freyja hielt folde Umzüge, wenn man von Holda
(Ryth. 246) und der h. Gertrud $. 110, deren Dienft den ihrigen er»
fegte, auf fie zurüdicließen darf; daß fie Odur zu ſuchen unter die Völter
fuhr, wird uns D. 35 ausdrüdlich gemelvet. Wie wir die Eberbilder bei der
Göttermutter fanden, die doch eigentlich ihrem Gemahle, dem Sonnengotte,
gehören follten, jo wird der golbborftige Eber, fonft Frey: Symbol, im
Hymblulied au der Freyia beigelegt. Wenn fie darin der Göttermutter
gleicht, fo ift ihe Verhältnifs zu Nerthus noch viel deutlicher: dieſe muß
ihre Mutter fein, da Niörbhre ihr Vater ift, und wir Grund haben zu
glauben, daß der im Norden Niördr geheißene Gott der bei Tacitus uns
genannt und unerwähnt bleibende Gemahl der Nerthus war. Ebenſo uns
erwähnt und ungenannt bleibt in der Edda bie Mutter Freys und Frey
jas, die Gemahlin Niörds, von ber er ſich bei der Aufnahme unter bie
Afen ſcheiden mufte, weil fie feine Schwefter war und es bei den Aſen
nicht für erlaubt galt, fo nah in die Verwandtſchaft zu heiraten. Diefe
Meldung findet fi) Ynglingaf. c. 4, und Vegisbr. 36 wirft Loli dem
Niörbr vor, er habe den Freyr mit der eigenen Schweſter erzeugt, Da
die Geſchwiſter Freyr und Freyja gleihlautende Namen haben, fo laßen
ſich ſolche auch bei ihren Eltern erwarten: fie werden beide Nerthus (goth.
NairDus, ahd. Nirdu) geheißen haben. Ueber vie Bedeutung des Namens
ift man nicht einig; nur daß er auch bei den Kelten vielfach vortommt und
Kraft bedeutet, ift $. 59 bemerkt. Häufig wird man in deutſchen Sagen
240 Helle. Bhedi. Selcquittreden vn.
au die Jaſel ver Rerthus erinnert, vom ihr felb wird dann zur als
von einer Gräfin in ſchwarzer Kutfche geſprochen, ba man der Göttin ger
ſchweigen mußte. Bol. Emil Sommer Eagen Rr. 26. Kuhn WE. dla
und $. 143. 4 unten. Gehr ähnlich wird ihr oft Frau Holle, vie an
gleich ihr im Wagen fährt; nur pflegt fie im Teiche, zumeilen aud im
Berge zu wohnen Mit. der Hel verwandt zeigt ſich Nerthus nicht ım-
wittelbar, wir müßen erft daran erinnern, daß Niörbhr, ihr Gemahl,
fh am Geſang der Schwäne ergehte, die wir aus $.90 als unterwelts
liche Vögel tennen. Auch daß er in Noatun (Shiffäftadt) wohnte, deutet
auf ihre Cinbeit mit der Iſis $. 110, zumal und fon ihr Wagen zw
aleich ein Shifi fhien, wie das Schiff der Iſis zugleich ein Wagen war.
99. Niördhr und Skadhi.
Der deutſche Stamm, welcher die Verehrung ver Waneugötter Riöcke,
dreyr und Freyja hergebracht hatte, hielt aljo gleid den alten Römern,
deren ehennamige Götterpaare (mie Liber und Libera) zugleich Geichwilter
pa fein pflegen, die Chen unter Geſchwiſtern, wenigfens bei ihren Göttern,
für weanftößig Da Tacind hie Verehrung der Göttermuiter won ben
ſuebiſchen Heftyern meldet, wie er aud die Völler, melde die Rerthud ver
ehtten, zu ben Sueben ftellt, fo hat die Bermuthung Schein, daß es dieſer
Stamm. war, welcher ven Wanen Aufnahme in das nordiſche Götterfgftem
werkhaffte. Bu den Sueben werden e. 44 aud die Suionen geredmel,
die Vorfahren der heutigen Schweden; und wirklich finden wir den Diet
der Wanengötter noch fpäter bei den Schweden vorherſchen. Wie Riärbe
und Nerthus Geſchwiſter und Gatten zugleich waren, fo mochten audı
Freyt und Freyja bei den ſuebiſchen Stämmen als Gatten gedacht wer
ten. Judem aber fie fowohl ala ihr Bater Niördhr, nicht aber Nexihuß,
under die Afengötter aufgenommen wurden, jo konnten fie mın wach Löfeng
jener den. weftlichen Germanen anftöpigen Gefhwifterehen in Aögeeb
neue Verbindungen eingehen. Rjörbr vermählte ſich der Elabi, der Tochter
des Niefen Thiaſſi, welchen die Afen getöbtet hatten ($. 31), wofie Sladi
non den Göttern Grfag une Buße verlangte. Wiederum lam ed hier me
einem Vergleich, demgemäß fih Glabi Einen der Götter un Gemahl
mählen follte, ohne jedoch mehr als hie Füe von Denen zur ehem, umler
tmelhen fie zu wählen hatte. Da fah fie eined Mannes Züpe walktammen
ſchoͤn und rief: Dieſen wahl ih: Valdur iM ohne Fehll Aber & mar
m. Helle. Bhedi. Dun Laden bringen. 33
Re dam Renten, D. 56. Rad D. 23 war indves dieſe Ehe Keine glaa⸗
lhe. Giabi wollte wohnen wo ihr Water gewohm hatte, auf den Fetjen
von Thrymheim; aben Niörd wohte fi bei der Ges auſhallen. Da ver⸗
einigten fie ſich dahin, daß fie neum Nächte in Thrymheim und har ars
dere rei in Noatun fen wollten. Uber da Niördr von den Metzger nady
Roenm gurudiehrte, fang er:
Leid find mir bie Berge, nicht lange war ich dort,
Nor neun Nächte.
Der Wölfe Heulen danchte mid, widrig
Gegen der Schwane Singen.
Aber Stadi fang: ’
Nicht fchlafen lonnt ich am Ufer der See
Bor der Bügel Singen.
Da wedte mid vom Waßer kommend
Jeden Morgen bie Möwe.
Da eg Sladi nad) den Bergen und wohnte in Thrymheim.
Gtadi haben wir ſchon bei Uller als eine Wintergättin atam.
Der ihr varch eine Art Looßung zugefallene, ungemäße Gemahl muß sim
fonnmerlicher Gott ſein. Darauf derlen ſchon die neun Nächte, weihe
Rider in dem ragen Thrymheim zuzubringen geriätbigt wird: eb find
vie neun Wintermonate des Nordens. Ihnon gegenüben Reben drei (aicht
wem) Sounnernonate am lanen Geegeftade, wo Njerdr feine Wohnung
bat. Dasjelbe Schwanken zwifhen neun und drei Rächten kehrt übrigens
auch D. 37 imd SArmisför 41. 43 wieder und auch bien bedruten die
Nähte eben fo viel Monate. Bel. ©. 337. 347,
Stavi heißt Dendurdis, vie Sqhlittjchahlauferdn; fe hat hten Auj⸗
erchalt in Thrymheim, den rauhen winterlihen Bergen, mo man nur die
Wölfe heulen hört md diefer Aufempalt gefiek ihr befer ais Noatun vie
Schiffsſtatte, wo ihr Gemahl Rjörbr fi am Geſang der Schwane ergepte.
Eine andere Bebingung, weihe Stabi ven Göttern Reikte, gab dieſen
anf, es dahen zu bringen, daß fie lach en müße. Wie dieß Loft zumwege
bradhte, mag man D. 57 nachleſen. Wir fehen diefelbe Aufgabe in einer
Reihe Marchen nicht bloß deutſcher, ſondern allgemein verbreiteten, geftellt;
ich ertumee auch an Gunmaneme tm Parzival. Dieſer noch mrentväthfelte
Bug erllact ſich ans unferm Nythus. Die Wirtergökin if es, die zum
Lachen gebracht werden muß, wer fie erloſt werden und bei Walhails
fonnigen Göttern wohnen fol. Wenn vie Wintergöttiw lacht, fo ſcheuli
844 Helie. Stabi. Koſenlachen. 5.9.
das Eis und der Frühling ift gelommen. Damit wird das Roſenl ache n
Myth. 1054, Schönwerth III, 315 zufammenhängen. So haben aud) Zwerge
teine Gewalt mehr über und, wenn man fie zum Laden bringt, Bel. Fr.
Müller Siebenb. S. p. 31. Daß es Loti if, der Skadi zum Lachen bringt,
iſt nicht befremdend: haben wir ihn doc auch fchon in dem Mythus von
Smadilfari und in der Thrymslwida als Frühlingswinb Tennen gelerat.
Auch die unfaubere Art, wie er es ausführt, paſst zu der Unteufchheit,
deren er fih in Degispreda felber beſchuldigt. Da aber fonft lein Ber:
bältmifß zwiſchen Gabi und Loli befteht, fo könnte er hier an Njords
Stelle getreten fein, der nach dem Obigen einft ein Sonnengott war. Als
folder führt er den Frühling herbei, indem er bie winterliche Erbe zu
laden zwingt und die Welt mit Roſen zu bevölfern. Es konnte von
Nijördr aber nicht erzählt werben, weil der aud in unfern Märden wier
derfehrende Bug, daß fie ihn unter vielen wählte ohne mehr won ihm zu
fehen al die Füße, ihr Verhältnifs zu ihm anders eingeleitet hatte. Go
fehen wir in Njords und Gfadis Mythus dieſelbe Grundlage wie bei
Freyt und Gerda, Odin und Rinda, u. f. wm. Ya was hier von Rjoͤrds
zweiter Gemahlin erzählt wird, Tonnte urfprüngli von ber erflen gelten.
Nerthus verjüngte fih in Freyja und aud von diefer fehen wir in Fidl⸗
fwinsmal im Weſentlichen venfelben Mythus wiederlehren. Für Stabi
. ergiebt ſich aus diefer Betrachtung, daf fie im Grunde mehr tft ald eine
Bintergöttin, obwohl fie gleich ver Rinda zunäcft als folde erſcheint,
und die Edda auch fortfährt, fie ald ſolche zu behandeln, nachdem fie
ſchon zum Lachen gebracht ift, denn obgleich fie nun in Asgard weilt und
ſelbſt Thrymheim, ihres Vaters Wohnung, jept aus Riefenheim nad As-
gard verfegt ift ($. 21), läßt die Edda num erfi die Erzählung von ihrer
unglüdlien Che mit Njörbr folgen, bie fie und noch als Wintergöttin
ſchildert, nachdem fie längft die rauhe Schale abgeworfen haben follte.
Diefer Widerſpruch, in den fih die j. Edda verwidelt, hindert uns nicht,
auch in ihr eine Nebengeftalt der verborgenen Erdgöttin zu erlennen, bie als
Gerda, als Idun, ald Rinda, ald Gunnlöd gleih den verwünfchten Jung ⸗
frauen der deutſchen Vollsſage aus der Haft der Winterriefen erlöft fein will
Wenn fih ihr Odin fpäter vermäßlte, fo follte damit urſprünglich
wohl nur der Eintritt des Winters bezeichnet werden. Nach Hugliga. c. 4
zeugte er mit ihr den Säming, dem nad $. 62 (6. 190) Norwegen, das
kalte Sand zufiel. Säming heißt er als Frievenbringer, weil in bem lal⸗
ten nordiſchen Winter die Waffen ruhen,
8.9. Helle. Asatun. 35
Do nicht bloß ein ſommerlicher Gott war Njördr: als Gemahl ver
Göttermutter, die und 8. 98 mit der Nerthus zufammenfiel, hatte er
die Sonne zum Symbol, S. 340, und feinen Sohn Freyr fahen wir uns
ſchon ©. 68 genöthigt, als Sonnengott aufzufaßen. Auf das Meer kann
alfo Rjörbr urfpränglih nicht beichränkt geweſen fein: er war ein Vater
der Götter in einem andern, aber verwandten Götterfoftem, denn mir fins
den ihn der Mutter Erde vermählt, wie Odin in erſter Ehe der Jord,
der Mutter Thoͤrs. Nah dem Formali der Edda hat er die Menſchen
in Weinbau und Aderbeftellung gleich einer Erdgottheit unterwiefen und
nad Ynglingaſ. 11 glaubten die Schweden, er gebiete über die Jahres⸗
ernte und den Wohlftand der Menſchen. Hiermit fteht fein Bezug auf
das mur in den Sommermonaten ſchiffbare Meer nicht in Widerſpruch:
fein Dienft gieng von meeranmohnenden Vollern aus, die im Waßer den
Urfprung der Dinge ahnten. Bei der Aufnahme unter die Afengötter büßte
‚er einen Theil feiner urfprünglien Bedeutung ein; doc fteht er noch
immer an der Spihe der Wanengötter, und aus bem Weſen feiner Kinder
darf auf das feinige zurüdgefchlogen werden. .
Die j. Edda kennt ihn faft nur nod als den Gott des beruhigten
Meeres. ‚Er beherſcht den Gang bes Windes und flillt Meer und Feuer;
ihm ruft man zur See und bei der Fiſcherei an. Er ift fo reich und ver
mögend, daß er Allen, welche ihn darum anrufen, Gut, liegendes ſowohl
als fahrenves, ertheilen mag.’ Die Einmiſchung bes Feuerd bezieht ſich
wohl mur darauf, dab Waßer das Feuer loͤſcht. Der Name feiner Wobs
nung Noatun bebeutet Schiffftätte. Als Meergott ift er milder als Degir,
in welchem das Meer in feinen Schreden aufgefaßt ſcheint. Der Schredens-
helm, den wir bei beiden Meergöttern fanden, beweift nidt, daß ber fried⸗
liche Wanengott auch einft eine ſurchtbare Seite hatte. Bei Njörbr mar
er das Symbol der Sonne; in Degirs Befig, defien Name felbft Schreden
beveutete, mochte man ihn auf die Gefahren des winterlichen Meeres deu⸗
ten. Die Götterjage meiß indes nicht, daß er ihn beſaß; mir ſchließen
nur darauf, weil er von Ede, der ihm in ber Heldenfage entfpricht, auf
Dietrich übergieng. Aus Fafnirs Erbe erhielt auch Sigurd ben Degis⸗
beim, vor dem alles Lebende ſich entſehte.
100. Freyr (Wr)
Freyr, Rjordhs ‚nüßer! Sohn, ver über Regen und Gomnenfhein
uns das Wachsthum der Erde maltet, ven mar anrafen foll um Frucht ·⸗
barkeit und Frieden, wer auch ein Got ver Welluft und des Chefegens
tft (Ayth. 193), beſaß, vielleicht aus dem Erbe der Wurtter, mit melden
er auch gleiche gottesbienftlihe Ehren empfing (S. 341), wen goldborſtigen
Eber. Als Symbol der Sonne gehörte aber Gullinburfti eigentlich dem
Sonnengott, mad in biefer Warde folgte Freyr unter den Women feinem
Bater Niörbr (6. 341), ja bei feines Aufnahme unter bie Aſen warb fe
ihm belafen, während fie fih bei den aſiſchen Sonnengöttern, Dyin amd
vieleicht Heimdall, verbunfelte. Wir erfehen wie waraus, daß ber My
thus von Skimisför, der einft von Odin gegolten haben mufte (6. 203),
mm auf Freyr Übertragen ward. Ein anderes Symbol gleicher Bebeutung,
der Sonnenhirſch, wird & 108 beſprochen, und Freyts drittes Aleinod,
das Schiff Stidbladnir, ſchon ſogleich.
„Ueber Regen und Sonnenſchein ımb das Wachemhum ber CErve ge
bietet Freyr als Sonnengott; als folder befigt er auch Mipeim, die Woh-
nung der Lichtalfen; als Gormengott fepte er ſich auf Hlidſtkialf, Odtac
Hochſth, und in die ZJulzeit, we die Some fid) verjängt, fällt fein Fe.
Seine Abrigen Cigenfchaften, und namentfich feine friedliche Ratar,
find das Erbe aller Wanengötker. Daß er fein Schwert weggab, fönie
fo werftanden werden, als babe er bei ver Aufnahme unter die Aſen feine
kriegerifche Natut eingebüßt. Daß fie aber je in feinem Weſen gelegen
hätte, läßt ſich weder aus dem Schwert, noch aus ven ſchrecenden Eberr
bildern, die er mit der Göttermutter gemein hat, erweifen, da fie beide
nur die Sonne und der Sonnenſtral bebeuten, 6. 340. Wie Nerthus ven
Voͤltern neben der Fruchtbarkeit Frieden brachte, wie der Krieg ruhle, die
Waffen ſchwiegen wohin fie am und alles Eifengeräth verfhlopen ward,
fo duldete auch ihr Sohn, dem man den Frodefrieden zufchrieb, in feinem
Tempel zu Thwera keine Waffe; fein Mörder, kein Geaͤchteter, die ſonft
in Tempeln Zuflucht fuchten, durfte das Heiligthum entiseihen. Seine
friedliche Natur Tiegt aud in feinem Bezuge zu Gel, woven $. 101, vom
die Unterwelt ift eine friedliche Welt, da ift aller Streit zu Ende, während
in Walhall die Einherier täglich) zum Kampf ausreiten. Heimskr. Haraldſ.
co. 16 ift unter Freys Spiel’ nicht etwa der Krieg gemeint, ſondern das
Julfeft: fonft zu Freys Ehre am häuslichen Heerde begangen, foll es dieß ⸗
% 100. Fto. Dradenkampf. Aunbladait. 347
mal auf einem Wilingäzuge gefeiert werben. Wemn ex als Dracenlämpfer
erſcheint, fo bezieht fh das auf feinen Sieg über Beli, ver in Glimisför
freiiih nur als Niefe gedacht ift; aber Drachen wandeln fi in Rieſen
und in den Sagen bei Saro, welhe W. Müller Ziſchr. II, 43 beſpricht,
war der Rieſe der Frühlingäfürme wie in der Sigurdsſage als Drache
dargeftellt. Aus denſelben Sagen ergiebt fi, daß Sigurd nur eine Vers
jüngung Freyrs war, ber in der dritten berjelben unter dem Namen Alf
auftritt, weil ihm Alſheim, das die Sonne bedeutete, zum Bahngebinde ge>
ſchenkt worden war. Wenn Alf Hialpreds Sohn in der Edda und Wölfungar
ſage als Sigurds Gtiefvater erſcheint, jo fol damit nur angedeutet wer⸗
den, daß Freyts (US) Dradenlampf auf Sigurd wererbt fei. Hialpred,
deſſen Name, wie ſchon M. Rieger vermuthete, aus Alfrek entfieit ſcheint,
wird gleichfalls wie Alf den Lichtelfenlönig bedeuten. Sigurds Dienſt ⸗
barfeit, auf die man jo großes Gewicht gelegt hat, iſt in der Eda nur fein»
bar und von ihm felbft Fafnismal 8 geleugnet; in Betreff Siegfrieds wird
Ge in den Nibelungen us vorgefpiegelt:
Er (Gunther) nahm es nicht als Dienft an wie oft er Giegfrieben ſah.
Die triegerifhen Gelühbe, die man zur Julzeit auf den Gühneber,
wenn er nicht Sonneneber beißen muß, ablegte, ſollten noch in vemfelben,
eben mit der Wiedergeburt der Genne beginnenden Jahre ihre Crfüllang
finden, unb fo mögen auch fie nidt beweifen, daß dreyr je ald Krieg
gott gedacht ward. Wie wir ben Hugſchapler fogar auf wen Pfauen ſchwö⸗
tem fehen, legten fie die Angelſachſen auf den Schwan ab (R. A. 980)
den wir wohl nad; dem obigen Gefange Rjordhs 6. 343 ald ven ihm
gebeiligten Vogel (nles gratissima nautis Myth. 1074) zu faen haben;
das erläutert ſich theils aus dem Bezug biefer Gelübbe auf Gerfahrten,
theila aus der weientlihen Ginheit bed Sohns mit dem Water, vie ſich
auch an dem anderen Kleinode Freys, dem Schiffe Slidbladnir, erweiſn bat
mis immer günfigem Fahrwind Meer und Luft befuhr und ſich zuſam ⸗
wenlegen ließ wie ein Tuch, daher es auf bie Wollen gedeutet worden iſt.
welche beim Gintritt günftiger Witterung leicht im Luft zerfliegen. Noch
jet werden Woltenbildungen Säiffe genannt, und Schiller nennt die Woi ⸗
ten Segler der Lüfte. Auch bier berühren fi Rjöcde und Zreye als
Ehiffahrtägätter mit Odin, denn dieſem wird Heimskt. I, 7 Stidblad ⸗
nit zugeſchriebez. Mit Skeot, der im Sehiffe ſhlafend and der Unten
weis gefahren. kommt un in bemfelben Schiff un mit gleicher Aus ⸗
38 Seo. Hadding. Begahid. 8. 100.
Rattung aud wieder dahin zurüdfehrt, lann ihn aber der Befig Stidblad⸗
nirs nicht gleichftellen, denn dem Skeaf ift e8 weſentlich, daß er noch ums
geboren gefahren lommt, und zwar wie wir aus der Vergleihung mit ber
Schwanenritterſage fehen, um einen Rampf zu Kämpfen, benfelben Kampf,
‚ven in der Edda der laum geborene Wali kämpft.
Freys Name fheint aus einem Beinamen Niörb3 erwachſen, der
ihn als den Herrn (goth. fräuja) bezeichnete, Myth. 190. Der Name könnte
auch Odin meinen: um fo leichter erflärt fih die Vertaufhung der Sonnen⸗
götter und die Mebertragung des Mythus von Sfimisför von Odin auf
Freyt. Auch daß diefer nach abweichenden Genealogieen Myth. 199. 322.
Dpins Sohn oder Ahne ift, kann hiermit zufammenhangen. Die in biefen
Geſchlechtsreihen erſcheinenden Namen find wie Fridhuwald mit Frieden
zufammengefegt, und wenn ſich daneben Foltwald zeigt, wie Freyr Sfr
nisför 3 volfwaltender Bott heißt, wobei der Einfluß der Alliteration in
Anſchlag zu bringen ift, fo muß biefer jedem Fürften geziemende Rame
nicht gerade den Feloheren meinen. Freyjas Himmelswohnung Follwang
deutet auf die Menge des Volls, vie bei ihr Aufnahme findet, und auch
bei Freyr wird uns dieſer Bezug auf die Todtenwelt begegnen. ”
Freys friedliche Natur zeigt fih aud in den f. g. Freyshelden, in
welchen ſich das Weſen des Gottes verjungt. Bei Saro erſcheinen mehr
rere an Freys Namen anlklingende mythiſche Könige, unter welchen Frieden
und Fruchtbarleit herſchte. Sie führen meiſtens Namen, die von dem Freys
abgeleitet find, oder in benen der Begriff des Friedens hervorgehoben if.
Der berüpmtefte iſt Frotho (Frödi), der Sohn Habbinge, der das Fröblöt,
ein Freysopfer, einfegte. Bon Habbing und feiner Gemahlin Regnhild
wird bei Sao (Müll. 53 ff.) erzählt was die Edda von Niörbr und
Stadi berichtet, ſowohl die verbedte Wahl des Bräutigamd, defien Füße
nur fihtbar waren, als die Scheidung; ja die Lieber, melde bei diefer
gefungen wurden, tehren in lateiniſcher Weberfegung wieder. Regnhild
hatte Habbing geheilt, und ihm babei einen Ring in ben verwundeten
Schenkel gelegt. Daran erkannte fie ihn hernach, als ihr von dem Vater
verftattet wurbe, unter ihren Freiern blindlings zu wählen. Diefen Had⸗
ding weiß ich mit den beiden Haddingen $. 92 nicht zu verbinden. ber
ſchon vor dem Friedensſchluß zwiſchen Afen und Wanen war ihnen wohl
Viele gemein, und am Wenigften kann es befremben, wenn wir Wanen ⸗
mythen bei einem der Lichtgötter Baldur und Mali wiederfinden.
Bon Frodi ſelbſt erzäplt die Skalda c. 43, bie ihm abweichen von
5. 100. Fra. Senja und Menje. Mühlenweg. 3
Saro zu Frivleifs Sohne, Odins Urentel macht, zu feiner Beit habe Friede
in der ganzen Welt geherſcht und die Sicherheit fei fo groß geivefen, daß
ein Goloring lange Zeit unberührt auf Jalangershaide lag. Zwei Rieſen⸗
mägde, Fenja und Menja, ließ Frodi von dem Schwerentönige Fiölnir
Taufen und fegte fie in die Mühle Grotti, welche Alles malte was ber
Müller wollte. Erſt befahl er ihnen Glück und Frieden, dann aber Gold
zu malen und vergönnte ihnen aus Habgier nicht längere Frift fih zu
ruhen als bis ein Lied gejungen werben könnte. Da follen fie ipm das
Grottenlied' (M. Edda ©. 348) gefungen haben, und ehe fie von dem Gefange
ließen, malten fie ihm ein feindliches Heer, fo daß in der Nacht ein Seelönig
kam, Myfingr genannt, welder den Frodi töbtete und große Beute machte.
Damit war Frodis Friede zu Ende. Myfinge nahm die Mühle mit fih,
jo auch Fenja und Menja, und befahl ihnen, Salz zu malen. ‚Und um
Mitternadt fragten fie Myfinge, ob er Salz genug babe? und er gebot
ihnen, fortzumalen. Sie malten noch eine kurze Friſt: da ſank das Schiff
unter. Im Meer aber entſtand num ein Schlund, da wo bie See durch
das Müpfteinloh faͤllt (Malftrom). Auch ift feitvem vie See gejalzen.‘
D.63. Crinnerungen an diefe Mühle, die auch in das finnifhe Epos
gebrungen ift, wo fie ald Sampo eine große Rolle fpielt, finden ſich in
Deutſchland vielfach. Vgl. Colahorn 25.32. 61. Sie muß die Sonne bebeutet
haben, vie als Rab und weil ihr die Fülle der irdifchen Güter verdankt
wurde, ala Mühle gefaßt wurde. Der Name Mühlenmweg für die Mile
ſtraße hängt damit zufammen, vgL Kuhn Herabkunft 114. 116.
Frodis Zeit erſcheint bienach als die golvene, und mie bei den
Aſen das Golvalter und die Unſchuld der Götter durch die Habſucht ver⸗
loren gieng, die zur Schöpfung der Zwerge verleitete, fo ſehen wir. hier
von dem Wanengotte, der in Frodi hiſtoriſiert ift, gebichtet, er habe den
Frieden und die goldene Beit durch Goldgier verwick. Belannt if, wie
Frodi ala Fruote in die deutſche Helvenfage übergieng. B
Freyt heißt Degisdr. 8. Yngwi⸗Freyt, was mit dem agf. Frés
Ingvina verglihen, Herr der Inguine beveuten fann. Das norwegiſche
Aonigsgeſchlecht der Pnglinger leitete von Ingwi⸗Frey Urfprung und Ramen.
Fiele er hiernach mit Inguio, einem der Söhne des Mannus, zufammen,
fo träte er in eine ber älteften Trilogieen ein, die und überliefert find.
Eine Berjüngung Freys war auch Fiölnir, von dem Gnorri I, 14
erzählt, wie er über die Schweden und den Reichthum Upfalas geherſcht
babe. Frodi wohnte damals in Hlevra (Seeland); fie waren beide gute
850 Seo. Siölnie. Sonnenuntergang. 8. 101.
Freunde und beſuchten einander. Ziölnir fuhr einmal zu Frodi; da warb
ein großes Gelage angerichtet und weit umher Gäfte geladen. Frodi hatte
ein große® Haus; da wurde ein großes Faß gemadt viele Ellen hoch
und mit vielen Banbreifen verbunden. Es fland in einer Unterftube,
aber oben darüber war das Obergemach mit einer Deffnung in ber Diele,
durch welche man das Getränk von unten heraufpolte. Das Faß war
voll Meth und warb da über die Maßen ſtark getrunfen. Gegen den
Abend wurde Fiölnir in das darüber liegende Obergemach gebettet und
fein Gefolge mit ihm. In der Nacht gieng er hinaus auf die Diele
und mar feiner Sinne nit mehr mächtig. Als er zurüdfehrte, trat er
fehl, fiel in das Methfa und fand den Tod. In Salmannsweiler wird das ⸗
felbe von einem Mönd erzählt, der durch dad weite Spundloch des großen
Faßes fiel und ertranl. Aud bier ift der Mythus von dem Sonnengott,
der allabendlich in den Fluten des Meeres untergeht, nicht zu verfennen.
101. Frege und Hel.
Baldur ward im Schiffe verbrannt; Freyr der Bott fällt erft im
BWelttampfe: feine Beftattung lönnen wir alfo nicht in Bergleihung zier
ben. Aber in der Ynglingaſaga wird er als hiſtoriſcher König von
Schweden gefaßt, und von diefem vermenfchlichten Freyt heißt e8 C. 12,
er fet krank geworben: ‚Und als die Krankheit überhand nahm, giengen
feine Mannen gu Rath umd ließen Wenige zu ihm kommen; fie errichte:
ten aber einen großen Grabhügel und machten eine Thüre davor und drei
Fenſter. Als er aber geftorben war, trugen fie ihn heimlich in den Hügel
und fagten den Schweden, daß er lebe und bewachten ihn drei Winter
hindurch. Alle feine Schäge aber bradten fie in den Hügel: dur das
eine Fenſter das Gold, durch das andere das Silber, durch das britte
das Kupfergelo. Es blieb gute Zeit und Frieden.’
Dbgleih Snorri das KHügelalter im Vergleich zum Brennalter erft
mit Dan, dem Prädtigen, beginnen läßt, fo Müpft er doc felbft (Borr.
4) den erſten Urfprung ber Sitte bie Todten zu begraben an Freyt,
alfo an die fo eben mitgetheilte Erzählung. In den Berg, in den Hügel
gehen, heißt ſeitdem Sterben. In der Saga Harald des Schönhaarigen
Gap. 8 geht König Herlaug mit 12 Mannen in den Hügel, weil er ſich
der Alleinherſchaft Haralds nicht unterwerfen wil. Gerade fo geht nad
der Gage vom Scherenzerwalde der Welfenherzog Eticho mit 12 Mannen
in den Berg, um des Kaiſers Vaſall nicht zu werben. Per Mon. VI, 761.
% 101. Fre. Bergentrükung. Segräbniß. 861
Da das Hügelalter dem Brennalter folgte, fo könnten bie Wanen ben
Aſen gegenüber ein jüngeres Geſchlecht jheinen. Die Bergenträdungen
der fpätern deutſchen Enge Hingen bier an: die Lieblingähelven unſeres
Volls, Siegfried, Karl der Große, Wittelind und Friedrich find ihm nicht
geftorben (si sagen er lebe noch hiute), fie find in den Berg gegan-
gen und ſchlaſen dem Tag der Grlöfung entgegen. Mythiſch ausgebrüdt
heißt das: fie find in der Unterwelt, bei Hel, der verborgenen Göttin.
Sie ift aber zugleich die Todesgöttin, unb Panzer hat die Felſengange
der deutſchen Burgen, in welchen die Schloßjungfrau um Erlöfung feufst,
als Begräbnifsftätten nachgewieſen. Jener Schlaf ift alfo nur infor
fern nicht der Todesſchlaf, als nod ein Erwachen, eine Erlöfung als möglich
gedacht wird. Die Wanengötter, die im Winter für geftorben gelten, er
wachen im Frühjahr; aber für die in den Berg gegangenen Helven ift
Der Tag des Erwachens der jüngfte Tag: fo haben wir aud wieder eine
Erweiterung, eine Ausdehnung des Jahresmythus auf das große Welten
jahr. Nun fält auf, daß jene im Berge fchlafenden Lieblingshelven der
Deutſchen zum Theil an die Stelle von Afengöttern getreten fcheinen, welche
die Edda doc auf Asgards Höhen, nicht im Berge wohnen Läpt, Allein die
deutſche Sage hat meift das eltere bewahrt, und es fehlt nicht an
Spuren gleiher Anfhauung im Norben. So wirb im Eingang ber
Thromstwida, ala Thor den Hammer vermißste, won feinem Erwachen
geiprogen. Es war aber der Frühling, der ihn gewedt hatte nach den
acht Wintermonaten, die in ben acht Naften unter ver Erde angedeutet
find. Bu vermuthen ift, daß einft fogar Odin, der fih Sig. Aw. 18 ben
Mann vom Berge nennt, im Berge wohnte, Nach Yngl. 15 wird dem
Swegdir gefagt, er folle in den Stein gehen, wenn er Odin finden wolle.
Auch Hadelberg:Wuotan fteigt im Herbft in den Schattenberg hinab, um
im Frühling zur Erde zurüdzulehren. Kuhn WS. 36. Selbſt D.2 ber
gegnet noch eine ſolche Spur, denn bier f&lägt dem Gylfi, ba er in
Dinz Halle gieng, die Thüre hinter der Ferfe zu, was fonft ungähliger
mal von der Höllenpforte gemeldet wird. Auch trafen wir $. 91 Ufer,
Dvins Kehrſeite, gleichfalls in der Unterwelt; zugleich ertannten wir S.
338 Heimbald neun Mütter als Vervielfältigungen Hels; ebendaſelbſt
lernten wir Widar ald Ddins Sohn und ber Hel kennen: die eddiſche
Auffaung, wonad die Ajen ihre Wohnung im Himmel haben, kann alfo
nur eine fpätere fein. Wißen wir hoc auch, daß es zwei Hügelalter
giebt: eins das dem Brennaltar nachſolgte und ein frühere, das ihm
862 St. Sromin. Geldſerq. 8. 101.
vorausgieng. Während des Brennalters, ald man bie Todten nicht mehr
in ben Berg trug, fondern dem Feuer übergab, deſſen Rauchfäule fie zum
Himmel empor wirbelte, mag man ſich gewöhnt haben, die Götter und
Einherier über den Wollen wohnend zu denlen. Dem muften fi nun
auch die Wanengötter fügen, obgleich ihr Dienft bei einem Volle ent-
fprungen war, das der älteften Beftattungäweife treu geblieben ſcheint.
Mit voller Gewiſsheit ift Fro im emgern Deutſchland noch nicht
nachgewieſen. Das beftimmtefte Beugnifs ift der Gigenname Fröwin,
der in einem berühmten Gefchledhte wie dem von Hutten ald Borname erb:
lich war. Das ‚goldene Ferkel‘, das nad thäringifhem Vollsglau⸗
ben dem zu Gefichte kommt, der fi) am Chrifttag ber Speiſe bis zum
Abend enthält, und das ‚reine ſchon bei der Milch vergeljte (verfänittene)
Goldferh‘, das nah dem Lauterbaher Weisthume bei dem Gericht
auf Dreitönigstag von den Hübnern rund buch vie Bänke geführt und
hernach wohl gefchlachtet ward (Myth. 45. 194), zeugt für den Dienſt
des Sonnengotted, nicht gerade für Freys. Kuhn WE. 331 nimmt an,
es fei der Berta d. h. Freyja zum Opfer gefallen. In Vinkbuch ward
das Gerichtsſchwein, ber maialis nacrivus der lex Salica, Rod. I, 191,
in der Ernte, alfo bei einem Wuotansfeſt geſchlachtet. So giebt es auch
teine Nöthigung, den nad Gelbrifhem Glauben in der Chriſtnacht um ⸗
siehenden Der mit dem Beer (M. 194), vor dem man alles Ader
gerät in Sicherheit brachte, damit es nicht gertrampelt würbe, auf Frö
und nicht auf Wuotan oder Phol zu beziehen. Vgl. Kuhn WE. 114.
Nur ald Gott ver Zeugung, cuius simulacrum firgunt ingenti prispo
nach dem Ausprud Adams von Bremen, hat ihn Wolf Beiträge 107 fi.
wahrfceinlih gemacht und Kuhn WS.II, 137 beftätigt. Diefelbe Gott
beit heißt aber auch Ters; in den hochdeutſchen Faſtnachtſpielen, die ihm
zu Ehren aufgeführt feinen, Zers, ein Name, den man germ auf Tor
zurüdführen mödte, der dem Fteyt in andern Trilogieen entſpricht.
Die Weife, wie Loki die Skadi nad D. 57 zum Lachen bringt, ift
ganz priapeiſch. Oben S. 344 ift ausgeführt, daß es eigentlich von
Niord, Freys Vater, hätte erzählt werben follen. Ueber das Bild an der
Steenport zu Antwerpen vgl. Wolf Beitr. I, 107. Unfruchtbare Frauen
pflegten e8 zu befränzen, um bald des Mutterglüds theilhaftig zu werben.
Ebenda werben noch andere belgiſche, wirtembergifhe u. a. Beiſpiele bei⸗
gebracht, welche mir nicht alle gleich beweifend ſcheinen, und namentlich
ÄR das Emenzheimer Bild römifhen Urfprungs verbädtig, wenn gleich
8. 102. Sto. phol. Heidran. 358
noch jept unfruchtbare Weiber fi auf diefen Stein fegen, um fruchtbar
zu werben,
Daß der Eher Gullinburfti in Deutſchland bekannt war, zeigen bie
alliterierenden Zeilen in der St. Galler Rhetorik, die ihm gerade fo ſchil⸗
dern wie er dem h. Dlaf (Form. S. V, 164) begegnete und wie er nod
jegt in Schweden und Tyrol umgeht. Vgl. Alpenb. M. und S. p. 54. 69.
Ueber ven Sper in der Seite vgl. Ziſchr. IV, 507, wo aud der Bezug
auf den erpmantifchen Eber abgewieſen wird. Scheint uns doch felbft an
Heidrun die Biege noch eine Erinnerung geblieben, Schöppner Nr. 88.
Dben ©. 323 ift die Vermuthung angebeutet, daß Phol den Freyr mit
Baldur vermittelt habe und die burd einen Eher veranlafte Stiftung
der Klöfter Bolling (Sc. I, 440) und Eberbach ſcheint fie zu beftätigen.
Jedenfalls erinnert die Cage (Sch. II, 1250) von dem wilden Nitter zu
Lindum, der lieber felbft in ein Schwein verwandelt fein als von feinem
Jagbrevier ein Stüd abgeben mollte, und deſſen Sohn dann einen
Schweinslopf zur Welt brachte, an ven Gott, der in der Geftalt des ihm "
gebeiligten Ebers zu erfdeinen pflegte,
102. Sonneneber und Sonnenhirfch.
Freyr traf in feinen beiden Symbolen mit Odin zufammen ; viel:
leicht befaß er noch ein dritte, den Sonnenhirſch, ven wir fon bei
Heimball S. 303 gefunden haben. Als Symbol der Sonne kann er
allen Sonnengöttern zugeftanden haben. Freyr hätte nur darum nähern
Anſpruch darauf, weil er nad D.37 Gerdas Bruder Beli, den Riefen
der Frühlingaftürme, mit einem Hirſchhorn erſchlug, als er fein Schwert
bintmweggegeben hatte. Unfere Quellen fließen aber bier fparfam und
trübe: das eddiſche Sölarlisd (Sonnenlied), das ihn in der Unterwelt
erſcheinen laßt, miſcht ſchon Ehriftlihes mit Heidniſchem. Es heißt da
Str. 55:
Den Sonnenhirſch ſah ih von Süden kommen,
Bon Zwein am Zaum geleitet.
Auf dem Felde ftanden feine Füße,
Die Hörner hob er zum Himmel.
Schon oben warb er mit dem Hirſch Eidthyrnir zufammengeftellt, von
deffen Geweih die Ströme zur Unterwelt zurüdfließen. In der Sage
vom Hirſchbrunnen (Müllenhofj 123) hat fi) eine Grinnerung daran im
Cimzet, Mythologie. 23
354 Sr. Hirſch. Themas von Exciidonne. Tannhäufer. $. 102.
Volle erhalten. Eine Quelle mit reinem Waßer, an der eine Dorfichaft
ſich niedergelaßen hatte, war verfieht. Da gieng ein Jäger Abhülfe zu
haften in den Wald und fah einen Hirfh mit goldenem Geweih. Cr
legt an um zu ſchießen; aber aus Mitleid mit dem ſchoͤnen Thiere fept
er die Büchfe wieder ab und geht nach Haufe. Am andern Morgen fand
man das Geweih bei der Duelle liegen, die num neu gefaßt werben konnte
und das jchönfte, heilkräftigſte Waßer gab.
Eine Reihe deutſcher Vollsfageh, deren ih in ‚Bertha die Spinnerin‘
einige verglihen habe, läßt den Hirſch ericheinen, um den nachſehenden
Jäger an den Abgrund oder gar in bie Unterwelt zu verloden. Bol.
Wolf Beitr. 100. Graf Eberhard von Wirtemberg traf einen Geift, der
von Gott erbeten hatte, ewig jagen zu dürfen, und nun ſchon fünfthalb:
hundert Jahre einen Hirſch verfolgen muß ohne ihn je erreichen zu können.
DE. 308. Bei Kuhn NS. 281 muß der Haßjäger den Hirfh ewig
jagen und 325 jagt ihn der Weltjäger. In dieſen Bariationen ber
Hadelbergfage, wo der Sonnenhirfd an die Stelle des Sonnenebers tritt,
werben und deutſche Höllenftrafen vor die Augen geführt. In DE. 528
erfheint der Hirſch dem Freiherrn Albert von Simmern nur um ihm die
unausſprechliche Pein zu zeigen, die fein Vaterbruder erleidet. Aber die
Unterwelt hat aud ihre Freuden. Thomas von Ereilvoune der Reimer
(the rymour), der Dichter und Wahrfager war, verbankte Kunft und
Wißen der Verbindung mit der Königin der Elfen ober Feen, denn als
ihn diefe nad) fieben Jahren auf die Erde zurüdtehren Tieß, behielt fie
ih vor, ihm zu gelegener Zeit wieder zu fi zu rufen. Als er nun
eines Tages luftig im Thurme zu Greilvoune faß, tam ein Mann herein
und erzählte voll Furcht und Grftaunen, daß ein Hirſch und eine Hirfde
tuh aus dem nahen Walde ins Dorf gelommen feien und ruhig auf der
Strafe fortzögen. Thomas fprang auf, gieng hinaus und folgte den
Bunderthieren zum Walde, von mo er niemals zurüdtem. Doch if er
nicht geftorben, fondern lebt nod immer im Feenlande und wird bereinft
wieber zur Erde zurüdtehren. W. Dönniges Altſchottiſche und Altenglifche
Balladen, Münden 1852, S. 68. Die Feenkönigin gleicht der deutſchen
Frau Venus, die 6.315 Juno hieß, und Thomas der Reimer unjerm
Zannhäufer. So wird in ber Helvenfage Dietrichs endliches Verſchwin⸗
den durd einen Hirſch eingeleitet, der ihn in die Hölle verlodt, wobei er
ſich eines rabenſchwarzen Roſſes bevient, das ſich ihm unerwartet zur
Seite geftellt hatte. Dasſelbe ſchwarze Roſs erſcheint bei Berfolgung bes
8. 102. Seo. Hieſch. Stab. hulda. 865
Hoͤllenhirſches auch Cap. 53 der deutjhen Gesta Rom., wo einem Ritter
von feinem tyranniſchen Heren, der ihn um fein Grbe bringen mollte,
aufgegeben war, ihm ein ſchwarz Roſs, einen ſchwarzen Hund, einen
ſchwarzen Fallen und ein ſchwarzes Jagdhorn zu verfchaffen: wo nicht,
fo hätte er fein Land verwirtt. Betrübt reitet er durch den Wald; da
fieht er einen alten Mann über einer Grube figen, einen Stab in der
Hand. Diefer nimmt ſich feiner an, giebt ihm den Stab und heißt ihn
gradaus gehen bis er an eine ſchwarze Burg lomme: da folle er in beflen
Namen, der des Stabes Herr fei, gebieten, daß jene vier ſchwarzen
Dinge ihm gegeben würden. Gr gehorcht, erhält die verlangten Stüde
und bringt fie feinem Herrn. Diefer faß nun eined Tages daheim, als
er plöglih die Hunde bellen hörte. Cr fragte was bad wäre und ers
hielt zur Antwort, es fei ein Hirſch, dem die Hunde nacfegten. ‚So
bringt mir her mein ſchwarzes Roſs, den ſchwarzen Hund, den ſchwarzen
Falten und das ſchwarze Horm’. Das geſchah, und als er den Hirſch
ſah, verfolgte er ihn auf dem ſchwarzen Roſs, und der Hirfh rannte
‚gerichtö‘ in die Hölle und der Herr ihm nad) und warb nie wieber ger
ſehen. Dgl. 6. 197 oben.
Der legten vielfad Iehrreihen Erzählung fteht Gap. 58 eine andere
zur Seite, in welcher ber Stab des alten Mannes nicht wie bier die ald
Qualort gedachte Hölle, fondern den Balaft erfhlieht, wo Ueberfluß ift
ohne Mangel, Freude ohne Trauer, Licht ohne Finfternifs. Vgl. Muspili
14. Hier waltet nod ganz bie deutſche Vorftellung von einer Unterwelt,
die zugleich Lohn und Strafe bietet, 5.336. Der Hirſch zeigt den Weg
dahin, daß ſchwarze Roſs führt hinein; aber die Herſchaft darüber gehört
dem alten Maune, in dem Niemand Wuotan verfennen wird, ber nad
deutſcher Borftellung nicht auf Asgards Höhen, fondern im Berge wohnt.
In der fpäten isländifhen Huldaſage (Müller Sagenbibl. 363 —366) iſt
es Odin felbft, der in Begleitung feiner Hofleute Loli und Hönir von
einem Hirkh in eine fehr entlegene Gegend verlodt wird, wo er zwar
nicht zu Hel, wohl aber zu Hulda gelangt, die auch noch fonft an bie
Stelle der Hel tritt. Wie Adenes le Roi die Geſchichte der fabelhaften
Wutter Karla de Großen (Berthe as grands pies) erzählt, wird Pipim
durch einen Hiefh dem Walvaufenthalt feiner Gemahlin Bertha zugeführt,
die ihren vermeintlichen Mörbern für tobt gilt. Statt des Hirſches iſt
es das andere Symbol der Sonne, der Eber, der ven Grafen Balduin
von Flandern einer Jungfrau zufährt, die Niemand anders ift als die
866 Ste. Hirſch. Yeljns. Seljes. . 108.
Göttin der Unterwelt, wenn fie fi gleich Heljus nicht Helja nennt;
damit ift fie übrigens deutlich genug bezeichnet: es beburfte Taum, daß
fie fih dem Grafen, ihrem Gemahl, zulegt als eine Teufelin befennt.
NE. Wolf 86.. Ein Hirſch ift ed wieder, der nach dem flämifchen Vollsbuch
vom Schwanenritter den Driant an den Brunnen führt, wo er Beatrig
findet, die ihm fieben Kinder gebiert; ein Einfiebler, Heli as genannt,
sieht fie auf, und nach ihm heißt aud der Schwanenritter, der nad) ans
dern Darftellungen ©. 315 aus der Unterwelt kommt, Helias (Helgaft?).
Bei einem Brunnen findet Raimund Melufinen, die ihm räth, eine
Hirfhhaut, des Landerwerbs wegen, in ſchmale Riemen zu zerſchnei ⸗
ven. Voltzbücher VI. Ein Hirſch verlodt bei Montanus 1,86 die Heiden
in den Schacht des Luderichs, bevor der Berg einftürzt. Und damit wir
nicht zweifeln, daß es der Sonnenhirſch ift, das Symbol der täglich unter
ven Berg gehenden Sonne, fo ſehen wir in dem von Ettmüller heraus«
gegebenen St. Oswaldes Leben den Hirih, dem ber Heidenkönig nadfegen
muß, während St. Oswald feine Tochter entführt, von zwölf Goldſchmie ⸗
den (dem Ajen) mit Gold bededt, wogegen er nad dem andern gleiche
namigen Gedicht unmittelbar aus dem Paradieſe geſandt wird. Vielleicht
. hängt er mit dem Goldhirſch MM. 54 und WM. 73, ver gleihfalls von
Goldſchmieden geſchmiedet ift, zufammen. gl. aud den brennenden Hirſch
in dem Märden bei Colshorn S. 150, wo die alte Frau mit der eifers
nen Ruthe wie in den entiprechenden Märchen (NM. 60.97) die Hel if.
So viele Beifpiele, die ſich Teiht nod häufen ließen (vgl. 4. ®. Enentels
Erzählung von Remus) und wirllid von Andern feitvem gehäuft worben
find, geftatten” an dem Zufammenhang bes Hirſches mit der Unterwelt,
die bald ein Gott, bald eine Göttin beherſcht, leinen gZweifel mehr. Darum
fährt au auf dem Todtentanz der Brüder Meyer, Züri 1610, der Tod
auf einem mit zwei Hirſchen befpannten Wagen dem Walde zu. Rochh.
1, 190. Diefer bezeugt auh, daß der Tod im Aargau ben Namen
Mabirzi führt, wo ala gleih dem altn. allr bebeutet qui vivere de-
sit. Wörterb. 211. Dft führt der Hirfh nur zu einer fhönen Fran
am Brunnen; fie ift aber der Unterwelt verwandt unb bie Verbindung
mit ihr an die Bedingung gelnüpft, daß bie ungleihe Natur des Vers
bundenen nit an den Tag gezogen werde; Untreue, ja bie geringfte
menſchliche Rohheit wird mit dem Verluſte des kurzen Glüds, zumeilen
aud mit dem Tode gebüßt.
Der Stab de alten Mannes, der dem Stabe der Gridh und der
8. 108. Ss. Eher. Baden 857
eifernen Ruthe der Alten gleicht, beftätigt zugleich unfere Deutung jener
(S. 337) auf die Göttin der Unterwelt.
An den Gber, der aud beim Julfeft, wo bie Wiedergeburt ber Sonne
gefeiert wurde, daß Hauptgericht war, Mnüpft fi ein Gebraud, ver den
Bezug des Gottes, defjen Symbol er war, auf dad Cheglüd darthut.
Am rothen Thurm zu Wien bieng ein Schinken, der für das Wahrzeichen
der Stadt galt. Man nannte ihn gemeinhin einen Baden, weil er aus
dem Hinterbaden eines Schweins beftand. Der Baden follte dem zu
Theil werben, der beweife, daß er Herr im Haufe fei. Niemand machte
darauf Anfpruh, nur ein junger Ehemann meldete fih und hatte auch
ſchon die Leiter beftiegen, den Baden herunter zu nehmen; weil e8 aber
ein beißer Sommertag war und der Schinken ein wenig triefte, flieg er
wieder hinab und zog den neuen Rod aus, den er anhatte, denn wenn
er ihn unfauber made, werde er daheim von feiner Frau übel geſcholten.
Bol. Bechſt. Defterr. S. p. 5. Hier erfheint die Sache als ein Scherz,
die Pantoffelhelven zu neden, und fo nimmt fie auch Hans Sachs, der
ſich viel damit zu ſchaffen macht. Aber die Zeugnifie aus England laßen
fie ernfthafter erfheinen. An die Gutsherſchaft zu Wichurie in Strafforbs
fhire ift die Feudalpflicht gemüpft, zu jeder Zeit eine Spedjeite (bacon)
bereit zu halten für jedes neuvermählte Chepaar, das Jahr und Tag in
Frieden und ohne Reue verlebt hat. Aber feit dreißig Jahren ift der
Bacon nicht mehr in Anſpruch genommen worden. Berühmter ald ber
Straffordfhirer Bacon ift der Dunmower in der Grafihaft Suſſer. Die
Eheleute, die ihn in Anfprud nahmen, muften einen förmlihen Eid abs
legen, daß fie bis dahin eine glüdlihe Che geführt hatten :-dann wurden
fie von der Menge auf die Schultern gehoben und um das Dorf getra⸗
gen, ihnen voran der Baden. Die Erwähnung des Gebrauch geht bis
in das 13. Jahrhundert hinauf, und wenn der Kellner bei Hans
Sachs fagt, der Barlen hange fhon 200 Jahr, jo ift der Gebraud in
Deutſchland nicht viel jünger. Bol. Anzeiger 1855 Nr. 3. 4. 5.
103. Freyia und Frigg (Frouwa und Fria).
Daß Freyja als Wanengöttin (Vanadts) ihrem Bruber Freyr ver⸗
bunden gewefen fei, ſchien und oben wabrſcheinlich. Unter den Afen ver:
mählte ſich Freyt der Gerda, die aber ald Erdgoöͤttin, der Ninda gleich,
358 See. Oir. Hpmile. %. 108.
nur Verjüngung der Hel als Erdmutter, alſo nicht aſiſchen Stammes ift.
Ob auch Freyja bei den Aſen eine neue Verbindung eingieng, melden
unfere Quellen nicht außbrüdlih. Wenn fie nad) D. 38 dem Odr ver-
mählt war, der fie verließ, was ihr goldene Thränen loſtete, fo ift dieß
nicht auf ihre Trennung von Freyt, dem fie bei den Aſen entfagen mufte,
zu beziehen; wir haben ©. 221. 243 Ddin in ihm erlannt, und fo er
ſcheint fie vielmehr ala deſſen Gemahlin. Vgl. ven Nahllang des My:
thus in der Oberpfälzer Sage bei Schönmwerth IL, 313, wo Waud und
Freid auf Odin und Frigg zurüdweifen. Die Zeit ber ftürmifchen Brauts
werbung des ald Jahresgott gedachten Wuotan+Dpr fiel und S. 223 in
die erften Bmölften, in die andern ihr am erften Mai beginnendes Ber:
mahlungsfeſt: nach kurzer Verbindung in ber fhönften Zeit des Jahrs
ftirbt dann Odin ald Hadelbärend von dem Hauer bed Eberd ger
troffen um Johannis, oder folgt in dem lichtarmen Norden dem Sonnen»
hirſch in die Unterwelt; von da ab meint ihm Freyja goldene Thränen
nad oder fährt, den Gntflohenen zu fuchen, zu unbefannten Böltern.
Diefer Jahresmythus war nicht geeignet, in bem Leben des höchſten
göttlichen Paares, dad untrennbar verbunden bleiben mufte, den Borbers
grund zu bilden: man verhüllte feinen Bezug auf dieſe Götter, indem
man ftatt Odin Odrt als den geftorbenen oder entſchwundenen Gemahl
Freyjas nannte; für Odins Gemahlin aber gab man nun die Frigg aus,
fie, die der Freyja fo identifh ift wie Odr dem Odin. Freyja erſcheint
jept faft nur noch als Göttin der fhönen Jahreszeit und der Liebe, im
reinen wie im unreinen Sinne. Als Göttin der Frühlingszeit wünſchen
die Riefen fie nebft Sonne und Mond in ihren Befig zu bringen. Gine
Göttin der Liebe ift fie noch im evelften Sinn, wenn fie ihrem entſchwun ⸗
denen Geliebten goldene Thränen nachweint. Dagegen in dem fpäten ebs
diſchen Hynblulied fcheint Freyja wenigſtens in den Vorwürfen, die fie
von Hynbla hinnehmen muf, im unebelften Sinn als Venus libitina,
vulgivaga gefaßt, und als ſolche ſcheint fie D. 34 den Beinamen Höm
zu führen. Im Hyndlulied ſehen wir Freyja für ihren Schügling Ottar,
der in einem Rechtsſtreit um goldenes Erbe und Vatergut begriffen if,
die höhlenbewohnende Hyndla über deſſen Abftammung und Verwandt:
T&aftsverhältnifie befragen, denn als dem urweltlichen Geſchlecht der Riefen
angehörig wohnt ihr aud) von deſſen Geſchlecht, das zu den Helden und
Göttern hinauffteigt, erwünfchte Kunde bei. Aber nur wider Willen fieht
ihr Hyndla Rede, und als Freyja zulegt noch verlangt, daß fie ihrem
8. 108. Sconwe, Gtiar. Dentfhe Hansfran. 869
Liebling dad Ael der Erinnerung reihe, damit er nicht vergehe was fie
ihm über feine Ahnen gemeldet hat, wird fie untoillig und ſchilt Freyja:
Lauf in Liebesgluty Nächte lang
Wie zwiſchen Böden die Ziege rennt.
Aber Freyia zwingt fie durch die Drohung, ihre Höhle mit Feuer zu um:
weben, aud dieſem Geſuche zu willfahren. Ottars Name Klingt jenem
ODors verwandt, und deſſen Verhältniſs zu Freyja mag zu ber Ginkleis
dung des Gedichts benugt worden fein; feine Abfiht ift aber nur, bie
Geſchlechtsreihen der nordifhen Könige dem Gedäaͤchtniſs zu überliefern.
Darum it Ottar auch ganz menfchlic gehalten: Freyja giebt vor, fih
feiner nur anzunehmen, weil er ihr vielfach Opfer gefpendet und ein Haus
aus Steinen errichtet hat, defien Mauern wie Glas glänzen, ‚jo oft träntt’
er fie mit Ochfenblut.‘ Dem ſcheint aber Hyndla nicht unbedingt Glauben
zu ſchenlen, fondern fie als Otiars Buhlerin aufzufapen. Als Buhlerin
erſcheint auch Freyja in ver $. 108 mitzutheilenvden gewiſs Tpäten Erzaͤh⸗
tung von der unfaubern Weife, wie fie ihr Halsband Brifingamen erwor⸗
ben haben follte. Aelter ift der 6.305 bei Heimdall beſprochene Mythus,
wie es ihr Loli entwandte und Heimdall wieber erfämpfte.. Die bort dar-
gelegte Bedeutung dieſes Halsſchmuds mufte ſchon vergeßen fein, als man
der Göttin fo Herabwuͤrdigendes andichtete.
Spuren find indes genug zurüdgeblieben, daß Freyja Odins Gemah ⸗
lin war: fie Tafen ſich in der doppelten Gigenfhaft nachweiſen, in der
wir Freyja bei ven Aſen finden. Einmal ald Tobtenwählerin, denn Odin
entfendet fie zu jedem Kampfe: fie ift die eigentliche Walfüre, die Hälfte
der in der Schlacht Gefallenen gehört ihr, die andere Obi. D. 24.
Grimn. 14. Dann aber ift fie ed aud, melde die Opfer der Schlacht,
die Einberier, die Odin ber Gemeinfchaft feiner himmlischen Halle würdigt,
darin empfängt und ihnen das Trinkhorn reicht, wie fie überhaupt als
der Götter Mundſchenlin gilt, obgleich fie in dieſer Eigenſchaft ebenfalls
von den Walküren vertreten wird, Daß auch dieß Amt eigentlich Ihr
zuſteht, ſehen wir aus der Erzählung der Slalda von Thoͤrs und Hrung ⸗
nirs Rampf (D. 59), wo Freyja es ift, die dem in Odins Halle einge
drungenen Riefen das Ael reicht. In dieſer Eigeuſchaft erfheint fie noch
als Hausfrau Odins, denn der Hausfrau gebührt nad deutſcher Sitte
der Empfang und die Bewirthung der Gaͤſte. Auch daß fie als eine nors
diſche Bellona zum Rampe fährt (D. 24), ift in der Natur der friedlichen
Banengöttin an fi nicht begründet: nur als Gemahlin des Schlachten ⸗
860 - Sch. Feen. Atethin. % 108.
gottes Tann fie das; und fo fließt es aus der Gütergemeinfhaft der Che:
gatten, daß fie fih mit Odin in die Gefallenen theilt, obgleich ich zuger
ftehe, daß fie jhon als Verjüngung der Hel, der Göttin der Unterwelt,
den Seelen der Verftorbenen Aufnahme zu gewähren berufen war. Rah
der eddiſchen Vorftellung gelangen aber zu Hel die in der Schlacht Gefal⸗
Ienen nicht: diefe konnten ihr nur zugewieſen werben, als fie für Obins
Gemahlin galt. Weil Freyja Verftorbenen Aufnahme gewährt, heißt ihre
Himmel3wohnung Folkwang, ihr Saal aber Sejsrumnir, der Siggeräumige.
Grimnism. 14. D. 24.
In der berühmten Erzählung von dem Ausgange der Langobarden
nennt Paulus Diaconus, und fo ſchon das Vorwort zu dem Geſehbuch
des Rotharis, die Gemahlin Gmövand Frôa; das Gleiche thut Wilhelm
von Malmesburg, indem er von dem ihr (uxori eius Freae) gewidme ⸗
ten fechften Wochentage ſpricht, Myth. 116. Wie dort Frea über Gmö-
dan, fo fiegt in der Halifage (FAS. I, 25) Odin über Freyja im Wett:
ftreit um daß befte Bier: es ift ein häuslicher Zwiſt der göttlihen Ches
gatten wie in ber langobardifchen Stammjage und in Grimnismal. Im
Vorwort diefes Liedes und auch fonft in den eddiſchen Quellen heißt aber
Odins Gemahlin Frigg, welche ftät3 von Freyja unterſchieden wird. Frigg
wird D. 35 die vornehmfte der Göttinnen genannt, Freyja aber die vor:
nehmfte nach Frigg, und eben fo ſcharf werben fie Skaldſt. 19. 20 aus
einandergehalten. Bir erlennen alſo an, daß Freyja in dem Mythen
foftem der Edda nicht mehr ald Odins Gemahlin auftritt; aud in andern
nordiſchen Quellen erſcheint fie unvermählt, denn das Berhältnifs zu Odr
{ft aufgehoben, und felbft wo fie ald Odins Geliebte oder Buhlerin dar⸗
geftellt ift, wird ihr jungfräuliher Stand vorausgefegt; nur Saro, indem
er ©. 13 der Frigg Ehebruch vorwirft, wobei ‘er das Abenteuer im Sinne
hat, das fonft von der Freyja erzählt wird und ſich auf den Erwerb ihres
Halsbands bezieht, denkt die Buhlerin als Odins Gattin, und eben darum
fheint er den Namen Frigg zu wählen. Von ber goldenen Bilpfäule
ihres Gemahls hatte nämlich Frigg um ſich jhmuder Heiden zu können,
Gold entwenden lagen. Odin ließ die Goldſchmiede hängen, die ihr dabei
behülflih waren; das Bild aber ſehte er auf ein Gefiell, und verlieh ihm
Sprache, damit es feine Räuber jelber verklagen könne. Aber Frigg gab
ſich einem Diener hin, damit er das Bild zerftöre, deflen Gold fie nun
für ſich verwandte. Aus Verdruß hierüber geht Odin freiwillig in die
Verbannung, während Mitothin feine Stelle einnimmt. Wie wunderlich
8. 108. Sreyja und Frigg. Sticco. 361
auch dieſer Mythus eniftellt fei, fo zeigt doch die Vergleichung mit ber
Grzählung $. 108 veutlih, daß aud das Brisingamen von Frigg auf
Freyja übertragen iſt. Bgl. Müllenhoff Ziſcht. XL, 303. So wird
Staloftaparmal 19, (M. Coda 3. Aufl. 381) der Frigg das Fallenhemd
zugeſchrieben, das nach der Thrymskwidha Freyja beſiht. In der Edda
iſt Freyja eine Göttin der Liebe und der ſchönen Jahreszeit; als Göttin
der Che, ald mütterlihe Gottheit fteht neben ihr Frigg. Aber gleihwohl
iſt diefe dem Begriff wie dem. Namen nah nur aus Freyja, der Wanens
göttin, hervorgegangen: fie hat fi auß ihrem Weſen abgelöft und als
felbftändige Göttin neben fie hingeftellt. Von ihrer Mutter Nerthus, der
terra mater, der mater Deum war die gleihe Würde der Freyja anges
erbt; aber in diefer heißt fie nun mit verhärtetem Namen Frigg wie ihr
Bruder Freyr, der deutſche Frö, bei Adam von Bremen Fricco. Grimm,
ver fi bemüht, Frigg und Freyja als Fria (Frea) und Frouwa außeins
ander zu halten, muß Myth. 278 doch anerfennen, daß Adam von Bres
men für Friccos Schweſter Freyja Fricca gefagt haben würde, und Frey:
jubagr, der norbifhe Name des in Deutſchland von Fria (Frigg) benanns
ten Freitags auf Freyja (Frouwa) weiſt. Andere Zugeftändniffe Myth. 279.
1212. Endlich wird fi $.108 eine neue Spur darin ergeben, daß Sigr:
drifa (Brynhild), die als Walfüre aus Freyja hervorgeht, mit der Frigg
darin zufammenfällt, da fie dem Agnar ven Gieg verleiht.
Es fteht unferer Anfiht von der urfprünglien Einheit beider Goͤt⸗
tinnen nicht entgegen, daß Zrigg haufig und fo auch Skaldſt. a. a. O.
Fiörgwind oder Fiörgynd Tochter heißt, Freyja aber die Tochter Njoͤrdhs,
denn diefe Abftammung gebührt der Frigg urſprünglich nicht: fie ift erft
von ber Jörbh auf fie übertragen (6. 254). Bon ihr, der Mutter Thörs,
ſchied fi, wie wir annehmen, Odin, als er fi der Frigg verband, und
wenn dieſe jegt auch wohl Fiörgyns Tochter heißt, fo foll fie dieß der
erften Gemahlin des Gottes identificieren; aud bedurfte fie jept eines
Baters, da fie Niördhs Tochter nicht mehr heißen konnte feit fie von
Freyja unterſchieden ward, Wenn aber D. 35 ihre Halle Fenfal heißt,
fo haftet ihr das nod von ihrer Mutter an, deren geheiligte Inſel im
Deean lag, oder von ihrem Vater Niörbr, der in der Edda noch ala
Meergott gilt. Denſelben Bezug auf das Meer hat aber aud Freyja,
wen fie Marböll oder Gefn heißt was fih in Gefion verjüngt. Da die
drei Sterne, melde den Gürtel des Orion bilden (Myth. 689), neben
. Yacob3: und Petersſtab auch Friggs Rocen heißen, fo eiſcheint Frigg als
862 Sconwa. Gefon. Gehen. 8 104.
Spinnerin wie Bertha und Gertrud ($. 110. 117), die fonft vielfah der
Freyja gleihen. Daß aber aud Freyja Spinnerin iſt, zeigt fi in ven
Ballüren, in welchen fie ſich vervielfältigt, denn dieſe fpinnen die Geſchide
der Schlacht. Wölundarto. Einl. und Str. 1.
104. Gefion,
Unter den Beinamen der Freyja finden wir D. 35 Marböl (Gen.
Marballar) und Gefn. Marböll bezeichnet fie als den Meerſtrom; Gefn
(agf. Geofon, altf. Geban) ein verbunfelter ſächſiſcher Gott, hat ähnliche
Bedeutung, wie wir aus den Bufammenjegungen Gebeneöftröm, Geofons
bü8 (navis), Geofonflöd (Myth. 219) fließen. Aus diefem Beinamen
der Freyja entfprang Gefion. Sie ift unvermählt, heißt es D. 35, und
ihr gehören Alle, die unvermäplt fterben. Alfo aud fie nimmt, wie Hel
und Freyja felbft, Seelen der DVerftorbenen auf. Daß nur Unvermäblte
zu ihr kommen follen, ift eine der vielen möglihen Deutungen des Ans
rechts Freyjas an den Todten, deren wahren erften Grund wir in ihrer
Verwandtſchaft mit Hel, der verborgenen Erdgoͤttin, aufgevedt haben. Die
Zungfräulichleit Gefions ift überbieß fo zweifelhaft als die der Freyja.
D. 1 erzählt von ihr, König Gylfi von Swithiod habe ihr als einer
fahrenden Frau, die ihn durch Gefang ergept habe, ein Pflugland gege ⸗
ben fo groß als vier Ochſen pflügen könnten Tag und Nacht. Aber diefe
fahrende Frau war von Aſengeſchlecht. Sie nahm aus Jotunheim vier
Ochſen, die fie mit einem Jötunen erzeugt hatte und fpannte fie vor den
Plug. Da gieng der Pflug fo mächtig und tie, daß fih das Land löfte,
und bie Ochſen es weftwärtd ind Meer zogen biß fie in einem Sunde
ſtill ſtehen blieben. Da ſehte Gefion das Sand dahin, gab ihm Namen
und nannte e8 Seelund (Seeland). Und da, wo das Land weggenommen
ward, entftand ein See, den man in Schweden nun Lögr heißt. Und im
Loͤgr liegen die Buchten, wie die Borgebirge in Seeland. Die Heims-⸗
kringla, aus ver dieß entnommen ſcheint, fügt hinzu, Gefion fei fpäter dem
Skidld vermäplt worden und habe mit ihm Lethra, den Königöfig der
Dänen auf Seeland, bewohnt. Wenn nicht ausbrüdlich verſichert würde,
Gefion fei vom Aſengeſchlechte, möchte man fie, nad dem Mythus, der von
ihr erzählt wird, für eine Meeriiefin halten. Doch auch Friggs Palaft
Fenſal deutet auf den Grund des Meeres, und wenn Gefions vier Ochfen
ungeftüme Meereöwellen find, welde, als Schweden noch vom Meere bes
3. 106. Sromaa. Hel. Horuen. 868
dedt war, hier eine Vertiefung wühlten und das weggenommene Land im
Sunbe niederſehten, fo entftand daraus doch eine jegt von Menſchen bes
wohnte Inſel. Die Einlleivung des Mythus ift von der belannten
Sage vom Landerwerb hergenommen, die und ſchon früh bei der Dido
begegnet. Gefions Zufammenfallen mit Frigg oder Freyia zeigt ſich noch
darin, daß Degisbr. 21 Odin von ihr fagt, fie wiße aller Lebenden Looße
fo gut als er felbft; dasſelbe rühmt hernach Str. 29 Freyja von Frigg.
Und Str. 20 wirft Loki der Gefion vor, fie Babe den Schentel um den
weißen Knaben geſchlungen, der ihr das Kleinod gab, womit auf Briſin ⸗
gamen amgefpielt wird, das Freyja in ähnlicher Weife erworben haben
folte. Wenn endlich unter Anrufung Gefions Eide abgelegt werden, jo
liegt der Grund in ihrer Werjüngung aus Hel, der Göttin der Unterwelt,
denn bei der Unterwelt warb geſchworen. Bol. $. 91. Wie die Alten
bei dem Styr, jo hat Dagr (Helgatw. III, 29) Eide abgelegt:
Bei ber Leipte Teuchtender Flut
Und der urfalten Waßerklippe.
105. Bervielfältigungen. 1. Nornen.
Da wir bier wieder bei der Hel angelangt find, fo laße ich ben
Nachweis folgen, daß aus ihr die Nornen, wie aus der Freyja, einer Ber:
jüngung ver Hel, die Wallüren durch Vervielfältigung entftanden find.
Wir werben bier wieder bie ſchon befannten Zahlen drei, fieben, neun
und zwölf walten jehen.
Der Nornen find eigentlih nur drei. Wöl. 8. 19. Wafthrubn. 48.
Bgl. oben ©. 38. 40. 203. Wenn Fafnism. 18 gefagt wird, fie feien
verſchiedenen Geſchlechts und nicht Eines Stammes, fo ift das Wort in
dem weitern Sinne gebraudt, in welchem es auch Wölen, Weißagerinnen
und Bauberinnen mitbegreift. Jene drei eigentlihen Nornen find götts
lichen Urfprungs, aber bei Riefen auferzogen; fie find älter als die Götter
felbft, weil diefe altern, der Macht der Zeitgöttinnen unterworfen find, wes ⸗
balb fie auch bei ihrem Brunnen Gericht halten. Mit dem erften Er⸗
ſcheinen der Normen gieng den Göttern das Golvalter zu Ende: das Bes
wuftfein von dem Berfließen der Zeit fepte der feligen Unbefangenheit
des Dafeins ein Ziel. Schon $. 60 erkannten wir in den Nornen Ber:
fonificationen des Schidjald, und diefem find auch bie Götter unterworfen.
Gewöhnlich ordnen die Nernen indes nur das Schichſal der Menſchenge ⸗
sch Hornen. Heris Scweher. Syifalsfäden. 3. 106.
ſchlechtet, Wöl. 20. Der Brunnen der Urdh, der Alteften und mächtigſten
Norm, liegt bei der Wurzel der Weltefche, welche zu ven Menſchen reicht,
S. 40. So erſcheinen fie zunädft als die Vflegerinnen diefes Weltbaumes ;
gleichwohl haben fie aud einen Bezug zu Hel, der Göttin der Unterwelt
und des Todes. Die vornehmfte unter ihnen ift jene ältefte, nach mwelder
der Nornenbrunnen benannt ift, die Göttin der Vergangenheit, Ihr Name
findet ſich aud allein in Deutfhland wieder: eine alth. Gloſſe überfept
ihren Namen Wurd mit fatum, und grimmar urdir wird für ſchredliches
Geſchic, dira fata, gebrauht. Noch in den weirdsisters im Macbeth
tlingt ihr Name nad. Sie wird ald Todesgöttin aufgefaßt: Wurth ina
binam, die Wurd raffte ihn hinweg, Wurd skihit, Unheil betrifft mid,
Vyrd me that gewäf, die Wurd hat mir das gefponnen. Doch zeigt
ihre Verwechlelung mit Idun und -die verjüngende Kraft ihres Vrunnens,
der freilich ihren Schweſtern mit angehört, fie auch von einer mildern
Seite. Für die Verwandtihaft der Normen mit ber Hel bietet aber Hel⸗
galw. II, die llaſſiſche Stelle:
2. Nacht in der Burg wars, Nornen famen,
Die dem Ebeling das Alter beftimmten.
Sie gaben dem König der Kühnfte zu werden,
Aller Edlinge Edelſter zu dunken. J
8. Sie ſchnurten mit Kraft die Schidjalsfäen,
Daß die Burgen bradien in Bralundr.
Goldene Fäden fügten fie weit,
Sie mitten feftigend unterm Mondesjaal.
4 Weſtlich und öflih die Enden bargen fie;
In der Mitte lag des Königs Land. ,
Einen Faden nordwärts warf Neris Schwefter (Ript Nera),
Ewig zu Halten hieß fie dieß Band.
Neri oder Nörwi heißt nad D. der Vater der Nacht, in welhem Wein:
hold Niefen 8 auch ven Vater der Nornen entdedt bat. Denfelben Namen
führt aber auch D. 33. 50 ein Sohn Lokis, alfo ein Bruder der Hel, und
diefe wird hier als Neris Schweſter verftanden fein. Wir werben Hel
auch fonft als eine ber Nornen gefaßt ſehen. Nordwaͤrts wird ber Faden
geworfen, vielleicht weil der Helmeg noͤrdlich liegt. Nach Lüning foll der
norbwärtd geworfene Faden die Nordwege verſchließen, jo daß Helgi nicht
zu Hel, fondern zu Odin komme. Aber uns fcheint es der unfelige Gaben,
der ihm frühen Tod bedeutet.
$. 105. Uornen. Drei Ihwehern. Seilräthinnen. 866
Somohl die ausgeworfenen Fäden als die Verwandiſchaſt der Schid:
ſalsſchweſtern mit der Hel finden fi auf deutſchem Boden wieder. Sehr
bäufig erſcheinen in unfern Sagen drei Schweſtern; es find biejelben Wer
fen, die ſich auf keltiſchem Boden als tria fata (Feen) finden; in römi«
fer Zeit wurden fie al3 matres, mütterlihe Gottheiten, verehrt, und
noch taͤglich gräbt man ihre Bildniſſe auß ver Erde. Aber aud in Sagen
des füblihen und nordweſtlichen Deutſchlands lehren dieſe Schweftern uns
zaͤhlig oft wieder: in Banzers Beiträgen zur Mythologie find ihrer viele,
aber bei Weitem nicht alle geſammelt. Gewöhnlich find zwei biejer
Schweſtern weiß, die dritte ift halb ſchwarz halb weiß, und dieſe pflegt
als die böfe gedacht zu fein, au in ben Handlungen ift der Unterſchied
angedeutet: die halbſchwarze betrügt die blinde Schwefter bei ver Theilung
des Schatze s, indem fie den Scheffel beim Meßen umlehrt und nur oben
bin mit Goldftüden belegt. Häufig erſcheint, wo dieſe Sagen vorkommen,
der Name der Hel in ven Ortänamen, ja die ſchwarzweiße Jungfrau führt
den Namen ver „Held’ in der Redensart, welde eine Oberiglinger Sage
der Mutter in den Mund legt, indem fie die Tochter ſchilt: Du wirft gerade
wie die Held, ſchwarz und weiß, und gehft ganz verloren. Daneben trägt
diefe böfe Schweſter nicht felten den ſchon oben geveuteten Namen Nadel,
die rächende Hel. Auch erſcheinen diefe Jungfrauen fpinnend; fie fpinnen
und weben die Geſchide. Ihre, Fäden heißen auch wohl Seile, und diefe
Seile werfen fie weit aus, ‚fo daß ferne Bergipigen verbunben werben;
fie gleihen dann Brüden, und werden auch wohl als folde, namentlich
als lederne, aufgefaßt. Zuweilen erfcheinen fie auf diefem Seile tanzend
und fpielend, ein andermal hängen die ‚wilden Frauen,’ wie fie aud ger
mannt werben, ihre Wäfche daran auf, und wenn das die Leute im Thale
ſehen, fagen fie, es giebt ſchöͤnes Weiter. Un dieſe Seile binden fie auch
Menſchen, die dann dem Tode verfallen find; ein folbes Seil wird auch
dem Tode zugeichrieben, Myth. 805. Ihr Bezug auf die Geſchide der
Menſchen zeigt fih aud darin, daß fie Heilräthinnen heißen: mas
ann deutliher fein? Die Nornen find es, die das Heil der Menſchen
beraten. So heißen fie in Holftein auch Metten, angeljähfiih Mettena,
die abwägenden, meßenden, wie wir ihre Beihlüpe S. 203 metodogi-
scapu genannt fanden, vgl. S. 182, und weil das Schidſal, das fie ſchaffen
ober aus ihren Brunnen jhöpfen, plöglich eintritt, heißen fie in Tyrol Gach⸗
ſchepfen, die jähen Ehöffen. Und wie die Nornen Fafnismal 73 noths
Töfend heißen, weil fie Kindbetterinnen beiftehen, fo befaß Frau von Don-
„966 Horuen. Drei Swehern. Hornase. $. 106.
neröberg ein Stüd Leinwand, das von ben beiden guten Jungfrauen ges
fponnen unter das Bettuch gelegt warb, die Geburt zu erleichtern. Frau
von Donneröberg pflegte zu fagen, die zwei guten Jungfrauen hätten zwei
Köpfe, aber Einen Sinn; die dritte wolle fih aber nie in den Willen
der beiden andern fügen. Ganz fo erſcheinen aud die Rornen im Norden.
Wir fahen ſchon bei Helgis Geburt die dritte Nom, die als Neris Schwefter
die Hel bebeutete, einen Faden norbwärtd werfen, der uns fibler Vorbe⸗
deutung ſchien. Zu Nornageft traten, als er geboren ward, drei wahrs
fagende Frauen: die beiden ältern weißagten Gutes von feinem künftigen
Geſchick; die dritte, die fi zurüdgefegt glaubte, gebot, mit jo günftigen
Weißagungen inne zu halten, ‚denn ich beſcheide ihm, daß er nicht länger
leben foll als vie neben ihm brennende Rexje währt.” Aber die ältere
Wala Töfchte die Kerze aus und gab fie der Mutter aufzubewahren und
nicht eher wieder anzuzünden als am legten Tage feines Lebens. Nor⸗
nageft trug nun diefe Kerze in feiner Harfe mit fi umher, und erft als
dreihundertjähriger lebensmũder Greis, der die beften Tage des Nordens
geiehen hatte, zündete er feine Kerze an und blidte ruhig in bie vers
glimmende Lebensflamme. Es ift biefelbe Sage, vie in der griechifchen
Mythologie auf Meleager angewandt wird. Aehnliches wird von dem
Dänenlönig Fridleif erzählt, der bei der Geburt feines Sohnes Dlaf im
den Tempel der Nomen trat, wo die drei auf drei Stühlen ſaßen, das
Kind zu begaben; aber die Gabe der dritten war eine leidige: fie beſchied
ihm das Lafter bes Geiges.
In defn deutſchen Märchen von Dornröechen lädt ber König, als
ihm eine Tochter geboren ward, zu dem Zelte aud die weiſen Frauen,
damit fie dem Kinde hold und gewogen wären. Ihrer waren dreizehn;
weil er aber nur zwölf golvene Zeller hatte, mufte eine won ihnen daheim
bleiben. Die weifen Frauen beſchenkien nun das Kind mit ihren Wunder
gaben, die eine mit Zugend, bie andere mit Schönheit, die dritte mit
Reichthum u. f. m. Als eilfe ihre Sprüde gethan hatten, trat plöglih
die dreizehnte herein. Im Zorn, daß fie nicht eingeladen war, rief fie:
‚Die Konigstochter foll fi in ihrem funfzehnten Jahre an einer Spindel
ſtechen und todt hinfallen.“ Alle waren erſchroden: da trat die zwölfte
bervor, die ihren Wunſch noch übrig hatte. Sie konnte aber ven böfen
Sprud nicht aufheben, nur mildern. So fagte fie: „Es foll aber fein
Tod fein, fondern ein hunbertjähriger tiefer Schlaf, in den die Koͤnigs ⸗
tochter fällt.‘ Wir fehen hier zwölf Schichalsſchweſtern, ftatt der Trilo⸗
8. 108. Hornen. Drei Iumwehern. Tria fata. 867
gie die Dodelalogie; bei Panzer 86. 218 erfheinen fie wohl in ber Gier
benzahl (vgl. Harbarbälied 27); die Zmölfzapl tritt neben der Sieben
zahl aud bei ven Walküren hervor, bie ben Nornen verwandt find. immer
aber ift die legte Norn die unfelige.
Gern erſcheinen die deutfhen Schidfalsfhweftern am Brunnen, Ban-
wer 8.7.20. So ſchildert fie aud das Kinderlied ‘won den drei Zeien
oder Mareien, das Mein Deutſches Kinderbuch 2. Aufl 169—176 in
fieben Barianten bringt, 5. B.:
Sonne Sonne feine,
Fahr über Rheine,
Sahr übers Glodenhaus,
Guden drei ſchöne Puppen herans.
Eine die fpinnt Seide,
Die andre widelt Weide,
Die dritte geht ans Brünnden,
Findt ein golden Kindchen.
Ber ſolls Heben u. ſ. w.
Auf darin gleichen fie den Nornen (an Urds Brunnen) und den tomas
niſchen een, deutſch Seinen, von welchen Gottfried im Triftan in Bezug
auf Blider von Steinachs reinen Sinn fagt (M. Leſeb. 125):
Ich wsne day in feinen Ich mein’, ihn haben einen
ze wunder haben gespunnen Wunderbar geiponnen,
und haben in in ir brannen Und ihn in ihrem Bronnen
geliutert unt gereinet. Geläutert und gereinet: ,
er ist benamen gefeinet. Er if} fürwahr gefeinet.
Unter dem Namen der Feien wurden fie auch am Nieverrhein verehrt,
wo der Feibach f. u. und der Feienpat bei Honnef auf fie deuten. Nur
in Tirol, wo fie wohlthätige mit ewiger Jugend und Schönheit begabte
Weſen find, erfheinen fie nicht in ber Dreibeit.
. In den Sagen, die fih an die brei Schweitern Müpfen, ift Wieles
auch dur die Verchriſtlichung entflellt, wobei ſich feltfame Widerſprüche
mit ber altheibnifchen Grundlage ergeben. Die Jungfrauen gelten für
Gutthäterinnen des Orts und der Kirche: fie follen ber Gemeinde Wald
vermacht, Capellen gebaut, Andachten geftiftet, ein ewiges Licht oder Al⸗
mofenvertheilungen und Speifungen der Armen aus ihrem Vermögen ans
georbnet haben; gleichwohl ift ihr Schloß verfunten, fie jelbft find ver⸗
dasımt und der Crlöfung bevürftig. Wie heidniſchen Göttern läßt man
868 Uoruen. Drei Schweſtern. Kann. $. 108.
ihnen bei der Ernte einen Aehrenbüſchel ftehen; drei ſchwarze Pfennige wer«
den ihnen geopfert, fie gewähren Schutz wider die Peſt; daneben wirb für
fie gebetet, gu ihrem Andenken Meſſen gelejen, Placebo’, Nocturnen und
Bigilien gefungen. Der wahre Zuſammenhang blidt dur: ein heiliger
Hain war den Schichſalsſchweſtern in heidniſcher Zeit geweiht; bei Eins
führung des Chriſtenthums fiel er der Gemeinde zu. Das Andenten an
die Heilräthinnen, die alten Outthäterinnen des Orts, erloſch aber nicht,
felbft ihr Bezug auf den Gottesdienft erhielt ſich. Wird ihnen jet nicht
mehr geopfert, fo werben Mefien und Andachten für das Heil ihrer Seelen
gehalten, Gebete nicht mehr zu ihnen aber für fie geſprochen. Das Merls
mwürbigfte ift, daß ihre Namen in weit entlegenen Landestheilen, in Tyrol
und Straßburg, in Ober: und Nieberbaiern, ſich gleich bleiben over nur
wenig abweichen: Einbett, Wilbett und Warbett; nur felten gelang es fie
durch die dhrifilihen Fides, Spes und Caritas zu verdrängen. Jene
drei Namen find mit bett zufammengefegt: das deute id auf ben heid⸗
niſchen Opferaltar (piot goth. biuds oder petti goth. badi lectisternium)
der einft in dem Walde ftand, an den fi) ihr Andenken knüpft. Mannhardt
GM. 604 leitet es von bidjan bitten, erwünfhen ab, Weinhold R.
6.26 von badu Kampf. Nimmt man diefe Endung als nur auf ihren
Tempel (Hof) bezüglich, hinweg, fo erffärt fih die erſte Silbe in Einbett
aus Agin, Schreden, in Warbett oder Guerbett aus Werre, Swift und
Streit. Freundlicher lautet der dritte Name; aber auch Er hat fo heidni:
hen Klang wie die gleichfalls vorfommenden Widikunna und Winterbring.
Einmal erf&einen nur zwei Echweftern: die eine heißt Kann, die andere
Muß, und aud diefe Namen verleugnen ihre Beziehung auf das Schidſal
nicht. Hießen die Schweftern alle drei Kann, wie fie als weirdfisters
alle drei einft Wurd geheißen haben müßen, fo fiele damit Licht auf bie
den Matronis Ottocannabus gemwibmeten Gteine: es wären die gefürd:
teten Schidſalsſchweſtern gemeint von goth. ögan fchreden, praet. ohta.
Vgl. Bonner Windelmannd-Programm von 1863. Was hier S. 9 für
ein fiheres Ergebniſs der biöherigen Forfhungen über die Matronenculte
audgegeben wird, ‚daß diefe Gottheiten der celtifhen, nicht der germani ⸗
fhen Sprache angehören,‘ dürfte vielmehr noch offene Frage fein. Mehr:
fach erfheint bei den drei Echweftern eine goldene Wiege M. u. Schamb.
Nr. 3. Bei Banzer I, 70 wird fie von unfrudhtbaren Frauen zur Er
langung der Fruchtbarkeit in Bewegung gefeht, und id entſcheide mich
nicht, ob fie in Beziehung fteht gu dem Begriff des Bettes im Namen
8. 105. Drei Idwehern. Drei Andagten. Iwikbad. 869
der drei Schweſtern? Vgl. Kuhn WE. I, 803. Bei Kicchenvifitationen
ward der Berfuh, dieſe Namen durch die Kriftlihen Fides, Spes und
Caritas zu verbrängen, vergebens gemadt; Panzer I, 6; man mufte-
fih damit begnügen, fie in die Gefellihaft der 11,000 Jungfrauen
aufzunehmen. Nur am Niederrhein z. B. zu Weilerfiift wurden doch
jene drei Namen des Martprologiumd (1. Aug.) durchgefept; mod erin
nert dort der Name des Swiſtbachs an bie deutſchen brei Schweſtern,
in nachſter Nähe allerdings des Feib achs (bei Eifenfei Kapfei Gagfei),
wo fie ſchon als tria fata romanifiert erſcheinen. Jedenfalls blüht ihr
Dienft in unferer Provinz noch heute, denn auch die drei Schweftern zu Yum
bei Trier gehören zu ihnen, und auf der Landskrone an der Ahr, wo
fie als Töchter des Grafen von Neuenahr hiftorifiert wurden, die fih bier
zu flüchten fuchten, als der Here von Tomberg die Burg Landskron bereits
eingenommen hatte, ift die Felſenhöhle, die ſich aufthat fie zu verbergen,
zur SatrifleirGapelle geworben und bie Fäden, die fie von bort nad Neuen:
ahr warfen, vertvandelte die Sage in eine über das weite Thal gefprengte
Brüde. Vgl. S. 366. Noch jept wird in Bonn alljährlih dieBornhofer
Andacht gehalten: freilich hat man ber einen Schweſter, die dort, zu
Kiderih und zu Rothgottes drei Andachten geftiftet haben foll, ftatt
zweier Schweſtern zwei Brüder gegeben, wozu die fo geheißenen beiden
Burgen über der Kirche veranlaßen mochten. Aber auch dort ift diefe eine
Schweſter blind, auch dort theilt fie wie bei Panzer I, Nr. 4 den Schat,
wobei dad Gold mit Scheffeln gemeßen und die Blinde übervortheilt wird.
Auch bei den brei Schweftern von Auw, die man in der Kirche auf einem
Gel reitend abgebildet fieht, fpielt ver Schag eine Rolle; aud ift wieder
die mittlere blind; von König Dagobert wurden fie ihrer Schönheit wegen
verfolgt, obwohl fie feine leiblichen Schweftern waren. Man erkennt leicht
den lichten Gott des Tages, vor dem bie Nornen als Verwandte der
Racht, entfliehen. Bgl. Panzer I, 348. Der Ejel, der fie durch einen Sprung
über die Kyll rettete, erſcheint zugleich ald weifendes Thier, indem er
den Drt anzeigte, wo nad) göttlihem Willen ihre Capelle geftiftet werben
ſollte. Bon dem Schag, den fie mit fih führten, wurden die Koften bes
Baues beftritten. Es war wohl Erzbiſchof Pilgrim, der in der Kolniſchen
Diöcefe die heidniſchen Namen der drei Schweſtern durch die dhriftlichen
verbrängte. Ein Siegel mit feinem Bildniſs und Namen, das zu Betten
boven im Jälichſchen beim Umbau des Altar gefunden wurde, zeigt
auf dem Revers bie Bilder von Fides, Spes und Caritas mit der Um:
Siemea, Mytheledie. 24
370 Drei Sgwehern. 3t. Aicelaus. A. Epconch. 8. 106.
fhrift Sancte Coloniensis Religio. Bettenhovens Namm ſelbſt
deutet auf den Dienft der brei Schweſtern, die auch in Thum zwiſchen Rir
deggen unb roigheim unter dem chriftlihen Namen verehrt wurden. In
Züglampen bei Reulandt (Kreiß Prüm) fieht man ihre Bildniſſe m Holz
geihnigt in der Kirche, die ihre Verehrung auf bie-brei erften Donners-
tage im März beihräntt hat.
Es ift deutlich, daß bie drei Schweflern nur Vervielfältigung der Hel
find. Die Blindheit ver Hel erfheint auch bei Odin, der als männlicher
Hel Helblindi heißt. Aus diefer Verwandiſchaft mit dem Todetgotie
fließt es, daß fie die Peſt verhängen können und um Abwendung wor
Biehſeuchen noch jept zu ihnen gewalljahrtet wird.
Nah Wolf Beitr. IL, 174 wären die drei Schweſtern aus der Ein«
beit in die Dreiheit übergegangen. Die Einheit ſcheint man im Norden
in Urb gefunden zu haben, der älteften Rorne, nach welcher der Blural
grimmar urdir gebilvet ift. Was ift aber bie Norme der Vergangenheit
anders ald die Todesgöttin? Nach Helgakw. II, 4 oben ſehe ih darum
diefe Einheit in Hel, wie wir als Held (ogl. die Wehld P. 186) auch fhen
in Deutſchland unter den drei Schweſtern gefunden haben. Daß Cine
die vornehmere unter ihnen war, zeigt, daß Ainbeth P.L S. 24 eine Oräafin
beißt, während den beiden andern keine Gtandeßerhöhung zu Xheil wars.
Nach ihr heißt P. 379 der Berg, an welchem alle drei verehrt werden,
Ginbettenberg; Gt. Einbett allein ift auch den Bollandiſten und andern Hagior
logen wenigftens dem Namen nach bekannt. Auch daß die drei Schweſtern
mehrſach als verfolgt geſchildert werben, fpricht dafür, daß unter Cin⸗
bett Hel verftanden ift: bald verfolgt bald werfolgend kennen wir aus $. 73
die aus Hel verjüngte Freyja.
Den Uebergang in bie Legende von Gt. Nicolaus, der die Geelen
dreier Jungfrauen durch reiche Geſchenle rettet, hätte wohl ſchon Wolf
erlannt, wenn er das Beitr. II, 172 von ihm beſprochene Dentmal, wo diefer
Heilige den Schweſtern einen Golollumpen reicht, mit der auf berjelben
Seite erwähnten Mittheilung Mannhardts über die Kirche von Hela ver
glichen hätte, wonach drei ſchwediſche Fürftentöchter, welche gegen ven Wil«
len ihrer Verwandten den criftlihen Glauben angenommen, dafür in eine
Wanne geſeht und in dad Meer hinaußgeftopen wurden. In biefer Roth
gelobten fie, wenn fie gerettet würben, jebe eine Nice zu bauen, was
fpäter auch geſchah. Die drei Schweſtern in der Wanne kommen näm:
lich aud auf den alten Kauber Siegeln wor, nur bleibt es umgemwifs, ob
8. 106. Worum. Sqat. Hifnugenhert. 871
Gt. Nicolaus oder St. Theoneft mit ihnen in ber Kufe, bie der Stadt den
Ramen gab, der Flut übergeben iſt. Auf dem älteften von 1315 findet
ſich der Heilige allein; in den fpätern fommen bie drei Jungfrauen hinzu,
wabrfj&einli weil man ihn für St. Nicolaus hielt. Endlich wird man
jede allein, ohne ven Heiligen, in eine Wanne gejept haben, um fie drei
Andachten ftiften zu lafen, wie das B. 173 berichtet ft. Diefe brei
Andachten gleichen jenen oben ©. 369. Wie aber hier drei Fürftentöchter
drei Andachten ftiften, ein andermal brei Andachten für drei Kinder aus⸗
gegeben werben, fo vermuthet Aler. Raufmann (nn. d. hiftor. Vereins zu
Aoln 13. und 14. Heft 6. 273) mit Recht, die 365 Kinder der Gräfin
von Holland Rheinſ. S. 5 feien jo viel Seelenmeſſen als Tag im Jahr
geweien.
Der Name Rornen ift in Deutſchland verfchollen; häufig aber werden
die drei Schweſtern Ronnen genannt (Banzer 163. 181 u. öfter), was "
aus Nornen entftellt fein kann. Bu vemNornborn bei Nidda (Mytp. 376,
Bolf Hefl. ©. 131) wanſcht Grimm urkundliche Veftätigung.
106, Hel und die Nornen,
Vergleichungspunlte der Nornen mit der Hel finden ſich auch in den
Wieren, die in den Sagen von ben brei Schweſtern hervortteten:
1. Der Hahn, der in ihren Schloßbergen kräht, Panzer $.13, wer:
gleicht ſich dem ſchwarztothen Hahn in den Gälen Hels, Wil. 35.
2. Der Hund, ber Jungfrauen Begleiter und Schaphüter (P. 8.14),
iſt der Höllenhund; auch den Rornen legt die Edda Hunde bei Myth. 881
und wie Odins Hunde unb wohl aud die der Nomen nach der Edda
Wölfe find, fo finden wir einer unferer Schweſtern einen Fuchs als Hund
beigefellt. Panzer I, 289. 317 ff.
3. Häufiger und alterthümlicher Tiegt die Schlange oder der Lind»
warm, dem eddiſchen Nidhöggr verwandt, auf dem Shap und verfhlingt
Menſchen und Thiere. So beveutet auch in der Heldenſage Zafnir, der
auf dem Schahe liegt, die unterweltlihe jhaphütende Schlange. Wie dieſer
Schaf zuſammengebracht wurde, beridytet das andere Sigurdslied und D. 62,
88 wird erzählt, daß drei der Aſen ausfuhren, die Welt kennen zu lernen:
Odin, Loli und Hönir. Sie lamen zu einem Waferfall, dabei war ein
Otter, der hatte einen Lachs gefangen und ab blinzelnb. Da hob Loh einen
Stein auf und warf nad; dem Otter und traf ihn am Kopf. Da rühmte
872 Asrnen. Die Kühe und die Fübe. 8. 106.
Lofi feine Jagd, daß er mit Einem Wurf Diter und Lachs erjagt habe.
Darauf nahmen fie Lachs und Diter mit fih. Sie lamen zu einem Ge
böfte und traten hinein und ber Bauer, der es bewohnte, hieß Hreidmar,
und war ein gewaltiger Mann und fehr zauberfundig. Da baten die Ajen
um Nachtherberge und fagten, fie hätten Munbvorrath bei fih und zeigten
dem Bauern ihre Beute. Als aber Hreidmar den Otter ſah, rief er feine
Söhne, Fafnir und Regin herbei und fagte, ihr Bruder Otter wär erſchlagen,
und auch wer ed gethan hätte. Da gieng der Water mit den Göhnen
auf die Afen los, griffen und banden fie unb fagten, der Diter wäre Hreid⸗
mard Sohn geweſen. Die Aſen boten Löjegelo fo viel als Hreidmar
felbft verlangen würbe und ward das zwiſchen ihnen vertragen und mit
Eiven bekräftigt. Da ward der Dtter abgezogen und Hreibmar nahm den
Balg und fagte, fie follten ven Balg mit rothem Golde füllen und ebenfo
von außen hüllen und damit follten fie Frieden laufen. Da fandte Odin
ven Loki nach Schwarzalfenheim, das Gold herbeizufcafien. Cr kam zu
Ran umd erhielt ihr Nep und gieng zu dem Zwerge, der Anbwari hieß
und ein Fiſch im Waßer war. Loki fieng ihn mit demNepe und heifchte
von ihm zum Löfegelv alles Gold, das er in feinem Felſen hatte Und
als fie in den Feljen kamen, trug der Zwerg alles Gold hervor, das er
batte und war das ſehr großes Gut. Da verbarg der Zwerg unter feiner
Hand einen Heinen Goldring: Loki ſah es und gebot ihm ben Ring herz
zugeben. Der Zwerg bat ihn, ihm den Ring nicht abzunehmen, weil
er mit dem Ringe, wenn er ihn behalte, fein Gold wieder vermehren
Tonne. Aber Loki fagte, er folle nicht einen Pfennig übrig behalten, nahm
ihm den Ring und gieng hinaus, Da fagte ver Bmerg, der Ring folle
Jedem, der ihn befäße, das Leben koſten. Da fuhr Loli zurüd zu Hreid⸗
mars Haufe und zeigte Odin bad Gold, und ald er ben Ring ſah, fhien
er ihm fchön; er nahm ihn vom Haufen unb gab das übrige Gold dem
Hreidmar. Da füllte diefer den Balg fo dicht er konnte und richtete
ihn auf, ald er voll war. Da gieng Odin hinzu und follte ipn mit dem Golde
büllen. Als er das gethan hatte, fagte er zu Hreibmar, er folle zufehen
ob der Balg gehörig gehüllt fei. Hreidmar gieng hin und ſah genau zu und
fand ein einziges Barthaar und gebot aud das zu hüllen; fonft wär ihr Ber:
trag gebroden. Da zog Odin ven Ring hervor, hüllte das Barthaar und
ſagte, hiemit habe er ih nun der Dtterbuße erledigt. Und als Odin feinen
Sper genommen hatte und Lofi feine Schuhe, daß fie ſich nicht mehr fürdten
durften, da ſprach Loki, es follte babei bleiben was Anbiwari gejagt hätte,
5. 106. Hornen. Draden. SBlühen dcs Schates. 373
daß der Ring und bad Gold dem Befiger und feinen Söhnen das Leben
Toften follte und jo gefhah es ſeitdem. Hierzu num folgende Bemerkungen:
%. Das Gold muß aus dem Fluße gewonnen fein, fonft hätte And»
wari kein Fiſch im Waßer zu fein gebraucht. Daß aber biefer Fluß der Rhein
war, wird bier verfhiwiegen. gl. 8.115. Es war Rheingold und fomit
fällt diefer Schag mit dem Harlungengolve zufammen, dem wir gleihen Ur⸗
fprung wahrſcheinlich machen werben. Nur fehlt hier die Zurüderftattung
an den Fluß, den freilich aud die nordiſchen Atliliever nur andeuten.
b. Das Hüllen und Füllen ift nah RU. 671 altes Recht bei der
Mordbuße oder dem Wergeld. Da man aber mit der Revenzart die Hülle
und bie Fülle einen großen Ueberfluß zu bezeichnen pflegt, fo war bie
Eddiſche Erzählung, als ſich diefe Revensart bilvete, in Deutſchland noch
umvergeßen.
©. Die unterweltlihen Schäge bedeuten vie Güter der Erbe, den
reichen Pflanzenfegen, der fonft von den Zwergen gewirkt, im Winter
in bie Erde zurüdgenommen wird. Inſofern er hier von der Schlange
gemoben ift, fehen wir fie als ein heilige Thier gefaßt, wie fie noch
oft in beutfhen Sagen erfdeint. Die Unterwelt gönnt aber ihre Echäge
nur dem ftillen Sleibe des Landmanns, dem fie goldene Körner
ſpendet; auch helventühne That und verwegenes Gindringen in bie uns
termweltlihen Gebiete erringt fie zuweilen; aber dann pflegt ein Fluch
darauf zu ruhen. Sigurd muß Fafnir erfclagen, um den Niflungenhort
zu gewinnen; ber Zwerg, der ihn urfprünglid zuſammenbrachte, hat aber
einen Fluch darauf gelegt und dem verfällt Er und Alle, die ihn nad
ihm befigen, biß er in den Rhein geſchuttet, der Unterwelt zurüdgegeben
wird. Nur feinbar ift viefer Fluch die Etrafe der Unerfättlihteit, bie
aud den legten Ring nicht miffen wollte: er haftet won jeher an dem Bes
fig des Goldes, und wenn biefes in den Rhein gejchüttet wird, jo war es
mohl aud aus dem Fluße gewonnen wie das der eddiſche Mythus anz
deutet. So fehen wir aud in unfern deutſchen Ortsfagen den Scha der
aus Hel verjüngten Jungfrau von Denen erworben, die den Muth haben,
die Bedingungen zu erfüllen, an die fein Befig oder die Erlöfung ber
Zungfrau geknüpft iſt. Dieſe Bedingungen find aber meift fo illuſoriſch
als jene, an melde Hel Balburs Grlöfung aus ihrer Behaufung bindet:
nur felten fehen wir fie erfüllt und den Schag ganz ober theilweife ges
hoben; dem Gluͤdlichen ift aber dann nur kurzer Genuß beſchieden: nad
wenigen hoͤchſtens ſieben Jahren muß er fterben. Bu gewiſſen Zeiten
874 Uoruen. Drasenfagen. ÜAriöfange. $. 106.
‚blüht‘ nad) der Gage ber Echay, ober „wittert fi,‘ wenn bie Flamme
über ihm brennt, er ‚fonnt fi‘ und Yann bann gehoben werben; das muß
jedoch ſtillſchweigend geſchehen, weil er fonft wieder verfintt. Zum Bruch
dieſes Stillſchweigens zu verleiten, ift aber bie Hölle in Spiegelfedhtereien
unerſchoͤpflich. Doch braucht man auf ven blühenden, fi fonnenden Schag
nur ein Tuch zu werfen um ihm zu bannen und gu geivinnen. Auch wirb
von ihm gefagt, daß er rüde, alljährih um einen Hahnenſchritt, ober
nad fiebenJahren herauffomme, wo wie bei dem Donnerfeil urfprüngs
lich fieben Wintermonate gemeint feinen. Wenn dieſe Parallele
Schwarz (Urfprung 64) berechtigt, den fhaphütenden Drachen auf das Ger
witter zu beziehen, fo befteht damit doch die Deutung des Schahes auf
die goldene Körnerernte, da er felber nachweiſt, wie der Gewitterdrache
Fruchtbarkeit bringt. Nur muß das die Sage nicht im Auge haben, wenn
fie den Drachen von Göttern oder Helden erihlagen läßt. Ueber Eat:
fogen vgl. Fr. Müller Siebenbürg. Sagen 6. 371 ff.
Den deutſchen Drachen ſcheint das Feuerſpeien fremd, wenngleich Ther
und Beowulf von ihrem Gifte überſprüht erliegen. Auch das Wurm
bettfeuer, befien die Edda Gudrunkwida I, 112 gedenkt, ift nur eim
Tropus für dad Gold, auf dem fie liegen und das ſich unter ihnen mehrt.
Davon ift zwar in der deuten Lindwurmfage, wie wir fie bei Siegfried
und Beowulf finden, nicht ausdrüdlid die Mebe; in ber mehr orientaliſch
gefärbten Ragnar Lodbrodsſage, welche der von Ortnit entſpricht, waͤchſt
aber daB Gold zugleich mit dem Wurm, ver laum dem Ci entichläpft
ins Land gebracht wird, allmählich jedoch zu ſolcher Größe heranwädft, daß
ihn kein Schrein, kein Haus mehr faßt und er draußen um das Geböfte
gewunden liegt, und Schweif und Kopf ſich berühren. Der Ornitsſage ift es
mit ber von Triſtan und vielen deutſchen Märchen gemein, daß der Drachen ⸗
fieger von einem Betrüger verdrängt, und um den Lohn, bie Hand ber
Königätochter, gebracht werden ſoll. Diefer Betrüger glaubt ſich durd die
Drachenloͤpfe, bie er vorlegt, auszuweiſen; es findet ſich aber, daß ber wirl⸗
liche Sieger die Vorſicht gebraucht hat, ihnen die Zunge vorher aus bem
Munde zu ſchneiden, wodurch der Betrüger zu Schanden wird. In ber
Ragnar Lonbrodsfage bleibt die Spige des Spießes in dem Unthier figen,
und der wirkliche Sieger bewährt ſich dadurch, daß er im Beſihe des pafe
enden Schaftes ift. Die Verwandtſchaft diefer orientaliic gefärbten Fafe
fung mit der im Shah Nameh Görres IL 400—411 hat Liebrecht
Drient 1, 563 dargethan.
$. 107. Walküren. Midmod won der Adndı. 375
4. Zuweilen zeigt ſich aud im Gefolge der 3 Schweſtern ober ber
Schlüpeljungfran ein ſchwatz und weiß gegei—hnetes Pferd (Duipmann
137), dem ähnlich, auf welchem auch Hel sur Peſtzeit umreitet. Noch font
ſpielt das Pferd eine unheimliche Rolle in unfern Sagen. ‚Die Todten
zeiten fhmell‘ hieß es in dem Bollsliede, das Bürger zu feiner Lenore
Beranlaßung gab. Ein Mmöcherner Piervelopf (caput caballinum) dient
als Symbol des Todes. Phantaftifhe Bilder laßen ven Tod, der als
dominus Blidgerus fywbolifiert wird, auf dem Pferdelopf, als einer Geige
aufipielen. Im Norben war ed Gitte, den Pferdelopf (equi abscissum
eaput, Saro p. 75) als ſ. g. Neidftange aufzurichten, um bie Landwaͤtter
(Wichter) zu ſchreden, die guten Geifter des Landes fern zu halten, Myth.
42. 625. Uber zuweilen dienen fie au, den böfen Geiftern zu mehren,
und zu biefem Zwede waren au ben Giebeln beutfher Bauernhäufer
Pierdelbpfe ausgefhnigt, womit die Sage der Richmod von der Aducht
sufammenhängt, die jept einer Straße in Köln den Namen giebt; fie lehrt
au in Magdeburg und Dünlichen und fonft vielfad wieder. Man bes
geiff nicht mehr, warum biefe Pfervehäupter vom Söller nieberblidten ;
ein bunfles Bewuſtſein von ihrem Bezug auf bad Todtenreich mochte aber
übrig geblieben fein: jo entftand die Sage von ber zurüdfehrenden begra-
benen Frau, für die fie jept ald Wahrzeichen dienen muften. Pferde ⸗
hufe wurben zur Abwehr böfer Geifter vor die Thüren ober über Ställe
gegen Zeueröbrünfte genagelt. Haͤngt damit das beim Gingang von
Oberweſel in das Straßenpflafter gefügte Hufeiſen zufammen, das ber
alte Rheiniſche Antiquarius auf St. Hubert? Roſs bezieht? Man giebt
es jegt für das Wahrzeihen der Stabt aus; aber melde Bewandtniſs
es damit babe, wißen die guten Leute nicht mehr.
107. 2. Waltüren (Walachuriun).
Am nächkten verwandt find den Nornen die Wallüren; aud fie wer⸗
den Wil. 24 Odins Noraen‘ genannt, ja eine der jechje, welche hier aufs
gezählt werben, die Skuld, führt den Namen der jüngkten Nora. Als
fiebente muß man wohl Freyja hinzubenten, dad Haupt der Walfüren
unb ihre Quelle. Grimnism. 36 nennt ihrer dreizehn, und hier ift
wohl Hilve, in der Hel auch unter den Rornen auftritt, der Freyja gleich.
Drin’, heißt es D. 36 ‚jenvet fie zu jedem Kampf. Sie wählen bie
dallenden und walten des Giegs.‘ Daher ihr Name, ber ihr Amt pleos
376 Walküren. Lensrenfage. $. 107.
naſtiſch außbrüdt; doch bedeutet Wal (strages) den Inbegriff der in der
Schlacht fallenden. Daneben find fie Schenkmädchen Odins und der Ein⸗
herier: fie follen in Walhall dienen, das Trinken bringen, das Tifchzeug
und bie Aelſchalen verwahren. Als Todtenwählerinnen, weibliche Pfycho-
pompen wie ald himmliſche Schenkmädchen find fie Vervielfältigungen ber
Freyja, der wir $ 103 das gleiche Geſchäft obliegen fahen. Aber auch
zu Odin ftehen fie in nahem Verhältnifs: fie erſcheinen als Vollſtrederinnen
feines Willens. Durd fie greift er in das irdiſche Helvenleben ein, und
nur zumeilen wißen fie, den Nornen ähnlich, ihre Selbftändigfeit zu wahren
und Odins Willen entgegen zu handeln. Den Nornen fteben fie auch
darin glei, daß fie dad Geſchid wirken, aber mehr in Bezug auf bie
Schlacht, während es die Nornen im Allgemeinen beftimmen. Aud find
fie den Göttern untergeorbnet, während die Normen das Geſchid lenken⸗
dem felbft die Götter gehorchen. Schlacht ift all ihr Sinnen: Walküren
trachten, heißt es in dem geheimnifsvollen Eingang Hrafnagalbrs; in der
Wolundarkwida fehen wir wonach: fie traten und fehnen fih nah Kampf,
fie mollen Urlag treiben, in der Schlaht das Schidſal entſcheiden. Dar
rum heißen fie auch Walmädchen, Schildmädchen, Helmmäbchen, weil fie
unter Helm und Schild zur Walftatt ziehen. Cine der Walküren heißt
Mift; der Name klingt und nicht fein; aber noch bedeutet mist engliſch
Nebel: Mift ift tie Wolle, und auf Woltenrofien fhweben die Waltüren
über dem Schladhtfelve, und Thau träuft von den Mähnen ihrer Roffe
in tiefe Thäler, Hagel auf hohe Bäume: ‚das macht bie Felder frucht-
bar.’ Klingen fie hier an Naturerfheinungen an, fo find fie doch weſent ⸗
lich Mächte des Gemüths: fie ſollen den veutfchen Helvengeift zur An«
ſchauung bringen, der wie fie nur Krieg und Schlacht athmete. Aber die
Dichtung bat fie zu den anziehendſten Bildern geftaltet; nur in ber Riald«
fage find fie ins Graufenhafte verzerrt: da figen fie in einer Kammer mit
einem Gewebe beichäftigt, Menjchenhäupter waren ftatt der Gewichtſteine,
Gedaͤrme ftatt des Zettels und Einſchlages, ein Schwert ftatt des Schlag ⸗
brets, ein Pfeil ftatt des Kammes; dabei fangen fie ein Lied mit dem
Kehrreim: Winden wir, winden wir dad Gewebe der Schlacht! Zulett
rißen fie das Gewebe von oben herab in Stüde und jede behielt das ihre
in der Hand, beftiegen dann die Pferde und ritten davon, ſechs fühlid,
ſechs andere nörblih. Das bewuft Graͤſsliche diefer Vorftellung kommt
auf Rechnung der fpäten Zeit, welcher die Dichtung angehört. Lieblih
unb erhaben zugleich find dagegen die Wallüren, wie fie und in den drei
$. 107. Walküren. Ichwanenmähhen. Merrweiber. 8377
Helgiliedern erfheinen, Swawa und die aus ihr wiedergeborene Sigrun,
die Geliebten und dann die Gemahlinnen zweier edeln Helden, Helgi ge:
nannt, der eine gleichfalls im andern wiebergeboren; am jhönften Eigrum,
wie fie um den gefallenen Helgi trauert, den ihr ſehnſuchtiger Schmerz
aus Walhall zurüdzieht, meil ihre heißen Thränen ihm auf bie Bruft
fallen, daß er die Freuden der himmliſchen Halle nicht genieken Tann.
Dieß ift die ältefte befannte Darftellung ver Lenorenfage. Entſchiedener
als Waltüre gehalten ift Swawa; beide find aber irdiſche Königstöchter,
wie in der Sage aud Brynhild erſcheint, deren göttliher Urfprung fpäter
nachgewieſen werben fol. Bei Gigrun und Brynhild (noch in den Niber
lungen) ift Jungfräulicleit Bedingung des Waltürenftandes; als Sigrun
dem Helgi vermählt warb, fällt er im Rampfe, denn Sigrun kann ihn
nicht mehr befhägen. Aber wie es irdiſche Normen giebt, wie die Gabe
der Weißagung und bed Zaubers fterblihen Frauen übertragen werben
kann, wovon die brulteriihe Veleda ein Beifpiel ift, die bei deutſchen
Bollern priefterliches Anfehen und faft göttliche Verehrung genoß, jo kön
nen aud Konigstdchter in den Stand der Waltüren treten, wenn fie krie⸗
gerifches Gewerbe ergreifen und ewige Jungfraufchaft geloben. Sie heißen
dann Wunſchmädchen, Adoptivtöchter Obins, wie die Einherier feine Wunſch-
föhne find. Erſt neuerdings hat ſich ein für Vrynhilds Walkürenftand
wichtiger Zug ermitteln lagen. Vorausgeſchidt muß werben, daß die Wals
füren, wenn fie Luft und Waßer reiten (rida lopt ok lög) Schwanenhemden
anlegen, ja fi in Schwäne wandeln. Das Anfügen des Schwanenges
fieders und die volle Verwandlung wird dur den ſ. g. Schwanenring vers
mittel. In der Wölundarkwida, dem eddifchen Liede von Wieland dem
Schmiede, das aus deutſchen Onellen gefloßen und noch fpät in Deutich:
land betannt geweſen fein muß, laßen fi) drei Schwäne beim Seeftrande
nieder, legen ihre Schwanenhemven ab, baden und fpinnen Flachs; auch
bier bezieht fi dieß Spinnen auf die Geſchide der Schlacht. Wieland
und feine Brüder bemäctigen fi der Schwanenhemben und bringen fo
die Konigstoͤchter in ihre Gewalt; aber nad fieben Wintern entfliegen fie
ihmen wieder; fie folgen unwiderſtehlicher Sehnfucht nach ihrem kriegeri⸗
ſchen Geichäft. Ganz fo wird nun aud Brynhild von Agnar gefangen,
und in ‚Helteid Brynhildar' beruft fie ſich darauf, zu ihrer Rechtfertigung
gegen die Niefin, die ihr die Durdfahrt durd ihre fteingeftügten Käufer
wehren will, daß Agnar, der ihr und ihren Schweſtern dad Schwanens
bemb untes bie Eiche tragen ließ, fie gezwungen habe, ihm als Wallüre
878 Walküren. Begwriber. Foifen. 8. 107.
ven Sieg zu eriheilen, was ihr den Zorn Odins zuzog, denn biefer hatte
dem Sialmgunnar den Sieg. beftimmt. x
In den Nibelungen erſcheinen belanntlih drei Meermweiber bei der
Burgunden Ueberfahrt über die Donau; eine berfelben heißt Sigelind,
Hagen nimmt ihnen bie Gewande weg und giebt fie erit zurüd, als fie
ihm zu weißagen geloben. Ihr Gewand wird als wunberlich bezeichnet,
d. h. wunderbar: e3 waren Schwanenhemden; auch fie find Walküren, nur
weben fie hier nicht mehr das Geſchid, fie weißagen es nur, So erſcheint
in ber beutfhen Gubrun ein meißagender Engel in der Geftalt eines
ſchwimmenden wilden Vogels; ohne Zweifel ift aud) hier ein Schwan gemeint.
Dem Lohengrin, in welchem wir Skeaf als Schwanenritter verjüngt fahen,
wird das Schiff von einem redenden Schwane gezogen, und im Wolfe
dietrich fehen wir die rauhe Els, im Jungbrunnen badend, ihr Gewand
ablegen und nun Sigeminne beißen, die fhönfte über alle Lande. Die
Namen Sigelind, Sigeminne, Sigrun, Sigrbrifa, wie Vrynhild als Wal
türe heißt, und ein agſ. Bauberfprud bei Kemble Myth. 402, mo Sieg
weiber ermahnt werben, nicht zu Walde zu fliegen, ſondern dem Anrufen
ben fein Ehidjal zu mweißagen:
Sitte ge sigevif, sigadh t5 eordhan!
nefre ge ville tö vuds fleogan!
beo ge svä gemyndige mines gödes
svä bidh mannagehvylc metes and ädheles.
Setzt euch, ihr Giegweiber, ſenkt euch zur Erbe,
Wollt nicht wieder zu Walde fliegen!
Bleibet im Herzen meines Heils jo eingebent
Als die Menſchen männiglih des Mals und der Heimat.
das Alles zeigt, daß der Name ver Walktren und wilden Frauen über
haupt Giegweib, siguwip, war; fie heißen aber aud Wünfchelweiber und
gehen in den Begriff theils der Waldfrauen, theild der Meer: und Waßer⸗
minnen über. Cine ſolche war bie Geliebte ded Staufenbergers, bie ihn
von Jugend auf in Gefahr und Krieg gehütet und unfihtbar, wie Swawa
ven Helgi, umſchwebt hat; aber eigenthümlich ift hier der Name Wünſchel⸗
weib gebeutet: fo oft der Staufenberger nad ihm wünfcht, ift fie bei ihm;
fie bewegt ſich ſchnell, wohin ihr gelüftet, Myth. 391.
Die Walküren erfheinen im Norben aud unter dem Namen ber
Difen, in Deutſchland Idiſen, vgl. aber $ 129; dod iR dieß ein allger
meiner Name für göttliche Jungfrauen. Für und hat der Name Bedeu ⸗
& 107. Walküren. Spigien. Ahuſcau. 879
tung gewonnen durch die ſ. g. Merjeburger Bauberfprüche, wo mir diefe
Joifen in zauberifhen Verrichtungen begriffen fehen; fie heiten Hafte, wins
den Stride (9), um Heere aufzuhalten, Feinde zu feheln. Sie ſcheinen
alfo im Kampf, den fie entjcheiden follen, für Ginen Theil Partei zu ers
greifen. Wie in jenem agf. Sprud die Sigweiber ermahnt werben zu
figen, ſich zur Erde zu fenten, fo wirb von dieſen gejagt, daß fie fih zur
Ede niebergelaßen hätten (säzun hera), vgl. $ 113, Hierdurch erflärte ſich
nun aud der Name des berühmten cheruskiſchen Schladtfeldes an der Wer
fer, das nad) Tacitus Idiſtaviſo geheißen haben follte, was nun in Idi-
siaviso, nympharum pratum, gebeßert werden konnte. Auch verſtehen
wir jegt die Namen einiger eddiſchen Waltüren: Hlöck = alth. Hlanks,
Kette, Herfiötr — alth. Herifejjara, die das Heer fepelt, Muth. 373;
der Name einer dritten, Göndul, wird Knoten bebeuten. .
Bir haben oben die Zwoͤlfzahl neben ver Siebenzapl für bie
Waltüren nachgewieſen; aber ſchon Myth. 392 ift gezeigt, daß fie gern
in ber Neunzahl zufammenreiten, während dreie, Gundr, Rota und Skuld,
bie jüngfte Norn, als eigentlid) Walkiefende und Kampfwaltende hervor⸗
gehoben werben. Die Bapl neum ift vielleicht auch bei Brynhild und
ihren Schweftern anzunehmen, und fo fanden wir neun Töchter der Ran,
neun Mütter Heimdals, und Fiölſwinnsmal 38 figen 9 Mädchen einträhtig
zu Mengladas Knieen. Da Menglada die Schmudfrohe bedeutet, fo er:
giebt ſich ſchon hieraus, daß fie Freyja ift, die Befigerin Brifingamens,
Mpyth. 1102: in ihren neun Dienerinnen wie in jenen neun Walfüren ift
fie, die Nialsfage p. 118 felbft Walfreyja heißt, wie fie auh Wal kieſt
(Moth. 391), nur vervielfältigt.
Bei Helgi und dem Staufenberger fahen wir die Walküren ald Schup-
geifter der Helden aufgefaßt. Hier berühren fie fih mit den Sylgien, ven
angeborenen Schuggeiftern, von melden man glaubte, fie erſchienen ben
Menſchen dann eben, wenn fie von ihnen ſchieden, d. b. vor dem Tode;
auch wurben fie dann wohl von andern gefehen, denen fie jet ihre Folge
anboten. Helga Kw. I, Diefe Fylgien zeigen ſich gern in der Geftalt desjenigen
Thiers, dem die Sinnesart des Menſchen gleiht, Sögubr. c. 2, und die Bermu:
thung, Ann. f. nord. oldk. 1851 112 fat vollen Grund, daß damit’
unfer Wappenweſen zufammenhängen möge. Wenn bie Fylgia auch
hamingia (felicitas) heißt, fo ift doch dieſe noch öfter unperfänlic, ala
das angeborene Glüd (6. 183) gedacht, M. 829. Doch hatten auch
ganze Geſchlechter ihre Fylgien, und dieſe gleichen auffallend der deut:
880 Welkücen. SHtdenfage. Bintrade. 8. 108.
ſchen Ahnfrau, beren Erſcheinen einen Sterbefall im Geſchlecht verkün⸗
det. M. 831.
108. Hilde und Brynhild.
Unter den Walküren hebe ich zweie ber berühmteſten hervor, um
ihren Zufammenhang mit der als Freyja verjüngten Erdgöttin nachzuweiſen.
1. Ju allen Verzeichniffen der Wallüren erfheint Hilde; ihr Name
wird mit Kampf gleichbedeutend gebraudt: Kampf weden und Hilde weden
iR Eins, Myth. 394. Aber fhon diefer Ausdrud fpielt auf einen Mythus
an, der freilich nirgend deutlich und umentftellt vorliegt. In der Erzäh-
Tung ver Skalda von Högni und Hilde (D. 675) ift fie ſchon vermenfd:
licht, eine irdiſche Königstochter. Hedin, Hiarrandis Sohn, entführt König
Högnis Toter; der Vater fegelt ihnen nad, und es foll zum Kampfe
tommen: da bietet ihm Hilde ein Halsband zum Vergleich. An diefem
Halsband (Brifingamen) verräth fie ſich als Freyja, und was wir weiter
erfahren, dient zur Veftätigung. Högni nimmt den Vergleih nicht an,
weil er fein Schwert Dainsleif ſchon gezogen hat, das eines Mannes Tod
werben muß, fo oft es entblößt wird. Es kommt alfo zur Schlacht
(Hiadningawig), die nur die Dämmerung trennt. In der Nacht geht Hilde
zum Walplap und erwedt die Todten und fo in jeder folgenden Nacht
wieder, und jeben Morgen erneut ſich der Kampf und foll fortwähren bis
zur Götterdämmerung. Wiederum giebt fi bier Freyja zu erkennen, die
Din zum Kampf entjenbet, die Gefallenen feiner Götterhalle zuzuführen.
Dort als Einherier ſehen fie das alte Kampfleben fort, fie ftreiten Tag
für Tag und fällen einander, und aud bier wird es Freyja fein, die fie
erwedt, daß fie vom Kampf heimreiten, mit Aſen Ael zu trinken, D. 41.
Hierin liegt der Keim der großen vielverzweigten Hildenjage. In dem
zweiten unausſprechlich ſchͤnen Liede von Helgi dem Hundingstödter, dem
Bruder Sigurds, ſagt Helgi zu Sigrun, der Tohter Högnis, feines
Feindes, die ihm gleihmohl ald Waltüre im Kampf gegen ihren Bater
beihügt hat:
Beine nit Sigrun; bu warft uns Hilde:
Nicht befiegen Fürften ihr Schichſal.
worauf Sigrun erwiebert:
Beleben möcht ich jet, bie Leichen find,
Aber dir zugleich im Arme ruhen.
$. 108. Walküren. SHidenfage. 881
Hier it mehr als Anfpielung auf bie Hilvenfage, da auch Gigrund Vater
Högni heißt und Sigrun im erfolg des Liedes ihren Geliebten, ver
im Kampf gefallen und zu Obin gegangen ift, dur ihre heißen Thränen
(S. 376) erwedt und berabzieht. Daß in Hilde Freyja verborgen ift,
beftätigt die fpäte mythiſche Erzählung, welche die Dlaf» Trpggwafonarf.
c. 17 von Brifingamen, dem Halsband der Freyja, giebt. Nach ihr haben
es vier Zwerge geſchmiedet und der Freyja für den Genuß ihrer Gunft
geichentt. Din läßt es ihr durch Loli entwenden und will ed ihr nur
jurüdgeben, wenn fie bewirke, daß zwei Könige, deren jeder zwanzig Unter
tönigen gebiete, entzweit und zum Kampfe gereizt würden, aus dem Todes ⸗
ſchlaſ aber, in welchen fie durh die Kampfwunden fänten, immer wieder
erwachten bis ein gemifier (hriftliher) Held, womit Dlaf Tryggwaſon
gemeint ift, der das Chriſtenthum einführte, diefen Zauber löfe.
Hier ift Freyja, die wieder für Hilde eintritt, ald der deutſche Helden⸗
geift gefaßt, ven die Blutrache nie zur Ruhe kommen läßt, der fortrajen
muß bis zum Untergang alles „Lebens, weil Blut immer wieder Blut
fordert und jedem Gefallenen fein Rächer erwedt wird, Wenn in ber
obigen Sage von Högni und Hilde nur die Götterdämmerung dem Kampf
der „Hebninge‘ ein Ende machen follte, fo endet er hier ganz folgerichtig
mit Ginführung des Chriſtenthums, das die Blutrache abftellt.
Bir können bie weitere Entwidelung der Hildenfage hier nicht vers
folgen: belanntlich liegt fie dem deutſchen Gudrunliede zu Grunde; aber
die Wievererwedung der in der Schlacht Gefallenen bat hier ſchon das
Chriſtenthum getilgt, und es muß nad) ber mörberifchen Schlacht auf dem
Wulpenfande abgemwartet werden bis ein neues waffenfähiges Geſchlecht
herangewachſen iſt. Vgl. S. 239. Nachtlänge der Hlldenfage, wie id,
die Wiebererwedung ber im Kampf Gefallenen zu einem Rampfe nenne
findet fih in der Hunnenſchlacht, am Dreifaltigfeitäberge vor Regensburg,
Schoͤnwerth III, 148, und am fteinernen Kreuz bei Selb Schöppner II, 156,
wo Schweden und Naiferlihe den alten Kampf erneuen. Eine Grinnerung
ſcheint aud dem Vollsliede (Wunvderh. I, 72) geblieben:
Er ſchlagt die Trommel auf und nieder,
Er wedet feine ſtillen Brüder,
Sie jhlagen ihren Feind,
Zralali, Tralalei, Tralala,
Ein Schrecken ſchlägt den Feind. —
Da fliehen Morgens die Gebeine
In Reih und Glied wie Leichenfteine u. |. w.
882 Walküren. Langebardifge Hammfage. 8. 108.
2. Wie tief aber Hilde mit unferer ganzen Heldenſage verwachſen
if, wie fie auch Brunhilds und Kriemhilds Weſen zu runde liegt, wäre
an einem andern Orte auszuführen; bier fol nur noch won Brynhild dar⸗
gelegt werben, daß aud fie aus Frigg oder Freyja hervorgegangen ift.
In Grimnismal nimmt fih Frigg Agnars an, aber Odin Geir⸗
roͤds: es iſt eine Wette zwijhen ben himmliſchen Ghegatten, in melder
Frigg, weil fie fehlauer ift als ihr göttlicher Gemahl, ven Gieg davon
trägt. Geirröb, Odins Günftling, wird durch eine Botſchaft Friggs vers
feitet, an Ddin felbft, der feine Gaftfreundfhaft auf die Probe zu ſtellen
unerkannt in fein Hauß getreten ift, Hand legen zu laßen. Zwiſchen zwei
Teuer gefept und zum Reden gefoltert giebt Odin fi nur zu erlenmen,
um feinen ehemaligen Shüpling am Leben zw ftrafen; feine Gunft aber
wendet er nun bem jüngern Agnar, Geirröds Sohne zu, in welchem
Friggd Günftling Agnar wiebergeboren if. So bildet die Erzählung,
welche dem Eddaliede zur Einfleivung dient, ein Geitenftüd zu der bei
Paulus Diaconus, vollftändiger im Prolog zu dem Gejegbud; des Rotha:
vis, erhaltenen Mythus vom Auszug ber Langobarden, wo Gmodans Haus
frau gleichfalls durd Lift den Gieg über den göttlihen Gemahl davon
trägt, denn Frea ©. 360 nöthigt ihn, dem Wolfe den Gieg zu verfagen,
dem er ihn urfprünglich zugedacht hatte, während die von Frea begünfig:
ten Winiler von Gmodan den Namen Langobarden und als Namendges
ſchent zugleich den Sieg empfangen $. 104. Es ift wie ein verlorenes
Eddalied, zu deſſen Wieverherftellung vie nod im Latein erhaltenen allie
terierenden Ramen herausforderten: ö
Auf des Himmels höchſter Höhe ſaß Gwodan
Weit in die weite Welt zu, ſchauen.
Da traten vor ihn bie Fürften der Wanbaler
Ambri und Affi, ihn anzuflehn:
‚Wider bie Wirmiler gewähr uns Sieg,
Daß fe uns zahlen müßen ben Zins,
Hof und Heiligthum ſoll fi bir heben
Und immer rauhen vom Roſſeblut.“
„Ich gönn ihm gerne‘, ſprach Gwodan, ‚ben Sieg,
Ben id) den waderften weiß und ben beften.
Seid frühe munter: bie ich morgen zuerft
Erſchaue, die follen den Sieg erfedhten.‘
Walküren. Aamen und) Aamenegeſchenk.
Spottiſch darnach ſprach er zu Ftea:
‚Morgen gewähr ich den Wandalern Sieg.
Hof und Heiligthum fol fi mir heben
Und immer rauhen von Roffeblut.’
Das jchmergt' im der Seele bie ſchoͤne Frea,
Bon heißen Thränen troff ihr Gewand.
Ihr waren die Winniler würdig des Schutzes,
Die oft ihr die Fruchte des Feldes geopfert.
Da gieng Gambara vor Gwodans Gemahl
Mit Ibor und Ajo, ihren edein Söhnen.
Zu Frea flehte die Fürflin der Winniler;
Weiſe war ſie unb weithin geehrt:
‚Wir Magen dir knieend den Kummer des Herzens;
Unwärbig wollen uns die Wandaler knechten.
Zahllos umziehen fie Zoll zu heifchen
Die ſchwächere Schar, die mit Nichten ihn ſchuldet.
‚Morgen entfjeiden ſich umfre Geſchicke:
Sram fei uns Gwodan gehn fie und pralen.
Der Deinen Berberben wirft du nicht dulden:
Erfleh uns, Frea, den Vater der Welten.‘
Sorgend faß die Göttin und fann auf Auskunft
Wie fie der Winniler Verderben wende.
‚Höret, im Herzen hab id erdacht
Wohl weifen Rath, ber wird euch frommen:
Asch vor der Somme feſtlichem Aufgang
Wendet euch morgenwärte Männer und Weiber.
Die langen Loden laßt um das Kinn
Den Weibern wallen als wär es ein Bart,
„So fol euch den Sieg in der Schlacht nicht weigern
Der Bater der Welten: ich will ihn erfichn.
Schrecken wird die Scharen ber Wandaler ſchlagen,
Mehrt fi) fo mächtig die Menge dem Feind.’
Und früh vor der Somme feftlichem Anfgang
Sah man ſich fudlich die Wanbaler fharen;
Aber gen Dfien das bärtige Antlig
Wandte den Winnilern die weife Gambara.
884 Walküren. Bigrdrifa. Dornröshen. %. 108.
Da hob, als der Himmel im Often fich hellte,
Frea die frühe fich vor dem Gemahl,
Kehrte fein Bette alebald auf den Scheiben,
Daß er erwachte gen Weften gewandt.
Als er nun auffah und nieder zur Erbe,
Gewahrt’ er der Winniler Weiber gefchart,
Die langen Loden los auf dem Bufen;
Den Wandalern wuft er ben Bart nicht gewachſen.
Mifemuthig fah er die Mummerei:
‚Was breite Langbärtel’ brach er aus.
Und Frea verſetzte freundlich, die ſchlaue:
‚Die Winniler, Bäterhen, und ihre Weiber
Langbärte nenuft du fie, und Langobarden,
Nicht Winniler wollen fie weiterhin heißen.
Zum Namen gehört das Namensgefcent:
&o gieb ihnen Sieg, bu Gott des Sieges.’
Da late Gwodan ber Lift des Weibes
Und fehenkte zum Namen das Namensgeſchenk:
Mit Schreden flug er der Wandaler Scharen;
Freas Günftlingen gab er Gfüd und Ruhm.
Näher ift aber die dritte Erzählung, auf welche wir hier zielen, der
erſten verwandt. Brynhild, die ald Walküre in Agnars Dienft getreten
war, gab biefem den Sieg, den Odin dem Hialingunnar zugedacht hatte,
dem gröften Krieger, S. 180. 377. Er fiel in der Schlacht; aber Sigrorifa,
d. i. Brynhild, entgalt bafür den Zorn Odins: er that den Ausſpruch, von
nun an folle fie nicht mehr Waltüre fein, fondern vermählt werben. Sigrorifa
gelobte aber, ſich Keinem zu vermählen, der ſich fürdten könne. Da ſtach
ihr DOvin den Schlafvorn ins Haupt und umſchloß fie und ihre Burg mit
dem Feuer, dad in der Sage Wafurlogi heißt, und durch dieſes Feuer,
das wir ſchon ald die Gluth des Scheiterhaufens kennen, ritt hernach
Sigurd und ermedte fie auß dem tobähnlihen Schlafe. Dieß Schlafen ift
bei Gerda, bei Menglada nicht erwähnt; aber im Märchen vom Dorn
röschen fhläft nicht bloß die Prinzefsin, fondern Alles um fie her, Knechte
und Maͤgde, Pferde und Jagbhunde, die Tauben auf dem Dache, ja die
Fliegen an der Wand. Dieß allgemeine Schlafen bedeutet den Winterſchlaf
der Natur und die Erwedung durch einen Kuſs weift auf den Mai, von
dem Logan fingt:
6. 109. hilde. derelde. Hilde Schnee. 885
Diefer Monat if ein Kufs, den der Himmel giebt der Erde,
Daß fie jego eine Braut, Fünftig eine Mutter werde,
Wie Sigurd reitet Skimir, reitet Smwipbagr durch Wafurlogi; wir ſahen,
es war Freyr felbft und in der Alteften Geftalt des Mythus Odin. Wie
aber hier Sigurd an Odins Stelle getreten ift, jo Sigrdrifa an Gerdas;
zugleih aber verräth ſich Sigrdrifa als Frigg, Obins Gemahlin,
an ihrem Günftling Agnar, bem fie den Sieg zuwendet, obgleih ihn
Odin dem andern Theile beftimmt hatte. Es ift biefelbe Begebenheit, wie
im Grimnismal, ein göttlicher Chezwiſt, ven begünftigten Agnar betreffend.
Dort hielt er fih im Kreiße der Götterfage; hier bringt er in bie Hel⸗
denfage, was beider innigen Bufammenhang aufs neue darthut. In der
Mitte fteht die langobardiſche Erzählung, die auch darin der Sigurbfage
näher tritt, daß es fi um den Sieg handelt, um den Sieg zweier Völler,
wie bei Gigebrifa zweier Könige, während im Grimnismal die göttlichen
Gatten nur um den Vorzug zweier Lieblinge wetten, in der Halfſage
Freyja und Odin fid gar nur im Wettftreit um das befte Bier gegen:
überftehen.
109. $haraildis Herodias Abundia.
1. Daß Hilde, die wir aus der Edda nur als Walfüre kennen, bie
aus Hel ober Rerthus verjüngte Göttin Freyja felber ift, fehen wir noch
darin, daß in ben Nieverlanden die Milchſtraße Vroneldenstraet (Frauen
oder Brunhildenſtraße) hieß (Myth. 263, 121), wie auch irdiſche Straßen
nad) Brunhild benannt find, Mone Helvenf. 69, Bod öglise abb. 24. In den
Niederlanden finden wir aud eine Berelde, die in Niederſachſen, wo fie
dad Spinnen begünftigt, ala Ber Hellen, (Kuhn NS. Gebr. 186), an ber
Dftfee ald Ber Wellen (Müllenhofi 178) wiederkehrt: Cntitellungen des
Namens Frau Hilde, die Frau in ‚Ber‘ abihwähen. Auf diefe Frau
Hilde, lieber als auf die ihr nahverwandte Frau Holla, von der gejagt
wird, wenn es ſchneit, fie fehüttle ihr Bett, möchte id) die Gage von
‚Hilde Schnee“ beziehen, melde nad DE. 456 zur Gründung von Hil
desheim . Beranlapung gab. Soweit der Schnee gefallen mar, gründete
Kaifer Ludwig den Kirhenbau zu Mariend Ehre. Maria Schnee (Maris
ad nives, notre Dame au neige) heißen auch anderwärtd Kirchen, an
welche fih ahnliche Sagen rüpfen. Baader 122. 381. Bel Müdenh.
141, Moth. 246. Aus Verelde (Frau Hilde) ſcheint der Dichter des
Ginred, Diyihelsgie. 25
886 Yübe. Yharaildis. Abundia. 6. 109.
Reinharbus feine Pharaildis gebildet zu haben, die auch Herodias heikt.
Die Tochter des Herodes, deren Tanz die Cnthauptung J. des Täufers
herbeiführte, ftellie man im Mittelalter an die Spige des wilden Heeres
und feiner nähtlihen Umzüge wie fonft wohl Holda oder Diana. Darin
liegt eine Identificierung mit Freyja oder Hilde, die mit den Walküren
und den ermwedten Einheriern in gleicher Weile durch bie Luft braufe,
und ber Dichter bed Neinharbus gab ihr den Beinamen Pharailbis, Frau
Hilde, oder die fahrende Hilde, mit Anknüpfung an den Bollöglauben,
wenn er gleih damit an Pharaos Tochter erinnern wollte, Noch mehr
aber tritt die Miſchung chriſtlicher und heidniſcher Sagen hervor, wenn ihr
der dritte Theil der ganzen Welt gehören fol, was ſich auf die Geelen
der Verftorbenen bezieht. Dieß muß von Hel oder Freyja auf fie über
tragen worden fein, welche fih mit Odin in bie Erſchlagenen theilte, wäh:
rend aud dem Thör ein Antheil gebührt, denn ihm fallen nad) Harbardel.
24 die Knete (Bauern) zu.
2. Was von der Freyja erzählt wird, daß fie Ihren Gemahl Odr zu
fuchen zu unbelannten Böllern fuhr, das kehrt ſich bei Herodias um: ‚fie
war von Liebe zu Johannes entzündet, die er nicht erwieberte; als fie
das auf dem Teller getragene Haupt mit Küffen und Xhränen bebeden
will, weicht es zurüd und fängt heftig zu blafen an: die Unfelige wird
in den leeren Raum getrieben und ſchwebt ohne Unterlaß; nur von Mit:
ternacht bis zum erften Hahnkrat figt fie trauernd (moesta hera) auf Eichen
und Haſelſtauden. Myth. 262; vgl. das Drudenweibel bei Banzer II, 201.
Daß die den fliehenden Gemahl ſuchende Göttin ald Herodias verhaͤßlicht
wurde, erflärt fih einfach daraus, daß die Flucht oder der Tod des Jahr
resgottes auf die Sommerfonnenwende, ben 23. Juni, alfo auf Johannis
fiel und Herodias um den Täufer zu trauern ſchien, deſſen Tod fie ber
beigeführt hatte.
3. Wie diefe Pharaildis auf Hilde, fo geht die Dame Habonde
(Domina Abundia), welcher gleichfalls der britte Theil der Welt gehören
fol (Myth. 263), auf Fulla zuräd, die in der Eda (D. 35) nur als
Ehmudmädhen der Frigg erſcheint, in den Merſeburger Heilipräden
wo fie Bolla heißt, als Schweſter der Frua oder Friia. Ob ber Begriff
der Fülle in ihrem Weſen Liegt, ob man fie als ven Vollmond dachte
(Myth. 285), immer fheint fie aus Freyjas Weſen erwachſen, deren Bruder
regt wir ald Gott der Fruchtbarkeit wie ald Sonnengott Tennen, wäh
rend Freyjas Halsband Brifingamen, urfpränglid ber grüne Echmud der
8. 110. Is. Acheleunie. 887
Erde (6. 306), doch vielleiht auf den Mond umgebeutet wurde, da bie
vier Zwerge, die es ſchmiedeten, die Monbphafen ſcheinen könnten. Dal.
$. 12. Ueber Wanne Thella, die in den Niederlanden, wie Habonde in
Frankreich, als Königin der nachtfahrenden Geifter, der Hexen und Alven
erjheint, vgl. NE. 520. Wir weiſen ihr diefe Stelle an, da fie gleich
den zunädft zu nennenden Göttinnen auf dem Schiffe fährt. Ein foldes
tommt allerdings auch bei der h. Urfula vor; aber wie hätte fie anders von
Britannien nach Köln gelangen tönnen? Bol. jedoch den Schluß von $ 114.
110, Ifs Nehalennia Gertrud,
Die verborgene Erogöttin, die wir als Nerthus, als Freyja, als
Hilde u. |. w. fennen gelernt haben, ift in Deutſchland nod unter andern
Namen verehrt worden.
1. Der ältefte ift wohl jener der Iſis, welcher nad Tacitus Germ. 9
ein Theil der Gueben opferte. Ihr Zeichen war ein Schiff, das den
Römer an das Navigium Isidis erinnerte, weshalb ihm ihr Dienft für
ausländifh galt, zur See nad Deutſchland gelangt, wie er ſich wortfpie:
lend ausbrüdt (docet advectam religionem). Wie tief er aber in Deutfchr
fand mwurzelt, in Schwaben namentlih und am Niederrhein, hat Grimm
236 ff. nachgewieſen und Liebreht (Dunlop. Vor. AT) und Wolf (Beitr.
149 fi.) haben ihre Spuren mit Glüd meiter verfolgt. Cine Mutter
Gottes auf dem Schiff Leopr. 133.
2. Ob Bolf die Nebalennia, fo verwandt fie der Iſis iſt,
. für deutſch zu erflären berechtigt war, ift die Frage. Den keltifchen Namen
diefer Göttin, die auf dem Vorbertheil des Schiffes ftehend dargeftellt wird,
der ob merces bene conservatas Altäre gewidmet find, hat Heinr. Schreis
ber mit Grimms Beiftimmung Myth. 390 aus nere, fpinnen, erllärt,
was fie als eine Schidfalsgöttin bezeichnen würde. Bu Deuz, Köln gegen»
über, hatte fie einen Tempel. ebenfalls ift aber der Name undeutſch,
wie nahe auch vie keltiſche Göttin felbft der deutſchen Iſis vermanbt
ſei. Diefe halte ich ganz für dieſelbe Gottheit, welche Tacitus bei an«
dern fuebifhen Böllern als Nerthus kennen gelernt hatte; dort
warb fie im Wagen umgeführt, bier im Schiffe. Das Beichen ift
ein anderes, die Göttin dieſelbe. in drittes Beihen von gleicher Bes
deutung ift der Pflug; Herumfahrene bed Pfluges und mit ben
Säiffen follte man fi nad dem Ulmer Rathöprotofol von 1530, das
888 Is. Athaleunia. Caruaval. 8. 110.
den legten Reft des Iſisdienſtes außtilgen wollte, enthalten, Myth. 242.
In den Varianten der S. 350 angeführten Sage von dem Schwaben
berzog Gtiho, der mit 12 Mannen in den Berg gieng, um des Kaiſers
Lehnsmann nicht zu werden, vertreten fi dagegen Pflug und Wagen;
fein Sohn Heinrich, der nicht fo ftolz dachte, nahm fo viel Land von dem
Kaiſer zu Lehen al er mit einem golvenen Wagen umfahren oder nad
anderer Sage mit einem goldenen Pfluge umziehen konnte. Unb wie
hätte Nerthus, deren Gemahl Njörbr ein Gott ber Schiffahrt war und
zu Noatun (Schiffſtadt) wohnte, von ihrer Infel im Ocean zu den Böl-
tern gelangen können, welchen fie Frieden und Fruchtbarkeit brachte, wenn
ihr Wagen nicht zugleih ein Schiff war? Ein Schiffs wagen ift aud
das Schiff der Iſis, es befährt Waßer und Land wie Freys Schiff Stid⸗
bladnir Luft und Meer, ja aus dieſem Schiffswagen ift unfer Carnaval
(car-naval) entjprungen; noch bei Sebaftian Brant mufte biefer Zufams
menhang fortwirten, als er fein Narrenſchiff ſchrieb. Jenes wahr
ſcheinlich dem Iſisdienſt gewidmete Schiff, das Grimm Myth. 237 aus
Rodulfi Chronicon Sti. Trudonis nadgewiefen hat, war Schiff umb
Wagen zugleih: ein Bauer im Walde bei Inden (Cornelimünfter) hatte
+3 gebaut und unten mit Rädern verjehen. Weber wurden vorgefpannt,
die e8 über Achen und Maftriht, wo Maft und Segel binzulamen, nah
Tongern und Looz zogen; von da follte es über Duras und Löau nah
Lowen und, wie Wolf vermuthet, nad Antwerpen und auf die Schelde
gebracht werben, an deren Mündung jener Selandiae extremug angelus
lag, wo das Heiligthum der Nehalennia glei jenem der Nerthus auf
einer insula Oceani (Walchern) in einem castum nemus ftand, und
deutſcher und keltiſcher Gottesbienft, vielleiht zu einem Bunde ber Völler,
zufammenfließen konnte, Alles freilih in fpäter chriſtlicher Zeit, um das
J. 1153, dreißig Jahre nach Eroberung Conſtantinopels durch die Kreuz
fahrer, aber als Nachtlang des Heidenthums. Darum eiferte aud die
Geiftligteit gegen ſolch abgöttifhes Treiben, dem aber das Volt nod ger
wogen ſchien, und das auch die weltliche Obrigkeit, wahrſcheinlich als' alt:
hergebracht, befhügte. In Achen warb das Schiff mit großem Zulauf
von Männern und Frauen feitli eingeholt; anderwärts flürzten ſich Scharen
von Frauen mit flatterndem Haar und loſem Gewand, alle weibliche Scham-
haftigfeit mifsachtend, unter die Menge, die das Schiff umtanzte. Die
Weber, die es zu ziehen gezwungen wurben, murrten wider die Gewalt,
die ihnen geſchah, obgleih fie doch eigentlich für die Priefter der Göttin
%& 110. Is. Scan Elfen. Weber und Meheer. 889
gelten follten, weshalb fie ein Pfand von Allen zu nehmen berechtigt waren,
vie fi dem Heiligthum nahten. Attingere uni sacerdoti concessum,
fagt Tacitus bei der Nerthus. Diefe Priefterihaft der Weber erfcheint
ſchon bei der römifchen, ja bei der ägpptifhen Iſis; auch bei andern deut ⸗ ö
ſchen Feſten finden wir fie neben den Metzgern, die wahrſcheinlich die
Opferung zu vollbringen hatten, betheiligt. So bei dem Trierſchen Früh⸗
lingsfeft, das id in den Jahrb. des Vereins von Alterthumsfreunden im
Rheinlande beiproden habe; aud zu Münftereifel ließen die Weber das
flammende Rab von dem f.g. Rabberge laufen, während bei dem Münd:
ner Schäfflertang, Panzer 258, nur noch die Mehger betpeiligt find. Bol.
Meier 1, 373. 451. Neben den Webern find es rauen, die an dem
Eultus Theil nehmen, und fie thun es ohne Widerſtreben, mit fichtbarer
Vorliebe, im unerlofhenen Gefühl ihrer alten Priefterihaft.
Nach diefem Allen halte ich die Nachricht de3 Aventinus von ber
Frau Eiſen, Myth. 244, keineswegs für eine erfonnene Erweiterung ber
Meldung des Tacitus von der deutſchen Iſis, zumal au Fiſchart, M. 274,
von ihr vernommen hatte. Außer dem Schifflein führt Aventinus noch
an, fie fei nad) ihres Baterd Tod zu dem deutſchen Könige Schwab ge
kommen und eine Weile bei ihm geblieben: da habe fie ihn Gifen ſchmie ·⸗
den, Getreide fäen, mähen, malen, kneten und baden, Flachs und Hanf
bauen, fpinnen, nähen und weben gelehrt und das Volk fie für eine heir
lige Frau gehalten. Wenn hier die Göttin auf die Künfte des Friedens
bezogen wird, fo ift dieß ein neues Moment, das bei Tacitus nicht an⸗
gebeutet ift, und nur aus ber lebendigen Volksſage fließen konnte. Auch
das Umziehen mit dem Pflug zur Frühlingszeit, wenn Adergang und
Schiffahrt wieder beginnen, das Ginfpannen der Mädchen, die ſich von
dieſer Strafe verfhmähter Ehe nicht durch ein Pfand löfen konnten (Myth.
242), ber lolniſche Reimfpruch:
Faſtelovend kutt heran,
Spillemer op der Buſſen,
Alle Madcher krigen ene Mann,
Ich onn od ming Süfler.
Alles deutet auf den Dienft einer mütterlihen Gottheit, die wie fie dem
Aderbau und der Schiffahrt, der Liebe und Ehe hold war, auch dieſe fried⸗
lichen Künfte Ichren mochte. Wenn fie freilich auch das Eiſen ſchmieden
gelehrt Haben foll, fo könnte das Aventinus aus dem Namen der Frau
Sifen ( If), herausgellügelt Haben ; ſchwerlich aber hat er den Ramen
390 Is. Ya, I. J 8%. 110.
Frau Eiſen aus dem der Iſis gebildet und der Meldung des Tacitus ent⸗
nommen, Freilich wiverftrebt ung die Annahme, daß die deutſche Göttin
Iſis geheißen habe, und nicht etwa Frouwa (Freyja), Frida, Holda oder
Berta. Der Name der Iſis gilt uns wie ber bed Hercules und Mars
in demſelben Gapitel für die interpretatio romana des Tacitus. Aber
eben gegen dieſe zunäcft liegende Annahme möchte ib mic erklären.
Es fprict dagegen, daß in zwei deutſchen Gedichten, dem Drendel
und St. Dswalds Leben, deren mythologiſcher Gehalt auch fonft aner⸗
tannt ift, der Name Eiſe eine Rolle fpielt, die feinen Bezug auf die
Schiffahrt ganz außer Zweifel fegt. In beiden Seefagen tritt nämlich der
Fiſcher Eife fo bedeutend hervor, daß mir ihn als eine ſtehende Figur der
deutſchen Odyſſee erfennen. Das Zeugnifs des Aventinus ſpricht nur vor
einer Frau Gifen, während hier ein Meifter Eife (Ise, ein vischer guot
und wise), auftritt. Des Unterſchieds des Geſchlechtes ungeachtet ift bei
lepterm der Bezug auf die Schiffahrt fo entſchieden, daß ihre urfpräng«
fie Einheit nicht verlannt werben fann, Die in beiden Seeſagen ver:
dunkelte Erinnerung an eine deutſche Gottheit der Schiffahrt, welcher der
Name Eife (Fe) zuftand, bringt die Nachricht des Moentinus zu ‚Ehren
und empfängt ihrerſeits Licht von ihr, indem fie die Deutung auf die von
den Sueben verehrte Iſis näher legt. Der Name Eiſe, welden die Sees
fagen an bie Hand geben, wird alsdann der Iſis entſprechend der richti ⸗
gere fein ; hoͤchſtens ift die Beziehung auf das Eiſen Entftellung des Aven ⸗
tinus. Dagegen Lönnte diefer gegen Drenbel und beide Gedichte von St.
Döwalt in der Meldung über das Gefhleht der Gottheit Recht ber
halten, wenn neben Iſa nicht ein männlicher Iſo anzunehmen ift, wie nes
bem Nerthus Njördr fteht. Frau Eifen verbindet fib mit der Bertha $. 114
als Eifenbertba Panzer IL, 117. 465. .
In den Nibelungen finden wir als Brunhildens Burg Senftein bie
. allerdings nach Jsland gedacht fein kann, obgleich es wahrſcheinlicher bleibt,
daß der am Rhein und den Scheldemündungen hergebrachte Dienft ber
Iſis oder Nehalennia, welchen aud Brunhild als Odins Gemahlin glei:
zuſtellen ift, ver Sage von der Fahrt nach Iſenſtein zu Grunde liegt. Die
Ifenburg (bei Gain) gab einem ber älteften deutſchen Fürſtengeſchlechter
den Namen, und Eiſenach, Eisleben und andere braude ich kaum zu nennen.
Was aber nun den Namen der Nehalennia betrifft, jo ſcheint biöher
überjehen, daß zu der Ableitung -enmia, die ih mit jener in Idun, Hlodyu,
Hludana, Hludena, $. 117, ober Arbuenna, Gebenna, Baduhenna vergleiät,
%. 110. Us. St. Gertend. Sqiferheilige. 891
das I nicht gehören kann, was ſowohl Schreibers Deutung auß nere, fpinnen,
als ver Beziehung auf ben Neumond, welcher ich früher (Bertha 106)
gumeigte, entgegenfteht. Den Kern bed Namens Neharlsennia bildet Ner
bal:, und ob dieß unferm deutſchen Nebel urverwandt und ein ähnlicher
Spirantenwechſel wie 6. 319. 385 anzunehmen fei, mögen Kenner ver leltiſchen
Dialekte beurtheilen. Einer ſolchen Deutung fände das keltiſche Reha in Zuſam⸗
menfegungen wie Rumanehae, Bacallinehae u. ſ. w. nicht entgegen, denn eben
dieſes lann, wen es nicht felber Ableitung ift, in Neha⸗l auf I weitergebilvet
und mit ber Ableitung ennia zu dem Namen ber Unterweltögöttin verwendet
fein. Eine ſolche verrathen ihre Attribute Hund und Schiff. Neha verhält ſich
zu Nehal wie Nacht zu Nebel. Nacht und Nebel gehören zufammen, unb
das nord. niol, das Gr. Gr. 3. 481 mit agl. neol, ne6vol vergleicht,
faßt beide Begriffe zufammen. Der Wechfel der beiden Spiranten h und
» wird unter 3 wahrſcheinlich werden. Neha, vielleidht der keltiſche
Rame der norbifchen Nornen, deutſchen drei Schweflern, erinnert an neorx-
navong (6.175, Myth. 781) für paradisus, in welhem Grimm Gr. I,
2368 den Ramen der Nornen nicht finden will,
3. Beine Vermuthung geht bahin, daß Nivelles ein Hauptſitz des
Dienftes der Rehalennia war, bort aber fpäter durch ben der heil, Gertrud
vonNivelles erfegt wurde. Die Minne ber heil. Gertrud ward gleich,
ber heidniſcher Gottheiten getrunten (Myth. 53). Das Glas, deſſen man
ſich dabei bediente, hatte die Geftalt eines Schiffes. Sie gilt aud für
die Patronin der Schiffer, und ihre von Schiffern beſuchte Gapelle fteht zu
Bonn in ber Nähe des Rheins. Gleich der Nerthus warb fie im Wagen
umgezogen. Diefer Wagen wird noch jept in Nivelles bewahrt (Bod
6glise abbatiale de Nivelles 4. 25). Sie gewährte Ghup vor Mäufer
fraß was nad Baur Symbolik I, 62 Bewahrung vor allen Krankheiten
einſchliebt. Wirklich fügt fie auch vor der Peſt, Banzer II, 157. Mit
ber Maus am Stab oder Roden wird fie abgebildet, Btichr. I, 144; nach
bem kolniſchen Reimſpruch holte fie ven kalten Stein aus dem Rhein: fie
brachte die fhöne Jahreszeit, und ein heiliger Brunnen warb zu Nivelles
im ihrer Kirche gezeigt (Bod 25). Sie bietet endlich wie Hel und Freyja
Seelen ver Berftorbenen Aufenthalt bei ih, denn der Glaube galt, wenn
die Seele von dem Leichnam ſcheide, fei fie die erfte Nacht bei St. Ger-
trub, die zweite bei Gt. Michael, die britte da, wo fie hin verbient habe
(Mth. 54. 798). Dffenbar if hier Gt. Gertrud an Freyjas, St, Mi
chael an Wuotans Stelle getreten. Bol. Auhn WE. II, ©. 8. Der
898 Is. St. Gertend. Albelungen. $. 110.
ihr gebeiligte rothhaubige Schwarzipeht, Myth. 639, ſcheint derſelbe der
aud St. Martinsvögelchen heißt, M. 1084; St. Martin aber gleiht Wuo-
tan 6. 248, wie Gertrub der Freyja. Daß Alles zeigt, daß heibnifche
Erinnerungen an bie Göttin, beren Dienft fie verbrängen follte, bei Gt.
Gertrud im Bollöglauben, ja im Cultus bafteten. Jene Göttin aber hatte
das Schiff zum Symbol, fo daß wir nicht ziveifeln Finnen, es war Reha
lennia oder die deutſche Iſis. Zugleich verräth aber der Name Nivelles,
daß die Gutturale in Nehalennia in den urverwandten Sprachen durch
einen Lippenlaut erfegt warb: aud fie war bie verborgene, in Nebel: ges
hullte Göttin, unferer in Nifelpeim, der nörblihen Nebelwelt, wohnenden
Hel nahe verwandt und mit den Nibelungen beſchlechtet, die zuerſt in
ben Niederlanden, ja in dem Geſchlecht Karls bes Großen, dem aud Ger
trud die Tochter Pipins von Landen angehörte, als geſchichtliche Helden
nachgewieſen find, wie aud ihr mythiſcher Bufammenhang mit Nifelheim
unzweifelhaft if. In MM. 61 heißt das Meine Männden, unter befien
Geſtalt Wiotan aufzutreten pflegt, das Nebelmännle (vgl. Baader 60,
Wolf DE. 72, Kuhn NE. 413), und dießmal ift er e8 unverkennbar,
denn es entrüdt den Herrn von Bobmann wie Dihin den Hadding und
fest ihn in der Heimat vor feiner Burg nieder. Vgl. Uhland Germania
IV, 70 fi. Es ift aber zugleich ber unterweltlihe Wuotan, denn es er
ſcheint als menſchenfreßender Oger (Orcus), und die Unterwelt iſt auch
durch die hohe Mauer angedeutet, hinter welcher das Land des Lebens
liegt, ein Bug, der in der Haddingsſage nicht fehlt. Vgl. S. 200 oben.
Wie bier das Nebelmaͤnnchen der männliche Hel ift, fo wird Rehalennia
durch ihren Namen, wenn wir ihn richtig gedeutet haben, als bie weib ⸗
liche bezeichnet. Der Name Gertrud ift mit dem Walkürennamen Thradhr
zufammengefegt; die erfte Silbe bezeichnet fie als die mit dem Gper be
waffnete. Den Sper, welchen Odin (Gerhard 6. 309. 315) verleiht, fan
den wir $ 65. 103 als den von dem alten Mann verliehenen Stab, der
die Hölle erſchloß, wieder: es ift der Stab der Gridh, welcher gleichfalls
verliehen wird; diefe Gridh aber fiel uns $ 96 mit der Hel zufammen.
Thrudh heißt die Tochter Thoͤrs und eine der Wallüren; fpäter hat ver
Name die Bedeutung von Zauberin, Unholde angenommen. rau Trude
iſt KM. 48 eine teuflifhe Here und Gertrud halten einige Leute für einen
undriftligen Namen, Myth. 394. Bei Panzer II, 46 führt ihn ein Wald-
fräulein, alfo ein Weſen heidniſchen Glaubens. Alles deutet an, daß Ger
trud der Gribh, alfo ber Hel gleihbebeutend war, Wie Ifis Schiff und
8.111. Is. Gertrud. Strafen der Ehriofgkeit. 893
Pflug zum Symbol hat, bezieht fie fih auf Feldbau und Schiffahrt zugleich.
Schifigeftalt hatte der Becher, in dem ihre Minne getrunfen warb, und
bie Maus, die ihr vom Roden den Faden abbeipt, deutet an, da mit
dem Tage ihres Feſtes (17. März) nicht mehr gefponnen wird, indem nun
die Arbeit außer dem Haufe beginnt, wie es der Spruch: ‚Gertraut lauft
die Maus go Feld aus‘ (Duipmann 124) befagt. Gerda (hd. Bart) laßt
fi mit Ger⸗trud nicht zufammen bringen, weil das t in deren Namen zu der
zweiten Sylbe gehört. Vgl. jedoch Zingerle Johannisfegen und Gertrudenminne,
Bien 1862. Zum Schluß mag noch erinnert werben, daß Strafen ehlofer
Madchen wie S. 393 der Volkswih heute noch liebt. Nach Moſcheroſch follen
fie in der Hölle Schwefelhölzchen und Bunder feilhalten, in Straßburg müßen
fie die Eitadelle einbändeln helfen, in Wien ven Stephansthurm von oben
„bis unten abreiben, in Frankfurt a. M. den Barthorn bohnen, in Bafel
den Münfterthurm wiſchen, in Köln tommen fie in die Gereonstift, die nach
Gäfarius I, 31 vol Aröten und Schlangen ift. Bgl. Htfchr. für Myth.
1, 405 und Wolf DE. Rr. 110.
111. Monatsgöttinnen: Spurfe G6i Hreda Oftara SIf Nanna.
1. Die Verehrung der Iſis iR durd die Wiedereröffnung der Schiffe
fahrt, welche die Römer am 5. März feierten, an eine beftimmte Zeit des
Jahres gewieſen: gerade diefer Tag erfheint aud bei dem Umguge, wel:
hen bie Tübinger Weingärtner 1853 (Meier 378) begiengen; es war
Afchermittwoch, den ähnliche Volksgebraͤuche vielfach auszeichneten. Es ift
aber freilich gleich der Faſsnacht, die fih aus dem Iſisdienſt hervorbildete,
ein bewegliches Zeit, während St. Gertrud, die den lalten Stein aus dem
Rhein holt, eine fefte Stelle im Kalender hat. Noch andere Göttinnen
beziehen fih auf dieſe Jahreszeit, zunähft Spurke, die dem Februar
den Namen Spörtel gab, und der zu Ehren nad dem indiculus sup-
erstitionum bie Sputtalien, wahrſcheinlich die Faſsnacht, gefeiert wurden.
Der Name deutet auf den Schmup des Februars, welchem der Unflat uns
ferer Fafsnachtöfpiele völlig entſprach. Sonſt ift von biefer Göttin, die
wir faft nur vermuthen koͤnnen, wenig mehr belannt ald daß der Wachol⸗
der nad) ihr, wenn nicht von der Sproͤdigkeit feines Holzes, Sporkel hieß.
‚Sie ſcheint in den häufigen Regenfhauern des Februars zu walten: am
Rheine heißt es von ‚Spörlels Kathrin,’ fie ſchuttele ihre 99 Röde, und
394 Goi (Stan Gane?) Hrede (Hrusde.) $. 111.
Aehnliches wird in Weſtfalen von Spoͤrlels Elslen gefagt, Woeſte Zeitſchr.
für Myth. I, 388.
2. Im Norden iſt der Februar nah Goi genannt, die dem Ges
ſchlechte Fornjots des alten Rieſen angehört. Bon feinen drei Söhnen
hatte Kari einen Sohn Froſti, deſſen Sohn war Snär (Schnee), deſſen
Sohn Thorri. Schon diefer Thorri fheint ein Monatsgott: er wird auf
die Mitte des Winterd bezogen, und das große Opfer, das da Statt hatte,
bieß Thorriblöt. Er hatte zwei Söhne, Nor und Gor, und eine Tochter
Si, Nach Gor ift abermals ein Monat benannt, ber Gormonat, d. h.
Schlachtmonat im Spätjahr, etwa unferm Martinsfeit entiprehend. Seine
Tochter Goi foll einmal während des Thorrifeftes geraubt worden fein:
der Vater fchidte beide Söhne Gor und Nor, fie zu ſuchen; einen Monat
fpäter opferte er nochmals, wahrſcheinlich für glüdlide Wieberauffindung
der Tochter, und dieß Opfer hieß Goiblot. Gor hielt den’ Seeweg ein,
Ror den Landweg; Cor fegelte nämlich den ſchwediſchen Scheeren vorbei
und kam nad Dänemark, wo er feine Verwandtſchaſt, die won Hler (Degir)
auf Hlefsey ftammte, beſuchte, und dann nordwaͤrts weiter ſegelte. Nor
dagegen zog von Kwenland nad Lappland und Trondheim. Nachdem ſich
die Brüder viele Landſchaften und Inſelreiche unterworfen hatten, trafen
fie ſich in Sögn wieder. Sie theilten darauf die Länder: Nor belam
das feſte Land und nannte ed Norwegen; Gor erhielt die Infeln. Zulett
fand Nor feine Schweſter Goi, die gerambte, bei dem Gebirge Dofrafial,
Hrolf hatte fie aus Kwenland entführt; fein Großvater war Aathör. Hrölf
und Ror föhnten fih aus: Hrölf behielt die Goi und Nor nahm Hrölfs
Schweſter zur Ehe. Neine Mythen finden wir in dem Bruchſtüde Zum
dinn Noregr, dad diefe Nachrichten enthält, allerdings nicht: es find per-
fonificierte Ideen fiber den erften Anbau des Landes, mit großer Willkür
erfunden. Goi bedeutet Gau, d. b. Land, und Land ift ed, was biefe
Brüber unter dem Namen ihrer Schweſter fuchten. So gleicht dieſe ber
Europa, was bach wieder auf eine ältere Grundlage der Ueberlieferung
deuten Tönnte. Der Bezug der Göi auf ben wieverlehrenden Frühling zeigt
ſich nur noch in ihren Berwandten und Voreltern, die auf Froft und Schnee
und andere Naturerſcheinungen zielen. Vgl. Frau Gaue 6. 165. 398.
3. Hrölfs Name, jenes GEntführerd der Göi, ift aus Hröbalf ge
tarzt: mit ihm fcheint der März gemeint, der den Angelſachſen Hröbmd
nadh hieß, was auf eine Göttin Hröde bezogen wird; andere Gtämme
mögen einen mänsliden Gott unter verwanbiem Namen gelaunt haben.
s. 11. Opera. Ofrrfpieie. Ofercier. Oferfener. 395
Da Hrövh Glanz und Ruhm bedeutet, jo würden twir. auf Tyr, den leuch⸗
tenden Gott des Schwertes, gewiefen, der dem Mars entipricht, nach dem
die Römer den gleichen Monat nannten. Der Name ver Göttin, nad der
die Appenzeller ‚ven Redimonat' nannten (Myth. 267), würde ahb. Hruoda
gelautet haben. Dal. Myth. 187. 266. Dagegen weift der Bufammens
bang des Namens mit dem ber Gerade, des weiblichen Schmuds (agf.
rhedo), ber ſich im deutſchen Recht nach andern Grunbfägen als der übrige
Nachlaß vererbt, R. A. 567, auf das leuchtende Halsgeſchmeide der Freyia,
Myth. 839. Dazu ftimmt, wenn Bouterwed den Namen von hröd paratus
leitet,“ denn auch ſich fhmüden heißt ſich bereit machen und fo kann Hroͤde,
die mit Jardarmen von Neuem gefchmüdte Erde, ein Beiname der Freyia fein.
4. Bunääft fließt fih Oftara an, auch fie einft eine ftralende, jept
verdunlelte Göttin, deren Dienſt body tief gegriffen haben mochte, da ihr
Name im engern Deutichland zur Bezeichnung eines ber hödften chriſtlichen
Feſte gebuldet werden mufte; nur in einzelnen Provinzen, aud in bee uns
fern, gelang es, das chriſiliche Paſcha durdzufegen. Erſt das Hochdeutſche
bot den Namen Dftern gu und gurüdgeführt. Rad ihr hieß auch der April
bei Eginhart Oftarmänoth. In der Edda erſcheint keine Spur von ihr;
sur ein Zwerg, ber bie Himmelögegenb bes Sonnenaufgang bebeutet,
trägt den Namen Auſtri. Ostar (oftwärt8) bezeichnet bie Richtung gegen
Morgen, und fo wird Oftara eine Göttin des auffteigenden Lichtes gewe⸗
fen fein, ber Morgenröthe twie des Frühlings. Wir fehen bier wieder
Tag und Jahr fih entſprechen, den anbrechenden Tag dem zunehmenben
Jahreslichte gleichgeftell. Nah dem DVollsglauben thut die Sonne am
Oftermorgen drei Sreubenfpränge; das gleichzeitig gefhöpfte Waher ift heil:
kräftig. Ein Glas Waßer am Oftermorgen vor Sonnenaufgang bingeftellt,
zeigte das Ofterlamm, Temme 6. d. Altm. 85. Ofterfpiele waren vielfach
gebraͤuchlich, ‚Meines Herzens Ofterfpiel oder Ditertag‘ drüdt als Schmeir
chelwort für die Geliebte die höcfte Wonne aus. In einem Frühlings⸗
liebe Goelis erbietet ſich Friedebold mit feinen Gejellen zum Oſterſpiel,
einer Art Schwerttang, der von Zwoͤlfen aufgeführt warb; das babei ans
gebundene Oſterſachs ift wohl nicht ala Opfermeher zu verftehen, ſondern
auf das Schwert zu beziehen, das im Tanze geſchwungen ward, Myth. 710.
Nur unblutige Opfer, Blumenkraͤnze und Maiblumenfträuße, wurden biejer
Frühlingägättin dargebracht, M. 52; aud find Ofterflaven und Ofterftufen
begeugt ; unfere Proving lennt auch Dftereier, nicht aber ‚Ofterfeuer‘, die
anfverwärtd ( Wolf Beitr. 79) der Göttin flammien. Zu Schillingen bei
896 Ofara. Oferbok. Ofermärden. Ofergelähter. 6. 11.
Trier ftellte aber das Bifitationdprotof. von 1712 eine Abgabe ab, die
bis dahin unter dem Namen hircus paschalis (Ofterbod) pro primo in-
fante baptizando entrichtet worden war. Hier ſcheint fih Oftara mit
Thor zu berühren, mit dem fie ſchon Wolf Beitr. 88 zufammenzubringen
bemüht mar. Ein Ziegenbod mit vergolveten Hörmern follte nach einem
Gebrauche bei Sommer 149 zu Himmelfahrt entrichtet werben, wenn man
es unterließ, zu Ehren einer Königin Glifabeth ein dort näher beſchriebe-
ned Feft zu begehen. Vgl. $ 143. 4. Daß dieſe Königin, nad am:
derm Bericht eine Gräfin von Manzfelb, die ihr Gemahl verftoßen hatte,
eine Göttin war, leidet feinen Biweifel, wenn man den Wolfs Beitr. I,
190 verglichenen ſchwäbiſchen Gebrauh und die Gage von der Königin
Reinſchweig (DES. 183. Sommer 41, ſ. auch Bechſt. 133, 163) vergleicht.
Beitere Forſchung muß ergeben, ob wir in ihr jene nah ©. 337 in ber
Heerdengöttin Graite von Woefte behauptete Mutter Donars anzuerten:
nen haben. Selbſt noch der chriftlihe Priefter mufte auf der Kanzel ein
Dftermärhen erzählen, um das Bolt zu erpeitern und ein ‚Ofterge:
laͤcht er“ hervorzurufen. Die Ofterfeier berührt fi aber mit dem Maifeſt
(Roth. 740), und fo fehen wir aud aus den Ortönamen, baf ber Dienft
der Dftara dur den der heil. Walpurgis (Iften Mai) verdrängt ward,
M. Rheinl. 97%. Ihr Walfürenname ftellt fie nahe zu Freyja, bie auch
Walfreyja hieß und deren Vermählung mit Odin in einem zwölſtägigen
Feſte begangen ward, das mit dem erften Mai begann, ſ. oben ©. 223.
Ueberdieß erſcheint fie Vernalelen Alp. S. 109 ff. vom wilden Jäger ver
folgt. Auch bei der Dftara hat Duigmann 132 einen Minnetrunt
nachgewiefen. Am weißen Sonntag (8 Tage nah Oftern) führten bie
Burſche die Mädchen zum Meth ſich ſchön und ſtark zu trinten, Schmeller
II, 360; dabei wird aud ein Gebäd genoßen, das man Schifferle
nennt, wahrſcheinlich nad der Geftalt des Bechers, den wir jhon bei Ger
trub gefunden haben.
5. Dom der nordiſchen Sif erzählt D. 61, daß ihr Loki hinterliftiger
Weife das Haar abſchor; ihr Gemahl Thör zwang ihn aber, vom den
Schwarzelfen zu erlangen, daß fie ihr neue Haare von Gold machten, die
wie andered Haar wachſen follten. Bol. Bonbun Sagen 6.52. So en
ſcheint fie als das Getreideſeld, deſſen goldener Shmud in ver Gluth des
Spaͤtſommers · abgeſchnitten, dann aber von unſichtbar wirfenden Erdkräf⸗
ten new gewoben wird, Uhland 76. Hiemit iſt aber der Name der haar ⸗
ſchoͤnen Gottin ſchwer in Uebereinſtimmung zu bringen. Grimm ſtellt ihn
8. 111. - 3. Marieff. Sich, 897
Myth. 286 mit Sippa, Verwandtſchaft zufammen: darnach verſucht Uhland
die Deutung: das zahllos wuchernde Geſchlecht der Halme ſei die gröfte
aller Sippſchaften. Da dieß aber gezwungen ſcheinen kann, und ſchon
Grimm ſelbſt GDS. 149 farchtet, die nordiſche Stf unrichtig auf Sibja
Sippa gedeutet zu haben, fo ſchlage ich eine andere vor. Marien Heim⸗
fuhung (2 Juli), ‚unferer lieben Frauen Tag, da fie über das Gebirge
gieng,’ heißt bier zu Lande Maria Sif. Vielleicht war es einft das Feft
der heidniſchen Göttin, deren Name biefem Marienfefte zur Unterſcheidung
von fo vielen andern beigefügt wurde. Das Feit hat nämlih einen uns
vertennbaren Bezug auf die nahe bevorftehende Ernte, die nicht eingefheuert
werben kann, wenn biefer Tag nicht glüdlich vorübergeht. Nach dem Sprich:
wort ‚Marien Si Regiert dat Wif' regnet es vierzig Tage lang, wenn ed am
Tage Mariä Heimfuchung fieft (tröpfelt) oder regnet: tritt aber dieſe Regenzeit
ein, fo ift die Ernte verloren und unermeßliher Schade geftiftel. Darum
mochte ſchon die heibnifhe Göttin vie jegt Maria angerufen werben, an
diefem Tage den Himmel zu verjhließen und trodene Witterung zu ſenden,
damit die Ernte eingebracht werden könne. Ueber das Wort ‚Siefen’ vgl.
Zeitſcht. VII, 460, wo ein ahd. sifan seif sifun angenommen wird, auß
deſſen Bluralablaut der Name ver Göttin herzuleiten wäre. Gr wird vom
Niederrhein nah dem Norden gelommen fein, wie der Brifingamens aus
dem Breiögau. Nicht zu weit ab liegt au das Gieb (cribrum), das,
vielleicht einft ihr Symbol war, wie es noch jept vielfach zum Zauber
dient, Myth. 1066. Waßer im Siebe zu tragen, ohne daß ein Tropfen
Rurchfließt, ift der göttliche Lohn der Unſchuld.
Schöpft bes Dichters reine Hand
Woßer wird fih ballen.
Heren und Weltermaderinnen werden Siebe beigelegt NG. 293 und nah
Liebrecht Gero. 139 hat der Drao fiebförmige Hände, womit Schwarz
Urfprung d. M. 8. die Redensart bei feinem Regen ‚das Waßer kommt
wie gefiebt herunter‘, zufammenhält. Es ift auffallend, wie Mannhardt, dem
ſfich fonft Alles in Wolken auflöft, in Sif die Regengöttin verlennen mag.
6. Nanna, Baldurs Gemahl, ift $ 34. 36 beſprochen und gebeutet,
Mit Recht bemerkt Duigmann 133, der vollsthämlihe Ausdruck Nandl
für Anna habe mit Lepterm nichts gemein und gehöre offenbar hierher.
Auch im ganzen wetlihen Deutſchland if Nannchen und in Frankreich
Ronnette für Annette gebraͤuchlich.
112. Göttinnen der Ernte und der Zwölften,
Erntegöttinnen finden wir in Deutſchland noch in großer Zahl; fie
haben aber zugleich einen Bezug auf bie ‚Bmölften‘ (vie zwölf Nächte zwi-
hen Weihnadten und Drei-Königätag), das höchſte Felt des Jahrs, ohne
Zweifel deshalb, weil der Umzug, den fie in diefer hochheiligen Zeit hal-
ten, Feldern und Bäumen Fruchtbarkeit fpenbet, wovon ſchon $ 71 ge
handelt ward. Neben ihnen erſcheinen aud oft die entſprechenden männ-
lichen Gottheiten, aus deren Namen fie zum Theil erwachſen find. &o
ward in Norddeutſchland aus Wodan, Wod und Gödan die Waud oder
Fru Wod, Fru Göde oder Gaue; doc fellt Rein (Haus Bürgel,
Crefeld 1855 ©. 39 ff.) Fru Gaue und Fru Gauden mit den romanifierten
Matronennamen Gabiae und Gavadiae nicht ohne Schein zufammen. Aus
Heru ward Ero (Wefjesbr. Gebet 8. 2), Cra oder Hera (Merfeb. Zauı
berfpr. I, 8. 1), Erke oder Herke, die auch wohl Harte, felbft Harfe
heißt, wo das E der Ableitung als Diminutiv zu faßen if. Aehnlich
deutet Adalbert Kuhn den in Niederſachſen, wie er Zeitſcht. V, 373 nach⸗
wies, noch fortlebenden Namen der Fru Fröke nicht auß dem nordiſchen
Frigg, fondern, auf das Fröa des Paulus zurüdgehend, als Diminutiv;
früher wuſten wir nur von ihr aus Eccard Germ. p. 390, und deutſchen Ortd:
namen wie Fredenhorft, Myth. 281. In Mitteldeutſchland heißt diefelbe
Gottheit Frau Holla; im Süden erfcheint neben ihr Frau Berhta,
der ein männlicher Berchtold entſpricht; bier und da führt fie auch andere
mehr verächtlihe Namen (Stempe, Trempe, Werte). Der Blaube
an fie ſchwaͤcht ſich jegt freilich immer mehr ab, war aud nad Landſchaf⸗
ten von jeher verfdieben: das Gemeinfame befien, was und noch übrig
it, faße ih mit Benugung der Worte Weinholds (Deutſche Frauen im
MU. €. 35) zufammen:
‚Die Göttin ift eine jehr hehre Frau, eine forgfame und ſtrenge Lem
terin großen Haus: und Hofweiend. Sie zeigt ſich den Menſchen am dh
terften in den mwölften. Da hält fie, wie einft Nerthus, ihren Umzug
durch das Sand, und wo fie naht, if den Feldern Gegen für das fünfe
tige Jahr gewiſs. Darum wird ihr aud) bei der Ernte ein Daulopfer
gebradt: ein Halmbuſchel wird nicht abgemäht, fonbern unter gewiſſen Ge:
bräuden der Frau Gode u. |. w. (Vergövenbölsftruß) geweiht, wie er
aud wohl für Wods Pferd ſtehen bleibt. Bei dem Zwölftenumzuge fieht
8.112. Wagen, Ping uud SGif. 8399
fie nad, ob das Ndergeräth an gehöriger Stelle ſich befinde, unb wehe
dem Nnechte, der nadläßig war. Am aufmerkjamften ift fie für den Flachs⸗
bau und das Spinnen. Sie tritt in die Spinnftuben oder ſchaut durch
das Fenfter und wirft eine Zahl Spulen hinein, die bei Strafe abgefpon-
nen werben follen, wie alles da3 in andern Sagen auch von ber ihr ent⸗
ſprechenden männlichen Gottheit berichtet wird. Fleißige Epinnerinnen be:
ſchenlt fie mit ſchoͤnem Flachſe, faulen befudelt fie ven Roden. Zu Weihs
nachten unb wieber zu Faſsnacht muß Alles abgejponnen fein und dann
ruht fie von ihren Wanderungen. Ihren Umzug hält fie auf Wagen oder
Pflug; an ihre Stelle tritt auch, für Binnenlande feltfam genug, ein Schiff.
Im Börner? Sagen aus dem Orlagau 113 fährt Perchta mit einem Pflug
übers Waßer in einem Kahn. Hier fehlt nur noch der Wagen, der bei
Gertrud nicht vermifät wurde. Aber S. 173. 182 erfheint aud er. Ne
ben dem Pflug ift noch die Rabwelle durch den Namen ‚Radeperchte‘ auf
fie bezogen, Börner 157. Wir fehen das allumfapende Wefen diefer hohen
Böttin heil beraudtreten; Wagen, Pflug und Schiff, im Begriff vers
wandt und felbft im Wort zufammenfallend (vgl. ‚Pflugihar‘ und EDE.
56) find Symbole der Einen großen mütterlihen Gottheit. Unverheira⸗
thete Mädchen werben babei geziungen, den Pflug ber Göttin gu ziehen,
eine Strafe der Ehelofigteit, denn die mütterlihe Gottheit begünftigt bie Ehe.
al. S.393. Ihr Schiff ziehen die Weber, einft die Priefter der Gottheit, welche
die Webelunſt gelehrt habe. Als Spinnerinnen erfheinen auch fie felbft,
wie wir den Roden ſchon bei der Frigg fanden. Zugleich erſcheinen Holda
und Berhta als Hegerinnen des Kinderſegens. Die ſchleſiſche Spillaholla
(Spile—= Spindel) nimmt die Kinder mit fih in ihren Brunnen, aus dem
fie auch kommen, und führt fie neugeboren kinderloſen Eltern zu. So wer«
den zu Köln die Kinder aus Runiberts Püp geholt: dort aber figen
fie um die Mutter Gottes herum, welche ihnen Brei giebt und mit ihnen
fpielt. Maria ift hier wie fo oft an bie Stelle der deutſchen Urgöttin
getreten, der Hellia oder Holda, die man aud in der Tiefe der Flut gold⸗
glänzende Hallen bewohnen läßt, wo fie umgeben figt von ben noch Uns
gebornen. Wolf Götterl, 35. Mon Berta mag Wehnlihes erzählt
worden fein, wenigftend ziehen in ihrem Gefolge bie Seelen der ungetauft
verftorbenen Kinder, wie wir Solches ſchon bei Pharaildis und Abundia
fanden. Nach andern Sagen umgeben fie die Heimden oder Elben, von
welchen wir jene gewifß als Seelen der Todten (Freund Kain) zu denken
haben, und fo gleiht fie der Königin der Elfen und Feen in ben roma⸗
400 Sarke. Yerke. Erhelen. 8. 118.
nifchen und britifhen Sagen. Auch die ſchwediſche Hulbra erſcheint in
elfifher Umgebung, und in Frau Hertens Berge wohnen die Unterirdiſchen.
113, Herta Jordh Ziſa.
1. Bon Frau Hera erzählt ſchon Gobelinus Perſona im 15. Jahrh.,
daß fie nah ſaächſiſchem Glauben in den Zwölften durch die Luft fliege
und Weberfluß zeitlicher Güter verleihe, Myth. 232. Bgl. Woeſte Ziſchr.
f. M. J, 304. Von ihrem Namen ſcheint Herke (aud Herten, Harte, ſelbſt
Harfe), Diminutivform. In einer angelſächſiſchen Gegensformel (Eroe
erce erce eordhan mödor) wird fie als Erbenmutter angerufen. Im
Havellande lag der Harkenftein, ein gewaltiger Granitblod, darin wohnten
die Unterirdiſchen, mit denen fie, als die alten Gichen gelichtet wurden,
nad Thüringen auswanderte. In eine Höhle des Bergs trieb fie Nachts
ihre Hirfche, Rehe und andere wilde Thiere; die Dachſe hiepen ihre Schweine.
Sie wird als Niefin gedacht, und warf aud einmal einen gewaltigen
Stein nad) einer chriſilichen Kirche; fonft erſcheint fie wohltpätig und ihr
verdankt man bie Einführung der Heinen märlifhen Rüben. Wenn ber
Flachs um Bartholomäi nicht eingebradht war, drohte man, Frau Harle
werbe tommen; fo forgte fie auch für das Winterlorn. Den Mägden, bie
bis zum Weihnachtsabend nicht abgeiponnen hatten, zerkrahte oder befu-
delte fie den Roden. Vgl. Kuhn 126 mit den Anm. und Sommer 8.
In Weſtfalen beit diefelbe Göttin Hirte oder Hurke, und wiederum iR
hier ein Herlenftein over Herchenſtein nachgewieſen. Auf fie ſoll die Her-
oynia silva zu beziehen fein, Woefte Ziſcht. f. Myth. I, 393; vgl. jer
doch Glüd Die teltiihen Namen S. 10. 13, Ohne Zweifel gehört hieher
aud bie gelbrifhe Erke, von welcher ih Grteleng ableitet. Nach der Chro⸗
nit diefer Stadt hat Erkelenz Urfprung und Ramen von einer edeln Frau
Erta, die gemeinlich die Frau sur Linde genannt und ein mannlid Weib
geweien if. Wie wenig man, als die Chronik gefdrieben wurde (um
die Mitte des 16. Jahrh.), die Erka der Mythologie und Heldenſage noch
lannte, zeigt die fernere Meldung: ‚Bur Vertheidigung des Vaterlands habe
fie den Tod nicht gefheut und alien Männern ein Zeichen der Tapferkeit
gegeben.’ Dargeftellt ward fie, das Schwert entblößt in der Rechten, in
der Linten den Schild, fonft unbemaffnet. Mein Rheinland IL. Aufl. 370.
Kuhn NE. 482 hat in Frau Harle die Tochter Zios ober Herus
vermuthet und dabei den Döveöfteig, der zum Karlenberge führt, al Ti
$. 118. Exke. Herkje. Helke. Iöcdh. 401
vesſteig gedeutet. Wilh. Müller 226 erkennt in ihr die Gemahlin des⸗
jelben Himmels und Schwertgottes, was zu ihrer kriegeriſchen Darftellung
in der Chronik von Erkelenz ſtimmt. Doch lönnte fie auch die Mutter
des Schwertgottes ſein: aus der Erde ward das Schwert gegraben, das
dem Attila gebracht ward, den wir ſelber $.88 als Schwertgott zu faßen
verſuchten. Das Richtigere möchte auch hier wieder die Heldenſage bewah ⸗
ven. Nach ihr iſt naͤmlich Hertja ober Helle als Cpels (Atlis) Ger
mahlin belannt. Da fie der Berta fo nahe verwandt iſt, fo Tann es
auf echter Ueberlieferung ruhen, daß ihr Wiltinaf. c. 64—83 eine Schwefter
Berta giebt. Alles deutet darauf, baß fie eine der älteften Göttinnen ift,
und aud das erlaubt, fie dem Bio (Heru) zu verbinden, der gleiches
Alter in Anfpruch nimmt. Ueber den Hiarlelmai (Harkelmai) Woeſte
a.0.D. 395, Kuhn WE. II, 180.
2. Jünger ſcheint der Name der Jordh, der Mutter Thors (vgl.
$. 112), wie unſer Er de' erſt aus dem einfachen ero hera abgeleitet
iR, Myth. 2239. Wie aber der Donnergott Thör, der erft aus dem Him⸗
melsgott Tyr entftanden fein mag, die Jördh zur Mutter hatte, fo dieſer
wohl die Hera oder Herta. Nur daß Herla dem Attila vermählt war,
ſpricht noch für W. Müllers Anfiht. Den der Erka heiligen Baum, S. 400,
Linde, finden wir aud bei der Holda und andern ihr meientlich gleichen
Göttinnen; die Gründung einer Stadt hat fie vor ihnen voraus,
3. Rod eine andere Göttin weift auf Bio, und in ihr könnte man
feine in der Edda unbenannt bleibende Gemahlin ($.96) zu finden glaus
ben. Außer dem Bio verehrten die Schwaben nach einem vielleicht noch
in der Tarolingifchen Beit gefchriebenen Brudftüd (Myth. 269) eine Göttin
Bifa, von welcher Augsburg benannt warb; der ihr heil. Tag war der
28. September. Am 29. war dad Feſt des. h. Michael, von dem wir
wißen, dab er an Bios Stelle trat. Horaz gebentt der amazonifchen
securis Vindelicorum (vgl. IV, 14), und auf ber Silberſcheide des 1848
zu Mainz gefundenen f. g. Schwertes des Tiberius (Lerſch Progr. zum
Windelmannsfeft 1849) ift eine amazonenartige Frauengeftalt abgebildet,
die eine Hand mit der Doppelart, die andere mit dem Wurfiper bewaffnet.
Gin zweiſchneidiges Schwert fanden wir 6.299 bei St. Michael, der und
auf Bio wies; mit dem Schwert war die gelorifhe Erka bewaffnet; aber
nod immer gilt das horazifhe: nec seire fas est omnia.
Conret, Biythelogie. 26
114. Holda und Berchta,
1. In dem Namen Holda will Myth. 244 den Begriff der mil
den, gnäbigen Göttin ausgebrüdt finden. ‚Ich überzenge mid) immer mehr‘,
beißt es 899, ‚aß Holda nichts ander fein kann, ald ber milden, gätir
gen Frida Beiname.‘ Auch die entfprechende nordiſche Hulla, Huldra will
Grimm 249 aus dem alt. Adj. hollr (propitius), nicht aus dem altm.
hulds, Duntelheit erläutert wißen. Gleichwohl berührt fie ſich fo vielfach
mit Hilde (D. 108), daß der Gebante au heln, verbergen, dad biefem
Namen gewiſs, vielleiht auch jenem Hulda zu Grande liegt, nicht abzw
weilen ift; felbft an Hel, die verborgene aber als Todesgöttin im Norden
fo tief herabgemwürbigte Göttin, entbricht man ſich nicht zw denken, wenn
fie zumeilen häßlich, langnaſig, großzahmig und alt, mit firuppigem eng»
verwortenem Saar (Myth. 247) vorgeftellt wird, und Sterblide durch dem
Brunnen in ihre Wohnung gelangen, wie Ran, das Nebenbild der He,
Ertrunlene aufnimmt; ober wenn fie in Gchredensmächten durch die Lüfte
brauft und das wilde Heer anführt, dem außer Hesen auch Geipenfter, die
Seelen der Berftorbenen, angehören.
2. Der Name Berta bezeichmet dagegen die leuchtende, glänzende
Göttin, und obwohl aud fie jo wenig immer hold und gütig erſcheint als
Holda ftät8 grimmig und furdtbar, der heutige Vollaglaube vielmehr auch
bei ihr die grauenhafte Seite hervorzufehren, ja fie noch tiefer herabzu⸗
würbigen pflegt als Holda (Myth. 250), fo erſcheint fie doch in Altern,
halb hiſtoriſchen Sagen $. 115 ihres lihten Urfprungs nicht unmürbig,
und die weiße rau unferer Fürftenfhlößer heißt mır Bertha, nie Holda.
Die nun, wenn urjprünglih Berdta und Holda die Gegemiäge vom
Licht und Finfternif3 ausdrädten, wie fie in der Grfheinung der Hei ich
verbunden zeigen? Wir fahen, daß dieſe Göttin ber Unterwelt wie Fei⸗
reſij im PBarzival eine lichte und eine dunkle Seite batte: fie konnte alſo,
je nachdem fie den Menſchen wie eime oder die andere zufehrte, ala lichte
(Bertha) oder als dunkle Göttin (Hulda) erfheinen. Daß ſich Hel mis
Beiden, Hulda und Berdta, ja mit Hilde und Freyja, in ihrem Bezug
auf bie Seelen der Verſtorbenen berührt, hat die biäherige Darfiellung
nachgewiefen; felbft bei der Göttermutter (9. 97) find wir am Hei exinwert
worden, und Freys, ja Odins Verhältniſſe zu ihr und dem Todtenreich
baben ſich heraußgeftellt. Als Steaf lam Wali oder Odin als Uller auf
8. 114 GSerchta. Scan Srene. Scan Yenns. 408
dem Todtenſchiff gefahren, ein Land zu beglüden, dasſelbe Schiff brachte
ihm der Unterwelt zurüd; als Schwanenritier fanbte ihn Artus aus dem
boblen Berge, wo er bei Juno Iebte, die nur Freyja fein kann, die wir
auch im Benusberge finden, wiederum zwar in lateiniſcher Ueberfegung,
aber doch erlennbar und felbft dur das ‚Frau Frene' des ſchweizeri⸗
ſchen Tannhäuferliees als Freyja verrathen. Auch in der Königin ber
Elfen und Feen, melde dem Thomas von Greildoune Hirſch und Hirſch-
tuh ald Boten der Unterwelt fendet, erfennen mir fie in ihrer unheim⸗
lichen Verwandtſchaft mit Hellia. Es ift ein tiefes, ſchauriges Geheimnifs,
das unfere Mythologie hier nicht ausſpricht, aber andeutet: Tod und Le:
ben, ja Lieben und Sterben find ungertrennlic verbunden. Aus dem
Brunnen Hwergelmir in Niflhel find die urmeltlihen Ströme hervorger
quollen, von’ dem Geweih des Sonnenhirſches fließen fie dahin gurüd; dort
iſt auch Holdas Brunnen, aus dem die Seelen der neugebornen Kinder
kommen, wo bie Geifter der Verftorbenen weilen. Und fo reicht ſich nicht
bloß im Menſchenleben Anfang und Ende die Hand; auch das Leben ber
Natur erftarrt alljahrlich, es verſchwindet von der Oberfläche und birgt
Aid) im dunfeln Reihe der Hel, wenn Idun, das grüne Sommerlaub, von
der Weltefhe fintt. Auch Freyja und Freyr, alle Wanengötter, ſelbſt Odin
als Uller oder Oller, Wuotan, der im Berge fchläft, find dann in bie
Xiefe wieder zurüdgenommen; aber im Frühjahr ſchirrt der Nerthus Prie⸗
fter ihren Wagen von Neuem; das Schiff der Iſis wird auf Rädern über bie
Berge gezogen, ihr Pflug lodert die Erde und lädelnd ſchlägt Skeaf, der
meugeborene Anabe, auf feiner Garbe die Augen auf. Doch ſchon im
Mittwinter, wenn die Sonne fi verjüngt, wird das Feſt der fchönen
Bötter gefeiert, Freyrs, Freyjas und Gertruds, ja Odins Minne ges
trunlen; dann halten auch Holda und Berta ihren Umzug, die Ahnung
ihtes rüdtehrenden Reich ift erwacht, und in den Winterftürmen fireuen
fie ihren Segen aus,
Un dem Bezug der Rerthus, der Freyia, der Holda und Berchta auf
Hellia ſehen wir, wie die beutihen @ottheiten, die Göttinnen zumal, ins
einander fließen, wie vielleicht auch urfprünglic Alle aus Einer fi ent:
widelt haben. Gleichwohl Täßt fih ein Unterſchied fefthalten, jede auf
ihren eigenthümlihen Kreiß beichränken. Hel jelbft, ihre Urquelle, die
verborgene Erbmutter, wagt ſich als Todesgoͤttin nicht leicht an das Licht,
und wehe, wenn es geſchleht! wenn fie auf dreibeinigem Roſs umreitet,
denn dann kommt fie als Peſt und ermürgt die Menſchen. Erwünſchter
404 Setchta und Selde. Fran Hall. %. 114.
ift Berchtas und Holdas Erfcheinen ; aber auch fie find nit immer gütig
und gnädig, do nur dem Echulvigen, dem Neidiſchen und Faulen, pfle
gen fie ſich finfter und unfreundlid zu zeigen. Unter fih find fie faum
verſchieden; doch erſcheint Berchta nicht als Brunnenfrau wie Holla (golla:
brunn Bernalelen Alp. 121), die dagegen ald Spinnerin nicht zu begeg⸗
nen pflegt; auch hat Hola feinen Bezug auf das Feſt der Ecſcheinung
(Spiphania, Berhtentag, Dreilönigätgg): darin nähert fie ſich der Hel; fie
ift nicht die Königin der Heinen und Elben wie Berchta (Mytb. 253),
die fih darin ihrerſeits wieder der Hel an die Seite ftellt und mit Hilde
und Pharailvis berührt. Dody hat auch Holda Elben im Gefolge, die
nad) ihr die ‚guten Holven‘ heißen (Myth. 424. 5), Hulora ift Königin
des Huldrevolls (M. 421). Holda, die wie Nertus im Wagen fährt,
wie Bertha an der Spitze des wüthenben Heeres zieht, wohnt häufiger
im See, im Teich, im Kinderbrunnen ; aber doch aud im hohlen Berge,
im Venusberg, im Hörfelberg, und wie der Huldreflat, ihre wunderbare
Weiſe, berühmt ift, läßt Frau Hulli in Franken Tieblihe Weifen vers
nehmen, die einem Menſchen das Gerz im Leibe ſchmelzen möchten; Kine
der werben darauf zu laufen gewarnt, fonft müften fie mit rau Hulli
bis zum jüngften Tage im Walde berumfahren. ©. Fries Ztichr. ſ. D.
M.], 27.28. Im Kiffhäufer ift fie K. Friedrich Ausgeberin (Kuhn NE.
247, 9), anberwärts des im Berge fchlafenden Gottes Gemahlin, und
im Holleberg haufen die Delten oder Aulten (Kuhn NE. 322), die nichts
anders find als Geifter der Verftorbenen, von olla, Topf, Ume; vgl. je
doch Kuhn NE. 485. WE. 645, wonad) fie die Eltern bedeuten würden.
Zu ihnen ftelt uhn WE. 64 auch die Shönaunfen.
Wenn Holda nur ein Beiname ber Frigg fein foll, was ihren Bezug
auf Freyja'zu verneinen ſcheint, fo ift doch ihr Bufammenfallen mit biefer
ſchlagend, wenn fie nad) Wolfs HS. 12 in den FrausHollen«Gtein bei
Zulda, in melhem man Furchen fieht, fo bittere Thränen um ihren Mann
geweint haben foll, daß der harte Stein davon erweihte. Go fagt man
nah Wolf NS. 584, wenn der Wind fo recht heult und kreiſcht: Hör, Ar
wina (die Elbin) weint. Alwina war nämlid nad) der Gage eine ſchöne
Königätochter, welche wegen einer Heirat von ihren Eltern verwunſcht wurde,
ewig umpherzufahren. Aber nad dem Voltsliede klagt fie um ihren Mann,
der fie verlaßen zu haben ſcheint. Auch jene um ihren Mann meinende
Holla vervielfältigt ſich in den Rlagefrauen, Alagemüttern (M. 403. 1088),
geipenftifchen aber fliegenden Wefen, deren Stimmen im Walde flüfernd,
$ 114. Serhta und Zelda. Extsfel. Wilde Frau. 405
taunend und muhend vernommen wird, weshalb fie au Klagemuhmen
(holzmuoja, holzmuwo) genannt werben. Sie find beſonders um den Obers
barz zu Haufe, wo die Klagefrau auch Leidfrau heißt. Sie begabt mit Hom,
Wunſchhut und Mantel (Bröhle KB. 81—89); diefelben Stüde verleiht
Din, und fo erſcheint fie ald Wodans Gemahlin. Frau Holla beruft ih
Proͤhle HS. 155 darauf, daß fie ein Recht habe, am Frau Hollen-Abend
{m weißen Gewande zu figen und zu heulen. Bol. Harris II, 6 mo das⸗
felbe von der ‚Haulmutter‘ berichtet wird, bie mit ber Magenben Mutter
Hola eins iſt. Gin heſſiſches Märchen (AM. 13) erzählt auch von drei
begabenden Haulemännerhen, M. 424. Die Klagemütter, bie in ‚wildiu
wip‘ überhaupt übergehen, werben auch als Vögel, namentlid als Eulen
(Leijenvögel) gedacht, deren Erſcheinen den Tod anfünbigt. Hieher ges
bört die dem wilden Heere veraufflatiernde Tutofel, die bei Lebzeiten
eine Nonne geweſen fein fol, DS. 311, die mit ihrer heulenden Stimme
den Ehorgefang flörte, nad dem Tode fi dem Hadelberg gefellte und
ihr Uhu! mit feinem Huhu! vermiſcht. Cie heißt auch Tuturfel und
vergleicht fi der alten Urfchel der ſchwäbiſchen Sage, in deren Berge die
Rachtfräulein wohnen und die felbft ein ſolches Nachtfräulein if. Auch
fie jammert, aber nur um ihre Erlöfung, die jet nicht eher geſchehen lann
als biß ein Hirſch eine Eichel in ven Boden tritt, aus der Eichel ein
Baum erwäcft, aus dem Baume eine Wiege gezimmert wirb: das erfle
Kind, das man darin fhaufelt, fann fie erft wieder erlöfen. Diefe Urſchel
iſt aber, wie Meier XXII felber fagt, nad; dem Berge benannt, in welchem
fie wohnt; auch die Tutofel kann nach einem Berge heißen, ba Dfelberge
nebft dem in Hör» Seel: Berg fo arg entftellten KHörfelberg vielleiht einft
Afenberge, vgl. Kuhn WE. 335, vielfach bezeugt find: die Oftara und bie
heil. Urfula tann aljo hier aus dem Spiele bleiben. Der tutende Afe
(kornpytvaldr) war Odin ober Heimball; erft als ber Name nicht mehr
verftanden wurde, wird man Oſel⸗ in Urfel, entftellt und die Tuturjel als
Gule verftanden haben. Vgl. jevoh Kuhn WE. IL, Nr. 16.
Wie Holda hier in die Magefrau, fo geht fie wohl aud in bie wil⸗
den rauen über, im Tyrol Salige oder Salinge Fräulein genannt, wo
fie zwar mehr Feen als Elbinnen gleichen, aber doch bezaubernden Geſang
mit ihnen gemein haben. Zingerle Sagen 33. Die ‚Salgfräulein’ find
vor dem Sündenfall gezeugte Kinder Adams, die noch paradieſiſcher Un«
ſchuld genießen: darum mußten fie ſich in Höhlen und Wälder zurüdziehen
unb den Umgang ber werborbenen Menfchheit meiden. Aus Wurzeln und
406 gen, Sueißeine. Bplelkeine. %. 114.
Kräutern bereiten fie ſich jhmadhafte Speifen; ihr Hausthier die Gemfe
iſt ihnen zahm; für Hige und Kälte find fie unempfindlich. Vernalelen
Deftr. M. 244. Die wilden Frauen des mittlern Deutihlands haben ihren
Aufenthalt bei alten Malbergen und Sreifteinen Wolſ WS. 150, und bie
Gindrüde in der wilden rau Geſtühl bei Dauernheim (Wolf HE. 83.
Myth. 403), die von Händen und Füßen ber zu Gericht Gigenben herr
rühren werben, bezieht der Vollsglaube auf die wilden Frauen, die bier
mit Mann und Kind hauften, ald die Steine noch ‚mel‘ waren. Kommen
auf andern Freifteinen zwei Vertiefungen vor, fo faß da ‚das Weiberl
mit dem Mannerl.’ Go zeigt man anderwärtd ‚der wilden Frau Haus‘,
der ‚milden Frau Berg‘ u. |. w. Oft gaben dazu nur Höhlen oder aufs
fallend geftaltete Felſen Veranlagung ; aber die Wohnung ber wilden Frau
bei Birftein, Landger. Reichenbach in der Wetterau, ift wieder ein alter
Freiftein. Hier galt fie für eine Bauberin, der, fo weit fie fah, Alles
sehntbar war. Freiſteine dieſer Art waren vielleicht auch die mehrfach
nachgewieſenen Spielfteine oder Aumtelfteine, die von ihrer fpindels
ähnlichen Geftalt benannt find und das Volt an die fpinnende Göttin er⸗
innerten, woraus fih der Name ‚Rriembilve fpil’ deutet. Daneben er-
ſcheint aber auch ein Kriempildeftein, Brunbildeftein (Heldenf.
155), fo jener unter dem Namen Lectulus Brunichildis hoch berühmte
auf dem Feldberg, bei dem aud ein Brunhildeborn vorlommt ; ferner
jener Frau s Hollenftein, der Hollenftein bei Spich in unferer Nähe, oder
der Hohlftein (Lynder 258), dem ein Blumenopfer gebradht wird, Auch
die häufigen Rodenfteine werben hieher gehören. Ginzelne folder Roden ⸗
Runtels over Spilfteine, die aud die frangöfiihe Sage auf halbgättlihe Weſen
bezieht (quemouille & la bonne dame, & la bonne fde), ſcheinen uud
zu Örenzfteinen gedient zu haben: mehrfach findet fi der Name Holle
bei foldhen, wie bei Grenzbäumen (Hoder Alterth. der Rheinl XX, 128).
Im Tarforfter Weisthum von 1593 heißt ed: ‚An Frau Hollenbaum,
da fiehet eine Marl’; aud in ber Nähe von Wertheim wird ein ‚rau
Hullenbaum’ genannt. Diefe Spilfteine laßen endlich auch Frau Holle
als Spinnerin erf&einen, vgl. 6.404. Spindeln pflegt Hola an fleipige
Spinnerinnen auszutheilen und ben Spindelftein, welder die uralten @ren-
zen von Burgund bildete, hatte die Göttin felbft unter ihrem Arme dahin
getragen und aufgerichtet. Häufig heißt folch ein Stein Golftein, was nicht
etwa aus Hollftein oder Hollenftein verberbt ift, der Name geht vielmehr
auf den gellenden Hahn, der ein Lieblingsthier der unterweltlicen Göttin
2114 heida. Tuftplidis. YAng und Bpiudel. 407
iR. Der Hahn kräht in den Salen Hels; er ift aud ihr beliebtes Opfer-
thietr. Wie Frea nach Kemble (Sachſen in Engl. 297) eine Schupgättin
der Felder und Grenzen war, fo mag Holda in Deutihland dafür gegol-
ten haben. Go ließ Lufthildis (Mheinl.144) eine Spindel, die noch heute
im Lüftelberg gezeigt wird, hinter ſich berfchleifen, und die Furchen, die fie
309, wurden zu Grenzgräben. So finden wir bei Zürich einen Kriemhilte ⸗
graben Weisth. I, 48, Bernalelen Alp. 25; in Giebenbärgen (nad Friebe.
Müller Siebenb. S. 26) einen Fraholtegraben. Bor Jahren fol eine
Frau die Duelle, welche dort fließt, eingefaßt und mit einer Rinne verfes
ben haben. So erſcheint ein Chriembilvegraben auf dem Albis bei Züri
in den Schloßruinen der Schnabelburg, Rochholz I, 9; fo wies Kemble
bei den Angelſachſen einen heiligen Grenzbaum nad, welder ber Freitagds
baum bieß, wo der Bezug auf Frea nahe lag: an ihrem Tage waren etwa
die Gerichte unter diefem Baume gehalten worden. An die Stelle der Spin
del tritt an andern Sagen ber Pflug, gleichfalls das Symbol einer Göttin,
und der indie. superst. de suleis ciros villas ſpricht o. 23 von uns
verleplihen Grenzfurden, wie um Orticaften gezogen wurden, was auch
sömifche Sitte war. Es kann aber nicht zufällig fein, daß wir Frau Hola
oder bie am ihre Stelle tretenden wilden Frauen, ja nah M. 1002 au
die Hegen an alten Freifteinen und Malftätten antrefien. Malftätten waren
auch zugleid; Opferpläge, wie Tempelhöfe und Gerichtshoͤſe noch fpät zu⸗
fammenfielen und ſchon lectulus und einen Altar beveutete; vgl. lit de
justice. Das erklärt zugleich die Heiligleit ber Freiſteine, die Aſyle waren.
Wie ver Holla die Grenzen heilig waren, wie bei Uller (Holier), bei Ge⸗
Fon, bei den unterweltlichen Flühen geſchworen wurde, fo werben auch
die Gerichte, welchen Opfer vorbergiengen, unter der Obhut diefer hehren
Göttin geftanden haben. Die Linde, die ber Holla heilig war, diente am
bäufigien als Gerichtsbaum, RA. 796. Daſelbſt ift auch ein Holtgericht
‚to spelle unter der Linde‘ bezeugt, und Richthaͤuſer und Dinghöfe
in den Gtäbten findet man unter ber Benennung Spelhus, Spielhus,
RU. 806, was auf die Spindel ber Göttin zurüdgehen konnte, wenn man
eine Verwechſelung von apil ladus oder spel narratio mit spille füsus
annähme. Vielleicht erflärt ih daraus felbft dad Wort Kirchſpiel.
Ich babe mich oben gemweigert, die heilige Urfula herbeizugiehen, weil
es mir aud nach Schades Schrift (Die Sage von der heiligen Urfula Hans
nover 1854) zweifelhaft blieb, ob fie deutſch mythiſchen Grund hätte.
Wäre wirklich die Legende auf Tauſchung des Volls berechnet gemefen,
408 geld. 3. Arſala. It. Pinnofe, %. 114
fo folgte nicht im Mindeften, daß ihr ein deutſcher Mythus zu Grunde
liege; je ftärter der Betrug betont wurde, den man mit ihr getrieben habe,
je weniger war man geneigt, echten Grund bahinter zu fuhen. Das Hei⸗
denthum mag ber höhern chriſtlichen Wahrheit gegenüber ald Lug und
Trug erſcheinen, aber gewiſs nicht in dem Ginne als ob es ein will"
ürlich Erfonnenes wäre. Auch ſchien das bei dem Urfuladienft hervorge ⸗
bobene Schiff obgleich e fi auch bei ver Iſis, bei Rehalennia, bei
Banne Thella, ja wie ich glaube jelbft bei ver Nerthuß findet, doch für
Urfulas Göttlichteit nicht zu zeugen fo lange man nicht fah wie fie ohne
Schiff von Britannien nad) Köln hätte gelangen können. Jetzt aber muß
ih fie dennod für mythifh halten, nachdem es zu Tage gelommen
(3. H. Keſſel St. Urſula und ihre Geſellſchaſt Köln 1863. S. 15 u. 166),
daß urfprünglih nicht Urfula fondern Binnofa an der Spipe bes Jungs
frauenheeres ſtand. Im Kölnifhen Dialelt beveutet Pinn Stachel, und
Pinnoſa foviel als Epinofa. Es begreift fih, daß man einen folden Ras
men, der an den Schlaſdorn erinnerte, mit dem Brynhild in Todes⸗
ſchlaf gefentt wurde, die als Odins Gemahlin felber einft mit Todesftäben
getroffen hatte, nicht an der Spige der Schar dulden mollte, die aus Bri—
tannien, dem Todtenlande fam. Aber gerade, daß man fie befeitigte und
in der Würde einer britannifchen Königstochter durch Urfula erfepte, ver⸗
räth die Abſicht, den heidniſchen Urfprung der Legenbe zu verbergen. Ta ⸗
delnswerth finden wir daran nichts. Es that Noth, endlich aud dieſen
heipnifhen Cult, dem das Wolf nicht entjagen wollte, chriſtlich umzu⸗
bilden wie man nad ausdrüdlicher Vorſchriſt des Oberhaupts der Kirche
heidniſche Tempel nicht niederriß, fondern in chriſtliche Kirchen umgeftaltete,
Die Rede auf den Todestag der 11,000 Jungfrauen, welde noch Bin
nofa an der Spige der h. Schar zeigt, fegt der Herausgeber ind 8. Jahrh.
Vergebens verfihert er, Urfula fei nur auf kurze Zeit vergeen und durch
Binnofa verdrängt geweſen: ihr früheres Vorlommen wagt er nidt eins
mal zu behaupten, und die Tradition, daß Urfula die Führerin der Schar
geweſen, ift nicht älter als bie abſichtliche Beſeitigung ver allzuheidniſch
Mingenden Pinnoſa. Uebrigens kann auch dieſe als Spinnerin (Spinnoss)
gefaßt werben, da wir wißen, daß Domröschen von einer Spindel getroffen
in tovesähnlihen Schlaf fant,
115. Bertha die Spinnerin.
Die beiden Seiten der Hel, die fhwarze und die weiße, fcheinen in
den Namen Holda und Verchta geſchieden, nicht fo in deren Weſen, ba
beide ſchoͤn und haͤßlich, freundlich und unfreundlich erſcheinen können,
Dieſem doppelten Weſen ver Göttin entſprechend wird fie in fraͤnkiſchen
und ſchwabiſchen Gegenden Hildabertha genannt, worin ſchon Myth. 355
eine Verbindung der Namen Holda und Bertha fah. Es fann aber auch
Weiße und Schwaäͤrze, Schönheit und Haͤßlichleit an gefonderte Weſen ver⸗
theilt werben, und fo geichieht es AM. 135 ‚von der weißen und ſchwarzen
Braut.’ Bgl. Das goldene Spinnrad in Wenzigs Weſtſlav. Märchenſchatz
- 6. 45. Die weiße wird von der ſchwarzen verbrängt, die warm in
des Königs Arm figt, während jene ald weiße Ente durch den Goßen⸗
Kein in die Küche geſchwommen fommt um bie Zebern am Keerbfeuer des
bethörten Gemahls zu wärmen. Diefem Märchen ift die Sage von Bers
tha der Spinmerin, der fagenhaften Mutter Karla des Großen, auf das
Rachſte verwandt. Wir befigen fie in verſchiedenen Faßungen, die ältefte
in der Bremer Chronik, Meibom scriptt. IL p. 20—21, welcher ſich das
norbfranzöfifche Gedicht des Adenes le Roi anſchließt; jünger ift die Dars
ſtellung der Weihenftephaner Chronil. Auch in Stalien war fie durch die
Beali di Francis belannt, und auf fie bezieht man das Sprichwort non
& piü il tempo che Berta filavs. Damit ift aber die goldene Beit ges
meint, und fo zeigt ſich ſchon daran die mythifhe Natur diefer fpinnens
den Bertha. Gin anderes Erlennungszeichen ift ihr großer Fuß (Berte
as grans pies, Berhte mit dem fuoze): es ift der Schwanenfuß ber
Freyja, der von ihrer Waltürennatur berührt, 6.377. In dem fo eben
befprodenen AM. wandelt fi die weiße Braut in eine Ente: der Heinfte
dieſer Waßervoͤgel ift an die Stelle des großen getreten. In der Wie
landſage, wie fie das Gedicht von Friedrich von Schwaben zeigt, find aus
den Schiwänen der Wölundarhvida gar Tauben geworben, $. 129. Die
Bertvandlung in den Schwan fennt die Vollsſage felten; doc ift der Schwan
auf dem See bei Köpenid eine Prinzeffin, Kuhn NS. 81, und die Enz⸗
jungfrau (Baader 266) pflegt fi in einen weißen Schwan zu wandeln,
ia Muſaus hatte faft die ganze Wielandsſage vernommen. Weil es aber
von Freyja felbft nicht bekannt ift, daß fie gleih den Walfüren, die doch
aus ihe erwadilen find, Schwanengewand anlegte, fo bejiehe ih mich auf
410 Bertha. Reine psdauque. 8. 116.
die Sage von der Schwanenkirche bei Carben an der Mofel, Zeitſchr.
für Myth. I, 305, wo die Jungfrau Maria, die auch fonft an die Stelle
der deutſchen Frouwa zu treten pflegt, Schwanengeftalt annimmt, um einen
in die Gefangenfhaft der Ungläubigen gerathenen Mitter über Land und
Meer in die Heimat zu tragen, ganz wie font Wuotan feine Günftlinge
im Mantel oder auf dem Roſs $. 66 durch die 2uft heimtraͤgt.
In der Sage von Bertha, der terlingifchen Ahnenmutter, ift von ihrer
göttlihen Natur nur ein großer Fuß übrig; bei der Reine p6dauque
(Regina pede aucae), deren Bildhifs franzoſiſche und burgundiſche Kir
hen zeigen, warb der Schwanenfuß zum Gänfefuß. Sie heißt die Reine
aux pieds d’oison, und bei ber Spindel der Königin Gansfuß ſchwur
man einft zu Xouloufe, vielleicht weil fie den Lebensfaden ſpann. Wahr⸗
ſcheinlich war an jenen Kirchen die Königin von Gaba gemeint, melde
dem König Salomon die Zukunft enthüllt; diefer Weißagerin hatte bie
deutſche Sage nach dem Gedicht von Gibylien Welßagung (auß dem 14.
Jahrh.) Shwanen oder Bansfüße beigelegt. Aus der orientaliſchen Ueber ⸗
lieferung kann ihr das nicht gekommen fein: es war als ein Zeichen hör
herer Abtunft won der germanifchen Göttin und ben weißagenden Schwa⸗
nenmäpchen $. 107 auf fie übertragen. Als die Aönigin von Saba gu
Salomon kam, war fie zwar fonft ſchon, aber durch Gänfefühe entftellt.
Weil fie aber dem Holze, das jegt die vorläufige Brüde zu Salomons
BVallafte bildete, die Ehre anthat, es nicht mit den Füßen betreten zu wol
Ien, weil fie woufte, daß es beftimmt fei, einft gu des Heilands Kreuz ges
zimmert zu werden, und barum lieber durchs Waßer watete, manbelten
ſich die Gänfefüße in die ſchönſten Frauenfühe. So fößt die Geliebte des
Staufenbergers, die ihn als Waltüre im Kampfe beſchutzt hatte, bei feiner
Hochzeit mit einer Andern den Fuß durch die Bühne, die Dede des Gaales:
ex wird nur als ein wunderfhöner Frauenfuß bezeichnet; in der alten Sage
mar er wohl aud ein Schwanenfuß: das verfhmähte Wunſchmadchen wollte
an ihre höhere Natur erinnern. In der noch lebenden Volksſage (Done
Anz. 1831. 88) ift duch den Einfluß des Vollsbuchs von ber Melufina
aus dem Schmwanenfuß ein Echlangenfhwanz geworben. Die Burg des
GStaufenberger war zaͤhringiſch, und daß uns hier eine zaͤhringiſche
Geſchlechtsſage vorliege, zeigt aud, daß der Gtaufenberger mit der neuen
Braut Karnthen (Caerinthis) erheiraten wollte. In dem Geflecht der
Hähringer kommt der Name Berchtold häufig vor, vielleicht in Bezieh ⸗
ung auf den Berchtung von Meran der Heldenſage. Defien gleichnamiger
8%. 116. Bertha. Serchtold. 3. Verena, 41
Sohn erhielt nad dem Wolſdietrich Kärnthen; ein amberer, Hache genannt,
Breifach und eine edle Herzogin, mit der er den getreuen Edart, den Pfle«
‚ger der Harlungen, zeugte: durch beide Tonnten ſich die Bähringer Bertholde,
die ihren Namen von Kärnthen ableiteten und das Breisgau beherſchten,
an ben Apnheren jenes Heldengeſchlechts fnüpfen. Aber Götter pflegen an ber
Spige der Stammtafeln und ver Königsreihen zu ſtehen: ein männlicher
Berchtold entipricht in der Götterfage der weiblichen Berta, die auch
Berchtölverli heißt, Myth. 257. 884: in Schwaben zieht er meiß gefleidet,
auf weißem Pferde der wilden Jagb vorauf und in der Schweiz wird
der Berchtolds Tag noch jept feierlih begangen. Wir ſehen alfo Dpin
als Ahnheren an der Spige deffelben deutſchen Fürſtengeſchlechts, dem in
der Gehalt jener Schwanenjungfrau aud Freyja vorfteht. Einen Bezug
auf das Breiägau zeigt auch das Halögefchmeibe der Freyja, das Brifine
gamen (Brisingoram monile) heißt. Im Beomwulf wird unter Brosinga
mens ein Schat verftanden, melden Heime, ein Dienftmann Kaiſer Gr
menrih®, nad der heerglänzenden Burg getragen habe. Im Breisgau
aber follte nach der Gelvenfage das Harlungengold im Burlenberge (dem
Berge bei Bürglen unweit Bafel) liegen. Im ver Nähe ift arch ver Ben
nußberg nachgewieſen, vor welchem der gelteue Gdart, der Pfleger ber
Breiögauer Harlungen, nach der Vollsſage Wache hält, wie er aud ber
wilden Jagd warnend voraudzieht. Alles deutet an, daß der Breisgau
eine Hauptftätte des Eultuß der Freyja war, die dort wohl noch als glän»
gende Berchta verftanden wurde. Im beutfchen Tannhäuferlieve hieß fie
Frau Venus, wie S. 403 im jhweizeriichen noch Frau Frene, aus der dann
in der Schweiz die h. Verena erwuchs, von welcher Rochholz viel zu er⸗
zählen weiß. In dem Namen der Heiligen werben mit dem Spruche
Frene Frene dorra weg!’ Wanjen vertrieben wie die franzöfiihen Könige
die heilende Hand von Brunhild ererbt hatten.
Im Burlenberge lag nad ME. IL, 169 der Jmelungenhort (Amer
Tungenhort). Gr fällt aber mit dem Nibelungenhorte, der nah MS. IL,
2341 im Lurlenberge liegen fol, zuſammen, wofür jetzt ein neues Zeugniſs
beizubringen iſt. Auf dem Nibelungenhort lag ein Fluch: denſelben fine
den wir auch an Briſingamen, dem Halsband der Freyja, haften. Nach
Dusligaſ. o. 17 freite Wisbur die Tochter Auds des Reichen, und gab
Ähe zue Morgengabe drei große Güter und eine goldene Kette. Darauf
verließ er fie und nahm eine andere Frau. Als feine Söhne erwuchſen
forderten fie ihrer Mutter Morgengabe; aber Domalvi, ben er in ber neuen
418 Bertha. Srifngemen. Rheingeld. . %. 116.
Ehe erzeugt hatte, verweigerte fie. Da legten fie einen Fluch darauf und
fagten, vie golvene Kette folle dem beften Manne in ihrem Geſchlechte
den Tod bringen. Wie dieſer Fluch an König Agni (Feuer?) bei feiner
Hochzeit mit Stiälf (Beben), der Tochter des won ihm erſchlagenen Froſti,
in Erfülung gieng, indem ihn die Nette erwürgte, mag man Yngl. c. 33
nachleſen. Auch in deutibe Sagen ift der Zug verflochten, daß einer au
golvener Kette bangen und erwürgen muß. Go fehen wir Brosings
mene als Schatz gefaßt, an dem ein Fluch haftet, während auf dem Hald«
band Brifingamen, gleichfalls einem Werk ver Zwerge, berjelbe Fluch
ruhte. Auf das Breisgau feinen ſich beide zu beziehen; ber Schat kehrt
aud) bei den Herzogen von Bähringen nod einmal wieder. Urfprünglic
ſollen fie Köhler gewefen fein, die einft beim Aufräumen des Meilerd ger
ſchmolzenes Erz am Boden fanden, das ſich ald gutes Silber erwies. Go
brachten fie einen ganzen Schatz zufammen, mit dem fie einem römifchen
Könige in feiner Vedraͤngniſs zu Hilfe Tamen und zum Lohne die Her
zogswurde erlangten, M. Rheinland 6.50. Schwerlich war aber der Breis
faher Schag aus gefhmolzenem Erz gewonnen, fondern aus ven Gold:
waͤſchen des Rheins, wie wir den aus dem Fluß gewonnenen Ribes
lungenhort aud dem Rhein zurüdgegeben finden, wovon ſchon Atlalw.
27 weiß:
Nur der Rhein ſoll ſchalten mit dem verderblichen Schatz:
Er kennt das aſenverwandte Erbe ber Hniflungen.
Ju der Woge gewälzt glühn die Walringe mehr
Denn bier in den Händen ber Hunenſöhne.
Die zweite Beile bezeugt, dab ed auch der Rhein war, aus dem er ber
rührte, was im zweiten Sigurdsliede verjhwiegen if. Bgl. $ 106, 3.
Der Gntftelung in Brosinga mene im Beomwulf ungeachtet ſcheint doch
von den Angelfachjen der Name des Halsſchmuds der Freyja nad dem
Norden gelommen. Aehnlich wird es fih mit dem der Gif verhalten. Bol.
jedoch Mullenhoff Ztihr. XI, 303. Als Breifaher Schatz (Brifingamen)
ward da Aheingold erft in die gothiſche Heldenfage, dann in bie nor
diſchen Mythen aufgenommen. In Brudmanns Magnalia Dei in sub-
terraneia, Braunſchweig 1727 heißt es ©. 28: ‚Brisgovia, ein Strich Lan .
des am Rhein, gränget mit Schwaben und dem Schwarzwalde; darin ift
Brisach die Hauptftabt, bei welder viel Gold im Rhein gefeiffet und ge
waſchen wird, welches man hernach Rheinifch Gold nennt,’ und nad Dan-
bröe Bulletin de la soci6ts göologigue de France 1846, p. 458 ff.
8. 116, Beriha. Vreisganer Gold. Btempe. Erempe. 418
wird noch jeßt jährlich zwifchen Bafel und Mannheim für 45,000 Frs.
Gold aus dem Rheine gewaſchen. Zwiſchen Iſtein und Mannheim beträgt
aber der Gehalt der Goldgründe des Rheins 52,000 Kilometres, mas
einen Bruttowerth von 165,820,800 Frs. repräfentiert. Rechnet man hinzu
was jeit dem 5. Jahrh. bis auf diefen Tag aus dem Rheine gewonnen
iR, fo ergiebt fih ein Schag mythiſcher Verherrlihung nicht unwürdig.
In dem Grimmjhen KM. 14 wird der Platſchfuß der fpinnenden
Bafe, ‚der aus der Schwangeftalt übrig ift, aus dem Treten bed Spinn-
rads ertlaͤrt. So ſcheint auch die nur ald Beiname der Berchta zu faßende
Frau Stempe, welde die Leute tritt oder ftampft, und Grau Trempe,
die wohl wie Derk mit dem Beer, M. 194, auf dem Adergeräth, das
nicht unter Dad und Fach geſchafft if, herumtsampelt, mit ber Vorſtel⸗
hung des Plattfußes verbunden, fo daß aud bier die Verrichtung mit ber
leiblichen Bildung, ja mit dem Namen in Beziehung tritt. Die Ber
wanblung des Gandfuße der Reine Pedaugue in den großen Fuß der
terlingifchen Ahnenmutter Bertha könnte ſchon durch ähnliche Ausdeutun ⸗
‚gen vermittelt worden fein.
Der Berta ift im Vollsglauben St. Lucie verwandt. Den Lucien:
ſchein ein zitterndeß Licht, aus dem gewahrfagt wird, beobachtet man in
der Luciennacht. Vernalelen Alp. 114.
Ueber den obenerwähnten Bertholdstag vgl. die gleichbenannte
mpthol. Stige von H.Runge Zürih 1857. Da diefes Feſt beſonders von
Rebleuten gefeiert wird (Roh. I, 236), fo if der Uebergang von Ber:
thold auf Bartholomäus, der den Moft holt, nicht unmöglid. Allerdings
fol aud zu Bartholomäus (24. Aug.) das Rebwerk beendigt fein, Runge
23, da mit diefem Tage der Herbft beginnt. Aber Wuotan lann ſich als
Kellermeifter durch Bartholomäus vertreten laßen und doch als Berihold von
Rebleuten Opfer empfangen. Beſonders ift ed die Berchtennacht (5.
Januar), von deren Witterung auf ein gutes Weinjahr geichloßen wird.
116. Die weiße Fran.
Bir finden unfere fegenfpenvende Göttermutter in Gage und Dich:
tung die gute Frau genannt, bona domina, bonne dame, auch bona
mocia, woraus die Benfozia, ein Beiname der Herodias, bervorgieng,
Moth. 261. 265. Sie heißt ferner die weiße Frau, wie der Name
Berhta gleiche Bedeutung hat, und wegen deren Bezug auf den Tag ber
414 Berthe. Weise Scan, Ahufean. $. 116.
Erſcheinung (Epiphanis) Befana. Die weiße Frau, die in deutſchen Für
ſtenſchloͤßern fpuft, pflegt aber den Namen Bertha fortzuführen, welchem
Geſchlecht fie ſich auch als Ahnfrau anfnüpfen möge, Myth. 257. Am
Belannteften ift jene Berhta von Rofenberg geworden, die als Ahnfrau
der Herren von Neuhaus und Rojenberg in Böhmen erideint, ja man
bat gemeint, bie weiße Frau anderer Furſtengeſchlechter fei dieſelbe Berhta
von Rofenberg, deren Uriprung alfo in Böhmen zu ſuchen je. Cin
Bild diefer Bertha zeigt man auf jenem Schloße Neuhaus, das fie ſelbſt
im funfzehnten Jahrh. erbaut und dabei den Arbeitern, wenn fie es zu
Stande bräcten, einen füßen Brei, d. h. eine feſtliche Malzeit verfpror
hen haben foll. Diefer füße Brei, zu dem aber auch Karpfen gehören,
wird ſeitdem zu ihrem Gedachtniſs noch alljährlih am Grünbonnerstag den
Armen verabreicht. An den genannten Speifen erlennt man den Bufammen«
bang jenes Gebrauchs mit der auch in andern Gegenden Deutſchlands der
Berchta geheiligten Faſtenſpeiſe: Fiſche und Habergrüge, Knöbel mit He
ringen u. ſ. w. &.290 und $. 143,4. Gtrenge hält Bertha darauf, daß
ihr Feft mit der althergebrachten Speiſe begangen werde: mer andere
Speiſe zu ſich genommen hat, dem ſchneidet fie ven Bauch auf, füllt ihn
mit Hederling und näht mit einer Pflugſchar ftatt der Nabel, mit einer
Eifentette ftatt des Zwirns den Schmitt wieder zu. Außer den Faften find
diefe Tage namentlich Sylveſter ⸗ und Dreildnigsabend (Berdtentag), Mytb.
251. 255. Da badt man in Oberbaiern fette Kuchen und fagt den
Knechten, damit müße man ſich den Bauch fÄhmieren, dann werde Berdhe
mit ihrern Meßer abglitfhen. Hiemit hängt ver Kuchen zufammen, in
welchen nad) einer weitverbreiteten, auch bei uns gültigen Gitte, am Dreis
!nigsabend (Twelft-night) eine Bohne verbaden wird, die demjenigen,
dem fie zu Theil wird, die Rönigswürbe verleiht. Der König wählt dann,
oder läßt durch das Looß auch die übrigen Hofämter wählen. Die Ber:
tens ober Bedhtenfefte begehen, hieß im Elfaß ‚beiten.‘ Kinder und Hand-
mertätnechte fammelten babei Gaben ein und das ‚Fechten‘ unferer reiſenden
Handwerlsburſchen leitet feinen Urjprung daher. Gtöber Alfatia 1852
©. 150. Wenn das Erſcheinen ber weißen Frau in dem Geſchlechte,
welchem fie als Ahnfrau vorſteht, einen Todesfall antündigt $. 107, fo
zeigt ih darin wieder, daß fie glei der Freyja aus Hel der Todes
göttin verjängt ift. Bei Baader 262 erfheint fie auf dem Schiff, ebd.
266 erft auch als Schwan, was ar Iſis und ben aus der Unterwelt lom⸗
menden Schwanenritter erinnert.
8. 116. Ipringuurgel. Blanc Siume. dergißmeiuuicht. 45
‚Weiße Frau' nennt Kuhn (Btfär. f. d. Myth. I, 368) auch jene
oft erwähnte, Erlöfung ſuchende Jungfrau, die ich Schlüßeljungfrau nennen
möchte. Sie erjheint nicht bei gewiſſen Anlaßen, fondern am Palmjonn-
tag wärend ber Paſſion nach regelmäßigen Friften, nach fieben, oft zu huns
dert ſich ſteigernden Jahren, die dod wohl auf die befannten fieben Wins
termonate zurüdgehen. Sie ift in den Berg ober das verzauberte Schloß
verwünfet, wodurch fie an Gerda oder Menglada erinnert; ihre Erlöfung,
wit welcher der Erwerb des Hortes verbunden wäre, ift aber wiedie Baldurs
an illuſoriſche Bedingungen gelnüpft, wenigſtens pflegen fie nicht erfüllt zu
werben. Schon in einem Gedichte Meiſter Altſchwerts ed. Holland S. 70, wird
der Zugang zu dem Berge burd ein Kraut gefunden, das der Spring:
wurjel oder blauen Schlüßelblume unferer Ortsſagen gleiht. Kaum hat
es ber Dichter gebrochen, fo fommt ein Martinsvögelden geflogen, das
guter Borbedeutung zu fein pflegt; diefem folgt er und begegnet einem
Zwerge, der ihn in den Berg zu Frau Benus führt. Hier ‘find die Mits
tel, den Zugang in den Berg zu erwerben, gehäuft: das Martinswögelden
d. b. der rothhaubige Schwarzſpecht, verſchafft jonft die Springwurzel, die
den Berg erſchließt. Werm man fein Reft verteilt, holt ver Specht die Wurzel
herbei, mit dem er fih ben Zugang zu dem brütenden Weibchen wieder
verſchafft und dann die Wurzel auf ein rothes Tuch fallen läßt, dad man
unter den Baum gefpreitet hat und das er für ein Feuer anfieht, in wel⸗
dem die Wurzel verbrennen fol. Auch der Zwerg pflegt in ven allegos
rifden Gedichten des funizehnten Jahrhunderts den Berg zu erſchließen.
In unfern Orisfagen thut es die blaue Blume d. h. das Kraut. Man
darf fie aber über den Gchägen nicht vergehen, weil man fonft ben
Weg im den Berg zu der Jungfrau nicht wieder findet; auch fhlägt das
WVor hinter dem Audtretenben zu und nimmt ihm die Ferfe hinweg. Die
warnenden Worte: ‚Bergik dad Beſte nicht‘, find in den Sagen nun ftäts
auf die Blume gedeutet, und der Name ber Blume Vergißmeinnicht
mag daher entfprungen fein; gleich wohl Täkt eine Reihe von Sagen (Ber:
naleten Alp. 41, Bingerle Sagen 464), zweifeln, ob fie ſich nicht urfpräng:
Ti auf die Jungftau felbft bezogen, deren Erlöfung durch die Goldgier der ⸗
fehlt wird. Obgleich nun dieß der Ausgang zu fein pflegt, weil man ents
weder die Blume vergaß oder nicht Muth hatte, die in eine Aröte oder Schlange
verwandelte Jungfrau zu füflen, oder gar noch ein dritte Aufgabe zu lõ⸗
fen, fo fiheinen doch dieſe Sagen nur Radflänge ver Mythen in Skimisför,
Fiöfeins und Sigrerifumal: an die Stelle Freys, Swipdags oder Giege
416 Tanfane. 6. 117.
frieds ift ein armer Schäfer getreten und es befrembet nicht, wenn
die Erlöfung meift unvollbracht bleibt. Kuhn aber dürfen wir beiftimmen,
wenn er den Schlüßel zur Goldtruhe, nad welchem wir die Jungfrau be
nennen unb ben zuweilen aud Schlange oder Hund, die auf der Kiſte
fien, im Maule halten, auf den Blig deutet, auf deſſen blaue Farbe auch
ſchon jene Blume angefpielt hatte. Brauchte es noch Beweiſe, jo könnten
wir zwei Deſterreichiſche Ortsſagen (Bernalelen 130. 132) anführen, wo
zulegt der Blig den böfen Geift erjhlägt. Diefelbe Deutung pajst aber
aub auf ven Gambantein, womit Skirnir Str. 33 Gerda bedrohte.
Die Schäge beziehe ich lieber auf die golbenen Körner der nächften Ernte.
BE. 346 ff.
117. Die übrigen Göttinnen.
Es find nod einige Göttinnen übergangen, theils niebern Ranges,
theild und nur dem Namen nad befannt.
1. So die Tanfana, deren berühmten Tempel im Lande der Mars
fen (bei Dortmund) ihr, wie es ſcheint, mit Chatten und Cheruslen ges
meinfchaftliches Heiligthum, nad) Tac. Ann. I, 51 die Römer dem Boden
gleihmachten. Cine Steinfhrift hat Tamfanae sacrum; Drelli hält
fie aber für unecht, Myth. 70. Vielleicht war fie vom Siebe (tampf,
Myth. 1062) genannt, das fie in der Hand trug: dann würde fie ſich der
Sf verzleihen. Das Siebdrehen diente zur Weipagung, und fo könnte
die Göttin ihren Prieftern Oratelfprüche in den Mund gelegt haben. Gine
neuere Deutung Grimms GDE. bringt fie mit Dampf, vapor, zufammen,
und macht fie gleich der ſtythiſchen Tabiti zu einer Heerbgättin. Dabei ift
davon audgegangen, daß Tacitus dad deutſche Th mit T zu bezeichnen
pflegt; eine dritte Deutung nimmt 7 für den richtigen Anlaut, ber im
8 hätte fortgefhoben werden müßen: fie findet demnah in Bampern,
wie dad Gabeneinfammeln auf Faſsnacht nah Kuhn NE. 369 heißt, eine
Spur der Göttin. Der Donnerstag vor Faſsnacht heißt in der Graſſchaft
Mart ‚Zimbertspac‘, und damad wird Ztichr. für Myth. I, 385 auf
eine deutſche Odttin Zampe oder Bimbe gerathen. Un ihrem Zefte follen
Nöße und Slappermann (Fiſche) gegeßen werden. Das erinnert an Berbta,
und aus Gint Bert ward früher jener Zimbertötag gedeutet. Die neuere
Deutung von Tanfana Gjfellen das römifde Eaftell Alifo Hannev. 1857.
2. Gleiche Endung wie Tanfana zeigt Hludana. Deae Hiudanae
ascrum C. Tiberius Verus lautet die Inſchrift eines auf niederrheiniſchem
$. 117. Hludana. Vermänte. Frau Ipange. 417
Boden gefundenen Steines, der jegt in Bonn bewahrt wird; in berfelben
Gegend (bei Eleve) ift nod ein anderer zum Vorſchein gekommen mit der
Infhrift DEAE HLUDENAE GEN. Nach Wöl. 56 heißt Thors Mutter
Joͤrd meben Ziörgyn auch Hlödyn; der Name bezeichnet eine hochbe ⸗
rühmte Göttin. Das Berfeltungdfieber unſer Rheiniſchen Alierthums-
forfher, das die Gugerni (vgl. GD. ©. 367. 491) für fein deutſches
Volt hält, es fogar von den Ubiern vergeßen möchte, ja in Alateivia
feinen Bezug auf Alzei merkt, verfennt auh in Hludana Hlödyn. Jahrb.
XXXVI, 2, 50; De Wal Moderg. 47. Auch Hilde ſcheint Hildana geheißen
zu haben, da das nach ihr benannte Hildesheim in älterer Form Hildenes-
heim hieß; doch ift es gefährlich, Hludana in Huldana zu wandeln (Myth.
1211) und fie mit Hilde und Hulda zufammen zu bringen,
An Sandraudiga De Wal Myth. 176, Wolf Beitr. L 160 hat fih
Brimm GODS. 588 gewagt und -audiga auf goth. audags agſ. esdig ahd.
ötac uaxagıog bezogen, sandr ald sunder verftärtend genommen. Die Dea
Uncia De Wal 210 erinnert an den ſchwarzen Untelftein (Bafalt), von
dem Untel den Namen hat. Was Unt, engl. Ink bebeutet, Tann bei
jedem Schultinde erfragt werben. Rosmerta (De Wal p. 172—5) iſt man
verfucht, auf die Pferdemar oder Mahrt $. 125 zu deuten. Für Dexi-
vae (De Wal 71), wenn fie nicht fonft beftätigt ift, möchte man Deae Sivae
leſen und an unfere Eif $.111 venten. Rittona (De Wal 170) könnte
ala eine deutſche Febris (mit galliſcher Endung) verftanden werben. Auf
ein Heiligthum der Moneta im Kottenforft ſchließe ih aus dem dortigen
‚Bermüntebufch.’
3. Eine Reihe Göttinnen nennt noch D. 35; ich gebenfe hier nur
derjenigen, deren Namen wir anderwärts zu beſprechen nicht Gelegenheit
haben. Zunädft Hnofs, die Tochter Freyjas und Odrs: fie ift fo fchön,
daß nad ihrem Namen Alles genannt wird, was ſchön und koftbar ift.
Heimäfr. 13 ftellt neben fie Gerfemi: beide Namen beveuten Kleinode
und Geſchmeide: fo erinnern fie an die Jungfrau Spange in ‚König
Oswaldes Leben.’ Pamige im andern Dswald ſcheint aus Spange ver⸗
lefen. Jene Gejhmeide find wohl ald Blumen des Frühlings zu verftehen,
wie aud Odin fi bei der Rinda ald Goldſchmied einführte, der ſommer⸗
liche Gott, welcher der Erde Blumen des Frühlings verheißt, wenn fie
ſich ihm verbinde. Sidfn ſucht die Gemüther der Menichen, der Mäns
ner wie der Frauen, zur Bärtlicteit zu wenden, und nad ihrem Namen
heißt die Liebe Siafni. Mit unferm Seufzen verwandt ſcheint der Name
Sumea, Mythologie. 37
418 Dreische Afunen, 8. 117.
Liebesfehnfuht und Verlangen auszudrüdden. Lofn ift den Anurufenden
fo mild und gütig, daß fie von Allvater oder Frigg Grlaubnifs hat, Mans
ner und Frauen zu verbinden, was auch fonft für Hinderniſſe entgegen:
ſtehen. Daher ift nad) ihrem Namen der Urlaub genannt, jo wie Alles,
mas Menſchen loben und preifen. Beide Deutungen, fo verfchieven fie
feinen, gehen auf liuban laub lubun nro. 530 zurüd, und fo dürfen wir
eine britte wagen, die fi in gleichen Grenzen hält: vielleicht ift fie die
Liebe felbft, die noch englif Love heißt. Bon Wara (foedus) heißt ed:
‚Ne hört die Give und Verträge, welche Männer und Frauen zufammen
fließen, und ftraft diejenigen, melde fie brechen. Sie if weile und er
jorſcht Alles, fo daß ihr nichts werborgen bleibt.’ Syn (ahd. Sunja) ber
wacht die Thüren der Halle und verſchließt fie Denen, welche nicht ein«
geben follen; ihr iſt aud der Schup Derer befohlen, welche bei Gericht
eine Sache leugnen; ‚daher die Rebendart: Syn (Abwehr) ift vorgeſcho⸗
ben, wenn man bie Schuld leugnet.‘ Myth. 843 weiſt auß unferm ältern
Recht ‚sunnis‘ excusatio nad. Ferner Hlin, die von Frigg Allen in Gefahr
Schwebenden zum Schu beftellt ift. ‚Daher das Sprichwort: Wer in Nö-
then ift, lehnt ſich an (hleinir).‘ Den Namen Hlin führt WöL 53 Frigg
ſelbſt. Bon Snotra (mörtlih die geſchneuzte, emunctse naris) heißt
es: Sie ift weis und artig; nad ihr heißen Alle fo, die das find, Wir
haben bier nur Perfonificationen geläufiger Begriffe vor und, den mittel-
bochdeutſchen Frau Minne, Frau Ehre, Frau Maße, Frau Scham, Frau
Zucht u. ſ. w. vergleihbar. Nur Gns, Friggs Botin, aus Alopftods Oben
belannt, hat einen Mythus. Ihr Pferd Hoſhwarfnir rennt durd Luft und
Waßer. Einft gefhah es, daß fie von etlihen Wanen gefehen ward, da
fie durch die Luft ritt. Da ſprach einer:
Bas fliegt da, was fährt da,
Bas lenkt durch die Luft?
Sie antwwortete:
Ich fliege nicht, ich fahre nicht,
Ich lenke durch bie Auft
Auf Höffwerpnir, den Hamſterpir
Zeugte mit Gardrofwa.
Hofhwarfnir ift Hufwerfer, Hamfterpir ſchenlelraſch, Gardrofwa ſtarkſchweifig.
Gna fol von at gnaefa tommen und die hochfliegende bezeichnen. Brom
Fidmuot bei Nithart halt Grimm altv. BL I, 371 für mehr als Perſoni ⸗
fication des Frohſinns.
& 117. Sonne Mond uud Sercales. 419
Es find 13 Afinnen, welche D. 35 mit dem fihtbaren Betreben auf
führt, der Zahl ver Götter eine gleihe von Göttinnen gegenüberzuftellen.
Da hätten Idunn, Gerda, Sif, Ihräbhr, Skadi und Nanna nicht were
geben werben follen, die mehr find als bloße Berfonificationen wie viele der
genannten. “
4. Bon Sol (Sunna) war fhon $ 11 die Rede. Ueber Caſars
Meldung von deutſchem Sonnen: und Monddienſt vgl. $. 57. Beiden
neigte man mit entblößtem Haupt, Myth. 28. 29. Nah Anh. XLIV
glaubte eine Frau, die Senne fei eine Göttin, und hieß fie heilige Frau.
Andere Spuren des Sonnendienftes liegen in dem deutſchen Sonnenlehen
RA. 278, dem Sonneneidve RA. 895, weil die Sonne Alles fieht, dem
Fluche der sunnen ha; varn, und den Märchen, wo entweder bei Sonne,
Mond und Sternen nachgefragt wird (Myth. 670) ober drei Kleider ge:
ſchenlt werden, auf bem erften die Sonne, auf dem andern der Mond, auf
dem dritten die Sterne, KAM. 186. 193. Meier 1,6. 213. Bei ber fü:
lien Sonne wird auch in dem eddiſchen Atlamal geſchwo ren. Als Gipfel
der Gottlofigleit gelten drei Schuße gegen Some, Mond u. ſ. w. 6. 171
wo aud die Meldung des Dlaus in Betracht kommt. An der Pfarrkirche
zu Mais bei Meran ſah ich zwei Bilder außgehauen, melde für Sonne
und Mond ausgegeben wurden. Die unter dem angeblichen Sonnenbilve
angebradten Tagen laßen aber eher an den Tag denken, deſſen Klauen
nad dem fhönen Liede Wolframs durch die Wollen geſchlagen find. Auch
in der Capelle bei Schloß Tyrol fand fih ein ähnliches Bild auf einem
Zaufftein angebracht.
Nähere Unterfuhung verdient der auf dem Güntelgebirge gefundene
Stein mit der Runeninfhrift und dem Bilde des Monds und der Sonne,
Schaumann Geſch. d. niederfächſ. Bolt, Göttingen 1839. 6. 115. 120.
Eine Abbildung giebt W. Strad Wegweifer um Eilſen, Lemgo 1817, ©.
148. Unter dem Sonnenbilde fieht man ein Hufeifen, unter dem Monb
eine gehörnte Geftalt, ein krummes Horn in der Linken, in ber Rechten
wie es fcheint einen Hahn. Dasfelbe Buch giebt S. 48 die Abbildung
eined an der Kirhe zu Pepen bei Büdeburg befindlichen Denkmals, ein
Schwein in der Flamme auf dem Altar, darüber Sonne und Mond;
jur Seite knieend rechts eine männliche, links eine weibliche Geftalt. Nah
der dabei mitgetheilten Sage verehrte Graf Armum Sonne, Mond und
Hercules (vgl. $ 81.127); feine Gemahlin wandte fih aber dem Chrie
ſtenthume zu, und fagte dem Grafen, als er von einem Raubzuge heimlehrte,
420 Gefangenfigaft der Sonne. 17.
fie habe unterbefjen fieben Töchter (Kirchen) ausgeftattet. Vgl. S. 371. Anger
fügt ift die oben mitgetheilte Sage won dem bei einer Belagerung täg-
lich niebergetworfenen legten Schwein, worauf die fonft von den Weibern
von Weinsberg erzählte ven Schluß macht.
Die Freyr Sonnengott ift, fo haben andere Freyja als Monpgöttin
aufgefaßt, wofür auch Brifingamen angeführt werben lann, wie man es
aud für die Sonne erffärt hat. Da ihr in Deutſchland Holda oder Berchta
entfpricht, fo Fönnte jene Spinnerin im Mond, die im heutigen Dolls:
glauben zur Strafe dahin verfegt ward, einft Bertha (vie Spinnerin) ges
weſen fein. Mundlich hörte ich wohl fagen, die ungetauft ſterbenden Kinder
lämen in ben Mond, wie ähnlichen Bezug zu den Seelen gerabe Bertha hat.
Den Mythus, der $ 11 von Sol und Mani erzählt wird, haben wir
als auf Miſsverſtaͤndniſs beruhend verworfen; dagegen einen andern, der
bei und nur anflingt, den von der Gefangenfhaft der beiden Himmels-
liter, oben 121 bei ven Finnen nachgemwiefen. Auch bei den und verwandten
Lithauern begegnet er. Einſt hatte man viele Monate die Sonne nit
gefehen, indem ein mächtiger König fie in einem feſten Thurme in Ver—
ſchluß hielt. Endlich brachten die zwölf Zeichen des Thierkreiſes (die 12
Afen ?) ihr Hülfe, fprengten mit dem eifernen Hammer (Thörd Symbol)
die Pforte des Thurms und gaben die befreite Sonne den Menſchen zu⸗
rüd, Temme Pr. ©. 38. Der mächtige König gleicht dem Niefen Thrym,
welder Freyia, die jhöne Jahreszeit, ven Menfchen entziehen will. Nach
Vollsm. d. Serben 18 hatte ber Teufel die Sonne geraubt; St. Michael,
der auch fonft an Thörs Stelle tritt, gab fie der Welt und dem Himmel
wieber. Gin anderes altpr. Märden 1. c. erzählt, die Sonne fei einft an
den Mond verheiratet geweſen; die Sterne wären ihre Kinder. Der
Mond, feiner Gattin ungetreu, entführte aber dem Morgenftern feine Ber
lobte: zur Strafe zerhieb ihn Perkunos, der Donnergott, mit einem ſchar⸗
fen Schwert in zwei Hälften, die jegt in ben beiten Monbvierteln zu
ſchauen find.
Riefen und Zwerge, Gefpenfter, Segen und Teufel.
118. Nieſen im Allgemeinen,
Der färkfte Gegenfag, den bie Edda kennt, ift der zwiſchen Göttern
und Riefen. Sie find in einem Vernichtungskriege begriffen, der bis ans
Ende der Welt währen, ja ihren Untergang herbeiführen wird. Da fo
die Riefen Feinde der Götter waren, fo muften fie aud als böfe vorges
ftelt werben, weil es im Begriff der Götter liegt, gut zu fein. Bon
dem Urriefen Ymir fagt D. 5, er fei böfe wie Alle von feinem Geſchlecht,
unb fo heißt e3 D. 10 von ver Nacht, die eine Riefentochter ift: fie war
ſchwarz und dunlel wie ihr Geichleht. Bei dem großen Vernichtungslampf,
den wir dad Weltdrama nennen, muften alle Weſen Partei ergreifen: ftan
den fie auf Seite der Rieſen, fo fielen fie unter ihren Begriff; darum
fehen wir auch Weſen den Rieſen beigezählt, die nicht der äußern Natur,
fondern ver Geifteswelt angehören. Jene Erinnys, welche der Vrynhild
mit Vorwürfen wehrt, ald fie den Helweg fuhr, ift eine Niefin; fo ſcheint
au Mödgubr (Seelentampf) gedacht, und Imt, der Sohn Wafthrubnis
(Wafthr. 5), des weiſen, wortſchnellen Riefen, beveutet den Bweifel,
Uhland 17: aus der Sophiftit geht der Unglaube hervor, ein unholdes,
menſchenfeindliches Weſen. Muß doc felbft Hel, als Lokis Tochter, der
nun von feiner verberblihen Seite gefaßt wird, riefigen Geſchlechtes fein:
eine Riefin ift jept Grid, die mit Hel zufammenfällt, und Utgarbalofis
Halle fahen wir mit riefigen Geftalten erfüllt; er felbft wandelt fih in
den Riefen Skrymir.
Nicht unbedingt gilt aber dieſe Worftellung von der Bosheit ber Ries
fen: fie bildete fi unter dem Einfluß des Ragnarölsmythus aus, der in
der norbifchen Weltanſchauung die Oberherſchaft an ſich gerißen hatte. An
ſich könnten die Riefen als der rohen, vom Geift noch unbewältigten Ma:
terie angehörig, ſittlich gleichgültig ſcheinen; aber weil es nur dieſen Ge
genfag giebt, Geiſt und Materie, Götter und Riefen, fo entwidelte fih aus
422 Riefen. Riefenapfer. $. 118.
dem Gegenfag der Kampf von ſelbſt. Der Urriefe ift aus dem Nieder
ſchlag der urmeltlihen Gewäßer entitanden ; die Götter aus den Salzſteinen
geledt, und das Salz bedeutet das geiftige Princip. Hierin lag es bes
gründet, daß Alles, wad der äußern Natur angehörte, als in den Gegen:
fag der Götter fallend, böfe und verderblich ſchien. Sind doch felbft die
Götter, weil fie ihr Geſchlecht nicht rein erhalten,. fondern mit den dunkeln
Rieſen Verbindungen eingegangen haben, befledt und der Läuterung im
Weltbrande bebürftig geworden. Aber zu folder äußerften Confequenz ger
langte man nur allmähli und es lann eine Zeit gegeben haben, da bie
Niefen fo wenig für böje galten, daß fie fogar göttliche Verehrung ges
noßen. Bgl. Maurer Belehrung II, 60 fi. Spuren von Riefencultus fin=
den fi wenige, jagt zwar Grimm Myth. 524; aber neben dem Dienft
der Götter kann das nicht befremden: den Opfer empfangenven Niefen,
deren wir einige nachweiſen $ 132 (vgl. Ziſchr. IV. 508), müßen für die
ältere Zeit die unfreimilligen Opfer hinzugeredjnet werben, die nad den
Sagen den Rieſen und Drachen, die oft nur verwandelte Riefen find, ger
bracht wurden; gewöhnlich find das Menfhenopfer. Die Helven, welche
wir an die Stelle ver Götter getreten wißen, ftellen dieſe Opferungen ab,
indem fie die Niefen befiegen und die Königstöchter, welche das Lock zu
ihrer Beute beftimmt hatte, erlöfen und freien. Aus ſolchen Sagen können
wir lernen, daß bie Götter den Dienft der Rieſen befeitigt und den ihri⸗
gen an die Stelle gefegt haben. Die Rieſen erſcheinen demnad als die
ältefte Götterbynaftie (S. 15), Götter einer frühern Cntwidelungsitufe
der Menfchheit. Als die Begriffe fi verfeinerten, und ein höherer Bils
dungöftand erreicht wurde, blieben bie plumpern rohern Götter der frühern
Berioven als Niefen ftehen, fahen fi aber aus dem Cultus durch ein
jüngeres geiftig überlegenes Goͤttergeſchlecht verbrängt. Daß fie ältern Urs
fprungs find al3 die Götter, weiß auch noch die Eoda und die Wala ſpricht
es aus in den Worten:
Niefen acht ich die Urgebornen.
Die Götter haben fie theild erſchlagen theils in wohlthätige Schranken ger
bannt. Allein die Götter felbit waren in ihrer Alteften Geftalt nicht viel
mehr als Niefen: Elemente und Naturkräfte liegen ihnen zu Grunde,
aus Raturgöttern find fie erft allmählich zu geiftigen Weſen, zu fittlichen
Mächten erwachſen. Die Begriffe von den göttlihen Dingen haben ſich
aus großer Rohheit nad) und nach geläutert und verfeinert: die Gtufen
$. 118. Riefen. Länterung der Begrife. 428
der Gntwidelung find neben einander ftehen geblieben und als Riefen und
Götter, ald ältere und jüngere Dynaftie waltender Weſen verkörpert. Die
Götter erſcheinen als Wievergeburten älterer Rieſen. Thrymr, der Thur⸗
fenfürft, war ein älterer Donnergott, S. 63. Dpins Beiname Wäfubhr
zeigt ihn als einen jüngern Wafthrübnir: beide bedeuten die bebende, war
bernde Luft, GDE. 762. Wenn er jegt mit ihm zu ftreiten geht und
ihn befiegt, fo ift darin eben ber Sieg der neuern, ſittlich und geiftig ger
faßten Götter über die Altern ausgebrüdt, in denen nur Naturträfte mals
teten, An eine Einwanderung ausländiſcher Götter, welde bie fpätere
balbgelehrte Sage annimmt, möchte ich babei nicht benfen. Jetzt erit ftan-
den Götter neben Rieſen, gute, geiftige Weſen neben feinbfeligen Dämo-
nen der äußern Natur, ‚de kalten und nächtlichen Winters, des ewigen
Eiſes, des unmwirthbaren Felögebirgd, des Sturmwindes, der fengenden
Hitze, des verheerenden Gewitterd, des wilden Meeres.’ Als Ablömmlingen
des Urriefen Ymir, des perfonificierten Chaos, den bie Götter eiſchlagen
muften, um aus feinen Gliedern die Welt zu bilden, ift ihnen Alles zu:
wider, ‚ma3 den Himmel und die Erbe wohnlih macht.‘ Uhland 16.
Denn die Elemente Hafen
Das Gebild der Menſchenhand. Schiller.
Jene Auferfte Confequenz, zu welcher dad Weltdrama brängte, übertrug bie
Rieſen dann aud auf das Geiftesleben, wo ihnen Alles Verderbliche,
Menſchenfeindliche zugewieſen wurde,
An Spuren einer mildern Anſicht fehlt es auch hier nicht. Der Fels⸗
wohner Degir, eigentlid ein Gott, ein Nebenbild des männlichen Hel, aber
feiner Verwandtſchaft mit ber Unterwelt wegen ven Rieſen beigezählt, heißt
Hymistwidha 8 barn teitir, froh wie ein Kind, und Thrym der Thur⸗
fenfürft, der die Hunde mit goldenem Halsbande ſchmüdt und den Mähren
die Mähnen zurecht ftrält, freut fich feiner rabenſchwarzen Rinder und der
heimlehrenden Kühe mit den goldenen Hömern, Thrymskw. 624. So ift
den Rieſen bei aller Plumpheit und Ungeſchlachtheit, welche in der deut⸗
ſchen Sage gern ald Dummheit aufgefaßt wird, doch etwas Gutmüthiges
und Treuberziges beigemifcht, ja es galt die Redensart: treu wie Rieſen.
Sie leben nod in der alten Unſchuld ver goldenen Zeit, die Gut unb
Boͤs nicht zu unterſcheiden gelernt, die inftinctartige Unmittelbarteit des
Daſeins noch nicht verloren hat.
Hierin ift allerdings die deutſche Anficht von der geiftigen Beſchraͤnlt⸗
beit der Riefen wohlbegründet ; fie entfpricht auch ihrer dunkeln Abkunft,
424 Kiefen. Woafthrudnir. Sonja nad Menja. Jettha. $. 118.
ihrer Verwandiſchaft mit der ſtarren, dem Licht undurchdringlichen Materie.
In der Edda fehen wir diefe alte und richtige Auffaßung fo meit ver⸗
jeugnet, daß den Riejen, weil fie vor den Göttern entftanden find, von
den urmeltlihen Dingen Kunde beiwohnt, die jenen abgeht. Als die Als
teften Gebilde der Schöpfung wißen fie von ihren Geheimnifien: es if
die Weisheit des Alterthums, vie fie befigen, mehr überlieferte und ‚ans
erſchaffene als jelbft erworbene Vernunft.‘ Darum befiegt auch Dpin in
BWafthrubnismal zulegt den allwißenden Jötun, mit dem er über die Lehe
ven ber Vorwelt zu ftreiten gieng, fo daß fi auch bier bie Meberlegen-
beit des Geiftes über die rohe finnlihe Kraft, die in ben Riefen vorge:
ſtellt ift, nicht ganz verleugnet. Doc fteht Wafthrubnir mit feiner Weis:
heit nicht allein: Fenja und Menja, König Frövis Mägde von Bergriefen:
geſchlecht, heißen vorwißend, framvisar ; zugleich ſcheinen fie zauberkundig,
S. 349. Eine Spur berfelben Anficht von der Weisheit ver Riefen fine
det fih auch im der Heidelberger Sage von jener Wahrfagerin, die von
ihrem Thurm auf dem SJettenbühel aus wie Velleda die Zukunft verfüne
dete ohne ihr Antlig zu zeigen: ihr Name Jettha bezeichnet fie als eine
Rieſin, Myth. 85. 436. Bon der andern Seite ift au die Bosheit der
Rieſen der deutfhen Sage nicht unbekannt; doch nur gereizt find fie hef⸗
tig und tüdifh, in ver Ruhe eher gutmüthig, immer aber plump und un ⸗
gefüge. Im Zorn (iötunmödhr) ſchleudern fie Felfen, entwurzeln Bäume
und ftampfen mit dem Fuß bis and Knie in bie Erde. Die Riefennatur
ſchildernde Züge ftellt Quitzm. 186 aus deutſchen Sagen zufammen: fie
waren fo groß, daß ihre Fußtritte in bie weiche Erde die Thäler bildeten.
Sie machten meilenweite Sprünge, von ben Xhränen bes Rieſenweibes
rühren die Flüße her und die Berge find nur Helme ber Niefen, bie
tief in der Erbe fteden. Für den Glauben an ihre Größe zeugen die
Märchen, daß man auf die höchften Bäume klettern mufte um an ihr Ohr
zu gelangen, daß ein Wagen in das Nafenlod des fhlafenden Niefen wie
in einen Hohlweg fuhr und daß fid vor ihrem Schnauben ver Wald bog
wie unter dem des nordifchen Riefen Skrymir.“ Ihre Unbeholfenheit, ihr
Trogen auf finnlihe Kraft und leibliche Größe, welche die menſchliche weit
überragt, macht fie auch zu großſprecheriſchen Pralern, da ihre KRörperkraft
mehr verſpricht al& ihre geiftige Dumpfheit zu halten vermag. Der Rieje
kennt nur finnlihe Genüße bis zur Trunfenheit und Weberfättigung: in
biefem Zuftand wird ber ‚Ioftmübe‘ Yötunn (Hymislw. 30) von Göttern
oder Helven bezwungen. Vortrefflich ſchildert wieder Hrafnag. 1 die Riefen
8%. 118. Riefen. Lage der Unterwelt. " 425
mit dem Cinen Worte threyja, erwarten, womit bumpfes Hinbrüten in
balbtruntener Unbeforgtheit gemeint ift.
Wenn in der Edda die Niefen von den Göttern bezwungen und in
mohlthätige Schranken gebannt find, gleichwohl aber die Herſchaft wieder
an fi) zu reißen hoffen, auch wirilich im legten Weltlampf wenigſtens noch
einen ſcheinbaren Sieg erkaͤmpfen, dann aber gaͤnzlich von der Bühne ver⸗
ſchwinden und einem geläuterten Goͤttergeſchlecht weichen follen, fo warb
der Antheil fittliher Ideen an biefer eigenthümlichen Geftaltung des Mys
thus nachgewieſen. Auch liegt darin fein Wiverfprud gegen die Grund
anfhauungen verwandter Böller, da der Kampf doch zulept zum Siege
des geiftigen Princips ausfchlägt. Auch in den deutſchen Sagen unters
liegen die Rieſen ven Helden: Götter und Helden bebeuten aber zuleht
nur den Menfchen und die Herſchaft des Geiftes über die Natur ift der
tieffte Grund aller Mythen von der Befiegung der Niefen.
Nah D. 8 ift die Erde Treißrund umd rings umber liegt baß tiefe
Beltmeer. Längd den Geelüften gaben die Götter den Rieſengeſchlechtern
BWohnpläge und nad innen rund um die Erbe machten fie eine Burg
(Midgard) wider die Anfälle der Rieſen. Diefe auffallende noh uns
erllaͤrte Stelle ift vielleicht fo zu verftehen, daß die Wohnpläge der Rieſen
ienfeits des nad ©. 107 als ſchmaler Reif gedachten Weltmeers
lagen, alfo in Utgard, dem außermeltlihen Gebiet. Diefe Ausbeutung
würde aud auf die Beziehungen der Rieſen zur Unterwelt Licht werfen.
Nach einer andern Anſchauung liegt die Unterwelt nit auf der Erde im
Norden, wo die Riefen auch nach Skirnisför wohnen, Myth. 521, fondern
unter der Erbe, im Schooße der Flut und ber hohlen Berge, zu melden
die Riefenhöhlen gleichfalls Eingänge darbieten. Wir begreifen jo, warum
Brynhild, ald fie im Wagen, nit wie andere zu Schiff, zur Unterwelt
fuhr, durd daß fteingeftügte Haus der Rieſin hindurd muß. Bei Her
moͤdhr, der neun Nächte durch tiefe dunkle Thaler ritt bis er an bie Giölls
brüde kam, welche Mödgubr bewachte, feinen fih beide Vorftellungen
zu verbinden, denn der Giölflug kann mit dem Strome fing, der Götter
und Rieſen fcheidet, fo wie mit dem ſchmalen Schlangenreif des Welt: und
Wendelmeers zufammenfallen. Nur Wimur, aller Ströme gröfter, S. 278. 9,
macht noch Schwierigfeit, denn D. 60 fand hör die Grid, in der wir
die Hel ertannt haben, ſchon ehe er durch Wimur matete und Geirröbss
gard erreichte. Aber ähnlich ergeht es dem Thorlill, als er zu Geruthus
wollte: er kommt zu Gubmund, Geruths Bruder, dießſeits des erbums
426 Riefen. Sünenbetten. %. 119.
ſchließenden Weltmeers, das hernad als Fluß erfcheint, über den eine
golvene Brüde führt. Vgl. 6.279. Er gelangt jedoch hernach an das
andere Ufer. Wenn aber Gubmund — Asmund, d. h. Odin wäre, der
als Unterweltögott gedacht wird, fo begriffe fih, wie aud Grid dießſeits
des gröften aller Flüge wohnen könnte, wenn wir auch von ben untermelt-
lihen Gebieten nod feine Hare Borftellung gemwännen.
119, Benenuungen,
Der allgemeinfte nordiſche Ausbrud ift iötunn, pl. iötnar. Cine
verkürzte Form des Wort erfcheint in dem Namen des alten Riefen Forn⸗
tote, woraus ſich zugleih das ſchwediſche Jätte und felbft jener deutſche
Name Jettha erklärt. Die Wurzel des Worts liegt in dem gothifhen itan,
hochd. eben: ihr Name bebeutet edax, fie find vom pen, von ihrer Ger
fräßigkeit genannt. Dagegen führt ber andere Name thars, der richtig
verfhoben in dem ſchweijeriſchen Durs (nieverb. Drus) erſcheint, auf das
Zrinten zurüd. Die Thurfen find die Durftigen, Dürren, deren Gaum
nad Trank lechzt, und fo brüden beide Namen ‚unmäßige Gier nad) Trank
und Speiſe“ aus. Myth. 489. Doch verfteht Rochholz II, 30 den Durs
ala den Kühnen, gaturstigan. „‚Enteriih‘ Leopr. 35. 43 für unheimlich
tommt vielleiht von einem britten Namen: agj. Ent, hochd. Enz, wovon
der mythiſche Enzenberg (Infelberg) benannt fein wird; er ift aber ‚glei
dem jetzt geltenden ‚Riefen‘, das ſonſt mit m amlautete, noch unerllärt. In
neuern niederl. Dialekten heißt der Niefe Reuſs, was wieder auf einen
Bollsnamen ſchließen ließe, wenn wir nicht wüflen, daß bie ältefte Form
wrise war. Enta geveorc, altes Gewirte der frühern Landesbewohner, wird
ahnlich gebraucht, wie von cylopiihen Mauern geſprochen wirb: gemeint
ift ein älteres riefenftartes Gefchleht, dem man Werke zufchrieb, melde
die Kraft der jepigen Menſchen überfteigen würden. Vgl. Duigm. 88.
So räth Grimm aud bei den Jötunen auf Berührung mit ältern längft
auögewanderten riefenhaften Berohnern des Landes, deren Namen die
nadhrüdenden Jüten, ein beutiher Stamm, behielten; bei den Thurfen
auf Zufammenhang mit den Tyrſenern (Etrustern). Denfelben Doppel
finn fheint das nur im eigentlichen Deutſchland vorlommende Hun zu
baben, nur daß es noch entſchiedener Vollsname ift. Bekannt find die
Hünenbetten Weftfalend und der Wefergegend, womit riefenhafte Grab: und
Dpferhügel (vgl. 368) der Vorzeit gemeint find, wobei Kuhn WE. I. 110
$. 120. Riefen. Ditte. Lübbe. 47
noch erinnert, daß die Künenbetten aud häufig Altarfteine oder Heiden
altäre heißen. Aber au die fog. Ringwälle, treipförmige aus Steinen
gefügte Ummallungen deutſcher Berge, heißen ‚Hünenringe‘; fie tommen jes
doch aud in ebenen Gegenden vor: überall aber denkt man bei bem
Borte Hüne bald an Niejen, bald am frühere Bewohner des Landes.
Mhd. bedeutet Hiune fon einen Unterthan Epels, deſſen Land man nah
Ungarn verlegte, während die Edda unter Hünaland Sigurds deutſche
Heimat verftand. Ein König Hün erſcheint im agf. Wandererslied ala der
fagenhafte Stammvater der Hätiveren oder Chattuarier. Im Hildebrands ⸗
lied, wo Habubrand feinen ihm unerfannten Bater alter Hün! nennt, kann
Doppelfinn walten, indem zwar ſchon an einen Unterthan Epels, aber zu:
gleih nod an einen Riefen gedacht wäre. Das altn. hünar wird nie auf
Riefen bezogen; doch könnte aus Hymir, den Thör in der Hymislw. bes
fiegt, Licht auf die Bedeutung des Wortes fallen, wenn der Name’ nicht
felber dunkel wäre. Nah Myıp. 496 hienge er mit hüm, Dämmerung,
zufammen, weshalb ihn Uhland 158 als Dämmerer, Grimm 1 c. als
trägen, jchläfrigen auffaßt. In der Abh. über die Namen des Donnerd
macht er ihn aber mit Ymir zum Donnerriefen. In nieberfähfiihen Ge⸗
genden bezeihnet Lub be einen plumpen Niefen, zugleich aber aud einen
unbeholfenen, trägen Menfhen. Ebendaſelbſt kommen auch Dutten vor,
mit dem Epitheton ornans dumme Dutten, Myıb. 511, Müllenhoff 92.
Auch Lübbe, Lüppel bedeutet einen plumpen ungefhidten Menſchen. Der
Name der Opgien gehört nur den Rieſinnen; fo auch Skäss, ein Reutrum
wie Troͤll, das aber für beide Geſchlechter gilt und jedes unheimliche Uns
gethüm bezeichnen, jedoch auch elbijhe Weſen mitbegreifen kann,
120, Bergriefen.
Weit verbreitet ift die Sage von ber Niefentochter, die vom Gebirge
nieverfteigend einen pflügenden Aderämann findet, dem fie mitfamt den
Dchſen in die Schüge fharrt und heimträgt, denn fie fieht fie für Erb:
mürmer an und zeigt fie dem Vater daheim mit kindiſcher Freude an dem
artigen Spielving. Aber der alte Riefe jhmält mit ihr und fagt, das
fei fein Spielding: Thu's fort mein Kind: fie gehören zu einem Bolt,
das den Riefen großen Schaden zufügt: wir müßen weg aus biefem Land
und fie werben hier wohnen.‘ Wie winzig Mein der Menfd neben ven
ungeheuern Rieſen erfcheint, fo graut doch dieſen heimlich vor ihm: bes
428 Sergriefen. Jaruſara. Rohadirl. $. 1%.
ſonders ift ihnen der Aderbau verhaßt, weil er fie zur Auswanderung
zwingt. Die Riefen vertreibt bie Cultur, welche die Wälder lichtet und
ſelbſt Gebirge urbar macht, das wilde Steinteih bewältigt, das in den
Rieſen vorgeftellt iſt.
Daß die Rieſen das Steinreich bedeuten, das Alter iſt als Pflanzen
und Thiere, tritt hervor, wo ſie Bergrieſen heißen, in Felſenhöhlen
hauſen, Steinkeulen und Steinſchilde, auch wohl Eiſenſtangen und Kolben
zu Waffen führen. Darum heißen fie auch ſteinalt, alt wie das Stein⸗
rei, wie ber Weſterwald, der Böhmerwald; darum erftarren fie, gleich
den Bwergen, zu Stein, wenn ein Stral der Sonne fie berührt. Jener
Bug läßt fogar die Deutung zu, daß fie, bei Licht betrachtet, nichts feien
als Felfen und Berge, nur die Nacht, welche bie Einbildungskraft entbins
det, ihnen Leben und Bewegung verleihe. Cine Riefin beißt Jarnjara,
die Eifenfteinige, und im Gifenwalde (Jarnwidr) wohnen die Jarnwidiur
S. 26, von denen eine die Wölfe gebiert, die Sonne und Mond verſchlin⸗
gen follen. An dieſe Riefinnen des Eifengefteins erinnert es, wenn deutſche
Sagen der Roggenmuhme ſchwarze lange Bigen zuſchreiben, wie aud von
einer eifernen Bertha die Rede ift (Myth. 445) und Grid nah ©. 144.
277 Eiſenhandſchuhe wie ihr Eohn Widar den Eiſenſchuh trägt. Die
Roggenmuhme, die auch Roggenmör heißt, könnte auß Roden: d. h. Fels⸗
muhme entftellt fein, und das Rodenweibele, Rodabirl (Panzer $.89),
gleiher Bedeutung unterliegen, ja eine dritte Auffaßung des Worts, bie
Beziehung auf die Spindel $. 114 erft durd die fpinbelartige Geftalt
des Felſen (rooca, roche) vermittelt fein. So hat der Riefe Hrungnir
ein Haupt von Stein und ein fteinernes Herz in der Bruft, und auf biefe
Steinnatur ber Rieſen bezieht es ſich, daß ihmen XThör, ber Gott des Ger
twitter, als Hercules Saranus die Häupter fpaltet, denn feine Aufgabe
iſt, den harten Felsgrund in baulihes Land zu wandeln. Aber weder
befchränten fi die Riefen auf diefe Bedeutung wilder Felsungethüme, noch
Thoͤrs BWirkjamfeit auf die Begünftigung des wälderrodenden Aderers: die
Riefen find überhaupt die wilden maßlofen Naturkräfte, melde der Menſch
belämpfen, in Schranfen bannen muß. Gr bedarf aber dazu göttlichen
Beiftands, und dieſen leiftet ihm vornamlih Thor. Die Mythen von
den Riefen bilden darum bie Kehrſeite der bereit3 abgehanvelten von Thör.
Doch ift hierhin $. 82 ver Nachweis verſchoben worden, daß Thoͤr gegen
Sturms, Feuer und Waßerriefen den Schuß der Menfhen übernommen
habe. Die Erde gilt Uns aber jegt für das vierte Glement, und biefem
$. 1%. Stan Hutt. 8. Wahmann. Pergleifherung. 429
entſprechen die Bergriefen, da fie in Erbhöhlen wohnen. Indes ſcheide
ich fie von den verwandten Reifriefen nur überfchaulicher Darftellung wegen.
Sie fallen infoern zufammen ald fie in dem Begriff der minterlihen
Kälte ein Gemeinfchaftlihes haben. Bon dem rauhen Gebirge wehen bie
talten Winde her, die den Winter bringen. Eine Höhlenbewohnerin ift
Hyndla (canicula) ©. 358, und Guttungr, Gunnlöds Bater $. 76
iſt ein Bergriefe; der ältefte von allen aber, ſchon dem Namen nad,
Berggelmir, 5.18. Selbſt der den Reifriefen näher ftehende Thrym,
den als Altern Donnergott Thör verbrängte, wird einen Bezug auf das
Steingebiet gehabt haben: das nad ihm benannte Thrymheim, hernach
Thiafjis, zulegt Stadis Wohnung, lag in den Bergen; Frau Hütt (DS. 314)
iR eine verfleinerte Riefenkönigin;; fo wird aud Adnig Wahmann (Bechſt.
Deftr. 6. 67), bie drei Brüder (Bingerle ©. 425), ber Niefe Serles, (Alpenb.
M.u. 6. p. 34.259), die fieben Schweftern bei Oberweſel (Rheinf. 211) und
Hans Heiling (DE. 325), wenn er nicht ein Zwerg ift, aufzufaßen fein.
Selbft das Riefengebirge hat feinen Namen nicht ſowohl won feiner Höhe
als weil feine Gipfel der Einbildungskraft als Rieſen erſchienen. Auch
die felſenſchleudernden Riefen find wohl Bergriefen: fie werfen Pflugſcharen,
Streithaͤmmer und Aerte, vielleicht einft Donnerärte und «Keil, M. 510.
530. In der deutfhen Sage wird ‚die Verfteinerung, die in der Natur
der Riefen begründet ift, als die Strafe der Ungaftlicleit und gottver-
geßenen Uebermuth3 aufgefaßt. In den Alpenländern ift es die Berglet:
ſcherung (Bernaleten 154) und Verſchüttung (Alpenb. 239), die
zunaͤchſt als Gotteögerichte ericheinen, während es anderwaͤrts bei Uhlands
Worten bleibt:
Verſunken und vergeßen, das if des Sängers Fluch.
In den Märchen verfinten ganze Königreiche und fteigen bei der Erlöfung
ober bei den Sonnenwenden wieder ans Tageslicht.
Da Berge bewaldet find, jo gehen die Berg: in Waldriefen über,
in bie wilden Männer, Walde, Moos» und Holzleute, zu denen auch
Schrate und Schrägel zählen; mit dieſen aber verlieren fie ſich unter den
Zwergen.
As ein Waldrieſe iſt Witolt dder Widolf durch feinen Namen be⸗
zeichnet, wenn er nicht den Zerſtörer des Holzes, alſo einen Sturmrieſen
bedeuten fol. Dem entſpricht der Widolf der Heldenfage, der über das
Maß feiner Riefenbrüder hinausragt und fo ungeftüm if, daß man ihn
in Feßeln legen muß, wenn er nicht in der Schlacht gegen ben Feind ger
430 Waldriefen. Witt. Widelf. 8. 121.
braudt werben fol. Weil er, wie die Riefen pflegen, eine Gifenftange
trägt, heißt er gewöhnlih Widolf mit ver Stange. Nirgend verleugnet
Widolf feine Niefennatur; aber ſchon Witegoumo und noch entſchiedener
Wittich (Witege), der nad Müllenhoff Ziſchr. XI, 257 mit ihm zufame
menfällt, erfheint als Held. Vielleicht gehört auch Widikunna (S. 368)
bieher. on einem andern Widolf ſollen nah Hyndlul. 32 alle Wölen
ftammen; bei Saro VII, 122 heilt er den Halfvan, der nad) einer
verlorenen Schlaht in den Wald geflüchtet if. Zum Weißagen, das
der Wolen Gefhäft ift, tritt hier eine halb zauberifhe Heiltunde, die
den Waldgeiftern öfter und nicht ohne Grund zugeſchrieben wird, da die
Waldluft ftärft und der Waldboden heilfräftige Kräuter und Wurzeln bietet.
So hatte auch Wate feine Heiltunft von einem wilden Weibe gelernt. In
Widolf, nit in Widar ift das geheimniſsvolle Waldleben perfönlih ge:
worden, Uhland 203, fo daß ung hier ein Reſt jener günftigern Auffaßung
der Niefen vorliegt.
121. Die Neifriefen,
Neben Bergriefen, die dem Steinreich angehören, begegnen uns in
der Edda Reifriefen, Hrimthurfen. Neif ift bier im meitern Sinne
Kälte, Schnee und Eis: wir haben die Reifriefen als roftriefen zu ver-
ftehen. Die Kälte kommt, wie wir fehen werben, nur in Betradt fo fern
fie von rauhen Winden hervorgebracht ift. Wir könnten fie Luftriefen nen:
nen; da fie aber nie die ftille fanftbemegte Luft beveuten mie Odin als
Biflindi, fondern immer nur bie aufgeregte, fo heißen fie beßer Sturmriefen.
Ymir feldft, der Urriefe, entiprang aus Eis und Schnee, da er aus den
urweltlichen Eiöftrömen hervorgieng. Ueber den Winter und fein Geſchlecht
vgl. $. 16. Hrimnir, Hrimgrimnir find Niefennamen, mit lehterm wirb
Slirnisf. der Gerda gedroht. Hrimgerbr iſt Hatis Tochter, mit welcher
Atli fih Helgatw. I, 12 in einen wahrhaft homerifhen Schimpfwoͤrterſtreit
einläßt. Darüber erftarrt fie zulept zu einem Steinbilde, und wenn wir
fie und auch in einen Eisberg oder Gletſcher verwandelt dädhten, fo bliebe
doch die Berührung mit den Bergriefen auffallend. In der Hymishoida
iſt der Winterriefe dem fommerlihen Thör gegenüber vortrefflich geſchil⸗
dert: Gletſcher dröpnen, als er eintrat, fein Kinnwald ift gefroren, die
Säule zerfpringt vor feinem Blid, was die zerjprengende Gewalt des Froſtes
bedeutet, Uhland 158.
$. 121. Reifriefen. Atwaldi. Chief. 481
Auch außerhalb des Mythus von Thoͤr begegnen uns bie Froftriejen.
Fornjott, der alte Rieſe Ymir, hatte drei Göhne: Akri, Hlör (Degir) und
Logi, den drei Elementen Luft, Waßer und Feuer entſprechend. Kari ift
zugleich Sturmgott, und in feinem Geſchlechte finden wir viele Perjonifie
cationen des Froftes, weil die Winterſtürme es find, welche Eis und Schnee
herbeiführen. Unter feinen Nachlommen erfcheinen Frofti, Joͤkull Eisberg,
SnörScänee, Fönn dichter Schnee, Drifa Schneegeftöber, Miöll feins
fter und glaͤnzendſter Schnee. Mögen diefe perfonificierten, dem nordiſchen
Binter entnommenen Borftellungen nur ald unterfte Anfäge von Mythen⸗
biloungen erſcheinen, hier und ba find fie zu durchgeführten Mythen er⸗
wachen, von welchen uns wenigſtens Nadllänge erhalten find. So bei
der Werbung des Dänenlönigd Snio um die junge Königin von Schwer
den, welder der Bote zuflüftert: Snio liebt did, worauf fie kaum hörbar
erwiedert: ich lieb ihn wieder. Die verftohlene Zufammenkunft wird dann
zu Anfang des Winters beftimmt. Saro VII (Müller) 414. So ent
führt Frofti die lichtgelodte Misl, die Tochter des Finnenlönigs Snär,
und faßt fie unter dem Gürtel, worauf fie rafch im Winde dahin fahren
(FUS. IU, 654—658). Bol. Uhland 35, Peterſen 81. Wir kennen
aud ſchon $. 111 aus Karis Geſchlecht Thorris Söhne Nor und Gor
und ihre Schweiter Göi, und von Froftis Tochter Stiälf und ihrer Rache
an Agni war $. 115 die Rebe.
ALS Sturm und Froftriefen, die dem Geſchlechte Karis einzureihen
wären, haben mir ſchon Thrym und Thiafji, Rieſen der Herbſt- und
BWinterftürme, fowie Beli, einen Riefen ver Frühlingsſtürme, erkannt. Als
waldi oder Aelwaldi, Thiaſſis Vater, war fehr rei an Gold, und als er
ftarb und feine Söhne das Erbe theilen follten, da maßen fie das Gold
damit, daß ein Jeder feinen Mund davon voll nehmen follte, Einer fo
oft als der andere. Einer diefer Söhne war Thiaffi, der andere Idi, der
dritte Gänge, D. 54. Uhland 119 nimmt Aelwalvi und feine Söhne
für Winde: der Vater, der Ael herbeifchafit, ift der Negenwind; fein Gold,
die aufgehäuften Schäge, find die Wolten. Wenn der Regenwind weicht,
fällt das Erbe den übrigen Winden anheim: es wird mit dem Munde
getbeilt, zerblafen, zerftreut. Dagegen faßt fie Peterfen 95 ald Waßer:
weſen. Thiaſſis Tochter wäre der wilde Bergftrom, ber fih dem Meere
vermäßlt, dem ruhigen Haff, was aber ihr Erſcheinen ala Wintergöttin
mit ven Holzſchuhen nit erläutern würde. Weinhold Niefen 12. 16.27.
45 identificiert fie den brei Söhnen Formjots, indem er Gang auf die
433 Reifriefen. Egdir. ‚Runfe. %. 121.
Flut, Thiaſſi (den raufchenden) auf die Luft, Idi auf das Feuer bezieht,
wobei aber der Mythus ungebeutet bleibt. Noch die heutige Sprache
nennt den Sturmwind Windsbraut, was ganz törtlic zu nehmen ift.
Nach einer maͤrliſchen Sage (Kuhn 167) war fie ein Edelfräulein, welche
die Jagd über Alles liebte und glei) dem wilden Jäger verwänfcht warb,
in alle Ewigfeit mit dem Sturm dahin zu fahren, Myth. 599. Ueber
Hraͤſwelgr, von dem aller Wind entfteht, vgl. S. 31; über Fafolt und
Mermeut 9.123. Wie Hräfmelgr ift Egdir als Adler gedacht, der ſcha⸗
denfrohe Sturmriefe, den die Wölufpa der Riefin Hirten nennt, ber bei
Einbruch des Weltuntergangs auf dem Hügel figt und fröhlich die Harfe
ſchlagt. Vgl. Uhland Germ. II, 345. Wie Mermeut fo ſchweift auch Ehrä-
wung Germ. IV, 83 zu den Waßergeiftern hinüber. Dasfelbe möchte man
von Runfe, Edes Vaterſchweſter, nad der Vorreve zum Helvenbud der
Mutter Zerres und Welverih3, urtheilen, die genauer eine Bergwaßerriefin
ift. Weinhold 46 befchreibt fie als ‚ein wildes, müftes Wald: und Alpenweib
von ſchredhaftem Ausſehen; doch find ihre Wirkungen noch ſchredlicher,
jene Schlammgüße nämlich, die bei heftigem Regen aus ben Hochgebirgen
nieberftürzen und Erde, Bäume, Hütten und Felſen fortreißend über die
Abhänge und Thäler die graufigften Vermüftungen ſchütten. Solcher Run
fen haufen in den Tyroler und Schweizer Alpen leider viele, und auch
die norwegiſchen Gebirge ſcheinen fo böfe Riefinnen zu kennen, denn Leir⸗
wör, die Lehmige, Schlammige mag niemand anders ald eine nordiſche
Runfe fein.‘ J
Jener Baumeiſter, der den Göttern eine Burg gegen bie Anfälle der
Riefen zu bauen verſprach (8.25), ergab ſich felbft ald einen Sturm: und
Feoftriefen. Diefer Mythus klingt in Deutſchland vielfad nad; aber fein
Bezug auf den Winterfroft, der doch in Winterbring $. 106 erjcheint, ift ver⸗
duntelt, wobei Chriftentbum und milderes Clima zufammenwirkten. In der
Geftalt, welche der Mythus von Thoͤr⸗Hercules in der Hymiskw. annahm, ift
die nordiſche Färbung unverlennbar, obgleich auch bei und der Winter als
Menfchenfreßer vorgeftellt wird, Colsh. 38. und bei Bingerle Sagen 331,
Banzer II, 112 ein Rieſe Lauterfreß, Leutefteßer heißt: das if der Wins
ter felbft, ver jaͤhrlich manches Menfchenleben erftarren Taft. Cine mens
ſchenfreßende Riefin ift auch die Strägele, mit der man Meinen Mädchen,
unfleipigen Cpinnerinnen, droht. Die Strägele hat aber mandmal zur
Veitürzung der Mütter aus dem Scherz Ernſt gemadt. Zu ben men:
ſchenfreßenden Rieſen und Rieſenweibern, die an den Oger (Drcus) 6. 286
8. 121. Senggen. Wildfang. 's Grufgk. 488
gemabnen, gehören außer dem Drco felbft (Alpenb. 56) auch die Fenggen
des Montafuner Thals, Graubündens und Tyrols bei Vonbun 1 und Zin:
gerle I, 57; doch fheint fie der Name zu den Sumpfgeiftern zu ftellen,
wodurch fie zunaͤchſt an Grendel $. 122 erinnern. In Tyrol heißen fie
auch Waldfenggen und fo verftehen mir jept erft das Wort ‚Wilbfang‘.
Die Sage ſchildert fie ſchauerlich haͤßlich, mit borftigem Haar über ben
ganzen Leib, aber nur weiblichen Geſchlechts, während die mildern Wald:
fänfen Vorarlbergs und Graubündens auch männli find. Die ſeltſamen
Namen der erftern ‚Stußforche, Rohrinta’ u. ſ. w. f&hildern fie als Jmidien -
(Dryaten.) Auch ift ihr Leben an den Wald gebunden: wird er geſchla—
gen, fo ſchwinden fie. Um dem Hungergelüft ihrer fheuslihen Väter zu
entgehen, nehmen ihre Töchter gerne Dienfte bei Menſchen, und begnügen
fich mit dem Schaum der Mild zum Lohn. Ihre Wildheit Iegen fie jedoch
nit ab. Allmaͤhlich fhrumpft aber ihre Riefengeftalt ein; die Rutfci:
fenggen bed Voralbergiſchen Kloſterthals gehören vollends zu den Zwergen.
Ihre Gemfenfehnelle gewinnen fie in Montafun durch Ausſchneiden der
Milz, und weil fie die Milch gezähmter Oratthiere, die fie ihre Kühe nen:
nen, genießen, wißen fie nichts von Schwindel, au wenn fie über Abs
gründe fpringen. Auch Heidelbeeren und Gier von Schnee und Berl:
bühnern lieben fie; aber mit den Bauern mögen fie nicht eßen: von fo
roher Nahrung, womit Menſchen verlieb nehmen, fürdten fie den Tod.
Ihre lakoniſche Ausdrudsweiſe und mande ihrer Namen erinnern daran,
daß es eine eigene Sprade für die verſchiedenen Goͤttergeſchlechter giebt.
Sie find kluge Rathgeber, aber oft liegt etwas Launiges in ihrem Rathe.
Die Gemeinde Tenna in Graubünden fieng einen großen Bären, ber ihr
viel Schaden zugefügt hatte: dafür wollte fie ihn graufam beftrafen und
an dem wilden Brummer ein Grempel ftatuieren. Da trat ein Wilbfangg
unter die Verfammlung und fagte: ‚3 Grufigft ift, laet 'n hürote“. gl.
Bonbun Beitr. 44—65. Bernalelen Alp. 208 fi.
Nahe verwandt ſcheint der Tyroler Lorg, ein einäugiger Riefe, ver
fi) auch als gefpenftiger Reiter zeigt, jo daß Name nnd Erſcheinung an
Odin ald Unterweltögott erinnert. Bingerle Sagen 1859 und N. 2. 3.
134. 5. 134. 8. Die Drfelen 6.51.69 Orgen 6.63 feinen eher zu den
Biwergen zu zählen und vom den Norgen (Nörglen) nicht verſchieden.
484
122. WBaßerriefen.
Der andere Sohn Forniots, Hlör oder Degir, der mit Gymir zu
fammenfält, hat kein fo weit verzweigtes Geſchlecht als feine Brüder. Wir
haben ihn ©. 336. 334 ald Nebenbilo unterweltliher Gottheiten erkannt.
Obgleich dem Niördr, der das beruhigte, ſchiffbare Meer bebeutet,, entge ⸗
gengefegt und dem diebiſchen Agez $. 125, identiſch, ja der räuberijchen
Ran vermäplt, ift doch auch Er wieder milder aufgefaßt worden: die Götter
lagen fih mit ihm in ein Gaftverhälnif® ein, das gegenfeitige Ber
fuche herbeiführt. Jaͤhrlich zur Zeit der Leinernte, die in den Geptember
fält, wenn bei dem Wehen fanfterer Lüfte, die in Degisdt. als Beyggwir
und Beyla vorgeftellt find, dad Meer ein wirthlicheres Anfehen gewonnen
hat und Degird Braufehel, die offene See, dem Verſchluße des winterlihen
Hymir entnommen ift, trinten die Götter Ael in Degirs Halle, die er mit
Goldlicht beleuchtet: die in der Tieſe der See verfunfenen Schäge ſcheinen
zur Crllärung des Meerleuhtens verwendet. Degir hat zwei Diener,
Funaſenger (Feuerfänger) und Eldir (Zünder): erftern erihlägt Loli. Soll
uns dieß anbeuten, daß Degirs Golbliht den Glanz des gewöhnlichen nicht
erreihe? Als Gymir ift der Meergott Degir deutlicher ald Unterwelts«
gott dargeftellt. Orboda ift feine Gemahlin, feine Tochter Gerda, von des
ren weißen Armen Luft und Waßer wieberftralt, worin Finn Magnufen
das Norblicht angedeutet fah, was jenem Meerleuch ten zur Eeite tre:
ten würbe. Seinen Sohn Beli erfhlägt Freyr mit dem Hirſchhorn, den
wir auf den Blig gedeutet haben; nur darüber bleiben wir im Unllaren,
wann dieß geſchah. .
Bon Degir dem Meergott hat Tegner eine fhöne Gage gebichtet,
melde ich ausheben wil um zu zeigen, wie unfere Mythologie ber
Fortbildung fähig if. ‚Auch Ellida gehörte,’ leſen wir in ber Frithiof⸗
Tage, 24 \
das Schiff, zn den Schätzen des Haufes.
Wiking, fegelte, heißts, da er heimzog einſt von der Heerfahrt
Hin am heimiſchen Strand. Da ſchaukelt' ein Mann auf dem Schiffewrac
Sorglos Hin fi und her als ſpielt' er nur fo mit den Wogen.
Hof war der Mann und ebler Geftalt und offen von Antlitz,
‚Heiter, veränderlich doch wie im Schimmer der Sonne das Meer fpielt.
Blau war der Mantel, der Gürtel von Gold und befegt mit Corallen,
Weiß ihm der Bart wie die jhäumende Flut, doch das Haar war meergrün.
3. 128 sit. Grendel. Besweif. 485
Wiling flenerte hin mit der Gchuede, den Armen zu xetten,
Nahın den Erfarrenden beim in fein Haus und verpflegte den Fremdliug:
Doch als der Wirth ihm das Bett anwies, da lacht' er und fagte:
‚But iſt der Wind und mein Schiff, wie du fahft, nicht ganz zu verachten:
Hundert Meilen noch Hoff ich gewifs vor Abend zu fegeln.
Habe doch Dank des Erbietens, denn gut iſts gemeint. Gin Gedächtniſs
Ließ' ich dir germe zurück; doc; mein Reichthum liegt in der Tiefe.’
Tages darauf fand Wiling am Meer, und fieh wie ein Seeaar,
Wenn er bie Beute verfolgt, in bie Bucht einlief ihm ein Drachſchiff.
Niemand fah man darauf, ja es ftand ſelbſt Keiner am Steuer;
Dennod fands den gejchlängelten Weg durch Klippen und Scheren,
Gleich als bewohnt es eiu Geiſt, und ala es dem Strande ſich nahte,
Wefite das Segel ſich ſelbſt, unberührt von menfchlichen Händen
Sentte der Anker ſich nieder und biß mit dem Zahne den Seegrund.
Stumm fand Wiking und fahs: da fangen die fpielenden Wogen:
‚Degir gebenft, ben du bargeft, der Schuld und ſchenkt bir ben Drachen.‘ ,
Königlid; war das Geſchenk: da® Gewölbe der eichenen Planken
Hatte die Kunft nicht gefügt, fie waren zuſammengewachſen.
Lang wars geftredt wie ein Drache der See; doch mächtig erhob ſich
Ueber dem Halfe das Haupt und von Gold roth glühte der Rachen.
Blau war der Bauch und golden geſtirnt; doch hinten am Steuer
Schlug es in Ringe den mädtigen Schweif, der von Silber geſchuppt war.
Spreizt' es die ſchwärzlichen Flügel mit röthlihen Saume, fo flog es
Hin mit dem Sturm um bie Wette, daß felber der Adler zurüdblieb.
Fullten gewappnete Männer das Schiff, fo erfchien es dem Bfid, ale
Schwimmende Königsburg, als wellengetragene Feftung.
Weitberühmt war das Schiff als das befle der nordiſchen Segler.
Auch Grendel ift ein Meerriefe und dem Degir nahe verwandt;
felbft darin, daß feine Halle ein bleiher, von den gefammelten Schägen
außgehender Schimmer erhellt. Vgl. F. 95. Wir haben hier eine der deut⸗
ſchen Nordſeeluſte angehörige Mythe, die nady England ausgewandert feinen
Sinn mehr hatte. Grendel und feine Mutter find verderbliche Dämonen
des wilden büftern Meeres, das im Frühling gegen die weiten flachen
Käften anftürmend jene ungeheuern Bermwüftungen anrichtet, welche Goethes
Fauft im zweiten Theil, da er auf dem Mantel einherfegelt, mit Schau-
dern gewahrt und ſich als jüngfter Beomulf zur Lebendaufgabe fept, ihnen
durch Deihe und Uferbau zu mehren. Im hohen Alter kämpft Beomulf
noch gegen einen Drachen, den er befiegt, aber von feinem Feuer über
fprüht das Leben läßt, wie Thor im Iepten Weltlampf die Midgardſchlange
erlegt, aber von ihrem Gifte töptlid getroffen zu Boden fintt. Auch diefer
486 Draden. Gelce- Gelret Pant. 8. 122.
Drade, ver fih nad der (im Gedicht entftellten) Sage wie Fafnir in
einen Riefen wandeln konnte, bei dem aud der Schat nicht fehlt, den jener
bütet, ift ein Waßerweſen: die Vermüftungen, die er anrichtet, beziehen
ſich aber auf die Herbftzeit, wenn bis zum Eintritt des Winters aber-
mals die Stürme toben und Fluten die offenen Meerestüften bebeden.
Das Bild des Drachen für die anftürmende verwüftende Flut ift ein ans
ſchauliches; aud Flüge und Bäche, deren Austreten gleichfalls Zerftörun:
gen anrichtet, und den Schatz der Erde, die Ernte, raubt, werben in ben
Sagen ald Schlangen vorgeftellt,. wozu ihr Schlangengang ftimmt. Müllen⸗
hoff, dem wir diefe ſchoͤne Deutung verdanken, bezieht aber ven Beomulf,
der und an Thoͤr erinnerte, Zeitſchr VII, 439 ff. auf Steyr, der nach
einigen Grzählungen Saros gleichfalls ala Draentämpfer erſcheint, W.
Müller Ziſchr. III, 40, woraus fih aud Siegfrieds Drachenkampf verftän-
digt. Allein imHerbft hat Freyr fein Schwert, den Sonnenftral, hin⸗
" weggegeben, und fo kann er hier nit als Drachenkampfer auftreten. Vgl.
M. Beowulf 195. Die Draden und Würmer der Boll und Helvenfage
find aber überhaupt Waßerungethüme, Rochholz II, 13 ff, und in dem
Worte Lind wurm ſcheint Lind Sumpf zu bebeuten. Ausprüdlid wird
ein auöbrehender See als Drache aufgefaßt Bingerle Sagen N. 157.
159. 214. 215. In ver Chronik von Erkelenz findet man nah Rheinl.
370 die Abbildung eines Drachen, aus deſſen Munde die Worte Gelre
Gelre! gehen, denn durch dieſes Gefchrei joll er dem Lande den Namen ge:
geben haben. Unter Karl dem Kahlen erſchlugen ihn nämlich die Söhne
des Herm von Pont, Widart und Lupold, worauf fe das Volk zu fei:
nen Bögten erkor. Diefe erbauten dann an der Stelle, wo fie das Thier
erjchlagen hatten, eine Burg und nannten fie Geldern. Fafen wir den
Drachen hier wieder als verheerende Flut, fo weift der Name der Herrn
von Bont deutlich auf die Brüde, durch melde Thör nad 280 überſchwel-
lenden Bergitrömen das Genid bricht. Für den zu Grunde liegenden
Mythus halt Müllenhoff VII, 431 den von Britra, d.i. der verhüllenden Wolle,
die von Indra getroffen als Ahis (anguis) herabſtürzt. Näher liegen
uns freilich Thor Kämpfe mit der Midgardſchlange. An Grendel erinnert der
fhon von Grimm M. 222 nachgewieſene Wapergeift, deſſen Grideinen
eine Feueräbrunft bedeutet. Da fein Name den Berberber bezeichnet, fo
Tann er auch im Elemente des Feuers walten. (Gervafius v. Tilbury bei
Liebr. 30. 131). Grendel gleicht in allen Zügen dem tyroliſchen Blutr
ſchink, Alpenb. 59; nur daß er in Geſtalt eines Bären auftreten foll, ſcheint
8. 122. Siutfhink. Veswnlf und Haymen. 487
Verwirrung, vielmehr war es nad dem Märe von dem Schretel ein Bär,
der feinem Unfug ein Ende machte. Vgl. M. Beowulf S. 117. Der Ser,
worin der Blutſchink ſich aufhielt, ward durch ein Erbbeben famt feinen
Dämmen verfhüttet: Grendel erlag dem Gott des Getwitterd; unheimlich
und ſchaurig wird die Lage beider Geefümpfe beſchrieben. Nähft dem
Märe von dem Schretel und dem Waßerbären zeigt au die bei Iniprud
angefiebelte Gage von dem Niefen Haymon (Bingerle Sagen 89) mit
Beowulf bei aller Entftellung Verwandtſchaft. Er kämpft erft mit Thyrſus,
den jchon fein Name als einen Riefen bezeichnet, ver hier aber dem Grendel
entfpricht, zulegt mit dem Drachen, wo allerdings ber Ausgang abweicht.
Der Kampf mit Thyrſus hat bei dem Seefeld an einem Bade Statt:
‚Bu Seefeld er fein Wohnung hätt, da noch das Heilthum aufrecht
fteht (hic ubi prodigium cernitur usque sacrum). Darnach ſcheint e3,
daß dort ein ähnliches Wahrzeichen von Haymons Siege wie Grendels auds
geripener Arm zu fehen war (cujus adhuo caedis vestigia certa super-
sunt), wie aud die Dradenzunge ald Wahrzeichen des zweiten Kam⸗
pfe3 vienen follte. Weberbieß foll Haymon am Rheine zu Haufe geweſen
fein, von wo wohl aud Beowulf ftammt. Bon Heime Adelgers Sohne
ſcheint faum mehr als der Name entliehen.
Ein Waßermann in Stiergeftalt ift der mythiſche Stammvater der
Merowinge: er zeugte mit ber am Meeredufer fchlafenden Königin den
Merovens, von dem nachher die Merominge ftammten, nad älterer Sage
wohl den Elojo, den erften Frantentönig, deſſen Name von hlöjan, mugire
brüflen (noch jegt im Vollsmunde lüejen) abzuleiten ift, was an ben brüls
enden Stier der Stammfage erinnert. So überfält nah dem Gedichte
vom Meerwunder in Caspar Helvenbud ein Meermann die am Strande
wandelnde Königin, Müllenbofi Ztſcht. VI, 433. Auf diefe Sage bezieht
fich vielleiht ver goldene Stierlopf in Ehilverih3 Grabe. Auch in Spas
nien findet fi die Gage und auch hier gebiert die überwältigte Frau
einen überaus ftarten Sohn, den Stammvater eines Heldengeſchlechts. Wir
wißen nicht, ob Odin, der ala Meeresgott Hnilar heißt, ein Name, der
mit Nir und dem Flußnamen Nedar verwandt fein könnte, nad einer verlorenen
Muthe die Geflalt eines Meerwunders annahm. Aehnliches wird von
Dietrichs und Ortnitd Zeugung durch einen Elben (Eiberih) gemeldet.
Ueber die Sage vom Eibftier $. 126 unten,
Entſchiedener gehört aber Wate, ver Vater Wielands, ven Waßer⸗
tiefen an. Seine Beziehungen zu dem gleichfalls watenden Thör, ja zu
438 Weate. Wittid uud Helme. Mine. . 12%
Dpin ımb wieder gu Ehriftophorus find ſchon 8.73.76 erörtert. Bar
ex ber Sohn der Meerminne Wädilt, die ein elbiſches Weſen ift, fo deutet
Anderes auf feine Niefennatur. Gine lautbrällende Stimme wird ihm zw
geſchrieben; als Heermeiſter ver Hegelinge in der deutſchen Gudrun führt
ex ein Hom, das von Odin oder Heimball auf ihn übertragen fein kann.
Rach Mültenhoff Zeitſcht. VI, 68 war er urfprünglic ein watender Meer:
tiefe, für deſſen Wirkung der regelmäßige Wechſel von Ebbe und Flut
galt. Oper follen wir ihn für den Riefen anfehen, an deſſen Stelle Wuotan
als watender Gott trat? Gin Theil feines Weſens ſcheint auf Thoͤt übers
gegangen, der nicht bloß, den Derwanbil auf dem Rüden, wie Wate den
Wieland, die urweltlihen Eisfteöme, fondern außer Rörmt und Dermt und
beiden Kerlaug den Höllenftrom Wimur mwatet, und dabei den Lofi hinüber:
trägt, der fih an feinem Gurte feithält. War Wate etwa einft ald Tod ⸗
tenſchiffer gedacht ? Körmt und Dermt und beide Rerlaug werden Wöl 29
unmittelbar nad den Xodtenflüpen aufgezählt. Die Vorftellung könnte
einer Zeit angehören, wo ed noch an Brüden und Kähnen fehlte. Wie
an Thoͤr die Erfindung der Brüden, fo finden wir an Wate die des Beo-
tes $. 76 geknupft.
In Bates Gefhleht finden wir gunähk Wieland, der als Alfenfürft
begeichnet wird, was und zeigt, wie Riefen und Zwerge, fo verſchiedener
Natur fie feien, doch in einander übergehen. Wieland Sohn Wittich
tritt gar gu einer dritten Claſſe von Weſen, den Helden. Rur fein Helm-
zeichen, ein Giſtwurm, der feinen Grimm ausbrüden foll, bezeichnet noch
feine riefige Ablunft, während fie fi bei feinem Waffenbruder Heime,
von dem unten, in feinem ganzen feinbfeligen Charakter verräth, wer ihn for
gar einmal zum Mitglied einer Räuberbande macht.
Das berühmtefte Waßerweſen Mimir oder Mimr (S. 230) wird
Slaldſt. 75 unter den Niefen aufgezählt. Als Bewwahrer des Schahes ber
Tiefe heißt er Hobbmimir. Im Meere find nicht bloß Schäge verfunfen,
das Aheingold wird aus der Flut gewafchen und kehrt ald Nibelnngenhert
dahin zuräd; Andivari hatte das Riflungengold nad Gigurdartw. II in
der Flut gewonnen. Im Flußbett barg Decebalus feinen Hort und bie Weitge-
then bie Leiche ihres geliebten Alarich als den Löftlichen Schag ihres Volles unter
dem abgegrabenen Strom. Das Waßer, in dem ber Urfprung aller Dinge
liegt, wäre auch felbft ein Schah, wenn Peterſen den Mythus von Helc
waldi richtig auf Waßerjhäge gedeutet hätte; gewiſs ift, daß in Pimirs
Brunnen Weisheit und Verſtand verborgen waren, die hödften Echäge,
612%. Markedr. Asprian. 489
weshalb auch fein Horn Hortträufler hieß. Wenig wißen mir von dem
alten Thurfen Södmimir, den Odin nach Grimnism. bettog und den Sohn
Midwitnirs, des berühmten Unholden, töbtete. Iſt er eins mit Hlébard
(Reertäfte?), dem Odin (Harbarbälied 20) mit der eigenen Wänfchelruthe
den Big raubte? Ober gar mit jenem Aömund, bei dem Odin nad Grimm.
49 Jalkr hieß? FAS. II, 407 durchbohrt Odin den Aamund mit feinem
Sper. Die Ramen deuten hier wieder auf Meerriefen, zugleich aber
fehen wir wie bei Aelwaldi, wenn er nicht, wie Weinhold will, Als
walbi, der allwaltende heißt, den Schap als Ael, Bier gefaht. Ein
Trunt war es, für den Odins Auge dem Mimir verpfänbet warb, und
fo könnte hier eine Nebenform vesfelben Mythus vorliegen. Nah Meth
benannte Flüße find GDE. 697 in ver Wejergegend und Gngland
nachgewieſen. AS Waßerriefe erſcheint endlich der ältere Starkadr, der
an den Nelwaßerfällen wohnte (vidh Alufossu ober Oelfossu), und ben
Beinamen Alubreng führte. Cr hatte acht Hände und befiegte im Zwei
tampf den Hergrim, der ihm feine Berlobte Degn Alfafprengi, die ges
fürdtete Zeinbin der Giben, wie Weinhold R. 35 überfegt, entführt hatte.
Degn fah dem Bweilampf zu, und gab fih, ald Hergrim gefallen war,
felbft den Tod, denn fie wollte dem Starfabr nicht vermählt fein. Diefer
309 alles bewegliche Gut Hergrimd an fih und übernahm die Erziehung
ihres mit Hergrim erzeugten Sohnes. Später entführte Starlabr Alf
biloen, die Tochter des König Alfs von Aliheim, ward aber von Thör
erſchlagen und vom Felſen geftürzt. Seinem gleihnamigen Sohne erwies
ſich hör ebenfo abhold als Odin (S. 181) günſtig. Da Foffegrim
nad der heutigen Vollsſage ein Dämon norwegiiher Waßerfälle if, fo
giebt ſich ſchon Hergrim als ein Bergftrom zu erfennen; nichts anderes
iſt Starladr, deſſen acht Rieſenhände eben fo viele Stromarme anzeigen;
daß ihn Thör vom Felſen ftürzt, zeigt uns feine Bedeutung als ben waßers
zeichen Abfturz des Aluſtromes. Sein Bweitampf mit Hergrim ift bie
braufende Begegnung zweier Bergfiröme: der Mäctigere von Beiden reift
die Waßerjhäge des Befiegten an ſich. Die Braut, Degn Alfaiprengi,
ergiebt fih ald ein ſchimmernder Staubbad, um ven ſich bie Stromriefen,
wwiſchen denen er nieberfprüht, zu reißen ſcheinen. Schwieriger ift Alfı
hild zu deuten; ihrem Namen nach gehört fie dem Geſchlecht der Alfen
an, Uhland 176 ff. Mehrhändige Riefen tennt aud die deutſche Sage;
in ber Helvenfage hat Heime vier Ellenbogen und Aöprian vier Hände;
ſonſt findet fi bei ihnen kein anderer Bezug auf das Waßer als daß
440 Logt. Thorgerde Gägebrudr. 9.128,
Heimes Vater Madalger oder Adalger nad; dem Morolt der Sohn einer
Meerminne if, Myth. 360. Aehnlicher natürlicher Deutung ift bie Viel⸗
haͤuptigleit der Riefen fähig: es find Felsungethüme mit mehrfahen Häups
tern. Mangel an Glievern begegnet man dagegen fat nur bei göttlichen
Weſen, und bier fehen wir ihn in ihrer mythifhen Natur begründet. Zum
Schluß gedenke ih nod des Meerriefen Widblindi, der nah Skaldſt. 47
Walfiſche in das hohe Meer hinausführt, die feine Eher heißen, wie Frau
Harkens Dachſe ihre Schweine und die Gemfen die Kühe der Fanggen ges
nannt werben ©. 433.
123. Feuerrieſen.
Logi, der dritte Sohn Forniots des alten, ift von feinem hohen
Wuchſe Halogi (Hochlohe) genannt; das Land, deſſen König er ift, beißt
nad ihm Hälogaland, dad nördliche Norwegen. Weinh. 54. Bon feiner
Frau Glöd (Gluth) hat er zwei Töchter, Eifa und Eimyria (Aſche und
Gluthaſche), welhe von zwei Jarlen, Wefeti und Wifil, nad fernen Eilans
den, Burgundarholm (Bornholm) und Wifilsey, entführt werben. Weſeti
ift wörtlich Gründer heiliger Stätten, Wifil heißt der Weibnehmer: als
erſtet Anbauer jener Eilande bringen fie vie heilige Flamme des Heerd⸗
feuers nad ihren neuen Anfievelungen, Uhland 31. 57. Weſetis Sohn
hieß BAi und bebeutet den Anbau. Wie Logi zu Loki und diefer zu Ut⸗
garblofi warb, bei dem ſich Loki und Logi im Schnellegen meßen, ift
$. 83 dargeſtellt.
Wie das Feuer in Loki mur zulegt als verderblich, früher meift als
mohlthätig gefaßt wurde, fo gefchieht das auch ſchon in Logis Töchtern
und Schwiegerföhnen, welchen ſich Tpialfı als Thielvar (S. 262) vergleicht.
Zugleich ift das eine neue Spur früherer günftiger Auffaßung der Riefen.
Halogi hatte aber aud eine Tochter, Thoͤrgerdr Hölgabrudr, welcher
wie ihrem Vater in eigenen Tempeln blutige Opfer fielen und viel Gold und
Silber dargebracht ward, Skaldſt. 45. Ihre Schweſter Irpa fand neben
ihr abgöttifhe Verehrung; aber dem Witing Goti, der beider Bruber war,
zeigte ſich Odin unter dem Namen Biön feindlich gefinnt, Peterſen 79
mie font Thor diefem Geſchlecht. Freilich ift Biörn ein Beiname Thoͤrs,
Lex. Myth. 908.
In den norbifhen Mythen erfcheint Thor als Belämpfer der Riefen
in allen Glementen; aber den drei Söhnen Forniots tritt er nirgend uns
8. 138. ar. Safeid. Ebenreih. 441
mittelbar gegenüber, wenn er gleich in ber Thorsdrupa Faller der Iuftigen
Sötterftühle Forniots heißt, was nad den Auslegern auf Abftellung feines
Gottesbienfted zielt. Kari Degir Logi find in der beutfhen Heldenfage
zu Faſolt Ede Ebenroth (S. 100) geworden, und im Eggenliebe, das
gleich ver entſprechenden Erzählung der Wiltinafage anfangs im Kölner Lande
und um ben Drachenfelfen fpielt, wo wir aud die Fafeltötaule nachgewieſen
haben, befämpft und befiegt er als Dietrich Einen um den andern, Fafolt
wird in einem Wetterſegen wie Mermeut als Sturmrieſe angerufen, Myth.
602: ganz fo erfcheint er aud im Edenlieve, und die Faſeltslaule ift wegen
verberhliher Oſtwinde berüdtigt, M. Rheinl. 6. 323. Edes Name läßt
fih von ber Schärfe des Schwertes keineswegs herleiten mie Wein
hold 18 will: dem widerſpricht die näher zu Degir Uogi(M. 217) tretende
Form Uodeſahs bei Veldele und die Ortsnamen Weleratb und Uedes⸗
dorf in unferer Gegend, wo feine Sage daheim ift. Da in feinem Brus
der der Sturmriefe nicht zu vertennen ft, fo ruht Grimma Parallele der
drei Brüder mit ben Söhnen Forniots auf gutem Grunde. Edes Berüb:
rungen mit Degir find $. 97 beiproden; vgl. Uhland Germ. VI, 347.
Ueber Ebenröt erfahren wir aus dem Eggenlieve am Wenigſten: Grimm
bat ihn Myth. 710 dem Abenpröt, einem andern Riefen ver Helvenfage,
verglichen; dieſer hat aber noch zwei Brüder und bie Bufammenftellung
ließe ſich nicht durchführen. Der auch ald Ortsname bei und erjdeinende
Rame fol wohl den durchaus rothen, d. h. feurigen bezeichnen. In dem
Kampf wider Ede und feine beiden Brüder tritt Dietrid an die Gtelle
Ihörs, wie und diefe Bertaufhung ſchon S. 266 begegnet ift; hiet aber
läßt das niederrheiniſche Local der Sage an einen fräntifhen Dietrich den ⸗
ten, der fi auch fonft nod mit dem oſtgothiſchen miſcht. Bol. Müllen
hoff Ziſcht. XI, 357.
Andere Feuerrieſen, mit welchen hör zu ſchaffen hat, find Hyrrofin
und Geirroͤd ©. 87. 277. Geirröd ift als Gewitterrieſe dargeſtellt;
doch laßt ſeine S. 266 nachgewieſene Beziehung auf die Unterwelt und
ihre Feuerhölle vermuthen, daß die nordiſche Sage ihn feinem urſprung ⸗
fihen Kreiß entrüdt babe. Der berühmtefte unter ben Feuerrieſen
iſt Surtur der ſchwaͤrzende, ber mit Muspeld Söhnen in Muspelheim
wohnt; im legten Weltlampf fteht er aber bem Freyr, nicht dem Thor
gegenüber. .
Bir haben Riefen in allen Glementen, ja in der Unterwelt ange
troffen; zugleih fahen wir fie auf das geiftige Gebiet gerüdt. Bum
442 Dentung der Erdbildung. Sagberia. 8.124.
Schluß hebe ich noch die Neigung namentlich ber deutſchen Riefenfage here
vor, auffallenbe Erfcheinungen der Erdbildung zu erläutern. Schon die
mordifce ließ Befion ſich einem Rieſen verbinden, um barzuthun, warum
die Buchten im Lögr den Vorgebirgen Seelands entſprechend liegen; die
deutſche weiß die ſ. g. erratifchen Gteinblöde zu deuten: ein Rieſe hat
bier feinen Schub ausgellopft, weil ihm ein Steinden hineingerathen
war, daß ihm beim Geben beſchwerlich fiel. Andere vereinzelt liegende
Zelsblöde hat ein Riefe nach einer benachbarten Stadt geſchleudert um
fie gu zertrümmern; fpäterhin wird das auf den Teufel übertragen, ber
eine chriſtliche Kirche zerftören wollte. Ein Rieſenmädchen gedachte ſich
eine Brade von Pommern nad Rügen zu bauen, damit fie, übers Waßer
gehen koͤnne ohne fih die Wantöffelen zu negen: fie nahm die
Schürze voll Sand und eilte ans Ufer; aber die Schürze hatte ein Loc,
und ein Theil des Sandes warb verzettelt; dad Uebrige fchüttete fie weg,
als ihr die Mutter mit der Ruthe drohte.‘ So entitand eine Reihe bürrer
Sanbhügel, die in Bommern Berge heißen, Myth. 502. Bon folden
Stüdden find alle Sagenbücer voll und auch unſere Gegend Lönnte im
den Schlubverfteinen bei Rolandsed dazu Beiträge liefern.
Eine Riefin haben wir nicht unterbringen können, weil zu Uureim:
bares von ihr berichtet wird. Nah Olaus Wormius war die Bauberin
Hagberta die Tochter des Riefen Wagnoſt (Wagnoft? Saro I, 9). Sie
konnte fi in jede Geſialt und Größe verwandeln. Bald war fie him
nelhoch, bald Hein und niebrig, bald hart, bald fließend. Waßer tonnte
fie fett machen umd Berge ſchmelzen; den Himmel Tonnte fie nieberziehen,
die Erbe erheben und Schiffe dur die Luft fliegen maden. Die Götter
konnte fie ftärzen, die Lichter bes Himmels ausloſchen und bie Finfernifs
der Tiefe erleuchten. Germ. VI, 294. Hier ift mehr die Bauberin als
bie Riefin hervorgehoben; aber ihre Macht übertrifft bie der Götter und
obgleich ihr Name mit dem Berthas zuſammengeſeht ift, bleibt der Zweifel er-
laubt, ob Diaus wohl berigtet war. Daß die Niefen nad Belieben
groß umd Hein erſcheinen, begegnet bei Saro öfter. Bauberei ift bei den
Riefen wie bei Odin nur ber Ausdrud ihrer übernatürlihen Macht.
EUR. W. Mayel a. aD.
124. Elben im Allgemeinen.
Die allgemeinfte Beziehung der halbgoͤttlichen Weien, welche menſch ·
% 124. Wigke. Elbe, Ihmwarzalfen. 443
liche Größe nicht überragen, fheint Wicht, in der Mehrzahl Wichte oder
Wichter, nordiſch vaettr, pl. veettir; doch begreift er zuweilen auch rier
ſige Weſen. Unfere heutige Volksſprache braucht das Wort bald männ-
id), bald ſachlich; es muß aber nit gerade ein mythiſches Weſen meinen:
dazu bedarf ed, daß ber Begriff der Aleinheit durch die Diminutivform
gefteigert werde: Wichtel, Wichtlein, Wictelmännden, Myth. 408.
Minder allgemein ift ber Ausdrud ber Gibe oder Alb; der Name
ſcheint fchon in Tacitus Germ. 8 vorzulommen, wo ftatt Aurinia Albruna
zu leſen iſt. Pol. Müllenhoff in Haupts Ztſchr. 240 und Kuhns W.
©. 148, wo Hluge Frauen Albrunen heißen. Doc begreift Alft in ber
Eoda, den Aſen, Wanen und Joͤtunen gegenüber, zwei Gattungen gölte
licher Weſen: Lichtelben (Liösolfar) und Schwarzelben (Swartälfer) oder
Dunteleiben (DöckAlfar) ; der zweiten Clafie ſcheinen bie Zwerge anyuger
bören, denn fie follen in Schwarzalfenheim wohnen. Bei biefer Unterſchei⸗
bung ſcheint vergehen, daß der Name der Elben mit albus, weiß, zuſam ⸗
menhängt, urſprunglich alfo einen lichten Geiſt bejeichnet. Es werden aber
fogar die Wohmpläge ſcharf unterſchieden: die Schwarzelben follen in der
Erde, dem bunlelften Elemente, wohnen, die Lichtelben in Alfheim, das in
den höchften Regionen liegt, vielleicht nach ©. 45 in ber Sonne ſelbſt.
Darum beißt es D. 17, fie feien fhöner als die Sonne von Angeſicht;
aber die Schwarzalfen ſchwaͤrzer als Beh. Vol. den Namen Pechmanle
Bingerle S. 44. Obgleich hinzugefügt ift, fie feien ſich in ihren BVerrich
tungen noch viel ungleicher, wird doch nidt fo weit gegangen, zu fagen,
de Liötelben wären gut, die Schwarzalfen böfe: das hätte bekannten My«
then zu offenbar wiberfprochen. Wenn bie Rieſen als Feinde ber Götter
erſcheinen, fo finden wir bie Schwarzalfen den Göttern verbamben, im berem
Dienft fie wirken und fhmieben, und wenn gleich hämiſche Züge in ihrem
Bilde nicht fehlen, fo gehört doch vielleicht was Bösartiges in ihrer Ra
tur fu liegen ſcheint, jüngerer Bildung an. Jn allen Eben ift vie Natur
von der milden Geite aufgejaßt, und mehrfah fanden wir in ben unter:
irdiſch wohnenden Schwarzalfen die Triebkraft der Erde dargefteflt, die
ſtillwirlende Kraft der Natur, die Grad und Hahme hernoriprießen läßt
und im Schooß ver Tiefe die koſtbaren Etzadern wirft, die freilich auch
das verführerifihe Gold und das mörberifhe Eifen enthalten. Aber nicht
bloß Waffen und goldener Schmud gehen aus der Eſſe biefer hunſtreichen
Sämiede hervor: Re haben dem Thor ben Hammer, dem Frey das Schiff
und den geldborſtigen Gber, dem Odin den Spieß und den Ring Draup-
444 Eben. Langes Erben. 5 1.
nir gefertigt, deren hohe Bedeutung anderwärtd dargelegt find. Nur weil
fie in der bunteln Erde wohnen, heißen fie Schmwarzalfen, womit nicht noth ⸗
wendig Häplicjleit verbunden fein muß. Nach ber deutſchen Sage ſchmie⸗
den die Zwerge, die Zwerginnen fpinnen: beide find bald ſchon, bald
eislich getän.
Die Zwergin im Rudlieb kommt aus der Höhle ſehr jhön (nimis
pulchra), dabei zierlich gelleidet und goldgeihmüdt. Gier klagt aud ber
Zwerg über die ZTreulofigleit des Menſchengeſchlechts und leitet daraus die
turze Zebenzzeit, die uns beftimmt ift, während bie Zwerge, weil fie redlich
feien und einfade Speifen genießen, lang und gefund leben, Myth. 424.
Schönheit und Häßlichteit, lichte und dunkle Farbe ift hiernach ſchon den
in ber Erde wohnenden Zwergen eigen, bie den Schwarzelben gleichgeftellt
werben. Beides ift auch wohl begrünvet: ihre bunlle Farbe in ihrem
Aufenthalt im finftern Erdſchooße, vielleicht auch in ihrem Schmiedegefchäft ;
ihre lichte, die fon der Name Alb ausprüdt, in ihrem mohlthätigen fer
gensreihen Wirken. Zwei Elafien von Weſen nad lichtem und buntelm
Ausſehen zu unterjheiden, war die jüngere Edda fo wenig berechtigt als
das ſtaldiſch gelehrte und darum fpäte Alwifsmäl einen Unterſchied zwis
ſchen Alfar und dvergar aufjuftellen, während in ver Wöluspa auch
Iwerge Alfennamen führen. Zwar find nicht alle Elben Zwerge; auch
wohnen nicht alle unter ber Erde: aber zwiſchen erdbewohnenden Alfen und
den Zwergen giebt es feinen Unterſchied; die Lieber wißen fogar nichts
von Lihtalfen und Schwarzalfen: nur döckälfer werden genannt. Auch
iſt es bedenklich, wenn die jüngere Edda die Lichtalfen in Liösälfaheim
oder do in Aliheim wohnen läßt, obgleih Einiges dafür fpriht, womit
aber nicht zu vereinigen ift, daß fie jet Gimil bewohnen follen, ven fünfs
tigen Himmelsfaal aller Guten und Rechtichaffenen, ber nah D. 17 im
britten Himmelsraum liegt. Sonſt finden wir fo hodliegende, von Swart⸗
alfaheim gänzlich gefonderte Wohnfige der lichtern Alfen laum bes
zeugt, und man bürfte den Einfluß chriſilicher Vorftellungen von den En⸗
geln und mehren Himmeln vermuthen, wenn e3 nicht Grimnism. 4 hieße:
Heilig if das Land, das ich liegen fehe
Den Aſen nah und Alfen.
Doch ergiebt die Vergleichung aller Stellen, welche Aſen und Afen zufam-
men nennen, die durch das Reimbedürfniſs begünftigte Gewohnheit, beide
Claſſen wohlthätig maltender Weſen formelhaft zu verbinden: follten nur
die Lictalfen gemeint fein, von deren Wohlihaten nichts gemeldet wird,
% 1. Eben. Heinen. 445
fo wäre die Formel ungenügend. Nach unferer Anfiht gab es im Volls ⸗
glauben zweierlei Clafien von Alfen eigentlich nicht, fondern nur Ein Ge
ſchlecht, das bald in der Erbe, bald in andern Elementen haufte: eritere
lonnten nach ihrer Natur licht, nach ihrem Aufenthalt und Schmiedege ⸗
fchäft dunkel erſcheinen. Der flärkfte Beweis gegen bie Annahme einer
. äigenen im Himmel wohnenven Claſſe von Lichtalfen ift, daß es echte alte
Mythen von ihnen nicht giebt, während von den Schwarzalfen, die in der
Erde wohnen, die j. Edda fo viel zu erzählen weiß. Grimm nimmt 414
drei Arten nordiſcher Genien an, Lichtalfen, Dunkelalfen und Schwarzalfen,
wie die pommerſche Volksſage weiße, braune und ſchwarze Unterirdifhe
fondere, und im Morolt drei Geifterfcharen erſcheinen, melde der im Kampf
Gefallenen und ihrer Geelen warten, weiße, bleiche unb ſchwarze: bie
weißen find Engel, die ſchwarzen Teufel, die bleihen deinen im Fegefeuer
wohnende Verwandte der Streiter, fo daß die drei chriſtlichen Seelenauf ·
enthalte vertreten find was auf fein hohes Alter weil. Daß fi Engel
und Teufel um die Seelen der Berftorbenen ftreiten, läßt: fi aus ber
heidniſchen Vorſtellung deuten, daß nicht alle Sterbende in Odins himm-
liſche Halle eingeben, fonbern einige zu Hel kommen, wie auch Obin, Thör
und Freyja Anrechte an die Eeelen der Verftorbenen geltend gu machen haben ;
vgl. aber 6.146. Aus jener Stelle im Morolt, wo ver Kriftliche Einfluß
zu Tage liegt, ift für drei Glafien elbiſcher Beifter fein Schluß zu ziehen,
und ber pommeriſche Vollsglaube ſchattet nur die Unterirdiſchen ab, ftellt
aber feine eigene Claſſe himmliſcher Elben auf. Jene bleihe Schar gleicht
nun allerdings den näir, melde wir im Bwergverzeichnifs des Wöluspa
antrefien: der Name bezeichnet fie als Geifter der Zobten, mit melden
fi die Unterirbifchen unferer Vollsſagen immer berühren; auch die Hein-
hen, deren Königin Berchta ift, find den Tobten verwandte elbiſche Geifter.
Alwismal, das neunerlei Clafjen von Weſen unterjheidet, und jeber eine
eigene Sprache beimißt, nimmt aud für bie Bewohner der räumlich ger
dachten Hel, die und zur Hölle geworben ift, eine eigene Sprade an, und
dieſe Lönnten mit jenen Heinhen und eddiſchen näir zufammenfallen. Auch
Dain im Zwergregiſter bebeutet den Todten, Dwalin wie es ſcheint den
Schlafenden und Zhrain (Hrafn. 3) den Träumer.
Wie fteht es aber um bie Opfer (Alfablöt), die wir den Alfen ger
bracht fehen: galten diefe den Lichtelben? Faſt follte man es glauben,
da es noch fpät Gebraud war, den Engeln Speife zu bereiten und hinzu:
Rellen. Dem heimlehrenden Sighwat Skiald wehrte feine Hausfrau, die
446 Elben. Eibenopfer. 3.14.
vor ber Thäre fand, den Gingang bis er den Alfen geopfert habe. Peter
fen 101. Heimat. Olaf Helga. c. 92. Melde Aſen hier gemeint feien,
iſt nicht gejagt. Im der Kormalj. 216. 218 foll mit dem Blut eines ers
legten Stiers der Hügel geröthet und aus dem Fleiſch des Thiers den
Elben ein Mal bereitet werben. Hier ſcheint doch der Hügel auf bie
darunter wohnenden Alfen zu deuten: er älfar bAi i. Spuren dieſes
Dienfted der Grogeifter finden fih noch in driftliher Zeit, ala fie ſchon
zu Teufeln berabgefunfen waren: namentlid werden Lanmer, Bödlein und
Hühner dargebracht, während die unfchuldigen KHausgeifter ein Topf Mil
befriebigt, die gierigen Waßerweſen fi nicht einmal an thieriſchen Opfern
genügen laßen, fondern Menſchenblut verlangen. In unfern Bollsfagen
fehen wir allen Elben unter der Erde oder im Waßer die Wohnung an
getviefen, denn diejenigen, deren Leben an Bäume geknüpft ift, ober bie
in Blumentelhen wohnen, wo ihrer oft hundert Taufende neben einander
Play haben, bilden kaum eine Ausnahme. Vielen wird lichte Beftalt und
ſchoͤnes Angeficht verliehen, der Wohnung in der Tiefe ungeachtet. Nament ⸗
lich ſchottiſche und englifhe Sagen zeigen Elben und Ebinnen in wunder⸗
barer Schönheit; ihre Kleidung ift weiß und glänzend. Sie heißen das
gute Bolt, die guten Nachbarn, im Norden Lieblinge, Liuflingar, in Deutfchs
land gute Holden. Gie lieben Mufit, ihre Luft am Tanz ift unermüdlich,
wenn fie gleich die Nat dazu wählen. Im Umgang mit Menfhen hat
aber ihre oft mifsbraudte Gutmüthigleit gewiſſe Grenzen, und fie fann
dann fogar in Graufamteit übergehen. Die Elben deutſcher Gedichte des
Mittelalters find auch zum Theil noch ſchͤn; aber das Chriftenthum hat
fie ſchon herabgewürdigt. Von der elbe wirt entsehen vil maneger
man ; böfer Blick wird ihnen angebichtet, auch ihre Geſchoße find verru⸗
fen, ihr Pfeil, ihr Anhauch felbit, bringt Tob und Krankheit; der Nachts
mar namentlich, ſcheint ein feindfeliger Geift, und über Albdruden beſchwert
man ſich noch taͤglich. Auch ihre Geftalt hat gelitten; doc erſcheint no
Eberich, felbft Hinzelmann mit fhönem Angefiht, ganz wie im Norden
und bei den Angelſachſen der Ausbrud, ‚jchön wie ein Eilfenweib‘ den
Gipfel weibliher Schönheit bezeichnet. Sögubr. FZUS. I, 387.
Allen Elben aud den unterirbifchen ift es gemein, daß fie geringe
Dienfte mit unfcheinbaren Gaben lohnen, die ſich aber dem Beſcheidenen
in Gold wandeln. Selbſt dem zufällig in ihrem Kreiß tretenden füllen
fie die Taſchen mit Lindenblättern, mit Kehricht, mit Noföbollen (R. Reuſch
U. Aufl, Rr. 7); oder hat die Babe nur dem Vorwigigen, der zu früh nachfieht,
919. euen. Gishenhaf. Mifsheiraien. 47
die unfaubere Geftalt angenommen? Natürlich lehrt er den Sad um, und
fhüttet die Füllung aus. ‚Bu Haufe angelommen findet er aber in ben
Eden des Sads, in deren noch einige Ueberrefte des Dungs zurüdgeblieben
waren, blanfe Goloftüde liegen, und da erfannte er die Wahrheit des al
ten Woris: ‚Wer das Kleine nicht ehrt, ift des Großen nicht wertpl‘
Auch ſittlich umbefledt erhielten ſich einzelne Elben wie jener bei Cae ⸗
farius (I, 36), der felbft dem Chriſtenthum nicht abhold, und überhaupt
fo rein gehalten ift, daß man für die in der Edda fehlenden Mythen von
Lichtelben, wenn dieſe nicht überhaupt aufzugeben wären, hier Criag fände,
Er reitet dem Nitter, dem er in Geftalt eines fhönen Jünglings bient,
das Leben, indem er ihm eine Furt durch den Strom zeigt, als er von
feinen grimmen Feinden verfolgt den Tod vor Augen fieht; ein andermal
holt er feiner kranken Gemahlin Lömwenmilh aus Arabien berbei (vgl.
Müllenhoff 418), und als ihn jegt der Ritter, dem er geftehen mufte,
Giner der mit Lucifer gefallenen Engel zu fein, verabſchiedet, weil ihm
vor ihm graut, verlangt er für feine treuen Dienfte fehr beſcheidenen Lohn
und verwendet ihn nur, einer Kirche, die feine Gloden befigt, eine ſolche
zu laufen. Hier liegt zugleih aud der Beweie, daß der Glocenhaß in
der elbiſchen Natur nicht begründet erft von den Rieſen auf die Elben
übertragen warb. Nicht der Glodenklang, die Untreue ber Menſchen vers
treibt fie. Bgl. die Steinfelderfage von Bonſchariant, Rheinl. 304, Kaps
fey UI, 200 fi, wo aber Büge aus der Riefenfage mit eingeflochten find.
Gleichwohl wufte fein Herr ihn mit dem Chriftentpum nicht auszuföhnen,
wie doch den Glberid der Dichter des Ortnit. Wenn im Ortnit Elberich
Engelnatur annimmt, und fogar die Taufe und Belehrung der Heiden mit
Gifer betreibt, fo zeigt feine Verwandtſchaft mit N. Goldemar, dem enj ⸗
ſchurſenden und ſchmiedenden Berglönig, und mit Eibegaft, ‚vem ſchlauen
berüdtigten Dieb‘, daß aud Er kein Lihtgeift war, fondern zu den Schwarze
elben zählte.
Die Elben Hagen über die Untreue der Menſchen ‚wie ik der
Himmel fo hoch! wie ift die Untreue fo groß! An der Untreue der
Menfhen fheint es zu liegen, wenn mit den Elben eingegangene
ehelihe Verbindungen, wie fie befonderd mit Waßergeiftern vorlom:
men, zulegt ein traurige Ende nehmen; doch konnte ſchon in der uns
gleihen Sinnesart der Werbundenen der Grund liegen, daß ſolche Miſch-
beiraten nicht zum Glud ausſchlagen. Diefe ift aber in der Abkammung
begründet: es find eigentliche Mifsheiraten, aus denen nichtö Gutes ent»
448 Elben. Yrsagi. Glasberg. 6. 124.
ſtehen kann. Das ſcheint mir aud ſchon der Sinn des Mythus von Urvagi
welden Kuhn Herablunft 8I—94 beipriht. Pururavas muß Giner der
Gandharven werben, um der Geliebten wiebervereinigt zu werben, deren
Bedingungen er dießſeits nicht zu halten vermochte. Aehnlich glaube ich
die deutſchen Märchen verftehen zu müßen, wo die Wiebervereinigung auf
dem Glaöberge geſchehen fol, der aud nicht von diefer Welt if. Urvagi
durfte den Pururavas nicht nalt fehen; in ber deutſchen Sage ift es bie
Frau, welche nicht nalt geſehen werden barf; fo in der Melufinenfage, die in
ältefter Geftalt bei Gervafius (Liebreht 2) erſcheint, wo aber ver Fiſch⸗
ſchwanz, ven ich für undeutſch halte, noch nicht vorlommt: die Elbin ver
wandelt ſich in eine Schlange und verſchwindet. Im Uebrigen darf mar dem
Urtheil Wolfſs Beitr. 271 zuftimmen: fie find Weſen höherer Art, und
darum verlangen fie von dem Geliebten und Gatten höhere Rüdfihten:
fobald er vie aus den Augen jegt, ift das ganze ſchoͤne Verhältniſs ger
broden und fie fehren zurüd in das Glbenteih. Das zeigt ſich aud bei
dem Alb u, |. w, wovon ©. 457.
Die. Riefen konnten wir nad) den vier Elementen eintheilen, worauf
uns ſchon die Sohne Forniots, des alten Riefen, leiteten. Bei ven Elben
bat diefe Eintheilung Bedenken, weil ihnen ſolche Stammväter fehlen und
die elementarifchen Bezüge noch erft zu ermitteln find. Zunachſt find und
Quftelben nicht bezeugt. ’ Zwar führt das Zwergregiſter einen Winbälfe
auf; aber auch Andmwari, ber im Waßer watet, nennt fih Sigurdarkw. 5
Gustr (Bläfer), wie spiritus mit spirare zufammenhängt, @eift mit gisan
wehen, Myth. 430. So hat Uhland 166 Beyggivir und Beyla 6.434, bie bei
Degirs Trinkgelage die Bedienung beforgen, für milde Sommerlüfte in
Freyrs Gefolge erflärt. So heißt aud ein deutſcher Hausgeiſt Blaferle,
und von dem ſchaͤdlichen Anhauch der Elben war ſchon die Rede. Auſtri,
Weſtri, Norbri, Subri find vielleicht nicht fowohl die vier Hauptwinde als
die vier Himmelsgegenden. Als Geifter find fie freilich alle der Luft vers
wandt, als ätherifch ſchildert fie auch ihr Lieb:
Bir trinken den Wein,
Wir trinken den Maren Mondenſchein.
Sie erjjeinen aber, beſonders die Zwerge, in derber, greifbarer Leiblichleit.
Da jedenfalls die Rubrit ſchwer auszufüllen wäre, jo ſcheint es für bie
Ueberſicht vortheilhafter, die Elben in Zwerge (oder Erdgeiſter), Waßer⸗
geifter und Zeuergeifter einzutheilen. Grftern fliegen fi die Wald- und
6. 126. €iben. Iwerge. Kofar. 449
Feldgeifter an; diejenigen, welche Geifter der Verftorbenen feinen, werben
wir gelegentlich unterzubringen fuchen: die Anfiht, daß alle Elben dieß
feien (Ruhn NE. 469) ift zwar im Grunde richtig, obwohl es felten her⸗
vortritt; einen Gintheilungsgrund gewinnen wir aber daraus nicht.
125. 1. Zwerge (Erdgeifter).
Der Name der Zwerge (Querge, Querze) ift noch unerllärt. Grimm
vergleiht Myth. 416 dad Feorgyos (übernatürlihe Dinge verrichtend),
was lautlich entfpräche, denn das Wort (altn. dvergr, alth. tuerc) ges
hört zu denen, die im Neuhochdeutſchen noch eine Verſchiebung erlitten
baben; das plaitdeutſche Querg oder Querlich geht im Anlaut in ein ans
deres Organ über. Sie heißen auch Schwarzalfen, Bergmännden, Erd:
männden, Unterirdifche, Onnerbänkissen (Müllenhofi S. 281); in der
Schweiz härdmändli, Toggeli, im Tyrol Norggen und Lorggen, in Defter:
reich auch Fenesleute, Gangrl und rollen; doch gehen leptere in Rieſen
über. ernalelen Defter. M. 23. Der Name der Fenesleute erinnert an
die Fanggen 6.433; auch fie find häßlich, aber fonft elbifcher Natur. Der
Fenesberg Bernal. 230 Mingt an den Venusberg 415 an und wörtlich
ſcheint mit dem Bonner Verwandtſchafſt. Gangerl gemahnt an Odins
Beinamen Gangleri, und dba der Name auch auf den Zeufel übertragen
iR (Schmeller II, 55), fo liegt die gleiche Vermuthung nicht fern. Andere
Namen find ſchon gelegentlih angeführt; einige werden nod gelegentlich
erwähnt werben; zu erichöpfen find fie fo wenig als die für die milde
Jagd. Das feltfame Zwergregifter in der Wölufpa theilt fie in drei Reiben,
indem es zuerft die von Modſognirs Schar heraushebt, dann die von
During Schar folgen läßt ohne Allgemeines von ihnen auszufagen, zus
legt die von Dwalins Zunft und Lofard Gejhleht aufführt, von welchem
fo gefprohen wird als wohnten fie allein im Geftein. Wer jener
Lofar fei, wißen mir nicht; man könnte an Loli denken, der nad) M. 413
felber Alfı heißen foll, den mir wie Donar (M. 170) in näcfter Ver
bindung mit den Zwergen fehen, dem vielleicht ihre Erſchaffung aufge:
tragen ward, ba der Rath dazu, wenigſtens nah der MWöl, vie fie für
unbeilvol anfieht, von ihm ausgegangen ‘fein muß (S. 101). Auch
tönnen fie feines Beiltandes nicht entrathen, da er nicht bloß das Feuer
iſt, deſſen fie zum Schmieden bebürfen, fondern auch die Erdwärme, die
“rad und Laub, das Gefpinnft der unterirdiſchen Kräfte, hewortreibt.
Sunroc, Diythelsgie. 29
450 Elben. A. Goldemar. Oberen. %. 1%.
Bei diefer Deutung bleibt unklar, warum nicht aud die beiden anbern
„Reihen den gleihen Stammvater haben follen, da doch aud fie aus bes
Meerriefen Blut und Gebein entftanden find. So meiden D. 61 einige
Zwerge ald Söhne Iwaldis (des innenwaltenden) bezeichnet, welcher nad
Hrafn. 6 auch Iduns Vater fein fol. Aber Söhne des innenmwaltenben
(Loki?) könnten alle Zwerge heißen, da fie felbft die innenwaltenden find.
Die drei Reihen, die den obigen drei Scharen ©. 445 gleichen,
erinnern daran, daß die deutſchen Elben und Berge eigene Königreiche
bilden. In der Edda findet fih davon feine Spur; oder wäre Freyr,
dem Alfheim (die Sonne?) zum Zahngebinde gejchentt warb, ala König
der Alfen gevaht? Jedenfalls gehörte ihm ein elbifches Reich; doch
warum konnte es nicht in der Unterwelt gelegen haben, auf vie er fo
viele Bezüge zeigt? Aber fchon die ſchwediſche Hulbra ift Königin des
Huldrefolls; in Deutfchland heißt Goldemar König, nicht fein Bruder
Alberich, den doch ver Name als Elbentönig bezeichnet: im Ortnit, wo er
Elberich heißt, trägt auch Er die Krone. Alberih warb in der franzör
ſiſchen Sage, die nach England übergieng, zu Oberon, und jegt heißt er
wieder König. Der dritte Bruder, Elbegaſt, ‚der ſchlaue berüchtigte Dieb,’
heißt in dem mieberländifhen Gedicht Alegaft; er holt ben Kaifer Karl
in Ingelheim zum nächtlihen Stehlen ab. Hier ift aud er in die fräns
tifhe Sage getreten. Man könnte an Alwis ©. 255 denken, wenn er
Thors Tochter Thrüdh entführen, nicht die verlobte Braut heimholen wollte;
nur der Steinjötun Hrungnir heißt Thruds Dieb, weil das auf fteir
nigen Boden fallende Samentorn nicht aufgeht, Uhland 82. Sonſt ift
es bei den Bmergen hergebracht, die Braut zu entwenden. Goldemar
ftiehlt die Hertlin, des Königs Tochter von Portugal, Laurin die Simild,
Dietleibd Schweſter. Goldemar ift nod tiefer in bie Heldenſage verfloch⸗
ten. In dem Geflecht der Hardenberge an der Ruhr war der Name
Neveling (Nibelung) herlömmlih. Bei einem diefer Nevelinge hielt ſich
König Goldemar al3 Hausgeift auf, fpielte wunderfhön Harfe, war bes
Bretfpield kundig, trant Wein und theilte mit dem Grafen das Belt, Er
warnte ihn auch vor dem Ueberfall feiner Feinde und berieth ihn, wie er
ihrer Hinterlift entgehen follte. eine Hände, die’ jehr weich anzufühlen
waren, ließ er wohl betaften, wollte fie aber nicht fehen laßen. Sein drei⸗
jähriger Aufenthalt auf Schloß Hardenberg galt eigentlich der ſchoͤnen Schweſter
des Grafen, welcher den Ziwerglönig Schwager nannte. Die lebende Volls ⸗
Sage, die ihn König Bolmar nennt, fügt hinzu, ein neugieriger Küchen:
%. 1%, Elben. Eibegat. Malegis. Age}. 41
junge habe ihm einmal Erbfen und Afche geftreut, damit er zu Falle
täme und feine Geftalt in ver Aſche abbrüde. Als aber der Koh am
andern Morgen in die Kühe trat, fand er den Kücenjungen am
Bratſpieß fteden. WE. N. 147. Myth. 477. Bon Entführung wird
bier nichts gemeldet. Biel gründlicher und meifterliher trieb Elbegaſt das
Diebögewerbe: er ftahl den brütenden Vögeln die Gier. Wie aber Adelger
in Madelger, fo ſcheint Adelger oder Alegaft in Malegis, Maugis über
gegangen und fo in bie franzöfiihe Sage gelangt, wo er Dieb und Baur
berer zugleich if. Auch die Roggenmuhme und der Kornengel follen Kin-
der ftehlen.
Unllar ift no der Bufammenhang mit dem Meifterdieb Agez, der
bei ven Minnefingern öfter genannt wird, Mone HS. 140. Man wird
zunachſt an Degir erinnert, den ſchredlichen Bolt; goth. heißt agis Schreden,
hochd. akiso. Wurde er ald Dieb gedacht, wie feine Gattin Ran Raub
heißt? Das erflärte zugleich, warum der Magnet Agftein heißt, weil der
Magnet den Shiffern das Gifen ftiehlt; auch fiele ein Licht auf den Teufel
Ogaewedel (MS. IT, 250), der die erfte Lüge fand. Wenn nun Degir
ſich durch Agez als Eibegaft erweift, fo wird fein Bruder Käri dem El⸗
berich, Logi dem Goldemar entfprehen. Aber Alberih wird in den Ni⸗
belungen mit Schilbung und Ribelung zufammengenannt, König Nibelungs
Söhnen, des Zwerglönigs, denen Siegfried den Hort theilte und das
Schwert zum Lohne vorausnahm. Nach den $. 66 verglichenen Märchen
eröffnet ihm dieß die Unterwelt, auf die ſchon der Name Nibelung deutet.
Der Name Schilbung kann neue Aufjhlüge gewähren: er hängt mit dem
norbifchen Geſchlecht der Skilfinge (Schilbunge) zufammen, deren Ahnherr
Slelſit, der Vater Skidlds, geweſen fein foll, der auch Gteäf heißt, was
die dänifhen Skioldunge den ſchwediſchen Slilfingen, Schiltunge den Schil ⸗
bungen gleichſtellt, Myth. 343. Auch der Name Schiltung erjheint in
deutſchen odyſſeeiſchen Gedichten, Drendel, Barzival 1.2. und K. Tyrol, jo auch
in der Fortjegung des Laurin. Wadernagel vermuthet Ztihr. IX, 374,
jener Steäf, der auch Skidld heißt, fei nach älterer Sage auf einem Schild
ſtatt des Schiffs über Meer geſchwommen. Wir fehen hier wieder feine Ber
rũuhrung mit dem ($. 91. 102) ald Untermeltägott erfannten Uller, ber
auf dem Schild als einem Schiff übers Meer lief. Schwerlich bebiente
fie) diefer winterlihe Gott in der älteften Sage einer Eisſcholle, die wir
Schülpen nennen: beßer nimmt man an, fein Schiff war aus Baumrinde
Echelſe) gemacht. Vgl. Friſch v. ©. Schelch. Als Todtenſchiffer wie als
452 Elben. Hebeimännden. 3. Brandan. %. 125,
Erfinder des Schiffs oder Boots fahen wir 6. 223. 437 den Rieſen
Date, in Iepterer Eigenſchaft neben feinem Sohne Wieland (Wölundr),
der wieder zwei Brüber hat, Egil und Slagfidr. Wieland heißt Elfen-
Lönig wie Golvemar, und Egil, in der Wiltinaf. Cigel, wird mit dem
agf. Aogel, dem deutſchen Zwerge Eugel zufammenhängen, und wir ger
twinmen fo neue Brubertrilogieen, welde unjere frühen $. 37. 57 vers
vollftändigen und beleuchten koͤnnen:
Luft Waßer Feuer
Kari Degir Logi
Faſolt Ede Ebenrot
Elberich Elbegaſt (Age) Goldemar
Alberich Nibelung Schilbung (Schiltung)
Slagfidr Egil (Eigil) Bölundur.
Diefen drei zwergifhen Brüdern entfpregen die &. 405 erwähnten brei
Haulemännerchen, die auch ſchon, weil fie begabend find, an bie Trilogie
bödfter Götter gemahnen. Dem auf dem Schiffe oder Schild ſchwimmenden
Unterweltögott, heiße er nun Skioͤld oder Uller, möchte ih den auf dem
Blatt ſchwimmenden Däumling vergleichen, dem St. Brandan auf ber See
begegnete, Myth. 420. Mit ver Rechten hielt er ein Räpfen, mit der
Linken einen Griffel: den Griffel ftedte er in die See und ließ davon
Waßer in den Napf triefen; war der Napf voll, fo goß er ihn aus und
füllte dann von Neuem: ihm fei auferlegt, die See zu meßen bis an den
jüngften Tag. Grimm erinnert dabei an uralte indifhe Mythen. ‚Brahma,
auf Lotos figend, ſchwimmt finnend durch die Meeresabgründe. Viſchnu,
wenn nad Brahmas Tode Gewäßer alle Welten bededen, ſitzt in Geſtalt
eines urfleinen Kindes auf einem Blatt der Pipala (des Feigenbaums)
und ſchwimmt, an ber ehe feines rechten Fußes faugend, auf dem Milchmeer.’
Die trilogifhe Zufammenftellung hat aud den Zwergen elementarifhe
Natur angemwiefen. Da wir fie aber unter den Crdgeiftern fanden, fo
wäre gleichwohl die Gintheilung nad; den Clementen unthunlich geweſen.
Bir fahen die Götter an die Stelle elementarifcher Riefen getreten: foll-
ten ihnen aud Zwerge zu Vorbildern gedient haben? In den deutichen
Sagen erſcheint Odin häufig als Zwerg, als Mleines mudiges Mandle.
Myth. 439. Vgl. das Nebelmännle S. 404 und ein anderes Nebelmänns
lein bei Vonbun B. 74, da® auch durch breitfrämpigen Hut auf Odin
weil. Bol. Wolf DS. 189, wo Dumelmännden neben Rievelmännden
ſtehen. Man ſ. auch S. 475, wo Cderle, Hütdhen und Balder auf
8.125. Elben. Kaurin. Kofengarien. 468
Thoͤr, Odin und Baldur deuten. So mag es wohl guten Grund haben,
wenn agſ. Stammtafeln Voden von Skeaf und Sceldva abftammen laßen.
Jedenfalls haben ſich unter Zwergen ſo gut als unter Riefen göttliche Ge⸗
falten verloren.
Gin berühmter deutſcher Zwergloönig ift Saurin, von dem der Zwerg:
Tönig Antilois in Ulrichs Alerander eine Nachbildung ſcheint. Gr reitet
auf einem Roſs, das nicht größer ift ald ein Reh, wie Laurins Roſs
einer Geiß verglien wird. Auch Gr hat fih einen Rofengarten gejiert,
den man ihm nicht verwüften foll. Laurins Rofengarten wird mit einem
Seidenfaben gehegt. Das tehrt bei dem großen Rofengarten, den Kriem⸗
bild angelegt bat, wieder; er ift nur eine Nachbildung des elbiſchen.
Ber dem Laurin diefe heilige Umfriedigung briht, der büßt es mit der
echten Hand und bem linken Fuß: dadurch ift aud Er als unterweltlicher
Gott bezeichnet, denn Hände und Füße fordert ala Schiffslohn der Fähr⸗
mann, der über den Todtenfluß jet, und fie wurden den Todten in den
Sarg gelegt. Der linke Fuß und bie rechte Hand wurde von Wittich als
Brüdenzol begehrt, Hand und Fuß verlangt auch Norprecht der Faͤhr⸗
mann im großen Rofengarten; von dem Zährmann in den Nibelungen
Scheint es nur vergepen. Gier war alſo die Donau wie dort der Rhein
als Unterweltäfluß gedacht. Vgl. Kuhn ©. 129.
Undere Zmwerglönige ber deutſchen Gage find Sinnels von Pala⸗
lers bei dem Lebermeer, wo ber Magnetberg liegt. Gr ift Laurind Brus
der wie Wal ber an fein Oheim, wenn nicht wieder ein britter Bruder in
ihm ſtedt. Endlich erſcheint noch in Dietrichs Dradenlämpfen der ftreits
bare Zwerg Bibung. In der neuern deutſchen Sage it Gübid berühmt,
wohl aus Gibid (einem Beinamen Odins) entftelt. Er ift König ber
Harzzwerge. In Deutfböhmen ift Hans Heiling als Fürft der Zwerge
betannt; doch ſchwanlt er zu den Niefen hinäber. Im ſchleſiſchen Gebirge
fputt Rübezapl, der vieleicht nicht deutſch, auch eher ein Gefpenft als ein
Iwergkönig ift; doch verdient fein Vorname Johannes Beachtung. Eine
Reihe deutſcher Sagen fpricht von dem Tode des Zwerglkönigs, wobei wun-
verlihe Namen erſcheinen. ‚Rönig Anoblaud iſt tobt‘, ‚Rönig Pingel ift
tobt,‘ ‚die alte Mutter Pumpe ift tobt’: diefen Magenven Ruf vernimmt
ein Bauerdmann und erzählt es daheim. Sogleich fpringt ein Knecht, eine
Magd oder gar eine Rage, bie erft ins Haus gelommen find, auf und ver⸗
laßen es: fie waren bie Erben und Nadjfolger des verftorbenen Königs
und eilen, ihr anerfallenes Reid in Befig zu nehmen, Müllenhoff S. 291.
454 Eben. denediger. Battenfänger. 8%. 125.
2. Kuhn NE. 189. Baader 26. Diejelbe Erzählung findet ſich aud bei
den Fenggen, doch ohne Andeutung des Königthums; fie bleiben bei ben
Bauern nur im Dienft bis ihre menſchenfreßeriſchen Bäter geftorben find,
in deren Art fie dann felber ſchlagen. Häufig erjheinen Riefen als Ba:
fallen ſolcher elbifhen Reihe. Dem König Nibelung dienten zwölf ſtarke
Rieſen (Nibel. 95), dem Laurin fünf, dem K. Goldemar (Helvenf. 174)
fehr viele, dem Walberand, wie er heißen follte, zahlloſe.
Golvemar und Laurin feinen urſprünglich Könige ber erzſchurfenden
Zwerge, die aud Bergmännden, Bergmönde heißen. Wer ein Berg
maͤnnchen fieht, trifft naͤchſtens auf eine ergiebige Erzaver. Go wird von
den Benedigern erzählt, die in Tyroler Bergen nad Erz und Goldſand
fuchten und einmal einem Hirten gefagt hätten: Ihr werft beim Hüten
oft einer Kuh Steine nah, die zehnmal mehr werth find als die ganze
Kuh. Diefe Venediger erklärt aber Bonbun Sagen 16 troß ihres nobeln
der Lagunenftadt entlehnten Namens nur für verfappte germanifche Zwerge.
Bingerle Sagen 70. Doch waltet babei die Vorſtellung, daß aller venedi⸗
Ihe Reichthum aus Tyroler Bergen geſchütft fei. Vonbun 3. 48. 50.
Banzer DI, 197.
Weſentlich verſchieden find Niefen und Zwerge nit: fie gehören
beide dem Steinreih an, und ihre Beziehungen zur Unterwelt find gleich
nahe. Nur pflegt es ein Zwerg zu fein, ver ald Bote ber Unterweltd:
göttin, wie fonft der Hitſch, in den Berg lodt: ben Dietrih von Bern
bolt ein Zwerg ab, Helden. 39, und noch in ben allegorifhen Gedichten
des 15. Jahrh. führt ein Zwerg zu Frau Venus. Hierhin gehört auch
der Rattenfänger, ber die Kinder von Hameln in ben Berg lodt;
in ber Sage vom Lorſcher See (Wolf Beitr. 172) vertritt ihn ein Berg:
männden, von einer Göttin geſendet. Vgl. Bingerle II, 179. leide
Berhältniffe zu der Unterweltägöttin finden fi nur bei Riefinnen S. 430;
doc find jene als Todtenſchiffer auftretenden Niefen zu beachten fo wie der
Viehhirt (wilde Mann) ©. 463.
Erdgeiſter und Zwerge theilen die lihtiheue Natur mit den Riefen:
ein Sonnenjtral wandelt aud fie in Stein und Felſen, mie wir in Al:
mismäl fehen. Darum tragen fie auch NRebeltappen, Tarnlappen, die nicht
bloße Kopfbededung find: die helhüt ift ein Mantel, ver fie vor dem
Lichte fhügen foll; doch faßen fie einige Sagen allerdings ald Hüte. Zu:
weilen giebt ihnen die tarnhüt (verbergende Haut) auch höhere Gtärke:
wer fie ihnen entreißt, oder ven Hut abfchlägt, bringt fie in feine Gewalt.
6. 126. Elben. Gloaeahat. Weifeibälge. . 486
Ihre Verwandtſchaft mit den Riefen bricht aud an einer Gtelle bes Al-
wiömal hervor, wo hör zu dem Zwerge fagt:
Ber biſt du, Burſch, wie fo bfeih um die Nafe?
Haft du bei Leichen gelegen?
Bom Thurſen ahn ih Etwas in dir:
Biſt folder Braut nicht geboren.
Der bleihe Zug um die Nafe, der bei Sterbenden und Todten beobachtet
wird, zielt auf ihre Verwandtſchaft mit dem näir, den Geiftern der Ver—
ftorbenen, mit denen fie mehr als die unterweltlihe Wohnung gemein has
ben. Wenn aber Thör jept Etwas vom Thurfen in Alwis ahnt, fo ift
das für ihn charalteriſtiſch, der als geſchworener Feind der Rieſen überall
Thurfen wittert. Auch darin gleichen fi Niefen und Zwerge, daß fie die
Eultur und das Chriſtenthum hafen: das Glodengeläute ift ihnen zumider,
der Aderbau und das Wälderrotten vertreibt fie: fie wollen auch durch
Pochwerle nicht geftört fein, und beide beſchweren ſich über die Treulofige
keit der Menſchen, die fie mehr noch als alles Andere zur Auswanderung
zwinge. Doch pflegen Sagen von mafienhafter Auswanderung, wobei fie
über einen Fluß geichifft werden und dem Fährmann, den fie mit alten
Münzen zahlen, unfihtbar bleiben, ih nur an die Elben zu müpfen, Vgl.
jeboh M. 511. Neben der Ueberfahrt kommt aud die Brüde vor, bie
unzähliger Füße Getrappel erfchättert. So ift es die Unterwelt, wohin
der Abzug gefhieht, M. 428.
Wie Ziwerglönige, giebt es auch Riefenkönige, und beide entführen
gern irdiſche Rönigstöchter: der Rieſe Hrungnir wie der Zwerg Alwis (6.
451) tann Thruds Dieb heißen. So ftellen die Niefen Idun und der
ſchönen Freyja nur nad, um fie der Welt und den Göttern zu entziehen.
Deutfhe Sagen lagen die Riefen Menſchentöchter entführen, weil fie Wohl:
gefallen an ihnen finden; bei den Zwergen wißen fie nod einen dritten
Grund: ihre Kleinheit. ‚Sie ftreben, ihr Geſchlecht durch Heirat mit den
Menſchen zu erfriſchen.“ Darum bedürfen fie auch menſchlicher Ammen
(at prolem suam infelicem nutriant, Gervas. Otis Imp. 987); ſau⸗
gende Frauen ziehen fie gern in ihre Höhlen, ihre ſchwachen Abkömmlinge
zu ſchenken; wenn auch Hebammen in bie Berge geführt werben, kreißen⸗
den Zwerginnen beizuftehen, fo fcheint dieß eine Weiterbildung. Auch wenn
fie Säuglinge der Menſchen rauben, und dafür einen Fieltröpfigen Wed
felbalg in die Wiege legen, fo iſt es ihnen nicht fomohl um den Befig
des rothwangigen menfchlihen Kindes zu thun als das eigene Kind uns
456 Elben. So alt mie der Waid. %. 125.
terdes von Menſchenmilch auffäugen zu laßen und fo ihr zurädweldenbes
untergehendes Gefchlecht zu träftigen. Urſprunglich wird biefer doch weit:
verbreitete Bug nicht fein; er entftand erft, ald mit ber wachſenden Aufs
Märung fi) das Gefühl einftellte, daß jene einft mohlthätigen Geifter in
Abnahme geriethen. Da fie oft als Geifter der Verftorbenen gedacht wur⸗
den, fo könnte allerdings zuerft ihr Abfehen auf Pflege und Ausftattung
menſchlicher Abtömmlinge gerichtet gewefen fein. Sehen wir doch aud,
daß die Ahnfrau in Fürftenfhlößern erfheint, den jungen Gprößling des
Geſchlechts zu fäugen und zu pflegen. Es könnte alſo Entftellung fein,
wenn man ihrem Hang Menſchenkinder zu entführen, felbfühtige Abfichten
unterlegte. Nun wurden fie auch fonft noch der Menſchen bebürftig dar
geitellt, indem fie von ihnen Brau⸗ und Badgeräthe borgen, das fie Abends
getreulich zurüdbringen und wohl ein Brot aus Dankbarteit hinzulegen, ober
ihre Hochzeiten und Feſte in ven Sälen ver Menſchen zu begehen wünfchen,
wofür fie koſtliche Kleinode zu ſchenken pflegen, an denen Glüd und Wohl ⸗
fahrt des Haufes hängt. Sie leihen aber auch felbft den Menſchen ihr
Binnwerk zu ihren Hochzeiten, DS. 36, und dad fann für älter gelten.
Uralt und tief in unfere Mythen verflochten ift freilid der Bug ihrer Bes
dürftigfeit, daß fie zur Theilung eines Schaged, zur Schlichtung eines
Streits menſchliche Richter angehen, und dabei von ben Menihen über
vortheilt werden. Es pflegt dann aber auch ein Fluch an dem Schat
oder dem Kleinod zu haften, das der Menfch fo ſich felber zuwendet, wäh:
vend das freiwillige Geſchenk ver Geifter ganzen Geſchlechtern Heil und
Segen bringt.
Wenn es Myth. 438 heißt, es komme in ben weilverbreiteten Sagen
von den Wecelbälgen nur darauf an, den Zwerg zum Gelbiigeftändnijs
feines Alter zu bringen, ‚nun bin ich fo alt, wie der Weſterwald' u. f. m.
fo zweifle ich, ob dieß der tieffte Sinn biefer Erzählungen if. Der Zwerg
iſt leine überreife Echöne, die ihr Alter geheim halten muß. Vielmehr
foll man etwas Widerfinniges thun um ihn zum Lachen zu bringen, weil
das Laden Crlöfung bewirkt. Bgl. S. 344.
Was fonft den Menfchen Feindfeliges in Elben und Zwergen liegt,
und Vieles der Art findet fi in der neuern Vollsſage, Tann gleichfalls
aus dem abnehmenden Glauben an fie hergeleitet werben. ‚Die Menſchen
achten der Elben nicht, die Elben ſchaden den Menſchen und neden fie.‘
Myth. 429. Daher die Eibengefhofe, die unfehlbar tödten; ihr ſeindlicher
Anhauch, welcher Lähmung, Beulen und Gejhwäre zur Folge hat. Wenn
$. 125. Elben. Geiferfihtigkeit. Bogelfprade. 457
der Elbe in das Auge fpeit, das ihn geſehen hat und nun erblinden muß,
ober wenn er ed mit dem Finger ausbrüdt, wie in ber angejogenen Stelle
des Gervafius, jo follen die Menſchen fie nicht fehen; auch vie Götter
wollen nicht von den Menſchen in ihrer wahren Geftalt erfhaut werden:
der See verſchlingt die Knechte, die bei dem Babe der Nerthus Hand ge:
teiflet haben. Geifterfichtig wird man durch Veftreichung bes Auges mit
Schlangenfett, deſſen Genuß aud die Bogelfprade verftehen lehrt, oder
indem man burd ein Aſtloch blidt, wo Elben hindurd zu kriechen pflegen,
vgl. $. 140, oder durch die Deffnung, bie ein Elbenpfeil burd eine Thier ⸗
baut geihoßen hat, ober durch den Armring, ober über die rechte Schulter
eine geifterhaften Weſens, dem man dabei auf ben linfen Fuß treten
muß, Kuhn WE. 187. II, 56; es ift aber aus dem angegebenen Grunde
meift mit Gefahr verbunden für das Auge des Schauenden Cine Um ⸗
lehtung hiervon ift es wohl, wenn ber Blid des Geiftes felbft es dem
Menſchen anthut, der dann ‚entfehen’ heißt: es ift ber in den Gagen
fo berühmte ‚böfe Blid’, der aber auch Menfchen beigelegt wird.
Es bleibt nod der Alb, Trud oder Nachtmar übrig, der im Schlafe
drüdt oder tritt, wovon vielleicht der Name. Schon K. Wanlandi ward
HDugligaſ. c. 10 von der Mar gevrüdt oder getreten. Hier zeigen ſich aber
im deutſchen Vollsglauben Spuren, daß auch biefer Geift urfprünglic fein
feindfeliger war. Nach niederl. Glauben muß die jhönfte von fieben Töͤch⸗
tern Nachtmar werben. Wolf Beitr. 264. Aehnliche Meldungen finden fih
anderwärtd. Die Mar oder Mahrt wird gefangen, wenn man bas Aſtloch
oder Schlüßellodh verftopft, durd das fie in die Rammer des Gchlas
fenden drang. Geſchieht das, fo erweiſt fie fi als ein fhönes Madchen,
und Mander hat fie geheiratet und fie haben Kinder gezeugt und glüclich
zuſammen gelebt bis bie Frau, von der Sehnſucht nad der Heimat ers
griffen, ven Mann bat, den Pflod aus dem Aſtloch zu ziehen, durd das
fie ind Haus gelommen war. hat er das, fo verfhwand fie und kam
nicht wieder, als etwa noch ihre Kinder zu wachen und zu pflegen. Ges
woͤhnlich ergiebt fi England oder Britannien als das Land, wohin fie
zurüdgelebrt ift; dieß lennen wir aber ſchon ald dad Todtenreich. Bei
Kuhn ME. 185. verſchwindet fie auf bie Frage, woher es lomme, daß fie
eine Mar geworben fei. Gleich dem Schwanenritter, der aus dem hohlen
Berge kam, wie Skeuf aus dem Seelenlande, will fie nad ihrer Heimat
nicht gefragt fein. Die Aehnlichkeit diefer Maren mit den Waltüren fällt
auf; im Olvenburgifhen nennt man ven Alb aud die Wälriveräle, Kuhn
458 Elben. Pferdemar. Weihfchopf. 8.185.
NE. ©. 419. Aus der Lenorenfage weiß man, daß ed Bande giebt,
welche die Todten noch an diefe Welt nüpfen und fie bahin zurüdziehen.
Den Helgi zieht Sigrund Trauer aus Walhallas Freuden; Kindesliebe
zwingt die Mütter, noch jeden Sonntag wieberzulommen, ihrer Säuglinge
zu pflegen (ME. 185. Kuhn NE. 91): ein unerfülltes Cheverfprechen band
jene Mahrt an diefe Welt. Kuhn Ziſchr. für Spr. XII, 125 nimmt zwei
Glafjen weiblicher Maren an, deren eine aus der andern Welt, aus dem
Engellande lommt, während die andern nur verwandelte Sterbliche find.
So kann die Liebe den Geift in bie Kammer des Schlafenden führen:
eine Luft am Quälen und Beinigen ver Menſchen gilt erft zulegt als
Beweggrund. Wenn e3 lebende Menfchen find, die andere im Schlafe
zaͤumen und reiten, fo geht das in den Gerenglauben über. Häufig ge
f&ieht es ihnen, daß fie felbft gegäumt und vor die naͤchſte Schmiede ges
ritten werben, um fi an allen Vieren beſchlagen zu lagen.
Den Walfüren näher fteht noch die Pferdemar, die ebenfalld Wal-
tiveräfe heißt: fie pflegt fih zu ihrem mächtlihen Ausritt beftimmter
Pferde in fremden Gtällen zu bedienen, welche fie fo gut füttert, daß die
übrigen dagegen dürr und mager bleiben; doc wird auch berichtet, daß
fie Morgens erjchöpft und ſchweißbededt im Stalle ftehen. DES.131. Das
lann von jenen in heiligen Hainen den Göttern erzogenen Pferden herr
rühren, die nur der Gott oder fein Priefter reiten durfte, wie Saxo (M.
627) von Swantowitd Pferde erzählt, daß es Morgens ftaubig und ſchweiß⸗
bededt im Stalle geftanden, weil der Gott auf ihm gegen bie Feinde ſei⸗
nes Heiligthums kriegte. Auch lebende Menſchen werben als Walriver
ober Wälriveräfe, Rittmeije, gedacht. Sie pflegen auch den Pferden die
Haare zu verfilgen, wodurch der ſog. Weichſelzopf (plica) entfteht, der wohl
eigentlich Wichtelzopf heißen ſollte. Es ift eine Krantheit, der bekanntlid)
auch Menſchen außgejegt find, und aud bier von der Mar, ber Trube,
dem Alb herrühren fol, wenn nicht von Frau Holle felbft, der Königin
der Elben, in deren Geleit fie nächtlih ausfahren. Auch ver Bilwiz
oder Bilwiß (Myth, 440 ff.) verwirrt oder verfilt bie Haare, und einige
Namen des Weihieljopfs lauten als wär er von dem Pilwiz genannt.
Diefer vielgeftaltige Geift, der fi mit Haus: und Feldgeiſtern berührt,
und bald in ven Bergen, bald in Bäumen wohnt (Myth. 442), hat am
meiften Herabwürbigung erfahren. Sein Name, der aoquum sciens, dad
Rechte wißend bedeutet, zeigt fhon, daß er zu den guten Holden gehört,
unb doch heißt nad ihm ver ‚Bilwesfhnitt‘, ein Raub am Getreider
8. 126. Ciben. Bilwesfauitt. Rähel, 469
felde, ver für das Werl eines böfen Geiſtes oder Bauberers gilt. Indes
feinen hier gwei Beinamen Odins, Bilmifi und Balmifi Wöl. 189 oben
in Eins geronnen. Cine Sichel an ben Fuß gebunden geht ver Bilmes-
oder Bilfenfhneider durch das reifende Korn, und von dem Theil des Ges
treideſeldes, den er mit feiner Sichel durchſchneidet, fliegen alle Körner in
feine Scheune oder in bie des Bauern, dem er ald Hausgeiſt dient, wenn
er nicht als Kerenmeifter ober Zauberer, fondern als elbiſches Weſen auf:
gefaßt wird. Zuweilen reitet er auf einem Bod durch das Getreide, was
an Thor und wieder am die Roggenmuhme ©. 428 erinnert. Hier ift die
Herabwürdigung unverlennbar: das Umgehen des Bilwiß oder ber Roggen
mubme, Roggenmutter im Getreivefeld, hatte urfprünglich einen wohlthär
tigen Ginn. Als eine mütterlihe Gottheit fügte fie die Aeder und machte
fie fruchtbar. Wenn dad Korn im Winde mogt, fo fagt man, ver Eber
sehe hindurch; es wird Fros Eber fein, des Gottes der Fruchtbarkeit.
Man hört aud fagen, der Wolf geht im Getreide: das iſt Wuotand hei⸗
liges Xpier, und fo weit der Bod bes Bilwiß auf Thör, der wie Wuo⸗
tan Grmtegott if, Myth. 446.
Denn der ftruppige Bilwiß uns zu ben Feldgöttern führte, fo
gehen wir mit dem behaarten und auch fonft nahverwanbten Schrat,
Schraß oder Schretel (Schrezel), zu den Waldgeiſtern über. Es if
rauh und zottig und bie Augenbrauen find ihm zuſammengewachſen. Das:
felbe berichtet Kuhn NS. 419 von der Murraue, bie fonft der Mahrt gleicht.
Bol. WE. 286. Goethe fagt im II. Bande von Wahrheit und Dich⸗
tung (21, 177) über Meyer von Lindau, einen feiner Straßburger Tiſch⸗
genoßen: ‚feiner ganzen Phyfiognomie gab es einen eigenen Ausdruc, daß
er ein Nägel war, d.h. daß feine Augenbrauen über der Nafe zufammens
ftießen, welches bei einem jhönen Geficht immer einen angenehmen Auss
drud von Sinnlichkeit heroorbringt.‘ Wir jehen jegt aus Panjers Beitr. I,
111, vgl. Meier 173, Stöber 279, daß Räzel und Schräzel zuſammen ⸗
fallen, wie Rägel: und Schrägellöcher. Prätorius berichtet (DE. 80): ‚Die
Augenbraunen der Alb8, der Drud oder Mar ſtoßen in gleichen Linien
zuſammen; Leute, denen die Augenbraunen auf der Stine zufammenge
wachſen find, önnen Andern, wenn fie om oder Haß auf fie haben, ven
Alb mit bloßen Gedanken zufhiden. Cr kommt dann aus ben Augen
braunen, fieht aus wie ein Heiner weißer Schmetterling und fept fi auf
die Bruft des Schlafenden.” Der Schmetterling ift das Bild der Seele,
die in Schmetterlingägeftalt aud aus der Here fliegt, während der Leib
460 Elben. Sqreiel. Iwidien. 8. 125.
wie tobt Tiegt, Myth. 1031. 1036. Auch Denen, welche das Vermögen
haben, fi in Werwölfe zu wandeln, find die Augenbrauen über ber
Naſe zuſammengewachſen, Myth. 1051. Auf dem Eichsfeld nennt man
die Raͤzel Markdrücker, was ven Waldgeift bezeichnet.
Der Inhalt der altdeutſchen Erzählung von dem Kampf eines zahmen
Baßerbären mit dem Sähretel, dad einen Bauernhof unfiher machte, lebt noch
im Vollsmunde, auß dem fie mehrfach aufgezeichnet worden ift. Moe und As:
biörnfen 26. Müllenhofi 257 ftellt fie unmittelbar neben Beowulf, und die
Verwandtſchaſt ift fo einleuchtend, daß ihnen gleihe mythiſche Grundlage
zugetraut werben muß. Biorn ift ein Beiname Thoͤrs, vgl. ob. 288; der
Schrat geht aber in die Niefen über, und dieſe pflegt Thör zu bekämpfen,
und Beowulf, wenn er ald Bienenwolf zu deuten ift (Myth. 689), kann
eher auf den Bären gehen ald auf den Specht. Bis zur Unfennbarkeit
entftellt finden wir fie Vernaleken 180; aber eben daran lernen wir, daß
alle Sagen und Märden hieher gehören, wo ein Schloß, Haus cber
Mühle von dem Spuk befreit werben foll, der es unwohnlich macht.
Wald⸗, Holz; und Moosleute haben mir öfter erwähnt und den nor
diſchen Jwidien verglichen. Ihr Leben ſcheint an Bäume gefnüpft, denn
ein Waldweibchen muß fterben, wenn ein Baum entrindet wird. Man
pflegte gewifie Bäume mit gebogenen Anieen, entblößtem Haupt und ge:
faltenen Händen um Holz zu bitten ehe man die Art anlegte; bie babei
gebrauchte Formel klingt noch in einem Kinderliede nah. Hiemit kann es
zuſammenhangen, daß elbiſche Weſen hinten hohl gleih Bäumen vorges
ftellt wurden, was unfere Minnefinger auf Frau Belt und bie Trüglid:
teit aller irdiſchen Freuden übertragen. In der Bufchgroßmutter haben
die Walpleute ihre eigene Königin, bie ber Berchta gleicht, denn obgleich
ihr Wagen fih in einen Schublkarren gewandelt hat, fo lohnt doch auch
fie den Ausbeßerer mit dem Abfall der Späne, die zu Gold werben.
Jwidie mehrt, lautet der einfilbige Ausfprud in der Eingangäftrophe von
Hrafnagaldr. Das mag der Ginn des Spruches (Myth. 452) fein:
Schal keinen Baum,
Erzähl feinen Traum,
vip fein Brot,
So hilft dir Gott aus aller Roth.
Das Holzweibchen klagt, es fei feine gute Zeit mehr feit bie Leute ihre
Kiöße in den Topf, dad Brot in den Ofen zählten, ober feit fie das Brot
pipten und Kümmel hineinbüden. Den Kümmel können bie Waldleute
5. 1%. Eiben. Bergfhmied. Wilder Mann. 461
nicht vertragen, und gepipte3 Brot, durch bie eingebrüdte Fingerfpige ber
zeichnetes, nicht wegnehmen. Aber nım mehrte ſich aud dem Bauern das
Brot nicht mehr, defien Mitgenup er dem Waldweibchen entzog, und fein
Bohlftand nahm ab biß er ganz verarmte,
‚Sie haben mir gebaden Kümmelbrot:
Das bringt dieſem Haufe große Roth.‘
Daß aud ein halb unfreimiliiges Opfer Segen bringen kann, fehen wir
aus Müllenhoff 370, wo ber wilde Jäger einem Bauern ein Brot nimmt
und fagt, ‚weil id dieſes Brot bier befommen habe, fol es in deinem
Haufe nimmer daran fehlen‘; und er hielt Wort.
Daß dieſe Waldleute in Riefen, ja in Helden übergehen, if ſchon
oben erinnert worden. Außer an Witolf, Wittih, Witugouwo zeigt es
fi) bei Mimring, den Eazo (ob. &. 91. 93.) silvarım satyrus nennt. Diefer
erfheint auch als Schmied mie Mime in der Wiltinafage, und Wittichs
Bater Wieland, der Elbenkönig, ift der berühmtefte aller Schmiede (Myth.
426, vgl. 440), ven ald Galans le forgeron felbft die franzöfifhe (Ker⸗
lüngiſche) Eage kennt. Wie man dem Bergfhmien Eiſen und Stahl
auf die Alippen legen und dann Morgens die Arbeit gefertigt finden follte,
fo geihah e8 wirtfid nad) der englifhen Gage (D. Helbenf. 170) von
Bayland-Emith. Aehnliches wird von dem Smett uppn Darmssen
(Moth. 463, Ztfchr. f M. I, 103, Auhn WE. 41.47. 62) berichtet; der
Grinten Schmidt (NS. 156) wird auch hieher gehören, zumal er ein
wilderMann heißt, und der Schmidt am Huggel (Harris 56) ergiebt
ſich aller Vermenſchlichung zum Trog doch zulegt als Metalltönig. Es ift aber
ein uralter Bug, der ſchon bei Hephaiftos vorlommt, Myth. 440. Bol.
BVeterfen 110. Die fhon M. 351 begonnene Bergleihung der Wielands
fage mit der von Dävalus hat Kuhn Btſchr. f. Spr. IV, 95 ff. zu dem
fihern Ergebniſs ihrer Einheit gebracht.
Der wilde Mann mit dem entiwurzelten Tannenbaum in der Hand,
den wir auf Wirthshausſchildern und als Schildhalter nieberbeutfcher Fürften-
Wappen, auch des preufifchen finden, ift tief in unfere Mythen verflochten.
Am Lebendigften wird er im Jwein geſchildert, wo er ein Waldthor heißt
und ein ellenbreited Antlig bat; den Kolben trägt er in der Hand. Bus
glei ift er als Hüter wilder Tiere, Wifende und Urrinder, dargeſtellt,
die in einem Gereute des Waldes, unfern bes munderbaren Brunnen,
weiben, Wirnt von Bravenberg zeigt ſich aud darin als Nachahmer Hart:
wanns, daß er als Gegenbild des wilden Mannes im wein ein wildes
463 Eben. Eiferner Mann. Hellige Waper. 8. 126.
Weib ſchildert, das aber dem Märe nicht fo nothwendig angehört ald ber
wilde Mann im Iwein. Wir finden ihn wieder in dem zweiten Märden
bei Sommer, wo er der eiferneMann heißt, was an bie iarnwidhiur
(S. 25. 428) erinnert. Aud bier muß er der Thiere hüten, und KM.
II, S. 185), wo er in einer Wariante des Maͤrchens (Nr. 97) vom Waßer
des Lebens abermals begegnet, follen feine Thiere, Hafen und Füchſe for
gar mehr wißen als der Rieſe felbft (ein Bmwerg in dem entſprechenden
Märden), nämlih wo dad Waßer des Lebens zu holen fei. Mit dem
Waßer des Lebens ift dad aus dem Brunnen der Urd gemeint, das vers
jüngende Kraft hat wie die Xepfel Iduns, während auch im JIwein der
Brunnen heilig ift, wie wir daran ſehen, daß Gewitter toben, wenn fein
Baer verjgüttet wird. So hat er gleiche Bedeutung mit dem Brunnen
der Urb, defien Waßer wir 6. 38 als heilig erkannten, daher e8 von
diefem erft auf andere Waßer wie den Bilatusfee in der Schweiz über
tragen fein wird. Ein nach feiner Heiligfeit benannter See Bingerle 6.98.
Daß Gewitter entftehen, wenn man etwa einen Stein hineinwirft, vgl.
Bingerle Sagen 6. 105—7, das bezeugt auch KM. 121, wo goldene
Aepfel an die Stelle des mythiſch gleichen Lebenswaßers treten, und
der Löwe, der fie bewacht, dem Helven vemüthig -folgt als feinem Herrn,
was den Zufammenbang mit Iwein, dem Nitter mit dem Löwen, ja
mit Heinrih dem Löwen, außer Zweiſel felt. Die Betretung fonft
unnahbarer mythiſcher Gebiete ift in den meiften Märchen zur Aufgabe
geftellt: bier find fie als der Unterwelt verwandt deutlich genug bezeich:
net: ‚der Garten, worin der Baum fteht, iſt von einem eifernen Bitter
umgeben, und vor dem Gitter liegen wilde Thiere eins nad andern,
die halten Wacht und laßen einen Menſchen hinein.“ Unmeit des Bau:
me, der wohl der Weltbaum ift, als deſſen Früchte mithin die goldenen
Aepfel eriheinen, fteht bier wieder der heilige Brunnen, deſſen Leben
wirkende Kraft fi daraus ergiebt, daß fein Waßer Blinde fehend macht
und Wunden heilt, zulegt auch ausbrüdlic Waßer des Lebens heißt. Die
Jungfrau, um deren Grlöfung es ſich handelt, ift Hellia ober Idun;
ſchwarze und heiße Farben bedeuten hier wieder Stufen der Erlöfung.
AB Hüter der Thiere erfcheint ver Rieſe hier nit: das Bufammenge
hören beider ift vergeben; doch erlangen wir Auskunft über die Beben
tung der XThiere fo wie des Brunnen? und ber Aepfel, und baß ber Löwe
hervorgehoben wird, ift uns für die Bergleihung mit Jwein und Heinrich
dem Löwen S. 200 wichtig. Der Bezug des Waldthoren auf den Vrun ⸗
%. 126. Eisen. Eiſenhaus. Bichhirt. 468
nen und bie Hepfel erfheint dagegen AM. 136 wieder: hier heißt er bald
der Eifenhans, bald ver wilde Mann, wie bei Sommer ber eiferne
Mann; die Einheit beider Märchen erhellt daraus, daß hier wie dort ber
eiferne Mann am Königshofe in einen Käfiht gefperrt wird, und ein gols
dener Ball, vermuthlih ein Apfel, Veranlaßung wird, daß ihn der Kö⸗—
nigsſohn befreit. Die Strafe, bie diefer dafür erwartet, führt e3 dann
herbei, daß er den Hof verlaßen muß und im Walde bei dem eifernen
Manne Schuß findet, der ihm als feinem Befreier zu Dank verpflichtet
iſt. Auch bier fehlt der Brunnen nicht, deflen Wunderkraft fih daran
äußert, daß Alles, was hineinfällt, zu Golde wird. Diefen kryſtallllaren
Brunnen fol nun der Königsſohn bemahen (mas eigentlich des Gijens
manns Amt wäre) ; er läßt aber feine langen Haare hineinfallen, bie nun
zu Golde werden und wie eine Sonne glänzen. Die Thiere hütet Eiſen⸗
hans nicht wie bei Eommer; daß er aber doch eigentlich Herr der Thiere
iſt, ergiebt fi daraus, daß er dem Königsſohn dreimal mit einem Pferde
aushilft. Gegen den Schluß kommen aud die goldenen Aepfel vor. Wer
ift nun der eiferne wilde Mann, der die Thiere hütet und mit ihnen den
Brunnen und die goldenen Aepfel bewacht?
In Skirnisfoͤr fipt ein Viehhirt am Hügel und bewacht die Wege.
Außerdem wird Gymirsgard, worin wir die von Wafurlogi umſchloßene
Unterwelt erfennen, nod von Hunden bewadt. In Fiölfwinnsmal, das
weſentlich den gleichen Inhalt hat wie Skirnisför, wie Mengladas Saal
gleichfalls von Waberlohe umſchloßen ift, fehlen die Hunde nicht, aud des
Gitters wird gedacht, wie dort des Todtenthors (St. 55), ferner des Baums
Mimameidr, der fi über alle Lande breitet: mir werben alſo in mehr
als einem Stüde an die verglichenen Märgen erinnert; nur die geweide⸗
ten Thiere vermifst man. Und doch ift Ziöljwidr, der Wächter, Niemand
anders als unfer wilder Gifenmann und der Biehhirt in Stimisför. Cr
laͤßt ih mit Winblaldr, wie der Hirt mit Skirnir, ins Gefpräd ein, das
nur durch Mengladas Erſcheinen, wie dort durch Gerbas unterbrochen wird.
Der Biehhirt eriheint auch in der Hermararfage, wo Herwör ihn nad) ihres
Vaters Todtenhügel fragt. Der Viehhirt antwortet, es fei tolltühn, daß
fie zur Nachtzeit unternehmen wolle mad andere am hellen Tage nicht
wagten, denn von Sonnenuntergang an ſchwebe glühende Lohe darüber. Diefe
Lohe ift die Waberlohe und unferer Deutung berfelben auf die Gluth des
Scheiterhauſens, die bier noch fortglüht, gereicht dieſe Stelle zu nicht ger
ringer Beltätigung. Im Harbardslied bleibt es unerllärt, warum ſich
464 Eben. Gumpreht. Pinkepank, 6. 1%.
Harbard, der fonft Odin ift, und zugleich ald Todtenſchiffer ericheint, Str. 50
einen Biehhirten nennt. Schwerlich ift es aber ein leeres Borgeben ;
es ftimmt mit dem Ergebniſs ber forgfältigen Unterfuhung Kuhns 324 —
332 über eine Reihe einfhlägiger Meldungen, wonad die Hirtin der unter:
irdifhen Heerde neben unferm Viehhirten Frau Harke, Holla oder
Freyja ift.
Bor der Unterwelt aljo wird Vieh geweibet: das beitätigt fi für
den deutſchen Glauben aus Kellers Faſsnachtſpielen Nro. 56, mo ber Wei:
ber Bosheit, die nach vielen jhmankhaften Erzählungen des Mittelalters
die des Teufels übertrifft (S. 332), dadurch dargethan wirb, daß brei böfe
Weiber dad Vieh rauben, dad vor der Hölle geht.
Vor der helle vil vihes gät,
Da} wellen wir nemen mit gewalt.
Auch der Hirt lommt hier vor und heißt Gumpredt. Cr geht aber gern
ind Wirthahaus, dad Pinfepanf, ein aus dem Voltsfhaufpiel bekannter
Teufel (Ziſchr. IV, 485), vor der Höfle hält, und das machen bie böfen
Weiber fih zu Nuge. Wir fehen hier wie der wilde Mann auf die
Wirthshausſchilder tommt z. B. in Baſel. Pinlepanks Taverne erinnert
an den Namen Nobiskrug $. 53, wo ver Teufel den Wirth macht. In
dem fräntifhen Liede vom Todaustragen heißt es M. 728:
Nun treiben wir den Tod aus
Hinters alte Hirtenhaus.
Spuren des vor ber Hölle weibenden Vieh finden fih au bei Pröhle
Harzf. 106, wo um die Schalt, ein verwünfchtes Schloß, das ganze Groß ⸗
und Aleinwild in Heinen Steinen abgebildet umberliegen fol. Weniger
ficher iſt die Erinnerung, wenn AM. 61 das Bürle vorgiebt, auf der unter:
weltlichen Wieſe weideten ganze Heerden Lämmer. Gin Sprichwort fagt:
wer zu viel bete, bete fi twieder aus dem Himmel heraus und müße
unferm Herrgott das Vieh weiden, die ‚Piwitte‘ nad; einer weſtfaliſchen
Variante. In Nobistrug (S. 160) müßen nah Kuhn NE. 132 biejeni:
gen, welde nichts getaugt haben, Schafböde hüten, wie beim Walpurgis:
feft auf dem Blodsberg die jüngfte Here Aröten hüten fol, M. 1025.
‚Andere fagen: im Robiskrug erhalte man den Paſs zum Himmel; und
wieber Andere meinen, der Nobislrug fei der Himmel felber.‘ Es beftä
tigt fi immer mehr, daß nach den älteſten Vorftellungen Himmel unb
Hölle beiſammen liegen. Nicht immer if die Unterwelt von Höllenflüpen
$. 126. Elben. Unterwelt. Zifhhen dek did. 465
umgeben oder durch das Wendelmeerr M. 1218 von ver Menſchenwelt
geſchieden, nicht immer liegt fie im hohlen Berge ober im Schooß der
Flut, vgl. 6. 425: oft trennt fie, wie in dem lat. Vollsliede von Bifhof
Heriger nur ein dichter Wald (demsis undique silvis) von ber übrigen
Welt ; aber er ift von wilden Thieren erjült, und dieſe hütet der bald als
Zwerg, bald als Rieſe vorgeftellte wilde Mann, ber zugleih den Brun⸗
nen des Lebens und den Baum mit den goldenen Aepfeln bewacht. Er
bütet fie aber auf ver grünen Wieſe, auj bie aud bei Hand Sachs
u. ſ. w. die Landsknechte und nad) ter fteirifhen Sage die Soldaten
verwiejen werben. Bernaleten Dejtr. Di. 119. Daß die gehüteten Tpiere
verwandelte Menjchen find, den Gefährten des Odyſſeus ähnlich, ift nicht
zu bezweifeln. Vgl. Kuhn WS. 330.
Wer Speife und Trant der Unterirbifchen genießt, ift ihnen verfallen
und kann nicht mehr ind Menfchenleben zurüd. Dieß gilt nicht von dem
Brote, das fie aus Dankbarkeit ſchenken, nicht van den duftenden Kuchen,
die fie "baden und den Menſchen mittheilen, wenn ihnen der aus dem
Erdboden auffteigende Wohlgerud Verlangen darnad erregt hat (vgl.
Auhn WE. I, 132. 368): es gilt nur von dem Verwegenen, der fi in
ihre Zefte drängt, ja aud von Venen, die fie felber in den Berg holen,
ihnen wie die Frau von Alvensleben DS. 63 in Geburtäwehen Hilfe zu
leiften: der Berg ift die Unterwelt, und ihr gehört an wer ihre Koft
genoßen hat, wie ſchon bie Granatlörmer der Perfephone lehren. Mit
jenen Kuchen hängt nah Kuhn 369 das Tiſchchen ded dich zus
fammen.
126. 2. Woßergeifter,
Schon bei ven Waldelben zeigte ſich ein Uebergang in Waßergeifter
Gaßerholde, Brunnenholde) an ven Moosleuten, die den Waldleuten gleich
vom wilden Jäger, ber au der hafafrü nadhftellt, verfolgt werden, und
doc eigentlih vom Waßer benannt find, da Moos Sumpfland bedeutet.
So bielt ſich au der Zwerg Andwari in Hedtgeftalt in einem Waßer ⸗
jall auf, und nah Wiltinaf. c. 43 wohnte Alfrit (Alberich) in einem Fluß.
Aehnlic gehen die Waltüren, die fih in Schwäne wandeln, in Meermeir
ber über, und Frau Hola felbit mohnt im See oder babet im Teich,
wobei an Nerthus erinnert werben darf.
Ein allgemeiner Ausbrud für elbiſche Geifter ift menni, minne:
Simrod, Piyiholsgie. 30
466 Elben. Marmenull, Donauweibgen. 4. 126.
beſonders wird er für Waßerweſen, Meerminnen, gebraucht; doch erſchei ·
nen daneben Waldminnen, Myth. 405, und auch die Meerminnen heißen
wilde Weiber, Nahe Verwandtſchaft zeigt der Name Mümmelden, ber
in Muhme, Mühmchen übergeht, 6.230. Auch der Name Marmen:
nil ſchließt fih an. Ihn fuchen die Menfhen in ihre Gewalt zu bringen,
damit er ihnen weißage; er gleicht dem Butt des beutfchen Märdens, nur
daß diefer Schöpferkraft befigt und jener nur Gabe der Weißagung. Er
hültt ſich aber gern in hartnädiges Schweigen und bricht es nur unwill ⸗
türlih. Jener, den König Herleif nad der Halfsſ. (FZAS.II, 31) hatte
fangen laßen, gab keinen Laut von ſich biß der König einmal feinen Hund
ſchlug: da lachte der Marmennil. Der König fragte: warum er lade.
Weil du den ſchlugſt, jagte der Marmennil, der dir das Leben retten ſoll.
Nähere Auskunft weigerte er bis ber König verfprad, ihm wieder ins
Meer zu laßen: da gab er auf dem Wege nad) dem Strand in Liedern
Beſcheid über dad dem Dänenland drohende Kriegsunwetter. Als man
ihn nun über Bord ließ, fragte der Mann, der ihn in der Hand hielt:
was ift dem Menfchen das Veite? Marmennil antwortete:
Kalt Wafer den Augen, Kalbfleiſch den Zähnen,
Leinwand dem Leib: laßt mich ins Meer.
Nun wird mic, das weiß id, Niemand wieder
In fein Boot bringen vom Boden der Ger.
Auch diefer Marmennil wird als Schmied gedacht: die Goralle heißt
fein Geſchmeide, marmennils smidi, Myth. 405, wie den Bergkryfall
Zwerge gehämmert haben und Bwerginnen die Herbftfäben gewoben.
Wie Marmennil und jene Meerweiber in den Nibelungen, die noch Tpät
als Donauweibchen fortlebten, mweißagen auch Zwerge, z. B. Eugel im
hürnen Siftit, und in einem vollsmaͤßigen Liebe (St. Andreas Schutz⸗
patron) wird das Echo, das bekanntlich dvergmäl, Sprache der Zwerge
heißt, zur Weißagung benutzt.
Der Mummelſee in Baden und das Fluͤßchen Mümling im Open:
wald feinen von dem Mummel, ihrem See und Flußgeift, benannt, wie
der Nedar von dem Ned oder Niz, einem Waßergeiſt. Der ältefte Name
der Waßergeifter ift Nichus, agf. nicor, nieberl. nicker ober necker. Ob
Odins Namen Hnilar und Nikuz ihn als Waßergott bezeichnet, ift zweifel-
haft, ©. 187; doch würde fih daraus noch befer erklären, warum ber
5. Nitolaus auf dem Schimmel geritten tommt und ald Patron der Schiffer
6. 126. Eben. Zt. Ricelaus. St. Mcakus. 467
gilt wie denn fein Bild am Binger Loche fteht, wo ihm für glüdlihe
Durdfahrt Gelübde geweiht wurden, wie er aud in Vorarlberg die Kin-
der bringt Wolf Beitt. 184, Ziſchr. 1,143; ſonſt pflegt er nur die Kin⸗
der zu beſchenlen Kuhn WE. 100. Duitmann 38. Neben Gt. Nicolas
wäre auch Gt. Nicafius (14. Dec.) in Betracht zu ziehen.
Es giebt männliche und weibliche Niren: beiden wird, wie fie mit dem
Dberleib aus der Flut tauchen und ihr Tanges Haar in der Sonne fträlen,
hohe Schönheit beigelegt; wenn ben Unterleib ein filhartiger Schwanz ent⸗
ftellt wie bei der Melufine des Vollsbuchs, fo ift diefe Vorftellung ald deutſch
nicht zu erweifen; wohl aber wenn fie rothe Müge oder grünen Hut Iragen
und grüne Zähne bleden, die wohl auch eifern heißen; wagen fie fi ans
Land unter die Menfhen, fo ertennt man fie an dem nafen Saum des
Gewandes. Sie erfheinen gern auf den Märkten, und da muß man auf
die Preiſe achten, die fie bezahlen, denn je nachdem fie hoch oder niedrig
find, folgt Theurung oder wohlfeile Zeit. Auch auf Tanzböben zeigen fih
wohl die Seejungfern, in der Dreizahl gewöhnlich, und ſchwingen fih im
Reihen mit der männlichen Dorfjugend, aus welder fie ihre Geliebten
wählen. Aber zu einer beftimmten Zeit müßen fie zuräd in ihren Gee:
wird fie verfäumt, fo koftet es ihr Leben, und wallt es blutroth herauf
aus der Flut, fo ift ein ſchrecliches Gericht über fie ergangen. Hier zeigt
fi die Graufamfeit des Wapergeiftes, der auch Menfhenopfer fordert, mie
der Rhein und andere Flüpe ihr jährlihes Opfer verlangen und von Er
truntenen gejagt wird, der Nir oder die Elbjungfer habe fie herabgezogen.
Der Donaufürft fragt Jeden, dem er begegnet, was er wünſche und ftürzt
ihn dann in die Tiefe hinab wo er alled Gewünſchte finden werde. Einem
Kinde foll er eine Gorallentette um den Hals gehängt haben, an dem es
erwürgte, und fpäter am Donauftrande gefunden ward, Vernalelen öfterr.
©. 164. Dft bat das eine mildere Seite: bie Liebe der Nize zog den
ſchonen Züngling hinab; Wachilde, Wittichs Ahnfrau, birgt ihn im Schooß
der Flut vor dem verfolgenden, im Zorn umnbefiegbaren Dietrich, und
Holda, die zwifchen Hel und Ran in der Mitte fteht, empfängt die Gr:
trintenden in lachenden Wiefen auf dem Grunde ihres Sees ober Brun:
nens. Ein Waßermann zeigte einem armen Fiſcher einen Schat unter der
Bedingung, daß er mit ihm theile. Der Fiſcher that es; es blieb aber
ein Heller übrig, welche der Fiſcher mit feiner Hade entzwei ſchlug. Als
der Waßermann fo ehrliche Theilung fab, ließ er das Geld liegen unp
verſchwand. Bernalelen oͤſterr. Sagen 185.
468 Elben. Oberons Horn. Alberich. SHorant. 8. 126.
Nod ein anderer Zug kann mit den Waßergeiftern verjöhnen: vie
Liebe der Elben zu Spiel, Gefang und Tanz zeigt fih nirgend mächtiger
als bei ihnen. Wie der Ton aus Oberons Horn unwiderſiehlich in den
Zanz reißt, fo ift der Albleich eine fühe, entzüdende Weife (Myth. 439),
und die des ſchwediſchen Strömlarl, der aud Foſſegrim heißt (und das
Rauſchen des Waßerfalls, fors, liegt beiden zu Grunde), lodt und bezau⸗
bert;; von feinen eilf Variationen dürfen nur zehne gefpielt werben: bei
der eilften, die dem Nadıtgeift und feinem Heer gehört, würben Tiſche und
Bänke, Kannen und Becher, Greife und Großmütter, jelbft die Kinder in
der Wiege zu tanzen beginnen. Wer feine Kunft erlernen will, opfert
ihm ein ſchwarzes Lamm oder ein weißes Bödlein: ift das recht fett, fo
greift der Foflegrim über des Lehrlings rechte Hand und führt fie fo
Tange hin und her bis das Blut aus allen Fingerfpigen fpringt: dann
iſt er aber aud in feiner Kunft vollendet und Tann fpielen, daß die Bäume
tanzen und bie Waßer in ihrem Falle ftille ftehen; ja der Spieler felbft
vermag nicht abzulaßen, wenn ihm nicht Jemand von hinten die Eaiten
zerſchneidet ober er das Stüd rüdwärtö zu fpielen gelernt hat, Myth. 461.
So ift aud der Tanz der Elbinnen im Mondſchein fo verführerifh, daß
man die Augen abwenden muß, um nicht bineingezogen zu werben. Die
Vergleichung der Trilogieen ftellt Oberon als aus Alberih romanifiert zu
Wodan, und es wird defien Hom fein, das fih bei ihm wieberfindet. Go
fahen wir $. 35 ben blinden Höbr als Hotheruß zu dem lieberkundigen
Horant werben, deſſen Gefang unwiderſtehlich hinreißt; der blinde Hödr
gleiht aber dem einäugigen Odin aud in dem Bezug auf die Unterwelt,
welder fie die Hälfte des Jahres über angehören.
Odins Horn will man bei Heimball und Wate auf den Donnerſchall
beziehen: das Rauſchen des Windes, das feinem Weſen zu Grunde liegt,
tann ihn zum Gotte der Tonkunſt gemacht haben; die Waßergeifter hat
zu Lehrern diefer Kunft wohl das Raufchen des Waßers befähigt. Nur
ausnahmsweiſe zeigt aud einmal ein Hausgeift, der Laguzerbug bei Von⸗
bun, mufitalifhe Talente: er fpielt als ſchwarze Kape die Maulttommel.
Unklar bleibt es noch was die Wafergeifter mit dem Schwerte zu
ſchaffen haben: fie verbingen ſich ald Knechte bei Menjhen und verlangen
ein Schwert, einen Erbbegen zum Lohn. Temme Pommeriſche Sagen Nr. 252,
Kuhn WE. I, Nr. 37. Wir werden an das alte Rieſenſchwert erinnert,
das Beomulf in Grendels mattbeleudteter Halle erblidt.
Die Seelen der Ertruntenen birgt der Waßermann unter umgeftülp:
& 126. Eben. Mecrkier. Eifkier. Glohen. 469
ten Toͤpfen, wo ihr Wimmern vernimmt, wer lebend in fein Waßerreich
binabfteigen -durfte. Hebt er einen ver Töpfe auf, fo fährt die erlöfte
Seele raſch empor; wir erfahren aber nicht, ob fie fi in Luft verflüchtigt
oder wieder einen Leib annimmt. Doch ſpricht für Lepteres das Märden
bei Wolf DE. 59. Statt der Töpfe wird aud wohl ein Glasgefäß ge:
nannt, worüber man Liebreht Gervafius 150 ff. vergleiche.
Schon bei den Waßerriefen S. 437 gedachten wir des Waßermanns,
der in Gtiergeftalt Stammvater der merowingifhen Könige ward, momit
es zufammenhängen lann, daß ihren Wagen Ochſen zogen wie Kühe ven
der meerperwandten Nerthus, und ein Stierhaupt in Childerichs Grabe
gefunden ward, Aehnliches wird Iriſche Elfenm. S. XLVII von dem
Elfftier erzählt und DS. 59 von dem braunen Stier, der aus dem Mums
melfee fteigt. Vgl. Harris I, 47 und Kuhn NS. 500. Rochholz II, 515.
Aber auch apfelgraue Roffe fteigen aus ver Flut und begatten fi mit
den Stuten in den Ställen der Menfchen. Audhun fing ein foldes und
zwang es ihm zu pflügen; am Tage gieng das gut, aber mit Sonnen
untergang riß e3 alles Zeug entzwei, lief in die See und fam nicht zurüd,
Landn. II, 10. Aud das fehrt in Deutfchland wieder: der ſchwarze Gaul
DS. 202 zieht aber Pflug und Pferde mit Bauer und Jungen in das
grundlofe Teufelsbad bei Daſſel. gl. Kuhn NS. 476. Myth. 458.
Solche Roſſe heißen nennir oder nikur: das und die Verbindung mit
dem Mummelſee bezeichnet fie als elbiſch; ſonſt gleihen fie eher riefigen,
verberblihen Weſen. Die Pferdegeftalt, die hier Waßergeifter annehmen,
erinnert an griechiſche Mythen, aud fanden wir fhon 8. 92, 1 Pferd
und Quelle verbunden. Daß fie der Unterwelt angehören und ihr Brüllen
ausbrechendes Viehſterben bedeutet, führt Kuhn WE. 294 aus,
Das Chriftentbum bat natürlich auch Waßerweſen als teuflifh aufge:
faßt; dem Wolf aber find fie der Grlöfung fähig, ja bedürftig. Jener
Strömlarl laͤßt fi für fein Harjenfpiel und den Unterricht darin nicht
bloß opfern, fonbern auch wohl Auferftehung und Grlöfung verheigen,
Muth. 462.
Ein Bezug auf die Waßergeifter ift bei den Sagen von verfuntenen
Gloden anzunehmen, zu welchen vielleiht Untenftimmen und gludfende
Xöne der Wirbel in Seen und Teihen die erfte Veranlagung gaben. Kuhn
W. 23. Heidniſcher Glodenhaß wirb auf den Teufel übertragen, der aber
nur über ungetaufte Gloden Macht hat. Die verjenkten Gloden verlangten
gleich andern Schäpen wieder an das Tageslicht; gleich andern Schägen
470 Elben. Gisken. Gansgeifer. $ 197.
fonnen fie fi und werben, wenn man ein Tuch auf fie legt, der Ober
welt wieder gewonnen; doch gelingt das nur felten, und felbft dann laßen
fie fih nur von Rindern zur heiligen Gtätte ziehen. Vgl. Kuhn NS. 477.
Nah Kuhn a. a. ©. erſcheint in der Unke, und ebenfo in der @lode, die
in die Unterwelt gebannte weiße Frau. Gloden im Berge kommen felte:
ner vor, wenn nicht die Kirche mit verfunken ift. Kuhn 16. Gleichwohl
finden fih Saugloden, die ein Schwein aus ber Erde gewühlt haben ſoll,
Temme P. ©. 268, Dftpr. 240, worauf die fprihwörtlice Redensart Ber
zug nimmt: er hört gerne mit der Gauglode läuten. Häufig wirb ge:
melvet, daß bie Gloden im Teich am Johannistag läuten; das ift ders
felbe Tag, wo aud der Flußgeift fein Opfer, einen Schwimmer verlangt.
127. 3, Feuergeifter,
Eigentlihe im Feuer lebende Geifter, wie dad M. A. von dem Sas
lamander dichtete, giebt es in der deutſchen Sage nicht, nur dem Feuer
verwandte, die auch in ihrer äußern Erſcheinung auf dieß Element deuten.
Dahin gehören zunädjt die Jrrlichter, wovon $. 128. . Ueber das Lebens:
licht vgl. $. 146.
Der Bezug auf das Feuer fowohl als auf die Seelen der Abge:
ſchiedenen findet fih aud bei den Hausgeiftern. Sie gleichen ven
Manen, Laren und Penaten, und find eigentlich Heerdgeiſter. Der Heerd
ift die heilige Stätte, gleihfam der Altar des Haufes, wo das ewige Feuer
nad) der alten Gitte nie ausgehen follte; in der Naht ward es nur mit
Aſche bevedt. Das Heerbfeuer fheint das Clement des Hauögeiftes: an
den Heerd ift er gefeßelt, dahin wird ihm aud fein Naͤpſchen Milch ger
ftellt, oder welche einfache Koft fonft für ihn beftimmt ift: er nimmt fie
gerne an und zürnt, wenn fie ihm zu reichen vergeßen wird, Auf die
Einfaßung des Kamins wurden auch geſchnihte Hausgeiſter aufgeftellt, zus
legt mehr zum Scherz ober zur Zierde, urſprünglich wohl mit tieferer Bes
deutung: e3 waren Gögenbilver, Bildniſſe der Hausgeifter, die über dem
Heerde angebradt wurden. Die Sitte währte in chriftliher Zeit fort, und
wurden jept aud Heilige auf der Eiſenplatte ausgegoßen, welche die Hin:
terwand ber Feuerftätte bekeiveten, jo fuhr man dod fort, auf den Kamin
allerlei in Holz geihnigte Puppen zu ftellen, theils wie die alten Haus⸗
gögen, Zwerge und Däumlinge geftaltet, was ald ein bloper Schmud
feinen Anftoß gab, theils aus dem chriftlichen Leben hergenommene Bild«
8. 127. Elben. Latermann. Sut. Vubengreuel. 471
hen, weshalb man ſowohl in den Minnefingern als aud im Vollsmunde
bald von einem Kobold von Buchſe, bald von einem hölgernen Bifhof“
und buchsbaumenen Küfter hört und lieft. Zwei Namen kamen jept auf
ſowohl für die Bilder ald für die Geifter felbft: Kobold und Tater:
mann, beide wohl undeutſch: Kobold aus dem griech. xoßuros, Schalt,
dem bie für ungeheuerliche Weſen beliebte deutſche Endung auf olt gege:
ben wurde. Mittellateinifh hieß es gobelinus, fr. gobelin. Bei bem
Tatermann vermuthete ich früher, von dem Ausdrud Taggelmännden für
Meine Figuren verleitet, Zufammenhang mit dem Taggen ober Zaggen
wie in niederrheiniſchen Bauernhäufern der Milchſchrank hieß, der gegen
die vom Heerbfeuer erwärmten Eifenplatten mit Heiligenbildern in ver
Band der anftopenden Wohnftube eingelaßen wurde. Auf diefen Taggens
ſchrank pflegte man ſolche Tatermänner oder Koboldbilder zu ftellen. Das
mit ftimmte, daß der Ajchenbröbel im Tyrol Aſchentagger heit, Bingerle
II, 424. Der Tatermann ift aber wohl von Tatern, Zittern benannt,
2eopr. 177, was auf einen Zufammenhang mit den Niefen, ben falten,
‚jitternden wieje. Für Tatermann findet man Katermann gejchrieben: das
erinnert an den geftiefelten Kater, wie denn viele Geifter, wie Kapenveit,
Hinze und Heinzelmann auf Kapennamen deuten; obgleih Heinz eigentlich
nur Verkürzung aus Heinrich ift, und andere Hausgeiſter gleichfalls menſch⸗
liche Diminutivnamen führen, z. ®. Petermännden. So ift Chiemte aus
Joachim entftellt, Wolterlen aus Walther, Rudi aus Rudolf, Rüpel aus
Aupreht (Hruodperaht), der bänifhe Niffe aus Niclas, der in Deutſch⸗
Iand zu Claus und Globe ward, Das Wort Bopanz kann eine Bufams
menfegung von Buppe und Hans fein. Die meiften biefer Namen find
aud im Vollsſchauſpiel beliebt, und ſowohl Kobolde ald Tatermänner fins
den wir bie Puppen genannt, die beim älteften Puppenſpiel an Drähten
gegogen wurden. Andere Namen für koboldartige Geifter deuten auf Vers
Heidung ober Vermummung, denn man verlleivete ſich aud zu Faſsnacht
und andern feftlihen Zeiten in diefe Hausgeiſter und fpielte ihre Rollen,
oft nur um die Rinder zu ſchreden. Daher heißen nun bie Kobolde ſelbſt
Mummart, Mummanz u. |. w. Gin befanntes Vollslied beginnt mit ven
Worten: ‚C3 geht ein Bugemann im ganzen Reid herum’; Walther fpricht
von butzengriul und will nit mehr in butzenwise gehen. Dieſer
Bugengreuel ift der Kinderſchted, den ſolche Derlleivungen erregten. Mit
dem Bug ſchredt man nod jept in Tyrol die Kinder. Zingerle ©. 148.
Verbutzen heißt jet fi) verlleiden, die Geftalt des Hausgeiftes in der
472 Elben. Ya. Yüg. Ms. Ofen. $. 127.
Vermummung annehmen; wahrfdeinlich geht aber das Wort butze zus
naͤchſt auf die Heine Geftalt des Kobolds felbit. Butze ift ein winziger,
im Wuchs zurüdgebliebener Wit, verbutten ift verfnorzen, und Kobolde
heißen Butte, Buttmann, in Bonn Bömann. Auch die Namen Hanke:
mann und Hampelmann ertlären fih: es find an Drähten oder Fäden ger
zogene Puppen, wie fie zum Nürnberger Kinverfpielzeug dienen. Hans⸗
wurſt oder Hanfelmann, der in Schwaben aud ven Teig gebaden wird,
berührt fi mit dem Henneschen, der beliebteften Figur des Kölner Pup⸗
pentheaters, dem Käsperle des Wiener entſprechend. Auch Caspar if ein
Zwergname, Mülenhoff S. 28 fi. So auch Pud, das nad Myth. 468
gleihen Sinn hat wie Bug und vielleiht bamit zufammenhängt. In
Schleswig · Holſtein heißen die Hausgeifter Hauspuden, Mülenhoff 6. 318,
und der Nifs, aus Nicolaus gebildet, führt wohl noch den Beinamen Bud.
Man weiß aber, daß der Bud eine beliebte Figur des engliſchen Theaters
war. Umgelehrt wirft aud das Theater zurüd auf die Namen der Haus»
geifter. Niffen und Clas heißen fie, weil der heil. Nicolaus eine Haupts
figur de alten Vollsdramas war, ebenjo Caspar, einer ber heil. brei
Könige. Nicolaus war Bilhof, und darum wurden auch Bilhöfe als
Zaggenmännlein auf den Kamin geftellt; daher jener hölzerne Biſchof. Der
beliebte Zwergname Barthel tommt von Bartholomäus, Myth. 483. Dieß
tann genügen, um den Zufammenhang des Vollsſchauſpiels mit der Vers
ehrung der Heerdgögen und Hausgeifter darzuthun. Am Lechrain heißen
die Kobolde Hojemännlein Leopr. 32, in Tyrol Püg, in Vorarlberg Büg,
in Montafun Bo, (pl. Bög); daneben hört man das Diminutiv Bügel.
Damit ift die Gattung benannt; der einzelne Hausbüg führt daneben noch
feinen befondern Namen. Daß dieſe Püge und Büge der Crlöfung fähig
find wie ih oben annehme, zeigt fih an dem ‚Stugli‘ (von Bonbun
Beitr. 70), der durh ein unſchuldiges Ninblein, das er ungeheißen ges
wiegt hat, erlöft wurde, Cine Abart bilden die Elbpuge in Vorarlberg,
den wir auß Vernalelen U. 227 als bo3haft kennen.
Man wird fih des häufig in Sagen und Märden vortommenden
Zugs erinnern, daß dem Dfen gebeichtet wird: was man eidlich hat ge:
loben müßen, teinen Menfchen zu verraten, das erzählt man dem Dfen;
hinter ihm verfteden fih aber Menſchen und fo kommt das Gebeimnifs
an den Tag. Goth. heißt der Dfen auhns: ftatt des f zeigt ſich die
entſprechende Gutturale, die den Zufammenhang mit dem latein. ignis
beweiſt.
$. 127. Elben. Ekerhen. Pelermännden, Heibkäppden. 473
Diefe Anbetung des Dfend geht wie Alles was in unferer Mythos
logie auf Glementardienft weit, das Nothfeuer, die Johannisfeuer u. f. w.
auf eine Zeit zurüd, bie älter ift ald das Germanenthum. In den Haus
geiftern ift das euer ſchon perfonificiert; noch ftärter tritt die Perſoni—
fication in Donar berver, der in Deutſchland Herb: und Feuergott zu
fein fcheint, wie für den Norden Tpiälfi Gleiches vermuthen lieh, ©. 262,
wo fonft Loki (Lofar 7) als folder auftrat. Wir fanden S. 419 die Trie
Iogie, ‚Senne, Mond und Hercules‘, melde jener bei Cäfar Sol Luna
Vulcanus S. 171 ganz entſpricht, wenn wir Donar, ben wir $. 83 ff.
als Hercules nachgewieſen haben, num auch durd feine Bezüge zu ven
"Hausgeiftern ald Heerdgott (Bulcanus) ertennen lernen. Donar vielleicht
auch Wodan ſcheint fih aber in den Hausgeiſtern zu vervielfältigen, oder
in ihrer Geftalt als Hausgott zu erſcheinen. Darum halten die Zwerge
auf Heiligung des Donnerstags, und mögen nicht leiden, daß an diefem
Tage gejponnen oder Holz gehauen werde. Bei Müllenhofi 6. 578 heißt
ein Zwerg Hand Donnerdtag, Wie dem Donar das Eichhörnchen heilig
ift, fo heißt ein Hausgeiſt Ederken; einen andern fanden wir Peter:
männden genannt, und Donars Bezüge zu St. Beter fahen wir ©. 290.
Wegen ihrer Verwandtfhaft mit dem Feuer wird ihnen rothes Haar und
rother Bart beigelegt wie dem norbifhen Thoͤr; aud läßt man ihnen
rothe Kleider, rothes Rodchen und Kaͤppchen maden, um ihre Dienfte zu
belopnen. Buweilen nehmen fie das übel und ziehen weg, worauf ber
Segen aus dem Haufe verfhwinvet, M. 453. 479. Auch von ben ‚faligen
Fräulein’ wird das erzählt (Alpenb. 4): mit trauriger Miene ſcheiden fie
aus dem Haufe, wo fie feld ein Anfinnen kränlen durfte. Das ift ein
Zug aus der Unſchuld der Welt am Goethe utopifche Inſel erinnernd,
wo der Wirth, um die Schuldigfeit gefragt, den Nnüttel ergreift und ben
Frembling wegen frecher Verlegung des Gaſtrechts hinausprügelt. Grimm
will dad aber auf Waldgeifter und Unterirdiſche beſchränken, vie auch oft
im Verkehr mit Menfcen ftehen, während er von Hausgeiftern annimmt,
fie dienten recht eigentlich um Kleider. Allerdings bezieht fih ihr Name
gern auf die Aleivung, namentlich auf die rothe Müge. In Flandern
heißen fie Rothmuhchen, in Frankreich Chaperon rouge ; RothtäppKen
tommt in beutihen Märchen vor, Wolf DS. 239. Gin norwegiſcher Niffe
trägt eine vothe Pelzhaube, M.476; ein ſchottiſcher Hausgeift heift Shel-
Iykoat, Schellenrod. Schellen lieben die Zwerge an den Kleidern und
bedingen fi) bunten Rod mit klingenden Schellen, M. 428, wie fpäter
474 Elben. Yäten. Geh der Blinde. Abt von St. Gehen. 6. 127.
gerne bie Narren trugen im Luftfpiel wie an den Höfen. Dagegen ber
Bwerg Antiloys, der dem Laurin nachgebilvet ift, trägt einen Rod mit
Hingenden Schellen. Auch ber Sonnen: und Wettergeift Stiefeli bei
Rochholz II, XIX, ff. hat am meiften von Qonar ; aber Hüthen (96
velen DE. 74. Kuhn WS. 350) gleicht auffallend Odin: er brüdt den
Hut fo tief ins Geſicht, daß man ihn nicht erfennen kann, Oben $. 33
ift erzählt worden, wie Obin mit dem Niefen Wafthrubnir über die urs
weltlichen Dinge tritt und Waſthrudnir erlag, weil er die Frage nicht
beantworten Tonnte, wa Odin feinem Sohne Baldur ins Ohr gefagt habe
als er auf dem Scheiterhaufen lag; auch ift S. 172 der Verſuch gemacht,
diefe Frage zu beantworten: diefelbe Frage kehrt nun auch am Schluß
der Herwararf. wieder, wo König Heivred beim Julfeſt auf Freys Eber
das Gelübde abgelegt hatte, Alle bie fih wider ihn vergingen zu begnas
digen, wenn fie ihm ein Näthfel vorlegen könnten, das er nicht zu er⸗
rathen wüßte. Aber fo weile wufte ſich König Heidret, daß er alle Räthjel
loſen könne. Nun war Geft der blinde, ein reicher und mächtiger Mann,
fid) eines Frevels gegen den König bewuft. NIS viefer ihn num vor ſich
Ind, opferte Geft dem Odin, daß er ihm in feiner Noth beiftünde. Da nahm
DOpin Geft des blinden Geftalt an, trat vor K. Heidrek, mahnte ihn feines Gelüb:
des und legte ihm viele noch jept im Volle gangbare und in meinem deutſchen
Rathſelbuch enthaltene Räthfel vor, melde K. Heidrel alle bis auf die lepten
loſte, welche wir jhon aus Wafthrubnismal kennen. Da ergeimmte Heidrel
und wollte mit feinem Zauberſchwerte Tyrfing nad Odin ſchlagen; aber
diefer entflog ihm in Fallengeſtalt. Diefer bisher abfihtlih noch übergan«
gene Odinsmythus begegnet häufig, in Deutſchland bekanntlich zufegt noch in
Bürgers Abt von Gt. Ballen, wo Hans Bendig, der an Odins Stelle
tritt, des Abtes Geftalt annimmt wie Odin die des blinden Geft, wobei auch
die alte Raͤthſelweisheit unvergepen blieb. Wie Odin dem Geft, Hans
Bendig dem Abt, fo hilft Hütchen einem unwißenden Geiſtlichen, der zur
Kirchenverſammlung geſchidt werben follte, aus ber Noth, indem er ihm
einen Ring giebt, ver ihn je gelehrt und beredt machte, daß er ald bes
rühmtefter Redner glängte. Hier ift Odin nicht bloß zum Zwerg einges
ſchrumpft; die Weberlieferung hat auch fonft gelitten. Hütden begabt auch
in ähnlicher Weife wie Dvin DS. S. 103. Neben Hütchen kommen die
Namen Hopfenbütel, Eifenhütel (Singerhut) vor; andere Haus:
geifter heißen Stiefel ſ. o. was auf bie Flügeljhuhe Mercurs und fo wies
der auf Odin deuten kann, wobei noch eine Beziehung auf die Sieben:
8. 127. Eben. Aitqen. Gütgen. Audel. 475
meilenftiefel möglich if. Denn Hütchen lief in unglaublid lurzer Beit
über Wälder und Berge nad Hildesheim, und noch jegt zeigt man feinen
Rennpfad. Das erinmert an ben lichten Geiſt bei Caſarins, der in einer
Stunde Löwenmild aus Arabien holt. Wir haben Bezuge auf Donar
und Dpin gefunden; Kuhn WE. 358 erzählt aber noch von einem Zwerge
Namens Balder, der an Baldur gemahnt, Wir legen darauf fein Ger
wicht; aber wenn fi uns oben ©.452 Ddin zu Alberich ftellte, fo fehen
wir biefen als Elberich zu Ortnit® Vater gemacht, womit dem Zwerge gleihfam
göttliche Ehre erwiefen ift. Selbit die Tarnlappe, bie den Zwergen eigen ⸗
thümlich ift und nach der Hütchen benannt ſcheint, läßt fi bei Odin, der
Hötte und Sidhöttr heißt, wiederfinden; es ift fein tief ins Geſicht ges
drüdter Hut, der ihn unkenntlich machen foltte. Den Zauberer Martin
Bumphut (Menzel Odin 168) macht der Hut unſichtbar. Schon glei
nad der Geburt übte er biefen Bauber: eine Schlange lag dann ftatt
feiner in der Wiege: aud darin erinnert er an Odin, der als Schlange
zu Gunnlöd in den Felſen fchlofi, der die Schlangennamen Ofnir und Swaf⸗
nir führt und bei den Langobarden unter dem Bilde einer Schlange vers
ehrt wurde. Zuweilen bewirkt das Aufſehen des Hutes in unfern Sagen
plöglihes Umfchlagen des Wetters, und Odin ift als Widrit Wetterherr.
Der Name Hütchen reimt auf Gutchen, welches ein faft fo allgemeiner
Name für elbiſche Geifter ift wie gute Holde. Goethe nennt im 2. Theil
des Fauft die Gnomen ‚ven frommen Gülchen nahverwandt.“ Gütgemann,
Delbermann find entſprechende Mannsnamen. Bei Sommer 170 erſcheint ein
Gütchenteih, aus dem in Halle die Kinder geholt werben, bei ung ein Ouiges ·
bad. Demnach wär ed ein Waßergeift; bei Burglehner, Bingerle ©. 68,
erſcheint es al3 ein frommes Vergmännlein und ift einer andern fchäplichen
Gattung entgegengejept. Das Güetel wird oft entftellt in Jübel. Aber aud als
Hausgeift erſcheint das Judel. Es fpielt gerne mit ben Kindern, wie alle
Hausgeifter gerne fpielen und fih beluftigen, weshalb man ihnen Schuhe,
Bogen und Pfeile und andere Spielſachen hinzulegen pflegte, Anh. AXX VII.
Sein Spielen mit ben Rindern fah man aber nicht gerne, weil es fie nicht
fhlafen ließ. Man dachte daher auf Mittel, es von den Kindern abzu ⸗
halten (Abergl. Nro. 389) oder abzuziehen, wozu wieber Spielſachen dien ⸗
ten (Rro. 62). Auch die Kühe beunruhigt es (Nro. 454); nad 473
ſcheint es fogar die Kinder zu verbrennen. Das giebt uns Aufſchluß über
die altveutjche Erzählung von dem übel, wo ein Judenkind, daB dem
Chriſtenthum zuneigte, von ben eigenen Verwandten in einen Ofen geftedt,
476 Elben. Hamm. Gofe. Kumpelkiihen. 8. 127.
aber von der Jungfrau Maria vor dem Verbrennen behütet wird. Der
Mifsverftand des Namens ift hier deutlich; zugleid tritt aber wieder bie
Beziehung der Hausgeifter auf den Dfen, den Heerd des Haufes, hervor.
Wieland der Schmied, der Alfenfürft hieß, beſaß ein ſchnelles Pferd
Namens Schimming, das von Odins Roſs Sleipnir gezeugt fein follte; die⸗
ſem Rofie ließ man im Saterlande einen Aehrenbüfchel zum Opfer ftehen,
der nah Kuhn NS. 398 Namslohn hieß. Darnad hätte dieß Roſs in
Deutſchland Ramm geheißen, was auf eine Befruchtung und Beſamung
der Ernte des naͤchſten Jahres anfpielen mochte. Nun fol aber der Rams
melöberg im Harz von Ramm, dem Jäger Kaifer Ottos, benannt fein,
der hier einft fein Roſs anband, um zu Fuße dem Wilde im Didicht nach⸗
zuftellen. Unterbes ſcharrte das ungeduldige Roſs die Erde auf, und bradte
Silberftufen zum Vorſchein, auf die ſeitdem gebaut wurde. Offenbar hieß
das Pferd, nicht der Jäger, Namm; von diefem aber läßt die Sage den
Berg benannt erben, und von feinem Weibe Goſe Goslar die Stadt fo
wie das Flügen, woran fie liegt, und das Bier, das aus feinem Waßer
gebraut wird und nicht im feinften Rufe fteht. Menzel Ovin 173.
Auch die Hausgeifter find ihrem Weſen nad wohlthätig; ald genü
tutelares, Schuggeifter des Haufes halten fie e3 mit dem Hausherrn und
warnen ihn vor Veruntreuungen des Gefindes, das ihnen daher oft ab-
hold ift. Iſt das Gefinde aber treu und verfäumt es nicht, ihnen den
Napf mit Milh zu füllen, ftreut es nicht etwa Sand und Erbſen, damit
fie fallen und ihre Heine Geftalt oder die mifägeftalteten Füße im Sande
abbrüden, verjhont es fie überhaupt mit Spott und Nedereien, die fie
oft graufam vergelten, ift e8 im Dienft der Herſchaft nicht faul und fahr:
läßig, danıı werden fie auch Anechten und Mägden held und ermeifen
ihnen viele Dienfte, verrichten in der Nacht insgeheim einen Theil ver je:
nen obliegenven Arbeit, ftriegeln die Pferde und füttern dad Vieh, miſten
den Stall, holen Waßer aus dem Brunnen, fpülen Zeller und Schüßeln,
kehren und fegen Flur und Haus. Der faulen fhlampigen Magd freilich
ftoßen fie ven Milchkübel um, blafen das Licht aus und folhen Schaber:
nads mehr: gegen fie wird der gutmüthige Hausgeiſt zum Duäl- und
Plagegeiſt. Herabwürbigende Auffapung macht fie dann vollends zu Pol-
tergeiftern:: fie poltern und rumpeln im Haufe umher: daher die Namen
Rumpelſtilz (KM. 55), Bullermann, von Bullern, Bolten. Schon ver
Buttmann, der Bug fann mit bözen Hopfen zufammenhängen (Myıb. 475)
und Bopanz (S. 479) fowie der ſchwaͤbiſche Poppele (Meier 85 ff.) mit
& 127. Elben. Poltergeißer. Aobolde. 477
Popern, Bochen. Vgl. Banzer II, $. 1—7. Diefe Voltergeifter, die das
Haus, das von ihnen beſeßen ift, unbewohnbar machen, und Vorübergehenve
gern mit Steinen werfen, mögen den Rieſen verwandt fein, dem Grendel
und jenem Schretel, das der Waßerbär befämpfte; auch chriftlihe Anſicht
Kann ihre Natur verfinftert haben,
Der Hausgeift ift weniger an das Haus als an die Familie geknupft:
er bleibt nit im Haufe, wenn der Hausherr megzieht. Bei der erften
Bebauung Islands Tieß der Nordmann feine Götter nicht daheim: bie
Hodhfigpfeiler, an welchen ihre Bildniſſe ausgefhnigt waren, ftellte er bei
der neuen Feuerftätte wieder auf. So flüchtete Anchiſes die Penaten aus
dem Brande von Troja und trug fie auf der Schulter ala das Tiebfte
Gut, mas in der Weinsberger Sage auf die Männer übertragen ward.
So zieht aud der deutſche Hauögeift mit dem Hausherrn weg, wenn er
auswandert oder auszieht. Erſt als man die Hausgeiſter ald nedende
Kobolde, als Ouäl: und Plagegeifter betrachtete, konnte ſich die Sage bil:
den, die vielfah (DE. 72. Kuhn NE. 82) erzählt wird. Ein Bauer,
der des Unfugs feines Kobolds überbrüßig war, beichloß auszuziehen und
ihn zurüdzulaßen, oder gar mit der alten Scheune, worin er fein Weſen
hatte, zu verbrennen. Als er nun alle feine Habjeligleiten auf einen
Karren geladen hatte und davon fuhr, blidte er noch einmal um nad dem
alten Haufe, dad in vollen Flammen ftand: da faß der Kobold hinten
auf dem Karten und ſprach: ‚Es war Zeit, daß wir herausfamen, ed mar
Zeit, daß wir forttamen!’
„Wenu wir nicht wären entronnen,
Wir wären Alle verbronnen.‘
Der Kobold ſaß hinten im Faß.
Da konnte er wieder umfehren und den Kobolv behalten. Vgl. Kuhn ©. 350.
Uebrigend ſcheint der Büg bei Vonbun Beitr. 70 geglaubt zu haben, er
fei an das Haus gebunden, weshalb er ganz ſchwermüthig wurde, als
die Haußeigenthümer ihr Anweſen verkauften und wegziehen wollten. Als
ihn die Hausfrau feines Trübfinns wegen zur Rede ftellte, feufzte er,
„Ach ihr zieht aus und ich darf nicht mitziehen.“ „Ja freilich darfft du
mitziehen,’ entgegnete die Stau: da hüpſte der Bug vor Freuden auf
und rief:
‚Zelt nümmi mi Hüber und G’müder
Und züc fell met hinüber.“
478 Eben. Die dankbascn Eohten. 8. 197.
Häufig bricht die Anficht durch, daß die Hausgeifter Seelen der Ber
ftorbenen ſeien. Nah DE. 71 follen fie Meßer im Rüden fleden ba
ben; das würde fie fogar ald Geifter von Grmorbeten barftellen. ine
Magd wollte gern ihren Kobold jehen und ließ nicht nah mit Bitten.
Endlich verfpricht er, ſich zu zeigen, beftimmt den Ort, bedingt ſich aber,
daß die Magd einen Eimer Waßer bereit halte. Da fieht fie ihm auf
einem Kifschen nalt liegend, ein großes Schlachtmeßer im Nüden. Bor
Schreden fällt vie Magd in Ohnmacht, der Kobold fpringt auf und
gießt ihr den Eimer Waßer über den Kopf, bamit fie wieder zu fih
tomme. Auch die Benaten waren Seelen abgeſchiedener Vorfahren, ſelbſt
Bertha fieht ald weiße Frau an der Spige der Fürftengefchlechter, und
die Hauögeifter fahen wir nicht ſowohl an das Haus als an bie Familie
‚gebunden.
Zuweilen foll die Ahnfrau gewaltſam ums Leben gelommen fein: das
führt auf die in Deutſchland, Frankreich und Jtalien nachweisbare Sage
von den banfbaren Zodten. Ihren Hauptfig haben fie im einer Reihe
deutfcher, zum Theil noch ungebrudter Märden, wo der Geift eines Er⸗
morbeten Dem, der mitleidig feine Leiche Mifshandlungen entzogen und
ehrlich beftattet hat, das Leben rettet umd zum Beſih der Geliebten ver:
hilft. Auch gegen dieſe hatte der Held ſich mitleivig erwieſen, indem er
fie aus der Gefangenſchaft loslauſte, ohne zu wißen, daß fie eine Königs
tochter fei. Den Zufammenhang mit dem ‚guten Gerhard’ habe ih
anderwaͤrts außgeführt ; id; merke nur noch an, daß in einigen dieſer Mär
hen der Geift des Ermordeten zuerft als Vogel oder als wildes Xhier
erſcheiut, und bie vorfommenben Gigennamen: Karl (der guote Karle),
Heinri (der arme, guote Heinrich), Gerhard (ver gute Gerhard),
vieljah beveutend und zum Theil nicht ohne Bezug auf die Geifterwelt
‚find. Bei den Hausgeiſtern kommt beſonders ber Name Heinrich gem
vor; auch fie nehmen Tpiergeftalt an: jie erſcheinen als Katzen, Schlangen
und Kröten. Hinzelmann DD. 103 zeigt fih bald als Marder, bald als
Schlange (S. 111); überhaupt finden wir neben den Hausgeiſtern auch
Hausfhlangen, und wie jenen wird ihnen Mild zum Trinken hinger
fept. Mit ven Kindern leben die Hausſchlangen gerne zufammen, bemaden
fie in der Wiege und thellen mit ihnen Speiſe und Trank: dann gedeiht
das Kind und blüht; wird aber die Schlange verlegt oder gar gelödtet,
fo nimmt es ab und fieht hin. Bumeilen fommt die Schlange mit dem
Kinde zur Welt, um feinen Hals gewidelt: dann ift aud ihr Leben un:
3. 197. eElben. Mind, Drak. Alf. 419
jzertrennlich verbunden. Nach Giner Sage giebt es in jevem Haufe zwei
Schlangen: eine weibliche und eine männlihe: ihr Leben hängt mit dem
des Hausvaterd und der Hausmutter zuſammen. Sie lafen ſich aber nicht
eher ſehen bis viefe fterben und fterben dann mit ihnen, M. 651. Leopr.
77. Graͤße Gefta Rom. I, 185.
Eine befondere Art des Kobolds ift der Mönd (Sommer 173, If
DNE. 122), fo genannnt wegen feiner Kleidung. Gr ift ernfter ald ans
dere Kobolde und fteht auch der Feldwirthſchaft vor. Für feine treuen
Dienfte fordert er nur, daß man freundlich mit ihm umgehe; zu Giebichen-
ftein auf dem Amte verlangte er aber einft, daß an einem beftimmten
Tage jebem Armen, ber fi melvete, ein Stüd Brot unb ein Hering ger
geben würde. Wenn man dieß unterließ, fo tobte er fo lange bis die Ar«
men gefpeift wurden, Sommer 37. Wir haben Brot und Heringe ſchon
früher ald eine altheidniſche Speife getroffen, die fih namentlich auf den
Bertentag bezog. So kommen auch unter den Berggeiftern Bergmönde
vor. Die Mönde wahen nur über dad Vorhandene und bringen nichts;
die Vorliebe anderer Kobolde für den Herm und fein Haus geht aber fo
weit, daß fie Gelb und Getreide zutragen, und man fagt ihnen nad, daß
fie es aus den Scheuern der Nachbarn entwenden. Bon einem, ber ſchnell
reich geworben ift, heißt e3 in biefem Sinne, er habe einen Kobold. So
geht diejer über in den Drät (im Oftpreuß. Samland Alf, Reuſch IL Aufl.),
der bei Nacht als feuriger Streifen oder Drade durch vie Luft fliegt
groß wie ein Wiesbaum oder wie eine Wagenrunge; er beißt auch Lange
ſchwanz und hat einen Kopf wie ein Melteimer groß, mit dem er bin» und
herwadelt. Müllenhoff 206. Schwarz Urfpr. 57. Andere Namen find
Mertche oder Stepche (Steple), was auf Martin, Stephan oder Chriſtoph
weiſt. In manchen Zügen geht er vollends in den Zeufel über, und man
fann ein Bündniſs mit ihm machen, ihn aud zwingen, etwas von dem
was er fortträgt, abzugeben; man muß aber eilen, unter Dach und Fach
zu kommen, fonft wird man von ihm befudelt oder mit Läufen bebedt.
So liegt ihm nicht ſowohl der Blig ald dad Meteor oder Sternfhnuppen
zu Grunde, denen man wohl auch befruchtende Wirkung zutrauen mochte,
bis auch fie verteufelt wurden. Jept machte der Vollöglaube einen for
boldartigen Geift daraus, der fi in den Dienft eines Menjchen begiebt
aus eigennägigen Abſichten, aus Speculation auf eine Menſchenſeele. Auch
als Kage trägt der Teufel Gold zu, Müllenh. 207.
Der Uebergang zu Befpenftern und Teufeln bilden auch Kobolde, vie
480 Elben. Altann. Galgenmännlein. Mandragora. 8. 187,
ſich für herrenlos ausgeben, die man aber erwerben kann; nicht immer
wieber loswerden. Werben fie ind Haus getragen, in einem Schrant ober
in einer Lade gebracht, fo wiſchen fie heraus, wenn die Lade geöffnet wird,
binter den Ofen und find nicht mehr zu vertreiben. Wer einen Kobold
diefer Art in feinem Dienfte hat, wird feiner lebenslang nicht ledig, ja
er muß ehe er ftirbt ihm einen neuen Herrn fchaffen; doc darf ihn ein
Mann nur einer Frau und eine Frau einem Manne geben. Weil ihn
Niemand gerne annimmt, ſucht man ihn mit Lift unterzubringen, indem
man ihn in Geftalt eines Apfeld oder eines Knaͤuels Garn verſchenlt,
Sommer 171. Oft heißt e3, wer einen Kobold diefer Art in feinem
Dienfte habe, dürfe ſich nicht kaämmen und waſchen; diefelbe Bedingung
ftellt der Teufel, und fhon daß man ihn los zu werben fucht, bevor man
firbt, zeigt wie er in den Teufel übergeht. Noch deutlicher iſt diefer Ueber:
gang, wo man bem Kobold Arbeit ſchaffen muß. Auch der Alraun(Man-
dragora) gehört hierher, der audh Galgenmännlein heißt; zulegt eigent:
lich nur eine perjonificierte Pflanze, die überall da wächjt, mo ein Erddieb, der
nod reiner Jüngfing if, gehängt ward und das Waßer ließ (aut sperms
effundit). Die Pflanze hat breite Blätter und gelbe Blumen ; die Wurzel
bat menſchliche Geftalt, der dur die Kunſt noch nachgeholfen wird. Beim
Ausgraben ächzt und ſchreit fie fo entjeplic, daß man davon fterben muß.
Man foll daher wie Odyſſeus bie Ohren verftopfen und bann bie Erbe
rings abgraben bis fie nur nod an dünnen Faſern hängt; dann bindet
man fie mit einer Schnur einem allſchwarzen Hund an den Schwanz, zeigt
dieſem ein Stüd Brot und läuft eilends weg. Der Hunb nach dem Brot
gierig, folgt und zieht die Wurzel aus, fällt aber von ihrem ächzenden
Geſchrei getroffen, todt zu Boden. Dann hebt man fie auf, wäſcht fiein
rothem Wein fauber ab, widelt fie in weiß und rothes Geidenzeug, legt
fie in ein Käftchen, badet fie alle Freitag und giebt ihr alle Neumond ein
neues weißes Hembfein. Das Männlein antwortet dann auf alle Fragen,
offenbart heimliche und zufünftige Dinge und bringt dem Haufe Segen.
Ein Stüd Geld, das man ihm Nachts zulegt, findet man am Morgen
doppelt; do darf man ihm hierin nicht zu viel zumuthen, fonft genießt
man feined Dienftes nicht lange: es nimmt ab und wird untüchtig. Durch
Erbſchaft geht es auf den jüngften Sohn, oder wenn diefer vor dem Vater
firbt, auf den Alteften über. Die Alrunen Deſterreichs find 2 Boll groß;
der Xeufel hat fie mit einer Mugen Frau Namens Alrune (Aibrune Kuhn
WE. 148) gejeugt, Diefer einfachen Abſtammung gemäß ift aud ihre
$. 127. Elben. Erageri. Spiritus familiaris. 481
Wirkfamfeit gut und böfe. . In legterm Sinne heißen fie Tragerl, wel⸗
hen man jedoch noch Abftammung von einer fabelhaften Pflanze zufchreibt,
die nur in ber Chriftnacht blüht und deren Gamenforn dann in einem
Kirchenkelch aufgefangen wird. Das Tragerl bringt Alles was man ver⸗
Tangt, muß aber bei Lebzeiten verlauft oder verſchenlt werben. Verſchieden
von dem Alraun ift der spiritus familieris ; er wird in einem Glafe
aufbewahrt und bewegt ſich ohne Unterlaß, fo daß man nit erkennen
tann ob er mehr einer Spinne oder einem Ecorpion gleiht. Cr kann
nur durch Kauf erworben und übertragen werden. Der rechtmaͤßige Eigens
thümer mag dad Glas dann hinlegen wo er will, immer tehrt es von
ſelbſt in feine Taſche zurüd. Cr bringt großes Glüd, [hüpt im Kriege
und behütet vor Tod und Gefängnifs; wer ihn aber behält bis er ftirbt,
muß mit ihm in die Hölle. Darum fucht ihn der Beſiher wieder zu ver:
taufen; er laßt fi aber nicht anders als immer wohlfeiler losſchlagen,
damit ihm Einer endlich bleibt, der ihn mit der geringften Münze bezahlt
bat. Ganz ähnlid wird von dem Drak erzählt, man werde ihn auf fols
gende Weife habhaſt. Findet man heute einen Dreier und nimmt ihn
auf, fo liegt morgen ein Sechſer an berjelben Stelle, übermorgen ein Oro:
hen und fo fteigt der Werth des Gefundenen bis zum Thaler. Wird
auch diefer aufgenommen, fo ftellt ver Drak fih im Haufe ein. Er ver
langt gute Behandlung und Betöftigung gleich einem andern Hausgeiſt;
wird es bamit verfehen, fo zündet er einem das Haus über dem Kopf
an. Will man ihn wieder los werden, fo muß man jenen Thaler ver:
äußern, aber unter feinem Werthe und zwar fo, daß es der Käufer merte
und ſtillſchweigends einwillige. So trägt man aud das fiebente Ci einer
allſchwarzen Henne ausgebrütet unter der linlen Achſel. Der vdienftbare
Geift, der jeden Auftrag erfüllt, kann ſechsmal einem andern Herrn über:
tragen werben, erft ber fiebente Befiger ftirbt eines geheimnifsvollen un:
natürlichen Todes. Vernalel. 258,
Verwandt find noch das unſichtbar machende Vogelneſt (DE. 85)
und der Hedethaler ober Brutpfennig (DS. 86). Nah Kuhn NE. 470
foll, wer einen Hedethaler haben will, in der Tängften Nacht einen ſchwar⸗
zen Kater in den Sad fteden, und dieſen feft, und zwar mit 99 Knoten,
zubinden; darauf geht man zur Kirche und „dreimal um biefelbe, jedes:
mal, wenn man zut Ihüre kommt, den Küfter durchs Schlüßelloch rufend.
Beim Drittenmale lommt er felbft (und das ift der Teufel); darauf fragt man
ihn, ob er einen Hafen kaufen wolle, und erhält für den Kater im Sad
Cimzet, Mythologie. 31
482 Elben. Aukuk und fein Käfer. 8.1288.
den Thaler. Dann muß man aber eilen, unter Dach und Fach zu kom⸗
men, denn wenn er den Knoten Töft, und den Berfäufer einholt, fo if
diefer verloren. Der fo erhaltene ift ber Hedethaler, und man fann ihn
nur wieder loßwerben, wenn man ihn in Salz ftedt, was auf deſſen Hei⸗
ligkeit deutet. Bol. Vernalelen Alp. 99. Man fieht den Urfprung ber
Rebensart: die Rage im Sad kaufen; zugleich erklärt fi in Claudius
Rheinweinliede die Stelle: der Kudud und fein Küfter. Vgl. jedoch Bre
miſches Wörterb. 2, 858 und Döbel I, 1,68. Daß der Wiedehopf des
Kududs NKüfter fei (Alpenb. 386), ift im Volksglauben nicht gegründet.
Der Kudud bebeutet bier den Teufel, für den des Kududs Name no täg
lich gebraucht wird.
128. Seelen und Seſpenſter.
1. Die Geifter, von melden wir bisher zu ſprechen hatten, waren
eigentlich bolde, geheure; nur durch Entftellung waren fie wohl in unholde,
ungeheure übergegangen, die als feindfelige Quaͤl- und Poltergeiſter, ald
drüdender Alb, als reitende Nachtmar mehr zur Laft ald zum Gegen
gereihten. In den Gefpenftern betreten wir das Bereich der unfeligen ſpulen⸗
den Geifter: damit entfernen wir und aber auch von dem Gebiet rein heid⸗
niſcher Ueberlieferung; mod entſchiedener mifhen fi in den folgenden 88
chriſtliche Vorftellungen ein. Bon den Gefpenftern find indes die erſchei ⸗
nenden Seelen als nicht immer unfelig zu unterſcheiden. Der in neuer
Geftalt erſcheinenden Seele ift die Verwandlung in Vogel oder Pflanze
verwandt aber nicht ibentifch: bei ver Verwandlung wird ber Leib mit
ergriffen und umgebilbet; bei ver Verfteinerung (S. 429) bleibt nur
ein täufhender Schein der alten Leibeögeftalt übrig. Wenn aber die Seele
aus dem Munde des Sterbenden ald Taube oder als Rabe entfliegt,
oder als Maus, ald Schlänglein dem Schlafenden entihlüpft, fo findet
teine Verwandlung des Leibe Statt. Ob die Lilie, die dem Grab
des Mädchens entwähft, und die nur der Geliebte brechen fol, die
Rebe und die Nofe, die fi über Triftans und Iſoldens Grabe ver
ſchlingen, als ihre Seelen zu verftehen find, könnte noch bezweifelt wer
den; aber jedenſalls ift dieß feine Verwandlung, benn der vermefende Leib
ift dabei unbetheiligt. Auch aus dem Glauben an Geelenwanderung
ſcheint dieß nicht berzurühren, die Geele wird zumeilen nur auf kurze
Zeit in einer neuen Geftalt fihtbar; darin zu verharren ift ihr fehwerlih
beftimmt, In der alten Zeit konnte man ſich nichts Weberfinnliches den:
8. 1238. Beelen. Mans und Eher. Silk. 488
ten, darum muften aud die Seelen, muften auch Geifter und Gefpenfter
leibliche Geftalt annehmen, Bol. jedoch Rochholz II, 393 und Solarlien 53,
wo es von den unterweltlihen Qualorten beißt:
BVerfengte Vögel, die Seelen waren,
Hlogen wie liegen umher.
In Nahftehendem folgen wir meift einer ber vergleichenden Mythologie
amgehörigen Schrift Dr. Grohmanns (Apollo Smintheus und vie Ber
deutung der Mäufe. Prag 1862), indem wir die Buntte hervorheben, die
in der deutſchen gegründet feinen. Wie Kuhn nachgewieſen hat, badıte
man fid den Blig in ganz ähnlicher Weife entftanden wie man ſich felbft
auf Erben das Feuer erzeugte 9.144, nämlich durch Drehung eines Sta⸗
bes in der Nabe des Sonnenraded. Diefer Vorgang wurde aud als
Zeugungdact des Feuergottes aufgefaßt. Aus der Mifhung dieſer beiden
Borftellungen, der Entzündung des himmlischen Feuers durd einen umger
ſchwungenen Stab und des irdiſchen Beugungsactes, entftand der Glaube,
daß bei jener Beugung im Gewitter der himmliſche Funke ver Seele ger
boren würde, den dann der Kinder bringende Stord oder Schwan $. 90
aus der Unterwelt auf die Erbe brädte. Mon dieſer Blitzgeburt der
Seele mögen freilich im heutigen Vollsglauben wenig Spuren mehr haften;
aber aus frühern Jahrh. ift der Glaube bezeugt, daß die Mäufe im Ger
witter geboren würden (Grohm. 7), und ſchon oben fahen wir die Geele
als Maus erfhheinen.
Maus und Eher find fehr ähnlich gefaltet und in bairiſchen Heren ⸗
acten wirb oft des Mäufer oder Facel⸗(Ferlel)machens erwähnt. Myth.
1044. Dabei bemerlt Grimm, dieſe Plage Tönne mit vollem Fug dem
verheerenden Hagelwetter zur Seite geftellt werben, das den Hexen gleich«
fals Schuld gegeben wurde. AI das Charalteriftiihe der fo zufams
mengeftellten Eber und Mäufe wird nun ihr blintender gleihfam bligen
ver Zahn betradtet und der Satz daran gefnüpft, der Blitz fei als
der Teuchtende Bahn des Thieres, des Ebers ober der Maus gedacht und
fpäter das Thier mit feinem Zahn ibentificiert worden, wodurch nun Maus
und Blig zufammenfielen. Daraus erllärt ſich der Aberglaube, daß ein
Stüd Holz von dem Baume, in welchen der Blig im erften Frühlingäger
witter eingeihlagen hat, als Zahnſtocher gebraucht das Zahnweh heilen foll,
während auch der verlorene Zahn des Kindes, das bald einen neuen haben
foll, in ein Mausloch geftedt wird mit den Worten: ‚Mäuschen, id gebe
dir einen Inöhernen, gieb mir einen eifernen.’ Grohm. 8.
484 Seelen. Gertrudis mit der Mans. $. 128.
Wie in der Erzählung des Paulus Diaconus ftatt der Maus eine
Schlange aus dem Munde des ſchlafenden Königs Guntram kriecht, wie
nod öfter Mäufe und Schlangen ihre Rollen. wechfeln, fo entfteht aud bie
Schlange aus dem Blig, den Schiller felbft eine Schlange nennt.
Da nad ©. 449 auch elbifhe Wefen Seelen find, jo verwundert es
nicht, wenn von Mäufen oder Ratten erzählt wird, was fonft von Zwergen
gilt, ja daß man den Mäufen dieſelben Opfer brachte wie ven Eiben. In
ver Zulzeit hielten die Elben in Mausgeftalt ihren Umzug, darum burfte
man in den Bwölften die Maus nicht beim rechten Namen nennen, fondern
mufte Bönlöper (Bodenläufer) fagen. Vgl. Kuhn NS. 411. Aehnlicher
Vorſicht bediente man fih bei dem Wolf. Wie das Erfheinen des Mor
disheeres ($. 72), das aus Seelen der Verftorbenen beftand, Krieg vers
Tündigte, fo ſchloß man auf Krieg auch aus dem Ueberhanbnehmen der
Mäufe. Der Anführer des Modisheeres ift der Sturmgott Wuotan, ben
wir für die ältefte Zeit aud als Gemittergott zu denken haben. Ihm
waren alfo die Mäufe geheiligt, und ſchon darum muß Gertrud $. 110
an die Stelle der Gemahlin des Gotteß, heiße fie nun Frigg ober Freyja,
getreten fein: Gertrudis mures a colis mulierum abigit, heißt es bei
Laſicz. Daß fie wie Freyja Seelen bei ſich aufnimmt, wird außdrüdli ger
meldet, und dieſe Seelen werden es fein, die ihr als Mäufe den Stab
hinauflaufen. Der Stab ift das Symbol der Heriaft, ®r. RA. 133.
Der Sinn diefer Darftellung ift alfo, daß fie den Mäufen gebietet, Mäufer
fraß verhängt und abwehrt, und da Mäufe Seelen find, fo ift die Herr
ſchaft über die Unterwelt als Geelenaufenthalt bier noch deutlicher ausge:
drüdt als es der Stab allein, wenn wir ihn dem ber Gridh vergleichen,
vermödte. in Beifpiel wie der Mäufeftaß zur Strafe verhängt wird,
haben wir an der Sage vom Mäufethurm bei Bingen nebft ihrer Sippe,
melde neuerbing® Liebrecht Ztſcht. |. d. M. Il, 405 meniger befriebigend
beiproden hatte. Die Vergleihung ergiebt, daß die Mäufe (mira qus-
dam metamorphosi) aus ven Leihnamen der Gemordeten entjtehen oder
richtiger als ihre Seelen zu betrachten find. Bur Zeit einer Hungersnoth
heißt es im Froſchmaͤufeler,
Als Hatto Bifhof von Meng
Das Korn famlet in feiner Greng,
Und arme Leut kamen gelauffen
Umb für ihr Geld ihm Korn abzulauffen,
Berfperrt er die in eine Scheer,
Und ließ fie verbrennen im Fewr;
8. 128. Setlen. Mänfethurm. Raitenfänger. 485
Als aber die gefangene Mann
Ihr Jammergefchrei fingen an,
Lacht der Biſchoff von bergen grund,
Sprach mit feinem gottfofen Mund:
‚Wie jhön können bie Kornmeufs fingen
Kompt, tompt, ich will euch mehr Korn bringen.
Bon Stund an fah er Abenthewr,
Die Meus liefen zu ihm vom Fewr.
Der Dichter hält nur für ein Gefiht, für die Schreden des Gewiſſens was
die Sage fi wirklich eräugnen läßt. Die Mäufe liefen aus dem euer
auf ihn zu, es find die Seelen der verbrannten Armen, die an dem Mör«
der Rade nehmen. Verwandt ift auch die Sage von den Kindern von
Hameln f. oben S. 454. Der Rattenfänger hat dad Land von Mäufen
und Ratten gefäubert; fie waren feiner Pfeife gefolgt und mit ihnen nad)
der älteften Meldung, Menzel 220, im Koppenberg verſchwunden. Der
Koppenberg ift der Nabenberg, der Berg um ben die Raben fliegen,
alfo die Unterwelt. Als ihm der Lohn geweigert wurde, folgten ihm das
bin aud die Kinder, die man Mäuschen (hol. meisje) nennt. Hier ift
nicht deutlich, daß die Mäufe von der Göttin zur Strafe geſchidt waren,
und daß fie eine ſchwerere, den Verluft der Kinder, verhängt, ald die Men-
ſchen die neue Schuld zu der alten fügen. Unzweifelhaft wird dieß in ber
nahverwandten Sage vom Lorjher See, wo fih die Plagen fteigern:
Ameifen, Grillen, Mäufe; aber ebenfo aud die Strafen des vermeigerten
Lohn, der Verluſt der Schweine, Schafe, Kinder. Auch daß die Mäufe
Seelen find, wird bier deutlicher: ald Seelen werden aud die Kinder von
dem Spielmann entführt, der fie wie früher die Mäufe als Hermes Pfycho:
pompos in die Unterwelt zurüäd nimmt.
Bir haben oben die in neuer Geftalt erfcheinende Seele von der
Verwandlung, welche den Leib mit ergreift, unterſchieden; die Sage ver:
miſcht beides. Wenn eine Here ausfährt, fo läßt fie nah Kuhn NS. 379
ihren Körper fteif wie ein Flintſtein im Bette liegen, während fie nad
anderer Meldung fraft der Herenfalbe leibhaft zum Schornftein hinauss
fährt. So fagt die Yngligaſage 1. 7 von Din, er habe die Geftalt
zu verwandeln gewuſt. Der Körper lag als fälafend oder tobt da und
Er war dann Vogel oder Thier, Fiſch ober Schlange und zog in Einem
Augenblid in die entfernteftien Länder in feinen oder in anbrer Leute Ger
Ichäften; dagegen c. 6 heißt e3, er babe die Kunft verftanden, Antlig
und Geftalt zu verändern wie er nur wollte. So taufchten Sigurd und
»
486 Zeelen, Verwandlung. Berferkermalh. 8. 128.
Gunnar Anfehen und Geftalt, jo wechſelte Signy, Sigmunds Schweſter,
die Geftalt mit einer Zauberin. Eigentliche Verwandlung, bei welder der
alte Leib ganz umgebilvet wirb, ift es, wenn Riefen al Adler, Drachen
oder Wölfe erſcheinen, oder Andwari der Zwerg als Hecht, Lofi als Lachs,
als Weib, als Stute u. |. w. In andern Fällen gleicht die Verwand⸗
fung mehr einer Verkleidung, wenn Loki von Freyja oder Frigg ihr Fal⸗
tenhembe borgt, ober dieſe Göttinnen ſelber mittels ihres Vogelgewan ⸗
des als Falten entfliegen, oder Wallüren ald Schwäne oder wie Liod in
Krähengeftalt; auch Sigmund und Einfiötli bedurften Wolfshemden, in die
fie fuhren um Wolfsgeftalt und damit auch wölfiſchen Sinn anzunehmen,
wenn es gleih die Sage fo barftellt als hätten fie die Molfsfelle nur
zum Berfuch angelegt und hernach nur nicht mehr herausgelonnt. In
den neuern Werwolfsſagen bedarf es der Wolfdgemänder (ulfahamir)
nicht mehr; die Anlage des Wolfsgürtel3 genügt, fih zum Werwolf (loup-
garou) umzuf&affen. Der Geſtaltwechſel ift mit Ausnahme des Auges,
das unverwandelt bleibt (Maurer II, 103), ein vollftändiger; auch die
thieriſche Wildheit, auf die ed beim Werwolf nädft der Kraft abgefehen
iſt, theilt fih mit, Darum vermuthet auch Maurer S. 105 mit Recht,
daß die Berſerkerwuth, bei welder fih nur die Leidenſchaft fteigerte
und zugleid die leibliche Kraft in folhem Maße erhöht, daß fie Thieren
glihen, ohne daß doch deren Geftalt angenommen wurde, gleichwohl
als eine fpätere Abſchwaͤchung jener Verwandlung in milde Thiere an:
zuſehen fei. Hören wir ihn jelbft: ‚Wöllig hiemit übereinftimmend. wird bes
ſchrieben wie die Berferker, fobald fie ver ihnen eigenthüämliche Zuftand befiel,
in volltommen thieriſche Wuth geriethen: fie heulen wie wilde Thiere,
Sperren den Rachen auf und reden die Zunge heraus, ftoßen Schaum aus
dem Munde, knirſchen mit den Zähnen und beißen in ihre Schilde; zu⸗
gleich werben fie unnatürlich ftart und meinen für euer und Eiſen un:
verwundbar zu fein; in ihrer Wuth verfhonen fie nicht? was ihnen in
den Weg lommt; nad überftandenem Anfall find fie um fo ſchwächer und
nahezu völlig kraftlos; durch Anrufen endlich bei ihrem Namen wird aud
wohl der Zuftand fofort befeitigt, ganz wie das Beſchreien auch fonft zau⸗
beriſche oder übernatürlihe Vorgänge und Verrichtungen ftört. Bon wirt:
lichen Verwandlungen in fremde Geftalten ift bei den Berfertern allerdings
nicht mehr die Rede. Daß aber in Bezug auf fie urfprüngli die gleiche
Vorſtellungsweiſe herſchte, zeigt, daß von König Harald erzählt wirb, er
habe in feiner Umgebung eine Schar von Berfertern gehabt, welche ulf-
9. 128. Setien. Ardien. Ierwifde. Elunti 487
hedhnar geheißen hätten, .d. h. Wolfsgewandige; dabei deutet die Sage
freilich diefe Bezeichnung dahin als hätten jene Kämpfer Wolfspelze über
ihren Panzer getragen; es ift dieß indes offenbar nur ein jpäteres Mife:
verftändnifs.’ Demgemäß erflärt auch Sveinbiörn Egilsson das Wort
berserkr nidt von berr bar und serkr Gewand, fondern von berr ber
Bär, was den Glauben an Verwandlung in Bärengeftalt neben der in
Wölfe vorausfegen würde.
Daß die Seelen au in Geftalt anderer Thiere, als Wiefel, Müden,
Hummel u. f. w. erſcheinen, ift befannt genug. So wird in Tyrol die
Kröte für eine arme d. h. büßenbe Seele gehalten und ihrer Haͤßlichkeit
unerachtet mit Schonung behandelt. Vernaleken Alpenf. 128. Ueber hie
als Pflanze fymbolifierte Seele vgl. den Aufjag Koberfteins im 5. Heft
des Weimarſchen Jahrb. Daß fie aud als Licht erjheint, fehen wir
aus den Märden von den Probeftüden des Meifterbiebes BM. 21.
KM. 192, und dem Glauben an die Irrwiſche, Heerwiſche, auch feuer:
männer, Wiefenhüpfer, Marchegger, Lüchtemännetens genannt. Das Bolt
hält fie bald für Seelen ungetaufter Kinder, bald für verdammte Geifter
ungerechter Feldmeßer; oft haben fie auch ven Grenzftein verrüdt und
müßen ihn nun in der Hand tragen und rufen: ‚wo feß ich ihn bin, wo
feß ih ihn hin?’ Antwortet aber Giner: ‚mo du ihn hergenommen haft‘,
fo find fie erlöft. Mit den Worten: ‚ih wel net glöhnig gohn‘, weift der
niederrheinifhe Bauer jede Anmuthung zurüd, die er für Unrecht hält,
Diefe Irrwiſche heißen Tüdebolve, was in Didepöt entftellt wird; der
Name Hüdepöt Tann daher tommen, daß fie den Leuten gerne aufhoden
wie tobolvartige Gefpenfter. Bei Müllenboff 168 heißen fie Tummelbint,
was von ihrer haftigen Bewegung herfommen fann, auf die Myth. 869
auch ber Name Tüdebold bezogen wird, von Zuden, Hin: und Herfahren,
wie ‚Suchtelmänner‘ ähnlich zu deuten if. Sie weiſen aber aud oft ven
echten Weg und leuchten für ein Trinkgeld aus dem Wirthshaus heim.
In Weſtfalen nennt man fie Schnätgänger, vermuthlich weil fie in der
Furche geben, die durch ihren Aderfrevel verrüdt worden if. Wenn fie
hier mehr als Gefpenfter erſcheinen, fo verräth doch der Name Elflicht
ihre Verwandtſchaft mit Elben und Wichten.
2. Gefpenft fommt von spanan, praet. spuon, deſſen Urbegrifi
Toden ift; das Gefpenft will alſo verloden, zum Böfen bereden; es grenzt
an teuflifhe Eingebung und Beredung, M. 866. Auch Spuk könnte
Berebung heißen, wenn es mit bem engl, to speak, unferm Sprechen,
488 Gefpenker. Spuk. Sahsende Schüler. 8. 128.
zufammenhienge. Altnordiſch heißt der Spuk draugr, dem hochdeutſchen
gitroo entſprechend: es bezeichnet die gefpenftiihe Erſcheinung als eine
trügende, als ein Phantom. So wird ſchon von elfiihem gitroo geſpro⸗
hen. Der draugr heißt auch dölgr (Feind): er wird oft bargeftellt als
von Feuer umgeben, er brennt in hölliihem Zeuer, und das zeigt den
Uebergang in die Irrlichter und Feuermänner, von denen ſchon bie Rede
war. Ein anderer nordifher Ausdrud ift aptragängs, dem franzöffhen
Revenant entfprehend; es ift ein unfeliger Geift, der umgehend ſpulen
muß. In Tyrol heißen fie Püge; am Lechrain wird Spulen Weizen
genannt. Leop. 112. Der Spuf ift an das Haus gebannt, nicht wie der Haus⸗
geift an die Familie gebunden, Oft kann ein folder fpufender Geift noch erlöſt
werben, gewöhnlich ‚Indem ein anderer für ihn thut und ausrichtet was er
felber bei Lebzeiten hätte thun follen: dann findet der Todte Ruhe im
Grabe. Diefe Erlöfung fuhenden Geifter berühren ſich mit den Schlüßel«
jungfrauen $. 116, die um alte Burgen ſchweben und einen Schap in
der Tiefe der Burg bewachen, der unrechtmäßig erworben ift, jept aber
feinen Herrn mehr hat und bem zufällt, der die Bedingungen zu erfüllen
wagt, an die fein Befig und bie Erlöfung der Jungfrau genüpft ift. Ihre
Verwechſelung mit den Schidſalsſchweſtern haben wir früher wahrgenom ⸗
men. Ein ſpulender Geift ift jedoch meift feiner Erlöfung fähig ; er kann
aber in eine Ginöde ober in einen Sumpf, in das ‚rothe Meer’ verwielen
werden. Gin Geiftliher kann ihn nur bannen, wenn er rein ift: ihm felbft
darf feine Schuld zur Laft fallen, fonft werhöhnt ihn der Geift und vers
räth feine Unthat. Oft wirft er ihm fehr unbebeutende Vergehen, ſehr
laßliche Sünden vor, z. B. er habe einmal eine Feder geftohlen, worauf
der Geiftlihe wohl antwortet: ja, um das Wort Gottes damit zu ſchrei⸗
ben. Selbft ein Haͤlmchen Stroh, das an feinem Kleide hängen geblieben
iſt, zieht ihm die Schelte ‚Strohdieb’ zu. Der Uebergang dieſer bannens
den Geiftlihen und Mönde in Teufelsbanner von Profeffion liegt nahe.
Die fahrenden Schüler, welche das Geſchaͤft des Teufelsbannens vorzugs ⸗
weiſe trieben, waren urſprunglich angehende Geiſtliche; oft aber werben
fie gar zu Zauberern, wobei der Unterſchied zwiſchen gutem und böfem
Zauber nicht beachtet zu werben pflegt. Der in den Sumpf gebannte
Spufgeift kommt aber feiner alten Wohnung aljährlid oder alle 7 Jahre
wieder einen Hahnenſchritt näher bis er aufs Neue davon Beig nimmt
und fein Poltern und Rumoren toller treibt al3 zuvor. Vgl. Kuhn WE. 201.
Dft ftellt der Geift aud Bedingungen, unter denen er fih bannen laßen
8. 198. Gefpenfer. Stadigeifer. Yampyr. Safenthler. 489
will, und zuweilen läßt fid der Teufelsbanner verbläffen, ihm darin zu
wilfahren; zeigt er fih unnadgiebig, fo muß ihm ver Geift gehorchen.
Die Aehnlichteit biefer in den Sumpf gebannten Geifter mit Grendel ift
auffallend; aber jener wohnte von Haufe aus im Sumpf, biefe werben
nur dahin vertiefen; aud) konnte Grendel noch getöbtet werben, biefe nicht,
weil fie Geifter der Verftorbenen find. Aber ſchon Grendels nächfter Ver⸗
wanbter, das Schretel, da8 mit dem Waßerbären fämpfte, wird nicht mehr
getöbtet; es hatte ſchon eine Vergeiftigung erfahren. Es giebt aud Stadts
geifter und Dorfgefpenfter;; fie erſcheinen gern als kopfloſe Gapuziner und Jes
fuiten, als breibeinige Pferde und Hafen u. f. m. Ueberhaupt lieben aud
die Gefpenfter Thiergeftalten anzunehmen: die des Bods, weil er Thoͤrs
Ihier ift, wie der Teufel felbft gern als Bod erſcheint; als Kate, meil
fie Freyjas Thier ift, weswegen fih auch Hexen in Katzen wandeln; als
Hrungendes Schwein, weil der Eber Freys Thier ift; als Krähen und Ras
ben, vielleiht weil der Rabe Odins Thier ift und alle diefe Götter im
Vollsglauben zulept zu Teuſeln herabſanlen. Solche Geſpenſterthiere er-
feinen oft nur zu gewiſſen Zeiten, wie das fog. Frafaftenthier in den
Feonfaften zu erſcheinen pflegt, den Fronfaſtenweibern entſprechend. Die
Fronfaſtennacht ift der Mittwoch vor Weihnachten (Stöber Neujahrzftollen 67),
die auch Sträggelnadt heißt. Sträggele ift ein Gefpenft, mit stryx und
striga verwandt und oft ald Here gedacht. Strir heißt aud der Nacht⸗
vogel, die Eule, und dieſe felbft gehört zu ben unheimlichen, oft zu den
geſpenſtiſchen Thieren, Die häplichfte Art won Gefpenftern, die Bampyre,
erjheinen leider aud bei und. Burchard von Worms (Anh. XXXIX)
weiß, daß man die Leichen der Kinder mit einem Pfahl durchſtach, damit
fie nicht umgehen und den Menſchen ſchaden möchten. Das geſchah auch
den Müttern, die bei der Entbindung geftorben waren (XI.) Doch kann
diefer Glaube galliſch fein und Anderes der Art aus flavifchen, litthauiſchen
und finnifhen Gegenden eingedrungen. Vgl. Kuhn WS. 175. Der Vam⸗
por beißt Nachzehrer (Kuhn Märl. S. 30); man hatte dem Todten den
Zehrpfennig mitzugeben verfäumt. Vgl. Temme Pom. 6. 258. Was
fonft ald Bedingung angebornen Glüds betrachtet wird, die mitgebrachte
Haube ift hier Anlage zum Vampyrismus. Bol auch Preußiſche S. 86
und 6.275, wo der Vampyr Blutfauger Heißt. Der Bampyr berührt
fi mit dem drüdenden Alb oder der Trud (S. 475), die gleichfalls Geifter
der Verftorbenen find, und in biefer Geftalt ift wohl der Glaube deutſch.
Ja wenn wir Bingerle hören, jaugt die Trud die Leute wie der Vampyr
4% Seren. Dikbodenberg. Befenberg. 8. 199.
(Bingerle Sitten 190), was uns erft über den Grund ihres Drüdens
Aufſchluß gäbe. ine beßere Erllärung ſcheint indes, daß die aus ber
Walküre Thrud herabgefuntene Drut die Menfhen drüdt ober reitet, weil
fie zur Schlacht reiten muß. (S. 458).
129, Segen,
Das Wort Here erfeint.in ältern Schriften in einer boppelten Form,
einer nieberbeutfchen, die bald hagedisse, bald hagetisse lautet, während
die hochdeutſche hagezisse oder hagezusa für die tenuis in der nieder
deutjhen Form fimmen würde. Grimm M. 992 nimmt es für ein abs
geleitetes Wort, da er aus dem altn. hagr dexter, artificiosus beutet:
‚Here iſt ein lluges, verfhmigtes Weib.’ Es könnte aber aud ein zu:
fammengefegte3 fein, deflen erfter Theil auf Hag, Hagen (Hain) zurüd-
gienge. Schwieriger wäre die andere Hälfte der Zufammenfegung zu deu⸗
ten, da fie im Anlaut zwifhen d und t ſchwankt. Dürfte man d in disse
für die richtige Form des Anlauts nehmen, fo würde er an die göttlichen
Jungfrauen, die Difen erinnern, die in dem Merfeburger Heilſpruch Idiſi
heißen. Im Heliand ift Idis, im Otfried Jtis die h. Jungfrau. Uber
aud in Deutſchland finden fih Spuren, daß ber Anlaut J abfällt, wie
bei den norbifchen Difen. So in ber Interrogatio fidei bei Nafmann 68,
wo von disageldon, den Difen gebradten Opfern, die Rebe iſt. Auch
daß die Holländer Disdag in Disendag entftellen, wird durch die Difen
vermittelt fein. Den Difibode nberg an der Nahe, der au Difenberg
beißt, halte ich für einen Berg der Difen: feinen Boden haben die Difen,
die göttlichen Jungfrauen, ſich zum Aufenthalt erkoren; oder wäre an einen
Boten der Difen zu denken? Die Legende dieſes Glaubensboten ſcheint
die heil. Hildegard erfunden zu haben: für einen iriſchen Heiligen Hänge fein
Name fehr deutſch. Ferner wird der aus Difenberg entftellte Defenberg
bieher gehören. Nehmen wir diefe Herleitung des früh verbuntelten Wor:
tes an, fo erflärt fi auf demfelben Wege das Wort Eidechſe, die nah
M. 993 gleichfalls Hagediſſe heißt. Die Eidechſe ift ein unheimliches
Thier; fie foll aus fleifhliher Vermifhung der Keren mit dem böfen
Feind berühren. Leopr. 88. Hiernach wären aljo die Hagediffen Wald:
göttinnen, Waldnymphen, den Dreaden und Hamadryaden der Alten ver
gleihbar, unfern Waltüren am nächften verwandt, in deren Amt und Mürde
wir die Idiſen kennen lernen. Die Walkuren reiten Wollenroſſe, welche
$. 19. Hera. Wunfgmäden, Ichwanenmänden. 491
die Wolfen felber beveuten: aus ihren Mähnen träuft Thau und Hagel;
das macht die Felder fruchtbar (S. 376). So find die Heren Wetter:
maderinnen: ver Bezug auf die Fruchtbarkeit der Erbe ift beibehalten,
aber in fein Gegentheil umgeſchlagen. So brachte au der Umzug ber an
der wilden Jagd theilnehmenden Götter, wozu Einheriar und Waltüren
gehörten, Segen und Gedeihen, was wir gleichfalls in fein Gegentheil ver⸗
tehrt fahen. Noch heißen die Heren in niederdeutſchen Gegenden Wäls
tiderste (6. 458), was fie deutlich als Walküren bezeichnet, Sie ber
dienen fi zu ihren naͤchtlichen Nitten fremder Pferbe, die dann Morgens
ſchweißbededt im Stalle ſtehen. Auch ſchlafenden Burſchen werfen ſie den
Zaum um den Kopf, verwandeln fie in Pferde und reiten auf ihnen hinaus;
am andern Morgen find fie danı erjchöpft und zu aller Arbeit untüchtig.
Roh im 11. Jahrh. war nah Burchard von Worms der Olaube ver
breitet, daß gewiſſe Weiber des Nachts bei verſchloßenen Thüren in bie
Höbe gehoben würden, wo fie mit Anbern Tämpften, Wunden empfiengen
und Wunden verfegten. Dieß ift die einfachite Meldung, die fie noch
ganz als urlogtreibende Walküren erfdeinen läßt. Nach andern
gleichzeitigen, die ſogleich erwähnt werben follen, glaubten fie dabei in
Holdas Geleit aufgenommen mit unzählbarer Menge geifterhafter Frauen
durch die Luft zu fahren. Diefes Geleit der Frau Holda, die mit
Freyja zufammenfält, lennen wir fhon als aus Walfüren und Elben
beſtehend.
Die Walkũuren hießen auch Wunſchmädchen, in Deutſchland Wünfchels
wip, ein Name, der auch für Heren begegnet; fie hießen ferner Schwanen«
mädchen, weil fie fih in Schwäne wandeln. Vielleicht hängt damit die
Herenprobe zufammen. Belanntlih warf man die der Hererei Angeflagten
ind Waßer: fanten fie unter, fo galten fie für unſchuldig; ſchwammen fie
aber oben, fo waren fie Heren, d. h. Walküren, Schwanenmädchen, Myth.
1028. Giner Here hatte ber Teufel verſprochen, ihr bei der Waßerprobe
eine Eifenftange zu bringen, damit fie unterfänke; er hielt auch Wort und
brachte ihr die Stange; es war aber eine Nabel: die Here ſchwamm oben
und ward verbrannt,
Aus den Schwänen hat die fpätere Volksſage Gänfe gemacht, S. 409.
Ein Jäger, der fi auf Zauberei verftand, lud eine geweihte Kugel in
fein Gewehr, um nad Wildgänfen zu ſchießen, ſchoß und traf eine Gans,
welde herab ins Gebüſch fiel. Als er hinkam, fand er ftatt der Gans
eine nalte Frau da figen, in welcher er die Haatſchneiderin aus der Stadt
492 Heren. SHerenfahrten. Valpurgisnacht. 8.129.
ertannte, vie mehr als das Vaterunfer konnte. Baader 337. Ein ans
derer Jäger ſah plöglih ein Gewitter auffteigen, von dem er muthmaßte,
es ſei durch Hexerei entſtanden: er ſchoß mit ‚einer geweihten Kugel in
die dichten Wollen. Da fiel ein naltes Weibsbild todt zur Erde, worauf
dad Gewitter fih augenblidlid verzog, Baader 337. Wenn die Heren
zum Blodöberg ziehen oder nad andern Bergen und Orten, die früher
dem Dienft heibnifcher Götter geweiht waren, mad man Herenfahrten
nennt, wenn fie dort den Zeufel verehren und an feinem Gelage Theil
nehmen, fo ſcheint hier Wuotan, feltener Donar in den Teufel verkehrt;
die Heren wollten an feinem Göttermal teilnehmen, wie die Waltüren
dabei als Schenkmädchen dienten. Auf das Schenlamt der Waltüren in
ODdins Saal deuten mehrere Züge, die von ben Herengelagen berichtet
werben. Bei Kuhn NS. Nr. 33 wird ein Maitagshorn erwähnt, deſſen ſich
die Heren in der Walpurgisnecht bedient hatten, und das ber Knecht
eines benachbarten Gutöbefigerd entwandte und feinem Herrn überbrachte.
Darauf gaben ſich die Heren große Mühe, das Horn wieder zu gewinnen.
Ein feingelleiveter Herr läßt fih andern Tags bei dem Herm melden und
verſpricht feine Vefigungen mit einer 7 Fuß hohen Mauer zu umziehen,
wenn er das Horn zurüdgebe ; im andern Falle folle fein Gehöfte dreimal
abbrennen, gerade wenn er fih am reichften dunke. Letzteres geſchieht auch,
weil er das Horn nicht zurüdgab; der König ließ ihm aber Alles wieder
aufbauen. Das Horn fhidte man überall umher, um zu erkunden, wo:
ber es ſtamme; das war aber nicht herauszubringen. Vgl. Müllenhoff
Nro. 294. 5.
Die die Waltüren fpinnen aud die Hesen Geſchide. ‚Wat fittft du
daer all wedder unn fpinnft, du ole verfluhte Her‘, rief ein Sonntagstind
einer Here zu. Da rief fie zurüd: ‚Sönten, Sönfen, laet my doch myn
Faden fpinnen‘, und augenblidfih jaß er unter einem Haufen Bauholz,
wo bie Leute ihn mit Mühe hervorzogen. Müllenhoff Nr. 217.
Aus dem Walfürenglauben konnte der Herenglauben ſich um fo
leiter entwideln als wir fahen, daß auch irdiſche Jungfrauen unter der
Bedingung jungfräulihen Standes und friegerifhen Gewerbes zu Waltüren
werben und in Wuotans und Frouwas Dienft eintreten fonnten, wie wir
dad an Brynbild und der mehrfach wiebergeborenen Swawa gejeben haben.
Zuletzt ward fie als Kara wiebergeboren: diefe erſcheint ald Zauberin mit
dem Schwanenhemd und ſchwebt fingend über ihrem Helven. Helgi aber,
der gleichfalls zum brittenmal wierergeboren war, hieb einft im Kampf
$. 129, Seren. Mara. Kälbereitt. 498
zu bod mit dem Schwert in die Luft und ſchlug feiner über ihm ſchwe⸗
benden Kara den Fuß ab: da fiel fie zu Boden und fein Glüd war zer
ronnen, FAS. II, 374. Aus dieſem Glauben an menjhlihe Waltüren
erllärt es fih, wie die Nachtfahrerinnen waͤhnen fonnten, in den Dienft
Holdas aufgenommen zu fein und in ihrem Geleite zu fahren. Die Wal
türen erlannten wir al3 Vervielfältigungen der Freyja, mit der fie fih in
alle ihre Aemter theilen. Der Freyja war aber die Kape heilig: fie fuhr
mit einem Kahengeſpann, und noch jeßt fagt man, wenn eine Braut bei
ſchoͤnem Wetter zur Trauung geht, fie habe die Kate gut gefüttert. Daraus
erflärt fih, warum die Kape das Thier der Nachtfrauen und Heren ift,
und diefe fih gern in Kagen wandeln. Nah dem Bolfäglauben wird
eine 20jährige Kahe zur Here und eine lOjährige Here wieder zur Rage.
Feeyja heißt nun in Deutſchland gewöhnlich Holva, und in Frau Hollas
Geleit fahren die Heren aus wie die Waltüren in Frepjas: darum heißt ,
die Herenfahrt in vielen Gegenden Hollenfahrt. Hilde, eine der Wallüren,
haben wir als Freyja felber erfannt und als Pharailvis wiedergefunden,
deren Namen aus Frau Hilde, vielleicht als fahrende Hilde zu deuten ift.
Pharaildis fahen wir aud Herodiad genannt. Burchard von Worms bes
zeugt nun, daß gewiſſe gottlofe Weiber geglaubt hätten, mit der Diana
oder Herodias, die er an einer andern Stelle, Anh. XXXVI, aud Holda
nennt, bei Nachtzeit, auf Thieren reitend (super quasdam bestias)
auszufahren: gerade jo dachte man ſich fpäter die Herenfahrten. Den Nas
men Heren gebraucht Burchard noch nicht; er nennt fie soeleratge mu-
lieres retro post Satanam conversae; fie find vom Chriſtenthum ab,
ins Heidenthum zurüdgefallen. Das eben foll diefe Ausführung darthun,
daß der Herenglaube auf deutſchheidniſchen Grundlagen ruht und aus ber
griechiſchen und römifchen Welt nicht abzuleiten if. Wo aber fände fi
im deutſchen Heidenihum diefer nächtliche Nitt auf Tieren?
Den Waltüren felbft werden nur Woltenroffe beigelegt; aber zugleich
leſen wir von übelthätigen riefigen Bauberweibern, daß fie Nachts auf
Wölfen ritten und Schlangen zu Zäumen hätten. Cine folde begegnete
dem Hedin am Julabend und bot ihm ihre Folge (fylgdh) gleich einer
fhügenden Waltüre (Myth. 1006). Er fälug fie aus; aber noch am
felben Abend mufte er e3 bei Bragis Becher entgelten. Auf dem Wolfe reir
tend wird D.-49 aud Hyrrodin geſchildert; Freyja dagegen reitet im
Hyndluliodh bei finfterer Nacht auf ihren Eber zur heiligen Walhall, mähs
end Hyndla, die fie ihre Schweſter nennt, fih des Wolfes bedienen fol,
4% Hexen. Chanfkreiheriumen. Trudennacht %. 199.
Es find nun allerbings ‘andere Thiere, Kälber und Böde, Myth. 1011,
welhe nad; dem Vollsglauben die Heren reiten; aber ver Tauſch kommt
wohl auf Rechnung unferer bürgerlichen Buftände: im 14. Jahrh. find es
in einer Ueberſetzung unferer Stelle (Anh. XLIT) noch Waldthiere, worauf
die meinthätigen Weiber reiten. Vergeßen hat aber aud) die deutſche Gage
ſolche Ritte nicht. . Bei Baader 16 kommt der Teufel auf einem Schwein
geritten. Xgl. Panzer II, 97. 308. Bernaleten Defterr. S. 113. Bon
bun B. 75.
Wie wir bier auf Freyia, daS Haupt der Walfüren, gewieſen wer:
den, fo deutet auf Holda die Wahl der Berfammlungspläge; es find folde,
mo vor Zeiten Gericht gehalten oder Opfer gebracht wurden, M. 1003.
Welden Bezug aber Holda zu den Gerichten und Freifteinen hatte, fahen
wir $. 114. Selbſt die Beſchuldigung, daß die Heren Mäufe machten,
. rührt unmittelbar auß dem Glauben an bie hödften Böttinnen ber, melde
bald um Abmwendung des Mäufefrapes angerufen werden, bald ihn zur
Strafe über die Menfhheit verhängen. Vgl. ©. 403.
Wenn hienach die Herenfahrten aus den Umzügen der Holla oder
Frouwa entftanden find, und Nornen und Waltüren den Heren zu Grunde
liegen, fo find dod in den Herenglauben aud noch von andern gött-
fihen Weſen Züge aufgenommen, namentlich von Riefen und Elben, was
um fo weniger verwundern kann als Frau Holda die Aönigin der Hein-
en und Elben if. So will Grimm 1009 die Herentänze auf die Iuftir
gen Tänze der Elben bejogen wißen, die man Nachts im Mondſchein auf
Biefen ihre Reigen führen ſah und Morgens ihre Spur im Thau er
tannte. So heißen die Heren Thauftreiherinnen (daustrickers): fie frei
hen oder ftreifen den Thau von fremden Wieſen, um die eigenen damit
fruchtbar zu machen, M. 1026. Andere Grinnerungen an den Elbenglau«
ben werben und ſogleich begegnen.
Die älteften Nachrichten von jenen Frauen, welche in Holdas Geleit
nachtlich auszufahren glaubten, gedachten noch des Teufeld nicht: erft fpär
ter drängte er fih ein, indem er an Wuotans Stelle trat, an deſſen Göt ⸗
termal die nadtfahrenden Frauen Theil zu nehmen glaubten. An Wuotan
gemahnt es ſchon, wenn die Heren M. 1024 ‚Mantelfahrerinnen‘
heißen. Sie bevienen fid feines Mantels, wie dad aud) Freyja darf, von
der es auf die Mutter Gottes übertragen ift, die in weiten Mantel ge:
hullt dargeftellt zu werden pflegt. Daß ſich die Heren mit dem Teufel
verbinden und vermifchen und zu Walpurgis (Trudennadt Leopr. 176)
8.129. Seren. Blocksberg. Tenfelsuamen. Serenfchug. 48
diejenige unter ihnen, an welcher der Teufel vorzüglihes Gefallen hat, zur
Herentönigin ermählt wird, hängt wohl mit dem Hochzeitsfeſte Wudtans
und Frouwas zufammen, das nah 6.223 um diefe Zeit, der monnigften
des Jahres, begangen wird. An die bei dieſer Hochzeit geſchlungenen
Feſttaͤnze Mnüpft wohl aud der Vollsglaube an, wonach die Heren in ver
erſten Mainacht ven Schnee vom Blod3berge mwegtanzen fellen, Kuhn NE.
376. Zeitſcht. V, 483. Ueber andere Herentanzpläge Kuhn WE. 133.
Aus der Vermiſchung des Teufeld mit den Heren geht nad dem
Vollsglauben keine menſchliche Frucht hervor, fondern elbifhe Weſen, welche
Dinger (wihtir), Elbe und Holven heißen. Bald follen es Schmetterlinge
fein, bald Raupen oder Würmer; aud in Haut, Eingeweiden und Knochen
der Menſchen ſollen ſolche Dinger oder ‚Holdelen’ ihren Aufenthalt nehmen
tönnen, denn ihrer bebienen fi die Heren, um Krankheiten und Geſchwulſt
bei Menfchen und Bieh herworzubringen, Myth. 1024. So erſcheint auch
ihr Buhler, der Teufel, in der Geftalt des Albs ober Schmetterlings.
Elbiſche Bezüge find ferner Myth. 1015 in den Eigennamen nachgemiefen,
welche der Teufel ſich als Buhler der Heren beilegt; viele find von“ heile
träftigen Kräutern hergenommen und fiher aus ältern Elbennamen ent
fprungen: fie zeugen nod wie ‚Wohlgemuth, Blümdhenblau, Lindenzweig‘,
von ſchuldloſer Phantaſie. Andere lauten koboldartig und erinnern an
unfere Hausgeifter, und felbft die beventliher Hingenden wie Raffezahn,
Binfebant u. ſ. w. Tönnen von Schraten und Waldgeiftern herrühren. So
erſcheinen au die Heren ſelbſt unter Blumennamen wie im Sommernachts:
traum Elfen Bohnenblüthe und Senffamen heißen, Kuhn Ziſchr. XII, 127.
Auch das Entfehen und ver Elbſchuß 457 ift auf die Heren übers
tragen; jedoch kommen Herengefhoße ſchon früh neben Afen- und El⸗
bengeſchoßen vor. Bon Herengejchoßen wie jonft von Elbengeſchoßen ift
mehrfah die Rede, M. 1014. Leidet Jemand an Steifheit im Kreuz,
fo fagt man, er habe einen Hexenſchuß. Den Heren wird nicht bloß böfer
Bid zugeſchrieben, Myth. 1053, worauf ſchon ihre rothen, triefenden Augen
deuten, und bie feltfame Geftaltung ihres Augapfels, M.1034; fie pflegen
aud denen, welde fie belauſchen, die Augen auszublafen, Baader 69. Ein
Handwerlsgeſell kam an die Thür eines Felſenkellers, aus dem Gefang
und Spiel herauftönte. Da fie verfhloßen war, fhaute er durch das
Schlüßellodh und gewahrte, daß der Keller hell erleuchtet war und darin
gezecht und getanzt wurde, au an ber Wand ein Pferd angebunden ftand.
Sogleich fagte eine Frau der Sippſchaft zu einer andern: ‚Geh, blaſe
496 deren. Glohenhaf. St. Eaffushunde. & 1299.
das Licht aus‘, worauf diefe durh das Schlüßelloh dem Gefellen ins
Auge blie, daß er augenblidlich erblindete. Xierüber entfegt, ſchrie er
dreimal: ‚Um Gottes Willen macht auf!" Da flog die Thüre auf und
Heren und Teufel ftoben auseinander. Der Geſell gieng nun in ben
Keller und fand, daß fein Ausruf alles Blendwerk zerftört hatte: das
Ehen war Viehkoth, der Wein Roſspiſſe geworden und das Pſerd in den
Knecht der Here verwandelt: fie hatte ihn im Schlafe gezäumt und dahin
geritten, während ein Gebund Stroh im Bette neben ihrem Mann ihre
Stelle vertrat, Baader 69. So konnte fhon Odin nach Yngligaſ. 7 ber
liebige Geftalt annehmen, während fein Körper ſchlafend oder tobt da
lag. Daß hier die Zufammenkunft der Heren nicht, wie gewöhnlich, auf
einem Berge, ſondern unter der Erde, im Keller Statt hat, erinnert daran,
daß ed nah ©. 425. 465. u. |. w. verſchiedene Vorftellungen über den Him-
mel gab, ver bald im Berge, bald im Schooß der Erde gedacht ifl. So
läßt Kaifersberg nah M. 1088 die nadıtfahrenden Frauen im Venusberg
(ogl. Venesbeig M. 1014) zufammentommen, wo gutes Leben, Tanzen
und Springen ift. Nicht anders geht es aud in Laurins Berge zu, wo
Bwerge die Fievel ſtreichen, ſo daß man zur Grllärung der Herentänze
auf nähtlih im Mondſchein tanzende Elben nicht zurüdzugehen brauchte,
Im die Unterwelt fehen wir und auch verfept, wenn nach dalelarliſcher
Ueberlieferung der Teufel bei der Herenverfammlung nicht den Hochſih
einnimmt, jondern unterm Tiſch gebunden an einer Kette liegt, wie nad
Sazo in der Hölle Utgarthilocus, in dem der gefeßelte Loki nachtlingt.
©. 274. 5
Aus dem Glauben an übelthätige Riefenweiber, S. 423, find
die meiften Züge, felbjt das Verbrennen $. 144, auf die Heren über
tragen. Ja hier liegt eigentlich die flärkfte Wurzel des Herenglaubens. Mit
dem Niefen haben die Hexen ven Glodenhaß gemein. Glodengeläute
tar ihnen Hundebellen und die Gloden ver hiefigen Haupilirhe nannten
fie St. Caſſiushunde. Wie die Niefen froftiger Natur zu fein pflegen, fo
erleben auch die Heren keinen warmen Tag ald den an dem fie verbrannt
werden. Kuhn WE. 134. Daß fie nur verderblich wirten und mit der
Abſicht zu ſchaden handeln, fann ihnen nur von den Rieſinnen kom
men. Wenn Grimm M. 1028 fagt: ‚Diefe rummnafigen, ſpidkinni ⸗
gen, bänglippigen, ſchiefzahnigen, raubfingrigen Weiber ftiften Mebel ohne
daß es ihnen nügt. — Diefer eine Zug hätte über den Grund aller
Hererei die Augen öffnen follen‘, fo verftehe ih das in anderm Sinne
8.19. Seren. Prieferiunen. Sitab und Zieh, 497
als er jelber: es zeigt mir den Urſprung des Herenglaubens aus bem
an die Riefen, die auch den Menfhen Sonne und Mond, die jhöne Jahres:
zeit zu rauben gedachten, nicht um fi damit zu bereichern, nur um ber
Welt im Eife des Winters erftarren zu laßen. Freilich ſchon in der Edda
beräbrten fi die Riefinnen mit den Walküren: ‚skass valkyria‘ ſchilt
ESinfitli Helgalw. II, 38 den Gubmund, und Nachtreiterinnen (kvedri-
dur) gemorbet zu haben rühmt fi Ali gegen Hrimgerbr, die als Rieſin
ſelbſt ein ſolches nachtſahrendes Weib it. Nah Sinfiötlis Schelte wird
die Niefin felber geritten: ich halte das ſchon für eine Umkehrung wie
vie 6. 458 erwähnte. Daß fie Wölfe ritten und Schlangen zu Bäumen
hatten ift ©. 493 erwähnt, Die Heren reiten nicht bloß fremde Pferde,
fondern auch Menſchen, die fie zäumen und fo in Pferde verwandeln; im
Baltürenglauben ift das nicht nachzuweiſen; bei Alben und Maren fommt
es nur vor, wo fie in Riefinnen übergehen.
Aud von den altdeutſchen Priefterinnen $. 137 hat fih Mandes
auf die Heren vererbt, namentlich der Opferlepel und der Bauberftab. Bol.
was $.138 über die Sudkunft gefagt wird. In der heidniſchen Zeit konn⸗
ten die Frauen Priefterinnen werden, ja einige Frauen genoßen faft gött:
licher Verehrung; jegt im der chriſtlichen Zeit folten fie nicht einmal mehr
priefterliher Würde fähig fein. Diefe Herabwärdigung duldeten fie nicht:
fie erhielten fih noch lange im Befig geheimen Wißens, und fuhren fort
Heiltunft, Weißagung und Zauberei zu üben. Wenn fie ftatt auf jenen
Thieren auf Beſen und Dfengabeln reiten, fo ift das eben der Zauberftab,
den der Runenzauber nach dem Zeugniſs des Guilielm. Alvernus (Myth.
1037) in Pferbegeftalt verwandeln konnte. Wenn in der Thorftein Bäar:
magnfaga (S. 280) der Zauberftab aus dem Hügel geworfen wird, den
dann der Knabe befteigt und reitet wie unfere Kinder die Gtedenpferbe,
fo ſcheint auch das eine Umkehrung, da der Stab vielmehr Macht hatte,
den Hügel zu erſchließen und Todte zu mweden, vgl. ©. 198. Nur bie
mit den Toten begrabenen Waffen konnten wie in ber Herwararfaga aus
dem Hügel geworfen werben. Dgl. M. 1179. Auch auf dem Siebe fahren
die Heren durch bie Luft, Macbeth I, 3. Kuhn WE. 18. Das Sieb ift Sym⸗
bol des Negens, und jo kann e3 von der Priefterin, die mit dem Siebe
Zauber treibt, aber aud von Sif der Regengöttin felbft auf fie übertragen
fein, denn au vom den Göttern fehen wir Manches auf die Heren über:
geben 6.496. Die Heren reiten nicht bloß auf Thieren; fie verwandeln ſich
auch in fie wie die @ötter in Geſtalt der ihnen geheiligten Thiere zu erſcheinen
Gimrod, Myihelogie. 32
48. Heren. Eltern. Externfcine. %. 19.
lieben. Beſonders wandeln die Heren ſich gerne in Kagen, Cidechſen und
Eiftern; aber auch ald Schmetterlinge (Buttervögel) ftehlen fie Milch und
Butter, Die Anfiht Soldans, der Geſchichte der Herenpracefie Stuttg. 1843.
ven Herenglauben aus dem Alterthum berleitet, ift in Obigem wiberlegt.
Zum Schluß gedenke ich noch zweier andern Ableitungen de Wortes
Here ald der hier angenommenen. Goth. ift fascinare afhugjsn, von
Sinnen bringen, Sinn und Gemüth verwirren, Myth. 987, und nad
Myth. 992 heißt hugsa dalelarliih Here. Wäre an hugjan denfen zu
den!en? und an jene durch bloße Gedanken Bermeinen, Einem den
Alb zufgiden, wovon ©. 459 die Rede war?
Nah Schmeller II, 146 ift heren S quälen, plagen, und diefe Ber
deutung, bei der er jedoch auch auf hagedisse zurüdgeht, hält er für bie
urfprünglide. Das erinnert mic daran, daß ertern aufs Yeußerfie
neden und plagen bebeutet. Ertern (Welftern) heißen aud die Elftern,
Elſtern aber find Heren. Kuhn WS. II, 51. ‚Sind aud die Erternfteine
durch ein untergegangenes Rieſengeſchlecht oder überirbiiche Weſen kunſtlich
errichtet worbeh ?’ fragte Prof. Braun im Windelmannsprogramm 1858.
Nah Grimm EDS. 457 wäre hier ein hriftliches Kunſtwerk an bie Stelle
eines heidniſchen getreten. War dieſes heidniſche ein Werk der Difen, bie
fpäter zu Seren berabfanten ? Fehlt e8 doc nicht an Ausnahmen, wo felbft
die Keygen, wie es der ältefte Sinn des Wortes geftattete, noch als wohl⸗
thätig aufgefaßt wurden: "eine folde ift es ſchon, wenn fie nah S. 495
oben zu Walpurgis den Schnee vom Blodäberg hinwegtanzten. Grimms
Ableitung des Namens 1. c. von Ehegefiern befriebigte ihn felber fpäter
nicht mehr; vielleicht würde er ſich zu der unfern belehrt haben, wenn er
gewuft hätte, daß die Höhle im Innern der Grternfteine dad in ben Felſen
gehauene Bild eines Vogels zeigte. Die Elfter war der Vogel der Hel:
fie ift wie diefe ſchwarz und weiß und glaubte man nad dem Morolf,
fie babe fo viel ſchwarzer Federn als weißer. Das ift wohl aud der
Grund, warum fih die Heren fo gern in Elftern wandeln und beide mit
demfelben Namen, demfelben Bilde bezeichnet wurden. Den Elfterncultus,
welden Gr. Myth. 640 nachweiſt, beziehe ih auf bie Dife, bie fih im
die Elfter wandelte, Zur Here war fie noch nicht entwürbigt ald der
Glaube galt, daß ihr Gefchrei vor dem nahen Wolf warne. Daß Brof.
Braun den Mithrasvienft in die Weſtfäliſchen Erternfteine verlegen wollte,
Tann bei dem befannten Haffiihen Bopf unjerer Antiquare kaum mo
befremden.
8.190. Seren. Bher Bil. Erwdenfuß. Yenlagramms. 49
Bon den Heren unterjheidet fih die Trude dadurch, daß bie
Herxerei angelernt, ‚dad Truden' angeboren ift. Leopr. 9. Mit dem Alb
und der Mar hat die Trube das Drüden gemein, ſowie dad Bermeinen
oder- Berneiden (ver böfe Blid), das ſich aber auf dieſe beiden nicht
beiräntt; eigentpümlich ift ihr nur der aus Goethes Fauſt befannte Tru:
denfuß, der fünfedig nicht mit dem fechdedigen Bierzeichen zu
verwechſeln ift. Durch die Mifsgeftalt des Fußes erinnert die Trude doch
an höhere Weſen wie Berhte mit dem fuo;e ©. 420. et freilich
wird dad Bentagramma nur gegen den XTrubenzauber gebraucht, wie
aud der Trudenſtein (Panzer 429) vor dem Albvrüden u. ſ. w. bewahrt.
130, Tod und Teufel,
1. In der Edda erfcheint der Tod nicht perjonificiert: Odin ent ⸗
ſendet Freyja oder ihre Vervielfältigung die Waltüren, die in der Schlacht
Gefallenen in feinen himmlischen Saal zu führen, während Hel ſich feiner
Boten bedient: fie erwartet die Ankunft der Todten in ihrer Halle und
iſt im Voraus bedacht fie nad) Würden zu empfangen wie dad im Hafo:
normal auch Odin thut. Nur Ran zieht die Ertrinkenden in ihr Nep.
Daß aber die Todten geritten tommen, fehen wir aus Modgudrs Worten zu
Hermobur 6. 81, geftern feien fünf Haufen tobter Männer über die Brüde
geritten. So kommt aud Helgi (M. Edda 175) aus Walhall geritten
von Sigruns Thränen herabgezogen, was wir oben als die Altefte Geftalt
der Lenorenſ. bezeichnet haben, in welder das Reiten der Todten ſchon
in den Worten, die Bürger vernommen hatte: ber Mond fcheint hell, vie
Zodten reiten ſchnell, ausgebrüdt war. Erft der fpätere daͤniſche und fhles-
wigifhe Glaube giebt aud der Hel ein Pferd und zumeilen ein dreibei⸗
niges, Myth. 864. In deutſchen Gedichten bedient ſich der Tod eines
Bferdes nur um die Seelen darauf zu laden; ebenfo oft aber führt er fie
am Seile. Konr. von Würzburg legt ihm fogar ein Reg bei, mas an Ran
erinmert; ja er erſcheint als Jäger und Fiſcher, der den Menſchen Schlingen
legt und nach ihm angelt. M. 805. Dft aber, nad einer blutigen Schlacht,
führt er eine große Schar an, ein zahlreihes Gefinde folgt feiner Fahne
und trägt fein Zeichen, fein Wappen. M. 807. Wenn er aber im Ader-
mann von Böhmen Hauptmann von Berge heißt, jo beziehe ih das auf
die Borftellung von der Unterwelt, vem Geelenaufenthalt im hohlen Berge.
500 Cor. Todtentänge. Mnhelde. 8. 180.
Der Tod felber wird aber ald Adermann gebadt, der den Garten jätet
und die Blumen bricht, der das Schlachtſeld mit Blut büngt und mit
Leihen befät, wie er auch in dem Liede: „Es ift ein Schnitter, heißt
der Tod‘ ala Mäder mit Sichel oder Genfe erſcheint, vor dem ſich fhöns
Blümlein hüten fol, oder ein andermal als Holzmeier, Förfter die Bäume
des Waldes niederitredt Myth. 808, 825. Wadernagel Ziſcht. IX, 307.
Benn bier biblifhe Bilder anklingt, fo wird es auf heidniſche Bor:
ftellungen zurüggehen, wenn der Tod als Spielmann mit feinem Ge—
finde einen NReigentanz aufführt, woraus im 14. Jahrh. die Todten-
tänze entiprangen. Denn da jegt der Tod an der Stelle der Wallüren
die Menſchen heimholte, fo erſchien er ala Bote Gottes: zu Boten wählte
man aber von Alters her Fiedler und Spielleute. Den Tod ala Tanz
zu faßen, zu dem aufgefpielt ward, war man auch ſchon dur bie Helden
dichtung gewöhnt, ich braude nur an Wolters Fidelbogen und feine übel-
hallenden Leiche zu erinnern; mit der Beige aber pflegte nod Walther zum
Tanze aufzufpielen. Wenn aber Grimm ME. 809 wahrſcheinlich macht,
daß ſchon im 12. Jahrh. die Vorftellung des Todes durch ein Gerippe
im Schwange war, fo ift doch das Gerippe ‚mit Stundenglas und Kippe‘
den Todtentänzen im 14. Jahrh. no fremd: man ftellte ihn wohl als
eingefallene zufammengefchrumpfte Leiche, nicht mit entblößten, nur mit
ftärter hervortretenden Anoden dar, Wadern. a. a. D. 321. Ef im
ſechzehnten Jahrhundert begann man ihn ald Skeleit vorzuführen.
2. Die Belehrer gaben die alten Götter nicht für nichtig aus, noch
Teugneten fie ihr Dafein: fie erklärten fie nur für böfe Geifter und Teus
fel. Schon darum mufte in den criftlihen Teufelsglauben viel Deutfch-
beipnifches Aufnahme finden, und nur davon kann bier die Rede fein, da
wir mit dem jüdifchen und chriſtlichen Teufel an ſich michts zu ſchaffen
haben. .
Unter den alten heibnifchen Göttern waren zweie ſchon vor ber Ber
tehrung als böfe und finfter erſchienen, Loli und Hel: diefe giengen alfo
leiht in Teuſel über; längern Wiverftand wird die Vollmeinung der
Verteufelung der guten Götter entgegengeftellt haben, Myth. 938. Aber
auch diefe boten Seiten dar, melde unſchwer in ein ungünftiges Licht zu
ftellen waren: fo tonnte Wuotan als der kriegeriſche Geift, den die Blut⸗
rache nicht ruhen lieh, leicht als ein Wütherih bargeflellt werden, und
ſchon die norbifhe Sage von Hrolf Krali thut das (hian illi Odhinn
Mytb. 940), wie bereits Ulfila Holda in Unholda, Hulthö in Unholthö
8. 130, Teufel. Imnker Yoland. Pferdefus. Gocsfuß. 501
wandelt. Odin warf Hiiftrunen unter Verwandte: er verfeinbete die
Fürften: fo fät.der Teufel Zwietracht; freilich ift die Nedensart, Uns
traut unter den Weizen fäen, biblifh. Schon bei Heinrich dem Löwen
und Gerhard von Holenbad u. |. m. fahen wir $. 66 ven Teufel an
Wuotans Stelle getreten. Nah Myth. 980 trägt der Teufel einen Canos
nicus, ber ſich verfäumt hatte, von Bayeur nad Rom zu den Metten; nad)
Stramberg (Rh. Antiqu. I, 106) trug er aud den Abt Antonius von
Mostau nah Kiew in die Mette, mochte es aber nicht leiden, daß ber
Abt ſich kreuzte und fegnete, was er fi) mit den auch rüdwärts zu leſen⸗
den Worten verbat: .
Signa te, signa, temere me tangis et angis.
Vol. Kuhn WE. 57. Der Teufel ift ſchwatz, weil Schwarz die böfe Farbe
und zugleid die der Unterwelt ($. 96) ift; wenn er aber auch ald Grau:
mann (M. 914) erſcheint, fo kann er das nur von Wuotan haben. Doch
ift aud die grüne Farbe zu beachten, da der Teufel gern ald grüner Jä-
‚ger, Wuotan als Grönjette, auftritt, vgl. KM. 43. 101.
Ein gebräudliger Name für den Teufel it im MA. väland, uns
ter Boland. Das Wort ift unerflärt und namentlich die Participialform
befrembend. Die Deutung aus Phol hat für fih, daß der Teufel auch
Fold, Fuld und Fahl heißt, Myth. 944.
Der Teufel erjeint lahm und mit dem Pferdefuß oder Bodsſuß,
bier und da auch mit dem Hühnerfuß, mad wir ©. 260 aus feiner
Beziehung zu Thor, zu Wuotan und Freyja gedeutet haben. Wie fih
Bertha durch den Gans: und Schmwanenfuß zu erfennen gab, fo muß ber
entweichende Teufel feinen Pfervefuß zeigen, M. 946. Umgekehrt fehlt
ihm, wenn er bie Geftalt jener Thiere annimmt, gerne ein Bein: breis
beinige Thiere werden dann überhaupt gefpenftifh. Auch in unverküm ⸗
merter Geftalt erfcheint er als Pferd, ala medernver Bod, ald grungende
Sau, in welcher Fros Eber nachklingt; feltener wandelt er ſich in den
Wolf, doch wird er gern der Höllenwolf genannt, wie er auch Höllen
hund heißt und hellewelf, wie ſchon die Edda einen hvelpr in ver
Hölle annahm (Myth. 949), dem Gerberus entfprehend. Wirklich erſcheint
der Teufel ald Hund, Myth. 948. Panzer I, 329. II, 438 und nod zu:
Tegt in Goethes Fauft. Im Buppenfpiel von Fauft bringt der Rabe die
Verſchreibung und wird babei Mercurd Vogel genannt, womit nur Wun«
502 Teufel. Würfelfplel. Kertenfpiel. $- 180.
tan gemeint fein kann, da der klaſſiſche Mercur nichts mit den Raben zu
haften hat. Vol. KM. 99.
Der Teufel wandelt fi in eine fliege wie Loli, als er Brifingamen
ftiehlt, Myth. 950. Wie Loki liegt er in der Hölle gefehelt, was ſchon
bei Utgartpilocus S. 274. 496 vorlam. Cr foll aber am jüngften Tag
ledig werden und dann mit dem Untichrift zugleich den Iepten Kampf
Hämpfen, ganz wie Loli in der Edda, Myth. 963. Wenn neben ihm
feine Großmutter genannt wurde, fo haben wir dieſe ſchon mit Grenbels
Mutter und der neunhunderthäuptigen Ahne bei Hymir verglichen.
Der Hammer, Thoͤrs Eymbol, ift ein gewöhnlicher Rame des Teufels,
der aud Meifter Hämmerlin heißt, M. 951. Wie Thör baut er Brüden,
NM. 972; wie diefer im Wagen, fo fährt der Teufel in ver Kutſche oder
zeitet wie Odin auf dem Pferde, nur gewöhnlich auf einem ſchwarzen,
wie Odin auf dem Schimmel oder dem grauen Roſs. Wie Odin ift ber
Teufel der Erfinder des Würfelfpiels; gewöhnlicher aber wird ſtatt
deſſen das moderne Kartenfpiel genannt, In der Hölle fpielt er gern
um NMenſchenſeelen; im fabliau St. Pierre et le jongleur fteigt aber
St. Peter in die Hölle hinab, dem Spielmann, ver des Zeufeld Stelle
während feiner Abwefenheit vertreten fol, die Seelen im Würfelfpiel ab:
zugewinnen. Bei Landftuhl in der Pfalz, Franz von Sicingens Burg,
liegen drei Steine, die dem Plag den Namen geben; zwei berfelben die:
nen dem dritten als Unterlage. Diefe Steine find nah der Sage MWür-
fel, mit welden Sidingen mit dem Xeufel fpielte und das Spiel verlor.
Die Redensart: Wo führt did der Teufel her fo geſchwind? zielt auf den
Mythus von Odins Mantelfahrt und die Haddingsſage, und der Fluch:
„ahr zum Teufel‘ erinnert an das norbifche far til Odhins! Beides heißt
den Tod anwünſchen. Aud die Teufelsbündnifie haben wir $. 68 aus
dem Odinsdienſt abgeleitet, namentlih aus den Schupverhältnifien, die er
mit feinen Günftlingen eingieng, die, indem fie fi ihm ergaben, ihre
Lebenzzeit auf fefte Jahre beftimmten. Die bei dieſen Verbundniſſen
üblihe Blutunterſchrift geht wohl auf die Eingehung des Freundſchafts-
bündniffes zurüd, wobei Blut fließen mufte. Biel ſchwieriger iſt eine an⸗
dere Art von Bündniſſen zu deuten, bei welchen man ſich dem Teufel auf
ſeſte Jahre zu Dienft verpflichtet, wofür der Teufel dann Lohn zu gewäh:
ren hat. Stirbt man innerhalb diefer Friſt, fo fallt dem Teufel die Seele
anheim, KM. 100. vgl. 101. Myth. 970. Des ‚Teufels ruffiger Bruder“
(Rr. 100) hat während diefer Friſt die Mufit erlernt; ſchon KM. IN, 183
8. 180. Teufel. Zcmitihen von Bielefeld. 508
wird bemerkt, daß dieß eine gar nicht hriftliche Anficht von der Hölle fei.
Man wird an Odin erinnert, der die Skalventunft verleiht, fo wie an
den Strömlarl und Foflegrim (6. 476), während die Bedingung, die
aud bei dem Bärenhäuter (Nr. 101) vortommt, ſich nicht zu waſchen und
zu tämmen, an Wate und die germanifhen Rachegelübde 8.34 gemahnt,
KHM. 68 vgl. Serb. Boltsm. 6 zeigt, daß die fieben Jahre ala Lehr:
zeit aufzufaßen find. Es ſcheinen demnach zweierlei Dinge gemifcht: jene
Rachegelubde, nach welchen man fi nicht waſchen no kaͤmmen will, ges
ſchehen um den Sieg; bei ber Lehrzeit gilt ed eine Kunſt, fei es nun
die Mufit, oder wie bei dem Serb. M. die Zauberei: Sieg und Kunft
ift beides Odins Gabe, und auf ihn wird hier auch der Teufel zurüd:
weifen.
Der Teufel heiſcht dieſelben Opfer, die fonft heidniſche Götter em:
pfiengen: ein ſchwarzes Schaf, ein ſchwarzes Huhn, einen ſchwarzen Geiß⸗
bod, einen Hahn, der an einem Donnerstag im Merz aus dem Ci
geihlüpft ift, Kuhn WE.102. ‚Man muß dem Teufel zuweilen ein Licht
anfteden‘, räth der Vollsmund; auch das ift deutſchheidniſcher Braud beim
Dpfer.
Ebenſo häufig als mit den alten Göttern berührt ſich ber Teufel mit
Riefen. Der Drus (aud Thurs entjtellt) ift eine gewöhnliche Teufelsbe⸗
zeichnung. Kuhn WS. 110. In dem vielbelannten und vielgeftaltigen
Märchen vom Schmidthen von Bielefeld, von Apolda u. |. w. wird ber
Teufel von des Schmidts wie fonft die Niefen von Thors Kammer ges
troffen und weich gehämmert. Selbft wenn in der criftlihen Zeit vom
ZTeufelholen die Rede ift, ift dieß erft von den Rieſen auf den Teufel
übertragen, da man in ber heidnifhen von jedem Vermiſsten glaubte,
Tröle oder andere uvättir (üble Wichte) hätten ihn geholt. Maurer
Belehrung II, 59. 84. Der Teufel wirft Felſenſteine nad chriſtlichen
Kirchen mie die Rieſen nad Städten; wie die Rieſen erfheint er als
Baumeifter, und die taufenbfahen Nachtlaͤnge des Mythus von Swa-
dilfari fegen den Teufel an die Stelle der Riefen. Uralte Bauten,
den cyclopiſchen Mauern entſprechend, werden bald Riejen, bald dem
Teufel zugefhrieben. Fußfpuren u. ſ. w. in Felſen bezieht dad Volt auf
beide, Xeufelöbetten berühren fi mit Hünenbetten und Brunhilvebetten,
M. 976: als Altäre ©. 368. 426 find fie alle zu faßen. Pflanzen und
Thiere werden nad dem Teufel benannt wie früher nach Riefen und Göt-
tern. M. 981. Kuhn WE. II, 110.
504 Dammer Teufel. 8. 130.
Wie vie Riefen von Göttern und Helden befiegt und überliftet wur-
den, fo trifft nun den Teufel dad Loop, von den Menfchen angeführt und
ausgelacht zu werden, weshalb er jo häufig ald dummer Teufel er
feinen muß. Am Auffallendften ift die Webereinftimmung, wenn ber
Teufel vielhänbig und ber ihm verwandte Antichriſt fiebenhäuptig vor⸗
geftellt wird, M. 946.
Gottesdienſt.
131. ueberſicht.
Das Berhältnifs der Menſchen zu den Göttern liegt auf der Grenze
des mythologiſchen Gebiets, und wir müßen uns hüten, nicht in Alter
thümer und Culturgeſchichte hinuberzuſchweifen oder in Wiederholungen zu
verfallen, da gar manches Hiehergehörige ſchon früher berührt werden mufte.
So ift $. 44. 46 von religiöfen Pflichten die Rede geweſen, welche
die Edda einfhärft. Beide bezogen fid darauf, daß die Menſchen Mits
lämpfer ver Götter fein follen, mit welchen fie an den Rieſen gemein
ſchaftliche Feinde haben. Aber das ganze Leben des Germanen war ein
Kampf, bei dem ihm die Götter zur Seite ftehen muften, wenn er geheir
ligt fein und mit freubigem Siegeöbewuftfein gelämpft werben follte. Als
die Wilinge des Nordens nicht mehr auf die Götter fo fehr ald auf fih
ſelbſt und ihr gutes Schwert vertrauten (Myth. 6), da genoßen fie noch
der angeftammten Tapferkeit und jenes Heldengeiſtes, welchen der jept er-
löfhende Glaube gewedt und genährt halte; bald aber wäre ihre Ver:
meßenheit in Verzweiflung umgefhlagen, wenn nicht das Chriſtenthum
mit der Milderung der Sitten neue religiöfe Grundlagen gebracht hätte.
Jene religiöfen Pflichten find auch fo allgemeiner Natur, daß fie
bier, wo wir und ein näheres Biel zu fteden haben, nicht eigentlih Ge⸗
genftand der Abhandlung fein könnten Da? ganze Leben foll allerdings
ein Gottesdienft fein; wir haben aber das Wort hier in dem engern Sinne
zu nehmen, der bie äußern gotteöbienftlihen Handlungen betrifft, duch
welde die Gefammtheit des Volls oder der Familie den Göttern feine
Verehrung kundthut. In den Kreiß unferer Betrachtung fallen hier alſo
auch ſolche Handlungen nit wie D. 50 (Stälva c. 17) bei Thors Kampf
mit Hrungnir vorſchreibt: ‚Darum ift es aud eines Jeden Pflicht, nicht
mit folden Steinen zu werfen, denn damit rührt ſich ber Stein in Thoͤrs
506 Aaturdienf. & 182.
Haupt.” Was hier eigentlich gemeint fei, ift ſchwer einzufehen. Vielleicht
muß es beißen: at kasta hein of gölf hvert (nit Dvert), fo daß
der Sinn wäre, es folle ein Jeder gehalten fein, die Steine aus dem ur:
bar gemachten Boden zu werfen: damit werde der Stein in Thörs Haupte
lofer. ine ſolche Pflicht, der eine ähnliche auch der römijhe Glaube
gegen Terminus einj&ärfte, wäre aber in unferm engern Sinne feine gottes⸗
dienſtliche. Die Handlungen, die zum eigentlichen Gottesdienſte gehören,
beihräntt Grimm (Myib. 2) auf Gebet und Opfer. Nach dem von ihm
ſelbſt M. 1202 gegebenen Winke füge ich als ein drittes noch die Umzüge
der Götter und ihre Feſte hinzu.
132. Gegenftände des Cultus.
Wir haben im zweiten Buche nur belebten Weſen eine Stelle ein-
geräumt; in wiefern auch lebloſe Dinge Gegenftände der Verehrung waren,
ift $.54 angeveutet, muß aber hier noch näher erwogen werben. Iſt man
doch in der Behauptung eines Naturcultus der Germanen, der nur fehr
bedingt zugeftanden werben fann, S. 168, foweit gegangen, neben ihm
eigentliche Götter wenigſtens für das engere Deutſchland zu leugnen, mo
fie doch eben Tacitus, auf den man ſich zu berufen pflegt, bezeugt, indem
er drei der höchften Götter mit römishen Namen nennt, während er für
andere die einheimiſchen angiebt, wozu id außer Nerthus, Tuiſto, Mannus
und feinen drei Söhnen und außer jener dem Caftor und Pollur verglis
chenen Zwillingsgottheit Alci die deutſche Iſis zähle. Wenn er daneben
für einen Baum: und Waldcultus der Germanen zum Zeugen aufgerufen
wird, fo will er in den fo miſsbrauchten Stellen (c. 9. 43) nur Tempel
und Bilder verneinen.
Mit mehr Schein zieht man Cäfars ©. 171. 419 erwogene Aeuße:
rung an nebft einer Reihe von eifrigen Chriften gegen das ſchon unter-
drüdte Heidenthum gejchleuderter Beſchuldigungen, die von rohem Baum
cultus ſprechen, ja diefen für jene Zeit, mo das Andenfen ber Götter
ſchon getrübt war, nidt ganz unwahrſcheinlich machen. Für die fpätefte
Zeit, wo Heidenthum neben dem Chriftentyum ohne Anleitung der Priefter
ſich forterhielt, wo die Namen der alten Götter verjhollen warep und man
nur noch ihrer Symbole gedachte, die Ehrfurht vor den Glementen ſich
ſchrankenlos geltend machte, für dieſe Zeit kann folde Verirrung zugeftan-
den werben. Dazu kommen noch abſichtliche Entftellungen in der Zeit, wo
$. 132. Elemente. Water. 807
Chriſtenthum und Heidenthum nod im Gtreite lagen; da war es na ⸗
türlih, daß man dieſes von der unvortheilbafteften Seite barftellte, daß
man ihm Mandes mifäbeutete und verkehrte, ja aufbürdete, um es der
Rohheit beſchuldigen zu können, wie es denn wirflih eine frühere rohere
Anfhauung von den göttlichen Dingen enthielt. Genauer betrachtet leugnet
aber Gäfar nur andere als fihtbare Götter, und felbft jene fpäten Zeug
niffe ſprechen doch zugleid von Opfern, die an jenen gehelligten Stellen
den Dämonen bargebradt feien; als Dämonen werben aber hier die
Götter bezeichnet. Auch hängt allerdings an Steinen, Pflanzen und
Thieren, an Waßer, Luft und Feuer, an den Geftirnen mandes Mythos
logiſche, ein gewiſſer Gult berjelben darf fogar zugeftanden werben, eine
Art von Heilighaltung und Verehrung ift nicht zu leugnen, aber fie fleir
gerten ſich nicht bis zur Anbetung, bis zum eigentlichen Gotteßbienft. Wenn
am Ufer des Flußes gebetet, am Rand ver Quelle Lichter angezündet,
Dpfergaben dargebracht murben, wie beöhalb bie Sachſen fonticolae
biegen, fo kann dem Fluß und Uuellgeift dieſer Dienft gegolten haben:
die Heilighaltung des Waßers als Glement bebarf doch der Anknupfung
an Götter und Helden. Die wunderbare Kraft einer Quelle (ursprine)
wird daraus erllärt, daß der Stab eines Gottes, oder der Huf des
göttlichen Roſſes fie der Erde oder dem Felſen entlodt habe; aber auch
dann finden wir fie bi zur Anbetung und Opferung felten geiteigert.
Noch der heutige Vollsglaube läßt zu gemifien feſtlichen Zeiten das Waher
in Bein ſich wandeln, dad alsdann geſchöpſte gilt für heilig und heilfam;
das rührt aber dann mehr von der Heiligkeit des Feſtes her als von dem
Elemente felbft. Auf die Heiligfeit gewiſſer Seeen, bie einen Steinwurf
durd Gewitter ahnden, haben mir felber hingewieſen. Diefe von bem
Brumnen der Urd abgeleitete Heilighaltung trat der Verehrung ſchon näher.
Aber die Velprengung der Weltefhe aus Urds Brunnen, Odins Trunk
aus Mimird Quelle, dad Baden im Jungbrunnen und bie Luftration der
lolniſchen Frauen, welche Betrarca bezeugt, und deren Bezug auf das Feft der
Sonnenwende ſich nicht verlennen Täßt, felbft die Taufe der Neugebornen,
die ſchon vor dem Chriſtenthum galt, verfteigen fich doch zu Gebet und
Opfer fo wenig als der Glaube an jene Hungerbrunnen, die reichlich
fliegen, wenn unfruchtbares Jahr bevorfteht (Myth. 557, Leopr. 37, Kuhn
®. 6. 334), ober der Gebrauch des Waßermeßens, um Abnahme und Zur
nahme der Güter zu erforfhen, Myth. 588. Nur die Crregung von
Strudeln und Waperfällen finden wir böhern Weſen beigelegt: darum
508 Heilawag. Feuer, Luft und Erde. % 13%
tritt bier auch ſogleich ein Opfer hinzu. Wenn aber nad) Panzer II, 236
die Geifter, die in dem großen Waßerfall am Kriml:Tauern wohnen, durch
einen bineingeworfenen Stein günftig geftimmt werben follen, fo vermuthe
ih ein Miföverftänbnifs, da die Heiligleit des Waßers, wie wir fahen, fei«
nen Gteinwurf duldet. Das dem See auf dem Berg Helanus bargebrachte
Opfer (Myth. 563), bei dem kein Gott und kein Geift auftritt, ſcheint
galliſch; in Deutfhland dürfen wir überall an Götter und Geifter denen,
wo ſich bei Flüßen und Quellen Spuren eigentlichen Gottesdienſtes zeigen.
Diefe heiligen Waßer pflegen auch heilkräftig zu fein, worauf ſchon der
Name Heilbronn deutet. Unter Heilawäc verfieht man aber das in
heiligen Zeiten gejhöpfte Waßer. Hier Mnüpft fi) Heiligkeit und Heiltraft
an den Gott, defien Feſt zu jener Zeit begangen wird. Noch jept ift es
Boltöglaube, daß fih das Waßer zu gewifien Zeiten in Wein wandle, zu
Weihnachten, zu Oſtern; es muß dann aber zu Mitternacht und ſchweigend
geiböpft werden. Vom Jungborn 6. 38,
Nicht anderd wird es fi mit den übrigen Glementen verhalten:
auch in ihnen walten göttlihe Weſen, und wenn ed gleih Hawamal
67 heißt:
Feuer ift das befte dem Erdgebornen,
fo muß es doc erft in Loki zum Gott erhoben, in Logi ald Clement, in
einem andern Logi ald Wildfeuer perfonificiert werden, wie in Thiälfi, in
Donar das Blig: und Heerbfeuer angefhaut ward, um für göttlich zu
gelten. Am Stärkften- fpriht das Anbeten des Dfens, dem man beichtete
6.472, für uralten Feuercultus; aus ihm haben ſich aber Riefen und
Götter entwidelt, und fo wißen wir nicht genau ob ed noch das reine
unperfönlihe Clement war, zu dem ſich jene Bedrängten wandten. Del.
jedoch Zingerle Sagen 411. Wie dem Dfen, fo wird in den Räuber:
märden auch den ‚Rolanbsfäulen’ gebeichtet, und da biefe Herculesjäulen
erfepten, $. 83, fo fehen mir uns wieder auf Donar als Feuergott
gewieſen. Bei Luft und Wind ift die Perfonificierung in göttliche Weſen
nod viel entſchiedener: Karis Geſchlecht, des Rieſen des Sturme, ift ſehr
zahlreich; auch erzählen unſere Maͤrchen und ſelbſt Ortsſagen (Berl. 191)
noch jegt von hilfreichen, mit Mehl oder Werg (Leopr. 101) gefütterten
Winden, und fogar ein Königreih der Winde wird angenommen. Wie
dem Dfen wurden aud der Erbe Geheimnifje anvertraut, Heimlehrende
Mfsten den mütterlihen Boden, die Erbe mehrte Heimdals Macht, Schmwö-
ende legten ſich Erde und Raſen aufs Haupt ober giengen unter ben
$. 132. Heilighaltung. Steine. Planjen. 509
Schmud der Erde, den grünen Rafen, RU. 112, Zingerle Sitten 191,
Quigm. 278; aber wie dieß auf bie Verehrung unterweltliher Mächte
zielt, fo könnte felbft bei den übrigen BVeifpielen nod bezweifelt werben
ob fie auch nur die Heilighaltung bes bloßen Clement bezeugen,
Für die Anbetung Ienne id feinen ftärlern Beweis als Sigrdr. 4, wo
neben Aſen und Aſinnen das fruchtbare Feld (kölnyta fold) angerufen
wird, Das Beifpiel fteht indes vereinzelt in einer vielleicht uralten Formel.
Auch Steine und Felſen galten für heilig und heilfräftig, bei heiligen
Steinen, gewoͤhnlich blauen, wurden Eide abgelegt, wie ihnen auch gebeichtet
wird, vgl. Ind. pag. de his quae faciunt super petras. Das kann
daran hängen, daß es ein Grenzftein ift, welcher der Goltheit geheiligt ift
(8.114), ein Opfer ober Gerichtftein, was gerne zufammenfiel wie die
Briefter zugleich Richter waren. Weber die Wunderkraft gewiſſer Steine, der
even namentlich, vgl. $. 140. Steine am Wege erbarmen fi, Steine
und Felſen weinen um Baldur; aber über das Mitgefühl ver Natur an
den Menfchenlooßen, über ihre Heilighaltung überhaupt und der Unter
welt insbefondere, denn ihr waren wohl die Steine angehörig, bei wel⸗
hen geſchworen und gebeichtet warb, geht dieß nicht hinaus und meder
Gebete noch Opfer find bezeugt. Wenn vota ad lapides beſonders in
ruinosis et silvestris locis vorlommen ( M. Anh. XXXV), fo deuten die
orte daemonum ludificationibus decepti an, daß es alte Tempel was
ten, wo man die Götter gegenwärtig -glaubte. Steine (oder Bäume), welche
man durchkroch, um Krankheiten auf fie zu übertragen oder um gleihfam
wiedergeboren zu werben, galten darum nicht für heilig. Sollen folde Defis
nungen heilbringend fein, fo dürfen fie nicht von Menfchen gemadt fein
(Panzer I, 429): das zeigt am deutlichften, daß die Heilfraft hier von
göttlihen Weſen ausgehen muß.
An Pflanzen haftet Heiligkeit, weil fie Göttern geweiht oder nad
ihnen benannt find, wovon das lichte Kraut ein Beifpiel if, das man
mit Baldurs Augenbrauen verglih D. 22. Ein anderes erinnerte an dad
Haar der Freyja, andere finden wir auf Bio, auf Donar bezogen. Auf
Maria deuten Viele, die wohl früher nad deutſchen Göttinnen benannt
waren. Berger Pflanzenf. 69. 220. Ueber die Krautweihe im „Frauen⸗
dreißigft“ (15. Aug. — 8. Sept.) Perger 45. Waßerblumen find heilig,
weil fie Meerminnen und Seenigen zur Wohnung, ja Nachts zum Schiffe
dienen; .die Seerofe (uymphaea alba) ift eine verwandelte Jungfrau;
die Friefen nennen fie Schwanenblume, und fieben Seeblätter nahmen
510 Wegwarte. Mifel. Schiafapfel. Wünfdelruthe. $. 132.
fie in ihr Wappen auf. Hier und da hängen an Pflanzen mythiſche Err
zahlungen, z. ®. wenn die Wegmwarte eine Jungfrau geweſen fein foll, die
am Wege ihres Buhlen harte, wovon fhöne Barianten bei Banzer II, 204.
Bgl. daB Räthfelmärden bei Gr. 160. Andere fpielen nur in Mythen
eine Role 5. ®. der Miftelzweig in Baldurs, die Ebereſche in Thors
Mythus. Vgl. Kuhn Gerablunft 201, welder aus manderlei Aberglauben
ſchließt, daß der Vogelbeerbaum eine Perlörperung des Blitzes geweſen
fei. So fteht ver Schlafapfel, ein Auswuchs an der wilden Roſe, mit Odin
und Brynhild in Bezug und aud oben bei der h. Pinnoſa wurden wir an
ihn erinnert. Vom Johannisblut fahen wir, daß e3 aus dem Blute eines
Gottes aufwuchs. Farnſamen fol unfihtbar machen und Grfüllung aller
Wanſche getvähren (Kuhn Herabl. 221); über feine himmliſche Abftammung
vgl. Kuhn Herabt. 221. Cr hat auch wettertheilende Kraft, Ruhn 1. c. 222.
Ottertraut heißt er, weil die Schlangen den, welher ihn bei ſich trägt,
fo lange verfolgen bis er ihn wegwirft; Irrkraut, weil, wer darauf tritt
ohne es zu fehen, irr und wirr wird und nicht Weg noch Steg mehr
tennt, Kuhn 223. Undere Kräuter |hügen vor Zauber: wer ein 4blättriges
Neeblatt bei ſich trägt, Tann nicht betrogen werben; daß es auch fonft
glüdbringend fei, if erft meuerer Aberglaube. Ueber die blaue Blume
f. oben. In unferm Vergißmeinnicht ift die Blume felbftredend und war:
nend eingeführt. Als Wünfchelrutbe wird in Schweden bie ſchon genannte
Cbereſche verwendet, bei uns Haſel oder Kreuzdorn: fie zeigt nicht bloß
Schaͤte, fie macht aller Waunſche theilhaftig. Auch ihr verlieh man gern
wie dem Alraun 487 menſchliche Geftalt, ja fie wird mit Namengebung
getauft, indem man drei Kreuze darüber ſchlaͤgt. Selbft ihre Zwieſelgeſtalt
legt Kuhn 208 als einfachftes Bild des zweibeinigen Menſchen aus.
Vom Baum: und Thiercultus giebt auh Grimm M. 613 an, daß
er eigentlich dem höhern Weſen galt, dem der Hain gebeiligt war, das
im Baume lebte, oder die Geftalt des ihm heiligen Thiers angenommen
hatte. Die Heilighaltung der Haine, gewiſſer Pflanzen und Thiergattungen
verdankten fie ihrem Bezug zu den Göttern. Den heiligen Hain ber
Semnonen betrat man nur gefeßelt: wer zufällig binfiel, durfte weder
ſelber aufftehen noch fich aufrichten laßen: hier hatte nur der Gott zu ge:
bieten, allem Uebrigen geziemte unterwürfiger Gehorfam, Germ. 39. Bon
diefer ſymboliſchen Feßelung war das Bolf genannt (Zeitſchr. VI, 383),
bier hatte es feinen Urfprung genommen, hier trat es durch Gefandte zu⸗
ſammen und begieng gemeinfame Opfermale. Haupter und Haute der
x 518. BSaumcuiltas. Weitgeiligtämer. 5m
gefchlachteten Thiere wurden in folden Hainen aufgehängt, und vielleicht
empfiengen davon einzelne Bäume noch befondere Heiligkeit. gl. den
indie. paganiarum de sacris silvarum quas nimidas vocant. Wenn
nimides an nemus erinnert, fo feinen dod Opfer gemeint. Das Opfer
wird dargeboten und angenommen. So können auch einzelnftehende
Bäume wie jene gewaltige Donarseiche bei Geismar in Heſſen, an die
Binfrid die Art zu legen wagte, den Göttern geweiht heißen, weil an
ihnen die Opfer gleihfam dargereicht wurden, und es ſcheint abſichtliche
Gntftellung, wenn berichtet wird, ben Bäumen oder gar dem Holze jelbft
habe man göttliche Ehre erwieſen. Götter wohnten in biefen Hainen, das
Laub der mächtigen Eiche durchrauſchte der Gott; nod der chriſtliche Bes
richterſtalter läßt fie vom göttlihen Hauche bewegt zufammenftürzen. So
wahr und naheliegend ift die Anfhauung, die dem Naturgefühl unferer
Väter eher Ehre macht als fie ver Roheit beſchuldigt. Auch erloſch dieß
Gefühl fo bald nicht: die vielen Wald⸗ und Vergcapellen, zu denen Hei:
ligenbilder Veranlaßung gaben, die in oder auf der Eiche, der Linde ge:
funden immer wieder dahin zurüdtehrten, wie oft fie auch hinmweggenommen,
zu bewohnten Stätten und ihren Kirchen gebradt wurben, bezeugen dur
die an fie gefnüpften Sagen, wie tief dad Bebürfnifs, fi im Wald, auf
Bergen ber Gottheit näher zu fühlen, im Volle wurzelte.
Eichen und Linden find vorzüglih gerne folh heilige Bäume, bie
Eiche dem Donar, die Linde der Frouwa oder Erla geheilig. Den Langor
barben war bei Benevent ein Blutbaum heilig, den der h. Barbatus
-umpieb. Myth. 615. Es war ein Opferbaum, opfern hieß blötan hoch.
pluogan. Wir finden auch in Deutſchlaud Blutbäume, eine Blutlinde
zu Burgfreienftein bei Wiesbaden, eine Blut buche bei Irchel im Canton
Züri, und wenn man die Rothbuche jetzt Blutbuche nennt, fo Lönnte
bier, obgleich es feiner mythiſchen Erklärung bedarf, doch Zuſammenhang
walten. Bäume pflegten Blut auszuftrömen, wenn fie verlegt wurden,
und noch jegt werben altehrwürbige Bäume, damit fie nicht abfterben, mit
Blut gebüngt. Dan findet aud die Volksfitte, Steine an alte Bäume
binzulegen, mit der Formel ich opfere, opfere dem wilden Fräulein. Wer
abſichtlich heilige Bäume verlegt, muß fterben und oft mit ihm fein ganzes
Haus. Unfere Weisthümer verbieten noch Waldfrevel bei ganz unmenſch ⸗
lien Strafen. Daß aber die Verehrung dem Gotte galt, welchem ber
Hain, der Baum geweiht war, davon haben ſich Spuren in den Ortöfagen
erhalten, wonach unheimliche Weſen in ven Bäumen wohnen follen, die
512 3. Eigne. Thiecenltus. $. 182.
jede Verlegung des Baumes ahnden. So vie Gtelmutter zu Schneifingen
(Roh. 1,59); dagegen wird man bei der Heiligenföhre zu Wegenftetten
(Rochh. 85) an Fortunat, oder eigentlich Frau Sälde erinnert. Bon hohem
Alter find auch die Sagen, mo es einem Kinde beftimmt ift, fit an
einem Baume aufzulnüpfen, was mit der Witardfage ©. 217 8. 65 zur
fammenhängt und zugleid an Samitri gemahnt R. 89. Es fteht zu
vermuthen, daß diefer Baum Wuotan geweiht war; die alte Frau aber,
die fih des Kindes annahm, wird Fria (Frigg) geweien fein. Am
deutlichfien wird der Bezug einzelner Bäume auf die Götter in ber 2er
gende von ber h. Evigna, die wie das Marienlind KHM. 3 im hohlen
Baume wohnt, Panzer II, 49, 405, ſich aber aud fon durch das heilige
Dchfengefpann, fo wie durh Hahn und Glode ala eine Göttin zu erfen-
nen giebt. So figt in einer altipanifhen Romanze eine Königstochter auf
einem Eichenwipfel und ihre langen Haare beveden den ganzen Baum.
Bon Thieren gewidmetem Opferdienft hat ſich bei den Hausſchlangen
ein vereinzeltes Beifpiel gezeigt; im Ganzen muß aud Er geleugnet wer⸗
den. Die Heilighaltung gewiffer Thiergattungen fließt aus ihrem Bezug
zu den Göttern, ald deren Hausgeſinde fie gelten können, wie, Wuotans
Wölfe und Raben davon ein Beifpiel find, oder aus ihrer Beitimmung
zum Opfer. Auch wandeln fih Götter in gewiſſe Thiere, und menſchliche
Seelen nehmen Thiergeftalten an, $. 128; dod nur bei ben Schlangen
fteigert fih das bis zum eigentlihen Cultus. Gin Thier mag für heilig
und unverlegli gelten, feine Tödtung fogar mit einer Strafe belegt wers
den, weil es für weißagend und beilbringend gilt; dieſe Verehrung reicht
nicht biß zur Anbetung. Aber felbft Opfer können Thieren zu Gute kommen,
die eigentlih den Göttern zugedacht find. Wenn dem Pferde Wuotans
ein Getreivebüfchel unabgemäht ftehen bleibt, fo gilt die Gabe dem Gotte,
und. wenn den Vögeln des Himmels Brotkrumen geftreut, den Sperlingen
ein Kornbüfchel ausgefept wird (Pröhle Harzſ. 187, Myth. 635), mas ung
jegt Walthers Vermaͤchtniſs erklärt, fo möchte man den angeblihen Grund
fo milden Sinnes ‚damit fie den Fluren nicht fhadeten‘, ungern für dem
wahren anfehen. 3 ift ein Dantopfer: einen Theil der verliehenen Gaben
giebt man dem Gotte zurüd, um ihn gnädig und geneigt zu ftimmen, ein
andermal wieder Segen zu ſpenden: darum geſchieht es bei ber Ernte.
So giebt man in Hefien zwei Geſcheit von ber Winterfant den Vögeln,
und wenn die Ernte eingethan ift, wirft man Naht? um 12 Uhr eine
Garbe aus der Scheuer, damit die Englein im Himmel davon zehreu,
$. 188, Pferde, Kühe und Rinder. Schlangen. 518
Wolf Götter, 94. In der erften Helgafwidha fordert ein weißagender
Bogel, wenn er mehr außfagen und dem König zum Befig Sigrlinns
verhelfen folle, Hof und Heiligthum und golpgehörnte Kühe. Aber biejer
Vogel ſcheint derfelbe, der hernach als Hüter Sigrlinns entſchlafen von
Ali erfhoßen wird. Franmar Jarl, den wir als Riefen zu denken haben,
hatte Adlergeftult angenommen. So begehrt aud der Rieſe Thiaſſi, ver
als Aoler auf ver Eiche faß, ein Opfer: nur wenn er fih von dem Mal
der Aſen fättigen dürfe, will er geftatten, daß der Sub zum Sieben
tomme, D. 56; vgl. $. 31 und Wolf Beitr. I, 362. Panzer I, 264. Wenn in
der Schweiz die Kinder dem Golbfäfer, den fie auf der Hand halten,
Milech ond Broda ond e filberigd Löffeli dezue’ verheißen, fo ift das nur
eine Schmeichelrede.
Die Heilighaltung der Pferde, die in heiligen Hainen oder im Ums
treiß der Tempel auferzogen zu Opfern, Weißagungen ober den Wagen
der Gottheit zu ziehen dienten, gieng allerdings weit: fie konnte bis zur
Verehrung getrieben werden. Nur zum Dienft der Götter beftimmt, dul⸗
deten fie feinen irbifhen Reiter (Tac. Germ. 10: nullo opere humano
eontacti) 6.458. Hrafntel hatte fein Roſs Freyfari zur Hälfte dem
Frey gefhenkt und das Gelübve gethan, ven Mann umzubringen, der es
gegen feinen Willen reiten würde. Bon einem andern gleihbenannten
Roſs wird berichtet, daß fein Cigenthümer Brandr e8 göttlich verehrt
babe, Myth. 622. Aber ſchon jener Name verräth, daß es der Gott,
nicht das Roſs war, dem göttliche Ehre erzeigt warb.
Noch meiter gieng die Verehrung der Kühe und Rinder. König
Epftein glaubte an die Kuh Sibilja, der fo viel geopfert wurde, daß fi
Niemand vor ihrem Gebrüll erhalten konnte; darum pflegte fie der König
mit in die Schlacht zu führen. Auch den König Degwaldr begleitete eine
heilige Kuh überall zu Waßer und zu Lande, er trank ihre Milh und
ließ ſich zulegt im Hügel neben dem ihren begraben. Hier find Opfer,
den Küben dargebracht, bezeugt; doch ſcheinen dieß einzelne Verirrungen,
die auf den Gottesdienſt überhaupt faum einen Schluß verftatten. So
tönnte das Opfer urfprünglid dem Gotte gegolten haben, der in dem
weißagenden Gebrülle der Kuh feinen Willen zu erkennen geben follte.
Am Meiften ſcheint unferer Auffaßung die Verehrung der Schlangen
entgegenzuftehen, melde fi leineswegs auf die als Seelen zu betracten«
den Hausſchlangen ($. 127) beichränfte, An fie erinnert zwar, wenn es
im Wolſdietrich von einer Vipernart heißt, es Iebten immer nur zwei
Siuzod, Dipihelogie. 33
514 Käfer. Grbarmen, Sutache der Ehiere. 5 132%
folher Bipern, Myth. 649; aber wäre auch diefer Zug von den Haus⸗
ſchlangen 8.127 erborgt, fo erinnert doch jene langobardiſche Helvenjage
bier ftärter an die gerade von demfelben Volle bezeugte Verehrung eines
heiligen Schlangenbilves, dad in ber vita Barbati (Myth. 648) ala Viper
gedacht iſt. Wir haben indes ſchon S. 371 in Schlangen und Draden
Symbole ver ſchaffenden und erhaltenden Naturkraft erfannt und Obins
Beinamen Ofnir und Swafnir hierauf bezogen: fo kommt es und zu
Statten, daß in jener andern vita Barbati (Myth. 649) angebeutet wird,
ver höhfte Gott fei unter jenem Schlangenbilde verehrt worden. Wie
wir bier auf Odin gewiefen werden, fo deutet der nahverwandte ebenjo
myſtiſche Käfercultus, von welchem Myth. 655 Spuren nachweiſt, andere
bei Bingerle II, 179. 213, Leopr. 76 begegnen, auf Thör.
Die edelfte Art von Heilighaltung der Xhiere begegnet in unfern
Märchen, wenn der Dümmling mit Thieren Erbarmen übt, mit Löwen
und Wölfen wie mit den Meinften Ihierhen, Ameiſen und Bienen, nur
aus ſchoͤner Menſchlichleit, wo denn das gute Herz fih ihm reichlich lohnt,
denn im Verlauf des Märcens werden ihm Aufgaben gefiellt, die nur
durch den Beiltand diefer Thiere gelöft werben können. So giebt er aud
einem armen alten Mann das legte Stückchen Brot oder den einzigen
BViennig; fo erweift er den Todten die legte Ehre, nicht auß bewuſter
Pflicht, aus gutem Herzen, aus liebevollem Sinn gegen alle Geſchoͤpſe. Diefe
Tendenz unferer Märchen wird man nicht als einen Reft alten Tpiercultus
anfehen, obgleich ich überzeugt bin, daß aud der Tpiercultus aus derſelben
menſchlich fhönen Gefinnung entfprungen ift und an ber inbifhen Heilige
haltung der Kühe daS gute Herz nicht weniger Antheil hat als der Gigennup.
Wir brauden demnach weder Pflanzen noch Thiercultus als für ſich
berechtigt anzuerlennen. In dieſem Sinne darf auch Geftirndienft, wenn wir
von Sonne und Mond abfehen, geleugnet werden; diefe aber waren zu
göttlihen Weſen erhoben, die an andern Stellen beſprochen find.
Der obigen Ausführung ſcheint der auch in Deutſchland verbreitete
Glaube entgegenzuftehen, daß Menſchen, welde die Sprade der Thiere
erlernt hätten, höherer Weisheit theilhaftig geworden ſeien. Allerdings ift
hier den Thieren eine Weisheit beigelegt, welche an die im Waßer lies
gende erinnert. Gleichwohl ift diefer Glaube, den wir faft bei allen Böl«
term finden, nicht überall mit Verehrung der Thiere verbunden, obgleich er
eine gewiſſe Ehrfurdt vor ihnen bedingt.
Wie der Mythus von Allem die Urſache Tennt, wie er weiß, warum
& 182. Aramiweihe. Auduk. Blüthenfänger. 515
der Lachs hinten fpig iſt, S. 112, warum ber Kuckud mehlbeftaubt Ger
fieder hat, 6.25, fo hängen mythiſche Erzählungen auch an den Eigen
thümlichteiten anderer Thiere und Pflanzen: fo der Trauerweide, der Kreuz:
ſchnabel (Reuf II. Aufl. 33), des Bauntönigs (R. 34, Or. HM. 171), ver
Eidechſe (Wolf Beitr. 447), des Gießvogels (R. 29, Cr. Myth. 1221),
der Kraͤhe (R. 30), des Pferdes und Rindes (N. 134, Temme und Tettau
Br. S. p. 29) u. ſ. w. Andere Thiere find rein mythiſch, wie der Drache,
der Baſilist, der Schlangenkönig mit feiner Krone (R. 37, Gr. M. 650.
929), der Hafelwurm, der Murbl, der Stahlwurm Alp. M. u. 6. 377—
380, der Tapelwurm (Leipz. Jluftrierte Zeitung 1864 Nr. 1094). Als ein
fabelhaftes Kraut könnte man die Irrwurzel (Alpenb. 409) bezeichnen, als
einen fabelhaften Stein den Siegerftein und den Stein der Weifen. Ueber
die fieben Planetenkräuter ſ. Alpenb. 400, über die bei ver Krautweihe
(Maria Himmelfahrt) gebräuglihen Alpenb. 402, Montanus 38.
Mit erftaunlidem Fleiße und feltener Belefenheit hat Mannharbt
Gtiſcht. f. D. M. II, 209—298) Alles zufammengeftellt, was feit mehr
als taufend Jahren in Deutfhland und feinen Nachbarländern, ja im
fernen Orient über den Kudud gefungen und gebichtet if, um zu ber
weifen (6. 210), daß diefer Vogel bei unfern Vorfahren göttfihe Ber
ehrung genoßen oder wenigſtens zu dem alten Götterwefen im nahem Bezuge
geftanden habe. Gleichwohl muß er zulegt (S. 290) geftehen, daß bie
moftifhe Bedeutung des Kududs und die mit ihm verbundenen Sagen
überall Raturerfheinungen zur legten Grundlage habe. Wie der Hahn
ven Tag, fo verkündet der Kudud den Frühling, und wie der Hahn ver
Hausprophet heit, fo gilt der Audud für den Allerweltspropheten. Pröpher
zeihte er zuerft nur den Frühling, fo erſcheint es als eine Weiterbilbung,
wenn er nun auch wißen follte wie lange man zu leben habe ober wie
manches Jahr ein Maͤdchen nody warten müße bis es ber erwünfchte Freier
zum Ultare führt. Unfer Dichter geht noch weiter, er foll dem kanfti⸗
gen Chepaar aud die Zahl der Kinder beftimmen. Iſt es ein Wunder,
wenn die Prophezeifungen, die man aus feinem Gefange heraus hörte,
nicht immer eintrafen, und er nun in ben Ruf fam, ein falſcher Prophet
zu fein? Wenn dem Mädchen der Jahre zu viel werben, die es noch
warten foll, fo fagt e8, er fei ein thörichter Kudud oder ſihe auf einem
närrifchen Bmeige; aber ſchon bei ven Langobarben bebeutete es nichts
Gutes, ald er dem neugemwählten Sangobarden: König auf den Sper flog,
der dad Symbol feiner Herfhermadt fein follte: man ſchloß daraus, daß
516 Aucinci. Gauch. Bäher. Gertend. $. 132.
dieſes Königs Regierung nicht fruchten werde. So lieft man bei Reuſch,
einem Vorläufer Mannhardts, Br. Prov. BI.V, 338, in Baiern nenne man
den Adler im Preußifhen Wappen fcherzweife den Preußiſchen Kudud und
die alten Pr. Groſchen Kucudsgroſchen, und in Preußen felbft ſolle diefer
Scherz nicht ungewöhnlich fein und namentlih das Stempeln mit bem
Adler den Preußifhen Kudud auforüden heißen. Es galt für üble Bor
bebeutung, wenn man feinen Ruf nüdtern hörte und Walther glaubt (73,
29) herzhaft geflucht zu haben mit den Worten:
hiure müejens beide esel unde gouch geheren & si enbijjen sin.
Ja, weil er feine Gier in fremde Nefter legt, wird er zum Chebreher und
Hurenfohn und fein Name, Gauch, zu einem der gangbarften Schimpfmwörter.
Wir haben auch ſchon gejehen, wie fein mehlbeftaubtes Gefieder ihn zu
einem Bäder machte; anderwaͤrts hielt man ihn für einen Müller; Bäder
und Müller aber gelten im MA. nicht für ehrliche Leute. Bedeutete er
doch zulegt euphemiftifch den Teufel felbft in Rebensarten wie: Hohl ihn
der Kududl das if um des Kucuds zu werden! oder wenn Glaubius
von dem Kudud und feinem Küfter fingt. Dgl. S. 428 oben. Aber
gerade dieß letztere Könnte uns erläutern wie man auf den Einfall kam,
etwas Goͤttliches an einem jo übel angejehenen Vogel zu finden. Der Teufel
ift fo oft an die Stelle ver alten Götter getreten, warum follte es nicht
der Kudud fein, den wir an bed Teufels Stelle zu nennen pflegen? Daß
er aber gerade an Thors oder Freys Stelle getreten fein jolle, wie Mann-
hardt will, leuchtet nicht fofort ein, ba ber Aoler, mit dem ihn das Bolt
zu vertaufchen liebt, Odind Vogel war. a ich riethe, wenn ich über
haupt bie Anficht theilte, nod lieber auf Gertrud ober eine der Göttin
nen, welde Gertrud erfegen follte. In dem an die Schnede gerichteten
Kinderfprude:
Kudud, Kuckuck Gerderut,
Stäf dine vr Hörne herut.
ift die erfte Zeile nicht fowohl des Reims wegen herbeigezogen, als weil
aud der KAudud Verftedens fpielt, indem er fih in dem grünen Laube
birgt, dad er angefungen hat, woburd er zu dem Verſtedſpiel der Kinder
Veranlagung giebt. Aber Audud und Gertrud gehören hier zufammen,
wie auch Mannharbt annimmt, und fo möchte id; ihn am liebften für den
Vogel der Freyja oder Idun erklären, die beide Göttinnen ber fehönen
Jahreszeit find, des rüdlehrenden Schmuds der Erde in Grad und Laub.
Faut aud Gertrud Tag (17. März) etwas früher ala des Aududs Ge:
6. 182. Gertendsvogel. Martinsvogel. Achwarzfpedt. 517
fang in unfern Wäldern vernommen wird, fo haben fie bod gemein,
daß beide den Anbrud des Frühlings zu bezeichnen pflegen. Nod eine
andere Spur deutet auf Gertrub: das norwegiihe Märchen von dem
Gertrupspogel (Grimm M. 639, Asbiörnfen und Moe Nr. 2)
"findet fih auch auf den Kudud übertragen; oder war er felber der Ger-
trudövogel, und ift biefer nur durch Bermechlelung mit dem Martin s—
vogel für den rothhaubigen Schwarzipedht gehalten worden? Dieß ift um
fo wahrſcheinlicher, als es ſich hier wieder ums Baden handelt und bie
rothe Haube der kargen Bäderin ihr nur des Vogel wegen aufgejept ift,
während das mehlbeftaubte Gefieder des Kududs nicht erfunden zu wer⸗
den brauchte. Der Kudud ift auch fonft noch, wie Mannhardt ausführt,
wegen Karg heit übel berufen. Aber ver Lefer fol nit um das Maͤrchen von
dem Schwarzipecht Tommen, in dem wohl ein Mythus ftedt: Als unfer Herr
gott mit Petrus auf der Erbe wandelte, kamen fie zu einer Frau, melde faß
und but; fie hieß Gertrud und trug eine rothe Haube auf dem Kopf.
Müde und hungrig von dem langen Weg bat fie unfer Herrgott um ein
Stüd Kuchen. Ja, das follte er haben, fagte fie und Inetete es aus;
aber da warb es fo groß, daß es den ganzen Badtrog ausfüllte. Nein,
das war allzugroß, das konnte er nicht bekommen. Sie nahm nun ein
Heineres Stüd; aber als fie es ausgelnetet hatte, war es ebenfalld für
ein Almofen zu groß geworben: das konnte er auch nicht bekommen.
Das dritte Mal nahm fie ein ganz Meines Stüd; aber aud dad Mal
ward es wieder zu groß. „Ya, jo Tann ich euch nichts geben”, fagte
Gertrud: „Ihe müßt daher ohne Mundſchmad wieder fortgehen, denn
das Brot wird ja immer zu groß.” Da ereiferte fih der Herr Chriftus
und ſprach: „Weil du ein fo ſchlechtes Herz haft und mir nidt einmal
ein Stüdchen Brot gönnft, fo folft du dafür in einen Vogel verwandelt
werben und beine Nahrung zwiſchen Holz und Rinde fuhen und nicht
öfter zu trinken follft du haben, als wenn e3 regnet.” Und kaum hatte
er die Worte gefprochen, fo war fie zum Gertrudsvogel verwandelt und
flog oben zum Schornftein hinaus und nod den heutigen Tag fieht man
fie herumfliegen mit einer rothen Müge auf dem Kopf und ſchwarz über
den ganzen Leib; denn der Ruſs im Schormftein hatte fie geſchwaͤrzt.
Sie hadt und pidt beftändig in den Bäumen nad Ehen und zirpt immer,
wenn e3 regnen foll, denn fie ift beftändig durftig.
518
Gebet
133.
Das Gebet ift mehr ald eine an göttlihe Weſen gerichtete Bitte.
Der urfprünglihe Sinn von Bitten it Liegen, Niederfallen, und die mit
ber Gebet verbundenen Geberden der Gelbftvemüthigung, die emporgehos
benen oder auögeftredten Arme, die gefalteten Haͤnde, das entblößte, ges
weigte Haupt, die gebogenen Kniee, das Nieverftürzen zu den Füßen ber
angeflehten Gottheit, fie alle brüden aus, daß ber Menf ſich dem höhern
Wejen als ein Befiegter, als wehrlojes Opfer darbietet und unters
wirft. Bitten und beten werden vielfad verwechſelt: noch Pfeffel fagt:
den ganzen Tag bat er fein Paternofter her. Wörterb. II, 53. Beide
Wörter aber tommen von bieten oflerre. In der alten Sprade und
noch im Dialekt heißt es ‚fih beten‘, als wäre ſich bieten, ſich opfern ges
meint, gerade wie bad mit Bitten in feinem alten Sinne zufammenhäns
gende badi Bette (leotisternium) zugleid Altar bebeutet, Myth. 27. 59.
Wörterb. I, 1722. Bon dem Gntblößen des Hauptes machten nur bie
Briefter eine Ausnahme, wenigfiens ift von den gothifchen bezeugt, daß fie
das Haupt wit der Tiare bevedten.
Der Heide fhaute beim Beten gegen Norden, weil dahin auch daB
deutſche Alterthum die Wohnung der Götter fegte, und diefe felber gegen
Eüven fahen, vgl. 6.192. Die gegen Dften betenden Chriſten nahmen da⸗
her einen noͤrdlichen Sig de Teufels an, und bei feiner Abſchwoͤrung muften
ſich die Neubelehrten mit gerungeller Stirne und zorniger Geberbe, bem
Gegenfag jener, die daß Gebet begleitete, norbwärts lehren. Zür bie
Vorftellung, zu welder Sigrdr. 3 Anlaß giebt, als hätten die Deutſchen
figend gebetet, Tönnten deutſche Gräber ſprechen, welche die Todten in
figender Stellung zeigen. Nach Maurer Belehrung II betete man liegend
nad) Norden gerichtet und hielt, auch wenn fein Bildniſs da mar, bie
Hände beim Beten vor die Augen, wie vom Glanze der Gottheit geblendet.
Opfer
134, 1 Im Allgemeinen,
Wenn der Menſch im Gebet fi felber darbringt, fo fügt er im
Opfer einen Theil feiner Habe hinzu, und erfennt damit an, daß er
8. 134. Drelerlei Opfer. Brei Iahresopfer. Zühneber, 519
das Ganze der Gnade der Götter verdankt. Diefer weiß er ſich be
dürftig im Glüd wie im Unglüd, denn das Glüd ericheint ihm als ein
neuer Beweis der göttlichen Gnade, bie ihm ein Dankopfer auch ferner
erhalten fol; das Unglüd ſchreibt er dem Zorne der Götter zu, den er
durch ein Sühnopfer von ſich abzuwenden hofft. Cine dritte Art,
‚wenn der Ausgang eines Unternehmens erforfcht werben foll, und ber
Weißagung ein Opfer vorhergeht, damit ber Gott geneigt werde, feinen
Willen tundzugeben und einen Blid in die Zukunft zu verftatten‘, tonnte
man Bittopfer nennen und noch andere Fälle hinzurechnen.
Bon allen feinen die Dantopfer häufig, weil fie wie bie Jahres⸗
ernten vegelmäßig wieberfehren; doc laßen ſich bie drei großen Jahredr
opfer der Deutſchen je gu einer diefer brei Arten zählen. Nur das Herbft-
opfer, das zum Gmpfange des Winter til ärs, alſo für den Segen ber
Ernte, gebradt wurde, ift ein Dankopfer; zu Mittwinter opferte man til
grödhrer, den Feldern Fruchtbarkeit zu erflehen, und bieß ſcheint gleich
dem dritten, da3 zum Empfange des Sommers, wenn bie Waffen nicht
länger zu ruhen brauchten, til sigrs (für den Gieg) gebradt wurde, ein
Bittopfer; da aber die Schweden dabei den Sühmeber darbrachten, fo
war wohl die Verföhnung der unterweltlihen Götter, damit fie nicht
Miſswachs, Mäufefraß und andere Plagen verhängten, feine eigentliche
Beftimmung. Bol. M. 38.
Der Sühneber war aud den Angelſachſen bekannt und für deutſche
Gerichtsmale, die einft Opfermale waren, ift er in fehr entlegenen Gegen:
den nachgewieſen. Das Nähere ift S. 352 angegeben: bie dabei vorfom:
menden Beiten beftätigen, daß bie Opfermale mit den brei großen Volls⸗
verfammlungen, den feg. ungebotenen Gerichten, zufammenbiengen, bie ſich,
wie verſchieden auch ihre Zeit in den Weisthämern beftimmt wird, im
Ganzen doch auf die genannten brei Jahreszeiten vertheilen, fo daß wir
Martini, Weihnachten und Walpurgis als die regelmäßigen Friften
anfegen bürfen. Dabei märe auh die Meldung des Tacitus, daß bie
Deutfhen nur drei Jahreszeiten gelannt hätten, in Betracht zu ziehen.
Sie ift gewiſs an ſich richtig, wie er auch darin nicht irrte, daß ber Herbft
den Deutſchen Obft: und Weingewinn verfagte, worauf er als Römer allein
Werth legte.
Außer biefen drei Jahresopfern gab e3 andere, die ſich nad Tängern
Zeiträumen wiederholten. Dietmar von Merfeburg berichtet von dem
großen Opfer auf Seeland, das alle neun Jahre am ten Januar, aljo
520 Henn Iahre. Menfcenopfer. $. 124.
nod in der Zeit der Zwölften, am Berchtentage, die unterweltlichen Götter
verföhnen follte, wobei 99 Menſchen und ebenfoviel Pferde fielen; Adam
von Bremen von dem Upfalifhen, gleichfalls alle neun Jahre wiederleh⸗
venben, bei welchem neun Häupter von jeder Xhiergattung bargebracht
tourden, Myth. 42. 46. Alle neun Jahre: das ift eine große Woche von
neun Jahren, der fleinen Woche von neun Tagen entſprechend. Der
Greuel des Menſchenopfers ift ſchwerlich erbichtet; aber die Milderung der
Sitten, melde das Chriftentbum brachte, darf man nicht zu gering ans
ſchlagen. Nicht unaͤhnlich ift übrigens, fagt Grimm Myth. 47, wenn nach
dem Sachſen⸗ und Schwabenfpiegel alle lebenden Weſen die bei einer Noth⸗
nunſt waren, namentlich Rinder, Roſſe, Kagen, Hunde, Hahnen, Gänfe,
Schweine und Leute, außer dem eigentlihen Miffethäter (d. i. utſprünglich
ihrem Hausherren) enthauptet werben follten. An der Dingftätte ftand ber
Stein (in Köln der blaue Stein), an den man bie Verbrecher ſtieß, bie
zum Opfertobe verurtheilt waren. „Es leuchtet ein”, fagt Maurer II, 196,
„daß Männernamen wie Stein, Weftein, Freyſtein, Thorftein ganz fo von
diefem Opferftein hergenommen find, wie die Namen Ketil, Astetil, Thors
teil, Bolli u. dgl. von dem heiligen Opferleßel.“ Allerdings fehlt es
aud fonft niht an Beugnifien für Menfhenopfer; außer Verbrechern
fielen beſonders kriegsgefangene Feinde, bie man ſchon vor der
Schlacht dem Gotte, wenn er den Sieg verliehe, geweiht hatte, was kaum
viel jhlimmer ift als wenn in chriſtlichen Schlachten fein Quartier geger
ben wird. Daneben ift von erkauften Knechten die Rebe; bier dürfen wir
das Heibenthum nicht zu ſchwer verklagen, da wir leider hören, daß es
Shriften waren, welche diefe Knechte zum Opfer verlauften, M. 40. Man
berichtet auch von Menſchenopfern bei Flußübergängen, die Frauen und
Kinder trafen, und die Gage weiß, daß Kinder zur Heilung des Auss
ſatzes getöbtet ober bei Neubauten in Grundwaͤlle eingemauert, Myth. 1094,
ja Könige, wie in Schweden Domaldi (Angligaf. 18) für Mifsjahre,
oder, wie Wilar ©. 196, für den Geefturm verantwortlih gemacht und
den Göttern geopfert wurden. Noch ſchlimmer ift es, wenn König Den
©. 205 jedes zehnte Jahr einen feiner Söhne um langes Leben, Hakon Jarl
der Thorgerd Hölgabrub, die nicht einmal eine Göttin war, wenn ihr gleich
göttliche Ehre erwiejen ward, feinen Sohn geopfert haben fol, Maurer II,
198. Vornaͤmlich ift es Din, dem Menfhenopfer gefielen; freilid mins
derte der Glaube der Hingeopferten Looß, denn der Gott verlieh ihnen
Walhall. Schon die alten Geten, weldhe Grimm für unfere Vorfahren
$. 184. Sqladimouat. Martinsgaus. Kerbkyferd. j 521
hielt, pflegten alle fünf Jahre einen Boten an Zamolgis ober Ges
beleizeiß zu fenben, der, in ver himmlifhen Wohnung Aufnahme findend,
nicht wieberfehrte. Man hatte ihn an Händen und "Füßen in die Höhe
geſchleudert und auf drei Lanzen aufgefangen: wie graufam, ja unmenfdhe
lich das mar, fo mochten ſich doch Lebensmüde zu dieſem Botenamte
drängen, um zu Bamolris zu gehen, wie man im Norden zu Odin zu
gehen fih mit dem Sper rigen ließ, oder Andere, wenn fie das Kleinfte
verbroß, fi vom Zeljen ftürzten den Gott zu fuhen, FAS. IIL 7.
Die zur Sühne Blut vergoßen werden mufte und Menſchen als das
toftbarfte, aber dvem Gott willkommenſte Opfer fielen, fo beſchraͤnkten ſich
auch Bitte und Dantopfer nicht auf die Früchte des Feldes, am Wenigften
mohl bei dem Frühlingsopfer, das til sigrs, aljo dem Kriegsgotte ge«
bracht wurde. Das große Gerbftopfer zoflte zunächft nur den Dank für .
den Segen der Ernte; aber das Jahr hatte auch Pferde und Rinder,
Lämmer und Biegen, Schweine und Federvieh gebracht, und fo genügten
bier die unfduldigern Opfer aus dem Pflangenreich nicht, welche ſich über:
dieß lieber gleih an das Einfheuern knüpften.
Im Spätherbft pflegt der ‘gemeine Mann noch jept für den Winter
einzuſchlachten; in heidniſcher Beit gab er dabei auch den Göttern ihren
Antheil. Hiervon ift nit bloß die Martindgand übrig und die
niederrheiniſche Sitte, da3 Herbftpferd vorzuftellen (M. Martinsliever
S. VII); Grimm bezieht aud den Gebraud, beim Einſchlachten ein Gaſt⸗
mal zu rüften und Fleifh und Würfte den Nachbarn zu ſchicen, auf die
alte Opfergemeinfchaft. Daß der November nicht des häuslichen Ein⸗
ſchlachtens fürt den Winter wegen Shlahtmonat heißt, fondern mit
Bezug auf die alten Opferthiere, zeigt der entfprehende angelf. Name
blötmönadh, der mit Bluten nichts zu fchaffen hat, da agf. blötan, alth.
pluogen, Opfern bebeutet. So ift auch Martinsliever XIV. 52. 53.
nadgewiefen, daß außer der Gans Hühner, Schweine, Kühe und Pferde
zur Martinzfeier gehörten. Das Pferdeopfer, das für die Deutſchen
characteriſtiſch blieb, obwohl wir e8 mit Inden, Perfern und Slaven ge:
mein hatten, erlannte an, daß das Pferd ein reines Thier ift; fein Fleiſch
mufte gerne genoßen werden, fonft wäre es unſchidlich geweſen, es dem
Gotte darzubieten, Myth. 40.
Die Gemeinſchaft zwifhen Göttern und Menfchen, welche das Opfer auch
äußerlich barftellen follte, wie das Gebet fie geiftig gegründet hatte, erfors
derte, daß die gefamte Gemeinde, nicht bloß der Priefter, an der ‚Bilde‘,
522 Gehätt. Biefer. Tempelabgaben. 8. 134
dem auß gemeinſchaftlichen Beiträgen beftrittenen Opferfchmaufe, Theil nahm.
Dog blieb dem Gotte das Eingeweide, Herz, Leber und Lunge vorbehals
ten, alfo was die Mehger noch jept ein ‚Gebütt‘ (won bieten) nennen.
Vgl. Kuhn WE. II, 167. Nur dieß kam mohl auf den Altar (piot);
das Uebrige warb gefotten, in der Verfammlung ausgetheilt und gemein:
fehaftlich verzehrt. Das Blut (hlaut) fieng man in Opferfeßeln (hlaut-
bollar) auf, in die man Wedel (hlautteinar) tauchte, um das Volk zu
befprengen, und Götterbilver und Altäre fo wie bie Tempelmände aufen
und innen zu beftreihen. Häupter und Häute größerer Opferthiere, der
Pferde namentlich, hieng man im Haine, der dad Heiligthum umgab, an
Bäumen, oder an der Luft getrodnet am Giebel des Haufes auf, wo fie
auch wohl ausgeſchnizt wurden. Vgl. S. 374 und Roh. II, 19. Sie
beförberten die Fruchtbarkeit und fhügten vor dem Blig. Cin Pferdeopfer
gieng au dem Errihten ver Neidftange ©. 386 vorauf. Die ven
Göttern in ihren Hainen erzogenen Pferde S. 513, welche wir ald weißa-
gend fennen, waren der Dpferung nicht beftimmt. Neben dem Pferde
galt landſchaftlich auch der Eſel für opferbar, daneben Rinder, Schweine
und alles Schmalvieh, das noch jegt genoßen wird, Biegen und Böde mit
eingerechnet; vom Wilde nur die größern Naubthiere. nicht, obgleih Bär
renfleiſch nach Woͤlundarkw. 9 gegeßen wurde. In der chriftlihen Beit
wurden biefe XThiere noch immer an die jept in Kirchen vermandelten
Tempel als Abgaben entrichtet; der Unterſchied beftand nur barin, daß ber
Bauer, der fie gezüchtet hatte, jegt an dem Schmauſe felten mehr Theil
nehmen durfte. Mit der Opferfähigfeit der Pferde und Rinder han⸗
gen nad Duigm. 240 die Sagen zufammen, in melden ſich zufällig ges
fundene Rofs: und Kälberzähne in blinlendes Gold verwandeln.
Die opferbaren Thiere nannte man Biefer (Biber, alth. z&par),
woraus fih das Mort ‚Ungeziefer‘, franz. atoivre, erklärt; doch ſcheint
Biefer auch die opfermäßigen Pflanzen begriffen zu haben. Wenn Tac.
Germ. 9 von concessis animalibus fpriht, fo tann er damit die den
genannten Göttern, Mard und Hercules, geheiligten Thiere meinen: es
genügte nod nicht, daß fie überhaupt opferbar waren, fie muften fi dieſem
beſondern Gotte zum Opfer eignen: dem Frey hätte man nicht den Bod,
dem Thör nicht den Eber dargebraht. Dabei warb auch auf Geſchlecht
und Alter des Thieres gefehen und daß es menſchlichem Gebrauche nicht
gedient habe: außer dem Gotte (S. 458) durfte das Roſs noch feinen
Reiter getragen, dad Rind mufte nod fein Joch geduldet haben. Auch
& 134. Hörnervergaldung. Yogeljchet. 528
auf die Farbe kam es an: bald wird fledenlofe Weiße, bald rabenſchwarze
Zarbe bedingt; der Waßergeiſt heiſcht ein ſchwarzes Lamm und Thrymr
freut ſich Thr. 27 feiner rabenſchwarzen Rinder und der Kühe mit goldes
nen Hoͤrnern. Goldgehörnte Kühe verlangt auch Helgalw. I, 4 der Riefe
in Bogelgeftalt (S. 513) und unfere Rechtsgebraͤuche fordern vergoldete
Hörner bei dem zu entrichtenden Bod. Quihm. 246. Go geſchmüdt und
befrängt warb das Opferthier dreimal um das Heiligthum oder im Kreiße
der Bollöverfammlung umbergeleitet, rund durch die Bänte geführt, Myth. 48,
nad dem Ausdrud des Lauterbacher Weisthums, vgl. S. 352. Bei häuss
lichen Feften, wo der Haußvater an die Stelle des Priefterd trat, gieng es
einfaer zu und ber Hauögeift ober ein eintretender Gaſt trat an bie
Stelle des Gottes.
Da es bei den DOpfermalen an Brot nicht gefehlt haben fann, fo ers
bielten wohl aud die Götter ihren Antheil an dem aus Kornſpenden bes
veiteten Badwerk. Vielleicht geſchah das fo, daß man die Götter ſelbſt
umd die ihnen geheiligten Thiere in Brot: und Kuchenteich nachbildete,
worauf die simulacra de consparsa farina bed indieulus zu beuten
feinen, Wie Thaler (Ztfchr. f. M. I, 288) berichtet, war ed noch jungſt
im Tyrol Gebraub, au dem legten vom Teigbret zuſammengeſcharrten
Brotteig eine Figur zu bilden, welhe der Gott hieß und mit bem übris
gen Brote gebaden ward, Nach der Fridthiofsſaga 9 wurden beim Dir
ſablot Götterbilder gebaden und mit Del gejalbt, wobei ein gebades
ner Baldur und ein anderer Gott ind Feuer fiel, wovon das. Haus in
helle Flammen gerieth. Bei gewiffen Seiten wird noch jegt dem Badwerk
die Geftalt von Göpen und Thieren gegeben; legtere lönnen aud ältere
Thieropfer erjegt haben. Einfacher aber fchöner als jene blutigen Opfer
male find die Danfopfer, die fih unmittelbar an die Ernte fnüpfen. Bon
den Aehrenbũſcheln, die man den Göttern ſtehen ließ, ift öfter die Rede
gewefen; das warb ald Vogelzehnt tegede (Ztjhr. II, 385 ff.) aufgejaft,
wie aud andere regelmäßige Opferſpenden in Kirchenzehnten übergegangen
waren. Den Vögeln fanden wir aud fonft Opfer gefpenvet (6. 512);
es ift wejentli eins, ob die dem Gott zugebachte Verehrung von Wo—
dans Roſs oder den Bögeln des Himmels hinmweggenommen ward.
So pflegte man bei der Obfternte ven Baum nicht aller feiner Früchte zu
berauben: einige ließ man hangen, damit er ein anbermal wieder trage.
Bon Früchten, die den Göttern felbft dargebracht wurben, oder von Blu⸗
men, womit man ihre Bilder befränzte, haben wir, weil fie der Beachtung
54 Crankspfer. Ainut der Götter. Loafe. , 8. 134.
nicht werth ſchienen, aus ber heidniſchen Zeit wenig Nachrichten; doch
laßen fpätere Sagen und noch fortdauernde Gebräuche darauf zurüdfcließen.
Die die Opfer zu Opfermalen wurden, bei welden Briefter und,
Bolt die dargebrachten Spenden gemeinſchaftlich verzehrten, fo pflegte man
bei allen feierlichen, ja bei ven täglichen Malzeiten, der Götter zu gebenfen
und namentlich den Hausgöttern einen Theil der Speife zurüdzuftellen.
Auch bei dem Tranfe vergaß man der Götter nicht, denn es war Eitte,
ihre Mine, d. h. ihr Gedaͤchtniſs zu trinfen. Bon eigentlichen Trank:
opfern ift dieſes Minneteinfen um fo fehmerer zu fcheiden als beide dem
Wuotan zu gelten pflegten, M. 49. 52. Neben Wuotand Minne wurde
Thors, Niörbs, Freys und Freyjas Minne getrunfen; Odins Beer (Full)
um Gieg und Macht; Njörds und Freys Hom um gutes Jahr und Frier
den. Maurer 200. Nah Helgakw. I pflegte man am Julabend Bragis
Becher (bragafull) zu leeren, und dabei auf Freys Gühneber Gelübve abzu-
legen; indem man ſich einer fühnen, im Laufe des eben beginnenden Jahrs
zu vollbringenden That vermaß, was man strengia heit nannte S. 341
und 8.145. Beim Erbmal geſchah Aehnlihes zum Andenlen an die Vers
ſtorbenen; in andern Fällen trank man dem Abwefenden zu Ehren und
aud dieß hieß Minnetrunk. Diefe Sitte, von welcher unfere Toafte
berzurähren ſcheinen, gab man in chriſtlicher Zeit nicht auf; nur traten
Heilige an die Stelle der Götter: St. Martin auf fein eigenes Verlangen
an die Stelle Thoͤrs, Odins und der übrigen Aſen (Myth. 58, Maurer I,
285), deren Minne aud in Schweden, wo Freyt Landas geweſen war,
getrunfen ward; St. Gertrud an Freyjas; den Njörd und Frey fheint dar
bei St. Stephan erfept zu haben, Wolf Beitr. 125. So hieng zu reis
burg bei den Johannitern ein Stein an einer filbernen Kette, mit dem
St. Stephan gefteinigt fein follte. Man goß Wein darauf und gab ihm
den Gläubigen zu trinken. Karls des Großen Verbot, des h. Stephan
oder feine und feiner Söhne Minne zu trinken, blieb aljo unbeachtet, weil
Fros Verehrung, der nun durd St. Stephan erfegt wurde, noch übermog.
Auch St. Mihaeld und Johannes des Cvangeliften Minne warb getrun:
ten; letztere pflegten unter dem Namen „Johannesſegen' gleih Gt. Ger:
truden Minne beſonders Reifende und Scheidende zu trinken, woran ſich
halbmythiſche Erzählungen knüpften. Warum man von St. Gertrud gute
Herberge hoffte, ift ©. 331 angebeutet. Sie foll aber auch einem Ritter,
der fi dem Böfen verſchrieben hatte, St. Johannis Minne zugetrunten
und ihn dadurch aus feiner Macht erlöft haben. Wie Gertrud an Freyjas,
8. 136. Iohannistrunk, Hof. 525
fo ſcheint hier St. Johannes wieder an die Stelle Odhrs, ihres Geliebten
©. 221.386 getreten; die Verwechſelung des Cvangeliften mit dem Täufer
tommt auch fonft vor. Die Kirche pflegt aber noch jept am Tage bed
Evangeliften einen Kelch mit Wein zu fegnen und das Andenken des
Tiebften Jüngers des Herrn dem Vol zur Nacheiferung anzuempfehlen.
135. 2, Hof und Heiligthum.
Tempel der Germanen, wenn darunter Gebäude verftanden werben
folfen, leugnet Tacitus Germ. 9: der Größe des Himmlifhen ward uns
würdig erachtet, fie in Mauern einzuzwängen. Wo bei ihm von Tempeln
die Rede ift, meint er geweihte Wälder und "Haine, Gleichwohl herichtet
er Ann. J, 51, ver hochberühmte Tempel der marfiihen Völler, ‚quod
Tanfanae dicunt‘, fei der Erbe gleih gemacht worden, $. 117. Hier
deutet der Ausdrud doch auf ein Gebäude; einem heiligen Hain ſcheint
er weniger gemäß. Auch wenn er Germ. 40 von ber Nerthus fagt, der
Priefter habe die des Umgangs mit den Sterblihen erjättigte Göttin dem
Heiligthum (templo) zurüdgegeben, dent man menigftend au ein Ob⸗
dad) für ihren mit QTüchern verhüllten Wagen. Doch hatte die Baukunſt
dazumal wohl erft fo kindiſche Anfänge entwidelt, daß fie den Göttern
feine Wohnpläge bieten konnte, die mit der Crhabenheit der uralten Wäls
der wetteifern konnten. Sehen wir aud ab von der unferm Volle ein
geborenen Liebe zum Waldleben, ©. 510, fo mufte dod das Rauſchen ver
taufenbjährigen Cichen die Nähe der Gottheit ahnungsvoller verlünden,
das uralte Heiligtbum, wo fhon die Väter geopfert hatten, die Geele zu
höherer Andacht ftimmen als der prächtigfte Tempel, den die noch unber
bolfene Kunft hätte zimmern fönnen. Jedes neue Werk hätte der heiligen
Scheu Gintrag gethan, womit man ſich der altgeweihten Stätte nahte.
Den Gothen ſcheint freilih alhs (vad;), alth. alah, ein altheiliges Wort;
aber wären wir auch verfiert, daß es ſchon vor Ulfila ein Gebäude
meinte, fo waren die Gothen durch ihre Berührung mit den alten Völtern
ein frühreifes Voll. Die Ausdrüde, die wir bei den übrigen Stämmen
für Tempel finven: wih, haruo (altn. hörgr), forst, paro (altn. barr,
barri) deuten zugleih auf den Wald. Erſt wo wir altn. hof und
hörgr (Hof und Heiligthum) verbunden trefien, bürfen wir Erſteres für
ein Gebäude nehmen, während hörgr feinen alten Sinn des Walbheis
ligthums behält. Hof wäre demnach das ältefte deutſche Wort für den
erbauten Tempel, und doch weift aud) dieß noch auf die Zeit zurüd, wo
526 Seidenfüden. Rofengärten. Freund Hain. 8. 135.
die Gottheit ſich im Schatten heiliger Haine barg, und ihr Allerheiligftes
nur ein dünner Geidenfaden hegte, wie wir ihn aus den beiden Rofen-
gärten S. 453 Tennen, und wie im Norden die heiligen Schnüre (vEbönd)
&.109 um dünne Hafelftäbe gegogen wurden, RU. 182. 203.810. Wenn
in verfdiedenen Gegenden der Volksluſt gewidmete Berfammlungspläge
den Namen Rofengärten führen, worauf fih Uhland Germ. VI, 321
gründet, fo ſcheint dieß etwas Spätereß, das erft aus dem größern Roſen ⸗
gartenliede erwuchs. Aelter find die durch Seivenfäden gehegten Vorhöfe
ver Tempel umb Gerichte, von deren Unverletzlichleit auch unfere Rofen-
gartenlieder ausgehen. Wenn Gommerfefte und Ofterfpiele in Rofen«
gärten begangen wurden, (Uhland a. a. ©.), fo Tann fih dieß nur aus
alten Opferfeften entwidelt haben, die in Tempelhöfen begangen wurden.
Der Name Rofengarten zeigt, daß neben Hof aud Garten (goth. gards)
das inneve Heiligthum bezeichnet: der heilige Baum, der in ber Mitte
fand, konnte aud ein Rofenftod fein wie jener zu Hildesheim (DS. 457),
der feit Ludwig dem Frommen noch jegt grünt und blüht. Rofengärten
finden ſich wohl nod an Vorhöfen der Kirchen (Paradies), und in den
Bildern zum Sachſenſpiegel bezeichnet eine Rofe das Urtheil, Tempelhöfe
und Gerihtöhöfe fielen zufammen, als noch Priefter Richter waren und
der Hofgodi der Rechtäpflege und dem Gottesvienft zugleich vorſtand.
Den Zufammenhang der Opfer mit ben ungebotenen Dingen fahen wir
noch in fpäter Beit fortwirken. Das feierlid gehegte Gericht war ftäts
mit Opfern verbunden, vgl. ©. 352 und 8.133. Als fi an der Stelle
der alten Waldtempel Kirchen erhoben, hieß Hof zulegt nur noch bie ge
weihte Erbe, worin die Todten rubten, wie dieſe aud früher nah Har—
barbal. 43:
Du giebft den Gräbern zu guten Namen,
Beun bu fie Wälder- wohnungen nennfl.
in Wäldern, ohne Zweifel heiligen, beftattet worden waren. Rod im 8.
Jahrh. ließ ſich ein ſchwerverwundeter Sachſe in einen heiligen Wald trar
gen um da zu fierben, M. 64. Aus diefer Sitte, die Tobten in den
Hainen zu beftatten, Täfıt fi ber erft fpät auftaudende Name ‚Freund
Hain’ am beften erflären, fo wie der Name ‚Heinen‘ für elbiſche ver
Untertoelt verwandte Geifter. Auf den Kirhhöfen pflegte aber auch die
Gemeinde zu dingen und die Gericht slinde hatte dort ihre Stelle wie
der immergrüne Thingbaum vor dem Tempel zu Upſala, RU. 796.
98. 805. Unfere Kichhöfe nennen wir wohl Friedhöfe: ein neuer Ber
5. 186. Achte. Cyatlen. Icmnonen. . 507
weis für ihre alte Heiligkeit, venn das aus vrithof mifverftandene Wort
follte Freithof heißen: an biefem gefreiten Raum fand der Verfolgte Zur
flucht; wer hätte es gewagt, ihn gewaltſam hinwegzuführen? Solcher
heiligen Freiſtaͤtten (grida stadr) gedentt die Edda mehrfach; Walhall
ſelbſt iſt als eine ſolche zu denken; vgl. die Freiſteine S. 406. Auf die
Kirchen ſelbſt ſcheinen jene heiligen Schnüre übergegangen: fo iſt um vie
St. Leonhardskirche zu Latſch im Tyrol, zu Ganader, Tölz, Tolbath eine
eiferne Kette gelegt und die Leonhardslapelle bei Briren 21, mal von
einer eifernen Kette umſchlungen. Jedes Glied ift einen Fuß lang und
jedes Jahr wird ein neues Glied angeſchmiedet; andere Cifenfetten in
Aigen und Inchenhoſen, Panzer Il, 193. So werben wir an die goldene
Kette erinnert, welche den Tempel zu Upfala umgab wie Mannhardt GM.
675 noch andere Golofetten gleicher Bedeutung nachweiſt. Freilich ift
St. Leonhard der Patron der Cefangenen, die feine Fürbitte aus Ketten
befreit, weöhalb an feinem Grabe (Leg. aur. 689) unzählige aufgehängt
find, wie dad auch in ven ihm geweihten Kirchen geihieht; wenn aber
ftatt deſſen nun die ganze Kirche außen von einer Kette umzogen warb,
fo kann dieß an jenen Gebraud antnüpfen, das Heiligthum mit den ges
weihten Schnüren zu umgeben. Vgl. Wolf Beitr. I, 175. Man begiebt
ich freiwillig in St. Leonhards Gefangenihaft, indem man ihm zu Ehren
um Leib und Hals ober Händen und Füßen Feßeln und Eifenringe trägt,
die lebhaft an jene erinnern, von welchen die Chatten (ignominiosum id
genti) ſich nah Germ. 31 erft durch Erlegung eine Feinde befreiten. Sind
nun bie um die Kirchen gelegten Ketten aus jenen geopferten Feßeln ges
ſchmiedet, die man dem Heiligen zu Ehren jahrelang oder lebenslang ges
tragen hatte? Feßeln wozu das Eifen von frommen, barmherzigen Leuten
erbettelt fein mufte, wodurch fie als gevoppelte Opfer erſchienen? und find
die Bänder die AM. vom Herzen des Eifernen Heinrich fpringen,
bier auch in Betracht zu ziehen? Gt. Leonhard erinnert unmittelbar an
Zeus, wenn er auf einer Wand, in Wollen ſchwebend abgebilvet fteht und
mit einer großen eifernen Kette feine Gemeinde umfängt. Panzer 394.
Was Tacitus von dem heiligen Hain der Semnonen berichtet, den
nur Gefeßelte betraten, S. 509, das wirb von dem Hof, dem innerften
Heiligthum, wo nur der Priefter Zutritt hatte, für jeden Andern, dem es
von diefem nicht geftattet wurde, überall gegolten haben. Wer die heilie
gen Schnüre brach, büßte mit der rechten Hand, dem linken Fuß; daß
damit der Tod gemeint ift, warb ſchon ©. 275. 453 dargethan. Hier
528 tempelbaum. Ainderfamm. Läcad. Gelbaum. 8. 185.
barg aud der Priefter den heiligen Wagen, deſſen Geheimniſſe nur Ster⸗
bende erfahren durften.
Denn bier ſchon an ein Gebäude gedacht werben darf, fo werben
una in fpätern heibnifhen Zeiten erbaute Tempel ausdrüdlich bezeugt.
Zwar ift hier meift ſchon Berührung mit criftliher Cultur vorauszufegen ;
doch dürfen wir fie und, da fie fo leicht in Rauch aufgiengen, wenn Chri—
ften Feuer hineinwarfen, nur fehr befheiden denken: aus Holz und Zwei—
gen um ben heiligen Baum gefügte Hütten. Selbſt Königsfäle fin-
den wir noch um den heiligen Baum, jenen Kinderftamm der Wölfunga-
fage, $. 21, erbaut, bei dem man nit umhin fann an ben weitum-
fchattenden Delbaum im XXIII. Gefang der Odyſſee zu denen. Wenn
8.21 unfere Deutung des Baumes Lärad, deſſen Wipfel über Walhall
reichte, zutrifft, fo war felbft die Wohnung der Götter um die Welteſche,
ven heiligen Gerichtsbaum der Afen, gefügt. So fagt KM. 148 Gott
zu dem Teufel: ‚In der Kirche zu Gonftantinopel fteht eine hohe Eiche,
die hat nod alles ihr Laub.’ Unter den deutſchen Namen jener kunſt⸗
loſen Tempel, die lateiniſch meift nur delubra und fana heißen (ver in-
dieulus ſpricht de casulis i. e. fanis), fteht wieder Hof voran; daneben
heißen fie pätapfr (wovon Bedburg), Bethaus, Halle und Saal, und nur
dieſe bürfen wir aus Gtein gefügt oder in den Stein gehauen denken.
Bon legtern mögen und mande ganz ober theilweife erhalten fein, aber
zu chriſtlichen Capellen und Cinfieveleien wie die zu Salzburg ober bei
Kreuznach umgefhaffen; die aus Stein gebauten, die zu hriftlihen Kirchen
taugten, blieben meift erhalten, wie es ausdrüdliche Vorſchrift war. Gelbft
nicht alle hölzerne find zerftört, nur in Kirchen umgeſchaffen, jene andern
verbrannt oder niebergerißen worden, um bie altgeheiligte Stätte dem Ginen
Gotte dienftbar zu maden. Ward doch felbft die uralte Donarseiche, an
die Winfrid die Art legte, weife benugt, um aus ihrem Holz eine Kirche
zu Ehren de Apoftel Petrus zu zimmern, damit heibnifger Itrihum zur
Wahrheit des Chriftenglaubens hinüberleite. "
Auch an chriſtlichen Kirchen und Capellen fteigerten ſich die Anfprüche
erſt allmählih. Bon Heiligenbilvern, die auf einem Baumftamme ftanden,
berichtet die Legende, man habe es vergeblich verſucht, fie in Kirchen außer:
halb des Waldes der Andacht der Gläubigen audzuftellen; immer feien
fie zu ihrem Baumftamm zurüdgelehrt und fo habe man fi zulegt ge:
nöthigt gefehen, eine Capelle über Baum und Bild zu wölben, um fo diefem
gleihfam feinen Willen zu lagen.
$. 186, Erheleng Linde. Symbole. 529
Wo chriſtliche Kirchen an die Stelle heidniſcher Tempel traten ift
darauf zu achten, durd melde Heilige gewiſſe Götter erfept wurden. Bon
Wodan, Donar und Bio ift es belannt, daß fie Gt. Martin, Gt. Peter und
St. Michael weichen muften wie Freyja unferer lieben Frau, Iſis der h.
Gertrud. Auch fonft waltet noch Zufammenhang. Wald: und Tempelnamen
fielen zufammen: heidniſche Tempel hießen gerne Alh, Wich, Forſt,
Loh (lucus) oder Harug (nord. Hörge) und fo werben wir durch Orts
namen wie Albftetten, fpäter Altftelten, Weihenſtephan, Marienforft, Heilis
genloh und Hargesheim an jene alten Walvheiligthümer erinnert. Bgl.
Quigmann 218. Oft find aud Ortönamen von einzelnen Götterbäumen
ausgegangen, wie Erkelenz von der Linde nah den Worten der
Ehronit: ‚Ab Ercka matre sub tilie fatur venisse quaedam filia
quse Ercklentz nuncupatur‘, wozu noch fommt, daß ber eine Heine Bier-
telftunde von der Stadt entlegene Hof zu Deftrih ‚das guet ter Linden,
bieß und von ihm der Bau ber Kirche ausgieng. Ederk Die Chronik ber
Stabt Erkelenz, Köln 1858 ©. 106. 137. Wahrſcheinlich hatte Erla dort
aud einen heiligen Brunnen, ba ſich die Kinder vor dem Waßer noch mit
den Worten waren: ‚Geh nicht zu nah, bie Frau Herke zieht dich hinab‘.
Brunnen erwartet man um bie heiligen Bäume, weil fie an der Welteſche,
die ihnen als Vorbild diente, nicht fehlten.
136. 3. Bilder,
Aud die Götter bildlich darzuftellen, erachteten die Germanen nad
Tacitus der Erhabenheit der Himmliſchen unmwürbig: bei der unvermoͤgen ⸗
den Kunft jener Zeit hätten fie dadurch aud nur verlieren können, Statt
der Bilver (simulacra) hatten fie Symbole (signa und formas): den
Sper Wuotans, den Hammer Donard, das Schwert des Ziu oder Heru;
ein Schiff bedeutete die Iſis, Eberbilver den Gott und die Göttin, welchen
der Eher geheiligt war, und fo fonnten wohl auch die den andern Göttern,
dem Wodan und Donar, geheiligten Thiere (ferarum imagines, Tac. hist.
IV, 22) als deren Symbole gelten. Ob ſich nicht gleihwohl bei Tacitus
ſchon eine Spur eigentliher Götterbilver findet, hängt von der Auslegung
der berühmten Stelle von der im See gebadeten Nerthus ab. Erwahnt
er doch felber ſchon Herculesfäulen, die fi fpäter in Jrminfäulen, Ros
landsſaulen, Aethelftansfäulen Myth. 107 verwandelten und als St. Hir⸗
mondbilber (Panzer II, 403) noch jept verehrt werden. Schwerlich war
Simmrod, Mythologie. 34
520 Adönpe Aufgabe Deutfger Aunf. % 136.
aud der Römer in das Allerheiligſte aller deutſchen Haine gebrungen;
bier und ba tönnten aljo ſchon damals bildliche Tarftellungen verſucht
worden fein. In Beiten der fortgefchrittenen Kunſt find @ötterbilver
unzweifelhaft; die Worte negus ad ullam humani oris speoiem assi-
milare, Germ. 9, follen aud nicht andeuten, daß man fih die Gotter
nicht nah menihlihem Bilde dachte: wie hätten die Götteilieber, deren
ung Tacitus verſichert, fie und anderd als menſchenaͤhnlich ſchildern follen?
Sobald die Kunft auftıat, verſuchte fie ſich an der Darftellung der Götter.
Ein reicher Jsländer Llaf Pa ließ fein Haus mit Sagenbildern fchmüden,
auf die dann Ulf, Uggis Sohn, die Husdrapa dichtete, die auch Baldurs
Leihenbegängnifs, Heimdals und Lofis Kampf um Brifingamen und Thors
Fiſchſang mit Hymir behandelten. Vgl. Uhland 143. Weinh. Ztfhr. VIII, 47.
Ausführlie bilolihe Darftellungen von Göttern und Helden, in zwei Ab:
theilungen, die Helden zu Schiffe und über ihnen in Walhall die Götter
enthält der ſchon anderwaͤrts erwähnte gothländiſche Runenftein. Altchriſtliche
Bildwerle mit heidniſchen Untlängen hat Panzer II, 1—7 und 308—378
beſprochen. Vgl. auch Wolf Beitr. I, 106 fi. Unfere heutige Aunft liegt zu
fehr in den Feßeln der Antile und zu tief ſchlaͤſt der deutſche Ginn noch
in dem Berge, um den die Raben fliegen, als daß die fchönfte Aufgabe
unferer Kunft, deutſche Mythologie und Sage, ihr bemwuft warde. Haben
doch felbft in Dänemart, das feine Schiffe nad deutſchen Göttern, nicht
nad griechiſchen Nymphen nennt, Finn Magnufen und P. E Müller für
ihre Hinweiſung auf bie nordifche Mythologie nur fhnöven Hohn von den
Künftlern geerntet. Peterſen 23. on der Anwendung unferer Götter:
fage in der Poeſie darf Alopftod3 Veifpiel nicht abfhreden, der die Ramen
nordiſcher Götter zu blokem Schmuck der Rede miſsbrauchen wollte, wie man
bis dahin die der griechiſchen miſsbraucht hatte.
Unter den Vorwürfen, die in halbchriſtlicher Zeit gegen die Heiden
geſchleudert werben, nimmt die vorbeifte Stelle ein, daß fie Bilder aus
Holz, Stein und Erz ftatt des Gottes verehrten, der Himmel und Erbe
geſchaffen habe: unfinnig fel es, von Steinen Hülfe zu verlangen und von
Rummen und tauben Bildern Troft und Beiftand zu erwarten. Aber ſchon
als unter Gothen das. Heidenthum noch vorherſchte, ließ Athanarih auf
einem Wagen die Bilvfäule des oberften Gottes (fräuja) vor den Woh ⸗
nungen aller des Chriſtenthums Verbächtigten umberfahren, damit fie ihm
opferten. Diefer Wagen gleicht auffallend dem, worauf die Bildfäule
Freys mit feiner fhönen Priefterin unter dem zuftrömenden, Opfer dar ⸗
'
$ 186. Portal zn Remagen, zu Großenlinden. 581
bringenden Bolt umber fuhr, und da er wahrſcheinlich verdedt war, M. 96,
wie noch fpäter Götterbilver umbergetragen zu werben pflegten, fo gleicht
ex auch dem ber Nerthus, was der Vermuthung Raum läßt, dab auch
dieſer verbedte Wagen eine Bilvfäule barg. gl. aud ven $. 110 er⸗
mwähnten Wagen der h. Gertrud. So vergleihen fi die drei vergolbes
ten Erzbilder, welhe Columban und St. Gallus in einer ehemaligen Ca
pelle der heil. Aurelia zu Bregenz am Bodenfee ald die alten Götter und
Beihäger des Orts verehrt fanden, den brei Bildern Wodans, Thors und
Friccoe, deren Adam von Bremen in dem allgoldenen Tempel zu Ubjola
‚gedentt, Myth. 97.102. So gleihen endlich vie hundert Götter eines
Tempeld auf Gautland, M. 104, der Menge Bilder im Wasgauwalde,
M. 73.
Es verfteht ich, daß jene drei @ötterbilver zu Bregenz in der innern
Wand der ehemals driftlihen Capelle eingemauert waren. Wo chriſtliche
Kirchen an die Stelle heidniſcher Tempel traten, pflegte man, was ſich
von Götterbildern noch unzerſchlagen erhalten hatte, außen einzumauern,
wohl um ven Sieg des Chriſtenthums zu veranſchaulichen, das vie heid ⸗
nifhen Gögen aus dem Tempel verwiefen hatte. Schon im Beomulf fehen
wir 6. 49 Grendels ausgerißenen Arm außen an N. Hrodgars Halle ald
Giegeßzeihen aufgehängt. Bei der Erlärung des Portals zu Remagen
(Bindelmanns Feitprogramm von 1859) hat aber Prof. Braun den Ger
braud, die abgefhafften Heidenthämer außen an ven Kirchen anzubringen,
aus der Apolalypſe 22, 15 abgeleitet. Nur hätte er dann aud ben
Mann in der Bütte Nr. 14 nicht fürNoa, und den mit dem Baume in der
Hand Nr. 14 nicht für Adam erklären dürfen, denn beide find unter Hunden,
Giſtmiſchern, Schamlofen, Mörbern, Gögendienern und Lügnern nicht ber
griffen. Was fol man erft dazu fagen, daß er in dem Manne mit
Schild und Lanze Rr. 15 den Erzengel Michael jah? Gehört ihm ber
auch zu den Heibenthämern, den aus der Stabi Gottes Berwiefenen? Da bin
ich vorſichtiger: ich enthalte mic den Mann in der Aufe für St. Theoneft
audjugeben, obgleih id ven Beweis in Händen habe, daß man ihn in
ver Kufe figend gebildet hat. Mit der Deutung der Bilder am Por«
tal der Kirche zu Großen: Linden hat Braun kaum einen Anfang ges
macht: hier aber ift vo 33.34 Fro ingenti priapo deutlich genug gelenn«
zeichnet, zumal auch fein Eher nicht fehlt. Die Zöbtung der Greife mit
Thors Hammer fehen wir 27. 28 vorgeftellt und ſelbſt Grivh mit dem Stab
in der Hand ift Nr. 7 unverlennbar. Die Ungethüme, welche Sonne und
582 Grundlage. des Aönigthums. $. 137.
Mond verfhlingen 11. 12 und 18. 14, gleichen mehr Löwen als Wölfen und
die beiden Wagen 29. 31 möchte ich nicht gerade für die der Nerthus und
Freyts ausgeben. Auf dem Remagener Portal halte ih den Mann in ber
Kufe 17 für Kwaſir, obgleich aud an Gredel in der Büdde gebadt werben
Tann. Die Büdde meint hier die Hölle wie ©. 286 auch Saturni dolium
gleihe Bedeutung hatte. In der Figur Nr. 12 ift aber der wilde Jäger
nicht zu verfennen. Uebrigens waren der Bilder nod mehr, die fih viel:
leicht noch auf dem Apollinariusberge finden, wo ich Ueberbleibfel davon ges
ſehen habe. Bei der Abſchwoͤrung der alten Götter muften fie auch wohl
dienen, den Abſcheu gegen biefelben durd äußere Zeichen zu befunden,
mobei es nicht immer bei bloßen Geberben blieb fondern auch häufige
Steinwürfe fie trafen. Auf dieſem Wege find und einige Götterbilver,
obwohl fehr verftümmelt, erhalten worden.
137. A. Priefter und Priefterinnen,
Wie die Tempel zugleid Gerichtshofe waren, 8.135, fo fiel Richter-
amt und priefterlihe Würde zufammen. Göttlihes und weltlihes Gefeg
(&wa) waren ungefchieden und beide hatte der Priefter (&wart) zu hüten.
Ob die deutſchen Priefter einen gefonderten Stand bildeten ift ftreitig; ich
möchte ed nad Cäf. 6,21 verneinen, zumal wir fowohl die Priefter als die
Könige aus dem Stande der Eveln hervorgehen fehen. Die Bereinigung
diefer Gewalten bilvet aber aud die Grundlage des Königthums,
und die älteften Könige ſcheinen aus Prieſtern und Richtern hervorgeganz
gen. Beide Aemter mochten fi aus der väterlihen Gewalt entwidelt
haben, da der Haushert Priefter und Richter zugleich ift. Die norbifhen
Könige, von welden wir in der Ingligafaga leſen, gehen aus dem erbliden
DOpferprieftertfume hervor, und als Harald Schönhaar die Alleinherſchaft
an fi riß, fehen wir noch bei den erften Anſiedlern Islands, die kleine
Könige blieben wie fie in Norwegen geweſen waren, beide Gewalten vers
bunden. In Deutjhland, wo Kriegs: und Wanderzüge den alten Natur«
ftaat ſchon gebrochen hatten, ſcheint freilih Tacitus Priefter und Könige
zu unterfeiden. Aber wenig mehr als die Feloherrnwürbe blieb einem
Könige übrig, neben welchem der Priefter auch das Nicteramt übte und
felbft im Kriegsheer der Briefter, nicht der Herzog, Macht hatte zu ftrafen,
zu binden und zu fhlagen, Tac. Germ. 7. Auch wurden die Priefter
aus den edeln Geſchlechtern genommen, aus welden aud die Könige ber
8. 187. Gappa Zt Martini. Kabenweihe. 588
"vorgiengen, RA. 272. Obwohl aber bie Priefler dad Heer begleiten und
ſelbſt anzuführen feinen, indem fie jene Symbole und Beiden den Hair
nen .entnahmen und in die Schladt trugen, fo durften fie doch weder felbft
die Waffen führen noch auf Hengften reiten, M. 81. Dieß fheint der
Grund, warum neben ihnen ein anderer Edling die Rönigäwürde befleiden
mufte. Priefter und König begleiteten aber nod den Wagen des Gottes,
wenn ihm bie heiligen Rofje bei der Weißagung zuerft angeſchirrt wurden.
Als die merowingifhen Könige auch nod die Felvherrnwürde den Haus-
meiern überlaßen hatten, findet ſich noch des altheilige Ochfengefpann, das
den Kühen der Nerthus und der h. Edigna (Panzer 60) entfpricht, und
ſchon mit ihrer göttlihen Abftammung zufanmenhängt, bei ihnen wieder.
Bgl. RA. 262.
Wie der Priefter den heiligen Götterwagen, den auch Pflug ober
Schiff vertreten konnte, zu geleiten hatte, iſt $. 98. 110 dargeſtellt. So
ift uns 6. 195 mahrfdeinlid geworben, daß der Sper des Gottes in
feinem Heiligthum verwahrt wurbe und ber Priefter ed war, der ihn dem
Könige, wenn er dem Gotte geopfert hatte, in befien Namen übergab, ihn
über das feindliche Heer zu ſchießen. So wird es ber Priefter geweſen
fein, der die Sperrigung (S. 196) vornahm, welcher wir $. 79 die Töd⸗
tung der Greife mit Thörs Hammer oder Keule verglichen, die wir noch
fpät in England in Kirchen, in Deutihland an Stabithoren aufgehängt
fanden. Auch bei Tyrs oder Herus Dienft begegnete uns $. 83 Aehn⸗
liches, da das Schwert des Gottes dem Tempel entnommen und dem
Imperator als Zeichen der Herfchaft übergeben ward. War ed ber Priefter
des Gottes, nit Odin felbft, der dem Sigurd Wölfungaf. o. 61 den Hengft
Grani gab, auf defien Rüden noch kein Mann gelommen war? Wie nah
Biltinaf. c. 17 dieſes Roſs, in einem Walde, bei einem Gehöfte, erzogen
ward, läßt an die heiligen Haine denken, worin den Göttern Rofje weideten,
6.458. 513. Wurde vieleicht auch einſt der Mantel des Gottes ($. 66)
im Xempel bewahrt und den Königen vom Priefter hergeliehen? Darauf
deutet, daß die merowingifchen Könige den Mantel des heiligen Martin,
der an Wuotand Stelle trat, in ihren Schlachten zu tragen pflegten, Leg.
aur. p. 749. Die Hüter der Cappa wurden darum Capellani genannt;
daher unfere Capläne, vieleiht auch Achens franzöfisher Name Aix-Ia-
chapelle. Auch Odins Raben geben zu einer ſolchen Vermuthung Ans
laß: gewöhnlihe Raben konnten durd eine Opferweihe mit Kraft und Ber
deutung jener göttlihen Thiere außgeftattet werden. Drei Raben weihte
584 Urfprung des Wappenwelens. Seroidsamt. & 187.
Floli, als er Island auffuchte, ihm den Weg zu zeigen, Landn. I, 2.
Sie erfheinen bier ald weifende Thiere, ald Boten der Götter, wie in
den ausgeworfenen Hocfigpieilern, wovon Thoͤrs Bildniſs geſchniht war,
der Gott felber ven Weg zeigte, indem fie an Islands Küfte vorausſchwammen.
Der Hammer, der zur Weihung der Bräute wie der Leichen diente, wirb
auch noch zu andern Zweden aus dem Heiligthum entnommen und von bem
Briefter felbft die heilige Handlung an des Gottes Stelle begangen fein;
nur bei vem Landerwerb, mo er ausgeworfen warb, die Grenze zu beftimmen
und zu heiligen, bedurfte es eines ftärfern Arms. Nach Tao. Germ. c. 7,
womit Hist. IV, 22 zu verbinden iſt, trugen aber bie Priefter ſelbſt vie
Symbole der Götter, S. 529, die aus den Bildern der ihnen geheiligten
Xhiere (ferarum imagines) beflanden, aus dem Hain in der Schlacht.
Diefe dienten aljo zu Heerzeihen (chumpal), und da die Heerhaufen nicht
durd Zufall zufanımen gewürfelt waren, fondern aus verwandtiſchaftlich
verbundenen Geſchlechtern beftanden, fo kommen wir bier dem Urfprung
des Wappenwefens noch näher als ©. 374, denn biefe XThierbilver
erſcheinen fpäter als Geſchlechtswappen. Unter dem Bilde biefer Thiere
fanden alfo die Götter an ber Spipe der Geſchlechter; deshalb erſchienen
die Fylgien in Geftalt folder Tpiere, welche aud die Hausgeiſtet als
Seelen abgeftorbener Vorfahren und die dantbaren Todten, ©. 478, an«
nahmen.
Deffentliche Opfer verrichtete der Priefter; auch von der Weißagung,
wenn fie für das Bolt geihah, ſei es durch Looßung oder aus Flug und
Stimmen der Bögel, aus dem Gewieher der öffentlich unterhaltenen heill ⸗
gen Roffe, bezeugt e8 Tac. Germ. 10, Dod "hieß der Priefter wizago
(Weißager) mehr weil er zu firafen und zu ahnden (wigen) hatte; freilich
ſchwanktt das Wort aud in die Bedeutung des Schauens und Wahrnehs
- mens (videre) hinüber. Aber aud die Dichtung war ein heilige: mit
Weißagung und Looßung enge verbundenes Geſchäſt, und Yngligaſ. c. 6
beißen die Tempelpriefter (hofgödar) Liederſchmiede. Auch das Herolbs:
amt batte, wie fi uns eben andeutete, priefterlihen Urfprung: Holgmarm
(Kelten und Germanen 6. 171) will fhon in dem überlieferten Ramen
Charlowalda den Herold erkennen. Später verfahen Spielleute das ven
den Brieftern ererbte und wohl auch erlernte Botenamt, GDS. 820. Wie
mit dem Gefang der Zauber zufammenhieng, den gewiſs Prieſter zuerft
übten, fahen wir 6. 235, zumal die fon dort angenommene Verwandt»
ſchaft des Wortes Biefer und Zauber (Myth. 36. 987) ertennen laßt,
$. 187. Diefer und Dauber. Prieherinnen. 585
daß dem Zauber ein Opfer vorhergieng, wie ein Gleiches von der Weißa⸗
gung anzunehmen if, obgleich es fi nur da beweifen läßt, wo fie aus
Blut und Gingeweide der Opfertpiere geſchah. Auch der Zauberer glaubte
nicht durch eigene Kraft zu wirken, fondern durch die Macht der Götter,
welche ex fi durch ein Opfer geneigt machte. Altn. beißt der Zauber⸗
ſpruch galdr, alth. kalstar, und überrafchend nahe liegt hier wieder das
Opfer (kölster). Kölstar und kalstar, Opfer und Zauber, find auch
hier verbunden wie zaupar und zöpar, saudh (Opfer) und seidh (Baus
ber), Myih. 987. Wie beides, kalstar und kölstar, von kalan fingen
kommt, fo zeigen die für ven Zauber gebräuchlichen franzöfifhen Wörter
charmer und enchanter, jenes aus dem mittel. carminare, dieſes von
oantus und canere, den Bufammenhang des Zauber mit Dichtung und
Weißagung: Bauberfprüde mit Weipagungen waren in ftabreimenven Lies
dern abgefaßt. Das franzöfiihe sorcier geht auf das Looßwerfen bei
der Weipagung ©. 543 zurüd, und das engliihe Wort witch für Here
zeigt uns Baubern und Welßagen verbunden. Beides heißt in Nieder
ſachſen wicken und die Here wickerse; bezaubert ober verflucht nennt
der Engländer wicked: die gemeinfame Wurzel liegt im Goth. veihan
weihen, sacrare, wie veihs, ahd. wih heilig bedeutet. M. 985.
Die Heren, bei welden wir $. 129 hieher veriwiefen haben, mahnen
uns zu den Priefterinnen überzugehen. Aus Tacitus wißen wir, daß bie
Germanen in den Frauen etwas Heilige und Vorſchauendes verehrten,
und weder ihren Rath verachteten noch ihre Ausſprüche vernacpläßigten.
Vorausgeſchidt hatte er Germ. c. 8, wie mande ſchon manfende ja zur
Nucht gewandte Schlachtordnung die entgegenflürgenden, die Bruft dem
Schwert darbietenden Frauen durch die Vorſtellung des ihnen in der Ger
fangenſchaft beworftehenven Looßes wieberhergeftellt hätten, unb wie bie
Römer fi der Treue der deutſchen Völker nerfiherter glaubten, wenn fie
edle Jungfrauen zu Geifeln empfangen hatten. Dieſe den Deutſchen eis
genthümliche höhere Werthfhägung der Zrauen befähigte dieſe aud zu
priefterlihen Aemtern. Schon bei Eäfar I, 50 entſchelden Frauen durch
Looß und Welßagung, ob es Zeit fei, die Schlacht zu fhlagen. Nah
Germ. 43 fand dem Dienft jener Zwillingsbrüder $. 92 ein Briefter
in weiblicher Tracht vor, wenn damit noch anderes gemeint ift als lan⸗
ges Haar; in Baldurd Tempel find nad der Fridhthlofsſage Frauen bes
ſchaftigt. Freye Wagen geleitete eine junge, ſchoͤne Priefterin mie den ber
Nertäus ein Priefter. Liebten Bötter weibliche, Göttinnen männliche Prie ⸗
536 Gambara. Albrune. Seldr. Wale. 8. 187.
fter? Bei dem Auszug der Langobarven fehen wir doch Gambara an
Frea, Ambri und Aſſi an Gmödan ſich wenden. Diefe Gambara war
eine Königin; von ber brukteriſchen Veleda Hist. IV, 61 wird fo wenig
ala von der ältern Albruna Germ. 8 berichtet, daß fie königlichen Ger
ſchlechts geweſen. Das wißen wir auch nicht von den grauhaarigen, bars
füßigen Wahrfagerinnen der Cimbern, welche die Gefangenen fhlachteten
und aus dem Opferblut weißagten, Myth. 86, noch von den fechäzig Brier
ſterinnen an dem Tempel in Biarmeland, FAS. II, 624. 27. Sie ſtrei⸗
fen aber aud nicht ind Uebermenihlihe wie. jene Gambara und die
©. 440 erwähnte Hörgabräbt (nympha lucorum) und ihre Schweſter
Yıpa oder die doch biftorifhe Weleda. Nach diefer erfcheint noch Ganna,
zuleht bei den Alemannen Tpiota; für den jüngften Rachtlang kann vie
Heivelberger Jettha gelten, die gleich Veleda von ihrem Thurm aus Ent-
ſcheidungen ſprach, die für Orakel galten. Den Göttern näher ald ben
Menſchen ftehen die Wölven oder Walen, auch späkonur, spädisir
genannt, zu melden die Seherin der Wölufpa felber zählt, die von
Niefen erzogen ift, von Odin felber begabt wird. Sie beginnt damit
Stillſchweigen aufzuerlegen, eine bieratiiche Formel gleich jenem pries
fterliden Favete linguis. Die Wölen fahen wir S. 366 unter dem
Namen Normen Neugeborenen an die Wiege treten, ihnen dad Schidfal
zu Schaffen mehr als zu verlünden. Sie hatten fein eigentlihes Prieſter⸗
amt; felbft die menjchlihen unter ihnen, wie bie gleih zu erwähnende
Xhörbiörg oder jene Heidr der Oerwaroddſaga c. 2 (vgl, Wöl. 26),
üben mehr Weißagung und Zauber, wie fi Opin felbft Degisdt. 24 von
Lofi vorwerfen laßen muß, er fei in Samfd von Haus zu Haus als Wala
umhergeſchlichen:
Vermummter Zauberer trogſt du das Menſchenvolk:
Das dünft mid, eines Argen Art.
Nach Hyndlul, 32 follen alle Walen von Wivolf ($.439) ftammen:
damit ift ihnen halbgöttlier Urfprung beigelegt, der wieder an das Vers
haͤltniſs zu den Rieſen mahnt, deſſen wir bei der Seherin der Wölufpa
gedachten. Wie fih Thörbiörg (Edda IIavn. II, 4) die Heine Wala nannte,
fo heißt das Hyndlulied die Heine Wölufpa, womit Hyndla felbit ald Wala
bezeichnet ift; fie aber, die Höhlen bewohnt und den Wolf reitet, erſcheint
ganz als Rieſin. Von folhen riefigen Frauen, die Zauber und Weißa⸗
gung üben, ließen fih aus Saro die Beifpiele häufen; aber unfere eigene
8. 187. Zibyla Weis. Weile Frauen. 587
Geſchichte bietet Beifpiele in jenen übermenſchlichen Weibern, die dem
Drufus den Webergang über die Weſer, dem Attila über den Lech wehr⸗
ten, M. 375. Noch wichtiger ift aber die Verwandtſchaft mit den ſchon
den Rornen verſchwiſterten Walküren, Difen-und meißagenden Meerfrauen
6.377. Den Difen, welde freilid alle göttlichen Frauen begreifen, wird
geopfert (disablöt); aber auch menſchliche Bauberinnen und Wahrſagerin⸗
nen nannten fi Spadiſen, und mehrere derſelben legen fih den Namen
Thordis bei. So waren die Wallüren bald Göttinnen, bald irdiſche Kö—
nigstöchter: als ſolche erſcheint ſelbſt Brynhild, in welder wir dod unter
dem Namen Sigrbrifa die höchfte Göttin erkannten. Much bei ihr findet
ſich die Kenntniſs der Runen, die zur Weißagung wie zum Bauber dienen.
Wenn aber die Wallüren durch Thau und Hagel, die fie den Mähnen
ihrer Roſſe entf&üttelten,. die Felder fruchtbar machten, fo wollten die
Heren als Wetter und Mäufemaderinnen nur Schaden anrichten. Die
zeigt fie Niefinnen und Difen näher verwandt, die bald gütige, bald
feinpfelige Weſen find. Trugdiſen erfheinen Sig. Am. II, 24 und üble
Difen reizen Hamdism. 29 zum Brubermord, In der Natur unferer
weifen Frauen pflegt dagegen nichts Feindſeliges zu liegen: fie weißa⸗
gen nur und heilen und fo find fie den deutſchen halbgöttlihen Priefter-
namen am Nädften verwandt. Ein Beifpiel ift jene Sibylla Weiß, von
welcher Panzer II, 54. 309. 426 berichtet. Iſt der Name ſchon chriſt⸗
lid, fo erſcheint fie doch ganz als ein heidniſches Weſen; ihre Grabftätte
zeigt ein weiſendes Thier; ihre Ausſprüche ertheilte fie von einem Schloße
aus, dad an den Thurm der Veleda oder Jettha gemahnt. Sie propher
zeite Krieg, Viehfterben und übertriebene Kleiderpracht und Alles traf ein.
Den Eintritt de3 Weltuntergangs beftimmte fie auf die Zeit, da ihr Grab
fo weit von ver Mauer abgelegen fei, daß ein Reiter herumreiten fönne,
Dad erinnert an Dornrößchen und den Ritt um die Burg Kunigundens
von Künaft.
Im Vollsglauben leben alfo die deutſchen Priefterinnen noch fort,
nicht bloß als Heren (die zwar aus Gerihtsfälen und Folterfammern ver-
ſchwunden aber noch keineswegs aus der Meinung getilgt find), auch als
Wahrfagerinnen und Aerztinnen. Sich zu feindfeligen Wirkungen zu bes
tennen, konnten bie Heren von jeher nur gezwungen werden; aber das
Gewerbe des Befingens und Wundenbeiprehens, gemöhnlih Rathen oder
Böten (büßen, befern) genannt, die Anmendung ber Bauberei auf die
Heilkunſt, treiben unfere weifen rauen neben der Weißagung noch ziem⸗
588 Gode. Auskaitung des Prichertyums. % 188.
lich unbehinvert fort. Hier und da üben mohl au Männer, befonders
Schäfer, Ahnliche Künfte; aber bier fallt ver Zufammenhang mit dem alten
Vrieftertfum nicht mehr In die Augen, denn theils enthalten fie fi des
Wahrfagens, theils Heilen fie durh altbewährte Hausmittel oder fog.
fompathetifche Euren, bei welchen Bauberfprüdhe feltener nod zur Anwen ⸗
dung kommen.
Wie der Priefter im Norden Godi hieß, fo die Priefterin gydja,
was aus godi moviert ift: beiden liegt der Name Gott gudh zu Grunde,
und wenn noch jet die Pathin Gode heikt, fo erinnert da3 daran, daß
die Pathen im MU. ihre Pfleglinge ven Glauben lehren muften, alfo faft
priefterliched Amt Nbernahmen.
Bildeten nun auch die deutſchen Priefter feinen eigenen Gtand, fo
ſehen wir doch das Priefterthum reich genug ausgeftattet: das Königthum
bieng mit ihm zufammen, die Rechtspflege lag in der Priefter Hand, nicht
weniger die Poeſie und das Heroldsamt, dad wenigfiend an die Feldperm-
würde grenzte, bie ihnen verfagt blieb. Gie verſahen jedoch den Feldherrn
mit den göttlichen Waffen, den Feldzeichen und dem Mantel des Gotteß,
fie felbft führten die Scharen in die Schlacht und trugen ihnen bie Sym⸗
bole der Götter voran. Sie befaßen ferner Weißagung, Hauberei und
Heillunſt in engfter Verbindung mit bem Opfer und ſelbſt die Anfänge
der Schrift, die Runenkunde ftand ihnen zu Gebote.
138. 5. ‘Zauber,
Die verfhiedenen Arten des Zaubers (fölkyngi, fornfredi) bürfen
wir nicht zu erfhöpfen hoffen; ebenfo unbegrenzt If feine Macht. m
Bezug auf ven M. 983 zwifhen Wundern und Zaubern aufgeftellten Uns
terſchied warb fon S. 237 bezweifelt, daß aller Zauber mit unrechten
Dingen zugehen oder gar teufliſch jein müße. Uebernatürlihe Kräfte ſchäd ⸗
lich ober unbefugt wirken laben ſcheint uns nicht fowohl zaubern als heren.
Da dem Dpin die Erfindung ber Runen beigelegt, feine Allmacht durch
den Runenzauber fombolifiert wird, fo hat bie Anfit, daß man erſt ben
gefuntenen, verachteten Göttern Bauberei zugeſchrieben habe, Bedenken.
Auch auf den inmern Widerſpruch .diefer Anficht über die Zauberei, deren
Urfprung zugleih unmittelbar aus ben heiligftien Geſchäften bergeleitet
wird, ift aufmerffam- gemacht. Vgl. jebod Maurer Belehrung II, 45.
Vnglig. c. 7 heißt es von Odin: ‚Die meiften feiner Kanſte lehrte er
8. 188. Runenzauber,. Sudiuut. Drei Wunfhdinge. 589
feine Opferpriefter‘ (6. 238), Bon dem Runenzauber unterſcheidet
jedoch diefelbe Stelle vie Su dkun ſt (seidhr), welde zwar zunächft auf die
Beißagung bezogen, dann ihr aber au zauberifhe Wirkung beigelegt
wird. Daß diefe Sudkunſt den Leuten Tod, Unglüd und Krankheit ber
veiten, Einigen Berftand oder Kraft nehmen und Andern geben konnte,
fagt Snorri ausprüdlih; auf die Sudkunſt allein fheint es ſich zu bes
siehen, wenn er binzufügt: dod wie dieſe Zauberfunft geübt wurde, fo
geſchah fo viel Arges dadurch, daß die Männer ſich fhämten fie zu ge
brauden ; die Priefterinnen aber lehrte man folde Kunſt. Damit flimmt
auffallend, wenn Wol. 7 der Heid der Vorwurf gemadt wird, daß fie
Subkunft geübt habe. Mit Recht bemerkt daher Maurer 147, man feine
ſchon in heidniſcher Beit zwifchen weißer und ſchwarzer Kunft unterſchieden
zu haben. Es wirft aber Licht auf die Heren, daß man in der Sublunft
die Priefterinnen unterrichtete, Die Sudkunſt ſcheint ihren Zauber uns
mittelbar auß dem Opferteßel zu fhöpfen (AM. ift Maurer 136) während
die Kraft der Rune in dem eingerigten Zeilen liegt, dem bad Lied Leben
einhaucht, 6. 235. Diefe Zeichen (Runen) wurden wohl häufig in eine
Bauberruthe (Gambantein) gerigt, bie dann als Bauberftab dient. In
Skenisför 26. 33 bildet fie neben Schwert und Rofs das britte ver
rei Wunſchdinge, die nah ©. 203 erfordert wurden, die Unterwelt zu
erihließen. Die Berührung damit brachte aber an ſich nod feine Wir:
hung hervor: es bedurfte der gefungenen ober doch gemurmelten Bauber«
formel, vie in Gtabreimen abgefapt ven Laut des eingeripten Zelchens
dreimal anſchlug. Des Zauberftabs ift in deutſchen Märchen öfter ger
dacht als M. 1044 angenommen wird; meift ift es freilih nur ein
Steden; aud fällt die Here, die ihn zu führen pflegt, mit der Hel zufam«
men, er felbft mit dem Stab, der nah S. 197 über Leben und Tod ges
bietet, wenn er gleich oft nur in Stein verwandell. Bon dem Steden
führt M. 1. o. felber an, daß er der britte Fuß des Kerenmannd ges
nannt werde. Ob e3 außer Nunenzauber (galdr) und seidr (Sudkunſt)
nicht noch andere Arten des Zaubers gegeben habe wird nirgend gemeldet.
Maurer 187.
Bas AUlles dur den Runenzauber vollbracht werben fonnte, ſehen
wir aus Doins Runenlied und den achtzehn dort genannten Liedern,
deren jedem eine andere Wirkung beigemeßen wird. Indem ich einfte
weilen auf diefes felbft und die Beifpiele S. 238 vermeife, bemerfe ich
nur, daß die meiften biefer Bauber aud von Menſchen, ala Prieſtern des
540 Hölenzwang. Scuerbeidwörung. Degen. $. 188,
Gottes, geübt wurden. Wenn freilih Beihwörung die Gräber fprengt,
fo geſchieht es nur, bamit der Todte Rebe ftehe ober eine Waffe aus dem
Grabe reihe, &. 497; aud Odin, als er Wegtamskw. 9 das Walgalbr
fang, verlangte von der ermedten Wala nur Beſcheid über Baldurz Ges
ſchich St. Fridolin von Urfus (Rheinf. 421) nur ein Zeugnifs über vers
untreute3 loftergut. Gier ſcheint allerdings das Wunder vermögender
als der Zauber: St. Petri Stab erwedte St. Matern, nachdem er ſchon 40
Tage im Grabe gelegen, um noch 40 Jahre zu leben und zu lehren.
Als Hängatyr kennte aber Odin aud Erhängte ins Leben rufen, Hawam.
20. Briefterlihe Nekromantie wird ſich fo ſchwieriger Aufgaben gern ent:
halten haben; doch bezieht M. 1175 das ahd. hellirina (necromantia)
und den nhd. Höllenzwang- auf Erwedung der Todten. Nach Anh. XLI.
ift aber unter nigromantia nur Befragung der Todten zu verftehen.
Bol. Leopr. 46. An Feuerbefhmärung, die aud Odin übte (Runenl. 15),
wagten ſich felbft Bigeuner (Baader 151, Wunder. I, 21) und fogar
von Dieben ward geglaubt, daß fie Macht hätten, Ketten und Schlößer
zu fprengen. Ein Sprud, der Hafte und Feßeln löft, wird Run. 12 und
Grog. 10 erwähnt und den erfte Merſeb. Heilſpruch pflegt man darauf
zu beziehen. Es gab auch Sicherungämittel gegen Bauber, M. 1056,
Leopr. 48; wie es Mittel gab, die Keren zu erfennen, M. 1033, fo
mufte es auch Bauberfprüche geben, die fremden Bauber zu bredien vers
mochten. Man nennt fie gewöhnlid Segen, M. 1193. Schon unter
Odins Rumenliedern begegnen (13. 14. 18) ſolche Schug- und Gegend:
fprüe. Das 21. Nunenlied (Hawam. 150) diente hieb⸗ und ftichfeft zu
madyen, bekanntlich ein Bauber, der bis auf vie neuefte Zeit geübt wird.
Kuhn WS. II. 195. Unabſehbar find aber die neuerdings aufgeſchriebenen
oder aus frühern Niederſchreibungen befannt gemachten Heilfprüge. Bir
finden Segen gegen Berrenkungen, böfe Leute, zum Vlutftillen, wider bie
Schweine (Schwindfuht), gegen Brand und Geihmulft, Gicht und Roth⸗
Tauf, Rofe und Flechten, gegen Zahnfhmerzen und Würmer, Waperfucht
und kaltes Sieber, gegen Kuhblattern, gegen Alb und Mar, gegen ‚fieben-
unbfiebzigerlei Krankheiten.‘ Es giebt Bienenfegen, Feuerſegen, Waffen«
fegen, Reiſeſegen, Pferbefegen, Aderfegen, Hirtenjegen. Seltſamer Weife
erſcheint darin Et. Martin als Hirte. 6.248. Bei St. Peter, dem Hirten
der Völter, würde dad weniger auffallen. Wir haben aber ſchon Dpin
als Viehhirten gefunden und von ihm muß es auf St. Martin übertragen
fein. Bon Runen und Zauberlievern erwartet man Sieg und Kampf,
$. 188. Wettermadgen. Yergekenheiistrank. Agmann, 541
Schuh vor Gift, Heilung von Wunden und leichte Entbindung der Frauen,
Hilfe in Seegefahr, Klugheit und Wohlrevenheit: man glaubte durch fie
feine Feinde hemmen und ihre Waffen abftumpfen zu Lönnen, fi felbft
aus Banden zu befreien, das Geſchoß im Fluge zu hemmen, die- eigene
Wunden auf den Gegner zurüdzumenden, das Feuer zu beſprechen, Hader
zu ſchlichten, Wind und Wellen zu ftillen, Geifter in der Luft zu zer⸗
ftteuen, Todten aufzuweden, ſich jelbft vor dem Zod im Kampf zu ber
wahren, tiefe Weisheit zu erlangen, reißende Ströme zu Stehen zu bringen,
die Gunft von Weibern zu gewinnen, ſich vor Froft zu hüten, Bauber
abzuwenden u. bgl. mehr, Maurer 1.138. Es giebt Sprüde, einen Steden
gu ſchneiden, daß man einen Abweſenden prügeln fann, einen Dieb feft zu
machen, daß er ftehen bleibt, oder daß er das Geftohlene wieberbringen
muß. Eprüde, daß ein Gewehr nicht los geht, daß fein anderer ein Wild
ſchießen kann, daß eine Wunde nicht zum Schwären fommt, Sprüde bie
Aufblähung dem Nindvieh zu vertreiben, eine KHeerde Vieh vor dem Wolf
zu bewahren u. f. m. Kuhn WE. I, 191. Vgl auch Rochholz Ztſchr.
f. d. Myth. IV, 103 ff. Kuhn Ziſchr. f. vgl. Sprachſ. XI, 49. 113 fi.
Schönwerth III, 250 fi. Alle diefe Sprüche enthalten uraltes Gemeingut
der indegermanifchen Völfer und find für Mythologen und Culturgeſchichte
unſchaͤzbare Urkunden,
Runenzauber und Seidr konnten zu gleichen Wirkungen verwandt wers
den. So gehören zum Wetter: und Hagelmaden Bauberlekel und +»Töpfe:
Krüge wurden ausgegoßen oder in die Höhe gehalten, mit einem Gteden
im Waßer gerührt, Zingerle Sagen 322, worauf Schauer, Sturm und
Hagel erfolgten; daneben wird wieder von heimlichen Worten gemelvet,
die dabei gefproden wurden, M. 1041, und bei der aura levatitia (M.
604) wird durch Beihwörungen das Luftſchiff herbeigezogen. Nach dem
16. und 17. Aunenlieve wufte Odin durch Zauberſprüche Liebe einzuflößen:
daffelbe ließ ſich aud durch Seidr erreichen, vielleiht aud ohne daß ein
Minnetrant getrunken wurde, M. 1055. Die Minne kann man fih auch
aneßen (Anh. XXXIX). Dem Minnetrant (Minnisöl) fteht in der Hels
venfage der Bergepenheitstranf (Ominnisöl) gegenüber. KM.113
hat ein Kuſs gleihe Wirkung, M. 1055.
Andere Zaubermittel feinen zu keiner von beiden Arten gehörig:
fie beruhen auf Sympathie. So der mit dem ‚Atzmann‘ (Anh. LXIII)
getriebene Unfug, wobei ein Abweſender alle einem Wachsbild angethane
Dualen empfinden follte, M. 1045. Iſt e8 davon eine Anwendung, wenn
dar uichelaaupfen. dlethhemd. Feldyanber. Derveiſ . 188
man glaubte, die Hexen Könnten den Leuten das Herz aus dem Leibe
eßen unb einen Strohwiſch dafür hineinſtoßen M. 1035. Kuhn WE.
U, 191. Sympathetiſch ift wohl ferner das ‚Neftellnüpfen‘, um
junge Eheleute untüdtig zu machen; nad M. 1027 geſchieht es durch
Bulfappen eines Schloßes, das dann ind Waßer geworfen ward; nad H.
Schreiber (Tafhenbud V, 185) und M. 1127 durch Anoten, die in einen
Bändel gefchlungen wurden. Dagegen ſcheint das Bauberhemde und aller
mit Spinnen und Beben zufammenhängenve Bauber, wie der ‚gefpormene
Feldzauber‘, ven man Heren Schuld gab (M. 1042. 1063), aus dem
Weben der Geſchide, das der Nornen und Difen Gejchäft war, herzuleiten.
Dur einen Zaubergurt ober :Ring konnte man ſich felbft und Andere
in Thiergeſtalt verwandeln: In Wölfe, Bären, Pferde, Katzen, Schwäne,
Gänfe, Raben und Krähen, vgl. Panzer II, 442. Am berühmteften, viel
leicht auch am älteften, ift die Verwandlung in den Werwolf (loup garou).
Auch dieß fiel vielleiht unter den Begriff des Rumengaubers, denn dem
Gurt oder Ring Tonnten Runen eingerigt fein, beim Anlegen Zauberſor ⸗
meln geſprochen werden. So murben aud beim Weben des fog. ‚Roth:
hemveb‘ Bauberjprüce (Btjcr. f. M. I, 242) gebraucht, wie beim Schid ⸗
falweben Lieder gefungen wurden (6. 376).
Ein Bauber war es aud, aber ein von der Menge, vielleicht früher
unter Anleitung des Priefterd, geübter, wenn man zur Beit der Dürre
durch eine fpmbolifhe Handlung die Bötter gleihfam nöthigte, Regen zu
fpenden. Ein Meines Mädchen ward ganz entlleidet von feinen Ge
fpielinnen in den Wald geführt; dort riß es Bilfenkraut mit dem Meinen
Finger der rechten Hand famt ver Wurzel aus und band es fih an die
Heine Zehe des rechten Fußes. So geihmüdt ward es dann am näcften
Fluße von feinen Begleiterinnen mitteld Ruthen, vie ‚fie fih im Walde
gebrochen hatten, mit Waßer befprengt, Anh. XL. Aehnliches gefchieht
in Baiern mit dem og. Waßervogel, in Defterreih mit dem Bfingf-
tönig, melden man in grüne Zweige gehüllt und mit geihwärztem Ans
gefiht ind Waßer warf, obwohl dieß in die Frühlingäluftbarleiten $. 145
übergeht, M. 562. Verwandt ift, obwohl fein Zauber, wenn in Köln zur
Zeit großer Dürre der Reliquienlaften des h. Biſchofs Severin vom Hoch ⸗
altar in das Schiff der Kirche verfegt ward, um durch die Füriprade des
Heiligen, der nad dem Vollsreim auch den kalten Stein in ben Rhein
warf, Befreiung von der Plage zu erlangen. Einer der Priefter, melde
den Raften heraudfegen, muß binnen Jahresfrift fterben. Wolf DME. 209.
139. 6, Weißagung .
Weifagung und Zauber find nahe verwandt, ja fie fallen zufammen,
wo das Gefhid zugleich geſchaffen und verkündet wirb wie von ben bes
gabenden Wölen und Nornen, ja noch von Macbeths Heren. Zu beiden
bienen die gleichen Mittel: au zur Weißagung gebrauchte man Runen
und Sudkunſt. Wie der Prleſter oder Haußvater bei der Weißagung dur
Looßung verfuhr, beſchreibt Tacitus Germ. c. 10. Bon einem fruchts
tragenden Baume, und die Buche vorzüglic galt ihrer Edern wegen für
fruchttragend, warb ein Reis geſchnitten, dieſes in Stäbchen zerlegt und
jedem derſelben eine Rune eingerigt. Da ber älteften Runen 16 waren,
fo ſcheint ſich darnach aud die Zahl der Stäbchen zu beftimmen. Diefe
wurden nun aufs Gerathewohl über ein weißes Tuch ausgeſtreut, nad
einem Gebet an die Götter und mit zum Himmel gerichtetem Blid dreie
verfelben aufgehoben, und nad) den Aunen, die fi ihnen eingerigt fanden,
die Bukunft verkündet wahrſcheinlich in einem aus drei Langzeilen be:
ſtehenden Spruche, welchem bie aufgehobene Rune zu Haupt und
Nebenſtäben diente. Es wäre unmöglich geweſen aus drei Buchftaben zu
weißagen, wenn dieſe Buchfaben nit wie bie Runen Namen gehabt und
dieſe Namen Begriffe enthalten hätten. Aus diefem erfahren mit ben
Looßſtaben (sortes) entfprang das Wort sortisrius (fr. sorcier), das
mehr noch den Zauberer ald den Weißager bezeichnet, wie aud der Auss
drud ‚Bauber werfen’ auf vergleichen Gergang deutet, während ‚Bauber
legen’ zugleih an Urlac und dad geihaflene und gelegte Geſchid ©.
202 erinnert. Myth. 89. Man fieht wie Dichtlunft und Weißagung
zuſammenhiengen und mit vates Dichter und Wahrfager bezeichnet wer
den lonnten.
Eine andere Art von Looßung iſt nad unfern Begriffen mehr ein
richterliches als priefterliches Gejchäft. So läßt man das Look bei Aus:
theilung des Erbes entſcheiden, weil man jo menſchliche Wilfür außzu:
ſchließen hofft. Hier bedurfte es der priefterlihen oder ritterlihen Aus«
legung der gezogenen oder aufgehobenen Looße niht: man mufte, wenn
wirklich die Gotter entſcheiden follten, Aber Ihre Bedeutung im Voraus
einig fein. Gewöhnlich wählte man den Mitloopenden nach ber alten Sitte
dauernd angehörige Zeichen (Gandgemal, Hausmarke). Belegentlih kann
fo daB Loop aud über Leben und Tod entſcheiden. Bol. G. Homeyer
544 iebdrehen. Erbfhläßel. Weifende Chiere. 8.139. °
über die Heimat nad altd. Recht, Berlin 1852; Derf. über das ger:
maniſche Looßen, Berl. 1854.
Daß aud aus dem Opferfeßel geweißagt wurde, beweift außer der
©. 180 beiprodenen Stelle der Hymiskw. und den Hesen im Mach. auch
Vngl. c. 7, wo e3 von Ddin heißt, er habe dur die Kunſt, die Seid
heiße, der Menſchen Schidjal vorausgefehen.
Andere Arten von Weißagungen beziehen fih nicht auf Grforihung
der Zukunft: es foll der Urheber eined in der Vergangenheit liegenden
Ereigniſſes 3. B. eine Diebftahle, ermittelt werben. Der Thäter ift dar
bei nicht ganz umbelannt; weil aber Beweiſe fehlen, jo kommt es darauf
an, ihn zum Geftänpnif zu bringen. Das Verfahren beruht darauf,
daß unfere Gliedmaßen unmerkliche, oft fogar unwilllürliche, Vollſtreder
unferes Willens find. So bei dem Siebdrehen, wo das Sieb in Be
wegung gerieth, ſobald der Name des vermuthlichen Thäter genannt wurde,
(Kuhn Germ. VII, 436. vgl. $ 117, Panzer II, 297, Mülenp. 200), oder
in gleichem Fall der Erbjhlüßel oder das Lotterholz ſich umzufhwingen
begann, M. 1063, Müllenh. 88. 200, Lynder 216. ‚Andere Proben find
zugleich auf das böfe Gewiſſen der Schuldigen berechnet, das ihn bei einer
ganz einfachen, natürlichen Handlung, die der Schuldloſe ohne alles Arg
verrichtet, in Unruhe und Verwirrung bringt.’ So bei dem Bißen Näfe,
der dem Schuldigen im Halfe fieden blieb. Anh. LX. RA. 932.
Hydromantie, Pyromantie, Chiromantie, Gaftromantie, Spatulamantie
(M. 1065—7), muß ich in die Alterthumer verweilen; die Weißagung
aus dem Gansbein (Martinsl. XVI) bezieht fih nur auf das Wetter;
nad Vintler (Anh. LIV) ſah man aus dem Schulterblatt aud, was
Menden geſchehen follte, Diyth. 1067. Wichtiger ift die altveutihe Weir
Bagung aus dem Schnauben und Wiehern der in heiligen Hainen erzos
genen Pferde, wenn fie vor den Götterivagen geipannt, von ben Prieften
oder Königen begleitet wurden. Germ. 10. Hier gierg fein Opfer worher,
weil dieſe Thiere ſchon auf öffentlihe Koften den- Göttern unterhalten
wurden; wohl aber findet es fich bei manderlei Zauber, der mit Pferder
töpfen getrieben warb. Bei der redenden Fallada (AM. 89) wird man
an Mimirs abgefhnitienes weißagendes Haupt (Dngl. c. 4) erinnert.
Wenn Tacitus von den weißagenden Pferden fagt, fie hätten für Mit
wißer der Götter gegolten, fo läßt fi dieß auf die fog. weiſen den
Thiere ausdehnen, die eine jo große Rolle nicht bloß in deutſchen Sagen
fpielen. Den Ort der Niederlaßung, der Gründung einer Kirche, die Zurt
3.189. Götterbeten. Eränme. Angang. 545
durch den Strom u. |. w. zeigen Thiere ald Boten der Götter, Myth. 1093,
Banzer II, 405. Wilde Tpiere eignen fi hierzu befer als zahme; unter
den leptern ſtehen die Pferde hinter den Ochſen zurüd: nur blinde Pferde
find noch geeignet ald Werkzeuge der Götter zu dienen. Der zur Unter
welt führende Hirſch $. 103 gehört nicht eigentlich hierher; doc kann auch
er als Bote der Götter betrachtet werben. Unmittelbar felber ſchienen die
Götter den Weg zu weiſen, wo ihre an den Hochſihpfeilern ausgeſchnihten
Bilder and Ufer trieben, M. 1094. Aud Träume können als Boten der
Götter gelten; warum find Träume im neuen Haus, in der Hochzeit ⸗
und Reujahrönacht bedeutend? War hier ein Opfer vorausgegangen,
das die Götter geneigt machte, ihren Willen zu offenbaren? galt im
neuen Haus ſchon die Unzündung des Heerbfeuers dafür? Noch ſchwerer
iſt zu fagen, warum der Traum im Schweinſtall eintrifft, Maurer IT,
197. M. 1099. ‚Einzelne Träume’ fagt Grimm Myth. 1100, wurzeln in
der deutſchen Boltsfage fo tief, daß man ihren Urfprung weit zurüdjegen
muß, 3. B. der von dem Echap, welcher einem auf der Brüde angezeigt
werben fol. In’ ver That findet er fid ſchon im Karl Meinet ed. Keller.
v. 45—58. Die Auslegung der Träume war gewiſs einft ein prieftere
liches Geihäft. Belannt ift die große Rolle, welhe Träume in unferm
&po3 fpielen. Wenn aber Träume Boten der Götter find, wer hatte
fie Baldurn gefendet wenn nicht Allvater ? Ueber Ahnungen Maurer 129.
Den Pferdeorakeln Taufchte der Priefter öffentlih; ob auch Stimmen
und Flug der Vögel fo feierlich befragt wurden, verſchweigt und Tacitus.
Wie großes Gewicht aber darauf gelegt wurde, erſehen wir aus heimiſchen
Quellen, welche jede Begegnung, nicht bloß von Vögeln und Thieren, für
bebeutend anfehen. Nach dem ſchon S. 193 erwähnten Glauben hatten
alle lampflichen Thiere, wie Wolf und Bär, guten Angang, d. h. ihre
Begegnung war glüdliher Vorbeveutung, während Hafen, alte Weiber und
Prieſter, weil fie unkriegeriſch find, übeln Angang hatten: ihr Anblid
wirkte eher niederſchlagend ald ermuthigend. Weber den Angang des Fuchſes
weichen unfere Nachrichten ab; nad dem Studentenausdruch der Schwein
für Gfüd verfteht, follte man dieſes lampflichen Thiers Angang für günftig
halten gegen die gewöhnliche Meinung, die ihn auf unfreunblihen Em:
plang deuten läßt, es fei denn, daß die Sau ihre Ferkel bei ſich habe.
So auögebilvet wie bei den Alten mar wohl bei und bie Lehre vom
Vogelflug mit. Auch hier ftehen wieder die kampflichen Thiere voran:
NRoubvögel, die aud in den Träumen die erfte Rolle fpielen, verfünben
Glmrod, Mycholsgie. 35
546 Maalse. Auaua. ir. $. 140.
Sieg, weil fie felber über andere Vögel den Sieg bauen tragen, M.
1082. Bei einigen Vogeln wird mehr auf den Gefang geachtet als ob
fie rechts oder links fliegen; doch findet ſich bei der Krähe beides erwähnt,
und au) bei dem Martinsvogel, bei dem Specht kam es auf den Flug
an, Bei der Krähe beobachtete man auf welchem Fuß fie land, bei der
Effter, ob fie von vorn oder hinten gefehen ward, bei dem Storch, ob mar
ihn zuerſt fliegend oder ſtehend traf. Cine Effter zu tödten bringt Um:
gläd; fonft richtet ſich ihr Angang nad) der Zahl der geſehenen Thiere,
Kuhn Germ. VII, 435. Heilig ift vie Stelle, wo man die erfte Schwalbe
erblidt, oder den Kudud im Frühling zuerf rufen hört: darum fteht man
ftille und gräbt an dieſe Stelle den Rafen aus, denn er hat fegnende Kraft,
Myth. 1088. 5. Plin. 30. 10. Der Kudud heißt auch Zeitvogel, denn er weiß,
welche Lebenszeit uns beftimmt ift, oder wie lange ein Mädchen noch warten
muß bis ber Freier fih findet, und wenn Goethe ihn die Zahl der Kin:
der verkünden laßt, fo hat auch das uralten Grund, Myth. 644. Doch ik
es aud ein übler Angang, werm beim Ausgehen der Fuß ſtrauchelt u. |. w.
No anderer Arten der Weißagung verfihert uns Tacitus c. 10,
Gefangene des Volls, mit dem man Krieg führte, ließ man mit einem
der eigenen Leute fih im Zweitampf meßen: der Sieg des Einen oder
des Andern galt für vorbedeutend. Ueber berditus vgl. M. Edda S. 449.
140, 7. Heilung.
Aud bei der Heilung warb der Runenzauber angewandt wie
dieß nod heutzutage geihieht, ©. 537. Auf ſolche Heilung bezieht ſich
der andere jener Merjeburger Heilfpräde, von dem S. 323 die See
war, und daß auch die Sudkunſt in äbnlicher Weiſe gebraucht wurde,
Taßt ſich aus. Yngl. o. 7-jöließen, wo es von Odin heißt, er habe fo ben
Leuten Tod, Unglüd oder Krankheit bereiten, und Verftand oder Kraft
Einigen nehmen, Andern geben können. Bon Wuotans und Watens Ber
zug auf die Heilhmft war $. 75 die Rede; in Gir, melde D, 35 aß
die befte der Aerztinnen bezeichnet, hatte die Heillunft fhre eigene Göttin,
M. 1101. Sie ſcheint aber aus einem Beinamen der Freyja ober Froce
entftanden, die als Menglada nah Fiöljwinnsmal Gt. 37. 41 einen
deutlichen Bezug auf die Heiltunde hatte. Gine der Str. 38 zu üben
Füßen figenden neun Mädchen heißt wiederum Eir, wie neben ihr Hl
und Hlifthurfa® Namen gleichen Sinn hat. Eirgiafa, die Heilſpendende
8. 140. Heilende Hände. diehſaein. Stärer, 847
beißt nad Hyndlul. 35 aud eine der Mütter Heimbals. Auch Brynhild,
die wie Menglada, mit der wir fie ſchon oben verglichen, auf dem Berge
wohnt, verbindet nad) Gripifpa 17 die Heilfunft mit der Runenkunde.
Dieß mag ihr von Frigg oder Freyja vererbt fein, aus melden fie ſich
entwidelt hat. Sie felbft ermünfcht fih Sigrbrif. 4: ‚Wort und Weisheit
uud immer heilende Hände.’ Heilende Hände legten ſich noch fpät die
franzöffchen Könige vielleicht aus Siegfrids Erbe bei, Myth. 1104. Rah
Oddr. 8 fang Oddrun beilkräftige Bauberliever. Auf den Bufammenhang
der Heilfunde mit der Bauberei deutet e8 auch, wenn böten (ahb. puozan),
wie jeßt das Geſchaͤft jener ‚rathenven’ alten Weiber 6. 537 heißt, ſonſt
auch zaubern beveutete, wie M. 989. 1103 gleicher Doppelfinn bei andern
Wörtern nachgewieſen wird. Wald: und Meerfrauen (wildiu wip) und
die ihmen nahe verbundenen Wölen (wisiu wip) galten für beilfunvig ;
auch Weißagung und Bauber wird ihnen zugeſchrieben. Briefter und Frauen
üben durch das ganze Mittelalter die Heilfunde und beide haben fie
von den Göttern. Die der Rımenkunde verwandte Kenntniſs der Schrift,
des Leſens und Schreibens, war lange gleichfalls auf Priefter und Frauen
beſchrankt.
Wenn die Heilkunde göttlihes Urſprungs iſt, fo werben die Krank⸗
heiten von Rieſen oder den ihnen ſo nahe verwandten Elben abgeleitet.
Doch hat wohl nicht das Chriſtenthum erſt die Krankheit als gottliche
Strafe aufgeſaßt: das wuſten ſchon bie Heiden. Eine Krankheit hieß
die hünsche, wobei ſchon M. 415 an Rieſen oder Hunnen gedacht if.
Kuhn WE. II, 211. Die Peſt, ſelbſt der Tod (M. 811) erſcheint rieſig
und auch Hel warb in diefe Verwandtſchaft gezogen. Niefig ift aud ber
tyroliſche Biehfhelm (Alpenb. M. 62 ff.), der bald in der Geftalt eines
unbeimlichen ſchwarzen Mannes, bald als ſchwarzer die halbe Haut nach⸗
ſchleppender Stier auftritt und gleich dem ſchleswigſchen Kuht o d, einem unger
heuern Etier mit langen Hörmern (Müllenhoff 230), ein Viehſterben per
fonificiert ; vgl. Kuhn WE. 291. Das Fieber ift ein Alb, der die Mens
fihen reitet, darum hieß es der rite (von ritan); das kalte Sieber
beißt Froͤrer, weil es Froſt bringt, frieren macht. Der Froͤrer wie ber
Witt treten perſoͤnlich auf; in Boners Edelſtein unterhält ſich der Mitt
mit dem Floh wie im Petrarca die Spinne mit dem Podagra. Auch als
Shhwetterling erſcheint die Aramfheit, wie ſich Elben und fpäter Heren
und Teufel in Schmetterlinge wandeln. Wie die Krankheiten heißen auch
vie Heilmittel nach den Elben, wie die Elbenſalbe, Rachtfrauenſalbe. Bon
B48 Weihfeljopf. Kennzahl. Wehe. 8. 140.
andern Krankheiten, die von Ebgeſchoßen herrühren follten, war ſchon die
Rede: neben ylfa gescot und hägtessan gescot ſteht M. 1192 aud
&sa gescot: Geſchoße der Götter neben denen der Elbe und Heren. Go
heißt der Schlagfluß bald gotes slac bald tvergslagr M. 1110, Rothe
Fleden im Gefiht rühren von dem übel, ©. 475, her; andere Uebel
von Elben und Holden, ©. 495, von den Wichten der Wichtel- oder
Weichſelzopf, der auch Albzopf, Bilweichszopf heißt, |. oben ©. 458.
Die Gicht kann auf Wuotan bezogen ſcheinen, fie heißt wüetende giht
was an das wuthende Heer, Wuotans Heer, erinnert. Sie heißt auch das
fahrende Ding, wie auch Geſchwuüre an der menfchlihen Haut bald Dinge
(wihtir), bald Elbe und Holven heißen.
Nah M. 1100 bekannte eine Here, daß es neunerlei Holdechen
gebe. Nah ruſſiſchem Glauben find es neun Schweſtern, melde bie
Menſchen mit Krankheiten plagen, M. 1107; ein finnifches Lied läßt von
einer alten Frau neun ald Knaben gedachte Krankheiten geboren werden,
M. 1113. So wird in einer alth. Formel der nesso mit feinen neun
Jungen beſchworen, M. 1115. Diefen neun Uebeln, die den neun heil:
fundigen Mädchen zu Menglavens Füßen entfpreden, ftehen Heilmittel
gegenüber, die aus neunerlei Theilen beftehen; gemwöhnlid müßen fie aber
erbettelt oder gar geftohlen fein. So wurden neunerlei Blumen zum Kranze
gewunden, Myth. 1164; zur Krautweihe gehören am Nieberrhein neunerlei
Kräuter, neunerlei Holz zum Nothfeuer, M. 574, dem auch heilende Kraft
zugetraut wurde. Neun geftohlene Weblnoten werden M. 1044 erwähnt,
neun gefponnene heilen, M. 1182, zum Liebeskuchen ſpart man neunerlei
Teig, M. 1132, und wenn Othin fih als Herztin der Rinda Wecha
©. 310 nennt, fo ift vielleiht an die neuntägige Wode S. 89 zu benten;
noch jegt wird bei Krankheiten auf den neunten Tag geachtet. Diefe neuner:
lei Heilmittel zeigen den Bufammenhang mit dem Opfer: wir fahen zu
Ubſola jedes. neunte Jahr neun Käupter jeder Thiergattung, zu Lethra
gar 99 Menfhen und Pferde u. ſ. w. darbringen. In der Thierfage
werben wir an dieſen Bufammenhang öfter gemahnt. Der kranke Löwe
fol in die Haut eines vierthalbjährigen Wolfes ſchwiden: da die Zeit
früher nach Sommern und Wintern, überhaupt nad Halbjahren (misseri)
berechnet wurde, M. 716, fo begegnet uns bier die Bahl fieben. Die
Haut geopferter Thiere zur Heilung verwenden, war wohl überhaupt Ge
brauch: fo ab man aud der Weißagung wegen auf der Ochfenhaut; auf
der Barenhaut knieend pflegten andere Völker zu ſchwoͤren; mit ber Bären:
$. 140 Ding. Mondhalb. Bonnenkelb. Vögeln. 59
haut laßt Hans Sachs zwei alte Weiber zudeden, mit grünen Rauten ber
ſteden und dem Teufel zum neuen Jahr ſchenken, M. 962. 1069.1200. In
der Thierfage kann es nicht in Betracht kommen, daß der Wolf fein Opfers
thier if. Nach der ‚Echafis‘ fol auch der Beiftand des h. Aper anges
zufen werden. Der lat. Umdichter fcheint felber nicht verftanden zu haben,
daß damit Gberiped gemeint war, deflen Anwendung in ‚Reinhard‘ noch
vorfommt neben dem Hirfhgürtel, der fpäter als Heilmittel für die fal⸗
lende Sucht galt, M. 1194. Deutlih wird erſt im , Reinardus“, daß
die Thiere bei Bertilianas Wallfahrt, die in den Bremer Gtabtmuficanten
(AM. 27, vgl. Kuhn WS. 229— 232) nadllingt, eigentlich nur ausge
wandert find, um einem großen Opfermal zu entgehen, bei dem fie ger
ſchlachtet werben follten. Schon im „Iſengrimus“ find e8 aber neun
Thiere, wenn wir den Wolf hinzunehmen, die an diefer Wallfahrt Theil
nehmen. In der fo tief in unfer Epos verflodhtenen Thierfabel vom Herz:
eben ©. 361 will ſich der kranke Löwe durch das Herz des Hirſchen
mur heilen. Das Herz gehört aber gerade zu den edeln Eingeweiden, die
bei Opfermalen den Göttern vorbehalten blieben. Sonſt gilt aud das
Blut für heilkräͤſtig: das Blut Hingerichteter bei der fallenden Sucht,
dad Blut unſchuldiger Kinder und reiner Jungfrauen bei dem Ausſat,
N. 1122,
Das Wort Ding wird wohl aud gebraudt weil man ſich den wahren
Namen des Uebels zu nennen ſcheut. So heißt der Umlauf, eine brennende
Geſchwulſt am Fingernagel, bald der Wurm, bald da böfe Ding, vgL
Kuhn Ziſchr. für vgl. Myth. XII; die fallende Sucht heißt das böfe
Weſen, auch St. Jans Uebel, die Waßerfuht nannte man Mondkalb,
wohl weil dad Waßer auf den Mond Bezug hat; aber die zweite Hälfte
des Wortes laͤßt dad Opfer eines Kalbe zur Heilung vermuthen. So
begegnet auch der Rame Sonnentalb als Gigenname.
Wenn man bie Kranken dur ausgehöhlte Erde, hohle Steine und
geipaltene Bäume kriechen ließ, wa8 man bögeln nannte, Banger II, 428,
fo mag man zwar fpäter gemeint haben, die Krankheit auf Baum und
Erde zu übertragen; der ältere Grund war aber wohl, daß man glaubte,
Elbe und gute Holde ſchlüpften durch diefe Deffmungen, die in Schweden
noch Eifenlöcher heißen, M. 430. 1119. Steinerne -Altäre und Grab
denkmäler in alten Kirchen und Gapellen wurben diefem Glauben zu Lieb
zum Durchkriechen eingerichtet Panzer II, 431. So lieh man Leihen
weiſqhen entzwei geiheilten Wagen, die für heilige Geräthe galten, hin:
550 Geblirmutter, Madelger. Aauzeld. % 140.
duschtragen, des Falls verbähtige Mädchen hindurchgehen: davon ſcheint
man gzulegt nur noch zauberhafte Wirkung erwartet zu haben, M. 1097.
Auf uralten Feuerdienſt könnte weifen, wenn man das ſieberkranle Kine
in den Dfen legte (Anh. XXXV), das Bieh bei jährlichen Feſtſeuern, bei
amrädender Seuche durch die Flamme trieb und felber barüber fprang. Richt
bloß Genejene aus Dankbarkeit, auch Heilung Suchende hiengen das kranke
Glied in Wach, Holz oder Metall gebildet im Tempel anf. M. 1131.
Auch bier verräth fih der Zufammenhang von Heilung und Opfer.
Ein ſeltſamer Aberglaube ftellte ſich die kranke Gebärmutter unter
ver Geftalt eines Wiefels, einer Schlange oder Kröte vor. Dieß
Thierlein ſchlipft zumeilen aus dem menſchlichen Leibe um im Waßer zu
baden ober an einem Quendelſtod zu weiden. Gelingt ihm das und wird
es aud nicht behindert, in den Leib der Gchlafenden zurüdzutehen, fo iR
dieſe geheilt. Ohne Zweifel war es urfprünglic die Seele, die fo aus
der Kranten fchlüpfte, fpäter nannte man ftatt ihres den Theil des Leibes,
an welchem vie Krankheit haftete. Unter dem Namen, welchen als Krants
heit gedachte Kröte in Tyrol führt, findet fih Heppin; Geppa. heißt In
der Wiltinafage eine Metze. Amelungenl. II, 83. Panzer II, 195.
Heilkraftige Kräuter, doch vielleicht auch andere, find nad) den Göttern
benannt, oder werben auf heiligen Bergen gebrochen. Bon erſtern find
Beifpiele gelegentlich vorgelommen. Gine heilige Pflanze heißt Forneotes
folme nah der Hand des alten Rieſen, in defien Geſchlecht wir auch
wohlthätige Weſen antrafen; eine andere, mit dem Namen ‚Teufelshand‘
gemahnt an die häufigen Sagen von abgehauenen Riefenhänden, wie fie
im Beowulf von Brendel, im Triftan von Urgan erzählt werben, M. 320.
Die spongie marins heißt Nioörds Handſchuh (niardhar vöttr), weil
ihre Blätter wie fünf Finger neben einander ftehen. Das Fünffingertraut
galt für glüdbringend, weil e8 an ben Gott gemahnte, ver Reichthum und
Wohlſtand verlieh. Andere Pflangen hießen wegen ihrer handförmigen
Wurzel Liebfrauenhand. Ueberhaupt find Kräuter gern nad Göttinnen
genannt, an deren Stelle dann Maria trat, M. 1144, So heißt das
Frauenſchuhlein auch Warienpantöflelhen, Grauentpräne Marienthräne.
Andere Pflanzen tragen Namen aus ber Helvenfage, jo das Wielanbäwurz,
das Madelger, das Mangold, das an das Bold erinnert, das die beir
den gauberkräftigen Jungfrauen Fenja und Menja dem König Frodi malten,
wozu Grimm DM. 498 die Ramen Zanigold und Manigold nachgewieſen
hat, Richt überall aber haſtet an folden Pflanzen Heilkraft wie an dem
& 140, Der Walfe, Hegerkeia. - Dounsrkein. Peutenfein. 551
Madelger, das ‚aller Wurzeln ein Chr' felbft gegen Lichestränfe half und
bei aller Welt beliebt machte. So ſchüht Oundetebe gegen Zauber und
ift dabei heilkaftig und durch einen Kranz von Gundermann mellt man bie
Kühe. Der Rame kommt von der Wallüre Gunbr. Wölufpa 24. Vgl. $. 107.
Heilkräftige Kräuter mußten aber zur beftimmten Beit, wach hergebrachtem
Gebrauch emifhuht und entgürtet, wit Ghrerbietung gebrochen werben: eh
geſchah wohl mit goldenem Werkzeug; in Deutſchland bediente man ſich
zulegt eines Golvftüds. Weniger deutlich tritt der Bezug auf die Götter
bei den Steinen hervor, denen doch fo große Heil- und Wunderkraft zuger
ſchrieben wurde. Freilich galt die Kräuterkunde für heidniſch, Steinkunde
für jadiſch IM. 1142, Aupn DE. 1, 137; auch war fie nicht vollsmäßig.
Doc) bradzte Herzog Craft dan ‚Waifen’ aus dem hohlen Berge, bie deutſche
Kdnigäkong damit zu fchmüden, M, 1168. Welchen Stein man unter
‚Giegerfein’ verftand, ob er von ber Kronſchlange fam, in Kopf, Herz oder
Magen eines Vogels wuchs, oder fünftlih aus Glas geblajen werden
Ionnte, M. 1169, darüber wechfeln die Angaben. Der Donnerftein mard
auf Thor, der Schleifftein auf ihm und Obin bezogen; fie galten für heilig,
vielleicht beillzäftig. Mon dem Donnerftein, der vor dem Bligftral be
wahrte und fich bei Cntbindungen bülfseich bewies, ift der Drutenftein
verſchieden. Gr gehört den Kalkbildungen an; in dem Loche, welches nicht
fehlen darf, ftat wahrfheinlid ein Belemmit, ven das Volt bald ZTeufelds
finger balo Donnertsil nennt, wegen feines jhraubenförmigen Windung.
Die Drutenfteine ſchuzen vor Beherung und Alpbrüden, die Pferde vor
dem Verbigen der Mähnen und Schmweife. Panzer I, 429. Berühmter
iR der Erchenſtein, der als earknastein ſchon in ber Edda vorlommt.
Bieland foll ihn aus Kinderaugen gebilvet haben; hiernach warb er beim
Urtheil des Keßelfangs gebraudt, wo ihn Hertia aus heißem Waßer
bervorlangen mußte. In Erch⸗ liegt eine Steigerung des Begriffs Evel-
Bein, wie aud der Waife (f. oben) feines Gleichen nicht bat, weshalb ex
orphanus, pupillus heißt, was dann an den Augapfel erinnerte und
die Dichtung ven der Bildung aus Kinderaugen veranlakte. Daß ihm
heilende Kraft zugefchrieben wurde, wißen wir nicht, aber der Refelfang
läßt darauf fließen, denn er follte wohl im heißen Waßer vor Verbrennung
kohligen. Wie der Erchenſtein aus Kinderaugen, fo ſollte der Lyneurius auf
ben Augen des Luchſes entftanden fein; an ihm haftet wieder Glüd und
Heiftraft, wie man dem Waifen wohl Glüd und Sieg zuſchrieb. Somit gebt
se in den Giegerflein über, der auch Wänfpelfiein hieß, Glüd und Ge:
552 Gehabter ED. Scueſ und Bcäfe, 8.140
fundpeit verlieh und felbft bei Entbinbungen fih hülfreih erwies. Der
Bünfcelftein hat dann den Stein der Weifen zum nädften Rerwandten,
der befanntlih auch zum Goldmachen diente. Bor Schaden bewahren
aud die Kerrgottöfteine, welche ſich in Flußbetten finden. Es find weiße
aber rothlich geftreifte oder betupfte Quarzgeſchiebe. Sie find glädbringend
und fügen vor dem Bliz. Auch an den Sonnenfteinen, einer Art Am
moniten, hängt manderlei Aberglaube.
40a. 8. Nechtsgebrauch.
Da die Priefter zugleich Richter waren und bie ungebotenen Berichte
mit den drei großen Jahresopfern zufammenfielen, jo erflären ſich die
nod in unfern Weisthümern erfcheinenden großen Gerichtsmale. Wie bei
Weißagung und Bauber, ja ſelbſt bei ver Heilung alliterierte Langzeilen
in Gebraud waren, fo werben aud die Geſetze in ftabreimenven Liedern
abgefaßt, deren Strophen Gefehe hießen, und die in Gtäbe und Bal-
ten zerfielen. Der Eid warb geftabt, die Eidesformel vorfagen hieß den
Eid ſtaben, weil diefe Formeln in Reimftäben abgefaßt waren. Das Recht
warb von den Urtheilöweifern gefunden, wie die Sänger Gelege fanden
und Trouvered und Troubadours von Finden benannt find. Der Rechtſprecher
heißt Schöffe wie der Dichter agf. scöp hd. scuof won Schöpfen. Daher
find unfere Rechtöformeln höchſt poetiſch, unſere Weisthümer duften von
Poeſie. Unter den deutſchen Rechtsquellen zeichnen ſich die friefifcden durch
Poeſie aus, nähft ihnen die nordiſchen, ſchon Armer find die Sachſen- und
Schwabenfpiegel, die dur unfere Weisthümer bei Weitem übertroffen
werben. Dort ift fon der Einfluß des Römifchen Rechts zu verpfren,
dem es gleichwohl aud in feinen Alteften Quellen weber an poetiihem Sinne
noch felbft an Alliteration gebricht. Im Ganzen ift der niederdeutſche
Rechtsgebrauch darum poetifdher, weil fi in ihm das Alte länger erhalten
hat, Ueberall erinnert das deutſche Recht an die Bötterfage. Verwandte
find Schwertmagen oder Gpindelmagen, das Erbe geht vom Schwert an
die Kunkel: wir werben an ben Schwertgott, Friggs Roden, und die weben⸗
den und fpinnenben Göttinnen gemahnt. Adoptivfinder werben Wunſchlinder
genannt, wie die Einherier Ddins Wunfcföhne, die Waltiren Wunſchmädchen
beißen. Adoption heißt Aniefegung oder Sihoopfepung, der Wunſchvater fegt
das Kind auf fein Anie, auf feinen Schooß, er bededt es mit feinem Mleide
wie Ddin den Habbing in feinen Mantel hAllte. Die Rodihöße heißen
8. 140% Gechab. Börfe. Burfhenfcaft. 568
Geeren, wie die eingefegten Gewandſtüde im Hemde Beeren heißen von
ihrer fpießförmigen Geftalt. Darum heißt der Bormund Gerhabe. RA. 466.
So birgt ſich Heinrich von Ofterbingen unter dem Mantel der Landgeäfin,
d. b. er begiebt fi in ihren Schu. Wunſchkinder heißen auch Mans
telfinder ; die Mutter, welche die unehelihen Kinder ihres Mannes als
ihre eigenen annimmt, wirft ihren Mantel über fie, und bie Braut
wird in den Mantel ihres Bräutigam gehüllt. Aehnliches geſchieht bei
der Verlobung, bei der Eingehung der Ehe: Ute legt die Schuhe an, die
ihr König Rother bringt, wie Bundesbrüber auf die Kuhhaut treten, auf
die Haut des zur Heiligung des Bundniſſes geſchlachteten Opferthieres.
Diefe Haut heißt Burfa, daher Börfe die Genopenfhaft der Kaufleute,
Burſchenſchaft der Studenten. So gieng man aud unter den Schmud
der Grde und ließ fein Blut in die Fußfpur fließen, wie Schwörende noch
fpät Erde und Rafen aufs Haupt legten. Der Berbannte heißt Wolf im
Heiligtfum, er darf dem Heiligihum nicht mehr nahen, das er gefhändet
hat, wie der Wolf flieht er in den Wald, Der Geächtete ift vogelfrei,
den Vögeln unter dem Himmel preiögegeben, unter Dad und Schug ber
Menſchen wird er nicht mehr aufgenommen. Sein Leib fol allen Thieren
erlaubt fein, den Vögeln in den Lüften, den Fiſchen im Waßer, heißt es in
den Bannformeln, deren poetifche Kraft hochberühmt if. Wir fahen das
Urtheil unter dem Bilde der Roſe dargeftellt, dem Gebannten und Ver⸗
fefteten in den Bildern des Sachſenſpiegels ein Schwert in ven Mund
geſtedt wie dem Wolfe Fenrir, und wie ber Geibenfaben, ber die Rofens
gärten und Gerichte hegte, fi in dem Bande Gleipnir wiederholte, mit
dem der Wolf gebunden war. Auch von dem Hammerwurf bei Beftims
mung ber Grenzen und zur Heiligung des Eigenthums war ſchon bie Rede;
wir fahen aud den Hammer Zur Einfegnung des Scheiterhaufend und der Ehe
verwendet. Davon wuſte noch Frauenlob, als er die Jungfrau fagen ließ:
der smit von oberlande warf sinen hamr in minen schö. In der Edda
wird erzählt, wie der Niflungehort zu Stande fam: zur Mordbuße für
Hreidmars Sohn, den drei Afen auf ihrer Jagd in Ottergeftalt erlegt hatten.
An die Stelle des Golde tritt bei manden Bußen Betreide, deſſen gol⸗
dene Körner auch fonft dem Golde verglihen werben. Zur Beitimmung
der Grenzen bed Eigenthums wird oft aud das Gut umritten ober mit
dem Wagen, dem Pflug umfahren; ein Stüd Land heißt darum ein Pflug
Landes, ein Morgen, d. h. foviel man an einem Morgen umpflügen kann.
Durd eine ſolche Rrafterweifung fahen wir $. 104 Seeland entflehen und
564 Aiureiten und Unpfäges. Weinkenf. 10%
zugleich den Malarſee. So ſchentie Chlodewig dem h. Remigius fo viel
Land als er während des Königs Mittagsſchlaf umreiten lonnte, König
Waldemar dem h, Andreas ſoviel er auf einem Füllen umreiten konnte
während der König im Bade ſaß, Kaifer Karl dem h. Arnold ven Bur:
gelwald Rheinſ. 86, der h. Lufthilvis Lüftelberg, Rheinſ. 143. Aehnlihes
wird Wolf DE. 40 von St. Leonhards Gfelöritt erzäplt. Dergleihen be
gegnet fhon bei den Alten; es berührt fih aber mit ben weifenden Thie
ven, die ſich gleichfalls bei ihnen wieberfinden ; nicht minder mit Der Heir
ligkeit der Grenzen, deren Furchen Lufthildis mit der Spindel ftatt mit
dem Pfluge zieht. Auch das Bebeden ber geihenkten Erde mit Thierr
bäuten if} bedeutend: e& ift wieder die Haut. des geſchlachteten Opferthieres
und wenn Dido fid ver Lift bebient, die Haut zu jerſchneiden, und bie
Grenzen mit den Riemen zu umziehen, fo ift die Erwerbung dennoch
gültig ; die Unverbrüdlichfeit des Vertrags liegt in dem Opfer: ohne dieſe
Boraußfegung wäre die Erzählung unbegreiflih. Im Boltsbud won der
Melufine dient eine Hirſchhaut, die in Riemen zerlegt wird, zum Land⸗
erwerb, und die mythiſche Bedeutung des Hirſches if uns fhon bekannt.
Auch die nordiſche Gage kennt davon ein Gleihnifs: Ragnars Lobbreds
Sohn Iwar, der Sohn Aslaugs, die eine Tochter Sigurd und Brynhilda
fein foll, zerſchneidet eine Ochjenhaut bei der Gründung Londons.
Bei Bragis Becher fahen wir Gelübbe abgelegt: viefe Gelühbe find
unverbrüdjlih; darum wurden auch Verträge durch einen Weintauf bes
ſtaͤrtt; ja fie fhienen nicht zu Stande gelommen, wenn ber Weinlauf nicht
getrunfen war. Es war aljo eine Art Trankopfer nöthig um durch die
Gunft der Götter den Vertrag zu heiligen.
Urtheile muften bei jeinender Sonne gefunden werden; das Gericht
beißt Tageding: darum ift aud Baldur agf. Bäldäg, der Gott des Tages,
des Lichts zugleich Gott der Gerichte, feine Urtheile konnte Niemand ſchel ⸗
ten, d.h. ed fand davon feine Berufung Statt. Bon feinem Sohne Forſeti
ſahen wir $. 93, daß er feine Urtheile ſchweigend fchöpfte, wie auch Hei:
lawag und Ofterwaßer gefhöpft werden fol.
Loli hatte feinen Hals gegen einen Zwerg verwetiet, er werde nicht
befere Kleinode ſchmieden als fein Bruder gejhmiebet hatte. Diefe Wette
verlor Soli; da half er ſich mit ber Einrede: du haft meinen Kopf aber
nit meinen Hals. In der deutſchen Rechtsſage begegnet Aehnliches, ich
erinnere nur an den Kaufmann von Venedig, dem ein Pfund Fleifh aus
dem lebendigen Leibe geſchnitten werben follte, wo aber Portia einrebet:
%. 141. Yortie. Ihanfehungen. Duife. 565
das Fleiſch if dein, aber wergiehe kein Blut, fonft büpeft du es mit dem
Leben. Wenn aber der Zwerg eine Ahle nahm und dem Loki den Mund
wmähte, fo erinnert das daran, was Florus von der Teutoburger Schlacht
erzählt und der Rache, welche vie Deutfhen an dem römiſchen Sachwalter
nahmen: fie rißen ihm die Bunge beraus, bie treuloß zifhende Zunge;
dann mähten fie ihm den Mund zu: Bifhe mun, Schlange! Bol. Grimm
von ber Poeſie im Recht, Ziſchr. für geſch. Rechtswißenſchaft II, 25.
Umzüge und Fefte
141. Begründung,
Die Umzüge der Götter erſcheinen zunaͤchſt nur ala deren Handlungen;
die Menſchen verhalten ſich aber dabei nicht unthätig: das geſamte Bolt,
wicht der Priefter allein, nahm Theil daran, und auch dieß ift eime gotted«
dienſtliche Handlung. Den Wagen ver Nerihus ſchirrt der Priefter und
begleitet die Göttin; das Bolt aber fhmüdt fih und Haus und Dorf,
fie- feftlich zu empfangen und froͤhliche Tage von Krieg und Arbeit zu
raſten. In Kriftliher Beit, wo folde Seite in Rahmwirkung des Heidens
thums fortdauerten, nahm diefer Antheil des Volls eher zu als ab: es
mufte num aud die Rolle des Prieſters übernehmen, vielleicht die eins
siehenden Götter ſichtbar vorftellen. So bei den Umgügen mit dem beis
Tigen Pflug, wo ftatt des Prieſters zulegt böchftens noch ein Spielmann
auf dem Pfluge ſaß und pfiff, M. 242: mir wißen daß auch die Spiel ⸗
leute, wo fie ald Boten auftreten, mit dem alten priefterlihen Heroldsamt
sufommenhängen. Das Schiff der Iſis hatten ald Priefter die Weber,
in Bittau die Tuch mach er (Germ. V, 50) zu ziehen unb mit allem Zeuge
auszuräften, wobei aud die alte Prieſterſchaft der Frauen ſich wieder gel
tend machte. Doc auch hierbei blieb es nicht: die Göttin felbft und die
übrigen Götter, in berem Geleite fie fuhr und welche der Bericht Robulfs
mit lateinischen Ramen aufführt, ftellte man wohl auf dem Schiffe ſicht⸗
bar vor: ohne Biweifel find die Vermummungen, bie feitbem für den Ears
neval charalteriſtiſch blieben, daraus hervorgegangen. Aehnliche Aufzüge
finden fi bei andern Zeiten, und wenn fih auch deren gottesbienftliche
Bedeutung aus dem Bewuftfein verlor, die Sitte hat ſich bi auf dieſen
Tag erhalten. Den Zufammenhang des Volloſchauſpiels mit ven heid ⸗
niſchen Vorſtellungen und Gebräuden, der bei den alten Vollern offen
556 Stege Wagen. Draden. Kieſe. Bär. 8. 141.
zu Tage liegt, konnten wir auch bei unjern Hausgeiftern gemahren: bier
tritt er faſt noch flärker hervor. Schon der Einzug der Nerthus, wie ihn
Tacitus beſchreibt, war eine Schauftelung, als deren ſymboliſchen Sinn
wir die erwadte Natur, die im Frühling auß der Gefangenfhaft der
Niefen befreite Erbmutter fennen. Das Bolt zog ihrem Wagen, wie bei
dem fpätern Sommerempfang, der davon übrig ift, feftlih entgegen:
zu feierliher Begrüßung wird es dabei an Spiel und Gefang nicht ge
feblt haben. Mit Müllenhoff (de poesi chorica p. 9) ift anzunehmen,
daß e3 den heiligen Wagen in georbnetem Zuge in die Mitte genommen
und zu ſich heim geführt, der weiter ziehenden Göttin das Geleit gegeben
habe. Während ihres Verweilens wurden wohl Opfer dargebradit, wie
bei fpätern ähnlichen Voltsfeften die Metger als Opferpriefter hervor:
gehoben werben; fie vertreten ben presbyter Jovi mactans. Dem im
Wagen umfahrenden Bilde des gothiſchen Gottes follte geopfert werben
wie es in Schweden bei dem Umzuge Freys mit feiner jungen ſchönen
Briefterin für Fruchtbarkeit des Jahres geihah. Diefe Prieflerin hieß
des Gottes Gemahlin, und es verſprach fruchtbare Zeit, wenn fie guter Hoffe
mung wurbe. Keinen andern Sinn ald ven Gieg des Sommers hatten
aud bie Umzüge mit dem Drachen, die zuweilen ben Dradenlampf
wie ©. 249 auch dramatiſch vorführten, vgl. Liebrecht Bervafind ©. 157
und Germ. V, 50; ober bie mit dem gleihbebeutenden Rieſen, ber
noch zu Dünkichen, im franzöfifchen Flandern mit deutſchen Liedern
begrüßt wird. Wenn ſolche Aufzüge, was fih nur in Gedanlen begab,
vor die Augen führte, fo lebten fie auch, wie man fie mit leiblichen Augen
gejehen hatte, wieder in der Einbildung nad, 5. ®. wenn in ber Steier⸗
mar! nad) Germ. a. a. DO. im mwüthenden Heer ein Schiff gefehen wird,
ſcharf wie ein Pflug und von Mädchen gezogen, mo Schiff und Pflug
sufammenfallen wie fie fi jonft vertreten.
Den Umzügen mit den Drachen ober dem Niefen, welche ven
überwundenen Winter bedeuten, ſchließt fi} der mit ven Bären an,
nur daß dieſes als Thors geheiligtes Thier den fiegenden Sommer ver
anſchaulichen fol, Vgl. S. 271 und Uhland Germ. VI, 314. „Seines
winterlichen Pelzes ungeachtet ift‘ der Winter ein Bote des Sommers.‘
Den Winter verfchläft der Bar in feiner Schluft; wenn er ſich hervorwagt,
iſt der Frühling gelommen. Diejer Umzug mit dem Wären ift auch in
die Heldenfage gebrungen- und Wildebär, einer von Dietrich Helden
erſcheint ala Mär verfleivet vor NRönig Rother, den er, von beffen
8.141. Wildebär. Wagen der Gertend. Gecenberuigen. 557
Hunden gehept, mit zweien feiner Rieſen erfhlägt, während in dem nies
derländifhen Gedichte, von dem Serrüre Brudftüde bekannt gemadt hat,
König Rother noch aus dem Spiele bleibt; doch if die Anknüpfung an
Karl ven Gr. nicht beßer. Das Welentlihe bleibt immer der Fall ber
Niefen, der winterlihen Mächte. Bol. Mein Amelungenlied IL, 176 und
Beowulf 182. Sole Umzüge wufte das Chriftenthum burd feine Grenz:
begänge und Gotteötrachten zu erfegen; auch hievon erhoffte man frucht ⸗
bares Jahr und günftige Witterung; ftatt der Opfer wurden Allmoſen ges
Spende. Aber die alten heidniſchen Vollsgebräuche waren jo leicht nicht
auszurotten. Nach dem indie. c. 28 fuhr man fort, Gögenbilver (simu-
lacra) durch Felver und Dörfer zu tragen. Das Heidenthum ganz zu
verbrängen, bildete man feine Gebräuche Kriftlid um, ober nahm mas
daran unſchaͤdlich war, herüber. So geſchah zu Halberftadt das Umführen
des Bären in öffentlicher Prozeſſion S. 371 durch den Domprobften, dem ein
Knabe das Schwert in der Scheide unterm Arm nachtrug, Myth. 743, wozu
Grimm bemerkt, dap dad Umführen des Bären und Verabreichen des
Bärenbrotes im Mittelalter eine verbreitete Sitte war, die auch in Mainz
und Straßburg galt. An das Märe von dem Schretel und Waperbären,
darf hiebei nur erinnert werben, weil der ihm entfprechende Kampf Beo-
wulfs, defien Name ven Bären bedeutet, gleichfalls in den Frühling fällt.
Wenn der Bär Wetrlivi (Winterwanderer) heißt, jo bezieht ſich dieß auf
den Eis⸗ oder Seebären, der von Geethieren lebend des Winterfhlafs nicht
bedarf. Upland a. a. ©. 116. In jenem Märe ift der Bär mithin als
Waßerbar unrichtig bezeichnet.
Aus dem Bedürfnifs, die heidniſchen Gebräuche chriſtlich umzubilden
erflärt fih au der Wagen ber Gertrub ©. 391 und das Götzenbild, das
nad Müllenhoff 136. 597 chriftlich umgetauft auf Helgoland in der Pros
zeſſion umgeführt wurde. Die triumphierende Kirche durfte fogar den
alten Göttern des Landes als Befiegten und Gefangenen in ihren Ova-
tionen eine Stelle einräumen: jo tanzte der altlölnifhen Goltetraht das
‚Gedenbernigen’ voraus, das ich Rheinl, 347 feiner Rüftung wegen auf
Godan gedeutet habe; erft die neuefte Zeit hat es in den Carnaval ver⸗
wieſen. Bol. Alfter niederrh. Wörterbuh =. v. Ged. Nach dem mir
vorliegenden Holzipnitt ſchwingt er das Horn (Heimbals und Odins), auf
dem Helm trägt er das Schmiebezeihen: Hammer, Zange und Schlange,
vgl. Btſcht. I, 248. Wenn er der Prozeſſion voraustanzte und darum
nun @eden: genannt wurde, fo erinnert dad an die Salier, an bie vor⸗
558 Hilige Iufern. Derk wit dem Leer. 8. 142.
und zurädfpringende Cpternacher Brozeffion ; auf ben ber Bundeslade vortan-
genden David bezog fid) der Holzicwitt felber, indem er dieſen Tanz in der
an das Horn befetigten Fahne barftellie. Es ift nicht unerhoͤrt, daß dal
Heidenthümer in chriſtliche Progeffionen aufgenommen wurden. Wie man
die heidnifchen Götter aufen an den Kirchen einmauerte, weil fo ber Sieg
des Chriſtenthums veranſchaulicht warb, fo Ionnte auch bie ooclesia tri-
umphans bie befiegten Götter wie gefangene Könige vor ihrem Sieges ⸗
wagen fpannen. Neben Berntgen in der Gottedtracht erfdienen auch bie
billigen Juffern, welde id für die Waltüren halte. Wegen Hammer
und Zange braudt man mit am Thoͤr zu denken: fie gehören gu dem
Schmiedegeräthe der Bötter. Die Schlange weik vielmehr auf Odin
Neben diefen äußerlich Dargeftellten Umzügen ver Götter mochten an
dere bloß in der Phantafie, im Glauben des Volls, wor fi} gehen. Dar
bin laßen ſich jene $. 71 beſprochenen Lufterſcheinungen zählen, bei wel:
hen nicht felten noch die alten Göttertvagen gejehen wurden, wie jener
Hugo Gopets, ©. 2312, oder der Berdtaß, ©. 263, und der Schublarren
der Buſchgroßmutter, S. 460, defien Späne fi in Gold wandeln. Gin
anderes Beiſpiel ift der clevifhe Dert mit dem Beer, vor demman das
Adergeräth unter Dad und Fach ſchaffen mufte wie fonft vor Gtempe
oder Trempe, ©. 413, ober wie vor den Hexen das Badofengeräthe im
Sicherheit gebradt wurde, damit fie wicht darauf zum Blodäberg ritten,
Kuhn NE. 376. Doc fehlt es nicht an Spuren, daß die Vollsluft es
ſich nicht nehmen ließ, diefe nur im Glauben umziehenven Götter, gleich⸗
falls mit ben ihnen geheiligten Thieren in Bermummungen nadzubilden.
Ober hängt die ‚Bofterlijagb‘ im Cntlibuh, (M. 886), das Perchtellaufen
in ven ‚Raudnädhten‘ (Schmeller II, 12), die auch ‚Röpflinnähte‘ S. 561
‚Rumpelnädhte‘ heißen (Schm. II, 91) und das elfäpifhe ‚Behten‘ (©.
414), wobei e8 ebenfo lärmenb hergieng, noch unmittelbar mit den pries
ſterlichen Umgügen’zufammen ? Nicht unwahrſcheinlich wufte ſchon das Helden⸗
thum den Zug ber wilden Jagd durch laͤrmendes Getoͤſe nachzubilden; daß
man die chriſtlichen Wächter damit erſchreden wollte, um unterdes den
alten Opfern ungeftört nachzuhaͤngen, braucht man nicht mit Goethes Wal ⸗
Porgißnaht anzunehmen. j
142. Stehende Figuven,
Den Umzügen der Goͤtter entſprechen Feſte ber Menſchen, bie aber
8.142, Ahimmehreler. ARlepperboi. Hans Muf. 559
oft nur in Darktellangen jenge beftehen, wenn wir davon abjehen, daß
dabei von Mrbeit gefeiert, Speife und Tran reichlicher genoßen wird, was
{don mit den alten Opfermalen zufammenhängt. Wie aber dabei gewiſſe
Speifen wieberfehren (8.143), fo giebt es auch ftehende Figuren des alten
BVolleſchauſpiels, die nicht bloß bei biefem ober jenem Feſte bervortreten,
fordern far bei allen Yufzügen erſcheinen, wenn fie gleih uriprünglich
wohl dem Frichlingsfeſte gehörten. Einem Burſchen wird ein Sieb an langer
Stange vor die Bruft gebunden, an der ein Pferdelopf befeftigt üft; das
ganze ift mit weißen Tüchern verhängt. Anders verfährt man dagegen in
Siebenbürgen. Ein alter Badtrog wird umgelehrt und durch zwei Knaben,
die ihn tragen, mit Füßen verfehen, ein Pferdekopf davor gebunden und das
Ganze weiß überzogen. Darauf jegt fih der Shimmelreiter, der bald als
Chriſtmann bald ald Neujahrämann gedacht wird. So zeigt fih der Schims
melreiter (Kuhn Btfchr. V, 472) ſowohl zu Weihnachten, Faſsnacht und
Pfingſten, als unter dem Namen des ‚Herbftpferdes‘ in den Martinsgebräuden,
ja er wirb bei häuslichen Feſten, namentlich Hochzeiten, vorgeftellt. Neben
ihm erſcheint zuweilen ‚Rupredt‘; anberwärts heißt fo der Reiter felbft,
was richtiger fein wird, da Rupreht (Hruodperaht) Wodan if. Nur
wo er Knecht Ruprecht heißt, ähnelt er mehr einem Hausgeiſt; doch fahen
wir ſchon S. 473 den Gott ſich mit den Zwergen berühren. Eine andere
ſtehende Figur ift der ‚Rlapperbod‘, welchen Kuhn Germ. VII, 433 auf
Donar bezieht; doch kann biefen aud der fächfiihe ‚Haferbräutigam‘ mei-
nen, ein in Haferfiroh gelleideter Burſche, fo wie der ‚Bär‘, den ein in
Erbſenſtroh gehüllter Knecht fpielt. Gin Dritter, der eine große Ruthe
trägt und einen Ajchenfad, in welche er die Kinder ftedt, die noch nicht
beten Können oder unartig find, heißt am Nieberrhein, wo er neben Gt.
Niclas auftritt, ‚Hans Muff,, vermuthli weil er die Kinder in den Er⸗
mel ‚oder Haudſchuh fteden follte, die beide ‚Muff‘ heißen. Im Elſaß
entfpricht ‚Hans Trapp‘; doc erfheint dieſer in Begleitung bes Chriſt⸗
indes, Stöber CE. 348; den Namen hat er von feinem ftampfenden
Auftreten. Beides verräth den Rieſen, denn aus Beowulf 2109—2106
(Sttmäller S. 150) fehen wir, daß ihn Grendel auf gut rieſenmaͤßig in
den Handſchuh zu fteden drohte, wie es wirklih Skymir zu Thors Bes
ſchamung dahin brachte, daß er im Däumling übernadhtete, oben $. 83.
Diefer dritte bedeutet den beziwungenen Winterriefen, fonft könnten biefe
häufig dufammen auftretenden Geftalten eine Trilogie umziehender Bötter
meinen, zumal fie anverwärt® durch ‚brei Feien“ erfept werden. Den
560 perqhil. Rupreqhi. Sl. licelas. 8.18,
Schimmelreiter begleitet nicht felten der Schmied (Boldermann S. 214),
der den Pferden nach den Hufen jehen muß. Nicht jo allgemein verbrei⸗
tet ift die Darftellung Berchtas oder Berchtolds; doch wird die kärnthiſche
Berti, der kaͤrnthiſchſteiriſche Barthel (Weinhold Weihnachtſp. 9) auf fie
zu deuten fein. Berchta heißt auch wohl die Pudelmutter, in Unterfteier
eiferne Berta. Im Salzburgifhen ift ihre Erſcheinung ſchoͤn, fie trägt
ein blaues Kleid mit einem Schellenktanze, tanzt und fing. Die obers
taͤrnthiſche Perchtl ift eher häplich und furdtbar, fie fpringt mit wilden
Geberden umher, verfolgt die Leute und verlangt Kinder oder Sped, alfo
jedenfalls ein Opfer. Der Schellenkranz erinnert an den thüringijchen
Schellenmoriz. Auf den Dienft des Frö deutende Spuren find weniger
ſicher; doc läßt fi der in der Mittelmart wie zu Paris um Faſsnacht
umgeführte Ochfe ald fein Opfer verſtehen; ver thüringifhe Pfingſtochſe
gielt eher auf Wodan.
Sowohl in Berchtold als in Ruprecht ift Wuotan verborgen; darum
begleitet ihn Berchta oder wo ſich Chriftlihes und Heidniſches noch naiver
miſcht, die Jungfrau Maria; in Gngland fteht die Maid Marian neben Robin
Hood. Auch unfere Heiligen, wie St. Nicolaus, der h. Jofeph, die doch
der Galender an gewiſſe Tage bindet, wurden für vielfache Herabfegungen
ihres Weſens dur Erweiterung ihrer zeitlihen Erſcheinung entſchaͤdigt:
St. Nicolaus, der Wodan als Nikudr, vielleiht aud den Njdrdr ( Kirdu)
erjegen folte, warb zum Knecht Nicolas, zum Aſchen⸗ und Buttercas; doch
erihien er nun auch zu Weihnachten und fogar als berittener Heiliger
wie fonft nur Martin oder St. Georg auf den Schimmel durften, Kuhn
NS. 402. Birl. I, 236. Welder Gott oder Heiliger in dem öͤſterreichi⸗
ſchen Rrampus, dem ſchweizeriſchen Schmugli, bairifchen Rlaubauf, M. 482.
3 ftedt, wißen wir nit; der ſchwäbiſche Pelzmärte ift wohl der mit Gt.
Martind Namen beffeivete Wuotan. Nach der Aufklärung, die wir durch
Alpenb. M. und S. 60 empfangen, wäre Klaubauf der naͤchſte Beriwandte
des Rupreht und unferes Hand Muff. In dem holſteiniſchen ‚Bierde:
fteffen‘ will Wolf Beitr. 125 den Frö erfennen, auf den er auch S. 124
die niederlaͤndiſchen ‚St. Nicolansvartens‘ bezieht. Allerdings hat Et.
Nicolas fo wenig mit Schweinen ald St. Stephan mit Pferden zu ſchaf⸗
fen; dem Fr6 waren beide heilig. Vgl. ©. 567. So erſcheint in Sie
benbürgen neben dem Schimmel und der ſ. g. Steingeiß aud die Advent
Tau, aud Aoventträm ober Chriſtſchwein genannt, wo ver Bezug auf
FIro noch wahrſcheinlicher ift.
561
143. Gemeinfame Gebräuche.
1. Die eigenthümlich deutſche Faftenfpeife, deren wir mehrfach ges
daten, am Ausführlichften $. 117, beſchränkt fi weder auf den Verde
tentag noch überhaupt auf die altheilige Zeit der erften Zwoͤlften, obgleich
fie da am Häufigften vorfommt. In der Marl muß man zu Neujahr
Hirfe oder Häringe efen, im Wittenbergiſchen Heringsfalat, jo hat man
das ganze Jahr über Geld. Dasſelbe verheipt man in Schwaben dem,
der zu Neujahr gelbe Rüben ißt. Andere eben auch neunerlei Gerichte,
wobei aber Mobnftriezeln fein müßen; in der Udermark badt man ‚Belz‘,
eine Art großer Pfannkuchen, Kuhn NS. 406. 408; im Vogtland beißt
der Mehlbrei Bolfe. In der Steiermark und in der Laufig it man Karpfen
mit Mohntlögen, in Schleſien geräudertes Schweinefleiſch und Badobft,
das ſ. g. ſchleſiſche Himmelreih. In DOberlärnthen merben von ben
Nudeln auch der Perchtl auf den Tiſch geftellt, damit fie davon abbeiße
und loſte: thut fie das, fo verſpricht man fi ein gutes Jahr; andermwärts
3 B. in Schleſien, dedt man den Engeln ven Tiih. In Schwaben heißen
die Zwölften ober die ihnen voraußgehenden drei Adventsdonnerstage
(Meier 457) ‚Rlöpflinsnädte‘ wegen der Krapfen und Kröppel, die da
gebaden wurden, ober weil bie jungen Burfhe an Thüren und Fenſter⸗
laden zu Hopfen und jene Krapſen (‚Rlopfet‘) zu heiſchen pflegten. In
Ulm wurden darunter mit Apfelfhnigen gefüllte Wede verftanden. In
Baiern und Defterreih wurden die Mädchen am Unſchuldigen-Kindertag
von den Burſchen ‚gefizt oder gepfefiert‘, d. h. mit Wacholverruthen ger
ſchlagen, wofür fie Pfeffertuchen oder fonft eine Gabe zu entrichten hatten,
Diefelbe Speife begegnet aber auch zu Faſsnacht: ‚Wer zu Faſsnacht Feine
Kreppel badt, kann das Jahr über nicht froh fein.‘ Wolf Beitr. 228.
‚Anudeln und Sladermann‘, d.h. Klöße und Fiſche, find Faſsnachtsſpeiſe,
Woeſte 23. Dabei begegnet aud jene Sitte des ‚Fipens‘ wieber; nad
Lynder 237 wählt davon ver Flachs hoch. In der Altmark jagt man
einander mit Ruthen aus dem Bette und der ‚Geftiepte‘ muß den ‚Stier
per’ tractieren, Kuhn NS. 369. Der Zufammenhang mit dem Pfingfts
Tümmel $. 145 fällt von felber auf. In Reumark ift es Faſsnachtsge ⸗
braud, daß die Mägde am Morgen von den Stnechten ‚geftäupt’ werben.
Hier wird feiner Gabe nod der fonft zu Faſsnacht gebraͤuchlichen Koft ger
dacht, vielmehr waſchen die Knechte am Abend den Mägden die Füße mit
Gros, Myiholsgie. 36
562 Stiepen. Anklopfen. Auöpfi. 8% 148.
Branntwein, wie e3 in ber Altmark den Frauen geſchieht, 8.370. Raum
kann man ſich enthalten, dabei an Odin zu denken, welder nad $. 90
die Rinda erft mit dem Bauberftab berührt und ihr dann ald Wecha bie
Füße wälht. In der Udermart kommt das Stiepen der Mägde erft am
Dfterfonntag vor: dafür müßen fie den Knechten am Montag Fiſche und
Kartoffeln geben, 8. 373. In der Gegend von Werl und im Waldedr
ſchen beißen die Anechte den Mägden und die Mägde den Knechten in die
Beben; dafür tractieren fie fi gegenfeitig; daneben findet aud ein bloßes
Abwiſchen der Schuhe Statt. In der Grafſchaft Mark werden die Manns⸗
leute am Faſsnachtsmontag in die Zehen gebißen, am Dienstag die Fraur
leute: die Gebißenen bewirthen dafür mit warmem Weißbrot und geifli«
gem Getränt. In Iſerlohn bleibt es beim Ausziehen der Schuhe oder
Stiefel, die dann außgelöft werden müßen. In England rauben bie Jun
gen am Dfterfonntag den Mädchen die Schuhe; am Oftermontag kehrt es
fd um. Kuhn WE.IL, 128. Der Zufammenhang der Gebräude ift offen
bar, ber heidniſche Urſprung hier noch nicht deutlich. Die ‚Wepelröt’ 6.570
wird wieber zu Neujahr ins Haus geworfen, und aud hier ift Bemirthung
beabſichtigt, Kuhn NE. 407. Seltſam bliebe die Verbindung der Bewirthung
mit dem Schlagen, wenn dieß nicht eine tiefere Bedeutung gehabt hätte.
Darauf weift des ‚Süntevügeljagen’ in Weftfalen und der Grafihaft Mart,
wo auf Gt. Peterätag mit dem Kreuzhammer an bie Hauspfoften gellopft
wird, die Huden und Schlangen und Fehmollen (bunte Mole), überhaupt
alles Ungeziefer zu vertreiben, Woefte 24. Kuhn WE. II, 119. Auf
St. Peterdtag fällt der Schluß des Winters, was den Bufammenhang mit
der Gitte des Winteraustreibens ($. 145) verräth. Dabei werden Gaben
gefammelt, die wohl urfprüngli in Badwerk beftanden, das in Süd:
deutſchland ſchon durch feinen Namen mit dem Klopfen zufammenbängt.
Man klopft an um eine Schußel Klöpfli oder Knöpfli davon zu tragen.
Daß auch zu Pfingften jene Mehlſpeiſe vortommt, ſehen wir aus
dem Liebe, das zu Augsburg die den fog. Waßervogel begleitenden Ana:
ben fangen:
a Schüfel voll Knöpfii ift no nit gnua,
A Schüfel von Kuchla ghort o darzun.
So mufte der Maigreve bei der Bewirthung der KHolzerben ibnen noch ⸗
wendig Krebfe vorfegen, welche hier in dem erften Monat ohne r am die
Stelle der Fiſche (Heringe) traten.
Xiefer im Jahr verſchwindet zwar biefe Faftenfpeife, aber das Grute:
8. 148. thierjagen. SHaberfeldtreiben. &hariwari. 568
feſt hat wieder feine Mohnſtriezeln und Stollen (N. 398. 399) wie der
Martindtag fein Martinshorn (Sommer 161. K. 401) und in ven Mar—
tinzlievern 33. 40. 43 werden von ben Rindern Kuchen und gebadene
Fiſche eingefammelt. In Tyrol but man zu Allerheiligen Krapfen mit
Honig, Mohn: und Caftanienfüllung, Ztfhr. f. M.I,388. Ueberall Tiegen
alte Opfermale zu Grunde, und wenn das Martinshorn auf Wodan beutet,
fo weiſt vieleicht die Pferbegeftalt der oftfriefiihen nüjärskaukjes, ber
Köpeniter Pörelens (Kuhn 405) auf Frö, während Wolf B. 78. 9 bie
donmerkeifförmigen Kröppel auf Donar bezieht, bei dem mir jene Faſten⸗
fpeife fhon S. 290 gefunden haben.
2. Die Kloͤpflinsnächte bei Panzer II, 116 fallen mit jenen Raud:
und Rumpelnädten S. 558 zufammen und die Pofterlijagd gleicht fehr
unferm niederrh. ‚Zhierjagen‘, dad aber an keine Jahredzeit mehr gebun-
den ift, da ed nur noch zu einer Art Volköjuftiz dient, die gelegentlich
geübt wird, wie früherhin wohl zu beflimmter Zeit. Es entfpricht genau
dem Bairiſchen Haberfeldtreiben, und hängt alfo mit dem Chariwari und
den Ragenmufifen zufammen, Bei allen dreien pflegen Thierftimmen nad
geahmt zu werben. Vol. Phillips über den Urfprung ber Kahenmuſiken
Freiburg 1849. Aus dem 6. oder 7. Jahrh. rührt das in unfern Bußs
orbnungen immer wiederholte Berbot cervulum seu vitulum fa
core, wobei bezeugt wird, daß man fi in Thierfelle hällte und Thier—
bäupter aufjepte: in ferarum habitus se commutant et vestiuntur
pedibus pecudum et assumunt capita bestiarum. Phillips 39. Statt
vitulam wird aud vetulam gelefen; aber erfterer Lesart fteht das Wort
chalvaricum zur Seite, das in den Statuten ber Kirche won Avignon vom
5%. 1337 neben Charivari für den Tumult gebraucht wird, den man bei
Eingehung namentlich zweiter Chen zu vollführen pflegte. Philips 5. Cine
Verordnung des Biſchofs Hugo von Berry vom %. 1338 nennt denfelben
Zumult Charavall, woraus fpäter Crawall entſtand. Die Theilnehmer
an dem Tumult erfhienen vermummt und zwar in Thiergeftalten ala Hirſche
cervali, oder Kälber vituli, und wie man aus dem Worte Haberfeld
(tatt Haberfell) fließen darf, da Haber caper ift, ala Böde, vgl. ca-
pramaritum ®hil. 7; ja der Name der Kahenmuſilen erlaubt binzuzufü«
gen, ald Hagen. Sie ahmten zugleich die Stimmen diefer Thiere nah,
wie theils aus dem heutigen Gebraudy, theild aus dem Worte tumultuo-
sis vociferationibus, endlih aus den Worten Chalvaricum, das auf
Kälberftimmen zu deuten fcheint, geſchloßen werben kann: das Haberfeld⸗
564 Polterabeublärm. Arawal, & 148.
treiben ftimmt aber darin mit unferm Thierjagen, daß es fi nicht wie
der Bolterabendlärm auf die Eingehung der Ehe, namentlich nicht wie
das Chalvaricam und Charivari auf die zweite Ehe bezieht, ſondern zur
Öffentligen Kunde gelommene Unfittlifeit im Umgang mit dem andern
Geſchlechte rugt. Wie beim Chalvarioum ein Anführer der Jugend,
Abbas iuvenum, Abbas laetitise erwähnt wird, mit dem man ſich abs
zufinden hatte, fo erfcheint beim Haberfeldtreiben ein Haberfeldmeiſter.
Hier werden die Gefichter geſchwärzt, wie man beim Charivari falsis
visagiis gieng, Phil. 8. Dort erhoben die Vermummten dabei einen
gewaltigen Lärm, ein gellendes Geſchrei, Pfeifen und Bifhhen, wobei man
auf Schüßel, Teller, Gloden und Keßel flug; diefelbe Inftrumentalbegleis
tung findet fih in Baiern wieder, nach Montanus II, 1 aber aud bei uns
ſerm Xhierjagen; als dabei übliche Tonwerlzeuge nennt er: Beitfchen,
Keßel, Trommeln, Maihörner und Karrenräder: in legtern dedte ber mit
diefer Kunft vertraute Bauernjunge mit Mund und Wange die Deffnung
der Nabe und brüllte dann mit fo gewaltigem Stoße hinein, daß der rauhe
Shall in der Mitternachtſtille meilenfern gehört ward. Montanus bezeugt
aber aud die Vermummung in Thiergeftalten; auf feine Etymologieen (er
sieht Tor herbei) ift befanntlih nichts zu geben. Thierjagen heißt der
Gebraud, weil er unter Thierlarven gegen das Heroortreten des Thieriſchen
im Menſchen gerichtet war; daher trat auch ſchon in dem Chalvaricam
nad Phil. 9 das Obfcöne hervor. In England war die Kapenmufit
(rough music) aud gebräuchlich, wenn zwei Eheleute in Unfrieden lebten,
oder ein alter Mann ein junges Mädchen heiratete. Belanntlih hat
Shatipere am Schluß der Luftigen Weiber von Windfor ein Thierjagen
auf die Bühne gebracht. Nach den Worten
Pfni der fündgen Phantafei!
Pfui der Luft und Buhlerei!
Wolluſt if ein Feur im Blut
Ausgehedt im üppgen Muth;
Hoc und höher ſchurt die Gluth
Siündiger Gedanken Brut.
Zwickt ihn, Elfen, nad} der Reif,
Zwickt ihn für die Büberei,
Zwidt ihn und brennt ihn und laßt ihm ſich drehn
Bis Kerzen- und Sternlicht und Mondſchein vergehn.
ift die Abſicht diefelbe wie beim Haberfelltreiben; und was auf hohes Alter ·
8. 148. Hörner auffchen. Ins Bochshorn jagen. 565
thum des bargeftellten Gebrauchs deutet, das Hirſchgeweih fehlt nicht, und
wenn e3 bier der Berführer trägt, nicht der beleivigte Gatte, fo ift das
eine fehr glüdliche Echaltheit: es gefhieht ihm zum Spotte dafür, daß er
Jenem die zugedachten Hörner nicht hat auffegen können, obgleich Fürth
nahe daran war, fih ind Bodhorn jagen zu laßen. Wir lernen aber
bier nod mehr: die Bermummten bilven zugleih die wilde Jagd nad) und
dem Falftaff felbft ift die Rolle des milden Jägers zugetheilt, ver hier ala
Förfter Herne, 6.218 oben, mit großen Hörnern erſcheint. Diefer Zufams
menhang ift ohne Zweifel alt und et: es war der Umzug des wilden
Heers, den man nachbildete: der alte Gott follte die Strafe des gefränften
Cherechts, der Luft und Buhlerei zu vwerhängen ſcheinen. Die Thierfelle
rühren aber von geſchlachteten Opferthieren ber, die in den Zwölften den⸗
jelben Göttern dargebracht wurden, die unter diefen Thierlarven erſcheinen.
Denn auf die Kalendae Januarii finden wir das alte Verbot, in cervulo
und vitulo zu geben, zuerft bezogen. Aber auch diefer Gebrauch löfte ſich
von biefem Hauptfefte ab und blieb an keine fefte Zeit gebunden: das
Volk konnte feine Conchjuftig, deren Namen gewiſs aud mit jenen Thier-
Tarven zufammenhängt, üben, fobald ihm die Sitte verlegt ſchien. Cine
ähnliche Voltzjuftiz ward geübt, wenn die Frau den Mann geſchlagen hatte.
Man dedte dem Haufe des Chepaares das Dad ab, Lynder 231, oder
Tieß die Frau auf einem Eſel duch die Stadt reiten, Rheinland 101.
3. Deutli auf den Umzug weibliher Gottheiten begüglid ift die
von Montanus (Vollsf. 24) bezeugte Meinung abergläubifher Leute, daß
die Katzen zu Faſsnacht Spuren von Anfdirrungen zeigten. Sommer 180
bat zuerit auf bie Ppernihe Sitte aufmerkſam gemacht, an einem Faftens
mittwoch Kapen vom Thurme zu ftürzen. Nach Wolf Beitr. 187 geſchah
es zu Chriftie (29. Mai) oder zu Marien-Himmelfahrt (15. Aug.). Nah
Woeſte Ztſchr. |. M. IL, 93 hießen die Attendorner Rattenfillers,
weil fie fi) einft dad graufame Vergnügen gemacht, eine Kae mit Rinderr
bfafen vom Thurme zu werfen, Da fei dad arme Thier tagelang klagend
durch die Luft gefahren. Kuhn WE. 162. Nah Sommer 179 ftürzte
man in ehemals wendiſchen Gegenden einen mit Bänbern gefhmüdten
Bod mit vergolveten Hörnern vom Kirchthurm oder vom Rathhauſe: fein
Blut galt für heilfräftig in vielen Aranfpeiten. Nach dem Bisherigen
tönnte man an eine ſinnliche Darftellung des Kahengeſpanns der Freyia,
des Bodsgeſpanns Thörs denlen, wozu die in jene Jahreszeiten gebachten
Götterumzüge Veranlagung geboten hätten. Doch wird von Ypern bes
566 Weibertunk. Welberfafsnacht. Weiberregiment. 8. 148.
richtet, die Kahen feien zum Beiden, daß man ber alten Abgötterei ent ⸗
Sagt habe, vom Thurme geworfen worden. Gin Zempel der Diana (Frou⸗
wa) ift dafelbft nadgewiefen. So fann die allgemein verbreitete Sitte,
die dem Donar gebeiligten Eihhörndhen zu jagen (Kuhn 374, Wolf B. 78),
was in Deutſchland um Dftern, in England um Weihnachten zu geſchehen
pflegte, als ein Opfer gedeutet werden, aber aud als chriſtlicher Haß ges
gen die Lieblinge des Heidengottes. Xepteres ift jedoch weniger wahr
ſcheinlich, und fo darf man wohl aud das Herumtragen bed dem Donar
heiligen Fuchſes bei der Sommerverfündigung hinzunehmen. Nah Kuhn
Germ. VII, 433 verfolgt man auf der Inſel Man am Weihnachtätage
die Zaunlönige: bie Federn, die fie auf der Flucht verlieren, bewahrt man
forgfältig, weil fie im folgenden Jahre gegen Schiffbruch das wirtfamfe
Mittel find.
Diefe Gebräude, deren Berwandtichaft zu Tage liegt, beziehen ſich
doc weder auf diejelben Götter, noch auf die gleichen Zeiten des Jahre.
Doch Tennen wir Freyja als eine Göttin der ſchönen Jahreszeit und
Thot als einen fommerlihen Gott, und die Rüdtehr des Frühlings ift das
Thema aller dieſer Vollagebraͤuche. Der Wechſel zwiſchen Weihnachten
und dem vorgerüdtern Frühjahr wird uns au $. 145 wieder begegnen
und bort feine Grllärung finden.
4. Rein ganz feites Datum hat au das Vorrecht der Frauen, an
einem gewiflen Tage einen Baum im Gemeindewalde zu hauen und das
dafür gelöfte Geld gemeinfchaftlih zu vertrinten. In der ganzen Eifel ges
ſchah das zu Weiberfajsnacht (Donnerftag vor Faſsnacht); bekanntlich ha=
ben an diefem Tage die Frauen das Regiment. In Weilheim bei Tür
bingen hatte der ‚Weibertrunf‘, der von dem verfauften Baume beſtritten
ward, alle Jahr im Frühling um die Zeit Statt, wo man die Eichen fällt
und abhaut, Meier 379. In Dornhan in Schwaben burfte jede Fran
am Aſchermittwoch einen Schoppen Wein trinten, den bie Gemeinde bes
zahlen mufte. Es hieß, an diefem Tage feien die Weiber Meifter. ‚Das
kommt aber daher: In uralten Zeiten fol einmal eine Gräfin dur Dorn-
ban gefahren fein, und meil fi da die Weiber an ihren Wagen fpannten
und ihn zogen, fo hat fie zu Gunften ber Weiber diefe Anordnung ger
troffen und ber Gemeinde bie Verpflichtung auferlegt‘, Meier 377. Der
Wagen läßt ſich auf den der Nerthus, das Schiff der Iſis oder ihren
Pflug deuten, obgleich diefem nur Jungfrauen vorgefpannt wurden. us
Uiebrigen vergleicht ſich die S. 396 beſprochene Sage bei Sommer 149,
$. 144. Gräfuuen. Möniginnen. Duidende Frauen. 567
wo eine Königin Elſabeth ober eine Gräfin von Manzfeld ein ähnliches
Feſt auf Himmelfahrtötag geftiftet haben follte. Nah Memminger (Wolf
8. 190, Meier 424) war es eine Gräfin Anna von Helfenftein, melde
es anordnete, dab in Blaubeuren jährlih am Johannistage ein Eimer
Wein unter die Jugend vertheilt wurbe. Unter diefen Gräfinnen und
Königinnen find Frühlingsgöttinnen zu verftehen, deren Minne ge:
trunten werben follte, oder von deren Umzügen jene Feſte herrühren. Bol.
Birfinger IL, 102.
So erzählt Lynder 174, 224 von jährlichen Spenden, die eine Landgräfin
und ein Fräulein von Boyneburg verordnet haben foll, vgl. &. DS. 10. Ein
gnadiges Fräulein von Niederftetten ſoll unter der Bedingung, daß man fie
mit filberner Schaufel und filberner Haue begrabe und ihr ein ewiges Licht
brenne, den Hartwald fieben Ortſchaften vermacht haben, zu denen Nieders
ftetten, Oberftetten auch gehörten. Die Strede Waldes und Landes ift jo
groß, daß die fieben Schäfer der fieben Ortſchaften hüten können ohne ein⸗
ander zu gewahren. Bir, II, 187. Gin anderes Cvelfräulein vermadhte
den Marbachern den großen Wald bei NRielingshaufen unter faft gleicher
Bedingung. Birl. 248. Auch von der 6. 408 erwähnten Königin
Reinſchweig follen Stiftungen berühren. Wie Freyja um den entſchwun⸗
denen Obur verließ fie England und ſchiffte mit ihren Jungfrauen wie
St. Urfula übers Meer nad Deutſchland, die Seele ihres Gemahls aus
dem Hörfelberg zu erlöfen. Unter den drei Schweftern begegneten uns ſchon
S. 371. 372 verfolgte Grä finnen, bie wir gleichfalls der Freyja verglichen
baben. Ueberhaupt gehören die drei Schweſtern mit den von ihnen ger
Rifteten Andachten (Andachten werben zu 3, 7 ober 9 geftiftet), Lynder 196,
Bigilien und Placebos hieher, vgl. auch die bei Müllenhoff 54 Burentlaes
genannte, jährlih am 2. Donnerstag wor Weihnachten gehaltene Feftmals
zeit. Hier ift es zwar mur die Magd einer Gräfin, melde die Stiftung
veranlaßt; aber die Legende ber Gräfin Itha von Toggenburg, deren
zweite Hälfte Schiller erzählt, ift auf fie übertragen und Itha gehört gleich
der Königin Reinſchweig zu den duldenden rauen, welche nad ©. 322
oben auf Frigg zurüdgehen.
144, Feſtfeuer.
Auch die feftlihen Teuer, welche bald auf Bergen, bald in der Ebene
gezandet zu werben pflegen, fallen in ſehr verſchiedene Zeiten des Jahres.
568 Schfener. Usthfeuer. %. 144
Am Betannteften find Weihnachtsfeier, Ofterfeuer, Johannisfeuer, Martins«
feuer, neben ‚weldien noch das Nothfeuer in Betradht kommt, das an
teine beftimmte Zeit gebunden, gegen auögebrodene Eeuden gezündet
wurde. Grimm 1200 leitet fie alle auf heidniſche Opfer zurüd, womit
ftimmt, daß Blumenkränze, neunerlei Kräuter, ja Pferveöpfe in die Flamme
‚geworfen wurden; bei den Glaven auch ein weißer Hahn. Bon allen ers
wartete man wohlthaͤtige Wirkungen: das Korn gebieh fo weit man fie
leuchten fah, Kuhn ME. 313, die auf die Felder auögeftreute Aſche ver-
tilgte das Ungeziefer, der vom Nothfeuer auffteigende Raud galt für heil«
beingend: DObftbäume wurden davon tragbar und Nege fängig, M. 574;
man fprang über die Flamme und fo hoch ber Sprung, fo hoch wuchs
ver Flachs, Panzer 210. 216; man glaubte ſich auch felber zu reinigen
und trieb das Vieh hindurch, weil das vor Krankheit und Beberung
fiherte wie die Aſche Viehkrankheiten heilte, die angebrannten Holzſcheite vor
Sturm und Ungemitter fhüpten, die beim Pfingftfeuer gelochte Speife vor
Fieber bewahrte, M.576. In der heidniſchen Zeit fiel das erfte durch das
Nothfeuer getriebene Stüd Vieh den Göttern zum Opfer; in der chriſtlichen
traten die Heiligen an vie Stelle. Wolf 8.1, 220. Kun WS. II, 158.
Der heidniſche Urfprung diefer Feuer ift nicht zweifelhaft: fie find
den urverwandten Böllern gemein und älter ald das Chriftentfum, das
fie erit abzuftellen verſucht, M. 570. 588, dann fi angeeignet und ger
leitet hat; doch giengen fie nie ganz in bie Hände der Geiftlicleit über,
M. 591. Die weltlihe Obrigkeit nahm fie früher gleih dem Umziehen
des Iſisſchiffes als althergebraht in Schup; in den lepten Jahrh. bat
eine loͤbliche Polizei fi glüdliherweife vergebens bemüht, dem Bolt auch
diefe, nach dem Erloſchen der heidnifhen Grinnerungen unſchuldigen Freu ⸗
den zu verleiden.
Sohannisfener fei unverwehrt,
Die Freude nie verloren:
Beſen werben immer ftumpf gelehrt,
Und Jungens immer geboren.
Goethe.
Schwieriger ift die Frage nah dem Sinn diejer über ganz Curopa reichen
ven Gebräude. Auf eigentlihen Fenercultus könnten die Nothfeuer den-
ten. Alle Heerbfeuer wurden gelöfcht und durch Reibung ein fog. wildes
Feuer gezündet, dem man größere Kraft zutraute ald der abgenugten, von
Scheit zu Scheit fortgepflangten Flamme. Beim Johannisfeuer find bie
$. 144. Rirdlihes Feuer. Ewiges Licht. SFenerzengung. 569
Spuren am bentlichften, daß auch fie urſprunglich Nothfener waren, d. h.
auf feierlihe Weife neu gezündet wurden, um das Jahr über an ihrer
heiligen Flamme die Heerdfeuer erhalten zu können. Auch beim Ofterfeuer
kommt Aehnliches vor, nur daß man die Ofterflamme mit Stein und Stahl
wedte und das Bolt fie diefer profanen Bündungsweife wegen von dem
echten Feuer unterſchied, M. 583, von dem vie Sage gieng, daß es wärme
aber nicht verbrenne, Montanus 127, gleich jenem, womit Chriftus nad
einem deutſchen Märden gedroſchen haben follte. Auch die Kirche fegnete
am Karſamſtag das neue Feuer (ignis paschalis), nachdem das alte zus
vor gelöft worden war. Der Ritus war nicht überall gleich; doc be:
zeugt Binterim Denkw. V, 215 feierlihe Zündung durch Aryftalle und
Brennfpiegel, M. 583. Jept gilt der Kirche die Zündung mit Stahl
und Stein jhon für feierlih. An dem fo gewonnenen Feuer ward dann
die Ofterterze (cereus paschalis) zuerft angebrannt, die hiernad das Jahr
über bei jebem Hauptgottesdienfte brennen mufte. Bon biefem beiligen
noch in dem ſ. g. ewigen Licht das ganze Jahr forterhaltenen Feuer
holten am Ofterfonntag die Gemeinbegliever, um das außgelöjchte Heerd⸗
feuer wieder anzuzünden. Lexer in Wolfs Ztfchr. II, 31. Leopr. 172,
An dem von ihr tropfenden Wachſe und den fog. Dfterlerznägeln, die ihr
zur Bierbe dienten, haftete nad) Montanus 26 mancherlei Aberglauben,
obwohl dieſe waͤchſernen Zapfen nad Binterim 219 nicht mitgefegnet
wurden,
Auf bloßen Clementarbienft jene Feuer und die babei gefpenbeten
Opfer zu deuten, hat für Deutfchland Bedenken. Ihr erfter Urfprung mag
freifih weit über den unferes Volles und feiner Götter hinaußliegen. Bei
uns zeigen fie nur Bezug auf die wachſende Kraft ver Sonne. Zur Herr
vorbringung des Nothfeuers bediente man fi eines Rades mit neun Speis
hen, dad von Diften nad) Weiten gemälzt ein Bild der Sonne war. Nach
Kuhn Herabkunft 13. 44 ff. beftand die Altefte Weile der Feuerbereitung
in dem Reiben zweier Hölzer, indem das eine länglihe in dem andern fo
lange berumgequirlt ward bis es in helle Flammen ausbrach. Bon dem
Gotte jelbft nahm man an, daß er in gleiher Weile den Blitz hervor⸗
bringe. Da bei der Butterbereitung in ähnlicher Weife verfahren wird,
fo hat der Vollsglaube Manches auf den Gewittergott Bezüglihe dabei
angewandt wie wir fon in dem rothen Tuch ©. 171 ($. 57) davon
ein Beifpiel fanden. Auch in der Zeugung ſah man ein Gleichniſs der
Erzeugung des Bliges und Feuers Kuhn a. a. D. 70. 74. Bol. oben
870 Stammeuräder. Wepelret. Aulbloa. 8. 144.
©. 483. In Deutichland felbft ward das Feuer gewöhnlid durch Ums
ſchwingung einer Achſe oder durch bohrende Drehung einer Wale in
der Nabe eines Rades hervorgerufen. Die Drehung felbit warb dadurch
bewerfftelligt, va man um die Achfe oder Walze ein Seil legte, welches
aufs Schnellſte hin und her gedreht warb bis ſich das Feuer zeigte. Bol
Myth.570 und Kembles Beihreibung (Sahfjen in England 294 fi).
Auf die Sonne weiſen aud die flammenden Räder, die man von den Ber-
gen rollen ließ: gelangten fie noch brennend in den unten fließenden Strom,
fo verfprad der Winzer ſich einen gefegneten Herbft. Die Conzer erhoben
dafür von den umliegenden Weinbergen ein Fuder Wein, gerade wie bie
Trierer Mepger von den Nönnden zu St. Irminen. Diefe Sitte der
berabgerollten Flammenräder findet ſich au in Frankreich, und bier wird
ver Bezug auf die Sonne ausbrüdlih bezeugt, M. 587. Der Hinblid
auf die Fruchtbarkeit der Erbe ergiebt fi) auch aus jenem Wagenrabe,
dad man unfern Weisthümern zufolge am großen Gerichtstage (Stephands
tag), nachdem es ſechs Wochen und drei Tage im Miftpfuhl geftedt hatte,
ins Feuer legte: das Gerichtsmal mwährte dann bis die Nabe ganz zu
Aſche verzehrt war, M.578. Radform mit Speichen, ein Bild der Sonne,
bat aud die Wöpelröt 6.562, deren von Kuhn aus goth. vaips erllär-
ter Name vielleiht von dem friefifhen Wöpel Pfüge (Richthofen 1124)
herruhrt, fo daß auch fie im Pfuhl gelegen haben mufte. Auch der Chriſt⸗
brand, im Norden Julblod (Myth. 594), ven man zu Weihnachten an
brennen ließ und fpäter zurüdzog und das Jahr über aufbewahrte, hatte
auf die Fruchtbarkeit Bezug, da man nad Montanus 12 feine Aſche auf
die Felder freute, nah Schmig I, 4 Kohlen davon in die Kornbahr legte,
damit die Mäufe das Korn nicht beichädigten. Wenn ein Gewitter an
30g legte man ihn wieder and Feuer, weil ver Blig dann nicht einſchlug.
Kuhn WE. II, 104.
Hienach Tonnten diefe Gebräuche allen Weſen gelten, die ala Feuer:,
Lit und Sonnengötter über die Fruchtbarkeit des Jahres geboten. Dar
bin. gehören aber nicht bloß die Götter der Trilogie nebſt allen Wanen;
von den zwolf Aſen find fo wenige auszuſchließen, daß man von den nem
Speichen des Rades und den neun Kräutern, die in die Flamme gewor⸗
fen wurden, auf die Zahl der betheiligten Götter fließen möchte. Auf
einzelne von ihnen Bezüge nachzuweiſen hält ſchwer. Doch beutet auf
Freyja der norwegiſche Name ‚Brifing‘ für das Johannisfeuer, M. 589.
Auhn WS. II, 175. Noch lieber möchte man die Ofterr und Maifeuer
6. 14. Sunkenfälagen. SYalfener. Sakeigang. 571
auf fie beziehen, wenn ihr nah 6. 247 vie alte Walpurgiöfeler galt.
Wieder aber ftellt fih hier Donar neben fie, da gerade beim Ofterfeuer
M. 582 und dem wenige Tage früher fallenden Judasfeuer (Banzer 212,
Bolf 74) die ihm geheiligten Eihhörnden gejagt wurden. Das Johan«
nisfeuer muß zunähft an Baldur oder Odhr gemahnen; das keltiſche
Bealteine fiel aber mit dem rheinischen Pfultag (6. 324) zufammen ſchon
auf den 2. Mai (vgl. jedoch Weisth. II, 98), und doch wißen wir mie
Bol und Beal fih mit Baldur und Baͤldäg berühren. Umgekehrt finden
ſich beim Johannisfeuer wieder Beziehungen auf Donar, da Erbſen bei
demfelben gekocht wurden, die font Donnerstags⸗Koſt find, Kuhn 445.
Auf ihn und feinen Bligftral deutet aud das Bolzene und Scheiben:
ſchlagen, das beim Sunwendfeuer, Wolf B. 73, aber aud ſchon zu Dftern
(Panzer 211, Meier 380, Birl. II, 60 ff.) am erften Sonntag in dem
Faſten getrieben wird. Es heißt auch das Funkenſchlagen und ber
Tag, an dem es üblich iſt, der Funkentag, im Rheingau Hallfeuer, in
Srantreich föte des brandons, Gr. M. 594. Da bier die Liebe die Haupt⸗
rolle fpielt, indem es der Liebften zu Ehren gefhlagen und von biefer dur
ein Badwerk, die |. g. Funkenringe, belohnt wird, fo könnte auch an
Fid oder Frouwa gedacht werden; doch foll dieß Badwerk aud mohl die
Form von Bregeln oder Heilen haben; Weinbeeren bürfen aber dabei nicht
feblen. Es folgt gewöhnlich noch ein Tanz und dann ein Fadelgang
durch die Flur, und fomeit das Licht fihtbar ift, ſoweit bleibt die Flur
von Hagelfhlag und Woltenbrüden verſchont. Auf Frö findet fih kaum
ein ganz fiherer Bezug in jenem Wagentad, das am Stephandtage
brennen follte, die Dauer eines alten Opfermals zu beflimmen. 6t. Stes
phan fahen wir fhon S. 560 im Norben ald Patron der Pferde an
Freys Stelle getreten, Wolf B. 125. Der holfteiniihe Pferbetefien und
die ſchwabiſche Sitte, am Stephandtage die Pferde audzureiten (Meier 466),
zeigen, daß in Deutſchland Aehnliches galt. Anderwärts heißt der Tag
‚der große Pferdstag‘ und ‚die Haferweihe.“ M. 1184 wird von Gt.
Stephans Pferde gefagt, was in dem Merjeb. Sprud von Baldurs. Bol.
S. 333. Stepke ift ein Name des Dräf, des Teufeld und des Hauss
geifted, M. 955, Sommer 30, Kuhn 422. Das Rab mit neun Speichen
auf dem in Childerichs Grabe gefundenen Stierhaupt würde vollen Bes
weis bilden, wenn wir gewiſs wülten, daß Fro bei uns aud als Sonnen-
gott an Wuotans Stelle trat. Deutlich if der Bezug des Martinsfeuers
auf Goͤdan.
578 Serenbrenuen. Burgbreunen. Iudasbreuncn. 8. 144.
Die Feuer follten vor Hererei fügen; aber das Bünden folder
Feuer felbft nennt man im Luremburgifhen und in der Cifel ‚die Here
verbrennen.‘ Bormann Beitr. II, 159. Btihr. f. M. I, 89. Dort wird
das ‚Faofend Feier‘, wie e8 zu Euren bei Trier heißt, auf Faſtnachtſonn⸗
tag gezündet, hier am erften Sonntag in den Faſten; doch berichtet Müller
(Trier. Kronit 1817 p. 153) ein Gleiches für das Luremburgifhe. Hier
wie dort heißt es auch ‚Burgbrennen‘ (Burgaub) und jener Sonntag
‚Burg‘: oder ‚Schooffonntag.” „Schoof“ $. 91 deutet auf die Leichen:
beftattung, und ‚Burg‘, welchem fih das ſchwediſche eldborg, M. 595,
vergleicht, geht fogar auf den Leihenbrand. Cine Burg wird Sig. Am.
II, 62. 63 ver Scheiterhaufen genannt, weldhen Bronhild für fih und
Sigurd anorbnet. Daraus erllärt ih auch Lex Sal. 144. 256 (Merkel)
chreoburgio für Leihenbrand; vielleiht felbft die Schelte herburgium
LXIV, mo die erfte Sylbe wieder aus chreo (funus) entftellt fein fönnte.
Ausprüdlic ift hier won Heren (striae für strigae) die Rede, und die
Worte ‚ubi strias oueinant‘ fönmten vom Verbrennen der Sauberinnen
teben, was als Vollsſitte uralt ift, wenn auch nicht als gefeglihe Etrafe.
Gewöhnlich verfteht man bier strias nominativifh ‚wo bie Heren kochen.‘
Aber die striae felbft wurden beim Verbrennen geloht und ihr Fleiſch
zum Aufeßen bingegeben, weil fie felbft für Menfchenfreßerinnen galten.
Karl der Große verbot folde Oraufamleit gegen die vermeintlichen Zauberer
als heibnifd bei Todesſtrafe, M. 1021. Daß bei den Feſtfeuern ſolche
Verbrennungen wenigftens ſymboliſch fortbauerten, zeigt fih beim ‚Jubass
feuer‘, wo man fang: ‚Brennen wir den Judas.“ Beim Todaus-
tragen mard bie Puppe bald ins Waßer geworfen, bald verbramnt,
M. 728. Was dabei von dem ‚alten Juden‘ gefungen wurde, könnte
allerbings, wie Finn Magnufen wollte, ven alten iötunn (Riefen) gemeint
haben. Bon dem Juden ſcheint man dann weiter auf den Judas gelangt
zu fein. In Sreifing hieß dieß Feuer ‚das Dftermannbrennen‘, Panzer
213. Ferner zeigt der iriſche Gebrauh beim Bealtaine, M. 579, daß
Jemand verbrannt werben follte. Auch in Spanien ward nah M. 742
die entzweigefägte ‚alte Frau‘ $. 145 verbrannt. Diefe werden wir bort
als den Winter erkennen, und fo war wohl der iötunn, ber zum Judas
wurde, der MWinterriefe. So erklärt ſchon M. 733 die flavifhe Marzana
für die Winterriefin, und M. 742 ift anerkannt, daß dad Verbrennen ber
alten Frau mit dem Erfäufen des Todes als Winterriefen gleiche Bedeutung
babe. Aber auch der Pfingftbug, der Waßervogel und die Ihüringiihe
8.144. Stäplingsfeuer. Hothfener. Serhffener. 573
Sitte (Sommer 152. 180) ‚den alten Mann ins Loch zu karten‘, was
zu Pfingften geichieht, haben ſchwerlich andern Einn. Mir gewinnen alfo
wenigſtens für die Faftenfeuer denſelben mythiſchen Gehalt, den auch die
Frühlingsfefte $. 145 bergen. Wenn aber die verbrannte alte Frau,
welche in ver Eifel, an Mofel und Saur, die Here heißt, eine Riefin war,
fo fehen wir das Verbrennen ver Heren aus dem Glauben an übelthätige
zauberhafte Riefenweiber ftammen wie 6. 496 angenommen wurde. Schon
Hyndlul. 45 droht Freyja die Rieſin Hyndla mit Feuer zu umweben.
Eine Here wird verbrannt AM. 193. Daraus ergiebt fi ein weſentlicher
Unterſchied zwifhen den Frühlingsfeuern, melde die Here, den Judas,
den Dftermann, alfo eigentlich den Winter zu verbrennen gezündet werben und
dem Johannisfeuer, das zur Heiligung des Heerbfeuerd, und gleih dem
Notbfeuer zur Erzeugung eines frifhen von dem Gotte des Bliges felbft
gefendeten kräftigen Feuers beftimmt war. Die Sitte ſchreibt fih aus
einer Beit ber, wo ed noch ſchwer war, Feuer zu zünken, wo es durch
Reibung zweier Hölzer mühſam bervorgelodt werden mufte, was jährlih
von der ganzen Gemeinde unter Anrufung des Gottes auf altfeierlihe
Weiſe geſchah, worauf dann Jeder ſich feine Scheite mit nad Haufe nahm
und das fo gezündete neue Heerbfeuer das Jahr über forgfältig hütete,
Daß diefer Unterfchied ein mohlbegründeter ift, zeigt, daß man bie Aſche
des Dfterfeuerd nicht auf die Felder ftreute um fie fruchtbar zu machen,
fondern in den Bach goß. Bon der Aſche der verbrannten Rieſen fürdtete
man Nachtheile, und wenn bei der Herenverfammlung auf dem Blod&berge
der große Bod, d. h. der Teufel, ſich zu Afche brannte, und dieſe Aſche
von den Heren auf die Felder geftreut wurde, fo thaten fie es eben um
zu haben. So jehen wir auch im Rudlieb die reuige Ehebrederin, die den
Tov ihres bejahrten Gatten verſchuldet hat, bitten, ihr Leichnam möge
vom Galgen genommen, verbrannt und die Aſche ind Waßer geftreut wer
den, weil fie beforgt, durch Ausſchütten an die Luft möge bavon Dürre
und Hagelihlag hervorgebracht werben:
ne iubar abscondat sol, et aer neget imbrem,
ne per me grando dicatur Iaedere mundo.
Daß nicht Sonne den Schein, nicht Regen bie Wolfe verfage,
Nicht Wer glaube, ich habe der Welt durd; Hagel geichadet.
Eine dritte Claſſe dürfte man für bie Michels- und Martinsfeuer ans
nehmen. Wie dieſe Herbftfefte aus alten Dantopfern für die reichliche
Ernte hervorgiengen, fo wirb man auch die Feuer dabei zum Danle gezündet
574 3. Clemens. 3. Malin. Jalſeſ. 8. 145.
haben. Daß man bei den Rothfeuern ein Opferthier verbrannte, wird
durch eine Meldung bei Shmig 99 wahrſcheinlich, wonad bei Seuchen ein
gefallenes Xhier verbrannt und dann bie noch geſunde Heerde an diefe
Sielle getrieben wurde. So kuͤmmerlich dieſer Reft der alten Sitte fei, fo
mag er doch einen Rüdfhlug darauf verftatten.
145. Sommer: und Winterfefte,
Wie der Tag mit der Nacht, jo beginnt das Jahr mit dem Winter.
Altveutiche Calender lagen dieſen mit St. Clemendtag (23. Nov.) anheben:
das thut aud) bei nordiſche, det den Tag mit dem Unter bezeichnet, fei
es weil Gt. Clemens mit dem Anker am Halfe ins Waßer geworfen
ward, oder weil an feinem Tage die Eciffe im Hafen liegen muflen.
Et. Clemens gilt für den Patron der Schiffer; von Ullers Schiff ift mehr:
fach vie Rede geweien, und Runencalender, die den erften Wintermmat
unter Uller® Schuß ftellen, fügen deffen Bogen zu dem Anter des Heiligen.
In Deutſchland galt bier und da ſchon Martinstag (11. Nov.) für Win«
teranfang; aud die gallicanifhe Kirhe begann mit dieſem Tage die Ad⸗
ventzeit (Binterim 1. c. 167), ‚St. Martin macht Feuer im Camin,‘ das
Martinsmännden hüllte fih in Stroh und mit Martini beginnt ein neues
Pachtjahr. Vgl. meine Martinsliever Bonn bei Marcus 1846. Am Dar:
tinstage fahen wir oben die Faftenfpeifen wieder hervortreten, während bie
chriſtlichen Adventfeſte erft mit dem erften December anheben. Die Martind«
feuer follten vieleicht die Wiedergeburt des jept verbuntelten Sommenlichts
verheißen. Wie hernad der Advent, fo fheint diefe Zeit ſchon den Heiden
eine Vorbereitung auf das Julfeſt, wo die Sonne ſich verjüngte und num
auch das natürlige Neujahr eintrat.
Das Yulfeft hat eine doppelte Seite: einmal ift es die dunlelſte Zeit des
Jahres, wo alles Leben zu ftarren, alle Säfte zu ftoden, die Groe felb
der Haft der Winterriefen verfallen ſchien. Aber zugleich wird die Sonne
wiebergeboren, bie den neuen Frühling bringen foll, und wenn jegt ſchon
Holda und Berta ihre Umzüge halten u. ſ. w., fo können wir uns das
nur aus der Ahnung, der zuverfichtlihen Hoffnung ihres rüdtehrenden
Reiches deuten: die Phantafie nimmt fhon jegt vorweg, was erft künftige
Monate bringen follen. Darum wird beim Mittwinteropfer ©. 524
die Minne der Götter wie anderer Abweſenden getrunten, denn eigent:
li hätten wir fie doch jept als in der Unterwelt weilend zu denfen. Was
8. 146. Mütternaht. Zonnengötter. Sonnenrad. 675
die Mythen in dieſe Zeit fegen, iſt eine ftärmifche Brautwerbung, eine
Verlobung: Gerba verheißt ſich dem Frey nad) drei Näditen, worunter drei
Monate zu verftehen find: ihre Vermählung foll im grünen Haine Barri
begangen werben; auf Walpurgistag haben wir ©. 247 für Deutſchland
die Hochzeit des Sonnengottes mit ber Erbgöttin angefegt. Hieraus mag
fh auch erläutern, daß wir am Julfelſt bei Bragid Becher Gelübde
abgelegt jehen, die ſich auf fünftige Vermählungen beziehen: Helgalwidha
1, 32 gefteht Hebin feinem Bruder Helgi:
Ich hab erkoren die Königstochter
Bei Bragis Becher, deine Braut.
Die’ vielfach fruchtbare Anfhauung Kuhns, daß die Weihnachtsge-
brauche als Borfpiel zum Sommerempfang anzufehen feien (Beitfhr. V,
490), fteht ſowohl hiermit als mit feiner fhon $. 73 angenommenen
Anfiht über die andern Zwölften im Einklang; aud hat es fih uns
oben bei der Erwägung ber ftehenden Figuren wie der gemeinfamen
Gebräude, wozu auch die Feftfeuer gehören, beftätigt, und bei der Ber
trachtung der Frühlingd: und Sommergebraͤuche werben wir von Neuem
gemwahren, daß fie nicht nur unter fi übereinftimmen und bie gleiche
Bedeutung haben, fonbern im Wefentlihen, wenn auch ſchwäͤcher, ſchon zu
Weihnachten hervortreten.
Weihnachten hießen nad) Beda die Angelfahfen Modraneht, id est
matrum noctem, wozu Grimm GDS. bemerkt, ihm fielen dabei Heimbals
neun Mütter ein, alſo dad Zeft feiner wunderbaren Geburt. Mütter
nächte konnen aud die ganzen Zwölften beißen, weil fie gleihfam bie
Mütter der groölf Monate des Jahres find, deren Witterung fie vorbilden
follen. An der Weihnacht hatten aber noch andere Götter Theil, zunaͤchſt,
weil es das Feſt der miebergeborenen Sonne war, die Gonnengötter,
alſo Frey, dann Baldur als Bäldäg; da aber Baldur bei Hel ift, fein
Rächer Wali, das erneuerte Licht. Jedoch lönnen auch Baldur und ber gleich
falls jegt bei Hel weilende aber doch in ven Stürmen der Mitternächte
einherbraufende Odin nicht fern gehalten werden. Ya alle Götter ragen
in biefe Zeit hinein, man empfindet ihre Nähe; wird doch fogar gewarnt,
den Namen des unheimlihen Wolfes in den Zwölften nicht auszufpres
hen, weil er fonft herbeifomme. "
Der Name des Julfeſtes bedeutet dad Rab (agſ. hveol), aljo das
Somentad, wie wir die Sonne felbft ausdrüdlich das fhöne Rad (fag-
576 Iwölften. Scan Motte. Kostage. $. 145.
ra hvel) genannt finden. In den zwölf Nächten (twelfnights) von Weihr
nachten bis Berchtentag fchien die Sonne auf ihrem tiefften Stande aus»
zuruben bis fie ihren Lauf wieder aufwärts? wandte. Darum durfte
in der hochheiligen Zeit der Zwölften nihts rund gehen (was nas
mentlih auf das Spinnen und Fahren bezogen wirb), fonft würden bie
jungen Buctlälber den Swymel belommen. Kuhn WE. 112. M. 248.
Man darf aud nicht dreſchen, nicht baden, nicht miften noch waſchen, ſonſt
befommt das Vieh Läufe. ‚Wer den Zaun beffeivet (beim Trodnen der
Waͤſche) muß den Kirchhof belleiven.‘ In den Zwölſten darf kein Flachs
auf dem Roden bleiben, fonft lommen die Heiden (Zwerge) und fpinnen ihn
ab. Wenn in den Zmölften nicht abgefponnen ift, fo fommt Fru Waud,
Fru Gode, Fru Frid, Fru Fuik, Fru green, Fru Here, Fru Wolle, Fru
Holle u. ſ. w. und verunreinigt den Roden. Kuhn NE. 412 fi. Wenn
man in den Smölften fpinnt, jo kommen die Motten in das geſpon—
nene Garn, Daraus erklärt fi, wenn fie nicht mit Muot zufammen:
hängt, jene rau Motte bei Sommer, Nr. 8; daher wobl aud) das in
Lichtenberg bei Berlin jährlih begangene Mottenfeft. Die Motten find
wie andere Schmetterlinge Elben im Gefolge ber Göttin. Eggen und
BPflüge darf man nicht im freien ftehen lagen, damit ſich nicht Hadelberg
mit feinen Hunden darunter werberge.
Im Siegenſchen heißen die Zwölften die billigen Tage wie fhon
Karl der Or. den December mit Bezug auf die Weihnachtszeit Heilag-
manöth genannt hatte. Wir fahen fon, daß in den Zwölften der Ra:
Iender für das ganze Jahr gemacht wird: wie fih in diefen zwölf Tagen
das Wetter verhält, fo wird es in den folgenden zwölf Monaten jein.
Darum heißen fie Lostage. Wenn der Wind in den billigen Tagen fo
recht in den Bäumen geht, fo giebt es ein frudhtbares Jahr. Kuhn a. a. O.
Geht zu Weihnachten ein ftarter Wind, fo fagt man in Schwaben, die
Bäume rammeln. Birl.I, 466. Werden vie Eiszapfen recht lang, fo mädft
aud ver Flachs lang u. f. w.
Mitten in der Weihnacht, wenn das neue Jahr geboren wird, und
die Winterfonnenwende fi) begiebt, aber au in der Johannisnacht bei
der Sommerfonnenwende, fteht die Zeit auf eine Weile ftill wie die im
Bogen geworfene Ralete inne zu halten ſcheint ehe fie, die bisher noch ftieg,
ſich nun allmaͤhlich zu finten anfhidt. Es ift gleichſam ein Riß, eine
Spalte in ver Zeit, durch welche die Ewigleit mit ihren Entzüdungen und
Wundern bineinfhaut. Darum wird jet das Waßer zu Wein, darum
3. 146. Spalt. Ranchnãchte. Gebnädte. Aidelnäcte. 877
tönnen die Thiere reden und meißagen, darum wachen bie Tobten auf,
ſteigen verfunfene Städte und Reiche empor, blühen und reifen die Bäume,
darum regen fih die Steine und öffnen ſich die Pforten der Unterwelt:
wer hinein tritt, kommt vielleicht nach dreißig Jahren wieder hinaus und
meint eine kurze Stunde verlebt zu haben. Zum Theil ift da8 was von
der Mitternadtftunde der längften Naht gilt auf die ganzen Zwölften ers
weitert. Anderes findet fih aud von ben Solftitien, Xequinoctien und
Quatembernädten erzählt, wie aud andere heil. Nächte wie die Walpur-
gisnacht, die Andreasnacht (mo die Mädchen erforfhen, welhe Männer
ihnen beftimmt feien) nicht Teer ausgegangen find. Näher ausgeführt hat
dieß Menzel Germania II, 227 fi.
Man findet indes auch Warnungen, in der verhängnifspollen Stunde
den Vorhang nicht zu fühn zu lüften oder von der Koft der Geligen zu
genießen. Bu Ditobeuren in der Frohngaße vernahm man zu Weihnachten eine
wunderbar Tieblihe Muſil. Jedermann fühlte ſich gedrungen die Fenfter
zu Öffnen. Davor warnten aber die alten Leute, weil alle, welche den Kopf
binausftedten, unglüdlih würben. Den vollen Genuß hatten aber unge
ſtraft Diejenigen, die fi mit dem Anhören in der verſchloßenen Stube
begnügten. P. II, 66. In der Chriftnacht wird zwar das Waßer in ben
Brunnen zu Wein; aber Niemand mag zu den Brunnen gelangen, weil
die Diebe in diefer Stunde fo gefährlich find. Um zwölf Uhr müßen alle
Diebe ftehlen; zwifhen eilf und zwoͤlf hat der Teufel freien Lauf: da
bietet er alle Gewalt auf um Seelen zu gewinnen. Birl. a. a. O.
Mit dem 21. Dec. beginnen nach Leopr. 205 die, Raudhnädte‘, deren
vier find: Gt. Thomas, Weihnahten, Neujahr und Dreitönigsabend, vor—
nämlich aber die erfte und Teßte diefer Nähte. Häufer und Ställe wer:
den nah dem Abenbläuten auögeräudert und gefegnet; in den folgenden
Tagen aud die Weinberge und Felder beipreng. Mit Weihnachten
folgen vie ‚Gennähte” (Gömachten, Gebnaͤchte), welche mit Dreilönigs-
abend ſchließen: da geht das „Gejaid' am ärgften, da follen aud bie
Thiere wieder reden und bie Brunnen zu Wein werben. Gebnädte heißen
fie, weil man ven ‚Anflopfenden’ giebt und dad Chen für die Perchtl
auf dem Tiſche ſtehen läßt; fonft wurden aud Nudeln aufs Hausdach ges
legt. ‚Ridelnächte heißen dagegen die 7 Nächte vor Weihnachten, bes
fonder8 aber die Thomasnadt. Nidelnacht fällt mit Klopfnacht u. ſ. m.
zufammen. Nidel ift geftandene Milhrahm. Birk. Wörterb. 71.
Der leitende Gedanke dieſes und noch der nädften Feſte if das
Cimrod, Mythologie. 37
578 Weldenföten. Srühlingsfehe. Malfplel. Siebenfprüuge. 8. 145.
- mengeborene Licht und der wieberlehrende Frühling. Schon zu Dreilönigen
glaubt man die Tage um einen Hahnenſchrei gewachſen. Zur Feier des
ſo zuerft erſcheinenden neuen Lichts wird ein Kuchen angefept und durch
die eingebadene Mandel eine Königin erwählt: dieſe Königin ift die als
Jahresgöttin gedachte Berchta (von brehen leuchten ſcheinen), vie num
die Aemter für die Zeit ihrer Herſchaft vertheilt. Yabian Sebaftian (20.
Jan.) tritt fon der Gaft in die Bäume und die Anaben machen ſich
Weivenflöten, wobei gewiſſe ven $. 138 beſprochenen Bauberfprüdhen ver⸗
wandte Lieder gefungen werben, damit der Baft fi löfe. Zu Lichtmefien
fol man bei Tage een und das Spinnen vergehen. Der Bezug auf das
wachſende Licht if ſchon im Namen ausgeſprochen. Dod darf der Bär
feinen Schatten nicht ſehen, fonft muß er nod auf 6 Wochen (St. Gertrudstag
17. März) zurüd in feinen Bau. Bon Valentinstag (14. Febr.) ift &
313 vie Rebe geweſen. Am Peterstag (22. Febr.) werben Aröten, Schlan⸗
gen und Mole aus dem Haufe getrieben und die Sommernögel (Schmets
terlinge) gewedt; das Klopfen mit dem Kreuzhammer ©. 562 beutet auf
Donar, Kuhn WS. I, 122. Nun kommt St. Mattheis und bridt das
Eis oder macht auch Eis, immer wird in ber Faſsnacht das erſte eigent ⸗
liche Frũhlingsfeſt begangen, deſſen Urſprung im $.110 beſprochen iſt, auf
den ih mich auch wegen des Gertrudstag beziehen fann. Das zweite fiel
dann auf Oftern, vgl. $. 110. Nah Kuhn WE. fand zu Dften ein
Ballfpiel ftatt, das an die Worte Walthers 2. 30 erinnert:
Spielten bie Mädchen erft Straßen entlang
Ball, o jo kehrte der Wögel Gefang.
Beim Ofterfeft wird der Ball geſchlagen, den Beſchluß machte aber ein
Tanz (Kuhn NS. 272 WE. II, 148) und es fragt fih ob hievon das
Wort Ball für Tanz auögegangen ſei. Das Ballmerfen war im MA
wie bei den Griechen ein mit Gefang und Tanz verbundenes Spiel; dar
ber in den roman. Gpraden ballare tanzen. Wadernagel alt. 2. u. Leiche
p- 236. Diez Etym. Wörterb. I, 48. Stand dieß Balljpiel in Bezug
auf die drei Freubenfprünge, welhe die Sonne zu Dftern that? Kuhn
BE.142. Die Siebenfprünge, welhe man am erften Oftertage tanzte,
Kuhn WE. 150 fi., ftehe ich nicht an, hieher zu ziehen. Das Lied das
man bazu fang, lautete bei und:
Könnt ihr nicht die Siebenfprüng,
Könnt ihr fie nicht tanzen?
$. 145. Ofechafe. Ofereier. Bommerverkändigung. 579
Da ift mander Edelmann,
Der die fieben Sprüng nicht kann:
Ich kann fe, ich Tann fe.
Wegen des Oſterhaſen, der die Oftereier legen foll, fragt Kuhn WE. 243,
ob dabei wohl an den Hafen auf den Bildern der Nehalennia zu denken
fei? Ich bin fehr geneigt, die Frage zu bejahen zumal die Eier fhon um
Gertrudidtag roth gefärbt werden, und die öfterlihe Beit z. B. diefes
Jahr (1864) fon früher anhob. Nehalennia ift mie Gertrud eine Göt-
fin der Fruchtbarkeit: das eben deuten die rothgefärbten Gier an (roth iR
die Farbe der Freude); aber noch einmal wird die Fruchtbarkeit hervor⸗
‚gehoben, indem ver Hafe, das fruchtbarſte Thier, fie gelegt haben fol.
Wir fahen, daß die Mythen urfprüngli feinen andern Inhalt hatten
als das Naturleben im Kreißlauf des Jahrs, in Sommer und Winter:
bei den Jahresfeſten tritt und dieſes Grundthema noch ftärker entgegen.
Dod muß man ſich erinnern wieviel härter der nordiſche Winter mar,
wieviel ſchwerer fein Drud im Mittelalter auch in Deutſchland auf dem
Volle laftete, wie aller Verkehr gehemmt, alles Leben gleihfam einge
ſchneit und eingefroren ſchien, um die Freude des Volls zu begreifen, wenn
ihm Aunde von baldiger Erlöfung aufblühende Blumen oder anlangende
Vögel als Boten des Frühlings braten. Uns haben die Bortheile ver
Cultur jener töbtlihen Winterbef werden überhoben, dafür aber auch des
lebendigen Naturgefühls beraubt, das jene Vollsfeſte fhuf, jene Mythen
dichtete. Wir tanzen nicht mehr um dad erfte Veilchen, mir holen
den erften Mailäfer nicht mehr feftlih ein, uns verdient feinen Boten»
Iohn mehr wer den erften Storch, die erfte Schwalbe anfagt; nur
in den Rindern, die wir ängftliher an bie Stube binden, lebt noch ein
Reſt folder Gefühle, und fon in den legten Jahrhunderten war das
„Lenzweden“ Quigm. 281 und die Sommerverlündigung armen
ARnaben anheim gefallen, die einen Kranz, einen Bogel, einen Fuchs ums
bertrugen und dafür von Haus zu Haus die Gaben fammelten, die wir
früher freudig der rüdtehrenden Göttin als Opferfteuern entgegentrugen.
Nur bier und ba nehmen noch Erwachſene an folden Aufzügen Theil,
und wie ärmlic, ja beitelhaft auch dieſe ausfehen, fo wird doch dann fos
glei die Handlung ſinnvoller. So gefaltet fih das ‚Winteraußs
treiben’ zu einem Meinen Drama, das den Rampf zwifhen Sommer
und Winter, wie er im Naturleben fi begiebt, vor die Ginne führt.
Der Winter ift in Stroh ober Moos, der Sommer in grünes Laub ger
so Gorenstragen. Mehgerfrrung. 8. 186.
Heidet: beide ringen mit einander und der Winter wirb befiegt, ausge⸗
trieben oder ind Waßer geworfen, aud mohl verbrannt. Das ift die
rheiniſche Sitte; in Franken tritt fhon der Tod an die Gtelle des
Winters und jemehr wir uns einft flaviihen Gegenden näherten, fehen
wir die Außtreibung des Todes ftärker hervortreten: de Sommers wird
endlich ganz geichwiegen.
Der Winter ift der Tod der Natur; aud in den Mythen merden
Winter und Tod nit auseinander gehalten, S. 301: warum follten fie
fi in den Vollsſpielen nicht vertreten dürfen? Auch in ganz beutfchen
Gegenden begegnen Spuren dieſes Taufches. Bei dem Mündiner ‚Mep-
gerfprung und Schäfflertang‘ (Panzer 226 fi.) ift gar die Peſt an bie
Stelle des Todes getreten, und daß dieß nicht alleine fteht, zeigt die
ſchwaͤbiſche Sitte (Meier 377), wo das ‚Brunnenfpringen’ wie bei jenen
Mündener Volksſpielen auftaudt. Dort hatte die Seuche ein Lindwurm
gebracht, der fi unter der Erde aufhielt, in der Hölle, bei ‚Grebel in der
Butten'; die Schäfiler (Mepger) hatten ihn durch Spiel und Geſang vers
trieben: alten Opfern und Frühlingatänzen war der mörberifhe Winter
gewichen. Nach einer andern Meldung war ber giftipeiende Lindwurm
dur einen Spiegel heraußgelodt worden, den man über dem Brunnen
angebracht hatte. Das mag Entftellung der Sage vom Baſilisk fein: die
Vergiftung der Brunnen und der Luft durch umfliegende Draden iR ur—
alter Glaube; als Gegenmittel zündete man Feuer (P. 361), und auch
diefe galten für Opfer. Nach dem Gedichte ‚Salomon Lob‘ bei Diemer
trant ein Drache alle Brunnen zu Jerufalem aus bis man fie mit Wein
füllte: davon warb er beraufht und konnte nun gebunden werben. Die
Vergleihung der verwandten Sagen, die wir hier nicht verfolgen Tönnen,
ergiebt, daß der Drade Nibhögge iſt, der an dem Meltbaume nagt, ber
Brunnen aber Hwergelmir; Gredel ift Gridh, die wir als Hel kennen,
und ihre Butte der Abgrund der Hölle, den wir ©. 286 aud ſchon als
Faß, Saturni dolium, gedacht ſahen. Sie fält mit der Pet zufammen
fo wie mit der alten Frau, die nad M. 739 zu Frankfurt in den Main
geworfen warb; nach dem dabei gefungenen Liebe - ‚Reuter Uder ſchlug
fein Muder’ u. ſ. m. erſcheint fie als die Mutter des Sommers, der ihr
nun Arm und Beine entzwei fhlägt. Sie ift alfo gleichfalls der Winter
und entfpriht dem Tod, ber bei Slaven und Romanen in Geftalt eines
alten Weibes entzwei gejägt ward, M. 742. Auch anderwärts (Schmel:
ler 1,320) begegnet dieſe Gredel; daß fie in Münden für das erſte Bauern:
6. 145. Waßervogel. Aarſillus. Meicitt. 581
weib auögegeben wird, das fi nach der Peſtzeit wieder in die Stadt
tagte, ift deutliche Entftellung. Ein Meifter -ves Gewerls führt dort noch
heute den Namen „Himmelsſchaͤffler. Himmel und Hölle ftehen fi hier
entgegen, wie in den Mythen der Himmels: und Sonnengott in bie Uns
terwelt herabfteigt, um nach dem Kampf mit dem Draden die ſchoͤne Jahres:
zeit heraufzuholen.
Schwerer ift die Bedeutung des Waßer vogels anzugeben, ver in
Augsburg zur Pfingftzeit mit Schilfrohr umflochten durch bie Stadt geführt
wird, M. 562. 745. Daß er ind Waßer geworfen warb, fcheint der
Name wie die Belleivung zu fagen, und Schmeller 1. c. bezeugt es aus⸗
drüdlih. Der Zufammenhang mit der Waßertauhe ©. 537 lönnte auch
bier ein Opfer vermutben laßen; aber obwohl aud bei und die Puppe,
melde den Winter oder den Tod vorftellt, ind Waßer geworfen wird, M.
728. 739, wie in Schwaben nah dem unten anzuführenden Gebrauch der
‚Mohrentönig‘, der den Winter bedeutete, fo ſcheint doch diefe Annahme
graufam. Die Wettipiele, welche fih an die Pfingftfeier Inüpften, brach ⸗
ten es mit fi, daß fi der Burfche die Tauche gefallen lagen mufte,
der die Pfingftfonne als Pfingftlümmel verfhlafen hatte. Nach Panzer
236 ward zwar dem ‚Pfingftl‘, wie nad Meier 408 dem ‚Pfingftbug‘
fogar der Kopf (zum Schein) abgeſchlagen; jener iſt aber als Waßervogel,
diefer als Pfingſtlummel gelennzeichnet, und daß beide zufammenfallen,
geigt wieder Schmeller 1. c. Auch ſcheint eine frühe Auffaßung als Opfer
aus dem P. 237 beſchriebenen Gemälde, wo fogar ver Flußgott vorgeführt
wird, bervorzugehen. An eine wirkliche Opferung bed Verfpäteten, dem
die Rolle des Winter oder Todes zugefallen war, möchte man bei biefen
heitern Fruhlingsfeſten aud in den älteften Zeiten nicht denken.
Den Kampf zwifhen Sommer und Winter führte auch der ſchwediſch⸗
gothiſche ‚Mairitt‘ vor, wie ihn Dlaus Magnus (M. 735) ſchildert.
‚Hier ward er nod von Obrigleitgwegen mit großem Geptänge begangen.
Der Name des Blumengrafen, welden der den Sommer vorftellende ‚Ritt«
meifter’ führt, entſpricht dem des Maigrafen bei dem deutſchen Mairitt,
wo aber die Spuren eines Kampfs der Jahreszeiten zurüdtreten. Dem "
Blumengrafen gegenüber war der Winter und fein Gefolge in marme
Pelze gehüllt und warf mit Aſche und Funten um ſich; das ſommerliche Ge:
finde wehrte fi mit Birtenmaien und grün ausgeſchlagenen Lindenzweigen.
Aber in der kolniſchen ‚Holzfahrt‘, die fpäter an Marfilius gefnüpft ward,
mufte der von den Bürgern gewählte ‚Rittmeifter‘ von Kopf bis zu Fuß
582 Aränzgen. Maigrevenfahrt. Sürke. 8. 145.
getwappnet fein, und nad dem nicht näher beſchtiebenen Zug in ven Wald
wurde ihm ein Kranzchen aufgefegt, wofür er ein Gaſtmal zu geben hatte,
das wieder Kraͤnzchen“ hieß. Dünger, Alterth. d. Rheinl. IX, 50. Auch
bei der Hildesheimer ‚Maigrevenfahrt‘ erhält die Maigreve einen Kranz
und bemirthet bie Holzerben. Auf einen Kampf beutet aber hier nichts
mehr, wohl aber bei dem ſchwaͤbiſchen Pfingftritt die Worte, die dem
Maienführer in den Mund gelegt werben:
Den Moien führ id; in meiner Hand,
Den Degen an ber Seiten:
Mit dem Türfen muß ic) flreiten.
Der Türke, ©. 581 auch Mohrentönig genannt, ift der Winter: er fol
im Waßer ertränkt werben wie fonft der Waßervogel. So heißt es in
dem Märden von dem Menſchenfreßer, der wieder der Winter it: „I fhmöd
a Chriſt.“ Zwiſchen Türken und Heiden unterfhied man nicht.
Wenn die fpätere Darftellung des Kampfs der Jahreszeiten bei dem
ſchwediſch· gothiſchen Mairitt fi) aus dem im Norden nidt .fo früh wie
bei uns einlehrenden Frühling zu erklären ſchien, fo zeigt nun die Ders
gleihung des kölnifhen und ſchwäbiſchen Gebrauchs, daß die Frühlings ⸗
felte von Faſsnacht bis Pfingften von derſelben Vorſtellung ausgehen, ja
Kuhn hat Zeitfhr. 1. c. jenen Kampf ſchon um Weihnachten nachgewieſen.
Wenn der Mailönig, Mair oder Blumengraf nach der Einholung aus dem
Walde heimtehrte, war er und fein ganzes Gefolge in Grün gekleidet oder
dod mit grünen Reifern und Maien fo überbedt, daß es ſchien als käme
ein ganzer Wald gegangen. Hier nahm wahrſcheinlich die aus Shale ⸗
ſperes Macbeth belannte Sage von dem mandelnden Walde den Urſprung.
Gr. ©. 6. I, 148. I, 91. Lynder Nr. 252, Sago VIL p. 132.3 u. M.
Quellen d. Shat. III, 276.
Auch da, wo neben dem Maigrafen eine Maigräfin auftritt, Tiegt
tein anderer Mythus zu Grunde, nur ein anderer Moment desſelben ift
aufgefaßt: die Vermählung des Götterpaard ftatt deö vorausgehenden
Kampfs, fei bei diefem nun an Frey Erlegung Belis oder an Wodans
und Sigmunds Dradenlampf zu denken. An den Drachen erinnerte uns
ſchon der Schaͤfflertanz S. 580; Darftellungen eigentliher Dradentämpfe
hat Kuhn 6. 484 bei englifhen Weihnachts und Maigebräuden aufge
dedt und bie deutſchen Schwerttänge und Opferſpiele hatten wohl gleiche
Bedeutung. Ueberall ift es der Frühlingägott, der nach Befiegung der
Winterftürme fi der verlobten Erde vermählt.
$. 146. Malkönig. Mallchn. Füfge Mal. 588
Eine große Menge Figuren ift bei dem fhwäbifhen ‚Pfingftritt‘
betheifigt, der ih darin dem Niederd. bei Kuhn NE. 382 vergleicht. Es
erſcheinen darunter au Arzt, Koch und Kellermeifter. Das erinnert an
die Auslooßung der Wemter beim Bohnenfet am Berchtentage S. 414.
Bemerlenswerth ſcheint, daß bei Meier 407 aud dverMepger auftritt, deffen
Bebeutung und von dem Münchener Feſte her noch erinnerlih if. Wie
. aber hier der Kampf hervorgehoben wird, fo fehlt Alles, was auf Ders
mählung deutet. In Dänemark ehrt fih dad um: ber Maigraf wählt
fih die ‚Maijinde‘; vom Kampf erfheint keine Spur, während fid in
England beides vereinigt, am Rhein nur die Zeiten auseinander liegen,
denn der Kampf zwifchen Sommer und Winter wird ſchon zu Lichtmeſs
vorgeftellt, erft der ‚Maitag‘ bringt den , Malbaum' und den ‚Maitönig‘,
und nidt diefer allein mählt fih feine Mailönigin: nad der Gitte des
‚Mailehns’ wurden die Dorfmädchen an den Meiftbietenden verftelgert,
und jedem Burſchen die feine zugeſchlagen. Die weite Berbreitung der
Sitte des Lehnausrufend bezeugen Lieder, die am Rhein wie in den Nie
derlanden gefungen wurden, und daß fie aud in Sranffurt a. M. bekannt
war, habe ich Rheinl. 166 nachgewieſen; ja dort verlieh früher ver Kaifer
die Bürgerdtößter:
Heute zu Lehen, morgen zur Chen,
Ueber ein Jahr zu einem Paar.
Nah R. U. 436—38 erllärt fi der Name des Lehens daraus, daß
der Raifer, und demnach wohl der Maifönig, das Recht in Anſpruch nahm,
die Töchter der Unterthanen mit feinem Hofgefinde zu verehelihen. In
Heſſen ift diejes Lehnaustufen am Walpurgisabend Gebrauch, Lynder 235;
am Drömling aber nennen fon am meißen Sonntag, vierzehn Tage vor
Oftern, die Heinen Hirtenjungen den größern ihre Braut; leiner aber darf
das Geheimnis verrathen bis Pfingſten. Dann wird ‚ver füge Mai‘
zugerichlet, und von den Burſchen vor die Käufer begleitet, während die
Mädchen die bebänderte Maibraut umherführen, M. 747. Kuhn WE. U,
161. Schmit I, 32. 48.
Ber als Mailönig prangen fol, entſcheidet ſich an einigen Orten
durd ein Wettrennen zu Pferde nad) einem außgeftedten Kranz; wer
dabei vom Pferde fiel, mufte die Theerlappen tragen, womit die Peitſchen
geihmiert wurden, Kuhn NS. 379; anderwärts finden fi andre Spiele,
die wohl gleichen Biwed hatten: die Entſcheidung über die Rönigätwärbe,
584 Molidanfen. Yfinspfgieken. Pfingkfuds. 8. 145.
War e8 ein Wettlauf, fo heißt der legte Moliz und das Ganze Molizlaufen.
Das zeigt den Zufammenhang der Pfingftfhiehen mit dem Maifet:
ver befte Schü wird aud bier König und wahrſcheinlich fiel einft ver
Schügenfönig mit dem Maitönig zufammen. Darum finden fi, wo die
Schügenfefte ſich ausgebildet haben, andere Pfingft- oder Maigebräude
gewöhnlich nicht, Kuhn Ziſcht. L c. 3825 doch fteht in Ahrweiler das
Schügenfeft am Frohnleihnamstag neben der Maifeier. Der bei dem Mair
ritt im Hildesheimiſchen u. |. w. auftretende Schimmelreiter wird wie der
Maifönig felbft um fo überzeugender auf Odin gebeutet ald Kuhn wahr
ſcheinlich gemacht hat, daß dieſer ſelbſt einft durch Pfeil und Bogen bes
rühmt war, was zu unferer Annahme 6.337 ftimmt, daß er mit Uller zus
fammenfiel. Vgl. 5.202. Bei dem Wettrennen zu Salzwedel wird der Sieger
mit Maien, der Legte, Langſamſte mit Blumen gefhmüdt, hei wört smuk
mäkt, und heißt nun der ſchmude Junge: derſelbe Spott, der mit dem
Pfingſtlüummel, dem Pfingftbug u. ſ. w. getrieben wird. Als die Der
deutung biefer vielgeftaltigen Wettſpiele ergiebt ſich aljo die Entſcheidung
darüber, wem bei dem Frühlingäfefte die Ehrenrolle des fiegenden Sommers
zu Theil werde oder mer fih allen Hohn und Schimpf gefallen laßen
müße, welder dem befiegten Winter angethan wird, wie wir bei dem
Waervogel, dem Mohrentönig u. f. w. geiehen haben. Zur Rolle des
Pfngftlimmels verurteilt aber gewoͤhnlich ſchon Spätaufftehen am Pfingft-
montag, wie aud nicht überall Wettfpiele, fondern bier und da das Look
über die Austheilung ver Aemter entjcheidet. Neben den Wettfpielen der
Burſchen erfheint zu Halberftabt aud ein MWettrennen der Mädchen (Kuhn
386), was auf den Ausdrud Brautlauf (nuptiae) $. 147 Licht werfen könnte.
Benn beim Wettlauf von dem Letzten, Säumigften gelungen wird,
er habe fi ‚ein neu Haus gebaut und fi) dabei ins Knie gebaut‘
(Ruhn 380), wie er aud ber ‚lahme Bimmermann’ oder ‚Lämbö’ heißt,
ME. 324, Sommer 181, fo werden wir an den Mythus von Swabilfari
erinnert,
Pingſtfoſs (Pfingſtfuchs) heißt das Mädchen oder der Burfche, die beim
Austreiben des Viehs zulegt ankommen; audy wohl das Mädchen Pingft-
brut, Kuhn WS. 160. Ein anbermal findet man den zuerft Yufge:
ſtandenen Thauftreicher oder Thauſtrauch (däwesträch) genannt, den
legten Pfingftmode. Als Thauftreiher werben fonft wohl die Heren ber
zeichnet, weil fie den heilkäftigen Thau von fremden Wieſen auf ihre
eigenen tragen follen, Mpth. 1026 Kuhn WS. TI, 165. Einigemal nimmt
8. 145. Lattihkönig. Laubeinkleibung. Gadebafte. 585
das Maifpiel die Geftalt des Cinfangens einer Räuberbande an: die Räuber
find in Moos gelleidete wilde Männer, wie fonft auch ber Winter in Moos
gefleivet wird. Hier hat er ſich nur vervielfältigt: als Räuber darf er
gedacht werben, weil er die Schäge der Grove und die fchöne Fruhlings⸗
göttin entführt. Auch in den Näubermärden wie Kuhn NE. 186. 279
BE. I, 22 find die Räuber Winterriefen und entführen Jungfrauen, die
hernach bald dem Ofen, bald der Rolandsfäule, bald dem blauen Stein
beihten, ©. 507; da3 NRäuberfpiel geht aber aud mit manden andern
Gebraͤuchen ins Johannisſeſt über und fommt hier au unter dem Ramen
‚wie Seejungfer ſuchen' als Schifferftechen vor, Sommer 158, Kuhn 386.
392. Statt des wilden Mannes führen andere Spiele den grünen
Mann oder Lattihtönig auf, wobei Bmeifel entfteht, ob er den Som ⸗
mer oder Winter bedeute. Urfprünglih gieng die Laubeinkleidung
auf den Frũhlingsgott; da aber der Winter außer in Stroh, aud in Moos
und Rinde gefleivet wurde, fo erfhien nım aud Er grün, moraus fih
mande Berwirrung ergab. So ift nicht leicht zu jagen, welchen von beis
ven der bald in Stroh, bald in Laub gefleidete Burfche, den man als
Bären tanzen ließ, M. 736.745, meinte, wahrſcheinlich doch Donat. In
Dänemarl, wo er Gadebaffe hieh, wie das ihm zugetheilte Mädchen Bades
lam, fällt er veutlih mit dem Maigrafen zufammen. Das Mailamm .
erſcheint Birlinger 182 als Abgabe. Der Frühling wird in Blumen einges
Meidet: er eriheint ganz grün; vielleicht erflärt und das, warum ber
Teufel, wie wir früher vorwegnahmen, gern als grüner Jäger auftritt, zumal
er noch andere Züge von Odin erborgt hat.
Die Johannisgebräude bieten, wenn man abrednet, was fi
aus den Mai: und Pfingftfpielen dahin verloren hat, wenig Eigenthümliches
mehr: fie Inüpfen fih meift an das ſchon beſprochene Johannisfeuer.
Nur dad Engelmannstöpfen in Rottenburg (Birl. 99) erinnert an
Baldurs Tod. Doch ift diefe hochheilige Zeit, wo verfuntene Schäge ſich
heben und fonnen, M. 922, alle böfen Geifter ſchwaͤrmen Birl. I, 228,
Erlöfung ſuchende Geifter, namentlich Schlüßeljungfrauen, umgehen, der Gipfel
des Jahrs: der Sommer hat jegt feine ganze Pracht entfaltet, alle Pflan⸗
zen duſten und entwideln heiljame Kräfte, der Gonnewendgürtel (Beifuß),
das Johannisblut S. 243 und viele andere Kräuter von hohen Gaben
unb Gnaden werden zwiſchen Johannis und Marien-Himmelfahrt (Kraut:
weihe) gebogen. Aud das Waßer war um Johannis heilfamer ſowohl
zum Trinken ald zum Baden. Die von Betrarca ‚belaufhte Abwaſchung
586 Iohannisbad. Thaubaden. Chautrinken. 8.145.
der Lölnifhen Frauen, wobei fie ſich mit wohlriehenden Kräuterranken
gürteten und gewiſſe Sprüche herfagten, M. 555, kann um fo eber für
einen Weberreft des heidniſchen Mitfommerfeftes gelten als das Chriften:
thum fie fpäter abgeftelt bat. Vgl. Lunder 254. Nah dem Zeugnifs
des Auguftinus, welches Braun Yahrb. XXIL, 2. 85 anführt, war dieſe
Sitte heidniſch: ‚quia haec infelix consuetudo adhuc de paganorum
observatione remansit;;‘ gleichwohl will fie Braun — man traut feinen
Augen nit — für Ariftlih ausgeben.
Man hielt, jagt Aler. Scholg, Großglogauer Brogr. ‚der Johannisname
und feine Bedeutung‘ S. 9, das Waßer um diefe Zeit für heilfamer ſowohl
zum Trinken als zum Baden. Ein einziges Bad in der Johannisnacht, fagt
man noch heute im Wurtembergiſchen, wirkt fo viel al3 neun Bäder zu anderer
Beit. Die Bäder nahm man im Küftenlande im Meere, im Binnenlande
in Seen, Xeihen, Flüßen und Quellen. Oft werden aud Blumen dazu
geftreut. Neben dem Baden weiſt er eine Betränzung der Brunnen
nad, oft mit feierlichen Aufzügen, Spiel, Tanz und Gefang verbunden,
ferner ein Thaubaden, denn aud dem Thau, namentlih in der Johans
nisnacht traute man heilfame Cinflüße zu, wobei man an die Heren er
innert wird, die ben Thau von fremden Wiefen an ven Füßen auf die ihri⸗
gen trugen wie fie nah M. 1013 aud im Korn babeten. Nach dem
Volleglauben buttert die Milch nicht, wenn der himmliſche Thau nicht auf
dem Futter lag, das dem Vieh geftreut ward. Aus der Kraft des Thaus
fließt es aud, daß von den Menſchen der verjüngten Welt gefagt wird:
Morgenthau ift all ihr Mal. Nach Kuhn WS. IT, 101 muß man aud
am Stephandtage, alfo zur entſprechenden Zeit in der andern Hälfte des
Jahres, Karren mit Hädjel unter den blauen Himmel ftellen, damit der
bimmlifhe Thau darauf falle: dann werden die Pferde das ganze Jahr
über nicht franl, on den wunderbaren Eigenſchaften bes in der Chrift⸗
nacht und zu Pfingften fallenden Thaus meldet ſchon Gervafius (Liebr. 2.
56), und ganz entſprechende Gebräuche in der Johannisnacht werben (Liebr.
1. c.) aus Schweden berichtet. Die Sommerfprofen vergiengen, wenn fie
mit Maithau gewafhen wurden. Dem Thaubaden entfprah fogar ein
Thautrinfen, vgl. Kuhn WE. 165. Jenes aber war in der Johannis
nacht in ganz Guropa Gebrauch. Scholß S. 10. Selbit die Gemänder
wurden im Thau gebabet, und die Leintücher außgerungen und der Thau
in Flaͤſchchen aufbewahrt, wie Aehnlihes im Frühjahr mit den Thränen
des Weinſtods geicieht, die man den Augen heilfam glaubt. In Mar
8. 145. Iohannisfeier. Epletuachet Projcfhon. 587
feille begießt man fih zu Johannis mit mwohlriehenden Waßern. Bom Jos
hannisſeuer ift ſchon geſprochen, gleichzeitig wurden au die Häufer innen
und außen mit grünen Maien und Blumenkränzen geihmüdt und gewiffe
Pflanzen in das lodernde euer geworfen. ‚Quer über die Straßen hin
weg’ wie aud bei andern Feften ‚zieht man Blumenkronen an Schnüren
befeftigt, befrängte Kinderſcharen halten, hier und da noch Tannenreifer
in den Händen tragend und Lieder fingend, Aus: und Umzüge und for:
dern Gaben ein; Maibäume werden errichtet und umtanzt unter fröhlihem
Singen, Hahnſchlagen, Maftllettern. Aufzüge mit einem Rampfipiele zwis
ſchen zwei Parteien, Tonnenfhlagen mit Wettreiten, alle diefe und ähm
lie Beluftigungen Teben noch heute fort.‘ Wie kam es, daß der Tag fo
feftlich gefeiert wurde, mit dem fi die Sonne wieder zu neigen begann ?
Gedachte man nicht daran, daß nun das Licht wieder abnahm, daß Bals
dur zu Hel hinabftieg und die Herſchaft des blinden Höbur zurüdtehrte?
Stäts ift die Sonnenwende als Siegesfeft behandelt worden, wie es in
Natur aller Feſte Tag, Freudenfeft zu fein. Man freute fih der crreiche
ten Polhöhe des Lichts ohne mit Culenfpiegel zu weinen, daß es nun
wieder bergab gieng; dagegen zu Mitttwinter mar man meife genug, nur
an das Wahsthum des wiedergeborenen Licht zu denten. Die Johannis:
nacht, die fürzefte des Jahres, wo im hohen Norden die Sonne nicht uns
tergieng, wufte man durch das Feſtfeuer in den lichteſter Tag zu verwan⸗
deln und fo den vollen Sieg des Lichts zugleich zu fördern und zu feiern.
Als Siegesfeite ſcheint die Feſte diefer Zeit auch die triumphierende Kirche
verftanden zu haben in der befannten Epternader Brozeffion, wo
man Einen Schritt rũdwaͤrts aber zweie vorwärts thut. Der eine Schritt
rüdwärt bedeutet das Gträuben des Winters, dem es nicht felten gelingt,
einen Theil der ſchon verlorenen Herſchaft wieder zu gewinnen, was er aber
mit defto größern Verluften büßen muß; die zwei Schritte vorwärts ben
unvermeidlihen Sieg des Sommers, denn troß des einen zurüdgethanen
Schritts, der den Forfehritt zwar hemmt aber nicht hindert, wird das Biel
erreicht, fo daß diefe hüpfende und fpringende Schauftellung den übers
ftandenen Kampf mit den Mächten der Finfternifs und ihre gewiſſe nun
entſchiedene Niederlage fehr lebendig veranfhaulicht.
Die mythiſchen Bezüge der Grntegebräudhe bewegen fih um ben
Nehrenbüfchel, der unter dem Namen Nothhalm, Vergödendelſtruß, Oswol
oder Vägeltöjen u. |. m. für Frau Göde, Wodan und fein Roſa oder die
Bögel des Himmels als ein Opfer ftehen blieb. In einigen Gegenden
588 Hohe. Eos. Halmboh. Mühe. Oswald. 8. 145.
fprang man über dieſe mit bunten Bändern wie eine Puppe aufgepußte
Garbe, der auch wohl das Vesperbrot der zulegt fertig gewordenen Schnits
terin als ein fernere Opfer eingebunden ward. Im Tyrol darf der
genannte Getreidebüfhel nur mit der rechten Hand gebunden werben. Er
bildet eine Figur, die beide Hände auf die Hüften fügt, die man dann
mit Feloblumen fhmüdt, und mit Brot oder einer Nubel begabt. Dann
ftellen ſich die Schnitter im Kreiß umber oder Inieen nieder und beten:
Heiliger Oswald, wir danken dir, daß mir und nicht geidnitten haben.
Panzer II, 214 fi. Andernorts wird ftatt feiner der h. Maha (Mäher
Messor) angerufen. Wir haben ihn ſchon S. 25 in einem Sternbild
verdreifacht gefunden. Panzer II, 486. An einigen Orten hieß dieſe
Puppe der Halmbod, Banzer II, 225; in andern ‚der Alte‘ und Kuhn
WS. 514 hat durch die Vergleihung englifher Gebräuche wahrſcheinlich ges
macht, daß auch biefer Name auf Donarziele. Nicht anders wird ber Name
‚Beterbült’ zu deuten fein; vgl. aber Kuhn NE. 519. 524. Neben
ihnen tritt Frau Herke ſowohl beim Wintertorn al bei der Flachsernte
bervor. Diefe hat ihre eigenthümlichen Gebräuche wie aud bei ber Flachs-
bereitung unfere Schwingtage (Montanus lc. 42 ff.) zu beadten find.
An den legten Drifhelfchlag Inüpfen ſich Gebräuche, die wieder auf
alte Opfer. deuten. Wer den Iehten Driſchelſchlag thut, muß die Model
vertragen: die Modelift die Kuh; oder die Los, das Mutterſchwein, vie
auch Ferſau heißt, wie auch hier wieder der Name ‚der Alte‘ begegnet. An
andern Orten fnüpfen fi dieſe und ähnliche Ausprüde an das Frucht⸗
Schneiden, alfo unmittelbar an die Ernte. Wer die Model u. ſ. w. ‚ver
tragen’ fol, hat eine auß Stroh gemachte Figur in des Nahbars Haus
zu tragen, wobei er aber felten mit heiler Haut davon kommt. Auch
fonft mufte er ſich noch manderlei Schimpf gefallen lagen, für den er ins
des bei der Malzeit entjhädigt wird. So wirb für den Alten, den eine
Buppe neben dem Dreſcher vorftellt, der Tiſch gededt als wenn fie auch
mit eßen follte: von allen Speifen, die aufgetragen werben, erhält fie ihren
Antheil gleih jedem Andern, aber zum Vortheil ihres Rachbars. In
England heißt dieſe Puppe bei der Ernte Melldoll, was Kuhn WS. 514
auf den Hammer (Miölnir) deutet. Der legte Dreſcher erhält wohl auch
den Kornzoll oder Weizenzoll, Gerftenzoll, nad der Frucht die gerade ger
droſchen mird. In Paſſau heißt dad menjhenähnliche Gebäd, das bei ber
„Driſchellage' gegeben wird, ſchlechtweg der Zoll. Bei der Ernte befteht
die legte Garbe oft nur aus drei Aehren, moran wieder Mythiſches haftet.
8. 145. Drei Achten. Görkelmel. Wodelbier. 589
Drei Aehren führt Dinkelsbühl im Wappen, ein Ort, der nad einer Ger
treibeart benannt ift. Aehnliches begegnet bei Roggenburg, Roggenhaufen.
Drei Aehren ließ die h. Jungfrau aus der Erde wachen um den Plag
einer Kirche zu bezeichnen; drei Achten ließ Frau von Donnerdberg für
die drei Schweſtern ftehen u. ſ. w. Panzer II, 319, Wenn der Rog⸗
gen gemäht ift, wird bei Werl ein Baum aufgerihtet, den man den Hä-
telmei nennt, wofür den Mähern ein Maß Branntwein gebührt. Die
Mädchen müßen ihn, wenn fie die legte Garbe gebunden haben, wieder
umreißen, aber nur mit den Händen. Kuhn WE. 176. An andern
Orten heißt das zulegt eingefahrene Getreide der Hörfelmei. Man jept
auch wohl einen hölgernen bunten Herbſthahn auf das legte Fuder; aud
heißt der Ernteſchmaus ‚Bauthän oder Stoppelhan, Arnehan’; in Schwa⸗
ben wird die ‚Sichelhente‘ Schnitthan genannt, am Lechrain die ganze Ernte.
Kuhn WS. 181 fi. Noch deutlicher weiſt auf ein altes Opfer die Sitte
ber erfte Garbe einen Käfe, ein Brot, einen Kuchen oder Mitfafteneier, Grüns
donnerstagseier einzubinden. Daß bie Früchte dadurch vor dem Mäufe
fraß bewahrt bleiben follen, wird mehrfach angedeutet. 8.185.187. Der
legten Garbe pflegte man auch wohl den Chriftbrand ©. 570 einzubinden.
Daß fi in den neuern Erntegebräuhen im Weſentlichen noch das
alte Opfer erhalten hat, weift R. Reuſch Prov. BL. I, 4 nad. Im Heis
denthum wurde nad Nylolaus Gryſe Wodan bei ver Ernte um gut Rom
im nödften Jahr angerufen. Man ließ am Ende jedes Feldes einen
einen Ort unabgemäht, defien Aehren man zufammenfhürzte und mit
Waßer befprengte. Dann traten alle Maͤher umber, entblößten die Häupter,
wandten ihre Senjen und Wepfteine nad dem Aehrenbüſchel und riefen
den Gott dreimal alfo an:
Wode, Wobde,
Hale dinem Rofje nu ober.
Nu Difel und Dorn;
Tom andern Jar beter Korn.
Jetzt wird nur dem Gutsherrn von dem Vorſchnitter ein mit Blus
men und Bändern gegierter Kranz überreicht, welchen bie Binderinnen
begießen und zugleih aud den Vorſchnitter und die übrigen Mäher. Dann
geht es zum Grntefefte, dad im Medlenburgiſchen Wodelbier heißt. Hier
iſt alfo ver für das Pferd des Gottes beftimmte Aehrenbüfchel zum Erntetrang
geworden, welchen ver Gutöherr empfängt, während die Waßerſpende, wo⸗
mit fonft der Aehrenkranz begoßen worden warb, zur Abkühlung der Schnitter
590 Dentfiger Michel. Rirmes. Bis. 8. 145.
dient. Die Worte: ‚Nu Diftel un Dorn’ u. |. w. verftehe ich als eine Bitte
um eine befere Ernte im kommenden Jahr. Wo heuer Diftel und Dom
geftanden habe, foll dann reihlihes Korn wachſen.
Michael: und Martinzfeft feinen” weſentlich Erntefefte; aber erft mit
dem legtern ift der Wein gelefen und geleltert und ber Ertrag des ganzer
Jahres eingethan. Daß beide Fefte einft heidniſchen Gottheiten galten, ift
wohl nicht zweifelhaft, wenn es gleich fraglich bleibt ob St. Michael Bios
oder Wuotand Dienft befeitigen half. Das Micaelsfeft muß in ben Lan-
den, wo mit dem Ende September. die Ernte vollbracht war, ſehr feftlich
begangen worben fein, ba es biefer Heilige war, welcher dem deutſchen
Bolt den Spottnamen ‚veutfcher Michel‘ zuzog. Dazu veranlaßte offen:
bar das lateiniſche Lied von dem Erzengel, deſſen 6. Str. lautete:
O magne heros gloriae,
Dux Michael!
Protector sis Germaniae u. ſ. w.
Auf die ‚Rirmes’ warb Manches übertragen, was urfprünglid) den
Mai: und Pfingfifeften gehörte; fo in der Eifel die Mädchenverſteigerung.
So ſcheint auch das Kirmesbegraben, das an zwei auögeftopften Puppen
(Hanfel und Grethel) vollzogen wurbe, dem Begraben der Faſsnacht nad:
gebilvet. Am Niederrhein geſchieht es wohl an der Figur des krumm ⸗
keinigen Bachäus, der bis dahin auf dem vor ber Schenke aufgerihteten
Baume, einer Nachbildung des Maibaumes, zur Einkehr geladen hatte. Cr
felbft ift aber Hriftlihen Urfprungs, vgl. Lucas 19, 1—10. Bei der Kir-
mes felbft follte man Zufammenhang nit dem Heidenthum am menigften
vermuthen; und dod läßt der ‚Blo‘, lafen bie ‚Blopfnechte, Blopjungfern‘
bei Panzer II, 242 nicht daran zweifeln. Bei und heißen dieſe Blop-
knechte ‚Reihjungen‘. Der Blo erklärt und vielleicht, warum die Handwerks:
gefellen den Montag bIo zu machen pflegen. Warum follte nicht ſchon
das Heidenthum Tempelfefte begangen haben? Das Zeit des Gottes war
auch das Feſt des Tempels und feiner Diener. Ueber eine eigene Sand:
tirmes, bei der breimaf um die Kirche Sand geftreut wurde, Zynder 234.
Den Feſitagen gegenüber ftehen die Unglüdstage, wenn fie nicht
felber Refte alter Feſte find. In Tyrol Bingerle S. 131 heißen fe
Sähwendtage, im Sundgau Nöttelestage (Alfatia 1852. 126)
Ein Kind an diefem Tage geboren bleibt nicht am Leben ober ſtirbt eines
böfen Todes, Am Schwendtage geſchloßene Ehen find unglüdlih. Jeder
am Schwendtage begonnene Proceſs geht verloren. Verwundet man ſich,
8. 146. Adwendlage. Wötelestage. 591
fo ift das Uebel unheilbar: der Baum ftirht ab, deſſen Rinde verlegt
ward; läßt man zur Aber, fo verblutet man fi. Es foll überhaupt
an biefem Xage nicht begonnen werben. Vermutlich follten fie Tage
der Ruhe fein. Auch St. Leonhardstag 6. Nov. zählt zu den Schwend-
tagen und doch fand diefer Heilige im Xyrol in hoher Verehrung. Bas
Tyroler Verzeichniſs ftimmt meiſtens mit dem Elſaͤßiſchen; doch finden fi
auffallende Abweihungen. In der Zahl 41 bis 42 treffen fie ſaſt zufammen.
Auch die häuslichen Fefte und die an Geburt, Hochzeit und Begräbr
nifs ſich nüpfenden Gebräude follten hier abgehandelt werden. Da man
aber erft neuerdings angefangen hat, dafür zu fammeln, fo können die
mptpifhen Bezüge noch nicht Har heraustreten, und ic erwähnte fie in
der erften Ausgabe nur, um ihnen den gebührenden Plag im Syſtem zu
wahren. Hier will id wenigftens die Grundlinien zu ziehen verfuchen.
$. 146, Geburt,
Wenn durch kräftige Sprüche (Opdrunargr. 8) das Kind vor bie
KAniee der Mutter kam (Sigurdarkw. III, 44), ward es von der Amme
(Hebamme) aufgehoben und dem Vater gebracht, der zu entſcheiden hatte
ob e3 am Leben bleiben follte, wobei e8 aufeine Araftprobe anlam (Weinh.
AL. 268) 5. B. ob das Kind nad) dem bargehaltenen Spieß griff. Doch
wurden wohl nur Mifsgeburten getöbtet. Sobald das Kind irdiſche Speife
geloſtet hatte, durfte es nicht mehr getöbtet werden. Auch Taufe und
Namengebung jhügte. Durch die Beilegung des Namens erhielt das Kind
ein Recht an das Leben. Darauf beruht bie Sitte ben Namenstag zu
feiern, nit auf dem Feſte des ſ. g. Patrons, welcher erft im Chriſlen⸗
thum binzutrat, Ouigmann 257,
Belannt ift, daß fhon die heidniſchen Germanen die Taufe kannten,
wovon wir im eddiſchen Rigsmal ein Beiſpiel ſehen, mo das Kind genept
wir, d. h. ins Waßer getaucht; von Tauchen hat die Taufe den Namen,
Auch war damit die Namengebung verbunden, melde dem Vater ober
nädften Verwandten zuftand; gemöhnlih übte fie der Mutter Bruder,
der in vorzüglihem Anfehen ftand; vgl. Tac. Germ. c.20. Der Namens
gebung folgte ein Geſchenk, was fpriwörtlih wurde, daher man das Ges
ſchenk fogar bei Schimpfnamen zu fordern pflegte. D. 64. Aud in dem
Liede von dem Auszuge der Langobarden $. 108 wird diefe Silte als
Motiv gebraudt: Freyja forderte für die Winniler den Sieg als Namens
592 Mamengebung. Weihe. 8. 146.
‚geichent, nachdem Odin ihr Gemahl fie Langbärte (Langobarden) geſcholten
hatte. So bradte Sigmund feinem Sohne Helgi edeln Lau (allium
victoriale), bieß ihn Helgi und ſchenkte ihm Hringftabr u. ſ. w. und ein
fhönes Schwert, 5. Aw. 1,8. Der andere Helgi, Hiörwarts Eohn, hatte
noch Teinen Namen empfangen, ala ihm Swawa begegnete und ihn Helgi
antebete; da fpra er:
Bas giebft du mir noch zu dem Namen Helgi,
Blühende Braut, den bu mir boteſt?
Erwäge ben ganzen Gruß mir wohl:
Ic nehme den Namen nicht ohne dich.
Bon einem fpätern Geſchenk, dem Bahngebinde, haben wir in Fteys Mythus
ein Beifpiel gefehen.
Bei der Namengebung ſchloß man fi gern an Gegebenes an, in
dem man ben Namen des Kindes mit dem des Vaters durch den Anlaut ober
noch durch Die nächften Laute bis zur vollen erften Sylbe in Verbindung fepte.
So finden wir als Gibichs Eöhne Gunther, Gernot und Gifelber;
in Sigis Geihleht Signe und Sigmund und mwieber ald Sigmunds Söhne
Sinfiötli und Sigurd (Siegfried) ; ald Dietmars Söhne Dietrich und Diether;
als Heribrants Sohn und Enkel Hildebrand und Habubrand, wo neben
der Alliteration noch das zweite Wort der Zufammenfegung einftimmt.
Dft verbindet der Anlaut nur Geſchwiſter, nit Vater und Söhne, . B.
Odin (Wobin) Wili und We; Ingo Irmino Iſtio. Zuweilen genügt
es an jener Einftimmung der zweiten Sylbe, wie bei Kriemhild und Brun ⸗
bild, die obgleich nicht Geſchwiſter doch dem Geſetz der Namengebung folgen.
Einigemal fällt dad dritte Glied aus der Einftimmung heraus, wie bei
Elberich Elbegaft und Goldemar, Herbart Herbegen und Sintram, Rand:
grid Radgrid und Reginleif, wenn gleich bier der Anreim bewahrt ift.
Manchmal vertritt ber Ausreim die Aliteration wie bei Fili Kili, Hrift
and Mift, Goin und Moin, Körmt und Dermt, wo wieder dad dritte Glied
‚und beide Kerlaug‘ ausweicht. Nicht felten ift mit ber Namengebung eine
Weihe verbunden. So ſchenlte Thorolf feinen Sohn Stein dem Thor
und nannte ihn Thorftein, und fpäter ſchenkte biefer Thorftein dem Thor
feinen Sohn Grim und nannte ihm Thorgrim mit dem Hinzufügen, er
folle Tempelhäuptling (hofgodi) werben, Maurer 46. Daher auch bie
vielen mit win endigenden Namen, die mit bem des Gottes beginnen wie
Frowin, Balduin u. |. w. Die Namen des Gottes felbft pflegten Menſchen
nicht beigelegt zu werben. ‚Rein Menſch, felbft kein König’ fagt Grimm
8. 146. SGevatter Tod. Des Eeufels Pathenfhaft. YHimmelswicfe. 698
Altd. Wälder I. 287, ‚führte die heiligen Namen Odin oder Thor; wohl
aber wird aus Thor u. ſ. w. ein Frauenname Thora, Irmina moviert und
nichts binderte, einen menfchlihen Namen mit Thor zufammenzufepen.’
Val. Mytb. 94.°127. Doch beſchraͤnkt Grimm felbft den Sap, indem er
zugiebt, daß ein norbifher König Bragi bieß und bie Namen Berdta,
Holda in Deutfhland nicht felten waren.
An die Weihe, welde in der mit dem Namen des Gottes zufammens
gefegten Namen Tag, erinnert aud der Name Gottihall. Man vgl. was
©. 227 von der Selbftweihe und dem ad geſaz Odhni gejagt iſt. Mit
der Weihe hängt es zufammen, wenn in unfern Märden der Vater des
ebengebornen Kindes ihm bei feiner Armut feinen Bathen weiß, bis er ihm
zulegt ben Tod oder ben Teufel, die an die Stelle der Götter getreten
feinen, zum Pathen wählt; ober wenn er in ber Noth einem bienftbaren
Geiſte das zufagt, wovon er in feinem Haufe nicht? weiß, und dem Heims
tehrenden dann die Frau vertraut, daß fie ſich Mutter fühle. So hatte
fi Odin von ber bierbrauenden Geirhild das verſprechen laßen, mas
wiſchen ihr und dem Faße fei. In einem fiebenbürgifhen Märden ift
Dpin noch deutlich zu erfennen, denn bier begegnet bem armen um den
Bathen verlegenen Bater ein alter Mann im grauen Mantel, ver die
Pathenſchaft übernimmt und dem Kind einen Gtier jhenkt, der mit ihm
am gleihen Tage geboren ift. Diefen Stier laht Odin, den wir ſchon
als Biehhirt kennen gelernt haben, auf der Himmelswieſe weiden, mo er
zu ungeheurer Größe heranwächſt und dann dem Pathen zu großen Ehren
verhilft. Wenn Odin in Walfes Saal tritt und fein Schwert in den Kin⸗
derftamm ftößt, dad nur Sigmund herausziehen ann, fo ift dieß Schwert
als Pathengeſchent zu verfiehen: darum trägt dieſer Welſung aud den
Namen bed Gottes, denn Sigmund ift ein Beiname Odins. So ſcheint
aud der Dradenfampf von Odin auf Sigmund gelangt, und wenn Sir
gurd einmal Frey Freund genannt wird, fo haben wir auch dieſe beiden
als Dradentämpfer gefunden,
Dem neugeborenen Kinde treten die Nomen oder andere halb⸗
menſchliche Weſen, die Wölen, an die Wiege, ihm fein Schidfal zu ſchaffen
oder doch anzufingen. Dabei wird aud das Lebenslicht erwähnt wie wir
das in der Eage von Nornengaſt $. 116 finden. Es ift noch jept Sitte,
ben Kindern bei jedem Geburtätage einen Kuchen zu ſchenken und darauf fo
viel Lichter zu ftellen als fie Jahre zählen. Diefe Lichter darf man nicht
ausblafen, fondern muß fie zu Ende brennen laßen, Kuhn RE. 431;
Ginwot, Myihelagie. 38
5 Keheneii. Bieutlanf. % 14.
Rornageſis Muster blies aber deſſen Licht aus, weil bie jängfte Norn geweis
Pagt hatte, das Kind werde nicht Länger leben als bis jene Kerze verbrannt
fei. Grit als breihundertjähriger Oreis ließ er es mit feinem Leben zu
glei werglimmen, ©. 366. Auch in den Märden wom Gevatter Tod
begegnet und dieſes Lebenslicht und in den deutſchen Vollsliedern ven
den zwei Koönigslindern, die einander lieb hatten, bläR ein Iofes Nönnden
das Licht aus, welchem ver Liebende zuſchwamm und an das fein Leben
geluüpft ſcheint, denn da er dag Lit nit mehr fah, verzweifche es und
ertrank. Hierhin gehört auch des Spiel Stirbt der Fuchs ſo gilt der
Balg. Der Fuchs iR ein Thier von ſehr zähem Leben So lich dis
Gräfin Schad eine Wachslerze, die ihr Lebenälicht bebeutete, einmauern;
aber die Kirche brennt ab und bie Gräfin ftirht zur felben Stunde Mül
Ienhofl 180, vgl, W. Wadernagel Btiär. VI, 280.
Bei der Rinnbetterin muß jede Nacht ein Licht brennen Bid das Lind
getamft if. Dieb bat feinen Bezug mehr zu dem Lebenalicht, es fell nur
werhüten, daß ein Wechſelbalg untergefhoben werbe. Bis dahin darf auch
nichts aus dem Haufe verliehen werden, ſonſt hat das Kind nichts. Meber
ein Kind, and wenn es getauft Äft, darf man wicht wegſchreiten, jonft
bleibt es Hein Bei der Taufe geht man mit dem Kinde dreimal um
ven Altar. Diefe und ſchon betanate Sitte ‚dreimal um dad Heiligthum“
begegnet auch bei ber Hochzeit und felbft bei dem Ginzug ber Dienſtmagd;
nur iſt es bier immer ber Heerd ald Altar des Hauſes.
MT. Hochzeit,
Bei ven Hochzeitgebraͤuchen bleibt und der Brantlanf dunkel, won
dem doch die Feier im allen deutſchen Sprachen, altb. brütloufti, benannt
Ü Nah uralter Sitte mufte die Bram wie noch im ben Nibelungen
Brunhild in Wettfpielem erworben werden. In der Gage von Atalante
ift das Wettfpiel ein Wettrennen; in deutſchen Marchen Hingt es hier un
da noch nad; im andern, namentlid; jenen vom Glasberge, wo manderlei
Brobeftüde aufgegeben werben, begegnet auch die Aufgabe, die Geliebte aus
vielen ihr voͤllig gleichen herauszufinden. In den Hodgeitögebräuden ex
hielten ſich nur vereinzelte Spuren. Nach Kun RS. war es in der Mat
Gebrauch, daß am Schluß des erſten Hechjeitätages Braut und Bräutigam
einen Wettlauf hielten. Der Bräutigam gab ihr einen Borjprang, unb
holte er fie nicht ein, fo durfte er für Epott wit forgen Am diele
6. 147. Btantranb. Brautfeide. 596
der Bahn fanden junge Frauen, die der neuen Genoßin den Kranz ab-
nahmen und ihr die Müpe auffepten. Die Braut umter bie Haube zu brin:
gen, ift auch in andern Gegenden das Beftreben eines Theils der Hoch⸗
zeitögäfte, namentlich der verheirateten, während die unverheirateten fie
daran zu verhindern ſuchten. Gleiche Bedeutung hatte es wohl aud, wenn
man die Schuhe der Braut zu erhaſchen fuchte, welche dann der Braͤuti⸗
gam einlöfen folte. Durch ein Paar neue Schuhe, die ihr der Bräutie
gam anlegte, kam bie Frau In die Gewalt, das Mundium bes Mannes.
RA. 158. Darum ift es die verehrte Welt, wenn vielmehr der Mann
anıter den Pantoffel der Frau geräth. Diefe neuen Schuhe wurden wohl .
in ber älteften Zeit aus der Haut ber geſchlachteten Opferthiere gefer⸗
tigt. Dar die neuen Schuhe und durch die Haube, ftatt welcher im Hil:
desheimifchen (Seifart 155) die Braut ehemals nod ben Hut des Mannes
auffegte, warb alfo die Braut erft zur Frau. "Kuhn ME.IL, 39. In dem
Kampfe zwifhen Frauen und Mädchen erlauften bie Frauen den Gieg
bier und da erft durch eine Weinkaltefchale, in welcher Kuhn 41 einen Reft
des Meinfaufs fieht, indem durch einen Kauf die Che eingegangen ward,
MA. 420, welden der Weinkauf beftätigen ſollte. Er felbft geht auf ein
altes Tranfopfer zurüd, der die eingegangenen Verträge heiligte.
Neben der Sitte des Brautlaufs klingt hier und da nod eine andere
vielleicht ältere nach, nämlich ver Raub ver Braut. Nah Kuhn NE. 433
fol fie der Bräutigam aus bem Kreiſe der Mädchen herausgreifen ohne
fie zu fehen, denn juft hatte man das Licht herausgetragen, was an bie
foeben erwähnten Märchen vom Glasberge erinnert. Wenn aber vor Bei:
ten der Mann fid die Frau rauben mufte, fo hat er ſich jept in Acht
zu nehmen, daß fie ihm nicht unterwegs von der Kirche zum Wirthshaus
geftoplen wird. Bir. IL, 397. 377. Es ift fogar ſchon vorgelommen,
daß man die Braut vom Altar weg ftahl, Birl. 393. Es ift eigentlich
ein Poſſen, welcher den Brautführern gefpielt wird, denn diefe haben bie
Braut zu bewahren. Ein noch alterthümlicherer Gebrauch ſcheint die Brauts
feide, Wolf Beitr. I, 80, der rothe Faden, den die Braut im Havellande
um den Hals trägt, fo wie dad rothfeidene Band um vie Müge, Kuhn
BES. 41, womit ſich der rothe Faden um den Helm RA. 183 vergleicht.
Es if ein Zweifel, daß fie gleich dem rothen Banner bei Hochzeiten,
Müllenhoff de poesi chorica p. 23, und glei dem Feuerbrand nor der
Schwelle, über welhen das Brautpaar fchreiten muß, wenn ed nad ber
Kirche geht, Kuhn NS. 434, auf Donar deuten, deſſen Hammer ja aud
596 Lobiasnädite. Spinurad. Krauthahn. 8. 147.
einft die Ehe einzumeihen hatte. Diefer Feuerbrand muß an einigen Orten
mit den Füßen weggeſtoßen werben, was den Verzicht auf das alte Heerd⸗
feuer noch deutlicher ausſpricht. Die Gitte der hochzeitlihen Schnur weift
Kuhn NE. 522 ſchon bei den Indern nad wie aud die des breimaligen
Ummwandelns des Heerbed, der früher in ber Mitte des Haufes ftand,
während man jept den Feuerhalen (Häle) dreimal um das Brautpaar
ſchwingen muß, wenn die Gitte nicht ganz untergehen fol. Dontanus
100. An ver Stelle des Heerdes findet man aud bie Düngerftätte ger
nannt,
Die Wahl des Dienftags für die Hochzeit fönnte durch die ſ. g. drei
Tobiasnächte, melde, wenn aud nicht unter diefem Namen, ſchon im
Barzival erwähnt werben, bebingt fein, weil die erfte ehelihe Bewohnung
am Freitag, dem Tage der Fria oder Frouwa, Statt haben follte. Dafür
Kann angeführt werden, daß Braͤute, die ihr Kränzlein ſchon verloren, nicht
an den Dienftag gebunden waren. Birl. II, 388. Sind aber die Tobiad«
nächte ſchon dem Heidenthume befannt geweſen? Für ihre meite Verbrei⸗
tung, nicht bloß in Schwaben und am Niederrhein, ſpricht der maͤrkiſche
(Kuhn ME. 359) Kampf um das alte Spinnrad, wobei dem Braut-
paar zugefungen warb:
Che foll die Braut nicht bei dem Bräutigam ſchlafen
Ehe fie den Flache nicht abgeiponnen hat;
Ehe foll der Bräutigam bei der Braut nicht ſchlafen
Ehe er das Garn nicht abgehaspelt hat.
Denn bier ift die Abficht nicht zu verkennen, die ehelihe Bewohnung noch
“einige Tage hinauszufhieben. Darum find es auch bie Junggeſellen,
welde dieß Spinnrad mit aufgemachtem Woden, an bem nod einige Anol:
ten Flachs und eine zweite Spule hängen, in das Haus zu ſchaffen be:
müht find, woran bie Verheirateten fie zu verhindern traten. Daß dieß
am zweiten Tage geſchieht, nachdem die Beiwohnung fhon Statt gehabt
hat, ift offenbar Entartung. Mit diefem Gebraud ift Sitte ded Braut:
hahns verflodten, morunter die Darbringung der Hochzeitgeſchenle ver
ftanden ſcheint. Geht diefer Brauthahn auf ein Opfer zurüd und hängt
ex vielleiht mit dem Bräutelhuhn zufammen, welches die Neuvermäplten,
urfprünglih wohl als ein Opfer für Chefegen, in der Hochzeitsnacht zu
verzehren pflegten? RA. 441. Cin Brauthuhn kommt auch als Abgabe
des Hübner an ben Herrn vor. Diefe Gefchente pflegten ven Tag nah
%. 148. Hille. Ailtgang. clutgang. 597
der Hochzeit gebracht zu werben. In ber Thrymskwida verlangt fie aber auch
die Schweſter des Bräutigams, vermuthlich doch wohl der Sitte gemäß.
Negnet es am Hochzeittage, fo hat befanntlih die Braut die Katze
nicht gut gefüttert, Dieb war bisher der einzige Bezug auf Freyja oder
die ihr urfprünglic iventifhe Frigg, die fi bei der Hochzeit nachweiſen
ließ. Cine zweite kommt bei unferer Deutung des Dienftags als Hochs
zeitstags hinzu.
Der Che geht die Verlobung voraus, die bei und Hillig heikt
fatt hileich, Brautgefang, epithalamium. Bor bie Verlobung fällt oft
noch der Kiltgang, d. h. Abendgang (vgl. kveldrida Myth. 1006),
womit id jedoch dem Kiltgang nichts Unheimlihes andichten wil. Bei
uns heißt er Shlutgang, melden Montanus 100 Schnuhtgang fchreibt.
Der Schlutgang war an gewifie Tage gebunden, milde man Rommtage,
früher Kommnäcte nannte.
148, Beftattung.
Der Pflicht gegen die Todten Ift $. 44 gedacht und hier mur nach⸗
zubolen, daß dem Todten Mund und Augen zuzubrüden in ber heidnifchen
Zeit demjenigen oblag, welcher die Pflicht der Race übernahm, Weinhold
Altn. Leben 474. Daß die Pflicht ver Beftattung eine allgemeine Mens
fhenpfliht war, geht aud aus dem hervor, was oben über die dank—
baren Todten gejagt und in meiner gleichnamigen Schrift, Bonn bei
Marcus 1856, näher ausgeführt iſt.
Daß der Todte nicht zu der Thüre hinaus durfte, durch welche bie
Lebenden ein: ‚und außgiengen, Tönnte mit den ©. 545 beſprochenen Ges
bräuden irgendwie im Zuſammenhang ftehen.
Die ältefte in Deutjhland nachweisbare Beftattungäweife, wonach der
Todte in ein Schifflein gelegt und ven Wellen überlaßen ward (vgl. ©.
299. 445. 458. 461 oben), womit es zufammenhängt, daß Brittanien
für das Tobtenland galt, brauchte nicht aufgegeben zu werben, ald man
die Leichen zu beerbigen oder zu verbrennen begann. Baldur fahen wit
auf dem Schiffe verbrannt, die älteften Särge hatten Schifiägeftalt und
Steinfegungen auf den Gräbern bildeten fie nad. Vgl. Grimm von Vers
brennen der Leihen ©. 52, Müllenhoff Nr. 501. Verbrennung und Beerbis
gung galten wohl lange neben einander; höchftens waren fie nad) Ständen
verſchieden. Die Verbrennung, welche Tacitus allein lennt, galt für vor⸗
598 Scho⸗ſ. Mitverbreunung der Fran. 8. 148.
nehmer, Saro 87 Steph., und war auch Loftfpieliger. Rach Weinh. (Heibs
niſche Tobtenbeftattung 41. 115) wurden aud einzelne Theile ver Leiche
wie Kopf und Arme noch verbrannt als man das Uebrige ſchon beerbigte,
woraus ſich der Glaube an kopfloſe Gefpenfter erklären würde. Ob ber
fpätere Gebrauch, verſchiedene Theile der Leihe an verſchiedenen Gtellen
zu beerbigen, biemit zufammenhängt, Tape ih dahingeſtellt. Der Beſtat ⸗
tung gieng eine Leichenwache voraus, die bier und da nod im Gebraudh
if. Wenn bie Leiche aus dem Haufe getragen warb, pflegte man ihr
Waßer nachzugießen, damit der Geift nicht als Gput wiederſcheine. Kuhn
ME, 568. WS. II, ad. Daß man die Leiche noch jegt auf Gtrob legt,
worüber ein Leintuch gefpreitet ift, unb e3 dann heißt, er liege auf dem
Schoof (Schmig Cifelfagen 66), erflärt uns den manipulus frumenti in
der Steafjage $. 90 und diefe felbft famt dem Namen des Gottes.
Mit dem Gatten ftarb die Gattin wie wir bei Nanna fahen, und
Brynhild urtheilt (Sigurdarkw. II, 59) über Gudrun:
Schiclicher ſtiege unfere Schwefter Gubrun
Heut auf den Holzſtoß mit dem Herrn und Gemahl,
Gäben ihr gute Geifter den Rath
Oder befäße fie unfern Sinn.
Sie felber wollte mit Sigurd verbrannt fein, als deſſen Gemahl fie
fi betraditete :
Bei uns blinke das beifende Schwert,
Das ringgegierte, fo zwiſchen gelegt
"Wie da wir beiden Gin Bette beftiegen
Und man uns nannte mit ehlihem Namen.
Aber nicht bloß die Gattin, auch feine Knechte und Mägde, fein Roſs,
feine Habichte und Hunde folgten ihm auf ben Scheiterhaufen und noch
in chriſtlicher Zeit gieng das Ritterpferd trauernd hinter ber Leiche,
früherhin um auf demfelben geopfert zu werben.
Dem Humengebieter brennt zur Seite
Meine Knete mit koſtbaren Ketten geſchmückt,
Zween zu Häupten und zween zu Füßen,
Dazu zween Hunde und der Habichte zween.
Alſo ift Alles eben vertheilt.
&o faut dem Fürften auf bie Ferſe night
Die Pforte des Saale, die ringgefchmüdte,
Wenn auf dem Fuß ihm folgt mein Leichengefolge.
Aermlich wird unfre Fahrt nicht fein,
$. 148, Keilgenfeite. Leichen ſyicie 5
Am folgen mit mie ber Mägde fünf,
Dazu acht uechte edeln Geſchlechte,
Meine Milchbrüder mit mir erwachſen,
Die feinem Linde Budli geſchentt.
Für die Anchte und Magde ſchien dich ein Wortheil, weil fie fo in
ven Kersenhimmel eingiengen, Weinh. 477. Aber bier war wieder das
Heiventpum milder als das Chriſtenthum, das Keper und Heren lebend
verbrannte, während Brynhild ſich zuvor ben Tod gab, wie es mit Knechten
und Mägven gleichfalls gehalten ward. Signy freilich ftürzt fi lebend
in die Gluth; aber fie hatte auch ihren verhaßten Gemahl lebend ver⸗
brennen laßen.
Nach Beowulfs Leihenbrand warb ein Hügel am Gtrande errichtet,
der den Seefahrern fernerhin ſichtbat blieb. In diefem Hügel bargen fie
feine Afche mit vielen Kleinoden. Damm umritten fie diefen Hügel und
Klagten den Kummer um ben König trauernb,
Erhoben Hochgeſang ben Helden zu preifen
Seiner Zucht zum Zeugnifs, wie es geziemend if,
Daß man ben Tieben Herrn im Liebe verherrliche,
Im Herzen feiere, wenn er hingeſchieben iſt,
Den geliehenen Leib verlaßen muſte.
So beflagten bie fühnen Kämpen Gotlauds
Des Herren Hingang, feine Hausgenoßen,
Der Männer mildeften und mannfreundlihften,
Der Leute Tiebften und Lobgierigften.
Zuweilen geſchah dieß Umreiten, daß an Patrollos Leichenfeier erin-
nert, vor der Beftattung um den außgeftellten Leichnam bes Helden. Als
Attila geftorben war, wurden um feine Leiche Wettfpiele gehalten und feine
Xhaten befungen. Unter Liedern (sisusano) hatten aud die Weſtgothen
ihren in den catalannifchen Feldern gefallenen Rönig Theodorich von der
Walftätte getragen. Bon dem lmreiten des Grabhügels ſcheint noch vie
märtife Sitte übrig, daß man nad der Weerbigung dreimal um bas
Giab gieng und erft von da in bie Kirche, Kuhn WE. 868. Das ‚dreimal
um bad Selligthum‘, das wir bei Geburten und Hochzeiten gefunden har
haben, fehlte alſo auch bier nit. Tacitus verfidert uns, daß der Schei ⸗
terhaufen (bal, Bühf) aus gewiſſen Hölyern (oertis lignis) errichtet wurde.
Nach Olaus M. bediente man fi des Wacholders, der noch fpäterhin
gern zum Häucern verwendet warb und dem Alterthum für heilig galt,
Gr. Berbr. 54, wie er aud in dem befannten Märchen unter dem Mar
600 Burg. Sqhildburg. Gbalus. $. 148.
chandelbom verſtanden iſt. Grimm hat aber 54. 56 nachgewieſen, daß
es einen für heilig geltenden Dornſtrauch gab (crataegus oxyacanthus),
und auf den Dorn weiſt auch das Märden vom Pornröschen, wo die
Dornhede an ber Stelle ver Wafurlogi durdritten wird. Der brennende
Buſch bei Mofes deutet vielleicht an, daß die Leihenverbrennung in frühefter
Zeit aud den Juden nicht unbelannt war. Mit dem Dorn wurde wohl
der aus Eichen- ober Birkenholz, Weinh. 481, geſchichtete Scheiterhaufen
unterflochten, damit das Feuer befer brenne. Daß der Bühl oder Schei⸗
terhaufen mit dem Hammer eingeweiht wurde, haben wir ſchon öfter ges
ſehen. Schon damals nannte man ihn Burg wie er noch jept bei Feſt⸗
feuern zu heißen pflegt. So bittet Brynhild Gunnarn:
Bitten will ich dih eine Bitte;
Ich laß es im Leben bie letzte fein.
Eine breite Burg erbau auf bem Felde,
Daß darauf Uns allen Raum fei,
Die famt Sigurden zu fterben kamen.
Die Burg umziehe mit Zelten und Schilden,
Exlesnem Geleit und Leichengewand,
Und brennt mir den Hunen- Gebieter zur Seite.
und Beowulf bittet Weohſtan:
Einen Hügel heißt mir die Helden erbauen,
Ueber dem Bühel bfinfend an der Brandungsklippe,
Der mir zum Gebächtnifsmal fi meinem Bolfe
Hoc erhebe über Hronesnäfs,
Daß die Serfahrenden ihm ſchauend heißen
Beowulfs Burg, wenn fie die [Häumenden Barfen
Ueber der Fluten Nebel fernhin ſteuern.
gl. meine Anm. 6. 202. Daraus erflärt ſich aud die Schildburg in
Sigdrifumal als ein mit Schilden umfchloßener Scheiterhaufe.
Auf die vielen Urnen und andern Gefäße, die man in romanifche
deutſchen Gräbern findet, Tann es Licht werfen, daf nah Kuhn NE. 435
die Schüßel, aus welder der Todte gewaſchen wird, an einen Ort geivore
fen werben foll, welchen bie Sonne nicht bef&eint; ‚oder man gebe fie den
Todten mit in den Sarg.’ Weber ven Todtenſchuh ©. 139 oben. Die
Bedeutung anderer Mitgaben 3. B. der Schere Birl, IL, 408 und ver
häufigen Nägel ift zweifelhaft. Die Gitte, dem Todten den Obulus mit
äugeben, ift auch in Deutihland befannt, Wein. 493; fie Hingt ſelbſt in
dem Fährgeld nach, daß bie abziehenden Zwerge, die Seelen ver Verſtor⸗
%. 148. Santafeine. Erbmel. 601
benen find, entrihten, Auf den Hügel, er mochte bie Lelche ober bloß
die Aſche enthalten, fegte man Steine, die ſ. g. Bautafleine. Davon
heißt es im Hawamal 71:
Ein Sohn ift befier, ob fpät geboren,
Nach des Vaters Hinfahrt;
Bantafteine ftehen am Wege felten,
Wenn fie der Freund dem freund nicht ſetzt.
Stirbt der Hausherr, fo muß fein Tod nicht bloß dem Vieh im Stall
und den Bienen im Stode angefagt werben; auch die Bäume foll man
ſchutteln und fagen: ‚ver Wirth ift tobt,’ fonft gehen die Bäume aus. In
Genna (Kuhn WE. II, 52) fagte es ein Nachbar dem andern an; ber Iepte
mufte es einem Cihbaum ſagen: fonft hatte er bald eine Leihe im Haufe.
Hier und da fol auch das Korn auf dem Speicher umgeſetzt, ja der
Bein im Faße gerührt werben, damit fie nicht verderben.
Das Leihenmal hieß auh Erbmal, weil die rechtliche Befigergrei-
fung des Erben damit verbunden war. Daß dabei Opferthiere geſchlachtet
wurden, ift ſchon aus den frühen chriſtlichen Verboten zu fließen. Den
dabei im indiculus superstit. gebrauchten Ausdrud dadsisas erflärt
Grimm M. 1178 von den dabei gefungenen Zrauerliebern, was um jo
wahrſcheinlicher ift als wir aud das Hochzeitsfeſt von den Hochzeitliedern
benannt fanden. Nach demfelben indiculus ſcheint man aud auf dem
Todtenhügel jährlich ein Opfer dargebracht zu haben.
Aaskereia 216.
Abbas invenum, a, laotitias 564
Abel, 2. 218. 228.
Abendröt 441.
Wbendröthe 80,
Abraham 227.
Abihrodrung 518. 582.
Abihmwörungsformel 172.
Abt von St. Gallen 474.
Abundia 244. 386.
ao, 58,
Adıt Theile 20.
Adergeräth 212. 226.
abı .
Adam 581.
Abier 81. 41. 174. 306.
Abonis 223, 243.
Abvent 33. 574.
Adventſau 560.
Ael der Erinnerung 359.
Aelwalbi 431. 438.
Aequinoction 577.
Aer, Rune 293.
Aeeikansfäue 529.
Afterpoefie 243.
Agde Jarl 280.
Agez 434. 461.
Agnar 861. 877. 382.
Agni 412. ,
Agfein 41.
nfran 880. 414.
Achrenbuſchel 320. 368.
Ai 301. 812. 828.
elah 525.
alahirzi 856.
Alb 448. 457. 499.
Alberih 468.
Albleich 468.
Albruna Fu 536.
Albzopf 548.
Ab zuzuſchicken 459. 498,
Regiſter.
Alci 816. 824. 341. 581.
170.
Alf von Alfheim 489.
älfablöt 445.
älfar 441.
Afeim 346, 444. 450. 451.
Alfhild 181. 439.
fe 29.
Alfrit 465.
Ali 309. 313.
Algofdene 281. 897.
Alltteration 286.
Allvater 152. 164. 178. 180. 308.
Alnofen 187. 218.
Alcaun 202. 480,
Alſwidhr 22.
Alte, der 388. alte Frau 580.
Alter Kaifer 165.
Altes Heer 215.
Altfeind 144.
Alttönig 252.
Alubreng 439.
Alven 387.
Alwaldi 431. 439.
Alwina 404.
Alwis 43. 255. 450. 455.
Ambri und Aſſt 382. 586.
Amelmehl 266.
Amelungen 266.
Amelungenhort 411.
Amicus und Amelius 326.
Aıhleth 266.
Ama 301.
Amfwartnir 105.
Aemterauslooßung 583.
Andachten 311. 869. 567.
Andhrimnir 48. 208.
Andlange 50. 166.
St. Andreas 584.
Andſegg 191.
Andwaranaut 202.
Andwari 54, m 465.
Angang 188. 545.
Angelichnur 282.
Angenja 302. 338.
Angurboba 103. 334.
ans 178. 209. 257.
Antichrift 144. 161.
Antiloys 474.
Apfel vermittelt Zeugung 198.
Apfelſchuß 268.
Aepfel 38. 65. 72. 462.
Apollo 174. 2 247.
aptragänga
Aguila und ERuo 32.
ara Ubiorum 265.
Arcturus 229.
Ares 298.
Aresdiener 289.
Argiöt 305.
Armenien 308.
Arminins 807.1x-
Armeing 210. 469.
Arneham 589.
Arnhöfdi 200.
St. Arnold 554.
Arnum, Graf 419.
til Ars 519,
Artemis 222.
Artus 218. 316.
Arwalr 22.
Aryama 308.
Afabrägr 251. 881.
Aschanes 34.
Afchenbrödel 25. 471.
Aſchenklas 660.
Alenfad 559.
Afchentagger 471,
Asciburg 315. 817. 370.
Afega 329.
Ale 177. Name 178. Ginwenberung
209. 234. 260.
Afenfürft 251.
Afenheim 44.
Aenflärfe 282,
gar 48. das alte 158. 200.
‚ardreida 216.
a 86. 815.
Asmunb 187. 426. 489.
Asprian 439,
Aftinge 826.
Aftlod 457.
Athanari 530.
Atla 808. 838.
Ali 252. 397.
Atridr 188. 203.
Attila 252. 299. 401. 587.
Attys 222.
Agmann 540.
Aub, die reihe 411.
Aubhumbla 17.
Auddun 469.
Kugapet 495.
ıgenbrauen 20. 86.
u Hund 226.
Auften 404.
aura levatitia 541.
Ausfat 520. 549.
Auſtri 20.
Authari 196.
Art 329, eingehadt 225.
Badwerl 528.
Bacon Baden 357.
badi 868 518.
bal Bühl 599.
Balder 323. 462. 476.
Balderus 191.
Baldewin 206.
Bälbäg 30. 95. 190. 324. 340,
Balduin von Flaudern 355.
Baldur 30. 78. 81. 86. 89. 94. 96,
150 164 189. 309. 324. 386. 509.
Zages- und Sonnengett 397. ullere
Freund 318. 319.
Baldurs Blut 249. Grab 221. Duche
222. Rois 174. 823.
* Baleigr 142. 189. 460.
Balten 552.
Ball, Balljpiel 578.
Balmung 220.
Baltero 324.
Baltram 326.
Balwiſt 459.
Bann 294.
Banner, rothes 596.
Bär 271. 586.
Barends 220.
Bärenhaut 548.
BVärenbäuter 508.
Bärenfehnen 104.
Bärenfohn 287.
bardhi 839.
barditus 339. 546.
Barri 65. 72. 575.
Fir 472. 560.
Bartholomäus 418.
Bartruf 255.
Bafiliet 555. 580.
Bauern 252.
Baugi 240. 245.
Baumcultus 506. 511. 528. 601.
604%
Banmeifter 55. 508.
Baufagen 59.
Bautafteine 601.
Bealteine 324. 571.
Beam 817.
Beten 414. 558. 571.
Bedentnedht 4. 25.
Bedeca 190.
Befana 414.
Begraben 318.
Beichte 472. 508.
Beilalter 125.
Beinamen 168.
Bel 324.
Beldegg 190.
Belderberg, Belderbuſch 329.
Beli 66. 73. 134. 208. 248. 847.
358. 434.
Vendir, Hans 474.
Benfozia 418.
Beowulf 435. 581. 659.
Berche 414.
Beräta 322. 389. 399. 402. 445.
. 578.
Pre Wagen 218.
Berchtentag 404. 413. 414. 580.
Berchtold 410. 413. 560.
Berchtung von Meran 410.
Berg, Unterwelt 209. 250. 350. 465.
Mann vom Berge 208.
Vergelmir 18. 102. 428.
Bergentrudung 160. 351.
Bergkryſtall 466.
Bergmännden 450. 454.
Bergmönd; 454.
Bergriefen 56. 253. 428.
Bergihmieb 465.
Berhte mit dem fuoge 409. 499.
Berndietrich 217.
Bernhard 217.
Berferfer 80. 486.
Berta 401.
Bertha die Spinnerin 218. 409.
Bertha, 2. d. Gr. Mutter 855. 409.
Bertha von Nofenberg 414. 478.
Bertilianas Wallfahrt 549.
Beihwörungen 65.
Beſen 497.
Beftattung 129. 318. 597.
Beſtla 17. 236.
Bett Altar 368. 428. 503. 518.
Beyggmir, 430. 448.
Beyla 434.
Biarti 210.
Bibung 458.
Bienen 601.
Bienenwolf 460.
Bierbrauen 385. 401. 458.
Biflindi 184. 189.
Bifröſt 31. 129. 228. 304.
Bil 28.
Bilder 330.
Bileigr 169.
Rileiftr 23. 99.
Billings Maid 251.
Bilfenfrant 542.
Zilfenfchneider 458.
Bilffirnir 46.
Bilwiſi 459.
Bilwiß 458. 548.
Dinger Loch 466.
Binfebant 495.
Bin 258. 440. 467.
Birkenbaum 163.
Birkenholz 600.
Birnbaum 48. 162.
Bißen Kaſe 544.
Blaſerle 448.
Bläfter 58.
Blaue Blume 415.
Blauer Montag 590.
Blauer Stein 520. 585.
Bid, böfer 446. 495.
Blidgerus 875.
Blinde Thiere 545.
Blig 69. 258.
Blo 590.
Blodsberg 495. 573.
blödmönadh 54.
Blödughöft 174. 208. 323.
Blogfnechte 890.
Blümdenblau 495.
Blumengraf 581.
Blutbäume 510. 511.
Bfutradhe 85. 211. 881.
Bluts bande 168.
Bluiſchink 436.
Blutotropfen 248.
Blutunterjchrift 502.
Bod 259. 459. 565.
Bod lahmt 269. 288.
Bod mit vergoldeten Hörnern 396.
528. 565.
Bodsaugen 276.
Bodsfuß 260. 601.
Bodshorn 565.
Bodsritt 494.
Bodmann 392.
Bobn 239. 244.
Bögeln 549.
Bohne 414.
Bohnenbfüthe 495.
Boldermann 214. 560.
Zölthorn 236.
Bdlwertr 189. 240. 245.
Költoift 189.
Bolgenfehlagen 571.
bona domina 413.
Bönloper 484.
Bonſchariant 447.
Boot 19. 275.
Bör 16.
Bornhofer Andacht 364.
Boͤrſe 553.
Böfer Blid 446.
Böten 537. 547.
Botenamt 534.
Bous 311. 316.
Bragi 74. 77. 88. 175. 216. 330.
Bragi, König 595.
Bragis Beer 524. 575.
Bragr 830.
Brahma 227. 452.
Brand ober Brond 94. 190.
St. Brandan 452.
Brandons, föte des 571.
Brandr 512.
Braunschweiger Sage 199.
Bräutelfuhn 596.
Brautgeichent 63. 597.
Brauthahn 596.
Brautlauf 584. 59.
Brautraub 595.
Brautfeide 595.
Brawallaſchlacht 209.
‚Bregovinet 206.
Brei, füßer 414.
Breibablid 50. 86.
Breide 300.
Breisgau All.
Brennalter 350.
Brimir 15. 158.
Briſing 570.
Brifingamen 305. 359. 861. 368.
881. 386. 411. 412.
Britanien 314. 457. 697.
Brod 101. 173.
Bröfelbart 191.
Brosinga mene 411. 412.
Brude, lederne 365, goldene 279.
Zrüden 280.
Brädengott 253. 815.
Brüdenipiel 23.
Brudermord 130. 147.
Brunehault 230.
Brunhildebette 603.
Brundildeflein 406.
Brunhildeſtraße 385.
Bruni 206.
Brunichildis 230.
Brünne 193.
Brunnenhold und Brunnenftart 326.
Brunnenholde 465.
Brunnenipringen 580.
Brutpfennig 202. 481.
Brynhild 180. 229. 336. 371.411.598.
Bucftaben 234.
Zubli 599.
Zui 309. 816.
Bui Weſetis Sohn 440.
Bullerclas 560.
Yullermann 476.
Burenelaes 567.
Burg, Sceiterhaufen 600.
Burgbrennen, Burgaub 572.
Buri 240.
Burkard 317.
Burlenderg 411.
Zuridenfdaft 553.
Buſch, brennender 600.
Buſcharoßmutier 460.
Butt 19.
Butte, Buttmann 471. 476.
Buttmaden 171.
Büge Butzt Butzemann 471. 477.
Byrgr 28.
Cacus 224.
Caerinthie 410.
Cain 219.
Cappa St. Martini 248. 688,
Carnaval 388.
Caspar 472.
St. Caſſiushunde 496.
Caftor und Pollug 316. 824.
Chaideruna 87.
Chalvaricum 568.
Chariwari 568.
Charmer und enchanter 585.
hatten 196.
Cheru 297.
Cheruster 298.
Chiemte 471.
Childerichs Grab 469. 571.
Chreoburgio 572.
Chriemhildegraben 407.
Chriſtbrand 589.
Spriftian IL. 217.
ẽhriſtnacht 677.
Chriftophorus 279. 366.
Chriſtſchwein 560.
Chriſtus und Petrus 227.
Cimbern 536.
St. Clemens 574.
Kleve 317.
Clobes 471.
Clojo 497.
copcessa animalia 519.
Coralle 466.
Srawall 583.
Cultur 254.
Cunneware 349.
Cyclopiſche Mauern 508.
Dachſe 400.
Dädalus 461.
dadisas 601.
Dagobert 369.
Zaßobert Sognis Sota 195. 210.
Dain 87. 445.
Dainsleif 98
dallr 308.
Dalr, Hirfd 303.
Dan, König 221.
Danewirte 45.
Dantopfer 497.
Darmfjen 461.
Daumen 198.
Däumerling 287.
Daumesdid 287.
Däumliug 972.
Zeecbatus, oe:
Dellingr
—— arts 29.
Demeter
Det mit ve Beet 217.362. 418. 558.
Dejenbesg 490.
Dövesfteig 400.
Dexiva 417.
Diana 217. 241. 386.
Dichtung 836. 684.
Diebestunft 269.
Dienftmagb 594.
Dietleib 450.
Dietmar Dietrig Diether 592.
Dietrih 161. 217. 322. 864. 414.
PR 454. i
ietrich ber ſchone, ber unt ne 325.
Dinge 526. 549. sehe
Dinger 325. 495
disablöt 537.
Difen 91. 378. 490. 498. 537.
Difenberg, Difibodenberg 490.
Dod 89.
döckalfar 444.
Dobelalogie 174.
Dolb 19.
488.
Döllinger 28.
Domaldi 411. 520.
Domfage 57.
Donar a. f- hör.
jonar, Flur» und Henn! jott 473.
St. Donat 20 ”
Donaumeibchen 466.
Donnerärte 257. 290.
Donnerbart 256. 271. 295.
Donnerbiftel 256
Donnereidhe 256.
Donnerpuppe 256. J
Donnersberg 261. 265. 271.
Donnersmart 262.
Donnerstag 370. 473. 508. 571.
Donnerstagstoft 571.
Donner ſtein 551.
Donnerziege 256.
Dorfgeipenfter 489.
an 866. 384. 687. 600.
ornftrauch, Heiliger 600.
Dorsheim 251.
Dorstag 251.
Dorbberg 251.
Sr
rar lampf 259. 582. 598.
Tradenns föpfe 874.
Dradentödter 248.
Dräf 479.
draugr 486. 488.
Draupnir 65. 66. 81. 82. 89. 90.
173. . 202.
Dreki 153.
Drei Achren 589.
Drei Schüße 419.
Dreibeinigleit 489. 501.
Dreitönigeabend 577.
Dreifönigefucen 414.
Dreizahl 169. 178.
Dreijehn 174. 286.
Dreizehnter 174. 229.
iſchelſchlag, Drif e, i
henke 588. a Dil
Dröma 113.
Droffelbart 191.
Drub 459.
Drudenmeibel 386.
Druiden 87.
Drus 426. 603.
Drutenftein 551.
Diümfe 229.
Dunfelalben 448.
Dunner Garen 298.
Durdtriehen 509. 640.
Durin 450.
Durs 420.
Dürft 206. 248.
Dutten MT.
vergar 444. 459.
dvergmäl 468.
Dwalin 37. 445. 450.
Car, Rune 29.
Ebbe 276 488.
&benröt 110. 441. 452.
ber 25. 220. 824. 356. 357. 450. 483.
Ebereſche 337. 610.
Eberhelme 838.
hernburg 222.
Cberritt 493.
&berrüßel 204.
Eberſchiulen 220.
Eberſpeck 548.
Day 245. 824.
&cho 466.
Echternacher Prozeffion 558.
&dart, der getreue 189. 217. 444.
&de 100. 286.
Edenſachs 339. 446.
Edd 160.
Edda 301.
6t. Edigna 512. 588.
Egbir 432.
je 212.
ei 452.
egisgrima 840.
Hr 199. 258.
jebrecher 148.
Ehegott 201.
Shelofigtei
Ehren 269.
Ehrenbreitenftein 309.
Ehrenfiy 81. 852.
ibe 320.
Eiche 511.
Eichenholz 600.
Eihhörnden 256. 566.
Eide 17. 579.
Cidegfe 490.
Siesleitung 368. 608.
Eigil 24
pe * 1. 308. 389. 462.
11,000 Jungfrauen 369.
Eimeie 9 440. ei
inarıni inängigleit 294.
Einbett Sie Warbett 388.
Einbettenberg 370.
Einheriar 216. 220.
ir 338. 546.
Eirgiafa 803. 338. 546
Eirit 206. 207.
Eifa 440.
Eiſe, Meifter 268. 402.
Eiſen, Frau 389.
Gifenbertha 390.
Eifengebüfd; 26
Eiſenhandſchuhe 141. 258. 277.
Eiſenhans 403.
Cifenhütel 474. 482.
Gifenfühle 22.
Cifenfguß 141.
Eiferner Dann 463.
Eistla 362.
Eterten 452. 473.
Elbegaſt 44.
Elbenſalbe 547.
Eiberih 447. 450. 451.
Eibjguß 457. 495.
eldborg 572.
Eidhrimnir 48. 208.
Eldir 434.
Elementardienſt 507.
Eifliht 487.
Ciffier 469.
Elias 144. 290.
9. Eliſabeth 183.
X. Ciifabeth 396. 567.
Eliwagar 14. 256. 266.
Eli 273. 276.
Ellida 434.
&is, rauhe 378.
Eifentroje 318.
Elſter 498. 541. 646.
Eifterncultus 513.
Embla 33.
St. Emmeran 314.
England 457.
Enterifch 426.
Ent Enz 426.
Entfehen 446. 467.
Enzenberg 426.
Enzjungfrau 409.
&or 172. 222.
Eor, Rune 298.
&orl 302. 807.
Cormenrid 190.
St (Heru) 294. 801.324.
Era 398. 401.
Erbarmen 514.
Crbbegen 468.
Erbmal 524. 601.
Erbſchlußel 544.
Cibfen 571.
Erce 400.
Eröhenftein 561.
Erctag 291. 297. 802. 826.
Erde 172.
387.
808
Erdgottin 67. 201.
Erdmutter 334.
Erendelle 269.
GEresburg 289. 297.
ic, Schmedentönig 195. 228. 297.
Erichegaße 228.
Eitelen, 400. 510. 529.
Srlöfung 373.
Ermenfulen 289.
Grmingeftrete 306.
Erna 802.
Erneuerung 150.
& .
&sn gescot 548.
Eie 168.
&jel 522.
Etelmutter 512.
Eticho 350. 388.
&tel 161. 252. 297.
tel, Berg 252 291.
Eugel 270. 452.
Eueufpiegel 33. 887.
&wart 532.
Ewig jagen 218. 226. 864.
Ewiger Jube 142. 225. 226.
Ewiges Leben 145.
Ewiges Licht 569.
Erfiern 498.
Erfternfteine 498.
Eyfein 518,
jabian Sebaftian 578.
jadtel«, Ferkeimachen 488.
jaden 864, rother 595.
‚afnir 371. 372. 378.
‚ahl 501.
Fährgeld 600.
Fairguneis 254. 285.
alten 32.
‚altenhembe 31. 277. 861.
jangten 438.
jallada 544.
jaofensfeuer 572.
arbauti 102.
jarmatyır 88.
‚arnfame 610.
afeltsfaufe 441.
Faſold 228. 441. 452,
ak, großes 360,
;aftenfeuer 578.
;aftenipeife 561.
jats (tria) 305.
auſtſagt 200. 206. 260. 267.
echten 414.
ederhemd 268.
;en oder Feien 182. 367.
hmollen 562.
eibach 369.
eierabend 24.
Seinen 367.
eirefiz 335. 402.
eld
eidgotier 459.
eidauber 542.
enesleute 449. 460.
Fenggen 488.
go 226.
ienja 266. 550.
ienrir 26. 98. 106. 249. 277.
ienfalir 49. 79.
ferarım imagines 529.
jerenand getrü 326.
'ergunna 254.
Sn 588.
ehelung, ſymboliſche 510.
Geftfeuer 567.
detialen 196.
5 das Beſte 508.
ieuerbeiprechen 540.
euerbrand 595.
euerdienft 508. 568.
Feuerhalen 596.
‚euerhölle 159. 319. 822.
ierrad 570.
uerzündung 570.
sialar 239. 243. 245.
ides Spes Caritas 868. 369.
Fieber 547.
Bil: 245.
Simbuftge 150. 152. 181. 200.
Fimbulwinter 91. 124. 146. 152.
Finnen, ae 310.
Finfternifie 24.
Siölfyngi 638,
iölnie 150. 343.
gen 561.
lachs 399. 400.
liege 101. 502.
lügelihube 474-
under 116-
öhre 612.
olhans 204.
‚old 501.
ioltwald 348.
önn 431.
fonticolae 507.
formae 529. -
forneotes folme 550.
fornfredi 538.
jorniotr 15. 394. 431. 448.
orniots Söhne 99.
orſeti 48. 175. 189. 329.
orjpiallstiodh 76.
ortunat 201. 512.
ofiteland 329.
effegeim 439. 468. 502. 503.
Foſtri 254.
Srafaftenthier 489.
ranängr 111.
ranfenland 190.
ranffurt 58.
;tanmar Jarl 512.
Heu Werthſchatzung der 535.
Fan a 43. 348. 360.
rauenherz 332.
räuja 530.
Frea 106 206 360. 382
reyfari 513.
Fregja Frouwa 62. 81. 304.
8357. 374. 381. 416. 429.
491. 525. 573.
‚eyjubagr 361.
‚regt (&r6) 64. 81. ®, 9
163. 173. 177. 203.
— Dradentämpfer Fe
98 Freund 593.
98 Prieſterin 535. 556.
— Spiel 346.
— Wagen 252. 530.
ia 857. 361. 512.
ricco 172. 174. 361.
vida 402. 413.
idhuwald 348.
ribleif 349. 366.
t. Fridolin 540
iedensbrecher 109. 294.
iedensihluß 176. 238,
iebhäfe 527.
Gimzsd, Mythologie.
Friedriche 161. 218.
riedrich von Schwaben 409.
. ren Ausgeberin 404.
‚riejenrecht 329.
rigga.249. 977.
‚rille 284.
tig, der afte 219.
ro 217. 280. 361. 581.
röblot 348.
rödi 349. 433. 550.
Frodis Frieden 54.
Fromut 418.
Sronfaften 206. 489.
Sronfaftennagt 489.
Sronfaftenweiber 225. 489,
roſti 394 412. 481.
one 349.
Froumwa 201. 565.
Sröwin 190. 206. 352.
Srühfingsfefte 578.
Fruote 349.
Fuchs 256. 566. 594.
Fuctelmänner 487.
Fuhrmann 229.
Fuld 340. 501.
Fulla 90. 386.
unafengr 434.
ünffingerfcaut 550.
unfzehn Zeichen 146.
Sunfenfchlagen 557.
‚unfentag 571.
furor teutonicus 186.
Sußipuren 503. 553.
De Mai 588.
Ki 493.
igien 83. 879.
Gabia 398.
Gadebaſſe 585. .
Gadelam 585.
Galar 239. 242. 245.
galdr 534.
Galgen 238.
Satdenmänntein 202. 480.
Galmy 322.
Gambantein 311. 416.
Gambara 383. 536.
Gandarven 246. 448.
Ganglat 334.
Sangleri 189.
Gänge 481.
Gangradr 154. 183. 189. 248.
Gangrl 450.
Sänfe 491.
Sansbein 544.
Ganefuß, Königin 410.
39
so
Garde 314.
Gardaſee 826.
526.
gards 3
Sarbrofwa 418.
Garm 27.
Gaftfreifeit 227. 275. 523.
Gauch 516.
Gaube, Gauden 217. 226.
Gaue 185. 894.
Gaut 170. 188.
Gawadia 398.
Seat 190.
Geban 362.
Gebärmutter 540.
Gebeleizeis 521.
Gebet 506. 518.
Geburt 591.
Geburtstag 503.
Gebütt 522.
Gedenberntden 557. .
Gefion 362.
Gefn 361. 362. 442.
Geirhild 206.
Geirröbhr 187. 206. 277. 280. 819.
332. 425. 441.
Geirröbhsgarb 277.
Geirwimul 279.
Geifterfichtig 210. 467.
Gelder 92.
Gelgia 105.
Gelte 436.
Gelubde 93. 524. 875.
Gennãachte, Gomachten 577.
Genovefa 322.
Geofon 379.
©t. Georg 248. 249.
Gerade 395.
Gerda 64. 66. 203. 235. 811. 880.
Gereonstift 398.
Gerhabe 538.
Gerhard 309. 815.
— , ber gute 478.
— von Holenbad; 200. 801.
Gerihtebaum 41. 407. 526.
Gerihtsmal 552.
Gerichtsſchwein 852.
Geroldsed 215. 218.
Gerolt 309.
Gerret 309.
Gerjemi 417.
Gerftenzoll 588.
Gertrud 891. 392. 484. 516. DM.
629. 682. 557. 579.
Gertrubenminne 391. 898.
Gertrudsvogel 28. 58. 892.
Geruthe 266.
Geruthus 278. 425.
Sernones 224.
Geſchwiſterehe 341.
Sefecg 191.
Seſpenſter 487.
Geht der Blinde 474.
Gefirndienk 25. 514.
Seten 617.
Gevatter Tod 206. 598.
Gevatterſchaft 206.
Sewar 91.
Gemwittergott 67.
Sfrörer 202.
Gioflarbrüde 81. 279.
Siollarhorn 281.
Giälp 278. 280. 302. 838.
Gibid) 188. 453.
Gicht 588. -
Gießvogel 615.
Silbe 621.
Giling 239.
Simil 45. 150. 168. 156. 188.
GSladsheim 51. 187.
Slapfwidr 189.
Glasberg 50. 158. 203. 448.
Slafır Hain 48.
@läfiswalr 280.
OBleipnir 104.
Slem 21.
Slerhimin 48. 399.
riir 3, in
Glode als Schlafmüge 287.
@loden 257. 469.
Slogenhaß 447. 496.
Gldd 440.
Glüdshaube 188.
Glüdsftern 183.
Gnä 418.
Gnipalund 280.
Onypahöhle 186.
©öban 185. 296.
Goöde 185. 217. 898.
Göde, Bathin 538.
Gobenelter 185. 265.
Sodenhaus 185. 265.
Sodenowa 185.
Godesberg 186. 288.
Sodi 638.
Gdi 89.
Sodiblot 394.
Soin u. Moin 37. 592.
Soldalter 51. 158.
Soldemar 447. 451.592.
Goldferh 352.
Goldhirid 356.
Soldlicht 434.
Selemiche, awölf 61. 198.
Goldſtüd
FANG ofdrotrfe 61.
Soldwälche 412.
Sollfteine 406.
Göndul 378.
®or 393.
Gormo 274. 278.
Gormonat 394.
Goſe 476.
‚Otesslac 548.
otland 262.
Gott 168. 169.
—, allgemeiner 289. 814.
—, unausgefprohener 51. 153. 170.
Götterbilder 520. 526. 648.
Götterbämmerung 113. 124.
GSötterlieber 530.
Göttermutter 339. 357.
Götterpferde 174.
Götterfprachen 255.
Söttermagen 212. 544. 558.
Sottestraht 557.
Sottſchalt 593.
Gräfin 870. 396. 866.
Srafwitnie 97.
isivauc 186,
Graite 837. 896.
Gral 244.
Granı Odins 195.204.
Sram Schwert 208.
Granatlörner 279.
Grani 71. 203. 219. 588.
— Sigurds Hengft 194.
Granmar 196.
Graswaldane 186.
Srauer Rod 267.
Graumann 501.
Sredel in der Butten 532. 580.
Sreifenfage 280.
Greip 199. 278. 302. 388.
Greife getötet 258. 5BB.
Grendel 331. 339, 486. 488. 489. 569.
Grenzbäume 406.
Srengraben 407.
Grete 337.
Gridh 277. 280. 856. 892. 411.
425. 531.
Griete 337.
su
rim umb Hilde 899.
ma 889.
rimur 189. 202.
Grimnir 187. 189. 227.
Srintenſchmidt 461.
Griottunagardr 262.
Groͤa 263. 265. 298.
til grödrar 519.
grögaldr 312.
Sıoningafund 268.
Grönjette 219. 501.
Sroſchen 226.
Großmutter des Teufels 283. 286.
Orottenlied 349.
©rotti 266. 349. 364.
Grund 280.
Grüner Jäger 501.
— Mann 585.
Grüne Wege 228. 805.
©ualdana 186.
Gübid 453.
Sudenau 185. 265.
Gudensberg 213.
Gubmund 279. 280. 425. 497.
Gudr, Gundr 392. 551.
Gudrun 878. 381.
Guerbett 368.
Qudfiöbr 29.
Gullinburſti 81. 178. 340. 856.
Gulltopr 81. 305.
Gulfioeig 52.
Gumprecht 464.
Gunberebe, Gundermann 551.
Gundr 379.
Sängnir 131. 173. 190. 199. 204.
281. 323. 472.
Gunnar 328.
Sunnlödh 240. 243. 246. 330. 388.
Gunther Gernot Gifelher 592.
@uro 219.
@uftr 448.
Gütden 475.
Gwödan 185 860. 882.
Gwydion 186. 229.
Haarfämmen 85.
Haberfeld, Haberfell 568.
Habichte 192.
Habonde 386.
Hahn 411.
Hadelberg, Hadelbernt, Hadelberend
612
192. 198. 200. 209. 217. 220.
225. 243. 260. 324. 348. 851. 392.
Hadelmai 589.
‚Habbing 192. 826. 365. 602.
Habu 93. 94. 309.
daſdi 262.
Haferbräutigam 558.
Haferweihe, 871.
Hafrabröttin 252.
Hafafru 465.
Haften und Vande 113.
Hagberta 442.
hagedisse hagetisse 490.
Hagen 92. 391.
hägtessan gescot 548.
Hahn 321. 407. 508. auf dem Kirch ·
thurm 306.
Hahnenfeder 260.
Hahnenfrat 46. 67.
Hahnfahlagen 587.
Hain Freund 526.
Halfdan 430. ber alte 205.
Halfiage 385.
Halja 838. .
Hallfeuer 591.
Hallinftidi 305.
Halmbod 588.
Hälogi 440.
Halsband 216.
hamar 257.
hamingia 879.
Hamlet 266.
Hammer 262. 257. 277 501. 529.
Hämmerlin 502.
Hammermweihe 62. 534.
Hammerwurf 197. 252. 262. 294.
653.
Hampelmann 472.
Hamfterpix 427.
Hand und Fuß 275.
Handgemahl 543.
Handihuh 272. 274.
Hängatyr 238. 258. 540.
Hans, der ftarfe 286. 5
Hanfel Hanfelmann 472. 590.
Här Yafıhar Thribhi 188.
Harbard 464.
Hardenberg 450.
Härbmändli 450.
Harfe 398.
Häringe 561.
Harle 257. 398. 409. 464.
Harfungengold 373. 411.
Harthere 326.
Hartung 326.
harac 525. 529.
Harzfelfen 34.
Hafe“510.
Safelftäbe 526.
Hafelmurm 515.
Haßjäger 219. 354.
Hati 26. 107-
Hanfemännerden 405.
Haulemutter 417.
Hauptmann vom Berge 499.
Hausfrau 869.
Hausgeifter 470. 624.
Hausmarte 543.
Hausfchlangen 478. 514.
Hauswurz 256.
Hämamäl 236.
g 158.
Hedethaler 202. 481
Hebin 380. 571.
Hedninge 216-
‚Heer, altes 215.
‚Heerbfeuer 470.
‚Heerpfeil 196.
Heerſtraße 228.
Heerzeichen 534.
‚Heid 52.
raupnir 156.
Heidenwerfen 271-
‚Heidr 686.
Heibret 474.
Heibrun 47. 207. 368.
heilawäc 508
Heilende Hände 547.
Heiling 429. 453.
Heiltunft 247. 546.
Heilräthinnen 365.
Heilung 541.
Heimdal 31. 48. 77. 81. 108. 112.
131. 134. 250. 800. 809.
Heimbali 305.
Heimbals Haupt 300.
‚Heime 437.
heimkastr 306.
Heimfehr 199. 322.
Heinen 399. 404. 445. 494. 526.
Henri) 427. 478.
&. Heinri) 215.
Heinrich ber Loöwe 199. 220. 501.
— von Ofterdingen 200. 553.
Hel 27.40. 81.104. 157.332 333.499.
Helanus 508.
Helblindi 99. 370.
‚Het, die, 335. 866. 610.
Helbengeift 876. 572.
Helena, bie gebuldige 322.
Helgi 195. 196. 211. 328.492.499.591.
Er 8.
elgoland 329.
Seikaus 224.
Helheim 44.
helhüt 228.
Heliäger 218. 225. 320.
Helias 315. 317. 356.
Heljus 356.
‚Helle 401.
Seltepet 286.
Hellequin 218.
hellerigel 831.
'hellewelf 501.
Hellpaus 224.
Hellia 333. 408. 462.
hellirüna 540.
Helm 183.
Helmwagen 228.
Helweg 80. 81. 420.
‚Heming 269.
Hengift, Heingeift 190.
Hentel 262.
Henneschen 472.
Heorrenda 92.
‚Heppa, Heppin 550.
Hera 299. 400.
Herbart Herbegen Sintram 592.
Herbftfäden 466.
Herbftpferd 521. 659.
herburgium 572.
Herchenſiein 400.
Hercules 172. 229. 254. 256. 257.
287. 288. 608.
Hercules Saranus 264. 428.
Herculesfäulen 508. 529.
hercynia silva 254.
Heremöd 190. 194. 316. 328. 428.
Heresberg Heresburg 297.
Herflötr 378.
Hergrim 439.
Herian 188.
Heribrand Hildebrand Hadubrand 592
Heringe 290. 414.
‚Herte 299.398. 400. 588.
Herten 400.
Herfia 401. 451.
Herla, König 219.
Herlaug 330.
Herleif 466.
Herm 308.
Herman 289. 307.
Hermanftein 309.
Hermeias 224.
Hermel 286. 287. 308. 330.
Hermen 288. 289.
618
‚Hermes 289.
Hermine 17.
‚Herminonen 308.
Hermöbhr 81. 94. 203. 316. 828,
336. 425.
Hermunduren 196. 308.
‚Herne, Jäger 218. 565.
‚Herobe 219.
Herodias 219. 224. 386. 495.
‚Herodis 225.
Herolbsamt 534.
Herrgottfteine 552.
Herteitr 188.
Hertlin 450.
Hertnit 326.
heru 297. 398.
Herzeßen 161. 549.
exen 458.492. 488. Name 190. 498.
Segenfahtten 492.
Herenprobe 491.
‚Herenverbrennen 572.
Yiadringawig 380.
Hiälmberi 188.
Hiälmgunnar 180.
Hiartelmai 401.
Hiarrandi 397.
Hildabertha 409.
Hildana 417.
Hilde 92. 177. 216. 880. 385. 402.
Kilde Schnee 385. 386.
Hildegrin 339.
Hildiſwin 340.
Er g 597.
Hillige Yuffern 558.
Hilligen Tage 576.
Himinbiörg 48.231. 304.
Himinbriotr 282.
Himmel im Berge 464.
Himmelting 31.
Himmelsbergen 46. 49.
Himmelsſchafflet 581.
Himmelsjdild 22.
Himmelsmwagen 228. 306.
Himmeltatl 253.
Dinge, Hinzelmann 471.
Hirte 400.
Hirlanda 322.
Hirmin 173. 289. 308.
St. Hirmon 369.
Hirfd) 41. 220.
Hirſch verfodt 354.
Hirigürtel 549.
Hirſchhaut 356. 554.
Hirföhorn 87 353. 434.
Hirfläfer 256. 454.
Virfepfeule 220.
614
iuti 28. Hopfenhätel 474.
lautbollar, hlautteinar 522. höpt u. bönd 113. 124.
ebard 439. Horand 92. 468.
löfrege 188. Hörgabrud 440. 520. 586.
Hler 99 109. 406. 431. 494. hörgr 525.
Hlibftiälf 46. 111. 192. 284. 804. YHörkelmei 589.
Huf und Hüfthurfe 546. Horn 233. 250.
$lin 192. 418. Körner auffegen 565.
Hlöd 378. Hörfelberg 405. 518. 528.
Hlödyn 254. 417. Hormandil 266.
löra 255. hoskelreia 216.
lörribi 191. 255. 284. Hotherus 91. 2
Hlubana Hlubena 417. Hätte 191. 206.
Hnikudr, Hnikar 187. 497. 466.474. Hoher von Dansfeld 971. 317.
Hnitberg 239. Hrafnagaldr 75.
Hnofe 417. Hrafntel 512.
gear pfeiler 534. 645. Hräni 193.
og zelisgeſchente 84. 697. Hreeſwelgr 11. 481.
Hodhmimir 155. Hrede 394.
Hobbmimis Holz 151. 165. Hredmönadh 396.
Hobbraupnir 156. Hreidmar 372
Senf (Eübur) 80. 85. 90. 150. 193. _Srimfapl 20
316. 324. Hrimgerbr 430. 497.
Hoenir 32. 100.114. 180. 164. Inı. Örimgrimnir 285.
176. 187. Hrimnir 430.
Hofgöbi 526. 534. Hrimthurfen 15. 86.
Hofhwarpnir 418. Hring, König 205.
Högni 380. Hringhorn 80. 87.
Hojemannlein 472. Hrobmund 190.
Holda 160. 409. 475. 4 Hrodfo 219.
Holden, doldechen Seineten 416.495. Hrölf 394.
Holger Danste 163. — Krati 193. 209.
Hola 336. 842. 405. 464. Hroptatgr 292.
Hollabrunn 404. Hrofshärsgrani 181. 191. 196.
Hölle 333. J Hrotmitnir 26.
Höllenflüße 287. an mir 259. 262.
Höllenhunb 501. Hruoda 895.
Höllenftein 404. Hrymr 128.
Höllenftrafen 148. 159. 354. St. Hubert 921.
Höllenwolf 501. Hudepöt 487.
Hölfenzwang 535. 540. Huden 562.
oller 919. Sufidtng 94. 807.
Hollunder 162. Hügelalter 350.
Holmgarb 321. Huggel 461.
Higerne Hände und Füße 275. Hugi 273.
Holzfahrt 581. Hugin 76. 192.
Sohgerit 407. Hugo Gapet 212. 55B.
Holzleute 460. Hugſchapler 347.
holzmuoja holzmuwo 405. Hühnerfuß 501.
Hofzuührlein 58. Hulda 224. 373. 402.
Holaftoß 599 Huldana 417.
Sefimeibtein 223. Huldra 400. 402.
gonie igthau Huldreslat 404.
00d, Robin 130, 319. 580. ne und Fülle 372.
looden 249. 819. li 404.
Hoodening 249. —* 500.
Hummel 487.
Hün 497.
Hund 381. 371.
Hunbing 195.
Öünebetten 426. 508.
Hunen, Hünen 427.
Hungerbrunnen 507.
hünsche 547.
Quozto 28 286.
Hurfe 400,
Hütchen (Hodefen) 452. 474.
rau Su 429.
velpr
Snergeimir "IA. 86. 169.
Hwila 183.
Hmitaftierna 292.
Symir 68. 281. 427.
Hynbla 68. 368. 498. 498. 678.
Birieus 243.
Öyrrofin 80. 87.
gädele 219.
Jacobaftab 361.
Jafnhar 188.
Jagdhunde 224.
Jäger, wilder, 216. 532.
Jahresgott 30.
Jalangrohaide 349.
Yale Gr 439. 445.
Jardhar. men 306.
Jarl 307
Fe "265.303. 838.
Jarniwwidiur 26.428.462.
YJarnwidr 26.
Ibor und Ajo 383.
Idafeld 50. 74. 150. 155. 167.
Idi 431.
Idiſen 378. 490.
Idisiaviso 379.
Ibun 40. 71. 75. 88. 183. 284. 880.
349. 463.
Jettha 424. 435. 536,
Jerthenbühel 424.
Ming 44. 273. 426.
finger 182.
alis 569.
Smelungengort 411.
Indra Bit.
Ing, Sohn des Mannns 306, 592,
Ingo, Schwedenldnig 304
Inguio 16. 17. 349.
Ingpi 190.
Iohanne® der Eoangelift 625.
15
Johannes ber Täufer 244. 886. 525.
—, getreuer 69.
Johannisbad 888.
Johannisblut 243. 886.
Aohannisfeft 585.
Zohannisjeuer 568.
Iohannisjegen 524.
Jolull 431.
Sonafur 177. 194. 210,
Jördh 27. 262. 837.
Sörmungandr 104. 106, 128. 188.
JIörun 79.
Sötunheim 44.
iötunmödr 425.
iötunn 155. 181. 426.
Jovis (Mons, barba) 271.
Iran 218.
Iring 228. 297. 306.
Sringefraße 228. 806.
irmin- 228. 330.
Irmin 188. 250. 288. 289. 806.
807. 328.
Irmincot 289.
Irmineswagen 278. 806. .
Irminftid 306.
Irminjäule 229. 288. 806. 529.
Irminftraße 228. 306.
Iretraut 510.
Irrfichter, Irewifche 487.
Iſe 390.
Sienftein 390.
Iſis 230. 342. 387. 529.
Iſtawonen 327.
Io Ingo Irmino 16. 17. 592.
Yung 326.
Itha von Toggenburg 567.
Itis 4
Sudasfeuer 170. 552
Zube, ewiger 226.
Judel 478.
Julabend 524.
Zuffet 50. 574.
Jungbrunnen 38. 40. 507.
Juno 160. 815. 403.
Zupiter 172. 271.
Yüten 426.
Juthungen 292.
Iwaldi 75. 173. 174. 106. 487.
Iwar, Lobbrods Sohn 554.
Iwein 138. 200. 461.
Jwidien 228. 460.
Käferdienft 514.
Kaifer, alter 464.
Kälberritt 493.
Kälberftiinmen St
616
Kälberweihe 337.
Kali 834.
-Kalstar und kölstar 635.
Kalter Schlag 123.
Xalypfo 315. 388.
Kann 368.
Kara 326. 493.
Kari 99. 171. 431. 451. 508.
Karl 30. 478.
Karl d. Gr. 38. 161. 194. 213.
Karl d.Gr.Heimkehr 200. Zeugung183.
Karl V. 218. 277.
Bring Karl 162.
Karfe Ouintes 218.
Karlsweg, Karlswagen 192. 229.
Karpfen 414.
Karrenräder 564.
Kartenfpiel 692.
Käsperle 472.
Katermann 471.
Rattenfillers 565.
Kay im Sad 482.
Rate 490. 565.
Ragengelpann 81. 498. 565.
Ragenmufit 563.
Ragentritt 104.
Katenveit 471.
Kauber Siegel 370. 531.
Kaufmann v. Benebig 554.
Kedalion 223. 275.
Kedrih 71.
Kegel 215. 271.
Kegelipiel 271. 295.
Kerans 204.
Kerta 299.
Kerlang 256.
Kerlingiſche Ahnenmutter 410.
Keßel 204.
Kette 527.
Keule 92. 257. 288.289.
Kialaf 187.
Kifihäufer 161 214. 404.
Kili 245.
Riltgang 597.
Kinder, ungetaufte 212. 229.
Kinderbrunnen 34.
Kinderftamm 34. 48. 194. 528. 698.
Kirchhof 826.
Kirmes 590.
Kifte 131.
Klagemuhmen Klagemütter Klage ·
auen 404.
Klapperbod 559.
Klaubauf 560.
Kleban 72.
Kleindäumchen 287.
Klinfor 183. 200. 260.
Kiopfet 561.
Elopflinnãchte 558. 561. 563.
Klöge abwerfen 271.
Knechtchen 229.
Knechte 258.
Aniefegung 552.
Knochen 320.
Rnöpfli 562.
Knudeln 561.
Kuüppel aus dem Sad 197.
Kobold 471.
Kohldieb 29.
Kolben 289.
Koller 266.
Königin 396. 497. 578.
Königthum 532.
Körmt und Dermt 256.
Krampus 560.
Krankheiten 547.
Kränhen 582.
Krapfen 561. 563.
Kräuter 550.
Kräuterfunde 551.
Krautweihe 509. 548.
Krebs 222.
Krebſe 562.
Krembaum 41.
Kreuzdorn 510.
Kreuzhammer 562. 578.
Kreugweg 212.
Kreugjeichen 296.
Krieg, erfter 54.
Kriegsgott 292.
Kriemhild 32. 249. 299.
Kriembildefpil 406.
Kriembildeftein 406.
Krintifaha 331.
Kröten hüten 464.
Kudud 482. 515.
Kühe 25. 224.
Kuhn 532.
Kuhtod 547.
Kümmelbrot 461.
Kuniberts Putz 399.
Kunigunde v. Künaft 71.
Kunkelſteine 406.
Kürdchen Bingeling 286.
Rufe 541.
Küfter 481.
Kutfchgaß 229.
kveldridur 497.
Kwäfir 176. 179. 288. 248.
Lachen 343. 456.
Lachend flerben 208.
Lachs 111. 114. 120.
Fäding 104.
2eerab 36. 48. 528.
Lambõ 584.
Land des Lebens 200.
Landas 257.
Landsknechte 465.
Landwidi 48. 140.
Langobarden 192. 206. 382. 591.
Laubeinlleidung 585.
Lauch 592.
Laufey 102.
Faugardagr 331.
Lauingen 71.
Laurin 275. 450. 458.
Lauterfreß 432.
Lautverſchiebung 186.
Lebenslicht 593.
Lebermeer 458.
lectisternium 168.
lectulus 406. 407.
Xeberbede 220.
Lederftreifen 132. 139.
Leihenbrand 313.
Leichenfeier, Teichenfpiele 599.
Leichenwache 598.
Seidfran 405.
Leinernte 285. 435. 442,
geipte 368.
Leirwör 432.
Lemminkainen 227.
Lenore 390. 458.
St. Leonhard 250. 524. 527. 554. 591.
Fichtelben 443.
Liebes gott 66. 167.
Siebestuchen 548.
Liebesſage 325.
Xiebfranenhand 550.
Liederſchmiede 534.
Liedſtab 236.
if u. Sifthrafir 161.174.
Lind 436.
Linde 163. 401. 407. 409. 511. 529.
Lindenzweig 495.
Lindwurm 374. 486. 486.
Liösälfaheim 44. 451.
tiösberi 312.
it 81. 88. °
lit de justice 407.
Niuflingar 446.
Lodhr 33.
2ofar 101. 450.
Lofn 417.
20gi100.108.110.273.481.440.451.452.
617
Lohengrin Loherangrin 315.-318. 878.
Lohjungfern 223.
Lofi 26. 56. 59. 62. 74. 79. 92. 98.
99. 101. 102. 134. 171. 260. 806.
331. 363. 373. J
— Beſtrafung 101.
— Bodsdieb 260.
— Kuh 101.
— Name 102.
— Todtengott 110.
— und Thör 261.
London 554.
Looßen 234. 535. 543.
Loptr 33. 189.
Lorg 433. 450.
Lorjcher Ser 486.
"208 588.
Lostage 576.
Lotterholz 544.
Foubi 121.
Töme 174. 200. 462.
— ber frante, 549.
Löwenmild 447.
Lubbe 427.
Tüchtemannelens 487.
St. Lucie 418.
!üderih 356.
St. Sudger 329.
lüdr 19.
Lufthildis 407. 554.
euftihifi 541.
Luna 171.
Lurlenberg 411.
Lynchiuſtig 565.
yngwi 105. 194.
Macbeth 582.
Macbuff 317.
Mädchenverfleigerung 590.
Mabelger 550.
Maben 35.
Magnetberg 453.
Magni 151. 155. 255. 263.
Mäha 588.
Mahber 26.
Mahiberg 407.
Mahftätten 407.
Mahrt 417. 457. 464.
Maibaum 581. 588.590.
Moiblumen 395.
Maibraut 583.
Maienführer 582.
Maifett 564. 582. 584.
Maigraf 562. 582.
Maijinde 583.
Maitäfer 579.
sıs
Maitönig 582. 688.
Mailehn 588.
Mairitt Ban.
Maltag
— 492.
Mafrofosmos 20.
Malftrom 34:
Managarm 26. 126. 130, 136. 147,
Mandragora 480.
Mangold 550.
Mäni 21.
manipulus frumenti 314, 698.
Mann vom Berge 208. 351.
Mannheim 44.
Mannigfual 42.
Mannus 16. 300.
Mannstoll 62.
Mantel 198. 200. 201. 553.
Mantelfahrerin 494.
Manteltinber 553.
Mar 457.
Marcegger 487.
Mardöll 861.
Mareien 367.
Margret 337.
Maria ad nives 385.
Maria, ſchwarze 336. 388. 508.
Marian, maid 560.
Marien Heimfuhung 397.
Marienfind 367. 612.
— 6if 397.
Markorüder 460.
Marmennil 466.
Mars 172. 196. 307.
Marien 525.
Marfilius 565.
St. Martin 192. 248. 524,
583. 640. 574.
Maı ier 619. 659.
Bartinelom 521.
Martinshorn 563.
Martinstag 5683.
Mertinsoßgeldien 415. 517. 541.
Marzana 572.
Matern 197. 261. 314. 540.
Matres 365.
Matronencultus 368.
St. Mattheis 578.
Maus 391. 398. 482.
Mäufefraß 391.
Mänjemaden 484.
Mäufethurm 484.
Meeraustrinfen 276.
Meerleuchten 434.
Meerminnen 466.
Meerweiber 232. 378. 465. 509.
Neerwunber 437.
Megingiarbr 258.
Mehifütterung 224.
Meineidiger 148. 159.
Meifterijuß 267.
Meifterfiüd 29. 269.
Melufine 356. 410. 448. 467. bb4.
Mendelberg 158.
Menglada 30. 175, 190. 838. 878.
463. 546.
Denja 266. 550.
menni minne 468.
Venſchenfarbe 335.
Menfchenfreher 287.
Menjdenlende 219.
Menfchenopfer 520.
Mercur 196. 202. 284. 819.
Mercur Hercules Mare 171. 174.
Vercurs Vogel 501. -
Merlin 260.
Mermeut 441.
Meroveus 437.
Merowinge 583.
Mersburg 297.
Mertche 479.
Merten 219.
Meßer im Rüden 478.
Metallfönig 461.
Meth 237.
metodogiscapu 189, 366.
Metten, Mettena 365.
Metger 388. 556. 588.
Metsgerfprung 580.
Meucdelmörder 148. 189.
St Michael 248. 206. 299. 391.
401. 420. 529. 581.
Deutſcher Michel 590.
Michel Tod 295.
Midels- und Martinsfener 573.
Midgarb 20. 44. 144.
Misgarbfiilange 138. 132. 382.
Mignon 260.
Milhbrüder 899.
Milhende Kuh 101.
Mihftrage 228. 229. 849.
Mimameibr 39. 143.
Mime 93. 461. 460.
Nimir Mimr 97. 176, 189. 294. 488.
Mimirs Haupt 181.
— Quelle 39 230. 304.
— Söhne 232.
— Zrinfhorn 231.
Mimling 230.
Mimring 91. 93. 461.
Mimung 93.
Minuta 280.
NMinnetrunf 280.396. 524. 567. 574.
Miöll 431.
Miölnir 181. 151. 257.
miötudhr 170.300. 324.
misseri 548.
Miflale 274.
Mir 376.
Miftiltein 80.
Mitgefühl der Natur 126. 509.
Wikrasdient 265.
Nitilagart 144.
Mitothin 321. 360.
Mittagsfclaf 554.
Mitwitnir 439.
Model 588.
Mödurlälfi 144. 262. .
Mödgubhr 81. 335. 421. 426.
Modgudr 411.
Mödhi 51. 155. 191. 256.
Modreneht 578.
Modfoguir 450.
Mohnftriggel 561.
Mohrenfönig 581. 582. 584.
Mole 562.
Molizlaufen 584
Menategötter 49, Monatsgöttinnen
Mön) 479.
Mond 419.
Mond, Dann im, 23.
Mondfinfterniffe 25.
Mondgöttin 24. 420.
Rondlalb 549.
Mondichein 28. 419.
Monbfichel 281.
Moneta 417.
Monotheismus 152. 188.
mons gaudii 158.
Meoeitutt, Mooeweibchen 220. 923.
Mord, erfier 52. 54.
Mordbuße 373. 553.
Morgenroth 308.
Morgenftern 420.
Morgenthau 151. 156.
Möringer 199. 222.
Moßberg 221.
Motte, Frau Motte, Mottenfen 576.
Müden 487.
Muff, Hans 559.
Mühifein 287.
Müpleuweg 549.
Mubme 466.
Miüming 230. 466.
Mumman, Mummart 471.
Mümmelden 466.
618
Munmmelfee 466.
Mundilföri 21.
Mundium 896.
Mundientin 869.
Munin 192.
Duomel 230. 466.
Muota 215.
Murbel 515.
Wuspelheim 14. 44. 46.
Muspeld Söhne 128. 256.
Mufpilli 148. 144.
Muß 368,
Mut 185.
Mutesheer 211. 214.
Myfingr 349
Mythus 1.
Nacht 27. 391,
Nächte 250. 332.
Nachtfahrerin 498.
Rachtfräulein 405.
Nacigeift 468.
NRadtmar 457.
Nadıtwandler 69.
Nacjzehrer 489.
Nägelbejehneiden 128.
Raglfar das Schiff 119. 120. 147.
Naglfart 27. 28
näir 445. ”
Näl 102.
Namengebung 591.
Namensgeichent 384.
Namenstag 591.
Nanna 79. 81. 88. 90. 91. 94. 98.
330. 345. 397. 896.
Rarfi (Reri Nörwi) 27. 112. 160. 864.
Narrenfdiifi 388.
Naſenloch bes Riefen 424.
Näftrand 158.
Natipitätfiellen 183.
Naturdienft 168. 506,
Naturgefühl 511.
Naturftaat 582.
Navigium Isidis 887.
Nebelmännle 392. 459.
Ned 466.
Nedar 466.
Neha 391.
Nehalennia 387. 579.
Neidingswert 181. 217.
Neidfange 375. 522.
Refromantie 640.
nennir 469.
neol neovol 891.
neorznavang 158. 391.
620
Nep 81. 88.
Neri 18. 364. 382.
Nerthus 17. 27. 177. 179. 525. 556.
nesso 548.
Neftellnüpfen 542.
Nep 111.
Neuholland 275.
Neun Himmel 255.
Neun Mütter |. Heimdal 548.
Neun Näcıte 65. 89
Neuntägige Woche 89. 544.
Reumpah 548.
nierder vöttr 550.
Nibelung 451. 464.
Nibelungen 392.
Nibelungenhort 54. 373.
St. Nicafins 467.
Nihus 466.
St. Nicolas 466. 560.
Nidaberge 158.
Nidelnächte 577.
Nidhöggr 36. 37. 168. 320. 580.
Nidung 267.
Nievelmännden 452.
Riffheim Nifhel 14. 36. 168.
Nikur 469.
Nituz 466.
nimidae 511.
Niördhr 64. 176. 177.
345. 388.
nipt Nara 864.
Nirdu 341.
Niffe 471.
Nivelles 891.
467.
Noatun 160. 177. 315. 842.
Nobisfug 464.
Nocturnen 368.
Nonnen 371. 594.
Nor 394.
Norbian 218. 247.
Norblicht 66.
Nordri 20. 446.
Norggen 433. 450.
Nornageft 366. 594.
Nornborn 371.
Noruen 38. 40. 52. 182. 368.
Norpreht 453. 520.
Norwi 27. 77. 160.
Nothfener 364.473. 548.
Nothhalm 587.
Nothhemd 542.
Nothlöfend 365,
Nothnunft 520,
nött 26. 28.
Nöttelstage 590.
197. 341.
Nowgorod 826.
nüjärskaukjes 563.
Nuß 73. 75.
Oberon 450.
Ob ſternte 468. 523.
Ochſengeſpaun 17. 838. 469. 512.
Scfenhant 199.
octocannae 368.
Obashem 158.
DOdbrun 347.
Diet 217. ODdens Jagd 216.
Odhr 185. 221. 224. 239. 213. 266.
358. 525.
DOphrörir 40. 76.236. 243. 244. 330.
DObyffee 200. 216. 278.
Odin Odhin (Wuoten) 16. 27. 71.
81. 163. 205. 582. Geburt 16.
236. ®ermählung 177. 223. 358.
©. 396. 495. Grab 162. 221.
Einkehr beim Schmied 213. 227.
Seftirngott 227. 233. Sonnen u.
Frühfingsgott 230. 249. Todes
gott 250. Wetterherr und Ernte
fpender 248 Gott des Geiſtes 233 fi.
der Dichtfunft 178. 234. Heilkunft
274. 546. ber Räthjelmeisheit 82.
153. 474. Liebes u. Chegott 200.
247. GSieges- u. Kriegsgott 169.
185. 209. Jagdgott 192. Zauberer
237. 536. Dradentämpfer 247.
Allgegenwart, Alwißenheit, Allmacht
233. 234. Einäugigfeit 97. 193.232.
294. Adler 192. 289. Raben 192.
234. Wolf 192. Sper u. Stab 197.
Bagen 223. O. Wili We 99. 100.
321. O. Thorn. Tyr 172 O. Thör
u. Freyia 178 O. Loti Hönir 33.72.
99.227 O. Heimdal 233. O. Uller
177. D. Sfinir 203. D. Schlange
240. 246. D. Horn468. O. im Berge
177. 261.
Dfen 472. 476. 550.
Dfengabel 497.
Dffa 190.
Ofnir 246. 514.
Oger 286. 392. 432.
Oegir 66. 98. 99. 112. 171. 334.
423. 481.
Degisheim 44.
Degishiälme 345.
Degn Afafprengi 439.
Degwaldr 5183.
Dfolnir 158.
Defuthör 252. 278.
Diaf 58.
Sal Tryggwaſon 380.
Delbaum 528.
Oleg 222.
Dellen 404.
Ollerus 311. 318. 320. 321.
Omi 189.
8. Den 205 520.
Dendur· As 320.
Dendurdis 843.
onnerbänkissen 449.
DOpfernde „Götter 180 187.
Opfertefel 497. 544.
Opferfteine 509.
Drafel 275.
Oreus 286. 337. 432.
Orendel 267. 390.
Dergelmir_14.
Drlelen, Orgen 433.
Oriant 356.
Drion 25. 222. 243. 250. 279.
Drmanie 308.
Ortnit 326. 374. 437.
Derwandil 25. 95. 223. 256 263.
279. 290.
Derwar Oddi 202. 223.
Dfelberge 405.
Oftis 222.
Dsti 187.
Oſtopnir 192.
Osning 288.
Oſtara 395.
Dftarmanoth 395.
Dfterbod 396.
Dftereier 395.
Dfterfeuer 395 673.
Ofterfladen 395.
Dftergelächter 396.
Ofterhahn 579.
Dfterlerze 569.
Oftermann 572.
Dftermärden 896.
Oſterſachs 395.
Dfterfpiel 395.
Dfterftufen 395.
Dftertag 253
Offahıt 253.
Oſtfachſen 190.
Si. Oswald 193. 248. 356. 390.
Dswöl 587.
Othin 192.
Dttar 358.
Otter 372.
Dtterfraut 510.
2. Dtto 196.
Dttonen 161.
1
Develgunne 160.
Dewelmännden 452.
Pabſt 193.
Bafnatofe 217. 267.
Baltar 195. 309. 340.
Banis 224.
Bantoffel 596.
Paraceljus 260.
Paradies 155. 526.
Baro 525.
Parzival 335.
Baflauer Kunft 202,
Pathengeſchenk 591.
Batgen Haft 591. 592. 698.
Paulus, Apoftel 313.
Pechmande 443.
Pedaugue 410.
Belops 260.
Pelz 561.
Pelzmarte 560.
Penelope 200.
Bentageamma 499. 500.
Berchtellaufen 558.
Perchtl 560.
Perchtolderli 411.
Bercunos 228.
pörekens 588.
Bet 336.
pötapür 528.
&t. Beter 227. 290.
Beterbült 569.
Petermãnnchen 471. 473. 602. 529.
Peterskirche 289.
St. Peters Stab 260.
Beterstag 562. 578.
Petrarea 507. 668.
Pfaffenfrauen 223.
Pfaigraben 324.
Bfau 847.
Bfeffechugen 56.
Bieffern D61.
Werd 375.
Bferd u. Duelle 469.
®ferbe, heilige 513. 521.
Bferbefteiid 220. 226.
»ferdefuß 260. 501.
Wierbelöpfe 375. 568.
Wferdemar 458.
Wferbeopfer 521.
Pferdeſchinken 220.
Bferbeftefien 571.
Pferdetrappe 226.
pferbewiehern 544.
wierdötag 571.
pfingſtbraut 574.
Bfingfibug 572. 581.
fingffuche 584.
—A 542.
Bfingt_581.
Bfingftlümmel 542, 681.
Pfingſtmoge 584,
Pfingſtochſe 560.
Bfingtritt 582. 588.
fingfticjießen 584. 688.
flug 25. 387. 407. 556.
Pflug Landes 558.
l 324.
eiolnbrunaen u. f. m. 828.
Bhufsdorf 328,
Pietät 120. 187.
Pilatus 183. 468.
Pilwiz 458.
Bintepant 464.
Pinnofa_408. 810.
piot 868.
Bipala 452.
anetenzeihen 293.
Katjchfuß 413.
Bodwerke 587.
Polſe 561.
Bofterabenblärm 564.
Poltergeiſtet 477.
Volytheismus 168.
Pont 436.
Bopanz 471.
jopele 476.
Bofterlijagd 558. 5683.
$riapus 352. 581.
Prieſter 532.
Prieſterinnen 497. 582.
Brobeftüce 268.
Bud 472,
ulletag |. Pfultag.
upiflus 551.
Pururavas 448.
ut 462.
wo 312.
Duafhölle 159.
Quelle entftampft 507.
Quenouille 408.
Querg 450.
. Quinte 218.
Nabe 234. 501.
Raben fliegen um ben Berg 169.
Raben dabichte 198.
Nabengott 192.
Rabenmeihe 533.
Rabenzauber 72.
Rachegefübde 85. 503.
Radıel 385. 865. 888.
Rad 389. 510. 576.
Raffezahn 495.
Ragnar Lodbrock 374.
Ragnardt 65. 124.
Ramm 241. 476.
Ramslohn 476.
Ran 312. 331. 451. 457.
Ratamund 245. 402. 499.
Natatöstr 87.
Rathen 537.
Rati 241. 245.
Raitenfänger 454. 485.
Räubermärden 508. 567. 686.
Näuberfpiel 585,
Raubthiere 545.
Rauchels 40,
Raudnäcte 558. 677.
Räzel 459.
Reden 25.
gebrauch 552.
Rebimonet 394.
reganogiscapu 182.
Regenbogen 31. 304.
Xegin 152. 181. 872.
Regnhilde 348.
Reidiiyr 252. 296.
Reifriefen 431.
Reber 241. 246.
Neihjungen 590.
Reine pedauque 410.
Reinfr. v. Braunſchweig 199.
Reinſchweig 567.
Reifarova 219.
Reisgotgbündel 23.
Rerir 190.
Rhein 878. 412.
Rheingold 373. 412. 446.
Richard von der Normandie 199.
Richmond 375.
Niefen 411. 523 Mielendienf 422.
503. Ihre Treue 423. Vorbilder
der Götter 219. 483. 452.
Niefenopfer 412.
Riefentochter 497.
Niefenzorn 56.
Nigr 228. 301. 307.
Rinda 84. 310. 311. 388. 857. 862.
Rinder 161.
Ningeid 242. 321.
NRingwälle 427.
rite 547.
Ritterpferd 598.
Nittmeije 458.
Rittmeiſter 581.
Rittona 417.
Robin Hood 249. 819. 560.
Rodadirl 428.
Rodenfteine 406.
Rodenweibele, Rodertweibchen, Rog-
genmuhme 216. 428.
Robenfleiner 214.
Rogdai 317.
ER en 117.
inta 483.
Seht (reyrspröti) 196. 479,
Roland 218.
Rolandfäule 508. 529.
Rolf Krali 500.
Renner 43,
Rofe Urtheil 526. 553.
Rojengarten 275. 453. 626.
Roſenlachen 344.
olemfiod, E ‚Hildesheim 526.
RXdetwa 2:
Rosmarie air.
Rofs, ſchwarzes 854.
Roſs, Symbol der Allgegenwart 201.
Rofs und Mantel 198. 200.
Rofe und Schwert 65. 70.
Rostiofr Rostioph 316.
Rota 379.
Rothbart 161.
Rothe Kuh 129. 162.
Rothes Banner 595.
Rothes Meer 488.
Rothes Zuh 171.
Rothläppgen 473.
Nothlelchen 256.
NRübezahl 453.
Rudi 471.
Rühren 601.
Sumpeinkäie 558. 663.
umpel en 58.476.
Runen 37. 233.
Kumengebicht, 236.
Aunenlieder 234. 685.
Runenfteine 530.
Runenzauber 286. 497. 538,
Runfe 432.
Ruodlieb 839. 878.
Küpel 471.
recht 249. 559. 549.
Ruſſiger Bruder 502.
Ruta 210.
Nüttelweibhen 228.
Saattorn 66. 255.
Saba, Königin von 410.
Sadfen 34. 298. Berzog von, 822.
Sääftfäjes Wappen 293.
Sacmalt oalter, Ehmileer 566.
jaga 46.
Sagr 23.
Sährimnir 47. 207. 208.
Sälde 223.
Saldenberg 158.
Salg, 43. oder ſalinge Frauen 406.
Salomon 410.
Salvius Brabon 817.
Salı 422.
Salzmalen 349.
Galzquellen 18. 196.
Sampo 349.
Säming 191. 844.
Sandraudiga 417.
Sandwirth 162.
Sangichmiede 247.
Sarpedon 270.
Saturni dolium 286. 582. 568. 580.
Saturnus 316.
saudh und seidh 585.
Sauwedel 88.
Sawitri 512.
Sarneat 190. 291.
Samöt 172. 174. 190. 291. 298.
Saro 3. 209. 237.
Sceldva 190. 458.
Sääfflertang 580.
Schalt, bie, 464.
Säallhorn 231.
Shah 32. 385. 371.
Safe 817.
jel 365. Hafer 820.
She benfhtiger 571.
Scheiterhaufen 568.
. Schellenmoriz 560.
GSchentmäbdhen 87.
Schere 600.
Sıidfal 179.
Sqiedorichteramt 202.
887. 391. 408. 547.
Sejiffbegräsnife 818. 697.
624
Sciferftabt 315.
Scifiswagen 388.
Säilbung 451.
Säildäs 321.
Schildburg 600.
Sildmäbdhen 389.
Silihe 163.
Säiltung 451.
Schimmeireiter 60. 219. 558. 584.
Schlachtmonat 521.
Sälafapfel 510.
Schlangen 373. 514. 560.
Schlegel 258.
Schleifftein 240. 263. 546. 551.
Sälippenbad; 219.
Sclubderfteine 246.
Schlußel 322. 416.
Saale nme 32. 416.
Schlüßeljungfern 335. 415. 488.
Shlüßellod 457.
Schmetterling 459. 495. 498. 547.
Schmidt am Hüggel 461.
Schmidtden v. Bielefeld u. f.w. 508.
Schmuder Junge 584.
Schmugli 560.
Schnätgänger 487.
Schnede 516.
Schnellerts 214.
Sähnepfe 256.
Scähnitthahn 589.
Schnüre 527.
Schöffen 329.
Schönaunten 404.
Schoof 314. 572. 598.
Schöpfung 13.
Schöpfung ber Menſchen 33.
Schoohfegung 552.
Schrai — 57. 459.
Särawung 432.
Schreibfuntt 234.
Schretel u. Waferbär 460.
Schrittfcuhe 321.
Schuh 137. 593.
Schuld der Götter 57.
Schulterblatt 544.
Schulterblattſchau 210.
Scüße, drei 171.
Scähüteichel 268.
Scügenfeft 584.
Schutgeifter 183.
Scutverhältniffe 205. 502.
Schwab, König 389.
Schwalbe 74, 541. 579.
Schwäne 120. 232. 314. 316.342. 491.
— Njörds und Hoenirs 116. 188.
Schwanenblume 509.
Schwanenfuß 260. 409.
Schwanenlirhe 410.
Schmwanenmäddhen 410. 491.
Schwanenring 377.
Schmwanenritter 814. 316. 317. 818.
Es —& mir 318.
Schwarz
Schwarz em Weiß 335.
Schwarzelben 443.
Schwarzröde 169.
Schwarzfpeht 25. 415.
Schwein 489. 541. 545.
Schweine (Schwindſucht) 540.
Schweinftall 545.
Schwendtage 590.
Schwert 293. 306.
Schwertgötter 293. 302.
Schwertiicht 293.
ES chwertrune 293.
Schwerttanz 249. 295.
Sqhweſtern, drei 305.
Schwörende 509.
scop scuof 552.
Scorpion 222.
Seeblätter 509.
See geſalzen 349.
Seejungfer 585.
Seele 482.
Seelen 482.
Seelenwanderung 482.
Secroſe 509.
GSeefiille 238.
Segen 540.
Seibenband 105.
Seidenfaden 109 453. 526.
Seibh 8. 138—40.
Seil 865.
Selbftweihe 205.
Semnonen 34. 292. 510. 524.
Senffame 495.
Series 429.
Cejsrumnir 860.
er Severin 542.
Sibilja 17. 518.
Eibylla Weiß 537. !
Sibylien Weißagung 421.
Sigel 87.
Eichelhenfe 589.
Sigeimond 304.
Eidhgräni 191.
Ciphöttr 191.
Cibhfleggr 191.
©ieb 397. 408. 497.
Siebdrehen .544.
Siebengeftirn_25.
Siebenmeilenftiefel 202. 472. 475.
Siebenſchlafer 165.
@iebenfprünge 578.
@iegburg 320. 839,
Siegerftein 551.
Eiegrunen 298.
@iegweib 378.
Sif 173. 252. 255.
Eigefugl 190. 191.
Dia 190.
lind 818. 378.
eninne 378.
Eigfrid 218. 416.
@iggeir 193.
Sighwat Stiald 445.
Sigi 190. 193.
Sigmund 190 193. 248.
igna 529. 534.
Eigny 193. 599
Eigrdrifa 361. 885.
@igrun 217. 377. 393. 499.
Eigtysberg 265. 296.
Eigurd 30. 69. 600.
— gut Fr
siguwip 378.
em 108. 112.
Simul 23.
simulacra 529. 584.
&indri 168. 173.
Sinfötli 275.
Sinflut 18.
Sinnels 453.
Sint Bert 416.
Sintgund 22. 327.
Sintram 327.
Siöfn 417.
Sippe 125. 210.
Stabhi 72. 112. 176. 320.
Staſe 427. 497.
Steäf 190. 347.
Stelfir 451.
Stialdar-As 320.
Stiärf 412.
Stipbladnir 173. 346. 347.
Stibi 320.
Shilfinge 451.
infari 29.
Stimir 64. 69. 89. 90. 203.
Stäü 25. 107.
Strymir 245.272.
Strymali 47.
Stuid 89. 379.
GSladermann 416. 561.
Glagfidr 452.
Cimrst, Mythologie.
Sleipnir 56. 71. 174. 198. 208.
Sudht 148. 159.
$mit ü) oberlande 267.
Smitt upn Darmssen 461.
Snär 394. 431.
Suio 481.
Snör 301.
Snorri 8. 209.
Snotra 418.
Södmimir 439.
Södwahrd 46.
&öl 21. 29. 419.
Sol Luna Hercules 265. 419. 478.
Sol Luna Vulcanus 171. 473.
Sölmanst 312.
Soma 216.
Sommer 30.
Sommer- und Winterkampf 519.
Commeremnpfang 579,
Sommerverfündigung 32. 579.
Son 28
Sonne hier 30.
Sonne, ihre Tochter 151.
— Mond Hercules 265. 419.
— — Sterne 419.
Sonne und Mond 28. 56. 58. gefan-
gen 120. 532.
Sonmeneber und Sonnenhirſch 847.
358
Sonneneid_ 419.
Sonnenfinfternifje 25. 327. 530.
Sonnengott 230. 249. 346, 575.
Sonnendäufer 49. 312.
Sonnenhirid) 87.
Sonnenfalb 549.
Sonnenlehen 419.
Sonnenfteine 652.
Sonnenwende 576. 553.
Sonntagsind 492.
sorcier 535. 543.
Soti 440. "
päbifen 586.
Soange, Zu Jungfrau 417.
Specht 480. 540.
Speichel 243. 244. 245.
Speier 315
Spelhus 407.
Sperrigung 196. 588.
Spervogel 516.
Spielbernt 163.
Spielding 427.
Spiele 278.
Spielleute 534.
Spielſteine 406.
@pießprobe 591.
40
Spillaholla 899.
Spindel 406. 407. 408.
Spindelſtich 366.
Spinnerin am Kreuz 24.
Spinnerin im Moud 28. 420.
spiritus familiaris 481.
spongia marina 550.
Spörtel 393.
Cpringbrunnen 34.
Springwurzel 415.
<put 487.
Spule 399.
Spurte 398. .
Stab 197. 331. 855.
Stab ber Gridh, bei Thör und Obin
198. 258. 277. 392.
Stäbe 235.
Stadtgeifter 489.
Stahl und Stein 280.
Stahlwurm 515.
Starkadr Starkather 196. 439.
Stärfegürtel 258. 277.
Staufenberger 378. 410.
Stäupen 561.
Stedenpferb 497.
Stein, blauer 520. 558.
Stein in Thörs Haupt 266.
Steine 509.
Steintunde 551.
Steinfegungen 313.
Steinthör 196
Steinwerfen 505.
Steinmurf 507. 508.
Stempe 398. 418. 558.
St. Etephan 524. 560. 571.
Stephanstag 571.
Stepfe und Stephen 479. 571.
Etern der Magier 183.
Sterne 24. 183.
Sternihnuppe 24.
Stiefeli 474.
Stiepen 461.
Stier 437. 469.
Stierhaupt 469.
Stodwerte 252.
Stollen 563.
Stord 316. 579.
Strafort 156.
Strageli 432. 489.
Straßburg 59.
Straßen 228.
striga 572.
Strömtarl 468. 503.
Strohdieb 488.
stuatago 113.
Sturmriefen 33. 480.
Stute 56.
Stukforde 433.
Stugli 472.
Styrbiörn 195. 206.
Subfunft 497. 539. 546.
Subre 20. 448.
Sueven 177.
Sühneber 519.
Sunfenthal 19.
Sunna 419.
Süntevügeljagen 562.
Surtur 111. 128.
Suttunge 235. 245. 429.
Späfbäg 190.
svardones 298.
Speppa 191.
sverdäs 300.
Swabilfari 54. 59.
Cwafnir 216. 514.
Swalin 22.
Swan ber rothe 29.
Swandhilt 80.
Swantowit 458.
Swartalfen 443.
Swortälfaheim 44.
Swafudr 31.
Swawa 377. 492.
Smwegbir 351.
Swinfyffing 203.
Swipdagr 30 190. 385. 416.
Swiſtbach 369.
Symbole 529.
Sympathie 538.
yn 418.
Tag und Naht 27.
ZTaggelmännden 471.
Zaggen 471.
tampf 418.
Tanfana 416. 525.
Tanngnioftr Tanngrisnir 286.
Sannhäufer 854. 411.
Zarnfappe 338. 201.
Tatermann 471.
Tatwa 190.
Tatzelwurm 515.
Tauche Taufe 591.
tegede 523.
Tell 247. 267.
Zelle, drei 161.
Tempel 528.
Tere 352.
Teufel 275. 3. A
— trägt durch ft 198.
Teufelfofien 508.
Teufels brei Haare 275. rudgelmir 18.
Zeufelsaugen 276. rubheim 46. 282.
ZTeufelsbanner 488. Thrudhr 66. 392. 450. 457.
Teufelsbetten 508. Thrubwang 46. 255.
Teufelsbünbnifje 206. 502. Torymbeim 45. 46. 49. 73. 438.
Zeufelshand 550. Thrymr 61. 66. 428. 429.
Zeufelsmühle 287. Thrymstwidha 61.
Tenfelsnamen 495. Thunaer 174. 190.
ZTeufelspathe 200. 206. Thundr 186.
Thaubaden 587. Thurs 115. 235. 311. 426. 435.
Thauftreicher 484. 494. Thurſentochter 52.
Thedel von Walmoden 199. Thwiti 105.
Zheerlappen 563. Thyr 301.
Theilung des Horts 365. Zirlemont 297.
ZThiälfl 206. 259. 272. 440. Tir, Rune 292. 293.
Thiaffi 25. 46. 73. 428. 431. 612, Tiſchchen ded dich 465.
Thielvar 262. Ziu 293.
ZThiercultus 510. 514. 529. Zius 291.
Thiere, weiſende 544. Zivisco 300.
Thierjagen 563. Toaſte 524.
Thiertreiß 49. 420. Tochter Sion 138.
Bi ade 514. Tod perjönlid) 295. 499.
ZThingbaum zu Upfala 526. ZTodaustreiben 580.
Zhinge 536. Todesgott 250.
xThöd 82. 96. Todte, danfbare 32. 318. 478. 584.
TH, Fluß 304. ZTobtenbäume 313.
Thiota 536. Zodtenbrüde 275.
©t. Thomas 200. Tobtenidiffer 275. 279.
Thomas von Greilboune 354. Todtenſchuh 139.
Thörbiörg 536. Todteuftadt 316.
Thoͤrdis 587. ZTodtentanz 500.
Thörgerda 536. Tobtenthor 463.
Tpöri erde Oörgabrühr 440. 520.536. Zobtenmählerin 369.
— a Fodtenmelt 487. 1
rfetil oobte, flicht gegen 181.
Thörill 110. 274. 275. 286. 425. Toggeli 450. es
439. Toto 268.
Thoro 92. 209. Zöpfe, umgeftülpte 469.
Thörolf 692. ZTragert 481.
Thör (Donar) 55. 60. 62. 80. 428. Tranfopfer 624.
— in der Trilogie 81. 87. 252. gürt Trapp, Hans 599.
der Götter 538. freund der Träume 545.
fen 252. 253. Gott der Che 253. Erempe 398.
254. ber Cultur 251. Bıüdengott fraft 7.
253. Gott der Xnechte 253. 258.
Thör Hercules 270. Im Wettlampf engen 100. 170.452.
133. Thörs Himmel 210. Rother Triſtan 374.
Bart 283. Troje 318.
Thorri 394. Troll 57. 450. 603.
Thorsdrapa 278, Zrube 302. 457. 489. 495. 498
Thorftein Bänrmagn 280. 497. Zrudenfuß 499.
Zhrain 445 Trudennacht 494.
Thridhi 210. Trudenftein 500.
Thrigeitir 16. Tuchmager 555.
Thriwaldi 16. * Züdebold 487.
Thrör 189. Tuisto 16. 300. 308.
628
Zümmelbint 487.
Zürte 582.
Zuturfel Tutofel 405.
Tweggi 27. 205.
Tor (Zio) 97. 104. 106. 126. 211.
283.291. Schwertgott 294. Kriegs-
gott 185. 291. Gott der Kühnheit
285. Sonnengott 527. im legten
Kampf 135.
Tyrihialm 297.
Tyrſener 426.
Udr oder Audr 27.188.
Uffe 190.
ulfhednar 487.
ulfrun 303.
uUfler 45. 250. 318. 451. 574.
Ulyffes 314. 317.
Umzüge 234. 508. 555.
Uneia 417.
Underruße 161.
Unholbe 56. 500.
Unterirbifje 450. 465.
Untersberg 161. 218.
Unterwelt 355. 464.
Unterweltficge Ströme 304.
Uogi 441.
Uoleſache 441.
Upödashöm 158.
Urdh 39. 330. 364. 462. 476.
Urgan 550.
c urlouc 491.
uUrſchel 405.
ursprine 507.
Urſula 405. 407.
Urſus 540.
Urvagi 448.
Urwald 189.
Utgard 44. 109. 274. 314.
Utgardhalofi Utgarthilocus 100. 109.
270. 274. 502.
Uvättir 503.
Vaetlingastraet 228.
Bägdäg 190.
Vägeltejen 587.
äland 323. 501.
Valentin 312. 313 578.
Bampyr 489.
Van 178.
vargr vargus 109.
Barmund 190.
Bater und Mutter 301.
vöbönd 109. 526.
Beilchen 579.
Beleda 586.
Benediger 454.
Benus 160. 222. 854. 408. 411.
Venusberg 218. 403. 496.
Berelde 386. 597.
Berfeftete 553.
Berfolgung.
Bergeßenheitstrant 541.
Bergigmeinnicht 415. 510.
Bergletfcherung- 420.
Bergödendefftruß 898. 587.
Beriv 190.
Bermählung 594.
Bermeinen 498. 499.
Berneiden 499.
Berfhüttung 429.
Ber Bellen, Ber Hellen 385.
Verwunſchung 235.
Beterfalena 190.
Biehhirt 454. 463. 540.
Biehſchelm 547.
vigagud 292.
Birgilius, Zauberer 260.
Virgunnia 254.
Biſchnu 452.
Böden 190.
Bogelbeere 256. 278. 280.
Bögelftug 546.
Bogelgreif 275.
BVogelneft 481.
Bögelipeihel 105. 120.
Bogeliprahe 487. 514.
BVogelzehnt 523.
Bolla 22. 386.
Bolmar 450.
oma 189.
Bonveb 71.
vrithof 527.
Britta 436.
Vröneldenstraet 230.
Buleanus 171.
Buldor 318. 320.
Vyrdh 854. 467.
Wädilb 438.
elmir 159.
Wäfthrudnir 48. 82. 423. 424.
Bäfubr 189. 423.
Bafurlogi 69. 385. 463.
wagen 202. 228. entzweigetheilt 336.
549.
Wagen, Pflug und Schiff 399.
Bagenrad 571.
Wagnoſt, Wagnoft 442.
Wahner Haide 158.
Bäinämdinen 120. 120. 227.
Baife 551.
Wal 207. 376.
Wala 52. 84. 198. 234. Walen ober
Wolen 536.
Balaffialf 46. 192.
Walberan, Wafberand 458.
Waldern 388.
Bafvcapellen 516.
Waldeuftus 506.
Waldgeift 460.
Baldleute 460.
Baldminnen 466.
Baldriefen 429.
Bafdthiere 494.
Waldthor 461.
Walgaldr 540.
Walhall 207.
Bali 46. 82. 85. 96. 153. 309. 315.
316. 327.
—, Lolis Sohn 112.
Waltüren 91. 375. 491.
Walpurgis 396. 492. 494. 497. 519.
‚560.
Wälriberefe 465. 491.
Wals oder Wölfung 34. 48. 190. 817.
Walferfeld 142. 161. 233.
Walther v. d. B. 512.
Walvater 207.
Balvaters Pfand 231. 304.
Ban, Fluß 106.
Banagandr 106.
Bandaler 383.
Wanderungen der Götter 99. 149. 227.
Banen 54. 175. 177.
Wanne Thella 179. 387.
Wappenweſen 879. 534.
Bara 418.
Wartburgkrieg 29. 200-
Waßerblumen 509.
Waßergeifter Waßerholde 465. Wa ⸗
Beriprung, Johannes und Caſpar,
Weherpeler und Waferpaul 326.
Waßermann 437. Waßerrofs 469.
Waßerhölle 148. 159.
Waßerhoſe 139.
Waßer des Lebens 462.
Baer, Weisheit im 232.
Bafermann 467.
Waßermeßen 507.
Bafertaude 537. 581.
Waßervogei 542. 562. 572.
Waie 223. 247..268. 275. 299. 430.
437. 452.
Waten 186.
Watzmann 429.
Waud 398.
Wauwau 217.
Bayfand-Smith 461.
We 17. 18. 888.
Weber 388. 547. 655.
Wecha 311. 562.
Wedjelbalg 4085.
Wedekind Wöling 161. 218.
Wedrfdinit 37.
Wegdegg 191.
Wegtamskwidha 83.
Dei 370.
Beiberart 104.
Beiberbosheit 332. 472.
Weiberfafsnacht, BWeiberregiment, Weir
bertrunf 566.
Weichſelzopf 468. 548.
Weidenflöten 578.
Beidi-As 320.
Weihe 592.
BWeihnactsgebräude 519.
Beinen 81.
Weinkauf 554-
Weirdsisters 364.
Weife Grauen 92. 181. 597.
BVeifende Thiere 369, 544. 564.
Weisthümer 552.
Weißagung 181. 284. 339. 538. 542.
Weiße Frau 413. 484.
eigen 488.
Weldeg 190.
Welderich 432.
Welo 310. 313.
Wellenmãdchen 304.
Welſungen 317. 328.
Welibraud 143. 152.
Welten 43.
Weltenjahr 73. 99. 245.
Welteige 77. 162.
BWeltgericht 151.
Welthirih 308.
Beltjäger 225. 354.
Weltkampf 131.
WWendelmeer 44. 273. 278. 288. 426.
Woͤor 283. J
Woͤpelröt 562. 570.
Werdandi 39.
Wergeld 373.
Werte, gute 188.
Berre 398.
Berwolf 542.
Wöfeti 440.
Wehes brunner Gebet 18.
Wefterwald 456.
Beltfahlen 190.
Weſtri 20.
Wetrlidi 557.
Wetterbaum 43.
Wetterhert 248.
Wettermachen 540.
Wetterſteine 257.
Wettſpiele 583.
Wepfciter 290.
Behfteinfelfen 268.
Wicht, Biöteimännden 443.
wickerse 456, 5:
Bidar 48. 133. er. 189. 146. 151.
153. 173. 175. 337.
Widbläin 50. 156.
Widblindi 440.
Widder 305.
Widfinnr 23.
Biditunna 431. 368.
Widofnir 306.
Widoif Witolf Witold 368. 429. 461.
Widrit 189.
Wiedehopf 482.
Wiederbelebung 259.
Wiedergeburt 154.
Wiege 19. 368.
Wieland 222. 247. 299. 275. 267.
277. 438.
Wieſel 487. 550.
Bies.Tagl 277.
Wiſel 440.
Wigrid 28. 142.
wih 525.
wihtir 495.
Witar 196. 206. 512.
Biling 435
Wildebär 556.
Bilde Frauen 366.
Wilde ⸗Frau · Geſtuhl 406
Wilde Jagd 216. 240
Wilder Mann 406. 461. 469. 532.
565.
Wildfang 433.
Wildfener 276. 300. 556.
wildiu wip 547.
Wilhelm Meifter 260.
St. Wilibrord 319.
Williweis 162.
Wilfaelde 183.
Wimur 277. 381. 425-
Windälfe 448.
Winde 63, gefüttert 224.
Windheim 150. 154.
Windhloͤr 305.
Windlaldr 468.
Winblöni 31.
Windroſe 60.
Windebraut 432.
Windfwalr 31. 59.
Wind und Wetter 58.
Windzeit 125.
Bingnir 255.
Bingoff 51. 157.
Wingthör 286.
inniter 383.
inter 30. 191. Menfı ‚eher 482.
—, adıt, 101. 332, en
Binteraustreiben 579.
Winterbring 368. 432.
Wintergöttin 343,
Bintermonate 68,
332. 343. 351.
Winterfchnee 77.
Wisbut All.
Bilgnu 227.
wisiu wip 547.
Withleg 190.
Bitte God 163.
Bittid) 438.
Witugoumo 431. 438. 461.
wigago 534.
Bode 89.
Wod Woͤde 320. 898.
Wodan 172. 184. 820. 323. 398.
Wobelbier 589.
Woedenſpanne 198.
Woenlet 198.
Woensmwaghen 228.
Bohl 217.
Wohlgemuth 495.
ol 186. 250. 336.
Wöld 186. 919.
Woldan 186,
Wolf 33. 193. 459. 466.
Wolf im Heiligtfume 558.
Borfeietric 200. 277. 326. 878.
ai. Sagbhunde 192.
— im Eifenwalde 25. 125. 147. 168.
Wolfsfell 77.
Wolfsglieb 295.
Wolfszeit 125. 168.
Wolfenbnrg 59.
Woller 319.
Wolsberg, Zgleberghe, Wolsperg 321
Volterlen 4
Wolundur din.
Bull Bulle Wuller 319.
Wüllesheim 3.
Wunderer 223.
Wundern 538.
Wunſch 186. 187. air.
Wunfhdinge 200. 201. 226. 634.
Wanſchelruthe 202. 510.
101. 250. 322.
Wanſchelſtein 551.
Bünjdelmip 378.
Wunſchhut 201. 552.
Wunſchtinder 552.
Wunſchmãdchen 410.
Wunſchmantel 199. 200.
Wunſchſagel 202.
Wunihlöhne 207.
Wunfgmwärfel 202.
Wuoi 185.
Wuotan 184 f. Odin.
Wuotant 185.
Wuotune 185. 215.
Wurd 364.
wardigiscapu 182.
Würfelfpiel 502.
Burzeln ber Berge 108.
Wutes Heer 185.
Wuth 184.
Wüthendes Heer 218,
BWütherid, 186 500.
ybogi 320.
dalir 46. 320:
Iggdrafil 34. 35.
Inge 189. 311.
ylfa gescot 548.
Air = Hpmir 281.
ngwi 349.
rpa 447. 586.
Drune 320.
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jaggın 471.
Zähne, Gold 305.
Zahngebinde 45. 591.
Zöhringer 410.
ey? 521.
jampe 416.
681
Zauber 234. 522. 538.
Zaubergurt, Zauberhemde, Zauberring
Zauberlied 339.
Zauberftab 310. 497. 539.
Zaunfönig 566.
zaupar zöpar 285.
Zeichen, fünfzehn 146.
Zeitvogel 546.
Zeijo 190.
Zenith 304.
erre 432.
ers 352.
Zetergefchrei 298.
Beugung 483.
i 297.
Biefer 522.
Ziesburg 291.
Zigeuner 540.
Zimbe 416.
Zimmermann, lahmer 584.
Zifa 401.
Bifs Bife 58.
Biu türbines 297.
ern 291.
oll 589.
Bollern 201.
Zweifel 44. 421.
Zweilampf 321.
Zwerge 35. 52. 57. 258. 373. 416.
444. 450.
wieſelgeſtalt 510.
wölf Diänner 162. 215.
Zmwölften 216. 223. 228. 398. 620.
576.
Bwölfgahl 169. 173. 175. 879.
T Bonn, Drud von Carl Georgi
Din, GOOgle
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Din, GOOgle