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Full text of "Handbuch der deutschen mythologie mit einschluss der nordischen"

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Din, Google 


47 F 





Din, GOOgle 





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Handbuch 


Deutſchen Mythologie 
mit Euſqiuß der nordiſchen. 


Karl Simrock. 


Dieß {N unfer, fo laßt uus fagen und fo 
es behaupten. 6. 


Bweite ſeht vermehrte Auflage. 


Bonn 
bei Adolf Marcus. 
.. 186. 









DEN 
UNI ERUTY 4: 
25 SER.13 8 


OF Urrunm & 
T 6) 
WI 







Karl Müllenhoff 


gewidmet 


sroxrn 


Inhalt. 


Einleitung. 
Seite. 
Aufgabe ber Mythologie 1 
Mythus 1 
Nordiſche und denſche Mytholooie 5 
Quellen der Mythologie . 7 


Plan der Abhandlung 


I. Die Gefchidle der Welt und der Götter. 
Entſtehung und Ansban der Welt. 


Urfprung ber Dinge . 
Entftehung der Riefen. Tuisto 
Entftehung der Götter 

Einflut 

Bildung der Bett 


. Geſtirne 


Mann im Mond . 
Mond- und Sonnenfinfternifie . 
Tag und Naht . B 

Berhältnifs zu Sonne und Mond 


- Sommer und Winter. Wind und Benson 
* Schöpfung der Menſchen 
. Schöpfung ber Zwerge 


Die mythifchen Welten, Himmel und Himmelsbnrgen. 
Die Welteſche 


. Reun Welten 
« Zwölf Himmelsburgen 


22. Drei Himmel 


vI 


48. 
49. 


Die goldene Zeit und die Unſchuld der Götter. 


Goldalter 
Gullweig, Heid - 
Mythus von Smwabilfari 


Nachtlänge in den Segen 


Deutung 


Weitere Einbußen der Götter. 


Thrymskwida. Deutung 
Freyr und Gerda 
Deutung. Berhäftnifs zu Kagnaröt 


. Idun und Thiaffi- Deutung 

. Idun Iwaldis Toter. Deutung 
. Baldurs Tod . . 
. Deutung 

. Balderus und otherus 


Baldur als Kriegs- oder griedensot 


Die Vorkehrungen der Götter. 


Loti in der Zrilogie der Götter 

Lokis Abſtammung und Name . . 

Lois böfe Nachtommenſchaft und Fenrirs dehelung 
Bedeutung Lokis, Fenrirs, Surturs und der WBG 
Lolis Beſtrafung 

Deutung. Hönir 


Der Weltuntergang. 


Die Götterdämmerung - 
Naglfar das Schiff 


. Der legte Welttampf 
. Die jehs Eingelfämpfe 


Der BWeltbrand . 


Ernenerung und Fortdaner. 


Eddiſcher Bericht von der Erneuerung 
Der unausgefprodiene Gott 


102 
103 


111 
112 


124 
127 
181 
132 
143 


150 
151 


. Die übrigen Götter ber erneuten Welt 
. Das verjüngte Menſchengeſchlecht 

52. 
58. 


Bortdauer, Lohn und Strafe 
Deutſche Nachllänge 


II. Die einzelnen Götter. 


Allgemeines. 


Polytheismus 
Monotheismus 
Gott 

. Trilogieen 
Dodelalogieen 
Aſen und Wanen 


. Schidfal 


Afen. 
Buotan (Odin). 


« Bejen und Name 


Beinamen und Söhne 

Arufere Erſcheinung 

Verleifungen: a. Schwert, em and Bränne 
b. Sper . . 
ec. Rofs und Mantel 

Swinfylling 


. Schubtzverhaältniſſe 
Berheißung Walhalls 

. Kriegerifcher Charakter . 
Luſterſcheinungen 


a. Wüthendes Heer 
b. Bilde Jagd 


. Obin ale Wanderer, Himmels- und Bene 
. Erfindung der Runen 

* Urfprung der Dichtkunſt. awaſit 

Odin als Drachenkämpfer. Schluß 


167 
168 
169 
170 
174 
176 
179 


184 
187 
191 
193 
195 
198 
203 
205 
207 
209 
211 
213 
216 
227 
233 
238 
247 


888 


Donar (Thör). 


Ueberficht B 
Verwandtſchaft, Attribute, Beinamen . 
Mythen. Wiederbelebung ber Böde . 
Thör und Hrüngnir 
Derwandil und Tell 
Thör als Hercules. a. Utgartlofi 

b. Fahrt nad) 

e. Hymir 


. hör als Irmin. Schiuß. 


Bio (Tyr) Heru, Sarnöt, Heimdall. 


Tr 
Heru Samöt . . 
Heimball Iring Irmin . 


Die übrigen Aſen. 


Bali (A Büi) und Steaf 
Ufer (Bol) B 
Phol. Afci. Hermöbhr . 
Forſeti u 

Bragi 

Loti 


Gottinnen und Wanen. 


He 

Söttermutter 
Nerthus 

Niordhr und Si 


Gregr (Brö) . 


- Frege und Hel 


Sonneneber und Sonnendirſch 
Freyja und Frigg (Frouwa und Br) 
Gefion 
Vervielfältigungen. 1. Roruen 
Hel und die Normen . 

B 


Seite. 


281 


131. 
132. 


133. 


134. 
135. 


3. Balfüren (Walachuriun) 

Hilde und Brynhild B 

Pharaildis Herodias Abundia . . 5 . 
Ifis Nehalennia Gertrud 5 . B 
Monatsgöttinnen: Spurke Göi Hreda Ufara Sif Ranna . 
Göttinnen der Ernte und der Zwölften . . B 
Herta Zördh Bil . B . . j . 
Holda und Berhta . B . B B 
Bertha die Spinnerin . . . 

Die weiße Frau 

Die übrigen Göttinnen 


Riefen und Zwerge, Gefpenfter, Hexen und Teufel 


Riefen im Allgemeinen . . B 

Benennungen . . 

Bergriejen . . . . 

Reifrieſen 

Waßerrieſen 

Feuerrieſen 

Elben im gemeinen 

1. Zwerge (Erdgeifter) . . . j 

2. Waßergeiſter . . . . B 

3. Feuergeifter - . B . . B 
Seelen und Geſpenſter . . . J 
Teufel - . B . . . 5 


III. Gottesdienft. 


Ueberficht . . . . . 
Gegenflände des Cultus . . . 


Gebet . B . . 


1. Im Allgemeinen . . . 
2. Hof und Heiligthum m 


505 
506 


518 


518 
525 


3. Bilder . . 


4. Briefter und Peieerinuen 


5. Bauber 
6. Weißagung 
7. Heilung . . 


. 8. Rechtsgebrauch 


Umzüge und Feſte. 


Begründung - . 
Stehende Figuren 
Gemeinfame Gebräude 
Beffeuer J 
Sommer- und Binterfete 
Häusliche Fee: Geburt 
Hodpeit R 
Beftattung . . 


546 


591 


Einleitung. 


1. Aufgabe der Mythologie, 

Sol die Mythologie mehr fein ald Aufzählung der Götter und 
Helden, mehr als Darfiellung ihrer Thaten und Schidjale, fol fid das 
Benuftein de3 Volls in der vorhiftoriihen Zeit in ihr fpiegeln, fo darf 
fie fih nicht begnügen, die Mythen vorzulegen, fie muß fie aud deuten, 
ven Logos des Mythos erſchließen. Oft freilich dringen wir zum Ber: 
Rändnifs eines Mythus nicht vor, weil uns ber Sinn noch verſchloßen 
iR: dann gilt es, die Augen erft befer zu jhärfen und zu üben; ober 
weil und nur unvolltändige Runde von ihm beiwohnt: dann müßen wir 
und begnügen, die vorhandenen Nachrichten zufammen zu ftellen. So lange 
man einen Mythus nod nicht volftändig Tennen gelernt hat, wagt man 
zu viel, ſich auf feine Deutung einzulaßen. ‚Ueber halb aufgevedte Daten 
philoſophiſche ober aſtronomiſche Deutungen zu ergießen, ift eine Verirrung, 
die dem Studium der nordiſchen und griechiſchen Mythologie Eintrag 
geihan hat’ Grimm Myth. S. 10. Leptes Biel der Mythenforſchung 
bleibt freilich das BVerftänpnifs der Mythen; aber erft muß der Mythus 
vollſaͤndig ermittelt jein ehe feine Deutung gelingen kann, und auch dann 
wird e3 oft siod der Vergleichung fremder Mythologien bevürfen um über 
die unfrige ind Klare zu kommen. Grit die vergleichende Mythologie kann 
die Aufgabe löfen, die als höchſtes Ziel der Forfhung bei jeder einzelnen 
vorſchweben muß. 


2. Mythus. 

Mythus ift die Altefte Form, in welcher der heidniſche Volkögeift bie 
Belt und die göttlichen Dinge erkannte. Die Wahrheit erſchien ihm in 
der vorgeſchichtlichen Zeit und erſcheint dem Ungebilveten noch heutzutage 
nicht in abftracten Begriffen, wie jeht dem geſchulten, gebildeten Geifte: 
fie verlörperte fi) ihm in ein Bild, ein Sinn» und Gedanfenbild, feine 
Anfhauungen Heiveten ſich in Erzählungen von den XThaten und Grleb: 

iuod, Mythelegie. 1 


2 Aythas. . 2. 


niſſen der Götter, und dieſe Bilder, dieſe Erzählungen nennen wir Mythus. 
Der Mythus enthält alfo Wahrheit in der Form der Schönheit : der 
Mythus ift Poeſie, die ältefte und erhabenfte Poefie der Völker. Er ift 
Wahrheit und Dichtung zugleih, Wahrheit dem Inhalte, Dichtung der 
Form nad. Die in der Form der Schönheit angeſchoute Wahrheit ift 
eben Dichtung, nicht Wirklichkeit: Wahrheit und Wirklichleit werden nur 
zu oft verwechſelt. Wirklich iſt der Mythus nicht, gleichwohl ift er wahr. 

So lange die Mythen noch Gegenftand des Glaubens blieben, durfte 
man nicht fagen, daß biefe Gedankenbilder nicht wirklich fein, daß bie 
Dichtung Antheil an ihnen habe: fie mollten unmittelbar geglaubt, für 
wahr und für wirklich zugleich gehalten werben. Es gab alſo damals 
mur Mythen, noch keine Mythologie, denn die Deutung der Mythen, die 
böchfte Aufgabe der Mythologie, war unterfagt. Jett aber find die Myr 
then nicht mehr Gegenftand des Glaubens und follen e8 aud nicht wieber 
werden; wir follen nicht mehr an Odin oder Wuotan, nicht mehr an 
Thor oder Donar, an Freyja oder Frouma glauben ; aber darum find es 
nicht lauter Irrthumer, was unfere Vorfahren von diefen Göttern träum⸗ 
ten: es liegt Wahrheit hinter dem Scheine ; aber nur durch die Deutung 
der Mythen kann man zu diefer Wahrheit gelangen. War diefe Deutüng 
damals unterfagt, als fie noch Gegenftand des Glaubens waren, als jene 
Götter noch verehrt wurden, als ihnen nod Opfer fielen, noch Altäre 
tauchten, jo üft fie jegt erlaubt wie Pflicht des Forſchers, und dem chrifte 
lien Gotte, der ein Gott der Wahrheit und der Wirklichkeit ift, Tann 
damit nur gebient fein, wenn die Unwirklichteit der alten Götter nachge⸗ 
wiejen wird, denn bie zu Grunde liegende Wahrheit verwirft das Ehri« 
ftenthum nit, ja es pflegt fie als der Urofienbarung angebörig für ih 
in Anfprud zu nehmen. 

Wenn die Mythen für den Glauben jept Alles verloren haben, fo 
haben fie für das Wißen gewonnen ; eö giebt erft jept eine Mythologie, 
eine Wißenfhaft der Mythen. Sie lehrt ung erkennen, daß den religiöfen 
Anfhauungen der Bölter geiftige Wahrheit zu Grunde Tag, der Irrthum 
aber darin beftand, daß die täufchenden Bilder, im welche die Dichtung 
jene Wahrheiten Heidete, für wirklich angeſehen wurden. Die Uroffenba- 
rung war verbuntelt oder gar verloren, den Gebantenbilvern der Dichtung 
lag oft die volle Wahrheit nicht zu Grunde: um fo weniger Tonnten fie 
genügen und mit dem Scheine der Wirktihleit lange beftehen. In der 
That ergiebt die Geſchichte des deutſchen Heidenthums, wie es die Ge: 


“: Anendentung. {) 


fhichte des antifen gleichfalls ergiebt, daß hie heidniſche Form des relie 
giöfen Vewuſtſeins Ach ausgelebt hatte, als das Chriftenthum in die 
Welt trat, oder doch als es den nordifchen MWölfern verfündigt wurde, 
mithin der Glaube an den einigen Gott, ver ohnedieß allen heidniſchen 
Religionsfpfemen zu Grunde lag, ſchon im Gemüthe der Wöller vorbe⸗ 
reitet war. Auf dem Wege innerer Entwidelung war der heidniſche 
Glaube dahin gelangt, den einigen Gott zu ahnen: ihn erfennen zu leh⸗ 
ren, beburfte es äußerer Mittheilung. 
Welcher Art von Mythendentung ich anhänge, will ich nod angeben. 

Bor allem nicht der hiftorifhen, welche vie Götter zu Menſchen macht, 
obgleich dieſe vie Altefte ift. Ihr hiengen Saro und Snorri an: ba mure 
ven die Goͤtter zu Fönigen des Nordens, zu Zauberern oder zu großen 
Heermännern und Groberern, die Aſen und Wanen zu feindlichen 
Bollerſchaften und den Fluß Ifing, der die Grenze bildet zwiſchen Götz 
tern und Niefen, fuhte man auf der Landkarte. Als Bauberer begreift 
auch Konad von Würzburg (im trojanifchen Krieg V. 859 ff.) die grier 
chiſchen Götter: 

Wa; gote wseren bi der zit? 

si wären liute als ir nu eit, 

wan das ir krefticlich gewalt 

was michel unde manecvalt 

von kriutern und von steinen. 


Schon die Helvenfage, die felbft einen Theil der Mythologie bildet, 
lann als eine Hiftorifierung der Bötterfage angefehen werben. 

Eine andere Art der Deutung, die phyſiſche oder eigentlich aſtrono⸗ 
niſche, vertritt Finm Magnufen : er macht die Götter zu Gternbildern, 
Monaten und Kalendertagen. Gänzlich laßt fih inbes der phyſiſchen 
Deutung ihr Recht nicht abſprechen: ohne Zweifel enthalten vie Mythen 
Raturbetrahtung, ja von Naturbetradhtung geht der Mythus aus; weil 
aber Ratur und Geiſt verwandt, ja weſentlich eins find, fo bleibt ber 
Mythus bei feiner eriten, natürlichen Bedeutung nicht ftehen, fondern rüdt 
alsbald auf das geiftige und fittlihe Gebiet hinüber. Wir müßen daher 
bei allen Göttern erit nach ihrer natürlihen Grundlage fragen und von 
iht auögehend ihre geiftigen und ſittlichen Beziehungen als fpätere Er⸗ 
weiterungen zu ermitteln fuchen. Die gröfte Carricatur der phyſiſchen 
Nythenauslegung ift die chemiſche, welche Trautvetter vertritt : da werben 
die drei hoͤchſten Bötter zu Schwefel, Duedjilber und Salgen ober, in der 


4 Gutwicelungsgang. %.2% 


phyfiſchen im engften Sinne, zu ben Geſetzen der Schwere, Bewegung und 
Affinität : Thoͤr iſt die Electricität, fein Rraftgürtel der electriſche Con 
denſator, feine Handſchuhe der Leiter; Freyja und Sif find Kohlenſtoff 
und Sauerſtoff. gl. Köppen Einl. 203. 

Eine befonnene Auffagung wird nicht Alles über einen Leiften ſchla⸗ 
gen, fie wird anerkennen, dab Ddin da Element der Luft zu Grunde 
liegt, während feinem Sohne Hermödr keine Naturerſcheinung entfpricht, 
da er vielmehr aus einer fittlihen Eigenschaft, einem Beinamen Ddins, 
zu einer felbftändigen mythiſchen Figur erwachſen ift. Die Götter haben 
das Menſchengeſchlecht erſchaffen, jagt ver Mythus; im Grunde verhält 
es ſich umgelehrt: die Menſchen haben fi die Götter geichaffen — 
nad ihrem Bilde. Und ba der Menſch der äußern Natur angehört wie 
der innern, da er auß Leiblihem und Geiftigem befteht, fein Leben fi 
in Wechfelbeziehungen zwiſchen Natur und Geift bewegt, jo müßen es auch 
feine Götter. Die Einheit von Geift und Natur maht und das Stu: 
dium der Mythologie recht anſchaulich, denn Webergänge aus dem einen 
in dad andere überrafhen uns da Schritt für Schritt. 

Ich will noch näher anzugeben verſuchen, welchen Entwidelungsgang 
die Mythen zu nehmen pflegen, indem fie von dem natürlichen Gebiet auf 
das fittlihe hinüber rüden. Urfprüngli bezogen fih die Mythen auf das 
Naoturleben im Kreiplauf des Tages ober Jahres. Aber Tagesmythen 
erweitern ih zu Jahresmythen, weil der Sommer der Tag, ber Winter 
die Nacht des Jahres ift. So find auch noh Sommer und Winter: 
mythen erweiternder Umbildungen fähig; der erfte Schritt, der bier zu 
geſchehen pflegt, ift ihre Uebertragung auf Leben und Tod, denn der 
Winter ift der Tod der Natur, der Sommer wedt Pflanzen und Thiere 
zu erneutem Leben. Mit viefer zweiten Grweiterung ift jhon ein Rieſen⸗ 
ſchritt geſchehen: Tod und Leben find die großen Probleme, womit fi 
alle Mythologieen zu beichäftigen pflegen. Aber dabei bleiben fie nicht 
ftehen; am wenigften thut das die unfere. Mit dieſem Leben ift e3 nicht 
zu Ende, der Tod ift fein Tod auf ewig: wie auf den Winter, den Tod 
der Natur, ein neuer Frühling folgt, ein neues Leben, fo ift auch vom 
Tode noch Erlöfung zu hoffen, die Hölle läßt ihre Beute wieder fahren, 
die Pforten der Unterwelt können gejprengt werben, und gerabe dieß ift 
ver Inhalt vieler veutfher Mythen, Märchen und Sagen. Die Bebin- 
gungen, an welde diefe Grlöfung genüpft ift, rüden ven Mythus von 
felbft auf das geiftige Gebiet, fie empfangen nun eine fittlihe Bebeutung, 


8. Sermaniſqe Mipthelsgte. 5 


mwährend fie urfprünglich nur eine natürliche hatten. Aber auch dieſe Er⸗ 
weiterung ift noch nicht die lehte, deren fi die Mythen fähig zeigen: 
nicht bloß die Schidfale der einzelnen Menſchen find von Geburt und Tod 
begrenzt, auch die Welt wird geboren: wir nennen das Schöpfung; an: 
dererfeit3 verfällt fie dem Tode: das ift mas mir Weltuntergang zu 
nennen pflegen. Die Schoͤpfungsgeſchichte ift ein Gegenftand aller 
Mythologieen; der deutfhen Mythologie ift es eigenthümlich, daß fie auch 
den Untergang der Welt ind Auge faßt, ja ihn zum Hauptgegenftand 
ihrer Anfchauungen erhebt. Hier erfahren nun die Mythen ihre legte und 
mädtigfte Erweiterung : urfprünglih nur auf den Wechſel von Tag und 
Naht, Sommer und Winter, alſo den Kreiplauf des Tages, des Jahres 
bezüglich, werden fie nun auf das große Weltenjahr außgebehnt, denn auch 
mit dem Untergang der Welt ift e8 nicht zu Ende, es folgt ihre Er⸗ 
neuerung, ihre Wiedergeburt, die Erde taucht aus der allgemeinen Flut 
wieder auf und grünt, die Ader tragen unbefäet und verjüngte, ent 
fühnte Götter werben ein geiftigeres Menſchengeſchlecht beherihen, das 
irdifhe Bedürfniſſe nicht kennt, denn Morgenthau ift all fein Mal. Hier 
ift die fittlihe Umbildung am ftärkften hervorgehoben, denn die allgemeine 
Entfittlihung war e3, welche ven Untergang der Welt herbeigeführt hatte ; 
aber jegt hat der Weltbrand mit der Simde das Uebel aus der Welt 
getilgt und bie ſelige Unſchuld der Götter und Menſchen kehrt zuräd um 
nieht wieder zu verſchwinden. 


3. Mordifche und dentfche Mythologie, 

Eine deutſche Mythologie, die nah dem eigentlichen Sinne bes 
Bort3 auf Darftelung und Deutung der Mythen ausgeht, darf fih auf 
die jeigen engen Grenzen Deutſchlands nicht beferänten, fie muß das 
Bort in dem weitern Sinne nehmen, in welchem es alle germaniſchen 
Bölter begreift. Tacitus befaßt unter Germanien noch Skandinavien mit, 
und ingäwonifhe Völfer lebten zu beiden Seiten der Oftfee in näherer 
Gemeinfhaft als niederdeutſche und hochdeutſche Stämme ; erft bie frühere 
Einführung des Chriftenthums in Deutfchland, während Skandinavien noch 
heidniſch blieb, Töfte unfer Volt von dem norbifhen: das heidniſche Erbe 
it beiden gemein. Wir find aber oft in dem falle, das Nordiſche in 
den Vordergrund fielen zu müßen, wenn fih in Deutſchland vor dem 
Ehriftentfume nur Nachllänge geborgen haben. Bor Jacob Grimms deutſcher 
Mothologie, die das Wort deutſch in einem engern Sinne nahm, durfte 


6 Dentfäe Mythologie. 48. 


noch Köppen jagen, es gebe leine veutihe Mythologie, ſondern nur eine 
nordiſche. Bon den\deutihen Göttern find und meift nur die Namen 
überliefert ; ihr Leben und ihre Schidjale, aljo aud ihre Mythen, bleiben 
und verborgen, und oft könnte faum ihre Bedeutung aus deutſchen Quel · 
len allein erfannt werden. Jacob Grimm ift der Schöpfer einer im en⸗ 
gern Sinne deuten Mythologie geworben; er hat fie aber aus zer 
brödelten Trümmern aufbauen müßen, nah Grund und Aufriß ber 
flandinavifhen. Indem er es unternahm, Alles was man vom deutſchen 
Heidenthume noch wißen Tann, zu fammeln und barzuftellen mit Aus: 
ſchließung des vollftändigen Syſtems der nordiſchen Mythologie, fah er 
fich gleichwohl genöthigt, das Nordifhe zur Erklärung des Einheimiſchen 
herbeizuziehen. Das Ergebnifs feiner mühevollen Forſchung und eines 
feltenen Tiefblid3 war, daß beide Eulte wie beide Glaubensſyſteme im 
Wefentlihen übereinftimmen, im Einzelnen auseinandergehen, und bieß 
hat fi durch die bald darauf erfolgte Auffindung der ſ. g. merjeburger 
Bauberliever auf das Glaͤnzendſte beftätigt, indem bier in beutjcher Sprache 
Götter genannt find, die wir bis dahin für ausſchließlich nordiſche hielten. 
Die weſentliche Fdentität der deutſchen und norbifchen Götter wirb aber 
durch zweierlei eingefhränft. So wie die Sprache dialeltiſche Verſchie⸗ 
denheiten zeigt, fo weichen nothwendig auch die mythiſchen Anſchauungen 
bei den verſchiedenen Staͤmmen im Einzelnen ab. Dann aber war das 
Heidenthum im Norden, wo das Chriſtenthum fo viel ſpaͤter eindrang, 
auch ſchon ſo viel mehr ausgebildet als bei uns, ja es hatte ſich, wie 
oben angedeutet wurde, ſchon überlebt. ‚Unfere Denkmäler,‘ ſagt J. Grimm, 
‚ind ärmlicher aber älter, die nordifchen jünger und reicher.‘ Die legte 
Wort ſcheint wenigftend der Gegenfag zu verlangen; gebrudt fteht rei» 
ner, was mir nur infofern die Wahrheit zu treffen ſcheint, als wir für 
die deutſche Mythologie auh aus heutigen Quellen ſchoͤpſen müßen, bie 
allerdings oft nur trübe fließen. Die frühe Einführung des Ehriften« 
thums zwang unfere Götter, fi unter den verfdiedenften Geftalten zu 
bergen, die heidnifche Lehre die mannigfaltigften Verbindungen einzugehen, 
und es bebarf jept Glüd und Scharffinn, fie wieder zu erlennen und 
Chriſtliches und Heidniſches in Legenden, Märchen und Sagen, Gebräuden 
und Aberglauben zu ſondern und zu ſcheiden. 

Indem wir ums oft und in dem erften Theile ‚von den Geſchicen 
der Welt und der Götter‘ fait immer genöthigt fehen, von dem norbis 
hen als dem vollitändiger entwidelten und erhaltenen Syſteme auszus 


&4 Onshen. 7 


gehen und dann erft nachzuholen, was fi} im deuiſchen Glauben Ent ⸗ 
ſprechendes oder Abweichendes findet, ift unfer Berfahren das Umgelehrte 
von dem, welches J. Grimm befolgte. Er hat, wie er ſich audbrüdt, 
die nordiſche Mythologie nur zum Einſchlag, nicht zum Zettel feines Ge: 
webes genommen. Das umgelehrte Verfahren, welches das Rordiſche zum 
Zettel nimmt, das Deutſche im engem Sinn als Einfchlag benugt, muß 
der einichlagen, welchet fih zur Aufftellung einer gemeinfamen deut: 
Then Mythologie der nordiſchen Ueberlieferungen fo gut ald der im 
engern Deutſchland fließenden bedienen wil. Wenn Grimm hoffte, daß 
endlich der Zeitpunct erſcheinen werde, mo der Wall zwiſchen deutſcher 
und nordiſcher Mythologie zu durchſtechen ſei und beide zufammenrinnen 
tönnen in ein größered Ganges, jo ift für uns biefer Zeitpunct ſchon er- 
ſchienen: wir haben ven Wall durchſtochen und den Guß einer allgemeinen 
deutfhen Mythologie unternommen. Sept wo biefer vollbracht ift, darf 
ih es wohl ausſprechen, daß weder die deutſche Mythologie der norbi- 
ſchen, noch die nordiſche der deutſchen entrathen kann, indem fie ſich ge: 
genjeitig fördern und erläutern, da feine über ihre eigenen Geftalten 
volles Licht zu verbreiten weiß ohne die andere. Die norbifhe, deren 
Göttern ein längeres Daſein beſchieden war, taͤuſcht zwar mit dem Schein 
einer gewiſſen Selbftänvigleit ; aber nit nur find unfere Denkmäler älter, 
fe find auch echter, und felbft was wir auß heutigen Duellen, aus dem 
Munde des Volks, aus der in Märchen und Sagen, in Sitten und Ge: 
bräudjen noch fortlebenden Ueberlieferung ſchoͤpfen, deutet auf einen ältern 
und befem Zuftand der Mythen, die fich feit der Ginführung des Chri- 
ſtenthums nicht weiter entwidelt haben, damals aber ſich von ihrer ur: 
ſprũnglichen Geftalt noch nicht fo weit entfernt hatten al in dem fpäter 
belehrten Norven, mo fie in jüngerer und beivufterer Zeit, als fih das 
deidenthum faft ſchon ausgelebt hatte, der Willtür der Slalden, ja chriſt⸗ 
licher Aufzeichner anheimgefallen waren. 


4 Quellen der Mythologie. 

Die Quellen der Mythologie ausführlich zu beſprechen, gebricht hier 
der Raum, und nur der Naumerfparung wegen gebe ich bier diejenigen 
Berte an, auf welche ih mich am häufigften beziehe, damit ich nicht 
immer genöthigt bin, ihren Xitel vollftändiger anzuführen. Unter den 
nordiſchen ftehen billig vie beiden Edden woran, welhe id gewöhnlich 
nad) meiner Weberfegung citiere: ‚Die Edda, die ältere und jüngere nebft 


6 Dentfge Mthelegie. %3 


noch Koͤppen jagen, es gebe leine deutſche Mythologie , fondern mur eine 
norbifhe. Bon den deutſchen Göttern find und meift nur die Namen 
überliefert ; ihr Leben und ihre Schidfale, aljo au ihre Mythen, bleiben 
un verborgen, und oft könnte kaum ihre Bedeutung aus deutſchen Quel ⸗ 
len allein erkannt werden. Jacob Grimm ift der Schöpfer einer im en» 
gern Sinne deutihen Mythologie geworden; er bat fie aber aus zer 
brödelten Trümmern aufbauen müßen, nah Grund und Aufriß der 
ſtandinaviſchen. Indem er es unternahm, Alles was man vom beutichen 
Heidenthume noch wißen ann, zu fammeln und barzuftellen mit Aus- 
ſchließung des vollftändigen Syftemd der norbifhen Mythologie, ſah er 
ſich gleichwohl genöthigt, das Nordiſche zur Erklärung des Einheimiſchen 
herbeizuziehen. Das Ergebniſs feiner mühevollen Forſchung und eines 
feltenen Tiefblid3 war, daß beide Culte mie beide Glaubensſyſteme im 
Wefentlihen übereinftimmen, im Ginzelnen außeinandergehen, und bie 
hat fi) durch die bald darauf erfolgte Auffindung der ſ. g. merjeburger 
Zauberlieder auf das Glänzenbfte beftätigt, indem hier in deutſcher Sprache 
Götter genannt find, die wir bis dahin für ausſchließlich nordiſche hielten. 
Die weſentliche Identitaͤt der deutſchen und nordiſchen Götter wird aber 
durch zweierlei eingefchräntt. So wie die Sprache dialeltiſche Verſchie ⸗ 
denheiten zeigt, fo weichen nothwendig auch die mythiſchen Anfhauungen 
bei den verſchiedenen Stämmen im Einzelnen ab, Dann aber war das 
Heiventbum im Norden, mo das Chriſtenthum fo viel fpäter eindrang, 
auch ſchon fo viel mehr ausgebildet ald bei uns, ja es hatte fi, mie 
oben angedeutet wurde, ſchon überlebt. ‚Unjere Denkmäler,’ fagt 3. Grimm, 
‚And ärmlicher aber älter, die nordifchen jünger und reicher.‘ Dieß legte 
Wort ſcheint wenigſtens der Gegenfag zu verlangen; gebrudt fieht reis 
ner, was mir nur infofern die Wahrheit zu treffen fheint, als wir für 
die deutſche Mythologie auch aus heutigen Quellen fchöpfen müßen, bie 
allerdings oft nur trübe fließen. Die frühe Ginführung des Chriſten ⸗ 
thums zwang unfere Götter, fi unter den verſchiedenſten Geftalten zu 
bergen, bie heidnifche Lehre die mannigfaltigften Verbindungen einzugehen, 
und e3 bebarf jegt Glüd und Scharffinn, fie wieder zu erkennen und 
Chriſtliches und Heidnifhes in Legenden, Märhen und Sagen, Gebräuchen 
und Aberglauben zu fondern und zu ſcheiden. 

Indem wir uns oft und in dem erften Theile ‚von den Geſchiden 
der Welt und der Götter‘ faft immer genöthigt fehen, von dem norbis 
ſchen als dem vollftändiger entwidelten und erhaltenen Syſteme auszus 


&4 Onchen. 7 


gehen und dann erft nachzuholen, was fi im deutfhen Glauben Ent 
ſprechendes ober Abweichendes findet, ift unfer Berfahren das Umgelehrte 
von dem, welches %. Grimm befolgte. Gr hat, wie er fh ausprüdt, 
die nordiſche Mythologie nur zum Ginſchlag, nicht zum Zettel feines Ge: 
webes genommen. Das umgekehrte Verfahren, welches das Rorbifche zum 
Zettel nimmt, das Deutſche im engern Sinn als Einſchlag benugt, muß 
der einſchlagen, welcher fih zur Aufftellung einer gemeinfamen deut: 
hen Mythologie der nordiſchen Weberlieferungen fo gut ald der im 
engern Deutſchland fließenden bebienen will. Wenn Grimm hoffte, daß 
endlich der Zeitpunct erſcheinen were, wo ber Wall zwiſchen deutſcher 
und nordiſcher Mythologie zu durchſtechen fei und beide zujammenrinnen 
können in ein größered Ganzes, fo it für und biefer Zeitpunct ſchon er- 
ſchienen: wir haben den Wall durchſtochen und den Guß einer allgemeinen 
deutſchen Mothologie unternommen. Jetzt wo dieſer vollbracht ift, darf 
ich es wohl ausſprechen, daß weder die deutſche Mythologie der nordir 
ſchen, noch die nordiſche der deutſchen entrathen kann, indem fie ſich ge 
genfeitig förbern und erläutern, da keine über ihre eigenen Geftalten 
volles Licht zu verbreiten weiß ohne die andere. Die nordiſche, deren 
Göttern ein längeres Dafein beſchieden war, täufcht zwar mit dem Schein 
einer gewifien Selbftändigteit ; aber nicht nur find unfere Denkmäler älter, 
fie find aud echter, und felbft was wir aus heutigen Quellen, aus dem 
Munde des Volks, aus der in Märden und Sagen, in Sitten und Ge: 
braͤuchen noch fortlebenven Weberlieferung ſchoöpfen, deutet auf einen ältern 
und been Zuftand der Mythen, die ſich ſeit der Ginführung des Chri- 
ſtenthums nicht weiter entwidelt haben, damals aber ſich von ihrer ur 
Iprünglihen Geftalt noch nicht jo weit entfernt hatten als in dem fpäter 
belehrten Norden, imo fie in jüngerer und bewufterer Zeit, als ſich das 
deidenthum faft ſchon ausgelebt hatte, der Willkür der Stalven, ja chriſt⸗ 
licher Aufzeichner anheimgefallen waren. 


4 Quellen der Mythologie. 

Die Quellen der Mythologie ausführlich zu beſprechen, gebricht hier 
der Raum, und nur der Maumerfparung wegen gebe ich hier diejenigen 
Berte an, auf welhe ih mich am häufigften beziehe, damit ich nicht 
immer genöthigt bin, ihren Xitel vollftändiger anzuführen. Unter den 
nordiſchen ftehen billig die beiden Edden voran, melde ich gewoͤhnlich 
nad) meiner Ueberfegung citiere: ‚Die Edda, die ältere und jüngere nebft 


8 a. 4 


den mothifchen Erzählungen der Slalda.“ Stuttgart und Tübingen, Zte 
Auflage, 1863. In den Erläuterungen ift über bie Beſtandtheile beiver 
Sammlungen Auskunft gegeben. Die ‚Stalda’ begreift fie nur infofern 
als fie mythologiſche Erzählungen enthält: dieſe find den Gapiteln der 
beiden erften Abfchnitte Gylfaginning und Bragaredur angereiht, und 
zwar fo, daß die Zahlen dieſer Capitel, welche Dämifagen heißen und 
daher D. citiert werben, bei jenen aus der Stalda außgehobenen Erzäh ⸗ 
Tungen weiter fortgeführt werben. Zum Rahfhlagen des Originals be: 
dient man fi für tie ältere am beften der 1860 zu Leipzig erfchienenen 
Ausgabe von Theodor Möbius (Edda Semundar hins fröda), doch ftimmt 
meine Ueberfegung in ven Strophenzahlen mehr mit der Ausgabe von Her- 
mann SCüning (Züri 1859), melde ſich auch durch Gloffar und Grammatit 
u. ſ. w. empfiehlt; für die jüngere, mit Ginfhluß der Stalda, der Aus: 
gabe Reykjavik 1848, ütgefin af Sveinbirni Egilssyni; doch wird es 
gut fein, die den Dämifagen genannten Gapiteln fehlenden Zahlen beizu⸗ 
ſchreiben, entweder, wenigſtens für Oylfaginning und Bragarödur, aus 
meiner Ueberfegung, oder aus der mit lateiniſchem Text begleiteten neuen 
Kopenhagener Ausgabe, deren Gebrauh ich ohnedieß empfehle ımd fie 
deshalb näher bezeichne: Der erfte Theil, der die wichtigſten Stüde ent: 
hält, erſchien 1848 unter dem Titel Edda Snorra Sturlusonar, Hafnias 
1848 ; aber auch der zweite 1852 herausgelommene Theil wird zumeilen 
angezogen werben. Nachſt den Edden find die Fornaldar Sögur Nordr- 
landa ütgefnar af C. C. Rafn, Kaupmannahöfn 1829-30, III Bbe, 
die ergiebigfte nordiſche Duelle ; leider entſprechen als dänifche Ueber: 
fegung nicht ganz die gleichfalls von Rafn herausgegebenen Norbifle For⸗ 
tids Sagaer, Kjöbenhaun 1829—30, III Bde. Nach diefen find es die 
auch lateiniſch fo wie vänifh in zwölf Bänden herausgegebenen Forn- 
manna Sögur, fo wie die Islendingasögur, von weldhen am bäufigften 
Gebrauh gemacht wird. Für die Jsland betreffenden Sagen kann man 
ſich au der von Karl Lahmann (Berlin 1816) aus ver daͤniſchen Hands 
ſchrift überfegten ‚Sagaenbibliothet de3 Skandinaviſchen Alterthums von 
B. E. Müller‘ bedienen. Für die Heimskringla Snorri Sturlufons , des 
nordifhen Herodot, ift Mohniles Weberfegung Stralfund 1837 zu ge: 
brauden, und für die gleihfam als Quelle vienenden erften acht Bücher 
des Saxo Grammaticus die Ausgabe von P. E. Müller, Havniae 1839. 

Naͤchſt diefen Quellen der nordiſchen Mythologie berufe ich mich für 
die deutſche am häufigftien auf folgende’ Werte: 


4 Bären und Sagen. 9 


Jacobi a Voragine Legenda Aurea, recensnit Dr. Th. Graesse. 
Dresdae et Lipsiae 1846. 

Gesta Romanorum herauögegeben von Adelbert Keller. Erſter Br. 
Tert. Stuttg. u. Tübing. 1842, 

Gesta Romanorum von Dr. K. G. Th. Gräfle Dresden und Leip: 
ig 1842. Zwei Bde. 

Caesarii Heisterbacensis Monachi Dialogus Miraculorum ed. 
Strange. Colonise 1851. 

Die ergiebigfte Quelle verfprechen bie im Wolfe noch lebenden Ueber: 
lieſerungen zu werben, welchen man feit den ‚beutfcen Sagen‘ (Göttingen 
1816—18. Zwei Theile) und den ‚Rinder: und Hausmärden‘ der Brüder 
Grimm, vie auch hier den Weg gewieſen und die reichſte Ernte vorweg 
genommen haben, eifrig nachforſcht. Die letere Sammlung, die und faft 
die Stelle einer deuten Edda vertritt, hat Wilhelm Grimm in der 6. 
Ausgabe (Göttingen 1850) mit einer Ueberfiht der neueften Märchen: 
literatur eröffnet, die auch außerdeutſche, ja außereuropäifhe Sammlungen 
vergleicht und Ginftimmungen wie Abweichungen inmerhalb fowohl als 
außerhalb des indogermanifhen Vollsſiamms erwägt. Wie überrafhende 
Blide uns bier auch eröffnet werben ‚fo gewährt doc die ins Einzelne 
durchgeführte Bergleihung, wie fie feit 1856 bie Umarbeitung und Ergän« 
zung des feit 1822 nicht mehr aufgelegten britten Bandes ber Kinder: 
und Hausmärden bietet, noch reichere und wichtigere Auſſchluße. 
Rah ihmen verdanten wir befonders Adalbert Kuhn, Karl Müllenhoff 
und J. W. Wolf, welden fi Bernhard Baader und Friedrih Panzer 
anreihen, den Erfhluß der reichhaltigſten Quellen. Auf Auhns ‚Mär 
liſche Sagen’ (Berlin 1843) folgten 1848 Leipzig die „Norddeutſchen 
Sagen, Märden und Gebräude‘ von Adalbert Kuhn und Karl Schwarz; 
1859 die ‚Weftfälifhen Sagen, Gebräuhe und Maͤrchen“ von Adalbert 
uhn. Karl Müllenhoffs ‚Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer 
Schleswig, Holftein und Lauenburg’ erſchienen Kiel 1845. Bon J. W. 
Wolfs vielfahen Arbeiten auf dieſem Gebiete nenne id nur bie ‚Deut: 
ſchen Märchen und Sagen‘ (Leipzig 1845), die ‚Nieberlänbiihen Sagen’ 
(Leipzig 1843), die ‚Deutihen Hausmärden‘ (Göttingen und Leipzig 
1852) und die ‚Heffiihen Sagen‘ (Leipzig 1853). Bernhard Baaders 
‚Bollfagen aus dem Lande Baden’ (Karlsruhe 1851) waren zum Xpeil 
ſchon in den Jahrgängen 1835—39 von Mones Anzeiger für Kunde 
der deutſchen Vorzeit veröffentlicht. Auf einen engern Mythenkreiß ber 


10 Sammlungen. .. 4 


Ihränkte fih Friedrich Panzer im erften Bande feiner ‚Bayeriihen Sagen 
und Braͤuche“ (Münden 1848); ver zweite bob dieſe Beichränkung 
wieder auf. Zu ihnen ftellen fih jegt: Karl Freiherr von Leoprehting 
mit- dem reichhaltigen Büchlein ‚Aus dem Ledrain‘ (Münden 1855) 
und Fr. Schönwerths ‚Sitten und Sagen aus der Oberpfalg‘. Drei Bde. 
Augsburg 1857. 

Naͤchſt diefen dem Sagenforiher unentbehrlihen Werken nenne ic 
noch: W. Börner ‚Vollsfagen aus dem Orlagau' (Altenburg 1838); 
Neufh ‚Sagen des Preußiſchen Samlandes‘ (Königsberg 1838), zweite 
Auflage Koͤnigsberg 1863; I. 3. 2. Woefte ‚Voltsüberlieferungen aus 
ver Grafihaft Marl’ (Zferlopn 1848); Harıys ‚Bollsfagen aus Nieder: 
ſachſen“ (Gelle 1840) ; 3.5. Bonbun ‚Voltsfagen aus Vorarlberg’ (Wien 
1847), fo wie veflen. ‚Sagen Borarlbergs’ (Innsbrud 1858) und ‚Bei 
teäge zur deutſchen Mythologie‘ (Chur 1862); Emil Sommer ‚Sagen, 
Märchen und Gebräuhe aus Sachſen und Thüringen’ (Halle 1846) ; 
2. Bechftein ‚Thüringifcher Sagenfhag' (Hildburghaufen 1835—38), und 
deſſen „Fraͤnkiſche (Würzburg 1842) und ‚Defterreihifhe (Leipzig 1846) 
Vollaſagen“; Adalbert von Herrlein ‚Sagen des Spefjarts’ (Ajcaffen 
burg 1851); Bingerle ‚Tirol® Volksdichtungen und Gebräude (Insbrud 
1851), ‚Rinder und Hausmärden aus Süddeutſchland' (Regensburg 1855), 
‚Sitten, Bräude und Meinungen des Tyroler Volls“ (1857) und ‚Sagen, 
Märchen und Gebräuche aus Tyrol’ (Innsbrud 1858), Dazu kommen 
jegt mod) ‚Mythen und Sagen Tyrols“ von J. N. v. Alpenburg (Bürih 1851) 
und Theodor Vernalekens ‚Alpenfagen’ (Wien 1858), defien ‚Mythen und 
Brauche des Volls in Defterreih‘ (Wien 1859); Rochholz ‚Schweizerfagen 
aus dem Aargau’ 1856—57. Unter den neueften find noch zu nennen: 
8 Eurge ‚Boldüberlieferungen aus dem Fürftentpum Walved’ (Arolfen 1860); 
3. H. Shmig ‚Sitten und Bräuche bes Eifler Volles‘ (Trier 1856) ; 
Joſeph Haltrich ‚Deutihe Vollsmaäͤrchen aus Siebenbürgen’ (Berlin 1856) ; 
Ernſt Meier ‚Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben’ (Stuttgart 1852); 
Friedrich Müllers ‚Siebenbürgifhe Sagen‘ (Rronftadt 1857); Dr. Anton 
Birlinger ‚Boltsthümliches aus Schwaben‘ 2 Bde. (Freiburg 1861—62); 
Heinrich Proͤhle ‚Rinder: und Voltsmärcen’ (Leipzig 1853), deflen ‚Ober: 
bargfagen’ (Leipzig 1854), ‚Unterharzfagen‘ (Aſchersleben 1856), ‚Märchen 
für die Jugend’ (Halle 1854); Ernſt Deede ‚Lübifhe Geſchichten und Sagen‘ 
(Zübed 1852); Auguft Stöber ‚Sagen des Glfaßes‘ (St. Gallen 1852) ; end: 
lich J. v. Grohmann ‚Sagenbud; aus Böhmen und Mähren‘ (Prag 1863). 





%b Acheriek. 1 


Ans einer eigenen Gammlung, die ich worbereite, find im Rierihſchen 
Boltstalender und in Weſtermanns Monatsheften Proben ausgehoben. 

Der Bezug der Märden, Sagen und Legenden auf die Mythologie 
iR der, daß in chriſilicher Zeit aus heidniſchen Mythen harmloſe Märchen 
geworben find, wie fie ſich aud wohl in örtlichen oder geſchichtlichen Sagen 
localifiert und biftorifiert, gelegentlich felbft in Legenden chriftiamifiert haben, 
weil fie nur in folder Geftalt ihr Dafein zu friften wuſten. Dur Aus⸗ 
merzung oder Abſchwaͤchung des Wunderbaren kann der Mythus bis zur 
Rovelle herab finfen : diefer legten Verkleidung war ih in den Quellen 
des Shatefpeare und dem Novellenſchaß der Staliener 
(Berlin 1831—32) nadzuipüren beflipen. 

. 
5 Plau der Abhandlung. 

Zei der Anoronung gehen wir davon aus, daß unfere Mythologie, 
im der nordifchen Auffaßung, die uns als Wegweiſerin dient, am ‚deut: 
lichſten, einen innern Foriſchritt zeigt, wodurd fie fi von andern, der 
griechiſchen namentlich, unterſcheidet. Man kann von einem deutſchen 
Goͤuerepos fprehen, das fih neben Helven: und Thierepos ala felbftän« 
dige, hoͤchſte Gattung hinſtellt. Gleich jenem ift e8 in einer Reihe volls ⸗ 
mäßiger Lieber behandelt worden, barrt aber nod ded überarbeitenden 
bewuſten Dichters, der es zu einer einigen, großen Epopoie zu geftalten 
wüfte. In das Heldenepos greifen vie Götter nur gelegentli ein, in 
das deutie fparfam, fehr viel reichlicher in das griechiſche; dennoch iſt 
ihr eigenes Leben nicht der Gegenftand der Darftellung: die bleibt dem 
Götterepos vorbehalten, das ſich nur bei uns entfaltet hat. Alles iſt hier 
Kampf, Drang und Bewegung: es ift epiſches, ja dramatiſches Leben 
darin. Die griechiſchen Götter leben in ewiger Heiterkeit, der Kampf mit 
Giganten und Zitanen liegt hinter ihnen, fie wißen ihr Daſein geborgen 
und unbebrobt. Bon dem Untergange ber Weit findet ſich feine Mythe, 
da doch bie Ahnung deſſelben nahe genug lag, denn ‚Alles mas entjteht, 
it werth daß es zu Grunde geht‘. Die beutfchen Götter dagegen find 
nicht unfterblich, das Schidfal ſchwebt drohen Aber ihnen, fie fühlen, daß 
fie untergehen werben, und mit ihnen die Welt, die fie geſchaffen haben ; 
fie ſuchen aber diefen Untergang fo lange als möglich hinauszuſchieben: 
fie find in beftänbigem Kampfe gegen die unheimlichen Gewalten begriffen, 
die einmal die Oberhand gewinnen, die Götter verſchlingen und bie Welt 
in Flammen verzehren werben. Freilich follen fie, foll die Welt mit ihnen 


12 Ansrduung. 8.5. 


in Flammen gereinigt wiebergeboren werden; aber wie das ganze Leben 
der Germanen ein Kampf it, fo auch das Leben ihrer Götter. Sie 
berubigen fi) nicht bei der Verheißung der Wiedergeburt, fie bieten alles 
auf, die zerftörenden Kräfte zu bewältigen, aus dem Kampf mit ihnen 
als Sieger hervorzugehen. Sie fiegen aber nur, indem fie fallen und in 
Flommen geläutert ſich verjüngen, während jenen verderblichen Mächten 
teine Erneuung beftimmt ift. 

Unfere Mythologie umfaßt Vergangenheit, Gegenwart und Zutunft: 
fie weiß von einer Zeit, wo die Welt erft entfteht, wo die Götter noch 
in feliger Unſchuld ſpielen; wir ſehen mie fie dieſe Unfhuld einbüßen 
und fündig werden, wie die Ahnung des Verderbens fie erft Teife, dann 
ftärker ergreift, am ftärkiten bei Idunns Nieberfinten von ver Welteſche: 
fie rüften fi, ihm entgegen zu wirken, nachdem fie in Baldur Tod den 
erſten, ſchmerzlichen Berluft erlitten haben, ver viel größern worbebeutet ; 
aber ein unſeliges Berfäumnifs vereitelt ihre Vorkehrungen und ſprengt 
die Feßeln ihres Feinde: ſchon haben ſich die Vorzeichen des Weltunter- 
ganges eingeftellt, der Tag der Entfdeidung bricht an, das Giallarhorn 
ertönt, der Kampf enibrennt, die Götter erliegen, vie Sonne fällt vom 
Himmel, Surtur ſchleudert euer über die Welt; aber noch folgt die Er: 
neuerung der Welt, die Verjüngung der Götter. Aus biefem innern 
Fortfhritt , diefer Fortbewegung der Mythen zu dem Einen großen Biel 
ergiebt fih und die Anorbnung ganz von felbft: wir halten una an ven 
Berlauf der Begebenheiten, die Scenen reihen fih in ihre natürliche 
Folge wie in einem Drama: es ift dad große Weltdrama, das ſich in 
feine Aufzüge und Auftritte zerlegt und deſſen allmähliher Entwidelung 
wir nur zu folgen brauden. 

Es giebt indefien Mythen, die auf den großen Welttampf keinen 
Bezug haben, da fie nur das Weſen der einzelnen Götter zu veranfhau: 
lichen dienen, Diefe fparen wir für einen zweiten Theil auf, in welchem 
wir, nahdem das Ganze des Weltvramas ſich abgeipielt hat, die Ge: 
ſchide der Welt und der Götter ih entichieven haben, die einzelnen Göt- 
tergeftalten ind Auge faßen. Gin dritter Theil hat das Verhälmifs der 
Menſchen zu dem Weltdrama fowohl als zu den Göttern barzuftellen. 


Die Geſchicke der Welt und der Götter. 
Entſtehung und Ausbau der Welt. 


6. Urſprung der Dinge. 

Bon Aner Schöpfung zu ſprechen enthalten wir uns, ba bei ber 
eddiſchen Erzählung von der Entjtehung der Welt, melde? wir hier folgen 
wollen, ein Schöpfer fi verbirgt ; daß er vorhanden war, jagt ausbrüd: 
lich nur die verbächtige D. 3.; doch fheint ver Name Gaut, hochdeutſch 
6, den wir an der Spige deutſcher Geſchlechtsreihen finden, barzuthun, 
dab es an dem Begriff eines Gottes, der die Welt aus ſich ergoßen habe, 
nit fehlte. Das Wort Schöpfung vermeiden wir aud, weil es ſchon 
einen Urſtoff vorausfegt, aus dem gejhöpft wird. Einen ſolchen nimmt 
unfere Mythologie fo wenig an als das Chriftentfum. Außer jenem 
verborgenen Gotte, der einfiweilen nod zweifelhaft bleibe, nehmen andere 
Götter an dem Urfprung der Welt offenbar Antheil; aber nicht an ber 
erften Entftehung der Welt, mit der fie felber erft entftanden find, 
nur an ihrem Ausbau. 

Unfere Erzählung gebt von einer Zeit aus, ba nod nichts war als 
ein ber unerfüllter Raum, Ginnungagap genannt, woͤrtlich Gaffen 
der Bähnungen. So heißt es in der Wölufpa nah D. 4: 


Einft war das Alter, ba Alles nicht war, 
Nicht Sand noch See, noch ſalzge Wellen, 
Nicht Erde fand ſich noch Ueberhimmel, 
Gähnender Abgrund und Gras nirgend. 


Damit ftinmt zum Theil wörtlich die noch aus der heidniſchen Zeit 
berrührenve erfte Strophe des Weſſesbrunner Gebetes : 

Das erfuhr ich unter Menſchen ale ber Wunder meiftes, 

Daß Erde nicht war noch Ueberhimmel, 

Rod Baum noch Berg war bis dahin, noch Sonne nicht ſchien, 

Noch der Mond nicht leuchtete, noch die mächtige Ser. 


1 Yair. 86. 


Die ungeheure Kluft dieſes Abgrundes mufte erft erfüllt werben, ehe 
die Welt entitehen konnte. Das geſchah auf folgende Weife. Schon man- 
ches Jahrhundert vor Entftehung der Erde hatte fi am nörblihen Ende 
Ginnungagaps Niflheim gebilvet: da war es buntel und falt; am 
füpfichen Gnde aber MuBpelheim, die Flammenwelt, die war heiß und 
licht. In Niflpeim war ein Brunnen, Hwergelmir, der raufhende 
Keßel, mit Namen. Aus ihm ergoßen fih zwölf Ströme, Elimagar 
(vie fremden Wogen) genannt, und erflillten bie Leere Ginnungagaps. 
Als das Waßer diefer urweltlihen Ströme fo weit von feinem Urfprunge 
tam, daß die in ihnen enthaltene Wärme ſich verflüchtigte, ward es in 
Eis verwandelt. Und da dieß Ei ftille ftand und ftodte, ba fiel der 
Dunft darüber, der von der Wärme fam, und gefror zu Eis und fo ſchob 
ih eine Eislage über die andere bis in Ginnungagap. Die Seite von 
Ginnungagap, melde nad Norden gerichtet iſt, füllte fi mit einem ſchwe- 
ven Haufen Eis und Schnee, und darin herſchte Sturm und Ungemitter; 
aber ber füblihe Theil von Ginnungagap ward milde von den Feuer 
funten, die aus Muspelheim herüberflogen. So wie die Kälte von Nifl- 
beim kam und alles Ungeftüm, fo war bie Seite, vie nah Muspelheim 
ſah, warm und liht, und Ginnungagap dort fo lau wie windloſe Luft, 
und ald die Gluth dem Reif begegnete, aljo daß er ſchmolz, da erhielten 
die Tropfen Leben unb e3 entftand ein Menſchengebild, das Ymir 
genannt ward ; aber die Hrimthurfen (Froftriefen) nennen ihn Der: 
gelmir. 

Ymir (von ymja stridere, rauſchen, tojen, wie Dergelmir, der rau: 
chende Lehm) ift der gährende Urftoff, die Gefammtheit der nod unge 
schiedenen Elemente und Naturkräfte, die in ihrer Unordnung durchein— 
ander raufhen und fluten, alfo baffelbe, was der Grieche fi unter 
Chaos dachte, nur perfonificiert. Das Wort Chaos aber entfpriht mehr 
unferm Ginnungagap. 

Aus dieſer Erzählung ergiebt ih: 

1. Der Grundſtoff, aus dem die Welt gebildet wurde, kam aus 
dem Brunnen Hwergelmir, der in Riflheim, der nörblihen Nebelwelt, 
ftand. Er ift mithin die Urquelle alles Seins, denn aus ihm erfüllte . 
fih die umendlihe Leere des Weltraums Ginnungagap. Wie wir fo 
Hwergelmir und Niflpeim als die Urquelle alles Seins erlennen, fo 
werden wir fpäterfin ($. 19) erfahren, daß dahin auch alles Sein 
zurüdtehrt. 


17. rieto 16 


2. Da es zwölf Ströme find, welche ſich aus Hwergelmit ergießen, 
fo fernen wir daB Waßer als den Grundſtoff erlennen, aus dem Himmel 
und Ede gebilvet find. Es war aber nicht won jeher vorhanden. 

3. Dieſes Waßer ergoß ſich in der Form des Cijes in den Ab: 
grund Ginnungagap und dur die Bufammenwirkumg von Hihe und 
Kalte entftand bier das erfte geben, der urteltliche Rieſe Ymir. Entweder 
alfe ‚dur die Kraft befien, der die Hihe ſandte', wie es D. 5. heißt, 
erhielten vie Tropſen Leben, oder die gemäßigte Wärme, welde die 
Gegeneinanderwirfung von Hige und Kälte hervorbrachte, lieh das erfte 
2eben entftehen. Vgl. Wafthrubnism. 32. 


7. Entftehung der Nieſen. Tuisco. 

Bon Ymir wird num erzählt, daß er in Schlaf fiel und zu jhwigen 
begann: da wuchs ihm unter dem linfen Arm Mann und Weib und fein 
einer Fuß zeugte einen Sohn mit dem andern. 

Unter bes Keifriefen Arm wuchs, rühmt die Eage, 
Dem Thurjen Sohn und Tochter. 

Fuß mit Fuß gewann dem furchtbaren Rieſen 
Scchsgehäupteten Sohn. Wafthrubniem. 83. 

Daraus entiprang das Geſchlecht der Hrimthurfen, Reife oder Froft: 
tiefen ; der alte Hrimthurd heißt Ymir. Gr war aber böfe, wie alle 
von feinem Geſchlecht; für einen Gott wirb er nicht gehalten, die Menſchen 
verehren ihm nicht, weil er ihnen feine Wohlthaten erzeigt. Diefe Aus: 
funft giebt wenigftend die jüngere Edda D. 5. Gleichwohl dürfen wir 
jagen, er war allerdings jhon ein Gott: die ältefte Götterdynaftie find bie 
Rieſen. Die fpätern Bötter, die im Volköglauben an ihre Stelle getreten 
find, haben unter den Riefen Vorbilder, Wie die Götter viele Namen 
baben,, fo erſcheint diefer Stammvater der Riefen auch unter den Ramen 
Örgelmir $. 6, Brimir (der Brandende) Wöl. 9, Neri 8. 14, Forne 
jett $. 121, wozu nach Weinhold Riefen 11. noch Thriwaldi, Thrigeitir 
md Alwaldi fämen. 

Dmir der Niefe war zwiegeſchlechtig, Mann und Weib zugleid. 
Darum erinnert er an Xuidco oder Tuisto, den erdgeborenen Gott, 
velchen die alten Germanen nad) der Meldung des Tacitus Germ. c. 2. 
als den erften Gründer ihres Volles befangen. Denn wie auch ber Name 
ju lauten habe (unſer heutiges Zwift und zwiſchen find .beive vom 


16 Aubhumble. 6. 8. 


Zahlworte abgeleitet), fo liegt der Begriff des Zwiefachen, Zwiegeſchlech⸗ 
tigen darin, und dieſer lann weder hier noch dort entbehrt werden, da 
ſie beide vaterlos und ohne ihres Gleichen ſind und doch von ihnen Ge— 
ſchlechter ausgehen. Dieſer Tuisto zeugte aus ſich ſelbſt einen Sohn 
Mannus; ihm werden wieder drei Söhne zugeſchrieben, von welchen drei 
deutſche Völterftämme, Istaͤwonen, Ingäwonen und Herminonen, ihren 
Urfprung herleiteten. Die Söhne ſelbſt find verdunlelte Götter: von 
Istio oder Iscio wißen wir nichts, Inguio (Ing) erjheint faft nur in 
dem agj. Runenlied 22, wonach er zuerft unter den Oſidaͤnen war, dann 
aber oftwärt3 über die Flut gieng; der Wagen rollte nad. gl. Zeit: 
fchr. II, 193 und $. 100. Ueber Jrmino vgl. $. S6. 89. 

Daß die Germanen dem heimiſchen Boden entiprungen feien, wie 
Tacitus aus diefer auch font nachtlingenden Ueberlieferung folgert, lann 
ihr Sinn nicht fein: denn erft im dritten Gliede, bei den Söhnen des 
Mannus, beginnt die deutſche Stammſage. Mannus ſcheint ein allgemeir 
ner Name, der ven Menſchen bebeutet, denn von Mannus ift mennisco, 
der Menſch, abgeleitet. Wir jehen ihm in mythiſchen Sagen der Bölter 
nod viermal wieberlehren: Manes ver erfte Rönig der Lyder, Menes 
der Egppter, Minos der Kreter, Manuh der Inder. Was von Zuisto 
ſelbſt Tacitus vernommen hatte, wirb man als ein Seitenftüd zu jener 
eddiſchen Erzählung von der Entſtehung der Riefen (Gigantogonie) auf 
faßen dürfen, an die fi in den deutſchen Liedern (antiquis carminibus) 
die er vernommen hatte, die Anthropogonie und zulept erft die deutſche 
Stammfage ſchloß. 


8 Entftehung der Götter. 


Mit der Entftehung der Götter (Theogonie) verhielt es ſich fo: 
Neben dem Riefen Ymir war aud eine Kuh entitanden, Audhumbla, 
die ſchatfeuchte (faftreiche) genannt. Aus ihrem Guter rannen vier Milde 
ftröme : davon ernährte fih Ymir. Diefe Kuh beledte die Eisblöde, die 
falzig waren: da kamen am Abend des erften Tages Menſchenhaare 
hervor, den andern Tag eines Mannes Haupt, den dritten Tag warb 
es ein ganzer Mann, ver hieß Buri. Er mar ſchoͤn von Angeſicht, 
groß und ftart, und gewann einen Sohn, ver Bör hieß. Der vermäßlte 
fih mit Beſtla oder Belfta, der Tochter des Rieſen Bölthorn; da ges 
wannen fie drei Söhne: der eine hieß Odin (Wohin), der andere 


8 Kari Kör. 17 


Bili, der dritte We. Das find die Götter, welhe Himmel und Erde 
beherſchen. D. 6. 

Buri und Bör find durch ihre Namen, die auf goth. bairan, tragen, 
gebären weifen, wenn nicht al3 Grftgeborene, doch ald Stammväter bezeidh: 
met: ich möchte jenen als den Gebärenden, dieſen als den Geborenen 
faßen. Auch darin läßt fih Buri dem Tuisto vergleihen, daß er aus 
dem Stein hervorgeht wie jener aus der Erde, und daß feine Gemahlin 
ungenannt bfeibt: pflanzte er fein Geſchlecht auf dieſelbe Weife fort wie 
Zuisto und Ymir? Dann verglihe fi fein Sohn Bör dem Mannus 
und feine Enkel Odin, Wili, We des Mannus Söhnen Juguio, JIstio 
und Jrmino, den Stammvätern dreier beutjhen Stämme. Myth. 323. 

Die Götter find nad dieſer Darftellung andern, d. h. geiftigern Ur: 
ſptungs ald die Rieſen; fie haben aber ihr Geſchlecht nicht rein erhalten, 
da fie wenigftend mutterhalb von ben Riefen ftammen. Wir würden 
das jept jo ausbrüden: fie find nicht aus dem Geift allein geboren, die 
Materie hat Antheil an ihnen. Vgl. Uhland 18. 

Die Kuh Audumbla ftellt wohl, jedenfalls ven Riefen gegenüber, 
dad enährende Prinzip dar: fie fpmbolifiert die ernährende Kraft der 
Erde und fo vergleicht fie fih der Gaia Heſiods, der Altmutter. Diele 
leicht find felbit die Wörter Gaia und Kuh urverwandt, da © nadı der 
Lautverfhiebung zu R wird. Kühe werden bei germaniſchen Vollern als 
heilige Thiere verehrt: ein ſchwediſcher König Eiftein verehrte die Kuh 
Sibilja, auch Degwaldr führte eine Kuh überall mit fih und trank ihre 
Milch; Kühe waren vor den Wagen der Nerthus, der Erdgöttin (Tac. 
6. 40) gefpannt, und die Heiligleit des Ochſengeſpanns, die fi bei den 
merowingiſchen Königen zeigt, Hingt noch in heutigen deutſchen Sagen 
nah. Der Name der Rinda, der winterlichen Erde, laßt fih zu Rind 
armentum halten, und wenn Zeus ald Stier mit der Europa buhlte, 
die wenigftend den Namen eines Erdtheils trägt, fo ward diefe vielleicht 
felbR als Kuh gebadit. 

Bon der Kuh Audumbla, die wie fie als die ernährende erjcheint, 
aud die gebätende fein könnte, find indes die Götter nicht geboren, nur 
aus den falzigen Cisblöden hervorgeledt. Den Göttern gegenüber bes 
deutet fie alfo die Wärme, die das Eis verzehrt, das züngelnde Feuer, 
das von Muspelheim herüberfprübt. Als Kuh finden wir daB Feuer 
noch öfter dargeftellt; $. 37. 53. Auch das Salz ift belebend und 
emährend: ed dient überall zum Bilde geiftiger Kraft und Nahrung, 

Cimzed, Niythelagie. 2 


18 Bergelmir. %9 


und germanifche Völker, Katten und Hermunduren, fo wie fpäter Bur- 
gunden und Afemannen, ftritten um die heiligen Salzquellen. Tac. G. 20. 
Amm. M. 28, 5. In ihm müfte bie männlihe Zeugungskraft ange 
deutet fein. 

Die Götter erſcheinen fo glei in einer Trilogie: Odin, Wili, We, 
welcher wir ſchon eine andere: Inguio, Jstio, Irmino verglichen haben. 
Diefe Trilogie verſchwindet aber bald um einer andern Pla zu machen. 
Wie Opin auf den Geift, fo ſcheint Wili auf den Willen zu deuten, 
We den Begriff der Heiligkeit, Heiligung zu enthalten: Bewuſtſein, Wille, 
Begeifterung. Die geiftige Bedeutung diefer Trilogie läßt an ihrem Alter 
zweifeln; doc fihert ihr die an dem erften Gliede weggefallene Alliterar 
tion jhon ein betraͤchtliches. Pol. $. 61. 


9. Sinflut. 

Boͤrs Söhne tödteten nah D. 7 den Riefen Ymir : als er fiel, da 
lief fo viel Blut aus feinen Wunden, daß fie darin das ganze Geſchlecht 
der Reifrieſen ertränften bis auf den Einen, der mit den Seinen davon 
tam: den nennen die Niefen Bergelmir. Gr beitieg mit feinem Weib 
ein Boot (lüdr) und von ihm ftammt das neue Hrimthurſengeſchlecht. 

In dem Blute des Niefen Ymir, worin die Reifriefen bis auf ein 
Baar ertranfen, haben wir die Sinflut, die allgemeine Flut, und in 
dem Boote die Arde. Die eddiſche Sinflut tritt aber ein vor Erſchaffung 
des Menſchengeſchlechts; nicht ein frommer Reft deſſelben wird in dem 
Boote geborgen, fondern Bergelmir, Thrübhgelmirs Sohn (Waf- 
thrudnismal 28. 29), Ymirs Entel, alfo ein Rieſe, ein Feind der Götter 
und Menſchen. Aud in der griehifhen Mythe find es Titanen, welche 
der Sinflut in einem Kaſten entgehen und dann erſt die Menſchen 
erſchaffen. Iſt nun aud der eddiſche Bericht im Vergleich mit dem 
biblifchen roh und unausgebildet, fo fiimmt er doch darin mit ihm, 
und nit mit dem griedifchen, daß bie Menfchen, wie wir jehen werben, 
von den Göttern, nicht won den Niefen erſchaffen werben. Entlehnung 
bat indes wohl nicht Statt gehabt, es würden fonft die epifhen Züge 
von der auöfliegenden Taube, von dem Landen auf dem Berge (Ararat) 
u. ſ. m. nicht mangeln. Over Mingt Iepterer in dem Namen des im 
Boot geretteten Berggelmir nah? Darin aber trifft die eddiſche 
Ueberlieferung mit der griechiſchen und indiſchen zufammen, daß bie Sin: 
Hut der Erſchaffung des Menſchengeſchlechts vorausgeht. Bei den Indiern 


10. Butt, 19 


ſchafft Manus auf Brahmas Geheiß alle Gefchöpfe, als die Flut fih ſchon 
verlaufen hat. Manus hatte den Brahma in Geftalt eines Fiſches ger 
rettet; zum Dank bafür wird ihm dad Gerannahen der allgemeinen Flut 
und das Mittel der Rettung im Schiffe vertündet. Gr. M. 544. Der 
diſch, in deſſen Geftalt Brahma erfcheint, erinnert an ven Butt im 
deutſchen Marchen, der ben armen Fiſcher aus dem geringften Stande zu 
immer höhern Würden erhebt bis er zur Strafe des Uebermuths, zu dem 
ihn die ehrgeizige Frau verleitet, wieder in den Pispott zurüdtehrt, weil 
er Gott felbft zu werben begehrt hatte. Auch hier Klingt ein Mythus von 
der Schöpfung nad, der mit der biblifhen Ueberlieferung in manden 
Zigen ſtimmt und felbft den Urfprung der Stänbe andeutet. 

Das dunkle Wort lädr für Boot zu nehmen, find wir ſowohl durch 
den Zufammenhang ald durdy die Mythenvergleichung berechtigt. Es kann 
indes aud Wiege bedeuten; freilih auch ein Boot wiegt fi auf den 
Bellen, und felbft ihre Geftalt ift von der eines Kahns nicht weſentlich 
derſchieden. Dazu kommt, daß in deutſchen Volksſagen von großen Weber: 
ſchwemmungen, die vielleicht Nachllänge älterer Sinflutsfagen enthalten, 
eine Wiege es ift, worin die Rettung des einzig Verfchontbleibenden, von 
dem dann eine neue Bevölkerung auögeht, vollbraht wird. In der Sage 
von dem Sunkenthal oder Suggenthal (Baaderd badifhe Vollsſagen 
72) ift erft die Wolle, aus welder das Verderben über den gottvergehenen 
Ort hereinbricht, jo groß wie ein Hut, dann fo groß wie eine Wanne, 
iulegt wie ein Scheuerthor, bis fie fih als kohlſchwarzes Gewitter über 
dem ganzen Thale zufammenzieht. Als e3 fih in einem Wollenbruche 
entladen und das ganze Thal überfhwemmt hat, ſchwimmt ein ARnäblein 
in feiner Wiege mitten in der Flut und bei ihm befindet ſich eine Rage. 
So oft die Wiege auf eine Seite fih neigt, fpringt die Kahe auf 
die entgegengefehte und bringt jo die Wiege wieder ins Gleichgewicht. 
di blieb fie im Dold oder Wipfel einer hohen Eiche hängen. 
As die Flut ſich verlaufen hatte, holte man fie herunter und fand Kind 
wad Rage lebend und unverſehrt. Da man des Knäbleins Eltern nicht 
tamte, fo nannte man es Dold, ein Name, den feine Ablömmlinge 
ned) heute fortführen. 


10. Bildung der Welt, 
Die Bötter nahmen den getöbteten Pmir, warfen ihn mitten im 
Gimungagap und fhufen aus ihm die Welt: aus feinem Blute Meer 


x Makrekosnos und Mikrekosmes. $. 10. 


und Waßer; aus feinem Fleifhe die Erde ; aus feinen Knochen die Berge; 
aus feinen Zähnen, Kinnbaden und zerbrodenem Gebein die Felſen und 
Klippen. Aus feinem Schädel bildeten fie den Himmel und erhoben ihn 
über die Erbe mit vier Eden oder Hörnern, und unter jedes Hom fee 
ten fie einen Zwerg, die heißen: Auftri, Weftri, Nordri, Sudri. 
Des Riefen Hirn warfen fie in die Luft und bildeten die Wolfen daraus; 
dann nahmen fie die Feuerfunken, die von Muspelheim ausgeworfen um: 
berflogen, und feßten fie an den Himmel, oben fowohl als unten, um 
Himmel und Erbe zu erhellen. Sie gaben aud allen Lichtern ihre Stelle, 
einigen am Himmel, andern lofe unter dem Himmel, umd fepten einem 
jeden feinen beftimmten Gang feft, wonach Tage und Jahre beredinet 
werden. Das Meer ward kreißrund um die Erde gelegt, längs ven See ⸗ 
Höften den Rieſengeſchlechtern Wohnpläge angemiefen, nad) innen rund um 
die Erbe eine Burg wider die Anfälle der Riefen gebaut, und zu diejer 
den Menfhen zum Wohnfig angemwiefenen Burg, welche Midhgard, oder 
hochdeutſch Mittilagart hieß, die Augenbrauen bes Niefen verwendet. 
D. 8. So heißt es in Grimnigmal 40: 


Aus Ymirs Fleiſch ward die Erde gefchaffen, 

Aus dem Schweiße die See; 

Aus dem Gebein die Berge, aus dem Haar die. Bäume, 
Aus der Hirnſchale der Himmel. 


Aus den Augenbrauen ſchufen gütge Afen 
Midgard den Menjchenföhnen; 

Aber aus feinem Hirn find alle hartgemuthen 
Bolten erſchaffen worden. 


Wir fehen hier aus dem Milrokosmos des Niefenleibes den Makro: 
tosmos der Welt hervorgehen. Die deutſche Sage kehrt dieß um, fie 
läßt aus dem Mafrolosmos den Mikrokosmos entftehen, aus den Theilen 
der Welt die Theile des menſchlichen Leibes-bilden. In einem Gedichte 
des eilften Jahrhundert? (M. altv. Leſebuch 1859, S. 41) heißt es, 
Gott habe den Menfhen aus acht Theilen erſchaffen: von dem Leimen 
babe er ihm das $leifh gegeben, den Schweiß von dem Thau, bie 
Knochen von den Steinen, die Adern von ben Wurzen, von dem Grafe 
das Haar, dad Blut von dem Meere und den Muth von ben Wolken; 
die Augen aber ihm von der Sonne gebildet, Solcher Berichte von den 
acht Theilen finden fi) im germanifchen Abendlande fünf, im Gingelnen 


5.11. Aundifär. 21 


abweichend, im Grunbgebanten der Herleitung des Kleinen aus dem 
Großen zufammentreffenb; als den festen können wir ben betrachten, 
welder den menfchlihen Leib aus ven vier Glementen erſchaffen läßt. 
Indiſche und cochinchineſiſche Ueberlieferungen ftimmen bald mit der deut⸗ 
ſchen Borftellung, bald mit der eddiſchen; Ieptere wird, wie fie die ein= 
fachſte und kindlichſte ift, auch die ältefte fein. Vgl. Grimm Myth. 534. 
1218 und xxız, 

Seltfam klingt die Angabe, daß von den Augenbrauen Midgard, 
hochd. Mitilagart , erfhaffen und ven Menfchen zum Wohnfig angemwiefen 
fei; die bewohnte Erde war alfo von Wald bevedt, da wohl aud hier 
aus dem Haar die Bäume erfhaffen wurden. Wenn aber gefagt wird, 
das Meer ward kreißtund um die Erde gelegt und längs den Seeküſten 
den Riefen Wohnungen angewiefen, fo ift barüber $. 120 eine Vermus 
thung ausgeſprochen. 

nDem Heiden if die Erde aus dem Fleiſche eines göttlichen Ur: 
weſens erichaffen, der Leib Gottes. Er aß fogar die aufgegriffenen Erd⸗ 
brofamen, wenn ihm durd Kampf oder Mord ſchnelles Sterben drohte; 
daher der Ausdruc: die Erde füffen, in Gras beißen, mordre la pous- 
siere. Wadernagel in Hpts. Ziſchr. VI, 288 hat aus der altveutichen, 
italieniſchen und franzöfifchen Poefie entſprechende Beifpiele hiefür gefam- 
melt.” Rochholz II, XLVIII. Bgl. Banzer II, 114. 294. Man wird auch 
daran erinnert, wie Brutus nad dem Dralelſpruche feine Mutter kuſste. 


11. Geftiene, 
Bon den Geftimmen wißen wir fchon, daß fie von Muspelheim auss 
geworfene Feuerfunfen waren, welde die Götter an den Himmel fegten 
und jedem feinen Gang vorfärieben (vgl. Wöl. 5. 6), denn 


Die Sonne wufte nicht, wo fie Sit Hätte, 
Der Mond wufte nit, was er Macht hätte, 
Die Sterne wuften nicht, wo fie Stätte hätten. 


Bon Sonne und Mond, ben wichtigften unter ven Geftirnen, giebt 
es aber noch einen andern Mythus. Die jüngere Edda (D. 11) erzählt: 
Ein Mann bie Mundilföri (Achſenſchwinger), der ‚hatte zwei Kinder ; 
fe waren hold und fhön; da nannte er den Sohn Mond (Mäni) und 
die Tochter Sonne (Sôl), und vermählte fie einem Manne, Glenr 
(&lanz) genannt. Aber die Götter, die folder Stolz erzurnte, nahmen 


2 _ Simmelsfai, s.11 


die Geſchwiſter und fegten fie an ben Simmel und ließen Sonne bie 
Hengfte führen, die den Sonnenwagen zogen, welden die Götter aus 
Muspelheims Feuerfunten geſchaffen hatten. Die Hengfte hießen Arwakr 
(Frühmad) und Alfwidr (Allgeihwind), und unter ihren Bug fepten 
die Götter zwei Blasbälge, um fie abzulühlen, und in einigen Liedern 
beißen fie Eifentühle. 

Arwalr und Alſwidr follen immerdar 

Sacht die Sonne führen. 

Unter ihren Bugen bargen milde Mächte, 

Die Aſen, Eifenfühle. Grimnism. 37. 


Mani leitet ven Gang des Mondes und herſcht über Neulicht und 
Volllicht. Vor die Sonne aber ward ein Schild gefegt (Smwalin der 
tühle), denn Meer und Berge würden verbrennen, wenn er herabfiele. 


Swalin heißt ber Schild, der vor der Sonne fleht, 
Der glänzenden Gottheit. . 

Brandung und Berge würden verbrennen, 

Sänt er von feiner Stelle. 


Dem kriegerifhen Sinne unferer Vorfahren galt aber die Sonne 
ſelbſt für einen Schild. Bei Notler heit es: wanda selbiu diu sunna 
eineme akilte gelich ist, und noch Opitz fagt: der fhöne Himmelsſchild. 

\ Sol wird D. 35 unter den Afinnen aufgeführt; in den Merjeburger 
Heilſpruchen beißt fie Sunna und hat eine Schweiter Sindgund; welches 
Geſtirn bamit gemeint fei, iſt ungewiſs. Da bie Sonne BWölufp. 5 des 
Mondes Gejellin (sinni mäna) beißt, fo mürde man an den Mond 
denken, wenn nicht neben Sindgund aud Volla genannt würde, die auf 
den Vollmond gedeutet werden Tann. 

In dem Namen Achſenſchwinger ift dad Sonne und Mond Gemeins 
fame auögebrüdt: fie bewegen fih beide um ihre Achſe. Was aber 
weiter gemelvet wirb, muß auf Mifsverftand beruhen, denn wie follten 
Menfhen zur Strafe des Stolzes zu Göttern erhoben fein? Da es jedoch 
einmal gejhrieben fteht, fo haben wir nachzuweiſen, was bavon Wahres 
fein kann. Nach einer weitverbreiteten Borftellung waren Sonne und 
Mond Seelenaufenthalte; man fürdtete, zur Strafe in den Mond oder in 
die Sonne verfegt zu werden: in den Mond, weil es da falt ſei, in die 
Sonne, weil es da heiß fei. Trümmer folder Vorftellungen begegnen wir noch 
hier und da, So hatte ein armer Mann am Sonntag Holz gelejen ; 


% 12%. Ipinnerin, 28 


zur Strafe ließ ihm der liebe Gott die Wahl, ob er in der Sonne 
verbrennen oder im Mond erfrieren wolle, Er wählte das letztere. Myth. 681. 
In dem ſ. g. Brüdenfpiel (M. Kinderbud 201 ff.) wird der Lepte gefangen und 
bat nun zu wählen, ob er in den Mond ober in die Sonne (Himmel oder Hölle) 
will. Bel. Ziſcht. f. d. Myth. IV, 301. 385. Das führt zu dem Mythus vom 


12. Maun im Mond, 

Mani nahm nah D. 11. zwei Kinder von der Erde, Bil und 
Hiäki, da fie von dem Brunnen Byrgr kamen und den Eimer auf 
den Achſeln trugen; der heißt Segr und die Eimerftange Simul, 
Bipdfinne heißt ihr Vater; diefe Ninder geben vor dem Monde ber 
(eigentlich wohl in dem Monde), wie man nod von der Erbe aus ſehen 
ann. Zu dieſer Erzählung gaben die Yleden oder ſchattigen Vertiefungen 
im Lichte des Vollmonds Veranlaßung. Rad deutſchen Voltsfagen foll 
es ein Holzdieb fein, der am Sonntag unter der Kirche Waldfrevel vers 
übt habe und zur Strafe in den Mond verwünſcht fei. Da fieht man ihn 
die Art auf dem Rüden, das Reipholzbündel bald in ver Hand, bald 
gleihfals auf dem Rüden. Bei Shalefpeare (Sturm II, 2) begleitet ihn 
ein Hund. Bol. Kuhn M. ©. 27. 107. 140. Neben der Adtung für 
das Eigenthum wird die Heilighaltung des Sonntags eingeſchaͤrft, eine 
Verdoppelung de fittlihen Motivs, deren es nicht bedarf, während bieß 
felbft nicht entbehrt werden kann, wie aud allein in dem eddiſchen Mär« 
hen, das von einer eigenthümlihen Auffaßung der Geftalt jener Flecken 
auszugehen ſcheint, der fittlihe Bezut t wird, denn nicht ein ‚Hn« 
derſtehlender Mondsmann‘, die geftohlenen Kinder ſelbſt find in den Mond 
verfegt. Es fehlt alfo die Strafe, die bei Gol und Mani $. 11 zu viel 
ſcheint. Oper fol man den Grund, warum die Kinder in den Mond 
gejegt wurden, hinzudenken ? etwa weil fie in feinem heiligen Schein, 
worin man nad) Baaderd bad. ©. 45. 417 auch nicht fpinnen fol, 
die Arbeit des Waßerholens verrichteten. Die altmärtifhe Sage bei 
Temme 49, ‚die Spinnerin im Monde‘, wo ein Mädchen von feiner 
Mutter verwünfht wird, im Monde zu figen und zu fpinnen, ſcheint ent⸗ 
ſtellt, da jener Fluch fie nicht wegen Spinnens, fondern Tanzens im 
Mondſchein trifft. Wichtig wird aber nun die Meldung bei Kuhn (Märt, 
Sagen 26), wonach man in der Altmark an eine rau im Monde glaubt, 
vie habe einft ‚am Sonntag‘ gefponnen und fie nun deshalb mit der 
Spindel dort oben. Sept man ftatt ‚am Sonntag’ ‚im Mondſchein, fo 





4 Heiligkeit des Mondfheins. 8. 12. 


wird fi die heidniſche Geftalt ver Erzählung ergeben. So wird der 
Mann mit dem Reißholzbündel urfprünglih wohl aud nit am Sonn⸗ 
tage Holz gehauen haben; that er es im Mondſchein, fo mufte die Heim: 
lichteit freilich den Verdacht des Diebftahld erweden und fo die Ber: 
doppelung des Motivs herbeiführen. 

Als Nachflänge des eddiſchen Berichts, wie Grimm Myth. 680 will, 
indem fi die Waßerftange in den Artftiel, der getragene Eimer in ben 
Dornbuſch gewandelt habe, find die deuten von dem Diebe ſchwer zu 
faßen, mit Ausnahme des norddeutſchen bei Kuhn 349, wo ein Rohlvieb 
fürdhtet, der Mond, welcher eben fchien, möchte ihn verrathen: da nahm 
ex einen Eimer voll Waßer, um den Mond auszugießen; aber es half 
nicht, und fo fieht man ihn denn noch heute mit feinem Eimer im Monde 
ftehen. Hier ift aud der Mondſchein wieder im Spiele, in deſſen alter 
Heiligfeit uns der Schlüßel des Raͤthſels zu liegen fheint. In W. Müllers 
N. ©. ©. u. Märden 81. 84. 87. 245. 246. kommt es vor, daß bie 
Grlöfung fuchende Jungfrau ein Tragholz auf der Schulter hat, woran 
ein Eimer hängt. Auch fie ift zur Strafe verwünſcht, man erfährt aber 
nit, worin ihre Schuld befland. J 

Was oben vermuthet ward, haben ſeitdem aufgefundene Vollsſagen 
beſtaͤtigt. Meier Nr. 257. 258. „Man hält es für eine große Sünde, 
im Mondfgeine zu fpinnen und zu ftriden, ald ob man am Tage nicht 
genug befommen könne.“ Bgl. Panzer II, 299. Schon in dem Worte 
‚Seierabend’ wird die Heiligkeit des Abends, des Mondſcheins ausge: 
ſprochen. Belannte Bildwerle, wie jene Wiener „Spinnerin am Kreuz“, 
findet man damit in Verbindung gebradt. Panzer II, 556. Nad weit: 
falifchen Sagen (Kuhn 47. 89) ift es befonder3 verpönt, Sonnabends nad) 
Sonnenuntergang zu fpinnen: dad enthält ein Vergehen gegen die Heilige 
teit der Sonne und des Mondes zugleich. Aber auch Donnerftags Abends 
fol man nicht fpinnen, Ar. 48. Cine Reihe deutſcher und ital, Märchen 
läßt den Mond Spinnräder fchenten. War einft die Monbgöttin, etwa 
Freyja, fpinnend gedacht und ift die Vorftelung einer zur Strafe in den 
Mond verfegten Spinnerin fpätere Entftellung ? Vgl. 8.117 unten. 

Das Volk fieht die Sterne für die Köpfe filberner Nägel an, die 
das Himmelögewölbe zufammenhalten, oder für Löcher am Boden der 
Himmelsdede, durch die der innere Glanz hervorftrafe, die Sternſchnuppen 
für Dochtpuhen, die von den Engeln an den Himmelslihtern abgezwidt 
werden. Birlinger II, 190. Eine andere Vorftellung fegt der Glaube 


8.18. Anand. 3 


voraus, daß man nicht mit den Fingern nad) den Sternen beuten folle, 
weil fie Augen der Engel feien. 

Geftirndienft wirb unten $. 132 geleugnet: Sonne und Mond waren 
zu göttlichen Weſen erhoben. Mythifhe Vorftellungen knüpfen fi aber noch 
an andere Geftine. Es wird gelegentlich erwähnt werben, bei melder 
Gelegenheit gewiſſe Geftirne an den Himmel gefegt wurden. So wurden 
nad $. 31 Thiaſſis Augen an den Himmel geworfen, fo nad $. 81 das 
Eternbild Orwandils Zehe geihaffen. Wie der Sonne unb dem Monde 
ein Wagen zugeihrieben wird, fo den Sternen ein Stuhl, darauf zu figen 
(sterrono girusti). Die drei Sterne im Gürtel des Orion find bald ein 
Roden der fpinnenden Göttin, die wir fhon im Monde vermuthet haben, 
bald ein Stab des Gottes, bald ein Pflug, ein Rechen: der kindlichen 
Bhantafie eines Hirtenvolls erſchienen fie als drei Mahder; aber Jäger 
fahen fie für einen Haufen Ebet (eburdring) an. Für das Siebengeftim 
ift das Bild einer Gluchenne mit ihren Küchlein geläufig. In den Mär 
hen, wo Sonne, Mond und Sterne Gejchente verleihen, geben die Sterne 
eine Ruß, aus der die Henne mit ihren Küchlein hervortommt ; im Mär 
hen vom Afchenbrödel find fie nur auf das Kleid geftidt. Es giebt aber 
aud eine Erzählung von dieſem Sternbild, die einen Nadllang eines 
Mythus verräth. Chriftus gieng an einem Bederladen vorüber, wo friſches 
Brot duftele. Cr fandte einen feiner Jünger hin, ein Brot zu erbitten. 
Der Beder ſchlug es ab; doch von ferne ftand die Bedersfrau mit ihren 
ſechs Xöchtern und gab das Brot heimlih: dafür find fie ald Sieben 
geftim an den Himmel verfept ; der Beder aber ift zum Kudud geworben. 
Darum ruft man ihm nun zu: 

Rudud, Bedenknecht uf. w. 


Zugleih ift damit auf das fahle, gleichſam mehlbeftaubte Gefieder 
des Vogels angefpielt. Sein Bezug auf das Siebengeftirn ift aber noch 
darin begründet, daß er nur von Tiburtii bis Johannis feinen Auf er- 
ſchallen läßt und nur um dieſe Zeit das Siebengeſtirn am Himmel ſicht⸗ 
bar ift. Vgl. Gr. Myth. 639, wo von dem Gertrudsvogel (Schwarze 
ſpecht) Aehnliches gemeldet wird. 


13, Monde und Sonnenfinfternifie, 


Sonne und Mond werden nad D, 12 von zwei Wölfen verfolgt. 
Der Berfolger der Sonne heißt Stöll: fie fürdtet, daß er fie greifen 


= Manegarm. 5. 18. 


moͤchte und kann ſich nicht anders vor ihm friſten, als indem ſie ihren 
Gang beſchleunigt: 
Stoll Heißt der Wolf, der der ſcheinenden Gottheit 
Folgt in die ſchatzende Flut. 
Der andre heißt Hati, Hrodwitnirs Sohn, der läuft vor der 
Sonne ber, 
Hati der andre, Hrobwitnirs Sohn, 
Eilt der Himmelebraut voraus. Grimnism. 39. 
und will den Mond paden, was auch geſchehen wird, nämlich anı jüngften 
Tage. Ueber die Herkunft diefer Wölfe erfahren wir, daß ein Riefenweib 
öftlih von Midgard in dem Walde figt, der Jarnwidr (Eifenholz) heißt. 
In diefem Walde wohnen die Zauberweiber, die man Jarnwidiur nennt. 
Jenes alte Riefenweib gebiert viele Kinder, alle in Wolfsgeftalt, und von 
ihr flammen dieſe Wölfe. Es wird gefagt, der Mädtigfte diefes Geſchlechts 
werde der werben, welher Managarm (Monvhund) heißt. Diefer wird 
mit dem Fleiſche aller Menfhen, die da fierben (?) gefättigt; 
er verfhlingt den Mond und überfprigt den Himmel und die Luft mit 
feinem Blute; davon verfinftert fi der Sonne Schein und die Winde 
braufen und faufen hin und ber. Die Stelle, woraus die jüngere Edda 
dieß entnimmt, fteht Wölufpa 32. 33: 
Oeſtlich ſaß die Alte im Eiſengebuſch 
Und fütterte dort Fenrirs Geſchlecht. 
Von ihnen allen wird eins zuleht 
Des Mondes Mörder üubermenſchlicher Geſtalt. 


Ihn mäftet das Mark gefällter Männer, 

Der Seligen Saal beſudelt das Blut. 

Der Sonne Schein dunkelt in kommenden Sommern, 
Alle Wetter wüthen: wißt ihr was das bedeutet? 


Wir hoffen aber diefe Stelle unten befriebigenver zu beuten. Daß 
Managarım, der Verfhlinger des Mondes, ſchlimmer fein foll als SEöll, 
der Würger der Sonne, erflärt fih aus einem Mifsverftänpniffe Nach 
Woͤl. 57 wird die Sonne erft ſchwarz, als nad dem legten Weltkampf 
die Sterne vom Himmel fallen und die Erde ins Meer ſinkt. Hieraus 
entfprang der Irrthum, ald wenn fie von Söll nicht verichlungen würde. 
Daß aber aud) fie der Wolf mwürgt, ift außer D. 51 Wafthr. 47 gefagt ; 
aber eben daſelbſt 46 wird biefer Wolf Fenrir genannt, deſſen Name doch 


%14 Ari Are. * 


bier nur nach der fühnen Weiſe der nordiſchen Dichterſprache für Skoll 
Rebt, wie aud) beide Wölfe Wölufp. 32 Fenrirs Geſchlecht heißen, ſchon 
weil Zenrir gleichfalls ein Wolf ift, der wie jene gerftören und verſchlin ⸗ 
ger fol. Odin, ber von Fenrir verſchlungen wird, galt ala Himmeld« 
und Geftirngott, und fo ift Fenrir in jenen Wölfen, die Sonne und 
Mond verjhlingen werden, nur verdoppelt. Hu erinnern ift noch, daß 
Danagarm (Mondhund), welder mit Hati eins ift, nicht mit dem Höllen- 
bunde Garm verwechſelt werden darf. 

Die vergleichende Mythologie lehrt, daß die Mond» und Sonnen 
Ainfterniffe zu dem Mythus von den beiden Wölfen Beranlapung gaben. 
Die Vorſtellung, ald ob diefe Finfternifje daraus entftänden, daß ein 
Ungeheuer das himmlifhe Geſtirn in feinen Rachen gefaßt habe, um es 
zu verſchlingen, ift bei vielen Böltern verbreitet: fie fuchten es durch 
lauten Zuruf zu ſchreden, daß es feine Beute fahren laße, ja fie ſchlugen 
auf Trommeln und Kepel und andere lärmenbe Inſtrumente. Myth. 668 fi. 


1. Tag und Nacht. 


Wie Sonne und Mond, fo find auch Tag und Nacht zu göttlihen 
Weſen erhoben. Zeil aber nad) der germanifhen Vorſtellung die Nacht 
dem Tage vorangieng (nox ducere diem videtur, Tac. Germ. 11), 
fo iſt die Racht (Nött) als die Mutter des Tages (Dags) gedacht. Die 
Nacht jelbft ift nah D. 10 die Tochter eines Niefen Neri, Nörwi 
oder Narfi, unter deilen Namen auch ein Gohn Lolis erſcheint. 
So ift fie vielleicht eine Verwandte der Hel, der Tobeögöttin, die Lokis 
Tochter heißt. Wegen biefer Abftammung von ven Niefen ift die Naht 
ſchwarz und dunkel wie ihr Gefchleht. Sie war dreimal wermählt: zuerft 
einem Manne mit Namen Naglfari: ver beiden Sohn war Udr ober 
Audr. Darnach ward fie Einem Namens Annar (Anar, Onar) ver 
wählt: beider Tochter hieß Jördh, die Erde. hr lepter Gemahl war 
Dellingr, ber vom-Ajengefälehte war. Ihr Sohn Dag (Tag) war 
ſchoͤn und licht nach feiner väterlichen Herkunft. D. 10. 

Da in Dellingr, afimiliert aus Deglingr, der Begriff bes Tages 
ſchon liegt, fo bebeutet er wohl das Morgenroth oder den Tagesanbruch, 
das legte Drittel der Nacht, und in Annar und Naglfari hätten wir die 
beiden erften Drittel zu ſuchen. Cin Anar fommt unter den Zwergen 
vor (Wölufp. 12); an feinem Ramen hat fi Grimm (Beitfär. LU, 144) 


2 Dölinger und der Lücke. 815. 


vergebens abgemüht; hieß er Annar, fo bezeichnet er ven Andern, die ans 
dere Hälfte ver Nacht. Seine Tochter ift die Erde, das dunelfte der Ele⸗ 
mente. Da nun die vorausgehende D. 9 die Jörd eine Tochter Odins 
nannte, fo muß Odin, der aud Tweggi (der Zweite) heißt, unter 
diefem Annar, dem Undern, verborgen fein. Am ſchwierigſten ift 
Raglfari zu deuten: venjelben Namen trägt au das Todtenſchiff D. 51, 
und wir fehen hier wieder die Verwandtſchaft der Nacht mit Hel, der 
Todesgoͤttin, hervortreten. Der Einbruch der Nacht vergleicht fi dem 
Einbrud des Weltuntergangs, den dad Schiff vermittelt, das die welt: 
zeritörenden Gewalten beranführt. Die Erweiterung überfpringt die näch— 
ften Stufen, Winter und Tod, und gelangt gleich zu der legten, dem Tod 
der Welt. Udr, mie der Sohn der Naht in diefer ihrer erften Ehe 
heißen foll, ift nad Grimnism. 46 ein Beiname Odins. 

Bon Dellinge, deſſen Name nod in Deutſchland in vielfahen Wand: 
lungen fortlebt, hat fih in einem Volkslied (Wunderhorn 1, 38) ein 
verbunfelter Mythus erhalten. Gin Türke erfheint vor dem Hoflager des 
Kaiferd und fordert deflen Helden zum Zweilampf. Niemand will es 
tagen, ſich mit ihm zu meßen, ſchon zümt der Kaiſer über die Feigheit 
feiner Helven, da fpringt der Döllinger hervor: 

Wohl um, wohl um, id) muß hervor 
An den leidigen Mann, 
Der fo teefflich ſtechen kann. 

* Aber zuerft erliegt der Döllinger dent Türken; erft bei dem zweiten 
Ritt fticht er den Türken ab, deffen Seele dann ber Teufel entführt. Die 
Volkslied wird als ein hiſtoriſches angefehen, weil es fih an des Kaiſers 
Hoflager zu Regensburg knüpft; es ift aber ein mythiſches, das den Kampf 
zwiſchen Tag und Nacht zum Inhalt bat. Der Gott des jungen Tages 
iſt zu einem Frühlingsgott erweitert, wie wir ſchon wißen, daß Tageds 
mythen der Erweiterung zu Sommermpthen fähig find. Aud der Winter 
wurde als Türke gedacht $. 145 unten: 

Mit dem Türken wollen wir ſtreiten, 
Den Säbel an der Seiten. 


15. Verhältnifs zu Sonne und Mond, 
Da nahm Allvater, heißt es nun weiter, die Nacht und ihren Sohn 
Tag und gab ihnen zwei Roſſe und zwei Wagen und fehte fie an ben 
Himmel, daß fie damit alle zweimal zwölf Stunden um die Erde fahren 


& 16. Svanhild Gullfär. 9 


ſollten. Die- Nacht fährt voran mit dem Roffe, dad Hrimfari (reifr 
wmähnig) heißt, und jeden ‚Morgen bethaut es die Erde mit dem Schaum 
feines Gebißes. Das Roſs, womit der Tag fährt, heißt Stinfari 
(liptmähnig) und Luft und Erde erleuchtet feine Mähne. Vgl. Waſthrud⸗ 
nism. 12. 14: 

Skinfari heißt er, der den fchimmernden Tag zieht 

Ueber der Menfchen Dienge: 

Für der Füllen beſtes gilt es den Bölfern; 

Stäts glänzt die Mähne der Mäpre, 

Hrimfari heißt es, das die Nacht herzieht 

Den waltenden Weſen. 

Mehlthau fat ihm vom Gebiß am Morgen, 

Und fült mit Than die Thäler. 


Da fonah Tag und Naht ihre eigenen Pferde haben und bei dem 
Roſſe des Tages die Beziehung auf das Licht im Namen auögedrüdt ift, 
fo ſcheint e3, man dachte fih Naht und Tag von Sonne und Mond un: 
abhängig. Freilich der Mond bringt nicht die Nacht, er erleuchtet fie nur; 
aber den Tag löfen wir jept von ber Sonne nicht ab, wie es unfere 
Vorfahren thaten. Es fällt fon auf, wenn im Wartburglriege, wo es 
fih um den Preis zweier Zürften handelt, von welden der eine der Sonne 
verglichen worben ift, der andere noch höher geftellt werben fol, indem 
man ihm dem Tage vergleicht. Grimm bemerkt Myth. 699: ‚Wahrfcein« 
lich ließ man den Wagen des Tags dem ber Sonne vorauägehen, hinter 
der Nacht her den Mond folgen. Nicht bedeutungslos mag der Wechſel 
des Geſchlechts fein; dem männlihen Tag zur Seite fteht die weibliche 
Sonne, der weiblichen Naht der männliche Mond.’ Wären etwa Tag 
(Dag) und Sonne (Söl), fo wie andererfeitd Nacht (Nött) und Mond 
(Mäni) ald Liebespaare betradtet worden? Für ein ſolches Berhältnifs 
zwiſchen Tag und Sonne fpriht, daß in Fornalburf. (IL, 7) Swanpilv 
mit dem Beinamen Gullfiödr (Golbfeder) die Tochter Dags, des Soh⸗ 
ned Dellingers, ift; ihre Mutter aber war Sol, vie Tochter Munpilföris. 
Sie wird dem Alfr, genannt Finnalfr, vermählt und gebiert ihm Swan 
den Roten. Wilh. Müller, (Altdeutſche Religion S. 160) führt dazu den 
niederfähfifhen Kinderreim an: 

Regen, ga weg mit diner fangen Räſe: 
Sunue kum weder mit diner gulbenen Feder. 


20 Swanhild Sigurde Tochter. %16 


In der Helvenfage ift Swanhild eine Tochter Sigurds, und aus: 
drüdlih wird fie in „Gubrund Aufreizung“ dem Sonnenftral verglichen. 
Der Schwan in ihrem Namen ift ein paſſendes Bild für das Licht. 
Ihre Augen waren fo glänzend, daß die Pferde, welchen fie vorgeworfen 
warb, fie nicht zerftampfen mollten. Man mufte erft eine Dede über fie 
fpreiten, damit fie ihr Amt verrichteten. Ihr blutiger Tod unter den 
Hufen der Pferde, wie ähnlih dem der biftorifchen Brunhild, ift doch 
wohl mythiſch und auf die Abendröthe zu beziehen. Daß fie Sigurds 
Tochter fein foll, erllärt fih daraus, daß biefer felbft in vielen Theilen 
feines Mythus an Baldurs Stelle tritt, der agf. Bäldäg heißt, alſo 
zuerſt wohl den lichten Gott des Tages bedeutete. Gin Anderes ift es, 
wenn fih der Jahreögott, den mir in Yiöljwinnsmal als Mengladas 
Bräutigam Iennen lernen, Swipdag, Beicleuniger des Tages nennt, denn 
er bezeichnet fi damit ald ven Frühling, der die Tage wieder zeitiger 
anbrechen läßt. Swanhildens Beiname Goldfeder erinnert daran, daß 
aud ber Tag in dem ſchoͤnen Gleihniffe Wolframs als ein Vogel gedacht 
wird, der feine Alauen in die Wolten ſchlaͤgt. So fehen wir $.19 die 
Sonne als Adler gefaßt. B 

Dem Anbruc des Tages und der Naht, der aufs und untergehenben 
Sonne wird ein Schauern der Natur, eine Erſchütterung, ja ein Schall 
und Getöfe zugeſchrieben, vielleicht weil ſich Licht und Schall, Farbe und 
Ton entfprehen und zwiſchen beiben ein tiefer Bufammenhang waltet. 
Tac. Germ, c. 45. Grimm Myth. 684. 703. 707. Noch Goethe weiß 
davon, ob aus deutſchen Quellen ? 

Tönend wird für Geiftesohren 
Schon der neue Tag geboren. 
Felſenthore Inarren raffelud, 
Phobus Räder rollen praffelnd: 
Welch Getöfe bringt das Licht! 
Es brommetet, es poſauuet, 
Auge blinzt und Ohr erſtaunet, 
Unerhörtes hört‘ fi nicht. 


16, Gommer und Winter, Wind nnd Negenbogen. 

Bei den biöherigen kosmogoniſchen Anorbnungen waren die Götter 
wenigſtens als Biloner und Ordner betpeiligt, wenn fie auch wie bei 
Some und Mond, Tag und Nacht, nicht als eigentliche Schöpfer auf 


& 16. Elfe. 31 


traten. Dagegen bei Sommer und Winter und bei dem Winde 
verſchwindet jede Spur einer Mitwirkung der Götter; bei dem Regenbogen 
tritt fie wieder hervor. Bom Sommer erfahren wir D. 19, daß fein 
Bater Swafuphr heiße; der fei fo wonnig, daß nad} feinem Namen 
Alles füß (evasligt) heiße, was milde fei. Aber der Vater des Winters 
heiße bad Windlöni (Windbringer), bald Windfwalr (Windküpf), 
und dieß Geſchlecht fei grimmig und Laltherzig und der Winter arte ihm 
nah. So fagt Wafthrubnism. 27: 

BWindfwalir heißt des Winters Vater 

Und Swafudr des Sommers; 

So ziehn fie felbander durch alle Zeiten 

Bis die Götter vergehen. 

Woher der Wind komme, erlärt D. 18 wie folgt: Am nörblihen 
Ende des Himmels figt ein Riefe, der Hrefwelgr (Eeichenſchlinger) 
beißt. Er hat Adlersgeſtalt, und wenn er zu fliegen verſucht, fo entfteht 
der Wind unter feinen Fittihen. Davon heißt es fo: 


Hräfwelg Heißt, der an Himmels Ende fit, 
In Adlerskleid ein Jotun. 

Mit feinen Fittihen facht er den Wind 
Ueber alle Bölfer. Wafthrudn. 37. 

Aber den Regenbogen over die Brüde Bifröft (mörtlich die 
bebende Raft, oder Wegftrede), die Himmel und Erde verbindet und aud 
Ajenbrüde heißt, haben die Götter geſchaffen. Sie hat brei Farben und 
iſt ſehr ſtark und mit mehr Kunft und Verſtand gemacht ald andere 
Werte. Aber fo ftart fie auch ift, fo wird fie doch zerbrechen, wenn 
Muspels Söhne kommen, darüber zu reiten, und müßen ihre Pferde 
dann über große Ströme ſchwimmen. Bifröft ift eine gute Brüde, aber 
fein Ding in der Welt mag beftehen bleiben, wenn Muspels Söhne ger 
ritten tommen. D. 13. eben Tag reiten bie Aſen über Bifröſt zu 
ihrer Gerightäftätte bei Urds Brunnen. Das Rothe, dad man im Regens 
bogen fieht, ift brennendes Feuer. Die Hrimthurſen und Bergrieſen wur ⸗ 
den den Himmel erfteigen, wenn ein Jeder über Vifröft gehen Lönnte, 
der da wollte. D. 15. Da aber Muspels Söhne die Flammen bebeuten, 
welche das Feuer auf der Brüde Bifröft nicht zu ſcheuen haben, fo ift 
ihr in Heimdall noch ein befonderer Wächter beftellt. D. 37. Im neuern 
Bollöglauben heißt der Regenbogen Himmelring; auf ihm fteigen bie 





3 Sräfwelgr. 8.16 


Todten zum Himmel empor, die Engel zur Erde hernieder. Da wo er 
die Erde berührt, laßen fie ein goldenes Schlüßelchen fallen, das aud 
einer Blume den Namen’giebt. Nah anderem Glauben liegt da ein 
Schat. Birl, I, 197. Maurer sl. Sagen 185. J 

Was von Winter und Sommer berichtet wird, iſt als bloße Perſo— 
nification von Begriffen und Eigenſchaften aus dem Kreiße echter leben— 
diger Mythen zu verweifen. Wir finden aber hier nur zwei Jahreszeiten 
genannt, da doch Tac. Germ. 26 den Deutichen deren ſchon drei zuger 
ftand, wie wir auch drei ungebotene Dinge finden. Für mythiſche Bezüge 
genügen aber jene zwei, auf deren Unterfheidung ſich das Alterthum ber 
fhränkte, und die aud fpäterhin im höhern Norden allein hervortreten. 
gl. Gr. Myth. 715. 718. Winter und Sommer denkt man im Kampf 
mit einander begriffen und dieſer Kampf ward jährlih in einem dramas 
tifhen Spiele vorgefiellt. Noch jept ift diefe Sommerverfündigung durch 
Gefänge der Jugend üblich und unfere f. g. Minnefinger, die mit Wins 
ter und Sommer anzubeben pflegen, jegen fie voraus. In mildern Ges 
genden tritt an bie Stelle des Winterd der Tod: 


Nun treiben wir den Tod aus, 
* Den alten Weibern in das Haus. 


vielleicht weil im Winter die Natur fhlummert und ausgeftorben ſcheint. 
Anderwärtd wird ber einziebende Sommer unter Anführung des Mai: 
grafen eingeholt. Grimm Myth. Cap. zaıv. Bol $. 145. 

Wie der Winter als ein grimmiger, kaltherziger Rieſe erfcheint, fo 
aud der Wind, Gr wird aber zugleich als ein Adler gedacht, und fein 
Name Leihenfhlinger (Hräfmwelgr) zeigt, daß dabei die Vorſiellung eines 
aadgierigen Raubvogeld waltete. Vgl. Schwarz: Die Sirenen und ber 
nord. Hraͤſwelgt. Schon die Alten ftellten fih den Wind als Adler 
vor, wie die Verwandtſchaft von Aquils und Aquilo bezeugt. Ueber 
haupt lieben fi die Riefen, deren wir mande als Sturmwind zu faßen 
haben werben, in Adler zu wandeln, während die Götter Fallkengeſtalt 
annehmen ober Faltenjhiwingen gebrauchen. In Kriemhilds Traume fieht 
fie ihren Geliebten als Falten, feine Feinde als raubgierige Adler. Nur ' 
Dpin, deffen Natur das Element der Luft zu Grunde liegt, entfliegt D. 59 
gleichfalls in Molerägeftalt (in der Herwararſ. Fornald. Sög. I, 487 
jedoch als Falle) und ein Aoler hängt nad Grimnism. 10 vor feiner 
Halle: 


8. 17. Winde als Hunde. 88 


Leicht erlennen fonnen Die zu Odin kommen 
Den Saal, werm fie ihn fehen. 

Ein Wolf hängt vor dem weftlichen Thor, 
Ueber ihm dränt ein Aar. 

Grimm hat an verſchiedenen Orten den Adler im Gipfel des Palaftes 
Karls de3 Großen verglihen. Myih. 600. 1086. ©. D. ©. 763. Aus 
Odins Eigenfhaft als Kriegs und Siegsgott erlärt ſich der Adler nicht 
genügend: man wirb darauf zurüdgehen müßen, daß er nad 8. 7 im 
Boltsglauben an die Stelle eines Sturmrieſen getreten ift. 

Au ala Hunde werden die Winde gedacht. Die Vorftellung muß 
alt fein, da wir die Hunde wirklih Winde genannt finden. Die Winde 
werben auch als Hunde gefüttert mit den Worten: 

Sich da, Wind, 
"oc ein Mus für dein Kind. 

Davon ſcheint noch Culenfpiegel zu mwißen. Cin Bauer fehüttete 
Mehljäde vor den Hunden aus, welhe ven wilden Jäger begleiteten. 
Sie fielen begierig darüber her und fraßen alle auf. Unmillig warf er 
auch die Säde hin; aber am Morgen fand er fie wieder mit Mehl ger 
fullt. Das ift ber Segen, den das gefpendete Opfer bringt. AB Schwein 
(Eber) wird namentlich der Wirbelwind gedacht, und wenn er den Staub 
kräufelt, rufen ihm die Kinder fpottend zu: Saumebel, Sauzagel! Panz. 
II, 209. 489. In ver That gleicht der Schwanz dieſes Thiers dem 
vom Wind gefräufelten Staub. 


17. Schöpfung der Menfchen. 


As Bors Söhne, heißt es D.9, am Seeftrande giengen, fanden fie 
zwei Bäume. Gie nahmen fie und fÄufen Menfchen daraus. Der erfte 
gab Geift und Leben, der andere Verftand und Bewegung, der britte 
Antlig, Sprache, Gehör und Gefiht. Den Mann nannten fie Ast (Eſche) 
und die Frau Embla, und von ihnen kommt das Menfhengeichleht, wel: 
dem Midgard zur Wohnung verliehen ward. Die ältere Edda (Wölufpa 
17.18) läßt die Menſchen nit von den drei Söhnen Boͤrs, fondern von 
einer andern nod öfter vorlommenden Trilogie der Götter: Odin, Henir 
amd Lodhur (Loptr, Loli) erſchaffen: 

Giengen da dreie aus dieſer Berfammlung, 
Mädtige, milde Aſen zumal. 
Sie, Dipthelsgie. 3 


24 A⸗qanes. & 18. 


Senden am Ufer unmädtig 
Ast und Embla und ohne Beftimmung. 


Beſaßen nit Seele, Hatten nicht Sinn, 

Nicht Blut noch Bewegung noch blühende Farbe. 
Seele gab Odin, Hönir gab Sinn, 

Blut gab Lodur umb blühende Farbe. 


Diefer legtere Bericht, nach welchem Blut, Bewegung und blühende 
Farbe von dem dritten Gotte verliehen wurden, ſcheint in dem erften, 
in Bezug auf die von den einzelnen Göttern verliehenen Gaben, entftellt. 

Embla foll Ulme oder Erle bedeuten; Grimm (Myth. 537) Teitet 
aber ihren Namen von ambl (labor assiduus): fo wäre fie nicht von 
dem Baume, fondern von der Geſchäftigleit des Weibes benannt. 

Die Schöpfung des Menſchen aus Bäumen klingt auch fonft nad. 
Das bekannte Handwerlsburſchenlied läßt in Sachſen die jhönen Mädchen 
auf den Bäumen wachſen, und noch Aventinus leitet den Namen Ger- 
mani von germinare her, wie liute (Leute) von liutan crescere richtig 
bergeleitet werben. Tacitus jagt Germ. c. 39, da er von dem heiligen 
Hain der Semnonen ſpricht: eoque omnig superstitio respieit, tanquam 
inde initia gentis; bie Semnonen glaubten alfo wohl, ihr Bolt habe 
feinen Urfprung in dieſem Walde genommen. Wenn nad dem Froſchmäuſeler 
Aschanes mit feinen Sachſen aus dem Harzfelfen im Wald bei einem 
Springbrunnen hervorgewachſen fein fol, fo deutet der Name Adhanes 
wieber auf ASE; der übrige Theil der Meldung aber häuft drei Urfprünge: 
1. aus dem Harzfelfen, 2. im Wald, 3. bei einem Springbrunnen. Auf 
die Entftehung aus dem Harzfelfen weift fogar der Name Sachſen felber 
jurüd, denn Sachs (saxum) bedeutet Stein und die Schwerter heißen 
Sachs, weil die erften Waffen Steinwafjen waren. Auch Buri entftanb 
aus Salzfteinen.- Auf die Entftehung im Wald, aus Bäumen, welfen 
ſchon die Namen Ast und Aschanes; aus Brumnen aber läßt man noch 
heute die Kinder holen und Ymir, der Urriefe, entftand aus dem Waßer. 
Der Brunnen der Holle, aus dem bie Kinder kommen, wird unten mit 
dem der Urdh verglichen werben, der bei der Eſche Yagdrafil fteht, 
und fo darf auch an den Rinderftamm erinnert werben, ber in ber 
Halle König Wölfungs (Wölfungaf. Cap. 2) ftand und beflen Dede trug, 
wie jene Eſche das Himmelsgewoͤlbe. 


3. 12 Yopdıef. o0 


18. Schöpfung der Zwerae. 

Der Erihaffung ver Menſchen mag als Anhang und Uebergang zum 
nächften Abſchnitt die Schöpfung der Berge folgen, melde Wölufpa 7-16 
aber früher geſchehen läßt. Sie fept fie, wie das auch D.14 thut, im 
Verbindung mit dem Foll, der verlorenen Unſchuld der Götter, von wel⸗ 
&er fie bier abgelöft wir. Die Wälufpa laßt die Götter Rath pflegen, 

Ber ſchaffen follte der Zwerge Geſchlecht 
Aus bes Meerriefen Bat und jchwarzem Gebein. 

Und ohne dieje Frage erft zu entſcheiden, ſchaffen die Gbtter drei 
Scharen von Zwergen, beren Verjeichniſs ein andermal zu betrachten fein 
wire. Bol. M. Edda 6.4. 

Die jüngere Edba fept hinzu, die Zwerge fein zuerit als Maden 
in Ymirs Fleiſch entftanden, aber nun hätten ihnen die Götter Menſchen⸗ 
wig und Geftalt gegeben. Sie blieben aber in der Erbe und im Geftein 
wohnen. 

Dex ſegenannte Anhang des Helvenbuchd erzählt, zuerſt ſeien die 
Zwerge geſchaffen worden zum Bau des müften Landes und Gebirges, 
ef dan bie Niefen zur Belämpfung der wilden Thiere, und zulegt bie 
Helven, um ben Zwergen gegen bie untreyen Riejen beizuſtehen. 


Die mytbifchen Welten, Stmmel und Simmels: 
burgen. 


19. Die Welteſche. 

Bisher fahen wir, wie die wirkliche Welt nah dem Glauben 
unferer Bäter entftand und gebilvet ward, und welchen Antheil die Götter 
an ihrem Bau und Ausbau nahmen. Außerdem wißen aber unfere 
Quellen auch von Gebäuden, ja ganzen Welten rein mythiſcher Natur. 
Diefe follen, mit Ausnahme derjenigen, welche erſt ua der Erneuerung 
der Welt in Betracht kommen, hier beſprochen werden. 

Das ganze Weltgebäube wird vorgeftellt unter dem Bilde der Eſche 
Dagsdraſil. Ddin felbft ftelt fih in ‚Hawamal’ als eine Frucht des 
Beltbaums dar, und da Yggr (Schauer) ein Beiname Dbins ift, drasil 


86 Lie. 8.19. 


aber Träger zu bebeuten ſcheint, wie es fonft auch won Pferden vorlommt, 
fo mag fi) hieraus der Name erfläcen. Diefe Eſche, heißt es D.15, ift 
der gröfte und befte von allen Bäumen: feine Bweige breiten fih über 
die ganze Welt und reihen hinauf über den Himmel, Drei Wurzeln 
halten den Baum aufrecht, die fi weit ausdehnen: die eine zu den 
Afen; vie andere zu den Hrimthurfen, .wo vormald Ginnungagap 
war; die dritte fteht über Niflheim, und unter diefer Wurzel ift Hwer⸗ 
gelmir und Nidhöggr nagt von unten auf an ihr. Allein die Meldung, 
daß die erfte Wurzel zu den Aſen reihe, muß auf einem Irrthum be= 
ruhen, denn da die Zweige des Weltbaums hinaufreichen follen über 
den Himmel, fo kann nicht aud eine feiner Wurzeln zu ben Aſen 
gehen. Um den Baum aus feiner fchiefen Lage zu bringen, vergleiche 
man Grimnism. 31, wo es heißt: 


Drei Wurzeln ſtreden fi nad dreien Seiten 

Unter ber Eſche Yggdrafil. 

Hel wohnt unter einer, Hrimthurſen unter der andern, 
Aber unter der dritten Menfchen. 


Jene Wurzel reiht alfo nicht zu den Afen, fondern zu den Menſchen, 
und nun kann der Baum feine Zweige über bie ganze Welt breiten und 
über den Himmel wölben. Sein über Walhall veihender Wipfel wird 
aber D.39 durch Wifsverftändnifs als ein felbftänbiger Baum aufgefaßt, 
mit Namen Lerad (Stille fpendend). An feinen Zweigen weidet bie Ziege 
Heidrän, von deren Guter fo viel Milch fließt, daß fie täglih ein 
Gefäß füllt, aus dem die Cinherier, bie in Ddins Halle aufgenom- 
menen, im (Cinzel:) Kampf gefallenen Helden und Könige, vollauf zu 
trinlen haben; ferner ver Hirſch Eikthyrnir, von defien Gehörn jo 
viel Tropfen fallen, daß fie nach Hwergelmir fließen und die Ströme ber 
Unterwelt bilden. on beiden ſpricht auch Grimnism. 25. 26: 


Heidrun heißt die Ziege vor Heervaters Saal, 
Die an Larads Laube zehrt. 

Die Schale fol fie füllen mit ſchäumendem Meth; 
Der Milch ermangelt fie nie. 


Eitthyrnir heißt der Hirſch vor Heervaters Saal, 
Der an Lärads Laube zehrt. 

Bon feinem Horngeweih tropft e8 nach Hwergelmir : 
Davon ftammen alle Ströme. 





%19 Alböger. 87 


Dem Namen jener Biege enifpricht der altfränfifhe Cigenname 
Chaiderana. Müllenhoff (Zur Runenlehte 46) lehrt, daß burd die mit 
ran zufammengefegten Namen ven Perſonen oder Weien, vie fie trugen, 
vie Kraft beigelegt wird, bie der Rune als Bauberzeihen innewohnt. ‚So 
bietet ſich ber für den Zufammenhang höcft paflende Sinn bar, daß bie 
Biege deöwegen den Namen Heibrun führt, weil fie durch ben Meth ven 
Einheriern ihre Heit d. i. ihre Art und ihr eigenthümliches Weſen erhielt 
uud nährte.‘ 

Außer dieſem Hirfh, der an dem Wipfel Lärad zehrt, Taufen noch 
vier andere Hirfhe umher an den Zweigen der Eiche und beißen die 
Knospen ab: fie heißen DAin, Dwalin, Dunneyr und Durathrör; 
Namen die auf den Begriff der Vergänglichleit deuten. Dann werben auch 
die Wurzeln Yggdraſils von Würmern benagt; von Nidhöggr (dem heftig 
hauenden) hörten wir fhon, daß er an der Wurzel nage, die über Nifl- 
heim ſtehe. Ferner heißt es D. 16: ‚Ein Aoler fipt in ben Bweigen 
der Eſche, der viele Dinge weiß, und zwiſchen feinen Augen figt ein 
Habiht, Werrfölnir genannt. Ein Eihhörnden, das Ratatöstr 
(eigentlid) wohl Ratatwiskr, Zweigbohrer) heißt, fpringt auf und nieder 
an der Eiche und trägt Zankworte hin und ber zwiſchen dem Adler und 
Ridhögge.‘ So heißt es Grimnism. 32—35: 

Natatösfr heißt das Eichhorn, das auf und abrennt 
An der Eſche Yagbrafil. 

Des Ablers Worte vermimmt es oben 

Und bringt fie Ridhöggern nieder. 

Der Hirſche find vier, die mit Frummem Halfe 
An der Eſche Ausſchußen weiben. 

Dein und Dwalin, 

Duuneyr und Durathror. 

Mehr Würmer liegen unter der Eſche Wurzeln 
Als Einer meint der unklugen Affen: 

Goin und Möin, Grafwitnirs Söhne, 
Gräbatr und Grafwöllubr; 

Ofnir und Swafnir follen ewig 

Bon ber Wurzeln Zweigen zehren. 

Die Eſche Yagdrafil duldet Unbill 

Mehr als Menſchen wißen. 

Der dirſch weidet oben, Hohl wird bie Seite, 
Unten nagt Nidhoggr. 


38 Hertgiäen, 819. 


Wihen wir auch nicht alle biefe Bilder zu deuten, fo fehen wir doch 
den MWeltbaum von den Hirſchen, von ber Biege, von Schlangen angenagt 
und dabei fault feine Seite. Alles das find Andeutungen ber Bergäng- 
lichteit, des unvermeiblichen Untergangs ver Welt. Um biefen aber noch 
fo weit als moglich hinauszufhieben, pflegen die Nornen, welche an Urs 
Brummen wohnen, täglih Waßer aus dem Brunnen zu nehmen und es 
zugleich mit dem Dünger, der um den Brunnen liegt, auf die Eſche zu 
ſprengen, damit ihre Zweige nicht dorren oder faulen. ‚Dieb Waßer ift 
fo Heilig, daf Alles was in den Brunnen kommt, fo weiß wird wie bie 
Haut, die inwendig in der Cierſchale liegt.” So wird gejagt: 


Begoßen wird die Eſche, die Yggdraſil heißt, 
Der geweihte Baum, mit weißem Nebel. 

Davon fommt der Thau, der in bie Thäfer füllt; 
Immergrün fteht er über Urds Brunnen. 


‚Den Khan, der von ihr auf die Erde fällt, nennt man Honigthau: 
davon ernähren fi die Bienen.’ D. 16. In deutſchen Märchen, wo dieſer 
Brunnen häufig vorlommt, fol das Waßer des Lebens aus ihm geholt 
werben. Seiner Heiligteit wegen läßt man ihn hüten, daß nichts Unteines 
hineinfalle. Ein reiner Jüngling, dem dieſes Wäcteramt übertragen ift, 
taucht feinen Finger hinein, der fogleih golden wird; ein andermal läßt 
er fein langes Haar hineinfallen; aud das wandelt ſich in lauteres Gold- 
Es ift derfelbe Brunnen, deſſen Waper mein auf den Stein ſchüttet, 
worauf ſich Ungemitter erhebt. Statt des Lebenswaßerd follen in andern 
Märchen goldene epfel von dem Baume geholt werben, der über dem 
Brunnen fteht. Diefe Uepfel, melde dieſelbe verjüngende und heilende 
Kraft haben, wie das Waßer aus dem Brunnen, Tommen aud in der 
Edda vor; vergehen ift aber, daß es die Früchte des MWeltbaums find, 
was freilih auch zu defien Auffaßung als Eſche, die mit dem Honigthau 
zufammenhängt, nicht ftimmen würde. 

Nehmen wir hinzu, daß die Ziege Heidrun, die an den Zweigen 
Lärads weidet, die Einherier aus ihrem Guter mit Mild verforgt, und 
von dem Geweih Eilthyrnirs die Ströme der Unterwelt niederrinnen, fo 
gefellen fih zu den Bildern von der Vergänglichfeit der Welt andere, 
welhe die Eſche als den allnährenden Weltbaum (vidh aldrnära) 
bezeichnen, wie er Wölufpa 51 heißt. Er erſcheint aber nit bloß als 
ein Baum ver Welt im heutigen räumlihen Sinne bes Worts, er ift aud 





&19. Drei Grunnen. 39 


ein Vaum der Zeit: Raum und Zeit gehören zufammen ; erſt fo bilden 
fie bie Welt, die eine räumliche und zeitliche Seite hat. Als Baum der 
Zeit ift Yggdraſil ein Bild des Lebens der Welt, wie es fi in der Zeit 
darfteßt. Deutliher wird und dieß burd bie Erwägung der drei Brummen, 
welche bei den Wurzeln Yagbrafild liegen: 

1. Der erfte Brummen, mit defien Waßer die Eſche beiprengt wird, 
damit fie nicht faule, ſ. o., ift jehr heilig, und nah Allem was wir von 
der Kraft feines Waßers wißen, kann fie ſowohl verjüngen als vers 
Ihönen. Ex liegt bei der Wurzel ber Eſche, die zu den Menſchen reiht 
nad) Grimnism. 31; reichte fie zum Himmel oder läge gar der Brunnen 
felber im Himmel, wie beides D. 15 meldet, fo braudten die Götter, die 
ihre Gerichtsſtaͤtte an demjelben haben, nicht täglich über Bifröft dahin zw 
zeiten. Diefer Brunnen heißt Urds Brummen, nad der älteften der drei 
Romen, melde Urd, Werdandi und Skuld (Bergangenheit, Gegenwart 
und Zutumft) beißen, und entweder in dieſem Brunnen ober in dem Saal, 
welcher bei demfelben fteht, ihren Aufenthalt haben. BgL Kuhn weſtf. 
&.138®. Legtered nimmt D. 15 an; aber in ver Stelle ver Wölufpa, 
worauf fie ſich gründet, ift die Lesart zweifelhaft. Nachdem Urds Bruns 
nen genannt worden, heißt es: . 


2%. Davon kommen Frauen, vielwißende, 
Drei aus dem Saal (See) dort bei dem Stamm: 
Urd heißt die eine, bie andre Werbandi 2c. 


2. Der andere Brunnen ifi Mimird Duelle, worin Weisheit und 
Berftand verborgen find. Der Eigner des Brunnen ift Mimir und ift 
voller Weisheit, weil er täglich von dem Brunnen aus dem Giallarhorn 
trintt. Einſt fam Odin dahin und verlangte einen Trunk aus dem Bruns 
men, erhielt ihn aber micht eher bis er fein Auge zum Pfanbe ſehte. 
Bel. Wöl. 22. Diefer Brunnen ift bei der Wurzel, melde zu den Hrims 
thurſen geht, alſo zu den Riefen; Mimir ijt felbft ein Niefe. Wie die 
Riefen das ältefte Geſchlecht find, fo befinden fie fih aud im Befig ur: 
aufanglicher Weisheit ; die Seherin in der Wölufpa beruft ſich auf fie 
als Erzieher und Lehrer und Odin geht mit Wafthrubnir über bie ur 
welilichen Dinge zu ſtreiten. Wegen diefer Quelle Mimird heißt die 
Belteiche in dem eddiſchen ‚Fiölfwinsmal’ auch Mimameidr, d. i. Mimird 
Baum. 

3. Bei der britten Wurzel, welche über Nifipeim fieht, wird gleich 


“o Mimies Once. 8.19. 


falls ein Brunnen gu fuchen fein; es wirb fogar ausdrüdlich gefagt, daß 
unter ihr Hwergelmir fei, der rauſchende Keßel, den wir fhon als einen 
Brunnen kennen. Nach Grimnismal 31 wohnt unter ihr Hel, die perfo- 
nificierte Unterwelt, und aus der Unterwelt ſahen wir ja durch ben 
Brunnen Hwergelmir die urmeltlihen Ströme hervorquellen. 

Welche Bedeutung haben nun dieſe drei Brumnen in ihrer Beziehung 
zur Welteſche? Das Waßer des erften Brunnen verjängt, er ift ein 
Jungbrunnen wie jener im Wolfbietrih, in welchem ſich vie rauhe Els 
badet und al fhöne Sigeminne emporfteigt. Sein Waßer hat alfo bier 
felbe Kraft, die aud den Aepſeln Idunns beimohnt, ſowie dem Begeiftes 
rungätrant der Ajen, der Ophrärir heißt. Darum wird in Odins Rabens 
zauber (Str. 2) Odhraͤrit mit dieſem Brunnen ber Urd verwechſelt, ja 
Idun felbft mit Urd; vgl. aud Odins Runengefang 141. Welden Sinn 
tann nun die verjüngenbe Kraft des Brunmens haben, am dem ober im 
dem bie Rornen wohnen? Da er nad) der Alteften None, der Nome 
der Vergangenheit, benannt ift, fo werben wir ermahnt, und wie fehr 
bebürfen mir Deutſchen dieſer Mahnung! das Voltsleben müße aud dem 
Brunnen der Vergangenheit erfrift werben, aus dem Strome der Ueber: 
lieferung, der aus der Vorzeit herfließt. Die Geſchichte muß dem Volt, 
wenn aud nur in ber Geftalt der Sage, gegenwärtig bleiben, e8 darf fein 
geſchichtliches Bewuſtſein nicht verlieren, wenn es nicht vor der Beit altern 
fol, Auf den erften Blick ſcheint diefer Deutung entgegen zu fteben, daß 
aud der andere Brunnen, die Duelle Mimirs, einer gleichen Deutung 
fähig ift, ja der Name Mimir fie zu fordern ſcheint. Gleichwohl iſt 
diefe Auslegung haltbar, und mit dem Sinne, welchen Mimirs Brunnen 
bat, ſehr wohl verträglih. Die Quelle ver Urd liegt bei der Wurzel, 
die zu den Menſchen reicht: fie bedeutet die Geſchichte der Menſchen, des 
Menſchengeſchlechts, von welder allein die Menſchen eine Erinnerung be: 
wahren können. Mimirs Duelle, und die Weisheit, die darin verborgen 
iſt, liegt über die Menſchengeſchichte hinaus, fie ift Alter ala die Erſchaf⸗ 
fung des Menſchen: es find die uranfänglihen Dinge, die urweltlichen, 
welche die Entitehung der Welt betreffen: dieß ift mehr Natur: ald Mens 
ſchengeſchichte. Nur die Geſchichte des Menfhen und bes Menſchenge⸗ 
ſchlechts hat Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; mas vor der Bil: 
dung und Schöpfung der Welt liegt, kennt dieſen dreifachen Schritt 
der Zeit nit, es liegt aller Zeit vorauf und verliert fih wenigſtens 
für ven Bid jugendlicher Völter im enblofen Meer der Ewigleit. Nur 





%19. Arfprung alles Zeins. 4 


die urgebornen Riefen, welchen Mimir angehört, haben davon Kunde, und 
ſelbſt Odin, der grübelnde Aje, muß fein Auge zu Pfande jegen, um 
einen Trunk dieſer Weispeit zu erlangen, womit zugleich ausgeſprochen 
it, daß fie fih der Forſchung nicht gänzlich entzieht, ba der Gott des 
Geiſtes, der Weifefte der Aſen, fie erwirbt. Auf eine mod entferntere 
Periode, auf den erften Urfprung alles Seins, deutet der dritte Bruns 
nen unter der Wurzel, die zu Hel reicht; von ihr wißen felbft die Niefen 
nicht, denn auch fie waren noch unentftanden. Es ift ber Brunnen Hier: 
gelmir, dem einft der Urftoff entquoll, zu dem aber aud alles Sein 
jurüdftrömt, denn von dem Geweih des Hirſches Eilthyrnir träuft das 
Baßer, aus welchem die Welt ſich bildete, wieder hinab nach Hmergelmir. 
Bie die Unterwelt (Niflhel) die Duelle des Seins war, fo ift fie auch 
fein Abgrund. Die Kinder werden aus dem Brunnen geholt; aber bie 
Todten ſehen wir gleihfald dahin zurüdgenommen. Die ältefte Wurzel 
des Weltbaums fteht über dieſem Brunnen; aber von unten auf nagt 
auch Ridhoͤggr an ihr. 

Nach Grimnismal 33 denkt man fih den Adler auf dem Wis 
pfel ver Welteſche, weil es heißt, Ratatöskr vernehme feine Worte oben 
und trage fie Nivhöggen nieder. Aber auch von dem Hirſch Eilthyrnir wird 
gejagt, daß er auf dem Baume Lärad weide. Da nun Lärad mit Pag: 
drafil als deſſen Wipfel zufammenfällt, fo find Hirſch und Moler wohl 
mur verjchiedene Bilder für denſelben Gegenſtand: beide bedeuten die 
Sonne ; der Habicht in dem Augenwinkel des Adlers wird dann bie Wolle 
fein. Bel. 6.30. 

Urfprüngli) mag die Weltefhe nichts anders geweſen fein, als der 
Baum, unter welhem die Götter Rath und Gericht hielten, wie nad 
deutfcher Sitte Bäume die Gerichtäftätte zu bezeichnen pflegten, R. X. 794, 
und noch bier und ba bie Dorfgemeinde bei der Linde zufammenlonmt. 
Auch die Nornen, welche die Schidfale berathen, beburften eines Verfamm- 
Tungöplages, an welchem fie ihre Urtheile fanden. Diefer Thingbaum der 
Goͤtter ift aber vortrefflih benugt worden, um das Leben in feiner Ver— 
gaͤnglichteit und bie Zeit in ihren drei Stufen zu fymbolifieren: an 
ihm iſt und ein Bild geliefert, das an fpeculativer Ziefe feines Gleichen 
nicht hat. 

Daß die Mythe von der Weltefhe in Deutfchland befannt war, bes 
weift die Mebertragung vieler Züge auf den Kreuzesbaum. Gr. Mytb. 
757.8. In einzelnen Bügen flimmt aud ein morgenlänbifces Gleichniſs, 





42 Mansigfunl, 81% 


das ſchon frühe in Deutfihland verbreitet wurde. Gin Mann, der in 
Gefahr iſt In einen tiefen Brunnen zu ftürzen, hält fi oben noch mit der 
Hand an dem Beige eines Strauches feſt; unten ftüpt er bie Füße auf 
ein ſchmales Rafenftäd. In diefer angftwollen Stellung fieht er zwei 
Mänfe, eine weiße und eine ſchwarze (Tag und Naht), die Wurzel des 
Straudes benagen, an dem er ſich feitbält; das Nafenftüd aber, feine 
Stäge, wird von vier Wurmhäuptern untergraben. Dazu fperrt in ber 
Üefe ein Drade den Schlund auf, ihr zu verihlingen, während oben ein 
Elephant den Rüffel nad ihm redt. Gleichwohl fängt er mit begierigem 
Mumde den Honigfeim auf, der aus einem Zweige der Staube trieft. 
Gr. Myth. 758. Barlaam und Joſaphat ed. Köpte 116—20. Der 
menſchliche Zeichtfinn, ver bei aller Unzuverläßigfeit der irdiſchen Dinge 
doch nad flühtigem Genuße haſcht, ift in diefem Gleichniſſe veranfhaus 
licht ; daß eddiſche Bild will feine fittlihe Lehre einſchaͤrfen, ſchildert aber 
doch die Bedrangniſs der Götter, denn obgleih der Baum noch grünt 
und das Waßer des Urba-Brunnens ihn täglich verjüngt, müßen fie doch 
fürdten, ver Tag werde kommen, da feine Trieblraft verſage. Noch ftärs 
ter wird ihre Noth in Odins Rabenzauber' dargeſtellt, welches Gedicht 
davon ausgeht, daß diefer Tag heranzunahen feine, 

Entfernter ift die Aehnlichteit mit dem Riefenihiffe Mannigfual 
in einer norbfriefiihen Seefage bei Müllenhofj S. 234. Es ift fo groß, 
daß der Eommandant immer zu Pferde auf dem Verded berumreift, um 
feine Befehle zu ertbeilen. Die Matrofen, die jung in die Tatelage hin 
auftfettern, lommen bejahrt, mit grauem Bart und Haar wieder herunter ; 
unterdeſs friften fie ihr Leben dadurch, daß fie fleikig in die Blöde des 
Zaumerts, die Wirthöftuben enthalten, einkehren. Ginmal fteuerte das Un: 
geheuer aus dem atlantifhen Meere in den britifchen Canal, konnte jedoch 
zwiſchen Dover und Calais des ſchmalen Fahrwaßers wegen nicht dunde 
kommen. Da hatte der Capitain den glüdlihen Einfall, die ganze Bad: 
borpfeite, die gegen die Ufer von Dover ftieß, mit weißer Seife beſtrei⸗ 
Gen zu laßen. Da drängte fi ver Mannigfual glüdlih binduch und 
gelangte in die Nordſee. Die Felſen bei Dover behielten aber bis auf 
den heutigen Tag von ber Maſſe ver abgefheuerten Seife und dem ab: 
geflogenen Schaum ihre weiße, jeifenartige Farbe. Einft war das Rieſen- 
ſchiff, Gott weiß wie, in bie Dftfee hineingerathen. Die Schifimannihaft 
fand aber bald das Waßer zu feicht. Um wieber flott zu werben, mußte 
der Ballaft fammt den Schladen der Kabuſe in bie See geworfen werben. 


5. 20. Birabanın. 48 


Aus dem Ballaft entftand nun die Inſel Bornholm und aus dem Unrath 
der Kabuſe die nahe dabei liegende leine Chriftianzde. 

Im Renner dient ein Gleichniſs vom Birnbaum als Rahmen des 
Ganzen. Der Dichter fand ihn auf einer Haide neben einem Brummen 
ſtehen; der Baum blühte und trug Früchte. Einen Theil der Früchte 
wehte der Wind vor der Zeit herab, andere wurden abgebroden ehe fie 
reif waren; aber auch die reifen fielen theils in den Brunnen, theils in 
eine Lache oder zwiihen Dornen; einige zwar auf das Gras, aber Schnee 
umb Regen verberbten fie: die menigften lamen zu Gute. Das erinnert 
allerdings an das biblifhe Gleichniſs vom Gämann ; aber Hugo von 
Zrimberg hat offenbar aus deutſch heidniſchen Grinnerungen gefchöpft. Bol. 
den Birnbaum auf dem Walferfeld. 

Nach Kuhn „Herabkunft” 20 verdankt der Mythus von der Welteſche 
feine Entftehung ber Woltenbildung, welche der Norddeutſche nod heute 
einen Wetterbaum nennt. Bgl. defien Zeitſchr. I, 468. 


20. Neun Welten, 


Mehrfad ift in unfern Quellen von neun Welten die Rede. Wöl.2 

ſcheint fie als Aefte des Weltenbaums zu betrachten : 
Meun Weiten kenn ich, neun Aeſte weiß ih 
Am ſtarken Stamm im Staub ber Erbe.‘ 

Wafthrudnit, der allmipende Joötun, rühmt ſich Str. 43, alle neun 
‚Heime‘ bis herab zu Riflhel durchwandert zu haben und es ſcheint ein 
Miſoverſtandniſs diefer Stelle, wenn es D. 34 heißt, Odin babe die 
Hel nad Nifiheim hinab geworfen und ihr Gewalt über neun Welten 
verliehen, wenn nicht zu leſen ift: über die neunte Welt. Wie Waf- 
thrudnir rühmt ſich auch Alwis der Zwerg (Str. 9) alle neun Keime 
durchmeßen zu haben umd von allen Weſen Beicheld zu wißen. Rirgend ⸗ 
wo, nicht einmal in Stalvflaparmal, mo man es doc erwarten follte, 
werden biefe neun Welten aufgezählt; die neun Himmel Cap. 75 (vgl. 
Gap. 56) find etwas Anderes, und auch die zwölf bimmlifhen Hallen, 
welche Grimmismal 4—17 (eigentlid find es 13) aufzählt, dürfen als 
in Asgard oder Aſenheim, ver Götterwelt belegen, nicht damit verwechſelt 
werden. Bivei diefer neun Welten haben wir bereit Tennen gelernt, Muss 
pelheim mb Niflheim, jene Guben Ginnungagaps, die ſchon vor der 
Schöpfung vorhanden maren: fie bilden bie Pole des mythiſchen MWeltalls 


44 Anter auf und über 8%. 20. 


und find Altern Urſprungs als die Aſen. Von Niflheim, als ver 
nördlichen Nebelmelt, die kalt und dunkel zugleid ift, wie Muspelheim 
beiß und licht, ift aber Niflhel noch verfhieden; fie liegt unter Niflheim 
und ift mit ihm buch den Brunnen Hwergelmir verbunden, aus welchem 
die urmweltlihen Ströme hervorbrachen, die Ginnungagap erfüllten. Nifl- 
beim und Nifipel können unter dem Namen Helheim zufammen gefaßt 
werden. Um zu dem Giöllfluße zu gelangen, welcher Niflpel oder das 
Todtenreich befpült, muß man neun Nächte durch tiefe dunfle Thäler veiten, 
D. 49. Diefe tiefen dunleln Thäler feinen von den Schwarzalfen bes 
wohnt, und hier werden mir die dritte Welt, Swartälfaheim, zu ſuchen 
haben. Vielleicht hat man fi) diefe drei Welten, Smwartalfaheim, Rifls 
heim und Niflhel unter der Erbe zu denken. Drei andere Welten wer⸗ 
den dagegen auf der Erde zu fuchen fein: 1. Zötunheim (die Riefen- 
welt, auch Utgard genannt), 2. Midgard oder Mannheim (die Menſchenwelt) 
und 3. Wanaheim, das Reih der Wanen. Bon diejen liegt Midgard, 
tie ſchon ihr Name fagt, in der Mitte aller neun Welten. Nah D. 8 
ift bie Erde kreißrund und rings umber liegt das tiefe Weltmeer, alfo 
daß die Erbe, nad dem Ausdruck des Lucidarius, ‚in dem Wenbelmeer 
ſchwebt, wie der Dotter im Ei. Längs ven Seelüſten haben die 
Rieſengeſchlechtet Wohnpläge ; nad innen aber ward Midgard als 
eine Burg tiber die Anfälle der Niefen gebaut. Aber auch die 
Welt der Wanen, welhe Götter ſeeanwohnender Völker find, dürfen wir 
auf der Erbe ſuchen. Im Weltmeer felbft tönnte man eine fiebente Welt 
zu finden meinen, Degisheim, da Degir der Meergott mit feiner Gattin 
Ran die Tiefe des Meeres bewohnt. Aber Degisheim ift als eine eigene 
Welt nicht bezeugt, nur in dem halb riftlihen Sölarlisv 30. 33 kommt 
der Name vor; er bezeichnet aber hier das im Meer ſchwimmende Mid« 
gard, die Menfchenwelt. Es bleiben uns alfo nod drei Welten übrig 
und dieſe müßen über der Erbe liegen; die erſte iſt jchon genannt: 
Afenheim oder Asgard, welhe von Riefenheim nach Wafthr. 16 durch 
den Strom fing geſchieden ift. Die andere, Ljösälfaheim, die Welt der 
Lichtalfen, fuche ih in der Sonne: ‚da hauft das Volt,‘ fagt D. 17, 
‚das man Lichtalſen nennt; aber die Schwarzalfen wohnen in ber Erbe 
und find jenen ungleih von Angefiht und noch viel ungleiher im ihren 
Verrichtungen. Die Lichtalfen find fhöner als die Sonne von Ange 
fiht; aber die Schwarzalfen jhwärzer als Pech.“ Freilich ſpricht diefe 
Stelle von Alfheim unb meint eine ber in Asgard gelegenen Himmels ⸗ 


ER. der Erde. 45 


burgen ($. 21), welche Grimnismal aufzählt. Bon dieſem Alfheim heißt 
es dort Str. 5: 
alfheim gaben dem Freyr die Götter im Anfang 
Der Zeiten als Zahngebinde, R 

” € mag bieß eine dem Dichter eigenthümlihe Anſchauung fein, obs 
glei dieſe Zeilen aud, wenn wir bie Aufzählung der Gimmelsburgen 
nicht erft, wie Finn Magnufen wil, mit Ydalir Str. 5 beginnen laßen, 
bier eingeſchoben fein können, da dieß Alfheim fhon die dritte Götter: 
halle wäre, während das Lied doch erft das folgende Walaftialf als die 
dritte bezeichnet. Wollen wir nicht annehmen, der Dichter des herrlihen 
‚Srimnismal‘ habe nicht drei zählen können, fo muß eine der vor Walafli: 
alf genannten Himmelöburgen mit der fie betreffenden Stelle nicht hieher 
gehören. Thrüvheim und Ydalit als Thors und Ullers Säle find nicht 
wohl zu entbehren; für Freyt aber beburfte es leiner befondern Himmel: 
burg, da er in Noatum (Str. 16) bei feinem Vater Niörbr mohnen 
kann. Bir brauchen darum die Meldung, daß Alfheim dem Freyr zum 
Zahngebinde gegeben fei, nicht zu bezweifeln: auf Liosalfaheim, die Licht: 
alfenwelt bezogen, giebt fie guten Sinn. Freyr, dem Sonnengott, ward 
Lihtalfenheim, die Sonne, zum Zahngebinde gegeben. Bir entgeht nicht, 
daß D. 17 den Pallaft Gimil, wo in der verjüngten Welt die recht: 
ſchaffenen und guten Menfchen aller Zeitalter wohnen follen, jegt von ben 
Lichtalfen bewohnt nennt ; aber Wöl. 63, die Quelle diefer Meldung über 
Gimils Beftimmung in der erneuten Welt, weiß von feinen gegenwärtigen 
Bewohnern nichts. Nehmen wir nun zu Lioalfahelm, ald der achten 
Belt, noch Muspelheim, den fürlihen Pol ve Weltalls, als vie legte 
Belt hinzu, fo ordnen fie fi uns in folgender Weiſe: 

1. über der Erde: Muspelheim, Ljosalfaheim, Aſenheim oder Asgard. 
2. aufder Erde: Idtunheim, Midgard (oder Mannheim) und Wanaheim. 
3. unter ber Erbe: Smartalfaheim, Niflpeim und Riflhel, 

Nach einer deutſchen Sage hätten Gott und der Teufel ihre Reiche 
einmal für immer von einander abſcheiden wollen durch eine große Mauer, 
die lepterer in einer Naht vor dem erften Hahnenſchrei erbauen ſollte. 
Beil aber ver Hahn zu früh frähte, blieb die Mauer unvollenvet, Ger 
meint ift der römifche Pfahlgraben, der auch Xeufelsmauer heißt. Auch 
am Harz kommt diefe Sage vor und wieder am Danewirle, dem anmaß ⸗ 
lichen Grenzwall zwiſchen Sahfen und Dänen, Cine Mauer fälieht in 
andern Sagen das Land bed ewigen Lebens von ber Menſchenwelt ab. 


4 Bimswelsburgen. % 21. 


21. Zwölf Himmelsburgem 


Die zwölf Himmelsburgen, welche Grimnismal nennt, ſcheint 
ſich der Dichter als in Asgard gelegen vorzuftellen und eben da denkt 
fih D. 14 die zwölf Stühle ber richtenden und rathenden Götter. Us 
fprünglih hatte es aber wohl eine andere Bewandtniſs wenigftens mit 
einigen derfelben: fo modhte Roatun, die Wohnung des Wanengottes 
Niördr, in Wanenheim, Thrymbeim, des Niefen Thiaſſi Wohnung, 
in Niefenheim gelegen haben. Als aber Niörbr als Geifel zu den Aſen 
tam, und Skadhi, Thiaſſis Tochter, die den Tod ihres Vaters zu rächen 
tam, damit begütigt wurbe, daß fie fih einen Gemahl unter den Ajen 
wählen durfte, ſcheint man aud ihre Wohnfige dahin verlegt zu haben. 
Tilgen wir dad an ber britten Stelle genannte, aber nit wit gezählte 
Alſheim, das wir ſchon unter die Welten verwiefen haben, jo find die 
genannten Himmelöburgen oder Bötterfäle folgende: 

1. Thrudheim wird zuerit als Thoͤrs Wohnung genannt. Nach 
D. 21 beißt dagegen fein Reich Thrudwang und fein Pallaft Bil: 
ſtirnir. Bon ihm fagt aud Grimm. 24: 

Fünfhundert Etodwerle und viermal zehn 
Weiß ich in Bilſtirnirs Bau. 

Bon allen Häufern, die Dächer haben, 
Glaub ich meines Sohns das gröfte. 

2. Pdalir, wo Uller den Saal ſich erbaut hat, Bel D. 31. 

3. Als die dritte Halle wird Walaftiälf genannt, welche ber 
As in alter Zeit fi erwählt habe. Man würde dieß auf Wali (D,30), 
den Rächer Baldurs, beziehen, wenn nicht die jüngere Edda D. 17 ihm 
für Opins Saal erllärte, vielleicht durch ben verwandten Namen Hlid- 
ſtialf verführt, welcher Odins Hochſit bezeihnet, von dem aus er alle 
Welten überfieht und aller Menfchen Thun gewahrt, und alle Dinge weiß, 
die da geichehen. Aus D.9 lernen wir aber Hlivflialf nur ald ven 
böchften Bunct in Asgard lennen. 

4. Bon Söttwabed (inkbach, Sturzbach, Waßerfall) und der 
Göttin Saga, die ihn bewohnt, wißen wir nur aus @rimn. 7: 

Sottwabec Heißt bie vierte; kahle Flut 
Ueberfrömt fie immer. 

Odin und Gage trinfen Tag für Tag 
Da felig aus goldnen Schalen. 


4.0. Simmelsburgen. 47 


5. Weber Gladhaheim, die fünfte Halle, Tefen wir: 


Glads heim heißt die fünfte, wo golden fchimmert 
Walhalls weite Halle. 

Da kieſt fi) Odin alle Tage 

Bom Schwert erſchlagne Männer. 


Leit erkennen können Die zu Odin kommen, 

Den Saal, wenn fie ihn ſehen: 

Aus Schäften ift das Dad; gefügt und bededt mit Scilden, 
Mit Brünnen (Banzern) die Bänke beftreut. 


Leicht erlennen fönnen Die zu Odin fommen 
Den Saal, wenn fie ihn fehen: 

Ein Wolf hängt vor dem weſtlichen Thor, 
Ueber ihm dräut ein Aar. 


Hier ift alſo Gladsheim, als vefien Theil Walhall gefaßt wird, nur 
eine ber zwölf Himmelöburgen oder Göttermohnungen, während nad; D. 14 
Gladöheim der Hof ift, worin vie Stühle ver zwölf rihtenden und ra: 
thenden Götter nebft dem Hochfig für Allvater ftanden, und neben welchem 
nur noch Wingolj ald die Wohnung der Göttinnen genannt wird. Frei— 
lich ſcheinen dieſe zwölf Stühle wieder verſchieden von den in Grimnism. 
genannten Himmelsburgen, von welchen dreie Gottinnen zugerignet find, 
Die doch den Richterſtuhl nicht befigen, alſo auch nicht zu den zwölf rich⸗ 
tenden und rathenden Göttern gehören können... Bon Walhall wird Grimm. 
23 ferner gejagt: 
Fünfhundert Thüren und viermal zehn 
Wahn ich in Walhall. 
Achthundert Einherier gehn aus je Einer, 
Wenn es dem Wolf zu wehren gilt. 
Bon denſelben Einheriern, den im Kampf gefallenen Helden, heißt 
es Wafthrubn. 41: 
Die Einherier ale in Obins Saal 
Streiten Tag für Tag. 
Sie kiefen den Wal und reiten vom Kampf heim 
Mit Afen Ael zu trinken, 
Und Sahrimnirs fatt figen fie friedlich beifammen. 
Ael oder Meth gewährt ihnen die Biege Heidrun, vom der ſchon bie 
Rede war, Fleiſch aber der Eher Sehrimnir, der täglich gefotten wirb 


46 Glafr. 8.21. 


und am Abenb wieber heil ift. Andhrimnir heißt ber Koch und der Keßel 
Elohrimnir nach Grimn. 18: 

Andhrimnir laßt in Eldhrimnir 

Sahrimnir ſieden, 

Das beſte Fleiſch; doch erfahren Wenige, 

Bas die Einherier eßen. 

Mitten in Walhall fieht nach D. 39 der Baum Lärad, den 
wir fon als den Wipfel von Yggdraſil erkannt haben. Aehnlich ift es, 
wenn nad Wölfungafage Cap. 2 König Wald, der für einen Urenfel 
Odins galt, ſich einen ftattlihen Saal bauen ließ, in defien Mitte eine 
Eiche ftand, deren Zweige weit über das Dach des Saales reichten, wäh: 
vend die Wurzeln tief unter den Saal giengen. Diefen Baum nannten 
fie Kinderftamm, was uns ſchon an ben Glauben erinnert hat, daß die 
Kinder aus den Bäumen kämen. Nach Grimnism. 25.26 fteht aber jener 
Baum Lärad vor Heervaterd Saal, und dann verglihe er ſich 
dem unbelannten, immergrünen Baum, ber nad Adam von Bremen IV, 
26. Schol. 134 vor dem Tempel zu Upfala in Schweden unweit der 
Quelle ftand, bei welcher Menfhenopfer zu fallen pflegten. 

Noch ift des Haind Glafir zu gedenken, der aus Klopſtods Oden 
(als Glafor) befannter ift ald aus der Edda. Die Meldung über ihn 
fteht Skaldek. c. 34: „In Asgard vor dem Thor Walhalls ſteht ein 
Hain Glafir genannt, defien Blätter aus rothem Golve beftehen, wie biefe 
Heilen bezeugen: 

Glafir ſteht mit golbnem Laub 
Bor Sigtyrs Saal. 

Es ift das fchönfte Holz unter Menſchen und Göttern.’ 

6. Bon Thrymbeim war ©. 46 jhon die Rede; die bezüglidhe 
Stelle lautet: 

Thrymheim Heißt die fechfte, wo Thiaffi hauſte, 
Jener mächtige Jote. 

Nun bewohnt Skadi, bie ſcheue Götterbraut, 
Des Baters alte Veſte. 

Die ſechs folgenden Götterhallen zählen wir nur auf mit Angabe der 
Gottheit, welcher fie gehören: 

7. Breidablid: Baldur. 8. Himinbiödrg: Heimdall. 9. Folk 
wang: Freyja. 10. Glitnir: Forſeti. 11. Noatun: Niörbr. 12, 
Landwidi: Wider. 





[2-2 thieraten 4 
So heißt es Grimnismal 12—17: 


Die fiebente it Breibablid: da hat Baldur fi 
Die Halle erhöht, 

Im jener Gegend, wo ich der Grenel 

Die wenigften lauſchen weiß. 


Himimbiörg if die achte, wo Heimdall foll 

Der Weiheftatt walten. 

Da trinkt der Wächter der Götter in wonnigem Haufe 
Gelig den füßen Meth. 

Foltwang iſt die neunte: ba hat Freyja Gewalt 
Die Sitze zu ordnen im Saal. 

Der Walſtatt Hälfte Hat fie täglich zu wählen; 

Odin hat die andre Hälfte. 


Glitnir ift bie zehnte: auf goldnen Säulen ruht 
Des Saales Silberdach. 

Da thront Forſeti den langen Tag 

und ſchlichtet allen Streit. 


Roatun if bie eilfte: ba hat Njördr 
Sich den Saal erbaut. ’ 
Ohne Mein und Makel der Männerfürft 
Waltet hohen Haufes. 

Mit Gefträud begrünt fih und hohem Gras 
BWidars Landwibi, 

Da fleigt der Sohn vom Sattel der Mähre 
Den Bater zu rächen bereit. 


Da diefe zwölf Himmelsburgen oder Götterwohnungen weder die 
Stühle der zwölf richtenden und rathenden Götter find, noch überhaupt 
den höchften Gottheiten angehören, indem Tyr fehlt, und wenn die Aufs 
Hblung erſt mit Str. 5 begann, auch Thoͤr fehlen würde, deſſen Saal 
Bilſtirnit erft Str. 24 gelegentli erwähnt, unter jenen zwölfen aber nicht 
mitgegählt wird, wie auch Frigg und ihr Pallaſt Fenſal, ven wir aus D. 
35 fennen, vergeben iſt, fo mörhte Finn Magnufens Anfiht, daß diefe 
eölf Gottheiten Monatögötter feien, und ihre Himmelöburgen, bie er 
Sonnenhaͤuſer nennt, die zwölf Zeichen des Thierkreiſes bedeuten, einer 
wuen Prüfung zu unterwerfen fein. Folgendes könnte zunähft für feine 


Ant zu ſprechen ſcheinen: 


Sumzst, Aykelogie 4 y 


bo Stmmel. 8.8. 


1. Das Jahr beginnt mit dem Winter, wie der Tag mit der Nadıt: 
der erfte der zwölf Monatögötter, in deſſen Sonnenhaus Ydalir die Sonne 
am 22. November tritt, wäre alfo ver mwinterlihe Uller, der zweite aber 
Freyr, der Sonnengott, deſſen Geburt in die Winterfonnenwende fiele, wie 
wirklich Freyrs Feſt zur Julzeit begangen ward und die Norbländer das 
Jahr mit Ullers Monat, wie wir das Kirhenjahr mit dem Aovent, be: 
gannen. Vgl. $. 145. Mit ver obigen Anfiht, wonach Freyr und Alf: 
beim bier ausfallen müften, ift dieß freilich nicht zu vereinigen. 

2. Der fiebente Monatögott wäre hiernach Baldur, deſſen Sonnen: 
haus Breidablid die Sonne am 21. Juni, alfo zur Sommerſonnenwende, 
wieder verließe, was zu dem Mythus von Balbur ftimmen würde, wenn 
wir ihn als Lichtgott auffapen und unter feinem Tode die Neige des 
Lichtes verftehen. 


22. Drei Himmel. 

Die neun Himmel, welche Staloflaparmal Cap. 75 aufzählt, halte 
ich nad) Vergleihung von Cap. 56 nur für dichteriſche Bezeichnungen, 
welchen mythiſcher Gehalt abgeht. Nur zwei derſelben, Andlangr und 
Bidbläin, welche nah D. 17 über Asgard belegen find, dürften im Volle: 
glauben begründet fein, welcher hiernad drei Himmel angenommen hätte. 
Auch der Glasberg ($. 52. 67), melcher in deutſchen Märden vortommt, 
ſcheint als ein Aufenthalt der Seelen zu fapen. Myth. 781. 796. Som: 
mer99,. Mannhardt GM. 330 ff. 


Die goldene Zeit und die Unfchuld der Götter. 


23. Goldalter. 

Bon einer verlorenen golvenen Zeit ift in ber Edda mit nahem 
Bezug auf die Unſchuld der Götter die Rede. Als nämlich die Götter 
Sonne und Mond ihren Sig angewieſen, den Sternen ihren Lauf beftimmt, 
der Naht und dem Neumond Namen gegeben und bie Zeiten geordnet 
batten, Wöl. 6, verfammelten fie fi auf dem Idaſelde 


9. Gelwärfel. 5 


Haus und Heiligthum hoch fich zu mwölben. 
Sie bauten Eſſen und ſchmiedeten Erz, 
Scufen Zangen und ſchön Gezäh. 
8. Sie warfen im Hofe heiter mit Würfeln 
Und darbten goldener Dinge noch nicht. 
Bis drei ber Thurjen- töchter famen, 
Reich an Macht, aus Riefenheim 
Unmittelbar bierauf folgt nun vie ſchon ermähnte Schöpfung der 
Iwerge. Man vergleihe nun den entſprechenden Bericht in D. 14. 
Nachdem auf dem Idafelde Gladsheim und Wingolf erbaut waren, er⸗ 
Rees mit den zwölf Stühlen ber richtenden und rathenden Götter, legten 
die Götter Schmiebeöfen an und machten fih dazu Hammer, Bange und 
Ambop, und hernach damit alles andere Werkgeräthe. Demnaͤchſt ver: 
arbeiteten fie &xz, Geftein und Holz, und eine fo große Menge des Erzes, 
das Geld genannt wird, daß fie alles Gaußgeräthe von Gold hatten. 
Und diefe Zeit heißt das Goldalter: es verſchwand aber bei der Ankunft 
gewifler Frauen, die aus Jötunheim kamen. Darnach jehten fi die 
Götter auf ihre Hochfige und bielten Rath und Gericht — wer ſchaffen 
folte der Zwerge Geſchlecht u. |. w. 

Daß die Götter ald Schmiede, als Goloſchmiede namentlich, aufge 
faßt wurden, davon findet fi aud in Deutfchland eine Spur in dem von 
&ttmäller herauögegebenen St. Oswaldes Leben, mo biefer einen Hirſch 
von zwölf Goldſchmieden mit Gold beveden läßt, mit deſſen Hülfe er au 
die fhöne Pamige (Jungfrau Spange) entführt. Cs fällt aber ſchwer, 
der jüngern Edda zu glauben, daß bie goldene Zeit von dem goldenen 
Hauögeräthe der Götter ven Ramen habe; eher könnte es darnach ger 
nannt fein, daß die Götter im Hofe heiter mit Würfeln fpielten, die Gier 
des Goldes aber noch nicht kannten. Diefe Würfel waren golden, denn 
find wohl diefelben, von welchen es hernach bei der Wiebergeburt ber 
Belt und der Götter Str. 60 heißt: 


Da werden ſich wieder die wunderfamen 
Goldenen Scheiben im Grafe finden, 
Die in Urzeiten die Afen hatten zc. 
Bielleicht waren es biefe goldenen Scheiben oder Würfel, welche D. 
14 unter dem golbenen Saußgeräthe der Götter verfteht; aber nicht von 
ihm, fondern von dem unfchuldigen Spiel der Götter mit denfelben, bei 
dem fie noch von feiner Goldgier waften, mächten wir das Golbalter bes 


52 Gallweig. 6. 24. 


nannt glauben, denn die goldene Zeit verſchwand, wie man treffend geſagt 
hat, als das Gold erfunden ward. Es iſt daher nicht bedeutungslos, 
daß nach beiden Berichten nun die Schöpfung ber Zwerge folgt, denn fie 
find es, welche das Gold aus der Erde fhürfen, und ald die Götter die 
Zwerge ſchuſen, da kannten fie ſchon die Gier des Goldes und bie gols 
dene Zeit war vorüber... Aud das hat guten Grund, daß die goldene 
Zeit mit der Ankunft der drei Thurfentöchter aus Niefenheim zu Ende 
geht, denn ed find die Nornen, die Beitgöttinnen: die Beit kann erft nach 
dem Golvalter beginnen, dieß liegt aller Zeit vorauf: dem Glüdfichen 
ſchlägt keine Stunde. 


24. Gullweig, Heid. 

Daß durch das Gold das Böfe in die Welt gelommen ſei, alſo die 
Unſchuld verloren gieng, ſagt auch eine andere Stelle der Wölufpa, frei⸗ 
lich eine ſehr beftrittene : 

2. Da wurde Mord in ber Welt zuerfl, 
Da fie wit Gabeln die Goldftufe (Gullweig) fließen, 
In des Hohen Halle die helle brannten. 
Dreimal verbrannt ift fie breimal geboren, 
Oft, unfelten, doch lebt fie noch. 
26. Heid hieß man fie wohin fie kam, 
Wohlrebende Wala wandte fie Zauber au. 


Sudkunft Tonnte fie, Sudkunſt übte fie, 
Uebeler Leute Liebling allezeit. 


27. Da giengen die Berather zu ben Richterftühlen, 
Sochheilge Götter hielten Rath, 
Ob die Aſen follten Untreue ſtrafen, 
Oder Sühnopfer all empfahn. 


Als das von den Zwergen aus der Erde geſchurfte Gold gebrannt 
und in der hoben Halle geſchmolzen ward, da kam zuerſt das Boͤſe in 
die Welt. In Gulweig heißt die erfte Sylbe Gold, die zweite bald Stoff, 
bald ein Getränf von berauſchender Kraft: gemeint ſcheint bie Goldſtufe 
ehe fie geſchmolzen, von Schladen gereinigt iſt; fpäterhin führt fie den 
Namen Heid, welches fonft Art und Eigenſchaft beveutet, bier aber in 
dem Sinne von Werth, Vermögen, Geld und Gut genommen ift. Sowohl 
Gullweig als Heid fehen wir aber perfonificiert und es wird fo audger 


NM Urfgrung des Böfen. 58 


drüdt, ald würde der Mord an Gullweig felber veräbt, als man fie mit 
Gabeln ftieß und brannte. Daß dieß aber nur poetiſcher Ausdrud ift, 
und der bier gemeinte Morb die Sünde ift, welche dur das Gold in 
die Welt kommt, geht daraus hervor, daß fie dreimal gebrannt und 
dreimal wiedergeboren wirb, wobei au die Zahl drei feine genaue fein 
fol, da binzugefegt wird: ‚oft, umfelten, doch lebt fie'noch.‘ Durch das 
Schmelzen wird das Gold nur von Schladen gereinigt, nicht aufgezehrt. 
Bern fie darauf unter dem Namen Heid als Zauberin umber zieht, die 
den Sinn der Menſchen bethört, denn das thut dad Gold (auri sacra 
fames), fo legt ihr der Dichter auch die Attribute der Zauberinnen bei, 
die Sudkunſt, d.h. den aus dem Macbeth befannten Hexenleßel. Da jo 
die Heid die Erz: und Urzauberin ift, fo führen ihren Namen in fpätern 
Sagen zauberfunbige Riefentöchter, weiſe Frauen und Wahrfagerinnen. 
Millenhofi Zur Runenlehre 47. Freilich hat man unter Gullweig oder 
Heid, weil fie fih ‚Wala’ nennt, ‚Weißagerin‘, was alle Zauberinnen zu 
fin pflegen, vie Seherin felber verftehen wollen, welder das Lied von 
der Wölufpa in den Mund gelegt ift. Auch Müllenhoff a. a. D. ſtimmt 
diefer Deutung bei, obgleich er die Meinung des Mythus, daß duch das 
Gold das Böfe in die Welt gelommen fei, ausdrüdlich anerkennt. Für 
feine Anſicht beruft er fih auf MWöl. 23: 
Ihr gab Heervater Halsband und Ringe, 
Goldene Sprüde nnd fpähenden Sinn, 

wo ihm aber die Worte fespiöll spaklig og spägands fagen, daß bie 
Seherin von Odin mit Mugem Geldwort (fespiöll) und der Kunft die 
Geftalt zu wechſeln, begabt worben fei. Dieß zugeltanden ſcheint mir doch 
die Seherin in den Strophen von Gullweig und Heid nicht von fi fels 
ber zu ſprechen. Würde fie fi den Liebling übler Leute nennen, und 
das Gold für fo verderblich anfehen, daß fie von ihm den Urfprung bes 
Böfen herleitet, — da Lam zuerft der Mord in die Welt — wenn fie 
felber Gullweig und Heid wäre? 

Unfere im Ganzen mit Müllenhofjs Anfiht ftimmende Deutung 
ſcheint aud die folgende Strophe zu beftätigen; denn da ſehen ſich bie 
Götter auf ihre Richterftühle und berathen, ob die Aſen Berrath be 
Rrafen oder Gühnopfer annehmen follen. Ehe das Böfe in ber Welt 
war, konnte eine folhe Frage keinen Sinn haben; jept da die Unſchuld 
verloren, der Mord in die Welt gelommert iſt, wird gefragt, ob er durch 
Opfer folle gefühnt werden Lönmen. 


54 Erker Aries. 92%. 


Die Worte: ‚da wurde Mord in der Welt zuerſt', Tehren aber in 
der folgenden Str. ver Wöl. zurüd: 
28. Gebroden war der Aſen Burgmall, 
Schlachtlundge Wanen ftampften das Feld. 
Odin fhleuberte über das Volk den Spieß: 
Da wurde Mord in ber Welt znerfl. 


Alfo aud der erfte Krieg kam duch das Gold in bie Welt, und 
zwar muß jener Wanentrieg gemeint fein, welcher nah D. 23. 57 durch 
den Friedensſchluß beendigt wurde, der den Niörbhr mit feinen Kindern 
Freyr und Freyja als Geifel zu den Afen brachte. Daß durch das Golb 
die goldene Zeit verloren gieng, ift in dem Mythus vom Frodisfrieden, 
von welchem $. 100 gehandelt wird, noch einmal ausgebrüdt, und in der 
Helvenfage kehrt derfelbe Grundgedanke bei dem Niflungenhort zurüd, 
welder dem Zwerg Anbivari bis auf den legten Golbring abgenommen wurde, 
der den Schag zu mehren und fo den Berluft zu erfegen die Kraft ge: 
habt hätte. Da legte der Zwerg ven Fluch auf das Gold, der allen 
feinen fpätern Befigern den Untergang brachte. 

In der Reihe der Creigniffe, welche die Geſchide der Welt und der 
Götter betreffen, follte mun jener Wanenkrieg folgen; da wir aber feine 
Veranlaßung nicht genauer Tennen und nichts weiter von ihm wißen, 
als etwa noch die Art und Weife, wie der Frieden geflogen ward und 
die Vebingungen, unter welden er zu Stande fam, mas beßer an einer 
andern Stelle ($. 59) abgehandelt wird, fo mag hier feine Erwähnung 
genügen. Nur mag id die Vermuthung nicht ganz unterbrüden, daß 
vielleicht aud hierin ein Anfang des einreißenden Verderbens angedeutet 
ift, denn diefe Götter des Gemüths und der ſinnlichen Begierden, die in 
der wiebergeborenen, von Flammen gereinigten Welt keine Stelle finden, 
tönnten als der Gemeinſchaſt der Aſen, die der Friedensſchluß ihnen er: 
warb, untürbig gedacht fein. 


25. Mythus von Swadilfari. 

Der Friede zwiſchen Aſen und Wanen ift zwar zu Stande gekommen 
und biefer Gegenfag außgeglichen ; aber ein anderer Gegenſah liegt tiefer, 
der zwiſchen Göttern und Niefen, zwiſchen guten und boͤſen Mächten : 
unter dieſen wird immer Arieg fein, er lann durch feinen Friedensſchluß 
beigelegt werben. Diefer Kampf müfte ſich aber zu Gunften der Götter 


23 ↄvaduſari 55 


entfheiden, wenn dieſe nicht jelber fündig geworben wären, nicht auch fie 
ſchon die Habgier befledt hätte. Doch auch unter ihnen fheint nun das 
Beſe noch weiter um fi zu greifen, va nad den folgenden Strophen 
die Götter felbft ihre Eide und Schmwüre nicht mehr adıten: 
39. Da giengen die Berater zu den Kicterftühfen, 
Hochheilge Götter hielten Rath, 
Wer mit Frevel hätte die Luft erfüllt, 
Der den Riefen Odurs Braut gegeben ? 
20. Bon Zorn bezwungen zögerte Thör nicht, 
Er fäumt felten wo er Solches vernimmt: 
Da ſchwanden die Eide, Wort und Schwure, 
Ale feſten Verträge jungſt trefflich erdacht. 

Das bier mit rathſelhaften Worten berührte Ereignifs wird D. 42 
ausfährlid) erzählt: Als die Götter Midgard erſchaffen und Walhall ges 
baut hatten, kam ein Baumeifter (smidhr) und erbot fih, eine Burg zu 
erbauen in drei Halbjahren, die den Göttern zum Schup und Schirm 
imäre wiber Bergriefen und Hrimthurfen, wenn fie glei über Midgard 
eindrängen. ber er bebingte fi das zum Lohn, daß er Fteyja haben 
ſollte und dazu Some und Mond. Da traten die Afen zufammen und 
giengen den Kauf ein mit dem Baumeifter, daß er haben follte was er 
anfpräde, wenn er in Ginem Winter die Burg fertig brädte; wenn aber 
am erfien Sommertag noch irgend ein Ding an der Burg unvollenbet 
wäre, fo follte er des Lohns entrathen; auch dürfte er don Niemanden bei 
dem Werke Hülfe empfangen. Als fie ihm dieſe Bedingung fagten, ver« 
langte er von ihnen, daß fle ihm erlauben follten, ſich der Hülfe feines 
Blerdes Swadilfati zu bedienen; und Loki rieth dazu, daß ihm dieſes 
iugefagt wurde. Da griff er am erften Wintertag dazu, die Burg 
zu bauen und führte in der Nacht die Steine mit dem Pferde 
berbei. Die Aſen dauchte es groß Wunder, tie gewaltige Felſen das 
Bierd herbeizog, und noch halbmal jo viel Arbeit werrichtete das Pferd 
als der Baumeifter. Der Kauf war aber mit vielen Zeugen und ftarten 
Eiden bekräftigt worden, denn ohne folden Frieden hätten ſich die Jötune 
bei den Aſen nicht fiher geglaubt, merm Thör heimtäme, der damals 
nach Dften gezogen war, Unholde zu ſchlagen. Als der Winter zu Ende 
gieng, ward der Bau der Burg fehr beſchleunigt, und ſchon war fie fo 
hoch und Rark, daß ihr kein Angriff mehr ſchaden mochte. Und ald noch 
drei Tage blieben biß zum Sommer, war e3 ſchon bis zum Burgihor 


56 endrch 3. 


gelommen. Da fepten fih die Götter auf ihre Richterſtühle und hielten 
Rath, und Einer fragte den Andern, wer bazu gerathen hätte, Freyja 
nad Jotunheim zu vergeben und Luft und Himmel fo zu verderben, daß 
Sonne und Mond hinweggenommen und den Sötunen gegeben werten 
follten. Da tamen fie Alle überein, baß der dazu geraihen haben werde, 
der zu allem Böfen rathe: Lofi, Laufeyja Sohn, und fagten, er follte 
eines übeln Todes fein, wenn er nicht Rath fände, den Baumeifter um 
feinen Lohn zu bringen. Und als fie dem Loki zufehten, warb er bange 
vor ihnen und ſchwur Give, er mollte es fo einrichten, daß der Baus 
meifter um feinen Lohn käme, was es ihm auch koſten möchte Und 
denſelben Abend, als der Baumeifter nach Steinen ausfuhr mit feinem 
Roſſe Smwadilfari, da lief eine Etute aus dem Walde dem Roffe entgegen 
und wieherte ihm zu. Und als der Hengſt merkte, was Roſſes dad mar, 
da warb er wild, zerriß die Stride und lief der Mähre nad, und die 
Mäphre voran zum Walde und der Baumeifter dem Hengſte nad, ihn zu 
fangen. Und dieſe Roſſe liefen die ganze Naht umber, und warb biefe 
Nacht das Werk verfäumt und am Tage barauf warb dann nicht gears 
beitet wie fonft gefhehen war. Und als der Meifter fah, daß das Wert 
nicht zu Ende fommen möge, dba gerieth er im Rieſenzorn. Die Afen 
aber, die nun für gemifs erkannten, daß es ein Bergriefe war, ber zu 
ihnen gelommen, achteten ihrer Eide nicht mehr und riefen zu Thor, 
und im Augenblid lam er und bob auch glei feinen Hammer Miölnir 
und bezahlte mit ihm den Baulohn, nit mit Sonne und Mond; vielr 
mehr vermehrte er ihm das Bauen aud in Jötunheim, denn mit dem 
erſten Streich zerſchmetterte er ihm den Hirnſchädel in Meine Stüde und 
fandte ihn hinab gen Nifihel. Loli felbft war ala Stute dem Swabilfari ber 
gegnet und einige Zeit nachher gebar er ein Füllen, das war grau und 
batte acht Füße, und ift dieß Odins Roſs Sleipnir, der Pferde beftes bei 
Menſchen und Göttern. 

Bergleihen wir diefe Stellen, fo genügen fie beide nicht völlig. 
Jene wird durch biefe ergänzt aber nicht ganz befriedigend erläutert. Der 
Ergänzung bedurfte die Darftellung in Wol. 29. 30: daß fie am An 
fang lüdenhaft ift, gewahrt man auf den erften Blid, und bie vorher⸗ 
gehende Str. 28 hilft dem nicht ab, da fie vom Wan en kriege ſpricht, 
durch deſſen Beilegung erft Freyja zu den Aſen am, um beren Befip es 
fich Hier zwiſchen Afen und Riefen handel. Was uns buntel bleibt, 
if, worin die Schuld der Götter beftehen fol, die in beiven Gtellen eid ⸗ 


“26. Zul der Götter. 57 


brüdig heißen. Cine Schuld müßen fie wohl auf fih geladen haben, 
beide Berichte ſtimmen darin überein ; auch wäre fonft ihr Untergang im 
legten Welttampf nicht erforderlich, eine Läuterung und Reinigung durch 
den Weltbrand würden fie nicht zu bedürfen feinen. Worin aber diefe 
Schuld beftehe, erfahren wir nit; wie die jüngere Edda den Hergang 
berichtet, ſcheint die Götter feine Schuld zu treffen, obgleih es aud in 
ihr heißt, fie hätten ihrer Eide nicht mehr geachtet und den Thor herr 
beigerufen, der den Baulohn mit dem Hammer bezahlte. Als fie dieß 
thaten, war es aber ſchon Mar, daß der Baumeifter innerhalb der verab: 
tedeten Friſt den Bau nicht mehr zu Stande bringen Tonnte, mithin waren 
ihm die Götter zu feiner Gegenleiftung verpflihtet. Oper foll fhon in 
der Lift, deren fih Loki bedient, um dem Baumeifter die Vollendung des 
Baus zur verabredeten Zeit unmöglich zu machen, ein Unrecht der Götter 
liegen? Wie es fi damit verhalte, die Abſicht, die Götter als ſchuldig 
darzuftellen, ift in beiden Darftellungen deutlich, am deutlichſten freilich 
in der Wölufpa, die vielleicht eine andere Faßung der Grzählung im 
Sinne hatte, 


26. Nachklänge in den Sagen, 

Betrachten wir den Mythus für fih, von feinem Bufammenhang 
mit dem Ganzen des Götterepos abgejehen, fo bewahren vielfältige Nadı: 
Mänge vesfelben in nordiſchen und deutſchen Sagen noch einzelne Züge, 
die fein Berftänbnifs vorbereiten. Statt des Rieſen erſcheint in ihnen bald 
ein Troll, ein Schrat, ein Zwerg, bald wie in der Kölner Domfage der 
Teufel, wie denn das Bolt auch colofiale Bauten des Altertfums, melde 
die Griehen den Eyclopen, unfere Väter Riefen oder Hünen zufchrieben, 
auf den Teufel zu beziehen pflegt. M. 500. Unfern Baumeifter nennt 
die Edda einen Schmied, weil dieß Wort in der alten Sprache einen 
Künftler überhaupt bedeutet. Das Schmieden felbft, einſt bei dem Aus ⸗ 
bau der Welt das Geichäft der Götter, ift fonft den Zwergen überlaßen; 
Ausnohmen, welhe M. 514 anführt, begegnen in der Helbenfage. Ger 
wohnlich fol mun in den Sagen der Bau in einer Naht, wie in dem 
Rythus in Einem Halbjahr, vollbracht werben, fonft ift bie verpfänbete 
Seele des Bauern frei. Diefe ift alfo an die Stelle von Sonne, Mond 
und Fteyja getreten. Auch bier vereitelt eine Lift bes Baumeifterd Ans 
Khlag, denn da mit dem erften Hahnenſchrei der neue Tag anbrechen fol 
(ogl. ſchon $. 20 Schluß) und der Hahnenkrat im Vertrage ausbrüdlih 


58 Hahnenhrat. %. 26. 


als Biel benannt ift, fo wird diefer am Morgen, da dad Werk faft zu 
Gnde geführt if, von dem Bauern nachgeahmt, worauf fogleih alle Hahnen 
in der Nachbarſchaft erfrähen und die Wette für den Baumeifter verloren 
iſt. Ein andermal foll ver Teufel die Seele deſſen haben, ver zuerft 
über die Brüde geht, welche er zu bauen verfprohen hat: es wird aber 
ein Hahn oder ein Bod zuerft hinüber getrieben; fo auf der Brüde zu 
Frankfurt: a. M., wo noch der Hahn zum Wahrzeichen fteht; in Achen 
aber war es eine Kirche, von deren Bau es ſich handelte, und ver Teufel 
wird mit einem Wolfe abgefunden, veilen Haupt jept gleichfalls zum 
Wahrzeichen dienen muß. Bei Kirchenbauten begegnet der Bug, daß ber 
geprellte böfe Geift, ver erft fpät die Beftimmung des Gebäudes erfennt, 
das er wohl für ein Wirthshaus hielt, den lehten noch fehlenden Stein 
nad dem Bau ſchleudert, um ihn zu zertrümmern; ex erreicht aber fein 
Biel nicht und liegt nun aud wie in Trier zum Wahrzeichen bei der 
Kirche. Nicht felten findet ſich auch die Nebenverabrevung, daß bie dem 
Unhold verpfändete Seele frei fein folle, wen ver Name des Baumeifters 
errathen werde ; diefer pflegt dann fehr feltfam zu lauten, z. B. Rumpel ⸗ 
ſtilzchen KM. 55, Holzrührlein Harris I, 18, Zirtzirk Kuhn W. ©. 299 
uf. w. In der Edda iſt diefer Name vergehen ; wir erfahren ihn aber 
aus ber norwegifhen Sage vom König Olaf, M. 515, in abweichenden 
aber gleichbeveutenden Formen, wie die Sage felbfi verſchieden erzählt 
wird, Auch bier war es eine Kirche, welche ver Rieſe (Troll) dem Könige 
bauen follte, fo groß zwar, daß fieben Priefter auf einmal darin prebigen 
tönnten ohne einander zu ftören; zum Lohn hatte er fih Sonne und 
Mond oder ben heil. Dlaf felbft ausbedungen. As nur Dad und Epige 
noch fehlen, wandelt Dlaf über ven beventlihen Handel befümmert durch 
Berg und Thal; auf einmal hört er in einem Berg ein Kind weinen, 
und eine Riefenfran ftillt es mit den Worten: Ziſs, ziſs! morgen kommt 
vein Bater Wind und Wetter und bringt Sonne und Mond ober 
den heiligen Olaf feloft! Erfteut über dieſe Entdedung kehrt Dlaf heim 
und findet die Spige eben aufgefegt. Da ruft Olaf: Vind och Veder! 
du har satt spiran sneder! Wind und Wetter, du haft die Gpige 
ſchief gefegt, oder nach der abweichenden Grzählung, wo der Niefe 
Bläfter (Bläfer) hieß, foll Dlaf gerufen haben: Bläster, sätt spiran 
väster! Bläfter! fee die Spige nah Weſten u. |. w. Jene ven Ramen 
des Niefen betzefiende Nebenverabredung war hier nicht getroffen, dennoch 
(denn mit des böjen Geiftes Namen, fagt Grimm, vernichtet man feine 


497. Ionue und Mond. 59 


Baht: er ift wie ein Rachtwandler, der herabftürzt, wenn man ihm mit 
feinem Ramen anruft) fiel der Riefe mit erſchredlichem Krach von dem 
Kamm der Kirche herab und zerbrad in viele Stüde. Diefe norwegiſche 
Sage fteht der eddiſchen noch näher, zeigt aber ſchon den Uebergang zw 
den beutfchen. Odins achtfüßiges Roſs kennt noch die Tyroler Sage, 
Alpenburg 54, Vernalelen 83 und die fiebenbürgifche Haltrich. Vollsmar ⸗ 
chen. Berlin 1856. 49.101. Es hat an jeder Seite zwei Paar Beine wie es 
der gotländifche Runenftein abbilvet: Annaler 1853 Taf. VI. Sonſt wird es 
ner als hellglänzender Schimmel beſchrieben. Müllenhoff R.136. 138, 
Kuhn W. ©. Nr. 32. Uebrigens find nicht alle deutſche Baufagen, in 
meiden der Teufel auftritt, auf unſern Mythus zurüd zu führen. Sollte 
ein Bau Feftigteit haben, fo mufte vorher den Göttern geopfert werben ; 
hieraus find gleichfalls Sagen entiprungen mie z. B. jene vom Münfter 
m Straßburg, die man aus A. v. Arnims Gedichte lennt. Rheinſagen 
5. Aufl. S. 348. 


37. Deutung. 

In des Baumeifterd Namen Wind und Wetter, Bläfer, 
die er in ber fpätern Erzählung noch führt, ift uns über fein Weſen 
Aufihlup gegeben. Cr ift der Winter felbft, von dem wir ſchon wißen, ‚ 
daß fein Bater Windſwalr, Windtühl hieß und den Riefen angehörte. 
Sein Pferd Swadilfari (Eisführer) wird den Norbwind beveuten, wie 
fein anderer Rame Bläfter ihn felbjt als den Blaſer bezeichnet. Inſofern 
der Bau ben Reifs oder Winterriefen als ein Bollwerk entgegengethürmt 
werben foll, bedeutet er nicht bie Woltenburg wie Schwarz, Urfprung der 
Motholegie 16 annimmt, fondern die winterliche Schnee: und Eisdedce, 
unter welcher die Erde und die ihr anvertraute Hoffnung des Landımanms 
vor dem Winterfrofte geborgen ift. Wenn aber diefer Bau vollendet und 
durch das Burgthor auf immer abgefhloßen würde, und nun nod Sonne 
und Mond und die fchöne Frepja, die warme Jahreszeit, hinweggegeben 
werben müften, fo wäre, was bier ald Schup und Schirm gedacht war, 
das Verderben der Welt und ber Götter: Nacht und Winter herſchten 
dann ewig auf ber erſtarrten finftern Erbe. Lofi, der auch in andern 
Mythen als Feind der Götter erfheint, hat zu folh einem Vertrage ger 
tathen; aber von den Göttern, die endlich zur Einſicht feiner Verderblich-⸗ 
leit gelommen find, bedroht, muß er felbft dazu helfen, daß er nicht erfüllt 
werde. Er erfinnt num eine neue Lift, und verwandelt fi in eine 


60 Windrofe. 8. 27. 


Stute, jenem Hengſt entſprechend. Da wir den Hengſt ald Rorbieind 
begriffen haben, fo muß die Stute gleichfalls als ein Wind, und zwar 
als ein ſüdlicher, aufgefaht werben. Indem nun bie beiben Pferde fi 
nadlaufend im Walde bin: und berrennen, ftellen fie den Wedhfel und 
Wandel der Winde beim Anbruch des Frühjahr? dar. An dem Niefen- 
zone, der den Baumeifter ergreift, ald er fieht, daß feine Arbeit wergebr 
lich iſt, erfennen num die Götter erft Har, daß der Werkmeifter, der ihnen 
gegen bie Niefen eine Burg erbauen follte, felbft Einer ihrer Feinde, 
der Riefen if. Da rufen fie zu Thor, der bisher abweſend war, denn 
als fommerliher Gott der Gewitter konnte er bei dem Bau, der im 
Winter vorgenommen ward, nicht zugegen fein; jet aber, da nur noch 
wenige Tage bis zum Sommer übrig find, ift Thör in ver Nähe und 
bezahlt mit feinem Hammer, dem Blipftral, den Baulohn: das erite Ger 
toitter fprengt das Wintereis. Vgl. Uhland, Mythus des Thör, ©. 105 fi. 

So weit dürfen wir den Mythus in Gebanten auflöfen; mehr ins 
Einzelne zu gehen, ſcheint mir nicht räthlih. Odins windſchnelles Roſs 
von zwei Winden erzeugen laßen, ift eine anſprechende Dichtung, au 
wenn man bei feinen acht Füßen nicht an die acht Hauptwinde der Wind- 
roſe denkt; die Verdoppelung der Zahl dient wohl nur, die Schnelligkeit 
des Roſſes zu fteigern. Was feine grame farbe betrifft, fo hat man 
auch fie von feiner Abftammung hergeleitet, indem man ben ſüdlichen 
Gluthwind ſchwarz fein ließ wie der Rauch, den Rordwind aber 
weiß wie der Schnee, den er daherjagt. Aber die graue Farbe fteht 
bier vielleicht nur für die weiße, zumal im der beutjchen Weberlieferung 
Dvin als ‚Schimmelreiter‘ zu erſcheinen pflegt. Indem aber der fturms 
ſchnaubende Winterriefe ala Bläfer und zugleih ald Baumeifter 
aufgeführt wird erinnern wir und der Harfe Amphions, deren Klang 
das fiebenthorige Theben erbaute, was nah Schwarz a. a. D. gleicher 
Deutung unterliegt. 





Weitere Einbußen der Götter. 


28. Thrymokwida. Deutung. 


Mu dem Ablauf der goldenen Zeit und bem Verluſt der Unſchuld 
fällt wohl die Beugung jener Ungethüme zufammen, von deren Feßelung 
erſt im naͤchſten Abſchnitt die Rede fein kann; bier foll erſt noch von 
andern Ginbußen der Götter gehandelt werben, von welchen ſich aber er 
geben wirb, daß fie fpäterer Zudichtung angehören, wenigſtens auf die 
Geſchide der Welt und der Götter urfprünglic leinen Bezug hatten, wie 
dad auch ſchon von dem eben betradteten Mythus von Swabilfari gilt, 
welchen wohl erft die Wölufpa auf das große Weltenjahr bezog, da feine 
Erwägung ergeben hat, daß er von dem gewöhnlichen Sonnenjahr handelt. 

Noch ein andermal verfuhten die Riefen fih in den Befig Freyjas 
su fegen. Doch mochte es ihnen auch bier nicht fowohl darum zu thun 
fein, fie für ſich felber zu erwerben, als vielmehr fie den Göttern und 
fomit ver Welt zu entziehen. In ver Thrymskwida freilich, melde 
diefen Verſuch darfiellt, konnte diefe neidiſche Abfiht der Niefen nicht 
hervortreten: in diefem jchönften Gedichte der poetiſchen Edda ift der 
natte Gedanle dichteriſch überkleivet, er hat Hleifh und Blut befommen, 
Riefen und Götter find vermenſchlicht, und fo ſcheint es dem Riefen zu 
feinem vollen Glüd nur an dem Befig der fhönen Göttin zu fehlen: 


24. Anhob da Thrym, ber Thurjenfürft: 

‚Auf ſteht, ihr Riefen, beftreut die Bänke, 
Und bringet Freyja zur Braut mir baber, 
Die Tochter Nidrdhs aus Noatun. 

25. Heimfehren mit gofdnen Hörnern bie Kühe, 
Rabenfhwarze Rinder dem Riefen zur Luſt. 
Biel ſchau ich der Schäße, bes Schmudes viel; 
Fehlte nur Freyja zur Frau mir noch.“ 


Der Donnergott vermiſste naͤmlich einſt beim Erwachen feinen Ham ⸗ 
mer, das Symbol des Bliges, und klagte es dem Loki. Sie bitten bie 
Freyja um ihr Federgewand, mit dem Lofi zur Riefenwelt fliegt. Thrym, 
der Riefenfürft, figt da auf dem Hügel, fhmüdt feine Hunde mit golbnem 


62 Tprymskwide. 8.28. 


Halsband und ftrält den Roffen die Mähnen zurecht. Auf Lokis Frage 
betennt er, Thoͤrs Hammer entwandt und acht Raſten tief unter der Erde 
verborgen zu haben: 


‚Und wieber erwerben fürwahr foll ihn Keiner, 
Er brächte denn Freyia zur Braut mir daher.‘ 


Mit diefem Beſcheid kehrt Loli zu Thör zurüd. Zwar wäre der 
Donnergott nach der Darftellung des Dichters nicht abgeneigt, in Freyjas 
Hingabe zu willigen; aber fhon die Zumuthung erregt den heftigfen 
Untoillen der Göttin: 


15. Wild warb Freyja, fie fauchte vor Wuth, 
Die ganze Halle ber Götter erbebte; 
Der fchimmernde Halsſchmuck ſchoß ihr zur Erde: 
‚Mich mannstoll meinen möchte du wohl, 
Neiften wir beide gen Riejenheim.‘ 

Da halten die Götter Rath, und Heimdall, ‚ver weife war den 
Banen gleich‘, erfinnt dießmal die Lift, welche Loki nur ausführen hilft. 
Wor fol als Freyja verkleidet dem Niefen zugeführt werden und Lofi 
als feine Magd ihn begleiten. Thör fürdtet zwar von den Afen weibiſch 
geſcholten zu werben, wenn er fi dad bräutlihe Sinnen anlegte; als 
aber Loli erinnert, die Niefen würden bald Asgard bewohnen, wenn er 
feinen Hammer nicht heimbolte, willigt er in ben Anfchlag. 

21. Das bräutlihe Linnen legten dem Thor fie an, 
Ihn ſchmuckte das ſchöne, ſchimmernde Halsband. 
Auch fieß er erflingen Gellirr der Schlüßel 
Unb weiblid; Gewand umwallte fein Knie. , 
Es blinfte die Bruf ihm von bligenden Steinen 
Und hoc umhüllte der Schleier fein Haupt. 

22. Da ſprach Loki, Laufehjas Sohn: 

‚Run muß id mit bir als deine Magd; 
Wir beide wir reifen gen Rieſenheim. 

Es folgen die zuerft außgehobenen Zeilen, mo der Niefe ſich feines 
Neihthums freut und fein Glüd preift, das der Befig Freyjas nun voll- 
enden fol. Darauf wird dad Hochzeitsmal aufgetragen und dad Ael 
gereicht; die Braut ißt einen Ochſen und acht Lachſe, dazu alles fühe 
Geſchleck, das ven Frauen beftimmt war, und trinkt dazu drei Rufen 
Meth. Der Bräutigam verwundert fi; aber ber ald Magd verkleidele 


28. thryn. 63 


Lati fteht ihm Rebe: die Braut habe aus Sehnſucht nad) Riefenhelm acht 
Nächte lang nichts genoßen. Grfreut lüftet der Rieſe der Braut, fie zu 
tüflen, das Linnen ; aber erjchredt fährt er zurüd, denn furchtbar flammen 
ihr die Augen, ihr Blid brennt wie Gluth. Loli weiß ihm aud das 
günftig auszulegen: vor Sehnſucht nad Rieſenheim hat die Braut acht 
Nähte lang des Schlafs entbehrt, darum glühen ihr fo die Augen. Bes 
ruhigt befiehlt Thrym den Miölniv herbeizubolen, die Braut nach norbis 
ſcher Sitte mit dem Kammer zu weihen. Da ergreift dieſen Thör, ers 
ſchlagt den Riefen und zerſchmettert fein ganzes Geſchlecht: 
34. Er flug auch die alte Schweſter des Joten, 

Die fi) das Brautgeſchenk zu erbitten gewagt: 

Ihr ſchollen Schlage an der Schillinge Statt, 

Und Hammerhiebe erhielt fie für Ringe. 

So zu feinem Hammer kam Odins Sohn. 

Der myihiſche Gehalt dieſer Erzählung ift kaum ein anderer, als 
den ſchon die vorige hatte: Thrym, deſſen Name von thruma (tonitru) 
abgeleitet wird, ift urſprunglich mit Thör identiſch und ein ältrer Natur: 
gott, in deſſen Händen vor den Ajen der Donner geweſen war. M. 165. 
Jeht ala Winterrieje tobt er in Sturm und Unmetter, ja er hat Thörs 
Sammer, auf welden er ein altes Recht anfprehen mochte, in feinen Befig 
gebracht. Auch die Winterftürme führen zuweilen Gewitter herbei; doch 
ſcheint darauf nicht angejpielt, da der Rieſe den Hammer nicht benugt, 
fondern acht Raften tief unter der Erbe, d. h. während der acht Winter: 
monate, in welden die Gewitter zu ſchweigen pflegen, verborgen hält. 
Diefe act Wintermonate, die au in den acht Nähten nachklingen, in 
welchen Freyja fi vorgeblih des Tranks und der Speiſe fowie bei 
Schlafes enthielt, find enblic worüber, der erwachte Thör forbert feinen 
Hammer zurüd und obgleich der Wintergott noch einen legten Verſuch 
macht, die Sonne in feine Gewalt zu bekommen, und ver Welt die [höne 
Witterung vorzuenthalten, naht ihm dod, vom warmen Winde (Lofi) 
begleitet, weiß verhüllt, die Gewitterwolle und macht den rafenden Win: 
terftürmen ein Ende. Del. Upland, Mythus des Xhör 95 fi. Das 
Uebrige ift Einkleivung, eine dießmal um fo fchönere, je freier fi der 
Dieter beivegen konnte. Noch heute klingt dieß Lied in drei norbifchen 
Rundarten nad und aud in Deutſchland hat neuerdings lein anderes fo 
allgemeine Anertennung gefunden. Es ganz mitzutheilen haben wir Bes 
denlen geltagen, weil fein mythiſcher Gehalt ungewöhnlich gering ift, wie 


64 Shiraisfir. m. 


ſelbſt Uhland ©. 104. eingefteht, daß es hier nicht nöthig fei, die Allegorie 
bis ind Ginzelne nachzuweiſen und zu unterſcheiden, was der Idee, was 
der Einkleidung und der unabhängigen Darftelung der menfhlihen Ber: 
haͤltniſſe, 3. B. der Hochzeitsgebraͤuche, angehörte. Gleichwohl veutet er 
die Schweſter des Rieſen, welche das Brautgeſchenk erbittet, auf die Ar⸗ 
mut, die Nothourft des Winters, welder Thör ein Ende macht. Ueber den 
Gebrauh der Hoczeitögefchenke vgl. M. Edda ©. 432. Für Thörs 
Weſen mag noh Manches aus dem Liede zu gewinnen fein; bier haben 
wir es nur iegen des zweiten Verſuchs der Riefen, ſich der Freyja zu 
bemädhtigen, zur Sprache gebradt. 


29. Freyr und Gerda. 

Hatte bisher die Götter im Kampf mit den Niefen, melde den 
Untergang der Welt herbeizuführen trachteten, fein Verluft betroffen, fo er= 
leiden fie in dem jegt zu betrachtenden Mythus eine Cinbuße, welde fie 
bei dem legten Welttampfe ſchwer empfinden ſollen. Rah D. 37 fehte 
ſich Freyr auf Hlidſtialf, den Hohfig Odins und ſah von ihm hinab auf 
alle Welten. Da fah er nah Norden blidend in einem Gehege ein 
großed und fchönes Haus; zu diefem Haufe gieng ein Mädchen, und als 
fie die Hände erhob, um die Thür zu öffnen, da Teuchteten von ihren 
Armen Luft und Waßer und alle Welten ftralten von ihr wieder. Und 
fo rädıte fi) feine Vermeßenheit an ihm, fi an diefe heilige Stätte zu 
fegen, daß er harmvoll hinweggieng. Und als er heimkam, fprad er nicht 
und Niemand wagte, dad Wort an ihm zu richten. Da ließ Niörbhr 
den Skimir, Freyts Diener, zu fih rufen und bat ihn, zu Freyt zu 
gehen und zu fragen, warum er fo zornig fei, daß er mit Niemand 
eben wolle. Slirnit fagte, er wolle gehen, aber ungern, denn er ver 
fehe fi übler Antwort von ihm. Und als er zu Freyr kam, fragte er, 
warum er fo finfter fei und mit Niemand rede. Da antwortete Freyr 
und fagte, er habe ein jchönes Weib gejehen, und um ihretwegen fei er 
fo harmvoll, daß er nicht länger leben möge, wenn er fie nicht haben 
follte: ‚Und nun ſollſt du fahren und für mid um fie bitten, und fie mit 
dir heimführen, ob ihr Vater wolle oder nicht, und will id dir bad wohl 
Ionen.‘ Da antwortete Sfimir und fagte, er wolle die Botichaft werben, 
wenn ihm Freyr fein Schwert gebe. Das war ein jo gutes Schwert, 
daß es von felbft focht. Und Freyr ließ es ihm daran nicht mangeln 
und gab ihm das Schwert. Da fuhr Skirnir und warb um das Mäd- 


% 30. Sawert und Bofs. 66 


hen für ihn und erhielt die Verheißung, nach neun Nächten wolle fie an 
den Ort fommen, der Barri heiße und mit Freyr Hochzeit halten. Und 
als Slirnir dem Freyr ſagte, was er ausgerichtet habe, ba fang er fo: 

Lang iſt eine Nacht, Tänger find zweie, 

Wie mag ich dreie danern? 

Oft daucht ein Monat mid) minder fang 

As eine halbe Nacht des Harrens. 


Diefe Erzählung ift ein dürftiger Auszug von Skirnisför, einem der 
Ihönften Eddalieder; mir müßen bie übergangenen Züge nachholen, um 
und zu überzeugen, ob fie mpthifhen Gehalt haben oder bloß dichteriſche 
Ausfhmüdung find, Nicht nur fein Schwert ‚da von felbft fih ſchwingt 
gegen der Reifriefen Brut’ leiht Freyt dem Skirnir, aud fein Roſs, das 
ihn duch Wafurlogi führen fol, vie fladernde Flamme, die Gerdas 
Saal umſchließt, wie er auch von einem Zaun umgeben ift, den mwüthende 
Hunde bewachen. Eilf golvene Aepfel, dazu den Ring Draupnir, von 
dem jede neunte Nacht acht eben ſchwere träufeln, bietet Stirmir ber 
Gerda, wenn fie Freyrs Liebe erwiedere. Als dieß nicht fruchtet, droht 
er ihr mit dem Schwerte, und als auch das nicht verfängt, mit ber 
Zauberrutbe, ja er greift wirklich zu Flüchen und Beſchwoͤrungen, die 
auch den erwarteten Erfolg haben. In dieſen Beſchwoͤrungen liegt große 
poetiſche Kraft; wir lernen auch Manches daraus für die Runenkunde 
(ogl. v. Lilienkron und Müllenhoff Zur Runenlehre ©. 22. 56.) und 
die Mythologie überhaupt, weniger für unſern Mythus. Mannes Ge: 
meinſchaft, Mannes Geſellſchaft wird ihr gebannt und verboten, die Folgen 
der Ehelofigfeit, der Fluch des unvermäplten Alters, alle Qualen und 
MRartern, die als geiftige ober leibliche Strafen unnatürliher Abſonde- 
rung zu erdenken find, Ohnmacht, Unmuth und Ungebuld, werden der 
Ipröden Maid vorgehalten, bis fie endlich in Stirnirs Antrag willigt 
und verfpricht, nach neun Nächten mit dem mannlihen Sohn bes Niörbhr 
in dem Haine Barri, dem Wald ftiller Wege, zufammen zu treffen. 


30, Dentung, BVerhältnifs zu Nagnarök. 
Die bisherigen Deutungen dieſes Mythus faßen die Erzählung ent: 
weder nur im Großen und Ganzen auf, ohne ſich an ihre eigenthümliche 
Sefaltung zu lehren oder halten ſich an einen einzelnen Zug, der, aller 


dings zu bezeihnend um für bloßen dichteriſchen Schmud u gelten, doch 
Vnret, Mychelogie. 


66 Gerda HI. Gert. %. 80. 


ver Shlüßel des Raͤthſels nicht fein kann. Jenes if ber Fall, wenn 
Freyr nur als der Liebesgott gefaßt wird und das Gedicht nur als ein 
Liebeslied, was fie beide freilich auch find, obgleich daraus für die Deutung 
des Mythus wenig oder nicht zu gewinnen ift. Zu fehr im Allgemeinen 
bleibt aud die Deutung befangen, wenn nad) Peterſen Nordiſt Mythologie 
344 Gerda wie Thörd Tochter Thrubr das Saatkorn fein foll, denn ba: 
mit erklärt fi der Schein nicht, der von ihren meißen Händen in Luft 
und Waßer und in allen Welten wiederſtralt. Freyr erblidte fie, als 
er nad Norden fah, und dieß veranlaßte Finn Magnufen, der auf diefen 
Nebenzug allein Gewicht legte, an den Nordſchein zu denken. Allerdings 
würde Freyr bei feinen Bezügen auf die Sonne mit Gerda, wenn fie 
das Nordlicht bedeutete, pafjend vermählt feinen, indem beide an dem 
Lichte ein Gemeinfhaftlihes hätten. Aber einer folhen Verbindung 
wiberftreitet die Orbnung der Natur, da Sonne und Nordſchein nicht zu: 
gleih am Himmel fihtbar werben. Hinderniſſe müßen der Verbindung 
Freyrs und Gerdas allerdings entgegen ftehen, da Str. 7 fagt: 


Bon Afen und Alfen till es micht Ciner, 
Daß wir beifammen feien. 

aber bei einer folhen Deutung würden fie unüberfteiglih fein. Ich 
bleibe daher bei meiner fon in M. Edda S. 407 gegebenen Crlärung, 
welche ich hier näher außführe. Für Freyrs Beziehung auf die Sonne 
giebt es in unfern Quellen fein ausbrüdlihes Zeugnif® und wenn er 
Regen und Sonnenfein verleiht, fo ift er damit noch nicht ala Sonnen: 
gott bezeichnet. Indes läßt fein Sinnbild, der golbborftige Eber, kaum 
eine andere Deutung zu, und fein Verhältnis zu den Lichtalfen, welches 
ſich daraus ergiebt, daß er Aliheim befigt ($. 20), ſcheint fie zu be: 
fätigen. Wir faßen ihm aber, ohne fein Verhältnis zur Sonne aus den 
Augen zu verlieren, zunächft nur als Gott der Fruchtbarkeit, ald melden 
er ſich bier auch durch die eilf Aepfel Str. 19 und den Ring Draupnir, 
von dem jede neunte Nacht acht eben fo ſchwere träufeln, Str. 21 vgl. 
D. 49. 61, zu ertennen giebt. Dal. $. 34. 

Bas Gerda anlangt, fo erfheint Me zuerft nur als Rieſentochter. 
Ihe Vater iſt Gymir (vgl. Str. 22. 24. D. 37), ein Name, den nach Degid- 
dreda and der Meergott Degir führt. Ihr Bruder Beli (dev Wrüllende) 
tann auf den Sturmwind gedeutet werben. Wenn ihm Freyr erlegt, wie 
das D. 87 weiterhin erzählt wird (vgl. Stirn. 16, Wölnfp. 54), fo pafst 


8. Waberiehe. 67 


Dieb auf den milden Gott der Fruchtbarkeit und Wärme, bei befien 
Rahen die Winterftürme ſich legen. Er erfhlug ihn aber mit einem 
ditſchhorn, denn als Gonnengott hat er den Sonnenhirſch zum Symbol, 
und das zadige Geweih des Hirſches bedeutet den Blit, woraus wir 
ſehen, daß ſelbſt Freyr als Gewittergott aufgefaßt werden Tann. 

In der Verwandtſchaft Gerbas, durch melde fie den ungebändigten 
Raturkräften angehört, die zu bekämpfen die Götter, und ihr fpäterer 
Kiederfhlag die Helden, berufen find, liegt das Hindernis ihrer Ber: 
bindung mit Freyt. Solcher Abkunft widerſpricht ihre Schönheit nicht; 
dech wird fie nur gezwungen im Kreiße ihrer Verwandten zurüdgehalten. 
Diefer Zwang ift Str. 9. 18 in der fladernden Flamme ausgedrüdt, 
der ihren Saal umſchließt, fo wie weiterhin in dem Zaun, der von 
wüthenden Hunden bewacht wird. Jene Waberlohe begegnet au ſonſt; 
in der Sigurdsſage fommt fie zweimal vor, und bier entſpricht ihr In 
dem deutſchen Märchen von Dornröschen (RM. 50) die Dornbede; auch 
Nengladas Burg in Fiolſwinnsmal 2. 5 iſt von ihr umſchloßen und in 
Hmdlulioop 45 droht Freyja die Hyndla mit Flammen zu umweben. 
Yard Grimms Abhandlung über das Verbrennen der Leihen ift uns 
jept ihre Bedeutung erſchloßen: es ift die Gluth des Scheiterhaufens, 
und da biefer mit Dornen unterflodhten ward, wozu es gewifle heilige Staus 
den gab, fo begreift fih zugleih, warum die Waberlohe dur eine uns 
durchdringliche Dornhede vertreten werden kann. Reiten durch Wafurlogi 
bedeutet im Mythus nichts anders als die Schreden des Todes beſiegen 
and in die Unterwelt: hinabſteigen. Das iſt die hödhfte Aufgabe, welche 
Göttern und Helden geftellt zu werden pflegt. Dieb und bie Str. 12 
md 27 laben keinen Zweifel, dab es bie Unterwelt ift, in bie Gerda 
gebannt ward, wodurch ihr Mythus mit dem von Idun, wie er in 
Hrofnagalor ausgeführt ift, in Beziehung tritt, zumal an biefe fhon bie 
goldenen Aepfel erinnern. Gerda erjheint hiernach als die im Winter 
ter Schnee und Eis befangene Erbe, die wir aus D. 10 als eine 
Riefentechter kennen, obgleich fie nad D. 9 Ddins Tochter wäre. Im 
Binter in der Gewalt dämonifher Aräfte zurüdgehalten, wird fie von 
der rüdtehrenden Sonnengluth befreit. Freyrs Diener Skirnir (von at 
ıkire elarescere), der Heiterer, erhält ven Auftrag, fie auß jenem 
Bann zu erlöfen und dem belebenden Einfluß des Licht? und ber Sonnen 
wirme zurüdzugeben. Ihre Berbinbung mit Freyr geſchieht dann in dem 
Saine Bari, d.i. dem grünenden (Lex Myth. s. h. v.), aljo im Srübjaht, 


68 Gymit und Hymir. 6. 30. 


wenn Freyt längft die brüllenden Sturmwinde bezwungen hat, die vor: 
her aud als mwüthende Hunde dargeftellt waren. Es kommt unferer Gr: 
Härung zu Statten, daß Gerda nad Skaldſtap. 19 Friggs Nebenbuhlerin 
fein fol. Als Erbgöttin mag fie in einem verlorenen Mythus wie Jörd 
und Rinde dem Odin vermählt geweſen fein, an deſſen Stelle bier 
Freyr trat, ‚der in demſelben Mythus aud Hlidſtialf, Odins himmliſchen 
Sig, einnimmt. 

Was bedeutet es aber, wenn Freyt, um in Gerdas Beſitz zu ge: 
langen, fein Schwert hingiebt, das er beim legten Kampfe vermiffen wird ? 
Hier werben wir doch genöthigt, Fteyr als den Sonnengott zu fahen, 
und fein Schwert ald den Sonnenftral: er giebt es her, um in Gerbad 
Befip zu gelangen, d.h. die Sonnengluth fenkt fi in die Erde, um Ger- 
das Erlöfung aus der Haft der Froftriefen zu bewirken, die fie unter 
Eis und Schnee zurüdhalten, und von mwüthenden Hunden, ſchnaubeuden 
Nordftürmen, bewachen lapen. Gymir, ihr Vater, ift alfo wohl wie 
dem Namen fo auch dem Weſen nah mit dem froftigen Hymir ver: 
wandt, den wir aus Hymislwida als das winterlihe Meer kennen 
lernen. Unfere Quellen nennen aber (Degisbr. Einl.) den Gymir mit 
Degir iventifh, was auch infofern richtig iſt, ald Degir mit Niörbhr ver- 
glihen noch als der ſchrecliche Meergott gedacht ift, während ihn Degis: 
vreda im Gegenfag gegen Hymir wenigſtens für bie Zeit ber Leinernte, 
wo das Meer beruhigt ift, ſchon als den freundlichen, gaftlihen auffaßt. 

Aus diefer Deutung des Schwerted auf den Sonnenftral geht zu: | 
gleich hervor, daß unfer Mythus mit dem von dem legten Kampfe ur | 
fprüngli in feiner Verbindung ſtand. Freyr giebt fein Schwert alljähr- 
lich her, er erſchlägt alljährlich den Beli, ven Rieſen ver Frühlingsſtürme, 
alljährlich feiert er feine Vermählung mit Gerda im grünenben Haine. 
Der Mythus bezieht ſich alfo auf unfer gewöhnliche Jahr, nit auf das 
geoße Weltenjahr, auf das auch Skirmisför nod nicht hindeutete, das erft 
die jüngere Edda D.37 in Bezug bringt, wie denn der Mythus von ber | 
Götterdämmerung nur allmählih und ziemlich fpät die Oberherſchaft über | 
alle andern erlangt zu haben ſcheint; felbft den Mythus von Balbur, der 
ihm jegt fo innig verbunden iſt, mufte er fi erſt unterwerfen. Der 
Dichter von Skirnisför dachte noch nicht daran, daß Freyr fih durch bie 
Hingabe des Schwerts für den Iepten Welttampf untüdtig made. Nicht 
an die Niefen wird das Schwert hingegeben, fondern an Skirnir, ber 
reprö Diener ift und bleibt (D. 34) und es feinem Herrn zurüdhringen 





9. Freundſcaſuſage. so 


mochte, da er ed ja nicht etwa, um ben Beſih Gerdas zu erlangen, an 
die Riefen hinzugeben hatte. Der Verluſt des Schwertes ift demnach 
wohl aus Degisdr. 42 in die Sage gelommen, mo Lofi mit Bezug auf 
Stimisför eine Hohnrede gegen Freyr ſchleudert, die nicht tiefer begründet 
if, ald andere, die ihm hier in den Mund gelegt werben: 


Mit Gold erfanfteft dn Gymirs Tochter 

Und gabf dem Stirnir dein Schwert. 

Wenn aber Muspels Söhne durch Myrkwidr reiten, 
Womit willſt du ftreiten, Unfelger ? 


In Stirnisför finden ſich fogar Spuren, daß erft eine Ueberarbeitung 
dieſes Liedes den Skimir als Freyts Diener auftreten ließ, In feiner 
urfpränglihen Geftalt war es wohl Freyr felbft, der unter dem Namen 
ẽtimit, der ihn felber bezeichnet (Lex Myth. 706 b), die Fahrt unter 
nahm. Nach Str. 16 ahnt Gerda, daß ihres Bruders Mörder gelommen 
ſei: dieß war aber nach dem Obigen Freyr ſelbſt. Daß Skirnir gefendet 
wird, weil Freyt zur Strafe des übertretenen Verbot von Liebe erkrankt 
it und bie Fahrt nicht felber vollbringen kann, ift nicht mehr der reine 
(ia Fidlſwinnsmal hierin beßer erhaltene) Mythus, fondern ſchon der 
Anfang einer märchenhaften Geftaltung, der wir in deutſchen Märden oft 
genug wiederbegegnen. Am nächflen fteht das von dem getreuen Jo— 
hannes (KM. 6), wo dem Königefohn von dem Bater verftattet war, 
in alle Gemächer und Säle des Schloßes zu treten; aber Eine Rammer 
follte er vermeiden. Gr übertritt das Verbot, öffnet die Thüre und er 
bidt ein Bild, das fo fhön war, daß er fogleih ohnmächtig zu Boden 
fit. Sein getreuer Diener muß ihm nun bie Konigstochter vom gol⸗ 
denen Dache, welche jenes Bild vorftellte, verjhaffen. Zugleich fehen wir 
bier aus unferm Mythus die ‚Freundfhaftsjage‘ entipringen, welcher 
jenes Märchen wefentlih angehört, denn auch die Dienftmannstreue wird 
unter den Begriff der Freundſchaft gefaßt. Cine große Rolle fpielt das 
Schwert in der Freundſchaftsſage. Der Freund legt es entblößt zwiſchen 
fi und die Gemahlin des Freundes, der er beiliegen muß, und bewährt 
ihm fo die Treue; ich erinnere nur an Gigurd und Gunnar. Es gab 
wohl eine andere märchenhafte Faßung unferes Mythus, in welcher noch 
Shirmir dad Schwert Freyrs, feines Herrn, in gleicher Weife benugte, 
indem er für ihm das Hocheitbette beftieg, nachdem er durch Wafurlogi 
geritten war. Sie findet ſich eben in unferer Heldenſage wieder, die 


0 Slegfriedelage. %. 30 


demnach gleihfalls bier ihren Urfprung nahm, denn Eigurd ift zwar, als 
ex das erftemal durch Wafurlogi reitet, dem Freyr zu vergleichen, wie er 
in der von uns vermutheten urfprünglicen Geftalt des Mythus erfchien, 
denn bier will er die Geliebte für ſich felber ermeden; das zweitemal 
aber, da er für Gunnar dur die Waberlohe reitet und dann · das Schwert 
zwiſchen fi und die Braut des Freundes legt, gleicht er dem 
Skimir. Aus der Verbindung beider Geftalten des Mythus, jener ur: 
ſprunglichen, wo Freyr felber dur Wafurlogi ritt, und der, welche wir 
in Skirnisför und der jüngern Edda finden, ift demnach unfere Helven- 
fage von Siegfried und den Nibelungen erwachſen, nah deren Schlüßel 
fo Lange gefucht ward. Die Anfiht, daß es in den nordiſchen Liedern 
Verwirrung ei, wenn fie das euer nad; dem erften Ritt nicht erlöſchen 
laßen (M. Edda 405. 408), nehme ich alfo jet bei beferer Einſicht zurüd. 
Daß nod ein anderes Eddalied, Fiöljwinnsmal, den gleichen mythiſchen 
Inhalt bat, ift bei diefem (IM. Edda ©. 438 ff.) näher ausgeführt. Beide haben 
noch fpät fortgelebt in dem dänifchen Swendalliede, daß Lüning 23 mit- 
theilt. Da es nod über ein drittes Eddalied (Grögaldr) Aufichluß giebt, 
fo gebe ich feinen Inhalt an. Yung Swendal wollte Ball fpielen: da 
flog ihm der Ball in den Jungfrauenfaal. Um ihn wieder zu holen, 
gieng er binein, lam aber nicht wieder heraus ohne große Sorge im 
Herzen. ‚Höre, Jung Swendal,“ wird ihm zugerufen, ‚wirf deinen Ball 
nicht auf mich: wirf ihn auf die ftolge Jungfrau, die bu lieber haft. 
Du follft nicht mehr ſchlaſen noch Ruhe finden bis du die jhöne Jungfrau 
exlöft haft, die fo lange Trübfal erduldete.“ Da hüllte fih Jung Swendal 
in den Belz und gieng in die Stube vor die rafchen Hofmannen, melden 
er feinen Borfag fund that, zum Berge zu gehen und feine Mutter zu er 
weden. Al er nun in den Berg hinein ſah, fpaltete fih Mauer und 
Marmorftein, und die bunfele Erbe fiel nieder. Gine Stimme fragt, wer 
es fei, der die Mübe wede? ‚Kann id nit mit Frieden unter ber 
bunten Erde liegen?’ Da nennt Jung Swendal feinen Nanıen und fagt, 
ex fei gefommen, feine Mutter um Rath zu fragen. Seine Schweiter und 
feine Stiefmutter hätten ihn in Sehnſucht gebraht: ‚Sie fagten, ich folle 
nicht ſchlafen noch Ruhe finden bis ich die ſtolze Jungfrau erlöft hätte, 
die fo lange Zwang erbuldet habe.‘ Da giebt ihm die Mutter den guten 
Hengft, der niemals müde wird, und dad gute Schwert, das ftätß den 
Sieg gewinnen fol. Da band Jung Swendal das Schwert zur Seite, 
gab dem Hengft die Sporen und ritt über das breite Meer und durch 








%81. Swendeilied. 71 


die grünen Wälder bis er zu dem Schloß fam, in dem feine Braut 
ſchlummern follte. Da fragt er ben!'Hfter, ob eine Jungfrau auf dem 
Schloße fei; er wolle ihn zu einem Herrn machen, wenn er König werde. 
Da erhält er die Antwort: die Planlen feien von hartem Stein und bie 
Pforte von Stahl; inwendig aber häte ein Lowe und ein wilder Bär vie 
achtzehnjahrige Jungfrau, zu der Niemand hinein bürfe als ber junge 
Swendal. Da gab Jung Swendal feinem Roſs bie Sporen und ſehte 
mitten binein in ben Burghof. Der Löwe und der wilde Bär fielen dem 
Herm zu Füßen und die Linde mit ihren vergolveten Blättern neigte fih 
vor ihm zur Erde. Die ftolge Jungfrau, die feine Sporen Tlingen ger 
hört hat, ſchoͤpft ſchon Hoffnung auf Erlöfung; Jung Swendal tritt zw 
ige hinein und wird als ihr erwarteter Bräutigam empfangen 1. |. iv. 
Gntfernter ift die Bermwandtfchaft mit Held Vonved (Grimm, altpän. 
Heldenl. 57), der fi aber näher an Fiöljwingmal ſchließt. Der Ritt 
durch die Flammen ift im Märchen vom Dornröschen ein Ritt durch 
Dornen; in der Sage vom Fräulein Kunigunde von Künaft, die man 
aus Rüdert kennt, ein Ritt über ben ſchmalen Rand der Burgmaner. 
Der Abgrund unter der Burg Künaft heißt die Hölle, womit wieder auf 
die Unterwelt geveutet if. Diefelbe Sage haftet auch am Schloß Cold: 
bruun im Altmühlthal (Panzer 174). Nur einem Ritter auf einem Schim⸗ 
mel gelang es, ven ſchmalen Rand der Felſenmauer zu umteiten. Der 
Schimmel iR Odins Rofs Sleipnir, oder Freyrs Somnenrojs, Siegfriebs 
Reſs Grani. Rah Panzer 178 ſcheinen aud die Sagen hieher zu ge 
bören, wo nicht eine ſchmale Mauer umritten werben fol, die Braut zu 
gewinnen, fonbern eine fteile Höhe auf einem Schimmel erritten wird. 
So in ber Gage von Wolfftein im baieriiden Walde (Panzer a. a. D.), 
wo aber der Braut nicht gedacht wird, während fie bei dem Ritt auf 
den Kedrich bei Lord im Rheingau nicht fehlt. Bielleiht galt vom Hof: 
thurm zu Zauingen in Schwaben dieſelbe Gage, denn hier ift ein großes 
galoppierendes Roſs angemalt von 15 Schuh Länge; man müfte eine Leiter 
anlegen, es zu beſteigen; aud foll es zwei Herzen gehabt haben, wie 
Opins Roſs die boppelte Zahl der Füpe hatte, 


3. Idun mund Thiaſſi. Deutung 
Bir haben zwei fo verſchiedene Darftellungen von Iduns Schid- 
jalen, daß fie für abweichende Mythen gelten können: die jüngere ift 
diegmal in einem CEddalied enthalten, dem von Odins Rabenzauber (Hraf- 


72 Dom. % 81. 


uagaldr Odhins), während die ältere ſich in D. 56 finde. Nach biejer 
waren drei Aſen außgezogen: Dbin, Loli und Hönir. Gie fuhren über 
Berge und öde Marten, wo es um ihre Koft übel beftellt war. Als fie 
aber in ein Thal hinab kamen, fahen fie eine Heerde Ochſen: fie nahmen 
der Ochſen einen und wollten ihn fieven. Und als fie glaubten, er wäre 
gefotten und den Sub aufbedten, war er noch ungefotten. Und als fie 
ihn nad einiger Zeit zum andernmal aufbedten und ihn noch ungefotten 
fanden, fpraden fie unter fi, woher das lommen möge. Da- hörten fie 
oben in der Eiche über ſich ſprechen, daß der, welcher dort fige, es ver: 
urſache, daß ber. Sub nicht zum Sieden fomme. Und als fie hinſchauten, 
ſaß da ein Adler, der war nicht Hein. Da fprad der Adler: Bolt ihr 
mir meine Sättigung geben von dem Ochfen, fo fol der Sub fieben. 
Das bemwilligten fie: da ließ er fih vom Baume nieber, fegte fih zum 
Sude und nahm fogleih die zwei Lenden des Ochſen vorweg nebft beiden 
Bugen. Da warb Loki zornig, ergriff eine große Stange und ftieß fie 
mit aller Macht dem Adler in ven Leib. Der Aoler warb ſcheu von 
dem Stoße und flog empor: da haftete die Stange in des Adler: Rumpf; 
aber Lokis Hände an dem andern Ende. Vgl. AM. 64: Golbgans 
(Kleban). Der Apler flog fo nah am Boden, daß Lofi mit den Füßen 
Geftein, Wurzeln und Bäume ftreifte; die Arme aber, meinte er, würden 
ihm aus ven Achfeln reißen. Cr ſchrie und bat den Adler flehentlich 
um Frieden; ber aber fagte, Loki folle nimmer Ioslommen, er ſchwoͤre 
ihm denn, Joun mit ihren Aepfeln aus Asgard zu bringen. Loli ver 
ſprach das: da ward er los und kam zurüd zu feinen Gefährten. Bur 
verabrebeten Zeit aber lodte Loli Idun aus Asgard in einen Wald, 
indem er vorgab, er habe da Aepfel gefunden, vie fie Kleinode dunken 
würden ; au rieth er ihr, ihre eigenen Aepfel mitzunehmen, um fie mit 
jenen vergleichen zu können. Da kam der Riefe Thiaſſi in Aolershaut 
dahin und nahm Idun und flog mit ihr gen Thrymheim, wo fein Heim ⸗ 
weſen war. Die Afen aber befanden ſich übel bei Iduns Verſchwinden, 
fie wurden ſchnell grauhaarig und alt. Da hielten fie Berfammlung und 
fragte Einer den Andern, was man zulegt von Idun wiße Da war 
das Lette, das man von ihr gefehen hatte, daf fie mit Loti aus Asgard 
gegangen war. Da mard Loki ergriffen und zur Berfammlung geführt, 
aud mit Tod und Peinigung bedroht. Da erſchtak er und verſprach, er 
wolle nad Idun in Jötunheim fuhen, wenn Freyja ihm ihr Falten» 
gewand leihen wolle. Als er das erhielt, flog er nordwärts gen Jotun⸗ 





% 81. Adler, 73 


heim und Tam eines Tages zu des Rieſen Thiaſſi Behauſung. Er war 
eben auf den See gerubert und Idun allein daheim. Da wandelte Loli 
fe in Nußgeftalt, hielt fie im feinen Alauen und flog was & konnte. 
Ms aber Thiaffi heimlam und Idun vermifste, nahm er fein Adler⸗ 
hembe und flog Loki nah mit Adlersſchnelle. Als aber die Afen ven 
Fallen mit der Nuß fliegen fahen und den Adler hinter ihm brein, da 
giengen fie hinaus unter Asgard und nahmen eine Bürbe Hobelipäne 
mit, Und als der Falle in die Burg flog und ſich hinter der Burg: 
mauer nieberließ, warfen die Ajen alsbald Feuer in die Späne. Der Apler 
vermochte ſich nicht inne zu halten, ald”er den Fallen aus dem Geſichte 
verlor: alfo ſchlug ihm das Feuer ins Gefieder, daß er nicht weiter fliegen 
Ionnte. Da waren die Afen bei der Hand und töbteten ben Rieſen 
Wiaeſſi innerhalb des Gatterd. Seine Augen warfen fie nachmals Stabi, 
feiner Tochter, zur Ueberbuße an den Himmel und bilbeten zwei Sterne 
daraus, 

Der Riefe Thiaſſi, der Aolerögeftalt amimmt, erinnert und an 
Hräfwelge ($. 16), der ein Riefe wie er in Adlerslleid an des Kim: 
mes Ende figt und den Wind über alle BVölter facht. Sturmwinde 
werben als Rieſen gedacht, weil unter deren Bilde alle zerſtören⸗ 
ven Ratutkraͤfte vorgeftellt werden; zugleich find ihnen Adlerſchwingen 
verliehen, die Schnelligleit des Sturmwindes zu bezeichnen. Aus Orim- 
niomal 11 (f. 0. ©. 46. 49) wißen wir, daß Thiaſſi in Thrymheim 
wohnte, deſſen Rame an Thrym erinnert, den Riefen der Thrymähnida, 
der ein älterer Raturgott dem Thör den Hammer ftahl, und jelbft mac 
dem Donner -(thruma — tonitru) genannt if. Thrymheim beveutet alfo 
wohl das fturmtofende Waldgebirge, aus dem alle rauhen, ſcharfen Winde 
m lommen pflegen: feinem Gebiete haben fi die Götter genaht, als 
fe über Berge und öde Marken fuhren, wo es um ihre Koft ſchlecht ber 
fellt war, womit die Umfruchtbarteit des Waldgebirges bezeichnet iſt. 
Wiaſſis Rame hat noch feine ſichere Erklarung gefunden; über fein Wefen 
lann nad dem Obigen “kein Zweifel fein: er ift ein Sturmrieſe und 
Mar wie wir jehen werben, ein Rieſe der Herbitftürme, wie Beli, Ger⸗ 
das Bruder, ſich auf die Stürme der Frühlingönachtgleihen bezog. Als 
Sturmwind verhindert er auch, daß der Sub zu Stande kommt, indem 
et bad Kochfeuer verweht. Wie jener Baumeifter Sonne und Mond und 
Ve fhöne Fteyja bedingte, wie Thrym ald Löfegeld für Thors Hammer 
den Veſih derſelben Göttin begehrte, fo möchte Thiaſſi den Göttern Idun 


74 Dafıh, % 81. 


entziehen, ja er erhält fie wirklich für Lolis Befreiung, und Loli muß 
fie ihm erft wieder entführen. Wer ift nun Youn? Aus D.26 lernen 
wir fie ald Bragis Gattin fennen, des Gottes der Dichtkunft, des Stalden 
Dpind; aber das führt und nicht weiter. Mehr fagen uns ihre Aepfel 
und bad Altwerden der Götter bei ihrem Verſchwinden, und daß fie in 
Geſtalt einer Nuß, nach andrer Leart (Lex Myth. 199) einer Schwalbe, 
von Loli zurüdgebract wird. Den Stamm ihres Namens bildet die Partikel 
id: die Schlußfilbe ift nur bei weiblihen Namen gebräudlihe Ableitung ; 
jene untrennbare, noch in dem mittelhchd. iteniuwe forbauernde Partilel aber 
bedeutet wieber, wiederum: befonderd wird id gern mit Grünen verbums 
ven (Wöl. 58 jördh or agi idhjagrene) und vielleiht erklärt und dieß 
den Namen des Idafeldes, wo fih in ber verjüngten Welt die goldnen 
Scheiben wiederfinden, das Spielzeug der Götter in ihrer Unſchuld: es 
ift von der tiederergrünten Erde ober von der wieder erworbenen golde ⸗ 
nen Zeit benannt, und wenn e3 ſchon früher (Wölufp. 7) fo bieß, fo 
ik dieß eine Borwegnahme. So brüdt Iduns Name ben Begriff der 
Wiederkehr, der Grneuung, der Berjüngung aus, und wenn wir bei 
ihrem Verſchwinden die Aſen grauhaarig und alt werben fehen, jo möchte 
man in ihr wie in jenem Maͤdchen aus ber rembe den Frühling ober 
die Jugend vermuthen: beides fällt in höherm Sinne zufammen; doc 
denkt man bier lieber an den Fruhling, da ihre goldenen Aepfel, als 
eine ruht des Jahrs, eher auf dieſes ald auf das ganze Menſchenleben 
deuten. Sie ift hiernach nicht der Frühling felbft, doch die verjüngte 
Natur im Schmude des Frühlings, oder wie es Uhland 120 ausbrüdt, 
das frifhe Sommergrün in Gras und Laub, Dieß entfärbt fi aber 
im Gpätjahr, wenn Iduns Aepfel reif find, durch den rauhen Hauch 
der Herbfte und Winterwinde, ja es verſchwindet, das Laub fällt von dem 
Bäumen. In unſerm Mythus fehen wir dieß durch die Entführung 
Found ausgebrüdt. Der Herbſtſturm, ald Sturmriefe Thiaffi eingeführt, 
bat Idun geraubt: der Wieſe ift der Farbenſchmelz, dem Walde ber 
Schmud der Blätter benommen, die Welt erſcheint gealtert und entftellt, 
von den Göttern ift Glanz und Jugendfriſche gewichen, fie find ergraut 
und eingefhrumpft. Die Welt hat ihr heiteres Antlig gewandelt; der 
Schnee, der die Erde bededt ift durch das greife Haar der gealterten Göt« 
ter bezeichnet. Rah D. 26 jollen es Iduns Aepfel fein, melde ben 
Göttern die Jugend zurüdgeben: eigentlich ift es die Göttin ſelbſt, zu 
deren Symbol jene Aepfel geworben find; urſprunglich mögen fie mur 


532 hrafuageidr. 76 


dad Wahrzeichen der Herbſtzeit geweſen fein, in welche ber Raub Iduna 
fall. Uhland 122. Sie zurüd zu führen wird Loli beauftragt, ben 
wir ſchon einmal ald Südwind gefunden haben; doch entleiht er, um ala 
Lenzwind zu erjcheinen, wie in Thrymskwida daß Fallengefieder Freyjas, ber 
Göttin der fehönen Jahreszeit, und nur in des Riefen Abweſenheit gelingt 
es ihm, fih Iduns zu bemädtigen. Die Befreiung Iduns fällt alſo 
in dad neue Jahr; im Herbſte vorher war Loli der Uebermacht des 
Sturmriefen erlegen. Die Zurüdführung Iduns gefhieht nun in Ger 
falt einer Ruß oder einer Schwalbe. Die Ruß läßt fi deuten als 
den Samenlern, aus dem die erftorbene Pflanzenwelt alljährlich wieder 
aufgrimt; auch die Schwalbe ſagt ein Gleiches, fie bedeutet die Wieder: 
lehr des Frühlings, obgleih nah unferm Sprichwort eine Schwalbe 
noch feinen Sommer macht. Der Mythus ließe fi vielleicht noch weiter 
ins Einzelne verfolgen, wie es Uhland, dem wir bisher gefolgt find, a. a. 
O. verfucht; es genügte hier, feinen inneıften Sinn darzulegen. 


32. Idun Jwaldis Tochter. Deutung 


Diefer erfte Mythus zeigt teinen nähern Bezug auf den Weltuntergang, 
er ift in das Drama der Weltgeſchichte nicht verflochten, wir fehen nur 
den Wechſel der Jahreszeiten dargeftell. Wohl aber läßt ſich eine ſolche 
Hindeutung in dem zweiten Mythus ertennen, welchen ‚Ovins Rabenzauber‘ 
enthält. Er ift nur eine Umbilvung des Vorhergehenden, bei ber bie 
Abfiht nicht verlannt werden kann, aud den Mythus von Idun dem 
feit der Wölufpa herſchend gewordenen Grundgebanten von dem bevor 
Rehenden Weltuntergang zu unterwerfen. Doc ift es ſchwer, von dieſem 
Gedicht Rechenschaft zu geben, es gilt für das dunlelſte und räthiel- 
haftefte der ganzen Edda: Grit Haljon, ein gelehrter Jaländer des 17. 
Jahrhunderts, befchäftigte ſich zehn Jahre lang damit ohne es ver 
fiehen zu lernen. Die gröfte Schwierigkeit liegt in der mythologiſchge ⸗ 
lehrten Sprache diefes verhältnifsmäßig fehr jungen Liedes, dad der Ber: 
faßer der proſaiſchen Cdda noch nicht kannte. So jung es aber auch 
iſt, fo urtheilt doch Uhland 138, es herſche darin noch durchaus das 
innere Verſtaͤndniſs der mythiſchen Symbolik und fo lohnt es ſich wohl, 
in feinen Sinn zu dringen. Der Schlußel zu jenem räthſelhaſten, faſt 
ſtaldiſch gelehrten Ausdrud ſcheint nun in ber Wahrnehmung gefunden, 
dab die nordiſche Dichterſprache Ein Verwandtes für dad Andere zu fegen 


76 Gugin, s. 82. 


liebt, 5. B. wenn für den Brunnen Urds, aus dem die Eſche Yggdraſil 
begoßen wird, damit ihre Seiten nicht faulen, der verjüngende Götter- 
trank Odhroerir genannt wird; oder wenn für Urbr, die Hüterin dieſes 
Tranls, Idun eintritt, die Hüterin der Nepfel, der verjüngenden Götter: 
ſpeiſe u. f. m. Mit diefem Schlüßel, der wenigftens die ſchwerſten Riegel 
hebt, und mit Umftellung einiger Strophen, melden ver gebührende Plat 
wieber zugewiefen werben mufte (doch dürfte Str. 21 nah 23 zu ftellen 
fein), habe ich eberfegung und Erläuterung verfuht, aud kamen mir 
Uhlands Andeutungen über den leitenden Grundgedanken wie ein ariad: 
niſcher Faden zu Gute, obgleich ih im Einzelnen von ihm abweiche. 
‘So halte ich das Gedicht nicht für ein Bruchſtüd, wofür es fi dem 
erften Blide giebt und allgemein gehalten wird, vielmehr für eine von 
einem Andern viel fpäter hinzugedichtete Ginleitung zu ber gleich folgen: 
den Wegtamskwida wie es feine zweite Ueberſchrift Forſpiallsliodh felbft 
als eine ſolche bezeichnet. Der Verfaßer wollte alſo nicht mehr dichten 
und fo haben mir keinen Verluſt zu bellagen. Nach dieſen orbemer: 
Hungen verſuche ich es nod einmal, feinen Inhalt anzugeben und zu beuten, 
wobei ich meine frühern Erläuterungen theils abfürze, teils weiter ausführe. 

Nach einer Aufzählung der verſchiedenen Weſen des norbifhen Glau: 
bene, die nach ihrem erhalten gegen die Schidjale der Welt kurz aber 
treffend bezeichnet werben, fehen wir die Götter, von widrigen Vorzeichen 
erſchredt, wegen Ophrärird in Beforgnifs gerathen, welcher der Hut Urds 
anvertraut war. Mit Ophrärir, wie ber Unfterblicleitätrant der Aſen 
heißt, iſt aber hier Urds Brunnen gemeint, welchem gleichfalls verjüngende 
Kraft beimohnt. Und wie Trank und Brunnen einander vertreten, fo 
auch Urd und Idun: ihr Weſen fällt zufammen und es ift gleichgültig, 
ob wir Urd oder Idun ald die Helvin des Liedes betrachten. Diefe heilige 
Quelle der Berjüngung hat alfo ihre Kraft ſchon verloren oder die Aſen 
beforgen, daß dieß Eteigniſs eintreten, dad Wachsthum des Weltbaums 
ftoden werde. Darum war Hugin, Odins Nabe, auögefandt, darüber ben 
Ausiprud) zwei weifer Zwerge zu vernehmen. Deren Ausiprud gleicht 
nn ſchweren dunleln Träumen, ja fie fheinen felber nur Träume, aber 
unbeilverfündende, widerwärtige. Da der Rabe feinem Namen gemäß 
nur auf den göttlichen Gedanken zu deuten if, fo kann die Meinung fein, 
die Götter hätten durch das Nachdenken über das jtodende Wahsthum 
der Welteſche nichts erreicht, ald von beunruhigenden Träumen gequält 
zu werben, wie bie folgende Wegtamskwida von Baldurd Träumen aus: 


8. 32%. Waldi 77 


geht. Nachdem noch eine Reihe von Erſcheinungen erwähnt iſt, die gleich ⸗ 
falls auf die nachlaßende Triebkraft der Natur deuten, wird Idun zuerſt 
unter diefem Namen eingeführt und zugleich die jüngfte von Iwaldis 
Töchtern genannt, jenes Zwerges, deſſen Söhne wir aus D. 61 ala 
kunftreihe Schmiede lennen, die auch dad goldene Haar der Sif gejhmie: 
det haben. Hier ift nun Idun nicht von Thiaffi, dem Sturmriefen ent« 
führt wie in dem vorigen Mythus; es hat fie aber ein anderes Unheil 
betroffen: fie ift von der Weltefhe herabgefunten und weilt nun im 
Zhale, unter des Laubbaums Stamm gebannt; und ſchwer trägt fie dieß 
Riederfinten: fo lange an heitere Wohnung gewöhnt, kann es ihr bei der 
Toter oder Verwandten Nörwis nit behagen. Nörwis Tochter ift die 
Nacht (f. $. 14), feine Verwandte wäre Hel, die Todesgöttin, und bei 
ihr in ber Unterwelt fcheint fie fih nad einer der folgenden Strophen 
zu befinden, wie wir das aud von Gerda gefehen haben, die ſchon durch 
jene eilf Aepfel an fie erinnerte. Beim Herabfinten von der Eſche 
ift fie wie im der vorigen Mythe als der grüne Blätterihmud, und zwar 
ala das Laub des jüngften Jahres gefaßt, die jüngfte von Iwaldis 
Kindern, des innenwaltenden, denn bie Zwerge wohnen in ber Erbe: alles 
Gras und Laub, alled Grün, das die Erde ſchmüdt, wird von ihnen 
gewirkt und gebilvet, e3 ift wunderbare Erzeugniſs ber geheimniſsvoll 
wirtenden Erdkraͤſte. Bei Sifs Haar, dem goldenen Getreide, wie bei 
der grünen Blätterwelt darf daher an diefe Zwerge erinnert werben, und 
unfer Lied thut dieß, indem es Idun von Iwaldi erzeugt fein läßt. 
Aud in dem, was nun von dem Wolfsfell gemeldet wird, das ihr 
die Götter zur Bekleidung verlieben hätten, können wir fie nod als ben 
abgefallenen Blätterihmud denten, welder nun unter dem Winterſchnee 
verhüllt liegt. Wenn fie aber bei ver Nacht oder gar in ber Unterwelt 
weilen fol, fo if fie wohl mehr die Triebkraft der Natur, bie jenen 
Scqhmud hervorgebracht hat als dieſer ſelbſt; dieſe Kraft hat fih nun in 
die Wurzel zurüdgezogen, des Weltbaum ift entblättert, ver Winter einges 
treten und ungewiſs bleibt ob je der Frühling wiederlehre. Da ſendet 
Odin Heimdall, den Wächter der Himmelöbrüde, über welche die Rieſen 
einbtechen Könnten, im Geleite Lofis und Bragis, die Göttin zu fragen, 
wos fie von den Weltgeſchiden wiße und ob das ihr Widerfahrene ber 
Belt und den Göttern Unheil bedeute? Aber die Senbung hat feinen 
Erfolg, Idun weint und ſchweigt: wie fhlafbetäubt erſcheint fie den 
Boten, die umverrichteter Dinge heimkehten; nur Bragi, der fonft als 


78 Yorfpielelieh. 5. 82. 


ihr Gatte bargeftellt ift, bleibt als ihr Wächter zurüd, der verſtummte 
Gefang, ertlärte es Uhland, bei der hingewellten Sommergrüne. 6Gs 
wird num die Burüdtunft jener beiden Boten und das Gaftmal der Ajen 
befchrieben, bei welchem fie von ber Crfolglofigteit ihrer Werbung Bericht 
erftatten. Da vertröftet fie Odin auf den andern Morgen und forbert 
auf, die Nacht nicht ungenügt verftreihen zu laßen, fondern auf neuen 
Rath zu finnen. Schon fommt der Mond einhergezogen, Odin und Frigg 
heben das Gaftmal auf und entlaßen die Berfammlung. Die Naht 
bricht ein, mit der dornigen Ruthe fchlägt Noͤrwi die Völker und jenkt 
fie in Schlaf; aud die Götter fühlen ſich von Müdigkeit ergriffen und 
felbft Heimdall, ihr Wächter, der weniger Schlaf bedarf als ein Bogel, 
wantt vor Schlummerluf. Diefer dichteriſchen Schilderung der Nacht 
folgt dann eine eben jo jhöne Beſchreibung des anbrehenven Tages, vor 
welchem fich Gygien und Thurjen und die Geſchlechter der Zwerge und 
Schwatjalſen, ihrer lichtſcheuen Natur gemäß, fluchten und die Schlummer ⸗ 
Rätte fuhen; die Götter aber erheben fih beim Sonnenaufgang. Hier 
mit endigt das Lied, defien Name, Odins Rabengefang‘, vielleicht 
von ber britten Strophe hergenommen, worin Hugin, Odins außgefanbter 
Nabe, erwähnt warb, nicht unpafiend für ein Lied gewählt ift, das un 
beilvolle Worzeihen zufammengeftellt, welches wie der Raben Krächzen 
den unvermeiblihen Untergang der Welt beveutet. Der Eintritt der 
Winterzeit ift als ein Gleichniſs des Todes, ja ald ein Borfpiel des 
nahenden Weltunterganges aufgefaßt. Schon darum tönnte es ein Bor 
ſpielslied heißen; aber e3 ift zugleich ein Vorfpiel zu dem folgenden, 
der Wegtamalwida, die ſich auf das Genauefte anſchließt. Die Nadıt ift 
vorüber, welche zu neuen Entjlüßen benugt werden follte, der Tag am: 
gebrochen, auf melden Odin vertiefen hatte. Schon fahen wir die Got⸗ 
tes bei Sonnenaufgang ſich erheben, da beginnt die Wegtamskwida ba 
mit, daß fih die Aſen verfammeln, um darüber Rath zu pflegen, warum 
den Baldur böfe Träume ſchredten ? Man könnte jagen, bier ſchließe ſich 
das neu hinzugedichtete Lieb, Odins Nabenzauber, dem folgenden Altern 
nicht genau an, da jene erwarten ließ, es folle über Iduns Rieder⸗ 
finfen, nicht über Baldurs Träume, Rath gepflogen werben. Aber Jpuns 
Niederfinten ift nur eins ber beunrubigenden Beichen, deren dort gedacht 
wer, und Strophe 3 erwähnte nach der obigen Deutung aud bie beun: 
rahigenden Träume der.Bötter. An der Berathung über Baldur Träume 
nimmt Ovin keinen thätigen Antheil, er bat, da vie Befragung Iduns 


88 Eine aber Wefen. 79 


vergeblich geblieben war, die Racht zu neuen Entſchlüßen benugt und 
während die Andern noch zu Rathe figen, fieht er auf, ſchwingt ben 
Sattel auf Sleipnits Rüden und reitet nach Nifpeim nieder, die Mala 
im befragen, die Seherin, die er in der Unterwelt aus ihrem Grabe wedt, 
nachdem er fie durch Beſchwoöͤrungen gezwungen hat, ihm Rebe zu ftehen. 
Bas er hier erfährt, davon muß an einer andern Stelle bie Rebe fein: 
hier galt es nur, ven Bufammenhang unferer beiden Lieder nachzumeifen. 

Die im Gingang de3 Gedichte Idun mit Urd, der älteften Rome 
verwechfelt ſcheint, fo fehen wir fie Str. 8 Nanna genannt und Str. 13 
Jorun, wenn biefer uns dunkle Name nicht aus Idun verlefen if. Was 
un mit Ranna gemein hat und dem Dichter erlaubte, beide Ramen 
zu vertaufhen, lann und erft $. 34 bei dem Mythus von Balbur deut- 
fi, werden. Zu verwundern ift, daß der Dichter nicht auch Gerda Ramen 
gebraucht hat, an bie wir bei Iduns Schichſalen mehrfadh erinnert 
worden find. Wenn aber unfer Dichter fich nicht geftattet, Idun und 
Gerda zufammen zu bringen, fo wird doch unten bei Bragi wahrſcheinlich 
werben, daß es Mythengeftalten gegeben habe, in melden biejer @öttinnen 
Befen zufammenrann. 


33. Baldurs Tod. 

Erſchredt von Baldurd Träumen, die feinem Leben Gefahr drohten, 
pllogen die Ajen Rath und beſchloßen, ihm Sicherheit vor allen Gefahren 
auszuwirlen. Da nahm Frigg Eide von Feuer und Waßer, Gifen und 
len Erzen, Steinen und Erden, von Bäumen, Arankheiten und Giften, 
dazu won allen vierfüßigen Thieren, Vögeln und Würmern, daß fie Bal« 
durs fhonen wollten. Als das geihehen war, turzweilten die Afen mit 
Baldur ; er ftellte ſich mitten in einen Kreiß, wo dann Ginige nad ihm 
ſchoßen, Andere nad) ihm hieben und noch Andere mit Steinen warfen. 
Und was fie auch thaten, es ſchadete ihm nicht: das dauchte fie alle ein 
wroßer Bortheil. Als aber Loki das fah, gefiel es ihm übel, va den 
Valdur nichts verlegen ſollte. Da gieng er zu Frigg nad Fenſal in Ger 
Ralt eines alten Weiber. Frigg fragte die Frau, ob fie wüfle, was bie 
Alen in ihrer Berfammlung vornähmen. Die Frau antwortete, fie fhößen 
alle nach Baldur, ihm aber ſchadete nichts. Da ſprach Frigg: Meder 
Vaſſen noch Baume mögen Baldur ſchaden, ich habe vom allen Ede ger 
memmen. Da fragte das Weib: Haben alle Dinge Eide geſchworen, 
Belburs zu fhonen? Frigg antwortete: Deftlih von Walhall wachſt eine 


80 Yreinghern. 8 38. 


Staude, Miftiltein genannt, die fhien mir zu jung, fie in Eid zu nehmen. 
Darauf gieng die rau fort: Loki nahm den Miftiltein, riß ihn aus und 
gieng zur Verfammlung. Hödur ftand zu äußert im Kreiße der Männer, 
denn er war blind. Da fprah Loki zu ihm: Warum fchiepeft du nicht 
nad Baldur? Gr antwortete: Weil ich micht fehe, wo Balbur ſteht; 
zum Andern hab ih aud feine Waffe. Da fprad Loli: Thu doc wie 
andere Männer und biete Baldurn Ehre wie Ale thun. Ich will did 
dahin weiſen wo er fteht: fo ſchieße nach ihm mit diefem Reis. Hödur 
nahm den Miftelzweig und ſchoß auf Baldur nad Lolis Anmweifung. Der 
Schuß flog und durchbohrte ihn, daß er todt zur Erde fiel, und das war 
das gröfte Unglüd, das Menſchen und Götter betraf. Als Baldur ges 
faden war, ſtanden die Aſen alle wie ſprachlos und gedachten nicht eins 
mal ihn aufzuheben. Ciner ſah den Andern an; ihr Aller Gedanke war 
wider den. gerichtet, der biefe That vollbradt hätte ; aber fie durften es 
nicht rächen, es war an einer heiligen freiftätte. Als aber die Götter 
die Sprache wieder erlangten, da mar das Gifte, daß fie fo heftig zu 
weinen anfier.gen, daß Keiner mit Worten dem Andern feinen Harm fagen 
mochte. Und Opin nahm fi den Schaden um fo mehr zu Herzen, als 
Niemand fo gut wufle als er, zu wie großem Derlufte und Verfall den 
Aſen Baldurs Ende gereihte. Als nun die Aſen fi erholt hatten, da 
fragte Frigg, wer unter ben Aſen ihre Gunft und Huld gewinnen und 
den Helweg reiten wolle, um zu verſuchen, ob er da Baldurn fände, und 
ver Hel Löfegelv zu bieten, daß fie Baldurn heimtehren ließe gen Asgard. 
Und er hieß Hermödhr der ſchnelle, Odind Sohn, der diefe Fahrt unters 
nahm. Da ward Sleipnir, Odins Hengft, genommen unb vorgeführt, 
Hermodur beftieg ihn und ftob davon. 

Da nahmen die Aſen Baldurs Leihe und brachten fie zur See. 
Hringhorn hieß Baldurs Schiff, es war aller Schiffe gröftes., Das moll: 
tem bie Götter vom Strande ftoßen und Baldurs Leiche darauf verbrennen ; 
aber das Schiff gieng nicht won ber Stelle. Da warb gen Jötunheim 
nad dem Rieſenweibe gejenbet, die Hyrrodin hieß, und als fie kam, ritt 
fie einen Wolf, der mit einer Schlange gezäumt war. Als fie vom Roffe 
gefprungen war, rief Ovin vier Berferler herbei, es zu halten; aber fie 
vermochten e3 nit anders, als indem fie es niebermarfen. Da trat 
Hyrrodin an das Vordertheil des Schiffes und ftieß es im erften Anfaßen 
vor, daß Feuer aus den Walzen fuhr und alle Lande zitterten. Da ward 
Thoͤr zornig und griff nad dem Hammer und würde ihr das Haupt 





138. Ao⸗deudt. 81 


jihmettert haben, wenn ihr nicht alle Götter Frieden erbeten hätten. 
Da ward Balburs Leiche hinaus auf das Schiff getragen, und als fein 
Beib, Reps Tochter Nanna, das fah, da zerfprang fie vor Sammer und 
Narb. Da ward fie auf den Scheiterhaufen gebracht und euer darunter 
gezündet, und Thör trat hinzu und weihte den Scheiterhaufen mit Miölnir, 
und vor feinen Füßen lief der Zwerg, der Lit hieß, und hör ftieh mit 
dem Fuße nad ihm und warf im ind Feuer, daß er verbrannte. Und 
diefem Leihenbrande wohnten vielerlei Gäfte bei: zuerft ift Opin zu 
nennen, und mit ihm fuhr Frigg und die Walküren und Odins Raben, 
und Frege fuhr im Wagen und hatte den Eber vorgefpannt, ber Gullin⸗ 
burfi hieß. Heimdall ritt den Hengft Gulltop (Goldzopf) genannt und 
Freyja fuhr mit ihren Kahen. Auch kam eine große Menge Hrimthurfen 
und Bergriefen. Odin legte den Ring, ber Draupnir hieß, auf den 
Scheiterhauſen, der ſeitdem die Eigenſchaft gewann, daß jede neunte Nacht 
acht gleich |höne Goldringe von ihm tropften. Baldurs Hengft ward mit 
allem Gefhire zum Sceiterhaufen, geführt. 

Hermodur ritt unterdeſs neun Nächte durd tiefe dunkle Thäler, fo 
daß er nichts fah, bis er zum Giöllfluge kam und über vie Giöllbrüde 
ritt, die mit glänzendem Golde belegt ift. Mödgubr heißt die Junge 
frau, welhe die Brüde bewacht: bie fragte ihn nad Namen und Geſchlecht 
und fagte, geftern feien fünf Haufen todter Männer über die Brüde ger 
titten ‚und nicht donnert fie jet minder unter dir allein und nicht haft 
du die Farbe tobter Männer: warum reiteft du den Helmeg?’ Cr ant⸗ 
wortete: „Ich foll zu Hel reiten, Baldur zu ſuchen. Haft du vielleicht 
Baldurn auf dem Helmege gefehen ?“ Da fagte fie: Baldur fei über bie 
Giölbrüde geritten; ‚aber nörblic geht der Weg hinab zu Hel’. Da ritt 
Hermobur dahin, bis er an das Helgitter klam: da fprang er vom Pferde 
und gürtete ihm fefter, ftieg wieder Auf und gab ihm die Sporen: da 
feßte der Hengft fo mächtig über das Gitter, daß er es nirgend berührte. 
Da ritt Hermobur auf die Halle zu, ftieg vom Pferde und trat in bie 
Sale. Da fah er feinen Bruder Baldur auf dem Chrenplage ſihen. 
Hermodur blieb dort die Nacht über. Aber am Morgen verlangte Her: 
modur von Hel, daß Baldur mit ihm reiten follte und fagte, welche 
Trauer um ihn bei den Aſen fei. Aber Hel fagte, das folle ſich mm 
erproben, ob Baldur fo.allgemein geliebt werde als man fage. ‚Und wenn 
alle Dinge in der Welt, lebendige ſowohl als tobte, ihn beweinen, fo foll 
et zurhd zu den Afen fahren; aber bei Hel bleiben, wenn Eins wider⸗ 

Cimred, Biyihologie. 6 


3 Hermobur. 6. 88. 


ſpricht und nicht weinen will? Da fand Hermobur auf und Baldur ge 
leitete ihn aus der Halle und nahm den Ring Draupnir und ſandte ihn 
Odin zum Anventen, und Nanna fanbte ber Frigg einen Ueberwurf und 
noch andre Gaben, und der Fulla einen Goldring. Da ritt Germobur 
feines Weges und kam nad Asgard und fagte alle Beitungen, die er da 
gehört und gejehen hatte. Darnach fanbten die Afen in alle Welt und 
‚geboten Baldurn aus Hels Gewalt zu weinen. Alle thaten das, Menjchen 
und Xhiere, Erbe, Steine, Bäume und alle Erze; wie du ſchon geliehen 
haben wirft, daß diefe Dinge weinen, wenn fie auß dem Froſt in bie 
Wärme kommen. Als die Gejandten heimfuhren und ihr Gewerbe wohl 
vollbracht hatten, fanden fie in der Höhle ein Rieſenweib figen, das Thöd 
genannt war. Die baten fie aud, Baldurn aus Hels Gewalt zu weinen. 
Sie antwortete: 

Thock muß weinen mit trodnen Augen 

Ueber Balburs "Ende. 

Nicht im Leben noch im Tod hatt ich Ruten vom ihm: 

Behalte Hel was fie hat. 


Man meint, daß dieß Loki geweſen fei, der ven Afen fo viel Leid 
zugefügt hatte. D. 49. 

So ausführlich diefe Erzählung ift, fo fehlt dod darin die an Hödur, 
dem Mörder Baldurs, durch Wali genommene Rache, fo tie die Worte, 
welche Odin feinem Sohne Baldur ins Ohr geraunt haben foll, als er 
auf dem Scheiterhaufen lag. Bon den letztern wißen wir aus Wafthrub: 
nigmal, wo Odin mit dem allwißenden Jötun über die urweltlihen Dinge 
ftreitet. Die legte Frage, welche der Niefe nicht Töfen kann und ſich darum 
gefangen giebt, d.h. der Willtür des Siegers untermwirft, lautete: 

Bas fagte Odin dem Cohn ins Ohr, 
Als er die Scheitern beftieg? 

An ihr erkennt der Rieſe zugleich, daß es Odin ift, mit welchem er 
in Räthfelreben geftritten hat, verm Niemand anders, fagt er, ala er fönne 
wißen was er bem Sohn ins Ohr geraunt habe. Das Gedicht meldet 
ung nun niet, was dem tobten Baldur von Odin ins Ohr geraunt warb: 
wir müßen es, wenn. wir $.50 zu ber Wiedergeburt der Götter gelangen, 
aus dem Bufammenhang der geftellten Fragen errathen. 

Bas Balid Rache an Hödur betrifft, jo if davon in der Weg: 
tamshoiba die Rebe, deren Bufammenhang mit Obins Rabenzauber wir 


.” Baldur uud’ Walt, 88 


fon beſprochen haben. Dieß Gedicht Aft eine Nachahmung von Waf—⸗ 
thrubnismal. Wie dort Gangradı nennt fi bier Obin Wegtam: beide 
Ramen bezeichnen Odin als den Wanderer; und wie bort MWafthrubnir 
den Gott an der frage erkennt, die Niemand anders ala Odin beant- 
worten fan, fo erfennt ihn hier die aus dem Grab erwedte Seherin an 
der Frage nach einer Begebenheit, die feinen Bid in die ferne Zukunft 
verrathen mufte : 

Bie heißt das Weib, die nicht weinen will 

Und bimmelan werfen bes Hauptes Schleier? \ 
worauf die Wala antwortet: J — 

Du biſt nicht Wegtam, wis erft ich wahnte: 

Odin Bift hu, der Allerſchaffer. 
und Odin entgegnet: 

Du biſt feine Wala, fein wißendes Weib, 

Bielmehr bit du-dreier Thurſen Mutter. 

Allerdings liegt ein Widerſpruch darin, daß Opin fi über Baldurs 
Zod von der todten Wala, der Mutter dreier Thurſen, Gemwifäheit zu 
verfhaffen fucht, während ihm Thoͤds Weigerung, den Baldur aus Hels 
Reich zu weinen, eine fo viel fpätere Begebenheit (denn auf diefe zielte 
ODdins Frage), nicht verborgen ift; aber eben daran verräth fih der Nach: 
ahmer. Gleichwohl dürfen wir an den Nachrichten, durch welche die Weg- 
tamäfwida unfere Kenntniſs von dem Mythus des Baldur ergänzt, um 
fo weniger Zweifel hegen, als fie fi) in andern Quellen (Hyndlul. 28) 
beftätigen. Mag das Lied dem Berfaßer der jüngern Edda, der von Wali 
D.30. 53 aus andern Quellen (Wafthrubn. 51) wißen kann, unbelannt 
geblieben fein; wir hätten ohne fie in der ältern Edda fein Baldurs Tod 
betrefiendes Gedicht. Der Verdacht aber darf nicht auffommen, als wenn 
dieſer Mythus felbft erft fo jungen Urfprungs wäre. Was Wäl, 36—38 
von Wali meldet, wird zwar, zumal e3 ſich nicht in allen Handſchriften 
Findet, aus Megtamshoida nachgetragen fein ; was fie Aber Baldurs Tod 
enthält, trifft das Herz feines Mythus und if über allen Verdacht ber 
Emfhwärzung erhaben : 

86. Ich ſah dem Baldur, bem blühenden Gotte, 
Odins Sohne, Unheil drohen. 
Gewachſen war hoch Aber bie Wieſen 
Der zarte, zierliche Zweig ber Miſtel. 


4 Rinde. 4.3 


87. Bon ber Miftel am, fo baute mic, 
daßlicher Harm, da Hödur ſchoß ıc. 

Nur das Tönnte zweifelhaft fein, ob fie ed nicht war, welde den 
Mothus von Baldurs Tod zuerft in Beziehung zu den allgemeinen Ger 
ſchiden der Welt und der Götter brachte. 

Auf die Frage, wer an Hoͤdur, dem Mörder Baldurs, Rache üben 
werde, giebt nun die Seherin der Wegtamskwida die Auskunft: 


11. Rindur im Weften gewinnt den Sohn, 
Der einnächtig, Odins Erbe, zum Kampf geht. 
Er mwäfcht die Hand nicht, das Haar nicht fämmt er, 
Bis er Baldurs Mörder zum Holzſtoß bradite. 


und bie erwähnte Stelle des Hyndluliedes lautet: 
28. Eilfe wurben ber Afen gezählt, 
Als Baldur beſchritt bie töbtlihen Scheite. 


Wali bewährte ſich werth ihn zu rächen, 
Da er ben Mörder des Bruders bemeifterte, 


Auch Saro Grammaticus weiß davon, daß Dbin mit der Rinda 
einen Soby zeugte, der Baldurd Tod zu rächen beffimmt war; das Na⸗ 
here hierüber unten bei Mali. 


3. ‚Dentung. 

In Baldur pflegt man das Licht in feiner Herichaft zu finden, bie 
zu Mittfommer ihre Höhe erreiht hat; fein Tod ift aljo die Neige des 
Lichts in der "Sommgrfonnenwende, wo die Tage am längften find, num 
aber wieder fürzen, das Licht mithin ſich zu neigen beginnt. Sein Moͤrder 
Hödur ift demzufolge der lichtlofe, der blinde (Heljar sinni, der Gefelle 
der Hel, Stalvjt. 13), weil er daS Duntel des Winters bedeutet, deſſen 
Herſchaft fih nun vorbereitet und zur Julzeit vollendet, wo nah dem 
türzeften Tage die Sonne wieder geboren wird. Auch Hödr ift ein Sohn 
Odins, wofür wir freilich, da in Wegtamskw. 16 die Lesarten ſchwanlen, 
in der Edda jelbft fein entſcheidendes Beugnifs beſihen. Aber in Gkalo: 
ffap. 13 heißt er Odins Sohn und auch Skaldſtap. 75 (S. 554) wird er 
unter Odins Söhnen aufgeführt. Vgl. Edda Hafniae II. (1852) ©. 312. 
473. 524. 556. (616) 636. Endlich berufe ich mid auf Wöl. 61, wo 
aus der Vergleihung mit der folgenden Str, die von den Söhnen beider 


LM. Radpegelübde. 86 


Brüder (Odind und Honirs) ſpricht, darauf geſchloßen werben darf, daß 
auch Hödr Odins Sohn if. Bei Saro (IIL) allerdings erfdeint nur 
Yalderus nicht Hotherus als Odins Sohn. Bel. $. 29. Jedenfalls ift 
er auch nad) der Edda ein Aje, kein Riefe, weil er das unſchädliche 
Duntel iſt, das der Herfhaft des Lichts nad) der Ordnung der Natur 
felgen muß, denn der Wechjel der Jahreszeiten ift ein mwohlthätiger, der 
ſelbſt in der verjüngten Welt nicht entbehrt werben ann, wo Balbur und - 
Hödur in des Siegesgotts Himmel friedlich beifammen wohnen follen 
(öl. 61), denn dann, wenn alles Böfe ſchwindet, wird Baldur aus Hels 

Haufe erlöft fein. Hoͤdur ift auch nach der fittlihen Seite hin an feines 

Bruders Mord unſchuldig: ein Anderer hat feine Hand gelenkt, und in 
der erneuten Welt, wo nur auf die Gefinnung gefehen wird, wo ganz 
allein die Herzensunfhuld in Betracht kommt, fteht feiner Aufnahme 

in Gimil, wo ale Werthen und Würbigen mohnen follen, nichts 
entgegen. Aber ganz anders in biefer Welt: da ift die Blutrache 

vflicht und eine fo allgemeine, daß fie keine Ausnahme erleidet: 

das vergoßene Blut ſchreit um Race und kann nur durch Blut gefühnt 

werden. Sie duldet aud feinen Aufichub, fie gönnt feine Friſt, fie läßt 
nicht Zeit, die Hände zu waſchen, die Haare zu fämmen, und fteht ihrer 

Erfüllung noch Unmöglichkeit entgegen, fo läßt man nad ber Sitte ger 

manisher Radyegelübde Haar und Bart und die Nägel an Yen Fingern 

wachen, ja wäſcht und kämmt fid nicht, bis der bringendften, unaufs 

ſchieblichen Pflicht genügt iſt. Darum muß Wali an Hödur fofort Rache 

üben, ob er glei unſchuldig iſt; aud kommt dem zur Race Berufenen 

feine Jugend nicht zu Gute: kaum geboren, nur Eine Nacht alt, gedenkt 

Bali des ungefühnten Blutd und fchreitet zum heiligen Wert der Rache. 

Deutlicher noch als die hier benupte Wegtamshvida ſpricht dieß die Wo— 

luſpa 37. 38 aus: 


Baldurs Bruder war faum geboren, 

Der Odins Erben einnädhtig fälte. 

Die Hände nicht wuſch er, das Haar nicht kämmt er 
Bis er zum Holzſtoß trug Baldurs Tödter. 


Ueber jene Radegelübde vergl. Tacitus Hist. 4, 61. Germ. 31. 
Paulus Diac. 317. Grimm G. D. &. 571. AM. III, 188. P. €. 
Riller über Snorris Duellen ©. 15. 15. Panzer II, 398. 

Zu Valdurs Deutung auf das allerfreuende Licht, das kein Weſen 


8 Mike. % 3 


entbehren Tann, es fei denn ein unbeimliches, flimmt D. 223: ‚Bon ihm 
iſt nur Gutes zu fogen, er ift ver Veſte und wird von Allen gelobt. 
& ift fo fhön von Antlig und fo glänzend, daß ein Schein von ihm 
ausgeht. Ein Kraut ift fo licht, dak es mit Baldurd Augenbrauen ver- 
glihen wird, es ift das liätefte aller Kräuter (vgl. Myth. 203): davon 
magft du auf die Schönheit feines Haares ſowohl als feines Leibes 
fließen. Er ift der weifefte, berebtefte und mildeſte von allen Ajen. 
& hat die Eigenihaft, dab Niemand feine Urtpeile ſchelten kann. Er 
bewohnt im Himmel die Stätte, die Vreivablid (Weitglanz) heißt. Da 
wird nichts Unreines geduldet.’ 

Doch es iſt noch nicht Baldurs ganzes Weien, das wir erflären 
follen, wir haben e8 hier nur mit feinem Tode zu thun. Diejen, die 
Abnahme des Lichts, führt Loki herbei, indem er die Miftel in des blin« 
den Hoͤdurs Hand legt. Baldurs Unverlegbgrleit durch Wurf und Schlag 
erllärt fi aus der unkörperlihen Natur des Lichtes: ‚Die einzige Waffe, 
die an ihm haftet, ift ein Symbol des büftern Winters. Die Miftel, die 
im Winter wählt und reift, die darum aud nicht des Lichtes zu ihrem 
Geveihen zu bebürfen ſcheint, ift allein nicht für Balbur in Pflicht ge— 
nommen.‘ Uhland 146. Ich trage Bedenlen, bei der Deutung des Mythus 
fo ſeht ins Einzelne zu gehen; man wird es ſchon gut erfunden und ge: 
rechtfertigt Remen dürfen, wenn bei bem Eide, der allen Dingen abges 
nommen werden follte, die Miftel, vie ala Schmaroperpflanze fein ſelb⸗ 
ftändiges Leben zu haben ſchien, überfehen warb. Einfacher freilich faßt 
es D.49: die Staude ſchien zu jung, fie in Gid zu nehmen. Bu unbe 
deutend mag bie Meinung fein; aber das ſcheinbat Unbebeutenpfte kann 
in ber Hand des Böen die Unſchuld morden. Dann wäre aud bie Ber 
merkung unnöthig, daß die Miftel, bei und nur eine ſchwache Staube, 
auf Inſeln im Mälarfee bis zu drei Ellen Länge aufwächſt. Aber noch 
eine andere Deutung verdient Grwähnung: ihrer Heiligfeit nicht ſowohl 

als ihrer Unnatürlickeit verbantte die Miftel diefe Wahl. Die ganze 
Natur liebte Baldur, es mufte ein feltfam Unnatürlides fein, von gött: 
licher oder daͤmoniſcher Einwirkung berftammenn,, nicht aus Samen ge: 
zogen, nicht in der Erde murzelnd, das den guten Gott verlegte, Schwend 
Myth. 139. Jedenfalls verräth ſich hier ein alter Bug unferer Dichtung, 
das Seltene und Seltfame der Natur abzulaufhen und in das Gewand 
des Näthfels zu Hüllen Die Staube für heilig zu achten, wie folde 
Wahl traf, haben wir freilih aus unferm Mythus allein keinen Grund. 





& 34. Druiden, 87 


Gleichwohl war ihre Heiligkeit nach Myth. 1156 deutſchen und keltiſchen 
Böltern gemein. Die Druiden, fagt uns Plinius 16, 44, lannten nichts 
Heiligeres ald die Miftel und die Gihe, darauf fie wuchs. Ohne der 
Eiche Laub ober das der Staude, die vom Himmel auf fie niebergefallen 
und den Baum erloren zu haben ſchien, begiengen fie keine heilige Hand» 
Tung, ja nach dem griehiihen Namen des Baums ſcheinen fie erſt Druis 
ven genannt. Weißgelleidet ftieg der Druide auf den Baum, mit gols 
dener Sichel jhnitt er den Zweig und fieng ihn auf in weißen Mantel. 
Dann erſt ward das bereit gehaltene Opfer dargebracht: zwei weiße 
Stiere, beren Hörner noch fein Joch ertragen haben. Und felten iſt ein 
folder Zweig zu finden, und geholt werben darf er nur im ſechsten Monb 
nach dem dreißigften Jahr des Jahrhunderts, wo er ausgewachſen ift 
und feine Allheilkraft erlangt hat. Denn wenn man ben Xhieren von 
ihm zu trinken giebt, werben fie fruchtbar; auch fügt er wider jedes 
Gift. So übernatürlige Kraft maß man der Staude zu, bie immergrün 
auf der entblätterten heiligen Eiche forkouh® und glei dem Epheu, an 
das fi auch manderlei Aberglaube hängte, ihre Früchte im Winter zeitigt. 
Den Glauben an ihre Heiligkeit beftärtte noch, daß fie nur auf Bäumen 
währt und auch hier ſich nicht fäen läßt, venn zu voller Reiſe gebeiht 
ihr Samen nur im Magen ber Bögel, die ihn dahin tragen, wo er aufs 
geht: es ift dann feine Menſchenhand im Spiel und die göttliche Fügung 
offenbar. Belannt ift die in Wales noch fortlebende Sitte, die Miftel 
amı Weihnachtsabend über den Thüren aufzufteden und die nad Leibes« 
fegen verlangenden Frauen darunterhin zu führen. In Deutſchland hängt 
man fie in Silber gefaßt Kindern um den Hals, und wo fie, was ſelten 
iR, auf Haſeln wächſt, ift fiher ein Schag verborgen. M. 1158. 

Der Antheil Thörs an dem Mythus fheint zunächit won keiner ties 
fern Bedeutung: feine Crideinung war ſchon darum nöthig, weil der 
Scheiterhaufen nach nordifher Sitte mit feinem Kammer eingeweiht wers 
ven mufte. Aber er bedroht aud damit die Rieſin Hyrrodin, welche das 
Schiff, auf dem der Scheiterhaufen errichtet war, in die See ftoßen fol. 
Indem er dem Uebermuth dieſer Riefin wehrt, erſcheint Thör ganz in 
feinem betannten Weſen ald Belämpfer der Niefen, aller verberblichen, 
maßlofen Naturgewalten. Die in biefer Riefin fymbolifierte Naturerſchei⸗ 
nung ift nad) Uhland der verfengende Somnenbrand, ber nad) ber Soms 
merfonnenwende einzutreten pflegt, und der Name Kyrrodin, die Feuer⸗ 
beraudhte, ſpricht dieſer Deutung das Wort. Das Shifj Hringhom kann 


88 launa. 5. 34 


nun die Sonne ſelbſt ſein, oder die Bahn des Lichts, das, indem der 
Somnenlauf ſeinen Höhepunkt erreicht hat, eine Weile ſtille zu halten 
ſcheint, num aber nad) dem gewaltigen Stoß, mit dem bie Riefin es vor: 
treibt, die Wende nimmt und abwärts Ientt. ‚So fährt nun Hringhorni, 
flammend in Sonnengluth, dahin ; aber es trägt nur noch die Leiche 
feines Gottes.’ Da bricht aud der Gattin Baldurs, Neps Tochter Ranna, 
das Herz ;. man mufte fie auf den Gcheiterhaufen tragen und mit ihm 
verbrennen. Uhland deutet fie auf die Blüthe, die aus der Anofpe 
bervorgeht, und darum Neps (für hneppr, Knopf) Tochter heißt. ‚Mit 
der Abnahme des Lichts geht auch das reichſte, buftendfte Blumenleben 
zu Ende; als Baldurd Leiche zum Scheiterhaufen getragen wird, zerjpringt 
Nanna vor Janımer. Die Liebe Baldurs und Nannad, des Lichtes und 
der Blüthe, bildet ein Seitenftüd zu der Liebe Bragis und Iduns, des 
Geſanges und der Sommergrüne, und bie Aehnlichteit diefer Mythen ift 
auftlärend für beide.’ Schon oben $. 32 ift darauf hingewieſen, daß ſich 
Idun mit Nanna berührt und fogar einmal Ranna genannt wird. Aber 
Uhland weiß auch den Zwerg Lit zu deuten, der dem Thör vor bie Füße 
läuft und den er im Unmuth über Baldurs Tod und Nannas, ihnen in 
daB Feuet nachſtößt. Es ift die Farbe (Lite), der reihe friſche Schmelz 
des Frühfommers, der mit hinab muß, wenn Baldur und Nanna zu 
Aſche werben. 

Daß die Staude zu jung ſchien, fie in Eid und Pflicht zu nehmen, 
tonnte und nicht ganz genügen; erſchreden aber müfte bie tiefe Proſa, 
die in ber natürlichen Grllärung des Wunders Fiegt, daß ſelbſt die Steine 
über Baldurs Tod meinten: ‚mie du ſchon gejehen haben wirft‘, jagt bie 
D., ‚daß alle dieſe Dinge weinen, wenn fie aus dem Froſt in die Wärme 
kommen.‘ Doch foll hiermit wohl nur die äußere Möglichkeit veranfchau: 
licht werden; fonft Tieße fich entgegnen , durch Baldurs Tod ſeien die 
Dinge im Gegentheil aus der Wärme in die Kälte gelommen. Die ganze 
Natur Hagte um Baldurd Tod, weil fie des Lichtes bebürftig üft, und 
feinem Leichenbegaͤngniſs wohnten vielerlei Gäfte bei, felbft Hrimthurfen 
umd Bergriefen, fonft ein lichtſcheues Gefleht und dem Steinreich ver: 
wanbt: alſo jcheinen aud fie des allbelebenden Lichts nicht ganz entra= 
then zu Können. Da möchte ein Stein fih erbarmen, fagen wir, wenn 
ein tiefed Weh uns ergreift, noch heute, und denken nicht mehr an ven 
Urfprung der Medendart. Aber wie ed eiwas Unnatürlihes fein mufte, 
das Baldurn verlegen konnte, jo wird Thöd, die ihn nicht aus Hels Ger 





534. Dich. und Dranpnir. 89 


walt weinen wollte, auf da® natürliche Gebiet nicht beſchräänlt werben 
dürfen: fie ift auf das fittlihe übertragen als der Gigennug, die Halte, 
berzlofe Gelbfuht, die aller Wohlthaten unerachtet, welche die ganze 
Belt von dem Heimgegangenen genoßen bat, fi in Unempfindlichleit ver- 
Rodt, weil nicht gerade fie, das Riefenweib in der Höhle, Bortheil von 
ihm gemoßen zu haben ſich erinnert, denn in ihren Schlupfwinfel drang 
das Licht des Tages nicht. Ihr Name ift und aber nur entftelt übers 
liefert: er follte Död heißen, das vom Licht unerhellte Dunkel. Die 
ganze Belt Uagte um Baldurd Tod, nur die Eigenſucht ward durch feine 
Xerbienfte nicht überwunden. Wenn bie jüngere Edda hinzufügt, man 
glaube Lofi fei dieſe Riefin geweſen, fo ift der Egoismus ald das böje 
Brincip gefaßt, defien Rolle fonft Loli unter den Göttern übernommen bat. 

Der Ring Draupnir, den Odin auf den Sceiterhaufen legte und 
ven ihm Balvur aus Held Haufe zum Anventen zurüdfandte, gewann 
ſeitdem bie jhon in feinem Namen angedeutete Eigenſchaft, daß jede neunte 
Nacht acht gleiche Goldringe von ihm tropften. Nach D. 61 beſaß er fie 
aber von Anfang an, da ihn die Zwerge bildeten. Wir haben ihn früber 
im Befig Freyrs und feines Dieners Skirnir gefunden, nebft- jenen eilf 
Aepfeln, die und an die Iduns erinnerten: beide beveuteten und dort, 
daß Freyr der Gott der Fruchtbarkeit und Vermehrung fei. Daß dieſe 
Aepfel jo wie jener Ring mehrfach wieberlehren, ift bei ber Verwandt: 
fat der Götter, die au im Gedanken ſich berühren, nicht zu verwun« 
dern. Wenn Baldur das Licht ift, ohne welches alles Wachſthum flodt, 
wenn Idun als eine Jahresgöttin fi auf die Trieblraft der im Früh: 
king erneuten Natur bezieht, jo können dieſe Attribute fo gut bei Balbur 
und Idun an ihrer Stelle fein, als bei Freytr. Man pflegt aber ben 
Ring auf die Phafen des Monds zu beziehen und jene Aepfel auf eilf 
Monatfonnen. Dieb mag gezwungen feinen ; doc läßt fi bei dem 
Ning der Gedanke an einen wiederlehrenden Zeitabfhnitt Taum zuräd: 
drängen: gewiſs ift die Woche gemeint, die vielleicht auch bei den Ger: 
manen einft wie bei den Römern 9 Tage zählte. Cine Hinbeutung auf 
die Woche finde id in Stimisför 39 : 

„Rad neun Nächten will Riördhe Sohne da 
Gerda Freude gönnen. 

Neun Nächte brauchte auch Hermodur zur Hel zu reiten und neun 
Nächte hieng Odin nad Hawam. 139 an der Weltejhe. Neun Walpurgiss 
nachte Bernalelen Alp. 109. 


90 Erweiterung. 334 


Auch Nanna, Baldur Gemahlin, ſendet Anvenfen aus Held Reid 
berauf: der Frigg einen Schleier oder Weberwurf, der Fulla einen Gold: 
ring. Den Schleier faßt Uhland als das Abzeichen der Hausfrau, das 
der Frigg gebührt wie der Fulla, ihrer Dienerin und BVertrauten, ber 
vollgewachſenen Jungfrau mit den flatternden Haaren (D. 35), der Ber: 
lobungsring. In beiden aber, Schleier und Golbring, erlennt er Blumen 
des Spätherbftes. Peterſen greift diefen Gebanten auf, erlaubt aber den 
Schleier in einen blumengeftidten Wiefenteppih zu wandeln, ber fi ber 
Göttin vor bie Füße fpreitet, wenn fie zur Erde nieberfteigt. So bürfte 
man aud Draupnir, dad Symbol der Fruchtbarkeit, als den Gegen des 
Herbſtes mit feiner neunfältigen Bermehrung verftehen. 

Bern Skirnir in Skirnisför davon fpriht, daß der Ring Draupnir 
mit Obins jungem Erben auf dem Holzftoß gelegen habe, fo muß bie 
Begebenbeit, von ber da die Rebe ift, darum nicht fpäter als Balburs 
Zod fallen, fo wenig als etwa die Rabenſchlacht darum vor Dietrichs 
Kampf mit Ede und feinen Brüdern zu legen ift, weil im Edenlied auf 
fie angefpielt wird, Weber das Götterepos noch die Heldendichtung ift 
das Wert eine® Einzelnen; aber leicht erihien jedem Dichter der Stoff 
des Liebes, das er aus dem Ganzen herausgriff, als ber Rittelpuutt, 
dem ſich alles Andere fügen muſte. 

Bei Freyt und Gerda, wie bei Iduns Niederfinten, ja ſchon bei 
Swabilfari haben wir bemerft, daß diefe Mythen fih urfpränglih auf 
jährlich wiederkehrende Ereigniſſe bezogen, bei ihrer Einflehtung in bie 
Geſchidke der Welt und ver Götter aber auf das große Weltenjahr ger 
deutet wurden, das mit Surturs Lohe zu Ende geht, und bem bann in 
der verjüngten Welt ein neues folgen wird. Diefelbe Bemerkung wieder⸗ 
holt fih hier: Baldur der Lichtgott ftirbt alljährlich und geht zur Hel; 
aber im nächften Halbjahr kehrt ex zu den Afen zurüd, und das ift das 
Urfprünglihe, daß er im Kreißlauf des Jahrs einmal herſcht und die 
Welt erfreut, dann aber ftirbt und von allen Weſen beflagt wird. Dabei 
ift es aber nicht geblieben: die Ausbildung, melde der Mythus im nor 
diſchen Glauben empfieng, faßte den Kreiplauf bes irdiſchen Jahrs nicht 
ind Auge, jondern das große Weltenjahr: Baldur geht zu He und kehrt 
nicht zurüd in diefer Welt, erft in der erneuten ift ihm Heimtehr vers 
beißen ; nicht der nachſte Frühling bringt ihn wieder, erſt die Wieder: 
geburt der Welt. Baldurs Tod ift jo der Mittelpunkt geworben für das 
große Drama von den Gefhiden ver Welt und der Götter, er ift mit 


5. 85. Brudermoid. a 


der Götterbämmerung und Lokis Befttafung untrennbar verbunden. Der 
Winter, welchen Baldurs Tod herbeiführt, ift fein gewöhnlicher, es if 
der Fimbulminter, dem fein Sommer folgt, fondern der Untergang 
der Welt. Hieraus ergiebt fi aber zugleich, daß unfer Mythus bei feir 
nem urſprünglichen Sinn nicht ftehen geblieben ift, feit er in das Ganze 
der Weltgeſchide verflohten warb: der Hauptgedanke, welcher bie ganze 
Götterlehre beherſcht, ver vom Untergang und Erneuerung der Welt, hat 
auch ihn fih unterworfen und bienftbar gemacht. Baldur ift jept nicht 
mehr das Licht allein, das heilige, reine; er ift zugleich die Heiligkeit, 
die Reinheit, die Unſchuld ber Götter, er ift vom natürlihen auf das 
fittliche Gebiet hinübergezogen. Was an den Göttern noch rein und 
gut war, ift in ihm zu perfönlicer Erſcheinung gelommen. Darum war 
er aber nun aud) zu gut für diefe Welt: er konnte unter diefen fünbigen 
Goͤttern nicht lange leben. Wie in der Genefis auf ven Fall durch den 
Genuß der verbotenen Frucht, auf den Berluft des Paradiefes der Bru: 
dermorb Kains an Abel folgt, fo ift es aud bier nicht genug, baß bie 
goldene Zeit verloren gieng: Loki der Werfucher bringt den Brudermord 
unter die Götter felbft, und der Brudermorb bezeichnet dem Germanen 
den Gipfel des fittlihen Verderbens; die Wölufpa läßt den Brud der 
Sippe, die Fehde zwiſchen Geſchwiſterten, ver Wolfszeit, da die Welt zers 
Kürzt, unmittelbar voraufgehen. 


35. Balderus und Hotherus. 


Bei Saro Gramm. fehen wir Baldur und Höbr von Göttern zu 
Helden herabgefunten,, die ſich hartnädig unter wechſelnden Erfolgen bes 
kriegen ; doc ift bei Balderus noch halbwege die göttlihe Abftammung 
gewahrt. Hotherus liebt die Nanna, die Tochter Gewars, eines norwe⸗ 
giſchen Königs, feines Pflegevaterd. Da er durch Gefang alle Herzen zu 
Trauer oder Freude, zu Haß oder Liebe zu ftimmen weiß, fo gewinnt er 
auch Nannas Gunft. Es geihah aber, daß Othins Sohn Balder Nanna 
im Babe ſah, und von ihrer Schönheit ergrifien ſich in Sehnſucht ver 
zehtt. Hieraus entjpinnt fi der Krieg, der dem Hother wenig Erfolg 
verheißt, da Balders heiliger Leib dem Eiſen undurchdringlich ift, wie 
ihm gewiſſe Waldfrauen verratben, in melden wir Dijen oder Waltüren 
ertennen. Gleichwohl weiß ihm Gewar ein Schwert, das ihn töbten lann; 
es muß aber einem Waldgeiſt, Namens Mimring, abgewonnen werden, 


” Salders Brunnen, 6. 8. 


fo wie aud ein Armring, deſſen Wunderkraft die Schäge mehrt. Als 
Hother ſich dieſes Schwert verſchafft hat, befiegt er den Balder in einer 
Seeſchlacht, obgleich Othin, Thoro und andere Götter ihm beiftehen. Diefer 
Thoro führt, wie Thör den Hammer, eine Keule, melde Hother unfchädlich 
macht, indem er ihr die Handhabe abſchlägt. Nach diefer Schlacht, von 
der nod ein Hafen fpriht, der Baldur Namen führt, vermählt fich 
Hother mit Nanna. In einer fpätern Schlacht ſchlägt Balder feinem dur⸗ 
Rigen Heer zur Labung einen Duell aus dem Boden und aud biejer 
Brunnen bewahrt nody feinen Namen. Diefer fiegreihen Schlacht folgt 
nod eine zweite; aber aud damit ift der Kampf noch nidt zu Balder 
Bortheil entſchieden. Hother birgt fi in einen tiefen, einfamen Wald, 
wo er in einer Höhle diefelben Waldfrauen trifft, die ihn ſchon einmal 
berathen und beichentt haben. Sie verheißen ihm Sieg, wenn er ven 
Genuß einer wunderbaren Speife, die von andern weiſen Frauen zu 
Balders Stärkung bereitet wird, ſich ſelber verfhaffe. Gr beginnt nun 
ven Krieg aufs Neue; die Nacht trennt die Heere. Gegen die britte 
Nachtwache umberirrend, gewahrt er vor Balders Lager die Jungfrauen, 
die fein Wundermal bereiten. Durch Geſang und Eitherfpiel gewinnt ex 
ihre Gunft, die aus dem Geifer dreier Schlangen bereitete Speife und 
‚einen fiegverleihenden Gürtel.” Auf der Heimkehr begegnet er dem Balder 
und verwundet ihn mit dem Schwerte Mimrings. Zwar läßt er ſich 
am folgenden Tage noch in einer Sänfte in die Schlacht tragen, um nicht 
im büftern Zelte zu fterben ; aber in der Nacht erfcheint ihm die Todes: 
göttin und am britten Tage ftirbt er an feiner Wunde. Er wird im 
Hügel beigefegt; der Leihenbrand auf dem Schiffe iſt auf ven Sachſen— 
tönig Gelder übertragen. Daß Odin, um für feinen Sopn Rache zu 
erlangen, num mit der Rinda einen andern Sohn erzeugt, der den Hother 


erſchlaͤgt, ift ſchon erwähnt worden. 

Die Grundzüge des Mythus find im dieſer Erzählung unſchwer 
wieder zu erfennen. Für die Umbildung der Götterfage in Helvenfage 
ift fie höchft lehrreich; daß der liederkundige Hother in der Hilden: und 
Gudrunfage erft zu Heorrenda, dann zu Horand, in ber deutſchen Sieg ⸗ 
friedfage zu dem einäugigen Hagen wird, haben ſchon Anbere bemerkt. 
Die Hagen den Siegfried mit dem Sper durchbohrt, fo Hother ben 
Balverus mit dem an die Stelle des Miſtelzweigs tretenden Zauberſchwert. 
Aber viel ſchlagender wird die Aehnlichleit, wenn wir die eddiſche Er⸗ 
zaͤhlung ©. 79 vergleihen, wo Loli von Frigg zu erfahren ſucht, wie 


%88. Mimring uud Mimung. 3 


Balbur getöbtet werben lönne. In ver beiten Meinung plaubert Frigg 
ans, was zu Baldurs Verberben führt; genau fo gelingt es Hagen von 
Kriembild auszuforfhen, wo Siegfried verwunbbar fei. Andere heften 
ſich daran, daß Hagen einäugig ift, nicht blind wie Hödhr, darum ver: 
gleihen fie ihn dem einäugigen Odin. Ich will aber felbft anführen, 

was fi) für diefe Vergleichung nod aufbringen läßt. Hagen heißt Dorn 
(paliurus) und Ddin ftiht die Brynhild mit dem Schlafdorn. Odin 
laßt fi allerdings in einigen Mythen als Todesgoit faßen, und mir 
wißen, daß Winter und Tod entiprehende Mythenſtuſen find. Hödr als 
Wintergott fällt jo gewißermaßen mit Odin als Todeögott zufammen, und 
fo mögen fie ſich auch im Höbhr berühren, und gleihfall® darin, daß 
Hödur (alth. Hada) ſchon dem Namen nad) Kriegägott ift wie Odin. 

Das Bauberfhwert, in das ſich der Miftelgmeig bei Saro gewandelt 

bat, ſcheint in der Geftalt der Hilvenfage, welhe D. 65 (M. Edda 353) 

enthält, zu dem Zwergenſchwerte Daindleif geworben, das Blut koſten 

muß, che es in feine Scheide zurüdtehrt. Der von Zwergen geſchmiedeten 

Schwerter, die zugleih mit einem Schag von Helven gewonnen wer: 
den, giebt es aber nod viel, in der Diettichsſage wie in ber von Sieg: 
fried; im diefer ftimmt zugleih der Name des Schmiedes Mime, von dem 
Siegfried in der Wiltinaf. fein Schwert gewinnt, und von dem ein ans 
deres, in ber Helvenfage berühmtes, Wittichs Schwert Mimung, den 

Namen hat, Mimring ſcheint zwifhen dem Niefen Mimir, von dem Mir 
mird Quell benannt if, und jenem Schmied Mime in der Mitte zu 
Reben, wie er aud als Waldmanı (silvarım satyrus) zwiſchen Riefen 

und Zwergen ſchwankt. Daß er das Schwert geſchmiedet habe, wird von 

Mimring nicht außbrüdlich berichtet, doch ergiebt es bie Wergleihung mit 

dem Schmiede Mime, und Niefen fowohl wie Zwerge jahen wir ſchon 

als Schmiede. In Mimrings jhagmehrenden Armring erlennt man leicht 

den Ring Draupnir, zugleih aber aud jenen Ning Andwaranaut, ber 

nach dem andern Sigurbäliede und D. 62 (M. Edda 341) das Niflungengold 

mehrte und im Nibelungenlieve durch die Wünfchelruthe vertreten wird, 

die bei dem Schat lag, der feine Unerſchöͤpflichleit bebingte. Indem 

Mimring aus Mimir gebildet ift und fein Wunderring mit Draupnie 
‚Sufammenfält, fehen wir und gezwungen, aus Mimird Erwägung vorweg ⸗ 

zunehmen, daß fein Haupt nah Sigrbrifumäl 13. 14 gleichfalls ein Schags 

träufler (Heibdraupnir) war. Thoͤrs Hammer bat fih in eine Keule vers 

wanbell; daß ihr die Handbabe abgejhlagen wird, ift derjelbe Zug, der 


da Sal der Güter, 8. 36. 


fih in D. 61 (M. Edda 399) wieberfindet, wo der Gtiel des Hammer 
fhon in der Schmiebe der Zwerge, die dieſes Kleinod nebft andern ſchaffen, 
gu kurz geräth. Bei Balders Quelle fehlt der Huficlag, fonft fände ſich 
bier der Urfprung einer fpäter auf Karl d. Gr. übertragenen und noch 
oft (Wolf Veitr. 133) wieberfehrenden Sage. Vgl. auch KM.107. Auf 
andere Webereinftimmungen ver Erzählung mit Baldurs Mythe hat Uhland 
hingewieſen. Daß Baldur die Nanna im Bade fieht, beutet er darauf, 
daß die bethaute Blüthe, die fih eben dem Lichte erfchliekt, am reizendſten 
Äft, unb wenn ber von Balder in vie Flucht geſchlagene Hother fih in 
abgelegener Wildniſs verbirgt, fo bezieht er dieß auf den Sieg des ſom⸗ 
merlichen Lichtes, wor bem der dunkle Hother nur noch im tiefften Waldes- 
ſchatten eine Buflucht findet. Wenn Baldur, nachdem er Nanna geſehen 
bat, ſich in Liebe verzehrt, fo erinnert er an Freyr, der auf Hlidſtialf 
Gerda gejehen hatte. Aber bei dieſem war das Siechthum die Gtrafe 
feiner Vermeßenheit; jo ift bier aud Balders Unſchuld befledt, als er 
Nama im Bade jah, denn ihre Meize, die ihn Nachts umgaukeln, rauben 
ihm den Schlaf. Hier fehen wir alſo den Fall der Götter, der in Bal- 
durs Tode offenbar wird, fih an Baldur felbft begeben. 


36. Baldur als Kriegs: oder Friedeusgott. 


Saros Crzählung giebt aber auch einer andern als der oben vor 
getragenen Deutung de3 Baldurmythus eine ftarle Stüge. Es muſte 
allerdings auffallen, daß alle in demſelben vorlommenden Namen gu ber 
eddiſchen Milde des Gottes wenig ftimmen, wie glei fein eigener nicht, 
da unfer bald in der alten Sprade wie das goth. balths audax (die 
beide mit dem Namen des Gottes verwandt fein Lönnen, Myth. IT. Ausg. 
S. 202), Kühnheit und Schnelligkeit ausprüdt, wie aud Nannas Name 
von ginendan, ſich erfühnen, abzuleiten wäre, Nimmt man hinzu, daß 
Höbur auf badu, Kampf, hinweift, mit dem in ber Heldenſage berühmte 
Eigennamen zufammengejept find; daß Hermöbr, der feinen Bruder aus 
der Unterwelt zurüdforbern fol, Heermuth (alth. herimuot) , Kriegsmuth 
bedeutet; daß vielleiht Baldurs nadhgeborener Bruder und Räder Wali 
auf den Rampfplag, die Walftatt zu beziehen ift, endlich angelf. Stamm: , 
tafeln dem Baldur einen und fonft unbelannten Sohn Brond oder Brand 
beilegen, welcher Name das Schwert bezeichnen kann und in ber Bufam: 
menfegung mit hadu- und hilde- wirkfi bedeutet, fo waltet fon in allen 


3 Aamyſouer. 9 


diefen Namen der Begriff des Kampfs und der Schlacht, was zu Saros 
Darſtellung, wo Balder und Hother fi unabläßig befriegen, auffallend 
Rimmt. Doc kann dagegen geltend gemacht werben, daß das goth. balths 
andax von dem alth. bezeugten Namen Paltar, welder dem nordiſchen 
Baldr entjpräde, abliegt, und in dem angeljähl. Namen ded Gottes, 
welcher Bäldäg lautet, eine Zufammenjegung mit -däg erſcheint, welches 
den Tag bebeutet, während ſich für bäl- aus der Vergleichung mit flavi- 
ſchen und litthauiſchen Wurzeln der Sinn von weiß und licht ergiebt. 
Baldäg würde demnach den lichten, glänzenden Gott des Tages bezeichnen. 
Bel 8.14. Ebenſo beveutet brond, brand altn: brandr, zunädft nur 
ſtralendes Licht, Fadel, brennende Scheite, und Schwert ſcheint erft eine 
abgeleitete Bedeutung, wie auch die Sonnenftralen als Pfeile aufgefaßt 
werden, da noch im Mittelhochd. sträl, und im Stalienifhen strale den 
Beil bezeichnet ; haben wir doch auch Freyrs Schwert ald den Gonnens 
Rral begriffen. Nannas Name bezeichnet fie mit Grund ala die kühne, 
infofern fie ſich entſchließt oder erſchließt, was gleihbebeutend ift; fo heißt 
auch Derwanbil, der mit dem Pfeil arbeitende, gleichſalls hin fräkni, der 
Kühne, obgleich er nichts weniger als ein Kampfgott ift, fondern bei dem 
Rothus von hör auf den Samenkeim gedeutet werben wird. Der Name 
Hermöbr rechtfertigt ſich ſchon aus bem ihm ertheilten Auftrag, bie 
Todtenwelt ald ein Lebender zu befuhen und über das Höllengitter bins 
weg zu fprengen. In ähnlicher Weile ließe ſich vielleicht aud der aus 
Hödurs Ramen hergenommene Einwurf befeitigen; jedenfalls muß er nicht 
ſchon feiner Blindheit wegen ein Kriegsgott fein, weil das Kriegsglüd 
blind fei oder der Krieg blind müthe. Bei der Richtung des germanifhen 
Lebens auf Kampf und Schlaht mag freilich ber Mythus ſchon frühe 
eine jolde Wendung befommen haben, ja ver Anlaß hierzu lag ſchon in 
feinem urfprünglien, von und bargelegten Ginne. Baldur und Höbur, 
Acht und Finſterniſs, find in den Gegenfag geftellt, e3 ift der Begenfag 
von Sommer und Winter, deren Kampf alljährlich ſich erneuert und daher 
auch jeden Frühling in ieitverbreiteten und wielgeftaltigen Boltsfeften 
(Ryıh. 715— 749) dramatifch dargeftellt wurde, woran und in noch fort: 
lebenden Gebräuden und in Jahresliedern der Kinder, die bier und da 
noch immer gefungen werden, Rachklaͤnge erhalten bleiben. Kaupfgoͤtier 
mögen es aljo immerhin fein, die ung in dem Mythus von Baldar und 
dodur namentlih nach Saros Faßung enigegentveten; aber ber erſte An⸗ 
laß fie fo zu faßen lag in dem Gegenſatz von Licht und Finſteruiſa, 


96 Germantfger Sciedensgott. %. 36. 


Sommer und Winter, deren zweimal alljährlich erneuerter Kampf bie 
‚ Einbifdungstraft unferes Volles vielfady beichäftigt hat. 

Zum Schluß will ich noch Weinhold Deutung (Zeitfer. VIL, 50) 
anführen, der auf Saro geftügt, in Baldur zwar einen milden Friedens: 
gott fieht, aber einen germanifgen Gott des Friedens, ber nur durd 
den Kampf zum’ Frieden bringe. Nah ihm war Baldur die Berlörpe: 
rung der Berföhnung,, die dur den Aſenbund unter den germaniſchen 
Göttern geflogen, aber nur durch den Kampf möglich geworden war. 
Diefer Friede kann nit ewig währen: nur die Dberflähe des Waßers 
Üft beruhigt, in der Tiefe gährt und brandet es und bereitet fih zum 
Sturm. ‚Die Götter ahnen den Untergang der Ruhe, Baldurs Tod 
liegt ihnen wie ein brüdender Traum auf der Seele, denn das ſchwaͤchſte 
und Heinfte (der Miftelzweig) kann diefen Frieden morden. Loli erhält 
num den völligen Abſchluß feines dämonifhen Weſens, er wird der Gott 
der vergeltenden Abrechnung. Gr regt den blinden Hoͤdhr, den Krieg, 
auf; ber Friedensgott fält. Zwar erfhlägt Wali, der Gott der Wal: 
ftatt, au den Hödhr; in ber blutigen Niederlage endet der Krieg; aber 
einmal verlegt und gebrochen ift Baldur unwiederbringlich verloren. Ranna, 
die edle Kühnheit, iſt der blinden Raferei erlegen, Hermodr will ver: 
gebens den Frieden zurüdführen, die Niefin Thöd, die Vergeltung, hin- 
dert es. Der heilige große Friede kann nur in einer neuen Welt wieder 
aufleben, darum ſchließt ſich an feinen Tod der Untergang der Welt und 
der Götter, und die fühnende Flamme durchglüht die befledte Erbe.’ 

Zu diefer Deutung, der wir Geift und Scharffinn nit abſprechen, 
ftimmt e3 nicht, wenn Hödur, der Krieg, in den Himmel der verjüngten, 
wiebergeborenen Belt aufgenommen wird, imo doch ewiger Friede walten 
fol. Auch befriedigt Walis Auffaßung wenig, menn er den Krieg in 
einer blutigen Niederlage zu Ende bringen foll, ohne body den Frieden 
zurüdführen zu konnen; eher könnte er nach der Nieverlage heißen, weil 
er fie zu rächen hat. Wenn endlih Ihöd die Vergeltung fein foll, alfo 
der Trieb zur Rache, welcher e3 hindert, daß Valdur, der Friede, zurüd: 
geführt werde, fo hat das zwar am meiften Schein, ift aber weder damit 
vereinbar, daß der Arieg (Hör) bereits duch Wali erſchlagen umd zu 
Ende gebracht fein fol, noch damit, daß alle übrigen Weſen Baldurs 
Tod beiveinen, alſo die Bedingung erfüllen, an die feine Heimkehr ge: 
Mmäpft iſt. Jedenfalls leidet diefe Deutung an einem innern Widerſpruch: 
‚wenn Hödr der Krieg ift, den die Blutrache (Thölh) nie zu Ende kommen 








% 86. Sortfjicbung der Mythen. 9 


läßt, fo Tann er nicht von Wali erſchlagen werben ; oder wenn Wali ven 
Krieg in einer blutigen Niederlage beenbigte, fo ann der Rüdkehr des 
Friedens nichts mehr im Wege ſtehen: die Unterſcheidung zwiſchen einem 
großen, heiligen Frieden und einem andern, den ver Mythus nicht daneben 
ſtellt, brauchen wir uns nicht gefallen zu laßen. 

Die vorftehenve Betrachtung der weitern Einbußen der Götter nad 
dem Berlufte der Unſchuld hat ergeben, daß die hier in das große Welt ⸗ 
drama vermwebten Mythen vemjelben urfprünglic fremd waren, indem fie 
fich ihrer wahren Bedeutung nad nicht auf die allgemeinen Weltgeſchide 
bezogen, ſondern das gewöhnliche Jahr betrafen, won bem fie erft auf das 
große Weltenjahr übertragen wurden. Baldurs Tod fehen wir aber ſchon 
in der Wölufpa in diefem allgemeinen Sinn aufgefaßt und den Mythus 
von Swabilfari zu gleihem Zwed verwendet; vielleicht hat fie dadurch 
Beranlafung gegeben, auch bie Mythen von Freys Hingabe des Schwerts 
und von Iduns Blätterfall mit den Weltgeihiden und dem legten Kampf 
in Berbindung zu bringen. 

Außer biefen Einbußen der Götter ließen ſich noch andere zur Sprache 
bringen, z.B. wenn Odin dad Auge, Tyr ben Arm verliert. Aber theils 
find die hierauf bezüglichen Erzählungen nur erfunden um des Ginen Ein» 
augigleit, des Andern Ginarmigleit zu erflären, theils werben fie in um 
fern Quellen nicht näher auf die Geſchide der Welt und der Götter ber 
zogen, und wenn Tyts Verluft des Arms in einem unten zu erläuternden 
Mythus vorkommt, ber fi) allerding8 auf den Kampf ber Götter gegen 
die Riefen bezieht, fo bleibt er doch für die legte Entſcheidung gleiche 
gültig, bei welcher dem Tyr, wie wir fehen werben, nicht einmal eine - 
Rolle zugetpeilt ift. Scheinen könnte es zwar, ala ob Wöl.22 dur die 
ſchauerliche Frage: ‚Wißt ihr was das bebeutet ?' auch Odins an Mimir 
verpfändetes Auge auf die legte Entſcheidung beziehen wollte; genauer ber 
trachtet ift aber nur fein Methtrinken aus diefer Duelle auf fie bezogen, 
wobei es zweifelhaft bleibt, ob darin eine Gefahr für die Götter gefunden 
wird, daß Allvater fi in die Vergangenheit verjenkt ftatt den Blid in 
die Zukunſt zu richten und ben Anforderungen des Augenblids zu genü- 
gen, ober, und bafür entſcheiden wir und, ob hier wie Str. 47 in den 
Borten: 

Odin murmelt mit Mimirs Haupt 
auf die Auffhlüße hingebeutet wird, welde bie Vergangenheit mittelbar 
über die Zukunft geben kann. Auf jene haben wir $.19 Mimirs Brunnen 
Cimred, Mirhelsgic. 7 


38 Keil. % 87. 


gedeutet, und damit beide Stellen ber Wölufpa (Str. 23 und 47) dem 
nicht entgegenizuftehen feinen, müßen wir noch einmal an bie Worte 
unfered Dichters erinnern: 

Denn Alles was entfteht, 

Iſt werth, daß es zu Grunde geht. 


Die Vorkehrungen der Götter, 


37. Loki in der Trilogie der Götter. 


Schon mit dem Berlufte der Unſchuld hätte die Götter die Ahnung 
des Untergangs ergreifen follen; aber exit nach Baldurd Tode, melden 
fie nicht hatten verhindern konnen, fanden fie es nöthig, dem herein« 
brechenden Verderben entgegen zu wirken. Buerft fuchen fie ven Loki, 
von dem bisher alles Uebel ausgegangen war, unſchädlich zu machen, 
dann aber durch Feßelung des Wolfes Fenrir den Untergang abzuwehren. 
Leider vergehen fie babei, die als Fenrirs Geflecht bezeichneten Wölfe 
8.13, die fih von Fleiſch und Blut ver im Brubermord Erſchlagenen 
nähren und des Himmels Lichtern nachftellen, gleichfalls in Feßeln zu 
fhlagen, durch welche Verſaumniſs fpäter ſowohl Loki ald Fenrir befreit 
werden und der Tag des Untergangs hereinbricht. 

Auf Baldurs Tod läßt die jüngere Edda D. 50 Lolis Beftrafung 
folgen, während er nad Degisdreda erft noch die übrigen Götter bei dem 
Gaftmal Degirs verhöhnt, wonach denn daß über ihn verhängte Gericht 
als eine Strafe für diefen Frevel, die Beihimpfung ver Ajen, erſcheint. 
Loki hatte aber mehr an den Göttern verſchuldet als Baldurs Tod und 
jedenfalls mehr als jene Verläfterung bei Degird Gaftmal und barum 
ſiud wir nicht verpflichtet, der einen oder der andern Weife zu folgen. 
Wir müßen Lolis Verhältnifs zu den Göttern im Ganzen betradten, mar 
mentlich aud feine Verwandtſchaft mit der Todesgoͤttin Hel, mit der Mid⸗ 
gardeſchlange und dem Fenriswolf, erft dann können wir bie über ihm 
verhängte Strafe begreifen. 


& 37. Wanderungen der Götter. ” 


Die jümgere Edda geht, als fie auf ihm zu fprehen Iommt (D.33), 
ſehr übel mit ihm um und nennt ihm nicht blos den PVerläfterer der 
Götter, wa auf jenes Lied von Degirs Gaftmal zu deuten fcheint, ſon⸗ 
dern auch den Anftifter alles Betrugs und eine Schande der Götter und 
Menſchen. Wenn er das war, und allerdings giebt es Mythen , die ihn 
in biefem Lichte erſcheinen laßen, fo fragt es fi, wie ift er unter die 
Götter Asgards gelommen und warum duldeten fie ihn im ihrer Mitte? 

In den bisher betrachteten Mythen erſchien Loki zum Theil in einem 
mildern Lichte. Schon mehrmals fanden wir ihn mit Odin und Hönir 
auf der Wanderſchaft begriffen. So bei ber Erſchaffung der Menfchen, 
wo Gr e3 war, ber dem Menfchen Blut und blühende Farbe verlieh. 
Diefelbe wandernde Trias trafen wir zum anbernmal bei dem erften 
Mythus von Idun und wir werben ihr noch öfter wieder begegnen. Wie 
die vergleichende Mythologie lehrt, find es aber immer die Gauptgötter, 
die bei folhen Wanderungen der Götter, die fpäter auf Chriſtus und feine 
Apoftel übertragen wurden, zu den Menden herabfteigen. Die Erſchaf ⸗ 
fung des Menſchengeſchlechts legte D. 9 den Söhnen Börs, alfo der Brus 
derdreiheit Odin, Wili und We bei: dieß läßt vermuthen, daß auch Odin 
Hönir und Loli als Brüder gedacht waren. Die Betrachtung einiger an⸗ 
dern Brüderbreiheiten wird dem zur Beſtaͤtigung dienen. Nach D. 83 
bat Lofi zwei Brüder, Bileifte und Helblindi. Vgl. Wöl. 51. Hyndlul. 37, 
wo Loti als Bileiſtrs Bruder gelennzeichnet wird. Nun heißt aber auch 
Odin Bileiftr und fo wird er ımter Lokis Bruder Bileifte verftanden 
und Helblindi auf Höniz zu beziehen fein. Es findet fi aber aud bei 
den Niefen eine foldhe Brüberbreiheit. Die Söhne Fornjot des Alten 
heißen Ari (Hlör) Degir und Logi, die Glementargötter der Luft, des 
Waßers und des Feuers ; fie lehren hernach in ber Helvenfage als Faſolt 
Ede und Gbenröt wieder, Kari heißt der Rauſchende und Bileifte (Byl⸗ 
leiſtr) wird mit Weinhold, Zeitſchtift VII, 6 als der Sturmlöfer zu ver⸗ 
Reben fein, fo daß beiden die Herſchaft über den Wind gebührt, wie 
Degir oder Helblinvi dem Meere, Logi ober Loli dem euer gebietet. 
Die Rieſen kennen wir als das ältefte Göttergefhleht, das dem fpätern 
vielſach zu Grunde liegt. Wie dem Loki unter den Göttern jener Rieſe 
Logi-Ebenröt entfpriht, fo jener Zuftriefe Käri dem Odin, Degir dem 
Henir: mit andern Worten, bie Götter der Trias waren urfprünglid 
pmentargötter, dem Weſen jedes ber breie liegt eins der Glemente, Luft, 
Baer und Feuer zu Grunde und von dieſer ihrer elementaren Natur ift 


100 Trilogieen. 8. 87. 


erft ihre geiftige Bedeutung ausgegangen. Wir dürfen demnach bie grier 
chiſche Trias Zeus Poſeidon Hephaiſtos daneben ftellen. So ergiebt ſich 
das Schema: 


Luft Waßer deuer 
aari Degir Logi 
Faſolt Ede GEhenröt 
Bileiſtt Helblindi Loti 

Odin Honir Loti 

Zeus BVofeidon Hephaiftos. 


Bugleich zeigt ih die Trias Odin Wii We, weil fie mehr eine 
geiftige Bebeutung zu haben f&eint, wenn wirklich Wili auf den Willen 
zu beziehen ift, al3 eine fpätere. 

Daß Loki in der Altern Götterfage Odind Bruder war, Mingt nody 
in der Degisdreda nad, wo Loli Str. 9 ſich rühmen darf, in der Urzeit 
das Blut mit Odin gemiſcht zu haben, befanntlih die Weife, wie das 
Freundſchaftsbundniſs feierlich eingegangen ward, denn bie |. g. Bluts- 
brũderſchaft ift eine Nachbildung der natürliben Verwandtſchaft. 

Seit dem Frieden mit den Wanen verſchwindet Honir, der zweite 
Bruder, aus Asgard: er war den Wanen als Geifel hingegeben worden, 
melde dafür den Niördr ftellten, gleichfalld einen Gott, der das Clement 
des Waßers zur Grundlage hat. Loki, der dritte Bruder, blieb unter 
den Aſen; aber feit die Götter fündig geworben waren, fehen wir ihn 
immer mehr in ein ungünftiges Licht geftellt, er erſcheint nur noch al 
Odins Feind, nicht mehr als fein Bruder. Neben Loki befteht aber Logi, 
das Glementarfeuer, noch fort, mit welchem Loki fogar einmal einen Wett- 
lampf eingeht. Ja neben Lofi zeigt fi bei berfelben Gelegenheit noch 
Utgarbhaloli, Saros Utgarthilocus, ein außerweltlicher Loli, der fih zu 
jenem etwa wie Pluto zu Hephäftos verhält. 

Das Räthfel, wie Loli, die Schande ver Götter und Menſchen, unter 
den Aſen bis dahin gebulvet worden war, hat und num die Geſchichte der 
Mothenbildung gelöft. Seinem Weſen lag eine elementare Macht zu 
Grunde, das Feuer, und wie biefe Clement einerjeits wohlthätig wirkt, 
andererſeits aber auch zerftörend, fo zeigt fi uns dieß aud in der dop⸗ 
pelten Natur Lois. Als Gott des Feuers muß er unter bie Aſen ger 
tommen fein; aber außer der Thrymskwida, von der nachher, ift uns faum 
ein Mythus erhalten, worin feine wohlthätige Natur allein zu Tage träte; 
vielmehr ſcheint es der Dichtung darum zu thum, die Doppelfinnigleit 


8. 37. eoſar. 101 


feines Weſens aufzubeden. Selbft in D. 61, mo er dod alle Kleinode 
(Attribute) der Götter, Thors Hammer, Freys Schiff u. ſ. w. durch bie 
ihm nahverwandten Zwerge ſchmieden laßt, if er den Göttern fo herrliche 
Geſchenle zu bieten durch einen Diebftahl bewogen, deſſen er ſich ſchuldig 
gemacht hat, indem er ber Sif hinterliftiger Weiſe das Haar abſchor; ja 
den Werth der drei legten Geſchenke gedachte er felber zu verfümmern, 
indem er in Geftalt der Fliege den Zwerg Brod ſtach, der ven Blajebalg 
309, was aud bei dem Kammer den Erfolg hatte, daß der Stiel zu kurz 
gerieth. Weberhaupt ſucht dieſe Erzählung Lokis Liften und Tüden fo fehr 
heworzuheben, daß dadurch fein Verhältnifs zu den Zwergen, zu deren 
Etſchaffung er gerathen haben, und ald deren Stammvater Lofar (Wöl. 
14. 16) er zu betrachten fein wird, ganz verbunfelt iſt. Nur eine Mels 
dung, die wir noch dazu al3 Vorwurf gegen ihn gewendet fehen, ſpricht 
ihrem wahren Sinne nad die mohlthätige Natur des Feuers unverküms 
mert aus. Nach Degisbr. 23 war er acht Winter unter der Erbe mil: 
Sende Kuh und Mutter, was Weinhold 11 richtig barauf deutet, daß er 
als Gott der Fruchtbarkeit gefaßt ward. Die acht Winter find wie bie 
acht Raflen, die Thörs Hammer unter der Erde verborgen war, ©. 62, 
als acht Wintermonate des Nordens zu verftehen, in denen mit ber Wärme 
die hervorbringenve Kraft der Natur unter die Erde geflüchtet if. Vgl. Kuhn 
BE. 126. Sehen wir, wie ihn die bisher betrachteten Mythen barftellten. In 
der Böttertrias, die bei der Schöpfung des Menſchen wirkte, gab er ihm Blut 
und blühende Farbe ; ald Lebenswärme unentbehrlich, aber als Sinnlichkeit 
ein zweibeutiges Geſchenk. Eben fo doppelfinnig erfhien er in dem My: 
thus von dem Baumeifter, wo er den Göttern erft verderblichen Rath— 
ſchlag gab, dann aber ald warmer Sudwind das Eis des Winters wieder 
aufthaute und die Welt von der Gefahr des Erſtarrens befreite. Seiner 
elementaren Natur eben jo gemäß begleitet er in ber Thrymskwida als 
warmer Frühlingswind den erwachten Donnergott in dad Land der rauhen 
Winterftürme ; alles Bösartige bleibt hier von ihm fern wie ſchon Wein⸗ 
hold 22 bemerkt hat, denn er giebt dem Niefen nicht den Rath, Freyja 
za verlangen, und als Thrym wegen feiner Braut Verdacht ſchöpft, wendet 
er durch feine Gewanbtheit jeden Schaden von ven Göttern ab. Ob ihn 
bei dem Bertrage mit dem Baumeifter mit Recht ein Vorwurf traf, möchte 
man hiernach fat bezweifeln ; die Erzählung D. 42 geräth mit ſich felber 
in Widerſpruch, indem fie Anfangs nur berichtet, Loki habe dem Baus 
meifter die Erlaubnifs ausgewirkt, ſich feines Pferdes Swadilfari zu ber 


108 U. 3.88. 


dienen, während er weiterhin zu dem ganzen ven Göttern gefährlihen 
Vertrag gerathen haben foll. Bmeideutiger war wieder fein Verhalten im 
dem erften Mythus von Idun, die er an Thiaffi verräth; aber ed liegt 
in feiner Natur begründet : die Sonnengluth hatte das frifhe Sommergrän 
verfengt und dem Winter falb und welt überliefert ; im folgenden Lenz 
bradte er als warmer Fruhlingshauch den Keim des Pflanzenlebens zurfidl. 
Erſt in dem Mythus von Baldurs Tod tritt die verderblige Seite feines 
Weſens allein und entſchieden hervor : das Recht der Dichtung, den Rath⸗ 
ſchlag zu Baldurs Tod, vielleicht aud ſchon jeven frühern bedenklichen 
Ralhſchlag von ihm ausgehen zu laßen, liegt in ber zerftörenden Ratur 
des Feuers. Hierauf fußend behandeln ihn die Mytben nun freier, fie 
fpielen ihn auf das fittlihe Gebiet hinüber, wo ihm im Verleht mit den 
fündigen Göttern von der Natur bed Feuers nur noch feine zerftörenve 
aber zugleih reinigende Kraft belaßen ift. Gr erſcheint jegt nad Uhlands 
Ausdrud als das leife Verderben, dad raſtlos unter den Göttern umher 
ſchleicht, und dieß fein verderbliches Wirken wird poetiſch als Liſt und 
Betrug, als ſchaͤdlichet Rathſchlag eingelleidet, durch die er die Götter 
täufct und zu Schaden bringt, Noch mehr auf das fittlihe Gebiet ge 
rüdt fehen wir ihn in den folgenden Mythen, wo er ald Urheber alles 
Uebels in der Welt, als der Vater dreier Göttern und Menſchen verderb⸗ 
lichen Ungeheuer dargeftellt if. Che wir aber dieje mittheilen, faßen wir 
erſt feine Abftammung und feinen Namen ind Auge. 


38. Lofis Abſtammung und Name 


Nah D. 33 war fein Vater der Niefe Farbauti, feine Mutter heißt 
Laufey oder Nal. Daß er den Niefen verwandt ift, kounten wir ſchon 
daraus fhließen, daß unter den Söhnen Fornjot3, des alten Riefen, 6.99, 
Logi ihm entſpricht, ja faſt mit ihm zuſammenfällt. Möglih, daß Far- 
bauti, der Führer des Boote, eben dieſer alte Rieſe und zugleich jener 
Bergelmir, $. 9, ift, der fi im Boote vor der großen Flut barg, welche 
Pmir des Urriefen Tod verurfadhte. Dann könnte in Lolis Mutter Laufey 
die Laubinfel gemeint fein, welcher Farbauti zuruderte; ihren andern Na- 
men Näl hat Uhland 5.21 auf das Schiffsweſen gedeutet, da fi nälar 
unter den Benennungen der Schiffe findet. Die Deutung auf bie zarte 
und ſchmiegſame Nadel in der Erzählung von Brifingamen (Raſt 355) ift 
geſucht; dennod hält Weinhold 693 die Nadel fe und deutet fie auf 


8. 89, Serifalcbung des Seprifr. 108 


die Schlange, zumal Loli Hauftlaung 12 (Staldif. 22) öglis barn, Sohn 
der Schlange heiße, was aber die neue Ausg. Hafnise 1848 richtiger 
mit Fallenfohn überträgt. Sein eigener Name if wie ber Logis von 
liahsn lucere. berzuleiten, womit lux, das Licht, Lynceus, der Weit 
ſchauende, Asuxös, das Weitfichtbare, Weitblinlende, urverwandt if. In 
Bezug auf Logis Namen ift diefe Abftammung anerkannt; ben im Laut 
fortgeſchobesen Loli nennt Myth. 231 zugleih eine Fortſchiebung bes 
Begrifid, indem aus dem plumpen Rieſen ein ſchlauer, verführeriſcher 
Böfewicht geworden fei. Das wollte id gelten laßen; aber auf der fols 
genden Seite heißt es auch, Loli fei fheinbar zu ber Wurzel Inkam 
elauders übergeireten. Wenn das Wort ſcheinbar betont wird, fo babe 
ich auch dagegen nichta; ſcheinbar, nicht in der That kommt Lofis Name 
von lukan claudere : das leuchtende Element des Feuers if allein Die 
Quelle feines Weſens und Namens. Das Feuer war nod anders perfor 
uificiert als in ihm und hieß dann immer Logi: zur Unterſcheidung von 
jenen andern mythiſchen Weſen war ſchon die gleichfalls nur ſcheinbare 
Berhärtung feines Namens aus g in E behülflih. Aber fchen urfprüngs 
lich durfte fein Name Loti lauten, da die Sauskritwurzel läg, die allen 
dieſen Formen zu Grunde liegt, ſchon ein g zeigt, das in E regelgemäß 
verſchoben wird, fo daß in Logi eben fo eine Erweichung ber Namens⸗ 
form als in Loli eine Verhärtung gefunden werben kaun. Weiter ala 
Grimm gieng Upland, welder ven Loli ald den Endiger, das Ende der 
Dinge (alte. lok consummstio) faßte, und dem Heimdall ala dem Au⸗ 
fang gegenüberfiellte, von welchem bie Geſchlechter der Menſchen ausgehen, 
der jedes leifefte Werben erlaufht, das Gras auf bem Felde und bie 
Bolle auf den Schafen wachſen hört. Ein Gegenfag beider ift in unſern 
Quellen darin anerlannt, daß fie Heimball und Loli nicht bloß im legten 
eitlampfe gegeneinander orbnen. Loki führt allerdings das Ende ber 
Dinge berbei, fon weil er das Feuer ift und die Welt im Teuer zu 
Grunde gebt; fein Name wird aber richtiger von dem leuchtenden Feuer 
als vom Gndigen erllärt. Bl. $. 42. 


39. Lokis böfe Nachkommenſchaft und Fenrirs Feßelung · 


Mit feinem Weibe Sighn hatte Loki zwei Söhne, deren hernach ge 
Macht werben joll ; auferkem aber zeugte er nad) D. 34 mit Angurboda, 
einem Riefenweibe in Jötunheim, drei Kinder: dad erfte war ber Fenrig« 


104 Läding Droma Gleipnir. 8.39. 


wolf, das andere Jörmungande, d. i. die Midgardſchlange, das britte Hel. 
Als aber die. Götter erfuhren, daß biefe drei Geſchwiſter in Zötunheim 
erzogen wurden und buch Weißagung erfannten, daß ihnen. von biefen 
Geſchwiſtern Verrath und großes Unheil bevorftehe, und Alle Böfes von 
Mutters, aber noch Schlimmeres von Vaterswegen von ihnen erwarten zw 
müßen glaubten, ſchidte Alvater die Götter, daß fie biefe Kinder nähmen 
und zu ihm brädten. Als viefe aber zu ihm famen, warf er die Sälange 
in die tiefe See, melde alle Länder umgiebt, wo die Schlange zu folder 
Größe erwuchs, daß fie mitten im Meere um alle Länder liegt und fi 
in den Schwanz beißt. Die Hel aber warf er hinab nad Niflheim und 
gab ihr Gewalt über die neunte Welt (oder über neun Welten, vgl.$.15), 
daß fie denen Wohnungen anmwiefe, die zu ihr geſendet würden, ſolchen 
nämlich, die vor Alter oder an Krankheiten fterben. 

Den Wolf erzogen die Götter bei fih und Tor allein hatte ven 
Muth, zu ihm zu gehen und ihm Chen zu geben. Und als die Götter 
ſahen, wie ſeht er jeven Tag wuchs und alle Vorherfagungen melbeten, 
daß er zu ihrem Verderben beftimmt fei, da faßten die Afen den Beſchluß, 
eine ſehr ftarte Feßel zu machen, welche fie Läding oder Leuthing hießen. 
Die brachten fie dem Wolf und baten ihn, feine Araft an der Feßel zu 
verfügen. Der Wolf hielt das Band nicht für überftart und lieh fie 
damit machen was fie wollten. Und das erſtemal, daß der Wolf ſich 
ftredte, brach diefe Feßel und er war frei von Läding. Darnach mad 
ten die Aſen eine noch halbmal ftärkere Feßel, die fie Dröma nannten 
und baten ben Wolf, auch dieſe Feel zu verfuhen und fagten, er würde 
feiner Kraft wegen fehr berühmt werden, wenn ein fo ſtarkes Geſchmeide 
ihn nicht halten könne. Der Wolf bedachte, daß diefe Feßel viel ftärker 
fei, daß aber auch feine Kraft gewachſen wäre, feit er dad Band Läding 
gebroden hatte: da kam ihm in den Sinn, er müße fchon einige Gefahr 
beftehen, wenn er berühmt werben wolle, und ließ bie Feßel fih anlegen. 
Und als die Afen fagten, es fei geſchehen, fehüttelte fih der Wolf und 
redte fih und flug die Feßel an ben Boden, daß weit die Stüde davon 
flogen, und fo brad er fih-Io8 von Droma. Darnach fürhteten die 
Aſen, fie würden den Wolf nicht binden können. Da ſchickte Allvater den 
Jüngling Efirmir genannt, der Freys Diener war, zu einigen Zwergen 
in Swartalfaheim und ließ die Feßel fertigen, die Gleipnir heißt. Sie 
war aus ſechſerlei Dingen gemacht: aus dem Schall des Ragentrittes, dem 
Bart der Weiber, ven Wurzeln der Berge, den Sehnen der Bären, ber 


439. Zeidenband. 105 


Stimme der Fifhe und dem Speichel ver Vögel. Diefe Feßel war ſchlicht 
und weih wie ein Seidenband und doch ſtark und feſt. Als fie den 
Afen gebracht wurde, dankten fie dem Boten für dad wohlverrichtete Ges 
ſchäft und fuhren dann auf die Inſel Lyngwi im See Amfmartnir, riefen 
den Wolf herbei und zeigten ihm das Seidenband und baten ihn, es zu 
jerreißen. Sie fagten, es wäre wohl etwas färler, als es nad feiner 
Dide dad Ausſehen hätte, Sie gaben es Ciner dem Andern und ver- 
fußten ihre Stärke daran; aber es riß nicht. Doch fagten fie, der Wolf 
werde es wohl zerreißen mögen. Der Wolf antwortete: Um biefe Kette 
dünft es mich fo, ald wenn ich wenig Ehre damit einlegen möchte, wenn 
ih aud ein fo ſchwaches Band entzweirige ; falls es aber mit Liſt und 
Betrug gemacht ift, obgleich es fo ſchwach ſcheint, ſo Tommt es nicht an 
meine Füße. Da ſagten die Aſen, er möge leicht ein fo dünnes Seiden⸗ 
band zerreißen, da er zuvor die ſchweren Gifenfepeln zerbrochen habe. 
Wenn du aber dieſes Band nicht zerreißen kannſt, jo haben die Götter ſich 
nit vor dir zu fürdten und mir werben did dann löfen. Der Wolf 
antwortete: Wenn ihr mich fo feft bindet, daß ich mich felbft nicht löfen 
tann, fo fpottet ihr mein und es wird mir fpät werben, Hülfe von euch 
8 erlangen: darum bin ich nicht gefonnen, mir dieß Band anlegen zw 
lafen. Damit ihr mi aber nicht der Feigheit zeiht, fo lege Einer von 
end) feine Hand in meinen Mund zum Unterpfand, daß es ohne Fall 
hergeht. Da fah ein Aſe den andern an; bie Gefahr dauchte fie boppelt 
groß und Keiner wollte feine Sand herleihen, bis enblid gr feine Rechte 
darbot umd fie dem Wolf in den Mund legte. Und da der Wolf fih 
tedte, da erhärtete das Band und je mehr er ſich anftrengte, deſto ftärker 
warb ed. Da lachten Alle außer Tyr, denn er verlor feine Hand. Als 
vie Afen fahen, daß ver Wolf völlig gebunden fei, nahmen fie den Strid 
am Ende der Feßel, ver Gelgia hieß, und zogen ihn durch einen großen 
Felfen Gidll genannt und feftigten den Felſen tief im Grunde der Erbe. 
Auch nahmen fie noch ein anderes Felfenftüäd, Thwiti genannt, ba fie 
noch tiefer in die Erbe verjenkten und das ihnen als Widerhalt diente. 
Der Bolf rip den Rachen furchtbar auf, ſchnappte nach ihnen und wollte 
fie beißen; aber fie ftedten ihm ein Schwert in den Gaumen, daß das 
‚Heft wider den Unterkiefer und bie Spige gegen den Öberfiefer ftand: 
damit ift ihm das Maul geſperrt. Er heult entfeglih und Geifer vinnt 
ans feinem Bund und wird zu dem Fluße, den man Wan nennt. Alſo 
biegt er bis zur Götterbämmerung. 


106 Gas. 8. 40. 


Eine feibene Schnur that in Wengzigs Weſtſlaviſchem Marchenſchad 
153 gleiche Wirkung tie unſer Seidenband: je mehr der Gefeßelte ſich 
dehnt, je tiefer ſchneidet es in fein Fleiſch ein. 


40. Bedeutung Lokis, Feurirs, Surturs und der Midgards 
ſchlange. 

Der drei Kinder wegen, die Loki mit Angurboda (der Angſtbotin) 
nad; vorftehendem Bericht erzeugte, braucht man ihn weder zu einem 
Waßergotte noch zu einem Todtengotte zu machen. Gr erſcheint als ber 
Urheber alles Berberblihen in der Welt: als der Vater der heißhungrigen 
Hel, die alle Lebenden verihlingt, des Fenriswolies, der den Weltenvater 
felber im legten Weltlampfe verſchlingen foll, ver Midgardſchlange, dem 
Symbol des Weltmeerd, das am jüngften Tage aus feinen Ufern treten 
und bie gange Erbe überfluten, die legten Spuren menſchlichen Daſeins 
vertilgen wird. Wie das Feuer, das zerftärende Clement, bem Weſen 
Lotis gu Grunde Tiegt, fo ift er, indem folde Kinder ihm beigelegt twerben, 
als ver Zerftörer gefaßt. Die Midgardſchlange führt den Ramen Jar 
mungandr, welcher fie wörtlich al ben allgemeinen Wolf bezeichnet, der 
die Erbe verſchlingt. Man muß begriffen haben, daß ber Wolf dem 
Mythus das verſchlingende Thier ift, um es nicht auffallend zu finden, 
daß die Midgardſchlange, dad weltumgürtende Meer, durch ihren Namen 
als Wolf bezeichnet wird. Zwar fehen wir ven Namen Joͤrmungandt 
wohl auch bem Fenriswolf beigelegt, vgl. Uhland 169, als dem Ber 
f&linger Odin ; aber es fcheint auf guten Gründen zu ruben, wenn GE 
16 den Wolf Wanargandr nennt, weil feinem Rachen ver Fluß Wan 
entipringt, ihm aber die Midgardſchlange unter dem Namen JZörmun 
gandr entgegenfiellt. Wir haben es aljo mit drei Verſchlingern zu thun, 
von welchen zweie eben beöhalb Wölfe (gandr) heißen; ihmen ift in Lo, 
der in diefem Mythus, der einen Seite des Elements gemäß, als ber Zer⸗ 
ſibrer aufgefaßt ift, ein völlig gemäßer Vater gefunden, wie alt auch dieſe 
Vaterſchaft fei. Ste macht ihn darum noch zu feinem Wapergotte, wenn 
gleich auch der Rame Fenrirs an das Meer erinnert, denn allerdings be 
deutet Ten, daB auch in Fenſalir (Meerfäle), der Wohnung der Frigg, 
erfheint, erft auf zweiter Stufe Sumpf (ital. fango, franz. fange ; ugL 
das hohe Benn), urfprünglic aber das Meer. Dieſes Namens unetachtet 
ſehe ich in Fenrir nicht ‚den Geift der dunleln Meeredtiefe‘; jener ift ihm 


£40. Zohl kein Weßergstt. 107 


wer beigelegt, weil das Meer das verſchlingende Element ift, wie der 
Bolf das verfchlingende Thier. So find auch Hati und Sköll, vie am 
fingen Tage Mond und Sonne verſchlingen follen, als Wölfe vargeftellt ; 
dab fie Wölufp. 32 Fenrird Geſchlecht heißen bürfen, liegt nur darin, 
daß diefer der berühmtefte ift unter allen verſchlingenden Wölfen. 

Bei der Midgardſchlange ift es einleuchtend, daß fie den Ning bes 
Reeres bedeutet, der die Erde umſchließt: es heißt von ihr, daß fie im 
Meer um alle Länder liege und fi in den Schwanz beiße. Unſte Bor 
fahren dachten fi, wie ſchon die Alten, die Erbe tellerförmig und rings 
don dem Meere begrenzt, das fih als ein ſchmaler Meif, einer Schlange 
dergleichbat, umberlegte. Indem diefe Schlange in unferm Mythus als 
ein Ungethüm aufgefaßt wirb, bebeutet fie nicht das beruhigte ſchiffbare 
Meer, welches in Niördr perfonificiert ift; es genügt nicht einmal ganz, 
wm fügen, fie ſtelle das unwirthlihe, ſtürmiſche Meer vor, welches die 
Schiffe zerjglägt und die Menſchen hinabzieht. Wäre nur der Born des 
Reeves, die feindfelig und zerftörungsgierig anftrebende Urkraft des Eier 
wert in ihr verfinnliht, und man kann allenfalls zugeben, daß fie bei 
Ks erftiem Kampfe (in ber Hymisfoiba) richtig fo gefaßt werde, 
fo brauchte fe nicht von Loki erzeugt zu fein; es genügte, ihr überhaupt 
tiefge Abkunft beizulegen. Ihr Auftreten im legten Weltlampfe, wo fie 
gegen Thör georbnet ift, der fie nun zum andernmal betämpft, 
hat aber den Ginn, daß das Meer die Dämme brechen umd die ganze 
Belt überfiuten wird. Zwar melden dieß unfere Quellen nirgend aus⸗ 
dridich, aber angebeutet ift es Wöl. 56 in den Worten ‚bie Erde finkt 
ind Meer,’ und worauögefept Str. 57, wo bie Erde zum andernmal aus 
dem Baßer auftaudt. Hierin allein ſcheint es begründet, daß fie von 
SR erzeugt fei, der das Ende der Welt herbeiführt, iefiger Urfprung, 
der ihr allerdiags zutommt, infofern das Meer in feiner Feindſeligleit 
Wiaßt wird, iſt ihr damit zugleich beigemepen, da Loki ſelbſt Riefenge: 
iqlechts in. Ich glaube alfo die Deutung Lolis als eine Waßergottes, 
für welche feine Verwandtſchaft mit der Midgardſchlange nichts beiveift, 
ſdon hier abweifen zu dürfen; andere Gründe dafür werben fpäter $. 42 
bekitigt werden. Rur weil Loki in dieſem Mythus als ber Berftörer 
auftritt, welcher dad Enbe der Welt herbeiführt, wird die Nidgardſchlange, 
de das Meer verfinnlicht, als von ihm erzeugt  vorgeftelli des vertilgenden 
Antheild wegen, welder dem Meere an dem Untergange ber Belt bei⸗ 
eg wird. 


108 Behjferlel Dinge. 8.4. 


Daß in dem Namen des Wolfs Fenrir lein Grumb liege, ihn als 
ben Geift der dunkeln Meerestiefe zu faßen, ift oben ausgeführt; aber 
aud ihn für ‚dad unterirdiſche Feuer’ auszugeben, zeigt kein Berftändnifs. 
Indem er zum. Verberben der Götter beftimmt ift und fpäter wirklich den 
Weltenvater verfhlingt, ift da Berberben ver Welt, ihr Untergang 
felbft in ihm dargeftellt. Diefer ift hingehalten, aufgefhoben durch die 
Vorkehrungen der Götter, die ihn an die Kette gelegt haben; aber die 
Kette wird brechen, und die Welt ihr Schidfal ereilen : die Feßel briät 
und Freki rennt. Wöl. 38. 39. Wann dieſer Bruch gefchieht und we: 
dur er noch fo lange aufgehalten wird, davon an einer andern Stelle; 
bier genügt uns die Einfiht, daß mit ihm dad Zeichen zum Untergang 
der Welt gegeben ift. 

Die drei Ketten, die Fenrir feßeln follen, was erft der britten ger 
Üingt, und die fechferlei Dinge, aus melden dieſe legte gebilvet ift, im 
Einzelnen zu deuten werfuche ich nicht. Mag ſich an biefen Räthjeln üben 
wer will; uns genügt es, den Wolf felbft ala die Vernichtung be 
griffen gu haben, was um fo fiherer ſcheint, als es D. 51 vor dem 
Weltuntergange von ihm beißt, er fahre mit Haffendem Rachen einher, jo 
daß fein Oberkiefer den Himmel, der Unterkiefer die Erde berühre, ‚und 
wäre Raum dazu, er würbe ihm noch weiter aufiperren.‘ Jene ſechſerlei 
Dinge find unter fih nicht gleichartig: Wurzeln der Berge giebt es allers 
dings nad unferm Sprachgebrauch; warum es Sehnen des Bären nidt 
geben follte, wüfte ich nicht ; vielleicht traute man fie ihm feines matten 
Ganges wegen nicht zu: bie übrigen Dinge feinen ſolche fein zu follen, 
bie es in ber Natur nicht giebt, und fo fah man wohl aud bie beiden 
erften an. Es ift ein hriftliher Bufag, wenn die jüngere Edda wie 
fpottend binzufügt : ‚Haft du auch dieſe Geſchichte nie gehört, fo magft du 
doch bald befinden, daß fie wahr ift und wir bir nicht lügen; denn ba 
du wohl bemerkt haben wirft, daß die Frauen feinen Bart, die Berge 
feine Wurzeln haben und der Kagentritt feinen Schall giebt, fo magft du 
mir wohl glauben, daß das Uebrige eben fo wahr ift, mas id bir ger 
fagt habe, wenn du aud von einigen diefer Dinge keine Erfahrung haft.’ 
Gleichwohl möchte ich nicht glauben, daß jene fechferlei Dinge ſelbſt, aus 
welpen die Kette beftanden haben foll, dem Mythus fremd wären. Gaͤnz⸗ 
lich fehlt z.B. dem Kagentritt der Schall nicht, wenn er auch unfern gro: 
ben Sinnen unhörbar ift, und fo wollte der Vollswig vieleicht nur aus 
dem Feinften und Barteften das Stärkfte und Feſteſte hervorgehen laßen. 





&40. etnenſen 109 


Nur gelegentlich ftehe hier bie Bemerlung, daß die Vollsdichtung mo 
niht Radllänge, doh Analogieen der hier zufammengeftellten ſcheinbaren 
Unmoͤglichkeiten tennt, weshalb ih auf Mones altd. Schaufpiele S. 181 
und Meine Schmievegefellengewohnheiten S. 14 verweile; vgl. Alto. 
Bälver 1,88 ff. So kann auch im Mythus ernfthaft gemeint fein, was 
al unmöglich fpäter ſchwankhaft gewendet in Lügenmärhen übergieng. 
So wern im Harbardslied 18 Etride aus Sand gewunden werden (ex 
arena funem nectere), worüber KM. II, 202 nachzulejen if. Weil 
man mir aber body die Deutung bed Bandes Gleipnir nicht erlafen wird, 
fo erimere ih an die Seidenfäden, die Laurind Rofengarten umgas 
ben, in welchen die Seidenfäden unferer Rechtögebräude nachllingen, und 
die heiligen Schnüre (vebönd) unferer Gerichts: und Kampfftätten (R. A. 
182.809 ff.), deren Verlegung mit dem Tode gebüßt wurde, und deute 
demnach das Band Gleipnir auf die Macht des Gefeges und der Sitte 
und die Furcht vor unausbleiblicher Vergeltung und Strafe: das ift eine 
deßel, ftärker als alle, die man aus Hanf und Gifen bereiten mag, denn 
bänfene Gtride und eiferne Fußſchellen mögen Helferähelfer loſen; aber 
diefe bindet umauflöslih, fo lange Anfehen und Macht ber geſehlichen 
Didaung aufrecht erhalten bleiben ; ja dieſes Band erhärtet und je mehr 
man fi ihm widerſetzt, defto firaffer bindet ed. Das Gefeg aber ift 
etwas Ueberſinnliches, darum fombolifiert e3 die Mythe als aus lauter 
böHR zarten in der Natur faft gar nicht vorhandenen Dingen beftehend. 
Die beiden erften Feßeln waren nur gemeine Banden gewefen. 

Barum dem Tyr die Fütterung Yenrird übertragen ift, lann erft 
$. 43 gefagt werden; daß er dem Wolf feine Rechte in den Mund legt, 
läßt ſich nicht begreifen, bevor fein ganzes Weſen Klar geworben ift. Das 
Säwert aber, dad dem Wolf den Nahen ſperrt, forbert hier feine Deus 
tung. Es ift der Bann, welden das Gejeg über den Mörder und Fries 
densbrecher ausſpricht, und ihn damit unſchädlich macht. Ein fo Ges 
bannter hieß nach der altdeutſchen Rechtsſprache vargus, altn. vargr 
Slaldſt. 58, und diefer Ausdruck ift von dem Wolfe hergenommen, R. A. 
396. 733. Für unfere Auslegung fpriht auch, daß dem Berfefteten 
(Gebannten) in den Bildern zum Sachſenſpiegel (R. A. 203) ein Schwert 
im Halſe ſtedt: auffallend genug hat hier ver Maler dasſelbe Symbol 
gefunden, wie dort der Mythus. 

Mit dem Todtenreich ift Lofi ald Vater der Hel in nahe Beziehung 
geheilt, ja als Utgardaloti ſcheint er geradezu ein Todtengott. In ber 


110 Surhur. 8.40. 


jüngern Coda, deren Erzählung won Thors Fahrt zu demfelben an einer 
andern Stelle beleuchtet werben fol, kann dieß fhon nicht verkannt wers 
den; der Name Utgard darf nicht irren, er bezeichnet die Unterwelt ala 
außerhalb des göttlichen und menfchlichen Gebietes liegend, Weinhold 35. 
Wenn Saro VIII, 164 ff. feinen Utgarthilocus als ein finfteres graufiges 
Weſen ſchildert, das an Händen und Füßen gefehelt in der Unterwelt 
bauft, fo hat ohme Zweifel die Feßelung Lofis oder Fenrirs auf die Bor 
Rellung eingewirlt. In dieſer Geftalt findet ihn Thorkill, ein Rachllang 
Thors, auf feiner Reife, deren Zwed tein anderer if als gu erfahren 
was die Schidfale der Seelen nad dem Tode fein werben. Indem Loli 
unter diefem Namen, wie ich zugebe, zum Xobtengotte wird, erinnert er 
neben den beiden andern Göttern feiner Trilogie (Odin und Hönir) an 
die griechiſche Trilogie Zeus Poſeidon Pluto; aber wie die andere Zeus 
Bofeidon Hephäftos die ältere und echtere ſcheint, fo Tiegt wohl aud in 
Utgarbaloli eine jüngere Auffakung Lofi® vor, neben welcher bie ältere 
gleichwohl fortbefteht, denn bei jener Reife Thoͤrs zu Utgardalofi ift Lofi 
Wors Begleiter, und aud das elementarifhe Feuer, das dem Weſen 
Lotkis zu Grunde liegt, fehen wir bier neben jenen beiden als felbftändis 
ges Weſen (Logi) erhalten, das ſich fogar in einen Wetttampf mit Loli 
einlaͤßt. Nur als Utgarbalofi ift mir aljo Loki ein Todesgott; feine fon: 
fligen Bezüge zum Todtenreiche find in ber Verwandtſchaft der Begriffe 
Tod und Zerftörung begründet. Das Teuer iſt das zerftörende Element, 
darum ift Hel, die Todesgöttin, Lolis Tochter, des aus dem Feuer em 
wachſenen Gottes der Zerftörung, und Neri oder Nörwi, der Vater der 
Nacht, fein Sohn. 

Mit Surtur dem ſchwarzen ($.46) fält Loki nicht zufammen, mie 
W. Müller 211.215 will, Jener Riefe ver Feuerwelt, der mit Muspeld 
Söhnen zum legten Weltfampfe reitet und dieſen damit befchließt, dab 
er Feuer über die Erde fehleudert und bie ganze Welt verbrennt, mag 
ſich allerdings aus dem Weſen Lokis abgelöft haben; aber im legten 
Beltlampf erſcheinen fie nebeneinander und verſchiedene Rollen find ihnen 
sugetheilt : Loti fällt gegen Heimdall, ver gleichfalls erliegt; Surtur 
lampft fiegreih gegen Freyt, der fein Schwert vermijst, während Surtur 
bewehrt iR. Gr ift, wie Weinhold 66 richtig erkannt hat, das Siunbild 
des ſchwarzen Rauchs, aus dem bie Lohe ſchlagt. Loli war es eigentlich, 
welcher die Welt in Flammen zerftören ſollte; nachdem er aber, wie die 
Erzählung won feiner Beftrafung ergeben wird, als die Sünde, als das 


%4. Sifhfang der Afen. 1 


Bafe ſelbſt gefaßt worden, war er in der nordiſchen Vorſtellung ſchon zu 
befledt, das Racheramt zu übernehmen und vie Welt in Flammen zu 
teinigen. In diefem Amt erfcheint daher jegt Surtut. Weinhold 67. 
Bern er gleich beim legten Weltkampf nicht fält, fondern allein übrig 
bleibt, fo hat doch in der verjüngten Welt, unter ben erneuten Göttern 
Gimils dieß Ungethäm leine Stelle, wir finden ihn da nicht wieder: 
wenn das Feuer ausgebrannt ift, verſchwindet der Rauch von felbft, und 
es ift nicht nötbig mit Weinhold anzunehmen, daß ihn Baldur bei feiner 
Bieverlehr von Hel befiege. 


Al. Lokis Beftrafung. 


Als Loki die Götter wider ſich aufgebradt hatte, lief er fort und 
barg fih auf einem Berge. Da machte er fih ein Haus mit wier Thür 
ten, jo daß er aus dem Haufe nad allen Seiten jehen konnte. Dft am 
Tage verwandelte er ſich in Lachsgeſtalt, barg fih in dem Waßerfall, der 
Sranängr heißt und bedachte bei fih, weldes Kunſtſtück die Afen wohl 
erfinden tönnten, ihn in dem Waßerfall zu fangen. Und einft als ex 
daheim faß, nahm er Flachsgarn und verfloht e3 zu Mafchen, wie man 
ſeitdem Netze macht. Dabei brannte Feuer vor ihm. Da fah er, daß 
die Afen nicht weit von ihm waren, denn Odin hatte von Hlidſtialfs 
Höhe feinen Aufenthalt erfpäht. Da fprang er ſchnell auf und hinaus 
ind Waßer, nachdem er bad Nep ins Feuer geworfen hatte. Und als 
die Aſen zu dem Haufe kamen, da gieng der zuerit hinein, ber von allen 
der weiſeſte war und Kmäfir heikt, und als er im euer die Aſche ſah, 
wo dad Nep gebrannt hatte, da merlte er, daß dieß ein Kunftgriff fein 
follte Fiſche zu fangen und fagte das den Ajen. Da fiengen fie an und 
mahten ein Rep jenem nad), das Soli gemacht hatte, wie fie in ver 
Age fahen. Und als das Nep fertig war, giengen fie zu dem Fluße 
und warfen dad Netz in den Waßerfall. Thör hielt das eine Ende, daB 
andere die übrigen Ajen und rhın zogen fie das Nep. Aber Loli ſchwamm 
voran und legte ih am Boden zwiſchen zwei Steine, fo daß fie das 
Rep über ihm hinwegzogen; doch merkten fie wohl, daß etwas Lebendiges 
vorhanden fei. Da giengen fie abermals an ven Waßerfall und warfen 
Vaud Rep aus, nachdem fie etwas jo Schweres daran gebunden hatten, daß 
nichts unten durchſchlüpfen mochte. Loki fuhr vor dem Nee ber, usb 
dla er fah, daß eö nicht weit von der See fei, ba fprang er über das 


113 Zigya. 342. 


ausgefpannte Nep und lief zurüd in den Sturz. Run fahen die Afen 
wo er geblieben war: da giengen fie wieder an ben Waßerfall und 
theilten ſich in zwei Haufen nad ben beiden Ufern des Flußes; Thör 
aber mitten im Fluße watend folgte ihnen bis an die See. Loli hatte 
nun die Wahl, entweder in die See zu laufen, was lebensgefährlich war, 
ober abermals über das Neg zu fpringen. Er that das legte und fprang 
ſchnell über das ausgefpannte Nep. Thoͤr griff nad ihm und kriegte ihn 
in der Mitte zu faßen; aber er glitt ihm in der Hand, fo daß er ihn 
erſt am Schwanz wieber fefthalten mochte. Darum ift der Lachs hinten 
frig. Nun war Loki friedlos gefangen. Sie brachten ihn in eine Höhle 
und nahmen brei lange Selfenftüde, ftellten fie auf bie jhmale Kante 
und ſchlugen ein Loc in jedes. Dann wurden Lolis Söhne, Wali und 
Nari oder Narwi, gefangen. Ten Wali verwandelte die Aſen in Wolfs- 
geftalt: da zerriß er feinen Bruder Narwi. Da nahmen die Aſen feine 
Därme und banden den Loki damit über die brei Felſen: der eine ſtand 
ihm unter den Schultern, der andere unter den Lenden, ber britte unter 
den Aniegelenten ; die Bänder aber wurden zu Gifen. Da nahm Stabi 
einen Giftwurm und befeftigte ihn über ihm, damit das Gift aus dem 
Burm ihm ins Antlig träufelte. Und Sigyn fein Weib fteht neben ihm 
und hält ein Beden unter die Gifttropfen. Und wenn bie Schale voll 
iſt, da geht fie und gießt das Gift aus; derweil aber träuft ihm das 
Gift ind Angefiht, wogegen ex ſich fo heftig fträubt, daß die ganze Erbe 
fhüttert, und das iſts mad man Grobeben nennt. Dort liegt er in 
Banden bis zur Götterbämmerung. D. 50. 


42. Deutung. 


Der Beitrafung Lolis ſchidt die ältere Cdda die Verhöhnung ver 
Götter bei Degir3 Gaftmal voraus. Cr erfceint bier als das böfe Ger 
wiſſen der Götter, das Bewuſtſein ihrer Schuld, denn einem jeden hält er 
feine Gebrechen, feine geheimften Sünveh, feine fittlihe Schmad vor. 
Nun aber, da ihn die Strafe ereilen foll, nicht bloß hierfür, für Alles 
was er an ben Göttern verbroden hat, ift er nicht mehr bloß das böfe 
Gewiſſen der Götter, er ift das böfe Gewiſſen felbfl. Cr weiß, daß er 
die Rache der Götter herausgeforbert hat: fo ſchweift er unftät umber 
wie der Verbrecher; fein Haus auf dem Berge hat vier Xhüren ober 
Fenſter, damit er das kommende Unglüd, die hereinbrechende Strafe er: 


54% Hafien und Sande. 118 


ſpähen, vielleicht ihr entfliehen könne. Er quält ſich mit dem Gedanlen, 
auf welche Art die Aſen ihn wohl fangen möchten und fnüpft ſich felber 
das Rep, das ihn fängt, wie die Vosheit ſich felber Fallftride legt und 
Gruben gräbt: er veranlaßt felber den Fiſchfang der Aſen. So wie er 
durch feine eigenen Fallſtride gefangen wird, fo wird er auch 
durch feine‘ eigenen Bande gebunden, welches wir fo ausgebrüdt fehen, 
baß er mit ben Gebärmen feines Sohnes gefeßelt werde. Die ganze Er 
Hblung ift eine trefiende Schilderung des ſchuldigen Bewuſtſeins. War 
er erſt ber Verſucher, der Verführer der Götter, trat er zulegt als ihr 
böjes Gewiſſen auf, fo erſcheint er hier al3 die Schuld, als die Sünde, 
dd das Böfe felbft. Aber das Böfe wird in Feßeln geihlagen, es darf 
nicht frei falten in der Welt: die fittlihen Mächte, das find die Götter, 
halten das Böſe im Schach; es giebt, wie das Sprichwort fagt, mehr 
Ketten ala raſende Hunde: es ift die Furcht vor der Herihaft des Ger 
fees, vor der Macht der fittlihen und geſedlichen Ordnung, welde alle 
böfen Gelüfte in Bande fhläg. Würde freilich einft vie Macht der 
Sitte und des Rechts gebrochen, träte eine Verwirrung, eine Berfinfterung 
aller Begriffe ein, d. h. verbämmerten die Götter, dann bräde das Böfe 
fih los von feiner Kette, dann führe der Rachetag (stuatago) über die 
Voller und dem Leben der Menſchen auf Erden mürbe ein Biel gefept. 
Schon jegt rüttelt er oft an feinen Ketten und verſucht fie zu zerreißen, 
dann entfteht das Erdbeben, denn er erjhüttert die Grundfeften der Welt 
und erſchredt bie Götter, die felbft als dieſe Feheln, die höpt und bönd 
Elaldſt. 54. Myth. 23), die Gewähr der fittlihen Weltordnung gedacht 
find. Erobeben werden aud bet andern Völfern von der Wuth gefeßelter 
Riefen und Dämonen hergeleitet. In ver deuten Mythe würde ſich aber 
die Fepelung des Böfen doppelt zu fpiegeln feinen, einmal in Lofi, einmal 
in dem Wolfe Fenrir, wenn wir nicht wüften, daß in Lofi das gefeßelte 
Böfe, in Fenrir der durd die Fürforge der Götter hingehaltene Untergang 
dargeftellt ift. Dagegen tönnte man beiden Mythen den Vorwurf ber 
Umvolltändigleit maden, weil keine von beiden befagt, woburd bie ger 
fepelten Ungeheuer ſich endlich ihrer Feßeln entledigen würben. Allein 
fowohl von Fenrir als von Loli heißt es D. 34 und 50, alſo lägen fie 
bis zur GBötterdämmerung, und wir haben fo eben fhon angebeutet, mas 
unter der Verbämmerung der Götter zu verftehen fei; der Beweis kann 
ft 9.43 geführt werben. 

So ftart Lois fittlihe Bedeutung in diefem Mythus demorgeheten 

Carot, Bythelsgic. 


114 Sohka tattat. +.“ 


wird, fo ift body weber das feuer als bie Grundlage feines Weſens, nd 
die Ableitung feines Namens von dem leuchtenden Clement vergehen. 
Der Lachs ift durch feinen Namen als ver glänzende Fiſch bezeichnet und 
das auf dem Berge liegende Haus mit vier Ihüren erinmert am ben 
Thurm des Lynceus, deſſen Namen wir von derfelben Wurzel abgeleitet 
ſahen wie Lokis. Wenn er fih in Fiſchgeſtalt verbirgt, fo ſpricht dieß 
nicht dafür, daß er ein Waßergott fei: bie Mythen, melde das Feuer 
fih unterm Waßer bergen laßen, wollen nur die allgemeine Verbreitung 
der belebenden Wärme veranfhaulihen. Als erfter Beleg ſtehe hier das 
Schöne Fardiſche Volkslied von Odin Hönir und Loki (Lokka tättur), das 
uns fat ein Eddalied erjegt, weshalb wir uns noch öfter barauf be 
rufen werben. 


L 


Bauer und Rieſe fpielten Lang, 
Der Bauer verlor, ber Rieſe gewann. 


" Kehrreim: 


Was foll die Harfe mir In der Hand, 
Wenn fein Kühner mir folgt ins andre Land? 


„Gewonnen ift das Spiel mir fon; 
Nun will id; haben deinen Sohn. 


‚Haben will ih ben Sohn von bir, 
So bu ihn nicht bergen kannſt vor mir.’ 
Der Baner gebietet Söhnen zwein: 
‚Bittet Odin, uns Schutz zu leihn. 
‚gu Obin fleht in unfern Sorgen, 
Der Hält ihn lange wohl verborgen. 
‚Wäre ber Ajen König bier, 

So müßt id; wohl, ber bärg ihn mir.“ 
Kaum halb geſprochen war das Wort, 
Schon land Odin vor Tiſches Bord. 
‚Höre mid, Odin, id) rufe zu bir, 
Den Sohn birg vor dem Rieſen mir.’ 


Odin fuhr mit dem Knaben hinaus; 
Sorgend faß Bauer und Bäurin zu Haus. 


64. 


Odin Hinte. 118 


Ein Kornfelb Tieß da Obins Macht 
Geſchwind erwachſen in Einet Nacht. 


Im bes Aders Mitte barg alsbald 
Odin den Knaben in Achrengeftalt. 


Als Achre warb er mitten Ins Feld 
Im bie Aehre mitten als Korn geftellt. 


‚Mun ſteh ohne alle Sorge hier; 
Wenn id} rufe, fo komm gu mir. 


Num fteh bier ohne Furcht und Gras; 
Wenn ich rufe, jo fomm herans.“ 


Des Kiefen Herz war hart wie Horn, 
&r raufte den Scheeß fi) vol mit Rotn. 


&r ranfte fich voll Korn den Schoof, 
Trug ein ſcharfes Schwert in Hähben bloß. 


Ein ſcharfes Schwert fah man ihn tragen: 
Den Knaben wollt er damit erſchlagen. 


Der Kuab in großen Nöthen ſtand, 
Dem Rieſen lief das Korn in die Hand. 


Dem Knaben gtaute vor dem Tod, 
Zu Odin rief er in feiner Noth. 


Odin kam zu des Knaben Heil 
Und bracht ihn feinen Eltern heim. 


‚Bier ift ber junge Kuabe dein: 
Mit meinert Shut iſts nun vorbei, 
u. 


Der Bauer gebietet Söhnen zwein: 
‚Bittet Od nir uns Schutz zu leihn. 
‚Wäre Hönir der Gott allhier, 

So müßt ih wohl, der barg ihn mir.“ 
Kaum Halb geſprochen war das Wort, 
Schon land Hönie vor Tiſches Bord. 


Ööre mich, Hönir, ich rufe zu bir, 
Den Sohn birg vor dem Riefen mir.“ 


116 


Yönie Eohl. “nr 
Hönir fuhr mit dem Knaben hinaus; 
Sorgend ſaß Bauer und Bäurin zu Haus. 


Hönir gieng in den grünen Grund, 
Sieben Schwäne flogen da über den Sund. 


Da liefen ſchneeweiß von Gefieder 
Zwei Schwäne ſich vor Hönir nieder. 


An eines Schwanen Hals alsbald 
Barg Hönir den Kuaben in Flaumgeſtalt. 


‚Nun weil ohne alle Sorge hier; 
Wenn ic dich rufe, jo komm zu mir. 


‚Weit hier ohne Furt und Graus; 
Wenn ich dich rufe, fo komm heraus.‘ 


Skrymoeli gieng in den grünen Grund, 
Sieben Schwäne flogen da über den Sund. 


Der Rieſ ein Knie zur Erde bog, 
Den erften Schwan er zu ſich zog. 


Den erſten Schwan er an fi) riß, 
Den Hals er ihm vom Leibe biß. 


Der Knabe gab der Sorge Raum, 
Aus des Rieſen Schlunde flog der Flaum. 


Dem Knaben graute vor dem Tob, 
Zu Hönir rief er in feiner Noth. 


Hönir fam zu des Knaben Heil; 
Er bracht ihn feinen Eltern heim. 


‚Hier ift der junge Knabe bein; 
Mit meinem Schutz iſts nun vorbei. 
u. 


Der Bauer gebietet Söhnen zwein: 
Bittet Loli uns Schuß zu leihn. 
‚Wäre Lofi der Gott allhier, 

So waſt ich wohl, der bärg ihn mir.“ 


Kaum halb gefprochen war das Wort, 
So fand ſchon Loki vor Tiſches Bord. 


2. 


Loki Surym⸗li. 117 
Öödre mich Loft, ich flehe zu dir, 
Den Sohn birg vor dem Rieſen mir. 
‚Du kennſt nit, Lofi, meine Noth: 
Skrymsli finnt meinem Sohn den Tod. 
‚Berbirg fo gut du kannſt mein Kind, 
Daß es Skrymsli nicht, der Riefe, findt.. — 
‚Und foll id) deinen Sohn beſchutzen, 
So thu mein Gebot, es wird dir nügen. 
‚Ra die cin Haus erbauen dort, 
Beil ich bin mit dem Knaben fort. 
‚Cine große Thüre brich Hinein, 
Eine Eifenftange laß hinter ihr fein.’ 
Lofi fuhr mit dem Knaben hinaus; 
Sorgend faß Vater, und Mutter zu Haus. 
2ofi gieng zum Meeresſtrand; 
Da lag ein Schifflein dit am Land. 
2ofi rubert ans äußerfle Ziel, 
So heißts in alter Lieder viel. 
Loki fprad nicht manches Wort, 
Angel und Stein warf er über Bord. 


Augel und Stein zu Grunde ſank, 
Eine Flunder zog er herauf fo blant. 
Die eine Flunder, die andre zog er, 
Die dritte war ein ſchwarzer Roger. 
Loti barg den Knaben alsbald 

Mitten im Rogen in Eigeftalt. 

‚Run weil ohne alle Sorge hier; 
Wenn id) did rufe, fo komm zu mir. 
‚Weil Hier ohne Furcht und Graus; 
Wenn ich did) rufe, fo komm heraus.’ 
Loti ruberte wieder ans Land; 

Der Riefe fland vor ihm am Strand. 
Der Riefe Hub zu Lofi an: 

Wo warft bu, Lofi, was haft du gethan?‘ — 


118 


Sandır. 4 
‚Gin wenig hab ich gerubert uur, 
Das weite Meer ich überfuhr.‘ 


Sein Stahlboot ſtieß der Rief ing Meer; 
Loti rief: ‚Die See fttrmt ſehr. 

Loti ſprach den Rieſen an; 

‚Riefe, nimm mich mit in dem Kahn.“ 
Der Riefe nahm das Steuer zur Hand; 
Am Ruder Lofi flieg vom Fand. 

Kofi ruberte ſtark und ſchnell; 

Das Stahlboot gieng nicht von ber Stell, 
Loki ſchwur dem Rieſen zu: 

‚Das Steuern verftch ich befier als du.’ 
Der Rieſe ſaß auf der Ruderbank: 

Der Kahn flog im die See fo franf. 

Der Riefe rubert ans Auferfte Ziel, 

So heißts in alter Lieder viel, 

Der Riefe ſprach nicht mandies Wort, 
Angel und Stein warf er über Bord. 
Angel und Stein zu Grunde fuhr, 

Eine Flunder zog er herauf an der Schnur. 
Die eine Flunder, die andre zog er, 

Die dritte war ein ſchwarzer Roger. 

Loti ſprach fo ſchmeichleriſch: 

Rieſe, Rieſe, gieb mir ben Fiſch. 

Dazu ſprach aber der Rieſe: ‚Nein, 
Nein, mein Loki, das kaun nicht fein.‘ 
Zwiſchen die Kniee ben Fiſch gezogen 
Zahlt er jedes Korn im Rogen. 

Er hatt auf jedes Korn wohl Acht: 

So macht er auf den Knaben Jagd. 


Im der gröften Noth der Knabe ftand, 
Dem Riefen lief das Korn in die Hand. 


Dem Knaben grout vor dem jahen Tod, 
Zu Loki rief er im feiner Noth. 





[22 


Siahl und Biein. 
Verſted dich, Zuabe, hinter mid, 
Laß nicht ben Rieſen ſchauen dich, 
‚Mit leichtem Fuß hupf Aber Land 
Und feine Spur drüd in den Sand. 
Der Riefe fuße gnrücd ons Land, 
Zum Ziele nahm er den weißen Sand. 
Dem Lande fuhr der Rieſe zu; 
Loti wandte das Boot im Nu. 
Der Riefe ſtieß das Boot zum Strand, 
Da fprang der Knabe leicht ans Land. 
Der Riefe ſah hinaus ins Land, 
Bor ihm ber junge Knabe ftand. 


Der Knabe Tief leicht über Land, 
Man merkte keine Spur im Sand. 


Schwerfälig ſtapft der Niefe nach, 

Bis an bie Knie den Saud durchbrach. 
So ſchnell er Tonnte lief voraus 

Der Knabe zu des Vaters Hans. 

Zu feines Vaters Haus er lief, 

Der Rief ihm nad; da gieng es ſchief. 
Biber die Thüre rannt er jach, 

An der Eiſenſtange das Haupt zerbrad. 
Da galt es Loki, raſch zu fein, 

Er hieb dem Riefen ab ein Bein. 


Das that dem Wiefen nicht Gewalt: 
Zufommen wuchs ihm die Wunde bald. 


Da galt es Lofi, raſch zu fein, 
Er hieb ihm ab das andre Bein. 


Er hieb ihm ab das andre Bein 

Und warf dazwiſchen Stahl und Stein. 
Da fah der Knabe mit Vergnügen 
Den Riefen todt, den ungefügen. 


oh fah den Muaben heil, 
Er bracht ihn feinen Eltern heim. 


9 


w . Adwänr. “a 


‚Hier if der junge Knabe bein; 
Run iſts mit meinem Schuß vorbei. 
‚Worüber ifts mit meiner Hut; 
Doch bein Gebot erfüllt ich gut. 
‚Die Treue hielt id) bir gewiſs; 
Der Riefe nun das Leben mifet.’ 


Hierzu bemertt Weinhold: ‚Dvin ift gewaltig über die Früchte des 
Feldes, denn er ift Luft: und Geftimgott; dem Hoenir find die Vögel 
unterthan, Loki aber hat die Macht über die Thiere der See’ Mit dem 
was bier über Odin geurtheilt wird, find wir einverftanden ; aber für 
Hönir möchte die Herſchaft über die Vögel nicht genügen: es muß ihm 
wie dem Odin ein Clement angewieſen werden, und zwar ift es das 
Waßer, auf welches die Schwäne als Waßervögel deuten. Schwäne ſchei⸗ 
nen aud) na D.28 dem Niörbhr geheiligt, für welchen Hoͤnir an bie 
Wanen ausgewechjelt ward, und wie Niörbhr wird auch Hönir ein War 
fergott fein. Für Loki bleibt, da die beiden andern Elemente fhon ver 
geben find, nur das britte, das Feuer übrig. Wie er ſich als Lachs, ber 
glänzende Filh nad dem Sinne des Worts, im Waßer verbirgt, fo 
verftedt er bier feinen Schügling, und fo verftedt ſich das euer felber 
im Waßer in jener finnifhen Sage, die Weinhold S. 19 felbft erzählt, 
und bie ihm über Lois Verwandlung in den Lachs andere Auskunft hätte 
geben können: ‚Louhi, Pohjolas Herfcherin, hat Sonne, Mond und Sterne 
verzaubert, daß neun Jahre lang. jhon Naht in der Welt bericht. Da 
fteigen Wäinämoinen und Ilmarinen auf den Himmel, um zu fehen was 
die Geftirne verbuntelt und Ilmarinen ſchlägt mit feinem Schwerte Feuer. 
In einer golvenen Wiege, die an Silberriemen hängt, wiegt das Feuer 
eine Jungfrau. Plöglih fällt ed aus der Wiege und mit Haft fliegt es 
durch die acht Himmel. Die beiven Götter zimmern ſich ein Boot und 
fahren aus, das Feuer zu ſuchen. Auf der Newa begegnet ihnen ein 
Weib, die ältefte der Frauen, die ihnen über des Feuers Flucht Kunde 
giebt. Es fuhr zuerft in Tuuris neues Haus, in Palwonens unbededte 
Wohnung; da verbrennt es das Kind an ber Mutter Bruft und bie 
Mutter verbannt es in des Meeres wilde Wogen. Das Waßer brauft, 
es brandet hoch, vom Feuer gepeinigt ftürzt e8 über die Ufer. Da vers 
ſchlingt ein Varſch das Feuer; vom Schmerz gepeinigt, treibt er umher 
von Holm zu Holm, von Klippe zu Klippe, bis ein rother Lachs ihn 


4 42. Mond und Bonne gefangen. 1831 


verſchlingt. Diefen verſchlingt ein Hecht, der ebenfalls in furchtbarer Bein 
nach Erlöfung ſeufzt. Wäinämoinen räth hierauf ein Neg zu fertigen, 
das vom Säen des Leine an in einer Sommernacht vollftändig zu Stande 
Iommt, und auf den dritten Wurf wird der Hecht gefangen. In feinem 
Ragen findet man ven Lachs, in dieſem den Barſch, in ihm das Anäuel, 
aus deſſen Mitte der Funke fpringt, ver abermals enteilt und ſich furcht⸗ 
bar ausbreitet, daß halb Pohjoland, weite Gtreden von Gavo, Rarjala 
an manchen Seiten verbrennt. Jlmarinen gelingt e8 durch einen Baubers 
ſpruch endlich das Feuer zu bändigen.‘ Man vgl. die im Ganzen über 
einſtimmende Darftellung in Anton Schiefners Kalewala, das Rational 
03 der Finnen.‘ Helfingford 1859. &. 274—283. 

Bohjolad Herigerin, die bei Schiefner des Nordlands Wirthin 
heißt, hat hier Sonne, Mond und Sterne nicht verzaubert, ſondern eins 
gelangen, da fie Wäinämoinend Geſange zu lauſchen herabgeftiegen waren: 


Kam der Mond ans feiner Stube, 
Schritt zum Stamme einer Birke, 
Aus der Burg kommt auch die Sonne, 
Setzt id in der Tanne Wipfel, 

Um das Harfenfpiel zu hören, 

Um die Freude anzuflannen. 


Louhi, fie, des Rordlauds Wirtäin, 
Nordlands Alte, arın an Zähnen, 

Nimmt bafelbft die Sonn gefangen, 

Greift den Mond mit ihren Händen, 
Nimmt den Mond vom Stamm ber Birke, 
Aus der Tanne Kron die Sonne, 

Führer fie ſogleich nad) Haufe, 

Nach dem mimmerhellen Nordland. 


Birgt den Mond, daß er nicht fcheine, 
In den Fels mit bunter Rinde, 
Bannt die Sonn, daß fie nicht Teuchte, 
Zu dem ftahfgefülten Berge, 

Redet felber dieſe Worte: 


‚NRimmer fol von bier in freiheit, 
Daß er ſcheint, der Mond gelangen, 
Nicht die Sonne, da fie feuchte, 


un Fenerfunut. 6. 42. 


Wenu ich ſalbſt wicht Töfen Koran, 
Ic fie ſelber nicht befreie, 

Neun der Hengfte mich begleiten, 
Die getragen eine Stute" 


Mond und Sonne möchten auch die Rieſen unferer Mythologie in 
ihren Verſchluß bringen, doch haben ihre NRachſtellungen fo glüdlichen Er⸗ 
folg nicht, wie bei Pohjolas Wirthin. Das Märchen von dem feuer 
funlen, mit dem bie Alto, MWälver fließen, Hingt in Einem Buge über 
raſchend an. ‚Gin Funle wurde los und fegte ſich in einem Haufe feit, 
da warb daraus ein groß Feuer, das flug in hie Stabt und verbrannte 
fie ganz, und fo groß wuchs dad Feuer, daß es das ganze Land aufzw 
brennen dachte: lief hinaus ins Feld; aber wie es unter eine Schlucht 
am, gieng ihm ein Heines VBächlein entgegen und das euer lief alsbald 
darein und das Bachlein kroch und wand fi ꝛc.“ Wie dort der diſch, 
der das Feuer verfclungen hat, von Schmerz gepeinigt umbertreibt, fo 
trümmt und windet fi hier das Bädlein, in das der Feuerfunle ger 
laufen ift, der erft das ganze Land aufzubrennen dachte. 

Die Verwandtidaft der finnifgen Erzählung mit unferm Fiſchfang 
des Afen ift fo ftark, daß man faft einen äußern Bufammenhang anneh ⸗ 
men möchte. Dort verbirgt fih Loti, her Gott des Feuers, in ber Ger 
ftalt des Lachſes, hier verftedt fi) das Feuer, indem es ſich von einem 
Lachs verfhlingen läßt; dort wird dad Rep von den Aſen gefertigt und 
bei dieſer Gelegenheit erft erfunden, bier fommt es durch die Macht ver 
Götter vom Säen des Leind an In einer Sommernacht zu Stande. Wie 
diefe äußern Züge ftimmen, fo wird aud der mythifhe Sinn dieſer, ja 
aller der Mythen, die das Feuer oder feinen Gott im Waßer, im dem 
anſcheinend feindlicften Element, fih bergen laßen, derſelbe fein. Das 
Element des Feuers ift nad feiner wohlthätigen Geite hin erfaßt, als vie 
belebenve Wärme, die auch in andern Clementen verbreitet ift, ja ald 
die Lebenswaͤrme, der Lebensfunte, der felbft den taltblütigen Fiſchen 
nicht gebriht. Indem die Götter Lofi beitrafen wollen, den Gott des 
zerſtoͤrenden Feuers, wandelt er fih in den Fiſch, wodurch er nicht bloß 
ihren Nacftellungen zu entgehen hofft, fondern zugleich an die andere, 
mohlthätige Seite feines Weſens und Wirkens erinnert, ſich als ven mäcs 
tigen Gott bewährt, der die ganze Natur durchdringt. Daß er ald Wärme 
aud im Waßer waltet, das macht ihm noch keineswegs zum Waßergott, 
fo wenig als es Hephaͤſtos ift, den Thetis und Eurynome vor dem Born 


[23 Zigune. ‚ 128 


der Here im Waßer bergen, wo er neun Jahre verweilte, bie an jene 
acht Jahre erinnern, welche Loli unter der Erde ald milchende Kuh und 
Wutter ſ. o. zubrachte. Ein Waßergeift muß auch Andwari nicht fein, ber 
Zwerg, melden vie Afen als Hecht im Waßerfall fiengen und zwangen, 
fein Haupt aus Hels Haufe durch den Schag zu löfen, der als Niflungens 
hort eine fo große Rolle in unferer Heldenfage ſpielt. M. Edda 189. 
340. 2. Die Bmwerge faßt Weinh. 14 felbft als Erd⸗ und Feuergeiſter 
auf, wie er auch ihre Verwandtſchaft mit Loki nicht verlennt. 

Nachklaͤnge von Lolis und Fenrirs Feßelung haben ſich in deutſchen 
Sagen manderlei erhalten. Zuerjt der Name Sigyns in Sigune, deren 
tührende Anhängligleit an ihren erfhlagenen Geliebten, von deſſen Leiche 
fie nicht weicht, an Sigyns Treue gegen den gefehelten Gatten erinnert. 
Die Einführung des Namens ja des Liebespaared in bie Gralsſage 
ſcheint auf Rechnung Wolframs zu kommen, ver auch fo viele Geftalten 
der deutſchen Seefage den beiden erften Büchern des Parzival einver 
leibt hat. ine andere Erinnerung an Lokis Feßelung findet fih in dem 
gefegelten Utgartilofus, nad Saros Darftellung, wovon unten. In einer 
Reihe deutſcher Sagen Tiegt der Teufel gefeßelt, was aus biblifhen Quellen 
niht fließen Tann. Myth. 958. 963. 1030. Kuhn WS. 12. Panzer U, 56. 
426. Zingerle Sagen 290. Lucifer feilt ungufhörlic an ber Kette; am Tage 
nad Jacobi ift fie ſchon fo dünn wie ein Zwirnsfaden, wird aber dann 
plöglih wieder fo ſtark wie zuvor, weil jeder Schmied, Meifter oder Ges 
fele, eh er die Werkſtelle verläßt, einen falten Schlag auf den Amboß 
thut, um Lokis Kette wiederherzuſtellen. Vergäßen die Schmiede nur eins 
mal den kalten Schlag auf den Amboß zu thun, fo käme Lucifer von 
feiner Kette los. Schon ber gangbare Ausdrud ‚der Teufel ift los ſett 
feine Seßelung voraus. 


Der Weltuntergang. 


43, Die Götterdbämmernng. 


Ungeachtet der Vorkehrungen der Götter in der Feßelung Lolis und 
Fenrirs tritt der geahnte Weltuntergang dennoch ein, indem jene gefürd: 
teten Ungeheuer ihre Feßeln brechen. Was biefe Feßeln fprengt, if noch 
zu ermitteln; geahnet haben wir aber ſchon oben, S. 126, daß es bie 
Götterdämmerung, die Verfinfterung der fittlihen Begriffe, die allgemeine 
Entfittfihung fein müße, welche das Ende ver Welt herbeiführe. Darnach 
märe Ragnaröf oder die Götlerbämmerung nicht ſowohl die Folge 
des Untergangs der Welt, als vielmehr Urſache deſſelben, und dieß wird 
ſich In dem Folgenden beftätigen. Zreffend wird Myth. 774 Ragnaröt 
mit ‚Verfinfterung ver Zeit und der waltenden Götter‘ und M. 23 heißen 
regin ‚die weltorbnenden Gewalten.’ Diejelben werden nun 
nad Staldſt. 55 aud als höpt und bönd, ald die Haften und Banden 
der Welt gefaßt, was auf eben dieſe Feßeln gehen kann, deren Brub 
Fenrit frei macht und den Untergang herbeiführt. In dieſem Sinne 
haben wir $. 40 das Band Gleipnir auf Gefeg und Sitte gedeutet, Als 
die Haften und Bande der Welt, die den drohenden Untergang gefeßelt 
balten, find die Götter die welterhaltenden Mächte. Daß fie dabei von 
der fittlihen Seite aufgefaßt werben, zeigt fi in dem, was D.51 von 
der Götterbämmerung gefagt iſt. Zuerft fol darnach ‚ein Winter tom: 
men, Fimbulwinter genannt.‘ Da ftöbert Schnee von allen Seiten, da ift 
der Froft groß und find die Winde ſcharf und. die Sonne hat ihre 
Kraft verloren. Diefer Winter kommen dreie nah einander und kein 
Sommer dazwifhen. Zuvor aber kommen drei andere Jahre, da bie 
Welt mit ſchweren Kriegen erfüllt wird. Da werben fi) Brüder aus 
Habgier ums Leben bringen und in Mord und Sippebrud der Sohn 
des Vaters, der Vater des Sohnes nicht fhonen. So heißt ed im ber 
Wölufpa : 


Brüder befehben fi und fällen einander, 
Geſchwiſterte fieht man die Sippe brechen. 
Unerbörtes eräugnet fi, großer Ehbrud. 


24. Sittiche Verwilderung. 185 


Beilalter, Schwertafter, wo Schilde krachen, 
Wiundzeit, Wolfszeit, ch die Welt zerſtürzt. 
Der Eine ſchont des Andern nicht mehr.. 

‚Da geſchieht es, was die ſchredlichſte Zeitung bünfen wird, daß ber 
Wolf die Sonne verfhlingt den Menſchen zu großem Unheil: der andre 
Wolf wird den Mond paden und fo au großen Schaden thun und die 
Sterne werben vom Himmel fallen. Da wird fi auch eräugnen, daß fo 
die Erde bebt und alle Berge, daß die Bäume enttourzelt werben, bie 
Berge zufammenftürzen und alle Ketten und Bande brechen und reißen, 
Da wird der Fenriswolf los u.f.w.’ Man bemerfe, wie unmittelbar 
hier auf den Bruch der Gippe das Verfchlingen der Himmelslichter und 
Fenrird Befreiung folgt. 

Dem Fimbulwinter, wo die Sonne ihre Araft verloren hat und darum 
der Froft groß ift, gehen alfo drei andere Jahre vorher, wo die äußerſte 
ſittliche Verderbniſs herſcht. Dem Germanen ift e3 der Gipfel der Ber 
wilderung, wenn die Bande des Bluts, die ihm das Heiligfte Find, nicht 
mehr geachtet und der Habgier zum Opfer gebracht werben. Erſt in 
weiter Reihe nad dem Bruch der Sippe wird ber Chebruch genannt, 
freilich auch er ein unerhörtes Unrecht. Hierin liegt nun die Antwort 
auf die Frage, was die Göttervämmerung herbeiführe und die Feßeln 
Lelis und Fenrirs fprenge. Es ift die ſittliche Verwilderung, welche die 
allgemeine Auflöfung herbeiführt. Zuerſt ſtellt ſich nun die Verfinſterung 
der Götter, die wir als ſittliche Maͤchte zu denlen haben, äußerlich dar, 
indem Sonne und Mond von den Wölfen verſchlungen werben. Bon 
dieſen Wölfen wißen wir hen, daß fie jene Himmelslichter verfolgen 
um fie zu verſchlingen. Warum gelingt ihnen aber jet, was fie bisher 
nicht vermochten ? Sie haben ſich von dem Blut der in jenen drei Jah⸗ 
ven durch den Bruch der Sippe Gefällten gemäftet und dadurch fo unges 
heute Kraft erlangt. So wenigitens verftehe ih die D. 12 unbefriedigend 
aläuterte Str. 32 der Wöl. (vgl. $. 13), wo es von Managarm heißt: 


hu maſtet das Mark gefällter Männer, 

Der Seligen Saal beſudelt das Blut. 

Der Sonne Schein dunkelt in kommenden Sommern, 
Ale Wetter wuthen: wißt ihr was bas bedeutet? 


Den Untergang der Welt bebeutet es, und fo oft vie Wala fragt: 
Bipt ihr mad das beveutet? hat fie biefe Antwort im Ginme, mit der 


186 Miernatärliher Arieg. 9.48. 


bier der nahe Bezug ber heranwachſenden Wölfe auf den Weltuntergang 
angedeutet if. Nicht mit dem Blute ‚aller Menfhen, die da 
fterben’, werden fie gemäflet, wie D. 12 erläutert: wäre nur das ges 
meint, fo hätte es feinen Sinn, wenn ber Geligen Saal davon befubelt 
werben fol. Es muß das Fleiſch und Blut der im Krieg Erſchlagenen 
gemeint fein, und da fonft die Germanen den Krieg nicht verabſcheuen, 
vielmehr gleihfam nur Kampf und Schlacht athmen, im ungerehten 
Rriege, im Stiege des Bruders gegen den Bruder. Daß dieß 
wirklich gemeint fei, zeigt ſich hier darin, daß Managarm den Mond nicht 
eher verjhlingt, bis Windzeit und Wolfszeit eingetreten find und ber 
Fimbulwinter gelommen if. Auf feine ‚Iharfen Winde‘ ift mit dem 
‚Wüthen aller Wetter’ hingewieſen. In ihm offenbart fih zuerft das Mits 
gefühl der Natur mit den Menfchenloogen. 

Die diefe Wölfe id mit dem Mark gefällter Männer mäften, fo 
wird aud Fentit nad D. 34 (f. $.39) von Tyr, dem Kriegsgott, ger 
füttert, ein Wink, daß er hier nicht fowohl den Krieg überhaupt, dem, 
fo weit er von ber Gitte geboten wird, Odin vorfteht, als vielmehr den 
ungerehten, wibernatürlihen Krieg beveutet, welcher Verwandte ges 
gen Verwandte führt. Nicht alfo weil et der Kühnfte ift unter den Göt ⸗ 
tern, wie D. 34 meint, füttert er den Fenrir, fondern aus dem tieferm 
Grunde, deſſen fi die jüngere Edda nicht mehr bewuſt war, wie Ihr 
auch D.12 das Verftänpnifs der alten Symbolik ausgieng. Daß Tyr 
den Rieſen verwandt ift, geht aus Hymiskwida hervor; ‚ben Menſchen 
gilt er aber nicht für einen Friedensſtifter', heißt es D.25 in äbnlihem 


Sinne. In Deutihland mochte Tyr (Zio) wie urfprünglih aud im Rors - 


den bedeutender hervortreten: in der Edda fpielt er nur eine untergeorbs 
nete Rolle: die Wölufpa laßt ihn nicht einmal an dem legten Weltlampf 
Theil nehmen und wenn e3 Gylfaginning (D. 51) thut, fo wird fi 8.45 
zeigen, daß fie aud dabei von einem Miſsverſtandniſs ausgeht. 

Indem jene Wölfe Sonne und Mond verfchlingen, machen fie ſelbſt 
ſchon einen Anfang mit dem Untergange, und obgleih erit Fenrir die 
volle Vernichtung bebeutet, fo bürfen doch Möl. 32 jene Wölfe als Fenrirs 
Geſchlecht bezeichnet werden. Die nächte Folge des Verſchlingens ber 
Himmelslichter ift nun das Grobeben, das fo beftig ift, daß alle Ketten 
und Banden brechen und reißen. Von Lofi wißen wir, fommt dad Erd⸗ 
beben her: er wird alfo bei der Verfinfterung der Welt, die der Ausdruck 
iſt für die Verfinfterung der Götter, die Verdunlelung der fittlihen Ber 





4 Weltuntergang. 187 


niffe, die Beit feiner Befreiung gelommen fühlen und an feinen Feßeln 
tätteln, die auch wirklich, gleich denen Fenrits, von ber Gewalt des Erbr 
bebens brechen. Aber warum fühlte Kofi die Zeit feiner Befreiung nicht 
früher gelommen, warum gelingt ihm jeßt, fragen wir aud hier, wad er 
fräher nicht vermocht hatte? Weil alle Bande gelodert find durd bie 
allgemeine Gntfittlihung, da felbft bie fefteften Bande, die Bande des 
Bluts, ihre Kraft verloren haben. Die Ketten und Bande, von denen 
bier die Rede ift, find eben nur Bilv für jene fittlihen Bande, deren 
Bruch den Untergang herbeiführt, und ‚da wird der Fenriswolf Tod’, 
heißt es D. 51 unmittelbar nah dem Bruch jener Ketten und Bande, 
und nun folgt die Darftellung des legten Weltlampfs, der das Tobeszuden 
der Götter ift, die bis dahin nur verfinftert waren. Doch nicht dloß 
Loti und der Fenriswolf fprengen ihre Ketten: alle bisher von den Got⸗ 
tem bei Gründung und Ordnung der Melt bezähmten und in gewiſſe 
GSöäranten zurüdgemiefenen feindfeligen Naturgewalten achten der Schran: 
ten nicht mehr, die ihre wohlthätige Wirkung bevingen, und nehmen ihre 
natürliche Wildheit wieder an. Wir fehen das zunachſt an ber Midgard ⸗ 
ſchlange, von der glei darauf gejagt werben wirb, daß fie wieder Sotens 
muth annehme. Der Brud der fittlihen Bande fptengt auch biefe 
Schranlen, da das Aeußere nur Bild des Innern, die Natur nur Aus ⸗ 
drud des Geiftes if. Das Ift die Anſchauung der heidniſchen Coba; fie 
findet ſich aber aud in einer chriſtlichen Mythe wieder. In St, Marien 
im Gapitol zu Köln ift ein Chriſtusbild (Nheinf. 70), ſchwarz, mit tief, 
ganz tief herabgejenktem Haupt des Grlöfers. Die Sage verſichert, es 
feien die Sünden der Welt, vie er auf fih genommen, die fein Haupt 
fo tief herabbrüdten. Wenn aber die Sünden der Welt fo überhand 
genommen hätten, daß fein Haupt fih bis zur Erde neige, dann werde 
die Welt untergehen. Auch hier alfo ift es die Entfittlihung, welche ben 
Untergang der Welt herbeiführt. 


4, Naglfar das Schiff, 

‚Da wird der Fenriswolf los“, helßt es weiter, ‚und daB Meer 
überfiutet das Land, weil die Midgarbichlange wieder Jotenmuth an ⸗ 
amt und das Sand fuht. Da wird auch Nagliar los, das Schiff, 
das fo heißt und aus Nägeln der Tobten gemacht iſt, weshalb wohl vie 
Barnung am Ort ift, daß wenn ein Mann ftirbt, ihm die Nägel nicht 


128 Aaglfar. 3.4. 


unbeſchnitten bleiben, womit der Bau des Schiffes Nagljar beſchleunigt 
würde, den doch Götter und Menſchen verfpätet wünſchen. Bei biefer 
Ueberſchwemmung aber wird Naglfar flott. Hrym heißt ver Niefe, der 
Naglfar fteuert. Der Fenriswolf fährt mit klaffendem Nahen einher, daß 
fein Oberkiefer den Himmel, der Unterkiefer die Erde berührt, und wäre 
Raum dazu, er mürbe ihn noch meiter auffperren. Feuer glüht ihm aus 
Augen und Nafe. Die Midgardſchlange fpeit Gift aus, daß Luft und 
Meer entzündet werben ; entfeplich ift der Anblid, indem fie dem Wolf 
zur Seite fampft. Bon diefem Lärmen birft der Himmel: da kommen 
Muspels Söhne hervorgeritten. Surtur fährt an ihrer Spige, vor und 
binter ihm glühendes Feuer. Sein Schwert ift wunderfharf und glänzt 
heller ald die Sonne. Indem fie über die Brüde Bifröft reiten, zer⸗ 
bricht fie, wie vorhin gefagt ift. Da ziehen Muspels Söhne nad der 
Ebne, die Wigrid heißt: dahin kommt aud der Fenriswolf und die 
Midgardſchlange, und aud Loki wird bort fein und Hrymr und mit ihm 
alle Hrymthurſen. Mit Loki ift Held ganzes Gefolge und Muspels Söhne 
haben ihre eigene glänzende Schlachtordnung. Die Ebne Wigrid ift hun⸗ 
dert Raften breit nad allen Seiten.‘ 
Bergleiht man hiermit Wöl. 50—52: 


650. Hrym fährt von Often, es hebt fich bie Flut, 
Zörmungandr wälzt fih in Jotenmuthe. 
Der Wurm jehlägt die Brandung, ber Adler fchreit, 
Leihen zerreißt er, Naglfar wird los. 

51. Der Kiel fährt von Oſten; Muspels Söhne fommen 
Ueber die See gefegelt, und Lofi feuert. 
Der Unthiers Ahkunft iſt all mit dem Wolf; 
Auch Bileiſis Bruder iſt ihm verbunden. 


52. Surtur fährt von Süden zc. 


fo berichtigen und erläutern fie ſich wechſelweiſe. Naglfar das Todten- 
ſchiff wird von Hrym gefteuert, den Weinhold Rieſen 57 für das euer 
erklärt, während ihn die jüngere Edda für einen Hrimthurfen (Reifriefen) 
anfieht und an deren Spihe ftellt. Fragen wir den Zuſammenhang, fo 
ftimmt er der j. Edda bei, da zwei verſchiedene Schiffe nicht nöthig wären, 
wenn beide nur Mächte des Feuers heranführen follten. Ein anderer Grund 
tann erft unten angeführt werben. Loki fteuert das Schiff, auf melden 
Muspels Söhne, die Flammen, über die See gefegelt kommen. Diejes 


& 4 Rägelbefäneiden. 129 


Ediff wird wie Gurtur, Muspelheims Hüter, von Süden kommen, Str. 51; 
folglich müßen vie Worte: der Kiel fährt von Often (kjöll ferr austan) 
6.50 auf das in der vorhergehenden Zeile genannte Schiff Naglfar 
jurüdbezogen werben. Der Berfaßer ber jüngern Edda ſcheint dieß übers 
ſehen zu haben, indem er Lofi mit Held ganzem Gefolge zufammenftellt, 
worauf ſich dann wieder Weinhold Ziſchr VII, 62. 65 gründet, indem er Loti 
mit dem Todtenſchiffe von Oſten daherfahren läßt. Uebrigens follte man 
erwarten, daß dem Süden ver Norden entgegenftünde, nicht der Often: im 
Rorden liegt Hels alte Nebelwelt. Aber auch Thör zieht auf Oftfahrten 
aus, mit den Rieſen zu laͤmpfen: das kalte Schneegebirge lag dem Nor 
meger im Oſten. Die Götter wurden fonft (Gr. Gef. d. d. Spr. 989) im 
Norden gedacht ; aber fo, daß fie gegen Süben ſchauten (Woljs Beitr. 25). 
Dieß ſcheint der Hauptgrund, warum hier der Norden vermieden und durch 
Dfen vertreten ift: man konnte bie meltzerftörenden Mächte nicht von 
Rorden daher fahren laßen zum Kampf wider die Götter, bie jelbft im 
Norden wohnten. Wenn gejagt wird, die Brüde Bifröft breche, indem bie 
weltzerflörenden Mächte hinüber reiten, fo ift dieß wohl zu den andern 
Irthümern der jüngern Edda zu fchreiben: wenn die Brüde unter ihnen 
bräde, wärben fie die Ebne Wigrid nicht erreichen. Bekanntlich ſoll auch 
nad einer deutſchen Sage vor der legten Schlacht eine rothe Kuh über 
ine gewiſſe Brüde geführt werden (Müllenhoff 376): dieſe Kuh beveutet 
das Feuer, wie wir aud Loki als milchende Kuh unter ver Erbe ſym⸗ 
bolifiert finden. Daß aber die Brüde unter der rothen Kuh bräche, wird 
nicht gemeldet, und das Feuer kann fie aud nicht zerftören, da fie felbft 
zam Theil aus Feuer gebilvet ift. D.15. 

Naglfar ift aus Nägeln der Todten gemacht, worüber Gr. Myth. 775 
bemerkt ift, es folle dieß bie ungeheure Ferne und das langſame Zur 
fanbelommen des Weltendes ausdrüden: ‚bis ein ſolches Schiff aus 
Kmalen Rägeljpnipen der Leichen zufanmengefegt werden kann, verſtreicht 
lange, lange Seit umd fie leidet noch Aufihub durd die warnende Vor⸗ 
Weift, allen Todten vor der Beftattung bie Nägel zu beſchneiden.“ Wir 
tinmen das gelten laßen, wenn nur nicht überfehen wird, daß vor Allem 
die Pflicht der Pietät gegen die Berftorbenen eingejhärft und ein Jeder 
aufgeforbert werben fol, mit behülflih zu fein, daß der Untergang ber 
Belt fo lange als möglich aufgeſchoben werbe, ‚den doch Götter und 
Renſchen verfpätet wunſchen.“ Durch diefe und eine andere religiöfe Pflicht, 
melde hernach noch eingeſchaͤtſt wird und den Sieg der Götter im legten 

Gmzed, Diyiäelagie. 9 


180 Exke veligidfe Pic. 844. 


Weltlampf zum Zwede hat, fehen wir die Menſchen zu Kampfgenoßen ber 
Götter erhoben, denen fie behülflich fein follen, den Untergang abzuwehren. 
Obgleich diefer einmal hereinbriht, und der legte Welttampf wenigſtens 
ſcheinbar gegen bie Götter ausfallen wird, find doch diefe, namentlich 
Din, unabläßig bemüht, ihre Macht gegen bie zerſtörenden Naturgewalten, 
die in den Riefen vorgeftelt find, zu ftärken und zu mehren: deshalb 
sieht er die berühmteften Helden, indem er fie im Kampfe fallen läßt, 
-in feine himmliſche Halle, und ftärkt mit ihnen feine Macht, denn fie follen 
einft als Einherier mit ihm zur Walftatt reiten, den legten Kampf lämpfen 
zu helfen. Darum if e8 aud den Menfchen Pflicht zuglei und Ghre, 
im Rampfe tapfer zu fein und lieber auf der Waljtatt zu fallen als auf 
dem Bette zu fterben: fie ftärfen damit Odind Macht und helfen ihm die 
feindfeligen Mächte bezwingen. Es if fein Widerfpruch, wenn die Götter 
in diefem Kampfe erliegen, denn fie werben in ber erneuten, in Flammen 
gereinigten Welt wiebergeboren ; die Riefen aber, die böfen Naturgewalten 
nit: an der Stelle der fündigen Götter wird nad ber Bertilgung der 
böfen Machte ein entfühntes, geläutertes Göttergefchleht herſchen. Jene 
veligiöfen Pflichten num, die in äußerlichen Uebungen beftehen, follen nur 
zunädft das Bewuſtſein wach erhalten, daß bie Menſchen Mitlämpfer der 
Götter find, mit welchen fie in den Niefen gemeinfchaftlihe Feinde haben. 
Wilkürlih auferlegt ift aber bie Pflicht gegen die Todten nicht, und die 
Mythe, dab von den unbefhnittenen Nägeln das Schiff zu Stande komme, 
das die weltzerftörenden Gewalten herbeiführt, hat denjelben Sinn, wie 
der andre, daß Managarım fih von den Leihen der dur ben Bruch der 
Sippe Gefällten mäftet. Wenn die Unfittlileit der Menfchen jo groß if, 
daß die Habgier zum Brudermord verleitet, ja den Sohn gegen den Bater 
in den Kampf führt, dann ift dad Ende der Welt nahe, denn von den 
Leichen der fo Gefälten mäften fih die Wölfe, melde die himmliſchen 
Geſtirne verſchlingen, und wenn die Lieblofigteit der Menſchen fo über 
band nimmt, daß die Pflichten gegen die Todten vernadläfigt werben, 
dann muß aud dieß den Untergang der Welt herbeiführen, denn von den 
unbefhnittenen Nägeln der Tobten ift das Schiff gesimmert, auf dem bie 
zerftörenden Gewalten heranſegeln. Dieß ift der ſchoͤne fittlihe Sinm 
diefer Dichtung, die unverftanden munberlid genug ausfieht, aber recht 
begriffen ſowohl dem menſchlichen Gefühl wie der poetiſchen Kraft unferer 
Voreltern die gröfte Ehre bringt. Hier zeigt ſich auch, daß die jüngere 
Soda Recht hatte, -Hrym, der Naglfar fteuert, für einen Reifrieſen zu 


54. Atnits Geupt. 181 


halten, da die Pieblofigkit, welche den Tobten die legte Pflicht weigert, 
nur aus erlaltetem Serzen entipringen Tann. Uebrigens bejhränft ſich die 
Pflicht gegen die Tobten nicht auf bie Sippe, wenn auch die Ber- 
wandten die nächfte Aufforderung zu ihr haben: in Sigrdr. 33. 34 ift fie 
als eine allgemeine Menfchenpfliht aufgefaßt : 


88. Das rath ich dir neuntens, nimm bes Tobten dich an, 
Wo du im Feld ihn findeft, 
Sei er ſiechtodt ober feetobt 
Dber am Stahl geftorben. 
34. Ein Hügel hebe fi dem KHeimgegangenen, 
Gewaſchen jeien Haupt und Hand; 
Zur Kifte komm er gelämmt und troden 
Und bitte, daß er felig ſchlafe. 


45. Der legte Weltkampf. 

‚Und wenn dieſe Dinge ſich begeben,’ fährt D. 51 fort, ‚erhebt ſich 
Heimball und fößt aus aller Macht ins Giallarhorn und wedt alle 
Götter, vie dann Rath halten. Da reitet Odin zu Mimird Brunnen und 
bolt Rath von Mimir für fih und fein Gefolge. Die Eſche Yggdraſil 
bebt und Alles erſchridt im Himmel und auf der Erde.’ Hiermit ſtimmt 
im Allgemeinen die erſte der aus Möl angezogenen Strophen : 

Ins erhobne Horn blaſt Heimball laut, 

Odin murmelt mit Mimirs Haupt; 

Vogdrafil zittert, bie ragende Eiche, 

Es rauſcht der alte Baum, da ber Rieſe frei wird. 
nur daß fie früher fleht und dieſe Begebenheiten unmittelbar nad der 
Bind- und Wolfszeit geſchehen läßt, alfo vor ver Befreiung Fenrirs, wor: 
aus fi ergiebt, daß unter dem frei werdenden Rieſen Loki verftanden ift. 
Bern fie Odin mit Mimirs Haupt murmeln läßt, was erft fpäter 
‚ganz erläutert werben kann (man vgl.einftweilen M. Edda 392), während er 
nach D.51 zu Mimird Brummen reitet, Rath für fih und fein Gefolge 
zu holen, fo find dieß verwandte, ſchon am Schluß von $. 36 als gleiche 
bedeutend zufammengeftellte Bilder für diefelbe Sache. Weiter heißt es 
dam: ‚Die Ajen wappnen fi zum Kampf und alle Einherier eilen zur 
Walſtatt. Zuvorderſt reitet Obin mit dem Goldhelm, dem fhönen Harniſch 
und bem Spieß, ‘der Gungnir heißt. So eilt er dem Fenriswolf ent: 


183 Loderkreifen. 8 46 


gegen und Thor fehreitet an feiner Seite, mag ihm aber wenig helfen, 
denn er bat vollauf zu thun, mit ber Midgardſchlange zu kämpfen. Freyt 
fteeitet wider Surtur und kämpfen fie ein hartes Treffen bis Freyr er- 
liegt, und wird das fein Tod, daß er fein gutes Schwert miſst, das er 
dem Skimir gab. Inzwiſchen ift auch Garm ver Hund los geworben, 
der vor ber Gnypahoͤhle gefehelt Tag: das giebt das gröfte Unheil, da er 
mit Tyr kaͤmpft und Einer den Andern zu Falle bringt, Dem Thör ger 
lingt e8, die Midgardſchlange zu tödten, aber faum ift er neun Schritte 
davon gegangen, fo fällt er tobt zur Erde von dem Gift, daß der Wurm 
auf ihn fpeit. Der Wolf verfhlingt Odin und wird das fein Tod. Als: 
bald ehrt ſich Widar gegen den Wolf und fept ihm den Fuß in den 
Unterkiefer. An dieſem Fuße hat er den Schuh, zu dem man alle Zeiten 
hindurch fammelt, die Lederfireifen naͤmlich, welche die Menfhen von 
ihren Schuhen ſchneiden, imo vie Zehen und Zerjen figen. Darum foll 
diefe Streifen ein Jeder wegwerfen, der darauf bedacht fein will, den Aſen 
zu Hülfe zu kommen. Mit der Hand greift Widar dem Wolf nad dem 
Oberkliefer und reißt ihm den Rachen entzwei und wird bad bed Molfes 
Tod. Loki kämpft mit Heimball und erſchlaͤgt Einer den Andern. Darauf 
ſchleudert Surtur Feuer über die Erde und verbrennt die ganze Belt.’ 


46, Die ſechs Einzelfämpfe, 
Hiernach find die Rollen im Kampfe fo vertheilt: 
1. Ddin gegen ben Fenriswolf, wobei Odin fällt und der 
Wolf für den fehöten Kampf (mit Widar) übrig bleibt. Die Wölufpa 53 
berührt diefen erften Kampf nur mit den Worten: 


Nun hebt fi Hlins (Friggs) anderer Harm, 

Da Ddin eilt zum Angriff des Wolfe. 
ohne den Ausgang deutlich zu melden; er ift aber in der folgenven 
Strophe bei Widars Kampf mit dem Wolf in den Worten audgebrüdt: 
fo räht er den Vater. Da der Fenriswolf den Untergang überhaupt 
bebeutet, fo ift er gegen Odin ben MWeltenvater georhnet. In dieſem 
Kampfe it ſchon das Wefentlihe enthalten und es bebürfte der übrigen 
Eingeltämpfe nicht mehr, mit Ausnahme des Iepten, in meldem wieder 
der Wolf auftritt, aber dießmal um befiegt zu werben und Odins Tod 
an ihm zu rächen, 





% 46. Iweiter und dritter Aampf. 188 


2. Ihör gegen Jörmungandr, die Weltſchlange, die er zwar 
erlegt, aber von dem Gifte, das fie auf ihn fpeit, tobt zur Erbe faut. 
56. Da ſchreitet der ſchöͤne Sohn Hlodyns (Jordhe): 
Den Wurm trifft muthig Midgards Segner. 
Doch fährt neun Fuß weit Fidrghus Sohn 
Weg von der Natter, bie nichts erſchrecte. 
Alle Weſen müßen die Weltftatt räumen. 

Da das Meer beim Weltuntergange die ihm von ven Göttern an 
gewieſenen Schranken fprengt und bie Erde überflutet, fo wird es in der 
Weltſchlange als ein werberblices Ungethüm aufgefaßt, welches Thör zu 
belämpfen berufen ift. Freilich könnte Thör auch gegen andere Ungethüme 
geordnet fein ; aber dieſes ift das gröfte von allen, wenn aud vielleicht 
nicht daß verderblichſte. Auch hat Thor als Gott des Gewitter, das aus 
den Wolten hervorgeht, einen Bezug auf das Meer, und ber Gewitter: 
tal wird gern von der Flut angezogen. Nah dem Mythus von Thör 
bat diefer fhon früher einmal gegen die Midgardſchlange gekämpft ; aber 
& war, wie Uhland 171 fagt, nur ein ledes Vorſpiel des künftigen, für 
beide verberblichen Kampfes. In der verjüngten Welt findet ein feinds 
feliges Wefen wie die Midgardſchlange feine Statt, es muß daher in 
diefem Rampfe fallen. Aber auch Thors bedarf es dort nicht mehr, feine 
Rolle ift audgefpielt, da ed feine Unholde mehr zu erſchlagen giebt. 
Hierin Tiegt das Recht der Dichtung, ihn in dieſem Kampfe gleichfalls 
erliegen zu lafen. Da Midgards Schüger (Weiher, Heiliger) nun ge 
fallen ift, fo werben zwar die Menſchen jet alle won ihrer Heimatäftätte 
verdrängt, was die folgende Strophe 56 mit den Worten erläutert: ‚die 
Erde finkt ind Meer‘; aber es war der Todeslampf der von Thör ber 
jwungenen Schlange, die bald nach Strophe 57 die Erde aus dem Waßer 
wieder auftauden und friſch ergrünen läßt. 

3. Freyr gegen Surtur, wobei erfterer erliegt, weil er fein 
Schwert mift, das er dem Skirnir gab, womit auf den Mythus von 
Freyr und Gerba (8.29) angefpielt wird. Hätte die Hindeutung Grund, 
fo wäre es ſchwer, den dem Ausgang des Kampfes zu Grunde liegenden 
Gevanten anzugeben. Freyr mifst fein Schwert, den Sonnenftral, weil 
die Sonne bereit3 von Skoͤll verfhlungen oder doch fhon von feinem 
Rocen erfaßt ift; erft während des legten Weltkampfes ſcheint fie nach 
6.56, wenn die Erde ind Meer fintt und die Sterne vom Himmel 
fellen, von ihm erwürgt zu werben. Wajthrubnism. 46.47. Wir fahen 


134 > Suweifelhafter, 546. 


aber früher, die Hingabe des Schwerts für Gerdas Beip bezog fih ur 
fprüngli auf ein jährlich wiederkehrendes Greignifs, niet auf bad große 
Weltenjahr, mit dem es in Verbindung gebracht ward, als der Mythus 
von Ragnaröf und dem Weltuntergang die Herſchaſt über afle andern er: 
Tangt hatte. Die entſprechende Stelle der Wöl, 


58. Belis Mörder miſet fi mit Surtur: 
Da füllt Friggs einzige Freude. 


läßt nicht erlennen, ob die Verbindung ſchon vollbracht war; wenn auf 
Frege Belis Mörder heißt, was auf den Mythus von Freyt, Gerda uns 
ihrem Bruder Beli zielt, fo ift do auf die Weggabe des Schwerta nicht 
gedeutet. Warum Freyr Friggs einzige Freude heift, wird fpäter erläus 
tert werben. 

Freyrs Fall erflärt fi wohl daraus, daß es der Wanengoͤttet in 
der verjüngten Welt nicht bebarf, ba fie den finnlichen Begierden vor⸗ 
ſtehen. So fehen wir auch feine ver Göttinnen übrig bleiben, wie fh 
nad unferer Anſicht alle aus Nerthus und Freyja entwidelt haben, aljo 
Banifcen Urfprungs find. Bei den Aſen mar dem Freyr die Herſchoſt 
über die Sonne (von Dbin, dem fie wohl usfprünglid; zuftand) verliehen 
worden ; dieſe ift jept in Gl Rachen und nur nod ald Wanengott 
tommt er beim Weltlampf in Betracht. Warum Surtur, der ihn befiegt, 
gleichwohl in ver verjängten Welt nicht mehr auftritt, ift ſchen oben 8.40 
erläutert. 

4 Heimdall gegen Loki. Die Wölufpa weiß von dieſen 
Kampfe nichts; doch könnte er in der Meberlieferung gegründet fein, da 
auch Heimdall ſchon früher einmal einen Kampf gegen Loli beſtanden 
bat (f. u. Heimball) wie Thor gegen die Mingarbfchlange. Lei kennen 
wir fon ald den Zerftörer, und obwohl wir feinen Namen wicht ven 
at luka, beichließen, ableiten mögen, fo führt er dod das Ende der Welt 
herbei. Würde num Heimdall richtig als der Anfang ver Dinge aufe 
gefaßt, wie denn die verihiedenen Stände ihren Urfprung von ihm her⸗ 
leiten, ja nah dem Eingang der Wölufpa die Menfchen überhaupt, fo 
fände er in Loli feinen Gegenfag und ber Ausgang des Kampfes Tiefe 
ſich, wenn gleich mehr wigig ald überzeugend, mit ben Worten ausbrüden, 
daß beim Weltuntergange Anfang und Ende zufammenfallen. Aber der 
Grund der Zufammenftellung lag bei ihrem erften Kampfe in der um 
fprünglien Natur beider, da Loki das Feuer ift und Heimdall, wie unten 


3. 46. suchler Aanyl. 18 


nachgewiefen werden fol, der Regen. In dieſer Bebeutung koͤnnen fie 
beim legten Kampfe nicht gefaßt werben, man müfle benn Heimdalls 
Natur auf das gejammte Glement des Waßers, aus dem er geboren ift, 
erweitern und feinen zweiten Kampf mit Loki beim Weltende auf ven 
Streit beider Glemente beziehen, ver da eintreten wird, wenn Surtur 
Feuer über die ganze Welt ſchleudert und dann die Erde ind Meer finkt. 
Dad aber würde mit dem berichteten Ausgang des Kampfes nicht ſtim⸗ 
men, wonach Einer den Andern erſchlagen fol, während Waßer das Feuer 
loſchen müßte. Nehmen wir Alles zufammen, fo trifft diefen vierten Rampf, 
der im Gedanken nicht feſt genug begründet ſcheint, der Verdacht fpäterer 
Zudichtung. Jener frühere Ginzellampf beider mag die Veranlagung ges 
weien fein, fie aud bier wieder gegemüber zu ftellen, 

5. Tyr gegen Ranagarm. Auch von biefem Kampfe weiß 
Bil richts, und ic halte ihn in ber Weberlieferung nicht für begründet. 
Der Berfaßer der jüngern Edda ſcheint zu der Annahme deſſelben durch 
cin Mifsverftändnifd der Wöl. veranlaßt. Ginen Hund Namens Garn, 
ver die Kette fprengen und an dem Kampfe Theil nehmen Tönnte, giebt 
es gat nicht. Man dent an den Höllenhund, von dem es Wegtams ⸗ 
feida heißt, als Odin nach Niflpeim ritt, die Wala zu weden, um fie 
über die Geſchide der Welt zu befragen: 

Da kam aus Geld Haus ein Hund (hvelpi) ihm entgegen, 
Blutbefledt vorn an ber Bruſt, 

Kiefer und Raden Haffend zum Biß: 

So gieng er entgegen mit güßuendem Schlund 

Dem Bater der Lieder mit lautem Bellen. 

Aber dieſer Höllenhund ift fo wenig gefehelt als Managarm, welcher 
fo eben erft ven Mond verſchlungen hat, D. 51 giebt aber nähere Aus: 
haft, welchen Hund fie meine, indem fie hinzufügt: „Inzwiſchen ift auch 
Garn ver Hund los geworben, der vor ber Gnypahöhle geſeßelt lag‘. 
Sie fhöpft mithin and Wol., wo es Strophe 39 und 48, alfo zweimal, 


Geyr Garmr mjök Gräfslid, heult Garm 
fyr Gnäpahelli, vor ber Gnupaßöhle: 
feste mun slitoe bie Feßel bricht 
en Freki renna. und Freki rennt. 


Sie hat alſo dieſe Stelle, die nur den Fenriswolf meinen Tann, 
wilßoerfianden. Bon einem gefeßelten Hunde ift uns nichts bekannt, 


186 ytheloriſce Syrache. % 46. 


wohl aber wißen wir, daß der Fenriswolf gefehelt Megt; die Meldung 
von feinem Losbrechen, die fonft nirgend gefunden wird, muß in dieſer 
Stelle der Wol. enthalten fein, denn fie gehört bieher, da gleih nach ihr 
folgt, daß die Midgardſchlange Jotenmuth annimmt, das Todtenſchiff flott 
wird und Muspels Söhne gefegelt kommen. Das Loswerden des Fenris- 
wolfs läßt aber D. 51 ſelbſt diefen Dingen unmittelbar vorhergehen. 
Den Fenriswolf fehen wir alfo im biefer Halbſtrophe gweimal im ver⸗ 
fhiedener Weife bezeichnet, einmal als Garm und gleich barauf als Frefi. 
Legtern Namen führt einer von Odins Wölfen, und wie diefer nad ver 
tühnen mpthologifchen Sprache des Nordens, welche bie Namen verwandter 
Dinge zu vertaufchen liebt, dem Fenriswolf beigelegt wird, fo aud der 
Managarms, der gleichfalls wie wir wißen ein Wolf ift, wenn er gleich 
als Monbhund bezeichnet wird. Dennoch bat fi) der Berfaßer der 
jüngern Edda täufchen laßen, mobei ihm freilich zur Entſchuldigung ger 
reicht, daß die Erwähnung ber fonft unerhörten Gnypahöhle ven Schein 
veranlaßte, als fei hier von einem neuen übrigens unbelannten Ungethüm 
die Rebe. War die einmal vorhanden und der Feßel ledig geworben, 
fo mufte e8 au an dem Kampf wider die Götter Antheil haben, man 
ſtellte ihm alfo den Tyr, vgl. 6.127, gegenüber, was zugleich ben Vor⸗ 
theil gewährte, auch diefem dabei feine Rolle angemwiefen zu fehen. Es ift 
aber unmögli, den mythiſchen Gedanken anzugeben, der einem folgen 
Kampfe zu Grunde liegen follte, va Garm, der aus Mifsverftänpnifs ents 
ftandene Doppelgänger Fenrirs, gar leine Bedeutung haben Tann. 

Die Wiederholung unferer Strophe erflärt fi leicht. Das erftemal 
(39) fteht fie neben Lokis Feßelung, nachdem die Seherin den gleihwohl 
eintretenden Weltuntergang und Fall der Aſen in einer vorfhauenden 
Halbfteophe angedeutet hat. Hier alſo ift fie ald ein künftig eintretendes 
Greignifs vorweggenommen. Darum muß fie Str. 48 bei ver fpätern 
Darftellung des nun wirllich eintretenden Weltuntergangd wieberlehren, 
um bem Losbruch Fenrirs feine Stelle im Bufammenhang der Ereignifie 
anzuweifen. Daß Fenrir vor der Gnypahöble gefeßelt lag, fagt allerdings 
die jüngere Edda nicht, und wie Lönnte fie es, da fie die Onypahöhle auf 
einen Hund Namens: Garm bezieht; aber in der Wöl, wird damit bie 
Höhle gemeint fein, welche die Felſen Giöll und Thwiti bildeten, die nach 
D. 34 ($. 39) bei Fenrtirs Feßelung gegen einander gefügt wurden. Vgl. 
Lex Myth. s. v. Gnipahelli. Nach dem Glofjar zu Th. L ſcheint aber 
st gneypa constringere, comprimere zu bebeuten, wa3 für gnypahelli 





8.46 Dweite religiöfe id. 187 


den zu ihrer Beſchreibung D. 34 völlig ftimmenden Sinn einer Meifenden 
(Oemmenden) Höhle ergiebt. 

6. Bidar gegen den Fenrismolf. Aus bem erften Kampfe 
war ber Wolf als Sieger hervorgegangen, nachdem er den Weltenvater 
verfölungen hatte; in biefem fechöten erliegt er, indem ihm Widar ven 
Fuß, an dem er den großen Schuh bat, in ven Unterkiefer feht, mit ver 
Sand aber nad dem Oberkiefer greift und ihm fo den Rachen entzweis 
reißt. Zu jenem großen Schub fammelt man alle Zeiten hindurch, die 
2ederftreifen nämlich, welde die Menfchen von ihren Schuhen ſchneiden, 
wo die Zehen und Ferfen ſihen. Darum wird die Lehre hinzugefügt, daß 
diefe Streifen ein Jeder wegwerfen folle, der darauf bedacht fei, den Aſen 
zu Hülfe zu kommen. Hier haben wir alfo einegweitereligidfe Pflicht, 
jener ähnlich, welche ſich auf die Nägel der Tobten bezog, die zu dem Bau 
des Schiffes Ragljar verwendet werben follen, nur daß wir in jener ſitt⸗ 
liche Bedeutung erkannten, während dieſe zunächft ganz pofitiver Natur 
ſcheint. Bermuthlic würde biefer Schein aber verfhmwinden, wenn wir 
wüften, welche Bewandiniſs e3 mit jenen Lederftreifen hatte. Wären wir 
unterrichtet, wie die Schuhe der Alten beſchaffen waren, fo würde ſich 
vielleicht die Vermuthung rechtfertigen laßen, daß au hier eine Pflicht 
der Bietät oder Milde eingefchärft werben fol, indem die Leberftreifen, 
welde die Vornehmen und Reichen megwerfen, von ben Geringen und 
Armen benugt werben können, ihre Fuße damit zu bekleiden. 

Die Hier eingefhärfte Pfliht als ein gutes Werk zu faßen, wo nicht 
als die guten Werke überhaupt, berehtigt der fottifhe Glaube, denn 
Aberglauben möchte ich e8 nicht nennen, der einem armen Mann zuweilen 
ein Baar Schuhe zu fhenen empfiehlt: fie tmürben dem Geber in ber 
andern Welt zu Gute tommen. Ba müflen wir nämlich über eine große 
mit Domen und Pfriementraut bewachſene Haide, und könnten nicht bins 
über als durd das Verdienſt dieſes Almofens , denn jener alte Mann 
werde und ba mit ben gefchenkten Schuhen begegnen: wir würden fie 
anlegen und damit unbeſchaͤdigt durch Did und Dünn waten. Der Schuh 
iſt das Almofen, das heidnifhe Völfer am höchſten hielten, fie bie bei 
umgebahnten Wegen über Stod und Stein fuhren. Verwandt fcheint ber 
muhamedaniſche Glaube, wonach fi die Verſtorbenen die guten Werte 
unter die Füße legen, wenn fie vor dem jüngften Gericht über die glüs 
hende Eifenftange ſchreiten müßen, die über eine grundlofe Tiefe gelegt ift. 
Muth. 794. 795. Wahrſcheinlich hängt damit aud der Todtenſchuh (heis- 


188 Gais Werke. % 46 


k6) zufammen, den man ben Tobten mitgab, nach welchem im Senne 
bergifhen die dem Verſtorbenen erwiefene legte Ghre überhaupt genannt 
wird, ohne daß der Gebrauch felbft fortbauerte; ja dad Leichenmal wird 
fo geheißen. Myth. 795. Go mird in Gtöbers Elſäßiſchen Gagen 6. 34 
erzählt: In Ingersheim verftarb eine Woͤchnerin, der hatte man keine 
Schuhe mitgegeben: ba Hopfte fie gleich in der erften Nacht ans enter 
und fagte: Warum habt ihr mir feine Schuhe mitgegeben? Ih muß 
durch ‚Difteln und Dornen und über fpige Steine. Aud bie ‚Tochter 
Sion’ bedarf nah V. 3481 zu der Reife nach dem Berge des himmliſchen 
Bräutigams unter andern au der Schuhe der Demuth, und nach deuts 
fen Vollsſagen (Baader 237. Wolf N. S. 396) ftilt ein Schub, in ein 
Gewitter geworfen, das durch Hererei erregt ift, den "Sturm ober bannt 
den Herenfhwarm, ein Glaube, auf den aud in Hoffmanns RNiederdeut⸗ 
ſchem Theophilus 8. 5245 angefpielt wird. gl. die Anm. 48. Gin 
anbermal (Baader 141) vertreibt Schuhwechſel Geſpenſter; wie auch Brot 
gegen einen feurigen Mann getvorfen vor diefem fügt. Baader 224. 
Sieht man irgenbiwo Geld brennen, jo muß man einen Schub darauf 
werfen, bann Tann man es auch bei Tage heben. Kuhns Maͤrl. Aber 
glaube 67. Myth. 1072. Die Deutung der Schuhe auf die guten Werte 
ſcheint enblid auch in folgenver Stelle in Greg. M. Homiliae in Evangg. 
L. I. hom. XXII. No. 9 enthalten: ‚Caloeaments habebitis in pe 
dibus (Exodus XII, 11). Quid sunt enim pedes nostri nisi opers? 
Quid vero calcsamenta, nisi pelles mortuorum animalium ? Calcea- 
ments autem pedes muniunt. Quse vero sunt mortua animalia, ex 
quarum pellibus nostri muniuntur pedes, nisi antiqui patres, qui 
nos ad seternam patriam praecesserunt? Quorum dum exempla 
conspicimus, nostri operis pedes munimus. Üslceaments ergo in 
pedibus habere, est mortuorum vitam conspicere et nostra ve- 
stigia a peccati vulnere custodire.‘ 

Die guten Werke find Manchem ein Anftoß; aber ich verftehe fie ald 
Werte, die aus gutem Herzen tommen, wie fie aud in ven Märden bie 
dankbaren Thiere zu belohnen wißen. Das Weſen muß erjheinen, fagt 
‚Hegel, und ein guted Herz, das fi nie durch Werte beihätigt, iſt eben 
fo wenig werih als ein f.g. gutes Werk, das anderer Duelle als gutem 
Herzen entfpringt. Das kann ein Kind begreifen, und fo hoffe ic, 
alberner confefiioneller Zant werde mir bei Grllärung eines tieffinnigen 
heidniſchen Mythus nicht mehr entgegenftehen. 


8.46 War. 189 


Die Aufforderung, vie Lederſtreifen megzumerien, welche ben großen 
Schuh bilven helfen, mit weldem Widar ven Göttern bie Unfterblicteit 
erfämpft, enthält hiernah eine Mahnung an bie Menihen, ſich dieſer Uns 
ſterblichteit durch gute Werke theilhaftig zu mahen Wir würden mit 
dieſet Anficht durchzudringen hoffen dürfen, wenn nicht Widars Weſen und 
die Bedeutung feines Kampfes erft noch der Erläuterung bebürften. Be: 
lanntlich hat diefer Gott fo verſchiedene Auffapungen erfahren, baß er 
ſchon deswegen ber ſchweigſame As (D. 29) heißen dürfte, denn er ſchwieg 
und, wir wuften ähm nicht gu deuten. Daß er die Waßerhoſe nicht fein 
fan, wie Zinn Magnufen wollte, ergiebt ſich ſchon daraus, daß ein fols 
üb verberbliches Ungeihüm wohl zu den Riefen, nicht zu ven Göttern 
fiblen tönute ; was darauf leitete, feine Einbeinigleit, wird aus dem 
werben Schub, ver einen feiner Füße befleivet, ohne Grund gefolgert. 
Darım hätte Widar aud nicht mit Gunthari, der im Waltharius im 
Rampfe mit dieſem den Schentel einbüßt, verglichen werben follen. Bes 
terfen nimmt ihn fiir die Umvergänglicleit der Natur, worgeftellt in einem 
wöurhdringlihen Wald, wo nie eine Art Hang, denn im Urwald 
derſcht Schweigen. 

Diefe Deutung bet viel Einnehmendes und trifft in ihrem erften 
Deile nahe zum Biel, nur ber Urwald wird ganz aus dem Spiele bleiben 
mühen. BVorgeftellt unter dem Bilde eines jungen Anwuchſes würbe es 
tihtiger heißen. Unfere Anfiht haben wir fo eben angedeutet; fie zu 
begründen müßen wir auf Fenrirs Bedeutung zueüdgehen, benu in feinem 
Nampf mit ihm if der Gig der Lehre. Mir haben ihn aber ſchon als 
Ve Vernichtung felber, ald ein Symbol des hereinbrechenden, umermeib: 
bien Untergangs aufgefaßt. Indem ihn num Widar bekämpft und bes 
Fest, kann dieſer nicht? anders als die Emeuerung fein, bie Wieder 
gebart der Welt und ber Götter, wozu fein Name volllommen ftimmt, 
Amel das gothiihe vithra, das ſowohl contra als re-, warsus, iterum 
bedeutet, dem Norden neben dem gangbaren vidh nicht fremd ift, wem 
8 and) nur in Bufansmenfegungen wie vidhrlifi (sustentatio), vidhr- 
Yitt (praesentia) erfeint. Gr. Gramm. II, 795. II, 258. Wider, 
Ver den Göttern die Erneuerung erkämpft, indem er die Vernichtung bes 
Feat, iR auch ber eigentliche Gott der erneuerten Melt, da Mali, ber 
ben ihm genannt wird (Waſthrud. 51), als Baldurs Räder in deſſen 

Vhus gehört, der urſprunglich auf das zwölimonatliche Jahr bezügfidh, 
&R fpäter auf das große Weltenjahs übertragen warb. AUS ein Sinn ⸗ 


140 Erneuerung. % 46. 


bild der Erneuerung verſtehe ich aud, mas Grimnismal 17 von Widars 
Wohnſit geſagt it: 

Geſträuch grünt und hohes Gras 

In Widars Land Widi. 
womit man Hawamal 120 vergleiche, wo es heißt: 

Gewannft du den Freund, dem du wohl vertrauft, 

So beſuch ihm nicht felten, 

Denn Strauchwerk grünt und hohes Gras 

Auf dem Weg, den Niemand wandelt. 


Daß dem Unbeſuchten, von den Menfchen Geflohenen Gras vor ver 
Thüre wächft, ift noch gänge Redensart; aber Niemand wird dabei, wenn 
es aud Grad und Straud bieße, an den Urwald denken, und obgleich 
in biefer Erneuerung des urfprünglic überall verbreiteten Anwuchſes die 
unvergänglihe Kraft der Natur fi offenbaren mag, die fi 
immer wieder erneut, fo ift es doch nur die Erneuerung ſelbſt, welche 
das Bild meint, wie ihr Begriff ſich aud aus dem Gieg über den Fen⸗ 
riswolf, der die Vernichtung ift, ungezwungen ergiebt. Allerdings laͤßt 
der Rame des Gottes zu, an vidhr Holz zu denen, und infofern deſſen 
Wachsthum die unzerftörte Trieblraft der Natur darftellt, haben wir auch 
nichts gegen eine folde Ableitung; aber da ein gleiches vidhr Präpofis 
tion und Adverbium if, dad aud in feiner althochbeutfhen Form wider 
in widarburt vie erfte Hälfte der Bufammenfegung bildet, fo fehen wir 
den Urwald herbeizuziehen am wenigften Grund, da biejer feinen Sinn er 
giebt. Beterfen war wohl ein finniger Mann, voll Phantaſie und poes 
tiger Begabung, aber dem Gedanken des Mythus nachzugehen nicht immer 
aufgelegt. Die Phantafie führte ihn germ ihre eigenen Wege, vielleicht 
anmutbigere, aber eben nicht die Wege des mythiſchen Gedankens. 
Bas fann ſchöner, was lann herrlicher fein als der Urwald, was beredter 
als fein Schweigen ? Aber falls es am jüngften Tage nod einen Urs 
walb giebt, was id; bezweifle, fo follte e8 uns leib thun um biefe Schön- 
heit und Herrlichkeit, wenn fie fi in Kampf einließe mit dem Wolf, ver 
die Berftörung felber ift. Was könnte der Ausgang eines folhen Kam: 
pfes fein, al3 daß der Urwald ausgehauen würde, fo gänzlich ausgehauen 
wie leider oft auch umfere Wälder, in denen man vor lauter Wald feinen 
Baum mehr ſieht. Unſer fester Kampf nimmt aber einen andern Nuss 
gang: Widar geht fiegreih aus ihm hervor, darum kann er nicht der 


% 46 Sqweigtudet Aſe. 141 


Uwoald fein. Was wollte auch der Urwald gegen Fenrir ausrichten, wenn 
er mit Haffendem Rachen einherfährt (j. Edda ©. 322) und fon ben 
Beltenvater verjhlungen hat? Gr wäre wie eine Bohne in eines Löwen 
Rachen geworfen. Und was könnte der große Schuh des Urwalds bedeuten? 
Das alles hätte Peterfen bebenten ſollen und Alle follten e8, die noch 
jegt auf feinen Irrthum ſchwoͤren, nachdem die einleudtende Wahrheit 
längft gefunden ift. 

Nur wenn wir Widar als den Gott der Erneuerung faßen, erllären 
fih aud die Worte D.29: ‚Auf ihn vertrauen bie Götter in allen 
Gefahren‘ Wie die Unfterblichkeitälehre bie Menfhen zu tapfeın Kam⸗ 
yiern macht, die dieſes Leben freudig in die Schanze ſchlagen, jo mögen 
auf die Götter mit freubiger Buverfiht in den Kampf gehen und ben 
Zod verachten, da fie der Wiedergeburt vertrauen, die ihnen Widar ers 
fämpfen wird. 

Die Wölufpa ſcheint nach Str. 53 no nichts von Widars großem 
Sub zu wißen, ba von feinem Schwerte (hjör) geſprochen wird. Wohl 
aber kann man ſchon eine Andeutung deſſelben in Wafthrubnismal 58 
Finden, wonach er dem Wolf die lalten Kiefern Hüften fol. Schuh und 
Schwert fcheint die Skala, die ihm Cap. 11 einen Eiſenſchuh bei⸗ 
legt, verbinden zu wollen. Dieb mag fie auch veranlapt haben, jenes 
Riefenweib Gridh, von welchem Xhör bei feiner Fahrt nad Geirrödsgard 
Stärlegürtel, Stab und Eifenhbanpfhuhe borgt, zur Mutter Widars 
des Schweigſamen zu machen, wovon bie übrigen Quellen nichts wißen. 
Aber wäre dieß auch tiefer begründet, fo fann der Umftand, daß anders 
waͤrts (Wöl. 32) von einem Eifenwalde die Rebe ift, doch die Anficht 
nicht ftügen, daß Wider, der Gott der Erneuerung, der Wiedergeburt, 
unter dem Bilde eines undurchdringlichen Urwalds vorgeftellt ſei. Der 
ſhweigende As darf er aber allerdings heißen, da Niemand gewiſs 
weiß, welches Schidfal feiner in der mwiebergeborenen Welt hart, wenn 
© aud) der Mahnung zu genügen beftrebt war, ſich der durch Widar er: 
ftittenen Unfterblichteit theilhaftig zu machen. Wir ſprechen in demfelben 
Sinne von dem ſchweigſamen Grabe: 


Das Grab ift tief und ftille, 
Und ſchauderhaft fein Rand. 
Es bdedt mit ſchwarzer Hülle 
Ein unbelanntes Land. 

Salis. 


148 Eoiger Yade. 6. 4 
Heißt es doch auch Hyndluliodh. 41: 


Wenige werden weiter blicken 
Als bis Odin den Wolf angreift. 


was nicht woͤrtlich zu nehmen iſt: der legte Weltlampf iſt gemeint, der 
mit diefem Gisgellampf anhebt.” Uhland 169. 

Grinnerungen an Widars großen Schuh haften in den großen Schw 
ben des ewigen Juden, bie an verfhiebenen Orten, zu Ulm und Bern 
gezeigt werben. Don jenen zu Bern heißt e3 bei Rochholz II, 307, fie 
feien ungemein groß und von hundert Blepen zufammengefegt, ein Meifter: 
ftüd eines Schuhmachers, weil fie mit vieler Mühe, Fleiß und Ge 
ſchidlichleit aus gar vielen ledernen Theilen zufammengeflidt worden. Hier 
tommt auch der Grund zu Tage, warum ihn die Sage für einen Schuh 
macher außgiebt. 

Bum Schluße nod über den Namen der Rampfftätte Wigrid, die 
nad) allen Seiten hundert Raſten breit ift: " 

Wafthr. 18. Wigrid heißt das Feld, wo zum Kampf ſich finden 

Surtur und bie ewgen Götter. 
Hundert Raften zählt es rechts und linfs: 
Solcher Walplatz wartet ihrer. 


Er iſt von vig (Rampf) und rida (reiten) gebilvet, weil die Götter 
dahin zum Kampfe reiten. Sie heißt aber auf Dftopnir, nad Faf 
nismal 14. 15: 
Wie Heißt der Holm, wo Herzblut miſchen 
Surtur einft und Afen ? 
Dflopnir heißt er: da werden alle 

- Götter mit Speren fpielen. 


Wölfungaf. K. 18 heißt er Uflapte, weil man ihn als den uner 
ſchaffnen verſtand; richtiger wird er aber ald der unausweichliche gebeute, 
vor dem keine Flucht möglich ift (at scops, rennen), Peterfen 391. Ir 
Deutſchland entfpriht das Walferfeld, obgleih es auch andere Lolali: 
fierungen giebt. So wird in Schleswig-Holftein bald Nortorf bald Bom: 
bövede genannt (Müllenh. 370), auch wohl die Kropper Haibe, mie bei 
uns die Wahner Haide, ein uralte® Grabfeld voller Todtenurnen. 


847. J deubraud. 148 


471. Der Weltbrand. 


Muspels Söhne, an deren Spige Surtur geritten fommt, find die 
Bewohner Muspelheims, der füblihen Feuerwelt, alſo die Flammen felbf. 
Ihr Bater Muöpel erſcheint nirgend perfönlih, er würde noch einmal 
008 Feuer perjonificieren. Surtur, der Echmärzer, den wir ſchon oben für 
den Rauch erflärt haben, ſchleudert an Lolis Stelle das feuer über die 
Erde und verbrennt die ganze Welt. Der Weltbrand heißt demnach Sur: 
talogi. Wafthr. 50. Surturd flammendes Schwert (hefir loganda 
sverdh D. 4) ift wieder die Flamme, 

Es ift eine der überrafchendften und bei den gegen bad Alter der 
Eda erhobenen Zweifeln erfreuficften Einftimmungen der beutjhen mit 
der nordiſchen Mythologie, daß und das bunlle Wort muspel in gleicher 
Bedeutung bei Sachſen und Baiern in Handſchriften des achten und 
neunten Jahrhunderts wieberbegegnet und zwar gerade au bei Beſchrei⸗ 
bung des jüngften Tages. In dem fähfifhen Heliand heißt es 79, 25: 
‚mudspelles megin obar man ferid,‘ ‚vie Gewalt des Feuers fährt über 
die Menſchen, und 133, 4: ‚mutepelli cumit an thiustrea naht, al 
s thiof ferid darno mid is dädiun‘, ‚das Weltfeuer Eommt in 
dunkler Nacht heimlich und plöplich wie ein Dieb geſchlichen,“ und ber 
althochdeutſche Dichter fagt in dem von Schmeller entdedten altbairiſchen 
Bruhftüde von dem jüngften Gericht, welhem der Herausgeber den Namen 
Ruspilli gegeben hat: 

Där ni mak denne mäk (andremo) helfan vora (demo) muspille, 

Denna da; preita wasal alla} varprinnit. 

Da kaun ber Freund dem freunde nicht vor dem ‚Muspel‘ frommen,, 

Bean ſelbſt das breite Weltmeer gänzlich verbrennen wird, 


Das dunkle Wort zerlegt M. 760 in mud und spilli, und erflärt 
ledteres aus dem altnordifcen at spilla corrampere, perdere, welchem 
ein hochdeutſches spildan, verderben, entfpricht. Dunkler iR aber die 
erſte Silbe mud-, welde verglihen mit -meidhr in mimameidhr , wie 
die Weltefhe Yagdrafil in Fiolſwinnsm. zu heißen ſcheint, auf ven Begriff 
des Holzes führen mürbe. Mudſpilli wäre dann poetifhe Umſchreibung 
deB holgoerberbenden Feuers, was ähnliche eddiſche Bezeichnungen be 
deuers, bani vidhar, grand vidhar, Xöbter, Berberber des Holzes, außer 
weifel ſtellen. 


184 "= Bweifelhafter, 546. 


aber früher, die Hingabe des Schwerts für Gerdas Befip bezog ſich ur 
fprüuglich auf ein jährlich wiederlehrendes Greignifs, nicht auf bad große 
Weltenjahr, mit dem es in Verbindung gebradht ward, als der Mythus 
von Ragnaröf und dem Weltuntergang die Herfhaft über afle andern er» 
langt hatte. Die entfpregende Stelle der Wol. 


53. Belis Mörder mifst fi mit Surtur: 
Da füllt Friggs einzige Freude. 


laßt nicht erfennen, ob die Verbindung ſchon vollbradht war; wenn auch 
Frege Velis Mörder heißt, mas auf den Mythus won Frepr, Gerda una 
ihrem Bruder Belt zielt, fo ift doh auf die Weggabe des Schwerts wicht 
gebeutet. Warum Freyr Friggs einzige Freude heißt, wird fpäter erläu« 
tert werben. 

Freyrs Fall erflärt fi wohl daraus, daß es der Wanengötter in 
der verjüngten Welt nicht bevarf, da fie den finnlichen Begierben vor⸗ 
Reben. So jehen wir aud; feine der Göttianen übrig bleiben, die fh 
nad) unferer Anficht alle aus Nerthus und Freyja entwidelt haben, alſo 
Waniſchen Urfprungs find. Bei den Aſen war dem Freyt bie Herſcheft 
über die Sonne (von Din, bem fie wohl urſprünglich zuftand) verliehen 
worden ; dieſe ift jept in GLAS Rachen und mur ned als Wanengett 
tommt er beim Weltlampf in Betracht. Warum Surtur, ver ihn befiegt, 
gleichwohl in der verjüngten Welt nicht mehr auftritt, iſt ſchen oben 8.40 
erläutert. 

4 Heimball gegen Loki. Die Wölufpa weiß von viefem 
Kampfe nichts ; doch Lönnte er in ber Leberlieferung gegründet fein, da 
auch Heimdall fon früher einmal einen Kampf gegen Loli beſtanden 
bat (f. u. Heimball) wie Thor gegen hie Midgardſchlange. Lei kennen 
wir ſchon al3 den Zerftörer, und obwohl wir feinen Namen wicht ven 
at luks, beſchließen, ableiten mögen, fo führt er doch das Gnde der Welt 
herbei. Würde num Heimdall richtig als der Anfang der Dinge aufe 
gejaßt, wie denm die verfhiedenen Stände ihren Urfprung von ihm her⸗ 
leiten, ja nad dem Gingang der Wölufpa die Menfchen überhaupt , jo 
fände er in Loli feinen Gegenfag und der Ausgang bed Kampfes Tiefe 
ſich, wenn glei mehr wihig al3 überzeugend, mit ben Worten auseräden, 
daß beim Weltuntergange Anfang und Ende zufammenfallen. Aber der 
Grund der Zufammenftelung lag bei ihrem erften Kampfe in ber ur 
fprünglichen Natur beider, da Loli das Feuer ift und Heimdall, wie unten 


3.46. nachler Sunpf. 18 


uahgewiefen werben fol, der Regen. Jn dieſer Bebeutung fönnen fie 
beim legten Kampfe nit gefaßt werben, man müfle denn Heimdalls 
Natur auf das geſammte Element des Waßers, aus dem er geboren ift, 
eweitern und feinen zweiten Kampf mit Loli beim Weltende auf ben 
Streit beider Elemente beziehen, der da eintieten wirb, wenn Gurtur 
deuer über die ganze Welt ſchleudert und dann die Erde ind Meer finlt. 
DaB aber würde mit dem berichteten Ausgang des Kampfes nicht ſtim⸗ 
men, wonach Einer den Andern erihlagen foll, währen Waßer das Feuer 
löfpen müßte. Nehmen wir Alles zuſammen, jo trifft diefen vierten Rampf, 
der im Gedanlen nicht feft genug begründet ſcheint, ber Verdacht fpäterer 
Sudihtung. Jener frühere Ginzellampf beider mag die Veranlagung ger 
wejen fein, fie auch hier wieder gegenüber zu fielen, 

5. Zyr gegen Managarm. Aud von biefem Kampfe weiß 
BöL richt, und ich halte ihn in der Weberlieferung nicht für begründet. 
Der Verfaßer der jüngern Edda ſcheint zu der Annahme deſſelben durch 
ein Mifßverftänbnifs der Wöl, veranlaßt. Ginen Hund Namens Garn, 
der die Kette fprengen und an dem Kampfe Theil nehmen könnte, giebt 
es gar nicht. Man dentt an den Höllenhund, von dem es Wegtams ⸗ 
fuida heißt, ald Odin nad Niflpeim ritt, die Wala zu weden, um fie 
über die Geſchide ver Welt zu befragen: 

Da fam ans Held Haus ein Hund (hreipi) ihm entgegen, 
Blutbefledt vorn an ber Bruſt, 

Kiefer und Rachen llaffend zum Bi: 

So gieng er entgegen mit gähnendem Schlund 

Dem Bater ber Lieder mit lautem Bellen. 

Aber dieſer Höllenhund ift jo wenig gefehelt als Managarın, welcher 
fo eben erft den Mond verfälungen hat. D. 51 giebt aber nähere Aus» 
kunft, welchen Hund fie meine, indem fie hinzufügt: „Inzwiſchen ift auch 
Garın der Hund los geworden, der vor ber Gnypahöhle gefehelt lag’. 
Sie ſchopft mithin aus Wöl, wo ed Strophe 39 und 48, alfo zweimal, 


Geyr Garmr mjök Gräfstih heult Garm 
fyr Gnüpahelli, vor ber Gnupahöhle: 
feste mun slitos bie deßel bricht 
en Freki renna. und $reli rennt. 


Sie hat alfo dieſe Stelle, die nur den Fenriswolf meinen kann, 
miißoerfanden. Don einem gefeßelten Qunde iſt uns nichts belannt, 


186 Sythelsgifige Sprate. % 46. 


wohl aber wißen wir, daß der Fenriswolf gefehelt liegt; die Melbung 
von feinem Losbrechen, die fonft nirgend gefunden wird, muß in biefer 
Stelle der Wöl. enthalten fein, denn fie gehört hieher, da gleich nad ihr 
folgt, daß die Midgardſchlange Jotenmuth annimmt, das Todtenfchiff flott 
wird und Muspels Söhne gefegelt kommen. Das Loswerden des Fenris- 
wolfs läßt aber D. 51 felbft diefen Dingen unmittelbar vorbergehen. 
Den Fenriswolf fehen wir alfo in diefer Halbftrophe zweimal in ver⸗ 
ſchiedener Weife bezeichnet, einmal ald Garm und gleich darauf als Frefi. 
Leptern Namen führt einer von Odins Wölfen, und wie biefer nad) der 
tühnen mythologiſchen Sprache des Norbens, welche die Namen verwandter 
Dinge zu vertaufchen liebt, dem Fenriswolf beigelegt wird, fo aud der 
Managarms, der gleichfalls wie wir wißen ein Wolf ift, wenn er glei 
als Mondhund bezeichnet wird. Dennod bat ſich der Berfaßer der 
jüngern Edda täufhen laßen, wobei ihm freilich zur Entſchuldigung ge« 
reicht, daß die Erwähnung der fonft unerhörten Gnypahöhle den Schein 
veranlafte, als fei hier von einem neuen übrigens unbelannten Ungethüm 
die Rede. War bieß einmal vorhanden und der Feßel ledig geworden, 
fo mufte es au an dem Kampf wider bie Götter Antheil haben, man 
ftellte ihm alfo den Tyr, vgl. 6.127, gegenüber, was zugleih ven Ber« 
theil gewährte, auch biefem dabei feine Rolle angewiefen zu fehen. Es ift 
aber unmöglich, den mythiſchen Gedanlen anzugeben, der einem folhen 
Kampfe zu Grunde liegen follte, da Garm, ver aus Mifsverftänbnifs ent ⸗ 
Randene Doppelgänger Fenrirs, gar feine Bedeutung haben Tann. 

Die Wiederholung unferer Strophe erklärt ſich leicht. Das erftemal 
(39) fteht fie neben Lofis Feßelung, nachdem die Seherin den gleichwohl 
eintretenden Weltuntergang und all der Aſen in einer vorſchauenden 
Halbſtrophe angeveutet hat. Hier aljo ift fie als ein künftig eintretendes 
Greignif8 vorweggenommen. Darum muß fie Str. 48 bei ber fpätern 
Darftellung des nun wirklich eintretenden Weltuntergang wieberlehren, 
um dem Losbruch Fenrirs feine Stelle im Zufammenhang der Greigniffe 
anzuweifen. Daß Senrir vor der Onppahöble gefehelt lag, fagt allerdings 
die jüngere Goda nicht, und wie könnte fie ed, da fie die Gnypahöhle auf 
einen Hund Namens Garm bezieht; aber in ber Wöl. wirb damit bie 
Höhle gemeint fein, welche bie Felſen Giöl und Thwiti bilveten, die nach 
D. 34 ($.39) bei Fenrirs Feßelung gegen einander gefügt wurden. Bol. 
Lex Myth. s. v. Gnipahelli. Nach dem Gloſſar zu Th. L ſcheint aber 
at gneyps constringere, comprimere zu bebeuten, was fär gnypahelli 


%. 46. Zweite religtöfe Picht. 187 


den zu ihrer Veſchreibung D. 34 völlig ftimmenben Sinn einer kneifenden 
(Vemmenden) Höhle ergiebt. 

6. Bidar gegen den Fenriswolf. Aus dem erften Kampfe 
war der Wolf als Sieger hernorgegangen, nachdem er den Weltenvater 
verfhlungen hatte; in biefem fechäten erliegt er, indem ihm Widar ven 
duß, an dem er den großen Schuh hat, in den Unterkiefer fept, mit der 
Hand aber nach dem Oberkiefer greift und ihm fo den Machen entzwei ⸗ 
reißt. Bu jenem großen Schub fammelt man alle Beiten hindurch, die 
Lederſtreifen naͤmlich, melde die Menſchen von ihren Schuhen ſchneiden, 
wo die Zehen und Ferſen figen. Darum wird die Lehre hinzugefügt, daß 
diefe Streifen ein Jeder wegwerfen folle, der darauf bedacht fei, den Aſen 
zu Hülfe zu kommen. Hier haben wir alfo einegweitereligiöfe Pflicht, 
jener ähnlich, weldhe ſich auf die Nägel der Todten bezog, bie zu dem Bau 
des Schiffes Naglfar verwendet werben follen, nur daß wir in jener ſitt⸗ 
fie Bedeutung erfannten, während dieſe zunächft ganz pofitiver Natur 
ſcheint. Vermuthlich würde diefer Schein aber verfhwinden, wenn wir 
wüſten, welche Bewandtniſs ed mit jenen Leberftreifen hatte. Wären wir 
unterrichtet, wie die Schuhe der Alten beichafien waren, fo würde ſich 
vielleicht die Bermuthung rechtfertigen lagen, daß auch hier eine Pflicht 
der Pietät ober Milde eingefhärft werben fol, indem die Leberftreifen, 
welche die Bornehmen und Neihen wegwerfen, von den Geringen und 
Armen benupt werben Fönnen, ihre Füße damit zu bekleiden. 

Die hier eingefchärfte Pflicht als ein gute Werk zu fahen, wo nicht 
als die guten Werke überhaupt, berechtigt der ſchottiſche Glaube, denn 
Aerglauben möchte ich es nicht nennen, der einem armen Mann zumeilen 
ein Baar Schuhe zu ſchenken empfiehlt: fie würden dem Geber in ber 
andern Welt zu Gute lommen. Da müflen wir nämlid über eine große 
mit Dornen und Pfriementraut bewachſene Haide, und Könnten nicht hin 
über als durch das Verdienſt dieſes Almofenz , denn jener alte Mann 
werde und da mit ben gejchentten Schuhen begegnen: wir würden fie 
anlegen und damit unbefhädigt durch Did und Dünn waten. Der Schuh 
if das Almoſen, das heidniſche Völter am höchſten hielten, fie bie bei 
ungebahnten Wegen über Stod und Stein fuhren. Verwandt ſcheint ber 
muhamedaniſche Glaube, wonach fi die DVerftorbenen die guten Werte 
unter die Füße legen, wenn fie vor bem jüngften Gericht über. die glü- 
hende Eifenftange ſchreiten müßen, die über eine grundlofe Tiefe gelegt iſt. 
Roth. 794.795. Wahrſcheinlich hängt damit auch ver Todtenſchuh (heis- 


188 Gate Werke, % 46. 


k6) zufammen, ven man ben Tobten mitgab, nach weldem im Kenner 
bergiſchen die dem Berftorbenen erwiefene legte Ghre überhaupt genaunt 
wirb, ohne daß der Gebrauch felbft fortbauerte; ja das Leichenmal wirb 
fo geheißen. Myth. 795. So wird in Gtöbers Elſaßiſchen Sagen 6.34 
erzählt: In Ingersheim verftarb eine Wöcnerin, der hatte man keine 
Schuhe mitgegeben: da klopfte fie gleich in ber erſten Nacht and Fenfter 
und fagte: Warum habt ihr mir keine Schuhe mitgegeben? Ih muß 
durch ‚Difteln und Dornen und über fpige Steine. Aud die ‚Tochter 
Sion’ bebarj nah V. 3481 zu der Reife nach dem Berge des himmliſchen 
Bräutigamd unter anbern auch der Schuhe der Demuth, und nach beuts 
ſchen Vollsſagen (Baader 237.-Wolf N. S. 396) ftilt ein Schub, in ein 
Gewitter geworfen, das durch Hererei erregt ift, den "Sturm oder bannt 
den Herenfhwarm, ein Glaube, auf den auch in Hoffmanns Niederdeut ⸗ 
ſchem Xheophilus 8. 5245 angeipielt wird. Bl. die Anm. 48. Gin 
andermal (Baader 141) vertreibt Schuhwechſel Geſpenſter; wie aud Brot 
gegen einen feurigen Mann geworfen vor diefem jhügt. Baader 224. 
Gicht man irgenbivo Geld brennen, jo muß man einen Schub barauf 
werfen, dann Tann man ed aud bei Tage heben. Kuhns Mär, Abers 
glaube 67. Myth. 1072. Die Deutung der Schuhe auf die guten Werke 
ſcheint endlich auch in folgender Stelle in Greg. M. Homiliae in Evangg. 
L. IL. hom. XXII. No. 9 enthalten: ‚Calceaments habebitis in pe- 
dibus (Exodus XII, 11).‘ Quid sunt enim pedes nostri nisi opera? 
Quid vero calcsamenta, nisi pelles mortuorum animalium ? Calcea- 
menta autem pedes muniunt. Quse vero sunt mortua animalia, ax 
quarum pellibus nostri muniuntur pedes, nisi antiqui patres, qui 
nos ad seternam patriam praecesserunt? Quorum dum exempla 
conspieimus, nostri operis pedes munimus. (alceamenta ergo in 
pedibus habere, est mortuorum vitam conspicere et nostra vo- 
stigis a peccati vulnere custodire.‘ 

Die guten Werte find Manchem ein Anſtoß; aber id verfiche fie als 
Berte, die aus gutem Herzen kommen, wie fie auch in den Märden bie 
dankbaren Thiere zu belohnen wißen. Das Weien muß erſcheinen, jagt 
Hegel, und ein gutes Herz, das fi nie durch Werte bethätigt, ift eben 
fo wenig werih als ein f.g. gutes Werk, das anderer Duelle ald gutem 
Herzen entfpringt. Das kann ein Kind begreifen, und fo hoffe ic, 
alberner confeflioneller Zant werde mir bei Grllärung eines tieffinnigen 
heidniſchen Mythus nicht mehr entgegenftehen. 


546 War. 189 


Die ufforberung, bie Leberftreifen wegzumerfen, welche ben großen 
Schuh bilden helfen, mit welhem Widar den Göttern die Unfterblicteit 
erlämpft, enthält hiernach eine Mahnung an die Menſchen, ſich diefer Uns 
ſterblichleit durch gute Werte theilhaftig zu machen. Wir würben mit 
diefer Anficht durchzudringen hoffen dürfen, wenn nicht Widars Weſen und 
die Bedeutung feines Kampfes erft nod der Grläuterung bebürften. Bes 
lamtlich hat diefer Gott fo verſchiedene Auffaßungen erfahren, daß er 
fon deöwegen der ſchweigſame As (D. 29) heißen dürfte, denn er ſchwieg 
und, wir wuften ihn nicht zu deuten. Daß er die Waßerhofe nicht fein 
lann, wie Zinn Magnufen wollte, ergiebt fi ſchon daraus, daß ein fols 
üb verberbliches lngeihüns wohl zu den Riefen, nicht zu den Göttern 
Ahlen köunte ; was darauf leitete, feine Einbeinigleit, wird aus dem 
wohen Schub, der einen feiner Füße belleivet, ohne Grund gefolgert. 
Darum hätte Widar auch nicht mit Gunthari, der im Waltharius im 
Kampfe mit dieſem den Schenkel einbüßt, verglichen werben ſollen. Per 
derfen nimmt ihn für die Unvergänglicleit der Natur, vorgeftellt in einem 
wdurchdringlichen Wald, wo nie eine Azt Hang, denn im Urwald 
herfät Schweigen. 

Diefe Deutung hat viel Einnehmendes und trifft in ihrem erſten 
Deile nahe zum Biel, nur der Urwald wisb ganz aus dem Spiele bleiben 
müßen. Vorgeftellt unter dem Bilde eines jungen Anwuchſes mürbe es 
nichtiger heißen. Unfere Anfiht haben wir ſo eben amgebeutet; fie zu 
begründen müßen wir auf Jenrirs Bebeutung zurüdgehen, venu in feinem 
Kampf mit ihm ift der Eig der Lehre. Wir haben ihn aber ſchon ala 
Ve Vernichtung felber, ald ein Symbol des hereinbrechenden, umwermeihs 
Ehen Untergangs aufgefaßt. Indem ihn num Widar bekämpft und bes 
fest, kann dieſer nichts anders ald die Emeuerung fein, die Wieder 
bert ver Welt und der Götter, wozu fein Name volltommen ftimmt, 
pmal das gothifhe vithra, das ſowohl contra als re-, rursus, iterum 
bedeutet, dem Norben neben dem gangbaren vidh nicht fremd if, wem 
& aud nur in Bufammenfegungen wie vidhrlifi (sustentatio), vidhr- 
vit (prassentia) erfheint. Gr. Gramm. U, 795. I, 258. Wider, 
der den Göttern bie Erneuerung erlämpft, indem er die Vernichtung her 
Pest, iR auch der eigentliche Gott ber ernewerten Welt, ba Mali, der 
when ihm genannt wird (Wafthrud. 51), als Valdurs Räder in deſſen 
Rtbus gehört, der urfprünglich auf das zmölfmonatliche Jahr bezüglich, 
ER fpäter auf das große Weltenjahe übertragen warb, Ns ein Giun« 


140 Erneuerung. 8%. 46. 


bild ber Erneuerung verſtehe ich auch, was Grimnismal 17 von Widars 
Bohnfg gefagt ift: 


Geſträuch grünt und Hohes Gras 
Im Widars Land Widi. 


womit man Hawamal 120 vergleiche, wo es heißt: 


Gewannft du den Freund, dem du wohl vertrauſt, 
So beſuch ihn nicht felten, 

Denn Strauchwerk grünt und hohes Gras 

Auf dem Weg, den Niemand wandelt. 


Daß dem Unbefuhten, von den Menſchen Geflohenen Grad vor ber 
Thüre waͤchſt, ift noch gänge Redensart; aber Niemand wirb babei, wenn 
es auch Gras und Straud hieße, an den Urwald denken, und obgleich 
in biefer Erneuerung des urfprünglic überall verbreiteten Anwuchſes die 
unvergänglihe Kraft der Natur fi offenbaren mag, bie fi 
immer wieder erneut, fo ift es doch nur die Erneuerung felbft, welche 
das Bild meint, wie ihr Begriff fih auch aus dem Gieg über ven Ten 
riswolf, der die Vernichtung ift, ungezwungen ergiebt. Allerdings Täßt 
der Name des Gottes zu, an vidhr Holz zu denken, und infofern deſſen 
Wachsthum die unzerftörte Triebkraft der Natur darftellt, haben wir auch 
nicht gegen eine folhe Ableitung; aber da ein gleihes vidhr Präpofis 
tion und Adverbium ift, dad auch in feiner althochveutfchen Form widar 
in widarburt bie erfte Hälfte der Zufammenfegung bildet, fo fehen wir 
den Urwald herbeizuziehen am wenigſten Grund, da dieſer keinen Sinn ers 
giebt. Peterſen war wohl ein finniger Mann, vol Phantafle und poes 
tifcher Begabung, aber dem Gebanlen des Mythus nachzugehen nicht immer 
aufgelegt. Die Phantafie führte ihn gern ihre eigenen Wege, vielleicht 
anmutbigere, aber eben nicht bie Wege bes mythiſchen Gedankens. 
Bas kann fhöner, was Tann herrlicher fein als ver Urwald, was berebter 
als fein Schweigen ? Aber falls es am jüngften Tage noch einen Ur 
wald giebt, was ich bezweifle, fo follte es uns leid thun um biefe Schön: 
beit und Herrlichkeit, wenn fie fi in Kampf einließe mit dem Wolf, der 
die Herftörung felber it. Was könnte der Ausgang eines folhen Ram: 
pfes fein, ald daß der Urwald ausgehauen würde, jo gänzlich ausgehauen 
wie leider oft auch unfere Wälder, in denen man vor lauter Wald keinen 
Baum mehr fieht. Unfer ſechster Kampf nimmt aber einen andern Aus ⸗ 
gang: Widar geht fiegreih aus ihm hervor, darum kann er nicht ber 


446. Algweigender Aſe. 11 


Urwald fein. Was mollte aud der Urwald gegen Fenrir ausrichten, wenn 
er mit Haffendem Rachen einherfährt (j. Edda ©. 322) und ſchon ben 
Beltenvater verjhlungen hat? Er wäre wie eine Bohne in eines Löwen 
Rachen geworfen. Und was könnte der große Schuh des Urwalds bedeuten? 
Das alles hätte Peterfen beventen follen und Alle follten es, vie noch 
jegt auf feinen Irrthum fhmören, nachdem die einleuchtende Wahrheit 
längft gefunden ift. 

Nur wenn wir Widar als den Gott der Erneuerung faßen, erllären 
fi) auch die Worte D.29: ‚Auf ihn vertrauen die Götter in allen 
Gefahren. Wie die Unfterblichfeitölehre die Menſchen zu tapfern Käm- 
pen macht, die dieſes Leben freudig in die Schanze fhlagen, fo mögen 
auch die Götter mit freudiger Zuverfiht in den Kampf geben und ven 
Tod verachten, da fie der Wiedergeburt vertrauen, die ihnen Widar er: 
lämpfen wird. 

Die Wölufpa fheint nah Str. 53 nod nichts von Widars großem 
Schuh zu wißen, ba von feinem Schwerte (hjör) gefprohen wird. Wohl 
aber kann man fon eine Anbeutung deſſelben in Wafthrubnismal 58 
finden, wonach er dem Wolf die alten Kiefern lüften fol. Schuh und 
Schwert ſcheint die Stalva, die ihm Cap. 11 einen Eiſenſchuh bei 
legt, verbinden zu wollen. Dieß mag fie auch veranlaßt haben, jenes 
Rieſenweib Gridh, von welchem Thoͤr bei feiner Fahrt nad Geirräbägarb 
Gtärtegürtel, Stab und Eifenhbandfhuhe borgt, zur Mutter Widars 
des Schweiglamen zu machen, wovon bie übrigen Quellen nichts wißen. 
Aber wäre dieß auch tiefer begründet, fo kann der Umftand, daß anders 
wärts (Wöl. 32) von einem Eifenwalde die Rede ift, doch die Anſicht 
nicht ftügen, daß Widar, der Gott ber Erneuerung, ber Wiedergeburt, 
unter dem Bilde eines undurchdringlichen Urwalds vorgeftellt ſei. Der 
ſchweigende As darf er aber allerdings heißen, da Niemand gewiſs 
weiß, welches Schidfal feiner in ver wiebergeborenen Welt hart, wenn 
er auch der Mahnung zu genügen beftrebt war, fi ber durch Widar er- 
frittenen Unfterblihleit theilhaftig zu machen. Wir fpredhen in demſelben 
Sinne von dem ſchweigſamen Grabe: 


Das Grab ift tief und file, 
Und ſchauderhaft fein Rand. 
Es dedt mit ſchwarzer Hülle 
Ein umbelanntes Land. 

Salis. 


142 Eriger Sade. 44. 


Heißt es doch auch Hyndluliodh. 41: 


Wenige werden weiter blicken 
Als bis Odin den Wolf angreift. 


was nicht wörtlich zu nehmen iſt: der legte Weltlampf ift gemeint , der 
mit diefem Gingellampf anhebt.” Uhland 169. 

Grinnerungen an Widars großen Schub haften in ven großen Schu⸗ 
ben be3 ewigen Juden, die an verſchiedenen Orten, zu Ulm und Bern 
gezeigt werden. Bon jenen zu Bern heißt es bei Rochholz IL, 307, fie 
feien ungemein groß und von hundert Blegen zufammengejegt, ein Meifter: 
ftüd eines Schuhmachers, weil fie mit vieler Mühe, Fleiß und Ge 
ſchidlichleit aus gar vielen ledernen Theilen zufammengeflidt worden. Hier 
tommt aud der Grund zu Tage, warum ihn bie Sage für einen Schub 
macher ausgiebt. 

Zum Schluße noch über den Namen der Kampfftätte Wigrid, die 
nach allen Seiten hundert Raften breit ift: . 

Wafthr. 18. Wigrid heift das Feld, mo zum Kampf fi finden 

Surtur und die ewgen Götter. 
Hundert Raften zählt es rechts und links: 
Soldier Walplatz wartet ihrer. 
& iſt von vig (Kampf) und rida (reiten) gebildet, weil die Goͤtter 
dahin zum Rampfe reiten. Sie heißt aber auch Dftopnir, nad Faf 
nismal 14. 15: 
Wie heißt der Holm, wo Herzblut miſchen 
Surtur einft und Afen? 
Offopnir Heißt er: da werden alle 

u Götter mit Speren fpielen. 


Wölfungaf. K. 18 heißt er Uflaptr, weil man ihn als ben uner 
ſchaffnen verftand ; richtiger wird er aber als der unausweichliche gedeutet, 
vor dem feine Flucht möglich ift (at scopa, rennen), Peterſen 391. In 
Deutſchland entfpriht das Walferfeld, obgleih es aud andere Lolali⸗ 
fierungen giebt. So wird in Schleswig-Holftein bald Nortorf bald Born: 
hoͤvede genannt (Müllenh. 370), auch wohl die Kropper Haide, wie bei 
und die Wahner Haide, ein uraltes Grabfeld voller Todtenurnen. 


847. Weltbrand. 148 


41. Der Weltbraud. 


Muspels Söhne, an deren Spige Surtur geritten fommt, find die 
Bewohner Muspelheims, ver fünlihen Feuerwelt, aljo die Flammen felbft. 
Ihr Bater Muspel erſcheint nirgend perfönlih, er würde noch einmal 
das Feuer perjomificieren. Surtur, der Schmwärzer, den wir ſchon oben für 
den Rauch erllärt haben, ſchleudert an Lolis Stelle das Feuer über die 
Ede und verbrennt die ganze Welt. Der Weltbrand heißt demnach Sur: 
talogi. Wafthr. 50. Surturs flammendes Schwert (hefir loganda 
sverdh D. 4) ift wieder die Flamme, 

Es iR eine der überraſchendſten und bei den gegen das Alter ber 
Goda erhobenen Zweifeln erfreulichſten Einftimmungen der deutſchen mit 
der norbifhen Mythologie, daß und das bunlle Wort muspel in gleicher 
Bedeutung bei Sachſen und Baiern in KHanbfehriften des achten und 
neunten Jahrhunderts wieberbegegnet und zwar gerade auch bei Beſchrei⸗ 
bung des jüngften Tages. In dem fählifhen Heliand heißt es 79, 25: 
‚mudspelles megin obar man ferid,‘ ‚die Gewalt des Feuers fährt über 
die Menfchen, und 133, 4: ‚mutspelli cumit an thiustrea naht, al 
#6 thiof ferid darno mid is dädiun‘, ‚das Weltfeuer kommt in 
dunkler Nacht heimlih und plöglih wie ein Dieb geſchlichen,“ und ber 
althochdeutſche Dichter fagt in dem von Schmeller entbedten allbairiſchen 
Brudftüde von dem jüngften Gericht, welchem der Herausgeber den Namen 
Ruspilli gegeben hat: 

" Där ni mak denne mäk (andremo) helfen vors (demo) muspille, 

Denna daj preita wasal alla} varprinnit. 

Da kaun der Freund dem freunde nicht vor dem ‚Muspel’ frommen,, 

Wenn ſelbſt das breite Weltmeer gänzlich verbrennen wird. 


Das dunkle Wort zerlegt M. 760 in mud und spilli, und erflärt 
ledtetes aus dem altnorbifchen at apilla corrumpere, perdere, welchem 
ein hochdeutſches spildan, verderben, entfprict. Dunkler if aber bie 
erſte Silbe mud-, welche verglichen mit -meidhr in mimameidhr,, wie 
die Welteſche Yagbrafil in Fiölſwinnsm. zu heißen fheint, auf den Begriff 
des Holzes führen mürbe. Mudſpilli wäre dann poetifhe Umfchreibung 
de8 holzverderbenden Feuers, mas ähnliche eddiſche Bezeichnungen des 
Feuers, bani vidhar, grand vidhar, Xöbter, Verderber des Holzes, anfer 
Sweifel ſtellen. 


14 Aampf um das ewige Leben. 8.47. 


In dem altbairifhen Gedichte ‚Muspilli‘ finden fih noch andere 
Nachtlange der altheibnifhen Vorftellungen von dem Untergange ber Welt. 
Der Antihrift, der hier neben dem Teufel, dem altfiante, dem Altfeinde, 
wider Elias kampfen fol, wird 8.38 der warch, d. i. der Wolf (vargr 
6.109 oben) genannt. Won Elias aber wird gefagt, er folle bei biefem 
Kampfe erliegen und fobald fein Blut in bie Erde triefe, würden alle 
Berge entbrennen. 


Das Hört’ ich erwähnen die Weifen auf Erden, 
Da folle mit dem Antichriſt Elias fireiten. 
Der Wolf ift gewafinet: da wird geftritten. 
Die Kämpen find fo kraftvoll, der Kampfpreis ift fo groß! 
Elias reitet um das ewige Leben: 
Er will den Rechtſchaffnen das Reid beſtärken; 
Darum wird ihm helfen, der des Himmels Gewalt hat. 
Der Antichrift ſteht bei dem Altfeinde, 
Steht bei dem Satanas, der ihn verfenten foll. 
Darum wird er auf der Walftatt verwundet fallen, 
Im derſelden Reife des Sieges entrathen, 
Do wird aud Elias in dem Kampf erliegen. 
Wenn aber des Elias Blut im die Erde träufet, 
So entbrennen die Berge, aller Bäume fteht 
Nicht Einer in der Erde mehr, die Waßer all ertrodnen, 
Das Meer verfhwindet, der Himmel ſchwält in Lohe, 
Der Mond fält vom Himmel, Mittelgard brennt, 
Kein Felſen ſteht mehr fefl. Da fährt der Rachetag (stuatago &.113) - 
Ins Land mit der Lohe, die Lafter heimzuſuchen. 
Da kann der Freund dem Freunde nicht vor dem ‚Muspel’ frommen zc. 


Der Weltbrand ift hier alfo eigenthümlich herbeigeführt: nicht Surtur, 
weldem der Altfeind, der Teufel, entfpricht, wie fonft dem Loki, ſchleudert 
Feuer über bie Welt, fondern von des verwundeten Elias Blut entbren- 
nen die Berge. Heidniſchen Grinnerungen ſcheint diefer Zug zunaͤchſt nicht 
entnommen ; bod begegnet er auch fonft nicht in chriſtlichen Ueberlieferun⸗ 
gen. Das Wort muspilli ift aber nidt ver einzige Anklang an bie 
eddiſche Schilderung des Weltuntergangs: der aufmertſame Lejer wird 
nicht bloß bei ‚Mitilagart‘ an Midgard denen, aud der fallende Mond 
erinnert an die vom Himmel fallenden Sterne Wöl. 56 und das ‚swi- 
lizöt lougia der himil‘ (der Himmel ſchwaͤlt in Lohe) an die Zeile: 
‚bie heiße Lohe beledt den Himmel‘ (leikr här hiti vidh himin själfan). 


6. 47. Eins. 145 


Richt zu überfehen it, daß der Antichrift ald warch (Wolf) bezeichnet 
wird, was der Anfiht, daß er an Surturs Stelle getreten fei (Gr. Myth. 
772), widerftreitet. Surtur fämpft in der Edda mit Freyr: dieſem aber 
lann Elias nicht entſprechen, da er weniger mit ihm als mit Thör Aehn⸗ 
tigkeit hat, denn auch Elias wird nah Myth. 157—159. 772 ald Don 
nerer aufgefaßt. Schon im IL Buch der Könige 2, 11 fährt er im Wetter 
gen Himmel, und ein Wagen mit Feuerroſſen nimmt ihn in Empfang ; 
ſerbiſche Lieder legen Blig und Donner in feine Hand; er verihließt 
fündhaften Menſchen die Wollen des Himmels, daß fie keinen Regen zur 
Ede fallen laßen, wovon auch Dtfrid aus biblifhen Quellen weiß; und 
laulaſiſche halbchriſtliche Böller verehren den Elias geradezu als Donner 
get; fie flehen ihn an, ihre Felder fruchtbar zu mahen und ven Hagel 
davon abzuhalten. Aus diefem Grunde kann ver ald Wolf gebachte Anti 
Huf auch mit an die Stelle des Fenriswolfes getreten fein, mit welchem 
Dpin Lämpft, vielmehr wird dad heidniſche Vorbild des gegen Clias 
lämpfenden Antichriſts in der Midgardſchlange zu ſuchen fein, die gegen 
hör georbnet if. Auch die Midgardſchlange ift nad dem Obigen durch 
ihren Ramen Jörmungandr als warch, d. i. als Wolf bezeichnet, und da 
Woͤr dem im Gewitter einherfahrenden Elias gleiht, fo haben wir in 
dieſen beiden die entſprechenden Kämpfer gefunden. Gehen wir hiervon 
aus, fo fügt ſich Alles. Elias kampft mit dem Ward, dem Antichriſt, 
wie Dor wit Jörmungandr ; gleich diejer fällt der Antichriſt, aber dennoch 
muß Elias erliegen, wie Thoͤr von bem Gifte der Schlange befprigt 
ſallt. Und wie von des Elias Blut die Berge entbrennen, fo ift viels 
leicht ſchon in der Edda mit Thoͤrs Fal der allgemeine Weltbrand vers 
bunden. Zwar die jüngere Edda ordnet die Kämpfe anders an: Surtur 
Wleubert das Feuer erft nach Lofis Fall über die Erde; die Wölufpa 
berichtet aber den Weltbrand ohne Surtur zu nennen in der nächſten 
Strophe nad) der von Thoͤrs Kampf mit der Midgardſchlange: 


57b. Gfuthwirbel umwühlen ben allnährenden Weltbaum, 
Die Heiße Lohe beledt den Himmel, 


Im einem Stüde freilich gleicht Clias mehr dem Widar ald dem 
Dr, fo daß dem chriſtlichen Dichter Erinnerungen von beiden Rämpfen 
geblieben fein mögen: wie Widar ftreitet er um bad ewige Leben 
und will ben Rechtſchaffenen das himmliſche Reich erwerben. 

Rallenhoff hat neuerdings (Denkmäler 260) in diefem Kampfe des 

Cure, Rythol⸗tie 10 





146 Aampf um die abgefdledene Seele. 84. 


Elias mit dem Untirift wie heidnlſchen Erinnerungen geleugnet und die 
Abweichung von der bibliſchen Ueberlieferung daraus zu erkllaͤren geſucht, 
daß der Dichter ein ungelehrter Laie war, der nur nach Hörenſagen und 
ungenauen Grinnerungen dichtete. Wir können das wohl zugeben, aber 
es erflärt und nur, warum ſeine Darftellung im Ausgang des Kampfes 
von der Apolalypfe abweicht, nit warum fie in allen Gtüden mit der 
Soda ftimmt. Schwerlich würde ihm der Antichrift, ver nad der Bibel 
Regrei) aus dem Kampf mit dem Elias hervorgeht, darin gefallen fein, 
während er auch Elias erliegen läßt, wenn fi ihm nicht Erinnerungen 
an Thors lehten Kampf unter bie riftlihen gemiſcht hätten. Bei dieſer 
Annahme werben wir auch geneigt fein, die chriſtliche Vorſtellung von dem 
Streit ber Engel um die abgeſchiedene Seele, für melde gleichfalls 
Muspilli“ das Altefte Zeugnifs enthält, aus unferm Mythus von dem 
legten Welttampf berzuleiten, ‚denn fie überträgt nur auf den einzelnen 
Menſchen, mas von der Menſchheit überhaupt galt. R 

Man Hat aud vie funfzehn Beichen, welche nad; der kirchlichen Ueber 
Hieferung des Mittelalter8 den jüngften Tag ankündigen follen (Sommer 
in Haupts Seitfhrift IIT, 523), mit der eddiſchen Schilderung in Ber 
gleich gezogen; es fehlt aber unter ihnen jener uns eigenthümliche 
Schredenswinter (Fimbulvetr), der die Länge dreier anbern hat, fo wie 
auch jene ihm worauögehenden drei Jahre ſchwerer Kriege, welche die 
Wölufpa als Bellalter, Schwertalter, Windzeit, Wolfsyeit bezeichnet. A: 
lerdings weiß auch die chriftlihe Lehre von vorausgehenden Kriegen und 
Kriegägerüchten, von der uberhandnehmenden Gottlofigteit und erkaltenden 
Ziebe ; ja die Uebereinftimmung geht weiter: nach Marcus 13, 12 wird 
ein Bruder den Andern und ber Bater fein Kind zum Tode außliefern; 
die Ninder werden gegen bie Eltern fih empören und ihren Tod ner 
ſchulden. Man hat hieraus fogar einen Grund hergenommen gegen bie 
Urfprünglicpkeit der eddiſchen Anfiht, indem man die Wölufpa im einer 
Zeit entftehen ließ, wo das Chriftentbum bereit in den Norben einge 
drungen war. Weinhold Zeitſcht. VI, 315. Selbft Myth. 772 möchte, 
‚wenn das Uebrige nicht abwiche‘, in dem Bufammentreffen dieſes eddiſchen 
Zug von der Gteigerung des Böfen in der Welt vor ihrem Untergange 
mit der biblifhen Lehre einen ftarten Grund für die Armahme, daß Wir 
luſpa auf unfere heilige Schrift zurüdweiſe, anerfennen. Allein nit mır 
weicht das Uebrige ab, Diettich hat auch Zeitfär. VIL, 310 wefentfihe 
Unterfptede nachgewieſen, inbem dort nach Thefſ. 2, 2 Verleugnung der 


E47. ter der Wälufpe. 147 


Gottheit und Gelbftvergätterung (Antichrift) als Höhepunft des Böfen ger 
faht find, während in der Edda dad Böfe, das von jeher vorhanden war, 
nur überband nimmt und bie innigften Blutsbande fprengt, bie brüder: 
lien, die der heidnifhen Tugend das Heiligfte der Menſchheit find, 
der felbft die Liebe zum Gatten, ja zum Kinde geopfert wird, ‚movon 
Signy und die Gubrun der Niflungenfage lebendige Beifpiele find: ihre 
Greuelthaten waren der Botzeit, wenn nicht Tugenden, jo doch nicht unter 
Schande und Schuld fallende Krafterweifungen, denn fie halfen dem Bru⸗ 
der zur Rache. Umgelehrt wird an dem Bruder, felbft wenn er den 
Valer gelödtet hat, nicht Mache geſtattet. Da hiernach die Herſchaft des 
Btudermords ein ganz heidniſcher Antichriſt ift, fo kann diefer Zug, der 
in tiefften Gefühl der Heidenzeit wurzelt, ihr als ein Vorbote des Welt: 
endes nur durch Gewalt abgeſprochen werben. Die meitern Gründe, bie 
biefür Dietrich geltend macht, zeigen namentlich den Ausdrud Windzeit, 
Bindalter in ver heidniſchen Vorftellung tief begründet: die Stürme 
und Berfinfterungen, welche Wöl. 53 in den mehrfach angeführten Beilen : 


Der Sonne Schein dunfelt im kommenden Sommern, 
Alle Better withen: wißt ihr was das bedeutet ? 


ds Vorzeichen des Untergangs auffaßt, zeigen und das innige Mitleiven 
der äußern Natur mit den fittlien Leiden der Menfchenwelt, in welder 
de Habgier Bruder gegen Bruder in den Kampf führt, in ver alle Liebe 
eiloſchen if. Hier mar er nahe daran, aud bie erſte Hälfte ber Str. 33 
mad unferer Deutung zu faßen, wonach Managarm, der Mörder des 
Rendes, fi vom Mark keiner andern Männer nährt, als jener im 
Bruberkrieg gefallenen, was D. 12 verlannt hat, wie auch Nagljar, das 
Lodtenſchiff, von feinen andern Nägeln erbaut fein Tann als jenen, welche 
die erloſchene Liebe unbefhnitten ließ, was bisher gleichfalls unverftanden 
bieh, nit weniger das dem Tyr übertragene Amt der Fütterung Fenrirs. 
Eine Anſicht, die fo tief im Herzen der deutſchen Heiden Wurzel gejchlagen 
md in ihrer Goͤtterdichtung jo mächtige Aeſte getrieben hat, kann nicht 
geeignet, won außen hereingetragen fein. 

Beinholds Anfiht, daß die Wölufpa erit entftanden fei, al das 
Chriſtenthum bereits im Norden eingedrungen tar, aljo nach dem Beginn 
des neunten Jahrhunderts, hat Dietrih a. a. D. gleichfalls geprüft und 
hund} äußere hiftorifche Zeugniſſe für das frühere Vorhandenfein des Ger 
dichtes widerlegt. Die Cchtheit der entſcheidenden Steße ver Wölufpa Str. 45 


148 Deutſche Waperhöte. 84. 


Brüder befehben ſich und fällen einander, 

Geſchwiſterte fieht man bie Sippe bredien. 

Unerhörtes eräugnet fi, großer Ehbruch 2c. 
anlangend, bezeichnet er ald die Hauptfragen, um welche ſich die Unter: 
ſuchung drehe, folgende: 

L Ob es rein deutfch «beidnifhe Vorſtellung fei, daß Hel die Unter 
welt, welche alle tampflos Gefallenen empfängt, einen Strafort fir 
Verbrecher habe ? 

IL Ob die äuferfte Steigerung des Böfen in ber Welt wor ihrem 
Untergange von dem Einfluß der neuteftamentlihen Lehre vom 
Antihrift unabhängig zu denken fei ? 

Wegen der erften Frage wies er auf bie ſchweren Ströme, welde 
wie jenen Strom Slidhr, der nah Wöl. 43 Schlamm und Schwerter 
waͤlzt, Meudelmörber und Chebreher durchwaten mäßen, fo wie auf ven 
Drachen Nidhöggr hin, der die Leiber folder Verbrecher ausfaugt, und 
den Wolf, der fie zerreißt; wobei er geltend machte, daß dieß Feine chrif ⸗ 
liche HöNe mit Feuerftrafen, mit Heulen und Bähnellappern, fondern eine 
eigenthümlich gefärbte deutſche Waßerhölle fei, über bie er fpäter 
bin (Zeitfr. IX, 175—186) noch einen eigenen Auffag lieferte, welcher 
den Gegenftand fo vollftändig erihöpft, daß mir bei der fpätern Betrad: 
tung der Unterwelt nur Weniges nadyzutragen bleiben wird. Einſtweilen 
kann id auf mein Programm Vaticinii Valae Vindieiae. Bonn 1853, 
fo wie auf das ZJulipeft der Allg. Monatsſchrift für Wißenſchaſt und ir 
teratur 1853 vermeifen, 

Wie er die zweite Frage erledigt, haben wir bereits angedeutet; 
aber auch unfere ganze bisherige Darftellung gieng darauf hinaus, den 
Bufammenhang der wachſenden Cntfittlihung mit dem Untergange der 
Welt als den Gefihtöpunft nachzuweiſen, welchen die Seherin ver Woö— 
luſpa von Anfang an feithält und bis zu Ende burdführt, wie es freilih 
die deutfhe Mythologie, welche die Wölufpa in ver Kürze zufammenfaft, 
überhaupt thut, fo daß er als ihr leitender Grundgedanke anzufehen if, 
weshalb e3 mir nicht zu kuhn ſcheint zu fagen, daß wir näcft der Ger 
mania bes Tacitus tein fhöneres Denkmal der fittlichen Herrlichkeit uns 
ſeres Boltes befigen, als die Cdden und namentlich die Wölufpa. 

Einige möchten das Bewuftfein der deutſchen Götter von ihrem künf- 
tigen Untergange fo deuten, als hätte ber heidniſche Glaube feine eigene 
Unzulänglijleit gefühlt und die Ahnung, baß feine Götter fallen und dem 


EA. Urfprung des Uchels, 149 


Chriſtengotie weichen müften, in der Dichtung von dem Tepten Welttampfe 
ausgeſprochen. Aber fo gern ich anerkenne, daß der heidniſche Glaube 
dem Chriſtenthume gegenüber unzulänglich ift, fo kann ich doch ein Ber 
muftfein davon dem Heidenthume nicht beimeßen. Es mwürbe ja dann bie 
Diedergeburt der Götter nicht behauptet und den Kampf gegen bie zer: 
Rörenden Mächte zur Hauptthätigkeit der Götter gemacht, ja bie Unter 
Rügung der Götter bei diefem Kampf zur religiöfen Pflicht der Menſchen 
erhoben haben. Gin Gott ver Erneuerung wie Widar, der Göttern und 
Menſchen ein neues reinered Dafein erkämpft, bliebe bei folder Voraus⸗ 
fegung ganz unbegreiflih. Läpt doch aud das Chriftenthum felbft in der 
Ankündigung des Antihrift für eine furze Zeit die Mächte der Unterwelt 
den Sieg gewinnen ehe da? ewige Weltreich anbriht. Die Dichtung von 
dem Untergange der fündigen Götter und ihrer Wiedergeburt in ber er- 
neuerten, entfühnten Welt ift vielmehr ein Verfuh, das große Problem 
von dem Urfprung des Uebel zu Töfen, das aud in andern Mythologieen 
ja den tieffinnigften Dichtungen Veranlagung gab. Um diefe Frage dreht 
ſich eigentlich Alles, fie ift auch bei uns ber Hebel, der das ganze Götter: 
drama in Bewegung fept. Worüber die Philofophen von jeher die Köpfe 
jerbrahen auch den dichtenden Vollsgeiſt hat es frühe beicäftigt, Das 
Uebel if. nicht ohne die Schuld der Götter entftanden ; aber fie werben 
dieſe Schuld im legten Kampfe fühnen und dann eine neue, befere Zeit 
lommen und ſchuldloſe Götter die wiedergeborene Welt beherſchen. Wie 
wenig und dieſe Loͤſung befriedigen möge, ehe das Chriſtenthum in bie 
Belt lam, war eine befere ſchwer zu finden. 


Zuerſt 


Erneuerung und Fortbauer. 


48, Eddiſcher Bericht von der Ernenerung. 
die Darftellung der Wölufpa, melder die jüngere Edda D. 52 


nur Einzelnes aus Wafthrubnismal 44—47. 50—51 hinzufügt. Die 
Seherin fpriht von ih: 


57. Da fieht fie auftauchen zum andernmale 


59. 


61. 


Die Erd aus dem Waßer und wieder grünen. 
Die Fluten fallen, der Aar fliegt drüber, 
Der auf dem Selen nad) Fiſchen weidet. 


. Die Afen einen ſich auf Idafeld 


Ueber den Weltumfpanner, den großen, zu fpredhen. 
Uralter Sprüche find fie da eingedent, 
Bon Fimbultye gefundner Runen. 


Da werben fi wieber die wunderfamen 
Goldenen Scheiben im Grafe finden, 

Die in Urzeiten die Afen Hatten, 

Der Fürft der Götter und Fiölnirs Geflecht. 


Da werben unbejät die Yeder tragen, 

Alles Böfe ſchwindet, Baldur fehrt wieder, 

Im des Siegsgotts Himmel wohnen Hödur und Baldur, 
Die walweilen Götter: wißt ihr was das bebentet? 


Da tann Hönie ſelbſt fein Looß fich kieſen 
Und beider Bruder Söhne bebauen 
Das weite Windheim: wißt ihr was das bedeutet? 


Die Erneuerung, Entfühnung der Welt und der Götter bedeutet es 
an biefen Stellen, mie vorher immer den Weltuntergang. Es ift im 


Gevanten bi 


jegründet, daß diejelbe Frage, die bisber fo ſchaurig tönte, hier 


eine beitere Wirkung macht, nachdem fi die Weltgeſchide glüdlich ge 


wendet und 
62. 


gelöft haben, 
. Einen Saal ſeh ich heller ala die Sonne, 
Mit Gold bedeckt auf Gimils Höhn. 

Da werben werthe Fürften wohnen 

Und ohne Ende ber Ehren genießen. 


0. Aorstuthan. 161 


63. Da reitet ber Machtige zum Rath der Götter, 
Der Starke von Oben, ber Alles feuert. 
Den Streit entſcheidet er, ſchlichtet Zwiſte 
Und ordnet ewige Satzungen an. 


Der Bericht der jüngern Coda D. 53 lautet: ‚Die Erde taudt aus 
der See auf, grün und ſchön, und Kom wächſt darauf ungefät. Widar 
und Bali leben noch, weder die See noch Surturs Lohe hat ihnen ger 
ſchadet. Sie wohnen auf dem Idafelde, wo zuvor Asgard war. LAuch 
Woͤrs Söhne, Mödi und Magni, ftellen fi ein und bringen ven Miöflnir 
mit. Darnach kommen Baldur und Hödur aus dem Reihe Held: da 
fiten fie alle beifammen und befpregen ſich und gebenten ihrer Heim: 
fihleiten und ſprechen von Zeitungen, bie vorbem ſich ereignet, von ber . 
Nidgardſchlange und von dem Fenriswolf. Da finden fie im Graſe die 
Golbtafeln, welche die Aſen beſeßen haben. Wie e8 heißt: 

" Widar und Walt walten des Heiligthums, 
Wenn Surturs Lohe loſch. 
Modi und Magni ſollen Mibllnir ſchwingen 
Und zu Ende kämpfen den Krieg. Wafthr. 51. 


An einem Drt, Hobbmimird Holz genannt, verbargen fi während 
Surturs Lohe zwei Menfchen, Sif. und Lifthraſit genannt, und nährten ſich 
von Rorgenthau. So heißt es hier: 

if und Lifthrafir leben verborgen 

In Hoddmimirs Holz. 

Morgenthau iſt all ihr Mal; 

Bon ihnen ſtammt ein neu Geſchlecht. Wafthr. 45. 

Und das wirb di wunderbar dünken, daß die Sonne eine Tochter 
geboren hat, nicht minder fhön als fie felber: die wird nun bie Bahn 
der Mutter wandeln. So heißt es hier: 

Eine Tochter entſtammt der firalenden Göttin 

he der Wolf fie würgt. 

Glanzend fährt mad; der Götter Ball “ 
Die Maid auf den Wegen der Mutter. Mafthr. 47. 


49, Der unandgefprochene Gott, 
Das Beſtriitenſte it hier Str, 63 |. o,, wo es im Original ‚at regin- 
Gmi‘ (zum Rath der Götter) heißt, worin man das ‚Weltgericht” hat 


162 Monotheisuns. — 8.49. 


finden wollen, um biefe Stelle als chriſtlichen Einſchub zu verdächtigen. 
Die ‚Regin’ kennt aber die Wölufpa als bie richtenden und rathenden 
Götter, die ſich aud in fo vielen, andern Stellen auf ihre Richterftähle 
(rökstölar) fegen, Rath umd Gericht zu halten. Freilich wird hier ein 
hoͤchſter Gott, der Alles feuert, angenommen ; da er aber zum Rath der 
Götter reitet, fo hat er noch andere Götter unter fih, mithin liegt reiner 
Monotheismus hier nicht vor, wenn auch eine Annäherung daran. Aehn⸗ 
lich fagt Hyndluliodh, nahdem von Heimdall die Rede war: 


Einft kommt ein Anderer, mächtiger ale Er, 
Doch noch ihn zu nennen wag id; nicht. 
Wenige werben weiter blicken 

Als bie Odin ben Wolf angreift. 


Ich möchte weder die eine noch die andere Stelle als umecht ver⸗ 
werfen. Als der Glaube von ber Wiedergeburt einer entfühnten Welt 
ſich bildete, da konnte aud ſchon aus ber Vielheit der Götter bie alte 
Einheit wieder beftimmter hervortreten. Schon die Annahme des Welt» 
brandes, der mit der Welt aud die Götter entfühnen follte, zeigt, wie 
fehr der Glaube unferer Borfahren ſich geläutert hatte. Warum follte 
ihnen nit auch die Ahnung eines oberften Gottes aufgegangen fein, der 
Alles Ientt, ewige Sapungen anorbnet, und fo heilig if, daß feine Bunge 
ihn zu nennen wagt? Die Ahnung fage ih, denn nur als einen kunf ⸗ 
tigen, der kommen fol, fehen wir ihn an beiben Stellen bezeichnet. Hier⸗ 
mit waren bie beutfchen Heiden denn allerdings für die Aufnahme des 
Chriſtenthums vorbereitet ; aber chriſtlichen Einfluß braucht man darım 
nicht anzunehmen. Dieſer unausgefprodene Gott, ver Str. 58 als Fim⸗ 
bultyr bezeichnet wird, darf nicht für eine Wiedergeburt Odins genommen 
werben, obgleih an einer Stelle ber jüngern Edda non Odin, ben fie 
Allvater nennt, aber durch befannte Beinamen Odins Tennzeichnet, fo ges 
ſprochen wird, als wenn in ihm jept ſchon jener allwaltende, ewige 
Sagungen anorbnende Gott gelommen wäre. Wenn es nämlih D. 3 von 
Alvater heißt: ‚Gr lebt ‚durch alle Zeitalter und beheriht fein ganzes 
Rei) und waltet aller Dinge, großer und Heiner. Cr ſchuf Himmel und 
Erde und die Luft und Alle war darin ift, und das ift das Wichtigſte, 
daß er den Menſchen fhuf und gab ihm den Geift, der eben fol und 
nie vergehen, wenn auch der Leib in der Erde fault oder zu Aſche vers 
brannt wird. Auch follen alle Menſchen leben, die wohlgefittet find, und 


$. 50. Sels Pforte gebrochen. 158 


mit ihm fein on dem Orte, ver Gimil heißt; aber böfe Menſchen fahren 
zu Hel und darnach gen Niflpel, das ift unten in der neunten Welt,‘ fo 
iR Hier offenbar die Vorflellung herfhend, als ob die Welt ſich bereits 
verjüngt hätte, denn nur in der verjüngten Welt kommen die Guten nah 
Gimil, wogegen in ver alten Welt, im alten Aögard, wie es D.3 
ausbrüdlich heißt, nach dem nordifhen Glauben Götter ſowohl als Men: 
fen zu Hel fahren, wenn fie nicht auf dem Schlachtfelde gefallen find. 
Snfofem alfo hier Odin der Gott ift, zu dem alle mohlgefitteten Men: 
ſchen nach Gimil kommen follen, ift er für den unausgeſprochenen Gott 
der verjüngten Welt, der kommen fol, genommen; nur daß er nah 
dem Gingange der Stelle zugleih als der ältefte aller Götter gefaßt 
wird. Ausprüdlic bezeichnet fie ihn durch den erften feiner Beinamen als 
vater, alſo jenen Gott, der fi bei der Schöpfung verborgen hielt. 
Auch hier ift nicht durchaus notwendig, chriſtlichen Einfluß anzunehmen, 
obgleich man ihn in der jüngern Edda lieber und hier am Tiebften 
geben wird. Wäre eine frembe monotheiftifhe Lehre eingebrungen, 
fo wärbe der eine Gott feine andern Götter neben ober unter ſich dulden ; 
aber eine Läuterung der vielgättifhen Lehre zur Einheit finden wir jer 
denfalls angebahnt. Gewiſs ift aber in dieſer Stelle Verwirrung, und 
Ddins Fortleben Tann nicht darauf gegründet werben. 


50. Die übrigen Götter der ernenten Welt. 


Die unter dem unausgefprodenen, mädtigern Gotte, der kommen 
fol, fortlebenden Götter find: 

1. Bidar und Wali, vie beiden Räder, ver eine Odins, der 
andere Baldurs. Ihnen hat weder die See noch Surturs Lohe geſchadet, 
fie find nicht wiebergeboren, fie haben den Weltbrand überbauert. 

2. Baldur und Hödur, die aus Held Reihe zurüdtehren. 
R Hels Reich gerftört, find die Pforten der Hölle gebrochen ? Die ſchwer 
verfändlihe und durch den uneddiſchen Ausdruck Drache (dreki) verdaͤch ⸗ 
ige Strophe 64 giebt Teine fihere Auskunft. Aber eine andere Annahme 
if nicht denkbar, wie hatte Hel ihre Beute fonft fahren lagen? Baldur 
beherſcht bie verjüngte Welt ald Gott der Unſchuld und Höbur darf ſich 
ihm gefellen, weil er an feines Bruders Tod feine Schuld trug. 

Hier iſt der Ort, die $. 33 aufgeworfene Frage zu beantiworten, 
WaB es denn geweſen ſei, was Dbin feinem Sohne ind Ohr fagte, eh er 


154 derhellung det Wiedergeburt. 2. bo. 


die Scheitern beſtieg Daß das hier waltende Geheimniſs auf bie ein 
ftige Wiedergeburt der Welt und ber Götter zu beziehen fei, habe ih 
ſchon Edda 405 vermuthet. Der Beweis dafür liegt in ber Gtellung 
ver Frage unmittelbar nach jener, was Odins Ende fein werde? worauf 
Waſthrudnir antwortet: 

Der Wolf erwürgt den Vater der Welten. 


worin für Odin, der die Frage ala Gangrabr vorlegt, eine Demüthigung 
liegt. Indem er nun die legte Frage folgen läßt: 


Bas fagte Obin dem Eohn ins Ohr, 

Eh er die Scheitern beftieg? 
befiegt er den Riefen in doppelter Weife, denn jener weiß fie nicht zu 
beantworten und fo ift formell fein Haupt, das der Wette verpfändet war, 
dem Sieger verfallen ; zugleich entſcheidet er aber aud in der Sache den 
Wortftreit zu Gunften der Götter und zur Demüthigung der Niefen, in- 
dem er auf die Wiebergeburt der Götter anfpielt, welche jenen nicht ber 
ſchleden if. Daß Baldur wiebergeboren werde, ift damit nicht unreimbar, 
daß er aus Held Haufe zurüdtehrt; nur kehrt er ala ein Lebender, nicht 
als ein Todter zurüd und das dürfen wir als Wiedergeburt bezeichnen. 

3. Hönte kehrt, wenn er will, von den Wanen zurüd, denen er 

zum Geifel gegeben war. Ganz folgerichtig heißt e3 demnach MWafthr. 39 
von Niördhr: 


Am Ende der Zeiten foll er aber kehren 
Zu den weifen Wanen. 


Dieb Zeugnifs fteht indes allein und widerſpricht der Woluſpa, 
welde nur Afen ven Weltbrand überleben läßt, der Wanen feinen. IM 
es mehr als eine bloße Folgerung aus der Rüdkehr Hönirs, der für 
Niordhr hingegeben war, fo ließe es ſich fo deuten, daß der Gegenfog 
zwiſchen Aſen und Wanen jept aufgehoben ift. Crft durch den Berluf 
der Unſchuld war die Entzweiung unter die Götter gelommen: es bebarf 
jeßt, da aller Streit ausgeglichen ift, keiner Pfänber des Friedens mehr. 

Der beiden Brüder, deren Söhne nun das meite Winbheim bes 
bauen follen, wird unmittelbar nad biefer Meldung von Hönirs Eledi⸗ 
gung gedacht: es ſcheint alfo, daß er die Rüdtehr wählen wird, wenk Er und 
Dpin, nicht Hödur und Balbur, unter den beiden Brüdern verftanden find; 
des dritten Bruders Söhne kehren nicht zurüd noch er felber: Loli, dem 


% 51. Dafeld. 166 


Feinde der @ötter, der das Verderben in bie alte Welt gebracht hat, if 
feine Fortdauer in der wiebergeborenen beftimmt. Geläutert hat er vie 
Welt und die Götter; hiermit ift feine Aufgabe erfüllt. 

4. Thors Söhne Modi und Magni (Muth und Stärke) 
fehren gleichfalls nah D. 53 und Wafthr. 51 zurüd und bringen den 
Kammer mit. Freilich fcheint es deſſen Taum zu bebürfen, es fei denn 
zum Segnen und zum Schügen; wenn fie ben Krieg zu Ende lämpfen 
follen, fo beruht dieß aud nur auf einer zweifelhaften Lesart. Modi und 
Ragni find zu Söhnen Thörd aus des Gottes Eigenſchaften erwachſen, 
Eigenſchaften, die er befigt und im Kampf wider bie Riejen bewährt, 
Eigenſchaften ferner, die er verleiht, denn die Früchte des Feldes geben 
Kraft und Muth, Thoͤrs Dienern zumal, den Bauern, die fie im Kampf 
mit ber Natur, im Schweiß des Angefihts nah dem chriſtlichen Ausbrud, 
errungen haben. Waren fie früher Eigenſchaften Thörs, fo dauern fie 
jept als perfönlic gedachte Eigenſchaften der verjüngten Götter fort. 

As die Wohnung diefer verjüngten Götter wird D. 53 , Idafeld 
(idavöllr), wo zuvor Asgard war,‘ genannt. Idaſeld ſcheint die ermeuerte 
Belt felbft zu bezeichnen, denn von der Emeuerung hat es den Namen, 
der wohl erft fpäterhin- auf den Drt, wo Asgard erbaut ward, alſo auf 
die goldene Zeit der verlorenen Unſchuld übertragen warb, nicht ohne 
Grund, denn das wieder erworbene Paradies fällt im Gedanken mit dem 
umverlorenen zufammen. So fagt jhon Grimm Myth. 783: ‚das Para⸗ 
dies iſt ein verlorene und ein Künftiges ber neugrün aus der Flut ſtei⸗ 
genden Erde; dem Idavöllt, in deſſen Graſe die Götter Golbtafeln zum 
Spiel finden, ſieht fhon jener alte Idavöllr, in welhem vie Aſen Ass 
gard fifteten und heiter im Hofe mit Würfeln warfen, gegenüber, bem 
verfüngten Reiche der Zukunft ein dahingeſchwundenes golvenes Zeitalter, 
worin Milh und Honig flogen. Bol. oben ©. 78. 


51. Das verjüngte Menfchengefchlecht. 

Auch den Menſchen ift in der verjüngten Welt ein Dafein zuge: 
dacht, Widar war es, der eigentliche Gott der Emenerung, ber es ihnen 
nach unferer Ausführung $. 46 erkämpfte. Unter Hoddmimirs Holz kann 
nur Mimameidr, die Welteſche, verftanden fein. Mimir hatte unter ihr 
feinen Brunnen. Hortmimir beißt er hier, weil Weisheit und Ver⸗ 
Rand in feinem Brunnen verborgen find, die höchſten Schäpe. Aehnlich 


156 Keine Straforie mehr. 5.52. 


ift es, wenn Sigrdr. 13 (M. Edda 206) dieſes Mimirs gefalbtes Haupt, 
mit welhem Odin murmelt Wöl. 47, Heiddraupnir, Gelbträufler, und fein 
Hom Hobbraupnir, Schagträufler heißt. In dieſer Weltefhe haben ſich 
Lif und Lifthrafir, Leben und Lebenskraft, geborgen, Surturs Lohe ver 
mochte fie nicht zu verzehren. Das neue Menſchengeſchlecht, das von 
ihnen erzeugt wird, if unſinnlicher Natur und feiner irdiſchen Speife bes 
dürftig: Morgenthau ift all ihr Mal, 


32. Fortdaner, Lohn und Strafe. 


Gimil, der Himmel der verjüngten Welt, wird nad Wöl. 63 die 
Wohnung aller bewährten Leute jein. Rad D.17 fteht diefer Pallaſt am 
fülichen Ende des Himmels; er ift ber fhönfte von allen und glängender 
ala die Sonne; alle guten und rechtſchaffenen Menſchen aller Beiten wer⸗ 
den ihn bewohnen. Nehmen wir D. 3 hinzu, fo ift er als ein Lohnort 
zu betrachten, welchem gegenüber jegt Niflhel als Strafort gilt, denn es 
heißt: ‚Aud) follen alle Menfchen leben, die wohlgefittet find und mit ihm 
(Alvater) fein an dem Orte, der Gimil heißt. Aber böfe Menihen 
fahren zu Hel und darnach gen Nifipel, das ift unten in ber neunten 
Belt.’ Ueber die Lage Gimils finden wir D. 17 fernere Auskunft: ‚SS 
wird gefagt, daß es einen Himmel fürlih und oberhalb von biefem 
(Asgard) gebe, welcher Anbläng heiße. Und noch ein britter Himmel 
fei über ihnen, welder Wivbläin heiße, und in biefen Himmeln glauben 
wir fei dieſer Pallaft belegen.‘ Wichtiger aber als diefe nicht fehr zus 
verläßige Meldung ift der Unterfhieb, der jept zwiſchen Guten und Böfen 
gemadt wird, während früher Walhöl nur in der Schlacht Gefallene 
(wäpndandha vera) aufnahm; die übrigen, Götter wie Menden, zu Hel 
fuhren, öhne daß deren Wohnung immer als ein Strafort gegolten hätte, 

‚Hier ſcheint aber wieder Verwirrung, denn in der erneuerten Welt giebt 
es nad) deutſcher mythifcher Vorftellung Leine Straforte mehr: das ift 
der wefentliche Unterſchied unferer mythiſchen Anfhauung, wenn wir fie mit 
der chriſtlichen Lehre von den legten Dingen vergleihen. Das Reid dee 
Hel ift zerflört: alles Böfe ſchwindet, beißt es in der Wölufpa, und was 
an ben Göttern, bie ihr Geſchlecht nicht rein erhalten hatten, Irdiſches 
war, das haben die Flammen bes Weltbrandes verzehrt; nur ihr geis 
ſtiges Prinzip bat ſich erhalten: rein und fledenlos beherſchen fie dir 


8. 52. Seendenfäle. 157 


geläuterte, von allem Uebel gereinigte Welt. Verleitet if bie jüngere 
Edda zu ihrer Annahme durch einige in die Mölufpa fpäter eingefchobene 
Strophen, 40—43, die kurz vor dem Untergange der Welt von Straf⸗ 
östern ſprechen, welche dann irrthümlich auf die erneute Welt bezogen 
wurden. Daß fie eingeihoben find, geht daraus hervor, daß fie ven 
Zufammenhang fehr zur Ungeit unterbrehen. Bon Lohn und Gtrafe 
Tann hiernach eigentlich in ber ermeuerten Welt feine Rede mehr fein; 
Aled was davon gejagt werden wird, ift auf bie Zeit vor der Gr 
neuerung zu beziehen, denn allerdings hatte die deutſche Unterwelt ihre 
Straförter, was von Grimm verlannt worden ift; fie ift aber keineswegs 
an fi ein Strafort wie unfere chriſtliche Hölle. Die Göttin der Unter 
welt heißt Hel, die verborgene Göttin, verborgen im Schooß der Erbe: 
darum ift fie nod am ſich nicht böfe; nur weil man fie als Todesgoͤttin 
faßte, erfhien fie fo durch die heidniſche Furcht vor dem Tode; wir wer⸗ 
den fie fpäter noch als eine gütige Göttin kennen lernen. Aber freilich 
find in der Unterwelt auch Straförter, mie daneben auch Freudenaufent⸗ 
halte gemefen fein müßen. Hel lohnte und ftrafte Jeden nad feinem 
Berdienft, dem Guten erſcheint fie freundlih, dem Böfen als eine graus 
ſame Rächerin. Die Lohnörter find aber noch mehr verbumfelt als vie 
lange verfannt gebliebenen unterirdiſchen Strafen, und zwar deshalb, 
weil nad) der fpäter herſchend gewordenen Anfiht, vie befonderd der 
Norden ausgeprägt bat, die Götter jegt im Himmel wohnen, nicht mehr 
wie urfprünglich in der Unterwelt, und meil fie auch die Menſchen dieſes 
ihres Himmels theilhaftig machen, wenn fie ein kampfliches Leben geführt 
haben. 

Idawoͤllt (Idafeld) heikt in der neuen Welt das Paradies ber 
Gätter, urfprünglic das wiebererworbene, zulegt aud das verlorene ; 
dagegen Gimil die allen guten und gerechten Menſchen in ber erneuerten 
Belt beftimmte Freubenwohnung. In D. 3 wird diefe Freudenwohnung 
auch Wingolf genannt, das an einer andern Stelle D. 14 neben Glads ⸗ 
beim als die Wohnung der Göttinnen erwähnt wird. Mit diefem Wingolf 
vergleicht Grimm Myth. 781 dad agf. vinsele, ben Saal, in dem die 
Helden mit dem Könige trinten, und das im Althochd. zur Uebertragung 
des Paradieſes dienende wunnigarto, ‚ba fih wunna = wunia unb 
wini amicus nahe berühren.‘ Wingolf würde hiernach einen Freudenort 
begeihnen, was aud der Sinn von Gladsheim if. Da Gimil als ein 
Ballaft gedacht ift, der im dritten Himmel liegt, fo mag biefe hohe Lage 


188 Sofren, [3 
aud die Ausdrũde mendelbero (mons gaudii) und sseldenbero, Berg 
des Heiles, erläutern. Deutſche Sagen, Märhen und Lieder wißen von 
dem bimmlifhen Glasberge 8.22, ver aus Gladsheim miſsverſtanden 
feinen würde, wenn nicht Myth. 781 ſchon einen nordiſchen glerhimin 
(coelum vitreum) nachwieſe. Gimil ift als ein Pallaft gedacht, ein 
Freudenfaal ; anderwärts ſcheint die Im Wolle noch jept unerloſchene Bor 
ftellung von einer Freudenwieſe (Mytb. 782) zu walten, mie Idawöllt 
grasbewachſen dargeftellt if. Darauf geht das altj. hebenwang, vielleicht 
auch das agf. neorznavang, vgl. Myth. 781, wo aud) das altj. ödas- 
höm, üpödashöm befproden if. Nah D. 52 ift aber Gimil nicht der 
einzige Freubenort: „Es giebt viel gute und viel üble Aufenthalte; am 
beften ift8 in Gimil zu fein. Sehr gut (9) ift es in dem Saale, ver 
Brimir heißt und gleihjalls im Himmel ſteht. Ein guter (?) Saal ik 
aud jener, der Sindri heißt und auf den Nivabergen fteht, ganz aus 
rothem Golde gebaut.’ Dieß ift aus Möl. 41 miföverftanden, mo es heißt: 


Nördlih ſtand am den Nidafelfen 

Ein Saal aus Gold für Sindris Geſchlecht. 
Ein andrer ftand auf Ofolnir, 

Des Riefen Bierfaal, Brimir genannt. 


Sindti kennen. wir aus D. 61 (M. Edda 299) als einen der Zwerge, 
welche die Kleinode der Götter ſchmiedeten. Die Nidafelfen feinen nah 
Wol. 65, wo fie mit Nidhöggr verbunden find, in den Tiefen Niflhels 
belegen, und D. 52 war weder berechtigt, den Sinbris Geſchlecht beſtimm ⸗ 
ten Saal Ginbri zu nennen, noch ihn in den Himmel zu verlegen und 
dem verjüngten Menfchengefhleht oder ven fortdauernden Seelen ber 
Menſchen zur Wohnung anzumelfen. Cine gleiche Bewandtniſs hat es mit 
dem Saale Brimir. Wie Sindri ein Zwerg, fo ift Brimir ein Rieſe. 
Wol. 9. nennt fogar den Urriefen fo, und Wöl. 41 gieng der Name 
Brimit wieber nicht auf den Saal, fondern auf den Rieſen ſelbſt. Um 
Mar bleibt, was Wöl. mit diefen beiden Sälen will; die Strophe fteht 
mitten unter jenen, die von Strafen und Straförtern ſprechen. Zu diefen 
geht nun auch D. 52 über: ‚In Näftrand (Leichenſtrand) iſt ein geoper 
aber Abfer Saal, defien Thüren nady Norden fehen. Er ift mit Schlan⸗ 
genrüden gebedt, und die Häupter der Schlangen find alle in das Haus 
bineingelehrt und fpeien Gift, da Ströme davon im Saale rinnen, durch 
welche Eivbrüdige und Meudelmörber waten müßen, wie es heißt: 


KR Ar, Bebgelmir. 189 


42. Einen Saal feh ih, der Sonne fein 
In Naſtrand; die Thüren find nordwärts gelehrt. 
Gifttropfen fallen durch bie Fenfter nieder ; 
Aus Schlangenrüden if der Saal gewunden. 
43. Im farrenden Strome flehn da und waten 
Meuelmdrder uud Meineidige. 


Aber in Hmwergelmir ift e3 am ſchlimmſten: 
Da ſaugt Ridhöggr ber Entſeelten Leichen. 


Der proſaiſche Zwiſchenſatz: ‚aber in Hmergelmir zc.’ it Willfär: 
die Wölufpa ſcheint auch Naftrand nad) Nifihel zu ſetzen, welche durch den 
Brummen Hwergelmir mit der Oberwelt in Verbindung fteht. ©. oben $. 6. 
Ücbergangen iſt hier Str. 40 der Wölufpa, die, obgleich entfernt ſtehend, 
doch mit Gt. 43 zufammengehört: 


Ein Strom wälzt oftwärts durch Eiterthäfer (Giftthäfer) 
Schlamm und Schwerter, ber Slidur (Slidhr) heißt. 


Hier haben mir jene eigenthämlich deutſche Dualhölle, in ver es 
fein Feuer giebt, wohl aber ftartende Ströme voll Sumpf und Schlamm, 
velche Schwerter wälgen ; Meucelmötber und Meineivige mühen fie durqh ⸗ 
waten. Diefe deutſche Waßerhölle unterſcheidet fih von der chriſtlichen 
Hölle fo ſcharf, daß es Niemand einfallen kann, an eine Entlehnung zu 
denlen; eher möchte eine Urvertombtfhaft mit den Strafleiden der grier 
chiſchen Mythologie anzunehmen fein, wo es aud Hödlenflüße giebt, wo 
Lantalus bis and Kinn im Strome fteht, die Danaiden Waßer ſchoöpſen 
und außgiepen und der Geier des Prometheus an den Drahen Ridhoͤggr 
innert, der bie Leichen der Verftorbenen nagt. Spuren einer echt 
deutihen Feuerhölle werden gleichwohl unter $. 95 nachgewieſen. Die-alte 
Rifipel, obgleich fie keineswegs für alle ihre Bewohner ein Reinigungsort 
fein follte, hatte alfo doch ihre Strafen für gewiſſe Verbrechen und in 
iemem Naſtrand und dem vielleicht dort entfpringenden Schlamm und 
Schwerter wälzenben Strome Slidr, melden die Berbrecher durchwaten follten, 
beſaß fie einzelne Stätten ber Qual. Dieß befagt auch Sig. Am. II, 4: 

Harte Strafe wird Menfchenföhnen, 

Die in Wadgelmir waten: 

Ber mit Unwahrheit ben Aubern verlügt, 
Ueberlang ſchmerzen die Strafen. 


160 Aobiskrug. % 58. 


und in Gigrbr. 22,23 ift darauf hingewiefen, daß man ber Schuld ledig 
leben müße. damit man e8 im Tode nicht entgelte.e Auch bei den Böl- 
fern des engern deutſchen Landes bat Dietrih a. a. D. Spuren derſelben 
Vorftellung nachgewiefen und in Vatic. Valae Vind. p. 5—7 habe ih 
dazu Nahträge geliefert. Ein eigenthümlih deutſcher Ausdrud der als 
Strafort gedachten Hölle ſcheint Ovelgunne, worüber und das nieder 
deutſche Schaufpiel von Theophilus nähern Aufſchluß bringt, Vgl. Myth. 
953, wo auch Nobiskrug beiproden wird, ein Name gleihen Sinnes, 
melden Grenzwirthehäufer (Nachbarskrug) zu führen pflegen. Vielleicht 
fanden dort einft gemeinfame Opfermaljeiten Statt, da bie Grenze über 
den Heerd zu laufen pflegt ; die chriſtliche Zeit könnte fie dann in Berruf 
gebracht haben. Vgl. Gr. deutſche Grenzalterthümer und Myth. 766. Wahr: 
ſcheinlichet ift er aber aus Nörwis Krug entfiellt. Nörwi oder Narfi 
fennen wir aus $. 14 ald den Vater der Nat, einen Sohn Lokis. Vgl. 
jedoch Liebreht Gero. 168, Kuhn NE. 484. 

Bliden wir zurüd, fo unterjheivet fi der Himmel der erneuten 
Welt ſcharf genug von Walhal, dem Gimmel der jegigen. Diefer 
nahm nur in der Schlacht Gefallene auf, jept aber empfängt Gimil alle 
Guten und Rechtſchaffenen aller Zeiten und Voller; den Böfen dagegen 
wird feine Gmeuerung zu Theil, fo wenig ald ven Riefen, den welt: 
serftärenben Gewalten. 


53. Späte Rachklänge, 

Die heidniſchen BVorftellungen von Weltuntergang und Erneuerung 
lebten noch während” des ganzen Mittelalters unter allen deutſchen Völkern 
fort und bis auf den heutigen Tag konnten fie nicht ganz ausgerottet 
werben. Sie find aber verwachſen mit der von Grimm Muth. 903 ff. 
f. 9. Bergentrüdung ber Götter, mit ihrer Berzauberung in einem hohlen 
Berge, wo fie dem Tag der Entſcheidung entgegenſchlafen, dann aber er⸗ 
wadhen und ven legten Kampf auslämpfen werben, worauf nun eine 
beßere Heit folgen fol. Diefe verwünfchten, verzauberten ober bergent« 
rüdten Götter finden wir aber nicht mehr in biefer Würde unter ihrem 
alten Namen, mit Ausnahme der Göttin Freyja, bie no als Frau Frene 
(Myth. 283. 1212) oder als Frau Holda in Bergen hauft, aud wohl 
den beutjhen Namen mit Haffiichen (Venus, Juno M. 913) vertaufcht 
hat. Im böhmischen Frauenberg könnte felbit die nordiſche Edda ala 
Frau Edd noch fortzuleben feinen. Schönmwerth III, 356. Bel. Duig- 


8. 58. Anderende. 161 


mann Die heidn. Rel. 48. Die männligen Gottheiten find in Helden 
verwandelt, entweber in die unferer Heldenſage, die überdiek verjüngte 
BWiebergeburten der alten Götter find, als Siegfried, Ehel und Dietrich, 
oder in unfere geſchichtlichen Helden, wie Karl der Große, bie Dttonen, 
die Friedriche, wie Webelind (M. 906), die drei Telle (Stifter des 
Säweizerbundes) u. |. m. In dem Bergſchloße Gerolsed fchläft Siegfried 
mit andern Helden, im heſſiſchen Odenberge figt Kaifer Karl als lang ⸗ 
bärtiger Greis, ebenfo im Kaiſer Karld Berg zwifchen Nürnberg und Fürth, 
mährend er im Unteräberge bei Salzburg, der vom Schlafen des Gottes den 
Ramen hat, indem Underrube ven Mittagsfchlaf bedeutet, bald mit Karl 
dem Yünften, bald mit einem der Friedriche wechſelt. Am häufigften er⸗ 
ſcheint Kaiſer Friedrich Nothbart, der außer in jenem Untersberge auch 
in dem Keller feines Schloßes zu Kaiferslautern, im Trifels bei Ann 
weiler und auf dem Kifipäufer in Thüringen f&läft; beſonders ift letztere 
Sage berühmt geworden. Man weiß, wie er am. runden Gteintifd den 
Kopf in der Hand nidt und mit den Augen zwinkert; wie fein Bart 
ſchon zweimal um den Tiſch gewachſen ift, und wie, wenn er zum brit- 
tenmal um den Tiſch gewachſen fein wird, ber Kaifer erwachen ſoll und 
bervorgehen und feinen Schild an einen dürren Baum hängen, worauf 
diefer ergrünt und eine befere Zeit anhebt. Belannt ift auch, mie er 
den Schäfer fragte, der ihn einft wachend antraf: ‚Fliegen die Raben noch 
um den Berg?’ und ald die Frage bejaht warb, befümmert außrief: 
‚So muß ich noch hundert Jahre fchlafen.‘ Alle hundert Jahre pflegt er 
hiernad einmal zu erwachen und nad; feinen Raben zu ſehen. Es find 
Dbind Raben, die um den Berg fliegen, der Gott hat fie ausgefanbt, 
den Stand der Dinge in der Welt zu erkundigen; alle andern Deutungen 
Ihlagen fehl. Daß fie um ven Berg fliegen, Tann nur eine verbunfelte 
Ginnerung fein: fie müften zu ihm in ben eben heute offenen Berg 
fliegen, fi auf feine Schulter fegen und ihm die Kunde ins Ohr flüftern, 
Auch darin ift die Sage unvollftändig, daß nicht gejagt wird, maß, wenn 
der Raifer feinen Schild an den ergrünenden dürren Baum gehängt hat, 
geliehen werbe, um bie befere Beit herbeizuführen. Das weiß aber noch 
die Sage vom Unteräberge Myth. 998 und andere ſchon vor vier bis 
fünf Jahrhunderten (Gr. Myth. 908) aufgefhriebene Sagen können zur 
Betätigung dienen: auf dem Walſerfelde foll dann eine blutige Schlacht 
deſchlagen werden, die nichts anderes iſt als ber legte Weltlampf, denn 
der Antichriſt erſcheint, der Gngel Pofaunen tönen, ber jüngfte Tag ift 
Gazes, Mythologie. 1 


162 Welferfeh, .. 


angebrochen, das Weltende tritt ein. Ehe diefe Schlacht entſchieden if, 
fann aud der dürre Baum nicht ergrünen, denn biefer ‚laubloſe Baum 
ift die MWeltefche, von der Idun, der grüne Blätterihmud, herabgeſunlen 
ift, in der Aber, wie in Hoddmimirs Holz, noch Lif und Lifthrafir, Lehen 
und Lebendkraft, ſich verborgen halten; doch erft bei der Wiedergeburt der 
Welt kann fie von Neuem zu grünen anheben, und bie verbuntelte Gage 
melvet dieß Greignifs zu früh. So ift das Walferfeld nichts als die 
Ebne Wigrid oder Oſtopnir; daß ber Kaiſer an Odins Stelle getreten 
fei, verrietben und ſchon feine Raben; der rothe Bart freilich ift von 
Thor entliehen und der Name Friedrich, ja die Bergentrüdung von regt, 
wie wir bei deſſen Mythus fehen werden. Der Raifer fläft aber nicht 
allein : feine Helden, die Einherier, finden wir in vielen Sagen mit ihm 
in den Berg entrüdt; feine Rüfttammer ift voller Waffen und in ven 
Ställen ftampfen die Pferde ungebuldig im Schlaf; ja nad Giner Gage 
fucht er ihre Zahl noch zu mehren, damit Gr und fein Heer zum legten 
Kampf beßer gerüftet fei und fo wird er auch dieß Heer felbft noch zu 
ftärten bevadt fein. Warum er aber verfunfen ift, warum er im Berge 
ſchlat, kann und erſt deutlich werden, wenn Freyrs Mythus abgehandelt 
iR. Uebrigens geftattet die Sage auch neuern Helden einzutreten: fo 
ſchlafſt Prinz Karl im Zichtelgebirge mit viel Taufend Kriegen und ala 
im Jahre 1848 Nachrichten won Siegen ber Jtaliener über bie öfterreis 
chiſchen Truppen verbreitet wurden, hieß e8: Es geht halt fo wie bie 
Willeweis“ prophezeit hat. In Welihland wird es unfern Leuten fo 
fchleht gehen, daß die Meiften zu Grunde geben. Wenn es aber fo weit 
gelommen ift, daß der Kaiſer mit feinen zwei legten Soldaten durd ben 
NRunteräweg bereinzieht, wird der Sand wirth erfheinen und die Leute 
aufbieten. Dann giebt ed einen fo großen Landſturm, wie er noch wie 
dageweſen ift und die welſchen Rebeller werben für immer geſchlagen 
fein. Viele Leute glauben zwar, daß der Sandwirth zu Mantua er 
ſchoßen worben fei. Dieß ift aber erlogen. Gr hat fi nur verftedt und 
lebt in der Sarner Scharte oder im Jfinger.’ Bingerle Tyr. 6.203. Den 
finger Tennt man aber auß K. Oswalds Sage ald einen Wobansberg. 

Dem Birnbaum auf dem Walſerfeld entfpricht in einer ſchleswigſchen 
Sage (Müllenhoff S. 378) der Hollunder in Nortorf, und fo 
finden fih vielerlei Varianten, jede Provinz hat ihre eigenen ; aber in 
allem Weſjentlichen bleibt bie Gage ſich gleich. Dort wird ext eine rothe 
Kuh über eine gewiſſe Brüde geführt: es find Muspels Sohne, bie 


58 Algemeiner Krieg. 168 


Flammen, die über Bifröft reiten. Wie Mannhardt Germ. M. 6. 332 
bemerkt, ſoll nad) einem deutſchen Vollsliede eine bunte Kuh den gläfer- 
nen Berg hinauf getrieben werden. Vgl. Schwarz Heut. Vollsgl. 6.132. 
Eine ſolche Brüde fpielt aud bei uns am Niederrhein eine Rolle in den 
Beiagungen des |. g. Spielbernd, die im Jahre 1848 wieder fo viele 
Gemüther beunrubigten, obgleih fie nur verwirrte Nachllänge der uralten 
Borftellungen vom Anbruh des großen Belttampfs find, der jept als 
Ausbruch eines allgemeinen europäifhen Krieges gefaßt ward. Jene 
Brüde ſollte jept bei Monborf über den Rhein geſchlagen werben und 
darauf der allgemeine weltentvölfernde Krieg losbrechen. Nach der fchleds- 
wigihen Sage wird die Nieberlage fo groß, daß von dem Heere bes 
weißen Königs, der ben ſchwartzen befiegen foll, die Nebriggebliebenen von 
Giner Trommel epen können und der König jelbft wird nah der Schlacht 
an einer Trommel feine Malzeit halten. So foll Holger danske (Myth. 
313) zurüdtehren, wenn nicht mehr Männer in Dänemark fein werben, 
als ihrer Raum auf einer Tonne haben. Nach der neueften ſchweizeriſchen 
daßung wird die Schlacht fo blutig fein, daß die Pferde bis and Ge 
fieſet im Blute fiehen, die Sieger werden einander fragen, ob fie in 
einem oder zwei Wirthöhäufern eintehren wollen: da werden fie an einem 
einzigen Play genug haben. Rochholz I, 61. Nach der weſtfäl. Sage 
(Auhn 205) wird man bis an die Enten im Blute waten ; bie Schlacht 
ſelbn foü beim Birkenbaum in ber Gegend von Werle ftattfinden : 
das ift der Name einer Haide in der Nähe des Dorfes Bremen; wahr: 
ſcheinlich hat dort einft ein folder Baum geftanden. Gleihmwohl wird 
man auf die alte Ejche zurüdgemwiejen, denn Neocorus, indem er von 
der Linde zu Güderheiftebe ſpricht, die ihres Gleichen nicht gehabt, fügt 
doch hinzu: außer in Schilſche in Weftfalen. Dieß Schilſche, ſagt Kuhn 
209, iR der auch noch heute in ver Vollsſprache contrahierte Name für 
Schildeſche bei Bielefeld. Gemeint ift alſo wohl die Eſche, an welche ber 
Aeiſer feinen Schild hängen fol. 

Den weißen König, der dem ſchwatzen (Surtur) eutgegenfteht, deuten 
Grimm und Müllenhoff auf Freyr; doch ſcheint der Gegenfag des Schwarzen, 
der im Gedaͤchtniſs geblieben war, dieſe Bezeihnung gewirkt zu haben; fein 
weißes Pferd weift eher auf Odin, während Freyr meiſt ſahrend erſcheint. 
An den ‚witten God' glaubt man aud in den Niederlanden. Hier ift 
& ur ein einziger Gott, der zur Iepten Schlacht reitet; badiſche Sagen 
(Baader 67. 142) wißen von zwölf bergentrüdten Männern, alfo ber 


164 Yüngfer Cag. 8.58. 


vollen Zahl der Afen: fie kommen, wenn Deutfhland in ber - gröften 
Noth ift, hervor und befreien e3 von feinen Feinden. Sollten nicht ſchon 
die fieben fhlafenden Männer, deren Paulus Diaconus I, 4 gebenkt, 
bieher gehören ? 

Man hat den im Berge ſchlafenden Kaifer für Baldur oder All⸗ 
vater auögegeben. Aber Allvater fchläft nit, er waltet, Hrafn. 1, und 
Baldur kämpft die legte Schlacht nicht mit, er erwartet in Frieden ihren 
Ausgang, um dann von feinem neuen Reihe Befig zu ergreifen. Die 
Naben, die um den Berg fliegen, die Helden, die mit dem Kaifer zugleich 
entrüdt find, unzählige mit ihren Pferden, die Nüftlammer, die von Waf⸗ 
fen ftarrt, das Horn, das neben dem Kaiſer hängt, und in das er ſtoßen 
fol, feine Gefährten zu erweden, envlid fein Auftreten im Kampfe felbft, 
in blanfer Rüftung auf dem weißen Roſs, alles zeigt uns, daß hier von 
Wodan noch Erinnerungen haften. “ 

Jedes Jahrhundert nüpfte an die Wiederlehr des al Kaifer ver: 
jüngten Gottes feine eigenthümlihen Grwartungen. Im Bittelalter ſollte 
die Wiedergewinnung des heil. Grabes erfolgen und der heidniſche Glaube 
ganz zergehen; ſchon vor dem Zeitalter der Reformation erwartete man, 
er werbe die ‚pfaffen storen,‘ den Uebermuth der Geiſtlichkeit beugen, 
und neuerdings pflegen die Gegner der hriftlihen Geiſtlichteit, die oft 
genug Feinde des Chriftentpums überhaupt find, die um ben Berg flie⸗ 
genden Raben auf die ,Shmwarzröde‘ zu deuten. Unſern modernen 
Heiben bricht die goldene Zeit nicht an, bis die Kirche geftürzt wird und 
mit ihr, mie fie wohl ahnen, aud der Staat zufammenbriht, deſſen 
Grundlage fie ift. Das Ende der Welt, des fittlich georbneten Lebens 
der Menſchen auf Erben, wäre damit freilich gefommen ; die goldene Zeit 
aber kann erft anheben, wenn bie zerftörenden Mächte, auf deren Seite 
fie ſich ftellen, von den Göttern befiegt oder von Surturs Lohe verzehrt 
find. Sie können einwenden, auch die Götter müften in feinen Flammen 
untergehen: dem ift aljo; aber nur um von allen irbifhen Gebrechen ge» 
läutert ala Herſcher der neuen Zeit wiebergeboren zu werben, während 
jene Ungethüme teine Zukunft haben. Wollten fie echte Heiden fein, wos 
für fie fih fo gerne ausgeben, fo ftellten fie fih auf die Seite der 
Götter und hülfen ihnen den Kampf gegen die verderblihen Gewalten 
auslämpfen. Aber wie könnten fie das wollen, da fie diefen verberblichen 
Gewalten felber anheimgefallen find und gerade in ihnen am ftärkften 
die Glaubensiofigkeit, die Unfittlicleit, die Selbſucht ber Beit zur Gr 


558. Zittligkeit des Heidenthums. 165 


ſcheinung lommt. So nähren fie die Hoffnung der unmünbigen gbers 
gläubifhen Menge auf den kommenden Tag der Erlöfung, welder fein 
anderer ift ald der jüngfte Tag; aber vergebens ‚leben fie dahin auf 
den alten Raifer hinein‘ und lehren ihre Gläubigen ‚auf den 
alten Raifer hinein ftehlen,‘ d. h. (Myth. 910) nad) ber alten 
Kevendart ‚auf bie ungewiſſe künftige Veränderung aller gegenwärtigen 
Dinge hoffen‘ und fündigen: dem Kaiſer will der Bart nicht wachen, 
weil ihm ihre Fluche und Läfterungen verfengen, und wüchſe er wirklich 
zum drittenmal um ben Steintiſch herum, fo wären fie bie erften, gegen 
welche er feine Waffen zu kehren hätte. Die Gebrechen der Welt und 
der Seit, welche fie zum Vorwande nehmen, koͤnnen erſt in- der künftigen 
Belt gänzlich getilgt werden ; über die gegenwärtige, fo vielfacher Läuter 
rımg fie bebürftig fei, daß euer zu ſchleudern, ift Niemand berufen, als 
wer die Rolle des Teufels übernehmen will, der an der Seite des Anti⸗ 
Amis $. 47 Lmpft. 


Der Beltuntergang ward nad $. 43 als bie Folge der Götter 
dämmerung angeſchaut. Dem Gefühl der Heiden ruhte die Welt auf 
ſittlichem Grunde, und würde biefer hinweggezogen, fo jahen fie das ganze 
Gebäude zufammenftärzen. Nüchterner klingt es, aber wie gleihbebeutend 
iſt es doch, wenn wir fagen, daß bie Kirche die Grundlage des Staates 
bilde, ohne Religion fein Staat, ja keine Gemeinde beftehen möge. Diefe 
Lehre giebt und unfere Mythologie: wie wenig verfteht alfo der Staat 
feinen Vortheil, der die griechiſche Mythologie fo fehr vor der deutſchen 
begänftigt, und wie wenig verftehen ihn bie unfrommen Frommen, die 
nit ablaßen, unſer Heidenthum als gottlos und heillos zu verfchreien. 
Das hatte einen Sinn vor dem Giege des Chriſtenthums über den heid⸗ 
niſchen Gottesdienſt mit feinen Menfcenopfern und über die Blutrache 
(6. 34), die das Herz der germaniſchen Sitte bildete, jene graufame Blut: 
the, die bis zum jüngften Tage fortrafen müfte, denn Blut fordert 
immer wieder Blut und fein Ende ift abzufehen, wie dieß die Sage von 
Hilde, die jeve Naht die Erfhlagenen wedt, daß fie am Morgen den 
Kampf von Neuem beginnen, ſchaurig f&hön ausbrüdt. Cine Lehre, die 
folge Pflichten vorſchtieb, mufte wom Chriſtenthum überwunden werben, 


166 Vorhale des EChrikenthums. 8.58. 


und es half ihr nicht, daß fie die höchften Ideen enthielt, deren ver Heide 
fähig war, die tieffinnigften, bemunberungswürbigften und inhaltreihften 
Anfhauungen über das Wefen der Welt und ver Götter. Denn Einer 
Idee war der Heide nicht fähig: der filtlihen Idee, daß man bie Feinde 
lieben ſolle. Diefe Idee hat das Heidenthum überwältigt, und ein neues 
Weltreich, die Welt der chriftlihen Bildung heraufgeführt, und gäbe es 
jegt noch alte deutſche Heiden, dieſer Idee müften fie fi beugen, denn 
ihr hätten fie nichts entgegenzufegen. Allein wir haben es jegt mit mo⸗ 
dernen Heiden zu ſchaffen, die feinen Himmel voller @ötter haben, aber 
wie ſie fein Jenſeits kennen, das Diesſeits mit Teufeln erfüllen würden. 
Diefen gegenüber erfheinen die alten deutſchen Heiden fittlich, fromm und 
gläubig, das alte Heidenthum hehr und heilig, eine würbige Borhalle 
des Chriſtenthums. Und es verlohnt ſich wohl, ſich in dieſer Vorhalle 
umzuſchauen; denn ſchwerlich wird Jemand das Chriſtenthum verſtehen, 
der das Heidenthum nicht verſtanden hat, und Niemand weiß das Chri⸗ 
ſtenthum zu würdigen, der das Heidenthum zu würdigen nicht gelernt 
bat. Durch den Sieg über das Heidenthum hat fih die Göttlichleit des 
Chriſtenthums bewährt; aber dieſer Sieg würde ihm zu geringer Ehre 
gereihen, wenn das Heidenthum fo veraͤchtlich geweſen wäre, als es 
fromme Leute machen möchten, die nicht wißen, welchen ſchlechten Dienft 
fie damit dem Chriftenthum erweifen. Das follte man erwägen, ehe man 
die Waffen nad) der Seite Tehrt, von welcher der mädhtigfte Beiftand 
zu bolen if. ‚Daß felbft gute Chriften unfer Heidenthum verſchreien,“ 
beißt e8 in dem Briefe eines Freundes, ‚begreife ih am wenigſten, und 
kann ed nur durch die leider nod zu große Unwißenheit entſchuldigen, 
worin fie in Bezug auf unfer Alterthum leben. Wenn wir mit der 
Kirche auch im alten Bunde eine Tradition annehmen, wenn wir Bors 
offenbarungen des chriſtlichen Glaubens und der riftlihen Lehre behaups 
ten, die im Judenthum fi finden, im Heiventhum nicht verloren gien⸗ 
‚gen, menigftend nicht ganz, dann müßen mir gerabe in unferm Hei⸗ 
denthum eins der mädtigften und gewaltigften Beugnifie für die Kirche 
ſehen. Wollte nur einmal Einer der Herren fi die Mühe nehmen, einen 
tiefern Blid in den wunderbaren Geift unferes Vorzeit zu tun! Und 
hätten unfere Studien nur das Gine vollbraht, baf fie die Ehre der 
Tradition fo glänzend retteten, ih meine das müfte genügen, ihnen Dant 
und Schuß gerade von dieſer Seite zuzuwenden.“ 





Die einzelnen Götter. 


Allgemeines. 


54. Polytheismus. 


Bon den Geſchiden der Welt und der Götter gehen wir zu den 
Mythen über, melde einzelne Gottheiten betreffen, deren Geftalten wir 
zugleich näher ins Auge faßen. Auf Götter und göttlich werehrte Weſen 
befcpränft fi aber die Götterlehre, wenn auch an andern Dingen 
nad) dem Volksglauben Göttlihes und Uebernatürlihes haftet. Nach 
8. 33 nahm Frigg Eide von Feuer und Waßer, Eifen und allen Erzen, 
Steinen und Erben, von Bäumen, Krankheiten und Giften, dazu von 
allen vierfüßigen Thieren, Vögeln und Würmern, daß fie Baldurs ſchonen 
wollten, und denſelben Dingen geboten die Afen, Baldurn aus Held Ge 
walt zu meinen, 

Noch ein Hriftlicher Dichter, Herzog Heinrich von Breslau (M. ©. 
1, 3b), Hagt ven umgebenden natürlichen Dingen fein Leid und fie er⸗ 
‚bieten ſich zut Halfe: 

Ich Mage dir, Mai, ich Mage dir, Sommerwonne, 
Ich Mage dir, fichte Haide breit, 
Ich Mage bir, augenſtechender Klee, 

Ic Mage bir grüner Wald, ich Mage dir, Sonne, 
Ic Hage dir, Venus, fehnlic Leid, 
Daß mir die Liebe thut fo weh u. ſ. m. 


Aber wenn es auch der heidniſchen Anfchauung nicht genügte, bed 
einen Gottes Hertlichleit an viele göttliche Weſen zu verſchwenden, wenn 
ihr die ganze Natur belebt und begeiftigt mar — 


168 Irmincet. 8. 55. 


Bir find gewohnt, 

Bo es auch thront, 

In Sonn und Mond 

Hinzubeten, es lohnt. Goethes Kauft II, 151. 


— fo mufte fie diefe Belebung und Begeiftigung dod zu zahllos wim: 
melnden Geftalten: außzuprägen und jede mit Namen und Charakter aus: 
zuſtatten. Götterlofer Naturbienft, Verehrung der Elemente felbft, nicht 
aus ihnen erſchaffener Rieſen, Elben und Götter, kann höchſtens für bie 
älteften Zeiten des Heidenthums und wieder für die jüngften zugeftanden 
werben, als nad dem Siege des Chriftentbums die Namen der alten 
Götter verſchollen, ihre Geftalten in Nebel zurüdtraten und nur bie 
Scheu vor den Elementen, die Ehrfurcht vor Mald und Quelle u. f. w. 
zurüdhlieb. 


55. Monotheismus. 


In $. 49 fahen wir, wie ber Glaube unferer Bäter ſich in der 
Verheißung jenes Mächtigen, der da kommen werbe, ewige Sagungen an: 
zuordnen, zulegt wieder zu der Ahnung eines oberften, unausgefprochenen 
Gottes läuterte, worin wir menigftens eine Annäherung an den Monos 
theismus erkannten. Daß er auch anfänglid von demſelben ausgegangen 
mar, wie er furz vor Einführung bes Chriſtenthums zu ihm zurädzulehren 
geneigt ſchien, laͤßt fi nur als Hypotheſe hinftellen, für die Vieles fpricht, 
während Anderes zu wiberftreiten fdheint, Was ihr das Wort redet, 
werden wir gelegentlich geltend machen; bier ſchiken wir nur Folgendes 
voraus: 

1) In allen deutſchen Zungen iſt das höchſte Weſen von jeher mit 
dem Namen Gott benannt worden (Gr. Myth. 12), ver ohne Artikel ge: 
braucht, wenn man fi nicht jegt erft zu dieſem Begriffe des allgemeinen 
Gottes erhoben hatte, dod einen allgemeinen Sinn hatte, ven man viel: 
leicht, als es ſchon viele Götter gab, durch das Compofitum Srmincot 
(Hilvebrandal, 28) fefthalten wollte. 

2) Treten die Götter auch gleih Anfangs ſchon in der Dreizabl 
auf (8.37), die fi zur Zwölfzapl erweitert, dann zu unendlicher Biel: 
zahl fteigert, zulegt gar in Naturcultus verlieren zu wollen ſcheint, fo 
fehen wir doch, bei den Göttinnen am deutlichſten, der Dreiheit die Ein⸗ 
heit zu Grunde liegen. 


& 56. Gott. 169 


3) Die Bielheit der Götter laßt ſich aus dem verbundenen Gottes: 
dienft verſchiedenet Voͤllerſchaften und Stämme erllären, bie, als fie zus 
fammentraten,, ihre eigenthümlih ausgebildeten Borftellungen von dem 
böhften Wefen nicht aufgeben wollten. Die bei jedem Stamme herge: ' 
brachten Götter wurden nun unter den altüblihen Namen neben einander 
geſtellt und zu gemeinſchaftlichen Gottheiten des neuen Geſammtvollkes 
ausgebildet, wobei ihr Weſen gegen einander abgegrenzt, ihre gegenfeitigen 
Verhältnipe näher bejtimmt werben muften. Auf einen folden Hergang 
weiſen unfere Quellen felbft in dem, was fie von dem Friedensſchluß er» 
siblen, der den Wanen unter die Götter Asgards Aufnahme verſchaffte. 
So könnte Thoͤr, dem die Knechte, eigentlich nur die freien Bauern, zus 
fallen, aus dem Dienft unterjochter Stämme berühren, während in Odin 
der Geber des Siegs feit der Verbindung der Eulte nur ftärter als 
früher herportreten muſte. 

4) US einmal die Vielheit durchgegriffen hatte, bevöllerte ſich ber 
Götterhimmel vollends durch die Beinamen der Götter, die urfprünglic 
zur Bezeichnung einzelner Seiten und Cigenfchaften einer Gottheit erfunden 
bald zu felbftändigen Weſen erwuchſen. Auch kann dasſelbe göttliche 
Weſen ſich durch den Unterſchied der Geſchlechter verdoppeln, wie neben 
Berhta ein Berchtold auftritt, neben Nerthus ein Njördr, neben Freyia 
dreyt. 

Bas aber gegen die urfprüngliche Einheit ſpricht, iſt auch nicht gering 
anzufhlagen. Wie die älteften Mythen Naturmythen waren, fo liegen 
and den Göttern Naturkräfte und Glemente zu Grunde. Am deutlichſten 
zeigt ſich dieß in einigen der ſ. g. Trilogieen der Götter. 


56. Gott. 


Wir wollen von dem Ginen Gotte ausgehend bie Trilogieen und 
Dodelalogieen der Götter im Allgemeinen betrachten; ihre unendliche Ber: 
vielfältigung, der ſchon durd die Verdreifachung Thür und Thor geöffnet 
war, läßt ſich hier noch nicht überbliden. 

Die wurzelhafte Bedeutung des Namens Gott (goth. gath) erklärt 
Grimm M. 12 für unerforfht: den Zufammenhang mit dem Adjectiv 
gut (goth. göds), das Tangen Bocal hat, wies er noch ab. In der 
G. D. 6. 541 gefteht er, neuerdings ſei (Ernſt Schuljes goth. Gloſſar 
6. XVII) ein ſchmaler Pfad gebrochen, ber zu biefem Zufammenhang 


170 Abvater. 4.57. 


hinführe, den ber Begriff fordert und bie Sprache durch den Stabreim an: 
deutet, indem fie Gott den guten und gütigen nennt. Den Heiden war 
das Wort männlich; in chriftliher Zeit Tonnte ed zur Bezeichnung ber 
Abgötter gleich diefem Worte felbft (dad Abgott) auch neutral gebraucht 
werben. 

Alle inbogermanifen Sprachen befigen einen gemeinfamen Namen 
für Gott, fr. dövas, Tat. deus, gr. Ieds, wozu fid das eddiſche Tyr 
(ochd. Zio) und der alte Plural tivar Götter ftellt, 

Gott heißt Allvater, nicht bloß in der j. Edda und Hrafnagalor 1, 
wo man criftlichen Einfluß vermuthen dürfte, auch Grimnism. 47 und 
Helgalwidha II, 38, alſo in den älteſten Liedern, iſt es ein Beiname 
Dpind. Bei der Schöpfung verbarg fi Allvater; in der jepigen Welt 
vertritt ihn Odin; die verjüngte beherſcht er als jener Maͤchtige, der 
Alles fteuert, Wöl. 63, oder als der unausgefprochene Gott, der nah 
Hyndlul. 4 einft kommen fol. Aber ſchon Tacitus c. 39 läßt die Sem⸗ 
nonen einen allwaltenden Gott verehren, dem Alles unterworfen und ges 
borfam war: regnator onınium Deus, oetera subiecta atque pa- 
rentie. Auch miötudhr (Sigurdartw. II, 68, Obbrunargr. 17), agf. 
meotod, altj. metod (Meßer) bezeichnet den Schöpfer, der allen Dingen 
Biel und Maß verlieh, und wie die alte Sprache Gott Bilder ſchaffen, 
meßen und gießen läßt, fo ſcheint auch Gaut (alth. Köj), wie bald ein 
Sohn, bald ein Ahne Odins, bald er felber heißt, ven Gott zu bezeichnen, 
der die Welt aus ſich ergoßen hat, ja in alda gautr (Wegtamstw. 2. 13) iR 
diefer Sinn unzweifelhaft. Wie diefe und vielleicht noch einige andere 
Beinamen Ddins, die beßer andermärts erörtert werden, als Erbftüde aus 
der Hinterlaßenfhaft des Einen Gotte8 an den Vater der deutſchen Götter 
gelangt fein mochten, jo werben wir feine Macht und Eigenſchaften auf 
verſchiedene Götter vertheilt finden, obgleih Ddin das Heergeräthe vor: 
meggenommen bat, 


57. Trilogieen. 

Xrilogieen der Götter haben wir ſchon $. 37 zufammengeftellt : es 
waren fämmtlich Brübertrilogieen. Als folden lönnten ihnen bie brei 
Söhne des Mannus, Iſto Ingo Irmino, $. 7, beigefellt werben, und 
Sol Luna Bulcanus, welde die Germanen nad Cäfara Meldung B. G. 
VI, 21 als fihtbare und hilfreiche Götter allein verehrt haben ſollen. 


% 57. Sel Kuna Yalcanıs. ı 


Da wir in jenen obigen Trilogieen den Bezug auf die Elemente Luft, 
Baßer und Feuer hervorgehoben haben, fo fällt auf, bier eines derfelben, 
daB Feuer, wieberzufinden, was wenigſtens zu dem Verſuch ermuthigt, 
auch dieſe Triaß unter daB gleiche Schema zu bringen: 


Luft Waßer Feuer 
Rari Degir Logi 
Odin Hornir Soli 

Sol Luna Vulcanus. 


Da wir Odin als Himmels⸗ und Geſtirngott kennen, jo wurde das 
ee Glied ſich wohl fügen, wie das dritte augenſcheinlich entſpricht; das 
weite macht aber, aller belannten Beziehungen des Monds auf das Waßer 
ungeadtet, Schwierigkeit. Gleichwohl beruht gewiſs nur bie negatine Seite 
des Berichts auf mangelhafter Beobachtung ; bie pofitive wirb durch 
Boltsfagen beftätigt. Wer ein Freifhüg werden will, muß brei Schuße 
tun: einen gegen die Sonne, ben andern gegen den Mond, ben britten 
gegen Gott. Bol. Baaders Bad. Bollsfagen 393. Temme Pomm. ©. 312. 
Reier Schwaͤb. I, 116. Wolf D.6. 192. Kuhn W. S. 340. Nah ver 
Meldung des Dlaus Magnus verehren Bolarvölter ein über ihnen ſchwe ⸗ 
bendes rothes Tuch, das aud in unfern Herenfagen, namentlich beim 
Buttermachen, hervortritt. Es wird hinzugefügt, der rothen Farbe legten 
dieſe Völker wegen ihrer Nebnlicleit mit dem Menſchenblute göttliche 
Araft bei. Da wir nun wißen, daß Blut und blühende Farbe von Loki, 
dem dritten Gotte, verliehen wurde ($. 17), fo gewinnt bie Nachricht Ber 
deutung. Nun aber überrafcht ed, daß Dlauß neben dem rothen Blute 
noch Sonne und Mond als göttlich verehrte Weſen nennt, Wolf N. S. 
703. Der Schuß gegen Gott, der das Maß des Frevels voll macht, 
und in einigen Sagen die Strafe unmittelbar nach ſich zieht, müfte im 
ver heidniſchen Zeit dem Lofi (Bulkanus) gegolten haben, der in biefer 
Auffopung ald der höchfte unter den dreien, ja da der legte Schuß gegen 
den Himmel gerichtet ward, ald Himmelsgott erſchien. Wir werden aber 
fehen, daß Donar in Deutſchland als Feuergott galt, und auf ihn mag 
auch das rothe Tuch zu beziehen fein, jo daß anzufegen wäre: 


Luft Waßer Feuer 
Sol Luna Herkules 
Io Inge - Irmino. 


Bir haben hier noch ein viel größeres Wagniſs unternommen: bie 
wei Göhne des Mannus haben ald Staminväter dreier deutſcher Stämme 


172 Trüsgicen. 8% 57. 


vielleicht nur ethniſchen Gehalt ; indeſſen fügen fi die beiden legten Glie⸗ 
der befriedigend; nur das erfte macht Schwierigleit; aber überhaupt ift 
mit diefem Iſto am wenigften anzufangen und feine Beziehung auf bie 
fräntifhen Stämme halte ich für unthunlich. 

Solche Brübertrilogieen, welche unten $. 125 bei ben Zwergen nod 
vermehrt. werben follen, fprechen dafür, daß. die Mythen nit von einem 
einzigen Gotte auögiengen, fonbern die Vielheit der Elemente ins Auge 
faßten. Warum das vierte Clement, die Erde, fehlt, ift leicht zu fagen. 
Die Erde ift der Träger, ber gemeinfame Grund, auf bem bie drei Ele: 
mente walten; als bie große Lebensmutter ift fie die meiblihe Gottheit, 
welcher fih der herſchende Gott der Trilogie ald Himmels und Somen- 
gott vermählt. 

Eine andere Claſſe von Trilogieen zeigt weber Bezug auf bie Gler 
mente, noch erfheinen bie verbundenen Götter als Brüder. 

1. Dahin gehört zuerft die Trias, melde Tac. Germ. 9 Mercu: 
rius, Hercules und Mars nennt: ic glaube fie als Odin, Thör und Tyr 
(Buotan Donar Zio) verftehen zu dürfen. Mit Ddin hat dieß kaum 
Bedenken, da auch Paulus Diaconus I, 9 Mercurius für Gwödan nimmt, 
womit ber ältere Jonas von Bobbio (Myth. 109) und Wilh. von Mal: 
mesbury (Myth. 116) fo wie die Vergleihung der deutſchen und lateini⸗ 
ſchen Namen unferer Wocentagsgätter ftimmt. Lehtere beftätigt auch, 
daß Mars auf Tor (Zio—=Eor) zu deuten it; nur Hercules = Thör 
tönnte Anftoß geben. Allerdings hätte man für Thör Jupiterd Namen, 
des Domnergotted, erwartet; was aber den Römer bei Thör an Hercules 
erinnern mufte, ift $.83 bei feinem Mythus hervorgehoben. 

2. Die nächte biehergehörige Trias ift die ber brei männlichen 
Wochentagsgötter: Mars Mercurius Jupiter — Tyr Dbin Thör ober 
Zio Wuotan Donar, deren geheiligte Tage aufeinander folgen und bie 
Mitte der Woche bilden. Es find wiederum biejelben Götter, wenn wir 
jene erſt richtig gedeutet haben. 

3. Eine britte findet fi in der ſ. g. altſächſ. Abſchwörungsformel: 
Ihunaer Woden Sarnöt, Die Vergleihung lehrt, was fie auch fonft be: 
ftätigen wird, daß Sarnöt mit Tyr zufammenfällt, 

4. Die vierte entnehme ih aus Adam von Bremens Nachricht über 
die Bilder der in Ubfolas goldenem Tempel verehrten Götter, die er 
Wodan, Thor und Frieco nennt. Freyr (Fricco) hat bier Tyrs Stelle 
eingenommen. Auch fonft erfhienen dieſe Götter als die höchſten. Beim 


%57. Armlnſal. 173 


legten Weltlampf werden Odin, Ihör und Freyr hervorgehoben. Daß 
Heimdal und Tyt hier urfprünglic keine Stelle fanden, habe ich $. 46 
gezeigt; Widar kommt nur nachträglich hinzu, Odins Fall zu räden. 
Sollen die drei mächtigften Götter Asgards aufgezählt werben, fo finden 
mir Odin, Thör und Frege genannt. Go in der Erzählung der Skalda 
(D.61): drei Zwerge, Iwaldis Söhne, hatten drei Aleinode gemacht: 
Sifs Golohaar, der Gemahlin Thörs, Odins Spieß Gungnir und Freys 
Schiff Slidbladnir. Schon diefe drei Kleinode bezogen fih auf unfere 
Ariad. Aber nun mettete Lofi mit dem Zwerge Vrod, daß fein Bruber 
Sindri nicht drei eben fo gute Kleinode machen könne. Da ſchmiedete 
Sindri Freys Eber Gullinburfti, Odin: Ring Draupnir und Thörs Ham: 
mer, alfo wieder drei Kleinode für biefelben Götter. Noch mehr, als vie 
wölf richtenden und rathenden Götter fih auf ihre Stühle fegten, die 
Bette zu entſcheiden, legten fie dad Urtheil in die Hände eben biefer 
dreie, mit andern Worten, die Götter ver Zwoͤlfzahl ftellen die Entſchei⸗ 
dung den Göttern der Dreizahl anheim. Mit dem Zorn derſelben Göts 
terttias wird Skirnisför 33 gedroht. 

5. Eine fünfte mit der weiten und britten zufammenfallenbe ergiebt 
das erfte Gap. der Slalda, wo Ddin, Thor und Tyr aus der ganzen 
Zahl der Götter hervortreten. 

6. Vielleicht kann eine ſechste Widukinds bekannter Stelle von dem 
Siege der Sachfen über die Thüringer an der Unftrut entnommen werben. 
Sie errichteten ihrem Gotte, den ich hier wieder für den höchſten, ven 
Gott Aller (Irmingott) ‘halte, einen Giegesaltar, nomine Martem, 
efügig columnarum imitantes Herculem, loco Solem, quem 
Grasci apellant Apollinem, d.h. fein Name gemahnte an Mard (weil 
auch diefe Säule Irminſul oder Hirminfül hieß, Hirmin aber auf Herr 
mes leitete, wie die Griechen den Mars genannt hätten: quis Hirmin 
vel Hermes graece Mars dieitur), die Säule an Hercules wegen der 
Sereulesfäulen, der Ort der Aufſtellung (ante orientalem portam) an 
die Sonne (Apollo). Bon einer Trilogie ift hier außbrüdlic feine Rebe, 
dech ſchwebt fie wohl dem Verichterftatter vor, indem er ihre Glieder als 
Romente des Einen hoͤchſten Gottes auffaßt. So mährte au die Gier 
geöfeier drei Tage, und in der Fahne, die zu dieſem Siege geführt 
batte, fah man drei Zhiere, den Löwen, Dradyen und drüber ſchwebenden 
ler, 

Bir gewinnen alſo folgendes, künftig zu benugendes Schema: 





174 Dreijchn. 858. 


1. Mars Mercur Hercules 
2. Mars Mercur Jupiter 
3. Samot Boden Thunaer 
4. Fricco Wodan Thor 
5. Tyr Dpin Thor 
6. Mars Apollo Hercules 
7. Drache Adler Löwe. 


58. Dodekalogieen. 


Die Dodelalogieen der Götter ſcheinen weniger wichtig, weil babei 
mwilltürlicher zu Werke gegangen wird, Die j. Edda bemüht ſich, aud die 
Zahl der Göttinnen auf zwoͤlf zu bringen, und bier ift die Willkür am 
fihtbarften ; bei den Göttern zeigte fie fi mur in der Wahl der Götter, 
welche ald die zwölf höchften aufgezählt werben. Die Zahl zwölf ftand 
feſt: Hyndlul. 28 heißt es: nad Baldurs Tode feien eilf Aſen geählt 
worden; zwölf Afenföhne nennt die rätbjelhafte Str. 34 von Fiölfwindm, 
und D. 20 fagt ausprüdlih, es giebt zwölf himmliſche Afen. Aufge 
zählt werden dann aber vierzehn mit Inbegriff Odins, und rechnen wir 
dieſen ab, als ver dreizehnte Loli. Wie die. Zahl dreizehn auf manderlei 
Wegen in Berruf gelommen ift, fo mag auch Lolis Gtellung zur Dobe 
talogie der deutſchen Götter dabei mitgewirkt haben. Der Gingang von 
Bragaröbur (D. 55) nennt zwölf andere Afen (Odin fehlt); daneben adt 
Afinnen. Ein briltes Verzeichniſs giebt Stalofl 75 und hier üft wieder 
Zoli der dreizehnte. In allen dieſen Berzeihniffen find Wanen unter 
Asgards Götter aufgenommen, nur in Grimmism. bei Aufzählung der 
zwölf Himmelsburgen Götter mit Göttinnen verbunden. Hier werden 
Str. 30 auch die Pferde der Götter aufgezählt; es find ihrer aber nur 
zehn, da Gleipnir, Odins Hengft, und Blodhughöfi, das Slaldſt. 58 als 
Freys Roſs (reidh bani Belja Blödhughöfa) genannt wird, fehlen. 
Nehmen wir diefe hinzu, fo find ihrer hier, wie aud D. 15, wo Sleipuit 
binzufommt, zu viel, indem won Thoͤr an beiden Stellen bemerkt wird, 
was wir au font wißen, daß er zu Fuße gehe und Ströme wale, wie 
wohl er fonft auch fährt. Bon Baldurs Roſs wird an legterer Stelle 
erinnert, e8 fei mit ihm verbrannt worden, und fo fönnte man glauben, 
da nur eilf aufgezählt werben, es ſei nicht mitgerechnet. Die Vergleichung 
hilſt aber nicht dazu, die Namen ber zwölf Götter zu ermitteln, gumal 


% 59. Arumzahl. 176 


wir von den mwenigften wißen, welde Sengfte ihnen gehören; nur von 
Odin, Freyt und Heimdall ift es belannt. Slaldſt. 58 miſcht die Helven- 
und Bötterpferde. Ohne die Wanen laßen ſich zwölf Aſen aufzählen: 
Din, Thör, Tor, Baldur, Hödur, Heimdall, Hermödr, Bragi, Forfeti, 
Uler, Bali, Widar. Aber offenbar find Bragi und Forfeti, vielleicht 
aud Widar, der erft in der erneuerten Welt auftreten follte, in Abzug zu 
bringen, fo daß urfprünglih nur neun Afen waren, den neun Tagen ber 
alten Woche entſprechend. Erſt al die Wanengötter Aufnahme fanden, 
Rieg die Zahl auf zwölf und darüber. Auch bei den Göttinnen wird bie 
Zahl neun älter fein: wir finden neun Mütter Heimballs, neun Mägde 
zu Mengladas Füßen, alle der Heiltunft fundig, neun Töchter Degird u. |. m. 

Vermuthlich ſchritt man erft dur Sieben und neun zur Zwölfzahl 
fort. Neun Häupter wurden bargebradit bei dem. großen Opfer zu Ub- 
fola, von dem Adam von Bremen fpricht (Myth. 46), wie noch fpäter 
bei Opfern diefe Zahl vorherſcht, 3. B. Baader 38. Neun Götter er: 
feinen in Grimnism. neben drei Göttinnen, und fo wird vie Zahl ver 
woölj Himmelswohnungen herausgebradt. Die Nornen oder weiße Frauen, 
deren gewöhnlich dreie find, treten in deutſchen Sagen wohl au in ber 
Giebenzahl auf, Panzer 108, Baader 80. 186; in den Walküren fteigen 
fie zulegt bis auf dreizehn, Grimnism. 36 und D.36. In der Wölufpa 
24 fanden ſich nur ſechſe, wozu wohl Freyja die fiebente war. Statt ver 
fo oft erſcheinenden zwölf alten Männer, Baader 67. 142, in welchen 
die zwölf Götter Asgards in Erinnerung blieben, finden ſich oft nur 
feben; bei Harrys I, 33 zeigen ſich ihrer aber wieder dreie, darunter 
Giner (Wuotan) einäugig; auch rebeten fie eine unbelannte Sprache, die 
Eprache der Götter. Vgl. Gödihe ShL 5.247. 


39. Aſen und Wanen. 


Die deutſche Mythologie kennt fünf Claſſen göttlier Weien : Afen, 
Bauen, Riefen, Alben, Helden. Die Helvenjage erfordert aber wegen 
der hiftorifhen Beſtandtheile, vie in fie aufgenommen find, eine gejon: 
derte Abhandlung; hier können die Helden nur gelegentlich zur Sprache 
Iommen, da wo ihr mythiſcher Urfprung ſich nachweiſen läßt, denn das 
Vethiſche bildet den feften Kern und des Hiftorifhen ift in der eigentlich 
deutſchen Heldenfage, fowohl in der gothifhen als in der fraͤnkiſchen, nur 
wenig angeflogen, in ber fraͤnliſchen freilih am wenigften. In der jün- 


176 Sriedensfhluß. 8. 59, 


gern fränkischen Helvenfage, die wir die Kerlingiſche nennen, mag 
man einen biftorijchen Kern annehmen, aber er ift von dem myjthiſchen 
Anflug überdedt und oft bis ins Untenntlihe verändert. Die Anfiht, daß 
die Helden vergöttlihte Menſchen feien, fann nicht einmal bier eine Stüge 
finden. Der Kaifer Karl des Kerlingiſchen Epos iſt von dem Karl, defien 
Biograph Eginhard war, zuweilen z. B. in der Rolandsfage, grundverſchieden. 


Die beiden erften Claſſen find jept eigentlich allein noch als Götter 
im vollen Sinne des Worts zu betrachten, da von den Rieſen, der älte 
ften aber früh geftürzten Götterbynaftie (S. 15), ein. freilich junges Zeug 
niſs fagt, daß jie böfe jeien unb bie Elben wenigftens zwiſchen gut und 
böfe ſchwanken. Spuren den Rieſen gewidmeter Derehrung werben noch 
nachgewiefen werben; den Alfen dargebrahte Opfer find ausdrücklich bezeugt. 


Es könnte feinen, die Niefen wären vor den Göttern abzubandeln, 
weil fie älter wären als diefe, und weil die Götter felbft in ihrer älteften 
Beftalt nicht viel mehr als Riefen waren, da fie aus Naturgöttern als 
mählich erft zu fittlihen Mächten erwuchſen. Aber wenn der Dienft der 
Rieſen älter war als der Götter, fo haben dieſe fie doch nun geftürzt, 
ihre Macht in mohlthätige Schranken zurüdgemwiefen, und wir wollen uns 
hüten fie zu brechen. Die Niefen vor die Götter zu ftellen, ſähe einer 
Gegenrevolution ähnlich, die wir keineswegs beabſichtigen: wir haben es 
als der Menſchen Pflicht anerfannt, den Göttern im Kampf gegen die 
weltzerftörenden Mächte beizuſtehen. Noch weniger Anſpruch, an bie 
Spige geftellt zu werden, haben die Zwerge, die von den Göttern erft er 
ſchaffen find ($. 18). So bleiben und zunähft Aſen und Wanen übrig, 
deren Gegenfaß uns ſchon $.24 entgegentrat. Er war bort in einen 
Krieg auögeartet, der durd einen Friedensſchluß beigelegt ward, dem zu: 
folge Njörde und feine Kinder Freyt und Freyja den Afen zu Geiſeln 
gegeben wurden, während Hoenir der Afe, Odins Bruder, in gleicher Ei⸗ 
genfhaft zu den Wanen kam. Vgl. D. 23. 57. Wöl. 62. Nach der Heims: 
tringla 1, 4 begleitete Mimir den Hönir, aber den Njörd Kwaſir, welder 
danach ein Wane wäre, während ihm D.57 gemifchten Urfprung beilegt. 
Nachdem fo die Wanengötter in Asgard Aufnahme gefunden hatten, find 
Asgards Götter nicht mehr alle Afen, einige unter ihnen find waniſchen 
Urfprungs ; aber nod andere riefigen, wie Skadhi, Njörds zweite bald 
wieder von ihm geſchiedene Gemahlin: jedenfalls find fie fein ‚burdh ge: 
meinfame Abftammung altverbundener Götterverein. Weinhold Zeitſcht. 


859. Wanen. 17 


VH, 4. Gher ließe ſich dieß von den Wanen fagen, die wenigſtens eine 
Familie bilden. 

Bie der Gegenfag zwiſchen Wanen und Afen durch den Friedens ⸗ 
fölnß wieder aufgehoben wurde, fo war er aud Fein urfprüngliher. Die 
verſchiedenen Bötterfofteme, welhe ver Friedensſchluß verihmolz, hatten 
fih bei verwandten Stämmen gebildet, die von Haufe aus viel Gemein 
ſaues befaßen. Die Meldung des Tacitus Germ. Cap. 40 von ber 
Rerthus, in der wir die erfte, in der Coba unbenannt bleibende Gemahlin 
Rörds, von der er ſich bei der Aufnahme unter die Aſen ſcheiden mufte, 
wiedererfennen, Täßt vermuthen, daß es ſue viſche, meeranwohnende 
Etämme waren, die diefen Gultus ausgebilvet hatten, und damit fiimmt 
Riörds Bezug auf die Schifffahrt; und die zwiſchen Meer und Land ger 
theilte Wirlſamkeit aller Wanengötter. Wie aber Njörd als ein Vater 
der Götter in einem andern Syſtem erſcheint, fo finden fih alle Eigen 
Whaften feines Weſens bei Odin, dem Bater der Aſen, wieder. So fällt 
die Rerthus, welche Tacitus ald Mutter Erde bezeichnet, mit der Jordh, 
Deind erfter Gemahlin, zufammen. Wenn bie ſueviſchen Völker, welche 
den Banendienft hergebracht hatten, im Waßer ben Urfprung der Dinge 
ahnen mochten, fo liegt biefelbe Anfhauung dem Schöpfungsmythus zu 
Gnmde, der ſchwerlich bloß ſueviſch war. Und ließen die Möller, von 
weldien ber Ajendienft ausgieng, ihre Götter auf Bergen ober im Himmel 
thronen, die Wanen in den Tiefen ber Erde oder im Schooße der Flut 
(8.69), fo greift auch dieſer Unterſchied nicht durch, da wir aud Aſen ⸗ 
götter bergverſunken finden und Odin als Ufer ($. 91) in bie Unterwelt 
gebt, der er auch fonft verwandt if. Die Wanen ald Götter des Ger 
mäth® und der finnlihen Begierden zu faßen, dienen wir 8.24 aller 
dings berechtigt; aber auch Odin ift ein Gott der Liebe, unb daß bie 
Banen in der erneuten Welt nicht wiebergeboren werden, Tann für eine 
Folge der fittlichen Richtung gelten, welche feit der Wölufpa herſchend 
wurde. Wenn Müllenhoff Zeitſchr. VII, 440 jagt, ‚vie Summe der Wirk 
ſamleit der Wanen für die Menſchen ift ein behagliches und anmuthiges 
eben in Fülle und ‚Frieden, Milde und Freundlichleit, und bie Doppel: 
keitigteit ihrer Thätigfeit macht den eigenthümlihen Charakter dleſer Goͤt⸗ 
ter aus, der fie fehr beftimmt von den Andern unterſcheidet', fo ſcheint 
‚war hiermit das Richtige getroffen; aber doch konnte Freyia, die mit 
ide, der Kriegsgöttin, zufammenfällt und fid in den Walküren verviel- 
ſaligt, zu einer nordiſchen Bellona werden, Freyr eriheint als Drachen ⸗ 

Gimzet, Viytholodie. 12 


178 Ken. "E58 


lämpfer und Gewittergott, und ſchon bei der @öttermutter (Germ. 45), bie 
mit der Nerthus, der Terra mater Cap. 40 eins ift, finden wir wie bei 
Freyr den kriegeriſchen Schmud der Cherhelme. 

Auch auf etymologiſchem Wege läßt ſich ein fefter Unterſchied wiht 
gewinnen. Man leitet die Wanen von van (deficiems) ab und finde 
in ihrem Namen den Begriff des’ Berlangens. Geht man auf das nei. 
veenr (pulcher) oder altf. wanum (splendidus) zurüd (G. ®. 6. 653), fe 
erſcheinen fie ald die fhönen Götter, wie fie bie Götter der ſchönen Jah: 
teözeit find, die man im Winter geftorben dachte. Damit ftimmt, daß 
von Freyrs Gemahlin Gerda Luft und Waßer wiberftralten ($. 29) mb 
Njordr von Stabi feiner ſchönen Füße wegen gewählt warb D. 56. 
Auch der finniſche Liebesgott Wäinamoinen ift ähnlich benannt. Aber 
auch Odin fehen wir im Winter Walpall verlaßen, womit fein Aufenthalt im 
hohlen Berge zufammenhängt, Thor erwacht im Frühling, fo daß ſich auch bier 
eine Spur gleiher Auffakung zeiyt. Cinen durchgreifendern Unterſchicd 
ſcheint der Name der Ajen zu gewähren (norb. As, pl. aesir, goth. und 
ahd. ans, pl. anseis, enst, agl. s, pl. &s, Mych. 22). Gr bedente 
auch Balken oder Säule und begeihnet die Bötter ald vie Wage md 
Tragebalten des Weltall, was an bie Haften und Bande (höpt und 
bönd $.24) erinnern würde ; ober hängt es mur damit zufammen, daß 
die Bilder der Götter an den Pfeilerbalten des Hochſides awsgefhuipt 
waren? Bei lepterer Annahme bliebe unerllärt, daß auch Bergrüden, die 
wie jener Atlas, als Träger des Himmelsgewölbes angejehen werben 
mochten, altn. As heißen. 

Ergiebt nun bie Vergleichung, daß die Afen der Welt, deren Grund⸗ 
pfeiler fie find, im phyſiſchen wie im ’fittlichen Sinne, Beſtand und Dazer 
fihern, während wir wißen, daß von den WanenfAlles auögeht, was das 
Leben mit Reiz und Anmuth jhmüdt? Hiergegen Hehe fi nicht ein 
wenden, daß Odin ber Gott des Geiſtes, auch ber Dichtkunft worficht, 
denn ohne der Wanen Zuthun hätte der Vegeiflerungdtrant ber Gotter 
D. 57 nit gebraut werben können. Aber auch dieſer Unterſchied, fo 
feſt er fteht, Tommt doch vielleicht nur auf Rechnung der Ausbildung ur 
fprünglich gleicher Ideen bei Stämmen verſchiedener Gemüths ⸗ umd Ger 
ftesanlagen. 

Ihres weſentlichen Unterſchieds wegen brandten wir alje Aſen mb 
Wanen nicht zu fonbern. Es bleibt übrig, daß fie Götter verichiebener 
aber body immer beutiher Stämme waren. Die Wanen Löunen ben 


860 Adicfal. 179 


gethiſchen Völkern angehört haben, die Aſen ven Weftgermanen. Neuer: 
dings wollte man fie den Slaven zueignen, von denen fie aber lautlich 
abfehen; mur Kwaſit erllärt fih aus dem ſlaviſchen Kvas fermentum. 
Der Rame der Nerthus ließe auch an die Kelten venken, bei denen das 
Bort Nerthus fehr häufig vorlommt, und zwar in der Bedeutung von 
Kraft, was einen ſehr pafienden Einn ergiebt, wenn wir ihn auf bie 
Ariebtraft der Natur beziehen. Dgl. Chr. W. Glüd Die Keltifhen Namen 
bei Gaefar, Münden 1857. Aber im zweiten Gliede find die Namen wieber 
ganz deutſch. Auffallend bleibt e8 immer, daß fih von dem Ramen ber 
Banen in Deutſchland kaum Spuren erhalten haben, als etwa in ber 
Oberpfalz (Scönwerth Sitten und Sagen II, 185); ferner in Wanne 
ihella $. 109 und in Wannemond, wie in Oßnabrüd der Februar 
heißt. Lepteres hat Schade (Urfula 113) aus Strodtmanns Idiotilon 
278 nachgewieſen, aber in 

Wanne, wie renne be Riitersfnedit! 

Banne, wie flonfe de Junke! 


ſcheint es Interjection. Anklingende Orts und Perfonennamen zählt 
Quipmann Religion der Baimaren 1860 ©. 13 auf. 

Bern wir zuerft die eigentlihen Ajen abhanden und dann im fol- 
genden Gapitel von Hel und Nerthus ſowohl die Wanen ableiten ald mit 
Ausnahme der Jord alle Göttinnen, ob fie gleih Aſynien hießen, jo ber 
wegt uns zumäcft der Vortheil, welchen biefe Anoronung für die Dar: 
Relung gewährt; fonft möchten die Wanen als die älteften (da bei ihnen 
nech Gefhwifterehen galten, Duipmann 19) ben Vortritt verdienen. 


60. Schiefal, 


Bir haben un geweigert, die Rieſen vor den Göttern abzuhandeln, 
denn obgleich fie älter find, fo ftehen fie und doch nicht höher. Aber 
zum lentt ſich unfer Blid auf eine Macht, die älter ift als die Niefen, 
böher und mächtiger ala die Götter. Wie fie vem Schidfal unterworfen 
ad, hat umfer erſtes Yuch dargethan, deſſen Weberihrift ſchon andeutete, 
daß ed das Geſchick in feiner großartigften Erſcheinung baritellen wollte. 
Weder Baldurs Tod noch den legten Welttampf wuften vie Afen abzus 
wenden, obgleich fie ihm vorausſahen. Sie vermögen nichts gegen eine 
höhere Weltorbaung, ja Einzelnes begiebt fid wider ihren ausgeſprochenen 


180 Opfernde Götter. 8. 60. 


Billen, wie der Sieg, den Brynhild dem Agnar verlieh, mährenb ihn 
Odin dem Hialmgunnar zugedacht hatte. Aber das Schicſal, das auch 
die deutfhen Götter zu verehren haben, ift vielleicht mehr als eine um 
beugfame, unerbittlie Nothwendigfeit, die in der Natur der Dinge ber 
gründet ift, die fie nicht geſchaffen haben, da fie nicht die erſten Schöpfer 
der Welt, fondern felbft erft aus der Schoͤpfungsgeſchichte hervorgegangen 
find. Es ift den beutfhen Göttern eigenthümlich, daß fie jelber Opfer 
male halten, aus Blut und Eingeweide weißagen, mit Runen bezeidnete 
Stäbe ſchutteln und das Looß befragen, wie es ber Eingang der Hymis ⸗ 
wida gefcheben läßt. Dieſes Opfern ber Götter müfte fehr auffallen, 
wenn das Schidfal nichts als eine blinde Nothwendigkeit, ein todter Ber 
griff wäre: denn nur einem perfönlich gedachten Gotte kann man opfern. 
Es laßt ſich einwenden, hier walte eine Vermenfhlihung der Götter: wie 
fie vem Schlaf, ja dem Tode unterworfen find, Trank und Gpeife ge 
nießen, an ber menfchlihen Sprache Xheil nehmen, gelleivet und gemaff: 
net reiten und fahren, fo laße fie der Dichter auch das Schidfal befragen 
und DOpfermale halten. Aber ift dad mehr ald eine Ausrede ? 

Der Eingang eine andern Liedes Odins Rabenzauber’ ($. 32) 
deutet dad Verhalten der verſchiedenen göttlichen Wefen gegen das Schidſal 
mit geheimnifsvollen Worten an: 


Allvater waltet, Affen verftehen, 
Wanen wißen, Nornen weilen; 
Swidie nährt, Menſchen dulden, 
Thurfen erwarten, Walfüren traten. 


So jung Hrafnagalbr fein mag, gerade biefer Eingang, der mit dem 
Folgenden unverbunden ift, möchte überliefert fein. „Allvater waltet': 
wenn bier Odin gemeint wäre, wie jähen wir denn in bemfelben Gedicht 
ben Gott fo ängftlih um Baldurs Schidſal beforgt ? Gewiſs zu biefem 
Liebe, dem er vorgejept ift, paſste der Eprud am wenigften. 

Freilich auch in dem felbftändigen Spruch müfte unter Allvater Dbin 
verflanden werben, denn fonft findet weder Cr noch die übrigen Aſen, 
wie man doch erwarten würde, eine Stelle darin. Wird num bier bad 
Schidfal, wie häufig geſchieht, in bie Hände der Götter gelegt, ober ift 
dieſer als Allvater waltende Odin, der felbft in der Rolle des Schichals 
auftritt, ein anderer und höherer, als ven wir in den Gefdiden ber 
Welt und ver Götter kennen gelernt haben? Iſt er derſelbe, dem im 


560. Regin. 181 


Eingang ber Hymisfwidha die Götter opfern, das perfönlich gedachte, nicht 
unerbittfihe Schidfal ? denn welchen Sinn hätte das Opfer, wenn Allvater 
fi nicht erbitten Tiefe ? 

Ran konnte fagen, Opfer und Weißagung gehören zufammen, das 
Opfer it nur da, damit aus dem Blut des Opferthierd geweißagt werben 
finne. Wie dem auch fei, denn zur Gewiſsheit gelangen wir hier nicht, 
das Schidſal lommt zu perfönlier Erſcheinung nur: 

1. in Allvater, dem regnator omnium Deus, Tao. Germ. 39. 
Doch iſt auch diefer Allvater ($. 56) verbunfelt und wir vermuthen nur; 
daß er ſich bei der Schöpfung verbarg und in Fimbultyr (Wöl, 59) und 
dem unausgeſprochenen Gotte nad $. 49 am Ende der Beiten erft lom ⸗ 
wen und hervortreten fol, Der Anfiht, dab Allvater in der jegigen 
Belt nur in Odin erfcheint, der daher in höherer Auffaßung als Allvater 
gedacht werden könne, ſpricht das Wort, wenn es Cod. Exon. 341, 28 
von Böden heißt: ‚das ift der reiche Gott, der ung Alles verlieh, wonon " 
wir leben — und wieder am Ende über daB ganze Menſchengeſchlecht 
walten wird: das ift der Schöpfer felbft.‘ Val. Bouterwed Cädm. XCVIIL 

2. in den Regin, den weltorbnenden, weltberathenden Mächten, welche 
die Götter felber find, dann aber natürlich nicht als den Göttern übers 
geordnete Macht. Die Regin haben wir oft genug ſich auf ihre Richter 
fühle fegen fehen: fie bebürfen keiner Grllärung. Aber bort beriethen 
fie die Geſchike der Welt; mie fie auch dem Menſchen ‚ertheilen‘, fein 
beſcheiden Theil’ durch ein Urtheil ermitteln, fehen wir (FAſ. TI) in der 
Gautref. Gap. 7, wo Hrofahärägrani (Wferbehaarbärtig) feinen Pflegling 
Slatladr um Mitternacht wedt und mit ſich gehen heißt. Sie fahren im 
Boot nad; einer Inſel, fteigen aus und finden im Wald auf einer Bloͤße 
viel Bolt verfammelt, einem Gerihte beizumohnen. Eilf Männer faßen 
auf Stühlen, der zwölfte Stuhl war leer. Da nahm Hrofshärägrani den 
ölften Stuhl ein und warb von Allen als Odin begrüßt. Nun ver⸗ 
langte er, die Richter .follten Starkads Schidſal befiimmen. Da nahm 
Mr das Wort und fprah: Aljhild, Starkads Mutter, wählte feinem 
Eohn einen hundweifen Zötunen zum Vater, nicht Afathör: darum ſchaffe 
ich dem Starlabr, daß er weder Sohn noch Tochter haben und ber legte 
feined Geſchlechts ſein fol. Da ſprach Odin: Ich fchaffe ihm, daß er 
drei Menſchenalter lebe. hör fprah: Im jedem Menſchenalter foll er 
ein Neidingswerl, eine Schandthat vollbringen. Odin ſprach: Ich ſchaffe 
ihm, daß er die beſten Waffen und Kleider habe. Thör verfegte: Ich 


188 Urler. 6 


ſchaffe ihm, er foll weder Land noch Grund befigen. Odin ſprach: Ich 
gebe ihm, daß er viel Geld und But habe. Thor verfepte: Ich lege 
ihm, daß er nie genug zu baben glaube. Ddin ſprach: Ich gebe ihm 
Gieg und Gejhidlicleit zu jedem Kampfe. hör verfegte: Ich lege ihm, 
daß er aus jebem Kampfe eine Knochenwunde heimtrage. Ddin ſprach: 
Ich gebe ihm Stalvenkunft, va er eben fo fertig dichte ala ſpreche. hör 
verfegte: Gr fol nicht behalten können, was er gebichtet hat. Odin ſprach: 
Ich ſchaffe ihm, daß ihn bie edelften und beiten Männer werth halten, 
Thor fprah: Dem gefamten Bolte fol er verhaßt fein. Da fpraden 
die Richter dem Starkadr Alles zu, was da gefagt worden war, und fo 
ſchloß das Gericht. Darauf gieng Hrofshärägrani mit Starkadr zuräd 
zum Boot. . 

Wie hier Thör jede Gabe Ddins dur eine Zugabe beichräntt, ga 
wie die jüngfte Fee, Nom ober weile Frau in unfern Märchen zu thun 
pflegt, fo weiß auch Odin Thoͤrs fhädlihen Ausſpruch zu mildern und 
für verfagten Grundbefiß durch die Fülle fahrender Habe zu entſchädigen 
Dem vergleicht es fih, daß Brynhild, als ihr Odin beflimmt vermäßlt 
zu werben, binzufügt: ‚Aber feinem Manne, der ſich fürdten kann.’ 

Die Beſchluße der Regin heißen altjähfifch reganogiscapu, meto- 
dogiscapu. Myth. 24. 817. 

3. in den drei Nornen. Ihre Beſchlüße beißen wurdigiscapn nad 
dem Namen der älteften Schweſter. Aud fie find den Göttern mur nad 
den älteften Borftellungen übergeorbnet, und wir thun beßer, fie an einer 
andern Gtelle des Syſtems zu befprechen. 

Sonft ift dad Schidfal unperjönlih, und von diefem fol ſchon hier 
Nechenſchaſt gegeben werden. Seine Beihlüße heißen altn. sedp, all, 
giscapu, agf. gesceapu ; aud wohl altn. örlög,, ahd. nicht mehr plu⸗ 
raliſch urlac, mh. urlouc, das in ben Begriff des Kriegs übergeht, 
weil in ver Schlacht die Geſchide ſich entſcheiden, daher noch jet Drlog: 
ſchiffe Kriegsſchiffe bedeuten. Don den Wallüren wird gefagt, daß fie 
außzögen Urlog zu treiben, Schidſal zu wirken, ven Krieg zu entfcheiden. 
Die Geſchide find gelegt, gejegt, Urmieberlegungen, Urfeftfegungen, denen 
der Menſch fih nicht entziehen mag, denen felbft die Götter unterliegen. 

Das anerfhaffene ‚beihaffene‘ Glüd hängt von der Gtunde ber 
Geburt ab: dad Glüd wird und an der Wiege gefungen, ein Ausdrud, 
der auf jene begabenben Normen ober Feen anipielt, die zu dem Reuge 
bornen hintreten, ihm fein Gläd zu ‚Ihaffen. Die Stunde heißt aber 


% 60. Gh. j 188 


ahd. hwila, und das baran gefnüpfte Glüd hwilsälida, bie Wiljälde, 
vie auch wohl perfönlid gedacht wird, weil fie der begabenven Norne 
gleicht. Der Einfluß des Geftirns ift erft ein fpäterer Glaube, für ven 
man fih auf den ‚Stern der Magier’ berief. Myth. 820. In der Pis 
Intuöfage Teuchtet der Stern in ber Stunde der Zeugung; daß biefer 
Zug aus der fräntifhen Helvenfage hergenommen fein wird, habe ih in 
‚Beriha die Spinnerin‘ 144 gewieſen. In ber Weihenftephaner Chronik 
wird er von Karla d. Gr. Beugung erzählt, und hier fteht er an der ride 
tigen und wohl auch urfprüngliden Stelle, denn wohl an einem großen 
Name wie Karl, niht an einem feigen Schwädhling wie Pilatus mögen 
die Sterne Theil nehmen. ine weitere Uebertragung findet fih in Alins 
ſors Sternſchauung auf der Wartburg, wo ed ber Geburt ber h. Elifabeth 
gt. So hat diefer Glaube, aus dem das Nativitätftellen der neuern 
Zeit hervorgieng, den geiftlihen Kreiß kaum verlaßen, da Karl ber Große 
im Licht eines Heiligen firalte, 

Glüdäkinder hießen, die zu glüdlicher Stunde geboren waren. Wenn 
man von ihnen fagte, fie feien mit ver Glüdshaube, ver aud ber 
Helm hieß, zur Welt gelommen, jo Mnüpfte fih dieß an etwas Natürr 
liches, da wirklich einige Kinder eine leichte um das Häuptlein gewundene 
Haut (Kinderbälglein) mitbringen. Diefe warb forgfältig aufgehoben ober 
unter der Schwelle vergraben. Man mähnte, der Schupgeift des Kindes 
(md. fylgje) oder ein Xheil feiner Seele habe darin feinen Gig. 
Ruth. 829. . 

Auch bei jeder einzelnen Unternehmung ift auf bie Stunde zu 
aöten, vie glüdlih ober unglüdli fein kann. Aus biefem Achten auf 
die gute Gtunde (& la bonne heure) hat fid das franzöfifhe Wort 
bonheur für Glüd entwidelt (Mpth. 818). Anzeichen des Gelingens er⸗ 
lennt mar im Angang, wie der Anfang des Unternehmens heißt; doch 
bat aud) jeber Zag feinen Angang. 


Afen. 
Wuotan (Obhin). 


61. Wefen und Name, 


Wir beginnen mit dem Water der Götter, der die Einheit im Kreile 
der Afen bildet und der von der Allmacht und Geiftigfeit bes alten 
Einigen Botte8 am meiften bewahrt ober in fi aufgenommen hat. Denn 
wir laßen es unentſchieden, ob er einft andere Götter nicht neben fih 
batte oder etwa erft aus einem elementarifchen Rieſen zu einem Gotte bes 
Geiftes, zum Nönig der Götter erwachſen if. Für das Leptere fprikt, 
daß feinem Weſen, wie die Vergleihung der ZTrilogieen ergeben hat, bie 
Luft zu Grunde Tiegt, daß verbreitetfte aber auch das geiftigfte der Ele 
mente. Wie Lofi in jenen älteften Trilogieen $. 37 das Feuer bebeutet, 
fo fein Bruder Ddin die Luft, ja er ift bie Luft felbft, oder ba fie in 
ver Ruhe nit wahrgenommen wird, ihre Regung, von dem leifeften 
Beben, das fein Beiname Biflindi auszubräden ſcheint, bid zu dem wir 
thendſten Sturm. Hiermit gebrad ihm bie Anlage zu dem mächtigften 
der Götter nit, denn tie in der kindlichen Ahnung der Vöfter Ratur 
und Geift untrennbar verbunden find, fo ift er auch auf dem geifigen 
Gebiete was er auf dem natürlihen ift: er lebt in jeder Gemüthäbewe: 
gung, in ber Begeifterung wie in der Raferei, in ben zarten Empfindungen 
der Dichter und der Liebenden wie in ber tobenden Kampfwuth der Ber 
ferter und Wilinge, die Alles vor fid) niederwirft. Wenn daher Adam 
von Bremen Cap. 233 jagt: Wodan id est furor, fo denkt er dabei 
nad) dem Zuſat bella gerit, hominique ministrat virtutem contra ini- 
micos zunädhft an Wuth, die fih im Kampfe bethätigt; bier finden wir 
ihn alfo ſchon auf dem ſittlichen Gebiet; von dem natürlichen mochte er 
außgegangen fein, und wie der Aampf Sturm 'heikt, fo maltete er auch 
in bem Sturm der Elemente und auch hier hieß er Wuth, öd, mas fein 
ältefter Name fein könnte, wobei nur zu erinnern ift, daß und das Wort 


8. 61. Wasten. Gusden. Goder. 185 


jeßt eine heftige Gemuthsbewegung bezeichnet, was feiner Abſtammung 
nach nicht nothwendig in ihm liegt. CS kommt nämli) wie ber volle 
Rame Wuotan (Odin) felbft von dem ahd. watan, altſächſ. wadan, altn, 
vadha, aus befien Prät. wuot, altſ. wöd, altn. ödh, fi das Haupt⸗ 
wort bildet und dann ber vielleicht fpätere Name bes Gottes ableitet. 
Als feinen älteften nehme ic das unabgeleitete wuot, ödr felbft an; 
beide erfcheinen uns noch auf mythologiſchem Gebiete: Dr (mens, 
sensus, Myth. 120) als ver verlaßenen Freyja betrauerter Gemahl; 
Buot (Wuth) auch wohl mit Uebergang von W in M (Must, Muth) in 
Wutes und Mutes Heer, wie in ber Eifel und in Würtemberg das wüs 
thende Heer 8.72 genannt wird. Neben ben hochdeutſchen vollen Namen 
Wuotan ftellt ſich der niederdeutſche Wodan, der frieſiſche Weda, ver altı 
nordiſche Odhin. 

Jenes Waten bat und jett einen ſehr beſchraͤnkten Begriff: wir 
gebrauchen es nur noch vom Durchſchreiten des Waßers, während es ſonſt 
jedes leiſere oder heftigere Durchwehen, Durchdringen und Durchbrauſen 
(meare, transmeare) bedeutete, wobei allerdings ein hinderndes Medium 
vorausgeſeht wird, das aber ſchwaͤchern oder ſtaͤrlern Widerſtand leiſten 
kann. Weil aber die Luft Alles erfüllt, fo ſehen wir auch den Gott in 
ven Formen Wuot, Wuotan, Wuotuno ſowohl, ald in bem gleichfalls 
vorlommenden Participium Wuotant als ven alldurhbringenden 
Geiſt der Natur gefaßt. 

Bie das anlautende w des deutſchen Namens in ber norbifchen 
Getalt (Odin) vermifst wird, weil es vor o und u weggufallen pflegt, 
fo fehen wir es in ber langobarbifhen Form Gwödan noch buch ein 
vortretendes g verftärtt. Es ift dieß fein willkürlicher Bufag, wie 
man glauben lönnte, weil es Paulus Diaconus I, 8 adiecta litera nennt 
Die Gutturale fteht ſchon urfprünglic vor der Spirans: bie des Frager 
pronomens (lat. quis) fehen wir noch im altn. hver; im deutſchen wer 
iR fie ſchon weggefallen, während die Spirans ftehen blieb. Es Tann aber 
auch die Spirans wegfallen und bie Gutturale ftehen bleiben, wie in dem 
Namen der Ballier (vgl. welſch) und wie in Gödan, der fränfifhen Form 
des Namens Wodan. Dieje fränkische Form findet ſich in dem heſſiſchen 
Gudenaberg tie in dem nieberrheinifchen Godeneöbere (Godesberg), womit 
man Gudenau, Godenhaus, den Gobenelter (Wodansaltar bei Ahrweiler) 
und Gobenowa, wo nach Widder I, 298 Lorſch die Fiſcherei beſaß, vers 
tleiche. Auch die niederdeutſchen Namensformen Fru Gaue, Fru Gauben, 


186 Warten. Keligiöfe Weihe. 8. 61. 


deu Bode, zeigen den Wegfall der Gpirans bei ftehen bleibenber 
Gutturale, was fi in Wuotan umlehrt, während bie volle Form 
nur bei den Sangobarden und etwa nod in dem brittiſchen Gwydion 
erhalten ift. 

Ginigemal dringt in Wodans Namen ein 1 ein; fo in ber nieder 
deutſchen Form des Namens Wod (Myth. 142), wo dann Wold entjteht. 
Kann dieß gleich aus Wod verberbt fein, fo findet fih dod auch Woldan 
(ital. gualdana) neben Wodan (Zeitihr. I, 494), wobei Graswaldane 
Graſwaudan) in Anfchlag zu bringen iſt. Ob hier Odins winterlihes Ger 
genbild Uller, deutſch Wol, oder ber Begriff des waltenden, allwaltenden 
Gottes hineinfpielte, laßt ſich noch nicht entſcheiden. Dal. $. 91. Jeden ⸗ 
falls wäre das Chriftenthum dabei nicht im Spiele gewefen, das vielmehr 
bemüht war, den übeln Begriff bervorzufehren unb mit Antnüpfung an 
das wilde Ungeftäm, das fi) fon in der heidniſchen Anſchauung mit 
Wuot und Wuotan verband, den Gott zu einem Wütherih herabzuwür⸗ 
digen. Allerdings hatten ſchon die Heiden bie heftige, leidenſchaftliche 
Seite mehr bervorgelehrt als vie fanfte und milde Im Sturm ber 
Eemente wie im Toben der Schlacht fprad er vernehmlicher zu ihmen 
al im linden Säuſeln des Hains. Wie er alles Leben wedte und er 
tegte in ber Natur wie im Geifte, fo gieng beſonders der kriegeriſche 
Geift von ihm aus, jener germaniſche Helvengeift, ver in der Böllerwan- 
derung dad Weltreih der Römer über den Haufen warf und in ber 
doppelten Lautverſchiebung die Sprache aus ihren organifhen Fugen tif. 
Noch fpäter waltete er in der unbändigen Schlachtbegier, die aus den 
Berferkern knirſchte, wie in dem tollfühnen Unternehmungögeift der Wis 
finge, der das neue Weltreich Karls des Großen im Xiefften erſchütierte. 
Erſt in den Kreuggügen, wo der furor teutonicus nod manchmal erwähnt 
wird, tobt diefe Kampfluft fih aus, ber hier ein heiliges Biel gewiejen 
war, vie aber feines äußern Antriebes beburft hätte, weil fie den Kampf 
um des Kampfes willen ſuchte. Aber ſchon das Heidenthum hatte biefem 
Helvengeift eine religiöfe Weihe zu leihen gewuft. In der Trilogie Opin, 
Bili und We fehen wir ihn verbreifaht: als Wili (Wille) erſchien er 
als der mächtige Wille, der den Schmerz veradhtete und dem Tode troßte; 
ala We lieh er ihm vie religiöfe Erhebung, die Entſchluß und Willen 
heiligte, ihnen im Hinblid auf die Herrlichkeit Walhalls Weihe und freu⸗ 
diges Beharren verlieh. In Wili (goth. vilje,- voluntas und voluptas) 
fieht Grimm (Ueber ven Liebesgott 14) wie in Odins Beinamen Wunſch 


6% Wasten. Schnamen. ” 187 


(Of) eine Gottheit des Piebens, Begehrens, Denkens, Meinenk, Trade 
tens und Sehnens. 


62. Beinamen. 


D. 3 werden zwoͤlf Beinamen Ddins aufgezählt, vielleicht nur wegen 
jener Neigung zur Zwölfzahl: eine viel größere Menge legt ihm Grims 
nismal bei, und auch dieß Verzeichniſs ließe fi noch vervollftändigen. 
Benn D. 21 gejagt wird, zu den meiften dieſer Benennungen habe Ber 
anlapung gegeben, daß fo vielerlei Sprachen in der Welt fein, indem 
alle Bölter geglaubt hätten, feinen Namen nad) ihrer Zunge einrichten zu 
müßen (vgl. D. 33 über Freyja), fo ift dieß eine Umſchreibung des Worte 
in Grimnism. 48: 


Eines Namens genügte mir nie, 
Seit ich unter die Vöffer fuhr. 


zeigt aber zugleich, daß ſchon der Verfaßer von Oylfaginning viele biefer 
Ramen nicht mehr verftand, die dod aus ber nordiſchen Zunge allein 
erflärt werben können und auf der Verſchiedenheit der Sprachen nicht bes 
ruhen. Richtiger heißt es ferner: „Andere Veranlaßungen müßen in feinen 
Fahrten gefucht werben’; darauf fpielt auch Grimnism. an, indem es eins 
ielne Beinamen” auf beftimmte Veranlaßungen bezieht : 

Grimnir hießen fie mid . bei Geirröbhr, 

Bei Asmund Yall; 

Kialar ſchien ich, da ich Schlitten zog u. |. w. 


Über die Begebenheiten, auf welche bier gezielt wirb, find und nicht alle 
berichtet. Ich greife zunächft Hnikar oder Hnikudr heraus, weil er damit 
als Waßergott, ein deutſcher Reptunus, bezeichnet wird, wenn glei bie 
Berbindung mit Herteite (Grimnism. 47) und der Bufammenhang, in 
dem es Gigurbartw. II, 18 vorkommt, 
Huiler hieß man mid) als ich Hugin erfreute, 

wo es eher einen Schlachtengott zu bebeuten ſcheint, an ber Verwandt 
Kboft mit Nichus und den Nigen Zweifel erregt. Da wir Loli auf das 
deuer bezogen haben, fo bliebe für Honir, den dritten Bruder, 8.37, 
zur das Waßer übrig. Honir verſchwindet aber früh aus dem Kreiße 
der fen, und wenn aud Niörbr, gleichfalls ein Bott des Meeres, für 
ihn eintrat, fo zeigen bod) diefe Beinamen Obins, daß aud ihm das 


188 " Wusten. Wunfd. s 62. 


Meer gehordhte, deſſen Wellen freilich vom Winde bewegt werben. Wie 
er Wunſch, Oski, heißt, fo giebt er Schiffern günftigen Wind, Wunſch⸗ 
wind, Oskabyrr. ‘ebenfalls bezeichnet Hlefreyt, vielleicht aud Udr, 
feine Herihaft über das Waßer. Auf den Wellen wandelnd ftillt er das 
Meer, beihmwictigt das Wetter und ſchafft dem Schiff, in das er fi 
aufnehmen läßt, günftige Fahrt. Als Farmatyr, Heer der Schiffsfrachten, 
iſt er wie Mercur, dem er auch fonft entſpricht, ein Gott der Kaufleute. 

Jener Beiname Oski beſchraͤnkt fi aber nicht auf den erwünfchten 
Wind, „er Tennzeichnet den Gott ala den Verleiher aller erwünichten Gar 
ben, ver Fulle des Heils und der Seligkeit, denn diefe meint das von 
Wonne abgeleitete Wort Wunſch, deſſen Bedeutung fi) und verengt hat, 
da es nur noch dad Begehren nad ven Gütern ausdrüdt, deren Inbegriff 
es fonft enthielt. Noch den mittelhochd. Dichtern, wo bie höchſte menſch⸗ 
liche Schönheit und Vollkommenheit geſchildert werben foll, ift der Wunſch 
ihr Schöpfer, der an fein Gefhöpf allen Fleiß gelehrt, feine ganze Meir 
fterichaft gewendet hat, Gleich hier findet ſich Gelegenheit, jenes Regifter 
von Ddins Beinamen zu vervollfländigen, da Gibich, ein auß der Hel- 
denſage befannter Name, goth. Gibika, altſ. Kipicho, nord. Giuki, ur 
fprüngli den Gott meinte, der dieje Gaben verlieh. Grimm Beitfär. I, 
752. Myth. 126. So geht auch Fiölnie auf die Fülle der verliehenen 
Güter. 

Andere Beinamen, Allvater und Gautr, find ſchon $. 56 beſprochen. 
Auf Allvater reimt abfihtlih Walvater, das wie Siegvater, Herian, 
Herteitr und Atrivr den Gott des Schlachtfeldes meint, der ben Sieg 
verleift und die Heere zum Kampf gegeneinander führt. Auch Harbard 
(Heeriilo) kann den Schlachtengott bezeichnen; aber Hialmberi (Helms 
träger) läßt fi) in höherm Sinne faßen, da ver Himmel als der Helm 
des Gottes gedacht wird. Won drei andern Beinamen Gar, Jafnhar und 
TZhridhi (dev Hohe, Ebenhohe und Dritte) will ich nur erwähnen, daß 
fie fih ſchon Grimnism. 46. 49 finden, damit man nicht meine, der Ber 
faßer der Gplfaginning, der fie zur Trilogie zufammenftellt , babe fie ers 
funden. Vielleicht kommt fogar dieſe Trilogie, die fonft die jüngfle von 
allen wäre, nicht auf feine Rechnung: HAr ift durch HAmamal, das Lied 
des Hohen, bezeugt, und Jafnhar und Thridhi, die in Grimnismal nur 
die Alliteration auseinanderfprengt ‚- hätten kaum einen Sinn, wenn fie 
nicht zu Har gehörten. Auch paſst ver Name Ebenhoher für die Ans 
ordnung in Gylfaginning nit, denn die Hochſihe dieſer drei Götter 


%. 6% Warten. Stammiafeln, 189 


Randen übereinander, unb je höher der Sig, je höher die Ehre; viele 
Götter der Trilogie aber bezeichnet ihr Name ald einander völlig gleih 
md ebenbürtig, was aud; von dem Dritten gelten wird. Grimur und 
Grimmir beſchreiben den Gott ald den Berhüllten, der wie in Grimnism. 
verkleidet in unfcheinbarer Geftalt, al ein blinder Gaft wie in der Ser 
mwararfage in bie Wohnungen der Menſchen eintritt ihre Gaſtfreiheit auf 
die Probe zu ftellen, was unfere Märchen auf Ehriftus übertragen. Auch 
Gangleri (Grimnism. 46) und Gangrabr bezeihnen wie Wegtamr ©. 83 
den unermüblichen Wanderer, den vistor indefessus des Saro, Als 
Gangrabr geht er mit MWafthrubnir über bie urmeltlihen Dinge zu 
freiten ($. 33. 50) und Gangleri nennt fih Gylfi in der Einlleidung 
der jüngern Edda, die der von Wafthrubnismal abgeborgt iſt. ©. ©. ©. 
761. Denfelben Sinn wie Wafthrubnir hat aber Odins Beiname Wa» 
fudr, der die webende bebende Luft meint, womit wir wieder bei 
Biflindi, ja bei Odins eigenftem der Luft verwandtem Weſen anger 
langt find. Das Rauſchen diefer erfhütterten Luft, aber zugleich das 
Zoſen der Schlacht, ift in Omi, agf. vöma außgebrüdt. Page, womit 
Grimm (Weber ven Namen des Donners 17) den finnischen Ullo vergleicht, 
bejeichnet ihn als den jchredlihen Gott, Glapswidr als ben im Liften 
Srfahrenen, Bölmwerk: und Bölwiſi (ogl. Saro 129 mit FAS. IL, 876 
und Helgalw. Hund. II) gar als ben Webelfifter, der bie Zürften ver⸗ 
feindet und Zanktunen unter Verwandte wirft. Neben Boͤlwiſi ſteht bei 
Saro Bilwiſi, wie Cdart neben Sibich in ber Heldenſage: Odins Weſen 
bat fih in zwei Berfonen gefpalten, bie mit zweien feiner Beinamen bes 
namnt ſind. Mit Bilwiſi, Boölwiſi vergleicht fih Grimnism. 47 Bileigr, 
Baleigt, nur daß legtere mehr die äußere Erſcheinung ind Auge faßen. 
Doch lehrt die Vergleihung, daß Bileige nicht mit Lex. Mythol. 304 
veulis falminantibus praeditus überjegt werben barf. In jenem Böls 
wift berührt er ſich wie in Lopte mit Loki; in Thunder (Donner) mit 
Dr; in Widrir (Witterer und Wetterer) menigftend dem Sinne nad 
auch mit Frepr, wie in Thror, defien Bezug auf die Gerichte Grimnism. 
andeutet, mit Balbur und Forfeti, fo daß biefe Beinamen auf die frü« 
here weitere Bedeutung des Gottes, fein allumfaßendes Weſen führen, 
Andere Beinamen follen gelegentlich erläutert werben ; bie auf feine äußere 
Eicheinung bezüglichen ſchon im naͤchſten Paragraphen. 

Auch auf Odins Söhne in den Stammtafeln ift zu achten, weil ihre 
Ramen aus Beinamen des Gottes erwachſen fein können. Nach dem eddiſchen 


10 Wusten, Angeifäcf. Stammiafeln. 6. 


Formali Cap. 10 hatte Odin zweimal drei Söhne. 1. Wegdegg, Beldegg 
(Baldur) und Gigi: dem erften gab er Oſtſachſen, dem andern Weſt⸗ 
fachfen (Meftfalen), dem dritten Frankenland. Sigis Sohn ift hier Verir, 
nit Berir, wie er Wölf. ©. heißt, wo von ihm erft Wald, dann Gig: 
mund und Sigurd entfprangen. Beldeggs Sohn war Brand, von Wegdegg 
aber ſtammten Heingeſt und Swipdagr, den mir font als Mengladas 
Berlobten kennen. 2. An drei andere Söhne vertheilte er Skandinavien: 
Dänemark erhielt Stiöld (Steaf), Seming Norwegen und Yngwi Schweden, 

Die angelſachſiſchen Stammtajeln legen Böden und feiner Gemahlin 
Frealaf fieben Söhne bei, von melden fieben agj. Häufer abftammten ; 
doch redet Wilh. von Malmesbury nur von breien: Weldeg, Withleg und 
Beldeg, was den norbijchen Berichten näher tritt. In ben fieben ober 
acht Gefhlehtsregiftern, denn Bernicia und Weſſer, die anfangs zufammen 
fielen, gehen fpäter auseinander, finden twir Hengeft und Gormentic bei 
Kent, Uffe bei Dftangeln, Offa und Sarneat bei Efier, Vihtleeg, Varmund 
und Offa bei Mercia, Bägdäg, Spefdäg, Exefugel und Befterfalena bei 
Deira, Baldig und Brand bei Bernicia und Weiler und Bedeca bei 
Lindesfaran aufgeführt. Zu Hengift, den mir als Heingift ſchon im 
Norden fanden, gehörte Horfa. Bon Dffa oder Uffa, ber in mehren 
Stammtafeln vorlommt, habe id, in den Erläuterungen zum Beomulf ger 
handelt: einer feiner Vorfahren, Hrodmund, erſcheint gleichfalls daſelbſt. 
GSarneat entipriht dem Sarnöt, ber in der Abrenunciatio neben Thunat 
und Wodan fteht, mie Vihtläg und Veermund den Vorfahren Offas bei 
Saro gleihen. Wie in der Kentiſchen Genealogie von Pferden, find nach 
Grs. Bemerkung in ber Deiriſchen einige Namen von Vögeln hergenommen. 
Säfugels Ahn war Sigegeat, und fo wird der Entel Gigefugel heißen 
follen, wie er wirklich bei den Oſtſachſen vorfommt. Befterfalena deutet 
aber zugleich auf Weftfalen, dad wir ſchon in ben nordiſchen Stamm ⸗ 
tafeln bedacht fahen. Bei Bernicia treffen wir auch Ingvi, defien Sohn 
Sa nad) den Aſen benannt jheint. Die Wefleriihen Nachkommen Brands 
des Sohnes Baͤldaͤgs, führen befannte Namen; Freavine (Frowinus 
bei Saro) bezeichnet einen Verehrer Freys. Auch unter den Borfahren 
Dvins, zu welchen diefe agſ. Stammtafeln emporfteigen, finden fi Ramen 
von Göttern und göttlichen Helven, die aus Beinamen Odins erwachſen 
fein können. Ich erwähne nur Geat (altn. Gaut), Tætra (hob. Zeizo), 
Beav (Büi), Sceldva, Scesf, Heremod. Bl. M. Beowulf ©. 175. 
Bie hier nach Müllenhoff Prädikate eines und deſſelben Gottes zu feinen 


568 Warten. Verkleidung. 19 


Verfahren erhoben find, fo finden wir in den nordiſchen Gtammiafeln 
Dor und befien Beinamen wie Hloridi, Wingthor, Magni, Modi unter 
Dein Vorfahren aufgezählt. So war aud Soeldva (Bkiöld) nur ein 
Beiname Skeafs geweſen, weil er auf dem Schilde ſchlafend über Meer 
gefahren kam. Auch Gaut, der bei den Gothen fogar an der Spige der 
Gefchlechtöreihe fteht, ift in der Edda nur ein Beiname Odins. Ein an 
deres Beifpiel folhen Verfahrens entnehme ich nad Müllenhoffs Deutung 
Bijr. XL, 291 der Cfierjhen Genealogie, wo Sarneat einen Sohn Geferg, 
biefer einen Sohn Andferg gehabt baben fol. Andſecgs Sohn heißt 
Sveppa. Sveppas Sohn Gigefugel u. ſ. w. Hier find bie einzelnen Mo 
mente der Ihätigleit des Gottes während der Schlacht dargeſtellt. Zwei 
Rreitgerüflete Heere ftehen ſich gegenüber, Gejecg und Andſecg, Symma ⸗ 
Aus und Antimachus. Sveppa beveutet das Schlahigetümmel, Sigefugel 
ven Vogel, defien Gricheinen ven Gieg verfündet u. ſ. m. 

Nur göttliche Abſtammung ſcheint bei allen germaniſchen Wölfen 
das Recht zur Krone verliehen zu haben. 


63. Aeußere Erfcheinung. 

Nicht immer erſcheint Opin in fo herrlicher Geftalt, als da er mit 
dem Goldhelm, dem jhönen Harniſch und dem Spieß, der Gungnit heißt, 
au der Spige der Ginherier dem Fenriswolf entgegenritt ($. 1 ober ba 
er (Sigrdrif. 14) Mimirs Haupte laufend 

Auf dem Berge Rand mit-blanfem Schwert, 

Den Helm auf dem Haupte. 
Wir fahen ſchon fo eben wie er ſich zu verhüllen liebt, in unſcheinbarer 
Gehalt, als müber Wanderer dad Gafiteht in Anſpruch nimmt, wer 
Menſchen Sina erforfhend. In deutſchen Sagen und Märden tritt er 
Gaben heiſchend, meift als Meines graues Männchen auf; als hochbetagter 
Greis auch bei Saro, nicht felten blind; doch if die nur Verkleidung, 
während Ginäugigfeit zu feiner wahren Geftalt gehört. Von dem breiten 
Hute, den er tief ind Geficht drüdt, um unerkannt zu bleiben, heißt er 
Siohhötte, auch bloß Höttr. Zuweilen erjheint er Tahllöpfig, öfter mit 
dichtem Haare und Bartwuhs, wie es bie Beinamen Greisharägrani, 
Sdhgrani, Stohflegge ausbräden. In dem König Bröfelbart oder Droſ⸗ 
ſelbart des deutſchen Märhens (2. M. I, 52. II, 6.91) ift er unfhwer 
zu erlennen. Gewoͤhnlich trägt er einen weiten blauen Mantel aus Thier⸗ 


192 Wusten. Kabengstt. 8 68. 


fellen (feldr). So zieht er als Halelberand dem wilden Heer voran; 
im Mantel (heklu) reitend erſcheint er auch in ber Habbingafage, und 
Rofs umd Mantel gehören jo jehr zu feiner Erſcheinung, daß fie ihn mit 
dem h. Martin vermittelt haben. Für bie fkünftleriihe Darftellung bes 
ſchreibt Beterfen 159 Odin als einen hohen einäugigen Greis mit langem 
Bart, tief herabgebrüdtem breiten Hut, im blauen fledigen Mantel, ven 
Goloring Draupniv am Arm, zwei Raben auf feinen Säultern, zwei 
Bölfe zu den Füßen ; der Karlswagen ($.74) rollt über feinem Haupte. 

In Walhall nimmt Odin den Hohfig ein, der Hlidſtialf heißt, von 
dem er die ganze Welt überſieht. Nur Frigg theilt nad Grimnigmal 
diefen Sig mit dem Gatten. Der Name (at skialfa — beben) erim 
nert wieder wie Walajtialf an die bebende Luft und Odins Weſen. Da 
Hlidſtialf der höchſte Bunkt in Asgard, gleihfam der Zenith des Himmels 
ift, fo möchte er wie Heimbal als die Spige des Baumes Lärad zu benten 
fein, der felber nur (6. 36) den Wipfel des Weltbaums bildet, al 
deſſen Frucht Ovin erjcheint. . 

Auf diefem Hodfig ſaß Odin nad) den deutſchen Märden, die Wolf 
Beitt. J, 24 vergleicht, das Antliz nah Süden gewendet; nach ber 
Sage vom Urſprung der Langobarden, mie fie das Edictum Rotharis 
erzählt, folte man glauben nach Weiten, Nah dem Märchen vom Schneir 
der im Himmel (K. M. 35) ftand vor dem heiligen Stuhl, ven wir ums 
ganz golden zu denken haben, ein eben folder Schemel. 

Zwei Raben Hugin und Munin (Gedanke und Grinnerung) figen 
dem Gott auf den Schultern und flüftern ihm ins Obr, denn jeden Tag 
endet er fie aus, die Zeit zu erforjchen. ‚Die Menfchen nennen ihn darum 
Rabengott.‘ D. 38. Daß gerade diefe Vögel ald Symbol feiner Als 
wißenheit gewählt find, erklärt fi aus feiner Eigenſchaft als Schlacht ⸗ 
und Kriegägott; fie werden wohl aud (meil er Jagdgott ift?) ala Ha 
bichte bezeichnet : 

Run bin ich fo froh dich wieder zu finden, 
Wie die aasgierigen Habichte Odins, i 
Wenn fie Leiden wittern und warmes Blut, 
Der thautriefend den Tag ſchimmern fehn. 

Denfelben Bezug haben auch die Wölfe zu feinen Füßen, melden er 
das für ihr beftimmte Fleiſch des Ebers reiht, da er felbft keiner Koft 
bedarf, Grimnism. 19. Wie die Raben Habichte, fo heißen diefe Wölfe 
wohl auch Hunde (M. Edda 129. 238); noch Hans Sachs nennt die Wölfe 


[X Wusten. Symbale. 198 


unfered Herrgottd Jagdhunde. Schwer ift es zu deuten,‘ wenn ed von 
Odins Saal heißt: 

Ein Wolf hängt vor dem weſtlichen Thor, 

Ueber ihm ein Xar. Gr. 10. 
Am Beften erflärt man fie als unfern Wappenthieren ähnlihe Symbole : 
der War gebührt ihm als Luftgott (S. 33), der Wolf. ald Kriegsgott. 

Grinnerungen an biefe heil. Thiere find Myth. 155. 600 und Wolfe 

Beitt. I, 26 nachgewieſen. Die fhönfte findet. fi) in den deutfhen Ge 
dihten von König Oswald, der feinem Raben von zwölf Goldſchmieden 
(ven Afen) die Flügel mit Gold beſchlagen läßt und ihn auf Liebes: 
werbung ausſchidt, und K. M. 35, wo fich zwei ſchneeweiße Tauben dem 
Babft auf die Schultern fegen und ihm Alles ind Ohr fagen mas er 
thun foll. . 


64. Verleihungen: a. Schwert, Helm und Brünmne, 


Einzelne feiner Attribute pflegt Odin begünftigten Helden zu ver 
leihen. Schwert, Helm und Brünne (Panzer) erbot er ſich in ver 
Getalt des Bauern Hrani dem Dänenlönig Hrolf Krali, der bei ihm 
eingelehrt war, zu ſchenken. Als biefer die Annahme verweigert, weil er 
den Gott in feinem Wirth nicht erkannte, wendet fih das Kriegäglüd von 
ihm ab. FAS. I, 94. Diefelben Waffen finden wir vereinigt in ber 
für Odins Gaben Haffifhen Stelle Hyndlul, 2: 

Er gönnt und giebt das Gold den Werthen: 
Er gab Hermodur Helm und Brünne, 
Ließ den Sigmund das Schwert gewinnen. 


Heben wir zuerft das dem, Sigmund verliehene Schwert heraus. 
Doin ſelbſt erfheint befanntlih an der Spige des Wölfungenftammes, 
denn Gigi, mit dem er beginnt, wird Wölj. S. Cap. 1 Odins Sohn ge- 
nannt; an Sigmund hat er noch nähern Antheil, denn Wölfung (Wal) hatte 
ihm mit einer Wallure gejeugt, die Gap. 2 Ddins Geliebte heißt, und 
ſhen Wölfungs Beugung duch einen Apfel vermittelt hatte. Als nun 
Bilfung feine Tochter Sinne, Sigmunds Zwillingsſchweſter, dem Siggeit 
vermählte, trat am Abend ein Mann in den Saal, barfuß, im fledigen 
Rantel und Leinhofen an den Beinen ; er war hohes Wuchſes, dabei alt 


ud einäugig, was ein breiter Hut verhehlen follte: ein Schwert in der 
Ginzes, Beyipelsgie. 13 


194 Wusten. Zigmxed. % 64. 


Hand gieng er an ben Kinderſtamm (6. 3.48), ver mitten in Wöljungs 
Halle ftand, und ftieß e3 in den Stamm, daß es biß and Heft hinein ⸗ 
"fuhr. Niemand wagte ed, biefen Mann anzureben ; er aber ſprach: Wer 
dieſes Schwert aus dem Stamme zieht, dem foll es gehören und er wird 
felber geftehen, daß er nie ein beferes Schwert in Händen trug. Darauf 
ſchritt er aus der Halle und wuſte Niemand wer er war, nod wohin er 
gieng. Nun ftanden fie Alle auf und verfuhte Giner nah dem Andern 
das Schwert herauszuziehen; aber es rührte fih nicht, bis Sigmund, 
König Wölfungs Sohn, hinzutrat: der zog es heraus und es war, ala 
wenn ed los da vor ihm läge. Mit diefem Schwert gewann Sigmund 
viele Schlachten; aber am Ende feine Lebens verjagte e3 ihm. In der 
Schlacht gegen Lyngwi trat ihm ein Mann mit breitem Hut und blauem 
Mantel entgegen; er war einäugig und trug einen Sper in der Hand; 
an diefem Sper brach ihm das Schwert in zwei Stüde; er felber fiel in 
der Schlacht, C.11. Mit demfelben Schwert, das Reigin wieder fchmier 
dete, rächte hernach Sigurd feines Waters Tod. Ihm wendete fih Odins 
Gunft wieber zu, denn er gab ihm Grani, das Roſs, das von Sleipnit 
ſtammie, ließ fih in fein Schiff aufnehmen und beſchwichtigte den Sturm, 
Cap. 17, und beim Dradenlampf lehrte er ihn Gruben zu graben, das 
Blut hineinrinnen zu laßen und den Wurm ind Herz zu ftoßen, €, 18, 

Daß es des Gottes eigenes Schwert war, das er Sigmund ger 
winnen ließ, basfelbe das Sigrdr. 14 ($.63) erwähnt wird, maht die 
Bufammenftellung mit Hermoburs Helm und Brünne, die fi bei dem 
Gotte gleichfalls wiederfinden, wenigſtens wahrſcheinlich. Wir wißen 
zwar nicht, wer biefer Hermodur war, ſchwerlich der Gott, den wir als 
Baldurs Bruder kennen ($. 33.92), eher jener im Beowulfsliede zweimal 
vorkommende Heremöd, das erjtemal wieder in Verbindung mit Sigmund. 
(Remble 64.121), ol. jedoch Holgmann Germ. VIIL, 491. Seine Gage it 
nur fehr unvollftändig erhalten ; aber ſchon das Wenige, das wir vom ihr 
wißen, zeigt, baß er im Webermuth des Glüd3 Odins Gunſt verwirkt 
babe; vgl. 8.90. Dem Sigmund entzog fie nur fein hohes Alter; feir 
nem Sohne blieb er hold, und daß er aud feinem Geſchlecht nicht feind 
warb, das fein eigenes war, es vielmehr räct, indem er Hamdism. 36 
räth, auf Jonakurs Söhne Steine zu ſchleudern, ift Cdda ©. 502 ausge 
führt. Wie hohe Pfänder aud dem SJüngling verliehen feien, dem Alter 
tann die Gunſt des Schlachtengottes nicht bleiben. Aehnliches wird uns 
glei wieder begegnen. 


195 


65 b. Eper. 


Der ftärkfte Beweis dafür, daß ed Odins eigene Waflen find, die 
er ausleiht, ift der Sper Gumgnir. Wie ihn die Zwerge, Iwaldis Söhne, 
geſchmiedet haben, ift 5.57 erzählt; aber ſchon im erften Kriege ($. 24) 
beeiente fih Odin nad) Wöl. 28 feines Spers: 

Da ſchleuderte Odin ben Spieß ins Bolt. 

Na Helgakw. Hundingsb. II opferte Dag, Högnis Sohn, dem Din 
für Vaterrache. Da lieh Odin ihm feinen Spieß. Dag fand den Helgl, 
feinen Schwager, bei Fiöturlunde: er durchbohrte Helgi mit dem Spieße. 
Da fiel Helgi. Als er aber nad) Walhall kam, bot Odin ihm an, bie 
herſchaft mit ihm zu theilen. Einen folhen Erfag mochte er dem Helden 
ju ſchulden glauben, der fein Liebling gewefen war und ihn nicht beleidigt 
hatte. Denn wie im erften Liebe Str. 12 Helgis Worte andeuten, die 
er den Söhnen des erſchlagenen Hunbing fagen ließ, als fie Vaterbuße 
von ihm begehrten: 

Gewarten möchten fie großen Wetters 
Grauer Geere unb des Grames Obins, 


fe hatte Odin ihm früher feinen Sper geliehen, und der Gram Odins, 
%i fein Zorn, Helgis Feinde getroffen. Das Wetter ift die Schlacht, 
md der graue Geer ber Sper, von dem wir reden. Go weihte Giffur 
nach der Herwararf. Cap. 28 die feindliche Schlachtordnung dem Unter 
gange (oceidioni) mit den Worten: ‚Sridredt ift euer König, dem Tode 
verfallen (feigr) euer Herzog, hinfällig eure Kriegsfahne, gram ift euch 
Din, Laße fo Odin mein Geſchoß fliegen, wie ich vorherſage.“ (FAS. 
1, 501.) ®gl, Myth. 16. 125 vie aus Paul, D. angezogene Gtelle, 
Bielleiht entlieh man dem Heiligthum des Gotted ben ihm geweihten 
Sper; die Sagen gedenken deſſen nicht. Aber Opfer giengen voraus, 
wie ſchon oben bei Dag. Als der Schwedenlönig Erich die Schlacht bei 
Trriswall gegen Styrbiöm ſchlagen follte, opferte Styrbiörn dem Thör, 
aber Grid) dem Odin, weihte fi ihm und beftimmte bie Frift feines 
Todes auf zehn Winter. Da fah er einen großen Mann mit breitem 
Suite, der gab ihm feinen Rohrftengel (reyrsproti) in die Hand, ihm 
ber daB feindliche Heer mit den Worten zu fchießen: ‚Odin hat eud Alle!’ 
Au das geſchah, erſchien ein Wurfiper in der Luft, flog über Styrbiörns 
Sqlachtreihen und flug fein Kriegsvoll wie ihn felbft mit Blindheit. 


1% Wustan. Weihfermel. 8%. 68 


FME. V,250. Dieſe Stelle läpt ſchließen, daß aud Helgi feine Lebens: 
zeit auf fefte Jahre beftimmt hatte, um den grauen Geer zu erlangen. 
In der Eyrbyggiafage, wo Steinthör ben Spieß ſich zum Heil über 
Snorris Heer ſchießt, obgleich nicht gejagt iſt, daß es des Gottes Sper 
war, wird es ausbrüdli als alte Sitte (at fornom sidh) bezeugt. Schon 
vie römifchen Fetialen pflegten eine eiſenbeſchlagene in Blut getaudte an 
gebrannte Lanze (haste ferrata sanguinea praeusta) ins feinblihe Land 
zu ſchleudern, dem man Krieg anfagte, Liv.I, 32. Das erinnert an 
Kaiſer Ottos Sperwurf gegen Dänemark, mit dem er gelobte, bei feiner 
Burüdtunft dad Land zu belehren oder das Leben zu laßen; ober an 
Autharis Säule bei Paulus Diaconus. Gr. DS. 399° R. A. 59. Bol 
Herodot V, 105. Im Norden warb aud der Heerpfeil (herör, bodkefli) 
angebrannt, den man bei Kriegägefahr umberfandte, dad Volt aufzubieten. 
In dem Krieg mit den Hermunburen um bie heiligen Salzquellen hatten 
die Chatten das ganze feindliche Heer dem Mars und Merkur (Bio und 
Wuotan) geweiht, Ann. XII, 57. Des Spers wird bier geſchwiegen; 
aber die heimifhen Quellen ergänzen bes Roͤmers Bericht, indem fie den 
Gebrauch bei der Weihung und ſelbſt die dabei ausgeſprochene Weihformel 
lehren. Und daß aud im Norden bie jo Befiegten geopfert wurden und 
dieß der Sinn der Weihe war, zeigen die Worte, welche Sigrun (Helgat. 
UI, 23) zu Hodbrodd fpriät, als fie ihn verwundet auf der Walfatt 
findet: 
Borbei ift das Leben, das Beil naht, 
Granmars Sohn, deinem grauen Haupt. 

Auch Herwar. 5.444 werben alle auf der Walftatt Fallenden dem 
Odin geweiht. Beltätigung gewährt ferner die Gautrelſ. (FAS. I, 34), 
vgl. mit Saro 104, wo Dpin ald Grofshärägrani dem Starfather feinen 
Rohrftengel giebt, um damit bad Opfer an König Wilar zu volle 
siehen, auf ven bei dem Geefturm, wo ber zürmenbe Gott durch Menſchen ⸗ 
blut verjöhnt werben ſollte, das Looß gefallen war. Und als Starkather 
das Neidingswerk begeht, den König, der nur zur Schau für die Fahrt⸗ 
genoßen, mit welden er gelooft hatte, fi) den Strid umlegen zu laßen 
glaubte, wirklich hinzurichten, und mit dem Rohrſtengel, der zum Gper 
warb, zu durchbohren, bedient er fid der Worte: ‚So geb ih did Dpin‘ 

Entfernter gehört die Sitte hieher, fi auf dem Todesbette mit 
dem Sper rigen zu laßen, wovon bie Yngligaſaga (Heimskr.) mehrere 
Beifpiele bewahrt hat. Da nur im Kampf Gefallene, die Todeswunden 


8.68. Wusiqw. Sperrigung. 197 


par Schau trugen, zu Obin Iommen follten, fo bot bie Gperrigung , die 
gewifd auch mit einem Weihopfer verbunden war, ein Auskunftsmittel, 
in Walhall als ein an Wunden verbluteter Kämpfer Aufnahme zu finden. 
Auf diefe Weihe beziehen ſich Odins eigene Worte in feinem Runenlied 
(Semamal 139): 

Ich weiß, daß ich hieng vom Sper verwundet, 

Dem Odhin geweiht, mir felber ich ſelbſt. 


Dieb veranlapte den Verfaßer der Heimskringla, ber die Götter 
uenſchlich auffaßte, nicht bloß den Niörbr fi auf dem Kranlenbette für 
Odin zeichnen zu laßen; aud Ddin felbft riht ſich bei ihm im gleichen 
Falle mit der Spige des Spers, wobei hinzugefügt wird, ‚und eignete ſich 
ale im Kampf Gefallene zu‘, was auf bie Auffaßung beutet, als kämen 
die Gefallenen deshalb zu Odin, weil aud Er an Wunden geftorben fei. 

& ſcheint unnöthig, mit Peterjen 169 auszuführen, daß Odins 
Sper kein Luſtphaͤnomen, fondern nächft feiner Bedeutung als Waffe ein 
Symbol der Macht und Herfhaft iſt. Wer damit berührt wird ober 
wen er überfliegt, der gehört dem Gotte, wie ähnlich auch Thors Hammer 
beim Landerwerb ausgeworfen wird, bie Grenze zu beftimmen. 

Wolf Beitr. I, 12 weift nah, wie in deutſchen Maͤrchen ver Sper 
des Gottes zum Stode, ja zulezt zum ‚Rnüppel aus bem Sad’ warb. 
Als Sper habe er fi nicht behaupten Können, weil der Gebrauch der 
- Spere längft untergegangen fei und das Märden es mit der Gegenwart 
halte, Allein K. M. 28, wo e3 ein wilde Schwein zu erlegen gilt, wird 
erählt: ‚Und als der Jüngfte fo ein Weilchen gegangen war, trat ein 
Meines Männden zu ihm, das hielt einen ſchwarzen Spieß in ber 
Hand und ſprach: Diefen Spieß gebe id; dir, weil bein Herz unſchuldig 
und gut if: damit kannſt du getroft auf dad milde Schwein losgehen, es 
wird dir feinen Schaden zufügen. Hier kommt der Sper nur als Waffe 
im Betradit ; aber er wird als göttliche Waffe verliehen und durchbohrt 
das Ungethüm, wie der Sper in Dags Hand den Helgi. 

In andern Sagen dagegen erfcheint ein Stab, und zwar als 
Symbol der Macht über den Tod. Go wenn in der Legende von Gt. 
Wotern der Apoftel Petrus den Boten feinen Stab leiht, womit fie das 
Grab des zu früh geftorbenen Biſchofs ſchlagen und ihm gebieten follen 
anfzuerflehen (Godfr. Hagen 48), oder wenn in ben deutſchen Gesta Rom. 
80 (vgl. 88) der alte Mann feinen Stab leiht, kraft defien dem Ber 


198 Duotan. Stab. & 66. 


Tiehenen in der HöHe Alles gewährt werben muß, mas ber Kerr des 
Stabes gebiete (ogl. $.103). Da ber Stab hier über die Unterwelt 
Gewalt hat, fo dürfen wir wohl baran erinnern, daß Dbin ſelbſt Weg ⸗ 
tamslw. 9 bie todte Wala vor der Pforte der Hel erwedt, mobei feines 
Stabes ausdrüdlich gedaht wird. Aud der Stab der Gridh, der Mutter 
Widard, des Gotte der Erneuerung, ift hier zu erwägen: wir werben 
fie ($. 84. 96) als Unterweltsgöttin kennen lernen, und fo hat der Stab 
au bier Macht über Tod und Leben. 

Außer ven hier von Odin verliehenen Waflen muß er auch ben 
Bogen geführt unb gleich Apollo, dem er ſich aud fonft vergleicht, Pfeile 
verfenvet haben, wie wir ja in angelf. Bauberformeln von Aſengeſcheßen 
Iefen. Zwar wenn ber Daumen Wodens Finger, Woenlet heißt, fo kann 
dieß daraus fließen, daß er als Wunſch (Oski) aud Gott des Spiels 
war, vgl. 6.102, wozu Grimm M. 145 die Redensart anführt, beim Spiele 
laufe das Glüd auf dem Daumen. Belannter ift bie Sitte beim Spiel, dem 
Spieler, dem man Glüd wünfht, den Daumen zu halten, Aber man nannte 
auch den Raum, den man mit Daumen und Zeigefinger bemehen Tonmte, 
Woedenſpanne, und dieß bezieht Mannhardt auf die Ganvhabung 
der Armbruft. Auch feine fiher treffenden Pfeile verleipt Odin wach 
©. 202. 


6. ©. Rofe und Mantel, 


In den norbifhen Sagen wird Odins Roſs Sleipnir feinen Gunſt⸗ 
lingen fo wenig ala fein Mantel verliehen. Verleihungen dieſer Art er 
ſcheinen dagegen in Deutſchland, wo freilih an vie Stelle Odins bald 
der Teufel, bald ein Engel tritt. Wir gehen dabei von einem Zuge ber 
Haddingsſage aus, welche Saro I, 12 berichtet. Habbing, einer der Günft 
linge Odins, dem er ſich zulegt opfert, iſt in einer Schlacht geſchlagen: 
da kommt der Gott, auch hier ald einäugiger Greis, dem Fliehenden zu 
Hülfe, ftärkt ihn mit einem Trunk, faßt ihn in ben Mantel und führt 
ihn durch die Luft in die Heimat. Durch ein Loch des Wantels 
ſchauend, gewahrt Hadding mit Erftaunen, wie daB Pferd über Zellen 
und Wollen dahin ſchreitet. Wir bleiben in ber im Ganzen doch fehr 
verworrenen Grzählung unberichtet, warum es in biefem alle bazauf 
anlam, ben Helven fo ſchnell in die Heimat zu fchaffen. In den veutfchen 


%. 66 Wusten. Seimfahrung. 199 


Segen iſt diefer Grund angegeben: ba die Friſt abgelaufen war, binnen 
welcher der Begünftigte heimlehren follte, ift feine Gemahlin im Be 
griff ſich wieder zu vermählen. Dagegen fteht der den zurüdfährenden 
Gett vertvetende gute ober böfe Geiſt gewöhnlich im Hintergrunde, wäh 
tend Roſs und Mantel, bald das eine bald das andere, hervorgehoben 
find. Ja der Gage von dem edeln Möringer D. 523 fo wie M.M. 61 
(vgl. Upland über Bodmann, Germ. IV, 67 fi.) fehlt zwar ihre Erwähnung, 
unb auch im ber berühmten Braunſchweiger Gage, deren Gelb fpäler 
beinich der Löwe warb, fehen wir dieſen, nach dem Vollsllede und ben 
von 2. Gödele (Reinfrit von Braunſchweig, Hannover 1850, S. 75) vers 
süchenen Quellen, von dem Teufel durch die Luft getragen, ohne daß bes 
Ranteld oder des Roſſes gedacht würde, denn die Ochſenhaut, in die er 
ſich von dem geiteuen Ktuecht mähen läßt, gehört zu der Greifenfage und 
hat wit der Heimlehr und dem Wunſchmantel nichts zu fchaffen; A. M. 
ik Bolf Beitr. 6. Jener Hauptzug, die Begünftigung ber Ehe, iR aber der 
Gage fo wefentlich, daß er felbft ba einbrang, wo er nicht hin gehörte. Ein aufs 
ſallendes Beifpiel gewährt Die Sage von Thebel von Walmoden und feinem 
füwargen Teufeltoſs. Voltabũcher IX, 497 fi. Sie ift der normannifchen von 
Richard J. (Wolf 7) auf das Nachſte verwandt, nur daß biefe an die Stelle 
des Rofies ein vielfarbiges Tuch ſetzte, in welhem wir ben Wunſch⸗ 
mantel wiebererlennen: auf ‚biefem Tuche vollbringt Richard bie Fahrt 
wie Thedel auf dem Rofie. Durch die Herleihung derſelben wird aber 
Beiden Heine Gunft erwiefen: ber im Hintergrund ftehende böfe @eift 
Rellt mar ihre Unerſchrodenheit auf eine gefährliche Probe: fie würden es, 
wenn fie Zucht angewandelt hätte, mit dem Leben entgolten haben. Die 
auf Heinrich den Loͤwen übertragene Brauuſchweiger Sage, in ber wir 
einen wralten Mythus eriennen, laßt wur bie Heimkehr durch Hälfe 
des Teufels voßlbringen ; die normanniſche und bie von Thebel auch ſchon 
die Ausfahrt, alfo bie ganze Meife, woraus fid) ergiebt, daß lehtere gu 
ven Sagen vom wilden Heere gehören, womit wir bier nach nichts zu 
Khaffen haben. Cine Berbinvung mit der Sage vom ber Heimtehr, 
die Ver Gott begünftigt, if aber in beiben und war in auffallend gleicher 
Beife verfucht; fie konnte jebod nur angeflidt werben. Richard trifft in 
der Kirche der h. Katharina auf dem Sinai einen feiner Ritter, ber ver 
fieben Jahren in bie Geſangenſchaft der Saragenen gerathen war, welchem 
ver Herzog berichtet, feine Fran, die ihn langſt tobt glaube, wolle binnen 
beeien Xagen wieber heinaten, und er, der Sergog, fei jelb zur Hochreit 


200 Wustan. Mantel. 8. 66. 


geladen, Wolf 7. Gerabe fo findet Xhebel in Zerufalem den Herzog 
Heinrich und theilt ihm mit, daß die Herzogin, die ihn für ertrunlen 
halte, mit einem Pfalggrafen zur neuen Ghe ſchreiten erde, wenn er 
niet binnen Kurzem heimlehre. Daß bie normänmische Sage hier die 
deutſche benupt bat, ann fein Zweifel fein, denn bie Gage von Heinrich 
dem Löwen hat uralten Grund: fie Hingt ſchon im wein, dem Ritter 
mit dem Löwen, an, dem feine Gemahlin gleichfalls eine Friſt zur 
Nüdtehr beftimmt hatte. Auch im Wolfvietric finden ſich ihre Spuren: 
fie gehört der deutſchen Odyſſee an und bie Vergleihung aller zu ihr 
zaͤhlenden Sagen und fo aud Alles mas von Heinrich dem Löwen be 
richtet wird zeigt, daß das Ziel ver Reife nicht das Grab des Grlöfes 
oder das gelobte Land war, fonbern bie Unterwelt, wie die daheim har: 
rende Gemahlin der von Freiern ummorbenen Benelope zu vergleichen if. 
Die hierdurd Licht auf die Odyſſee felbft fällt, fo ergiebt ſich baraus 
au die Verwandtſchaft der Haddingſage, denn aud Hadding gelangt 
Saro 16 in die Unterwelt, und fogar die Mauer, welche bei ihm das 
Land des Lebens umgiebt, findet fih MM. 61 fo wie bei Reinfr. von 
Braunſchweig (Gövele 60) wieder. Um fo wahrfdeinliher wird es num, 
daß auch Hadding zu fhleuniger Heimkehr, welde der Gott vermitteln 
muß, denfelben bringenden Antrieb hatte wie Heinrich der Loͤwe. 

Auf dem Mantel gejhieht nun ferner die Heimfahrt in der Gr 
jählung des Caefarius 8, 59 von Gerhard von Holenbad (in der Lo 
gende von St. Thomas, Bingerle Ztſchr. f. D. Myth. IV, 39, Helpad), 
wo wie in dem Vollslied von dem ebeln Möringer die Wallfahrt zum 
Grabe des h. Thomas gerichtet war. Der Antrieb ift hier noch derſelbe: 
dagegen in der Sage vom Wartburgkriege DS. 555, wo der Wunſqh⸗ 
mantel zu einer levernen Dede wird, ſteht dem Heinrich von Dfterbingen 
nicht Braut oder Gemahlin, fondern Ehre und Leben auf dem Spiel, 
wenn ihn Klingſor nicht durch feine Geiſter in einer Nacht nach Thür 
tingen ſchaffen ließe. Neben andern Wunſchdingen und mar, mit unſicht ⸗ 
bar machender Kraft erſcheint der Mantel auch KM. 92; aber auch hier 
hilft er die Hochzeit mit einem Andern noch rechtzeitig zu bintertreiben. 
gl. 93 und BM. 68 Des Zeufels Pathe. Zulept hat er noch in bie 
Fauftfage Aufnahme gefunden unb ift hier zu großer Berühmtheit gelangt. 
Dos Rofs erſcheint dagegen außer bei Thebel faft mur in ber Gage 
von Raijer Karls Heimlehr aus Ungerland, DS. 489 (vgl. Myth. 980), 
wo es gleichfalls die Wieververmählung der Kaiferin zu verhindern gilt, 


6. 66. Wusten. Wunfhbinge. 201 


md in der von Uhland Germ. IV, 93 mitgetheilten Sage von Graf 
Friedrich von Hollern. Wo jonft no, und die Fälle find zahlreich genug, 
Roffe ſich darbieten, find fie gefpenfterartig: fie wollen die Menſchen nur 
ſchreden und abmatten, wie die bei Reuſch 22, ober fie gehören wie das 
bei Zette und Temme Pr. Boltsf. 73- der wilden Jagd oder gar wie bei 
Gaefarius II, 7 der Hölle an, an die felbft Thedels Rojs, das nur glür 
bende Kohlen frißt, erinnert. Nur Temme 1. c. 76 könnte e8 von dem 
Sotte zu Hülfe gefandt fein. 

Mit viefer Cinen Ausnahme kann Odins Dazwiſchenkunft daraus 
erllart werben, daß er als Ehegott den Bruch eines ihm geheiligten Ver ⸗ 
bältnifies verhindern will; jebod werben wir $. 91 erkennen, daß allen 
diefen Sagen ein Mythus von Dpin ſelbſt zu Grunde liegt, der in zwei 
Haupigeftalten in Deutſchland nachklingt und fortlebt. Das Rofs ift aber 
in venfelben Sagen als ein Symbol der Allgegenwart aufzufaßen, die 
ihm freilich fehr werkürzt wird durch bie Vermenſchlichung, der alle heid⸗ 
niſchen Götter nothwendig anheimfallen. Denn wenn er gleich auf dem 
windgejeugten Hengft in der fürzeften Friſt die meiteften Räume durch⸗ 
meßen mag, fo find doch die Entfernungen keineswegs gänzlih für ihr 
aufgehoben. Der Mantel, der in deutſchen Sagen zu gleichem Zwede 
dient, war wohl urfpränglic, wie das vielfarbige Tu der normännifchen 
Gage noch andeutet, der Woltenhimmel mit feinen wechſelnden Farben, 
Bolf 7, woran DMES. 26 nicht Zweifel erregen darf, deun der hier vor⸗ 
tommenbe Mantel, ver aus taufend Läppchen geftidt ift, von welchen ein 
ieber, wenn man ihn auseinander warf, ein Schloß mit ſchoͤnen Gärten 
und Weihern ward, ift zwar bie Erdoberflaͤche: er wird aber aud von 
einem Frauchen verliehen, in welder wir bie Erdgöttin erkennen, fo daß 
er von Wuotans Mantel verfchieven if; wohl aber‘ gehört hieher vie 
$.115 mitzutheilende Sage von der Schwanenkirche zu Carden, wo Frouwa, 
an deren Stelle Maria getreten ſcheint, nicht ald Erdgöttin in Betradt 
kommt, fondern ſich mit Wuotan in die Herfhaft über Luft und Waßer 
teilt. 

Wir önnten noch von andern Berleihungen ſprechen, da bie deutſche 
Sage außer dem Wunſchmantel auch Wünfelhüte fennt, welde vie Kraft 
bes Mantel haben, während diefer, too er daneben vorkommt, bloß ums 
ſichtbat macht. Ein ſolches ift Fortunats Wünfhhätchen, das neben einem. 
andern BWunfchbinge, bem Sädel, vorlommt, wie au) Siegfried neben ver 
Iarrlappe (Hehlmantel) ven Hort befigt. Rach den Nibelungen 1046 


202 Wasten. Aqicdeciqier. 5. 66. 


lag die umerfchöpflihe Kraft des Horts in der Wanſchelruthe (der 
wunsoh lao dar under, von golde ein rüetelin), deren Name ſchon 
auf Wuotan (Wunſch) weil. Dagegen nad Coba 190. 341 lag dieſe 
Unerfpöpflichteit in dem Ring Andivaranaut, mit weldem ber Schat, wenn 
man noch fo viel wegnahm, ſich wieder vermehren ließ, weöhalb er uns 
fon ©. 93 mit Ddins mehrbefprohenem Ring Draupnir, von dem ans 
dere ebenſchwere troffen, jo wie mit Mimrings fhagmehrendem Armring 
zufammenfiel. Wo und alſo diefer Ring ober bie an bie Stelle tretenden 
Wunſchſaͤdel, Brutpfennige oder Hedethaler in deutſchen Märchen begegnen, 
da find auch fie als von Wuotan verliehen anzufehen, nit fo das 
Mraun- oder Galgenmännlein. Cin Gleiches gilt von den Wunſchwärſeln, 
KR. 82. Denn Odin, von dem alles Heil ausgeht, war ald Gott des Glüds 
auch Gott des Syield vgl. ©. 198 und ihm wird wie. dem Mercur die Gr 
finbung bed Würfelſpiels beigelegt. Myth. XXX VL 136. 140. 958. Selbft 
vie Giebermeilenftiefel erinnern an die Flügelſchuhe Mercurs; wir müßen 
fe an bes Gottes Füße denken, der fie zurüdließ, als er in den Berg 
ſchlaſen gieng. Orwar Odd empfängt feine ficher treffenden von Bwergen 
seihmiebeten Pfeile (ZAS. U, 113) von Grimr, weldhes ein Beiname 
ODdins if. Sie vergleichen ſich den Freikugeln der deutſchen Freeifhüg 
Tage Bol. Kuhn WE. 340. Die von Dvin dem Germobr verliehene 
Bräune machte wohl umverwunbbar wie Hildegrin $. 97; ber meuere deutſche 
Aberglaube macht aud ohne Banzer Ingelfeft durch die j. g. Baffaner 
Kunft ober durch Ginheilen einer confeerierten Hoftie u ſ. w. Gfrörer 
werben die genannt, welche die Kunſt verſtehen, fugelfeit zu machen. 
Bol. Bingere Sagen 321 ff. Mipenburg 312. 

Andere Wunſchdinge aufzuführen enthalte ih mid, indem ich auf 
Myth. 1127 und Wolf Beitr. 10 ff. verweiſe. 

Zu beachten ift aber eine Reihe von Märden, in welhen, wie AM. 
92. 93.193. 197., vgl. DRS. 20. 23, mehrere folder Wunſchdinge zu 
gleich erſcheinen: ihre Befiger find um fie in Streit gerathen, und ein 
dritter, der zum Schiedsrichter aufgerufen wirb, bemächtigt ſich felber 
ihrer, wie dad ſchon Siegfried in ben Nibelungen 89 thut, der fo den 
Hort, die Taralappe und das Schwert Balmung gewinnt. In AR. 93 
find es Stock (Schwert), Pferd und Mantel, Alp. BL I, 297 
Schuhe, Hut und Mantel; dagegen KM. III, 401 nur ein Mantel, ER. 
193 nur ein Sattel, der aber auf das Pferd hinweifl. Schwert um» 
Pferd werden auch Stimisför 8.9 erfordert, um durch Wafurlogi gu 


$. 67. VDaotau. Bonnengott. 208 


seiten umb Die Braut zu getvinnen. Und fo finden fie ſich als Gram 
und Gran bei Sigurd im der Edda und Wölfungafaga wieder, ba er 
mie Sir, der an Freys Stelle getreten ift (j. 0.6.69) durch War 
furlogi veitet. Statt dieſer wird in den Märchen ver Glasberg ober der 
geloene Berg genannt, wa feinen Unterſchied macht, denn aud der Glass 
berg {R em Geelenaufenthalt, wie Waſurlogi nad $. 30. die Unterwelt 
umgiebt. Dieſe Wunſchdinge haben alfo die Kraft wie ber Etab 6.198 
dieſes fonft unzugängliche Reich zu erichließen. Haben fie aud hier einen 
Beyug auf Wuotan? Nach ver Sigurdſage follte man dieß bejahen, da 
ſowohl das Schwert Sram, das Din feinen Vater Sigmund gewinnen 
lieb ($. 64. 66), als das Roſs Grani, dad Sleipnir gezeugt hatte, von 
Doin herrühren. Aber in Skimmißför fehen wir ja beide, Rofs und 
Gäwert, in Freys Beſih. Zur Berneinung der Frage reiht dieß neh - 
nicht hin: was Skirnisför von Freys Diener Skirnir erzählt, muß einft 
don Odin gegolten haben. Denn wenn Skaldſt. 59 von Blodughoſi, das 
wir oben für Freys Roſs nahmen, gefagt wird, Belis Tödter habe es 
geritten, fo waren wir zwar nach Glimisför 16 berechtigt, dabei am 
Frege zu denten, weil diefen Gerda ihres Bruder Mörder nennt; allein 
an berjelben Stelle von Stalvft. heißt es kurz zuvor, ber kraftreiche Atridr 
habe Blodhughofi geritten: Atridt ift aber nad Grimnism. 48 ein Bei⸗ 
name Odins. Dazu tommt, daß Gerda Slaldſt. 19 Friggs Rebenbuhlerin 
heißt (og. 6.68 0.): fie galt alfo einft für Odins Gemahlin oder Ge 
llebte. Bar es Ddin, der Beli erfhlug und Gerda gewann, fo bezog 
ſich anf ihm der in Sfirnisför enthaltene Mythus, was fih nur aus feiner 
igenfhaft ald Sonnengott ($. 74), die hernach auf Freyr übergieng, 
eflärt: es war mithin Wuotand Roſs und Wuotans Schwert, welde 
durch Wafurlogi führen, ven Glasberg zugänglid machen und bie Unter» 
weit erfließen. Darum bedarf auch Hermobur, da er zur Unterwelt 
weitet (9. 33), Odins Rofs Sleipnir, wie Sigurd den Grani, Slirnir den 
Blodughofi, ja vielleicht Hermodur zu demfelben Zwed auch Helm und 
Bränne ($. 64), welde zufammen den Mantel vertreten würden, denn 
and, diefer Hyndl. 2 verbpate Bug kann auß der Bötterfage in bie Hel ⸗ 
Venfoge gelangt fein. 


67. Swinfylking · 
Seinen Lieblingen theilt Wuotan, um ihnen zu Macht und Herſchaft 
im verhelfen, nicht bloß feine Wunſchdinge mit, bie feine eigenen Attribute 


204 Yuotan. Seldans und Kerans. 8 67. 


find, er lehrt fie aud die Kriegskunſt, namentlich die von ihm felbft er 
fundene Schlachtordnung. Schon jenen Hadding ($.66) unterwies er 
wie er die Rotten keilförmig aufftellen müße, Saro 171 (Müller 52), mas 
neh Tac. Germ. ‚Acies per ouneos disponitur‘ die ben Deutſchen 
eigenthämliche Anorbnung war. Im Norden hieß fie Swinfglling, weil 
fie die Geftalt des Eberrüßels nachzuahmen ſchien. Das jüngfe Beifpiel 
begegnet in der Sage des Dänenlönigs Harald Hilvetand (Rriegejahn), 
mit dem die biftorifche Zeit anbricht. Durch Zauberei und Odins Geſchenk 
unverwundbar, pflegte er biefem bie Seelen der Erſchlagenen zu weihen, 
was auf den Sper Gungnir und den an ihm haftenden Gebrauch bins 
deuten Könnte. Bor dem Kriege mit dem Schwedenkoͤnig Ingo gedachte 
ex den Ausgang des Kampfs durch Weißagung zu erforfhen: da erſchien 
ihm ein einäugiger Greis von hervorragender Geftalt, unterwies ihm in 
der Kriegäkunt und lehrte ihm außer einer neuen Weife, in der Seeſchlacht 
die Schiffe zu ordnen, die Rotten teilförmig aufftellen. Mit dieſen Lehren 
außgerüftet befiegte er bie Schweden, Saro VII, 138. Aber am Schluße 
feines Lebens follte er ven Bram ODdins erfahren. Es war in der be 
rühmten Brawallaſchlacht, welcher der gealterte, erblinbete Harald nur im 
Wagen beimohnen konnte. Sein Wagenlenker war Odin felbft, welder 
die Geftalt des Häuptling Bruni angenommen hatte. Der erblinbete 
König, das angſiliche Gefchrei der Seinen vernehmenb, befiehlt jet dem 
Bruni, des Feindes Schlachtordnung zu erforfhen. Bruni gehorcht, lehrt 
aber lachend zurüd mit der Nachricht, es fei die feilfürmige. Betroffen rief 
Harald: Wer hat den König Hring gelehrt, feine Scharen fo aufzuftellen? 
Ich glaubte, Niemand kenne biefe Schlachtordnung als Odin und id. Will 
Dpin mir nun den Sieg miſsgönnen ? das iſt nie zuvor geſchehen umb 
ich bitte ihn, daß er aud dießmal ven Dänen Sieg gebe: alle, die im 
Kampfe fallen, will id ihm weihen. Aber Bruni riß den König aus 
dem Wagen und traf fein Haupt mit- feiner eigenen Keule. Saro 146. 
Sögubr. (FAS. I.) 8. 9. 

Auf Odin ald Erfinder des Swinfilting bezieht Mallenhoff Ztſchr. 
VI, 529 ven bei Meicelbed Rr. 629 a. BA, vortommenden Eigenna ⸗ 
men Folchans; fo wird Körand ebendaſelbſt von dem Sper verleihenden 
Gott $. 67 hergenommen fein. 


68. Schuverhältnifie. 

Allerdings ſcheint hier Odins Verhalten gegen feinen Schühling 
durch eine Bmeibeutigfeit entftellt, die vielleicht ſchon fein Beiname Tweggi 
(der Bweifache) ausvrüden follte. Sie liegt aber doc in dem Wefen bed 
Gottes und der Natur des Kriegöglüds, deſſen Wandelbarkeit alle großen 
Feldherren erfahren haben. Auch wird fie nad der Darftellung in Sd⸗ 
gubrot dadurch gemildert, daß Hilvetand, weil er den Dänen zu alt ges 
worben war, auf dem Schlachtfelde zu fterben begehrte, weshalb er den 
König Hring, feinen Schwefterfohn, aufgeforvert hatte, ein Heer zufammen 
zu ziehen und ihm in ver Schlacht zu begegnen. Aber ber eigentliche 
Grund liegt noch tiefer: die geheime Bedingung aller mit Odin einge 
gangenen Schugverhältniffe ift eine Selbftmeihe, die wie bei Styrbidm 
8. 65 (der fih dem Odin weihte und feinen Tod auf 10 Jahre bes 
fimmte, wie auf dieſelbe Frift K. Eirik fih dem Odin gab, daß er ihm 
Sieg verleihen follte, M. 970), auf gewiſſe Friften geftellt werben kann, 
einmal aber dod immer von dem Gotte geltend gemadt wird. Wie er 
bei kurzer Frift zu entſchadigen weiß, fahen wir an Helgi, dem, als er 
nad Walhall tam, Odin anbot, die Herſchaft mit ihm zu theilen. Wie 
alt Habbing ward, ber fi dem Gott zu Ehren freiwillig erhängte, wißen 
wir nit genau; dem Harald Hilvetand hatte er ein langes Leben bis 
zum Weberbruß bewilligt; Aehnlihes wird und Slkaldſt. 64 von Halſdan 
dem Alten gemeldet. Diefer ftellte mitten im Winter ein großes Opfer 
an und verlangte, dreihundert Jahre in königliher Gewalt zu leben. Da 
erhielt er zur Antwort, ihm folle nicht mehr als das längfte Menſchen⸗ 
alter zu Theil werden; aber in all biefer Zeit würden aus feinem ‘Ges 
ſchlecht nur erlaudte Männer und Frauen hervorgehen. Der Selbftweihe 
wird bier geſchwiegen und vielleiht war Odin durch das vorausgegangene 
große Opfer befriedigt, wie nah Heimskt. I, 29 König Den fi durch 
das Dpfer feiner Söhne hohes Alter erfaufte: jeden zehnten Winter 
ſchlachtete er dem Odin einen derſelben und warb fo alt, daß er zu Bette 
fiegen mufte und aus dem Horne trank wie ein Heines Kind. 

Als vom Stierſchwert das ſchlanke Ende 

Er zum Munde mit Mühe hielt, 

Mit Blut befubelnd ber Söhne Leib 

Scälürft’ er liegend aus ber Spike des Horns. 
Es konnte ber graue König im Often 

Das Schwert des Ochſen ſchier nit mehr halten. 


206 Wusien. Gevaltetſchaſt. 8.68. 


Aber in andern Fällen muß man bie Selbſtweihe, auch wo ihrer 
nicht ausbrüdlih gedacht ift, binzubenten und mas in beutihen Gar 
gen von Bünbniffen mit dem Teufel erzählt wird, daneben halten, 

. wo fie dann ihrerfeit® wieder von folhen mit Odin eingegangenen Schußs 
verältnifien Licht empfangen. Auch der Teufel bewilligt feine Hülfe, 
mie bei dem Fauft deö Puppenfpield und des Vollsbuchs, meift auf fehe 
Jahre; andere läßt er, wie den goethefchen Fauſt, alt und blind werben 
wie Hildetand; aber nie verfäumt er, fein Opfer wie Odin als Bruni in 
Smpfang zu nehmen. 

Jenes heidniſche Schugverhältnifs, deſſen Cingehung bei Eirid at 
gefa; Odhni hieß, kann auch ſchon von den Eltern eine Kindes vor 
ober bei deſſen Geburt eingegangen werben, wie bei ber bierbrauenden 
Geirhild (FZAS.UL, 26. Myth. 977), die dem Hötte (Opin) für feinen 
Beiſtand verheißen mufte was zwiſchen ihr und dem Faße fei; fie wuſte 
nicht, daß fie damit ihren Sohn Wilar S. 196 Odin gelobt hatte 
In veutfhen Sagen kehrt biefer Zug vielgeftaltig wieder; außerdem 
ſchließen ſich auch unfere Märchen von Gevatter Tod (N. M.44) und des 
Teufels Bathenfhaft BM. 68 hier an. Bol. $.146. Unaufgefordert nahmen 
die Götter an dem Schidfal einzelner Menfhen vorzügligen Antheil, wie in 
Grimnismal Odin an Geirrödh, die Frigg aber an feinem zwei Jahre ältern 
Bruder Agnar: daran Inüpft fih eine Wette zwifchen beiden göttliden 
Gatten, die ſich durch Friggs Lift zu Gunften ihres Pfleglings entſcheidet. 
Derfelbe Wetteifer wiederholt fich bei der Sage vom Auszug der Langos 
barden DES. 389. Ziſcht. V, 1,5.8. 108; im Wefentlihen eins mit jener in 
Grimnism., nur daß · an die Stelle ber feindlichen Brüber zwei feindliche Böl« 
ter treten. Die Lift, deren ſich bier Fra (Frigg) bedient, Gwodans Bett um ⸗ 
zulehren, kehrt im Maͤrchen von Gevatter Tod wieder, fo daß dieſer Bug 
den engen Kreiß unferer Schupverhältnige nicht verlaßen hat. An Stark 
adrs Verhältnifs zu Hrofsharägrani fahen wir oben ein Beilpiel, daß 
die Gunft Odins mit der Feindichaft Thors erlauft werden mufte, und 
dieß ließe fi nod am mehrern ber Thorshelven, welche Uhland (Mythus 
des Thor) beſprochen hat, darthun. Gin folder Begenfag zwiſchen Thor 
und Obin bildet aud bie Grundlage des freilich fpäten Harbardsliedes. 
Auch andere Götter haben ihre Schugbefohlenen, wie ſchon die Ramen 
Frowin, Baldewin, Bregovine auf ſolche Gönnerfcaft hinweiſen. 


69. Verheißung Walhalls. 

Schon oben iſt gejagt, daß Odin als Gott des Geiſtes befonders 
den kriegeriſchen Geiſt, den germaniſchen Heldengeiſt bedeutet, und fo 
fahen wir ihn auch 8.97 vie keilförmige Schlachtordnung lehren. Als 
Geber alles Guten tonnte er, wie die Gage vom Außzuge der Langer 
barden ausdrudlich fagte, kein höheres Gut verleihen als den Gieg. 
Darauf gehen viele Beinamen und Attribute, darum find ihm die Thiere 
des Schlachtfeldes heilig, darum kommt Niemand in feinen Himmel, ber 
nicht in der Schlacht gefallen oder an Wunden geftorben if. Seine 
bimmlifhe Halle heißt darum Walhall wie er felber Walvater, weil Wal 
den Inbegriff der in der Schlacht Gefallenen. bezeichnet und alle feine 
Wunſchſohne find, die auf dem Walplage fallen. Die Wallüren, die 
eben fo feine Wunfhmädchen heißen, oder Freyja, aus welcher fie ver 
vielfältigt find, fendet er aus, den Wal zu kieſen und feiner himmliſchen 
Halle als Einheriar (Schredensfämpfer) zuzuführen D. 20. Dort geht er 
feinen Gaſten entgegen und empfängt fie an der Schwelle; ſchon vorher 
hatte er das Mal rüften lafen zu ihrem Gmpfange, wie das im Cirils⸗ 
mal (Slaldſt. 2) herrlich geſchildert ift. Sie trinfen mit den Göttern den 
ſühen Meth, der aus dem Guter der Ziege Heidrun 45. 19 fließt (D. 39) 
oder den Begeifterungstrant der Ajen und Stalden, deſſen Urjprung D. 
57.58 erzäplt ift. ©. 8.16. Auch bie Speife, das Fleiſch des Gbers Sah ⸗ 
vimmir, ift ihnen mit den Göttern gemein. Jeglihen Tag wird er gefotten, 
heißt es D. 38, und ift am Abend wieder heil. Aud an Kurzweil fehlt es 
da nicht: jeden Morgen, wenn fie angelleidet find, wappnen fie fih und 
gehen in den Hof und fällen einander. Das ift ihr Zeitvertreib. Und 
wenn es Beit iſt zum Mittagsmal, reiten fie heim gen Walhall und fegen 
fh an den Trinltiſch D. 44. VBgl. oben ©. 47. So ift ihr Leben eine 
Fortfegung, aber zugleich eine ‚Berllärung des irdiſchen. 

Zwar ift Alles das nicht bloß als Belohnung aufzufaßen, ba wie 
6.130 ausgeführt warb, Odin zugleich feine Macht gegen die Rieſen 
färkt, indem er die berühmteften Helen, die er im Kampfe fallen läßt, 
in feine himmliſche Halle zieht, wie auch das tägliche Kämpfen ver Gin 
herier als Borübung auf ben lehten Weltlampf gefaßt werden kann. Doc 
aber war dieſe Unfterblichleitälehre und das in Walhall verheißene Freu⸗ 
denleben ein mächtiger Antrieb zu tobesmuthigem Kampf; dieſer Glaube 
lehtte den Tod verachten und bilbete Helden, obgleich Peterſen 299 richtig 





208 Wustau. Unferblicikeitsichre. 8.9. 


bemerkt, man dürfe das au umfehren und fagen, die den Germanen 
angeborene Tapferkeit und Unerſchrodenheit habe die Lehre von Odin und 
Walhall geſchaffen. Wenn aber Gangleri D. 39 fragt: ‚Was haben die 
Einherier zu trinten, das ihnen fo genügen mag als ihre Speije? Diver 
wird da Waßer getrunfen ?' und Kar antwortet: ‚Wunderlich fragft du 
nun, als ob Allvater Könige, Jarle und andere herrliche Männer zu ſich 
entbieten würde und gäbe ihnen Waßer zu trinken. Ich weiß gemifs, 
daß Mande nah Walhall lommen, die meinen follten, einen Xeumt 
Waßers theuer erlauft zu haben, wenn ihnen da nichts Beßeres geboten 
würde, nachdem fie Wunden und töbtlihe Schmerzen erbuldet haben‘, fo 
ift das in echt heidniſchem Sinne gefprohen und ſchwerlich würde ſich 
der Germane ſo freudig in den Kampf geſtürzt haben, wenn man ihm 
geſagt hätte, daß der Eber Sährimnir, das Bild der Sonne, nichts ald 
das Licht des Tages fei, das fih täglich erneut, und Heidruns Mid 
nichts als die Mare Netherflut, ver reinfte Lichtſtrom, der unfterblichen 
Zungen allein zuträglih, ihnen zur Quelle des ewigen Lebens wird. 
Gleichwohl treffen diefe Deutungen den urfprünglihen Sinn des Mythus, 
und felbft die überlieferten Namen in Grimnism. Str. 18: 
" Andhrimnir (der Koch) läßt in Eldhrimnir (dem Kefel) 

GSährimnir fieden, 

Das befte Fleiſch; doch erfahren Wenige, 

Was bie Einherier efen. 
laßen ſich damit in Webereinftimmung bringen. Beterfen 232. Aber welde 
Auslegung wir jegt auch wählen, gerade in ihrer Bildlichleit war Odins 
Lehre geeignet, auf die Gemüther zu wirken. Dem tapfern Kämpfer 
tonnte es gar nicht fehlen: fiel er in der Schlacht, ſo wurden ihm Wal: 
halla Wonnen zu Theil; hatte ihm aber Odin Sieg verliehen, fo mochte 
er fo begnadet dem Feinde wohl gönnen, bei Opin zu gaften. gl 
Snorri Heimskt. I, Cap. 10. So war jeder Ausgang willlommen, und 
man begreift, wie dieſe Helven, ‚wenn des Lebens Stunben verlaufen 
find, lachend fterben‘, Kräkum. 25. 

Auf ven Befig Walhalls bezieht ſich wohl Odins Beiname der 
Mann vom Berge, wie er von Sigurd genannt fein will, Sig. Fafn. 
DL, 18. In Gigror. (191) fahen wir ihn auf dem Berge ftehen mit 
blantem Schwert, den Helm auf dem Haupte. Der Himmel ver Afen 
lag demnach urfprünglid auf dem Berge und ward erſt fpäter in höhere 
Sphären gerüdt, wie wir gleiche Anſchauungen bei "urverwandten Böllern 


870 Wustan; Berferksgang. 209 


fnden. Rach der entgegengefegten Anſicht lag aber der Himmel in dem 
Berge, im Schooß der Erde, und diefe ſcheint an den Wanengöttern zu 
haften, wenn fie gleich jegt mach dem eddiſchen Syſtem in Asgard 
Aufnahme gefunden haben. Bgl.$. 59. Diefe Anſchauung finden wir in 
Deutfchland wieder und auch hier treffen wir die Ginberier bei ihm: es 
find feine Krieger und Helven, die neben ihm dem Tag entgegenſchlum ⸗ 
mern, wo fie in der Schlacht auf dem Waljerfelde ven Iepten Kampf 
tämpfen und ihre alte Hertlichkeit wieder heraufführen follen. Nach dem 
vielgeftaltigen Bollöglauben begleiten fie ihn aber aud ſchon früher, wenn 
dem Baterlande Gefahr droht, in dem wüthenden Heer $.72 oder alle 
lährlich, wenn die wilde Jagd 8.73 aus dem Berge brauft. 


70. Ariegeriſcher Eharacter. 


Die kriegeriſchen Eigenſchaſten Odins überwogen auch dem Berfaßer 
der Heimskringla, der als Chrift die Götter gleih Saro hiſtoriſch aufs 
füßen und vermenſchlichen mufte. Wie dieſem Obin ein betrügerifcher 
Bauberer, fo ift er dem Snorri ein großer Heermann und Eroberer, der 
von Afien ausziehend den Dienft der Afen nach dem Norden brachte. 
Rad 6.178 beruht dieß auf falfher Etymologie, da in dem Namen ber 
Afen, deutſch Anfen, ein n ausgefallen ift, was jeden Bezug auf Afien 
abſchneidet. ‚Odin konnte auch machen‘, heißt es €. 6: ‚da feine Feinde 
in der Schlacht blind ober taub ober erſchredt wurden und ihre Waffen 
nit fhärfer verwundeten ald Ruthen; aber feine Mannen brangen ein 
ohne Banzer und waren wüthend wie Hunde ober Wölfe, bißen in ihre 
Schilde, waren ſtärler ald Bären oder Stiere: fie ſchlugen die Gegner zu 
Boden; ihnen aber ſchadete weder Feuer noch Eiſen. Dieß wurde Ber- 
ferlögang genannt.” 

Unmittelbaren Antheil nahm Dpin nit felten an den Schlachten 
der Menfchen. Er ift wohl der Gott, quem adesse bellantibus credunt. 
Tac.Germ. 7. Als er den Hadding in ber keilförmigen Schlachtordnung 
unterwiefen hatte, ftellte er ſich hinter die Reihen, z0g eine Armbruft 
hervor, die erft ganz Hein ſchien, aber gejpannt wuchs, legte zehn Pfeile 
mgleihy auf die Sehne und erlegte damit eben fo viel Feinde. Saro 17. 
Dem menſchlich aufgefaßten Balder $. 35 kämpft er mit Thoro und an 
dern Göttern zur Seite. Welchen Untheil er an der Brawallaſchlacht 
mahın, ift oben berichtet; in Hrolf Kralis legtem Kampf leiftete er den 

Gimred, Mypolegie. 14 


210 u Dueiaa. Aampfanit. 8.70. 


Schweden auf weißem Roſs und mit weißem Schilde bevedt Beiſtand; 
doch wird er dem Biarki erſt ſichtbar, als dieſer nach Rutas Rath durch 
den Armring ſchaut, Saxo 37, was ſich der deutſchen Schulterblattſchau 
(Myth. 891. geitſcht. V, 536) vergleicht, die geiſterſichtig mad. 

Bei dem Fall der Söhne Jonakurs erſchien Odin im Schlachtgewuhl, 
Saro VII, 154—57 nennt ihn außbrüdlih ; die entſprechende Etelle wer 
Böll. S. führt ihn wie gewöhnlih als einäugigen Grels ein: fo bleibt 
fein Zweifel, wer in Hambismal 13.26 der in ver Brünne geborgene 
Hohe Berather ift, der Jormunrels Kampfern zuruft: 

Schleudert Steine, wenn Geſchoße nicht haften 

Noch ſcharfe Schwerter, anf Jonalurs Söhne. 
Was ift Odin hier ander als die in ber Schlacht entbrennende Kampf ⸗ 
wuth, die, ein unſichtbarer aber ſchredlicher Widerſacher, mit unfcheinbaren 
Waffen ein großes Blutbad anrichtet, und was den Schwertern und Epe- 
en nicht fallen will, mit Steinen zu Boden fhmettert ? So werben auch 
die nächften Zeugnifje zeigen, daß ed nur ber eigene kriegeriſche Sinn 
war, den die Germanen in Odin anſchauten. Dieſer Sinn lebte vor 
nämlid unter den Edeln und Fürften: Bauern und Knechte, welchen der 
Aderbau überlaßen blieb, konnten dem Ariege nicht geneigt fein, ber ihre 
Saaten zertrat, ihr Vieh ſchlachtete, ihre Gepöfte in Flammen aufgehen 
ließ. So laßen fi die Worte Harbarbsl. 24 verſtehen: 

Odin hat die Fürften, die im Kampfe fallen, 

Thor hat der Thräle (Knechte) Geſchlecht. 

Gin eigener Himmel Thoͤrs ift fo wenig bezeugt, als daß der freie 
nordifhe Bauer oder der Knecht, der als Waflenträger feines Herm in 
der Schlacht fällt, nicht zu Odin fomme. Freilih nur wenn er im Ge 
folge feines Herrn nad Walhall fährt, geht ihm Odin entgegen, Baur 
trelsſ. 8. Aber diefelbe Etelle des Harbardsliedes fagt aus, daß es Odin 
if, der die Fürften verfeindet und dem Frieden wehrt. 
Als Zwietrachtſtifter erfceint er auch Helgalw. H. I, 32, wo ſich Dag 
bei der Schwefter, der er den Gemahl erſchlagen hat, mit ven Morten 
entfhulbigt : 

Odin allein if Schuld an dem Unheil, 

Der zwifcgen Verwandte Zwiftrunen warf. 
Nicht als ob Odin den Brud der Sippe wollen könnte, nur fo weit der 
Krieg von der Gitte geboten wird, fteht ihm Odin vor: den tibernatirs 


un. Wastan, Elntrage. 211 


lien, welder Verwandte gegen Verwandte führt, haben wir oben ©. 126 
nach der im Norden feit der Wölufpa herſchend gemworbenen, allerbings 
üngern Anfiht, als Tyrs Werk erlannt. Allein Dag hatte dem Odin 
für Vaterrache geopfert: den Water an Helgi zu raͤchen, gebot ihm die 
dringendſie Pflicht, die Ausnahmen fo wenig erleidet als Aufichub (9.34), 
und fo war es auch bier noch ber ber Blutrache ergebene germaniſche 
Gein felbR, der in Odin angeſchaut zwiſchen Schwägern blutige Entzweiung 
gefät hatte. 


A. ufterfcheinungen. 


Auf Odin als NKriegägott ift aud die unter dem Namen des wir 
thenden Heeres befannte Lufterfheinung ſtreitender oder zum Kampf 
aujiehender Krieger bezogen, obgleih ihr ſowohl ald der verwandten 
wilden Jagd der dahinbraufende Sturmwind urfprünglid zu Grunde 
Ing. Wie Krieg und Jagd, die beiden Hauptbefhäftigungen edler Ger⸗ 
manen, fo fcheinen aud müthendes Heer und milde Jagd verfchieden, 
Die wilde Jagd ift mehr norddeutſcher Blaube ; das wuthende Heer mehr 
füpdeutiger. Die Ehilderungen der wilden Jagd find graufenhafter als 
die von dem wuthenden Heer, deren Breuel erſt in ber Zukunft liegen, 
Beive hatten aber in dem empörten Quftelement, von dem Obin ausgieng, 
einen gemeinfamen Anlaß: der Volksglaube war wohl berechtigt, fie ins 
einander fließen zu Iafen. Ihnen verbindet fid aber ein drittes: Bötter 
in diefen Gtürmen zu ſehen, mar ihre befruchtende Kraft ſchon Anlaß 
genug ; dazu fielen fie meilt in altheilige Beiten, wo fegnende Gott» 
heiten ihren Ums und Ginzug hielten und von dem erwartenden 
Bolt mit Opfergaben empfangen wurben. Daher zieht nicht Wuotan al ⸗ 
kein an der Gpige der wilden Jagd, es find auch andere Gottheiten, vor ⸗ 
namlich weibliche, die als Berlörperung jener Stürme Bäumen und Früch⸗ 
ten des Feldes Gegen fpenbeten, denn wo ber heilige Bug vorüberfuhr, 
da ſqwollen die Saaten üppiger, ober wo fie den Weg durch eine Scheune 
nahmen, mehrte ſich der Reichthum in den Garben. Zeitſchr. f.d. A. VII, 


386. Es bebeutet ein gutes Jahr, wenn man das Muteöheer recht faufen . 


und braufen bört, und kommt es recht zeitig im Fruhling, fo wird 
bald alles grün. Meier I, 114. 129. 131. 139. Wenn das Nodert- 
weibdhen ſich ſehen läht, giebt es Heu und Frucht in Hülle und Fülle, 
Baader 158. Ws ein wohltpätiges Weien erihien auch der Gott, als. 


212 Wustan. Entfehung. & 71 


er den erfchredten Holzdieben zurief: ‚Was macht ihr bier? die Nacht iR 
mein und der Tag ift euer.‘ Wird dech fogar jenes Eaufen und Brau 
fen hier und da als ein entzüdenber Gefang gefhilvert. An viefe ein 
ziehenden fegnenden Götter erinnert noch der in Tours erſcheinende Wagen 
des Königs Hugo (Capet), der einen heidniſchen Götterwagen, fei es nun 
Freyts, Thors oder Odins vertritt. 

In chriſtlicher Zeit konnte ſich dieß nicht in alter Würde behaupten; 
nur wenige Erinnerungen daran bewahrt der Vollsglaube einzelner Land: 
ftrihe: mo fie nicht als Helden mwiebergeboren wurden, die dem Rolle 
lieb den Eifer der hriftlichen Priefter nicht herausforberten, erſcheinen die 
Götter in Gefpenfter, Teufel und Heren verkehrt, denn obwohl die weib⸗ 
lichen Gottheiten am glimpflichften behanvelt wurben, fehen wir doch auch 
fie auß holven in unholde gewandelt und durch langen Schwanz bei ſchö⸗ 
nem Angeſicht entftellt. Schon bie alten Gottheiten hatten einen Bezug 
auf die Welt der Todten: nicht nur bie Einherier fuhren in Wuotans 
Geleit, auch bei Frouwa, Berta und Holla weilten die Seelen ungeborner 
Kinder, und früh geftorbene kehrten zu ihnen zurüd; das Chriftenthum 
machte fie zu ungetauften und gefellte ihnen alle Schreden der Hölle. 
Da fah man bekannte Trunfenbolde und Selbſtmörder in gräfsliher Ber 
ftümmelung, Reiter ohne Kopf ober den Kopf unterm Arm, ober das 
Gefiht im Naden figend; andere waren quer auf ben Sattel gebunden; 
die Pferbe kohlſchwatz, dem Schimmel Wuotans unähnlid, oft breibeinig 
ſtatt adtfüßig, mit flammenden Augen, ‚vie Nüftern funtenfprühend ; den 
Hunden hiengen glühende Zungen lechzend auß dem Hals; der ganze Zug, 
wie er aus ber Hölle hervorbraufte und dahin zurüdtehrte, felbit einzelne 
Höllenftrafen vor die Augen führte, ſchien zur Pein der mehr gejagten 
als jagenden Geifter bejtimmt, den Menſchen aber zum Schreden, ja zum 
BVerberben, denn fobald fie den haarſträubenden Saus in den Lüften 
vernahmen, dad Wiehern und Schnauben der Pferde, der gebeten Hunde 
Bellen, der Peitfhen Knallen und der ‚fatfenden’ Jäger Huhu, Halle, 
‚Hoto ! werfen fie ſich mit dem Gefiht auf die Erde und laßen den toben» 
den Geifteriäwarm vorüberbraufen, vor dem etwa nur das Areugjeihen 

ſchuht oder die Mitte des Wegs (Myth. 876); auf dem Felde betroffen 
muß man unter die Egge kriechen (Myth. 961), auf dem Hofe den Kopf 
in bie Speichen eines Wagenrabed fteden, denn leicht würde man fonft 
ergriffen und meilenweit mit fortgeführt: auf. abflürzigem Felſen fände 
man fi) wieder oder in unbelanntem Lande und möchte fi erft nach 


er. Wustan. Yerwünfhung. 218 


Jahren in bie Heimat zurädbetteln. Zu dieſem SHöllenaufzug kommt die 
Ausſage der geipenftiichen Reiter, daß fie Berbammte feien, die zur Strafe 
diefe Marter erleiden: weil fie gewünſcht haben, ewig jagen zu 
dürfen, find fie verwünfht worden ewig jagen zu müßen. 
Doch begegnen auch freundliche, noch aus dem Heidenthum vererbte Züge: 
geringe Dienfte belohnen fie reichlich ; das Band, woran ein Bauer dem 
milden Jäger die Hunde gehalten hatte, bringt ihm Gegen, fo lange er 
& befipt; für Hufeiſen giebt er Ducaten; die Späne von Berdtas 
Bogen verwandeln fi in Gold; ſelbſt der Schug, melden das Ader 
geräth gewährt, weiſt auf die alten, dem Landbau holden Götter. 

Jenes dritte (S. 211), der Umzug der Götter, wird nod; beim 
Gottesvienft wieder ind Auge gefaßt werben; bier haben wir es zunädjft 
mit den beiden andern Auffaßungen diefer Lufterjeinungen zu thun. 


72. a. Wüthendes Heer. 


Wo in der Schlacht die Kampfwuth entbrannte, warb Obin fichtbar 
8.70; aber aud vor der Schlacht, ja felbft vor dem Kriege erfcheint er 
und ba bebeutet es dem Vollke den nahe bevorftehenden Ausbruch bes 
Krieges. Schon Heimskringla J, 10 meldet, Ddin laße ſich oft vor dem 
Beginn großer Kriege ſehen. ber felten naht er allein, wie FMS. XI; 
p.55—56, wo er in ber Nacht vor der Schlacht bei einem Schmiede eins 
lehrt, fein Roſs befchlagen zu lafen, womit man Zingerles Tor. S. Nr. 8 
vergleiche ; in Deutfchland zieht er gewöhnlich an der Spitze feiner Schar 
ten aus einem der Berge, in welchen er nach der Sage mit feinem ganzen 
‚Here verfunten ift; aber nicht mehr Obin wird genannt, fondern einer 
der'an feine Stelle getretenen Lieblingshelden des Volt, von deren Berge 
entrüdung ſchon oben $.53 die Rebe war. Ehe ein Krieg ausbricht, 
thut fi) der Openberg bei Gudens berg auf, Kaiſer Karl kommt her⸗ 
vor, fößt in fein Horn und zieht mit feinem ganzen Heer aus. DS. 26. 
3 beveutet Krieg, wenn Wöling (Wittelind) aus ber Babilonie reitet. 
Veh. Sagenb. 319. Vgl. Kuhn WE. I, 253. Nach Panzer 15 rührt 
fid) bei heranmahendem Kriege Kaiſer Friebrih im Unteräberg, Maffen« 
getöfe ſchallt aus der Höhle, Nitter und Knappen auf feurigen offen, 
in glühendem Panzer und mit flammenden Waffen burchflürmen bie Ge 
gend um Mitternacht. Cine Luftfpiegelung, die 1638 in Norddeutſchland 
gejehen wurde und ein Geegefecht barftellte, zeigte den Ginfall der Schwer 


214 Wnsten. Loderſteinet. «72 


den in Polen an, der bald darauf erfolgte. Abſeits fpazierte ein Mann 
von mehr als menfchlicher Länge in breitem Hut und langem Rod, ber 
ihm bis auf die Füße hieng. Hölliſcher Proteus 229. Grohmann (vgl. 
8.128) 31. Es bebeutet Krieg, wenn bie Unterbergsmanbeln ſich im 
Waffen zeigen; wenn man aus ber Köhle bed Berges Trommelſchall 
und Waffengetöfe hört, wird das Land von feindlichen Truppen über 
ſchwemmt. Bernaleten Alp. 65. Am Belannteften und nod Kürzlich wieder 
in den Zeitungen gemeldet ift ber Auszug des Rodenſteiners nach dem 
Sänellerts, der dem bed Nothenthalerd im Aargau gleicht. Myth. 892. 
DE. 169. ‚Wenn ein Krieg bevorfteht, zieht ber Robenfteiner von feinem 
gewöhnlichen Aufenthaltsort Schnellerts bei grauender Naht aus, be» 
gleitet von feinem Hausgeſind und ſchmetternden Trompeten. Cr fährt 
durch Heden und Gefträude, durh die Hofraithe und Scheune Simon 
Daums zu Oberkainsbach bis nad dem Rodenftein, flüchtet gleihfam, 
ala wolle er das Geinige in Sicherheit bringen. Man hat das Anarren 
der Wagen und ein Hoehoſchreien, die Pferde anzutreiben, ja felbft die 
eingelnen Worte gehört, die einherziehendem Kriegsvoll vom Anführer 
zugerufen werben unb womit ihm befohlen wird. Zeigen ſich Hoffnungen 
mum Frieden, dann kehrt er in gleichem Zuge vom Robenftein nach dem 
ESämellertö zurüd, dod in ruhiger Stille, und man kann dann gewifs 
fein, daß der Friede wirklich abgeſchloßen wird.“ Gigentlih if es wohl 
der Schnellertägeift (Wuotan), der nach dem Rodenftein zieht. Auch Gr 
läßt fi) fein Roſs beim Schmied beſchlagen (Wolf Beitr. 58), wie das 
eben von Din erwähnt wurde, und fo darf man auch an den Schmied 
Boldermann benfen, der nad Kuhn NS. 221 bei Kaifer Friedrich im 
Kiffhäufer figt. Wie der Schnellertägeift nad) dem Novenftein, fo gieht 
auch Kaifer Karl aus dem Odenberg in einen andern Berg. Was if der 
Zwed dieſes Auszugs? Sollten fie dem Baterlande in feiner Neth zu 
Hülfe eilen wollen? Wenn feindlihe Bölter den Rhein überfchreiten, zieht 
ihnen der Robenfteiner aus dem Schuellerts entgegen ; er lehrt wieber in 
den Berg zurüd, wenn ber Feind über den Rhein zurüdgegangen if. 
Anderwaͤrts jehen wir chriſiliche Befinnung ſich mit vaterländifcher mifchen. 
Bor der Schlacht von Rooſebeele hörte man Waffengellirr und Getöfe und 
Stimmen wie ftreitender Heere aus dem Goloberge bei Audenaerde ſchallen 
(Wolf Beitr. 60) und vor dem großen deutſchen Freiheitskriege das Mur 
teöheer mit Mufit und Trommeln über Blaubeuren binziehen, Meier 146. 
vgl, 153. Die große Stadt Kems in Baden ift mit zwei dpriflicen 


ET Waolen. Altes decer. 216 


Heeren verfunfen: bei beporſtehendem Krieg ertönt aus der Tiefe Trom ⸗ 
melſchlag und das Geläute ver Münftergloden. Einſt aber, wenn die 
Ehriften zu einem Meinen Häuflein zuſammengeſchmolzen den Jegten Ret⸗ 
tungötampf gegen die Ungläubigen wagen, kommen bie zwei Heere ihnen 
‚sw Hülfe und bauen den Feind in Stüde Nach dieſem gelangen fie 
zur ewigen Rube und die Chriften auf. Erden werben an Heiligkeit der 
erfien Gemeinde unter den Apoſteln ähnlidh. Baader 40. Unter dem 
badiſchen Schloß Hochberg figen zwölf Männer im Berge an einer Tafel 
oder fpielen mit goldenen Kegeln und Kugeln. Diefe zwölf Männer (die 
zoölf Afen) find in bie Burg verwünſcht; aber fie lommen, wenn Deutſch⸗ 
laud in der großen. Noth ift, wieder heraus und befreien e3 von feinen 
Feinden. Baader 67. vgl. 167. Auch Kaifer Heinrih, der im Sübemer 
Berge figt, wird wiederlehten, wenn Goslar einmal in großen Nöthen ift, 
Kuhn RS.108. Nah DES. 21 follen die im Schloße Gerolded im Was ⸗ 
gau fhlafenden uralten deutſchen Helden, worunter Witechind, der hürnen 
Giegfried und viele andere, wenn bie Deutfhen in den hödften 
Röthen und am Untergang fein werben, ihnen mit etlichen alten Vol⸗ 
lea zu Gülfe tommen. So werden aud) die drei Zelle, die Stifter des 
Säweizerbundes, auferftehen und aus ihrer Felslluſt reitend hervorgehen, 
wenn die Zeit der Noth fürs Baterland fommt. DE.297. 
Das mögen fpätere Deutungen fein; fiherer iſt es die Aufregung ber 
Gewäther, die dem Kriege vorbergeht, der wieder erwachte kriegeriſche 
Geiſt, die im ber geſpenſtigen Grideinung des Gottes und feines Heeres 
engeſchaut wird. 

Zuweilen findet ſich bie Meldung von kämpſenden Heeren, die in 
der Luft erſcheinen ohne die Deutung auf bevorſtehenden Krieg. Myth. 
892. Meier I, 123, In dieſem Mittelgliede ſcheint der Uebergang ger 
funden zu den gewöhnlichen Sagen von dem nädtlihen Umzug bes wür 
thenden Heeres, das auch Wuotunges, Wuotas und Muotas Heer 
heijt, Meier 1,127, aud das alte Heer, exercitus antiquus, in Spanien 
ercito antiguo. Sterben hieß in. Deutihland ‚ins alte Heer gehen‘, 
Roth. 893. Um fo fiherer ift an die Ginherier zu denken, mit weldhen 
Dpin auszieht, fei es mun in der Sache ber Götter beim Ichten Welt 
lampf oder um an einem Kriege der Menſchen Theil zu nehmen, ven er 
wigber heilegen Tarın, tie er ihn angefadht bat, denn in feinem Runen 
lede (Damamal 154) fagt er ſelber von ſich: 


216 Wusten. Wilder Fäger. en. 


Wo umter Helden Haber entbremut, 

Da mag ich ſchnell ihm fchlichten. 
Auch der tägliche Kampf ber Einherier vor Odins Gaal, nad welhem 
die Gefällten, wohl von Freyja oder ihren Walfüren erwedt, wieder er 
ſtehen, worauf fie zum Male heimreiten (Wafthr. 410), kann der Bor 
ftellung von dem müthenden Heere zu Grunde liegen. Gr wiederholt ſich 
in ber Erzählung D.65 von der Hebninge Kampf, die täglich erſchlagen 
werden; Nachts aber medt fie Hilde, an ihrem Halsband als Freyja er 
tennbar, zu neuem Kampf, unb auch biefer, der bis zur Götterbämmer 
rung fortwähren foll, ift Stalbft. 59 als Luſterſcheinung gedacht. An die 
Einherier in Asgard mahnt aud der Ausdruck aaskereia aud) hoskelreis, 
wie der gefpenftiihe Bug in einigen Gegenben heißt, wenn dieß nämlik 
aus Asgardreida zu beuten iſt. Myth. 893. 


. 73. b. Wilde Jaad . 

1. Das wüthende Heer, wenn es den Ausbruch eined Krieges an 
zeigte, erfhien zu unbeſtimmten Zeiten; andere ähnliche Grideinungen, 
bei melden die Vorftelung einer wilden Jagd waltet, kehren zu ber 
ſtimmten Jahreszeiten regelmäßig wieder. Ihnen feheinen nicht politiſche 
BVerhältniffe, die zufällige Lage des Reichs zu Grunde gelegt: fie begiehen ſich 
noch deutlicher auf jährlich wiederkehrende Naturerfheinungen, wobei 
fich jedoch fittlihe Vorftellungen einmiſchen. So foll in Schonen ein in 
Novembers und Decembernähten von Gecvögeln verurjachtes Geräufh 
‚Den agb’ heißen (Myth. 871). Gewoͤhnlicher, in Dentfhland na 
mentlih, ift e3 der in den Winternächten heufende Sturmwind, ver ald 
nädtlihe Jagd gewiſſer Gottheiten und Helden aufgefaßt wurde: die Zei⸗ 
ten, die hier genannt werben, find ‚Bartholomäi’ oder ‚die Fronſaſten vor 
Weihnadten‘, ober ‚die Zwölften‘, womit bie zwölf Nächte von Weib 
nachten bis Dreifönigentag gemeint find. Myth. 872,873. Nur Müllen« 
boff 301 wird die ber Winterfonnenwenbe entgegengefepte Beit Johannis 
genannt; aud der ſchweizeriſche Dürft jagt im den Sommernächten, 
Myth. 872. Viermal jagt der wilde Jäger im (hildesheimiſchen) Wold 
Die Jahreszeiten trennen fi) im Gewitterfampfe; fo fagt man vom erſten 
Gewitter im Früpling, der Sommer ſcheide fih jept vom Winter, der 
Sommer liefere vem Winter eine Schlacht. Seifart Hilvesh. 6. 1854, 175. 
Hiernad feinen aud die Herbft und Früblingönachtgleihen in Betracht 


ur. Westen. Hahelbärend. 217 


zu fommen, wo Gewitter ſich einmifhen: mithin fehen wir Wuotan als 
Gewittergott gedacht, worauf fein Name Wibhrir deuten wird. 

2. Unfere Nachrichten über dieſen Vollsglauben ftammen meift aus 
chriſtlicher Zeit: um fo bedeutender ift es, wenn die nod im Volle Ieben- 
den Ramen auf den heidniſchen Gott hinweifen, deſſen Wefen die Luft 
im Grunde lag, und der, wie in aller Hufregung, fo namentlich in dem 
empörten Glemente, in Wind und Gemwitterfturm waltete. Das war nun 
fon bei den angeführten Namen bes wüthenden Heeres ver Fall; nad 
medienburgifchen, pommerifhen und holfteinifhen Sagen zieht an ber 
Spige der wilden Jagd ber Wod, ber auch Woejäger, Wohljäger, 
Bauwau, Wau oder Au genannt wird; daß er in Schonen Oden heißt, 
iR ſchon angeführt; denfelben Namen führt er in Schweben. In Nieder 
ſachſen und Weſtfalen heißt er Hadelbärend, Hadelberg, Hadelblod, 
deren Bezug auf den manteltragenden Wuotan S. 92 fi unten ergeben 
wird. In Defterreich finden wir ihn Wotn genannt und wenn er bie 
ſaligen Sräufein verfolgt, Wut oder Wode. Aus einer männlichen Gott« 
heit Fro Woden, wo Fto Here bebeutete, feinen dann die weiblich ges 
dadıten Frau Bode, Frau Gode, Frau Gauden u. ſ. w. hervorge⸗ 
gangen: Frau Gauden finden wir in Medienburg, Frau Gode in der 
Briegnig der wilden Jagd voranziehen, wie anberwärtd Frid, Berta, 
Holle, Diana, Herodias oder Abundia, Hera und Herka, Kuhn NE. 483. 


519. Der Herodias entfpricht ein männlicher Herodes. Ganz allgemein " 


Wird der wilde Jäger von feinem weißen Hoffe ber Schimmelreiter ge: 
mannt, Der Berta entfprechend und wieder männlich gedacht, führt in 
Säwaben Berchtold die wilde Jagd an: weiß gefleibet, auf meißem 
Bierde, weiße Hunde am Strid, ſcheint fein Aufzug den Namen erläutern 
zu wollen. Bon Hadelbärend wird man am Harz auf Bernhard 
gelangt fein, und dieß mochte weiter auf Dietrid von Bern, Bern 
dietrich ober Dietrich Bernhard leiten, Namen die in der Lauſitz ober im 
Oilagau begegnen (Myth. 888. 889); in Böhmen heißt er Banadietrich, 
mährend in Geldern ‚Dert met dem Beer’ $.101 einftimmt. Doch haben 
auch andere Namen der Helvenfage Eingang gefunden: aus der nordiſchen 
rührt Balnatofe ber, der in Fühnen als Balnajäger (Myth. 897) erfcheint; 
aber auch die deutſche, lerlingiſche und brittijche fingen an; rein hiſtoriſche 
Rönige, von welden in Dänemark Chriſtian IL. das jüngfte Beifpiel if, 
treten feltener ein. Zu Eisleben und im Mansfelvifhen ſchreltet der ger 
treue Gdart gleihfam dem Zuge vorauf und heißt die Leute aus dem 


218 Waren. Hciekin. 7% 


Wege weichen, damit fie nicht Schaden nähmen, wie er nach ber Vorrede 
zum Heldenbuche auch warnend vor bem Venusberge fig. So reitet auch 
in Schwaben dem Muotasheere ein Mann voraus, welder suft: 
Ausm Weg, ausm Weg, 
Daß Niemand was geſchech! Bol. Kuhn WE. 360. 

Diefen Helden der deutſchen Sage dürfen wir Siegfried nicht beifügen, 
obgleih DS. 21 erzählt wird, daß er im Schloße Geroldek ‚zu gewiſſer 
Beit des Jahrs“ geliehen wird. In Frankreich ließ man Karl den 
Großen der Erſcheinung voraudreiten und Roland die Fahne tragen. 
Bei Wien heißt der wilde Jäger ſchlechtweg Karl, was nur nad Her 
zu bebeuten ſcheint. Sonſt figt bei uns der Kaifer, oft als Karl V. 
(Rarle Quintes) verjüngt, nur im hohlen Berge, obwohl ſchon der Zuruf, 
mit dem heſſiſche Mütter die Kinder ſchweigen: ‚Der Duinte kommt!’ 
beweilt, daß man ihn aud umfahrend (vgl. 6.213) dachte. Wirklich fol 
der Geift von Karolus Duintus den Waldſaum des heſſiſchen Openbergs 
im Galopp umreiten (Myth. 890. 92), und ba dieß an beftimmten Jah 
veßtagen geihieht, fo ift es ſchwerlich ein kiegverfündender Auszug. Dech 
ift zu beachten, daß König Artus in Frankreich und Schottland ala 
naͤchtlicher Jäger erſcheint, der auch bei und nad dem Wartburgkriege im 
hohlen Berge faß, und von dem die Britten die Wiederleht einer beßern 
Zeit und der alten Herrlichkeit ihres Volles erwarteten. Bon 8. Abel, 


der im Schleawigſchen jagt (Myth. 897), und R. Waldemar, ver ben 


Dänen zum wilden Jäger geworben ift (Myth. 895), ift mir micht ber 
lannt, daß fie im hohlen Berge jäßen. Hier Klingt der feige Waldemas 
au, ber nach der Wiltinaf. Cap. 235 (Hagen), wo er einen großen Bir 
fen» zu Tobe reitet, ein Dienftmann Jarl Yrans von Brandenburg ik. 
Auch darf an Jarl Irans Jäger Rordian erinnert werden. Der Rame 
Heleauin, den in Frankreich nicht ſowohl der wilde Jäger als der Au 
führer de3 wüthenden Heeres, des exercitus antiquus, führt, ſcheint zwar 
allerbing® mit bem Caroliquinti, der auch wohl in Alloquintus verberbt 
wird, zufainmenzuhängen ; da er aber ſchon in Gedichten des 13, Zah 
hunderts erjcheint, fo ift er wohl mit Grimm, Myth. 894, als eine Demi 
nution des deuiſchen Helle (Hel der Todesgättin) = Hellelin, aus bem 
ſich bonn fpäter erft Charlesquint bilvete, zu verftehen, wofür aud ber 
deutſche Name Helljäger, deſſen Hund wie Thedels Roſs glühenbe 
ohlen frikt (Ruhm RE. 310), angeführt werben lann. Doch darſte auh 
der aus Ghalfpeard Luſtigen Weibern belannte Jäger Gerne und der 


[x 5 Wusten. Herlethiug. 219 


Beitſcht. |. Myth. I, 378 auftauchende König Herla, der zum wilden Jäger 
geworben fein foll, in Betracht kommen. Sein Geleite wird das Kerle 
thing genannt. Gin Zwerg, ein Beherſcher des guten Volls, kundigte 
ihm einft an, der Franfenkönig wolle ihm feine Tochter zur Che geben; 
mgleik meldete er ſich ald Hochzeitsgaſt unter der Bedingung, daß nad 
Zahresfrik Herla auch feine Hochzeit beſuche. Beides geihah. Als der 
Konig wieder von dem Bwerge ſchied, gab dieſer ihm einen Schweißhund 
mit, der Einem aus dem Gefolge auf das Pferd gefept ward, mit bem 
Bebeuten, Keiner dürfe vom Pferde fteigen, bis der Hund herabſpringe. 
Als der König den Berg verlapend einen alten Hirten nach der Königin 
fragt, hört er, daß dieſe vor mehr als zwei hunbert Jahren geftorben 
fei. Einige feiner Gefährten fteigen ab und zerfallen in Staub; ben 
Uebrigen verbietet er abjufigen, bis ber Hund berabipringe. Der fipt 
aber noch und fo jagt König Herla mit feinem Zhing noch immer durch 
die Luft. Aus dieſem Herletbing will man nun Hellequin und Charles- 
quint erlären. Die Zranzofen kennen noch andere Namen ber wilden 
Jagd: in Perigorb heißt fie la chasse Herode, was mit ber Herodias, 
ber Tochter des Herodes ($. 109), zufammenhängt ; ob Hrodso, ber Beir 
name des Wodan, von Hröds Ruhm, in Betracht kommt, fieht dahin. 
In der Normandie heißt fie Chasse de Cain, in Blois Chasse machabde 
uf. Ginigemal treten Rieſen an die Etelle der Götter, mas wicht 
beftemden kam, da wir aus $. 7. 37 wißen, daß bie Götter unter den 
Riefen Vorbilder haben. Doch kann der Grönjette (Myth. 896) auf 
Odin Namen Grani weiſen; der fhweigeriihe Dürft den Zeufel ver 
treten ( Myth. 872), der aud bei der milden Jagd vielfah Wuotans 
Stelle einnimmt, wie ſchon der norwegifhe Guroryfie (Rieſe Guro) oder 
Reifarona mit ihrem langen Schwanz (Myib. 897) teufliſch verzerrt find. 
Andere Namen, wie der Hafjäger (Hehiäger), der Schimmelreiter, Junker 
Resten, Junker Jädele übergehe id; einige werden fpäter noch genannt 
verden. Die neueften Bertreter Wodans find der alte Schlippenbach, 
Aha NE. 63, und General Sparr ebd. 74 aus bes großen Kurfürken 
Beit, melden ſich nah Schwarz Urfpr. 25 unb Vollsgl. 14 zuleht noch 
gar der alte Frig zugefellt. 

8. Sehr verſchieden lauien die Angaben über dad Wild, welches 
ver wilde Jäger ih auserkoren hat. Wir erhalten Auskunft barüber 
Yard) die Sagen, nad welchen dem Berwegenen, der zum Gpeit in bas 
derdhalloh mithegend einftimmt, eine Wildkeule als Jagdantheil zuge · 


220 Yustan. Eberkepf. 8.78 


worfen ober an der Gtalltfüre aufgehängt wirb, wobei die Worte er» 
ſchallen: 

Willſt du mit mir jagen, 

So muſt du mit mir knagen! 
Da iſt es denn bald ein Ochſenviertel, bald ein Eber⸗ oder Pferdeſchinlen, 
bald eine Hirſch⸗ oder Rehleule, nicht felten aud eine Menſchenlende oder 
das Viertheil eines Moosweibleins. Wo es nidt zum Spott geſchah, 
wandelt fih die Keule wohl in Gold; im andern Falle verbreitet fie einen 
erftidenden Geftank, den man auf den Schwefelgerud; des Blihes bezogen 
bat. Da Pferde nicht jagdbar find, fo ſcheint die Grinnerung an heid⸗ 
niſche Opfermalzeiten, bei welchen Pferdefleiſch die beliebtefte Koft war, 
bier einzugreifen. Staͤrker ift ber Eher als Gegenftand ver nächtlichen 
Jagd begründet; nur durch ihm ift vielleicht der Hirſch in die Sage ges 
kommen, weil er wie der Eber einen Bezug auf Freyt (Fro) hat, den 
wir ſchon einmal an Ddins Stelle treten ſahen. Das Reh vertritt wohl 
nur den Hirſch. Alten Grund bat auch die Menfchenlenve, da wir fomobE 
mythiſche als menſchliche rauen von dem wilden Jäger verfolgt fehen. 
So bleiben und als Gegenftände der Jagd nur, wenige zu erwägen: 

8. Den Eber jagen ſchon die Ginberier, die ihn täglich ſchlachten; 
wir haben ihn oben ala ein Bild der Sonne gefaßt; aud Freyrs gold⸗ 
borfliger Eber Tann die Sonne mit ihren Stralen bebeuten. Die Sidin« 
giſche Cbernburg bei Kreuznad hat nad Rheinld. 238 ihren Ramen davon, 
daß der Burgherr bei einer Belagerung ſich der Kriegsliſt bediente, den 
legten Eber täglich zum Schlachten niederwerfen zu laßen bis ver durch 
das Schaufpiel getaͤuſchte Feind abzog, weil er bie Vefte auszuhungern 
verzweifelte (ogl. Müllenhoff ©. 79). - Ueber dem Thor des gleihnamigen 
Dörfhens ift der Eberkopf in Stein eingemauert; am Landgerihtähaufe 
zu Büdingen aber ein echter Eberkopf, und hier wird biefelbe Sage erzählt, 
die fonft an Halelbärend (Hadelmann, Hadelberg oder Bärends) haftet. 
Wie die Namen ſchwanken, fo geht aud die Sage in vielfahen Geftalten 
um. Das Weſentlichſte ift etwa, daß dem leidenſchaftlichen Waidmann 
träumte, er Lämpfe mit einem furchtbaren ‚Rämpen’ und unterfiege ihm. 
Bei der Jagd am andern Morgen wird ein mächtiger Keiler erlegt, fei 
es von Hadelbärend ſelbſt oder weil ihn der Traum gewarnt hatte, von 
feinem Jagdgefinde. Des Sieges froh ober ber überfianpnen Gefahr ftößt 
er mit dem Fuß nad dem Eber und ruft: ‚Run hau, wenn du kannft!! Da 
deingt ihm der feharfe Bahn des Thiers durd den Fuß, die Wunde ſchwiln 


8.78. Wustan. Edhr. 221 


der Gtiefel muß vom Bein geſchnitten werben ; aber die Hülfe kommt zu 
fpät, ein ſchneller Tod nimmt ihn dahin. Das ift mehr als Gage, es 
iſt Mothe; freilich in Odhins Mythus foweit wir ihn kennen nicht mehr 
nachweisbar. Und doc deutet felbft der Name, ber altſächſ. hakolberand 
lauten würde (altn. hökull Mantel, Rüftung), auf den Gott, den wir 
ſchon in der Brünne wie im Mantel lennen gelernt haben. Dazu tommt, daß 
bei Kuhn WS. 400 von Wode felbft erzählt wird was fonft von Hadel: 
berg und daß auch Hadelberg wie ſonſt Wuotan in feinen Verjüngungen im 
Berge figt, auf einem Schimmel (nad Kuhn NS. 182), ein Schwert in 
der Hand, wie aud König Dan fein Pferd gefattelt bei ſich haben wollte 
Muaãllenhoff 505); ferner daß er alle fieben Jahre einmal herumlommen 
fol Auhn NS. 236), weshalb er aud der Weltjäger heißt, d. h. ber das 
Weltall umjagende (Kuhn 390.503. Meier], 114), was mit andern fies 
benjährigen Friſten Erweiterung der fieben Wintermonate fein mag, 
woraus ſich die fieben Jahre, welde die Jagd dauert (Kuhn XXI), erklären, 
dann daß er auf dem Mofberg (= Ofberg, Ajenberg) begraben ift, wo aber 
Niemand das Grab zu finden weiß, wenn er nicht zufällig barauf ſtößt, 
und es aud dann Niemand zeigen kann, wobei nod gemeldet wird, Nies 
mand anderd dürfe da begraben werben, weil ber Hadelberg gejagt habe, 
den Moßberg wolle er für fi) behalten. Aber an vielen andern Orten 
wird doch Hadelbergs Grab gezeigt, und eben bie vielen Grabflätten 
deuten darauf, daß er ein mythiſches Weſen und als braunſchweigiſcher 
Oberjägermeifter oder hannöverfcher Haidereuter nur localifiert if. So 
wird aud Odins Grab nad) jüngern Sagen (Lex. Myth. 589) an ver 
ſchiedenen Drten gezeigt, und ebenſo Baldurs. Nun liegt nad ben Edden 
Baldurs Tod in der Vergangenheit, während Odins Fall erft am Ende 
der Zeiten eintreten fol; W. Müller alt. R. 257 deutet deshalb bie 
Sage auf Baldur, der wie Hadelberg beunruhigende Träume hatte; nur 
die Art des Todes fei verjhieden, da Baldur durch den Miftelfproß, Hadelr 
berg dur den Zahn des Ebers fterbe. Aber die Eddiſche Geftalt des 
Mythus von Ddin kann nidt maßgebend fein, da wir nicht wißen warn 
auf den Sohn übertragen warb was früher von dem Vater galt. Gelbft 
was die Edda von Odhr erzählt, um den Freyja goldene Thränen weint, 
läßt ſich auf Odin beziehen, deſſen beutiher Name Wuot = Odhr iſt. 
Bom DOphr fagt D. 35, er zog fort auf ferne Wege und Freyja weint 
ihm goldene Thränen nad. Sie ſcheint aber den verbuntelten Mythus 
nicht genauer zu lennen, da fie nicht weiß, wohin Odhr zog und wo er 


223 Wusien. Icorpien. 8.78. 


geblieben iR. Laͤßt man ihn wie Hadelbärend durch einen Cberzahn ſter⸗ 
ben, fo gleicht ſein Mythus auffallend dem won Venus und Adonis, wel⸗ 
chem ſich der agyptiſche von Dfiriß, der dem ald Eher erſcheinenden Typhon 
erlag, der phrygiſche von Attys, der auf der Cbetjagd getöbtet ward u. ſ. w. 
vergleichen laßen. Alle diefe Mythen weifen aber auf die Sommerſonnen ⸗ 
wende, und wir haben ſchon unter 1. gefehen, daß der wilde Jäger auch 
in den Johannianächten jagt. Auf diefe Zeit, wo die Sonne im Beihen 
des Krebſes angelangt wieder umlehtt, bezieht fih aber au der My« 
thus von Baldurs Tod. Auf eine andere Zeit, wo die Sonne im Zeichen 
des Scorpions (November) fteht, weift freilich der ſchon von Grimm 
verglichene griechiſche Mythus von dem riefigen Jäger Orion, ven Artemis 
liebte, nad) feinem Tode beitauerte und unter bie Sterne verfepte. Sie 
hatte dieſen Tod felber herbeigeführt, denn fie ließ einen Scorpion aus 
der Erde hervorgehen, ber Drion in ven Knoͤchel fiah und durch dieſen 
Stich töbtele: wenn fi nun das Zeichen des Scorpions am Himmel ers 
hebt, fintt Orion unter. ‚Das gemahnt‘, heißt es Myth. 991 ‚an Hadel 
bärend, defien Fuß vom Hauer des Ebers geftoden, feinen Tod 
verurſacht. Bu der in der Note zur Beftätigung beigebrachten Gage von 
Dieg, den eine Schlange ſtach, die aus dem Gerippe des Pferdes fuhr, 
von dem ihm geweißagt worden war, es würde ihn umbringen, womit 
man den Ausgang der Derwaroddsſage vergleiche (Menzel Odin 209), füge 
ich eine andere, die in den 700 nügliden Hiftorien ©. 21 erzählt wird: 
In Jtalien träumte ein Ungenannter, er würbe von einem marmornen 
Löwen, der in der Vorhalle der Kirche ftand, tödtlid verwundet werben. 
Um Morgen gieng er nad der Kirche mit einem Gefellen, dem er ben 
Traum erzählt hatte, ftedte dem fteinernen Löwen bie Hand fpottend im 
den Mund und ſprach: ‚Nun beiß, du gewaltiger Feind, und fo du kannſt, 
enwürge mic.‘ Kaum hatte er auägefprochen, fo warb er von einem 
Scorpion, der in des Löwen Mund verborgen war, geftohen und töbtlich 
verwundet. So bindet in der Orkneyinga Gaga Sigurd, der erfte Jarl, 
das. Haupt des erfhlagenen Schottenfürften an den Steigbügel; ein reis 
bender Zahn desſelben zieht feinem Fuß ein Geſchwulſt, ihm ſelber ven 
Tod zu. Auch Go8 wird neben der Artemis als Driond Geliebte genannt 
unb von biefer erzählt, daß fie jeden Morgen, bevor fie ihren Tageslauf 
begann, Thränen der Sehnſucht um ihn meinte, die wie Diamanten glängs 
ten. Diefe diamantenen Thränen find der Thau, und fo lagen fih auch 
Frepjas goldene Thränen deuten. Was von Artemis und Cos in Baug 


%. 78. Wusten. Vermählung. 228 


auf Orion erzählt wird, gehört zufammen, und wenn es von Kedalion, 
dem wunderbaren Kinde, heißt, daß ed auf Orions Schultern fige, fo fin: 
det ſich das bei Wate wieder, der feinen Sohn Wieland auf die Schultern 
hebt, um ihn durch ben Eund zu tragen, wie Thör den Derivandil durch 
die urmeltlihen Eisftröme. Nun fällt aber Wate, dem wieder Chriftopho: 
rus nahe ſteht, fon dem Namen nad) mit Wuotan zufammen, ber wie 
Orion auf dem Meere wandelt. Man fieht wie fi Odin und Thör als 
Gewittergötter aud) in den Mythen berühren. Die Bergleihung mit den 
Mythen der urverwanbten Bölter zeigt und überall den Tod ober bie 
Flucht des Gottes der jhönen Jahreszeit, den feine Gemahlin oder Ge: 
liebte betrauert. Wo mir aljo die ©. 241 genannten Frauen an bet 
Spitze der wilden Jagd finden, da haben mir am die hier beſprochenen 
Mythen zu denlen. 

b. Nicht felten verfolgt aber der wilde Jäger Frauen: fo ſchon tm 
Eggenlied Zafold, den wir als Sturmgott kennen, ‚dad wilde vrewelin’ 
(Zafberg 189); in ‚Ehels Hofbaltung’ der Wunderer Frau Selde. Bel 
Boccaz V, 8 wird e3 als Strafe weiblicher Grauſamkeit gewendet. Aehn ⸗ 
lich warb von confeflieneller Bolemit oder fhon früher von fittlicher Ente 
raſtung auf Pfafjenfrauen bezogen was die bairijhe Sage von den Holy 
mweiblein, die thüringifhe von den Moosfräulein oder Lohjungfern, die 
ſchleſiſche von den Rüttelmeibchen zu erzählen wuſte, welchen der wilde 
Yäger nachſtellte, Myth. 88I—82 8.160. So verfolgt der Grönjette S. 219 
(RM. 896) feit fieben Jahren die Meerfrau und erlegt fie auf Zalfter. 
Sind die Holzweiblein, Waldfrauen und Lohjungfern bier den Dtdaden 
ober nordiſchen Iwidien vergleihbar, deren Leben an Bäumen hängt, 
welche der als Sturm gedachte Jäger knidt und entwurzelt? Bei Panzer 
L. o. läßt man ihnen aud an Fruchtfeldern und Flachsadern Opferbüfchel 
Reben. Beßer fieht man mit Kuhn NS. 489 in den Berfolgten Wuotand 
Gemahlin oder Beliebte: in die Zwölften falle feine ftürmifhe Brautwer⸗ 
bung ; in den Frühling darauf die Feier ihrer Vermaͤhlung. Diefer Deu: 
tung dienen die Voltögebräude zu ftarker Stüge. Die ganze Zeit von 
jenen erften Zwölften im Mittwinter bis zu dem andern wölften im Mat 
(1.—12.), wo bie Hochzeit des göttlichen Paares gefeiert wird, fällt aber 
in bie fommerlihe Yahreshälite, wo das Licht im Steigen begriffen ift; 
Re ſchließt, wenn es den Höhepunkt erreicht hat, zu Johannis mit dem 
Tode oder ber Flucht des Gottes. Für die Abnahme desſelben, die andre 
dunffere Hälfte des Jahres, forbert man alfo den umgelehrten Myihus, 


224 Wustan. Odhins Flag. . 78. 


wo der Gott flöhe von der Göttin verfolgt. Und wirklich fanden wir fo 
eben in der Ophurfage einen folhen Mythus, denn hier fahen wir Freyja 
(oder Herodias) ihrem entfhwundenen Geliebten nachziehen und feinen 
Verluſt befeufzen. Wie bier der Mythus vom Gral feinen Urfprung 
nimmt |. $. 76. 

©. Auch Rinder feinen ala Gegenftand der nächtlichen Jagd gedacht 
Nah Wolf NE. 259 befteht der Jagbantheil des mithegenden Bauern 
in dem Hinterviertel eines Ochfen. Der norwegiſche Vollsglaube läßt Frau 
Hulda bei rauhem Wetter ganze Heerden ſchwatzgrauer Kühe und Schafe 
in die Wälder treiben, offenbar vom Wind gejagte Regenwolten. Ladım. 
Sagenbibl. 274. Diefe Deutung paſst aud auf bie ‚Rabenfdhwarzen 
Rinder‘ der Thrymslw. 25. Nah Kuhn NE. p. 276 lieg man im Hell⸗ 
haus,‘ wo früher der wilde Jäger gewohnt haben fol, alle Jahr um 
Chriftabend eine Kuh heraus, die ſobald fie draußen mar, verſchwand; 
welche Kuh das aber fein follte, wufte man voraus, denn die, welche an 
der Reihe war, vernahm ſich zufehends und. war bis zum Chriftabend 
die fettefte im ganzen Stall. Das ift offenbar ein Opfer; aber aud als 
ſolches lann es, da es dem wilden Jäger gebracht wird, über deſſen Jagd- 
tbiere aufllären. Kuhn hat nun Zeitfr. VI, 117 ff. duch die Ber 
gleihung mit den Kühen des Indra, melde die Panis aus dem Götter 
himmel rauben, womit die Entführung der von Apollo geweibeten Götter⸗ 
tühe durch Hermeiad, fo wie bie Sagen vom Heralled und Geryones, 
Hercules und Cacus ftimmen, die Bermuthung begründet, daß dieſe Kühe 
die Wollen bedeuten, wonach der ganze Mythus auf der Naturerfcheinung 
der auf Meer und Sümpfen ruhenden Nebel beruhen muß, welche vom 
Winde ald Wollen fortgetrieben werben, worauf dann das Sonnenlicht ber 
Erde wiedergeſchenkt wird. Ein Kampf zwiſchen Sommer und Winter 
Tiegt alfo auch diefen Mythenbildungen wieder zu Grunde, 

d. Nah den Thieren, welche Gegenftand ver Jagd find, betrade 
ten wir billig au die Hunde, mit welchen gejagt wird. Gewöhnlid find 
deren zwei, welche uns an Odins Wölfe erinnern, die feine Jagdhunde 
heißen. Oft wird nur Giner genannt, dagegen fteigt auch die Zahl bis 
24. Da fie wie anderwärt die Winde (Myth. 602) mit Mehl gefättigt 
werben (Btibr. V, 373), weshalb fie auch den Brotteig verzehren (Mül- 
lenhoff S. 372), fo kann um fo weniger Zweifel fein, daß fie die Winde 
bebeuten, als die Hunde Winde, Winbhunde heißen. A. M. ſcheint 
Kuhn BE. 6. 


$ 73. Wustan. Kods. Kelhaus. 225 


Bon dem obenerwähnten Helhaus wirb ferner erzählt: als man einft 
"am Chriftabend nach Sonnenuntergang die Thore zu fließen vergaß, und 
num der Heljäger darüber fortzog, lief Einer feiner Hunde hinein, legte 
ſich unter die Bank am Heerd und war durch nichts fortzubringen. „Hier 
bat er ein ganzes Jahr gelegen und hat nichts geſreßen; nur alle Morgen 
hat er die Aſche vom Heerde abgeledt. Als aber das Jahr umgemefen 
und die Zmölften wieder da waren, da hat man, als ber Heljäger vor⸗ 
überzog, das Thor aufgemacht, und ba hat er den Hund wieder mitge⸗ 
noramen.’ Diejelbe Sage begegnet an vielen andern Orten: bei Müllenhoff 
©. 372 wird fie von Wode erzählt; vgl. Myth. 873, wo fie von Hadels 
berg berichtet wird, und Zeitfhrift für Myth. I, 100 ff., wo der Jäger 
Rods oder Herodis und der Hund Aulle heißt. Vgl. aud Kuhn WE. 1,3, 
7. 8. Ueber den Namen S. 6. Wie die Hunde Winde heißen, fo bes 
deutet hier der zurüdgebliebene Hunb den Wind, der auf dem Heerde, 
ımter dem Schornftein das ganze Jahr über fein Wefen treibt. Wie der 
Bode bei Müll. 24 Hunde, fo hat Frau Gaude 24 Hündinnen: mo fie 
eine Hausthür offen findet, da fendet fie eine Hündin hinein, die nun das 
Jahr über liegen bleibt. Sie fügt zwar Niemand ein Leid zu, ftört aber 
doc durch Gewinſel die nächtliche Ruhe. Nur wenn man den Hund tödtet, 
bringt er Krankheit und Sterben über Menfchen und Vieh und Feuerd: 
gefahr über das Haus. Dit ſcheint es als geſchaͤhe die Einfehr des Hundes 
nur zur Rüge verfäumter hausväterliher Sorge: erſt wenn fie nicht ges 
duldig hingenommen wirb, treten härtere Strafen ein. Aud andere Uebel 
verhängt jo der wilde Jäger nur auf Jahresfriſt: die Art, die er eingehadt 
bat, auf dem Rüden des Spielmanns, wo fie zum Budel wird, holt er 
im nädjften Jahre wieder, und wo er ‚ein Spätlein’ zugeftrihen hat, d. h. 
ein Augenlicht ausgeblaſen, da ſtreicht er es im folgenden Jahr wieber 
auf. Kuhn 69. Meyer I, 132. 136. 138. Sommer 49. So ftraften die 
Fronfaftenweiber den Neugierigen, der, fie vorbeireiten zu fehen, unter ber 
Linde hinter der Kirche ftand, indem fie einen Nagel in den Pfoſten 
ſchlugen, d. h. dem Neugierigen in den Kopf; aber in der näcften Fron⸗ 
faſtennacht zogen fie ihn wieder heraus, Baader 43. Die einjährige Friſt 
iſt zu oft bezeugt als daß wir fie bezweifeln dürften; aber allerdings follte 
man, da der Weltjäger alle fieben Jahre herumlommt (S. 241), eine ſieben⸗ 


jährige erwarten, wie fie Baader Nr. 424 und S. 359 wirklich erſcheint. 


©. Die Sage vom ewigen Juben iſt aus der vom milden Jäger 


entfprungen. Nach F. Meier? Schw. S. I, 116 glaubt man in Röthen: 
Giuned, Mythologie. 15 


226 Wusten. Eniger Aude. 8.78 


burg und fonft, aud im badifhen Schwarzwald, daß ber ‚ewige Jäger’ 
diefelbe Perfon fei wie der ‚ewige Zube‘, und gebraudt beide Bejeich⸗ 
nungen als gleihbebeutend. In einem Walde bei Bretten fpult der ewige 
Zube. Bon diefem fagt man auch fonft, daß er ſtaͤts einen Grofchen in 
der Taſche habe, und der gebe ihm nicht aus wie oft er ihn aud aus: 
gebe. Nah Kuhn NS. 451 richtete man ehemals in Verglichen Sonn⸗ 
abend Abends die Eggen auf dem Felde mit den Spihen gegen einander, 
damit fih der ewige Jude darauf ruhen könne. 6. auch WS. II, 32. 
Bol. ob. S. 212. Nach Müullenhoff S. 547, vgl. 160, ruht der Wan: 
derjude nur am Weihnadhtabend aus, wenn er dann noch auf dem Felde 
einen Pflug findet: darauf allein darf er fi fegen. Aehnliches wird 
Kuhn NS. 71 von dem wilden Jäger erzählt, und da jener fih immer 
erneuernde Grofhen zu den Wunfchbingen gehört, die auf Wuotan 
zurüdweifen (S. 223), der aud im ewigen Jäger fortlebt, fo haben wir 
hier mehr als ein Beugnif für das Bufammenfallen beider mythiſchen Ges 
falten. Ferner wird bei Kuhn a. a. D. 499 aus Hahnenllee am Harz 
berichtet: ‚Alle fieben Jahre zieht der wilde Jäger über bie fieben 
Vergftäbte; andere wollen ihn öfter gehört haben; Wem er aber begegnet, 
der muß fid) wohl hüten, ihm nachzurufen, fonft geht es ihm ſchlecht. Der 
wilde Jäger hat naͤmlich unfern Herm Jefus aus einem Fluße, wo er 
feinen Durft ſtillen wollte, nicht trinken lagen; aud von einer Biehtränte 
bat er ihn fortgejagt: aus einer Pferdetrappe, wo fih Waßer ge 
fammelt, hat er gemeint, könne er trinken, und dafür muß er nun ewig 
‚wandern‘ und jagen und fi von Pferdefleifh naͤhren, und wer ihm nach ⸗ 
zuft, dem bringt er etwas Pferbefleifh und er muß auch davon efen.’ 
Die hier angegebene Urſache der Verdammung zu ewigem Wandern und 
Jagen ftatt der gewöhnlichen ‚weil fie gewünfcht haben ewig jagen zu dürfen‘ 
fieht der ähnlich genug, um melde Ahasver ewig wandern muß. Aus 
der chriſtlichen Geftaltung der Sage vom ewigen Juden kann fie aber 
nicht abgeleitet werden, da die Beziehung auf die altdeutſchen Pferdes 
opfer, die fon in der Pferbetrappe enthalten ift (denn aus Rofähufen 
wird bei Herenmalzeiten getrunten, Baader 32), ſich dann nicht erllären 
ließe. Wie hier nod fein Jude, fondern ein Jäger zu ewigem Wandern 
verdammt wird, fo fpielt die Sage auch nod in Deutſchland, wo aber 
Chriftus mit Petrus ober Giner von beiden allein in unzähligen Sagen 
eriheinen; wir wißen aus Myth. Borr. 36, daß fie an die Stelle der 
wanbernden Götter getreten find. Der erfte Anfang ber Ghriflianifierung 


ET. Wusten. Drei Wanderer. 27 


einer heidniſchen Sage war hiermit ſchon gegeben. Wirb man nicht weiter 
gegangen fein und dad Local nad Baläftina verlegt haben? Dann muſte 
natürlich auch die Pferdetrappe wegfallen; die Anknüpfung an Chrifti 
Leiden bot fih von felber dar. Ueber den auf den ewigen Juden über 
tragenen großen Schuh Widars, der ihn dann zum Schufter machte |. $.46 
6.142. Auch der Name Buttadeus, den der ewige Jude bei Liberius Praxis 
Alchymiae p. 291 und bei Bullenger hist. sui temporis führt, deutet auf 
Odin. Rochholz I, 307 bemerkt, der Mittwoch fei im Sanskrit nad 
Buddha wie bei und nad Wodan (Goban) benannt. Bl. Ziſchr. f. 
Myth. I, 432 — 36. Leopr. 60. 


74. Odin ald Wanderer, Himmels: und Geftirngott. 


Der wandernde Jube leitet und hinüber zu den Wanderungen Obins 
im Himmel und auf Erden. Bon ben lehtern war oben bei feinem Bei: 
namen Gangradr, Gangleri u.-f. w. bie Rede; au haben mir ihn ſchon 
ob. 6. 72 mit andern Göttern feiner Trilogie auf Erden wandernd ger 
troffen. Es ift der deutſchen Mythologie mit der indiſchen, ja mit der 
far aller Bölter gemein, daß die Götter auf die Erde herabfteigen, daß 
Leben und die Sitten der Menfchen, beſonders in Bezug auf die Heilig: 
haltung des Gaſtrechts, zu prüfen. Die Götter wandeln, wie Mahavöh 
in Goethes Gott und die Bajadere ‚leibli und unerkannt‘ auf Erden und 
fehren bei Sterblichen ein: ‚darin liegt die erhabenfte Heifigung ver Gaft« 
freundfchaft; der Menſch wird Scheu tragen, einen Fremden abzumeifen, 
unter deſſen Geftalt ihn ein Gott befucht haben kann.“ Myth. Borr, 34. 
Im unzähligen deutfhen Märchen tritt Chriftus mit feinen Apofteln an 
die Stelle diefer wandernden Götter, oft auch der Heiland mit Petrus 
oder @iner von beiden allein. Zwei Götter wandern auch in der [hönen 
Sage von Philemon und Baucis; aber drei Männer, d. h. wohl der 
‚Gere mit zwei Engeln, kehren bei Abraham ein, Gen. 18. In der Edda 
wandert die Trilogie Odin Soli Hoenir wie bei den Griedhen Her⸗ 
med Zeus Bofeidon, bei den Finnen Wäinamoinen Ilmarinen Lem: 
minfainen. Wo ein Gott allein dieſe Wanderung antritt, da ift er 
wohl als der höchfte gedacht, der ſich in jener Trilogie nur verdreifacht. 
So fehen wir Odin bei dem Schmiebe einfehren oder als Grimnir bei 
Geirrodhr, weil Frigg feinen Liebling der Ungaftlichleit beſchuldigt hat; 
fo wandert bei ben Indiern Brahma oder Wiſchnu, bei den Litthauern 


228 Wusten. Wandernde Götter. 1 


Perkunos. So wird aud) der Gott, ber im eddiſchen Rigsmal die grünen 
Wege ber Erbe wandert, und die menſchlichen Stände gründet, einft ber 
hochſte geweſen fein; das Lieb nennt ihn aber Rigr oder Heimdal, ber 
fonft für Odins Sohn gilt, und fo läßt eine phädriſche Fabel den Götter 
boten, den Gott der Wege und Gtraßen, bei Gterblihen übernadten: 
Grimm a. a. D. Aber au am Himmel wandert Odin: wir finden va 
feine Straße, feinen Wagen; daneben irbifche Abbilver dieſer himm⸗ 
liſchen Wege, geipenftige Erſcheinungen feines Wagens auf Erden. Freilich 
ift aud hier ein Theil feines Weſens auf feine Söhne übergegangen, auf 
Heimdal und Ihör, wenn dieſe nicht ältere Götter find. 

Nach Meier 137 geht der Zug de3 wilden Heers über die Wild 
ftraße bin; diefe wird auch nad dem wilden Jäger genannt; den Dänen 
heißt fie Waldemarsweg, und Waldemar fanden wir ſchon als wilden 
Jager. Rach Erich, deſſen Bruder Abel wir gleichfalls ald wilden Jäger 
tennen, find auf Erden große Heer: und Kriegsſtraßen benannt; der neue 
König, der das Neid übernahm, mufte in Schweden die Erichsgaße reiten. 
Erich fällt aber zufammen mit Jring, Rigr oder Heimdal ($. 89), und 
nad Jring heißt wieder die Milchſtraße, wie Nigr die grünen Wege ver 
Erde wandelt und Heimdal ben Regenbogen zum Symbol hat, die Brüde ver 
Aſen (Asbrü), welde ihr Name Bif:röft (bebende Raft oder Meile) ald 
Straße bezeichnet. So ift für England eine Jrminftraße (Myth. 330) 
bezeugt, welche das Land von Süden nad) Norden durchzog, und ba ber 
Himmelöwagen Jrmineswagen (M. 329) heißt, fo muß auh die Him⸗ 
melßftraße, bie diefer Wagen befuhr, Jıminftraße geheipen haben, wobei 
die innigen Beziehungen, die fi für Jring und Jrmin aus der Helden 
fage ergeben, in Betradht tommen. Auch bie andere der vier engliſchen 
Hauptitraßen, Vaetlingastraet, ift zugleih am Himmel nachgewieſen: wir 
ſehen alſo, daß fih die Straßen am Himmel und auf Erden 
entijprehen. Kuhn NS. 428 berichtet, der Heljäger jage in den 
Zwölften auf der Erde; zu anderer Zeit durch die Luft, d. h. wohl am 
Himmel über die Milchftraße hin, nach der obigen Meldung bei Meier. 
Vol. Biel, I, 190. Auf Erden zieht er belanntli immer dieſelbe Straße, 
und aud dieſe finden wir Heerftraße benannt (Meier 138. 9), bei 
Honnej Hölweg, fo daß man bie weſtfäliſchen und heffihen Helwege 
(Myth. 762) hierherziehen darf. Da nun aud der Himmelswagen Hel⸗ 
wagen (ebd.) heißt, jo muß die Himmelsftraße, die er befährt, Helweg 
geheißen haben, und fo heißt fie wirklich noch nad) Woefle 41 in der 





8.74 Duciau. Kariswagen. 29 


Graſſchaft Mar, vgh Kuhn WS. II, 85; doch fheint Brynhildens Helweg 
( R. Edda 223) auf oder unter der Erbe gedacht. Ausdrüdlich bezeugt finden 
wirt zwar einen Wuotanswagen, der auch Rarlöwagen heißt (Myth. 138); aber 
Wuotanswege bleiben nah M. 144 zweifelhaft; doch kommt zu Hülfe, 
daß dem Karlswagen ein Karlsweg entſpricht (Myth. 139), wie wir Karl 
aud als wilden Jäger fanden, und Gwydion, der leltiſche Odin, ſowohl 
Wagen als Himmelsftrape hat, Myth. 137, 336. Mit jemem Karlds 
wagen ift der Himmelswagen gemeint, die fieben Sterne, welchen man auch 
den großen Bären nennt. Der Heinfte dieſer Sterne heißt der Fuhr⸗ 
mann ober dad Knechtchen; man weiß auch, daß er im Leben Hans 
Dümte (Myth. 688. Müllenh. 360. Kuhn WE. II, 87.) hieß. Er war 
Knecht bei dem lieben Gott und hatte es gut in feinem Dienfte, verſah 
ihn aber lieverlih, weshalb er nun zur Strafe auf der Deichfel des Him⸗ 
melswagens figen muß. Nah anderm Bericht wollte er lieber ewig . 
fahren als das Himmelreih erben: das ift wieder bie Sage vom milden 
Zäger, der für fein Theil Himmelreid ewig jagen wollte. Da nun der 
große Bär auch Arcturus heißt und wir Arthur oder Artus ſchon als wil⸗ 
den Jäger gefunden haben, fo wird es bebeutend, daß in unfern Sagen 
von der wilden Jagd die Geifter- oder Teufelskutſche fo oft erſcheint und 
der wilde Jäger felbft ver ewige Fuhrmann (Kuhn NS. 222, 1) heißt. 
Bel. Kuhn WE. Nr. I, 199 mit der Anm. 222, Müller und Sch. 225. 
Nochholz I, 215, Vernalelen Defterr. Sagen 6. 94 — 104. Die Kutſchgaß 
bei Menzenberg ift fo fteil, daß fein Wagen fie fahren könnte. Allerdings 
iſt der Ausdrud Karlöwagen, der wohl in demfelben Sinne auch ‚Herras 
wagen’ (Myth. 687) heißt, unbeftimmt, und kann aud auf Thör geben 
oder den fräntifhen Kaiſer meinen ; aber ver nieberlänbifhe Name Hims 
melöwagen (Woenswaghen), eignet ihn Wuotan zu und bie ‚hier hervor⸗ 
gehobenen Bezüge des Wagens ſowohl als der Straße, die er befährt, 
auf die wilde Jagd laßen kaum bezweifeln, daß der Gott, den wir auß 
der. Edda nur gehend, reitend oder ald Adler fliegend Tennen, nad ber 
ältern Borftellung ein Wagengefpann beſaß. 

Die Milchſtraße wird als Straße der Seelen aufgefaßt, und im Ger 
"feite der Göttin, welde den entſchwundenen Gott ſucht, fehen wir die 
Seelen früh verftorbener Kinder fahren, mie Wodan ald milder Jäger 
Geiſter der Verftorbenen in feinem Gefolge führt. Jene irdiſchen Königss 
Rraßen, welde ven bimmlifhen entfprehen, pflegen von einer Säule 
auszugehen, der Jrminfäule vermuthlih. (Grimm Jrminfte. Wien 1815, 


20 Wusten. Bouuengeit. 8. 74 


©. 56.) Im alten Frankreich vergleicht fih die Chaussee de Brunehault, 
die zwar hiftorifiert aber wohl auf die mythifhe Brynhild zu deuten iſt, 
die einft Wodans Gemahlin war: auch dieſe Straße geht von einer Säule 
aus. So find wohl aud die deutſchen Brunhilvens umd Kriemhildenfteine 
zu verftehen. Cine turris Brunechildis weift Mone Helvenf. 69 nah 
und jener Name Vroneldenstraet $. 109 für vie Milchſtraße läßt fi 
auf Brunhild deuten. Selbſt ihr tragiſches Ende, das wir ſchon dem ber 
Swanhild verglichen haben, kann mythiſch fein, da wir Aehnliches von der 
fliehenden Iſis berichtet und auf die Milchſtraße bezogen finden. Auch 
der keltiſche Gwidion verfolgt eine geliebte Jungfrau und giebt dabei 
der Milchſtraße den Namen, fo da wir dem Mythus von der verfolgten oder 
verfolgenden Göttin S. 222 auch am Himmel wiederbegegnen. 

Daß Odin auch Sonnengott war ehe ihn Freyr (Fr) aus biefer 
Würde verdrängte, warb fhon $. 66 vermuthet. Einen ſtaͤrkern Ber 
weis bafür giebt e8 aber nidt als feine Ginäugigleit, denn” wie er 
felber Luft und Himmel, fo bebeutet fein eines Auge die Sonne. Wir 
haben aber von feinem andern Auge einen Mythus, der von feinem ans 
dern in ber Edda an Dunkelheit übertroffen wird. Nah D. 15 kam 
Dpin zu Mimirs Brunnen, in dem Weisheit und Verfland verborgen find 
$. 19, und verlangte einen Trunk, erhielt ihn aber nicht, bis er fein 
Auge zu Pfande jegt. Die Nachricht ift aus MWöl. 21.22 genommen, wo 
es von der Seherin heißt: 

21. Mein faß fie außen, da der Alte kam, 
Der grübefnde Afe; fie fah ihm ins Auge. 
22. Warum fragt ihr mich? was erforſcht ihr mi? 
Alles weiß ih Odin, wo bu dein Auge bargft: 
In der vielbelannten Duelle Mimire. 
Meth trinkt Mimir jeden Morgen 
Aus Walvaters Pfand: wißt ihr was das bedeutet? 
Bir haben Mimir S. 39 als das Gedächtniſs der uranfänglihen Dinge 
gefaßt; feinem Namen nad) (Gr. Myth. 353) kann er das Gedaͤchtniſs, 
das Wißen überhaupt fein. Damit ift er aber fhon auf das geiftige Ger 
biet gezogen ; feine erfte, natürliche Bedeutung zeigt fein Name gleichfalls 
an, da Waßergeifter Minnen und Muomel heißen, ein See Mummelfee 
und Mimling ein Flüßchen im Odenwald. Nehmen mir aljo Mimirs 
Brunnen für das Meer, fo kann das im Brunnen verpfändete andere 
Auge des Gottes der Widerſchein der Sonne im Waßer fein unb bie 


8. 74 Duotan. Triukhorn und Schathoru. 281 


halte ich für den alteſten Sinn des Mythus. War dieſer aber einmal 
entiprungen, fo lag die Umdeutung des verpfänbeten Auges auf den 
Mond nahe, denn wenn die Sonne das Gine Auge des Himmelögoties 
iſt, wer würde dann nicht den Mond für das andere nehmen? Nur fo 
begreift ſich aber, wie Mimir aus dem verpfändeten Auge bes Gottes 
trinten Tann. Nach einer allgemeinen Anfhauung bildet die Mondſichel 
ein Hom, und dieß muß bier als Trinkhorn gedacht ſein. Die j. Edda 
fagt D. 15 ausdrüdlich, ver Gigner des Brunnens heiße Mimir und 
täglich trinke er von dem Brunnen aus einem Horne. Gie nennt e8 das 
Giallarhorn, weil fie dabei an Heimdals Horn denkt, da zugleih zum 
Blaſen dient, wie es Wöl. 47 vor dem Weltlampf beißt: 

Ins erhobene Horn blaſt Heimbal laut. 
Sie gründet ſich dabei auf Wöl. 31, wo es heißt: 

Sie weiß Heimdals KHorm verborgen 

Unter dem bimmelhohen heiligen Baum. 

Einen Strom fieht fie flürzen mit ſtarkem Fall 

Aus Walvaters Pfand: wißt ihr was das bedeutet? 


Es iſt nur wieder die kühne Dichterfprache des Nordens, bie ein 
Berwandtes für das andere zu fegen liebt ($. 32), wenn in biefer noch 
unverftandenen Stelle zwei Hörner vertauſcht und im Gedanken verſchmolzen 
werden: Mimirs Trinthorn und Heimdals Giallarhorn. Auch lepteres 
wird urfpränglic den Mond beveutet haben: dem Wächter der Götter auf 
Himinbiörg (S. 49) gebührte zum Home der Sichelmond, da es in Nächten 
vornämlid feines Hütens bedarf. Um fo mehr durfte die mythologiſche 
Sprade beide Hörner, als Bilder für den Mond, ineinanderflößen. 

Unter dem heiligen Baume, in Mimird Quelle, war nach den erften 
Langzeilen Heimdals Horn, das fo mit Walvaterd Pfand, dem erften 
Horne, vertaufcht wird, verborgen. In den folgenden Zeilen kehrt ſich die 
Vertauſchung um: da wird Walvaters Pfand genannt, wo Heimdals Horn 

"gemeint ift. Der Strom, ber aus Walvaters Pfande ftürzt, ift die Runde 
von dem angehenden legten Welttampf, melden Heimdals Horn anmelden 
fol. Zwar erft Wöl. 47 ſehen wir dieſen ins erhobene Horn ſtoßen; 
aber was dann wirllich ſich begiebt, das ahnt fon jept die Geherin 
und deutet es, wie von fern, mit väthielhaften Worten an. AB ein 
Bien darf die Runde, die dann aus Heimdals Horn fallt, ein Strom 
eigen aus Mimirs Quelle geihöpft; ein Strom, der mit ſtarkem Fall 


292 Daotan. Weisheit und Waper, 8.74. 


(venn Heimbal bläſt fo laut, daß es bie ganze Melt vernimmt) aus ‚Wal: 
vaters Pfande‘ ftärzt; denn dur biefe Verpfändung erwarb er den 
Trunlk aus dem Brunnen, in den Weisheit und Verftand verborgen find. 
Der phofiihe Grund des Mythus von dem verpfändeten andern Auge 
des Himmelsgottes ift das Spiegeln, ja das Untertauhen des Mondes 
im Meer. Indem diefer Berpfändung der Grund angebichtet wird, der 
Weisheit Mimirs theilhaftig zu werben, ſehen wir den Naturmpthus auf 
das geiftige Gebiet gerüdt, Im Waßer liegt wie ber Urjprung ber 
Dinge fo alle Weisheit, auch nad den Mythologieen anderer Völler: im 
der unfern zeigt e8 fi in der Gabe der Weißagung, welche Schwänen, 
Schwanjungfrauen und Meerweibern beimohnt. Darum heißen auch die 
Wanen weife und Heimdal, den neun Wellenmädchen geboren haben, 
weiſe den Wanen gleih. Es waltet hier eine neptuniſtiſche Anfiht: die 
Urbilver aller Dinge liegen im Waßer, weil die Welt aus dem Waßer 
hervorgegangen ift. Das Waßer ift aud als Unterwelt zu faßen unb 
daß diefer die Zukunft nicht verborgen ift, fehen wir daraus, daß Odin 
dort die tobte Geherin wedt, um fie über Baldurs Gefhid zu befra= 
gen. Solcher Weisheit begierig ſenkt nun Odin fein andere Auge, den 
Mond, in Mimird Brunnen und mehrt fo nod fein Wißen, dad an fi 
ſchon groß fein muß, denn fein eines Auge, die Sonne, gewahrt Alles 
was fih. auf Erden begiebt. Aber auch Mimirs Weisheit, die hier, wo 
der Gegenfag der beiden andern Brunnen wegfällt, auf die Vergangenheit 
nicht beſchraͤnlt zu werben braucht, will ‚der grübelnde Afe‘ gewinnen, wie 
er ein andermal mit Mimirs Haupte murmelt. Nicht weil er fo eine 
Ginbuße erleidet und durch den Berluft feines Auges der Niefen Macht 
mehrt, laͤßt wohl die Seherin die fhauerlihe Frage folgen: wißt ihr was 
das bedeutet? fondern weil wir den Gott ſchon jept um bie Zukunft beforgt 
finden und weil die fo erfaufte Kunde feine andere ift als die vom Uns 
tergange der Welt, Obgleih von Rieſengeſchlecht und dem Waßer ver- 
wandt, dad einft die Erbe überfluten fol (die Wellen heißen Wöl. 47 
feine Söhne), erfeint Mimir doch nie ald ein Zeind der Götter: er ift 
wie Stabi $. 99 in den Kreiß der Afen aufgenommen und wird von dieſen 
den Wanen vergeifelt, die ihn erſchlagen und fein Haupt den Ajen zuräds 
enden; aber nod mit diefem Haupte beräth fih Odin. Sein Met h— 
trinken, eine Folge des mit Odin eingegangenen Vertrags, kann den 
Göttern, denen er feine Weisheit mittheilt, feine Gefahr drohen. Darum 
lege ich demſelben auch feine mythiſche Bedeutung unter, weder bie phy⸗ 


8.75. Wustan. Odin uud Heimdal. 288 


ſiſche, ‚dab das Meer am Morgen Thau trinke‘, noch die geiftige, ‚er trinke 
aus ber Quelle der Erkenntniſs“: beide wären hier müßig, wir gelangten 
nicht weiter damit: es ift nur ein Nebenzug, ber das Bild des ahnungs⸗ 
voll bewegten Bötterlebend vervollftändigen hilft. Den Mythenbeuter führt 
nichts fo leicht auf Alippen ala das Bemühen alles poetiſche Detail in 
den Gedanken aufzulöfen. 

Der Beweis fheint geführt, daß die Sonne als Odins eines Auge 
gedacht ward, der Mond als das andere: das genügt bier, wo es galt, 
ihn als Himmelsgott darzuftellen. 

Die Bermuthung, daß es Opin felber geweſen fein möge, der Odins 
Horn befaß, oder was gleichbedeutend ift, Heimdal hieß, wird "nicht zu 
tühn erfdeinen, wenn man fi) erinnert, daß er ſich als Geſtirngott mit 
Heimbal berühtte, ©. 228. Daß es eigentlihd Odins Horn war, ber 
zeugt Hrafnag. 16, denn bier heißt Heimdal 

Der Wächter von Herians goldenem Horn. 

In deutſchen Sagen erſcheint es noch in Wuotans Beſit, ſowohl 
wenn er als wilder Jäger durch die Luft brauft (mas das Volt mit den 
Worten ‚de Wode tüt‘ Myth. 871 bezeichnet) als wenn er im hohlen 
Berge fhläft, wo das Horn neben ihm hängt, damit er es zur Hand habe 
darein zu ftoßen, wenn es Zeit ift die blutige Schlaht auf dem Walfers 
felve zu ſchlagen; die rechte Beit aber follen ihm feine Raben melden. 
8.53. Wie ähnlich ift das der norbifhen Darftellung, wo Odin- Heim: 
dal fein Auge in ven Brunnen ber Erfenntnifs fenkt, um die Stunde der 
Gefahr zu erfpähen, wo er das Horn am Munde die Seinen zum Kampf 
führen will; oder, nach dem andern Bilde, das Horn in den Brunnen 
taucht und dann aus Walvaterd Pfand die geihöpfte Kunde ftrömt. 


75, Erfindung der Runen. 

Als Gott des Geiftes, nicht bloß des kriegeriſchen, erfdeint Din 
ſchon durch feine Allwißenheit, deren Symbole ſo eben beſprochen find. Wie 
ſehr fie ihm verfümmert feinen, jo muß dod in Wafthrubnismal (ſ. o. 
©. 82. 154), wo Odin mit dem allwißenden Jötunen (wenn das Wort 
nicht mehr fagt als alsvidhr jötunn) über die urmweltlihen Dinge ger 
ftritten hat, fih diefer guleßt befiegt erfennen und geftehen: 

‚Du wirft immer ber Weifefte fein.‘ 
Roch mehr erſcheint er als Gott des Geiſtes durch feinen Bezug zur 


2 Wusten. Runen. 8. 75. 


VPoeſie. Außer feinem aus Grimnism. 7 (f. $. 21) belannten Verhält ⸗ 
niſs zu Saga, der Göttin der Geſchichte mehr noch als der Gage, ift er 
auch Bragis Bater, des Gottes der Dichtlunſt und Beredſamkeit, und ba 
diefer wie Odin alt und langbärtig vorgeftellt wird, fo mag auch Er fi 
aus bed Vaters Weſen abgelöft haben. Denn Dbin felbft Iernen wir 
als Erfinder der Dichtkunft kennen, und zwar nicht bloß nad dem Mythus 
von dem Urfprung der Poefie ($. 76), aud indem er die Runen erfand 
und mit diefen die Nunenliever. Doch erfcheint er hier nicht fo ſehr als 
Gott des Geifted, denn als der maͤchtige Gott. 

Din Roſs Sleipnir faßlen wir $. 66 als Symbol der Allgegen⸗ 
wart, die bem hödjften Gotte eignet, geftanden aber gerne zu, daß fie ihm 
die Vermenſchlichung fehr verkürzt habe. Nod mehr wird bieß von ven 
Bildern für feine Allwißenheit gelten. Gin foldes Bild war ſchon Hlid⸗ 
flialf, von dem er alle Welten überblidt, ein ſolches ift fein Eines Auge, 
die Sonne, die Alles ſchaut, und feine beiden Raben, die ihm in die 
Ohren fliftern was. fih auf Erden begiebt. Aber der Blid in die Bus 
tunft ift ihm fehr getrübt, da er Idunen befenben ($. 32), die todte Wala 
nad Baldurs Gejhiden fragen (S. 83), fein anderes Auge in Mimirs 
Brunnen fenten oder mit feinem Haupte murmeln muß. Am meiften fönnte 
man feine Allmadıt beeinträgtigt glauben; dod werden wir darüber vielleicht 
anders urtheilen, wenn wir ihn al3 Erfinder der Runen betrachtet haben. 

Die Erfindung der Buchſtaben legten die Alten dem Mercur bei; 
daß damit ſchon die Schrift, d. h. Lefen und Schreiben, gemeint war, laͤßt 
fh noch bezweifeln, da er au al3 Erfinder des Würfelipiels gilt, dieſes 
aber dem Gebrauch der Runen bei der Looßung ähnlich fieht und vielleicht 
daraus entftanden ift. Auch unfere älteften Vorfahren lannten, jo hoch 
unfere Nachrichten binaufreihen, ſchon die Buchſtaben; fie bevienten fi 
ihrer aber wahrfheinlier mehr zu myftifhen Bmeden, zum Looßen, Weis 
Bagen und Zaubern: wäre ihnen Obin als Erfinder der Runen zugleich 
aud der Erfinder der Schreibekunſt gewefen, fo mwürbe er fih auch darin 
ala Gott des Geiftes darftellen. Nach den neueften Forſchungen (Liliens 
ron und Müllenheff. Zur Runenlehre Halle 1852) wäre aber der Gedanle 
des budftabierenden Schreibens erft nad) Berührung der germanifchen Welt 
mit der alten von diefer auf jene übergegangen; bei der Einwanderung 
der Afen, worunter ich die dem Ddinsdienſt ergebenen Wölfer verftehe, in 
unfere jegigen nordiſchen Wohnfige, war er ihnen nod fremd. Doc lapen 
wir diefe Frage, ald noch nicht ganz ausgemacht, bei Seite und betrachten 


ET. Wusten. Diefer und Danber, 235 


die Amen nur als myſtiſche Zeichen, denen magifche Kraft zugetraut wird, 
weshalb ihr Gebraud mit allen priefterlihen Meihen zufammenbing, mit 
Poeſie und Weißagung, Opfer und Bauber, die alle unter fi auf das 
Gngfte verwandt find. Am deutlichſten würde dieß an dem Worte Biefer, 
zepar, wenn damit zoupar, Zauber, im Ablautöverhältniffe ftünde. Gr. 
Myth. 36. 985. Biefer hießen alle opferbaren Thiere, Ungeziefer aber, 
welche die Götter ald Opfer verihmähten. Allem Zauber aber wie ver 
Weißagung giengen Gebet und Opfer voraus und die Weißagung wie 
der Zauber ward in Liebern vollbracht, welche alliteriert, d.h. mit Stäben 
verfehen waren, und dieſe Stäbe wurben zugleich eingerigt. Dieß konnte 
jum Heile wie zum Verderben gefhehen, zum Segen wie zur Verwün- 
dung, immer diente das eingeripte Zeichen zugleich dem babei geſunge ⸗ 
nen Liebe zum Hauptftabe wie zu Nebenftäben. Diefes Lied durfte nicht 
fehlen, das todte Zeichen an ſich galt für nichts, es warb erſt lebendig 
durch das Lied, deſſen Stäbe es bilvete: die ſchlummernde Zauberkraft des 
Zeichens mufte Gefang weden, v. Liliener. 24. Nach Peterfen 210 bes 
deutete die Rune die Wefenheit der Dinge: ‚indem man alſo der gleiche 
ſam von den Dingen ‚abgeihabten‘ Rune durch den Zauberfprud Leben 
einhauchte, fegte man die Weſenheit der Dinge in zauberkräftig wirkende 
Bewegung.’ Lil. 21. Ein Beifpiel einer Verwünſchung, welche die Ver⸗ 
bindung des eingeſchnittenen Runenſtabes mit dem Liebe zeigt, bilvet Skir⸗ 
nisjör 34—36, wo der Gerba ($ 29 oben) von Skirnir mit dem Thurfen 
Hrimgrimnir gedroht wird, welder fie haben fole. Hrimgrimnir ift feinem 
Namen nah ein Reifriefe: fie foll der über fie auszuſprechenden Ber: 
wünfhung nad der Umarmung der Forftriefen anpeimfallen, d. h. unter 
68 und Schnee zurüdgehalten bleiben, wenn fie der Verbindung mit dem 
fonnigen Steyr länger widerſtrebt. Skirnir ſpricht: 
34. Hört es, Zoten, hört es, Hrimthurfen, 
Suttungs Söhne, ihr Afen ſelbſt! 
Wie ich verbiete, wie ich banne 
Mannesgefellichaft der Maid, 
Mannesgemeinjdaft. 
35. Hrimgrimnir heißt der Thurs, der dich haben foll, 
Hintern Todtenthor u. |. w- 
36. Gin Thurs (Th) fchneid ich dir und drei Stäbe: 
Ofumadt, Unmuth und Ungebuld. 
So ſchneid ich es ab, wie id} es einfehnitt, 
Wenn es Noth thut ſo zu thun. 


2386 Wusten. Runcunauen. 8. 76. 


Es thut noch nicht Noth fo zu thun, denn in der folgenden Strophe 
ergiebt ſich Gerda, ber angebrohte Zauber wirb alfo nicht wirklich voll⸗ 
bracht: fonft würde noch erft das Zauber wirfende Lieb folgen, das wie 
der Anfang der 36ften Str. den einzuripenden, jept. ungerigtbleibenden 
Stab (P = Th) dreimal wieverbrädte. Ich ſehe diefen Anfang in ber 
alten Sprache her, weil die Ueberfegung es nicht ganz anſchaulich machen 
kann, da unſere Sprade das Th in D verfhoben hat: 

Thurs rist ek ther ok thriä stafi. 

Thurs ift der Name der eingerigten Rune, die zugleich als Liedſtab drei⸗ 
mal wiebettehrt: es ift aber aud ber angemünfchte Niefe ſelbſt. Da die 
Rımen Namen baben, diefe Namen aber Begriffe beveuten, fo jagt ein 
einziges diefer nordiſchen Schriftzeihen fo viel aus als uns die Berbins 
dung mehrerer, ja vieler bedeuten würde. ‚Indem die Rune dieſes Namens 
(Zhurs) eingefnitten und durch den Spruch ins Leben gerufen wird, ſetzt 
der Beſchwoͤrer der Thurfen böfe Macht gegen denjenigen in Thätigfeit, 
welchen der Fluch treffen fol.’ v. Lil. 22. 

Benn nun Odin der Erfinder der Runen beißt, jo ift bamit der 
Aunenzauber gemeint, dem eine fo unbejchräntte Macht zugetraut wurde, 
daß ſich Odin nad) feinem Runengedicht (Runatal), einem Theile des eds 
difhen Hawamals (M. Edda 91), duch Crfindung der Runen felber zur 
Geburt verhilft, indem er fi von dem Weltbaume Iöft, als veilen Frucht 
er gedacht iſt. j 


1. Ich weiß daß ich hieng am windigen Baum 
Neun lange Nächte, 
Bom Sper verwundet, dem Odin geweiht, 
Mir ſelber ich ſelbſt, 
Am AR des Baums, dem Niemand anfleht 
Aus welcher Wurzel er ſproß. 


2. Sie boten mir nit Brot noch Meth: 
Da neigt id) mich nieder 
Auf Runen finnend, Ternte fie fenfzend: 
Endlich flel ich zur Erbe. 


3. Hauptlieber neun lernt ich vom weifen Sohn 
Bölthorns, des Vaters Beftlas 
Und tranf einen Trunk des theuern Meths 
Aus Odhrdrir gejchöpft- 


8. 76. Wusten, Almadıt. 287 


Der weile Sohn Bölthoms ift ex ſelbſt: von ſich felber lernte er die 
Runen und die Nunenliever. Wenn Str. 2 nur die Runen genannt find, 
und diefe ſchon die Wirkung haben, ihn von dem Baume zu löfen, fo find 
die dazu gehörigen, ihre Kraft wedenden Lieder mitverftanden. Diele 
werben auh Str. 3 unter dem theuern Meth gemeint, auß Obhrörir ge: 
ſchopft, der Quelle der Begeifterung: er bedeutet, wie der nädfte $ dar- 
thut, die Poefie. Der theure Meth, das Lied, belebt und heiligt das 
todte Zeichen. Darum heißt es aud Str. 18 des andern ebenfo wichti- 
gen Runengedichtes, das der Sigrbrifa (M. Edda 169) in den Mund ger 
legt wirb, die Runen müften ‚mit hehrem Meth geheiligt‘ fein. 

Da nun der Aunenzauber fo große Macht hat, fo ift die dem Odin 
beigelegte Erfindung der Runen nur eine Spmbolifierung feiner Allmacht, 
und wir überzeugen ung jeßt, daß ihm biefe nicht mehr, ja kaum fo fehr 
vertümmert warb als feine Allwißenheit und Allgegenwart, denn bedurfte 
er freilich erft der Runen, fo ift doch mittels derſelben jeiner Macht feine 
ambere Grenze gezogen als die in dem Weſen der Dinge liegt, denn eben 
dieſes wird durd den Runenzauber geltend gemacht und über dieſes hin 
aus vermag er nichts. Hienach gienge alfo wenigſtens der Runenzauber 
nit mit unrechten Dingen zu, und Myth. 982, wo dieß von allem Baus 
ber behauptet wird, fteht doch das Zugeftänbnif® daneben, unmittelbar aus 
den beiligften Geſchaͤften, Gotlesdienſt und Dichtkunft, müße aller Zauberei 
Urfprung geleitet werben. 

Wenn alfo ſchon das Heidenthum Odins Macht als Zauberei aufs 
fahte, fo fann es nicht wundern, daß der hiftorifierende Saxo, dem Dbin 
nur ein Menſch war, bei dem vielen Wunderbaren, das er von ihm bes 
richten muß, ſich mit der Ausrede half, er habe ſich auf Zauberei ver- 
fonden. An Götter durfte Saro als Chriſt nicht glauben; an Zauberei 
aber glaubte feine Zeit noch fehr ftark: darum Lonnte Odin, ohne ein Gott 
iu fein, doch alle die vielen Wunder vollbracht haben, vie ihm Saro in 
feinen Quellen beigelegt fand. 

Aber auch Snorri ober Wer der Verfaßer der Heimskringla war, 
obwohl er fonft Odin mehr als großen Heermann und Groberer auffaßt, 
ſchreibt ihm doch gleichfalls Zaubertunft zu. ‚Er konnte durch bloße Worte 
machen, daß das Feuer erloſch und die See ftille ward und der Wind 
ſich drehte wohin er wollte” Yngl 7. Das kann aus Dvind Runatal 
genommen fein, wo achtzehn zauberkräftige Lieder genannt werben, die 
Doin kennen wil, Denn fo heißt es: 


28 \ Yusten. Sciedensihluf. %. 76. 


Str. 15. in flebentes weiß ih: wenn hoch der Saal fteht 
Ueber den Leuten in Lohe, 
Wie breit fie ſchon brenne, ich berge fie noch: 
Den Zauber weiß ich zu zaubern. 
Str. 17. Gin neuntes weiß id: wenn Noth mir ift 
Bor ber Flut das Fahrzeug zu bergen, 
So wend id den Wind von den Wogen ab, 
Und ſtille rings die See. 
Wenn Snorri ferner ſagt, Odin habe durch Lieder auch Grabhügel geöffnet 
und Todte gemedt, ober ſich unter den Galgen geſett, weshalb er auch 
Herr der Gehängten (Hängatyr) geheißen habe, fo kann er dabei auf 
Wegtamstw. (ob. ©. 78. 83) zielen, aber auch auf unfer Runengedicht: 
Str. 20. Ein zwölftes Tann ih: hängt am Zweig 
Bom Strang erflidt ein Todter, 
Wie ich tige das Runenzeichen, 
So kommt der Mann und ſpricht mit mir. 

Doch Tann Odin auch Hangatyr heißen, weil ihm feine Opfer an 
Bäume aufgehängt wurden, wie er felber einft am Baume hieng. Nach 
dem Boltöglauben (Myth. 601, Biel, 1,193. Leopr. 102) entfteht Sturm, 
wenn fi Einer erhängt, was vielfahe Deutung gefunden hat, zunädft 
aber doch daran erinnert, dad Hangatyr zugleih Sturmgott iſt. 

Nicht ohne Lächeln über Snorris Alügelei wird man freilich leſen: 
‚Ge hatte auch zwei Raben, welche er das Sprechen gelehrt hatte: dieſe 
flogen weit umher in der Welt und fagten ihm viel Neues’; wenn es 
aber endlich heißt: ‚die meiften feiner Künfte lehrte er feine Opferpriefter: 
dieſe waren ihm zunaͤchſt in jeder Klugheit und Zauberei‘, fo nüpfe ich 
die Bemerkung hieran, daß die im Runatal genannten 18 Zauber eben 
fo vieler Lieder wol eben nur ſolche find, welche die Priefter von ihm 
erlernt zu haben fi rühmten; die dem Golte zugejhriebene Zaubermacht 
braudt ſich nit auf fie beſchränklt zu haben. 


76. Nrfprung der Dichtkunſt. Kwafir. 


Den Mythus von Dbhrärir erzählt D. 57. 58 fo: Die Aſen hatten 
Unfrieven mit dem Volle, das man Wanen nennt (vgl.$. 24.59). Nun 
aber traten fie zufammen, Frieden zu fließen, und der kam auf biefe 
Weiſe zu Stande, daß fie von beiden Seiten zu einem Gefäße giengen 


%. 76. Wusten. Kmafırs Sint. 289 


und ihren Speichel bineinfpudten. Als fie nun ſchieden, wollten bie 
Aſen dieß Friedenzzeihen nicht untergehen laßen. Da machten fie 
einen Mann daraus, der Kwaſir heißt. Der ift fo weiſe, daß ihn Nies 
mand um ein Ding fragen mag, worauf er nicht Antwort wüfte. Er fuhr 
weit umber durd die Welt, die Menſchen Weisheit zu lehren. Einſt aber, 
da er zu den Zwergen Fialar und Galar lam, die ihn eingeladen hatten, 
riefen fie ihn bei Geite zu einer Unterrevung und töbteten ihn. Sein 
Blut ließen fie in zwei Gefäße unb einen Keßel rinnen: ver Keßel heißt 
Dohrörir, aber die Gefüge Eön und Bodn. Sie miſchten Honig in das 
Blut, woraus ein fo kräftiger Meth entitand, daß jeder der davon trinkt, 
ein Dichter oder ein Weifer wird. Den Afen berichteten die Biverge, 
Awaſir fei in der Fülle feiner Weisheit erftidt, denn Keiner war fo Hug, 
feine Weißheit all zu erfragen. 

Darnach luden die Zwerge den Niefen, der Gilling heißt, mit feinem 
Weibe zu fih und baten den Gilling, mit ihnen auf die See zu rudern. 
Als fie aber eine Strede vom Lande waren, ruberten die Zwerge nad 
den Alippen und ftürzten das Schiff um. Gilling, ver nicht fhmimmen 
Tonnte, ertrant, worauf die Zwerge das Schiff wieder umlehrten und zu 
Lande ruberten. Sie fagten feinem Weibe von diefem Borfall: da gehub 
fie fih übel und meinte laut. Yialar fragte fie, ob es ihr Gemüth ers 
leichtern möge, wenn fie nad der See hinaußfähe, wo er umgelommen 
fei. Das wollte fie thun. Da fprad er mit feinem Bruder Galar, er 
folle hinauffteigen über die Schwelle, und wenn fie hinausgienge, einen 
Mäpfenftein über ihren Kopf fallen laßen, weil er ihr Gejammer nicht 
ertragen möge. Und alfo that er. Als der Niefe Suttung, Gillings 
Bruderfohn, dieß erfuhr, zog er hin, ergriff die Zwerge, führte fie auf die 
See und fehte fie da auf eine Meerllippe. Da baten fie Suttung, ihr 
Leben zu ſchonen, und boten ihm zur Sühne und Vatersbuße ven köftlichen 
Meih und diefe Sühne ward zwifchen ihnen geſchloßen. Suttung führte 
den Meth mit ſich nad Haufe und verbarg ihn auf dem fog. Hnitberge; 
fein Tochter Gunnlöph fegte er zur Hüterin. Davon heikt die Gtaldens 
hunft Kwaſirs Blut oder der Zwerge Tran, auch Obhrärirds ober Bodens ⸗ 
oder Sons⸗NRaß, und der Zwerge Fährgeld (meil ihnen dieſer Meth von 
der Alippe Erlöfung und Heimlehr verfhaffte), ferner Suttungs Meth und 
dnitbergs Lange. 

Die lamen aber die Afen an Suttungs Meth? Davon wird er 
zaͤhlt, dah Obin von Haufe zog und an einen Ort fam, wo neun Knechte 


40 Wustan. Bölwerhr. 8. 76. 


Heu mähten. Gr fragte fie, ob fie ihre Senſen gewegt haben wollten? 
Das bejahten fie. Da zog er einen Wetzſiein aus dem Gürtel und wepte, 
Die Sicheln fhienen ihnen jegt viel befer zu ſchneiden: da feilſchten fie 
um ben Stein; er aber ſprach, mer ihn kaufen wolle, folle geben mas 
billig fei. Sie fagten Alle, das wollten fie; aber Jeder bat, den Stein 
ihm zu verlaufen. Da warf er ihn hoch in die Luft und da ihn Alle 
fangen wollten, entzweiten fie fih fo, daß fie einander mit den Sicheln 
die Hälfe zerſchnitten. Da ſuchte Odin Nachtherberge bei dem Riefen, der 
Baugi hieß, dem Bruder Suttungs. Baugi beflagte fi über feine Ums 
fände und fagte, neun feiner Anechte hätten ſich umgebraht, und num 
wiße er nicht wo er Werkleute hernehmen folle. Da nannte fih Odin bei 
ihm Boͤlwerkt, und erbot fih, die Arbeit der neun Knechte zu überneh ⸗ 
men; zum Lohn verlangte er einen Trunt von Suttungs Meth. Baugi 
ſprach, er habe über den Meth nicht zu gebieten, Suttung, fagte er, wolle 
ihn allein behalten; doch wolle er mit Bölwerkr dahin fahren und ver 
fuhen, ob fie des Meths erhalten lönnten. Bölwerkt verrichtete den 
Sommer über Neunmännerarbeit; im Winter aber begehrte er feinen Lohn. 
Da fuhren fie beide zu Suttung, und Baugi erzählte feinem Bruder, wie 
er ben Bölwerlr gebungen habe; aber Suttung verweigerte grabezu jeden 
Tropfen feines Meths. Da fagte Bölwerkr zu Baugi, fie wollten eine 
Liſt verfuhen, ob fie an den Meth fommen möchten, und Baugi wollte 
das geſchehen laßen. Da zog Bölwerft einen Bohrer hervor, der Rati 
bieß, und ſprach, Baugi folle den Berg durchbohren, wenn der Bohrer 
ſcharf genug ſei. Baugi that das, fagte aber bald, der Berg fei durch⸗ 
gebohrt; aber Bölwerkr blies ind Bohrloh: da flogen die Späne heraus, 
ihm entgegen. Daran erfannte er, daß Baugi mit Trug umgehe und bat 
ihn, ganz durchzubohren. Baugi bohrte weiter und als Bölwerk zum 
andernmal hineinblies, flogen die Splitter einwaͤrts. Da wandelte ſich 
Bölwerkt in eine Schlange und ſchloff ins Bohrloch. Baugi ſtach mit dem 
Bohrer nad ihm, verfehlte ihn aber; da fuhr Bölwerkr dahin, wo Gunn: 
loͤdh war und lag bei ihr drei Nächte, und fie erlaubte ihm drei ZTrünke 
von dem Meth zu trinten. Und im erſten Trunk trank er den Ophrörie 
ganz aus, im andern leerte er den Vodn, im britten den Son und hatte 
nun ben Meth alle. Da wandelte er ſich in Aplerägeftalt und flog eilends 
davon, Als aber Suttung den Adler fliegen fah, nahm er fein Adler 
hemd und flog ihm nad. Und als die Ajen Odin fliegen fahen, da jegten 
fie ihre Gefäße in den Hof. Und als Odin Asgard erreichte, fpie er 


12 asien. Sawamal, a 


ven Meth in bie Gefäße. Als aber Guttung ihm fo nahe gelommen 
war, daß er ihm far erreicht hätte, Tieß er von hinten einen Theil des 
Meths fahren. Darnach verlangt Niemand: habe fi) dad wer da wolle; 
wir nenmen es den ſchlechten Dichter Theil. Aber Suttungs Meth gab 
Doin den Afen und denen, die da ſchaffen können. Darum nennen wir 
die Slaldenkunſt Odins Fang oder Fund, oder Odins Trank oder Gabe, 
und der Ajen Getränk, 

Hiemit find zwei Stellen des eddiſchen Hawam al s zu vergleichen. 
Dieſes Gedicht, eigentlih nur eine Sammlung der im Bolt verbreiteten 
uralten Sprucweisheit, wirb dem Odin in ben Mund gelegt, und heißt 
darum bad Lied des Hohen. Als Gott des Geiftes wird ihm aud 
diefe dem Volle offenbarte Weisheit zugeſchrieben; daß ex felber fpricht, 
wird am deutlichſten bei dem im vorigen $ beiprochenen Runenlieve, das 
einen der Anhänge des Hawamals bildet. Aber auch bei diefem felbft 
bejeiinen die eingeflodtenen, Erlebniſſe Odins erzählenven Stüde, welche 
die Weisheitslehren veranfhaulihen und bewähren follen, ihn ala den 
Sprechenden. Bu diefen gehören bie hier auszuhebenden Stellen: 


12. Der Bergeßenheit Reiher überraufcht Belage 
Und fliehlt die Befinnung ; 
Des Vogels Gefieder befieng auch mid) 
In Gunnlödhs Haus und Gehege. 

18. Trunken ward ich und Abertrunfen 
In des ſchlauen Fialars Felſen. 
Trunk mag frommen, wenn man ungetrübt 
Sich den Sinn bewahrt. 

104. Den aften Rieſen befucht ih; nun bin ich zuräd; 
Mit Schweigen erwarb ich da wenig. 
Manch Wort ſprach ih zn meinem Gewinn 
Im Guttungs Saal. . 

105. Gunnlodh ſchenkte mir anf golbnem Seßel 
Einen Trunk des theuern Meths. 
Uebel vergolten hab ich gleichwohl 
Ihrem Heiligen Herzen, 

Ihrer glühenden Gunſt. 

106. Ratamumd Tieß ich den Weg mir räumen 
Und ben Berg durchbohren. 
Im ber Mitte ſchritt ich zwiſchen Riefenfteigen 
Und hielt mein Haupt der Gefahr hin. 

Sienoc, Mythelsgie. 16 


243 Wusian. Kingeid, 8.76. 


107. Schlauer Berwandfungen Frucht erwarb ich; 
Wenig mifelingt dem Liſtigen: 
Denn Odhrörir ift aufgeftiegen 
Zur weitbewohnten Erbe. 

108. Zweifel heg ih ob ich Heim wär gelehrt 
Aus der Riefen Reich, 
Wenn mir Gunnlddh nicht Half, die gute Maid, 
Die den Arm um mic) ſchlang. 

109. Des andern Tags bie Reifrieſen eilten 
Des Hohen Kath zu hören 

Im des Hohen Halle, 

Sie fragten nad) Bälwerk: ob er Heimgefahren fei, 
Oder ob er mit Suttung fiel. 

110. Den Ringeid, fagt man, hat Odin geſchworen: 
Wer traut noch feiner Treue? 
Den Suttung beraubt’ er mit Ränfen des Meths 
Und fie ſich Gunnföbh grämen. 

Hierzu nur folgende Bemerkungen: 


% Die Stellen des Hawam. fegen eine Kürzere Fapung der Cr 
zaͤhlung voraus, die noch nicht? davon weiß, daß Suttung den entfliegenden 
Odin verfolgt habe, vielmehr ſcheint er nad) 110 gefallen, mas auch Weinheld 
a. a, D. 12 annimmt. Die Riefen tommen erft am andern Tage dem 
Bölwert nachzuftagen, und Odin muß den Ringeid fchmören, fi von dem 
Verdachte zu reinigen. Da dieß wie ein Meineid außfieht, und ihm aud 
fo gedeutet wird, überbieß nicht erhellt, Wen Str. 110, die Opin nicht 
ſprechen lann, in den Mund gelegt ift, fo könnte fie fpätere Zudichtung 
fein. Aber verfelbe Verdacht trifft au Str. 105 und den in D 58. ent: 
baltenen Schluß der Erzählung, den Urfprung der Ajterpoefie betreffend, 
wovon Hawam. noch nichts weiß. Vielleicht iſt das nicht die einzige Zu 
dichtung der j. Edda: die ganze Zwifchenerzählung won ben Zwergen Fialar 
und Galar als ven erften Beſihern des Odhrörir ſcheint fpätere Erfin⸗ 
dung, denn ba es Hawam. 13 heißt, Odin fei in Fialars Felſen trunken 
geworben, fo fehen wir, daß nach Fialar der Keller des Rieſen heißt. 
Der Trant tam aljo glei in des Leptern Befig. Vgl. o. Die drei Trünfe 
aus Dohrörit, Son und Bode können aber alt fein, da fie den drei Rufen 
Meths der Tprymato. 26 entſprechen. 

—b. Auch von Kmäfir weiß Hawamal nichts; der Name bleibt in 
den Liedern auch fonft unbenannt. Doch nur den Namen trifft Verdacht, 


s 76. nston. Seide. 8 


nicht fein Weſen. Zwar mag feine Entftehung aus Speichel ung zuwider 
fein; aber umferer Mythologie darf fie nicht als Barbarei vorgeworfen 
werben. Der reine Speichel, der aus dem Blute kommt und wieder zu 
Blute wird, wie das aud unfere Grzählung gejhehen laßt, fteht dem 
Blute gleih. Im Blute liegt, nad) einer fehr verbreiteten Anſchauung, 
daB Leben, au Blutätropfen rufen in unfern Märchen Stimmen, Blumen 
fprießen in allen Mythen aus dem Blute, Kinberblut heilt vie böfeften 
Krankpeiten, Blut ift ein ganz beſonderer Saft, heißt es im Fauft; aber 
dem Blute wird der Speichel auch in der Heilkcaft gleichgefept, ſchon bei 
den Alten, und noch Chriſtus heilt mit feinem Speichel, Schlagend ift 
aber bie Uebereinftimmung, wenn aud in der griechifchen Mythologie aus 
dem vereinigten Speichel der Götter neue göttliche Weſen herr 
vorgeben. Bei Hyrieus lehrten drei Götter ein: Zeus Poſeidon 
Hermes; nah Andern Zeus Ares Hermes. Zum Lohn feiner Gaſt⸗ 
freundſchaft ftellten fie ihm eine Bitte frei. Cr wünfchte ſich einen Sohn; 
bat aber nad) dem Tode feiner Gattin gelobt, ſich nicht wieder zu ner 
mählen. Da vereinigen die Götter ihren Speichel, vermiſchen ihn mit 
dem Staube der Hütte und erſchaffen den Orion. M. XXXIV. Denfelben 
Drion haben wir $. 73.8. mit Odhr verglihen. Das betraf feinen Top, 
den mir mit dem Baldurs und Halelbärends zufammenftellten. Sollte er 
ſich nun aud bei feiner Zeugung mit ihm berühren? Schon Grimm 
fragte (Mytb. 838): war Odhur eind mit Kwäfr, der die Welt durchzog, 
umb von ben Zwergen ermorbet wurde?‘ Gx fügt hinzu: Odhr, Freyſas 
Gemahl, ven fie in der weiten Welt aufjuchte, und mit goldenen Thränen 
beiweinte, lonnte Berfonification der Dichtkunft fein‘ Mir laßen biefen 
Fragen noch andere folgen: Iſt der verdunkelte Rame Dphrörir, der auch 
Odheirit geſchrieben wird (Beitjär. IH, 423), aus Oph und dreyri Blut 
gebilvet? Aus dem Biute des vom Eber vertwundeten Hafelbärend = Dvin 
wurden im näcften Frühjahr Blumen (Myth. 899); aus vem des Adonis, 
der fo ähnlich ift, fproß die Unemone. Bon Baldurs Blut iſt nichts der⸗ 
gleichen berichtet; da aber Johann der Täufer feine Stelle im Kalender 
einnahm und das im Mittelalter fo forgiältig gefammelte und für heil 
träftig gehaltene Johanniskraut auch Johanniablut heißt (Mbergl. 
457), fo fehlte wohl auch bei ihm diefer Bug nicht. Ueberall iR dem 
Blute des fterbenden Gottes wunderbare Kraft beigelegt. Gleicht nicht 
auch vie verlaßene teauernde Gunnlöoh auffallend der weinenden Freyia? 
Dürfen wir aljo den unvollftändig erhaltenen Mythus Odhurs aus dem 


244 Duciau. Gtalsuythus. b. 76. 


Awaſirs ergänzen? Wie dem auch ſei, der Mythus vom Gral hat ohne 
Frage feinen Urfprung aus ver Bertaufchung Oburd oder Baldurs mit ‘os 
bannis genommen, was fogleih einleuchtet, wenn man weiß, daß auf der 
Gralsſchußel, welche alle irdiſchen Wunſche befriedigt, urfpränglih das 
Haupt eines Menfchen lag, und zwar-wie ich Barzival 776 nachgewieſen 
babe, das des Johannes, was zugleich erklärt warum $. 73 auch Herodias 
oder bie ihr verwandte Abundia der wilden Jagd voraufzieht, Wie in 
den dort unter 3.a und b befprochenen Mythen dem Blute des ſterbenden 
Gottes ſchoͤpferiſche Kraft beimohnt, wie aus Kwafirs Blut der Unfterb- 
lichleittrant gewonnen wird, jo geht Leben, Fülle und Ueberfluß von der 
Schüßel aus, auf ver das Haupt des Johannes lag. 

©. Dohrörir, in Hawamal 107 Name des Truntes, ift D. 57 auf 
den Keßel übertragen, worin er bewahrt wirb; daneben erſcheinen noch 
zwei andere Gefäße, Son mid Bodn. Jenes erfte leitet man aus Dob 
Geift und aus hrora, alth. hruoran, rühren, was ben fehr pafienden 
Sinn Geiftrührer, Geifterreger ergiebt. Wie Odin felbft der Geifterreger 
ift, fo auch fein Trank. Der theure Meth, den er Dichtern, Weiſen und 
Aſen fpenvet, hat geifterregenbe, begeifternde Kraft. Son, der Name 
des andern Gefäße, das die Ubſala⸗Edda nicht kennt, beveutet Gühne. 
Heißt das, die Dichtkunſt mildere die Geiſter (emollit mores), daß 
Berföhnung in die Herzen Gingang finde; ober zielt es darauf, daß aus 
der Verjöhnung der Aſen und Wanen ver Saft zuerft hervorgegangen 
war? Die Sühne muß angeboten, von der andern Seite angenommen 
werben: darauf könnte der Name bed britten Gefäßes (oblatio) gehen. 
Bei Friedensſchlußen wie bei der Gtiftung des Freundfhaftsbändnifies ließ 
mon fonft Blut in ein gemeinſames Gefäß fließen. Auch hier fehen wir 
wieder den Speichel dem Blute gleihgeftellt. Doch weiß Hawamal nichts 
von brei Gefäßen, nicht einmal von mehren Trünfen; Str. 105 ift nur 
von Einem bie Rede. 

d. Bon Kwaſit wißen wir ſonſt aus $. 41, daß Er es war, ber 
als der weifefte ber Götter das Neg, das Loli ind Feuer geworfen hatte, 
noch in der Aſche als eine Vorrichtung zum Fiſchfang erkannte. Wbweir 
hend von der jüngern Edda erzählt Yugligaſ. 4, die Wanen hätten ihn 
als ven Mügften in ihrem Gebiet den Afen zum Geifel gegeben. Der 
Name bedeutet nach ſlaviſchen Dialelten die Gährung ; nach der altn. einen 
Keichenden: das käme auf eins heraus, denn jebes gahrende Getränf 
keiht. Auch der Wein des Gemuͤths, die Poeſie, muß ſich aus einer 


8.76. Wustan. Amefr. Suttung. 246 


Gährung Mlären, und ven aus dem Speichel Entſtandenen Tönnte man um 
fo eher nad der Gährung benennen, ald Odin aud der bierbrauenben 
Geirhild mit feinem Speichel, der ald Hefe verwendet wird, zum Siege 
verhilft. In der weiter außgefponnenen Erzählung der D. 57. 58 wirb 
das Bild bes Getränke, das gähren und ſich Hären muß, nun weiter forts 
geführt. Rad ver in Kwaſir vorgeftellten Gährung kommt er in ben 
Keller der Zwerge, dann in den ber Rieſen: es mag fehr proſaiſch Mingen, 
wenn ich fage, daß dieß nichts als mehrere Abſtiche bedeute, die ber 
junge Wein in den erſten Monaten bedarf; noch mehr, wenn ich bie neun 
Sommermonate, die Odin dem Baugi dienen mufte, auf die Beit beziehe, 
welche hernach noch zur Ablagerung erforberlih if. Allein der Mythus, 
der in biefer Geftalt ſich dem Charafter einer umterhaltenden Erzählung 
nähert, birgt nicht in allen Bügen echt mythiſchen Gehalt; doch fällt er 
wenigftens nicht aus dem Bilde. Auch wird man geſtehen müßen, daß 
der Rome Suttungr für Suptungr gut erfunden ift, um einen durfligen 
Niefen zu bejeichnen, den nad einem guten Trunk gelüftet. Weinhold 
Riefen 51 erflärt freilich die Ableitung ſeines Ramens von fäpan für 
ganz ummöglid; vgl. aber Kuhn Herablunft und Gr. Gr. I, 318. 

e. Fialar und Galar würden als Biwergnamen an Fili Kili im 
Hwergregifter der Wöl. 13 erinnern. Hawam. 18 ſcheint zwar auf ben 
erſten Blick einen Riefen unter Fialar zu verftehen, wie auch Harbardsl. 
36 Fialar den Niefen nennt, der D. 45 wieder anders, Skrimir, heißt; 
aber das Beiwort der ſchlaue (Erödi) zeigt, daß der Keller des Rieſen 
nur nad) einem Zwerge (etwa jenem der Wöl. 34) benannt ift, was zu 
weiterer Ausfpinnung und Einführung der Zwerge verleitet haben kann. 
Daß diefe den Trank erft zubereiten, indem fie ihn mit Honig mifchen, 
iR in ihrem Character erfunden, da fie immer als bie kunſtreichen erſchei⸗ 
nen; Honig iſt ein Beftandtheil alles Meths. Sie waren aber nah 
Awaſirs Blut fhon vor der Miſchung lüftern: fie hätten fonft nicht nad 
feinem Befig getrachtet. Den Gnitberg, in weldem der Trank aufber 
wahrt wird, erflärt Kuhn Herablunft 152 für die Wetterwolten; den Bohrer 
aber, deſſen er fih bedient, um in ven Berg zu gelangen, vergleicht er 
dem gleidmamigen Wertzeug, das bei Erzeugung des Feuer gebraucht 
warb, wie er denn überhaupt nachweiſt, daß der himmlische Funke und der 
bimmlifhe Meth einer gemeinfamen Anfhauung ihren Urfprung verbanten. 

f. Auch daß ih Odin Bölwert nennt, hat feine tiefere Bedeutung, 
da er in Baugis Dienft nichts Gutes vorhat: er will eben den Meth 


246 Westen. Dreifader Kaufe, 8. 76. 


entwenden. Will man feinen mühenollen Dienft fo verfiehen, daß bie 
Kunftfertigfeit, deren der Dichter bedarf, nicht ohne Anftrengung erworben 
wird, fo habe ich nichts dagegen; beveutender aber iſt gewiſs, daß Ddin 
Str. 108 gefteht, ohne Gunnlodhs Hilfe habe Ophrörir nicht erworben 
werden können: ohne Liebe eine Poeſie. Vortrefflich ift aber, wie der 
Begeifterungstrunt der Dichter und Afen, um die höchfte Weihe zu em⸗ 
pfangen, durch einen Zuftanb breifacher Entzüdung hindurch muß. Zrunfen 
und übertrunfen wird Odin in des ſchlauen Fialars Felſen, trunfen von 
Meth, trunden von Liebe und trunken von dichteriſcher Begeifterung. Wie 
fehr erinnert dieſer dreifache Rauſch, dem A Odin in Gunnlodhs Armen 
bingiebt, an Goethes Worte im Divan 118: 

Liebe, Lieb- und Weines Truntenheit, 

Obe nadhtet ober tagt, 

Die göttlichfte Betrunfenheit, 

Die mid, entzuct und plagt. 
Das fittlihe Bedenken, daß die legten Strophen des Hawam., bejonder# 
110, ausſprechen, gehört entweder zur Einlleidung, die den abftraften Ge 
danlen werfteden will (faft möchte id diefe Auskunft vorziehen); oder fie 
jeht ſchon ein getrübtes Verftänbnifs voraus. Der Bergekenheit Reiher, 
der Gelage überraufcht und die Befinnung ftiehlt (Gtr. 12), ift zwar ein 
wunderſchoͤnes Bild; es wird aber nur verwendet, um vor einer Truns 
tenheit zu warnen, die nad dem echten Sinne des Mythus, um unferes 
Dichters Worte im Buche des Schenten noch einmal Um gebrauden, ‚wuns 
dervolle Tugend‘ iſt. 

Gleih dem Göttermeth wurde auch bei den Indiern der beraus 
ſchende Trank der Somapflanze den Gandarven und andern Dämonen, 
die feiner hüteten, geraubt und Götter und Menfchen feiner begeifternben 
Kraft theilhaftig. Kuhn Herabkunft des Feuers ©. 5. 

g. Rati beißt in ber D. der Bohrer; in Hawam. ſcheint die Schlange 
gemeint, in deren Geſtalt Dvin in den Felfenkeller ſchlüpfte. Bwei Bei: 
namen Odins, Ofnit und Swafnir, gehen darauf, daß er Schlangengeftalt 
anzunehmen liebt. 

Ein Zeugnifs, daß. Odin eigentlich der Gott der Dichtkunſt und Ber 
vebfamleit war, was bann auf Bragi übergieng, findet fih bei Snorri, 
obgleich ihn diefer, wie ſchon erinnert worden ift, menſchlich auffaßt. 
Dnglingaf. c. 6 melvet, er habe ‚fo anziehend und lieblich geſprochen, daß 
Alle, welche ihn anhörten, glaubten, dad Alles jei wahr; er ſprach Alles 


3. 7. Wustan. Gott der Künfe. 47 


in folden Reimen, wie jet gefungen wird maß wir Gedicht heißen. Cr 
und feine Hofprieter hießen Sangſchmiede, und dieſe Kunſt hub durch fie 
on in den Rordlanden.“ Wie er ald Gott der Dichtkunft dem Apollo 
gleicht, ſo auch durch die Heiltunft, welche ihm einer der merſeburger Heil⸗ 
fprüce ſelbſt vor den Göttinnen zueignet. Vielleicht erklärt fi fo, daß 
Bate, ver ſich auch fonft mit Wuotan berührt, die Arzneitunft verſtand 
(Ryth. 1101), wie an fein Geflecht alle Künfte und Crfindımgen ger 
kuüpft find. Ihm felbft oder feinem Sohne Wieland legt die Gage ein 
Boot bei, was ihn als Erfinder der Schifffahrt bezeichnet; Wieland gilt für 
den beten Schmied; deſſen Bruder Gigil, der ältefte Tel, für ven beſten 
Schüpen; dem britten Bruder war vermuthlich wieder die Heilkunſt vererbt. 
Rordian der befte Jäger in der Wiltinaf. c. 330 fällt vielleicht wit feinem 
gleidtnamigen Halbbruber 0, 18 zufammen. Bol. Vorr. zum Orenbel 6. XVII 
md $. 82, 


71, Odin als Drachenkaͤmpfer. Schlaf, 

Odins Weſen ift hiemit noch nicht erfhöpft. Grimm (Ueber den 
Liebesgott 1851) hat in Odins Beinamen Wunſch und feinem Bruder 
DIR (Wille) ven Begriff der allmächtigen Liebe nachzuweiſen geſucht. 
Damit fiimmt, wenn es im Runenlied heißt: 

24. Gin ſechszehntes Tann ich: will ich ſchöner Maid 
In Lieb und Luft mich freuen, 
Den Willen wandl ih ber Weißarmigen, 
Daß ganz ihr Sinn fid mir gejellt. 
2%. Ein ſiebzehntes kann ih: daß ſchwerlich wieder 
Die holde Maid mich meidet. 
Gleichwohl ſehen wir ihm oft ungluckich in feinen Bewerbungen: fo bei 
Billings Maid (Hawam. 95 101) fo wie Harbardel. 18, und bei ber 
Rinda, wovon $. 90, gelangt er nur durch Lift zum Biel, Als Gott des 
Aderbaued tritt er in Deutfchland mehr als im Norden hervor, wo er. 
ihn im Gegenfag zu Thör eher ſeindlich erſcheint. Hievon, wie auch 
von feinen Gemahlinnen und Söhnen, wird befer an andern Stellen ger 
handelt; auch ift Manches ibn Betreffende ſchon in frühern Abſchultten 
verweggenommen, und nur um Wiederholungen auszuweichen, wird An⸗ 
deres, das fpäter nachgeholt werben ſoll, an dieſer Stelle übergangen. Hier 
folte nur der Grund gelegt werben, auf dem ſich fpäterhin fortbauen läßt, 


48 Wusten. St. Oswald. St. Martin. 5. 7. 


Bor dem Schluße will ich auch nicht verſchweigen, daß zwiſchen Wus ⸗ 
tan und einigen ghriſtlichen Heiligen Beziehungen eintreten, theils weil 
man ben Eultus des Gottes durch ihre Verehrung zu verdrängen fuchte, 
teils weil in ihre Legenden, ſoweit fie aus dem Volksmunde aufgenoms 
men wurden, Mythiſches Eingang fand, in Bollsmärden und Bolläge: 
bräuden ihr Rame an feine Stelle trat. Der Gegenfand ift noch zu 
wenig esforfäht; doch will ich bier wenigſtens einige der dabei in Betradt 
tommenben Heiligen nennen. Billig fteht bier der h. Oswald voran, weil 
er den Herſcher der Aſen bedeutet. Ihm und feiner Legende hat J. Zin⸗ 
gerle eine eigene Schriſt gewidmet (Stuttgart und Münden 1856). Hier 
erſcheint er vornämlich ala Wetterherr und Erntefpender; und in Ic 
terer Würde wirb er uns noch öfter begegnen. Der Rabe, ver ven mhr. 
Oswaldgedichten wie Odins Mythus gemein ift, findet fi auch auf ben 
Bildern des Heiligen, obgleich ex feiner Legende fremd if. Schon in feiner 
äußern Erſcheinung fah St. Martin dem Wuotan auffallend ähnlich: Man⸗ 
tel, Rofs und Schwert hatte er mit ihm gemein; jenen theilt er dem 
Dürftigen mit, feine Bloße zu belleiven: das könnte an die oben beſpro⸗ 
chenen Berleihungen des Wunfhmanteld erinnern, und Milde ift eine Zu 
‚gend, die Odin ald Gangradr und Grimnir zu lohnen wie ihre Verſäum⸗ 
niſs zu ſtrafen bebaht war. Gt. Martins Mantel, die Cappa St. Martini, 
trug man den fränkifchen Königen in die Schlacht nad) ; andere Beziehum 
gen find in meinen Martinslievern Bonn 1846 nachgewieſen. Wenn wir 
St. Martin in dem von Karajan aufgefundenen |. g. Wiener Hundeſegen 
(Mälend. Ztſcht. XI, 259 und Myth. 1189) als Hirten auftreten fehen, 
fo fol er wor den Wölfen fügen, welchen Wuotan gebietet. Auch Et. 
Michel und Georg, die Dradentöbter, fofern fie reitend ımd mit ge 
ſchwungenem Schwerte bargeftellt wurden, glichen Odin; freilich als Dra: 
Hentödter Tennt ihn die Edda eigentlich nicht, man müfte denn Fenrir old 
folden auffaßen dürfen, wofür Folgendes zu fprechen ſcheint. Wir fahen 
8.66, daß es eigentli Odin war, der durch Wafurlogi ritt und ſich ald 
Siegfried in der Helvenfage verjüngte. Auch hier fehlt in der Götterfage 
der Dradenkampf, wenn nit in Skirnisfoͤr Beli, der brüllende, als folder 
aufzufaßen if. Auf welden andern Kampf als den mit Beli lännte eb 
zurädgehen, wenn Fro bei Saro ald Dradenlämpfer erfcheint? Auch Tann 
von dem Helden auf den Gott zurüdgefhlogen werden und da Gigmund, 
dem im Beomulf Siegfrieds Dradentampf beigelegt ift, ein Beiname Odins 
wor (Myth. 344), fo werben wir Kuhn beiftimmen, ver Zeitfchr. V, 472 ff. 


% 77. Wasten. Hsbin Heod. Besmulf. 49 


Bodan in dem Gt. Georg der englifhen Vollsgebraͤuche erlannte. Die 
Bergleihung mit andern engliſchen Vollsfeſten, wobei noch Wo dan“ und 
feine Frau ‚Frigga’ unter diefen Namen auftreten Myth. 281, und im 
‚Söwerttang‘ zwei Schwerter um das Haupt eines Anaben geſchwungen 
werben, was eine fombolifhe Darftellung des Drachenkampfs ſcheint; dann 
das Hoodening genannte Feſt, defien Hauptperfon „Hooden‘ wie fein 
Rofs „wooden horse“ heikt; enblih au der belannte Robin Hood, 
befien Borname Robin, unferm Ruprecht entſprechend, ein Beiname Bor 
band ift, der ihn als den ruhmglänzenden bezeichnet; die ſtaͤts dabei auf 
tretende Jungfrau, welche wie Gerda oder Brunhild, in anderer Faßung 
Kriembilo, aus der Gewalt des Unthierd befreit wird: Alles zeigt, daß 
diefe Volleſpiele einen verbuntelten, aber in Götter: und Heldenſage nad 
ingenden, auf Odin bezüglihen, im Wefentlichen in Sfirnisför enthalte 
nen Mythus darftellen follten. Veowulfs eigenen Drachenlampf bezieht 
wor Mallenhoff Zeitſcht. VII, 439 auf Freyt; aber Freyrs Kampf fällt 
in den Frühling, Beowulfs Drachenlampf ift ſchon dem Ausgange nach 
ein Herbfilampf: nur in den Herbftlämpfen erliegen die Götter den Riefen. 
Darum muß Thör im lehten Weltkampfe gegen die Weltſchlange (Joͤr⸗ 
munganbe) fallen, während er fie im Fruhlingslampfe $. 8% befiegt hatte, 
Mer auch der Fenriswolf, mit welhem Obin Tämpft, ift durch feinen 
Namen Wanagandr ald Schlange (Drache) $.46 bezeichnet; auch Odin fallt 
im legten Welttampfe, welder vor feiner Fortfhiebung aus dem natürs 
lichen Zahr in das große Weltjahr ein Herbſtlampf geweſen war; in 
einem frühern Frühlingstampf muß er ihn befiegt haben. Diejer Frühe 
lingstampf Odins ift in feinem Mythus vergeßen und auf Freyr übertragen; 
auch bei Freyr ift er als Drachenkampf in der Edda nicht bargeftellt, wir 
müßen die biftorifierten Erzählungen Saros binzunehmen um Freyrs Fruh ⸗ 
Iimgslampf als Kampf mit dem Drachen zu erkennen. Ueber den Sinn 
des auf folhen Umwegen gewonnenen Drachenkampfs Odins Tann fein 
Zweifel fein. Die Schlange, das Sinnbild des Waßers, bebeutet bie 
feuchte nebliche Winterzeit: Opin, der fie befiegt, if der Gomnen- und 
Frahlingegott. Diefer Sieg tritt aljährlih ein; den Jahresmythus hat 
die Edda, wie manche andere, auf das große Meltenjaht bezogen und mit 
ven Weltgeſchiden in Verbindung gebracht. Der Name Fenrir, der nad 
©. 106 auf Meer und Sumpf deutet, war ſchon in dem ältern Sinne 
des Mythus ein pafiender Name für den verberblihen Wurm, der nur 
das im Winter anfchwellende, verheerend überftrömenve Waßer bezeichnete, 


250 Mustan. Teodessoti. “78. 


Müllenhoff a. a. ©. 431. — Ueber die hier genannten und anbere mit 
Wuotan aber freilich aud mit Thor und folglih mit Irmin im BVolts: 
glauben verwandte Heilige, wozu nach Ign. Zingerle auch Et. Leonhard 
gehören wirb, vergl. Woljs Beitt. 33—58. 

Eine andere verbunlelte Seite in Odins Weſen ift fein Berhältnifs 
jur Unterwelt, wonach er als Todesgott erſcheint. In der deutſchen Sage 
iſt das deutlicher als in der nordiſchen: bei uns figt er im hohlen Berge, 
der bie Unterwelt bebeutet, fein Horn hängt über ihm, feine Raben fliegen 
umber und neben ihm fchlafen feine Helven dem Tag der Entſcheidung 
entgegen, deſſen Anbrud der Schall feines Horns verfündigen wird. Nach 
der norbifhen Auffaßung lebt er in Asgard oder Walpall, alfo in einem 
überirdifhen Himmel und biefen theilt er mit feinen Helben, denen er zur 
Belohnung verheißen war. in Tobeögott ift er auch bier; aber der Tod 
bat fi in ewiges Leben gewandelt. Und aud hier finden wir das Horn 
bei ihm, das den Anbrud des jüngften Tages verkündigen foll; nur theilt 
ex ed mit Heimdall, auf den ala Götterwächter diefe Seite feines Weſens 
übertragen ift, wie von ihm das Horn noch unfere Nachtwaͤchter empfiengen. 
Gleichwohl kennt aud die nordiſche Sage eine Seite an Odin, die ihn in 
Verbindung mit der Unterwelt fegt; fie ift aber dem Blid entrüdt, ja 
dieſe Seite Odins wurde abfihtlih zu einem felbtändigen neben Odin 
ſtehenden göttlichen Weſen erhoben. Dieſes Weſen heißt Uller, deutſch 
Bol und von ihm iſt 8. 91 gehandelt. Aber darin iſt doch wieder Odins 
Verhaͤltniſs zur Unterwelt anerlannt, daß er nad) Grimnismal acht Nächte 
zwiſchen zwei Feuern figen muß. Diefe acht Nächte find bie acht Winter 
monate des Nordens und wieder ſehen wir hier Odin als Jahresgott 
aufgefaßt. J 


Donar (Tharr). 
78. Ueberſicht. 

So Har wie Thoͤr ſtehen wenig Götter vor und da. Wie viel auch 
in feinem Mythus noch unverftändli bleibt, er felbft ift uns feine ver⸗ 
ſchleierte Iſis, Leine ungelöfte Rune, wie es in ber deutſchen Mythologie 
noch fo mande giebt, Faſt möchte uns dieß befremben mo nicht mifde 
trauiſch machen gegen unfere eigene vielleicht nur ſcheinbare Einſicht; doch 
weiß Uhland, deſſen Mythus von Thör‘ Stuttg. 1836 wir einen großen 
Theil derfelben verdanlen, und auch hierüber zu beruhigen. ‚Mythen‘, jagt 


% 78. Donar. Afenfürk. 251 


er 6. 15, ‚die im Naturgebiete verlehren, liegen gewiſs dem Berftänbs 
nifs offener als ſolche, die ſich auf die innere Welt beziehn: dort find 
die ftoffartigen und greifbaren Dinge, bier die ‚Lörperlojen und überfinns 
Tihen.‘ Zwar au bei Odin, der und weſentlich Bolt des Geifted war, 
erfannten wir eine finnlihe Grundlage an: aber wie die Luft an fih 
ſchon das geiftigfte aller Elemente ift, fo fanden wir aud fein Weſen vor 
zugsweiſe auf das Geiftesleben bezogen. Dagegen waltet Thör auf dem 
natürlichen Gebiet. Da mir aber auch ihn zu einem Gotte der Eultur 
erhoben fehen, welcher Odin als Kriegsgott feindlich erſcheint, jo tritt hier 
ein neuer Gegenfag hervor: ver finnlihere Gott wird zum geiftigern er⸗ 
hoben; der geiftigere Tann im Kauf, im Liebeswahnſinn, in ber frieger 
riſchen Wuth herabzufinten ſcheinen. 

Thör, der im Gewitter waltet, iſt nach dem Donner benannt, fein 
deutfcher Name war Donar; das nordiſche Thör ift aus Thonar entſtan⸗ 
den, indem zuerft dad a verftummte, dann das n vor x audfiel, jo daß 
ſich Thor ergab; das zweite r in Thoͤrr ift bloß flexiviſch: es wird im 
Genitiv durch 3 erjegt. Ebenſo finden wir in deutſchen Dialetten den 
nach Donar benannten Donnerstag in Dorstag gekürzt; der Donneräberg 
in ver Pfalz heißt nah dem Rhein. Antiquarius 1739 S. 389 Dorks 
‚berg, und Dorsheim bei Bingen nad dem Stromberger Zinsbuch noch 
1481 Dornsheim Widder III, 351. B 

Der Gott des vollenden Donners, der den Bligftral führt, follte, wie 
in den pelasgifchen Mythologieen, der oberfte Gott fein. Hat er dieſen 
Rang in der Edda feinem Vater Odin abtreten müßen, jo mar er doch 
vielleicht auch und einft-ber Gott der Götter. Noch die Edda bezeichnet 
ihm ald den Fürften der Götter (Asabrägr): in Skirnisfor 33 heißt ed: 


Sram ift dir Odin, gram ift bir der Aſenfürſt, 
Freyr verflucht dich. 


Hier fteht Thoͤr ganz fo in der Mitte, wie er als der Maͤchtigſte 
diefer dreie nad Adam von Bremen in Upſalas Tempel in die Mitte ger 
Rellt war, Wodan und Fricco zu beiden Seiten. In Norwegen war Thor 
Landas, d.h. Hauptgott, wie Freyr in Schweden, Odin (Wodan) in Däner 
mart, Sachſen und dem fränkischen Niederrhein. Ward in Norwegen ohne 
teitere Bezeichnung der As genannt, fo war Thör gemeint; follte in der 
erſten Zeit des Chriſtenthums Jemand als Heide bezeichnet werden, fo hieß 
&, er glaube an Xhör, und wo nicht die ganze Trilogie, nur zwei hoͤchſte 


33 Donat. Atli. Wagengeit. 8. 78. 


Götter genannt werben, da fehlt Thör nie, vielmehr fteht fein Name voran. 
Ferner wird der Donnergott aud bei uns als ein wäterliher aufgefaßt, 
wie fein ebbifher Beiname Atli (= Attila oder Epel) zeigt. Ehel (Groß ⸗ 
"yater), Alttönig heißen deutfhe Berge. Hienge ed nit mit dem Begriff 
des Donnergotte3 zufammen, daf er fahrend gedacht wird, da der rollende 
Donner dem Schall eines dahin raffelnden Wagens gleicht, fo Tönnte auch 
dieß darthun, daß er einft der höchſte der Götter war. Alle andern, ſelbſt 
Wuotan, fehen wir reiten, nur Thör fährt; darum heißt er Deluthör und 
Neibityr, der fahrende Gott, der Herr des Wagens, ober weil feinem 
Bogen Böde vorgefpannt find, Hafrabröttin. Allerbings hat auch Freyr 
(316) feinen Wagen, beim Gottesbienft fehen wir ihn im Wagen umge 
geführt; aber in Asgard fährt nur Thör. Auch das kann ihn als den 
böchften Gott bezeichnen, daß feine Mutter Jordh ift, die Erde, die große 
Lebensmutter, die Mutter der Götter. Wiederum mar Gif, Thörs Ber 
mahlin, eine Erdgoͤttin; als folde erfcheint fie zwar noch jegt, aber der 
Gemahlin Odins kann fie ſich nicht vergleichen: fie ift mit Xhör von ihrer 
erften Höhe herabgefunten. Daß Thörs Hammer für ein weihendes und 
heiligendes Geräth gilt, das Brautpaare weihte, Leihen einfegnete, fei es, 
fie zum Leben zu erweden oder ihnen die Wiedergeburt zu fihern; daß 
er beim Hammerwurf nad deutſchem Recht die Grenzen des Cigenthums 
beftimmte: das Alles deutet auf feine frühere höhere Geltung. Roc, jept 
zufen in der Roth die Götter felbft zu Thoͤr um Hülfe, und find augen 
blidlihen Beiſtands gewiſs. Odin felber gefteht Grimnism. 24: 
Bon allen Häufern, die Dächer haben, 
Glaub ich meines Sohns das gröfte. 


Es folgt dieß zwar fon daraus, daß es den Wolfenhimmel bebeutet; 
wenn ihm aber 540 Stodwerle zugefärieben werben, gerabe fo viel al 
Odins göttlie Halle Thüren zählt, Grimnism. 23, fo ift noch hier der 
Sohn über den Vater geftellt. Endlich erfheint er in mehren Mythen in 
einer verbuntelten Trilogie wandernder Götter, unter welden er fo ſehr 
ala ver mächtigfte hervortritt, daß feine Gefährten faft vor ihm ver: 
ſchwinden. 

Die Gewalt des Blihſtrals iſt in einer ſchwediſchen Vollsſage, die 
Gr. Ziſchr. IV, 509 einen echten Mythus nennt, vortrefflich geſchildert. Auch 
der Gott des Blitzſtrals fönnte als ein furchtbarer, eifriger Gott aufgefaßt 
fein. Uber mit Ausnahme einiger Vollsausdrüde beim Gewitter, wie 


4. 78. Denar. Gott der Cullur. 258 


‚ver liebe Gott zurnt, unfer Herrgott Bft, ver Himmeltatl greint’ u. ſ. w. 
(Myth. 152), deren heidniſcher Urfprung unausgemacht ift, finden wir ihn 
den Menfchen hold und freunblich gedacht. Nicht gegen fie kehrt er feine 
Blige, fondern gegen bie Riefen, bie Feinde der Götter und Menſchen. 
Diefen erfchließt er den Himmel, läßt den befruchtenden Gewitterregen 
nieberftrömen und fegnet ihre Saaten ; ja er bereitet ben harten Felsboden 
su fruchtbarem Baugrumde und verpflichtet den Arbeiter im Steinbruch, 
welchem ex vorgearbeitet hat, zum Dant. Mit feinem Hammer fpaltet er 
den Riefen das Haupt, d.h. er zermalmt uub verwittert das unfruchtbare 
Reinige Bergland, das ſich nun dem Anbau erſchließt, der immer höher 
binaufgetragen werben fann in ‘die Gebirgägegenden, wo fonft nur Berg: 
riefen wohnten. Sept aber müßen fie auswandern, fie fühlen, daß ihre 
Beit vorüber if. Darum ift Thör immer im Kampf mit ven Bergriefen 
vorgeftellt, immer auf der Oftfahrt begriffen, weil die falten Winde von 
Dften kommen, die Gewitter aber von Weften. Doch bleibt er dabei nicht 
Reben, ven Menſchen die Erde urbar zu machen: einmal al3 Freund der 
Menſchen gefaßt, nimmt er fie nun überhaupt gegen alle werberblid wir: 
tenden Raturfräfte in Schug, die das Leben auf Erben ftören, bie Erbe 
umohnli und unwirthlih machen. Der erfte Anlaß zu dem Allen war 
die felfenfpaltende Gewalt de Wetterftrals. Aber won bier aus fortfchreis 
tend bereitet er erſt den harten Felsgrund zu urbarem Erdreich, lohnt dem 
menſchlichen Fleiß beim Anbau, ſchutzt gegen bie verberblihen Winters 
Rürme, gegen Froft und Kälte, und läßt ſich herab ein Gott der Bauern, 
ja der Knechte zu fein, welchen die Feldarbeit hauptſächlich überlapen blieb, 
während der Gott des Geifted nad) dem Harbarbölieb die Fürften zum 
Krieg aufreist, die Saaten ſchädigt und ben Segen des Landbaus durch 
serftörenbe Kriegsgewalt verbrängt. Nach allen Geiten hin zeigt er fi 
jept ald den Freund der Menfchen; in allen vier Elementen offenbart er 
feine fhügenne Macht: nicht bloß gegen Winterriefen ſchleudert er feine 
Blige, auch die Dämonen der Bluthhige, die durch Wolkenbruche zerftörend 
wirten, zeripaltet fein Stral: den Gewittern felbft, von denen fein Weſen 
außgegangen war, wehrt er bie verderbliche Wirkung und bannt fie in 
wohlthätige Schranken. Als Gott ver Ehe, die fein Hammer weiht, legt 
ex den Grund zu einem fittlih georbneten Leben; als Gott bes Gigenthums, 
das fein Hammerwurf begrenzen und feftfiellen hilft, entwidelt er ben 
Staat auß der Familie; als Gott der Brüden, ver die Bergfiröme gähmt, 
verbindet er die Stämme und beförbert den Berlehr, ja indem er unter 


34 Denar. Hiodyu. Flärgye. 7. 


den Helden und Königen folhe zu feinen Lieblingen wählt, welche Länder 
nicht ſowohl mit dem Schwert ald mit dem Pflug erobern, weil fie Wälder 
ausrotten und Anfieplungen in bisheran dem Anbau unzugänglide Erd⸗ 
fteiche führen, beſchließt diefer Bott der Eultur die mythiſche Zeit, und 
führt den hellen Tag der Geſchichte herauf, die dann freilich feinen Dienſt 
abftellt, und vie Wölfe den einigen Bott erfennen lehrt. Vergehen wir 
aber einen Augenblid, was wir dem Chriſtenthume ſchulden, und benten 
ums neben dem anderer Götter Thoͤrs Dienft noch heute fortbeftehenn, fo 
würde Er e3 fein, dem wir Ehauffeen, Gifenbahnen, Dampfſchiffe, Tele 
graphen und alle die Erfindungen zufchreiben würden, auf welche unfere 
Zeit ein Recht hat ftolz zu fein. 

Wenn dieſe Schilverung ſich meift auf jüngere nordiſche Lieder grün 
det, welche Thörs Weſen gegen das ſeines Vaters abgrenzen, fo dürfen 
wir dabei jene ältere Auffaßung, die den höchſten ver Götter in ihm fah, 
nicht aus den Augen verlieren. Sie zeigt fih am Deutlichften darin, daß er die 
Mächte der Unterwelt befiegt, und dieß ift e8, was wir hervorzuheben um jo 
mehr bemüht fein werben als biefe verbunfelte Seite des Gottes, die felbk 
den Verfaßern jener Lieder nicht mehr bewuſt ſcheint, ben Römer berechtigte, 
ihn dem Hercules gleich zu ftellen. Wenn daher im Uebrigen unfere Dar 
ftellung in Uhlands meifterhafter Ausführung ihre Ergänzung ſucht, fo 
glauben wir hier der Forſchung neue Bahnen zu eröffnen. 


79. Verwandtſchaft, Attribute, Beinamen, 


Thors Mutter Joͤrdh führt aud die Namen Hlödyn und Fidegum, 
Wil. 56. Später werben fie auf Frigg, Odins zweite Gemahlin, über 
tragen. Bertha die Gpinnerin 96. Neben diefer Fiörgyn erſcheint auch 
ein männlicher Fiörgyn, Gen. Fiörgvins, ald Vater jener: derſelbe Gott 
offenbar, den die Slaven ald Perun, Litthauer und Letten als Bertw 
no verehren. Spuren biefer Götter find auch in Deutihland nahe 

" geiwiefen. Im Gothiſchen bedeutet Fairguni Berg, bad Grgebirge wird 
Ferganns genannt, und Virgunnia ber Gebirgäzug zwiſchen Ansbach 
und Ellwangen. Wolfram ftellt Schwarzwald und Birgunt zufammen, 
Moth. 157. Auch die Hercynia silva ift damit zufammengebraht wor 
den, vgl. jedoch Chr. W. Gläd Die keltifhen Namen bei Caeſar, Münden 
1857 €. 12. Als XHörs Pflegeeltern oder Pflegefinder (föstri) werden 


8.79%. Denar. Erudh. Gätterfprade. 265 


Bingnir und Hlöra angegeben, der Beflügelte und die Funkelnde: in 
demfelben Sinne heißt er auch Wingthör und Hlörridi, der beſchwingte 
Thor, der in der Gluth daher fährt. Seine Gemahlin Sif hat ihm eine 
Toter Thrüd geboren und einen Stiefjohn Uller zugebracht. Der 
Name feiner Tochter findet fih aud in Thrüdheim und Thrübwang, mo 
nad) Grimnismal Thör wohnen foll bis die Götter vergehen. Vgl. D. 21. 
Da Throd Kraft heißt, fo bezieht Uhland ©. 82 fein Gebiet Thrudwang 
auf das frudstbare, nährende Bauland, und den Ramen feiner Tochter 
Thradh auf das Saatlorn. Nach Alwismal war Thrud in Thors Abs 
weſenheit dem Zwerge Alwis verlobt worden; nad) feiner Rüdtehr hebt 
Thör dieß BVerhältnifs wieder auf: das im Herbſt ausgeftreute Saatlorn 
ſchien dem finftern Erdgrunde verhaftet; aber der rüdtehrende Sommer 
fiebt fie wieder an das Licht, indem die Saat in Halme ſchießt. Im dem 
Liebe wirb diefer Mythus fo eingelleivet, daß Thör dem bleihnafigen 
Bwerg nicht glei alle Hoffnung auf die Braut benimmt-, vielmehr feine 
Gnmilligung an die Bebingung Inüıpft, daß der Zwerg auf feine Fragen 
Beſcheid fagen könne. Da der Zwerg ſich rühmt, alle neun Himmel durchs 
meßen zu haben und von allen Weſen Kunde zu mwißen, fo betreffen dieſe 
Fragen die Ramen der Dinge in den Sprachen der verjhiedenen Welten, 
mobei nicht bloß Menfhen: und Götterfprahe unterſchieden, fondern für 
jede Götterclaffe eine befondere Sprache angenommen wird. Während aber 
der Zwerg diefe Fragen beantwortet, ſcheint die Sonne in den Saal, und 
der lichtſcheue Zwerg erftarrt zu Stein. Außer diefer Tochter hat Thor 
nod zwei Söhne, Mödi und Magni (Kraft und Muth); diefe hat er aber 
nit mit Sif erzeugt, fondern mit Jarnfara, welche das eifenharte Ger 
Rein bedeuten kann: die Bewältigung des harten Felsbodens zum Zwede 
des Anbaues giebt Kraft und Muth. Doch kann Jarnſaxa auch von dem 
Eifenf werte den Namen haben, da Say Schwert heißt, weil die älteften 
Schwerter von Stein waren, So fommt Jarnfara auch für Streitart 
vor: die Gtreitart aber, deren XThör fi bedient, ift der Pflug, und 
auch diefer giebt Kraft und Muth dem, der ihn führt. Es ift aber zu 
erinnern, daß beide Söhne aus des Gottes Eigenfhaft erwachſen find. 
Bl. ob. ©. 155. 

Im feiner äußern Griheinung zeigt fih Thor bald als Jüngling 
bald als Greis, immer aber mit rothem Bart, ohne Zweifel mit Bezug 
auf die Farbe des Blitzſtrals. Wenn er ihn firäubt, ‚In den Bart blaft, 
feinen Bartruf ertönen läßt,’ verurſacht er feinen Feinden heftigen @egens 


236 Donar. Geheiligte Thiere uud Pflanzen. 6. 70. 


wind. Uhland 2. Als Gott des Gewitters erſcheint er auch fo plotlich 
wie der Blig: wie ſein Name genannt wird, iſt er ſchon ba. . 
Bon feinen Attributen fernen wir fhon den mit Böden befpannten 
Wagen: dieſe Böde heißen Tanngniofte und Tanngrisnir, Zahnkniſterer 
und Zahntnirſcher. Ihre fpringenbe Bewegung läßt fih auf das Buden 
des Blipftrald beziehen, und felbft das Hinten des Einen Bods kann die 
Naturerfeimung ſchildern ſollen. Nach Uhland verſumbildlichen die Böde 
vie Sprungfahrt über das Gebirge; andere deuten fie auf dad Sternbild 
der Ziege, dad um die Zeit der erften Gewitter aufgeht. Glaubt ſcheint 
auch die Deutung, welde darauf hinweift, daß die Ziege den Menſchen 
beim Anbau der Erbe bis ind hoͤchſte Gebirge hinauf begleitet. Ihren 
Geftant wagt man auf den Schwefelqualm des Blihes zu beziehen. Rode 
boy U, XLIII. Von andern Thieren waren ihm wohl ihrer rothen Farbe 
wegen ver Fuchs, das Eihhörnden, das Rothlehlden und Rotbfdhwänze 
hen heilig, wozu noch die Donnerziege genannte Schnepfe kommt, deren 
Zlug Gewitter verlündigt, und der Hirfchläfer, der auch Feuerſchröter und 
Donnerpuppe beißt; von Bäumen außer der Eiche die Bogelbeere ($.84) 
mit ihren rothen Fruchten, vom Pflanzen die Hauswurz (Donnerbart), die 
Donnerbiftel und die Erbe. Myth. 167. Auch Berge fahen wir ihm ger 
beifigt, eine silva Heracli sacra erwähnt Tac, Am. 2, 12; eine Dor 
narseiche fällte Winfried; eine Donnereidhe weift Rocholz II, XLII nad. 
Wenn Thor einherfährt, fteht die Exde in Flammen, unten ftieben, 

die Berge beben und breden, und trifft er mit dem’ Hammer, fo krachen 
die Felſen. Alüfte heulen, die alte Erde fährt ächzend zufammen, Degisdr. 55. 
Thrymstw. 23. Hymistw. 24. Doc nicht immer fehen wir Thör fahren: 
er gebt zu Fuß zum Gericht bei der Eſche Yagdrafil, wobei er Ströme 
watet: 

Körmt und Dermt und beide Kerlang 

Watet Thör täglich, 

Benn er einherfahrt Gericht zu halten 

Bei der Eſche Pogbrafil, 

Denn die Ajenbrüde ftünd all in Lobe, 

Heilige Fluten flammten. Grimm. 29. Uhl. 28. 
Bie bier die genannten Ströme, zur Schonung, wie es fcheint, der Ajen- 
brüde, die zerbrechen würde wie dereinft unter Muspels Söhnen, fo watet 
er aud die urmeltliien Gisfttöme, Eliwagar den Derwandil ($. 82) hin 
über zu tragen, womit in Widerſpruch zu ftehen fcheint, daß er in dem 


8.79. Dear. Sammer. Menle. Kolben. 237 


freilich jungen Harbarbslied den Sund nicht waten ann, fonbern ber 
Ueberfahrt harrt. 

Miölnir, fein zermalmender Hammer hat die Eigenihaft, daß er 
von felbft in des Gottes Hand zurüdtehrt. Nach dem deutſchen Volls⸗ 
giauben ſchleudert der Blig keilförmige Donnerfteine, auch Donnerärte und 
Haͤmmer, bei Birlinger I, 307 Blitz- oder Wetterfteine genannt, bie tief, 
wie Kirchthürme hoch find, au wohl ‚neun Klafter tief’ in die Erbe fahren; 
fo oft es aber von Neuem donnert, fteigen fie der Oberflähe näher und 
nad fieben oder neun Jahren kann fie ein Hahn aus der Erde ſcharren, 
Myth. 161, wie Aehnliches von den Schägen und wieder von den Gloden 
geglaubt ward, wo es ſich noch deutlicher zeigt, daß die fieben oder neun 
Jahre oder Alafter auf eben fo viel Wintermonate zurüdzuführen find. So auch 
in ber Thrymskw., wo Thord Hammer von einem Rieſen entwendet, acht 
Rofen tief unter der Erde vergraben ward. Daß er in Deutfchland ber 
tannt war, fehen wir aud aus Frauenlob (ME. 214 b.), der die Jungs 
frau von Gott Vater jagen läßt: der smit üz oberlande warf sinen 
hamer in minen schöj. 

Wie ans Bergioch heißt und jener auf Bergen thronende Fiörgynn 
(fsirguneis) vom Berge den Namen hat, fo bebeutete auch hamar ur- 
Mprüngli einen harten Stein, alfo ven Felſen felbft, ven jet des Gottes 
Steinwaffe fpaltet. Wenn alfo ver Teufel oder Frau Harke einen Stein 
fhleudert, um den Dom zu Trier oder jenen von Havelberg zu zertrüms 
mern, fo wird auch dieſer Stein ven Blig bedeutet haben, und wenn ber 
Donner rollenden Felöftüden oder das Gepraffel des einſchlagenden Wetters 
dem Raſſeln eines Haufen herabftürzender Steine verglichen wird (Schwarz, 
Urfpr. 85), fo läßt der Rath, welchen im Hamdismal der ‚hohe Berather‘ 
wider Jonalurs Söhne giebt: 

Schleudert Steine, wenn Gejchoße nicht haften, S. 210. 

an den Gewittergott denen. So konnte wohl der Gott auch felber der 
Sammer heißen; auch davon find und Erinnerungen geblieben. Statt bes 
dlaches: daß dich der Donmer! hört man noch: daß dich der Hammer! 
und Meifter Hämmerlim heißt ver Teufel, den Vollsſagen den Ham: 
mr führen laßen. Müllenh. 360. Vgl. Myth. 166. Doch mag ber Ham⸗ 
mer in Thors Hand ihn als Schmied bezeichnen follen, wie wir bei ben 
Alten ähnlichen Auffapungen der Gewittergötter begegnen. 

Statt des Hammers führt Thör bei Saro eine Keule, was ihn dem 
Hercules äpnliher macht; wie aber dieſe Keule ohne Griff fein foll, fo 

Carol, —— 17 


258 Denkt. Ilehel. Andere: Attribute. 8.78 


war Midlnirs Stiel nach D.61- ven Zwergen, die: ihn ſchmledeten, pu 
kurz gerathen: gleichwohl urtheilten die Götter, er ſei daB befte aller 
Meinove. Go tritt in: Deutſchland eirie Keule an die Stelle des ‚heiligen 
Hammers', der ſich in englifhen Kirchen aufgehängt findet, wo er einen 
dunleln Bezug hatte auf den, wie Grimm meint, ‚bloß überlieferten; nie⸗ 
mals ausgeübten (?)' Gebraud, Iebendmüde Greiſe zu töbten: Vgl. Kuhn 
WS. 106. Bei der deutſchen Keule ift e8 aber fo gewendet, daß fie den 
Greifen nur gebühren folle zur Strafe ihrer Thorheit, fih ihrer Habe 
zum Beften der Kinder allzufrüh entäußert zu haben. In ſchleſiſchen und 
ſachſiſchen Stäbten' hängt fie am Stadtthor mit der Infchrift:: 


Wer feinen Kindern giebt das Brot 
Unb leidet babei felber Noth, 
Den ſchlage man mit diefer Keule tobt. 


Denfelben Sinn hat die Erzählung vom Schlegel in Colocz. Eober 157 
—188. m älterer Zeit mochte der Hammer oder die Keule Donars 
fih dem Sper Odins vergleihen, mit dem fih lebensmüde Greiſe riften, 
wie fie fih aud biengen (Hängatyr) oder vom Felſen ftürzten, um bei 
Dvin zu gaften. Vom Blig Erfälagene blieben ven Alten unverbrannt; 
‚fie wurben, wegen der Heiligfeit des vom Blitz getroffenen Bodens ober 
weil der Gott fie ſchon im Feuer dahingenommen hatte, an ber Gtelle 
beerbigt, wo fit vom Big gerührt waren. Artemivor II, 68. Plnius 
IE 55. Vgl. Grimm über die Verbrennung der Leihen 22. Der obigen 
Vermuthung ſteht nicht entgegen, daß nur bie Knechte zu Thor kamen, 
denn wohl nidt bei allen Stämmen galt biefer Glaube, und gewiſs bei 
denen nicht, welchen Thor der hödjfte Gott war. Vgl. S. 210. Wenn Thor$.84 
den Stab der Gridh entleiht, als ihm der Hammer fehlt, fo fahen wir $. 65 
jenen fi mit Odins Spieß Gumgnir berühren, ber vielleicht auch einf, 
als Wuotan noch Gewittergott war, ven Blitz bedeutete. 

Außer dem Hammer befigt Thör auch Eiſenhandſchuhe, mit melden 
er den Blitz ſchleudert, und den Gtärkegärtel Megingiarbr, der feine Göl- 
terfraft verdoppelt. Unter feinen Beinamen tritt Biden (ber Bär) hervor; 
als den Freund der Menfhen, den Gegner Midgardhs, haben wir ihn 
ſchon S. 133 kennen gelernt. Wegen feines Rampfs mit ber Midgard 
ſchlange heißt er ber Schlange Alleintödter; als Feind der Rieſen Ber 
ſchmetterer der Felsbewohner, Riefenweibsbeträber, Thurſentodwalter. Cr 
felbRt nennt ſich Garbardal. 9 den Aräftiger der Götter. Ferner heipt ed 


&. 80, Denar. Thiait. Kiskue, 259 


da von ihm: uUebermaͤchtig mfrben bie Riefen, wenn fie, alle Igbten ; mit 
den Menſchen wäre es aus in Midgard. Und Kprpmöhn. 20: 


Bald werben die Kiefen Asgard bewohnen, 
Holf du den Hammer nicht wieber heim. 


. Mythen. Wiederbelebung der Böde, 


Mehrere auf. Thör bezüglide Mythen find ſchon befproden: fein 
Anteil an dem von Smwabilfari 8.27, an Baldurs Beftattung $. 34, 
an Lotjs Beſtrafung $.42, am legten Welttampf $. 46, an ber Erneue ⸗ 
rung der, Welt $.60,4. Ein ganzer Mythus, die Heimholung des Ham: 
mers $. 28. lehrte und Thör als Ghegott Iennen, worin er ſich mit 
Dvin berũhrte, der als Schüger der Che $.68 Roſs und Mantel ver- 
lieh. Ein Nachklang findet fih in der Gage von :hör med, tungum 
hawri (Mytb. 165. Peterſen 293), wo er gleichfalls feinen Hammer fudt; 
eine ſchwaͤchere, die Thör mit dem Riefen Thrym zu vermiſchen ſcheint, 
Zeitſcht. f. MS. L10. 72. 

Unter den Mythen, welche Thoͤrs Weſen zu erläutern dienen, ragt 
der von ſeinem Kampfe mit Hrungnir hervor: er erſcheint aber hier in 
Thialfis Geſellſchaft; es muß daher vorausgeſchidt werden, wie er zu 
dieſem Gefährten gelommen iſt. Thoͤr fuhr aus mit feinen Böden und 
mit ihm per Aje Loli. Abends nahmen fie Herberge bei einem Bauern: 
da ſchlachtet Thör feine Böde, zieht ihnen das Zell ab und heißt den 
Bauern und feine Kinder Thiälfi und Rözkwa, die Knochen beim Nacht 
mal auf die Bodshaut werfen. Tbialfi zerſchlug aber mit dem Meßer das 
Schenlelbein des einen Bods, um zum Mark zu kommen. Am andern 
Morgen weihte Thor die Bodsfelle mit dem Hammer: da ſtanden bie 
Böde wieder auf; aber dem Einen lahmte das Hinterbein. Al das 
Thör bemerkt, jagt er: der Bauer ober feine Leute müſten unvorſichtig 
mit den Knochen umgegangen fein. Der Bauer erfhridt über feinen 
Born, flebt um Frieden und bietet Alles was er hat zur Sühne. Da 
nimmt Thor feine Kinder zum DVergleih an, die ihn feitvem als feine 
Dienſtleute überallhin begleiten. D. 44. 

Mit anderer Anknüpfung Jehrt derſelbe Mythus am Schluß der 
Önmisfwida Str. 36. 37 zurüd, wo dem Lofi an dem Hinten bes Bods 
die Schuld gegeben wird; da aber ber Bergbewohner auch hier feine 
Kinder zur Buße hergiebt, fo follte er wohl nur als Anftifter gelten. 


260 Doner. Wiederbelebung. 8.80. 


86. Sie fuhren nicht Lange, fo lag am Boden 
Bon Olorridis Böden halbtodt ber eine. 
Scheu vor den Strängen fchleppt ex den Fuß: 
Das hatte der liſtige Loki verſchuldet. 

87. Doch börtet ihr wohl; Wer hat davon 
Der Gottesgelehrten ganze Kunde? 
Welche Buß er empfleng von bem Bergbewohner : 
Den Schaden zu fühnen gab er zwei Göhne. 


Bon Wiederbelebungen vdiefer Art find alle Sagenbüder voll. Beifpiele 
find K. M. II, 81 und Gr. Myth. 1208 verzeiänet ; andere hat Wolf 
Beitr. 1,88 und Beitfchr. I, 70.214 nachgetragen; eine folde Müpft fih 
aud im Wilhelm Meifter an Mignons Urfprung. Nicht überall finbet 
ſich ein dem zerihlagenen Schenkel des Bods, der nun hinten muß, ent 
ſprechender Zug; doch ift er bei Vonbun Vollsſ. 27 und in Bingerles 
Tor. Sagen Nr. 14. 15. 586. 587. 725, Bernalelen Alp. 184; vgl. 
auch Beitfehr. f. Myth. IL, 177 und Duigmann 60. nachgewieſen und in 
Mailaths Magy. Sagen II, 95 wird die rechte Schulter glei der des 
Pelops aus Gold und Elfenbein erfegt. Bei Merlin und dem Zauberer 
Virgilius (Vollsb. VI, 359 ff.) mifsglüdt die Wiederbelebung durch das 
Eingreifen eines Dritten gänzlich ; hier gelingt fie wenigſtens nicht zu voller 
Befriedigung. Was von Merlin und Birgil erzählt worden war, fehen 
mir dann auf Paracelfus (Alpenb. 309, Zingerle 346) und Dr. Fauſt 
(Beitr. I, 212) übertragen; vielleicht galt es auch ſchon von Kwaſir und 
dem ihm verwandt ſcheinenden Klingfor Wolframs. Bei Cntzauberungen 
bleibt oft ein Theil der Thiergeflalt, z. B. ein Schmwanenflügel, zurüd, 
ähnlich dem fchmalen rothen Streifen um den Hals de3 Gnthaupteten. 
Die Götter felbft ftattet die Phantafie des Volls wohl mit einem Gliede 
des Thiers aus, das ihnen geheiligt ift, oder deſſen Geftalt fic anzuneh: 
men lieben. Odins Beiname Arnhöfdi läßt vermuthen, daß man ihn mit 
dem Molerkopf dargeftellt habe. Aehnlich deute id den Schwanenfuß der 
Freyja (Bertha) und den Pferdefup des Teufels, fei nun dabei an Wuo⸗ 
tans Roſs, defien Huf bei Haddings Entführung $. 66 unter dem Mantel 
bervorblidt , oder an Loki zu denlen, der fi $. 25 in die Stute ver⸗ 
wandelt. Gleihe Bewandtniſs hat ed mit den Bodafüßen des Teufels in 
den badifhen Sagen, feinem Hahnenbein in den pommerjhen (Temme 
178. 255), feiner Hahnenfeder u. ſ. w. Worauf es hier ankommt, ift 
Thors weihender Hammer, der die Wiederbelebung wirkt, wie Petri Stab, 


& 80. Doner. Serzehen. 261 


der nach $. 65. 84 unb 96 zugleich auf Thor und Obin beutet, bie Er · 
wedung Maternd. So kann aud die Einweihung des Sceiterhaufens 
Baldurs mit Thoͤrs Hammer S. 81 nur die künftige Wiederbelebung 
meinen. Die wictigfte Frage bleibt, warum es Xhialfi oder Loki ver: 
dulden, daß der Bod hinten muß. Uhland bezieht Thialfi auf den 
menſchlichen Fleiß beim Anbau der Erde, und feine Schweſter Röskwa, 
die rafche, auf die unverbroßene Nüftigleit, womit dieſe Arbeit betrieben 
wird. Zur Urbarmadung der Erde muß göttliche und menſchliche Kraft 
zuſammenwirken. Der Bauer, der als Bergbewohner das fteinige Gelände 
urbar machen follte, war mit den Seinigen zu Thoͤrs Zifhe geladen ; fie 
wollten aber allzuleihten Kaufs zum Marke fommen: der Bauer muß nun 
ſelbſt herhalten, er muß feine Kinder Tpialfi und Röskwa, feine eigene 
angeſtrengte Thätigleit in Thors Dienfte geben. Dieſe fhöne Deutung 
Rügt ſich hauptjäglic auf Thialfis Antheil an dem im näcjften Paragraphen 
zu beſprechenden Mythus von Hrungnir, bei defien Ausbildung ſchon den 
Slalden eine ähnliche Auffaßung Thialfis vorgeſchwebt zu haben ſcheint. 
Sein Auftreten in andern Mythen fordert aber eine andere Deutung. 
Bir werden $.83 ſehen, daß Thialfi, deſſen Name einen dienenden Geiſt 
bezeichnet, urfprünglih nichts anders war als der Vligfiral ; die Aus-⸗ 
deutung auf die rüftige menſchliche Thätigleit muß eine fpätere fein. So 
wird auch Roslwa nur die Schnelligkeit bezeichnet haben, womit der 
Wetterſtral fein Biel erreicht, Die Urfahe, warum ber Bod hinkend 
blieb, Tag an dem himmliſchen Feuer, das ihm ven Schenkel getroffen 
hatte: darum konnte fein Hinten fomohl dem Loli, ver das euer ift, 
als dem Thialfi, vem Blitzſtral, Schuld gegeben werben. Daß er mit Loli 
zuſammenfalle, wie Weinhold Zeitſcht. VI, 15 annimmt, if richtig, da 
der Blig nicht ohne Feuer zu denken iſt; fie werben aber bier unters 
ſchieden. 

Nach der tiefwurzelnden Sage vom Herzeßen, die ſelbſt in bie Thier⸗ 
fage unb mit dieſer in bie Heldenfage eingedrungen ift, fo daß fie alle 
drei Hauptäfte des deutſchen Gpos erfüllt, galt au in Deutſchland Loki 
für ven Xhäter. Bon diefem Herzeßen Lofis hatte aud der Norden eine 
vumfle Runde (8.95), und da Lofi Staldſtap. 16 der Bodsdieb heißt, 
fo fteht D.44 mit ihrem auf Xhialfi weifenden Zeugnifs allein. Daß er 
zur Buße für den zerbrochenen Bodsſchenlel in Thoͤrs Geleit gelommen 
fei, halte ich auch nur für eine jüngere Dichtung. 

Im Anhange zum Gutalag (ed. Schildener Greifsw. 1818 6. 106) 


262 Donar. Chielvar. Donnersmark, %8. 


erſcheint Thielvar, in welchem Thialfi nicht zu verlennen if, ald ver erſte 
Bebauer der Inſel Gotland, die bis dahin noch fo lichtlos war, daß fie 
Nacht unterfanf, Tags oben war. Seit aber Tpielvar Feuer auf das 
Land brachte, ſank es nicht wieder. Thielvars Sohn hieß Hafdi, fein 
Weib Hwitaſtjerna. In der Hochzeitsnacht träumte biefem als wenn drei 
Schlangen in ihrem Sdhooße zuſammengeſchlungen wären und daraus her: 
vorlröchen. Hafbi deutete dieſen Traum: ‚Alles iſt mit Ringen "gebunden, 
Bauland wird dieß werden und wir werben drei Söhne haben.” Durch 
Feueranzünden wird nad) deutſchem Rechtsgebrauch (RA. 194. 941) Bes 
ergriffen, und dad Binden mit Ringen bebeutet bie Umfriedigung ober 
Einhegung des audgetheilten Landes. Uhland 56 ff. Thör iR es vor 
nämlich, der bei Befigergreifungen in den Vordergrund tritt und’ bem bie 
neuen, Anſiedelungen gebeiligt werben. Die Anſiedler auf Island weih: 
ten ‚ihm einen Bezirk und nannten denfelben Thorsmark, ein Name, der 
an das ſchleſiſche Geſchlecht der Henkel von Donners mark erinnert, 
Gr. Myth. J, 8. Rochholz XLV. Die Mart (Grenze) des Bezirks wurde 
durch Hammerwurf beſtimmt. War der Hammer ſo gebildet wie die 
Rune Thor P, fo würde ſich ſelbſt der Name Henkel deuten. Wenn 
nun nicht anzunehmen märe, daß der Blitzſtral das neue Heerdfeuer habe 
zunden müßen, wie das auch beim Nothfeuer anzunehmen ift (Ruhm Ger: 
"abtunft des Feuers S. 94), fo fähen wir Thialfi, deſſen Verhaͤltniſs zu 
Thor eine Reihe von Sagen bekundet, hier ſchon in feiner jüngern Ber 
deutung aufgefaßt. Freilich wird man, ehe der Big einſchlug, ihn auf 
jene altfeierliche Weiſe hervorzuloden geſucht haben, über welche wir Kuhn 
a. a. D. fo ſchoͤne Aufſchluße verdanlen. Aber das endliche Auflodern 
des Feuers erſchien als die unmittelbare Wirkung des Gottes, in deſſen 
Dienſt jene heilige Handlung geſchehen war. 


81. Thor und Hrungnir, 

Thor und der Riefe Hrungnir hatten fih an die Ländergrenze bei 
Griottunagardr zum Zweilampf beſchieden. Damit ihr Vorlämpfet nicht 
erliege, machten die Rieſen einen Mann von Lehm, neun Raften hoch 
und dreie breit unter den Armen: fie nannten ihn Mödurtalfl. Zum 
Herzen gaben fie ihm das einer Stute, das fih aber nicht haltbar er⸗ 
wies, denn es wird geſagt, daß er das Waßer ließ, als er Thor fah. 
Der Rieſe felbft hatte ein Hey von" hartem Stein” mil drei Glen; auch 


2.8. Donat. rungnit. „Mezwandil. 263 


fein- Haupt iſt von Gtein,fowie fein Schild, den er vor ſich hält. Seine 
Mafle, die er auf-die Schulter Iegt, .ift ein Schleifſtein. Als Thor mit 
Tpialfi kommt, warnt diefer den Riefen: er ftehe übel behütet, da er ben 
Schild vor. ſich halte; Thor werde von unten an ihn kommen. Da wirft 
Hrungnic den Schild unter die Fuße unb fteht darauf; die Steinwaffe 
aber faßt er mit. beiven Hänben. Als es nun zum Kampfe kommt, ‚nimmt 
es Thialfi- mit. Mödurlalfi, Ihor . mit Hrungnir auf. Gr fährt im Alen⸗ 
aom beran- md ‚wirft den Hammer aus ber Ferne nad dem Rieſen. 
Diefer hebt die Gteinwaffe entgegen: der Hammer traf, fie im Fluge und 
der Schleifſtein brach entzwei; ein Theil fiel -auf die Erde und davon 
Find alle Wepfteinfelfen gekommen; ver anbere fuhr in Thors Haupt, fo 
daß er vor. Eh auf die Erde ſtürzte. Der Hammer aber zerſchmetterte 
dem Riefen den Hirnſchädel zu taufend Stüden: da ſiel er vorwärts üher 
Thor, fo daß fein Fuß auf Thors Halfe lag. Xhialf, der inzwifchen 
Nödurlalfi bezwungen hatte, wollte Hrumgnisd Fuß von Thors Halfe 
nehmen, vermochte es aber nicht ; eben fo wenig auch bie übrigen Aſen, 
die zu Hülfe eilten. Aber Thots Sohn Magni, der erft drei. Winter alt 
wat, vollbrachte es. Da fuhr, Thor heim; aber der Schleifitein ſtedt noch 
in feinem Haupte. Die Weißagerin Grda, bie Frau Deriaubils des 
Reden, fingt ihre Bauberliever über Thor, und ſchon wird ber Gtein 
loſe: da will ‚ihr Thor die Heilung buch die Zeitung lohnen, daß er von 
Norden her durch die Climagar gewatet fei und ben Derwanbil.im Korbe 
auf dem Rüden aus Niefenheim getragen habe. Zum Wahrzeichen gab 
er an, daß ihm eine Bebe. aus dem Korbe vorgeſtanden und erfrosen ſei. 
Ex habe fie. abgehrochen, an ven Himmel geworfen und das Sternbild 
daraus gemacht, das Oerwandils Zehe“ heiße. Auch ſagte er, es werde 
nicht lange mehr anſtehen bis Derwandil heim komme. Hierüber ward 
Grda fo erfreut, daß fie ihrer Zauberlieder vergaß, und fo ſtedt ber 
Gtein nod in. Thors Haupte. D. 59. 

Diefe Erzählung beraft ih auf Höflang, das der Slalde Thio⸗ 
dolf non Hwin im ‚neunten Jahrhundert dichtete. Es mögen einfachere 
Mothenliever in der Weiſe der eddiſchen vorhanden gewefen fein ; doch 
iielen nur die jüngften Eddalieder auf das Greignijs an. Nah Uhlands 
Deutung, bezwingt Thor in Hrungnir (von at krüga, aufhäufen), deſſen 
derz von Gtein ift, die dem Anbau widerfirebende Steinwelt. Die Kam ⸗ 
vier haben fi zum Zweilampf nah Griottunagardr beſchieden: Griot 
heißt Stein, Gerölle, Griottunagarbr die Grenze des Gteingebiets und 


264 Donar. Mökurkelf. hercules Sarauus. 8.81. 


des baulichen Landes. Thialfi berevet den Niefen, ſich nach unten mit 
dem Schilde zu deden. Diefer täufchende Rath kommt aus dem Munde 
deſſen, ver von unten hinauf das Gebirg zu bearbeiten gewohnt ift. Aber 
Afathor fährt von oben her. Beßer bezieht man den Schild des Riefen 
wohl auf den Froft, welcher im Winter die Erde bededt und dem Anbau 
entzieht. Auch dem Thialfi wird fein Theil am Kampfe. Die Zötune 
haben den langen und breiten Lehmriefen aufgerichtet, der aber feig it 
und nur ein ſcheues Stutenherz in der Bruft hat; fein Name ift Mödr 
talfi, Wollen oder Nebelwade. Es ift der zähe wäßerige Lehmboven am 
dunftigen Fuß des Steingebirgs. Mit ihm wird menſchliche Anftrengung 
fertig, während den Steinriefen nur Götterkraft befiegen kann. Daß Thor 
in Gefahr ift, vom Sturz des erſchlagenen Steinjötung erbrüdt zu werden, 
iR dem Anblid verſchuttender DBergfälle, die gleichwohl Thors Werk find, 
entnommen. Die YAufraffung, die ihm reitet, wird feinem jungen Sohne 
Magni, der perfonificierten Afenftärte, zugeſchtieben; das Stüd von Hrung: 
nid Gteinwaffe, dad in Thors Haupte haftet, ift das Geftein, das auch 
im urbaren Felde Pflug und Karft oft noch findet, Diefer Deutung Eins 
nen wir ganz beiftimmen; nur möchte "der im Haupte Thors haftende 
Stein auf die Felfenmaffen gehen, die in urbar gemachtem Berglande von 
frühern Bergftürzen zurüdbleiben. Leichtere loſe Steine waͤren Teicht fort 
zuſchaffen; bier lonnte Thialfi, der menſchliche Fleiß, helfen, es braudte 
da feiner Zauberin. 

Die vielen dem Hercules Saranus in Steinbrüden gewidmeten 
Votivſteine und Altäre wißen unfere Archäologen nicht zu erflären wie ſich 
neuerbing® wieder in dem fonft werbienftlihen Feſtprogram vom J. 1862 
über „das Denkmal des Herculed Sarxanus im Brohlthal“ ergeben hat, 
indem e3 auf die Frage: wie kommen bie römifchen Soldaten dazu, dem 
Hercules an dieſer Stätte fo zahlreiche Altäre und Votivſteine zu weihen? 
teine genägende Antwort giebt. Wer fih aber erinnert, daß es nad 
Zac. Germ. 9 auch einen deutfchen Hercules gab $. 83, der kein anderer fein 
kann al3 Donar, der Gewittergott, dem Iöft fi) das Räthjel von felbft. 
Wie Thor ein Gott der Bauern, ja der Knechte geworben ift, ein Freund 
der Menſchen, denen er den harten Felsgrund zu baulihem Lande bereir 
tete, fo find ihm auch die Arbeiter in ben Steinbrüchen dankbar, denn ber 
Bezwinger der Steinwelt hat ihnen worgearbeitet, indem er den dels jerfpaltete 
und verwittern half. Die Annahme, daß es deutſche Soldaten waren, welche 
dieſe Steine fegten, wird durch bie Fundorte beftätigt, indem fie fiber 





$. 82. Doner. Sount Mond nnd Hercules. 265 


Deutſchland kaum binausreihen, am zahlreichſten fih aber in unferer 
Vrovinz finden. Hätte nicht die Germania des Tacitus hierüber zuerft 
befragt werden follen? vie man doch, obgleich fie von deutſchen. Dingen 
handelt, fonft nicht ganz ungelefen läßt, Die Römer waren nidt un 
duldſam gegen den Glauben ver befiegten Volker: 


Allen Göttern der Welt boten fie Wohnungen an, 
Habe fie ſchwarz und fireng aus altem Bafalt der Egupter, 
Oder ein Grieche fie weiß, reizend, aus Marmor geformt. 

Sollten fie nur die Altäre der deutſchen Götter unbekraͤnzt gelaßen haben ? 
Den Mithraspienft hatten fie willig angenommen, römifhe Krieger brach⸗ 
ten ihn in das lintsrheinifhe Land, das römische Staatspolitik für einen 
Theil Galliens erflärte, das fi aber als deutſch verräth, da es bie 
Römer felbft Germania prima, Germania secunda nannten. Gebührte 
dem deutjhen Hercules hier micht die gleiche Ehre wie dem aſiatiſchen 
Mithras ? Wenn diefer invictus hieß, fo finden wir nun aud) Hercules in- 
vietus genannt, und wer bürfte ihm biefen Namen verweigern? In allen 
feinen Kämpfen war Thor unbefiegt geblieben und in feinem Iegten fiel 
er als Sieger. Wenn an der Ara Ubiorum ein deutſcher Fürft das 
Prieſteramt verwaltete und einem deutſchen Gotte opferte, wenn wir den 
felben deutſchen Gott aud in Godesberg, in Gubenau, in Godenoume, 
am Godenelter zu Ahrweiler und als Gott des Siegs (Sigtyr) wohl auch 
in Siegburg verehrt finden, wenn ber Donneröberg in der Pfalz dem 
Gotte geweiht war, deſſen Preis in die Schlaht ziehend die Germanen 
fangen, fo befremvdet e8 am menigften, auch in ben Steinbrüchen bes 
Brohlthales den Dienft des felfenfpaltenden Gemwittergottes mieberzufinden. 
In Bezug auf einen andern Deutungsverſuch bemerke ich für Diejenigen, die 
es noch nicht wißen follten, daß Sonne und Mond aud in Deutſchland 
feinen, nicht bloß in Phönicien, und daß Sonne Mond und Hercules 
nad 8.117 0.127 etwa fo viel bedeuten al3 Sonne Mond und Bulcas 
nus (Feuer) bei Caͤſat, für deſſen Trilogie wir hier ein neues Zeugniſs 
finden. Daß der Gewittergott in Deutfhland zugleich Feuergott war, wird 
ih dem Leſer immer mehr berausftellen,. je weiter er vordringt. 


82. Derwandil uud der Apfelſchuß. 
Auch den Mythus von biefer weiß Uhland zu deuten: Bröa ift das 
Waqhathum, das Gantengrün, daß vergeblich bemüht if, jene Felſen zu 


6 Berar. Axwieth und · aulei. 88 


deden, Thors Wunde zu heilen. Ihr Sohn: Derwanbil, wörtlich der · mit 
dem Pfeilarbeitenbe (dr aagitta, at vanda elaborare), iſt der Fructteim, 
deraus der Saat hervorſtechen und auffchießen will. Ihn hat Thoͤr über 
bie Gsſtroͤme Eliwagar im Korbe getragen: er hat · das leimende Bflangen- 
leben den Winter über bewahrt; aber der kede Derwandil hat eine Zehe 
hervorgeſtredt und erfroren: der Reim hat fi allzufrüh hervorgewagt und 
muß ed. büßen. Thoͤr hilft aljo nicht bloß das Land urbar. maden, er 
ſchutzt ·auch die Saat den Winter über, fie fei nun auögefät, der Erde 
vertraut, ober noch im Fruchtſack bewahrt. Nacllänge dieſes Mythus hat 
Uhland in Saros Erzählung von Horwandil und Fengo nadıgemiefen, an 
welche ſich Amleths Geſchide nüpfen, der bei Shaleſpere Hamlet heißt. 
Koller fält im Zweilampf vor Horwandil, in welchem Derwanbil der Kede 
(hinn frekni) wieder erkannt wird, während Koller (der Kalte) den Früh: 
lingsfroſt bedeuten fol. Der prächtige Grabhügel, der dem Befiegten er 
richtet wird, ift der dichte Halmenwuchs des Aehrenfeldes. Geruthe, 
Amleths ‚Mutter, wird hierbei der Groͤa gleihgeftelt. Den Schluß ver 
Erzählung Saros laßt Uhland unausgebeutet: über Fengo und Amleth 
erhalten wir feine Auskunft; doch Könnte Fengo, Horwandils Mörder, ver 
dann feine Witte Geruthe, Shakeſperes Gertrud, heiratet, an die Fenja 
erinnern, die mit Menja dem König Frobi in der Mühle Grotti Glüd, 
Gold und Frieden malt, D.63. Die Mühle Grotti wäre dann Gerutha; 
Fengo bedeutete dad Malen, und Amleth das Korn, wo felbft der Name 
mit Amelmehl, üuırov, Gtärtemehl, Kraftmehl, übereinftimmt. Bedeutet 
es woͤrtlich das ungemalene Mebl, fo ift auch Amleth aus der Che Ger 
ruthas mit Fengo nicht hervorgegangen. 

Mit dem Splitter im Haupte, der von des Rieſen Steinkeule her: 
rührt, wird Thor dargeftellt ; in der Helvenfage, wo Thör zu Dietrich ges 
worden ift, findet er ſich in Dietrichs Stirne wieder, der darum ber un⸗ 
fterblie Heißt. Grimm Helbenf. 164. 304. Dietrich ift ein Amelunge, 
und ſcheint es gewagt, dieſen Namen mit dem Amleths und ver oben ge 
gebenen Deutung de3 Amelmehls in Verbindung zu bringen, jo war doch 
Grimm Zeitſchr. VII, 394 auf gleicher Spur. Es iſt nicht das einzige 
mal daß Thors Kämpfe in der Helvenfage nachklingen: feine Stelle nimmt 
Dietrich aud im Kampfe mit Cd und feinen Brüdern ein; doch handeln 
wir dieß befer bei- den Rieſen ab, wohin wir den Nachweis, daß fih 
- Xhör in allen Elementen, gegen Sturm⸗, Feuer: und Waßerriefen als Ban⸗ 
diger ‚verwerblicher Raturfräfte darſtellt, verweifen müßen. . Aber auch Der 


$. 8% Denar. Eh. "Telofin. 287 


wandil Tebt in ver Heldenſage fort als Drendel, den die Vortede zum 
Heldenbuche den älteften aller’ Helden nennt. In dem Gedichte von Orendel 
und bem grauen Rod des Heilandes, ver noch zu Trier verehrt wird, iſt 
aber der Mythus von Thör, der ihn über die urweltlichen Eißftröme trägt, 
taum 'wieberzuerfennen (vgl. Meine Vorr. zum Orendel); bad "werben bie 
urweltlichen Eisſtroͤme · durch das Mendelmeer erfegt. Drendel iſt hier-gum 
Sohne König Eigils von Trier gemacht. Bon Eigil erzählt die Wiltinaſ. 
€.27. „In dieſer Zeit kam der jurtge Eigil, Wielands ‘Bruder, 'an König 
Nidungs Hof, dieweil Wieland nad ihm gefenbet hatte. Eigil war. einer 
der watkerſten Männer und hatte eln Ding vor Allen -gum -Borans: er 
ſchoß mit dem Bogen befer als irgend Jemand anders; der König nahm 
ihm wohl auf und mar Eigil da lange Zeit. Da wollte der König einsmals 
verſuchen, ob Eigil fo ſchießen könnte wie von ihm gefagt war, over nicht. 
& ließ Eigils dreijährigen Sohn nehmen und ihm einen Apfel auf ven 
Ropf legen und gebot Eigiln, darnach zu ſchießen, jo daß er weder darliber 
hinaus, noch zur Tinten noch zur vechten vorbei, fondern allein ven Apfel 
träfe; nicht aber war ihm verboten den Anaben zu treffen weil man wufte, 
daß er fchon felber es vermeiden würde, wenn er irgend Fönnte; und auch 
Einen Pfeil nur folle er ſchleßen, und nicht mehr. Eigil nahm -aber brei 
Bieile, befieverte fie, legte den eimen auf die Sehne und ſchoß mitten in 
den Apfel, fo daß der Pfeil die Hälfte mit fich hinwegriß und Alles zu⸗ 
fammen auf die Erde fiel. Diefer Meiſterſchuß ift lange hochgeprieſen 
worden und der König bewunderte ihn aud fehr und Eigil- warb berühmt 
vor allen Männern imb man benannte ihn Eigil den Schuhen. Adaig 
Ridung fragte Eigiln, warum er drei Pelle genommen habe, da ifm 
dod nur verflättet worden, Einen zu ſchießen. Eigil antwortete: ‘Herr, ich 
will nicht gegen euch lügen: wenn ich den Knaben mit dem Einen Pfeil 
getroffen Hätte, fo waren euch biefe beiden zugedacht. Der-Mönig aber 
nahm dieſes gut auf, und bauchte Mile, vaß er bieder geſprochen habe.’ 
Wenn man diefe Sage für eine ffandinavifhe ausgiebt,' fo iſt die 
Wiltinaſ. zwar in altmorbifher Sprade, aber aus dem Munde deutſcher 
Nämer aus Bremen und Münfter mad deutſchen Liedern aufgezeichnet. 
Schon der eben bier in Bonn vortommende Familienname Schutzeichel bes 
weift die Deutfhheit der Gage. Diefe Lieder, in melden bie: deutfche 
Heldenfage damals noch fortlebte, fönnen in der Sqhweiz nicht unbelannt 
deweſen fein; erzählt doch auch die’ Chronik deö weißen Haufe; "daß ber 
Herr auf -Altfellen die Ehre einer Häbjhen Frau in Abweſenheit ihres 


268 Denar. Palnatoki. Grendel. 4. 82. 


Mannes in ähnlicher Weiſe bedrohte wie das nach Cap. 249 der Willina⸗S. 
und in der alten Vorrede des Heldenbuchs Gr. 295 Kaiſer Ermenrich 
an Sibichs Frau ausführte. 

Man braucht alfo den Apfelſchuß nicht aus dem Norden herzuleiten, wie 
noch immer in allen Befpredjungen der Tellsſage geſchieht. Auch Palnatefi 
mar fein Däne, ſondern nach Saro Jumensi provincis ortus; wir würden 
ihn einen Pommern nennen. Maurer Belehrung I, 244 erklärt dieſen 
Kämpfer bes vorgeſchichtlichen Aönigs Harald Hildetand für eine durdaus 
ungeſchichtliche Perſon, was aud damit ftimmt, daß er auf Fühnen zum 
wilden Jäger geworben ift, S.217. Da wir freilich nicht wißen, wie alt jene 
Lieder find, jo Tann man der Erzählung des Saro, der fon im 12. Jahrh. 
feine fabelhafte däniſche Geſchichte ſchrieb, die Priorität nicht geradezu ab: 
ſprechen; dod urteilt Grimm M. 350, der Apfelihuß fei dem Bortrag 
des Ereigniſſes bloß angewachſen aus älterer Ueberlieferung, die im Laufe 
des 10. 11. Jahrhunderts vorausgejegt werden müße. Indeſſen tennt 
doch die Edda zwar Eigiln, aber feines Apfelſchußes ja feiner Schügen 
kunſt geſchweigt fie. Eins hat auch die Erzählung von Toko von ber bon 
Eigil voraus: Tolo bewährt ſich nämlih wie Tell nicht bloß ala beflen 
Schügen, fondern aud als beiten Schlittihubläufer, wie Tell ver befte 
Schüge und zugleich der befte Fährmann ift; ja er erſchießt auch zulept 
den König wie Tell ven Gehler. Doch auch in Eigils Sage finden wir die 
Verbindung der Künfte und Sertigleiten vgl. S. 247. Geinem Baler 
Wate ſchreibt die engliihe Weberlieferung die Erfindung des Bootet, 
d.h. der Schiffahrt zu, während die Wiltinaf. ihn nur als einem 
beibnifhen Chriſtophorus, den jungen Wieland auf den Schultern, ven 
Gröningafund durchwaten läßt, das Boot aber erft diefem feinem Sohne 
Wieland beilegt. Nach dem deutſchen Gudrunliede hat Wate die Heil 
kunſt von einem wilden Weibe erlernt. Sein Sohn Wieland erfindet auch 
noch das Federhemd, d. h. die Kunft zu fliegen. Drendel Eigils 
Sohne legt daß deutſche Lied feine Kunft bei; aber auf feiner wunder: 
reichen Fahrt durd das Wendelmeer, die Grimm veranlaft, ihn für den 
deutjchen Odyſſeus zu erklären, begegnet er jenem Schiffer Eiſe, ven wir 
$. 110 als einen Niederſchlag der deutſchen Iſis kennen lernen, fo daß 
fein Bezug auf die Shiffahrt nicht zu bezweifeln ift. Aus biefem groß 
artigen Zufammenhang von Aunftfertigkeiten wird aud Tells Schügenkunft " 
und Fergenkunſt herrühren. Drendel felbft erſcheint im deutſchen Gedichte 
nicht als Schüge, wir haben ihn als den Anaben zu denken, dem der Apfel 


%88%. Donar. Erendei. Te 29 


vom Haupte gefhoßen warb. Da indes fein Name nach Uhland den mit 
dem Pfeil arbeitenden bedeutet, ja eine agf. Gloſſe „earendel jubar‘“ 
ihm ſelbſt als Stral bezeichnet, was noch im Miütelh. wie im Jtalieni- 
ſchen Pfeil bedeutet, fo kann von dem Sohne gegolten haben was von 
dem Vater erzählt wird. Auch erwuchſen gegen das funfzehnte Jahr 
humbert, wo Tells Schuß zuerft erzählt wird, aus Perfonennamen ſchon 
Familiennamen und Orendel beißt im der Vorrede des alten Heldenbuchs 
Erendelle, in Bon der Hagens Grundriß 6.2 Ernthelle. Dieß ward 
aber wohl in Tell gekürzt, weil man bie erfte Sylbe für jenes vor Namen 
Rehende „Ehren“ anfah, das nah dem d. Wörterbuch II, 52 aus 
„Herr" erwachien bald für ein Epitheton ornans angefehen wurde, z. B. 
Ehren Dlivarius Tertdreher in Schlegels Ueberjegung von Was Ihr wollt, 
oder Ehren Loth in Bürgers Frau Schnips: 

Hieranf fprang Ehren Loth herbei 

Mit Schnarchen und mit Schnauben. 

Bern in der Chronik des weißen Buchs der Shüge Tall 
beißt, fo ift das nur bie ſchweizeriſche Ausſprache, die auch Barg für 
Berg fagt. Es bliebe noch nachzuweiſen wie fih der Vorname Wil⸗ 
helm gebilvet habe. Es reicht nicht aus, daß dem Wili $. 10 in ber 
andern Trilogie Hönir entipricht, den Slaldſt. 15 als Pfeiltönig bezeichnet. 
Aber Tell ift nicht der erfte Wilhelm, von dem der Apfelſchuß berichtet 
wird, vorangieng William of Cloudesly, derjelbe von dem auch die 120 
Schritte Entfernung herrühren, die das ältefte Tellied bei dem Schuße 
annimmt. gl. Huber Die Walbftätte, Infprud 1861 ©. 120. 123. 

Will man noch nad) der mythiſchen Bedeutung des Apfelfhußes fragen, 
fo hat Dr. Hoder Stammfagen 74 eine folde anzugeben verſucht. ‚Eigil 
wird der Himmelsgott in feiner Eigenſchaft ala Todtengott fein, der feinem 
Sohn den Apfel der Verjüngung vom Haupte ſchießt, wie die weiße Frau 
von Orlamünde ihre Kinder tödtet. Saro berichtet von Palnatoli und 
die norwegiſche Sage von Heming, der feinem Bruder Björn eine Haſel ⸗ 
mp vom Haupte ſchießt. Die Nuß ift wie der Apfel Symbol des neuen 
Lebens; erft aber muß dad alte durch die Hand de Todesgottes gefallen 
fein ehe ein neues entftehen Tann.’ Ich zweifle indes, ob überhaupt hier 
eine mythiſche Deutung am Plage ift. Wie man noch jept von dem Ger 
fellen, der das Meifterrecht erlangen will, ein fog. Meifterftüd begehrt, 
fo bommen in deutſchen und außerdeutſchen Märchen und Sagen Probe 
füde allerlei Zünfte vor, wobei jelbft die holde Diebeshnft KHM. 192 


0 Densr. Gagel. Zarpeden. 5.8 


nicht Tees ausgeht; KHM. 129, werden mehre berjelben in Vergleih ger 
ſtellt, Hier haben wir ed nun mit. dem Meifterfüd. der Schügentunft zu 
thun. Die fihere Hand ift ed, morauf, es im, Schießen ankommt; den 
aber müßen alle Scügen, für ihren Meifter anerkennen, dem dieſe ſichere 
Hand auch dann nicht fehlt, wenn daß Herz ungeftüm ſchlaͤgt, weil dad 
geben des eigenen Kindes auf dem Spiele ſteht. Darum läkt unfer Dichter 
ſelbſt Gehlern geſtehen: 
& war ein Meiſter ſchuß, ih muß ihm foben. 

"Der erfte, von den biefer Meiſterſchuß ergäpft wird, ift Drendels Vater 
Eigil; daß er aber auf diefen erft von feinem Sohne übertragen warb, zeigt 
ſchon deſſen Name, vgl. S. 269 oben. Bon Derwanbil wißen wir aud, 
daß er ber Fructleim if, ver hervor fchießt, was bann erfi Beran 
Tafung gab, ihn zum Schügen zu mahen. Was Gigil betrifft, fo ergeben 
die Trilogien $. 125 feinen Bezug auf das Waper und Grimm leitet M. 930 
den Namen des Zwerges Eugel im Siegfriedsliede von ey — ahb. onwe, 
augis (Infel) ab. Diefem ſcheint Eigil identiſch: wir haben aljo feinen 
Grund einen Simmelsgott in ihm zu fuden. 

Man hat neuerdings Tells Schuß aus dem vierzehnten Jahrhundert 
in das breizehnte zu rüden verfuht: Die Telfage zu dem Jahre 1230 
von Dr. H. v. Liebenau, Yarau 1864, wodurch er älter feinen Lönnte ald 
Saro und die Wiltinafage. Allein im Weſentlichen haben ſchon die Alten 
jenen Meiſterſchuß gelannt, Grimm Myth. 358 ; Guftathius nennt aber 
nur den Sarpedon als das Kind, dem ein Ning von der Bruft, ohne es 
zu verlegen, gefhoßen wurde. Herrn v. Liebenaus Vermuthung ©. VII, 
und 3, daß Telld Vorname Wilhelm erft aus der Angabe der Singweile 
„Wilhelmus von Naſſouwe“ über dem alten Tellenlied in die Gage ge 
kommen fei, ift nicht zutreffend, da jenes Lied von Wilhelm von Raffau 
nad Huber 106 erft 1568 oder 1569 verfaßt wurde, Tell aber ſchon 
bei Melchior Ruſs, der 1482 zu fhreiben begann, Wilhelm genannt wird. 
Da er übrigens ©. 147 zugefteht, ‚Tell und feine That bleiben fagen 
baft‘, fo wird man uns feine Schrift nicht emtgegenhalten dürfen. Daß 
Tells That mit den frühern Verhältniffen beper vereinbar if als mit 
den fpätern, geftehen wir ihm gerne zu. 


83. Thor als Hercules. a. Utgartloki. 
Die Keule Thors erinnerte und an Hercules, und bei ber Beirad- 


% 88% Donat. tfprumg' dee · Argeifplets. ri 


tung der Trilogieen F. 57 erlamnten: wir: Thor auch in- dem Hercules, 
melden Tacitus nach feiner interpretatio romana unter den brei'Haupt« 
göttern der Germanen nannte. GB fragt: fih, was den Römer. befiimmt 
habe, Thör als Hercules aufzufaßen; da er der Domnergott ift, fo wurde 
die Bergleidfung mit Jupiter näher gelegen haben, wie er auch wirklich 
in Deutſchland als Jupiter aufgefaßt ward, wofür außer dem ihm gehei⸗ 
ligten Wochentage (dies Jovis) die von Winfrid zerftbrte robur Jovis 
bei @eismar zeigt, die nad Gr. Myth. 155 bei einem Donneröberge 
Rand; ferner alle Berge, welche den Namen Mons Jovis führen, wie der 
Donneräberg in der Pfalz; dann die Pflanze barba Jovis, zw deutſch 
Bonnerbart, endlich die Möge, welche zur Erinnerung an den Sturz des 
Heidengottes alljährlih auf dem Domhof zu Hildesheim errichtet: und ala 
Regel von fpielenden Anaben niedergemorfen wurden, und vom welchen 
einer den Ramen Jupiter führte, Myth. 172 fi; der Name des andern 
entgeht und. Nach Myth. 743 wurde aud zu Halberftabt alljährlid ein 
hölgerner Kegel anftatt des Abgotts aufgefegt und darnach geworfen. Dieß 
geſchieht wie dort zu Hilvedheim um Lätare und wenn bier der Rame 
Jupiters nicht vorlommt und ber an die Stelle des Abgotts⸗Tempels er» 
baute St. Stephans Dom eher auf Fro weift, fo ift doch wieder darin, 
dab der Probft in öffentlicher PBroceffion einen Bären umführen fo, 
Denar durch das ihm geheiligte Thier bezeichnet. Obgleich bier nur von 
eimem, bort nm von zwei niebergeworfenen Kegela die Rede ift, fo wird 
dech aus der Volkafitte, den Sturz der heibnifchen Götter durch ein Anar 
benfpiel zu begeben, das Kegelfpiel entiprungen fein, da bie Reungahl 
Ver Götter nad) $. 58 den neun Tagen der alten Weche entſprechend in 
Deutjchland ſchwerlich überall zur Bmölfzahl flieg. Noch ein anderes Anar 
benipiel nahm bier feinen Urfprung, vgl. den Auffag Heidenmwerfen 
Zeitfhr. für d. Myth. IT, 131. Aber auch mit Hercules hat Thör außer der 
Keule Vieles gemein, zuerft die Tac. Germ. 34 erwähnten Herculesfäulen, 
meben melden Thördfäulen vorlommen, und wohl nod häufiger workämen, 
wenn fie das M. A. nicht erft auf Hoyer von Mansfeld gedeutet, dann in 
Rolandsfäulen verwandelt hätte, Myth. 107, Benede Wigalois 452; fer 
nee die vielen Kämpfe, melde Thor mit den Rieſen beftand: fie 
mochten den Römer an die Wrbeiten des Hercules erinnern. Thor be 
lampfte auch die Midgardſchlange wie Hercules die Lernäife; dieß wären 
ſchon der Vergleichungspuncte genug. Aber bie vornehmfte That des Her, 
cules war, daß er in den Hades binabftieg unb zum Wahrzeichen den 


273 Denat. Bkrymir. Nigardleki. 3.8. 


Cerberus mitbrachte: der Hauptbeweis wird aljo darin beftehen mühen, 
daß auch Thor in die Unterwelt binabftieg, und das thut er in mehren 
Mythen, am Deutlichſten in dem von Utgardloki: in andern, die benfelben 
Grund zu haben feinen, halte ich es für werbumfelt; doch werde ich in 
allen Spuren von Thors fiegreihem Herabſteigen in die Unterwelt nad: 
weifen. 

Die Einleitung zu der Erzählung von Utgardloli D. 44—48 bildet 
der Mythus von den wiederbelebten Böden $. 80. Bei dem Bauern, 
Thialfis Vater, ließ Thör feine Böde zurüd und fepte feine Reife oſt⸗ 
wärt3 nad Jötunheim fort. Dort fährt er über die tiefe See, und kommt 
in einen großen Wald. Tpiälf, aller Männer fuprüftigfter, trägt 
Thoͤrs Taſche; aber Mundvorrath war nicht leicht zu erlangen. Ihr Nacht⸗ 
lager nehmen fie in einer Hütte, deren Thüre fo breit ift wie fie ſelbſt. 
Um Mitternadt entftand ein Erdbeben, daß die Hütte unter ihnen ſchwankte. 
Sie flüchten in einen Anbau neben der Hütte; dod hörten fie noch großes 
Getoͤſe. ALS der Tag anbrach, fand Thör einen Mann im Walde liegen, 
der war nicht Hein; er fchlief und ſchnarchte gewaltig. Thoͤr begriff mım, 
woher das Gröbeben und das Getöje gelommen war. Gr fragte ven 
Mann um feinen Namen: da nannte er fih Shymir, dich fagte er, 
braude ich nicht zu fragen, id weiß, daß du Ajathör bift. Aber wo haft 
du meinen Handſchuh? Damit fredte er den Arm aus, den Handſchuh 
aufzuheben, und Thoͤr ſah nun, daß die Hütte, worin er die Nacht zuge 
bracht hatte, ver Handſchuh geweſen war; ber Anbau aber der Däumling. 
Thor und Skrymir werden nun Neifegefährten und legen ihren Speiſe ⸗ 
vorrath zufammen. Skrymir bindet Alles in einen Bündel und nimmt 
ihn auf den Rüden. Am Abend nehmen fie Herberge unter einer Eiche. 
Der Rieſe, der ſich ſchlafen Iegen will, giebt hör den Reifebündel, fih 
ein Nachtmal zu bereiten; dann ftredt er ſich hin und ſchnarcht gewaltig. 
Thor aber fann die Anoten des Speifebündel3 nicht öffnen: da will er 
den Rieſen weden; aber daß gelingt ihm ebenfowenig, obwohl er mit dem 
Hammer zuflägt. Der Riefe fragt nur, ob ihm ein Blatt von dem Baum 
auf den Kopf gefallen fei, oder zum arffernmal, eine Eichel u. dgl. Am 
Morgen fagt der Niefe, Abfchied nehmen, fie hätten nun nicht weit mehr 
zu der Burg Utgard: fie follten ſich ba aber ‚nicht zu übermüthig beneh ⸗ 
men, denn Utgarblofis Hofmänner würden von ſolchen Burſchen ftolge Worte 
nit dulden. Da gieng Thör mit feinen Gefährten weiter und fand am 
Mittag eine hohe Burg; ein verſchloßenes Gitter am Thore. Da fie es 


4. 88. Denar. Logi. Yügl, ai, 278 


nicht öffnen Lönnen, fo ſchmiegen fie fi zwiſchen den Staben hindurch 
und iommen jo hinein. In ver Halle fanden fie viele große Männer. 
Der König, Utgarblofi, nimmt ihren Bruß fäumig auf, und wundert 
fih über die Nleinheit Dekuthörs. Doc fchlägt er ven Gäften vor, ſich 
mit feinen Leuten in Wettfpielen zu meßen. Da verfudt ſich zuerft 
Loli gegen Logi im Chen; Loki aß alles Fleiſch von den Knochen, aber 
Logi verzehrte das Fleiſch mitfamt den Knochen, und den Trog dazu. Thialfi 
mißt fih darauf mit Hugi im Wettlauf, wird aber befiegt. Nun foll 
ſich aud Thoͤr verfuchen, zuerft im Trinken, indem er. ein Horn leere, 
das Ginige dort in Einem Zuge austränten, und felbft der ſchwaͤchſte Trin⸗ 
ter in dreien. Thoͤr bringt es aber kaum zumege, daß ein Abgang im 
Home bemerkbar wird. Die zweite Kraftprobe, Utgardlolis Katze vom 
Boden aufzuheben, gelingt ihm nicht beßer: nur Einen Fuß läßt die Rage 
von der Erde; meiter bringt es Thoͤr nicht in diefem Spiel, Bulegt fol 
er noch feine Kraft im Ringen darthun und ſich gegen Elfi, Utgarblofis 
Aume, verfuchen. Aber das alte Weib ftand feit, während Thör bald 
auf ein Anie fiel. So ſchienen die Wettipiele alle zum Nachtheile Thors 
amd feiner Gefährten audgefallen. Als fie aber am Morgen Abfchied nah⸗ 
men, begleitet fie Utgarblofi hinaus vor die Halle und geſteht dem Thor 
jum Abſchied, er habe ihm geftern nur ein Blendwerk vorgemacht. Zuerft 
ala Skrymir habe er den Speifebündel mit Gifenbändern zugeſchnurt; bar 
auf vor jeden feiner Hammerhiebe einen Feläftod gehalten, und drei vier 
edige Thaͤler habe fein Hammer in bie Felſen gefchlagen. ‚So mar es 
aud mit den Spielen: Logi, ver fih mit Loki verfuchte, war dad Wild: 
feuer; Hugi, der mit Thialfi ftritt, war mein Gedanke; das Kom. 
tonmteft du nicht leeren, denn fein andered Ende lag im Meere; die Rage, 
die du vom der Erbe heben follteft, war die Midgardſchlange, und meine 
Aume Elli das Alter, und Keiner ift fo ſtark, den das Alter nicht zu 
Falle brachte. 

Diefe aus vielen Heinen Mythen zufammengeftüdte Erzählung trägt 
beſonders am Schluß das Bepräge jüngerer Entftehung, indem die Deutung 
bereitß in den Bericht mit aufgenommen iſt. Ueberhaupt gleicht fie mehr 
einem Märchen ald einem Mythus. Doch betrifft dieß bie Geſtalt, in der 
fie überliefert iR; die einzelnen Stüde können gleihwohl alt fein. Thor 
muß, um nad Utgard zu gelangen, erſt über die tiefe See fahren. Es 
tar dieß der Strom fing fein, der die Niefenwelt von Asgard, ber 
itterwelt, ſcheidet; das Wendelmeer, das ſonſt als Midgardſchlange pers 

Card, Mythologie. 18 


2 Dear. Auxyait Cherkil. 48. 


fonificiert wird, ober endlich Giner der untermweltlichen Gtröme. Utzard 
bedeutet allerd ings (Uhland 71) die Rieſenwelt im Gegenſah gegen Asgard 
und Midgard, die von Göttern und Menſchen bewohnten Gebiete. Wie 
aber hier Utgardlofi zuerſt als Riefe Skymir, und dann erft im feiner 
wahren Geftalt erſcheint, ſo wißen wir aud, daß die tiefen dunkeln Th 
Ver, welche gur Unterwelt führen, nicht bloß vom Zwergen, auch von Bie 
fen 6. 44 bewohnt find, wie bad unter andern aus Helreidh hervorgeht. 
Daß er der Todesgott ift, beweilt das Gitter um feine Burg und feine 
Amme das Alter. Daß er mit Loli zufammenhängt, deſſen Verwandt 
ſchaft mit Hel wir bereit3 kennen, zeigt ſchon fein Name, noch deutlicher 
Sazos Bericht von Thorfilis Reife zu Utgarthilocus (VII, 164), wo dieſer 
‚gleich Loki nad) feiner Beſtrafung mit ungeheuern Ketten belaftet in finfterer 
Höhle Tiegt, eine von dem gefehelten Ajaloti herrührende Vorſtellung die 
aud in deutſchen Sagen maltet, Panzer II, 656, 426, vgl. 193 oben; bei 
Caeſarius beftehen die Ketten des Teufels aus Worten, die im Missale 
Reben, vgl. Baader 301. Neben ihm erſcheint freilich Lofi auch ala Aſa⸗ 
Lott, wie das ihm zu Grunde liegende Feuer ſich noch einmal in Logi 
wieberholt, und wäre Xpialfi, wie Weinhold will, als Loti zu faßen, fo 
lehtte daß perjonificierte Feuer noch zum viertenmal zuräd. 

Daß Thoͤr ſich in Skrymirs Handſchuh verkroch, wird ihm Harbardel. 26 
(wo Skrymir Fialar heißt) und Degisbr. 60 vorgeworfen, mo 62 auch 
auf die Kuoten des Speiſebundels, die Thor nicht zu ldſen wuſte, ange 
ſpielt wird. Den Handſchuh deutet Uhland auf eine Steinkluft mit ihrer 
Nebenhöple; ber Rieſe felbft, deſſen Schnarchen ven Wald erihättert, iR 
das ſturmſchnaubende delsgebirge; der mit Gifenbändern zugeſchnurte Reife 
ſac wird von Mone auf die Winterlälte bezogen, die ben groben Speifefad, 
bie Exbe, verſchließt; befer iſt Uhlands örtliche Deutung: Thör tan hier 
wohl Felfen kerben, aber nimmermehr nährende Frucht dem Steingrunde 
abgetwinnen. Daß der Riefe Thoͤrs Hammerfäläge für abfallende Blätter und 
Giheln u. ſ. w. halt, gehört mır zur Schllderung ber Rieſennatur und Alingt 
in deutſchen Märden (AM. 90. III, 163) vieljach nad, we überhaupt 
Thors Begegnung wit dem Rieſen Spuren zurüdgelapen hat. Ef in 
Utgardlofis Kalle if das Biel ver Reife erzeicht, welches Saro ausbräd: 
lid) als die Unterwelt bezeirhnet, denn Gormo wünfcht has Sqhichel ver 
Seelen nad dem Tode zu erfunden. Deshalb foll Thorlill ven Migarthi: 
locus heimſuchen und feine Ausiprüde vernehmen. Freilich werben dieſen 
hernach ragen folder Art nicht vorgelegt; wahl aber fell im den entipre 


%88. Ronar. Wei. Aspect. 275 


chenden Märden, 5. ®. KM. 29, der an die Stelle tretenbe Teufel uber 
* fonft ein Ungethüm mie der Vogelgreif auf Fragen Beiheid geben: er 
bleibt auch die Untwort nicht ſchuldig; doch betreffen diefe Fragen daB 
künftige Leben nicht mehr. Un fih aber ſchon deuten biefe ‚oracula ex- 
petenda‘ auf die Unterwelt, aus welcher auch Odin in ver Wegtamskw. 
über Baldurs Schidſale Beſcheid holt. In denſelben Märden erſcheint 
ein Schiffer, der fich für die Ueberfahrt Hand und Fuß bedingt: hier if 
der Todtenſchiffer nicht zu verkennen. KM. 165 trägt der Wogelgreif über 
das Waßer. So werben wir wie bei Ehriftophorus und dem Riefen 
Bate an die Zeit erinnert, wo e3 weder Brüden noch Schiffe gab. Wates 
finden wir indes in ber engliſchen Leberlieferung als Erfinder des Bootes 
gedacht, was dann die Wiltinaf. auf feinen Sohn Wieland überträgt, wie 
die Schweizerſage den Apfelſchuß auf Eigils Sohn Grentelle. Diejer gehört 
ala Derwandil $.82 aud darum bieher, weil ihn Thör im Korbe über die 
urwelilichen Ströme getragen hat, wobei aber auffällt, daß Thör im Hat 
bardslied ſelber der Weberfahrt harst. Wir fehen aljo bald Thor bald Odin 
(aud) bei Ginfiötli) als Todtenſchiffer gedacht, was $. 84 bei vem Fluke 
Bimur noch deutlicher werden wird. Bei Zingerle KH. I, 370 be 
gehrt der Schiffer als Fährlohn geradezu das Leben des Uebergefahrenen: 
dh zerreiße dich und damit iſt Alles bezahlt.’ Utgard, das Todten⸗ 
Ian, heißt hier Neuholland. Die rechte Hand, der linke Fuß. wird au 
von Wittih bei einer Brüde (der Todtenbrüde) als Bol verlangt, 
und von König Laurin in deſſen Bofengarten ‚für ven Bruch des 
Seidenfadens; im großen Mofengarten aber, wo der Schiffer Row 
precht heißt, wieder für die Ueberfahrt. So ift aud in den Nibelungen 
der Elfenfährmann als Todtenſchiffer gemeint geweſen obgleich es jegt nicht 
mehr deutlich hervortritt. Vgl. Wolf NS. 53 und Eap. 29 des indi- 
culus pag. de ligneis pedibus vel manibus pagano ritu. Hölerne 
Hände und Füße wurden den Todten in den Sarg gelegt, damit fie bei 
der Ueberfahrt den Zoll entrichten könnten. Der Bufammenbang jener 
Marchen mit Saros Erzählung kann aber nit verlannt werden, denn ‚des 
Zeufels drei Haare‘, die dad Märchen verlangt, find bei Saro buch Ut⸗ 
garthilocus übelriechendes, hörnernen Sperſchaͤſten gleiches Barthaar erfept, 
das Ihorfill, ver an Thörs Stelle getreten if, ihm aus der Schwarte 
bricht. Kehren wir zu der eddiſchen Erzählung zurüd, fo haben aud die 
Bettfpiele, die hier Thor mit feinen Gefährten beftehen muß, in ber 
lannten deutſchen Märchen wie AM. 70 I, 134, die Wolf Beitr. 1, 90 


276 Donar. Squueller als der Blif. 8.88 


verglichen hat, ihre Begenbilver. Das erfte, bei dem es ſich darum han 
delt, wer am beften eßen Tann, findet fid bei Kuhn NE. 361 wieder; die 
Deutung giebt bie Erzählung felbft: unter Wilofeuer ſcheint das unter 
irdiſche Feuer verftanben, dem wir den Vorzug größerer Gefraͤßigleit nicht 
fireitig machen wollen ; fonft führt dieſen Namen das Nothfeuer, Myth. 570. 
Ber Thialfi eigentlich iſt, lann das folgende Wettfpiel lehren: wäre er, 
wie Uhland will, aud) bier der menſchliche Fleiß beim Anbau der Erbe, 
der bei aller Rüftigfeit doch nur ſehr allmählich vorwäͤrts ſchreitet, fo hätte 
er ſich nicht erbieten dürfen, mit Jedem um die Wette zu laufen, ben 
Utgarbloli dazu auserfähe; er lonnte e8 ohne Vermeßenheit, wenn er, der 
bi3 dahin für den fußrüftigften (allra manna fötvathastar) galt, der 
Blit war. Aber noch ſchneller ift der Gedanke, und fo wird er von Hugi 
befiegt. Diejer glüdlihe und gewiſs uralte Zug ift im deutſchen Volk un 
vergeben geblieben: wir finden ihn auch im Buppenfpiel des Fauſt 6.27. 
117 und bei Leſſing wieder. Wenn Tpiälfi der Blig if, fo war er auch 
berechtigt, mit Loli Thors Reifegefolge zur Unterwelt zu bilden und an 
den ihm ertheilten Spielen Theil zu nehmen. Glüdlih erfunden und ganz 
mythiſch find auch die Wettfpiele, die Thör felber befteht; ihr hohes Alter 
ft nicht zu bezweifeln. An den Wettrunt ift die Etlärung der Ebbe ger 
müpft: dergleichen liebt der Mythus, der auch weiß, warım die See fahig 
ift D. 63, wie das Erdbeben entfeht, und warum der Lachs hinten fpig 
iſt 8.41, woher die Wehfteinfelfen kommen $. 81, wozu ſich auß deutſchen 
Sagen zahlreiche Gleichungen beibringen laßen; felbft die Teufelsaugen bes 
Bods bleiben nicht unerllärt, wobei der Zufammenhang mit dem Mythus 
von ben wieberbelebten Böden offenbar iſt. Daß Thör durftig if, wißen 
wir aud aus Hamarsheimt, wo Sifs Gemahl drei Kufen Meth Ieert, 
©. 62; das Meer auszutrinken, eine uralte Aufgabe, vermag er freifidh 
nicht. Thors Kampf mit der Midgardſchlange, der noch zweimal wiebers 
kehrt, übergebe id, und bemerfe nur mit Weinholds Worten (l. c.), daß 
fie Utgardlolis Ingeſinde zu bilden vollkommen berechtigt ift; nur ihre Ein: 
führung als Rage ift neu, aber nicht zu tabeln. Endlich ift der Kampf 
mit dem Alter, dem auch Asgards Götter unterliegen, ein treffliches My: 
thenbild; daß Eli die Amme des Todesgotte if, müßen wir bewundern. 
Wer möchte fid diefen Gedanken, der neben Thiälfis Wettlauf mit Hugi 
zu dem Schönften gehört, was die Edda bietet, damit verberben, daß lt: 
garblofi nichts als ein König der Rieſenwelt fein fol? 

Indem Thoͤr dieſe Spiele ſiegreich befteht, was ihm Utgarblofi ein 


8. 84. Domar. Wolfdierig. Marl V. 9 


räumen muß, hat er bie Unterwelt befiegt und bie Aufgabe gelöft, die einft 
aud dem Hercules geftellt war. Freilich ift diefer Sieg nur ein bebingter; 
aber im Heidenthume war fein anderer moͤglich; die Pforten der Hölle 
iu überwältigen vermochte nur jener Mäctigere, ben das Heibenthum 
erft als einen künftigen, der Tommen follte, ahnte. Aber die hödite Aufs 
gabe, bie es den Helden, ja den Göttern ftellte, ift der Sieg über bie 
Unterwelt, and wie dieſe hier gelöft warb, haben wir gefehen. Die Schreden 
des Todes zu überwinden legte ſich aud Karl V. in den Sarg, wie es 
ſchon vor ihm Wolfvietrich gethan hatte, der fi) dabei mit den Geiftern 
der von ihm Erſchlagenen herumſchlagen mufte.e In ben Sarg legte 
ſich auch, um die Konigstochter durch eine That höchfter Kühnbeit zu er⸗ 
loſen, der verabſchiedete Soldat in dem Marchen, das ich in Weftermanns 
Monatsjchrift mitgetheilt habe; der Wies ⸗Tagl bei Bingerle Sagen ©. 318 
thut e8, weil es ihm der Beichtvater zur Buße feiner Sünden aufgegeben 
hatte und fo ift es aud bei KarlV und Wolſdietrich zu werftehen. Webris 
gend ſoll auch in den näcften 88 dieſelbe Aufgabe, freilich in anderer 
BVeife, gelöft werben. Doch müßen wir zugeftehen, daß wenn ſchon in 
biefem bie Deutung auf die Winterriefen möglich blieb, wie denn Utgard ⸗ 
loti auch von Uhland nur ald ein König des minterlihen Riejenreiches ger 
jaßt wird, ſich bier diefe Deutung noch näher legt. Aber der Winter ift 
der Tod der Natur, und wir haben überall gefehen, daß Sonnenjahr und 
Beltenjaht, Tod und Winter nicht auseinander gehalten werben. 


8. ». Fahrt nad) Seirrodhsgard. 

Loki flog einmal zur Kurzweil mit Fricgs Fallenhemde aus, und die 
Neugier trug ihn nad Geirroͤdhsgard, wo er eine große Halle ſah. Da 
ließ ex fi nieder und fah ins Fenfter. Geirchoh laͤßt ihn greifen, und 
als er ihm in die Augen ſah, merkte er wohl, daß ed ein Mann fein 
müße; weil er es aber nicht geftehen will, fchließt er ihn in eine Kifte 
und läßt ihm drei Monate hungern. Nach dieſer Zeit geftand Loki wer 
ex ſei, und Löfte fein Leben damit, daß er verſprach, Thoͤr nad Geirroͤdhs · 
garb zu bringen ohne Hammer und GStärfegürtel Das geſchah; unter 
wegs lieh aber Thoͤr won einem Riefenweibe, Namens Gridhr, der Mutter 
Widars des ſchweigenden, deren Stärkegürtel, Eiſenhandſchuhe und Stab. 
Bei dem Fluße Wimur, aller Fluͤße 'gröftem, umfpannte er ſich mit dem 
Gtärtegärtel und Remmte Grivhs Stab gegen die Strömung; Soli aber 


2 Donar. Grid. Geruthus 84 


hielt fi unten am Gurte. Der Strom wuchs fo flark, daß er bem Zhör 
bis an bie Schultern flieg. Da ſprach Thor: 

Wachſe nicht, Wimur, num id; waten muß 

Hin zu bes Joten Haufe. 

Wie, wenn du wächjeft, wächft mir bie Aſenkraft 

Ehenhod dem Himmel, 
Da bemerkt Thör, daß Gialp, Geirrodhs Tochter, quer über dem Strome 
ftand und befien Wachen verurſachte. Da warf er mit einem Steine 
nad ihr und ſprach: Bei der Duelle muß man den Strom ſtauen. Als 
ex dem Ufer nahe war, ergriff er einen Wogelbeerftraud und ftieg aus 
dem Fluße; daher das Sprichwort: der Bogelbeerftraud; fei Thors Reti 
tung. WS fie zu Geirrödh in die Halle kamen, war da nur Gin Stuhl, 
“auf dem feßte ſich Thoͤr. Mber der Stuhl hob ſich unter ihm gegen bie 
Dede. Cr aber ſtieß mit Gridhs Stab gegen das Sparrwerl und brüdte 
den Stuhl auf den Boden herab. Da entſtand groß Krachen und Schreien, 
Geirrodhs Töchtern Giglp und Greip war das Benid gebroden. Darauf 
wird Thoͤr von Geirröbh zu den Spielen gerufen. Geirrodh faßt einen 
glühenven Gifenkeil und wirft ihn nach Zhör. Aber Thoͤr fängt ifm mit 
den Eiſenhandſchuhen in der Luft auf." Darauf wirft er den Keil zurüd; 
Geirrodh ſprang hinter eine Säule; aber der Keil fuhr durch die Gäule, 
durch Geirrödh, duch die Wand und draußen noch in bie Erbe. D.61. 

Au diefe Erzählung beruft ſich auf ein Slaldenlied, die Thors⸗ 

drapa, welche Eilif, Gubruns Sohn, am Schluße des 10. Jahrhunderis 
dichtete. Sie folgt ihm aber nicht genau, da Thialfis Gegenwart ver: 
ſchwiegen ift. Wiederum fteht auch ihr eine Erzählung Saros zur Seite, 
welche er der andern von Utcarthilocus unmittelbar vorausſchidt. Wähs 
vend aber dort Thorkil, in welchem Thor nachtlingt, die Fahrt nur auf 
König Gormos Befehl unternimmt, ift er bier Gormos Führer; als Biel 
der Reife wird der Sitz des Geruthus (Geirröbhägard) angegeben, mo 
ungeheure Schäge gehäuft ſeien; doch fel der Weg gefahrvoll und Gterb- 
lichen faft unmöglid, denn man müße über das erbumgürtende Meer 
(Wendelmeer), der Sonne und den Gternen entjagen und in @egenben 
dringen, die ewige Finſterniſs umbüle. Auch Gormos Beweggrund if 
lehrreich: er wünfchte bie Wunder der Welt und die Geheimnifie der Ra« 
tur zu erforfchen, fo daß hier eine jener Odyſſeen angelündigt wird, an 
denen die deutſche Gage fo reich ift, und deren leptes Biel bie Unterwelt 
zu fein pflegt. Ich übergehe vie Gefahren, die fie unterwegs beftehen, 


8 Donar. Gndmesd von Glateval. 79 


und erwähne nur, baß die Gefährten erft zu Geruths Bruder Gudmund 
gelangen, der in Glaſiawalr hauſt, und bie Fremblinge unter dem Scheine 
gaklihen Empfangs durch ſchoͤne Weiber und köftlihe Speiſen und Ges 
tränfe zu verloden ſucht; aber Thorlil mahnt, nicht bei Allen mit Erfolg, 
Alles unberührt zu laßen, weil fie jonft Vernunft und Gebächtmifs vers 
Tieren und fchmugiger Gemeinfhaft der Ungeheuer anheimfallen würben. 
An dab Schidſal der Gefährten des Odyſſeus brauche ih nicht erft zu 
erianern, noch an Berfephone, die durch den Genuß einiger Branatlörner 
dem Aldes anbeimfiel; auch die deutſchen Sagen wißen, daß fih bie 
Menfhen, welche Feſte der Unterirdiſchen belaufen, von Trank und 
Speiſe zu enthalten haben. Auch gemahnt die golvene Brüde, die über 
den Fluß zu Geruths Gige führt, an die Giallarbrüde D.49; ver wir 
thenden Hunde zu geſchweigen, bie wie in Gfimisför ben Eingang ber 
wachen. Den leicht zu häufenden Beweilen, daß bei Saro das Biel der 
Reife die Unterwelt war, ließe ſich enigegenfegen, fie ſei in biefe fpätere 
Umbildung nur bineingettagen; fie Tann aber auch in ber eddiſchen Darı 
felung, wo der Strom Wimur ‚aller Flüpe gröͤſter“ dod ein Todtenfluß 
ſcheint, nur verdunlelt fein. Ich halte ihm fogar für das erbumgürtende 
Meer, jenſeits deſſen die Unterwelt liegt. Indem Thor ihm watet, erin⸗ 
nert ex wieber an das watende Weſen, ar befien Stelle nad $.84 feit 
Srfindung des Bootes der Todtenſchiffet trat. Geirwimul, in melhem 
Gere (Spere) ſchwimmen, wird ausbrädlid unter den Todtenflüßen aufe 
seäblt. Man wird nicht überfehen, daß Lofi ſich an Thors Gurte fef«” 
hielt, fo daß ihn dieſer bimübertrug wie den Derwanbil über die urwell ⸗ 
lichen Ströme, wie Wate den Wieland, wie Orion den Kedalion, Chriſto⸗ 
pborus den Heiland. Bgl.$.73a. Warum freilih Thor den Loli hin 
überträgt, fehen wir nicht deutlich, wicht einmal was er jenſeits zu thun 
babe. Gr hatte verheißen, den Thor nad) Geirrödsgarb zu ſchaffen, ver 
num ihm binüberfchafft. Gr iſt freilich auch fonft nebft Tpialfi Thors Ger 
führte, wie aber dieſer, der den Blig bebeutet, bier fehlt, ſcheint es auch 
Lofis, ald des Feuers, nicht zu bebürfen, wenn er nicht eima ald das 
Feuer des Bliyftrals, das über das unterweltlihe Feuer fiegen follte, in 
Betracht kam. Im Utgardloti hatte doch das unterweltlihe Feuer gegen 
das Bligfener den Sieg davongetragen. Ober wäre Geirröd, wie Uhland 
will, nur als Gewitterrieſe gedacht ? Andrerſeits ſcheint Thor in dem 
Gab der Gridh die Macht über die Unterwelt empfangen zu haben. Ge 
viel auch hier unllar bleibt, ver Bufammenhang beider Erzählungen if 


2 Dener. cheriein. Blnrmegn. a 


um fo weniger zu leugnen, ba von. dem greifen Geruthus, ‚der mit durch⸗ 
bohrtem Leib vor einem geipaltenen Felfen figt, während drei ‚höderige 
Weiber mit zerbrochenem Rüden da liegen‘, bei Saro ausprüdlic gejagt 
wird: ‚einft habe Thor dem übermüthigen Niefen den glühenden Stahl 
(torridam chalybem), ver dann noch die Felswanb fpaltete, durch bie 
Bruft getrieben.‘ Die fpäte Sage von Thorſtein Bäarmagn (Hefe. f R. 
I, 410), der als ein weiterer Nachhall gleichfalls zu Geirrddh und Gud ⸗ 
mund von Gläfiswal kommt, miſcht Heidniſches und Chriftliches. Gleich 
Anfangs gelangt Thorſtein in die Unterwelt, wie Thor zu Gridh; @lä 
ſiawal und Geirrödhsgard feinen hier eher im Riefenland zu liegen: 
obgleich aud wieder Gnipalund (vgl. $. 45, 5) und Grund, dad Land 
Agde Yarls, ver ſchwarz iſt wie Hel, auf bie Unterwelt weiſen und aber: 
malige Wettfpiele an bie in Utgardlolis Halle erinnern. Ueber Grund 
vgl. Myth. 766. Daß aber auch hier Thörftein Thör ift, fieht man am 
Deutlihften daran, daß Stahl und Stein, womit er Gewilter erregen 
Tan, wenn er fie aneinander ſchlägt, in feine Hand zurüdtehren ſobald 
er will, 

Ich laße jept noch Uhlands Deutung folgen: Geirrödh ift ein Dir 
mon der glühenden Hige, die fi in Wollenbrüden entläbt. Die Töchter 
des Gewitterriefen, Gialp und Greip, vie lärmenbe Brandung und rei⸗ 
Bende Strömung, zielen auf das Ueberſchwellen der Bergfiröme, die ben 
Anbau zu verfhlingen drohen. Obgleich Thor Donnergott if, fo Rammt 
doch das ſchaͤdliche, verheerenbe Gewitter nicht von ihm; er tritt ähm 
vielmehr entgegen und bämpft ed mie jeden andern Ausbruch milder 
Glemente. Seinen Hammer bat er jegt nicht bei ſich, weil das Gewitter 
dießmal nicht von ihm ausgeht, fondern von dem Gluthriefen, ber nun, 
wo nad dem Eintritt ber Sommerwende ber Sommer jötwniid geworden 
ift, im Gewoͤll watet; warum ihm auch Gifenhandfhuhe und Gtärkegärtel 
fehlen, wird nicht gefagt. Auch Gridh ift eigentlich eine Wettermacherin; 
bier aber, wo das Wetter ſchon von anderer Seite erregt ift, äußert Ihr 
Bauberftab nur feine nieberichlagende Kraft : fie erſcheint als Mutter bed 
ſchweigſamen Gottes, weil ihr Stab das Gewitter gum Schweigen 
bringt. Als Grund, warum ber Dogelbeerftraud; Thors Rettung heißt, 
wird vermuthet, daß die Heftigleit der Gewitter um bie Zeit nachläßt, 
wo feine Beeren veifen. (Befriedigendere Auskunft giebt Kuhn Gerabtunft 
196. 205.) Der Stuhl, der Geirrodhs Töchtern das Genid gerbriät, iR 
die Brüde. Brüden, beſonders an ſchwierigen Gtellen erbaut, wurben ald 


% 85. Demar. Hymie oder Ymir. 281 


das Werk des Gottes angefehen, der überall ben menfhlihen Verkehr 
fördert umd gegen gerftörende Naturgewalten ſchirmt. Der Yeuerkeil, der 
dem Geirröph zurüdgefchleudert wird, zeigt, wie im gleichen Element ver 
Jötum werberblich, der Gott hulfreich waltet. Für die eddiſche Geflalt des 
Mythus iſt diefe Deutung glädlih; aber in Bezug auf Gridh und ihren 
Stab befriedigt fie nicht. Offenbar empfing Thor in ihm Grja für den 
Hammer, an befien Stelle er dann boch nicht eintritt. Gomit fcheint er 
ſchon von dem Stalvden, aus deſſen Darftellung die Erzählung geſchöpft ift, 
in feiner Bedeutung verkannt, da er ihn nicht geichleubert werben lieh. 
Damit er nicht ganz überflüßig werde, dient er etwa nod zum Durch-⸗ 
woten des Stromd Wimur, der aud darum ein Höllenfirom fein muß, 
weil wir Gridh $. 96 als Unterweltägättin erkennen werben. Bl. $. 65. 
Da wir in Grimnismal Odin von Geirrödh zwiſchen zwei Feuer gejeht 
finden ($. 108) und der Stab der Gridh Odins Epere Gungnir' gleicht 
(6.198), fo ift bier wahrſcheiulich ein Mythus, der von Ddin ald Ger 
wittergott handelt, auf Thör übertragen, Des Stabes bebient ih Odin 
auch, iam in der Unterwelt die Wala zu eriweden, die er über Baldurs 
beunrmbigende Träume befragt. Inſofern hier Grivh dem Thor freundlich 
iR, gleicht fie jener Allgolvenen, Weißbrauigen in dem folgenden Mythus 
von Hymir, die gleichfalls eine Gemahlin Odins war, denn er hat ven 
Xyr mit ihr gezeugt, wie den Wider mit Gridh. 


8. Hymir. 

Die jüngere Edda, die Thoͤrs Reife zu Utgardloti fo auffapt, als 
möüße er ſich ihrer fhämen, weshalb er ſich vorgefegt habe, Rache bafür 
zu nehmen und namentlih mit ber Midgardſchlange zufammenzutrefien, 
berichtet D. 48: Er weilte nicht lange daheim, fondern griff fo haftig gu 
diefer Fahrt, daß er werer Wagen noch Böde noch Reiſegeſellſchaft mit 
nahm. Gr gieng aus über Midgard als ein junger Gefell, und lam eines 
Abends zu einem NRiefen, der Ymir bie. Da blieb Thor und nahm 
Herberge. Aber als es tagte, ftand Hmir auf und machte ſich fertig auf 
die See zu rubern zum Fiſchſang. Thor ftand auch auf und war gleich 
bereit und bat, daß Ymir ihn mit fi auf die See rubern ließe. Ymir 
fagte, er könne nur wenig Hülfe von ihm haben, da er fo Hein und jung 
fei, ‚und e3 wird did) frieren, wenn ich fo weit hinausfahre und fo lange 
außen bleibe, wie ich gewohnt bin,‘ Aber Thor fagte, er dürfe um bed+ 


282 J VDeunat. Himinbrieir. $. 85 


willen nur immer recht weit hinausfahren, da es noch ungewiſt ſei, wer 
von ihnen beiden zuerft auf die Rüdfahrt dringen werde; und zürnte dem 
Riefen fo, daß wenig fehlte, er hätte ihn feinen Kammer fühlen lapen. 
Doch unterließ er es, weil er feine R.aft anberwärts zu verſuchen ger 
dachte. Er fragte Ymirn, was fie zum Köder nehmen wollten, und Ymir 
fagte, er folle ſich ſelber einen Köver verihaffen. Da gieng Thor dahin, 
wo er eine Heerde Dchfen jah, die Ymirn gehörte, und nahm ben gröflen 
Ochfen, der Himinbriot (Himmelsbrecher) hieß, riß ihm das Haupt ab 
und nahm das mit an die See. Ymir hatte das Boot unterbes ins 
Waßer geflößt. Thör gieng an Bord, nahm zwei Ruder und ruberte fo, 
daß Ymir gedachte, von feinem Rudern habe er gute Fahrt, Hmit ru 
derte vorn, fo daß fie ſchnell fuhren. Da ſagte Pinir, fie wären uun an 
die Gtelle gekommen, wo er gewohnt fei zu halten und Fiſche zu fangen. 
Über Thor fagte, er wolle noch viel weiter rubern: fie fuhren aljo ned 
Tuftig weiter. Da fagte Ymir, fie wären nun fo weit binausgelommen, 
daß es gefährlich wäre, in größerer Ferne zu halten, wegen der Midgart- 
ſchlange. Aber Thor fagte, er werbe noch eine Weile rubern und fo that 
er, womit HYmir übel zufrieden war, Endlich zog Thör die Ruder ein, 
rüftete eine fehr orte Angelfchnur zu, und der Kamen daran war nicht 
Heiner oder ſchwaͤchet. Thor ftedte den Ochfenkopf an bie Angel, warf 
fie von Bord und die Angel fuhr zu Grunde. Da mag man num für 
wahr fagen, daß Thoͤr die Midgarbichlange nicht minder zum Beften 
hatte als Utgardloli feiner fpottete, da er die Schlange mit feiner Hand 
beben follte. Die Midgardſchlange fhnappte nad) dem Ochfenkopf und die 
Ungel haftete dem Wurm im Gaumen. Als bie Schlange das merkte, 
zudte fie fo ftart, daß Thor mit beiven Fäuſten auf den Schiffsrand ger 
worfen ward. Da warb Thör zornig, fuhr in feine Mienftärle und fperce 
ih fo maͤchtig, daß er mit beiden Füßen das Schiff durchſtieß und ſich 
gegen den Grund des Meeres ftemmte: alfo gog er bie Schlange herauf 
an Bord. Und bad mag man fagen, dab Niemand einen ſchredlichen 
Anblid gefehen hat, der nicht ſah, mie jept Ihör die Augen wider bie 
Schlange ſchaͤrfte und die Schlange von unten ihm entgegenftierte und 
Gift blie. Da wird gefagt, daß der Rieſe Ymir die Farbe wechſelte 
und vor Schreden erbleichte, ald er die Schlange ſah und wie bie See 
im Boot aus⸗ und einftrömte. Uber in dem Augenblid, da Thör den 
Hammer ergriff und in ber Luft erſchwang, ftärgte der Rieſe hinzu mit 
feinem Beer und zerſchnitt Thors Angelſchnut, und bie Schlange verſeni 


3. 86. Donar. Demthigung and Verherrlichung. 288 


in die Gee, und Thör warf den Hammer nach Ihr, und die Leute fagen, 
er habe ihr im Meereögrunde das Haupt abgefchlagen; doch mid; dankt, 
die Wahrheit ift, daß die Midgarbichlange noch lebt und in ber See 
liegt. Aber Thor ſchwang die Fauft und traf den Riefen jo ans Ohr, 
daß er über Borb ftürzte und feine Fußſohlen fehen ließ. Da matete 
Vot and Land. 

Anders leitet die Hymislwidha diefen Mythus ein: fie bringt ihm 
in Zufammenbang mit dem Gaftmal, das die Afen bei Degir, dem Meers 
gott, halten wollten, "der aber von Thoͤr bedrängt, an den Göttern auf 
Rode fann und die Bedingung ftellte, daß ihm Sifs Gatte den Keßel 
herbeiſchaffe, das Bier zu brauen. Es ift dabei, wie noch oft in den 
Märchen, auf die Demüthigung des Ausgefandten abgefehen ; gegen Er⸗ 
warten aber fchlägt fie zu feiner Werherrlihung aus. Da die Bötter 
folden Keßel nicht zu erlangen wißen, fagt Tyr dem Thör, fein Vater, 
der hundweiſe Hymir, der im Oſten des Glimagar an bed Himmels Ende 
wohne, habe einen meilentiefen Keßel, den fie mit Lift erlangen möchten. 
Diefe beiden num fuhren (erft am Schluß, wie wir aus $. 80 wißen, 
tritt Loli ald dritter @efährte hervor) bis fie zu des furchtbaten Rieſen 
Behaufung kamen (til Egils kwämu). Da ftellte Thör die Böde ein 
und trat mit Tyr in die Halle, wo diefer die Ahne, die Großmutter, 
findet, die ihm leidige: 

Sie Hatte der Häupter neunmal hundert. 


Doch eine andere Frau, allgolden, weißbrauig, empfängt fie gaftlid; 
täth aber den Fremden, ſich unter den Keßeln zu bergen, da ihr Gatte 
den Gäften oft gram fei und grimmes Muthes. Als dieſer ſpaͤt vom 
Vaidwerk heim kommt, ſchallen Eisberge, als er eintritt; der Wald an 
feinem Kinn ift gefroren. Die jüngere Frau verſchweigt ihm nidt, daß 
Böor mit ihrem Sohne gekommen fei, der Freund der Menfhen, der 
Riefen Widerſacher: beide bärgen ſich dort hinter der Säule. Dieſe Säule 
jerfpringt aber vor des Rieſen Gehe, ver Balken zerbricht und acht Keßel 
fallen herab und zerbrechen ; nur ein hart gehämmerter bleibt ganz. Da 
gehen bie Gäjte hervor, und wenig Gutes ahnt dem Riefen, ald er ben 
Feind ind Auge faßt. Doch macht er Anftalt zu feiner Bewirthung und 
läßt drei Etiere ſchlachten, von denen Thor allein zweie verzehrt. Da 
erllärt Hymir, für den nächften Abend müften fie morgen erft auf dem 
Fihfang die Malzeit herbeiſchaffen. Thor IR dazu bereit, fragt aber nach 


284 Donar. Ahzardiqlange. 8.86. 


dem Köder, und als Hymir fagt, den folle er in ber Heerde fuchen, reißt 
ex einem allſchwarzen Stier dad Haupt ab, Bei der Seefahrt ſelbſt, an 
welder Tyr nicht Theil zu nehmen ſcheint, Tann der Riefe dem Thör 
nicht weit genug hinaus rudern. Zwei Wallfifhe zieht Hymir an der 
Angel zugleich empor, während Thör am Steuer ben Gtierfopf als Köder 
gebraucht für die verhaßte meltumgürtende Schlange. NIS dieſe anbeikt, 
sieht Thor fie zum Schiffsrand empor und trifft ihr das häßliche Haupt 
mit dem Hammer; doch fenkt fi der Fiſch wieder in die Ser. Auf 
dem Heimmeg aber war es dem Niefen nicht geheuer: er verſtummte 
nad) folder Krafterweifung Thoͤrs. Am Strande läßt er ihm die Wahl, 
ob er die Wallfiſche bereintragen oder das Boot ans Ufer bringen wolle. 
Ihör thut mehr als beides zugleich: er hebt das Schiff, ohne das Waßer 
erſt auszuſchoͤpfen, mit allem Schiffögeräth auf und trägt es ſamt ben 
Wallfiſchen zu Hymirs Felſenlluft. Gleichwohl will der Rieſe feine Kraft 
wicht anerkennen, wenn er nicht den Kelch dort noch zu brechen vermöge, 

WS ber dem Hlorridi zu Händen kam, 

Berfiüdt er den ſtarrenden Stein bamit. 

Sigend ſchleudert' er durch Säulen den Kelch; 

Ju Hymirs Hand doch kehrt' er heil. 

Aber die freundliche Frille lehrt ihn 

Wohl wichtigen Rath, den allein fie wuſte: 

‚Wirf ihn an Hymirs Haupt: härter ift das 

Dem foftmüden Joten als ein Kelch mag fein.’ 

Der Bde Gebieter bog die Kuiee 

Mit aller Aſenkraft angethan: 

Heil dem Hünen blieb der Helmfig; 

Doch brach alsbald der Becher entzwei. 

‚Die liebſte Luft verloren weiß ich, 

Da mir ber Kelch vor ben Knieen Tiegt. 

Oft fagt’ ich ein Wort: nicht wieder fag iche 

Bon heute an: zu heiß ift der Trank!‘ 

‚Noch mögt ihr verfuchen, ob ihr die Macht habt, 

Aus der Halle hinaus zu heben bie Rufe.’ 

Zweimal ihn zu rüden mühte ih Tyr: 

Des Keßels Wucht fand umbewegt. 

Doch Modis Bater erfaßt’ ihn am Rand, 

Stieg vom Erich in den untern Saal. 


%8. Denar. Tyt. Algeldene. 288 


Unfs HSanpt deu Hafen hob Sif Gemahl: 

An den Knbcheln klirrten ihm bie Keßelriuge. 

Sie fuhren lange, eh lüftern ward 

Odius Sohn, fi umzuſchauen: 

Da fah er aus Höhlen mit Hymir von Oſten 

Bolt ihm folgen vielgehauptet. 

Da harrt' er und hob den Hafen von ben Schultern, 
Schwang den mordlichen Miöknir entgegen 

Und fälte fie alle, bie Felsungethume, 

Die ihn anliefen im Hymirs Geleit. 

Das Gedicht ſchließt, nad) der $. 80 fchon befprodenen Anfnäpfung 
des Mythus von dem erlahmten Bode, mit Thoͤrs Heimlehr in Degirs 
Halle, mo die Götter .nun jede Leinernte aus dem Keßel trinken. 

Dieß Gedicht, daß fi ſchon durch Versbehandlung und Sprache als 
eins der fpätern zu erfennen giebt, lag dem Verfaßer ber jüngern Edda 
mit vor; es könnte alſo nad ihr entftanden fein. Für den Rampf mit 
der Midgarbfhlange, die beiden Darftellungen gemein ift, bleibt dieß 
gleihgältig; wicht fo für die Züge, melde bie Hymiskbwidha allein kennt, 
wohin außer Tyrs Antheile an ber Fahrt und feiner Verwandtſchaſt mit 
Hymir, der nur fein Stiefoater fein könnte, denn Odin tft fein Bater, 
namentlich die Herbeiſchaffung des Keßels gehört, die fogar als Haupt 
ſache behandelt wird. Für Alles dieß gebriht es fonft im Norden an 
Beugnifien, da auch die Bruchſtüde von Skaldenliedern (cf. Leg. Myth. 480) 
mit der Darftellung in D. 48 flimmen. Was zuerft Tyr betrifft, fo ers 
ſcheint er bier nach Uhlands Deutung als Perfomifilation des kuhnen 
Entſchlußes; feine Verwandtſchaft in Jötunheim aber hat ihm ben Sinn, 
daß der Kühne im Lande der Schreden und Fährlichteiten heimiſch fei. 
Bir werden indes unten fehen, daß Tyrs Auffaßung als der kahne Gott 
eine ſeht junge iſt. Ob nun gleich feine Verwandtſchaft mit ben dunkeln 
Refen oder gar mit der Unterwelt fonft nicht bezeugt if, fo ſteht doch 
feine urfprünglich lichte Ratur verfelben nicht im Wege, denn da ſie durch 
die allgoldene, weißbrauige Frau vermittelt ift, fo kann hier der Dichter 
aus echter Ueberlieferumg geſchoͤpſt haben. Auch die Herbeifhaffung des 
Repels hat uralten Grund; aber fie ſowohl als bie beiden ungleichen 
Frauen weifen uns wieber auf die Unterwelt, die in ver nordiſchen Für 
bung des Übenteuers, die den Hymir zu einem Froſtrieſen gemacht hat, 
laum wieder erlannt wirb. Und doc follten wir fie nicht verlennen: 





286 Donar. Bölchkepel, Bernd. 48. 


auch Gerda mar bei Reifriefen (Bergriefen nad D. 37), gleichwohl ent 
gieng uns nit, daß fie in der Unterwelt weilte; von Idun hieh e& 
©. 72 ausdrüdlich, fie fei bei Hel. Und auch im Deutſchland erſcheint 
der Winter (das ift hier Hymir) als (menfhenfreßender) Rieſe. Cola 
horn No. 38. Sonſt wird Hymir in deutſchen Märchen, an die Jeder 
durch die Worte: „Ich rieche, rieche Menfchenfleifd) I’ erinmert wird, durch 
den Teufel vertreten; in den entſprechenden romaniſchen beißt er ber 
Oger, ital, orco,. neapolit. huorco , aljo aus dem perfonificierten Drcus 
entftanden, Myth. 434. Alpenb. Myth. Tyr. S. 5175. Auch die 
beiden Frauen in Hymirs Halle finden fi in dieſen Marchen wieder; 
die ältere neunhunderthäuptige erſcheint ald des Teufels Großmutter; die 
füngere allgolpne, weißbrauige gleicht der Frau des Menfchenfrehers, der 
orca ober ogresse, die wie jene ſchuhend und rettend einzugreifen pflegt. 
Müllenh. 445 weiß fogar noch von Xhors Bod. Den Kepel kann ih 
freilich in feinem Bezug auf die Unterwelt nur in dem noch fortlebenden 
Gigennamen Helletepel nachweiſen: es ift der Abgrund ber Hölle 
(abyssus Myth. 766), dad ungesatliche hol Myth. 291, das aud al 
ein Faß gedacht wird (Saturni dolium, Myth. 115. 227), aus dem in 
alideutſchen Schaufpielen ver Teufel predigt. In Bezug auf Thor, der 
diefen Keßel heraufholt, enthält der häufige nordiſche Name Thorketil, in 
Thorkell verkürzt (Myth. 170) eine Grinnerung; er lebt aber aud in 
beutfhen Märchen fort, von denen Wolf Beiträge I, 95 einige verglichen 
bat: in dem von Dreizehn DME. 105 ift er fo groß, daß hundert 
Mann daran arbeiten können, ohne daß Einer den Andern hämmern hört, 
ja daß eine ganze Gtabt darin Plag findet. Schon Grimm bemerkt Myth. 
170, wenn Thoͤr den großen Keßel auf feinem Kaupte forttrage, fo er 
innere bad an den ſtarken Sans (ans?) im Kindermärhen, der ſich bie 
Glode auf dad Haupt ſtutzt. Vgl. Myth. I, 49. Panzer IL, 61. 439. 

- Bir fehen aljo aud bier Thoͤr in die Unterwelt hinabfteigen, und 
gewinnen neue Beftätigung ber Anfiht, daß Tacitus Grund hatte, ihm 
dem Hercules gleihzuftellen. Wir können aber nun weiter gehen und bie 
drei ebbifchen Mythen von Thors Fahrt nad). ver Unterwelt als Druch 
Rüde eines einzigen faßen, der ſich in den Märchen oft wieder im anders 
Weiſe geriplittert, zuweilen aber aud ziemlich volftänbig wieberfndet; 
am vellftändigften in dem Bergiſchen von dem ſtarlen Hermel bei 
Montanus I, 355, wo wie in dem Heſſiſchen von Kürdchen Bingeling 
KMU, 164 die als Schlafmüge dienende große Glede neben dem 


%. 86. Donar. Bärcufohn. Mlcindänuchen. %7 


Müpfftein vorkommt, der ihm zum Halskragen wird. Die Glode ift an 
die Gtelle des Keßels getreten; der unſchadlich herabgeworfene Mühiftein 
hängt, wie fhon AM. III, 163 erinnert ift, mit Thors Abenteuer bei 
Strgmir zufammen, und fo vereinigen ſich bier die ſchon in der Edda 
jerfirenten Büge wieder. Auch der Gang nad der Hölle fehlt zuledt bei 
dem ftarken Hermel nicht, ja dieſe war eigentlich ſchon vorher bei ber 
Teufelsmahle vorhanden. Bunächft fliegt fih nun das ſerbiſche 
Rarchen von dem Bärenfohn an (AM. II, 424, Büfhing WR. IV, 
I, 54, Boltsm. d. Serb. 1854 No. 1), daß aber burd das Beſtreben, 
die Züge von riefenhafter Größe zu fteigern und zu überbieten, gelitten 
hat. Der Helb wird darüber vollftändig zum Zwerge, wie ſchon Thoͤr, 
da er fi in dem Däumling des Rieſenhandſchuhs verkriecht, wie er fih 
auch bei Hymir unter Keßeln birgt. Man begreift:mun, wie bie deutſchen 
und franzöfifhen Märchen von Kleindäumden, Daumesdick und Däumers 
lings Wanderſchaft, AM. 37. 45, verwandt find. Darum geräth auch 
Kleindäumhen AM. I, 379 zu dem Menfchenfreer; es iR Xhör bei 
Hymir, Reiner, aber unvollftändiger ift AM. 90 (ogl.Bingerle AM. 220); 
doch liche es fih aus den in ben Anmerkungen erhaltenen Varianten 
ergänzen. gl Germania I, 291. Den Preis behält immer ber ftarte 
Hermel, Diejer hat ed noch ganz mit ven Riefen zu thun, die aber 
bier zu Heiden (Bwergen) geworben find, von ihnen wird er auch 
in die Hölle geſchict, wie Thör von Degir dem Felswohner Hym. 2 zu 
dymir. 

Die Frage, was es bedeuten könne, daß ber Bott des Gewitters in 
die Unterwelt hinabfteige, find wir eigentlich zu beantworten nicht ver 
pflictet : wir können fie der vergleichenden Mythologie überweilen. Hat 
die griechiſche Mythologie eine Antwort anf die Frage, was es bedeute, 
wean Hercules in den Hades hinabfteigt und ben Gerberus heraufpolt? 
Bern hör aus einem Gewittergott zum Gott der Gultur und ber 
menſchlichen Thätigfeit in Bezwingung der äußern Natur gesoprben ift, 
fo läßt fi) von diefer feiner legten Bedeutung aus ber Mythus nicht 
begreifen, denn wie viel auch menſchlicher Fleiß vermöge, die Unterwelt 
tann er nicht bezwingen, die Schreden des Todes nicht überwältigen. 
Der Verſaßer der Erzählung von-Utgarbloli $.83 hat es nicht einmal 
vermodt, die Begebenheit fo darzuſtellen, daß uns Thor wirklich als 
Gkrymicd Gisger, Utgardlolis und feiner Gefährten Vepeinger erſchiene: 
es ift wur ein zucode d’estime, ben er .bavon trägt, wenn zulegt Ut⸗ 


288 Donat. Hermen. Irmin. 2.86. 


garbloi feiner Kraft Lobſprüche zollt und ihm die tiefen Xhäler zeigt, vie 
fein Hammer in die Felſen geſchlagen hat. Stärker tritt fein Gieg in 
den beipen andern mythiſchen Erzählungen von Thors Herabfteigen in 
die Unterwelt hervor und wenn das Räthfel unferer Frage gelöft werben 
fol, müßen wir von dem Mythus von Hymir ausgehen. Bei allen An 
deutungen ber Unterwelt jehen wir doch bier Thör mit dem Winter Lämpfen: 
der fommerliche Gott des Gewitters bezwingt den Winterriefen. Wir haben 
aber fhon oft erfahren wie Jahresmpthen zu Mythen von Tod und Leben 
erweitert werben. Gehen wir hiervon aus, fo erflärt fi Alled, die auf 
geworfene Frage Löft ſich von ſelbſt, und die vergleichende Mythologie wird 
fie beftätigen. Das Reich des Winters ift dem Mythus mit dem Todtenreich 
identiſch. Auch Hercules mit feinen zwölf Arbeiten muß ein Jahresgott 
geweſen fein, und wenn. er zum Halbgott herabgefunfen ift und fogar ben 
Bligftral eingebüßt hat, der in feiner Hand wie bei Saro zur Keule ges 
worden ift, fo ift auch Thoͤr nicht mehr der hoͤchſte Bott, ob er gleich eink 
ber Gott der Götter, der Vater der Himmlifhen geweſen ift. 


86. Thor als Irmin. Schluß, 


Da wir Thör als Hercules erkannt haben, fo ift hier der Drt, fein 
Verhaͤltniſs zu Irmin und den Irminſäulen zu beftimmen, zumal an 
jenen ſchon der ftarte Hermel duch feinen Namen erinnerte, wozu noch 
tommt, daß ber Bod, des Gottes geheiligtes Thier, Hermen heißt, @DE. 35. 
Grimm fieht belanntlih Odin in Irmin; ihre enge Berührung fiel uns 
8.74 auf. Andere haben Tyr (Heru) nähere Anfprüde zugeftanden, die 
meiften ſcheint mir Thor zu haben. 

Daß den Herculesfäulen Thörsfäulen entfprechen, ift Myth. 107. 306 
anerlannt; fie treten neben die Jrmanfüli (Myth. 104) ımd jene berähmte 
vielbeſprochene Irminſ.,, die Karl der Große im Osning zerftörte. Myth. 105. 
Auf fie pflegt man ven Vollsſpruch zu beziehen: 

Hermen, fla Dermen, 

Sla Bipen, fla Trummen: 
De Kaifer will kummen 
Met Hammer un Stangen, 
Bil Hermen uphangen. 

Ihren Namen erflärt Ruod. von Fuld mit den Worten univer 
selis oolumns quasi sustinens oranis, Myth. 106. Universalis iR 


%86. Dsaar. Hirmin vel Hermes. 289 


hier Ueberfegung des Worte irmin- das in Bufammenfegungen ſtaͤts ven 
Begriff verftärkt und erweitert. Davon verſchieden ift die, welche nach 
Thietmar von Merfeburg früher zu Eresburg (Stabtberge) an ber Diemel 
verehrt worden war und an deren Gtelle dann eine Peterskirche trat. 
Bgl. Rieger in Haupts Zeitfhrift XI, 182. Aus Wibulind I, 12 
(Ryth. 100.327) geht hervor, daß aud) die Sachſen nad dem Sieg über bie 
Thüringer an der Unftrut dem Irmin ſchon geopfert und ihm ein Säulen 
bild erritet hatten, deſſen Geftalt an Hercules erinnerte wie fein Rame 
an Rars,, quis Hirmin vel Hermes graeoe Mars dieitur‘. Wie Widw 
Kind hier von Hirmin auf Mars gerathen konnte, erörtern wir ein anders 
mal; bier merfen wir und nur, daß bed Gotted Rame Irmin war, 
fein Bild aber dem Hercules (Xhör) glich. Gleichwohl jagt Myth. 823, _ 
die Sachſen ſchienen in Irmin einen kriegeriſch dargeftellten Wodan ver 
ehrt zu haben. Kriegeriſch vargeftellt wird Jrmin wohl geweien fein; 
aber wie Hercules und Thör mit der Keule oder dem Kolben bewaffnet. 
Die Steinigung des Jupiter (Thör) auf dem Heinen Domhof in Hildess 
heim S. 271 geichah nad Geifart Hild. ©. 124 zum Yndenten der abr 
geworfenen Jrminfäule. Ein weitfälifhes Dorj Grmenfülen bezeugt 
eine vierte Säule diefer Art und ein ähnliches Bild wird es geweſen fein, 
das nach DE.497 auf Hoyer von Mansfeld gedeutet wurde. Bu feinen 
Chren ließen die Sachſen die Bildfäule eines gehelmten Mannes mit dem 
eifernen Streitkol ben in der Rechten aufrichten, und dem ſächſiſchen 
Bappen in der Linken. Zu biefer Dankfäule giengen die Landleute fleißig 

. beten und aud die Prieſterſchaſt ehrte fie als ein heiliges Bild; Kaifer 
Rudolf aber ließ fie wegnehmen, weil man Abgötterei damit trieb. Im 
Wigalois heißt Hoyer der rothe Ritter ‚der rothen Haare wegen, die er mit 
Wor gemein hat. Auch daß er in einen Stein greift wie in einen Weizen⸗ 
teig läßt ſich anf den Gott des Blitzes deuten. Thors heiliges Tpier der 
Bol hieß in der Thierſage Hermen, in Weftfalen noch jept Hiärmen 
Kuhn WS. 16 wie fhon früher Herman ſtoß nidt. Gare Gram. läßt 
den Thörkill bei der Nüdkehr von Utgarthilocus den allgemeinen Gott 
(aniversitatis Deum) verehrten, wa auf Zrmincot, aljo Irmin deuten 
laun. In diefer Grzählung ift Thoͤrlill zwar ſelbſt an Thoͤrs Stelle ger 
treten; er läßt fih aber aud als ein Jünger des Gottes anfehen, in deſſen 
Zußftapfen er trat, und fo durfte er fi wohl feinem Schug empfehlen. 
Roh das kann angeführt werben, daß nad Dielmar von Merjeburg an 
der Stelle der zerftörten Irminſul eine Peterskirche errichtet worben war. 

Giunzot, Myrholsgie. 19 


2% Dinar. Aris uud Ermis. 4. 80 


Myth. 106, gerade wie auch die heſſiſche Donareiche einer ſolchen wid. 
Nah den Scholien der Eorveier Annalen zum J. 1145 wären in Eresburg 
einft zwei Gößen verehrt worden: Aris (Heru), qui urbis moenis in 
sertus quasi dominator dominantium, et Ermis, qui et Mercurius, 
mercemoniis insistentibus celebratus in forensibus. Der Scholiaſt deu: 
tet alfo letztern Gott auf Woban (Mercurius), offenbar durch den Ramen 
Irmin verleitet, den er Ermis ſchreibt, denn dieſer führte ihn auf den 
griechiſchen Hermes, deffen lateinifher Name Mercurius ihm bekannt fein 
mochte. Dieb Zeugniſs fchliept mithin nur Heru (Tyr Tiu) aus, denn 
diefer, von dem bie Stabt benannt war, ward neben Irmin verehrt; feine: 
wegs ſpricht es gegen Donar, auf den vielmehr die an der Stelle erride 
tete Beterskirche deutet. 

Roh an vielen andern Orten ift St. Peter an Donars Stelle getre⸗ 
ten: er erfegt ihn aud in den Märden und Sagen, welche Rachllänge 
deutſcher Mythen enthalten. Wie Ihör neben Odin ftand, fo war Petrus 
der nächfte nah dem Heiland; wie Thör den Hammer, fo führte Gr den 
Sälüßel, und beide erfhlogen ven Himmel: Et. Peter als Himmels 
pfoͤrtner, Thör indem fein Wetterftral die Woltenfchleufen öffnete, daß be⸗ 
fruchtenber Regen nieberftrömte. Wenn es donnert, heißt e8: Gt. Peler 
ſchiebt Kegel. In ähnlicher Weife fahen wir S. 145 auch Elias an 
feine Stelle getreten. Weber andere Analogieen vgl, Wolf Beitr. ©. 81. 
Sofern Thör wie Orion und Odin 8.73 watete, erfete ihn in der He 
denfage Wate, in der Legende Chriftopherus. Im Voltsbüdlein II, 173 
berichtet Aurbader von diefem einen fonft Thoͤr gehörigen Bug: ‚An ver 
Eeite hat er einen Wehſchler (Taſche), darinnen Fiihe und Brot Reden. 
Diefer Wepfchler begegnet bei Thoͤr zweimal: im Futterkorb (meis) hat 
er ben Derwandil über bie urmeltlihen Ströme getragen, und im Har: 
bardsl. 3 hat er Heringe und Haberbrot darin, und verfpricht den Fähr 
mann damit zu fpeifen. Uhland 89. Heringe und Hafergrüge ift eine 
altpertömmliche Koft, die nach Myth. 251. 55 auch bei Berchta vorlommt. 
Uebrigens ift es eine Umkehrung, wenn der watende Thör bier der Ueber 
fahrt hart, da er fonft Andern binüberhilft oder als Brüdengott 6. 280 
die Ufer verbinde. Um Schutz vor dem Gewitter ward auch Gt. Domat 
angerufen (Beitfchr. |. M. 108), deſſen Name fon an Donar gemahnte. 
In Münftereifel, wo biefer Heilige verehrt wurde, Täutete man ihm beim 
Geiwitter eine eigene Glode, und gleich bei der Ginführung feiner Reli: 
quien bewährte er feine Macht, indem er das Wetter ftillte Sm Guss 


8.87. Deuat. I. Donat. og 


firhen zwar traf gleichzeitig den celebrierenven Priefter, als er ben Gegen 
gab, der Bligftral am Altar, daß er wie gelähmt niederſtürzte; weil er 
aber fi) und feine Gemeinde der Fürbitte des Heiligen empfohlen hatte, 
fo konnte ex ſich bald wieder erheben, umd nur Spuren bed Bliged waren 
an Haut und Kleidung des Getroffenen zurüdgeblieben. Kahſey Münfters 
eiſel I, 221. 

Auch Driänamen und Perfonennamen find von Andern zu Rathe ges 
jogen werben. Sch will nur zweie anführen, die für die Einheit Thors 
und Irmins zu fpreden feinen. Der Ortsname Hermesleil im Hoch⸗ 
wald wirb für Hermeneskeil ftehen wie in Hefien Ermaneswerthe Er- 
maneshusum erſcheinen. Ich deute ihn auf den Donnerkeil in der Hand 
Donard und der hier vorlommende Berjonenname Ermenleil kann zur Er⸗ 
lauterung dienen. 


Zio (Tr), Heru, Sarndt, Heimdall. 


87. Tyr. 


Ja einigen der $. 57 zufammengeftellten Trilogieen erfheint als der 
dritte Gott Tyr, won dem ber britte Wochentag, den wir in Dienftag ent» 
Relen, altn. Tysdagr, den Namen hat. In der lateinifhen Faßung der 
Woechentage entfpricht ihm Mars, den auch Tao. Germ. 9 als dritten Gott 
der Germanen aufführt, Die Abrenunciatio ftellt aber ald dritten Gott 
den Sarnöt auf, den wir bei den Angeljahjen als Sarneät wieberfinden. 
Die Schwaben, die eine althochd. Gloſſe ald Ziuwari (Marddiener, Män⸗ 
ner de3 Bio) bezeichnet, nennen ven Tyr Bio; ihre Hauptftadt Augsburg 
Biesburg (Stadt des Bio), und den Dienftag Biestag, Zistag; in Baiern 
aber heißt der fonft in allen deutſchen Sprachen nad Tyr benannte Tag 
Etag, Erctag oder Erihtag. Gr (heru), Bio (Tyr) und Samnöt (Sax- 
neät) werben ſich und als Schwertgötter ergeben, und fo tritt als vierter 
Heimdall hinzu, ver gleichfalls als Schwertgott bezeugt ift. Zyr und Heim 
dall find aber zugleih Kimmelögötter, und bie nöthigt, aud ring und 
Irmin $. 89 in Betracht zu ziehen. 

Die Grundbedeutung des Namens Tyr (gen. Tys, acc. Ty), goth. 
Tius ift leuchten, glänzen: er ftammt von der Wurzel div, der im Sanskr. 
Ajaus coelum, im Griechiſchen Zac, gen. Aloc, im Lat, Jupiter (für 


292 Bio u. f.w. Semusnen und puthlugen. 8. 87. 


Djuspater), gen. Jovis (für Djovis), fo dium, divam für Himmel (sub 
divo) angehören. Verwandt find auch devas, Jess und dens; Iehteres fellt 
ſich nahe zu Tyr, dad gleichfalls in Bufammenfegungen, wie Hroptatyr, Hänge 
tyr (Beinamen Odins), Reidhartyr (Beiname Thoͤrs), Gott beveutet. Altn. 
heißen vie Götter im Pl. tivar, mas mit Tyr verwandt ſcheint, wie Zeud, 
Aıdg mit Iedg, und deus. Auch dies, der Tag, berührt ſich mit Deus 
und divus und dem agf. und altf. tir gloria splendor entfpricht im Abo. 
siori splendidus. Alles ergiebt für Tyr den Ginn eines leuchtenden 
Himmelsgottes, Myth. 175—7. Schon oben 190 ward der Meldung bed 
Tacitus Germ. 39 gedacht, dak die Semnonen, die Alteften und edelften 
der Sueben, einen allwaltenden Gott verehrt hätten, dem Alles unter 
worfen und gehorfam war. In einem Walde " 
„Augurüis patrum et prisca formidine sacrum" 

traten zu gewiſſen Zeiten alle Volkerſchaften dieſes Stammes durch Ge: 
ſandtſchaften zufammen um nad) barbariſchem Gebrauch grauenvolle Weihen 
zu begehen. Obgleich Menſchenopfer nad Germ. 9 nur dem Odin (Mer- 
curius) fielen, worüber Gr. Myth. 179 nachzuleſen ift, fo darf hier 
doch an Tiyr gedacht werben, welchen die Nachkommen biefer Semnonen, die 
fpäter als Juthungen an den Bobenfee zogen, unter dem Namen Bio ver 
ehrten. In jenen Semnonenwald, den man nur gefeßelt betreten durfte, Iegte 
ihre Glaube den Urfprung ihres Volles. Darum ftand, wer zufällig ge 
fallen war, nicht wieder auf, auf dem Boden mälzte er fih hinaus. Das 
regnator omnium erinnert an das dominatur dominantium ©. 290. 

In diefer Würde erfheint Tyr in der Edda nicht mehr. Nach D.23 
bericht er über den Sieg im Kriege, weshalb Kriegsmänner ihn anrufen 
follen. Slaldſt. 9 nennt ihn vigagud, Schlahtengott: er war aljo der 
Gott des Arieges, freilich neben Odin, der ihn in biefem Amte beeinträds 
tigt haben mag, da er zulegt nur nod für den Gott des widernatürlichen 
Krieges, böchftens für den kühnen Gott galt. Bgl. $.4. 31. 46. 85, wo 
ſchon Vieles über Tyr beigebradht ift, was wir nicht wiederholen wollen. 
Hier bleibt nur nachzuweiſen, wie der leuchtende Gimmelögott diefe Her 
abfegungen feines Weſens erfuhr. 

Die Stralen des Blihes wie des Lichtes, fagt Mannhardt, gehen vom 
Himmel aus, und da die Sprache beide als Geſchoße betrachtet, fo ger 
langte man dazu Tio zu einem Schwert und Kriegsgott zu machen, weh 
halb er aud in den Wochentagen die Stelle des tömifhen Mars ein 
nimmt, Neben Mercur läßt Tacitus dem Mars Kriegögefangene binten. 


% 87. Die. Sqwertzot. B 298 


Der Kriegsgott warb unter dem Symbol des Schwerts verehrt: 
vom Schwerte gieng kriegeriſchen Völkern Glanz und Ruhm aus. Bon 
Dr, dem leuchtenden Himmelsgotte, deſſen Symbol das Schwert ift, mag 
& auf Odin übertragen fein, daß er bei Degird Bewirtung feine himms 
liſche Halle mit Schwertlicht beleuchtete. D. 55. Wie Thör den Hammer, 
wird einft der hoͤch ſte Bott das Schwert geführt haben, das fid bei 
Din bald in den Sper bald in den Stab verwandelt, 

Aus Tyrs Symbol, dem Schwert, erflärt es fih, daß die Rune, 
welche des Gottes Namen trägt (alin. Tyr, agf. Tiu, ahd. Ziu) die Ges 
Halt des Schwertes zeigt T, und das ihm ähnlihe Planetenzeichen des 
Mars & unter den Metallen das Gifen bezeichnet, wobei wohl wieder das 
Schwert vorſchwebte. Am Dienftag muß das Eifenkraut, mit dem ſich 
nah Plinius Krieganfagende kroͤnten, gebroden werden, GDE.124. Da 
nun aud die auf hern (Schwert) weifende agſ. Rune Eor T auß jener 
yrrune differenziert ift, ja die ebenfo gebildete ver hochdeutſchen Alphabete, 
welhe T für tao verwenden, bald Zio, bald Eor, over Aer heißt, Heru 
und Eor aber mit Ares und dog, Schwert verwandt feinen (Myth. 183), 
fo denkt Grimm GDS. 1. c. fogar an einen Zufammenhang von "Agns . 
mit ses und Gifen. EDS. 508 wird auch das Zetergeſchrei als 
ein Waſfenruf von Ziu dem Gott des Schwertes abgeleitet. 

Jene Schwertrune galt für ein überaus heiliges Zeichen. Nach Sigrdrif. 6 
fol beim Gintigen der Giegrunen in das Schwert Tyr zweimal genannt 
werben, was mit ben fpätern Schwertfagen (das Schwert bedarf ein Ges 
genswort, heißt e8 im Barzival) aufammenhängen mag. Tir bid täona sum 
(Tir ift der Zeichen eined), beißt e8 in dem agf. Runenlieve und tire 
tacrian heißt gloria, decore insignire, was wieber darauf deutet, daß 
von dem Schwerte, dem Symbol des Gottes, Glanz und Ruhm ausgieng. 

Alles dieß foll nur zeigen, wie der unter dem Bilde des Schwertes 
verehrte leuchtende Himmelsgott zum Kriegsgotte ward, was der naͤchſte $ 
au für die verwandten Völter, die den Schwertgott unter andern Namen 
verehrten, beftätigen wird. Hier haben wir es zunächft mit Tyr zu thun, 
den wir nun au in der Myihe als Schmwertgott nachweiſen müßen, mas 
um fo möthiger ſcheint, als noh W. Müller 237 zweifelte ob der nors 
diſche Tyr ein Schwert geführt habe. 

Nach ver $. 39 vorgetragenen Grzählung von Fenrird Fehelung ward 
dem Wolf der Gaumen mit einem Schwerte gefperrt, deſſen Heft wider 
den Unterkiefer ftand, die Gpige gegen den Oberliefer. In Bezug auf 


294 dis. Egrs Elnarmigkeit. 887. 


den Wolf beveutete dieß Schwert nad S. 109 ven Bann, melden das 
Gefep über den Mörber und Friedensbrecher ausſpricht. Dieß if ein 
fittlicher Mythus, der eben darum nicht alt fein kann; er gab aber ven 
Anlaß zu der fernern, alfo noch jüngern Dichtung, daß Tyr feine Hand, 
das Schwert, dem Wolf in den Rachen geftedt habe und dadurch einarmig 
geworben fei. In der That ift aber Tyr nicht fo erft einarmig geworden: 
er war es von jeher, weil er das Schwert ift, dad nur Cine Klinge bat, 
gerade wie Odin feiner Natur nad einäugig ift, weil der Himmel nur Gin 
Auge hat, die Sonne. Wie aber von Obin gedichtet warb, er habe fein 
ambered Auge dem Mimir verpfändet, fo follte num Tyr den andern Arın 
dem Fenrir verpfänbet haben: zu jener Dichtung gab der Widerſchein der 
Sonne im Waßer Anlaß, zu diefer dad Schwert im Gaumen Fenrirs. In 
dieſem Zufammenhang liegt aber ver Nachweis, daß auch in ber nordiſchen 
Mythe Tyr als Schwertgott gedacht war, fonft hätte das Schwert, das 
Fenrird Rachen fperrte, nicht zu der Dichtung von Tyrd dem Wolf ver 
pfändeten Arme benupt werben Lönnen. Es ift aber eine junge Dichtung 
und felbft Tyrs Einarmigfeit wohl erft eine neue Vorftellung; in der Volls⸗ 
age klingt fie nicht nach wie doch fo vielfach Odins Eindugigteit, ſonſt 
wollte ih Weinholds Urtheile Riefen 28 beiftimmen: ‚Wie Opins Gin 
augigleit auf bie Thellung bes Tages in Lit und Finfternifs geht, fo iR 
aud der Mythus von Thrs Verftümmelung burh den Fenrirdmolf nur 
ein Bild bafür, daß dem Himmelsgotte ein Weſen der Nacht vie Hälfte 
feiner Kraft entriß.“ Bol aber 8. 92, 2. Warum ihm die Fütterung 
Fenrirs übertragen ward, ift $. 43 gezeigt; als ihm dieß Amt angemiejen 
warb, mufte er fon tief gefunten fein. Weil er aber dieß zu thun, ja 
dem Wolf ven Arm in den Rachen zu ſteden wagte, heben D. 25. 34 
feine Kühnheit hervor. Wir haben indes oben nadıgewiefen, daß es einen 
ganz andern Sinn hatte, daß Tyr ben Fenrirswolf fütterte. In der Hy⸗ 
mistw. war es auch gewiſs nicht feine Kühnheit, die ihn zum Begleiter 
Thors machte, fondern feine Sohnſchaft zu der Allgoldenen, bie nicht will 
tarlich erdichtet ward, ſondern uralten Grund hatte. Wir werden dataus 
über Tyrd Mutter, die nirgend in der Edda genannt wird, $. 96 Aufe 
llarung gewinnen, 

Man hat Tyrs Cinhänbigkeit daraus erklären wollen, daß ber Gott 
des Kriegs nur Einem der lämpfenden Theile den. Sieg verleihen könne, 
Myth. 188. Gegen die ähnliche Deutung Hoͤdhrs (Hadus), der hier Grimm 
gleihfalls zuftimmt, habe ich mich ſchon oben erklärt: Höbhr iR blind, 


& 87. Bis kein Eodesgott. 206 


weil er bie dunkle Jahreshälfte bedeutet, und fo iſt Tyr einarmig, micht 
aus ethifhen Gründen, wohl aber aus dem angegebenen natürlichen, 
weil er das Schwert (Kuhn WE. II, 200) ift, welder uns zugleih er⸗ 
läutert, warum ihm ber Wolf die Hand bis zum ‚Wolföglieve‘ abgebißen 
haben foll. . 

In den Mölanges d’Arch6ologie.d’histeire et de littirature p. 
Charles Cahier et Arthur Martin, Paris 1848, ift ©. 90 fi. ein alter 
brongener Leuchter "abgebildet, auf dem eine nalte männliche Geftalt einem 
greifenartigen Ungelhüm vie Hand in den Mund ftedt, was eine Erin 
nerung an unfern Mythus fein Tann, 

Wenn Tyr Ziſchr. f. Myth. I, 337 für ven perfönlic aufgefaßten 
Tod erflärt wird, fo gründet fih das auf die Schilderung der Rune 
Gar in dem agſ. Runengedicht. ‚Car wird läftig jedem Manne, wenn 
das Fleiſch zu erlalten beginnt und der bleibe Leib die Erbe zum Ger 
mahl ertieft, denn dann- zergeht der Ruhm, die Freuden ſchwinden, 
Bündniffe Löfen fi‘. Bol. Myth. 183. Ich verftehe aber den Spruch 
fo, dab das Schwert dem alternden, einft ruhmreihen Manne, dem ber 
Xod nahe, zu führen ſchwer werde, und fo fein Ruhm, den er bem 
Schwerte dankte, wieder vergehe. Vgl. die Schlußworte von $.64. Der 
Segensſpruch: ‚Brand, ftand ad dem Döde fine rechte Hand’ hat alfo 
mit Tyr nichts zu ſchaffen. Auch überfege ih den Döde mit Kuhn 
BE. II, 200 nit dem Tode, fonbern dem Berftorbenen. freilich 
lamn das Schwert den Tod bedeuten, wenn z.B. ein Urtheil das Schwert 
juerlennt, und fo mag ed beim Loofen viele Bebeutung gewöhnlich ger 
habt haben. Ich will aber nicht verfhweigen, daß in der oberpfälzifchen 
Sage bei Echönmerth II, 8 ein Kind, deſſen Gevatter der Tod ik, 
Michel Tod genannt wird. Huf bie barbarifhe Etymologie Mors =Mars 
Quigmann 75 lege id; kein Gewicht. 

Im ber Edda ift Tyr nur nach Einer von Odins Söhnen; er war 
aber ein älterer Himmelsgott, der jept vor Opin zurüdtrat. Bio erſcheint 
als der Schwaben Hauptgott; dasſelbe bezeugt Tac. hist. IV, 64 für 
die Tencterer von Mars, und Procop II, 15 für die Norbbewohner von 
Ares. An andern Stellen fteht Mercur neben Mars, aber biefer voran. 
Sollen wir nun im allen mit styr zufammengefegten Beinamen Odins an 
Tor denten ? Und gehörte vielleicht felbft Odin Sper Gungnir einft dem 
gr, da dem römifhen Mars die haste heilig mar? Myih. 185. Jeden 
falls wird der Schwerttanz ſicherer auf Tin ald auf Wodan bezogen, 


296 &pr. St. Midesl. Bewerten.  _ 8.8. 


Muth. 187, und der Dienſt des heil. Michael, der mit geſchwungenen 
Schwerte abgebilvet wird, mag bald Tyrs bald Odins Verehrung erjegt 
haben, wenn gleih das norbifhe Sigtyäberg eher auf Odin als auf 
Tyr deutet und die Ticelscapelle auf dem Gobesberge auf Goban 
weilt. Wolf Beitr. I, 128 führt an, daß in Belgien Fechtergeſellſchaften 
ven heil. Michael zum Patron haben; aber 130 bringt er jelbft ein 
Heugnifs dafür bei, daß Gt. Michael an Wodans Stelle trat. Das nehme 
id aud da an, wo St. Michael Seelen bei ſich aufnimmt. 

Den Shwerttang, in welchem nalte Jünglinge die Schlacht nad 
ahmten, bezeugt Tacitus Germ. 4 als daB einzige bei allen Berfamm- 
lungen wiederkehrende Schaufpiel der Deutſchen. Daß er dem Schwert: 
gott zu Ehren aufgeführt worden, bezweifelt auch Grimm nicht Myth. 187: 
er nennt ihn eine noch lange und weit verbreitete Gitte, führt aber feine 
Beifpiele an, die Panzer II; 247 bei den Nürnberger Mekerern und 
Quigmann 76 aus Weftenriever bei Braunauer Waffenfhmieden, Kuhn 
BE. 161 zu Attendorn in Weftfalen nachweiſt. Bol. 8.77 und Bader 
nagel in Haupts Ztfhr. IX, 318. ine ausführliche Beſchreibung bed 
dietmarſiſchen in Dahlmannz Neocorus II; die Mittheilung des heſſiſchen 
Schwerttanzliedes find und die Grimm ſchuldig geblieben. gl. 249. 
Nach vollendetem Schwerttanze flochten bie Zänger ihre Schwerter mit 
den Spigen zu einer Rofe ober einem Rabe zufammen, auf deſſen Nabe 
dann ihr Anführer oder König fpringt und von Allen zugleich erhoben 
wird. Die Rofe fieht man im Theuerdank abgebildet, wo Kaifer Mar 
auf einem Kranze von Schwertern fteht, ebenfo in Fuggers Ehrenfpiegel, 
wo der Kaifer obendrein gelrönt erfheint und den Reichsapfel in ber 
Hand trägt. 

Auch Thör kann den Tyr beeinträchtigt haben, nicht nur in ben 
Beinamen Reidhityr u. f. w., aud in der Heiligfeit des Kammer. 
Das agſ. Runenlied fpricht von dem Zeichen Tir fo, daß man glauben 
follte, es fei von Thoͤrs Hammer die Rede. W. Grimm Runen 249. 
Das Chriftenthum traf hier mit dem Heidenthum in bemfelben Zeichen 
sufammen ; es ift das Zeichen des Kreuzes, dad aud den Hammer Thoͤrs 
und die Rune Tyr bedeutete. In einem Segensſpruche bei Wierus heißt 
es: } Jesus Nazarenus } rex Iudacorum } non percuties eos qui 
signsti sunt hoc signo Than, wo zwar Thau mit th gefchrieben, aber 
das einfache T gemeint ift, mit dem der Name Tyr beginnt, obgleid ber 
Segenäfprudh, wie es fcheint, vor dem Gewitter fügen ſollte, Ztichr. VIl, 


5. 88. Bio. B. Kern. Sarust. 2397 


538. Selbſt die Egel (Ali) genannten Berge Lönnen fo gut auf Tyr 
als auf Thoͤr bezogen werden: aud Bio erfdeint, mie ſchon die Verglei⸗ 
ung von Jupiter, Marspiter, Diespiter lehrt, ald ein väterliher Gott, 
"und Berge waren ihm unter allen feinen Namen heilig, Der nächſte $., 
bei welchem wir Tyr nicht verlaßen, da ihm Heru iventifh if, wird 
folder Berührungen der drei oberften Götter nod mehr bringen; doch 
darf ſchon bier ausgefprodhen werben, daß Tyr einer ber hehrſten und 
älteften Götter war, und der Umfang feines Weſens namentlich durch 
Ddins wachſendes Unfehen beſchränkt wotden ift. Go giebt eine altf. 
Gloſſe Ziu durch turbines wieder, Myth. 184, und jener Baumeiſter 
Bind und Better $.27 heißt in einer Gage bei Müllenhofi 410 (vgl. 
Borr. 47) Bi. Hier fehen wir ihm alfo in demfelben Elemente walten, 
das wir als die finnlihe Grundlage Wuötans erkannten. 

Dem Bio geheiligte Berge find Myth. 180 nod andere nachgewieſen; 
vielleicht gehört auch Tirlemont hieher. Im Eifelgau erinnert an ihn ber 
Drtöname Bievel, im Bülpihgau Zingsheim, im Maiengau Biffen, im 
Auelgau Ziffenheim. Auch Kräuter find nad) Zio genannt, So ift der 
Seidelbaſt (Ziolant) aus iolinta, Biolindebaft entſtellt. Bei Tyrihialm, 
der auch Thorhialm heißt, geigt ſich wieber Berührung Tyrs mit Thör. 
Bol. Muth. 180. 1144. 5. 


88. Heru Saxnot. 


Tyr war und Himmelsgott und Schwertgott zugleich; im Heru tritt 
nur ber Schwertgott hervor: auf den Himmelsgott würde ſich erſt ſchließen 
lagen, wenn wir Iring, vielleicht gar Itmin mit ihm zuſammenbringen 
lonnten. Heru iſt der Edda unbekannt, wenn er nicht dem Rigr ents 
ſpricht, mit dem er ſich in Erich vermittelt. Auch in Deutſchland ſpricht 
taum ein anderes Zeugniſs für ihn, als daß er den Bio in dem bais 
riſchen und öfterreihifhen Namen des dritten Wochentags Crtag, Erchtag, 
Erichtag vertritt, wie ih die Rune Gor neben Tyr ftellt, während im 
alth. Runenalppabet Ziu und Gor Namen desſelben Zeichens find. Dazu 
tommt jene $. 86 erwähnte wehtfälifhe Gresburg oder Heresberg, in 
deren Nähe eine Jrminfül errichtet war. Sie heißt auch Mersburg oder 
Mersberg, wo das vortretende M von dem lateinifhen Mars herrühren 
oder fih von dem Artifel abgelöft haben kann. Ferner der Name der 
alten Cherusler, der ſich beßer von einem göttlichen Heru ober Cheru 


298 gern. Dunner Iren. $. 88. 


ableiten läßt als von dem ſachlichen heru (Schwert), goth. hafrus. Wie 
vie Cherusler feinen aud die Marcomannen den Schwertgott unter 
dem andern, am bairifhen Wochentag erfheinenden, Namen verehrt zu 
haben, während ihn die Sueben, zu melden bie Chatten zählen, Tin, 
fpäter Bio nannten. An die Stelle der Cheruster traten hernach bie 
Sachſen; Grimm hält fie für dasfelbe Voll unter einem andern aber 
gleipbebeutenden Namen. A. M. ift Leo Vorleſungen 6. 228. Die 
Sachſen find von Sachs, ihrer Steinwaffe, genannt und Sarneät, Vodens 
Sohn, fteht an der Spitze des oftjähfifcgen Volks in Britannien, ohne 
Zweifel derfelbe Gott, den die Abrenunciatio Samöt nennt. Herrn Dr. 
Schröder verdanle ich die Nachricht, daß in Pommern, Medienburg und 
der Udermart noch der Fluch Dunner Saren gebräudlid ift, der 
wohl einft die Namen der Götter Donar und Sapnot verband. Der 
dritte Gott der Trilogie fheint vergeßen; auch hat Sarnots Rame ger 
Titten, Wie man ihn auch deute, ein Gott des Schwertes kann nicht in 
ihm verlannt werden. Aus dem Dienſt bed Schwertgottes rührt auch 
das Schwert im fähfiihen Wappen her, fo wie der Gebrauch ver deut ⸗ 
fen Könige, ſich dad Schwert durch den Herzog von Sachſen vortragen 
zu laßen, GDS. 611. Gbenfo verftehe ich es, wenn dem friefifchen Braut» 
paar das Schwert vorgetragen wird, worin Grimm R. A. 167 nur ein 
Rechtsſymbol fieht. Das Schwert des Gottes kann dort die Che geheir 
ligt haben wie anderwaͤrts Thors Hammer. Finden wir dod bei Schön 
werth II, 66 aud ven Hammerwurf durch den Schwertwurf vertreten. 
In ganz Süddeutſchland ift es Gitte, daß Hochzeiten am Ertag begangen 
wie in der Oberpfalz über dem Brauttifche zwei Schwerter kreuzweiſe in 
die Diele geftoßen werden. Schoͤnwerth I, 95. 

Die Verehrung des Kriegsgottes unter dem Symbol des Schwertes 
meldet fchon Herobot von den Stythen: es ward auf einer ungeheuern 
Schicht von Reifig errihtet. Auch Alanen und Duaden, letzteres unbe⸗ 
zweifelt Deutfhe und den Marcomannen, die mir ſchon als Aresdiener 
lennen, benachbart, erwieſen dem Schwert göttliche Ehre; weiterhin ſchließen 
ſich Geten, Dalen und Skythen an. Die Svardones des Tac., bie in 
den Sveordverum des Wanbererlieded, deren Name wie Ziuwari gebildet 
ift, wieder auftauden, feinen gleichfalls hierher zu gehören. Bei dem 
Schwert zu ſchwoͤren war allgemein deutſche Sitte und blieb e3 durch das 
ganze Mittelalter. Jenes ſtythiſche Schwert, gladius Martis, foll aber 
nad) Jornandes, ber fi auf Priscus beruft, in Attilas Haͤnde gelommen 


8 88. Hern. Attila. Hecke, 29 


fein. Gine hintende Kuh führte die Entbedung herbei. Der Hirt bes 
merkte, daß ihr der Fuß blutete: da folgte er der Spur und gelangte zu 
dem Schwert, das in der Erbe ftedend fie verwundet hatte. Als es 
Attila gebracht wurde, wunſchte er fi Glüd zu dem Geſchenk, denn er 
hielt fih nun für den Herm der Welt, da ihm durch das Schwert des 
Kriegögott3 Unüberwinblichfeit verliehen ſei. Welche Rolle dieß Schwert 
weiter in der deutſchen Geſchichte fpielte, wie es zulegt nad der Schlacht 
von Mühlberg der Herzog von Alba wieder aus der Erde gegraben haben 
follte, mag man Myth. 186 nachleſen. 

Uns wird biefe Sage doppelt wichtig, da ſchon der Name Attila 
nach $. 87 auf den Kriegsgott gehen lann und Epel in der Heldenfage 
der Herla (bei Priscus Kerla) vermählt ift, die als Göttin, nah W. 
Müllers 226 Bermuthung des Heru Gemahlin war. Beide Namen find 
diminutiv, Attila von Atta, Herla von Hera, der Erbgöttin. Vgl. $. 213. 
In zweiter Che vermählte ſich Attila der Kriemhild, der winterlihen 
Edgoͤttin. 

Wolf hat Beitt. I, 128 auf dad zweiſchneidige Schwert bes 
h. Michael aufmerkjam gemacht, das in Valenciennes bewahrt und jähr- 
lid in einer Procefjion umgetragen wurbe, wobei kriegeriiche Spiele, viel: 
leiht Schwerttänze, vorkamen. Nod wichtiger ift aber feine Hinweifung 
auf das Schwert des Julius Caefar, das nah Sueton zu Köln in dem 
Delubrum Martis aufbewahrt und dem zum Imperator außgerufenen 
Bitellius als Zeichen der Herſchaft überreicht wurde. Dieß Delubrum 
Martis warb fpäter zur Capelle des Etzengels Michael; jept ift fie abs 
gebrochen : zu beiden Seiten der Straße (Marspforten) wo fie ftanb, fieht 
man aber noch die Bilder des Mars und des h. Michael. Wahrfheins 
lich hatte fowohl jemes Schwert des h. Michael als das kolniſche des 
Divus Julius früher einem deutfhen Gotte gehört. Schon bei Odins 
Spieß Gungnir $.65 drängte fih die Vermuthung auf, daß man dem 
Heiligthum des Gottes den Sper entliehen babe, den die Mythen uns 
mittelbar aus des Gottes Hand kommen lafen. Aud das Schwert gab 
dem Bitellius nicht der Priefter: es mar ihm von einem Unbelannten 
(® quodam) überreicht worden, in dem aber der Gott angedeutet ift. 

Attilas Schwert ward aus der Erde gegraben: das kann bebeus 
tend fein, da es fich hernach wiederholte. Es muß darum auffallen, daß 
Biltinaf. Cap. 20 ver Niefe Wate fein Schwert in die Erde ftedt, damit 
fein Sohn Wieland es wiederfinde. Wates Bezug auf bie watenden 


800 - Heimdal. Scwerigeit. % 89. 


Götter Odin und Thoͤr ift oben hervorgehoben: follte er ſich auch mit 
Tyr (Heru) berühren? Im ODrendel läßt Breide ein Schwert aus der 
Erde graben. 

Grimm (Myth. 176) und W. Müller 225 nehmen mit Beuß den 
erbgebornen Gott Tuisko für Tivisko, alfo für Tius Sohn. Dem 
beizuftimmen brauchten wir den Begriff des Biwiefahen, ben wir $. 7 
in dem Namen gefunden haben, nicht aufzugeben, da jenes Schwert zu 
Balenciennes ein zweifhneidiged war. Wenn aber Tiu ein erbgeborner 
Gott ift, fo darf es nicht wieder fein Sohn fein, und welden Sinn 
tönnte es haben, wenn dad Schwert der Vater des Mannus wäre? Das 
Schwert kann wohl Menden töbten, aber nicht Menſchen zeugen. Wir 
gelangen bier noch zu keinem ſichern Ergebniſs; der nächſte $. wird aber 
ein neued Zeugnifs bringen, daß die Mutter des Schwertgotts, jene all ⸗ 
goldene der Hymiskwidha $. 85. 87 die Erde war. 

Drtönamen, die von unferm Gotte zeugen, hat Quigmann Religion 
der Bavaren zufammengeftellt ; aus unferer Provinz erinnere ih an Ers⸗ 
dorf bei Medenheim und die beiden Nefielrovifhen Burgen Erenftein und 
Ehreshoven. 


89, Heimdall ring Irmin. 


1. Auch Heimball, der unter allen deutſchen Göttern am ſchwierigſten 
zu faßen ift, heißt Hrafnagaldt 23 Sverdas; ja er allein führt in der 
Edda diefen Namen. Da Hrafnagalors Echtheit beftritten ift, fo führe 
ih weiter an, dab Slaldſtap. 8 fagt: Heimdalar höfat heitir sverdh, 
was heißen kann, Heimdalls Haupt ift das Schwert, oder das Schwert . 
heißt Heimdalls Haupt, nicht aber nah D. 27, Heimdalls Schwert war 
Haupt genannt, noch aud, wie es Gretter der ftarke verftand, dad Haupt 
beißt Heimdals Schwert. In diefem legten auch SE. 69 angenommenen 
aber unmöglihen Sinne wird es jebod weiterhin gefaßt, indem hinzuge ⸗ 
fügt wird, Heimball fei mit einem Menfhenhaupt durchbohrt worden, 
da er doch nad D. 51 erft am Ende ber Tage erſchlagen werben fol. 
Bgl. 8.46. Wenn es ferner heißt, das Schwert ſei Miötudhr Heimdalar 
genannt worden, denn dad Schwert heiße manns miötudhr, fo wird bie 
richtige Auslegung fein, Heimdalls Weſen fei vom Schwerte ausgegangen: 
das Schwert fei fein Anfang, fein Schöpfer, alſo zugleich Schöͤpfer der 
Menſchen. Hierdurch fehen mir ihn als Sverdas beftätigt und jenen 


3. 89. Seimdal. Kigr. Kigemal. 801 


andern Schwertgoͤttern gleichgeſtellt, ja dem Schwertgotte, wie Wol. 1 dem 
Heimdall, die Schöpfung des Menſchengeſchlechts beigelegt. 

Nirgend erſcheint Heimdall beveutender als hier, wo die Menden 
feine Kinder genannt werben, denn im Rigamal, wo er unter dem Namen 
Nige die grünen Wege der Erde wandert, gründet er nur die menfchs 
lichen Stände. 

An der Meerestüfte, erzählt das Rigsmal, fand er eine Hütte mit 
offener Thüre. Zwei Eheleute, Ai und Edda (Eltervater und Elter⸗ 
mutter), bewirtheten ihn brei Nädte mit grober Koſt. Nach neun Monden 
genas Edda eines Kindes mit ſchwarzer Haut, von dem das Geſchlecht 
der Thräle (Rnechte) ftammt. 


In Kurzem lernt’ er die Kräfte brauchen, 
Mit Baft binden und Burden ſchuuren. 
Heim ſchleppt' er Reifer ben heilen Tag. 


Ihm vermählte fih Thyr die Dirne. Rigr aber wanderte weiter 
und fand ein Ehepaar Afi und Amma (Großvater und Großmutter) 
in eigenem Haufe wohnen, bei dem er wieder brei Tage blieb. 

Der Mann ſchälte bie Weberftange, 
Das Weib daneben bewand ben Roden 
Und führte den Faden zu feinem Gefpinnft. 

Nach neun Monaten genas Amma eines Kindes, dad Karl (ver 

forgende Hausvater) genannt ward. 


Er zähmte Stiere, zimmerte Pflüge, 
Schlug Häufer auf, erhöhte Scheuern, 
Fertigte Wagen und führte ben Pflug. 
€ freite ein Weib, das Gnör genannt war; von ihnen ftammten 
die freien Bauern. Niger aber wanderte weiter und gelangte zu einer 
Halle mit leuhtendem Ring, worin Bater und Mutter faßen und fih 
an ben Fingern fpielten. 


Den Hausherren fah er ſich Sehnen winben, 
Bogen fpannen und Pfeile jchäften, 
Dieweil bie Hausfrau die Hände befah, 
Die Falten ebnete, am Aermel zupfte. 


Auch hier blieb Rigr drei Nächte bei guter Bewirthung ; nad) neun 
Monden aber gebar die Frau ein Kind mit lichter ode, leuchtender 


808 Zeimdei. Iriag. Exit. 6. 89. 


Bange und fharfem Blide, das Jarl (agf. eorl, von eor Schwert) ge 
nannt warb. 
Den Schild lernt' er ſchutteln, Sehnen winben, 
Bogen fpannen und Pfeile ſchäften, 
Spieße werfen, Langen ſchießen, 
Hunde hegen und Hengfte reiten, 
Schwerter ſchwingen, den Sund durchſchwimmen. 
Dem Jarl vermaͤhlte ſich die gürtelfchlante 
Adliche, artliche Erna geheißen. 

Von ihnen ſtammen die Edeln und Fürſten. 

Schon $.57 iſt bemerkt, daß nur der hoͤchſte Gott allein unter den 
Menfen wandern kann, und fo wird der Name Rigr ihn als den 
Mächtigen bezeichnen follen. 

Aber aud am Himmel hat er feine Straße, nidt bloß bie fen 
brüde Bifröft, deren Namen eine Wegftrede bebeutet, fondern aud bie 
Milchſtraße, welche Jringsſtraße heißt, denn in ring, der fonft nur noch 
in der Helvenfage erjheint, hat Grimm jenen auch auf Erden wandernden 
Rige, alſo Heimdall, wiebererfannt, Muth. 214. 

ALS ring müfte Heimdall ein Sohn des Jr ober Gr (Heru) fein, 
der mit Tyr zufammenfält; und doch wird er in ber Edda ein Sohn 
ODdins genannt. Cr kann aber auch Heru (Tyr) felber fein, da er der 
Schwertgott ift, und ber britte Wochentag in Baiern auch Ercs ober 
Grihstag beißt, Erich aber durch die Erichsgaße, die auf Erden der 
himmliſchen Milhftraße entfpriht ($. 74), dem Jring gleihgefellt wird. 
Mit demfelben Rechte wie Tyr, mit dem er ald Schwertgott zufanmens 
faͤllt, kann er alfo Odins Sohn heißen; im Grunde war e8 aber ent 
weder Odin felbft, der Heimdall hieß (6. 233), ober diefer Name bejeich⸗ 
nete Tor, den Altern, jept von Obin zurüdgebrängten Himmelsgott. 
Noch erſcheint er jedoch in feiner alten Würve im Hyndlulied, wo es von 
ihm beißt: 

34. Geboren warb Einer am Anfang der Tage, 
Ein Wunder an Stärke, göttlichen Gtamms. 
Neune gebaren ihn, den friebenbringer, 
Der Erbentödter am Erdenrand. 

85. Gialp geber ihn, Greip gebar ihn, 

Ihn gebar Eiſtla und Augehia, 


8.89. Heimdal. Kenn Mütter. Seunenhirſch. 808 


Ulfrun gebar ihn und Gyrgiafa, 
Imdr und Atla und Jaruſara. 


36. Dem Sohn mehrte die Erde die Macht, 
Windkalte Ser und fühnendes Blut. 


Und bernad wieder : 
40. Allen überbehr warb Einer geboren; 
Dem Sohn mehrte die Exde die Macht. 


Ihn rühmt man ber Herſcher reichſten und gröften, 
Durch Sippe gefippt den Bölfern gefamt. 


Nähme man, wad hier von feinen neun Müttern gefagt ift, als 
fpätern Urfprungs hinweg, fo bliebe nod bie Erbe ald die Mutter des 
Sqhwertgotis zurüd. Aus der Grde warb dad Schwert gegraben $. 88. 
Bom Schwerte gieng Triegeriihen Voͤllern Glanz und Ruhm aus, mit 
Sqhwertlicht beleuchtete Odin feine Halle 6. 293. Darum heißt Heim ⸗ 
dal der weiße Schwertgott und Thrymsk. 17 der beifie der Afen; ja 
am Schluß von Hrafnag. erjheint er als Gott des anbrechenden Tages: 

Auf landen die Herſcher und bie Alfenbeftraferin ; 
Nördlich gen Nifelheim floh die Nacht. 
Ulfennas Sohn flieg Argiöl hinan, 

Der Hüter bes Horns zu ben Himmelsbergen. 

Dieß fprähe für Grimms Anſicht (GDJ. 733),.das -dallr in 
Heimdallr fei jenem Dellinge für Däglinge zu vergleihen. Dellingr 
lennen wir aus $. 14 als den Vater des Tags, oder den Tagesanbrud) ; 
ala foldyer wird hier Heimdall geſchildert, deffen Name darnah Licht der 
Belt bedeuten würde. Nach Skaldſt. 58 Heißt der Hirſch Dalr; nun . 
fehen wir aber auch die Sonne als Hirſch fombolifiert (Solarl. 55). Vgl. 
$.102. Zwar wird dieſer Solarhiörte glei dem andern Symbol der 
Sonne, dem golbborftigen Eher, auf Freyr als den jüngften Sonnengott 
bezogen; er kann aber ſchon dem älteften gehört haben. Mit Recht hat 
man vermuthet, diefer Sonnenhirſch fei mit Eifthyrnir eins, der nad $. 
39 den Baum Lärad abweidet und von deſſen Horngeweih Thau nah 
Hwergelmir tropft, wovon nad Grimnism. 26 alle Ströme ber Unter 
welt ftammen. Sierauf bezieht ſich vielleicht Hyndlul.: 

39. Meerwogen heben fi zur Himmelswölbung, 
Und laßen ſich nieder, wenn die Luft fi abkuhlt. 


804 Yelmdal. Regenbogen. 8. 


Den Baum Lärad erfannten wir $. 36 als den Wipfel ver Welt 
eſche, und auf ihm muß der Welthirſch (Heimball) weiden, weil font ver 
Gegenfag der Unterwelt, zu der bie Waßer von ihm zurüdfliegen, wie fie 
ſich aud aus ihr ergoßen haben (S. 14. 41), nicht ſcharf gezogen wäre. 

Heimball bebeutet wörtlich eigentlih den Wipfel des Weltbaums, 
feine Dolde (mhb. tolde) oder Spipe (Gr. Gr. TIL, 412), und diefe 
Spige lann als Schwert gedacht fein, von dem das Licht der Welt auögeht. 
Darum war D. 17. 27 von feiner Wohnung Himinbiörg gefagt, fie ſtehe 
an des Himmeld Ende, womit der Zenith (6. 192) gemeint fein wird. 
Zugleich Tonnte er jo auch als ver Weltftrom gefaßt werden, da bie Waher 
zu dieſem Weltgipfel auf und von ihm zurüdftrömen, ThöN aber ſich unter 
den Flußnamen findet und Freyja als Waßergöttin Marböl (gen. mar 
dallar) heißt. Myth. 213. on dieſer legten Bedeutung des Namens 
ſcheint die weitere Entwidelung des Mythus ausgegangen; darum ift Heims 
dall neun Mütter Sohn und von neun Schweftern geboren, wie er felbk 
von ſich fagt: es find die MWellenmäpden, Degird Töchter, obgleich dieſe 
Stalbflap. 35 wieder andere Namen führen; darum bedeutet er in 
zweien Mythen den Regen und darum ift ber Regenbogen 
feinSymbol geworden. Al Himmeldgott führte Heimball das Horn, 
das den Sichelmond (6. 231), bebeutete: mit biefem Horn am Munde 
erſchien er nun vollends als Wächter ver Götter, da er ſchon von feiner 
Wohnung Himinbiörg, dem Wipfel der Welteihe, an des Himmels Ente, 
die ganze Welt überblidte. Dieß Himinbiörg fält daher zufammen mit 
Hlivftiälf, dem bebenden Hügel, denn fo ift nad Skalſt. 75 der Name zu 
deuten, der wieder an Bifröft, die bebende Raft, erinnert. Als Wächter 
werben ihm nun aud die Gigenfhaften zugetheilt, die dem Wächter ber 
Götter geziemen: darum heit es D. 27: ‚er bevarf weniger Schlaf ald 
ein Vogel und fieht ſowohl bei Naht als hei Tag hundert Raften weit; 
ex hört aud das Gras in der Erde und die Wolle auf den Schafen mad 
fen, mithin aud Alles was einen ftärkern Laut giebt.” So fließt es aud. 
aus feinem Wädteramte, daß er am Ende der Tage in fein gellendes 
Horn ftoßen wird, ‚die Götter zu weden und den Einbruch ber zerftörenden 
Gewalten anzulündigen. Wöliſpa 31 heißt biefes Sichelhorn Walvaters 
Pfand, weil Odin fein Auge in Mimis Quelle verpfänbet hatte: es mar 
das andere Auge des Gimmelögottes, der Mond. Bis dahin hat er vor 
den Bergrieſen die Brüde Bifröft zu hüten, die Himmel und Erde ver 
bindet, D.27. Allerdings ſcheint dem, der dieß jhrieb, feine frühere Ber 


8%. 89. Heimdal. Rtegengoti. Geldmund. 806 


deutung als Himmelögott nicht mehr bewuft; aber nod der fpäte Dichter 
der Degisdreda läßt 48 Loki zu ihm fagen: . 
Mit fenhtem Rüden fangſt bu den Than anf 
Und wachſt der Götter Wächter. 

er mufte alfo wohl noch von jenem Welthirſch Heimdalr, an deſſen Ge: 
weih der Thau des Aethers fählägt. Uebrigens ſiht auch nach dem neuern 
Bollsglauben ein Engel oben an der Himmelsbrüde (dem Regenbogen), 
der mit feiner Poſaune zum jüngften Gerichte ruft. Birl. I. 197. 

Heimvald Roſs Gulltopr ift auf das Sonnenroſs bezogen worden: 
da aber altn. toppr Wipfel bebeutet, fo ftünde es mit feinem eigenen 
Ramen in Beziehung. Daß er felber goldene Zähne hat, Tann das deut ⸗ 
ſche Sprichwort 

Die Morgenftunde 
Hat Gold im Munde 

erläutern. Ohne Biweifel war es einft ganz wörtlich gu verftehen wie bie 
wfenfingrige Eos. Aber ein ſchoͤnes Morgenroth bedeutet einen Regentag. 
Darum hat Heimball der Negengott goldene Zähne. Auf die Neige des 
Achte, die in Heimdals Monat (nah Finn Magnufen 21. Juni bis 21. 
Juli) beginnt, ſcheint auch fein Beiname Hallinſtidi (der ſich neigende), 
‚iu zielen. Die Fülle der Zähne Hallinflidis bedeutet MFS. I, 52 (vgl. 
Moth. 214) Reichthum, und in Bad. Sagen verwandeln fih Zähne in 
Gold. Daß unter den Namen des Widders Skaldſt. 75 Hallinſtidi und 
Heimdali aufgeführt werben, weiß id nicht anders zu beuten, als durch 
jene auch bei Hlidſtialf und dem Giallarhorn vorlommende Verwechſelung 
deimdals mit Odin (6.233), dem Finn Magnufen den Monat zueignet, 
in welhem die Sonne in das Zeichen des Widders tritt. Endlich mag 
fi} fein Beiname Windhler (Vindhlör, Sturmmeer) auf feine neun Mütter 
beziehen, die ein Bild für die Wogen find. Weinhold Ziſcht. VIL, 48. 

Wie Heimdall unter dem Namen Rigr die menſchlichen Stände gründet 
6.301, mag man noch in dem fhönen eddiſchen Rigsmal nachleſen. Die grünen 
Wege ber Erbe, die er bier wandelt, erkläre id baraus, daß der Regen 
das Wachsthum erfriſcht: unter den Füßen des Gottes, der ben Weltftrom 
bedeutet und defien Symbol ber Regenbogen ift, ergrünt die Erbe. Dens 
felben Einn finde ic in dem Mythus von Freyjas Halsband Brifingamen, 
das Loki entwendet hatte,” Heimdall ihr wieder erämpft. Rast 355. Wein, 
hold 1. c. 46. Loti beveutet hier die Gluth des Sommers, melde ber 
Erbe den grünen Schmud entführt, ben Raſen verfengt, der —* ſonſt 

Sinne, Mythologie. 20 


806 Heimdal. Hahn auf dem Richthurm, 3.89. 


als Jardhar men (gänga undir jardhar men bei Eingehung des Freund: 
ſchafts · Bundniſſes. R. A. 118) bezeichnet wird, dem Brifingamen entipre 
hend, Myth. 609. Heimdall ift hier wieder der Regen, der bie Gräfe 
erfrifchend der Erde den grünen Schmud wiederſchafft. Hieraus erllärt 
ſich aud, warum Heimdall, der fonft weiſe war den Wanen gleich, fih 
FAS. I, 313 heimkastr allra Asa ſchelten laßen muß, denn was ift 
langweiliger ald ein Regenwetter ? 

Neuerdings hat A. Lutold (Germ. VII, 208 ff.) Wilh. Tells Sage 
aus Heimdals Mythus ableiten wollen, worüber id auf $. 82 verweife, 

Auf dem Wipfel der Weltefhe ließen wir S. 304 Heimdall al 
Welthirſch weiden und faßten dann feine Spige ald Schwert, das uns 
wieder auf Heimdall ala Schwertgott wies. Wir fehen aber S. 41 einen 
Adler auf ber Welteſche figen und dieſem vergleicht ſich zunädft der 
Hahn Widofnir, der nah Fiölfwingmal 24 auf dem Wipfel des Bau: 
mes Mimameidr fipt, welchen ſchon Andere den Doppelgänger ver Belt: 
eſche Yggdraſil genannt haben. Wie nun Heimdall ala Göttermädter 
bezeichnet wird, fo vertritt ihm ſchidlich der Hahn, ver wachſame Vogel, 
und wenn mir biefen nod jet auf den Spigen der Kirchthürme finden, 
fo hat er feinen Pla zu behaupten verftanden. Das hätte aud ber Ad⸗ 
Ter auf dem Achener Münfter, der deutſchen Krönungslirche, ſchon ald 
Reichsadler gefollt; es war kein Grund ihn zu entfernen fo lange ber 
gleihbebeutende Hahn nod nicht von den Kirchthürmen verdrängt ift, und 
wenn die Achener beim Reiche bleiben wollen, wie fie der alte Spruch 
ermahnt, fo fegen fie ihn wieder darauf. Vgl. ©. 33. 

2. 3. Jring und Jrmin finden wir ftät# beifammen: bei Widukind, 
der fie biftorifiert, aber doch alten Liedern folgt, und fo aud im ber Helden: 
fage, im Nibelungenlieve namentlich, ift legterer zu Irminfrid geworben; 
aber fowohl Widufind als vie Wiltinaf. weiß von Frings Bezug auf bie 
Milchſtraße und aud hier, am Himmel, gefellt fih ihm Irmin, wie wir 
8. 74 gefehen haben. Iringsſtraßen finden ſich am Himmel und auf Gr 
den; Jrminftraßen find nur auf Erben bezeugt: die Ermingeftrete durchzog 
gang Gngland von Eüden nah Norden; von der Irminſal Tiefen vier 
Straßen dur alles Sand. Aber der Himmelswagen heißt auch Itmines ⸗ 
wagen, wie Ing, ber andere der brei Söhne des Mannus bei Tacitus, 
gleichfalls einen Wagen hat (Myth. 320): dem Himmelswagen entſpricht 
aber auch fonft noch ein Himmelsweg, und den Straßen auf Erben entfprehen 
himmliſche, S. 228, fo daf wis des ausbrüdlihen Zeugniſſes faR ent 


8.89. Iring. Irmin. Herman. 807 


rathen tönnen. Mon hat daher auch Irmin auf den Kriegd« und Ehtnert- 
gott It oder Er (Heru) zurüdführen, und Irman, Erman in Ir⸗man, 
German zerlegen wollen (W. Müller 294); dagegen bemerkt aber Grimm 
Myth. 327. 333, dem Namen Yring gebühre langes %, und GDS. 345 
if ausgeführt, daß dad H in Hermunburi,: Hermanfriv, ald bloße Spirans 
nicht in Ch übertritt, während Heru fi) in Cheru wandelt. Auch ift Irmin 
wie Armin ein abgeleiteter Name, kein zufammengefepter und der Name 
Herman entſpricht nur dann, wenn man aud ihn als abgeleitet betrachtet 
und ſchreibt. Die Verbindung von Irmin und Jring ſchien fhon oben 
bei der Greburg $. 86 hervorzutreten, wo aber ber Annalift (5.290) aus⸗ 
drüdlich begeugte, Ermis fei neben Aris (Heru) verehrt worden; Heru (Erich) 
fanden wir ſchon oben $. 89 in Jring, welchen das Rigsmal Niger nennt. 
Daß der Gott, der hier bie menſchlichen Stände gründet, ein Schwertgott 
war, bezeugt däs Lieb felbft, indem e3 ihn mit anderm Namen Heimdall 
nennt. Bon Cor, wie die angeljähfiihe Rune S. 293 lautete, möchten 
dann zumäcft die Corle benannt fein, weil nur fie das Schwert zu führen 
berechtigt waren. Wenn aber auch Jrmin auf ‚Hery meift, weil die Irmin⸗ 
fäule bei ber Heresburg errichtet war, und weil Wibulind nad $. 86 
bei Gelegenheit jener andern Irminſal, welche die Sachſen nad dem 
Gieg über die Thüringer errichteten, von Irmin auf Mars geräth, fo kann 
doch Jrmin ein allgemeiner Name fein, der eben den allgemeinen Gott 
bezeichnen wollte, wie dad Bräfir irmin- die Begriffe zu fleigern, bis zum 
Alumfaßenden zu erweitern dient. Unter dieſem allgemeinen Gotte kann 
man ſich Allvater, aber auch einen gemeinfhaftlihen Gott verbundener 
Stämme denlen, wie auch Armins Name vielleiht nicht anders bejagen 
wollte ald ven gemeinſchaftlichen Feldherrn ver cherusliſchen Volter. Selbft + 
den allgemeinen Namen der Germanen für die deutſchen Wölter Ieite ich 
von Jrmin, der agf. Eormen-, altn. Jörmun- hieß; von da bis zu germanus 
war nur ein Schritt und in geormenvyrt geormenleäf Myth. 326 finden 
wir ihm wirllich gethan. Grammatik 3. Aufl. ©. 11 neigte Grimm ſtark 
dazu, den Namen der Germanen von Irmin abzuleiten. ber nur durch 
Vorſetzen ber untrennbaren Partilel ge-, welde zufammenfaßenbe Kraft bat, 
tonnte in Deutfhland aus erman german werben und auf die Frage: 
was feid ihr für Leute? die Antwort erfolgen: wir find Germanen, d. h. 
wir find alle zufammen von Irmins oder feines Großvaterd Tuistos Ge 
ſchlecht. Nicht bloß die herminoniſchen Baiern leitete man im M. A. aus 
Armenien’ ab, aud aus Normandie ward Ormanie gemadt und wenn für 


308 Irmin, Germanen. Aryama. 8. 89. 


die Römer der allgemeine auf alle deutſche Voͤller fi erſtredende Sinn 
in Germani lag, fo wird und derſelbe Sinn von universalis ſchen aus⸗ 
drüdlich für Irmin bezeugt, vgl. ©. 288. Diefer Sinn lag urſprünglich 
in dem Namen und wie Mannhardt Götterwelt 267 in Aryama den 
gemeinfamen Nationalgott aller Arier vermuthet, fo fehe ich den Altwater 
aller Germanen in Jrmin, weshalb ich die Stammtafel, welche Tacitus 
©. 2 nach deutſchen Liedern giebt, wie nachſteht ergänzen mörhte: 
Zuifto 


Mannus 
| 
Irmino I 


— nn 
Inguio Irmino II Iſtio 

Mochte daher auch bei jenen Irminſaͤulen, die dem allgemeinen Gotte gal ⸗ 
ten, an den Giegd: und NKriegegott gedacht werben, weil es ſich eben um 
den Gieg im Kriege handelte, und jene ältere Srminfäule eine Giegafäule 
war, weshalb wohl auch Widukind bei ihr an Mars dachte, oder mochte 
man, wie $. 86 gezeigt ift, fein Bild mit Thoͤrs Keule bewaffnen, Irmin 
ſelbſt ſollte, wie es ſcheint, als gemeinfchaftliher Gott verbünbeter Wölter 
mehrere Gulte vereinigen und durfte baher von jedem ber verbundenen 
Völker auf feinen befondern Gott gedeutet werben. Wielleiht waren auch 
die Herminonen und Hermunburen zum Dienft eined gemeinfamen 
Gottes verbundene Stämme, die von dem allgemeinen Gotte den Namen 
führten. Daß diefer Gott Odin geweſen fei, bafür ſpricht jener Jrmines 
wagen nicht, denn öfter wird Ihör fahrend gedacht ala Odin. Was über Ir⸗ 
min, Hirmin noch im Wolfe Iebt, ift Myth. 329 und Woefte Vollsüberl. 43 
azufammengeftellt, wozu nod das den Thoͤrsmythus enthaltende Märchen 
vom ftarten Hermel $. 86 kommt. Neben den Sprud: ‚he ment, use 
Herre got heet Herm un saete oppem appelbäume‘ ftellt Kuhn no 
einen zweiten: Dat is üter aulen tit, as de düwel nön lütk fentken 
was un Hemmanken (Hermänden) hedde. Dem vergleicht ſich ber nie⸗ 
derrheinifhe: du wellst mich wis mäche’ Gott hösch Gerret (Gerharb), 
wovon Grimm Gebrauch machen könnte, denn Gerhard mag den mit dem 
Sper (Gungnir) bewaffneten Gott meinen. Gleihe Bedeutung bat der 
Name Gerwalt, der fi) im Herzog Gerold verfüngt, der den Schwaben 
das Recht erwarb, dem deutſchen Heere vorzufechten, 

Bir fanden Irmin zuerft in dem göttlihen Stammhelden Irmino, 


8%. Irmin. 3. Hirmon. KHermanfein. 809 


$.74 dann in jenem nach ihm benannten himmliſchen Irmineswagen, dem 
eine irdiſche Irminſtraße entſprach, hierauf in Arminius und drei verfdier 
denen $. 86 befprochenen Jrminfäulen. Neben ver älteften fanden aud Ir⸗ 
minfrid mit ring, die hernad von Ermenrich oder feinem Neffen Dietrich 
angezogen in deſſen Kreiß traten. Aber der Gott ift ald St. Hirmon auch 
zum Heiligen geworben und zwar feiner alten Vorliebe getreu, zum Gäu 
Ienbeiligen. Bei Biſchofmais fteht fein Bild auf einem Erlenſtod im Walde. 
Bergebend brachte man es mehrmals in eine Kirche; andern Morgens ſtand 
es wieder auf dem Erlitod. Da ließ man es endlich fiehen und mölbte 
nur eine hölzerne Kapelle über ven Stamm. Schon urfprünglid) war ed aus 
einem Holgblod gefägt worden, den man feiner Schwere wegen nicht 
fortjchaffen konnte. Das ift nur die alte Vorliebe für den Wald, melden 
die Götter mit ihrem Volle theilten. Daß dieß gerade in Baiern geſchah, 
wo auch der Dienft des Heru (Fring) durch den Namen des Wochen: 
tages bezeugt ift, zeigt und noch einmal biejelben Götter verbunden. Bel. 
Panzer I, Rr. 33, II, 402. So hat auch der Ehren breitenftein einft Her« 
manftein geheißen. Zür Jring findet ih Jumaring und Curing, weldes 
von Goring nicht zu ferne fteht. 

Die Götter der Trilogie $. 57 haben wir betrachtet; nur Freyt 
Gricco) ift übergangen, weil wir ihn mit den übrigen Wanen zufams 
menftellen wollen, Bielleiht hätte man ihn unter den Schwertgöttern er: ' 
wartet, bei welden wir ihm fo eben verſuchsweiſe eine Stelle einräumten ; 
aber nicht bloß hat Freyr fein Schwert hinweggegeben, er führte es auch 
nur als Sonnengott. Hier folgen alfo zunächft 


Die übrigen Afen. 


9. Wali (Ali Bat) und Steaf. 


" Der Mythus von Baldur (hochd. Paltar) if $. 34 im Bufammen- 
bang mit den Geihiden der Welt erflärt und 6. 90 auch gefagt worden, 
was feine urfprüngliche natürlihe Bedeutung war. Baldur erſchien uns 
als die lichte Hälfte des Jahrs: fein blinder Bruder Höbhr (ahd. Hadu) 
als die finftere, mit der Nebenbeftimmung, daß die Zeit bed wachſenden 
Lichts für die fommerliche, die des abnehmenden für die winterliche Jared: 
hälfte gilt. Baldurs Tod trat darnach ſchon zur Sommerfonnenwende ein, 
wo die Tage am längften find, nun aber wieber fürzen, ber Gieg des 


810 Wali. Rinde. 8. 0. 


blinden Hodhr ſich entſcheidet. Aber dieſer Sieg iſt kein bleibender: auch 
der Herſchaft Hoͤdhrs iſt mit der nächften Winterſonnenwende ein Biel geſtedt, 
wo Baldurs Tod an Höbhr Wali (Welo) räct, in welchem Baldur im 
nachſten Frühjahr wiebergeboren wird, Daß er nicht als Baldur wieder⸗ 
tehrt, fondern unter dem Namen feines Halbbruders Wali, bient theils 
den Sinn des Mythus, der fonft zu nakt zu Tage läge, zu verfieden, theils 
mag es mit der eigenthümlichen Ausbildung zufammenhangen, die er im 
norbifhen Glauben empfieng, wo der Kreiflauf des gewöhnlichen Sonnen: 
jahrs dem großen Weltenjahr wid, und Baldur, einmal zu Gel gegangen, 
erft in ber erneuten Welt zurüdtehren ſollte. Unter den Göttern der ers 
neuten Welt finden wir dann auch Wali; ohne Zweifel begog er fi aber 
urfprünglih auf das Sonnenjahr. Mit diefer Deutung fiimmt Alles 
was wir von Wali wißen. D. 30 faßt ſich Kurz über ihn: ‚Ali ober 
Bali heißt einer der Aſen, Odins Sohn und der Rindr. Gr ift tühn im 
der Schlacht und ein guter Schüge’ Slaldſt. 13 nennt ihn Friggs Stief⸗ 
fohn, den Odin mit der Minda gezeugt, wie das auch D. 36 und Weg ⸗ 
tamstw. 16 weiß. Ueber Rinda giebt und Saro Aufſchluß (TIL, Müller 
126). Nach dem Fall der Balderus ($. 35) wirb dem Othin von bem 
Finnen Rostioph (Roföbieb) geweißagt, er werde mit Rinda, der Tochter 
des Nuthenerlönigs, einen andern Sohn zeugen: der fei den Tod feines 
Bruders zu rächen beftimmt. Die Finnen gelten in Norwegen für Zau⸗ 
berer und meißagelunbig: darum tritt hier ein Finne an die Gtelle der 
Wegtamskwidha von Odin ermedten Wala. Diefem Könige naht mun 
der Gott in der Geftalt, die wir als Odins irdiſche Erſcheinung ſchon 
tennen, mit tiefperabgebrüdten Hute: er tritt als Feloherr in feinen Dienft, 
gewinnt feine Gunfl, indem er das Heer feiner Feinde in die Flucht fchlägt, 
und hält dann um feine Tochter an. Der König nimmt die Werbung 
wohl auf; von der fpröben Jungfrau empfängt er aber ftatt des verlang ⸗ 
ten Kuſſes eine Ohrfeige. Darnach nimmt er die Geftalt eines Gold⸗ 
ſchmiedes an, fertigt ſehr fhöne Arbeit und bietet der Schönen Spangen 
und Ringe; aber auc jept entgeht er der Maulſchelle nicht, Noch zum 
drittenmal, da er ihr als junger in der Reitkunſt auögezeichneter Krieger 
naht, wird er fo heftig von ihr zurüdgeftoßen, daß er zu Boben ftürzenb 
die Erde mit dem Knie berührt. Zur Strafe trifft er fie mit dem Baw 
berftab und beraubt fie ded Berftandes. Seinen Borfag aber giebt er 
nicht auf, er nimmt jeht zur Lift feine Zufludt: der unermüdliche Wanderer 
legt Frauengewand an und giebt fid für heillundig auß. Unter dem Rar 


8.90. Well. Bons. Olexus. 8 


men Wecha in das Gefolge der jungen Königin aufgenommen, wäſcht er 
ihr Abends die Füße. NIS ihre Krankheit zunimmt, erbietet ſich Wecha 
fie zu beilen, erklaͤrt aber gleich, es bebürfe fo bitterer Arznei, daß die 
Kranke fie nur nehmen werde, wenn man fie binde. Als das geſchieht, 
bat fie Dihin in feiner Gewalt und zeugt mit ihr Bous, den zum Räder 
Balburs beftimmten Sohn. Die Götter aber, die bei Sao in Byzanz woh ⸗ 
nen, finden dieje Handlung des Gottes unmürbig und verftoßen ihn aus 
ihrer Mitte: den Ollerus (Uller) befleiven fie mit feiner Macht und feinem 
Romen. Doch weiß fih Othin unter den Göttern wieder Anhänger zu 
verfhaffen und es endlich dahin zu bringen, daß Oller von Byzanz flüchten 
muß; in Schweden, wo er feine Herichaft aufs Neue zu gründen verfucht, 
wirb er von Dänen erſchlagen. 

Rur wenig hat Saros hiftorifierender Bericht den Mythus entftellt, 
deflen Erhaltung ihm allein verdankt wird. Angedeutet ift er in ber Edda 
außer darin, daß Wali der Sohn ber Rinda heißt, auch Staldſt. o. 2 in 
Kormal3 Worten: seidh Yggr til Rindar: Yggus amores Rindse in- 
esutamentis sibi conciliavit. Auch Rostioft erfheint Hyndlul. 31. Rinda 
ift die winterlihe Erde, wie Uller der winterlihe Odin. Rinda heißt wört- 
lid) crusta: die Rinde des Brot? wie des Baums bezeichnet noch das 
Bort, das bier die hartgefrorne Erde meint. Darum fcheint fie Saro 
zur Tochter eines ruſſiſchen Königs zu maden, während fie nad) Hyndl. 31 
im Weſten wohnt, wenn bamit nicht angeveutet fein jol, daß fie vom 
Weſtwind angeweht, aufthaue. Durch den Tod Baldurs, des Lichtgottes, 
war die Erde der Gewalt des Winter? anheimgefallen. Lange bemübt fih 
Dipin vergebens, fie zur Grwieberung feiner Zaͤrtlichteit zu bewegen, Er 
bietet ihr Aleinove, den goldenen Schmud des Sommers; er mahnt fie 
durd feine Reiterkünfte an kriegeriſche That, die herrlichſte Uebung der 
fhönen Jahreszeit. Peterſen 198. Umfonft, ihr ftörrifher Sinn ift nicht 
zu beugen: er muß feine ganze Zauberfunft aufbieten und zulegt ſelbſt zur 
Liſt greifen bis es ihm gelingt, ihren harten Ginn zu ſchmelzen. So ift 
Ninda der Gerda gleihbedeutend und unjere Ausführung S. 203, daß 
es uriprünglid Odin war, an defien Stelle erft Freyt, dann Skirnir trat, 
bewährt fi von Neuem. Der Zauberftab, womit Othin die Rinda berührt, 
it der Gambantein, mit dem Skirnir ver Gerda zufegt. Wir haben 
ihn anderwaͤris auf ben Blit gedeutet, ber, wenn er nicht töbtet, doch ber 
täubt und des Verſtandes beraubt. Gerda ergiebt fih auf die bloße 
Drohung, den Thurs (Th) einzuſchneiden; Rinda wird mit dem Gtabe 


312 Well. AU. Balcatin, 8. 9. 


wirflich getroffen und verfällt ber dort angebrohten Krankheit, die dem 
Gott Gelegenheit bietet, fie als Arzt in feine Gemalt zu bringen. Diefer 
uUnterſchied verſchwindet gegen bie Uebereinftimmung der Hauptzüge. Rin 
das Sträuben wie Gerdas wird durch bie Macht des Gottes überwunden. 
Aber nah Walis Zeugung, den Earo Bous nennt, tritt der volle Winter 
erft ein: ‚Wenn die Tage längen, beginnen fie aud zu ftrengen.’ So wird 
Dpin aus dem Himmel verwiefen und der winterlihe Uller, nur eine ans 
dere Seite Odins, herſcht an feiner Stelle. Aber bald ehrt er felbit im 
feiner Herrlichkeit zurüd; der kalte Oller flüchtet nad Schweden, in den 
Norden, wo er feine Herichaft noch eine kurze Zeit friften kann. Da ger 
biert Rinda den Sohn, der Baldurs Tod an dem dunteln Hödr rächend, 
den neuen lichten Frühling heraufführt. Das ift der Sinn des Mythus, 
der auch in der klaſſiſchen Mythologie fein Gleichniſs findet, Wie Walt 
einnäctig den Hodhr fällt, fo “erlegt Phoebus, drei Tage alt, dem 
Drachen. Zur Sühne des Mords lebt er dann unter Hirten, was der 
Verſtoßung Othins aus Byzanz entfpriht. Das erfte heilträftige Lied, 
das in Grögaldr die aus dem Grab erwedte Mutter dem Sohne fingt, 
ift Str. 6 dasſelbe, das einft Rinda der Ran fang: 
Hinter die Schultern wirft mas bu beſchwerlich wähnft. 

Beterfen 199 deutet das auf bie winterliche Erde, bie fi erft felbft vom 
Eife „befreit und dann Ran, bie Meergöttin, ermahnt, ihrem Beifpiel zu 
folgen. Es braudt kaum wieder erinnert zu werben, wie ber wrfprünglich 
auf den Wechſel der Jahreszeiten bezüglihe Mythus gleih den andern, 
mit welden er zufammenhängt, in die Weltgefchide verflochten warb, und 
Bali, der neue Frühling, nun neben Widar, der ein Rächer ift wie er, 
unter den Göttern der erneuten Welt erjcheint. 

Bali heißt D. 30 aud Ali, bei Saro Bous = altn. Büi, ahd. Pavo. 
Jenec erfte Name befriebigte nicht ganz: wenn er gleid eine Nieberlage 
zu rächen hat $. 36, fo fieht man doch nicht, warum er nicht Fieber 
nad dem neuen Siege des Licht genannt if. Der ganze, nah Finm 
Magnuſens Auslegung der Sonnenhäufer in Grimnismal feiner Herſchaft 
übertviefene Monat (19. Januar bis 18. Februar) hieß in Jsland Li6ßr 
beri (Zueifer); anderwaͤrts Sölmanot, Sonnenmonat. Vgl. jedoch EDS. 
108 und Bouterwed 1. o. XCIII. In diefer Zeit fallt Lichtmeſs und 
der Valentindtag (14. Febr.), an den fih in England, dem nörbliden 
Frankreich und den Niederlanden mancherlei Gebräude tnüpfen, bie Er⸗ 
mägung verdienen. Wolf Beitr. I, 145. Nach dem engliſchen Rolls 


4.9. Walt, Shcaf. 318 


glauben paarten fih an biefem Tage die Vögel, und Fünglinge und Jungs 
frauen feierten ein Feſt, bei welchem fie fih durch das Loop ihr Liebchen 
(Zalentin oder Valentine) wählten. Daher fingt Ophelia: 
Guten Morgen, 's ift St. Valentinstag, 
So früh vor Sonnenfdein; 
Ich junge Maid am Fenſierſchlag 
Bill euer Balentin fein. 
Bali wird al treffliher Schüge geſchildert. Erſchoß er den Höbhr, eh’ 
er ihn zum Holzftoß trug? Das ift ſchon darum anzunehmen, weil auch 
Baldur erfhoßen worden war, Als Gott des wiederlehrenden Lichts ges 
bahrt ihm als Waffe der Pfeil, da Stralen (des Lichts oder der Sonne) 
wörtlich Pfeile bedeuten. Nach Finn Magn. (Lex Myth. 798) 'wäre Bali 
in Norwegen durch ben Apoftel Paulus erjegt worden, deſſen Belehrung 
am 25. Jan. von der Kirche gefeiert wird. In Deutichland wird ber 
Apoftel aber nie als Bogenſchute dargeftellt wie Wali geſchildert wird. 

Der andere Name Ali (von at ala, goth. aljan), hochd. Alo, zeigt 
uns ben ernährenden ſegenſpendenden Frühlingsgott, und fo dürfte au 
in dem Namen Bali ein ähnlicher Begriff liegen. Wirklich bringt ihn 
Müllenhoff (Nordalb. Studien 14) mit altf. welo, agf. vela, alth. wolo, 
unferm wohl zufammen, und erkennt in Welo einen altſächſ. Gott des 
Gluͤds und Wohlftands. Vgl. Myth. 1226. Der dritte Name Bi könnte 
auf daß wieder bauli werdende Land im Gegenfag zu Rinda, der hart: 
gefrornen Grbe zielen. Das ftimmt zu den Umgzügen mit dem Pfluge zu 
Faſtnacht, die in die Mitte Februar zu fallen pflegten. Mäbchen pflegte 
man in den Bflug zu fpannen, wenn fie fich nit von biefer Strafe der 
Shelofigkeit frei kauften. Myth. 1214 wird ein Zuſammenhang mit 
Beowulf vermuthet, deſſen erfte Kämpfe in den Frühling zu denken find. 
Aber Beowulf ift Thoͤr. Vgl. Zeitſchr. VIT, ALL. 419 ff. Weitere Spuren 
als Wali hat der ihm identifhe Steaf zurüdgelaßen. 

Balbur, fahen wir, warb verbrannt, Freyt wird begraben $. 101, 
und fo unterſcheiden fi Brennalter und Hügelalter. Aber bei den beir 
den Beftattungsmweifen kommt ein Schiff vor: Baldurs Leihenbrand warb 
auf dem Schiff ins Meer hinaus geftoßen, und im Norden wurden Leir 
den aud im Schiff begraben (Mytb. 790); auf Grabftätten bildeten 
Steinfegungen den Umriß eines Schiffes, und die Tobtenbäume de ala- 
manniſchen Landes waren zu Eärgen gehöhlte Stämme, wie fie zugleich 
als Schiffe gedient haben, Zeitfehr. IX, 575. Aber das Schiff kommt auch 


814 Walt. Sueaſ. Alnfes, 2. Metern. 0. 


allein vor, ohne Leichenbrand und Begräbnis, und dieſe Beftattungsart 
iſt vielleicht die ältefte: man legte den Tobten in ein Schiff und überlieh 
es Wellen und Winden, denn jenſeits ber meltumgürtenden See, des 
Wendelmeers, lag dad Todtenland Utgard, das außerweltliche Gebiet, das 
man wohl aud, für unfere Norbjeebewohner bezeichnend, Britannien 
nannte. So ward St. Matern, ald er zum zweitenmal geftorben mar, 
in ein fteuerlofes Schiff gelegt, das ihn rheinaufmärts nad) Robenfirhen 
brachte, wo feine Bebeine ruhen. Dasſelbe begab fih nach Panzer I, 292 
mit dem Leibe St. Emmerans, den ein Schiff ohne menfchlihe Hülfe aus 
der ar in die Donau und dann ſtromaufwaͤrts gegen Regensburg trug. 
Bol. Liebrecht Gervaſius 151. So mird Sinfiötli von feinem Rater 
Sigmund auf ein Schiff getragen, das ein Unbelannter ald Fahrmanu 
binwegzuführen ſcheint, wohl Odin, der Stammvater feines Geſchlechts. 
Dgl. KHM.U,90, p. 41. An diefe Beſtattungsweiſe müpft fi der 
Mythus von Skioͤld und Skeaf, den ſchon Tacitus nad dem, mas er 
Germ.Cap. 3 von Ulyfies berichtet, vernommen zu haben fcheint ; in feiner 
legten Berjüngung ift er zur Sage vom Schwanenritter geworben. Das 
Wefentlihe dieſer Ueberlieferung, die als angelſächſiſche, daͤniſche und 
langobardifhe Gtammfage auftritt, und vielfache Umbildungen erfahren 
bat, ift Folgendes: Gin neugeborener, nah dem Beowulf ungeborener 
Knabe mit Schägen und Waffen umgeben, landet im fleuerlofen Schiff 
auf einer Garbe ſchlafend. Die Bewohner des Landes nehmen ihn al 
ein Wunder auf, nennen ihn nad der Garbe (Skeaf, hochd. Skoup, ma- 
nipulus frumenti), erziehen ihn und mählen ihn endlih zum König. 
Auf demfelben Schiff und in gleiher Ausftattung wirb er nad feinem 
Tode, eigener Anordnung gemäß, den Wellen wieder überlaßen; bie jüns 
gere Sage läßt ihn lebend, in berfelben Weiſe wie er gelommen war, 
in dem Kahn, von Schwänen gezogen, hinwegſcheiden; nach feiner Heimat 
durfte nicht gefragt werben, und dieß Gebot hatte feine Gemahlin über 
treten. Da der Knabe nach der Garbe, morauf er fhläft, benannt ift, 
fo gehört wohl bie nieberrheinifche Sitte bieher, den Todten auf ein 
Schaub Stroh zu legen: auf dem ‚Schoof‘ (Schaub) Tiegen, heißt fo viel 
als Hirzlid, verftorben fein. Schaub und Schiff fagen alfo, daß ber Anabe 
aus dem Tobtenlande fam und dahin zurüdfehrte: darum eben war bie 
Frage nad) feiner Heimat verboten. Nach deutſchen Kinderliedern und 
mancherlei Spuren im Vollöglauben lommen bie Kinder zu Schiffe an; 
aud zu Kofen am Nedar gilt nach mundlicher Erkundigung biefer Glaube. 


5%. Walt, Zheaf. Kohengrin. 815 


Die Vorftellung, daß die Menſchen bei der Geburt aus der Gemeinſchaft 
der die Unterwelt bewohnenden Elben heraustreten und beim Tode in fie 
‚zurüdtehren, wurzelt tief in unferm Heidenthum, fagt Sommer 170 ; vgl. 
Kuhn WS. 240, Rochholz I, 245. 

Nah dem Schiffe (Ast, vie gehöhlte Eſche) ſcheint Asciburg, die 
Schiffftadt (Noatun) benannt ; audy bei Speier, der Tobtenftabt unferer 
Kaiſer, die vielleicht für die Zodtenftadt überhaupt galt (Rheinl. 66), da 
wohl fon ihr Name mit spirare zufammenhängt, findet fih eine Schifr 
Terftadt, nicht etwa am Aheinufer, fondern tief im Sande, was freilich 
einen natürlichen Grund haben Tann in der Veränderung bes Rheinbettes. 
Hatte Tacitus die Sage von Steaf vernommen, fo war er wohl befugt, 
fie auf die nahverwandte von Ulyſſes zu deuten, denn auch Gr landet 
hlofend und erlennt die Heimat nicht ; es mar das Land der Tobten, 
auß dem er kam. Kalypſo ift wörtlich die nordiſche Hel, die verborgene 
Göttin, die perfonificierte Unterwelt. Für den Schwanenritter wird und 
$. 103 der Name Heljas begegnen; DES. 539 heißt er Gerhard, und 
diefer auf Odins Sper veutende Name kann nad S. 309 ein Beiname 
Drind als Todtengott fein. " 

Eine Spur ift im Wartburgfrieg und dem barauf gegründeten 
Lohengrin erhalten, wo der Schwanenritter von Artus ausgeſandt 
wird, der aber längft von biefer Welt geſchieden im Berge wohnt mit 
Juno und ‚Felicia Sibillen Kind.‘ Im Parzival ift es bes 
Tanntlih der Gral, von dem ‚Loherangrin‘ auögefendet wird; aber deſſen 
Königreich iſt fo verborgen wie Held Todtenreih, und Niemand mag e# 
ohne Gnade finden. Wenn nun Freyr mit Skeaf zufammenfiele, wie 
Nülenpoff Ztfär-VII, 409 wollte, obgleich er als Stiölo ſich aud mit 
Uler ($. 91) berührt, der nur der winterlihe Odin ift, fo fähen wir 
bier Freys Bezug auf Hel, die Todesgöttin, hervortreten. Ich glaube 
aber in den Grläuterungen zum Beowulf dargethan zu haben, daß Skeaf 
Bali if. Kaum geboren, nur eine Nacht alt, fehreitet Wali zum heiligen 
Berl der Rade. So wird von Skeaf gejagt, daß er umborwesende, 
noch ungeboren dem Lande zufährt, wo er recens natus ben Kampf ger 
gen einen ruhmreichen Helden beftehen follte. Ungeboren heißt cr micht 
ohne Grund, fo lange er das Land feiner Beſtimmung noch nicht erreicht 
hat. Das Kind, das der Storch ‘bringt, ift noch ungeboren, fo Tange es 
der Storch im Schnabel hält: erft wenn er es der Mutter in den Schooß 
legt, tommt e8 zur Geburt. Nach Arndts Zeugnifs vertritt in Rügen 


316 Walt. Ikenf. Icwancnritter. - 8. 


der Schwan die Stelle des Storchs: man fagt, daß Er bie Kinder bringe. 
Von dem Schwan weiß die Sage von Gfeäf nod nichts; aber das fleuer: 
loſe Schiff, da8 Winden und Wellen übergeben ift, läßt feinen Zmeifel, 
woher er kam und wohin er fuhr. Deutlicher wieder verrieth es die Sage 
vom Schwanenritter, indem fie die Frage nad feiner Herkunft verbot. 
Erſt hier kam der Schwan hinzu; aber noch immer fpielt die Gage, wie 
die von Ulyſſes bei Tacitus, am Nieverrhein, mern fie ſich gleich jeht 
ſchon an ven Ahein- und Schelvemündungen bis Balenciennes ausgebreitet 
hatte. Nur der Schwan verräth jept nod den ungebornen goͤttlichen 
Helden; die Sage jelbft verfteht ſich nicht mehr, indem fie den Schwan 
einen erwachfenen Ritter herbeiführen läßt. Dagegen gedenkt fie noch des 
Kampfes, zu dem ber Nitter entſendet ift; die Skeafſage mufte davon 
ſchweigen, denn daß ein neugeborner Knabe einen Zweilampf beftehe, iR 
in der Helvenfage wie in der Gedichte geradezu unmöglich. Im Bes 
wulf ift aber Skeaf ſchon im die Helvenfage gezogen ; als Wali war er 
noch eines Gottes Sohn und in der Götterfage ift der Kampf eines neu⸗ 
gebornen Knaben weder unerhört noch finnlos: einnächtig fällte Bali 
den Hödbr. Wir wären nun zu hören begierig, obgleich die Gage dei 
Kampfes geſchweigen muß, gegen Wen eigentlih der ungeborene Gtesf 
ausgefandt war. Die Stammtafeln nennen Heremöd. unmittelbar vor 
Stesf, was dießmal nicht heißen, kann, daß fie Vater und Sohn feien: 
Skeaf wird damit nur als Heremods Nachfolger im Reiche bezeidhnet. 
Im Beowulf ift das Gemüth dieſes KHeremod, der eher dem Hermoͤdt bed 
Hyndluliedes als dem der j. Edda entſpricht, werfinftert: er war im Alter 
unmilde unb bfutgierig geworben. Dieß macht ihn nicht ungeeignet für 
‚einen epiſchen Nachklang des göttlichen Weſens zu gelten, in welchem einſt 
die dunkle Geite des Jahrs angeſchaut worden war. DiepWefen bieh 
in der Edda Hödur; bei den Angelſachſen fheint e8 Heremöd geheißen 
zu haben. Diefer Heremöb entfpriht dem Hermöbr der Edda nicht, er 
iſt ein dritter Bruder Valdurs. 

Tacitus batte nur von zwei Brüdern gehört, die er Alci nennt 
und auf Eaftor und Pollur deutet. Die j. Edda zerlegt ihr Weſen in 
viere; Baldur, Hödur, Wali, Hermöbr, Die Angelfachfen die nur von drei 
Brüdern wuſten, nannten Wali Steaf und ven Höbhr Heremöd. 

Der Beweis für die Identitaͤt Walis und Skeafs liegt in dem Bei: 
namen, den beide führen: Wali heißt bei Saro Bons, altn. Büi; Sieh 
aber wird, da in den agf. Stammtafeln nur Prädicate eines und des ⸗ 


8. 90. Wali. Iheof. Wärit. Macduf, 317 


felben Gottes enthalten find, aud) Beaw genannt, was wie Bi auf die 
wieder baulich gewordene Erde geht, im Gegenfag zu Rinda, der winter: 
lich gefrornen Erbe. Skeaf heißt der noch ungeborene Wali, weil er vor 
der Geburt wie einft nad dem Tode auf dem Schaube (manipulus fru- 
menti) liegend gedacht wurde. Das Schiff, das ihn aus der Unterwelt und 
wieder dahin zurüd bringt, hat auf feinen Namen feinen Bezug. Bol. 
M. Beowulf S. 175 fi. Seinem feinblihen Bruder Hödr entſpricht in 
der Echwanenritterfage bald der Sachſenherzog (DE. 538), bald der Graf 
von Frankenberg (DS. 534), bald Friedrich von Telramund (DE. 536). 
Der Name Helias, den der Schwanenritter im flämifhen Vollsbuche führt, 
beantwortet ſchon die verbotene Frage. Da wir Wali mit Skeaf und dem 
Schwanenritter, alfo aud mit dem Ulyfies des Tacitus zufammengebracht 
haben, fo müfte e3 vermunbern, wenn er nicht auch in die eigentliche 
deutſche Helvenfage eingedrungen wäre. Hier fehen wir ihn aber in 
Wald, von dem die Wölfungen den Namen haben, wiebererftanden. 
Sein Bater Warir (Lenger), wie ihn die Vorrede der jüngern Edda ftatt 
Nerir nennt, it, wie in Stammtafeln berlömmlih, nur ein Prädicat 
des Gottes, der den Frühling (Vär) bringt, Die Rimur fr& Wölsungi 
bin öborns wißen noch nichts davon, Wärird Gemahlin fei von dem 
Genuß eined Apfels, den ihr Odin duch fein Wunſchmädchen fandte, 
fo ſehr ſchwanger geworden, daß ihr das Kind ausgejhnitten werben 
mußte. Das wurde wohl nur erfunden, um den dem umborwesende 
entſprechenden Beinamen öborni zu erflären. Bon keinem Weibe geboren 
zu fein, war feitdem ein Ruhm umüberwindliher Helven, ver fi bei 
jenem Hoyer von Mansfeld wie bei dem ungebornen Burlard, Machuff 
und Andern wieberfindet. Dahin gehören au Rog dai in Wladimirs Tafel 
runde, Leipzig 1819, und Rufthem, der Held Irans; vgl. Görres Schach 
Nameh I, 110. Jene Beinamen Ungeboren und Reugeboren verrathen 
die Einheit Steafs, Walis und Wölfungs oder Wals. Da Skeaf auch Schild 
(Stiöto) Heißt und Stiöldunge das Konigsgeſchlecht der Dänen, weil fih 
in Schonen die Steafjage localifiert hatte, wie.fie nach der Meldung des 
Tacitus von Ulyſſes auh am Niederrhein (Asciburg, Cleve) daheim 
war, fo begreift fih, daß die Weljungen bald im Franlenland, bald im 
Dänemark berichten. Dem Niederrhein wird aber nad dem Zeugniſs 
des Tacitus die Priorität nicht zu beftreiten fein. M. Rieger Germ. II, 
163 ff. hat aud ſchon bemerft, daß Salvius Brabon, der Schwanenritter, 
Gr. D. S. 286, wie Ulyſſes aus Troja kam, Troje aber bei Hagen von 


818 Walt. Iheaf. Alyſes. Elfentroje. 8. 91. 


Troje wie im Wolfvietrih Elfentroje oder die alte Troje die Un 
terwelt bedeutet; fo daß fi bier über den Urfprung der Sage von ber 
trojanifhen Abkunft der Franken neues Licht verbreitet. Selbft der Name 
Loherangein, wenn er nicht auf Lothringen geht, was ven Niederrhein 
mit begreift, Tann quf bie Unterwelt zielen, da wir eine deutſche Gluthe 
bölle neben der Waßerhölle nachgewieſen haben. 

In den Schwan, der in Rügen bie Kinder aus dem Seelenlande 
bringt, pflegen in den Märchen von den dankbaren Todten Ber 
ſtorbene fi zu wandeln. Bei diefem Bezuge zum Todtenreich, den aud die 
Redensart ‚e3 ſchwant mir’ verräth, darf er fomohl dem Schiff, das die 
noch ungebornen Kinder der Erbe zuführt, als dem andern, das Todie 
dem Seelenlande zurüdträgt, die Wege weiſen. 


91. Uller (Buldor, Wol). 


Wie Dller nad) Saro von den Göttern an Odins Stelle geſedt, 
dann aber wieder auögetrieben und in Schweden erſchlagen wird, ift fo 
eben berichtet; auch haben wir ihn ſchon ©. 311 als die winterliche Seite 
Odins gefaßt. Im Sommer ift Opin ganz Gr felbft, ber herrliche Him⸗ 
melögott, ver als Gott des Geiftes befonders in Krieg und Schlacht 
waltet. Im Norden aber taugt der Winter zum Kriegen nicht, er ift zu 
hart, um Heere gegen einander zu führen; veito beßer ift dieſe Zeit, wo 
ſich die Fährte des Wildes dem Schnee eindrüdt, zur Jagd geeignet. Odin 
bat nun fein heiteres Antlig gewandelt: in Xhierfelle gehült, mit dem 
Bogen bewaffnet, Schrittſchuhe unter den Füßen, fährt er über Eis und 
Schneeberge dahin. Der Gegenfag von Sommer und Winter ift auch 
darin angedeutet, daß Baldur Wegtamskw. 4 Ullerd Freund heißt. Bal: 
dur ift bier der ſommerliche Gott, Uller der winterlihe: fie find Freunde, 
weil aus ihnen das Jahr befteht, das im Norden nur Sommer und 
Winter hat. Doch wird ſich fogleih noch eine anbere Erklärung bar 
bieten. Als Wintergott ift Ufer der Sohn der Gif, der Erbgöttin, aber 
Thors Stieffohn, weil er vor ihrer Vermählung mit Thör, im Winter, 
wo die Gewitter ſchweigen, erzeugt ift, D.31. Sein Vater wird nicht 
genannt; es beburfte aud darüber keiner Meldung, wenn er felbft, wie 
fi aus Saro fliegen läßt, der winterlihe Odin ift. Ausdrüdlich läßt 
Saro den Ollerus von den Göttern mit Odins Namen nennen, und jo 
fallt er mit jenem Mitothin gufammen, der fon früher einmal (Müller 


8. 91. auer (Wol). 819 


I, 42) ven Odin vertrieben und feine Stelle eingenommen hat. Da aber 
uller als ein felbftändiges, von Odin verſchiedenes Weſen gefaßt wird, 
das im Winter feine Stelle vertrat, fo war das naͤchſte, daß man ihn 
überhaupt als Odins Stellvertreter im Himmel behanvelte, fo oft er 
felber nicht anweſend war. An Saros Bericht erinnert darım Grimn, 4, 
wo Odin von Geirrödh zwiſchen zwei Feuer gefegt, ausruft: 

ullers Huld Hat und aller Götter 

Wer zuerft die Lohe Töfcht. 
Denn bier ſehen wir ihn, während Odin auf Erben, ja in der Unterwelt 
weilt, an der Spige der Götter. Die Unterwelt ift auch fonft dem Winter, 
dem Tod der Natur gleichgeftellt. Geirrödh mag indes urfprünglic ders 
felbe Geirrödh fein, den wir 8.84 ala Unterweltsgott kennen lernten: 
mithin befindet fih Odin (acht Nächte d. h. acht Monate lang) in der 
Unterwelt, während Uller im Himmel für ihn eintritt, Nun aber fagt 
Hamconius Frisia p. 77: 

Pluto sed et Frisiis cultus quandoque videtur 

Atque Holler dietus vulgari nomine, tanquam 

Inferni dominus. (Wolf Beitr. 204) 

Darnach wird umgelehrt Uller im Sommer in der Unterwelt fein, 
wie Odin im Winter; aber nur als feine andere Seite. Das erflärt und 
aud feine Freundſchaſt mit Baldur, denn mit ihm traf er in der Unters 
welt zufammen, wo Balbur uriprünglic alljährlich in der Zeit des ab⸗ 
nehmenden Lichtes verkehrte ; gerade in diefe fällt aber die heißeſte Som- 
mergluth. Die Namensform Holler erllärt fih aus einem Spiranten ⸗ 
wechſel: wie aus Woden Hoden, aus Wod Hood (Robin Hood) wird, 
8. 77, fo fehen wir aus Wuller Woller (mie fein deutſcher Name ger 
lautet haben wird, oder au nur Wull Woll) mit Vertaufhung von 
und H Holler hervorgehen. Holler erinnert an Hola, die aud Wulle 
bie. Hieraus erklärt ſich vieleicht zugleih das In den Namen Wodans 
eindringende | (6.186), denn da Wöban und Wull denfelben Gott bes 
zeichneten, nur in verſchiedener Auffaßung, fo war eine Vermiſchung beider 
Namen natürlid. Den Bezug jenes niederſächſiſchen Ernterufs: Wöld! 
wozu ein bairifhes Oswoͤl! tritt, auf Frau Wulle oder Uller dat ſchon 
Grimm (Itſchr. VII, 393) erkannt. Die Ableitung des Namens von den 
wolligen Schneefloden des Winter hat nun fein Bedenlen: darum war 
er eben der Grntegott, weil reichlichem Winterſchnee die Fülle des Ger 





320 ler (We) WON. 8.9. 


treides verbankt wird. Aus bemfelben Grunde verbindet dad ABCDarium 
Normannorum bie Runen Is ar endi Söl. Doch ſcheint eine andere 
Ableitung vorgezogen zu werben, cbwohl dad agſ. Vuldor, das bald für 
Gott felbft, bald für göttliche Herrlichkeit gebraucht wird, und dem goth. 
vulthus, Glanz, entfpridt, für den Gott des lichtarmen nordifhen Win 
ters weniger gemäß ift, es märe denn, daß auch hier wieder an ben 
blendenden Glanz des Schnees gedacht würde. Wie aber beide Ramen 
Wod und Wol in Wöld zufammenfloßen, fo fehen wir aud den fom- 
merlichen und winterlichen Obin fih vermiſchen: nicht nur Wöden, Wode, 
Wold, der nad dem Liede Myth. 142 als KHävenhüne aufgefaßt wird, 
hat ein Pferd, dem unfere Ermtegebräuhe ein Büſchel Aehren ſtehen 
lagen (M. 140), au der untermeltlie Odin, wenn er als Heljäger um: 
reitet (Kuhn NS. 310. vgl. ©. 503), und wenn er als männlih ge 
dachter Hel ein Scheffel Haber empfängt, fein Pferd damit zu füttern. 
Müllenhoff S. 245. Dasfelbe Pferd finden wir bei der weiblichen Hel, 
der Gemahlin diefes Unterweltögottes, wieder. 

Die Edda kennt aber Uler faft nur nod ala winterliden Himmels: 
gott: D. 32 ſchildert ihn als Bogenfhügen und Schrittſchuhlaͤufer; Slald⸗ 
ſtap. 14 nennt ihn Oendur-⸗As, Boga-As, Weidi-⸗As und Skjaldar⸗As 
und in der Dichterfprahe wird der Schild Ullers Schiff genannt. Nach 
Saro verftand fih Oller (mie Odin) auf die Zauberkunft, namentlich fol 
ex einft einen Knochen fo beſprochen haben, daß er ſich desſelben als eines 
Schiffes bediente um über dad Meer zu fegen. Uller erſcheint hier ganz 
al? das männliche Gegenbild Skadhis, die D. 23 Dendurdis heißt und 
Yngligaf. 9 nad der Scheidung von Njördr dem Odin vermählt ward, 
wo wieder Uller gemeint fein kann, der winterlihe Odin; Odins Ber 
mählung mit Stadhi bedeutet eben nur den Eintritt des Winter. Als 
Jagdgott bedurfte Uller des Bogens, wozu die Eibe, ihres zähen, feiten 
Holzes wegen, vorzugsweiſe verwendet ward. Der Eibenbogen heißt altn. 
ybogi, und die Yrune hat die Geftalt eines Bogens. Darum leſen wir 
Grimnism. 5: 

Vbalir (Eibentgäfer) heißt es, wo Uller hat 

Den Saal ſich erbaut. 
Zur Winterluft gehört aber aud der Eislauf; überhaupt aber find im 
nordiſchen Winter Schrittihuhe umentbehrlih. Sie wurden aus Knochen 
von Pferden und Nindern verfertigt : ſolche Schrittfhuhe, bald Skidi, 
bald Denbrur genannt, fieht man nod jet in Norwegen und Island. 


89. Aller. Squid. Mitsthin, 821 


Sie find nach der Abbildung, die Stephanius 127 zum Garo giebt, uns 
gewöhnlich groß, dabei jo gebogen, daß fie Schilden, ja Heinen Kähnen 
gleihen. Freilich nur auf dem Eiſe thun folde Knochen den Dienft eines 
Schiffes. Aber vielleicht gieng -Uller auch auf ungefrornem Waßer, eine 
Kunſt, die noch jegt im Norden heimiſch fein fol, in ver fi aud bei 
und zuweilen Norbländer ſehen laßen, nicht immer freilich mit gleichem 
Glad. Aber der Gedanke, mit ſolchen Schrittſchuhen über das Waßer 
zu fegen, ift dem Scheittſchuhlaufen über das Eis abgeborgt, und da ſolche 
Waßerſchuhe die Geftalt von Schilden haben, heißt der Schild Ullers 
Schiff und er jelbft Schildas. Daraus mag es ſich auch erllären, daß 
es gut fein ſoll, ihn beim Zweilampf anzurufen, D. 31, wo Alles darauf 
anlomımt, fih mit dem Schild zu deden und zu firmen. Unerflärt bliebe 
noch, warum nad Atlak. 30 bei Ullers Ring geſchworen wird. R. A. 
895. Die Zuverläßigfeit de3 nordiſchen Winters, wie Peterjen 288 will, 
genügt dazu nit. Es wird bei ihm geſchworen, weil er der Unterwelts⸗ 
gott ift; aus demfelben Grunde werden auch bei der Gefion Eide abger 
legt. Den Ringeid, den Odin felbft Hawam. 110 fhmwören fol, hat 
Woeſte Ziſchr. [.M.1,396 auch in Deutſchland nachgewieſen. Wahrſchein ⸗ 
lich legte man den Finger in den Ring und fürchtete, er möchte den Finger 
Hemmen, wenn man falſch ſchwöre. Darum fagt Sigrun Helgak. Huns 
dingsb. II, 130 zu ihrem Bruder Dag: 
So jollen did alle ide ſchneiden (bite), 
Die du dem Helgi geſchworen haft u. ſ. w. 

Auch fonft fehlt es nicht an Anzeichen, daß fein Dienft bei uns zu 
Haufe war: ein Frau-Wüllesheim ift bei Düren belannt, Wolsberge liegen 
bei Siegburg und ein Woldbergerhof am Fuße des Drachenfelſen; ein 
Wolsperg erwähnt Panzer 1,72. II, 182 in Nieberbaiern, und ein Wols⸗ 
berghe in Brabant Wolf Beitr. 145. Daß ver h. Hubertus ihn erſett 
babe, ift nicht unwahrſcheinlich. 

Das Saro einmal von Mitothin, ein andermal von Dllerus erzählt 
iR derfelbe Mythus, der ſchon Degisbr. 26 in Lolis Beſchuldigung der 
Frigg, ald habe fie mit Wili und Me, den Brüdern Odins, gebublt, 
und in dem Bericht Snorriß in der Ingligaf. Cap. 3 antlingt, wonach einft 
Doin weggereift war und fo lange fortblieb, daß die Aſen glaubten er 
lehre nicht wieder. Da machten fih die Brüder auf und theilten fein 
Erbe; aber fein Weib Frigg nahmen fie beide gemeinfhaftlih. Aber bald 
darauf lehrte Odin heim; da nahm er fein Weib wieder. Faßen wir 

Sinrod, Diyiholsgie. 2l 


823 Aler. Dietrich. Gensuefa. Stone, 8.9. 


als den Kern dieſes vielgeftaltigen Mythus, daß während wer Jahre 
hälfte, wo fih Odin in der Unterwelt aufhielt, in Walhall ein Anderer 
um fein Gemahl geworben habe, der aber bei feiner Heimlehr genöthigt 
wurde, bie Flucht zu ergreifen, fo erfennen wir in ihm die Grunblage jener 
Sagen von der Heimtehr, melde $. 66 ausführlich beſprochen wor 
den find. Faſt in allen tritt die Zahl von fieben Jahren an vie Stelle 
der fieben Wintermonate des Nordens. Auch darin zeigt ſich die Gin 
ftimmung, daß bie Reife in den Dften geht, wie bei Odin zu dem Ru 
thenertönig. Cine Reihe deutſcher Märchen, die ein andermal aufgezählt 
werben mögen, läßt die Frau des Heimgelehrten die Frage an die ſalſchen 
Freier richten, was fie thun folle: fie habe einen neuen Schlüßel machen 
laßen, nun aber ven alten verlorenen Schlüßel wieder gefunden. Hieraus 
entfpringt und die fon von Andern (Müller in den NE. Sagen und 
Märchen S. 417) aus andern Gründen aufgeftelte Vermuthung, dab 
aud die Dietrichsſage in den Kreiß der unferm Mythus nachhallenden 
Heimtehrfagen gehöre; ja wir moͤchten felbft ven Namen Dietrid in 
der Bedeutung von Schlüpel aus diefer fo oft wieberlehrenden Frage 
herleiten. 

Nod eine zweite Reihe deutfcher Sagen außer denen von der Keim: 
tehr mwurzelt in unferm Mythus. J. Bader hat fie in feiner Schrift: 
‚Die Hiftorie von der Pfalzgräfin Genovefa, Königsberg 1860, erſchoͤpſend 
befprogen. Hier wird das Gewicht auf bie Leiden der während ber 
fiebenjährigen Abweſenheit des Gemahls unſchuldig verläumdeten und 
beitraften Gemahlin gelegt. Außer Genoveſa ſelbſt gehört dahin bie 
Heldin eines andern deutſchen Vollsbuchs, die gebulvige Helena, wozu 
ala dritte nod die mit Ritter Galmy verwandte Hirlanda tritt. 
Genovefa hat einen doppelten Bezug zu Bertha der Epinnerin ($.114): 
fie wird am 5. Januar, aljo am Vorabend des Berchtentages wieder 
gefunden und ihr Name bezeichnet fie ald die fpinnende, webende, wie 
fie denn aud in Srauenkirhen hinter dem Hechaltar figt und fpiunt, 
wo man nod ihr Radchen ſchnurten hört. Mol. mein Mheinland 307. 
Der ganze Name fhildert fie ald die Epenberin des Chefegensd. 
Der Name der ihr gewidmeten Gapelle berechtigt aber, fie für Frouwa 
(Sreyja) zu halten, die der Zrigg identifch einft Odins Gemahlin war ($. 103) 
und aud in einem andern Mythus ($.73. 3a.) von ihrem Gemapl 
verlagen wird. 


92. Phol. Alci. Hermodhr. 


Bir lehren zum Mythus von Baldur zurüd, um noch einige Nach⸗ 
träge zu liefern: 

1. Der Merfeburger Heilfpruch, der und zuerft des Daſeins Bal⸗ 
durs im Vollsglauben des engern Deutfhlands verfihert hat (M. Lefeb. 
20), {ft zwar nur ein Zauberſpruch, bei Verrenkungen anzuwenden; aber 
die Erzählung, daß ald Phol und Wodan zu Walde ritten, Balders 
Fohlen den Fuß ausrenkte, welchen vier Göttinnen vergebens zu heilen 
verſuchten (die Heilfunft wohnt fonft Frauen bei), aber nur Wodans Zauber: 
traft wieder einzurenfen verftand, Lönnte gleihwohl eine eigenthümliche 
deuiſche Auffapung des Baldurmythus enthalten. ‚Wie in der Edda 
Baldurs ſchwere Träume alle Götter beunruhigen, fo hier fein Zurüds 
bleiben durch bie Lähmung feines Roſſes.“ Bon Baldurs Roſs wißen 
wir fonft nit viel; D. 49 fehen wir es mit allem Geſchirr auf feinen 
Scheiterhaufen geführt. Hier aber wird man an Blödughöfi 6.174.203 
erinnert: zwar foll es nah Slaldſtap. 59 Freyrs Rofs fein oder Atridrs 
(©bind); aber D. 15 bleibt Baldurs Hengit, weil er mit ihm verbrannt 
fei, ungenannt, gerade wie VBlödughöfi, die demnach eins fein könnten. 
Sollte fo auch Freyr in biefer Erzählung mit Baldur zufammenfallen, und 
wäre, woran ſchon Myth. 1210 gedacht wird, Phol der Name, der beide 
vermittelte? Im ihm erſcheint ein bisher ungeahnter Beiname Baldurs, 
denn nur auf dieſen lann er nad dem Bufammenhang des Spruches 
gehen. Wir find aber nit einmal über feine Ausfprahe im Klaren. 
Die Alliteration verlangt F, während Ph gewöhnlich Pf bedeutet. Die 
urfundli nachgewieſenen Ortsnamen, welche mit biefem Phol zufammens 
gefept find, ala Pholesouwe, Pholesbrunnen, Pholespiunt, Phulsdorf 
(Myth. 206), zeigen fpäter Pf; aber auch Valand (Junker Voland), ein 
fpäter Beiname des Teufels (Myth. 944), tommt in Betracht, desgleichen 
Sul und Pful für den Eher, fonft Freyts Thier (Myth. 948); felbft der 
Phallusdienft, der wieder an Freyt mahnen würde, ift berbeigegogen 
worden. Hätte bie Alliteration Recht gegen die Schreibung, fo möüfte 
man an einen Gott der Fülle denlen. Aber in demſelben Gedicht er⸗ 
ſcheint fon Volla ala Schweſter der Frija oder Frigg, deren Schmud ⸗ 
mädchen in der Edda Fulla heißt. ' 

Aus dem Vorlommen jener Ortsnamen in Thüringen und in 
Baiern läßt fih noch kein Schluß ziehen, da der rheinifche Piultag, 


824 Pool. Alci. 9. 


* Bulletag für den 2. Mai (M. 581) auf weitere Ausbreitung deutet. Pgl. 
jedoch Weist. IT, 98. Auf venfelben Tag fiel auch das keltiſche Beal⸗ 
teine, Myth. 579, das gleichfalls einem Lichtgotte, vielleicht einem Gott des 
Tages galt, der ſächſiſch Beldegg oder Bäldäg S nord. Baldur hieß. 
Hierauf gründet fih die Annahme Myth. 208, daß in Phol und Baldur 
(Baltar) zwei mit einander in der Fortſchiebung nicht Schritt haltende 
Entfaltungen, desſelben Wortes vorliegen, das bei Kelten und Glaven 
($. 0. 95) Bel Tautete, und deſſen Bedeutung weiß, licht war. . 

Für die Anſicht, daß Phol in Deutſchland Freyr und Baldur ver 
mittelte, fpricht Folgendes. Bei Frepr werben fih Bezüge auf Roſs und 
ber finden ; Phol, nad dem wir Ietern oben genannt fahen, alliteriert 
fogar auf Fohlen (volon), und der Pfalgraben heißt nad Myth. 915 
auch Schmweingraben. Fehlt uns für Balder, der doch mit Phol zufams 
menfällt, der Bezug auf den Eber, fo ift Myth. 948 angemerkt, daß dies 
fer im Reinardus Baltero beißt; aud ift Hafelbärends Tod durch den 
Eberzahn S. 221 auf DOphr-Baldur bezogen worden. Bol. 8. 76, 2. 
Bon Baldurs Pferde war ſchon oben die Rede: als er nad Saro feinem 
durftigen Heere den Brunnen ſchuf, geſchah es wohl, mie ©. 94 ver 
muthet wurde, durch den Huffhlag feines Roſſes, denn es ſcheint dies 
felbe Sage, die bei Karl dem Großen und Wonifacius wiederkehrt, und 
an fie erinnern dann Pholesbrunno, Baldersbrunnen und Baldersbrönd 
bei Roeftild. Als Reiter erſcheinen auch Caftor und Pollux, welche Eid⸗ 
ſchwüre in Pol (Phol) Fürzten. Dieß führt uns zu der Alteften Geſlalt 
des Mythus von Baldur und Mali. 

2. Tacitus berihtet Germ. 43 von einem jugendlichen Brüderpaar, 
das bei den Naharnavalen in einem altheiligen Haine verehrt wurde: er 
vergleiht fie dem Caftor und Pollur (ea vis numinf, nomen Alcis); 
doch bemerkt er ausdrüdlich, daß fie Götter, nicht etwa Halbgötter waren. 
Nach Zacher Runenalph. bedeutete der Name die Leuchtenden, Glänzenden, 
alei, goth. alkeis. Ohne Zweifel find fie Myth. 109 nicht unrichtig auf Baldur 
und Hermödhr gedeutet, denn die Römer giengen den Analogieen des 
Begriffes nah, und da von dem Dioskuren ber Unfterblihe mit dem 
Sterblihen in die Unterwelt binabftieg, damit er dann auch die Freuden 
des Olymps mit ihm theife, fo bietet fein anderer Mythus mehr Aehn⸗ 
lifeit dar. Den Hermöbhr fahen wir S. 81 den Helweg reiten, feinen 
Bruder Baldur zu löfen, daß er mit ihm nach Asgard zurüdtehre. Gleich⸗ 
wohl feinen es eigentlich Baldur und Hödhr, die wir in jenem göttlichen 


59. Ad. Saldur und Well. 3% 


Brüberpaar zu ſuchen haben, denn bie beiden gleichen und doch wieder 
ungleichen Hälften des Jahres find auch in den Dioskuren bargeftellt. 
Zwei Brüder, die bald als Freunde, bald ala Feinde, bald zum Ver⸗ 
wechſeln ähnlich, bald höchſt ungleich geſchildert werden, der eine fchön, 
der andere häßlich, der eine weiß, der andere ſchwarz, führen uns die 
Freundſchafts⸗ und Liebesfage fehr häufig vor; einigemal fehlt dad vers 
wandiſchaftliche Verhaͤltniſs: es ift nicht fo weſentlich als daß in ber 
Ziebeöfage der Freund der Geliebten, in der Fteundſchaftsſage die Ger 
‚ liebte dem Freunde geopfert werde.- In den ältern Sagen befteht die 
Brobe der Freundſchaft darin, daß Einer für den Andern die Schreden 
des Todes überwinde, mas dadurch veranſchaulicht wird, daß er in die 
Unterwelt hinabfteigt. Zwei folhe Brüder haben wir nun in Baldur und 
Hoͤdhr: fie werden als hoͤchſt unaͤhnlich gefaßt, der eine licht, der andere 
duntel (blind), fo daß fie an ven ſchönen und den ungethanen Dietrich 
der Gredcentiafage erinnern, wie dieſe wieder an Ferenand getrü und 
Ferenand ungetrü, KHM. 126. Bei Sazo find fie um die Braut ents 
zweit, fo daß ihr Mythus in den Kreiß der Liebesfagen übertritt ; mie 
fie aber Brüder find und in ber Edda feineswegs feindliche, da fie viel 
mehr in der verjüngten Welt Hand in Hand dus Hels Haufe zurüds 
tehren, fo fehlt aud der Bug nit, daß Einer für den Andern in bie 
Unterwelt hinabfteigt; nur ift er auf den dritten Bruder Hermodhr übers 
tragen, wie auf den vierten (Wali) die Rache, zu der fi fonft Brüder 
verpflichtet find. Bei diefer Spaltung der vier naharnavaliihen Brüder in 
viere 6.316 ift ed nicht leicht zu Jagen, welcher der viere jedem ber beiden Alci 
entſpricht, und felbft Müllenhoff, dem wir hierüber volle Austunft vers 
danlen (Siſcht. XI, 346—54) hat darüber gefhtwantt, Da jedoch ihr 
Mythus, wie Er gelehrt hat, in ver Heldenfage von Ortnit und Wolfs 
dietrich erhalten ift, Wolſdietrich aber Ortnits Tod raͤcht, fo berechtigt uns 
dieß zu fagen, daß die naharnavalifhen Brüder fi unter den nordiſchen 
Göttern als Baldur und Wali wiederfinden; dod füge ich hinzu, daß 
Theile ihres Weſens auf die beiden andern Brüder Höbhr und Hermodr 
übergegangen find; folde Theile jedoch, die jo genau mit ihrer göttlichen 
Natur zufammenhängen, daß fie in der Helvenfage nicht wohl geborgen 
bleiben lonnten. 
Zacitus nennt die göttlihen Brüder mit einem gemeinfchaftlihen 
Namen, und gerade dieß hat befremdet. Aber wie Freunde Alles ges 
meinfcpaftlich haben, fo unterſcheiden fie ſich auch durd die Namen ent ⸗ 


326 alci. Minge. Sariungr. .n. 


weder gar nit, wovon fo eben ſchon Beiſpiele vorlamen, oder wie 
Amicus und Amelius, Brunnenhold und Brunnenftart, Johannes Waßer⸗ 
ſprung und Caspar Waßerſprung nur wenig. Nehmen wir den Waßer 
peter und Waperpaul (KM. II, 196) hinzu, - fo werden wir wieber an 
Pferd und Duelle und jene Phold- und Valdursbrunnen erinnert. Auch 
in der Helvenfage führten fie zuerft den von ihrem weiblihen Haarſchmud 
(muliebri ornatu bei Tacitu8) hergenommenen Namen der Aſtinge oder 
Hasdinge (goth. Hazdiggös, altn. Haddingjar). Die beiden Hasdinge 
werben Hyndlul. Str. 22 (M. Edda ©. 134), bei Saro V, 93 erwähnt, 
und bie Hernararſ. nennt fie ausdrüdiih Zwillinge. Auch am Schluß 
des legten Helgiliedes wird von einem der Haddinge erwähnt, daß er 
als wiedergeborner Helgi in den Karalievern gefeiert werde. Weber dieſe 
Rara, die in Schwangeftalt über ihren Helven fhmebt, vgl. $. 129. Sie 
fpiegelt fi fpäter in jener Zauberin Djtacia der Wiltinaf,, die in Drar 
chengeſtalt dem Herinit beifteht und mit ihrem wilden Geer aus der Luft 
am Kampfe Theil nimmt. Aftingi oder Hasdingi war der Name ber 
vandaliſchen Könige, die ald Hartunge oder Hertnite in der Helvenfage 
fortleben. Belannt find die Hartunge von Reußen im Heldenbudy, nicht 
minder aber auch die Hertnite der Wiltinaf., die als Ortnite in die fübs 
deutſche Heldenſage eintraten. Ortnit wohnt in Garten (am Garda ſeeß 
die Wiltinaf. hatte Hertnits Rei nah Holmgard (Notogorod) gelegt, das 
den deutſchen Kaufleuten, aus deren Munde fie aufgezeichnet wurde, aus 
eigener Anſchauung belannt war. 

Wie fih aber der Mythus in der Helvenfage zulegt geftaltete, will 
ich jegt noch mit Müllenhoffs eigenen Worten angeben: ‚Der ältere vor 
nehmere Hartung, von dem jüngern als Hertnit (Ortnit) unterſchieden, 
erftreitet gegen ein riefiges, winterlihes Geſchlecht, die zwölf Iſunge (in 
der Hromundarfaga geichieht der Kampf auf dem Eiſe), ein ſchoönes gött⸗ 
liches Weib, das wohl demfelben Geſchlecht angehörte, aber dem Geliebten 
im Kampf gegen die ihrigen beifteht. Mit feiner goldglaͤnzenden Rüftung 
angethan verfällt er fpäter einem Drachen, der ihn verſchlingt. Der jün 
gere Hartung, als Harthere von dem ältern gefondert, im mhd. Gypos durch 
Wolfvietrich vertreten, erſchlägt dann ven Drachen, legt Rüftung und 
Waffen Hertnits an, bänbigt und befteigt fein Roſs und wird barauf 
von der trauernden Wittwe an des Bruders Statt ald Gemahl ange 
nommen.‘ 

Nicht leicht ift e, die Sage von Baltram und Sintram in einer 


.9. Ad. Sekten und Sintrem. 827 


ihrer Faßungen mit dem Mythus der Alci in Verbindung gu bringen. 
In der Biltina Gap. 105 ift es Sintram, der von Dietrih aus dem 
Schlunde des Draden befreit wird; nah der Burgborfer Sage, welche 
Badernogel Ziſchr. VI, 158 mittheilt, war Baltram, der den erften Uns 
griff getban, von dem Drachen bereits verſchlungen; der jüngere Bruder 
aber, der ven Drachen erichlug, befreite ihn wieder aus deſſen Schlund. 
Dad Säulen:Capitel im Chor des Bafeler Münfters, das eine ähnliche 
Darfellung enthält, ftimmt mehr mit ber Darftellung ver Wiltinafage. 
Beziehen wir Baltram auf Baldur, Sintram auf Bali, fo müfte zür Zeit 
der Localifierung der Gage nah Burgdorf Wali von Widar noch unge ⸗ 
ſchieden geweſen fein, denn Baldur wird zwar von Wali gerochen, aber 
aus Held Reih, das bier al Drachenſchlund bargeftellt ift, erft durch 
Widar befreit. Andererſeits befreit Widar den Odin nidht aus dem 
Schlunde des ald Drache benannten Fenriswolſs, er rächt nur feinen Tod. 
Aber Baldur, der aid Bälväg Tagesgott ift, eriheint ald Sonnengott 
in dem Mythus von feinem Leichenbrand, der auf dem Schiff ind Meer ges 
Roßen wird. Damit ift und ein prachtvolles Bild der in Oluthen untergehen ⸗ 
den Sonne vor bie Einne geführt, jo daß wir in feinem Mythus eine dop⸗ 
pelte Fortſchiebung gewahren: vom Tagesgott ward er erſt zum Jahres ⸗ 
gott erhoben und dann auf das große Weltenjahr bezogen. Haben wir 
aber fo einen Gonnengott Baldur gewonnen, fo begreift fi, wie er ala’ 
Baltram in den Rachen des Drachen gerieth. Die Burgoorfer Gage 
führt und den Gonnengett vor, wie er ſchon halb im Schlund des ihm 
nachſtellenden, hier wieder durch den Drachen vertretenen Wolfes ftedt: 
was kann damit anber# gemeint fein, ald die Sonnenfinfternifs nah 
dem $. 13 beſprochenen Glauben fait aller heidniſchen Völter, daß ‚ein Uns 
gehener das Himmelsgeftirn in den Rachen faße um es zu verſchlingen. 
Hu diefer Auffaßung ſtimmt auch der Rame feines Gefährten Eintram, 
der und an Sintgunt, der Schweſter der Sonne, erinnert, wie umgelehrt 
bie Senne Wöl, 5 Sinni mana, des Mondes Gefelin, heißt. Wäre der 
Myihus von Tors im Rachen des Wolfes eingebüptem Arme wirklich alt, 
vol. $. 87. 6.294, fo läge die Sonnenfinfternifd wohl auch ihm zu 
Grunde, da der Himmeldgott Tyr wohl als Gonnengott gedacht werden 
lonnte. 
Die Aftingi (Haddinge und Hartunge) halte ih für die Iſtawonen 
des Tacitus, welche man nicht für die Franken ausgeben barf, bie viel 
mehr gleich den Sachſen Ingämonen find, wie denn die Welfungen mehrs 


828 Alci. Minonen. 4.9. 


fach ausdrüdlic, für Abldmmlinge Ingwis erflärt werben. Auch Tann men 
ja die Iſtaͤwonen niht am Nheine fuhen, wenn neben den am Dran 
wohnenden Ingäwonen die Herminonen als medii bezeichnet werben ; ber 
ganze Zufammenhang weiſt dann die ceteri an die Donau, und gerabe 
da iſt e8, wo wir die Aftingi finden. 

Die Deutung der Alci auf Baldur und Wali ift dem Stande ber 
deutſchen Mythologie gerecht; es bliebe zu erwägen, ob fie auf einem 
ältern etwa Jrmin und Jring gebeißen haben können, die wir eben jo 
gepaart finden und die fon die Aliteration verbunden hatte, wie fie 
aud mit den Alci im Reimverbande fanden. Auch erfceint nach einer 
Faßung der fähfifh = thüringiihen Gage Iring als Irminfrids Rächer. 
Dennoch erfläre ih mic gegen diefe Annahme, die fih mit dem Bezug 
der Alci auf die Jitäwonen nicht verträgt, " 

3. Wie Hermöbhr ©. 81 mit Ddins Roſs Sleipnir über das Hel⸗ 
gitter fegt, fo in Wenzigs MWeftfl. Märchenihag 150 ver gute Sohn mit 
Zatoſchid über die hohe Mauer des Drachengartens. 

Hermöbhr (Herimuot) tommt auch Hyndluliodh 2 und als Keremsd 
zweimal im Beowulflieve vor ($. 64): in beiden Gebidhten ſcheint er aber 
nicht der Gott, den doch die agſ. Stammtafeln und demnach aud das 
Formäli der Edda unter Wodens Ahnen nennen, fondern ein göttlider 
Held, der in einer noch unerforjchten Beziehung zu Sigmund geftanden 
haben muß, welchem Siegfrids Drachenkampf im Beowulf beigelegt if. 
Vgl oben 6.194. 202. Nahm er etwa in biejer Altern Geftalt un 
ferer Heidenſage Gunnars, Gunthers Etelle ein? Auch Gummar und 
Sigurd erſcheinen ald die beiden gleihen Freunde: fie tauſchen die Ge 
Ralt, und Sigurd reitet für Gunnar duch Wafurlogi, welche die Unter 
welt bezeichnet: er alfo, nit Gunnar, würde dem Hermoödhr entſprechen 
Ueberhaupt fließt fih die Sigurbfage näher an Skimisför ald an ben 
Baldurmythus. 

Jener Dänenfürft Heremöb im Beowulfliede ward im Alter ſiuſter 
und grauſam, obgleich ihn Gott über alle Menſchen erhöht hatte. Das 
erinnert an den Geirröd des Grimnismal, führt aber nidt weiter. Auch 
auf FAS. 313, wo Sigmunds Sohn Helgi, der nach Helgat. 3. 37 mit 
Doin die Herfhaft theilte, unter den Afen Hermoͤdhr geworben fein foll, 
lege ih nod fein Gewicht, obgleich jener Helgi hinn hvassi heißt, wie 
Hermöphr hinn hvati. Ueber die Einheit dieſes Heremöd mit Hör |. $. 90. 


93. Forſeti (Forafizzo) · 

Bon Baldur war D. 22 geſagt worden, er habe die Eigenſchaft, daß 
Niemand feine Urtheile ſchellen fönne, was fi daraus begreift, daß er 
das Licht bedeutet. Go erfdeint er felbft als ein Gott der Gerichte. 
Das erllärt den Namen des Belderbergs in Bonn, in deſſen naͤchſter 
Nähe der Vogt wohnte, der dad Gericht hegte. Aus $. 62 Innen wir 
den nahen Bezug Beldeggs (Baldurd) auf Weftfalen ; aus diefem Lande, 
nad) Fahne aus den Niederlanden, ſtammte aud das gräflihe Geſchlecht 
der Belderbuſche, das in Bonn mohlbefannt iſt. In Baldurs Sohne 
Forfeti (Forafizzo), deſſen Name einen Borfiger (bei Gerichten) bebeutet, 
ſcheint daher nur eine Eigenſchaft Baldurs perfonificiert. Er hat im 
Himmel ven Saal, ver Glitnir (der glänzende) heißt, und Alle, die fih 
in Rechtöftreitigleiten an ihn wenden, gehen verglichen nad Haufe. Das 
ift der befte Richterſtuhl für Götter und Menfchen. Bol. Grimnism. 15. 
(&. 49.) Einen Mythus kennt die Edda nicht von ihm. Nah ber Sage 
vom Urfprung des Friefenrehts (DS. 445) bitten die 12 Aſegen (Recht ⸗ 
ſprecher, Schoͤffen), im fteuerlofen Schiff auf vem Meere treiben, ihnen 
einen dreizehnten zu fenben, der fie das Recht Iehre und zu Lande weiſe. 
Sogleich erfcheint jener Dreizehnte, am Ruder figend und gegen Strom 
und Wind and Land fteuernd. Dort wirft er die Achſe (Art?), die er 
auf der Adel trägt, aufs Land. Da entfpringt ein Born, und um bies 
fen mit den Afegen figend, lehrt fie der Dreizehnte das Recht. Niemand 
tannte ihn, Jedem der zwölfe ſah er gleih, und als er ihnen das Recht 
gewieſen hatte, waren ihrer nur zwölfe. Diefen fchönen deutſchen Mythus 
mit Wolf Beitr. 134 auf Baldur oder feinen Sohn Forſeti zu deuten, 
beredhtigt ſchon der von ihm geſchaffene Brunnen, der fonft fi dem ver 
Urdh vergleicht, bei dem die Götter nach D. 15 ihre Gerichtöftätte haben, 
©. 41. Auch in Baldurs Mythus kam es 6.92, 8.35 vor, daß er 
eine Quelle entipringen ließ. Auf Helgoland, das nad Baldurs Sohne 
Fofitesland hieß, finden wir biefen Brunnen wieder. Nur ſchweigend 
durfte aus ihm gejhöpft werden: man foll nachdenken, ehe man urtheilt, 
Der heil. Wilibrord (739) taufte drei Heiden in dieſer heil, Duelle, hätte 
& aber faft mit dem Tode gebüßt. Erſt dem heil. Ludger, einem ges 
bornen riefen, gelang vie Belehrung; aber noch ber heutige Name der 
Jaſel fpricht die alte Heiligleit des Orted aus. Das um den Brimnen 
weidende Wild wagte Niemand zu berühren und ſelbſt Geeräuber_jchonten 


880 Sragl. Nun. Gunuidd. & 9. 


die Imfel aus Furt, der Gott möchte fie zur Strafe durch Schiffbruch 
ober Kampf umlommen laßen. 


9. Bragi. 


Degen Bragi könnte auf $. 76 vertwiefen werben, denn in ihm iR 
Odin als Gott der Dichtkunft verjüngt, wie in Forſeti Baldur als Urs 
theilfinder. ‚Er ift berühmt‘, fagt D. 26, ‚durch Berevfamteit und Worte 
fertigleit und fehr geſchidt in der Slaldenkunſt, die nah ihm ‚Bragr’ 
genannt wird, fo wie aud diejenigen Bragurleute (bragr karla) heißen, 
die redfertiger find als andere Männer und Frauen. Seine Frau heißt 
Joun: fie verwahrt in einem Gefäße die Aepfel, welche vie Götter ger 
nießen follen, wenn fie altern, denn fie werden alle jung davon, und daB 
mag währen bis zur Götterdämmerung.‘ In der Verbindung Bragis mit 
Foun ift die verjüngende Kraft der Dichtunft ausgeſprochen, wie Dphrörir, 
der Unfterbliteit verleihende Trank, mit dem verjüngenden Brunnen der 
Urd, und wieder Idun felbft mit Urd verwechfelt wird, $. 32. Auch 
Nanna, welche die Blüthe bedeutet, fahen wir S. 79 in der Dichterſprache 
mit Idun, der Göttin der Verjüngung, vertauſcht. Auffallender ift, daß 
Degisor. 17 ſelbſt Gerda mit ihr zu verwechſeln fheint, indem Loki zw 
ih fogt: 

Du legte die Arme, die leuchtenden, gleich 
Um den Mörder eines Bruders, 

63 muß Mythengeftaltungen gegeben haben, bie hiezu veranlaßten ; 
der Dichter iſt gleihwohl darum zu tabeln, da er neben Idun Gerda 
noch einmal auftreten läßt. Aus Iduns und Gerdas Einheit flieht auch 
das Myth. 216 bemerkte nähere Berhältnifs zwiſchen Degir und Bragi, 
der D. 55 fein Tiſchnachbar if und ihn erft über Idun, dann über bie 
Gtalventunft belehrt. Da Degir mit anderm Namen Gymir hieß, fo 
war er Gerbad Vater, mithin Bragis Schwäher, wenn Idun mit ihr zus 
fammenfält. Gewöhnlich gilt Freyt für Oegirs (Gymirs) Cidam; ba wir 
aber geſehen haben, daß eigentlich Odin, ber ſich in Bragi, feinem Sohne 
(Staloft. 10), verjüngt, als Skirnir duch Wafurlogi ritt, jo kann diefe 
ungewöhnliche Mythengeftaltung (5. 85) ums nicht mehr befremden. Gehen 
wir hier nun Idun an Gerdas Stelle, fo fällt fie als Wärterin des 
KZuamls (Hrafnag. 11) aud mit Gunnlöp $. 76 zufammen, in deren Ar 
men Din ibm dm Göttern erwarb, was wisber zeigt, daß Bragi, der 


5%. Gokl. Greudel. 881 


Iangbärtige Aſe, Odin felber war, wozu auch ber Name (Myth. 215) 
fiimmt, der Odins Geift und Verftand zu bebeuten ſcheint. Afabragr, 
Afenfürft, wird zwar Stirnisf. 33 den Thör meinen; doc könnte es frür 
her den Odin bezeichnet haben. 


9%. Lofi, 


Da Lofi hier den Schluß macht, obgleih wir feinen Namen 6. 103 
von lukan, fließen, abzuleiten Bedenken trugen, fo fol hier, um Allen 
und auch Denen gerecht zu werben, die einen Waßergott (S. 114) in ihm 
ſehen, nicht verfhwiegen werden, dap M.222 den Loti mit jenem fumpfe 
bewohnenden Grendel im Beowulf zufammenftellt, einem geſpenſtiſchen 
Waßergeiſt, der mit feiner noch ſchlimmern aber ungenannt bleibenden 
Mutter Nachts in den Saal König Hrodgars einbricht, feine Helden mon 
det und in feinen Sumpf hinabzieht. Sein Name ward aus ahd. krintel, 
Riegel, gebeutet, wie hellerigel de3 Teufeld Großmutter zu meinen ſcheint. 
Auch ſcheint der hochd. Flußname Krintilaha einen Waßergeift Krintil zu 
beRätigen. gl. Schade im Weimar. Zahıb. V, 383; f. jedoch Weinhold 
Niefen 33, wonach der Name den Verderber, Zermalmer bedeuten würde. 
Grendels Mutter gleicht allerdings der neunhundertjährigen Ahne bei 
Hymir ($. 85) und der fpätern Großmutter des Teufels. Wie Degir 
und Ran find beide nur Perfonificationen des ungebänvigten Meeres. 
Bar Logi der Endiger, wie Uhland wollte, fo würde es um fo wahr 
ſcheinlicher, daß er aud dem legten Wodentage den Namen gegeben habe, 
wie denn ber nordiſche Laugarbagr aus Loki entftellt fein könnte, Myth. 
114. 15. Wenn aber Saturnus im Mittelalter ein teufliſches Anſehen 
gewann, wie läßt ſich das anders erklären, als weil er fi als Wochen» 
tagögott mit Loti berührte ? 

Daß Loki al? Utgarbhaloli, ald Vater der Hel und Narfis, deflen 
Sohn die Naht ift ($. 14), zum Tobtengotte ward, erläuterten wir aus 
der zerftörenden Natur des Feuers. Cinmal als Todtengott gedacht, konnte 
er auch mit Sumpf: und Waßergeiftern in Beziehung treten, die man in 
der Waperhölle haufend dachte. Dieb Alles galt und aber für jüngere 
Auffaßungen des milden Gottes des Lichts und der allverbreiteten Wärme, 
Werden wir doc felbft in Hel, ber Zobesgöttin, welche Hyndl. 37 als 
das allerabſcheulichſte Scheufal bezeichnet, $. 96 eine gütige Gottheit er» 
Innen. Iſt aber ihre Verwandtſchaft mit Loli fo alt, daß dieß bei Ex 


882 Loht. Welberbosheit. 8.9. 


wägung feines Weſens in Anſchlag fime? Wir gedachten dieß bisher 
zu verneinen. Wie aber, wenn Loki al Bater der perfonificierten Unters 
welt, der alles Leben entfpringt, eben fo fehr der Anfang ald dad Ende 
wäre ? Hel und die Midgardſchlange find im NRagnarötmythus, den wir 
in den Geſchiden ver Welt zu erläutern hatten, eben fo fehr von ihrer 
Schattenfeite aufgefaßt als Loki felbft, und nur der Fenriswolf, wenn er 
nicht aus Nidhögge entiprang, muß nothwendig eine Beugung des ſchon 
entwürbigten Loli fein. 

Für ganz neu halte ih e3 auch, wenn Hyndlul. 38 Lofis Bosheit 
von dem Genuß eines halbverbrannten, fteinharten Frauenherzens abger 
leitet wird, Daß Weiber boöhafter feien als der Teufel ſelbſt, if ein 
Gedante, ven im Mittelalter Vollsmärhen und Novellen ſehr wihig zu 
behandeln verftanden; als er aber auf Lofi Anwendung fand, mufte diefer 
ſchon tief gefunfen fein. Ueber Lolis Herzeßen vgl. ©. 261. 

Neben der Waperhölle laßen fih auch Spuren einer deutſchen 
Feuerhöͤlle nachweiſen: fie liegen in Geirrödh, fowohl in dem 8. 84 
beſprochenen, ald in jenem andern, der nad Grimnismal den Odin zwi⸗ 
ſchen zwei Feuer fegte, wo er aht Nächte fiten mußte, womit adıt 
Bintermonate gemeint find. Daß beide zufammenfallen, ift jhon 6.319 
angedeutet. Nach Degisdt. 23 war Loki jelber acht Winter unter 
der Erde: S. 101 fahen wir, daß auch darunter acht Wintermos 
nate gemeint find. Uber hier bedeutete er die mohlthätige Wärme, 
während in Geirrödhs Weſen nur Feindſeliges liegt. Gleichwohl wird 
auch Er wie der andere Unterweltögott Utgardloli fih aus Lotis 
Weſen entwidelt haben. 


Göttinnen und Wanen. 


%. Hel. 


Bon der Unterwelt fahen wir ©. 14. 41. 304 alles Sein aus⸗ 
ftrömen, aber aud wieder dahin zurüdfließen, Die Göttin der Unterwelt 
müfte demnach die erhabenfte Göttin fein: eine Göttin des Todes nicht 
bloß, aud bes Lebens. Bon dieſen beiden Seiten erſcheint aber feine 
der deutſchen Gottheiten mehr, die ſich aus ihrem Begriff entwidelt haben: 
bald ift die eine, bald die andere allein hervorgehoben. In Berchta und 
Holva, in Nerthus, Freyja und Frigg, ja faft in allen deutſchen Göttinnen 
fehen wir nur einzelne Seiten nnd Erſcheinungen dargeftellt,, die zufams 
mengenommen einft das Wefen der geheimnifövollen wirkenden Grögöttin 
ausmachten, der großen Lebendmutter, die Segen und Fruchtbarkeit ſpen⸗ 
dend jelbft als Todesgöttin nicht verberblid mirkt, indem fie die Seelen 
der BVerftorbenen in ihren mütterlihen Schooß zurüdnimmt. Der Name 
diefer erhabenen Göttin der Unterwelt würde heutzutage Hölle heißen. 
Das Wort hat aber nur nod einen räumlichen Begriff, feinen perſoͤn⸗ 
lichen mehr, dazu den allerunfreundlicften, wie fhon die nord. Hel, gen. 
Heljar, tiefe Gntwürdigung betroffen hatte. Das gothiſche Halja, alth. 
Hellia, mhb. Helle tlingen minder furdtbar; aber ihre alte Würde und 
Heiligfeit laßen aud) fie nicht ahnen, und wir müßen fie gleich mit Holda 
und Hilde zufammenftellen, die fih aus der gleihen Wurzel hilan celare 
entfaltet haben und weſentlich eins mit ihr find, damit der Name nicht 
den Begriff der finitern Todesgöttin erwede, fondern den ber verborgen 
wirtenden Mutter alles Lebens. Auch fo können wir nicht erwarten, 
daß fon hier unfere Anſicht Beiftimmung finde: unfere ganze fernere 
Darftellung muß darauf gerichtet fein, in dem Wefen der Hel die Duelle 
aufzubeden, aus ber alle weiblichen Gottheiten geflogen find, felbft die 
Banengötter fih entfaltet haben. Der Namen find viele, unter welchen 
die fegenfpentende Erdmutter fih verhält; aber erft die Erwägung aller 
kann ergeben, daß fein anderer als ver Hellias Anſpruch darauf hat, für 
ven älteften, allen Stämmen gemeinjamen, felbft den urverwanbten Böl: 


884 Helle. Kalt. Aalypſo. 8%. 


tern unter ben entſprechenden Formen bekannten, zu gelten. Unter den 
bisher abgehandelten weiblichen Gottheiten zeigten ſchon Gerda und Idun 
(und vemnah auch Rinda und Gunnlövh ©. 311. 330) ein näheres 
Berhältnifs zu Hel: fie befanden ſich bei ihr, fie waren im Winter ge: 
ſtorben, der neue Frühling rief fie ins Leben zurüd. Damit fallen fie 
aber dem Begriff der Wanengötter, die aus der Hel hervorgehen, anheim, 
denn ihr eigenthümliches Weſen ift es, daß fie nicht im Himmel droben, 
fondern im Schooß der Erde wohnen, ober doch im Winter dahin zus 
rüdgenommen werben, im Frühjahr erwachen und unter die Voͤller fahr 
ten, ihnen Segen und Fruchtbarkeit zu bringen. 

Je böber ins Alterthum hinaufzuoringen vergönnt fein wird‘, heißt 
es Myth. 292, ,deſto weniger böllif und defto göttliher kann Halja (die 
gothiſche Form des Namens, der indiſch Käli lautet) erſcheinen“. Ihre Ente 
mwürbigung darf nicht befremben. Wer verfuchen wollte, vie Götter Asgards 
aus einer einzigen Quelle, wie hier die Göttinnen und Waren, herzufeir 
ten, hätte von dem Himmelsgotte Tyr (Bio) auszugehen, und wie fehr 
iſt auch diefer entfellt ! Unfere verborgene Gottheit, denn nur das ber 
deutet der Name, hatte ald Erbmutter ihren Gig im Schooße der Erde: 
fie ift die Unterweltsgöttin, von der zur Tobesgöttin nur noch Ein Schritt 
blieb, womit noch nicht die mohlthätige, aber ſchon die ganze lebenſpen ⸗ 
dende Seite der Göttin verbunfelt war. Aber nun faßte die heidniſche 
Shen vor dem Tode nur den Vernichter des Lebens in ihm auf. Rur 
fo erflärt es fih, daß dem Dichter des Hyndluliedes 37 Hel als das 
allerabfcheulichfte Scheufal erſcheint. Als man ihr den Loki zum Vater 
gab, tonnte diefer nach ©. 101 noch als ber Gott ber belebenden Wärme 
gedacht fein; als er fie aber mit dem Niefenweibe Augurboba gezeugt 
haben ſollte ($. 39), waren fie wohl beide ſchon gefunten. Daß ihr Odin 
nad Einer Lesart über die neun Welten Gewalt gab, nit über die 
neunte, fönnte nod eine Spur der ältern beßern Anfiht fein. Auch 
Kuhn urteilt WS: 333, es fei fein Mifsverftändnif (vgl. $.20), dab 
der Hel Herfhaft über alle neun Welten verliehen fei. Wenn aber 
D. fortfährt: ‚Ihr Saal heißt Elend, Hunger ihre Schüßel, Gier ihr 
Meßer, Träg (Ganglat) ihr Knecht, Langlam (Ganglöt) ihre Magd, Ein 
ſturz ihre Schwelle, ihr Bette Kümmernif® und ihr Vorhang dreuendes 
Unheil. Sie ift halb ſchwarz, halb menfhenfarbig, alfo kenntlich genug 
durch grimmiges, furdtbares Außfehen,’ fo braude id; nicht erft zu fagen, 
welcher fpätern Auffaßung dieſe Schilderung angehören muß. ber die 


1. 06 Yells. Anteil. Fcixci. 885 


zwei Farben, die ihr hier zugeſchrieben werden, können älter fein. Reben 
Edwarz, dad ald Gegenfag Weiß verlangt hätte, fehen wir Menſchen⸗ 
farbe genannt, die Farbe des Lebens, da blA (lividum), das ih mit 
Schwarz gegeben habe, die Farbe der Verweſung bezeihmen kann. Unſere 
deutſchen Quellen jegen dafür Schwarz und Weiß. Im Gingang des 
Barzival wird auf den ſchwarzweißen Jeirefiz prälubierend von Schwarz 
und Weiß fo geiproden, daß jenes die böfe, dieſes die gute Farbe bes 
deutet. Wenn dabei Wolfram die ſchwarze auf die Hölle bezieht, fo denkt 
ex diefe nur als einen Aufenthalt der Böfen und Berbammten, was ber 
chriſtlichen Anſicht, nicht der altheidniſchen gemäß iſt. Diefer entſpricht 
es dagegen, daß in unzähligen deutſchen Sagen verwünſchte, Erloſung 
ſuchende Jungfrauen, $. 46, 2, die der Gerda, der Idun gleichen, halb ſchwarz 
halb weiß erfceinen : fie find in der Unterwelt bei Hel, deren Farbe fie 
tragen. Der Vollöglaube hält fie oft für die Hel felbft, weshalb fie 
fogar Held oder Rachel heißen (Banzer 60.83). Lepterer Name iR mit 
Hel zufammengefegt und bezeichnet fie ala die rächende, ftrafende Göttin. 
Nichts fteht aber der Anficht entgegen, daß die ſchwarzweiße Farbe der 
Göttin der Unterwelt wegen ihrer Doppelfeitigfeit gebührt, indem fie über 
Geburt und, Tod, Leben und Sterben gebietet. Hier giebt ſich alſo ſelbſt 
auf nordiſchem Gebiet eine Epur zu erlennen, daß fie nicht immer ſolch 
ein Scheuſal war, wie fie zulegt in der j. Edda nur noch erfeint. Ala 
Unterweltsgöttin theilt fie auch Lohn und Strafe aus, und ift darum bem 
Ginen gut und milde, dem Andern bos und furchtbar, und aud bieß 
ann ihre doppelte Farbe ausprüden. Wenn in deutſchen Märchen ſchwarze, 
ſchwatzweiße und weiße Farbe nur verfdiedene Stufen der Grlöfung bes 
zeichnen, fo hängt diefe Vorftellung damit zufammen, daß die legte Farbe 
für die gute, die dunkle für die böfe gilt. Bei Hel aber verhält es ſich 
mjt den beiden Farben wie bei Feireſig, der nicht ohme mpthifhe 
Grundlage iſt: fie hatte eine lichte und eine dunkle Seite, und kehrte 
bald vie eine bald die andere hervor, je nachdem fie lohnend oder firas 
fend erſchien. 

Daß die deutſche Unterwelt Strafen und Straförter kannte, ift $. 39 
gezeigt. Die nach der Unterwelt führende Brüde bewahrt eine Jungfrau, 
deren Name Modgudhr (Seelenkampf) auf die Schreden des Gewiſſens zu 
beziehen it, und ald Brunhild nad der Unterwelt fuhr, mufte fie nach 
‚Helreidh’ einen Seelenlampf beftehen, und zwar ift derfelbe fo eingelleis 
det, daß eine Rieſin ihr ben Weg duch ihre fleingeftügten Käufer 


836 Selle. Zawarıe Marke. 8.9 


(griöti studda garda mina) wehren will, indem fie ihr vorhält was 
fie auf Erben Böfes begangen habe. Aber Brunhild weiß fi zu recht ⸗ 
fertigen und fließt mit den Worten: Verſinke, Niefenbrut! Auf der 
Fahrt nad) der Unterwelt ift es hienach nicht gleihgültig, weldes Leben 
man auf Erden geführt hat, Solden Strafen und Qualſtätten gegen 
über lann es an ben entſprechenden Belohnungen und Freudenſälen nicht 
gefehlt haben, wenn fie gleich fpäterhin auf Asgards Höhen verlegt wur 
den. Solche mögen die Wölufp. 41 genannten (S. 158) gewefen fein. In 
deutfen Märchen erfeint Frau Holla, die ſich mit der Hel berührt, ja 
eins mit ihr war, lohnend und ftrafend, und noch in der Edda werben 
dem erwarteten Baldur in Hels Behaufung die Sige im Voraus mit 
Ringen beftreut, die glänzenden Betten mit Gold bebedt; aud fteht ihm 
der Meth bereits eingeſchenlt, Wegt. 12, und Hermödur fieht ihn, ala er 
ver Hel Löfegeld zu bieten Tommt, auf dem Chrenplage fifen, fo daß 

niun wohl daß Seit in ver Unterwelt zu feinem Empfange begangen ward, 
zu dem im Boraus die Anftalten getroffen waren. An dieſer Bewill⸗ 
tommnung des Schönften und Beſten der Afen erkennen wir, daß es in 
der Unterwelt neben Strafen aud Belohnungen gab. 

Bo Hel ganz ſchwarz erfdeint, muß fie nicht wie die Hölle bei 
Wolfram als böfe gedacht fein: ber Untermeltsgöttin, die im tiefen, bun 
teln Schoß der Erde wohnt, gebührt diefe Farbe vorzugäweife, und ihr 
Name, mit caligo und xeAuevog verwandt, hängt damit zufammen. 

* Mögen die ſchwarzen Bilder der Demeter, Perfephone, Aphrodite, Diana, 
fie noch ald zürnende Erdmutter gedacht haben: bei ben damit verwandten 
ſchwatzen Marienbildern waltete dieſe Vorfiellung längft nicht mehr, 
und fchon viel früher fcheint fie fi verloren zu haben. Vgl. jedoch 
Myth. 289. 

Hält fie die Seelen, die zu ihr kommen, unerbittlich feit, fo töbfel 
fie doch nicht, noch fährt fie aus, den Menfchen nachzuſtellen. Späterm 
daniſchem Vollsglauben gehört e3 an, wenn fie zur Beit der Peſt ald 
breibeiniges Pferd umgeht (Myth.290. 1135). Das Pferd gebührte ihr 
wohl urfprünglid ald Gattin eines der erhabenften Götter, und fo er 
ſcheint fie aud in ihrer alten Würde, wenn fie im Wagen einberfährt 
gleich fegnenden Göttinnen. Anders ift es mit der Ran, der Gemahlin 
des Meergottes, die im Nep die Ertrinkenden an ſich zieht, oder wie ihr 
Name andeutet, raubt (Myth. 288). Gleichwohl ift fie nur ein Nebenbilt 
der Hel, denn die Unterwelt Tann, wie in den Schooß der Erde, fo auf 


.%. getia. Grid. Squarje Marge. 887 


im die Tieſe bes Meeres gedacht werden. Vielleicht erft zulept ſank Hel 
zum Scheuſal herab, zum Orous esuriens, zum menſchenfreßenden Riefen, 
zum ungesatlichen hol (Myth. 291) mit gaffendem, gähnendem Rachen. 

Schon Wolf (Beitr. 203) hat die ſchwarze Grete des deutſchen 
BVollöglaubens verglichen, die in den Niederlanden booze, zuarte Mar- 
griet heißt, in Schleswig-Holſtein als ſchwarze Greet ober swarte Mar- 
gret biftorifiert worben if, wo fie zwar in ſchwarzem Neid, aber noch 
auf weißem Roſs und im Geleit zweier Geifter in ſchneeweißem Gemande 
erſcheint. Der Name wird von jener Riefin Grivh herrühren, der Mutter 
Widar des ſchweigſamen, von der Thor Stab und Eiſen handſchuhe 
borgt ($. 84). Vgl. Kuhn WE. 31. Iſt fie diefelbe, die nah Wol. 32 
im Gifenmwalve die Wölfe zeugt, die den Himmelslichtern nachſtellen, jo 
mag fie wohl an die Hel in ihrer gehaͤßigſten Auffaßung mahnen. Dem 
hör aber ermweift fie fih freundlich, gleich jener ‚allgolonen, weiß: 
brauigen’ Mutter Tyrs in der Hymiskw. ($. 85), die mir aud nur 
die Fichte Seite der Hel ift wie bie neben ihr ſtehende, neunhundertköpfige, 
oben der Großmutter des Teufels verglichene, Ahne die dunkle. Jene er⸗ 
Teint hier als die Mutter des leuchtenden Himmelögottes, der hernach 
zum Schwertgott herabſank. Seine Mutter blieb fie als Erbgättin auch 
da noch, denn das Schwert, fahen wir, ward aus der Erbe gegraben. 
Diefe ‚Doppelfeitigeit der Rieſin Gridhr, die fi) auch in den ganz ent« 
gegengejegten Bedeutungen ihres Namens (Heftigleit und Sicherheit) fund 
giebt, berechtigt, fie der Hel gleichzuſtellen, und darin lann aud ihr Ver 
haltniſs zu Widar, dem Gott der Wiedergeburt (6. 137), begründet fein. 
Wir erfennen fo die Hel ala Odins Gemahlin, mit der er nach der Edda 
den Widar zeugte, bei der wir auch den Stab fanden, deſſen Macht über 
die Unterwelt wir. jhon 8. 65 ahnten. Sie fällt aber als Erdgöttin tier 
der zufammen mit der Jörbh, der Mutter Thors ($. 113), und aud ber 
Gertrud wird fie fih 8.110 vergleichen laßen. So ift von Woefte Ziſchr. f. 
M.II, 86 eine Heerdengoͤttin Griete ober Graite nachgewieſen, bie er der 
Erdenmutter Nerthus vergleicht, und als Jördh für Donars Mutter hält. 
Sie heißt bald hilligher, bald Sünte-raite, berührt fih aber nicht mit 
der Kalender-Heiligen, die mit dem Heerbenglüd nichts zu ſchaffen hat, 
während wir Nerthus 8. 98 von heiligen Kühen gefahren ſehen. Graite 
wird beim Kälberhwiden angerufen, d. h. bei der Kälberweihe, wobei das 
Vieh mit der dem Donar heiligen Ebereſche (agf. vice, weſtf. kwicke) bes 


rührt wird. Bgl. Kuhn Herablunft S. 183, WE. 158. 
Curod, Myihelsgie. 22 





888 Selle. tsrmuiter. Eberbiider. 8. 9. 


Mehr als ſich bier ſchon zeigte, kounten wir in dieſem & nit gu 
gewinnen hoffen. Aber unter Heimbals neun Blüttern (G. 308) finden 
wir die Mamen der beiden Töchter Geirrodha, Gialp und Greip wieder. 
Da wir Geirroödh als einen Unterweltägott erlaunt haben, fe fällt der 
Name einer dritten Muster Eirgiäfa auf, bie an bie @ir erinnert, eine der 
nem Mägde der Menglöoh (Fiölfee. 39). Cie bedeutet wohl bie Keil 
ſpendende, wie Angeva die Schönäugige. Jarnſara die vierte ftimmt im 
Ramen mit der Mutter Modhis und Magnis, bie fünfte Atla fegar mit 
Thoͤrs Beinamen Ali, Wir fehen alfo hier fegnende Erdmütter, nicht 
nothwendig Waßergoͤttinnen: fie find Vervielfältigungen ber Hel, der ver 
borgenen Erhgöftin. Auch Rinde, mit der Odin ven Wali zeugte, ift durch 
ihren Nomen wie ben Aufenthalt im Lalten Ruſaland als eine Wintergättin 
gelennzeichnet; den Winter aber fanden wir der Unterwelt gleichgefellt. 
Sp dürfen wir auch Gerda, ja Idun, Gunnlöd und Menglaba gleihjalls 
berbeiziehen, die im Schon der Erbe weilen: alle erſcheinen als Nebenge 
ftaltım ber einen werborgenen Erdmutter und Göttin ber Unterwelt. 


97, Göttermutter, 


Im Bidar, dem eigentlihen Bolt der erneuten Welt, dem Mäder 
Odins, ift dieſer wiebergeboren, Ift Gel unter dem Namen Grioh fein, 
ala allgoldne auch Zyrs Mutter, fällt fie mit her Jordb, der Mutter Tpörd, 
ja mit Rinda, der Mutter Walis, zufammen, vervielfältigt fie ſich gar In 
Heimbals neun Müttern, fp werden mir auf ben MWegriff einer Gätter 
mutter geführt, mit deren Würhe die verborgene Srogättin einft belleidet 
fein mochte, 

Bon hen Aeſtyern, einem fueviſchen Bolt an der Oftfee, meldet Tec 
Garm, 45, fie nerehrten Pie Göttermutter, und trügen als ihr Gymbel 
Gberbilder (formas aprorum), durch welde fie ſich ftatt aller anken 
Schuhwaffen im Kampf geihert hielten. Durch dieſe Ebergeſtalten meinte 
man dem Beinde unfihtbar zu werden: fie wurden auf dem Gem 
getragen: der Helm Tommt von häln, hehlen, oelare, und der Held jelhh 
hat davon den Namen, daß er ſich in her Rüftung jhüpt und birgt, Rib 
(Eachm.) 436, 4. Urſprünglich meinte has Wort wohl die ganze Rüfung 
und fo. fällt er mit der Hellappe oder Tarnlappe, dem verhüllenden Dam 
tel, zufammen, dem wir ſchon bei Din $ 66 begegueten, Wielbicht 
folte das Eberbild aber auch ben Feind fhreden, umb dadurch ben 


8. 97. Selle. Encenfadhs uud Hildegein. 889 


Delden ſchahen. Solche Schreden und Graufen ertegenbe Helme begegnen 
uns in Götter und Helvenfage, und felbft in der Xhierfage „deutet Iſan⸗ 
grim, der Name des Wolfs, darauf, denn grim ift Larve und in isan 
liegt nad) M. 218, Reinh. 242 der Vegriff ded Schredens. Berühmter 
iſt jener Degishiälme Fafnirs; er muß aber früher dem Meergotte Degir 
gehört haben, der wie wir an feiner Gattin Ran fehen nicht immer fo 
milde war wie bei jenem Gaftmal zur Zeit der Leinernte. Degir verjüngt ' 
ſich in der Helvenfage als Ede, und bei ihm findet der Helm ſich wieder; 
er gebt aber auf Dietrich, der ihm befiegt, zugleich mit dem Schwerte Eden: 
ſachs über. Sept heißt er nicht mehr Edenhelm, fondern Hildeg tin, 
was Kriegärüftung bebeuten, aber auch für hilende grim ftehen, und die 
heblende Larve bezeichnen Tann. Beiden Deutungen ziehe id) eine britte 
vor, wonach er von Hilde genannt ift, einem Nebennamen ber Hel, welcher 
fie als die hilende, hehlende, verbergende Göttin bezeichnet. Wenn Dietrich 
den Hildegiim nah Wiltinaſ. €. 16 zugleih mit einem Schwert 
von dem Riefen Grim und feinem Weibe Hilde gewonnen haben foll, fo 
beruht dieß nur zum Theil auf faljher Etymologie: er gehörte wirklich 
einft Hilden, wenn wir fie ala Hel und zugleih als die Göttermutter des 
Tacitus denten. Schwert und Helm deuten ald Edenhelm und Edenſachs 
auf den in Ede verjüngten Meergott Degir, deſſen Gattin Ran wir S. 336 
als ein Nebenbild der Hel erfannten: fie ift die im Waßer mohnende Tor 
desgättin. Ihr Gatte Degir würde dem männlich gedachten Hel S. 320 
entfprechen, dem unterweltlihen Odin; als Meergott hat Degir in Niördhr 
fein milderes Gegenbild. Das Schwert, das nah dem Egenlied einft 
NRuodlieb befaß, Tann dasſelbe fein, das Freyr oder früher Obin nach Stir: 
nisför für Gerdas Befig hingab. Bei dem Meergott würde ein Schwert 
befremben; aber ver Gatte der Göttermutter muß der höchfte Gott gewefen 
fein, und in feiner Hand bebeutete es, wie wir wißen, den Sonnenſtral. 
Daß dem Degir einft ein Schwert gehört habe, beftätigt das alte Rieſen⸗ 
ſchwert, daß ſich in Grendels Halle findet, 

Mit dem Helm wollten die Aeſtyer den Feind blenden oder fchreden: 
ed war eine zauberhafte Wirkung, die fie dem Symbol der Göttin zus 
trauten, wie in ähnlicher Weife germaniſche Völter, wenn fie in den Kampf 
zogen, Bauberlieder anftimmten, die in den Schild gefungen wurden, 
der nordiſch bardhi hieß, woraus ſich die Meldung des Tacitus von Bars 
ditus erflärt, obgleich diefer nur eine Weikagung barin fah. Bol. M. 
Edda 448. Die Zauberkraft des Helms lag in dem Cberbilde, daß, wie 


840 Helle. Merihus. Mutter. Erde. 8 


wir aus Freyrs golbborftigem Eber Iernen, ein Bild der Gonne war. 
Darum rväth auch Hawamal 130: 

Nicht aufſchauen fol du im Gcjladitgetöfe: 

Ebern ähnlich wurden oft Menfchenkinder; 

So aber zwingt dich fein Zauber. 


Gullinburſti hatten wie Edenſachs, vielleiht aud Cdenhelm, Zwerge ge 
ſchmiedet (S. 173); er hieß auch Hildiſwin, was an Hildegrin erinnert. - 
Außer den Aefiyern trugen aud dieAngelfahfen das Eberbild auf dem 
Helme (Myth. 218); ob zu Chren des Gottes, wißen wir nicht: daß fie 
den Feind damit zu fehreden meinten, zeigt der Name egisgrima (Schrel: 
tenzlarye), wenn er nicht auf den Meergott Degir zurüdweift. 

Der Bezug auf die Sonne, den wir ſowohl bei dem Helm der Göt: 
termutter, als dem ſich banebenftellenden Schwert gewwahrten, deutet darauf, 
daß beide Symbole nicht ſowohl ihr als ihrem Gemahle gehörten. Nur 
bei dem Helm kann man zwiſchen ihm felbft und dem darauf angebrachten 
Eberbild unterſcheiden. Wenn aber der Helm ünſichtbat machte, und ald 
grima, bie den ganzen Leib verhüllt, mit dem Helmantel zufammenfält, 
der auch in Odins Beſih erſcheint, fo ift auch Er als ein gemeinſchaftliches 
Eigenthum de3 uralten Götterpaares anzufehen. 


9%. Nerthus. 


Von andern fuebifhen Völtern, worunter die Angeln und Weriner, 
wie es ſcheint aud die Langobarden, wißen wir aus Tac. Germ. 40, 
daß fie die Mutter Erde unter dem Namen Rerthus verehrten. Ber 
rühmt ift die Schilderung von ihrem Auszuge unter die Bölter (invehi 
populis), benen fie Frieden und Fruchtbarkeit brachte. Auf einer Juſel 
des Weltmeerd lag ein heiliger Hain, darin warb ihr Wagen bewahrt; 
ein Gewand verhüllte ihn: nur der Priefter durfte ihn berühren. Apate 
diefer die Gegenwart der Göttin im Heiligthum, fo begleitete er fie, die 
von zwei Kühen gezogen ward, ehrerbietig. Dann find frohe Tage, Alles 
Ihmüdt ſich feftlih, wohin fie zu zieben, wo fie einzulehren würdigt. Der 
Krieg ruht, die Waffen ſchweigen, alles Eifengeräth wird verſchloßen; Fries 
den und Ruhe, bie fie fonft nicht lermen, find auf fo lange willlonmen 
bis die Priefter die des Umgangs mit den Gterblihen erjättigte Göttin 
dem Heiligthum zurüdgiebt. Dann wird Wagen und Gewand, ja die 


% 98. elle. Alrdn. Guiinburft. 841 


Göttin felbft, mern man es glauben mag, im geheimen See gebabet, der 
fogleih die Knechte verjhlingt, die dabei Hand geleiftet hatten. 

Wir erfahren nit, wie der Wagen der Göttin auf das fefte Land 
gelangte, wo doch bie ihrem Dienft ergebenen Völler wohnten. Iſt diefer 
Bagen zugleih ein Schiff? Jedenfalls find es fuebifche, meeranwohnende 
Böller, die ber Grogöttin dienen. Aber aud die Aefiyer wohnten am 
Meereöftrand, fie werden gleihfall® zu den Sueben gerechnet, und bie 
Frage liegt nahe, ob die Göttermutter, welche fie verehrten, diefelbe Göttin 
fei, welde wir hier als Nerthus finden. Die allnährende Erbe, die Mut⸗ 
ter der Menfchen, darf wohl auch ald Mutter der Götter aufgefaßt wer⸗ 
den. Einen ftarfen Beweisgrund gewährt aber, daß aud Freyr (Fr), 
auf den uns ſchon jene Göttermutter durch die Eberbilder hinwies, im 
Frühjahr auf einem Wagen, ven feine junge fhöne Priefterin begleitete, 
dur das Land zog: das Volk ftrömte ihm entgegen und bradte Opfer; 
dann Härte ſich das Wetter und Alle hofften fruchtbares Jahr, Myth. 194. 
Auch feine Schwefter Freyja hielt folde Umzüge, wenn man von Holda 
(Ryth. 246) und der h. Gertrud $. 110, deren Dienft den ihrigen er» 
fegte, auf fie zurüdicließen darf; daß fie Odur zu ſuchen unter die Völter 
fuhr, wird uns D. 35 ausdrüdlich gemelvet. Wie wir die Eberbilder bei der 
Göttermutter fanden, die doch eigentlich ihrem Gemahle, dem Sonnengotte, 
gehören follten, jo wird der golbborftige Eber, fonft Frey: Symbol, im 
Hymblulied au der Freyia beigelegt. Wenn fie darin der Göttermutter 
gleicht, fo ift ihe Verhältnifs zu Nerthus noch viel deutlicher: dieſe muß 
ihre Mutter fein, da Niörbhre ihr Vater ift, und wir Grund haben zu 
glauben, daß der im Norden Niördr geheißene Gott der bei Tacitus uns 
genannt und unerwähnt bleibende Gemahl der Nerthus war. Ebenſo uns 
erwähnt und ungenannt bleibt in der Edda bie Mutter Freys und Frey 
jas, die Gemahlin Niörds, von ber er ſich bei der Aufnahme unter bie 
Afen ſcheiden mufte, weil fie feine Schwefter war und es bei den Aſen 
nicht für erlaubt galt, fo nah in die Verwandtſchaft zu heiraten. Diefe 
Meldung findet fi) Ynglingaf. c. 4, und Vegisbr. 36 wirft Loli dem 
Niörbr vor, er habe den Freyr mit der eigenen Schweſter erzeugt, Da 
die Geſchwiſter Freyr und Freyja gleihlautende Namen haben, fo laßen 
ſich ſolche auch bei ihren Eltern erwarten: fie werden beide Nerthus (goth. 
NairDus, ahd. Nirdu) geheißen haben. Ueber vie Bedeutung des Namens 
ift man nicht einig; nur daß er auch bei den Kelten vielfach vortommt und 
Kraft bedeutet, ift $. 59 bemerkt. Häufig wird man in deutſchen Sagen 


240 Helle. Bhedi. Selcquittreden vn. 


au die Jaſel ver Rerthus erinnert, vom ihr felb wird dann zur als 
von einer Gräfin in ſchwarzer Kutfche geſprochen, ba man der Göttin ger 
ſchweigen mußte. Bol. Emil Sommer Eagen Rr. 26. Kuhn WE. dla 
und $. 143. 4 unten. Gehr ähnlich wird ihr oft Frau Holle, vie an 
gleich ihr im Wagen fährt; nur pflegt fie im Teiche, zumeilen aud im 
Berge zu wohnen Mit. der Hel verwandt zeigt ſich Nerthus nicht ım- 
wittelbar, wir müßen erft daran erinnern, daß Niörbhr, ihr Gemahl, 
fh am Geſang der Schwäne ergehte, die wir aus $.90 als unterwelts 
liche Vögel tennen. Auch daß er in Noatun (Shiffäftadt) wohnte, deutet 
auf ihre Cinbeit mit der Iſis $. 110, zumal und fon ihr Wagen zw 
aleich ein Shifi fhien, wie das Schiff der Iſis zugleich ein Wagen war. 


99. Niördhr und Skadhi. 


Der deutſche Stamm, welcher die Verehrung ver Waneugötter Riöcke, 
dreyr und Freyja hergebracht hatte, hielt aljo gleid den alten Römern, 
deren ehennamige Götterpaare (mie Liber und Libera) zugleich Geichwilter 
pa fein pflegen, die Chen unter Geſchwiſtern, wenigfens bei ihren Göttern, 
für weanftößig Da Tacind hie Verehrung der Göttermuiter won ben 
ſuebiſchen Heftyern meldet, wie er aud die Völler, melde die Rerthud ver 
ehtten, zu ben Sueben ftellt, fo hat die Bermuthung Schein, daß es dieſer 
Stamm. war, welcher ven Wanen Aufnahme in das nordiſche Götterfgftem 
werkhaffte. Bu den Sueben werden e. 44 aud die Suionen geredmel, 
die Vorfahren der heutigen Schweden; und wirklich finden wir den Diet 
der Wanengötter noch fpäter bei den Schweden vorherſchen. Wie Riärbe 
und Nerthus Geſchwiſter und Gatten zugleich waren, fo mochten audı 
Freyt und Freyja bei den ſuebiſchen Stämmen als Gatten gedacht wer 
ten. Judem aber fie fowohl ala ihr Bater Niördhr, nicht aber Nexihuß, 
under die Afengötter aufgenommen wurden, jo konnten fie mın wach Löfeng 
jener den. weftlichen Germanen anftöpigen Gefhwifterehen in Aögeeb 
neue Verbindungen eingehen. Rjörbr vermählte ſich der Elabi, der Tochter 
des Niefen Thiaſſi, welchen die Afen getöbtet hatten ($. 31), wofie Sladi 
non den Göttern Grfag une Buße verlangte. Wiederum lam ed hier me 
einem Vergleich, demgemäß fih Glabi Einen der Götter un Gemahl 
mählen follte, ohne jedoch mehr als hie Füe von Denen zur ehem, umler 
tmelhen fie zu wählen hatte. Da fah fie eined Mannes Züpe walktammen 
ſchoͤn und rief: Dieſen wahl ih: Valdur iM ohne Fehll Aber & mar 


m. Helle. Bhedi. Dun Laden bringen. 33 


Re dam Renten, D. 56. Rad D. 23 war indves dieſe Ehe Keine glaa⸗ 
lhe. Giabi wollte wohnen wo ihr Water gewohm hatte, auf den Fetjen 
von Thrymheim; aben Niörd wohte fi bei der Ges auſhallen. Da ver⸗ 
einigten fie ſich dahin, daß fie neum Nächte in Thrymheim und har ars 
dere rei in Noatun fen wollten. Uber da Niördr von den Metzger nady 
Roenm gurudiehrte, fang er: 


Leid find mir bie Berge, nicht lange war ich dort, 
Nor neun Nächte. 
Der Wölfe Heulen danchte mid, widrig 
Gegen der Schwane Singen. 
Aber Stadi fang: ’ 
Nicht fchlafen lonnt ich am Ufer der See 
Bor der Bügel Singen. 
Da wedte mid vom Waßer kommend 
Jeden Morgen bie Möwe. 


Da eg Sladi nad) den Bergen und wohnte in Thrymheim. 

Gtadi haben wir ſchon bei Uller als eine Wintergättin atam. 
Der ihr varch eine Art Looßung zugefallene, ungemäße Gemahl muß sim 
fonnmerlicher Gott ſein. Darauf derlen ſchon die neun Nächte, weihe 
Rider in dem ragen Thrymheim zuzubringen geriätbigt wird: eb find 
vie neun Wintermonate des Nordens. Ihnon gegenüben Reben drei (aicht 
wem) Sounnernonate am lanen Geegeftade, wo Njerdr feine Wohnung 
bat. Dasjelbe Schwanken zwifhen neun und drei Rächten kehrt übrigens 
auch D. 37 imd SArmisför 41. 43 wieder und auch bien bedruten die 
Nähte eben fo viel Monate. Bel. ©. 337. 347, 

Stavi heißt Dendurdis, vie Sqhlittjchahlauferdn; fe hat hten Auj⸗ 
erchalt in Thrymheim, den rauhen winterlihen Bergen, mo man nur die 
Wölfe heulen hört md diefer Aufempalt gefiek ihr befer ais Noatun vie 
Schiffsſtatte, wo ihr Gemahl Rjörbr fi am Geſang der Schwane ergepte. 

Eine andere Bebingung, weihe Stabi ven Göttern Reikte, gab dieſen 
anf, es dahen zu bringen, daß fie lach en müße. Wie dieß Loft zumwege 
bradhte, mag man D. 57 nachleſen. Wir fehen diefelbe Aufgabe in einer 
Reihe Marchen nicht bloß deutſcher, ſondern allgemein verbreiteten, geftellt; 
ich ertumee auch an Gunmaneme tm Parzival. Dieſer noch mrentväthfelte 
Bug erllact ſich ans unferm Nythus. Die Wirtergökin if es, die zum 
Lachen gebracht werden muß, wer fie erloſt werden und bei Walhails 
fonnigen Göttern wohnen fol. Wenn vie Wintergöttiw lacht, fo ſcheuli 


844 Helie. Stabi. Koſenlachen. 5.9. 


das Eis und der Frühling ift gelommen. Damit wird das Roſenl ache n 
Myth. 1054, Schönwerth III, 315 zufammenhängen. So haben aud) Zwerge 
teine Gewalt mehr über und, wenn man fie zum Laden bringt, Bel. Fr. 
Müller Siebenb. S. p. 31. Daß es Loti if, der Skadi zum Lachen bringt, 
iſt nicht befremdend: haben wir ihn doc auch fchon in dem Mythus von 
Smadilfari und in der Thrymslwida als Frühlingswinb Tennen gelerat. 
Auch die unfaubere Art, wie er es ausführt, paſst zu der Unteufchheit, 
deren er fih in Degispreda felber beſchuldigt. Da aber fonft lein Ber: 
bältmifß zwiſchen Gabi und Loli befteht, fo könnte er hier an Njords 
Stelle getreten fein, der nach dem Obigen einft ein Sonnengott war. Als 
folder führt er den Frühling herbei, indem er bie winterliche Erbe zu 
laden zwingt und die Welt mit Roſen zu bevölfern. Es konnte von 
Nijördr aber nicht erzählt werben, weil der aud in unfern Märden wier 
derfehrende Bug, daß fie ihn unter vielen wählte ohne mehr won ihm zu 
fehen al die Füße, ihr Verhältnifs zu ihm anders eingeleitet hatte. Go 
fehen wir in Njords und Gfadis Mythus dieſelbe Grundlage wie bei 
Freyt und Gerda, Odin und Rinda, u. f. wm. Ya was hier von Rjoͤrds 
zweiter Gemahlin erzählt wird, Tonnte urfprüngli von ber erflen gelten. 
Nerthus verjüngte fih in Freyja und aud von diefer fehen wir in Fidl⸗ 
fwinsmal im Weſentlichen venfelben Mythus wiederlehren. Für Stabi 
. ergiebt ſich aus diefer Betrachtung, daf fie im Grunde mehr tft ald eine 
Bintergöttin, obwohl fie gleich ver Rinda zunäcft als folde erſcheint, 
und die Edda auch fortfährt, fie ald ſolche zu behandeln, nachdem fie 
ſchon zum Lachen gebracht ift, denn obgleich fie nun in Asgard weilt und 
ſelbſt Thrymheim, ihres Vaters Wohnung, jept aus Riefenheim nad As- 
gard verfegt ift ($. 21), läßt die Edda num erfi die Erzählung von ihrer 
unglüdlien Che mit Njörbr folgen, bie fie und noch als Wintergöttin 
ſchildert, nachdem fie längft die rauhe Schale abgeworfen haben follte. 
Diefer Widerſpruch, in den fih die j. Edda verwidelt, hindert uns nicht, 
auch in ihr eine Nebengeftalt der verborgenen Erdgöttin zu erlennen, bie als 
Gerda, als Idun, ald Rinda, ald Gunnlöd gleih den verwünfchten Jung ⸗ 
frauen der deutſchen Vollsſage aus der Haft der Winterriefen erlöft fein will 
Wenn fih ihr Odin fpäter vermäßlte, fo follte damit urſprünglich 
wohl nur der Eintritt des Winters bezeichnet werden. Nach Hugliga. c. 4 
zeugte er mit ihr den Säming, dem nad $. 62 (6. 190) Norwegen, das 
kalte Sand zufiel. Säming heißt er als Frievenbringer, weil in bem lal⸗ 
ten nordiſchen Winter die Waffen ruhen, 


8.9. Helle. Asatun. 35 


Do nicht bloß ein ſommerlicher Gott war Njördr: als Gemahl ver 
Göttermutter, die und 8. 98 mit der Nerthus zufammenfiel, hatte er 
die Sonne zum Symbol, S. 340, und feinen Sohn Freyr fahen wir uns 
ſchon ©. 68 genöthigt, als Sonnengott aufzufaßen. Auf das Meer kann 
alfo Rjörbr urfpränglih nicht beichränkt geweſen fein: er war ein Vater 
der Götter in einem andern, aber verwandten Götterfoftem, denn mir fins 
den ihn der Mutter Erde vermählt, wie Odin in erſter Ehe der Jord, 
der Mutter Thoͤrs. Nah dem Formali der Edda hat er die Menſchen 
in Weinbau und Aderbeftellung gleich einer Erdgottheit unterwiefen und 
nad Ynglingaſ. 11 glaubten die Schweden, er gebiete über die Jahres⸗ 
ernte und den Wohlftand der Menſchen. Hiermit fteht fein Bezug auf 
das mur in den Sommermonaten ſchiffbare Meer nicht in Widerſpruch: 
fein Dienft gieng von meeranmohnenden Vollern aus, die im Waßer den 
Urfprung der Dinge ahnten. Bei der Aufnahme unter die Afengötter büßte 
‚er einen Theil feiner urfprünglien Bedeutung ein; doc fteht er noch 
immer an der Spihe der Wanengötter, und aus bem Weſen feiner Kinder 
darf auf das feinige zurüdgefchlogen werden. . 

Die j. Edda kennt ihn faft nur nod als den Gott des beruhigten 
Meeres. ‚Er beherſcht den Gang bes Windes und flillt Meer und Feuer; 
ihm ruft man zur See und bei der Fiſcherei an. Er ift fo reich und ver 
mögend, daß er Allen, welche ihn darum anrufen, Gut, liegendes ſowohl 
als fahrenves, ertheilen mag.’ Die Einmiſchung bes Feuerd bezieht ſich 
wohl mur darauf, dab Waßer das Feuer loͤſcht. Der Name feiner Wobs 
nung Noatun bebeutet Schiffftätte. Als Meergott ift er milder als Degir, 
in welchem das Meer in feinen Schreden aufgefaßt ſcheint. Der Schredens- 
helm, den wir bei beiden Meergöttern fanden, beweift nidt, daß ber fried⸗ 
liche Wanengott auch einft eine ſurchtbare Seite hatte. Bei Njörbr mar 
er das Symbol der Sonne; in Degirs Befig, defien Name felbft Schreden 
beveutete, mochte man ihn auf die Gefahren des winterlichen Meeres deu⸗ 
ten. Die Götterjage meiß indes nicht, daß er ihn beſaß; mir ſchließen 
nur darauf, weil er von Ede, der ihm in ber Heldenfage entfpricht, auf 
Dietrich übergieng. Aus Fafnirs Erbe erhielt auch Sigurd ben Degis⸗ 
beim, vor dem alles Lebende ſich entſehte. 


100. Freyr (Wr) 


Freyr, Rjordhs ‚nüßer! Sohn, ver über Regen und Gomnenfhein 
uns das Wachsthum der Erde maltet, ven mar anrafen foll um Frucht ·⸗ 
barkeit und Frieden, wer auch ein Got ver Welluft und des Chefegens 
tft (Ayth. 193), beſaß, vielleicht aus dem Erbe der Wurtter, mit melden 
er auch gleiche gottesbienftlihe Ehren empfing (S. 341), wen goldborſtigen 
Eber. Als Symbol der Sonne gehörte aber Gullinburfti eigentlich dem 
Sonnengott, mad in biefer Warde folgte Freyr unter den Women feinem 
Bater Niörbr (6. 341), ja bei feines Aufnahme unter bie Aſen warb fe 
ihm belafen, während fie fih bei den aſiſchen Sonnengöttern, Dyin amd 
vieleicht Heimdall, verbunfelte. Wir erfehen wie waraus, daß ber My 
thus von Skimisför, der einft von Odin gegolten haben mufte (6. 203), 
mm auf Freyr Übertragen ward. Ein anderes Symbol gleicher Bebeutung, 
der Sonnenhirſch, wird & 108 beſprochen, und Freyts drittes Aleinod, 
das Schiff Stidbladnir, ſchon ſogleich. 

„Ueber Regen und Sonnenſchein ımb das Wachemhum ber CErve ge 
bietet Freyr als Sonnengott; als folder befigt er auch Mipeim, die Woh- 
nung der Lichtalfen; als Gormengott fepte er ſich auf Hlidſtkialf, Odtac 
Hochſth, und in die ZJulzeit, we die Some fid) verjängt, fällt fein Fe. 

Seine Abrigen Cigenfchaften, und namentfich feine friedliche Ratar, 
find das Erbe aller Wanengötker. Daß er fein Schwert weggab, fönie 
fo werftanden werden, als babe er bei ver Aufnahme unter die Aſen feine 
kriegerifche Natut eingebüßt. Daß fie aber je in feinem Weſen gelegen 
hätte, läßt ſich weder aus dem Schwert, noch aus ven ſchrecenden Eberr 
bildern, die er mit der Göttermutter gemein hat, erweifen, da fie beide 
nur die Sonne und der Sonnenſtral bebeuten, 6. 340. Wie Nerthus ven 
Voͤltern neben der Fruchtbarkeit Frieden brachte, wie der Krieg ruhle, die 
Waffen ſchwiegen wohin fie am und alles Eifengeräth verfhlopen ward, 
fo duldete auch ihr Sohn, dem man den Frodefrieden zufchrieb, in feinem 
Tempel zu Thwera keine Waffe; fein Mörder, kein Geaͤchteter, die ſonft 
in Tempeln Zuflucht fuchten, durfte das Heiligthum entiseihen. Seine 
friedliche Natur Tiegt aud in feinem Bezuge zu Gel, woven $. 101, vom 
die Unterwelt ift eine friedliche Welt, da ift aller Streit zu Ende, während 
in Walhall die Einherier täglich) zum Kampf ausreiten. Heimskr. Haraldſ. 
co. 16 ift unter Freys Spiel’ nicht etwa der Krieg gemeint, ſondern das 
Julfeft: fonft zu Freys Ehre am häuslichen Heerde begangen, foll es dieß ⸗ 


% 100. Fto. Dradenkampf. Aunbladait. 347 


mal auf einem Wilingäzuge gefeiert werben. Wemn ex als Dracenlämpfer 
erſcheint, fo bezieht fh das auf feinen Sieg über Beli, ver in Glimisför 
freiiih nur als Niefe gedacht ift; aber Drachen wandeln fi in Rieſen 
und in den Sagen bei Saro, welhe W. Müller Ziſchr. II, 43 beſpricht, 
war der Rieſe der Frühlingäfürme wie in der Sigurdsſage als Drache 
dargeftellt. Aus denſelben Sagen ergiebt fi, daß Sigurd nur eine Vers 
jüngung Freyrs war, ber in der dritten berjelben unter dem Namen Alf 
auftritt, weil ihm Alſheim, das die Sonne bedeutete, zum Bahngebinde ge> 
ſchenkt worden war. Wenn Alf Hialpreds Sohn in der Edda und Wölfungar 
ſage als Sigurds Gtiefvater erſcheint, jo fol damit nur angedeutet wer⸗ 
den, daß Freyts (US) Dradenlampf auf Sigurd wererbt fei. Hialpred, 
deſſen Name, wie ſchon M. Rieger vermuthete, aus Alfrek entfieit ſcheint, 
wird gleichfalls wie Alf den Lichtelfenlönig bedeuten. Sigurds Dienſt ⸗ 
barfeit, auf die man jo großes Gewicht gelegt hat, iſt in der Eda nur fein» 
bar und von ihm felbft Fafnismal 8 geleugnet; in Betreff Siegfrieds wird 
Ge in den Nibelungen us vorgefpiegelt: 


Er (Gunther) nahm es nicht als Dienft an wie oft er Giegfrieben ſah. 


Die triegerifhen Gelühbe, die man zur Julzeit auf den Gühneber, 
wenn er nicht Sonneneber beißen muß, ablegte, ſollten noch in vemfelben, 
eben mit der Wiedergeburt der Genne beginnenden Jahre ihre Crfüllang 
finden, unb fo mögen auch fie nidt beweifen, daß dreyr je ald Krieg 
gott gedacht ward. Wie wir ben Hugſchapler fogar auf wen Pfauen ſchwö⸗ 
tem fehen, legten fie die Angelſachſen auf den Schwan ab (R. A. 980) 
den wir wohl nad; dem obigen Gefange Rjordhs 6. 343 ald ven ihm 
gebeiligten Vogel (nles gratissima nautis Myth. 1074) zu faen haben; 
das erläutert ſich theils aus dem Bezug biefer Gelübbe auf Gerfahrten, 
theila aus der weientlihen Ginheit bed Sohns mit dem Water, vie ſich 
auch an dem anderen Kleinode Freys, dem Schiffe Slidbladnir, erweiſn bat 
mis immer günfigem Fahrwind Meer und Luft befuhr und ſich zuſam ⸗ 
wenlegen ließ wie ein Tuch, daher es auf bie Wollen gedeutet worden iſt. 
welche beim Gintritt günftiger Witterung leicht im Luft zerfliegen. Noch 
jet werden Woltenbildungen Säiffe genannt, und Schiller nennt die Woi ⸗ 
ten Segler der Lüfte. Auch bier berühren fi Rjöcde und Zreye als 
Ehiffahrtägätter mit Odin, denn dieſem wird Heimskt. I, 7 Stidblad ⸗ 
nit zugeſchriebez. Mit Skeot, der im Sehiffe ſhlafend and der Unten 
weis gefahren. kommt un in bemfelben Schiff un mit gleicher Aus ⸗ 


38 Seo. Hadding. Begahid. 8. 100. 


Rattung aud wieder dahin zurüdfehrt, lann ihn aber der Befig Stidblad⸗ 
nirs nicht gleichftellen, denn dem Skeaf ift e8 weſentlich, daß er noch ums 
geboren gefahren lommt, und zwar wie wir aus der Vergleihung mit ber 
Schwanenritterſage fehen, um einen Rampf zu Kämpfen, benfelben Kampf, 
‚ven in der Edda der laum geborene Wali kämpft. 

Freys Name fheint aus einem Beinamen Niörb3 erwachſen, der 
ihn als den Herrn (goth. fräuja) bezeichnete, Myth. 190. Der Name könnte 
auch Odin meinen: um fo leichter erflärt fih die Vertaufhung der Sonnen⸗ 
götter und die Mebertragung des Mythus von Sfimisför von Odin auf 
Freyt. Auch daß diefer nach abweichenden Genealogieen Myth. 199. 322. 
Dpins Sohn oder Ahne ift, kann hiermit zufammenhangen. Die in biefen 
Geſchlechtsreihen erſcheinenden Namen find wie Fridhuwald mit Frieden 
zufammengefegt, und wenn ſich daneben Foltwald zeigt, wie Freyr Sfr 
nisför 3 volfwaltender Bott heißt, wobei der Einfluß der Alliteration in 
Anſchlag zu bringen ift, fo muß biefer jedem Fürften geziemende Rame 
nicht gerade den Feloheren meinen. Freyjas Himmelswohnung Follwang 
deutet auf die Menge des Volls, vie bei ihr Aufnahme findet, und auch 
bei Freyr wird uns dieſer Bezug auf die Todtenwelt begegnen. ” 

Freys friedliche Natur zeigt fih aud in den f. g. Freyshelden, in 
welchen ſich das Weſen des Gottes verjungt. Bei Saro erſcheinen mehr 
rere an Freys Namen anlklingende mythiſche Könige, unter welchen Frieden 
und Fruchtbarleit herſchte. Sie führen meiſtens Namen, die von dem Freys 
abgeleitet find, oder in benen der Begriff des Friedens hervorgehoben if. 
Der berüpmtefte iſt Frotho (Frödi), der Sohn Habbinge, der das Fröblöt, 
ein Freysopfer, einfegte. Bon Habbing und feiner Gemahlin Regnhild 
wird bei Sao (Müll. 53 ff.) erzählt was die Edda von Niörbr und 
Stadi berichtet, ſowohl die verbedte Wahl des Bräutigamd, defien Füße 
nur fihtbar waren, als die Scheidung; ja die Lieber, melde bei diefer 
gefungen wurden, tehren in lateiniſcher Weberfegung wieder. Regnhild 
hatte Habbing geheilt, und ihm babei einen Ring in ben verwundeten 
Schenkel gelegt. Daran erkannte fie ihn hernach, als ihr von dem Vater 
verftattet wurbe, unter ihren Freiern blindlings zu wählen. Diefen Had⸗ 
ding weiß ich mit den beiden Haddingen $. 92 nicht zu verbinden. ber 
ſchon vor dem Friedensſchluß zwiſchen Afen und Wanen war ihnen wohl 
Viele gemein, und am Wenigften kann es befremben, wenn wir Wanen ⸗ 
mythen bei einem der Lichtgötter Baldur und Mali wiederfinden. 

Bon Frodi ſelbſt erzäplt die Skalda c. 43, bie ihm abweichen von 


5. 100. Fra. Senja und Menje. Mühlenweg. 3 


Saro zu Frivleifs Sohne, Odins Urentel macht, zu feiner Beit habe Friede 
in der ganzen Welt geherſcht und die Sicherheit fei fo groß geivefen, daß 
ein Goloring lange Zeit unberührt auf Jalangershaide lag. Zwei Rieſen⸗ 
mägde, Fenja und Menja, ließ Frodi von dem Schwerentönige Fiölnir 
Taufen und fegte fie in die Mühle Grotti, welche Alles malte was ber 
Müller wollte. Erſt befahl er ihnen Glück und Frieden, dann aber Gold 
zu malen und vergönnte ihnen aus Habgier nicht längere Frift fih zu 
ruhen als bis ein Lied gejungen werben könnte. Da follen fie ipm das 
Grottenlied' (M. Edda ©. 348) gefungen haben, und ehe fie von dem Gefange 
ließen, malten fie ihm ein feindliches Heer, fo daß in der Nacht ein Seelönig 
kam, Myfingr genannt, welder den Frodi töbtete und große Beute machte. 
Damit war Frodis Friede zu Ende. Myfinge nahm die Mühle mit fih, 
jo auch Fenja und Menja, und befahl ihnen, Salz zu malen. ‚Und um 
Mitternadt fragten fie Myfinge, ob er Salz genug babe? und er gebot 
ihnen, fortzumalen. Sie malten noch eine kurze Friſt: da ſank das Schiff 
unter. Im Meer aber entſtand num ein Schlund, da wo bie See durch 
das Müpfteinloh faͤllt (Malftrom). Auch ift feitvem vie See gejalzen.‘ 
D.63. Crinnerungen an diefe Mühle, die auch in das finnifhe Epos 
gebrungen ift, wo fie ald Sampo eine große Rolle fpielt, finden ſich in 
Deutſchland vielfach. Vgl. Colahorn 25.32. 61. Sie muß die Sonne bebeutet 
haben, vie als Rab und weil ihr die Fülle der irdifchen Güter verdankt 
wurde, ala Mühle gefaßt wurde. Der Name Mühlenmweg für die Mile 
ſtraße hängt damit zufammen, vgL Kuhn Herabkunft 114. 116. 

Frodis Zeit erſcheint bienach als die golvene, und mie bei den 
Aſen das Golvalter und die Unſchuld der Götter durch die Habſucht ver⸗ 
loren gieng, die zur Schöpfung der Zwerge verleitete, fo ſehen wir. hier 
von dem Wanengotte, der in Frodi hiſtoriſiert ift, gebichtet, er habe den 
Frieden und die goldene Beit durch Goldgier verwick. Belannt if, wie 
Frodi ala Fruote in die deutſche Helvenfage übergieng. B 

Freyt heißt Degisdr. 8. Yngwi⸗Freyt, was mit dem agf. Frés 
Ingvina verglihen, Herr der Inguine beveuten fann. Das norwegiſche 
Aonigsgeſchlecht der Pnglinger leitete von Ingwi⸗Frey Urfprung und Ramen. 
Fiele er hiernach mit Inguio, einem der Söhne des Mannus, zufammen, 
fo träte er in eine ber älteften Trilogieen ein, die und überliefert find. 

Eine Berjüngung Freys war auch Fiölnir, von dem Gnorri I, 14 
erzählt, wie er über die Schweden und den Reichthum Upfalas geherſcht 
babe. Frodi wohnte damals in Hlevra (Seeland); fie waren beide gute 


850 Seo. Siölnie. Sonnenuntergang. 8. 101. 


Freunde und beſuchten einander. Ziölnir fuhr einmal zu Frodi; da warb 
ein großes Gelage angerichtet und weit umher Gäfte geladen. Frodi hatte 
ein große® Haus; da wurde ein großes Faß gemadt viele Ellen hoch 
und mit vielen Banbreifen verbunden. Es fland in einer Unterftube, 
aber oben darüber war das Obergemach mit einer Deffnung in ber Diele, 
durch welche man das Getränk von unten heraufpolte. Das Faß war 
voll Meth und warb da über die Maßen ſtark getrunfen. Gegen den 
Abend wurde Fiölnir in das darüber liegende Obergemach gebettet und 
fein Gefolge mit ihm. In der Nacht gieng er hinaus auf die Diele 
und mar feiner Sinne nit mehr mächtig. Als er zurüdfehrte, trat er 
fehl, fiel in das Methfa und fand den Tod. In Salmannsweiler wird das ⸗ 
felbe von einem Mönd erzählt, der durch dad weite Spundloch des großen 
Faßes fiel und ertranl. Aud bier ift der Mythus von dem Sonnengott, 
der allabendlich in den Fluten des Meeres untergeht, nicht zu verfennen. 


101. Frege und Hel. 


Baldur ward im Schiffe verbrannt; Freyr der Bott fällt erft im 
BWelttampfe: feine Beftattung lönnen wir alfo nicht in Bergleihung zier 
ben. Aber in der Ynglingaſaga wird er als hiſtoriſcher König von 
Schweden gefaßt, und von diefem vermenfchlichten Freyt heißt e8 C. 12, 
er fet krank geworben: ‚Und als die Krankheit überhand nahm, giengen 
feine Mannen gu Rath umd ließen Wenige zu ihm kommen; fie errichte: 
ten aber einen großen Grabhügel und machten eine Thüre davor und drei 
Fenſter. Als er aber geftorben war, trugen fie ihn heimlich in den Hügel 
und fagten den Schweden, daß er lebe und bewachten ihn drei Winter 
hindurch. Alle feine Schäge aber bradten fie in den Hügel: dur das 
eine Fenſter das Gold, durch das andere das Silber, durch das britte 
das Kupfergelo. Es blieb gute Zeit und Frieden.’ 

Dbgleih Snorri das KHügelalter im Vergleich zum Brennalter erft 
mit Dan, dem Prädtigen, beginnen läßt, fo Müpft er doc felbft (Borr. 
4) den erſten Urfprung ber Sitte bie Todten zu begraben an Freyt, 
alfo an die fo eben mitgetheilte Erzählung. In den Berg, in den Hügel 
gehen, heißt ſeitdem Sterben. In der Saga Harald des Schönhaarigen 
Gap. 8 geht König Herlaug mit 12 Mannen in den Hügel, weil er ſich 
der Alleinherſchaft Haralds nicht unterwerfen wil. Gerade fo geht nad 
der Gage vom Scherenzerwalde der Welfenherzog Eticho mit 12 Mannen 
in den Berg, um des Kaiſers Vaſall nicht zu werben. Per Mon. VI, 761. 


% 101. Fre. Bergentrükung. Segräbniß. 861 


Da das Hügelalter dem Brennalter folgte, fo könnten bie Wanen ben 
Aſen gegenüber ein jüngeres Geſchlecht jheinen. Die Bergenträdungen 
der fpätern deutſchen Enge Hingen bier an: die Lieblingähelven unſeres 
Volls, Siegfried, Karl der Große, Wittelind und Friedrich find ihm nicht 
geftorben (si sagen er lebe noch hiute), fie find in den Berg gegan- 
gen und ſchlaſen dem Tag der Grlöfung entgegen. Mythiſch ausgebrüdt 
heißt das: fie find in der Unterwelt, bei Hel, der verborgenen Göttin. 
Sie ift aber zugleich die Todesgöttin, unb Panzer hat die Felſengange 
der deutſchen Burgen, in welchen die Schloßjungfrau um Erlöfung feufst, 
als Begräbnifsftätten nachgewieſen. Jener Schlaf ift alfo nur infor 
fern nicht der Todesſchlaf, als nod ein Erwachen, eine Erlöfung als möglich 
gedacht wird. Die Wanengötter, die im Winter für geftorben gelten, er 
wachen im Frühjahr; aber für die in den Berg gegangenen Helven ift 
Der Tag des Erwachens der jüngfte Tag: fo haben wir aud wieder eine 
Erweiterung, eine Ausdehnung des Jahresmythus auf das große Welten 
jahr. Nun fält auf, daß jene im Berge fchlafenden Lieblingshelven der 
Deutſchen zum Theil an die Stelle von Afengöttern getreten fcheinen, welche 
die Edda doc auf Asgards Höhen, nicht im Berge wohnen Läpt, Allein die 
deutſche Sage hat meift das eltere bewahrt, und es fehlt nicht an 
Spuren gleiher Anfhauung im Norben. So wirb im Eingang ber 
Thromstwida, ala Thor den Hammer vermißste, won feinem Erwachen 
geiprogen. Es war aber der Frühling, der ihn gewedt hatte nach den 
acht Wintermonaten, die in ben acht Naften unter ver Erde angedeutet 
find. Bu vermuthen ift, daß einft fogar Odin, der fih Sig. Aw. 18 ben 
Mann vom Berge nennt, im Berge wohnte, Nach Yngl. 15 wird dem 
Swegdir gefagt, er folle in den Stein gehen, wenn er Odin finden wolle. 
Auch Hadelberg:Wuotan fteigt im Herbft in den Schattenberg hinab, um 
im Frühling zur Erde zurüdzulehren. Kuhn WS. 36. Selbſt D.2 ber 
gegnet noch eine ſolche Spur, denn bier f&lägt dem Gylfi, ba er in 
Dinz Halle gieng, die Thüre hinter der Ferfe zu, was fonft ungähliger 
mal von der Höllenpforte gemeldet wird. Auch trafen wir $. 91 Ufer, 
Dvins Kehrſeite, gleichfalls in der Unterwelt; zugleich ertannten wir S. 
338 Heimbald neun Mütter als Vervielfältigungen Hels; ebendaſelbſt 
lernten wir Widar ald Ddins Sohn und ber Hel kennen: die eddiſche 
Auffaung, wonad die Ajen ihre Wohnung im Himmel haben, kann alfo 
nur eine fpätere fein. Wißen wir hoc auch, daß es zwei Hügelalter 
giebt: eins das dem Brennaltar nachſolgte und ein frühere, das ihm 


862 St. Sromin. Geldſerq. 8. 101. 


vorausgieng. Während des Brennalters, ald man bie Todten nicht mehr 
in ben Berg trug, fondern dem Feuer übergab, deſſen Rauchfäule fie zum 
Himmel empor wirbelte, mag man ſich gewöhnt haben, die Götter und 
Einherier über den Wollen wohnend zu denlen. Dem muften fi nun 
auch die Wanengötter fügen, obgleich ihr Dienft bei einem Volle ent- 
fprungen war, das der älteften Beftattungäweife treu geblieben ſcheint. 

Mit voller Gewiſsheit ift Fro im emgern Deutſchland noch nicht 
nachgewieſen. Das beftimmtefte Beugnifs ift der Gigenname Fröwin, 
der in einem berühmten Gefchledhte wie dem von Hutten ald Borname erb: 
lich war. Das ‚goldene Ferkel‘, das nad thäringifhem Vollsglau⸗ 
ben dem zu Gefichte kommt, der fi) am Chrifttag ber Speiſe bis zum 
Abend enthält, und das ‚reine ſchon bei der Milch vergeljte (verfänittene) 
Goldferh‘, das nah dem Lauterbaher Weisthume bei dem Gericht 
auf Dreitönigstag von den Hübnern rund buch vie Bänke geführt und 
hernach wohl gefchlachtet ward (Myth. 45. 194), zeugt für den Dienſt 
des Sonnengotted, nicht gerade für Freys. Kuhn WE. 331 nimmt an, 
es fei der Berta d. h. Freyja zum Opfer gefallen. In Vinkbuch ward 
das Gerichtsſchwein, ber maialis nacrivus der lex Salica, Rod. I, 191, 
in der Ernte, alfo bei einem Wuotansfeſt geſchlachtet. So giebt es auch 
teine Nöthigung, den nad Gelbrifhem Glauben in der Chriſtnacht um ⸗ 
siehenden Der mit dem Beer (M. 194), vor dem man alles Ader 
gerät in Sicherheit brachte, damit es nicht gertrampelt würbe, auf Frö 
und nicht auf Wuotan oder Phol zu beziehen. Vgl. Kuhn WE. 114. 
Nur ald Gott ver Zeugung, cuius simulacrum firgunt ingenti prispo 

nach dem Ausprud Adams von Bremen, hat ihn Wolf Beiträge 107 fi. 
wahrfceinlih gemacht und Kuhn WS.II, 137 beftätigt. Diefelbe Gott 
beit heißt aber auch Ters; in den hochdeutſchen Faſtnachtſpielen, die ihm 
zu Ehren aufgeführt feinen, Zers, ein Name, den man germ auf Tor 
zurüdführen mödte, der dem Fteyt in andern Trilogieen entſpricht. 

Die Weife, wie Loki die Skadi nad D. 57 zum Lachen bringt, ift 
ganz priapeiſch. Oben S. 344 ift ausgeführt, daß es eigentlich von 
Niord, Freys Vater, hätte erzählt werben follen. Ueber das Bild an der 
Steenport zu Antwerpen vgl. Wolf Beitr. I, 107. Unfruchtbare Frauen 
pflegten e8 zu befränzen, um bald des Mutterglüds theilhaftig zu werben. 
Ebenda werben noch andere belgiſche, wirtembergifhe u. a. Beiſpiele bei⸗ 
gebracht, welche mir nicht alle gleich beweifend ſcheinen, und namentlich 
ÄR das Emenzheimer Bild römifhen Urfprungs verbädtig, wenn gleich 


8. 102. Sto. phol. Heidran. 358 


noch jept unfruchtbare Weiber fi auf diefen Stein fegen, um fruchtbar 
zu werben, 

Daß der Eher Gullinburfti in Deutſchland bekannt war, zeigen bie 
alliterierenden Zeilen in der St. Galler Rhetorik, die ihm gerade fo ſchil⸗ 
dern wie er dem h. Dlaf (Form. S. V, 164) begegnete und wie er nod 
jegt in Schweden und Tyrol umgeht. Vgl. Alpenb. M. und S. p. 54. 69. 
Ueber ven Sper in der Seite vgl. Ziſchr. IV, 507, wo aud der Bezug 
auf den erpmantifchen Eber abgewieſen wird. Scheint uns doch felbft an 
Heidrun die Biege noch eine Erinnerung geblieben, Schöppner Nr. 88. 
Dben ©. 323 ift die Vermuthung angebeutet, daß Phol den Freyr mit 
Baldur vermittelt habe und die burd einen Eher veranlafte Stiftung 
der Klöfter Bolling (Sc. I, 440) und Eberbach ſcheint fie zu beftätigen. 
Jedenfalls erinnert die Cage (Sch. II, 1250) von dem wilden Nitter zu 
Lindum, der lieber felbft in ein Schwein verwandelt fein als von feinem 
Jagbrevier ein Stüd abgeben mollte, und deſſen Sohn dann einen 
Schweinslopf zur Welt brachte, an ven Gott, der in der Geftalt des ihm " 
gebeiligten Ebers zu erfdeinen pflegte, 


102. Sonneneber und Sonnenhirfch. 


Freyr traf in feinen beiden Symbolen mit Odin zufammen ; viel: 
leicht befaß er noch ein dritte, den Sonnenhirſch, ven wir fon bei 
Heimball S. 303 gefunden haben. Als Symbol der Sonne kann er 
allen Sonnengöttern zugeftanden haben. Freyr hätte nur darum nähern 
Anſpruch darauf, weil er nad D.37 Gerdas Bruder Beli, den Riefen 
der Frühlingaftürme, mit einem Hirſchhorn erſchlug, als er fein Schwert 
bintmweggegeben hatte. Unfere Quellen fließen aber bier fparfam und 
trübe: das eddiſche Sölarlisd (Sonnenlied), das ihn in der Unterwelt 
erſcheinen laßt, miſcht ſchon Ehriftlihes mit Heidniſchem. Es heißt da 
Str. 55: 

Den Sonnenhirſch ſah ih von Süden kommen, 

Bon Zwein am Zaum geleitet. 

Auf dem Felde ftanden feine Füße, 

Die Hörner hob er zum Himmel. 
Schon oben warb er mit dem Hirſch Eidthyrnir zufammengeftellt, von 
deffen Geweih die Ströme zur Unterwelt zurüdfließen. In der Sage 
vom Hirſchbrunnen (Müllenhofj 123) hat fi) eine Grinnerung daran im 

Cimzet, Mythologie. 23 


354 Sr. Hirſch. Themas von Exciidonne. Tannhäufer. $. 102. 


Volle erhalten. Eine Quelle mit reinem Waßer, an der eine Dorfichaft 
ſich niedergelaßen hatte, war verfieht. Da gieng ein Jäger Abhülfe zu 
haften in den Wald und fah einen Hirfh mit goldenem Geweih. Cr 
legt an um zu ſchießen; aber aus Mitleid mit dem ſchoͤnen Thiere fept 
er die Büchfe wieder ab und geht nach Haufe. Am andern Morgen fand 
man das Geweih bei der Duelle liegen, die num neu gefaßt werben konnte 
und das jchönfte, heilkräftigſte Waßer gab. 

Eine Reihe deutſcher Vollsfageh, deren ih in ‚Bertha die Spinnerin‘ 
einige verglihen habe, läßt den Hirſch ericheinen, um den nachſehenden 
Jäger an den Abgrund oder gar in bie Unterwelt zu verloden. Bol. 
Wolf Beitr. 100. Graf Eberhard von Wirtemberg traf einen Geift, der 
von Gott erbeten hatte, ewig jagen zu dürfen, und nun ſchon fünfthalb: 
hundert Jahre einen Hirſch verfolgen muß ohne ihn je erreichen zu können. 
DE. 308. Bei Kuhn NS. 281 muß der Haßjäger den Hirfh ewig 
jagen und 325 jagt ihn der Weltjäger. In dieſen Bariationen ber 
Hadelbergfage, wo der Sonnenhirfd an die Stelle des Sonnenebers tritt, 
werben und deutſche Höllenftrafen vor die Augen geführt. In DE. 528 
erfheint der Hirſch dem Freiherrn Albert von Simmern nur um ihm die 
unausſprechliche Pein zu zeigen, die fein Vaterbruder erleidet. Aber die 
Unterwelt hat aud ihre Freuden. Thomas von Ereilvoune der Reimer 
(the rymour), der Dichter und Wahrfager war, verbankte Kunft und 
Wißen der Verbindung mit der Königin der Elfen ober Feen, denn als 
ihn diefe nad) fieben Jahren auf die Erde zurüdtehren Tieß, behielt fie 
ih vor, ihm zu gelegener Zeit wieder zu fi zu rufen. Als er nun 
eines Tages luftig im Thurme zu Greilvoune faß, tam ein Mann herein 
und erzählte voll Furcht und Grftaunen, daß ein Hirſch und eine Hirfde 
tuh aus dem nahen Walde ins Dorf gelommen feien und ruhig auf der 
Strafe fortzögen. Thomas fprang auf, gieng hinaus und folgte den 
Bunderthieren zum Walde, von mo er niemals zurüdtem. Doch if er 
nicht geftorben, fondern lebt nod immer im Feenlande und wird bereinft 
wieber zur Erde zurüdtehren. W. Dönniges Altſchottiſche und Altenglifche 
Balladen, Münden 1852, S. 68. Die Feenkönigin gleicht der deutſchen 
Frau Venus, die 6.315 Juno hieß, und Thomas der Reimer unjerm 
Zannhäufer. So wird in ber Helvenfage Dietrichs endliches Verſchwin⸗ 
den durd einen Hirſch eingeleitet, der ihn in die Hölle verlodt, wobei er 
ſich eines rabenſchwarzen Roſſes bevient, das ſich ihm unerwartet zur 
Seite geftellt hatte. Dasſelbe ſchwarze Roſs erſcheint bei Berfolgung bes 


8. 102. Seo. Hieſch. Stab. hulda. 865 


Hoͤllenhirſches auch Cap. 53 der deutjhen Gesta Rom., wo einem Ritter 
von feinem tyranniſchen Heren, der ihn um fein Grbe bringen mollte, 
aufgegeben war, ihm ein ſchwarz Roſs, einen ſchwarzen Hund, einen 
ſchwarzen Fallen und ein ſchwarzes Jagdhorn zu verfchaffen: wo nicht, 
fo hätte er fein Land verwirtt. Betrübt reitet er durch den Wald; da 
fieht er einen alten Mann über einer Grube figen, einen Stab in der 
Hand. Diefer nimmt ſich feiner an, giebt ihm den Stab und heißt ihn 
gradaus gehen bis er an eine ſchwarze Burg lomme: da folle er in beflen 
Namen, der des Stabes Herr fei, gebieten, daß jene vier ſchwarzen 
Dinge ihm gegeben würden. Gr gehorcht, erhält die verlangten Stüde 
und bringt fie feinem Herrn. Diefer faß nun eined Tages daheim, als 
er plöglih die Hunde bellen hörte. Cr fragte was bad wäre und ers 
hielt zur Antwort, es fei ein Hirſch, dem die Hunde nacfegten. ‚So 
bringt mir her mein ſchwarzes Roſs, den ſchwarzen Hund, den ſchwarzen 
Falten und das ſchwarze Horm’. Das geſchah, und als er den Hirſch 
ſah, verfolgte er ihn auf dem ſchwarzen Roſs, und der Hirfh rannte 
‚gerichtö‘ in die Hölle und der Herr ihm nad) und warb nie wieber ger 
ſehen. Dgl. 6. 197 oben. 

Der legten vielfad Iehrreihen Erzählung fteht Gap. 58 eine andere 
zur Seite, in welcher ber Stab des alten Mannes nicht wie bier die ald 
Qualort gedachte Hölle, fondern den Balaft erfhlieht, wo Ueberfluß ift 
ohne Mangel, Freude ohne Trauer, Licht ohne Finfternifs. Vgl. Muspili 
14. Hier waltet nod ganz bie deutſche Vorftellung von einer Unterwelt, 
die zugleich Lohn und Strafe bietet, 5.336. Der Hirſch zeigt den Weg 
dahin, daß ſchwarze Roſs führt hinein; aber die Herſchaft darüber gehört 
dem alten Maune, in dem Niemand Wuotan verfennen wird, ber nad 
deutſcher Borftellung nicht auf Asgards Höhen, fondern im Berge wohnt. 
In der fpäten isländifhen Huldaſage (Müller Sagenbibl. 363 —366) iſt 
es Odin felbft, der in Begleitung feiner Hofleute Loli und Hönir von 
einem Hirkh in eine fehr entlegene Gegend verlodt wird, wo er zwar 
nicht zu Hel, wohl aber zu Hulda gelangt, die auch noch fonft an bie 
Stelle der Hel tritt. Wie Adenes le Roi die Geſchichte der fabelhaften 
Wutter Karla de Großen (Berthe as grands pies) erzählt, wird Pipim 
durch einen Hiefh dem Walvaufenthalt feiner Gemahlin Bertha zugeführt, 
die ihren vermeintlichen Mörbern für tobt gilt. Statt des Hirſches iſt 
es das andere Symbol der Sonne, der Eber, der ven Grafen Balduin 
von Flandern einer Jungfrau zufährt, die Niemand anders ift als die 


866 Ste. Hirſch. Yeljns. Seljes. . 108. 


Göttin der Unterwelt, wenn fie fi gleich Heljus nicht Helja nennt; 
damit ift fie übrigens deutlich genug bezeichnet: es beburfte Taum, daß 
fie fih dem Grafen, ihrem Gemahl, zulegt als eine Teufelin befennt. 
NE. Wolf 86.. Ein Hirſch ift ed wieder, der nach dem flämifchen Vollsbuch 
vom Schwanenritter den Driant an den Brunnen führt, wo er Beatrig 
findet, die ihm fieben Kinder gebiert; ein Einfiebler, Heli as genannt, 
sieht fie auf, und nach ihm heißt aud der Schwanenritter, der nad) ans 
dern Darftellungen ©. 315 aus der Unterwelt kommt, Helias (Helgaft?). 
Bei einem Brunnen findet Raimund Melufinen, die ihm räth, eine 
Hirfhhaut, des Landerwerbs wegen, in ſchmale Riemen zu zerſchnei ⸗ 
ven. Voltzbücher VI. Ein Hirſch verlodt bei Montanus 1,86 die Heiden 
in den Schacht des Luderichs, bevor der Berg einftürzt. Und damit wir 
nicht zweifeln, daß es der Sonnenhirſch ift, das Symbol der täglich unter 
ven Berg gehenden Sonne, fo ſehen wir in dem von Ettmüller heraus« 
gegebenen St. Oswaldes Leben den Hirih, dem ber Heidenkönig nadfegen 
muß, während St. Oswald feine Tochter entführt, von zwölf Goldſchmie ⸗ 
den (dem Ajen) mit Gold bededt, wogegen er nad dem andern gleiche 
namigen Gedicht unmittelbar aus dem Paradieſe geſandt wird. Vielleicht 
. hängt er mit dem Goldhirſch MM. 54 und WM. 73, ver gleihfalls von 
Goldſchmieden geſchmiedet ift, zufammen. gl. aud den brennenden Hirſch 
in dem Märden bei Colshorn S. 150, wo die alte Frau mit der eifers 
nen Ruthe wie in den entiprechenden Märchen (NM. 60.97) die Hel if. 
So viele Beifpiele, die ſich Teiht nod häufen ließen (vgl. 4. ®. Enentels 
Erzählung von Remus) und wirllid von Andern feitvem gehäuft worben 
find, geftatten” an dem Zufammenhang bes Hirſches mit der Unterwelt, 
die bald ein Gott, bald eine Göttin beherſcht, leinen gZweifel mehr. Darum 
fährt au auf dem Todtentanz der Brüder Meyer, Züri 1610, der Tod 
auf einem mit zwei Hirſchen befpannten Wagen dem Walde zu. Rochh. 
1, 190. Diefer bezeugt auh, daß der Tod im Aargau ben Namen 
Mabirzi führt, wo ala gleih dem altn. allr bebeutet qui vivere de- 
sit. Wörterb. 211. Dft führt der Hirfh nur zu einer fhönen Fran 
am Brunnen; fie ift aber der Unterwelt verwandt unb bie Verbindung 
mit ihr an die Bedingung gelnüpft, daß bie ungleihe Natur des Vers 
bundenen nit an den Tag gezogen werde; Untreue, ja bie geringfte 
menſchliche Rohheit wird mit dem Verluſte des kurzen Glüds, zumeilen 

aud mit dem Tode gebüßt. 
Der Stab de alten Mannes, der dem Stabe der Gridh und der 


8. 108. Ss. Eher. Baden 857 


eifernen Ruthe der Alten gleicht, beftätigt zugleich unfere Deutung jener 
(S. 337) auf die Göttin der Unterwelt. 

An den Gber, der aud beim Julfeft, wo bie Wiedergeburt ber Sonne 
gefeiert wurde, daß Hauptgericht war, Mnüpft fi ein Gebraud, ver den 
Bezug des Gottes, defjen Symbol er war, auf dad Cheglüd darthut. 
Am rothen Thurm zu Wien bieng ein Schinken, der für das Wahrzeichen 
der Stadt galt. Man nannte ihn gemeinhin einen Baden, weil er aus 
dem Hinterbaden eines Schweins beftand. Der Baden follte dem zu 
Theil werben, der beweife, daß er Herr im Haufe fei. Niemand machte 
darauf Anfpruh, nur ein junger Ehemann meldete fih und hatte auch 
ſchon die Leiter beftiegen, den Baden herunter zu nehmen; weil e8 aber 
ein beißer Sommertag war und der Schinken ein wenig triefte, flieg er 
wieder hinab und zog den neuen Rod aus, den er anhatte, denn wenn 
er ihn unfauber made, werde er daheim von feiner Frau übel geſcholten. 
Bol. Bechſt. Defterr. S. p. 5. Hier erfheint die Sache als ein Scherz, 
die Pantoffelhelven zu neden, und fo nimmt fie auch Hans Sachs, der 
ſich viel damit zu ſchaffen macht. Aber die Zeugnifie aus England laßen 
fie ernfthafter erfheinen. An die Gutsherſchaft zu Wichurie in Strafforbs 
fhire ift die Feudalpflicht gemüpft, zu jeder Zeit eine Spedjeite (bacon) 
bereit zu halten für jedes neuvermählte Chepaar, das Jahr und Tag in 
Frieden und ohne Reue verlebt hat. Aber feit dreißig Jahren ift der 
Bacon nicht mehr in Anſpruch genommen worden. Berühmter ald ber 
Straffordfhirer Bacon ift der Dunmower in der Grafihaft Suſſer. Die 
Eheleute, die ihn in Anfprud nahmen, muften einen förmlihen Eid abs 
legen, daß fie bis dahin eine glüdlihe Che geführt hatten :-dann wurden 
fie von der Menge auf die Schultern gehoben und um das Dorf getra⸗ 
gen, ihnen voran der Baden. Die Erwähnung des Gebrauch geht bis 
in das 13. Jahrhundert hinauf, und wenn der Kellner bei Hans 
Sachs fagt, der Barlen hange fhon 200 Jahr, jo ift der Gebraud in 
Deutſchland nicht viel jünger. Bol. Anzeiger 1855 Nr. 3. 4. 5. 


103. Freyia und Frigg (Frouwa und Fria). 


Daß Freyja als Wanengöttin (Vanadts) ihrem Bruber Freyr ver⸗ 
bunden gewefen fei, ſchien und oben wabrſcheinlich. Unter den Afen ver: 
mählte ſich Freyt der Gerda, die aber ald Erdgoöͤttin, der Ninda gleich, 


358 See. Oir. Hpmile. %. 108. 


nur Verjüngung der Hel als Erdmutter, alſo nicht aſiſchen Stammes ift. 
Ob auch Freyja bei den Aſen eine neue Verbindung eingieng, melden 
unfere Quellen nicht außbrüdlih. Wenn fie nad) D. 38 dem Odr ver- 
mählt war, der fie verließ, was ihr goldene Thränen loſtete, fo ift dieß 
nicht auf ihre Trennung von Freyt, dem fie bei den Aſen entfagen mufte, 
zu beziehen; wir haben ©. 221. 243 Ddin in ihm erlannt, und fo er 
ſcheint fie vielmehr ala deſſen Gemahlin. Vgl. ven Nahllang des My: 
thus in der Oberpfälzer Sage bei Schönmwerth IL, 313, wo Waud und 
Freid auf Odin und Frigg zurüdweifen. Die Zeit ber ftürmifchen Brauts 
werbung des ald Jahresgott gedachten Wuotan+Dpr fiel und S. 223 in 
die erften Bmölften, in die andern ihr am erften Mai beginnendes Ber: 
mahlungsfeſt: nach kurzer Verbindung in ber fhönften Zeit des Jahrs 
ftirbt dann Odin ald Hadelbärend von dem Hauer bed Eberd ger 
troffen um Johannis, oder folgt in dem lichtarmen Norden dem Sonnen» 
hirſch in die Unterwelt; von da ab meint ihm Freyja goldene Thränen 
nad oder fährt, den Gntflohenen zu fuchen, zu unbefannten Böltern. 
Diefer Jahresmythus war nicht geeignet, in bem Leben des höchſten 
göttlichen Paares, dad untrennbar verbunden bleiben mufte, den Borbers 
grund zu bilden: man verhüllte feinen Bezug auf dieſe Götter, indem 
man ftatt Odin Odrt als den geftorbenen oder entſchwundenen Gemahl 
Freyjas nannte; für Odins Gemahlin aber gab man nun die Frigg aus, 
fie, die der Freyja fo identifh ift wie Odr dem Odin. Freyja erſcheint 
jept faft nur noch als Göttin der fhönen Jahreszeit und der Liebe, im 
reinen wie im unreinen Sinne. Als Göttin der Frühlingszeit wünſchen 
die Riefen fie nebft Sonne und Mond in ihren Befig zu bringen. Gine 
Göttin der Liebe ift fie noch im evelften Sinn, wenn fie ihrem entſchwun ⸗ 
denen Geliebten goldene Thränen nachweint. Dagegen in dem fpäten ebs 
diſchen Hynblulied fcheint Freyja wenigſtens in den Vorwürfen, die fie 
von Hynbla hinnehmen muf, im unebelften Sinn als Venus libitina, 
vulgivaga gefaßt, und als ſolche ſcheint fie D. 34 den Beinamen Höm 
zu führen. Im Hyndlulied ſehen wir Freyja für ihren Schügling Ottar, 
der in einem Rechtsſtreit um goldenes Erbe und Vatergut begriffen if, 
die höhlenbewohnende Hyndla über deſſen Abftammung und Verwandt: 
T&aftsverhältnifie befragen, denn als dem urweltlichen Geſchlecht der Riefen 
angehörig wohnt ihr aud) von deſſen Geſchlecht, das zu den Helden und 
Göttern hinauffteigt, erwünfchte Kunde bei. Aber nur wider Willen fieht 
ihr Hyndla Rede, und als Freyja zulegt noch verlangt, daß fie ihrem 


8. 108. Sconwe, Gtiar. Dentfhe Hansfran. 869 


Liebling dad Ael der Erinnerung reihe, damit er nicht vergehe was fie 
ihm über feine Ahnen gemeldet hat, wird fie untoillig und ſchilt Freyja: 
Lauf in Liebesgluty Nächte lang 
Wie zwiſchen Böden die Ziege rennt. 

Aber Freyia zwingt fie durch die Drohung, ihre Höhle mit Feuer zu um: 
weben, aud dieſem Geſuche zu willfahren. Ottars Name Klingt jenem 
ODors verwandt, und deſſen Verhältniſs zu Freyja mag zu ber Ginkleis 
dung des Gedichts benugt worden fein; feine Abfiht ift aber nur, bie 
Geſchlechtsreihen der nordifhen Könige dem Gedäaͤchtniſs zu überliefern. 
Darum it Ottar auch ganz menfchlic gehalten: Freyja giebt vor, fih 
feiner nur anzunehmen, weil er ihr vielfach Opfer gefpendet und ein Haus 
aus Steinen errichtet hat, defien Mauern wie Glas glänzen, ‚jo oft träntt’ 
er fie mit Ochfenblut.‘ Dem ſcheint aber Hyndla nicht unbedingt Glauben 
zu ſchenlen, fondern fie als Otiars Buhlerin aufzufapen. Als Buhlerin 
erſcheint auch Freyja in ver $. 108 mitzutheilenvden gewiſs Tpäten Erzaͤh⸗ 
tung von der unfaubern Weife, wie fie ihr Halsband Brifingamen erwor⸗ 
ben haben follte. Aelter ift der 6.305 bei Heimdall beſprochene Mythus, 
wie es ihr Loli entwandte und Heimdall wieber erfämpfte.. Die bort dar- 
gelegte Bedeutung dieſes Halsſchmuds mufte ſchon vergeßen fein, als man 
der Göttin fo Herabwuͤrdigendes andichtete. 

Spuren find indes genug zurüdgeblieben, daß Freyja Odins Gemah ⸗ 
lin war: fie Tafen ſich in der doppelten Gigenfhaft nachweiſen, in der 
wir Freyja bei ven Aſen finden. Einmal ald Tobtenwählerin, denn Odin 
entfendet fie zu jedem Kampfe: fie ift die eigentliche Walfüre, die Hälfte 
der in der Schlacht Gefallenen gehört ihr, die andere Obi. D. 24. 
Grimn. 14. Dann aber ift fie ed aud, melde die Opfer der Schlacht, 
die Einberier, die Odin ber Gemeinfchaft feiner himmlischen Halle würdigt, 
darin empfängt und ihnen das Trinkhorn reicht, wie fie überhaupt als 
der Götter Mundſchenlin gilt, obgleich fie in dieſer Eigenſchaft ebenfalls 
von den Walküren vertreten wird, Daß auch dieß Amt eigentlich Ihr 
zuſteht, ſehen wir aus der Erzählung der Slalda von Thoͤrs und Hrung ⸗ 
nirs Rampf (D. 59), wo Freyja es ift, die dem in Odins Halle einge 
drungenen Riefen das Ael reicht. In dieſer Eigeuſchaft erfheint fie noch 
als Hausfrau Odins, denn der Hausfrau gebührt nad deutſcher Sitte 
der Empfang und die Bewirthung der Gaͤſte. Auch daß fie als eine nors 
diſche Bellona zum Rampe fährt (D. 24), ift in der Natur der friedlichen 
Banengöttin an fi nicht begründet: nur als Gemahlin des Schlachten ⸗ 


860 - Sch. Feen. Atethin. % 108. 


gottes Tann fie das; und fo fließt es aus der Gütergemeinfhaft der Che: 
gatten, daß fie fih mit Odin in die Gefallenen theilt, obgleich ich zuger 
ftehe, daß fie jhon als Verjüngung der Hel, der Göttin der Unterwelt, 
den Seelen der Verftorbenen Aufnahme zu gewähren berufen war. Rah 
der eddiſchen Vorftellung gelangen aber zu Hel die in der Schlacht Gefal⸗ 
Ienen nicht: diefe konnten ihr nur zugewieſen werben, als fie für Obins 
Gemahlin galt. Weil Freyja Verftorbenen Aufnahme gewährt, heißt ihre 
Himmel3wohnung Folkwang, ihr Saal aber Sejsrumnir, der Siggeräumige. 
Grimnism. 14. D. 24. 

In der berühmten Erzählung von dem Ausgange der Langobarden 
nennt Paulus Diaconus, und fo ſchon das Vorwort zu dem Geſehbuch 
des Rotharis, die Gemahlin Gmövand Frôa; das Gleiche thut Wilhelm 
von Malmesburg, indem er von dem ihr (uxori eius Freae) gewidme ⸗ 
ten fechften Wochentage ſpricht, Myth. 116. Wie dort Frea über Gmö- 
dan, fo fiegt in der Halifage (FAS. I, 25) Odin über Freyja im Wett: 
ftreit um daß befte Bier: es ift ein häuslicher Zwiſt der göttlihen Ches 
gatten wie in ber langobardifchen Stammjage und in Grimnismal. Im 
Vorwort diefes Liedes und auch fonft in den eddiſchen Quellen heißt aber 
Odins Gemahlin Frigg, welche ftät3 von Freyja unterſchieden wird. Frigg 
wird D. 35 die vornehmfte der Göttinnen genannt, Freyja aber die vor: 
nehmfte nach Frigg, und eben fo ſcharf werben fie Skaldſt. 19. 20 aus 
einandergehalten. Bir erlennen alſo an, daß Freyja in dem Mythen 
foftem der Edda nicht mehr ald Odins Gemahlin auftritt; aud in andern 
nordiſchen Quellen erſcheint fie unvermählt, denn das Berhältnifs zu Odr 
{ft aufgehoben, und felbft wo fie ald Odins Geliebte oder Buhlerin dar⸗ 
geftellt ift, wird ihr jungfräuliher Stand vorausgefegt; nur Saro, indem 
er ©. 13 der Frigg Ehebruch vorwirft, wobei ‘er das Abenteuer im Sinne 
hat, das fonft von der Freyja erzählt wird und ſich auf den Erwerb ihres 
Halsbands bezieht, denkt die Buhlerin als Odins Gattin, und eben darum 
fheint er den Namen Frigg zu wählen. Von ber goldenen Bilpfäule 
ihres Gemahls hatte nämlich Frigg um ſich jhmuder Heiden zu können, 
Gold entwenden lagen. Odin ließ die Goldſchmiede hängen, die ihr dabei 
behülflih waren; das Bild aber ſehte er auf ein Gefiell, und verlieh ihm 
Sprache, damit es feine Räuber jelber verklagen könne. Aber Frigg gab 
ſich einem Diener hin, damit er das Bild zerftöre, deflen Gold fie nun 
für ſich verwandte. Aus Verdruß hierüber geht Odin freiwillig in die 
Verbannung, während Mitothin feine Stelle einnimmt. Wie wunderlich 


8. 108. Sreyja und Frigg. Sticco. 361 


auch dieſer Mythus eniftellt fei, fo zeigt doch die Vergleichung mit ber 
Grzählung $. 108 veutlih, daß aud das Brisingamen von Frigg auf 
Freyja übertragen iſt. Bgl. Müllenhoff Ziſcht. XL, 303. So wird 
Staloftaparmal 19, (M. Coda 3. Aufl. 381) der Frigg das Fallenhemd 
zugeſchrieben, das nach der Thrymskwidha Freyja beſiht. In der Edda 
iſt Freyja eine Göttin der Liebe und der ſchönen Jahreszeit; als Göttin 
der Che, ald mütterlihe Gottheit fteht neben ihr Frigg. Aber gleihwohl 
iſt diefe dem Begriff wie dem. Namen nah nur aus Freyja, der Wanens 
göttin, hervorgegangen: fie hat fi auß ihrem Weſen abgelöft und als 
felbftändige Göttin neben fie hingeftellt. Von ihrer Mutter Nerthus, der 
terra mater, der mater Deum war die gleihe Würde der Freyja anges 
erbt; aber in diefer heißt fie nun mit verhärtetem Namen Frigg wie ihr 
Bruder Freyr, der deutſche Frö, bei Adam von Bremen Fricco. Grimm, 
ver fi bemüht, Frigg und Freyja als Fria (Frea) und Frouwa außeins 
ander zu halten, muß Myth. 278 doch anerfennen, daß Adam von Bres 
men für Friccos Schweſter Freyja Fricca gefagt haben würde, und Frey: 
jubagr, der norbifhe Name des in Deutſchland von Fria (Frigg) benanns 
ten Freitags auf Freyja (Frouwa) weiſt. Andere Zugeftändniffe Myth. 279. 
1212. Endlich wird fi $.108 eine neue Spur darin ergeben, daß Sigr: 
drifa (Brynhild), die als Walfüre aus Freyja hervorgeht, mit der Frigg 
darin zufammenfällt, da fie dem Agnar ven Gieg verleiht. 

Es fteht unferer Anfiht von der urfprünglien Einheit beider Goͤt⸗ 
tinnen nicht entgegen, daß Zrigg haufig und fo auch Skaldſt. a. a. O. 
Fiörgwind oder Fiörgynd Tochter heißt, Freyja aber die Tochter Njoͤrdhs, 
denn diefe Abftammung gebührt der Frigg urſprünglich nicht: fie ift erft 
von ber Jörbh auf fie übertragen (6. 254). Bon ihr, der Mutter Thörs, 
ſchied fi, wie wir annehmen, Odin, als er fi der Frigg verband, und 
wenn dieſe jegt auch wohl Fiörgyns Tochter heißt, fo foll fie dieß der 
erften Gemahlin des Gottes identificieren; aud bedurfte fie jept eines 
Baters, da fie Niördhs Tochter nicht mehr heißen konnte feit fie von 
Freyja unterſchieden ward, Wenn aber D. 35 ihre Halle Fenfal heißt, 
fo haftet ihr das nod von ihrer Mutter an, deren geheiligte Inſel im 
Deean lag, oder von ihrem Vater Niörbr, der in der Edda noch ala 
Meergott gilt. Denſelben Bezug auf das Meer hat aber aud Freyja, 
wen fie Marböll oder Gefn heißt was fih in Gefion verjüngt. Da die 
drei Sterne, melde den Gürtel des Orion bilden (Myth. 689), neben 

. Yacob3: und Petersſtab auch Friggs Rocen heißen, fo eiſcheint Frigg als 


862 Sconwa. Gefon. Gehen. 8 104. 


Spinnerin wie Bertha und Gertrud ($. 110. 117), die fonft vielfah der 
Freyja gleihen. Daß aber aud Freyja Spinnerin iſt, zeigt fi in ven 
Ballüren, in welchen fie ſich vervielfältigt, denn dieſe fpinnen die Geſchide 
der Schlacht. Wölundarto. Einl. und Str. 1. 


104. Gefion, 


Unter den Beinamen der Freyja finden wir D. 35 Marböl (Gen. 
Marballar) und Gefn. Marböll bezeichnet fie als den Meerſtrom; Gefn 
(agf. Geofon, altf. Geban) ein verbunfelter ſächſiſcher Gott, hat ähnliche 
Bedeutung, wie wir aus den Bufammenjegungen Gebeneöftröm, Geofons 
bü8 (navis), Geofonflöd (Myth. 219) fließen. Aus diefem Beinamen 
der Freyja entfprang Gefion. Sie ift unvermählt, heißt es D. 35, und 
ihr gehören Alle, die unvermäplt fterben. Alfo aud fie nimmt, wie Hel 
und Freyja felbft, Seelen der DVerftorbenen auf. Daß nur Unvermäblte 
zu ihr kommen follen, ift eine der vielen möglihen Deutungen des Ans 
rechts Freyjas an den Todten, deren wahren erften Grund wir in ihrer 
Verwandtſchaft mit Hel, der verborgenen Erdgoͤttin, aufgevedt haben. Die 
Zungfräulichleit Gefions ift überbieß fo zweifelhaft als die der Freyja. 
D. 1 erzählt von ihr, König Gylfi von Swithiod habe ihr als einer 
fahrenden Frau, die ihn durch Gefang ergept habe, ein Pflugland gege ⸗ 
ben fo groß als vier Ochſen pflügen könnten Tag und Nacht. Aber diefe 
fahrende Frau war von Aſengeſchlecht. Sie nahm aus Jotunheim vier 
Ochſen, die fie mit einem Jötunen erzeugt hatte und fpannte fie vor den 
Plug. Da gieng der Pflug fo mächtig und tie, daß fih das Land löfte, 
und bie Ochſen es weftwärtd ind Meer zogen biß fie in einem Sunde 
ſtill ſtehen blieben. Da ſehte Gefion das Sand dahin, gab ihm Namen 
und nannte e8 Seelund (Seeland). Und da, wo das Land weggenommen 
ward, entftand ein See, den man in Schweden nun Lögr heißt. Und im 
Loͤgr liegen die Buchten, wie die Borgebirge in Seeland. Die Heims-⸗ 
kringla, aus ver dieß entnommen ſcheint, fügt hinzu, Gefion fei fpäter dem 
Skidld vermäplt worden und habe mit ihm Lethra, den Königöfig der 
Dänen auf Seeland, bewohnt. Wenn nicht ausbrüdlich verſichert würde, 
Gefion fei vom Aſengeſchlechte, möchte man fie, nad dem Mythus, der von 
ihr erzählt wird, für eine Meeriiefin halten. Doch auch Friggs Palaft 
Fenſal deutet auf den Grund des Meeres, und wenn Gefions vier Ochfen 
ungeftüme Meereöwellen find, welde, als Schweden noch vom Meere bes 


3. 106. Sromaa. Hel. Horuen. 868 


dedt war, hier eine Vertiefung wühlten und das weggenommene Land im 
Sunbe niederſehten, fo entftand daraus doch eine jegt von Menſchen bes 
wohnte Inſel. Die Einlleivung des Mythus ift von der belannten 
Sage vom Landerwerb hergenommen, die und ſchon früh bei der Dido 
begegnet. Gefions Zufammenfallen mit Frigg oder Freyia zeigt ſich noch 
darin, daß Degisbr. 21 Odin von ihr fagt, fie wiße aller Lebenden Looße 
fo gut als er felbft; dasſelbe rühmt hernach Str. 29 Freyja von Frigg. 
Und Str. 20 wirft Loki der Gefion vor, fie Babe den Schentel um den 
weißen Knaben geſchlungen, der ihr das Kleinod gab, womit auf Briſin ⸗ 
gamen amgefpielt wird, das Freyja in ähnlicher Weife erworben haben 
folte. Wenn endlich unter Anrufung Gefions Eide abgelegt werden, jo 
liegt der Grund in ihrer Werjüngung aus Hel, der Göttin der Unterwelt, 
denn bei der Unterwelt warb geſchworen. Bol. $. 91. Wie die Alten 
bei dem Styr, jo hat Dagr (Helgatw. III, 29) Eide abgelegt: 

Bei ber Leipte Teuchtender Flut 

Und der urfalten Waßerklippe. 


105. Bervielfältigungen. 1. Nornen. 


Da wir bier wieder bei der Hel angelangt find, fo laße ich ben 
Nachweis folgen, daß aus ihr die Nornen, wie aus der Freyja, einer Ber: 
jüngung ver Hel, die Wallüren durch Vervielfältigung entftanden find. 
Wir werben bier wieder bie ſchon befannten Zahlen drei, fieben, neun 
und zwölf walten jehen. 

Der Nornen find eigentlih nur drei. Wöl. 8. 19. Wafthrubn. 48. 
Bgl. oben ©. 38. 40. 203. Wenn Fafnism. 18 gefagt wird, fie feien 
verſchiedenen Geſchlechts und nicht Eines Stammes, fo ift das Wort in 
dem weitern Sinne gebraudt, in welchem es auch Wölen, Weißagerinnen 
und Bauberinnen mitbegreift. Jene drei eigentlihen Nornen find götts 
lichen Urfprungs, aber bei Riefen auferzogen; fie find älter als die Götter 
felbft, weil diefe altern, der Macht der Zeitgöttinnen unterworfen find, wes ⸗ 
balb fie auch bei ihrem Brunnen Gericht halten. Mit dem erften Er⸗ 
ſcheinen der Normen gieng den Göttern das Golvalter zu Ende: das Bes 
wuftfein von dem Berfließen der Zeit fepte der feligen Unbefangenheit 
des Dafeins ein Ziel. Schon $. 60 erkannten wir in den Nornen Ber: 
fonificationen des Schidjald, und diefem find auch bie Götter unterworfen. 
Gewöhnlich ordnen die Nernen indes nur das Schichſal der Menſchenge ⸗ 


sch Hornen. Heris Scweher. Syifalsfäden. 3. 106. 


ſchlechtet, Wöl. 20. Der Brunnen der Urdh, der Alteften und mächtigſten 
Norm, liegt bei der Wurzel der Weltefche, welche zu ven Menſchen reicht, 
S. 40. So erſcheinen fie zunädft als die Vflegerinnen diefes Weltbaumes ; 
gleichwohl haben fie aud einen Bezug zu Hel, der Göttin der Unterwelt 
und des Todes. Die vornehmfte unter ihnen ift jene ältefte, nach mwelder 
der Nornenbrunnen benannt ift, die Göttin der Vergangenheit, Ihr Name 
findet ſich aud allein in Deutfhland wieder: eine alth. Gloſſe überfept 
ihren Namen Wurd mit fatum, und grimmar urdir wird für ſchredliches 
Geſchic, dira fata, gebrauht. Noch in den weirdsisters im Macbeth 
tlingt ihr Name nad. Sie wird ald Todesgöttin aufgefaßt: Wurth ina 
binam, die Wurd raffte ihn hinweg, Wurd skihit, Unheil betrifft mid, 
Vyrd me that gewäf, die Wurd hat mir das gefponnen. Doch zeigt 
ihre Verwechlelung mit Idun und -die verjüngende Kraft ihres Vrunnens, 
der freilich ihren Schweſtern mit angehört, fie auch von einer mildern 
Seite. Für die Verwandtihaft der Normen mit ber Hel bietet aber Hel⸗ 
galw. II, die llaſſiſche Stelle: 
2. Nacht in der Burg wars, Nornen famen, 
Die dem Ebeling das Alter beftimmten. 
Sie gaben dem König der Kühnfte zu werden, 
Aller Edlinge Edelſter zu dunken. J 
8. Sie ſchnurten mit Kraft die Schidjalsfäen, 
Daß die Burgen bradien in Bralundr. 
Goldene Fäden fügten fie weit, 
Sie mitten feftigend unterm Mondesjaal. 
4 Weſtlich und öflih die Enden bargen fie; 
In der Mitte lag des Königs Land. , 
Einen Faden nordwärts warf Neris Schwefter (Ript Nera), 
Ewig zu Halten hieß fie dieß Band. 


Neri oder Nörwi heißt nad D. der Vater der Nacht, in welhem Wein: 
hold Niefen 8 auch ven Vater der Nornen entdedt bat. Denfelben Namen 
führt aber auch D. 33. 50 ein Sohn Lokis, alfo ein Bruder der Hel, und 
diefe wird hier als Neris Schweſter verftanden fein. Wir werben Hel 
auch fonft als eine ber Nornen gefaßt ſehen. Nordwaͤrts wird ber Faden 
geworfen, vielleicht weil der Helmeg noͤrdlich liegt. Nach Lüning foll der 
norbwärtd geworfene Faden die Nordwege verſchließen, jo daß Helgi nicht 
zu Hel, fondern zu Odin komme. Aber uns fcheint es der unfelige Gaben, 
der ihm frühen Tod bedeutet. 


$. 105. Uornen. Drei Ihwehern. Seilräthinnen. 866 


Somohl die ausgeworfenen Fäden als die Verwandiſchaſt der Schid: 
ſalsſchweſtern mit der Hel finden fi auf deutſchem Boden wieder. Sehr 
bäufig erſcheinen in unfern Sagen drei Schweſtern; es find biejelben Wer 
fen, die ſich auf keltiſchem Boden als tria fata (Feen) finden; in römi« 
fer Zeit wurden fie al3 matres, mütterlihe Gottheiten, verehrt, und 
noch taͤglich gräbt man ihre Bildniſſe auß ver Erde. Aber aud in Sagen 
des füblihen und nordweſtlichen Deutſchlands lehren dieſe Schweftern uns 
zaͤhlig oft wieder: in Banzers Beiträgen zur Mythologie find ihrer viele, 
aber bei Weitem nicht alle geſammelt. Gewöhnlich find zwei biejer 
Schweſtern weiß, die dritte ift halb ſchwarz halb weiß, und dieſe pflegt 
als die böfe gedacht zu fein, au in ben Handlungen ift der Unterſchied 
angedeutet: die halbſchwarze betrügt die blinde Schwefter bei ver Theilung 
des Schatze s, indem fie den Scheffel beim Meßen umlehrt und nur oben 
bin mit Goldftüden belegt. Häufig erſcheint, wo dieſe Sagen vorkommen, 
der Name der Hel in ven Ortänamen, ja die ſchwarzweiße Jungfrau führt 
den Namen ver „Held’ in der Redensart, welde eine Oberiglinger Sage 
der Mutter in den Mund legt, indem fie die Tochter ſchilt: Du wirft gerade 
wie die Held, ſchwarz und weiß, und gehft ganz verloren. Daneben trägt 
diefe böfe Schweſter nicht felten den ſchon oben geveuteten Namen Nadel, 
die rächende Hel. Auch erſcheinen diefe Jungfrauen fpinnend; fie fpinnen 
und weben die Geſchide. Ihre, Fäden heißen auch wohl Seile, und diefe 
Seile werfen fie weit aus, ‚fo daß ferne Bergipigen verbunben werben; 
fie gleihen dann Brüden, und werden auch wohl als folde, namentlich 
als lederne, aufgefaßt. Zuweilen erfcheinen fie auf diefem Seile tanzend 
und fpielend, ein andermal hängen die ‚wilden Frauen,’ wie fie aud ger 
mannt werben, ihre Wäfche daran auf, und wenn das die Leute im Thale 
ſehen, fagen fie, es giebt ſchöͤnes Weiter. Un dieſe Seile binden fie auch 
Menſchen, die dann dem Tode verfallen find; ein folbes Seil wird auch 
dem Tode zugeichrieben, Myth. 805. Ihr Bezug auf die Geſchide der 
Menſchen zeigt fih aud darin, daß fie Heilräthinnen heißen: mas 
ann deutliher fein? Die Nornen find es, die das Heil der Menſchen 
beraten. So heißen fie in Holftein auch Metten, angeljähfiih Mettena, 
die abwägenden, meßenden, wie wir ihre Beihlüpe S. 203 metodogi- 
scapu genannt fanden, vgl. S. 182, und weil das Schidſal, das fie ſchaffen 
ober aus ihren Brunnen jhöpfen, plöglich eintritt, heißen fie in Tyrol Gach⸗ 
ſchepfen, die jähen Ehöffen. Und wie die Nornen Fafnismal 73 noths 
Töfend heißen, weil fie Kindbetterinnen beiftehen, fo befaß Frau von Don- 


„966 Horuen. Drei Swehern. Hornase. $. 106. 


neröberg ein Stüd Leinwand, das von ben beiden guten Jungfrauen ges 
fponnen unter das Bettuch gelegt warb, die Geburt zu erleichtern. Frau 
von Donneröberg pflegte zu fagen, die zwei guten Jungfrauen hätten zwei 
Köpfe, aber Einen Sinn; die dritte wolle fih aber nie in den Willen 
der beiden andern fügen. Ganz fo erſcheinen aud die Rornen im Norden. 
Wir fahen ſchon bei Helgis Geburt die dritte Nom, die als Neris Schwefter 
die Hel bebeutete, einen Faden norbwärtd werfen, der uns fibler Vorbe⸗ 
deutung ſchien. Zu Nornageft traten, als er geboren ward, drei wahrs 
fagende Frauen: die beiden ältern weißagten Gutes von feinem künftigen 
Geſchick; die dritte, die fi zurüdgefegt glaubte, gebot, mit jo günftigen 
Weißagungen inne zu halten, ‚denn ich beſcheide ihm, daß er nicht länger 
leben foll als vie neben ihm brennende Rexje währt.” Aber die ältere 
Wala Töfchte die Kerze aus und gab fie der Mutter aufzubewahren und 
nicht eher wieder anzuzünden als am legten Tage feines Lebens. Nor⸗ 
nageft trug nun diefe Kerze in feiner Harfe mit fi umher, und erft als 
dreihundertjähriger lebensmũder Greis, der die beften Tage des Nordens 
geiehen hatte, zündete er feine Kerze an und blidte ruhig in bie vers 
glimmende Lebensflamme. Es ift biefelbe Sage, vie in der griechifchen 
Mythologie auf Meleager angewandt wird. Aehnliches wird von dem 
Dänenlönig Fridleif erzählt, der bei der Geburt feines Sohnes Dlaf im 
den Tempel der Nomen trat, wo die drei auf drei Stühlen ſaßen, das 
Kind zu begaben; aber die Gabe der dritten war eine leidige: fie beſchied 
ihm das Lafter bes Geiges. 

In defn deutſchen Märchen von Dornröechen lädt ber König, als 
ihm eine Tochter geboren ward, zu dem Zelte aud die weiſen Frauen, 
damit fie dem Kinde hold und gewogen wären. Ihrer waren dreizehn; 
weil er aber nur zwölf golvene Zeller hatte, mufte eine won ihnen daheim 
bleiben. Die weifen Frauen beſchenkien nun das Kind mit ihren Wunder 
gaben, die eine mit Zugend, bie andere mit Schönheit, die dritte mit 
Reichthum u. f. m. Als eilfe ihre Sprüde gethan hatten, trat plöglih 
die dreizehnte herein. Im Zorn, daß fie nicht eingeladen war, rief fie: 
‚Die Konigstochter foll fi in ihrem funfzehnten Jahre an einer Spindel 
ſtechen und todt hinfallen.“ Alle waren erſchroden: da trat die zwölfte 
bervor, die ihren Wunſch noch übrig hatte. Sie konnte aber ven böfen 
Sprud nicht aufheben, nur mildern. So fagte fie: „Es foll aber fein 
Tod fein, fondern ein hunbertjähriger tiefer Schlaf, in den die Koͤnigs ⸗ 
tochter fällt.‘ Wir fehen hier zwölf Schichalsſchweſtern, ftatt der Trilo⸗ 


8. 108. Hornen. Drei Iumwehern. Tria fata. 867 


gie die Dodelalogie; bei Panzer 86. 218 erfheinen fie wohl in ber Gier 
benzahl (vgl. Harbarbälied 27); die Zmölfzapl tritt neben der Sieben 
zahl aud bei ven Walküren hervor, bie ben Nornen verwandt find. immer 
aber ift die legte Norn die unfelige. 

Gern erſcheinen die deutfhen Schidfalsfhweftern am Brunnen, Ban- 
wer 8.7.20. So ſchildert fie aud das Kinderlied ‘won den drei Zeien 
oder Mareien, das Mein Deutſches Kinderbuch 2. Aufl 169—176 in 
fieben Barianten bringt, 5. B.: 

Sonne Sonne feine, 

Fahr über Rheine, 

Sahr übers Glodenhaus, 

Guden drei ſchöne Puppen herans. 
Eine die fpinnt Seide, 

Die andre widelt Weide, 

Die dritte geht ans Brünnden, 
Findt ein golden Kindchen. 

Ber ſolls Heben u. ſ. w. 


Auf darin gleichen fie den Nornen (an Urds Brunnen) und den tomas 
niſchen een, deutſch Seinen, von welchen Gottfried im Triftan in Bezug 
auf Blider von Steinachs reinen Sinn fagt (M. Leſeb. 125): 


Ich wsne day in feinen Ich mein’, ihn haben einen 

ze wunder haben gespunnen Wunderbar geiponnen, 

und haben in in ir brannen Und ihn in ihrem Bronnen 
geliutert unt gereinet. Geläutert und gereinet: , 
er ist benamen gefeinet. Er if} fürwahr gefeinet. 


Unter dem Namen der Feien wurden fie auch am Nieverrhein verehrt, 
wo der Feibach f. u. und der Feienpat bei Honnef auf fie deuten. Nur 
in Tirol, wo fie wohlthätige mit ewiger Jugend und Schönheit begabte 
Weſen find, erfheinen fie nicht in ber Dreibeit. 

. In den Sagen, die fih an die brei Schweitern Müpfen, ift Wieles 
auch dur die Verchriſtlichung entflellt, wobei ſich feltfame Widerſprüche 
mit ber altheibnifchen Grundlage ergeben. Die Jungfrauen gelten für 
Gutthäterinnen des Orts und der Kirche: fie follen ber Gemeinde Wald 
vermacht, Capellen gebaut, Andachten geftiftet, ein ewiges Licht oder Al⸗ 
mofenvertheilungen und Speifungen der Armen aus ihrem Vermögen ans 
georbnet haben; gleichwohl ift ihr Schloß verfunten, fie jelbft find ver⸗ 
dasımt und der Crlöfung bevürftig. Wie heidniſchen Göttern läßt man 


868 Uoruen. Drei Schweſtern. Kann. $. 108. 


ihnen bei der Ernte einen Aehrenbüſchel ftehen; drei ſchwarze Pfennige wer« 
den ihnen geopfert, fie gewähren Schutz wider die Peſt; daneben wirb für 
fie gebetet, gu ihrem Andenken Meſſen gelejen, Placebo’, Nocturnen und 
Bigilien gefungen. Der wahre Zuſammenhang blidt dur: ein heiliger 
Hain war den Schichſalsſchweſtern in heidniſcher Zeit geweiht; bei Eins 
führung des Chriſtenthums fiel er der Gemeinde zu. Das Andenten an 
die Heilräthinnen, die alten Outthäterinnen des Orts, erloſch aber nicht, 
felbft ihr Bezug auf den Gottesdienft erhielt ſich. Wird ihnen jet nicht 
mehr geopfert, fo werben Mefien und Andachten für das Heil ihrer Seelen 
gehalten, Gebete nicht mehr zu ihnen aber für fie geſprochen. Das Merls 
mwürbigfte ift, daß ihre Namen in weit entlegenen Landestheilen, in Tyrol 
und Straßburg, in Ober: und Nieberbaiern, ſich gleich bleiben over nur 
wenig abweichen: Einbett, Wilbett und Warbett; nur felten gelang es fie 
durch die dhrifilihen Fides, Spes und Caritas zu verdrängen. Jene 
drei Namen find mit bett zufammengefegt: das deute id auf ben heid⸗ 
niſchen Opferaltar (piot goth. biuds oder petti goth. badi lectisternium) 
der einft in dem Walde ftand, an den fi) ihr Andenken knüpft. Mannhardt 
GM. 604 leitet es von bidjan bitten, erwünfhen ab, Weinhold R. 
6.26 von badu Kampf. Nimmt man diefe Endung als nur auf ihren 
Tempel (Hof) bezüglich, hinweg, fo erffärt fih die erſte Silbe in Einbett 
aus Agin, Schreden, in Warbett oder Guerbett aus Werre, Swift und 
Streit. Freundlicher lautet der dritte Name; aber auch Er hat fo heidni: 
hen Klang wie die gleichfalls vorfommenden Widikunna und Winterbring. 
Einmal erf&einen nur zwei Echweftern: die eine heißt Kann, die andere 
Muß, und aud diefe Namen verleugnen ihre Beziehung auf das Schidſal 
nicht. Hießen die Schweftern alle drei Kann, wie fie als weirdfisters 
alle drei einft Wurd geheißen haben müßen, fo fiele damit Licht auf bie 
den Matronis Ottocannabus gemwibmeten Gteine: es wären die gefürd: 
teten Schidſalsſchweſtern gemeint von goth. ögan fchreden, praet. ohta. 
Vgl. Bonner Windelmannd-Programm von 1863. Was hier S. 9 für 
ein fiheres Ergebniſs der biöherigen Forfhungen über die Matronenculte 
audgegeben wird, ‚daß diefe Gottheiten der celtifhen, nicht der germani ⸗ 
fhen Sprache angehören,‘ dürfte vielmehr noch offene Frage fein. Mehr: 
fach erfheint bei den drei Echweftern eine goldene Wiege M. u. Schamb. 
Nr. 3. Bei Banzer I, 70 wird fie von unfrudhtbaren Frauen zur Er 
langung der Fruchtbarkeit in Bewegung gefeht, und id entſcheide mich 
nicht, ob fie in Beziehung fteht gu dem Begriff des Bettes im Namen 


8. 105. Drei Idwehern. Drei Andagten. Iwikbad. 869 


der drei Schweſtern? Vgl. Kuhn WE. I, 803. Bei Kicchenvifitationen 
ward der Berfuh, dieſe Namen durch die Kriftlihen Fides, Spes und 
Caritas zu verbrängen, vergebens gemadt; Panzer I, 6; man mufte- 
fih damit begnügen, fie in die Gefellihaft der 11,000 Jungfrauen 
aufzunehmen. Nur am Niederrhein z. B. zu Weilerfiift wurden doch 
jene drei Namen des Martprologiumd (1. Aug.) durchgefept; mod erin 
nert dort der Name des Swiſtbachs an bie deutſchen brei Schweſtern, 
in nachſter Nähe allerdings des Feib achs (bei Eifenfei Kapfei Gagfei), 
wo fie ſchon als tria fata romanifiert erſcheinen. Jedenfalls blüht ihr 
Dienft in unferer Provinz noch heute, denn auch die drei Schweftern zu Yum 
bei Trier gehören zu ihnen, und auf der Landskrone an der Ahr, wo 
fie als Töchter des Grafen von Neuenahr hiftorifiert wurden, die fih bier 
zu flüchten fuchten, als der Here von Tomberg die Burg Landskron bereits 
eingenommen hatte, ift die Felſenhöhle, die ſich aufthat fie zu verbergen, 
zur SatrifleirGapelle geworben und bie Fäden, die fie von bort nad Neuen: 
ahr warfen, vertvandelte die Sage in eine über das weite Thal gefprengte 
Brüde. Vgl. S. 366. Noch jept wird in Bonn alljährlih dieBornhofer 
Andacht gehalten: freilich hat man ber einen Schweſter, die dort, zu 
Kiderih und zu Rothgottes drei Andachten geftiftet haben foll, ftatt 
zweier Schweſtern zwei Brüder gegeben, wozu die fo geheißenen beiden 
Burgen über der Kirche veranlaßen mochten. Aber auch dort ift diefe eine 
Schweſter blind, auch dort theilt fie wie bei Panzer I, Nr. 4 den Schat, 
wobei dad Gold mit Scheffeln gemeßen und die Blinde übervortheilt wird. 
Auch bei den brei Schweftern von Auw, die man in der Kirche auf einem 
Gel reitend abgebildet fieht, fpielt ver Schag eine Rolle; aud ift wieder 
die mittlere blind; von König Dagobert wurden fie ihrer Schönheit wegen 
verfolgt, obwohl fie feine leiblichen Schweftern waren. Man erkennt leicht 
den lichten Gott des Tages, vor dem bie Nornen als Verwandte der 
Racht, entfliehen. Bgl. Panzer I, 348. Der Ejel, der fie durch einen Sprung 
über die Kyll rettete, erſcheint zugleich ald weifendes Thier, indem er 
den Drt anzeigte, wo nad) göttlihem Willen ihre Capelle geftiftet werben 
ſollte. Bon dem Schag, den fie mit fih führten, wurden die Koften bes 
Baues beftritten. Es war wohl Erzbiſchof Pilgrim, der in der Kolniſchen 
Diöcefe die heidniſchen Namen der drei Schweſtern durch die dhriftlichen 
verbrängte. Ein Siegel mit feinem Bildniſs und Namen, das zu Betten 
boven im Jälichſchen beim Umbau des Altar gefunden wurde, zeigt 
auf dem Revers bie Bilder von Fides, Spes und Caritas mit der Um: 
Siemea, Mytheledie. 24 


370 Drei Sgwehern. 3t. Aicelaus. A. Epconch. 8. 106. 


fhrift Sancte Coloniensis Religio. Bettenhovens Namm ſelbſt 
deutet auf den Dienft der brei Schweſtern, die auch in Thum zwiſchen Rir 
deggen unb roigheim unter dem chriftlihen Namen verehrt wurden. In 
Züglampen bei Reulandt (Kreiß Prüm) fieht man ihre Bildniſſe m Holz 
geihnigt in der Kirche, die ihre Verehrung auf bie-brei erften Donners- 
tage im März beihräntt hat. 

Es ift deutlich, daß bie drei Schweflern nur Vervielfältigung der Hel 
find. Die Blindheit ver Hel erfheint auch bei Odin, der als männlicher 
Hel Helblindi heißt. Aus diefer Verwandiſchaft mit dem Todetgotie 
fließt es, daß fie die Peſt verhängen können und um Abwendung wor 
Biehſeuchen noch jept zu ihnen gewalljahrtet wird. 

Nah Wolf Beitr. IL, 174 wären die drei Schweſtern aus der Ein« 
beit in die Dreiheit übergegangen. Die Einheit ſcheint man im Norden 
in Urb gefunden zu haben, der älteften Rorne, nach welcher der Blural 
grimmar urdir gebilvet ift. Was ift aber bie Norme der Vergangenheit 
anders ald die Todesgöttin? Nach Helgakw. II, 4 oben ſehe ih darum 
diefe Einheit in Hel, wie wir als Held (ogl. die Wehld P. 186) auch fhen 
in Deutſchland unter den drei Schweſtern gefunden haben. Daß Cine 
die vornehmere unter ihnen war, zeigt, daß Ainbeth P.L S. 24 eine Oräafin 
beißt, während den beiden andern keine Gtandeßerhöhung zu Xheil wars. 
Nach ihr heißt P. 379 der Berg, an welchem alle drei verehrt werden, 
Ginbettenberg; Gt. Einbett allein ift auch den Bollandiſten und andern Hagior 
logen wenigftens dem Namen nach bekannt. Auch daß die drei Schweſtern 
mehrſach als verfolgt geſchildert werben, fpricht dafür, daß unter Cin⸗ 
bett Hel verftanden ift: bald verfolgt bald werfolgend kennen wir aus $. 73 
die aus Hel verjüngte Freyja. 

Den Uebergang in bie Legende von Gt. Nicolaus, der die Geelen 
dreier Jungfrauen durch reiche Geſchenle rettet, hätte wohl ſchon Wolf 
erlannt, wenn er das Beitr. II, 172 von ihm beſprochene Dentmal, wo diefer 
Heilige den Schweſtern einen Golollumpen reicht, mit der auf berjelben 
Seite erwähnten Mittheilung Mannhardts über die Kirche von Hela ver 
glichen hätte, wonach drei ſchwediſche Fürftentöchter, welche gegen ven Wil« 
len ihrer Verwandten den criftlihen Glauben angenommen, dafür in eine 
Wanne geſeht und in dad Meer hinaußgeftopen wurden. In biefer Roth 
gelobten fie, wenn fie gerettet würben, jebe eine Nice zu bauen, was 
fpäter auch geſchah. Die drei Schweſtern in der Wanne kommen näm: 
lich aud auf den alten Kauber Siegeln wor, nur bleibt es umgemwifs, ob 


8. 106. Worum. Sqat. Hifnugenhert. 871 


Gt. Nicolaus oder St. Theoneft mit ihnen in ber Kufe, bie der Stadt den 
Ramen gab, der Flut übergeben iſt. Auf dem älteften von 1315 findet 
ſich der Heilige allein; in den fpätern fommen bie drei Jungfrauen hinzu, 
wabrfj&einli weil man ihn für St. Nicolaus hielt. Endlich wird man 
jede allein, ohne ven Heiligen, in eine Wanne gejept haben, um fie drei 
Andachten ftiften zu lafen, wie das B. 173 berichtet ft. Diefe brei 
Andachten gleichen jenen oben ©. 369. Wie aber hier drei Fürftentöchter 
drei Andachten ftiften, ein andermal brei Andachten für drei Kinder aus⸗ 
gegeben werben, fo vermuthet Aler. Raufmann (nn. d. hiftor. Vereins zu 
Aoln 13. und 14. Heft 6. 273) mit Recht, die 365 Kinder der Gräfin 
von Holland Rheinſ. S. 5 feien jo viel Seelenmeſſen als Tag im Jahr 
geweien. 

Der Name Rornen ift in Deutſchland verfchollen; häufig aber werden 
die drei Schweſtern Ronnen genannt (Banzer 163. 181 u. öfter), was " 
aus Nornen entftellt fein kann. Bu vemNornborn bei Nidda (Mytp. 376, 
Bolf Hefl. ©. 131) wanſcht Grimm urkundliche Veftätigung. 


106, Hel und die Nornen, 


Vergleichungspunlte der Nornen mit der Hel finden ſich auch in den 
Wieren, die in den Sagen von ben brei Schweſtern hervortteten: 

1. Der Hahn, der in ihren Schloßbergen kräht, Panzer $.13, wer: 
gleicht ſich dem ſchwarztothen Hahn in den Gälen Hels, Wil. 35. 

2. Der Hund, ber Jungfrauen Begleiter und Schaphüter (P. 8.14), 
iſt der Höllenhund; auch den Rornen legt die Edda Hunde bei Myth. 881 
und wie Odins Hunde unb wohl aud die der Nomen nach der Edda 
Wölfe find, fo finden wir einer unferer Schweſtern einen Fuchs als Hund 
beigefellt. Panzer I, 289. 317 ff. 

3. Häufiger und alterthümlicher Tiegt die Schlange oder der Lind» 
warm, dem eddiſchen Nidhöggr verwandt, auf dem Shap und verfhlingt 
Menſchen und Thiere. So beveutet auch in der Heldenſage Zafnir, der 
auf dem Schahe liegt, die unterweltlihe jhaphütende Schlange. Wie dieſer 
Schaf zuſammengebracht wurde, beridytet das andere Sigurdslied und D. 62, 
88 wird erzählt, daß drei der Aſen ausfuhren, die Welt kennen zu lernen: 
Odin, Loli und Hönir. Sie lamen zu einem Waferfall, dabei war ein 
Otter, der hatte einen Lachs gefangen und ab blinzelnb. Da hob Loh einen 
Stein auf und warf nad; dem Otter und traf ihn am Kopf. Da rühmte 


872 Asrnen. Die Kühe und die Fübe. 8. 106. 


Lofi feine Jagd, daß er mit Einem Wurf Diter und Lachs erjagt habe. 
Darauf nahmen fie Lachs und Diter mit fih. Sie lamen zu einem Ge 
böfte und traten hinein und ber Bauer, der es bewohnte, hieß Hreidmar, 
und war ein gewaltiger Mann und fehr zauberfundig. Da baten die Ajen 
um Nachtherberge und fagten, fie hätten Munbvorrath bei fih und zeigten 
dem Bauern ihre Beute. Als aber Hreidmar den Otter ſah, rief er feine 
Söhne, Fafnir und Regin herbei und fagte, ihr Bruder Otter wär erſchlagen, 
und auch wer ed gethan hätte. Da gieng der Water mit den Göhnen 
auf die Afen los, griffen und banden fie unb fagten, der Diter wäre Hreid⸗ 
mard Sohn geweſen. Die Aſen boten Löjegelo fo viel als Hreidmar 
felbft verlangen würbe und ward das zwiſchen ihnen vertragen und mit 
Eiven bekräftigt. Da ward der Dtter abgezogen und Hreibmar nahm den 
Balg und fagte, fie follten ven Balg mit rothem Golde füllen und ebenfo 
von außen hüllen und damit follten fie Frieden laufen. Da fandte Odin 
ven Loki nach Schwarzalfenheim, das Gold herbeizufcafien. Cr kam zu 
Ran umd erhielt ihr Nep und gieng zu dem Zwerge, der Anbwari hieß 
und ein Fiſch im Waßer war. Loki fieng ihn mit demNepe und heifchte 
von ihm zum Löfegelv alles Gold, das er in feinem Felſen hatte Und 
als fie in den Feljen kamen, trug der Zwerg alles Gold hervor, das er 
batte und war das ſehr großes Gut. Da verbarg der Zwerg unter feiner 
Hand einen Heinen Goldring: Loki ſah es und gebot ihm ben Ring herz 
zugeben. Der Zwerg bat ihn, ihm den Ring nicht abzunehmen, weil 
er mit dem Ringe, wenn er ihn behalte, fein Gold wieder vermehren 
Tonne. Aber Loki fagte, er folle nicht einen Pfennig übrig behalten, nahm 
ihm den Ring und gieng hinaus, Da fagte ver Bmerg, der Ring folle 
Jedem, der ihn befäße, das Leben koſten. Da fuhr Loli zurüd zu Hreid⸗ 
mars Haufe und zeigte Odin bad Gold, und ald er ben Ring ſah, fhien 
er ihm fchön; er nahm ihn vom Haufen unb gab das übrige Gold dem 
Hreidmar. Da füllte diefer den Balg fo dicht er konnte und richtete 
ihn auf, ald er voll war. Da gieng Odin hinzu und follte ipn mit dem Golde 
büllen. Als er das gethan hatte, fagte er zu Hreibmar, er folle zufehen 
ob der Balg gehörig gehüllt fei. Hreidmar gieng hin und ſah genau zu und 
fand ein einziges Barthaar und gebot aud das zu hüllen; fonft wär ihr Ber: 
trag gebroden. Da zog Odin ven Ring hervor, hüllte das Barthaar und 
ſagte, hiemit habe er ih nun der Dtterbuße erledigt. Und als Odin feinen 
Sper genommen hatte und Lofi feine Schuhe, daß fie ſich nicht mehr fürdten 
durften, da ſprach Loki, es follte babei bleiben was Anbiwari gejagt hätte, 


5. 106. Hornen. Draden. SBlühen dcs Schates. 373 


daß der Ring und bad Gold dem Befiger und feinen Söhnen das Leben 
Toften follte und jo gefhah es ſeitdem. Hierzu num folgende Bemerkungen: 

%. Das Gold muß aus dem Fluße gewonnen fein, fonft hätte And» 
wari kein Fiſch im Waßer zu fein gebraucht. Daß aber biefer Fluß der Rhein 
war, wird bier verfhiwiegen. gl. 8.115. Es war Rheingold und fomit 
fällt diefer Schag mit dem Harlungengolve zufammen, dem wir gleihen Ur⸗ 
fprung wahrſcheinlich machen werben. Nur fehlt hier die Zurüderftattung 
an den Fluß, den freilich aud die nordiſchen Atliliever nur andeuten. 

b. Das Hüllen und Füllen ift nah RU. 671 altes Recht bei der 
Mordbuße oder dem Wergeld. Da man aber mit der Revenzart die Hülle 
und bie Fülle einen großen Ueberfluß zu bezeichnen pflegt, fo war bie 
Eddiſche Erzählung, als ſich diefe Revensart bilvete, in Deutſchland noch 
umvergeßen. 

©. Die unterweltlihen Schäge bedeuten vie Güter der Erbe, den 
reichen Pflanzenfegen, der fonft von den Zwergen gewirkt, im Winter 
in bie Erde zurüdgenommen wird. Inſofern er hier von der Schlange 
gemoben ift, fehen wir fie als ein heilige Thier gefaßt, wie fie noch 
oft in beutfhen Sagen erfdeint. Die Unterwelt gönnt aber ihre Echäge 
nur dem ftillen Sleibe des Landmanns, dem fie goldene Körner 
ſpendet; auch helventühne That und verwegenes Gindringen in bie uns 
termweltlihen Gebiete erringt fie zuweilen; aber dann pflegt ein Fluch 
darauf zu ruhen. Sigurd muß Fafnir erfclagen, um den Niflungenhort 
zu gewinnen; ber Zwerg, der ihn urfprünglid zuſammenbrachte, hat aber 
einen Fluch darauf gelegt und dem verfällt Er und Alle, die ihn nad 
ihm befigen, biß er in den Rhein geſchuttet, der Unterwelt zurüdgegeben 
wird. Nur feinbar ift viefer Fluch die Etrafe der Unerfättlihteit, bie 
aud den legten Ring nicht miffen wollte: er haftet won jeher an dem Bes 
fig des Goldes, und wenn biefes in den Rhein gejchüttet wird, jo war es 
mohl aud aus dem Fluße gewonnen wie das der eddiſche Mythus anz 
deutet. So fehen wir aud in unfern deutſchen Ortsfagen den Scha der 
aus Hel verjüngten Jungfrau von Denen erworben, die den Muth haben, 
die Bedingungen zu erfüllen, an die fein Befig oder die Erlöfung ber 
Zungfrau geknüpft iſt. Dieſe Bedingungen find aber meift fo illuſoriſch 
als jene, an melde Hel Balburs Grlöfung aus ihrer Behaufung bindet: 
nur felten fehen wir fie erfüllt und den Schag ganz ober theilweife ges 
hoben; dem Gluͤdlichen ift aber dann nur kurzer Genuß beſchieden: nad 
wenigen hoͤchſtens ſieben Jahren muß er fterben. Bu gewiſſen Zeiten 


874 Uoruen. Drasenfagen. ÜAriöfange. $. 106. 


‚blüht‘ nad) der Gage ber Echay, ober „wittert fi,‘ wenn bie Flamme 
über ihm brennt, er ‚fonnt fi‘ und Yann bann gehoben werben; das muß 
jedoch ſtillſchweigend geſchehen, weil er fonft wieder verfintt. Zum Bruch 
dieſes Stillſchweigens zu verleiten, ift aber bie Hölle in Spiegelfedhtereien 
unerſchoͤpflich. Doch braucht man auf ven blühenden, fi fonnenden Schag 
nur ein Tuch zu werfen um ihm zu bannen und gu geivinnen. Auch wirb 
von ihm gefagt, daß er rüde, alljährih um einen Hahnenſchritt, ober 
nad fiebenJahren herauffomme, wo wie bei dem Donnerfeil urfprüngs 
lich fieben Wintermonate gemeint feinen. Wenn dieſe Parallele 
Schwarz (Urfprung 64) berechtigt, den fhaphütenden Drachen auf das Ger 
witter zu beziehen, fo befteht damit doch die Deutung des Schahes auf 
die goldene Körnerernte, da er felber nachweiſt, wie der Gewitterdrache 
Fruchtbarkeit bringt. Nur muß das die Sage nicht im Auge haben, wenn 
fie den Drachen von Göttern oder Helden erihlagen läßt. Ueber Eat: 
fogen vgl. Fr. Müller Siebenbürg. Sagen 6. 371 ff. 

Den deutſchen Drachen ſcheint das Feuerſpeien fremd, wenngleich Ther 
und Beowulf von ihrem Gifte überſprüht erliegen. Auch das Wurm 
bettfeuer, befien die Edda Gudrunkwida I, 112 gedenkt, ift nur eim 
Tropus für dad Gold, auf dem fie liegen und das ſich unter ihnen mehrt. 
Davon ift zwar in der deuten Lindwurmfage, wie wir fie bei Siegfried 
und Beowulf finden, nicht ausdrüdlid die Mebe; in ber mehr orientaliſch 
gefärbten Ragnar Lodbrodsſage, welche der von Ortnit entſpricht, waͤchſt 
aber daB Gold zugleich mit dem Wurm, ver laum dem Ci entichläpft 
ins Land gebracht wird, allmählich jedoch zu ſolcher Größe heranwädft, daß 
ihn kein Schrein, kein Haus mehr faßt und er draußen um das Geböfte 
gewunden liegt, und Schweif und Kopf ſich berühren. Der Ornitsſage ift es 
mit ber von Triſtan und vielen deutſchen Märchen gemein, daß der Drachen ⸗ 
fieger von einem Betrüger verdrängt, und um den Lohn, bie Hand ber 
Königätochter, gebracht werden ſoll. Diefer Betrüger glaubt ſich durd die 
Drachenloͤpfe, bie er vorlegt, auszuweiſen; es findet ſich aber, daß ber wirl⸗ 
liche Sieger die Vorſicht gebraucht hat, ihnen die Zunge vorher aus bem 
Munde zu ſchneiden, wodurch der Betrüger zu Schanden wird. In ber 
Ragnar Lonbrodsfage bleibt die Spige des Spießes in dem Unthier figen, 
und der wirkliche Sieger bewährt ſich dadurch, daß er im Beſihe des pafe 
enden Schaftes ift. Die Verwandtſchaft diefer orientaliic gefärbten Fafe 
fung mit der im Shah Nameh Görres IL 400—411 hat Liebrecht 
Drient 1, 563 dargethan. 


$. 107. Walküren. Midmod won der Adndı. 375 


4. Zuweilen zeigt ſich aud im Gefolge der 3 Schweſtern ober ber 
Schlüpeljungfran ein ſchwatz und weiß gegei—hnetes Pferd (Duipmann 
137), dem ähnlich, auf welchem auch Hel sur Peſtzeit umreitet. Noch font 
ſpielt das Pferd eine unheimliche Rolle in unfern Sagen. ‚Die Todten 
zeiten fhmell‘ hieß es in dem Bollsliede, das Bürger zu feiner Lenore 
Beranlaßung gab. Ein Mmöcherner Piervelopf (caput caballinum) dient 
als Symbol des Todes. Phantaftifhe Bilder laßen ven Tod, der als 
dominus Blidgerus fywbolifiert wird, auf dem Pferdelopf, als einer Geige 
aufipielen. Im Norben war ed Gitte, den Pferdelopf (equi abscissum 
eaput, Saro p. 75) als ſ. g. Neidftange aufzurichten, um bie Landwaͤtter 
(Wichter) zu ſchreden, die guten Geifter des Landes fern zu halten, Myth. 
42. 625. Uber zuweilen dienen fie au, den böfen Geiftern zu mehren, 
und zu biefem Zwede waren au ben Giebeln beutfher Bauernhäufer 
Pierdelbpfe ausgefhnigt, womit die Sage der Richmod von der Aducht 
sufammenhängt, die jept einer Straße in Köln den Namen giebt; fie lehrt 
au in Magdeburg und Dünlichen und fonft vielfad wieder. Man bes 
geiff nicht mehr, warum biefe Pfervehäupter vom Söller nieberblidten ; 
ein bunfles Bewuſtſein von ihrem Bezug auf bad Todtenreich mochte aber 
übrig geblieben fein: jo entftand die Sage von ber zurüdfehrenden begra- 
benen Frau, für die fie jept ald Wahrzeichen dienen muften. Pferde ⸗ 
hufe wurben zur Abwehr böfer Geifter vor die Thüren ober über Ställe 
gegen Zeueröbrünfte genagelt. Haͤngt damit das beim Gingang von 
Oberweſel in das Straßenpflafter gefügte Hufeiſen zufammen, das ber 
alte Rheiniſche Antiquarius auf St. Hubert? Roſs bezieht? Man giebt 
es jegt für das Wahrzeihen der Stabt aus; aber melde Bewandtniſs 
es damit babe, wißen die guten Leute nicht mehr. 


107. 2. Waltüren (Walachuriun). 


Am nächkten verwandt find den Nornen die Wallüren; aud fie wer⸗ 
den Wil. 24 Odins Noraen‘ genannt, ja eine der jechje, welche hier aufs 
gezählt werben, die Skuld, führt den Namen der jüngkten Nora. Als 
fiebente muß man wohl Freyja hinzubenten, dad Haupt der Walfüren 
unb ihre Quelle. Grimnism. 36 nennt ihrer dreizehn, und hier ift 
wohl Hilve, in der Hel auch unter den Rornen auftritt, der Freyja gleich. 
Drin’, heißt es D. 36 ‚jenvet fie zu jedem Kampf. Sie wählen bie 
dallenden und walten des Giegs.‘ Daher ihr Name, ber ihr Amt pleos 


376 Walküren. Lensrenfage. $. 107. 


naſtiſch außbrüdt; doch bedeutet Wal (strages) den Inbegriff der in der 
Schlacht fallenden. Daneben find fie Schenkmädchen Odins und der Ein⸗ 
herier: fie follen in Walhall dienen, das Trinken bringen, das Tifchzeug 
und bie Aelſchalen verwahren. Als Todtenwählerinnen, weibliche Pfycho- 
pompen wie ald himmliſche Schenkmädchen find fie Vervielfältigungen ber 
Freyja, der wir $ 103 das gleiche Geſchäft obliegen fahen. Aber auch 
zu Odin ftehen fie in nahem Verhältnifs: fie erſcheinen als Vollſtrederinnen 
feines Willens. Durd fie greift er in das irdiſche Helvenleben ein, und 
nur zumeilen wißen fie, den Nornen ähnlich, ihre Selbftändigfeit zu wahren 
und Odins Willen entgegen zu handeln. Den Nornen fteben fie auch 
darin glei, daß fie dad Geſchid wirken, aber mehr in Bezug auf bie 
Schlacht, während es die Nornen im Allgemeinen beftimmen. Aud find 
fie den Göttern untergeorbnet, während die Normen das Geſchid lenken⸗ 
dem felbft die Götter gehorchen. Schlacht ift all ihr Sinnen: Walküren 
trachten, heißt es in dem geheimnifsvollen Eingang Hrafnagalbrs; in der 
Wolundarkwida fehen wir wonach: fie traten und fehnen fih nah Kampf, 
fie mollen Urlag treiben, in der Schlaht das Schidſal entſcheiden. Dar 
rum heißen fie auch Walmädchen, Schildmädchen, Helmmäbchen, weil fie 
unter Helm und Schild zur Walftatt ziehen. Cine der Walküren heißt 
Mift; der Name klingt und nicht fein; aber noch bedeutet mist engliſch 
Nebel: Mift ift tie Wolle, und auf Woltenrofien fhweben die Waltüren 
über dem Schladhtfelve, und Thau träuft von den Mähnen ihrer Roffe 
in tiefe Thäler, Hagel auf hohe Bäume: ‚das macht bie Felder frucht- 
bar.’ Klingen fie hier an Naturerfheinungen an, fo find fie doch weſent ⸗ 
lich Mächte des Gemüths: fie ſollen den veutfchen Helvengeift zur An« 
ſchauung bringen, der wie fie nur Krieg und Schlacht athmete. Aber die 
Dichtung bat fie zu den anziehendſten Bildern geftaltet; nur in ber Riald« 
fage find fie ins Graufenhafte verzerrt: da figen fie in einer Kammer mit 
einem Gewebe beichäftigt, Menjchenhäupter waren ftatt der Gewichtſteine, 
Gedaͤrme ftatt des Zettels und Einſchlages, ein Schwert ftatt des Schlag ⸗ 
brets, ein Pfeil ftatt des Kammes; dabei fangen fie ein Lied mit dem 
Kehrreim: Winden wir, winden wir dad Gewebe der Schlacht! Zulett 
rißen fie das Gewebe von oben herab in Stüde und jede behielt das ihre 
in der Hand, beftiegen dann die Pferde und ritten davon, ſechs fühlid, 
ſechs andere nörblih. Das bewuft Graͤſsliche diefer Vorftellung kommt 
auf Rechnung der fpäten Zeit, welcher die Dichtung angehört. Lieblih 
unb erhaben zugleich find dagegen die Wallüren, wie fie und in den drei 


$. 107. Walküren. Ichwanenmähhen. Merrweiber. 8377 


Helgiliedern erfheinen, Swawa und die aus ihr wiedergeborene Sigrun, 
die Geliebten und dann die Gemahlinnen zweier edeln Helden, Helgi ge: 
nannt, der eine gleichfalls im andern wiebergeboren; am jhönften Eigrum, 
wie fie um den gefallenen Helgi trauert, den ihr ſehnſuchtiger Schmerz 
aus Walhall zurüdzieht, meil ihre heißen Thränen ihm auf bie Bruft 
fallen, daß er die Freuden der himmliſchen Halle nicht genieken Tann. 
Dieß ift die ältefte befannte Darftellung ver Lenorenfage. Entſchiedener 
als Waltüre gehalten ift Swawa; beide find aber irdiſche Königstöchter, 
wie in der Sage aud Brynhild erſcheint, deren göttliher Urfprung fpäter 
nachgewieſen werben fol. Bei Gigrun und Brynhild (noch in den Niber 
lungen) ift Jungfräulicleit Bedingung des Waltürenftandes; als Sigrun 
dem Helgi vermählt warb, fällt er im Rampfe, denn Sigrun kann ihn 
nicht mehr befhägen. Aber wie es irdiſche Normen giebt, wie die Gabe 
der Weißagung und bed Zaubers fterblihen Frauen übertragen werben 
kann, wovon die brulteriihe Veleda ein Beifpiel ift, die bei deutſchen 
Bollern priefterliches Anfehen und faft göttliche Verehrung genoß, jo kön 
nen aud Konigstdchter in den Stand der Waltüren treten, wenn fie krie⸗ 
gerifches Gewerbe ergreifen und ewige Jungfraufchaft geloben. Sie heißen 
dann Wunſchmädchen, Adoptivtöchter Obins, wie die Einherier feine Wunſch- 
föhne find. Erſt neuerdings hat ſich ein für Vrynhilds Walkürenftand 
wichtiger Zug ermitteln lagen. Vorausgeſchidt muß werben, daß die Wals 
füren, wenn fie Luft und Waßer reiten (rida lopt ok lög) Schwanenhemden 
anlegen, ja fi in Schwäne wandeln. Das Anfügen des Schwanenges 
fieders und die volle Verwandlung wird dur den ſ. g. Schwanenring vers 
mittel. In der Wölundarkwida, dem eddifchen Liede von Wieland dem 
Schmiede, das aus deutſchen Onellen gefloßen und noch fpät in Deutich: 
land betannt geweſen fein muß, laßen fi) drei Schwäne beim Seeftrande 
nieder, legen ihre Schwanenhemven ab, baden und fpinnen Flachs; auch 
bier bezieht fi dieß Spinnen auf die Geſchide der Schlacht. Wieland 
und feine Brüder bemäctigen fi der Schwanenhemben und bringen fo 
die Konigstoͤchter in ihre Gewalt; aber nad fieben Wintern entfliegen fie 
ihmen wieder; fie folgen unwiderſtehlicher Sehnfucht nach ihrem kriegeri⸗ 
ſchen Geichäft. Ganz fo wird nun aud Brynhild von Agnar gefangen, 
und in ‚Helteid Brynhildar' beruft fie ſich darauf, zu ihrer Rechtfertigung 
gegen die Niefin, die ihr die Durdfahrt durd ihre fteingeftügten Käufer 
wehren will, daß Agnar, der ihr und ihren Schweſtern dad Schwanens 
bemb untes bie Eiche tragen ließ, fie gezwungen habe, ihm als Wallüre 


878 Walküren.  Begwriber. Foifen. 8. 107. 


ven Sieg zu eriheilen, was ihr den Zorn Odins zuzog, denn biefer hatte 
dem Sialmgunnar den Sieg. beftimmt. x 
In den Nibelungen erſcheinen belanntlih drei Meermweiber bei der 

Burgunden Ueberfahrt über die Donau; eine berfelben heißt Sigelind, 
Hagen nimmt ihnen bie Gewande weg und giebt fie erit zurüd, als fie 
ihm zu weißagen geloben. Ihr Gewand wird als wunberlich bezeichnet, 
d. h. wunderbar: e3 waren Schwanenhemden; auch fie find Walküren, nur 
weben fie hier nicht mehr das Geſchid, fie weißagen es nur, So erſcheint 
in ber beutfhen Gubrun ein meißagender Engel in der Geftalt eines 
ſchwimmenden wilden Vogels; ohne Zweifel ift aud) hier ein Schwan gemeint. 
Dem Lohengrin, in welchem wir Skeaf als Schwanenritter verjüngt fahen, 
wird das Schiff von einem redenden Schwane gezogen, und im Wolfe 
dietrich fehen wir die rauhe Els, im Jungbrunnen badend, ihr Gewand 
ablegen und nun Sigeminne beißen, die fhönfte über alle Lande. Die 
Namen Sigelind, Sigeminne, Sigrun, Sigrbrifa, wie Vrynhild als Wal 
türe heißt, und ein agſ. Bauberfprud bei Kemble Myth. 402, mo Sieg 
weiber ermahnt werben, nicht zu Walde zu fliegen, ſondern dem Anrufen 
ben fein Ehidjal zu mweißagen: 

Sitte ge sigevif, sigadh t5 eordhan! 

nefre ge ville tö vuds fleogan! 

beo ge svä gemyndige mines gödes 

svä bidh mannagehvylc metes and ädheles. 

Setzt euch, ihr Giegweiber, ſenkt euch zur Erbe, 

Wollt nicht wieder zu Walde fliegen! 

Bleibet im Herzen meines Heils jo eingebent 

Als die Menſchen männiglih des Mals und der Heimat. 
das Alles zeigt, daß der Name ver Walktren und wilden Frauen über 
haupt Giegweib, siguwip, war; fie heißen aber aud Wünfchelweiber und 
gehen in den Begriff theils der Waldfrauen, theild der Meer: und Waßer⸗ 
minnen über. Cine ſolche war bie Geliebte ded Staufenbergers, bie ihn 
von Jugend auf in Gefahr und Krieg gehütet und unfihtbar, wie Swawa 
ven Helgi, umſchwebt hat; aber eigenthümlich ift hier der Name Wünſchel⸗ 
weib gebeutet: fo oft der Staufenberger nad ihm wünfcht, ift fie bei ihm; 
fie bewegt ſich ſchnell, wohin ihr gelüftet, Myth. 391. 

Die Walküren erfheinen im Norben aud unter dem Namen ber 

Difen, in Deutſchland Idiſen, vgl. aber $ 129; dod iR dieß ein allger 
meiner Name für göttliche Jungfrauen. Für und hat der Name Bedeu ⸗ 


& 107. Walküren. Spigien. Ahuſcau. 879 


tung gewonnen durch die ſ. g. Merjeburger Bauberfprüche, wo mir diefe 
Joifen in zauberifhen Verrichtungen begriffen fehen; fie heiten Hafte, wins 
den Stride (9), um Heere aufzuhalten, Feinde zu feheln. Sie ſcheinen 
alfo im Kampf, den fie entjcheiden follen, für Ginen Theil Partei zu ers 
greifen. Wie in jenem agf. Sprud die Sigweiber ermahnt werben zu 
figen, ſich zur Erde zu fenten, fo wirb von dieſen gejagt, daß fie fih zur 
Ede niebergelaßen hätten (säzun hera), vgl. $ 113, Hierdurch erflärte ſich 
nun aud der Name des berühmten cheruskiſchen Schladtfeldes an der Wer 
fer, das nad) Tacitus Idiſtaviſo geheißen haben follte, was nun in Idi- 
siaviso, nympharum pratum, gebeßert werden konnte. Auch verſtehen 
wir jegt die Namen einiger eddiſchen Waltüren: Hlöck = alth. Hlanks, 
Kette, Herfiötr — alth. Herifejjara, die das Heer fepelt, Muth. 373; 
der Name einer dritten, Göndul, wird Knoten bebeuten. . 

Bir haben oben die Zwoͤlfzahl neben ver Siebenzapl für bie 
Waltüren nachgewieſen; aber ſchon Myth. 392 ift gezeigt, daß fie gern 
in ber Neunzahl zufammenreiten, während dreie, Gundr, Rota und Skuld, 
bie jüngfte Norn, als eigentlid) Walkiefende und Kampfwaltende hervor⸗ 
gehoben werben. Die Bapl neum ift vielleicht auch bei Brynhild und 
ihren Schweftern anzunehmen, und fo fanden wir neun Töchter der Ran, 
neun Mütter Heimdals, und Fiölſwinnsmal 38 figen 9 Mädchen einträhtig 
zu Mengladas Knieen. Da Menglada die Schmudfrohe bedeutet, fo er: 
giebt ſich ſchon hieraus, daß fie Freyja ift, die Befigerin Brifingamens, 
Mpyth. 1102: in ihren neun Dienerinnen wie in jenen neun Walfüren ift 
fie, die Nialsfage p. 118 felbft Walfreyja heißt, wie fie auh Wal kieſt 
(Moth. 391), nur vervielfältigt. 

Bei Helgi und dem Staufenberger fahen wir die Walküren ald Schup- 
geifter der Helden aufgefaßt. Hier berühren fie fih mit den Sylgien, ven 
angeborenen Schuggeiftern, von melden man glaubte, fie erſchienen ben 
Menſchen dann eben, wenn fie von ihnen ſchieden, d. b. vor dem Tode; 
auch wurben fie dann wohl von andern gefehen, denen fie jet ihre Folge 
anboten. Helga Kw. I, Diefe Fylgien zeigen ſich gern in der Geftalt desjenigen 
Thiers, dem die Sinnesart des Menſchen gleiht, Sögubr. c. 2, und die Bermu: 
thung, Ann. f. nord. oldk. 1851 112 fat vollen Grund, daß damit’ 
unfer Wappenweſen zufammenhängen möge. Wenn bie Fylgia auch 
hamingia (felicitas) heißt, fo ift doch dieſe noch öfter unperfänlic, ala 
das angeborene Glüd (6. 183) gedacht, M. 829. Doch hatten auch 
ganze Geſchlechter ihre Fylgien, und dieſe gleichen auffallend der deut: 


880 Welkücen. SHtdenfage. Bintrade. 8. 108. 


ſchen Ahnfrau, beren Erſcheinen einen Sterbefall im Geſchlecht verkün⸗ 
det. M. 831. 


108. Hilde und Brynhild. 


Unter den Walküren hebe ich zweie ber berühmteſten hervor, um 
ihren Zufammenhang mit der als Freyja verjüngten Erdgöttin nachzuweiſen. 
1. Ju allen Verzeichniffen der Wallüren erfheint Hilde; ihr Name 

wird mit Kampf gleichbedeutend gebraudt: Kampf weden und Hilde weden 
iR Eins, Myth. 394. Aber fhon diefer Ausdrud fpielt auf einen Mythus 
an, der freilich nirgend deutlich und umentftellt vorliegt. In der Erzäh- 
Tung ver Skalda von Högni und Hilde (D. 675) ift fie ſchon vermenfd: 
licht, eine irdiſche Königstochter. Hedin, Hiarrandis Sohn, entführt König 
Högnis Toter; der Vater fegelt ihnen nad, und es foll zum Kampfe 
tommen: da bietet ihm Hilde ein Halsband zum Vergleich. An diefem 
Halsband (Brifingamen) verräth fie ſich als Freyja, und was wir weiter 
erfahren, dient zur Veftätigung. Högni nimmt den Vergleih nicht an, 
weil er fein Schwert Dainsleif ſchon gezogen hat, das eines Mannes Tod 
werben muß, fo oft es entblößt wird. Es kommt alfo zur Schlacht 
(Hiadningawig), die nur die Dämmerung trennt. In der Nacht geht Hilde 
zum Walplap und erwedt die Todten und fo in jeder folgenden Nacht 
wieder, und jeben Morgen erneut ſich der Kampf und foll fortwähren bis 
zur Götterdämmerung. Wiederum giebt fi bier Freyja zu erkennen, die 
Din zum Kampf entjenbet, die Gefallenen feiner Götterhalle zuzuführen. 
Dort als Einherier ſehen fie das alte Kampfleben fort, fie ftreiten Tag 
für Tag und fällen einander, und aud bier wird es Freyja fein, die fie 
erwedt, daß fie vom Kampf heimreiten, mit Aſen Ael zu trinken, D. 41. 
Hierin liegt der Keim der großen vielverzweigten Hildenjage. In dem 
zweiten unausſprechlich ſchͤnen Liede von Helgi dem Hundingstödter, dem 
Bruder Sigurds, ſagt Helgi zu Sigrun, der Tohter Högnis, feines 
Feindes, die ihm gleihmohl ald Waltüre im Kampf gegen ihren Bater 
beihügt hat: 

Beine nit Sigrun; bu warft uns Hilde: 

Nicht befiegen Fürften ihr Schichſal. 
worauf Sigrun erwiebert: 

Beleben möcht ich jet, bie Leichen find, 

Aber dir zugleich im Arme ruhen. 


$. 108. Walküren. SHidenfage. 881 


Hier it mehr als Anfpielung auf bie Hilvenfage, da auch Gigrund Vater 
Högni heißt und Sigrun im erfolg des Liedes ihren Geliebten, ver 
im Kampf gefallen und zu Obin gegangen ift, dur ihre heißen Thränen 
(S. 376) erwedt und berabzieht. Daß in Hilde Freyja verborgen ift, 
beftätigt die fpäte mythiſche Erzählung, welche die Dlaf» Trpggwafonarf. 
c. 17 von Brifingamen, dem Halsband der Freyja, giebt. Nach ihr haben 
es vier Zwerge geſchmiedet und der Freyja für den Genuß ihrer Gunft 
geichentt. Din läßt es ihr durch Loli entwenden und will ed ihr nur 
jurüdgeben, wenn fie bewirke, daß zwei Könige, deren jeder zwanzig Unter 
tönigen gebiete, entzweit und zum Kampfe gereizt würden, aus dem Todes ⸗ 
ſchlaſ aber, in welchen fie durh die Kampfwunden fänten, immer wieder 
erwachten bis ein gemifier (hriftliher) Held, womit Dlaf Tryggwaſon 
gemeint ift, der das Chriſtenthum einführte, diefen Zauber löfe. 

Hier ift Freyja, die wieder für Hilde eintritt, ald der deutſche Helden⸗ 
geift gefaßt, ven die Blutrache nie zur Ruhe kommen läßt, der fortrajen 
muß bis zum Untergang alles „Lebens, weil Blut immer wieder Blut 
fordert und jedem Gefallenen fein Rächer erwedt wird, Wenn in ber 
obigen Sage von Högni und Hilde nur die Götterdämmerung dem Kampf 
der „Hebninge‘ ein Ende machen follte, fo endet er hier ganz folgerichtig 
mit Ginführung des Chriſtenthums, das die Blutrache abftellt. 

Bir können bie weitere Entwidelung der Hildenfage hier nicht vers 
folgen: belanntlich liegt fie dem deutſchen Gudrunliede zu Grunde; aber 
die Wievererwedung der in der Schlacht Gefallenen bat hier ſchon das 
Chriſtenthum getilgt, und es muß nad) ber mörberifchen Schlacht auf dem 
Wulpenfande abgemwartet werden bis ein neues waffenfähiges Geſchlecht 
herangewachſen iſt. Vgl. S. 239. Nachtlänge der Hlldenfage, wie id, 
die Wiebererwedung ber im Kampf Gefallenen zu einem Rampfe nenne 
findet fih in der Hunnenſchlacht, am Dreifaltigfeitäberge vor Regensburg, 
Schoͤnwerth III, 148, und am fteinernen Kreuz bei Selb Schöppner II, 156, 
wo Schweden und Naiferlihe den alten Kampf erneuen. Eine Grinnerung 
ſcheint aud dem Vollsliede (Wunvderh. I, 72) geblieben: 

Er ſchlagt die Trommel auf und nieder, 

Er wedet feine ſtillen Brüder, 

Sie jhlagen ihren Feind, 

Zralali, Tralalei, Tralala, 

Ein Schrecken ſchlägt den Feind. — 

Da fliehen Morgens die Gebeine 

In Reih und Glied wie Leichenfteine u. |. w. 


882 Walküren. Langebardifge Hammfage. 8. 108. 


2. Wie tief aber Hilde mit unferer ganzen Heldenſage verwachſen 
if, wie fie auch Brunhilds und Kriemhilds Weſen zu runde liegt, wäre 
an einem andern Orte auszuführen; bier fol nur noch won Brynhild dar⸗ 
gelegt werben, daß aud fie aus Frigg oder Freyja hervorgegangen ift. 

In Grimnismal nimmt fih Frigg Agnars an, aber Odin Geir⸗ 
roͤds: es iſt eine Wette zwijhen ben himmliſchen Ghegatten, in melder 
Frigg, weil fie fehlauer ift als ihr göttlicher Gemahl, ven Gieg davon 
trägt. Geirröb, Odins Günftling, wird durch eine Botſchaft Friggs vers 
feitet, an Ddin felbft, der feine Gaftfreundfhaft auf die Probe zu ſtellen 
unerkannt in fein Hauß getreten ift, Hand legen zu laßen. Zwiſchen zwei 
Teuer gefept und zum Reden gefoltert giebt Odin fi nur zu erlenmen, 
um feinen ehemaligen Shüpling am Leben zw ftrafen; feine Gunft aber 
wendet er nun bem jüngern Agnar, Geirröds Sohne zu, in welchem 
Friggd Günftling Agnar wiebergeboren if. So bildet die Erzählung, 
welche dem Eddaliede zur Einfleivung dient, ein Geitenftüd zu der bei 
Paulus Diaconus, vollftändiger im Prolog zu dem Gejegbud; des Rotha: 
vis, erhaltenen Mythus vom Auszug ber Langobarden, wo Gmodans Haus 
frau gleichfalls durd Lift den Gieg über den göttlihen Gemahl davon 
trägt, denn Frea ©. 360 nöthigt ihn, dem Wolfe den Gieg zu verfagen, 
dem er ihn urfprünglich zugedacht hatte, während die von Frea begünfig: 
ten Winiler von Gmodan den Namen Langobarden und als Namendges 
ſchent zugleich den Sieg empfangen $. 104. Es ift wie ein verlorenes 
Eddalied, zu deſſen Wieverherftellung vie nod im Latein erhaltenen allie 
terierenden Ramen herausforderten: ö 


Auf des Himmels höchſter Höhe ſaß Gwodan 
Weit in die weite Welt zu, ſchauen. 
Da traten vor ihn bie Fürften der Wanbaler 
Ambri und Affi, ihn anzuflehn: 


‚Wider bie Wirmiler gewähr uns Sieg, 
Daß fe uns zahlen müßen ben Zins, 
Hof und Heiligthum ſoll fi bir heben 
Und immer rauhen vom Roſſeblut.“ 


„Ich gönn ihm gerne‘, ſprach Gwodan, ‚ben Sieg, 
Ben id) den waderften weiß und ben beften. 
Seid frühe munter: bie ich morgen zuerft 
Erſchaue, die follen den Sieg erfedhten.‘ 


Walküren. Aamen und) Aamenegeſchenk. 


Spottiſch darnach ſprach er zu Ftea: 
‚Morgen gewähr ich den Wandalern Sieg. 
Hof und Heiligthum fol fi mir heben 
Und immer rauhen von Roffeblut.’ 


Das jchmergt' im der Seele bie ſchoͤne Frea, 
Bon heißen Thränen troff ihr Gewand. 

Ihr waren die Winniler würdig des Schutzes, 
Die oft ihr die Fruchte des Feldes geopfert. 


Da gieng Gambara vor Gwodans Gemahl 
Mit Ibor und Ajo, ihren edein Söhnen. 
Zu Frea flehte die Fürflin der Winniler; 
Weiſe war ſie unb weithin geehrt: 


‚Wir Magen dir knieend den Kummer des Herzens; 
Unwärbig wollen uns die Wandaler knechten. 
Zahllos umziehen fie Zoll zu heifchen 

Die ſchwächere Schar, die mit Nichten ihn ſchuldet. 


‚Morgen entfjeiden ſich umfre Geſchicke: 
Sram fei uns Gwodan gehn fie und pralen. 
Der Deinen Berberben wirft du nicht dulden: 
Erfleh uns, Frea, den Vater der Welten.‘ 


Sorgend faß die Göttin und fann auf Auskunft 
Wie fie der Winniler Verderben wende. 

‚Höret, im Herzen hab id erdacht 

Wohl weifen Rath, ber wird euch frommen: 


Asch vor der Somme feſtlichem Aufgang 
Wendet euch morgenwärte Männer und Weiber. 
Die langen Loden laßt um das Kinn 

Den Weibern wallen als wär es ein Bart, 


„So fol euch den Sieg in der Schlacht nicht weigern 
Der Bater der Welten: ich will ihn erfichn. 
Schrecken wird die Scharen ber Wandaler ſchlagen, 
Mehrt fi) fo mächtig die Menge dem Feind.’ 


Und früh vor der Somme feftlichem Anfgang 
Sah man ſich fudlich die Wanbaler fharen; 
Aber gen Dfien das bärtige Antlig 

Wandte den Winnilern die weife Gambara. 


884 Walküren. Bigrdrifa. Dornröshen. %. 108. 


Da hob, als der Himmel im Often fich hellte, 
Frea die frühe fich vor dem Gemahl, 

Kehrte fein Bette alebald auf den Scheiben, 
Daß er erwachte gen Weften gewandt. 


Als er nun auffah und nieder zur Erbe, 
Gewahrt’ er der Winniler Weiber gefchart, 

Die langen Loden los auf dem Bufen; 

Den Wandalern wuft er ben Bart nicht gewachſen. 
Mifemuthig fah er die Mummerei: 

‚Was breite Langbärtel’ brach er aus. 

Und Frea verſetzte freundlich, die ſchlaue: 

‚Die Winniler, Bäterhen, und ihre Weiber 
Langbärte nenuft du fie, und Langobarden, 
Nicht Winniler wollen fie weiterhin heißen. 
Zum Namen gehört das Namensgefcent: 

&o gieb ihnen Sieg, bu Gott des Sieges.’ 

Da late Gwodan ber Lift des Weibes 

Und fehenkte zum Namen das Namensgeſchenk: 
Mit Schreden flug er der Wandaler Scharen; 
Freas Günftlingen gab er Gfüd und Ruhm. 


Näher ift aber die dritte Erzählung, auf welche wir hier zielen, der 
erſten verwandt. Brynhild, die ald Walküre in Agnars Dienft getreten 
war, gab biefem den Sieg, den Odin dem Hialingunnar zugedacht hatte, 
dem gröften Krieger, S. 180. 377. Er fiel in der Schlacht; aber Sigrorifa, 
d. i. Brynhild, entgalt bafür den Zorn Odins: er that den Ausſpruch, von 
nun an folle fie nicht mehr Waltüre fein, fondern vermählt werben. Sigrorifa 
gelobte aber, ſich Keinem zu vermählen, der ſich fürdten könne. Da ſtach 
ihr DOvin den Schlafvorn ins Haupt und umſchloß fie und ihre Burg mit 
dem Feuer, dad in der Sage Wafurlogi heißt, und durch dieſes Feuer, 
das wir ſchon ald die Gluth des Scheiterhaufens kennen, ritt hernach 
Sigurd und ermedte fie auß dem tobähnlihen Schlafe. Dieß Schlafen ift 
bei Gerda, bei Menglada nicht erwähnt; aber im Märchen vom Dorn 
röschen fhläft nicht bloß die Prinzefsin, fondern Alles um fie her, Knechte 
und Maͤgde, Pferde und Jagbhunde, die Tauben auf dem Dache, ja die 
Fliegen an der Wand. Dieß allgemeine Schlafen bedeutet den Winterſchlaf 
der Natur und die Erwedung durch einen Kuſs weift auf den Mai, von 
dem Logan fingt: 


6. 109. hilde. derelde. Hilde Schnee. 885 


Diefer Monat if ein Kufs, den der Himmel giebt der Erde, 

Daß fie jego eine Braut, Fünftig eine Mutter werde, 
Wie Sigurd reitet Skimir, reitet Smwipbagr durch Wafurlogi; wir ſahen, 
es war Freyr felbft und in der Alteften Geftalt des Mythus Odin. Wie 
aber hier Sigurd an Odins Stelle getreten ift, jo Sigrdrifa an Gerdas; 
zugleih aber verräth ſich Sigrdrifa als Frigg, Obins Gemahlin, 
an ihrem Günftling Agnar, bem fie den Sieg zuwendet, obgleih ihn 
Odin dem andern Theile beftimmt hatte. Es ift biefelbe Begebenheit, wie 
im Grimnismal, ein göttlicher Chezwiſt, ven begünftigten Agnar betreffend. 
Dort hielt er fih im Kreiße der Götterfage; hier bringt er in bie Hel⸗ 
denfage, was beider innigen Bufammenhang aufs neue darthut. In der 
Mitte fteht die langobardiſche Erzählung, die auch darin der Sigurbfage 
näher tritt, daß es fi um den Sieg handelt, um den Sieg zweier Völler, 
wie bei Gigebrifa zweier Könige, während im Grimnismal die göttlichen 
Gatten nur um den Vorzug zweier Lieblinge wetten, in der Halfſage 
Freyja und Odin fid gar nur im Wettftreit um das befte Bier gegen: 
überftehen. 


109. $haraildis Herodias Abundia. 


1. Daß Hilde, die wir aus der Edda nur als Walfüre kennen, bie 
aus Hel ober Rerthus verjüngte Göttin Freyja felber ift, fehen wir noch 
darin, daß in ben Nieverlanden die Milchſtraße Vroneldenstraet (Frauen 
oder Brunhildenſtraße) hieß (Myth. 263, 121), wie auch irdiſche Straßen 
nad) Brunhild benannt find, Mone Helvenf. 69, Bod öglise abb. 24. In den 
Niederlanden finden wir aud eine Berelde, die in Niederſachſen, wo fie 
dad Spinnen begünftigt, ala Ber Hellen, (Kuhn NS. Gebr. 186), an ber 
Dftfee ald Ber Wellen (Müllenhofi 178) wiederkehrt: Cntitellungen des 
Namens Frau Hilde, die Frau in ‚Ber‘ abihwähen. Auf diefe Frau 
Hilde, lieber als auf die ihr nahverwandte Frau Holla, von der gejagt 
wird, wenn es ſchneit, fie fehüttle ihr Bett, möchte id) die Gage von 
‚Hilde Schnee“ beziehen, melde nad DE. 456 zur Gründung von Hil 
desheim . Beranlapung gab. Soweit der Schnee gefallen mar, gründete 
Kaifer Ludwig den Kirhenbau zu Mariend Ehre. Maria Schnee (Maris 
ad nives, notre Dame au neige) heißen auch anderwärtd Kirchen, an 
welche fih ahnliche Sagen rüpfen. Baader 122. 381. Bel Müdenh. 


141, Moth. 246. Aus Verelde (Frau Hilde) ſcheint der Dichter des 
Ginred, Diyihelsgie. 25 


886 Yübe. Yharaildis. Abundia. 6. 109. 


Reinharbus feine Pharaildis gebildet zu haben, die auch Herodias heikt. 
Die Tochter des Herodes, deren Tanz die Cnthauptung J. des Täufers 
herbeiführte, ftellie man im Mittelalter an die Spige des wilden Heeres 
und feiner nähtlihen Umzüge wie fonft wohl Holda oder Diana. Darin 
liegt eine Identificierung mit Freyja oder Hilde, die mit den Walküren 
und den ermwedten Einheriern in gleicher Weile durch bie Luft braufe, 
und ber Dichter bed Neinharbus gab ihr den Beinamen Pharailbis, Frau 
Hilde, oder die fahrende Hilde, mit Anknüpfung an den Bollöglauben, 
wenn er gleih damit an Pharaos Tochter erinnern wollte, Noch mehr 
aber tritt die Miſchung chriſtlicher und heidniſcher Sagen hervor, wenn ihr 
der dritte Theil der ganzen Welt gehören fol, was ſich auf die Geelen 
der Verftorbenen bezieht. Dieß muß von Hel oder Freyja auf fie über 
tragen worden fein, welche fih mit Odin in bie Erſchlagenen theilte, wäh: 
rend aud dem Thör ein Antheil gebührt, denn ihm fallen nad) Harbardel. 
24 die Knete (Bauern) zu. 

2. Was von der Freyja erzählt wird, daß fie Ihren Gemahl Odr zu 
fuchen zu unbelannten Böllern fuhr, das kehrt ſich bei Herodias um: ‚fie 
war von Liebe zu Johannes entzündet, die er nicht erwieberte; als fie 
das auf dem Teller getragene Haupt mit Küffen und Xhränen bebeden 
will, weicht es zurüd und fängt heftig zu blafen an: die Unfelige wird 
in den leeren Raum getrieben und ſchwebt ohne Unterlaß; nur von Mit: 
ternacht bis zum erften Hahnkrat figt fie trauernd (moesta hera) auf Eichen 
und Haſelſtauden. Myth. 262; vgl. das Drudenweibel bei Banzer II, 201. 
Daß die den fliehenden Gemahl ſuchende Göttin ald Herodias verhaͤßlicht 
wurde, erflärt fih einfach daraus, daß die Flucht oder der Tod des Jahr 
resgottes auf die Sommerfonnenwende, ben 23. Juni, alfo auf Johannis 
fiel und Herodias um den Täufer zu trauern ſchien, deſſen Tod fie ber 
beigeführt hatte. 

3. Wie diefe Pharaildis auf Hilde, fo geht die Dame Habonde 
(Domina Abundia), welcher gleichfalls der britte Theil der Welt gehören 
fol (Myth. 263), auf Fulla zuräd, die in der Eda (D. 35) nur als 
Ehmudmädhen der Frigg erſcheint, in den Merſeburger Heilipräden 
wo fie Bolla heißt, als Schweſter der Frua oder Friia. Ob ber Begriff 
der Fülle in ihrem Weſen Liegt, ob man fie als ven Vollmond dachte 
(Myth. 285), immer fheint fie aus Freyjas Weſen erwachſen, deren Bruder 
regt wir ald Gott der Fruchtbarkeit wie ald Sonnengott Tennen, wäh 
rend Freyjas Halsband Brifingamen, urfpränglid ber grüne Echmud der 


8. 110. Is. Acheleunie. 887 


Erde (6. 306), doch vielleiht auf den Mond umgebeutet wurde, da bie 
vier Zwerge, die es ſchmiedeten, die Monbphafen ſcheinen könnten. Dal. 
$. 12. Ueber Wanne Thella, die in den Niederlanden, wie Habonde in 
Frankreich, als Königin der nachtfahrenden Geifter, der Hexen und Alven 
erjheint, vgl. NE. 520. Wir weiſen ihr diefe Stelle an, da fie gleich 
den zunädft zu nennenden Göttinnen auf dem Schiffe fährt. Ein foldes 
tommt allerdings auch bei der h. Urfula vor; aber wie hätte fie anders von 
Britannien nach Köln gelangen tönnen? Bol. jedoch den Schluß von $ 114. 


110, Ifs Nehalennia Gertrud, 


Die verborgene Erogöttin, die wir als Nerthus, als Freyja, als 
Hilde u. |. w. fennen gelernt haben, ift in Deutſchland nod unter andern 
Namen verehrt worden. 

1. Der ältefte ift wohl jener der Iſis, welcher nad Tacitus Germ. 9 
ein Theil der Gueben opferte. Ihr Zeichen war ein Schiff, das den 
Römer an das Navigium Isidis erinnerte, weshalb ihm ihr Dienft für 
ausländifh galt, zur See nad Deutſchland gelangt, wie er ſich wortfpie: 
lend ausbrüdt (docet advectam religionem). Wie tief er aber in Deutfchr 
fand mwurzelt, in Schwaben namentlih und am Niederrhein, hat Grimm 
236 ff. nachgewieſen und Liebreht (Dunlop. Vor. AT) und Wolf (Beitr. 
149 fi.) haben ihre Spuren mit Glüd meiter verfolgt. Cine Mutter 
Gottes auf dem Schiff Leopr. 133. 

2. Ob Bolf die Nebalennia, fo verwandt fie der Iſis iſt, 

. für deutſch zu erflären berechtigt war, ift die Frage. Den keltifchen Namen 
diefer Göttin, die auf dem Vorbertheil des Schiffes ftehend dargeftellt wird, 
der ob merces bene conservatas Altäre gewidmet find, hat Heinr. Schreis 
ber mit Grimms Beiftimmung Myth. 390 aus nere, fpinnen, erllärt, 
was fie als eine Schidfalsgöttin bezeichnen würde. Bu Deuz, Köln gegen» 
über, hatte fie einen Tempel. ebenfalls ift aber der Name undeutſch, 
wie nahe auch vie keltiſche Göttin felbft der deutſchen Iſis vermanbt 
ſei. Diefe halte ich ganz für dieſelbe Gottheit, welche Tacitus bei an« 
dern fuebifhen Böllern als Nerthus kennen gelernt hatte; dort 
warb fie im Wagen umgeführt, bier im Schiffe. Das Beichen ift 
ein anderes, die Göttin dieſelbe. in drittes Beihen von gleicher Bes 
deutung ift der Pflug; Herumfahrene bed Pfluges und mit ben 
Säiffen follte man fi nad dem Ulmer Rathöprotofol von 1530, das 


888 Is. Athaleunia. Caruaval. 8. 110. 


den legten Reft des Iſisdienſtes außtilgen wollte, enthalten, Myth. 242. 
In den Varianten der S. 350 angeführten Sage von dem Schwaben 
berzog Gtiho, der mit 12 Mannen in den Berg gieng, um des Kaiſers 
Lehnsmann nicht zu werden, vertreten fi dagegen Pflug und Wagen; 
fein Sohn Heinrich, der nicht fo ftolz dachte, nahm fo viel Land von dem 
Kaiſer zu Lehen al er mit einem golvenen Wagen umfahren oder nad 
anderer Sage mit einem goldenen Pfluge umziehen konnte. Unb wie 
hätte Nerthus, deren Gemahl Njörbr ein Gott ber Schiffahrt war und 
zu Noatun (Schiffſtadt) wohnte, von ihrer Infel im Ocean zu den Böl- 
tern gelangen können, welchen fie Frieden und Fruchtbarkeit brachte, wenn 
ihr Wagen nicht zugleih ein Schiff war? Ein Schiffs wagen ift aud 
das Schiff der Iſis, es befährt Waßer und Land wie Freys Schiff Stid⸗ 
bladnir Luft und Meer, ja aus dieſem Schiffswagen ift unfer Carnaval 
(car-naval) entjprungen; noch bei Sebaftian Brant mufte biefer Zufams 
menhang fortwirten, als er fein Narrenſchiff ſchrieb. Jenes wahr 
ſcheinlich dem Iſisdienſt gewidmete Schiff, das Grimm Myth. 237 aus 
Rodulfi Chronicon Sti. Trudonis nadgewiefen hat, war Schiff umb 
Wagen zugleih: ein Bauer im Walde bei Inden (Cornelimünfter) hatte 
+3 gebaut und unten mit Rädern verjehen. Weber wurden vorgefpannt, 
die e8 über Achen und Maftriht, wo Maft und Segel binzulamen, nah 
Tongern und Looz zogen; von da follte es über Duras und Löau nah 
Lowen und, wie Wolf vermuthet, nad Antwerpen und auf die Schelde 
gebracht werben, an deren Mündung jener Selandiae extremug angelus 
lag, wo das Heiligthum der Nehalennia glei jenem der Nerthus auf 
einer insula Oceani (Walchern) in einem castum nemus ftand, und 
deutſcher und keltiſcher Gottesbienft, vielleiht zu einem Bunde ber Völler, 
zufammenfließen konnte, Alles freilih in fpäter chriſtlicher Zeit, um das 
J. 1153, dreißig Jahre nach Eroberung Conſtantinopels durch die Kreuz 
fahrer, aber als Nachtlang des Heidenthums. Darum eiferte aud die 
Geiftligteit gegen ſolch abgöttifhes Treiben, dem aber das Volt nod ger 
wogen ſchien, und das auch die weltliche Obrigkeit, wahrſcheinlich als' alt: 
hergebracht, befhügte. In Achen warb das Schiff mit großem Zulauf 
von Männern und Frauen feitli eingeholt; anderwärts flürzten ſich Scharen 
von Frauen mit flatterndem Haar und loſem Gewand, alle weibliche Scham- 
haftigfeit mifsachtend, unter die Menge, die das Schiff umtanzte. Die 
Weber, die es zu ziehen gezwungen wurben, murrten wider die Gewalt, 
die ihnen geſchah, obgleih fie doch eigentlich für die Priefter der Göttin 


%& 110. Is. Scan Elfen. Weber und Meheer. 889 


gelten follten, weshalb fie ein Pfand von Allen zu nehmen berechtigt waren, 
vie fi dem Heiligthum nahten. Attingere uni sacerdoti concessum, 
fagt Tacitus bei der Nerthus. Diefe Priefterihaft der Weber erfcheint 
ſchon bei der römifchen, ja bei der ägpptifhen Iſis; auch bei andern deut ⸗ ö 
ſchen Feſten finden wir fie neben den Metzgern, die wahrſcheinlich die 
Opferung zu vollbringen hatten, betheiligt. So bei dem Trierſchen Früh⸗ 
lingsfeft, das id in den Jahrb. des Vereins von Alterthumsfreunden im 
Rheinlande beiproden habe; aud zu Münftereifel ließen die Weber das 
flammende Rab von dem f.g. Rabberge laufen, während bei dem Münd: 
ner Schäfflertang, Panzer 258, nur noch die Mehger betpeiligt find. Bol. 
Meier 1, 373. 451. Neben den Webern find es rauen, die an dem 
Eultus Theil nehmen, und fie thun es ohne Widerſtreben, mit fichtbarer 
Vorliebe, im unerlofhenen Gefühl ihrer alten Priefterihaft. 

Nach diefem Allen halte ich die Nachricht de3 Aventinus von ber 
Frau Eiſen, Myth. 244, keineswegs für eine erfonnene Erweiterung ber 
Meldung des Tacitus von der deutſchen Iſis, zumal au Fiſchart, M. 274, 
von ihr vernommen hatte. Außer dem Schifflein führt Aventinus noch 
an, fie fei nad) ihres Baterd Tod zu dem deutſchen Könige Schwab ge 
kommen und eine Weile bei ihm geblieben: da habe fie ihn Gifen ſchmie ·⸗ 
den, Getreide fäen, mähen, malen, kneten und baden, Flachs und Hanf 
bauen, fpinnen, nähen und weben gelehrt und das Volk fie für eine heir 
lige Frau gehalten. Wenn hier die Göttin auf die Künfte des Friedens 
bezogen wird, fo ift dieß ein neues Moment, das bei Tacitus nicht an⸗ 
gebeutet ift, und nur aus ber lebendigen Volksſage fließen konnte. Auch 
das Umziehen mit dem Pflug zur Frühlingszeit, wenn Adergang und 
Schiffahrt wieder beginnen, das Ginfpannen der Mädchen, die ſich von 
dieſer Strafe verfhmähter Ehe nicht durch ein Pfand löfen konnten (Myth. 
242), ber lolniſche Reimfpruch: 

Faſtelovend kutt heran, 

Spillemer op der Buſſen, 

Alle Madcher krigen ene Mann, 

Ich onn od ming Süfler. 
Alles deutet auf den Dienft einer mütterlihen Gottheit, die wie fie dem 
Aderbau und der Schiffahrt, der Liebe und Ehe hold war, auch dieſe fried⸗ 
lichen Künfte Ichren mochte. Wenn fie freilich auch das Eiſen ſchmieden 
gelehrt Haben foll, fo könnte das Aventinus aus dem Namen der Frau 
Sifen ( If), herausgellügelt Haben ; ſchwerlich aber hat er den Ramen 


390 Is. Ya, I. J 8%. 110. 


Frau Eiſen aus dem der Iſis gebildet und der Meldung des Tacitus ent⸗ 
nommen, Freilich wiverftrebt ung die Annahme, daß die deutſche Göttin 
Iſis geheißen habe, und nicht etwa Frouwa (Freyja), Frida, Holda oder 
Berta. Der Name der Iſis gilt uns wie ber bed Hercules und Mars 
in demſelben Gapitel für die interpretatio romana des Tacitus. Aber 
eben gegen dieſe zunäcft liegende Annahme möchte ib mic erklären. 

Es fprict dagegen, daß in zwei deutſchen Gedichten, dem Drendel 
und St. Dswalds Leben, deren mythologiſcher Gehalt auch fonft aner⸗ 
tannt ift, der Name Eiſe eine Rolle fpielt, die feinen Bezug auf die 
Schiffahrt ganz außer Zweifel fegt. In beiden Seefagen tritt nämlich der 
Fiſcher Eife fo bedeutend hervor, daß mir ihn als eine ſtehende Figur der 
deutſchen Odyſſee erfennen. Das Zeugnifs des Aventinus ſpricht nur vor 
einer Frau Gifen, während hier ein Meifter Eife (Ise, ein vischer guot 
und wise), auftritt. Des Unterſchieds des Geſchlechtes ungeachtet ift bei 
lepterm der Bezug auf die Schiffahrt fo entſchieden, daß ihre urfpräng« 
fie Einheit nicht verlannt werben fann, Die in beiden Seeſagen ver: 
dunkelte Erinnerung an eine deutſche Gottheit der Schiffahrt, welcher der 
Name Eife (Fe) zuftand, bringt die Nachricht des Moentinus zu ‚Ehren 
und empfängt ihrerſeits Licht von ihr, indem fie die Deutung auf die von 
den Sueben verehrte Iſis näher legt. Der Name Eiſe, welden die Sees 
fagen an bie Hand geben, wird alsdann der Iſis entſprechend der richti ⸗ 
gere fein ; hoͤchſtens ift die Beziehung auf das Eiſen Entftellung des Aven ⸗ 
tinus. Dagegen Lönnte diefer gegen Drenbel und beide Gedichte von St. 
Döwalt in der Meldung über das Gefhleht der Gottheit Recht ber 
halten, wenn neben Iſa nicht ein männlicher Iſo anzunehmen ift, wie nes 
bem Nerthus Njördr fteht. Frau Eifen verbindet fib mit der Bertha $. 114 
als Eifenbertba Panzer IL, 117. 465. . 

In den Nibelungen finden wir als Brunhildens Burg Senftein bie 

. allerdings nach Jsland gedacht fein kann, obgleich es wahrſcheinlicher bleibt, 
daß der am Rhein und den Scheldemündungen hergebrachte Dienft ber 
Iſis oder Nehalennia, welchen aud Brunhild als Odins Gemahlin glei: 
zuſtellen ift, ver Sage von der Fahrt nach Iſenſtein zu Grunde liegt. Die 
Ifenburg (bei Gain) gab einem ber älteften deutſchen Fürſtengeſchlechter 
den Namen, und Eiſenach, Eisleben und andere braude ich kaum zu nennen. 

Was aber nun den Namen der Nehalennia betrifft, jo ſcheint biöher 
überjehen, daß zu der Ableitung -enmia, die ih mit jener in Idun, Hlodyu, 
Hludana, Hludena, $. 117, ober Arbuenna, Gebenna, Baduhenna vergleiät, 


%. 110. Us. St. Gertend. Sqiferheilige. 891 


das I nicht gehören kann, was ſowohl Schreibers Deutung auß nere, fpinnen, 
als ver Beziehung auf ben Neumond, welcher ich früher (Bertha 106) 
gumeigte, entgegenfteht. Den Kern bed Namens Neharlsennia bildet Ner 
bal:, und ob dieß unferm deutſchen Nebel urverwandt und ein ähnlicher 
Spirantenwechſel wie 6. 319. 385 anzunehmen fei, mögen Kenner ver leltiſchen 
Dialekte beurtheilen. Einer ſolchen Deutung fände das keltiſche Reha in Zuſam⸗ 
menfegungen wie Rumanehae, Bacallinehae u. ſ. w. nicht entgegen, denn eben 
dieſes lann, wen es nicht felber Ableitung ift, in Neha⸗l auf I weitergebilvet 
und mit ber Ableitung ennia zu dem Namen ber Unterweltögöttin verwendet 
fein. Eine ſolche verrathen ihre Attribute Hund und Schiff. Neha verhält ſich 
zu Nehal wie Nacht zu Nebel. Nacht und Nebel gehören zufammen, unb 
das nord. niol, das Gr. Gr. 3. 481 mit agl. neol, ne6vol vergleicht, 
faßt beide Begriffe zufammen. Der Wechfel der beiden Spiranten h und 
» wird unter 3 wahrſcheinlich werden. Neha, vielleidht der keltiſche 
Rame der norbifchen Nornen, deutſchen drei Schweflern, erinnert an neorx- 
navong (6.175, Myth. 781) für paradisus, in welhem Grimm Gr. I, 
2368 den Ramen der Nornen nicht finden will, 

3. Beine Vermuthung geht bahin, daß Nivelles ein Hauptſitz des 
Dienftes der Rehalennia war, bort aber fpäter durch ben der heil, Gertrud 
vonNivelles erfegt wurde. Die Minne ber heil. Gertrud ward gleich, 
ber heidniſcher Gottheiten getrunten (Myth. 53). Das Glas, deſſen man 
ſich dabei bediente, hatte die Geftalt eines Schiffes. Sie gilt aud für 
die Patronin der Schiffer, und ihre von Schiffern beſuchte Gapelle fteht zu 
Bonn in ber Nähe des Rheins. Gleich der Nerthus warb fie im Wagen 
umgezogen. Diefer Wagen wird noch jept in Nivelles bewahrt (Bod 
6glise abbatiale de Nivelles 4. 25). Sie gewährte Ghup vor Mäufer 
fraß was nad Baur Symbolik I, 62 Bewahrung vor allen Krankheiten 
einſchliebt. Wirklich fügt fie auch vor der Peſt, Banzer II, 157. Mit 
ber Maus am Stab oder Roden wird fie abgebildet, Btichr. I, 144; nach 
bem kolniſchen Reimſpruch holte fie ven kalten Stein aus dem Rhein: fie 
brachte die fhöne Jahreszeit, und ein heiliger Brunnen warb zu Nivelles 
im ihrer Kirche gezeigt (Bod 25). Sie bietet endlich wie Hel und Freyja 
Seelen ver Berftorbenen Aufenthalt bei ih, denn der Glaube galt, wenn 
die Seele von dem Leichnam ſcheide, fei fie die erfte Nacht bei St. Ger- 
trub, die zweite bei Gt. Michael, die britte da, wo fie hin verbient habe 
(Mth. 54. 798). Dffenbar if hier Gt. Gertrud an Freyjas, St, Mi 
chael an Wuotans Stelle getreten. Bol. Auhn WE. II, ©. 8. Der 





898 Is. St. Gertend. Albelungen. $. 110. 


ihr gebeiligte rothhaubige Schwarzipeht, Myth. 639, ſcheint derſelbe der 
aud St. Martinsvögelchen heißt, M. 1084; St. Martin aber gleiht Wuo- 
tan 6. 248, wie Gertrub der Freyja. Daß Alles zeigt, daß heibnifche 
Erinnerungen an bie Göttin, beren Dienft fie verbrängen follte, bei Gt. 
Gertrud im Bollöglauben, ja im Cultus bafteten. Jene Göttin aber hatte 
das Schiff zum Symbol, fo daß wir nicht ziveifeln Finnen, es war Reha 
lennia oder die deutſche Iſis. Zugleich verräth aber der Name Nivelles, 
daß die Gutturale in Nehalennia in den urverwandten Sprachen durch 
einen Lippenlaut erfegt warb: aud fie war bie verborgene, in Nebel: ges 
hullte Göttin, unferer in Nifelpeim, der nörblihen Nebelwelt, wohnenden 
Hel nahe verwandt und mit den Nibelungen beſchlechtet, die zuerſt in 
ben Niederlanden, ja in dem Geſchlecht Karls bes Großen, dem aud Ger 
trud die Tochter Pipins von Landen angehörte, als geſchichtliche Helden 
nachgewieſen find, wie aud ihr mythiſcher Bufammenhang mit Nifelheim 
unzweifelhaft if. In MM. 61 heißt das Meine Männden, unter befien 
Geſtalt Wiotan aufzutreten pflegt, das Nebelmännle (vgl. Baader 60, 
Wolf DE. 72, Kuhn NE. 413), und dießmal ift er e8 unverkennbar, 
denn es entrüdt den Herrn von Bobmann wie Dihin den Hadding und 
fest ihn in der Heimat vor feiner Burg nieder. Vgl. Uhland Germania 
IV, 70 fi. Es ift aber zugleich ber unterweltlihe Wuotan, denn es er 
ſcheint als menſchenfreßender Oger (Orcus), und die Unterwelt iſt auch 
durch die hohe Mauer angedeutet, hinter welcher das Land des Lebens 
liegt, ein Bug, der in der Haddingsſage nicht fehlt. Vgl. S. 200 oben. 
Wie bier das Nebelmaͤnnchen der männliche Hel ift, fo wird Rehalennia 
durch ihren Namen, wenn wir ihn richtig gedeutet haben, als bie weib ⸗ 
liche bezeichnet. Der Name Gertrud ift mit dem Walkürennamen Thradhr 
zufammengefegt; die erfte Silbe bezeichnet fie als die mit dem Gper be 
waffnete. Den Sper, welchen Odin (Gerhard 6. 309. 315) verleiht, fan 
den wir $ 65. 103 als den von dem alten Mann verliehenen Stab, der 
die Hölle erſchloß, wieder: es ift der Stab der Gridh, welcher gleichfalls 
verliehen wird; diefe Gridh aber fiel uns $ 96 mit der Hel zufammen. 
Thrudh heißt die Tochter Thoͤrs und eine der Wallüren; fpäter hat ver 
Name die Bedeutung von Zauberin, Unholde angenommen. rau Trude 
iſt KM. 48 eine teuflifhe Here und Gertrud halten einige Leute für einen 
undriftligen Namen, Myth. 394. Bei Panzer II, 46 führt ihn ein Wald- 
fräulein, alfo ein Weſen heidniſchen Glaubens. Alles deutet an, daß Ger 
trud der Gribh, alfo ber Hel gleihbebeutend war, Wie Ifis Schiff und 


8.111. Is. Gertrud. Strafen der Ehriofgkeit. 893 


Pflug zum Symbol hat, bezieht fie fih auf Feldbau und Schiffahrt zugleich. 
Schifigeftalt hatte der Becher, in dem ihre Minne getrunfen warb, und 
bie Maus, die ihr vom Roden den Faden abbeipt, deutet an, da mit 
dem Tage ihres Feſtes (17. März) nicht mehr gefponnen wird, indem nun 
die Arbeit außer dem Haufe beginnt, wie es der Spruch: ‚Gertraut lauft 
die Maus go Feld aus‘ (Duipmann 124) befagt. Gerda (hd. Bart) laßt 
fi mit Ger⸗trud nicht zufammen bringen, weil das t in deren Namen zu der 
zweiten Sylbe gehört. Vgl. jedoch Zingerle Johannisfegen und Gertrudenminne, 
Bien 1862. Zum Schluß mag noch erinnert werben, daß Strafen ehlofer 
Madchen wie S. 393 der Volkswih heute noch liebt. Nach Moſcheroſch follen 
fie in der Hölle Schwefelhölzchen und Bunder feilhalten, in Straßburg müßen 
fie die Eitadelle einbändeln helfen, in Wien ven Stephansthurm von oben 
„bis unten abreiben, in Frankfurt a. M. den Barthorn bohnen, in Bafel 
den Münfterthurm wiſchen, in Köln tommen fie in die Gereonstift, die nach 
Gäfarius I, 31 vol Aröten und Schlangen ift. Bgl. Htfchr. für Myth. 
1, 405 und Wolf DE. Rr. 110. 


111. Monatsgöttinnen: Spurfe G6i Hreda Oftara SIf Nanna. 


1. Die Verehrung der Iſis iR durd die Wiedereröffnung der Schiffe 
fahrt, welche die Römer am 5. März feierten, an eine beftimmte Zeit des 
Jahres gewieſen: gerade diefer Tag erfheint aud bei dem Umguge, wel: 
hen bie Tübinger Weingärtner 1853 (Meier 378) begiengen; es war 
Afchermittwoch, den ähnliche Volksgebraͤuche vielfach auszeichneten. Es ift 
aber freilich gleich der Faſsnacht, die fih aus dem Iſisdienſt hervorbildete, 
ein bewegliches Zeit, während St. Gertrud, die den lalten Stein aus dem 
Rhein holt, eine fefte Stelle im Kalender hat. Noch andere Göttinnen 
beziehen fih auf dieſe Jahreszeit, zunähft Spurke, die dem Februar 
den Namen Spörtel gab, und der zu Ehren nad dem indiculus sup- 
erstitionum bie Sputtalien, wahrſcheinlich die Faſsnacht, gefeiert wurden. 
Der Name deutet auf den Schmup des Februars, welchem der Unflat uns 
ferer Fafsnachtöfpiele völlig entſprach. Sonſt ift von biefer Göttin, die 
wir faft nur vermuthen koͤnnen, wenig mehr belannt ald daß der Wachol⸗ 
der nad) ihr, wenn nicht von der Sproͤdigkeit feines Holzes, Sporkel hieß. 
‚Sie ſcheint in den häufigen Regenfhauern des Februars zu walten: am 
Rheine heißt es von ‚Spörlels Kathrin,’ fie ſchuttele ihre 99 Röde, und 


394 Goi (Stan Gane?) Hrede (Hrusde.) $. 111. 


Aehnliches wird in Weſtfalen von Spoͤrlels Elslen gefagt, Woeſte Zeitſchr. 
für Myth. I, 388. 

2. Im Norden iſt der Februar nah Goi genannt, die dem Ges 
ſchlechte Fornjots des alten Rieſen angehört. Bon feinen drei Söhnen 
hatte Kari einen Sohn Froſti, deſſen Sohn war Snär (Schnee), deſſen 
Sohn Thorri. Schon diefer Thorri fheint ein Monatsgott: er wird auf 
die Mitte des Winterd bezogen, und das große Opfer, das da Statt hatte, 
bieß Thorriblöt. Er hatte zwei Söhne, Nor und Gor, und eine Tochter 
Si, Nach Gor ift abermals ein Monat benannt, ber Gormonat, d. h. 
Schlachtmonat im Spätjahr, etwa unferm Martinsfeit entiprehend. Seine 
Tochter Goi foll einmal während des Thorrifeftes geraubt worden fein: 
der Vater fchidte beide Söhne Gor und Nor, fie zu ſuchen; einen Monat 
fpäter opferte er nochmals, wahrſcheinlich für glüdlide Wieberauffindung 
der Tochter, und dieß Opfer hieß Goiblot. Gor hielt den’ Seeweg ein, 
Ror den Landweg; Cor fegelte nämlich den ſchwediſchen Scheeren vorbei 
und kam nad Dänemark, wo er feine Verwandtſchaſt, die won Hler (Degir) 
auf Hlefsey ftammte, beſuchte, und dann nordwaͤrts weiter ſegelte. Nor 
dagegen zog von Kwenland nad Lappland und Trondheim. Nachdem ſich 
die Brüder viele Landſchaften und Inſelreiche unterworfen hatten, trafen 
fie ſich in Sögn wieder. Sie theilten darauf die Länder: Nor belam 
das feſte Land und nannte ed Norwegen; Gor erhielt die Infeln. Zulett 
fand Nor feine Schweſter Goi, die gerambte, bei dem Gebirge Dofrafial, 
Hrolf hatte fie aus Kwenland entführt; fein Großvater war Aathör. Hrölf 
und Ror föhnten fih aus: Hrölf behielt die Goi und Nor nahm Hrölfs 
Schweſter zur Ehe. Neine Mythen finden wir in dem Bruchſtüde Zum 
dinn Noregr, dad diefe Nachrichten enthält, allerdings nicht: es find per- 
fonificierte Ideen fiber den erften Anbau des Landes, mit großer Willkür 
erfunden. Goi bedeutet Gau, d. b. Land, und Land ift ed, was biefe 
Brüber unter dem Namen ihrer Schweſter fuchten. So gleicht dieſe ber 
Europa, was bach wieder auf eine ältere Grundlage der Ueberlieferung 
deuten Tönnte. Der Bezug der Göi auf ben wieverlehrenden Frühling zeigt 
ſich nur noch in ihren Berwandten und Voreltern, die auf Froft und Schnee 
und andere Naturerſcheinungen zielen. Vgl. Frau Gaue 6. 165. 398. 

3. Hrölfs Name, jenes GEntführerd der Göi, ift aus Hröbalf ge 
tarzt: mit ihm fcheint der März gemeint, der den Angelſachſen Hröbmd 
nadh hieß, was auf eine Göttin Hröde bezogen wird; andere Gtämme 
mögen einen mänsliden Gott unter verwanbiem Namen gelaunt haben. 


s. 11. Opera. Ofrrfpieie. Ofercier. Oferfener. 395 


Da Hrövh Glanz und Ruhm bedeutet, jo würden twir. auf Tyr, den leuch⸗ 
tenden Gott des Schwertes, gewiefen, der dem Mars entipricht, nach dem 
die Römer den gleichen Monat nannten. Der Name ver Göttin, nad der 
die Appenzeller ‚ven Redimonat' nannten (Myth. 267), würde ahb. Hruoda 
gelautet haben. Dal. Myth. 187. 266. Dagegen weift der Bufammens 
bang des Namens mit dem ber Gerade, des weiblichen Schmuds (agf. 
rhedo), ber ſich im deutſchen Recht nach andern Grunbfägen als der übrige 
Nachlaß vererbt, R. A. 567, auf das leuchtende Halsgeſchmeide der Freyia, 
Myth. 839. Dazu ftimmt, wenn Bouterwed den Namen von hröd paratus 
leitet,“ denn auch ſich fhmüden heißt ſich bereit machen und fo kann Hroͤde, 
die mit Jardarmen von Neuem gefchmüdte Erde, ein Beiname der Freyia fein. 

4. Bunääft fließt fih Oftara an, auch fie einft eine ftralende, jept 
verdunlelte Göttin, deren Dienſt body tief gegriffen haben mochte, da ihr 
Name im engern Deutichland zur Bezeichnung eines ber hödften chriſtlichen 
Feſte gebuldet werden mufte; nur in einzelnen Provinzen, aud in bee uns 
fern, gelang es, das chriſiliche Paſcha durdzufegen. Erſt das Hochdeutſche 
bot den Namen Dftern gu und gurüdgeführt. Rad ihr hieß auch der April 
bei Eginhart Oftarmänoth. In der Edda erſcheint keine Spur von ihr; 
sur ein Zwerg, ber bie Himmelögegenb bes Sonnenaufgang bebeutet, 
trägt den Namen Auſtri. Ostar (oftwärt8) bezeichnet bie Richtung gegen 
Morgen, und fo wird Oftara eine Göttin des auffteigenden Lichtes gewe⸗ 
fen fein, ber Morgenröthe twie des Frühlings. Wir fehen bier wieder 
Tag und Jahr fih entſprechen, den anbrechenden Tag dem zunehmenben 
Jahreslichte gleichgeftell. Nah dem DVollsglauben thut die Sonne am 
Oftermorgen drei Sreubenfpränge; das gleichzeitig gefhöpfte Waher ift heil: 
kräftig. Ein Glas Waßer am Oftermorgen vor Sonnenaufgang bingeftellt, 
zeigte das Ofterlamm, Temme 6. d. Altm. 85. Ofterfpiele waren vielfach 
gebraͤuchlich, ‚Meines Herzens Ofterfpiel oder Ditertag‘ drüdt als Schmeir 
chelwort für die Geliebte die höcfte Wonne aus. In einem Frühlings⸗ 
liebe Goelis erbietet ſich Friedebold mit feinen Gejellen zum Oſterſpiel, 
einer Art Schwerttang, der von Zwoͤlfen aufgeführt warb; das babei ans 
gebundene Oſterſachs ift wohl nicht ala Opfermeher zu verftehen, ſondern 
auf das Schwert zu beziehen, das im Tanze geſchwungen ward, Myth. 710. 
Nur unblutige Opfer, Blumenkraͤnze und Maiblumenfträuße, wurden biejer 
Frühlingägättin dargebracht, M. 52; aud find Ofterflaven und Ofterftufen 
begeugt ; unfere Proving lennt auch Dftereier, nicht aber ‚Ofterfeuer‘, die 
anfverwärtd ( Wolf Beitr. 79) der Göttin flammien. Zu Schillingen bei 


896 Ofara. Oferbok. Ofermärden. Ofergelähter. 6. 11. 


Trier ftellte aber das Bifitationdprotof. von 1712 eine Abgabe ab, die 
bis dahin unter dem Namen hircus paschalis (Ofterbod) pro primo in- 
fante baptizando entrichtet worden war. Hier ſcheint fih Oftara mit 
Thor zu berühren, mit dem fie ſchon Wolf Beitr. 88 zufammenzubringen 
bemüht mar. Ein Ziegenbod mit vergolveten Hörmern follte nach einem 
Gebrauche bei Sommer 149 zu Himmelfahrt entrichtet werben, wenn man 
es unterließ, zu Ehren einer Königin Glifabeth ein dort näher beſchriebe- 
ned Feft zu begehen. Vgl. $ 143. 4. Daß dieſe Königin, nad am: 
derm Bericht eine Gräfin von Manzfelb, die ihr Gemahl verftoßen hatte, 
eine Göttin war, leidet feinen Biweifel, wenn man den Wolfs Beitr. I, 
190 verglichenen ſchwäbiſchen Gebrauh und die Gage von der Königin 
Reinſchweig (DES. 183. Sommer 41, ſ. auch Bechſt. 133, 163) vergleicht. 
Beitere Forſchung muß ergeben, ob wir in ihr jene nah ©. 337 in ber 
Heerdengöttin Graite von Woefte behauptete Mutter Donars anzuerten: 
nen haben. Selbſt noch der chriftlihe Priefter mufte auf der Kanzel ein 
Dftermärhen erzählen, um das Bolt zu erpeitern und ein ‚Ofterge: 
laͤcht er“ hervorzurufen. Die Ofterfeier berührt fi aber mit dem Maifeſt 
(Roth. 740), und fo fehen wir aud aus den Ortönamen, baf ber Dienft 
der Dftara dur den der heil. Walpurgis (Iften Mai) verdrängt ward, 
M. Rheinl. 97%. Ihr Walfürenname ftellt fie nahe zu Freyja, bie auch 
Walfreyja hieß und deren Vermählung mit Odin in einem zwölſtägigen 
Feſte begangen ward, das mit dem erften Mai begann, ſ. oben ©. 223. 
Ueberdieß erſcheint fie Vernalelen Alp. S. 109 ff. vom wilden Jäger ver 
folgt. Auch bei der Dftara hat Duigmann 132 einen Minnetrunt 
nachgewiefen. Am weißen Sonntag (8 Tage nah Oftern) führten bie 
Burſche die Mädchen zum Meth ſich ſchön und ſtark zu trinten, Schmeller 
II, 360; dabei wird aud ein Gebäd genoßen, das man Schifferle 
nennt, wahrſcheinlich nad der Geftalt des Bechers, den wir jhon bei Ger 
trub gefunden haben. 

5. Dom der nordiſchen Sif erzählt D. 61, daß ihr Loki hinterliftiger 
Weife das Haar abſchor; ihr Gemahl Thör zwang ihn aber, vom den 
Schwarzelfen zu erlangen, daß fie ihr neue Haare von Gold machten, die 
wie andered Haar wachſen follten. Bol. Bonbun Sagen 6.52. So en 
ſcheint fie als das Getreideſeld, deſſen goldener Shmud in ver Gluth des 
Spaͤtſommers · abgeſchnitten, dann aber von unſichtbar wirfenden Erdkräf⸗ 
ten new gewoben wird, Uhland 76. Hiemit iſt aber der Name der haar ⸗ 
ſchoͤnen Gottin ſchwer in Uebereinſtimmung zu bringen. Grimm ſtellt ihn 


8. 111. - 3. Marieff. Sich, 897 


Myth. 286 mit Sippa, Verwandtſchaft zufammen: darnach verſucht Uhland 
die Deutung: das zahllos wuchernde Geſchlecht der Halme ſei die gröfte 
aller Sippſchaften. Da dieß aber gezwungen ſcheinen kann, und ſchon 
Grimm ſelbſt GDS. 149 farchtet, die nordiſche Stf unrichtig auf Sibja 
Sippa gedeutet zu haben, fo ſchlage ich eine andere vor. Marien Heim⸗ 
fuhung (2 Juli), ‚unferer lieben Frauen Tag, da fie über das Gebirge 
gieng,’ heißt bier zu Lande Maria Sif. Vielleicht war es einft das Feft 
der heidniſchen Göttin, deren Name biefem Marienfefte zur Unterſcheidung 
von fo vielen andern beigefügt wurde. Das Feit hat nämlih einen uns 
vertennbaren Bezug auf die nahe bevorftehende Ernte, die nicht eingefheuert 
werben kann, wenn biefer Tag nicht glüdlich vorübergeht. Nach dem Sprich: 
wort ‚Marien Si Regiert dat Wif' regnet es vierzig Tage lang, wenn ed am 
Tage Mariä Heimfuchung fieft (tröpfelt) oder regnet: tritt aber dieſe Regenzeit 
ein, fo ift die Ernte verloren und unermeßliher Schade geftiftel. Darum 
mochte ſchon die heibnifhe Göttin vie jegt Maria angerufen werben, an 
diefem Tage den Himmel zu verjhließen und trodene Witterung zu ſenden, 
damit die Ernte eingebracht werden könne. Ueber das Wort ‚Siefen’ vgl. 
Zeitſcht. VII, 460, wo ein ahd. sifan seif sifun angenommen wird, auß 
deſſen Bluralablaut der Name ver Göttin herzuleiten wäre. Gr wird vom 
Niederrhein nah dem Norden gelommen fein, wie der Brifingamens aus 
dem Breiögau. Nicht zu weit ab liegt au das Gieb (cribrum), das, 
vielleicht einft ihr Symbol war, wie es noch jept vielfach zum Zauber 
dient, Myth. 1066. Waßer im Siebe zu tragen, ohne daß ein Tropfen 
Rurchfließt, ift der göttliche Lohn der Unſchuld. 
Schöpft bes Dichters reine Hand 
Woßer wird fih ballen. 

Heren und Weltermaderinnen werden Siebe beigelegt NG. 293 und nah 
Liebrecht Gero. 139 hat der Drao fiebförmige Hände, womit Schwarz 
Urfprung d. M. 8. die Redensart bei feinem Regen ‚das Waßer kommt 
wie gefiebt herunter‘, zufammenhält. Es ift auffallend, wie Mannhardt, dem 
ſfich fonft Alles in Wolken auflöft, in Sif die Regengöttin verlennen mag. 

6. Nanna, Baldurs Gemahl, ift $ 34. 36 beſprochen und gebeutet, 
Mit Recht bemerkt Duigmann 133, der vollsthämlihe Ausdruck Nandl 
für Anna habe mit Lepterm nichts gemein und gehöre offenbar hierher. 
Auch im ganzen wetlihen Deutſchland if Nannchen und in Frankreich 
Ronnette für Annette gebraͤuchlich. 


112. Göttinnen der Ernte und der Zwölften, 


Erntegöttinnen finden wir in Deutſchland noch in großer Zahl; fie 
haben aber zugleich einen Bezug auf bie ‚Bmölften‘ (vie zwölf Nächte zwi- 
hen Weihnadten und Drei-Königätag), das höchſte Felt des Jahrs, ohne 
Zweifel deshalb, weil der Umzug, den fie in diefer hochheiligen Zeit hal- 
ten, Feldern und Bäumen Fruchtbarkeit fpenbet, wovon ſchon $ 71 ge 
handelt ward. Neben ihnen erſcheinen aud oft die entſprechenden männ- 
lichen Gottheiten, aus deren Namen fie zum Theil erwachſen find. &o 
ward in Norddeutſchland aus Wodan, Wod und Gödan die Waud oder 
Fru Wod, Fru Göde oder Gaue; doc fellt Rein (Haus Bürgel, 
Crefeld 1855 ©. 39 ff.) Fru Gaue und Fru Gauden mit den romanifierten 
Matronennamen Gabiae und Gavadiae nicht ohne Schein zufammen. Aus 
Heru ward Ero (Wefjesbr. Gebet 8. 2), Cra oder Hera (Merfeb. Zauı 
berfpr. I, 8. 1), Erke oder Herke, die auch wohl Harte, felbft Harfe 
heißt, wo das E der Ableitung als Diminutiv zu faßen if. Aehnlich 
deutet Adalbert Kuhn den in Niederſachſen, wie er Zeitſcht. V, 373 nach⸗ 
wies, noch fortlebenden Namen der Fru Fröke nicht auß dem nordiſchen 
Frigg, fondern, auf das Fröa des Paulus zurüdgehend, als Diminutiv; 
früher wuſten wir nur von ihr aus Eccard Germ. p. 390, und deutſchen Ortd: 
namen wie Fredenhorft, Myth. 281. In Mitteldeutſchland heißt diefelbe 
Gottheit Frau Holla; im Süden erfcheint neben ihr Frau Berhta, 
der ein männlicher Berchtold entſpricht; bier und da führt fie auch andere 
mehr verächtlihe Namen (Stempe, Trempe, Werte). Der Blaube 
an fie ſchwaͤcht ſich jegt freilich immer mehr ab, war aud nad Landſchaf⸗ 
ten von jeher verfdieben: das Gemeinfame befien, was und noch übrig 
it, faße ih mit Benugung der Worte Weinholds (Deutſche Frauen im 
MU. €. 35) zufammen: 

‚Die Göttin ift eine jehr hehre Frau, eine forgfame und ſtrenge Lem 
terin großen Haus: und Hofweiend. Sie zeigt ſich den Menſchen am dh 
terften in den mwölften. Da hält fie, wie einft Nerthus, ihren Umzug 
durch das Sand, und wo fie naht, if den Feldern Gegen für das fünfe 
tige Jahr gewiſs. Darum wird ihr aud) bei der Ernte ein Daulopfer 
gebradt: ein Halmbuſchel wird nicht abgemäht, fonbern unter gewiſſen Ge: 
bräuden der Frau Gode u. |. w. (Vergövenbölsftruß) geweiht, wie er 
aud wohl für Wods Pferd ſtehen bleibt. Bei dem Zwölftenumzuge fieht 


8.112. Wagen, Ping uud SGif. 8399 


fie nad, ob das Ndergeräth an gehöriger Stelle ſich befinde, unb wehe 
dem Nnechte, der nadläßig war. Am aufmerkjamften ift fie für den Flachs⸗ 
bau und das Spinnen. Sie tritt in die Spinnftuben oder ſchaut durch 
das Fenfter und wirft eine Zahl Spulen hinein, die bei Strafe abgefpon- 
nen werben follen, wie alles da3 in andern Sagen auch von ber ihr ent⸗ 
ſprechenden männlichen Gottheit berichtet wird. Fleißige Epinnerinnen be: 
ſchenlt fie mit ſchoͤnem Flachſe, faulen befudelt fie ven Roden. Zu Weihs 
nachten unb wieber zu Faſsnacht muß Alles abgejponnen fein und dann 
ruht fie von ihren Wanderungen. Ihren Umzug hält fie auf Wagen oder 
Pflug; an ihre Stelle tritt auch, für Binnenlande feltfam genug, ein Schiff. 
Im Börner? Sagen aus dem Orlagau 113 fährt Perchta mit einem Pflug 
übers Waßer in einem Kahn. Hier fehlt nur noch der Wagen, der bei 
Gertrud nicht vermifät wurde. Aber S. 173. 182 erfheint aud er. Ne 
ben dem Pflug ift noch die Rabwelle durch den Namen ‚Radeperchte‘ auf 
fie bezogen, Börner 157. Wir fehen das allumfapende Wefen diefer hohen 
Böttin heil beraudtreten; Wagen, Pflug und Schiff, im Begriff vers 
wandt und felbft im Wort zufammenfallend (vgl. ‚Pflugihar‘ und EDE. 
56) find Symbole der Einen großen mütterlihen Gottheit. Unverheira⸗ 
thete Mädchen werben babei geziungen, den Pflug ber Göttin gu ziehen, 
eine Strafe der Ehelofigteit, denn die mütterlihe Gottheit begünftigt bie Ehe. 
al. S.393. Ihr Schiff ziehen die Weber, einft die Priefter der Gottheit, welche 
die Webelunſt gelehrt habe. Als Spinnerinnen erfheinen auch fie felbft, 
wie wir den Roden ſchon bei der Frigg fanden. Zugleich erſcheinen Holda 
und Berhta als Hegerinnen des Kinderſegens. Die ſchleſiſche Spillaholla 
(Spile—= Spindel) nimmt die Kinder mit fih in ihren Brunnen, aus dem 
fie auch kommen, und führt fie neugeboren kinderloſen Eltern zu. So wer« 
den zu Köln die Kinder aus Runiberts Püp geholt: dort aber figen 
fie um die Mutter Gottes herum, welche ihnen Brei giebt und mit ihnen 
fpielt. Maria ift hier wie fo oft an bie Stelle der deutſchen Urgöttin 
getreten, der Hellia oder Holda, die man aud in der Tiefe der Flut gold⸗ 
glänzende Hallen bewohnen läßt, wo fie umgeben figt von ben noch Uns 
gebornen. Wolf Götterl, 35. Mon Berta mag Wehnlihes erzählt 
worden fein, wenigftend ziehen in ihrem Gefolge bie Seelen der ungetauft 
verftorbenen Kinder, wie wir Solches ſchon bei Pharaildis und Abundia 
fanden. Nach andern Sagen umgeben fie die Heimden oder Elben, von 
welchen wir jene gewifß als Seelen der Todten (Freund Kain) zu denken 
haben, und fo gleiht fie der Königin der Elfen und Feen in ben roma⸗ 


400 Sarke. Yerke. Erhelen. 8. 118. 


nifchen und britifhen Sagen. Auch die ſchwediſche Hulbra erſcheint in 
elfifher Umgebung, und in Frau Hertens Berge wohnen die Unterirdiſchen. 


113, Herta Jordh Ziſa. 


1. Bon Frau Hera erzählt ſchon Gobelinus Perſona im 15. Jahrh., 
daß fie nah ſaächſiſchem Glauben in den Zwölften durch die Luft fliege 
und Weberfluß zeitlicher Güter verleihe, Myth. 232. Bgl. Woeſte Ziſchr. 
f. M. J, 304. Von ihrem Namen ſcheint Herke (aud Herten, Harte, ſelbſt 
Harfe), Diminutivform. In einer angelſächſiſchen Gegensformel (Eroe 
erce erce eordhan mödor) wird fie als Erbenmutter angerufen. Im 
Havellande lag der Harkenftein, ein gewaltiger Granitblod, darin wohnten 
die Unterirdiſchen, mit denen fie, als die alten Gichen gelichtet wurden, 
nad Thüringen auswanderte. In eine Höhle des Bergs trieb fie Nachts 
ihre Hirfche, Rehe und andere wilde Thiere; die Dachſe hiepen ihre Schweine. 
Sie wird als Niefin gedacht, und warf aud einmal einen gewaltigen 
Stein nad) einer chriſilichen Kirche; fonft erſcheint fie wohltpätig und ihr 
verdankt man bie Einführung der Heinen märlifhen Rüben. Wenn ber 
Flachs um Bartholomäi nicht eingebradht war, drohte man, Frau Harle 
werbe tommen; fo forgte fie auch für das Winterlorn. Den Mägden, bie 
bis zum Weihnachtsabend nicht abgeiponnen hatten, zerkrahte oder befu- 
delte fie den Roden. Vgl. Kuhn 126 mit den Anm. und Sommer 8. 
In Weſtfalen beit diefelbe Göttin Hirte oder Hurke, und wiederum iR 
hier ein Herlenftein over Herchenſtein nachgewieſen. Auf fie ſoll die Her- 
oynia silva zu beziehen fein, Woefte Ziſcht. f. Myth. I, 393; vgl. jer 
doch Glüd Die teltiihen Namen S. 10. 13, Ohne Zweifel gehört hieher 
aud bie gelbrifhe Erke, von welcher ih Grteleng ableitet. Nach der Chro⸗ 
nit diefer Stadt hat Erkelenz Urfprung und Ramen von einer edeln Frau 
Erta, die gemeinlich die Frau sur Linde genannt und ein mannlid Weib 
geweien if. Wie wenig man, als die Chronik gefdrieben wurde (um 
die Mitte des 16. Jahrh.), die Erka der Mythologie und Heldenſage noch 
lannte, zeigt die fernere Meldung: ‚Bur Vertheidigung des Vaterlands habe 
fie den Tod nicht gefheut und alien Männern ein Zeichen der Tapferkeit 
gegeben.’ Dargeftellt ward fie, das Schwert entblößt in der Rechten, in 
der Linten den Schild, fonft unbemaffnet. Mein Rheinland IL. Aufl. 370. 

Kuhn NE. 482 hat in Frau Harle die Tochter Zios ober Herus 
vermuthet und dabei den Döveöfteig, der zum Karlenberge führt, al Ti 


$. 118. Exke. Herkje. Helke. Iöcdh. 401 


vesſteig gedeutet. Wilh. Müller 226 erkennt in ihr die Gemahlin des⸗ 
jelben Himmels und Schwertgottes, was zu ihrer kriegeriſchen Darftellung 
in der Chronik von Erkelenz ſtimmt. Doch lönnte fie auch die Mutter 
des Schwertgottes ſein: aus der Erde ward das Schwert gegraben, das 
dem Attila gebracht ward, den wir ſelber $.88 als Schwertgott zu faßen 
verſuchten. Das Richtigere möchte auch hier wieder die Heldenſage bewah ⸗ 
ven. Nach ihr iſt naͤmlich Hertja ober Helle als Cpels (Atlis) Ger 
mahlin belannt. Da fie der Berta fo nahe verwandt iſt, fo Tann es 
auf echter Ueberlieferung ruhen, daß ihr Wiltinaf. c. 64—83 eine Schwefter 
Berta giebt. Alles deutet darauf, baß fie eine der älteften Göttinnen ift, 
und aud das erlaubt, fie dem Bio (Heru) zu verbinden, der gleiches 
Alter in Anfpruch nimmt. Ueber den Hiarlelmai (Harkelmai) Woeſte 
a.0.D. 395, Kuhn WE. II, 180. 

2. Jünger ſcheint der Name der Jordh, der Mutter Thors (vgl. 
$. 112), wie unſer Er de' erſt aus dem einfachen ero hera abgeleitet 
iR, Myth. 2239. Wie aber der Donnergott Thör, der erft aus dem Him⸗ 
melsgott Tyr entftanden fein mag, die Jördh zur Mutter hatte, fo dieſer 
wohl die Hera oder Herta. Nur daß Herla dem Attila vermählt war, 
ſpricht noch für W. Müllers Anfiht. Den der Erka heiligen Baum, S. 400, 
Linde, finden wir aud bei der Holda und andern ihr meientlich gleichen 
Göttinnen; die Gründung einer Stadt hat fie vor ihnen voraus, 

3. Rod eine andere Göttin weift auf Bio, und in ihr könnte man 
feine in der Edda unbenannt bleibende Gemahlin ($.96) zu finden glaus 
ben. Außer dem Bio verehrten die Schwaben nach einem vielleicht noch 
in der Tarolingifchen Beit gefchriebenen Brudftüd (Myth. 269) eine Göttin 
Bifa, von welcher Augsburg benannt warb; der ihr heil. Tag war der 
28. September. Am 29. war dad Feſt des. h. Michael, von dem wir 
wißen, dab er an Bios Stelle trat. Horaz gebentt der amazonifchen 
securis Vindelicorum (vgl. IV, 14), und auf ber Silberſcheide des 1848 
zu Mainz gefundenen f. g. Schwertes des Tiberius (Lerſch Progr. zum 
Windelmannsfeft 1849) ift eine amazonenartige Frauengeftalt abgebildet, 
die eine Hand mit der Doppelart, die andere mit dem Wurfiper bewaffnet. 
Gin zweiſchneidiges Schwert fanden wir 6.299 bei St. Michael, der und 
auf Bio wies; mit dem Schwert war die gelorifhe Erka bewaffnet; aber 
nod immer gilt das horazifhe: nec seire fas est omnia. 


Conret, Biythelogie. 26 


114. Holda und Berchta, 


1. In dem Namen Holda will Myth. 244 den Begriff der mil 
den, gnäbigen Göttin ausgebrüdt finden. ‚Ich überzenge mid) immer mehr‘, 
beißt es 899, ‚aß Holda nichts ander fein kann, ald ber milden, gätir 
gen Frida Beiname.‘ Auch die entfprechende nordiſche Hulla, Huldra will 
Grimm 249 aus dem alt. Adj. hollr (propitius), nicht aus dem altm. 
hulds, Duntelheit erläutert wißen. Gleichwohl berührt fie ſich fo vielfach 
mit Hilde (D. 108), daß der Gebante au heln, verbergen, dad biefem 
Namen gewiſs, vielleiht auch jenem Hulda zu Grande liegt, nicht abzw 
weilen ift; felbft an Hel, die verborgene aber als Todesgöttin im Norden 
fo tief herabgemwürbigte Göttin, entbricht man ſich nicht zw denken, wenn 
fie zumeilen häßlich, langnaſig, großzahmig und alt, mit firuppigem eng» 
verwortenem Saar (Myth. 247) vorgeftellt wird, und Sterblide durch dem 
Brunnen in ihre Wohnung gelangen, wie Ran, das Nebenbild der He, 
Ertrunlene aufnimmt; ober wenn fie in Gchredensmächten durch die Lüfte 
brauft und das wilde Heer anführt, dem außer Hesen auch Geipenfter, die 
Seelen der Berftorbenen, angehören. 

2. Der Name Berta bezeichmet dagegen die leuchtende, glänzende 
Göttin, und obwohl aud fie jo wenig immer hold und gütig erſcheint als 
Holda ftät8 grimmig und furdtbar, der heutige Vollaglaube vielmehr auch 
bei ihr die grauenhafte Seite hervorzufehren, ja fie noch tiefer herabzu⸗ 
würbigen pflegt als Holda (Myth. 250), fo erſcheint fie doch in Altern, 
halb hiſtoriſchen Sagen $. 115 ihres lihten Urfprungs nicht unmürbig, 
und die weiße rau unferer Fürftenfhlößer heißt mır Bertha, nie Holda. 

Die nun, wenn urjprünglih Berdta und Holda die Gegemiäge vom 
Licht und Finfternif3 ausdrädten, wie fie in der Grfheinung der Hei ich 
verbunden zeigen? Wir fahen, daß dieſe Göttin ber Unterwelt wie Fei⸗ 
reſij im PBarzival eine lichte und eine dunkle Seite batte: fie konnte alſo, 
je nachdem fie den Menſchen wie eime oder die andere zufehrte, ala lichte 
(Bertha) oder als dunkle Göttin (Hulda) erfheinen. Daß ſich Hel mis 
Beiden, Hulda und Berdta, ja mit Hilde und Freyja, in ihrem Bezug 
auf bie Seelen der Verſtorbenen berührt, hat die biäherige Darfiellung 
nachgewiefen; felbft bei der Göttermutter (9. 97) find wir am Hei exinwert 
worden, und Freys, ja Odins Verhältniſſe zu ihr und dem Todtenreich 
baben ſich heraußgeftellt. Als Steaf lam Wali oder Odin als Uller auf 


8. 114 GSerchta. Scan Srene. Scan Yenns. 408 


dem Todtenſchiff gefahren, ein Land zu beglüden, dasſelbe Schiff brachte 
ihm der Unterwelt zurüd; als Schwanenritier fanbte ihn Artus aus dem 
boblen Berge, wo er bei Juno Iebte, die nur Freyja fein kann, die wir 
auch im Benusberge finden, wiederum zwar in lateiniſcher Ueberfegung, 
aber doch erlennbar und felbft dur das ‚Frau Frene' des ſchweizeri⸗ 
ſchen Tannhäuferliees als Freyja verrathen. Auch in der Königin ber 
Elfen und Feen, melde dem Thomas von Greildoune Hirſch und Hirſch- 
tuh ald Boten der Unterwelt fendet, erfennen mir fie in ihrer unheim⸗ 
lichen Verwandtſchaft mit Hellia. Es ift ein tiefes, ſchauriges Geheimnifs, 
das unfere Mythologie hier nicht ausſpricht, aber andeutet: Tod und Le: 
ben, ja Lieben und Sterben find ungertrennlic verbunden. Aus dem 
Brunnen Hwergelmir in Niflhel find die urmeltlihen Ströme hervorger 
quollen, von’ dem Geweih des Sonnenhirſches fließen fie dahin gurüd; dort 
iſt auch Holdas Brunnen, aus dem die Seelen der neugebornen Kinder 
kommen, wo bie Geifter der Verftorbenen weilen. Und fo reicht ſich nicht 
bloß im Menſchenleben Anfang und Ende die Hand; auch das Leben ber 
Natur erftarrt alljahrlich, es verſchwindet von der Oberfläche und birgt 
Aid) im dunfeln Reihe der Hel, wenn Idun, das grüne Sommerlaub, von 
der Weltefhe fintt. Auch Freyja und Freyr, alle Wanengötter, ſelbſt Odin 
als Uller oder Oller, Wuotan, der im Berge fchläft, find dann in bie 
Xiefe wieder zurüdgenommen; aber im Frühjahr ſchirrt der Nerthus Prie⸗ 
fter ihren Wagen von Neuem; das Schiff der Iſis wird auf Rädern über bie 
Berge gezogen, ihr Pflug lodert die Erde und lädelnd ſchlägt Skeaf, der 
meugeborene Anabe, auf feiner Garbe die Augen auf. Doch ſchon im 
Mittwinter, wenn die Sonne fi verjüngt, wird das Feſt der fchönen 
Bötter gefeiert, Freyrs, Freyjas und Gertruds, ja Odins Minne ges 
trunlen; dann halten auch Holda und Berta ihren Umzug, die Ahnung 
ihtes rüdtehrenden Reich ift erwacht, und in den Winterftürmen fireuen 
fie ihren Segen aus, 

Un dem Bezug der Rerthus, der Freyia, der Holda und Berchta auf 
Hellia ſehen wir, wie die beutihen @ottheiten, die Göttinnen zumal, ins 
einander fließen, wie vielleicht auch urfprünglic Alle aus Einer fi ent: 
widelt haben. Gleichwohl Täßt fih ein Unterſchied fefthalten, jede auf 
ihren eigenthümlihen Kreiß beichränken. Hel jelbft, ihre Urquelle, die 
verborgene Erbmutter, wagt ſich als Todesgoͤttin nicht leicht an das Licht, 
und wehe, wenn es geſchleht! wenn fie auf dreibeinigem Roſs umreitet, 
denn dann kommt fie als Peſt und ermürgt die Menſchen. Erwünſchter 


404 Setchta und Selde. Fran Hall. %. 114. 


ift Berchtas und Holdas Erfcheinen ; aber auch fie find nit immer gütig 
und gnädig, do nur dem Echulvigen, dem Neidiſchen und Faulen, pfle 
gen fie ſich finfter und unfreundlid zu zeigen. Unter fih find fie faum 
verſchieden; doch erſcheint Berchta nicht als Brunnenfrau wie Holla (golla: 
brunn Bernalelen Alp. 121), die dagegen ald Spinnerin nicht zu begeg⸗ 
nen pflegt; auch hat Hola feinen Bezug auf das Feſt der Ecſcheinung 
(Spiphania, Berhtentag, Dreilönigätgg): darin nähert fie ſich der Hel; fie 
ift nicht die Königin der Heinen und Elben wie Berchta (Mytb. 253), 
die fih darin ihrerſeits wieder der Hel an die Seite ftellt und mit Hilde 
und Pharailvis berührt. Dody hat auch Holda Elben im Gefolge, die 
nad) ihr die ‚guten Holven‘ heißen (Myth. 424. 5), Hulora ift Königin 
des Huldrevolls (M. 421). Holda, die wie Nertus im Wagen fährt, 
wie Bertha an der Spitze des wüthenben Heeres zieht, wohnt häufiger 
im See, im Teich, im Kinderbrunnen ; aber doch aud im hohlen Berge, 
im Venusberg, im Hörfelberg, und wie der Huldreflat, ihre wunderbare 
Weiſe, berühmt ift, läßt Frau Hulli in Franken Tieblihe Weifen vers 
nehmen, die einem Menſchen das Gerz im Leibe ſchmelzen möchten; Kine 
der werben darauf zu laufen gewarnt, fonft müften fie mit rau Hulli 
bis zum jüngften Tage im Walde berumfahren. ©. Fries Ztichr. ſ. D. 
M.], 27.28. Im Kiffhäufer ift fie K. Friedrich Ausgeberin (Kuhn NE. 
247, 9), anberwärts des im Berge fchlafenden Gottes Gemahlin, und 
im Holleberg haufen die Delten oder Aulten (Kuhn NE. 322), die nichts 
anders find als Geifter der Verftorbenen, von olla, Topf, Ume; vgl. je 
doch Kuhn NE. 485. WE. 645, wonad) fie die Eltern bedeuten würden. 
Zu ihnen ftelt uhn WE. 64 auch die Shönaunfen. 

Wenn Holda nur ein Beiname ber Frigg fein foll, was ihren Bezug 
auf Freyja'zu verneinen ſcheint, fo ift doch ihr Bufammenfallen mit biefer 
ſchlagend, wenn fie nad) Wolfs HS. 12 in den FrausHollen«Gtein bei 
Zulda, in melhem man Furchen fieht, fo bittere Thränen um ihren Mann 
geweint haben foll, daß der harte Stein davon erweihte. Go fagt man 
nah Wolf NS. 584, wenn der Wind fo recht heult und kreiſcht: Hör, Ar 
wina (die Elbin) weint. Alwina war nämlid nad) der Gage eine ſchöne 
Königätochter, welche wegen einer Heirat von ihren Eltern verwunſcht wurde, 
ewig umpherzufahren. Aber nad dem Voltsliede klagt fie um ihren Mann, 
der fie verlaßen zu haben ſcheint. Auch jene um ihren Mann meinende 
Holla vervielfältigt ſich in den Rlagefrauen, Alagemüttern (M. 403. 1088), 
geipenftifchen aber fliegenden Wefen, deren Stimmen im Walde flüfernd, 


$ 114. Serhta und Zelda. Extsfel. Wilde Frau. 405 


taunend und muhend vernommen wird, weshalb fie au Klagemuhmen 
(holzmuoja, holzmuwo) genannt werben. Sie find beſonders um den Obers 
barz zu Haufe, wo die Klagefrau auch Leidfrau heißt. Sie begabt mit Hom, 
Wunſchhut und Mantel (Bröhle KB. 81—89); diefelben Stüde verleiht 
Din, und fo erſcheint fie ald Wodans Gemahlin. Frau Holla beruft ih 
Proͤhle HS. 155 darauf, daß fie ein Recht habe, am Frau Hollen-Abend 
{m weißen Gewande zu figen und zu heulen. Bol. Harris II, 6 mo das⸗ 
felbe von der ‚Haulmutter‘ berichtet wird, bie mit ber Magenben Mutter 
Hola eins iſt. Gin heſſiſches Märchen (AM. 13) erzählt auch von drei 
begabenden Haulemännerhen, M. 424. Die Klagemütter, bie in ‚wildiu 
wip‘ überhaupt übergehen, werben auch als Vögel, namentlid als Eulen 
(Leijenvögel) gedacht, deren Erſcheinen den Tod anfünbigt. Hieher ges 
bört die dem wilden Heere veraufflatiernde Tutofel, die bei Lebzeiten 
eine Nonne geweſen fein fol, DS. 311, die mit ihrer heulenden Stimme 
den Ehorgefang flörte, nad dem Tode fi dem Hadelberg gefellte und 
ihr Uhu! mit feinem Huhu! vermiſcht. Cie heißt auch Tuturfel und 
vergleicht fi der alten Urfchel der ſchwäbiſchen Sage, in deren Berge die 
Rachtfräulein wohnen und die felbft ein ſolches Nachtfräulein if. Auch 
fie jammert, aber nur um ihre Erlöfung, die jet nicht eher geſchehen lann 
als biß ein Hirſch eine Eichel in ven Boden tritt, aus der Eichel ein 
Baum erwäcft, aus dem Baume eine Wiege gezimmert wirb: das erfle 
Kind, das man darin fhaufelt, fann fie erft wieder erlöfen. Diefe Urſchel 
iſt aber, wie Meier XXII felber fagt, nad; dem Berge benannt, in welchem 
fie wohnt; auch die Tutofel kann nach einem Berge heißen, ba Dfelberge 
nebft dem in Hör» Seel: Berg fo arg entftellten KHörfelberg vielleiht einft 
Afenberge, vgl. Kuhn WE. 335, vielfach bezeugt find: die Oftara und bie 
heil. Urfula tann aljo hier aus dem Spiele bleiben. Der tutende Afe 
(kornpytvaldr) war Odin ober Heimball; erft als ber Name nicht mehr 
verftanden wurde, wird man Oſel⸗ in Urfel, entftellt und die Tuturjel als 
Gule verftanden haben. Vgl. jevoh Kuhn WE. IL, Nr. 16. 

Wie Holda hier in die Magefrau, fo geht fie wohl aud in bie wil⸗ 
den rauen über, im Tyrol Salige oder Salinge Fräulein genannt, wo 
fie zwar mehr Feen als Elbinnen gleichen, aber doch bezaubernden Geſang 
mit ihnen gemein haben. Zingerle Sagen 33. Die ‚Salgfräulein’ find 
vor dem Sündenfall gezeugte Kinder Adams, die noch paradieſiſcher Un« 
ſchuld genießen: darum mußten fie ſich in Höhlen und Wälder zurüdziehen 
unb den Umgang ber werborbenen Menfchheit meiden. Aus Wurzeln und 


406 gen, Sueißeine. Bplelkeine. %. 114. 


Kräutern bereiten fie ſich jhmadhafte Speifen; ihr Hausthier die Gemfe 
iſt ihnen zahm; für Hige und Kälte find fie unempfindlich. Vernalelen 
Deftr. M. 244. Die wilden Frauen des mittlern Deutihlands haben ihren 
Aufenthalt bei alten Malbergen und Sreifteinen Wolſ WS. 150, und bie 
Gindrüde in der wilden rau Geſtühl bei Dauernheim (Wolf HE. 83. 
Myth. 403), die von Händen und Füßen ber zu Gericht Gigenben herr 
rühren werben, bezieht der Vollsglaube auf die wilden Frauen, die bier 
mit Mann und Kind hauften, ald die Steine noch ‚mel‘ waren. Kommen 
auf andern Freifteinen zwei Vertiefungen vor, fo faß da ‚das Weiberl 
mit dem Mannerl.’ Go zeigt man anderwärtd ‚der wilden Frau Haus‘, 
der ‚milden Frau Berg‘ u. |. w. Oft gaben dazu nur Höhlen oder aufs 
fallend geftaltete Felſen Veranlagung ; aber die Wohnung ber wilden Frau 
bei Birftein, Landger. Reichenbach in der Wetterau, ift wieder ein alter 
Freiftein. Hier galt fie für eine Bauberin, der, fo weit fie fah, Alles 
sehntbar war. Freiſteine dieſer Art waren vielleicht auch die mehrfach 
nachgewieſenen Spielfteine oder Aumtelfteine, die von ihrer fpindels 
ähnlichen Geftalt benannt find und das Volt an die fpinnende Göttin er⸗ 
innerten, woraus fih der Name ‚Rriembilve fpil’ deutet. Daneben er- 
ſcheint aber auch ein Kriempildeftein, Brunbildeftein (Heldenf. 
155), fo jener unter dem Namen Lectulus Brunichildis hoch berühmte 
auf dem Feldberg, bei dem aud ein Brunhildeborn vorlommt ; ferner 
jener Frau s Hollenftein, der Hollenftein bei Spich in unferer Nähe, oder 
der Hohlftein (Lynder 258), dem ein Blumenopfer gebradht wird, Auch 
die häufigen Rodenfteine werben hieher gehören. Ginzelne folder Roden ⸗ 
Runtels over Spilfteine, die aud die frangöfiihe Sage auf halbgättlihe Weſen 
bezieht (quemouille & la bonne dame, & la bonne fde), ſcheinen uud 
zu Örenzfteinen gedient zu haben: mehrfach findet fi der Name Holle 
bei foldhen, wie bei Grenzbäumen (Hoder Alterth. der Rheinl XX, 128). 
Im Tarforfter Weisthum von 1593 heißt ed: ‚An Frau Hollenbaum, 
da fiehet eine Marl’; aud in ber Nähe von Wertheim wird ein ‚rau 
Hullenbaum’ genannt. Diefe Spilfteine laßen endlich auch Frau Holle 
als Spinnerin erf&einen, vgl. 6.404. Spindeln pflegt Hola an fleipige 
Spinnerinnen auszutheilen und ben Spindelftein, welder die uralten @ren- 
zen von Burgund bildete, hatte die Göttin felbft unter ihrem Arme dahin 
getragen und aufgerichtet. Häufig heißt folch ein Stein Golftein, was nicht 
etwa aus Hollftein oder Hollenftein verberbt ift, der Name geht vielmehr 
auf den gellenden Hahn, der ein Lieblingsthier der unterweltlicen Göttin 


2114 heida. Tuftplidis. YAng und Bpiudel. 407 


iR. Der Hahn kräht in den Salen Hels; er ift aud ihr beliebtes Opfer- 
thietr. Wie Frea nach Kemble (Sachſen in Engl. 297) eine Schupgättin 
der Felder und Grenzen war, fo mag Holda in Deutihland dafür gegol- 
ten haben. Go ließ Lufthildis (Mheinl.144) eine Spindel, die noch heute 
im Lüftelberg gezeigt wird, hinter ſich berfchleifen, und die Furchen, die fie 
309, wurden zu Grenzgräben. So finden wir bei Zürich einen Kriemhilte ⸗ 
graben Weisth. I, 48, Bernalelen Alp. 25; in Giebenbärgen (nad Friebe. 
Müller Siebenb. S. 26) einen Fraholtegraben. Bor Jahren fol eine 
Frau die Duelle, welche dort fließt, eingefaßt und mit einer Rinne verfes 
ben haben. So erſcheint ein Chriembilvegraben auf dem Albis bei Züri 
in den Schloßruinen der Schnabelburg, Rochholz I, 9; fo wies Kemble 
bei den Angelſachſen einen heiligen Grenzbaum nad, welder ber Freitagds 
baum bieß, wo der Bezug auf Frea nahe lag: an ihrem Tage waren etwa 
die Gerichte unter diefem Baume gehalten worden. An die Stelle der Spin 
del tritt an andern Sagen ber Pflug, gleichfalls das Symbol einer Göttin, 
und der indie. superst. de suleis ciros villas ſpricht o. 23 von uns 
verleplihen Grenzfurden, wie um Orticaften gezogen wurden, was auch 
sömifche Sitte war. Es kann aber nicht zufällig fein, daß wir Frau Hola 
oder bie am ihre Stelle tretenden wilden Frauen, ja nah M. 1002 au 
die Hegen an alten Freifteinen und Malftätten antrefien. Malftätten waren 
auch zugleid; Opferpläge, wie Tempelhöfe und Gerichtshoͤſe noch fpät zu⸗ 
fammenfielen und ſchon lectulus und einen Altar beveutete; vgl. lit de 
justice. Das erklärt zugleich die Heiligleit ber Freiſteine, die Aſyle waren. 
Wie ver Holla die Grenzen heilig waren, wie bei Uller (Holier), bei Ge⸗ 
Fon, bei den unterweltlichen Flühen geſchworen wurde, fo werben auch 
die Gerichte, welchen Opfer vorbergiengen, unter der Obhut diefer hehren 
Göttin geftanden haben. Die Linde, die ber Holla heilig war, diente am 
bäufigien als Gerichtsbaum, RA. 796. Daſelbſt ift auch ein Holtgericht 
‚to spelle unter der Linde‘ bezeugt, und Richthaͤuſer und Dinghöfe 
in den Gtäbten findet man unter ber Benennung Spelhus, Spielhus, 
RU. 806, was auf die Spindel ber Göttin zurüdgehen konnte, wenn man 
eine Verwechſelung von apil ladus oder spel narratio mit spille füsus 
annähme. Vielleicht erflärt ih daraus felbft dad Wort Kirchſpiel. 

Ich babe mich oben gemweigert, die heilige Urfula herbeizugiehen, weil 
es mir aud nach Schades Schrift (Die Sage von der heiligen Urfula Hans 
nover 1854) zweifelhaft blieb, ob fie deutſch mythiſchen Grund hätte. 
Wäre wirklich die Legende auf Tauſchung des Volls berechnet gemefen, 


408 geld. 3. Arſala. It. Pinnofe, %. 114 


fo folgte nicht im Mindeften, daß ihr ein deutſcher Mythus zu Grunde 
liege; je ftärter der Betrug betont wurde, den man mit ihr getrieben habe, 
je weniger war man geneigt, echten Grund bahinter zu fuhen. Das Hei⸗ 
denthum mag ber höhern chriſtlichen Wahrheit gegenüber ald Lug und 
Trug erſcheinen, aber gewiſs nicht in dem Ginne als ob es ein will" 
ürlich Erfonnenes wäre. Auch ſchien das bei dem Urfuladienft hervorge ⸗ 
bobene Schiff obgleich e fi auch bei ver Iſis, bei Rehalennia, bei 
Banne Thella, ja wie ich glaube jelbft bei ver Nerthuß findet, doch für 
Urfulas Göttlichteit nicht zu zeugen fo lange man nicht fah wie fie ohne 
Schiff von Britannien nad) Köln hätte gelangen können. Jetzt aber muß 
ih fie dennod für mythifh halten, nachdem es zu Tage gelommen 
(3. H. Keſſel St. Urſula und ihre Geſellſchaſt Köln 1863. S. 15 u. 166), 
daß urfprünglih nicht Urfula fondern Binnofa an der Spipe bes Jungs 
frauenheeres ſtand. Im Kölnifhen Dialelt beveutet Pinn Stachel, und 
Pinnoſa foviel als Epinofa. Es begreift fih, daß man einen folden Ras 
men, der an den Schlaſdorn erinnerte, mit dem Brynhild in Todes⸗ 
ſchlaf gefentt wurde, die als Odins Gemahlin felber einft mit Todesftäben 
getroffen hatte, nicht an der Spige der Schar dulden mollte, die aus Bri— 
tannien, dem Todtenlande fam. Aber gerade, daß man fie befeitigte und 
in der Würde einer britannifchen Königstochter durch Urfula erfepte, ver⸗ 
räth die Abſicht, den heidniſchen Urfprung der Legenbe zu verbergen. Ta ⸗ 
delnswerth finden wir daran nichts. Es that Noth, endlich aud dieſen 
heipnifhen Cult, dem das Wolf nicht entjagen wollte, chriſtlich umzu⸗ 
bilden wie man nad ausdrüdlicher Vorſchriſt des Oberhaupts der Kirche 
heidniſche Tempel nicht niederriß, fondern in chriſtliche Kirchen umgeftaltete, 
Die Rede auf den Todestag der 11,000 Jungfrauen, welde noch Bin 
nofa an der Spige der h. Schar zeigt, fegt der Herausgeber ind 8. Jahrh. 
Vergebens verfihert er, Urfula fei nur auf kurze Zeit vergeen und durch 
Binnofa verdrängt geweſen: ihr früheres Vorlommen wagt er nidt eins 
mal zu behaupten, und die Tradition, daß Urfula die Führerin der Schar 
geweſen, ift nicht älter als bie abſichtliche Beſeitigung ver allzuheidniſch 
Mingenden Pinnoſa. Uebrigens kann auch dieſe als Spinnerin (Spinnoss) 
gefaßt werben, da wir wißen, daß Domröschen von einer Spindel getroffen 
in tovesähnlihen Schlaf fant, 


115. Bertha die Spinnerin. 

Die beiden Seiten der Hel, die fhwarze und die weiße, fcheinen in 
den Namen Holda und Verchta geſchieden, nicht fo in deren Weſen, ba 
beide ſchoͤn und haͤßlich, freundlich und unfreundlich erſcheinen können, 
Dieſem doppelten Weſen ver Göttin entſprechend wird fie in fraͤnkiſchen 
und ſchwabiſchen Gegenden Hildabertha genannt, worin ſchon Myth. 355 
eine Verbindung der Namen Holda und Bertha fah. Es fann aber auch 
Weiße und Schwaäͤrze, Schönheit und Haͤßlichleit an gefonderte Weſen ver⸗ 
theilt werben, und fo geichieht es AM. 135 ‚von der weißen und ſchwarzen 
Braut.’ Bgl. Das goldene Spinnrad in Wenzigs Weſtſlav. Märchenſchatz 


- 6. 45. Die weiße wird von der ſchwarzen verbrängt, die warm in 


des Königs Arm figt, während jene ald weiße Ente durch den Goßen⸗ 
Kein in die Küche geſchwommen fommt um bie Zebern am Keerbfeuer des 
bethörten Gemahls zu wärmen. Diefem Märchen ift die Sage von Bers 
tha der Spinmerin, der fagenhaften Mutter Karla des Großen, auf das 
Rachſte verwandt. Wir befigen fie in verſchiedenen Faßungen, die ältefte 
in der Bremer Chronik, Meibom scriptt. IL p. 20—21, welcher ſich das 
norbfranzöfifche Gedicht des Adenes le Roi anſchließt; jünger ift die Dars 
ſtellung der Weihenftephaner Chronil. Auch in Stalien war fie durch die 
Beali di Francis belannt, und auf fie bezieht man das Sprichwort non 
& piü il tempo che Berta filavs. Damit ift aber die goldene Beit ges 
meint, und fo zeigt ſich ſchon daran die mythifhe Natur diefer fpinnens 
den Bertha. Gin anderes Erlennungszeichen ift ihr großer Fuß (Berte 
as grans pies, Berhte mit dem fuoze): es ift der Schwanenfuß ber 
Freyja, der von ihrer Waltürennatur berührt, 6.377. In dem fo eben 
befprodenen AM. wandelt fi die weiße Braut in eine Ente: der Heinfte 
dieſer Waßervoͤgel ift an die Stelle des großen getreten. In der Wie 
landſage, wie fie das Gedicht von Friedrich von Schwaben zeigt, find aus 
den Schiwänen der Wölundarhvida gar Tauben geworben, $. 129. Die 
Bertvandlung in den Schwan fennt die Vollsſage felten; doc ift der Schwan 
auf dem See bei Köpenid eine Prinzeffin, Kuhn NS. 81, und die Enz⸗ 
jungfrau (Baader 266) pflegt fi in einen weißen Schwan zu wandeln, 
ia Muſaus hatte faft die ganze Wielandsſage vernommen. Weil es aber 
von Freyja felbft nicht bekannt ift, daß fie gleih den Walfüren, die doch 
aus ihe erwadilen find, Schwanengewand anlegte, fo bejiehe ih mich auf 


410 Bertha. Reine psdauque. 8. 116. 


die Sage von der Schwanenkirche bei Carben an der Mofel, Zeitſchr. 
für Myth. I, 305, wo die Jungfrau Maria, die auch fonft an die Stelle 
der deutſchen Frouwa zu treten pflegt, Schwanengeftalt annimmt, um einen 
in die Gefangenfhaft der Ungläubigen gerathenen Mitter über Land und 
Meer in die Heimat zu tragen, ganz wie font Wuotan feine Günftlinge 
im Mantel oder auf dem Roſs $. 66 durch die 2uft heimtraͤgt. 

In der Sage von Bertha, der terlingifchen Ahnenmutter, ift von ihrer 
göttlihen Natur nur ein großer Fuß übrig; bei der Reine p6dauque 
(Regina pede aucae), deren Bildhifs franzoſiſche und burgundiſche Kir 
hen zeigen, warb der Schwanenfuß zum Gänfefuß. Sie heißt die Reine 
aux pieds d’oison, und bei ber Spindel der Königin Gansfuß ſchwur 
man einft zu Xouloufe, vielleicht weil fie den Lebensfaden ſpann. Wahr⸗ 
ſcheinlich war an jenen Kirchen die Königin von Gaba gemeint, melde 
dem König Salomon die Zukunft enthüllt; diefer Weißagerin hatte bie 
deutſche Sage nach dem Gedicht von Gibylien Welßagung (auß dem 14. 
Jahrh.) Shwanen oder Bansfüße beigelegt. Aus der orientaliſchen Ueber ⸗ 
lieferung kann ihr das nicht gekommen fein: es war als ein Zeichen hör 
herer Abtunft won der germanifchen Göttin und ben weißagenden Schwa⸗ 
nenmäpchen $. 107 auf fie übertragen. Als die Aönigin von Saba gu 
Salomon kam, war fie zwar fonft ſchon, aber durch Gänfefühe entftellt. 
Weil fie aber dem Holze, das jegt die vorläufige Brüde zu Salomons 
BVallafte bildete, die Ehre anthat, es nicht mit den Füßen betreten zu wol 
Ien, weil fie woufte, daß es beftimmt fei, einft gu des Heilands Kreuz ges 
zimmert zu werden, und barum lieber durchs Waßer watete, manbelten 
ſich die Gänfefüße in die ſchönſten Frauenfühe. So fößt die Geliebte des 
Staufenbergers, die ihn als Waltüre im Kampfe beſchutzt hatte, bei feiner 
Hochzeit mit einer Andern den Fuß durch die Bühne, die Dede des Gaales: 
ex wird nur als ein wunderfhöner Frauenfuß bezeichnet; in der alten Sage 
mar er wohl aud ein Schwanenfuß: das verfhmähte Wunſchmadchen wollte 
an ihre höhere Natur erinnern. In der noch lebenden Volksſage (Done 
Anz. 1831. 88) ift duch den Einfluß des Vollsbuchs von ber Melufina 
aus dem Schmwanenfuß ein Echlangenfhwanz geworben. Die Burg des 
GStaufenberger war zaͤhringiſch, und daß uns hier eine zaͤhringiſche 
Geſchlechtsſage vorliege, zeigt aud, daß der Gtaufenberger mit der neuen 
Braut Karnthen (Caerinthis) erheiraten wollte. In dem Geflecht der 
Hähringer kommt der Name Berchtold häufig vor, vielleicht in Bezieh ⸗ 
ung auf den Berchtung von Meran der Heldenſage. Defien gleichnamiger 


8%. 116. Bertha. Serchtold. 3. Verena, 41 


Sohn erhielt nad dem Wolſdietrich Kärnthen; ein amberer, Hache genannt, 
Breifach und eine edle Herzogin, mit der er den getreuen Edart, den Pfle« 
‚ger der Harlungen, zeugte: durch beide Tonnten ſich die Bähringer Bertholde, 
die ihren Namen von Kärnthen ableiteten und das Breisgau beherſchten, 
an ben Apnheren jenes Heldengeſchlechts fnüpfen. Aber Götter pflegen an ber 
Spige der Stammtafeln und ver Königsreihen zu ſtehen: ein männlicher 
Berchtold entipricht in der Götterfage der weiblichen Berta, die auch 
Berchtölverli heißt, Myth. 257. 884: in Schwaben zieht er meiß gefleidet, 
auf weißem Pferde der wilden Jagb vorauf und in der Schweiz wird 
der Berchtolds Tag noch jept feierlih begangen. Wir ſehen alfo Dpin 
als Ahnheren an der Spige deffelben deutſchen Fürſtengeſchlechts, dem in 
der Gehalt jener Schwanenjungfrau aud Freyja vorfteht. Einen Bezug 
auf das Breiägau zeigt auch das Halögefchmeibe der Freyja, das Brifine 
gamen (Brisingoram monile) heißt. Im Beomwulf wird unter Brosinga 
mens ein Schat verftanden, melden Heime, ein Dienftmann Kaiſer Gr 
menrih®, nad der heerglänzenden Burg getragen habe. Im Breisgau 
aber follte nach der Gelvenfage das Harlungengold im Burlenberge (dem 
Berge bei Bürglen unweit Bafel) liegen. Im ver Nähe ift arch ver Ben 
nußberg nachgewieſen, vor welchem der gelteue Gdart, der Pfleger ber 
Breiögauer Harlungen, nach der Vollsſage Wache hält, wie er aud ber 
wilden Jagd warnend voraudzieht. Alles deutet an, daß der Breisgau 
eine Hauptftätte des Eultuß der Freyja war, die dort wohl noch als glän» 
gende Berchta verftanden wurde. Im beutfchen Tannhäuferlieve hieß fie 
Frau Venus, wie S. 403 im jhweizeriichen noch Frau Frene, aus der dann 
in der Schweiz die h. Verena erwuchs, von welcher Rochholz viel zu er⸗ 
zählen weiß. In dem Namen der Heiligen werben mit dem Spruche 
Frene Frene dorra weg!’ Wanjen vertrieben wie die franzöfiihen Könige 
die heilende Hand von Brunhild ererbt hatten. 

Im Burlenberge lag nad ME. IL, 169 der Jmelungenhort (Amer 
Tungenhort). Gr fällt aber mit dem Nibelungenhorte, der nah MS. IL, 
2341 im Lurlenberge liegen fol, zuſammen, wofür jetzt ein neues Zeugniſs 
beizubringen iſt. Auf dem Nibelungenhort lag ein Fluch: denſelben fine 
den wir auch an Briſingamen, dem Halsband der Freyja, haften. Nach 
Dusligaſ. o. 17 freite Wisbur die Tochter Auds des Reichen, und gab 
Ähe zue Morgengabe drei große Güter und eine goldene Kette. Darauf 
verließ er fie und nahm eine andere Frau. Als feine Söhne erwuchſen 
forderten fie ihrer Mutter Morgengabe; aber Domalvi, ben er in ber neuen 


418 Bertha. Srifngemen. Rheingeld. . %. 116. 


Ehe erzeugt hatte, verweigerte fie. Da legten fie einen Fluch darauf und 
fagten, vie golvene Kette folle dem beften Manne in ihrem Geſchlechte 
den Tod bringen. Wie dieſer Fluch an König Agni (Feuer?) bei feiner 
Hochzeit mit Stiälf (Beben), der Tochter des won ihm erſchlagenen Froſti, 
in Erfülung gieng, indem ihn die Nette erwürgte, mag man Yngl. c. 33 
nachleſen. Auch in deutibe Sagen ift der Zug verflochten, daß einer au 
golvener Kette bangen und erwürgen muß. Go fehen wir Brosings 
mene als Schatz gefaßt, an dem ein Fluch haftet, während auf dem Hald« 
band Brifingamen, gleichfalls einem Werk ver Zwerge, berjelbe Fluch 
ruhte. Auf das Breisgau feinen ſich beide zu beziehen; ber Schat kehrt 
aud) bei den Herzogen von Bähringen nod einmal wieder. Urfprünglic 
ſollen fie Köhler gewefen fein, die einft beim Aufräumen des Meilerd ger 
ſchmolzenes Erz am Boden fanden, das ſich ald gutes Silber erwies. Go 
brachten fie einen ganzen Schatz zufammen, mit dem fie einem römifchen 
Könige in feiner Vedraͤngniſs zu Hilfe Tamen und zum Lohne die Her 
zogswurde erlangten, M. Rheinland 6.50. Schwerlich war aber der Breis 
faher Schag aus gefhmolzenem Erz gewonnen, fondern aus ven Gold: 
waͤſchen des Rheins, wie wir den aus dem Fluß gewonnenen Ribes 
lungenhort aud dem Rhein zurüdgegeben finden, wovon ſchon Atlalw. 
27 weiß: 

Nur der Rhein ſoll ſchalten mit dem verderblichen Schatz: 

Er kennt das aſenverwandte Erbe ber Hniflungen. 

Ju der Woge gewälzt glühn die Walringe mehr 

Denn bier in den Händen ber Hunenſöhne. 
Die zweite Beile bezeugt, dab ed auch der Rhein war, aus dem er ber 
rührte, was im zweiten Sigurdsliede verjhwiegen if. Bgl. $ 106, 3. 
Der Gntftelung in Brosinga mene im Beomwulf ungeachtet ſcheint doch 
von den Angelfachjen der Name des Halsſchmuds der Freyja nad dem 
Norden gelommen. Aehnlich wird es fih mit dem der Gif verhalten. Bol. 
jedoch Mullenhoff Ztihr. XI, 303. Als Breifaher Schatz (Brifingamen) 
ward da Aheingold erft in die gothiſche Heldenfage, dann in bie nor 
diſchen Mythen aufgenommen. In Brudmanns Magnalia Dei in sub- 
terraneia, Braunſchweig 1727 heißt es ©. 28: ‚Brisgovia, ein Strich Lan . 
des am Rhein, gränget mit Schwaben und dem Schwarzwalde; darin ift 
Brisach die Hauptftabt, bei welder viel Gold im Rhein gefeiffet und ge 
waſchen wird, welches man hernach Rheinifch Gold nennt,’ und nad Dan- 
bröe Bulletin de la soci6ts göologigue de France 1846, p. 458 ff. 


8. 116, Beriha. Vreisganer Gold. Btempe. Erempe. 418 


wird noch jeßt jährlich zwifchen Bafel und Mannheim für 45,000 Frs. 
Gold aus dem Rheine gewaſchen. Zwiſchen Iſtein und Mannheim beträgt 
aber der Gehalt der Goldgründe des Rheins 52,000 Kilometres, mas 
einen Bruttowerth von 165,820,800 Frs. repräfentiert. Rechnet man hinzu 
was jeit dem 5. Jahrh. bis auf diefen Tag aus dem Rheine gewonnen 
iR, fo ergiebt fih ein Schag mythiſcher Verherrlihung nicht unwürdig. 

In dem Grimmjhen KM. 14 wird der Platſchfuß der fpinnenden 
Bafe, ‚der aus der Schwangeftalt übrig ift, aus dem Treten bed Spinn- 
rads ertlaͤrt. So ſcheint auch die nur ald Beiname der Berchta zu faßende 
Frau Stempe, welde die Leute tritt oder ftampft, und Grau Trempe, 
die wohl wie Derk mit dem Beer, M. 194, auf dem Adergeräth, das 
nicht unter Dad und Fach geſchafft if, herumtsampelt, mit ber Vorſtel⸗ 
hung des Plattfußes verbunden, fo daß aud bier die Verrichtung mit ber 
leiblichen Bildung, ja mit dem Namen in Beziehung tritt. Die Ber 
wanblung des Gandfuße der Reine Pedaugue in den großen Fuß der 
terlingifchen Ahnenmutter Bertha könnte ſchon durch ähnliche Ausdeutun ⸗ 
‚gen vermittelt worden fein. 

Der Berta ift im Vollsglauben St. Lucie verwandt. Den Lucien: 
ſchein ein zitterndeß Licht, aus dem gewahrfagt wird, beobachtet man in 
der Luciennacht. Vernalelen Alp. 114. 

Ueber den obenerwähnten Bertholdstag vgl. die gleichbenannte 
mpthol. Stige von H.Runge Zürih 1857. Da diefes Feſt beſonders von 
Rebleuten gefeiert wird (Roh. I, 236), fo if der Uebergang von Ber: 
thold auf Bartholomäus, der den Moft holt, nicht unmöglid. Allerdings 
fol aud zu Bartholomäus (24. Aug.) das Rebwerk beendigt fein, Runge 
23, da mit diefem Tage der Herbft beginnt. Aber Wuotan lann ſich als 
Kellermeifter durch Bartholomäus vertreten laßen und doch als Berihold von 
Rebleuten Opfer empfangen. Beſonders ift ed die Berchtennacht (5. 
Januar), von deren Witterung auf ein gutes Weinjahr geichloßen wird. 


116. Die weiße Fran. 


Bir finden unfere fegenfpenvende Göttermutter in Gage und Dich: 
tung die gute Frau genannt, bona domina, bonne dame, auch bona 
mocia, woraus die Benfozia, ein Beiname der Herodias, bervorgieng, 
Moth. 261. 265. Sie heißt ferner die weiße Frau, wie der Name 
Berhta gleiche Bedeutung hat, und wegen deren Bezug auf den Tag ber 


414 Berthe. Weise Scan, Ahufean. $. 116. 


Erſcheinung (Epiphanis) Befana. Die weiße Frau, die in deutſchen Für 
ſtenſchloͤßern fpuft, pflegt aber den Namen Bertha fortzuführen, welchem 
Geſchlecht fie ſich auch als Ahnfrau anfnüpfen möge, Myth. 257. Am 
Belannteften ift jene Berhta von Rofenberg geworden, die als Ahnfrau 
der Herren von Neuhaus und Rojenberg in Böhmen erideint, ja man 
bat gemeint, bie weiße Frau anderer Furſtengeſchlechter fei dieſelbe Berhta 
von Rofenberg, deren Uriprung alfo in Böhmen zu ſuchen je. Cin 
Bild diefer Bertha zeigt man auf jenem Schloße Neuhaus, das fie ſelbſt 
im funfzehnten Jahrh. erbaut und dabei den Arbeitern, wenn fie es zu 
Stande bräcten, einen füßen Brei, d. h. eine feſtliche Malzeit verfpror 
hen haben foll. Diefer füße Brei, zu dem aber auch Karpfen gehören, 
wird ſeitdem zu ihrem Gedachtniſs noch alljährlih am Grünbonnerstag den 
Armen verabreicht. An den genannten Speifen erlennt man den Bufammen« 
bang jenes Gebrauchs mit der auch in andern Gegenden Deutſchlands der 
Berchta geheiligten Faſtenſpeiſe: Fiſche und Habergrüge, Knöbel mit He 
ringen u. ſ. w. &.290 und $. 143,4. Gtrenge hält Bertha darauf, daß 
ihr Feft mit der althergebrachten Speiſe begangen werde: mer andere 
Speiſe zu ſich genommen hat, dem ſchneidet fie ven Bauch auf, füllt ihn 
mit Hederling und näht mit einer Pflugſchar ftatt der Nabel, mit einer 
Eifentette ftatt des Zwirns den Schmitt wieder zu. Außer den Faften find 
diefe Tage namentlich Sylveſter ⸗ und Dreildnigsabend (Berdtentag), Mytb. 
251. 255. Da badt man in Oberbaiern fette Kuchen und fagt den 
Knechten, damit müße man ſich den Bauch fÄhmieren, dann werde Berdhe 
mit ihrern Meßer abglitfhen. Hiemit hängt ver Kuchen zufammen, in 
welchen nad) einer weitverbreiteten, auch bei uns gültigen Gitte, am Dreis 
!nigsabend (Twelft-night) eine Bohne verbaden wird, die demjenigen, 
dem fie zu Theil wird, die Rönigswürbe verleiht. Der König wählt dann, 
oder läßt durch das Looß auch die übrigen Hofämter wählen. Die Ber: 
tens ober Bedhtenfefte begehen, hieß im Elfaß ‚beiten.‘ Kinder und Hand- 
mertätnechte fammelten babei Gaben ein und das ‚Fechten‘ unferer reiſenden 
Handwerlsburſchen leitet feinen Urjprung daher. Gtöber Alfatia 1852 
©. 150. Wenn das Erſcheinen ber weißen Frau in dem Geſchlechte, 
welchem fie als Ahnfrau vorſteht, einen Todesfall antündigt $. 107, fo 
zeigt ih darin wieder, daß fie glei der Freyja aus Hel der Todes 
göttin verjängt ift. Bei Baader 262 erfheint fie auf dem Schiff, ebd. 
266 erft auch als Schwan, was ar Iſis und ben aus der Unterwelt lom⸗ 
menden Schwanenritter erinnert. 


8. 116. Ipringuurgel. Blanc Siume. dergißmeiuuicht. 45 


‚Weiße Frau' nennt Kuhn (Btfär. f. d. Myth. I, 368) auch jene 
oft erwähnte, Erlöfung ſuchende Jungfrau, die ich Schlüßeljungfrau nennen 
möchte. Sie erjheint nicht bei gewiſſen Anlaßen, fondern am Palmjonn- 
tag wärend ber Paſſion nach regelmäßigen Friften, nach fieben, oft zu huns 
dert ſich ſteigernden Jahren, die dod wohl auf die befannten fieben Wins 
termonate zurüdgehen. Sie ift in den Berg ober das verzauberte Schloß 
verwünfet, wodurch fie an Gerda oder Menglada erinnert; ihre Erlöfung, 
wit welcher der Erwerb des Hortes verbunden wäre, ift aber wiedie Baldurs 
an illuſoriſche Bedingungen gelnüpft, wenigſtens pflegen fie nicht erfüllt zu 
werben. Schon in einem Gedichte Meiſter Altſchwerts ed. Holland S. 70, wird 
der Zugang zu dem Berge burd ein Kraut gefunden, das der Spring: 
wurjel oder blauen Schlüßelblume unferer Ortsſagen gleiht. Kaum hat 
es ber Dichter gebrochen, fo fommt ein Martinsvögelden geflogen, das 
guter Borbedeutung zu fein pflegt; diefem folgt er und begegnet einem 
Zwerge, der ihn in den Berg zu Frau Benus führt. Hier ‘find die Mits 
tel, den Zugang in den Berg zu erwerben, gehäuft: das Martinswögelden 
d. b. der rothhaubige Schwarzſpecht, verſchafft jonft die Springwurzel, die 
den Berg erſchließt. Werm man fein Reft verteilt, holt ver Specht die Wurzel 
herbei, mit dem er fih ben Zugang zu dem brütenden Weibchen wieder 
verſchafft und dann die Wurzel auf ein rothes Tuch fallen läßt, dad man 
unter den Baum gefpreitet hat und das er für ein Feuer anfieht, in wel⸗ 
dem die Wurzel verbrennen fol. Auch der Zwerg pflegt in ven allegos 
rifden Gedichten des funizehnten Jahrhunderts den Berg zu erſchließen. 
In unfern Orisfagen thut es die blaue Blume d. h. das Kraut. Man 
darf fie aber über den Gchägen nicht vergehen, weil man fonft ben 
Weg im den Berg zu der Jungfrau nicht wieder findet; auch fhlägt das 
WVor hinter dem Audtretenben zu und nimmt ihm die Ferfe hinweg. Die 
warnenden Worte: ‚Bergik dad Beſte nicht‘, find in den Sagen nun ftäts 
auf die Blume gedeutet, und der Name ber Blume Vergißmeinnicht 
mag daher entfprungen fein; gleich wohl Täkt eine Reihe von Sagen (Ber: 
naleten Alp. 41, Bingerle Sagen 464), zweifeln, ob fie ſich nicht urfpräng: 
Ti auf die Jungftau felbft bezogen, deren Erlöfung durch die Goldgier der ⸗ 
fehlt wird. Obgleich nun dieß der Ausgang zu fein pflegt, weil man ents 
weder die Blume vergaß oder nicht Muth hatte, die in eine Aröte oder Schlange 
verwandelte Jungfrau zu füflen, oder gar noch ein dritte Aufgabe zu lõ⸗ 
fen, fo fiheinen doch dieſe Sagen nur Radflänge ver Mythen in Skimisför, 
Fiöfeins und Sigrerifumal: an die Stelle Freys, Swipdags oder Giege 


416 Tanfane. 6. 117. 


frieds ift ein armer Schäfer getreten und es befrembet nicht, wenn 
die Erlöfung meift unvollbracht bleibt. Kuhn aber dürfen wir beiftimmen, 
wenn er den Schlüßel zur Goldtruhe, nad welchem wir die Jungfrau be 
nennen unb ben zuweilen aud Schlange oder Hund, die auf der Kiſte 
fien, im Maule halten, auf den Blig deutet, auf deſſen blaue Farbe auch 
ſchon jene Blume angefpielt hatte. Brauchte es noch Beweiſe, jo könnten 
wir zwei Deſterreichiſche Ortsſagen (Bernalelen 130. 132) anführen, wo 
zulegt der Blig den böfen Geift erjhlägt. Diefelbe Deutung pajst aber 
aub auf ven Gambantein, womit Skirnir Str. 33 Gerda bedrohte. 
Die Schäge beziehe ich lieber auf die golbenen Körner der nächften Ernte. 
BE. 346 ff. 


117. Die übrigen Göttinnen. 


Es find nod einige Göttinnen übergangen, theils niebern Ranges, 
theild und nur dem Namen nad befannt. 

1. So die Tanfana, deren berühmten Tempel im Lande der Mars 
fen (bei Dortmund) ihr, wie es ſcheint, mit Chatten und Cheruslen ges 
meinfchaftliches Heiligthum, nad) Tac. Ann. I, 51 die Römer dem Boden 
gleihmachten. Cine Steinfhrift hat Tamfanae sacrum; Drelli hält 
fie aber für unecht, Myth. 70. Vielleicht war fie vom Siebe (tampf, 
Myth. 1062) genannt, das fie in der Hand trug: dann würde fie ſich der 
Sf verzleihen. Das Siebdrehen diente zur Weipagung, und fo könnte 
die Göttin ihren Prieftern Oratelfprüche in den Mund gelegt haben. Gine 
neuere Deutung Grimms GDE. bringt fie mit Dampf, vapor, zufammen, 
und macht fie gleich der ſtythiſchen Tabiti zu einer Heerbgättin. Dabei ift 
davon audgegangen, daß Tacitus dad deutſche Th mit T zu bezeichnen 
pflegt; eine dritte Deutung nimmt 7 für den richtigen Anlaut, ber im 
8 hätte fortgefhoben werden müßen: fie findet demnah in Bampern, 
wie dad Gabeneinfammeln auf Faſsnacht nah Kuhn NE. 369 heißt, eine 
Spur der Göttin. Der Donnerstag vor Faſsnacht heißt in der Graſſchaft 
Mart ‚Zimbertspac‘, und damad wird Ztichr. für Myth. I, 385 auf 
eine deutſche Odttin Zampe oder Bimbe gerathen. Un ihrem Zefte follen 
Nöße und Slappermann (Fiſche) gegeßen werden. Das erinnert an Berbta, 
und aus Gint Bert ward früher jener Zimbertötag gedeutet. Die neuere 
Deutung von Tanfana Gjfellen das römifde Eaftell Alifo Hannev. 1857. 

2. Gleiche Endung wie Tanfana zeigt Hludana. Deae Hiudanae 
ascrum C. Tiberius Verus lautet die Inſchrift eines auf niederrheiniſchem 


$. 117. Hludana. Vermänte. Frau Ipange. 417 


Boden gefundenen Steines, der jegt in Bonn bewahrt wird; in berfelben 
Gegend (bei Eleve) ift nod ein anderer zum Vorſchein gekommen mit der 
Infhrift DEAE HLUDENAE GEN. Nach Wöl. 56 heißt Thors Mutter 
Joͤrd meben Ziörgyn auch Hlödyn; der Name bezeichnet eine hochbe ⸗ 
rühmte Göttin. Das Berfeltungdfieber unſer Rheiniſchen Alierthums- 
forfher, das die Gugerni (vgl. GD. ©. 367. 491) für fein deutſches 
Volt hält, es fogar von den Ubiern vergeßen möchte, ja in Alateivia 
feinen Bezug auf Alzei merkt, verfennt auh in Hludana Hlödyn. Jahrb. 
XXXVI, 2, 50; De Wal Moderg. 47. Auch Hilde ſcheint Hildana geheißen 
zu haben, da das nach ihr benannte Hildesheim in älterer Form Hildenes- 
heim hieß; doch ift es gefährlich, Hludana in Huldana zu wandeln (Myth. 
1211) und fie mit Hilde und Hulda zufammen zu bringen, 

An Sandraudiga De Wal Myth. 176, Wolf Beitr. L 160 hat fih 
Brimm GODS. 588 gewagt und -audiga auf goth. audags agſ. esdig ahd. 
ötac uaxagıog bezogen, sandr ald sunder verftärtend genommen. Die Dea 
Uncia De Wal 210 erinnert an den ſchwarzen Untelftein (Bafalt), von 
dem Untel den Namen hat. Was Unt, engl. Ink bebeutet, Tann bei 
jedem Schultinde erfragt werben. Rosmerta (De Wal p. 172—5) iſt man 
verfucht, auf die Pferdemar oder Mahrt $. 125 zu deuten. Für Dexi- 
vae (De Wal 71), wenn fie nicht fonft beftätigt ift, möchte man Deae Sivae 
leſen und an unfere Eif $.111 venten. Rittona (De Wal 170) könnte 
ala eine deutſche Febris (mit galliſcher Endung) verftanden werben. Auf 
ein Heiligthum der Moneta im Kottenforft ſchließe ih aus dem dortigen 
‚Bermüntebufch.’ 

3. Eine Reihe Göttinnen nennt noch D. 35; ich gebenfe hier nur 
derjenigen, deren Namen wir anderwärts zu beſprechen nicht Gelegenheit 
haben. Zunädft Hnofs, die Tochter Freyjas und Odrs: fie ift fo fchön, 
daß nad ihrem Namen Alles genannt wird, was ſchön und koftbar ift. 
Heimäfr. 13 ftellt neben fie Gerfemi: beide Namen beveuten Kleinode 
und Geſchmeide: fo erinnern fie an die Jungfrau Spange in ‚König 
Oswaldes Leben.’ Pamige im andern Dswald ſcheint aus Spange ver⸗ 
lefen. Jene Gejhmeide find wohl ald Blumen des Frühlings zu verftehen, 
wie aud Odin fi bei der Rinda ald Goldſchmied einführte, der ſommer⸗ 
liche Gott, welcher der Erde Blumen des Frühlings verheißt, wenn fie 
ſich ihm verbinde. Sidfn ſucht die Gemüther der Menichen, der Mäns 
ner wie der Frauen, zur Bärtlicteit zu wenden, und nad ihrem Namen 
heißt die Liebe Siafni. Mit unferm Seufzen verwandt ſcheint der Name 

Sumea, Mythologie. 37 


418 Dreische Afunen, 8. 117. 


Liebesfehnfuht und Verlangen auszudrüdden. Lofn ift den Anurufenden 
fo mild und gütig, daß fie von Allvater oder Frigg Grlaubnifs hat, Mans 
ner und Frauen zu verbinden, was auch fonft für Hinderniſſe entgegen: 
ſtehen. Daher ift nad) ihrem Namen der Urlaub genannt, jo wie Alles, 
mas Menſchen loben und preifen. Beide Deutungen, fo verfchieven fie 
feinen, gehen auf liuban laub lubun nro. 530 zurüd, und fo dürfen wir 
eine britte wagen, die fi in gleichen Grenzen hält: vielleicht ift fie die 
Liebe felbft, die noch englif Love heißt. Bon Wara (foedus) heißt ed: 
‚Ne hört die Give und Verträge, welche Männer und Frauen zufammen 
fließen, und ftraft diejenigen, melde fie brechen. Sie if weile und er 
jorſcht Alles, fo daß ihr nichts werborgen bleibt.’ Syn (ahd. Sunja) ber 
wacht die Thüren der Halle und verſchließt fie Denen, welche nicht ein« 
geben follen; ihr iſt aud der Schup Derer befohlen, welche bei Gericht 
eine Sache leugnen; ‚daher die Rebendart: Syn (Abwehr) ift vorgeſcho⸗ 
ben, wenn man bie Schuld leugnet.‘ Myth. 843 weiſt auß unferm ältern 
Recht ‚sunnis‘ excusatio nad. Ferner Hlin, die von Frigg Allen in Gefahr 
Schwebenden zum Schu beftellt ift. ‚Daher das Sprichwort: Wer in Nö- 
then ift, lehnt ſich an (hleinir).‘ Den Namen Hlin führt WöL 53 Frigg 
ſelbſt. Bon Snotra (mörtlih die geſchneuzte, emunctse naris) heißt 
es: Sie ift weis und artig; nad ihr heißen Alle fo, die das find, Wir 
haben bier nur Perfonificationen geläufiger Begriffe vor und, den mittel- 
bochdeutſchen Frau Minne, Frau Ehre, Frau Maße, Frau Scham, Frau 
Zucht u. ſ. w. vergleihbar. Nur Gns, Friggs Botin, aus Alopftods Oben 
belannt, hat einen Mythus. Ihr Pferd Hoſhwarfnir rennt durd Luft und 
Waßer. Einft gefhah es, daß fie von etlihen Wanen gefehen ward, da 
fie durch die Luft ritt. Da ſprach einer: 

Bas fliegt da, was fährt da, 

Bas lenkt durch die Luft? 
Sie antwwortete: 

Ich fliege nicht, ich fahre nicht, 

Ich lenke durch bie Auft 

Auf Höffwerpnir, den Hamſterpir 

Zeugte mit Gardrofwa. 
Hofhwarfnir ift Hufwerfer, Hamfterpir ſchenlelraſch, Gardrofwa ſtarkſchweifig. 
Gna fol von at gnaefa tommen und die hochfliegende bezeichnen. Brom 
Fidmuot bei Nithart halt Grimm altv. BL I, 371 für mehr als Perſoni ⸗ 
fication des Frohſinns. 


& 117. Sonne Mond uud Sercales. 419 


Es find 13 Afinnen, welche D. 35 mit dem fihtbaren Betreben auf 
führt, der Zahl ver Götter eine gleihe von Göttinnen gegenüberzuftellen. 
Da hätten Idunn, Gerda, Sif, Ihräbhr, Skadi und Nanna nicht were 
geben werben follen, die mehr find als bloße Berfonificationen wie viele der 
genannten. “ 

4. Bon Sol (Sunna) war fhon $ 11 die Rede. Ueber Caſars 
Meldung von deutſchem Sonnen: und Monddienſt vgl. $. 57. Beiden 
neigte man mit entblößtem Haupt, Myth. 28. 29. Nah Anh. XLIV 
glaubte eine Frau, die Senne fei eine Göttin, und hieß fie heilige Frau. 
Andere Spuren des Sonnendienftes liegen in dem deutſchen Sonnenlehen 
RA. 278, dem Sonneneidve RA. 895, weil die Sonne Alles fieht, dem 
Fluche der sunnen ha; varn, und den Märchen, wo entweder bei Sonne, 
Mond und Sternen nachgefragt wird (Myth. 670) ober drei Kleider ge: 
ſchenlt werden, auf bem erften die Sonne, auf dem andern der Mond, auf 
dem dritten die Sterne, KAM. 186. 193. Meier 1,6. 213. Bei ber fü: 
lien Sonne wird auch in dem eddiſchen Atlamal geſchwo ren. Als Gipfel 
der Gottlofigleit gelten drei Schuße gegen Some, Mond u. ſ. w. 6. 171 
wo aud die Meldung des Dlaus in Betracht kommt. An der Pfarrkirche 
zu Mais bei Meran ſah ich zwei Bilder außgehauen, melde für Sonne 
und Mond ausgegeben wurden. Die unter dem angeblichen Sonnenbilve 
angebradten Tagen laßen aber eher an den Tag denken, deſſen Klauen 
nad dem fhönen Liede Wolframs durch die Wollen geſchlagen find. Auch 
in der Capelle bei Schloß Tyrol fand fih ein ähnliches Bild auf einem 
Zaufftein angebracht. 

Nähere Unterfuhung verdient der auf dem Güntelgebirge gefundene 
Stein mit der Runeninfhrift und dem Bilde des Monds und der Sonne, 
Schaumann Geſch. d. niederfächſ. Bolt, Göttingen 1839. 6. 115. 120. 
Eine Abbildung giebt W. Strad Wegweifer um Eilſen, Lemgo 1817, ©. 
148. Unter dem Sonnenbilde fieht man ein Hufeifen, unter dem Monb 
eine gehörnte Geftalt, ein krummes Horn in der Linken, in ber Rechten 
wie es fcheint einen Hahn. Dasfelbe Buch giebt S. 48 die Abbildung 
eined an der Kirhe zu Pepen bei Büdeburg befindlichen Denkmals, ein 
Schwein in der Flamme auf dem Altar, darüber Sonne und Mond; 
jur Seite knieend rechts eine männliche, links eine weibliche Geftalt. Nah 
der dabei mitgetheilten Sage verehrte Graf Armum Sonne, Mond und 
Hercules (vgl. $ 81.127); feine Gemahlin wandte fih aber dem Chrie 
ſtenthume zu, und fagte dem Grafen, als er von einem Raubzuge heimlehrte, 


420 Gefangenfigaft der Sonne. 17. 


fie habe unterbefjen fieben Töchter (Kirchen) ausgeftattet. Vgl. S. 371. Anger 
fügt ift die oben mitgetheilte Sage won dem bei einer Belagerung täg- 
lich niebergetworfenen legten Schwein, worauf die fonft von den Weibern 
von Weinsberg erzählte ven Schluß macht. 

Die Freyr Sonnengott ift, fo haben andere Freyja als Monpgöttin 
aufgefaßt, wofür auch Brifingamen angeführt werben lann, wie man es 
aud für die Sonne erffärt hat. Da ihr in Deutſchland Holda oder Berchta 
entfpricht, fo Fönnte jene Spinnerin im Mond, die im heutigen Dolls: 
glauben zur Strafe dahin verfegt ward, einft Bertha (vie Spinnerin) ges 
weſen fein. Mundlich hörte ich wohl fagen, die ungetauft ſterbenden Kinder 
lämen in ben Mond, wie ähnlichen Bezug zu den Seelen gerabe Bertha hat. 

Den Mythus, der $ 11 von Sol und Mani erzählt wird, haben wir 
als auf Miſsverſtaͤndniſs beruhend verworfen; dagegen einen andern, der 
bei und nur anflingt, den von der Gefangenfhaft der beiden Himmels- 
liter, oben 121 bei ven Finnen nachgemwiefen. Auch bei den und verwandten 
Lithauern begegnet er. Einſt hatte man viele Monate die Sonne nit 
gefehen, indem ein mächtiger König fie in einem feſten Thurme in Ver— 
ſchluß hielt. Endlich brachten die zwölf Zeichen des Thierkreiſes (die 12 
Afen ?) ihr Hülfe, fprengten mit dem eifernen Hammer (Thörd Symbol) 
die Pforte des Thurms und gaben die befreite Sonne den Menſchen zu⸗ 
rüd, Temme Pr. ©. 38. Der mächtige König gleicht dem Niefen Thrym, 
welder Freyia, die jhöne Jahreszeit, ven Menfchen entziehen will. Nach 
Vollsm. d. Serben 18 hatte ber Teufel die Sonne geraubt; St. Michael, 
der auch fonft an Thörs Stelle tritt, gab fie der Welt und dem Himmel 
wieber. Gin anderes altpr. Märden 1. c. erzählt, die Sonne fei einft an 
den Mond verheiratet geweſen; die Sterne wären ihre Kinder. Der 
Mond, feiner Gattin ungetreu, entführte aber dem Morgenftern feine Ber 
lobte: zur Strafe zerhieb ihn Perkunos, der Donnergott, mit einem ſchar⸗ 
fen Schwert in zwei Hälften, die jegt in ben beiten Monbvierteln zu 
ſchauen find. 





Riefen und Zwerge, Gefpenfter, Segen und Teufel. 


118. Nieſen im Allgemeinen, 


Der färkfte Gegenfag, den bie Edda kennt, ift der zwiſchen Göttern 
und Riefen. Sie find in einem Vernichtungskriege begriffen, der bis ans 
Ende der Welt währen, ja ihren Untergang herbeiführen wird. Da fo 
die Riefen Feinde der Götter waren, fo muften fie aud als böfe vorges 
ftelt werben, weil es im Begriff der Götter liegt, gut zu fein. Bon 
dem Urriefen Ymir fagt D. 5, er fei böfe wie Alle von feinem Geſchlecht, 
unb fo heißt e3 D. 10 von ver Nacht, die eine Riefentochter ift: fie war 
ſchwarz und dunlel wie ihr Geichleht. Bei dem großen Vernichtungslampf, 
den wir dad Weltdrama nennen, muften alle Weſen Partei ergreifen: ftan 
den fie auf Seite der Rieſen, fo fielen fie unter ihren Begriff; darum 
fehen wir auch Weſen den Rieſen beigezählt, die nicht der äußern Natur, 
fondern ver Geifteswelt angehören. Jene Erinnys, welche der Vrynhild 
mit Vorwürfen wehrt, ald fie den Helweg fuhr, ift eine Niefin; fo ſcheint 
au Mödgubr (Seelentampf) gedacht, und Imt, der Sohn Wafthrubnis 
(Wafthr. 5), des weiſen, wortſchnellen Riefen, beveutet den Bweifel, 
Uhland 17: aus der Sophiftit geht der Unglaube hervor, ein unholdes, 
menſchenfeindliches Weſen. Muß doc felbft Hel, als Lokis Tochter, der 
nun von feiner verberblihen Seite gefaßt wird, riefigen Geſchlechtes fein: 
eine Riefin ift jept Grid, die mit Hel zufammenfällt, und Utgarbalofis 
Halle fahen wir mit riefigen Geftalten erfüllt; er felbft wandelt fih in 
den Riefen Skrymir. 

Nicht unbedingt gilt aber dieſe Worftellung von der Bosheit ber Ries 
fen: fie bildete fi unter dem Einfluß des Ragnarölsmythus aus, der in 
der norbifchen Weltanſchauung die Oberherſchaft an ſich gerißen hatte. An 
ſich könnten die Riefen als der rohen, vom Geift noch unbewältigten Ma: 
terie angehörig, ſittlich gleichgültig ſcheinen; aber weil es nur dieſen Ge 
genfag giebt, Geiſt und Materie, Götter und Riefen, fo entwidelte fih aus 


422 Riefen. Riefenapfer. $. 118. 


dem Gegenfag der Kampf von ſelbſt. Der Urriefe ift aus dem Nieder 
ſchlag der urmeltlihen Gewäßer entitanden ; die Götter aus den Salzſteinen 
geledt, und das Salz bedeutet das geiftige Princip. Hierin lag es bes 
gründet, daß Alles, wad der äußern Natur angehörte, als in den Gegen: 
fag der Götter fallend, böfe und verderblich ſchien. Sind doch felbft die 
Götter, weil fie ihr Geſchlecht nicht rein erhalten,. fondern mit den dunkeln 
Rieſen Verbindungen eingegangen haben, befledt und der Läuterung im 
Weltbrande bebürftig geworden. Aber zu folder äußerften Confequenz ger 
langte man nur allmähli und es lann eine Zeit gegeben haben, da bie 
Niefen fo wenig für böje galten, daß fie fogar göttliche Verehrung ges 
noßen. Bgl. Maurer Belehrung II, 60 fi. Spuren von Riefencultus fin= 
den fi wenige, jagt zwar Grimm Myth. 524; aber neben dem Dienft 
der Götter kann das nicht befremden: den Opfer empfangenven Niefen, 
deren wir einige nachweiſen $ 132 (vgl. Ziſchr. IV. 508), müßen für die 
ältere Zeit die unfreimilligen Opfer hinzugeredjnet werben, die nad den 
Sagen den Rieſen und Drachen, die oft nur verwandelte Riefen find, ger 
bracht wurden; gewöhnlich find das Menfhenopfer. Die Helven, welche 
wir an die Stelle ver Götter getreten wißen, ftellen dieſe Opferungen ab, 
indem fie die Niefen befiegen und die Königstöchter, welche das Lock zu 
ihrer Beute beftimmt hatte, erlöfen und freien. Aus ſolchen Sagen können 
wir lernen, daß bie Götter den Dienft der Rieſen befeitigt und den ihri⸗ 
gen an die Stelle gefegt haben. Die Rieſen erſcheinen demnad als die 
ältefte Götterbynaftie (S. 15), Götter einer frühern Cntwidelungsitufe 
der Menfchheit. Als die Begriffe fi verfeinerten, und ein höherer Bils 
dungöftand erreicht wurde, blieben bie plumpern rohern Götter der frühern 
Berioven als Niefen ftehen, fahen fi aber aus dem Cultus durch ein 
jüngeres geiftig überlegenes Goͤttergeſchlecht verbrängt. Daß fie ältern Urs 
fprungs find al3 die Götter, weiß auch noch die Eoda und die Wala ſpricht 
es aus in den Worten: 


Niefen acht ich die Urgebornen. 


Die Götter haben fie theild erſchlagen theils in wohlthätige Schranken ger 
bannt. Allein die Götter felbit waren in ihrer Alteften Geftalt nicht viel 
mehr als Niefen: Elemente und Naturkräfte liegen ihnen zu Grunde, 
aus Raturgöttern find fie erft allmählich zu geiftigen Weſen, zu fittlichen 
Mächten erwachſen. Die Begriffe von den göttlihen Dingen haben ſich 
aus großer Rohheit nad) und nach geläutert und verfeinert: die Gtufen 


$. 118. Riefen. Länterung der Begrife. 428 


der Gntwidelung find neben einander ftehen geblieben und als Riefen und 
Götter, ald ältere und jüngere Dynaftie waltender Weſen verkörpert. Die 
Götter erſcheinen als Wievergeburten älterer Rieſen. Thrymr, der Thur⸗ 
fenfürft, war ein älterer Donnergott, S. 63. Dpins Beiname Wäfubhr 
zeigt ihn als einen jüngern Wafthrübnir: beide bedeuten die bebende, war 
bernde Luft, GDE. 762. Wenn er jegt mit ihm zu ftreiten geht und 
ihn befiegt, fo ift darin eben ber Sieg der neuern, ſittlich und geiftig ger 
faßten Götter über die Altern ausgebrüdt, in denen nur Naturträfte mals 
teten, An eine Einwanderung ausländiſcher Götter, welde bie fpätere 
balbgelehrte Sage annimmt, möchte ich babei nicht benfen. Jetzt erit ftan- 
den Götter neben Rieſen, gute, geiftige Weſen neben feinbfeligen Dämo- 
nen der äußern Natur, ‚de kalten und nächtlichen Winters, des ewigen 
Eiſes, des unmwirthbaren Felögebirgd, des Sturmwindes, der fengenden 
Hitze, des verheerenden Gewitterd, des wilden Meeres.’ Als Ablömmlingen 
des Urriefen Ymir, des perfonificierten Chaos, den bie Götter eiſchlagen 
muften, um aus feinen Gliedern die Welt zu bilden, ift ihnen Alles zu: 
wider, ‚ma3 den Himmel und die Erbe wohnlih macht.‘ Uhland 16. 
Denn die Elemente Hafen 
Das Gebild der Menſchenhand. Schiller. 

Jene Auferfte Confequenz, zu welcher dad Weltdrama brängte, übertrug bie 
Rieſen dann aud auf das Geiftesleben, wo ihnen Alles Verderbliche, 
Menſchenfeindliche zugewieſen wurde, 

An Spuren einer mildern Anſicht fehlt es auch hier nicht. Der Fels⸗ 
wohner Degir, eigentlid ein Gott, ein Nebenbild des männlichen Hel, aber 
feiner Verwandtſchaft mit ber Unterwelt wegen ven Rieſen beigezählt, heißt 
Hymistwidha 8 barn teitir, froh wie ein Kind, und Thrym der Thur⸗ 
fenfürft, der die Hunde mit goldenem Halsbande ſchmüdt und den Mähren 
die Mähnen zurecht ftrält, freut fich feiner rabenſchwarzen Rinder und der 
heimlehrenden Kühe mit den goldenen Hömern, Thrymskw. 624. So ift 
den Rieſen bei aller Plumpheit und Ungeſchlachtheit, welche in der deut⸗ 
ſchen Sage gern ald Dummheit aufgefaßt wird, doch etwas Gutmüthiges 
und Treuberziges beigemifcht, ja es galt die Redensart: treu wie Rieſen. 
Sie leben nod in der alten Unſchuld ver goldenen Zeit, die Gut unb 
Boͤs nicht zu unterſcheiden gelernt, die inftinctartige Unmittelbarteit des 
Daſeins noch nicht verloren hat. 

Hierin ift allerdings die deutſche Anficht von der geiftigen Beſchraͤnlt⸗ 
beit der Riefen wohlbegründet ; fie entfpricht auch ihrer dunkeln Abkunft, 


424 Kiefen. Woafthrudnir. Sonja nad Menja. Jettha. $. 118. 


ihrer Verwandiſchaft mit der ſtarren, dem Licht undurchdringlichen Materie. 
In der Edda fehen wir diefe alte und richtige Auffaßung fo meit ver⸗ 
jeugnet, daß den Riejen, weil fie vor den Göttern entftanden find, von 
den urmeltlihen Dingen Kunde beiwohnt, die jenen abgeht. Als die Als 
teften Gebilde der Schöpfung wißen fie von ihren Geheimnifien: es if 
die Weisheit des Alterthums, vie fie befigen, mehr überlieferte und ‚ans 
erſchaffene als jelbft erworbene Vernunft.‘ Darum befiegt auch Dpin in 
BWafthrubnismal zulegt den allwißenden Jötun, mit dem er über die Lehe 
ven ber Vorwelt zu ftreiten gieng, fo daß fi auch bier bie Meberlegen- 
beit des Geiftes über die rohe finnlihe Kraft, die in ben Riefen vorge: 
ſtellt ift, nicht ganz verleugnet. Doc fteht Wafthrubnir mit feiner Weis: 
heit nicht allein: Fenja und Menja, König Frövis Mägde von Bergriefen: 
geſchlecht, heißen vorwißend, framvisar ; zugleich ſcheinen fie zauberkundig, 
S. 349. Eine Spur berfelben Anficht von der Weisheit ver Riefen fine 
det fih auch im der Heidelberger Sage von jener Wahrfagerin, die von 
ihrem Thurm auf dem SJettenbühel aus wie Velleda die Zukunft verfüne 
dete ohne ihr Antlig zu zeigen: ihr Name Jettha bezeichnet fie als eine 
Rieſin, Myth. 85. 436. Bon der andern Seite ift au die Bosheit der 
Rieſen der deutfhen Sage nicht unbekannt; doch nur gereizt find fie hef⸗ 
tig und tüdifh, in ver Ruhe eher gutmüthig, immer aber plump und un ⸗ 
gefüge. Im Zorn (iötunmödhr) ſchleudern fie Felfen, entwurzeln Bäume 
und ftampfen mit dem Fuß bis and Knie in bie Erde. Die Riefennatur 
ſchildernde Züge ftellt Quitzm. 186 aus deutſchen Sagen zufammen: fie 
waren fo groß, daß ihre Fußtritte in bie weiche Erde die Thäler bildeten. 
Sie machten meilenweite Sprünge, von ben Xhränen bes Rieſenweibes 
rühren die Flüße her und die Berge find nur Helme ber Niefen, bie 
tief in der Erbe fteden. Für den Glauben an ihre Größe zeugen die 
Märchen, daß man auf die höchften Bäume klettern mufte um an ihr Ohr 
zu gelangen, daß ein Wagen in das Nafenlod des fhlafenden Niefen wie 
in einen Hohlweg fuhr und daß fid vor ihrem Schnauben ver Wald bog 
wie unter dem des nordifchen Riefen Skrymir.“ Ihre Unbeholfenheit, ihr 
Trogen auf finnlihe Kraft und leibliche Größe, welche die menſchliche weit 
überragt, macht fie auch zu großſprecheriſchen Pralern, da ihre KRörperkraft 
mehr verſpricht al& ihre geiftige Dumpfheit zu halten vermag. Der Rieje 
kennt nur finnlihe Genüße bis zur Trunfenheit und Weberfättigung: in 
biefem Zuftand wird ber ‚Ioftmübe‘ Yötunn (Hymislw. 30) von Göttern 
oder Helven bezwungen. Vortrefflich ſchildert wieder Hrafnag. 1 die Riefen 


8%. 118. Riefen. Lage der Unterwelt. " 425 


mit dem Cinen Worte threyja, erwarten, womit bumpfes Hinbrüten in 
balbtruntener Unbeforgtheit gemeint ift. 

Wenn in der Edda die Niefen von den Göttern bezwungen und in 
mohlthätige Schranken gebannt find, gleichwohl aber die Herſchaft wieder 
an fi) zu reißen hoffen, auch wirilich im legten Weltlampf wenigſtens noch 
einen ſcheinbaren Sieg erkaͤmpfen, dann aber gaͤnzlich von der Bühne ver⸗ 
ſchwinden und einem geläuterten Goͤttergeſchlecht weichen follen, fo warb 
der Antheil fittliher Ideen an biefer eigenthümlichen Geftaltung des Mys 
thus nachgewieſen. Auch liegt darin fein Wiverfprud gegen die Grund 
anfhauungen verwandter Böller, da der Kampf doch zulept zum Siege 
des geiftigen Princips ausfchlägt. Auch in den deutſchen Sagen unters 
liegen die Rieſen ven Helden: Götter und Helden bebeuten aber zuleht 
nur den Menfchen und die Herſchaft des Geiftes über die Natur ift der 
tieffte Grund aller Mythen von der Befiegung der Niefen. 

Nah D. 8 ift die Erde Treißrund umd rings umber liegt baß tiefe 
Beltmeer. Längd den Geelüften gaben die Götter den Rieſengeſchlechtern 
BWohnpläge und nad innen rund um die Erbe machten fie eine Burg 
(Midgard) wider die Anfälle der Rieſen. Diefe auffallende noh uns 
erllaͤrte Stelle ift vielleicht fo zu verftehen, daß die Wohnpläge der Rieſen 
ienfeits des nad ©. 107 als ſchmaler Reif gedachten Weltmeers 
lagen, alfo in Utgard, dem außermeltlihen Gebiet. Diefe Ausbeutung 
würde aud auf die Beziehungen der Rieſen zur Unterwelt Licht werfen. 
Nach einer andern Anſchauung liegt die Unterwelt nit auf der Erde im 
Norden, wo die Riefen auch nach Skirnisför wohnen, Myth. 521, fondern 
unter der Erbe, im Schooße der Flut und ber hohlen Berge, zu melden 
die Riefenhöhlen gleichfalls Eingänge darbieten. Wir begreifen jo, warum 
Brynhild, ald fie im Wagen, nit wie andere zu Schiff, zur Unterwelt 
fuhr, durd daß fteingeftügte Haus der Rieſin hindurd muß. Bei Her 
moͤdhr, der neun Nächte durch tiefe dunkle Thaler ritt bis er an bie Giölls 
brüde kam, welche Mödgubr bewachte, feinen fih beide Vorftellungen 
zu verbinden, denn der Giölflug kann mit dem Strome fing, der Götter 
und Rieſen fcheidet, fo wie mit dem ſchmalen Schlangenreif des Welt: und 
Wendelmeers zufammenfallen. Nur Wimur, aller Ströme gröfter, S. 278. 9, 
macht noch Schwierigfeit, denn D. 60 fand hör die Grid, in der wir 
die Hel ertannt haben, ſchon ehe er durch Wimur matete und Geirröbss 
gard erreichte. Aber ähnlich ergeht es dem Thorlill, als er zu Geruthus 
wollte: er kommt zu Gubmund, Geruths Bruder, dießſeits des erbums 


426 Riefen. Sünenbetten. %. 119. 


ſchließenden Weltmeers, das hernad als Fluß erfcheint, über den eine 
golvene Brüde führt. Vgl. 6.279. Er gelangt jedoch hernach an das 
andere Ufer. Wenn aber Gubmund — Asmund, d. h. Odin wäre, der 
als Unterweltögott gedacht wird, fo begriffe fih, wie aud Grid dießſeits 
des gröften aller Flüge wohnen könnte, wenn wir auch von ben untermelt- 
lihen Gebieten nod feine Hare Borftellung gemwännen. 


119, Benenuungen, 


Der allgemeinfte nordiſche Ausbrud ift iötunn, pl. iötnar. Cine 
verkürzte Form des Wort erfcheint in dem Namen des alten Riefen Forn⸗ 
tote, woraus ſich zugleih das ſchwediſche Jätte und felbft jener deutſche 
Name Jettha erklärt. Die Wurzel des Worts liegt in dem gothifhen itan, 
hochd. eben: ihr Name bebeutet edax, fie find vom pen, von ihrer Ger 
fräßigkeit genannt. Dagegen führt ber andere Name thars, der richtig 
verfhoben in dem ſchweijeriſchen Durs (nieverb. Drus) erſcheint, auf das 
Zrinten zurüd. Die Thurfen find die Durftigen, Dürren, deren Gaum 
nad Trank lechzt, und fo brüden beide Namen ‚unmäßige Gier nad) Trank 
und Speiſe“ aus. Myth. 489. Doch verfteht Rochholz II, 30 den Durs 
ala den Kühnen, gaturstigan. „‚Enteriih‘ Leopr. 35. 43 für unheimlich 
tommt vielleiht von einem britten Namen: agj. Ent, hochd. Enz, wovon 
der mythiſche Enzenberg (Infelberg) benannt fein wird; er ift aber ‚glei 
dem jetzt geltenden ‚Riefen‘, das ſonſt mit m amlautete, noch unerllärt. In 
neuern niederl. Dialekten heißt der Niefe Reuſs, was wieder auf einen 
Bollsnamen ſchließen ließe, wenn wir nicht wüflen, daß bie ältefte Form 
wrise war. Enta geveorc, altes Gewirte der frühern Landesbewohner, wird 
ahnlich gebraucht, wie von cylopiihen Mauern geſprochen wirb: gemeint 
ift ein älteres riefenftartes Gefchleht, dem man Werke zufchrieb, melde 
die Kraft der jepigen Menſchen überfteigen würden. Vgl. Duigm. 88. 
So räth Grimm aud bei den Jötunen auf Berührung mit ältern längft 
auögewanderten riefenhaften Berohnern des Landes, deren Namen die 
nadhrüdenden Jüten, ein beutiher Stamm, behielten; bei den Thurfen 
auf Zufammenhang mit den Tyrſenern (Etrustern). Denfelben Doppel 
finn fheint das nur im eigentlichen Deutſchland vorlommende Hun zu 
baben, nur daß es noch entſchiedener Vollsname ift. Bekannt find die 
Hünenbetten Weftfalend und der Wefergegend, womit riefenhafte Grab: und 
Dpferhügel (vgl. 368) der Vorzeit gemeint find, wobei Kuhn WE. I. 110 


$. 120. Riefen. Ditte. Lübbe. 47 


noch erinnert, daß die Künenbetten aud häufig Altarfteine oder Heiden 
altäre heißen. Aber au die fog. Ringwälle, treipförmige aus Steinen 
gefügte Ummallungen deutſcher Berge, heißen ‚Hünenringe‘; fie tommen jes 
doch aud in ebenen Gegenden vor: überall aber denkt man bei bem 
Borte Hüne bald an Niejen, bald am frühere Bewohner des Landes. 
Mhd. bedeutet Hiune fon einen Unterthan Epels, deſſen Land man nah 
Ungarn verlegte, während die Edda unter Hünaland Sigurds deutſche 
Heimat verftand. Ein König Hün erſcheint im agf. Wandererslied ala der 
fagenhafte Stammvater der Hätiveren oder Chattuarier. Im Hildebrands ⸗ 
lied, wo Habubrand feinen ihm unerfannten Bater alter Hün! nennt, kann 
Doppelfinn walten, indem zwar ſchon an einen Unterthan Epels, aber zu: 
gleih nod an einen Riefen gedacht wäre. Das altn. hünar wird nie auf 
Riefen bezogen; doch könnte aus Hymir, den Thör in der Hymislw. bes 
fiegt, Licht auf die Bedeutung des Wortes fallen, wenn der Name’ nicht 
felber dunkel wäre. Nah Myıp. 496 hienge er mit hüm, Dämmerung, 
zufammen, weshalb ihn Uhland 158 als Dämmerer, Grimm 1 c. als 
trägen, jchläfrigen auffaßt. In der Abh. über die Namen des Donnerd 
macht er ihn aber mit Ymir zum Donnerriefen. In nieberfähfiihen Ge⸗ 
genden bezeihnet Lub be einen plumpen Niefen, zugleich aber aud einen 
unbeholfenen, trägen Menfhen. Ebendaſelbſt kommen auch Dutten vor, 
mit dem Epitheton ornans dumme Dutten, Myıb. 511, Müllenhoff 92. 
Auch Lübbe, Lüppel bedeutet einen plumpen ungefhidten Menſchen. Der 
Name der Opgien gehört nur den Rieſinnen; fo auch Skäss, ein Reutrum 
wie Troͤll, das aber für beide Geſchlechter gilt und jedes unheimliche Uns 
gethüm bezeichnen, jedoch auch elbijhe Weſen mitbegreifen kann, 


120, Bergriefen. 


Weit verbreitet ift die Sage von ber Niefentochter, die vom Gebirge 
nieverfteigend einen pflügenden Aderämann findet, dem fie mitfamt den 
Dchſen in die Schüge fharrt und heimträgt, denn fie fieht fie für Erb: 
mürmer an und zeigt fie dem Vater daheim mit kindiſcher Freude an dem 
artigen Spielving. Aber der alte Riefe jhmält mit ihr und fagt, das 
fei fein Spielding: Thu's fort mein Kind: fie gehören zu einem Bolt, 
das den Riefen großen Schaden zufügt: wir müßen weg aus biefem Land 
und fie werben hier wohnen.‘ Wie winzig Mein der Menfd neben ven 
ungeheuern Rieſen erfcheint, fo graut doch dieſen heimlich vor ihm: bes 


428 Sergriefen. Jaruſara. Rohadirl. $. 1%. 


ſonders ift ihnen der Aderbau verhaßt, weil er fie zur Auswanderung 
zwingt. Die Riefen vertreibt bie Cultur, welche die Wälder lichtet und 
ſelbſt Gebirge urbar macht, das wilde Steinteih bewältigt, das in den 
Rieſen vorgeftellt iſt. 

Daß die Rieſen das Steinreich bedeuten, das Alter iſt als Pflanzen 
und Thiere, tritt hervor, wo ſie Bergrieſen heißen, in Felſenhöhlen 
hauſen, Steinkeulen und Steinſchilde, auch wohl Eiſenſtangen und Kolben 
zu Waffen führen. Darum heißen fie auch ſteinalt, alt wie das Stein⸗ 
rei, wie ber Weſterwald, der Böhmerwald; darum erftarren fie, gleich 
den Bwergen, zu Stein, wenn ein Stral der Sonne fie berührt. Jener 
Bug läßt fogar die Deutung zu, daß fie, bei Licht betrachtet, nichts feien 
als Felfen und Berge, nur die Nacht, welche bie Einbildungskraft entbins 
det, ihnen Leben und Bewegung verleihe. Cine Riefin beißt Jarnjara, 
die Eifenfteinige, und im Gifenwalde (Jarnwidr) wohnen die Jarnwidiur 
S. 26, von denen eine die Wölfe gebiert, die Sonne und Mond verſchlin⸗ 
gen follen. An dieſe Riefinnen des Eifengefteins erinnert es, wenn deutſche 
Sagen der Roggenmuhme ſchwarze lange Bigen zuſchreiben, wie aud von 
einer eifernen Bertha die Rede ift (Myth. 445) und Grid nah ©. 144. 
277 Eiſenhandſchuhe wie ihr Eohn Widar den Eiſenſchuh trägt. Die 
Roggenmuhme, die auch Roggenmör heißt, könnte auß Roden: d. h. Fels⸗ 
muhme entftellt fein, und das Rodenweibele, Rodabirl (Panzer $.89), 
gleiher Bedeutung unterliegen, ja eine dritte Auffaßung des Worts, bie 
Beziehung auf die Spindel $. 114 erft durd die fpinbelartige Geftalt 
des Felſen (rooca, roche) vermittelt fein. So hat der Riefe Hrungnir 
ein Haupt von Stein und ein fteinernes Herz in der Bruft, und auf biefe 
Steinnatur ber Rieſen bezieht es ſich, daß ihmen XThör, ber Gott des Ger 
twitter, als Hercules Saranus die Häupter fpaltet, denn feine Aufgabe 
iſt, den harten Felsgrund in baulihes Land zu wandeln. Aber weder 
befchränten fi die Riefen auf diefe Bedeutung wilder Felsungethüme, noch 
Thoͤrs BWirkjamfeit auf die Begünftigung des wälderrodenden Aderers: die 
Riefen find überhaupt die wilden maßlofen Naturkräfte, melde der Menſch 
belämpfen, in Schranfen bannen muß. Gr bedarf aber dazu göttlichen 
Beiftands, und dieſen leiftet ihm vornamlih Thor. Die Mythen von 
den Riefen bilden darum bie Kehrſeite der bereit3 abgehanvelten von Thör. 
Doch ift hierhin $. 82 ver Nachweis verſchoben worden, daß Thoͤr gegen 
Sturms, Feuer und Waßerriefen den Schuß der Menfhen übernommen 
habe. Die Erde gilt Uns aber jegt für das vierte Glement, und biefem 


$. 1%. Stan Hutt. 8. Wahmann. Pergleifherung. 429 


entſprechen die Bergriefen, da fie in Erbhöhlen wohnen. Indes ſcheide 
ich fie von den verwandten Reifriefen nur überfchaulicher Darftellung wegen. 
Sie fallen infoern zufammen ald fie in dem Begriff der minterlihen 
Kälte ein Gemeinfchaftlihes haben. Bon dem rauhen Gebirge wehen bie 
talten Winde her, die den Winter bringen. Eine Höhlenbewohnerin ift 
Hyndla (canicula) ©. 358, und Guttungr, Gunnlöds Bater $. 76 
iſt ein Bergriefe; der ältefte von allen aber, ſchon dem Namen nad, 
Berggelmir, 5.18. Selbſt der den Reifriefen näher ftehende Thrym, 
den als Altern Donnergott Thör verbrängte, wird einen Bezug auf das 
Steingebiet gehabt haben: das nad ihm benannte Thrymheim, hernach 
Thiafjis, zulegt Stadis Wohnung, lag in den Bergen; Frau Hütt (DS. 314) 
iR eine verfleinerte Riefenkönigin;; fo wird aud Adnig Wahmann (Bechſt. 
Deftr. 6. 67), bie drei Brüder (Bingerle ©. 425), ber Niefe Serles, (Alpenb. 
M.u. 6. p. 34.259), die fieben Schweftern bei Oberweſel (Rheinf. 211) und 
Hans Heiling (DE. 325), wenn er nicht ein Zwerg ift, aufzufaßen fein. 
Selbft das Riefengebirge hat feinen Namen nicht ſowohl won feiner Höhe 
als weil feine Gipfel der Einbildungskraft als Rieſen erſchienen. Auch 
die felſenſchleudernden Riefen find wohl Bergriefen: fie werfen Pflugſcharen, 
Streithaͤmmer und Aerte, vielleicht einft Donnerärte und «Keil, M. 510. 
530. In der deutfhen Sage wird ‚die Verfteinerung, die in der Natur 
der Riefen begründet ift, als die Strafe der Ungaftlicleit und gottver- 
geßenen Uebermuth3 aufgefaßt. In den Alpenländern ift es die Berglet: 
ſcherung (Bernaleten 154) und Verſchüttung (Alpenb. 239), die 
zunaͤchſt als Gotteögerichte ericheinen, während es anderwaͤrts bei Uhlands 
Worten bleibt: 
Verſunken und vergeßen, das if des Sängers Fluch. 

In den Märchen verfinten ganze Königreiche und fteigen bei der Erlöfung 
ober bei den Sonnenwenden wieder ans Tageslicht. 

Da Berge bewaldet find, jo gehen die Berg: in Waldriefen über, 
in bie wilden Männer, Walde, Moos» und Holzleute, zu denen auch 
Schrate und Schrägel zählen; mit dieſen aber verlieren fie ſich unter den 
Zwergen. 

As ein Waldrieſe iſt Witolt dder Widolf durch feinen Namen be⸗ 
zeichnet, wenn er nicht den Zerſtörer des Holzes, alſo einen Sturmrieſen 
bedeuten fol. Dem entſpricht der Widolf der Heldenfage, der über das 
Maß feiner Riefenbrüder hinausragt und fo ungeftüm if, daß man ihn 
in Feßeln legen muß, wenn er nicht in der Schlacht gegen ben Feind ger 


430 Waldriefen. Witt. Widelf. 8. 121. 


braudt werben fol. Weil er, wie die Riefen pflegen, eine Gifenftange 
trägt, heißt er gewöhnlih Widolf mit ver Stange. Nirgend verleugnet 
Widolf feine Niefennatur; aber ſchon Witegoumo und noch entſchiedener 
Wittich (Witege), der nad Müllenhoff Ziſchr. XI, 257 mit ihm zufame 
menfällt, erfheint als Held. Vielleicht gehört auch Widikunna (S. 368) 
bieher. on einem andern Widolf ſollen nah Hyndlul. 32 alle Wölen 
ftammen; bei Saro VII, 122 heilt er den Halfvan, der nad) einer 
verlorenen Schlaht in den Wald geflüchtet if. Zum Weißagen, das 
der Wolen Gefhäft ift, tritt hier eine halb zauberifhe Heiltunde, die 
den Waldgeiftern öfter und nicht ohne Grund zugeſchrieben wird, da die 
Waldluft ftärft und der Waldboden heilfräftige Kräuter und Wurzeln bietet. 
So hatte auch Wate feine Heiltunft von einem wilden Weibe gelernt. In 
Widolf, nit in Widar ift das geheimniſsvolle Waldleben perfönlih ge: 
worden, Uhland 203, fo daß ung hier ein Reſt jener günftigern Auffaßung 
der Niefen vorliegt. 


121. Die Neifriefen, 


Neben Bergriefen, die dem Steinreich angehören, begegnen uns in 
der Edda Reifriefen, Hrimthurfen. Neif ift bier im meitern Sinne 
Kälte, Schnee und Eis: wir haben die Reifriefen als roftriefen zu ver- 
ftehen. Die Kälte kommt, wie wir fehen werben, nur in Betradt fo fern 
fie von rauhen Winden hervorgebracht ift. Wir könnten fie Luftriefen nen: 
nen; da fie aber nie die ftille fanftbemegte Luft beveuten mie Odin als 
Biflindi, fondern immer nur bie aufgeregte, fo heißen fie beßer Sturmriefen. 
Ymir feldft, der Urriefe, entiprang aus Eis und Schnee, da er aus den 
urweltlichen Eiöftrömen hervorgieng. Ueber den Winter und fein Geſchlecht 
vgl. $. 16. Hrimnir, Hrimgrimnir find Niefennamen, mit lehterm wirb 
Slirnisf. der Gerda gedroht. Hrimgerbr iſt Hatis Tochter, mit welcher 
Atli fih Helgatw. I, 12 in einen wahrhaft homerifhen Schimpfwoͤrterſtreit 
einläßt. Darüber erftarrt fie zulept zu einem Steinbilde, und wenn wir 
fie und auch in einen Eisberg oder Gletſcher verwandelt dädhten, fo bliebe 
doch die Berührung mit den Bergriefen auffallend. In der Hymishoida 
iſt der Winterriefe dem fommerlihen Thör gegenüber vortrefflich geſchil⸗ 
dert: Gletſcher dröpnen, als er eintrat, fein Kinnwald ift gefroren, die 
Säule zerfpringt vor feinem Blid, was die zerjprengende Gewalt des Froſtes 
bedeutet, Uhland 158. 


$. 121. Reifriefen. Atwaldi. Chief. 481 


Auch außerhalb des Mythus von Thoͤr begegnen uns bie Froftriejen. 
Fornjott, der alte Rieſe Ymir, hatte drei Göhne: Akri, Hlör (Degir) und 
Logi, den drei Elementen Luft, Waßer und Feuer entſprechend. Kari ift 
zugleich Sturmgott, und in feinem Geſchlechte finden wir viele Perjonifie 
cationen des Froftes, weil die Winterſtürme es find, welche Eis und Schnee 
herbeiführen. Unter feinen Nachlommen erfcheinen Frofti, Joͤkull Eisberg, 
SnörScänee, Fönn dichter Schnee, Drifa Schneegeftöber, Miöll feins 
fter und glaͤnzendſter Schnee. Mögen diefe perfonificierten, dem nordiſchen 
Binter entnommenen Borftellungen nur ald unterfte Anfäge von Mythen⸗ 
biloungen erſcheinen, hier und ba find fie zu durchgeführten Mythen er⸗ 
wachen, von welchen uns wenigſtens Nadllänge erhalten find. So bei 
der Werbung des Dänenlönigd Snio um die junge Königin von Schwer 
den, welder der Bote zuflüftert: Snio liebt did, worauf fie kaum hörbar 
erwiedert: ich lieb ihn wieder. Die verftohlene Zufammenkunft wird dann 
zu Anfang des Winters beftimmt. Saro VII (Müller) 414. So ent 
führt Frofti die lichtgelodte Misl, die Tochter des Finnenlönigs Snär, 
und faßt fie unter dem Gürtel, worauf fie rafch im Winde dahin fahren 
(FUS. IU, 654—658). Bol. Uhland 35, Peterſen 81. Wir kennen 
aud ſchon $. 111 aus Karis Geſchlecht Thorris Söhne Nor und Gor 
und ihre Schweiter Göi, und von Froftis Tochter Stiälf und ihrer Rache 
an Agni war $. 115 die Rebe. 

ALS Sturm und Froftriefen, die dem Geſchlechte Karis einzureihen 
wären, haben mir ſchon Thrym und Thiafji, Rieſen der Herbſt- und 
BWinterftürme, fowie Beli, einen Riefen ver Frühlingsſtürme, erkannt. Als 
waldi oder Aelwaldi, Thiaſſis Vater, war fehr rei an Gold, und als er 
ftarb und feine Söhne das Erbe theilen follten, da maßen fie das Gold 
damit, daß ein Jeder feinen Mund davon voll nehmen follte, Einer fo 
oft als der andere. Einer diefer Söhne war Thiaffi, der andere Idi, der 
dritte Gänge, D. 54. Uhland 119 nimmt Aelwalvi und feine Söhne 
für Winde: der Vater, der Ael herbeifchafit, ift der Negenwind; fein Gold, 
die aufgehäuften Schäge, find die Wolten. Wenn der Regenwind weicht, 
fällt das Erbe den übrigen Winden anheim: es wird mit dem Munde 
getbeilt, zerblafen, zerftreut. Dagegen faßt fie Peterfen 95 ald Waßer: 
weſen. Thiaſſis Tochter wäre der wilde Bergftrom, ber fih dem Meere 
vermäßlt, dem ruhigen Haff, was aber ihr Erſcheinen ala Wintergöttin 
mit ven Holzſchuhen nit erläutern würde. Weinhold Niefen 12. 16.27. 
45 identificiert fie den brei Söhnen Formjots, indem er Gang auf die 


433 Reifriefen. Egdir. ‚Runfe. %. 121. 


Flut, Thiaſſi (den raufchenden) auf die Luft, Idi auf das Feuer bezieht, 
wobei aber der Mythus ungebeutet bleibt. Noch die heutige Sprache 
nennt den Sturmwind Windsbraut, was ganz törtlic zu nehmen ift. 
Nach einer maͤrliſchen Sage (Kuhn 167) war fie ein Edelfräulein, welche 
die Jagd über Alles liebte und glei) dem wilden Jäger verwänfcht warb, 
in alle Ewigfeit mit dem Sturm dahin zu fahren, Myth. 599. Ueber 
Hraͤſwelgr, von dem aller Wind entfteht, vgl. S. 31; über Fafolt und 
Mermeut 9.123. Wie Hräfmelgr ift Egdir als Adler gedacht, der ſcha⸗ 
denfrohe Sturmriefe, den die Wölufpa der Riefin Hirten nennt, ber bei 
Einbruch des Weltuntergangs auf dem Hügel figt und fröhlich die Harfe 
ſchlagt. Vgl. Uhland Germ. II, 345. Wie Mermeut fo ſchweift auch Ehrä- 
wung Germ. IV, 83 zu den Waßergeiftern hinüber. Dasfelbe möchte man 
von Runfe, Edes Vaterſchweſter, nad der Vorreve zum Helvenbud der 
Mutter Zerres und Welverih3, urtheilen, die genauer eine Bergwaßerriefin 
ift. Weinhold 46 befchreibt fie als ‚ein wildes, müftes Wald: und Alpenweib 
von ſchredhaftem Ausſehen; doch find ihre Wirkungen noch ſchredlicher, 
jene Schlammgüße nämlich, die bei heftigem Regen aus ben Hochgebirgen 
nieberftürzen und Erde, Bäume, Hütten und Felſen fortreißend über die 
Abhänge und Thäler die graufigften Vermüftungen ſchütten. Solcher Run 
fen haufen in den Tyroler und Schweizer Alpen leider viele, und auch 
die norwegiſchen Gebirge ſcheinen fo böfe Riefinnen zu kennen, denn Leir⸗ 
wör, die Lehmige, Schlammige mag niemand anders ald eine nordiſche 
Runfe fein.‘ J 

Jener Baumeiſter, der den Göttern eine Burg gegen bie Anfälle der 
Riefen zu bauen verſprach (8.25), ergab ſich felbft ald einen Sturm: und 
Feoftriefen. Diefer Mythus klingt in Deutſchland vielfad nad; aber fein 
Bezug auf den Winterfroft, der doch in Winterbring $. 106 erjcheint, ift ver⸗ 
duntelt, wobei Chriftentbum und milderes Clima zufammenwirkten. In der 
Geftalt, welche der Mythus von Thoͤr⸗Hercules in der Hymiskw. annahm, ift 
die nordiſche Färbung unverlennbar, obgleich auch bei und der Winter als 
Menfchenfreßer vorgeftellt wird, Colsh. 38. und bei Bingerle Sagen 331, 
Banzer II, 112 ein Rieſe Lauterfreß, Leutefteßer heißt: das if der Wins 
ter felbft, ver jaͤhrlich manches Menfchenleben erftarren Taft. Cine mens 
ſchenfreßende Riefin ift auch die Strägele, mit der man Meinen Mädchen, 
unfleipigen Cpinnerinnen, droht. Die Strägele hat aber mandmal zur 
Veitürzung der Mütter aus dem Scherz Ernſt gemadt. Zu ben men: 
ſchenfreßenden Rieſen und Rieſenweibern, die an den Oger (Drcus) 6. 286 


8. 121. Senggen. Wildfang. 's Grufgk. 488 


gemabnen, gehören außer dem Drco felbft (Alpenb. 56) auch die Fenggen 
des Montafuner Thals, Graubündens und Tyrols bei Vonbun 1 und Zin: 
gerle I, 57; doch fheint fie der Name zu den Sumpfgeiftern zu ftellen, 
wodurch fie zunaͤchſt an Grendel $. 122 erinnern. In Tyrol heißen fie 
auch Waldfenggen und fo verftehen mir jept erft das Wort ‚Wilbfang‘. 
Die Sage ſchildert fie ſchauerlich haͤßlich, mit borftigem Haar über ben 
ganzen Leib, aber nur weiblichen Geſchlechts, während die mildern Wald: 
fänfen Vorarlbergs und Graubündens auch männli find. Die ſeltſamen 
Namen der erftern ‚Stußforche, Rohrinta’ u. ſ. w. f&hildern fie als Jmidien - 
(Dryaten.) Auch ift ihr Leben an den Wald gebunden: wird er geſchla— 
gen, fo ſchwinden fie. Um dem Hungergelüft ihrer fheuslihen Väter zu 
entgehen, nehmen ihre Töchter gerne Dienfte bei Menſchen, und begnügen 
fich mit dem Schaum der Mild zum Lohn. Ihre Wildheit Iegen fie jedoch 
nit ab. Allmaͤhlich fhrumpft aber ihre Riefengeftalt ein; die Rutfci: 
fenggen bed Voralbergiſchen Kloſterthals gehören vollends zu den Zwergen. 
Ihre Gemfenfehnelle gewinnen fie in Montafun durch Ausſchneiden der 
Milz, und weil fie die Milch gezähmter Oratthiere, die fie ihre Kühe nen: 
nen, genießen, wißen fie nichts von Schwindel, au wenn fie über Abs 
gründe fpringen. Auch Heidelbeeren und Gier von Schnee und Berl: 
bühnern lieben fie; aber mit den Bauern mögen fie nicht eßen: von fo 
roher Nahrung, womit Menſchen verlieb nehmen, fürdten fie den Tod. 
Ihre lakoniſche Ausdrudsweiſe und mande ihrer Namen erinnern daran, 
daß es eine eigene Sprade für die verſchiedenen Goͤttergeſchlechter giebt. 
Sie find kluge Rathgeber, aber oft liegt etwas Launiges in ihrem Rathe. 
Die Gemeinde Tenna in Graubünden fieng einen großen Bären, ber ihr 
viel Schaden zugefügt hatte: dafür wollte fie ihn graufam beftrafen und 
an dem wilden Brummer ein Grempel ftatuieren. Da trat ein Wilbfangg 
unter die Verfammlung und fagte: ‚3 Grufigft ift, laet 'n hürote“. gl. 
Bonbun Beitr. 44—65. Bernalelen Alp. 208 fi. 

Nahe verwandt ſcheint der Tyroler Lorg, ein einäugiger Riefe, ver 
fi) auch als gefpenftiger Reiter zeigt, jo daß Name nnd Erſcheinung an 
Odin ald Unterweltögott erinnert. Bingerle Sagen 1859 und N. 2. 3. 
134. 5. 134. 8. Die Drfelen 6.51.69 Orgen 6.63 feinen eher zu den 
Biwergen zu zählen und vom den Norgen (Nörglen) nicht verſchieden. 


484 


122. WBaßerriefen. 


Der andere Sohn Forniots, Hlör oder Degir, der mit Gymir zu 
fammenfält, hat kein fo weit verzweigtes Geſchlecht als feine Brüder. Wir 
haben ihn ©. 336. 334 ald Nebenbilo unterweltliher Gottheiten erkannt. 
Obgleich dem Niördr, der das beruhigte, ſchiffbare Meer bebeutet,, entge ⸗ 
gengefegt und dem diebiſchen Agez $. 125, identiſch, ja der räuberijchen 
Ran vermäplt, ift doch auch Er wieder milder aufgefaßt worden: die Götter 
lagen fih mit ihm in ein Gaftverhälnif® ein, das gegenfeitige Ber 
fuche herbeiführt. Jaͤhrlich zur Zeit der Leinernte, die in den Geptember 
fält, wenn bei dem Wehen fanfterer Lüfte, die in Degisdt. als Beyggwir 
und Beyla vorgeftellt find, dad Meer ein wirthlicheres Anfehen gewonnen 
hat und Degird Braufehel, die offene See, dem Verſchluße des winterlihen 
Hymir entnommen ift, trinten die Götter Ael in Degirs Halle, die er mit 
Goldlicht beleuchtet: die in der Tieſe der See verfunfenen Schäge ſcheinen 
zur Crllärung des Meerleuhtens verwendet. Degir hat zwei Diener, 
Funaſenger (Feuerfänger) und Eldir (Zünder): erftern erihlägt Loli. Soll 
uns dieß anbeuten, daß Degirs Golbliht den Glanz des gewöhnlichen nicht 
erreihe? Als Gymir ift der Meergott Degir deutlicher ald Unterwelts« 
gott dargeftellt. Orboda ift feine Gemahlin, feine Tochter Gerda, von des 
ren weißen Armen Luft und Waßer wieberftralt, worin Finn Magnufen 
das Norblicht angedeutet fah, was jenem Meerleuch ten zur Eeite tre: 
ten würbe. Seinen Sohn Beli erfhlägt Freyr mit dem Hirſchhorn, den 
wir auf den Blig gedeutet haben; nur darüber bleiben wir im Unllaren, 
wann dieß geſchah. . 

Bon Degir dem Meergott hat Tegner eine fhöne Gage gebichtet, 
melde ich ausheben wil um zu zeigen, wie unfere Mythologie ber 
Fortbildung fähig if. ‚Auch Ellida gehörte,’ leſen wir in ber Frithiof⸗ 
Tage, 24 \ 

das Schiff, zn den Schätzen des Haufes. 
Wiking, fegelte, heißts, da er heimzog einſt von der Heerfahrt 
Hin am heimiſchen Strand. Da ſchaukelt' ein Mann auf dem Schiffewrac 
Sorglos Hin fi und her als ſpielt' er nur fo mit den Wogen. 
Hof war der Mann und ebler Geftalt und offen von Antlitz, 
‚Heiter, veränderlich doch wie im Schimmer der Sonne das Meer fpielt. 
Blau war der Mantel, der Gürtel von Gold und befegt mit Corallen, 
Weiß ihm der Bart wie die jhäumende Flut, doch das Haar war meergrün. 


3. 128 sit. Grendel. Besweif. 485 


Wiling flenerte hin mit der Gchuede, den Armen zu xetten, 

Nahın den Erfarrenden beim in fein Haus und verpflegte den Fremdliug: 
Doch als der Wirth ihm das Bett anwies, da lacht' er und fagte: 

‚But iſt der Wind und mein Schiff, wie du fahft, nicht ganz zu verachten: 
Hundert Meilen noch Hoff ich gewifs vor Abend zu fegeln. 

Habe doch Dank des Erbietens, denn gut iſts gemeint. Gin Gedächtniſs 
Ließ' ich dir germe zurück; doc; mein Reichthum liegt in der Tiefe.’ 

Tages darauf fand Wiling am Meer, und fieh wie ein Seeaar, 
Wenn er bie Beute verfolgt, in bie Bucht einlief ihm ein Drachſchiff. 
Niemand fah man darauf, ja es ftand ſelbſt Keiner am Steuer; 

Dennod fands den gejchlängelten Weg durch Klippen und Scheren, 

Gleich als bewohnt es eiu Geiſt, und ala es dem Strande ſich nahte, 
Wefite das Segel ſich ſelbſt, unberührt von menfchlichen Händen 

Sentte der Anker ſich nieder und biß mit dem Zahne den Seegrund. 
Stumm fand Wiking und fahs: da fangen die fpielenden Wogen: 

‚Degir gebenft, ben du bargeft, der Schuld und ſchenkt bir ben Drachen.‘ , 

Königlid; war das Geſchenk: da® Gewölbe der eichenen Planken 
Hatte die Kunft nicht gefügt, fie waren zuſammengewachſen. 

Lang wars geftredt wie ein Drache der See; doch mächtig erhob ſich 

Ueber dem Halfe das Haupt und von Gold roth glühte der Rachen. 

Blau war der Bauch und golden geſtirnt; doch hinten am Steuer 

Schlug es in Ringe den mädtigen Schweif, der von Silber geſchuppt war. 
Spreizt' es die ſchwärzlichen Flügel mit röthlihen Saume, fo flog es 

Hin mit dem Sturm um bie Wette, daß felber der Adler zurüdblieb. 
Fullten gewappnete Männer das Schiff, fo erfchien es dem Bfid, ale 
Schwimmende Königsburg, als wellengetragene Feftung. 

Weitberühmt war das Schiff als das befle der nordiſchen Segler. 

Auch Grendel ift ein Meerriefe und dem Degir nahe verwandt; 
felbft darin, daß feine Halle ein bleiher, von den gefammelten Schägen 
außgehender Schimmer erhellt. Vgl. F. 95. Wir haben hier eine der deut⸗ 
ſchen Nordſeeluſte angehörige Mythe, die nady England ausgewandert feinen 
Sinn mehr hatte. Grendel und feine Mutter find verderbliche Dämonen 
des wilden büftern Meeres, das im Frühling gegen die weiten flachen 
Käften anftürmend jene ungeheuern Bermwüftungen anrichtet, welche Goethes 
Fauft im zweiten Theil, da er auf dem Mantel einherfegelt, mit Schau- 
dern gewahrt und ſich als jüngfter Beomulf zur Lebendaufgabe fept, ihnen 
durch Deihe und Uferbau zu mehren. Im hohen Alter kämpft Beomulf 
noch gegen einen Drachen, den er befiegt, aber von feinem Feuer über 
fprüht das Leben läßt, wie Thor im Iepten Weltlampf die Midgardſchlange 
erlegt, aber von ihrem Gifte töptlid getroffen zu Boden fintt. Auch diefer 


486 Draden. Gelce- Gelret Pant. 8. 122. 


Drade, ver fih nad der (im Gedicht entftellten) Sage wie Fafnir in 
einen Riefen wandeln konnte, bei dem aud der Schat nicht fehlt, den jener 
bütet, ift ein Waßerweſen: die Vermüftungen, die er anrichtet, beziehen 
ſich aber auf die Herbftzeit, wenn bis zum Eintritt des Winters aber- 
mals die Stürme toben und Fluten die offenen Meerestüften bebeden. 
Das Bild des Drachen für die anftürmende verwüftende Flut ift ein ans 
ſchauliches; aud Flüge und Bäche, deren Austreten gleichfalls Zerftörun: 
gen anrichtet, und den Schatz der Erde, die Ernte, raubt, werben in ben 
Sagen ald Schlangen vorgeftellt,. wozu ihr Schlangengang ftimmt. Müllen⸗ 
hoff, dem wir diefe ſchoͤne Deutung verdanken, bezieht aber ven Beomulf, 
der und an Thoͤr erinnerte, Zeitſchr VII, 439 ff. auf Steyr, der nach 
einigen Grzählungen Saros gleichfalls ala Draentämpfer erſcheint, W. 
Müller Ziſchr. III, 40, woraus fih aud Siegfrieds Drachenkampf verftän- 
digt. Allein imHerbft hat Freyr fein Schwert, den Sonnenftral, hin⸗ 
" weggegeben, und fo kann er hier nit als Drachenkampfer auftreten. Vgl. 
M. Beowulf 195. Die Draden und Würmer der Boll und Helvenfage 
find aber überhaupt Waßerungethüme, Rochholz II, 13 ff, und in dem 
Worte Lind wurm ſcheint Lind Sumpf zu bebeuten. Ausprüdlid wird 
ein auöbrehender See als Drache aufgefaßt Bingerle Sagen N. 157. 
159. 214. 215. In ver Chronik von Erkelenz findet man nah Rheinl. 
370 die Abbildung eines Drachen, aus deſſen Munde die Worte Gelre 
Gelre! gehen, denn durch dieſes Gefchrei joll er dem Lande den Namen ge: 
geben haben. Unter Karl dem Kahlen erſchlugen ihn nämlich die Söhne 
des Herm von Pont, Widart und Lupold, worauf fe das Volk zu fei: 
nen Bögten erkor. Diefe erbauten dann an der Stelle, wo fie das Thier 
erjchlagen hatten, eine Burg und nannten fie Geldern. Fafen wir den 
Drachen hier wieder als verheerende Flut, fo weift der Name der Herrn 
von Bont deutlich auf die Brüde, durch melde Thör nad 280 überſchwel- 
lenden Bergitrömen das Genid bricht. Für den zu Grunde liegenden 
Mythus halt Müllenhoff VII, 431 den von Britra, d.i. der verhüllenden Wolle, 
die von Indra getroffen als Ahis (anguis) herabſtürzt. Näher liegen 
uns freilich Thor Kämpfe mit der Midgardſchlange. An Grendel erinnert der 
fhon von Grimm M. 222 nachgewieſene Wapergeift, deſſen Grideinen 
eine Feueräbrunft bedeutet. Da fein Name den Berberber bezeichnet, fo 
Tann er auch im Elemente des Feuers walten. (Gervafius v. Tilbury bei 
Liebr. 30. 131). Grendel gleicht in allen Zügen dem tyroliſchen Blutr 
ſchink, Alpenb. 59; nur daß er in Geſtalt eines Bären auftreten foll, ſcheint 


8. 122. Siutfhink. Veswnlf und Haymen. 487 


Verwirrung, vielmehr war es nad dem Märe von dem Schretel ein Bär, 
der feinem Unfug ein Ende machte. Vgl. M. Beowulf S. 117. Der Ser, 
worin der Blutſchink ſich aufhielt, ward durch ein Erbbeben famt feinen 
Dämmen verfhüttet: Grendel erlag dem Gott des Getwitterd; unheimlich 
und ſchaurig wird die Lage beider Geefümpfe beſchrieben. Nähft dem 
Märe von dem Schretel und dem Waßerbären zeigt au die bei Iniprud 
angefiebelte Gage von dem Niefen Haymon (Bingerle Sagen 89) mit 
Beowulf bei aller Entftellung Verwandtſchaft. Er kämpft erft mit Thyrſus, 
den jchon fein Name als einen Riefen bezeichnet, ver hier aber dem Grendel 
entfpricht, zulegt mit dem Drachen, wo allerdings ber Ausgang abweicht. 
Der Kampf mit Thyrſus hat bei dem Seefeld an einem Bade Statt: 
‚Bu Seefeld er fein Wohnung hätt, da noch das Heilthum aufrecht 
fteht (hic ubi prodigium cernitur usque sacrum). Darnach ſcheint e3, 
daß dort ein ähnliches Wahrzeichen von Haymons Siege wie Grendels auds 
geripener Arm zu fehen war (cujus adhuo caedis vestigia certa super- 
sunt), wie aud die Dradenzunge ald Wahrzeichen des zweiten Kam⸗ 
pfe3 vienen follte. Weberbieß foll Haymon am Rheine zu Haufe geweſen 
fein, von wo wohl aud Beowulf ftammt. Bon Heime Adelgers Sohne 
ſcheint faum mehr als der Name entliehen. 

Ein Waßermann in Stiergeftalt ift der mythiſche Stammvater der 
Merowinge: er zeugte mit ber am Meeredufer fchlafenden Königin den 
Merovens, von dem nachher die Merominge ftammten, nad älterer Sage 
wohl den Elojo, den erften Frantentönig, deſſen Name von hlöjan, mugire 
brüflen (noch jegt im Vollsmunde lüejen) abzuleiten ift, was an ben brüls 
enden Stier der Stammfage erinnert. So überfält nah dem Gedichte 
vom Meerwunder in Caspar Helvenbud ein Meermann die am Strande 
wandelnde Königin, Müllenbofi Ztſcht. VI, 433. Auf diefe Sage bezieht 
fich vielleiht ver goldene Stierlopf in Ehilverih3 Grabe. Auch in Spas 
nien findet fi die Gage und auch hier gebiert die überwältigte Frau 
einen überaus ftarten Sohn, den Stammvater eines Heldengeſchlechts. Wir 
wißen nicht, ob Odin, der ala Meeresgott Hnilar heißt, ein Name, der 
mit Nir und dem Flußnamen Nedar verwandt fein könnte, nad einer verlorenen 
Muthe die Geflalt eines Meerwunders annahm. Aehnliches wird von 
Dietrichs und Ortnitd Zeugung durch einen Elben (Eiberih) gemeldet. 
Ueber die Sage vom Eibftier $. 126 unten, 

Entſchiedener gehört aber Wate, ver Vater Wielands, ven Waßer⸗ 
tiefen an. Seine Beziehungen zu dem gleichfalls watenden Thör, ja zu 


438 Weate. Wittid uud Helme. Mine. . 12% 


Dpin ımb wieder gu Ehriftophorus find ſchon 8.73.76 erörtert. Bar 
ex ber Sohn der Meerminne Wädilt, die ein elbiſches Weſen ift, fo deutet 
Anderes auf feine Niefennatur. Gine lautbrällende Stimme wird ihm zw 
geſchrieben; als Heermeiſter ver Hegelinge in der deutſchen Gudrun führt 
ex ein Hom, das von Odin oder Heimball auf ihn übertragen fein kann. 
Rach Mültenhoff Zeitſcht. VI, 68 war er urfprünglic ein watender Meer: 
tiefe, für deſſen Wirkung der regelmäßige Wechſel von Ebbe und Flut 
galt. Oper follen wir ihn für den Riefen anfehen, an deſſen Stelle Wuotan 
als watender Gott trat? Gin Theil feines Weſens ſcheint auf Thoͤt übers 
gegangen, der nicht bloß, den Derwanbil auf dem Rüden, wie Wate den 
Wieland, die urweltlihen Eisfteöme, fondern außer Rörmt und Dermt und 
beiden Kerlaug den Höllenftrom Wimur mwatet, und dabei den Lofi hinüber: 
trägt, der fih an feinem Gurte feithält. War Wate etwa einft ald Tod ⸗ 
tenſchiffer gedacht ? Körmt und Dermt und beide Rerlaug werden Wöl 29 
unmittelbar nad den Xodtenflüpen aufgezählt. Die Vorftellung könnte 
einer Zeit angehören, wo ed noch an Brüden und Kähnen fehlte. Wie 
an Thoͤr die Erfindung der Brüden, fo finden wir an Wate die des Beo- 
tes $. 76 geknupft. 

In Bates Gefhleht finden wir gunähk Wieland, der als Alfenfürft 
begeichnet wird, was und zeigt, wie Riefen und Zwerge, fo verſchiedener 
Natur fie feien, doch in einander übergehen. Wieland Sohn Wittich 
tritt gar gu einer dritten Claſſe von Weſen, den Helden. Rur fein Helm- 
zeichen, ein Giſtwurm, der feinen Grimm ausbrüden foll, bezeichnet noch 
feine riefige Ablunft, während fie fi bei feinem Waffenbruder Heime, 
von dem unten, in feinem ganzen feinbfeligen Charakter verräth, wer ihn for 
gar einmal zum Mitglied einer Räuberbande macht. 

Das berühmtefte Waßerweſen Mimir oder Mimr (S. 230) wird 
Slaldſt. 75 unter den Niefen aufgezählt. Als Bewwahrer des Schahes ber 
Tiefe heißt er Hobbmimir. Im Meere find nicht bloß Schäge verfunfen, 
das Aheingold wird aus der Flut gewafchen und kehrt ald Nibelnngenhert 
dahin zuräd; Andivari hatte das Riflungengold nad Gigurdartw. II in 
der Flut gewonnen. Im Flußbett barg Decebalus feinen Hort und bie Weitge- 
then bie Leiche ihres geliebten Alarich als den Löftlichen Schag ihres Volles unter 
dem abgegrabenen Strom. Das Waßer, in dem ber Urfprung aller Dinge 
liegt, wäre auch felbft ein Schah, wenn Peterſen den Mythus von Helc 
waldi richtig auf Waßerjhäge gedeutet hätte; gewiſs ift, daß in Pimirs 
Brunnen Weisheit und Verſtand verborgen waren, die hödften Echäge, 


612%. Markedr. Asprian. 489 


weshalb auch fein Horn Hortträufler hieß. Wenig wißen mir von dem 
alten Thurfen Södmimir, den Odin nach Grimnism. bettog und den Sohn 
Midwitnirs, des berühmten Unholden, töbtete. Iſt er eins mit Hlébard 
(Reertäfte?), dem Odin (Harbarbälied 20) mit der eigenen Wänfchelruthe 
den Big raubte? Ober gar mit jenem Aömund, bei dem Odin nad Grimm. 
49 Jalkr hieß? FAS. II, 407 durchbohrt Odin den Aamund mit feinem 
Sper. Die Ramen deuten hier wieder auf Meerriefen, zugleich aber 
fehen wir wie bei Aelwaldi, wenn er nicht, wie Weinhold will, Als 
walbi, der allwaltende heißt, den Schap als Ael, Bier gefaht. Ein 
Trunt war es, für den Odins Auge dem Mimir verpfänbet warb, und 
fo könnte hier eine Nebenform vesfelben Mythus vorliegen. Nah Meth 
benannte Flüße find GDE. 697 in ver Wejergegend und Gngland 
nachgewieſen. AS Waßerriefe erſcheint endlich der ältere Starkadr, der 
an den Nelwaßerfällen wohnte (vidh Alufossu ober Oelfossu), und ben 
Beinamen Alubreng führte. Cr hatte acht Hände und befiegte im Zwei 
tampf den Hergrim, der ihm feine Berlobte Degn Alfafprengi, die ges 
fürdtete Zeinbin der Giben, wie Weinhold R. 35 überfegt, entführt hatte. 
Degn fah dem Bweilampf zu, und gab fih, ald Hergrim gefallen war, 
felbft den Tod, denn fie wollte dem Starfabr nicht vermählt fein. Diefer 
309 alles bewegliche Gut Hergrimd an fih und übernahm die Erziehung 
ihres mit Hergrim erzeugten Sohnes. Später entführte Starlabr Alf 
biloen, die Tochter des König Alfs von Aliheim, ward aber von Thör 
erſchlagen und vom Felſen geftürzt. Seinem gleihnamigen Sohne erwies 
ſich hör ebenfo abhold als Odin (S. 181) günſtig. Da Foffegrim 
nad der heutigen Vollsſage ein Dämon norwegiiher Waßerfälle if, fo 
giebt ſich ſchon Hergrim als ein Bergftrom zu erfennen; nichts anderes 
iſt Starladr, deſſen acht Rieſenhände eben fo viele Stromarme anzeigen; 
daß ihn Thör vom Felſen ftürzt, zeigt uns feine Bedeutung als ben waßers 
zeichen Abfturz des Aluſtromes. Sein Bweitampf mit Hergrim ift bie 
braufende Begegnung zweier Bergfiröme: der Mäctigere von Beiden reift 
die Waßerjhäge des Befiegten an ſich. Die Braut, Degn Alfaiprengi, 
ergiebt fih ald ein ſchimmernder Staubbad, um ven ſich bie Stromriefen, 
wwiſchen denen er nieberfprüht, zu reißen ſcheinen. Schwieriger ift Alfı 
hild zu deuten; ihrem Namen nach gehört fie dem Geſchlecht der Alfen 
an, Uhland 176 ff. Mehrhändige Riefen tennt aud die deutſche Sage; 
in ber Helvenfage hat Heime vier Ellenbogen und Aöprian vier Hände; 
ſonſt findet fi bei ihnen kein anderer Bezug auf das Waßer als daß 





440 Logt. Thorgerde Gägebrudr. 9.128, 


Heimes Vater Madalger oder Adalger nad; dem Morolt der Sohn einer 
Meerminne if, Myth. 360. Aehnlicher natürlicher Deutung ift bie Viel⸗ 
haͤuptigleit der Riefen fähig: es find Felsungethüme mit mehrfahen Häups 
tern. Mangel an Glievern begegnet man dagegen fat nur bei göttlichen 
Weſen, und bier fehen wir ihn in ihrer mythifhen Natur begründet. Zum 
Schluß gedenke ih nod des Meerriefen Widblindi, der nah Skaldſt. 47 
Walfiſche in das hohe Meer hinausführt, die feine Eher heißen, wie Frau 
Harkens Dachſe ihre Schweine und die Gemfen die Kühe der Fanggen ges 
nannt werben ©. 433. 


123. Feuerrieſen. 


Logi, der dritte Sohn Forniots des alten, ift von feinem hohen 
Wuchſe Halogi (Hochlohe) genannt; das Land, deſſen König er ift, beißt 
nad ihm Hälogaland, dad nördliche Norwegen. Weinh. 54. Bon feiner 
Frau Glöd (Gluth) hat er zwei Töchter, Eifa und Eimyria (Aſche und 
Gluthaſche), welhe von zwei Jarlen, Wefeti und Wifil, nad fernen Eilans 
den, Burgundarholm (Bornholm) und Wifilsey, entführt werben. Weſeti 
ift wörtlich Gründer heiliger Stätten, Wifil heißt der Weibnehmer: als 
erſtet Anbauer jener Eilande bringen fie vie heilige Flamme des Heerd⸗ 
feuers nad ihren neuen Anfievelungen, Uhland 31. 57. Weſetis Sohn 
hieß BAi und bebeutet den Anbau. Wie Logi zu Loki und diefer zu Ut⸗ 
garblofi warb, bei dem ſich Loki und Logi im Schnellegen meßen, ift 
$. 83 dargeſtellt. 

Wie das Feuer in Loki mur zulegt als verderblich, früher meift als 
mohlthätig gefaßt wurde, fo gefchieht das auch ſchon in Logis Töchtern 
und Schwiegerföhnen, welchen ſich Tpialfı als Thielvar (S. 262) vergleicht. 
Zugleich ift das eine neue Spur früherer günftiger Auffaßung der Riefen. 
Halogi hatte aber aud eine Tochter, Thoͤrgerdr Hölgabrudr, welcher 
wie ihrem Vater in eigenen Tempeln blutige Opfer fielen und viel Gold und 
Silber dargebracht ward, Skaldſt. 45. Ihre Schweſter Irpa fand neben 
ihr abgöttifhe Verehrung; aber dem Witing Goti, der beider Bruber war, 
zeigte ſich Odin unter dem Namen Biön feindlich gefinnt, Peterſen 79 
mie font Thor diefem Geſchlecht. Freilich ift Biörn ein Beiname Thoͤrs, 
Lex. Myth. 908. 

In den norbifhen Mythen erfcheint Thor als Belämpfer der Riefen 
in allen Glementen; aber den drei Söhnen Forniots tritt er nirgend uns 


8. 138. ar. Safeid. Ebenreih. 441 


mittelbar gegenüber, wenn er gleich in ber Thorsdrupa Faller der Iuftigen 
Sötterftühle Forniots heißt, was nad den Auslegern auf Abftellung feines 
Gottesbienfted zielt. Kari Degir Logi find in der beutfhen Heldenfage 
zu Faſolt Ede Ebenroth (S. 100) geworden, und im Eggenliebe, das 
gleich ver entſprechenden Erzählung der Wiltinafage anfangs im Kölner Lande 
und um ben Drachenfelfen fpielt, wo wir aud die Fafeltötaule nachgewieſen 
haben, befämpft und befiegt er als Dietrich Einen um den andern, Fafolt 
wird in einem Wetterſegen wie Mermeut als Sturmrieſe angerufen, Myth. 
602: ganz fo erfcheint er aud im Edenlieve, und die Faſeltslaule ift wegen 
verberhliher Oſtwinde berüdtigt, M. Rheinl. 6. 323. Edes Name läßt 
fih von ber Schärfe des Schwertes keineswegs herleiten mie Wein 
hold 18 will: dem widerſpricht die näher zu Degir Uogi(M. 217) tretende 
Form Uodeſahs bei Veldele und die Ortsnamen Weleratb und Uedes⸗ 
dorf in unferer Gegend, wo feine Sage daheim ift. Da in feinem Brus 
der der Sturmriefe nicht zu vertennen ft, fo ruht Grimma Parallele der 
drei Brüder mit ben Söhnen Forniots auf gutem Grunde. Edes Berüb: 
rungen mit Degir find $. 97 beiproden; vgl. Uhland Germ. VI, 347. 
Ueber Ebenröt erfahren wir aus dem Eggenlieve am Wenigſten: Grimm 
bat ihn Myth. 710 dem Abenpröt, einem andern Riefen ver Helvenfage, 
verglichen; dieſer hat aber noch zwei Brüder und bie Bufammenftellung 
ließe ſich nicht durchführen. Der auch ald Ortsname bei und erjdeinende 
Rame fol wohl den durchaus rothen, d. h. feurigen bezeichnen. In dem 
Kampf wider Ede und feine beiden Brüder tritt Dietrid an die Gtelle 
Ihörs, wie und diefe Bertaufhung ſchon S. 266 begegnet ift; hiet aber 
läßt das niederrheiniſche Local der Sage an einen fräntifhen Dietrich den ⸗ 
ten, der fi auch fonft nod mit dem oſtgothiſchen miſcht. Bol. Müllen 
hoff Ziſcht. XI, 357. 

Andere Feuerrieſen, mit welchen hör zu ſchaffen hat, find Hyrrofin 
und Geirroͤd ©. 87. 277. Geirröd ift als Gewitterrieſe dargeſtellt; 
doch laßt ſeine S. 266 nachgewieſene Beziehung auf die Unterwelt und 
ihre Feuerhölle vermuthen, daß die nordiſche Sage ihn feinem urſprung ⸗ 
fihen Kreiß entrüdt babe. Der berühmtefte unter ben Feuerrieſen 
iſt Surtur der ſchwaͤrzende, ber mit Muspeld Söhnen in Muspelheim 
wohnt; im legten Weltlampf fteht er aber bem Freyr, nicht dem Thor 
gegenüber. . 

Bir haben Riefen in allen Glementen, ja in der Unterwelt ange 
troffen; zugleih fahen wir fie auf das geiftige Gebiet gerüdt. Bum 


442 Dentung der Erdbildung. Sagberia. 8.124. 


Schluß hebe ich noch die Neigung namentlich ber deutſchen Riefenfage here 
vor, auffallenbe Erfcheinungen der Erdbildung zu erläutern. Schon die 
mordifce ließ Befion ſich einem Rieſen verbinden, um barzuthun, warum 
die Buchten im Lögr den Vorgebirgen Seelands entſprechend liegen; die 
deutſche weiß die ſ. g. erratifchen Gteinblöde zu deuten: ein Rieſe hat 
bier feinen Schub ausgellopft, weil ihm ein Steinden hineingerathen 
war, daß ihm beim Geben beſchwerlich fiel. Andere vereinzelt liegende 
Zelsblöde hat ein Riefe nach einer benachbarten Stadt geſchleudert um 
fie gu zertrümmern; fpäterhin wird das auf den Teufel übertragen, ber 
eine chriſtliche Kirche zerftören wollte. Ein Rieſenmädchen gedachte ſich 
eine Brade von Pommern nad Rügen zu bauen, damit fie, übers Waßer 
gehen koͤnne ohne fih die Wantöffelen zu negen: fie nahm die 
Schürze voll Sand und eilte ans Ufer; aber die Schürze hatte ein Loc, 
und ein Theil des Sandes warb verzettelt; dad Uebrige fchüttete fie weg, 
als ihr die Mutter mit der Ruthe drohte.‘ So entitand eine Reihe bürrer 
Sanbhügel, die in Bommern Berge heißen, Myth. 502. Bon folden 
Stüdden find alle Sagenbücer voll und auch unſere Gegend Lönnte im 
den Schlubverfteinen bei Rolandsed dazu Beiträge liefern. 

Eine Riefin haben wir nicht unterbringen können, weil zu Uureim: 
bares von ihr berichtet wird. Nah Olaus Wormius war die Bauberin 
Hagberta die Tochter des Riefen Wagnoſt (Wagnoft? Saro I, 9). Sie 
konnte fi in jede Geſialt und Größe verwandeln. Bald war fie him 
nelhoch, bald Hein und niebrig, bald hart, bald fließend. Waßer tonnte 
fie fett machen umd Berge ſchmelzen; den Himmel Tonnte fie nieberziehen, 
die Erbe erheben und Schiffe dur die Luft fliegen maden. Die Götter 
konnte fie ftärzen, die Lichter bes Himmels ausloſchen und bie Finfernifs 
der Tiefe erleuchten. Germ. VI, 294. Hier ift mehr die Bauberin als 
bie Riefin hervorgehoben; aber ihre Macht übertrifft bie der Götter und 
obgleich ihr Name mit dem Berthas zuſammengeſeht ift, bleibt der Zweifel er- 
laubt, ob Diaus wohl berigtet war. Daß die Niefen nad Belieben 
groß umd Hein erſcheinen, begegnet bei Saro öfter. Bauberei ift bei den 
Riefen wie bei Odin nur ber Ausdrud ihrer übernatürlihen Macht. 
EUR. W. Mayel a. aD. 


124. Elben im Allgemeinen. 
Die allgemeinfte Beziehung der halbgoͤttlichen Weien, welche menſch · 


% 124. Wigke. Elbe, Ihmwarzalfen. 443 


liche Größe nicht überragen, fheint Wicht, in der Mehrzahl Wichte oder 
Wichter, nordiſch vaettr, pl. veettir; doch begreift er zuweilen auch rier 
ſige Weſen. Unfere heutige Volksſprache braucht das Wort bald männ- 
id), bald ſachlich; es muß aber nit gerade ein mythiſches Weſen meinen: 
dazu bedarf ed, daß ber Begriff der Aleinheit durch die Diminutivform 
gefteigert werde: Wichtel, Wichtlein, Wictelmännden, Myth. 408. 
Minder allgemein ift ber Ausdrud ber Gibe oder Alb; der Name 
ſcheint fchon in Tacitus Germ. 8 vorzulommen, wo ftatt Aurinia Albruna 
zu leſen iſt. Pol. Müllenhoff in Haupts Ztſchr. 240 und Kuhns W. 
©. 148, wo Hluge Frauen Albrunen heißen. Doc begreift Alft in ber 
Eoda, den Aſen, Wanen und Joͤtunen gegenüber, zwei Gattungen gölte 
licher Weſen: Lichtelben (Liösolfar) und Schwarzelben (Swartälfer) oder 
Dunteleiben (DöckAlfar) ; der zweiten Clafie ſcheinen bie Zwerge anyuger 
bören, denn fie follen in Schwarzalfenheim wohnen. Bei biefer Unterſchei⸗ 
bung ſcheint vergehen, daß der Name der Elben mit albus, weiß, zuſam ⸗ 
menhängt, urſprunglich alfo einen lichten Geiſt bejeichnet. Es werden aber 
fogar die Wohmpläge ſcharf unterſchieden: die Schwarzelben follen in der 
Erde, dem bunlelften Elemente, wohnen, die Lichtelben in Alfheim, das in 
den höchften Regionen liegt, vielleicht nach ©. 45 in ber Sonne ſelbſt. 
Darum beißt es D. 17, fie feien fhöner als die Sonne von Angeſicht; 
aber die Schwarzalfen ſchwaͤrzer als Beh. Vol. den Namen Pechmanle 
Bingerle S. 44. Obgleich hinzugefügt ift, fie feien ſich in ihren BVerrich 
tungen noch viel ungleicher, wird doch nidt fo weit gegangen, zu fagen, 
de Liötelben wären gut, die Schwarzalfen böfe: das hätte bekannten My« 
then zu offenbar wiberfprochen. Wenn bie Rieſen als Feinde ber Götter 
erſcheinen, fo finden wir bie Schwarzalfen den Göttern verbamben, im berem 
Dienft fie wirken und fhmieben, und wenn gleich hämiſche Züge in ihrem 
Bilde nicht fehlen, fo gehört doch vielleicht was Bösartiges in ihrer Ra 
tur fu liegen ſcheint, jüngerer Bildung an. Jn allen Eben ift vie Natur 
von der milden Geite aufgejaßt, und mehrfah fanden wir in ben unter: 
irdiſch wohnenden Schwarzalfen die Triebkraft der Erde dargefteflt, die 
ſtillwirlende Kraft der Natur, die Grad und Hahme hernoriprießen läßt 
und im Schooß ver Tiefe die koſtbaren Etzadern wirft, die freilich auch 
das verführerifihe Gold und das mörberifhe Eifen enthalten. Aber nicht 
bloß Waffen und goldener Schmud gehen aus der Eſſe biefer hunſtreichen 
Sämiede hervor: Re haben dem Thor ben Hammer, dem Frey das Schiff 
und den geldborſtigen Gber, dem Odin den Spieß und den Ring Draup- 


444 Eben. Langes Erben. 5 1. 


nir gefertigt, deren hohe Bedeutung anderwärtd dargelegt find. Nur weil 
fie in der bunteln Erde wohnen, heißen fie Schmwarzalfen, womit nicht noth ⸗ 
wendig Häplicjleit verbunden fein muß. Nach ber deutſchen Sage ſchmie⸗ 
den die Zwerge, die Zwerginnen fpinnen: beide find bald ſchon, bald 
eislich getän. 

Die Zwergin im Rudlieb kommt aus der Höhle ſehr jhön (nimis 
pulchra), dabei zierlich gelleidet und goldgeihmüdt. Gier klagt aud ber 
Zwerg über die ZTreulofigleit des Menſchengeſchlechts und leitet daraus die 
turze Zebenzzeit, die uns beftimmt ift, während bie Zwerge, weil fie redlich 
feien und einfade Speifen genießen, lang und gefund leben, Myth. 424. 
Schönheit und Häßlichteit, lichte und dunkle Farbe ift hiernach ſchon den 
in ber Erde wohnenden Zwergen eigen, bie den Schwarzelben gleichgeftellt 
werben. Beides ift auch wohl begrünvet: ihre bunlle Farbe in ihrem 
Aufenthalt im finftern Erdſchooße, vielleicht auch in ihrem Schmiedegefchäft ; 
ihre lichte, die fon der Name Alb ausprüdt, in ihrem mohlthätigen fer 
gensreihen Wirken. Zwei Elafien von Weſen nad lichtem und buntelm 
Ausſehen zu unterjheiden, war die jüngere Edda fo wenig berechtigt als 
das ſtaldiſch gelehrte und darum fpäte Alwifsmäl einen Unterſchied zwis 
ſchen Alfar und dvergar aufjuftellen, während in ver Wöluspa auch 
Iwerge Alfennamen führen. Zwar find nicht alle Elben Zwerge; auch 
wohnen nicht alle unter ber Erde: aber zwiſchen erdbewohnenden Alfen und 
den Zwergen giebt es feinen Unterſchied; die Lieber wißen fogar nichts 
von Lihtalfen und Schwarzalfen: nur döckälfer werden genannt. Auch 
iſt es bedenklich, wenn die jüngere Edda die Lichtalfen in Liösälfaheim 
oder do in Aliheim wohnen läßt, obgleih Einiges dafür fpriht, womit 
aber nicht zu vereinigen ift, daß fie jet Gimil bewohnen follen, ven fünfs 
tigen Himmelsfaal aller Guten und Rechtichaffenen, ber nah D. 17 im 
britten Himmelsraum liegt. Sonſt finden wir fo hodliegende, von Swart⸗ 
alfaheim gänzlich gefonderte Wohnfige der lichtern Alfen laum bes 
zeugt, und man bürfte den Einfluß chriſilicher Vorftellungen von den En⸗ 
geln und mehren Himmeln vermuthen, wenn e3 nicht Grimnism. 4 hieße: 

Heilig if das Land, das ich liegen fehe 

Den Aſen nah und Alfen. 
Doch ergiebt die Vergleichung aller Stellen, welche Aſen und Afen zufam- 
men nennen, die durch das Reimbedürfniſs begünftigte Gewohnheit, beide 
Claſſen wohlthätig maltender Weſen formelhaft zu verbinden: follten nur 
die Lictalfen gemeint fein, von deren Wohlihaten nichts gemeldet wird, 


% 1. Eben. Heinen. 445 


fo wäre die Formel ungenügend. Nach unferer Anfiht gab es im Volls ⸗ 
glauben zweierlei Clafien von Alfen eigentlich nicht, fondern nur Ein Ge 
ſchlecht, das bald in der Erbe, bald in andern Elementen haufte: eritere 
lonnten nach ihrer Natur licht, nach ihrem Aufenthalt und Schmiedege ⸗ 
fchäft dunkel erſcheinen. Der flärkfte Beweis gegen bie Annahme einer 


. äigenen im Himmel wohnenven Claſſe von Lichtalfen ift, daß es echte alte 


Mythen von ihnen nicht giebt, während von den Schwarzalfen, die in der 
Erde wohnen, die j. Edda fo viel zu erzählen weiß. Grimm nimmt 414 
drei Arten nordiſcher Genien an, Lichtalfen, Dunkelalfen und Schwarzalfen, 
wie die pommerſche Volksſage weiße, braune und ſchwarze Unterirdifhe 
fondere, und im Morolt drei Geifterfcharen erſcheinen, melde der im Kampf 
Gefallenen und ihrer Geelen warten, weiße, bleiche unb ſchwarze: bie 
weißen find Engel, die ſchwarzen Teufel, die bleihen deinen im Fegefeuer 
wohnende Verwandte der Streiter, fo daß die drei chriſtlichen Seelenauf · 
enthalte vertreten find was auf fein hohes Alter weil. Daß fi Engel 
und Teufel um die Seelen der Berftorbenen ftreiten, läßt: fi aus ber 
heidniſchen Vorſtellung deuten, daß nicht alle Sterbende in Odins himm- 
liſche Halle eingeben, fonbern einige zu Hel kommen, wie auch Obin, Thör 
und Freyja Anrechte an die Eeelen der Verftorbenen geltend gu machen haben ; 
vgl. aber 6.146. Aus jener Stelle im Morolt, wo ver Kriftliche Einfluß 
zu Tage liegt, ift für drei Glafien elbiſcher Beifter fein Schluß zu ziehen, 
und ber pommeriſche Vollsglaube ſchattet nur die Unterirdiſchen ab, ftellt 
aber feine eigene Claſſe himmliſcher Elben auf. Jene bleihe Schar gleicht 
nun allerdings den näir, melde wir im Bwergverzeichnifs des Wöluspa 
antrefien: der Name bezeichnet fie als Geifter der Zobten, mit melden 
fi die Unterirbifchen unferer Vollsſagen immer berühren; auch die Hein- 
hen, deren Königin Berchta ift, find den Tobten verwandte elbiſche Geifter. 
Alwismal, das neunerlei Clafjen von Weſen unterjheidet, und jeber eine 
eigene Sprache beimißt, nimmt aud für bie Bewohner der räumlich ger 
dachten Hel, die und zur Hölle geworben ift, eine eigene Sprade an, und 
dieſe Lönnten mit jenen Heinhen und eddiſchen näir zufammenfallen. Auch 
Dain im Zwergregiſter bebeutet den Todten, Dwalin wie es ſcheint den 
Schlafenden und Zhrain (Hrafn. 3) den Träumer. 

Wie fteht es aber um bie Opfer (Alfablöt), die wir den Alfen ger 
bracht fehen: galten diefe den Lichtelben? Faſt follte man es glauben, 
da es noch fpät Gebraud war, den Engeln Speife zu bereiten und hinzu: 
Rellen. Dem heimlehrenden Sighwat Skiald wehrte feine Hausfrau, die 


446 Elben. Eibenopfer. 3.14. 


vor ber Thäre fand, den Gingang bis er den Alfen geopfert habe. Peter 
fen 101. Heimat. Olaf Helga. c. 92. Melde Aſen hier gemeint feien, 
iſt nicht gejagt. Im der Kormalj. 216. 218 foll mit dem Blut eines ers 
legten Stiers der Hügel geröthet und aus dem Fleiſch des Thiers den 
Elben ein Mal bereitet werben. Hier ſcheint doch der Hügel auf bie 
darunter wohnenden Alfen zu deuten: er älfar bAi i. Spuren dieſes 
Dienfted der Grogeifter finden fih noch in driftliher Zeit, ala fie ſchon 
zu Teufeln berabgefunfen waren: namentlid werden Lanmer, Bödlein und 
Hühner dargebracht, während die unfchuldigen KHausgeifter ein Topf Mil 
befriebigt, die gierigen Waßerweſen fi nicht einmal an thieriſchen Opfern 
genügen laßen, fondern Menſchenblut verlangen. In unfern Bollsfagen 
fehen wir allen Elben unter der Erde oder im Waßer die Wohnung an 
getviefen, denn diejenigen, deren Leben an Bäume geknüpft ift, ober bie 
in Blumentelhen wohnen, wo ihrer oft hundert Taufende neben einander 
Play haben, bilden kaum eine Ausnahme. Vielen wird lichte Beftalt und 
ſchoͤnes Angeficht verliehen, der Wohnung in der Tiefe ungeachtet. Nament ⸗ 
lich ſchottiſche und englifhe Sagen zeigen Elben und Ebinnen in wunder⸗ 
barer Schönheit; ihre Kleidung ift weiß und glänzend. Sie heißen das 
gute Bolt, die guten Nachbarn, im Norden Lieblinge, Liuflingar, in Deutfchs 
land gute Holden. Gie lieben Mufit, ihre Luft am Tanz ift unermüdlich, 
wenn fie gleich die Nat dazu wählen. Im Umgang mit Menfhen hat 
aber ihre oft mifsbraudte Gutmüthigleit gewiſſe Grenzen, und fie fann 
dann fogar in Graufamteit übergehen. Die Elben deutſcher Gedichte des 
Mittelalters find auch zum Theil noch ſchͤn; aber das Chriftenthum hat 
fie ſchon herabgewürdigt. Von der elbe wirt entsehen vil maneger 
man ; böfer Blick wird ihnen angebichtet, auch ihre Geſchoße find verru⸗ 
fen, ihr Pfeil, ihr Anhauch felbit, bringt Tob und Krankheit; der Nachts 
mar namentlich, ſcheint ein feindfeliger Geift, und über Albdruden beſchwert 
man ſich noch taͤglich. Auch ihre Geftalt hat gelitten; doc erſcheint no 
Eberich, felbft Hinzelmann mit fhönem Angefiht, ganz wie im Norden 
und bei den Angelſachſen der Ausbrud, ‚jchön wie ein Eilfenweib‘ den 
Gipfel weibliher Schönheit bezeichnet. Sögubr. FZUS. I, 387. 

Allen Elben aud den unterirbifchen ift es gemein, daß fie geringe 
Dienfte mit unfcheinbaren Gaben lohnen, die ſich aber dem Beſcheidenen 
in Gold wandeln. Selbſt dem zufällig in ihrem Kreiß tretenden füllen 
fie die Taſchen mit Lindenblättern, mit Kehricht, mit Noföbollen (R. Reuſch 
U. Aufl, Rr. 7); oder hat die Babe nur dem Vorwigigen, der zu früh nachfieht, 


919. euen. Gishenhaf. Mifsheiraien. 47 


die unfaubere Geftalt angenommen? Natürlich lehrt er den Sad um, und 
fhüttet die Füllung aus. ‚Bu Haufe angelommen findet er aber in ben 
Eden des Sads, in deren noch einige Ueberrefte des Dungs zurüdgeblieben 
waren, blanfe Goloftüde liegen, und da erfannte er die Wahrheit des al 
ten Woris: ‚Wer das Kleine nicht ehrt, ift des Großen nicht wertpl‘ 

Auch ſittlich umbefledt erhielten ſich einzelne Elben wie jener bei Cae ⸗ 
farius (I, 36), der felbft dem Chriſtenthum nicht abhold, und überhaupt 
fo rein gehalten ift, daß man für die in der Edda fehlenden Mythen von 
Lichtelben, wenn dieſe nicht überhaupt aufzugeben wären, hier Criag fände, 
Er reitet dem Nitter, dem er in Geftalt eines fhönen Jünglings bient, 
das Leben, indem er ihm eine Furt durch den Strom zeigt, als er von 
feinen grimmen Feinden verfolgt den Tod vor Augen fieht; ein andermal 
holt er feiner kranken Gemahlin Lömwenmilh aus Arabien berbei (vgl. 
Müllenhoff 418), und als ihn jegt der Ritter, dem er geftehen mufte, 
Giner der mit Lucifer gefallenen Engel zu fein, verabſchiedet, weil ihm 
vor ihm graut, verlangt er für feine treuen Dienfte fehr beſcheidenen Lohn 
und verwendet ihn nur, einer Kirche, die feine Gloden befigt, eine ſolche 
zu laufen. Hier liegt zugleih aud der Beweie, daß der Glocenhaß in 
der elbiſchen Natur nicht begründet erft von den Rieſen auf die Elben 
übertragen warb. Nicht der Glodenklang, die Untreue ber Menſchen vers 
treibt fie. Bgl. die Steinfelderfage von Bonſchariant, Rheinl. 304, Kaps 
fey UI, 200 fi, wo aber Büge aus der Riefenfage mit eingeflochten find. 
Gleichwohl wufte fein Herr ihn mit dem Chriftentpum nicht auszuföhnen, 
wie doch den Glberid der Dichter des Ortnit. Wenn im Ortnit Elberich 
Engelnatur annimmt, und fogar die Taufe und Belehrung der Heiden mit 
Gifer betreibt, fo zeigt feine Verwandtſchaft mit N. Goldemar, dem enj ⸗ 
ſchurſenden und ſchmiedenden Berglönig, und mit Eibegaft, ‚vem ſchlauen 
berüdtigten Dieb‘, daß aud Er kein Lihtgeift war, fondern zu den Schwarze 
elben zählte. 

Die Elben Hagen über die Untreue der Menſchen ‚wie ik der 
Himmel fo hoch! wie ift die Untreue fo groß! An der Untreue der 
Menfhen fheint es zu liegen, wenn mit den Elben eingegangene 
ehelihe Verbindungen, wie fie befonderd mit Waßergeiftern vorlom: 
men, zulegt ein traurige Ende nehmen; doch konnte ſchon in der uns 
gleihen Sinnesart der Werbundenen der Grund liegen, daß ſolche Miſch- 
beiraten nicht zum Glud ausſchlagen. Diefe ift aber in der Abkammung 
begründet: es find eigentliche Mifsheiraten, aus denen nichtö Gutes ent» 


448 Elben. Yrsagi. Glasberg. 6. 124. 


ſtehen kann. Das ſcheint mir aud ſchon der Sinn des Mythus von Urvagi 
welden Kuhn Herablunft 8I—94 beipriht. Pururavas muß Giner der 
Gandharven werben, um der Geliebten wiebervereinigt zu werben, deren 
Bedingungen er dießſeits nicht zu halten vermochte. Aehnlich glaube ich 
die deutſchen Märchen verftehen zu müßen, wo die Wiebervereinigung auf 
dem Glaöberge geſchehen fol, der aud nicht von diefer Welt if. Urvagi 
durfte den Pururavas nicht nalt fehen; in ber deutſchen Sage ift es bie 
Frau, welche nicht nalt geſehen werden barf; fo in der Melufinenfage, die in 
ältefter Geftalt bei Gervafius (Liebreht 2) erſcheint, wo aber ver Fiſch⸗ 
ſchwanz, ven ich für undeutſch halte, noch nicht vorlommt: die Elbin ver 
wandelt ſich in eine Schlange und verſchwindet. Im Uebrigen darf mar dem 
Urtheil Wolfſs Beitr. 271 zuftimmen: fie find Weſen höherer Art, und 
darum verlangen fie von dem Geliebten und Gatten höhere Rüdfihten: 
fobald er vie aus den Augen jegt, ift das ganze ſchoͤne Verhältniſs ger 
broden und fie fehren zurüd in das Glbenteih. Das zeigt ſich aud bei 
dem Alb u, |. w, wovon ©. 457. 

Die. Riefen konnten wir nad) den vier Elementen eintheilen, worauf 
uns ſchon die Sohne Forniots, des alten Riefen, leiteten. Bei ven Elben 
bat diefe Eintheilung Bedenken, weil ihnen ſolche Stammväter fehlen und 
die elementarifchen Bezüge noch erft zu ermitteln find. Zunachſt find und 
Quftelben nicht bezeugt. ’ Zwar führt das Zwergregiſter einen Winbälfe 
auf; aber auch Andmwari, ber im Waßer watet, nennt fih Sigurdarkw. 5 
Gustr (Bläfer), wie spiritus mit spirare zufammenhängt, @eift mit gisan 
wehen, Myth. 430. So hat Uhland 166 Beyggivir und Beyla 6.434, bie bei 
Degirs Trinkgelage die Bedienung beforgen, für milde Sommerlüfte in 
Freyrs Gefolge erflärt. So heißt aud ein deutſcher Hausgeiſt Blaferle, 
und von dem ſchaͤdlichen Anhauch der Elben war ſchon die Rede. Auſtri, 
Weſtri, Norbri, Subri find vielleicht nicht fowohl die vier Hauptwinde als 
die vier Himmelsgegenden. Als Geifter find fie freilich alle der Luft vers 
wandt, als ätherifch ſchildert fie auch ihr Lieb: 

Bir trinken den Wein, 
Wir trinken den Maren Mondenſchein. 


Sie erjjeinen aber, beſonders die Zwerge, in derber, greifbarer Leiblichleit. 
Da jedenfalls die Rubrit ſchwer auszufüllen wäre, jo ſcheint es für bie 
Ueberſicht vortheilhafter, die Elben in Zwerge (oder Erdgeiſter), Waßer⸗ 
geifter und Zeuergeifter einzutheilen. Grftern fliegen fi die Wald- und 


6. 126. €iben. Iwerge. Kofar. 449 


Feldgeifter an; diejenigen, welche Geifter der Verftorbenen feinen, werben 
wir gelegentlich unterzubringen fuchen: die Anfiht, daß alle Elben dieß 
feien (Ruhn NE. 469) ift zwar im Grunde richtig, obwohl es felten her⸗ 
vortritt; einen Gintheilungsgrund gewinnen wir aber daraus nicht. 


125. 1. Zwerge (Erdgeifter). 

Der Name der Zwerge (Querge, Querze) ift noch unerllärt. Grimm 
vergleiht Myth. 416 dad Feorgyos (übernatürlihe Dinge verrichtend), 
was lautlich entfpräche, denn das Wort (altn. dvergr, alth. tuerc) ges 
hört zu denen, die im Neuhochdeutſchen noch eine Verſchiebung erlitten 
baben; das plaitdeutſche Querg oder Querlich geht im Anlaut in ein ans 
deres Organ über. Sie heißen auch Schwarzalfen, Bergmännden, Erd: 
männden, Unterirdifche, Onnerbänkissen (Müllenhofi S. 281); in der 
Schweiz härdmändli, Toggeli, im Tyrol Norggen und Lorggen, in Defter: 
reich auch Fenesleute, Gangrl und rollen; doch gehen leptere in Rieſen 
über. ernalelen Defter. M. 23. Der Name der Fenesleute erinnert an 
die Fanggen 6.433; auch fie find häßlich, aber fonft elbifcher Natur. Der 
Fenesberg Bernal. 230 Mingt an den Venusberg 415 an und wörtlich 
ſcheint mit dem Bonner Verwandtſchafſt. Gangerl gemahnt an Odins 
Beinamen Gangleri, und dba der Name auch auf den Zeufel übertragen 
iR (Schmeller II, 55), fo liegt die gleiche Vermuthung nicht fern. Andere 
Namen find ſchon gelegentlih angeführt; einige werden nod gelegentlich 
erwähnt werben; zu erichöpfen find fie fo wenig als die für die milde 
Jagd. Das feltfame Zwergregifter in der Wölufpa theilt fie in drei Reiben, 
indem es zuerft die von Modſognirs Schar heraushebt, dann die von 
During Schar folgen läßt ohne Allgemeines von ihnen auszufagen, zus 
legt die von Dwalins Zunft und Lofard Gejhleht aufführt, von welchem 
fo gefprohen wird als wohnten fie allein im Geftein. Wer jener 
Lofar fei, wißen mir nicht; man könnte an Loli denken, der nad) M. 413 
felber Alfı heißen foll, den mir wie Donar (M. 170) in näcfter Ver 
bindung mit den Zwergen fehen, dem vielleicht ihre Erſchaffung aufge: 
tragen ward, ba der Rath dazu, wenigſtens nah der MWöl, vie fie für 
unbeilvol anfieht, von ihm ausgegangen ‘fein muß (S. 101). Auch 
tönnen fie feines Beiltandes nicht entrathen, da er nicht bloß das Feuer 
iſt, deſſen fie zum Schmieden bebürfen, fondern auch die Erdwärme, die 


“rad und Laub, das Gefpinnft der unterirdiſchen Kräfte, hewortreibt. 
Sunroc, Diythelsgie. 29 


450 Elben. A. Goldemar. Oberen. %. 1%. 


Bei diefer Deutung bleibt unklar, warum nicht aud die beiden anbern 
„Reihen den gleihen Stammvater haben follen, da doch aud fie aus bes 
Meerriefen Blut und Gebein entftanden find. So meiden D. 61 einige 
Zwerge ald Söhne Iwaldis (des innenwaltenden) bezeichnet, welcher nad 
Hrafn. 6 auch Iduns Vater fein fol. Aber Söhne des innenmwaltenben 
(Loki?) könnten alle Zwerge heißen, da fie felbft die innenwaltenden find. 

Die drei Reihen, die den obigen drei Scharen ©. 445 gleichen, 
erinnern daran, daß die deutſchen Elben und Berge eigene Königreiche 
bilden. In der Edda findet fih davon feine Spur; oder wäre Freyr, 
dem Alfheim (die Sonne?) zum Zahngebinde gejchentt warb, ala König 
der Alfen gevaht? Jedenfalls gehörte ihm ein elbifches Reich; doch 
warum konnte es nicht in der Unterwelt gelegen haben, auf vie er fo 
viele Bezüge zeigt? Aber fchon die ſchwediſche Hulbra ift Königin des 
Huldrefolls; in Deutfchland heißt Goldemar König, nicht fein Bruder 
Alberich, den doch ver Name als Elbentönig bezeichnet: im Ortnit, wo er 
Elberich heißt, trägt auch Er die Krone. Alberih warb in der franzör 
ſiſchen Sage, die nach England übergieng, zu Oberon, und jegt heißt er 
wieder König. Der dritte Bruder, Elbegaſt, ‚der ſchlaue berüchtigte Dieb,’ 
heißt in dem mieberländifhen Gedicht Alegaft; er holt ben Kaifer Karl 
in Ingelheim zum nächtlihen Stehlen ab. Hier ift aud er in die fräns 
tifhe Sage getreten. Man könnte an Alwis ©. 255 denken, wenn er 
Thors Tochter Thrüdh entführen, nicht die verlobte Braut heimholen wollte; 
nur der Steinjötun Hrungnir heißt Thruds Dieb, weil das auf fteir 
nigen Boden fallende Samentorn nicht aufgeht, Uhland 82. Sonſt ift 
es bei den Bmergen hergebracht, die Braut zu entwenden. Goldemar 
ftiehlt die Hertlin, des Königs Tochter von Portugal, Laurin die Simild, 
Dietleibd Schweſter. Goldemar ift nod tiefer in bie Heldenſage verfloch⸗ 
ten. In dem Geflecht der Hardenberge an der Ruhr war der Name 
Neveling (Nibelung) herlömmlih. Bei einem diefer Nevelinge hielt ſich 
König Goldemar al3 Hausgeift auf, fpielte wunderfhön Harfe, war bes 
Bretfpield kundig, trant Wein und theilte mit dem Grafen das Belt, Er 
warnte ihn auch vor dem Ueberfall feiner Feinde und berieth ihn, wie er 
ihrer Hinterlift entgehen follte. eine Hände, die’ jehr weich anzufühlen 
waren, ließ er wohl betaften, wollte fie aber nicht fehen laßen. Sein drei⸗ 
jähriger Aufenthalt auf Schloß Hardenberg galt eigentlich der ſchoͤnen Schweſter 
des Grafen, welcher den Ziwerglönig Schwager nannte. Die lebende Volls ⸗ 
Sage, die ihn König Bolmar nennt, fügt hinzu, ein neugieriger Küchen: 





%. 1%, Elben. Eibegat. Malegis. Age}. 41 


junge habe ihm einmal Erbfen und Afche geftreut, damit er zu Falle 
täme und feine Geftalt in ver Aſche abbrüde. Als aber der Koh am 
andern Morgen in die Kühe trat, fand er den Kücenjungen am 
Bratſpieß fteden. WE. N. 147. Myth. 477. Bon Entführung wird 
bier nichts gemeldet. Biel gründlicher und meifterliher trieb Elbegaſt das 
Diebögewerbe: er ftahl den brütenden Vögeln die Gier. Wie aber Adelger 
in Madelger, fo ſcheint Adelger oder Alegaft in Malegis, Maugis über 
gegangen und fo in bie franzöfiihe Sage gelangt, wo er Dieb und Baur 
berer zugleich if. Auch die Roggenmuhme und der Kornengel follen Kin- 
der ftehlen. 

Unllar ift no der Bufammenhang mit dem Meifterdieb Agez, der 
bei ven Minnefingern öfter genannt wird, Mone HS. 140. Man wird 
zunachſt an Degir erinnert, den ſchredlichen Bolt; goth. heißt agis Schreden, 
hochd. akiso. Wurde er ald Dieb gedacht, wie feine Gattin Ran Raub 
heißt? Das erflärte zugleich, warum der Magnet Agftein heißt, weil der 
Magnet den Shiffern das Gifen ftiehlt; auch fiele ein Licht auf den Teufel 
Ogaewedel (MS. IT, 250), der die erfte Lüge fand. Wenn nun Degir 
ſich durch Agez als Eibegaft erweift, fo wird fein Bruder Käri dem El⸗ 
berich, Logi dem Goldemar entfprehen. Aber Alberih wird in den Ni⸗ 
belungen mit Schilbung und Ribelung zufammengenannt, König Nibelungs 
Söhnen, des Zwerglönigs, denen Siegfried den Hort theilte und das 
Schwert zum Lohne vorausnahm. Nach den $. 66 verglichenen Märchen 
eröffnet ihm dieß die Unterwelt, auf die ſchon der Name Nibelung deutet. 
Der Name Schilbung kann neue Aufjhlüge gewähren: er hängt mit dem 
norbifchen Geſchlecht der Skilfinge (Schilbunge) zufammen, deren Ahnherr 
Slelſit, der Vater Skidlds, geweſen fein foll, der auch Gteäf heißt, was 
die dänifhen Skioldunge den ſchwediſchen Slilfingen, Schiltunge den Schil ⸗ 
bungen gleichſtellt, Myth. 343. Auch der Name Schiltung erjheint in 
deutſchen odyſſeeiſchen Gedichten, Drendel, Barzival 1.2. und K. Tyrol, jo auch 
in der Fortjegung des Laurin. Wadernagel vermuthet Ztihr. IX, 374, 
jener Steäf, der auch Skidld heißt, fei nach älterer Sage auf einem Schild 
ſtatt des Schiffs über Meer geſchwommen. Wir fehen hier wieder feine Ber 
rũuhrung mit dem ($. 91. 102) ald Untermeltägott erfannten Uller, ber 
auf dem Schild als einem Schiff übers Meer lief. Schwerlich bebiente 
fie) diefer winterlihe Gott in der älteften Sage einer Eisſcholle, die wir 
Schülpen nennen: beßer nimmt man an, fein Schiff war aus Baumrinde 
Echelſe) gemacht. Vgl. Friſch v. ©. Schelch. Als Todtenſchiffer wie als 


452 Elben. Hebeimännden. 3. Brandan. %. 125, 


Erfinder des Schiffs oder Boots fahen wir 6. 223. 437 den Rieſen 
Date, in Iepterer Eigenſchaft neben feinem Sohne Wieland (Wölundr), 
der wieder zwei Brüber hat, Egil und Slagfidr. Wieland heißt Elfen- 
Lönig wie Golvemar, und Egil, in der Wiltinaf. Cigel, wird mit dem 
agf. Aogel, dem deutſchen Zwerge Eugel zufammenhängen, und wir ger 
twinmen fo neue Brubertrilogieen, welde unjere frühen $. 37. 57 vers 
vollftändigen und beleuchten koͤnnen: 


Luft Waßer Feuer 

Kari Degir Logi 

Faſolt Ede Ebenrot 

Elberich Elbegaſt (Age) Goldemar 

Alberich Nibelung Schilbung (Schiltung) 
Slagfidr Egil (Eigil) Bölundur. 


Diefen drei zwergifhen Brüdern entfpregen die &. 405 erwähnten brei 
Haulemännerchen, die auch ſchon, weil fie begabend find, an bie Trilogie 
bödfter Götter gemahnen. Dem auf dem Schiffe oder Schild ſchwimmenden 
Unterweltögott, heiße er nun Skioͤld oder Uller, möchte ih den auf dem 
Blatt ſchwimmenden Däumling vergleichen, dem St. Brandan auf ber See 
begegnete, Myth. 420. Mit ver Rechten hielt er ein Räpfen, mit der 
Linken einen Griffel: den Griffel ftedte er in die See und ließ davon 
Waßer in den Napf triefen; war der Napf voll, fo goß er ihn aus und 
füllte dann von Neuem: ihm fei auferlegt, die See zu meßen bis an den 
jüngften Tag. Grimm erinnert dabei an uralte indifhe Mythen. ‚Brahma, 
auf Lotos figend, ſchwimmt finnend durch die Meeresabgründe. Viſchnu, 
wenn nad Brahmas Tode Gewäßer alle Welten bededen, ſitzt in Geſtalt 
eines urfleinen Kindes auf einem Blatt der Pipala (des Feigenbaums) 
und ſchwimmt, an ber ehe feines rechten Fußes faugend, auf dem Milchmeer.’ 

Die trilogifhe Zufammenftellung hat aud den Zwergen elementarifhe 
Natur angemwiefen. Da wir fie aber unter den Crdgeiftern fanden, fo 
wäre gleichwohl die Gintheilung nad; den Clementen unthunlich geweſen. 
Bir fahen die Götter an die Stelle elementarifcher Riefen getreten: foll- 
ten ihnen aud Zwerge zu Vorbildern gedient haben? In den deutichen 
Sagen erſcheint Odin häufig als Zwerg, als Mleines mudiges Mandle. 
Myth. 439. Vgl. das Nebelmännle S. 404 und ein anderes Nebelmänns 
lein bei Vonbun B. 74, da® auch durch breitfrämpigen Hut auf Odin 
weil. Bol. Wolf DS. 189, wo Dumelmännden neben Rievelmännden 
ſtehen. Man ſ. auch S. 475, wo Cderle, Hütdhen und Balder auf 


8.125. Elben. Kaurin. Kofengarien. 468 


Thoͤr, Odin und Baldur deuten. So mag es wohl guten Grund haben, 
wenn agſ. Stammtafeln Voden von Skeaf und Sceldva abftammen laßen. 
Jedenfalls haben ſich unter Zwergen ſo gut als unter Riefen göttliche Ge⸗ 
falten verloren. 

Gin berühmter deutſcher Zwergloönig ift Saurin, von dem der Zwerg: 
Tönig Antilois in Ulrichs Alerander eine Nachbildung ſcheint. Gr reitet 
auf einem Roſs, das nicht größer ift ald ein Reh, wie Laurins Roſs 
einer Geiß verglien wird. Auch Gr hat fih einen Rofengarten gejiert, 
den man ihm nicht verwüften foll. Laurins Rofengarten wird mit einem 
Seidenfaben gehegt. Das tehrt bei dem großen Rofengarten, den Kriem⸗ 
bild angelegt bat, wieder; er ift nur eine Nachbildung des elbiſchen. 
Ber dem Laurin diefe heilige Umfriedigung briht, der büßt es mit der 
echten Hand und bem linken Fuß: dadurch ift aud Er als unterweltlicher 
Gott bezeichnet, denn Hände und Füße fordert ala Schiffslohn der Fähr⸗ 
mann, der über den Todtenfluß jet, und fie wurden den Todten in den 
Sarg gelegt. Der linke Fuß und bie rechte Hand wurde von Wittich als 
Brüdenzol begehrt, Hand und Fuß verlangt auch Norprecht der Faͤhr⸗ 
mann im großen Rofengarten; von dem Zährmann in den Nibelungen 
Scheint es nur vergepen. Gier war alſo die Donau wie dort der Rhein 
als Unterweltäfluß gedacht. Vgl. Kuhn ©. 129. 

Undere Zmwerglönige ber deutſchen Gage find Sinnels von Pala⸗ 
lers bei dem Lebermeer, wo ber Magnetberg liegt. Gr ift Laurind Brus 
der wie Wal ber an fein Oheim, wenn nicht wieder ein britter Bruder in 
ihm ſtedt. Endlich erſcheint noch in Dietrichs Dradenlämpfen der ftreits 
bare Zwerg Bibung. In der neuern deutſchen Sage it Gübid berühmt, 
wohl aus Gibid (einem Beinamen Odins) entftelt. Er ift König ber 
Harzzwerge. In Deutfböhmen ift Hans Heiling als Fürft der Zwerge 
betannt; doch ſchwanlt er zu den Niefen hinäber. Im ſchleſiſchen Gebirge 
fputt Rübezapl, der vieleicht nicht deutſch, auch eher ein Gefpenft als ein 
Iwergkönig ift; doch verdient fein Vorname Johannes Beachtung. Eine 
Reihe deutſcher Sagen fpricht von dem Tode des Zwerglkönigs, wobei wun- 
verlihe Namen erſcheinen. ‚Rönig Anoblaud iſt tobt‘, ‚Rönig Pingel ift 
tobt,‘ ‚die alte Mutter Pumpe ift tobt’: diefen Magenven Ruf vernimmt 
ein Bauerdmann und erzählt es daheim. Sogleich fpringt ein Knecht, eine 
Magd oder gar eine Rage, bie erft ins Haus gelommen find, auf und ver⸗ 
laßen es: fie waren bie Erben und Nadjfolger des verftorbenen Königs 
und eilen, ihr anerfallenes Reid in Befig zu nehmen, Müllenhoff S. 291. 


454 Eben. denediger. Battenfänger. 8%. 125. 


2. Kuhn NE. 189. Baader 26. Diejelbe Erzählung findet ſich aud bei 
den Fenggen, doch ohne Andeutung des Königthums; fie bleiben bei ben 
Bauern nur im Dienft bis ihre menſchenfreßeriſchen Bäter geftorben find, 
in deren Art fie dann felber ſchlagen. Häufig erjheinen Riefen als Ba: 
fallen ſolcher elbifhen Reihe. Dem König Nibelung dienten zwölf ſtarke 
Rieſen (Nibel. 95), dem Laurin fünf, dem K. Goldemar (Helvenf. 174) 
fehr viele, dem Walberand, wie er heißen follte, zahlloſe. 

Golvemar und Laurin feinen urſprünglich Könige ber erzſchurfenden 
Zwerge, die aud Bergmännden, Bergmönde heißen. Wer ein Berg 
maͤnnchen fieht, trifft naͤchſtens auf eine ergiebige Erzaver. Go wird von 
den Benedigern erzählt, die in Tyroler Bergen nad Erz und Goldſand 
fuchten und einmal einem Hirten gefagt hätten: Ihr werft beim Hüten 
oft einer Kuh Steine nah, die zehnmal mehr werth find als die ganze 
Kuh. Diefe Venediger erklärt aber Bonbun Sagen 16 troß ihres nobeln 
der Lagunenftadt entlehnten Namens nur für verfappte germanifche Zwerge. 
Bingerle Sagen 70. Doch waltet babei die Vorſtellung, daß aller venedi⸗ 
Ihe Reichthum aus Tyroler Bergen geſchütft fei. Vonbun 3. 48. 50. 
Banzer DI, 197. 

Weſentlich verſchieden find Niefen und Zwerge nit: fie gehören 
beide dem Steinreih an, und ihre Beziehungen zur Unterwelt find gleich 
nahe. Nur pflegt es ein Zwerg zu fein, ver ald Bote ber Unterweltd: 
göttin, wie fonft der Hitſch, in den Berg lodt: ben Dietrih von Bern 
bolt ein Zwerg ab, Helden. 39, und noch in ben allegorifhen Gedichten 
des 15. Jahrh. führt ein Zwerg zu Frau Venus. Hierhin gehört auch 
der Rattenfänger, ber die Kinder von Hameln in ben Berg lodt; 
in ber Sage vom Lorſcher See (Wolf Beitr. 172) vertritt ihn ein Berg: 
männden, von einer Göttin geſendet. Vgl. Bingerle II, 179. leide 
Berhältniffe zu der Unterweltägöttin finden fi nur bei Riefinnen S. 430; 
doc find jene als Todtenſchiffer auftretenden Niefen zu beachten fo wie der 
Viehhirt (wilde Mann) ©. 463. 

Erdgeiſter und Zwerge theilen die lihtiheue Natur mit den Riefen: 
ein Sonnenjtral wandelt aud fie in Stein und Felſen, mie wir in Al: 
mismäl fehen. Darum tragen fie auch NRebeltappen, Tarnlappen, die nicht 
bloße Kopfbededung find: die helhüt ift ein Mantel, ver fie vor dem 
Lichte fhügen foll; doch faßen fie einige Sagen allerdings ald Hüte. Zu: 
weilen giebt ihnen die tarnhüt (verbergende Haut) auch höhere Gtärke: 
wer fie ihnen entreißt, oder ven Hut abfchlägt, bringt fie in feine Gewalt. 


6. 126. Elben. Gloaeahat. Weifeibälge. . 486 


Ihre Verwandtſchaft mit den Riefen bricht aud an einer Gtelle bes Al- 
wiömal hervor, wo hör zu dem Zwerge fagt: 

Ber biſt du, Burſch, wie fo bfeih um die Nafe? 

Haft du bei Leichen gelegen? 

Bom Thurſen ahn ih Etwas in dir: 

Biſt folder Braut nicht geboren. 
Der bleihe Zug um die Nafe, der bei Sterbenden und Todten beobachtet 
wird, zielt auf ihre Verwandtſchaft mit dem näir, den Geiftern der Ver— 
ftorbenen, mit denen fie mehr als die unterweltlihe Wohnung gemein has 
ben. Wenn aber Thör jept Etwas vom Thurfen in Alwis ahnt, fo ift 
das für ihn charalteriſtiſch, der als geſchworener Feind der Rieſen überall 
Thurfen wittert. Auch darin gleichen fi Niefen und Zwerge, daß fie die 
Eultur und das Chriſtenthum hafen: das Glodengeläute ift ihnen zumider, 
der Aderbau und das Wälderrotten vertreibt fie: fie wollen auch durch 
Pochwerle nicht geftört fein, und beide beſchweren ſich über die Treulofige 
keit der Menſchen, die fie mehr noch als alles Andere zur Auswanderung 
zwinge. Doch pflegen Sagen von mafienhafter Auswanderung, wobei fie 
über einen Fluß geichifft werden und dem Fährmann, den fie mit alten 
Münzen zahlen, unfihtbar bleiben, ih nur an die Elben zu müpfen, Vgl. 
jeboh M. 511. Neben der Ueberfahrt kommt aud die Brüde vor, bie 
unzähliger Füße Getrappel erfchättert. So ift es die Unterwelt, wohin 
der Abzug gefhieht, M. 428. 

Wie Ziwerglönige, giebt es auch Riefenkönige, und beide entführen 
gern irdiſche Rönigstöchter: der Rieſe Hrungnir wie der Zwerg Alwis (6. 
451) tann Thruds Dieb heißen. So ftellen die Niefen Idun und der 
ſchönen Freyja nur nad, um fie der Welt und den Göttern zu entziehen. 
Deutfhe Sagen lagen die Riefen Menſchentöchter entführen, weil fie Wohl: 
gefallen an ihnen finden; bei den Zwergen wißen fie nod einen dritten 
Grund: ihre Kleinheit. ‚Sie ftreben, ihr Geſchlecht durch Heirat mit den 
Menſchen zu erfriſchen.“ Darum bedürfen fie auch menſchlicher Ammen 
(at prolem suam infelicem nutriant, Gervas. Otis Imp. 987); ſau⸗ 
gende Frauen ziehen fie gern in ihre Höhlen, ihre ſchwachen Abkömmlinge 
zu ſchenken; wenn auch Hebammen in bie Berge geführt werben, kreißen⸗ 
den Zwerginnen beizuftehen, fo fcheint dieß eine Weiterbildung. Auch wenn 
fie Säuglinge der Menſchen rauben, und dafür einen Fieltröpfigen Wed 
felbalg in die Wiege legen, fo iſt es ihnen nicht fomohl um den Befig 
des rothwangigen menfchlihen Kindes zu thun als das eigene Kind uns 


456 Elben. So alt mie der Waid. %. 125. 


terdes von Menſchenmilch auffäugen zu laßen und fo ihr zurädweldenbes 
untergehendes Gefchlecht zu träftigen. Urſprunglich wird biefer doch weit: 
verbreitete Bug nicht fein; er entftand erft, ald mit ber wachſenden Aufs 
Märung fi) das Gefühl einftellte, daß jene einft mohlthätigen Geifter in 
Abnahme geriethen. Da fie oft als Geifter der Verftorbenen gedacht wur⸗ 
den, fo könnte allerdings zuerft ihr Abfehen auf Pflege und Ausftattung 
menſchlicher Abtömmlinge gerichtet gewefen fein. Sehen wir doch aud, 
daß die Ahnfrau in Fürftenfhlößern erfheint, den jungen Gprößling des 
Geſchlechts zu fäugen und zu pflegen. Es könnte alſo Entftellung fein, 
wenn man ihrem Hang Menſchenkinder zu entführen, felbfühtige Abfichten 
unterlegte. Nun wurden fie auch fonft noch der Menſchen bebürftig dar 
geitellt, indem fie von ihnen Brau⸗ und Badgeräthe borgen, das fie Abends 
getreulich zurüdbringen und wohl ein Brot aus Dankbarteit hinzulegen, ober 
ihre Hochzeiten und Feſte in ven Sälen ver Menſchen zu begehen wünfchen, 
wofür fie koſtliche Kleinode zu ſchenken pflegen, an denen Glüd und Wohl ⸗ 
fahrt des Haufes hängt. Sie leihen aber auch felbft den Menſchen ihr 
Binnwerk zu ihren Hochzeiten, DS. 36, und dad fann für älter gelten. 
Uralt und tief in unfere Mythen verflochten ift freilid der Bug ihrer Bes 
dürftigfeit, daß fie zur Theilung eines Schaged, zur Schlichtung eines 
Streits menſchliche Richter angehen, und dabei von ben Menihen über 
vortheilt werden. Es pflegt dann aber auch ein Fluch an dem Schat 
oder dem Kleinod zu haften, das der Menfch fo ſich felber zuwendet, wäh: 
vend das freiwillige Geſchenk ver Geifter ganzen Geſchlechtern Heil und 
Segen bringt. 

Wenn es Myth. 438 heißt, es komme in ben weilverbreiteten Sagen 
von den Wecelbälgen nur darauf an, den Zwerg zum Gelbiigeftändnijs 
feines Alter zu bringen, ‚nun bin ich fo alt, wie der Weſterwald' u. f. m. 
fo zweifle ich, ob dieß der tieffte Sinn biefer Erzählungen if. Der Zwerg 
iſt leine überreife Echöne, die ihr Alter geheim halten muß. Vielmehr 
foll man etwas Widerfinniges thun um ihn zum Lachen zu bringen, weil 
das Laden Crlöfung bewirkt. Bgl. S. 344. 

Was fonft den Menfchen Feindfeliges in Elben und Zwergen liegt, 
und Vieles der Art findet fi in der neuern Vollsſage, Tann gleichfalls 
aus dem abnehmenden Glauben an fie hergeleitet werben. ‚Die Menſchen 
achten der Elben nicht, die Elben ſchaden den Menſchen und neden fie.‘ 
Myth. 429. Daher die Eibengefhofe, die unfehlbar tödten; ihr ſeindlicher 
Anhauch, welcher Lähmung, Beulen und Gejhwäre zur Folge hat. Wenn 


$. 125. Elben. Geiferfihtigkeit. Bogelfprade. 457 


der Elbe in das Auge fpeit, das ihn geſehen hat und nun erblinden muß, 
ober wenn er ed mit dem Finger ausbrüdt, wie in ber angejogenen Stelle 
des Gervafius, jo follen die Menſchen fie nicht fehen; auch vie Götter 
wollen nicht von den Menſchen in ihrer wahren Geftalt erfhaut werden: 
der See verſchlingt die Knechte, die bei dem Babe der Nerthus Hand ge: 
teiflet haben. Geifterfichtig wird man durch Veftreichung bes Auges mit 
Schlangenfett, deſſen Genuß aud die Bogelfprade verftehen lehrt, oder 
indem man burd ein Aſtloch blidt, wo Elben hindurd zu kriechen pflegen, 
vgl. $. 140, oder durch die Deffnung, bie ein Elbenpfeil burd eine Thier ⸗ 
baut geihoßen hat, ober durch den Armring, ober über die rechte Schulter 
eine geifterhaften Weſens, dem man dabei auf ben linfen Fuß treten 
muß, Kuhn WE. 187. II, 56; es ift aber aus dem angegebenen Grunde 
meift mit Gefahr verbunden für das Auge des Schauenden Cine Um ⸗ 
lehtung hiervon ift es wohl, wenn ber Blid des Geiftes felbft es dem 
Menſchen anthut, der dann ‚entfehen’ heißt: es ift ber in den Gagen 
fo berühmte ‚böfe Blid’, der aber auch Menfchen beigelegt wird. 

Es bleibt nod der Alb, Trud oder Nachtmar übrig, der im Schlafe 
drüdt oder tritt, wovon vielleicht der Name. Schon K. Wanlandi ward 
HDugligaſ. c. 10 von der Mar gevrüdt oder getreten. Hier zeigen ſich aber 
im deutſchen Vollsglauben Spuren, daß auch biefer Geift urfprünglic fein 
feindfeliger war. Nach niederl. Glauben muß die jhönfte von fieben Töͤch⸗ 
tern Nachtmar werben. Wolf Beitr. 264. Aehnliche Meldungen finden fih 
anderwärtd. Die Mar oder Mahrt wird gefangen, wenn man bas Aſtloch 
oder Schlüßellodh verftopft, durd das fie in die Rammer des Gchlas 
fenden drang. Geſchieht das, fo erweiſt fie fi als ein fhönes Madchen, 
und Mander hat fie geheiratet und fie haben Kinder gezeugt und glüclich 
zuſammen gelebt bis bie Frau, von der Sehnſucht nad der Heimat ers 
griffen, ven Mann bat, den Pflod aus dem Aſtloch zu ziehen, durd das 
fie ind Haus gelommen war. hat er das, fo verfhwand fie und kam 
nicht wieder, als etwa noch ihre Kinder zu wachen und zu pflegen. Ges 
woͤhnlich ergiebt fi England oder Britannien als das Land, wohin fie 
zurüdgelebrt ift; dieß lennen wir aber ſchon ald dad Todtenreich. Bei 
Kuhn ME. 185. verſchwindet fie auf bie Frage, woher es lomme, daß fie 
eine Mar geworben fei. Gleich dem Schwanenritter, der aus dem hohlen 
Berge kam, wie Skeuf aus dem Seelenlande, will fie nad ihrer Heimat 
nicht gefragt fein. Die Aehnlichkeit diefer Maren mit den Waltüren fällt 
auf; im Olvenburgifhen nennt man ven Alb aud die Wälriveräle, Kuhn 


458 Elben. Pferdemar. Weihfchopf. 8.185. 


NE. ©. 419. Aus der Lenorenfage weiß man, daß ed Bande giebt, 
welche die Todten noch an diefe Welt nüpfen und fie bahin zurüdziehen. 
Den Helgi zieht Sigrund Trauer aus Walhallas Freuden; Kindesliebe 
zwingt die Mütter, noch jeden Sonntag wieberzulommen, ihrer Säuglinge 
zu pflegen (ME. 185. Kuhn NE. 91): ein unerfülltes Cheverfprechen band 
jene Mahrt an diefe Welt. Kuhn Ziſchr. für Spr. XII, 125 nimmt zwei 
Glafjen weiblicher Maren an, deren eine aus der andern Welt, aus dem 
Engellande lommt, während die andern nur verwandelte Sterbliche find. 
So kann die Liebe den Geift in bie Kammer des Schlafenden führen: 
eine Luft am Quälen und Beinigen ver Menſchen gilt erft zulegt als 
Beweggrund. Wenn e3 lebende Menfchen find, die andere im Schlafe 
zaͤumen und reiten, fo geht das in den Gerenglauben über. Häufig ge 
f&ieht es ihnen, daß fie felbft gegäumt und vor die naͤchſte Schmiede ges 
ritten werben, um fi an allen Vieren beſchlagen zu lagen. 

Den Walfüren näher fteht noch die Pferdemar, die ebenfalld Wal- 
tiveräfe heißt: fie pflegt fih zu ihrem mächtlihen Ausritt beftimmter 
Pferde in fremden Gtällen zu bedienen, welche fie fo gut füttert, daß die 
übrigen dagegen dürr und mager bleiben; doc wird auch berichtet, daß 
fie Morgens erjchöpft und ſchweißbededt im Stalle ftehen. DES.131. Das 
lann von jenen in heiligen Hainen den Göttern erzogenen Pferden herr 
rühren, die nur der Gott oder fein Priefter reiten durfte, wie Saxo (M. 
627) von Swantowitd Pferde erzählt, daß es Morgens ftaubig und ſchweiß⸗ 
bededt im Stalle geftanden, weil der Gott auf ihm gegen bie Feinde ſei⸗ 
nes Heiligthums kriegte. Auch lebende Menſchen werben als Walriver 
ober Wälriveräfe, Rittmeije, gedacht. Sie pflegen auch den Pferden die 
Haare zu verfilgen, wodurch der ſog. Weichſelzopf (plica) entfteht, der wohl 
eigentlich Wichtelzopf heißen ſollte. Es ift eine Krantheit, der bekanntlid) 
auch Menſchen außgejegt find, und aud bier von der Mar, ber Trube, 
dem Alb herrühren fol, wenn nicht von Frau Holle felbft, der Königin 
der Elben, in deren Geleit fie nächtlih ausfahren. Auch ver Bilwiz 
oder Bilwiß (Myth, 440 ff.) verwirrt oder verfilt bie Haare, und einige 
Namen des Weihieljopfs lauten als wär er von dem Pilwiz genannt. 
Diefer vielgeftaltige Geift, der fi mit Haus: und Feldgeiſtern berührt, 
und bald in ven Bergen, bald in Bäumen wohnt (Myth. 442), hat am 
meiften Herabwürbigung erfahren. Sein Name, der aoquum sciens, dad 
Rechte wißend bedeutet, zeigt fhon, daß er zu den guten Holden gehört, 
unb doch heißt nad ihm ver ‚Bilwesfhnitt‘, ein Raub am Getreider 


8. 126. Ciben. Bilwesfauitt. Rähel, 469 


felde, ver für das Werl eines böfen Geiſtes oder Bauberers gilt. Indes 
feinen hier gwei Beinamen Odins, Bilmifi und Balmifi Wöl. 189 oben 
in Eins geronnen. Cine Sichel an ben Fuß gebunden geht ver Bilmes- 
oder Bilfenfhneider durch das reifende Korn, und von dem Theil des Ges 
treideſeldes, den er mit feiner Sichel durchſchneidet, fliegen alle Körner in 
feine Scheune oder in bie des Bauern, dem er ald Hausgeiſt dient, wenn 
er nicht als Kerenmeifter ober Zauberer, fondern als elbiſches Weſen auf: 
gefaßt wird. Zuweilen reitet er auf einem Bod durch das Getreide, was 
an Thor und wieder am die Roggenmuhme ©. 428 erinnert. Hier ift die 
Herabwürdigung unverlennbar: das Umgehen des Bilwiß oder ber Roggen 
mubme, Roggenmutter im Getreivefeld, hatte urfprünglich einen wohlthär 
tigen Ginn. Als eine mütterlihe Gottheit fügte fie die Aeder und machte 
fie fruchtbar. Wenn dad Korn im Winde mogt, fo fagt man, ver Eber 
sehe hindurch; es wird Fros Eber fein, des Gottes der Fruchtbarkeit. 
Man hört aud fagen, der Wolf geht im Getreide: das iſt Wuotand hei⸗ 
liges Xpier, und fo weit der Bod bes Bilwiß auf Thör, der wie Wuo⸗ 
tan Grmtegott if, Myth. 446. 

Denn der ftruppige Bilwiß uns zu ben Feldgöttern führte, fo 
gehen wir mit dem behaarten und auch fonft nahverwanbten Schrat, 
Schraß oder Schretel (Schrezel), zu den Waldgeiſtern über. Es if 
rauh und zottig und bie Augenbrauen find ihm zuſammengewachſen. Das: 
felbe berichtet Kuhn NS. 419 von der Murraue, bie fonft der Mahrt gleicht. 
Bol. WE. 286. Goethe fagt im II. Bande von Wahrheit und Dich⸗ 
tung (21, 177) über Meyer von Lindau, einen feiner Straßburger Tiſch⸗ 
genoßen: ‚feiner ganzen Phyfiognomie gab es einen eigenen Ausdruc, daß 
er ein Nägel war, d.h. daß feine Augenbrauen über der Nafe zufammens 
ftießen, welches bei einem jhönen Geficht immer einen angenehmen Auss 
drud von Sinnlichkeit heroorbringt.‘ Wir jehen jegt aus Panjers Beitr. I, 
111, vgl. Meier 173, Stöber 279, daß Räzel und Schräzel zuſammen ⸗ 
fallen, wie Rägel: und Schrägellöcher. Prätorius berichtet (DE. 80): ‚Die 
Augenbraunen der Alb8, der Drud oder Mar ſtoßen in gleichen Linien 
zuſammen; Leute, denen die Augenbraunen auf der Stine zufammenge 
wachſen find, önnen Andern, wenn fie om oder Haß auf fie haben, ven 
Alb mit bloßen Gedanken zufhiden. Cr kommt dann aus ben Augen 
braunen, fieht aus wie ein Heiner weißer Schmetterling und fept fi auf 
die Bruft des Schlafenden.” Der Schmetterling ift das Bild der Seele, 
die in Schmetterlingägeftalt aud aus der Here fliegt, während der Leib 


460 Elben. Sqreiel. Iwidien. 8. 125. 


wie tobt Tiegt, Myth. 1031. 1036. Auch Denen, welche das Vermögen 
haben, fi in Werwölfe zu wandeln, find die Augenbrauen über ber 
Naſe zuſammengewachſen, Myth. 1051. Auf dem Eichsfeld nennt man 
die Raͤzel Markdrücker, was ven Waldgeift bezeichnet. 

Der Inhalt der altdeutſchen Erzählung von dem Kampf eines zahmen 
Baßerbären mit dem Sähretel, dad einen Bauernhof unfiher machte, lebt noch 
im Vollsmunde, auß dem fie mehrfach aufgezeichnet worden ift. Moe und As: 
biörnfen 26. Müllenhofi 257 ftellt fie unmittelbar neben Beowulf, und die 
Verwandtſchaſt ift fo einleuchtend, daß ihnen gleihe mythiſche Grundlage 
zugetraut werben muß. Biorn ift ein Beiname Thoͤrs, vgl. ob. 288; der 
Schrat geht aber in die Niefen über, und dieſe pflegt Thör zu bekämpfen, 
und Beowulf, wenn er ald Bienenwolf zu deuten ift (Myth. 689), kann 
eher auf den Bären gehen ald auf den Specht. Bis zur Unfennbarkeit 
entftellt finden wir fie Vernaleken 180; aber eben daran lernen wir, daß 
alle Sagen und Märden hieher gehören, wo ein Schloß, Haus cber 
Mühle von dem Spuk befreit werben foll, der es unwohnlich macht. 

Wald⸗, Holz; und Moosleute haben mir öfter erwähnt und den nor 
diſchen Jwidien verglichen. Ihr Leben ſcheint an Bäume gefnüpft, denn 
ein Waldweibchen muß fterben, wenn ein Baum entrindet wird. Man 
pflegte gewifie Bäume mit gebogenen Anieen, entblößtem Haupt und ge: 
faltenen Händen um Holz zu bitten ehe man die Art anlegte; bie babei 
gebrauchte Formel klingt noch in einem Kinderliede nah. Hiemit kann es 
zuſammenhangen, daß elbiſche Weſen hinten hohl gleih Bäumen vorges 
ftellt wurden, was unfere Minnefinger auf Frau Belt und bie Trüglid: 
teit aller irdiſchen Freuden übertragen. In der Bufchgroßmutter haben 
die Walpleute ihre eigene Königin, bie ber Berchta gleicht, denn obgleich 
ihr Wagen fih in einen Schublkarren gewandelt hat, fo lohnt doch auch 
fie den Ausbeßerer mit dem Abfall der Späne, die zu Gold werben. 
Jwidie mehrt, lautet der einfilbige Ausfprud in der Eingangäftrophe von 
Hrafnagaldr. Das mag der Ginn des Spruches (Myth. 452) fein: 

Schal keinen Baum, 

Erzähl feinen Traum, 

vip fein Brot, 

So hilft dir Gott aus aller Roth. 
Das Holzweibchen klagt, es fei feine gute Zeit mehr feit bie Leute ihre 
Kiöße in den Topf, dad Brot in den Ofen zählten, ober feit fie das Brot 
pipten und Kümmel hineinbüden. Den Kümmel können bie Waldleute 


5. 1%. Eiben. Bergfhmied. Wilder Mann. 461 


nicht vertragen, und gepipte3 Brot, durch bie eingebrüdte Fingerfpige ber 
zeichnetes, nicht wegnehmen. Aber nım mehrte ſich aud dem Bauern das 
Brot nicht mehr, defien Mitgenup er dem Waldweibchen entzog, und fein 
Bohlftand nahm ab biß er ganz verarmte, 

‚Sie haben mir gebaden Kümmelbrot: 

Das bringt dieſem Haufe große Roth.‘ 
Daß aud ein halb unfreimiliiges Opfer Segen bringen kann, fehen wir 
aus Müllenhoff 370, wo ber wilde Jäger einem Bauern ein Brot nimmt 
und fagt, ‚weil id dieſes Brot bier befommen habe, fol es in deinem 
Haufe nimmer daran fehlen‘; und er hielt Wort. 

Daß dieſe Waldleute in Riefen, ja in Helden übergehen, if ſchon 
oben erinnert worden. Außer an Witolf, Wittih, Witugouwo zeigt es 
fi) bei Mimring, den Eazo (ob. &. 91. 93.) silvarım satyrus nennt. Diefer 
erfheint auch als Schmied mie Mime in der Wiltinafage, und Wittichs 
Bater Wieland, der Elbenkönig, ift der berühmtefte aller Schmiede (Myth. 
426, vgl. 440), ven ald Galans le forgeron felbft die franzöfifhe (Ker⸗ 
lüngiſche) Eage kennt. Wie man dem Bergfhmien Eiſen und Stahl 
auf die Alippen legen und dann Morgens die Arbeit gefertigt finden follte, 
fo geihah e8 wirtfid nad) der englifhen Gage (D. Helbenf. 170) von 
Bayland-Emith. Aehnliches wird von dem Smett uppn Darmssen 
(Moth. 463, Ztfchr. f M. I, 103, Auhn WE. 41.47. 62) berichtet; der 
Grinten Schmidt (NS. 156) wird auch hieher gehören, zumal er ein 
wilderMann heißt, und der Schmidt am Huggel (Harris 56) ergiebt 
ſich aller Vermenſchlichung zum Trog doch zulegt als Metalltönig. Es ift aber 
ein uralter Bug, der ſchon bei Hephaiftos vorlommt, Myth. 440. Bol. 
BVeterfen 110. Die fhon M. 351 begonnene Bergleihung der Wielands 
fage mit der von Dävalus hat Kuhn Btſchr. f. Spr. IV, 95 ff. zu dem 
fihern Ergebniſs ihrer Einheit gebracht. 

Der wilde Mann mit dem entiwurzelten Tannenbaum in der Hand, 
den wir auf Wirthshausſchildern und als Schildhalter nieberbeutfcher Fürften- 
Wappen, auch des preufifchen finden, ift tief in unfere Mythen verflochten. 
Am Lebendigften wird er im Jwein geſchildert, wo er ein Waldthor heißt 
und ein ellenbreited Antlig bat; den Kolben trägt er in der Hand. Bus 
glei ift er als Hüter wilder Tiere, Wifende und Urrinder, dargeſtellt, 
die in einem Gereute des Waldes, unfern bes munderbaren Brunnen, 
weiben, Wirnt von Bravenberg zeigt ſich aud darin als Nachahmer Hart: 
wanns, daß er als Gegenbild des wilden Mannes im wein ein wildes 


463 Eben. Eiferner Mann. Hellige Waper. 8. 126. 


Weib ſchildert, das aber dem Märe nicht fo nothwendig angehört ald ber 
wilde Mann im Iwein. Wir finden ihn wieder in dem zweiten Märden 
bei Sommer, wo er der eiferneMann heißt, was an bie iarnwidhiur 
(S. 25. 428) erinnert. Aud bier muß er der Thiere hüten, und KM. 
II, S. 185), wo er in einer Wariante des Maͤrchens (Nr. 97) vom Waßer 
des Lebens abermals begegnet, follen feine Thiere, Hafen und Füchſe for 
gar mehr wißen als der Rieſe felbft (ein Bmwerg in dem entſprechenden 
Märden), nämlih wo dad Waßer des Lebens zu holen fei. Mit dem 
Waßer des Lebens ift dad aus dem Brunnen der Urd gemeint, das vers 
jüngende Kraft hat wie die Xepfel Iduns, während auch im JIwein der 
Brunnen heilig ift, wie wir daran ſehen, daß Gewitter toben, wenn fein 
Baer verjgüttet wird. So hat er gleiche Bedeutung mit dem Brunnen 
der Urb, defien Waßer wir 6. 38 als heilig erkannten, daher e8 von 
diefem erft auf andere Waßer wie den Bilatusfee in der Schweiz über 
tragen fein wird. Ein nach feiner Heiligfeit benannter See Bingerle 6.98. 
Daß Gewitter entftehen, wenn man etwa einen Stein hineinwirft, vgl. 
Bingerle Sagen 6. 105—7, das bezeugt auch KM. 121, wo goldene 
Aepfel an die Stelle des mythiſch gleichen Lebenswaßers treten, und 
der Löwe, der fie bewacht, dem Helven vemüthig -folgt als feinem Herrn, 
was den Zufammenbang mit Iwein, dem Nitter mit dem Löwen, ja 
mit Heinrih dem Löwen, außer Zweiſel felt. Die Betretung fonft 
unnahbarer mythiſcher Gebiete ift in den meiften Märchen zur Aufgabe 
geftellt: bier find fie als der Unterwelt verwandt deutlich genug bezeich: 
net: ‚der Garten, worin der Baum fteht, iſt von einem eifernen Bitter 
umgeben, und vor dem Gitter liegen wilde Thiere eins nad andern, 
die halten Wacht und laßen einen Menſchen hinein.“ Unmeit des Bau: 
me, der wohl der Weltbaum ift, als deſſen Früchte mithin die goldenen 
Aepfel eriheinen, fteht bier wieder der heilige Brunnen, deſſen Leben 
wirkende Kraft fi daraus ergiebt, daß fein Waßer Blinde fehend macht 
und Wunden heilt, zulegt auch ausbrüdlic Waßer des Lebens heißt. Die 
Jungfrau, um deren Grlöfung es ſich handelt, ift Hellia ober Idun; 
ſchwarze und heiße Farben bedeuten hier wieder Stufen der Erlöfung. 
AB Hüter der Thiere erfcheint ver Rieſe hier nit: das Bufammenge 
hören beider ift vergeben; doch erlangen wir Auskunft über die Beben 
tung der XThiere fo wie des Brunnen? und ber Aepfel, und baß ber Löwe 
hervorgehoben wird, ift uns für die Bergleihung mit Jwein und Heinrich 
dem Löwen S. 200 wichtig. Der Bezug des Waldthoren auf den Vrun ⸗ 


%. 126. Eisen. Eiſenhaus. Bichhirt. 468 


nen und bie Hepfel erfheint dagegen AM. 136 wieder: hier heißt er bald 
der Eifenhans, bald ver wilde Mann, wie bei Sommer ber eiferne 
Mann; die Einheit beider Märchen erhellt daraus, daß hier wie dort ber 
eiferne Mann am Königshofe in einen Käfiht gefperrt wird, und ein gols 
dener Ball, vermuthlih ein Apfel, Veranlaßung wird, daß ihn der Kö⸗— 
nigsſohn befreit. Die Strafe, bie diefer dafür erwartet, führt e3 dann 
herbei, daß er den Hof verlaßen muß und im Walde bei dem eifernen 
Manne Schuß findet, der ihm als feinem Befreier zu Dank verpflichtet 
iſt. Auch bier fehlt der Brunnen nicht, deflen Wunderkraft fih daran 
äußert, daß Alles, was hineinfällt, zu Golde wird. Diefen kryſtallllaren 
Brunnen fol nun der Königsſohn bemahen (mas eigentlich des Gijens 
manns Amt wäre) ; er läßt aber feine langen Haare hineinfallen, bie nun 
zu Golde werden und wie eine Sonne glänzen. Die Thiere hütet Eiſen⸗ 
hans nicht wie bei Eommer; daß er aber doch eigentlich Herr der Thiere 
iſt, ergiebt fi daraus, daß er dem Königsſohn dreimal mit einem Pferde 
aushilft. Gegen den Schluß kommen aud die goldenen Aepfel vor. Wer 
ift nun der eiferne wilde Mann, der die Thiere hütet und mit ihnen den 
Brunnen und die goldenen Aepfel bewacht? 

In Skirnisfoͤr fipt ein Viehhirt am Hügel und bewacht die Wege. 
Außerdem wird Gymirsgard, worin wir die von Wafurlogi umſchloßene 
Unterwelt erfennen, nod von Hunden bewadt. In Fiölfwinnsmal, das 
weſentlich den gleichen Inhalt hat wie Skirnisför, wie Mengladas Saal 
gleichfalls von Waberlohe umſchloßen ift, fehlen die Hunde nicht, aud des 
Gitters wird gedacht, wie dort des Todtenthors (St. 55), ferner des Baums 
Mimameidr, der fi über alle Lande breitet: mir werben alſo in mehr 
als einem Stüde an die verglichenen Märgen erinnert; nur die geweide⸗ 
ten Thiere vermifst man. Und doch ift Ziöljwidr, der Wächter, Niemand 
anders als unfer wilder Gifenmann und der Biehhirt in Stimisför. Cr 
laͤßt ih mit Winblaldr, wie der Hirt mit Skirnir, ins Gefpräd ein, das 
nur durch Mengladas Erſcheinen, wie dort durch Gerbas unterbrochen wird. 
Der Biehhirt eriheint auch in der Hermararfage, wo Herwör ihn nad) ihres 
Vaters Todtenhügel fragt. Der Viehhirt antwortet, es fei tolltühn, daß 
fie zur Nachtzeit unternehmen wolle mad andere am hellen Tage nicht 
wagten, denn von Sonnenuntergang an ſchwebe glühende Lohe darüber. Diefe 
Lohe ift die Waberlohe und unferer Deutung berfelben auf die Gluth des 
Scheiterhauſens, die bier noch fortglüht, gereicht dieſe Stelle zu nicht ger 
ringer Beltätigung. Im Harbardslied bleibt es unerllärt, warum ſich 


464 Eben. Gumpreht. Pinkepank, 6. 1%. 


Harbard, der fonft Odin ift, und zugleich ald Todtenſchiffer ericheint, Str. 50 
einen Biehhirten nennt. Schwerlich ift es aber ein leeres Borgeben ; 
es ftimmt mit dem Ergebniſs ber forgfältigen Unterfuhung Kuhns 324 — 
332 über eine Reihe einfhlägiger Meldungen, wonad die Hirtin der unter: 
irdifhen Heerde neben unferm Viehhirten Frau Harke, Holla oder 
Freyja ift. 

Bor der Unterwelt aljo wird Vieh geweibet: das beitätigt fi für 
den deutſchen Glauben aus Kellers Faſsnachtſpielen Nro. 56, mo ber Wei: 
ber Bosheit, die nach vielen jhmankhaften Erzählungen des Mittelalters 
die des Teufels übertrifft (S. 332), dadurch dargethan wirb, daß brei böfe 
Weiber dad Vieh rauben, dad vor der Hölle geht. 

Vor der helle vil vihes gät, 
Da} wellen wir nemen mit gewalt. 


Auch der Hirt lommt hier vor und heißt Gumpredt. Cr geht aber gern 
ind Wirthahaus, dad Pinfepanf, ein aus dem Voltsfhaufpiel bekannter 
Teufel (Ziſchr. IV, 485), vor der Höfle hält, und das machen bie böfen 
Weiber fih zu Nuge. Wir fehen hier wie der wilde Mann auf die 
Wirthshausſchilder tommt z. B. in Baſel. Pinlepanks Taverne erinnert 
an den Namen Nobiskrug $. 53, wo ver Teufel den Wirth macht. In 
dem fräntifhen Liede vom Todaustragen heißt es M. 728: 

Nun treiben wir den Tod aus 

Hinters alte Hirtenhaus. 


Spuren des vor ber Hölle weibenden Vieh finden fih au bei Pröhle 
Harzf. 106, wo um die Schalt, ein verwünfchtes Schloß, das ganze Groß ⸗ 
und Aleinwild in Heinen Steinen abgebildet umberliegen fol. Weniger 
ficher iſt die Erinnerung, wenn AM. 61 das Bürle vorgiebt, auf der unter: 
weltlichen Wieſe weideten ganze Heerden Lämmer. Gin Sprichwort fagt: 
wer zu viel bete, bete fi twieder aus dem Himmel heraus und müße 
unferm Herrgott das Vieh weiden, die ‚Piwitte‘ nad; einer weſtfaliſchen 
Variante. In Nobistrug (S. 160) müßen nah Kuhn NE. 132 biejeni: 
gen, welde nichts getaugt haben, Schafböde hüten, wie beim Walpurgis: 
feft auf dem Blodsberg die jüngfte Here Aröten hüten fol, M. 1025. 
‚Andere fagen: im Robiskrug erhalte man den Paſs zum Himmel; und 
wieber Andere meinen, der Nobislrug fei der Himmel felber.‘ Es beftä 
tigt fi immer mehr, daß nach den älteſten Vorftellungen Himmel unb 
Hölle beiſammen liegen. Nicht immer if die Unterwelt von Höllenflüpen 


$. 126. Elben. Unterwelt. Zifhhen dek did. 465 


umgeben oder durch das Wendelmeerr M. 1218 von ver Menſchenwelt 
geſchieden, nicht immer liegt fie im hohlen Berge ober im Schooß der 
Flut, vgl. 6. 425: oft trennt fie, wie in dem lat. Vollsliede von Bifhof 
Heriger nur ein dichter Wald (demsis undique silvis) von ber übrigen 
Welt ; aber er ift von wilden Thieren erjült, und dieſe hütet der bald als 
Zwerg, bald als Rieſe vorgeftellte wilde Mann, ber zugleih den Brun⸗ 
nen des Lebens und den Baum mit den goldenen Aepfeln bewacht. Er 
bütet fie aber auf ver grünen Wieſe, auj bie aud bei Hand Sachs 
u. ſ. w. die Landsknechte und nad) ter fteirifhen Sage die Soldaten 
verwiejen werben. Bernaleten Dejtr. Di. 119. Daß die gehüteten Tpiere 
verwandelte Menjchen find, den Gefährten des Odyſſeus ähnlich, ift nicht 
zu bezweifeln. Vgl. Kuhn WS. 330. 

Wer Speife und Trant der Unterirbifchen genießt, ift ihnen verfallen 
und kann nicht mehr ind Menfchenleben zurüd. Dieß gilt nicht von dem 
Brote, das fie aus Dankbarkeit ſchenken, nicht van den duftenden Kuchen, 
die fie "baden und den Menſchen mittheilen, wenn ihnen der aus dem 
Erdboden auffteigende Wohlgerud Verlangen darnad erregt hat (vgl. 
Auhn WE. I, 132. 368): es gilt nur von dem Verwegenen, der fi in 
ihre Zefte drängt, ja aud von Venen, die fie felber in den Berg holen, 
ihnen wie die Frau von Alvensleben DS. 63 in Geburtäwehen Hilfe zu 
leiften: der Berg ift die Unterwelt, und ihr gehört an wer ihre Koft 
genoßen hat, wie ſchon bie Granatlörmer der Perfephone lehren. Mit 
jenen Kuchen hängt nah Kuhn 369 das Tiſchchen ded dich zus 
fammen. 


126. 2. Woßergeifter, 


Schon bei ven Waldelben zeigte ſich ein Uebergang in Waßergeifter 
Gaßerholde, Brunnenholde) an ven Moosleuten, die den Waldleuten gleich 
vom wilden Jäger, ber au der hafafrü nadhftellt, verfolgt werden, und 
doc eigentlih vom Waßer benannt find, da Moos Sumpfland bedeutet. 
So bielt ſich au der Zwerg Andwari in Hedtgeftalt in einem Waßer ⸗ 
jall auf, und nah Wiltinaf. c. 43 wohnte Alfrit (Alberich) in einem Fluß. 
Aehnlic gehen die Waltüren, die fih in Schwäne wandeln, in Meermeir 
ber über, und Frau Hola felbit mohnt im See oder babet im Teich, 
wobei an Nerthus erinnert werben darf. 


Ein allgemeiner Ausbrud für elbiſche Geifter ift menni, minne: 
Simrod, Piyiholsgie. 30 


466 Elben. Marmenull, Donauweibgen. 4. 126. 


beſonders wird er für Waßerweſen, Meerminnen, gebraucht; doch erſchei · 
nen daneben Waldminnen, Myth. 405, und auch die Meerminnen heißen 
wilde Weiber, Nahe Verwandtſchaft zeigt der Name Mümmelden, ber 
in Muhme, Mühmchen übergeht, 6.230. Auch der Name Marmen: 
nil ſchließt fih an. Ihn fuchen die Menfhen in ihre Gewalt zu bringen, 
damit er ihnen weißage; er gleicht dem Butt des beutfchen Märdens, nur 
daß diefer Schöpferkraft befigt und jener nur Gabe der Weißagung. Er 
hültt ſich aber gern in hartnädiges Schweigen und bricht es nur unwill ⸗ 
türlih. Jener, den König Herleif nad der Halfsſ. (FZAS.II, 31) hatte 
fangen laßen, gab keinen Laut von ſich biß der König einmal feinen Hund 
ſchlug: da lachte der Marmennil. Der König fragte: warum er lade. 
Weil du den ſchlugſt, jagte der Marmennil, der dir das Leben retten ſoll. 
Nähere Auskunft weigerte er bis ber König verfprad, ihm wieder ins 
Meer zu laßen: da gab er auf dem Wege nad) dem Strand in Liedern 
Beſcheid über dad dem Dänenland drohende Kriegsunwetter. Als man 
ihn nun über Bord ließ, fragte der Mann, der ihn in der Hand hielt: 
was ift dem Menfchen das Veite? Marmennil antwortete: 


Kalt Wafer den Augen, Kalbfleiſch den Zähnen, 
Leinwand dem Leib: laßt mich ins Meer. 

Nun wird mic, das weiß id, Niemand wieder 
In fein Boot bringen vom Boden der Ger. 


Auch diefer Marmennil wird als Schmied gedacht: die Goralle heißt 
fein Geſchmeide, marmennils smidi, Myth. 405, wie den Bergkryfall 
Zwerge gehämmert haben und Bwerginnen die Herbftfäben gewoben. 
Wie Marmennil und jene Meerweiber in den Nibelungen, die noch Tpät 
als Donauweibchen fortlebten, mweißagen auch Zwerge, z. B. Eugel im 
hürnen Siftit, und in einem vollsmaͤßigen Liebe (St. Andreas Schutz⸗ 
patron) wird das Echo, das bekanntlich dvergmäl, Sprache der Zwerge 
heißt, zur Weißagung benutzt. 

Der Mummelſee in Baden und das Fluͤßchen Mümling im Open: 
wald feinen von dem Mummel, ihrem See und Flußgeift, benannt, wie 
der Nedar von dem Ned oder Niz, einem Waßergeiſt. Der ältefte Name 
der Waßergeifter ift Nichus, agf. nicor, nieberl. nicker ober necker. Ob 
Odins Namen Hnilar und Nikuz ihn als Waßergott bezeichnet, ift zweifel- 
haft, ©. 187; doch würde fih daraus noch befer erklären, warum ber 
5. Nitolaus auf dem Schimmel geritten tommt und ald Patron der Schiffer 


6. 126. Eben. Zt. Ricelaus. St. Mcakus. 467 


gilt wie denn fein Bild am Binger Loche fteht, wo ihm für glüdlihe 
Durdfahrt Gelübde geweiht wurden, wie er aud in Vorarlberg die Kin- 
der bringt Wolf Beitt. 184, Ziſchr. 1,143; ſonſt pflegt er nur die Kin⸗ 
der zu beſchenlen Kuhn WE. 100. Duitmann 38. Neben Gt. Nicolas 
wäre auch Gt. Nicafius (14. Dec.) in Betracht zu ziehen. 

Es giebt männliche und weibliche Niren: beiden wird, wie fie mit dem 
Dberleib aus der Flut tauchen und ihr Tanges Haar in der Sonne fträlen, 
hohe Schönheit beigelegt; wenn ben Unterleib ein filhartiger Schwanz ent⸗ 
ftellt wie bei der Melufine des Vollsbuchs, fo ift diefe Vorftellung ald deutſch 
nicht zu erweifen; wohl aber wenn fie rothe Müge oder grünen Hut Iragen 
und grüne Zähne bleden, die wohl auch eifern heißen; wagen fie fi ans 
Land unter die Menfhen, fo ertennt man fie an dem nafen Saum des 
Gewandes. Sie erfheinen gern auf den Märkten, und da muß man auf 
die Preiſe achten, die fie bezahlen, denn je nachdem fie hoch oder niedrig 
find, folgt Theurung oder wohlfeile Zeit. Auch auf Tanzböben zeigen fih 
wohl die Seejungfern, in der Dreizahl gewöhnlich, und ſchwingen fih im 
Reihen mit der männlichen Dorfjugend, aus welder fie ihre Geliebten 
wählen. Aber zu einer beftimmten Zeit müßen fie zuräd in ihren Gee: 
wird fie verfäumt, fo koftet es ihr Leben, und wallt es blutroth herauf 
aus der Flut, fo ift ein ſchrecliches Gericht über fie ergangen. Hier zeigt 
fi die Graufamfeit des Wapergeiftes, der auch Menfhenopfer fordert, mie 
der Rhein und andere Flüpe ihr jährlihes Opfer verlangen und von Er 
truntenen gejagt wird, der Nir oder die Elbjungfer habe fie herabgezogen. 
Der Donaufürft fragt Jeden, dem er begegnet, was er wünſche und ftürzt 
ihn dann in die Tiefe hinab wo er alled Gewünſchte finden werde. Einem 
Kinde foll er eine Gorallentette um den Hals gehängt haben, an dem es 
erwürgte, und fpäter am Donauftrande gefunden ward, Vernalelen öfterr. 
©. 164. Dft bat das eine mildere Seite: bie Liebe der Nize zog den 
ſchonen Züngling hinab; Wachilde, Wittichs Ahnfrau, birgt ihn im Schooß 
der Flut vor dem verfolgenden, im Zorn umnbefiegbaren Dietrich, und 
Holda, die zwifchen Hel und Ran in der Mitte fteht, empfängt die Gr: 
trintenden in lachenden Wiefen auf dem Grunde ihres Sees ober Brun: 
nens. Ein Waßermann zeigte einem armen Fiſcher einen Schat unter der 
Bedingung, daß er mit ihm theile. Der Fiſcher that es; es blieb aber 
ein Heller übrig, welche der Fiſcher mit feiner Hade entzwei ſchlug. Als 
der Waßermann fo ehrliche Theilung fab, ließ er das Geld liegen unp 
verſchwand. Bernalelen oͤſterr. Sagen 185. 


468 Elben. Oberons Horn. Alberich. SHorant. 8. 126. 


Nod ein anderer Zug kann mit den Waßergeiftern verjöhnen: vie 
Liebe der Elben zu Spiel, Gefang und Tanz zeigt fih nirgend mächtiger 
als bei ihnen. Wie der Ton aus Oberons Horn unwiderſiehlich in den 
Zanz reißt, fo ift der Albleich eine fühe, entzüdende Weife (Myth. 439), 
und die des ſchwediſchen Strömlarl, der aud Foſſegrim heißt (und das 
Rauſchen des Waßerfalls, fors, liegt beiden zu Grunde), lodt und bezau⸗ 
bert;; von feinen eilf Variationen dürfen nur zehne gefpielt werben: bei 
der eilften, die dem Nadıtgeift und feinem Heer gehört, würben Tiſche und 
Bänke, Kannen und Becher, Greife und Großmütter, jelbft die Kinder in 
der Wiege zu tanzen beginnen. Wer feine Kunft erlernen will, opfert 
ihm ein ſchwarzes Lamm oder ein weißes Bödlein: ift das recht fett, fo 
greift der Foflegrim über des Lehrlings rechte Hand und führt fie fo 
Tange hin und her bis das Blut aus allen Fingerfpigen fpringt: dann 
iſt er aber aud in feiner Kunft vollendet und Tann fpielen, daß die Bäume 
tanzen und bie Waßer in ihrem Falle ftille ftehen; ja der Spieler felbft 
vermag nicht abzulaßen, wenn ihm nicht Jemand von hinten die Eaiten 
zerſchneidet ober er das Stüd rüdwärtö zu fpielen gelernt hat, Myth. 461. 
So ift aud der Tanz der Elbinnen im Mondſchein fo verführerifh, daß 
man die Augen abwenden muß, um nicht bineingezogen zu werben. Die 
Vergleichung der Trilogieen ftellt Oberon als aus Alberih romanifiert zu 
Wodan, und es wird defien Hom fein, das fih bei ihm wieberfindet. Go 
fahen wir $. 35 ben blinden Höbr als Hotheruß zu dem lieberkundigen 
Horant werben, deſſen Gefang unwiderſtehlich hinreißt; der blinde Hödr 
gleiht aber dem einäugigen Odin aud in dem Bezug auf die Unterwelt, 
welder fie die Hälfte des Jahres über angehören. 

Odins Horn will man bei Heimball und Wate auf den Donnerſchall 
beziehen: das Rauſchen des Windes, das feinem Weſen zu Grunde liegt, 
tann ihn zum Gotte der Tonkunſt gemacht haben; die Waßergeifter hat 
zu Lehrern diefer Kunft wohl das Raufchen des Waßers befähigt. Nur 
ausnahmsweiſe zeigt aud einmal ein Hausgeift, der Laguzerbug bei Von⸗ 
bun, mufitalifhe Talente: er fpielt als ſchwarze Kape die Maulttommel. 

Unklar bleibt es noch was die Wafergeifter mit dem Schwerte zu 
ſchaffen haben: fie verbingen ſich ald Knechte bei Menjhen und verlangen 
ein Schwert, einen Erbbegen zum Lohn. Temme Pommeriſche Sagen Nr. 252, 
Kuhn WE. I, Nr. 37. Wir werden an das alte Rieſenſchwert erinnert, 
das Beomulf in Grendels mattbeleudteter Halle erblidt. 

Die Seelen der Ertruntenen birgt der Waßermann unter umgeftülp: 


& 126. Eben. Mecrkier. Eifkier. Glohen. 469 


ten Toͤpfen, wo ihr Wimmern vernimmt, wer lebend in fein Waßerreich 
binabfteigen -durfte. Hebt er einen ver Töpfe auf, fo fährt die erlöfte 
Seele raſch empor; wir erfahren aber nicht, ob fie fi in Luft verflüchtigt 
oder wieder einen Leib annimmt. Doch ſpricht für Lepteres das Märden 
bei Wolf DE. 59. Statt der Töpfe wird aud wohl ein Glasgefäß ge: 
nannt, worüber man Liebreht Gervafius 150 ff. vergleiche. 

Schon bei den Waßerriefen S. 437 gedachten wir des Waßermanns, 
der in Gtiergeftalt Stammvater der merowingifhen Könige ward, momit 
es zufammenhängen lann, daß ihren Wagen Ochſen zogen wie Kühe ven 
der meerperwandten Nerthus, und ein Stierhaupt in Childerichs Grabe 
gefunden ward, Aehnliches wird Iriſche Elfenm. S. XLVII von dem 
Elfftier erzählt und DS. 59 von dem braunen Stier, der aus dem Mums 
melfee fteigt. Vgl. Harris I, 47 und Kuhn NS. 500. Rochholz II, 515. 
Aber auch apfelgraue Roffe fteigen aus ver Flut und begatten fi mit 
den Stuten in den Ställen der Menfchen. Audhun fing ein foldes und 
zwang es ihm zu pflügen; am Tage gieng das gut, aber mit Sonnen 
untergang riß e3 alles Zeug entzwei, lief in die See und fam nicht zurüd, 
Landn. II, 10. Aud das fehrt in Deutfchland wieder: der ſchwarze Gaul 
DS. 202 zieht aber Pflug und Pferde mit Bauer und Jungen in das 
grundlofe Teufelsbad bei Daſſel. gl. Kuhn NS. 476. Myth. 458. 
Solche Roſſe heißen nennir oder nikur: das und die Verbindung mit 
dem Mummelſee bezeichnet fie als elbiſch; ſonſt gleihen fie eher riefigen, 
verberblihen Weſen. Die Pferdegeftalt, die hier Waßergeifter annehmen, 
erinnert an griechiſche Mythen, aud fanden wir fhon 8. 92, 1 Pferd 
und Quelle verbunden. Daß fie der Unterwelt angehören und ihr Brüllen 
ausbrechendes Viehſterben bedeutet, führt Kuhn WE. 294 aus, 

Das Chriftentbum bat natürlich auch Waßerweſen als teuflifh aufge: 
faßt; dem Wolf aber find fie der Grlöfung fähig, ja bedürftig. Jener 
Strömlarl laͤßt fi für fein Harjenfpiel und den Unterricht darin nicht 
bloß opfern, fonbern auch wohl Auferftehung und Grlöfung verheigen, 
Muth. 462. 

Ein Bezug auf die Waßergeifter ift bei den Sagen von verfuntenen 
Gloden anzunehmen, zu welchen vielleiht Untenftimmen und gludfende 
Xöne der Wirbel in Seen und Teihen die erfte Veranlagung gaben. Kuhn 
W. 23. Heidniſcher Glodenhaß wirb auf den Teufel übertragen, der aber 
nur über ungetaufte Gloden Macht hat. Die verjenkten Gloden verlangten 
gleich andern Schäpen wieder an das Tageslicht; gleich andern Schägen 


470 Elben. Gisken. Gansgeifer. $ 197. 


fonnen fie fi und werben, wenn man ein Tuch auf fie legt, der Ober 
welt wieder gewonnen; doch gelingt das nur felten, und felbft dann laßen 
fie fih nur von Rindern zur heiligen Gtätte ziehen. Vgl. Kuhn NS. 477. 
Nah Kuhn a. a. ©. erſcheint in der Unke, und ebenfo in der @lode, die 
in die Unterwelt gebannte weiße Frau. Gloden im Berge kommen felte: 
ner vor, wenn nicht die Kirche mit verfunken ift. Kuhn 16. Gleichwohl 
finden fih Saugloden, die ein Schwein aus ber Erde gewühlt haben ſoll, 
Temme P. ©. 268, Dftpr. 240, worauf die fprihwörtlice Redensart Ber 
zug nimmt: er hört gerne mit der Gauglode läuten. Häufig wirb ge: 
melvet, daß bie Gloden im Teich am Johannistag läuten; das ift ders 
felbe Tag, wo aud der Flußgeift fein Opfer, einen Schwimmer verlangt. 


127. 3, Feuergeifter, 


Eigentlihe im Feuer lebende Geifter, wie dad M. A. von dem Sas 
lamander dichtete, giebt es in der deutſchen Sage nicht, nur dem Feuer 
verwandte, die auch in ihrer äußern Erſcheinung auf dieß Element deuten. 
Dahin gehören zunädjt die Jrrlichter, wovon $. 128. . Ueber das Lebens: 
licht vgl. $. 146. 

Der Bezug auf das Feuer fowohl als auf die Seelen der Abge: 
ſchiedenen findet fih aud bei den Hausgeiftern. Sie gleichen ven 
Manen, Laren und Penaten, und find eigentlich Heerdgeiſter. Der Heerd 
ift die heilige Stätte, gleihfam der Altar des Haufes, wo das ewige Feuer 
nad) der alten Gitte nie ausgehen follte; in der Naht ward es nur mit 
Aſche bevedt. Das Heerbfeuer fheint das Clement des Hauögeiftes: an 
den Heerd ift er gefeßelt, dahin wird ihm aud fein Naͤpſchen Milch ger 
ftellt, oder welche einfache Koft fonft für ihn beftimmt ift: er nimmt fie 
gerne an und zürnt, wenn fie ihm zu reichen vergeßen wird, Auf die 
Einfaßung des Kamins wurden auch geſchnihte Hausgeiſter aufgeftellt, zus 
legt mehr zum Scherz ober zur Zierde, urſprünglich wohl mit tieferer Bes 
deutung: e3 waren Gögenbilver, Bildniſſe der Hausgeifter, die über dem 
Heerde angebradt wurden. Die Sitte währte in chriftliher Zeit fort, und 
wurden jept aud Heilige auf der Eiſenplatte ausgegoßen, welche die Hin: 
terwand ber Feuerftätte bekeiveten, jo fuhr man dod fort, auf den Kamin 
allerlei in Holz geihnigte Puppen zu ftellen, theils wie die alten Haus⸗ 
gögen, Zwerge und Däumlinge geftaltet, was ald ein bloper Schmud 
feinen Anftoß gab, theils aus dem chriftlichen Leben hergenommene Bild« 


8. 127. Elben. Latermann. Sut. Vubengreuel. 471 


hen, weshalb man ſowohl in den Minnefingern als aud im Vollsmunde 
bald von einem Kobold von Buchſe, bald von einem hölgernen Bifhof“ 
und buchsbaumenen Küfter hört und lieft. Zwei Namen kamen jept auf 
ſowohl für die Bilder ald für die Geifter felbft: Kobold und Tater: 
mann, beide wohl undeutſch: Kobold aus dem griech. xoßuros, Schalt, 
dem bie für ungeheuerliche Weſen beliebte deutſche Endung auf olt gege: 
ben wurde. Mittellateinifh hieß es gobelinus, fr. gobelin. Bei bem 
Tatermann vermuthete ich früher, von dem Ausdrud Taggelmännden für 
Meine Figuren verleitet, Zufammenhang mit dem Taggen ober Zaggen 
wie in niederrheiniſchen Bauernhäufern der Milchſchrank hieß, der gegen 
die vom Heerbfeuer erwärmten Eifenplatten mit Heiligenbildern in ver 
Band der anftopenden Wohnftube eingelaßen wurde. Auf diefen Taggens 
ſchrank pflegte man ſolche Tatermänner oder Koboldbilder zu ftellen. Das 
mit ftimmte, daß der Ajchenbröbel im Tyrol Aſchentagger heit, Bingerle 
II, 424. Der Tatermann ift aber wohl von Tatern, Zittern benannt, 
2eopr. 177, was auf einen Zufammenhang mit den Niefen, ben falten, 
‚jitternden wieje. Für Tatermann findet man Katermann gejchrieben: das 
erinnert an den geftiefelten Kater, wie denn viele Geifter, wie Kapenveit, 
Hinze und Heinzelmann auf Kapennamen deuten; obgleih Heinz eigentlich 
nur Verkürzung aus Heinrich ift, und andere Hausgeiſter gleichfalls menſch⸗ 
liche Diminutivnamen führen, z. ®. Petermännden. So ift Chiemte aus 
Joachim entftellt, Wolterlen aus Walther, Rudi aus Rudolf, Rüpel aus 
Aupreht (Hruodperaht), der bänifhe Niffe aus Niclas, der in Deutſch⸗ 
Iand zu Claus und Globe ward, Das Wort Bopanz kann eine Bufams 
menfegung von Buppe und Hans fein. Die meiften biefer Namen find 
aud im Vollsſchauſpiel beliebt, und ſowohl Kobolde ald Tatermänner fins 
den wir bie Puppen genannt, die beim älteften Puppenſpiel an Drähten 
gegogen wurden. Andere Namen für koboldartige Geifter deuten auf Vers 
Heidung ober Vermummung, denn man verlleivete ſich aud zu Faſsnacht 
und andern feftlihen Zeiten in diefe Hausgeiſter und fpielte ihre Rollen, 
oft nur um die Rinder zu ſchreden. Daher heißen nun bie Kobolde ſelbſt 
Mummart, Mummanz u. |. w. Gin befanntes Vollslied beginnt mit ven 
Worten: ‚C3 geht ein Bugemann im ganzen Reid herum’; Walther fpricht 
von butzengriul und will nit mehr in butzenwise gehen. Dieſer 
Bugengreuel ift der Kinderſchted, den ſolche Derlleivungen erregten. Mit 
dem Bug ſchredt man nod jept in Tyrol die Kinder. Zingerle ©. 148. 
Verbutzen heißt jet fi) verlleiden, die Geftalt des Hausgeiftes in der 


472 Elben. Ya. Yüg. Ms. Ofen. $. 127. 


Vermummung annehmen; wahrfdeinlich geht aber das Wort butze zus 
naͤchſt auf die Heine Geftalt des Kobolds felbit. Butze ift ein winziger, 
im Wuchs zurüdgebliebener Wit, verbutten ift verfnorzen, und Kobolde 
heißen Butte, Buttmann, in Bonn Bömann. Auch die Namen Hanke: 
mann und Hampelmann ertlären fih: es find an Drähten oder Fäden ger 
zogene Puppen, wie fie zum Nürnberger Kinverfpielzeug dienen. Hans⸗ 
wurſt oder Hanfelmann, der in Schwaben aud ven Teig gebaden wird, 
berührt fi mit dem Henneschen, der beliebteften Figur des Kölner Pup⸗ 
pentheaters, dem Käsperle des Wiener entſprechend. Auch Caspar if ein 
Zwergname, Mülenhoff S. 28 fi. So auch Pud, das nad Myth. 468 
gleihen Sinn hat wie Bug und vielleiht bamit zufammenhängt. In 
Schleswig · Holſtein heißen die Hausgeifter Hauspuden, Mülenhoff 6. 318, 
und der Nifs, aus Nicolaus gebildet, führt wohl noch den Beinamen Bud. 
Man weiß aber, daß der Bud eine beliebte Figur des engliſchen Theaters 
war. Umgelehrt wirft aud das Theater zurüd auf die Namen der Haus» 
geifter. Niffen und Clas heißen fie, weil der heil. Nicolaus eine Haupts 
figur de alten Vollsdramas war, ebenjo Caspar, einer ber heil. brei 
Könige. Nicolaus war Bilhof, und darum wurden auch Bilhöfe als 
Zaggenmännlein auf den Kamin geftellt; daher jener hölzerne Biſchof. Der 
beliebte Zwergname Barthel tommt von Bartholomäus, Myth. 483. Dieß 
tann genügen, um den Zufammenhang des Vollsſchauſpiels mit der Vers 
ehrung der Heerdgögen und Hausgeifter darzuthun. Am Lechrain heißen 
die Kobolde Hojemännlein Leopr. 32, in Tyrol Püg, in Vorarlberg Büg, 
in Montafun Bo, (pl. Bög); daneben hört man das Diminutiv Bügel. 
Damit ift die Gattung benannt; der einzelne Hausbüg führt daneben noch 
feinen befondern Namen. Daß dieſe Püge und Büge der Crlöfung fähig 
find wie ih oben annehme, zeigt fih an dem ‚Stugli‘ (von Bonbun 
Beitr. 70), der durh ein unſchuldiges Ninblein, das er ungeheißen ges 
wiegt hat, erlöft wurde, Cine Abart bilden die Elbpuge in Vorarlberg, 
den wir auß Vernalelen U. 227 als bo3haft kennen. 

Man wird fih des häufig in Sagen und Märden vortommenden 
Zugs erinnern, daß dem Dfen gebeichtet wird: was man eidlich hat ge: 
loben müßen, teinen Menfchen zu verraten, das erzählt man dem Dfen; 
hinter ihm verfteden fih aber Menſchen und fo kommt das Gebeimnifs 
an den Tag. Goth. heißt der Dfen auhns: ftatt des f zeigt ſich die 
entſprechende Gutturale, die den Zufammenhang mit dem latein. ignis 
beweiſt. 


$. 127. Elben. Ekerhen. Pelermännden, Heibkäppden. 473 


Diefe Anbetung des Dfend geht wie Alles was in unferer Mythos 
logie auf Glementardienft weit, das Nothfeuer, die Johannisfeuer u. f. w. 
auf eine Zeit zurüd, bie älter ift ald das Germanenthum. In den Haus 
geiftern ift das euer ſchon perfonificiert; noch ftärter tritt die Perſoni— 
fication in Donar berver, der in Deutſchland Herb: und Feuergott zu 
fein fcheint, wie für den Norden Tpiälfi Gleiches vermuthen lieh, ©. 262, 
wo fonft Loki (Lofar 7) als folder auftrat. Wir fanden S. 419 die Trie 
Iogie, ‚Senne, Mond und Hercules‘, melde jener bei Cäfar Sol Luna 
Vulcanus S. 171 ganz entſpricht, wenn wir Donar, ben wir $. 83 ff. 
als Hercules nachgewieſen haben, num auch durd feine Bezüge zu ven 
"Hausgeiftern ald Heerdgott (Bulcanus) ertennen lernen. Donar vielleicht 
auch Wodan ſcheint fih aber in den Hausgeiſtern zu vervielfältigen, oder 
in ihrer Geftalt als Hausgott zu erſcheinen. Darum halten die Zwerge 
auf Heiligung des Donnerstags, und mögen nicht leiden, daß an diefem 
Tage gejponnen oder Holz gehauen werde. Bei Müllenhofi 6. 578 heißt 
ein Zwerg Hand Donnerdtag, Wie dem Donar das Eichhörnchen heilig 
ift, fo heißt ein Hausgeiſt Ederken; einen andern fanden wir Peter: 
männden genannt, und Donars Bezüge zu St. Beter fahen wir ©. 290. 
Wegen ihrer Verwandtfhaft mit dem Feuer wird ihnen rothes Haar und 
rother Bart beigelegt wie dem norbifhen Thoͤr; aud läßt man ihnen 
rothe Kleider, rothes Rodchen und Kaͤppchen maden, um ihre Dienfte zu 
belopnen. Buweilen nehmen fie das übel und ziehen weg, worauf ber 
Segen aus dem Haufe verfhwinvet, M. 453. 479. Auch von ben ‚faligen 
Fräulein’ wird das erzählt (Alpenb. 4): mit trauriger Miene ſcheiden fie 
aus dem Haufe, wo fie feld ein Anfinnen kränlen durfte. Das ift ein 
Zug aus der Unſchuld der Welt am Goethe utopifche Inſel erinnernd, 
wo der Wirth, um die Schuldigfeit gefragt, den Nnüttel ergreift und ben 
Frembling wegen frecher Verlegung des Gaſtrechts hinausprügelt. Grimm 
will dad aber auf Waldgeifter und Unterirdiſche beſchränken, vie auch oft 
im Verkehr mit Menfcen ftehen, während er von Hausgeiftern annimmt, 
fie dienten recht eigentlich um Kleider. Allerdings bezieht fih ihr Name 
gern auf die Aleivung, namentlich auf die rothe Müge. In Flandern 
heißen fie Rothmuhchen, in Frankreich Chaperon rouge ; RothtäppKen 
tommt in beutihen Märchen vor, Wolf DS. 239. Gin norwegiſcher Niffe 
trägt eine vothe Pelzhaube, M.476; ein ſchottiſcher Hausgeift heift Shel- 
Iykoat, Schellenrod. Schellen lieben die Zwerge an den Kleidern und 
bedingen fi) bunten Rod mit klingenden Schellen, M. 428, wie fpäter 


474 Elben. Yäten. Geh der Blinde. Abt von St. Gehen. 6. 127. 


gerne bie Narren trugen im Luftfpiel wie an den Höfen. Dagegen ber 
Bwerg Antiloys, der dem Laurin nachgebilvet ift, trägt einen Rod mit 
Hingenden Schellen. Auch ber Sonnen: und Wettergeift Stiefeli bei 
Rochholz II, XIX, ff. hat am meiften von Qonar ; aber Hüthen (96 
velen DE. 74. Kuhn WS. 350) gleicht auffallend Odin: er brüdt den 
Hut fo tief ins Geſicht, daß man ihn nicht erfennen kann, Oben $. 33 
ift erzählt worden, wie Obin mit dem Niefen Wafthrubnir über die urs 
weltlichen Dinge tritt und Waſthrudnir erlag, weil er die Frage nicht 
beantworten Tonnte, wa Odin feinem Sohne Baldur ins Ohr gefagt habe 
als er auf dem Scheiterhaufen lag; auch ift S. 172 der Verſuch gemacht, 
diefe Frage zu beantworten: diefelbe Frage kehrt nun auch am Schluß 
der Herwararf. wieder, wo König Heivred beim Julfeſt auf Freys Eber 
das Gelübde abgelegt hatte, Alle bie fih wider ihn vergingen zu begnas 
digen, wenn fie ihm ein Näthfel vorlegen könnten, das er nicht zu er⸗ 
rathen wüßte. Aber fo weile wufte ſich König Heidret, daß er alle Räthjel 
loſen könne. Nun war Geft der blinde, ein reicher und mächtiger Mann, 
fid) eines Frevels gegen den König bewuft. NIS viefer ihn num vor ſich 
Ind, opferte Geft dem Odin, daß er ihm in feiner Noth beiftünde. Da nahm 
DOpin Geft des blinden Geftalt an, trat vor K. Heidrek, mahnte ihn feines Gelüb: 
des und legte ihm viele noch jept im Volle gangbare und in meinem deutſchen 
Rathſelbuch enthaltene Räthfel vor, melde K. Heidrel alle bis auf die lepten 
loſte, welche wir jhon aus Wafthrubnismal kennen. Da ergeimmte Heidrel 
und wollte mit feinem Zauberſchwerte Tyrfing nad Odin ſchlagen; aber 
diefer entflog ihm in Fallengeſtalt. Diefer bisher abfihtlih noch übergan« 
gene Odinsmythus begegnet häufig, in Deutſchland bekanntlich zufegt noch in 
Bürgers Abt von Gt. Ballen, wo Hans Bendig, der an Odins Stelle 
tritt, des Abtes Geftalt annimmt wie Odin die des blinden Geft, wobei auch 
die alte Raͤthſelweisheit unvergepen blieb. Wie Odin dem Geft, Hans 
Bendig dem Abt, fo hilft Hütchen einem unwißenden Geiſtlichen, der zur 
Kirchenverſammlung geſchidt werben follte, aus ber Noth, indem er ihm 
einen Ring giebt, ver ihn je gelehrt und beredt machte, daß er ald bes 
rühmtefter Redner glängte. Hier ift Odin nicht bloß zum Zwerg einges 
ſchrumpft; die Weberlieferung hat auch fonft gelitten. Hütden begabt auch 
in ähnlicher Weife wie Dvin DS. S. 103. Neben Hütchen kommen die 
Namen Hopfenbütel, Eifenhütel (Singerhut) vor; andere Haus: 
geifter heißen Stiefel ſ. o. was auf bie Flügeljhuhe Mercurs und fo wies 
der auf Odin deuten kann, wobei noch eine Beziehung auf die Sieben: 


8. 127. Eben. Aitqen. Gütgen. Audel. 475 


meilenftiefel möglich if. Denn Hütchen lief in unglaublid lurzer Beit 
über Wälder und Berge nad Hildesheim, und noch jegt zeigt man feinen 
Rennpfad. Das erinmert an ben lichten Geiſt bei Caſarins, der in einer 
Stunde Löwenmild aus Arabien holt. Wir haben Bezuge auf Donar 
und Dpin gefunden; Kuhn WE. 358 erzählt aber noch von einem Zwerge 
Namens Balder, der an Baldur gemahnt, Wir legen darauf fein Ger 
wicht; aber wenn fi uns oben ©.452 Ddin zu Alberich ftellte, fo fehen 
wir biefen als Elberich zu Ortnit® Vater gemacht, womit dem Zwerge gleihfam 
göttliche Ehre erwiefen ift. Selbit die Tarnlappe, bie den Zwergen eigen ⸗ 
thümlich ift und nach der Hütchen benannt ſcheint, läßt fi bei Odin, der 
Hötte und Sidhöttr heißt, wiederfinden; es ift fein tief ins Geſicht ges 
drüdter Hut, der ihn unkenntlich machen foltte. Den Zauberer Martin 
Bumphut (Menzel Odin 168) macht der Hut unſichtbar. Schon glei 
nad der Geburt übte er biefen Bauber: eine Schlange lag dann ftatt 
feiner in der Wiege: aud darin erinnert er an Odin, der als Schlange 
zu Gunnlöd in den Felſen fchlofi, der die Schlangennamen Ofnir und Swaf⸗ 
nir führt und bei den Langobarden unter dem Bilde einer Schlange vers 
ehrt wurde. Zuweilen bewirkt das Aufſehen des Hutes in unfern Sagen 
plöglihes Umfchlagen des Wetters, und Odin ift als Widrit Wetterherr. 

Der Name Hütchen reimt auf Gutchen, welches ein faft fo allgemeiner 
Name für elbiſche Geifter ift wie gute Holde. Goethe nennt im 2. Theil 
des Fauft die Gnomen ‚ven frommen Gülchen nahverwandt.“ Gütgemann, 
Delbermann find entſprechende Mannsnamen. Bei Sommer 170 erſcheint ein 
Gütchenteih, aus dem in Halle die Kinder geholt werben, bei ung ein Ouiges · 
bad. Demnach wär ed ein Waßergeift; bei Burglehner, Bingerle ©. 68, 
erſcheint es al3 ein frommes Vergmännlein und ift einer andern fchäplichen 
Gattung entgegengejept. Das Güetel wird oft entftellt in Jübel. Aber aud als 
Hausgeift erſcheint das Judel. Es fpielt gerne mit ben Kindern, wie alle 
Hausgeifter gerne fpielen und fih beluftigen, weshalb man ihnen Schuhe, 
Bogen und Pfeile und andere Spielſachen hinzulegen pflegte, Anh. AXX VII. 
Sein Spielen mit ben Rindern fah man aber nicht gerne, weil es fie nicht 
fhlafen ließ. Man dachte daher auf Mittel, es von den Kindern abzu ⸗ 
halten (Abergl. Nro. 389) oder abzuziehen, wozu wieber Spielſachen dien ⸗ 
ten (Rro. 62). Auch die Kühe beunruhigt es (Nro. 454); nad 473 
ſcheint es fogar die Kinder zu verbrennen. Das giebt uns Aufſchluß über 
die altveutjche Erzählung von dem übel, wo ein Judenkind, daB dem 
Chriſtenthum zuneigte, von ben eigenen Verwandten in einen Ofen geftedt, 


476 Elben. Hamm. Gofe. Kumpelkiihen. 8. 127. 


aber von der Jungfrau Maria vor dem Verbrennen behütet wird. Der 
Mifsverftand des Namens ift hier deutlich; zugleid tritt aber wieder bie 
Beziehung der Hausgeifter auf den Dfen, den Heerd des Haufes, hervor. 

Wieland der Schmied, der Alfenfürft hieß, beſaß ein ſchnelles Pferd 
Namens Schimming, das von Odins Roſs Sleipnir gezeugt fein follte; die⸗ 
ſem Rofie ließ man im Saterlande einen Aehrenbüfchel zum Opfer ftehen, 
der nah Kuhn NS. 398 Namslohn hieß. Darnad hätte dieß Roſs in 
Deutſchland Ramm geheißen, was auf eine Befruchtung und Beſamung 
der Ernte des naͤchſten Jahres anfpielen mochte. Nun fol aber der Rams 
melöberg im Harz von Ramm, dem Jäger Kaifer Ottos, benannt fein, 
der hier einft fein Roſs anband, um zu Fuße dem Wilde im Didicht nach⸗ 
zuftellen. Unterbes ſcharrte das ungeduldige Roſs die Erde auf, und bradte 
Silberftufen zum Vorſchein, auf die ſeitdem gebaut wurde. Offenbar hieß 
das Pferd, nicht der Jäger, Namm; von diefem aber läßt die Sage den 
Berg benannt erben, und von feinem Weibe Goſe Goslar die Stadt fo 
wie das Flügen, woran fie liegt, und das Bier, das aus feinem Waßer 
gebraut wird und nicht im feinften Rufe fteht. Menzel Ovin 173. 

Auch die Hausgeifter find ihrem Weſen nad wohlthätig; ald genü 
tutelares, Schuggeifter des Haufes halten fie e3 mit dem Hausherrn und 
warnen ihn vor Veruntreuungen des Gefindes, das ihnen daher oft ab- 
hold ift. Iſt das Gefinde aber treu und verfäumt es nicht, ihnen den 
Napf mit Milh zu füllen, ftreut es nicht etwa Sand und Erbſen, damit 
fie fallen und ihre Heine Geftalt oder die mifägeftalteten Füße im Sande 
abbrüden, verjhont es fie überhaupt mit Spott und Nedereien, die fie 
oft graufam vergelten, ift e8 im Dienft der Herſchaft nicht faul und fahr: 
läßig, danıı werden fie auch Anechten und Mägden held und ermeifen 
ihnen viele Dienfte, verrichten in der Nacht insgeheim einen Theil ver je: 
nen obliegenven Arbeit, ftriegeln die Pferde und füttern dad Vieh, miſten 
den Stall, holen Waßer aus dem Brunnen, fpülen Zeller und Schüßeln, 
kehren und fegen Flur und Haus. Der faulen fhlampigen Magd freilich 
ftoßen fie ven Milchkübel um, blafen das Licht aus und folhen Schaber: 
nads mehr: gegen fie wird der gutmüthige Hausgeiſt zum Duäl- und 
Plagegeiſt. Herabwürbigende Auffapung macht fie dann vollends zu Pol- 
tergeiftern:: fie poltern und rumpeln im Haufe umher: daher die Namen 
Rumpelſtilz (KM. 55), Bullermann, von Bullern, Bolten. Schon ver 
Buttmann, der Bug fann mit bözen Hopfen zufammenhängen (Myıb. 475) 
und Bopanz (S. 479) fowie der ſchwaͤbiſche Poppele (Meier 85 ff.) mit 


& 127. Elben. Poltergeißer. Aobolde. 477 


Popern, Bochen. Vgl. Banzer II, $. 1—7. Diefe Voltergeifter, die das 
Haus, das von ihnen beſeßen ift, unbewohnbar machen, und Vorübergehenve 
gern mit Steinen werfen, mögen den Rieſen verwandt fein, dem Grendel 
und jenem Schretel, das der Waßerbär befämpfte; auch chriftlihe Anſicht 
Kann ihre Natur verfinftert haben, 

Der Hausgeift ift weniger an das Haus als an die Familie geknupft: 
er bleibt nit im Haufe, wenn der Hausherr megzieht. Bei der erften 
Bebauung Islands Tieß der Nordmann feine Götter nicht daheim: bie 
Hodhfigpfeiler, an welchen ihre Bildniſſe ausgefhnigt waren, ftellte er bei 
der neuen Feuerftätte wieder auf. So flüchtete Anchiſes die Penaten aus 
dem Brande von Troja und trug fie auf der Schulter ala das Tiebfte 
Gut, mas in der Weinsberger Sage auf die Männer übertragen ward. 
So zieht aud der deutſche Hauögeift mit dem Hausherrn weg, wenn er 
auswandert oder auszieht. Erſt als man die Hausgeiſter ald nedende 
Kobolde, als Ouäl: und Plagegeifter betrachtete, konnte ſich die Sage bil: 
den, die vielfah (DE. 72. Kuhn NE. 82) erzählt wird. Ein Bauer, 
der des Unfugs feines Kobolds überbrüßig war, beichloß auszuziehen und 
ihn zurüdzulaßen, oder gar mit der alten Scheune, worin er fein Weſen 
hatte, zu verbrennen. Als er nun alle feine Habjeligleiten auf einen 
Karren geladen hatte und davon fuhr, blidte er noch einmal um nad dem 
alten Haufe, dad in vollen Flammen ftand: da faß der Kobold hinten 
auf dem Karten und ſprach: ‚Es war Zeit, daß wir herausfamen, ed mar 
Zeit, daß wir forttamen!’ 

„Wenu wir nicht wären entronnen, 
Wir wären Alle verbronnen.‘ 
Der Kobold ſaß hinten im Faß. 


Da konnte er wieder umfehren und den Kobolv behalten. Vgl. Kuhn ©. 350. 
Uebrigend ſcheint der Büg bei Vonbun Beitr. 70 geglaubt zu haben, er 
fei an das Haus gebunden, weshalb er ganz ſchwermüthig wurde, als 
die Haußeigenthümer ihr Anweſen verkauften und wegziehen wollten. Als 
ihn die Hausfrau feines Trübfinns wegen zur Rede ftellte, feufzte er, 
„Ach ihr zieht aus und ich darf nicht mitziehen.“ „Ja freilich darfft du 
mitziehen,’ entgegnete die Stau: da hüpſte der Bug vor Freuden auf 
und rief: 

‚Zelt nümmi mi Hüber und G’müder 

Und züc fell met hinüber.“ 


478 Eben. Die dankbascn Eohten. 8. 197. 


Häufig bricht die Anficht durch, daß die Hausgeifter Seelen der Ber 
ftorbenen ſeien. Nah DE. 71 follen fie Meßer im Rüden fleden ba 
ben; das würde fie fogar ald Geifter von Grmorbeten barftellen. ine 
Magd wollte gern ihren Kobold jehen und ließ nicht nah mit Bitten. 
Endlich verfpricht er, ſich zu zeigen, beftimmt den Ort, bedingt ſich aber, 
daß die Magd einen Eimer Waßer bereit halte. Da fieht fie ihm auf 
einem Kifschen nalt liegend, ein großes Schlachtmeßer im Nüden. Bor 
Schreden fällt vie Magd in Ohnmacht, der Kobold fpringt auf und 
gießt ihr den Eimer Waßer über den Kopf, bamit fie wieder zu fih 
tomme. Auch die Benaten waren Seelen abgeſchiedener Vorfahren, ſelbſt 
Bertha fieht ald weiße Frau an der Spige der Fürftengefchlechter, und 
die Hauögeifter fahen wir nicht ſowohl an das Haus als an bie Familie 
‚gebunden. 

Zuweilen foll die Ahnfrau gewaltſam ums Leben gelommen fein: das 
führt auf die in Deutſchland, Frankreich und Jtalien nachweisbare Sage 
von den banfbaren Zodten. Ihren Hauptfig haben fie im einer Reihe 
deutfcher, zum Theil noch ungebrudter Märden, wo der Geift eines Er⸗ 
morbeten Dem, der mitleidig feine Leiche Mifshandlungen entzogen und 
ehrlich beftattet hat, das Leben rettet umd zum Beſih der Geliebten ver: 
hilft. Auch gegen dieſe hatte der Held ſich mitleivig erwieſen, indem er 
fie aus der Gefangenſchaft loslauſte, ohne zu wißen, daß fie eine Königs 
tochter fei. Den Zufammenhang mit dem ‚guten Gerhard’ habe ih 
anderwaͤrts außgeführt ; id; merke nur noch an, daß in einigen dieſer Mär 
hen der Geift des Ermordeten zuerft als Vogel oder als wildes Xhier 
erſcheiut, und bie vorfommenben Gigennamen: Karl (der guote Karle), 
Heinri (der arme, guote Heinrich), Gerhard (ver gute Gerhard), 
vieljah beveutend und zum Theil nicht ohne Bezug auf die Geifterwelt 
‚find. Bei den Hausgeiſtern kommt beſonders ber Name Heinrich gem 
vor; auch fie nehmen Tpiergeftalt an: jie erſcheinen als Katzen, Schlangen 
und Kröten. Hinzelmann DD. 103 zeigt fih bald als Marder, bald als 
Schlange (S. 111); überhaupt finden wir neben den Hausgeiſtern auch 
Hausfhlangen, und wie jenen wird ihnen Mild zum Trinken hinger 
fept. Mit ven Kindern leben die Hausſchlangen gerne zufammen, bemaden 
fie in der Wiege und thellen mit ihnen Speiſe und Trank: dann gedeiht 
das Kind und blüht; wird aber die Schlange verlegt oder gar gelödtet, 
fo nimmt es ab und fieht hin. Bumeilen fommt die Schlange mit dem 
Kinde zur Welt, um feinen Hals gewidelt: dann ift aud ihr Leben un: 


3. 197. eElben. Mind, Drak. Alf. 419 


jzertrennlich verbunden. Nach Giner Sage giebt es in jevem Haufe zwei 
Schlangen: eine weibliche und eine männlihe: ihr Leben hängt mit dem 
des Hausvaterd und der Hausmutter zuſammen. Sie lafen ſich aber nicht 
eher ſehen bis viefe fterben und fterben dann mit ihnen, M. 651. Leopr. 
77. Graͤße Gefta Rom. I, 185. 

Eine befondere Art des Kobolds ift der Mönd (Sommer 173, If 
DNE. 122), fo genannnt wegen feiner Kleidung. Gr ift ernfter ald ans 
dere Kobolde und fteht auch der Feldwirthſchaft vor. Für feine treuen 
Dienfte fordert er nur, daß man freundlich mit ihm umgehe; zu Giebichen- 
ftein auf dem Amte verlangte er aber einft, daß an einem beftimmten 
Tage jebem Armen, ber fi melvete, ein Stüd Brot unb ein Hering ger 
geben würde. Wenn man dieß unterließ, fo tobte er fo lange bis die Ar« 
men gefpeift wurden, Sommer 37. Wir haben Brot und Heringe ſchon 
früher ald eine altheidniſche Speife getroffen, die fih namentlich auf den 
Bertentag bezog. So kommen auch unter den Berggeiftern Bergmönde 
vor. Die Mönde wahen nur über dad Vorhandene und bringen nichts; 
die Vorliebe anderer Kobolde für den Herm und fein Haus geht aber fo 
weit, daß fie Gelb und Getreide zutragen, und man fagt ihnen nad, daß 
fie es aus den Scheuern der Nachbarn entwenden. Bon einem, ber ſchnell 
reich geworben ift, heißt e3 in biefem Sinne, er habe einen Kobold. So 
geht diejer über in den Drät (im Oftpreuß. Samland Alf, Reuſch IL Aufl.), 
der bei Nacht als feuriger Streifen oder Drade durch vie Luft fliegt 
groß wie ein Wiesbaum oder wie eine Wagenrunge; er beißt auch Lange 
ſchwanz und hat einen Kopf wie ein Melteimer groß, mit dem er bin» und 
herwadelt. Müllenhoff 206. Schwarz Urfpr. 57. Andere Namen find 
Mertche oder Stepche (Steple), was auf Martin, Stephan oder Chriſtoph 
weiſt. In manchen Zügen geht er vollends in den Zeufel über, und man 
fann ein Bündniſs mit ihm machen, ihn aud zwingen, etwas von dem 
was er fortträgt, abzugeben; man muß aber eilen, unter Dach und Fach 
zu kommen, fonft wird man von ihm befudelt oder mit Läufen bebedt. 
So liegt ihm nicht ſowohl der Blig ald dad Meteor oder Sternfhnuppen 
zu Grunde, denen man wohl auch befruchtende Wirkung zutrauen mochte, 
bis auch fie verteufelt wurden. Jept machte der Vollöglaube einen for 
boldartigen Geift daraus, der fi in den Dienft eines Menjchen begiebt 
aus eigennägigen Abſichten, aus Speculation auf eine Menſchenſeele. Auch 
als Kage trägt der Teufel Gold zu, Müllenh. 207. 

Der Uebergang zu Befpenftern und Teufeln bilden auch Kobolde, vie 





480 Elben. Altann. Galgenmännlein. Mandragora. 8. 187, 


ſich für herrenlos ausgeben, die man aber erwerben kann; nicht immer 
wieber loswerden. Werben fie ind Haus getragen, in einem Schrant ober 
in einer Lade gebracht, fo wiſchen fie heraus, wenn die Lade geöffnet wird, 
binter den Ofen und find nicht mehr zu vertreiben. Wer einen Kobold 
diefer Art in feinem Dienfte hat, wird feiner lebenslang nicht ledig, ja 
er muß ehe er ftirbt ihm einen neuen Herrn fchaffen; doc darf ihn ein 
Mann nur einer Frau und eine Frau einem Manne geben. Weil ihn 
Niemand gerne annimmt, ſucht man ihn mit Lift unterzubringen, indem 
man ihn in Geftalt eines Apfeld oder eines Knaͤuels Garn verſchenlt, 
Sommer 171. Oft heißt e3, wer einen Kobold diefer Art in feinem 
Dienfte habe, dürfe ſich nicht kaämmen und waſchen; diefelbe Bedingung 
ftellt der Teufel, und fhon daß man ihn los zu werben fucht, bevor man 
firbt, zeigt wie er in den Teufel übergeht. Noch deutlicher iſt diefer Ueber: 
gang, wo man bem Kobold Arbeit ſchaffen muß. Auch der Alraun(Man- 
dragora) gehört hierher, der audh Galgenmännlein heißt; zulegt eigent: 
lich nur eine perjonificierte Pflanze, die überall da wächjt, mo ein Erddieb, der 
nod reiner Jüngfing if, gehängt ward und das Waßer ließ (aut sperms 
effundit). Die Pflanze hat breite Blätter und gelbe Blumen ; die Wurzel 
bat menſchliche Geftalt, der dur die Kunſt noch nachgeholfen wird. Beim 
Ausgraben ächzt und ſchreit fie fo entjeplic, daß man davon fterben muß. 
Man foll daher wie Odyſſeus bie Ohren verftopfen und bann bie Erbe 
rings abgraben bis fie nur nod an dünnen Faſern hängt; dann bindet 
man fie mit einer Schnur einem allſchwarzen Hund an den Schwanz, zeigt 
dieſem ein Stüd Brot und läuft eilends weg. Der Hunb nach dem Brot 
gierig, folgt und zieht die Wurzel aus, fällt aber von ihrem ächzenden 
Geſchrei getroffen, todt zu Boden. Dann hebt man fie auf, wäſcht fiein 
rothem Wein fauber ab, widelt fie in weiß und rothes Geidenzeug, legt 
fie in ein Käftchen, badet fie alle Freitag und giebt ihr alle Neumond ein 
neues weißes Hembfein. Das Männlein antwortet dann auf alle Fragen, 
offenbart heimliche und zufünftige Dinge und bringt dem Haufe Segen. 
Ein Stüd Geld, das man ihm Nachts zulegt, findet man am Morgen 
doppelt; do darf man ihm hierin nicht zu viel zumuthen, fonft genießt 
man feined Dienftes nicht lange: es nimmt ab und wird untüchtig. Durch 
Erbſchaft geht es auf den jüngften Sohn, oder wenn diefer vor dem Vater 
firbt, auf den Alteften über. Die Alrunen Deſterreichs find 2 Boll groß; 
der Xeufel hat fie mit einer Mugen Frau Namens Alrune (Aibrune Kuhn 
WE. 148) gejeugt, Diefer einfachen Abſtammung gemäß ift aud ihre 


$. 127. Elben. Erageri. Spiritus familiaris. 481 


Wirkfamfeit gut und böfe. . In legterm Sinne heißen fie Tragerl, wel⸗ 
hen man jedoch noch Abftammung von einer fabelhaften Pflanze zufchreibt, 
die nur in ber Chriftnacht blüht und deren Gamenforn dann in einem 
Kirchenkelch aufgefangen wird. Das Tragerl bringt Alles was man ver⸗ 
Tangt, muß aber bei Lebzeiten verlauft oder verſchenlt werben. Verſchieden 
von dem Alraun ift der spiritus familieris ; er wird in einem Glafe 
aufbewahrt und bewegt ſich ohne Unterlaß, fo daß man nit erkennen 
tann ob er mehr einer Spinne oder einem Ecorpion gleiht. Cr kann 
nur durch Kauf erworben und übertragen werden. Der rechtmaͤßige Eigens 
thümer mag dad Glas dann hinlegen wo er will, immer tehrt es von 
ſelbſt in feine Taſche zurüd. Cr bringt großes Glüd, [hüpt im Kriege 
und behütet vor Tod und Gefängnifs; wer ihn aber behält bis er ftirbt, 
muß mit ihm in die Hölle. Darum fucht ihn der Beſiher wieder zu ver: 
taufen; er laßt fi aber nicht anders als immer wohlfeiler losſchlagen, 
damit ihm Einer endlich bleibt, der ihn mit der geringften Münze bezahlt 
bat. Ganz ähnlid wird von dem Drak erzählt, man werde ihn auf fols 
gende Weife habhaſt. Findet man heute einen Dreier und nimmt ihn 
auf, fo liegt morgen ein Sechſer an berjelben Stelle, übermorgen ein Oro: 
hen und fo fteigt der Werth des Gefundenen bis zum Thaler. Wird 
auch diefer aufgenommen, fo ftellt ver Drak fih im Haufe ein. Er ver 
langt gute Behandlung und Betöftigung gleich einem andern Hausgeiſt; 
wird es bamit verfehen, fo zündet er einem das Haus über dem Kopf 
an. Will man ihn wieder los werden, fo muß man jenen Thaler ver: 
äußern, aber unter feinem Werthe und zwar fo, daß es der Käufer merte 
und ſtillſchweigends einwillige. So trägt man aud das fiebente Ci einer 
allſchwarzen Henne ausgebrütet unter der linlen Achſel. Der vdienftbare 
Geift, der jeden Auftrag erfüllt, kann ſechsmal einem andern Herrn über: 
tragen werben, erft ber fiebente Befiger ftirbt eines geheimnifsvollen un: 
natürlichen Todes. Vernalel. 258, 
Verwandt find noch das unſichtbar machende Vogelneſt (DE. 85) 
und der Hedethaler ober Brutpfennig (DS. 86). Nah Kuhn NE. 470 
foll, wer einen Hedethaler haben will, in der Tängften Nacht einen ſchwar⸗ 
zen Kater in den Sad fteden, und dieſen feft, und zwar mit 99 Knoten, 
zubinden; darauf geht man zur Kirche und „dreimal um biefelbe, jedes: 
mal, wenn man zut Ihüre kommt, den Küfter durchs Schlüßelloch rufend. 
Beim Drittenmale lommt er felbft (und das ift der Teufel); darauf fragt man 


ihn, ob er einen Hafen kaufen wolle, und erhält für den Kater im Sad 
Cimzet, Mythologie. 31 


482 Elben. Aukuk und fein Käfer. 8.1288. 


den Thaler. Dann muß man aber eilen, unter Dach und Fach zu kom⸗ 
men, denn wenn er den Knoten Töft, und den Berfäufer einholt, fo if 
diefer verloren. Der fo erhaltene ift ber Hedethaler, und man fann ihn 
nur wieder loßwerben, wenn man ihn in Salz ftedt, was auf deſſen Hei⸗ 
ligkeit deutet. Bol. Vernalelen Alp. 99. Man fieht den Urfprung ber 
Rebensart: die Rage im Sad kaufen; zugleich erklärt fi in Claudius 
Rheinweinliede die Stelle: der Kudud und fein Küfter. Vgl. jedoch Bre 
miſches Wörterb. 2, 858 und Döbel I, 1,68. Daß der Wiedehopf des 
Kududs NKüfter fei (Alpenb. 386), ift im Volksglauben nicht gegründet. 
Der Kudud bebeutet bier den Teufel, für den des Kududs Name no täg 
lich gebraucht wird. 


128. Seelen und Seſpenſter. 

1. Die Geifter, von melden wir bisher zu ſprechen hatten, waren 
eigentlich bolde, geheure; nur durch Entftellung waren fie wohl in unholde, 
ungeheure übergegangen, die als feindfelige Quaͤl- und Poltergeiſter, ald 
drüdender Alb, als reitende Nachtmar mehr zur Laft ald zum Gegen 
gereihten. In den Gefpenftern betreten wir das Bereich der unfeligen ſpulen⸗ 
den Geifter: damit entfernen wir und aber auch von dem Gebiet rein heid⸗ 
niſcher Ueberlieferung; mod entſchiedener mifhen fi in den folgenden 88 
chriſtliche Vorftellungen ein. Bon den Gefpenftern find indes die erſchei ⸗ 
nenden Seelen als nicht immer unfelig zu unterſcheiden. Der in neuer 
Geftalt erſcheinenden Seele ift die Verwandlung in Vogel oder Pflanze 
verwandt aber nicht ibentifch: bei ver Verwandlung wird ber Leib mit 
ergriffen und umgebilbet; bei ver Verfteinerung (S. 429) bleibt nur 
ein täufhender Schein der alten Leibeögeftalt übrig. Wenn aber die Seele 
aus dem Munde des Sterbenden ald Taube oder als Rabe entfliegt, 
oder als Maus, ald Schlänglein dem Schlafenden entihlüpft, fo findet 
teine Verwandlung des Leibe Statt. Ob die Lilie, die dem Grab 
des Mädchens entwähft, und die nur der Geliebte brechen fol, die 
Rebe und die Nofe, die fi über Triftans und Iſoldens Grabe ver 
ſchlingen, als ihre Seelen zu verftehen find, könnte noch bezweifelt wer 
den; aber jedenſalls ift dieß feine Verwandlung, benn der vermefende Leib 
ift dabei unbetheiligt. Auch aus dem Glauben an Geelenwanderung 
ſcheint dieß nicht berzurühren, die Geele wird zumeilen nur auf kurze 
Zeit in einer neuen Geftalt fihtbar; darin zu verharren ift ihr fehwerlih 
beftimmt, In der alten Zeit konnte man ſich nichts Weberfinnliches den: 


8. 1238. Beelen. Mans und Eher. Silk. 488 


ten, darum muften aud die Seelen, muften auch Geifter und Gefpenfter 
leibliche Geftalt annehmen, Bol. jedoch Rochholz II, 393 und Solarlien 53, 
wo es von den unterweltlihen Qualorten beißt: 

BVerfengte Vögel, die Seelen waren, 

Hlogen wie liegen umher. 

In Nahftehendem folgen wir meift einer ber vergleichenden Mythologie 
amgehörigen Schrift Dr. Grohmanns (Apollo Smintheus und vie Ber 
deutung der Mäufe. Prag 1862), indem wir die Buntte hervorheben, die 
in der deutſchen gegründet feinen. Wie Kuhn nachgewieſen hat, badıte 
man fid den Blig in ganz ähnlicher Weife entftanden wie man ſich felbft 
auf Erben das Feuer erzeugte 9.144, nämlich durch Drehung eines Sta⸗ 
bes in der Nabe des Sonnenraded. Diefer Vorgang wurde aud als 
Zeugungdact des Feuergottes aufgefaßt. Aus der Mifhung dieſer beiden 
Borftellungen, der Entzündung des himmlischen Feuers durd einen umger 
ſchwungenen Stab und des irdiſchen Beugungsactes, entftand der Glaube, 
daß bei jener Beugung im Gewitter der himmliſche Funke ver Seele ger 
boren würde, den dann der Kinder bringende Stord oder Schwan $. 90 
aus der Unterwelt auf die Erbe brädte. Mon dieſer Blitzgeburt der 
Seele mögen freilich im heutigen Vollsglauben wenig Spuren mehr haften; 
aber aus frühern Jahrh. ift der Glaube bezeugt, daß die Mäufe im Ger 
witter geboren würden (Grohm. 7), und ſchon oben fahen wir die Geele 
als Maus erfhheinen. 

Maus und Eher find fehr ähnlich gefaltet und in bairiſchen Heren ⸗ 
acten wirb oft des Mäufer oder Facel⸗(Ferlel)machens erwähnt. Myth. 
1044. Dabei bemerlt Grimm, dieſe Plage Tönne mit vollem Fug dem 
verheerenden Hagelwetter zur Seite geftellt werben, das den Hexen gleich« 
fals Schuld gegeben wurde. AI das Charalteriftiihe der fo zufams 
mengeftellten Eber und Mäufe wird nun ihr blintender gleihfam bligen 
ver Zahn betradtet und der Satz daran gefnüpft, der Blitz fei als 
der Teuchtende Bahn des Thieres, des Ebers ober der Maus gedacht und 
fpäter das Thier mit feinem Zahn ibentificiert worden, wodurch nun Maus 
und Blig zufammenfielen. Daraus erllärt ſich der Aberglaube, daß ein 
Stüd Holz von dem Baume, in welchen der Blig im erften Frühlingäger 
witter eingeihlagen hat, als Zahnſtocher gebraucht das Zahnweh heilen foll, 
während auch der verlorene Zahn des Kindes, das bald einen neuen haben 
foll, in ein Mausloch geftedt wird mit den Worten: ‚Mäuschen, id gebe 
dir einen Inöhernen, gieb mir einen eifernen.’ Grohm. 8. 


484 Seelen. Gertrudis mit der Mans. $. 128. 


Wie in der Erzählung des Paulus Diaconus ftatt der Maus eine 
Schlange aus dem Munde des ſchlafenden Königs Guntram kriecht, wie 
nod öfter Mäufe und Schlangen ihre Rollen. wechfeln, fo entfteht aud bie 
Schlange aus dem Blig, den Schiller felbft eine Schlange nennt. 

Da nad ©. 449 auch elbifhe Wefen Seelen find, jo verwundert es 
nicht, wenn von Mäufen oder Ratten erzählt wird, was fonft von Zwergen 
gilt, ja daß man den Mäufen dieſelben Opfer brachte wie ven Eiben. In 
ver Zulzeit hielten die Elben in Mausgeftalt ihren Umzug, darum burfte 
man in den Bwölften die Maus nicht beim rechten Namen nennen, fondern 
mufte Bönlöper (Bodenläufer) fagen. Vgl. Kuhn NS. 411. Aehnlicher 
Vorſicht bediente man fih bei dem Wolf. Wie das Erfheinen des Mor 
disheeres ($. 72), das aus Seelen der Verftorbenen beftand, Krieg vers 
Tündigte, fo ſchloß man auf Krieg auch aus dem Ueberhanbnehmen der 
Mäufe. Der Anführer des Modisheeres ift der Sturmgott Wuotan, ben 
wir für die ältefte Zeit aud als Gemittergott zu denken haben. Ihm 
waren alfo die Mäufe geheiligt, und ſchon darum muß Gertrud $. 110 
an die Stelle der Gemahlin des Gotteß, heiße fie nun Frigg ober Freyja, 
getreten fein: Gertrudis mures a colis mulierum abigit, heißt es bei 
Laſicz. Daß fie wie Freyja Seelen bei ſich aufnimmt, wird außdrüdli ger 
meldet, und dieſe Seelen werden es fein, die ihr als Mäufe den Stab 
hinauflaufen. Der Stab ift das Symbol der Heriaft, ®r. RA. 133. 
Der Sinn diefer Darftellung ift alfo, daß fie den Mäufen gebietet, Mäufer 
fraß verhängt und abwehrt, und da Mäufe Seelen find, fo ift die Herr 
ſchaft über die Unterwelt als Geelenaufenthalt bier noch deutlicher ausge: 
drüdt als es der Stab allein, wenn wir ihn dem ber Gridh vergleichen, 
vermödte. in Beifpiel wie der Mäufeftaß zur Strafe verhängt wird, 
haben wir an der Sage vom Mäufethurm bei Bingen nebft ihrer Sippe, 
melde neuerbing® Liebrecht Ztſcht. |. d. M. Il, 405 meniger befriebigend 
beiproden hatte. Die Vergleihung ergiebt, daß die Mäufe (mira qus- 
dam metamorphosi) aus ven Leihnamen der Gemordeten entjtehen oder 
richtiger als ihre Seelen zu betrachten find. Bur Zeit einer Hungersnoth 
heißt es im Froſchmaͤufeler, 

Als Hatto Bifhof von Meng 

Das Korn famlet in feiner Greng, 

Und arme Leut kamen gelauffen 

Umb für ihr Geld ihm Korn abzulauffen, 
Berfperrt er die in eine Scheer, 

Und ließ fie verbrennen im Fewr; 


8. 128. Setlen. Mänfethurm. Raitenfänger. 485 


Als aber die gefangene Mann 

Ihr Jammergefchrei fingen an, 

Lacht der Biſchoff von bergen grund, 

Sprach mit feinem gottfofen Mund: 

‚Wie jhön können bie Kornmeufs fingen 

Kompt, tompt, ich will euch mehr Korn bringen. 

Bon Stund an fah er Abenthewr, 

Die Meus liefen zu ihm vom Fewr. 
Der Dichter hält nur für ein Gefiht, für die Schreden des Gewiſſens was 
die Sage fi wirklich eräugnen läßt. Die Mäufe liefen aus dem euer 
auf ihn zu, es find die Seelen der verbrannten Armen, die an dem Mör« 
der Rade nehmen. Verwandt ift auch die Sage von den Kindern von 
Hameln f. oben S. 454. Der Rattenfänger hat dad Land von Mäufen 
und Ratten gefäubert; fie waren feiner Pfeife gefolgt und mit ihnen nad) 
der älteften Meldung, Menzel 220, im Koppenberg verſchwunden. Der 
Koppenberg ift der Nabenberg, der Berg um ben die Raben fliegen, 
alfo die Unterwelt. Als ihm der Lohn geweigert wurde, folgten ihm das 
bin aud die Kinder, die man Mäuschen (hol. meisje) nennt. Hier ift 
nicht deutlich, daß die Mäufe von der Göttin zur Strafe geſchidt waren, 
und daß fie eine ſchwerere, den Verluft der Kinder, verhängt, ald die Men- 
ſchen die neue Schuld zu der alten fügen. Unzweifelhaft wird dieß in ber 
nahverwandten Sage vom Lorjher See, wo fih die Plagen fteigern: 
Ameifen, Grillen, Mäufe; aber ebenfo aud die Strafen des vermeigerten 
Lohn, der Verluſt der Schweine, Schafe, Kinder. Auch daß die Mäufe 
Seelen find, wird bier deutlicher: ald Seelen werden aud die Kinder von 
dem Spielmann entführt, der fie wie früher die Mäufe als Hermes Pfycho: 
pompos in die Unterwelt zurüäd nimmt. 

Bir haben oben die in neuer Geftalt erfcheinende Seele von der 
Verwandlung, welche den Leib mit ergreift, unterſchieden; die Sage ver: 
miſcht beides. Wenn eine Here ausfährt, fo läßt fie nah Kuhn NS. 379 
ihren Körper fteif wie ein Flintſtein im Bette liegen, während fie nad 
anderer Meldung fraft der Herenfalbe leibhaft zum Schornftein hinauss 
fährt. So fagt die Yngligaſage 1. 7 von Din, er habe die Geftalt 
zu verwandeln gewuſt. Der Körper lag als fälafend oder tobt da und 
Er war dann Vogel oder Thier, Fiſch ober Schlange und zog in Einem 
Augenblid in die entfernteftien Länder in feinen oder in anbrer Leute Ger 
Ichäften; dagegen c. 6 heißt e3, er babe die Kunft verftanden, Antlig 
und Geftalt zu verändern wie er nur wollte. So taufchten Sigurd und 


» 
486 Zeelen, Verwandlung. Berferkermalh. 8. 128. 


Gunnar Anfehen und Geftalt, jo wechſelte Signy, Sigmunds Schweſter, 
die Geftalt mit einer Zauberin. Eigentliche Verwandlung, bei welder der 
alte Leib ganz umgebilvet wirb, ift es, wenn Riefen al Adler, Drachen 
oder Wölfe erſcheinen, oder Andwari der Zwerg als Hecht, Lofi als Lachs, 
als Weib, als Stute u. |. w. In andern Fällen gleicht die Verwand⸗ 
fung mehr einer Verkleidung, wenn Loki von Freyja oder Frigg ihr Fal⸗ 
tenhembe borgt, ober dieſe Göttinnen ſelber mittels ihres Vogelgewan ⸗ 
des als Falten entfliegen, oder Wallüren ald Schwäne oder wie Liod in 
Krähengeftalt; auch Sigmund und Einfiötli bedurften Wolfshemden, in die 
fie fuhren um Wolfsgeftalt und damit auch wölfiſchen Sinn anzunehmen, 
wenn es gleih die Sage fo barftellt als hätten fie die Molfsfelle nur 
zum Berfuch angelegt und hernach nur nicht mehr herausgelonnt. In 
den neuern Werwolfsſagen bedarf es der Wolfdgemänder (ulfahamir) 
nicht mehr; die Anlage des Wolfsgürtel3 genügt, fih zum Werwolf (loup- 
garou) umzuf&affen. Der Geſtaltwechſel ift mit Ausnahme des Auges, 
das unverwandelt bleibt (Maurer II, 103), ein vollftändiger; auch die 
thieriſche Wildheit, auf die ed beim Werwolf nädft der Kraft abgefehen 
iſt, theilt fih mit, Darum vermuthet auch Maurer S. 105 mit Recht, 
daß die Berſerkerwuth, bei welder fih nur die Leidenſchaft fteigerte 
und zugleid die leibliche Kraft in folhem Maße erhöht, daß fie Thieren 
glihen, ohne daß doch deren Geftalt angenommen wurde, gleichwohl 
als eine fpätere Abſchwaͤchung jener Verwandlung in milde Thiere an: 
zuſehen fei. Hören wir ihn jelbft: ‚Wöllig hiemit übereinftimmend. wird bes 
ſchrieben wie die Berferker, fobald fie ver ihnen eigenthüämliche Zuftand befiel, 
in volltommen thieriſche Wuth geriethen: fie heulen wie wilde Thiere, 
Sperren den Rachen auf und reden die Zunge heraus, ftoßen Schaum aus 
dem Munde, knirſchen mit den Zähnen und beißen in ihre Schilde; zu⸗ 
gleich werben fie unnatürlich ftart und meinen für euer und Eiſen un: 
verwundbar zu fein; in ihrer Wuth verfhonen fie nicht? was ihnen in 
den Weg lommt; nad überftandenem Anfall find fie um fo ſchwächer und 
nahezu völlig kraftlos; durch Anrufen endlich bei ihrem Namen wird aud 
wohl der Zuftand fofort befeitigt, ganz wie das Beſchreien auch fonft zau⸗ 
beriſche oder übernatürlihe Vorgänge und Verrichtungen ftört. Bon wirt: 
lichen Verwandlungen in fremde Geftalten ift bei den Berfertern allerdings 
nicht mehr die Rede. Daß aber in Bezug auf fie urfprüngli die gleiche 
Vorſtellungsweiſe herſchte, zeigt, daß von König Harald erzählt wirb, er 
habe in feiner Umgebung eine Schar von Berfertern gehabt, welche ulf- 


9. 128. Setien. Ardien. Ierwifde. Elunti 487 


hedhnar geheißen hätten, .d. h. Wolfsgewandige; dabei deutet die Sage 
freilich diefe Bezeichnung dahin als hätten jene Kämpfer Wolfspelze über 
ihren Panzer getragen; es ift dieß indes offenbar nur ein jpäteres Mife: 
verftändnifs.’ Demgemäß erflärt auch Sveinbiörn Egilsson das Wort 
berserkr nidt von berr bar und serkr Gewand, fondern von berr ber 
Bär, was den Glauben an Verwandlung in Bärengeftalt neben der in 
Wölfe vorausfegen würde. 

Daß die Seelen au in Geftalt anderer Thiere, als Wiefel, Müden, 
Hummel u. f. w. erſcheinen, ift befannt genug. So wird in Tyrol die 
Kröte für eine arme d. h. büßenbe Seele gehalten und ihrer Haͤßlichkeit 
unerachtet mit Schonung behandelt. Vernaleken Alpenf. 128. Ueber hie 
als Pflanze fymbolifierte Seele vgl. den Aufjag Koberfteins im 5. Heft 
des Weimarſchen Jahrb. Daß fie aud als Licht erjheint, fehen wir 
aus den Märden von den Probeftüden des Meifterbiebes BM. 21. 
KM. 192, und dem Glauben an die Irrwiſche, Heerwiſche, auch feuer: 
männer, Wiefenhüpfer, Marchegger, Lüchtemännetens genannt. Das Bolt 
hält fie bald für Seelen ungetaufter Kinder, bald für verdammte Geifter 
ungerechter Feldmeßer; oft haben fie auch ven Grenzftein verrüdt und 
müßen ihn nun in der Hand tragen und rufen: ‚wo feß ich ihn bin, wo 
feß ih ihn hin?’ Antwortet aber Giner: ‚mo du ihn hergenommen haft‘, 
fo find fie erlöft. Mit den Worten: ‚ih wel net glöhnig gohn‘, weift der 
niederrheinifhe Bauer jede Anmuthung zurüd, die er für Unrecht hält, 
Diefe Irrwiſche heißen Tüdebolve, was in Didepöt entftellt wird; der 
Name Hüdepöt Tann daher tommen, daß fie den Leuten gerne aufhoden 
wie tobolvartige Gefpenfter. Bei Müllenboff 168 heißen fie Tummelbint, 
was von ihrer haftigen Bewegung herfommen fann, auf die Myth. 869 
auch ber Name Tüdebold bezogen wird, von Zuden, Hin: und Herfahren, 
wie ‚Suchtelmänner‘ ähnlich zu deuten if. Sie weiſen aber aud oft ven 
echten Weg und leuchten für ein Trinkgeld aus dem Wirthshaus heim. 
In Weſtfalen nennt man fie Schnätgänger, vermuthlich weil fie in der 
Furche geben, die durch ihren Aderfrevel verrüdt worden if. Wenn fie 
hier mehr als Gefpenfter erſcheinen, fo verräth doch der Name Elflicht 
ihre Verwandtſchaft mit Elben und Wichten. 

2. Gefpenft fommt von spanan, praet. spuon, deſſen Urbegrifi 
Toden ift; das Gefpenft will alſo verloden, zum Böfen bereden; es grenzt 
an teuflifhe Eingebung und Beredung, M. 866. Auch Spuk könnte 
Berebung heißen, wenn es mit bem engl, to speak, unferm Sprechen, 


488 Gefpenker. Spuk. Sahsende Schüler. 8. 128. 


zufammenhienge. Altnordiſch heißt der Spuk draugr, dem hochdeutſchen 
gitroo entſprechend: es bezeichnet die gefpenftiihe Erſcheinung als eine 
trügende, als ein Phantom. So wird ſchon von elfiihem gitroo geſpro⸗ 
hen. Der draugr heißt auch dölgr (Feind): er wird oft bargeftellt als 
von Feuer umgeben, er brennt in hölliihem Zeuer, und das zeigt den 
Uebergang in die Irrlichter und Feuermänner, von denen ſchon bie Rede 
war. Ein anderer nordifher Ausdrud ift aptragängs, dem franzöffhen 
Revenant entfprehend; es ift ein unfeliger Geift, der umgehend ſpulen 
muß. In Tyrol heißen fie Püge; am Lechrain wird Spulen Weizen 
genannt. Leop. 112. Der Spuf ift an das Haus gebannt, nicht wie der Haus⸗ 
geift an die Familie gebunden, Oft kann ein folder fpufender Geift noch erlöſt 
werben, gewöhnlich ‚Indem ein anderer für ihn thut und ausrichtet was er 
felber bei Lebzeiten hätte thun follen: dann findet der Todte Ruhe im 
Grabe. Diefe Erlöfung fuhenden Geifter berühren ſich mit den Schlüßel« 
jungfrauen $. 116, die um alte Burgen ſchweben und einen Schap in 
der Tiefe der Burg bewachen, der unrechtmäßig erworben ift, jept aber 
feinen Herrn mehr hat und bem zufällt, der die Bedingungen zu erfüllen 
wagt, an die fein Befig und bie Erlöfung der Jungfrau genüpft ift. Ihre 
Verwechſelung mit den Schidſalsſchweſtern haben wir früher wahrgenom ⸗ 
men. Ein ſpulender Geift ift jedoch meift feiner Erlöfung fähig ; er kann 
aber in eine Ginöde ober in einen Sumpf, in das ‚rothe Meer’ verwielen 
werden. Gin Geiftliher kann ihn nur bannen, wenn er rein ift: ihm felbft 
darf feine Schuld zur Laft fallen, fonft werhöhnt ihn der Geift und vers 
räth feine Unthat. Oft wirft er ihm fehr unbebeutende Vergehen, ſehr 
laßliche Sünden vor, z. B. er habe einmal eine Feder geftohlen, worauf 
der Geiftlihe wohl antwortet: ja, um das Wort Gottes damit zu ſchrei⸗ 
ben. Selbft ein Haͤlmchen Stroh, das an feinem Kleide hängen geblieben 
iſt, zieht ihm die Schelte ‚Strohdieb’ zu. Der Uebergang dieſer bannens 
den Geiftlihen und Mönde in Teufelsbanner von Profeffion liegt nahe. 
Die fahrenden Schüler, welche das Geſchaͤft des Teufelsbannens vorzugs ⸗ 
weiſe trieben, waren urſprunglich angehende Geiſtliche; oft aber werben 
fie gar zu Zauberern, wobei der Unterſchied zwiſchen gutem und böfem 
Zauber nicht beachtet zu werben pflegt. Der in den Sumpf gebannte 
Spufgeift kommt aber feiner alten Wohnung aljährlid oder alle 7 Jahre 
wieder einen Hahnenſchritt näher bis er aufs Neue davon Beig nimmt 
und fein Poltern und Rumoren toller treibt al3 zuvor. Vgl. Kuhn WE. 201. 
Dft ftellt der Geift aud Bedingungen, unter denen er fih bannen laßen 


8. 198. Gefpenfer. Stadigeifer. Yampyr. Safenthler. 489 


will, und zuweilen läßt fid der Teufelsbanner verbläffen, ihm darin zu 
wilfahren; zeigt er fih unnadgiebig, fo muß ihm ver Geift gehorchen. 
Die Aehnlichteit biefer in den Sumpf gebannten Geifter mit Grendel ift 
auffallend; aber jener wohnte von Haufe aus im Sumpf, biefe werben 
nur dahin vertiefen; aud) konnte Grendel noch getöbtet werben, biefe nicht, 
weil fie Geifter der Verftorbenen find. Aber ſchon Grendels nächfter Ver⸗ 
wanbter, das Schretel, da8 mit dem Waßerbären fämpfte, wird nicht mehr 
getöbtet; es hatte ſchon eine Vergeiftigung erfahren. Es giebt aud Stadts 
geifter und Dorfgefpenfter;; fie erſcheinen gern als kopfloſe Gapuziner und Jes 
fuiten, als breibeinige Pferde und Hafen u. f. m. Ueberhaupt lieben aud 
die Gefpenfter Thiergeftalten anzunehmen: die des Bods, weil er Thoͤrs 
Ihier ift, wie der Teufel felbft gern als Bod erſcheint; als Kate, meil 
fie Freyjas Thier ift, weswegen fih auch Hexen in Katzen wandeln; als 
Hrungendes Schwein, weil der Eber Freys Thier ift; als Krähen und Ras 
ben, vielleiht weil der Rabe Odins Thier ift und alle diefe Götter im 
Vollsglauben zulept zu Teuſeln herabſanlen. Solche Geſpenſterthiere er- 
feinen oft nur zu gewiſſen Zeiten, wie das fog. Frafaftenthier in den 
Feonfaften zu erſcheinen pflegt, den Fronfaſtenweibern entſprechend. Die 
Fronfaſtennacht ift der Mittwoch vor Weihnachten (Stöber Neujahrzftollen 67), 
die auch Sträggelnadt heißt. Sträggele ift ein Gefpenft, mit stryx und 
striga verwandt und oft ald Here gedacht. Strir heißt aud der Nacht⸗ 
vogel, die Eule, und dieſe felbft gehört zu ben unheimlichen, oft zu den 
geſpenſtiſchen Thieren, Die häplichfte Art won Gefpenftern, die Bampyre, 
erjheinen leider aud bei und. Burchard von Worms (Anh. XXXIX) 
weiß, daß man die Leichen der Kinder mit einem Pfahl durchſtach, damit 
fie nicht umgehen und den Menſchen ſchaden möchten. Das geſchah auch 
den Müttern, die bei der Entbindung geftorben waren (XI.) Doch kann 
diefer Glaube galliſch fein und Anderes der Art aus flavifchen, litthauiſchen 
und finnifhen Gegenden eingedrungen. Vgl. Kuhn WS. 175. Der Vam⸗ 
por beißt Nachzehrer (Kuhn Märl. S. 30); man hatte dem Todten den 
Zehrpfennig mitzugeben verfäumt. Vgl. Temme Pom. 6. 258. Was 
fonft ald Bedingung angebornen Glüds betrachtet wird, die mitgebrachte 
Haube ift hier Anlage zum Vampyrismus. Bol auch Preußiſche S. 86 
und 6.275, wo der Vampyr Blutfauger Heißt. Der Bampyr berührt 
fi mit dem drüdenden Alb oder der Trud (S. 475), die gleichfalls Geifter 
der Verftorbenen find, und in biefer Geftalt ift wohl der Glaube deutſch. 
Ja wenn wir Bingerle hören, jaugt die Trud die Leute wie der Vampyr 


4% Seren. Dikbodenberg. Befenberg. 8. 199. 


(Bingerle Sitten 190), was uns erft über den Grund ihres Drüdens 
Aufſchluß gäbe. ine beßere Erllärung ſcheint indes, daß die aus ber 
Walküre Thrud herabgefuntene Drut die Menfhen drüdt ober reitet, weil 
fie zur Schlacht reiten muß. (S. 458). 


129, Segen, 


Das Wort Here erfeint.in ältern Schriften in einer boppelten Form, 
einer nieberbeutfchen, die bald hagedisse, bald hagetisse lautet, während 
die hochdeutſche hagezisse oder hagezusa für die tenuis in der nieder 
deutjhen Form fimmen würde. Grimm M. 992 nimmt es für ein abs 
geleitetes Wort, da er aus dem altn. hagr dexter, artificiosus beutet: 
‚Here iſt ein lluges, verfhmigtes Weib.’ Es könnte aber aud ein zu: 
fammengefegte3 fein, deflen erfter Theil auf Hag, Hagen (Hain) zurüd- 
gienge. Schwieriger wäre die andere Hälfte der Zufammenfegung zu deu⸗ 
ten, da fie im Anlaut zwifhen d und t ſchwankt. Dürfte man d in disse 
für die richtige Form des Anlauts nehmen, fo würde er an die göttlichen 
Jungfrauen, die Difen erinnern, die in dem Merfeburger Heilſpruch Idiſi 
heißen. Im Heliand ift Idis, im Otfried Jtis die h. Jungfrau. Uber 
aud in Deutſchland finden fih Spuren, daß ber Anlaut J abfällt, wie 
bei den norbifchen Difen. So in ber Interrogatio fidei bei Nafmann 68, 
wo von disageldon, den Difen gebradten Opfern, die Rebe iſt. Auch 
daß die Holländer Disdag in Disendag entftellen, wird durch die Difen 
vermittelt fein. Den Difibode nberg an der Nahe, der au Difenberg 
beißt, halte ich für einen Berg der Difen: feinen Boden haben die Difen, 
die göttlichen Jungfrauen, ſich zum Aufenthalt erkoren; oder wäre an einen 
Boten der Difen zu denken? Die Legende dieſes Glaubensboten ſcheint 
die heil. Hildegard erfunden zu haben: für einen iriſchen Heiligen Hänge fein 
Name fehr deutſch. Ferner wird der aus Difenberg entftellte Defenberg 
bieher gehören. Nehmen wir diefe Herleitung des früh verbuntelten Wor: 
tes an, fo erflärt fi auf demfelben Wege das Wort Eidechſe, die nah 
M. 993 gleichfalls Hagediſſe heißt. Die Eidechſe ift ein unheimliches 
Thier; fie foll aus fleifhliher Vermifhung der Keren mit dem böfen 
Feind berühren. Leopr. 88. Hiernach wären aljo die Hagediffen Wald: 
göttinnen, Waldnymphen, den Dreaden und Hamadryaden der Alten ver 
gleihbar, unfern Waltüren am nächften verwandt, in deren Amt und Mürde 
wir die Idiſen kennen lernen. Die Walkuren reiten Wollenroſſe, welche 


$. 19. Hera. Wunfgmäden, Ichwanenmänden. 491 


die Wolfen felber beveuten: aus ihren Mähnen träuft Thau und Hagel; 
das macht die Felder fruchtbar (S. 376). So find die Heren Wetter: 
maderinnen: ver Bezug auf die Fruchtbarkeit der Erbe ift beibehalten, 
aber in fein Gegentheil umgeſchlagen. So brachte au der Umzug ber an 
der wilden Jagd theilnehmenden Götter, wozu Einheriar und Waltüren 
gehörten, Segen und Gedeihen, was wir gleichfalls in fein Gegentheil ver⸗ 
tehrt fahen. Noch heißen die Heren in niederdeutſchen Gegenden Wäls 
tiderste (6. 458), was fie deutlich als Walküren bezeichnet, Sie ber 
dienen fi zu ihren naͤchtlichen Nitten fremder Pferbe, die dann Morgens 
ſchweißbededt im Stalle ſtehen. Auch ſchlafenden Burſchen werfen ſie den 
Zaum um den Kopf, verwandeln fie in Pferde und reiten auf ihnen hinaus; 
am andern Morgen find fie danı erjchöpft und zu aller Arbeit untüchtig. 
Roh im 11. Jahrh. war nah Burchard von Worms der Olaube ver 
breitet, daß gewiſſe Weiber des Nachts bei verſchloßenen Thüren in bie 
Höbe gehoben würden, wo fie mit Anbern Tämpften, Wunden empfiengen 
und Wunden verfegten. Dieß ift die einfachite Meldung, die fie noch 
ganz als urlogtreibende Walküren erfdeinen läßt. Nach andern 
gleichzeitigen, die ſogleich erwähnt werben follen, glaubten fie dabei in 
Holdas Geleit aufgenommen mit unzählbarer Menge geifterhafter Frauen 
durch die Luft zu fahren. Diefes Geleit der Frau Holda, die mit 
Freyja zufammenfält, lennen wir fhon als aus Walfüren und Elben 
beſtehend. 

Die Walkũuren hießen auch Wunſchmädchen, in Deutſchland Wünfchels 
wip, ein Name, der auch für Heren begegnet; fie hießen ferner Schwanen« 
mädchen, weil fie fih in Schwäne wandeln. Vielleicht hängt damit die 
Herenprobe zufammen. Belanntlih warf man die der Hererei Angeflagten 
ind Waßer: fanten fie unter, fo galten fie für unſchuldig; ſchwammen fie 
aber oben, fo waren fie Heren, d. h. Walküren, Schwanenmädchen, Myth. 
1028. Giner Here hatte ber Teufel verſprochen, ihr bei der Waßerprobe 
eine Eifenftange zu bringen, damit fie unterfänke; er hielt auch Wort und 
brachte ihr die Stange; es war aber eine Nabel: die Here ſchwamm oben 
und ward verbrannt, 

Aus den Schwänen hat die fpätere Volksſage Gänfe gemacht, S. 409. 
Ein Jäger, der fi auf Zauberei verftand, lud eine geweihte Kugel in 
fein Gewehr, um nad Wildgänfen zu ſchießen, ſchoß und traf eine Gans, 
welde herab ins Gebüſch fiel. Als er hinkam, fand er ftatt der Gans 
eine nalte Frau da figen, in welcher er die Haatſchneiderin aus der Stadt 


492 Heren. SHerenfahrten. Valpurgisnacht. 8.129. 


ertannte, vie mehr als das Vaterunfer konnte. Baader 337. Ein ans 
derer Jäger ſah plöglih ein Gewitter auffteigen, von dem er muthmaßte, 
es ſei durch Hexerei entſtanden: er ſchoß mit ‚einer geweihten Kugel in 
die dichten Wollen. Da fiel ein naltes Weibsbild todt zur Erde, worauf 
dad Gewitter fih augenblidlid verzog, Baader 337. Wenn die Heren 
zum Blodöberg ziehen oder nad andern Bergen und Orten, die früher 
dem Dienft heibnifcher Götter geweiht waren, mad man Herenfahrten 
nennt, wenn fie dort den Zeufel verehren und an feinem Gelage Theil 
nehmen, fo ſcheint hier Wuotan, feltener Donar in den Teufel verkehrt; 
die Heren wollten an feinem Göttermal teilnehmen, wie die Waltüren 
dabei als Schenkmädchen dienten. Auf das Schenlamt der Waltüren in 
ODdins Saal deuten mehrere Züge, die von ben Herengelagen berichtet 
werben. Bei Kuhn NS. Nr. 33 wird ein Maitagshorn erwähnt, deſſen ſich 
die Heren in der Walpurgisnecht bedient hatten, und das ber Knecht 
eines benachbarten Gutöbefigerd entwandte und feinem Herrn überbrachte. 
Darauf gaben ſich die Heren große Mühe, das Horn wieder zu gewinnen. 
Ein feingelleiveter Herr läßt fih andern Tags bei dem Herm melden und 
verſpricht feine Vefigungen mit einer 7 Fuß hohen Mauer zu umziehen, 
wenn er das Horn zurüdgebe ; im andern Falle folle fein Gehöfte dreimal 
abbrennen, gerade wenn er fih am reichften dunke. Letzteres geſchieht auch, 
weil er das Horn nicht zurüdgab; der König ließ ihm aber Alles wieder 
aufbauen. Das Horn fhidte man überall umher, um zu erkunden, wo: 
ber es ſtamme; das war aber nicht herauszubringen. Vgl. Müllenhoff 
Nro. 294. 5. 

Die die Waltüren fpinnen aud die Hesen Geſchide. ‚Wat fittft du 
daer all wedder unn fpinnft, du ole verfluhte Her‘, rief ein Sonntagstind 
einer Here zu. Da rief fie zurüd: ‚Sönten, Sönfen, laet my doch myn 
Faden fpinnen‘, und augenblidfih jaß er unter einem Haufen Bauholz, 
wo bie Leute ihn mit Mühe hervorzogen. Müllenhoff Nr. 217. 

Aus dem Walfürenglauben konnte der Herenglauben ſich um fo 
leiter entwideln als wir fahen, daß auch irdiſche Jungfrauen unter der 
Bedingung jungfräulihen Standes und friegerifhen Gewerbes zu Waltüren 
werben und in Wuotans und Frouwas Dienft eintreten fonnten, wie wir 
dad an Brynbild und der mehrfach wiebergeborenen Swawa gejeben haben. 
Zuletzt ward fie als Kara wiebergeboren: diefe erſcheint ald Zauberin mit 
dem Schwanenhemd und ſchwebt fingend über ihrem Helven. Helgi aber, 
der gleichfalls zum brittenmal wierergeboren war, hieb einft im Kampf 


$. 129, Seren. Mara. Kälbereitt. 498 


zu bod mit dem Schwert in die Luft und ſchlug feiner über ihm ſchwe⸗ 
benden Kara den Fuß ab: da fiel fie zu Boden und fein Glüd war zer 
ronnen, FAS. II, 374. Aus dieſem Glauben an menjhlihe Waltüren 
erllärt es fih, wie die Nachtfahrerinnen waͤhnen fonnten, in den Dienft 
Holdas aufgenommen zu fein und in ihrem Geleite zu fahren. Die Wal 
türen erlannten wir al3 Vervielfältigungen der Freyja, mit der fie fih in 
alle ihre Aemter theilen. Der Freyja war aber die Kape heilig: fie fuhr 
mit einem Kahengeſpann, und noch jeßt fagt man, wenn eine Braut bei 
ſchoͤnem Wetter zur Trauung geht, fie habe die Kate gut gefüttert. Daraus 
erflärt fih, warum die Kape das Thier der Nachtfrauen und Heren ift, 
und diefe fih gern in Kagen wandeln. Nah dem Bolfäglauben wird 
eine 20jährige Kahe zur Here und eine lOjährige Here wieder zur Rage. 
Feeyja heißt nun in Deutſchland gewöhnlich Holva, und in Frau Hollas 
Geleit fahren die Heren aus wie die Waltüren in Frepjas: darum heißt , 
die Herenfahrt in vielen Gegenden Hollenfahrt. Hilde, eine der Wallüren, 
haben wir als Freyja felber erfannt und als Pharailvis wiedergefunden, 
deren Namen aus Frau Hilde, vielleicht als fahrende Hilde zu deuten ift. 
Pharaildis fahen wir aud Herodiad genannt. Burchard von Worms bes 
zeugt nun, daß gewiſſe gottlofe Weiber geglaubt hätten, mit der Diana 
oder Herodias, die er an einer andern Stelle, Anh. XXXVI, aud Holda 
nennt, bei Nachtzeit, auf Thieren reitend (super quasdam bestias) 
auszufahren: gerade jo dachte man ſich fpäter die Herenfahrten. Den Nas 
men Heren gebraucht Burchard noch nicht; er nennt fie soeleratge mu- 
lieres retro post Satanam conversae; fie find vom Chriſtenthum ab, 
ins Heidenthum zurüdgefallen. Das eben foll diefe Ausführung darthun, 
daß der Herenglaube auf deutſchheidniſchen Grundlagen ruht und aus ber 
griechiſchen und römifchen Welt nicht abzuleiten if. Wo aber fände fi 
im deutſchen Heidenihum diefer nächtliche Nitt auf Tieren? 

Den Waltüren felbft werden nur Woltenroffe beigelegt; aber zugleich 
leſen wir von übelthätigen riefigen Bauberweibern, daß fie Nachts auf 
Wölfen ritten und Schlangen zu Zäumen hätten. Cine folde begegnete 
dem Hedin am Julabend und bot ihm ihre Folge (fylgdh) gleich einer 
fhügenden Waltüre (Myth. 1006). Er fälug fie aus; aber noch am 
felben Abend mufte er e3 bei Bragis Becher entgelten. Auf dem Wolfe reir 
tend wird D.-49 aud Hyrrodin geſchildert; Freyja dagegen reitet im 
Hyndluliodh bei finfterer Nacht auf ihren Eber zur heiligen Walhall, mähs 
end Hyndla, die fie ihre Schweſter nennt, fih des Wolfes bedienen fol, 


4% Hexen. Chanfkreiheriumen. Trudennacht %. 199. 


Es find nun allerbings ‘andere Thiere, Kälber und Böde, Myth. 1011, 
welhe nad; dem Vollsglauben die Heren reiten; aber ver Tauſch kommt 
wohl auf Rechnung unferer bürgerlichen Buftände: im 14. Jahrh. find es 
in einer Ueberſetzung unferer Stelle (Anh. XLIT) noch Waldthiere, worauf 
die meinthätigen Weiber reiten. Vergeßen hat aber aud) die deutſche Gage 
ſolche Ritte nicht. . Bei Baader 16 kommt der Teufel auf einem Schwein 
geritten. Xgl. Panzer II, 97. 308. Bernaleten Defterr. S. 113. Bon 
bun B. 75. 

Wie wir bier auf Freyia, daS Haupt der Walfüren, gewieſen wer: 
den, fo deutet auf Holda die Wahl der Berfammlungspläge; es find folde, 
mo vor Zeiten Gericht gehalten oder Opfer gebracht wurden, M. 1003. 
Welden Bezug aber Holda zu den Gerichten und Freifteinen hatte, fahen 
wir $. 114. Selbſt die Beſchuldigung, daß die Heren Mäufe machten, 

. rührt unmittelbar auß dem Glauben an bie hödften Böttinnen ber, melde 
bald um Abmwendung des Mäufefrapes angerufen werden, bald ihn zur 
Strafe über die Menfhheit verhängen. Vgl. ©. 403. 

Wenn hienach die Herenfahrten aus den Umzügen der Holla oder 
Frouwa entftanden find, und Nornen und Waltüren den Heren zu Grunde 
liegen, fo find dod in den Herenglauben aud noch von andern gött- 
fihen Weſen Züge aufgenommen, namentlich von Riefen und Elben, was 
um fo weniger verwundern kann als Frau Holda die Aönigin der Hein- 
en und Elben if. So will Grimm 1009 die Herentänze auf die Iuftir 
gen Tänze der Elben bejogen wißen, die man Nachts im Mondſchein auf 
Biefen ihre Reigen führen ſah und Morgens ihre Spur im Thau er 
tannte. So heißen die Heren Thauftreiherinnen (daustrickers): fie frei 
hen oder ftreifen den Thau von fremden Wieſen, um die eigenen damit 
fruchtbar zu machen, M. 1026. Andere Grinnerungen an den Elbenglau« 
ben werben und ſogleich begegnen. 

Die älteften Nachrichten von jenen Frauen, welche in Holdas Geleit 
nachtlich auszufahren glaubten, gedachten noch des Teufeld nicht: erft fpär 
ter drängte er fih ein, indem er an Wuotans Stelle trat, an deſſen Göt ⸗ 
termal die nadtfahrenden Frauen Theil zu nehmen glaubten. An Wuotan 
gemahnt es ſchon, wenn die Heren M. 1024 ‚Mantelfahrerinnen‘ 
heißen. Sie bevienen fid feines Mantels, wie dad aud) Freyja darf, von 
der es auf die Mutter Gottes übertragen ift, die in weiten Mantel ge: 
hullt dargeftellt zu werden pflegt. Daß ſich die Heren mit dem Teufel 
verbinden und vermifchen und zu Walpurgis (Trudennadt Leopr. 176) 


8.129. Seren. Blocksberg. Tenfelsuamen. Serenfchug. 48 


diejenige unter ihnen, an welcher der Teufel vorzüglihes Gefallen hat, zur 
Herentönigin ermählt wird, hängt wohl mit dem Hochzeitsfeſte Wudtans 
und Frouwas zufammen, das nah 6.223 um diefe Zeit, der monnigften 
des Jahres, begangen wird. An die bei dieſer Hochzeit geſchlungenen 
Feſttaͤnze Mnüpft wohl aud der Vollsglaube an, wonach die Heren in ver 
erſten Mainacht ven Schnee vom Blod3berge mwegtanzen fellen, Kuhn NE. 
376. Zeitſcht. V, 483. Ueber andere Herentanzpläge Kuhn WE. 133. 

Aus der Vermiſchung des Teufeld mit den Heren geht nad dem 
Vollsglauben keine menſchliche Frucht hervor, fondern elbifhe Weſen, welche 
Dinger (wihtir), Elbe und Holven heißen. Bald follen es Schmetterlinge 
fein, bald Raupen oder Würmer; aud in Haut, Eingeweiden und Knochen 
der Menſchen ſollen ſolche Dinger oder ‚Holdelen’ ihren Aufenthalt nehmen 
tönnen, denn ihrer bebienen fi die Heren, um Krankheiten und Geſchwulſt 
bei Menfchen und Bieh herworzubringen, Myth. 1024. So erſcheint auch 
ihr Buhler, der Teufel, in der Geftalt des Albs ober Schmetterlings. 
Elbiſche Bezüge find ferner Myth. 1015 in den Eigennamen nachgemiefen, 
welche der Teufel ſich als Buhler der Heren beilegt; viele find von“ heile 
träftigen Kräutern hergenommen und fiher aus ältern Elbennamen ent 
fprungen: fie zeugen nod wie ‚Wohlgemuth, Blümdhenblau, Lindenzweig‘, 
von ſchuldloſer Phantaſie. Andere lauten koboldartig und erinnern an 
unfere Hausgeifter, und felbft die beventliher Hingenden wie Raffezahn, 
Binfebant u. ſ. w. Tönnen von Schraten und Waldgeiftern herrühren. So 
erſcheinen au die Heren ſelbſt unter Blumennamen wie im Sommernachts: 
traum Elfen Bohnenblüthe und Senffamen heißen, Kuhn Ziſchr. XII, 127. 

Auch das Entfehen und ver Elbſchuß 457 ift auf die Heren übers 
tragen; jedoch kommen Herengefhoße ſchon früh neben Afen- und El⸗ 
bengeſchoßen vor. Bon Herengejchoßen wie jonft von Elbengeſchoßen ift 
mehrfah die Rede, M. 1014. Leidet Jemand an Steifheit im Kreuz, 
fo fagt man, er habe einen Hexenſchuß. Den Heren wird nicht bloß böfer 
Bid zugeſchrieben, Myth. 1053, worauf ſchon ihre rothen, triefenden Augen 
deuten, und bie feltfame Geftaltung ihres Augapfels, M.1034; fie pflegen 
aud denen, welde fie belauſchen, die Augen auszublafen, Baader 69. Ein 
Handwerlsgeſell kam an die Thür eines Felſenkellers, aus dem Gefang 
und Spiel herauftönte. Da fie verfhloßen war, fhaute er durch das 
Schlüßellodh und gewahrte, daß der Keller hell erleuchtet war und darin 
gezecht und getanzt wurde, au an ber Wand ein Pferd angebunden ftand. 
Sogleich fagte eine Frau der Sippſchaft zu einer andern: ‚Geh, blaſe 


496 deren. Glohenhaf. St. Eaffushunde. & 1299. 


das Licht aus‘, worauf diefe durh das Schlüßelloh dem Gefellen ins 
Auge blie, daß er augenblidlich erblindete. Xierüber entfegt, ſchrie er 
dreimal: ‚Um Gottes Willen macht auf!" Da flog die Thüre auf und 
Heren und Teufel ftoben auseinander. Der Geſell gieng nun in ben 
Keller und fand, daß fein Ausruf alles Blendwerk zerftört hatte: das 
Ehen war Viehkoth, der Wein Roſspiſſe geworden und das Pſerd in den 
Knecht der Here verwandelt: fie hatte ihn im Schlafe gezäumt und dahin 
geritten, während ein Gebund Stroh im Bette neben ihrem Mann ihre 
Stelle vertrat, Baader 69. So konnte fhon Odin nach Yngligaſ. 7 ber 
liebige Geftalt annehmen, während fein Körper ſchlafend oder tobt da 
lag. Daß hier die Zufammenkunft der Heren nicht, wie gewöhnlich, auf 
einem Berge, ſondern unter der Erde, im Keller Statt hat, erinnert daran, 
daß ed nah ©. 425. 465. u. |. w. verſchiedene Vorftellungen über den Him- 
mel gab, ver bald im Berge, bald im Schooß der Erde gedacht ifl. So 
läßt Kaifersberg nah M. 1088 die nadıtfahrenden Frauen im Venusberg 
(ogl. Venesbeig M. 1014) zufammentommen, wo gutes Leben, Tanzen 
und Springen ift. Nicht anders geht es aud in Laurins Berge zu, wo 
Bwerge die Fievel ſtreichen, ſo daß man zur Grllärung der Herentänze 
auf nähtlih im Mondſchein tanzende Elben nicht zurüdzugehen brauchte, 
Im die Unterwelt fehen wir und auch verfept, wenn nach dalelarliſcher 
Ueberlieferung der Teufel bei der Herenverfammlung nicht den Hochſih 
einnimmt, jondern unterm Tiſch gebunden an einer Kette liegt, wie nad 
Sazo in der Hölle Utgarthilocus, in dem der gefeßelte Loki nachtlingt. 
©. 274. 5 

Aus dem Glauben an übelthätige Riefenweiber, S. 423, find 
die meiften Züge, felbjt das Verbrennen $. 144, auf die Heren über 
tragen. Ja hier liegt eigentlich die flärkfte Wurzel des Herenglaubens. Mit 
dem Niefen haben die Hexen ven Glodenhaß gemein. Glodengeläute 
tar ihnen Hundebellen und die Gloden ver hiefigen Haupilirhe nannten 
fie St. Caſſiushunde. Wie die Niefen froftiger Natur zu fein pflegen, fo 
erleben auch die Heren keinen warmen Tag ald den an dem fie verbrannt 
werden. Kuhn WE. 134. Daß fie nur verderblich wirten und mit der 
Abſicht zu ſchaden handeln, fann ihnen nur von den Rieſinnen kom 
men. Wenn Grimm M. 1028 fagt: ‚Diefe rummnafigen, ſpidkinni ⸗ 
gen, bänglippigen, ſchiefzahnigen, raubfingrigen Weiber ftiften Mebel ohne 
daß es ihnen nügt. — Diefer eine Zug hätte über den Grund aller 
Hererei die Augen öffnen follen‘, fo verftehe ih das in anderm Sinne 


8.19. Seren. Prieferiunen. Sitab und Zieh, 497 


als er jelber: es zeigt mir den Urſprung des Herenglaubens aus bem 
an die Riefen, die auch den Menfhen Sonne und Mond, die jhöne Jahres: 
zeit zu rauben gedachten, nicht um fi damit zu bereichern, nur um ber 
Welt im Eife des Winters erftarren zu laßen. Freilich ſchon in der Edda 
beräbrten fi die Riefinnen mit den Walküren: ‚skass valkyria‘ ſchilt 
ESinfitli Helgalw. II, 38 den Gubmund, und Nachtreiterinnen (kvedri- 
dur) gemorbet zu haben rühmt fi Ali gegen Hrimgerbr, die als Rieſin 
ſelbſt ein ſolches nachtſahrendes Weib it. Nah Sinfiötlis Schelte wird 
die Niefin felber geritten: ich halte das ſchon für eine Umkehrung wie 
vie 6. 458 erwähnte. Daß fie Wölfe ritten und Schlangen zu Bäumen 
hatten ift ©. 493 erwähnt, Die Heren reiten nicht bloß fremde Pferde, 
fondern auch Menſchen, die fie zäumen und fo in Pferde verwandeln; im 
Baltürenglauben ift das nicht nachzuweiſen; bei Alben und Maren fommt 
es nur vor, wo fie in Riefinnen übergehen. 

Aud von den altdeutſchen Priefterinnen $. 137 hat fih Mandes 
auf die Heren vererbt, namentlich der Opferlepel und der Bauberftab. Bol. 
was $.138 über die Sudkunft gefagt wird. In der heidniſchen Zeit konn⸗ 
ten die Frauen Priefterinnen werden, ja einige Frauen genoßen faft gött: 
licher Verehrung; jegt im der chriſtlichen Zeit folten fie nicht einmal mehr 
priefterliher Würde fähig fein. Diefe Herabwärdigung duldeten fie nicht: 
fie erhielten fih noch lange im Befig geheimen Wißens, und fuhren fort 
Heiltunft, Weißagung und Zauberei zu üben. Wenn fie ftatt auf jenen 
Thieren auf Beſen und Dfengabeln reiten, fo ift das eben der Zauberftab, 
den der Runenzauber nach dem Zeugniſs des Guilielm. Alvernus (Myth. 
1037) in Pferbegeftalt verwandeln konnte. Wenn in der Thorftein Bäar: 
magnfaga (S. 280) der Zauberftab aus dem Hügel geworfen wird, den 
dann der Knabe befteigt und reitet wie unfere Kinder die Gtedenpferbe, 
fo ſcheint auch das eine Umkehrung, da der Stab vielmehr Macht hatte, 
den Hügel zu erſchließen und Todte zu mweden, vgl. ©. 198. Nur bie 
mit den Toten begrabenen Waffen konnten wie in ber Herwararfaga aus 
dem Hügel geworfen werben. Dgl. M. 1179. Auch auf dem Siebe fahren 
die Heren durch bie Luft, Macbeth I, 3. Kuhn WE. 18. Das Sieb ift Sym⸗ 
bol des Negens, und jo kann e3 von der Priefterin, die mit dem Siebe 
Zauber treibt, aber aud von Sif der Regengöttin felbft auf fie übertragen 
fein, denn au vom den Göttern fehen wir Manches auf die Heren über: 
geben 6.496. Die Heren reiten nicht bloß auf Thieren; fie verwandeln ſich 


auch in fie wie die @ötter in Geſtalt der ihnen geheiligten Thiere zu erſcheinen 
Gimrod, Myihelogie. 32 


48. Heren. Eltern. Externfcine. %. 19. 


lieben. Beſonders wandeln die Heren ſich gerne in Kagen, Cidechſen und 
Eiftern; aber auch ald Schmetterlinge (Buttervögel) ftehlen fie Milch und 
Butter, Die Anfiht Soldans, der Geſchichte der Herenpracefie Stuttg. 1843. 
ven Herenglauben aus dem Alterthum berleitet, ift in Obigem wiberlegt. 

Zum Schluß gedenke ich noch zweier andern Ableitungen de Wortes 
Here ald der hier angenommenen. Goth. ift fascinare afhugjsn, von 
Sinnen bringen, Sinn und Gemüth verwirren, Myth. 987, und nad 
Myth. 992 heißt hugsa dalelarliih Here. Wäre an hugjan denfen zu 
den!en? und an jene durch bloße Gedanken Bermeinen, Einem den 
Alb zufgiden, wovon ©. 459 die Rede war? 

Nah Schmeller II, 146 ift heren S quälen, plagen, und diefe Ber 
deutung, bei der er jedoch auch auf hagedisse zurüdgeht, hält er für bie 
urfprünglide. Das erinnert mic daran, daß ertern aufs Yeußerfie 
neden und plagen bebeutet. Ertern (Welftern) heißen aud die Elftern, 
Elſtern aber find Heren. Kuhn WS. II, 51. ‚Sind aud die Erternfteine 
durch ein untergegangenes Rieſengeſchlecht oder überirbiiche Weſen kunſtlich 
errichtet worbeh ?’ fragte Prof. Braun im Windelmannsprogramm 1858. 
Nah Grimm EDS. 457 wäre hier ein hriftliches Kunſtwerk an bie Stelle 
eines heidniſchen getreten. War dieſes heidniſche ein Werk der Difen, bie 
fpäter zu Seren berabfanten ? Fehlt e8 doc nicht an Ausnahmen, wo felbft 
die Keygen, wie es der ältefte Sinn des Wortes geftattete, noch als wohl⸗ 
thätig aufgefaßt wurden: "eine folde ift es ſchon, wenn fie nah S. 495 
oben zu Walpurgis den Schnee vom Blodäberg hinwegtanzten. Grimms 
Ableitung des Namens 1. c. von Ehegefiern befriebigte ihn felber fpäter 
nicht mehr; vielleicht würde er ſich zu der unfern belehrt haben, wenn er 
gewuft hätte, daß die Höhle im Innern der Grternfteine dad in ben Felſen 
gehauene Bild eines Vogels zeigte. Die Elfter war der Vogel der Hel: 
fie ift wie diefe ſchwarz und weiß und glaubte man nad dem Morolf, 
fie babe fo viel ſchwarzer Federn als weißer. Das ift wohl aud der 
Grund, warum fih die Heren fo gern in Elftern wandeln und beide mit 
demfelben Namen, demfelben Bilde bezeichnet wurden. Den Elfterncultus, 
welden Gr. Myth. 640 nachweiſt, beziehe ih auf bie Dife, bie fih im 
die Elfter wandelte, Zur Here war fie noch nicht entwürbigt ald der 
Glaube galt, daß ihr Gefchrei vor dem nahen Wolf warne. Daß Brof. 
Braun den Mithrasvienft in die Weſtfäliſchen Erternfteine verlegen wollte, 
Tann bei dem befannten Haffiihen Bopf unjerer Antiquare kaum mo 
befremden. 


8.190. Seren. Bher Bil. Erwdenfuß. Yenlagramms. 49 


Bon den Heren unterjheidet fih die Trude dadurch, daß bie 
Herxerei angelernt, ‚dad Truden' angeboren ift. Leopr. 9. Mit dem Alb 
und der Mar hat die Trube das Drüden gemein, ſowie dad Bermeinen 
oder- Berneiden (ver böfe Blid), das ſich aber auf dieſe beiden nicht 
beiräntt; eigentpümlich ift ihr nur der aus Goethes Fauſt befannte Tru: 
denfuß, der fünfedig nicht mit dem fechdedigen Bierzeichen zu 
verwechſeln ift. Durch die Mifsgeftalt des Fußes erinnert die Trude doch 
an höhere Weſen wie Berhte mit dem fuo;e ©. 420. et freilich 
wird dad Bentagramma nur gegen den XTrubenzauber gebraucht, wie 
aud der Trudenſtein (Panzer 429) vor dem Albvrüden u. ſ. w. bewahrt. 


130, Tod und Teufel, 


1. In der Edda erfcheint der Tod nicht perjonificiert: Odin ent ⸗ 
ſendet Freyja oder ihre Vervielfältigung die Waltüren, die in der Schlacht 
Gefallenen in feinen himmlischen Saal zu führen, während Hel ſich feiner 
Boten bedient: fie erwartet die Ankunft der Todten in ihrer Halle und 
iſt im Voraus bedacht fie nad) Würden zu empfangen wie dad im Hafo: 
normal auch Odin thut. Nur Ran zieht die Ertrinkenden in ihr Nep. 
Daß aber die Todten geritten tommen, fehen wir aus Modgudrs Worten zu 
Hermobur 6. 81, geftern feien fünf Haufen tobter Männer über die Brüde 
geritten. So kommt aud Helgi (M. Edda 175) aus Walhall geritten 
von Sigruns Thränen herabgezogen, was wir oben als die Altefte Geftalt 
der Lenorenſ. bezeichnet haben, in welder das Reiten der Todten ſchon 
in den Worten, die Bürger vernommen hatte: ber Mond fcheint hell, vie 
Zodten reiten ſchnell, ausgebrüdt war. Erft der fpätere daͤniſche und fhles- 
wigifhe Glaube giebt aud der Hel ein Pferd und zumeilen ein dreibei⸗ 
niges, Myth. 864. In deutſchen Gedichten bedient ſich der Tod eines 
Bferdes nur um die Seelen darauf zu laden; ebenfo oft aber führt er fie 
am Seile. Konr. von Würzburg legt ihm fogar ein Reg bei, mas an Ran 
erinmert; ja er erſcheint als Jäger und Fiſcher, der den Menſchen Schlingen 
legt und nach ihm angelt. M. 805. Dft aber, nad einer blutigen Schlacht, 
führt er eine große Schar an, ein zahlreihes Gefinde folgt feiner Fahne 
und trägt fein Zeichen, fein Wappen. M. 807. Wenn er aber im Ader- 
mann von Böhmen Hauptmann von Berge heißt, jo beziehe ih das auf 
die Borftellung von der Unterwelt, vem Geelenaufenthalt im hohlen Berge. 


500 Cor. Todtentänge. Mnhelde. 8. 180. 


Der Tod felber wird aber ald Adermann gebadt, der den Garten jätet 
und die Blumen bricht, der das Schlachtſeld mit Blut büngt und mit 
Leihen befät, wie er auch in dem Liede: „Es ift ein Schnitter, heißt 
der Tod‘ ala Mäder mit Sichel oder Genfe erſcheint, vor dem ſich fhöns 
Blümlein hüten fol, oder ein andermal als Holzmeier, Förfter die Bäume 
des Waldes niederitredt Myth. 808, 825. Wadernagel Ziſcht. IX, 307. 
Benn bier biblifhe Bilder anklingt, fo wird es auf heidniſche Bor: 
ftellungen zurüggehen, wenn der Tod als Spielmann mit feinem Ge— 
finde einen NReigentanz aufführt, woraus im 14. Jahrh. die Todten- 
tänze entiprangen. Denn da jegt der Tod an der Stelle der Wallüren 
die Menſchen heimholte, fo erſchien er ala Bote Gottes: zu Boten wählte 
man aber von Alters her Fiedler und Spielleute. Den Tod ala Tanz 
zu faßen, zu dem aufgefpielt ward, war man auch ſchon dur bie Helden 
dichtung gewöhnt, ich braude nur an Wolters Fidelbogen und feine übel- 
hallenden Leiche zu erinnern; mit der Beige aber pflegte nod Walther zum 
Tanze aufzufpielen. Wenn aber Grimm ME. 809 wahrſcheinlich macht, 
daß ſchon im 12. Jahrh. die Vorftellung des Todes durch ein Gerippe 
im Schwange war, fo ift doch das Gerippe ‚mit Stundenglas und Kippe‘ 
den Todtentänzen im 14. Jahrh. no fremd: man ftellte ihn wohl als 
eingefallene zufammengefchrumpfte Leiche, nicht mit entblößten, nur mit 
ftärter hervortretenden Anoden dar, Wadern. a. a. D. 321. Ef im 
ſechzehnten Jahrhundert begann man ihn ald Skeleit vorzuführen. 

2. Die Belehrer gaben die alten Götter nicht für nichtig aus, noch 
Teugneten fie ihr Dafein: fie erklärten fie nur für böfe Geifter und Teus 
fel. Schon darum mufte in den criftlihen Teufelsglauben viel Deutfch- 
beipnifches Aufnahme finden, und nur davon kann bier die Rede fein, da 
wir mit dem jüdifchen und chriſtlichen Teufel an ſich michts zu ſchaffen 
haben. . 

Unter den alten heibnifchen Göttern waren zweie ſchon vor ber Ber 
tehrung als böfe und finfter erſchienen, Loli und Hel: diefe giengen alfo 
leiht in Teuſel über; längern Wiverftand wird die Vollmeinung der 
Verteufelung der guten Götter entgegengeftellt haben, Myth. 938. Aber 
auch diefe boten Seiten dar, melde unſchwer in ein ungünftiges Licht zu 
ftellen waren: fo tonnte Wuotan als der kriegeriſche Geift, den die Blut⸗ 
rache nicht ruhen lieh, leicht als ein Wütherih bargeflellt werden, und 
ſchon die norbifhe Sage von Hrolf Krali thut das (hian illi Odhinn 
Mytb. 940), wie bereits Ulfila Holda in Unholda, Hulthö in Unholthö 


8. 130, Teufel. Imnker Yoland. Pferdefus. Gocsfuß. 501 


wandelt. Odin warf Hiiftrunen unter Verwandte: er verfeinbete die 
Fürften: fo fät.der Teufel Zwietracht; freilich ift die Nedensart, Uns 
traut unter den Weizen fäen, biblifh. Schon bei Heinrich dem Löwen 
und Gerhard von Holenbad u. |. m. fahen wir $. 66 ven Teufel an 
Wuotans Stelle getreten. Nah Myth. 980 trägt der Teufel einen Canos 
nicus, ber ſich verfäumt hatte, von Bayeur nad Rom zu den Metten; nad) 
Stramberg (Rh. Antiqu. I, 106) trug er aud den Abt Antonius von 
Mostau nah Kiew in die Mette, mochte es aber nicht leiden, daß ber 
Abt ſich kreuzte und fegnete, was er fi) mit den auch rüdwärts zu leſen⸗ 
den Worten verbat: . 


Signa te, signa, temere me tangis et angis. 


Vol. Kuhn WE. 57. Der Teufel ift ſchwatz, weil Schwarz die böfe Farbe 
und zugleid die der Unterwelt ($. 96) ift; wenn er aber auch ald Grau: 
mann (M. 914) erſcheint, fo kann er das nur von Wuotan haben. Doch 
ift aud die grüne Farbe zu beachten, da der Teufel gern ald grüner Jä- 
‚ger, Wuotan als Grönjette, auftritt, vgl. KM. 43. 101. 

Ein gebräudliger Name für den Teufel it im MA. väland, uns 
ter Boland. Das Wort ift unerflärt und namentlich die Participialform 
befrembend. Die Deutung aus Phol hat für fih, daß der Teufel auch 
Fold, Fuld und Fahl heißt, Myth. 944. 

Der Teufel erjeint lahm und mit dem Pferdefuß oder Bodsſuß, 
bier und da auch mit dem Hühnerfuß, mad wir ©. 260 aus feiner 
Beziehung zu Thor, zu Wuotan und Freyja gedeutet haben. Wie fih 
Bertha durch den Gans: und Schmwanenfuß zu erfennen gab, fo muß ber 
entweichende Teufel feinen Pfervefuß zeigen, M. 946. Umgekehrt fehlt 
ihm, wenn er bie Geftalt jener Thiere annimmt, gerne ein Bein: breis 
beinige Thiere werden dann überhaupt gefpenftifh. Auch in unverküm ⸗ 
merter Geftalt erfcheint er als Pferd, ala medernver Bod, ald grungende 
Sau, in welcher Fros Eber nachklingt; feltener wandelt er ſich in den 
Wolf, doch wird er gern der Höllenwolf genannt, wie er auch Höllen 
hund heißt und hellewelf, wie ſchon die Edda einen hvelpr in ver 
Hölle annahm (Myth. 949), dem Gerberus entfprehend. Wirklich erſcheint 
der Teufel ald Hund, Myth. 948. Panzer I, 329. II, 438 und nod zu: 
Tegt in Goethes Fauft. Im Buppenfpiel von Fauft bringt der Rabe die 
Verſchreibung und wird babei Mercurd Vogel genannt, womit nur Wun« 


502 Teufel. Würfelfplel. Kertenfpiel. $- 180. 


tan gemeint fein kann, da der klaſſiſche Mercur nichts mit den Raben zu 
haften hat. Vol. KM. 99. 

Der Teufel wandelt fi in eine fliege wie Loli, als er Brifingamen 
ftiehlt, Myth. 950. Wie Loki liegt er in der Hölle gefehelt, was ſchon 
bei Utgartpilocus S. 274. 496 vorlam. Cr foll aber am jüngften Tag 
ledig werden und dann mit dem Untichrift zugleich den Iepten Kampf 
Hämpfen, ganz wie Loli in der Edda, Myth. 963. Wenn neben ihm 
feine Großmutter genannt wurde, fo haben wir dieſe ſchon mit Grenbels 
Mutter und der neunhunderthäuptigen Ahne bei Hymir verglichen. 

Der Hammer, Thoͤrs Eymbol, ift ein gewöhnlicher Rame des Teufels, 
der aud Meifter Hämmerlin heißt, M. 951. Wie Thör baut er Brüden, 
NM. 972; wie diefer im Wagen, fo fährt der Teufel in ver Kutſche oder 
zeitet wie Odin auf dem Pferde, nur gewöhnlich auf einem ſchwarzen, 
wie Odin auf dem Schimmel oder dem grauen Roſs. Wie Odin ift ber 
Teufel der Erfinder des Würfelfpiels; gewöhnlicher aber wird ſtatt 
deſſen das moderne Kartenfpiel genannt, In der Hölle fpielt er gern 
um NMenſchenſeelen; im fabliau St. Pierre et le jongleur fteigt aber 
St. Peter in die Hölle hinab, dem Spielmann, ver des Zeufeld Stelle 
während feiner Abwefenheit vertreten fol, die Seelen im Würfelfpiel ab: 
zugewinnen. Bei Landftuhl in der Pfalz, Franz von Sicingens Burg, 
liegen drei Steine, die dem Plag den Namen geben; zwei berfelben die: 
nen dem dritten als Unterlage. Diefe Steine find nah der Sage MWür- 
fel, mit welden Sidingen mit dem Xeufel fpielte und das Spiel verlor. 
Die Redensart: Wo führt did der Teufel her fo geſchwind? zielt auf den 
Mythus von Odins Mantelfahrt und die Haddingsſage, und der Fluch: 
„ahr zum Teufel‘ erinnert an das norbifche far til Odhins! Beides heißt 
den Tod anwünſchen. Aud die Teufelsbündnifie haben wir $. 68 aus 
dem Odinsdienſt abgeleitet, namentlih aus den Schupverhältnifien, die er 
mit feinen Günftlingen eingieng, die, indem fie fi ihm ergaben, ihre 
Lebenzzeit auf fefte Jahre beftimmten. Die bei dieſen Verbundniſſen 
üblihe Blutunterſchrift geht wohl auf die Eingehung des Freundſchafts- 
bündniffes zurüd, wobei Blut fließen mufte. Biel ſchwieriger iſt eine an⸗ 
dere Art von Bündniſſen zu deuten, bei welchen man ſich dem Teufel auf 
ſeſte Jahre zu Dienft verpflichtet, wofür der Teufel dann Lohn zu gewäh: 
ren hat. Stirbt man innerhalb diefer Friſt, fo fallt dem Teufel die Seele 
anheim, KM. 100. vgl. 101. Myth. 970. Des ‚Teufels ruffiger Bruder“ 
(Rr. 100) hat während diefer Friſt die Mufit erlernt; ſchon KM. IN, 183 


8. 180. Teufel. Zcmitihen von Bielefeld. 508 


wird bemerkt, daß dieß eine gar nicht hriftliche Anficht von der Hölle fei. 
Man wird an Odin erinnert, der die Skalventunft verleiht, fo wie an 
den Strömlarl und Foflegrim (6. 476), während die Bedingung, die 
aud bei dem Bärenhäuter (Nr. 101) vortommt, ſich nicht zu waſchen und 
zu tämmen, an Wate und die germanifhen Rachegelübde 8.34 gemahnt, 
KHM. 68 vgl. Serb. Boltsm. 6 zeigt, daß die fieben Jahre ala Lehr: 
zeit aufzufaßen find. Es ſcheinen demnach zweierlei Dinge gemifcht: jene 
Rachegelubde, nach welchen man fi nicht waſchen no kaͤmmen will, ges 
ſchehen um den Sieg; bei ber Lehrzeit gilt ed eine Kunſt, fei es nun 
die Mufit, oder wie bei dem Serb. M. die Zauberei: Sieg und Kunft 
ift beides Odins Gabe, und auf ihn wird hier auch der Teufel zurüd: 
weifen. 

Der Teufel heiſcht dieſelben Opfer, die fonft heidniſche Götter em: 
pfiengen: ein ſchwarzes Schaf, ein ſchwarzes Huhn, einen ſchwarzen Geiß⸗ 
bod, einen Hahn, der an einem Donnerstag im Merz aus dem Ci 
geihlüpft ift, Kuhn WE.102. ‚Man muß dem Teufel zuweilen ein Licht 
anfteden‘, räth der Vollsmund; auch das ift deutſchheidniſcher Braud beim 
Dpfer. 

Ebenſo häufig als mit den alten Göttern berührt ſich ber Teufel mit 
Riefen. Der Drus (aud Thurs entjtellt) ift eine gewöhnliche Teufelsbe⸗ 
zeichnung. Kuhn WS. 110. In dem vielbelannten und vielgeftaltigen 
Märchen vom Schmidthen von Bielefeld, von Apolda u. |. w. wird ber 
Teufel von des Schmidts wie fonft die Niefen von Thors Kammer ges 
troffen und weich gehämmert. Selbft wenn in der criftlihen Zeit vom 
ZTeufelholen die Rede ift, ift dieß erft von den Rieſen auf den Teufel 
übertragen, da man in ber heidnifhen von jedem Vermiſsten glaubte, 
Tröle oder andere uvättir (üble Wichte) hätten ihn geholt. Maurer 
Belehrung II, 59. 84. Der Teufel wirft Felſenſteine nad chriſtlichen 
Kirchen mie die Rieſen nad Städten; wie die Rieſen erfheint er als 
Baumeifter, und die taufenbfahen Nachtlaͤnge des Mythus von Swa- 
dilfari fegen den Teufel an die Stelle der Riefen. Uralte Bauten, 
den cyclopiſchen Mauern entſprechend, werden bald Riejen, bald dem 
Teufel zugefhrieben. Fußfpuren u. ſ. w. in Felſen bezieht dad Volt auf 
beide, Xeufelöbetten berühren fi mit Hünenbetten und Brunhilvebetten, 
M. 976: als Altäre ©. 368. 426 find fie alle zu faßen. Pflanzen und 
Thiere werden nad dem Teufel benannt wie früher nach Riefen und Göt- 
tern. M. 981. Kuhn WE. II, 110. 


504 Dammer Teufel. 8. 130. 


Wie vie Riefen von Göttern und Helden befiegt und überliftet wur- 
den, fo trifft nun den Teufel dad Loop, von den Menfchen angeführt und 
ausgelacht zu werden, weshalb er jo häufig ald dummer Teufel er 
feinen muß. Am Auffallendften ift die Webereinftimmung, wenn ber 
Teufel vielhänbig und ber ihm verwandte Antichriſt fiebenhäuptig vor⸗ 
geftellt wird, M. 946. 


Gottesdienſt. 


131. ueberſicht. 


Das Berhältnifs der Menſchen zu den Göttern liegt auf der Grenze 
des mythologiſchen Gebiets, und wir müßen uns hüten, nicht in Alter 
thümer und Culturgeſchichte hinuberzuſchweifen oder in Wiederholungen zu 
verfallen, da gar manches Hiehergehörige ſchon früher berührt werden mufte. 

So ift $. 44. 46 von religiöfen Pflichten die Rede geweſen, welche 
die Edda einfhärft. Beide bezogen fid darauf, daß die Menſchen Mits 
lämpfer ver Götter fein follen, mit welchen fie an den Rieſen gemein 
ſchaftliche Feinde haben. Aber das ganze Leben des Germanen war ein 
Kampf, bei dem ihm die Götter zur Seite ftehen muften, wenn er geheir 
ligt fein und mit freubigem Siegeöbewuftfein gelämpft werben follte. Als 
die Wilinge des Nordens nicht mehr auf die Götter fo fehr ald auf fih 
ſelbſt und ihr gutes Schwert vertrauten (Myth. 6), da genoßen fie noch 
der angeftammten Tapferkeit und jenes Heldengeiſtes, welchen der jept er- 
löfhende Glaube gewedt und genährt halte; bald aber wäre ihre Ver: 
meßenheit in Verzweiflung umgefhlagen, wenn nicht das Chriſtenthum 
mit der Milderung der Sitten neue religiöfe Grundlagen gebracht hätte. 

Jene religiöfen Pflichten find auch fo allgemeiner Natur, daß fie 
bier, wo wir und ein näheres Biel zu fteden haben, nicht eigentlih Ge⸗ 
genftand der Abhandlung fein könnten Da? ganze Leben foll allerdings 
ein Gottesdienft fein; wir haben aber das Wort hier in dem engern Sinne 
zu nehmen, der bie äußern gotteöbienftlihen Handlungen betrifft, duch 
welde die Gefammtheit des Volls oder der Familie den Göttern feine 
Verehrung kundthut. In den Kreiß unferer Betrachtung fallen hier alſo 
auch ſolche Handlungen nit wie D. 50 (Stälva c. 17) bei Thors Kampf 
mit Hrungnir vorſchreibt: ‚Darum ift es aud eines Jeden Pflicht, nicht 
mit folden Steinen zu werfen, denn damit rührt ſich ber Stein in Thoͤrs 


506 Aaturdienf. & 182. 


Haupt.” Was hier eigentlich gemeint fei, ift ſchwer einzufehen. Vielleicht 
muß es beißen: at kasta hein of gölf hvert (nit Dvert), fo daß 
der Sinn wäre, es folle ein Jeder gehalten fein, die Steine aus dem ur: 
bar gemachten Boden zu werfen: damit werde der Stein in Thörs Haupte 
lofer. ine ſolche Pflicht, der eine ähnliche auch der römijhe Glaube 
gegen Terminus einj&ärfte, wäre aber in unferm engern Sinne feine gottes⸗ 
dienſtliche. Die Handlungen, die zum eigentlichen Gottesdienſte gehören, 
beihräntt Grimm (Myib. 2) auf Gebet und Opfer. Nach dem von ihm 
ſelbſt M. 1202 gegebenen Winke füge ich als ein drittes noch die Umzüge 
der Götter und ihre Feſte hinzu. 


132. Gegenftände des Cultus. 


Wir haben im zweiten Buche nur belebten Weſen eine Stelle ein- 
geräumt; in wiefern auch lebloſe Dinge Gegenftände der Verehrung waren, 
ift $.54 angeveutet, muß aber hier noch näher erwogen werben. Iſt man 
doch in der Behauptung eines Naturcultus der Germanen, der nur fehr 
bedingt zugeftanden werben fann, S. 168, foweit gegangen, neben ihm 
eigentliche Götter wenigſtens für das engere Deutſchland zu leugnen, mo 
fie doch eben Tacitus, auf den man ſich zu berufen pflegt, bezeugt, indem 
er drei der höchften Götter mit römishen Namen nennt, während er für 
andere die einheimiſchen angiebt, wozu id außer Nerthus, Tuiſto, Mannus 
und feinen drei Söhnen und außer jener dem Caftor und Pollur verglis 
chenen Zwillingsgottheit Alci die deutſche Iſis zähle. Wenn er daneben 
für einen Baum: und Waldcultus der Germanen zum Zeugen aufgerufen 
wird, fo will er in den fo miſsbrauchten Stellen (c. 9. 43) nur Tempel 
und Bilder verneinen. 

Mit mehr Schein zieht man Cäfars ©. 171. 419 erwogene Aeuße: 
rung an nebft einer Reihe von eifrigen Chriften gegen das ſchon unter- 
drüdte Heidenthum gejchleuderter Beſchuldigungen, die von rohem Baum 
cultus ſprechen, ja diefen für jene Zeit, mo das Andenfen ber Götter 
ſchon getrübt war, nidt ganz unwahrſcheinlich machen. Für die fpätefte 
Zeit, wo Heidenthum neben dem Chriftentyum ohne Anleitung der Priefter 
ſich forterhielt, wo die Namen der alten Götter verjhollen warep und man 
nur noch ihrer Symbole gedachte, die Ehrfurht vor den Glementen ſich 
ſchrankenlos geltend machte, für dieſe Zeit kann folde Verirrung zugeftan- 
den werben. Dazu kommen noch abſichtliche Entftellungen in der Zeit, wo 


$. 132. Elemente. Water. 807 


Chriſtenthum und Heidenthum nod im Gtreite lagen; da war es na ⸗ 
türlih, daß man dieſes von der unvortheilbafteften Seite barftellte, daß 
man ihm Mandes mifäbeutete und verkehrte, ja aufbürdete, um es der 
Rohheit beſchuldigen zu können, wie es denn wirflih eine frühere rohere 
Anfhauung von den göttlichen Dingen enthielt. Genauer betrachtet leugnet 
aber Gäfar nur andere als fihtbare Götter, und felbft jene fpäten Zeug 
niffe ſprechen doch zugleid von Opfern, die an jenen gehelligten Stellen 
den Dämonen bargebradt feien; als Dämonen werben aber hier die 
Götter bezeichnet. Auch hängt allerdings an Steinen, Pflanzen und 
Thieren, an Waßer, Luft und Feuer, an den Geftirnen mandes Mythos 
logiſche, ein gewiſſer Gult berjelben darf fogar zugeftanden werben, eine 
Art von Heilighaltung und Verehrung ift nicht zu leugnen, aber fie fleir 
gerten ſich nicht bis zur Anbetung, bis zum eigentlichen Gotteßbienft. Wenn 
am Ufer des Flußes gebetet, am Rand ver Quelle Lichter angezündet, 
Dpfergaben dargebracht murben, wie beöhalb bie Sachſen fonticolae 
biegen, fo kann dem Fluß und Uuellgeift dieſer Dienft gegolten haben: 
die Heilighaltung des Waßers als Glement bebarf doch der Anknupfung 
an Götter und Helden. Die wunderbare Kraft einer Quelle (ursprine) 
wird daraus erllärt, daß der Stab eines Gottes, oder der Huf des 
göttlichen Roſſes fie der Erde oder dem Felſen entlodt habe; aber auch 
dann finden wir fie bi zur Anbetung und Opferung felten geiteigert. 
Noch der heutige Vollsglaube läßt zu gemifien feſtlichen Zeiten das Waher 
in Bein ſich wandeln, dad alsdann geſchöpſte gilt für heilig und heilfam; 
das rührt aber dann mehr von der Heiligkeit des Feſtes her als von dem 
Elemente felbft. Auf die Heiligfeit gewiſſer Seeen, bie einen Steinwurf 
durd Gewitter ahnden, haben mir felber hingewieſen. Diefe von bem 
Brumnen der Urd abgeleitete Heilighaltung trat der Verehrung ſchon näher. 
Aber die Velprengung der Weltefhe aus Urds Brunnen, Odins Trunk 
aus Mimird Quelle, dad Baden im Jungbrunnen und bie Luftration der 
lolniſchen Frauen, welche Betrarca bezeugt, und deren Bezug auf das Feft der 
Sonnenwende ſich nicht verlennen Täßt, felbft die Taufe der Neugebornen, 
die ſchon vor dem Chriſtenthum galt, verfteigen fich doch zu Gebet und 
Opfer fo wenig als der Glaube an jene Hungerbrunnen, die reichlich 
fliegen, wenn unfruchtbares Jahr bevorfteht (Myth. 557, Leopr. 37, Kuhn 
®. 6. 334), ober der Gebrauch des Waßermeßens, um Abnahme und Zur 
nahme der Güter zu erforfhen, Myth. 588. Nur die Crregung von 
Strudeln und Waperfällen finden wir böhern Weſen beigelegt: darum 


508 Heilawag. Feuer, Luft und Erde. % 13% 


tritt bier auch ſogleich ein Opfer hinzu. Wenn aber nad) Panzer II, 236 
die Geifter, die in dem großen Waßerfall am Kriml:Tauern wohnen, durch 
einen bineingeworfenen Stein günftig geftimmt werben follen, fo vermuthe 
ih ein Miföverftänbnifs, da die Heiligleit des Waßers, wie wir fahen, fei« 
nen Gteinwurf duldet. Das dem See auf dem Berg Helanus bargebrachte 
Opfer (Myth. 563), bei dem kein Gott und kein Geift auftritt, ſcheint 
galliſch; in Deutfhland dürfen wir überall an Götter und Geifter denen, 
wo ſich bei Flüßen und Quellen Spuren eigentlichen Gottesdienſtes zeigen. 
Diefe heiligen Waßer pflegen auch heilkräftig zu fein, worauf ſchon der 
Name Heilbronn deutet. Unter Heilawäc verfieht man aber das in 
heiligen Zeiten gejhöpfte Waßer. Hier Mnüpft fi) Heiligkeit und Heiltraft 
an den Gott, defien Feſt zu jener Zeit begangen wird. Noch jept ift es 
Boltöglaube, daß fih das Waßer zu gewifien Zeiten in Wein wandle, zu 
Weihnachten, zu Oſtern; es muß dann aber zu Mitternacht und ſchweigend 
geiböpft werden. Vom Jungborn 6. 38, 

Nicht anderd wird es fi mit den übrigen Glementen verhalten: 
auch in ihnen walten göttlihe Weſen, und wenn ed gleih Hawamal 
67 heißt: 

Feuer ift das befte dem Erdgebornen, 
fo muß es doc erft in Loki zum Gott erhoben, in Logi ald Clement, in 
einem andern Logi ald Wildfeuer perfonificiert werden, wie in Thiälfi, in 
Donar das Blig: und Heerbfeuer angefhaut ward, um für göttlich zu 
gelten. Am Stärkften- fpriht das Anbeten des Dfens, dem man beichtete 
6.472, für uralten Feuercultus; aus ihm haben ſich aber Riefen und 
Götter entwidelt, und fo wißen wir nicht genau ob ed noch das reine 
unperfönlihe Clement war, zu dem ſich jene Bedrängten wandten. Del. 
jedoch Zingerle Sagen 411. Wie dem Dfen, fo wird in den Räuber: 
märden auch den ‚Rolanbsfäulen’ gebeichtet, und da biefe Herculesjäulen 
erfepten, $. 83, fo fehen mir uns wieder auf Donar als Feuergott 
gewieſen. Bei Luft und Wind ift die Perfonificierung in göttliche Weſen 
nod viel entſchiedener: Karis Geſchlecht, des Rieſen des Sturme, ift ſehr 
zahlreich; auch erzählen unſere Maͤrchen und ſelbſt Ortsſagen (Berl. 191) 
noch jegt von hilfreichen, mit Mehl oder Werg (Leopr. 101) gefütterten 
Winden, und fogar ein Königreih der Winde wird angenommen. Wie 
dem Dfen wurden aud der Erbe Geheimnifje anvertraut, Heimlehrende 
Mfsten den mütterlihen Boden, die Erbe mehrte Heimdals Macht, Schmwö- 
ende legten ſich Erde und Raſen aufs Haupt ober giengen unter ben 


$. 132. Heilighaltung. Steine. Planjen. 509 


Schmud der Erde, den grünen Rafen, RU. 112, Zingerle Sitten 191, 
Quigm. 278; aber wie dieß auf bie Verehrung unterweltliher Mächte 
zielt, fo könnte felbft bei den übrigen BVeifpielen nod bezweifelt werben 
ob fie auch nur die Heilighaltung bes bloßen Clement bezeugen, 
Für die Anbetung Ienne id feinen ftärlern Beweis als Sigrdr. 4, wo 
neben Aſen und Aſinnen das fruchtbare Feld (kölnyta fold) angerufen 
wird, Das Beifpiel fteht indes vereinzelt in einer vielleicht uralten Formel. 
Auch Steine und Felſen galten für heilig und heilfräftig, bei heiligen 
Steinen, gewoͤhnlich blauen, wurden Eide abgelegt, wie ihnen auch gebeichtet 
wird, vgl. Ind. pag. de his quae faciunt super petras. Das kann 
daran hängen, daß es ein Grenzftein ift, welcher der Goltheit geheiligt ift 
(8.114), ein Opfer ober Gerichtftein, was gerne zufammenfiel wie die 
Briefter zugleich Richter waren. Weber die Wunderkraft gewiſſer Steine, der 
even namentlich, vgl. $. 140. Steine am Wege erbarmen fi, Steine 
und Felſen weinen um Baldur; aber über das Mitgefühl ver Natur an 
den Menfchenlooßen, über ihre Heilighaltung überhaupt und der Unter 
welt insbefondere, denn ihr waren wohl die Steine angehörig, bei wel⸗ 
hen geſchworen und gebeichtet warb, geht dieß nicht hinaus und meder 
Gebete noch Opfer find bezeugt. Wenn vota ad lapides beſonders in 
ruinosis et silvestris locis vorlommen ( M. Anh. XXXV), fo deuten die 
orte daemonum ludificationibus decepti an, daß es alte Tempel was 
ten, wo man die Götter gegenwärtig -glaubte. Steine (oder Bäume), welche 
man durchkroch, um Krankheiten auf fie zu übertragen oder um gleihfam 
wiedergeboren zu werben, galten darum nicht für heilig. Sollen folde Defis 
nungen heilbringend fein, fo dürfen fie nicht von Menfchen gemadt fein 
(Panzer I, 429): das zeigt am deutlichften, daß die Heilfraft hier von 
göttlihen Weſen ausgehen muß. 

An Pflanzen haftet Heiligkeit, weil fie Göttern geweiht oder nad 
ihnen benannt find, wovon das lichte Kraut ein Beifpiel if, das man 
mit Baldurs Augenbrauen verglih D. 22. Ein anderes erinnerte an dad 
Haar der Freyja, andere finden wir auf Bio, auf Donar bezogen. Auf 
Maria deuten Viele, die wohl früher nad deutſchen Göttinnen benannt 
waren. Berger Pflanzenf. 69. 220. Ueber die Krautweihe im „Frauen⸗ 
dreißigft“ (15. Aug. — 8. Sept.) Perger 45. Waßerblumen find heilig, 
weil fie Meerminnen und Seenigen zur Wohnung, ja Nachts zum Schiffe 
dienen; .die Seerofe (uymphaea alba) ift eine verwandelte Jungfrau; 
die Friefen nennen fie Schwanenblume, und fieben Seeblätter nahmen 


510 Wegwarte. Mifel. Schiafapfel. Wünfdelruthe. $. 132. 


fie in ihr Wappen auf. Hier und da hängen an Pflanzen mythiſche Err 
zahlungen, z. ®. wenn die Wegmwarte eine Jungfrau geweſen fein foll, die 
am Wege ihres Buhlen harte, wovon fhöne Barianten bei Banzer II, 204. 
Bgl. daB Räthfelmärden bei Gr. 160. Andere fpielen nur in Mythen 
eine Role 5. ®. der Miftelzweig in Baldurs, die Ebereſche in Thors 
Mythus. Vgl. Kuhn Gerablunft 201, welder aus manderlei Aberglauben 
ſchließt, daß der Vogelbeerbaum eine Perlörperung des Blitzes geweſen 
fei. So fteht ver Schlafapfel, ein Auswuchs an der wilden Roſe, mit Odin 
und Brynhild in Bezug und aud oben bei der h. Pinnoſa wurden wir an 
ihn erinnert. Vom Johannisblut fahen wir, daß e3 aus dem Blute eines 
Gottes aufwuchs. Farnſamen fol unfihtbar machen und Grfüllung aller 
Wanſche getvähren (Kuhn Herabl. 221); über feine himmliſche Abftammung 
vgl. Kuhn Herabt. 221. Cr hat auch wettertheilende Kraft, Ruhn 1. c. 222. 
Ottertraut heißt er, weil die Schlangen den, welher ihn bei ſich trägt, 
fo lange verfolgen bis er ihn wegwirft; Irrkraut, weil, wer darauf tritt 
ohne es zu fehen, irr und wirr wird und nicht Weg noch Steg mehr 
tennt, Kuhn 223. Undere Kräuter |hügen vor Zauber: wer ein 4blättriges 
Neeblatt bei ſich trägt, Tann nicht betrogen werben; daß es auch fonft 
glüdbringend fei, if erft meuerer Aberglaube. Ueber die blaue Blume 
f. oben. In unferm Vergißmeinnicht ift die Blume felbftredend und war: 
nend eingeführt. Als Wünfchelrutbe wird in Schweden bie ſchon genannte 
Cbereſche verwendet, bei uns Haſel oder Kreuzdorn: fie zeigt nicht bloß 
Schaͤte, fie macht aller Waunſche theilhaftig. Auch ihr verlieh man gern 
wie dem Alraun 487 menſchliche Geftalt, ja fie wird mit Namengebung 
getauft, indem man drei Kreuze darüber ſchlaͤgt. Selbft ihre Zwieſelgeſtalt 
legt Kuhn 208 als einfachftes Bild des zweibeinigen Menſchen aus. 
Vom Baum: und Thiercultus giebt auh Grimm M. 613 an, daß 
er eigentlich dem höhern Weſen galt, dem der Hain gebeiligt war, das 
im Baume lebte, oder die Geftalt des ihm heiligen Thiers angenommen 
hatte. Die Heilighaltung der Haine, gewiſſer Pflanzen und Thiergattungen 
verdankten fie ihrem Bezug zu den Göttern. Den heiligen Hain ber 
Semnonen betrat man nur gefeßelt: wer zufällig binfiel, durfte weder 
ſelber aufftehen noch fich aufrichten laßen: hier hatte nur der Gott zu ge: 
bieten, allem Uebrigen geziemte unterwürfiger Gehorfam, Germ. 39. Bon 
diefer ſymboliſchen Feßelung war das Bolf genannt (Zeitſchr. VI, 383), 
bier hatte es feinen Urfprung genommen, hier trat es durch Gefandte zu⸗ 
ſammen und begieng gemeinfame Opfermale. Haupter und Haute der 


x 518. BSaumcuiltas. Weitgeiligtämer. 5m 


gefchlachteten Thiere wurden in folden Hainen aufgehängt, und vielleicht 
empfiengen davon einzelne Bäume noch befondere Heiligkeit. gl. den 
indie. paganiarum de sacris silvarum quas nimidas vocant. Wenn 
nimides an nemus erinnert, fo feinen dod Opfer gemeint. Das Opfer 
wird dargeboten und angenommen. So können auch einzelnftehende 
Bäume wie jene gewaltige Donarseiche bei Geismar in Heſſen, an die 
Binfrid die Art zu legen wagte, den Göttern geweiht heißen, weil an 
ihnen die Opfer gleihfam dargereicht wurden, und es ſcheint abſichtliche 
Gntftellung, wenn berichtet wird, ben Bäumen oder gar dem Holze jelbft 
habe man göttliche Ehre erwieſen. Götter wohnten in biefen Hainen, das 
Laub der mächtigen Eiche durchrauſchte der Gott; nod der chriſtliche Bes 
richterſtalter läßt fie vom göttlihen Hauche bewegt zufammenftürzen. So 
wahr und naheliegend ift die Anfhauung, die dem Naturgefühl unferer 
Väter eher Ehre macht als fie ver Roheit beſchuldigt. Auch erloſch dieß 
Gefühl fo bald nicht: die vielen Wald⸗ und Vergcapellen, zu denen Hei: 
ligenbilder Veranlaßung gaben, die in oder auf der Eiche, der Linde ge: 
funden immer wieder dahin zurüdtehrten, wie oft fie auch hinmweggenommen, 
zu bewohnten Stätten und ihren Kirchen gebradt wurben, bezeugen dur 
die an fie gefnüpften Sagen, wie tief dad Bebürfnifs, fi im Wald, auf 
Bergen ber Gottheit näher zu fühlen, im Volle wurzelte. 

Eichen und Linden find vorzüglih gerne folh heilige Bäume, bie 
Eiche dem Donar, die Linde der Frouwa oder Erla geheilig. Den Langor 
barben war bei Benevent ein Blutbaum heilig, den der h. Barbatus 
-umpieb. Myth. 615. Es war ein Opferbaum, opfern hieß blötan hoch. 
pluogan. Wir finden auch in Deutſchlaud Blutbäume, eine Blutlinde 
zu Burgfreienftein bei Wiesbaden, eine Blut buche bei Irchel im Canton 
Züri, und wenn man die Rothbuche jetzt Blutbuche nennt, fo Lönnte 
bier, obgleich es feiner mythiſchen Erklärung bedarf, doch Zuſammenhang 
walten. Bäume pflegten Blut auszuftrömen, wenn fie verlegt wurden, 
und noch jegt werben altehrwürbige Bäume, damit fie nicht abfterben, mit 
Blut gebüngt. Dan findet aud die Volksfitte, Steine an alte Bäume 
binzulegen, mit der Formel ich opfere, opfere dem wilden Fräulein. Wer 
abſichtlich heilige Bäume verlegt, muß fterben und oft mit ihm fein ganzes 
Haus. Unfere Weisthümer verbieten noch Waldfrevel bei ganz unmenſch ⸗ 
lien Strafen. Daß aber die Verehrung dem Gotte galt, welchem ber 
Hain, der Baum geweiht war, davon haben ſich Spuren in den Ortöfagen 
erhalten, wonach unheimliche Weſen in ven Bäumen wohnen follen, die 


512 3. Eigne. Thiecenltus. $. 182. 


jede Verlegung des Baumes ahnden. So vie Gtelmutter zu Schneifingen 
(Roh. 1,59); dagegen wird man bei der Heiligenföhre zu Wegenftetten 
(Rochh. 85) an Fortunat, oder eigentlich Frau Sälde erinnert. Bon hohem 
Alter find auch die Sagen, mo es einem Kinde beftimmt ift, fit an 
einem Baume aufzulnüpfen, was mit der Witardfage ©. 217 8. 65 zur 
fammenhängt und zugleid an Samitri gemahnt R. 89. Es fteht zu 
vermuthen, daß diefer Baum Wuotan geweiht war; die alte Frau aber, 
die fih des Kindes annahm, wird Fria (Frigg) geweien fein. Am 
deutlichfien wird der Bezug einzelner Bäume auf die Götter in ber 2er 
gende von ber h. Evigna, die wie das Marienlind KHM. 3 im hohlen 
Baume wohnt, Panzer II, 49, 405, ſich aber aud fon durch das heilige 
Dchfengefpann, fo wie durh Hahn und Glode ala eine Göttin zu erfen- 
nen giebt. So figt in einer altipanifhen Romanze eine Königstochter auf 
einem Eichenwipfel und ihre langen Haare beveden den ganzen Baum. 
Bon Thieren gewidmetem Opferdienft hat ſich bei den Hausſchlangen 
ein vereinzeltes Beifpiel gezeigt; im Ganzen muß aud Er geleugnet wer⸗ 
den. Die Heilighaltung gewiffer Thiergattungen fließt aus ihrem Bezug 
zu den Göttern, ald deren Hausgeſinde fie gelten können, wie, Wuotans 
Wölfe und Raben davon ein Beifpiel find, oder aus ihrer Beitimmung 
zum Opfer. Auch wandeln fih Götter in gewiſſe Thiere, und menſchliche 
Seelen nehmen Thiergeftalten an, $. 128; dod nur bei ben Schlangen 
fteigert fih das bis zum eigentlihen Cultus. Gin Thier mag für heilig 
und unverlegli gelten, feine Tödtung fogar mit einer Strafe belegt wers 
den, weil es für weißagend und beilbringend gilt; dieſe Verehrung reicht 
nicht biß zur Anbetung. Aber felbft Opfer können Thieren zu Gute kommen, 
die eigentlih den Göttern zugedacht find. Wenn dem Pferde Wuotans 
ein Getreivebüfchel unabgemäht ftehen bleibt, fo gilt die Gabe dem Gotte, 
und. wenn den Vögeln des Himmels Brotkrumen geftreut, den Sperlingen 
ein Kornbüfchel ausgefept wird (Pröhle Harzſ. 187, Myth. 635), mas ung 
jegt Walthers Vermaͤchtniſs erklärt, fo möchte man den angeblihen Grund 
fo milden Sinnes ‚damit fie den Fluren nicht fhadeten‘, ungern für dem 
wahren anfehen. 3 ift ein Dantopfer: einen Theil der verliehenen Gaben 
giebt man dem Gotte zurüd, um ihn gnädig und geneigt zu ftimmen, ein 
andermal wieder Segen zu ſpenden: darum geſchieht es bei ber Ernte. 
So giebt man in Hefien zwei Geſcheit von ber Winterfant den Vögeln, 
und wenn die Ernte eingethan ift, wirft man Naht? um 12 Uhr eine 
Garbe aus der Scheuer, damit die Englein im Himmel davon zehreu, 


$. 188, Pferde, Kühe und Rinder. Schlangen. 518 


Wolf Götter, 94. In der erften Helgafwidha fordert ein weißagender 
Bogel, wenn er mehr außfagen und dem König zum Befig Sigrlinns 
verhelfen folle, Hof und Heiligthum und golpgehörnte Kühe. Aber biejer 
Vogel ſcheint derfelbe, der hernach als Hüter Sigrlinns entſchlafen von 
Ali erfhoßen wird. Franmar Jarl, den wir als Riefen zu denken haben, 
hatte Adlergeftult angenommen. So begehrt aud der Rieſe Thiaſſi, ver 
als Aoler auf ver Eiche faß, ein Opfer: nur wenn er fih von dem Mal 
der Aſen fättigen dürfe, will er geftatten, daß der Sub zum Sieben 
tomme, D. 56; vgl. $. 31 und Wolf Beitr. I, 362. Panzer I, 264. Wenn in 
der Schweiz die Kinder dem Golbfäfer, den fie auf der Hand halten, 
Milech ond Broda ond e filberigd Löffeli dezue’ verheißen, fo ift das nur 
eine Schmeichelrede. 

Die Heilighaltung der Pferde, die in heiligen Hainen oder im Ums 
treiß der Tempel auferzogen zu Opfern, Weißagungen ober den Wagen 
der Gottheit zu ziehen dienten, gieng allerdings weit: fie konnte bis zur 
Verehrung getrieben werden. Nur zum Dienft der Götter beftimmt, dul⸗ 
deten fie feinen irbifhen Reiter (Tac. Germ. 10: nullo opere humano 
eontacti) 6.458. Hrafntel hatte fein Roſs Freyfari zur Hälfte dem 
Frey gefhenkt und das Gelübve gethan, ven Mann umzubringen, der es 
gegen feinen Willen reiten würde. Bon einem andern gleihbenannten 
Roſs wird berichtet, daß fein Cigenthümer Brandr e8 göttlich verehrt 
babe, Myth. 622. Aber ſchon jener Name verräth, daß es der Gott, 
nicht das Roſs war, dem göttliche Ehre erzeigt warb. 

Noch meiter gieng die Verehrung der Kühe und Rinder. König 
Epftein glaubte an die Kuh Sibilja, der fo viel geopfert wurde, daß fi 
Niemand vor ihrem Gebrüll erhalten konnte; darum pflegte fie der König 
mit in die Schlacht zu führen. Auch den König Degwaldr begleitete eine 
heilige Kuh überall zu Waßer und zu Lande, er trank ihre Milh und 
ließ ſich zulegt im Hügel neben dem ihren begraben. Hier find Opfer, 
den Küben dargebracht, bezeugt; doch ſcheinen dieß einzelne Verirrungen, 
die auf den Gottesdienſt überhaupt faum einen Schluß verftatten. So 
tönnte das Opfer urfprünglid dem Gotte gegolten haben, der in dem 
weißagenden Gebrülle der Kuh feinen Willen zu erkennen geben follte. 

Am Meiften ſcheint unferer Auffaßung die Verehrung der Schlangen 
entgegenzuftehen, melde fi leineswegs auf die als Seelen zu betracten« 
den Hausſchlangen ($. 127) beichränfte, An fie erinnert zwar, wenn es 


im Wolſdietrich von einer Vipernart heißt, es Iebten immer nur zwei 
Siuzod, Dipihelogie. 33 


514 Käfer. Grbarmen, Sutache der Ehiere. 5 132% 


folher Bipern, Myth. 649; aber wäre auch diefer Zug von den Haus⸗ 
ſchlangen 8.127 erborgt, fo erinnert doch jene langobardiſche Helvenjage 
bier ftärter an die gerade von demfelben Volle bezeugte Verehrung eines 
heiligen Schlangenbilves, dad in ber vita Barbati (Myth. 648) ala Viper 
gedacht iſt. Wir haben indes ſchon S. 371 in Schlangen und Draden 
Symbole ver ſchaffenden und erhaltenden Naturkraft erfannt und Obins 
Beinamen Ofnir und Swafnir hierauf bezogen: fo kommt es und zu 
Statten, daß in jener andern vita Barbati (Myth. 649) angebeutet wird, 
ver höhfte Gott fei unter jenem Schlangenbilde verehrt worden. Wie 
wir bier auf Odin gewiefen werden, fo deutet der nahverwandte ebenjo 
myſtiſche Käfercultus, von welchem Myth. 655 Spuren nachweiſt, andere 
bei Bingerle II, 179. 213, Leopr. 76 begegnen, auf Thör. 

Die edelfte Art von Heilighaltung der Xhiere begegnet in unfern 
Märchen, wenn der Dümmling mit Thieren Erbarmen übt, mit Löwen 
und Wölfen wie mit den Meinften Ihierhen, Ameiſen und Bienen, nur 
aus ſchoͤner Menſchlichleit, wo denn das gute Herz fih ihm reichlich lohnt, 
denn im Verlauf des Märcens werden ihm Aufgaben gefiellt, die nur 
durch den Beiltand diefer Thiere gelöft werben können. So giebt er aud 
einem armen alten Mann das legte Stückchen Brot oder den einzigen 
BViennig; fo erweift er den Todten die legte Ehre, nicht auß bewuſter 
Pflicht, aus gutem Herzen, aus liebevollem Sinn gegen alle Geſchoͤpſe. Diefe 
Tendenz unferer Märchen wird man nicht als einen Reft alten Tpiercultus 
anfehen, obgleich ich überzeugt bin, daß aud der Tpiercultus aus derſelben 
menſchlich fhönen Gefinnung entfprungen ift und an ber inbifhen Heilige 
haltung der Kühe daS gute Herz nicht weniger Antheil hat als der Gigennup. 

Wir brauden demnach weder Pflanzen noch Thiercultus als für ſich 
berechtigt anzuerlennen. In dieſem Sinne darf auch Geftirndienft, wenn wir 
von Sonne und Mond abfehen, geleugnet werden; diefe aber waren zu 
göttlihen Weſen erhoben, die an andern Stellen beſprochen find. 

Der obigen Ausführung ſcheint der auch in Deutſchland verbreitete 
Glaube entgegenzuftehen, daß Menſchen, welde die Sprade der Thiere 
erlernt hätten, höherer Weisheit theilhaftig geworden ſeien. Allerdings ift 
hier den Thieren eine Weisheit beigelegt, welche an die im Waßer lies 
gende erinnert. Gleichwohl ift diefer Glaube, den wir faft bei allen Böl« 
term finden, nicht überall mit Verehrung der Thiere verbunden, obgleich er 
eine gewiſſe Ehrfurdt vor ihnen bedingt. 

Wie der Mythus von Allem die Urſache Tennt, wie er weiß, warum 


& 182. Aramiweihe. Auduk. Blüthenfänger. 515 


der Lachs hinten fpig iſt, S. 112, warum ber Kuckud mehlbeftaubt Ger 
fieder hat, 6.25, fo hängen mythiſche Erzählungen auch an den Eigen 
thümlichteiten anderer Thiere und Pflanzen: fo der Trauerweide, der Kreuz: 
ſchnabel (Reuf II. Aufl. 33), des Bauntönigs (R. 34, Or. HM. 171), ver 
Eidechſe (Wolf Beitr. 447), des Gießvogels (R. 29, Cr. Myth. 1221), 
der Kraͤhe (R. 30), des Pferdes und Rindes (N. 134, Temme und Tettau 
Br. S. p. 29) u. ſ. w. Andere Thiere find rein mythiſch, wie der Drache, 
der Baſilist, der Schlangenkönig mit feiner Krone (R. 37, Gr. M. 650. 
929), der Hafelwurm, der Murbl, der Stahlwurm Alp. M. u. 6. 377— 
380, der Tapelwurm (Leipz. Jluftrierte Zeitung 1864 Nr. 1094). Als ein 
fabelhaftes Kraut könnte man die Irrwurzel (Alpenb. 409) bezeichnen, als 
einen fabelhaften Stein den Siegerftein und den Stein der Weifen. Ueber 
die fieben Planetenkräuter ſ. Alpenb. 400, über die bei ver Krautweihe 
(Maria Himmelfahrt) gebräuglihen Alpenb. 402, Montanus 38. 

Mit erftaunlidem Fleiße und feltener Belefenheit hat Mannharbt 
Gtiſcht. f. D. M. II, 209—298) Alles zufammengeftellt, was feit mehr 
als taufend Jahren in Deutfhland und feinen Nachbarländern, ja im 
fernen Orient über den Kudud gefungen und gebichtet if, um zu ber 
weifen (6. 210), daß diefer Vogel bei unfern Vorfahren göttfihe Ber 
ehrung genoßen oder wenigſtens zu dem alten Götterwefen im nahem Bezuge 
geftanden habe. Gleichwohl muß er zulegt (S. 290) geftehen, daß bie 
moftifhe Bedeutung des Kududs und die mit ihm verbundenen Sagen 
überall Raturerfheinungen zur legten Grundlage habe. Wie der Hahn 
ven Tag, fo verkündet der Kudud den Frühling, und wie der Hahn ver 
Hausprophet heit, fo gilt der Audud für den Allerweltspropheten. Pröpher 
zeihte er zuerft nur den Frühling, fo erſcheint es als eine Weiterbilbung, 
wenn er nun auch wißen follte wie lange man zu leben habe ober wie 
manches Jahr ein Maͤdchen nody warten müße bis es ber erwünfchte Freier 
zum Ultare führt. Unfer Dichter geht noch weiter, er foll dem kanfti⸗ 
gen Chepaar aud die Zahl der Kinder beftimmen. Iſt es ein Wunder, 
wenn die Prophezeifungen, die man aus feinem Gefange heraus hörte, 
nicht immer eintrafen, und er nun in ben Ruf fam, ein falſcher Prophet 
zu fein? Wenn dem Mädchen der Jahre zu viel werben, die es noch 
warten foll, fo fagt e8, er fei ein thörichter Kudud oder ſihe auf einem 
närrifchen Bmeige; aber ſchon bei ven Langobarben bebeutete es nichts 
Gutes, ald er dem neugemwählten Sangobarden: König auf den Sper flog, 
der dad Symbol feiner Herfhermadt fein follte: man ſchloß daraus, daß 


516 Aucinci. Gauch. Bäher. Gertend. $. 132. 


dieſes Königs Regierung nicht fruchten werde. So lieft man bei Reuſch, 
einem Vorläufer Mannhardts, Br. Prov. BI.V, 338, in Baiern nenne man 
den Adler im Preußifhen Wappen fcherzweife den Preußiſchen Kudud und 
die alten Pr. Groſchen Kucudsgroſchen, und in Preußen felbft ſolle diefer 
Scherz nicht ungewöhnlich fein und namentlih das Stempeln mit bem 
Adler den Preußifhen Kudud auforüden heißen. Es galt für üble Bor 
bebeutung, wenn man feinen Ruf nüdtern hörte und Walther glaubt (73, 
29) herzhaft geflucht zu haben mit den Worten: 
hiure müejens beide esel unde gouch geheren & si enbijjen sin. 
Ja, weil er feine Gier in fremde Nefter legt, wird er zum Chebreher und 
Hurenfohn und fein Name, Gauch, zu einem der gangbarften Schimpfmwörter. 
Wir haben auch ſchon gejehen, wie fein mehlbeftaubtes Gefieder ihn zu 
einem Bäder machte; anderwaͤrts hielt man ihn für einen Müller; Bäder 
und Müller aber gelten im MA. nicht für ehrliche Leute. Bedeutete er 
doch zulegt euphemiftifch den Teufel felbft in Rebensarten wie: Hohl ihn 
der Kududl das if um des Kucuds zu werden! oder wenn Glaubius 
von dem Kudud und feinem Küfter fingt. Dgl. S. 428 oben. Aber 
gerade dieß letztere Könnte uns erläutern wie man auf den Einfall kam, 
etwas Goͤttliches an einem jo übel angejehenen Vogel zu finden. Der Teufel 
ift fo oft an die Stelle ver alten Götter getreten, warum follte es nicht 
der Kudud fein, den wir an bed Teufels Stelle zu nennen pflegen? Daß 
er aber gerade an Thors oder Freys Stelle getreten fein jolle, wie Mann- 
hardt will, leuchtet nicht fofort ein, ba ber Aoler, mit dem ihn das Bolt 
zu vertaufchen liebt, Odind Vogel war. a ich riethe, wenn ich über 
haupt bie Anficht theilte, nod lieber auf Gertrud ober eine der Göttin 
nen, welde Gertrud erfegen follte. In dem an die Schnede gerichteten 
Kinderfprude: 
Kudud, Kuckuck Gerderut, 
Stäf dine vr Hörne herut. 

ift die erfte Zeile nicht fowohl des Reims wegen herbeigezogen, als weil 
aud der KAudud Verftedens fpielt, indem er fih in dem grünen Laube 
birgt, dad er angefungen hat, woburd er zu dem Verſtedſpiel der Kinder 
Veranlagung giebt. Aber Audud und Gertrud gehören hier zufammen, 
wie auch Mannharbt annimmt, und fo möchte id; ihn am liebften für den 
Vogel der Freyja oder Idun erklären, die beide Göttinnen ber fehönen 
Jahreszeit find, des rüdlehrenden Schmuds der Erde in Grad und Laub. 
Faut aud Gertrud Tag (17. März) etwas früher ala des Aududs Ge: 


6. 182. Gertendsvogel. Martinsvogel. Achwarzfpedt. 517 


fang in unfern Wäldern vernommen wird, fo haben fie bod gemein, 
daß beide den Anbrud des Frühlings zu bezeichnen pflegen. Nod eine 
andere Spur deutet auf Gertrub: das norwegiihe Märchen von dem 
Gertrupspogel (Grimm M. 639, Asbiörnfen und Moe Nr. 2) 
"findet fih auch auf den Kudud übertragen; oder war er felber der Ger- 
trudövogel, und ift biefer nur durch Bermechlelung mit dem Martin s— 
vogel für den rothhaubigen Schwarzipedht gehalten worden? Dieß ift um 
fo wahrſcheinlicher, als es ſich hier wieder ums Baden handelt und bie 
rothe Haube der kargen Bäderin ihr nur des Vogel wegen aufgejept ift, 
während das mehlbeftaubte Gefieder des Kududs nicht erfunden zu wer⸗ 
den brauchte. Der Kudud ift auch fonft noch, wie Mannhardt ausführt, 
wegen Karg heit übel berufen. Aber ver Lefer fol nit um das Maͤrchen von 
dem Schwarzipecht Tommen, in dem wohl ein Mythus ftedt: Als unfer Herr 
gott mit Petrus auf der Erbe wandelte, kamen fie zu einer Frau, melde faß 
und but; fie hieß Gertrud und trug eine rothe Haube auf dem Kopf. 
Müde und hungrig von dem langen Weg bat fie unfer Herrgott um ein 
Stüd Kuchen. Ja, das follte er haben, fagte fie und Inetete es aus; 
aber da warb es fo groß, daß es den ganzen Badtrog ausfüllte. Nein, 
das war allzugroß, das konnte er nicht bekommen. Sie nahm nun ein 
Heineres Stüd; aber als fie es ausgelnetet hatte, war es ebenfalld für 
ein Almofen zu groß geworben: das konnte er auch nicht bekommen. 
Das dritte Mal nahm fie ein ganz Meines Stüd; aber aud dad Mal 
ward es wieder zu groß. „Ya, jo Tann ich euch nichts geben”, fagte 
Gertrud: „Ihe müßt daher ohne Mundſchmad wieder fortgehen, denn 
das Brot wird ja immer zu groß.” Da ereiferte fih der Herr Chriftus 
und ſprach: „Weil du ein fo ſchlechtes Herz haft und mir nidt einmal 
ein Stüdchen Brot gönnft, fo folft du dafür in einen Vogel verwandelt 
werben und beine Nahrung zwiſchen Holz und Rinde fuhen und nicht 
öfter zu trinken follft du haben, als wenn e3 regnet.” Und kaum hatte 
er die Worte gefprochen, fo war fie zum Gertrudsvogel verwandelt und 
flog oben zum Schornftein hinaus und nod den heutigen Tag fieht man 
fie herumfliegen mit einer rothen Müge auf dem Kopf und ſchwarz über 
den ganzen Leib; denn der Ruſs im Schormftein hatte fie geſchwaͤrzt. 
Sie hadt und pidt beftändig in den Bäumen nad Ehen und zirpt immer, 
wenn e3 regnen foll, denn fie ift beftändig durftig. 


518 
Gebet 


133. 


Das Gebet ift mehr ald eine an göttlihe Weſen gerichtete Bitte. 
Der urfprünglihe Sinn von Bitten it Liegen, Niederfallen, und die mit 
ber Gebet verbundenen Geberden der Gelbftvemüthigung, die emporgehos 
benen oder auögeftredten Arme, die gefalteten Haͤnde, das entblößte, ges 
weigte Haupt, die gebogenen Kniee, das Nieverftürzen zu den Füßen ber 
angeflehten Gottheit, fie alle brüden aus, daß ber Menf ſich dem höhern 
Wejen als ein Befiegter, als wehrlojes Opfer darbietet und unters 
wirft. Bitten und beten werden vielfad verwechſelt: noch Pfeffel fagt: 
den ganzen Tag bat er fein Paternofter her. Wörterb. II, 53. Beide 
Wörter aber tommen von bieten oflerre. In der alten Sprade und 
noch im Dialekt heißt es ‚fih beten‘, als wäre ſich bieten, ſich opfern ges 
meint, gerade wie bad mit Bitten in feinem alten Sinne zufammenhäns 
gende badi Bette (leotisternium) zugleid Altar bebeutet, Myth. 27. 59. 
Wörterb. I, 1722. Bon dem Gntblößen des Hauptes machten nur bie 
Briefter eine Ausnahme, wenigfiens ift von den gothifchen bezeugt, daß fie 
das Haupt wit der Tiare bevedten. 

Der Heide fhaute beim Beten gegen Norden, weil dahin auch daB 
deutſche Alterthum die Wohnung der Götter fegte, und diefe felber gegen 
Eüven fahen, vgl. 6.192. Die gegen Dften betenden Chriſten nahmen da⸗ 
her einen noͤrdlichen Sig de Teufels an, und bei feiner Abſchwoͤrung muften 
ſich die Neubelehrten mit gerungeller Stirne und zorniger Geberbe, bem 
Gegenfag jener, die daß Gebet begleitete, norbwärts lehren. Zür bie 
Vorftellung, zu welder Sigrdr. 3 Anlaß giebt, als hätten die Deutſchen 
figend gebetet, Tönnten deutſche Gräber ſprechen, welche die Todten in 
figender Stellung zeigen. Nach Maurer Belehrung II betete man liegend 
nad) Norden gerichtet und hielt, auch wenn fein Bildniſs da mar, bie 
Hände beim Beten vor die Augen, wie vom Glanze der Gottheit geblendet. 


Opfer 
134, 1 Im Allgemeinen, 


Wenn der Menſch im Gebet fi felber darbringt, fo fügt er im 
Opfer einen Theil feiner Habe hinzu, und erfennt damit an, daß er 


8. 134. Drelerlei Opfer. Brei Iahresopfer. Zühneber, 519 


das Ganze der Gnade der Götter verdankt. Diefer weiß er ſich be 
dürftig im Glüd wie im Unglüd, denn das Glüd ericheint ihm als ein 
neuer Beweis der göttlichen Gnade, bie ihm ein Dankopfer auch ferner 
erhalten fol; das Unglüd ſchreibt er dem Zorne der Götter zu, den er 
durch ein Sühnopfer von ſich abzuwenden hofft. Cine dritte Art, 
‚wenn der Ausgang eines Unternehmens erforfcht werben foll, und ber 
Weißagung ein Opfer vorhergeht, damit ber Gott geneigt werde, feinen 
Willen tundzugeben und einen Blid in die Zukunft zu verftatten‘, tonnte 
man Bittopfer nennen und noch andere Fälle hinzurechnen. 

Bon allen feinen die Dantopfer häufig, weil fie wie bie Jahres⸗ 
ernten vegelmäßig wieberfehren; doc laßen ſich bie drei großen Jahredr 
opfer der Deutſchen je gu einer diefer brei Arten zählen. Nur das Herbft- 
opfer, das zum Gmpfange des Winter til ärs, alſo für den Segen ber 
Ernte, gebradt wurde, ift ein Dankopfer; zu Mittwinter opferte man til 
grödhrer, den Feldern Fruchtbarkeit zu erflehen, und bieß ſcheint gleich 
dem dritten, da3 zum Empfange des Sommers, wenn bie Waffen nicht 
länger zu ruhen brauchten, til sigrs (für den Gieg) gebradt wurde, ein 
Bittopfer; da aber die Schweden dabei den Sühmeber darbrachten, fo 
war wohl die Verföhnung der unterweltlihen Götter, damit fie nicht 
Miſswachs, Mäufefraß und andere Plagen verhängten, feine eigentliche 
Beftimmung. Bol. M. 38. 

Der Sühneber war aud den Angelſachſen bekannt und für deutſche 
Gerichtsmale, die einft Opfermale waren, ift er in fehr entlegenen Gegen: 
den nachgewieſen. Das Nähere ift S. 352 angegeben: bie dabei vorfom: 
menden Beiten beftätigen, daß bie Opfermale mit den brei großen Volls⸗ 
verfammlungen, den feg. ungebotenen Gerichten, zufammenbiengen, bie ſich, 
wie verſchieden auch ihre Zeit in den Weisthämern beftimmt wird, im 
Ganzen doch auf die genannten brei Jahreszeiten vertheilen, fo daß wir 
Martini, Weihnachten und Walpurgis als die regelmäßigen Friften 
anfegen bürfen. Dabei märe auh die Meldung des Tacitus, daß bie 
Deutfhen nur drei Jahreszeiten gelannt hätten, in Betracht zu ziehen. 
Sie ift gewiſs an ſich richtig, wie er auch darin nicht irrte, daß ber Herbft 
den Deutſchen Obft: und Weingewinn verfagte, worauf er als Römer allein 
Werth legte. 

Außer biefen drei Jahresopfern gab e3 andere, die ſich nad Tängern 
Zeiträumen wiederholten. Dietmar von Merfeburg berichtet von dem 
großen Opfer auf Seeland, das alle neun Jahre am ten Januar, aljo 


520 Henn Iahre. Menfcenopfer. $. 124. 


nod in der Zeit der Zwölften, am Berchtentage, die unterweltlichen Götter 
verföhnen follte, wobei 99 Menſchen und ebenfoviel Pferde fielen; Adam 
von Bremen von dem Upfalifhen, gleichfalls alle neun Jahre wiederleh⸗ 
venben, bei welchem neun Häupter von jeder Xhiergattung bargebracht 
tourden, Myth. 42. 46. Alle neun Jahre: das ift eine große Woche von 
neun Jahren, der fleinen Woche von neun Tagen entſprechend. Der 
Greuel des Menſchenopfers ift ſchwerlich erbichtet; aber die Milderung der 
Sitten, melde das Chriftentbum brachte, darf man nicht zu gering ans 
ſchlagen. Nicht unaͤhnlich ift übrigens, fagt Grimm Myth. 47, wenn nach 
dem Sachſen⸗ und Schwabenfpiegel alle lebenden Weſen die bei einer Noth⸗ 
nunſt waren, namentlich Rinder, Roſſe, Kagen, Hunde, Hahnen, Gänfe, 
Schweine und Leute, außer dem eigentlihen Miffethäter (d. i. utſprünglich 
ihrem Hausherren) enthauptet werben follten. An der Dingftätte ftand ber 
Stein (in Köln der blaue Stein), an den man bie Verbrecher ſtieß, bie 
zum Opfertobe verurtheilt waren. „Es leuchtet ein”, fagt Maurer II, 196, 
„daß Männernamen wie Stein, Weftein, Freyſtein, Thorftein ganz fo von 
diefem Opferftein hergenommen find, wie die Namen Ketil, Astetil, Thors 
teil, Bolli u. dgl. von dem heiligen Opferleßel.“ Allerdings fehlt es 
aud fonft niht an Beugnifien für Menfhenopfer; außer Verbrechern 
fielen beſonders kriegsgefangene Feinde, bie man ſchon vor der 
Schlacht dem Gotte, wenn er den Sieg verliehe, geweiht hatte, was kaum 
viel jhlimmer ift als wenn in chriſtlichen Schlachten fein Quartier geger 
ben wird. Daneben ift von erkauften Knechten die Rebe; bier dürfen wir 
das Heibenthum nicht zu ſchwer verklagen, da wir leider hören, daß es 
Shriften waren, welche diefe Knechte zum Opfer verlauften, M. 40. Man 
berichtet auch von Menſchenopfern bei Flußübergängen, die Frauen und 
Kinder trafen, und die Gage weiß, daß Kinder zur Heilung des Auss 
ſatzes getöbtet ober bei Neubauten in Grundwaͤlle eingemauert, Myth. 1094, 
ja Könige, wie in Schweden Domaldi (Angligaf. 18) für Mifsjahre, 
oder, wie Wilar ©. 196, für den Geefturm verantwortlih gemacht und 
den Göttern geopfert wurden. Noch ſchlimmer ift es, wenn König Den 
©. 205 jedes zehnte Jahr einen feiner Söhne um langes Leben, Hakon Jarl 
der Thorgerd Hölgabrub, die nicht einmal eine Göttin war, wenn ihr gleich 
göttliche Ehre erwiejen ward, feinen Sohn geopfert haben fol, Maurer II, 
198. Vornaͤmlich ift es Din, dem Menfhenopfer gefielen; freilid mins 
derte der Glaube der Hingeopferten Looß, denn der Gott verlieh ihnen 
Walhall. Schon die alten Geten, weldhe Grimm für unfere Vorfahren 


$. 184. Sqladimouat. Martinsgaus. Kerbkyferd. j 521 


hielt, pflegten alle fünf Jahre einen Boten an Zamolgis ober Ges 
beleizeiß zu fenben, der, in ver himmlifhen Wohnung Aufnahme findend, 
nicht wieberfehrte. Man hatte ihn an Händen und "Füßen in die Höhe 
geſchleudert und auf drei Lanzen aufgefangen: wie graufam, ja unmenfdhe 
lich das mar, fo mochten ſich doch Lebensmüde zu dieſem Botenamte 
drängen, um zu Bamolris zu gehen, wie man im Norden zu Odin zu 
gehen fih mit dem Sper rigen ließ, oder Andere, wenn fie das Kleinfte 
verbroß, fi vom Zeljen ftürzten den Gott zu fuhen, FAS. IIL 7. 

Die zur Sühne Blut vergoßen werden mufte und Menſchen als das 
toftbarfte, aber dvem Gott willkommenſte Opfer fielen, fo beſchraͤnkten ſich 
auch Bitte und Dantopfer nicht auf die Früchte des Feldes, am Wenigften 
mohl bei dem Frühlingsopfer, das til sigrs, aljo dem Kriegsgotte ge« 
bracht wurde. Das große Gerbftopfer zoflte zunächft nur den Dank für . 
den Segen der Ernte; aber das Jahr hatte auch Pferde und Rinder, 
Lämmer und Biegen, Schweine und Federvieh gebracht, und fo genügten 
bier die unfduldigern Opfer aus dem Pflangenreich nicht, welche ſich über: 
dieß lieber gleih an das Einfheuern knüpften. 

Im Spätherbft pflegt der ‘gemeine Mann noch jept für den Winter 
einzuſchlachten; in heidniſcher Beit gab er dabei auch den Göttern ihren 
Antheil. Hiervon ift nit bloß die Martindgand übrig und die 
niederrheiniſche Sitte, da3 Herbftpferd vorzuftellen (M. Martinsliever 
S. VII); Grimm bezieht aud den Gebraud, beim Einſchlachten ein Gaſt⸗ 
mal zu rüften und Fleifh und Würfte den Nachbarn zu ſchicen, auf die 
alte Opfergemeinfchaft. Daß der November nicht des häuslichen Ein⸗ 
ſchlachtens fürt den Winter wegen Shlahtmonat heißt, fondern mit 
Bezug auf die alten Opferthiere, zeigt der entfprehende angelf. Name 
blötmönadh, der mit Bluten nichts zu fchaffen hat, da agf. blötan, alth. 
pluogen, Opfern bebeutet. So ift auch Martinsliever XIV. 52. 53. 
nadgewiefen, daß außer der Gans Hühner, Schweine, Kühe und Pferde 
zur Martinzfeier gehörten. Das Pferdeopfer, das für die Deutſchen 
characteriſtiſch blieb, obwohl wir e8 mit Inden, Perfern und Slaven ge: 
mein hatten, erlannte an, daß das Pferd ein reines Thier ift; fein Fleiſch 
mufte gerne genoßen werden, fonft wäre es unſchidlich geweſen, es dem 
Gotte darzubieten, Myth. 40. 

Die Gemeinſchaft zwifhen Göttern und Menfchen, welche das Opfer auch 
äußerlich barftellen follte, wie das Gebet fie geiftig gegründet hatte, erfors 
derte, daß die gefamte Gemeinde, nicht bloß der Priefter, an der ‚Bilde‘, 


522 Gehätt. Biefer. Tempelabgaben. 8. 134 


dem auß gemeinſchaftlichen Beiträgen beftrittenen Opferfchmaufe, Theil nahm. 
Dog blieb dem Gotte das Eingeweide, Herz, Leber und Lunge vorbehals 
ten, alfo was die Mehger noch jept ein ‚Gebütt‘ (won bieten) nennen. 
Vgl. Kuhn WE. II, 167. Nur dieß kam mohl auf den Altar (piot); 
das Uebrige warb gefotten, in der Verfammlung ausgetheilt und gemein: 
fehaftlich verzehrt. Das Blut (hlaut) fieng man in Opferfeßeln (hlaut- 
bollar) auf, in die man Wedel (hlautteinar) tauchte, um das Volk zu 
befprengen, und Götterbilver und Altäre fo wie bie Tempelmände aufen 
und innen zu beftreihen. Häupter und Häute größerer Opferthiere, der 
Pferde namentlich, hieng man im Haine, der dad Heiligthum umgab, an 
Bäumen, oder an der Luft getrodnet am Giebel des Haufes auf, wo fie 
auch wohl ausgeſchnizt wurden. Vgl. S. 374 und Roh. II, 19. Sie 
beförberten die Fruchtbarkeit und fhügten vor dem Blig. Cin Pferdeopfer 
gieng au dem Errihten ver Neidftange ©. 386 vorauf. Die ven 
Göttern in ihren Hainen erzogenen Pferde S. 513, welche wir ald weißa- 
gend fennen, waren der Dpferung nicht beftimmt. Neben dem Pferde 
galt landſchaftlich auch der Eſel für opferbar, daneben Rinder, Schweine 
und alles Schmalvieh, das noch jegt genoßen wird, Biegen und Böde mit 
eingerechnet; vom Wilde nur die größern Naubthiere. nicht, obgleih Bär 
renfleiſch nach Woͤlundarkw. 9 gegeßen wurde. In der chriftlihen Beit 
wurden biefe XThiere noch immer an die jept in Kirchen vermandelten 
Tempel als Abgaben entrichtet; der Unterſchied beftand nur barin, daß ber 
Bauer, der fie gezüchtet hatte, jegt an dem Schmauſe felten mehr Theil 
nehmen durfte. Mit der Opferfähigfeit der Pferde und Rinder han⸗ 
gen nad Duigm. 240 die Sagen zufammen, in melden ſich zufällig ges 
fundene Rofs: und Kälberzähne in blinlendes Gold verwandeln. 

Die opferbaren Thiere nannte man Biefer (Biber, alth. z&par), 
woraus fih das Mort ‚Ungeziefer‘, franz. atoivre, erklärt; doch ſcheint 
Biefer auch die opfermäßigen Pflanzen begriffen zu haben. Wenn Tac. 
Germ. 9 von concessis animalibus fpriht, fo tann er damit die den 
genannten Göttern, Mard und Hercules, geheiligten Thiere meinen: es 
genügte nod nicht, daß fie überhaupt opferbar waren, fie muften fi dieſem 
beſondern Gotte zum Opfer eignen: dem Frey hätte man nicht den Bod, 
dem Thör nicht den Eber dargebraht. Dabei warb auch auf Geſchlecht 
und Alter des Thieres gefehen und daß es menſchlichem Gebrauche nicht 
gedient habe: außer dem Gotte (S. 458) durfte das Roſs noch feinen 
Reiter getragen, dad Rind mufte nod fein Joch geduldet haben. Auch 


& 134. Hörnervergaldung. Yogeljchet. 528 


auf die Farbe kam es an: bald wird fledenlofe Weiße, bald rabenſchwarze 
Zarbe bedingt; der Waßergeiſt heiſcht ein ſchwarzes Lamm und Thrymr 
freut ſich Thr. 27 feiner rabenſchwarzen Rinder und der Kühe mit goldes 
nen Hoͤrnern. Goldgehörnte Kühe verlangt auch Helgalw. I, 4 der Riefe 
in Bogelgeftalt (S. 513) und unfere Rechtsgebraͤuche fordern vergoldete 
Hörner bei dem zu entrichtenden Bod. Quihm. 246. Go geſchmüdt und 
befrängt warb das Opferthier dreimal um das Heiligthum oder im Kreiße 
der Bollöverfammlung umbergeleitet, rund durch die Bänte geführt, Myth. 48, 
nad dem Ausdrud des Lauterbacher Weisthums, vgl. S. 352. Bei häuss 
lichen Feften, wo der Haußvater an die Stelle des Priefterd trat, gieng es 
einfaer zu und ber Hauögeift ober ein eintretender Gaſt trat an bie 
Stelle des Gottes. 

Da es bei den DOpfermalen an Brot nicht gefehlt haben fann, fo ers 
bielten wohl aud die Götter ihren Antheil an dem aus Kornſpenden bes 
veiteten Badwerk. Vielleicht geſchah das fo, daß man die Götter ſelbſt 
umd die ihnen geheiligten Thiere in Brot: und Kuchenteich nachbildete, 
worauf die simulacra de consparsa farina bed indieulus zu beuten 
feinen, Wie Thaler (Ztfchr. f. M. I, 288) berichtet, war ed noch jungſt 
im Tyrol Gebraub, au dem legten vom Teigbret zuſammengeſcharrten 
Brotteig eine Figur zu bilden, welhe der Gott hieß und mit bem übris 
gen Brote gebaden ward, Nach der Fridthiofsſaga 9 wurden beim Dir 
ſablot Götterbilder gebaden und mit Del gejalbt, wobei ein gebades 
ner Baldur und ein anderer Gott ind Feuer fiel, wovon das. Haus in 
helle Flammen gerieth. Bei gewiffen Seiten wird noch jegt dem Badwerk 
die Geftalt von Göpen und Thieren gegeben; legtere lönnen aud ältere 
Thieropfer erjegt haben. Einfacher aber fchöner als jene blutigen Opfer 
male find die Danfopfer, die fih unmittelbar an die Ernte fnüpfen. Bon 
den Aehrenbũſcheln, die man den Göttern ſtehen ließ, ift öfter die Rede 
gewefen; das warb ald Vogelzehnt tegede (Ztjhr. II, 385 ff.) aufgejaft, 
wie aud andere regelmäßige Opferſpenden in Kirchenzehnten übergegangen 
waren. Den Vögeln fanden wir aud fonft Opfer gefpenvet (6. 512); 
es ift wejentli eins, ob die dem Gott zugebachte Verehrung von Wo— 
dans Roſs oder den Bögeln des Himmels hinmweggenommen ward. 
So pflegte man bei der Obfternte ven Baum nicht aller feiner Früchte zu 
berauben: einige ließ man hangen, damit er ein anbermal wieder trage. 
Bon Früchten, die den Göttern felbft dargebracht wurben, oder von Blu⸗ 
men, womit man ihre Bilder befränzte, haben wir, weil fie der Beachtung 


54 Crankspfer. Ainut der Götter. Loafe. , 8. 134. 


nicht werth ſchienen, aus ber heidniſchen Zeit wenig Nachrichten; doch 
laßen fpätere Sagen und noch fortdauernde Gebräuche darauf zurüdfcließen. 

Die die Opfer zu Opfermalen wurden, bei welden Briefter und, 
Bolt die dargebrachten Spenden gemeinſchaftlich verzehrten, fo pflegte man 
bei allen feierlichen, ja bei ven täglichen Malzeiten, der Götter zu gebenfen 
und namentlich den Hausgöttern einen Theil der Speife zurüdzuftellen. 
Auch bei dem Tranfe vergaß man der Götter nicht, denn es war Eitte, 
ihre Mine, d. h. ihr Gedaͤchtniſs zu trinfen. Bon eigentlichen Trank: 
opfern ift dieſes Minneteinfen um fo fehmerer zu fcheiden als beide dem 
Wuotan zu gelten pflegten, M. 49. 52. Neben Wuotand Minne wurde 
Thors, Niörbs, Freys und Freyjas Minne getrunfen; Odins Beer (Full) 
um Gieg und Macht; Njörds und Freys Hom um gutes Jahr und Frier 
den. Maurer 200. Nah Helgakw. I pflegte man am Julabend Bragis 
Becher (bragafull) zu leeren, und dabei auf Freys Gühneber Gelübve abzu- 
legen; indem man ſich einer fühnen, im Laufe des eben beginnenden Jahrs 
zu vollbringenden That vermaß, was man strengia heit nannte S. 341 
und 8.145. Beim Erbmal geſchah Aehnlihes zum Andenlen an die Vers 
ſtorbenen; in andern Fällen trank man dem Abwefenden zu Ehren und 
aud dieß hieß Minnetrunk. Diefe Sitte, von welcher unfere Toafte 
berzurähren ſcheinen, gab man in chriſtlicher Zeit nicht auf; nur traten 
Heilige an die Stelle der Götter: St. Martin auf fein eigenes Verlangen 
an die Stelle Thoͤrs, Odins und der übrigen Aſen (Myth. 58, Maurer I, 
285), deren Minne aud in Schweden, wo Freyt Landas geweſen war, 
getrunfen ward; St. Gertrud an Freyjas; den Njörd und Frey fheint dar 
bei St. Stephan erfept zu haben, Wolf Beitr. 125. So hieng zu reis 
burg bei den Johannitern ein Stein an einer filbernen Kette, mit dem 
St. Stephan gefteinigt fein follte. Man goß Wein darauf und gab ihm 
den Gläubigen zu trinken. Karls des Großen Verbot, des h. Stephan 
oder feine und feiner Söhne Minne zu trinken, blieb aljo unbeachtet, weil 
Fros Verehrung, der nun durd St. Stephan erfegt wurde, noch übermog. 
Auch St. Mihaeld und Johannes des Cvangeliften Minne warb getrun: 
ten; letztere pflegten unter dem Namen „Johannesſegen' gleih Gt. Ger: 
truden Minne beſonders Reifende und Scheidende zu trinken, woran ſich 
halbmythiſche Erzählungen knüpften. Warum man von St. Gertrud gute 
Herberge hoffte, ift ©. 331 angebeutet. Sie foll aber auch einem Ritter, 
der fi dem Böfen verſchrieben hatte, St. Johannis Minne zugetrunten 
und ihn dadurch aus feiner Macht erlöft haben. Wie Gertrud an Freyjas, 


8. 136. Iohannistrunk, Hof. 525 


fo ſcheint hier St. Johannes wieder an die Stelle Odhrs, ihres Geliebten 
©. 221.386 getreten; die Verwechſelung des Cvangeliften mit dem Täufer 
tommt auch fonft vor. Die Kirche pflegt aber noch jept am Tage bed 
Evangeliften einen Kelch mit Wein zu fegnen und das Andenken des 
Tiebften Jüngers des Herrn dem Vol zur Nacheiferung anzuempfehlen. 


135. 2, Hof und Heiligthum. 

Tempel der Germanen, wenn darunter Gebäude verftanden werben 
folfen, leugnet Tacitus Germ. 9: der Größe des Himmlifhen ward uns 
würdig erachtet, fie in Mauern einzuzwängen. Wo bei ihm von Tempeln 
die Rede ift, meint er geweihte Wälder und "Haine, Gleichwohl herichtet 
er Ann. J, 51, ver hochberühmte Tempel der marfiihen Völler, ‚quod 
Tanfanae dicunt‘, fei der Erbe gleih gemacht worden, $. 117. Hier 
deutet der Ausdrud doch auf ein Gebäude; einem heiligen Hain ſcheint 
er weniger gemäß. Auch wenn er Germ. 40 von ber Nerthus fagt, der 
Priefter habe die des Umgangs mit den Sterblihen erjättigte Göttin dem 
Heiligthum (templo) zurüdgegeben, dent man menigftend au ein Ob⸗ 
dad) für ihren mit QTüchern verhüllten Wagen. Doch hatte die Baukunſt 
dazumal wohl erft fo kindiſche Anfänge entwidelt, daß fie den Göttern 
feine Wohnpläge bieten konnte, die mit der Crhabenheit der uralten Wäls 
der wetteifern konnten. Sehen wir aud ab von der unferm Volle ein 
geborenen Liebe zum Waldleben, ©. 510, fo mufte dod das Rauſchen ver 
taufenbjährigen Cichen die Nähe der Gottheit ahnungsvoller verlünden, 
das uralte Heiligtbum, wo fhon die Väter geopfert hatten, die Geele zu 
höherer Andacht ftimmen als der prächtigfte Tempel, den die noch unber 
bolfene Kunft hätte zimmern fönnen. Jedes neue Werk hätte der heiligen 
Scheu Gintrag gethan, womit man ſich der altgeweihten Stätte nahte. 
Den Gothen ſcheint freilih alhs (vad;), alth. alah, ein altheiliges Wort; 
aber wären wir auch verfiert, daß es ſchon vor Ulfila ein Gebäude 
meinte, fo waren die Gothen durch ihre Berührung mit den alten Völtern 
ein frühreifes Voll. Die Ausdrüde, die wir bei den übrigen Stämmen 
für Tempel finven: wih, haruo (altn. hörgr), forst, paro (altn. barr, 
barri) deuten zugleih auf den Wald. Erſt wo wir altn. hof und 
hörgr (Hof und Heiligthum) verbunden trefien, bürfen wir Erſteres für 
ein Gebäude nehmen, während hörgr feinen alten Sinn des Walbheis 
ligthums behält. Hof wäre demnach das ältefte deutſche Wort für den 
erbauten Tempel, und doch weift aud) dieß noch auf die Zeit zurüd, wo 


526 Seidenfüden. Rofengärten. Freund Hain. 8. 135. 


die Gottheit ſich im Schatten heiliger Haine barg, und ihr Allerheiligftes 
nur ein dünner Geidenfaden hegte, wie wir ihn aus den beiden Rofen- 
gärten S. 453 Tennen, und wie im Norden die heiligen Schnüre (vEbönd) 
&.109 um dünne Hafelftäbe gegogen wurden, RU. 182. 203.810. Wenn 
in verfdiedenen Gegenden der Volksluſt gewidmete Berfammlungspläge 
den Namen Rofengärten führen, worauf fih Uhland Germ. VI, 321 
gründet, fo ſcheint dieß etwas Spätereß, das erft aus dem größern Roſen ⸗ 
gartenliede erwuchs. Aelter find die durch Seivenfäden gehegten Vorhöfe 
ver Tempel umb Gerichte, von deren Unverletzlichleit auch unfere Rofen- 
gartenlieder ausgehen. Wenn Gommerfefte und Ofterfpiele in Rofen« 
gärten begangen wurden, (Uhland a. a. ©.), fo Tann fih dieß nur aus 
alten Opferfeften entwidelt haben, die in Tempelhöfen begangen wurden. 
Der Name Rofengarten zeigt, daß neben Hof aud Garten (goth. gards) 
das inneve Heiligthum bezeichnet: der heilige Baum, der in ber Mitte 
fand, konnte aud ein Rofenftod fein wie jener zu Hildesheim (DS. 457), 
der feit Ludwig dem Frommen noch jegt grünt und blüht. Rofengärten 
finden ſich wohl nod an Vorhöfen der Kirchen (Paradies), und in den 
Bildern zum Sachſenſpiegel bezeichnet eine Rofe das Urtheil, Tempelhöfe 
und Gerihtöhöfe fielen zufammen, als noch Priefter Richter waren und 
der Hofgodi der Rechtäpflege und dem Gottesvienft zugleich vorſtand. 
Den Zufammenhang der Opfer mit ben ungebotenen Dingen fahen wir 
noch in fpäter Beit fortwirken. Das feierlid gehegte Gericht war ftäts 
mit Opfern verbunden, vgl. ©. 352 und 8.133. Als fi an der Stelle 
der alten Waldtempel Kirchen erhoben, hieß Hof zulegt nur noch bie ge 
weihte Erbe, worin die Todten rubten, wie dieſe aud früher nah Har— 
barbal. 43: 
Du giebft den Gräbern zu guten Namen, 
Beun bu fie Wälder- wohnungen nennfl. 

in Wäldern, ohne Zweifel heiligen, beftattet worden waren. Rod im 8. 
Jahrh. ließ ſich ein ſchwerverwundeter Sachſe in einen heiligen Wald trar 
gen um da zu fierben, M. 64. Aus diefer Sitte, die Tobten in den 
Hainen zu beftatten, Täfıt fi ber erft fpät auftaudende Name ‚Freund 
Hain’ am beften erflären, fo wie der Name ‚Heinen‘ für elbiſche ver 
Untertoelt verwandte Geifter. Auf den Kirhhöfen pflegte aber auch die 
Gemeinde zu dingen und die Gericht slinde hatte dort ihre Stelle wie 
der immergrüne Thingbaum vor dem Tempel zu Upſala, RU. 796. 
98. 805. Unfere Kichhöfe nennen wir wohl Friedhöfe: ein neuer Ber 


5. 186. Achte. Cyatlen. Icmnonen. . 507 


weis für ihre alte Heiligkeit, venn das aus vrithof mifverftandene Wort 
follte Freithof heißen: an biefem gefreiten Raum fand der Verfolgte Zur 
flucht; wer hätte es gewagt, ihn gewaltſam hinwegzuführen? Solcher 
heiligen Freiſtaͤtten (grida stadr) gedentt die Edda mehrfach; Walhall 
ſelbſt iſt als eine ſolche zu denken; vgl. die Freiſteine S. 406. Auf die 
Kirchen ſelbſt ſcheinen jene heiligen Schnüre übergegangen: fo iſt um vie 
St. Leonhardskirche zu Latſch im Tyrol, zu Ganader, Tölz, Tolbath eine 
eiferne Kette gelegt und die Leonhardslapelle bei Briren 21, mal von 
einer eifernen Kette umſchlungen. Jedes Glied ift einen Fuß lang und 
jedes Jahr wird ein neues Glied angeſchmiedet; andere Cifenfetten in 
Aigen und Inchenhoſen, Panzer Il, 193. So werben wir an die goldene 
Kette erinnert, welche den Tempel zu Upfala umgab wie Mannhardt GM. 
675 noch andere Golofetten gleicher Bedeutung nachweiſt. Freilich ift 
St. Leonhard der Patron der Cefangenen, die feine Fürbitte aus Ketten 
befreit, weöhalb an feinem Grabe (Leg. aur. 689) unzählige aufgehängt 
find, wie dad auch in ven ihm geweihten Kirchen geihieht; wenn aber 
ftatt deſſen nun die ganze Kirche außen von einer Kette umzogen warb, 
fo kann dieß an jenen Gebraud antnüpfen, das Heiligthum mit den ges 
weihten Schnüren zu umgeben. Vgl. Wolf Beitr. I, 175. Man begiebt 
ich freiwillig in St. Leonhards Gefangenihaft, indem man ihm zu Ehren 
um Leib und Hals ober Händen und Füßen Feßeln und Eifenringe trägt, 
die lebhaft an jene erinnern, von welchen die Chatten (ignominiosum id 
genti) ſich nah Germ. 31 erft durch Erlegung eine Feinde befreiten. Sind 
nun bie um die Kirchen gelegten Ketten aus jenen geopferten Feßeln ges 
ſchmiedet, die man dem Heiligen zu Ehren jahrelang oder lebenslang ges 
tragen hatte? Feßeln wozu das Eifen von frommen, barmherzigen Leuten 
erbettelt fein mufte, wodurch fie als gevoppelte Opfer erſchienen? und find 
die Bänder die AM. vom Herzen des Eifernen Heinrich fpringen, 
bier auch in Betracht zu ziehen? Gt. Leonhard erinnert unmittelbar an 
Zeus, wenn er auf einer Wand, in Wollen ſchwebend abgebilvet fteht und 
mit einer großen eifernen Kette feine Gemeinde umfängt. Panzer 394. 
Was Tacitus von dem heiligen Hain der Semnonen berichtet, den 
nur Gefeßelte betraten, S. 509, das wirb von dem Hof, dem innerften 
Heiligthum, wo nur der Priefter Zutritt hatte, für jeden Andern, dem es 
von diefem nicht geftattet wurde, überall gegolten haben. Wer die heilie 
gen Schnüre brach, büßte mit der rechten Hand, dem linken Fuß; daß 
damit der Tod gemeint ift, warb ſchon ©. 275. 453 dargethan. Hier 


528 tempelbaum. Ainderfamm. Läcad. Gelbaum. 8. 185. 


barg aud der Priefter den heiligen Wagen, deſſen Geheimniſſe nur Ster⸗ 
bende erfahren durften. 

Denn bier ſchon an ein Gebäude gedacht werben darf, fo werben 
una in fpätern heibnifhen Zeiten erbaute Tempel ausdrüdlich bezeugt. 
Zwar ift hier meift ſchon Berührung mit criftliher Cultur vorauszufegen ; 
doch dürfen wir fie und, da fie fo leicht in Rauch aufgiengen, wenn Chri— 
ften Feuer hineinwarfen, nur fehr befheiden denken: aus Holz und Zwei— 
gen um ben heiligen Baum gefügte Hütten. Selbſt Königsfäle fin- 
den wir noch um den heiligen Baum, jenen Kinderftamm der Wölfunga- 
fage, $. 21, erbaut, bei dem man nit umhin fann an ben weitum- 
fchattenden Delbaum im XXIII. Gefang der Odyſſee zu denen. Wenn 
8.21 unfere Deutung des Baumes Lärad, deſſen Wipfel über Walhall 
reichte, zutrifft, fo war felbft die Wohnung der Götter um die Welteſche, 
ven heiligen Gerichtsbaum der Afen, gefügt. So fagt KM. 148 Gott 
zu dem Teufel: ‚In der Kirche zu Gonftantinopel fteht eine hohe Eiche, 
die hat nod alles ihr Laub.’ Unter den deutſchen Namen jener kunſt⸗ 
loſen Tempel, die lateiniſch meift nur delubra und fana heißen (ver in- 
dieulus ſpricht de casulis i. e. fanis), fteht wieder Hof voran; daneben 
heißen fie pätapfr (wovon Bedburg), Bethaus, Halle und Saal, und nur 
dieſe bürfen wir aus Gtein gefügt oder in den Stein gehauen denken. 
Bon legtern mögen und mande ganz ober theilweife erhalten fein, aber 
zu chriſtlichen Capellen und Cinfieveleien wie die zu Salzburg ober bei 
Kreuznach umgefhaffen; die aus Stein gebauten, die zu hriftlihen Kirchen 
taugten, blieben meift erhalten, wie es ausdrüdliche Vorſchrift war. Gelbft 
nicht alle hölzerne find zerftört, nur in Kirchen umgeſchaffen, jene andern 
verbrannt oder niebergerißen worden, um bie altgeheiligte Stätte dem Ginen 
Gotte dienftbar zu maden. Ward doch felbft die uralte Donarseiche, an 
die Winfrid die Art legte, weife benugt, um aus ihrem Holz eine Kirche 
zu Ehren de Apoftel Petrus zu zimmern, damit heibnifger Itrihum zur 
Wahrheit des Chriftenglaubens hinüberleite. " 

Auch an chriſtlichen Kirchen und Capellen fteigerten ſich die Anfprüche 
erſt allmählih. Bon Heiligenbilvern, die auf einem Baumftamme ftanden, 
berichtet die Legende, man habe es vergeblich verſucht, fie in Kirchen außer: 
halb des Waldes der Andacht der Gläubigen audzuftellen; immer feien 
fie zu ihrem Baumftamm zurüdgelehrt und fo habe man fi zulegt ge: 
nöthigt gefehen, eine Capelle über Baum und Bild zu wölben, um fo diefem 
gleihfam feinen Willen zu lagen. 


$. 186, Erheleng Linde. Symbole. 529 


Wo chriſtliche Kirchen an die Stelle heidniſcher Tempel traten ift 
darauf zu achten, durd melde Heilige gewiſſe Götter erfept wurden. Bon 
Wodan, Donar und Bio ift es belannt, daß fie Gt. Martin, Gt. Peter und 
St. Michael weichen muften wie Freyja unferer lieben Frau, Iſis der h. 
Gertrud. Auch fonft waltet noch Zufammenhang. Wald: und Tempelnamen 
fielen zufammen: heidniſche Tempel hießen gerne Alh, Wich, Forſt, 
Loh (lucus) oder Harug (nord. Hörge) und fo werben wir durch Orts 
namen wie Albftetten, fpäter Altftelten, Weihenſtephan, Marienforft, Heilis 
genloh und Hargesheim an jene alten Walvheiligthümer erinnert. Bgl. 
Quigmann 218. Oft find aud Ortönamen von einzelnen Götterbäumen 
ausgegangen, wie Erkelenz von der Linde nah den Worten der 
Ehronit: ‚Ab Ercka matre sub tilie fatur venisse quaedam filia 
quse Ercklentz nuncupatur‘, wozu noch fommt, daß ber eine Heine Bier- 
telftunde von der Stadt entlegene Hof zu Deftrih ‚das guet ter Linden, 
bieß und von ihm der Bau ber Kirche ausgieng. Ederk Die Chronik ber 
Stabt Erkelenz, Köln 1858 ©. 106. 137. Wahrſcheinlich hatte Erla dort 
aud einen heiligen Brunnen, ba ſich die Kinder vor dem Waßer noch mit 
den Worten waren: ‚Geh nicht zu nah, bie Frau Herke zieht dich hinab‘. 
Brunnen erwartet man um bie heiligen Bäume, weil fie an der Welteſche, 
die ihnen als Vorbild diente, nicht fehlten. 


136. 3. Bilder, 


Aud die Götter bildlich darzuftellen, erachteten die Germanen nad 
Tacitus der Erhabenheit der Himmliſchen unmwürbig: bei der unvermoͤgen ⸗ 
den Kunft jener Zeit hätten fie dadurch aud nur verlieren können, Statt 
der Bilver (simulacra) hatten fie Symbole (signa und formas): den 
Sper Wuotans, den Hammer Donard, das Schwert des Ziu oder Heru; 
ein Schiff bedeutete die Iſis, Eberbilver den Gott und die Göttin, welchen 
der Eher geheiligt war, und fo fonnten wohl auch die den andern Göttern, 
dem Wodan und Donar, geheiligten Thiere (ferarum imagines, Tac. hist. 
IV, 22) als deren Symbole gelten. Ob ſich nicht gleihwohl bei Tacitus 
ſchon eine Spur eigentliher Götterbilver findet, hängt von der Auslegung 
der berühmten Stelle von der im See gebadeten Nerthus ab. Erwahnt 
er doch felber ſchon Herculesfäulen, die fi fpäter in Jrminfäulen, Ros 
landsſaulen, Aethelftansfäulen Myth. 107 verwandelten und als St. Hir⸗ 


mondbilber (Panzer II, 403) noch jept verehrt werden. Schwerlich war 
Simmrod, Mythologie. 34 


520 Adönpe Aufgabe Deutfger Aunf. % 136. 


aud der Römer in das Allerheiligſte aller deutſchen Haine gebrungen; 
bier und ba tönnten aljo ſchon damals bildliche Tarftellungen verſucht 
worden fein. In Beiten der fortgefchrittenen Kunſt find @ötterbilver 
unzweifelhaft; die Worte negus ad ullam humani oris speoiem assi- 
milare, Germ. 9, follen aud nicht andeuten, daß man fih die Gotter 
nicht nah menihlihem Bilde dachte: wie hätten die Götteilieber, deren 
ung Tacitus verſichert, fie und anderd als menſchenaͤhnlich ſchildern follen? 
Sobald die Kunft auftıat, verſuchte fie ſich an der Darftellung der Götter. 
Ein reicher Jsländer Llaf Pa ließ fein Haus mit Sagenbildern fchmüden, 
auf die dann Ulf, Uggis Sohn, die Husdrapa dichtete, die auch Baldurs 
Leihenbegängnifs, Heimdals und Lofis Kampf um Brifingamen und Thors 
Fiſchſang mit Hymir behandelten. Vgl. Uhland 143. Weinh. Ztfhr. VIII, 47. 
Ausführlie bilolihe Darftellungen von Göttern und Helden, in zwei Ab: 
theilungen, die Helden zu Schiffe und über ihnen in Walhall die Götter 
enthält der ſchon anderwaͤrts erwähnte gothländiſche Runenftein. Altchriſtliche 
Bildwerle mit heidniſchen Untlängen hat Panzer II, 1—7 und 308—378 
beſprochen. Vgl. auch Wolf Beitr. I, 106 fi. Unfere heutige Aunft liegt zu 
fehr in den Feßeln der Antile und zu tief ſchlaͤſt der deutſche Ginn noch 
in dem Berge, um den die Raben fliegen, als daß die fchönfte Aufgabe 
unferer Kunft, deutſche Mythologie und Sage, ihr bemwuft warde. Haben 
doch felbft in Dänemart, das feine Schiffe nad deutſchen Göttern, nicht 
nad griechiſchen Nymphen nennt, Finn Magnufen und P. E Müller für 
ihre Hinweiſung auf bie nordifche Mythologie nur fhnöven Hohn von den 
Künftlern geerntet. Peterſen 23. on der Anwendung unferer Götter: 
fage in der Poeſie darf Alopftod3 Veifpiel nicht abfhreden, der die Ramen 
nordiſcher Götter zu blokem Schmuck der Rede miſsbrauchen wollte, wie man 
bis dahin die der griechiſchen miſsbraucht hatte. 

Unter den Vorwürfen, die in halbchriſtlicher Zeit gegen die Heiden 
geſchleudert werben, nimmt die vorbeifte Stelle ein, daß fie Bilder aus 
Holz, Stein und Erz ftatt des Gottes verehrten, der Himmel und Erbe 
geſchaffen habe: unfinnig fel es, von Steinen Hülfe zu verlangen und von 
Rummen und tauben Bildern Troft und Beiftand zu erwarten. Aber ſchon 
als unter Gothen das. Heidenthum noch vorherſchte, ließ Athanarih auf 
einem Wagen die Bilvfäule des oberften Gottes (fräuja) vor den Woh ⸗ 
nungen aller des Chriſtenthums Verbächtigten umberfahren, damit fie ihm 
opferten. Diefer Wagen gleicht auffallend dem, worauf die Bildfäule 
Freys mit feiner fhönen Priefterin unter dem zuftrömenden, Opfer dar ⸗ 


' 
$ 186. Portal zn Remagen, zu Großenlinden. 581 


bringenden Bolt umber fuhr, und da er wahrſcheinlich verdedt war, M. 96, 
wie noch fpäter Götterbilver umbergetragen zu werben pflegten, fo gleicht 
ex auch dem ber Nerthus, was der Vermuthung Raum läßt, dab auch 
dieſer verbedte Wagen eine Bilvfäule barg. gl. aud ven $. 110 er⸗ 
mwähnten Wagen der h. Gertrud. So vergleihen fi die drei vergolbes 
ten Erzbilder, welhe Columban und St. Gallus in einer ehemaligen Ca 
pelle der heil. Aurelia zu Bregenz am Bodenfee ald die alten Götter und 
Beihäger des Orts verehrt fanden, den brei Bildern Wodans, Thors und 
Friccoe, deren Adam von Bremen in dem allgoldenen Tempel zu Ubjola 
‚gedentt, Myth. 97.102. So gleihen endlich vie hundert Götter eines 
Tempeld auf Gautland, M. 104, der Menge Bilder im Wasgauwalde, 
M. 73. 

Es verfteht ich, daß jene drei @ötterbilver zu Bregenz in der innern 
Wand der ehemals driftlihen Capelle eingemauert waren. Wo chriſtliche 
Kirchen an die Stelle heidniſcher Tempel traten, pflegte man, was ſich 
von Götterbildern noch unzerſchlagen erhalten hatte, außen einzumauern, 
wohl um ven Sieg des Chriſtenthums zu veranſchaulichen, das vie heid ⸗ 
nifhen Gögen aus dem Tempel verwiefen hatte. Schon im Beomulf fehen 
wir 6. 49 Grendels ausgerißenen Arm außen an N. Hrodgars Halle ald 
Giegeßzeihen aufgehängt. Bei der Erlärung des Portals zu Remagen 
(Bindelmanns Feitprogramm von 1859) hat aber Prof. Braun den Ger 
braud, die abgefhafften Heidenthämer außen an ven Kirchen anzubringen, 
aus der Apolalypſe 22, 15 abgeleitet. Nur hätte er dann aud ben 
Mann in der Bütte Nr. 14 nicht fürNoa, und den mit dem Baume in der 
Hand Nr. 14 nicht für Adam erklären dürfen, denn beide find unter Hunden, 
Giſtmiſchern, Schamlofen, Mörbern, Gögendienern und Lügnern nicht ber 
griffen. Was fol man erft dazu fagen, daß er in dem Manne mit 
Schild und Lanze Rr. 15 den Erzengel Michael jah? Gehört ihm ber 
auch zu den Heibenthämern, den aus der Stabi Gottes Berwiefenen? Da bin 
ich vorſichtiger: ich enthalte mic den Mann in der Aufe für St. Theoneft 
audjugeben, obgleih id ven Beweis in Händen habe, daß man ihn in 
ver Kufe figend gebildet hat. Mit der Deutung der Bilder am Por« 
tal der Kirche zu Großen: Linden hat Braun kaum einen Anfang ges 
macht: hier aber ift vo 33.34 Fro ingenti priapo deutlich genug gelenn« 
zeichnet, zumal auch fein Eher nicht fehlt. Die Zöbtung der Greife mit 
Thors Hammer fehen wir 27. 28 vorgeftellt und ſelbſt Grivh mit dem Stab 
in der Hand ift Nr. 7 unverlennbar. Die Ungethüme, welche Sonne und 


582 Grundlage. des Aönigthums. $. 137. 


Mond verfhlingen 11. 12 und 18. 14, gleichen mehr Löwen als Wölfen und 
die beiden Wagen 29. 31 möchte ich nicht gerade für die der Nerthus und 
Freyts ausgeben. Auf dem Remagener Portal halte ih den Mann in ber 
Kufe 17 für Kwaſir, obgleich aud an Gredel in der Büdde gebadt werben 
Tann. Die Büdde meint hier die Hölle wie ©. 286 auch Saturni dolium 
gleihe Bedeutung hatte. In der Figur Nr. 12 ift aber der wilde Jäger 
nicht zu verfennen. Uebrigens waren der Bilder nod mehr, die fih viel: 
leicht noch auf dem Apollinariusberge finden, wo ich Ueberbleibfel davon ges 
ſehen habe. Bei der Abſchwoͤrung der alten Götter muften fie auch wohl 
dienen, den Abſcheu gegen biefelben durd äußere Zeichen zu befunden, 
mobei es nicht immer bei bloßen Geberben blieb fondern auch häufige 
Steinwürfe fie trafen. Auf dieſem Wege find und einige Götterbilver, 
obwohl fehr verftümmelt, erhalten worden. 


137. A. Priefter und Priefterinnen, 

Wie die Tempel zugleid Gerichtshofe waren, 8.135, fo fiel Richter- 
amt und priefterlihe Würde zufammen. Göttlihes und weltlihes Gefeg 
(&wa) waren ungefchieden und beide hatte der Priefter (&wart) zu hüten. 
Ob die deutſchen Priefter einen gefonderten Stand bildeten ift ftreitig; ich 
möchte ed nad Cäf. 6,21 verneinen, zumal wir fowohl die Priefter als die 
Könige aus dem Stande der Eveln hervorgehen fehen. Die Bereinigung 
diefer Gewalten bilvet aber aud die Grundlage des Königthums, 
und die älteften Könige ſcheinen aus Prieſtern und Richtern hervorgeganz 
gen. Beide Aemter mochten fi aus der väterlihen Gewalt entwidelt 
haben, da der Haushert Priefter und Richter zugleich ift. Die norbifhen 
Könige, von welden wir in der Ingligafaga leſen, gehen aus dem erbliden 
DOpferprieftertfume hervor, und als Harald Schönhaar die Alleinherſchaft 
an fi riß, fehen wir noch bei den erften Anſiedlern Islands, die kleine 
Könige blieben wie fie in Norwegen geweſen waren, beide Gewalten vers 
bunden. In Deutjhland, wo Kriegs: und Wanderzüge den alten Natur« 
ftaat ſchon gebrochen hatten, ſcheint freilih Tacitus Priefter und Könige 
zu unterfeiden. Aber wenig mehr als die Feloherrnwürbe blieb einem 
Könige übrig, neben welchem der Priefter auch das Nicteramt übte und 
felbft im Kriegsheer der Briefter, nicht der Herzog, Macht hatte zu ftrafen, 
zu binden und zu fhlagen, Tac. Germ. 7. Auch wurden die Priefter 
aus den edeln Geſchlechtern genommen, aus welden aud die Könige ber 


8. 187. Gappa Zt Martini. Kabenweihe. 588 


"vorgiengen, RA. 272. Obwohl aber bie Priefler dad Heer begleiten und 
ſelbſt anzuführen feinen, indem fie jene Symbole und Beiden den Hair 
nen .entnahmen und in die Schladt trugen, fo durften fie doch weder felbft 
die Waffen führen noch auf Hengften reiten, M. 81. Dieß fheint der 
Grund, warum neben ihnen ein anderer Edling die Rönigäwürde befleiden 
mufte. Priefter und König begleiteten aber nod den Wagen des Gottes, 
wenn ihm bie heiligen Rofje bei der Weißagung zuerft angeſchirrt wurden. 
Als die merowingifhen Könige auch nod die Felvherrnwürde den Haus- 
meiern überlaßen hatten, findet ſich noch des altheilige Ochfengefpann, das 
den Kühen der Nerthus und der h. Edigna (Panzer 60) entfpricht, und 
ſchon mit ihrer göttlihen Abftammung zufanmenhängt, bei ihnen wieder. 
Bgl. RA. 262. 

Wie der Priefter den heiligen Götterwagen, den auch Pflug ober 
Schiff vertreten konnte, zu geleiten hatte, iſt $. 98. 110 dargeſtellt. So 
ift uns 6. 195 mahrfdeinlid geworben, daß der Sper des Gottes in 
feinem Heiligthum verwahrt wurbe und ber Priefter ed war, der ihn dem 
Könige, wenn er dem Gotte geopfert hatte, in befien Namen übergab, ihn 
über das feindliche Heer zu ſchießen. So wird es ber Priefter geweſen 
fein, der die Sperrigung (S. 196) vornahm, welcher wir $. 79 die Töd⸗ 
tung der Greife mit Thörs Hammer oder Keule verglichen, die wir noch 
fpät in England in Kirchen, in Deutihland an Stabithoren aufgehängt 
fanden. Auch bei Tyrs oder Herus Dienft begegnete uns $. 83 Aehn⸗ 
liches, da das Schwert des Gottes dem Tempel entnommen und dem 
Imperator als Zeichen der Herfchaft übergeben ward. War ed ber Priefter 
des Gottes, nit Odin felbft, der dem Sigurd Wölfungaf. o. 61 den Hengft 
Grani gab, auf defien Rüden noch kein Mann gelommen war? Wie nah 
Biltinaf. c. 17 dieſes Roſs, in einem Walde, bei einem Gehöfte, erzogen 
ward, läßt an die heiligen Haine denken, worin den Göttern Rofje weideten, 
6.458. 513. Wurde vieleicht auch einſt der Mantel des Gottes ($. 66) 
im Xempel bewahrt und den Königen vom Priefter hergeliehen? Darauf 
deutet, daß die merowingifchen Könige den Mantel des heiligen Martin, 
der an Wuotand Stelle trat, in ihren Schlachten zu tragen pflegten, Leg. 
aur. p. 749. Die Hüter der Cappa wurden darum Capellani genannt; 
daher unfere Capläne, vieleiht auch Achens franzöfisher Name Aix-Ia- 
chapelle. Auch Odins Raben geben zu einer ſolchen Vermuthung Ans 
laß: gewöhnlihe Raben konnten durd eine Opferweihe mit Kraft und Ber 
deutung jener göttlihen Thiere außgeftattet werden. Drei Raben weihte 


584 Urfprung des Wappenwelens. Seroidsamt. & 187. 


Floli, als er Island auffuchte, ihm den Weg zu zeigen, Landn. I, 2. 
Sie erfheinen bier ald weifende Thiere, ald Boten der Götter, wie in 
den ausgeworfenen Hocfigpieilern, wovon Thoͤrs Bildniſs geſchniht war, 
der Gott felber ven Weg zeigte, indem fie an Islands Küfte vorausſchwammen. 
Der Hammer, der zur Weihung der Bräute wie der Leichen diente, wirb 
auch noch zu andern Zweden aus dem Heiligthum entnommen und von bem 
Briefter felbft die heilige Handlung an des Gottes Stelle begangen fein; 
nur bei vem Landerwerb, mo er ausgeworfen warb, die Grenze zu beftimmen 
und zu heiligen, bedurfte es eines ftärfern Arms. Nach Tao. Germ. c. 7, 
womit Hist. IV, 22 zu verbinden iſt, trugen aber bie Priefter ſelbſt vie 
Symbole der Götter, S. 529, die aus den Bildern der ihnen geheiligten 
Xhiere (ferarum imagines) beflanden, aus dem Hain in der Schlacht. 
Diefe dienten aljo zu Heerzeihen (chumpal), und da die Heerhaufen nicht 
durd Zufall zufanımen gewürfelt waren, fondern aus verwandtiſchaftlich 
verbundenen Geſchlechtern beftanden, fo kommen wir bier dem Urfprung 
des Wappenwefens noch näher als ©. 374, denn biefe XThierbilver 
erſcheinen fpäter als Geſchlechtswappen. Unter dem Bilde biefer Thiere 
fanden alfo die Götter an ber Spipe der Geſchlechter; deshalb erſchienen 
die Fylgien in Geftalt folder Tpiere, welche aud die Hausgeiſtet als 
Seelen abgeftorbener Vorfahren und die dantbaren Todten, ©. 478, an« 
nahmen. 

Deffentliche Opfer verrichtete der Priefter; auch von der Weißagung, 
wenn fie für das Bolt geihah, ſei es durch Looßung oder aus Flug und 
Stimmen der Bögel, aus dem Gewieher der öffentlich unterhaltenen heill ⸗ 
gen Roffe, bezeugt e8 Tac. Germ. 10, Dod "hieß der Priefter wizago 
(Weißager) mehr weil er zu firafen und zu ahnden (wigen) hatte; freilich 
ſchwanktt das Wort aud in die Bedeutung des Schauens und Wahrnehs 

- mens (videre) hinüber. Aber aud die Dichtung war ein heilige: mit 
Weißagung und Looßung enge verbundenes Geſchäſt, und Yngligaſ. c. 6 
beißen die Tempelpriefter (hofgödar) Liederſchmiede. Auch das Herolbs: 
amt batte, wie fi uns eben andeutete, priefterlihen Urfprung: Holgmarm 
(Kelten und Germanen 6. 171) will fhon in dem überlieferten Ramen 
Charlowalda den Herold erkennen. Später verfahen Spielleute das ven 
den Brieftern ererbte und wohl auch erlernte Botenamt, GDS. 820. Wie 
mit dem Gefang der Zauber zufammenhieng, den gewiſs Prieſter zuerft 
übten, fahen wir 6. 235, zumal die fon dort angenommene Verwandt» 
ſchaft des Wortes Biefer und Zauber (Myth. 36. 987) ertennen laßt, 


$. 187. Diefer und Dauber. Prieherinnen. 585 


daß dem Zauber ein Opfer vorhergieng, wie ein Gleiches von der Weißa⸗ 
gung anzunehmen if, obgleich es fi nur da beweifen läßt, wo fie aus 
Blut und Gingeweide der Opfertpiere geſchah. Auch der Zauberer glaubte 
nicht durch eigene Kraft zu wirken, fondern durch die Macht der Götter, 
welche ex fi durch ein Opfer geneigt machte. Altn. beißt der Zauber⸗ 
ſpruch galdr, alth. kalstar, und überrafchend nahe liegt hier wieder das 
Opfer (kölster). Kölstar und kalstar, Opfer und Zauber, find auch 
hier verbunden wie zaupar und zöpar, saudh (Opfer) und seidh (Baus 
ber), Myih. 987. Wie beides, kalstar und kölstar, von kalan fingen 
kommt, fo zeigen die für ven Zauber gebräuchlichen franzöfifhen Wörter 
charmer und enchanter, jenes aus dem mittel. carminare, dieſes von 
oantus und canere, den Bufammenhang des Zauber mit Dichtung und 
Weißagung: Bauberfprüde mit Weipagungen waren in ftabreimenven Lies 
dern abgefaßt. Das franzöfiihe sorcier geht auf das Looßwerfen bei 
der Weipagung ©. 543 zurüd, und das engliihe Wort witch für Here 
zeigt uns Baubern und Welßagen verbunden. Beides heißt in Nieder 
ſachſen wicken und die Here wickerse; bezaubert ober verflucht nennt 
der Engländer wicked: die gemeinfame Wurzel liegt im Goth. veihan 
weihen, sacrare, wie veihs, ahd. wih heilig bedeutet. M. 985. 

Die Heren, bei welden wir $. 129 hieher veriwiefen haben, mahnen 
uns zu den Priefterinnen überzugehen. Aus Tacitus wißen wir, daß bie 
Germanen in den Frauen etwas Heilige und Vorſchauendes verehrten, 
und weder ihren Rath verachteten noch ihre Ausſprüche vernacpläßigten. 
Vorausgeſchidt hatte er Germ. c. 8, wie mande ſchon manfende ja zur 
Nucht gewandte Schlachtordnung die entgegenflürgenden, die Bruft dem 
Schwert darbietenden Frauen durch die Vorſtellung des ihnen in der Ger 
fangenſchaft beworftehenven Looßes wieberhergeftellt hätten, unb wie bie 
Römer fi der Treue der deutſchen Völker nerfiherter glaubten, wenn fie 
edle Jungfrauen zu Geifeln empfangen hatten. Dieſe den Deutſchen eis 
genthümliche höhere Werthfhägung der Zrauen befähigte dieſe aud zu 
priefterlihen Aemtern. Schon bei Eäfar I, 50 entſchelden Frauen durch 
Looß und Welßagung, ob es Zeit fei, die Schlacht zu fhlagen. Nah 
Germ. 43 fand dem Dienft jener Zwillingsbrüder $. 92 ein Briefter 
in weiblicher Tracht vor, wenn damit noch anderes gemeint ift als lan⸗ 
ges Haar; in Baldurd Tempel find nad der Fridhthlofsſage Frauen bes 
ſchaftigt. Freye Wagen geleitete eine junge, ſchoͤne Priefterin mie den ber 
Nertäus ein Priefter. Liebten Bötter weibliche, Göttinnen männliche Prie ⸗ 


536 Gambara. Albrune. Seldr. Wale. 8. 187. 


fter? Bei dem Auszug der Langobarven fehen wir doch Gambara an 
Frea, Ambri und Aſſi an Gmödan ſich wenden. Diefe Gambara war 
eine Königin; von ber brukteriſchen Veleda Hist. IV, 61 wird fo wenig 
ala von der ältern Albruna Germ. 8 berichtet, daß fie königlichen Ger 
ſchlechts geweſen. Das wißen wir auch nicht von den grauhaarigen, bars 
füßigen Wahrfagerinnen der Cimbern, welche die Gefangenen fhlachteten 
und aus dem Opferblut weißagten, Myth. 86, noch von den fechäzig Brier 
ſterinnen an dem Tempel in Biarmeland, FAS. II, 624. 27. Sie ſtrei⸗ 
fen aber aud nicht ind Uebermenihlihe wie. jene Gambara und die 
©. 440 erwähnte Hörgabräbt (nympha lucorum) und ihre Schweſter 
Yıpa oder die doch biftorifhe Weleda. Nach diefer erfcheint noch Ganna, 
zuleht bei den Alemannen Tpiota; für den jüngften Rachtlang kann vie 
Heivelberger Jettha gelten, die gleich Veleda von ihrem Thurm aus Ent- 
ſcheidungen ſprach, die für Orakel galten. Den Göttern näher ald ben 
Menſchen ftehen die Wölven oder Walen, auch späkonur, spädisir 
genannt, zu melden die Seherin der Wölufpa felber zählt, die von 
Niefen erzogen ift, von Odin felber begabt wird. Sie beginnt damit 
Stillſchweigen aufzuerlegen, eine bieratiiche Formel gleich jenem pries 
fterliden Favete linguis. Die Wölen fahen wir S. 366 unter dem 
Namen Normen Neugeborenen an die Wiege treten, ihnen dad Schidfal 
zu Schaffen mehr als zu verlünden. Sie hatten fein eigentlihes Prieſter⸗ 
amt; felbft die menjchlihen unter ihnen, wie bie gleih zu erwähnende 
Xhörbiörg oder jene Heidr der Oerwaroddſaga c. 2 (vgl, Wöl. 26), 
üben mehr Weißagung und Zauber, wie fi Opin felbft Degisdt. 24 von 
Lofi vorwerfen laßen muß, er fei in Samfd von Haus zu Haus als Wala 
umhergeſchlichen: 
Vermummter Zauberer trogſt du das Menſchenvolk: 
Das dünft mid, eines Argen Art. 


Nach Hyndlul, 32 follen alle Walen von Wivolf ($.439) ftammen: 
damit ift ihnen halbgöttlier Urfprung beigelegt, der wieder an das Vers 
haͤltniſs zu den Rieſen mahnt, deſſen wir bei der Seherin der Wölufpa 
gedachten. Wie fih Thörbiörg (Edda IIavn. II, 4) die Heine Wala nannte, 
fo heißt das Hyndlulied die Heine Wölufpa, womit Hyndla felbit ald Wala 
bezeichnet ift; fie aber, die Höhlen bewohnt und den Wolf reitet, erſcheint 
ganz als Rieſin. Von folhen riefigen Frauen, die Zauber und Weißa⸗ 
gung üben, ließen fih aus Saro die Beifpiele häufen; aber unfere eigene 


8. 187. Zibyla Weis. Weile Frauen. 587 


Geſchichte bietet Beifpiele in jenen übermenſchlichen Weibern, die dem 
Drufus den Webergang über die Weſer, dem Attila über den Lech wehr⸗ 
ten, M. 375. Noch wichtiger ift aber die Verwandtſchaft mit den ſchon 
den Rornen verſchwiſterten Walküren, Difen-und meißagenden Meerfrauen 
6.377. Den Difen, welde freilid alle göttlichen Frauen begreifen, wird 
geopfert (disablöt); aber auch menſchliche Bauberinnen und Wahrſagerin⸗ 
nen nannten fi Spadiſen, und mehrere derſelben legen fih den Namen 
Thordis bei. So waren die Wallüren bald Göttinnen, bald irdiſche Kö— 
nigstöchter: als ſolche erſcheint ſelbſt Brynhild, in welder wir dod unter 
dem Namen Sigrbrifa die höchfte Göttin erkannten. Much bei ihr findet 
ſich die Kenntniſs der Runen, die zur Weißagung wie zum Bauber dienen. 
Wenn aber die Wallüren durch Thau und Hagel, die fie den Mähnen 
ihrer Roſſe entf&üttelten,. die Felder fruchtbar machten, fo wollten die 
Heren als Wetter und Mäufemaderinnen nur Schaden anrichten. Die 
zeigt fie Niefinnen und Difen näher verwandt, die bald gütige, bald 
feinpfelige Weſen find. Trugdiſen erfheinen Sig. Am. II, 24 und üble 
Difen reizen Hamdism. 29 zum Brubermord, In der Natur unferer 
weifen Frauen pflegt dagegen nichts Feindſeliges zu liegen: fie weißa⸗ 
gen nur und heilen und fo find fie den deutſchen halbgöttlihen Priefter- 
namen am Nädften verwandt. Ein Beifpiel ift jene Sibylla Weiß, von 
welcher Panzer II, 54. 309. 426 berichtet. Iſt der Name ſchon chriſt⸗ 
lid, fo erſcheint fie doch ganz als ein heidniſches Weſen; ihre Grabftätte 
zeigt ein weiſendes Thier; ihre Ausſprüche ertheilte fie von einem Schloße 
aus, dad an den Thurm der Veleda oder Jettha gemahnt. Sie propher 
zeite Krieg, Viehfterben und übertriebene Kleiderpracht und Alles traf ein. 
Den Eintritt de3 Weltuntergangs beftimmte fie auf die Zeit, da ihr Grab 
fo weit von ver Mauer abgelegen fei, daß ein Reiter herumreiten fönne, 
Dad erinnert an Dornrößchen und den Ritt um die Burg Kunigundens 
von Künaft. 

Im Vollsglauben leben alfo die deutſchen Priefterinnen noch fort, 
nicht bloß als Heren (die zwar aus Gerihtsfälen und Folterfammern ver- 
ſchwunden aber noch keineswegs aus der Meinung getilgt find), auch als 
Wahrfagerinnen und Aerztinnen. Sich zu feindfeligen Wirkungen zu bes 
tennen, konnten bie Heren von jeher nur gezwungen werden; aber das 
Gewerbe des Befingens und Wundenbeiprehens, gemöhnlih Rathen oder 
Böten (büßen, befern) genannt, die Anmendung ber Bauberei auf die 
Heilkunſt, treiben unfere weifen rauen neben der Weißagung noch ziem⸗ 


588 Gode. Auskaitung des Prichertyums. % 188. 


lich unbehinvert fort. Hier und da üben mohl au Männer, befonders 
Schäfer, Ahnliche Künfte; aber bier fallt ver Zufammenhang mit dem alten 
Vrieftertfum nicht mehr In die Augen, denn theils enthalten fie fi des 
Wahrfagens, theils Heilen fie durh altbewährte Hausmittel oder fog. 
fompathetifche Euren, bei welchen Bauberfprüdhe feltener nod zur Anwen ⸗ 
dung kommen. 

Wie der Priefter im Norden Godi hieß, fo die Priefterin gydja, 
was aus godi moviert ift: beiden liegt der Name Gott gudh zu Grunde, 
und wenn noch jet die Pathin Gode heikt, fo erinnert da3 daran, daß 
die Pathen im MU. ihre Pfleglinge ven Glauben lehren muften, alfo faft 
priefterliched Amt Nbernahmen. 

Bildeten nun auch die deutſchen Priefter feinen eigenen Gtand, fo 
ſehen wir doch das Priefterthum reich genug ausgeftattet: das Königthum 
bieng mit ihm zufammen, die Rechtspflege lag in der Priefter Hand, nicht 
weniger die Poeſie und das Heroldsamt, dad wenigfiend an die Feldperm- 
würde grenzte, bie ihnen verfagt blieb. Gie verſahen jedoch den Feldherrn 
mit den göttlichen Waffen, den Feldzeichen und dem Mantel des Gotteß, 
fie felbft führten die Scharen in die Schlacht und trugen ihnen bie Sym⸗ 
bole der Götter voran. Sie befaßen ferner Weißagung, Hauberei und 
Heillunſt in engfter Verbindung mit bem Opfer und ſelbſt die Anfänge 
der Schrift, die Runenkunde ftand ihnen zu Gebote. 


138. 5. ‘Zauber, 


Die verfhiedenen Arten des Zaubers (fölkyngi, fornfredi) bürfen 
wir nicht zu erfhöpfen hoffen; ebenfo unbegrenzt If feine Macht. m 
Bezug auf ven M. 983 zwifhen Wundern und Zaubern aufgeftellten Uns 
terſchied warb fon S. 237 bezweifelt, daß aller Zauber mit unrechten 
Dingen zugehen oder gar teufliſch jein müße. Uebernatürlihe Kräfte ſchäd ⸗ 
lich ober unbefugt wirken laben ſcheint uns nicht fowohl zaubern als heren. 
Da dem Dpin die Erfindung ber Runen beigelegt, feine Allmacht durch 
den Runenzauber fombolifiert wird, fo hat bie Anfit, daß man erſt ben 
gefuntenen, verachteten Göttern Bauberei zugeſchrieben habe, Bedenken. 
Auch auf den inmern Widerſpruch .diefer Anficht über die Zauberei, deren 
Urfprung zugleih unmittelbar aus ben heiligftien Geſchäften bergeleitet 
wird, ift aufmerffam- gemacht. Vgl. jebod Maurer Belehrung II, 45. 

Vnglig. c. 7 heißt es von Odin: ‚Die meiften feiner Kanſte lehrte er 


8. 188. Runenzauber,. Sudiuut. Drei Wunfhdinge. 589 


feine Opferpriefter‘ (6. 238), Bon dem Runenzauber unterſcheidet 
jedoch diefelbe Stelle vie Su dkun ſt (seidhr), welde zwar zunächft auf die 
Beißagung bezogen, dann ihr aber au zauberifhe Wirkung beigelegt 
wird. Daß diefe Sudkunſt den Leuten Tod, Unglüd und Krankheit ber 
veiten, Einigen Berftand oder Kraft nehmen und Andern geben konnte, 
fagt Snorri ausprüdlih; auf die Sudkunſt allein fheint es ſich zu bes 
siehen, wenn er binzufügt: dod wie dieſe Zauberfunft geübt wurde, fo 
geſchah fo viel Arges dadurch, daß die Männer ſich fhämten fie zu ge 
brauden ; die Priefterinnen aber lehrte man folde Kunſt. Damit flimmt 
auffallend, wenn Wol. 7 der Heid der Vorwurf gemadt wird, daß fie 
Subkunft geübt habe. Mit Recht bemerkt daher Maurer 147, man feine 
ſchon in heidniſcher Beit zwifchen weißer und ſchwarzer Kunft unterſchieden 
zu haben. Es wirft aber Licht auf die Heren, daß man in der Sublunft 
die Priefterinnen unterrichtete, Die Sudkunſt ſcheint ihren Zauber uns 
mittelbar auß dem Opferteßel zu fhöpfen (AM. ift Maurer 136) während 
die Kraft der Rune in dem eingerigten Zeilen liegt, dem bad Lied Leben 
einhaucht, 6. 235. Diefe Zeichen (Runen) wurden wohl häufig in eine 
Bauberruthe (Gambantein) gerigt, bie dann als Bauberftab dient. In 
Skenisför 26. 33 bildet fie neben Schwert und Rofs das britte ver 
rei Wunſchdinge, die nah ©. 203 erfordert wurden, die Unterwelt zu 
erihließen. Die Berührung damit brachte aber an ſich nod feine Wir: 
hung hervor: es bedurfte der gefungenen ober doch gemurmelten Bauber« 
formel, vie in Gtabreimen abgefapt ven Laut des eingeripten Zelchens 
dreimal anſchlug. Des Zauberftabs ift in deutſchen Märchen öfter ger 
dacht als M. 1044 angenommen wird; meift ift es freilih nur ein 
Steden; aud fällt die Here, die ihn zu führen pflegt, mit der Hel zufam« 
men, er felbft mit dem Stab, der nah S. 197 über Leben und Tod ges 
bietet, wenn er gleich oft nur in Stein verwandell. Bon dem Steden 
führt M. 1. o. felber an, daß er der britte Fuß des Kerenmannd ges 
nannt werde. Ob e3 außer Nunenzauber (galdr) und seidr (Sudkunſt) 
nicht noch andere Arten des Zaubers gegeben habe wird nirgend gemeldet. 
Maurer 187. 

Bas AUlles dur den Runenzauber vollbracht werben fonnte, ſehen 
wir aus Doins Runenlied und den achtzehn dort genannten Liedern, 
deren jedem eine andere Wirkung beigemeßen wird. Indem ich einfte 
weilen auf diefes felbft und die Beifpiele S. 238 vermeife, bemerfe ich 
nur, daß die meiften biefer Bauber aud von Menſchen, ala Prieſtern des 


540 Hölenzwang. Scuerbeidwörung. Degen. $. 188, 


Gottes, geübt wurden. Wenn freilih Beihwörung die Gräber fprengt, 
fo geſchieht es nur, bamit der Todte Rebe ftehe ober eine Waffe aus dem 
Grabe reihe, &. 497; aud Odin, als er Wegtamskw. 9 das Walgalbr 
fang, verlangte von der ermedten Wala nur Beſcheid über Baldurz Ges 
ſchich St. Fridolin von Urfus (Rheinf. 421) nur ein Zeugnifs über vers 
untreute3 loftergut. Gier ſcheint allerdings das Wunder vermögender 
als der Zauber: St. Petri Stab erwedte St. Matern, nachdem er ſchon 40 
Tage im Grabe gelegen, um noch 40 Jahre zu leben und zu lehren. 
Als Hängatyr kennte aber Odin aud Erhängte ins Leben rufen, Hawam. 
20. Briefterlihe Nekromantie wird ſich fo ſchwieriger Aufgaben gern ent: 
halten haben; doch bezieht M. 1175 das ahd. hellirina (necromantia) 
und den nhd. Höllenzwang- auf Erwedung der Todten. Nach Anh. XLI. 
ift aber unter nigromantia nur Befragung der Todten zu verftehen. 
Bol. Leopr. 46. An Feuerbefhmärung, die aud Odin übte (Runenl. 15), 
wagten ſich felbft Bigeuner (Baader 151, Wunder. I, 21) und fogar 
von Dieben ward geglaubt, daß fie Macht hätten, Ketten und Schlößer 
zu fprengen. Ein Sprud, der Hafte und Feßeln löft, wird Run. 12 und 
Grog. 10 erwähnt und den erfte Merſeb. Heilſpruch pflegt man darauf 
zu beziehen. Es gab auch Sicherungämittel gegen Bauber, M. 1056, 
Leopr. 48; wie es Mittel gab, die Keren zu erfennen, M. 1033, fo 
mufte es auch Bauberfprüche geben, die fremden Bauber zu bredien vers 
mochten. Man nennt fie gewöhnlid Segen, M. 1193. Schon unter 
Odins Rumenliedern begegnen (13. 14. 18) ſolche Schug- und Gegend: 
fprüe. Das 21. Nunenlied (Hawam. 150) diente hieb⸗ und ftichfeft zu 
madyen, bekanntlich ein Bauber, der bis auf vie neuefte Zeit geübt wird. 
Kuhn WS. II. 195. Unabſehbar find aber die neuerdings aufgeſchriebenen 
oder aus frühern Niederſchreibungen befannt gemachten Heilfprüge. Bir 
finden Segen gegen Berrenkungen, böfe Leute, zum Vlutftillen, wider bie 
Schweine (Schwindfuht), gegen Brand und Geihmulft, Gicht und Roth⸗ 
Tauf, Rofe und Flechten, gegen Zahnfhmerzen und Würmer, Waperfucht 
und kaltes Sieber, gegen Kuhblattern, gegen Alb und Mar, gegen ‚fieben- 
unbfiebzigerlei Krankheiten.‘ Es giebt Bienenfegen, Feuerſegen, Waffen« 
fegen, Reiſeſegen, Pferbefegen, Aderfegen, Hirtenjegen. Seltſamer Weife 
erſcheint darin Et. Martin als Hirte. 6.248. Bei St. Peter, dem Hirten 
der Völter, würde dad weniger auffallen. Wir haben aber ſchon Dpin 
als Viehhirten gefunden und von ihm muß es auf St. Martin übertragen 
fein. Bon Runen und Zauberlievern erwartet man Sieg und Kampf, 


$. 188. Wettermadgen. Yergekenheiistrank. Agmann, 541 


Schuh vor Gift, Heilung von Wunden und leichte Entbindung der Frauen, 
Hilfe in Seegefahr, Klugheit und Wohlrevenheit: man glaubte durch fie 
feine Feinde hemmen und ihre Waffen abftumpfen zu Lönnen, fi felbft 
aus Banden zu befreien, das Geſchoß im Fluge zu hemmen, die- eigene 
Wunden auf den Gegner zurüdzumenden, das Feuer zu beſprechen, Hader 
zu ſchlichten, Wind und Wellen zu ftillen, Geifter in der Luft zu zer⸗ 
ftteuen, Todten aufzuweden, ſich jelbft vor dem Zod im Kampf zu ber 
wahren, tiefe Weisheit zu erlangen, reißende Ströme zu Stehen zu bringen, 
die Gunft von Weibern zu gewinnen, ſich vor Froft zu hüten, Bauber 
abzuwenden u. bgl. mehr, Maurer 1.138. Es giebt Sprüde, einen Steden 
gu ſchneiden, daß man einen Abweſenden prügeln fann, einen Dieb feft zu 
machen, daß er ftehen bleibt, oder daß er das Geftohlene wieberbringen 
muß. Eprüde, daß ein Gewehr nicht los geht, daß fein anderer ein Wild 
ſchießen kann, daß eine Wunde nicht zum Schwären fommt, Sprüde bie 
Aufblähung dem Nindvieh zu vertreiben, eine KHeerde Vieh vor dem Wolf 
zu bewahren u. f. m. Kuhn WE. I, 191. Vgl auch Rochholz Ztſchr. 
f. d. Myth. IV, 103 ff. Kuhn Ziſchr. f. vgl. Sprachſ. XI, 49. 113 fi. 
Schönwerth III, 250 fi. Alle diefe Sprüche enthalten uraltes Gemeingut 
der indegermanifchen Völfer und find für Mythologen und Culturgeſchichte 
unſchaͤzbare Urkunden, 

Runenzauber und Seidr konnten zu gleichen Wirkungen verwandt wers 
den. So gehören zum Wetter: und Hagelmaden Bauberlekel und +»Töpfe: 
Krüge wurden ausgegoßen oder in die Höhe gehalten, mit einem Gteden 
im Waßer gerührt, Zingerle Sagen 322, worauf Schauer, Sturm und 
Hagel erfolgten; daneben wird wieder von heimlichen Worten gemelvet, 
die dabei gefproden wurden, M. 1041, und bei der aura levatitia (M. 
604) wird durch Beihwörungen das Luftſchiff herbeigezogen. Nach dem 
16. und 17. Aunenlieve wufte Odin durch Zauberſprüche Liebe einzuflößen: 
daffelbe ließ ſich aud durch Seidr erreichen, vielleiht aud ohne daß ein 
Minnetrant getrunken wurde, M. 1055. Die Minne kann man fih auch 
aneßen (Anh. XXXIX). Dem Minnetrant (Minnisöl) fteht in der Hels 
venfage der Bergepenheitstranf (Ominnisöl) gegenüber. KM.113 
hat ein Kuſs gleihe Wirkung, M. 1055. 

Andere Zaubermittel feinen zu keiner von beiden Arten gehörig: 
fie beruhen auf Sympathie. So der mit dem ‚Atzmann‘ (Anh. LXIII) 
getriebene Unfug, wobei ein Abweſender alle einem Wachsbild angethane 
Dualen empfinden follte, M. 1045. Iſt e8 davon eine Anwendung, wenn 


dar uichelaaupfen. dlethhemd. Feldyanber. Derveiſ . 188 


man glaubte, die Hexen Könnten den Leuten das Herz aus dem Leibe 
eßen unb einen Strohwiſch dafür hineinſtoßen M. 1035. Kuhn WE. 
U, 191. Sympathetiſch ift wohl ferner das ‚Neftellnüpfen‘, um 
junge Eheleute untüdtig zu machen; nad M. 1027 geſchieht es durch 
Bulfappen eines Schloßes, das dann ind Waßer geworfen ward; nad H. 
Schreiber (Tafhenbud V, 185) und M. 1127 durch Anoten, die in einen 
Bändel gefchlungen wurden. Dagegen ſcheint das Bauberhemde und aller 
mit Spinnen und Beben zufammenhängenve Bauber, wie der ‚gefpormene 
Feldzauber‘, ven man Heren Schuld gab (M. 1042. 1063), aus dem 
Weben der Geſchide, das der Nornen und Difen Gejchäft war, herzuleiten. 
Dur einen Zaubergurt ober :Ring konnte man ſich felbft und Andere 
in Thiergeſtalt verwandeln: In Wölfe, Bären, Pferde, Katzen, Schwäne, 
Gänfe, Raben und Krähen, vgl. Panzer II, 442. Am berühmteften, viel 
leicht auch am älteften, ift die Verwandlung in den Werwolf (loup garou). 
Auch dieß fiel vielleiht unter den Begriff des Rumengaubers, denn dem 
Gurt oder Ring Tonnten Runen eingerigt fein, beim Anlegen Zauberſor ⸗ 
meln geſprochen werden. So murben aud beim Weben des fog. ‚Roth: 
hemveb‘ Bauberjprüce (Btjcr. f. M. I, 242) gebraucht, wie beim Schid ⸗ 
falweben Lieder gefungen wurden (6. 376). 

Ein Bauber war es aud, aber ein von der Menge, vielleicht früher 
unter Anleitung des Priefterd, geübter, wenn man zur Beit der Dürre 
durch eine fpmbolifhe Handlung die Bötter gleihfam nöthigte, Regen zu 
fpenden. Ein Meines Mädchen ward ganz entlleidet von feinen Ge 
fpielinnen in den Wald geführt; dort riß es Bilfenkraut mit dem Meinen 
Finger der rechten Hand famt ver Wurzel aus und band es fih an die 
Heine Zehe des rechten Fußes. So geihmüdt ward es dann am näcften 
Fluße von feinen Begleiterinnen mitteld Ruthen, vie ‚fie fih im Walde 
gebrochen hatten, mit Waßer befprengt, Anh. XL. Aehnliches gefchieht 
in Baiern mit dem og. Waßervogel, in Defterreih mit dem Bfingf- 
tönig, melden man in grüne Zweige gehüllt und mit geihwärztem Ans 
gefiht ind Waßer warf, obwohl dieß in die Frühlingäluftbarleiten $. 145 
übergeht, M. 562. Verwandt ift, obwohl fein Zauber, wenn in Köln zur 
Zeit großer Dürre der Reliquienlaften des h. Biſchofs Severin vom Hoch ⸗ 
altar in das Schiff der Kirche verfegt ward, um durch die Füriprade des 
Heiligen, der nad dem Vollsreim auch den kalten Stein in ben Rhein 
warf, Befreiung von der Plage zu erlangen. Einer der Priefter, melde 
den Raften heraudfegen, muß binnen Jahresfrift fterben. Wolf DME. 209. 





139. 6, Weißagung . 


Weifagung und Zauber find nahe verwandt, ja fie fallen zufammen, 
wo das Gefhid zugleich geſchaffen und verkündet wirb wie von ben bes 
gabenden Wölen und Nornen, ja noch von Macbeths Heren. Zu beiden 
bienen die gleichen Mittel: au zur Weißagung gebrauchte man Runen 
und Sudkunſt. Wie der Prleſter oder Haußvater bei der Weißagung dur 
Looßung verfuhr, beſchreibt Tacitus Germ. c. 10. Bon einem fruchts 
tragenden Baume, und die Buche vorzüglic galt ihrer Edern wegen für 
fruchttragend, warb ein Reis geſchnitten, dieſes in Stäbchen zerlegt und 
jedem derſelben eine Rune eingerigt. Da ber älteften Runen 16 waren, 
fo ſcheint ſich darnach aud die Zahl der Stäbchen zu beftimmen. Diefe 
wurden nun aufs Gerathewohl über ein weißes Tuch ausgeſtreut, nad 
einem Gebet an die Götter und mit zum Himmel gerichtetem Blid dreie 
verfelben aufgehoben, und nad) den Aunen, die fi ihnen eingerigt fanden, 
die Bukunft verkündet wahrſcheinlich in einem aus drei Langzeilen be: 
ſtehenden Spruche, welchem bie aufgehobene Rune zu Haupt und 

Nebenſtäben diente. Es wäre unmöglich geweſen aus drei Buchftaben zu 
weißagen, wenn dieſe Buchfaben nit wie bie Runen Namen gehabt und 
dieſe Namen Begriffe enthalten hätten. Aus diefem erfahren mit ben 
Looßſtaben (sortes) entfprang das Wort sortisrius (fr. sorcier), das 
mehr noch den Zauberer ald den Weißager bezeichnet, wie aud der Auss 
drud ‚Bauber werfen’ auf vergleichen Gergang deutet, während ‚Bauber 
legen’ zugleih an Urlac und dad geihaflene und gelegte Geſchid ©. 
202 erinnert. Myth. 89. Man fieht wie Dichtlunft und Weißagung 
zuſammenhiengen und mit vates Dichter und Wahrfager bezeichnet wer 
den lonnten. 

Eine andere Art von Looßung iſt nad unfern Begriffen mehr ein 
richterliches als priefterliches Gejchäft. So läßt man das Look bei Aus: 
theilung des Erbes entſcheiden, weil man jo menſchliche Wilfür außzu: 
ſchließen hofft. Hier bedurfte es der priefterlihen oder ritterlihen Aus« 
legung der gezogenen oder aufgehobenen Looße niht: man mufte, wenn 
wirklich die Gotter entſcheiden follten, Aber Ihre Bedeutung im Voraus 
einig fein. Gewöhnlich wählte man den Mitloopenden nach ber alten Sitte 
dauernd angehörige Zeichen (Gandgemal, Hausmarke). Belegentlih kann 
fo daB Loop aud über Leben und Tod entſcheiden. Bol. G. Homeyer 


544 iebdrehen. Erbfhläßel. Weifende Chiere. 8.139. ° 


über die Heimat nad altd. Recht, Berlin 1852; Derf. über das ger: 
maniſche Looßen, Berl. 1854. 

Daß aud aus dem Opferfeßel geweißagt wurde, beweift außer der 
©. 180 beiprodenen Stelle der Hymiskw. und den Hesen im Mach. auch 
Vngl. c. 7, wo e3 von Ddin heißt, er habe dur die Kunſt, die Seid 
heiße, der Menſchen Schidjal vorausgefehen. 

Andere Arten von Weißagungen beziehen fih nicht auf Grforihung 
der Zukunft: es foll der Urheber eined in der Vergangenheit liegenden 
Ereigniſſes 3. B. eine Diebftahle, ermittelt werben. Der Thäter ift dar 
bei nicht ganz umbelannt; weil aber Beweiſe fehlen, jo kommt es darauf 
an, ihn zum Geftänpnif zu bringen. Das Verfahren beruht darauf, 
daß unfere Gliedmaßen unmerkliche, oft fogar unwilllürliche, Vollſtreder 
unferes Willens find. So bei dem Siebdrehen, wo das Sieb in Be 
wegung gerieth, ſobald der Name des vermuthlichen Thäter genannt wurde, 
(Kuhn Germ. VII, 436. vgl. $ 117, Panzer II, 297, Mülenp. 200), oder 
in gleichem Fall der Erbjhlüßel oder das Lotterholz ſich umzufhwingen 
begann, M. 1063, Müllenh. 88. 200, Lynder 216. ‚Andere Proben find 
zugleich auf das böfe Gewiſſen der Schuldigen berechnet, das ihn bei einer 
ganz einfachen, natürlichen Handlung, die der Schuldloſe ohne alles Arg 
verrichtet, in Unruhe und Verwirrung bringt.’ So bei dem Bißen Näfe, 
der dem Schuldigen im Halfe fieden blieb. Anh. LX. RA. 932. 

Hydromantie, Pyromantie, Chiromantie, Gaftromantie, Spatulamantie 
(M. 1065—7), muß ich in die Alterthumer verweilen; die Weißagung 
aus dem Gansbein (Martinsl. XVI) bezieht fih nur auf das Wetter; 
nad Vintler (Anh. LIV) ſah man aus dem Schulterblatt aud, was 
Menden geſchehen follte, Diyth. 1067. Wichtiger ift die altveutihe Weir 
Bagung aus dem Schnauben und Wiehern der in heiligen Hainen erzos 
genen Pferde, wenn fie vor den Götterivagen geipannt, von ben Prieften 
oder Königen begleitet wurden. Germ. 10. Hier gierg fein Opfer worher, 
weil dieſe Thiere ſchon auf öffentlihe Koften den- Göttern unterhalten 
wurden; wohl aber findet es fich bei manderlei Zauber, der mit Pferder 
töpfen getrieben warb. Bei der redenden Fallada (AM. 89) wird man 
an Mimirs abgefhnitienes weißagendes Haupt (Dngl. c. 4) erinnert. 
Wenn Tacitus von den weißagenden Pferden fagt, fie hätten für Mit 
wißer der Götter gegolten, fo läßt fi dieß auf die fog. weiſen den 
Thiere ausdehnen, die eine jo große Rolle nicht bloß in deutſchen Sagen 
fpielen. Den Ort der Niederlaßung, der Gründung einer Kirche, die Zurt 


3.189. Götterbeten. Eränme. Angang. 545 


durch den Strom u. |. w. zeigen Thiere ald Boten der Götter, Myth. 1093, 
Banzer II, 405. Wilde Tpiere eignen fi hierzu befer als zahme; unter 
den leptern ſtehen die Pferde hinter den Ochſen zurüd: nur blinde Pferde 
find noch geeignet ald Werkzeuge der Götter zu dienen. Der zur Unter 
welt führende Hirſch $. 103 gehört nicht eigentlich hierher; doc kann auch 
er als Bote der Götter betrachtet werben. Unmittelbar felber ſchienen die 
Götter den Weg zu weiſen, wo ihre an den Hochſihpfeilern ausgeſchnihten 
Bilder and Ufer trieben, M. 1094. Aud Träume können als Boten der 
Götter gelten; warum find Träume im neuen Haus, in der Hochzeit ⸗ 
und Reujahrönacht bedeutend? War hier ein Opfer vorausgegangen, 
das die Götter geneigt machte, ihren Willen zu offenbaren? galt im 
neuen Haus ſchon die Unzündung des Heerbfeuers dafür? Noch ſchwerer 
iſt zu fagen, warum der Traum im Schweinſtall eintrifft, Maurer IT, 
197. M. 1099. ‚Einzelne Träume’ fagt Grimm Myth. 1100, wurzeln in 
der deutſchen Boltsfage fo tief, daß man ihren Urfprung weit zurüdjegen 
muß, 3. B. der von dem Echap, welcher einem auf der Brüde angezeigt 
werben fol. In’ ver That findet er fid ſchon im Karl Meinet ed. Keller. 
v. 45—58. Die Auslegung der Träume war gewiſs einft ein prieftere 
liches Geihäft. Belannt ift die große Rolle, welhe Träume in unferm 
&po3 fpielen. Wenn aber Träume Boten der Götter find, wer hatte 
fie Baldurn gefendet wenn nicht Allvater ? Ueber Ahnungen Maurer 129. 

Den Pferdeorakeln Taufchte der Priefter öffentlih; ob auch Stimmen 
und Flug der Vögel fo feierlich befragt wurden, verſchweigt und Tacitus. 
Wie großes Gewicht aber darauf gelegt wurde, erſehen wir aus heimiſchen 
Quellen, welche jede Begegnung, nicht bloß von Vögeln und Thieren, für 
bebeutend anfehen. Nach dem ſchon S. 193 erwähnten Glauben hatten 
alle lampflichen Thiere, wie Wolf und Bär, guten Angang, d. h. ihre 
Begegnung war glüdliher Vorbeveutung, während Hafen, alte Weiber und 
Prieſter, weil fie unkriegeriſch find, übeln Angang hatten: ihr Anblid 
wirkte eher niederſchlagend ald ermuthigend. Weber den Angang des Fuchſes 
weichen unfere Nachrichten ab; nad dem Studentenausdruch der Schwein 
für Gfüd verfteht, follte man dieſes lampflichen Thiers Angang für günftig 
halten gegen die gewöhnliche Meinung, die ihn auf unfreunblihen Em: 
plang deuten läßt, es fei denn, daß die Sau ihre Ferkel bei ſich habe. 
So auögebilvet wie bei den Alten mar wohl bei und bie Lehre vom 
Vogelflug mit. Auch hier ftehen wieder die kampflichen Thiere voran: 
NRoubvögel, die aud in den Träumen die erfte Rolle fpielen, verfünben 

Glmrod, Mycholsgie. 35 


546 Maalse. Auaua. ir. $. 140. 


Sieg, weil fie felber über andere Vögel den Sieg bauen tragen, M. 
1082. Bei einigen Vogeln wird mehr auf den Gefang geachtet als ob 
fie rechts oder links fliegen; doch findet ſich bei der Krähe beides erwähnt, 
und au) bei dem Martinsvogel, bei dem Specht kam es auf den Flug 
an, Bei der Krähe beobachtete man auf welchem Fuß fie land, bei der 
Effter, ob fie von vorn oder hinten gefehen ward, bei dem Storch, ob mar 
ihn zuerſt fliegend oder ſtehend traf. Cine Effter zu tödten bringt Um: 
gläd; fonft richtet ſich ihr Angang nad) der Zahl der geſehenen Thiere, 
Kuhn Germ. VII, 435. Heilig ift vie Stelle, wo man die erfte Schwalbe 
erblidt, oder den Kudud im Frühling zuerf rufen hört: darum fteht man 
ftille und gräbt an dieſe Stelle den Rafen aus, denn er hat fegnende Kraft, 
Myth. 1088. 5. Plin. 30. 10. Der Kudud heißt auch Zeitvogel, denn er weiß, 
welche Lebenszeit uns beftimmt ift, oder wie lange ein Mädchen noch warten 
muß bis ber Freier fih findet, und wenn Goethe ihn die Zahl der Kin: 
der verkünden laßt, fo hat auch das uralten Grund, Myth. 644. Doch ik 
es aud ein übler Angang, werm beim Ausgehen der Fuß ſtrauchelt u. |. w. 

No anderer Arten der Weißagung verfihert uns Tacitus c. 10, 
Gefangene des Volls, mit dem man Krieg führte, ließ man mit einem 
der eigenen Leute fih im Zweitampf meßen: der Sieg des Einen oder 
des Andern galt für vorbedeutend. Ueber berditus vgl. M. Edda S. 449. 


140, 7. Heilung. 


Aud bei der Heilung warb der Runenzauber angewandt wie 
dieß nod heutzutage geihieht, ©. 537. Auf ſolche Heilung bezieht ſich 
der andere jener Merjeburger Heilfpräde, von dem S. 323 die See 
war, und daß auch die Sudkunſt in äbnlicher Weiſe gebraucht wurde, 
Taßt ſich aus. Yngl. o. 7-jöließen, wo es von Odin heißt, er habe fo ben 
Leuten Tod, Unglüd oder Krankheit bereiten, und Verftand oder Kraft 
Einigen nehmen, Andern geben können. Bon Wuotans und Watens Ber 
zug auf die Heilhmft war $. 75 die Rede; in Gir, melde D, 35 aß 
die befte der Aerztinnen bezeichnet, hatte die Heillunft fhre eigene Göttin, 
M. 1101. Sie ſcheint aber aus einem Beinamen der Freyja ober Froce 
entftanden, die als Menglada nah Fiöljwinnsmal Gt. 37. 41 einen 
deutlichen Bezug auf die Heiltunde hatte. Gine der Str. 38 zu üben 
Füßen figenden neun Mädchen heißt wiederum Eir, wie neben ihr Hl 
und Hlifthurfa® Namen gleichen Sinn hat. Eirgiafa, die Heilſpendende 


8. 140. Heilende Hände. diehſaein. Stärer, 847 


beißt nad Hyndlul. 35 aud eine der Mütter Heimbals. Auch Brynhild, 
die wie Menglada, mit der wir fie ſchon oben verglichen, auf dem Berge 
wohnt, verbindet nad) Gripifpa 17 die Heilfunft mit der Runenkunde. 
Dieß mag ihr von Frigg oder Freyja vererbt fein, aus melden fie ſich 
entwidelt hat. Sie felbft ermünfcht fih Sigrbrif. 4: ‚Wort und Weisheit 
uud immer heilende Hände.’ Heilende Hände legten ſich noch fpät die 
franzöffchen Könige vielleicht aus Siegfrids Erbe bei, Myth. 1104. Rah 
Oddr. 8 fang Oddrun beilkräftige Bauberliever. Auf den Bufammenhang 
der Heilfunde mit der Bauberei deutet e8 auch, wenn böten (ahb. puozan), 
wie jeßt das Geſchaͤft jener ‚rathenven’ alten Weiber 6. 537 heißt, ſonſt 
auch zaubern beveutete, wie M. 989. 1103 gleicher Doppelfinn bei andern 
Wörtern nachgewieſen wird. Wald: und Meerfrauen (wildiu wip) und 
die ihmen nahe verbundenen Wölen (wisiu wip) galten für beilfunvig ; 
auch Weißagung und Bauber wird ihnen zugeſchrieben. Briefter und Frauen 
üben durch das ganze Mittelalter die Heilfunde und beide haben fie 
von den Göttern. Die der Rımenkunde verwandte Kenntniſs der Schrift, 
des Leſens und Schreibens, war lange gleichfalls auf Priefter und Frauen 
beſchrankt. 

Wenn die Heilkunde göttlihes Urſprungs iſt, fo werben die Krank⸗ 
heiten von Rieſen oder den ihnen ſo nahe verwandten Elben abgeleitet. 
Doch hat wohl nicht das Chriſtenthum erſt die Krankheit als gottliche 
Strafe aufgeſaßt: das wuſten ſchon bie Heiden. Eine Krankheit hieß 
die hünsche, wobei ſchon M. 415 an Rieſen oder Hunnen gedacht if. 
Kuhn WE. II, 211. Die Peſt, ſelbſt der Tod (M. 811) erſcheint rieſig 
und auch Hel warb in diefe Verwandtſchaft gezogen. Niefig ift aud ber 
tyroliſche Biehfhelm (Alpenb. M. 62 ff.), der bald in der Geftalt eines 
unbeimlichen ſchwarzen Mannes, bald als ſchwarzer die halbe Haut nach⸗ 
ſchleppender Stier auftritt und gleich dem ſchleswigſchen Kuht o d, einem unger 
heuern Etier mit langen Hörmern (Müllenhoff 230), ein Viehſterben per 
fonificiert ; vgl. Kuhn WE. 291. Das Fieber ift ein Alb, der die Mens 
fihen reitet, darum hieß es der rite (von ritan); das kalte Sieber 
beißt Froͤrer, weil es Froſt bringt, frieren macht. Der Froͤrer wie ber 
Witt treten perſoͤnlich auf; in Boners Edelſtein unterhält ſich der Mitt 
mit dem Floh wie im Petrarca die Spinne mit dem Podagra. Auch als 
Shhwetterling erſcheint die Aramfheit, wie ſich Elben und fpäter Heren 
und Teufel in Schmetterlinge wandeln. Wie die Krankheiten heißen auch 
vie Heilmittel nach den Elben, wie die Elbenſalbe, Rachtfrauenſalbe. Bon 


B48 Weihfeljopf. Kennzahl. Wehe. 8. 140. 


andern Krankheiten, die von Ebgeſchoßen herrühren follten, war ſchon die 
Rede: neben ylfa gescot und hägtessan gescot ſteht M. 1192 aud 
&sa gescot: Geſchoße der Götter neben denen der Elbe und Heren. Go 
heißt der Schlagfluß bald gotes slac bald tvergslagr M. 1110, Rothe 
Fleden im Gefiht rühren von dem übel, ©. 475, her; andere Uebel 
von Elben und Holden, ©. 495, von den Wichten der Wichtel- oder 
Weichſelzopf, der auch Albzopf, Bilweichszopf heißt, |. oben ©. 458. 
Die Gicht kann auf Wuotan bezogen ſcheinen, fie heißt wüetende giht 
was an das wuthende Heer, Wuotans Heer, erinnert. Sie heißt auch das 
fahrende Ding, wie auch Geſchwuüre an der menfchlihen Haut bald Dinge 
(wihtir), bald Elbe und Holven heißen. 

Nah M. 1100 bekannte eine Here, daß es neunerlei Holdechen 
gebe. Nah ruſſiſchem Glauben find es neun Schweſtern, melde bie 
Menſchen mit Krankheiten plagen, M. 1107; ein finnifches Lied läßt von 
einer alten Frau neun ald Knaben gedachte Krankheiten geboren werden, 
M. 1113. So wird in einer alth. Formel der nesso mit feinen neun 
Jungen beſchworen, M. 1115. Diefen neun Uebeln, die den neun heil: 
fundigen Mädchen zu Menglavens Füßen entfpreden, ftehen Heilmittel 
gegenüber, die aus neunerlei Theilen beftehen; gemwöhnlid müßen fie aber 
erbettelt oder gar geftohlen fein. So wurden neunerlei Blumen zum Kranze 
gewunden, Myth. 1164; zur Krautweihe gehören am Nieberrhein neunerlei 
Kräuter, neunerlei Holz zum Nothfeuer, M. 574, dem auch heilende Kraft 
zugetraut wurde. Neun geftohlene Weblnoten werden M. 1044 erwähnt, 
neun gefponnene heilen, M. 1182, zum Liebeskuchen ſpart man neunerlei 
Teig, M. 1132, und wenn Othin fih als Herztin der Rinda Wecha 
©. 310 nennt, fo ift vielleiht an die neuntägige Wode S. 89 zu benten; 
noch jegt wird bei Krankheiten auf den neunten Tag geachtet. Diefe neuner: 
lei Heilmittel zeigen den Bufammenhang mit dem Opfer: wir fahen zu 
Ubſola jedes. neunte Jahr neun Käupter jeder Thiergattung, zu Lethra 
gar 99 Menfhen und Pferde u. ſ. w. darbringen. In der Thierfage 
werben wir an dieſen Bufammenhang öfter gemahnt. Der kranke Löwe 
fol in die Haut eines vierthalbjährigen Wolfes ſchwiden: da die Zeit 
früher nach Sommern und Wintern, überhaupt nad Halbjahren (misseri) 
berechnet wurde, M. 716, fo begegnet uns bier die Bahl fieben. Die 
Haut geopferter Thiere zur Heilung verwenden, war wohl überhaupt Ge 
brauch: fo ab man aud der Weißagung wegen auf der Ochfenhaut; auf 
der Barenhaut knieend pflegten andere Völker zu ſchwoͤren; mit ber Bären: 


$. 140 Ding. Mondhalb. Bonnenkelb. Vögeln. 59 


haut laßt Hans Sachs zwei alte Weiber zudeden, mit grünen Rauten ber 
ſteden und dem Teufel zum neuen Jahr ſchenken, M. 962. 1069.1200. In 
der Thierfage kann es nicht in Betracht kommen, daß der Wolf fein Opfers 
thier if. Nach der ‚Echafis‘ fol auch der Beiftand des h. Aper anges 
zufen werden. Der lat. Umdichter fcheint felber nicht verftanden zu haben, 
daß damit Gberiped gemeint war, deflen Anwendung in ‚Reinhard‘ noch 
vorfommt neben dem Hirfhgürtel, der fpäter als Heilmittel für die fal⸗ 
lende Sucht galt, M. 1194. Deutlih wird erſt im , Reinardus“, daß 
die Thiere bei Bertilianas Wallfahrt, die in den Bremer Gtabtmuficanten 
(AM. 27, vgl. Kuhn WS. 229— 232) nadllingt, eigentlich nur ausge 
wandert find, um einem großen Opfermal zu entgehen, bei dem fie ger 
ſchlachtet werben follten. Schon im „Iſengrimus“ find e8 aber neun 
Thiere, wenn wir den Wolf hinzunehmen, die an diefer Wallfahrt Theil 
nehmen. In der fo tief in unfer Epos verflodhtenen Thierfabel vom Herz: 
eben ©. 361 will ſich der kranke Löwe durch das Herz des Hirſchen 
mur heilen. Das Herz gehört aber gerade zu den edeln Eingeweiden, die 
bei Opfermalen den Göttern vorbehalten blieben. Sonſt gilt aud das 
Blut für heilkräͤſtig: das Blut Hingerichteter bei der fallenden Sucht, 
dad Blut unſchuldiger Kinder und reiner Jungfrauen bei dem Ausſat, 
N. 1122, 

Das Wort Ding wird wohl aud gebraudt weil man ſich den wahren 
Namen des Uebels zu nennen ſcheut. So heißt der Umlauf, eine brennende 
Geſchwulſt am Fingernagel, bald der Wurm, bald da böfe Ding, vgL 
Kuhn Ziſchr. für vgl. Myth. XII; die fallende Sucht heißt das böfe 
Weſen, auch St. Jans Uebel, die Waßerfuht nannte man Mondkalb, 
wohl weil dad Waßer auf den Mond Bezug hat; aber die zweite Hälfte 
des Wortes laͤßt dad Opfer eines Kalbe zur Heilung vermuthen. So 
begegnet auch der Rame Sonnentalb als Gigenname. 

Wenn man bie Kranken dur ausgehöhlte Erde, hohle Steine und 
geipaltene Bäume kriechen ließ, wa8 man bögeln nannte, Banger II, 428, 
fo mag man zwar fpäter gemeint haben, die Krankheit auf Baum und 
Erde zu übertragen; der ältere Grund war aber wohl, daß man glaubte, 
Elbe und gute Holde ſchlüpften durch diefe Deffmungen, die in Schweden 
noch Eifenlöcher heißen, M. 430. 1119. Steinerne -Altäre und Grab 
denkmäler in alten Kirchen und Gapellen wurben diefem Glauben zu Lieb 
zum Durchkriechen eingerichtet Panzer II, 431. So lieh man Leihen 
weiſqhen entzwei geiheilten Wagen, die für heilige Geräthe galten, hin: 


550 Geblirmutter, Madelger. Aauzeld. % 140. 


duschtragen, des Falls verbähtige Mädchen hindurchgehen: davon ſcheint 
man gzulegt nur noch zauberhafte Wirkung erwartet zu haben, M. 1097. 
Auf uralten Feuerdienſt könnte weifen, wenn man das ſieberkranle Kine 
in den Dfen legte (Anh. XXXV), das Bieh bei jährlichen Feſtſeuern, bei 
amrädender Seuche durch die Flamme trieb und felber barüber fprang. Richt 
bloß Genejene aus Dankbarkeit, auch Heilung Suchende hiengen das kranke 
Glied in Wach, Holz oder Metall gebildet im Tempel anf. M. 1131. 
Auch bier verräth fih der Zufammenhang von Heilung und Opfer. 

Ein ſeltſamer Aberglaube ftellte ſich die kranke Gebärmutter unter 
ver Geftalt eines Wiefels, einer Schlange oder Kröte vor. Dieß 
Thierlein ſchlipft zumeilen aus dem menſchlichen Leibe um im Waßer zu 
baden ober an einem Quendelſtod zu weiden. Gelingt ihm das und wird 
es aud nicht behindert, in den Leib der Gchlafenden zurüdzutehen, fo iR 
dieſe geheilt. Ohne Zweifel war es urfprünglic die Seele, die fo aus 
der Kranten fchlüpfte, fpäter nannte man ftatt ihres den Theil des Leibes, 
an welchem vie Krankheit haftete. Unter dem Namen, welchen als Krants 
heit gedachte Kröte in Tyrol führt, findet fih Heppin; Geppa. heißt In 
der Wiltinafage eine Metze. Amelungenl. II, 83. Panzer II, 195. 

Heilkraftige Kräuter, doch vielleicht auch andere, find nad) den Göttern 
benannt, oder werben auf heiligen Bergen gebrochen. Bon erſtern find 
Beifpiele gelegentlich vorgelommen. Gine heilige Pflanze heißt Forneotes 
folme nah der Hand des alten Rieſen, in defien Geſchlecht wir auch 
wohlthätige Weſen antrafen; eine andere, mit dem Namen ‚Teufelshand‘ 
gemahnt an die häufigen Sagen von abgehauenen Riefenhänden, wie fie 
im Beowulf von Brendel, im Triftan von Urgan erzählt werben, M. 320. 
Die spongie marins heißt Nioörds Handſchuh (niardhar vöttr), weil 
ihre Blätter wie fünf Finger neben einander ftehen. Das Fünffingertraut 
galt für glüdbringend, weil e8 an ben Gott gemahnte, ver Reichthum und 
Wohlſtand verlieh. Andere Pflangen hießen wegen ihrer handförmigen 
Wurzel Liebfrauenhand. Ueberhaupt find Kräuter gern nad Göttinnen 
genannt, an deren Stelle dann Maria trat, M. 1144, So heißt das 
Frauenſchuhlein auch Warienpantöflelhen, Grauentpräne Marienthräne. 
Andere Pflanzen tragen Namen aus ber Helvenfage, jo das Wielanbäwurz, 
das Madelger, das Mangold, das an das Bold erinnert, das die beir 
den gauberkräftigen Jungfrauen Fenja und Menja dem König Frodi malten, 
wozu Grimm DM. 498 die Ramen Zanigold und Manigold nachgewieſen 
hat, Richt überall aber haſtet an folden Pflanzen Heilkraft wie an dem 


& 140, Der Walfe, Hegerkeia. - Dounsrkein. Peutenfein. 551 


Madelger, das ‚aller Wurzeln ein Chr' felbft gegen Lichestränfe half und 
bei aller Welt beliebt machte. So ſchüht Oundetebe gegen Zauber und 
ift dabei heilkaftig und durch einen Kranz von Gundermann mellt man bie 
Kühe. Der Rame kommt von der Wallüre Gunbr. Wölufpa 24. Vgl. $. 107. 
Heilkräftige Kräuter mußten aber zur beftimmten Beit, wach hergebrachtem 
Gebrauch emifhuht und entgürtet, wit Ghrerbietung gebrochen werben: eh 
geſchah wohl mit goldenem Werkzeug; in Deutſchland bediente man ſich 
zulegt eines Golvftüds. Weniger deutlich tritt der Bezug auf die Götter 
bei den Steinen hervor, denen doch fo große Heil- und Wunderkraft zuger 
ſchrieben wurde. Freilich galt die Kräuterkunde für heidniſch, Steinkunde 
für jadiſch IM. 1142, Aupn DE. 1, 137; auch war fie nicht vollsmäßig. 
Doc) bradzte Herzog Craft dan ‚Waifen’ aus dem hohlen Berge, bie deutſche 
Kdnigäkong damit zu fchmüden, M, 1168. Welchen Stein man unter 
‚Giegerfein’ verftand, ob er von ber Kronſchlange fam, in Kopf, Herz oder 
Magen eines Vogels wuchs, oder fünftlih aus Glas geblajen werden 
Ionnte, M. 1169, darüber wechfeln die Angaben. Der Donnerftein mard 
auf Thor, der Schleifftein auf ihm und Obin bezogen; fie galten für heilig, 
vielleicht beillzäftig. Mon dem Donnerftein, der vor dem Bligftral be 
wahrte und fich bei Cntbindungen bülfseich bewies, ift der Drutenftein 
verſchieden. Gr gehört den Kalkbildungen an; in dem Loche, welches nicht 
fehlen darf, ftat wahrfheinlid ein Belemmit, ven das Volt bald ZTeufelds 
finger balo Donnertsil nennt, wegen feines jhraubenförmigen Windung. 
Die Drutenfteine ſchuzen vor Beherung und Alpbrüden, die Pferde vor 
dem Verbigen der Mähnen und Schmweife. Panzer I, 429. Berühmter 
iR der Erchenſtein, der als earknastein ſchon in ber Edda vorlommt. 
Bieland foll ihn aus Kinderaugen gebilvet haben; hiernach warb er beim 
Urtheil des Keßelfangs gebraudt, wo ihn Hertia aus heißem Waßer 
bervorlangen mußte. In Erch⸗ liegt eine Steigerung des Begriffs Evel- 
Bein, wie aud der Waife (f. oben) feines Gleichen nicht bat, weshalb ex 
orphanus, pupillus heißt, was dann an den Augapfel erinnerte und 
die Dichtung ven der Bildung aus Kinderaugen veranlakte. Daß ihm 
heilende Kraft zugefchrieben wurde, wißen wir nicht, aber der Refelfang 
läßt darauf fließen, denn er follte wohl im heißen Waßer vor Verbrennung 
kohligen. Wie der Erchenſtein aus Kinderaugen, fo ſollte der Lyneurius auf 
ben Augen des Luchſes entftanden fein; an ihm haftet wieder Glüd und 
Heiftraft, wie man dem Waifen wohl Glüd und Sieg zuſchrieb. Somit gebt 
se in den Giegerflein über, der auch Wänfpelfiein hieß, Glüd und Ge: 


552 Gehabter ED. Scueſ und Bcäfe, 8.140 


fundpeit verlieh und felbft bei Entbinbungen fih hülfreih erwies. Der 
Bünfcelftein hat dann den Stein der Weifen zum nädften Rerwandten, 
der befanntlih auch zum Goldmachen diente. Bor Schaden bewahren 
aud die Kerrgottöfteine, welche ſich in Flußbetten finden. Es find weiße 
aber rothlich geftreifte oder betupfte Quarzgeſchiebe. Sie find glädbringend 
und fügen vor dem Bliz. Auch an den Sonnenfteinen, einer Art Am 
moniten, hängt manderlei Aberglaube. 


40a. 8. Nechtsgebrauch. 


Da die Priefter zugleich Richter waren und bie ungebotenen Berichte 
mit den drei großen Jahresopfern zufammenfielen, jo erflären ſich die 
nod in unfern Weisthümern erfcheinenden großen Gerichtsmale. Wie bei 
Weißagung und Bauber, ja ſelbſt bei ver Heilung alliterierte Langzeilen 
in Gebraud waren, fo werben aud die Geſetze in ftabreimenven Liedern 
abgefaßt, deren Strophen Gefehe hießen, und die in Gtäbe und Bal- 
ten zerfielen. Der Eid warb geftabt, die Eidesformel vorfagen hieß den 
Eid ſtaben, weil diefe Formeln in Reimftäben abgefaßt waren. Das Recht 
warb von den Urtheilöweifern gefunden, wie die Sänger Gelege fanden 
und Trouvered und Troubadours von Finden benannt find. Der Rechtſprecher 
heißt Schöffe wie der Dichter agf. scöp hd. scuof won Schöpfen. Daher 
find unfere Rechtöformeln höchſt poetiſch, unſere Weisthümer duften von 
Poeſie. Unter den deutſchen Rechtsquellen zeichnen ſich die friefifcden durch 
Poeſie aus, nähft ihnen die nordiſchen, ſchon Armer find die Sachſen- und 
Schwabenfpiegel, die dur unfere Weisthümer bei Weitem übertroffen 
werben. Dort ift fon der Einfluß des Römifchen Rechts zu verpfren, 
dem es gleichwohl aud in feinen Alteften Quellen weber an poetiihem Sinne 
noch felbft an Alliteration gebricht. Im Ganzen ift der niederdeutſche 
Rechtsgebrauch darum poetifdher, weil fi in ihm das Alte länger erhalten 
hat, Ueberall erinnert das deutſche Recht an die Bötterfage. Verwandte 
find Schwertmagen oder Gpindelmagen, das Erbe geht vom Schwert an 
die Kunkel: wir werben an ben Schwertgott, Friggs Roden, und die weben⸗ 
den und fpinnenben Göttinnen gemahnt. Adoptivfinder werben Wunſchlinder 
genannt, wie die Einherier Ddins Wunfcföhne, die Waltiren Wunſchmädchen 
beißen. Adoption heißt Aniefegung oder Sihoopfepung, der Wunſchvater fegt 
das Kind auf fein Anie, auf feinen Schooß, er bededt es mit feinem Mleide 
wie Ddin den Habbing in feinen Mantel hAllte. Die Rodihöße heißen 


8. 140% Gechab. Börfe. Burfhenfcaft. 568 


Geeren, wie die eingefegten Gewandſtüde im Hemde Beeren heißen von 
ihrer fpießförmigen Geftalt. Darum heißt der Bormund Gerhabe. RA. 466. 
So birgt ſich Heinrich von Ofterbingen unter dem Mantel der Landgeäfin, 
d. b. er begiebt fi in ihren Schu. Wunſchkinder heißen auch Mans 
telfinder ; die Mutter, welche die unehelihen Kinder ihres Mannes als 
ihre eigenen annimmt, wirft ihren Mantel über fie, und bie Braut 
wird in den Mantel ihres Bräutigam gehüllt. Aehnliches geſchieht bei 
der Verlobung, bei der Eingehung der Ehe: Ute legt die Schuhe an, die 
ihr König Rother bringt, wie Bundesbrüber auf die Kuhhaut treten, auf 
die Haut des zur Heiligung des Bundniſſes geſchlachteten Opferthieres. 
Diefe Haut heißt Burfa, daher Börfe die Genopenfhaft der Kaufleute, 
Burſchenſchaft der Studenten. So gieng man aud unter den Schmud 
der Grde und ließ fein Blut in die Fußfpur fließen, wie Schwörende noch 
fpät Erde und Rafen aufs Haupt legten. Der Berbannte heißt Wolf im 
Heiligtfum, er darf dem Heiligihum nicht mehr nahen, das er gefhändet 
hat, wie der Wolf flieht er in den Wald, Der Geächtete ift vogelfrei, 
den Vögeln unter dem Himmel preiögegeben, unter Dad und Schug ber 
Menſchen wird er nicht mehr aufgenommen. Sein Leib fol allen Thieren 
erlaubt fein, den Vögeln in den Lüften, den Fiſchen im Waßer, heißt es in 
den Bannformeln, deren poetifche Kraft hochberühmt if. Wir fahen das 
Urtheil unter dem Bilde der Roſe dargeftellt, dem Gebannten und Ver⸗ 
fefteten in den Bildern des Sachſenſpiegels ein Schwert in ven Mund 
geſtedt wie dem Wolfe Fenrir, und wie ber Geibenfaben, ber die Rofens 
gärten und Gerichte hegte, fi in dem Bande Gleipnir wiederholte, mit 
dem der Wolf gebunden war. Auch von dem Hammerwurf bei Beftims 
mung ber Grenzen und zur Heiligung des Eigenthums war ſchon bie Rede; 
wir fahen aud den Hammer Zur Einfegnung des Scheiterhaufend und der Ehe 
verwendet. Davon wuſte noch Frauenlob, als er die Jungfrau fagen ließ: 
der smit von oberlande warf sinen hamr in minen schö. In der Edda 
wird erzählt, wie der Niflungehort zu Stande fam: zur Mordbuße für 
Hreidmars Sohn, den drei Afen auf ihrer Jagd in Ottergeftalt erlegt hatten. 
An die Stelle des Golde tritt bei manden Bußen Betreide, deſſen gol⸗ 
dene Körner auch fonft dem Golde verglihen werben. Zur Beitimmung 
der Grenzen bed Eigenthums wird oft aud das Gut umritten ober mit 
dem Wagen, dem Pflug umfahren; ein Stüd Land heißt darum ein Pflug 
Landes, ein Morgen, d. h. foviel man an einem Morgen umpflügen kann. 
Durd eine ſolche Rrafterweifung fahen wir $. 104 Seeland entflehen und 


564 Aiureiten und Unpfäges. Weinkenf. 10% 


zugleich den Malarſee. So ſchentie Chlodewig dem h. Remigius fo viel 
Land als er während des Königs Mittagsſchlaf umreiten lonnte, König 
Waldemar dem h, Andreas ſoviel er auf einem Füllen umreiten konnte 
während der König im Bade ſaß, Kaifer Karl dem h. Arnold ven Bur: 
gelwald Rheinſ. 86, der h. Lufthilvis Lüftelberg, Rheinſ. 143. Aehnlihes 
wird Wolf DE. 40 von St. Leonhards Gfelöritt erzäplt. Dergleihen be 
gegnet fhon bei den Alten; es berührt fih aber mit ben weifenden Thie 
ven, die ſich gleichfalls bei ihnen wieberfinden ; nicht minder mit Der Heir 
ligkeit der Grenzen, deren Furchen Lufthildis mit der Spindel ftatt mit 
dem Pfluge zieht. Auch das Bebeden ber geihenkten Erde mit Thierr 
bäuten if} bedeutend: e& ift wieder die Haut. des geſchlachteten Opferthieres 
und wenn Dido fid ver Lift bebient, die Haut zu jerſchneiden, und bie 
Grenzen mit den Riemen zu umziehen, fo ift die Erwerbung dennoch 
gültig ; die Unverbrüdlichfeit des Vertrags liegt in dem Opfer: ohne dieſe 
Boraußfegung wäre die Erzählung unbegreiflih. Im Boltsbud won der 
Melufine dient eine Hirſchhaut, die in Riemen zerlegt wird, zum Land⸗ 
erwerb, und die mythiſche Bedeutung des Hirſches if uns fhon bekannt. 
Auch die nordiſche Gage kennt davon ein Gleihnifs: Ragnars Lobbreds 
Sohn Iwar, der Sohn Aslaugs, die eine Tochter Sigurd und Brynhilda 
fein foll, zerſchneidet eine Ochjenhaut bei der Gründung Londons. 

Bei Bragis Becher fahen wir Gelübbe abgelegt: viefe Gelühbe find 
unverbrüdjlih; darum wurden auch Verträge durch einen Weintauf bes 
ſtaͤrtt; ja fie fhienen nicht zu Stande gelommen, wenn ber Weinlauf nicht 
getrunfen war. Es war aljo eine Art Trankopfer nöthig um durch die 
Gunft der Götter den Vertrag zu heiligen. 

Urtheile muften bei jeinender Sonne gefunden werden; das Gericht 
beißt Tageding: darum ift aud Baldur agf. Bäldäg, der Gott des Tages, 
des Lichts zugleich Gott der Gerichte, feine Urtheile konnte Niemand ſchel ⸗ 
ten, d.h. ed fand davon feine Berufung Statt. Bon feinem Sohne Forſeti 
ſahen wir $. 93, daß er feine Urtheile ſchweigend fchöpfte, wie auch Hei: 
lawag und Ofterwaßer gefhöpft werden fol. 

Loli hatte feinen Hals gegen einen Zwerg verwetiet, er werde nicht 
befere Kleinode ſchmieden als fein Bruder gejhmiebet hatte. Diefe Wette 
verlor Soli; da half er ſich mit ber Einrede: du haft meinen Kopf aber 
nit meinen Hals. In der deutſchen Rechtsſage begegnet Aehnliches, ich 
erinnere nur an den Kaufmann von Venedig, dem ein Pfund Fleifh aus 
dem lebendigen Leibe geſchnitten werben follte, wo aber Portia einrebet: 


%. 141. Yortie. Ihanfehungen. Duife. 565 


das Fleiſch if dein, aber wergiehe kein Blut, fonft büpeft du es mit dem 
Leben. Wenn aber der Zwerg eine Ahle nahm und dem Loki den Mund 
wmähte, fo erinnert das daran, was Florus von der Teutoburger Schlacht 
erzählt und der Rache, welche vie Deutfhen an dem römiſchen Sachwalter 
nahmen: fie rißen ihm die Bunge beraus, bie treuloß zifhende Zunge; 
dann mähten fie ihm den Mund zu: Bifhe mun, Schlange! Bol. Grimm 
von ber Poeſie im Recht, Ziſchr. für geſch. Rechtswißenſchaft II, 25. 


Umzüge und Fefte 
141. Begründung, 


Die Umzüge der Götter erſcheinen zunaͤchſt nur ala deren Handlungen; 
die Menſchen verhalten ſich aber dabei nicht unthätig: das geſamte Bolt, 
wicht der Priefter allein, nahm Theil daran, und auch dieß ift eime gotted« 
dienſtliche Handlung. Den Wagen ver Nerihus ſchirrt der Priefter und 
begleitet die Göttin; das Bolt aber fhmüdt fih und Haus und Dorf, 
fie- feftlich zu empfangen und froͤhliche Tage von Krieg und Arbeit zu 
raſten. In Kriftliher Beit, wo folde Seite in Rahmwirkung des Heidens 
thums fortdauerten, nahm diefer Antheil des Volls eher zu als ab: es 
mufte num aud die Rolle des Prieſters übernehmen, vielleicht die eins 
siehenden Götter ſichtbar vorftellen. So bei den Umgügen mit dem beis 
Tigen Pflug, wo ftatt des Prieſters zulegt böchftens noch ein Spielmann 
auf dem Pfluge ſaß und pfiff, M. 242: mir wißen daß auch die Spiel ⸗ 
leute, wo fie ald Boten auftreten, mit dem alten priefterlihen Heroldsamt 
sufommenhängen. Das Schiff der Iſis hatten ald Priefter die Weber, 
in Bittau die Tuch mach er (Germ. V, 50) zu ziehen unb mit allem Zeuge 
auszuräften, wobei aud die alte Prieſterſchaft der Frauen ſich wieder gel 
tend machte. Doc auch hierbei blieb es nicht: die Göttin felbft und die 
übrigen Götter, in berem Geleite fie fuhr und welche der Bericht Robulfs 
mit lateinischen Ramen aufführt, ftellte man wohl auf dem Schiffe ſicht⸗ 
bar vor: ohne Biweifel find die Vermummungen, bie feitbem für den Ears 
neval charalteriſtiſch blieben, daraus hervorgegangen. Aehnliche Aufzüge 
finden fi bei andern Zeiten, und wenn fih auch deren gottesbienftliche 
Bedeutung aus dem Bewuftfein verlor, die Sitte hat ſich bi auf dieſen 
Tag erhalten. Den Zufammenhang des Volloſchauſpiels mit ven heid ⸗ 
niſchen Vorſtellungen und Gebräuden, der bei den alten Vollern offen 


556 Stege Wagen. Draden. Kieſe. Bär. 8. 141. 


zu Tage liegt, konnten wir auch bei unjern Hausgeiftern gemahren: bier 
tritt er faſt noch flärker hervor. Schon der Einzug der Nerthus, wie ihn 
Tacitus beſchreibt, war eine Schauftelung, als deren ſymboliſchen Sinn 
wir die erwadte Natur, die im Frühling auß der Gefangenfhaft der 
Niefen befreite Erbmutter fennen. Das Bolt zog ihrem Wagen, wie bei 
dem fpätern Sommerempfang, der davon übrig ift, feftlih entgegen: 
zu feierliher Begrüßung wird es dabei an Spiel und Gefang nicht ge 
feblt haben. Mit Müllenhoff (de poesi chorica p. 9) ift anzunehmen, 
daß e3 den heiligen Wagen in georbnetem Zuge in die Mitte genommen 
und zu ſich heim geführt, der weiter ziehenden Göttin das Geleit gegeben 
habe. Während ihres Verweilens wurden wohl Opfer dargebradit, wie 
bei fpätern ähnlichen Voltsfeften die Metger als Opferpriefter hervor: 
gehoben werben; fie vertreten ben presbyter Jovi mactans. Dem im 
Wagen umfahrenden Bilde des gothiſchen Gottes follte geopfert werben 
wie es in Schweden bei dem Umzuge Freys mit feiner jungen ſchönen 
Briefterin für Fruchtbarkeit des Jahres geihah. Diefe Prieflerin hieß 
des Gottes Gemahlin, und es verſprach fruchtbare Zeit, wenn fie guter Hoffe 
mung wurbe. Keinen andern Sinn ald ven Gieg des Sommers hatten 
aud bie Umzüge mit dem Drachen, die zuweilen ben Dradenlampf 
wie ©. 249 auch dramatiſch vorführten, vgl. Liebrecht Bervafind ©. 157 
und Germ. V, 50; ober bie mit dem gleihbebeutenden Rieſen, ber 
noch zu Dünkichen, im franzöfifchen Flandern mit deutſchen Liedern 
begrüßt wird. Wenn ſolche Aufzüge, was fih nur in Gedanlen begab, 
vor die Augen führte, fo lebten fie auch, wie man fie mit leiblichen Augen 
gejehen hatte, wieder in der Einbildung nad, 5. ®. wenn in ber Steier⸗ 
mar! nad) Germ. a. a. DO. im mwüthenden Heer ein Schiff gefehen wird, 
ſcharf wie ein Pflug und von Mädchen gezogen, mo Schiff und Pflug 
sufammenfallen wie fie fi jonft vertreten. 

Den Umzügen mit den Drachen ober dem Niefen, welche ven 
überwundenen Winter bedeuten, ſchließt fi} der mit ven Bären an, 
nur daß dieſes als Thors geheiligtes Thier den fiegenden Sommer ver 
anſchaulichen fol, Vgl. S. 271 und Uhland Germ. VI, 314. „Seines 
winterlichen Pelzes ungeachtet ift‘ der Winter ein Bote des Sommers.‘ 
Den Winter verfchläft der Bar in feiner Schluft; wenn er ſich hervorwagt, 
iſt der Frühling gelommen. Diejer Umzug mit dem Wären ift auch in 
die Heldenfage gebrungen- und Wildebär, einer von Dietrich Helden 
erſcheint ala Mär verfleivet vor NRönig Rother, den er, von beffen 


8.141. Wildebär. Wagen der Gertend. Gecenberuigen. 557 


Hunden gehept, mit zweien feiner Rieſen erfhlägt, während in dem nies 
derländifhen Gedichte, von dem Serrüre Brudftüde bekannt gemadt hat, 
König Rother noch aus dem Spiele bleibt; doch if die Anknüpfung an 
Karl ven Gr. nicht beßer. Das Welentlihe bleibt immer der Fall ber 
Niefen, der winterlihen Mächte. Bol. Mein Amelungenlied IL, 176 und 
Beowulf 182. Sole Umzüge wufte das Chriftenthum burd feine Grenz: 
begänge und Gotteötrachten zu erfegen; auch hievon erhoffte man frucht ⸗ 
bares Jahr und günftige Witterung; ftatt der Opfer wurden Allmoſen ges 
Spende. Aber die alten heidniſchen Vollsgebräuche waren jo leicht nicht 
auszurotten. Nach dem indie. c. 28 fuhr man fort, Gögenbilver (simu- 
lacra) durch Felver und Dörfer zu tragen. Das Heidenthum ganz zu 
verbrängen, bildete man feine Gebräuche Kriftlid um, ober nahm mas 
daran unſchaͤdlich war, herüber. So geſchah zu Halberftadt das Umführen 
des Bären in öffentlicher Prozeſſion S. 371 durch den Domprobften, dem ein 
Knabe das Schwert in der Scheide unterm Arm nachtrug, Myth. 743, wozu 
Grimm bemerkt, dap dad Umführen des Bären und Verabreichen des 
Bärenbrotes im Mittelalter eine verbreitete Sitte war, die auch in Mainz 
und Straßburg galt. An das Märe von dem Schretel und Waperbären, 
darf hiebei nur erinnert werben, weil der ihm entfprechende Kampf Beo- 
wulfs, defien Name ven Bären bedeutet, gleichfalls in den Frühling fällt. 
Wenn der Bär Wetrlivi (Winterwanderer) heißt, jo bezieht ſich dieß auf 
den Eis⸗ oder Seebären, der von Geethieren lebend des Winterfhlafs nicht 
bedarf. Upland a. a. ©. 116. In jenem Märe ift der Bär mithin als 
Waßerbar unrichtig bezeichnet. 

Aus dem Bedürfnifs, die heidniſchen Gebräuche chriſtlich umzubilden 
erflärt fih au der Wagen ber Gertrub ©. 391 und das Götzenbild, das 
nad Müllenhoff 136. 597 chriftlich umgetauft auf Helgoland in der Pros 
zeſſion umgeführt wurde. Die triumphierende Kirche durfte fogar den 
alten Göttern des Landes als Befiegten und Gefangenen in ihren Ova- 
tionen eine Stelle einräumen: jo tanzte der altlölnifhen Goltetraht das 
‚Gedenbernigen’ voraus, das ich Rheinl, 347 feiner Rüftung wegen auf 
Godan gedeutet habe; erft die neuefte Zeit hat es in den Carnaval ver⸗ 
wieſen. Bol. Alfter niederrh. Wörterbuh =. v. Ged. Nach dem mir 
vorliegenden Holzipnitt ſchwingt er das Horn (Heimbals und Odins), auf 
dem Helm trägt er das Schmiebezeihen: Hammer, Zange und Schlange, 
vgl. Btſcht. I, 248. Wenn er der Prozeſſion voraustanzte und darum 
nun @eden: genannt wurde, fo erinnert dad an die Salier, an bie vor⸗ 


558 Hilige Iufern. Derk wit dem Leer. 8. 142. 


und zurädfpringende Cpternacher Brozeffion ; auf ben ber Bundeslade vortan- 
genden David bezog fid) der Holzicwitt felber, indem er dieſen Tanz in der 
an das Horn befetigten Fahne barftellie. Es ift nicht unerhoͤrt, daß dal 
Heidenthümer in chriſtliche Progeffionen aufgenommen wurden. Wie man 
die heidnifchen Götter aufen an den Kirchen einmauerte, weil fo ber Sieg 
des Chriſtenthums veranſchaulicht warb, fo Ionnte auch bie ooclesia tri- 
umphans bie befiegten Götter wie gefangene Könige vor ihrem Sieges ⸗ 
wagen fpannen. Neben Berntgen in der Gottedtracht erfdienen auch bie 
billigen Juffern, welde id für die Waltüren halte. Wegen Hammer 
und Zange braudt man mit am Thoͤr zu denken: fie gehören gu dem 
Schmiedegeräthe der Bötter. Die Schlange weik vielmehr auf Odin 

Neben diefen äußerlich Dargeftellten Umzügen ver Götter mochten an 
dere bloß in der Phantafie, im Glauben des Volls, wor fi} gehen. Dar 
bin laßen ſich jene $. 71 beſprochenen Lufterſcheinungen zählen, bei wel: 
hen nicht felten noch die alten Göttertvagen gejehen wurden, wie jener 
Hugo Gopets, ©. 2312, oder der Berdtaß, ©. 263, und der Schublarren 
der Buſchgroßmutter, S. 460, defien Späne fi in Gold wandeln. Gin 
anderes Beiſpiel ift der clevifhe Dert mit dem Beer, vor demman das 
Adergeräth unter Dad und Fach ſchaffen mufte wie fonft vor Gtempe 
oder Trempe, ©. 413, ober wie vor den Hexen das Badofengeräthe im 
Sicherheit gebradt wurde, damit fie wicht darauf zum Blodäberg ritten, 
Kuhn NE. 376. Doc fehlt es nicht an Spuren, daß die Vollsluft es 
ſich nicht nehmen ließ, diefe nur im Glauben umziehenven Götter, gleich⸗ 
falls mit ben ihnen geheiligten Thieren in Bermummungen nadzubilden. 
Ober hängt die ‚Bofterlijagb‘ im Cntlibuh, (M. 886), das Perchtellaufen 
in ven ‚Raudnädhten‘ (Schmeller II, 12), die auch ‚Röpflinnähte‘ S. 561 
‚Rumpelnädhte‘ heißen (Schm. II, 91) und das elfäpifhe ‚Behten‘ (©. 
414), wobei e8 ebenfo lärmenb hergieng, noch unmittelbar mit den pries 
ſterlichen Umgügen’zufammen ? Nicht unwahrſcheinlich wufte ſchon das Helden⸗ 
thum den Zug ber wilden Jagd durch laͤrmendes Getoͤſe nachzubilden; daß 
man die chriſtlichen Wächter damit erſchreden wollte, um unterdes den 
alten Opfern ungeftört nachzuhaͤngen, braucht man nicht mit Goethes Wal ⸗ 
Porgißnaht anzunehmen. j 


142. Stehende Figuven, 
Den Umzügen der Goͤtter entſprechen Feſte ber Menſchen, bie aber 


8.142, Ahimmehreler. ARlepperboi. Hans Muf. 559 


oft nur in Darktellangen jenge beftehen, wenn wir davon abjehen, daß 
dabei von Mrbeit gefeiert, Speife und Tran reichlicher genoßen wird, was 
{don mit den alten Opfermalen zufammenhängt. Wie aber dabei gewiſſe 
Speifen wieberfehren (8.143), fo giebt es auch ftehende Figuren des alten 
BVolleſchauſpiels, die nicht bloß bei biefem ober jenem Feſte bervortreten, 
fordern far bei allen Yufzügen erſcheinen, wenn fie gleih uriprünglich 
wohl dem Frichlingsfeſte gehörten. Einem Burſchen wird ein Sieb an langer 
Stange vor die Bruft gebunden, an der ein Pferdelopf befeftigt üft; das 
ganze ift mit weißen Tüchern verhängt. Anders verfährt man dagegen in 
Siebenbürgen. Ein alter Badtrog wird umgelehrt und durch zwei Knaben, 
die ihn tragen, mit Füßen verfehen, ein Pferdekopf davor gebunden und das 
Ganze weiß überzogen. Darauf jegt fih der Shimmelreiter, der bald als 
Chriſtmann bald ald Neujahrämann gedacht wird. So zeigt fih der Schims 
melreiter (Kuhn Btfchr. V, 472) ſowohl zu Weihnachten, Faſsnacht und 
Pfingſten, als unter dem Namen des ‚Herbftpferdes‘ in den Martinsgebräuden, 
ja er wirb bei häuslichen Feſten, namentlich Hochzeiten, vorgeftellt. Neben 
ihm erſcheint zuweilen ‚Rupredt‘; anberwärts heißt fo der Reiter felbft, 
was richtiger fein wird, da Rupreht (Hruodperaht) Wodan if. Nur 
wo er Knecht Ruprecht heißt, ähnelt er mehr einem Hausgeiſt; doch fahen 
wir ſchon S. 473 den Gott ſich mit den Zwergen berühren. Eine andere 
ſtehende Figur ift der ‚Rlapperbod‘, welchen Kuhn Germ. VII, 433 auf 
Donar bezieht; doch kann biefen aud der fächfiihe ‚Haferbräutigam‘ mei- 
nen, ein in Haferfiroh gelleideter Burſche, fo wie der ‚Bär‘, den ein in 
Erbſenſtroh gehüllter Knecht fpielt. Gin Dritter, der eine große Ruthe 
trägt und einen Ajchenfad, in welche er die Kinder ftedt, die noch nicht 
beten Können oder unartig find, heißt am Nieberrhein, wo er neben Gt. 
Niclas auftritt, ‚Hans Muff,, vermuthli weil er die Kinder in den Er⸗ 
mel ‚oder Haudſchuh fteden follte, die beide ‚Muff‘ heißen. Im Elſaß 
entfpricht ‚Hans Trapp‘; doc erfheint dieſer in Begleitung bes Chriſt⸗ 
indes, Stöber CE. 348; den Namen hat er von feinem ftampfenden 
Auftreten. Beides verräth den Rieſen, denn aus Beowulf 2109—2106 
(Sttmäller S. 150) fehen wir, daß ihn Grendel auf gut rieſenmaͤßig in 
den Handſchuh zu fteden drohte, wie es wirklih Skymir zu Thors Bes 
ſchamung dahin brachte, daß er im Däumling übernadhtete, oben $. 83. 
Diefer dritte bedeutet den beziwungenen Winterriefen, fonft könnten biefe 
häufig dufammen auftretenden Geftalten eine Trilogie umziehender Bötter 
meinen, zumal fie anverwärt® durch ‚brei Feien“ erfept werden. Den 


560 perqhil. Rupreqhi. Sl. licelas. 8.18, 


Schimmelreiter begleitet nicht felten der Schmied (Boldermann S. 214), 
der den Pferden nach den Hufen jehen muß. Nicht jo allgemein verbrei⸗ 
tet ift die Darftellung Berchtas oder Berchtolds; doch wird die kärnthiſche 
Berti, der kaͤrnthiſchſteiriſche Barthel (Weinhold Weihnachtſp. 9) auf fie 
zu deuten fein. Berchta heißt auch wohl die Pudelmutter, in Unterfteier 
eiferne Berta. Im Salzburgifhen ift ihre Erſcheinung ſchoͤn, fie trägt 
ein blaues Kleid mit einem Schellenktanze, tanzt und fing. Die obers 
taͤrnthiſche Perchtl ift eher häplich und furdtbar, fie fpringt mit wilden 
Geberden umher, verfolgt die Leute und verlangt Kinder oder Sped, alfo 
jedenfalls ein Opfer. Der Schellenkranz erinnert an den thüringijchen 
Schellenmoriz. Auf den Dienft des Frö deutende Spuren find weniger 
ſicher; doc läßt fi der in der Mittelmart wie zu Paris um Faſsnacht 
umgeführte Ochfe ald fein Opfer verſtehen; ver thüringifhe Pfingſtochſe 
gielt eher auf Wodan. 

Sowohl in Berchtold als in Ruprecht ift Wuotan verborgen; darum 
begleitet ihn Berchta oder wo ſich Chriftlihes und Heidniſches noch naiver 
miſcht, die Jungfrau Maria; in Gngland fteht die Maid Marian neben Robin 
Hood. Auch unfere Heiligen, wie St. Nicolaus, der h. Jofeph, die doch 
der Galender an gewiſſe Tage bindet, wurden für vielfache Herabfegungen 
ihres Weſens dur Erweiterung ihrer zeitlihen Erſcheinung entſchaͤdigt: 
St. Nicolaus, der Wodan als Nikudr, vielleiht aud den Njdrdr ( Kirdu) 
erjegen folte, warb zum Knecht Nicolas, zum Aſchen⸗ und Buttercas; doch 
erihien er nun auch zu Weihnachten und fogar als berittener Heiliger 
wie fonft nur Martin oder St. Georg auf den Schimmel durften, Kuhn 
NS. 402. Birl. I, 236. Welder Gott oder Heiliger in dem öͤſterreichi⸗ 
ſchen Rrampus, dem ſchweizeriſchen Schmugli, bairifchen Rlaubauf, M. 482. 
3 ftedt, wißen wir nit; der ſchwäbiſche Pelzmärte ift wohl der mit Gt. 
Martind Namen beffeivete Wuotan. Nach der Aufklärung, die wir durch 
Alpenb. M. und S. 60 empfangen, wäre Klaubauf der naͤchſte Beriwandte 
des Rupreht und unferes Hand Muff. In dem holſteiniſchen ‚Bierde: 
fteffen‘ will Wolf Beitr. 125 den Frö erfennen, auf den er auch S. 124 
die niederlaͤndiſchen ‚St. Nicolansvartens‘ bezieht. Allerdings hat Et. 
Nicolas fo wenig mit Schweinen ald St. Stephan mit Pferden zu ſchaf⸗ 
fen; dem Fr6 waren beide heilig. Vgl. ©. 567. So erſcheint in Sie 
benbürgen neben dem Schimmel und der ſ. g. Steingeiß aud die Advent 
Tau, aud Aoventträm ober Chriſtſchwein genannt, wo ver Bezug auf 
FIro noch wahrſcheinlicher ift. 


561 


143. Gemeinfame Gebräuche. 


1. Die eigenthümlich deutſche Faftenfpeife, deren wir mehrfach ges 
daten, am Ausführlichften $. 117, beſchränkt fi weder auf den Verde 
tentag noch überhaupt auf die altheilige Zeit der erften Zwoͤlften, obgleich 
fie da am Häufigften vorfommt. In der Marl muß man zu Neujahr 
Hirfe oder Häringe efen, im Wittenbergiſchen Heringsfalat, jo hat man 
das ganze Jahr über Geld. Dasſelbe verheipt man in Schwaben dem, 
der zu Neujahr gelbe Rüben ißt. Andere eben auch neunerlei Gerichte, 
wobei aber Mobnftriezeln fein müßen; in der Udermark badt man ‚Belz‘, 
eine Art großer Pfannkuchen, Kuhn NS. 406. 408; im Vogtland beißt 
der Mehlbrei Bolfe. In der Steiermark und in der Laufig it man Karpfen 
mit Mohntlögen, in Schleſien geräudertes Schweinefleiſch und Badobft, 
das ſ. g. ſchleſiſche Himmelreih. In DOberlärnthen merben von ben 
Nudeln auch der Perchtl auf den Tiſch geftellt, damit fie davon abbeiße 
und loſte: thut fie das, fo verſpricht man fi ein gutes Jahr; andermwärts 
3 B. in Schleſien, dedt man den Engeln ven Tiih. In Schwaben heißen 
die Zwölften ober die ihnen voraußgehenden drei Adventsdonnerstage 
(Meier 457) ‚Rlöpflinsnädte‘ wegen der Krapfen und Kröppel, die da 
gebaden wurden, ober weil bie jungen Burfhe an Thüren und Fenſter⸗ 
laden zu Hopfen und jene Krapſen (‚Rlopfet‘) zu heiſchen pflegten. In 
Ulm wurden darunter mit Apfelfhnigen gefüllte Wede verftanden. In 
Baiern und Defterreih wurden die Mädchen am Unſchuldigen-Kindertag 
von den Burſchen ‚gefizt oder gepfefiert‘, d. h. mit Wacholverruthen ger 
ſchlagen, wofür fie Pfeffertuchen oder fonft eine Gabe zu entrichten hatten, 
Diefelbe Speife begegnet aber auch zu Faſsnacht: ‚Wer zu Faſsnacht Feine 
Kreppel badt, kann das Jahr über nicht froh fein.‘ Wolf Beitr. 228. 
‚Anudeln und Sladermann‘, d.h. Klöße und Fiſche, find Faſsnachtsſpeiſe, 
Woeſte 23. Dabei begegnet aud jene Sitte des ‚Fipens‘ wieber; nad 
Lynder 237 wählt davon ver Flachs hoch. In der Altmark jagt man 
einander mit Ruthen aus dem Bette und der ‚Geftiepte‘ muß den ‚Stier 
per’ tractieren, Kuhn NS. 369. Der Zufammenhang mit dem Pfingfts 
Tümmel $. 145 fällt von felber auf. In Reumark ift es Faſsnachtsge ⸗ 
braud, daß die Mägde am Morgen von den Stnechten ‚geftäupt’ werben. 
Hier wird feiner Gabe nod der fonft zu Faſsnacht gebraͤuchlichen Koft ger 


dacht, vielmehr waſchen die Knechte am Abend den Mägden die Füße mit 
Gros, Myiholsgie. 36 


562 Stiepen. Anklopfen. Auöpfi. 8% 148. 


Branntwein, wie e3 in ber Altmark den Frauen geſchieht, 8.370. Raum 
kann man ſich enthalten, dabei an Odin zu denken, welder nad $. 90 
die Rinda erft mit dem Bauberftab berührt und ihr dann ald Wecha bie 
Füße wälht. In der Udermart kommt das Stiepen der Mägde erft am 
Dfterfonntag vor: dafür müßen fie den Knechten am Montag Fiſche und 
Kartoffeln geben, 8. 373. In der Gegend von Werl und im Waldedr 
ſchen beißen die Anechte den Mägden und die Mägde den Knechten in die 
Beben; dafür tractieren fie fi gegenfeitig; daneben findet aud ein bloßes 
Abwiſchen der Schuhe Statt. In der Grafſchaft Mark werden die Manns⸗ 
leute am Faſsnachtsmontag in die Zehen gebißen, am Dienstag die Fraur 
leute: die Gebißenen bewirthen dafür mit warmem Weißbrot und geifli« 
gem Getränt. In Iſerlohn bleibt es beim Ausziehen der Schuhe oder 
Stiefel, die dann außgelöft werden müßen. In England rauben bie Jun 
gen am Dfterfonntag den Mädchen die Schuhe; am Oftermontag kehrt es 
fd um. Kuhn WE.IL, 128. Der Zufammenhang der Gebräude ift offen 
bar, ber heidniſche Urſprung hier noch nicht deutlich. Die ‚Wepelröt’ 6.570 
wird wieber zu Neujahr ins Haus geworfen, und aud hier ift Bemirthung 
beabſichtigt, Kuhn NE. 407. Seltſam bliebe die Verbindung der Bewirthung 
mit dem Schlagen, wenn dieß nicht eine tiefere Bedeutung gehabt hätte. 
Darauf weift des ‚Süntevügeljagen’ in Weftfalen und der Grafihaft Mart, 
wo auf Gt. Peterätag mit dem Kreuzhammer an bie Hauspfoften gellopft 
wird, die Huden und Schlangen und Fehmollen (bunte Mole), überhaupt 
alles Ungeziefer zu vertreiben, Woefte 24. Kuhn WE. II, 119. Auf 
St. Peterdtag fällt der Schluß des Winters, was den Bufammenhang mit 
der Gitte des Winteraustreibens ($. 145) verräth. Dabei werden Gaben 
gefammelt, die wohl urfprüngli in Badwerk beftanden, das in Süd: 
deutſchland ſchon durch feinen Namen mit dem Klopfen zufammenbängt. 
Man klopft an um eine Schußel Klöpfli oder Knöpfli davon zu tragen. 

Daß auch zu Pfingften jene Mehlſpeiſe vortommt, ſehen wir aus 
dem Liebe, das zu Augsburg die den fog. Waßervogel begleitenden Ana: 
ben fangen: 

a Schüfel voll Knöpfii ift no nit gnua, 
A Schüfel von Kuchla ghort o darzun. 

So mufte der Maigreve bei der Bewirthung der KHolzerben ibnen noch ⸗ 
wendig Krebfe vorfegen, welche hier in dem erften Monat ohne r am die 
Stelle der Fiſche (Heringe) traten. 

Xiefer im Jahr verſchwindet zwar biefe Faftenfpeife, aber das Grute: 


8. 148. thierjagen. SHaberfeldtreiben. &hariwari. 568 


feſt hat wieder feine Mohnſtriezeln und Stollen (N. 398. 399) wie der 
Martindtag fein Martinshorn (Sommer 161. K. 401) und in ven Mar— 
tinzlievern 33. 40. 43 werden von ben Rindern Kuchen und gebadene 
Fiſche eingefammelt. In Tyrol but man zu Allerheiligen Krapfen mit 
Honig, Mohn: und Caftanienfüllung, Ztfhr. f. M.I,388. Ueberall Tiegen 
alte Opfermale zu Grunde, und wenn das Martinshorn auf Wodan beutet, 
fo weiſt vieleicht die Pferbegeftalt der oftfriefiihen nüjärskaukjes, ber 
Köpeniter Pörelens (Kuhn 405) auf Frö, während Wolf B. 78. 9 bie 
donmerkeifförmigen Kröppel auf Donar bezieht, bei dem mir jene Faſten⸗ 
fpeife fhon S. 290 gefunden haben. 

2. Die Kloͤpflinsnächte bei Panzer II, 116 fallen mit jenen Raud: 
und Rumpelnädten S. 558 zufammen und die Pofterlijagd gleicht fehr 
unferm niederrh. ‚Zhierjagen‘, dad aber an keine Jahredzeit mehr gebun- 
den ift, da ed nur noch zu einer Art Volköjuftiz dient, die gelegentlich 
geübt wird, wie früherhin wohl zu beflimmter Zeit. Es entfpricht genau 
dem Bairiſchen Haberfeldtreiben, und hängt alfo mit dem Chariwari und 
den Ragenmufifen zufammen, Bei allen dreien pflegen Thierftimmen nad 
geahmt zu werben. Vol. Phillips über den Urfprung ber Kahenmuſiken 
Freiburg 1849. Aus dem 6. oder 7. Jahrh. rührt das in unfern Bußs 
orbnungen immer wiederholte Berbot cervulum seu vitulum fa 
core, wobei bezeugt wird, daß man fi in Thierfelle hällte und Thier— 
bäupter aufjepte: in ferarum habitus se commutant et vestiuntur 
pedibus pecudum et assumunt capita bestiarum. Phillips 39. Statt 
vitulam wird aud vetulam gelefen; aber erfterer Lesart fteht das Wort 
chalvaricum zur Seite, das in den Statuten ber Kirche won Avignon vom 
5%. 1337 neben Charivari für den Tumult gebraucht wird, den man bei 
Eingehung namentlich zweiter Chen zu vollführen pflegte. Philips 5. Cine 
Verordnung des Biſchofs Hugo von Berry vom %. 1338 nennt denfelben 
Zumult Charavall, woraus fpäter Crawall entſtand. Die Theilnehmer 
an dem Tumult erfhienen vermummt und zwar in Thiergeftalten ala Hirſche 
cervali, oder Kälber vituli, und wie man aus dem Worte Haberfeld 
(tatt Haberfell) fließen darf, da Haber caper ift, ala Böde, vgl. ca- 
pramaritum ®hil. 7; ja der Name der Kahenmuſilen erlaubt binzuzufü« 
gen, ald Hagen. Sie ahmten zugleich die Stimmen diefer Thiere nah, 
wie theils aus dem heutigen Gebraudy, theild aus dem Worte tumultuo- 
sis vociferationibus, endlih aus den Worten Chalvaricum, das auf 
Kälberftimmen zu deuten fcheint, geſchloßen werben kann: das Haberfeld⸗ 


564 Polterabeublärm. Arawal, & 148. 


treiben ftimmt aber darin mit unferm Thierjagen, daß es fi nicht wie 
der Bolterabendlärm auf die Eingehung der Ehe, namentlich nicht wie 
das Chalvaricam und Charivari auf die zweite Ehe bezieht, ſondern zur 
Öffentligen Kunde gelommene Unfittlifeit im Umgang mit dem andern 
Geſchlechte rugt. Wie beim Chalvarioum ein Anführer der Jugend, 
Abbas iuvenum, Abbas laetitise erwähnt wird, mit dem man ſich abs 
zufinden hatte, fo erfcheint beim Haberfeldtreiben ein Haberfeldmeiſter. 
Hier werden die Gefichter geſchwärzt, wie man beim Charivari falsis 
visagiis gieng, Phil. 8. Dort erhoben die Vermummten dabei einen 
gewaltigen Lärm, ein gellendes Geſchrei, Pfeifen und Bifhhen, wobei man 
auf Schüßel, Teller, Gloden und Keßel flug; diefelbe Inftrumentalbegleis 
tung findet fih in Baiern wieder, nach Montanus II, 1 aber aud bei uns 
ſerm Xhierjagen; als dabei übliche Tonwerlzeuge nennt er: Beitfchen, 
Keßel, Trommeln, Maihörner und Karrenräder: in legtern dedte ber mit 
diefer Kunft vertraute Bauernjunge mit Mund und Wange die Deffnung 
der Nabe und brüllte dann mit fo gewaltigem Stoße hinein, daß der rauhe 
Shall in der Mitternachtſtille meilenfern gehört ward. Montanus bezeugt 
aber aud die Vermummung in Thiergeftalten; auf feine Etymologieen (er 
sieht Tor herbei) ift befanntlih nichts zu geben. Thierjagen heißt der 
Gebraud, weil er unter Thierlarven gegen das Heroortreten des Thieriſchen 
im Menſchen gerichtet war; daher trat auch ſchon in dem Chalvaricam 
nad Phil. 9 das Obfcöne hervor. In England war die Kapenmufit 
(rough music) aud gebräuchlich, wenn zwei Eheleute in Unfrieden lebten, 
oder ein alter Mann ein junges Mädchen heiratete. Belanntlih hat 
Shatipere am Schluß der Luftigen Weiber von Windfor ein Thierjagen 
auf die Bühne gebracht. Nach den Worten 


Pfni der fündgen Phantafei! 

Pfui der Luft und Buhlerei! 

Wolluſt if ein Feur im Blut 

Ausgehedt im üppgen Muth; 

Hoc und höher ſchurt die Gluth 

Siündiger Gedanken Brut. 

Zwickt ihn, Elfen, nad} der Reif, 

Zwickt ihn für die Büberei, 

Zwidt ihn und brennt ihn und laßt ihm ſich drehn 
Bis Kerzen- und Sternlicht und Mondſchein vergehn. 


ift die Abſicht diefelbe wie beim Haberfelltreiben; und was auf hohes Alter · 


8. 148. Hörner auffchen. Ins Bochshorn jagen. 565 


thum des bargeftellten Gebrauchs deutet, das Hirſchgeweih fehlt nicht, und 
wenn e3 bier der Berführer trägt, nicht der beleivigte Gatte, fo ift das 
eine fehr glüdliche Echaltheit: es gefhieht ihm zum Spotte dafür, daß er 
Jenem die zugedachten Hörner nicht hat auffegen können, obgleich Fürth 
nahe daran war, fih ind Bodhorn jagen zu laßen. Wir lernen aber 
bier nod mehr: die Bermummten bilven zugleih die wilde Jagd nad) und 
dem Falftaff felbft ift die Rolle des milden Jägers zugetheilt, ver hier ala 
Förfter Herne, 6.218 oben, mit großen Hörnern erſcheint. Diefer Zufams 
menhang ift ohne Zweifel alt und et: es war der Umzug des wilden 
Heers, den man nachbildete: der alte Gott follte die Strafe des gefränften 
Cherechts, der Luft und Buhlerei zu vwerhängen ſcheinen. Die Thierfelle 
rühren aber von geſchlachteten Opferthieren ber, die in den Zwölften den⸗ 
jelben Göttern dargebracht wurden, die unter diefen Thierlarven erſcheinen. 
Denn auf die Kalendae Januarii finden wir das alte Verbot, in cervulo 
und vitulo zu geben, zuerft bezogen. Aber auch diefer Gebrauch löfte ſich 
von biefem Hauptfefte ab und blieb an keine fefte Zeit gebunden: das 
Volk konnte feine Conchjuftig, deren Namen gewiſs aud mit jenen Thier- 
Tarven zufammenhängt, üben, fobald ihm die Sitte verlegt ſchien. Cine 
ähnliche Voltzjuftiz ward geübt, wenn die Frau den Mann geſchlagen hatte. 
Man dedte dem Haufe des Chepaares das Dad ab, Lynder 231, oder 
Tieß die Frau auf einem Eſel duch die Stadt reiten, Rheinland 101. 

3. Deutli auf den Umzug weibliher Gottheiten begüglid ift die 
von Montanus (Vollsf. 24) bezeugte Meinung abergläubifher Leute, daß 
die Katzen zu Faſsnacht Spuren von Anfdirrungen zeigten. Sommer 180 
bat zuerit auf bie Ppernihe Sitte aufmerkſam gemacht, an einem Faftens 
mittwoch Kapen vom Thurme zu ftürzen. Nach Wolf Beitr. 187 geſchah 
es zu Chriftie (29. Mai) oder zu Marien-Himmelfahrt (15. Aug.). Nah 
Woeſte Ztſchr. |. M. IL, 93 hießen die Attendorner Rattenfillers, 
weil fie fi) einft dad graufame Vergnügen gemacht, eine Kae mit Rinderr 
bfafen vom Thurme zu werfen, Da fei dad arme Thier tagelang klagend 
durch die Luft gefahren. Kuhn WE. 162. Nah Sommer 179 ftürzte 
man in ehemals wendiſchen Gegenden einen mit Bänbern gefhmüdten 
Bod mit vergolveten Hörnern vom Kirchthurm oder vom Rathhauſe: fein 
Blut galt für heilfräftig in vielen Aranfpeiten. Nach dem Bisherigen 
tönnte man an eine ſinnliche Darftellung des Kahengeſpanns der Freyia, 
des Bodsgeſpanns Thörs denlen, wozu die in jene Jahreszeiten gebachten 
Götterumzüge Veranlagung geboten hätten. Doch wird von Ypern bes 


566 Weibertunk. Welberfafsnacht. Weiberregiment. 8. 148. 


richtet, die Kahen feien zum Beiden, daß man ber alten Abgötterei ent ⸗ 
Sagt habe, vom Thurme geworfen worden. Gin Zempel der Diana (Frou⸗ 
wa) ift dafelbft nadgewiefen. So fann die allgemein verbreitete Sitte, 
die dem Donar gebeiligten Eihhörndhen zu jagen (Kuhn 374, Wolf B. 78), 
was in Deutſchland um Dftern, in England um Weihnachten zu geſchehen 
pflegte, als ein Opfer gedeutet werden, aber aud als chriſtlicher Haß ges 
gen die Lieblinge des Heidengottes. Xepteres ift jedoch weniger wahr 
ſcheinlich, und fo darf man wohl aud das Herumtragen bed dem Donar 
heiligen Fuchſes bei der Sommerverfündigung hinzunehmen. Nah Kuhn 
Germ. VII, 433 verfolgt man auf der Inſel Man am Weihnachtätage 
die Zaunlönige: bie Federn, die fie auf der Flucht verlieren, bewahrt man 
forgfältig, weil fie im folgenden Jahre gegen Schiffbruch das wirtfamfe 
Mittel find. 

Diefe Gebräude, deren Berwandtichaft zu Tage liegt, beziehen ſich 
doc weder auf diejelben Götter, noch auf die gleichen Zeiten des Jahre. 
Doch Tennen wir Freyja als eine Göttin der ſchönen Jahreszeit und 
Thot als einen fommerlihen Gott, und die Rüdtehr des Frühlings ift das 
Thema aller dieſer Vollagebraͤuche. Der Wechſel zwiſchen Weihnachten 
und dem vorgerüdtern Frühjahr wird uns au $. 145 wieder begegnen 
und bort feine Grllärung finden. 

4. Rein ganz feites Datum hat au das Vorrecht der Frauen, an 
einem gewiflen Tage einen Baum im Gemeindewalde zu hauen und das 
dafür gelöfte Geld gemeinfchaftlih zu vertrinten. In der ganzen Eifel ges 
ſchah das zu Weiberfajsnacht (Donnerftag vor Faſsnacht); bekanntlich ha= 
ben an diefem Tage die Frauen das Regiment. In Weilheim bei Tür 
bingen hatte der ‚Weibertrunf‘, der von dem verfauften Baume beſtritten 
ward, alle Jahr im Frühling um die Zeit Statt, wo man die Eichen fällt 
und abhaut, Meier 379. In Dornhan in Schwaben burfte jede Fran 
am Aſchermittwoch einen Schoppen Wein trinten, den bie Gemeinde bes 
zahlen mufte. Es hieß, an diefem Tage feien die Weiber Meifter. ‚Das 
kommt aber daher: In uralten Zeiten fol einmal eine Gräfin dur Dorn- 
ban gefahren fein, und meil fi da die Weiber an ihren Wagen fpannten 
und ihn zogen, fo hat fie zu Gunften ber Weiber diefe Anordnung ger 
troffen und ber Gemeinde bie Verpflichtung auferlegt‘, Meier 377. Der 
Wagen läßt ſich auf den der Nerthus, das Schiff der Iſis oder ihren 
Pflug deuten, obgleich diefem nur Jungfrauen vorgefpannt wurden. us 
Uiebrigen vergleicht ſich die S. 396 beſprochene Sage bei Sommer 149, 


$. 144. Gräfuuen. Möniginnen. Duidende Frauen. 567 


wo eine Königin Elſabeth ober eine Gräfin von Manzfeld ein ähnliches 
Feſt auf Himmelfahrtötag geftiftet haben follte. Nah Memminger (Wolf 
8. 190, Meier 424) war es eine Gräfin Anna von Helfenftein, melde 
es anordnete, dab in Blaubeuren jährlih am Johannistage ein Eimer 
Wein unter die Jugend vertheilt wurbe. Unter diefen Gräfinnen und 
Königinnen find Frühlingsgöttinnen zu verftehen, deren Minne ge: 
trunten werben follte, oder von deren Umzügen jene Feſte herrühren. Bol. 
Birfinger IL, 102. 

So erzählt Lynder 174, 224 von jährlichen Spenden, die eine Landgräfin 
und ein Fräulein von Boyneburg verordnet haben foll, vgl. &. DS. 10. Ein 
gnadiges Fräulein von Niederftetten ſoll unter der Bedingung, daß man fie 
mit filberner Schaufel und filberner Haue begrabe und ihr ein ewiges Licht 
brenne, den Hartwald fieben Ortſchaften vermacht haben, zu denen Nieders 
ftetten, Oberftetten auch gehörten. Die Strede Waldes und Landes ift jo 
groß, daß die fieben Schäfer der fieben Ortſchaften hüten können ohne ein⸗ 
ander zu gewahren. Bir, II, 187. Gin anderes Cvelfräulein vermadhte 
den Marbachern den großen Wald bei NRielingshaufen unter faft gleicher 
Bedingung. Birl. 248. Auch von der 6. 408 erwähnten Königin 
Reinſchweig follen Stiftungen berühren. Wie Freyja um den entſchwun⸗ 
denen Obur verließ fie England und ſchiffte mit ihren Jungfrauen wie 
St. Urfula übers Meer nad Deutſchland, die Seele ihres Gemahls aus 
dem Hörfelberg zu erlöfen. Unter den drei Schweftern begegneten uns ſchon 
S. 371. 372 verfolgte Grä finnen, bie wir gleichfalls der Freyja verglichen 
baben. Ueberhaupt gehören die drei Schweſtern mit den von ihnen ger 
Rifteten Andachten (Andachten werben zu 3, 7 ober 9 geftiftet), Lynder 196, 
Bigilien und Placebos hieher, vgl. auch die bei Müllenhoff 54 Burentlaes 
genannte, jährlih am 2. Donnerstag wor Weihnachten gehaltene Feftmals 
zeit. Hier ift es zwar mur die Magd einer Gräfin, melde die Stiftung 
veranlaßt; aber die Legende ber Gräfin Itha von Toggenburg, deren 
zweite Hälfte Schiller erzählt, ift auf fie übertragen und Itha gehört gleich 
der Königin Reinſchweig zu den duldenden rauen, welche nad ©. 322 
oben auf Frigg zurüdgehen. 


144, Feſtfeuer. 
Auch die feftlihen Teuer, welche bald auf Bergen, bald in der Ebene 
gezandet zu werben pflegen, fallen in ſehr verſchiedene Zeiten des Jahres. 


568 Schfener. Usthfeuer. %. 144 


Am Betannteften find Weihnachtsfeier, Ofterfeuer, Johannisfeuer, Martins« 
feuer, neben ‚weldien noch das Nothfeuer in Betradht kommt, das an 
teine beftimmte Zeit gebunden, gegen auögebrodene Eeuden gezündet 
wurde. Grimm 1200 leitet fie alle auf heidniſche Opfer zurüd, womit 
ftimmt, daß Blumenkränze, neunerlei Kräuter, ja Pferveöpfe in die Flamme 
‚geworfen wurden; bei den Glaven auch ein weißer Hahn. Bon allen ers 
wartete man wohlthaͤtige Wirkungen: das Korn gebieh fo weit man fie 
leuchten fah, Kuhn ME. 313, die auf die Felder auögeftreute Aſche ver- 
tilgte das Ungeziefer, der vom Nothfeuer auffteigende Raud galt für heil« 
beingend: DObftbäume wurden davon tragbar und Nege fängig, M. 574; 
man fprang über die Flamme und fo hoch ber Sprung, fo hoch wuchs 
ver Flachs, Panzer 210. 216; man glaubte ſich auch felber zu reinigen 
und trieb das Vieh hindurch, weil das vor Krankheit und Beberung 
fiherte wie die Aſche Viehkrankheiten heilte, die angebrannten Holzſcheite vor 
Sturm und Ungemitter fhüpten, die beim Pfingftfeuer gelochte Speife vor 
Fieber bewahrte, M.576. In der heidniſchen Zeit fiel das erfte durch das 
Nothfeuer getriebene Stüd Vieh den Göttern zum Opfer; in der chriſtlichen 
traten die Heiligen an vie Stelle. Wolf 8.1, 220. Kun WS. II, 158. 
Der heidniſche Urfprung diefer Feuer ift nicht zweifelhaft: fie find 

den urverwandten Böllern gemein und älter ald das Chriftentfum, das 
fie erit abzuftellen verſucht, M. 570. 588, dann fi angeeignet und ger 
leitet hat; doch giengen fie nie ganz in bie Hände der Geiftlicleit über, 
M. 591. Die weltlihe Obrigkeit nahm fie früher gleih dem Umziehen 
des Iſisſchiffes als althergebraht in Schup; in den lepten Jahrh. bat 
eine loͤbliche Polizei fi glüdliherweife vergebens bemüht, dem Bolt auch 
diefe, nach dem Erloſchen der heidnifhen Grinnerungen unſchuldigen Freu ⸗ 
den zu verleiden. 

Sohannisfener fei unverwehrt, 

Die Freude nie verloren: 

Beſen werben immer ftumpf gelehrt, 

Und Jungens immer geboren. 

Goethe. 

Schwieriger ift die Frage nah dem Sinn diejer über ganz Curopa reichen 
ven Gebräude. Auf eigentlihen Fenercultus könnten die Nothfeuer den- 
ten. Alle Heerbfeuer wurden gelöfcht und durch Reibung ein fog. wildes 
Feuer gezündet, dem man größere Kraft zutraute ald der abgenugten, von 
Scheit zu Scheit fortgepflangten Flamme. Beim Johannisfeuer find bie 


$. 144. Rirdlihes Feuer. Ewiges Licht. SFenerzengung. 569 


Spuren am bentlichften, daß auch fie urſprunglich Nothfener waren, d. h. 
auf feierlihe Weife neu gezündet wurden, um das Jahr über an ihrer 
heiligen Flamme die Heerdfeuer erhalten zu können. Auch beim Ofterfeuer 
kommt Aehnliches vor, nur daß man die Ofterflamme mit Stein und Stahl 
wedte und das Bolt fie diefer profanen Bündungsweife wegen von dem 
echten Feuer unterſchied, M. 583, von dem vie Sage gieng, daß es wärme 
aber nicht verbrenne, Montanus 127, gleich jenem, womit Chriftus nad 
einem deutſchen Märden gedroſchen haben follte. Auch die Kirche fegnete 
am Karſamſtag das neue Feuer (ignis paschalis), nachdem das alte zus 
vor gelöft worden war. Der Ritus war nicht überall gleich; doc be: 
zeugt Binterim Denkw. V, 215 feierlihe Zündung durch Aryftalle und 
Brennfpiegel, M. 583. Jept gilt der Kirche die Zündung mit Stahl 
und Stein jhon für feierlih. An dem fo gewonnenen Feuer ward dann 
die Ofterterze (cereus paschalis) zuerft angebrannt, die hiernad das Jahr 
über bei jebem Hauptgottesdienfte brennen mufte. Bon biefem beiligen 
noch in dem ſ. g. ewigen Licht das ganze Jahr forterhaltenen Feuer 
holten am Ofterfonntag die Gemeinbegliever, um das außgelöjchte Heerd⸗ 
feuer wieder anzuzünden. Lexer in Wolfs Ztfchr. II, 31. Leopr. 172, 
An dem von ihr tropfenden Wachſe und den fog. Dfterlerznägeln, die ihr 
zur Bierbe dienten, haftete nad) Montanus 26 mancherlei Aberglauben, 
obwohl dieſe waͤchſernen Zapfen nad Binterim 219 nicht mitgefegnet 
wurden, 

Auf bloßen Clementarbienft jene Feuer und die babei gefpenbeten 
Opfer zu deuten, hat für Deutfchland Bedenken. Ihr erfter Urfprung mag 
freifih weit über den unferes Volles und feiner Götter hinaußliegen. Bei 
uns zeigen fie nur Bezug auf die wachſende Kraft ver Sonne. Zur Herr 
vorbringung des Nothfeuers bediente man fi eines Rades mit neun Speis 
hen, dad von Diften nad) Weiten gemälzt ein Bild der Sonne war. Nach 
Kuhn Herabkunft 13. 44 ff. beftand die Altefte Weile der Feuerbereitung 
in dem Reiben zweier Hölzer, indem das eine länglihe in dem andern fo 
lange berumgequirlt ward bis es in helle Flammen ausbrach. Bon dem 
Gotte jelbft nahm man an, daß er in gleiher Weile den Blitz hervor⸗ 
bringe. Da bei der Butterbereitung in ähnlicher Weife verfahren wird, 
fo hat der Vollsglaube Manches auf den Gewittergott Bezüglihe dabei 
angewandt wie wir fon in dem rothen Tuch ©. 171 ($. 57) davon 
ein Beifpiel fanden. Auch in der Zeugung ſah man ein Gleichniſs der 
Erzeugung des Bliges und Feuers Kuhn a. a. D. 70. 74. Bol. oben 


870 Stammeuräder. Wepelret. Aulbloa. 8. 144. 


©. 483. In Deutichland felbft ward das Feuer gewöhnlid durch Ums 
ſchwingung einer Achſe oder durch bohrende Drehung einer Wale in 
der Nabe eines Rades hervorgerufen. Die Drehung felbit warb dadurch 
bewerfftelligt, va man um die Achfe oder Walze ein Seil legte, welches 
aufs Schnellſte hin und her gedreht warb bis ſich das Feuer zeigte. Bol 
Myth.570 und Kembles Beihreibung (Sahfjen in England 294 fi). 
Auf die Sonne weiſen aud die flammenden Räder, die man von den Ber- 
gen rollen ließ: gelangten fie noch brennend in den unten fließenden Strom, 
fo verfprad der Winzer ſich einen gefegneten Herbft. Die Conzer erhoben 
dafür von den umliegenden Weinbergen ein Fuder Wein, gerade wie bie 
Trierer Mepger von den Nönnden zu St. Irminen. Diefe Sitte der 
berabgerollten Flammenräder findet ſich au in Frankreich, und bier wird 
ver Bezug auf die Sonne ausbrüdlih bezeugt, M. 587. Der Hinblid 
auf die Fruchtbarkeit der Erbe ergiebt fi) auch aus jenem Wagenrabe, 
dad man unfern Weisthümern zufolge am großen Gerichtstage (Stephands 
tag), nachdem es ſechs Wochen und drei Tage im Miftpfuhl geftedt hatte, 
ins Feuer legte: das Gerichtsmal mwährte dann bis die Nabe ganz zu 
Aſche verzehrt war, M.578. Radform mit Speichen, ein Bild der Sonne, 
bat aud die Wöpelröt 6.562, deren von Kuhn aus goth. vaips erllär- 
ter Name vielleiht von dem friefifhen Wöpel Pfüge (Richthofen 1124) 
herruhrt, fo daß auch fie im Pfuhl gelegen haben mufte. Auch der Chriſt⸗ 
brand, im Norden Julblod (Myth. 594), ven man zu Weihnachten an 
brennen ließ und fpäter zurüdzog und das Jahr über aufbewahrte, hatte 
auf die Fruchtbarkeit Bezug, da man nad Montanus 12 feine Aſche auf 
die Felder freute, nah Schmig I, 4 Kohlen davon in die Kornbahr legte, 
damit die Mäufe das Korn nicht beichädigten. Wenn ein Gewitter an 
30g legte man ihn wieder and Feuer, weil ver Blig dann nicht einſchlug. 
Kuhn WE. II, 104. 

Hienach Tonnten diefe Gebräuche allen Weſen gelten, die ala Feuer:, 
Lit und Sonnengötter über die Fruchtbarkeit des Jahres geboten. Dar 
bin. gehören aber nicht bloß die Götter der Trilogie nebſt allen Wanen; 
von den zwolf Aſen find fo wenige auszuſchließen, daß man von den nem 
Speichen des Rades und den neun Kräutern, die in die Flamme gewor⸗ 
fen wurden, auf die Zahl der betheiligten Götter fließen möchte. Auf 
einzelne von ihnen Bezüge nachzuweiſen hält ſchwer. Doch beutet auf 
Freyja der norwegiſche Name ‚Brifing‘ für das Johannisfeuer, M. 589. 
Auhn WS. II, 175. Noch lieber möchte man die Ofterr und Maifeuer 


6. 14. Sunkenfälagen. SYalfener. Sakeigang. 571 


auf fie beziehen, wenn ihr nah 6. 247 vie alte Walpurgiöfeler galt. 
Wieder aber ftellt fih hier Donar neben fie, da gerade beim Ofterfeuer 
M. 582 und dem wenige Tage früher fallenden Judasfeuer (Banzer 212, 
Bolf 74) die ihm geheiligten Eihhörnden gejagt wurden. Das Johan« 
nisfeuer muß zunähft an Baldur oder Odhr gemahnen; das keltiſche 
Bealteine fiel aber mit dem rheinischen Pfultag (6. 324) zufammen ſchon 
auf den 2. Mai (vgl. jedoch Weisth. II, 98), und doch wißen wir mie 
Bol und Beal fih mit Baldur und Baͤldäg berühren. Umgekehrt finden 
ſich beim Johannisfeuer wieder Beziehungen auf Donar, da Erbſen bei 
demfelben gekocht wurden, die font Donnerstags⸗Koſt find, Kuhn 445. 
Auf ihn und feinen Bligftral deutet aud das Bolzene und Scheiben: 
ſchlagen, das beim Sunwendfeuer, Wolf B. 73, aber aud ſchon zu Dftern 
(Panzer 211, Meier 380, Birl. II, 60 ff.) am erften Sonntag in dem 
Faſten getrieben wird. Es heißt auch das Funkenſchlagen und ber 
Tag, an dem es üblich iſt, der Funkentag, im Rheingau Hallfeuer, in 
Srantreich föte des brandons, Gr. M. 594. Da bier die Liebe die Haupt⸗ 
rolle fpielt, indem es der Liebften zu Ehren gefhlagen und von biefer dur 
ein Badwerk, die |. g. Funkenringe, belohnt wird, fo könnte auch an 
Fid oder Frouwa gedacht werden; doch foll dieß Badwerk aud mohl die 
Form von Bregeln oder Heilen haben; Weinbeeren bürfen aber dabei nicht 
feblen. Es folgt gewöhnlich noch ein Tanz und dann ein Fadelgang 
durch die Flur, und fomeit das Licht fihtbar ift, ſoweit bleibt die Flur 
von Hagelfhlag und Woltenbrüden verſchont. Auf Frö findet fih kaum 
ein ganz fiherer Bezug in jenem Wagentad, das am Stephandtage 
brennen follte, die Dauer eines alten Opfermals zu beflimmen. 6t. Stes 
phan fahen wir fhon S. 560 im Norben ald Patron der Pferde an 
Freys Stelle getreten, Wolf B. 125. Der holfteiniihe Pferbetefien und 
die ſchwabiſche Sitte, am Stephandtage die Pferde audzureiten (Meier 466), 
zeigen, daß in Deutſchland Aehnliches galt. Anderwärts heißt der Tag 
‚der große Pferdstag‘ und ‚die Haferweihe.“ M. 1184 wird von Gt. 
Stephans Pferde gefagt, was in dem Merjeb. Sprud von Baldurs. Bol. 
S. 333. Stepke ift ein Name des Dräf, des Teufeld und des Hauss 
geifted, M. 955, Sommer 30, Kuhn 422. Das Rab mit neun Speichen 
auf dem in Childerichs Grabe gefundenen Stierhaupt würde vollen Bes 
weis bilden, wenn wir gewiſs wülten, daß Fro bei uns aud als Sonnen- 
gott an Wuotans Stelle trat. Deutlich if der Bezug des Martinsfeuers 
auf Goͤdan. 


578 Serenbrenuen. Burgbreunen. Iudasbreuncn. 8. 144. 


Die Feuer follten vor Hererei fügen; aber das Bünden folder 
Feuer felbft nennt man im Luremburgifhen und in der Cifel ‚die Here 
verbrennen.‘ Bormann Beitr. II, 159. Btihr. f. M. I, 89. Dort wird 
das ‚Faofend Feier‘, wie e8 zu Euren bei Trier heißt, auf Faſtnachtſonn⸗ 
tag gezündet, hier am erften Sonntag in den Faſten; doch berichtet Müller 
(Trier. Kronit 1817 p. 153) ein Gleiches für das Luremburgifhe. Hier 
wie dort heißt es auch ‚Burgbrennen‘ (Burgaub) und jener Sonntag 
‚Burg‘: oder ‚Schooffonntag.” „Schoof“ $. 91 deutet auf die Leichen: 
beftattung, und ‚Burg‘, welchem fih das ſchwediſche eldborg, M. 595, 
vergleicht, geht fogar auf den Leihenbrand. Cine Burg wird Sig. Am. 
II, 62. 63 ver Scheiterhaufen genannt, weldhen Bronhild für fih und 
Sigurd anorbnet. Daraus erllärt ih auch Lex Sal. 144. 256 (Merkel) 
chreoburgio für Leihenbrand; vielleiht felbft die Schelte herburgium 
LXIV, mo die erfte Sylbe wieder aus chreo (funus) entftellt fein fönnte. 
Ausprüdlic ift hier won Heren (striae für strigae) die Rede, und die 
Worte ‚ubi strias oueinant‘ fönmten vom Verbrennen der Sauberinnen 
teben, was als Vollsſitte uralt ift, wenn auch nicht als gefeglihe Etrafe. 
Gewöhnlich verfteht man bier strias nominativifh ‚wo bie Heren kochen.‘ 
Aber die striae felbft wurden beim Verbrennen geloht und ihr Fleiſch 
zum Aufeßen bingegeben, weil fie felbft für Menfchenfreßerinnen galten. 
Karl der Große verbot folde Oraufamleit gegen die vermeintlichen Zauberer 
als heibnifd bei Todesſtrafe, M. 1021. Daß bei den Feſtfeuern ſolche 
Verbrennungen wenigftens ſymboliſch fortbauerten, zeigt fih beim ‚Jubass 
feuer‘, wo man fang: ‚Brennen wir den Judas.“ Beim Todaus- 
tragen mard bie Puppe bald ins Waßer geworfen, bald verbramnt, 
M. 728. Was dabei von dem ‚alten Juden‘ gefungen wurde, könnte 
allerbings, wie Finn Magnufen wollte, ven alten iötunn (Riefen) gemeint 
haben. Bon dem Juden ſcheint man dann weiter auf den Judas gelangt 
zu fein. In Sreifing hieß dieß Feuer ‚das Dftermannbrennen‘, Panzer 
213. Ferner zeigt der iriſche Gebrauh beim Bealtaine, M. 579, daß 
Jemand verbrannt werben follte. Auch in Spanien ward nah M. 742 
die entzweigefägte ‚alte Frau‘ $. 145 verbrannt. Diefe werden wir bort 
als den Winter erkennen, und fo war wohl der iötunn, ber zum Judas 
wurde, der MWinterriefe. So erklärt ſchon M. 733 die flavifhe Marzana 
für die Winterriefin, und M. 742 ift anerkannt, daß dad Verbrennen ber 
alten Frau mit dem Erfäufen des Todes als Winterriefen gleiche Bedeutung 
babe. Aber auch der Pfingftbug, der Waßervogel und die Ihüringiihe 


8.144. Stäplingsfeuer. Hothfener. Serhffener. 573 


Sitte (Sommer 152. 180) ‚den alten Mann ins Loch zu karten‘, was 
zu Pfingften geichieht, haben ſchwerlich andern Einn. Mir gewinnen alfo 
wenigſtens für die Faftenfeuer denſelben mythiſchen Gehalt, den auch die 
Frühlingsfefte $. 145 bergen. Wenn aber die verbrannte alte Frau, 
welche in ver Eifel, an Mofel und Saur, die Here heißt, eine Riefin war, 
fo fehen wir das Verbrennen ver Heren aus dem Glauben an übelthätige 
zauberhafte Riefenweiber ftammen wie 6. 496 angenommen wurde. Schon 
Hyndlul. 45 droht Freyja die Rieſin Hyndla mit Feuer zu umweben. 
Eine Here wird verbrannt AM. 193. Daraus ergiebt fi ein weſentlicher 
Unterſchied zwifhen den Frühlingsfeuern, melde die Here, den Judas, 
den Dftermann, alfo eigentlich den Winter zu verbrennen gezündet werben und 
dem Johannisfeuer, das zur Heiligung des Heerbfeuerd, und gleih dem 
Notbfeuer zur Erzeugung eines frifhen von dem Gotte des Bliges felbft 
gefendeten kräftigen Feuers beftimmt war. Die Sitte ſchreibt fih aus 
einer Beit ber, wo ed noch ſchwer war, Feuer zu zünken, wo es durch 
Reibung zweier Hölzer mühſam bervorgelodt werden mufte, was jährlih 
von der ganzen Gemeinde unter Anrufung des Gottes auf altfeierlihe 
Weiſe geſchah, worauf dann Jeder ſich feine Scheite mit nad Haufe nahm 
und das fo gezündete neue Heerbfeuer das Jahr über forgfältig hütete, 
Daß diefer Unterfchied ein mohlbegründeter ift, zeigt, daß man bie Aſche 
des Dfterfeuerd nicht auf die Felder ftreute um fie fruchtbar zu machen, 
fondern in den Bach goß. Bon der Aſche der verbrannten Rieſen fürdtete 
man Nachtheile, und wenn bei der Herenverfammlung auf dem Blod&berge 
der große Bod, d. h. der Teufel, ſich zu Afche brannte, und dieſe Aſche 
von den Heren auf die Felder geftreut wurde, fo thaten fie es eben um 
zu haben. So jehen wir auch im Rudlieb die reuige Ehebrederin, die den 
Tov ihres bejahrten Gatten verſchuldet hat, bitten, ihr Leichnam möge 
vom Galgen genommen, verbrannt und die Aſche ind Waßer geftreut wer 
den, weil fie beforgt, durch Ausſchütten an die Luft möge bavon Dürre 
und Hagelihlag hervorgebracht werben: 
ne iubar abscondat sol, et aer neget imbrem, 
ne per me grando dicatur Iaedere mundo. 
Daß nicht Sonne den Schein, nicht Regen bie Wolfe verfage, 
Nicht Wer glaube, ich habe der Welt durd; Hagel geichadet. 

Eine dritte Claſſe dürfte man für bie Michels- und Martinsfeuer ans 
nehmen. Wie dieſe Herbftfefte aus alten Dantopfern für die reichliche 
Ernte hervorgiengen, fo wirb man auch die Feuer dabei zum Danle gezündet 


574 3. Clemens. 3. Malin. Jalſeſ. 8. 145. 


haben. Daß man bei den Rothfeuern ein Opferthier verbrannte, wird 
durch eine Meldung bei Shmig 99 wahrſcheinlich, wonad bei Seuchen ein 
gefallenes Xhier verbrannt und dann bie noch geſunde Heerde an diefe 
Sielle getrieben wurde. So kuͤmmerlich dieſer Reft der alten Sitte fei, fo 
mag er doch einen Rüdfhlug darauf verftatten. 


145. Sommer: und Winterfefte, 


Wie der Tag mit der Nacht, jo beginnt das Jahr mit dem Winter. 
Altveutiche Calender lagen dieſen mit St. Clemendtag (23. Nov.) anheben: 
das thut aud) bei nordiſche, det den Tag mit dem Unter bezeichnet, fei 
es weil Gt. Clemens mit dem Anker am Halfe ins Waßer geworfen 
ward, oder weil an feinem Tage die Eciffe im Hafen liegen muflen. 
Et. Clemens gilt für den Patron der Schiffer; von Ullers Schiff ift mehr: 
fach vie Rede geweien, und Runencalender, die den erften Wintermmat 
unter Uller® Schuß ftellen, fügen deffen Bogen zu dem Anter des Heiligen. 
In Deutſchland galt bier und da ſchon Martinstag (11. Nov.) für Win« 
teranfang; aud die gallicanifhe Kirhe begann mit dieſem Tage die Ad⸗ 
ventzeit (Binterim 1. c. 167), ‚St. Martin macht Feuer im Camin,‘ das 
Martinsmännden hüllte fih in Stroh und mit Martini beginnt ein neues 
Pachtjahr. Vgl. meine Martinsliever Bonn bei Marcus 1846. Am Dar: 
tinstage fahen wir oben die Faftenfpeifen wieder hervortreten, während bie 
chriſtlichen Adventfeſte erft mit dem erften December anheben. Die Martind« 
feuer follten vieleicht die Wiedergeburt des jept verbuntelten Sommenlichts 
verheißen. Wie hernad der Advent, fo fheint diefe Zeit ſchon den Heiden 
eine Vorbereitung auf das Julfeſt, wo die Sonne ſich verjüngte und num 
auch das natürlige Neujahr eintrat. 

Das Yulfeft hat eine doppelte Seite: einmal ift es die dunlelſte Zeit des 
Jahres, wo alles Leben zu ftarren, alle Säfte zu ftoden, die Groe felb 
der Haft der Winterriefen verfallen ſchien. Aber zugleich wird die Sonne 
wiebergeboren, bie den neuen Frühling bringen foll, und wenn jegt ſchon 
Holda und Berta ihre Umzüge halten u. ſ. w., fo können wir uns das 
nur aus der Ahnung, der zuverfichtlihen Hoffnung ihres rüdtehrenden 
Reiches deuten: die Phantafie nimmt fhon jegt vorweg, was erft künftige 
Monate bringen follen. Darum wird beim Mittwinteropfer ©. 524 
die Minne der Götter wie anderer Abweſenden getrunten, denn eigent: 
li hätten wir fie doch jept als in der Unterwelt weilend zu denfen. Was 


8. 146. Mütternaht. Zonnengötter. Sonnenrad. 675 


die Mythen in dieſe Zeit fegen, iſt eine ftärmifche Brautwerbung, eine 
Verlobung: Gerba verheißt ſich dem Frey nad) drei Näditen, worunter drei 
Monate zu verftehen find: ihre Vermählung foll im grünen Haine Barri 
begangen werben; auf Walpurgistag haben wir ©. 247 für Deutſchland 
die Hochzeit des Sonnengottes mit ber Erbgöttin angefegt. Hieraus mag 
fh auch erläutern, daß wir am Julfelſt bei Bragid Becher Gelübde 
abgelegt jehen, die ſich auf fünftige Vermählungen beziehen: Helgalwidha 
1, 32 gefteht Hebin feinem Bruder Helgi: 


Ich hab erkoren die Königstochter 
Bei Bragis Becher, deine Braut. 


Die’ vielfach fruchtbare Anfhauung Kuhns, daß die Weihnachtsge- 
brauche als Borfpiel zum Sommerempfang anzufehen feien (Beitfhr. V, 
490), fteht ſowohl hiermit als mit feiner fhon $. 73 angenommenen 
Anfiht über die andern Zwölften im Einklang; aud hat es fih uns 
oben bei der Erwägung ber ftehenden Figuren wie der gemeinfamen 
Gebräude, wozu auch die Feftfeuer gehören, beftätigt, und bei der Ber 
trachtung der Frühlingd: und Sommergebraͤuche werben wir von Neuem 
gemwahren, daß fie nicht nur unter fi übereinftimmen und bie gleiche 
Bedeutung haben, fonbern im Wefentlihen, wenn auch ſchwäͤcher, ſchon zu 
Weihnachten hervortreten. 

Weihnachten hießen nad) Beda die Angelfahfen Modraneht, id est 
matrum noctem, wozu Grimm GDS. bemerkt, ihm fielen dabei Heimbals 
neun Mütter ein, alſo dad Zeft feiner wunderbaren Geburt. Mütter 
nächte konnen aud die ganzen Zwölften beißen, weil fie gleihfam bie 
Mütter der groölf Monate des Jahres find, deren Witterung fie vorbilden 
follen. An der Weihnacht hatten aber noch andere Götter Theil, zunaͤchſt, 
weil es das Feſt der miebergeborenen Sonne war, die Gonnengötter, 
alſo Frey, dann Baldur als Bäldäg; da aber Baldur bei Hel ift, fein 
Rächer Wali, das erneuerte Licht. Jedoch lönnen auch Baldur und ber gleich 
falls jegt bei Hel weilende aber doch in ven Stürmen der Mitternächte 
einherbraufende Odin nicht fern gehalten werden. Ya alle Götter ragen 
in biefe Zeit hinein, man empfindet ihre Nähe; wird doch fogar gewarnt, 
den Namen des unheimlihen Wolfes in den Zwölften nicht auszufpres 
hen, weil er fonft herbeifomme. " 

Der Name des Julfeſtes bedeutet dad Rab (agſ. hveol), aljo das 
Somentad, wie wir die Sonne felbft ausdrüdlich das fhöne Rad (fag- 


576 Iwölften. Scan Motte. Kostage. $. 145. 


ra hvel) genannt finden. In den zwölf Nächten (twelfnights) von Weihr 
nachten bis Berchtentag fchien die Sonne auf ihrem tiefften Stande aus» 
zuruben bis fie ihren Lauf wieder aufwärts? wandte. Darum durfte 
in der hochheiligen Zeit der Zwölften nihts rund gehen (was nas 
mentlih auf das Spinnen und Fahren bezogen wirb), fonft würden bie 
jungen Buctlälber den Swymel belommen. Kuhn WE. 112. M. 248. 
Man darf aud nicht dreſchen, nicht baden, nicht miften noch waſchen, ſonſt 
befommt das Vieh Läufe. ‚Wer den Zaun beffeivet (beim Trodnen der 
Waͤſche) muß den Kirchhof belleiven.‘ In den Zwölſten darf kein Flachs 
auf dem Roden bleiben, fonft lommen die Heiden (Zwerge) und fpinnen ihn 
ab. Wenn in den Zmölften nicht abgefponnen ift, fo fommt Fru Waud, 
Fru Gode, Fru Frid, Fru Fuik, Fru green, Fru Here, Fru Wolle, Fru 
Holle u. ſ. w. und verunreinigt den Roden. Kuhn NE. 412 fi. Wenn 
man in den Smölften fpinnt, jo kommen die Motten in das geſpon— 
nene Garn, Daraus erklärt fi, wenn fie nicht mit Muot zufammen: 
hängt, jene rau Motte bei Sommer, Nr. 8; daher wobl aud) das in 
Lichtenberg bei Berlin jährlih begangene Mottenfeft. Die Motten find 
wie andere Schmetterlinge Elben im Gefolge ber Göttin. Eggen und 
BPflüge darf man nicht im freien ftehen lagen, damit ſich nicht Hadelberg 
mit feinen Hunden darunter werberge. 

Im Siegenſchen heißen die Zwölften die billigen Tage wie fhon 
Karl der Or. den December mit Bezug auf die Weihnachtszeit Heilag- 
manöth genannt hatte. Wir fahen fon, daß in den Zwölften der Ra: 
Iender für das ganze Jahr gemacht wird: wie fih in diefen zwölf Tagen 
das Wetter verhält, fo wird es in den folgenden zwölf Monaten jein. 
Darum heißen fie Lostage. Wenn der Wind in den billigen Tagen fo 
recht in den Bäumen geht, fo giebt es ein frudhtbares Jahr. Kuhn a. a. O. 
Geht zu Weihnachten ein ftarter Wind, fo fagt man in Schwaben, die 
Bäume rammeln. Birl.I, 466. Werden vie Eiszapfen recht lang, fo mädft 
aud ver Flachs lang u. f. w. 

Mitten in der Weihnacht, wenn das neue Jahr geboren wird, und 
die Winterfonnenwende fi) begiebt, aber au in der Johannisnacht bei 
der Sommerfonnenwende, fteht die Zeit auf eine Weile ftill wie die im 
Bogen geworfene Ralete inne zu halten ſcheint ehe fie, die bisher noch ftieg, 
ſich nun allmaͤhlich zu finten anfhidt. Es ift gleichſam ein Riß, eine 
Spalte in ver Zeit, durch welche die Ewigleit mit ihren Entzüdungen und 
Wundern bineinfhaut. Darum wird jet das Waßer zu Wein, darum 


3. 146. Spalt. Ranchnãchte. Gebnädte. Aidelnäcte. 877 


tönnen die Thiere reden und meißagen, darum wachen bie Tobten auf, 
ſteigen verfunfene Städte und Reiche empor, blühen und reifen die Bäume, 
darum regen fih die Steine und öffnen ſich die Pforten der Unterwelt: 
wer hinein tritt, kommt vielleicht nach dreißig Jahren wieder hinaus und 
meint eine kurze Stunde verlebt zu haben. Zum Theil ift da8 was von 
der Mitternadtftunde der längften Naht gilt auf die ganzen Zwölften ers 
weitert. Anderes findet fih aud von ben Solftitien, Xequinoctien und 
Quatembernädten erzählt, wie aud andere heil. Nächte wie die Walpur- 
gisnacht, die Andreasnacht (mo die Mädchen erforfhen, welhe Männer 
ihnen beftimmt feien) nicht Teer ausgegangen find. Näher ausgeführt hat 
dieß Menzel Germania II, 227 fi. 

Man findet indes auch Warnungen, in der verhängnifspollen Stunde 
den Vorhang nicht zu fühn zu lüften oder von der Koft der Geligen zu 
genießen. Bu Ditobeuren in der Frohngaße vernahm man zu Weihnachten eine 
wunderbar Tieblihe Muſil. Jedermann fühlte ſich gedrungen die Fenfter 
zu Öffnen. Davor warnten aber die alten Leute, weil alle, welche den Kopf 
binausftedten, unglüdlih würben. Den vollen Genuß hatten aber unge 
ſtraft Diejenigen, die fi mit dem Anhören in der verſchloßenen Stube 
begnügten. P. II, 66. In der Chriftnacht wird zwar das Waßer in ben 
Brunnen zu Wein; aber Niemand mag zu den Brunnen gelangen, weil 
die Diebe in diefer Stunde fo gefährlich find. Um zwölf Uhr müßen alle 
Diebe ftehlen; zwifhen eilf und zwoͤlf hat der Teufel freien Lauf: da 
bietet er alle Gewalt auf um Seelen zu gewinnen. Birl. a. a. O. 

Mit dem 21. Dec. beginnen nach Leopr. 205 die, Raudhnädte‘, deren 
vier find: Gt. Thomas, Weihnahten, Neujahr und Dreitönigsabend, vor— 
nämlich aber die erfte und Teßte diefer Nähte. Häufer und Ställe wer: 
den nah dem Abenbläuten auögeräudert und gefegnet; in den folgenden 
Tagen aud die Weinberge und Felder beipreng. Mit Weihnachten 
folgen vie ‚Gennähte” (Gömachten, Gebnaͤchte), welche mit Dreilönigs- 
abend ſchließen: da geht das „Gejaid' am ärgften, da follen aud bie 
Thiere wieder reden und bie Brunnen zu Wein werben. Gebnädte heißen 
fie, weil man ven ‚Anflopfenden’ giebt und dad Chen für die Perchtl 
auf dem Tiſche ſtehen läßt; fonft wurden aud Nudeln aufs Hausdach ges 
legt. ‚Ridelnächte heißen dagegen die 7 Nächte vor Weihnachten, bes 
fonder8 aber die Thomasnadt. Nidelnacht fällt mit Klopfnacht u. ſ. m. 
zufammen. Nidel ift geftandene Milhrahm. Birk. Wörterb. 71. 


Der leitende Gedanke dieſes und noch der nädften Feſte if das 
Cimrod, Mythologie. 37 


578 Weldenföten. Srühlingsfehe. Malfplel. Siebenfprüuge. 8. 145. 


- mengeborene Licht und der wieberlehrende Frühling. Schon zu Dreilönigen 
glaubt man die Tage um einen Hahnenſchrei gewachſen. Zur Feier des 
ſo zuerft erſcheinenden neuen Lichts wird ein Kuchen angefept und durch 
die eingebadene Mandel eine Königin erwählt: dieſe Königin ift die als 
Jahresgöttin gedachte Berchta (von brehen leuchten ſcheinen), vie num 
die Aemter für die Zeit ihrer Herſchaft vertheilt. Yabian Sebaftian (20. 
Jan.) tritt fon der Gaft in die Bäume und die Anaben machen ſich 
Weivenflöten, wobei gewiſſe ven $. 138 beſprochenen Bauberfprüdhen ver⸗ 
wandte Lieder gefungen werben, damit der Baft fi löfe. Zu Lichtmefien 
fol man bei Tage een und das Spinnen vergehen. Der Bezug auf das 
wachſende Licht if ſchon im Namen ausgeſprochen. Dod darf der Bär 
feinen Schatten nicht ſehen, fonft muß er nod auf 6 Wochen (St. Gertrudstag 
17. März) zurüd in feinen Bau. Bon Valentinstag (14. Febr.) ift & 
313 vie Rebe geweſen. Am Peterstag (22. Febr.) werben Aröten, Schlan⸗ 
gen und Mole aus dem Haufe getrieben und die Sommernögel (Schmets 
terlinge) gewedt; das Klopfen mit dem Kreuzhammer ©. 562 beutet auf 
Donar, Kuhn WS. I, 122. Nun kommt St. Mattheis und bridt das 
Eis oder macht auch Eis, immer wird in ber Faſsnacht das erſte eigent ⸗ 
liche Frũhlingsfeſt begangen, deſſen Urſprung im $.110 beſprochen iſt, auf 
den ih mich auch wegen des Gertrudstag beziehen fann. Das zweite fiel 
dann auf Oftern, vgl. $. 110. Nah Kuhn WE. fand zu Dften ein 
Ballfpiel ftatt, das an die Worte Walthers 2. 30 erinnert: 

Spielten bie Mädchen erft Straßen entlang 
Ball, o jo kehrte der Wögel Gefang. 


Beim Ofterfeft wird der Ball geſchlagen, den Beſchluß machte aber ein 
Tanz (Kuhn NS. 272 WE. II, 148) und es fragt fih ob hievon das 
Wort Ball für Tanz auögegangen ſei. Das Ballmerfen war im MA 
wie bei den Griechen ein mit Gefang und Tanz verbundenes Spiel; dar 
ber in den roman. Gpraden ballare tanzen. Wadernagel alt. 2. u. Leiche 
p- 236. Diez Etym. Wörterb. I, 48. Stand dieß Balljpiel in Bezug 
auf die drei Freubenfprünge, welhe die Sonne zu Dftern that? Kuhn 
BE.142. Die Siebenfprünge, welhe man am erften Oftertage tanzte, 
Kuhn WE. 150 fi., ftehe ich nicht an, hieher zu ziehen. Das Lied das 
man bazu fang, lautete bei und: 

Könnt ihr nicht die Siebenfprüng, 

Könnt ihr fie nicht tanzen? 


$. 145. Ofechafe. Ofereier. Bommerverkändigung. 579 


Da ift mander Edelmann, 
Der die fieben Sprüng nicht kann: 
Ich kann fe, ich Tann fe. 


Wegen des Oſterhaſen, der die Oftereier legen foll, fragt Kuhn WE. 243, 
ob dabei wohl an den Hafen auf den Bildern der Nehalennia zu denken 
fei? Ich bin fehr geneigt, die Frage zu bejahen zumal die Eier fhon um 
Gertrudidtag roth gefärbt werden, und die öfterlihe Beit z. B. diefes 
Jahr (1864) fon früher anhob. Nehalennia ift mie Gertrud eine Göt- 
fin der Fruchtbarkeit: das eben deuten die rothgefärbten Gier an (roth iR 
die Farbe der Freude); aber noch einmal wird die Fruchtbarkeit hervor⸗ 
‚gehoben, indem ver Hafe, das fruchtbarſte Thier, fie gelegt haben fol. 
Wir fahen, daß die Mythen urfprüngli feinen andern Inhalt hatten 
als das Naturleben im Kreißlauf des Jahrs, in Sommer und Winter: 
bei den Jahresfeſten tritt und dieſes Grundthema noch ftärker entgegen. 
Dod muß man ſich erinnern wieviel härter der nordiſche Winter mar, 
wieviel ſchwerer fein Drud im Mittelalter auch in Deutſchland auf dem 
Volle laftete, wie aller Verkehr gehemmt, alles Leben gleihfam einge 
ſchneit und eingefroren ſchien, um die Freude des Volls zu begreifen, wenn 
ihm Aunde von baldiger Erlöfung aufblühende Blumen oder anlangende 
Vögel als Boten des Frühlings braten. Uns haben die Bortheile ver 
Cultur jener töbtlihen Winterbef werden überhoben, dafür aber auch des 
lebendigen Naturgefühls beraubt, das jene Vollsfeſte fhuf, jene Mythen 
dichtete. Wir tanzen nicht mehr um dad erfte Veilchen, mir holen 
den erften Mailäfer nicht mehr feftlih ein, uns verdient feinen Boten» 
Iohn mehr wer den erften Storch, die erfte Schwalbe anfagt; nur 
in den Rindern, die wir ängftliher an bie Stube binden, lebt noch ein 
Reſt folder Gefühle, und fon in den legten Jahrhunderten war das 
„Lenzweden“ Quigm. 281 und die Sommerverlündigung armen 
ARnaben anheim gefallen, die einen Kranz, einen Bogel, einen Fuchs ums 
bertrugen und dafür von Haus zu Haus die Gaben fammelten, die wir 
früher freudig der rüdtehrenden Göttin als Opferfteuern entgegentrugen. 
Nur bier und ba nehmen noch Erwachſene an folden Aufzügen Theil, 
und wie ärmlic, ja beitelhaft auch dieſe ausfehen, fo wird doch dann fos 
glei die Handlung ſinnvoller. So gefaltet fih das ‚Winteraußs 
treiben’ zu einem Meinen Drama, das den Rampf zwifhen Sommer 
und Winter, wie er im Naturleben fi begiebt, vor die Ginne führt. 
Der Winter ift in Stroh ober Moos, der Sommer in grünes Laub ger 


so Gorenstragen. Mehgerfrrung. 8. 186. 


Heidet: beide ringen mit einander und der Winter wirb befiegt, ausge⸗ 
trieben oder ind Waßer geworfen, aud mohl verbrannt. Das ift die 
rheiniſche Sitte; in Franken tritt fhon der Tod an die Gtelle des 
Winters und jemehr wir uns einft flaviihen Gegenden näherten, fehen 
wir die Außtreibung des Todes ftärker hervortreten: de Sommers wird 
endlich ganz geichwiegen. 

Der Winter ift der Tod der Natur; aud in den Mythen merden 
Winter und Tod nit auseinander gehalten, S. 301: warum follten fie 
fi in den Vollsſpielen nicht vertreten dürfen? Auch in ganz beutfchen 
Gegenden begegnen Spuren dieſes Taufches. Bei dem Mündiner ‚Mep- 
gerfprung und Schäfflertang‘ (Panzer 226 fi.) ift gar die Peſt an bie 
Stelle des Todes getreten, und daß dieß nicht alleine fteht, zeigt die 
ſchwaͤbiſche Sitte (Meier 377), wo das ‚Brunnenfpringen’ wie bei jenen 
Mündener Volksſpielen auftaudt. Dort hatte die Seuche ein Lindwurm 
gebracht, der fi unter der Erde aufhielt, in der Hölle, bei ‚Grebel in der 
Butten'; die Schäfiler (Mepger) hatten ihn durch Spiel und Geſang vers 
trieben: alten Opfern und Frühlingatänzen war der mörberifhe Winter 
gewichen. Nach einer andern Meldung war ber giftipeiende Lindwurm 
dur einen Spiegel heraußgelodt worden, den man über dem Brunnen 
angebracht hatte. Das mag Entftellung der Sage vom Baſilisk fein: die 
Vergiftung der Brunnen und der Luft durch umfliegende Draden iR ur— 
alter Glaube; als Gegenmittel zündete man Feuer (P. 361), und auch 
diefe galten für Opfer. Nach dem Gedichte ‚Salomon Lob‘ bei Diemer 
trant ein Drache alle Brunnen zu Jerufalem aus bis man fie mit Wein 
füllte: davon warb er beraufht und konnte nun gebunden werben. Die 
Vergleihung der verwandten Sagen, die wir hier nicht verfolgen Tönnen, 
ergiebt, daß der Drade Nibhögge iſt, der an dem Meltbaume nagt, ber 
Brunnen aber Hwergelmir; Gredel ift Gridh, die wir als Hel kennen, 
und ihre Butte der Abgrund der Hölle, den wir ©. 286 aud ſchon als 
Faß, Saturni dolium, gedacht ſahen. Sie fält mit der Pet zufammen 
fo wie mit der alten Frau, die nad M. 739 zu Frankfurt in den Main 
geworfen warb; nach dem dabei gefungenen Liebe - ‚Reuter Uder ſchlug 
fein Muder’ u. ſ. m. erſcheint fie als die Mutter des Sommers, der ihr 
nun Arm und Beine entzwei fhlägt. Sie ift alfo gleichfalls der Winter 
und entfpriht dem Tod, ber bei Slaven und Romanen in Geftalt eines 
alten Weibes entzwei gejägt ward, M. 742. Auch anderwärts (Schmel: 
ler 1,320) begegnet dieſe Gredel; daß fie in Münden für das erſte Bauern: 


6. 145. Waßervogel. Aarſillus. Meicitt. 581 


weib auögegeben wird, das fi nach der Peſtzeit wieder in die Stadt 
tagte, ift deutliche Entftellung. Ein Meifter -ves Gewerls führt dort noch 
heute den Namen „Himmelsſchaͤffler. Himmel und Hölle ftehen fi hier 
entgegen, wie in den Mythen der Himmels: und Sonnengott in bie Uns 
terwelt herabfteigt, um nach dem Kampf mit dem Draden die ſchoͤne Jahres: 
zeit heraufzuholen. 

Schwerer ift die Bedeutung des Waßer vogels anzugeben, ver in 
Augsburg zur Pfingftzeit mit Schilfrohr umflochten durch bie Stadt geführt 
wird, M. 562. 745. Daß er ind Waßer geworfen warb, fcheint der 
Name wie die Belleivung zu fagen, und Schmeller 1. c. bezeugt es aus⸗ 
drüdlih. Der Zufammenhang mit der Waßertauhe ©. 537 lönnte auch 
bier ein Opfer vermutben laßen; aber obwohl aud bei und die Puppe, 
melde den Winter oder den Tod vorftellt, ind Waßer geworfen wird, M. 
728. 739, wie in Schwaben nah dem unten anzuführenden Gebrauch der 
‚Mohrentönig‘, der den Winter bedeutete, fo ſcheint doch diefe Annahme 
graufam. Die Wettipiele, welche fih an die Pfingftfeier Inüpften, brach ⸗ 
ten es mit fi, daß fi der Burfche die Tauche gefallen lagen mufte, 
der die Pfingftfonne als Pfingftlümmel verfhlafen hatte. Nach Panzer 
236 ward zwar dem ‚Pfingftl‘, wie nad Meier 408 dem ‚Pfingftbug‘ 
fogar der Kopf (zum Schein) abgeſchlagen; jener iſt aber als Waßervogel, 
diefer als Pfingſtlummel gelennzeichnet, und daß beide zufammenfallen, 
geigt wieder Schmeller 1. c. Auch ſcheint eine frühe Auffaßung als Opfer 
aus dem P. 237 beſchriebenen Gemälde, wo fogar ver Flußgott vorgeführt 
wird, bervorzugehen. An eine wirkliche Opferung bed Verfpäteten, dem 
die Rolle des Winter oder Todes zugefallen war, möchte man bei biefen 
heitern Fruhlingsfeſten aud in den älteften Zeiten nicht denken. 

Den Kampf zwifhen Sommer und Winter führte auch der ſchwediſch⸗ 
gothiſche ‚Mairitt‘ vor, wie ihn Dlaus Magnus (M. 735) ſchildert. 
‚Hier ward er nod von Obrigleitgwegen mit großem Geptänge begangen. 
Der Name des Blumengrafen, welden der den Sommer vorftellende ‚Ritt« 
meifter’ führt, entſpricht dem des Maigrafen bei dem deutſchen Mairitt, 
wo aber die Spuren eines Kampfs der Jahreszeiten zurüdtreten. Dem " 
Blumengrafen gegenüber war der Winter und fein Gefolge in marme 
Pelze gehüllt und warf mit Aſche und Funten um ſich; das ſommerliche Ge: 
finde wehrte fi mit Birtenmaien und grün ausgeſchlagenen Lindenzweigen. 
Aber in der kolniſchen ‚Holzfahrt‘, die fpäter an Marfilius gefnüpft ward, 
mufte der von den Bürgern gewählte ‚Rittmeifter‘ von Kopf bis zu Fuß 


582 Aränzgen. Maigrevenfahrt. Sürke. 8. 145. 


getwappnet fein, und nad dem nicht näher beſchtiebenen Zug in ven Wald 
wurde ihm ein Kranzchen aufgefegt, wofür er ein Gaſtmal zu geben hatte, 
das wieder Kraͤnzchen“ hieß. Dünger, Alterth. d. Rheinl. IX, 50. Auch 
bei der Hildesheimer ‚Maigrevenfahrt‘ erhält die Maigreve einen Kranz 
und bemirthet bie Holzerben. Auf einen Kampf beutet aber hier nichts 
mehr, wohl aber bei dem ſchwaͤbiſchen Pfingftritt die Worte, die dem 
Maienführer in den Mund gelegt werben: 

Den Moien führ id; in meiner Hand, 

Den Degen an ber Seiten: 

Mit dem Türfen muß ic) flreiten. 
Der Türke, ©. 581 auch Mohrentönig genannt, ift der Winter: er fol 
im Waßer ertränkt werben wie fonft der Waßervogel. So heißt es in 
dem Märden von dem Menſchenfreßer, der wieder der Winter it: „I fhmöd 
a Chriſt.“ Zwiſchen Türken und Heiden unterfhied man nicht. 

Wenn die fpätere Darftellung des Kampfs der Jahreszeiten bei dem 
ſchwediſch· gothiſchen Mairitt fi) aus dem im Norden nidt .fo früh wie 
bei uns einlehrenden Frühling zu erklären ſchien, fo zeigt nun die Ders 
gleihung des kölnifhen und ſchwäbiſchen Gebrauchs, daß die Frühlings ⸗ 
felte von Faſsnacht bis Pfingften von derſelben Vorſtellung ausgehen, ja 
Kuhn hat Zeitfhr. 1. c. jenen Kampf ſchon um Weihnachten nachgewieſen. 
Wenn der Mailönig, Mair oder Blumengraf nach der Einholung aus dem 
Walde heimtehrte, war er und fein ganzes Gefolge in Grün gekleidet oder 
dod mit grünen Reifern und Maien fo überbedt, daß es ſchien als käme 
ein ganzer Wald gegangen. Hier nahm wahrſcheinlich die aus Shale ⸗ 
ſperes Macbeth belannte Sage von dem mandelnden Walde den Urſprung. 
Gr. ©. 6. I, 148. I, 91. Lynder Nr. 252, Sago VIL p. 132.3 u. M. 
Quellen d. Shat. III, 276. 

Auch da, wo neben dem Maigrafen eine Maigräfin auftritt, Tiegt 
tein anderer Mythus zu Grunde, nur ein anderer Moment desſelben ift 
aufgefaßt: die Vermählung des Götterpaard ftatt deö vorausgehenden 
Kampfs, fei bei diefem nun an Frey Erlegung Belis oder an Wodans 
und Sigmunds Dradenlampf zu denken. An den Drachen erinnerte uns 
ſchon der Schaͤfflertanz S. 580; Darftellungen eigentliher Dradentämpfe 
hat Kuhn 6. 484 bei englifhen Weihnachts und Maigebräuden aufge 
dedt und bie deutſchen Schwerttänge und Opferſpiele hatten wohl gleiche 
Bedeutung. Ueberall ift es der Frühlingägott, der nach Befiegung der 
Winterftürme fi der verlobten Erde vermählt. 


$. 146. Malkönig. Mallchn. Füfge Mal. 588 


Eine große Menge Figuren ift bei dem fhwäbifhen ‚Pfingftritt‘ 
betheifigt, der ih darin dem Niederd. bei Kuhn NE. 382 vergleicht. Es 
erſcheinen darunter au Arzt, Koch und Kellermeifter. Das erinnert an 
die Auslooßung der Wemter beim Bohnenfet am Berchtentage S. 414. 
Bemerlenswerth ſcheint, daß bei Meier 407 aud dverMepger auftritt, deffen 
Bebeutung und von dem Münchener Feſte her noch erinnerlih if. Wie 

. aber hier der Kampf hervorgehoben wird, fo fehlt Alles, was auf Ders 
mählung deutet. In Dänemark ehrt fih dad um: ber Maigraf wählt 
fih die ‚Maijinde‘; vom Kampf erfheint keine Spur, während fid in 
England beides vereinigt, am Rhein nur die Zeiten auseinander liegen, 
denn der Kampf zwifchen Sommer und Winter wird ſchon zu Lichtmeſs 
vorgeftellt, erft der ‚Maitag‘ bringt den , Malbaum' und den ‚Maitönig‘, 
und nidt diefer allein mählt fih feine Mailönigin: nad der Gitte des 
‚Mailehns’ wurden die Dorfmädchen an den Meiftbietenden verftelgert, 
und jedem Burſchen die feine zugeſchlagen. Die weite Berbreitung der 
Sitte des Lehnausrufend bezeugen Lieder, die am Rhein wie in den Nie 
derlanden gefungen wurden, und daß fie aud in Sranffurt a. M. bekannt 
war, habe ich Rheinl. 166 nachgewieſen; ja dort verlieh früher ver Kaifer 
die Bürgerdtößter: 

Heute zu Lehen, morgen zur Chen, 
Ueber ein Jahr zu einem Paar. 


Nah R. U. 436—38 erllärt fi der Name des Lehens daraus, daß 
der Raifer, und demnach wohl der Maifönig, das Recht in Anſpruch nahm, 
die Töchter der Unterthanen mit feinem Hofgefinde zu verehelihen. In 
Heſſen ift diejes Lehnaustufen am Walpurgisabend Gebrauch, Lynder 235; 
am Drömling aber nennen fon am meißen Sonntag, vierzehn Tage vor 
Oftern, die Heinen Hirtenjungen den größern ihre Braut; leiner aber darf 
das Geheimnis verrathen bis Pfingſten. Dann wird ‚ver füge Mai‘ 
zugerichlet, und von den Burſchen vor die Käufer begleitet, während die 
Mädchen die bebänderte Maibraut umherführen, M. 747. Kuhn WE. U, 
161. Schmit I, 32. 48. 

Ber als Mailönig prangen fol, entſcheidet ſich an einigen Orten 
durd ein Wettrennen zu Pferde nad) einem außgeftedten Kranz; wer 
dabei vom Pferde fiel, mufte die Theerlappen tragen, womit die Peitſchen 
geihmiert wurden, Kuhn NS. 379; anderwärts finden fi andre Spiele, 
die wohl gleichen Biwed hatten: die Entſcheidung über die Rönigätwärbe, 


584 Molidanfen. Yfinspfgieken. Pfingkfuds. 8. 145. 


War e8 ein Wettlauf, fo heißt der legte Moliz und das Ganze Molizlaufen. 
Das zeigt den Zufammenhang der Pfingftfhiehen mit dem Maifet: 
ver befte Schü wird aud bier König und wahrſcheinlich fiel einft ver 
Schügenfönig mit dem Maitönig zufammen. Darum finden fi, wo die 
Schügenfefte ſich ausgebildet haben, andere Pfingft- oder Maigebräude 
gewöhnlich nicht, Kuhn Ziſcht. L c. 3825 doch fteht in Ahrweiler das 
Schügenfeft am Frohnleihnamstag neben der Maifeier. Der bei dem Mair 
ritt im Hildesheimiſchen u. |. w. auftretende Schimmelreiter wird wie der 
Maifönig felbft um fo überzeugender auf Odin gebeutet ald Kuhn wahr 
ſcheinlich gemacht hat, daß dieſer ſelbſt einft durch Pfeil und Bogen bes 
rühmt war, was zu unferer Annahme 6.337 ftimmt, daß er mit Uller zus 
fammenfiel. Vgl. 5.202. Bei dem Wettrennen zu Salzwedel wird der Sieger 
mit Maien, der Legte, Langſamſte mit Blumen gefhmüdt, hei wört smuk 
mäkt, und heißt nun der ſchmude Junge: derſelbe Spott, der mit dem 
Pfingſtlüummel, dem Pfingftbug u. ſ. w. getrieben wird. Als die Der 
deutung biefer vielgeftaltigen Wettſpiele ergiebt ſich aljo die Entſcheidung 
darüber, wem bei dem Frühlingäfefte die Ehrenrolle des fiegenden Sommers 
zu Theil werde oder mer fih allen Hohn und Schimpf gefallen laßen 
müße, welder dem befiegten Winter angethan wird, wie wir bei dem 
Waervogel, dem Mohrentönig u. f. w. geiehen haben. Zur Rolle des 
Pfngftlimmels verurteilt aber gewoͤhnlich ſchon Spätaufftehen am Pfingft- 
montag, wie aud nicht überall Wettfpiele, fondern bier und da das Look 
über die Austheilung ver Aemter entjcheidet. Neben den Wettfpielen der 
Burſchen erfheint zu Halberftabt aud ein MWettrennen der Mädchen (Kuhn 
386), was auf den Ausdrud Brautlauf (nuptiae) $. 147 Licht werfen könnte. 

Benn beim Wettlauf von dem Letzten, Säumigften gelungen wird, 
er habe fi ‚ein neu Haus gebaut und fi) dabei ins Knie gebaut‘ 
(Ruhn 380), wie er aud ber ‚lahme Bimmermann’ oder ‚Lämbö’ heißt, 
ME. 324, Sommer 181, fo werden wir an den Mythus von Swabilfari 
erinnert, 

Pingſtfoſs (Pfingſtfuchs) heißt das Mädchen oder der Burfche, die beim 
Austreiben des Viehs zulegt ankommen; audy wohl das Mädchen Pingft- 
brut, Kuhn WS. 160. Ein anbermal findet man den zuerft Yufge: 
ſtandenen Thauftreicher oder Thauſtrauch (däwesträch) genannt, den 
legten Pfingftmode. Als Thauftreiher werben fonft wohl die Heren ber 
zeichnet, weil fie den heilkäftigen Thau von fremden Wieſen auf ihre 
eigenen tragen follen, Mpth. 1026 Kuhn WS. TI, 165. Einigemal nimmt 


8. 145. Lattihkönig. Laubeinkleibung. Gadebafte. 585 


das Maifpiel die Geftalt des Cinfangens einer Räuberbande an: die Räuber 
find in Moos gelleidete wilde Männer, wie fonft auch ber Winter in Moos 
gefleivet wird. Hier hat er ſich nur vervielfältigt: als Räuber darf er 
gedacht werben, weil er die Schäge der Grove und die fchöne Fruhlings⸗ 
göttin entführt. Auch in den Näubermärden wie Kuhn NE. 186. 279 
BE. I, 22 find die Räuber Winterriefen und entführen Jungfrauen, die 
hernach bald dem Ofen, bald der Rolandsfäule, bald dem blauen Stein 
beihten, ©. 507; da3 NRäuberfpiel geht aber aud mit manden andern 
Gebraͤuchen ins Johannisſeſt über und fommt hier au unter dem Ramen 
‚wie Seejungfer ſuchen' als Schifferftechen vor, Sommer 158, Kuhn 386. 
392. Statt des wilden Mannes führen andere Spiele den grünen 
Mann oder Lattihtönig auf, wobei Bmeifel entfteht, ob er den Som ⸗ 
mer oder Winter bedeute. Urfprünglih gieng die Laubeinkleidung 
auf den Frũhlingsgott; da aber der Winter außer in Stroh, aud in Moos 
und Rinde gefleivet wurde, fo erfhien nım aud Er grün, moraus fih 
mande Berwirrung ergab. So ift nicht leicht zu jagen, welchen von beis 
ven der bald in Stroh, bald in Laub gefleidete Burfche, den man als 
Bären tanzen ließ, M. 736.745, meinte, wahrſcheinlich doch Donat. In 
Dänemarl, wo er Gadebaffe hieh, wie das ihm zugetheilte Mädchen Bades 
lam, fällt er veutlih mit dem Maigrafen zufammen. Das Mailamm . 
erſcheint Birlinger 182 als Abgabe. Der Frühling wird in Blumen einges 
Meidet: er eriheint ganz grün; vielleicht erflärt und das, warum ber 
Teufel, wie wir früher vorwegnahmen, gern als grüner Jäger auftritt, zumal 
er noch andere Züge von Odin erborgt hat. 

Die Johannisgebräude bieten, wenn man abrednet, was fi 
aus den Mai: und Pfingftfpielen dahin verloren hat, wenig Eigenthümliches 
mehr: fie Inüpfen fih meift an das ſchon beſprochene Johannisfeuer. 
Nur dad Engelmannstöpfen in Rottenburg (Birl. 99) erinnert an 
Baldurs Tod. Doch ift diefe hochheilige Zeit, wo verfuntene Schäge ſich 
heben und fonnen, M. 922, alle böfen Geifter ſchwaͤrmen Birl. I, 228, 
Erlöfung ſuchende Geifter, namentlich Schlüßeljungfrauen, umgehen, der Gipfel 
des Jahrs: der Sommer hat jegt feine ganze Pracht entfaltet, alle Pflan⸗ 
zen duſten und entwideln heiljame Kräfte, der Gonnewendgürtel (Beifuß), 
das Johannisblut S. 243 und viele andere Kräuter von hohen Gaben 
unb Gnaden werden zwiſchen Johannis und Marien-Himmelfahrt (Kraut: 
weihe) gebogen. Aud das Waßer war um Johannis heilfamer ſowohl 
zum Trinken ald zum Baden. Die von Betrarca ‚belaufhte Abwaſchung 


586 Iohannisbad. Thaubaden. Chautrinken. 8.145. 


der Lölnifhen Frauen, wobei fie ſich mit wohlriehenden Kräuterranken 
gürteten und gewiſſe Sprüche herfagten, M. 555, kann um fo eber für 
einen Weberreft des heidniſchen Mitfommerfeftes gelten als das Chriften: 
thum fie fpäter abgeftelt bat. Vgl. Lunder 254. Nah dem Zeugnifs 
des Auguftinus, welches Braun Yahrb. XXIL, 2. 85 anführt, war dieſe 
Sitte heidniſch: ‚quia haec infelix consuetudo adhuc de paganorum 
observatione remansit;;‘ gleichwohl will fie Braun — man traut feinen 
Augen nit — für Ariftlih ausgeben. 

Man hielt, jagt Aler. Scholg, Großglogauer Brogr. ‚der Johannisname 
und feine Bedeutung‘ S. 9, das Waßer um diefe Zeit für heilfamer ſowohl 
zum Trinken als zum Baden. Ein einziges Bad in der Johannisnacht, fagt 
man noch heute im Wurtembergiſchen, wirkt fo viel al3 neun Bäder zu anderer 
Beit. Die Bäder nahm man im Küftenlande im Meere, im Binnenlande 
in Seen, Xeihen, Flüßen und Quellen. Oft werden aud Blumen dazu 
geftreut. Neben dem Baden weiſt er eine Betränzung der Brunnen 
nad, oft mit feierlichen Aufzügen, Spiel, Tanz und Gefang verbunden, 
ferner ein Thaubaden, denn aud dem Thau, namentlih in der Johans 
nisnacht traute man heilfame Cinflüße zu, wobei man an die Heren er 
innert wird, die ben Thau von fremden Wiefen an ven Füßen auf die ihri⸗ 
gen trugen wie fie nah M. 1013 aud im Korn babeten. Nach dem 
Volleglauben buttert die Milch nicht, wenn der himmliſche Thau nicht auf 
dem Futter lag, das dem Vieh geftreut ward. Aus der Kraft des Thaus 
fließt es aud, daß von den Menſchen der verjüngten Welt gefagt wird: 
Morgenthau ift all ihr Mal. Nach Kuhn WS. IT, 101 muß man aud 
am Stephandtage, alfo zur entſprechenden Zeit in der andern Hälfte des 
Jahres, Karren mit Hädjel unter den blauen Himmel ftellen, damit der 
bimmlifhe Thau darauf falle: dann werden die Pferde das ganze Jahr 
über nicht franl, on den wunderbaren Eigenſchaften bes in der Chrift⸗ 
nacht und zu Pfingften fallenden Thaus meldet ſchon Gervafius (Liebr. 2. 
56), und ganz entſprechende Gebräuche in der Johannisnacht werben (Liebr. 
1. c.) aus Schweden berichtet. Die Sommerfprofen vergiengen, wenn fie 
mit Maithau gewafhen wurden. Dem Thaubaden entfprah fogar ein 
Thautrinfen, vgl. Kuhn WE. 165. Jenes aber war in der Johannis 
nacht in ganz Guropa Gebrauch. Scholß S. 10. Selbit die Gemänder 
wurden im Thau gebabet, und die Leintücher außgerungen und der Thau 
in Flaͤſchchen aufbewahrt, wie Aehnlihes im Frühjahr mit den Thränen 
des Weinſtods geicieht, die man den Augen heilfam glaubt. In Mar 


8. 145. Iohannisfeier. Epletuachet Projcfhon. 587 


feille begießt man fih zu Johannis mit mwohlriehenden Waßern. Bom Jos 
hannisſeuer ift ſchon geſprochen, gleichzeitig wurden au die Häufer innen 
und außen mit grünen Maien und Blumenkränzen geihmüdt und gewiffe 
Pflanzen in das lodernde euer geworfen. ‚Quer über die Straßen hin 
weg’ wie aud bei andern Feften ‚zieht man Blumenkronen an Schnüren 
befeftigt, befrängte Kinderſcharen halten, hier und da noch Tannenreifer 
in den Händen tragend und Lieder fingend, Aus: und Umzüge und for: 
dern Gaben ein; Maibäume werden errichtet und umtanzt unter fröhlihem 
Singen, Hahnſchlagen, Maftllettern. Aufzüge mit einem Rampfipiele zwis 
ſchen zwei Parteien, Tonnenfhlagen mit Wettreiten, alle diefe und ähm 
lie Beluftigungen Teben noch heute fort.‘ Wie kam es, daß der Tag fo 
feftlich gefeiert wurde, mit dem fi die Sonne wieder zu neigen begann ? 
Gedachte man nicht daran, daß nun das Licht wieder abnahm, daß Bals 
dur zu Hel hinabftieg und die Herſchaft des blinden Höbur zurüdtehrte? 
Stäts ift die Sonnenwende als Siegesfeft behandelt worden, wie es in 
Natur aller Feſte Tag, Freudenfeft zu fein. Man freute fih der crreiche 
ten Polhöhe des Lichts ohne mit Culenfpiegel zu weinen, daß es nun 
wieder bergab gieng; dagegen zu Mitttwinter mar man meife genug, nur 
an das Wahsthum des wiedergeborenen Licht zu denten. Die Johannis: 
nacht, die fürzefte des Jahres, wo im hohen Norden die Sonne nicht uns 
tergieng, wufte man durch das Feſtfeuer in den lichteſter Tag zu verwan⸗ 
deln und fo den vollen Sieg des Lichts zugleich zu fördern und zu feiern. 
Als Siegesfeite ſcheint die Feſte diefer Zeit auch die triumphierende Kirche 
verftanden zu haben in der befannten Epternader Brozeffion, wo 
man Einen Schritt rũdwaͤrts aber zweie vorwärts thut. Der eine Schritt 
rüdwärt bedeutet das Gträuben des Winters, dem es nicht felten gelingt, 
einen Theil der ſchon verlorenen Herſchaft wieder zu gewinnen, was er aber 
mit defto größern Verluften büßen muß; die zwei Schritte vorwärts ben 
unvermeidlihen Sieg des Sommers, denn troß des einen zurüdgethanen 
Schritts, der den Forfehritt zwar hemmt aber nicht hindert, wird das Biel 
erreicht, fo daß diefe hüpfende und fpringende Schauftellung den übers 
ftandenen Kampf mit den Mächten der Finfternifs und ihre gewiſſe nun 
entſchiedene Niederlage fehr lebendig veranfhaulicht. 

Die mythiſchen Bezüge der Grntegebräudhe bewegen fih um ben 
Nehrenbüfchel, der unter dem Namen Nothhalm, Vergödendelſtruß, Oswol 
oder Vägeltöjen u. |. m. für Frau Göde, Wodan und fein Roſa oder die 
Bögel des Himmels als ein Opfer ftehen blieb. In einigen Gegenden 


588 Hohe. Eos. Halmboh. Mühe. Oswald. 8. 145. 


fprang man über dieſe mit bunten Bändern wie eine Puppe aufgepußte 
Garbe, der auch wohl das Vesperbrot der zulegt fertig gewordenen Schnits 
terin als ein fernere Opfer eingebunden ward. Im Tyrol darf der 
genannte Getreidebüfhel nur mit der rechten Hand gebunden werben. Er 
bildet eine Figur, die beide Hände auf die Hüften fügt, die man dann 
mit Feloblumen fhmüdt, und mit Brot oder einer Nubel begabt. Dann 
ftellen ſich die Schnitter im Kreiß umber oder Inieen nieder und beten: 
Heiliger Oswald, wir danken dir, daß mir und nicht geidnitten haben. 
Panzer II, 214 fi. Andernorts wird ftatt feiner der h. Maha (Mäher 
Messor) angerufen. Wir haben ihn ſchon S. 25 in einem Sternbild 
verdreifacht gefunden. Panzer II, 486. An einigen Orten hieß dieſe 
Puppe der Halmbod, Banzer II, 225; in andern ‚der Alte‘ und Kuhn 
WS. 514 hat durch die Vergleihung englifher Gebräuche wahrſcheinlich ges 
macht, daß auch biefer Name auf Donarziele. Nicht anders wird ber Name 
‚Beterbült’ zu deuten fein; vgl. aber Kuhn NE. 519. 524. Neben 
ihnen tritt Frau Herke ſowohl beim Wintertorn al bei der Flachsernte 
bervor. Diefe hat ihre eigenthümlichen Gebräuche wie aud bei ber Flachs- 
bereitung unfere Schwingtage (Montanus lc. 42 ff.) zu beadten find. 

An den legten Drifhelfchlag Inüpfen ſich Gebräuche, die wieder auf 
alte Opfer. deuten. Wer den Iehten Driſchelſchlag thut, muß die Model 
vertragen: die Modelift die Kuh; oder die Los, das Mutterſchwein, vie 
auch Ferſau heißt, wie auch hier wieder der Name ‚der Alte‘ begegnet. An 
andern Orten fnüpfen fi dieſe und ähnliche Ausprüde an das Frucht⸗ 
Schneiden, alfo unmittelbar an die Ernte. Wer die Model u. ſ. w. ‚ver 
tragen’ fol, hat eine auß Stroh gemachte Figur in des Nahbars Haus 
zu tragen, wobei er aber felten mit heiler Haut davon kommt. Auch 
fonft mufte er ſich noch manderlei Schimpf gefallen lagen, für den er ins 
des bei der Malzeit entjhädigt wird. So wirb für den Alten, den eine 
Buppe neben dem Dreſcher vorftellt, der Tiſch gededt als wenn fie auch 
mit eßen follte: von allen Speifen, die aufgetragen werben, erhält fie ihren 
Antheil gleih jedem Andern, aber zum Vortheil ihres Rachbars. In 
England heißt dieſe Puppe bei der Ernte Melldoll, was Kuhn WS. 514 
auf den Hammer (Miölnir) deutet. Der legte Dreſcher erhält wohl auch 
den Kornzoll oder Weizenzoll, Gerftenzoll, nad der Frucht die gerade ger 
droſchen mird. In Paſſau heißt dad menjhenähnliche Gebäd, das bei ber 
„Driſchellage' gegeben wird, ſchlechtweg der Zoll. Bei der Ernte befteht 
die legte Garbe oft nur aus drei Aehren, moran wieder Mythiſches haftet. 


8. 145. Drei Achten. Görkelmel. Wodelbier. 589 


Drei Aehren führt Dinkelsbühl im Wappen, ein Ort, der nad einer Ger 
treibeart benannt ift. Aehnliches begegnet bei Roggenburg, Roggenhaufen. 
Drei Aehren ließ die h. Jungfrau aus der Erde wachen um den Plag 
einer Kirche zu bezeichnen; drei Achten ließ Frau von Donnerdberg für 
die drei Schweſtern ftehen u. ſ. w. Panzer II, 319, Wenn der Rog⸗ 
gen gemäht ift, wird bei Werl ein Baum aufgerihtet, den man den Hä- 
telmei nennt, wofür den Mähern ein Maß Branntwein gebührt. Die 
Mädchen müßen ihn, wenn fie die legte Garbe gebunden haben, wieder 
umreißen, aber nur mit den Händen. Kuhn WE. 176. An andern 
Orten heißt das zulegt eingefahrene Getreide der Hörfelmei. Man jept 
auch wohl einen hölgernen bunten Herbſthahn auf das legte Fuder; aud 
heißt der Ernteſchmaus ‚Bauthän oder Stoppelhan, Arnehan’; in Schwa⸗ 
ben wird die ‚Sichelhente‘ Schnitthan genannt, am Lechrain die ganze Ernte. 
Kuhn WS. 181 fi. Noch deutlicher weiſt auf ein altes Opfer die Sitte 
ber erfte Garbe einen Käfe, ein Brot, einen Kuchen oder Mitfafteneier, Grüns 
donnerstagseier einzubinden. Daß bie Früchte dadurch vor dem Mäufe 
fraß bewahrt bleiben follen, wird mehrfach angedeutet. 8.185.187. Der 
legten Garbe pflegte man auch wohl den Chriftbrand ©. 570 einzubinden. 

Daß fi in den neuern Erntegebräuhen im Weſentlichen noch das 
alte Opfer erhalten hat, weift R. Reuſch Prov. BL. I, 4 nad. Im Heis 
denthum wurde nad Nylolaus Gryſe Wodan bei ver Ernte um gut Rom 
im nödften Jahr angerufen. Man ließ am Ende jedes Feldes einen 
einen Ort unabgemäht, defien Aehren man zufammenfhürzte und mit 
Waßer befprengte. Dann traten alle Maͤher umber, entblößten die Häupter, 
wandten ihre Senjen und Wepfteine nad dem Aehrenbüſchel und riefen 
den Gott dreimal alfo an: 

Wode, Wobde, 

Hale dinem Rofje nu ober. 
Nu Difel und Dorn; 

Tom andern Jar beter Korn. 

Jetzt wird nur dem Gutsherrn von dem Vorſchnitter ein mit Blus 
men und Bändern gegierter Kranz überreicht, welchen bie Binderinnen 
begießen und zugleih aud den Vorſchnitter und die übrigen Mäher. Dann 
geht es zum Grntefefte, dad im Medlenburgiſchen Wodelbier heißt. Hier 
iſt alfo ver für das Pferd des Gottes beftimmte Aehrenbüfchel zum Erntetrang 
geworden, welchen ver Gutöherr empfängt, während die Waßerſpende, wo⸗ 
mit fonft der Aehrenkranz begoßen worden warb, zur Abkühlung der Schnitter 


590 Dentfiger Michel. Rirmes. Bis. 8. 145. 


dient. Die Worte: ‚Nu Diftel un Dorn’ u. |. w. verftehe ich als eine Bitte 
um eine befere Ernte im kommenden Jahr. Wo heuer Diftel und Dom 
geftanden habe, foll dann reihlihes Korn wachſen. 

Michael: und Martinzfeft feinen” weſentlich Erntefefte; aber erft mit 
dem legtern ift der Wein gelefen und geleltert und ber Ertrag des ganzer 
Jahres eingethan. Daß beide Fefte einft heidniſchen Gottheiten galten, ift 
wohl nicht zweifelhaft, wenn es gleich fraglich bleibt ob St. Michael Bios 
oder Wuotand Dienft befeitigen half. Das Micaelsfeft muß in ben Lan- 
den, wo mit dem Ende September. die Ernte vollbracht war, ſehr feftlich 
begangen worben fein, ba es biefer Heilige war, welcher dem deutſchen 
Bolt den Spottnamen ‚veutfcher Michel‘ zuzog. Dazu veranlaßte offen: 
bar das lateiniſche Lied von dem Erzengel, deſſen 6. Str. lautete: 

O magne heros gloriae, 
Dux Michael! 
Protector sis Germaniae u. ſ. w. 

Auf die ‚Rirmes’ warb Manches übertragen, was urfprünglid) den 
Mai: und Pfingfifeften gehörte; fo in der Eifel die Mädchenverſteigerung. 
So ſcheint auch das Kirmesbegraben, das an zwei auögeftopften Puppen 
(Hanfel und Grethel) vollzogen wurbe, dem Begraben der Faſsnacht nad: 
gebilvet. Am Niederrhein geſchieht es wohl an der Figur des krumm ⸗ 
keinigen Bachäus, der bis dahin auf dem vor ber Schenke aufgerihteten 
Baume, einer Nachbildung des Maibaumes, zur Einkehr geladen hatte. Cr 
felbft ift aber Hriftlihen Urfprungs, vgl. Lucas 19, 1—10. Bei der Kir- 
mes felbft follte man Zufammenhang nit dem Heidenthum am menigften 
vermuthen; und dod läßt der ‚Blo‘, lafen bie ‚Blopfnechte, Blopjungfern‘ 
bei Panzer II, 242 nicht daran zweifeln. Bei und heißen dieſe Blop- 
knechte ‚Reihjungen‘. Der Blo erklärt und vielleicht, warum die Handwerks: 
gefellen den Montag bIo zu machen pflegen. Warum follte nicht ſchon 
das Heidenthum Tempelfefte begangen haben? Das Zeit des Gottes war 
auch das Feſt des Tempels und feiner Diener. Ueber eine eigene Sand: 
tirmes, bei der breimaf um die Kirche Sand geftreut wurde, Zynder 234. 

Den Feſitagen gegenüber ftehen die Unglüdstage, wenn fie nicht 
felber Refte alter Feſte find. In Tyrol Bingerle S. 131 heißen fe 
Sähwendtage, im Sundgau Nöttelestage (Alfatia 1852. 126) 
Ein Kind an diefem Tage geboren bleibt nicht am Leben ober ſtirbt eines 
böfen Todes, Am Schwendtage geſchloßene Ehen find unglüdlih. Jeder 
am Schwendtage begonnene Proceſs geht verloren. Verwundet man ſich, 


8. 146. Adwendlage. Wötelestage. 591 


fo ift das Uebel unheilbar: der Baum ftirht ab, deſſen Rinde verlegt 
ward; läßt man zur Aber, fo verblutet man fi. Es foll überhaupt 
an biefem Xage nicht begonnen werben. Vermutlich follten fie Tage 
der Ruhe fein. Auch St. Leonhardstag 6. Nov. zählt zu den Schwend- 
tagen und doch fand diefer Heilige im Xyrol in hoher Verehrung. Bas 
Tyroler Verzeichniſs ftimmt meiſtens mit dem Elſaͤßiſchen; doch finden fi 
auffallende Abweihungen. In der Zahl 41 bis 42 treffen fie ſaſt zufammen. 
Auch die häuslichen Fefte und die an Geburt, Hochzeit und Begräbr 
nifs ſich nüpfenden Gebräude follten hier abgehandelt werden. Da man 
aber erft neuerdings angefangen hat, dafür zu fammeln, fo können die 
mptpifhen Bezüge noch nicht Har heraustreten, und ic erwähnte fie in 
der erften Ausgabe nur, um ihnen den gebührenden Plag im Syſtem zu 
wahren. Hier will id wenigftens die Grundlinien zu ziehen verfuchen. 


$. 146, Geburt, 


Wenn durch kräftige Sprüche (Opdrunargr. 8) das Kind vor bie 
KAniee der Mutter kam (Sigurdarkw. III, 44), ward es von der Amme 
(Hebamme) aufgehoben und dem Vater gebracht, der zu entſcheiden hatte 
ob e3 am Leben bleiben follte, wobei e8 aufeine Araftprobe anlam (Weinh. 
AL. 268) 5. B. ob das Kind nad) dem bargehaltenen Spieß griff. Doch 
wurden wohl nur Mifsgeburten getöbtet. Sobald das Kind irdiſche Speife 
geloſtet hatte, durfte es nicht mehr getöbtet werden. Auch Taufe und 
Namengebung jhügte. Durch die Beilegung des Namens erhielt das Kind 
ein Recht an das Leben. Darauf beruht bie Sitte ben Namenstag zu 
feiern, nit auf dem Feſte des ſ. g. Patrons, welcher erft im Chriſlen⸗ 
thum binzutrat, Ouigmann 257, 

Belannt ift, daß fhon die heidniſchen Germanen die Taufe kannten, 
wovon wir im eddiſchen Rigsmal ein Beiſpiel ſehen, mo das Kind genept 
wir, d. h. ins Waßer getaucht; von Tauchen hat die Taufe den Namen, 
Auch war damit die Namengebung verbunden, melde dem Vater ober 
nädften Verwandten zuftand; gemöhnlih übte fie der Mutter Bruder, 
der in vorzüglihem Anfehen ftand; vgl. Tac. Germ. c.20. Der Namens 
gebung folgte ein Geſchenk, was fpriwörtlih wurde, daher man das Ges 
ſchenk fogar bei Schimpfnamen zu fordern pflegte. D. 64. Aud in dem 
Liede von dem Auszuge der Langobarden $. 108 wird diefe Silte als 
Motiv gebraudt: Freyja forderte für die Winniler den Sieg als Namens 


592 Mamengebung. Weihe. 8. 146. 


‚geichent, nachdem Odin ihr Gemahl fie Langbärte (Langobarden) geſcholten 
hatte. So bradte Sigmund feinem Sohne Helgi edeln Lau (allium 
victoriale), bieß ihn Helgi und ſchenkte ihm Hringftabr u. ſ. w. und ein 
fhönes Schwert, 5. Aw. 1,8. Der andere Helgi, Hiörwarts Eohn, hatte 
noch Teinen Namen empfangen, ala ihm Swawa begegnete und ihn Helgi 
antebete; da fpra er: 

Bas giebft du mir noch zu dem Namen Helgi, 

Blühende Braut, den bu mir boteſt? 

Erwäge ben ganzen Gruß mir wohl: 

Ic nehme den Namen nicht ohne dich. 
Bon einem fpätern Geſchenk, dem Bahngebinde, haben wir in Fteys Mythus 
ein Beifpiel gefehen. 

Bei der Namengebung ſchloß man fi gern an Gegebenes an, in 
dem man ben Namen des Kindes mit dem des Vaters durch den Anlaut ober 
noch durch Die nächften Laute bis zur vollen erften Sylbe in Verbindung fepte. 

So finden wir als Gibichs Eöhne Gunther, Gernot und Gifelber; 
in Sigis Geihleht Signe und Sigmund und mwieber ald Sigmunds Söhne 
Sinfiötli und Sigurd (Siegfried) ; ald Dietmars Söhne Dietrich und Diether; 
als Heribrants Sohn und Enkel Hildebrand und Habubrand, wo neben 
der Alliteration noch das zweite Wort der Zufammenfegung einftimmt. 
Dft verbindet der Anlaut nur Geſchwiſter, nit Vater und Söhne, . B. 
Odin (Wobin) Wili und We; Ingo Irmino Iſtio. Zuweilen genügt 
es an jener Einftimmung der zweiten Sylbe, wie bei Kriemhild und Brun ⸗ 
bild, die obgleich nicht Geſchwiſter doch dem Geſetz der Namengebung folgen. 
Einigemal fällt dad dritte Glied aus der Einftimmung heraus, wie bei 
Elberich Elbegaft und Goldemar, Herbart Herbegen und Sintram, Rand: 
grid Radgrid und Reginleif, wenn gleich bier der Anreim bewahrt ift. 
Manchmal vertritt ber Ausreim die Aliteration wie bei Fili Kili, Hrift 
and Mift, Goin und Moin, Körmt und Dermt, wo wieder dad dritte Glied 
‚und beide Kerlaug‘ ausweicht. Nicht felten ift mit ber Namengebung eine 
Weihe verbunden. So ſchenlte Thorolf feinen Sohn Stein dem Thor 
und nannte ihn Thorftein, und fpäter ſchenkte biefer Thorftein dem Thor 
feinen Sohn Grim und nannte ihm Thorgrim mit dem Hinzufügen, er 
folle Tempelhäuptling (hofgodi) werben, Maurer 46. Daher auch bie 
vielen mit win endigenden Namen, die mit bem des Gottes beginnen wie 
Frowin, Balduin u. |. w. Die Namen des Gottes felbft pflegten Menſchen 
nicht beigelegt zu werben. ‚Rein Menſch, felbft kein König’ fagt Grimm 


8. 146. SGevatter Tod. Des Eeufels Pathenfhaft. YHimmelswicfe. 698 


Altd. Wälder I. 287, ‚führte die heiligen Namen Odin oder Thor; wohl 
aber wird aus Thor u. ſ. w. ein Frauenname Thora, Irmina moviert und 
nichts binderte, einen menfchlihen Namen mit Thor zufammenzufepen.’ 
Val. Mytb. 94.°127. Doch beſchraͤnkt Grimm felbft den Sap, indem er 
zugiebt, daß ein norbifher König Bragi bieß und bie Namen Berdta, 
Holda in Deutfhland nicht felten waren. 

An die Weihe, welde in der mit dem Namen des Gottes zufammens 
gefegten Namen Tag, erinnert aud der Name Gottihall. Man vgl. was 
©. 227 von der Selbftweihe und dem ad geſaz Odhni gejagt iſt. Mit 
der Weihe hängt es zufammen, wenn in unfern Märden der Vater des 
ebengebornen Kindes ihm bei feiner Armut feinen Bathen weiß, bis er ihm 
zulegt ben Tod oder ben Teufel, die an die Stelle der Götter getreten 
feinen, zum Pathen wählt; ober wenn er in ber Noth einem bienftbaren 
Geiſte das zufagt, wovon er in feinem Haufe nicht? weiß, und dem Heims 
tehrenden dann die Frau vertraut, daß fie ſich Mutter fühle. So hatte 
fi Odin von ber bierbrauenden Geirhild das verſprechen laßen, mas 
wiſchen ihr und dem Faße fei. In einem fiebenbürgifhen Märden ift 
Dpin noch deutlich zu erfennen, denn bier begegnet bem armen um den 
Bathen verlegenen Bater ein alter Mann im grauen Mantel, ver die 
Pathenſchaft übernimmt und dem Kind einen Gtier jhenkt, der mit ihm 
am gleihen Tage geboren ift. Diefen Stier laht Odin, den wir ſchon 
als Biehhirt kennen gelernt haben, auf der Himmelswieſe weiden, mo er 
zu ungeheurer Größe heranwächſt und dann dem Pathen zu großen Ehren 
verhilft. Wenn Odin in Walfes Saal tritt und fein Schwert in den Kin⸗ 
derftamm ftößt, dad nur Sigmund herausziehen ann, fo ift dieß Schwert 
als Pathengeſchent zu verfiehen: darum trägt dieſer Welſung aud den 
Namen bed Gottes, denn Sigmund ift ein Beiname Odins. So ſcheint 
aud der Dradenfampf von Odin auf Sigmund gelangt, und wenn Sir 
gurd einmal Frey Freund genannt wird, fo haben wir auch dieſe beiden 
als Dradentämpfer gefunden, 

Dem neugeborenen Kinde treten die Nomen oder andere halb⸗ 
menſchliche Weſen, die Wölen, an die Wiege, ihm fein Schidfal zu ſchaffen 
oder doch anzufingen. Dabei wird aud das Lebenslicht erwähnt wie wir 
das in der Eage von Nornengaſt $. 116 finden. Es ift noch jept Sitte, 
ben Kindern bei jedem Geburtätage einen Kuchen zu ſchenken und darauf fo 
viel Lichter zu ftellen als fie Jahre zählen. Diefe Lichter darf man nicht 
ausblafen, fondern muß fie zu Ende brennen laßen, Kuhn RE. 431; 

Ginwot, Myihelagie. 38 


5 Keheneii. Bieutlanf. % 14. 


Rornageſis Muster blies aber deſſen Licht aus, weil bie jängfte Norn geweis 
Pagt hatte, das Kind werde nicht Länger leben als bis jene Kerze verbrannt 
fei. Grit als breihundertjähriger Oreis ließ er es mit feinem Leben zu 
glei werglimmen, ©. 366. Auch in den Märden wom Gevatter Tod 
begegnet und dieſes Lebenslicht und in den deutſchen Vollsliedern ven 
den zwei Koönigslindern, die einander lieb hatten, bläR ein Iofes Nönnden 
das Licht aus, welchem ver Liebende zuſchwamm und an das fein Leben 
geluüpft ſcheint, denn da er dag Lit nit mehr fah, verzweifche es und 
ertrank. Hierhin gehört auch des Spiel Stirbt der Fuchs ſo gilt der 
Balg. Der Fuchs iR ein Thier von ſehr zähem Leben So lich dis 
Gräfin Schad eine Wachslerze, die ihr Lebenälicht bebeutete, einmauern; 
aber die Kirche brennt ab und bie Gräfin ftirht zur felben Stunde Mül 
Ienhofl 180, vgl, W. Wadernagel Btiär. VI, 280. 

Bei der Rinnbetterin muß jede Nacht ein Licht brennen Bid das Lind 
getamft if. Dieb bat feinen Bezug mehr zu dem Lebenalicht, es fell nur 
werhüten, daß ein Wechſelbalg untergefhoben werbe. Bis dahin darf auch 
nichts aus dem Haufe verliehen werden, ſonſt hat das Kind nichts. Meber 
ein Kind, and wenn es getauft Äft, darf man wicht wegſchreiten, jonft 
bleibt es Hein Bei der Taufe geht man mit dem Kinde dreimal um 
ven Altar. Diefe und ſchon betanate Sitte ‚dreimal um dad Heiligthum“ 
begegnet auch bei ber Hochzeit und felbft bei dem Ginzug ber Dienſtmagd; 
nur iſt es bier immer ber Heerd ald Altar des Hauſes. 


MT. Hochzeit, 


Bei ven Hochzeitgebraͤuchen bleibt und der Brantlanf dunkel, won 
dem doch die Feier im allen deutſchen Sprachen, altb. brütloufti, benannt 
Ü Nah uralter Sitte mufte die Bram wie noch im ben Nibelungen 
Brunhild in Wettfpielem erworben werden. In der Gage von Atalante 
ift das Wettfpiel ein Wettrennen; in deutſchen Marchen Hingt es hier un 
da noch nad; im andern, namentlid; jenen vom Glasberge, wo manderlei 
Brobeftüde aufgegeben werben, begegnet auch die Aufgabe, die Geliebte aus 
vielen ihr voͤllig gleichen herauszufinden. In den Hodgeitögebräuden ex 
hielten ſich nur vereinzelte Spuren. Nach Kun RS. war es in der Mat 
Gebrauch, daß am Schluß des erſten Hechjeitätages Braut und Bräutigam 
einen Wettlauf hielten. Der Bräutigam gab ihr einen Borjprang, unb 
holte er fie nicht ein, fo durfte er für Epott wit forgen Am diele 


6. 147. Btantranb. Brautfeide. 596 


der Bahn fanden junge Frauen, die der neuen Genoßin den Kranz ab- 
nahmen und ihr die Müpe auffepten. Die Braut umter bie Haube zu brin: 
gen, ift auch in andern Gegenden das Beftreben eines Theils der Hoch⸗ 
zeitögäfte, namentlich der verheirateten, während die unverheirateten fie 
daran zu verhindern ſuchten. Gleiche Bedeutung hatte es wohl aud, wenn 
man die Schuhe der Braut zu erhaſchen fuchte, welche dann der Braͤuti⸗ 
gam einlöfen folte. Durch ein Paar neue Schuhe, die ihr der Bräutie 
gam anlegte, kam bie Frau In die Gewalt, das Mundium bes Mannes. 
RA. 158. Darum ift es die verehrte Welt, wenn vielmehr der Mann 
anıter den Pantoffel der Frau geräth. Diefe neuen Schuhe wurden wohl . 
in ber älteften Zeit aus der Haut ber geſchlachteten Opferthiere gefer⸗ 
tigt. Dar die neuen Schuhe und durch die Haube, ftatt welcher im Hil: 
desheimifchen (Seifart 155) die Braut ehemals nod ben Hut des Mannes 
auffegte, warb alfo die Braut erft zur Frau. "Kuhn ME.IL, 39. In dem 
Kampfe zwifhen Frauen und Mädchen erlauften bie Frauen den Gieg 
bier und da erft durch eine Weinkaltefchale, in welcher Kuhn 41 einen Reft 
des Meinfaufs fieht, indem durch einen Kauf die Che eingegangen ward, 
MA. 420, welden der Weinkauf beftätigen ſollte. Er felbft geht auf ein 
altes Tranfopfer zurüd, der die eingegangenen Verträge heiligte. 

Neben der Sitte des Brautlaufs klingt hier und da nod eine andere 
vielleicht ältere nach, nämlich ver Raub ver Braut. Nah Kuhn NE. 433 
fol fie der Bräutigam aus bem Kreiſe der Mädchen herausgreifen ohne 
fie zu fehen, denn juft hatte man das Licht herausgetragen, was an bie 
foeben erwähnten Märchen vom Glasberge erinnert. Wenn aber vor Bei: 
ten der Mann fid die Frau rauben mufte, fo hat er ſich jept in Acht 
zu nehmen, daß fie ihm nicht unterwegs von der Kirche zum Wirthshaus 
geftoplen wird. Bir. IL, 397. 377. Es ift fogar ſchon vorgelommen, 
daß man die Braut vom Altar weg ftahl, Birl. 393. Es ift eigentlich 
ein Poſſen, welcher den Brautführern gefpielt wird, denn diefe haben bie 
Braut zu bewahren. Ein noch alterthümlicherer Gebrauch ſcheint die Brauts 
feide, Wolf Beitr. I, 80, der rothe Faden, den die Braut im Havellande 
um den Hals trägt, fo wie dad rothfeidene Band um vie Müge, Kuhn 
BES. 41, womit ſich der rothe Faden um den Helm RA. 183 vergleicht. 
Es if ein Zweifel, daß fie gleich dem rothen Banner bei Hochzeiten, 
Müllenhoff de poesi chorica p. 23, und glei dem Feuerbrand nor der 
Schwelle, über welhen das Brautpaar fchreiten muß, wenn ed nad ber 
Kirche geht, Kuhn NS. 434, auf Donar deuten, deſſen Hammer ja aud 


596 Lobiasnädite. Spinurad. Krauthahn. 8. 147. 


einft die Ehe einzumeihen hatte. Diefer Feuerbrand muß an einigen Orten 
mit den Füßen weggeſtoßen werben, was den Verzicht auf das alte Heerd⸗ 
feuer noch deutlicher ausſpricht. Die Gitte der hochzeitlihen Schnur weift 
Kuhn NE. 522 ſchon bei den Indern nad wie aud die des breimaligen 
Ummwandelns des Heerbed, der früher in ber Mitte des Haufes ftand, 
während man jept den Feuerhalen (Häle) dreimal um das Brautpaar 
ſchwingen muß, wenn die Gitte nicht ganz untergehen fol. Dontanus 
100. An ver Stelle des Heerdes findet man aud bie Düngerftätte ger 
nannt, 

Die Wahl des Dienftags für die Hochzeit fönnte durch die ſ. g. drei 
Tobiasnächte, melde, wenn aud nicht unter diefem Namen, ſchon im 
Barzival erwähnt werben, bebingt fein, weil die erfte ehelihe Bewohnung 
am Freitag, dem Tage der Fria oder Frouwa, Statt haben follte. Dafür 
Kann angeführt werden, daß Braͤute, die ihr Kränzlein ſchon verloren, nicht 
an den Dienftag gebunden waren. Birl. II, 388. Sind aber die Tobiad« 
nächte ſchon dem Heidenthume befannt geweſen? Für ihre meite Verbrei⸗ 
tung, nicht bloß in Schwaben und am Niederrhein, ſpricht der maͤrkiſche 
(Kuhn ME. 359) Kampf um das alte Spinnrad, wobei dem Braut- 
paar zugefungen warb: 


Che foll die Braut nicht bei dem Bräutigam ſchlafen 
Ehe fie den Flache nicht abgeiponnen hat; 

Ehe foll der Bräutigam bei der Braut nicht ſchlafen 
Ehe er das Garn nicht abgehaspelt hat. 


Denn bier ift die Abficht nicht zu verkennen, die ehelihe Bewohnung noch 
“einige Tage hinauszufhieben. Darum find es auch bie Junggeſellen, 
welde dieß Spinnrad mit aufgemachtem Woden, an bem nod einige Anol: 
ten Flachs und eine zweite Spule hängen, in das Haus zu ſchaffen be: 
müht find, woran bie Verheirateten fie zu verhindern traten. Daß dieß 
am zweiten Tage geſchieht, nachdem die Beiwohnung fhon Statt gehabt 
hat, ift offenbar Entartung. Mit diefem Gebraud ift Sitte ded Braut: 
hahns verflodten, morunter die Darbringung der Hochzeitgeſchenle ver 
ftanden ſcheint. Geht diefer Brauthahn auf ein Opfer zurüd und hängt 
ex vielleiht mit dem Bräutelhuhn zufammen, welches die Neuvermäplten, 
urfprünglih wohl als ein Opfer für Chefegen, in der Hochzeitsnacht zu 
verzehren pflegten? RA. 441. Cin Brauthuhn kommt auch als Abgabe 
des Hübner an ben Herrn vor. Diefe Gefchente pflegten ven Tag nah 


%. 148. Hille. Ailtgang. clutgang. 597 


der Hochzeit gebracht zu werben. In ber Thrymskwida verlangt fie aber auch 
die Schweſter des Bräutigams, vermuthlich doch wohl der Sitte gemäß. 

Negnet es am Hochzeittage, fo hat befanntlih die Braut die Katze 
nicht gut gefüttert, Dieb war bisher der einzige Bezug auf Freyja oder 
die ihr urfprünglic iventifhe Frigg, die fi bei der Hochzeit nachweiſen 
ließ. Cine zweite kommt bei unferer Deutung des Dienftags als Hochs 
zeitstags hinzu. 

Der Che geht die Verlobung voraus, die bei und Hillig heikt 
fatt hileich, Brautgefang, epithalamium. Bor bie Verlobung fällt oft 
noch der Kiltgang, d. h. Abendgang (vgl. kveldrida Myth. 1006), 
womit id jedoch dem Kiltgang nichts Unheimlihes andichten wil. Bei 
uns heißt er Shlutgang, melden Montanus 100 Schnuhtgang fchreibt. 
Der Schlutgang war an gewifie Tage gebunden, milde man Rommtage, 
früher Kommnäcte nannte. 


148, Beftattung. 


Der Pflicht gegen die Todten Ift $. 44 gedacht und hier mur nach⸗ 
zubolen, daß dem Todten Mund und Augen zuzubrüden in ber heidnifchen 
Zeit demjenigen oblag, welcher die Pflicht der Race übernahm, Weinhold 
Altn. Leben 474. Daß die Pflicht ver Beftattung eine allgemeine Mens 
fhenpfliht war, geht aud aus dem hervor, was oben über die dank— 
baren Todten gejagt und in meiner gleichnamigen Schrift, Bonn bei 
Marcus 1856, näher ausgeführt iſt. 

Daß der Todte nicht zu der Thüre hinaus durfte, durch welche bie 
Lebenden ein: ‚und außgiengen, Tönnte mit den ©. 545 beſprochenen Ges 
bräuden irgendwie im Zuſammenhang ftehen. 

Die ältefte in Deutjhland nachweisbare Beftattungäweife, wonach der 
Todte in ein Schifflein gelegt und ven Wellen überlaßen ward (vgl. ©. 
299. 445. 458. 461 oben), womit es zufammenhängt, daß Brittanien 
für das Tobtenland galt, brauchte nicht aufgegeben zu werben, ald man 
die Leichen zu beerbigen oder zu verbrennen begann. Baldur fahen wit 
auf dem Schiffe verbrannt, die älteften Särge hatten Schifiägeftalt und 
Steinfegungen auf den Gräbern bildeten fie nad. Vgl. Grimm von Vers 
brennen der Leihen ©. 52, Müllenhoff Nr. 501. Verbrennung und Beerbis 
gung galten wohl lange neben einander; höchftens waren fie nad) Ständen 
verſchieden. Die Verbrennung, welche Tacitus allein lennt, galt für vor⸗ 


598 Scho⸗ſ. Mitverbreunung der Fran. 8. 148. 


nehmer, Saro 87 Steph., und war auch Loftfpieliger. Rach Weinh. (Heibs 
niſche Tobtenbeftattung 41. 115) wurden aud einzelne Theile ver Leiche 
wie Kopf und Arme noch verbrannt als man das Uebrige ſchon beerbigte, 
woraus ſich der Glaube an kopfloſe Gefpenfter erklären würde. Ob ber 
fpätere Gebrauch, verſchiedene Theile der Leihe an verſchiedenen Gtellen 
zu beerbigen, biemit zufammenhängt, Tape ih dahingeſtellt. Der Beſtat ⸗ 
tung gieng eine Leichenwache voraus, die bier und da nod im Gebraudh 
if. Wenn bie Leiche aus dem Haufe getragen warb, pflegte man ihr 
Waßer nachzugießen, damit der Geift nicht als Gput wiederſcheine. Kuhn 
ME, 568. WS. II, ad. Daß man die Leiche noch jegt auf Gtrob legt, 
worüber ein Leintuch gefpreitet ift, unb e3 dann heißt, er liege auf dem 
Schoof (Schmig Cifelfagen 66), erflärt uns den manipulus frumenti in 
der Steafjage $. 90 und diefe felbft famt dem Namen des Gottes. 

Mit dem Gatten ftarb die Gattin wie wir bei Nanna fahen, und 
Brynhild urtheilt (Sigurdarkw. II, 59) über Gudrun: 

Schiclicher ſtiege unfere Schwefter Gubrun 

Heut auf den Holzſtoß mit dem Herrn und Gemahl, 
Gäben ihr gute Geifter den Rath 

Oder befäße fie unfern Sinn. 

Sie felber wollte mit Sigurd verbrannt fein, als deſſen Gemahl fie 
fi betraditete : 

Bei uns blinke das beifende Schwert, 
Das ringgegierte, fo zwiſchen gelegt 

"Wie da wir beiden Gin Bette beftiegen 
Und man uns nannte mit ehlihem Namen. 

Aber nicht bloß die Gattin, auch feine Knechte und Mägde, fein Roſs, 
feine Habichte und Hunde folgten ihm auf ben Scheiterhaufen und noch 
in chriſtlicher Zeit gieng das Ritterpferd trauernd hinter ber Leiche, 
früherhin um auf demfelben geopfert zu werben. 

Dem Humengebieter brennt zur Seite 

Meine Knete mit koſtbaren Ketten geſchmückt, 
Zween zu Häupten und zween zu Füßen, 

Dazu zween Hunde und der Habichte zween. 

Alſo ift Alles eben vertheilt. 

&o faut dem Fürften auf bie Ferſe night 

Die Pforte des Saale, die ringgefchmüdte, 

Wenn auf dem Fuß ihm folgt mein Leichengefolge. 
Aermlich wird unfre Fahrt nicht fein, 


$. 148, Keilgenfeite. Leichen ſyicie 5 


Am folgen mit mie ber Mägde fünf, 
Dazu acht uechte edeln Geſchlechte, 
Meine Milchbrüder mit mir erwachſen, 
Die feinem Linde Budli geſchentt. 

Für die Anchte und Magde ſchien dich ein Wortheil, weil fie fo in 
ven Kersenhimmel eingiengen, Weinh. 477. Aber bier war wieder das 
Heiventpum milder als das Chriſtenthum, das Keper und Heren lebend 
verbrannte, während Brynhild ſich zuvor ben Tod gab, wie es mit Knechten 
und Mägven gleichfalls gehalten ward. Signy freilich ftürzt fi lebend 
in die Gluth; aber fie hatte auch ihren verhaßten Gemahl lebend ver⸗ 
brennen laßen. 

Nach Beowulfs Leihenbrand warb ein Hügel am Gtrande errichtet, 
der den Seefahrern fernerhin ſichtbat blieb. In diefem Hügel bargen fie 
feine Afche mit vielen Kleinoden. Damm umritten fie diefen Hügel und 

Klagten den Kummer um ben König trauernb, 
Erhoben Hochgeſang ben Helden zu preifen 
Seiner Zucht zum Zeugnifs, wie es geziemend if, 
Daß man ben Tieben Herrn im Liebe verherrliche, 
Im Herzen feiere, wenn er hingeſchieben iſt, 

Den geliehenen Leib verlaßen muſte. 

So beflagten bie fühnen Kämpen Gotlauds 

Des Herren Hingang, feine Hausgenoßen, 

Der Männer mildeften und mannfreundlihften, 
Der Leute Tiebften und Lobgierigften. 

Zuweilen geſchah dieß Umreiten, daß an Patrollos Leichenfeier erin- 
nert, vor der Beftattung um den außgeftellten Leichnam bes Helden. Als 
Attila geftorben war, wurden um feine Leiche Wettfpiele gehalten und feine 
Xhaten befungen. Unter Liedern (sisusano) hatten aud die Weſtgothen 
ihren in den catalannifchen Feldern gefallenen Rönig Theodorich von der 
Walftätte getragen. Bon dem lmreiten des Grabhügels ſcheint noch vie 
märtife Sitte übrig, daß man nad der Weerbigung dreimal um bas 
Giab gieng und erft von da in bie Kirche, Kuhn WE. 868. Das ‚dreimal 
um bad Selligthum‘, das wir bei Geburten und Hochzeiten gefunden har 
haben, fehlte alſo auch bier nit. Tacitus verfidert uns, daß der Schei ⸗ 
terhaufen (bal, Bühf) aus gewiſſen Hölyern (oertis lignis) errichtet wurde. 
Nach Olaus M. bediente man fi des Wacholders, der noch fpäterhin 
gern zum Häucern verwendet warb und dem Alterthum für heilig galt, 
Gr. Berbr. 54, wie er aud in dem befannten Märchen unter dem Mar 


600 Burg. Sqhildburg. Gbalus. $. 148. 


chandelbom verſtanden iſt. Grimm hat aber 54. 56 nachgewieſen, daß 
es einen für heilig geltenden Dornſtrauch gab (crataegus oxyacanthus), 
und auf den Dorn weiſt auch das Märden vom Pornröschen, wo die 
Dornhede an ber Stelle ver Wafurlogi durdritten wird. Der brennende 
Buſch bei Mofes deutet vielleicht an, daß die Leihenverbrennung in frühefter 
Zeit aud den Juden nicht unbelannt war. Mit dem Dorn wurde wohl 
der aus Eichen- ober Birkenholz, Weinh. 481, geſchichtete Scheiterhaufen 
unterflochten, damit das Feuer befer brenne. Daß der Bühl oder Schei⸗ 
terhaufen mit dem Hammer eingeweiht wurde, haben wir ſchon öfter ges 
ſehen. Schon damals nannte man ihn Burg wie er noch jept bei Feſt⸗ 
feuern zu heißen pflegt. So bittet Brynhild Gunnarn: 

Bitten will ich dih eine Bitte; 

Ich laß es im Leben bie letzte fein. 

Eine breite Burg erbau auf bem Felde, 

Daß darauf Uns allen Raum fei, 

Die famt Sigurden zu fterben kamen. 

Die Burg umziehe mit Zelten und Schilden, 

Exlesnem Geleit und Leichengewand, 

Und brennt mir den Hunen- Gebieter zur Seite. 
und Beowulf bittet Weohſtan: 

Einen Hügel heißt mir die Helden erbauen, 

Ueber dem Bühel bfinfend an der Brandungsklippe, 

Der mir zum Gebächtnifsmal fi meinem Bolfe 

Hoc erhebe über Hronesnäfs, 

Daß die Serfahrenden ihm ſchauend heißen 

Beowulfs Burg, wenn fie die [Häumenden Barfen 

Ueber der Fluten Nebel fernhin ſteuern. 
gl. meine Anm. 6. 202. Daraus erflärt ſich aud die Schildburg in 
Sigdrifumal als ein mit Schilden umfchloßener Scheiterhaufe. 

Auf die vielen Urnen und andern Gefäße, die man in romanifche 
deutſchen Gräbern findet, Tann es Licht werfen, daf nah Kuhn NE. 435 
die Schüßel, aus welder der Todte gewaſchen wird, an einen Ort geivore 
fen werben foll, welchen bie Sonne nicht bef&eint; ‚oder man gebe fie den 
Todten mit in den Sarg.’ Weber ven Todtenſchuh ©. 139 oben. Die 
Bedeutung anderer Mitgaben 3. B. der Schere Birl, IL, 408 und ver 
häufigen Nägel ift zweifelhaft. Die Gitte, dem Todten den Obulus mit 
äugeben, ift auch in Deutihland befannt, Wein. 493; fie Hingt ſelbſt in 
dem Fährgeld nach, daß bie abziehenden Zwerge, die Seelen ver Verſtor⸗ 


%. 148. Santafeine. Erbmel. 601 


benen find, entrihten, Auf den Hügel, er mochte bie Lelche ober bloß 
die Aſche enthalten, fegte man Steine, die ſ. g. Bautafleine. Davon 
heißt es im Hawamal 71: 

Ein Sohn ift befier, ob fpät geboren, 

Nach des Vaters Hinfahrt; 

Bantafteine ftehen am Wege felten, 

Wenn fie der Freund dem freund nicht ſetzt. 

Stirbt der Hausherr, fo muß fein Tod nicht bloß dem Vieh im Stall 
und den Bienen im Stode angefagt werben; auch die Bäume foll man 
ſchutteln und fagen: ‚ver Wirth ift tobt,’ fonft gehen die Bäume aus. In 
Genna (Kuhn WE. II, 52) fagte es ein Nachbar dem andern an; ber Iepte 
mufte es einem Cihbaum ſagen: fonft hatte er bald eine Leihe im Haufe. 
Hier und da fol auch das Korn auf dem Speicher umgeſetzt, ja der 
Bein im Faße gerührt werben, damit fie nicht verderben. 

Das Leihenmal hieß auh Erbmal, weil die rechtliche Befigergrei- 
fung des Erben damit verbunden war. Daß dabei Opferthiere geſchlachtet 
wurden, ift ſchon aus den frühen chriſtlichen Verboten zu fließen. Den 
dabei im indiculus superstit. gebrauchten Ausdrud dadsisas erflärt 
Grimm M. 1178 von den dabei gefungenen Zrauerliebern, was um jo 
wahrſcheinlicher ift als wir aud das Hochzeitsfeſt von den Hochzeitliedern 
benannt fanden. Nach demfelben indiculus ſcheint man aud auf dem 
Todtenhügel jährlich ein Opfer dargebracht zu haben. 


Aaskereia 216. 


Abbas invenum, a, laotitias 564 


Abel, 2. 218. 228. 
Abendröt 441. 
Wbendröthe 80, 

Abraham 227. 
Abihrodrung 518. 582. 
Abihmwörungsformel 172. 
Abt von St. Gallen 474. 
Abundia 244. 386. 


ao, 58, 

Adıt Theile 20. 
Adergeräth 212. 226. 
abı . 

Adam 581. 

Abier 81. 41. 174. 306. 
Abonis 223, 243. 
Abvent 33. 574. 
Adventſau 560. 

Ael der Erinnerung 359. 
Aelwalbi 431. 438. 
Aequinoction 577. 

Aer, Rune 293. 
Aeeikansfäue 529. 


Afterpoefie 243. 
Agde Jarl 280. 
Agez 434. 461. 
Agnar 861. 877. 382. 
Agni 412. , 
Agfein 41. 

nfran 880. 414. 
Achrenbuſchel 320. 368. 
Ai 301. 812. 828. 
elah 525. 
alahirzi 856. 
Alb 448. 457. 499. 
Alberih 468. 
Albleich 468. 
Albruna Fu 536. 
Albzopf 548. 
Ab zuzuſchicken 459. 498, 


Regiſter. 


Alci 816. 824. 341. 581. 
170. 


Alf von Alfheim 489. 
älfablöt 445. 

älfar 441. 

Afeim 346, 444. 450. 451. 
Alfhild 181. 439. 

fe 29. 

Alfrit 465. 

Ali 309. 313. 

Algofdene 281. 897. 
Alltteration 286. 


Allvater 152. 164. 178. 180. 308. 


Alnofen 187. 218. 
Alcaun 202. 480, 
Alſwidhr 22. 

Alte, der 388. alte Frau 580. 
Alter Kaifer 165. 

Altes Heer 215. 

Altfeind 144. 

Alttönig 252. 

Alubreng 439. 

Alven 387. 

Alwaldi 431. 439. 
Alwina 404. 

Alwis 43. 255. 450. 455. 
Ambri und Aſſt 382. 586. 
Amelmehl 266. 
Amelungen 266. 
Amelungenhort 411. 
Amicus und Amelius 326. 
Aıhleth 266. 

Ama 301. 

Amfwartnir 105. 
Aemterauslooßung 583. 
Andachten 311. 869. 567. 
Andhrimnir 48. 208. 
Andlange 50. 166. 

St. Andreas 584. 
Andſegg 191. 


Andwaranaut 202. 
Andwari 54, m 465. 
Angang 188. 545. 
Angelichnur 282. 
Angenja 302. 338. 
Angurboba 103. 334. 
ans 178. 209. 257. 
Antichrift 144. 161. 
Antiloys 474. 

Apfel vermittelt Zeugung 198. 
Apfelſchuß 268. 

Aepfel 38. 65. 72. 462. 
Apollo 174. 2 247. 
aptragänga 

Aguila und ERuo 32. 
ara Ubiorum 265. 
Arcturus 229. 

Ares 298. 

Aresdiener 289. 

Argiöt 305. 

Armenien 308. 
Arminins 807.1x- 
Armeing 210. 469. 
Arneham 589. 
Arnhöfdi 200. 

St. Arnold 554. 
Arnum, Graf 419. 

til Ars 519, 

Artemis 222. 

Artus 218. 316. 
Arwalr 22. 

Aryama 308. 
Afabrägr 251. 881. 
Aschanes 34. 
Afchenbrödel 25. 471. 
Aſchenklas 660. 
Alenfad 559. 
Afchentagger 471, 
Asciburg 315. 817. 370. 
Afega 329. 


Ale 177. Name 178. Ginwenberung 


209. 234. 260. 
Afenfürft 251. 
Afenheim 44. 

Aenflärfe 282, 

gar 48. das alte 158. 200. 
‚ardreida 216. 

a 86. 815. 

Asmunb 187. 426. 489. 

Asprian 439, 

Aftinge 826. 

Aftlod 457. 

Athanari 530. 

Atla 808. 838. 

Ali 252. 397. 

Atridr 188. 203. 


Attila 252. 299. 401. 587. 

Attys 222. 

Agmann 540. 

Aub, die reihe 411. 

Aubhumbla 17. 

Auddun 469. 

Kugapet 495. 
ıgenbrauen 20. 86. 

u Hund 226. 

Auften 404. 

aura levatitia 541. 

Ausfat 520. 549. 

Auſtri 20. 

Authari 196. 

Art 329, eingehadt 225. 


Badwerl 528. 

Bacon Baden 357. 

badi 868 518. 

bal Bühl 599. 

Balder 323. 462. 476. 
Balderus 191. 

Baldewin 206. 

Bälbäg 30. 95. 190. 324. 340, 
Balduin von Flaudern 355. 


Baldur 30. 78. 81. 86. 89. 94. 96, 
150 164 189. 309. 324. 386. 509. 
Zages- und Sonnengett 397. ullere 


Freund 318. 319. 


Baldurs Blut 249. Grab 221. Duche 


222. Rois 174. 823. 


* Baleigr 142. 189. 460. 


Balten 552. 

Ball, Balljpiel 578. 
Balmung 220. 
Baltero 324. 
Baltram 326. 
Balwiſt 459. 

Bann 294. 
Banner, rothes 596. 
Bär 271. 586. 
Barends 220. 
Bärenhaut 548. 
BVärenbäuter 508. 
Bärenfehnen 104. 
Bärenfohn 287. 
bardhi 839. 
barditus 339. 546. 
Barri 65. 72. 575. 
Fir 472. 560. 
Bartholomäus 418. 
Bartruf 255. 
Bafiliet 555. 580. 
Bauern 252. 

Baugi 240. 245. 
Baumcultus 506. 511. 528. 601. 


604% 


Banmeifter 55. 508. 

Baufagen 59. 

Bautafteine 601. 

Bealteine 324. 571. 

Beam 817. 

Beten 414. 558. 571. 

Bedentnedht 4. 25. 

Bedeca 190. 

Befana 414. 

Begraben 318. 

Beichte 472. 508. 

Beilalter 125. 

Beinamen 168. 

Bel 324. 

Beldegg 190. 

Belderberg, Belderbuſch 329. 

Beli 66. 73. 134. 208. 248. 847. 
358. 434. 

Vendir, Hans 474. 

Benfozia 418. 

Beowulf 435. 581. 659. 

Berche 414. 

Beräta 322. 389. 399. 402. 445. 

. 578. 


Pre Wagen 218. 
Berchtentag 404. 413. 414. 580. 
Berchtold 410. 413. 560. 
Berchtung von Meran 410. 
Berg, Unterwelt 209. 250. 350. 465. 
Mann vom Berge 208. 
Vergelmir 18. 102. 428. 
Bergentrudung 160. 351. 
Bergkryſtall 466. 

Bergmännden 450. 454. 
Bergmönd; 454. 

Bergriefen 56. 253. 428. 
Bergihmieb 465. 

Berhte mit dem fuoge 409. 499. 
Berndietrich 217. 

Bernhard 217. 

Berferfer 80. 486. 

Berta 401. 

Bertha die Spinnerin 218. 409. 
Bertha, 2. d. Gr. Mutter 855. 409. 
Bertha von Nofenberg 414. 478. 
Bertilianas Wallfahrt 549. 
Beihwörungen 65. 

Beſen 497. 

Beftattung 129. 318. 597. 
Beſtla 17. 236. 

Bett Altar 368. 428. 503. 518. 
Beyggmir, 430. 448. 

Beyla 434. 


Biarti 210. 
Bibung 458. 
Bienen 601. 


Bienenwolf 460. 
Bierbrauen 385. 401. 458. 
Biflindi 184. 189. 
Bifröſt 31. 129. 228. 304. 
Bil 28. 
Bilder 330. 
Bileigr 169. 
Rileiftr 23. 99. 
Billings Maid 251. 
Bilfenfrant 542. 
Zilfenfchneider 458. 
Bilffirnir 46. 
Bilwiſi 459. 
Bilwiß 458. 548. 
Dinger Loch 466. 
Binfebant 495. 
Bin 258. 440. 467. 
Birkenbaum 163. 
Birkenholz 600. 
Birnbaum 48. 162. 
Bißen Kaſe 544. 
Blaſerle 448. 
Bläfter 58. 
Blaue Blume 415. 
Blauer Montag 590. 
Blauer Stein 520. 585. 
Bid, böfer 446. 495. 
Blidgerus 875. 
Blinde Thiere 545. 
Blig 69. 258. 
Blo 590. 
Blodsberg 495. 573. 
blödmönadh 54. 
Blödughöft 174. 208. 323. 
Blogfnechte 890. 
Blümdenblau 495. 
Blumengraf 581. 
Blutbäume 510. 511. 
Bfutradhe 85. 211. 881. 
Bluts bande 168. 
Bluiſchink 436. 
Blutotropfen 248. 
Blutunterjchrift 502. 
Bod 259. 459. 565. 
Bod lahmt 269. 288. 
Bod mit vergoldeten Hörnern 396. 
528. 565. 
Bodsaugen 276. 
Bodsfuß 260. 601. 
Bodshorn 565. 
Bodsritt 494. 
Bodmann 392. 
Bobn 239. 244. 
Bögeln 549. 
Bohne 414. 
Bohnenbfüthe 495. 


Boldermann 214. 560. 
Zölthorn 236. 

Bdlwertr 189. 240. 245. 
Költoift 189. 
Bolgenfehlagen 571. 
bona domina 413. 
Bönloper 484. 
Bonſchariant 447. 

Boot 19. 275. 

Bör 16. 

Bornhofer Andacht 364. 
Boͤrſe 553. 

Böfer Blid 446. 

Böten 537. 547. 
Botenamt 534. 

Bous 311. 316. 

Bragi 74. 77. 88. 175. 216. 330. 
Bragi, König 595. 
Bragis Beer 524. 575. 
Bragr 830. 

Brahma 227. 452. 
Brand ober Brond 94. 190. 
St. Brandan 452. 
Brandons, föte des 571. 
Brandr 512. 
Braunschweiger Sage 199. 
Bräutelfuhn 596. 
Brautgeichent 63. 597. 
Brauthahn 596. 
Brautlauf 584. 59. 
Brautraub 595. 
Brautfeide 595. 
Brawallaſchlacht 209. 
‚Bregovinet 206. 

Brei, füßer 414. 
Breibablid 50. 86. 
Breide 300. 

Breisgau All. 
Brennalter 350. 

Brimir 15. 158. 

Briſing 570. 

Brifingamen 305. 359. 861. 368. 
881. 386. 411. 412. 
Britanien 314. 457. 697. 

Brod 101. 173. 
Bröfelbart 191. 

Brosinga mene 411. 412. 
Brude, lederne 365, goldene 279. 
Zrüden 280. 

Brädengott 253. 815. 
Brüdenipiel 23. 
Brudermord 130. 147. 
Brunehault 230. 
Brunhildebette 603. 
Brundildeflein 406. 
Brunhildeſtraße 385. 


Bruni 206. 

Brunichildis 230. 

Brünne 193. 

Brunnenhold und Brunnenftart 326. 
Brunnenholde 465. 
Brunnenipringen 580. 
Brutpfennig 202. 481. 

Brynhild 180. 229. 336. 371.411.598. 
Bucftaben 234. 

Zubli 599. 

Zui 309. 816. 

Bui Weſetis Sohn 440. 
Bullerclas 560. 

Yullermann 476. 

Burenelaes 567. 

Burg, Sceiterhaufen 600. 
Burgbrennen, Burgaub 572. 

Buri 240. 

Burkard 317. 

Burlenderg 411. 

Zuridenfdaft 553. 

Buſch, brennender 600. 
Buſcharoßmutier 460. 

Butt 19. 

Butte, Buttmann 471. 476. 
Buttmaden 171. 

Büge Butzt Butzemann 471. 477. 
Byrgr 28. 


Cacus 224. 

Caerinthie 410. 

Cain 219. 

Cappa St. Martini 248. 688, 
Carnaval 388. 

Caspar 472. 

St. Caſſiushunde 496. 
Caftor und Pollug 316. 824. 
Chaideruna 87. 
Chalvaricum 568. 
Chariwari 568. 

Charmer und enchanter 585. 
hatten 196. 

Cheru 297. 

Cheruster 298. 

Chiemte 471. 

Childerichs Grab 469. 571. 
Chreoburgio 572. 
Chriemhildegraben 407. 
Chriſtbrand 589. 

Spriftian IL. 217. 
ẽhriſtnacht 677. 
Chriftophorus 279. 366. 
Chriſtſchwein 560. 

Chriſtus und Petrus 227. 
Cimbern 536. 

St. Clemens 574. 


Kleve 317. 

Clobes 471. 

Clojo 497. 

copcessa animalia 519. 
Coralle 466. 

Srawall 583. 

Cultur 254. 
Cunneware 349. 
Cyclopiſche Mauern 508. 


Dachſe 400. 
Dädalus 461. 
dadisas 601. 
Dagobert 369. 
Zaßobert Sognis Sota 195. 210. 
Dain 87. 445. 
Dainsleif 98 
dallr 308. 
Dalr, Hirfd 303. 
Dan, König 221. 
Danewirte 45. 
Dantopfer 497. 
Darmfjen 461. 
Daumen 198. 
Däumerling 287. 
Daumesdid 287. 
Däumliug 972. 
Zeecbatus, oe: 
Dellingr 
—— arts 29. 
Demeter 
Det mit ve Beet 217.362. 418. 558. 
Dejenbesg 490. 
Dövesfteig 400. 
Dexiva 417. 
Diana 217. 241. 386. 
Dichtung 836. 684. 
Diebestunft 269. 
Dienftmagb 594. 
Dietleib 450. 
Dietmar Dietrig Diether 592. 
Dietrih 161. 217. 322. 864. 414. 
PR 454. i 
ietrich ber ſchone, ber unt ne 325. 
Dinge 526. 549. sehe 
Dinger 325. 495 
disablöt 537. 
Difen 91. 378. 490. 498. 537. 
Difenberg, Difibodenberg 490. 
Dod 89. 


döckalfar 444. 
Dobelalogie 174. 
Dolb 19. 


488. 
Döllinger 28. 
Domaldi 411. 520. 


Domfage 57. 
Donar a. f- hör. 

jonar, Flur» und Henn! jott 473. 
St. Donat 20 ” 
Donaumeibchen 466. 
Donnerärte 257. 290. 
Donnerbart 256. 271. 295. 
Donnerbiftel 256 
Donnereidhe 256. 
Donnerpuppe 256. J 
Donnersberg 261. 265. 271. 
Donnersmart 262. 
Donnerstag 370. 473. 508. 571. 
Donnerstagstoft 571. 
Donner ſtein 551. 
Donnerziege 256. 
Dorfgeipenfter 489. 
an 866. 384. 687. 600. 

ornftrauch, Heiliger 600. 
Dorsheim 251. 
Dorstag 251. 
Dorbberg 251. 


Sr 

rar lampf 259. 582. 598. 

Tradenns föpfe 874. 

Dradentödter 248. 

Dräf 479. 

draugr 486. 488. 

Draupnir 65. 66. 81. 82. 89. 90. 
173. . 202. 


Dreki 153. 
Drei Achren 589. 
Drei Schüße 419. 
Dreibeinigleit 489. 501. 
Dreitönigeabend 577. 
Dreifönigefucen 414. 
Dreizahl 169. 178. 
Dreijehn 174. 286. 
Dreizehnter 174. 229. 
iſchelſchlag, Drif e, i 
henke 588. a Dil 
Dröma 113. 
Droffelbart 191. 
Drub 459. 
Drudenmeibel 386. 
Druiden 87. 
Drus 426. 603. 
Drutenftein 551. 
Diümfe 229. 
Dunfelalben 448. 
Dunner Garen 298. 
Durdtriehen 509. 640. 
Durin 450. 
Durs 420. 





Dürft 206. 248. 
Dutten MT. 

vergar 444. 459. 
dvergmäl 468. 
Dwalin 37. 445. 450. 


Car, Rune 29. 
Ebbe 276 488. 
&benröt 110. 441. 452. 


ber 25. 220. 824. 356. 357. 450. 483. 


Ebereſche 337. 610. 
Eberhelme 838. 
hernburg 222. 
Cberritt 493. 
&berrüßel 204. 
Eberſchiulen 220. 
Eberſpeck 548. 
Day 245. 824. 
&cho 466. 
Echternacher Prozeffion 558. 
&dart, der getreue 189. 217. 444. 
&de 100. 286. 
Edenſachs 339. 446. 
Edd 160. 
Edda 301. 
6t. Edigna 512. 588. 
Egbir 432. 
je 212. 
ei 452. 
egisgrima 840. 
Hr 199. 258. 
jebrecher 148. 
Ehegott 201. 
Shelofigtei 


Ehren 269. 
Ehrenbreitenftein 309. 
Ehrenfiy 81. 852. 
ibe 320. 
Eiche 511. 
Eichenholz 600. 
Eihhörnden 256. 566. 
Eide 17. 579. 
Cidegfe 490. 
Siesleitung 368. 608. 
Eigil 24 
pe * 1. 308. 389. 462. 
11,000 Jungfrauen 369. 
Eimeie 9 440. ei 
inarıni inängigleit 294. 
Einbett Sie Warbett 388. 
Einbettenberg 370. 
Einheriar 216. 220. 
ir 338. 546. 
Eirgiafa 803. 338. 546 
Eirit 206. 207. 


Eifa 440. 

Eiſe, Meifter 268. 402. 
Eiſen, Frau 389. 
Gifenbertha 390. 
Eifengebüfd; 26 
Eiſenhandſchuhe 141. 258. 277. 
Eiſenhans 403. 
Cifenhütel 474. 482. 
Gifenfühle 22. 
Cifenfguß 141. 
Eiferner Dann 463. 
Eistla 362. 

Eterten 452. 473. 
Elbegaſt 44. 
Elbenſalbe 547. 
Eiberih 447. 450. 451. 
Eibjguß 457. 495. 
eldborg 572. 
Eidhrimnir 48. 208. 
Eldir 434. 
Elementardienſt 507. 
Eifliht 487. 

Ciffier 469. 

Elias 144. 290. 

9. Eliſabeth 183. 

X. Ciifabeth 396. 567. 
Eliwagar 14. 256. 266. 
Eli 273. 276. 

Ellida 434. 

&is, rauhe 378. 
Eifentroje 318. 

Elſter 498. 541. 646. 
Eifterncultus 513. 
Embla 33. 

St. Emmeran 314. 
England 457. 

Enterifch 426. 

Ent Enz 426. 
Entfehen 446. 467. 
Enzenberg 426. 
Enzjungfrau 409. 

&or 172. 222. 

Eor, Rune 298. 

&orl 302. 807. 
Cormenrid 190. 

St (Heru) 294. 801.324. 
Era 398. 401. 
Erbarmen 514. 
Crbbegen 468. 

Erbmal 524. 601. 
Erbſchlußel 544. 
Cibfen 571. 

Erce 400. 

Eröhenftein 561. 

Erctag 291. 297. 802. 826. 
Erde 172. 


387. 


808 


Erdgottin 67. 201. 
Erdmutter 334. 

Erendelle 269. 

GEresburg 289. 297. 

ic, Schmedentönig 195. 228. 297. 


Erichegaße 228. 
Eitelen, 400. 510. 529. 
Srlöfung 373. 
Ermenfulen 289. 
Grmingeftrete 306. 
Erna 802. 

Erneuerung 150. 


& . 

&sn gescot 548. 

Eie 168. 

&jel 522. 

Etelmutter 512. 

Eticho 350. 388. 

&tel 161. 252. 297. 

tel, Berg 252 291. 

Eugel 270. 452. 

Eueufpiegel 33. 887. 

&wart 532. 

Ewig jagen 218. 226. 864. 

Ewiger Jube 142. 225. 226. 

Ewiges Leben 145. 

Ewiges Licht 569. 

Erfiern 498. 

Erfternfteine 498. 

Eyfein 518, 
jabian Sebaftian 578. 
jadtel«, Ferkeimachen 488. 
jaden 864, rother 595. 
‚afnir 371. 372. 378. 
‚ahl 501. 

Fährgeld 600. 

Fairguneis 254. 285. 
alten 32. 

‚altenhembe 31. 277. 861. 
jangten 438. 

jallada 544. 

jaofensfeuer 572. 

arbauti 102. 

jarmatyır 88. 

‚arnfame 610. 

afeltsfaufe 441. 

Faſold 228. 441. 452, 
ak, großes 360, 
;aftenfeuer 578. 
;aftenipeife 561. 
jats (tria) 305. 


auſtſagt 200. 206. 260. 267. 
echten 414. 

ederhemd 268. 

;en oder Feien 182. 367. 
hmollen 562. 

eibach 369. 

eierabend 24. 
Seinen 367. 

eirefiz 335. 402. 

eld 
eidgotier 459. 

eidauber 542. 

enesleute 449. 460. 
Fenggen 488. 

go 226. 

ienja 266. 550. 

ienrir 26. 98. 106. 249. 277. 
ienfalir 49. 79. 

ferarım imagines 529. 
jerenand getrü 326. 

'ergunna 254. 
Sn 588. 

ehelung, ſymboliſche 510. 
Geftfeuer 567. 
detialen 196. 
5 das Beſte 508. 





ieuerbeiprechen 540. 

euerbrand 595. 

euerdienft 508. 568. 
Feuerhalen 596. 

‚euerhölle 159. 319. 822. 

ierrad 570. 

uerzündung 570. 

sialar 239. 243. 245. 

ides Spes Caritas 868. 369. 
Fieber 547. 
Bil: 245. 
Simbuftge 150. 152. 181. 200. 
Fimbulwinter 91. 124. 146. 152. 
Finnen, ae 310. 
Finfternifie 24. 
Siölfyngi 638, 

iölnie 150. 343. 





gen 561. 

lachs 399. 400. 
liege 101. 502. 
lügelihube 474- 
under 116- 
öhre 612. 
olhans 204. 
‚old 501. 
ioltwald 348. 


önn 431. 
fonticolae 507. 
formae 529. - 
forneotes folme 550. 
fornfredi 538. 
jorniotr 15. 394. 431. 448. 
orniots Söhne 99. 
orſeti 48. 175. 189. 329. 
orjpiallstiodh 76. 
ortunat 201. 512. 
ofiteland 329. 
effegeim 439. 468. 502. 503. 
Foſtri 254. 
Srafaftenthier 489. 
ranängr 111. 
ranfenland 190. 
ranffurt 58. 
;tanmar Jarl 512. 
Heu Werthſchatzung der 535. 


Fan a 43. 348. 360. 


rauenherz 332. 
räuja 530. 
Frea 106 206 360. 382 





reyfari 513. 

Fregja Frouwa 62. 81. 304. 
8357. 374. 381. 416. 429. 
491. 525. 573. 

‚eyjubagr 361. 

‚regt (&r6) 64. 81. ®, 9 

163. 173. 177. 203. 

— Dradentämpfer Fe 
98 Freund 593. 

98 Prieſterin 535. 556. 

— Spiel 346. 

— Wagen 252. 530. 
ia 857. 361. 512. 
ricco 172. 174. 361. 
vida 402. 413. 
idhuwald 348. 
ribleif 349. 366. 

t. Fridolin 540 
iedensbrecher 109. 294. 
iedensihluß 176. 238, 
iebhäfe 527. 

Gimzsd, Mythologie. 





Friedriche 161. 218. 
riedrich von Schwaben 409. 
. ren Ausgeberin 404. 
‚riejenrecht 329. 
rigga.249. 977. 

‚rille 284. 

tig, der afte 219. 

ro 217. 280. 361. 581. 
röblot 348. 

rödi 349. 433. 550. 

Frodis Frieden 54. 

Fromut 418. 

Sronfaften 206. 489. 

Sronfaftennagt 489. 

Sronfaftenweiber 225. 489, 
roſti 394 412. 481. 

one 349. 

Froumwa 201. 565. 

Sröwin 190. 206. 352. 

Srühfingsfefte 578. 

Fruote 349. 

Fuchs 256. 566. 594. 

Fuctelmänner 487. 

Fuhrmann 229. 

Fuld 340. 501. 

Fulla 90. 386. 
unafengr 434. 
ünffingerfcaut 550. 
unfzehn Zeichen 146. 

Sunfenfchlagen 557. 
‚unfentag 571. 
furor teutonicus 186. 

Sußipuren 503. 553. 
De Mai 588. 

Ki 493. 
igien 83. 879. 


Gabia 398. 

Gadebaſſe 585. . 
Gadelam 585. 

Galar 239. 242. 245. 
galdr 534. 

Galgen 238. 
Satdenmänntein 202. 480. 
Galmy 322. 

Gambantein 311. 416. 
Gambara 383. 536. 
Gandarven 246. 448. 
Ganglat 334. 

Sangleri 189. 

Gänge 481. 

Gangradr 154. 183. 189. 248. 
Gangrl 450. 

Sänfe 491. 

Sansbein 544. 

Ganefuß, Königin 410. 


39 





so 


Garde 314. 
Gardaſee 826. 
526. 


gards 3 
Sarbrofwa 418. 
Garm 27. 
Gaftfreifeit 227. 275. 523. 
Gauch 516. 

Gaube, Gauden 217. 226. 
Gaue 185. 894. 
Gaut 170. 188. 
Gawadia 398. 

Seat 190. 

Geban 362. 
Gebärmutter 540. 
Gebeleizeis 521. 
Gebet 506. 518. 
Geburt 591. 
Geburtstag 503. 
Gebütt 522. 
Gedenberntden 557. . 
Gefion 362. 

Gefn 361. 362. 442. 
Geirhild 206. 


Geirröbhr 187. 206. 277. 280. 819. 


332. 425. 441. 
Geirröbhsgarb 277. 
Geirwimul 279. 
Geifterfichtig 210. 467. 
Gelder 92. 

Gelgia 105. 

Gelte 436. 

Gelubde 93. 524. 875. 
Gennãachte, Gomachten 577. 

Genovefa 322. 

Geofon 379. 

©t. Georg 248. 249. 

Gerade 395. 


Gerda 64. 66. 203. 235. 811. 880. 


Gereonstift 398. 

Gerhabe 538. 

Gerhard 309. 815. 

— , ber gute 478. 

— von Holenbad; 200. 801. 
Gerihtebaum 41. 407. 526. 
Gerihtsmal 552. 
Gerichtsſchwein 852. 
Geroldsed 215. 218. 
Gerolt 309. 

Gerret 309. 

Gerjemi 417. 

Gerftenzoll 588. 


Gertrud 891. 392. 484. 516. DM. 


629. 682. 557. 579. 
Gertrubenminne 391. 898. 
Gertrudsvogel 28. 58. 892. 
Geruthe 266. 


Geruthus 278. 425. 
Sernones 224. 
Geſchwiſterehe 341. 
Sefecg 191. 

Seſpenſter 487. 

Geht der Blinde 474. 
Gefirndienk 25. 514. 
Seten 617. 

Gevatter Tod 206. 598. 
Gevatterſchaft 206. 
Sewar 91. 
Gemwittergott 67. 
Sfrörer 202. 
Gioflarbrüde 81. 279. 
Siollarhorn 281. 
Giälp 278. 280. 302. 838. 
Gibid) 188. 453. 

Gicht 588. - 
Gießvogel 615. 

Silbe 621. 

Giling 239. 

Simil 45. 150. 168. 156. 188. 


GSladsheim 51. 187. 
Slapfwidr 189. 
Glasberg 50. 158. 203. 448. 
Slafır Hain 48. 
@läfiswalr 280. 
OBleipnir 104. 

Slem 21. 

Slerhimin 48. 399. 
riir 3, in 
Glode als Schlafmüge 287. 
@loden 257. 469. 
Slogenhaß 447. 496. 
Gldd 440. 
Glüdshaube 188. 
Glüdsftern 183. 
Gnä 418. 

Gnipalund 280. 
Onypahöhle 186. 
©öban 185. 296. 
Goöde 185. 217. 898. 
Göde, Bathin 538. 
Gobenelter 185. 265. 
Sodenhaus 185. 265. 
Sodenowa 185. 
Godesberg 186. 288. 
Sodi 638. 

Gdi 89. 


Sodiblot 394. 
Soin u. Moin 37. 592. 
Soldalter 51. 158. 
Soldemar 447. 451.592. 
Goldferh 352. 
Goldhirid 356. 
Soldlicht 434. 
Selemiche, awölf 61. 198. 
Goldſtüd 
FANG  ofdrotrfe 61. 
Soldwälche 412. 
Sollfteine 406. 
Göndul 378. 
®or 393. 
Gormo 274. 278. 
Gormonat 394. 
Goſe 476. 

‚Otesslac 548. 

otland 262. 
Gott 168. 169. 

—, allgemeiner 289. 814. 

—, unausgefprohener 51. 153. 170. 
Götterbilder 520. 526. 648. 
Götterbämmerung 113. 124. 
GSötterlieber 530. 
Göttermutter 339. 357. 
Götterpferde 174. 
Götterfprachen 255. 
Söttermagen 212. 544. 558. 
Sottestraht 557. 
Sottſchalt 593. 
Gräfin 870. 396. 866. 
Srafwitnie 97. 


isivauc 186, 
Graite 837. 896. 
Gral 244. 


Granı Odins 195.204. 

Sram Schwert 208. 

Granatlörner 279. 

Grani 71. 203. 219. 588. 

— Sigurds Hengft 194. 

Granmar 196. 

Graswaldane 186. 

Srauer Rod 267. 

Graumann 501. 

Sredel in der Butten 532. 580. 

Sreifenfage 280. 

Greip 199. 278. 302. 388. 

Greife getötet 258. 5BB. 

Grendel 331. 339, 486. 488. 489. 569. 

Grenzbäume 406. 

Srengraben 407. 

Grete 337. 

Gridh 277. 280. 856. 892. 411. 
425. 531. 

Griete 337. 


su 


rim umb Hilde 899. 
ma 889. 
rimur 189. 202. 
Grimnir 187. 189. 227. 
Srintenſchmidt 461. 
Griottunagardr 262. 
Groͤa 263. 265. 298. 
til grödrar 519. 
grögaldr 312. 
Sıoningafund 268. 
Grönjette 219. 501. 
Sroſchen 226. 
Großmutter des Teufels 283. 286. 
Orottenlied 349. 
©rotti 266. 349. 364. 
Grund 280. 
Grüner Jäger 501. 
— Mann 585. 
Grüne Wege 228. 805. 
©ualdana 186. 
Gübid 453. 
Sudenau 185. 265. 
Gudensberg 213. 
Gubmund 279. 280. 425. 497. 
Gudr, Gundr 392. 551. 
Gudrun 878. 381. 
Guerbett 368. 
Qudfiöbr 29. 
Gullinburſti 81. 178. 340. 856. 
Gulltopr 81. 305. 
Gulfioeig 52. 
Gumprecht 464. 
Gunberebe, Gundermann 551. 
Gundr 379. 
Sängnir 131. 173. 190. 199. 204. 
281. 323. 472. 
Gunnar 328. 
Sunnlödh 240. 243. 246. 330. 388. 
Gunther Gernot Gifelher 592. 
@uro 219. 
@uftr 448. 
Gütden 475. 
Gwödan 185 860. 882. 
Gwydion 186. 229. 


Haarfämmen 85. 
Haberfeld, Haberfell 568. 
Habichte 192. 
Habonde 386. 


Hahn 411. 
Hadelberg, Hadelbernt, Hadelberend 


612 


192. 198. 200. 209. 217. 220. 
225. 243. 260. 324. 348. 851. 392. 

Hadelmai 589. 

‚Habbing 192. 826. 365. 602. 

Habu 93. 94. 309. 

daſdi 262. 

Haferbräutigam 558. 

Haferweihe, 871. 

Hafrabröttin 252. 

Hafafru 465. 

Haften und Vande 113. 

Hagberta 442. 

hagedisse hagetisse 490. 

Hagen 92. 391. 

hägtessan gescot 548. 

Hahn 321. 407. 508. auf dem Kirch · 
thurm 306. 

Hahnenfeder 260. 

Hahnenfrat 46. 67. 

Hahnfahlagen 587. 

Hain Freund 526. 

Halfdan 430. ber alte 205. 

Halfiage 385. 

Halja 838. . 

Hallfeuer 591. 

Hallinftidi 305. 

Halmbod 588. 

Hälogi 440. 

Halsband 216. 

hamar 257. 

hamingia 879. 

Hamlet 266. 

Hammer 262. 257. 277 501. 529. 

Hämmerlin 502. 

Hammermweihe 62. 534. 

Hammerwurf 197. 252. 262. 294. 


653. 
Hampelmann 472. 
Hamfterpix 427. 
Hand und Fuß 275. 
Handgemahl 543. 
Handihuh 272. 274. 
Hängatyr 238. 258. 540. 
Hans, der ftarfe 286. 5 
Hanfel Hanfelmann 472. 590. 
Här Yafıhar Thribhi 188. 
Harbard 464. 
Hardenberg 450. 
Härbmändli 450. 
Harfe 398. 
Häringe 561. 
Harle 257. 398. 409. 464. 
Harfungengold 373. 411. 
Harthere 326. 
Hartung 326. 
harac 525. 529. 


Harzfelfen 34. 
Hafe“510. 

Safelftäbe 526. 
Hafelmurm 515. 
Haßjäger 219. 354. 
Hati 26. 107- 
Hanfemännerden 405. 
Haulemutter 417. 
Hauptmann vom Berge 499. 
Hausfrau 869. 
Hausgeifter 470. 624. 
Hausmarte 543. 
Hausfchlangen 478. 514. 
Hauswurz 256. 
Hämamäl 236. 


g 158. 
Hedethaler 202. 481 
Hebin 380. 571. 
Hedninge 216- 

‚Heer, altes 215. 
‚Heerbfeuer 470. 
‚Heerpfeil 196. 
Heerſtraße 228. 
Heerzeichen 534. 

‚Heid 52. 


raupnir 156. 

Heidenwerfen 271- 

‚Heidr 686. 

Heibret 474. 

Heibrun 47. 207. 368. 

heilawäc 508 

Heilende Hände 547. 

Heiling 429. 453. 

Heiltunft 247. 546. 

Heilräthinnen 365. 

Heilung 541. 

Heimdal 31. 48. 77. 81. 108. 112. 
131. 134. 250. 800. 809. 

Heimbali 305. 

Heimbals Haupt 300. 

‚Heime 437. 

heimkastr 306. 

Heimfehr 199. 322. 

Heinen 399. 404. 445. 494. 526. 

Henri) 427. 478. 

&. Heinri) 215. 

Heinrich ber Loöwe 199. 220. 501. 

— von Ofterdingen 200. 553. 

Hel 27.40. 81.104. 157.332 333.499. 

Helanus 508. 

Helblindi 99. 370. 

‚Het, die, 335. 866. 610. 

Helbengeift 876. 572. 

Helena, bie gebuldige 322. 








Helgi 195. 196. 211. 328.492.499.591. 
Er 8. 
elgoland 329. 
Seikaus 224. 
Helheim 44. 
helhüt 228. 
Heliäger 218. 225. 320. 
Helias 315. 317. 356. 
Heljus 356. 
‚Helle 401. 
Seltepet 286. 
Hellequin 218. 
hellerigel 831. 
'hellewelf 501. 
Hellpaus 224. 
Hellia 333. 408. 462. 
hellirüna 540. 
Helm 183. 
Helmwagen 228. 
Helweg 80. 81. 420. 
‚Heming 269. 
Hengift, Heingeift 190. 
Hentel 262. 
Henneschen 472. 
Heorrenda 92. 
‚Heppa, Heppin 550. 
Hera 299. 400. 
Herbart Herbegen Sintram 592. 
Herbftfäden 466. 
Herbftpferd 521. 659. 
herburgium 572. 
Herchenſiein 400. 
Hercules 172. 229. 254. 256. 257. 
287. 288. 608. 
Hercules Saranus 264. 428. 
Herculesfäulen 508. 529. 
hercynia silva 254. 
Heremöd 190. 194. 316. 328. 428. 
Heresberg Heresburg 297. 
Herflötr 378. 
Hergrim 439. 
Herian 188. 
Heribrand Hildebrand Hadubrand 592 
Heringe 290. 414. 
‚Herte 299.398. 400. 588. 
Herten 400. 
Herfia 401. 451. 
Herla, König 219. 
Herlaug 330. 
Herleif 466. 
Herm 308. 
Herman 289. 307. 
Hermanftein 309. 
Hermeias 224. 
Hermel 286. 287. 308. 330. 
Hermen 288. 289. 


618 


‚Hermes 289. 
Hermine 17. 
‚Herminonen 308. 
Hermöbhr 81. 94. 203. 316. 828, 
336. 425. 
Hermunduren 196. 308. 
‚Herne, Jäger 218. 565. 
‚Herobe 219. 
Herodias 219. 224. 386. 495. 
‚Herodis 225. 
Herolbsamt 534. 
Herrgottfteine 552. 
Herteitr 188. 
Hertlin 450. 
Hertnit 326. 
heru 297. 398. 
Herzeßen 161. 549. 
exen 458.492. 488. Name 190. 498. 
Segenfahtten 492. 
Herenprobe 491. 
‚Herenverbrennen 572. 
Yiadringawig 380. 
Hiälmberi 188. 
Hiälmgunnar 180. 
Hiartelmai 401. 
Hiarrandi 397. 
Hildabertha 409. 
Hildana 417. 
Hilde 92. 177. 216. 880. 385. 402. 
Kilde Schnee 385. 386. 
Hildegrin 339. 
Hildiſwin 340. 
Er g 597. 
Hillige Yuffern 558. 
Hilligen Tage 576. 
Himinbiörg 48.231. 304. 
Himinbriotr 282. 
Himmel im Berge 464. 
Himmelting 31. 
Himmelsbergen 46. 49. 
Himmelsſchafflet 581. 
Himmelsjdild 22. 
Himmelsmwagen 228. 306. 
Himmeltatl 253. 
Dinge, Hinzelmann 471. 
Hirte 400. 
Hirlanda 322. 
Hirmin 173. 289. 308. 
St. Hirmon 369. 
Hirfd) 41. 220. 
Hirſch verfodt 354. 
Hirigürtel 549. 
Hirſchhaut 356. 554. 
Hirföhorn 87 353. 434. 
Hirfläfer 256. 454. 
Virfepfeule 220. 


614 


iuti 28. Hopfenhätel 474. 
lautbollar, hlautteinar 522. höpt u. bönd 113. 124. 
ebard 439. Horand 92. 468. 
löfrege 188. Hörgabrud 440. 520. 586. 
Hler 99 109. 406. 431. 494. hörgr 525. 
Hlibftiälf 46. 111. 192. 284. 804. YHörkelmei 589. 
Huf und Hüfthurfe 546. Horn 233. 250. 
$lin 192. 418. Körner auffegen 565. 
Hlöd 378. Hörfelberg 405. 518. 528. 
Hlödyn 254. 417. Hormandil 266. 
löra 255. hoskelreia 216. 
lörribi 191. 255. 284. Hotherus 91. 2 
Hlubana Hlubena 417. Hätte 191. 206. 
Hnikudr, Hnikar 187. 497. 466.474. Hoher von Dansfeld 971. 317. 
Hnitberg 239. Hrafnagaldr 75. 
Hnofe 417. Hrafntel 512. 
gear pfeiler 534. 645. Hräni 193. 
og zelisgeſchente 84. 697. Hreeſwelgr 11. 481. 
Hodhmimir 155. Hrede 394. 
Hobbmimis Holz 151. 165. Hredmönadh 396. 
Hobbraupnir 156. Hreidmar 372 


Senf (Eübur) 80. 85. 90. 150. 193. _Srimfapl 20 
316. 324. Hrimgerbr 430. 497. 
Hoenir 32. 100.114. 180. 164. Inı. Örimgrimnir 285. 





176. 187. Hrimnir 430. 
Hofgöbi 526. 534. Hrimthurfen 15. 86. 
Hofhwarpnir 418. Hring, König 205. 
Högni 380. Hringhorn 80. 87. 
Hojemannlein 472. Hrobmund 190. 
Holda 160. 409. 475. 4 Hrodfo 219. 

Holden, doldechen Seineten 416.495. Hrölf 394. 

Holger Danste 163. — Krati 193. 209. 
Hola 336. 842. 405. 464. Hroptatgr 292. 
Hollabrunn 404. Hrofshärsgrani 181. 191. 196. 
Hölle 333. J Hrotmitnir 26. 
Höllenflüße 287. an mir 259. 262. 
Höllenhunb 501. Hruoda 895. 
Höllenftein 404. Hrymr 128. 
Höllenftrafen 148. 159. 354. St. Hubert 921. 
Höllenwolf 501. Hudepöt 487. 
Hölfenzwang 535. 540. Huden 562. 

oller 919. Sufidtng 94. 807. 

Hollunder 162. Hügelalter 350. 
Holmgarb 321. Huggel 461. 
Higerne Hände und Füße 275. Hugi 273. 
Holzfahrt 581. Hugin 76. 192. 
Sohgerit 407. Hugo Gapet 212. 55B. 
Holzleute 460. Hugſchapler 347. 
holzmuoja holzmuwo 405. Hühnerfuß 501. 
Hofzuührlein 58. Hulda 224. 373. 402. 
Holaftoß 599 Huldana 417. 
Sefimeibtein 223. Huldra 400. 402. 
gonie igthau Huldreslat 404. 

00d, Robin 130, 319. 580. ne und Fülle 372. 

looden 249. 819. li 404. 


Hoodening 249. —* 500. 


Hummel 487. 
Hün 497. 
Hund 381. 371. 
Hunbing 195. 
Öünebetten 426. 508. 
Hunen, Hünen 427. 
Hungerbrunnen 507. 
hünsche 547. 
Quozto 28 286. 
Hurfe 400, 
Hütchen (Hodefen) 452. 474. 
rau Su 429. 
velpr 
Snergeimir "IA. 86. 169. 
Hwila 183. 
Hmitaftierna 292. 
Symir 68. 281. 427. 
Hynbla 68. 368. 498. 498. 678. 
Birieus 243. 
Öyrrofin 80. 87. 


gädele 219. 

Jacobaftab 361. 

Jafnhar 188. 

Jagdhunde 224. 

Jäger, wilder, 216. 532. 

Jahresgott 30. 

Jalangrohaide 349. 

Yale Gr 439. 445. 

Jardhar. men 306. 

Jarl 307 

Fe "265.303. 838. 

Jarniwwidiur 26.428.462. 

YJarnwidr 26. 

Ibor und Ajo 383. 

Idafeld 50. 74. 150. 155. 167. 

Idi 431. 

Idiſen 378. 490. 

Idisiaviso 379. 

Ibun 40. 71. 75. 88. 183. 284. 880. 
349. 463. 

Jettha 424. 435. 536, 

Jerthenbühel 424. 

Ming 44. 273. 426. 
finger 182. 

alis 569. 


Smelungengort 411. 
Indra Bit. 

Ing, Sohn des Mannns 306, 592, 
Ingo, Schwedenldnig 304 

Inguio 16. 17. 349. 


Ingpi 190. 
Iohanne® der Eoangelift 625. 


15 


Johannes ber Täufer 244. 886. 525. 

—, getreuer 69. 

Johannisbad 888. 

Johannisblut 243. 886. 

Aohannisfeft 585. 

Zohannisjeuer 568. 

Iohannisjegen 524. 

Jolull 431. 

Sonafur 177. 194. 210, 

Jördh 27. 262. 837. 

Sörmungandr 104. 106, 128. 188. 

JIörun 79. 

Sötunheim 44. 

iötunmödr 425. 

iötunn 155. 181. 426. 

Jovis (Mons, barba) 271. 

Iran 218. 

Iring 228. 297. 306. 

Sringefraße 228. 806. 

irmin- 228. 330. 

Irmin 188. 250. 288. 289. 806. 
807. 328. 

Irmincot 289. 

Irmineswagen 278. 806. . 

Irminftid 306. 

Irminjäule 229. 288. 806. 529. 

Irminftraße 228. 306. 

Iretraut 510. 

Irrfichter, Irewifche 487. 

Iſe 390. 

Sienftein 390. 

Iſis 230. 342. 387. 529. 

Iſtawonen 327. 

Io Ingo Irmino 16. 17. 592. 

Yung 326. 

Itha von Toggenburg 567. 

Itis 4 

Sudasfeuer 170. 552 

Zube, ewiger 226. 

Judel 478. 

Julabend 524. 

Zuffet 50. 574. 

Jungbrunnen 38. 40. 507. 

Juno 160. 815. 403. 

Zupiter 172. 271. 

Yüten 426. 

Juthungen 292. 

Iwaldi 75. 173. 174. 106. 487. 

Iwar, Lobbrods Sohn 554. 

Iwein 138. 200. 461. 

Jwidien 228. 460. 


Käferdienft 514. 
Kaifer, alter 464. 
Kälberritt 493. 
Kälberftiinmen St 


616 


Kälberweihe 337. 

Kali 834. 

-Kalstar und kölstar 635. 
Kalter Schlag 123. 

Xalypfo 315. 388. 

Kann 368. 

Kara 326. 493. 

Kari 99. 171. 431. 451. 508. 
Karl 30. 478. 

Karl d. Gr. 38. 161. 194. 213. 


Karl d.Gr.Heimkehr 200. Zeugung183. 


Karl V. 218. 277. 

Bring Karl 162. 

Karfe Ouintes 218. 
Karlsweg, Karlswagen 192. 229. 
Karpfen 414. 

Karrenräder 564. 
Kartenfpiel 692. 

Käsperle 472. 

Katermann 471. 
Rattenfillers 565. 

Kay im Sad 482. 

Rate 490. 565. 
Ragengelpann 81. 498. 565. 
Ragenmufit 563. 

Ragentritt 104. 

Katenveit 471. 

Kauber Siegel 370. 531. 
Kaufmann v. Benebig 554. 
Kedalion 223. 275. 

Kedrih 71. 

Kegel 215. 271. 

Kegelipiel 271. 295. 

Kerans 204. 

Kerta 299. 

Kerlang 256. 

Kerlingiſche Ahnenmutter 410. 
Keßel 204. 

Kette 527. 

Keule 92. 257. 288.289. 
Kialaf 187. 

Kifihäufer 161 214. 404. 

Kili 245. 

Riltgang 597. 

Kinder, ungetaufte 212. 229. 
Kinderbrunnen 34. 


Kinderftamm 34. 48. 194. 528. 698. 


Kirchhof 826. 

Kirmes 590. 

Kifte 131. 

Klagemuhmen Klagemütter Klage · 
auen 404. 

Klapperbod 559. 

Klaubauf 560. 

Kleban 72. 

Kleindäumchen 287. 


Klinfor 183. 200. 260. 
Kiopfet 561. 

Elopflinnãchte 558. 561. 563. 
Klöge abwerfen 271. 
Knechtchen 229. 

Knechte 258. 

Aniefegung 552. 

Knochen 320. 

Rnöpfli 562. 

Knudeln 561. 

Kuüppel aus dem Sad 197. 
Kobold 471. 

Kohldieb 29. 

Kolben 289. 

Koller 266. 

Königin 396. 497. 578. 
Königthum 532. 

Körmt und Dermt 256. 


Krampus 560. 
Krankheiten 547. 
Kränhen 582. 
Krapfen 561. 563. 
Kräuter 550. 
Kräuterfunde 551. 
Krautweihe 509. 548. 
Krebs 222. 

Krebſe 562. 
Krembaum 41. 
Kreuzdorn 510. 
Kreuzhammer 562. 578. 
Kreugweg 212. 
Kreugjeichen 296. 
Krieg, erfter 54. 
Kriegsgott 292. 
Kriemhild 32. 249. 299. 
Kriembildefpil 406. 
Kriembildeftein 406. 
Krintifaha 331. 

Kröten hüten 464. 
Kudud 482. 515. 
Kühe 25. 224. 

Kuhn 532. 

Kuhtod 547. 
Kümmelbrot 461. 
Kuniberts Putz 399. 
Kunigunde v. Künaft 71. 
Kunkelſteine 406. 
Kürdchen Bingeling 286. 
Rufe 541. 

Küfter 481. 

Kutfchgaß 229. 
kveldridur 497. 
Kwäfir 176. 179. 288. 248. 


Lachen 343. 456. 
Lachend flerben 208. 
Lachs 111. 114. 120. 
Fäding 104. 

2eerab 36. 48. 528. 
Lambõ 584. 

Land des Lebens 200. 
Landas 257. 
Landsknechte 465. 
Landwidi 48. 140. 
Langobarden 192. 206. 382. 591. 
Laubeinlleidung 585. 
Lauch 592. 

Laufey 102. 
Faugardagr 331. 
Lauingen 71. 

Laurin 275. 450. 458. 
Lauterfreß 432. 
Lautverſchiebung 186. 
Lebenslicht 593. 
Lebermeer 458. 
lectisternium 168. 
lectulus 406. 407. 
Xeberbede 220. 
Lederftreifen 132. 139. 
Leihenbrand 313. 
Leichenfeier, Teichenfpiele 599. 
Leichenwache 598. 
Seidfran 405. 

Leinernte 285. 435. 442, 
geipte 368. 

Leirwör 432. 
Lemminkainen 227. 
Lenore 390. 458. 

St. Leonhard 250. 524. 527. 554. 591. 
Fichtelben 443. 

Liebes gott 66. 167. 
Siebestuchen 548. 
Liebesſage 325. 
Xiebfranenhand 550. 
Liederſchmiede 534. 
Liedſtab 236. 

if u. Sifthrafir 161.174. 
Lind 436. 

Linde 163. 401. 407. 409. 511. 529. 
Lindenzweig 495. 
Lindwurm 374. 486. 486. 
Liösälfaheim 44. 451. 
tiösberi 312. 

it 81. 88. ° 

lit de justice 407. 
Niuflingar 446. 

Lodhr 33. 

2ofar 101. 450. 


Lofn 417. 
20gi100.108.110.273.481.440.451.452. 


617 


Lohengrin Loherangrin 315.-318. 878. 

Lohjungfern 223. 

Lofi 26. 56. 59. 62. 74. 79. 92. 98. 
99. 101. 102. 134. 171. 260. 806. 
331. 363. 373. J 

— Beſtrafung 101. 

— Bodsdieb 260. 

— Kuh 101. 

— Name 102. 

— Todtengott 110. 

— und Thör 261. 

London 554. 

Looßen 234. 535. 543. 

Loptr 33. 189. 

Lorg 433. 450. 

Lorjcher Ser 486. 


"208 588. 


Lostage 576. 
Lotterholz 544. 
Foubi 121. 

Töme 174. 200. 462. 
— ber frante, 549. 
Löwenmild 447. 
Lubbe 427. 
Tüchtemannelens 487. 
St. Lucie 418. 
!üderih 356. 

St. Sudger 329. 
lüdr 19. 

Lufthildis 407. 554. 
euftihifi 541. 

Luna 171. 
Lurlenberg 411. 
Lynchiuſtig 565. 
yngwi 105. 194. 


Macbeth 582. 

Macbuff 317. 
Mädchenverfleigerung 590. 
Mabelger 550. 

Maben 35. 

Magnetberg 453. 

Magni 151. 155. 255. 263. 
Mäha 588. 

Mahber 26. 

Mahiberg 407. 
Mahftätten 407. 

Mahrt 417. 457. 464. 
Maibaum 581. 588.590. 
Moiblumen 395. 
Maibraut 583. 
Maienführer 582. 
Maifett 564. 582. 584. 
Maigraf 562. 582. 
Maijinde 583. 

Maitäfer 579. 





sıs 


Maitönig 582. 688. 

Mailehn 588. 

Mairitt Ban. 

Maltag 

— 492. 

Mafrofosmos 20. 

Malftrom 34: 

Managarm 26. 126. 130, 136. 147, 

Mandragora 480. 

Mangold 550. 

Mäni 21. 

manipulus frumenti 314, 698. 

Mann vom Berge 208. 351. 

Mannheim 44. 

Mannigfual 42. 

Mannus 16. 300. 

Mannstoll 62. 

Mantel 198. 200. 201. 553. 

Mantelfahrerin 494. 

Manteltinber 553. 

Mar 457. 

Marcegger 487. 

Mardöll 861. 

Mareien 367. 

Margret 337. 

Maria ad nives 385. 

Maria, ſchwarze 336. 388. 508. 

Marian, maid 560. 

Marien Heimfuhung 397. 

Marienfind 367. 612. 

— 6if 397. 

Markorüder 460. 

Marmennil 466. 

Mars 172. 196. 307. 

Marien 525. 

Marfilius 565. 

St. Martin 192. 248. 524, 
583. 640. 574. 

Maı ier 619. 659. 

Bartinelom 521. 








Martinshorn 563. 

Martinstag 5683. 
Mertinsoßgeldien 415. 517. 541. 
Marzana 572. 

Matern 197. 261. 314. 540. 
Matres 365. 

Matronencultus 368. 

St. Mattheis 578. 

Maus 391. 398. 482. 
Mäufefraß 391. 

Mänjemaden 484. 

Mäufethurm 484. 
Meeraustrinfen 276. 
Meerleuchten 434. 

Meerminnen 466. 

Meerweiber 232. 378. 465. 509. 


Neerwunber 437. 

Megingiarbr 258. 

Mehifütterung 224. 

Meineidiger 148. 159. 

Meifterijuß 267. 

Meifterfiüd 29. 269. 

Melufine 356. 410. 448. 467. bb4. 

Mendelberg 158. 

Menglada 30. 175, 190. 838. 878. 
463. 546. 

Denja 266. 550. 

menni minne 468. 

Venſchenfarbe 335. 

Menfchenfreher 287. 

Menjdenlende 219. 

Menfchenopfer 520. 

Mercur 196. 202. 284. 819. 

Mercur Hercules Mare 171. 174. 

Vercurs Vogel 501. - 
Merlin 260. 

Mermeut 441. 

Meroveus 437. 

Merowinge 583. 

Mersburg 297. 

Mertche 479. 

Merten 219. 

Meßer im Rüden 478. 

Metallfönig 461. 

Meth 237. 

metodogiscapu 189, 366. 

Metten, Mettena 365. 

Metger 388. 556. 588. 

Metsgerfprung 580. 

Meucdelmörder 148. 189. 

St Michael 248. 206. 299. 391. 
401. 420. 529. 581. 

Deutſcher Michel 590. 

Michel Tod 295. 

Midels- und Martinsfener 573. 

Midgarb 20. 44. 144. 

Misgarbfiilange 138. 132. 382. 
Mignon 260. 
Milhbrüder 899. 

Milhende Kuh 101. 

Mihftrage 228. 229. 849. 

Mimameibr 39. 143. 

Mime 93. 461. 460. 

Nimir Mimr 97. 176, 189. 294. 488. 

Mimirs Haupt 181. 

— Quelle 39 230. 304. 

— Söhne 232. 

— Zrinfhorn 231. 

Mimling 230. 

Mimring 91. 93. 461. 

Mimung 93. 

Minuta 280. 


NMinnetrunf 280.396. 524. 567. 574. 
Miöll 431. 

Miölnir 181. 151. 257. 
miötudhr 170.300. 324. 

misseri 548. 

Miflale 274. 

Mir 376. 

Miftiltein 80. 

Mitgefühl der Natur 126. 509. 
Wikrasdient 265. 

Nitilagart 144. 

Mitothin 321. 360. 

Mittagsfclaf 554. 

Mitwitnir 439. 

Model 588. 

Mödurlälfi 144. 262. . 
Mödgubhr 81. 335. 421. 426. 
Modgudr 411. 

Mödhi 51. 155. 191. 256. 
Modreneht 578. 

Modfoguir 450. 

Mohnftriggel 561. 

Mohrenfönig 581. 582. 584. 
Mole 562. 

Molizlaufen 584 

Menategötter 49, Monatsgöttinnen 


Mön) 479. 

Mond 419. 

Mond, Dann im, 23. 
Mondfinfterniffe 25. 
Mondgöttin 24. 420. 
Rondlalb 549. 
Mondichein 28. 419. 
Monbfichel 281. 
Moneta 417. 
Monotheismus 152. 188. 
mons gaudii 158. 
Meoeitutt, Mooeweibchen 220. 923. 


Mord, erfier 52. 54. 
Mordbuße 373. 553. 
Morgenroth 308. 
Morgenftern 420. 
Morgenthau 151. 156. 
Möringer 199. 222. 
Moßberg 221. 

Motte, Frau Motte, Mottenfen 576. 
Müden 487. 

Muff, Hans 559. 
Mühifein 287. 
Müpleuweg 549. 

Mubme 466. 

Miüming 230. 466. 
Mumman, Mummart 471. 
Mümmelden 466. 


618 


Munmmelfee 466. 
Mundilföri 21. 
Mundium 896. 
Mundientin 869. 
Munin 192. 

Duomel 230. 466. 
Muota 215. 

Murbel 515. 
Wuspelheim 14. 44. 46. 
Muspeld Söhne 128. 256. 
Mufpilli 148. 144. 
Muß 368, 

Mut 185. 

Mutesheer 211. 214. 
Myfingr 349 

Mythus 1. 


Nacht 27. 391, 

Nächte 250. 332. 

Nachtfahrerin 498. 

Rachtfräulein 405. 

Nacigeift 468. 

NRadtmar 457. 

Nadıtwandler 69. 

Nacjzehrer 489. 

Nägelbejehneiden 128. 

Raglfar das Schiff 119. 120. 147. 

Naglfart 27. 28 

näir 445. ” 

Näl 102. 

Namengebung 591. 

Namensgeichent 384. 

Namenstag 591. 

Nanna 79. 81. 88. 90. 91. 94. 98. 
330. 345. 397. 896. 

Rarfi (Reri Nörwi) 27. 112. 160. 864. 

Narrenfdiifi 388. 

Naſenloch bes Riefen 424. 

Näftrand 158. 

Natipitätfiellen 183. 

Naturdienft 168. 506, 

Naturgefühl 511. 

Naturftaat 582. 

Navigium Isidis 887. 

Nebelmännle 392. 459. 

Ned 466. 

Nedar 466. 

Neha 391. 

Nehalennia 387. 579. 

Neidingswert 181. 217. 

Neidfange 375. 522. 

Refromantie 640. 

nennir 469. 

neol neovol 891. 

neorznavang 158. 391. 


620 


Nep 81. 88. 

Neri 18. 364. 382. 

Nerthus 17. 27. 177. 179. 525. 556. 

nesso 548. 

Neftellnüpfen 542. 

Nep 111. 

Neuholland 275. 

Neun Himmel 255. 

Neun Mütter |. Heimdal 548. 

Neun Näcıte 65. 89 

Neuntägige Woche 89. 544. 

Reumpah 548. 

nierder vöttr 550. 

Nibelung 451. 464. 

Nibelungen 392. 

Nibelungenhort 54. 373. 

St. Nicafins 467. 

Nihus 466. 

St. Nicolas 466. 560. 

Nidaberge 158. 

Nidelnächte 577. 

Nidhöggr 36. 37. 168. 320. 580. 

Nidung 267. 

Nievelmännden 452. 

Riffheim Nifhel 14. 36. 168. 

Nikur 469. 

Nituz 466. 

nimidae 511. 

Niördhr 64. 176. 177. 
345. 388. 

nipt Nara 864. 

Nirdu 341. 

Niffe 471. 

Nivelles 891. 


467. 
Noatun 160. 177. 315. 842. 
Nobisfug 464. 
Nocturnen 368. 
Nonnen 371. 594. 
Nor 394. 
Norbian 218. 247. 
Norblicht 66. 
Nordri 20. 446. 
Norggen 433. 450. 
Nornageft 366. 594. 
Nornborn 371. 
Noruen 38. 40. 52. 182. 368. 
Norpreht 453. 520. 
Norwi 27. 77. 160. 
Nothfener 364.473. 548. 
Nothhalm 587. 
Nothhemd 542. 
Nothlöfend 365, 
Nothnunft 520, 
nött 26. 28. 
Nöttelstage 590. 


197. 341. 


Nowgorod 826. 
nüjärskaukjes 563. 
Nuß 73. 75. 


Oberon 450. 

Ob ſternte 468. 523. 

Ochſengeſpaun 17. 838. 469. 512. 

Scfenhant 199. 

octocannae 368. 

Obashem 158. 

DOdbrun 347. 

Diet 217. ODdens Jagd 216. 

Odhr 185. 221. 224. 239. 213. 266. 
358. 525. 

DOphrörir 40. 76.236. 243. 244. 330. 

DObyffee 200. 216. 278. 

Odin Odhin (Wuoten) 16. 27. 71. 
81. 163. 205. 582. Geburt 16. 
236. ®ermählung 177. 223. 358. 
©. 396. 495. Grab 162. 221. 
Einkehr beim Schmied 213. 227. 
Seftirngott 227. 233. Sonnen u. 
Frühfingsgott 230. 249. Todes 
gott 250. Wetterherr und Ernte 
fpender 248 Gott des Geiſtes 233 fi. 
der Dichtfunft 178. 234. Heilkunft 
274. 546. ber Räthjelmeisheit 82. 
153. 474. Liebes u. Chegott 200. 
247. GSieges- u. Kriegsgott 169. 
185. 209. Jagdgott 192. Zauberer 
237. 536. Dradentämpfer 247. 
Allgegenwart, Alwißenheit, Allmacht 
233. 234. Einäugigfeit 97. 193.232. 
294. Adler 192. 289. Raben 192. 
234. Wolf 192. Sper u. Stab 197. 
Bagen 223. O. Wili We 99. 100. 
321. O. Thorn. Tyr 172 O. Thör 
u. Freyia 178 O. Loti Hönir 33.72. 
99.227 O. Heimdal 233. O. Uller 
177. D. Sfinir 203. D. Schlange 
240. 246. D. Horn468. O. im Berge 
177. 261. 

Dfen 472. 476. 550. 

Dfengabel 497. 

Dffa 190. 

Ofnir 246. 514. 

Oger 286. 392. 432. 

Oegir 66. 98. 99. 112. 171. 334. 
423. 481. 

Degisheim 44. 

Degishiälme 345. 

Degn Afafprengi 439. 

Degwaldr 5183. 

Dfolnir 158. 

Defuthör 252. 278. 

Diaf 58. 


Sal Tryggwaſon 380. 

Delbaum 528. 

Oleg 222. 

Dellen 404. 

Ollerus 311. 318. 320. 321. 

Omi 189. 

8. Den 205 520. 

Dendur· As 320. 

Dendurdis 843. 

onnerbänkissen 449. 

DOpfernde „Götter 180 187. 

Opfertefel 497. 544. 

Opferfteine 509. 

Drafel 275. 

Oreus 286. 337. 432. 

Orendel 267. 390. 

Dergelmir_14. 

Drlelen, Orgen 433. 

Oriant 356. 

Drion 25. 222. 243. 250. 279. 

Drmanie 308. 

Ortnit 326. 374. 437. 

Derwandil 25. 95. 223. 256 263. 
279. 290. 

Derwar Oddi 202. 223. 

Dfelberge 405. 

Oftis 222. 

Dsti 187. 

Oſtopnir 192. 

Osning 288. 

Oſtara 395. 

Dftarmanoth 395. 

Dfterbod 396. 

Dftereier 395. 

Dfterfeuer 395 673. 

Ofterfladen 395. 

Dftergelächter 396. 

Ofterhahn 579. 

Dfterlerze 569. 

Oftermann 572. 

Dftermärden 896. 

Oſterſachs 395. 

Dfterfpiel 395. 

Dfterftufen 395. 

Dftertag 253 

Offahıt 253. 

Oſtfachſen 190. 

Si. Oswald 193. 248. 356. 390. 

Dswöl 587. 

Othin 192. 

Dttar 358. 

Otter 372. 

Dtterfraut 510. 

2. Dtto 196. 

Dttonen 161. 


1 


Develgunne 160. 
Dewelmännden 452. 


Pabſt 193. 

Bafnatofe 217. 267. 
Baltar 195. 309. 340. 
Banis 224. 

Bantoffel 596. 
Paraceljus 260. 
Paradies 155. 526. 
Baro 525. 

Parzival 335. 
Baflauer Kunft 202, 
Pathengeſchenk 591. 
Batgen Haft 591. 592. 698. 
Paulus, Apoftel 313. 
Pechmande 443. 
Pedaugue 410. 
Belops 260. 

Pelz 561. 

Pelzmarte 560. 
Penelope 200. 
Bentageamma 499. 500. 
Berchtellaufen 558. 
Perchtl 560. 
Perchtolderli 411. 
Bercunos 228. 
pörekens 588. 

Bet 336. 

pötapür 528. 

&t. Beter 227. 290. 
Beterbült 569. 
Petermãnnchen 471. 473. 602. 529. 
Peterskirche 289. 

St. Peters Stab 260. 
Beterstag 562. 578. 
Petrarea 507. 668. 
Pfaffenfrauen 223. 
Pfaigraben 324. 

Bfau 847. 
Bfeffechugen 56. 
Bieffern D61. 

Werd 375. 

Bferd u. Duelle 469. 
®ferbe, heilige 513. 521. 
Bferbefteiid 220. 226. 
»ferdefuß 260. 501. 
Wierbelöpfe 375. 568. 
Wferdemar 458. 
Wferbeopfer 521. 
Pferdeſchinken 220. 
Bferbeftefien 571. 
Pferdetrappe 226. 
pferbewiehern 544. 
wierdötag 571. 
pfingſtbraut 574. 


Bfingfibug 572. 581. 
fingffuche 584. 
—A 542. 

Bfingt_581. 

Bfingftlümmel 542, 681. 

Pfingſtmoge 584, 

Pfingſtochſe 560. 

Bfingtritt 582. 588. 
fingfticjießen 584. 688. 
flug 25. 387. 407. 556. 

Pflug Landes 558. 

l 324. 





eiolnbrunaen u. f. m. 828. 
Bhufsdorf 328, 

Pietät 120. 187. 

Pilatus 183. 468. 

Pilwiz 458. 

Bintepant 464. 
Pinnofa_408. 810. 

piot 868. 

Bipala 452. 


anetenzeihen 293. 

Katjchfuß 413. 
Bodwerke 587. 
Polſe 561. 
Bofterabenblärm 564. 
Poltergeiſtet 477. 
Volytheismus 168. 
Pont 436. 
Bopanz 471. 

jopele 476. 


Bofterlijagd 558. 5683. 
$riapus 352. 581. 
Prieſter 532. 
Prieſterinnen 497. 582. 
Brobeftüce 268. 
Bud 472, 
ulletag |. Pfultag. 
upiflus 551. 
Pururavas 448. 


ut 462. 
wo 312. 
Duafhölle 159. 


Quelle entftampft 507. 
Quenouille 408. 


Querg 450. 


. Quinte 218. 


Nabe 234. 501. 


Raben fliegen um ben Berg 169. 


Raben dabichte 198. 
Nabengott 192. 
Rabenmeihe 533. 
Rabenzauber 72. 
Rachegefübde 85. 503. 
Radıel 385. 865. 888. 
Rad 389. 510. 576. 
Raffezahn 495. 
Ragnar Lodbrock 374. 
Ragnardt 65. 124. 
Ramm 241. 476. 
Ramslohn 476. 
Ran 312. 331. 451. 457. 
Ratamund 245. 402. 499. 
Natatöstr 87. 
Rathen 537. 
Rati 241. 245. 
Raitenfänger 454. 485. 
Räubermärden 508. 567. 686. 
Näuberfpiel 585, 
Raubthiere 545. 
Rauchels 40, 
Raudnäcte 558. 677. 
Räzel 459. 
Reden 25. 

gebrauch 552. 
Rebimonet 394. 
reganogiscapu 182. 
Regenbogen 31. 304. 
Xegin 152. 181. 872. 
Regnhilde 348. 
Reidiiyr 252. 296. 
Reifriefen 431. 
Reber 241. 246. 
Neihjungen 590. 
Reine pedauque 410. 
Reinfr. v. Braunſchweig 199. 
Reinſchweig 567. 
Reifarova 219. 
Reisgotgbündel 23. 
Rerir 190. 


Rhein 878. 412. 

Rheingold 373. 412. 446. 
Richard von der Normandie 199. 
Richmond 375. 


Niefen 411. 523 Mielendienf 422. 
503. Ihre Treue 423. Vorbilder 


der Götter 219. 483. 452. 
Niefenopfer 412. 


Riefentochter 497. 
Niefenzorn 56. 
Nigr 228. 301. 307. 


Rinda 84. 310. 311. 388. 857. 862. 


Rinder 161. 
Ningeid 242. 321. 
NRingwälle 427. 
rite 547. 
Ritterpferd 598. 
Nittmeije 458. 
Rittmeiſter 581. 
Rittona 417. 
Robin Hood 249. 819. 560. 
Rodadirl 428. 
Rodenfteine 406. 


Rodenweibele, Rodertweibchen, Rog- 


genmuhme 216. 428. 
Robenfleiner 214. 
Rogdai 317. 
ER en 117. 

inta 483. 

Seht (reyrspröti) 196. 479, 
Roland 218. 
Rolandfäule 508. 529. 
Rolf Krali 500. 
Renner 43, 
Rofe Urtheil 526. 553. 
Rojengarten 275. 453. 626. 
Roſenlachen 344. 
olemfiod, E ‚Hildesheim 526. 
RXdetwa 2: 
Rosmarie air. 
Rofs, ſchwarzes 854. 


Roſs, Symbol der Allgegenwart 201. 


Rofs und Mantel 198. 200. 
Rofe und Schwert 65. 70. 
Rostiofr Rostioph 316. 
Rota 379. 
Rothbart 161. 
Rothe Kuh 129. 162. 
Rothes Banner 595. 
Rothes Meer 488. 
Rothes Zuh 171. 
Rothläppgen 473. 
Nothlelchen 256. 
NRübezahl 453. 
Rudi 471. 
Rühren 601. 
Sumpeinkäie 558. 663. 
umpel en 58.476. 
Runen 37. 233. 
Kumengebicht, 236. 
Aunenlieder 234. 685. 
Runenfteine 530. 
Runenzauber 286. 497. 538, 
Runfe 432. 


Ruodlieb 839. 878. 
Küpel 471. 

recht 249. 559. 549. 
Ruſſiger Bruder 502. 
Ruta 210. 
Nüttelweibhen 228. 


Saattorn 66. 255. 
Saba, Königin von 410. 
Sadfen 34. 298. Berzog von, 822. 
Sääftfäjes Wappen 293. 
Sacmalt oalter, Ehmileer 566. 
jaga 46. 
Sagr 23. 
Sährimnir 47. 207. 208. 
Sälde 223. 
Saldenberg 158. 
Salg, 43. oder ſalinge Frauen 406. 
Salomon 410. 
Salvius Brabon 817. 
Salı 422. 
Salzmalen 349. 
Galzquellen 18. 196. 
Sampo 349. 
Säming 191. 844. 
Sandraudiga 417. 
Sandwirth 162. 
Sangichmiede 247. 
Sarpedon 270. 
Saturni dolium 286. 582. 568. 580. 
Saturnus 316. 
saudh und seidh 585. 
Sauwedel 88. 
Sawitri 512. 
Sarneat 190. 291. 
Samöt 172. 174. 190. 291. 298. 
Saro 3. 209. 237. 
Sceldva 190. 458. 


Sääfflertang 580. 
Schalt, bie, 464. 
Säallhorn 231. 
Shah 32. 385. 371. 
Safe 817. 

jel 365. Hafer 820. 
She benfhtiger 571. 
Scheiterhaufen 568. 


. Schellenmoriz 560. 


GSchentmäbdhen 87. 

Schere 600. 

Sıidfal 179. 

Sqiedorichteramt 202. 
887. 391. 408. 547. 

Sejiffbegräsnife 818. 697. 


624 


Sciferftabt 315. 

Scifiswagen 388. 

Säilbung 451. 

Säildäs 321. 

Schildburg 600. 

Sildmäbdhen 389. 

Silihe 163. 

Säiltung 451. 

Schimmeireiter 60. 219. 558. 584. 
Schlachtmonat 521. 

Sälafapfel 510. 

Schlangen 373. 514. 560. 
Schlegel 258. 

Schleifftein 240. 263. 546. 551. 
Sälippenbad; 219. 
Sclubderfteine 246. 

Schlußel 322. 416. 

Saale nme 32. 416. 
Schlüßeljungfern 335. 415. 488. 
Shlüßellod 457. 

Schmetterling 459. 495. 498. 547. 
Schmidt am Hüggel 461. 


Schmidtden v. Bielefeld u. f.w. 508. 


Schmuder Junge 584. 
Schmugli 560. 
Schnätgänger 487. 
Schnede 516. 
Schnellerts 214. 
Sähnepfe 256. 
Scähnitthahn 589. 
Schnüre 527. 
Schöffen 329. 
Schönaunten 404. 

Schoof 314. 572. 598. 
Schöpfung 13. 
Schöpfung ber Menſchen 33. 
Schoohfegung 552. 
Schrai — 57. 459. 
Särawung 432. 
Schreibfuntt 234. 
Schretel u. Waferbär 460. 
Schrittfcuhe 321. 
Schuh 137. 593. 
Schuld der Götter 57. 
Schulterblatt 544. 
Schulterblattſchau 210. 
Scüße, drei 171. 
Scähüteichel 268. 
Scügenfeft 584. 
Schutgeifter 183. 
Scutverhältniffe 205. 502. 
Schwab, König 389. 
Schwalbe 74, 541. 579. 


Schwäne 120. 232. 314. 316.342. 491. 


— Njörds und Hoenirs 116. 188. 
Schwanenblume 509. 


Schwanenfuß 260. 409. 
Schwanenlirhe 410. 
Schmwanenmäddhen 410. 491. 
Schwanenring 377. 
Schmwanenritter 814. 316. 317. 818. 
Es —& mir 318. 
Schwarz 

Schwarz em Weiß 335. 
Schwarzelben 443. 
Schwarzröde 169. 
Schwarzfpeht 25. 415. 
Schwein 489. 541. 545. 
Schweine (Schwindſucht) 540. 
Schweinftall 545. 
Schwendtage 590. 

Schwert 293. 306. 
Schwertgötter 293. 302. 
Schwertiicht 293. 

ES chwertrune 293. 
Schwerttanz 249. 295. 
Sqhweſtern, drei 305. 
Schwörende 509. 

scop scuof 552. 

Scorpion 222. 

Seeblätter 509. 

See geſalzen 349. 
Seejungfer 585. 

Seele 482. 

Seelen 482. 
Seelenwanderung 482. 
Secroſe 509. 

GSeefiille 238. 

Segen 540. 

Seibenband 105. 
Seidenfaden 109 453. 526. 
Seibh 8. 138—40. 

Seil 865. 

Selbftweihe 205. 

Semnonen 34. 292. 510. 524. 
Senffame 495. 

Series 429. 

Cejsrumnir 860. 

er Severin 542. 





Sibilja 17. 518. 
Eibylla Weiß 537. ! 
Sibylien Weißagung 421. 
Sigel 87. 
Eichelhenfe 589. 
Sigeimond 304. 
Eidhgräni 191. 
Ciphöttr 191. 
Cibhfleggr 191. 

©ieb 397. 408. 497. 
Siebdrehen .544. 


Siebengeftirn_25. 


Siebenmeilenftiefel 202. 472. 475. 


Siebenſchlafer 165. 
@iebenfprünge 578. 
@iegburg 320. 839, 
Siegerftein 551. 
Eiegrunen 298. 
@iegweib 378. 
Sif 173. 252. 255. 
Eigefugl 190. 191. 
Dia 190. 

lind 818. 378. 
eninne 378. 
Eigfrid 218. 416. 
@iggeir 193. 
Sighwat Stiald 445. 
Sigi 190. 193. 
Sigmund 190 193. 248. 
igna 529. 534. 
Eigny 193. 599 
Eigrdrifa 361. 885. 
@igrun 217. 377. 393. 499. 
Eigtysberg 265. 296. 
Eigurd 30. 69. 600. 
— gut Fr 
siguwip 378. 
em 108. 112. 
Simul 23. 
simulacra 529. 584. 
&indri 168. 173. 
Sinfötli 275. 
Sinflut 18. 
Sinnels 453. 
Sint Bert 416. 
Sintgund 22. 327. 
Sintram 327. 
Siöfn 417. 
Sippe 125. 210. 
Stabhi 72. 112. 176. 320. 
Staſe 427. 497. 
Steäf 190. 347. 
Stelfir 451. 
Stialdar-As 320. 
Stiärf 412. 
Stipbladnir 173. 346. 347. 
Stibi 320. 
Shilfinge 451. 

infari 29. 











Stimir 64. 69. 89. 90. 203. 
Stäü 25. 107. 
Strymir 245.272. 
Strymali 47. 
Stuid 89. 379. 
GSladermann 416. 561. 
Glagfidr 452. 

Cimrst, Mythologie. 


Sleipnir 56. 71. 174. 198. 208. 

Sudht 148. 159. 

$mit ü) oberlande 267. 

Smitt upn Darmssen 461. 

Snär 394. 431. 

Suio 481. 

Snör 301. 

Snorri 8. 209. 

Snotra 418. 

Södmimir 439. 

Södwahrd 46. 

&öl 21. 29. 419. 

Sol Luna Hercules 265. 419. 478. 

Sol Luna Vulcanus 171. 473. 

Sölmanst 312. 

Soma 216. 

Sommer 30. 

Sommer- und Winterkampf 519. 

Commeremnpfang 579, 

Sommerverfündigung 32. 579. 

Son 28 

Sonne hier 30. 

Sonne, ihre Tochter 151. 

— Mond Hercules 265. 419. 

— — Sterne 419. 

Sonne und Mond 28. 56. 58. gefan- 
gen 120. 532. 

Sonmeneber und Sonnenhirſch 847. 
358 


Sonneneid_ 419. 
Sonnenfinfternifje 25. 327. 530. 
Sonnengott 230. 249. 346, 575. 
Sonnendäufer 49. 312. 
Sonnenhirid) 87. 

Sonnenfalb 549. 

Sonnenlehen 419. 

Sonnenfteine 652. 
Sonnenwende 576. 553. 
Sonntagsind 492. 

sorcier 535. 543. 

Soti 440. " 
päbifen 586. 

Soange, Zu Jungfrau 417. 


Specht 480. 540. 
Speichel 243. 244. 245. 
Speier 315 
Spelhus 407. 
Sperrigung 196. 588. 
Spervogel 516. 
Spielbernt 163. 
Spielding 427. 
Spiele 278. 
Spielleute 534. 
Spielſteine 406. 
@pießprobe 591. 

40 


Spillaholla 899. 
Spindel 406. 407. 408. 
Spindelſtich 366. 
Spinnerin am Kreuz 24. 
Spinnerin im Moud 28. 420. 
spiritus familiaris 481. 
spongia marina 550. 
Spörtel 393. 
Cpringbrunnen 34. 
Springwurzel 415. 
<put 487. 

Spule 399. 

Spurte 398. . 
Stab 197. 331. 855. 


Stab ber Gridh, bei Thör und Obin 


198. 258. 277. 392. 
Stäbe 235. 
Stadtgeifter 489. 
Stahl und Stein 280. 
Stahlwurm 515. 
Starkadr Starkather 196. 439. 
Stärfegürtel 258. 277. 
Staufenberger 378. 410. 
Stäupen 561. 
Stedenpferb 497. 
Stein, blauer 520. 558. 
Stein in Thörs Haupt 266. 
Steine 509. 
Steintunde 551. 
Steinfegungen 313. 
Steinthör 196 
Steinwerfen 505. 
Steinmurf 507. 508. 
Stempe 398. 418. 558. 
St. Etephan 524. 560. 571. 
Stephanstag 571. 





Stepfe und Stephen 479. 571. 


Etern der Magier 183. 
Sterne 24. 183. 
Sternihnuppe 24. 
Stiefeli 474. 

Stiepen 461. 

Stier 437. 469. 
Stierhaupt 469. 
Stodwerte 252. 
Stollen 563. 

Stord 316. 579. 
Strafort 156. 
Strageli 432. 489. 
Straßburg 59. 
Straßen 228. 

striga 572. 
Strömtarl 468. 503. 
Strohdieb 488. 
stuatago 113. 
Sturmriefen 33. 480. 


Stute 56. 
Stukforde 433. 
Stugli 472. 
Styrbiörn 195. 206. 
Subfunft 497. 539. 546. 
Subre 20. 448. 
Sueven 177. 
Sühneber 519. 
Sunfenthal 19. 
Sunna 419. 
Süntevügeljagen 562. 
Surtur 111. 128. 
Suttunge 235. 245. 429. 
Späfbäg 190. 
svardones 298. 
Speppa 191. 
sverdäs 300. 
Swabilfari 54. 59. 
Cwafnir 216. 514. 
Swalin 22. 

Swan ber rothe 29. 
Swandhilt 80. 
Swantowit 458. 
Swartalfen 443. 
Swortälfaheim 44. 
Swafudr 31. 
Swawa 377. 492. 
Smwegbir 351. 
Swinfyffing 203. 
Swipdagr 30 190. 385. 416. 
Swiſtbach 369. 
Symbole 529. 
Sympathie 538. 
yn 418. 


Tag und Naht 27. 
ZTaggelmännden 471. 
Zaggen 471. 

tampf 418. 

Tanfana 416. 525. 
Tanngnioftr Tanngrisnir 286. 
Sannhäufer 854. 411. 
Zarnfappe 338. 201. 
Tatermann 471. 

Tatwa 190. 

Tatzelwurm 515. 

Tauche Taufe 591. 

tegede 523. 

Tell 247. 267. 

Zelle, drei 161. 

Tempel 528. 

Tere 352. 

Teufel 275. 3. A 

— trägt durch ft 198. 
Teufelfofien 508. 


Teufels brei Haare 275. rudgelmir 18. 
Zeufelsaugen 276. rubheim 46. 282. 
ZTeufelsbanner 488. Thrudhr 66. 392. 450. 457. 
Teufelsbetten 508. Thrubwang 46. 255. 
Teufelsbünbnifje 206. 502. Torymbeim 45. 46. 49. 73. 438. 
Zeufelshand 550. Thrymr 61. 66. 428. 429. 
Zeufelsmühle 287. Thrymstwidha 61. 
Tenfelsnamen 495. Thunaer 174. 190. 
ZTeufelspathe 200. 206. Thundr 186. 
Thaubaden 587. Thurs 115. 235. 311. 426. 435. 
Thauftreicher 484. 494. Thurſentochter 52. 
Thedel von Walmoden 199. Thwiti 105. 
Zheerlappen 563. Thyr 301. 
Theilung des Horts 365. Zirlemont 297. 
ZThiälfl 206. 259. 272. 440. Tir, Rune 292. 293. 
Thiaffi 25. 46. 73. 428. 431. 612, Tiſchchen ded dich 465. 
Thielvar 262. Ziu 293. 
ZThiercultus 510. 514. 529. Zius 291. 
Thiere, weiſende 544. Zivisco 300. 
Thierjagen 563. Toaſte 524. 
Thiertreiß 49. 420. Tochter Sion 138. 
Bi ade 514. Tod perjönlid) 295. 499. 
ZThingbaum zu Upfala 526. ZTodaustreiben 580. 
Zhinge 536. Todesgott 250. 
xThöd 82. 96. Todte, danfbare 32. 318. 478. 584. 
TH, Fluß 304. ZTobtenbäume 313. 
Thiota 536. Zodtenbrüde 275. 
©t. Thomas 200. Tobtenidiffer 275. 279. 
Thomas von Greilboune 354. Todtenſchuh 139. 
Thörbiörg 536. Todteuftadt 316. 
Thoͤrdis 587. ZTodtentanz 500. 
Thörgerda 536. Tobtenthor 463. 
Tpöri erde Oörgabrühr 440. 520.536. Zobtenmählerin 369. 
— a Fodtenmelt 487. 1 

rfetil oobte, flicht gegen 181. 
Thörill 110. 274. 275. 286. 425. Toggeli 450. es 

439. Toto 268. 

Thoro 92. 209. Zöpfe, umgeftülpte 469. 
Thörolf 692. ZTragert 481. 


Thör (Donar) 55. 60. 62. 80. 428. Tranfopfer 624. 

— in der Trilogie 81. 87. 252. gürt Trapp, Hans 599. 
der Götter 538. freund der Träume 545. 
fen 252. 253. Gott der Che 253. Erempe 398. 
254. ber Cultur 251. Bıüdengott fraft 7. 
253. Gott der Xnechte 253. 258. 
Thör Hercules 270. Im Wettlampf engen 100. 170.452. 
133. Thörs Himmel 210. Rother Triſtan 374. 





Bart 283. Troje 318. 
Thorri 394. Troll 57. 450. 603. 
Thorsdrapa 278, Zrube 302. 457. 489. 495. 498 
Thorftein Bänrmagn 280. 497. Zrudenfuß 499. 
Zhrain 445 Trudennacht 494. 
Thridhi 210. Trudenftein 500. 
Thrigeitir 16. Tuchmager 555. 
Thriwaldi 16. * Züdebold 487. 


Thrör 189. Tuisto 16. 300. 308. 


628 


Zümmelbint 487. 

Zürte 582. 

Zuturfel Tutofel 405. 

Tweggi 27. 205. 

Tor (Zio) 97. 104. 106. 126. 211. 
283.291. Schwertgott 294. Kriegs- 
gott 185. 291. Gott der Kühnheit 
285. Sonnengott 527. im legten 
Kampf 135. 

Tyrihialm 297. 

Tyrſener 426. 


Udr oder Audr 27.188. 
Uffe 190. 
ulfhednar 487. 
ulfrun 303. 
uUfler 45. 250. 318. 451. 574. 
Ulyffes 314. 317. 
Umzüge 234. 508. 555. 
Uneia 417. 
Underruße 161. 
Unholbe 56. 500. 
Unterirbifje 450. 465. 
Untersberg 161. 218. 
Unterwelt 355. 464. 
Unterweltficge Ströme 304. 
Uogi 441. 
Uoleſache 441. 
Upödashöm 158. 
Urdh 39. 330. 364. 462. 476. 
Urgan 550. 
c urlouc 491. 
uUrſchel 405. 
ursprine 507. 
Urſula 405. 407. 
Urſus 540. 
Urvagi 448. 
Urwald 189. 
Utgard 44. 109. 274. 314. 
Utgardhalofi Utgarthilocus 100. 109. 
270. 274. 502. 
Uvättir 503. 


Vaetlingastraet 228. 
Bägdäg 190. 
Vägeltejen 587. 
äland 323. 501. 
Valentin 312. 313 578. 
Bampyr 489. 

Van 178. 

vargr vargus 109. 
Barmund 190. 

Bater und Mutter 301. 
vöbönd 109. 526. 
Beilchen 579. 

Beleda 586. 


Benediger 454. 

Benus 160. 222. 854. 408. 411. 
Venusberg 218. 403. 496. 
Berelde 386. 597. 

Berfeftete 553. 

Berfolgung. 

Bergeßenheitstrant 541. 
Bergigmeinnicht 415. 510. 


Bergletfcherung- 420. 
Bergödendefftruß 898. 587. 
Beriv 190. 


Bermählung 594. 

Bermeinen 498. 499. 
Berneiden 499. 

Berfhüttung 429. 

Ber Bellen, Ber Hellen 385. 
Verwunſchung 235. 
Beterfalena 190. 

Biehhirt 454. 463. 540. 
Biehſchelm 547. 

vigagud 292. 


Birgilius, Zauberer 260. 
Virgunnia 254. 
Biſchnu 452. 

Böden 190. 

Bogelbeere 256. 278. 280. 
Bögelftug 546. 
Bogelgreif 275. 
BVogelneft 481. 
Bögelipeihel 105. 120. 
Bogeliprahe 487. 514. 
BVogelzehnt 523. 

Bolla 22. 386. 
Bolmar 450. 

oma 189. 

Bonveb 71. 

vrithof 527. 

Britta 436. 
Vröneldenstraet 230. 
Buleanus 171. 

Buldor 318. 320. 
Vyrdh 854. 467. 


Wädilb 438. 
elmir 159. 
Wäfthrudnir 48. 82. 423. 424. 
Bäfubr 189. 423. 
Bafurlogi 69. 385. 463. 
wagen 202. 228. entzweigetheilt 336. 


549. 
Wagen, Pflug und Schiff 399. 
Bagenrad 571. 

Wagnoſt, Wagnoft 442. 
Wahner Haide 158. 





Bäinämdinen 120. 120. 227. 

Baife 551. 

Wal 207. 376. 

Wala 52. 84. 198. 234. Walen ober 
Wolen 536. 

Balaffialf 46. 192. 

Walberan, Wafberand 458. 

Waldern 388. 

Bafvcapellen 516. 

Waldeuftus 506. 

Waldgeift 460. 

Baldleute 460. 

Baldminnen 466. 

Baldriefen 429. 

Bafdthiere 494. 

Waldthor 461. 

Walgaldr 540. 

Walhall 207. 

Bali 46. 82. 85. 96. 153. 309. 315. 
316. 327. 

—, Lolis Sohn 112. 

Waltüren 91. 375. 491. 

Walpurgis 396. 492. 494. 497. 519. 
‚560. 


Wälriberefe 465. 491. 

Wals oder Wölfung 34. 48. 190. 817. 

Walferfeld 142. 161. 233. 

Walther v. d. B. 512. 

Walvater 207. 

Balvaters Pfand 231. 304. 

Ban, Fluß 106. 

Banagandr 106. 

Bandaler 383. 

Wanderungen der Götter 99. 149. 227. 

Banen 54. 175. 177. 

Wanne Thella 179. 387. 

Wappenweſen 879. 534. 

Bara 418. 

Wartburgkrieg 29. 200- 

Waßerblumen 509. 

Waßergeifter Waßerholde 465. Wa ⸗ 
Beriprung, Johannes und Caſpar, 
Weherpeler und Waferpaul 326. 
Waßermann 437. Waßerrofs 469. 

Waßerhölle 148. 159. 

Waßerhoſe 139. 

Waßer des Lebens 462. 

Baer, Weisheit im 232. 

Bafermann 467. 

Waßermeßen 507. 

Bafertaude 537. 581. 

Waßervogei 542. 562. 572. 

Waie 223. 247..268. 275. 299. 430. 
437. 452. 

Waten 186. 

Watzmann 429. 


Waud 398. 
Wauwau 217. 
Bayfand-Smith 461. 
We 17. 18. 888. 
Weber 388. 547. 655. 
Wecha 311. 562. 
Wedjelbalg 4085. 
Wedekind Wöling 161. 218. 
Wedrfdinit 37. 
Wegdegg 191. 
Wegtamskwidha 83. 
Dei 370. 
Beiberart 104. 
Beiberbosheit 332. 472. 
Weiberfafsnacht, BWeiberregiment, Weir 
bertrunf 566. 
Weichſelzopf 468. 548. 
Weidenflöten 578. 
Beidi-As 320. 
Weihe 592. 
BWeihnactsgebräude 519. 
Beinen 81. 


Weinkauf 554- 
Weirdsisters 364. 

Weife Grauen 92. 181. 597. 
BVeifende Thiere 369, 544. 564. 
Weisthümer 552. 
Weißagung 181. 284. 339. 538. 542. 
Weiße Frau 413. 484. 
eigen 488. 

Weldeg 190. 

Welderich 432. 

Welo 310. 313. 
Wellenmãdchen 304. 
Welſungen 317. 328. 
Welibraud 143. 152. 
Welten 43. 

Weltenjahr 73. 99. 245. 
Welteige 77. 162. 
BWeltgericht 151. 

Welthirih 308. 

Beltjäger 225. 354. 
Weltkampf 131. 
WWendelmeer 44. 273. 278. 288. 426. 
Woͤor 283. J 
Woͤpelröt 562. 570. 
Werdandi 39. 

Wergeld 373. 

Werte, gute 188. 

Berre 398. 

Berwolf 542. 

Wöfeti 440. 

Wehes brunner Gebet 18. 
Wefterwald 456. 

Beltfahlen 190. 

Weſtri 20. 








Wetrlidi 557. 

Wetterbaum 43. 

Wetterhert 248. 

Wettermachen 540. 

Wetterſteine 257. 

Wettſpiele 583. 

Wepfciter 290. 

Behfteinfelfen 268. 

Wicht, Biöteimännden 443. 

wickerse 456, 5: 

Bidar 48. 133. er. 189. 146. 151. 
153. 173. 175. 337. 

Widbläin 50. 156. 

Widblindi 440. 

Widder 305. 

Widfinnr 23. 

Biditunna 431. 368. 

Widofnir 306. 

Widoif Witolf Witold 368. 429. 461. 

Widrit 189. 

Wiedehopf 482. 

Wiederbelebung 259. 

Wiedergeburt 154. 

Wiege 19. 368. 

Wieland 222. 247. 299. 275. 267. 
277. 438. 

Wieſel 487. 550. 

Bies.Tagl 277. 

Wiſel 440. 

Wigrid 28. 142. 

wih 525. 

wihtir 495. 

Witar 196. 206. 512. 

Biling 435 

Wildebär 556. 

Bilde Frauen 366. 

Wilde ⸗Frau · Geſtuhl 406 

Wilde Jagd 216. 240 

Wilder Mann 406. 461. 469. 532. 


565. 
Wildfang 433. 
Wildfener 276. 300. 556. 
wildiu wip 547. 
Wilhelm Meifter 260. 
St. Wilibrord 319. 
Williweis 162. 
Wilfaelde 183. 
Wimur 277. 381. 425- 
Windälfe 448. 
Winde 63, gefüttert 224. 
Windheim 150. 154. 
Windhloͤr 305. 
Windlaldr 468. 
Winblöni 31. 
Windroſe 60. 
Windebraut 432. 


Windfwalr 31. 59. 
Wind und Wetter 58. 
Windzeit 125. 
Bingnir 255. 
Bingoff 51. 157. 
Wingthör 286. 
inniter 383. 
inter 30. 191. Menfı ‚eher 482. 
—, adıt, 101. 332, en 
Binteraustreiben 579. 
Winterbring 368. 432. 
Wintergöttin 343, 
Bintermonate 68, 
332. 343. 351. 
Winterfchnee 77. 
Wisbut All. 
Bilgnu 227. 
wisiu wip 547. 
Withleg 190. 
Bitte God 163. 
Bittid) 438. 
Witugoumo 431. 438. 461. 
wigago 534. 
Bode 89. 
Wod Woͤde 320. 898. 
Wodan 172. 184. 820. 323. 398. 
Wobelbier 589. 
Woedenſpanne 198. 
Woenlet 198. 
Woensmwaghen 228. 
Bohl 217. 
Wohlgemuth 495. 
ol 186. 250. 336. 
Wöld 186. 919. 
Woldan 186, 
Wolf 33. 193. 459. 466. 
Wolf im Heiligtfume 558. 
Borfeietric 200. 277. 326. 878. 


ai. Sagbhunde 192. 

— im Eifenwalde 25. 125. 147. 168. 
Wolfsfell 77. 

Wolfsglieb 295. 

Wolfszeit 125. 168. 

Wolfenbnrg 59. 

Woller 319. 

Wolsberg, Zgleberghe, Wolsperg 321 
Volterlen 4 

Wolundur din. 

Bull Bulle Wuller 319. 
Wüllesheim 3. 

Wunderer 223. 

Wundern 538. 

Wunſch 186. 187. air. 
Wunfhdinge 200. 201. 226. 634. 
Wanſchelruthe 202. 510. 


101. 250. 322. 


Wanſchelſtein 551. 
Bünjdelmip 378. 
Wunſchhut 201. 552. 
Wunſchtinder 552. 
Wunſchmãdchen 410. 


Wunſchmantel 199. 200. 


Wunſchſagel 202. 
Wunihlöhne 207. 
Wunfgmwärfel 202. 
Wuoi 185. 

Wuotan 184 f. Odin. 
Wuotant 185. 
Wuotune 185. 215. 
Wurd 364. 
wardigiscapu 182. 
Würfelfpiel 502. 


Burzeln ber Berge 108. 


Wutes Heer 185. 
Wuth 184. 
Wüthendes Heer 218, 
BWütherid, 186 500. 


ybogi 320. 
dalir 46. 320: 
Iggdrafil 34. 35. 
Inge 189. 311. 

ylfa gescot 548. 

Air = Hpmir 281. 
ngwi 349. 
rpa 447. 586. 

Drune 320. 


Er 
jaggın 471. 
Zähne, Gold 305. 
Zahngebinde 45. 591. 
Zöhringer 410. 
ey? 521. 

jampe 416. 


681 


Zauber 234. 522. 538. 
Zaubergurt, Zauberhemde, Zauberring 


Zauberlied 339. 
Zauberftab 310. 497. 539. 
Zaunfönig 566. 
zaupar zöpar 285. 
Zeichen, fünfzehn 146. 
Zeitvogel 546. 
Zeijo 190. 
Zenith 304. 

erre 432. 

ers 352. 
Zetergefchrei 298. 
Beugung 483. 

i 297. 


Biefer 522. 

Ziesburg 291. 

Zigeuner 540. 

Zimbe 416. 

Zimmermann, lahmer 584. 


Zifa 401. 
Bifs Bife 58. 
Biu türbines 297. 
ern 291. 
oll 589. 
Bollern 201. 
Zweifel 44. 421. 
Zweilampf 321. 
Zwerge 35. 52. 57. 258. 373. 416. 
444. 450. 
wieſelgeſtalt 510. 
wölf Diänner 162. 215. 
Zmwölften 216. 223. 228. 398. 620. 


576. 
Bwölfgahl 169. 173. 175. 879. 


T Bonn, Drud von Carl Georgi 


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